BBergG Bundesberggesetz: Kommentar [3., vollständig neu bearb. Auflage] 9783110709285, 9783110709209

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BBergG Bundesberggesetz: Kommentar [3., vollständig neu bearb. Auflage]
 9783110709285, 9783110709209

Table of contents :
Verzeichnis der Bearbeiter der 13. Auflage
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Gesamtdarstellungen zum Bergrecht: I. Gesamtdarstellungen zum Bergrecht vor dem Bundesberggesetz
Gesamtdarstellungen zum Bergrecht: II. Gesamtdarstellungen zum Bundesberggesetz und III. Zeitschriften zum Bundesberggesetz
Schrifttum und abgekürzt zitierte Literatur
Einleitung
ERSTER TEIL Einleitende Bestimmungen
§ 1 Zweck des Gesetzes
§ 2 Sachlicher und räumlicher Geltungsbereich
§ 3 Bergfreie und grundeigene Bodenschätze
§ 4 Begriffsbestimmungen
§ 5 Anwendung des Verwaltungsverfahrensgesetzes
§ 5a Öffentliche Bekanntgabe
ZWEITER TEIL Bergbauberechtigungen
ERSTES KAPITEL Bergfreie Bodenschätze
ERSTER ABSCHNITT Erlaubnis, Bewilligung, Bergwerkseigentum
Schrifttum zu den §§ 6 bis 23
§ 6 Grundsatz
§ 7 Erlaubnis
§ 8 Bewilligung
§ 9 Bergwerkseigentum
§ 10 Antrag
§ 11 Versagung der Erlaubnis
§ 12 Versagung der Bewilligung
§ 13 Versagung der Verleihung von Bergwerkseigentum
§ 14 Vorrang
§ 15 Beteiligung anderer Behörden
§ 16 Form, Inhalt und Nebenbestimmungen
§ 17 Entstehung des Bergwerkseigentums
§ 18 Widerruf
§ 19 Aufhebung der Erlaubnis und Bewilligung
§ 20 Aufhebung von Bergwerkseigentum
§ 21 Beteiligung an der Aufsuchung
§ 22 Übertragung und Übergang der Erlaubnis und Bewilligung
§ 23 Veräußerung von Bergwerkseigentum
ZWEITER ABSCHNITT Vereinigung, Teilung und Austausch von Bergwerkseigentum
§ 24 Zulässigkeit der Vereinigung und § 25 Voraussetzungen der Vereinigung
§ 26 Genehmigung der Vereinigung, Berechtsamsurkunde und § 27 Wirkung der Vereinigung
§ 28 Teilung
§ 29 Austausch
DRITTER ABSCHNITT Feldes- und Förderabgabe
Vorbemerkungen zu den §§ 30 bis 32
§ 30 Feldesabgabe
§ 31 Förderabgabe
§ 32 Feststellung, Erhebung und Änderung der Feldes- und Förderabgabe
VIERTER ABSCHNITT Fundanzeige
§ 33 Anzeige und Entschädigung
ZWEITES KAPITEL Grundeigene Bodenschätze
§ 34 Inhalt der Befugnis zur Aufsuchung und Gewinnung grundeigener Bodenschätze
DRITTES KAPITEL Zulegung
Schrifttum und § 35 Voraussetzungen
§ 36 Verfahren
§ 37 Entschädigung
§ 38 Inhalt der Zulegung, Aufhebung, Förderabgabe
DRITTER TEIL Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung
ERSTES KAPITEL Allgemeine Vorschriften über die Aufsuchung und Gewinnung
ERSTER ABSCHNITT Aufsuchung
Schrifttum zu den §§ 39 bis 41 und § 39 Einigung mit dem Grundeigentümer, Zustimmung anderer Behörden, Entschädigung
§ 40 Streitentscheidung
§ 41 Gewinnung von Bodenschätzen bei der Aufsuchung
ZWEITER ABSCHNITT Gewinnung
§ 42 Mitgewinnung von Bodenschätzen bei der Gewinnung bergfreier Bodenschätze
§ 43 Mitgewinnung von Bodenschätzen bei der Gewinnung grundeigener Bodenschätze
§ 44 Hilfsbaurecht
§ 45 Mitgewinnung von Bodenschätzen bei Anlegung von Hilfsbauen
§ 46 Hilfsbau bei Bergwerkseigentum
§ 47 Benutzung fremder Grubenbaue
DRITTER ABSCHNITT Verbote und Beschränkungen
§ 48 Allgemeine Verbote und Beschränkungen
Anhang zu § 48 Außerbergrechtliche Rechtsvorschriften im Überblick
§ 49 Beschränkung der Aufsuchung auf dem Festlandsockel und innerhalb der Küstengewässer
ZWEITES KAPITEL Anzeige, Betriebsplan
Vorbemerkungen zu den §§ 50 bis 57e
§ 50 Anzeige
§ 51 Betriebsplanpflicht
§ 52 Betriebspläne für die Errichtung und Führung des Betriebes
§ 53 Betriebsplan für die Einstellung des Betriebes, Betriebschronik
§ 54 Zulassungsverfahren
§ 55 Zulassung des Betriebsplanes
§ 56 Form und Inhalt der Zulassung, Sicherheitsleistung
§ 57 Abweichungen von einem zugelassenen Betriebsplan
§ 57a Planfeststellungsverfahren, Umweltverträglichkeitsprüfung
§ 57b Vorzeitiger Beginn, Vorbescheide, Teilgenehmigungen, Vorrang
§ 57c Verordnungsermächtigung
Anhang zu § 57c UVP-V Bergbau
§ 1 Vorhaben
§ 2 Angaben im UVP-Bericht
§ 3 (aufgehoben)
§ 4 Übergangsvorschrift
§ 5 Inkrafttreten
§ 57d Zulassungsverfahren für störfallrelevante Vorhaben
§ 57e Verfahren im Zusammenhang mit Vorhaben zur Erzeugung von Energie aus erneuerbaren Quellen
DRITTES KAPITEL Verantwortliche Personen
Vorbemerkungen zu den §§ 58 bis 62
§ 58 Personenkreis
§ 59 Beschäftigung verantwortlicher Personen
§ 60 Form der Bestellung und Abberufung verantwortlicher Personen, Namhaftmachung
§ 61 Allgemeine Pflichten
§ 62 Übertragbarkeit bestimmter Pflichten und Befugnisse
VIERTES KAPITEL Sonstige Bestimmungen für den Betrieb
§ 63 Rißwerk
§ 64 Markscheider
VIERTER TEIL Ermächtigungen zum Erlass von Bergverordnungen
Vorbemerkungen zu den §§ 65 bis 68
§ 65 Anzeige, Genehmigung, allgemeine Zulassung, Prüfung
§ 66 Schutzmaßnahmen, Wiedernutzbarmachung, Fachkunde
§ 67 Technische und statistische Unterlagen, Markscheidewesen
§ 68 Erlaß von Bergverordnungen
FÜNFTER TEIL Bergaufsicht
Schrifttum zu den §§ 69 bis 74 und § 69 Allgemeine Aufsicht
§ 70 Allgemeine Aufsichtsbefugnisse, Auskunfts- und Duldungspflichten
§ 71 Allgemeine Anordnungsbefugnis
§ 72 Verhinderung unerlaubter Tätigkeiten, Sicherstellung
§ 73 Untersagung der Beschäftigung verantwortlicher Personen
§ 74 Hilfeleistung, Anzeigepflicht
SECHSTER TEIL Berechtsamsbuch, Berechtsamskarte
§ 75 Anlegung und Führung des Berechtsamsbuchs und der Berechtsamskarte
§ 76 Einsicht
SIEBENTER TEIL Bergbau und Grundbesitz, öffentliche Verkehrsanlagen
ERSTES KAPITEL Grundabtretung
ERSTER ABSCHNITT Zulässigkeit und Voraussetzungen der Grundabtretung
Vorbemerkungen zu den §§ 77 bis 106
§ 77 Zweck der Grundabtretung
§ 78 Gegenstand der Grundabtretung
§ 79 Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Grundabtretung
§ 80 Grundabtretungsbegünstigter und -pflichtiger
§ 81 Umfang der Grundabtretung
§ 82 Ausdehnung der Grundabtretung
§ 83 Sinngemäße Anwendung von Vorschriften
ZWEITER ABSCHNITT Entschädigung
§ 84 Entschädigungsgrundsätze
§ 85 Entschädigung für den Rechtsverlust
§ 86 Entschädigung für andere Vermögensnachteile, Mitverschulden
§ 87 Behandlung der Rechte der Nebenberechtigten
§ 88 Schuldübergang bei Entziehung des Eigentums an Grundstücken
§ 89 Entschädigungsleistung
§ 90 Wertänderungen, Veränderungen, Begründung neuer Rechtsverhältnisse
DRITTER ABSCHNITT Vorabentscheidung, Ausführung und Rückgängigmachen der Grundabtretung
§ 91 Vorabentscheidung
§ 92 Ausführung der Grundabtretung
§ 93 Hinterlegung
§ 94 Geltendmachung der Rechte an der Hinterlegung, Verteilungsverfahren
§ 95 Lauf der Verwendungsfrist
§ 96 Aufhebung der Grundabtretung
VIERTER ABSCHNITT Vorzeitige Besitzeinweisung
§ 97 Voraussetzungen
§ 98 Besitzeinweisungsentschädigung
§ 99 Zustandsfeststellung
§ 100 Wirksamwerden und Rechtsfolgen der vorzeitigen Besitzeinweisung, Sicherheitsleistung
§ 101 Aufhebung und Änderung der vorzeitigen Besitzeinweisung
§ 102 Entschädigung bei Aufhebung oder Änderung der vorzeitigen Besitzeinweisung
FÜNFTER ABSCHNITT Kosten, Zwangsvollstreckung, Verfahren
§ 103 Kosten
§ 104 Vollstreckbarer Titel
§ 105 Verfahren
§ 106 Benachrichtigungen
ZWEITES KAPITEL Baubeschränkungen
§ 107 Festsetzung von Baubeschränkungsgebieten
§ 108 Wirkung der Festsetzung
§ 109 Entschädigung
DRITTES KAPITEL Bergschaden
Vorbemerkungen zu den §§ 110 bis 125
ERSTER ABSCHNITT Anpassung
§ 110 Anpassungspflicht
§ 111 Sicherungsmaßnahmen
§ 112 Verlust des Ersatzanspruchs
§ 113 Bauwarnung
ZWEITER ABSCHNITT Haftung für Bergschäden
ERSTER UNTERABSCHNITT Allgemeine Bestimmungen
§ 114 Bergschaden
§ 115 Ersatzpflicht des Unternehmers
§ 116 Ersatzpflicht des Bergbauberechtigten
§ 117 Umfang der Ersatzpflicht, Verjährung, Rechte Dritter
§ 118 Mitwirkendes Verschulden
§ 119 Mitwirkung eines Dritten
§ 120 Bergschadensvermutung
§ 121 Verhältnis zu anderen Vorschriften
ZWEITER UNTERABSCHNITT Bergschadensausfallkasse
§ 122 Ermächtigung Bergschadensausfallkasse
§ 123 Durchführungsverordnung
DRITTER ABSCHNITT Bergbau und öffentliche Verkehrsanlagen
§ 124 Öffentliche Verkehrsanlagen
VIERTER ABSCHNITT Beobachtung der Oberfläche
§ 125 Messungen
Anhang: Auszug aus der Markscheider Bergverordnung
ACHTER TEIL Sonstige Tätigkeiten und Einrichtungen
§ 126 Untergrundspeicherung
§ 127 Bohrungen
§ 128 Alte Halden
§ 129 Versuchsgruben, Bergbauversuchsanstalten
§ 130 Hohlraumbauten
NEUNTER TEIL Besondere Vorschriften für den Festlandsockel
Vorbemerkungen zu den §§ 132 bis 137
§ 132 Forschungshandlungen
§ 133 Unterwasserkabel und Transit-Rohrleitungen
§ 134 Überwachung und Vollziehung von Verwaltungsakten, Zusammenwirken
§ 135 (weggefallen) und § 136 Zuständigkeiten für sonstige Verwaltungsaufgaben
§ 137 Übergangsregelung
ZEHNTER TEIL Bundesprüfanstalt, Sachverständigenausschuß, Durchführung
ERSTES KAPITEL Bundesprüfanstalt für den Bergbau
§ 138 Errichtung
§ 139 Aufgaben
§ 140 Inanspruchnahme, Gebühren
ZWEITES KAPITEL Sachverständigenausschuß, Durchführung
§ 141 Sachverständigenausschuß Bergbau
§ 142 Zuständige Behörden
§ 143 Verwaltungsvorschriften
ELFTER TEIL Rechtsweg, Bußgeld- und Strafvorschriften
§ 144 Klage vor den ordentlichen Gerichten
§ 145 Ordnungswidrigkeiten
§ 146 Straftaten
§ 147 Erforschung von Straftaten
§ 148 Tatort, Gerichtsstand
ZWÖLFTER TEIL Übergangs- und Schlußbestimmungen
ERSTES KAPITEL Alte Rechte und Verträge
Schrifttum
§ 149 Voraussetzungen für die Aufrechterhaltung alter Rechte und Verträge
§ 150 Ausnahme von der Bergfreiheit von Bodenschätzen und § 151 Bergwerkseigentum
§ 152 Aufrechterhaltene Rechte und Verträge zur Aufsuchung, Forschungshandlungen
§ 155 Dingliche Gewinnungsrechte und § 156 Aufrechterhaltene Rechte und Verträge über grundeigene Bodenschätze und § 157 Grundrenten
§ 158 Erbstollengerechtigkeiten und § 159 Alte Rechte und Aufsuchung zu wissenschaftlichen Zwecken und § § 160 Enteignung alter Rechte und Verträge
§ 161 Ausdehnung von Bergwerkseigentum auf aufgehobene Längenfelder und § 162 Entscheidung, Rechtsänderung
ZWEITES KAPITEL Auflösung und Abwicklung der bergrechtlichen Gewerkschaften
DRITTES KAPITEL Sonstige Übergangs- und Schlußvorschriften
Anhang
Sachregister

Citation preview

Kühne/von Hammerstein/Keienburg/Kappes/Wiesendahl Bundesberggesetz (BBergG) De Gruyter Kommentar

Kühne/von Hammerstein/Keienburg/ Kappes/Wiesendahl

Bundesberggesetz (BBergG) Kommentar 3. Auflage begründet von Gerhard Boldt und Herbert Weller fortgeführt von Gunther Kühne, Fritz von Hammerstein, Bettina Keienburg, Christiane Kappes und Stefan Wiesendahl

Zitiervorschlag: z.B.: Franke/Karrenstein, in: Kühne/von Hammerstein/Keienburg/Kappes/Wiesendahl, BBergG, 3. A., § 36 Rn. 15

Bearbeiter: §§ 6–15, 35–47, 149–162, 171–178: Peter Franke/Fabian Karrenstein §§ 77–83, 91–106: Dominik Greinacher §§ 1, 3, 5, 34, 49, 50–54, 56–57, 132–137: Fritz von Hammerstein §§ 63–64, 75–76, Anhang Einigungsvertrag: Martin Herrmann §§ 33, Anhang zu § 48, 55, 58–62, 122–123, 138–143, 163–169: Christiane Kappes §§ 2, 4, 5a, 57a–57e, Anhang zu § 57c: UVP-V Bergbau, 69–74, 84–90, 107–109, 171a: Bettina Keienburg/Stefan Wiesendahl Einführung, §§ 16–29, 48: Gunther Kühne §§ 30–32, 65–68, 126–131, 144–148: Thomas Mann §§ 110–121, 124–125, 170–170a: Wolfgang Schubert Sachregister: Christian Klie

ISBN 978-3-11-070920-9 e-ISBN (PDF) 978-3-11-070928-5 e-ISBN (E-PUB) 978-3-11-070939-1 Library of Congress Control Number: 2022941769 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2023 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Satz: Meta Systems Publishing & Printservices GmbH, Wustermark Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com

Verzeichnis der Bearbeiter der 13. Auflage Peter Franke, Vizepräsident der Bundesnetzagentur a.D., Münster Dr. Dominik Greinacher, Rechtsanwalt und Partner, GvW Graf von Westphalen, Berlin Dr. Fritz von Hammerstein, Rechtsanwalt und Partner, CMS Hasche Sigle, Hamburg Martin Herrmann, Abteilungsleiter, Sächsisches Oberbergamt, Freiberg Dr. Christiane Kappes, Rechtsanwältin und Partnerin, CMS Hasche Sigle, Hamburg Dr. Fabian Karrenstein, Referatsleiter, Bundesnetzagentur, Bonn Dr. Bettina Keienburg, Rechtsanwältin und Partnerin, Kümmerlein, Rechtsanwälte & Notare, Essen Dr. Gunther Kühne, LL.M. (Columbia University), em. Professor und ehem. Direktor des Instituts für deutsches und internationales Berg- und Energierecht der TU Clausthal (1978–2007), Honorarprofessor an der Georg-August-Universität Göttingen Dr. Thomas Mann, Professor, Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Georg-August-Universität Göttingen, Mitglied im Forschungsbereich „Energierecht“ des Energie-Forschungszentrums Niedersachsen (EFZN) in Goslar Wolfgang Schubert, Rechtsanwalt, Bochum, ehem. Mitglied der Rechtsabteilung der RAG Aktiengesellschaft Dr. Stefan Wiesendahl, Rechtsanwalt und Partner, Kümmerlein, Rechtsanwälte & Notare, Essen

V https://doi.org/10.1515/9783110709285-001

Vorwort Zwischen der ersten und der zweiten Auflage des „Boldt/Weller“ sind gut 30 Jahre vergangen. Der große zeitliche Abstand machte eine weitgehende Neukommentierung erforderlich. Seitdem ist die Rechtsentwicklung nicht stehen geblieben. Das Bundesberggesetz wurde punktuell geändert, um praktischen Bedürfnissen Rechnung zu tragen. Die Gerichte haben die bergrechtlichen Normen weiter konturiert. Während der Steinkohlenbergbau 2018 endgültig ausgelaufen ist, der Ausstieg aus der Braunkohle vorgezeichnet ist und die einheimische Erdgas- und Erdölförderung wegen Erschöpfung der Lagerstätten seit Jahren zurückgeht, bleiben andere Bergbauzweige, wie etwa die Gewinnung von Kali- und Steinsalz sowie von quarzhaltigen Kiesen und Sanden unverändert wichtig oder erleben sogar einen Aufschwung. Die ehrgeizigen Ziele des Klimaschutzgesetzes für den Ausbau der erneuerbaren Energien haben vielfältige Aktivitäten bei der Nutzung von Geothermie ausgelöst. Die Importabhängigkeit bei seltenen Erden und des für die Elektromobilität wichtigen Lithiums sowie moderne Technologien machen die Exploration auf Rohstoffe attraktiv, deren einheimische Produktion bisher als unwirtschaftlich angesehen wurde. Die Ukraine-Krise hat die Notwendigkeit der nationalen Bevorratung mit Erdöl und Erdgas durch Untertagespeicher deutlich gemacht. Speicher werden auch für weitere Energieträger, insbesondere den im Fokus der Klimapolitik stehenden Wasserstoff, gebraucht. Damit treten neue Rechtsfragen auf. All dies hat die Herausgeber und den Verlag bewogen, sieben Jahre nach der zweiten Auflage eine Neuauflage vorzulegen. Im November 2016, wenige Monate nach Erscheinen der Vorauflage, ist Hans-Ulrich von Mäßenhausen im Alter von 68 Jahren verstorben. Hans-Ulrich von Mäßenhausen hatte schon an der 1. Auflage des Boldt/Weller mitgewirkt. Als Mitherausgeber der 2. Auflage des auch nach ihm benannten Boldt/Weller/Kühne/von Mäßenhausen hat er das Kommentarwerk wesentlich mitgeprägt. Er war einer der profiliertesten Experten auf dem Gebiet des Bergrechts. Neben seiner beruflichen Tätigkeit als Mitglied der Geschäftsführung der Wirtschaftsvereinigung Bergbau und später als stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Vereinigung Rohstoffe und Bergbau war ihm die Durchdringung dieses und anderer bergbaunaher Rechtsgebiete ein wichtiges Anliegen. Nach seinem Eintritt in den Ruhestand hat Hans-Ulrich von Mäßenhausen die Schriftleitung der Zeitschrift für Bergrecht übernommen. Bis zu seinem Tod hat er sich mit Charme und Überzeugungskraft dafür eingesetzt, dass in ihren Heften neben den aktuellen Gerichtsentscheidungen auch die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Bergrecht nicht zu kurz kommt. Seinem Anspruch, Wissenschaftlichkeit und Praxisnähe zu verbinden, fühlen wir uns auch bei der Neuauflage des Kommentars verpflichtet. Für die Neuauflage galt es, eine Nachfolge für Hans-Ulrich von Mäßenhausen zu finden. Neben Prof. Dr. Gunther Kühne wurde der Herausgeberkreis erweitert durch Dr. Bettina Keienburg und Dr. Fritz von Hammerstein, die schon an der Vorauflage mitgewirkt hatten sowie Dr. Christiane Kappes und Dr. Stefan Wiesendahl, die auch die bisher von Hans-Ulrich von Mäßenhausen betreuten Kommentierungen übernommen haben. Damit wurde zugleich ein Generationswechsel in die Wege geleitet. Dies und der Umstand, dass die anderen Autoren dem Werk dankenswerterweise treu geblieben sind, stellt die Kontinuität in der Bearbeitung dieses Standardwerks sicher. Die Kommentierung berücksichtigt den Stand von Rechtsprechung und Schrifttum bis Herbst 2022, vereinzelt auch etwas darüber hinaus. Kurz vor Fertigstellung der Druckfahnen erschien mit der Habilitationsschrift von von Weschpfennig, Strukturen des Bergrechts, zum ersten Mal seit Jahrzehnten wieder eine umfangreiche rechtswissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Stand der Dogmatik des Bergrechts. Dieses grundlegende Werk konnte aus Zeitgründen nur noch punktuell berücksichtigt werden. Nach der Kommentierung ist vor der Kommentierung. Die Bundesregierung hat sich für die laufende 20. Legislaturperiode vorgenommen, das Bergrecht zu modernisieren. Der fachliche Austausch zwischen dem federführenden Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz und den Experten aus Wissenschaft, Bergbehörden, Umwelt- und Wirtschaftsverbänden und Anwaltschaft hat bereits VII https://doi.org/10.1515/9783110709285-002

Vorwort

begonnen. Das mehr als 40 Jahre alte Bundesberggesetz hat sich als erstaunlich leistungsfähig und flexibel erwiesen. So ist es mit einer praxisnahen Auslegung des Gesetzes gelungen, den immer weiter steigenden Anforderungen des Umweltrechts im Betriebsplanrecht Rechnung zu tragen. Dennoch ist es sinnvoll, punktuelle Defizite des Gesetzes aufbauend auf dem bewährten Regelungskonzept durch behutsame Anpassungen zu beheben. So käme es der Verständlichkeit und damit Legitimationskraft des Bundesberggesetzes zugute, wenn die Rechtsprechung zu § 48 durch eine klarstellende Regelung in den Gesetzestext überführt würde. Die Instrumente des Betriebsplanrechts lassen sich stringenter und effizienter regeln. Durch eine praxisnähere Definition der Erdwärme würden die bisherigen wenig überzeugenden rechtsdogmatischen Konstruktionen entbehrlich. Auf die zu erwartenden Rechtsänderungen wird auch die Kommentarliteratur zu reagieren haben. Goslar, Hamburg, Essen

Gunther Kühne Fritz von Hammerstein Bettina Keienburg Christiane Kappes Stefan Wiesendahl

VIII

Inhaltsverzeichnis Verzeichnis der Bearbeiter der 13. Auflage V VII Vorwort XVII Abkürzungsverzeichnis XXVII Gesamtdarstellungen zum Bergrecht XXIX Schrifttum und abgekürzt zitierte Literatur Bundesberggesetz (BBergG) 1 Einleitung ERSTER TEIL Einleitende Bestimmungen 23 §1 Zweck des Gesetzes 27 §2 Sachlicher und räumlicher Geltungsbereich 48 §3 Bergfreie und grundeigene Bodenschätze 75 §4 Begriffsbestimmungen §5 Anwendung des Verwaltungsverfahrensgesetzes 101 § 5a Öffentliche Bekanntgabe

99

ZWEITER TEIL Bergbauberechtigungen ERSTES KAPITEL Bergfreie Bodenschätze ERSTER ABSCHNITT Erlaubnis, Bewilligung, Bergwerkseigentum 114 §6 Grundsatz 121 §7 Erlaubnis 126 §8 Bewilligung 136 §9 Bergwerkseigentum 140 § 10 Antrag 142 § 11 Versagung der Erlaubnis 154 § 12 Versagung der Bewilligung 159 § 13 Versagung der Verleihung von Bergwerkseigentum 162 § 14 Vorrang 169 § 15 Beteiligung anderer Behörden 171 § 16 Form, Inhalt und Nebenbestimmungen 183 § 17 Entstehung des Bergwerkseigentums 186 § 18 Widerruf 196 § 19 Aufhebung der Erlaubnis und Bewilligung 198 § 20 Aufhebung von Bergwerkseigentum 202 § 21 Beteiligung an der Aufsuchung § 22 Übertragung und Übergang der Erlaubnis und Bewilligung 209 § 23 Veräußerung von Bergwerkseigentum ZWEITER ABSCHNITT Vereinigung, Teilung und Austausch von Bergwerkseigentum 213 § 24 Zulässigkeit der Vereinigung 213 § 25 Voraussetzungen der Vereinigung § 26 Genehmigung der Vereinigung, Berechtsamsurkunde IX

215

203

Inhaltsverzeichnis

§ 27 § 28 § 29

Wirkung der Vereinigung 216 Teilung 218 Austausch

215

DRITTER ABSCHNITT Feldes- und Förderabgabe 220 Vorbemerkungen zu den §§ 30 bis 32 227 § 30 Feldesabgabe 230 § 31 Förderabgabe § 32 Feststellung, Erhebung und Änderung der Feldes- und Förderabgabe VIERTER ABSCHNITT Fundanzeige § 33 Anzeige und Entschädigung

239

244

ZWEITES KAPITEL Grundeigene Bodenschätze § 34 Inhalt der Befugnis zur Aufsuchung und Gewinnung grundeigener Boden246 schätze DRITTES KAPITEL Zulegung 249 § 35 Voraussetzungen 260 § 36 Verfahren 264 § 37 Entschädigung § 38 Inhalt der Zulegung, Aufhebung, Förderabgabe

266

DRITTER TEIL Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung ERSTES KAPITEL Allgemeine Vorschriften über die Aufsuchung und Gewinnung ERSTER ABSCHNITT Aufsuchung § 39 Einigung mit dem Grundeigentümer, Zustimmung anderer Behörden, Entschädi271 gung 278 § 40 Streitentscheidung 283 § 41 Gewinnung von Bodenschätzen bei der Aufsuchung ZWEITER ABSCHNITT Gewinnung § 42 Mitgewinnung von Bodenschätzen bei der Gewinnung bergfreier Boden285 schätze § 43 Mitgewinnung von Bodenschätzen bei der Gewinnung grundeigener Boden295 schätze 296 § 44 Hilfsbaurecht 301 § 45 Mitgewinnung von Bodenschätzen bei Anlegung von Hilfsbauen 302 § 46 Hilfsbau bei Bergwerkseigentum 303 § 47 Benutzung fremder Grubenbaue

X

Inhaltsverzeichnis

DRITTER ABSCHNITT Verbote und Beschränkungen 308 § 48 Allgemeine Verbote und Beschränkungen 340 Anhang zu § 48 Außerbergrechtliche Rechtsvorschriften im Überblick § 49 Beschränkung der Aufsuchung auf dem Festlandsockel und innerhalb der Küstengewäs442 ser ZWEITES KAPITEL Anzeige, Betriebsplan 445 Vorbemerkungen zu den §§ 50 bis 57e 465 § 50 Anzeige 468 § 51 Betriebsplanpflicht 472 § 52 Betriebspläne für die Errichtung und Führung des Betriebes 507 § 53 Betriebsplan für die Einstellung des Betriebes, Betriebschronik 518 § 54 Zulassungsverfahren 534 § 55 Zulassung des Betriebsplanes 594 § 56 Form und Inhalt der Zulassung, Sicherheitsleistung 614 § 57 Abweichungen von einem zugelassenen Betriebsplan 617 § 57a Planfeststellungsverfahren, Umweltverträglichkeitsprüfung 660 § 57b Vorzeitiger Beginn, Vorbescheide, Teilgenehmigungen, Vorrang 692 § 57c Verordnungsermächtigung 693 Anhang zu § 57c UVP-V Bergbau 693 Vorbemerkungen 708 §1 Vorhaben 748 §2 Angaben im UVP-Bericht 750 §3 (aufgehoben) 751 §4 Übergangsvorschrift 753 §5 Inkrafttreten 754 § 57d Zulassungsverfahren für störfallrelevante Vorhaben § 57e Verfahren im Zusammenhang mit Vorhaben zur Erzeugung von Energie aus erneuerba769 ren Quellen DRITTES KAPITEL Verantwortliche Personen 776 Vorbemerkungen zu den §§ 58 bis 62 778 § 58 Personenkreis 786 § 59 Beschäftigung verantwortlicher Personen § 60 Form der Bestellung und Abberufung verantwortlicher Personen, Namhaftma792 chung 795 § 61 Allgemeine Pflichten 799 § 62 Übertragbarkeit bestimmter Pflichten und Befugnisse VIERTES KAPITEL Sonstige Bestimmungen für den Betrieb 802 § 63 Rißwerk 815 § 64 Markscheider VIERTER TEIL Ermächtigungen zum Erlass von Bergverordnungen 823 Vorbemerkungen zu den §§ 65 bis 68 § 65 Anzeige, Genehmigung, allgemeine Zulassung, Prüfung § 66 Schutzmaßnahmen, Wiedernutzbarmachung, Fachkunde XI

836 840

Inhaltsverzeichnis

§ 67 § 68

Technische und statistische Unterlagen, Markscheidewesen 853 Erlaß von Bergverordnungen

849

FÜNFTER TEIL Bergaufsicht 863 § 69 Allgemeine Aufsicht § 70 Allgemeine Aufsichtsbefugnisse, Auskunfts- und Duldungspflichten 892 § 71 Allgemeine Anordnungsbefugnis 900 § 72 Verhinderung unerlaubter Tätigkeiten, Sicherstellung 906 § 73 Untersagung der Beschäftigung verantwortlicher Personen 912 § 74 Hilfeleistung, Anzeigepflicht

882

SECHSTER TEIL Berechtsamsbuch, Berechtsamskarte § 75 Anlegung und Führung des Berechtsamsbuchs und der Berechtsamskarte 922 § 76 Einsicht

919

SIEBENTER TEIL Bergbau und Grundbesitz, öffentliche Verkehrsanlagen ERSTES KAPITEL Grundabtretung ERSTER ABSCHNITT Zulässigkeit und Voraussetzungen der Grundabtretung 931 Vorbemerkungen zu den §§ 77 bis 106 938 § 77 Zweck der Grundabtretung 950 § 78 Gegenstand der Grundabtretung § 79 Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Grundabtretung 966 § 80 Grundabtretungsbegünstigter und -pflichtiger 967 § 81 Umfang der Grundabtretung 974 § 82 Ausdehnung der Grundabtretung 978 § 83 Sinngemäße Anwendung von Vorschriften

952

ZWEITER ABSCHNITT Entschädigung 980 § 84 Entschädigungsgrundsätze 986 § 85 Entschädigung für den Rechtsverlust 995 § 86 Entschädigung für andere Vermögensnachteile, Mitverschulden 1002 § 87 Behandlung der Rechte der Nebenberechtigten 1007 § 88 Schuldübergang bei Entziehung des Eigentums an Grundstücken 1008 § 89 Entschädigungsleistung § 90 Wertänderungen, Veränderungen, Begründung neuer Rechtsverhältnisse DRITTER ABSCHNITT Vorabentscheidung, Ausführung und Rückgängigmachen der Grundabtretung 1027 § 91 Vorabentscheidung 1029 § 92 Ausführung der Grundabtretung 1033 § 93 Hinterlegung § 94 Geltendmachung der Rechte an der Hinterlegung, Verteilungsverfahren

1014

1035

XII

Inhaltsverzeichnis

§ 95 § 96

Lauf der Verwendungsfrist 1039 1042 Aufhebung der Grundabtretung

VIERTER ABSCHNITT Vorzeitige Besitzeinweisung 1047 § 97 Voraussetzungen 1051 § 98 Besitzeinweisungsentschädigung 1052 § 99 Zustandsfeststellung § 100 Wirksamwerden und Rechtsfolgen der vorzeitigen Besitzeinweisung, Sicherheitsleis1054 tung 1056 § 101 Aufhebung und Änderung der vorzeitigen Besitzeinweisung § 102 Entschädigung bei Aufhebung oder Änderung der vorzeitigen Besitzeinwei1059 sung FÜNFTER ABSCHNITT Kosten, Zwangsvollstreckung, Verfahren 1062 § 103 Kosten 1063 § 104 Vollstreckbarer Titel 1065 § 105 Verfahren 1069 § 106 Benachrichtigungen ZWEITES KAPITEL Baubeschränkungen § 107 Festsetzung von Baubeschränkungsgebieten 1074 § 108 Wirkung der Festsetzung 1079 § 109 Entschädigung DRITTES KAPITEL Bergschaden Vorbemerkungen zu den §§ 110 bis 125

1071

1086

ERSTER ABSCHNITT Anpassung 1103 § 110 Anpassungspflicht 1120 § 111 Sicherungsmaßnahmen 1126 § 112 Verlust des Ersatzanspruchs 1131 § 113 Bauwarnung ZWEITER ABSCHNITT Haftung für Bergschäden ERSTER UNTERABSCHNITT Allgemeine Bestimmungen 1138 § 114 Bergschaden 1160 § 115 Ersatzpflicht des Unternehmers 1165 § 116 Ersatzpflicht des Bergbauberechtigten § 117 Umfang der Ersatzpflicht, Verjährung, Rechte Dritter 1204 § 118 Mitwirkendes Verschulden 1208 § 119 Mitwirkung eines Dritten 1211 § 120 Bergschadensvermutung 1222 § 121 Verhältnis zu anderen Vorschriften

XIII

1168

Inhaltsverzeichnis

ZWEITER UNTERABSCHNITT Bergschadensausfallkasse § 122 Ermächtigung Bergschadensausfallkasse 1236 § 123 Durchführungsverordnung

1232

DRITTER ABSCHNITT Bergbau und öffentliche Verkehrsanlagen 1237 § 124 Öffentliche Verkehrsanlagen VIERTER ABSCHNITT Beobachtung der Oberfläche 1251 § 125 Messungen Anhang: Auszug aus der Markscheider Bergverordnung ACHTER TEIL Sonstige Tätigkeiten und Einrichtungen 1257 § 126 Untergrundspeicherung 1282 § 127 Bohrungen 1286 § 128 Alte Halden § 129 Versuchsgruben, Bergbauversuchsanstalten 1295 § 130 Hohlraumbauten § 131 Hauptstellen für das Grubenrettungswesen

1255

1291 1295

NEUNTER TEIL Besondere Vorschriften für den Festlandsockel 1301 Vorbemerkungen zu den §§ 132 bis 137 1302 § 132 Forschungshandlungen 1315 § 133 Unterwasserkabel und Transit-Rohrleitungen § 134 Überwachung und Vollziehung von Verwaltungsakten, Zusammenwirken 1325 § 135 (weggefallen) 1325 § 136 Zuständigkeiten für sonstige Verwaltungsaufgaben 1326 § 137 Übergangsregelung

1323

ZEHNTER TEIL Bundesprüfanstalt, Sachverständigenausschuß, Durchführung ERSTES KAPITEL Bundesprüfanstalt für den Bergbau 1329 § 138 Errichtung 1330 § 139 Aufgaben § 140 Inanspruchnahme, Gebühren

1331

ZWEITES KAPITEL Sachverständigenausschuß, Durchführung § 141 Sachverständigenausschuß Bergbau 1333 § 142 Zuständige Behörden 1337 § 143 Verwaltungsvorschriften ELFTER TEIL Rechtsweg, Bußgeld- und Strafvorschriften § 144 Klage vor den ordentlichen Gerichten 1342 § 145 Ordnungswidrigkeiten

1332

1341

XIV

Inhaltsverzeichnis

§ 146 § 147 § 148

Straftaten 1347 1351 Erforschung von Straftaten 1352 Tatort, Gerichtsstand

ZWÖLFTER TEIL Übergangs- und Schlußbestimmungen ERSTES KAPITEL Alte Rechte und Verträge 1355 Zusammenfassende Bemerkungen zu den §§ 149 bis 162 1358 § 149 Voraussetzungen für die Aufrechterhaltung alter Rechte und Verträge 1360 § 150 Ausnahme von der Bergfreiheit von Bodenschätzen 1360 § 151 Bergwerkseigentum § 152 Aufrechterhaltene Rechte und Verträge zur Aufsuchung, Forschungshandlun1361 gen 1361 § 153 Konzessionen, Erlaubnisse und Verträge zur Gewinnung 1361 § 154 Bergwerke, Bergwerksberechtigungen und Sonderrechte 1362 § 155 Dingliche Gewinnungsrechte 1362 § 156 Aufrechterhaltene Rechte und Verträge über grundeigene Bodenschätze 1362 § 157 Grundrenten 1363 § 158 Erbstollengerechtigkeiten 1363 § 159 Alte Rechte und Aufsuchung zu wissenschaftlichen Zwecken 1363 § 160 Enteignung alter Rechte und Verträge 1364 § 161 Ausdehnung von Bergwerkseigentum auf aufgehobene Längenfelder 1364 § 162 Entscheidung, Rechtsänderung ZWEITES KAPITEL Auflösung und Abwicklung der bergrechtlichen Gewerkschaften 1365 Zusammenfassende Bemerkungen zu den §§ 163 bis 165 1366 § 163 Auflösung und Umwandlung 1367 § 164 Abwicklung 1368 § 164a Überleitung 1368 § 165 Fortgeltendes Recht DRITTES KAPITEL Sonstige Übergangs- und Schlußvorschriften 1369 § 166 Bestehende Hilfsbaue 1369 § 167 Fortgeltung von Betriebsplänen und Anerkennungen 1371 § 168 Erlaubnisse für Transit-Rohrleitungen 1371 § 168a Genehmigungen im Bereich der Erweiterung des Küstenmeeres 1371 § 168b Vorhandene Unterwasserkabel § 169 Übergangszeit bei Unterstellung unter die Bergaufsicht, eingestellte Betriebe 1374 § 170 Haftung für verursachte Schäden 1378 § 170a Verjährung bei Bergschäden 1380 § 171 Eingeleitete Verfahren 1380 § 171a Übergangsvorschrift 1384 § 172 Mutungen 1384 § 173 Zusammenhängende Betriebe 1385 § 174 Änderungen von Bundesgesetzen 1386 § 175 Außerkrafttreten von Bundesrecht

XV

1372

Inhaltsverzeichnis

§ 176 § 177 § 178

Außerkrafttreten von Landesrecht, Verweisung 1396 (weggefallen) 1396 Inkrafttreten

1387

Anhang Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands – Einigungsvertrag – vom 31. August 1990 1403 (BGBl. II S. 889) Sachregister

1451

XVI

Abkürzungsverzeichnis 1. DVO-BG-DDR 12. BImSchV 3. DVO-BG-DDR 3R 4. BImSchV 5. BImSchV

Erste Durchführungsverordnung zum Berggesetz der Deutschen Demokratischen Republik Störfall-Verordnung Dritte Durchführungsverordnung zum Berggesetz der Deutschen Demokratischen Republik 3R – Fachzeitschrift für sichere und effiziente Rohrleitungssysteme Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen Verordnung über Immissionsschutz- und Störfallbeauftragte

a.A. a.F. ABBergV AbfallR AbfG ABG ABG Hess ABG NRW abgedr. Abgrabungsgesetz NRW ABl. EU Abs. Abschn. abw. AcP AEG AEUV AG AktG ALR Alt. AMG Amtl. Anz. amtl. Begr. Amtsbl. Schl.-H. Anl. Anm. AnwBl. AöR AO-StB ArbSchG ArbstättV Arch d. Völkerrechts Art. ASi-BVO LSA AtG AtVfV atw Aufl. AusfG-SRÜ AWZ AWZ Nordsee-ROV

andere(r) Ansicht alte Fassung Allgemeine Bundesbergverordnung Zeitschrift für das Recht der Abfallwirtschaft Abfallgesetz Allgemeines Berggesetz für die Preußischen Staaten Allgemeines Berggesetz für das Land Hessen Allgemeines Berggesetz Nordrhein-Westfalen abgedruckt Gesetz zur Ordnung von Abgrabungen Nordrhein-Westfalen

AWZ Ostsee-ROV

Amtsblatt der Europäischen Union Absatz bzw. Absätze Abschnitt abweichend(e) Archiv für die civilistische Praxis Allgemeines Eisenbahngesetz Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union Aktiengesellschaft, auch Amtsgericht Aktiengesetz Allgemeines Landrecht für die preußischen Staaten Alternative Arzneimittelgesetz Amtlicher Anzeiger amtliche Begründung Amtsblatt Schleswig-Holstein Anlage Anmerkung Anwaltsblatt Archiv des öffentlichen Rechts Der AO-Steuerberater Arbeitsschutzgesetz Arbeitsstätten-Verordnung Archiv des Völkerrechts Artikel Arbeitssicherheitliche und betriebsärztliche Bergverordnung Sachsen-Anhalt Atomgesetz Verordnung über das Verfahren bei der Genehmigung von Anlagen nach § 7 des Atomgesetzes Internationale Zeitschrift für Kernenergie Auflage Gesetz zur Ausführung des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen ausschließliche Wirtschaftszone Verordnung über die Raumordnung in der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone in der Nordsee Verordnung über die Raumordnung in der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone in der Ostsee

XVII https://doi.org/10.1515/9783110709285-004

Abkürzungsverzeichnis

BAG BASE BaubeschränkungsVO BauGB BauO NRW BauR BayAbgrG BayBergG BayBergV BayLPlG BayRS BayVBl BayVwVfG BB BBergG BBergG-ÄndG BBergGZuVO B-W BBergGZuVO M-V BbgBauAV BbgFördAV BbgLPlG BbgVerfG BbgWG BBodSchG BBodSchV BefristungsÄndGIM Begr. BergASiV SH Bergbau-VersuchsstreckenV BergbehördV BY BergG BergrechtsZuständigkeitsverordnung S-H BergZAV Hess. BetrSichV BetrVG BeurkG BewG BFH BFHE BfS BG DDR BGB BGB a.F. BGBl. BGebG BGH BGHZ BImSchG BImSchV

Bundesarbeitsgericht Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung Verordnung über Baubeschränkungen zur Sicherung der Gewinnung von Bodenschätzen Baugesetzbuch Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen Zeitschrift für Baurecht Bayerisches Abgrabungsgesetz Bayerisches Berggesetz Bayerische Bergverordnung Bayerisches Landesplanungsgesetz Bayerische Rechtssammlung Bayerische Verwaltungsblätter Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz Betriebs-Berater Bundesberggesetz Gesetz zur Änderung des Bundesberggesetzes Verordnung der Landesregierung über die Bestimmung der zuständigen Behörden nach dem Bundesberggesetz Baden-Württemberg Verordnung über die Bestimmung der zuständigen Behörden für die Ausführung des Bundesberggesetzes Mecklenburg-Vorpommern Verordnung über bauaufsichtliche Anforderungen an Abgrabungen und Aufschüttungen im Land Brandenburg Brandenburgische Förderabgabeverordnung Brandenburgisches Landesplanungsgesetz Brandenburgisches Verfassungsgericht Brandenburgisches Wassergesetz Bundes-Bodenschutzgesetz Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung Gesetz zur Änderung der gesetzlichen Befristung im Zuständigkeitsbereich des Innenministeriums Begründung Bergverordnung über den arbeitssicherheitlichen und den betriebsärztlichen Dienst Schleswig-Holstein Verordnung über die Anwendung von Vorschriften des Bundesberggesetzes auf die BergbauVersuchsstrecke Verordnung über Organisation und Zuständigkeiten der Bergbehörden Bayern Berggesetz Landesverordnung über die zuständigen Behörden nach dem Bundesberggesetz Schleswig-Holstein

Bergrechtliche Zuständigkeits- und Anerkennungsverordnung Hessen Betriebssicherheitsverordnung Betriebsverfassungsgesetz Beurkundungsgesetz Bewertungsgesetz Bundesfinanzhof Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bundesamt für Strahlenschutz Berggesetz der Deutschen Demokratischen Republik Bürgerliches Gesetzbuch Bürgerliches Gesetzbuch in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung Bundesgesetzblatt Bundesgebührengesetz Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen Bundes-Immissionsschutzgesetz Verordnung zur Durchführung des Bundesimmissionsschutzgesetzes

XVIII

Abkürzungsverzeichnis

BinSchG BJagdG Bln BMU BMWi BMWK BNatSchG BodSchVereinhG BR Brb BRD BR-Drs. BremFördAV BRS BRV BSH BSHGebV BT BT-Drs. BT-WiA Buchst. BVerfG BVerfGE BVerwG BVerwGE BVOASi BVOBr NRW BVOESSE NRW

B-W BWaldG BWaStrG BWE-VO BY bzw.

Binnenschiffahrtsgesetz Bundesjagdgesetz Berlin Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz Bundesnaturschutzgesetz Gesetz zur Vereinheitlichung der Rechtsverhältnisse bei Bodenschätzen Bundesrat Brandenburg Bundesrepublik Deutschland Bundesratsdrucksache Bremische Verordnung über die Feldes- und Förderabgabe Baurechtssammlung Berliner Rahmenvertrag Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie Gebührenverordnung für Amtshandlungen des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie Bundestag Bundestagsdrucksache Bundestags-Wirtschaftsausschuss Buchstabe(n) Bundesverfassungsgericht Sammlung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverwaltungsgericht Sammlung der Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Bergverordnung über den arbeitssicherheitlichen und den betriebsärztlichen Dienst Bergverordnung für Braunkohlenbergwerke Nordrhein-Westfalen Bergverordnung für die Erzbergwerke, Steinsalzbergwerke und für die Steine- und Erden-Betriebe Nordrhein-Westfalen Bergverordnung für Schacht- und Schrägförderanlagen Nordrhein-Westfalen Bergverordnung für die Steinkohlenbergwerke Nordrhein-Westfalen Bergverordnung für Tiefbohrungen, Untergrundspeicher und für die Gewinnung von Bodenschätzen durch Bohrungen im Land Nordrhein-Westfalen Baden-Württemberg Bundeswaldgesetz Bundeswasserstraßengesetz Verordnung über die Verleihung von Bergwerkseigentum Bayern beziehungsweise

ChemG ChemVerbotV CO2

Chemikaliengesetz Chemikalien-Verbotsverordnung Kohlendioxid

d.h. DAR dass. DB dB DDR DDR-ZGB DepV Diss. DÖV Drs. DS

das heißt Deutsches Autorecht dasselbe Der Betrieb Dezibel Deutsche Demokratische Republik Zivilgesetzbuch der Deutschen Demokratischen Republik Deponieverordnung Dissertation Die Öffentliche Verwaltung Drucksache Der Sachverständige

BVOS NRW BVOSt NRW BVOT NRW

XIX

Abkürzungsverzeichnis

DSchG DtZ DV DVBl DWDS

Denkmalschutzgesetz Deutsch-Deutsche Rechtszeitschrift Durchführungsverordnung Deutsches Verwaltungsblatt Digitales Wörterbuch der Deutschen Sprache

e.G. e.V. EEG EEG NRW EEWärmeG EFG EG EGBGB Einl. EinwirkungsBergV ElZulBergV EntGBbg EntgFG EnWG EnWZ ErbbauRG ErdölBefG etc. EU EuGH EurUP EuZW EV EWG EWS

eingetragene Genossenschaft eingetragener Verein Erneuerbare-Energien-Gesetz Landesenteignungs- und -entschädigungsgesetz Nordrhein-Westfalen Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz Entscheidungen der Finanzgerichte Europäische Gemeinschaft Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche Einleitung Bergverordnung über Einwirkungsbereiche Elektrozulassungs-Bergverordnung Enteignungsgesetz des Landes Brandenburg Entgeltfortzahlungsgesetz Energiewirtschaftsgesetz Zeitschrift für das gesamte Recht der Energiewirtschaft Erbbaurechtsgesetz Gesetz zur Bevorratung mit Erdöl und Erdölerzeugnissen et cetera Europäische Union Europäischer Gerichtshof Zeitschrift für Europäisches Umwelt- und Planungsrecht Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Einigungsvertrag Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht

f. FAG FeFördAVO M-V ff. FFAVO SN

folgende Finanzausgleichsgesetz Feldes- und Förderabgabeverordnung Mecklenburg-Vorpommern folgende Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr über Feldesund Förderabgaben Fauna-Flora-Habitat Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21.5.1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen Feldes- und Förderabgabeverordnung Baden-Württemberg Finanzgericht Verordnung über Feldes- und Förderabgabe Nordrhein-Westfalen Praxis der Freiwilligen Gerichtsbarkeit Landesverordnung über die Feldes- und Förderabgabe in Schleswig-Holstein Festlandsockel-Bergverordnung Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zum Schutz gegen Fluglärm Flurbereinigungsgesetz Fußnote Verordnung über Feldes- und Förderabgabe Sachsen-Anhalt Festschrift Fernstraßengesetz Hessische Verordnung über Feldes- und Förderabgaben

FFH FFH-RL FFVO B-W FG FFVO NRW FGPrax FldAbgV SH FlsBergV FluglärmG FluglärmV FlurbG Fn. FörderAVO LSA FS FStrG FVO Hess

XX

Abkürzungsverzeichnis

GasHV GBl. GBO GefStoffV GemO B-W GenBeschlG GesBergV GeschO-BReg GewArch GewO GG ggf. Gl. GmbH GmbHR GMBL GPSG GrdstVG GrS GrV GS GuG GV. NRW GVBl. BY GVBl. LSA GVG GWR

Verordnung über Gashochdruckleitungen Gesetzblatt Grundbuchordnung Gefahrstoffverordnung Gemeindeordnung für Baden-Württemberg Gesetz zur Beschleunigung von Genehmigungsverfahren Bergverordnung zum gesundheitlichen Schutz der Beschäftigten Geschäftsordnung der Bundesregierung Das Gewerbearchiv Gewerbeordnung Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland gegebenenfalls Gliederung Gesellschaft mit beschränkter Haftung Die GmbH-Rundschau Gemeinsames Ministerialblatt Geräte- und Produktsicherheitsgesetz Grundstücksverkehrsgesetz Großer Senat Grundwasserverordnung Gesetzessammlung, auch Gedächtnisschrift Grundstücksmarkt und Grundstückswert Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Nordrhein-Westfalen Gesetz- und Verordnungsblatt Bayern Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Sachsen-Anhalt Gerichtsverfassungsgesetz Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht

h.M. ha HB Hess HGB HH HmbBNatSchAG HmbGVBl. HohlrVO Hs

herrschende Meinung Hektar Bremen Hessen Handelsgesetzbuch Hansestadt Hamburg Hamburgisches Gesetz zur Ausführung des Bundesnaturschutzgesetzes Hamburgisches Gesetz- und Verordnungsblatt Hohlraumverordnung Halbsatz

I.C.J. Reports i.d.F. i.d.R. i.E. i.S.d. i.S.v. i.V.m. IBR IFG ImmoWertV insbes. InsO Intern. Recht u. Diplomatie IVU

Reports of the International Court of Justice in der Fassung in der Regel im Ergebnis im Sinne des bzw. der im Sinne von in Verbindung mit Zeitschrift für Immobilien- & Baurecht Informationsfreiheitsgesetz Immobilienwertermittlungsverordnung insbesondere Insolvenzordnung Internationales Recht und Diplomatie

XXI

Richtlinie 2008/1/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.1.2008 über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung

Abkürzungsverzeichnis

JA Jahrb. f. Intern. Recht JMBl. jurisPR JuS JustG JW JZ

Juristische Arbeitsblätter Jahrbuch für Internationales Recht

Kap. Keram. Z. KG KGaA KJ KlimaBergV km KrW-/AbfG KrWG KSpG

Kapitel Keramische Zeitschrift Kommanditgesellschaft, auch Kammergericht Kommanditgesellschaft auf Aktien Kritische Justiz Klima-Bergverordnung Kilometer Gesetz zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und zur Sicherung der umweltverträglichen Beseitigung von Abfällen Kreislaufwirtschaftsgesetz Kohlendioxid-Speicherungsgesetz

LBEG LBG LBO LBodSchAG LSA LBodSchG NRW Lfg. LFoG NRW LG LKRZ LKV LMK LMRR LNatSchG S-H LplG BW LPlG LSA LPlG M-V LPlG NRW LS LSA LT-Drs. LT-Prot LuftVG LVerf LVG LVwG S-H LWG S-H

Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie Niedersachsen Landbeschaffungsgesetz Landesbauordnung Bodenschutz-Ausführungsgesetz Sachsen-Anhalt Landesbodenschutzgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen Lieferung Landesforstgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen Landgericht Zeitschrift für Landes- und Kommunalrecht Landes- und Kommunalverwaltung Kommentierte BGH-Rechtsprechung Lindenmaier-Möhring Lebensmittelrecht Rechtsprechung Landesnaturschutzgesetz Schleswig-Holstein Landesplanungsgesetz Baden-Württemberg Landesplanungsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt Landesplanungsgesetz Mecklenburg-Vorpommern Landesplanungsgesetz Nordrhein-Westfalen Leitsatz Sachsen-Anhalt Landtagsdrucksache Stenographische Berichte des Landtags Luftverkehrsgesetz Landesverfassung Landesverwaltungsgericht Allgemeines Verwaltungsgesetz für das Land Schleswig-Holstein Landeswassergesetz für das Land Schleswig-Holstein

m m. Anm. m.w.N. m2 m3 MarkschBergV MBergG

Meter mit Anmerkung mit weiteren Nachweisen Quadratmeter Kubikmeter Markscheider-Bergverordnung Meeresbodenbergbaugesetz

Justizministerialblatt juris PraxisReport Juristische Schulung Justizgesetz Juristische Wochenschrift Juristenzeitung

XXII

Abkürzungsverzeichnis

Mbl. MBO MBPIG MDR mm mm/s M-V MW

Ministerialblatt Musterbauordnung Gesetz zur Regelung des Planungsverfahrens für Magnetschwebebahnen Monatsschrift für Deutsches Recht Millimeter Millimeter pro Sekunde Mecklenburg-Vorpommern Megawatt

N. Arch. f. Nds. n.F. NachbarG NRW NAGBNatSchG NatSchGBln Nds nds. Nds. MBl. Neue Bergbautechnik NFördAVO NJ NJOZ NJW NJW-RR NordÖR Nr. NRW NuR NVwZ NVwZ-RR NWVBl NZBau NZM NZV

Neues Archiv für Niedersachsen neue Fassung Nachbarrechtsgesetz Nordrhein-Westfalen Niedersächsisches Ausführungsgesetz zum Bundesnaturschutzgesetz Berliner Naturschutzgesetz Niedersachsen niedersächsisch Niedersächsisches Ministerialblatt Zeitschrift für Bergbau & Geowissenschaften

OBG NRW OGewV OHG OLG OLGR OVG OWiG

Ordnungsbehördengesetz Nordrhein-Westfalen Oberflächengewässerverordnung offene Handelsgesellschaft Oberlandesgericht OLG-Report Oberverwaltungsgericht Gesetz über Ordnungswidrigkeiten

PlVereinhG

Gesetz zur Verbesserung der Öffentlichkeitsbeteiligung und Vereinheitlichung von Planfeststellungsverfahren Preußisches Berggesetz Preußisches Oberverwaltungsgericht Preußisches Enteignungsgesetz Gesetzsammlung für die Königlichen Preußischen Staaten Produkthaftungsgesetz Produktsicherheitsgesetz Persönliche Schutzausrüstung

PrBergG Pr. OVG PrEnteigG PrGS. ProdHaftG ProdSG PSA

Niedersächsische Verordnung über die Feldes- und die Förderabgabe Neue Justiz Neue juristische Onlinezeitschrift Neue juristische Wochenschrift Rechtsprechungsreport Zivilrecht Zeitschrift für öffentliches Recht in Norddeutschland Nummer(n) Nordrhein-Westfalen Natur und Recht Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht NVwZ-Rechtsprechungs-Report Verwaltungsrecht Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter Neue Zeitschrift für Baurecht Neue Zeitschrift für Miet- und Wohnungsrecht Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht

RdE Recht der Energiewirtschaft RdErl Runderlass RegBkPlG Brb (Bbg) Gesetz zur Regionalplanung und zur Braunkohlen- und Sanierungsplanung Brandenburg

XXIII

Abkürzungsverzeichnis

RegE RG RGBl. RGSt RGZ RIW RL. RLP Rn. ROG RohrFLtgV ROV Rpfleger RPflG Rs. Rspr. RVO

Regierungsentwurf Reichsgericht Reichsgesetzblatt Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Recht der internationalen Wirtschaft Richtlinie Rheinland-Pfalz Randnummer(n) Raumordnungsgesetz Verordnung über Rohrfernleitungsanlagen – Rohrfernleitungsverordnung Raumordnungsverordnung Der Deutsche Rechtspfleger Rechtspflegergesetz Rechtssache Rechtsprechung Reichsversicherungsordnung

S. Sa BbgLR Sachgeb. SächsABl. SächsBergV SächsGVBl. SächsHohlrVO SächsLPIG SächsNatSchG SächsVBl SächsWG SDAG Wismut SeeAnlV SGB SGV NRW S-H SL Slg. SMG sog. SprengG SRÜ StGB StrlSchV StromStG StVG s.u. SUP

Seite Sammlung Brandenburgische Gesetze Landesrecht Sachgebiet Sächsisches Amtsblatt Sächsische Bergverordnung Sächsisches Gesetz- und Verordnungsblatt Hohlraumverordnung Sachsen Landesplanungsgesetz Sachsen Sächsisches Naturschutzgesetz Sächsische Verwaltungsblätter Sächsisches Wassergesetz Sowjetisch-Deutsche Aktiengesellschaft Wismut Seeanlagenverordnung Sozialgesetzbuch Sammlung der geltenden Gesetze und Verordnungen Nordrhein-Westfalen Schleswig-Holstein Saarland Sammlung der Rechtsprechung des Gerichtshofes und des Gerichts Erster Instanz Schuldrechtsmodernisierungsgesetz sogenannte Sprengstoffgesetz Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen vom 10.12.1982 Strafgesetzbuch Strahlenschutzverordnung Stromsteuergesetz Straßenverkehrsgesetz siehe unten strategische Umweltprüfung

t t/d TA-Lärm TA-Luft Thür ThürABbUHG ThürVBl. TKG Tz.

Tonne Tonne pro Tag Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft Thüringen Thüringer Altbergbau- und Unterirdische-Hohlräume-Gesetz Thüringer Verwaltungsblätter Telekommunikationsgesetz Textziffer

XXIV

Abkürzungsverzeichnis

u.a. u.U. UdSSR UIG UmwG UmwHG UmwRG UnterlagenBergV UPR URüV USchadG UVEG UVP UVPG UVP-Richtlinie UVP-V Bergbau UVPVwV UZwG

VBlBW VDI VEB Verfassung SN VermG VersatzV VersR Verwahrungsanordnung VerwArch VG VGH vgl. VO VOB Vogelschutz-RL

unter anderem unter Umständen Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken Umweltinformationsgesetz Umwandlungsgesetz Umwelthaftungsgesetz Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz Unterlagen-Bergverordnung Umwelt und Planungsrecht Verordnung zum Vermögensgesetz über die Rückgabe von Unternehmen Umweltschadensgesetz Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz Umweltverträglichkeitsprüfung Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung bergbaulicher Vorhaben Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Ausführung des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung Gesetz über den unmittelbaren Zwang bei Ausübung öffentlicher Gewalt durch Vollzugsbeamte des Bundes Verwaltungsblätter für Baden-Württemberg Verein Deutscher Ingenieure Volkseigener Betrieb Verfassung des Freistaates Sachsen Vermögensgesetz Verordnung über den Versatz von Abfällen unter Tage Versicherungsrecht Anordnung über die Verwahrung unterirdischer bergbaulicher Anlagen der ehemaligen DDR

VR VwGO VwKostG VwVfG VwVfG He VwVG NRW VwZG

Verwaltungsarchiv Verwaltungsgericht Verwaltungsgerichtshof vergleiche Verordnung Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Richtlinie 2009/147/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30.11.2009 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten Verwaltungsrundschau Verwaltungsgerichtsordnung Verwaltungskostengesetz Verwaltungsverfahrensgesetz Verwaltungsverfahrensgesetz des Landes Hessen Verwaltungsvollstreckungsgesetz NRW Verwaltungszustellungsgesetz

WaldG Brb WaldG Hess WaldG Nds WaldG NRW WaStrG WEG WeinG WFA WG Brb

Waldgesetz Brandenburg Hessisches Waldgesetz Waldgesetz Niedersachsen Waldgesetz Nordrhein-Westfalen Bundeswasserstraßengesetz Wohnungseigentumsgesetz Weingesetz WertermittlungsForum Aktuell Brandenburgisches Wassergesetz

XXV

Abkürzungsverzeichnis

WG B-W WG BY WG Hess WG LSA WG M-V WG Nds WG NRW WG SL WG SN WHG WiA Wismutgesetz

WiVerw WM WRV WürttBergG ZAP-DDR z.B. ZBB Zeitschr. f. ausl. öff. Recht u. Völkerrecht ZfB ZfBR ZfIR ZfW ZGB-DDR ZGS Ziff. ZLW ZNER ZPO ZRP ZulegungsVO ZUR ZustV ZVG

Wassergesetz für Baden-Württemberg Bayerisches Wassergesetz Hessisches Wassergesetz Wassergesetz für das Land Sachsen-Anhalt Wassergesetz für das Land Mecklenburg-Vorpommern Niedersächsisches Wassergesetz Wassergesetz für das Land Nordrhein-Westfalen Saarländisches Wassergesetz Sächsisches Wassergesetz Wasserhaushaltsgesetz Wirtschaftsausschuss Gesetz zu dem Abkommen vom 16. Mai 1991 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken über die Beendigung der Tätigkeit der Sowjetisch-Deutschen Aktiengesellschaft Wismut vom 12.12.1991 Wirtschaft und Verwaltung (Vierteljahresbeilage zum Gewerbearchiv) Wertpapier-Mitteilungen – Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht Weimarer Reichsverfassung Württembergisches Berggesetz Zeitschrift für die Anwaltpraxis – Ausgabe DDR zum Beispiel Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht

Zeitschrift für Bergrecht Zeitschrift für deutsches und internationales Bau- und Vergaberecht Zeitschrift für Immobilienrecht Zeitschrift für Wasserrecht Zivilgesetzbuch der Deutschen Demokratischen Republik Zeitschrift für das gesamte Schuldrecht Ziffer Zeitschrift für Luft- und Weltraumrecht Zeitschrift für Neues Energierecht Zivilprozessordnung Zeitschrift für Rechtspolitik Verordnung über die Zulegung von Bergwerksfeldern vom 25.3.1938 Zeitschrift für Umweltrecht Zuständigkeitsverordnung Umweltschutz NRW Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung

XXVI

Gesamtdarstellungen zum Bergrecht I. Gesamtdarstellungen zum Bergrecht vor dem Bundesberggesetz Achenbach

Arndt Arndt Bähr Boldt Boldt Boldt Brassert Brassert Brassert Brassert/Gottschalk Ebel/Weller Ebel/Weller Hahn Heinemann/Pinkerneil Isay Isay Isay Kiessling/Ostern Klostermann Klostermann Klostermann/Fürst Klostermann/Fürst/Thielmann Miesbach/Engelhardt Miesbach/Engelhardt Müller-Erzbach Nothaas/Miesbach Oppenhoff Reuß/Grotefend/Dapprich Schlüter Schlüter/Hense Stoepel Voelkel Wahle Westhoff Westhoff Westhoff/Schlüter/Hense Willecke Willecke/Turner Zycha

Das gemeine deutsche Bergrecht in Verbindung mit dem preußischen Bergrechte unter Berücksichtigung der Berggesetze Bayerns, Sachsens, Österreichs und anderer deutscher Länder (1871) Allgemeines Berggesetz für die Preußischen Staaten, 9. Aufl. (1924) Zur Geschichte und Theorie des Bergregals und der Bergbaufreiheit, 2. Aufl. (1916) Berggesetz (1980) Das Recht des Bergmanns, 3. Aufl. (1960) Staat und Bergbau (1950) Das Allgemeine Berggesetz, 3. Aufl. (1948) Allgemeines Berggesetz für die Preußischen Staaten (1888) Das Bergrecht des allgemeinen preußischen Landrechts in seinen Materialien (1861, Neudruck 2009) Berg-Ordnungen der Preussischen Lande (1858) Allgemeines Berggesetz für die Preußischen Staaten, 2. Aufl. (1914) Allgemeines Berggesetz, Ergänzungsband (1969) Allgemeines Berggesetz, 2. Aufl. (1963) Allgemeines Berggesetz für die Preußischen Staaten vom 24. Juni 1865 nebst den vollständigen Materialien zur Erläuterung desselben (1865) Handbuch des deutschen Bergwesens (1938–1944) Der Geist des heutigen deutschen Bergrechts (1953) Allgemeines Berggesetz für die Preußischen Staaten, Band 1, 2. Aufl. (1933) Allgemeines Berggesetz für die Preußischen Staaten, Band 2, 1. Aufl. (1920) Bayerisches Berggesetz (1953) Übersicht der Bergrechtlichen Entscheidungen des Königlichen Ober-Tribunals 1860– 1863 (1864) Übersicht der Bergrechtlichen Entscheidungen des Königlichen Ober-Tribunals (1861) Allgemeines Berggesetz für die Preußischen Staaten, 5. Aufl. (1896) Allgemeines Berggesetz für die Preußischen Staaten, 6. Aufl. (1911) Bergrecht, Ergänzungsband (1969) Bergrecht (1962) Das Bergrecht Preußens und des weiteren Deutschlands (1917) Das Bayerische Berggesetz mit den einschlägigen Reichs- und Landesgesetzen (1927) Das Allgemeine Berggesetz für die Preußischen Staaten (1870) Das Allgemeine Berggesetz, 11. Aufl. (1959) Preußisches Bergrecht (1928) Allgemeines Bergrecht für die Preußischen Staaten, 3. Aufl. (1913) Preußischer Gesetz-Codex, Band 2, 1835–1848, 2. Aufl. (1861) Grundzüge des Bergrechts unter besonderer Berücksichtigung des Bergrechts Preußens, 2. Aufl. (1924) Das Allgemeine Berggesetz für das Königreich Sachsen (1911) Bergbau und Grundbesitz nach preußischem Recht, Band 2: Die Grundabtretung, Die öffentlichen Verkehrsanstalten (1906) Bergbau und Grundbesitz nach preußischem Recht, Band 1: Der Bergschaden (1904) Allgemeines Berggesetz für die Preußischen Staaten vom 24. Juni 1865, 3. Aufl. (1913) Die deutsche Berggesetzgebung (1977) Grundriß des Bergrechts, 2. Aufl. (1970) Das Recht des ältesten deutschen Bergbaus bis ins 13. Jahrhundert (1899)

XXVII https://doi.org/10.1515/9783110709285-006

Gesamtdarstellungen zum Bergrecht

II. Gesamtdarstellungen zum Bundesberggesetz Anz Boldt/Weller Boldt/Weller Dapprich/F.-J. Franke Dapprich/Römermann Gutbrod/Töpfer Kloepfer Kremer/Neuhaus gen. Wever Kühne Kühne von Mäßenhausen Lippert Müller/Schulz Piens/Schulte/Graf Vitzthum Schulte Sondermann Sparwasser/Engel/Voßkuhle Tettinger von Weschpfennig Weller Weller/Kullmann Wirtschaftsvereinigung Bergbau e.V. Zydek Zydek/Heller

Das neue Bundesberggesetz, Braunkohle 1980, S. 285 Bundesberggesetz, Ergänzungsband (1992) Bundesberggesetz (1984) Leitfaden des Bergrechts, 7. Aufl. (1982) Bundesberggesetz mit Erläuterungen (1983) Praxis des Bergrechts (1996) Umweltrecht, 3. Aufl. (2004), § 10, G. Bergrecht und Umweltrecht, Rn. 185 ff., S. 800 Bergrecht (2001) Deutsches Bergrecht, in: Säcker (Hrsg.) Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht (2010), S. 263 Drei Jahrzehnte Bundesberggesetz – Entwicklungslinien und Ausblick –, ZfB 2013, 113 Änderungen des Bergrechts durch das Bundesberggesetz, Keramische Zeitschrift 1981, 284 Energiewirtschaftsrecht (2002), S. 201 Handbuch Recht der Bodenschätzegewinnung (2000) Bundesberggesetz, 3. Aufl. (2020) Das Bundesberggesetz, NJW 1981, 88 Neues Bergrecht, Energiewirtschaftliche Tagesfragen 1981, 612 Umweltrecht, 5. Aufl. (2003), Abschnitt § 9 B Umweltrelevantes Bergrecht, S. 654 Recht des Bergbaus, in: Schmidt (Hrsg.), Öffentliches Wirtschaftsrecht Besonderer Teil 1, (1995) Strukturen des Bergrechts (2022) Das Bundesberggesetz, Glückauf 1981, 250 Bundesberggesetz, 1. Aufl. (2012) (Online-Ressource Beck-Online) Das Bergbau-Handbuch, 5. Aufl. (1994), S. 75 Bundesberggesetz, Materialien (1980) Deutsches Bergrecht – Bergrechtliche Vorschriften des Bundes und der Länder (1983 ff.)

III. Zeitschriften zum Bundesberggesetz Zeitschrift für Bergrecht mining + geo, früher Glückauf

Außerdem finden sich bergrechtliche Abhandlungen und Entscheidungen insbesondere in öffentlich-rechtlich und umweltrechtlich ausgerichteten Zeitschriften (Deutsches Verwaltungsblatt (DVBl), Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (NVwZ), Natur und Recht (NuR), Umwelt- und Planungsrecht (UPR), Zeitschrift für Umweltrecht (ZUR).

XXVIII https://doi.org/10.1515/9783110709285-008

Schrifttum und abgekürzt zitierte Literatur Abel-Lorenz Abromeit Achenbach

Anders Anders/Gehle Anz Appel Appel

Arndt Arndt Attendorn Attendorn

Attendorn Attendorn Attendorn Attendorn Aust/Jacobs/Pasternak/Friedrich Axer Bader/Ronellenfitsch Badura Baer Baglikow Bähr Bähr Baltis/Müllhoff Barczak von Bargen Battis/Krautzberger/Löhr Bauer Baumgärtel/Laumen/Prütting Baur Beck/Perling Becker-Berke

Rechtsschutzmöglichkeiten der Gemeinde im bergrechtlichen Betriebsplanverfahren, ZUR 1995, 120 Die Ostseepipeline – Praxisbericht einer grenzüberschreitenden Verfahrensbeteiligung nach der Espoo-Konvention, ZUR 2007, 354 Das gemeine deutsche Bergrecht in Verbindung mit dem preußischen Bergrechte unter Berücksichtigung der Berggesetze Bayerns, Sachsens, Österreichs und anderer deutscher Länder (1871), zitiert als Achenbach Das gemeine deutsche Bergrecht Abwägung in Regionalplänen bei der Festlegung von Konzentrationszonen, NuR 2004, 635 Zivilprozessordnung, 81. Aufl. (2023) Das neue Bundesberggesetz, Braunkohle 1980, 285 Subjektivierung von UVP-Fehlern durch das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz? NVwZ 2010, 473 Tagebaurestlochflutung im Spannungsfeld zwischen Berg- und Wasserrecht – Anmerkung zu OVG Magdeburg, Beschluss vom 26. Mai 2008 (2 L 187/06), NuR 2008, 553 Zur Geschichte und Theorie des Bergregals und der Bergbaufreiheit, 2. Aufl. (1916) Allgemeines Berggesetz für die Preußischen Staaten, 9. Aufl. (1924) Die unmittelbar oder mittelbar zulassungsmodifizierende Wirkung von Rechtsnormen in der neueren Umweltgesetzgebung, NVwZ 2011, 327 Fracking – zur Erteilung von Gewinnungsberechtigungen und der Zulassung von Probebohrungen zur Gewinnung von Erdgas aus unkonventionellen Lagerstätten, ZUR 2011, 565 Haben BBodSchG und BBodSchV unmittelbar zulassungsmodifizierende Wirkung? NuR 2011, 28 Anwendbarkeit des Bodenschutzrechts auf die Herstellung und Verfüllung untertägiger Hohlräume während und nach Beendigung der Bergaufsicht, AbfallR 2008, 111 Die Entstehung eines Bergbauabfallrechts – Rechtsfragen der Umsetzung der Bergbauabfallrichtlinie 2006/21/EG, NuR 2008, 153 Die Berücksichtigung von Belangen des Bodendenkmalschutzes in bergrechtlichen Planfeststellungsverfahren mit Umweltverträglichkeitsprüfung, NuR 2006, 756 Enteignungsentschädigung, 8. Aufl. (2021) Zur Bedeutung von § 14 Abs. 1 WHG im Planfeststellungsverfahren, NuR 2007, 503 Verwaltungsverfahrensgesetz (2010), zitiert als Bader/Ronellenfitsch/Bearbeiter VwVfG Das Verwaltungsmonopol (1963) Zum „Recht auf Heimat“ – Art. 11 GG und Umsiedlungen zugunsten des Braunkohletagebaus, NVwZ 1997, 27 Schadensrelevante Auswirkungen des Grubenwasseranstiegs im Erkelenzer Steinkohlenrevier (2010) Berggesetz (1980) Die Mitgewinnung von Grundeigentümermineralien und ihre Rechtsfolgen, ZfB 1962, 457 Denkmalschutz und bergrechtliches Verfahren, NWVBl 1991, 1 Der gebundene Verwaltungsakt unter Verhältnismäßigkeitsvorbehalt, VerwArch 2014, 142 Bergrechtliches Gewinnungsrecht in den neuen Bundesländern, NJ 1996, 627 Baugesetzbuch, 15. Aufl. (2022), zitiert als Battis/Krautzberger/Löhr/Bearbeiter BauGB Bergverordnung zum gesundheitlichen Schutz der Beschäftigten (GesundheitsschutzBergverordnung-GesBergV) vom 31. Juli 1991, Kompaß 1991, 524 Handbuch der Beweislast, 5. Aufl. (2022) Der Konflikt zwischen Eigentümer und Dritten bei der Tiefennutzung von Grundstücken, ZHR 1986, 507 Die Haftung für Bergschäden in den neuen Bundesländern, NJ 2000, 339 Anwendung und Umsetzung des Garzweiler II-Urteils des Bundesverfassungsgerichts in der Praxis des Braunkohlentagebaus im Rheinischen Revier, EnWZ 2015, 9

XXIX https://doi.org/10.1515/9783110709285-009

Schrifttum und abgekürzt zitierte Literatur

Beckert/Breuer Beckmann Beckmann Beckmann Beckmann Beckmann Beckmann

Beckmann Beckmann Beckmann Beckmann Beckmann

Beckmann Beckmann Beckmann Beckmann Beckmann/Wittmann

Beckmann/Wittmann Beckmann/Wittmann

Beck’scher Online-Kommentar Beck’scher Online-Kommentar Beck’scher Online-Kommentar Beck’scher Online-Kommentar Beddies

Beddies Begemann/Becker Bellroth Bellroth Benz Berendes

Öffentliches Seerecht (1991) Rücksichtnahmepflichten im nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis von Grundstücks- und Bergwerkseigentum, BauR 2019, 1865 Der Altbergbau – Haftung und ordnungsrechtliche Verantwortung für die Spätfolgen des Bergbaus, NWVBl 2019, 45 Der Bergschaden – Rechtliche Rahmenbedingungen für die Ermittlung und Geltendmachung des Bergschadensersatzanspruchs, ZfB 2016, 1 Umweltschutz und Öffentlichkeitsbeteiligung im Bergrecht, NuR 2015, 152 Öffentlichkeitsbeteiligung vor der Zulassung bergbaulicher Vorhaben, UPR 2014, 205 Rechtliche Rahmenbedingungen der Abschlussbetriebsplanung, in: Kühne/Ehricke (Hrsg.) Bergrecht zwischen Tradition und Moderne (2010), S. 169, gekürzt veröffentlicht in DÖV 2010, 512 Rechtliche Rahmenbedingungen der Einstellung des Steinkohlenbergbaus, DÖV 2010, 512 Bergrechtliche Anforderungen an die Standsicherheit bergbaulicher Anlagen, BauR 2010, 2047 Grenzen der Zumutbarkeit der Nachsorgeverantwortung eines Bergwerksunternehmens? ZUR 2006, 295 Genehmigungsrechtliche Fragen der Gesundheitsschutz-Bergverordnung beim Einsatz von Abfällen als Bergversatz, ZfB 1999, 12 Berg-, umwelt- und planungsrechtliche Probleme der Wiedernutzbarmachung und Folgenutzung bergbaulicher Flächen und Anlagen, in: Kühne/Schoch/Beckmann (Hrsg.) Gegenwartsprobleme des Bergrechts (1995), S. 67 Zur ordnungsrechtlichen Verantwortung für die Spätfolgen des Bergbaues in den neuen Bundesländern, UPR 1995, 8 Oberflächeneigentum und Bergbau, DVBl 1992, 741 Bergrechtliches Direktionsprinzip und ordnungsrechtliche Verantwortung, ZfB 1992, 120 Der Rechtsschutz des Vorhabenträgers bei der Umweltverträglichkeitsprüfung, NVwZ 1991, 427 Die „Ewigkeitshaftung“ für den Altbergbau und die Verjährung von Bergschadensersatzansprüchen, in: Pielow (Hrsg.) Bergrecht im Wandel der Zeit – gestern, heute, morgen, Festgabe zum 200-jährigen Bestehen des OLG Hamm (2020), S. 134, zitiert als Beckmann/Wittmann FG OLG Hamm (2020) Die Zulegung nach § 35 BBergG, ZfB 2009, 32 Zur zeitlichen Begrenzung der Inanspruchnahme für Gefahren und Bergschäden des Altbergbaus, in: Baur/Sandrock/Scholtka/Shapira (Hrsg.) Festschrift für Gunther Kühne zum 70. Geburtstag (2009), S. 441, zitiert als: Beckmann/Wittmann FS Kühne (2009) BGB (Hrsg. Hau/Poseck), Stand 1.12.2022, Edition: 64, zitiert als BeckOK/Bearbeiter BGB Arbeitsrecht (Hrsg. Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching), Stand: 1.12.2022, Edition: 66, zitiert als BeckOK/Bearbeiter Arbeitsrecht Umweltrecht (Hrsg. Giesberts/Reinhardt), Stand: 1.12.2022, Edition: 65, zitiert als BeckOK/ Bearbeiter Umweltrecht VwVfG (Hrsg. Bader/Ronellenfitsch), Stand 1.1.2023, Edition 58, zitiert als BeckOK/ Bearbeiter VwVfG Die Entwicklung des bergrechtlichen Grundsatzes „Dulde und liquidiere“ und das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 19. September 2008 (V ZR 28/08) zu § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB, in: Baur/Sandrock/Scholtka/Shapira (Hrsg.) Festschrift für Gunther Kühne zum 70. Geburtstag (2009), S. 455, zitiert als Beddies FS Kühne (2009) Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Einstellung eines Bergwerks (1995) Anwendungsprobleme der Versatzverordnung, NVwZ 2003, 675 Die Bindungswirkung bergrechtlicher Rahmenbetriebsplanzulassungen (2021) Erforderlichkeit bergrechtlicher Genehmigungen für die Errichtung und den Betrieb von Offshore-Windparks in der deutschen Ausschließlichen Wirtschaftszone, ZfB 2016, 151 Rechtliche Rahmenbedingungen für die Nutzung der oberflächennahen Geothermie, 2. Aufl. (2009) Wasserhaushaltsgesetz, Kurzkommentar, 2. Aufl. (2018), zitiert als Berendes WHG

XXX

Schrifttum und abgekürzt zitierte Literatur

Berendes/Frenz/Müggenborg Bergs Bergakademie Freiberg Berkemann Berkemann Berlin Bethge/Elgeti/Brück von Oertzen

Bethge/Elgeti/Dietrich Bertram Beyer Beyer Bischoff/Bramann/Dürrer/ Moebius/Quadfasel/Schlüter Böhm

Böhmen Böhmen Bohne

Bohnert Boldt Boldt Boldt/Weller Boldt/Weller Boldt/Weller Boujong

Bovet Braig/Ehlers-Hofherr Brandt/Dreher Brandt/Gassner Brassert Brassert Brassert Brassert/Gottschalk Breloer

XXXI

Wasserhaushaltsgesetz, 2. Aufl. (2017), zitiert als Berendes/Frenz/Müggenborg/Bearbeiter WHG Rückstellungen im Braunkohlenbergbau (2006) Beiträge zum Bergrecht der DDR, Freiberger Forschungsheft D 72 1970, zitiert als Bearbeiter, in: Bergakademie Freiberg, Beiträge zum Bergrecht der DDR Der slowakische Braunbär im deutschen Prozessrecht – Eine Analyse von EuGHE 2011 I-1255, DVBl 2013, 1137 Planerische Lenkung des Abbaus von oberflächennahen Bodenschätzen – Zulässigkeit und Grenzen, DVBl 1989, 625 Die nachbarrechtliche Lösung geothermischer Nutzungskonflikte, NuR 2014, 476 Zwischen Berg- und Ordnungsrecht – Regelungsbedarf für den Altbergbau?, in: Pielow (Hrsg.) Bergrecht im Wandel der Zeit – gestern, heute, morgen Festgabe zum 200jährigen Bestehen des OLG Hamm (2020), S. 346, zitiert als Bethge/Elgeti/Brück von Oertzen FG OLG Hamm (2020) Zwischen Berg- und Ordnungsrecht, Regelungsvorschläge zum Altbergbau, ZfB 2021, 109 Anforderung an die Verfüllung von Abgrabungen, AbfallR 2009, 297 Die Verantwortung für Gefahren bei der Überplanung und Bebauung risikobehafteter Flächen (2005) Grundwasseranstieg und Abbauende – wer haftet? in: Frenz (Hrsg.) Bergschäden und Altlasten in der Praxis (2005), S. 21 Das kleine Bergbaulexikon, 9. Aufl. (2010) Lizenz zum Fracken? Bergrechtliche Voraussetzungen für die Erschließung unkonventioneller Erdgasvorkommen in: Ewer/Ramsauer/Reese/Rubel (Hrsg.) Methodik – Ordnung – Umwelt. Festschrift Hans-Joachim Koch (2014), S. 565, zitiert als Böhm FS Koch (2014) Natur und Umfang der der Bundesrepublik Deutschland am Kontinentalschelf zustehenden Rechte, Intern. Recht u. Diplomatie 1967, 101 Meeresfreiheit und Schelfproklamation, in: Jahrbuch für internationales Recht 1954, Bd 5, 1955 Bd 6 Die Umweltverträglichkeitsprüfung bergbaulicher Vorhaben nach den Gesetzentwürfen der Bundesregierung zur Umsetzung der EG-Richtlinie vom 27.6.1985 (85/337/EWG), ZfB 1989, 93 Gesetz über Ordnungswidrigkeiten, 24. Aufl. (2018) Staat und Bergbau (1950) Das Allgemeine Berggesetz, 3. Aufl. (1948), zitiert als Boldt ABG Bundesberggesetz, Ergänzungsband (1992), zitiert als Boldt/Weller, Ergänzungsband Bundesberggesetz (2016), Vorauflage Bundesberggesetz (1984), zitiert als Boldt/Weller Erstauflage Bergbau und öffentliche Verkehrsanstalten, in: Grupp/Ronellenfitsch (Hrsg.) PlanungRecht-Rechtsschutz, Festschrift für Willi Blümel zum 70. Geburtstag am 6. Januar 1999 (1999), zitiert als Boujong FS Blümel (1999) Notwendigkeit und Steuerungsmöglichkeiten einer unterirdischen Raumordnung, UPR 2014, 418 Neue Maßstäbe bei der Enteignungsentschädigung für den Verlust von Bodenschätzen durch Autobahnbau, NuR 2017, 833 Die Genehmigung von Kabeln zur Ableitung von Strom aus Offshore-Erzeugung, NordÖR 2003, 138 Seeanlagenverordnung (2002), zitiert als Brandt/Gassner SeeAnlV Allgemeines Berggesetz für die Preußischen Staaten (1888), zitiert als: Brassert ABG Das Bergrecht des allgemeinen preußischen Landrechts in seinen Materialien (1861, Neudruck 2009) Berg-Ordnungen der Preussischen Lande (1858) Allgemeines Berggesetz für die Preußischen Staaten, 2. Aufl. (1914), zitiert als Brassert/ Gottschalk ABG Was ist mein Baum wert? 5. Aufl. (2005)

Schrifttum und abgekürzt zitierte Literatur

Bremer Breuer Breuer Breuer Breuer Britz/Hellermann/Hermes Brockhoff Brockhoff Brodale Bröker Bruns/Ohlhorst/Wenzel/Köppel Büchs Bücker

Büllesbach Bunge Bunge Burckhardt

Burckhard Burmann

Busch Christner Cancik Churchill/Lowe Cosack Czybulka Czybulka Czybulka Czybulka Czybulka/Stredak Czychowski/Reinhardt Dahm Dammert

Dammert

Öffentlich-rechtliche Rechtspositionen im Rahmen von Spaltungen nach dem Umwandlungsgesetz, GmbHR 2000, 865 Praxisprobleme des deutschen Wasserrechts nach der Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie, NuR 2007, 503 Gerichtliche Kontrolle der Technik – Gegenpol zu privater Option und administrativer Standardisierung, NVwZ 1988, 104 Die Planfeststellung für Anlagen zur Endlagerung radioaktiver Abfälle (1984) Direkte und indirekte Rezeption technischer Regeln durch die Rechtsordnung, AöR 101 (1976), 46 Energiewirtschaftsgesetz, 3. Aufl. (2015) Der Abfallbewirkungsplan nach § 22a ABBergV, UPR 2013, 254 Naturschutzrechtliche Eingriffsregelung in bergrechtlichen Zulassungsverfahren (2012) Die Rücknahme von Verwaltungsakten im Industriezulassungsverfahren im weitesten Sinne (1993) Die rechtliche Natur der bergrechtlichen Grundabtretung nach dem allgemeinen Berggesetz für die Preußischen Staaten von 1865 (1934) Erneuerbare Energien in Deutschland (2009) Handbuch des Eigentums- und Entschädigungsrechts, 3. Aufl. (1996) Regelung der Förderabgabe auf inländisches Erdöl und Erdölgas aufgrund der Niedersächsischen Verordnung über die Feldes- und Förderabgabe vom 17. Dezember 1981, ZfB 1982, 77 Die rechtliche Beurteilung von Abgrabungen nach Bundes- und Landesrecht – Ein Beitrag zur Lösung des Problems paralleler Genehmigungsverfahren (1994) Rechtsbehelfe in Umweltangelegenheiten: Vorgaben der Aarhus-Konvention und deutsches Recht, NuR 2014, 605 Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz, 2. Aufl. (2019) Das Verhältnis von Raumordnungsverfahren nach § 6a ROG und obligatorischem Rahmenbetriebsplanverfahren nach § 52 Abs. 2a BBergG bei Abbauvorhaben der Steineund Erdenindustrie in den neuen Bundesländern, ZfB 1994, 8 Der Gegenstand der Bergbausicherheit, Neue Bergbautechnik 1984, 284 Voraussetzungen und Rechtsfolgen des § 170 BBergG unter besonderer Berücksichtigung des Bergschadensersatzanspruchs wegen drohender Berggefahr nach § 148 ABG, ZfB 1985, 53 Der Festlandsockel im Schnittpunkt von Meeresfreiheit und Staatensouveränität, Intern. Recht u. Diplomatie 1967, 79 Die Beteiligung der Kommunen an der Betriebsplanzulassung nach dem Bundesberggesetz, ZfB 1992, 249 Beschleunigung oder Re-Arkanisierung? – Die Einschränkungen der Erörterung im Planfeststellungsverfahren, DÖV 2007, 107 The Law of the Sea, 4. Aufl. (2022) Bergrechtliches Zulassungsverfahren und Flora-Fauna-Habitat-Verträglichkeitsprüfung, NuR 2000, 311 Meeresschutzgebiete in der Ausschließlichen Wirtschaftszone, ZUR 2003, 329 Das Rechtsregime der Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) im Spannungsfeld von Nutzungs- und Schutzinteressen, NuR 2001, 367 Die Geltung der FFH-Richtlinie in der Ausschließlichen Wirtschaftszone, NuR 2001, 19 Naturschutzrecht im Küstenmeer und der Ausschließlichen Wirtschaftszone, NuR 1999, 562 Rechtsfragen der marinen Kies- und Sandgewinnung in Nord- und Ostsee (2008) Wasserhaushaltsgesetz, 12. Aufl. (2019), zitiert als Czychowski/Reinhardt WHG Die Rechtsnatur der bergrechtlichen Grundabtretung (1962) Umweltrechtliche Prüfungen bei bergrechtlichen Betriebsplanzulassungen, zitiert in: Pielow (Hrsg.) Bergrecht im Wandel der Zeit – gestern, heute, morgen Festgabe zum 200-jährigen Bestehen des OLG Hamm (2020), zitiert als Dammert FG OLG Hamm (2020) Verfassungsrechtliche Anforderungen an Grundabtretung und Rahmenbetriebsplanzulassung, ZfB 2014, 1 und 105

XXXII

Schrifttum und abgekürzt zitierte Literatur

Dammert

Dammert Dammert

Dammert/Brückner Dammert/Brückner Dammert/Brückner Dammert/Brückner von Daniels/Appel Danner/Theobald von Danwitz Dapprich Dapprich Dapprich

Dapprich/Franke Dapprich/Römermann Dauner-Lieb/Simon Dazert Dazert Degenhart Degenhart Degenhart Demharter Denninger Deutsch Deutsch Dieckmann Diers Dietrich Dietrich/von Oertzen Dietzsch Dippel Dippel

XXXIII

Anwendungsfragen des Flächen- und Artenschutzrechts bei der Zulassung von Bergbauvorhaben, in: Heggemann (Hrsg.) Bergrechtliche Zulassungsentscheidungen im Kontext mit Umweltprüfungen (2009), S. 31 Aktuelle Fragen der Betriebsplanzulassung, in: Degenhart/Dammert/Heggemann (Hrsg.) Bergrecht in der Entwicklung (2003), S. 73 Rechtsvereinheitlichung bei der Bodenschatzgewinnung – Praktische Konsequenzen der Rechtsvereinheitlichung im Spannungsfeld von Bestandsschutz und Neuordnung, in: Degenhart/Dammert (Hrsg.) Rechtsvereinheitlichung – aktuelle Genehmigungsfragen – Braunkohlenplanung – Sanierungsbergbau (1997) Aktuelle Rechtsfragen des Widerrufs bergrechtlicher Berechtigungen, ZfB 2014, 183 Aktuelle Rechtsfragen der nachträglichen Verlängerung bergrechtlicher Bewilligungen, DVBl 2021, 1050, 1052 f. Weniger strenge Umweltziele und Ausnahmen nach der Wasserrahmenrichtlinie und deren Bedeutung, SächsVBl 2013, 129 Bergwerke und Umweltverträglichkeitsprüfungen, ZUR 2023, 30 Gebiets- und Artenschutz bei der Wiedernutzbarmachung von Bergbaufolgelandschaften – Naturschutzrecht als Hinweis für Maßnahmen der Naturschaffung, NuR 2008, 685 Energierecht (Loseblatt), 78. Lfg. (2013) Staatliche Bergaufsicht zwischen privatem Bergschadensrecht, hoheitlicher Gefahrenabwehr und Staatshaftung in den neuen Bundesländern (1998) Grundsätze des bundesberggesetzlichen Betriebsplan- und Bergaufsichtsrechts, ZfB 1987, 325 Der Bergschadensersatzanspruch wegen drohender Gefahr bergbaulicher Einwirkungen auf fremdes Grundeigentum, ZfB 1985, 308 Besitzt der Grundeigentümer eine enteignungsfähige Rechtsposition im Verhältnis zu der von seinem Grundeigentum rechtlich getrennten Bergbauberechtigung zur Aufsuchung und Gewinnung bergfreier Bodenschätze? ZfB 1984, 174 Leitfaden des Bergrechts, 7. Aufl. (1982) Bundesberggesetz mit Erläuterungen (1983), zitiert als Dapprich/Römermann BBergG Kölner Kommentar zum Umwandlungsgesetz, 1. Aufl. (2009), zitiert als Dauner-Lieb/ Simon/Bearbeiter UmwG Gelten die Anforderungen des Bundes-Bodenschutzgesetzes auch für vor seiner Geltung bergrechtlich zugelassene Verfüllungen von Tagebauen?, AbfallR 2010, 102 Rechtliche Anforderungen an den Versatz mit schadstoffbelasteten industriellen Restabfällen im Tagebau, AbfallR 2005, 223 Probleme der Braunkohlenplanung, Festschrift für Werner Hoppe zum 70. Geburtstag (2000), S. 695 Braunkohlenplanung unter Gesetzesvorbehalt, DVBl 1996, 773 Rechtsfragen der Braunkohlenplanung für Brandenburg (1996) Grundbuchordnung, 32. Aufl. (2021), zitiert als Demharter GBO Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Normsetzung im Umwelt- und Technikrecht (1990) Allgemeines Haftungsrecht, 2. Aufl. (1996) Das neue System der Gefährdungshaftungen: Gefährdungshaftung, erweiterte Gefährdungshaftung und Kausal-Vermutungshaftung, NJW 1992, 73 Das neue CCS-Gesetz – Überblick und Ausblick, NVwZ 2012, 989 Die Obergrenze der Entschädigung bei Betriebsverlagerungen infolge öffentlichrechtlicher Maßnahmen, BB 1981, 1246 Nutzungskonflikte untertage in: Kühne Ehricke (Hrsg) Bergrecht zwischen Tradition und Moderne (2010), S. 144 Rechtliche Implikationen der Wiederverstromung von Windenergie in Druckluftspeicherkraftwerken, Energiewirtschaftliche Tagesfragen 2008, 85 Die Mitgewinnung beibrechender Mineralien, ZfB 1966, 404 Die Verfüllung von Tagebauen mit ungeeigneten Abfallstoffen, AbfallR 2010, 132 Alte und neue Anwendungsprobleme der §§ 36, 38 BauGB, NVwZ 1999, 921

Schrifttum und abgekürzt zitierte Literatur

Dippel/Deifuß Dolde Dölling/Duttge/König/Rössner Drews/Wacke/Vogel/Martens Drömann Dürig/Herzog/Scholz Durner Durner Durner/Karrenstein Ebel/Weller Ebel/Weller K. Ebert

K. Ebert

U. Ebert Eckart Ecker Eftekharzadeh Egler Ehlers/Plünder Ehricke

Ehricke Ehricke

Ehricke Ehrlich

Ekardt Elgeti Elgeti/Fock Elgeti/Dietrich Elgeti/Dietrich Enderle/Rehs Engelhardt Engerer/Horn/Neumann

Umweltverträglichkeitsprüfung und Vorprüfung bei der Änderungsgenehmigung bestehender Anlagen, NVwZ 2004, 1177 Die Entwicklung des öffentlichen Baurechts 1980, NJW 1981, 1929 Gesamtes Strafrecht, 5. Aufl. (2022), zitiert als Dölling/Duttge/König/Rössner/Bearbeiter Gesamtes Strafrecht Gefahrenabwehr, 9. Aufl. (1986) Nichtsteuerliche Abgaben im Steuerstaat (1999) Grundgesetz (Loseblatt), 98. Lfg. (2022), zitiert als Dürig/Herzog/Scholz/Bearbeiter GG Zehn Jahre Wasserrahmen-Richtlinie – Bilanz und Perspektiven, NuR 2010, 452 Konflikte räumlicher Planungen (2005) Anm. zu BVerfG 17.12.2013, 1 BvR 3139/08 u. 3386/08, DVBl 2014, 182 Allgemeines Berggesetz, Ergänzungsband (1969), zitiert als Ebel/Weller ABG Ergänzungsband Allgemeines Berggesetz, 2. Aufl. (1963), zitiert als Ebel/Weller ABG Einige grundlegende Probleme des sozialistischen Bergschadensrechts in: Rektor der Bergakademie Freiberg (Hrsg.) Vorträge des XIV. Berg- und Hüttenmännischen Tages vom 13.–16. Juni 1962 in Freiberg (1962), S. 75 Die für den volkseigenen Bergbau in ihrem Geltungsbereich noch anwendbaren Vorschriften des preussischen und sächsischen Berggesetzes in: Rektor der Bergakademie Freiberg (Hrsg.) Bergbau und Bergrecht, Beiträge zur Geschichte des Bergbaus zum 80. Geburtstag von Walter Weigelt (1957), S. 40 Die Darlegungs- und Beweislast bei Bergschäden unter besonderer Berücksichtigung des § 120 BBergG, ZfB 1987, 331 Gegenwärtiger Stand und offene Probleme der Verwahrung stillgelegter unterirdischer Bergwerksanlagen, Neue Bergbautechnik 1974, 842 Noch einmal zur rechtlichen Stellung der Gemeinden beim bergrechtlichen Betriebsplanverfahren, ZfB 1984, 95 Was spricht gegen Fracking? – eine Stellungnahme, NuR 2013, 704 Seeprivatrechtliche Streitigkeiten unter der EuGVVO (2011) Allgemeines Verwaltungsrecht, 16. Aufl. (2022) Das Verhältnis zwischen dem Bergschadensersatzanspruch nach den §§ 114 ff. BBergG und dem nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch gem. § 906 Abs. 2 S. 2 BGB, in: Kühne/ Ehricke (Hrsg.) Bergrecht zwischen Tradition und Moderne (2010), S. 33 Verkehrssicherungspflichten im Hinblick auf Geothermiebohrungen, UPR 2009, 281 Zur Verjährung von Bergschadensersatzansprüchen, in: Baur/Sandrock/Scholtka/Shapira (Hrsg.), Festschrift für Gunther Kühne zum 70. Geburtstag (2009), S. 487, zitiert als Ehricke FS Kühne (2009) Zum Ersatz des merkantilen Minderwerts von unterbauten Grundstücken, ZfB 2006, 130 Rechtliche Rahmenbedingungen für die Nutzung der Ressource Erdwärme bzw. Untergrundspeicherung, in: Ehrlich/Erbas/Huenges (Hrsg.) Angebotspotential der Erdwärme sowie rechtliche und wirtschaftliche Aspekte der Nutzung hydrothermaler Ressourcen (1998), S. 27 Nach dem Altrip-Urteil: Von der Klagebefugnis zu Verfahrensfehlern, Abwägungsfehlern und Individualklage, NVwZ 2014, 393 Störer im Altbergbau – zugleich eine Anmerkung zu den Urteilen des OVG Lüneburg vom 19.10.2011 (7 LB 57/11) und des BVerwG vom 21.2.2013 (7 C 4.12), NuR 2013, 634 Gefahr und Risiko als Begriffe des Altbergbaus NuR 2018, 369 Unkonventionelles Erdgas: Berg- und Wasserrecht, NuR 2012, 232 UVP-(Vorprüfungs)pflichtigkeit bergrechtlich zuzulassender Flutungen von Grubenbauen und der Aufhebungsanspruch nach § 4 Abs. 1 UmwRG, NuR 2009, 461 Die Übertragung bergrechtlicher Rechtspositionen – Praxisprobleme beim Betrieb unterirdischer Gasspeicheranlagen, NVwZ 2012, 338 Das Allgemeine Berggesetz für die Preußischen Staaten in seinen Auswirkungen auf das Bergrecht, ZfB 1965, 110 Bei erneutem Gasstreit zwischen Ukraine und Russland: Wäre Europa jetzt gewappnet? Wochenbericht des DIW Berlin Nr. 48/2009, S. 837

XXXIV

Schrifttum und abgekürzt zitierte Literatur

Ennuschat/Wank/Winkler Erbguth Erbguth Erbguth Erbguth Erbguth Erbguth Erbguth/Mann/Schubert Erbguth/Schink Erbguth/Stollmann Erichsen/Ehlers Erkens/Giedinghagen Erman Ernst/Zinkahn/Bielenberg/ Krautzberger Eyermann Faßbender Faßbender Faßbender

Fehling/Kastner/Störmer Feldhaus Feldmann Filthaut Finke

Finke Finke Finke Finke Finke Fischer Fischerauer Fischerhof Fischerhof Fischer-Hüftle Fluck Fluck/Frenz/Fischer/Franßen Fonk Fornelli

XXXV

Gewerbeordnung, 9. Aufl. (2020), zitiert als Ennuschat/Wank/Winkler GewO Unterirdische Raumordnung, ZUR 2011, 121 Raumordnungspläne für die deutsche Ausschließliche Wirtschaftszone, UPR 2011, 207 Offshore-Windenergieanlagen – Rechtsfragen, RdE 1996, 85 Zulassungsverfahren des Bergrechts und Raumordnung – am Beispiel der Aufsuchung und Gewinnung von Kies und Sand in den neuen Bundesländern, VerwArch 87 (1996), 258 Die nordrhein-westfälische Braunkohlenplanung und der Parlamentsvorbehalt, VerwArch 1995, 327 Verfassungsrechtliche Fragen im Verhältnis Landesplanung und Braunkohlenplanung, DVBl 1982, 1 Besonderes Verwaltungsrecht, 13. Aufl. (2020) Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung, 2. Aufl. (1996), zitiert als Erbguth/Schink UVPG Zum Anwendungsbereich des Bundesbodenschutzgesetzes, NuR 2001, 241 Allgemeines Verwaltungsrecht, 16. Aufl. (2022) Zur Übergangsfähigkeit von Bergbauberechtigungen im Umwandlungsrecht, RdE 2012, 140 Bürgerliches Gesetzbuch, Band 1, 16. Aufl. (2020), zitiert als Erman/Bearbeiter BGB Baugesetzbuch (Loseblatt), 146. Lfg. (2022), zitiert als Ernst/Zinkahn/Bielenberg/ Krautzberger/Bearbeiter BauGB Verwaltungsgerichtsordnung, 16. Aufl. (2022) Zur aktuellen Diskussion um das Verschlechterungsverbot der Wasserrahmenrichtlinie, EurUP 2013, 70 Die neuen wasserwirtschaftlichen Maßnahmenprogramme und Bewirtschaftungspläne – Bindungswirkung und Rechtsschutz, ZfW 2010, 189 Neues zum Anspruch des Bürgers auf Einhaltung des europäischen Umweltrechts – Zugleich Anmerkung zum Feinstaub-Urteil des EuGH Rs. C-237/07 – Dieter Janecek/ Freistaat Bayern, Europarecht 2009, 400 Verwaltungsrecht, 5. Aufl. (2021), zitiert als Fehling/Kastner/Störmer/Bearbeiter Verwaltungsrecht Bundesimmissionsschutzrecht (Loseblatt), Stand 2023, zitiert als Feldhaus/Bearbeiter BImSchG, Stand 2023 Die Umsetzung der UVP-Änderungsrichtlinie in deutsches Recht, DVBl 2001, 589 Haftpflichtgesetz, 10. Aufl. (2019), zitiert als Filthaut HaftpflichtG Hinweise zum sog. Gesamt-Minderwertabkommen zwischen der RAG-Aktiengesellschaft und dem Verband bergbaugeschädigter Haus- und Grundeigentümer (VBHG e.V.), ZfB 2002, 229 Die Verjährung von Bergschadensersatzansprüchen, ZfB 1996, 197 Bergschadensgefahr – Bergschadensvorsorge (nochmals zu Sach- und Rechtsfragen im Zusammenhang mit §§ 110, 111 BBergG), ZfB 1992, 171 Regulierungsschwierigkeiten bei Verkauf bergbaubeschädigter Grundstücke, ZfB 1988, 59 Zur Abgrenzung zwischen Anpassung und Sicherung im Sinne des Bundesberggesetzes und zur entsprechenden Kostentragung, ZfB 1988, 40 Zur Bergschadensvermutung, ZfB 1988, 52 Strafgesetzbuch, 69. Aufl. (2022) Regulierung des Zugangs zu Speicheranlagen (2010) Atomgesetz mit Verordnungen, 9. Aufl. (1982), zitiert als Fischerhof AtomG Deutsches Atomgesetz und Strahlenschutzrecht, Band 1, 2. Aufl. (1978) Bergbauberechtigungen und naturschutzrechtliche Verordnungen, NuR 1989, 106 „Legalisierungswirkung“ bergrechtlicher Zulassungen und öffentlich-rechtliche Verantwortlichkeit für Altlasten, ZfB 1989, 13 Kreislaufwirtschaftsrecht, Abfallrecht und Bodenschutzrecht, 111. Lfg. (2013), zitiert als Fluck/Frenz/Fischer/Franßen/Bearbeiter KrWR, AbfR und BodSchR Das subjektiv-öffentliche Recht auf ordnungsgemäße Luftreinhalteplanung, NVwZ 2009, 69 Der Rechtsschutz im Verleihungsverfahren des Allgemeinen Berggesetzes (1966)

Schrifttum und abgekürzt zitierte Literatur

Fortmann Fouquet Franke

Franke Franke

Franke

Franke Franke Franke G.F. Franßen G. Franßen/Hejma

Frenz Frenz

Frenz Frenz Frenz Frenz Frenz Frenz Frenz Frenz Frenz Frenz Frenz Frenz Frenz Frenz Frenz Frenz

Frenz Frenz Frenz

Drittschutz bei der Gewinnung von Bodenschätzen nach Berg-, Wasser- und Immissionsschutzrecht (1999) Zur UVP-Pflichtigkeit von Tagebauen, ZUR 1994, 190 Rechtliche Rahmenbedingungen für die unkonventionelle Gasgewinnung in NordrheinWestfalen, in: Frenz/Preuße (Hrsg.) Chancen und Risiken von unkonventionellem Erdgas (2011), S. 9 Rechtsfragen der Nutzung erneuerbarer Energien: Grubengas und Geothermie, in: Burgi (Hrsg.) Planungssicherheit im Energiewirtschaftsrecht (2003), S. 93 Die Einlagerung von CO2 in unterirdischen geologischen Formationen unter besonderer Berücksichtigung des Bergrechts, in: Kühne/Ehricke (Hrsg.) Bergrecht zwischen Tradition und Moderne (2010), S. 99 Funktionswandel der Bergbauberechtigung?, in: Baur/Sandrock/Scholtka/Shapira (Hrsg.) Festschrift für Gunther Kühne zum 70. Geburtstag (2009), S. 510, zitiert als Franke FS Kühne (2009) Spätfolgen des Bergbaus – Rechtliche Fragen aus Sicht der Bergbehörde, in: Frenz/ Preuße (Hrsg.) Spätfolgen des Bergbaus (2000), S. 93 Rechtsfragen der Methangasgewinnung aus Steinkohleflözen, RdE 1994, 1 Zum Berggesetz der Deutschen Demokratischen Republik, Bergbautechnik 1969, 281 Abfallwirtschaftsrecht, in: Hansmann/Sellner (Hrsg.) Grundzüge des Umweltrechts (2012), Kapitel 14 Rechtliche Rahmenbedingungen für die Wiedernutzbarmachung ehemals bergbaulich genutzter Flächen, in: Ingenieurtechnischer Verband für Altlastenmanagement und Flächenrecycling e.V. (ITVA) (Hrsg.) Altlastensymposium 2010 (2010), S. 35 Klimahaftung der Energiekonzerne, RdE 2021, 61 Heutige Haftung aus altem Bergwerkseigentum, in: Pielow (Hrsg.) Bergrecht im Wandel der Zeit – gestern, heute, morgen, Festgabe zum 200-jährigen Bestehen des OLG Hamm (2020), S. 180, zitiert als Frenz FG OLG Hamm (2020) Bundesberggesetz (2019) zitiert als Frenz/Bearbeiter BBergG Atomrecht (2019), zitiert als Frenz/Bearbeiter Atomrecht Bundesberggesetz (2019), zitiert als Frenz/Bearbeiter BBergG Kohleausstieg und Braunkohlentagebau, DVBl 2019, 467 Heutige Haftung aus altem Bergwerkseigentum, UPR 2018, 331 Bergschadenshaftung nach dem Steinkohlenende 2018, DVBl 2018, 849 Bergbaubedingte Beben, ZNER 2016, 181 Geothermiebohrungen: Zulassung und Haftung, NuR 2016, 603 Neues Bergrecht? RdE 2015, 55 Braunkohlentagebau und Verfassungsrecht. Anmerkung zu BVerfG, U. v. 17.12.2013 – 1 BvR 3139/08, 1 BvR 3386/08 –, NVwZ 2014, 194 Gewässerschutz nur durch unterirdische Raumplanung? – Notwendige UVP beim Abschlussbetriebsplan –, NuR 2014, 405 Die Wiedernutzbarmachung von Kalihalden durch Abfälle, AbfallR 2012, 72 Fracking und UVP, UPR 2012, 125 FFH-relevante Projekte im Spiegel aktueller Judikatur, NVwZ 2011, 275 Drittschutz im Bergrecht, NVwZ 2011, 86 Höchstrichterliche Absicherung des freien Marktes – Die Abfallwirtschaft in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, in: Kurth (Hrsg.) Ressource Abfall – politische und wirtschaftliche Betrachtungen anlässlich des 50-jährigen Bestehens des BDE (Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft e.V.) (2011), S. 68, zitiert als Frenz FS BDE (2011) Bergbauverantwortlichkeit – vom klassischen Bergbau über Gorleben bis zur Geothermie, ZNER 2010, 145 Bergschadenshaftung für einen Grundwasseranstieg in einer Bergbaufolgelandschaft, LKV 2010, 49 Der Hangrutsch in Sachsen-Anhalt: Konsequenzen aus Wasseranstieg und für Naturschutzmaßnahmen in Bergbaufolgelandschaften, in: Frenz (Hrsg.) Das neue Wasser- und Naturschutzrecht (2010), S. 9

XXXVI

Schrifttum und abgekürzt zitierte Literatur

Frenz Frenz

Frenz Frenz Frenz Frenz Frenz Frenz Frenz Frenz Frenz Frenz Frenz Frenz Frenz Frenz Frenz/Kummermehr Frenz/Müggenborg Frenz/Preuße Freytag Friauf Frowein Fürer Gädtke/Temme/Heintz/Czepuck Gaentzsch

Gaentzsch Gaentzsch Gaentzsch Gaentzsch Gaentzsch

Gaentzsch Gaiser

Gärditz

XXXVII

Auswirkungen des Bebens im Saarbergbau vom 23.2.2008 auf weitere bergbauliche Vorhaben, Markscheidewesen 2009, 21 Bergbaubedingter merkantiler Minderwert und Eigentumsgrundrecht, in: Baur/ Sandrock/Scholtka/Shapira (Hrsg.) Festschrift für Gunther Kühne zum 70. Geburtstag (2009), S. 529, zitiert als: Frenz FS Kühne (2009) Erdbebenähnliche Erschütterungen und weiterer Steinkohlenabbau, WiVerw 2009, 77 Die Novelle der Abfallrahmenrichtlinie im Spannungsfeld zum Berg- und Bodenschutzrecht, UPR 2007, 81 Folgelasten des auslaufenden Steinkohlenbergbaus, UPR 2007, 321 Haftung beim Grundwasseranstieg im Kohlenbergbau, WiVerw 2007, 49 = Glückauf 2007, 275 Die Verschränkung von Gefahrenabwehr und Gefahrenvorsorge – Förderabgabe auf Grubengas bei privater Gefahrenprävention? DÖV 2006, 718 Bergbau und Gemeinschaden, UPR 2005, 1 Unternehmerverantwortung im Bergbau (2003) Die ordnungsrechtliche Verantwortlichkeit für austretende Grubengase (2002) Wiedernutzbarmachung und Biotopschutz, ZfB 2002, 23 Bergrecht und nachhaltige Entwicklung (2001) Bundesbodenschutzgesetz: BBodSchG (2000), zitiert als Frenz BBodSchG Sustainable Development durch Raumplanung (2000) Untertägige Abfallentsorgung im Fadenkreuz aktueller Rechtsprechung und Gesetzgebung, ZfB 2000, 216 Abfallverwertung im Bergbau (1998) Rechtliche Fragen zu bergbaubedingten Bodenabsackungen, ZfB 2000, 24 Bundesnaturschutzgesetz, 3. Aufl. (2021), zitiert als Frenz/Müggenborg/Bearbeiter BNatSchG Neue Technologien und Risswerk, in: Hendler (Hrsg.) Jahrbuch des Umwelt- und Technikrechts 2005 (2005), S. 325 Der Einsatz von Rückständen im Bergbau – an der Nahtstelle von Berg- und Abfallrecht, NuR 1996, 334 Der bundesstaatliche Finanzausgleich, JA 1984, 618 Verfassungsrechtliche Probleme um den deutschen Festlandsockel, Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht Bd. 25, 1 Der Bergbau auf dem deutschen Festlandsockel der Nordsee, Neues Archiv für Niedersachsen Bd. 31, 126 Kommentar zur Bauordnung NRW, 12. Aufl. (2011), zitiert als Gädtke/Temme/Heintz/ Czepuck BauO NRW Der Erörterungstermin im Planfeststellungsverfahren, in: Dolde/Hansmann/Paetow/ Schmidt-Assmann (Hrsg.) Verfassung – Umwelt – Wirtschaft: Festschrift für Dieter Sellner zum 75. Geburtstag (2010), S. 219 Struktur und Probleme des atomrechtlichen Planfeststellungsverfahrens, in: Ossenbühl (Hrsg.) Deutscher Atomrechtstag 2004 (2005), S. 115 Rechtliche Fragen des Abbaus von Kies und Sand, NVwZ 1998, 889 Oberflächeneigentum und Bergbau aus der Sicht der höchstrichterlichen Rechtsprechung, DVBl 1993, 527 Die Zulassung bergbaulicher Vorhaben im System des Anlagengenehmigungsrechts, in: Kühne/Gaentzsch (Hrsg.) Wandel und Beharren im Bergrecht (1992), S. 9 Die bergrechtliche Planfeststellung, in: E. Franßen/Wilke/Schlichter/Redeker (Hrsg.) Bürger – Richter – Staat: Festschrift für Horst Sendler zum Abschied aus seinem Amt (1991), S. 403, zitiert als Gaentzsch FS Sendler (1991) Baugesetzbuch (1991), zitiert als Gaentzsch BauGB Die Umwandlung und ihre Auswirkungen auf personenbezogene öffentlich-rechtliche Erlaubnisse – Ein unlösbarer Konflikt zwischen Umwandlungsrecht und Gewerberecht? DB 2000, 361 Verwaltungsgerichtsordnung mit Nebengesetzen, 3. Aufl. (2023), zitiert als Gärditz/ Bearbeiter VwGO

Schrifttum und abgekürzt zitierte Literatur

Gahlen/Weiß Gassner Gassner Gassner/Buchholz Geiger Gellermann Gellermann/Stoll/Czybulka Gelzer/Busse/Fischer Gerigk Geulen Giesecke

Giesen Glöckner Gloria

Glückert

Glückert Göhler Gojowczyk Götze

Grigo Große Große Große Große-Suchsdorf Grüneberg Grüneberg Guckelberger Guder/Weber/Frenz/Preuße Gutbrod/Töpfer Habighorst Haedrich Carl Hahn Carsten Hahn D. Hahn von Hammerstein

Grubengas: Gewinnung und Verwertung und die sich daraus ergebenden Aufgabenstellungen für die Bergbehörden in Nordrhein-Westfalen, Glückauf 2001, 532 Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (2006), zitiert als Gassner UVPG Die medien- und verfahrensübergreifende Umweltverträglichkeitsprüfung, UPR 1990, 361 Rechtsfragen des Erdgas-Fracking – Grundwasserschutz und UVP, ZUR 2013, 143 Das Umweltinformationsrecht der EU und seine Umsetzung in Deutschland, AnwBl. 2010, 464 Recht der natürlichen Lebensgrundlagen in der Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ), NuR 2004, 75 Handbuch des Meeresnaturschutzrechts in der Nord- und Ostsee, 1. Aufl. (2012) Entschädigungsanspruch aus Enteignung und enteignungsgleichem Eingriff, 4. Aufl. (2017) Das Verhältnis zwischen Bergrecht und Naturschutz, ZfB 1987, 232 Die langsame Beseitigung des Rechtsschutzes im Umweltrecht, KJ 1980, 170 Einführung einer Förderabgabe für Inhaber alter Rechte gemäß § 149 BBergG (Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages [WD 3 – 3000 – 369/11]) (2011) Rekultivierungsauflagen im Betriebsplan – Zur Abgrenzung der Zuständigkeiten der Bergbehörden und der Forstbehörden, ZfB 1989, 185 Zu einigen Fragen der Bergschadenshaftung, Neue Bergbautechnik 1971, 98 Das Berg- und Energierecht der Deutschen Demokratischen Republik, in: Hüffer/Ipsen/ Tettinger (Hrsg.) Festschrift für Fritz Fabricius zum 70. Geburtstag, S. 457, zitiert als Gloria FS Fabricius (1989) Sonderbetriebsplan und Sonderbetriebsplanzulassung – Anmerkungen zu einigen offenen Fragen, in: Baur/Sandrock/Scholtka/Shapira (Hrsg.) Festschrift für Gunther Kühne zum 70. Geburtstag (2009), S. 543, zitiert als Glückert FS Kühne (2009) 10 Jahre Streit um Cappenberg: Bestandsaufnahme des juristischen Ertrags und der offen gebliebenen Fragen in: von Danwitz (Hrsg.) Bergbau und Umwelt (1999), S. 13 Ordnungswidrigkeitengesetz, 18. Aufl. (2021) Das Bergwerkseigentum als Gegenstand der Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen (2014) Die geschichtliche Entwicklung der Hauptstelle für das Grubenrettungswesen, in: Kompass 2007 Heft 3/4 (Festschrift 100 Jahre organisiertes Grubenrettungswesen in Deutschland), 4 Die Allgemeine Bundesbergverordnung und ihre Bedeutung für Bergaufsicht und Betrieb, bergbau 1995, 536 Anmerkung zum Urteil des VGH Mannheim vom 15.4.2010, 6 S 1939/09, ZUR 2010, 426 Strom und Wärme aus der Tiefe, ZUR 2009, 535 Zu den Genehmigungsvoraussetzungen für geothermische Anlagen, NVwZ 2004, 809 Niedersächsische Bauordnung Kommentar, 10. Aufl. (2020), zitiert als Große-Suchsdorf/ Bearbeiter Niedersächsische Bauordnung Bürgerliches Gesetzbuch, 82. Auflage (2023) Bürgerliches Gesetzbuch, 81. Auflage (2022), zitiert als Grüneberg/Bearbeiter BGB Die Bergschadensvermutung gem. § 120 BBergG, NuR 2017, 88 Satellitenvermessung und moderne Rohstoffgewinnung, Glückauf 2006, 547 Praxis des Bergrechts mit den Besonderheiten für die neuen Bundesländer (1996) Die „Gründe des öffentlichen Interesses“ in § 23 BBergG, ZfB 2000, 230 Atomgesetz mit Pariser Atomhaftungs-Übereinkommen (1986), zitiert als Haedrich AtG Allgemeines Berggesetz für die Preußischen Staaten vom 24. Juni 1865, Nebst den vollständigen Materialien zur Erläuterung desselben (1865), zitiert als Hahn ABG Raumordnung und Landesplanung in der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Brandenburg, LKV 2006, 193 Abwägungsbeachtlichkeit von Bergbauberechtigungen, ZfB 1985, 194 Wann ist das Bundesberggesetz auf die Nutzung von Erdwärme anwendbar? in: Klees/ Gent (Hrsg.) Festschrift für Peter Salje zum 65. Geburtstag (2013), S. 201, zitiert als: von Hammerstein FS Salje (2013)

XXXVIII

Schrifttum und abgekürzt zitierte Literatur

von Hammerstein

Hansmann/Sellner Hartung Hauer Heimlich P. H. Heinemann G. H. Heinemann/Pinkerneil Heitmann Heitmann Heller Heller Hellriegel Hellriegel Hellriegel/Schmitt Helms Hendler Hennenhöfer/Mann/Pelzer/ Sellner Henning Henssler/Strohn Herberger/Martinek/Rüßmann/ Weth W. Hermann/G. Hermann Hermanns Hermülheim Herr M. Herrmann M. Herrmann M. Herrmann

M. Herrmann M. Herrmann M. Herrmann

U. Herrmann Hesse Heuer/Hoffmann Heuvels Himmelmann/Tünnesen-Harmes Hoffmann

XXXIX

Feldesüberschreitende Kohlenwasserstoff-Lagerstätten, in: Baur/Sandrock/Scholtka/ Shapira (Hrsg.) Festschrift für Gunther Kühne zum 70. Geburtstag (2009), S. 575, zitiert als von Hammerstein FS Kühne (2009) Grundzüge des Umweltrechts, 4. Aufl. (2012) Die Atomaufsicht – Zur staatlichen Aufsicht nach § 19 des Atomgesetzes (1992) Fragen der Grundabtretung und der Entschädigung (2000) Die Anerkennung der Verleihungsgebühr durch den „Wasserpfennig-Beschluss“ des Bundesverfassungsgerichts, DÖV 1997, 996 Raumordnung und bergrechtliche Grundabtretung (1961) Handbuch des deutschen Bergwesens (1938–1944) Die Leitlinien des Bundesverwaltungsgerichts für den Bergbau, ZfB 1990, 179 Der Wegfall der Bergbauberechtigung, ZfB 1987, 26 Berggesetzgebung für den Festlandsockel, ZfB 1974, 292 Die Entschädigungsansprüche des Bergbautreibenden gegen den Staat oder einen Begünstigten wegen bergbehördlicher Maßnahmen im Betriebsplanverfahren (1965) Konkurrenzkampf unter der Erde – Rechtsrahmen für eine Raumordnung zur Steuerung unterirdischer Nutzungen, in: Frenz/Preuße (Hrsg.) Unterirdische Raumplanung (2014), S. 9 Grundwasser in Bewegung, NuR 2007, 728 Aufwertung des bodenschutzrechtlichen Ausgleichsanspruchs, NJW 2009, 1118 Das verordnungsvertretende Gesetz – eine Stärkung der Landesparlamente?: Eine Untersuchung zu Reichweite und Grenzen des Art. 80 Abs. 4 GG (2008) Normenkontrolle Privater gegen Raumordnungs- und Flächennutzungspläne, NuR 2004, 485 Atomgesetz/Pariser Atomhaftungsübereinkommen, zitiert als Hennenhöfer/Mann/Pelzer/ Sellner/Bearbeiter AtG/PÜ Die bergrechtliche Förderabgabe im bundesdeutschen Länderfinanzausgleich (2002) Gesellschaftsrecht, 5. Aufl. (2021) juris Praxiskommentar BGB, 7. Aufl. (2014), zitiert als jurisPK-BGB/Bearbeiter Die alten Zechen an der Ruhr, 6. Aufl. (2008) Bespr. zu: Walter Frenz, Unternehmerverantwortung im Bergbau, DVBl 2005, 563 100 Jahre Hauptstelle für das Grubenrettungswesen – Ein Beitrag zum Katastrophenschutz im Steinkohlenbergbau, Glückauf 2011, 271 Das Bergrecht der Vereinigten Staaten von Amerika, ZfB 1955, 358 Sicherheitsleistungen nach dem Bundesberggesetz, ZfB 2018, 271 Vorsorgevereinbarungen zur Sicherung der Wiedernutzbarmachung im auslaufenden Braunkohlebergbau, ZfB 2020, 179 Der Rechtsangleichungsprozess im Bergrecht nach dem Einigungsvertrag, in: Pielow (Hrsg.) Bergrecht im Wandel der Zeit – gestern, heute, morgen, Festgabe zum 200jährigen Bestehen des OLG Hamm (2020), S. 18, zit. als Herrmann FG 200 Jahre OLG Hamm Die Nachsorgeverantwortung von Bergbauunternehmen, NuR 2016, 823 Die EG-Bergbauabfallrichtlinie und ihre Umsetzung in deutsches Bergrecht, 12. DGWForschungstage, Dresden 15.6.2009 Das Bergschadensrecht als Haftungsmaßstab im Zusammenhang mit der Flutung von Tagebaurestlöchern, in: Degenhart/Dammert/Heggemann (Hrsg.) Bergrecht in der Entwicklung (2003), S. 103 Der Konflikt zwischen Verkehrswegen, Leitungsrechten und Bergbau in der neuen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, WM 2011, 1781 Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl. (1995) Gewinnung mineralischer Rohstoffe in den neuen Bundesländern, Wirtschaftsrecht 1991, 21 und 55 Zur Verantwortlichkeit des Bergbauunternehmens für die Behandlung belasteter Grubenwässer nach Betriebsstillegung, NVwZ 1995, 972 Wende bei der Beurteilung bergrechtlicher Betriebspläne? UPR 2002, 212 Bergrechtsvereinheitlichung und Bestandschutz für bestehende Bergbauberechtigungen, BB 1996, 1450

Schrifttum und abgekürzt zitierte Literatur

Hoffmann

Hoffmann Hofmann Holz/Zeiler Hopf Hoppe Hoppe Hoppe Hoppe Hoppe Hoppe Hoppe Hoppe/Beckmann/Kment Hoppe/Beckmann Hoppe/Bunse Hoppe/Spoerr Hoppe/Spoerr

Hoppe/Spoerr Horn Hösgen Hösgen Hübner/Matusche-Beckmann Huck/Müller Hufen Hüffer

Hüffer

Hüffer/Tettinger Hüffer/Tettinger Huntemann H. P. Ipsen H. P. Ipsen

Der Einigungsvertrag – rechtliche Grundlage für die Umwandlung ehemals volkseigener hochwertiger Steine-Erden-Rohstoffe in bergfreie Bodenschätze, BB 1994, 1584 Deutsche Einigung – bergrechtliche Konsequenzen für die neuen Bundesländer, BB 1991, 1506 Das Rettungsübernahmegesetz im Spiegel des Art. 14 Abs. 3 GG, „Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig“, NVwZ 2009, 673 Gemeindliche Planungshoheit und bergrechtliches Betriebsplanverfahren (1983) Zur Entsorgung bergbauspezifischer Abfälle, ZfB 1990, 150 Die Bedeutung von Optimierungsgeboten im Planungsrecht, DVBl 1992, 853 Das Spannungsverhältnis von Bergwerkseigentum und Oberflächeneigentum im Lichte des Verfassungsrechts (1991) Die Einschränkung bergbaulicher Berechtigungen durch eine Nationalparkverordnung – am Beispiel des niedersächsischen Wattenmeeres, DVBl 1987, 757 Nationalpark-Verordnung „Niedersächsisches Wattenmeer“ und bergbauliche Berechtigungen (1987) Die wirtschaftliche Vertretbarkeit im Umweltschutzrecht (1984) Gelenkfunktion der Braunkohlenplanung zwischen Landesplanung und bergrechtlichem Betriebsplan? UPR 1983, 105 Bergbauberechtigungen als verfassungskräftige Eigentumsposition und ihr Schutz gegenüber Planung, DVBl 1982, 101 Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung, 5. Aufl. (2018), zitiert als Hoppe/ Beckmann/Kment/Bearbeiter UVPG Grundeigentumsschutz bei heranrückendem Bergbau (1988) Verfahrensrechtliche Probleme bei der Errichtung von Anlagen zur Endlagerung radioaktiver Stoffe, DVBl 1984, 1033 Bergrecht und Raumordnung (1999) Die Erfordernisse der Raumordnung im bergrechtlichen Betriebsplanverfahren – Raumordnungsrechtliche Grundlagen und die herkömmliche Betriebsplanzulassung, ZfB 1999, 110 Raumordnungs- und Bauplanungsrecht in der bergrechtlichen Planfeststellung, UPR 1999, 246 Die Feldes- und Förderabgabe nach dem Bundesberggesetz (1989) Zur Verfahrensbeteiligung der Gemeinden bei bergrechtlichen Betriebsplanzulassungen zum Schutz von kommunalen Trinkwasseranlagen, LKV 1992, 398 Rechte der Kommunen bei bergrechtlichen Betriebsplanzulassungen zum Schutz von kommunalen Anlagen, ThürVBl 1994, 101 Auswirkungen des Gemeinschaftsrechts auf das nationale Versicherungsrecht, EuZW 1995, 263 Verwaltungsverfahrensgesetz, 3. Aufl. (2020), zitiert als Huck/Müller VwVfG Verwaltungsprozessrecht, 12. Aufl. (2021) Bergbau, Eigentum und Schadensrisiko – Zivilrechtliche Überlegungen nach dem MoersKapellen-Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, in: Jayme/Laufs/Misera/Reinhart/Serick (Hrsg.) Festschrift für Hubert Niederländer zum siebzigsten Geburtstag am 10. Februar 1991 (1991), S. 267, zitiert als Hüffer FS Niederländer (1991) Präventive Maßnahmen im Bergschadensrecht, in: Hüffer/Ipsen/Tettinger (Hrsg.) Bergund Energierecht vor den Fragen der Gegenwart, Festschrift für Fritz Fabricius zum 70. Geburtstag (1989), S. 115, zitiert als Hüffer FS Fabricius (1989) Braunkohlenabbau in der ehemaligen DDR und Sanierungsverpflichtungen (1994) Sand und Kies als Gegenstand des Bergwerkseigentums in den neuen Bundesländern (1993) Recht der unterirdischen Endlagerung radioaktiver Abfälle (1989) Öffentliches Wirtschaftsrecht: Entwicklungsbeiträge unter dem Grundgesetz (1985) Bundes-Ausgleichsabgaben zur Wirtschaftslenkung – Zur bundesgesetzlichen Abschöpfbarkeit von „windfall profits“ aus inländischer Erdöl- und Erdgasgewinnung, DVBl 1976, 653

XL

Schrifttum und abgekürzt zitierte Literatur

H. P. Ipsen

H. P. Ipsen J. Ipsen/Stüer/Mössner K. Ipsen/Tettinger Isay Isay Isay Isensee/Kirchhof Isensee/Kirchhof Jägers Jäkel Jakob Jankowski Janssen Jarass Jarass Jarass Jarass Jarass Jarass Jarass/Pieroth Jarass/Petersen Jaschinski Jauernig Jelitte Jenisch Jordan Jordan/Welsing Kallmeyer Kapsa Karge Karkaj

Karlsruher Kommentar Karpen Karpen Karpen

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Rechtsstaatliche Erdölkonzessionierung, in: Conrad/Jahrreiß/Mikat/Mosler/Nipperdey/ Salzwedel (Hrsg.) Gedächtnisschrift für Hans Peters (1967), S. 686, (Nachdruck in: Ipsen Öffentliches Wirtschaftsrecht (1985), S. 653), zitiert als Ipsen GS Peters (1967) Zum „Erdöl“-Urteil des Bundesgerichtshofs (BGHZ 19, 209), AöR 81 (1956), 241 Öffentliche Verwaltung in Europa (1999) Altlasten und kommunale Bauleitplanung (1988) Der Geist des heutigen deutschen Bergrechts (1953) Allgemeines Berggesetz für die Preußischen Staaten, Band 1, 2. Aufl. (1933), zitiert als Isay ABG, Band 1 Allgemeines Berggesetz für die Preußischen Staaten, Band 2, 1. Aufl. (1920), zitiert als Isay ABG, Band 2 Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Band 6, 3. Aufl. (2008) Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Band 5, 3. Aufl. (2007) Der Bergschadenersatzanspruch nach DDR-Recht, ZfB 1992, 202 Die Sicherheitsleistung zur Sicherstellung der Vorsorge für die Wiedernutzbarmachung der Oberfläche im Bergrecht (2017) Der wirtschaftspolitische Einfluß des Staates auf die Berggesetzgebung, Diss. Clausthal (1980) Rohstoffgewinnung im Spannungsfeld des Bodendenkmalschutzes – dargelegt am Beispiel Nordrhein-Westfalen, NuR 2008, 19 Die rechtlichen Möglichkeiten der Einrichtung von Meeresschutzgebieten in der Ostsee (2002) Bundes-Immissionsschutzgesetz, 14. Aufl. (2023), zitiert als Jarass BImSchG Die Zulässigkeit von Projekten nach FFH-Recht, NuR 2007, 371 Grundstrukturen des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung, NUR 1991, 201 Verfassungsrechtliche Grenzen für die Erhebung nichtsteuerlicher Abgaben, DÖV 1989, 1013 Umweltverträglichkeitsprüfung bei Industrievorhaben (1987) Der rechtliche Stellenwert technischer und wissenschaftlicher Standards, Probleme und Lösungen am Beispiel der Umweltstandards, NJW 1987, 1225 Grundgesetz, 17. Aufl. (2022) Kreislaufwirtschaftsgesetz: KrWG, 2. Aufl. (2022), zitiert als Jarass/Petersen KrWG Der Konflikt von Bauleitplanung und bergrechtlicher Zulassung eines Abbauvorhabens im Tagebau, LKV 1999, 295 Bürgerliches Gesetzbuch, 18. Aufl. (2021), zitiert als Jauernig/Bearbeiter BGB Anmerkung zu dem Urteil des BGH vom 20.1.2011 (III ZR 271/09), ZfB 2011, 158 Windenergieanlagen im internationalen Seerecht, ZfB 1996, 108 Das Zusammenspiel von Bergrecht und Wasserrecht im bergrechtlichen Betriebsplanverfahren, ZfB 2018, 102 Einstellung der Grubenwasserhaltung nach Beendigung der Steinkohlengewinnung – Bergrechtliche Betrachtung, ZfB 2017, 231 Umwandlungsgesetz, 7. Aufl. (2020), zitiert als Kallmeyer/Bearbeiter UmwG Aus der neueren Rechtsprechung des BGH zur Enteignungsentschädigung, insbesondere bei Drittrechten, NVwZ 2003, 1423 Das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz im System des deutschen Verwaltungsprozessrechts (2010) Das Prüfungsprogramm der Bergaufsicht – Reichweite der Bindungswirkung der Aufsuchungserlaubnis für das Betriebsplanzulassungs- und Bewilligungsverfahren, NuR 2014, 164 Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (Hrsg. Senge), 5. Aufl. (2018), zitiert als KarlsruherKomm-OwiG/Bearbeiter Die Förderabgabe nach dem Bundesberggesetz im bundesstaatlichen Finanzausgleich, AöR 109 (1984), 417 Grundeigentum und Bergbaurechte nach dem Bundesberggesetz vom 13.8.1980, AöR 106 (1981), 15 Die Verweisung als Mittel der Gesetzgebungstechnik (1970)

Schrifttum und abgekürzt zitierte Literatur

Karrenstein Kast Keienburg

Keienburg Keienburg Keienburg Keienburg

Keienburg Keienburg Keienburg Keienburg

Keienburg Keienburg Keienburg Keienburg Keienburg/Neupert Keienburg/Neupert Keienburg/Neupert

Keienburg/Knöchel Keilich Keller Keusgen Keusgen Kiesewetter Kiesewetter Kiesewetter Kiessling/Ostern Kintzel

Errichtung und Betrieb von Erdgasspeichern in unterirdischen Hohlraumstrukturen (2016) Das Hilfsbaurecht im Grundeigentümerbergbau, ZfB 1962, 298 Konflikte zwischen umgegangenem Bergbau und Nachfolgenutzungen, in: Pielow (Hrsg.) Bergrecht im Wandel der Zeit – gestern, heute, morgen, Festgabe zum 200-jährigen Bestehen des OLG Hamm (2020), S. 248, zitiert als Keienburg FG OLG Hamm (2020) Die Fracking-Gesetzgebung und ihre Folgen für den konventionellen Bohrlochbergbau, ZfB 2016, 270 Rechtsschutzfragen hinsichtlich der Standortauswahl eines Endlagers für wärmeentwickelnde radioaktive Abfälle, atw 2014, 571 Verfassungs- und europarechtliche Fragen hinsichtlich der Standortauswahl eines Endlagers für hochradioaktive Abfälle, NVwZ 2014, 1133 Das bergrechtliche Betriebsplanzulassungsverfahren unter besonderer Berücksichtigung des Sonderbetriebsplans „Abbaueinwirkungen auf das Oberflächeneigentum“, NVwZ 2013, 1123 Bergrechtliche Sicherheitsleistungen gemäß § 56 Abs. 2 BBergG – Voraussetzungen und Inhalt, ZfB 2013, 243 Veränderte Behördenzuständigkeiten im Zusammenhang mit der Endlagerung gemäß Artikelgesetz zur Standortsuche, atw 2012, 725 Konsequenzen der Erschütterungen vom 23.2.2008 de lege lata, Markscheidewesen 2010, 14 Beschleunigungen der Öffentlichkeitsbeteiligung – Verlangsamung der Umsetzung im Bundesberggesetz? in: Baur/Sandrock/Scholtka/Shapira (Hrsg.) Festschrift für Gunther Kühne zum 70. Geburtstag (2009), S. 605, zitiert als Keienburg FS Kühne (2009) Mitwirkungspflichten Bergbaubetroffener und die Folgen ihrer Nichtbeachtung, in: Pielow (Hrsg.) Sicherheit in der Energiewirtschaft (2007), S. 443 Öffentlichkeitsbeteiligung im Bergrecht, in: Kühne/Ehricke (Hrsg.) Öffentlichkeitsbeteiligung und Eigentumsschutz im Bergrecht (2005), S. 9 Die Öffentlichkeitsbeteiligung im Bergrecht (2004) Anmerkung zum Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 4.2.2000, 7 U 67/98, ZfB 2000, 201 Änderung von Rohrleitungen – Teil 3: Die Änderung von Rohrfernleitungen zum Befördern wassergefährdender Stoffe, § 20 Abs. 2 S. 4 UVPG, 3R 2013, Heft 10, 32 Änderung von Rohrleitungen – Teil 2: Die UVP-Relevanz von Änderungen, 3R 2013, Heft 09, 24 Zulassungsverfahren für Errichtung und Betrieb von Rohrfernleitungen – Teil 3: Anforderungen des Bundesberggesetzes (BBergG) und des Kohlendioxidspeichergesetzes (KSpG), 3R 2013, Heft 04-05, 44 Ordnungsrechtliche Verantwortlichkeit für Grubengase aus Sicht des Bergbaus, in: Frenz/Preuße (Hrsg.) Grubengas: Entstehung, Gefahren, Nutzung (2001), S. 45 Zulassungsfreie Änderungen fachplanungsrechtlicher Vorhaben und UVP-Pflicht, LKV 2004, 97 Das Planungs- und Zulassungsregime für Offshore-Windenergieanlagen in der deutschen Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) (2006) Allgemeine Bundesbergverordnung – Entstehen, Konzeption, Regelungsinhalt, ZfB 1996, 60 Bergverordnungen über vermessungstechnische und sicherheitliche Unterlagen sowie über Einwirkungsbereiche, ZfB 1983, 95 Probleme des Untersuchungs- und Gewinnungsrechts, Neue Bergbautechnik 1971, 84 Die Differenzierung zwischen Bodenschätzen und mineralischen Rohstoffen im Sinne des neuen Berggesetzes, Bergbautechnik 1970, 455 Die Stellung, die Aufgaben und die Rechte der Obersten Bergbehörde auf der Grundlage der neuen Berggesetzgebung, Bergbautechnik 1970, 174 Bayerisches Berggesetz (1953) Bodenordnerische und bodenwirtschaftliche Modifikationen der bergrechtlichen Grundabtretung für den Rheinischen Braunkohlentagebau (2004)

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Schrifttum und abgekürzt zitierte Literatur

F. Kirchhof Kirchner Kirchner Kirchner Kirchner Kirchner/Kremer Kirchner/Kremer Kirschey/Wagner Kisker Klages Klapper Kleine Kleine Kleine Klinkhardt Kloepfer Kloepfer Klostermann Klostermann Klostermann/Fürst Klostermann/Fürst/Thielmann Kment Kment Knack/Henneke Knöchel Knöchel

Knöchel Knöchel Knöchel Knöchel Kodal Kohler Kölble Kolonko Kolonko König/Hoffmann König/tho Pesch

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Die Verleihungsgebühr als dritter Gebührentyp, DVBl 1987, 554 Aktuelle Fragen zum Abschlussbetriebsplan, UPR 2010, 161 Zur Duldungspflicht von Bergschäden, Glückauf 1985, 464 Anmerkung zu dem Urteil des OVG NW vom 29.3.1984, ZfB 1984, 377 Der Begriff der Wiedernutzbarmachung nach dem Bundesberggesetz und nach dem Abgrabungsrecht des Landes Nordrhein-Westfalen, ZfB 1984, 333 Leitung und Beaufsichtigung des Bergbaubetriebes, ZfB 1990, 189 Störerhaftung bei verlassenen Grubenbauen, ZfB 1990, 5 Abbaugebiete als Sekundärlebensraum streng geschützter Amphibienarten – Rekultivierung im Licht des europäischen Artenschutzrechtes, EurUP 2013, 282 Der bergrechtliche Förderzins im bundesstaatlichen Finanzausgleich (1983) Öffentlichkeitsbeteiligung und Bergrecht, NuR 2014, 259 Über die Voraussetzungen und das Ausmaß der Zulegung von Bergwerksfeldern, ZfB 1952, 87 Neue Markscheidergesetze in Deutschland, Markscheidewesen 2010, 3 Das Bergrecht der Deutschen Demokratischen Republik (1973), zitiert als Kleine/ Bearbeiter Das Bergrecht der Deutschen Demokratischen Republik Wesen und Bedeutung des Gewinnungs- und Untersuchungsrechts, in: Rektor der Bergakademie Freiberg (Hrsg.) Beiträge zum Bergrecht der DDR (1970), S. 21 Gemeindliche Planungshoheit und die Gestaltung des Abschlußbetriebsplanes stillgelegter Zechen, ZfB 1969, 71 Umweltrecht, 4. Aufl. (2016) Verfassungsrecht, Band 2 (2010) Übersicht der Bergrechtlichen Entscheidungen des Königlichen Ober-Tribunals 1860– 1863 (1864) Übersicht der Bergrechtlichen Entscheidungen des Königlichen Ober-Tribunals (1861) Allgemeines Berggesetz für die Preußischen Staaten, 5. Aufl. 1896, zitiert als: Klostermann/Fürst ABG Allgemeines Berggesetz für die Preußischen Staaten, 6. Aufl. (1911), zitiert als Klostermann/Fürst/Thielmann ABG Vorzeitige Besitzeinweisung und vorzeitiges Enteignungsverfahren nach dem Energiewirtschaftsgesetz, NVwZ 2012, 1134 Das neue Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz und seine Bedeutung für das UVPG, NVwZ 2007, 274 Verwaltungsverfahrensgesetz, 11. Aufl. (2019), zitiert als Knack/Henneke/Bearbeiter VwVfG Rechtsprobleme des Altbergbaus im Überblick, ZfB 2014, 263 Das Bundesberggesetz und die Sicherung der Rohstoffversorgung, in: Baur/Sandrock/ Scholtka/Shapira (Hrsg.) Festschrift für Gunther Kühne zum 70. Geburtstag (2009), S. 599, zitiert als Knöchel FS Kühne (2009) Die Haftung des Bergbauunternehmens nach Einstellung der Förderung, in: Frenz/ Preuße (Hrsg.) Spätfolgen des Bergbaus (2000), S. 103 Der Bergschaden und seine Bezüge zum öffentlichen Recht, ZfB 1999, 224 Der Abschlussbetriebsplan – Dogmatische Strukturen und Problemfelder in der Praxis, ZfB 1996, 44 Die Umweltverträglichkeitsprüfung bei Vorhaben des untertägigen Steinkohlenbergbaus, NWVBl 1992, 117 Straßenrecht, 8. Aufl. (2021) Duldungspflichtabhängige Aufopferungshaftung als Grenze der Umweltgefährdungshaftung, NuR 2011, 7 Bundesstaat und Festlandsockel, DÖV 1964, 217 Anforderungen der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung an einen Abbau von Steinen und Erden (1997) Naturschutz und Bergrecht – zwei unvereinbare Materien? ZUR 1995, 126 Der lange Weg vom „Forschungsbergwerk“ zum „Endlager für radioaktive Abfälle“ ZUR 2009, 353 Der Festlandsockelvertrag von 1964 und seine Auswirkungen auf die deutschniederländische Küstenmeergrenze, Zeitschr. f. ausl. öff. Recht und Völkerrecht 2013, 483

Schrifttum und abgekürzt zitierte Literatur

Konrad Kopp/Ramsauer Kopp/Schenke Korintenberg/Lappe/Bengel/ Reimann Kotulla Kotulla Kräber Kratzsch Krause Krautschneider Kreft Kremer Kremer Kremer Kremer Kremer Kremer Kremer/Neuhaus gen. Wever Kremser Kreppel Krieger Kropp H. Krüger

W. Krüger Kühling Kühne Kühne Kühne Kühne

Kühne Kühne Kühne Kühne Kühne Kühne Kühne

Das Bergschadensrecht im System der verschuldensunabhängigen Haftung (2012) Verwaltungsverfahrensgesetz, 23. Aufl. (2022), zitiert als Kopp/Ramsauer VwVfG Verwaltungsgerichtsordnung, 28. Aufl. (2022), zitiert als Kopp/Schenke VwGO Kostenordnung, 22. Aufl. (2022), zitiert als Korintenberg/Lappe/Bengel/Reimann/ Bearbeiter KostO Anlagen des Bergwesens und immissionsschutzrechtliche Genehmigungsbedürftigkeit, NuR 2006, 348 Wasserhaushaltsgesetz, 2. Aufl. (2011), zitiert als Kotulla WHG Haftungsprobleme bei Geothermiebohrungen (2012) Bergschadenkunde, 6. Aufl. (2013) Veräußerung von Bergwerkseigentum durch die Treuhandanstalt, ZAP-DDR Fach 7, S. 47 Das Betriebsplanverfahren, Bergfreiheit 1967, 38 Öffentlich-rechtliche Ersatzleistungen, 2. Aufl. (1998) Gemeinschädliche Einwirkungen i.S.d. § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 BBergG, UPR 1999, 250 Zur Beteiligung der Gemeinden vor der Zulassung bergbaulicher Vorhaben nach dem Bundesberggesetz, DÖV 1997, 822 Bemerkungen zur Vereinheitlichung der Rechtsverhältnisse bei Bodenschätzen, LKV 1996, 368 Bergfreie Bodenschätze im Beitrittsgebiet – Grundeigentümer vorerst vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert, Glückauf 1993, 69 Umweltverträglichkeitsprüfung im Bergrecht – Anmerkungen zur vierten Änderung des Bundesberggesetzes, NVwZ 1990, 736 Zur UVP-Pflichtigkeit bergbaulicher Vorhaben in den neuen Bundesländern, LKV 1994, 434 Bergrecht (2001) Die Fortgeltung strahlenschutzrechtlicher Bestimmungen der DDR, SächsVBl. 1995, 169 Rechtsnachfolge in anlagenbezogene Zulassungsakte im Bereich des Umweltrechts (1998) Die Anwendbarkeit nationaler und internationaler Regelungen auf die Erdgasgewinnung aus dem deutschen Festlandsockel, DVBl 2002, 300 Die Abgrenzung zwischen Berg- und Abfallrecht bei der Rekultivierung einer Bohrspülungsdeponie, NuR 2003, 526 Verfassungsrechtlicher Eigentumsschutz für den Bergbau, in: Hüffer/Ipsen/Tettinger (Hrsg.) Berg- und Energierecht vor den Fragen der Gegenwart, Festschrift für Fritz Fabricius zum 70. Geburtstag (1989), S. 99, zitiert als Krüger FS Fabricius (1989) Der vertikale Nachbar, in: Joost/Oetker/Paschke (Hrsg.) Festschrift für Franz Jürgen Säcker zum 70. Geburtstag (2011), S. 91, zitiert als Krüger FS Säcker (2011) Fachplanungsrecht (1988) Fragen des Berechtsamswesens im Bergrecht, ZfB 2018, 92 Bergrechtliche Bewilligung und Fernstraßenbau, NVwZ 2018, 214 Bergbau(berechtigungen) und Eigentumsgarantie – Gewichtsverlagerungen in der höchstrichterlichen Rechtsprechung, ZfB 2017, 71 Wegmarken der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zum Bergrecht, in: Hadding/ Herrmann/Krämer (Hrsg.) Festschrift für Wolfgang Schlick zum 65. Geburtstag (2015), S. 263, zitiert als Kühne FS Schlick (2015) Verfassungsrechtliche Fragen der bergrechtlichen Enteignung – Zum Garzweiler-Urteil des BVerfG vom 17.12.2013, NVwZ 2014, 321 Drei Jahrzehnte Bundesberggesetz – Entwicklungslinien und Ausblick –, ZfB 2013, 113 Enteignungsentschädigung bei hoheitlichem Entzug von Bodenschätzen zugunsten öffentlicher Verkehrsanlagen – Zur Eigentumsdogmatik des BGH, DVBl 2012, 661 Bergrecht und Nachbarrecht, in: Joost/Oetker/Paschke (Hrsg.) Festschrift für Franz Jürgen Säcker zum 70. Geburtstag (2011), S. 105, zitiert als Kühne FS Säcker (2011) Deutsches Bergrecht, in: F. J. Säcker (Hrsg.) Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht (2010), S. 263 Die betriebsplanrechtliche Relevanz bergbauinduzierter Erderschütterungen, DVBl 2010, 874 Unterirdische Grundstücksnutzungen als Gegenstand des Zivil-, Berg-, Energie- und Umweltrechts, RdE 2009, 14

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Schrifttum und abgekürzt zitierte Literatur

Kühne

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Kühne Kühne Kühne Kühne Kühne Kühne Kühne Kühne

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Umweltverträglichkeitsprüfung und strategische Umweltprüfung: Auswirkungen auf bergrechtliche Zulassungsentscheidungen, in: Heggemann (Hrsg.) Bergrechtliche Zulassungsentscheidungen im Kontext mit Umweltverträglichkeitsprüfungen (2009), S. 11 Entwicklungslinien der bergrechtlichen Rechtsprechung zur Zulassung bergbaulicher (Groß-)Vorhaben, in: Kühne/Ehricke (Hrsg.) Entwicklungslinien des Bergrechts (2008), S. 51 Die Teilung von Bergwerkseigentum nach Bodenschätzen, ZfB 2008, 49 Genehmigung von Endlagern für radioaktive Abfälle: Planerische Gestaltungsfreiheit oder Gesetzesvollzug? in: Pelzer (Hrsg.) Bausteine eines globalen Atomrechtsregimes (2007), S. 75 Planfeststellungspflichtige Deichbaumaßnahmen im Bergbau – Anmerkung zu BVerwG, Urteile v. 15.12.2006, 7 C 1.06 und 7 C 6.06, DVBl 2007, 832 Bergrechtliche Aspekte des Wasseranstiegs im Bergbau, DVBl 2006, 1219 Obligatorische Rahmenbetriebsplanzulassung im Bergrecht und ihre Wirkungen, DVBl 2006, 662 Der Schutz kommunalen Oberflächeneigentums im bergrechtlichen Betriebsplanverfahren, NVwZ 2005, 59 Ersatzansprüche wegen Versagung einer bergrechtlichen Abbaubewilligung – Anmerkung zu BGH, Urt. v. 9.12.2004, III ZR 263/4, DVBl 2005, 978 Eigentumsschutz im Bergrecht, in Kühne/Ehricke (Hrsg.) Öffentlichkeitsbeteiligung und Eigentumsschutz im Bergrecht (2005), S. 41 Das Verhältnis von Bergrecht und naturschutzrechtlicher Eingriffsregelung, Jahrbuch des Umwelt- und Technikrechts 2004, 251 Erfolgreiche Klage gegen Niedersachsen auf Rückzahlung von Abgaben für Erdgasförderung und Erdölforderung im Ems-Dollart-Gebiet – Anmerkung zu BVerwG 4.12.2002, 4 C 2.00, DVBl 2002, 1117 Die grundsätzliche rechtliche Bedeutung von Bergschäden für das Betriebsplanverfahren, in: Frenz/Preuße (Hrsg.) Genehmigungsverfahren in der bergbaulichen Praxis: Aktuelle Brennpunkte (2002), S. 65 Anmerkung zu dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 12.10.2000, III ZR 242/98, ZfB 2001, 89 Abbruchverpflichtungen nach dem Bundesberggesetz unter Berücksichtigung steuerlicher Rückstellungskriterien, ZfB 2001, 23 Die rechtsvergleichende und internationalrechtliche Dimension des Bergrechts, in: Basedow/Drobnig/Ellger/Hopt/Kötz/Kulms/Mestmäcker (Hrsg.) Aufbruch nach Europa. 75 Jahre Max-Planck-Institut für Privatrecht (2001), S. 363, zitiert als Kühne FS MaxPlanck-Institut für Privatrecht (2001) Grundrechtsunfähigkeit und Ausstrahlungswirkung der Grundrechte auf das einfache Recht, in: Diederichsen/Fischer/Medicus/Pirrung/Wagenitz (Hrsg.) Festschrift für Walter Rolland (1999), S. 211, zitiert als Kühne FS Rolland (1999) Braunkohlenplanung und bergrechtliche Zulassungsverfahren (1999) Das Bergschadensrecht im System der außervertraglichen Schadenshaftung, in: Ahrens/ von Bar/Fischer/Spickhoff/Taupitz (Hrsg.) Festschrift für Erwin Deutsch zum 70. Geburtstag (1999), S. 203, zitiert als Kühne FS Deutsch (1999) Bestandsschutz alten Bergwerkseigentums unter besonderer Berücksichtigung des Art. 14 GG (1998) Rechtsfragen der Aufsuchung und Gewinnung von in Steinkohleflözen beisitzendem Methangas (1994) Bergrechtlicher Rahmenbetriebsplan, Anlagengenehmigungsrecht und Umweltverträglichkeitsprüfung (1993) Rechtsfragen des Endlagers Morsleben (ERAM), in: Pelzer (Hrsg.) Deutsches Atomenergierecht im internationalen Rahmen (1992), S. 185 Bergbauberechtigungen und Bestandsschutz, in: Baur/Müller-Graff/Zuleeg (Hrsg.) Europarecht – Energierecht – Wirtschaftsrecht, Festschrift für Bodo Börner (1992), S. 565, zitiert als Kühne FS Börner (1992) Bestandsschutz und Verfahrensstufung im Betriebsplanverfahren, UPR 1992, 218

Schrifttum und abgekürzt zitierte Literatur

Kühne Kühne Kühne Kühne Kühne Kühne Kühne Kühne Kühne Kühne Kühne Kühne Kühne Kühne/Beddies Kullmann Kullmann

Kummermehr Kunst/Kunst

Kutscheidt Kunig/Paetow/L.-A. Versteyl Lackner/Kühl Lagoni Lagoni Lagoni Landel/L.A. Versteyl Landmann/Rohmer Landmann/Rohmer Lange Langer Larenz Lau Lecheler Leisner Leißring

Rechtsfragen der Endlagerung radioaktiver Abfälle aus der Sicht des Bergrechts, ZfB 1991, 283 Anmerkung zu BVerwG 16.3.1989 – 4 C 36.85 –, JZ 1990, 138 Die Einführung der Umweltverträglichkeitsprüfung im Bergrecht, UPR 1989, 326 Bergbau und Staatseinfluß in der neueren Berggesetzgebung, JuS 1988, 433 Nochmals: Bergbauliche Berechtigungen und Nationalparkverordnung Niedersächsisches Wattenmeer, DVBl 1987, 1259 Verfahrensstufung im bergrechtlichen Betriebsplanverfahren – Zur Funktion und Bedeutung des Rahmenbetriebsplanverfahrens, UPR 1986, 81 Bergrechtliche Aspekte der Endlagerung radioaktiver Stoffe, DVBl 1985, 207 Probleme der Mitgewinnung, insbesondere der Eigenverwendung mitgewonnener Bodenschätze durch den Bergbautreibenden, ZfB 1985, 178 Die Bedeutung der Erfordernisse der Raumordnung und Landesplanung bei bergbaulichen Vorhaben, DVBl 1984, 709 Möglichkeiten einer gebündelten Gewinnung übereinander liegender Bodenschätze, Jur. Gutachten für den Regierungspräsidenten Köln (1984 maschinenschriftlich) Das Ende der bergrechtlichen Gewerkschaft, Zeitschrift für das gesamte Genossenschaftswesen 1982, 183 Die Förderabgabe im Schnittpunkt von Bergrecht und Finanzverfassungsrecht, DB 1982, 1693 Zulassung und Ausübung des Bergbaus bei Kollisionen mit anderen öffentlichen Interessen – zugleich ein Beitrag zu § 47 RegE BBergG, ZfB 1980, 58 Anmerkung zum Urteil des BVerwG vom 24.6.1993, AZ C 36 u. 37/92, JZ 1994, 201 Die Einwirkung der europäischen Gesetzgebung auf die mineralgewinnende Industrie, mining-geo 2012, 851 Die Vereinheitlichung der Rechtsverhältnisse bei Bodenschätzen in: Degenhart/Dammert (Hrsg.) Rechtsvereinheitlichung – aktuelle Genehmigungsfragen – Braunkohlenplanung – Sanierungsbergbau (1997) Zeitliche Grenzen der öffentlich-rechtlichen Verantwortlichkeit, in: Frenz/Preuße (Hrsg.) Grubengas: Entstehung, Gefahren, Nutzung (2001), S. 59 Die Schieflage des Bergschadensrechts, in: Pielow (Hrsg.) Bergrecht im Wandel der Zeit – gestern, heute, morgen, Festgabe zum 200-jährigen Bestehen des OLG Hamm (2020), S. 226, zitiert als Kunst/Kunst FG OLG Hamm (2020) Immissionsschutz bei nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen, NVwZ 1983, 65 Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz, 2. Aufl. (2003), zitiert als Kunig/Paetow/L.-A. Versteyl KrW-/AbfG Strafgesetzbuch, 27. Auf. (2011), zitiert als Lackner/Kühl StGB Völkerrechtliche Vorgaben für die Anwendung des Umweltschadensgesetzes in der Ausschließlichen Wirtschaftszone und auf dem Festlandsockel (2007) Legal Aspects of Submarine High Voltage Direct Current (HVDC) Cables (1998) Ländergrenzen in der Elbemündung und der Deutschen Bucht (1982) Zur Verantwortlichkeit im Bodenschutz für das Handeln der Vorväter, ZUR 2006, 475 Gewerbeordnung und ergänzende Vorschriften (Loseblatt), 68. Lfg. (2014), zitiert als Landmann/Rohmer/Bearbeiter GewO Umweltrecht, 96. Ergänzungslieferung (2021) zitiert als Landmann/Rohmer/Bearbeiter Umweltrecht Grundabtretung und vorzeitige Besitzeinweisung im bergrechtlichen Betriebsplanverfahren, DÖV 1988, 805 Länderreport: Brandenburg, LKV 1997, 445 Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. (1991) Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung, NuR 2011, 680 Infrastrukturplanung zwischen Beschleunigung, Öffentlichkeitsbeteiligung und Rechtsschutzerfordernissen, DVBl 2005, 1533 Bestandsgarantie des Eigentums – vom Bergrecht unterminiert? DVBl 1988, 555 Zur Behandlung von Relikten des Altbergbaus – aktuelle Problemstellungen für die Bergsicherungsarbeit, Neue Bergbautechnik 1991, 265

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Schrifttum und abgekürzt zitierte Literatur

Lemke

Lenz Lerche/Pestalozza Lindenmaier/Möhring Lindner Lisken/Denninger/Rachor Louis Louis/Engelke Löwe/Rosenberg Ludes Ludwig Ludwig Lueger Lütkes/Ewer Mager von Mangoldt/Klein/Starck Mann Mann

Mann Mann Mann

Mann/Sennekamp/Uechtritz Manten Manten Marburger Marder-Bungert/von Mäßenhausen Markl Marschall Martens von Mäßenhausen von Mäßenhausen von Mäßenhausen von Mäßenhausen von Mäßenhausen von Mäßenhausen Matthiass Maucksch Maurer/Waldhoff Mede

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Das Nachbarschaftsverhältnis von untertägigem Bergbau und Grundeigentum aus zivilrechtlicher Sicht, in: Kühne/Ehricke (Hrsg.) Bergrecht zwischen Tradition und Moderne (2010), S. 19 Chancen und Grenzen der Menschenrechtsbeschwerde – dargestellt am Beispiel der Horno-Entscheidungen des EGMR, LKV 2001, 443 Die bergrechtliche Förderabgabe im System des horizontalen Finanzausgleichs und der Bundesergänzungszuweisungen nach Art. 107 Abs. 2 GG (1984) Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofes (Loseblatt), Serie 1 (1950–55) Die Bergschadensproblematik – Erläuterungen und Empfehlungen für die Regulierungspraxis, ZfB 1988, 36 Handbuch des Polizeirechts, 7. Aufl. (2021) Das neue Bundesnaturschutzgesetz, NuR 2010, 77 Bundesnaturschutzgesetz Kommentar, 2. Aufl. (2000) Strafprozessordnung, Band 10/1, 27. Aufl. (2021) Das Bergwerkseigentum gemäß § 9 BBergG in der Insolvenz des Bergwerkseigentümers (2012) Umweltaspekte in Verfahren nach dem BBergG, ZUR 2012, 150 Auswirkungen der FFH-RL auf Vorhaben zum Abbau von Bodenschätzen nach dem BBergG (2005) Lexikon des Bergbaus (1962) Bundesnaturschutzgesetz, 2. Aufl. (2018), zitiert als Lütkes/Ewer/Bearbeiter BNatSchG Das Wismut-Gesetz: Hintergründe, Zusammenhänge und erste Bilanz, ZfB 1996, 289 Grundgesetz, Band 1, 6. Aufl. (2010), zitiert als von Mangoldt/Klein/Starck/Bearbeiter GG Atomrecht und Strahlenschutz, 38. Aufl. (2023) Bergschadensrecht als „Ewigkeitslast“, in: Pielow (Hrsg.) Bergrecht im Wandel der Zeit – gestern, heute, morgen, Festgabe zum 200-jährigen Bestehen des OLG Hamm (2020), S. 278, zitiert als Mann FG OLG Hamm (2020) Erweiterung der Feldes- und Förderabgabenpflicht auf grundeigene Bodenschätze? in: Kment (Hrsg.) Festschrift für Hans D. Jarass (2015), 193, zitiert als Mann FS Jarass (2015) Ausdehnung der Bergschadenshaftung auf Untergrundspeicher? ZfB 2014, 15 Verordnungsvertretende Landesgesetze – Ein Exempel für den Bedeutungsverlust der Landesparlamente, in: Brüning/Suerbaum (Hrsg.) Die Vermessung der Staatlichkeit (2013), S. 57 Verwaltungsverfahrensgesetz, 2. Aufl. (2019), zitiert als Mann/Sennekamp/Uechtritz/ Bearbeiter VwVfG Die Privilegierung von Erlaubnisinhabern bei der Beantragung bergrechtlicher Bewilligungen, ZfB 2011, 165 Die Nutzungsüberlassung von Bergbauberechtigungen, UPR 2010, 429 Die Regeln der Technik im Recht (1979) Umsetzung der EU-Richtlinie über die Bewirtschaftung von Abfällen aus der mineralgewinnenden Industrie, AbfallR 2008, 266 Minerale und Gesteine, 3. Aufl. (2015) Bundesfernstraßengesetz (FStrG), 6. Aufl. 2012, zitiert als Marschall/Bearbeiter FStrG Die wesentliche Änderung im Sinne des § 15 BImSchG (1993) Entwurf einer Richtlinie zur Bewirtschaftung bergbaulicher Abfälle, AbfallR 2004, 51 Bewertung des Naturschutzregimes aus Sicht des Bergbaus, in: Frenz/Preuße (Hrsg.) Bergbau und Naturschutz (2003), S. 44 Auswirkungen Europäischer Richtlinien und Europäischer Normen auf das nationale Bergrecht, Glückauf 1998, 18 Rahmenbetriebsplan und Umweltverträglichkeitsprüfung, ZfB 1994, 119 Die Stellung des Markscheiders im Bundesberggesetz, Das Markscheidewesen 1982, 4 Änderungen des Bergrechts durch das Bundesberggesetz, Keramische Zeitschrift 1981, 284 Bergmännische Grundbegriffe (1953) Die Unternehmensflurbereinigung, LKV 1997, 240 Allgemeines Verwaltungsrecht, 20. Aufl. (2020) Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit bei gebundenen Entscheidungen, DÖV 2014, 541

Schrifttum und abgekürzt zitierte Literatur

Menzel Menzel Menzel/Pierlings/Hoffmann Meyer Meyer-Goßner/Schmitt Meyer-Lindenberg Miesbach/Engelhardt Miesbach/Engelhardt Mißling Mollinga Mössner Mössner

Much Mücke Mücke Mücke Mücke Müggenborg Müggenborg Müggenborg Müggenborg Müggenborg Müggenborg Müggenborg Müggenborg Müggenborg

Müggenborg Müggenborg Mühlenbeck S. Müller Müller

Müller-Erzbach Müller/Schulz von Münch von Münch

Der Festlandsockel der Bundesrepublik Deutschland und das Urteil des Internationalen Gerichtshofs vom 20.2.1969, Jahrb. f. Intern. Recht Bd. 14 (1971), 13 Der deutsche Festlandsockel in der Nordsee und seine rechtliche Ordnung, AöR Bd. 90 (1965), 4 Völkerrechtsprechung (2005) Der Entschädigungsanspruch wegen bergbehördlicher Einschränkungen des Bergwerkseigentums, ZfB 1961, 216 StPO, 65. Aufl. (2022) Das Genfer Übereinkommen über den Festlandsockel, Zeitschr. f. ausl. öff. Recht u. Völkerrecht Bd. 20, 5 Bergrecht, Ergänzungsband (1969) Bergrecht (1962) Die Gestaltung des deutschen Ordnungsrahmens für die geologische Speicherung von CO2, ZUR 2008, 286 Bergschadensregulierung (2012) Deutsch-niederländische Erdgasförderung und Ems-Dollart-Vertrag, in: J. Ipsen/Stuer (Hrsg.) Öffentliche Verwaltung in Europa (1999), S. 61 Förderabgabe bei bewilligungsfeldüberschreitender Lagerstätte – Ein Beitrag zur Auslegung von § 31 BBergG, in: Becker (Hrsg.) Festschrift für Werner Thieme zum 70. Geburtstag (1993), S. 1023, zitiert als Mössner FS Thieme (1993) Rechtsfragen der Ablagerung von CO2 in unterirdischen geologischen Formationen, ZUR 2007, 130 Zur Vereinheitlichung der Rechtsverhältnisse im Steine- und Erden-Bergbau, braunkohle 1996, 569 Zur „Zweckbindung“ einer Bergbauberechtigung (Bergwerkseigentum) an Lagerstätten in den neuen Bundesländern, Die Natursteinindustrie 1994, 28 Bergrecht (1985), zitiert als Mücke/Bearbeiter Bergrecht Untersuchungen über den Gegenstand und Inhalt sowie die Entwicklungsrichtung des Bergrechts in der DDR (1981), S. 79 Schadensersatzansprüche wegen bergbaubedingten Wassermaßnahmen, NuR 2019, 505 Sicherungsansprüche bei vergessenem Altbergbau nach AGB, NuR 2018, 155 Schadensersatzansprüche der Landwirte wegen Bergbau und fehlerhafter Gewässerunterhaltung, NuR 2016, 519 Bergbaufolgelandschaften und rechtliche Bewältigung, in: Frenz (Hrsg.) Bergrechtsreform und Fracking (2013), S. 47 Bergbaufolgelandschaften und rechtliche Bewältigung, NuR 2013, 326 Abgrenzungsfragen zwischen Bodenschutz- und Bergrecht, NVwZ 2012, 659 Bergschadenhaftung nach DDR-BergG und Unterlassungsansprüche gegen Bergbauvorhaben, NuR 2011, 774 Bergschadensersatz nach BBergG, NuR 2011, 689 Haftungs- und Unterlassungsanspruch im Bergschadensrecht, in: Frenz/Preuße (Hrsg.) Geothermie – Risikobeherrschung und Stand der Technik, Perspektiven und Fördermöglichkeiten (2010), S. 47 Die Abgrenzung von Berg- und Bodenschutzrecht, NVwZ 2006, 278 Ein Nichts als Altlast? – Verlassene Grubenbaue und Bodenschutzrecht, AbfallR 2006, 285 Bewertung von Bergschadensverzichten, Das Markscheidewesen 1997, 24 Zur Reichweite der Schmerzensgeldhaftung, ZGS 2010, 538 Wiederaufbau und Neuordnung des Grubenrettungswesens nach dem II. Weltkrieg, in: Kompass 2007 Heft 3/4 (Festschrift 100 Jahre organisiertes Grubenrettungswesen in Deutschland), 16 Das Bergrecht Preußens und des weiteren Deutschlands (1917) Handbuch Recht der Bodenschätzegewinnung (2000) Die Erdöl- und Erdgasbohrungen vor der deutschen Nordseeküste in rechtlicher Sicht, Erdöl, Erdgas, Petrochemie Bd. 17 (1964), 489 Die Ausnutzung des Festlandsockels vor der deutschen Nordseeküste, Arch. d. Völkerrechts Bd. 11 (1963/1964), 292

XLVIII

Schrifttum und abgekürzt zitierte Literatur

von Münch/Kunig Münchener Kommentar Münchener Kommentar Münchener Kommentar Münchener Kommentar Münchener Kommentar Mußgnug Nassall Neuhaus gen. Wever Neumann Neumüller Neupert

Neupert Neupert Nicolaysen Niermann Nölscher Nolte Nothaas/Miesbach Nusser Obermayer/Funke-Kaiser Ochtendung Ogorek Oldiges

Oppenhoff Ossenbühl Ossenbühl/Cornils Paetow

Palandt Palm Palm Papenfuß Papier Pellens Peper/Schomerus

XLIX

Grundgesetz-Kommentar, Band 2, 7. Aufl. (2021), zitiert als von Münch/Kunig/Bearbeiter GG Bürgerlichen Gesetzbuch, Band 2, 9. Aufl. (2022), zitiert als MüKo-BGB/Bearbeiter Bürgerliches Gesetzbuch (hrsg. von Säcker/Rixecker), Band 6, 9. Aufl. (2023), zitiert als MüKo-BGB/Bearbeiter Bürgerliches Gesetzbuch (hrsg. von Säcker/Rixecker), Band 9, 9. Aufl. (2022), zitiert als MüKo-BGB/Bearbeiter Bürgerliches Gesetzbuch (hrsg. von Säcker/Rixecker), Band 1, 9. Aufl. (2021), zitiert als MüKo-BGB/Bearbeiter Bürgerliches Gesetzbuch (hrsg. von Säcker/Rixecker), Band 4, 6. Aufl. (2012), zitiert als MüKo-BGB/Bearbeiter Der Bemessungsmaßstab der Förderabgabe auf Erdgas nach der Niedersächsischen Verordnung über Feldes- und Förderabgabe, ZfB 1993, 168 Schmerzensgeld für Eigentumsstörung?, in: Geisler (Hrsg.) jurisPR-BGHZivilR 22/2010 Konkurrierende Anträge auf Erteilung von Bergbauberechtigungen, Glückauf 1994, 617 Entwicklungstendenzen der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Bergrecht, in: Kühne/Ehricke (Hrsg.) Entwicklungslinien im Bergrecht (2008), S. 27 Römpps Chemie-Lexikon, Band 5 Pl-S, 8. Aufl. (1987) Abschied von der Kohle, in: Pielow (Hrsg.) Bergrecht im Wandel der Zeit – gestern, heute, morgen, Festgabe zum 200-jährigen Bestehen des OLG Hamm (2020), S. 390, zitiert als Neupert FG OLG Hamm (2020) Bergruhe und Ackerflächen – Konsequenzen für den Bergschadensausgleich, ZfB 2018, 116 Minderwert durch Zukunftsangst? ZfB 2011, 174 Bewilligung und Förderabgabe nach dem Bundesberggesetz (1982) Betriebsplan und Planfeststellung im Bergrecht (1992) Die Bergschadensvermutung des Bundesberggesetzes, NJW 1981, 2039 Aktuelle Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Bergrecht Das Bayerische Berggesetz mit den einschlägigen Reichs- und Landesgesetzen (1927) Fernstraße vor Bergbau, NVwZ 2017, 1244 Kommentar zum Verwaltungsverfahrensgesetz, 6. Aufl. (2021), zitiert als Obermayer/ Funke-Kaiser/Bearbeiter VwVfG Zulassung des vorzeitigen Beginns im Umweltrecht (1998) Die Anfechtung von Planfeststellungsbeschlüssen durch Gemeinden nach Inkrafttreten des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes, NVwZ 2010, 401 Organisationsfragen der Gewässerbewirtschaftung, in: Heggemann/Dammert (Hrsg.) Grundsatzfragen der Wiederherstellung des Wasserhaushalts durch Flutung von Tagebaurestlöchern im Südraum Leipzig (2000), S. 95 Das Allgemeine Berggesetz für die Preußischen Staaten (1870), zitiert als Oppenhoff ABG Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Verweisung als Mittel der Gesetzgebungstechnik, DVBl 1967, 401 Staatshaftungsrecht, 6. Aufl. (2013) Die Klagebefugnis des von einer Planung mit enteignungsrechtlicher Vorwirkung Betroffenen, in: Dolde/Hansmann/Paetow/Schmidt-Assmann (Hrsg.) Verfassung – Umwelt – Wirtschaft: Festschrift für Dieter Sellner zum 75. Geburtstag (2010), S. 509, zitiert als Paetow FS Sellner (2010) Bürgerliches Gesetzbuch, 60. Auflage (2001) und 70. Auflage (2011), wurden von anderen Verfassern genannt Errichtung und Betrieb von Anlagen des Bergbaus und der Energiewirtschaft in den neuen Bundesländern, Recht der Elektrizitätswirtschaft 1990, 222 Die Grundabtretung nach altem und neuem Bergrecht ZfB 1981, 415 Das Anpassungsverhältnis und die Haftung für Bergschäden nach dem Bundesberggesetz, ZfB 1984, 305 Die Weiterentwicklung der Rechtsprechung zur Eigentumsdogmatik des Art. 14 GG, DVBl 2000, 1398 Rechtsschutz gegen Gaspipelines in Küstengewässern, NuR 1996, 281 UVP und vorzeitiger Beginn, UPR 1992, 9

Schrifttum und abgekürzt zitierte Literatur

Pestke Peters/Balla/Hesselbarth

Offshore-Windfarmen in der Ausschließlichen Wirtschaftszone (2008) Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung, 4. Aufl. (2019), zitiert als Peters/Balla UVPG H.-J. Peters Die UVP-Richtlinie der EG und die Umsetzung in das deutsche Recht (1994) W. Peters Nationalpark-Verordnung „Niedersächsisches Wattenmeer“ und bergbauliche Berechtigungen, DVBl 1988, 227 Petersen Neue Strukturen im Abfallrecht – Folgerungen aus der EUGH-Judikatur NVwZ 2004, 34 Pfadt Rechtsfragen zum Betriebsplan im Bergrecht (1981) Pfeil/Töpfer Neuregelungen für die Genehmigung von Offshore-Windkraftanlagen und Leitungssystemen, NordÖR 2011, 373 Philipp/Kolonko Vereinheitlichung des Bergrechts in Deutschland, NJW 1996, 2695 von Philipsborn Erzkunde (1964) Pielow/Brauner Das Bergschadensrecht im Lichte des Verfassungsrechts, ZfB 2015, 178 Piekenbrock Sprengungsbedingte Erschütterungen als wesentliche Beeinträchtigung, VersR 1999, 725 Piens Sickerwasser von Bergehalden als Rechtsproblem, ZfW 1999, 11 Piens/Schulte/Graf Vitzthum Bundesberggesetz, 3. Aufl. (2020), zitiert als Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG Pieroth/Schlink/Kingreen/Poscher Grundrechte Staatsrecht II, 38. Aufl. (2022) Pietzcker Abgrenzungsprobleme zwischen Benutzungsgebühr, Verleihungsgebühr, Sonderabgabe und Steuer, DVBl 1987, 774 Pohl Bestandsschutz bergrechtlicher Betriebsplanzulassungen Diss. Göttingen (1996) Pollmann/Wilke Der untertägige Steinkohlenbergbau und seine Auswirkungen auf die Tagesoberfläche (1994) Popescu/Majer Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch, NZM 2009, 181 Predeick Ordnungsrechtliche Verantwortlichkeit für bergbauliche Anlagen (2002) Proelß Völkerrechtliche Rahmenbedingungen der Anwendung naturschutzrechtlicher Instrumente in der AWZ, ZUR 2010, 359 Proelß Meeresschutz im Völker- und Europarecht (2004) Ramsauer Planfeststellung ohne Abwägung? NVwZ 2008, 944 Ramsauer Die Bedeutung der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung für die Planfeststellung am Beispiel der Transrapid-Planung, NuR 1997, 419 Ramsauer/Wendt Einsatz der Fracking-Technologie insbesondere aus Sicht des Gewässerschutzes, NVwZ 2014, 1401 Rasel Umweltrechtliche Implikationen im Bundesberggesetz (1994) Rausch Rechte der Gemeinden bei Vorhaben des Bergrechts, UPR 1996, 6 Rausch Umwelt- und Planungsrecht beim Bergbau (1990) Rausch Der Meeresbergbau im Völkerrecht (1970) Das „Moers-Kapellen-Urteil“ in der Praxis, Glückauf 1997, 104 Regelmann/Neumann Reich Europäische Grundfreiheiten – terra incognita? ZBB 2000, 177 Reimus Anspruch auf Erschließung bei bergrechtlich zugelassenen Abbauvorhaben, DVBl 1984, 82 Reinhardt Wasserrechtliche Vorgaben für die Gasgewinnung durch Fracking-Bohrungen, NVwZ 2012, 1369 Reinhardt Geothermiebohrungen und Wasserrecht, UPR 2009, 289 Reinhardt Wasserrechtliche Aspekte des Wasseranstiegs im Steinkohlenbergbau, ZUR 2006, 464 Reinhardt Neuere Entwicklungen im wasserhaushaltsgesetzlichen Bewirtschaftungssystem unter besonderer Berücksichtigung des Bergbaus, NuR 2004, 82 Reinhardt Bergrechtliche Determinanten wasserbehördlicher Entscheidungen, in: v. Danwitz (Hrsg.) Bergbau und Umwelt (1999), S. 57 Reinhardt Das wasserhaushaltsgesetzliche System der Eröffnungskontrollen unter besonderer Berücksichtigung bergrechtlicher Sachverhaltsgestaltungen, NuR 1999, 134 Rengeling Rechtsfragen zu Bundesendlagern für radioaktive Abfälle (1990) Reshöft/Schäfermeier Erneuerbare-Energien-Gesetz, 4. Aufl. (2014), zitiert als Reshöft/SchäfermeierBearbeiter EEG Reuß/Grotefend/Dapprich Das Allgemeine Berggesetz, 11. Aufl. (1959) Ring Grundstrukturen des Bergwerkseigentums, NotBZ 2006, 37 Rolshoven Grundabtretung und Bergschaden im französischen Bergrecht (1972) Römermann Bergbau kontra Planungsrecht, ZfB 1983, 94

L

Schrifttum und abgekürzt zitierte Literatur

Ronellenfitsch Rosenbaum Rossi Roth Roth/Lemke/Krohn Runge/Schomerus Sachs Säcker Säcker Salje Salje/Peter Salzwedel

Salzwedel

Samel Sander Sander Schäfer Scharf Scheidler Scheidler Scheier von Schenk

Schenke Schiemann/Hellhammer-Hawig Schilling Schink Schink Schink Schink Schink/A. Versteyl Schlacke Schleicher Schleifenbaum/Kamphausen Schlüter Schlüter Schlüter/Hense Schmidt (Hrsg) Schmidt-Aßmann Schmidt-Aßmann/Schoch

LI

Das atomrechtliche Genehmigungsverfahren (1983) Errichtung und Betrieb von Windenergieanlagen im Offshore-Bereich (2006) Rechtliche Grundlagen der Zugänglichkeit geologischer Daten (2016) BGH: Bergschadenshaftung und zivilrechtliche Ausgleichsansprüche, LMK 2009, 280109 Der bürgerlich-rechtliche Aufopferungsanspruch (2001) Klimaschutz in der Strategischen Umweltprüfung, ZUR 2007, 410, 21 Grundgesetz, 9. Aufl. (2021), zitiert als Sachs/Bearbeiter GG Berliner Kommentar zum Energierecht, 5. Aufl. (2018 – 2023) Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht (2010) Erneuerbare-Energien-Gesetz 2021, 9. Aufl. (2021) Umwelthaftungsgesetz, 2. Aufl. (2005), zitiert als Salje/Peter UmweltHG Lässt die staatliche Bewirtschaftung für Gewässer heute noch Raum für den langfristigen Schutz von Investitionen im Bergbau? in: Heggemann (Hrsg.) Bergrechtliche Zulassungsentscheidungen im Kontext mit Umweltprüfungen (2009), S. 51 Garzweiler II im Spannungsfeld zwischen Bergrecht und Wasserrecht, in: Czaika/ Hansmann/Rebentisch (Hrsg.) Immissionsschutzrecht in der Bewährung: Festschrift für Gerhard Feldhaus zum 70. Geburtstag (1999), S. 281, zitiert als Salzwedel FS Feldhaus (1999) Fragen der Zulegung, ZfB 1965, 247 Ein eigener Stand der Technik im Wasserrecht? Anmerkungen zu dem geänderten § 7a WHG, ZfW 1998, 405 Rechtsfragen im Verhältnis von Wasserrecht und Naturschutzrecht, NuR 1986, 317 Zur Subsidiarität des Bundes-Bodenschutzgesetzes, UPR 2001, 325 Die geschichtliche Entwicklung der Grubenbilder und ihre heutige Bedeutung, Mitteilungen aus dem Markscheidewesen 1970, 45 Entschädigung bei der städtebaulichen Enteignung, ZfBR 2019, 126 Die vorzeitige Besitzeinweisung nach § 27 Abs. 1 NABEG, RdE 2013, 107 Zur Anwendung von Abfall- und Wasserrecht auf Sickerwasser aus Halden, Kippen und Deponien, ZfW 1981, 144 Die vertragliche Abgrenzung des Festlandsockels unter der Nordsee zwischen der Bundesrepublik Deutschland, Dänemark und den Niederlanden, Jahrb. f. Intern. Recht Bd. 15, 370 Bergbau contra Oberflächeneigentum und kommunale Selbstverwaltung (1994) Denkmalrecht in NRW: Eintragung und Löschung von Baudenkmälern – zur Bedeutung von Denkmaleigenschaft, Substanzverlust und Rekonstruktion, NWVBl 2010, 1 Planerische Steuerung von unterirdischer Raum- und Grundstücksnutzung (2013) Planerische Abwägung bei der Festlegung von Vorranggebieten für die Rohstoffnutzung in der Raumordnung, UPR 2012, 369 Der Abfallbegriff im Kreislaufwirtschaftsgesetz, UPR 2012, 201 Umweltverträglichkeitsprüfung – Verträglichkeitsprüfung – naturschutzrechtliche Eingriffsregelung – Umweltprüfung, NuR 2003, 647 Wasserrechtliche Probleme der Sanierung von Altlasten, DVBl 1986, 161 Kreislaufwirtschaftsgesetz, 2. Aufl. (2016), zitiert als Schink/A. Versteyl/Bearbeiter KrWG Zur fortschreitenden Europäisierung des (Umwelt-)Rechtsschutzes, NVwZ 2014, 11 Das markscheiderische Vorschriftenwesen nach dem Bundesberggesetz, Das Markscheidewesen 1987, 348 Zum rechtlichen Stellenwert der Sondervorschriften für das Rheinische Braunkohlenplangebiet nach dem Nordrhein-Westfälischen Landesplanungsgesetz, UPR 1984, 43 Die verschiedenen bergbehördlichen Befugnisse im Betriebsplanverfahren, Glückauf 1939, 892 Preußisches Bergrecht (1928) Allgemeines Bergrecht für die Preußischen Staaten, 3. Aufl. (1913) Öffentliches Wirtschaftsrecht Besonderer Teil 1 (1995) Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 2. Aufl. (2004) Bergwerkseigentum und Grundeigentum im Betriebsplanverfahren (1994)

Schrifttum und abgekürzt zitierte Literatur

Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/ Hopfauf Schmidt-Eichstaedt Schmidt-Eriksen Schmidt-Kötters Schmitt/Hörtnagl/Stratz Schoch

Schoch Schoch/Schneider/Bier Schönherr Schönke/Schröder Schubert Schubert

J. Schulte H. H. H. H.

Schulte Schulte Schulte Schulte

H. Schulte H. Schulte H. Schulte

H. H. H. H.

Schulte Schulte Schulte Schulte

H. Schulte H. Schulte Schulz Schulz B.S. Schulz Schulz/Reese Schulze-Rickmann Schumacher/Fischer-Hüftle Schumacher Schürken

Grundgesetz, 15. Aufl. (2021), zititiert als Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf/Bearbeiter GG Wem gehört der Wind? – oder: Der Wind als Bodenschatz, LKV 2018, 1 Planfeststellungsverfahren Schacht Konrad: Die Crux mit der UVP, KJ 1992, 347 Teilbarkeit und Übertragbarkeit von Genehmigung und Anlagenbetrieb, WiVerw 2013, 199 Umwandlungsgesetz, Umwandlungssteuergesetz, 9. Aufl. (2020), zitiert als Schmitt/ Hörtnagl/Stratz UmwG – UmwStG Die Rechtsstellung der Gemeinden bei der bergbaulichen Betriebsplanzulassung, in: Erbguth/Oebbecke/Rengeling/Schulte (Hrsg.) Planung: Festschrift für Werner Hoppe zum 70. Geburtstag (2000), S. 711, zitiert als Schoch FS Hoppe (2000) Bergwerkseigentum und Grundeigentum im Betriebsplanverfahren, in: Kühne/Schoch/ Beckmann (Hrsg.) Gegenwartsprobleme des Bergrechts (1995), S. 25 Verwaltungsgerichtsordnung (Loseblatt), 25. Lfg. (2013), zitiert als Schoch/Schneider/ Bier/Bearbeiter VWGO Wesen und Bedeutung der Bergschadenregelung, in: Rektor der Bergakademie Freiberg (Hrsg.) Beiträge zum Bergrecht der DDR (1970), S. 121 Strafgesetzbuch, 30. Aufl. (2019) Verjährung im Bergschadensrecht, ZfB 2014, 28 Der merkantile Minderwert in der Judikatur zum Bergschadensrecht – Auswirkungen auf die Regulierungspraxis, in: Deutscher Markscheider-Verein e.V. (Hrsg.) 45. Wissenschaftliche Tagung des Deutschen Markscheider-Vereins – Wir geben die Richtung vor! (2008), S. 178 Digitalisierung der Öffentlichkeitsbeteiligung im bergrechtlichen Betriebsplanverfahren, ZfB 2022, 87 Raumplanung und Genehmigung bei der Bodenschätzegewinnung (1996) Bergrechtliche und wasserrechtliche Planfeststellung bei Nassauskiesungen, ZfB 1995, 31 Kernfragen des bergrechtlichen Genehmigungsverfahrens (1993) Obliegenheiten zu nachträglicher Gebäudesicherung, in: Schulte Bergbau und Grundeigentum (1991), S. 175 Bergbau und Grundeigentum (1990) Bergschadensersatzanspruch nach Grundwasserabsenkung, NJW 1990, 2734 Gemeinschädliche Einwirkungen nach § 55 BBergG, in: Töpfer (Hrsg.) Berg- und Energierecht vor den Fragen der Gegenwart, Festschrift für Fritz Fabricius (1989), S. 149, zitiert als Schulte FS Fabricius (1989) Zum Verhältnis Bergwerkseigentum – Grundeigentum, NVwZ 1989, 1138 Bergbau, Umweltrecht, Raumplanung, ZfB 1987, 178 Das Bundesberggesetz, NJW 1981, 88 Neuordnung des Bergrechts, ZRP 1979, 169 (Nachdruck in: Schulte Bergbau und Grundeigentum (1991), S. 112) Die Bergbauberechtigungen nach dem Regierungsentwurf für ein Bundesberggesetz, ZfB 1978, 414 (Nachdruck in: Schulte Bergbau und Grundeigentum (1991), S. 91) Eigentum und öffentliches Interesse (1970) Die Jahre 1990–2007, in: Kompass 2007 Heft 3/4 (Festschrift 100 Jahre organisiertes Grubenrettungswesen in Deutschland), 27 Bergrecht und Erdwärme – Gesichtspunkte zur Bemessung von Erlaubnis- und Bewilligungsfeldern, Geothermische Energie 40 (2003), 9 Der rechtliche Status von Erdölaltverträgen nach dem Bundesberggesetz Diss. Münster (1990) Wem gehört das Nichts? Unterirdische Speicher und Grundeigentum, RdE 2011, 8 Die Bergversatzverordnung – Inhalt, praktische Probleme, Übergangsregelung, ZUR 2003, 208 Bundesnaturschutzgesetz, 3. Aufl. (2021), zitiert als Schumacher/Fischer-Hüftle BNatSchG Der Ersatz bergbaubedingter Immissionsschäden, Glückauf 1982, 1065 Besonderheiten der Verkehrswertermittlung im Zusammenhang mit Bergschäden, WFA 1998, 3

LII

Schrifttum und abgekürzt zitierte Literatur

Schürken Schürken/Finke Schütte/Preuß Schwanenhauer/Kling Séché Sedlacek Sehling Seibel Seidl-Hohenveldern Seifert

Sellner Sellner/Reidt/Ohms Semler/Stengel/Leonard Seume Seuser Shirvani Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp Sippel Sladek Sladek Sodan/Ziekow Soell/Dirnberger

Soergel Soergel Söfker Sondermann

Sondermann Spannowsky/Runkel/Goppel Sparwasser/Engel/Voßkuhle Sparwasser/Wörkel Spieker Spieler Spieler Spieth/Hellermann

LIII

Minderwert bei Bergschäden, ZfB 1988, 67 Bewertung von Bergschäden, 3. Aufl. (2008) Die Planung und Zulassung von Speicheranlagen zur Systemintegration Erneuerbarer Energien, NVwZ 2012, 535 Gerichtliche Kontrolle administrativer Prognoseentscheidungen am Merkmal der „Zuverlässigkeit“, VerwArch 2010, 231 Rechtliche Anforderungen an die Einbringung von Abfällen in den Boden, ZfW 2006, 1 Untertage-Gasspeicherung in Deutschland, ERDÖL ERDGAS KOHLE 2008, 453 Die Rechtsverhältnisse an den der Verfügung des Grundeigentümers nicht entzogenen Mineralien (1904) Die allgemeine Anerkennung von technischen Regeln und ihre Feststellbarkeit, ZfBR 2008, 635 Der deutsche Festlandsockel und die Bundesländer, in: Carstens/Peters (Hrsg.) Festschrift Hermann Jahrreiss (1964), S. 395, zitiert als Seidl-Hohenveldern FS Jahrreiss (1964) Die Berücksichtigung öffentlicher Interessen bei der Zulassung eines Betriebsplans nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 4.7.1986 am Beispiel des Denkmalschutzes, ZfB 1987, 238 Immissionsschutzrecht und Industrieanlagen (1978) Immissionsschutzrecht und Industrieanlagen, 3. Aufl. (2006) Umwandlungsgesetz, 5. Aufl. (2021), zitiert als Semler/Stengel/Leonard/Bearbeiter UmwG Die bergrechtliche Gewerkschaft heute, ZfB 1965, 144 Unkonventionelles Erdgas, NuR 2012, 8 Eigentumsschutz und Energiepolitik – Die Garzweiler-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, EnWZ 2015, 3 Wasserhaushaltsgesetz, Abwasserabgabengesetz, 45. Lfg. (2013), zitiert als Sieder/ Zeitler/Dahme/Knopp/Bearbeiter WHG – AbwAG Auswirkungen von umwandlungsgesetzlichen Unternehmensumstrukturierungen auf gewerberechtliche Erlaubnisse mit Zuverlässigkeitsanknüpfung, Diss. Konstanz 2008 Auswirkungen der ABBergV in den neuen Bundesländern – ein Statement, Glückauf 1996, 46 Die Salzrechte in Niedersachsen und ihre Aufrechterhaltung nach dem BBergG, ZfB 1990, 165 Verwaltungsgerichtsordnung, 5. Aufl. (2018), zitiert als Sodan/Ziekow/Bearbeiter VwGO Wieviel Umweltverträglichkeit garantiert die UVP? – Bestandsaufnahme und Bewertung des Gesetzes zur Umsetzung der EG-Richtlinie über die Umweltverträglichkeitsprüfung, NVwZ 1990, 705 Bürgerliches Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, BGB Band 14: §§ 854–984 BGB, 14. Aufl. (2021), zitiert als Soergel/Bearbeiter BGB Bürgerliches Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, BGB Band 2: Allgemeiner Teil 2. §§ 104–240 BGB, 14. Aufl. (2021), zitiert als Soergel/Bearbeiter BGB Fortentwicklung des Raumordnungsrechts im Bauplanungsrecht und Raumordnungsgesetz, DVBl 1987, 597 Betriebsplanverfahren, Bestellung verantwortlicher Personen, Erlass von Bergverordnungen und Bergaufsicht nach dem Bundesberggesetz, Baunkohle 1982, 14 Neues Bergrecht, Energiewirtschaftliche Tagesfragen 1981, 612 Raumordnungsgesetz, 2. Aufl. (2018), zitiert als Spannowsky/Runkel/Goppel ROG Umweltrecht, 5. Aufl. (2003) Ökologische Flutungen von Rückhalteräumen zum Hochwasserschutz und naturschutzrechtliche Eingriffsregelung, NVwZ 2007, 766 Die bergrechtliche Grundabtretung nach dem Allgemeines Berggesetz für die preußischen Staaten v. 24. Juni 1865 (1929) Anmerkung zu: BVerwG 7. Senat, Urteil vom 5.9.2013 – 7 C 21/12 – Erweiterte Rechtsschutzmöglichkeiten von Umweltvereinigungen, jurisPR-UmwR 3/2013 Anm. 2 Die Genehmigung von Hochspannungs-Gleichstromleitungen, NVwZ 2012, 1139 Zur erforderlichen Vorsorge für die Wiedernutzbarmachung, ZfB 2017, 18

Schrifttum und abgekürzt zitierte Literatur

Spieth Spieth/Appel Spieth/Appel Spieth/von Daniels

Spieth/Ipsen Spieth/Hong Spieth/Laitenberger Spieth/Wolfers Sprajc Staudinger Staudinger Staudinger Staudinger

Staudinger Staudinger Staudinger Staudinger Steding Steffen Steinberg/Müller Steinberg/Steinwachs Stelkens/Bonk/Sachs Stelter

Stemplewski Stevens Stevens Stiens Stöber Stoepel Stolberg Stoll

Wasserrechtliches Planfeststellungsverfahren und bergrechtlicher Abschlussbetriebsplan bei der Flutung von Tagebaurestlöchern, ZUR 2001, 66 Genehmigungsprojekte unter dem Damoklesschwert der FFH-Abweichungsprüfung, NuR 2009, 669 Die rechtliche Bewältigung von Vernässungsschäden bei Einstellung der bergbaulichen Grundwasserhaltung und Flutung von Tagebaurestlöchern, LKV 2007, 501 Einstellung der Wasserhaltung von Bergbaubetrieben – Voraussetzungen und Folgen, in: Heggemann (Hrsg.) Bergrechtliche Zulassungsentscheidungen im Kontext mit Umweltprüfungen (2009), 67 Die Wasserrahmenrichtlinie als neues Damoklesschwert für Genehmigungsprojekte, NVwZ 2013, 391 Wiedernutzbarmachung als ausgleichspflichtiger Eingriff? Zum Verhältnis der bergrechtlichen Stilllegung zur naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung, ZfB 2001, 183 Umfang und Grenzen der Nachsorgepflicht des Anlagenbetreibers, BB 1996, 1893 Umfang und Reichweite der Nachsorgepflicht des Bergbauunternehmers bei der Stilllegung, ZfB 1997, 269 Die steuerliche Behandlung von Bergschadensersatzleistungen, ZfB 1988, 75 J. von Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, §§ 249-254, Neubearbeitung 2021, zitiert als Staudinger/Bearbeiter BGB J. von Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, § 906, Neubearbeitung 2020, zitiert als Staudinger/Bearbeiter BGB J. von Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, §§ 164-240, Neubearbeitung 2019, zitiert als Staudinger/Bearbeiter BGB J. von Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, UmweltHR (Neubearbeitung 2017), zitiert als Staudinger/Bearbeiter UmweltHR J. von Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, §§ 581–606 (Neubearbeitung 2013), zitiert als Staudinger/Bearbeiter BGB J. von Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, §§ 397–432 (Neubearbeitung 2017), zitiert als Staudinger/Bearbeiter BGB J. von Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, §§ 903–924 (Neubearbeitung 2020), zitiert als Staudinger/Bearbeiter BGB J. von Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, §§ 677–704 (Neubearbeitung 2021), zitiert als Staudinger/Bearbeiter BGB Grundzüge der Flurbereinigung und ihrer rechtlichen Gestaltung in den neuen Bundesländern, LKV 1992, 350 Inhalt und Rechtsnatur des Staatsvorbehalts, ZfB 1961, 310 Zum Vorliegen einer zulassungspflichtigen Änderung von Betrieb oder Anlage eines Flughafens, NJW 2001, 3293 Zulassungspflichtigkeit der Änderung von Fachplanungsvorhaben unter Berücksichtigung der Neuregelungen des UVP-Gesetzes, NVwZ 2002, 1153 Verwaltungsverfahrensgesetz, 10. Aufl. (2023), zitiert als Stelkens/Bonk/Sachs/Bearbeiter VwVfG Die VO mineralische Abfälle im Kontext der geplanten Änderung der Abfallrahmenrichtlinie, in: Frenz (Hrsg.) Bergbauliche Abfälle und Emissionshandel (2007) Rechtsfragen beim Neuaufbrechen abgeschlossener Bergehalden – dargestellt am Beispiel des Ruhrgebiets, ZfB 1982, 200 Klage gegen Braunkohlenpläne, DVBl 2014, 349 Bergrechtliche und umweltrechtliche Genehmigungen für Tagebaue, ZUR 2012, 338 Der bergrechtliche Betriebsplan (1995) Zwangsversteigerungsgesetz, 23. Aufl. (2022), zitiert als Stöber ZVG Preußischer Gesetz-Codex, Band 2, 1835-1848, 2. Aufl. (1861) Zur Obergrenze der Entschädigung bei Betriebsverlagerungen infolge öffentlichrechtlicher Maßnahmen, BB 1983, 1955 Meeresschutz im Küsten- und Offshore-Bereich, NuR 1999, 666

LIV

Schrifttum und abgekürzt zitierte Literatur

Stollenwerk Storm/Bunge Strasser Strecker Stüer Stüer Stüer/Wolff Stüer/Wolff Sustmann/Robles y Zepf Tamm

Tenner Terwiesche Terwiesche Terwiesche Terwiesche Terwiesche/Kupfer Terwiesche/Kupfer Tettinger Tettinger Tettinger Tettinger Thiel Töpfer/Butler Tröger

Turner Turner Turner Turner Uellner L.-A. Versteyl/Mann/Schomerus L.-A. Versteyl/Sondermann Viertel Viertel W. Graf Vitzthum

LV

Zur Stellung der Gemeinden im bergrechtlichen Zulassungsverfahren, VR 1997, 335 Handbuch der Umweltverträglichkeitsprüfung (Loseblatt), Lfg. 4/13 (2013), zitiert als Storm/Bunge/Bearbeiter HdUVP Prozessbürgschaften EU-ausländischer Kreditinstitute – kein Grund zur Ungleichbehandlung in Zeiten unsicherer Banken, RiW 2009, 521 Die Rechtsposition der Gemeinden im bergrechtlichen Betriebsplanverfahren Diss. Göttingen (1995) Handbuch des Bau- und Fachplanungsrechts, 6. Aufl. (2023) Bergbau und Grundeigentum im Widerstreit, NuR 1985, 263 Flutung der Tagebaurestlöcher Ost, LKV 2003, 1 Abschlussbetriebsplanung für den Braunkohlentagebau Ost, LKV 2002, 12 Die Übertragung unterirdischer Erdgas- und Erdöl-Speicheranlagen (Kavernen) im Wege eines Asset oder Share Deals, RdE 2011, 52 Aus der bergschadensrechtlichen Rechtsprechung des Oberlandesgerichtes Hamm zum Allgemeinen Berggesetz, in: Pielow (Hrsg.) Bergrecht im Wandel der Zeit – gestern, heute, morgen, Festgabe zum 200-jährigen Bestehen des OLG Hamm (2020), S. 90, zitiert als Tamm FG OLG Hamm (2020) Rechtliche Fragen im Zusammenhang mit der Festsetzung von Bergbauschutzgebieten, in: Rektor der Bergakademie Freiberg (Hrsg.) Beiträge zum Bergrecht der DDR (1970), S. 91 Bewertung des BBergG aus Sicht der Bergbaubetroffenen, in: Frenz (Hrsg.) Bergrechtsreform und Fracking (2013), S. 15 Schadensersatz- und Amtshaftungsansprüche bei Bergschäden infolge Wiederanstiegs des Grubenwassers, ZfW 2007, 2 Staatshaftung für Altbergbauschäden, NVwZ 2007, 284 Die Entschädigung für irreparable Bergschäden, MDR 2004, 486 Der Einwirkungsbereich nach § 120 BBergG – Urteilsanmerkung zu Landgericht Duisburg, Urteil vom 3.4.2012 – 1 O 565/03, NuR 2013, 763 Schadensersatz trotz Bergschadensverzicht bei Verstoß des Bergbauunternehmens gegen verwaltungsrechtliche Abbaubeschränkungen? NVwZ 2013, 1128 Recht des Bergbaus, in: Schmidt (Hrsg.) Öffentliches Wirtschaftsrecht, Besonderer Teil 1 (1995) Umweltverträglichkeitsprüfung bei Projekten des Bergbaus und der Energiewirtschaft (1989) Rechtsanwendung und gerichtliche Kontrolle im Wirtschaftsverwaltungsrecht (1980) Wasserversorgung und bergrechtlicher Betriebsplan, ZfW 1991, 1 Stadtumbau Ost nach 15 Jahren – städtebaurechtliche Bilanz und bodenrechtliche Relevanz, LKV 2018, 241 Kein Teilmarkt für Grundstücke über Bodenschätzen in den neuen Bundesländern, GuG 2003, 65 Zu prinzipiellen Aufgaben der staatlichen Bergaufsicht und einigen ausgewählten Ergebnissen der Entwicklung der Bergbausicherheit im Bergbau der DDR, Neue Bergbautechnik 1984, 281 Der Rechtscharakter von Förderzinsvereinbarungen beim Bergbau auf staatsvorbehaltene Mineralien, ZfB 1970, 42 Teilweise Verfassungswidrigkeit der Entschädigungsregelung im Bergbau, NJW 1970, 1134 Das Recht zur Anlage und Nutzung unterirdischer Hohlräume, BB 1969, 156 Das bergbauliche Berechtsamswesen (1966) Die Zulässigkeit der allgemeinen Enteignung neben der bergbaulichen Grundabtretung (1927) Kreislaufwirtschaftsgesetz, 4. Aufl. (2019), zitiert als L.-A. Versteyl/Mann/Schomerus KrWG Bundes-Bodenschutzgesetz, 2. Aufl. (2005), zitiert als L.-A. Versteyl/Sondermann/ Bearbeiter BBodSchG Die wasserrechtlichen Regelungen aus Sicht der Rohstoffwirtschaft, in: Frenz (Hrsg.) Das neue Wasser- und Naturschutzrecht (2010), S. 39 Gewässerausbau und -unterhaltung bei übertägigen Bergbauvorhaben, ZfW 2002, 69 Handbuch des Seerechts (2006)

Schrifttum und abgekürzt zitierte Literatur

Voelkel Vollmer Vollmer

Vorloeper

Vorloeper G. Wagner R. Wagner Wahl Wahle Wahlhäuser Weides/Jahnz Weineck Weineck

Weinmann/Thomas/Wölcke Weiss Weller Weller Weller

Weller Weller Weller Weller Weller Weller Weller Weller Weller Weller Weller Weller Weller/Kullmann Wemdzio/Roßegger/Ramin

Wengler von Weschpfennig Westermann

Grundzüge des Preußischen Bergrechts, 2. Aufl. (1924) Fracking – Einblick in die Praxis und rechtliche Genehmigungsvoraussetzungen, NdsVBl 2014, 184 Das Betriebsplanverfahren im Bergbau: ein Instrument zur Sicherung von Mindestarbeitsbedingungen, auch in anderen Branchen? Jahrbuch Arbeit und Technik in Nordrhein-Westfalen 1987, 213 Zur Erstattungsfähigkeit von Wertverlusten, in: Deutscher Markscheider-Verein e.V. (Hrsg.) 45. Wissenschaftliche Tagung des Deutschen Markscheider-Vereins – Wir geben die Richtung vor! (2008), S. 169 Erstattungsfähigkeit von Wertverlusten bei Grundstücken im Bergschadensgebiet, ZfIR 2006, 569 Deliktsrecht, 14. Aufl. (2021) Die Versatzverordnung: Anforderungen an eine hochwertige Verwertung von Abfällen untertage, AbfallR 2003, 7 Überlegungen zu zwei Grundmodellen des Verwaltungsrechts und zu ihrer Kombination, DVBl 1982, 51 Das Allgemeine Berggesetz für das Königreich Sachsen (1911) Gasversorgungsleitung oder Rohrleitungsanlage: Welches Genehmigungsregime gilt für Erdgasröhrenspeicher? UPR 2011, 262 Rechtsfragen der Enteignung nach dem Bundesberggesetz, DVBl 1984, 921 Schadenersatz nach Bergrecht, NJ 1971, 232 Rechtsprobleme der unterirdischen behälterlosen Speicherung von Gasen und Flüssigkeiten, in: Rektor der Bergakademie Freiberg (Hrsg.) Beiträge zum Bergrecht der DDR (1970), S. 33 Chemikaliengesetz: Gesetz zum Schutz vor gefährlichen Stoffen (1981) Der Rechtscharakter der bergrechtlichen Grundabtretung (1962) Zur Frage der Anwendbarkeit des § 52 Abs. 2a BBergG auf laufende Betriebe in den neuen Bundesländern, ZfB 1994, 1 Gefahrenabwehr im Bergbaubetrieb, ZfB 1992, 30 Erläuterungen zur Überleitung des Bergrechts durch den Einigungsvertrag, in: Das fortgeltende Recht der DDR (Loseblatt), 12. Lfg. (1992), Kapitel V Sachgebiet D, Abschnitt 1, S. 11 Das Bergrecht im Einigungsvertrag, Bergbau 1990, 494 Das Bergrecht im Verhältnis zum allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht, ZfB 1987, 13 Aktuelle Fragen des Grundabtretungsrechts, ZfB 1986, 227 Die bergmännische Untersuchung des Untergrundes auf seine Eignung als Endlager für radioaktive Abfallstoffe aus bergrechtlicher Sicht, ZfB 1985, 188 Der rechtliche Status aufrechterhaltener alter Rechte und Verträge nach dem BBergG, ZfB 1985, 68 Das Bundesberggesetz in der Bewährung – Zwei Jahre BBergG, ZfB 1984, 161 Das neue Bundesberggesetz und die Braunkohlenplanung, in: Materialien der Akademie für Raumordnung und Landesplanung (1983) Das Bundesberggesetz, Glückauf 1981, 250 Erläuternde Bemerkungen zum Dritten Bergrechtsänderungsgesetz in NRW, ZfB 1965, 437 Kollision mehrerer Bergbauberechtigungen in einem Feld, ZfB 1990, 111 Rechtliche Probleme der Untertagedeponie, ZfB 1988, 342 Vom Direktionsprinzip zur Bergaufsicht von heute, ZfB 1965, 218 Bundesberggesetz, 1. Aufl. (2012) (Online-Ressource Beck-Online) Rechtliche Rahmenbedingungen bei der Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung in der Ausschließlichen Wirtschaftszone am Beispiel der Kabelverbindung NorGer, NuR 2012, 239 Abgrenzung des Festlandsockels zwischen benachbarten Staaten, NJW 1969, 965 Strukturen des Bergrechts (2020) Freiheit des Unternehmers und des Grundeigentümers und ihre Pflichtenbindungen im öffentlichen Interesse nach dem Referentenentwurf eines Bundesberggesetzes (1973)

LVI

Schrifttum und abgekürzt zitierte Literatur

Westermann Westhoff Westhoff Westhoff/Schlüter Westhoff/Schlüter/Hense Weyer/Oppelt Widmann/Mayer Wiese Wiesendahl Wieser Wild Wilde Wilde Wilde Wilhelms Wilke Wilke Wilke Wilke Willecke Willecke Willecke Willecke/Turner Wingerter/Mayr Winkler Winkler Wirtschaftsvereinigung Bergbau e.V. de Witt de Witt/Burmeister de Witt/Scheuten M. Wolf R. Wolf R. Wolf

R. Wolf

LVII

Rechtsprinzipien des Preußischen Allgemeinen Berggesetzes, ZfB 1965, 122 Bergbau und Grundbesitz nach preußischem Recht, Band 2: Die Grundabtretung, Die öffentlichen Verkehrsanstalten (1906) Bergbau und Grundbesitz nach preußischem Recht, Band 1: Der Bergschaden (1904) Geschichte des deutschen Bergrechts, ZfB 1909, 27, 230, 357, 492 und ZfB 1910, 93, 217 Allgemeines Berggesetz für die Preußischen Staaten vom 24. Juni 1865, 3. Aufl. (1913), zitiert als Westhoff/Schlüter/Hense ABG Geothermie: Notwendigkeit einer spezifischen Förderpolitik, in: Müller (Hrsg.) 20 Jahre Recht der Erneuerbaren Energien (2012), S. 660 Umwandlungsrecht (Loseblatt), 139. Lfg. (2013) Grenzüberschreitende Landrohrleitungen und seeverlegte Rohrleitungen im Völkerrecht (1997) Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung von Kohlenwasserstoffen – Genehmigungsrechtliche Einordnungen, ZfB 2015, 3 Energiespeicher als zentrale Elemente eines intelligenten Energieversorgungsnetzes – Rechtliche Einordnung, ZUR 2011, 240 Schau- und Besucherbergwerke in Europa (1998) Braunkohlenbergbau in Brandenburg im Spannungsverhältnis zwischen Natur- und Landschaftsschutz, LKV 2006, 71 Verhältnis zwischen Bergrecht und Naturschutzrecht, DVBl 1998, 1321 Bergschadenshaftung nach DDR-Recht, DtZ 1994, 8 Drohende Berggefahr als ersatzpflichtiger Bergschaden im Sinne des Bundesberggesetzes, ZfIR 2003, 666 Abgrenzung des Festlandsockels der Nordsee (1980) Der Vertrag über die Abgrenzung des Festlandsockels unter der Nordsee in ihrer Bedeutung für die wirtschaftliche Nutzung ausbeutbarer Bodenschätze, ZfB 1972, 281 Rechtsstaatliche Erdölkonzessionierung, ZfB 1970, 193 Neuerungen im Bergrecht, ZfB 1969, 200 Die deutsche Berggesetzgebung von den Anfängen bis zur Gegenwart (1977) Der Festlandsockel – seine völkerrechtliche und verfassungsrechtliche Problematik, DVB1 1966, 461 Das Bergrecht Preußens und seiner Nachfolgestaaten in wirtschaftlicher Sicht, ZfB 1965, 134 Grundriß des Bergrechts, 2. Aufl. (1970) Flurbereinigungsgesetz, 10. Aufl. (2018) Bergbaurecht und Grundeigentum, in: Coing/Wilhelm (Hrsg.) Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts im 19. Jahrhundert, Bd. IV (1979), S. 79 Zu einigen Rechtsfragen beim Wiederanstieg des Grundwassers in Braunkohlenbergbaugebieten, Neue Bergbautechnik 1975, 525 Das Bergbau-Handbuch, 5. Aufl. (1994), S. 75 Struktur und Probleme des atomrechtlichen Planfeststellungsverfahrens, in: Ossenbühl (Hrsg.) Deutscher Atomrechtstag 2004 (2005), S. 125 Enteignungsrecht des Straßenbaulastträgers? NVwZ 1994, 38 NABEG, 1. Aufl. (2013) Der Bergbau und die naturschutzrechtliche Kompensationspflicht, ZUR 2006, 524 Eingriffsregelungen in der AWZ, ZUR 2010, 365 Modul 1 c: Völker-, europa- und nationalrechtliche Möglichkeiten der Beschränkung der Verlegung von unterseeischen Kabeln und Rohrleitungen und Energieerzeugung aus Wasser, Strömung und Wind und Gewinnung und Aufsuchung von Bodenschätzen, in: Gellermann/Stoll/Schwarz/Wolf (Hrsg.) Nutzungsbeschränkungen in geschützten Meeresflächen im Bereich der Ausschließlichen Wirtschaftszone und des Festlandsockels (2007), zitiert als R. Wolf in: Gellermann/Stoll/Schwarz/R. Wolf (Hrsg.) Nutzungsbeschränkungen Transnationale Vorhaben und nationalstaatliches Zulassungsregime. Rechtliche Rahmenbedingungen für die geplante Ostsee-Pipeline, ZUR 2007, 24

Schrifttum und abgekürzt zitierte Literatur

R. Wolf R. Wolf R. Wolf R. Wolf S. Wolf Wolfers/Ademmer Wolff/Bachof/Stober/Kluth Wolff Wörheide Wörheide Wussow Zabel Zeiler Zeiler Ziehm Ziekow Ziekow Ziekow Zimmer Zimmermann Zobel Zöller Zycha Zydek Zydek Zydek Zydek Zydek Zydek Zydek/Heller

Grundfragen der Entwicklung einer Raumordnung für die Ausschließliche Wirtschaftszone, ZUR 2005, 176 Planung und Gebietsschutz in der Ausschließlichen Wirtschaftszone, NuR 2005, 375 Rechtsprobleme der Anbindung von Offshore-Windenergieparks in der AWZ an das Netz, ZUR 2004, 65 Der Schutz der Umwelt beim Bau von Bohrinseln, UPR 1998, 281 Unterseeische Rohrleitungen und Meeresumweltschutz (2011) Grenzen der bergrechtlichen Nachsorgehaftung, DVBl 2010, 22 Verwaltungsrecht II, 8. Aufl. (2023) Die behördliche Auswahl zwischen mehreren Bewerbern um eine bergrechtliche Berechtigung, UPR 2005, 409 Rechtsschutzmöglichkeiten von Grundeigentümern und Umweltverbänden im Zusammenhang mit der Gewährung von Bergbauberechtigungen, ZfB 2015, 73 Die Bergbauberechtigungen nach dem Bundesberggesetz (2014) Unfallhaftpflichtrecht, 17. Aufl. (2021) Die Novelle der Seeanlagenverordnung – Auswirkungen auf die Zulassung von Offshore-Windparks und Netzanschlussvorhaben, NordÖR 2012, 263 Die Kostentragungspflicht für vorbeugende Maßnahmen an Versorgungsleitungen in Bergschadensgebieten, DB 1986, 417 Die rechtliche Stellung der Gemeinden beim bergrechtlichen Betriebsplanverfahren, ZfB 1983, 404 Neue Braunkohlentagebaue und Verfassungsrecht – Konsequenzen aus dem GarzweilerUrteil des BVerfG vom 17.12.2013, ZUR 2014, 458 Verwaltungsverfahrensgesetz, 4. Aufl. (2019), zitiert als Ziekow VwVfG Das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz im System des deutschen Rechtsschutzes, NVwZ 2007, 259 Praxis des Fachplanungsrechts (2004) Umweltverträgliches Bergrecht (2022) Rechtliche Probleme bei der Errichtung seegestützter Windenergieanlagen, DÖV 2003, 133 Zur Verjährung von Bergschadensersatzansprüchen, ZfB 1988, 56 Zivilprozessordnung, 34. Aufl. (2022), zitiert als Zöller/Bearbeiter ZPO Das Recht des ältesten deutschen Bergbaus bis ins 13. Jahrhundert (1899) Bundesberggesetz, Materialien (1980) An den Grenzen des Bergrechts, ZfB 1977, 340 Rationalisierungsverband, steuerliche Maßnahmen zur Rationalisierung, Finanzierungshilfe und Bergrecht, ZfB 1964, 94, 289 Die Aufsuchung und Gewinnung von Bodenschätzen des Festlandsockels, ZfB 1960, 64 Aufsuchungs- und Gewinnungserlaubnisse nach Artikel 2 des Bayerischen Berggesetzes, ZfB 1958, 178, 311 Zum „Recht“ auf Gewährung von Einsicht in das Grubenbild in Bayern, ZfB 1957, 469 Deutsches Bergrecht – Bergrechtliche Vorschriften des Bundes und der Länder (1983 ff.)

LVIII

Einleitung Schrifttum I. Gesamtdarstellungen zur Geschichte des deutschen Bergrechts bis zum Bundesberggesetz 1982: Jakob Der wirtschaftspolitische Einfluß des Staates auf die Berggesetzgebung (1980); Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht (2001), S. 6 ff.; Kühne Bergbau und Staatseinfluß in der neueren Berggesetzgebung, JuS 1988, 433; Kühne Deutsches Bergrecht, in: F.J. Säcker (Hrsg.) Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht (2010), S. 263 ff.; Müller-Erzbach Das Bergrecht Preußens und des weiteren Deutschlands (1917), S. 38 ff.; Voelkel Grundzüge des Preußischen Bergrechts, 2. Aufl. (1924), S. 29 ff.; Westhoff/Schlüter Geschichte des deutschen Bergrechts, ZfB 1909, 27, 230, 357, 492 und ZfB 1910, 93, 217; Willecke Die deutsche Berggesetzgebung von den Anfängen bis zur Gegenwart (1977); Willecke/Turner Grundriß des Bergrechts, 2. Aufl. (1970), S. 11 ff.; Zycha Das Recht des ältesten deutschen Bergbaus bis ins 13. Jahrhundert (1899). II. Einführende Darstellungen zum Bundesberggesetz 1980/82: Anz Das neue Bundesberggesetz, Braunkohle 1980, 285; Kloepfer Umweltrecht, 3. Aufl. (2004), § 10, G. Bergrecht und Umweltrecht, Rn. 185 ff. (S. 800 ff.); Kühne Deutsches Bergrecht, in: Säcker (Hrsg.) Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht (2010), S. 263 ff.; Kühne Drei Jahrzehnte Bundesberggesetz – Entwicklungslinien und Ausblick –, ZfB 2013, 113; von Mäßenhausen Änderungen des Bergrechts durch das Bundesberggesetz, Keramische Zeitschrift 1981, 284; H. Schulte Das Bundesberggesetz, NJW 1981, 88; Sondermann Neues Bergrecht, Energiewirtschaftliche Tagesfragen 1981, 612; Sparwasser/Engel/Voßkuhle Umweltrecht, 5. Aufl. (2003), § 9 B (S. 654 ff.); Weller Das Bundesberggesetz, Glückauf 1981, 250.

Übersicht I. 1. 2. 3.

II.

1. 2.

3. 4.

Entwicklung des deutschen Bergrechts im Mittelalter und in der Neuzeit bis 1865 1 Berggewohnheitsrecht 2 Bergordnungen Berggesetzgebung des 19. Jahrhunderts bis 1865 unter besonderer Berücksichtigung Preu5 ßens Das Allgemeine Berggesetz für die Preußischen Staaten vom 24.6.1865 (ABG) und das deutsche Bergrecht unter seinem Einfluss bis 1982 Rechtsgrundsätze und wirtschafts-(rohstoff-)politi6 scher Hintergrund des ABG Systemrelevante gesetzgeberische Eingriffe in das ABG um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhun12 dert Die reichsrechtliche Berggesetzgebung zwischen 17 1933 und 1945 Die Bergrechtsentwicklung in Deutschland zwi20 schen 1945 und 1982

4.

Rechts- und wirtschaftspolitische Grundla44 gen

IV.

Die Weiterentwicklung der Berggesetzgebung 53 nach 1982 54 Die Berggesetznovelle von 1990 Bergrechtsänderungen im Zusammenhang mit 56 der Wiedervereinigung Deutschlands Weitere Änderungen, insbesondere auf unterge60 setzlicher Ebene

1. 2. 3.

V.

Die Europäisierung des Bergrechts, insbesondere in den Bereichen des Umwelt- und des Arbeits63 schutzes

VI.

Die Entwicklung des Bergrechts unter dem BBergG außerhalb der Gesetzgebung, insbesondere durch die Rechtsprechung Bergrecht und richterliche Rechtsfortbil68 dung Hauptanwendungsbereiche richterlicher Rechts69 fortbildung unter dem BBergG

1. 2.

III. 1. 2. 3.

Das Bundesberggesetz 1980/82 Vorläuferbestrebungen zur Vereinheitlichung des 26 deutschen Bergrechts 27 Entstehungsgeschichte des BBergG 36 Konzeptionelle Eckpunkte des BBergG

1 https://doi.org/10.1515/9783110709285-010

VII. Reform des Bergrechts

74

VIII. Jüngste Entwicklungen

92

Kühne

Vor § 1

Einleitung

I. Entwicklung des deutschen Bergrechts im Mittelalter und in der Neuzeit bis 1865 1. Berggewohnheitsrecht 1 Das deutsche Bergrecht, das die für den Bergbau geltenden besonderen Rechtsvorschriften umfasst, ist rein deutschen Ursprungs und von dem starken Einfluss, den das römische Recht auf die Rechtsentwicklung in Deutschland ausgeübt hat, nahezu unberührt geblieben. Es ist anzunehmen, dass das deutsche Bergrecht seinen Ursprung in der Main- und Rheingegend hat, wo der älteste deutsche Bergbau nach der Völkerwanderung betrieben worden ist. Aus Franken sind im 10. Jahrhundert Bergleute nach dem Harz ausgewandert; Harzer Bergleute sind im 12. Jahrhundert nach Schlesien und dem Mansfeldschen, vor allem aber nach dem sächsischen Erzgebirge und von dort weiter nach Böhmen, Mähren und Ungarn gezogen. Sie haben auf ihrem Wege die Bergwerksgebräuche, die sich damals bereits in ihrer Heimat herausgebildet hatten, mitgenommen und sie in den neuen Bergbaubezirken eingeführt. Die Verbreitung erfolgte zunächst durch mündliche Überlieferung, durch Rechtssprichwörter und durch die Rechtssätze der Bergschöffen. Erst als die Bergleute mit anderen Stämmen in Verbindung traten, erwies sich eine schriftliche Aufzeichnung des Bergrechts als notwendig. Darauf dürfte es auch zurückzuführen sein, dass die ältesten Aufzeichnungen des deutschen Berggewohnheitsrechts nicht an der Stätte seines Ursprungs, sondern in anderen Ländern erfolgt sind. Die wichtigsten Aufzeichnungen sind das Bergrecht von Trient aus dem Jahre 1185, das Iglauer Bergrecht aus dem Jahre 1249, das Bergrecht des Harzes aus dem Jahre 1271 sowie das Freiberger Bergrecht und das Schlesische Goldrecht, beide aus dem 14. Jahrhundert stammend. Als zentrale Rechtsinstitute bildeten sich das Regalrecht des Landesherrn und die Bergbaufreiheit heraus. Das Regalrecht wurde 1185 in der sog. Ronkalischen Konstitution Friedrich Barbarossas als Recht des Kaisers, zunächst für Italien, begründet. Entgegen der Inanspruchnahme des Regalrechts durch Friedrich Barbarossa und seine Nachfolger nahm das Bergregal im Einklang mit der allgemeinen historischen Entwicklung in der Folgezeit an der Partikularisierung der Staatsgewalt in Deutschland teil und ging auf die jeweiligen Territorialherrscher über. Dem Landesherrn stand das volle Verfügungsrecht über die damals bekannten Mineralien, vor allem die Silber- und Eisenerze und das Salz zu; er war der Regalherr. Er nutzte das Regal aber nicht selbst aus, sondern überließ die Aufsuchung und Gewinnung der Mineralien gegen Zahlung gewisser Gebühren – im allgemeinen des „Zehnten“ – dem Bergbaulustigen. Dieser erhielt hierdurch das Recht auf Bergbau, und zwar auch gegen den Willen des Grundeigentümers, dem keinerlei Verfügungsrecht über die unter seinem Grundstück vorhandenen regalen Mineralien zustand. Daraus ergab sich der Rechtsbegriff der Bergbaufreiheit. Nur die nach damaliger Auffassung geringwertigen Mineralien blieben dem Grundeigentümer überlassen. Bergregal und Bergbaufreiheit lassen sich als frühe Vorläufer der Rechtsinstitute des Staatsvorbehalts bzw. der Bergbaufreiheit des 19./20. Jahrhunderts verstehen.

2. Bergordnungen 2 Das Berggewohnheitsrecht ist im 14. und 15. Jahrhundert durch die von den Landesherren erlassenen Bergordnungen abgelöst worden. Diese knüpften eng an das Gewohnheitsrecht an, das zum Teil wörtlich übernommen wurde. Sie behielten das Bergregal des Landesherrn bei, der das Recht, Mineralien aufzusuchen und zu gewinnen, an die interessierten Bergleute verlieh. Auch der Grundsatz der Bergbaufreiheit wurde in den Bergordnungen niedergelegt. Der Grundeigentümer war verpflichtet, den Bergbau zu dulden, und hatte lediglich einen Anspruch auf eine Vergütung für die Zurverfügungstellung des für den Abbau benötigten Grund und Bodens. Diese Entschädigung wurde teils in Form einer Beteiligung am Bergwerk – durch Erbkuxe oder Freikuxe – teils in Form einer laufenden Abgabe, wie z.B. der Tradde, gewährt. 3 Das wichtigste Beispiel für den Übergang vom alten Berggewohnheitsrecht zum Recht der Bergordnungen war die von Kaiser Wenzel II. in den Jahren 1300 bis 1305 für Böhmen erlassene Kuttenberger Bergordnung, die inhaltlich mit dem alten Iglauer Bergrecht übereinstimmte. Im österreichisch-süddeutschen Raum hatte der Schladminger Bergbrief von 1408, der sogenannte Kühne

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„Eckelzain“, besondere Bedeutung erlangt, im übrigen Deutschland die Schneeberger, die St. Annaberger und die Joachimsthaler Bergordnung aus dem Anfang des 16. Jahrhunderts, die aus dem Iglauer Gewohnheitsrecht entstanden sind. Sie sind das Vorbild zahlreicher Bergordnungen in Mähren, Böhmen und Schlesien und selbst der norwegischen Bergordnung von 1593 geworden. Auf der Schneeberger und der St. Annaberger Bergordnung beruht insbesondere auch die Kursächsische Bergordnung Christians I. vom 12.6.1589. Auch die Berggesetzgebung in Preußen geht auf diese Bergordnungen zurück. Sie wurde 4 begründet durch die Bergordnung Herzog Wilhelm IV. zu Jülich, Berg, Mark und Ravensberg von 1542, die mit der Annaberger Bergordnung von 1509 nahezu wörtlich übereinstimmt. An ihre Stelle trat die von Friedrich Wilhelm I. erlassene Renovierte Bergordnung für die Clevischen und die angehörenden Lande, besonders die Grafschaft Mark vom 18.7.1737, auf der die drei revidierten Bergordnungen Friedrichs des Großen von 1766, 1769 und 1772 beruhen. Diese Bergordnungen gehen ebenfalls von den Grundsätzen des Bergregals und der Bergbaufreiheit aus. In ihnen wurde der Bergbau weitgehend einem von der Fürsorge des Landesherrn für seine Untertanen geprägten Direktionsprinzip unterworfen, das staats- und verwaltungsrechtlich auf dem System des Absolutismus und wirtschaftspolitisch auf den Gedankengängen des Merkantilismus beruht. Die technische und geschäftliche Leitung des gesamten Bergwerksbetriebes lag in den Händen des staatlichen Bergamts, das die Beamten einsetzte, die Preise festsetzte und über die an die Gewerken zu verteilende Ausbeute und von diesen zu erhebende Zubuße entschied. Ihren Abschluss fand diese Gesetzgebungsepoche in dem – gegenüber dem Recht der Bergordnungen allerdings nur subsidiär geltenden – Bergrecht des Preußischen Allgemeinen Landesrechts von 1794, das ganz von den Gedanken des Direktionsprinzips beherrscht wurde und den Unternehmern die Verwaltung ihrer bergrechtlichen Rechtsposition fast völlig nahm.

3. Berggesetzgebung des 19. Jahrhunderts bis 1865 unter besonderer Berücksichtigung Preußens In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts mehrten sich die Anzeichen für einen grundsätzlichen Wan- 5 del der Anschauungen vom Verhältnis zwischen Staat und Wirtschaft in Richtung eines unternehmerischen Liberalismus. Auch die Grundelemente des in Preußen überkommenen bergrechtlichen Ordnungsrahmens – Bergregal und Direktionsprinzip – wurden mehr und mehr als reformbedürftig empfunden. Mehrere Entwürfe für ein neues umfassendes Berggesetz scheiterten allerdings. Statt dessen ging man bei der Reform des preußischen Bergrechts zunächst schrittweise in Form von Einzelgesetzen vor; so insbesondere mit dem Gesetz über die Verhältnisse der Miteigentümer eines Bergwerks vom 12.5.1851 (sog. Miteigentümergesetz) (Übertragung von staatlichen Befugnissen auf die Gewerkenversammlung), dem Gesetz über die Besteuerung der Bergwerke vom 12.5.1851 (Halbierung des bisherigen „Zehnten“) und dem Freizügigkeitsgesetz vom 12.5.1860 (förmliche Aufhebung des Direktionsprinzips). Damit war der Boden für eine umfassende Reform des Bergrechts in Preußen bereitet.

II. Das Allgemeine Berggesetz für die Preußischen Staaten vom 24.6.1865 (ABG) und das deutsche Bergrecht unter seinem Einfluss bis 1982 1. Rechtsgrundsätze und wirtschafts-(rohstoff-)politischer Hintergrund des ABG Das ABG ist maßgeblich durch einen vorläufigen Gesetzentwurf des späteren Bonner Berghaupt- 6 manns Hermann Brassert1 geprägt worden. Der daraus hervorgegangene „Entwurf eines Allgemei1 Zu Leben und Wirken von Hermann Brassert vgl. Boldt ZfB 1965, 42; 1966, 183; 1974, 34; Rheinisch-Westfälische Wirtschaftsbiographien, Bd. IX, 1966, 39; Loerbroks ZfB 1901, I = ZfB 1959, 7; zu den Entwürfen Brasserts zum ABG vgl. Willecke ZfB 1976, 393. 3

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nen Berggesetzes für die Preußischen Staaten“ wurde nach Vornahme zahlreicher Änderungen in Einzelfragen im Laufe des Jahres 1865 im Preußischen Landtag verabschiedet und trat am 1.10.1865 in Kraft. Das in der Literatur als erstrangig gewürdigte2 Gesetzeswerk war durch folgende tragenden Rechtsgrundsätze gekennzeichnet: – Trennung des Rechts zur Gewinnung volkswirtschaftlich bedeutsamer Bodenschätze vom Grundeigentum (staatlich verleihbares Gewinnungsrecht an den sog. bergfreien Bodenschätzen); – Abschaffung des Bergregals zugunsten der Freiheit des Schürfens und Mutens für Jedermann mit Rechtsanspruch auf Verleihung von Bergwerkseigentum; – Abschaffung des Direktionsprinzips zugunsten des Inspektionsprinzips (Beschränkung der staatlich-behördlichen Tätigkeit auf Aufsichts- und Ordnungsfunktionen); – Grundsätzlicher Entfaltungsvorrang des Bergbaus gegenüber dem Grundeigentum und der Öffentlichen Verkehrsanstalten, insbesondere Eisenbahnen, gegenüber dem Bergbau; – Verschuldensunabhängige Ersatzpflicht des Bergbauunternehmers hinsichtlich von diesem verursachter Schäden an fremdem Grundeigentum (Bergschäden); – Abschaffung technisch und wirtschaftlich überholter Rechtsinstitute des älteren deutschen Bergrechts (z.B. Erbstollengerechtigkeiten, Erbkuxe etc.) unter Aufrechterhaltung von unter altem Recht bereits entstandenen subjektiven Rechtspositionen. Ferner umfasste das ABG zahlreiche, heute nicht mehr relevante Neuerungen zum Recht der bergrechtlichen Gewerkschaft sowie zum Recht der Bergarbeiter und zum Knappschaftswesen. Wirtschafts- und rohstoffpolitisch spiegelte das ABG die Wirtschaftsauffassung des Liberalismus wider.3 Freier Zugang zu den Bodenschatzvorkommen und unternehmerische Freiheit bei der Ausübung der Bergbautätigkeit waren die Leitgedanken des Gesetzes ebenso wie im allgemeinen Wirtschafts- und Gewerberecht die Gewerbefreiheit (1869). Das ABG bildete die rechtliche Grundlage für den starken Aufschwung, den der Bergbau in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts nahm. In diesem Zeitraum fand das ABG weite Verbreitung in den deutschen Ländern.4 So wurde es nach dem Kriege von 1866 auch in den damals mit Preußen vereinigten Gebieten sowie später nach 1933 mit seinen Nebengesetzen in Hamburg, Bremen und im Saarland eingeführt. Darüber hinaus ist es zum Vorbild für die Berggesetze der meisten übrigen deutschen Staaten – insbesondere in Baden, Bayern, Hessen und Württemberg – geworden, die seine wesentlichen Bestimmungen wörtlich oder inhaltlich übernommen haben. Man fasst diese Länder unter dem Begriff der preußischen Bergrechtsgruppe zusammen. Einen eigenen Weg ist seinerzeit Sachsen gegangen, das sich ein von dem preußischen Recht in manchen Punkten, insbesondere bezüglich des Schürfens und Mutens und hinsichtlich des Gewerkschaftsrechts abweichendes Recht geschaffen hat. Ihm sind einige der ehemaligen thüringischen Staaten gefolgt.5 Einzelne deutsche Staaten, in denen der Bergbau keine nennenswerte Rolle spielte, wie das frühere Fürstentum Reuß älterer Linie und die Hansestädte, haben damals von einer einheitlichen Gestaltung des Bergrechts abgesehen oder sich auf die Regelung von Einzelfragen beschränkt; im übrigen galt in ihnen im wesentlichen noch das gemeine Recht.6

2 Voelkel Grundzüge des preußischen Bergrechts, 2. Aufl. (1924), S. 34. 3 Dazu näher Jakob Der wirtschaftspolitische Einfluss des Staates auf die Berggesetzgebung, insbes. S. 16 ff.; Kühne JuS 1988, 433 ff. (435 ff.).

4 Zur Bergrechtsentwicklung in den deutschen Bundesstaaten außerhalb Preußens vgl. Westhoff/Schlüter ZfB 1910, 93 ff. 5 Diese Staaten bildeten die sog. sächsische Bergrechtsgruppe, Westhoff/Schlüter ZfB 1910, 137 ff. 6 Es handelt sich um die sog. Gruppe des gemeinen deutschen Bergrechts, Westhoff/Schlüter ZfB 1910, 137 ff. Kühne

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2. Systemrelevante gesetzgeberische Eingriffe in das ABG um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert Ungeachtet der weithin anerkannten hohen gesetzestechnischen Qualität und der jahrzehntelangen Bewährung des ABG sah sich der Gesetzgeber um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert gezwungen, in mehreren Punkten Eingriffe in das System des Gesetzes vorzunehmen. Hinter diesen Änderungen standen wirtschaftspolitische, unternehmensorganisatorische, aufsichtliche und sozialpolitische Gründe: – Wirtschaftspolitisch hatte die Bergbaufreiheit um 1900 zu bedenklichen Konzentrationserscheinungen bei der Innehabung von Bergbauberechtigungen auf Steinkohle und Kalisalze geführt. Nach einer Mutungs-, d.h. Antragssperre auf Neuverleihungen im Jahre 1905,7 wurden durch das Gesetz vom 18.6.19078 die Aufsuchung und Gewinnung der Steinkohle, des Steinsalzes sowie der Kali-, Magnesia- und Borsalze für die Zukunft allein dem Staat vorbehalten. Rechtstechnisch wurde dieser Staatsvorbehalt so ausgeformt, dass die Bergbaufreiheit allein auf den Staat beschränkt wurde, dieser sich also das Bergwerkseigentum zum Erwerb des Gewinnungsrechts selbst verleihen musste (sog. unechter Staatsvorbehalt). Später sind dann – vornehmlich aus volkswirtschaftlichen Gründen – weitere Staatsvorbehalte hinsichtlich der Phosphorite durch das Phosphoritgesetz vom 16.10.19349 und bezüglich des Erdöls durch die Erdölverordnung vom 13.12.193410 ausgesprochen worden. Anders als im Falle des unechten Staatsvorbehalts ist hier dem Staat das Verfügungsrecht unmittelbar durch Gesetz zugewachsen (sog. echter Staatsvorbehalt).11 Diese Gestaltungsformen des staatlichen Zugriffs auf Bodenschätze sollten später im Jahre 1990 bei der Überführung des DDR-Bergrechts in das Bergrecht der damaligen Bundesrepublik erneut rechtstechnische Bedeutung erlangen.12 – Unternehmensorganisatorisch wurde nach der Erweiterung der Befugnisse des Bergwerksbesitzers schon im Zuge der Reformen im Zusammenhang mit dem ABG nunmehr durch das Gesetz vom 28.7.190913 auch die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Bergwerksbesitzers und der den Aufsichtspersonen vorgesetzten Personen neben diesen gesetzgeberisch verankert. – Die aufsichtlichen Regelungen des Bergrechts erfuhren im 20. Jahrhundert eine Erweiterung ihres Anwendungsbereichs: Die berggesetzlichen Regelungen zu diesen Fragen wurden mehr und mehr auch auf ursprünglich nicht dem Bergrecht unterliegende Abbaubetriebe ausgedehnt, so z.B. durch das Gesetz über die Beaufsichtigung von unterirdischen Mineralgewinnungsbetrieben vom 18.12.1933,14 vgl. heute § 3 Abs. 4 Nr. 2 BBergG. – Die ursprünglich im ABG (§§ 165 ff.) enthaltenen Regelungen zum Bergarbeitersozialrecht (Knappschaftsrecht) wurden durch das Preußische Knappschaftsgesetz vom 17.6.191215 aus dem ABG herausgelöst. Durch das Reichsknappschaftsgesetz vom 23.6.192316 ist dieses Rechtsgebiet dann reichsrechtlich geregelt worden. Durch Gesetz vom 28.7.196917 wurden die Knappschaften in der Bundesrepublik Deutschland, die sich nach dem Krieg unter Loslösung von der Reichsknappschaft als selbständige Versicherungsträger gebildet hatten, durch Errichtung der Bundesknappschaft wieder zu einer Einheit zusammengeschlossen. 7 Die sog. lex Gamp vom 5.7.1905 (PrGS 265 = ZfB 1905, 442). 8 PrGS 119 = ZfB 1907, 309. 9 PrGS 404 = ZfB 1934, 242. 10 PrGS 463 = ZfB 1934, 365. 11 Zu den Erscheinungsformen des sog. unechten und des sog. echten Staatsvorbehalts vgl. Turner Das bergbauliche Berechtsamswesen, S. 182 ff. 12 Vgl. unten Rn. 57. 13 PrGS 677 = ZfB 1909, 434. 14 PrGS 493 = ZfB 1933, 317. 15 PrGS 137 = ZfB 1912, 429. 16 RGBl. I 431 – Neufassung vom 1.7.1926 (RGBl. I 369). 17 BGBl. I 974. 5

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3. Die reichsrechtliche Berggesetzgebung zwischen 1933 und 1945 17 Unter der Weimarer Reichsverfassung hatte das Reich die Befugnis, konkurrierend auf dem Gebiete des Bergrechts gesetzgeberisch tätig zu werden (Art. 7 Nr. 16 WRV) bis hin zum Erlass eines Reichsberggesetzes. Dieser Weg wurde allerdings nicht beschritten. Nach der nationalsozialistischen Machtergreifung entfaltete dagegen das Reich die Initiative zu punktuellen Eingriffen in das Bergrecht. Politischer Hintergrund waren die Autarkiebestrebungen vor allem auch im Rohstoffsektor und die sich anschließende Kriegswirtschaft sowie die allgemeine Tendenz zur Zentralisierung der Verwaltungstätigkeit auf das Reich. Unter den gesetzgeberischen Maßnahmen sind zu erwähnen: – Lagerstättengesetz vom 4.12.193418 (Zentralisierung und Neuerrichtung von geologischen Behörden zum Zwecke der intensiveren Durchforschung des Reichsgebiets nach nutzbaren Lagerstätten); – Gesetz zur Erschließung von Bodenschätzen vom 1.12.193619 (Ermächtigung der mittleren und obersten Bergbehörden zur Anwendung eines Betriebszwanges); – Verordnung über Baubeschränkungen zur Sicherung der Gewinnung von Bodenschätzen vom 28.2.193920 (Sicherung der Ausbeutung von Lagerstätten durch Anordnung von Bauverboten oder Baubeschränkungen); – Verordnung über den Zusammenschluß von Bergbauberechtigten vom 23.7.193721 (Ermächtigung zum Zusammenschluss von Bergbauberechtigten zum Zwecke des Aufschlusses und Abbaus von Bodenschätzen); – Verordnung über die Zulegung von Bergwerksfeldern vom 25.3.193822 (Ermöglichung des feldesgrenzenüberschreitenden Abbaus aus allgemeinwirtschaftlichen Gründen); – Gesetz zur Überleitung des Bergwesens auf das Reich vom 28.2.193523 und Gesetz über den Aufbau der Reichsbergbehörden vom 30.9.194224 (Umwandlung des Bergwesens in eine Reichsangelegenheit und Einrichtung entsprechender Reichsbergbehörden). 18 Kennzeichen dieser Gesetzgebungsakte ist die Einschränkung der unternehmerischen Freiheit des Bergbautreibenden im Interesse der maximalen Förderung der Rohstoffversorgung. Einige der Regelungen sind von weiterwirkender und heute noch aktueller Bedeutung (jetzt: Geologiedatengesetz (GeolDG) v. 19.6.2020 (BGBl. I S. 1387); Baubeschränkungen, §§ 107 ff. BBergG; Zulegung, §§ 35 ff. BBergG). 19 Auch die Erstreckung des bergrechtlichen Aufsichtsinstrumentariums auf nicht dem Bergrecht unterliegende Bodenschätze schritt mit der „Verordnung über die Aufsuchung und Gewinnung mineralischer Bodenschätze“ vom 31.12.194225 (sog. „Silvesterverordnung“) weiter voran (Unterstellung der wichtigsten Grundeigentümermineralien unter bergpolizeiliche Aufsicht).

4. Die Bergrechtsentwicklung in Deutschland zwischen 1945 und 1982 20 In den ersten Jahrzehnten nach dem 2. Weltkrieg galten die überkommenen bergrechtlichen Rechtsquellen im Grundsatz fort: Reichsrecht blieb als Bundesrecht in Geltung, die Landesberggesetze galten innerhalb ihres bisherigen territorialen Geltungsbereichs als Landesrecht weiter. Durch die Neugliederung der Bundesländer ergab sich dabei die Situation, dass in einzelnen 18 19 20 21 22 23 24 25

RGBl. I 1223 = ZfB 1934, 299. RGBl. I 999 = ZfB 1936, 310. RGBl. I 381 = ZfB 1939/40, 9. RGBl. I 883 = ZfB 1937, 58. RGBl. I 345 = ZfB 1938, 6. RGBl. I 315 = ZfB 1935, 34. RGBl. I 603 = ZfB 1941/42, 187. RGBl. 1943 I 17 = ZfB 1941/42, 198.

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Bundesländern mehrere Berggesetze als partielles Landesrecht in Geltung standen (z.B. in Niedersachsen vier Berggesetze).26 Einen besonderen Weg nahm die Bergrechtsentwicklung in der sowjetischen Besatzungszone, ab 1949 der Deutschen Demokratischen Republik. Die Ordnung und Nutzung der Bodenschätze wurde sozialistischen Ideen entsprechend staatswirtschaftlich ausgerichtet (Bodenschätze als Volkseigentum). Die DDR setzte 1969 ein Berggesetz27 in Kraft, dem ebenfalls diese Vorstellungen zugrunde lagen. Dessen Regelungen erfuhren später bei der Wiedervereinigung im Jahre 1990 im Zusammenhang mit der Überleitungsregelung für das Bergrecht in den neuen Bundesländern besondere gesamtdeutsche Beachtung.28 In der Bundesrepublik hielt sich der Bundesgesetzgeber trotz bestehender konkurrierender Gesetzgebungsbefugnis (Art. 74 Nr. 11 GG) bei der Schaffung bundeseinheitlichen Bergrechts sehr zurück. Regelungsbedarf entstand allerdings aufgrund der Entwicklung des Seevölkerrechts, wonach sich die Nutzungsrechte von Küstenstaaten auf den Festlandsockel erstrecken. Dementsprechend erging im Jahre 1964 das „Gesetz zur vorläufigen Regelung der Rechte am Festlandsockel“.29 Es regelte vorläufig die Erforschung und Ausbeutung der Naturschätze des Meeresgrundes und des Meeresuntergrundes der an die deutschen Meeresküsten grenzenden Unterwasserzone außerhalb des deutschen Küstenmeeres bis zu einer Tiefe von 200 Metern und – soweit die Tiefe des darüber befindlichen Wassers die Ausbeutung der Naturschätze gestattet – auch darüber hinaus im Wege eines Verbots mit einem vorläufigen Erlaubnisvorbehalt. Im übrigen konzentrierte sich die den Bergbau betreffende Bundesgesetzgebung auf die gesetzgeberische Bewältigung der in den späten 1950er Jahren des 20. Jahrhunderts einsetzenden Strukturkrise des deutschen Steinkohlenbergbaus sowie auf die arbeits- und sozialrechtlichen Belange der im Bergbau Beschäftigten.30 Eine lebhaftere Tätigkeit entfalteten demgegenüber die Landesgesetzgeber. Insgesamt hielten sich inhaltlich allerdings deren Eingriffe in die Substanz der fast sämtlich auf dem ABG fußenden Rechtsquellen in Grenzen: – Im Detail bildeten sich zahlreiche Divergenzen zwischen den einzelnen Landesregelungen hinsichtlich des Katalogs der bergbaufreien Bodenschätze heraus. Daraus ergab sich ein kaum überschaubares und durch teleologische Kriterien nicht mehr erklärbares Nebeneinander einer Vielzahl von Bergrechtsregimen unterschiedlicher Reichweite.31 – Bedeutendere Weiterentwicklungen vollzogen sich in der Ausgestaltung des bergrechtlichen Aufsichtsinstrumentariums. Insbesondere in bergbauintensiven Ländern wie NordrheinWestfalen und dem Saarland nahmen die Landesgesetzgeber Veränderungen der Verwaltungspraxis in Novellen zum ABG auf.32 Dabei wurde das Betriebsplanverfahren ausdifferenziert und so den veränderten betrieblichen Gegebenheiten angepasst. Ferner schuf Nordrhein-Westfalen schon in den 50er Jahren Rechtsgrundlagen für die Einbindung der rheinischen Braunkohlenförderung in eine geordnete regionale Raumplanung (Gesetz über die Gesamtplanung im Rheinischen Braunkohlengebiet vom 25.4.1950).33 Der mit den berggesetzlichen Änderungen erreichte Fortentwicklungsstand bildete später die Grundlage für die entsprechenden Regelungen des

26 Dies waren das ABG, das Oldenburgische Berggesetz, das Braunschweigische Berggesetz und das SchaumburgLippische Berggesetz. Gesetz vom 12.5.1969 (GBl. I S. 29). Siehe unter IV 2. Gesetz vom 24.7.1964 (BGBl. I 497); vgl. jetzt § 2 BBergG. Vgl. die Nachweise zu den verschiedenen gesetzlichen Regelungen Boldt/Weller 1. Aufl. (1984), Einl. Rn. 21 (Steinkohlenkrise), und Rn. 24 ff. (Arbeits- und Sozialrecht). 31 Vgl. nur die tabellarische Übersicht über die Zuordnung der Bodenschätze in den einzelnen Bundesländern und Bergrechtsgebieten bei Willecke/Turner Grundriß des Bergrechts, S. 46 f. 32 Vgl. dazu Willecke Die deutsche Berggesetzgebung von den Anfängen bis zur Gegenwart, S. 272, insbesondere S. 284 ff. (Nordrhein-Westfalen), S. 290 f. (Saarland). 33 GV NRW 73.

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III. Das Bundesberggesetz 1980/82 1. Vorläuferbestrebungen zur Vereinheitlichung des deutschen Bergrechts 26 Die Bestrebungen zur Schaffung eines einheitlichen deutschen Bergrechts gehen weit in das 19. Jahrhundert zurück.34 Neben Brassert haben vor allem Wissenschaftler des Bergrechts wie Arndt und Westhoff die Forderung nach einer Bergrechtsvereinheitlichung in Deutschland erhoben. Bereits im Jahre 1896 äußerte der Reichstag die Erwartung, dass auch das Bergrecht reichseinheitlich geregelt würde. Die politischen Instanzen sowohl der Weimarer Republik als auch der Zeit zwischen 1933 und 1945 waren zu sehr mit drängenden kohle-, rohstoff- und industriepolitischen Problemen belastet, als dass sie sich einer so grundsätzlichen Aufgabe wie der Schaffung eines Reichsberggesetzes hätten widmen können. Eine ähnliche Situation herrschte im ersten Vierteljahrhundert nach dem 2. Weltkrieg vor. Forderungen nach einem Bundesberggesetz wurden – begleitet von vorgelegten Entwürfen – auch jetzt in der Wissenschaft, so insbesondere von R. Isay,35 und Verbänden vorgetragen. Aber erst die – aus heutiger Sicht wiederum nur vorübergehende – Lösung der kohlestrukturpolitischen Probleme und die nicht länger hinnehmbar erscheinende Zersplitterung der Landesbergrechte machte Ende der 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts auf Bundesebene den Weg dafür frei, nunmehr die Aufgabe der Schaffung eines Bundesberggesetzes in Angriff zu nehmen.

2. Entstehungsgeschichte des BBergG 27 Die Vorarbeiten traten im Jahr 1970 in ihr konkretes Stadium ein.36 Zu diesem Zeitpunkt legte der Bundesminister für Wirtschaft den interessierten Ministerien, Behörden und Organisationen, so auch der Wirtschaftsvereinigung Bergbau, der Industriegewerkschaft Bergbau und Energie und den Haus- und Grundbesitzerverbänden einen ersten Referentenentwurf vor, zu dem diese eingehend Stellung nahmen.37 Auf Grund dieser Äußerungen, die teils berücksichtigt, teils verworfen wurden, erstellte das Ministerium 1973 einen zweiten überarbeiteten Entwurf, der die Billigung der Bundesregierung fand und am 5.9.1975 dem Bundesrat vorgelegt wurde.38 Der Bundesrat erkannte zwar in seiner Stellungnahme vom 17.10.197539 die Bemühungen der Bundesregierung, mit dem Gesetzentwurf eine Vereinheitlichung des Bergrechts anzustreben, an, erhob aber gegen den Entwurf eine Reihe grundsätzlicher Bedenken. Er sah daher davon ab, konkret formulierte Änderungsanträge zu stellen, und beschränkte sich darauf, zu einigen Schwerpunkten kritisch Stellung zu nehmen, die sich insbesondere auf die im Regierungsentwurf vorgesehene Ausdehnung des Geltungsbereichs des Gesetzes auf weitere Grundeigentümermineralien, die Neuordnung des Be-

34 Vgl. hierzu und zum Folgenden ausführlicher Boldt/Weller 1. Aufl. (1984), Einl. Rn. 31 ff. 35 Entwurf eines Bundesberggesetzes, München, Berlin 1954; dazu die Nachw. über die zahlreichen Stellungnahmen zu dem Entwurf in Boldt/Weller 1. Aufl. (1984), Einl. Rn. 38 Fn. 35.

36 Zu den Vorarbeiten im einzelnen vgl. Boldt/Weller 1. Aufl. (1984), Einl. Rn. 40 ff. 37 Vgl. aus Kreisen der Wissenschaft auch die Stellungnahme von Rittner Wirtschaftsrechtliche und ordnungspolitische Bemerkungen zum Bundesberggesetz-Entwurf, DB 1972, Beil. 7/72, sowie H. Westermann Freiheit des Unternehmers und des Grundeigentümers und ihre Pflichtenbindungen im öffentlichen Interesse nach dem Referentenentwurf eines Bundesberggesetzes (1973). 38 BR-Drs. 350/75. 39 Beschl. zu BR-Drs. 350/75. Kühne

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rechtsamswesens, das Betriebsplanverfahren, die Bergaufsicht und das Bergschadensrecht bezogen. Mit Rücksicht auf das bevorstehende Ende der 7. Wahlperiode des Bundestages sah die Bundesregierung zunächst von der Weiterverfolgung des Entwurfs ab. Am 1.6.1977 beschloss das Bundeskabinett die Wiedereinbringung des inzwischen umgearbeiteten Gesetzentwurfs. Der Bundesrat nahm in seiner 450. Sitzung am 14.10.1977 zu dem Entwurf gemäß Art. 76 Abs. 2 des Grundgesetzes Stellung40 und schlug in 73 Ziffern Änderungen des Gesetzentwurfs vor. Am 9.12.1977 übersandte der Bundeskanzler den Entwurf nebst Begründung, der Stellungnahme des Bundesrates und der teils zustimmenden, teils ablehnenden Gegenäußerung der Bundesregierung dem Präsidenten der Bundestages mit der Bitte, die Beschlussfassung des Deutschen Bundestages herbeizuführen.41 Die parlamentarischen Beratungen des Bundestages begannen am 20.1.1978 mit der 1. Lesung des Gesetzentwurfs.42 Die Regierungsvorlage wurde von Staatssekretär Grüner mit dem Hinweis begründet, dass die Vereinheitlichung des geltenden Bergrechts geboten sei, um einen bundesweit geltenden ordnungspolitischen Rahmen für die Tätigkeit des Bergbaus zu schaffen. Er betonte insbesondere das Bedürfnis nach einer Angleichung von Sicherheits- und Arbeitsschutzvorschriften und führte aus, den Unternehmen müsse es ermöglicht werden, auf der Grundlage unserer marktwirtschaftlichen Ordnung in allen Teilen der Bundesrepublik unter den gleichen Chancen und Bedingungen tätig zu werden. Die Sprecher der im Bundestag vertretenen Fraktionen bejahten einmütig das Bedürfnis zur Vereinheitlichung und Reform des geltenden Landesbergrechts, wenn sie auch hinsichtlich einzelner Bestimmungen grundsätzliche Vorbehalte machten. In Übereinstimmung mit dem Vorschlag des Ältestenrates wurde der Regierungsentwurf einstimmig an den Ausschuss für Wirtschaft – federführend – sowie an den Rechtsausschuss, den Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung und den Haushaltsausschuss – mitberatend – überwiesen. Der Ausschuss für Wirtschaft setzte in seiner Sitzung vom 7.6.1978 eine besondere Arbeitsgruppe unter dem Vorsitz des Abgeordneten Russe ein mit dem Auftrag, den Entwurf vorzuprüfen. Die Arbeitsgruppe beriet den Gesetzentwurf eingehend in 17 Sitzungen. In der Sitzung vom 15.10.1979 fand eine nichtöffentliche Anhörung statt, in der auf dem Gebiet des Bergrechts tätige Wissenschaftler, am Gesetz interessierte Verbände und Organisationen und die Vertreter der Landesregierungen Gelegenheit zur Stellungnahme zum Gesetzentwurf hatten. Die Arbeitsgruppe schlug unter Berücksichtigung der Stellungnahme des Bundesrates und der Gegenäußerung der Bundesregierung eine Reihe wichtiger Änderungen des Entwurfs vor. U.a. empfahl sie die im Regierungsentwurf vorgesehene Errichtung einer Bergschadensausfallkasse und einer Bundesprüfanstalt für den Bergbau durch entsprechende Ermächtigungen an den Bundesminister für Wirtschaft zu ersetzen sowie die Frist zur Auflösung und Umwandlung der bergrechtlichen Gewerkschaften von zwei auf vier Jahre zu verlängern, um dem Gesetzgeber Gelegenheit zu geben, in der Zwischenzeit eine Reform des Gewerkschaftsrechts durchzuführen und die Erhaltung dieser Rechtsreform zu ermöglichen. In seiner Sitzung vom 28.2.1980 stimmte der Ausschuss für Wirtschaft den Vorschlägen der Arbeitsgruppe zu. Nach Vorliegen der Stellungnahme der übrigen beteiligten Ausschüsse wurde der Bericht des Ausschusses für Wirtschaft mit einer entsprechenden Beschlussempfehlung am 30.4.1980 dem Bundestag zugeleitet.43 Am 14.5.1980 fanden die Zweite und die Dritte Beratung des Gesetzentwurfs im Bundestag statt.44 Der Abgeordnete Russe begründete im Einzelnen das, wie er sagte, „überfällige Reformwerk“. Nach eingehender Aussprache wurde der Gesetzentwurf in der vom Ausschuss für Wirt-

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Die Stellungnahme ist abgedruckt in BT-Drs. 8/1315 Anlage 2, S. 173 ff. BT-Drs. 8/1315. Protokoll 8. Wahlperiode 8/66, 5078 ff. BT-Drs. 8/3965. Plenar-Protokoll 8/217, 17414 ff. Kühne

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schaft vorgeschlagenen Fassung in zweiter und dritter Lesung unter Ablehnung eines Änderungsantrages der CDU/CSU-Fraktion45 gegen wenige Stimmen angenommen. 33 Dagegen stimmte der Bundesrat entgegen den Empfehlungen seines Rechtsausschusses und seines Ausschusses für Wirtschaft in seiner Sitzung vom 13.6.1980 dem Gesetz nicht zu.46 Die Bedenken der Mehrheit des Bundesrates betrafen insbesondere die Kompetenz des Bundesministers für Wirtschaft zur Regelung und Festsetzung der Höhe der Feldes- und Förderabgaben und die im Gesetz vorgesehene ausschließliche Zuständigkeit des Bundeswirtschaftsministers zum Erlass von Bergverordnungen im Bereich der Küstengewässer. Der Bundesrat lehnte zwar das Gesetz nicht ab, rief aber gemäß Art. 77 des Grundgesetzes in acht Fällen den Vermittlungsausschuss an.47 In der Verhandlung vom 26.6.1980 gelang es diesem, eine Einigung zu erzielen.48 Danach wurde die Kompetenz zur Regelung der Feldes- und Förderabgaben anstelle des Bundeswirtschaftsministers den Landesregierungen zugewiesen und die Zuständigkeit zum Erlass von Bergverordnungen im Bereich der Küstengewässer den angrenzenden Bundesländern übertragen. Ferner wurde vorgesehen, dass die Erlaubnis zur Aufsuchung bergfreier Bodenschätze auch wegen im gesamten zuzuteilenden Feld entgegenstehender überwiegender öffentlicher Interessen sollte versagt werden können, und dass bestimmte Kraftwerke und Schamottefabriken durch Rechtsverordnung der zuständigen Landesregierung den Bestimmungen des Bundesberggesetzes sollten unterworfen werden können. Die Vorschläge des Vermittlungsausschusses wurden von Bundestag und Bundesrat gebilligt. In den Sitzungen beider Verfassungsorgane vom 4.7.198049 wurde das Gesetz mit den vom Vermittlungsausschuss vorgeschlagenen Änderungen endgültig angenommen. Unter dem Datum 13.8.1980 wurde das Gesetz ausgefertigt und in Nummer 48 des Bundesge34 setzblattes Teil I (S. 1310 ff.) vom 20.8.1980 verkündet. Nach § 178 ist es am 1.1.1982 in Kraft getreten. Abweichend hiervon sind einige Vorschriften, die Ermächtigungen zum Erlass bestimmter Rechtsverordnungen enthalten, bereits am Tage nach der Verkündung des Gesetzes, also am 21.8.1980, in Kraft getreten. Hierdurch sollte den für den Erlass solcher Verordnungen zuständigen Stellen die Möglichkeit gegeben werden, schon vor Inkrafttreten des Gesetzes mit der Vorbereitung von Rechtsverordnungen zu beginnen, die für seine Durchführung notwendig sind. Mit dem 1.1.1982 traten zugleich fünf Bundesgesetze (das Gesetz zur Erschließung von Boden35 schätzen vom 1.12.1936, das Gesetz über den Abbau von Raseneisenerzen vom 22.6.1937, die Verordnung über die Zulegung von Bergwerksfeldern vom 25.3.1938, die Verordnung über die Aufsuchung und Gewinnung mineralischer Bodenschätze vom 31.12.1942 (die sog. Silvesterverordnung) und das Gesetz zur vorläufigen Regelung der Rechte am Festlandsockel vom 24.7.1964 in ihren zuletzt geltenden Fassungen) sowie die landesrechtlichen Vorschriften, deren Gegenstände im Bundesberggesetz geregelt sind oder die ihm widersprechen – § 176 führt 99 derartige Gesetze und Verordnungen auf, ohne dass diese Aufzählung abschließend wäre – außer Kraft.

3. Konzeptionelle Eckpunkte des BBergG 36 Die konzeptionellen Eckpunkte des BBergG 1980/8250 sind folgende:51 37 – Neuabgrenzung des Geltungsbereichs des Bergrechts und Vereinheitlichung der Regelung der dem Bergrecht zuzuordnenden mineralischen Rohstoffgewinnung in der Bundesrepublik bei

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BT-Drs. 8/4009. Protokoll über die 488. Sitzung 263 ff. und Anlagen 16 und 17. BT-Drs. 8/4220 = BR-Drs. 286/80 (Beschluss). BT-Drs. 8/4331. Protokoll über die 230. Sitzung des Bundestages 8/230, 18684 ff.; Protokoll über die 490. Sitzung des Bundesrates S. 331 ff. 50 Zur Einführung vgl. die Angaben in der Literaturübersicht. 51 Vgl. auch die Darstellung in BT-Drs. 8/1315, S. 70 ff. Kühne

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gleichzeitiger Ausdehnung und einheitlicher Gestaltung umweltschutzrelevanter bergrechtlicher Vorschriften zur Sicherung der Oberflächennutzung Schaffung eines modernen, elastischen Konzessionssystems für besonders wichtige, dem Grundeigentum entzogene Bodenschätze mit Vereinheitlichung der Förderabgaben durch Neuordnung und Bereinigung des Berechtsamswesens Anpassung des auf die Eigenarten der Gewinnung von Bodenschätzen zugeschnittenen bergrechtlichen Instrumentariums zur präventiven Betriebsregelung und -überwachung (Betriebsplanverfahren, verantwortliche Personen, Bergaufsicht, Bergverordnungen) mit Gewährleistung gleicher Maßstäbe für die bergbaulichen Betriebe in allen Ländern Neugestaltung des Verhältnisses zu den Berufsgenossenschaften und damit Verbesserung der Unfallverhütungsmaßnahmen Neuordnung des Bergschadensrechts durch Neugestaltung des Anpassungsverhältnisses zwischen Bergbau und Grundeigentum einerseits sowie zwischen Bergbau und öffentlichen Verkehrsanlagen andererseits (u.a. Verankerung des Grundsatzes „Schaden verhüten vor Schaden vergüten“) Berücksichtigung artverwandter neuer technischer Entwicklungen (unterirdische behälterlose Speicherung, Gewinnung von Erdwärme) sowie endgültige Regelung der mit dem Festlandsockel zusammenhängenden innerstaatlichen Fragen Entlastung des Bergrechts von ihm fremden Rechtsmaterien sowie Aufhebung überholter bergrechtlicher Institute.

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4. Rechts- und wirtschaftspolitische Grundlagen Das BBergG beruht nach eigener Einschätzung des Gesetzgebers52 zuvörderst auf dem Gedanken 44 einer Vereinheitlichung des in Deutschland geltenden Bergrechts. Dieses war zwar stark zersplittert, beruhte jedoch weitgehend auf Grundideen, die vom ABG geprägt waren. Während dessen rechts- und wirtschaftspolitische Leitgedanken klar vom wirtschaftlichen Liberalismus imprägniert waren, sind diejenigen des BBergG deutlich weniger konturenscharf. Dies liegt sicherlich teilweise an der weit größeren Vielfalt der zum Ausgleich zu bringenden Interessen: Bergbauwirtschaft, sonstige Wirtschaft, Verbraucher, Gewerkschaft, Umwelt, Bund, Länder. Im Übrigen sind bei den einzelnen Komplexen noch folgende Erwägungen von Bedeutung: – Die einheitliche Vorverlagerung der Grenzen des Geltungsbereichs des Bergrechts war 45 erforderlich geworden, weil das Bergrecht seine innere Legitimation nicht mehr ausschließlich aus der Zuordnung der Bodenschätze zu einer bestimmten Herrschaftssphäre, sondern aus der tätigkeitsbezogenen Eigenart und Gefahrengeneigtheit bergbaulicher Tätigkeit und aus den sich daraus ableitenden staatlichen Überwachungsinstrumenten bezieht. – Bei der Ausgestaltung des Berechtsamswesens war der Gesetzgeber bestrebt, entsprechend 46 dem Wirtschaftsprinzip der sozialen Marktwirtschaft unter Ablehnung eines Systems primären staatlichen Zugriffs auf die volkswirtschaftlich bedeutsamen Bodenschätze (Staatsvorbehalt) Elemente unternehmerischer Freiheit (Bergbaufreiheit mit Rechtsanspruch auf Verleihung von Bergbauberechtigungen) und staatlicher Gemeinwohlkontrolle (Versagungsgründe) miteinander zu verbinden.53 Rechtstechnisch wurde bei der Festlegung des Rechtscharakters der Bergbauberechtigungen im Interesse flexiblerer staatlicher Steuerungsmöglichkeiten einem öffentlich-rechtlichen Konzessionssystem (Verwaltungsakte) der Vorzug vor der Schaffung absoluter dinglicher Rechte gegeben. Das erst im Verlaufe des Entstehungsprozesses des BBergG auf verbandspolitische Anregung hin aufgenommene Bergwerkseigentum54 stellt insoweit einen gewissen Fremdkörper im System dar. 52 Vgl. BT-Drs. 8/1315, S. 67 ff. 53 Vgl. BT-Drs. 8/1315, 84 f.; Schoch NVwZ 2008, 241, 244; von Weschpfennig Strukturen des Bergrechts, S. 23. 54 Vgl. BT-Drs. 8/1315, 85. 11

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Entsprechend dem öffentlich-rechtlichen Charakter der Bergbauberechtigungen hat der Gesetzgeber auch die von den Bergbauberechtigten für die mit der Verleihung empfangenen Vorteile zu entrichtenden Gegenleistungen als Feldes- und Förderabgabe öffentlich-rechtlich ausgestaltet. Der in die Kompetenz der Landesregierungen gestellten Handhabung der flexiblen Bemessungsmaßstäbe des § 32 Abs. 2 BBergG liegen die Erfahrungen aus den beiden Ölkrisen der 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts zugrunde. In der Konzeption des BBergG nach dem Stand von 1980/82 hat der Gesetzgeber das Konfliktverhältnis zwischen dem Bergbau und der Umwelt als bergrechtlichen Regelungsgegenstand weitestgehend ausgeklammert.55 Die Regelung des Verhältnisses zwischen den bergbaulichen und den ökologischen Belangen hat – wie in der Unberührtheitsklausel des § 48 Abs. 1 Satz 1 zum Ausdruck kommt – der Berggesetzgeber großenteils den umweltrechtlichen Schutznormen überantwortet. Darin liegt die Gefahr eines entweder zu geringen – bei Fehlen adäquater nicht-bergrechtlicher Umweltschutznormen – oder – bei überbordender Umweltschutzgesetzgebung – zu weitgehenden, die bergbaulichen Entfaltungsmöglichkeiten übermäßig einengenden Umweltschutzniveaus. Dieser schon im Jahre 1980 erkennbar größeren Gefahrenvariante hat der Gesetzgeber durch die im Gesetzgebungsverfahren eingefügte sog. Rohstoffsicherungsklausel des § 48 Abs. 1 Satz 2 entgegenwirken wollen. Das überkommene bergbehördliche Aufsichtsinstrumentarium (Betriebsplanverfahren, Bergaufsicht) hat der Gesetzgeber im Wesentlichen auf dem Stand der fortgeschrittenen landesgesetzlichen Novellierungen des ABG (NRW, Saarland)56 übernommen und behutsam weiterentwickelt. Dies gilt auch für die Zulassungsvoraussetzungen im Betriebsplanverfahren. Darüber hinausgehend wurde allerdings mit § 48 Abs. 2 eine Grundlage dafür geschaffen, dass die für die Zulassung von Betriebsplänen zuständige Behörde eine Aufsuchung oder eine Gewinnung beschränken oder untersagen kann, soweit ihr überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen (offene Gemeinwohlklausel). Die Vorschrift hat hinsichtlich der im Betriebsplanverfahren zu berücksichtigenden Interessen Auffangcharakter. Weitergehende verfahrensrechtliche Regelungen in Richtung einer Integration paralleler Verwaltungsverfahren (z.B. wasserrechtliche Gestattungen, Baugenehmigungen) hatte der Gesetzgeber des Jahres 1980 nicht vorgesehen. Im Bereich des Kollisionsverhältnisses zwischen Bergbau und Grundeigentum hat der Gesetzgeber die Rechtsposition des Bergbautreibenden im Zusammenhang mit der Nutzung des Grundeigentums für betriebliche Zwecke (Grundabtretung) den sich aus Art. 14, insbes. Abs. 3, GG ergebenden Anforderungen unterworfen. Eine erhebliche Neugestaltung hat auch die rechtliche Regelung der schädlichen Folgen des Bergbaubetriebs für fremde Rechtsgüter (Bergschadensrecht), insbesondere das Grundeigentum, erfahren. Zum einen wurde im Verhältnis Bergbau – Grundeigentum, in dem sich bergbauinduzierte Schadensverläufe regelmäßig mit naturwissenschaftlicher Genauigkeit vorausberechnen lassen, der Gedanke der Schadensprävention durch Normierung einer eigenständigen Anpassungsobliegenheit des Grundeigentümers/Bauherrn gestärkt. Zum anderen wurde die Haftung für Bergschäden aus ihrer historisch überkommenen ausschließlichen Grundstücksbezogenheit gelöst und zu einer Gefährdungshaftung für unverschuldete Verletzung von absoluten Rechtsgütern (einschließlich Körper- und Gesundheitsschäden) mit erhöhtem Opferschutz (Bergschadensvermutung) ausgebaut. Das BBergG hat seinen Anwendungsbereich über den eigentlichen Bergbau hinaus auf neuartige Formen der Nutzung des untertägigen Raumes wie Aufsuchung und Gewinnung von Erdwärme, Untergrundspeicherung (insbesondere von Erdgas) und Endlagerung radioaktiver Abfälle ausgedehnt. Deren Einbeziehung erfolgte indes nicht unter Entwicklung eigenständi-

55 Vgl. BT-Drs. 8/1315, 104. 56 Vgl. Willecke Die deutsche Berggesetzgebung von den Anfängen bis zur Gegenwart (1977), 272, insbesondere 284 ff. (Nordrhein-Westfalen), 290 f. (Saarland). Kühne

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ger inhaltlicher Normen, sondern durch totale oder partielle Unterstellung unter die bergbaubezogenen Regelungen. Das BBergG hat zahlreiche überkommene Rechtsinstitute und die Organisationsform der 52 bergrechtlichen Gewerkschaft abgeschafft, dabei aber existente Rechtspositionen entsprechend bergrechtspolitischer Tradition aufrechterhalten oder zumindest mit schonenden Übergangsregelungen bedacht.

IV. Die Weiterentwicklung der Berggesetzgebung nach 1982 Die Berggesetzgebung hat sich seit Inkrafttreten des BBergG nicht unerheblich weiterentwickelt, 53 wenn auch die Entwicklungsgeschwindigkeit deutlich hinter dem bei sehr vielen anderen Rechtsgebieten zu beobachtenden Tempo zurückgeblieben ist. Außerdem konzentrieren sich die eingetretenen Veränderungen sowohl auf bestimmte Zeitpunkte (1990) als auch auf einzelne Normkomplexe: Während weite Teile des BBergG seit 1982 gesetzgeberisch unberührt geblieben sind, haben andere (Betriebsplanverfahren) z.T. grundlegende Änderungen erfahren.57

1. Die Berggesetznovelle von 1990 Zentraler Regelungsgegenstand des „Gesetzes zur Änderung des Bundesberggesetzes“ vom 12.2.199058 54 war – in Parallele zur allgemeinen Einführung der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) mittels des „Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung“ (UVPG)59 – die Einführung der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) im Bergrecht. Beide Gesetzgebungsakte wurden in Umsetzung der „Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten“ vom 27.6.198560 erlassen. Hintergrund der Sonderumsetzung der UVP-Richtlinie im Bergrecht waren die speziellen Gegebenheiten des Bergbaus und die an diese angepassten strukturellen Merkmale bergrechtlicher Genehmigungsverfahren (Betriebsplanverfahren). Kernpunkte der Novellierung von 1990 waren die Einfügung der UVP für besonders umweltrelevante bergbauliche Vorhaben in das Betriebsplanverfahren und ihre Ansiedlung innerhalb des Rahmenbetriebsplanverfahrens in Verbindung mit dessen Umgestaltung zu einem Planfeststellungsverfahren. Damit wurde den mit der Einführung der UVP verbundenen zentralen Anliegen – Sicherung einer Öffentlichkeitsbeteiligung und Konzentrationswirkung im Hinblick auf parallele Verwaltungsverfahren – Rechnung getragen. Zum Zwecke der klaren tatbestandlichen Umgrenzung der UVP-pflichtigen Vorhaben wurde auf der Grundlage des neugeschaffenen § 57c die „Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung bergbaulicher Vorhaben (UVP-V Bergbau)“ vom 13.7.199061 erlassen. Weitere punktuelle Änderungen innerhalb des ÄndG vom 12.2.1990 waren die Einfügung 55 der Worte „bei sparsamem und schonendem Umgang mit Grund und Boden“ in § 1 Nr. 1 und die Ergänzung von § 48 Abs. 2 um die Sätze 2 bis 5. Die Ergänzung betrifft verfahrensrechtliche Fragen des Drittschutzes von Grundeigentümern im Falle zu erwartender Bergschäden von einigem Gewicht und ist eine Folgeänderung zum Moers-Kapellen-Urteil des BVerwG vom 16.3.1989.62

57 Zu den Entwicklungstendenzen des Bergrechts in Deutschland nach dem Stand von 1991 vgl. Kühne, in: Kühne/ Gaentzsch (Hrsg.) Wandel und Beharren im Bergrecht (1992) 45 ff., 70 ff., und aus der Perspektive des Jahres 2013 Kühne ZfB 2013, 113, 116 ff. 58 BGBl. I 215. 59 Vom 12.2.1990, BGBl. I 205. 60 RL 85/337/EWG, ABl. Nr. L 175/40. 61 BGBl. I 1420. 62 BVerwG 16.3.1989, 4C 36/85, BVerwGE 81, 329 = ZfB 1989, 199. 13

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2. Bergrechtsänderungen im Zusammenhang mit der Wiedervereinigung Deutschlands 56 Mit der Wiedervereinigung Deutschlands ging auch ein grundlegender Wandel des Bergrechts in den neuen Bundesländern einher. Wie in anderen Rechtsgebieten ging es im Bergrecht um die Wiederherstellung der Rechtseinheit Deutschlands und damit um die letzte Stufe im Prozess der Herstellung eines einheitlichen deutschen Bergrechts. Wesentliche Rechtsquelle für diese Umstellung ist der Einigungsvertrag vom 31.8.1990.63 Bei dieser Umstellung ging es um nichts weniger als um die Überführung des staatswirtschaftlich verfassten Bergbaus und Bergrechts der ehemaligen DDR in den Ordnungsrahmen des BBergG. Das durch das Berggesetz (BergG) vom 12.5.196964 konstituierte Bergrechtsregime der DDR 57 kannte nur Volkseigentum an den wirtschaftlich nutzbaren Bodenschätzen. Sie waren dem Grundeigentum entzogen. Das Aufsuchungs- und Gewinnungsrecht stand ausschließlich dem Staat zu. Im Kontext der historisch überlieferten Gestaltungsformen des Zugriffs auf die Bodenschätze handelte es sich um einen echten Staatsvorbehalt. Die Ausübung der Aufsuchungs- und Gewinnungsrechte stand nur staatlichen Organen oder volkseigenen Betrieben (VEB) zu, konnte in begrenztem Umfang allerdings auch an Dritte übertragen werden. Die Systemüberführung hatte bereits in der Endphase der DDR mit der „Verordnung über die Verleihung von Bergwerkseigentum“ vom 15.8.199065 begonnen: Der DDR-Ministerrat oder eine von ihm bestimmte Stelle wurde ermächtigt, der Treuhandanstalt auf Antrag für ein bestimmtes Feld und für bestimmte unter § 3 des BergG DDR fallende Bodenschätze – die entsprechende Anlage umfasste fast alle nutzbaren Bodenschätze – Bergwerkseigentum zu verleihen. Dies bedeutete in der Sache die Umwandlung eines echten in einen unechten Staatsvorbehalt. Von dieser Ermächtigung wurde dann zwischen dem 15.8. und dem 2.10.1990 in der Weise Gebrauch gemacht, dass die DDR (Ministerium für Geologie) der Treuhandanstalt in etwa 860 Fällen Bergwerkseigentum verlieh. 58 Der so ausgeformte Rechtsbestand des DDR-Bergrechts wurde mit dem 3.10.1990 über die Vorschriften in Anlg. I Kap. V Sachgeb. D Abschn. III Nr. 1–7 und in Anlg. II Kap. V Sachgeb. D Abschn. III Nr. 1–3 des Einigungsvertrages in das Bergrecht des wiedervereinigten Deutschland übergeleitet: Dies geschah zum einen durch die grundsätzliche Inkraftsetzung des BBergG in den neuen Bundesländern und zum anderen – analog den §§ 149 ff. BBergG – durch Fortbestands- und Anpassungsregelungen für die am 2.10.1990 bestehenden Rechte, verwaltungsverfahrensrechtlichen Rechtspositionen (insbesondere Betriebspläne) und Rechtsnormen. Dies führte dazu, dass die Rechtseinheit immer noch nicht vollständig erreicht wurde. Insbesondere unterschieden sich die Rechtszustände in beiden Teilen Deutschlands insoweit, als der Kreis der bergfreien Bodenschätze in den neuen Bundesländern wesentlich weiter gezogen war als in den alten, insbesondere auch Kiese und Sande umfasste.66 Diese abweichende Rechtslage in den neuen Bundesländern sah sich im Laufe der 1. Hälfte der 90er Jahre zunehmend verfassungsrechtlichen Zweifeln ausgesetzt (Verletzung des Gleichheitsgebots und der Eigentumsgarantie). In einem Urteil vom 24.6.199367 bejahte das BVerwG die Verfassungsmäßigkeit angesichts des zu diesem Zeitpunkt noch anzunehmenden Übergangscharakters der Regelung.

63 BGBl. II 889; vgl. den Abdruck der bergrechtlich relevanten Teile in ZfB 1991, 1 ff. 64 GBl. I 29; zum DDR-Bergrecht vgl. die Übersichtsdarstellung Boldt/Weller 1. Aufl. (1984), Ergänzungsband, Anhang Rn. 9 ff. 65 GBl. I 1071. 66 Der Kreis der danach bergfreien Bodenschätze ergab sich aus der Anlage zu der Verordnung über die Verleihung von Bergwerkseigentum vom 15.8.1990 (GBl. I 1071), abgedruckt in Boldt/Weller 1. Aufl. (1984), Ergänzungsband, Anhang Rn. 3. 67 BVerwG 24.6.1993, 7C 36 und 37/92, BVerwGE 94, 23 ff. = ZfB 1993, 203 ff. = JZ 1994, 197 ff. mit Anm. Kühne und Beddies, 201; so später auch das BVerfG 24.9.1997, 1 BvR 647/91 u.a., ZfB 1997, 283, 289. Kühne

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Dieses erhobenen Zeigefingers des BVerwG eingedenk erließ der Bundesgesetzgeber das „Ge- 59 setz zur Vereinheitlichung der Rechtsverhältnisse bei Bodenschätzen“ vom 15.4.1996.68 Dadurch wurde die unterschiedliche Zuordnung der Bodenschätze als bergfreie bzw. als grundeigene in den neuen und alten Bundesländern beseitigt und damit die Vereinheitlichung des deutschen Bergrechts vollendet.69

3. Weitere Änderungen, insbesondere auf untergesetzlicher Ebene In den vergangenen Jahren ist das BBergG über die beschriebenen Novellierungen hinaus in 60 zahlreichen Einzelfragen geändert worden. Diese Änderungen berühren indes in keinem Falle die Substanz des Gesetzes. Ein Teil von ihnen sowie vor allem auch die Ergänzungen der UVP-V Bergbau sind auf die fortschreitende Ausweitung der Regelungen über die Umweltverträglichkeitsprüfung zurückzuführen. Dies gilt etwa für die Änderung des § 52 Abs. 2b Satz 2 BBergG durch Art. 11a des „Gesetzes zur Umsetzung der UVP-Änderungsrichtlinie, der IVU-Richtlinie und weiterer EG-Richtlinien zum Umweltschutz vom 27.7.2001“70 (Ausschluss von doppelten UVPen im Hinblick auf die Ausweitung UVP-pflichtiger Vorhaben nach anderen Umweltgesetzen) und die Änderungen durch Art. 11 des „Gesetzes zur Beschleunigung von Planungsverfahren für Infrastrukturvorhaben“ vom 9.12.200671 (Einfügung eines § 133 Abs. 2a betr. UVP für eine Transitrohrleitung im Bereich des Festlandsockels, Ergänzung des § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 i.S. der Schaffung der Entsorgungsalternativen von Abfallbeseitigung und Abfallverwendung, Ergänzung von § 66 zum Zwecke der Schaffung der Voraussetzungen zur Umsetzung europäischen Rechts). Mehrfache Änderungen hat die UVP-V Bergbau72 erfahren, deren Ziel insbesondere die Erwei- 61 terung der UVP-Pflichtigkeit von bergbaulichen sowie bergbaubezogenen/-verwandten Vorhaben war (UVP-Pflichtigkeit der Gewinnung von Erdöl und Erdgas zu gewerblichen Zwecken mit einem Fördervolumen von täglich mehr als 500 Tonnen Erdöl oder von täglich mehr als 500.000 m³ Erdgas, von Tiefbohrungen zur Gewinnung von Erdwärme ab 1.000 m Teufe in besonderen Schutzgebieten (1998), bestimmter Abfallentsorgungseinrichtungen (2008) und bestimmter Untergrundspeicher für Erdgas und für Erdöl, petrochemische oder chemische Erzeugnisse (2010)).73 Eine thematisch geschlossenere Normsetzungstätigkeit entfaltete der Bund nach dem Erlass des 62 BBergG im Bereich der Bergverordnungen. In Ausnutzung der Ermächtigungen in §§ 65 ff. sind bundesseitig seit 1982 Bergverordnungen insbesondere über vermessungstechnische und sicherheitliche Unterlagen (Unterlagen-Bergverordnung), über Einwirkungsbereiche (Einwirkungsbereichs-Bergverordnung), zum Schutze der Gesundheit gegen Klimaeinwirkungen (Klima-Bergverordnung), über markscheiderische Arbeiten und Beobachtungen der Oberfläche (Markscheider-Bergverordnung), für die Küstengewässer und den Festlandsockel (Offshore-Bergverordnung) sowie zum gesundheitlichen Schutz der Beschäftigten (Gesundheitsschutz-Bergverordnung) ergangen. Eine umfassend angelegte Kodifizierung des die Arbeitssicherheit und den Gesundheitsschutz betreffenden untergesetzlichen Bergrechts findet sich dann in der Bergverordnung für alle bergbaulichen Bereiche (Allgemeine Bundesbergverordnung – ABBergV) vom 23.10.1995.74 Neben ihrer Funktion als Umsetzungsinstrument für zahlreiche EG-Richtlinien kommt ihr vor allem deswegen methodische und systematische Bedeutung zu, weil mit ihrem Inkrafttreten zahlreiche nach § 176 Abs. 3 BBergG aufrechterhaltene landes68 BGBl. I 602. 69 Die vormalige Rechtsspaltung wirkte und wirkt allerdings in der Weise fort, dass die unter ihrer Geltung verliehenen Bergbauberechtigungen aufrechterhalten und dem Bergrecht unterworfen blieben. 70 BGBl. I 1950. 71 BGBl. I 2833. 72 Vom 13.7.1990, BGBl. I 1420. 73 Vgl. die Änderungen in BGBl. 1998 I 2093; 2005 I 2452; 2006 I 2819; 2008 I 85; 2010 I 1261. 74 BGBl. I 1466; Text und Amtliche Begründung in ZfB 1996, 1 ff. Zu Entstehung, Konzeption und Regelungsinhalt Keusgen ZfB 1996, 60 ff. 15

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rechtliche Vorschriften gegenstandslos i.S. des Art. 31 GG geworden sind. Die ABBergV hat damit für den arbeits- und gesundheitsschutzbezogenen Bereich des untergesetzlichen Bergrechts das geleistet, was das BBergG im Jahre 1982 für das gesetzliche Bergrecht vollbracht hat, und damit auf untergesetzlicher Ebene die Bergrechtseinheit in Deutschland wesentlich vorangetrieben und somit den Spielraum für landesrechtliche Bergverordnungen stark eingeschränkt.

V. Die Europäisierung des Bergrechts, insbesondere in den Bereichen des Umweltund des Arbeitsschutzes 63 Bergbauliche Tätigkeit ist ihrer Natur nach lagerstätten-, also standortgebunden und daher grenzüberschreitenden rechtlichen Einflüssen naturgemäß weniger ausgesetzt. Gleichwohl ist auch das Bergrecht von der Europäisierung, die die nationalen Rechtsordnungen in den letzten Jahrzehnten erfasst hat, nicht unberührt geblieben. Dies hat sich allerdings in sehr unterschiedlicher Weise auf die einzelnen Regelungsbereiche des Bergrechts ausgewirkt: 64 – Diejenigen bergrechtlichen Bereiche, welche die rechtliche Zuordnung der Bodenschätze und die grundstücksbezogenen Befugnisse (Berechtsamswesen, Grundabtretung) zum Gegenstand haben, sind von der Europäisierung kaum berührt worden; allein das Berechtsamswesen in Bezug auf Aufsuchung und Gewinnung von Kohlenwasserstoffen (Erdgas, Erdöl)75 ist Gegenstand einer EU-Richtlinie, die jedoch in Deutschland keiner Umsetzung bedurfte, da die Anforderungen im deutschen Recht bereits erfüllt waren; 65 – Wesentlich stärker von der Europäisierung erfasst worden sind die den Bergbaubetrieb, insbesondere dessen Auswirkungen auf die Umwelt, regelnden Bereiche. Dies gilt vor allem für das Betriebsplanverfahren, welches wesentlich durch das europäische Recht der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) und durch die europäische Abfallgesetzgebung76 geprägt worden ist; 66 – Von sehr starkem europäischem Einfluss mitgeformt worden ist das sekundäre Bergrecht (Bergverordnungen). Besonders augenfällig tritt dies in Gestalt der bereits erwähnten ABBergV zutage: Sie dient der Umsetzung einer Vielzahl von EU-Richtlinien auf dem Gebiete des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer.77 67 – Gerade wegen der Enthaltsamkeit des BBergG bei der materiellen Regelung des Konfliktverhältnisses zwischen dem Bergbau und den Umweltmedien erschließen sich die rechtlichen Entfaltungsmöglichkeiten des Bergbaus erst voll bei einer Betrachtung auch der die Umweltmedien (Luft, Wasser, Boden) behandelnden außerbergrechtlichen Sachbereiche und deren Rechtsquellen (Immissionsschutzrecht: BImSchG; Wasserrecht: WHG; Bodenschutzrecht: BBodSchG; Naturschutzrecht: BNatSchG). Diese Normen entfalten aufgrund ihrer spezifischen Schutzrichtungen im Ansatz eine die bergbauliche Tätigkeit und ihre unbestrittenen umweltbezogenen Beeinträchtigungstendenzen einengende Wirkung. Bei diesen Umweltrechtsmaterien ist die Europäisierungstendenz inzwischen weit fortgeschritten. Die umweltbezogenen Entfaltungsmöglichkeiten bergbaulicher Tätigkeit sind daher heute weitestgehend europarechtlich determiniert.

75 Richtlinie 94/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 30.5.1994 über die Erteilung und Nutzung von Genehmigungen zur Prospektion, Exploration und Gewinnung von Kohlenwasserstoffen (ABl. L 164, S. 3).

76 Insbesondere die Richtlinie 2006/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 15.3.2006 über die Bewirtschaftung von Abfällen aus der mineralgewinnenden Industrie und zur Änderung der Richtlinie 2004/35/EG (ABl. L 102, S. 15). 77 Zur Einwirkung der europäischen Gesetzgebung auf die mineralgewinnende Industrie ausführlich Kullmann mining + geo 2012, 851. Kühne

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VI. Die Entwicklung des Bergrechts unter dem BBergG außerhalb der Gesetzgebung, insbesondere durch die Rechtsprechung 1. Bergrecht und richterliche Rechtsfortbildung Treibende Zielvorstellung bei den Arbeiten am BBergG in den 1970er Jahren war das Bestreben 68 des Gesetzgebers, die Zersplitterung des in Landesgesetzen geregelten deutschen Bergrechts zu beenden und durch ein Bundesgesetz zu ersetzen. Die Vorstellung, mit dieser Reform auch neue inhaltliche Regelungsabsichten zu verbinden, trat demgegenüber deutlich zurück, zumal in der Vorstellung des Gesetzgebers das seinerzeit geltende Recht keine gravierenden, zu schnellem gesetzgeberischem Handeln drängenden Defizite aufwies. Die Bergrechtsreform von 1980 zeichnet sich denn auch durch einen konservativen Grundzug aus: Die Grundstrukturen und -inhalte des bisherigen Rechts wurden – von nur wenigen Ausnahmen abgesehen – in allenfalls behutsam angepasster Weise in das neue Recht übernommen.78 Impulse aus verwandten Bereichen der umgebenden Rechtsordnung wurden nur sehr beschränkt aufgenommen. Dieser beharrende Grundzug des BBergG hat einerseits der richterlichen Rechtsfortbildung nicht unerheblichen Spielraum eröffnet. Andererseits haben sich die ungewöhnlich starke rechtshistorische Verwurzelung des Bergrechts und die verhältnismäßig geringe Zahl von Verfahren, die die revisionsgerichtliche Ebene erreichen, als die judikative Rechtsfortbildung erschwerende bzw. bremsende Faktoren erwiesen.79

2. Hauptanwendungsbereiche richterlicher Rechtsfortbildung unter dem BBergG Einen Schwerpunkt der Rechtsprechungstätigkeit im Bergrecht bildete das Betriebsplanverfah- 69 ren, welches der Gesetzgeber aus den fortentwickelten landesrechtlichen (NRW, Saarland) ABGKodifikationen beinahe unverändert übernommen hatte. Hier war insonderheit das Verhältnis der Betriebsplanarten zueinander, vor allem zwischen Rahmenbetriebsplan und Hauptbetriebsplan, unklar. Das BVerwG hat in einer Rechtsprechungslinie vom Erdgasspeicher-Urteil (1991)80 über das Gorleben I-Urteil (1995)81 bis zum Garzweiler I-Urteil (2006)82 dem fakultativen (einfachen) Rahmenbetriebsplan festere Konturen und Verbindlichkeit für die nachfolgenden Haupt- und Sonderbetriebsplanverfahren zugewiesen. Dieser Rechtsprechungslinie sind die Walsum-Urteile des BVerwG (2006)83 an die Seite zu stellen, durch die die Wirkungen einer obligatorischen Rahmenbetriebsplanzulassung (bergrechtlichen Planfeststellung) geklärt worden sind.84 Geradezu grundlegende Bedeutung hat die höchstrichterliche Rechtsprechung für das Kon- 70 fliktverhältnis zwischen dem Bergbau und dem durch diesen schädigungsbedrohten Grundeigentum erlangt. In seinem berühmten Moers-Kapellen-Urteil (1989)85 hat das BVerwG die einstmals unangefochtene Vorrangstellung des Bergbaus dahin abgeschwächt, dass die Bergbehörde die Aufsuchung oder Gewinnung von Bodenschätzen beschränken oder untersagen muss, wenn nur dadurch eine unverhältnismäßige Beeinträchtigung des Oberflächeneigentums vermieden 78 Zur Entwicklung des Bergrechts in den ersten drei Jahrzehnten des BBergG Kühne ZfB 2013, 113. 79 Zur Bedeutung der historischen Verwurzelung des Bergrechts und der Seltenheit revisionsgerichtlicher Befassung für die Rechtsfortbildung Kühne in: Kühne/Ehricke, Entwicklungslinien des Bergrechts (2008), S. 76, bzw. Kühne FS Säcker (2011), S. 105, 123. 80 BVerwG 13.12.1991, 7 C 25/90, BVerwGE 89, 246 = ZfB 1992, 38. 81 BVerwG 2.11.1995, 4 C 14/94, BVerwGE 100, 1 = ZfB 1995, 278. 82 BVerwG 29.6.2006, 7 C 11/05, BVerwGE 126, 205 = ZfB 2006, 156. 83 BVerwG 15.12.2006, 7 C 1/06, BVerwGE 127, 259 = ZfB 2006 306; 15.12.2006, 7 C 6/06, BVerwGE 127, 272 = ZfB 2006, 272. 84 Zu der Rechtsprechungsentwicklung vgl. Neumann und Kühne in: Kühne/Ehricke (Hrsg.) Entwicklungslinien des Bergrechts, S. 27 ff. bzw. 51 ff. 85 BVerwG 16.3.1989, 4 C 36/85, BVerwGE 81, 329 = ZfB 1989, 199. 17

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werden kann. Auch zivilrechtlich ist die Stellung des Grundeigentümers durch ein Urteil des BGH aus dem Jahre 2008,86 demzufolge einem Grundstückseigentümer neben dem Anspruch auf Ersatz für Bergschäden (§§ 114 ff. BBergG) auch ein Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 S. 2 BGB erwachsen kann, deutlich gestärkt worden. 71 Wesentlich durch die Rechtsprechung geprägt worden ist auch das Verständnis des mit einer etwas dubiosen Entstehungsgeschichte behafteten § 48 Abs. 2 BBergG. Beginnend mit dem Altenberg-Urteil (1986),87 in dem das BVerwG die Hauptfunktion des § 48 Abs. 2 in seiner Rolle als zusätzliche Zulassungsvoraussetzung für Betriebspläne erkannte, hat die Rechtsprechung diese Zulassungsvoraussetzung der „nicht entgegenstehenden überwiegenden öffentlichen Interessen“ zum Einfallstor für die soeben beschriebene Aufwertung der Stellung des Oberflächeneigentümers (Vermeidung schwerer Bergschäden als „öffentliches Interesse“)88 gemacht. In einer zweiten Entwicklungslinie hat die Rechtsprechung diese Vorschrift zu einem Vehikel der Integration verfahrensrechtlich nicht anderweitig verorteter öffentlicher Interessen, insbesondere solcher aus dem Umweltbereich, ausgebaut.89 72 In Nachvollzug der in anderen öffentlich-rechtlichen Anlagenzulassungsverfahren bereits eingeführten Entwicklung, öffentlich-rechtlichen Normen drittschützenden Charakter zuzusprechen, hat die Rechtsprechung nunmehr auch im Bergrecht solche drittschützende Wirkung verschiedentlich bejaht (§ 48 Abs. 2, § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3).90 73 In neuerer Zeit war die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Vorschriften des BBergG über die Grundabtretung (§§ 77 ff., insbesondere § 79) im Zusammenhang mit Umsiedlungsmaßnahmen beim Braunkohlentagebau Gegenstand der Garzweiler I/II-Entscheidung des BVerfG vom 17.12.2013.91 Das Gericht präzisierte in dieser Entscheidung die dabei zu beachtenden Anforderungen an Enteignungen (Gesamtabwägung zwischen den für das Vorhaben sprechenden Gemeinwohlbelangen einerseits und den durch seine Verwirklichung beeinträchtigten öffentlichen und privaten Belangen andererseits) und die Bedeutung der Berücksichtigung des konkreten Ausmaßes der Umsiedlungen und der mit diesen für die Betroffenen verbundenen Belastungen als Bestandteil der Eigentumsgarantie (Art. 14 GG). Außerdem unterstreicht das Gericht den Stellenwert der Garantie effektiven Rechtsschutzes gegen Verletzungen der Eigentumsgarantie, wenn es Rechtsschutz so rechtzeitig eröffnet wissen will, dass im Hinblick auf Vorfestlegungen oder den tatsächlichen Vollzug des die Enteignung erfordernden Vorhabens eine grundsätzlich ergebnisoffene Überprüfung aller Enteignungsvoraussetzungen realistisch noch erwartet werden kann. Praktisch bedeutet dies für Großtagebaue die Vorverlagerung der Prüfung der Grundabtretungsvoraussetzungen in das Rahmenbetriebsplanverfahren.

VII. Reform des Bergrechts 74 Bereits im Zusammenhang mit der Schaffung des BBergG und verstärkt in den Jahren nach seinem Inkrafttreten wurde verschiedentlich Kritik am Entwicklungsstand des Bergrechts geübt. Begünstigt durch die vom Gesetzgeber gewahrte starke rechtshistorische Verankerung des Gesetzes richteten sich die kritischen Stimmen vor allem dagegen, dass zeitgenössische Tendenzen, wie sie sich bei anderen industriebezogenen Regelungsbereichen niedergeschlagen hatten, innerhalb des 86 BGH 19.9.2008, V ZR 28/08, BGHZ 178, 90; dazu Krüger FS Säcker (2011), S. 91 ff.; Kühne FS Säcker (2011), S. 105 ff., 114 ff.

87 BVerwG 4.7.1986, 4 C 31/84, BVerwGE 74, 315 = ZfB 1987, 60. 88 BVerwG 16.3.1989, 4 C 36/85, BVerwGE 81, 329 = ZfB 1989, 199. 89 BVerwG 14.4.2005, 7 C 26/03, BVerwGE 123, 247 (Anwendung bodenschutzrechtlicher Vorschriften über § 48 Abs. 2 BBergG).

90 BVerwG 16.3.1989, 4 C 36/85, BVerwGE 81, 329 = ZfB 1989, 199 (§ 48 Abs. 2 BBergG), 13.12.1991, 7 C 25/90, BVerwGE 89, 246 = ZfB 1992, 38 (§ 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BBergG). 91 BVerfG 17.12.2013, 1 BvR 3139/08, 3386/08, BVerfGE 134, 242 = ZfB 2014, 49; dazu Kühne NVwZ 2014, 321 ff. Kühne

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Bergrechts nicht oder nur zaghaft Berücksichtigung fanden.92 Dies betraf insonderheit die Zulassungs- und Genehmigungsverfahren für bergbauliche Vorhaben. So sahen die Vorschriften des BBergG 1980/1982 für das Betriebsplanverfahren weder eine Beteiligung des Grundeigentümers noch der Öffentlichkeit vor. Die Verfahren kannten auch nicht das Institut des Planfeststellungsverfahrens. Die durchaus vorhandene umweltrechtliche Steuerung auch bergbaulicher Vorhaben war dem normativen Bestand des Bergrechts erst bei genauem Hinsehen mittelbar über § 48 Abs. 1, 2 zu entnehmen. Schließlich trugen die Minderung der wirtschaftlichen Bedeutung des Bergbaus und der schwindende Rückhalt bergbaulicher Tätigkeit in den für das Image des Bergbaus maßgeblichen Kohlerevieren das Ihrige dazu bei, den Ruf nach einer „Modernisierung“ des Bergrechts zu verstärken. Diese vollzog sich – wie soeben dargelegt – im Laufe der 80er Jahre des 20. Jahrhunderts und 75 speiste sich aus zwei Quellen: Zum einen war es die Rechtsprechung, die unter Führung des BVerwG einige Defizite aufarbeitete: umweltrechtliche Anreicherung des Betriebsplanverfahrens durch Einsatz von § 48 Abs. 2, materieller Schutz und Beteiligung des Grundeigentümers im Betriebsplanverfahren über § 48 Abs. 2 sowie Drittschutz für sonstige Betroffene und Rechtsgüter.93 Zum anderen wurden Defizite im Betriebsplanverfahren durch die Einführung der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) im Jahre 1990 ausgeglichen.94 Dessen ungeachtet stießen bergbauliche Vorhaben und bergrechtliche Verfahren auch in der 76 Folgezeit in der breiten Öffentlichkeit auf Verständnisprobleme. Dies betraf zunächst die mit großflächigen Umsiedlungen verbundenen Tagebauvorhaben in den Braunkohlerevieren,95 die zudem in den neuen Bundesländern aus Übergangsgründen von der UVP freigestellt waren.96 Ferner zeichnen sich – mit Billigung durch die höchstrichterliche Rechtsprechung – bergrechtliche Zulassungsverfahren auch nach 1990 immer noch durch Besonderheiten gegenüber anderen industriellen Genehmigungsverfahren aus, z.B. durch das Fehlen planerischer Abwägungen im Planfeststellungsverfahren97 oder die Abschichtung von Sachkomplexen (Schäden am Grundeigentum) innerhalb solcher Verfahren. Solche Abweichungen rechtfertigen sich indes regelmäßig aufgrund der Sachgesetzlichkeiten bergbaulicher Tätigkeit.98 Seit einigen Jahren sind die Kritik am Zustand des Bergrechts und der Ruf nach gesetzgeberi- 77 schen Veränderungen wieder lauter geworden.99 Die neuerliche Kritik hat sich an den wirklichen oder angeblichen Gefahren des sog. Fracking-Verfahrens bei der Aufsuchung/Gewinnung von Erdgas in Schiefergestein entzündet.100 Über dieses Einzelproblem, für welches insbesondere Lösungsvorschläge in Gestalt einer Ausweitung der UVP-Pflicht für Tiefbohrungen unter Einsatz

92 Vgl. statt vieler: H. Schulte ZfB 1987, 178 ff. (182: „Die ursprüngliche starke Zurückhaltung des BBergG gegenüber diesem Gesamtkomplex (erg.: Bergbau – Umwelt) erweist sich zunehmend als unhaltbar“).

93 Grundlegend BVerwG 16.3.1989, 4 C 36/85, BVerwGE 81, 329 = ZfB 1989, 199. 94 Durch das „Gesetz zur Änderung des Bundesberggesetzes“ vom 12.2.1990, BGBl. I 215. 95 Zu denken ist hier an die teilweise erbitterten Auseinandersetzungen um den Tagebau Garzweiler II im Rheinischen Braunkohlenrevier in den 90er Jahren sowie um den Tagebau Jänschwalde (Umsiedlung des Ortes Horno). Die abbaubedingten Umsiedlungen werden z.T. als Verletzung des „Grundrechts auf Heimat“ (Art. 11 GG) angesehen; vgl. dazu Baer NVwZ 1997, 27; dagegen BVerwG 29.9.2008, 7 B 20/08, ZfB 150, 43 und jetzt BVerfG 17.12.2013, 1 BvR 3139/08, 3386/08, BVerfGE 134, 242 Rn. 249 ff. = ZfB 2014, 49. 96 Anl. I Kap. V Abschn. III Nr. 1. h) bb) des Einigungsvertrages vom 31.8.1990 (BGBl. II 889). 97 BVerwG 15.12.2006, 7 C 1/06, BVerwGE 127, 259 = ZfB 2006, 306. 98 Dazu Kühne DVBl 2006, 662 ff. 99 In jüngster Zeit hat von Weschpfennig Strukturen des Bergrechts, S. 84 ff.; 167 ff., 263 ff., 348 ff., 389 f., Forderungen nach Modernisierung des Bergrechts bewertet und eigene rechtspolitische Überlegungen angestellt. 100 Vgl. dazu z.B. die Antwort der Bundesregierung auf eine Kl. Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, BTDrs. 17/1676 sowie die Anhörung im Ausschuß für Wirtschaft, Mittelstand und Energie des Landtags Nordrhein-Westfalen am 31.5.2011, LT-Drs. 15/1190, und Ausschussprotokoll Apr.15/215 vom 31.5.2011. 19

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des Frac-Verfahrens gemacht worden sind, hinaus haben vornehmlich folgende Grundsatzfragen Eingang in die öffentliche und parlamentarische Diskussion gefunden: – Infragestellung des Vorrangs der Rohstoffgewinnung über die Rohstoffsicherungsklausel des § 48 Abs. 1 Satz 2 insbesondere gegenüber Umweltinteressen; – Aufhebung oder zumindest Abschwächung der verfahrensrechtlichen Trennung zwischen dem sog. Berechtsamsverfahren (Erteilung von Bergbauberechtigungen) und dem Betriebsplanverfahren mit dem Ziel, bereits im Berechtsamsverfahren verstärkt Umweltbelange, Öffentlichkeitsbeteiligung und Drittschutz zur Geltung zu bringen; – Erstreckung der Förderabgabepflichtigkeit auf bislang befreite alte Rechte (altes Bergwerkseigentum auf Braunkohle!); – Beschränkung der Bergbautätigkeit innerhalb von besiedelten Gebieten; – Ausdehnung der Bergschadensvermutung (§ 120) über den untertägigen Bergbau hinaus.101 Diese und weitere Vorschläge waren Gegenstand mehrerer Anträge im Deutschen Bundestag,102 zu denen am 23.5.2012 eine Anhörung im Ausschuss für Wirtschaft und Technologie stattgefunden hat.103 Die Koalitionsfraktionen haben die Vorschläge in der Sitzung des Wirtschaftsausschusses vom 13.6.2012 sämtlich abgelehnt. Neben den andauernden Bemühungen um eine gesetzgeberische Bewältigung der Fracking-Problematik sind es jedoch inzwischen auch kritische Äußerungen des BVerfG im Garzweiler-Urteil vom 17.12.2013104 zu – allerdings durch Auslegung heilbaren – Defiziten der Regelungen über das Betriebsplanverfahren und die Grundabtretung,105 die die Novellierungsdiskussion in Gang halten. Sie haben auch zu parlamentarischen Vorstößen der Opposition106 und Novellierungsanregungen im Schrifttum107 geführt. Am 1.4.2015 hat das Bundeskabinett mehrere Novellierungsinitiativen hinsichtlich der Rechtsgrundlagen für bergbauliche Vorhaben beschlossen. Im Mittelpunkt steht die Bewältigung des sog. Fracking-Verfahrens. Dabei geht es zum einen um die Einführung von Umweltverträglichkeitsprüfungen und bergbauliche Anforderungen beim Einsatz der Fracking-Technologie (Änderung der UVP-V Bergbau und der ABBergV)108 und zum anderen um die Änderung wasser- und naturschutzrechtlicher Vorschriften zur Untersagung und zur Risikominimierung bei den Verfahren der Fracking-Technologie.109 Schließlich sollen das BBergG (§§ 120, 126) und die EinwirkungsBergV dahin geändert werden, dass die Bergschadenshaftung auf den Bohrlochbergbau und auf Kavernen für anwendbar erklärt wird.110 Im Jahre 2015 trat in der Berggesetzgebung die Fracking-Problematik in den Vordergrund. Über die seit Jahrzehnten praktizierte Methode über die Förderung von sog. tight gas in konventionellen Lagerstätten hinaus wurden neue Methoden (Förderung aus Schiefergestein oder Kohleflözen) entwickelt (sog. unkonventionelle Methoden).

101 Zu einigen dieser Überlegungen Kühne ZfB 2013, 113 ff., 121 ff. 102 Es handelte sich um Initiativen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, BT-Drs. 17/8133 („Ein neues Bergrecht für das 21. Jahrhundert“), 17/9390 („Entwurf eines Gesetzes zur Vereinheitlichung der bergrechtlichen Förderabgabe“) der Fraktion DIE LINKE, BT-Drs. 17/9034 („Novelle des BBergG und anderer Vorschriften zur bergbaulichen Vorhabengenehmigung“) und der Fraktion der SPD, 17/9560 („Anpassung des deutschen Bergrechts“). 103 Wortprotokoll der 70. Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie vom 23.5.2012, Protokoll Nr. 17/70. 104 BVerfG 17.12.2013, 1 BvR 3139/08, 3386/08, BVerfGE 134, 242 = ZfB 2014, 49. 105 BVerfG 17.12.2013, 1 BvR 3139/08, 3386/08, BVerfGE 134, 242 Rn. 159, 195, 204, 214, 301 = ZfB 2014, 49 Rn. 160, 196, 205, 215, 302. 106 Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 19.3.2014, BT-Drs. 18/848 („Urteil des Bundesverfassungsgerichts ernst nehmen – Bundesberggesetz unverzüglich reformieren“); dazu die Plenardebatte in: Plenarprotokoll 18/23 der 23. Sitzung vom 20.3.2014, 1863 ff. 107 Durner/Karrenstein DVBl 2014, 182, 184. 108 BR-Drs. 144/15. 109 BT-Drs. 18/4713. 110 BT-Drs. 18/4714. Kühne

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Der Bundesgesetzgeber nahm sich dieser Problematik im Jahre 2016/17 in differenzierter Weise an. Zu regeln waren berg- und wasserrechtliche Fragen. Erlassen wurden drei normative Grundlagen: – Gesetz zur Änderung wasser- und naturschutzrechtlicher Vorschriften zur Untersagung und Risikominimierung bei den Verfahren der Fracking-Technologie, BGBl. I 2016, S. 1972. – Gesetz zur Ausdehnung der Bergschadenshaftung auf den Bohrlochbergbau und Kavernen, BGBl. I 2016, S. 1962. – Verordnung zur Einführung von Umweltverträglichkeitsprüfungen und interbergbauliche Anforderungen beim Einsatz der Fracking-Technologie und Tiefbohrungen, BGBl. I 2016, S. 1957 Zu den Regelungen im Einzelnen vgl. von Weschpfennig, ZfB 2016, 193 und 255. Um das Jahr 2020 gewannen im Zuge der politischen Bestrebungen zur Klimaschonung die Zurückdrängung und letztlich die Beendigung des Einsatzes fossiler Brennstoffe zur Stromerzeugung herausragende Bedeutung. Hiervon sind sowohl die Braunkohle als auch die Steinkohle betroffen. Es begann die Phase der Kohleausstiegsgesetzgebung. Am 29.1.2020 legte die Bundesregierung den Entwurf eines „Gesetzes zur Reduzierung und Beendigung der Kohleverstromung und zur Änderung weiterer Gesetze“ vor.111 Das Gesetz wurde am 3.7.2020 von Bundestag und Bundesrat verabschiedet.112 Daneben wurde am 3.7.2020 das Investitionsgesetz Kohleregionen verabschiedet.113 In diesem Gesetz wurde der Ausstieg aus der Kohleverstromung bis zum Jahre 2038 beschlossen. Es sieht Hilfen von 40 Mrd. für die Kohleländer (Investitionsgesetz Kohleregionen, InvKG) vor: Brandenburg und Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Sachsen-Anhalt sollen zum Ausgleich unterschiedlicher Wirtschaftskraft und zur Förderung wirtschaftlichen Wachstums vom Bund unterstützt werden. Für die Kraftwerkbetreiber sind Entschädigungen von mehr als vier Mrd. Euro eingeplant.

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VIII. Jüngste Entwicklungen Ungeachtet der gesetzlichen Festlegungen wird in der politischen Diskussion z.T. auf einen früheren Ausstiegstermin gedrängt. Für den eigentlich bergrechtlichen Teil des Kohleausstiegs (insbesondere Umplanung einzelner Braukohlevorhaben) hat der Bundesgesetzgeber mit dem „Gesetz zur Änderung des Bundesberggesetzes und zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung“ vom 14.6.2021 (BGBl. I 2021, S. 1760) Vorsorge getroffen. Weiter sollen mit dem Gesetz Vorgaben der EU-Richtlinie 2018/2001 umgesetzt werden, soweit sie das Verwaltungsverfahren bei der Zulassung von ErneuerbarenEnergien-Anlagen nach dem BBergG betreffen. Schließlich soll mit dem Gesetz klargestellt werden, dass der für die Dekarbonisierung der Wirtschaft wichtige Rohstoff Lithium in allen Formen als „bergfreier Bodenschatz“ i.S. des BBergG gilt. Im Laufe des Jahres 2022 haben insbesondere zwei Ereignisse die bergbauliche/bergrechtliche Szene wesentlich mitgeprägt: Zum einen sind die im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz im Mai 2022 angelaufenen Arbeiten zur Reform des Bergrechts zu verzeichnen. Die Arbeiten stehen unter dem Motto der Modernisierung. Im Mai 2022 hat als Auftaktveranstaltung im Ministerium ein Symposium zur Orientierung über die wesentlichen Themenkomplexe stattgefunden. Im Februar 2022 begannen mit dem Überfall Russlands auf die Ukraine die Streitigkeiten um die Erdgasversorgung aus den Erdgasreserven der Ukraine. Die Fragen haben auch Auswirkungen auf die heimische Erdgasversorgung, z.B. hinsichtlich der Streckungsmöglichkeiten heimischer Erdgasreserven, und darüber hinaus auf die Weltenergieversorgung unter besonderer Berücksichtigung der Gasversorgung. 111 BR-Drs. 51/20 v. 31.1.2020. 112 BGBl. 2020, 1818. 113 BGBl. 2020, 1795. 21

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Bundesberggesetz (BBergG) vom 13. August 1980 (BGBl. I S. 1310) zuletzt geändert durch Art. 4 des Gesetzes vom 22. März 2023 (BGBl. I Nr. 88)

ERSTER TEIL Einleitende Bestimmungen §1 Zweck des Gesetzes Zweck dieses Gesetzes ist es, 1. zur Sicherung der Rohstoffversorgung das Aufsuchen, Gewinnen und Aufbereiten von Bodenschätzen unter Berücksichtigung ihrer Standortgebundenheit und des Lagerstättenschutzes bei sparsamem und schonendem Umgang mit Grund und Boden zu ordnen und zu fördern, 2. die Sicherheit der Betriebe und der Beschäftigten des Bergbaus zu gewährleisten sowie 3. die Vorsorge gegen Gefahren, die sich aus bergbaulicher Tätigkeit für Leben, Gesundheit und Sachgüter Dritter ergeben, zu verstärken und den Ausgleich unvermeidbarer Schäden zu verbessern. § 1 benennt die Zwecke des BBergG und legt so die Grundkonzeption des Gesetzes offen. Damit 1 stellt die Vorschrift die Einzelnormen des Gesetzes in einen Gesamtkontext. Unmittelbare materielle Regelungsanordnungen enthält die Norm nicht, d.h. sie begründet keine Rechte und Pflichten für Private und ermächtigt nicht zu behördlichem Handeln.1 Die in den genannten Zwecken zum Ausdruck kommenden Ziele und Wertungen des Gesetzgebers sind als Auslegungskriterien bei der Anwendung von Einzelbestimmungen des BBergG zu beachten.2 Die Behörden haben sie vor allem bei ihren Ermessensentscheidungen zu berücksichtigen.3 Dies gilt auch für die Auslegung der auf das BBergG gestützten Bergverordnungen.4 Im Grundsatz ist daher diejenige Interpretation zu wählen, die die in § 1 genannten Ziele möglichst weitgehend verwirklicht. Dabei ist § 1 nicht die einzige ermessensleitende Vorschrift; möglicherweise kollidierende Verfassungsgüter müssen ebenso berücksichtigt werden wie andere einfachgesetzliche Regelungen. Nr. 1 benennt den Hauptzweck des Gesetzes: Sicherung der deutschen Rohstoffversorgung.5 Zu 2 diesem Zweck sollen die Vorschriften des Bundesberggesetzes die Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung heimischer Bodenschätze ordnen und fördern. Der Gesetzgeber sieht Bodenschätze als lebenswichtige Grundlage einer Volkswirtschaft an und misst deshalb dem Bergbau eine besondere gesamtwirtschaftliche Bedeutung bei.6 Insbesondere die Sicherheit der Energieversorgung, die durch die vollständig vom Gesetz erfassten energetischen Bodenschätze gewährleistet wird, wird als Gemeinschaftsinteresse höchsten Ranges angesehen. Die ständige Verfügbarkeit ausreichender

1 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 1 Rn. 12. 2 OVG Münster 12.1.2011, 11 A 1466/08 = ZfB 2011, 29, 35; VGH Mannheim 15.4.2010, 6 S 1939/09 = ZfB 2010, 176, 183 m.w.N., mit Anmerkung Große ZUR 2010, 426; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 1 Rn. 26; Weller/Kullmann § 1 Rn. 1.

3 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 1 Rn. 26. 4 Vgl. zu § 1 BImSchG und den auf das BImSchG gestützten Verordnungen: BVerfG 6.5.1987, 2 BvL 11/85, BVerfGE 75, 329, 344; Jarass BImSchG, § 1 Rn. 1; Landmann/Rohmer/Dietlein Umweltrecht, § 1 BImSchG Rn. 1 m.w.N.

5 Knöchel FS Kühne (2009), S. 599, 600 f. 6 BT-Drs. 8/1315, S. 67; BVerfG 17.12.2013, 1 BvR 3139/08, 1 BvR 3386/08, NVwZ 2014, 211 Rn. 203; VGH Mannheim 15.4.2010, 6 S 1939/09 = ZfB 2010, 176, 182. Der Gesetzgeber ist auch befugt, dies als (ggf. sogar Enteignungen rechtfertigenden) Allgemeinwohlbelang zu bestimmen, vgl. BVerwG 14.12.1990, 7 C 5/90, BVerwGE 87, 241, 250 = ZfB 1991, 129, 135 f. unter Verweis auf BVerfG 10.3.1981, 1 BvR 92/71 u.a., BVerfGE 56, 249, 261. 23 https://doi.org/10.1515/9783110709285-012

von Hammerstein

§1

Erster Teil – Einleitende Bestimmungen

Energiemengen ist eine entscheidende Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit der gesamten Wirtschaft. Es handelt sich daher um ein von der jeweiligen Politik des Gemeinschaftswesens unabhängiges „absolutes“ Gemeinschaftsgut.7 Das öffentliche Interesse an der Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung von Bodenschätzen entsteht nicht erst, wenn ein Versorgungsengpass entstanden ist, sondern generell und abstrakt. Es ist Aufgabe der Verwaltung, durch vorausschauende administrative Maßnahmen die Versorgungssicherheit zu gewährleisten.8 Dies bedeutet nicht, dass der Staat die Rohstoffversorgung selbst als Aufgabe der Daseinsvorsorge wahrnimmt. Sie bleibt vielmehr der „Eigenrationalität des marktwirtschaftlichen Wettbewerbs“ überlassen.9 § 1 Nr. 1 lässt sich daher als Regulierungsaufgabe im Rahmen der Gewährleistungsverwaltung charakterisieren.10 Zur Gewichtung des Interesses an der Aufsuchung und Gewinnung von Bodenschätzen bei Kollisionen mit anderen öffentlichen oder privaten Interessen vgl. § 48 Rn. 28 ff. 3 Um die bergbaulichen Tätigkeiten zu ordnen, stellt das BBergG einen rechtlichen Rahmen zur Verfügung. Der Gesetzgeber will die Rohstoffversorgung nicht dadurch sichern, dass Rohstoffvorkommen möglichst wenig genutzt und so als Reserve für spätere Zeiten geschont werden. Der Bergbau soll vielmehr aktiv gefördert werden. Die Gesetzesbegründung spricht von einer „optimalen Nutzung der heimischen Ressourcen“.11 Diese gelegentlich rechtspolitisch kritisierte12 Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers trägt dem Umstand Rechnung, dass der einheimische Bergbau einen erheblichen Beitrag zur volkswirtschaftlichen Wertschöpfung leistet, vielen Menschen direkt und indirekt Arbeitsplätze bietet, staatliche Einnahmen generiert und sich günstig auf die Außenhandelsbilanz auswirkt. Vor diesem Hintergrund soll die Rohstoffgewinnung nicht nur ermöglicht, sondern gefördert, d.h. langfristig positiv begleitet werden.13 Ausprägungen dieses Förderzwecks sind z.B. die sog. Rohstoffsicherungsklausel des § 48 Abs. 1 Satz 2 und der bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen bestehende Rechtsanspruch auf Erteilung bergrechtlicher Erlaubnisse, Bewilligungen und Betriebsplanzulassungen, das zugunsten des Bergbaus bestehende Grundabtretungsrecht, die Anpassungs- und Sicherungspflicht des Bauherren (§§ 110 f.) sowie das in § 124 ausgesprochene Gebot, bei der Planung von öffentlichen Verkehrsanlagen auf die Gewinnung von Bodenschätzen Rücksicht zu nehmen. 4 Der Förderzweck des BBergG gilt nicht absolut. Angesichts der oft erheblichen Auswirkungen des Bergbaus und der häufig unvermeidbaren großflächigen Flächeninanspruchnahme können die Bedürfnisse des Bergbaus mit anderen öffentlichen Belangen kollidieren. Soweit diese Belange in anderen Normen, etwa des Städtebaurechts, Wasserrechts, Bodenschutzrechts, Immissionsschutzrechts oder des Natur- und Artenschutzrechts geschützt werden, sind bergbauliche Tätigkeiten nur zulässig, wenn sämtliche einschlägigen materiell-rechtlichen Anforderungen erfüllt sind. Bei Abwägungs- und Ermessensentscheidungen kann dem Bergbau dabei die Rohstoffsicherungsklausel zu Hilfe kommen (vgl. § 48 Rn. 25 ff.). 5 Bei der Ordnung und Förderung des Bergbaus sind die Besonderheiten zu berücksichtigen, die ihren Ursprung in naturbedingten Gegebenheiten haben oder sich aus bergbaulicher Tätigkeit und ihren Auswirkungen ergeben.14 Als solche werden in § 1 Nr. 1 die Standortgebundenheit der Mineralgewinnung, der Lagerstättenschutz und der sparsame und schonende Umgang mit Grund und Boden genannt.

7 BT-Drs. 8/1315, S. 139 unter Hinweis auf BVerfG 16.3.1971, 1 BvR 52/66 u.a., BVerfGE 30, 292, 323. 8 VGH Mannheim 15.4.2010, 6 S 1939/09 = ZfB 2010, 176, 182; OVG Magdeburg 11.5.1994, 3 M 18/93 = ZfB 1994, 230, 232; H. Westermann Freiheit des Unternehmers und des Grundeigentümers, S. 30.

9 von Weschpfennig Strukturen des Bergrechts, S. 23 unter Verweis auf Schoch, NVwZ 2008, 241, 244. 10 Wörheide Die Bergbauberechtigungen nach dem Bundesberggesetz, S. 74 ff.; von Weschpfennig Strukturen des Bergrechts, S. 23 m.w.N.

11 BT-Drs. 8/1315, S. 74. 12 Vgl. Antrag der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 14.12.2011, BT-Drs. 17/8133, S. 2; Teßmer Rechtsgutachten: Vorschläge zur Novellierung des deutschen Bergrechts vom 5. Juni 2009, S. 8; Fischer-Hüftle NuR 1989, 106, 113.

13 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 1 Rn. 13b. 14 BT-Drs. 8/1315, S. 74. von Hammerstein

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Erster Teil – Einleitende Bestimmungen

§1

Die geologischen und bergtechnischen Gegebenheiten setzen dem Bergbautreibenden bei der 6 Auswahl des Standortes seiner Betriebseinrichtungen enge Grenzen. Während ein Industrie- oder Gewerbeunternehmen bei Ansiedlungsvorhaben in der Regel nicht auf einen ganz bestimmten Standort angewiesen ist, kann Bergbau nur dort stattfinden, wo sich die entsprechende Lagerstätte befindet. Auch die Lage einzelner Betriebsteile, einschließlich der Aufbereitungsanlagen, ist häufig von den Lagerstättengegebenheiten abhängig. Diese Tatsache ist vor allem bei behördlichen Abwägungsentscheidungen einzubeziehen. Typisch für den Bergbau ist neben der Standortbindung auch seine meist dynamische Be- 7 triebsweise. Im Unterschied zu anderen Bau-, Industrie- und Infrastrukturvorhaben, die durch eine Errichtungs- und eine ihr nachfolgende Betriebsphase gekennzeichnet sind, entwickelt sich der Bergbaubetrieb unter ständigem Verzehr der Lagerstätte fort. Ist das Bergwerk einmal aufgefahren, verlaufen weitere Errichtung und Betrieb parallel. Den geologischen und bergtechnischen Gegebenheiten der Lagerstätte folgend verlagern sich die bergbaulichen Tätigkeiten kontinuierlich, so dass sich auch die betrieblichen Gegebenheiten ständig ändern. Wegen der Unvorhersehbarkeit der geologischen Verhältnisse („Vor der Hacke ist es duster.“) muss laufend auf neue Erkenntnisse mit Anpassungen des Betriebs reagiert werden. Die dynamische Betriebsweise ist zwar in § 1 nicht ausdrücklich aufgeführt, als bergbauspezifisch ist sie bei bergrechtlichen und anderen behördlichen Entscheidungen aber ebenfalls zu berücksichtigen.15 Das BBergG betrachtet den Lagerstättenschutz als Beitrag zur optimalen Nutzung der heimi- 8 schen Ressourcen und zwar im Hinblick auf die Unwiederbringlichkeit der Substanz mineralischer Vorkommen.16 Dazu gehört nicht nur die Unterbindung von Raubbau bei der Gewinnung von Bodenschätzen,17 sondern auch der Schutz einer Lagerstätte vor Beeinträchtigungen. Eine solche Beeinträchtigung könnte von einem anderen Bergwerksbetrieb ausgehen (vgl. § 55 Abs. 1 Nr. 4). Sie kann aber auch darin bestehen, dass an der Erdoberfläche Vorhaben geplant und durchgeführt werden, die entweder unmittelbar auf die Lagerstätte einwirken oder die Gewinnung der vorhandenen Bodenschätze verhindern oder erschweren. Der Lagerstättenschutz gilt nicht allgemein, sondern nur für solche Bodenschätze, deren Schutz im öffentlichen Interesse liegt (vgl. § 11 Nr. 9, § 12 Abs. 1 S. 1, § 55 Abs. 1 Nr. 4).18 Das BBergG stellt aber kein Instrumentarium zum vorsorgenden mittel- und langfristigen Lagerstättenschutz zur Verfügung. Diese Aufgabe hat der Gesetzgeber der Raumordnung überantwortet.19 Eine Rolle spielt § 1 Nr. 1 daher einerseits bei konkreten bergbaulichen Vorhaben, die eine weitere Gewinnung von Bodenschätzen beeinträchtigen können und andererseits bei Vorhaben, die ein hinreichend konkretes, bevorstehendes Abbauvorhaben beeinträchtigen können.20 Der Lagerstättenschutz beinhaltet keine Verpflichtung, auf die Gewinnung von Bodenschätzen zu verzichten oder diese zu minimieren. Dies würde dem Förderzweck der Nr. 1 widersprechen.21 Erst recht lässt sich dem BBergG kein Vorrang des Imports von Rohstoffen gegenüber der heimischen Förderung entnehmen. Frenz weist zutreffend darauf hin, dass der Abbau in anderen Regionen der Welt mit höheren Belastungen für die Umgebung verbunden sein kann und mit einem solchen Grundsatz für die Umwelt nichts gewonnen wäre.22 Auch unter Klimaschutzgesichtspunkten wäre es fragwürdig, Rohstoffe aus großer Entfernung mit entsprechendem Energieaufwand und den damit verbundenen Emissionen von Treibhausgasen heranzutransportieren, statt sie ortsnah zu gewinnen. Wegen der teilweise niedrigen menschenrechtlichen Standards in anderen Abbauregionen der Welt sind

15 16 17 18 19 20 21 22

Vgl. BVerwG 13.12.1991, 7 C 25/90, BVerwGE 89, 246, 251 f. = ZfB 1992, 38, 42 f. BT-Drs. 8/1315, S. 74. BT-Drs. 8/1315 S. 74; VGH Mannheim 9.6.1998 = ZfB 1989, 57 (Juris Rn. 60); Frenz BBergG, § 1 Rn. 7. A.A. Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 1 Rn. 16. BT-Drs. 8/1315, S. 67; vgl. auch § 2 Abs. 2 Nr. 4 Satz 4 ROG. Frenz Sustainable Development durch Raumplanung, S. 80 f. So auch Frenz BBergG, § 1 Rn. 5 (Fn. 17). Frenz BBergG, § 1 Rn. 10; Frenz UPR 2017, 174, 175. Aus rechtspolitischer Perspektive hält von Weschpfennig Strukturen des Bergrechts, S. 40, einen Vorrang der Bedarfsdeckung aus Importen für „grundsätzlich denkbar“. 25

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§1

Erster Teil – Einleitende Bestimmungen

Rohstoffimporte auch unter dem Gesichtspunkt der sozialen Nachhaltigkeit nicht unproblematisch.23 Schließlich erscheint die Bedeutung einer leistungsfähigen einheimischen Rohstoffgewinnung angesichts der wirtschaftspolitischen Risiken der extrem starken Position Chinas bei der Gewinnung seltener Erden und der im Zuge des völkerrechtswidrigen Krieges gegen die Ukraine in die politische Diskussion geratenen großen Abhängigkeit Deutschlands und anderer EU-Mitgliedstaaten von russischer Energie in neuem Licht.24 Bei bergbaulichen Tätigkeiten ist allerdings sparsam und schonend mit Grund und Boden 9 umzugehen. Dieser auf eine Minimierung der Flächeninanspruchnahme gerichtete Gesetzeszweck wurde 1990 eingefügt.25 Umgekehrt erkennt § 2 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a) BBodSchG an, dass zu den Funktionen des Bodens auch die Nutzung als Rohstofflagerstätte gehört. Das Betriebsplanrecht enthält keine Anforderungen, die den Grundsatz der Nr. 2 konkretisieren. Auch das BBodSchG, das nach § 3 Abs. 1 Nr. 10 BBodSchG auf schädliche Bodenveränderungen und Altlasten nur Anwendung findet, soweit Vorschriften des BBergG und der aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen über die Errichtung, Führung oder Einstellung des Betriebes Einwirkungen auf den Boden nicht regeln, sieht keine konkrete Verpflichtung zum sparsamen Umgang mit Grund und Boden vor.26 Dies gilt auch für den Vorsorgegrundsatz des § 7 BBodSchG, weil bisher keine Vorsorgeanforderungen durch Rechtsverordnungen festgelegt wurden. Allerdings verlangt die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung (§ 15 BNatSchG), vermeidbare Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft und damit einen sorglosen Umgang mit Grund und Boden zu unterlassen. Dass die Oberfläche nur im notwendigen Umfang in Anspruch genommen wird, ist auch Ziel der Vorschriften über die Grundabtretung (vgl. §§ 77 Abs. 2, 81 Abs. 1). Insgesamt entspricht der Lagerstättenschutz damit dem Grundgedanken des „sustainable development“27 und kann als Nachhaltigkeitsklausel bezeichnet werden.28 Nr. 2 nennt die Gewährleistung von Arbeitsschutz und Betriebssicherheit im Bergbau als 10 Gesetzeszweck. Regelungen über die Abwehr bergbauspezifischer Gefahren für Betriebe, Beschäftigte und Dritte sind seit jeher Bestandteil des Bergrechts gewesen. Die besondere Schutzbedürftigkeit der im Bergbau Beschäftigten ergibt sich daraus, dass sich ihre Arbeitsplätze meist nicht in der freien Natur oder in festen Gebäuden befinden, sondern in übertägigen oder untertägigen Grubenbauen. Infolgedessen erwachsen für sie, über den ohnehin schon nicht ungefährlichen Umgang mit technischen Arbeitsmitteln hinaus, besondere Gefahren durch die äußeren Bedingungen ihres Arbeitsplatzes. Diese Gefahren haben ihre Ursachen im Gebirgsdruck – und zwar im Tagebau ebenso wie im Untertagebetrieb –, in dem bei der Mineralgewinnung anfallenden Staub, in ausströmenden Gasen und in den mit größerer Teufe zunehmenden Temperaturen. Hinzu kommt, vor allem bei Sprengarbeiten, eine erhöhte Brand- und Explosionsgefahr. Diese besonderen Bedingungen erfordern verschärfte Sicherheitsbestimmungen sowie eine umfassende staatliche Betriebskontrolle. Dem tragen insbesondere § 55 Abs. 1 Nr. 3, die Vorschriften der §§ 58 ff. über verantwortliche Personen sowie aufgrund von § 66 erlassene Rechtsverordnungen Rechnung. 11 Nach Nr. 3 hat das BBergG schließlich den Zweck, die Auswirkungen des Bergwerksbetriebes auf außenstehende Dritte rechtlich zu erfassen. Das BBergG strebt im Vergleich zur früheren Rechtslage eine Verstärkung der Vorsorge gegen Gefahren an, die sich aus bergbaulicher Tätigkeit für Leben, Gesundheit und Sachgüter Dritter ergeben. Die vom Gesetzeszweck erfassten Schutzgüter sind in Nr. 3 abschließend normiert. Eine darüber hinausgehende Umweltvorsorge

23 24 25 26 27 28

von Weschpfennig Strukturen des Bergrechts, S. 40 f. Dazu auch von Weschpfennig Strukturen des Bergrechts, S. 41 m.w.N. Durch Art. 1 Nr. 1 BBergG-ÄndG. Vgl. ausführlich hierzu Landmann/Rohmer/Nies, Umweltrecht, BBodSchG, § 1 Rn. 23. Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 1 Rn. 19. Frenz BBergG, § 1 Rn. 5. Zum Nachhaltigkeitsgedanken im Bergrecht vgl. ausführlich von Weschpfennig Strukturen des Bergrechts, S. 28 ff. von Hammerstein

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Erster Teil – Einleitende Bestimmungen

§2

gehört nicht zu den Schutzgütern (vgl. auch § 1 Rn. 12).29 Operationalisiert wird dieser Gesetzeszweck u.a. durch § 55 Abs. 1 Nr. 3 und 9. Zugleich macht die Bestimmung deutlich, dass sich im Bergbau Schäden an Rechtsgütern Dritter nicht immer vermeiden lassen. Dass Schäden eintreten können – und sich im untertägigen Bergbau sogar oft sicher prognostizieren lassen – steht der Bodenschätzegewinnung daher nicht per se entgegen. Kompensiert wird dies durch eine weitreichende verschuldensunabhängige Bergschadenshaftung. Auch den Grundeigentümer trifft eine Pflicht zur Schadensverhütung. Er ist gehalten, bei der Errichtung baulicher Anlagen vorbeugende Anpassungen oder Sicherungsmaßnahmen zu treffen. Die in Nr. 3 erwähnte Verbesserung des Ausgleichs unvermeidbarer Schäden liegt im Wesentlichen darin, dass die früher auf den Ersatz von Grundstücksschäden beschränkte Bergschadenshaftung auf Sach- und Personenschäden ausgedehnt und die Beweislast des Geschädigten gegenüber dem Untertagebergbau durch eine Bergschadensvermutung erleichtert wurden. Die Realisierbarkeit von Schadensersatzansprüchen wurde durch die Vorschriften über eine Bergschadensausfallkasse verbessert. Der Schutz der Umwelt gehört nicht zu den in § 1 aufgeführten Gesetzeszwecken.30 Darin 12 liegt – obwohl es im Schrifttum gelegentlich beklagt wird31 – kein Regelungsdefizit des BBergG. Soweit das Bergrecht keine speziellen Regelungen enthält (z.B. § 22a ABBergV), ergeben sich die umweltrechtlichen Anforderungen an Bergwerke und Aufbereitungsbetriebe aus den speziellen Regelungen des Umweltschutzrechts. So sind etwa das BImSchG, das BNatSchG, das WHG und das KrWG, z.T. mit bergbauspezifischen Maßgaben, auch auf bergbauliche Anlagen und Tätigkeiten anwendbar, vgl. hierzu die Kommentierung im Anhang zu § 48. Der Umstand, dass das BBergG keine umfassenden umweltrechtlichen Anforderungen aufstellt, bedeutet daher nicht, dass bergbauliche Betriebe privilegiert sind, sondern im Gegenteil, dass sie im Regelfall dieselben Standards einhalten müssen, die auch für andere industrielle oder gewerbliche Tätigkeiten gelten.32 Das BBergG ist also nicht ökologisch blind, wenn es darauf verzichtet, ein Sonderumweltrecht für den Bergbau zu normieren.33

§2 Sachlicher und räumlicher Geltungsbereich (1) Dieses Gesetz gilt für 1. das Aufsuchen, Gewinnen und Aufbereiten von bergfreien und grundeigenen Bodenschätzen einschließlich des Verladens, Beförderns, Abladens, Lagerns und Ablagerns von Bodenschätzen, Nebengestein und sonstigen Massen, soweit es im unmittelbaren betrieblichen Zusammenhang mit dem Aufsuchen, Gewinnen oder Aufbereiten steht und sich nicht aus Absatz 4 etwas anderes ergibt, 2. das Wiedernutzbarmachen der Oberfläche während und nach der Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung von bergfreien und grundeigenen Bodenschätzen,

29 A.A. Frenz BBergG, § 1 Rn. 12 ff. 30 A.A. Frenz BBergG, § 1 Rn. 12 ff. 31 Gaentzsch NVwZ 1998, 889; Teßmer Rechtsgutachten: Vorschläge zur Novellierung des deutschen Bergrechts vom 5. Juni 2009, S. 6; Keimeyer/Gailhofer/Schomerus/Teßmer, Empfehlungen zur Reform des Bergrechts in: Frenz BBergG, Anhang S. 1801 ff. (basierend auf den Ergebnissen des Forschungsprojekts „INSTRO – Instrumente zur umweltverträglichen Steuerung der Rohstoffgewinnung“ im Auftrag des Umweltbundesamts und des Bundesumweltministeriums); kritisch dazu Knöchel, ZfB 2020, 173 ff. Vgl. auch Spieth/Hong ZfB 2001, 183, 188 f.; Wasielewski ZUR 2014, 385, 386. 32 So auch Frenz BBergG, § 1 Rn. 25. 33 Zum (angeblichen) Reformbedarf des BBergG vgl. auch Beckmann NuR 2015, 152 ff.; Kühne ZfB 2013, 113 ff., 125; Stallmann ZfB 2013, 256; Stevens ZUR 2012, 338, 348; Seuser NuR 2012, 8, 11 f., 18; Ludwig ZUR 2012, 150, 157; Knöchel, ZfB 2020, 173 ff. 27 https://doi.org/10.1515/9783110709285-013

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§2

Erster Teil – Einleitende Bestimmungen

3.

Betriebsanlagen und Betriebseinrichtungen (Einrichtungen), die überwiegend einer der in den Nummern 1 oder 2 bezeichneten Tätigkeiten dienen oder zu dienen bestimmt sind. (2) 1Dieses Gesetz gilt ferner für 1. das Untersuchen des Untergrundes auf seine Eignung zur Errichtung von Untergrundspeichern, 2. das Errichten und Betreiben von Untergrundspeichern sowie der Einrichtungen, die überwiegend dem Betrieb eines Untergrundspeichers dienen oder zu dienen bestimmt sind, 3. sonstige Tätigkeiten und Einrichtungen, soweit dies ausdrücklich bestimmt ist. 2Satz 1 Nummer 1 und ist nur anwendbar, soweit nicht Tätigkeiten oder Einrichtungen des Absatzes 1 betroffen sind. (3) 1Dieses Gesetz gilt im Bereich des Festlandsockels der Bundesrepublik Deutschland für die durch die Absätze 1 und 2 Nr. 1 und 2 erfaßten Tätigkeiten und Einrichtungen, für Unterwasserkabel, Transit-Rohrleitungen und für Forschungshandlungen in bezug auf den Festlandsockel. 2Die völkerrechtlichen Regeln über die Hohe See, die ausschließliche Wirtschaftszone und den Festlandsockel bleiben unberührt. (4) Dieses Gesetz gilt nicht für das Verladen, Befördern und Abladen von Bodenschätzen, Nebengestein und sonstigen Massen im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1 1. im Schienenverkehr der Eisenbahnen des öffentlichen Verkehrs, 2. im Kraftfahrzeugverkehr auf öffentlichen Wegen oder Plätzen, 3. im Schiffsverkehr seewärts der Begrenzung des Küstenmeeres und auf Binnen- und Seewasserstraßen und in den Seehäfen, 4. in Luftfahrzeugen und 5. in Rohrleitungen ab Übergabestation, Einleitung in Sammelleitungen oder letzter Meßstation für den Ausgang, soweit die Leitungen a) unmittelbar und ausschließlich der Abgabe an Dritte oder b) an andere Betriebe desselben Unternehmens dienen, die nicht zum Aufsuchen, Gewinnen oder Aufbereiten von bergfreien oder grundeigenen Bodenschätzen bestimmt sind.

Übersicht I. 1.

2.

Geltungsbereich des Gesetzes 1 Bergbauliche Tätigkeiten und Einrichtungen (Absatz 1) a) Aufsuchen, Gewinnen und Aufbereiten 3 (Nr. 1) b) Tätigkeiten im unmittelbaren betrieblichen 5 Zusammenhang (Nr. 1) 8 c) Wiedernutzbarmachung (Nr. 2) d) Betriebsanlagen und Betriebseinrichtungen 10 (Nr. 3) Sonstige Tätigkeiten und Einrichtungen im Be14 reich des Festlands (Absatz 2) 15 a) Untergrundspeicher (Nr. 1 und 2) b) Sonstige Tätigkeiten und Einrichtungen (Nr. 3) aa) Lagerung, Sicherstellung und Endlagerung radioaktiver Abfälle (§ 126 19 Abs. 3)

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3.

II.

bb) Bohrungen (§ 127) 23 25 cc) Alte Halden (§ 128) dd) Versuchsgruben, Bergbauversuchsan27 stalten (§ 129) Tätigkeiten und Einrichtungen im Bereich des 28 Festlandsockels (Absatz 3)

1. 2. 3. 4. 5.

Ausnahmen vom Geltungsbereich des Gesetzes (Absatz 4) 34 Schienenverkehr (Nr. 1) 35 Kraftfahrzeugverkehr (Nr. 2) 37 Schiffsverkehr (Nr. 3) 39 Luftverkehr (Nr. 4) 40 Rohrleitungen (Nr. 5)

III.

Konversion

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Erster Teil – Einleitende Bestimmungen

§2

I. Geltungsbereich des Gesetzes § 2 definiert in Absätzen 1 bis 3 den sachlichen und räumlichen Geltungsbereich des Gesetzes. 1 Alle in Absätzen 1 bis 3 erfassten Tätigkeiten und Einrichtungen unterfallen vorbehaltlich der Ausnahmeregelung des Absatzes 4 dem sachlichen Geltungsbereich des Gesetzes. Dies gilt für die in Absatz 1 und Absatz 2 Nr. 1 und 2 erfassten Tätigkeiten im Bereich des Festlands und des Festlandsockels, für die in Absatz 2 Nr. 3 erfassten sonstigen Tätigkeiten im Bereich des Festlands und für die in Absatz 3 speziell aufgeführten Tätigkeiten, die definitorisch im Bereich des Festlandsockels angesiedelt sind. Auf die in Absatz 1 erfassten Tätigkeiten und Einrichtungen sind dem Grunde nach alle Vorschriften des Gesetzes anwendbar. Für die in Absatz 2 und 3 besonders erfassten Tätigkeiten und Einrichtungen gilt das Gesetz dagegen nicht unbeschränkt, sondern nur insoweit, als dies in den speziellen Vorschriften des 8. und 9. Teils des Gesetzes ausdrücklich bestimmt ist. Eine Einschränkung erfährt der Anwendungsbereich des Gesetzes durch die Regelung in Absatz 4. Die dort in Nummern 1 bis 5 enumerativ aufgeführten Tätigkeiten und zugehörigen Einrichtungen unterliegen den Vorschriften des Gesetzes nicht und können daher nicht auf Grundlage des Gesetzes zugelassen werden. Gegenständlich eingeschränkt ist der Anwendungsbereich des Gesetzes zudem dadurch, dass 2 das Gesetz nicht für alle Bodenschätze gilt, sondern nur für die in § 3 Abs. 3 und 4 enumerativ aufgelisteten bergfreien und grundeigenen Bodenschätze, bei denen es sich um die Bodenschätze handelt, denen der Gesetzgeber eine besondere Bedeutung aus wirtschaftlicher oder bergbaulicher Sicht zumisst.1 Der Abbau von Bodenschätzen, die nicht unter den abschließenden Katalog des § 3 Abs. 3 und 4 fallen, sog. Grundeigentümerbodenschätze, unterliegt im Landesrecht geregelten Genehmigungs- und Aufsichtsverfahren.2 Das Bundesberggesetz erfasst den Abbau dieser Bodenschätze nicht; dazu § 3 Rn. 2.

1. Bergbauliche Tätigkeiten und Einrichtungen (Absatz 1) a) Aufsuchen, Gewinnen und Aufbereiten (Nr. 1). Über Absatz 1 Nr. 1 sind mit dem Aufsu- 3 chen, Gewinnen und Aufbereiten bergfreier und grundeigener Bodenschätze die typischen bergbaulichen Tätigkeiten dem Anwendungsbereich des Gesetzes unterstellt. Erfasst werden damit die wesentlichen Phasen bergbaulicher Tätigkeiten ab dem Zeitpunkt auf die Entdeckung oder Feststellung der Ausdehnung von Bodenschätzen gerichteter Aufsuchungstätigkeiten über den Zeitpunkt des Gewinnens von Bodenschätzen durch Lösen und Freisetzen derselben bis zur Aufbereitung der Bodenschätze im räumlichen oder betrieblichen Zusammenhang mit der Gewinnung. Die Begrifflichkeiten des Aufsuchens, Gewinnens und Aufbereitens sind in § 4 Abs. 1 bis 3 legaldefiniert. Aufsuchen ist gemäß § 4 Abs. 1 die mittelbar oder unmittelbar auf die Entdeckung von bergfreien oder grundeigenen Bodenschätzen gerichtete Tätigkeit unabhängig davon, ob sie gewerblichen oder wissenschaftlichen Zielsetzungen dient; vgl. § 4 Rn. 2. Gewinnen ist gemäß § 4 Abs. 2 1. Halbsatz das Lösen und Freisetzen von Bodenschätzen im Nachgang zur Aufsuchung unabhängig von einer auf die Nutzbarmachung der Bodenschätze gerichteten Zielsetzung; vgl. § 4 Rn. 6 f. Aufbereiten ist gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 das Trennen und Anreichern von Bodenschätzen sowie das Brikettieren, Verschwelen, Verkoken, Vergasen, Verflüssigen und Verlösen von Bodenschätzen, wenn dies in einem unmittelbaren betrieblichen oder räumlichen Zusammenhang mit der Gewinnung steht; vgl. § 4 Rn. 17 ff. Nur Tätigkeiten, die die Merkmale des § 4 Abs. 1 bis 3 erfüllen, stellen Aufsuchungs-, Gewin- 4 nungs- oder Aufbereitungstätigkeiten dar und unterfallen damit dem Geltungsbereich des Geset1 BT-Drs. 8/1315, S. 71. 2 Einschlägig sind je nach Landesrecht spezielle Abgrabungsgesetze oder die Regelungen der Bauordnungen sowie, abhängig von der Abgrabungstätigkeit und deren Örtlichkeit, ggf. das Wasserrecht, das Naturschutzrecht und das Forstrecht. 29

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§2

Erster Teil – Einleitende Bestimmungen

zes. Weder können Tätigkeiten, die die Tatbestandsmerkmale der Legaldefinitionen nicht erfüllen, dennoch aufgrund Entscheidung des Vorhabenträgers oder der Bergbehörde als Aufsuchung, Gewinnung oder Aufbereitung klassifiziert werden und damit dem Anwendungsbereich des Gesetzes unterworfen werden. Noch können Tätigkeiten, die die Tatbestandsmerkmale der Legaldefinitionen erfüllen, aufgrund Entscheidung des Vorhabenträgers oder der Bergbehörde aus dem Anwendungsbereich des Gesetzes ausgenommen werden.

5 b) Tätigkeiten im unmittelbaren betrieblichen Zusammenhang (Nr. 1). Dem Anwendungsbereich des Gesetzes unterfällt gemäß Absatz 1 Nr. 1 auch das mit dem Aufsuchen, Gewinnen oder Aufbereiten in einem unmittelbaren betrieblichen Zusammenhang stehende Verladen, Befördern, Abladen, Lagern und Ablagern von Bodenschätzen, Nebengestein und sonstigen Massen. Der Geltungsbereich des Gesetzes erstreckt sich damit auch auf die Nebentätigkeiten von Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung. Als Nebentätigkeiten erfasst sind alle Tätigkeiten des Transports inklusive des Verladens und Abladens, gleichgültig mit welchen Transportmitteln, etwa Bahn, Kraftwagen oder Rohrleitungen, Beförderungsvorgänge durchgeführt werden, soweit sich nicht aus Absatz 4 anderes ergibt; dazu Rn. 34 ff. Als Nebentätigkeiten erfasst sind zudem das Lagern im Sinne eines Aufbewahrens zur späteren Verwendung sowie das Ablagern im Sinne der endgültigen Deponierung zur Beseitigung ohne weitere Verwendungsabsicht.3 Die Nebentätigkeiten des Transports, der Lagerung und der Ablagerung erstrecken sich auf die Bodenschätze sowie bei der Aufsuchung, Gewinnung oder Aufbereitung anfallendes Nebengestein und sonstige Massen, worunter sowohl bei der bergbaulichen Tätigkeit anfallende Abfälle, Grubenwasser, Haldenwasser und Abwasser, sowie für den Bergbau zu nutzende Massen, etwa Materialien zur Verfüllung von Grubenbauen oder Tagebaurestlöchern, fallen. 6 Voraussetzung der Erstreckung des Anwendungsbereichs des Gesetzes auf Nebentätigkeiten ist ein unmittelbarer betrieblicher Zusammenhang zur Aufsuchung, Gewinnung oder Aufbereitung. Die Nebentätigkeiten müssen einer der von dem Gesetz primär erfassten Haupttätigkeiten dienen und damit einen auf die Haupttätigkeit funktional ausgerichteten Nutzzweck aufweisen. Dies bestätigt der ausdrückliche Wortlaut des Absatzes 1 Nr. 3. Gemäß Absatz 1 Nr. 3 unterfallen Betriebsanlagen und -einrichtungen, die einer Tätigkeit i.S.d. Nummern 1 oder 2 dienen oder zu dienen bestimmt sind, dem Geltungsbereich des Gesetzes. Das dortige Kriterium des Dienens oder zum dienen bestimmt sein ist auch das für die Zuordnung von Tätigkeiten zu einer bergrechtlichen Aufsuchung, Gewinnung oder Aufbereitung maßgebliche Kriterium. Die Zwecksetzung der Tätigkeit muss auf eine Unterstützung einer bergrechtlichen Haupttätigkeit in Gestalt der Aufsuchung, Gewinnung oder Aufbereitung gerichtet sein und darf nicht im Schwerpunkt einer anderen Zwecksetzung dienen. Nicht erforderlich ist – mangels gesetzlicher Normierung – ein räumlicher Zusammenhang der Nebentätigkeit zur Aufsuchung, Gewinnung oder Aufbereitung; dies betont die amtliche Begründung ausdrücklich.4 Als Nebentätigkeiten unterfallen dem Gesetz daher auch Aufhaldungsmaßnahmen, die nicht auf dem Betriebsgelände des Aufsuchungs-, Gewinnungs- oder Aufbereitungsbetriebs durchgeführt werden, sondern von diesem durch fremde Grundstücke oder öffentliche Straßen getrennt sind; dies gilt auch dann, wenn größere Entfernungen zwischen Gewinnungsbetrieben und Halden bestehen, wie etwa bei den in der amtlichen Begründung ausdrücklich in Bezug genommenen Zentralhalden des Steinkohlenbergbaus.5 Ein unmittelbarer betrieblicher Zusammenhang einer Nebentätigkeit mit dem Aufsuchen, Ge7 winnen oder Aufbereiten setzt nicht voraus, dass die Tätigkeit auf Grundstücken durchgeführt 3 OVG Magdeburg 3.11.2021, 2 M 18/21 = ZfB 2022, 9 Rn. 32. 4 BT-Drs. 8/1315, S. 75; ebenso: OVG Saarlouis 20.12.2006, 2 W 16/06 = ZfB 2007, 136, 137; OVG Saarlouis 5.10.1989, 1 W 125/89 = ZfB 1990, 45, 51; OVG Bautzen 26.9.2008, 4 B 773/06, SächsVBl 2009, 61, 66 f.; OVG Berlin 10.3.2008, 11 N 59/05, juris Rn. 27; VG Saarlouis 11.7.2007, 5 K 15/06 = ZfB 2007, 204, 212; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 2 Rn. 32; Frenz/ Franßen BBergG, § 2 Rn. 13. 5 BT-Drs. 8/1315, S. 75. Keienburg/Wiesendahl

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wird, die im Eigentum desjenigen stehen, der die Haupttätigkeit durchführt. Bereits die Haupttätigkeit muss nicht auf Grundstücken durchgeführt werden, an denen der Unternehmer Eigentum hat. Eine vom Grundstückseigentümer abgeleitete schuldrechtliche oder dingliche Berechtigung zur Nutzung der Grundstücke ist ausreichend. Ebenso ist nicht erforderlich, dass eine Nebentätigkeit durch Arbeitnehmer des die Haupttätigkeit durchführenden Unternehmers ausgeführt wird. Der Unternehmer kann sowohl zur Durchführung der Haupttätigkeit als auch zur Durchführung einer Nebentätigkeit Dritte einschalten, die Tätigkeiten im Auftrag des Unternehmers für diesen durchführen und deren Tätigkeiten sich der Unternehmer zurechnen lassen muss; vgl. auch Rn. 12.

c) Wiedernutzbarmachung (Nr. 2). Gemäß Absatz 1 Nr. 2 ist die Wiedernutzbarmachung der 8 vom Bergbau in Anspruch genommenen Oberfläche integrierter Teil bergbaulicher Tätigkeit; die bergbauliche Tätigkeit ist erst mit der Wiedernutzbarmachung abgeschlossen.6 Die Wiedernutzbarmachung unterliegt daher den bergrechtlichen Vorschriften. Inhalt der Wiedernutzbarmachung ist gemäß der Legaldefinition in § 4 Abs. 4 die ordnungsgemäße Gestaltung der vom Bergbau in Anspruch genommenen Oberfläche unter Beachtung des öffentlichen Interesses; vgl. § 4 Rn. 24 ff. Dies gilt für die von der Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung in Anspruch genommene Oberfläche, also die Betriebsflächen, einschließlich der für Nebeneinrichtungen in Anspruch genommenen Oberfläche, insbesondere auch für Halden.7 Sonstige Flächen, auf die der Bergbau etwa durch Senkungen, Grundwasserflurabstandsveränderungen oder luftgetragene Emissionen eingewirkt hat, unterliegen nicht der auf die Betriebsgrundstücke begrenzten Wiedernutzbarmachung und der daraus resultierenden Betriebsplanpflicht, sondern sind in Abhängigkeit von ihrer Art ggf. nach den naturschutzrechtlichen Eingriffsregelungen oder nach Maßgabe des Bergschadensrechts zu behandeln. Die in Absatz 1 Nr. 2 enthaltene zeitliche Komponente der Wiedernutzbarmachung während 9 und nach der Aufsuchung, Gewinnung oder Aufbereitung soll nach der amtlichen Begründung klarstellen, dass eine ordnungsgemäße Wiedernutzbarmachung nicht erst nach der Beendigung von Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung stattfinden kann, sondern bereits während der bergbaulichen Tätigkeit Vorkehrungen zur Erreichung der späteren Zwecksetzung der Wiedernutzbarmachung zu treffen sind. Eine über Vorkehrungen für eine spätere Wiedernutzbarmachung hinausgehende Verpflichtung des Unternehmers zur Durchführung von Wiedernutzbarmachungsmaßnahmen bereits während Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung ist in Absatz 1 Nr. 2 nicht begründet. Erforderlich für die Zulassung eines Betriebsplans zur Aufsuchung, Gewinnung oder Aufbereitung ist gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7, dass die erforderliche Vorsorge für die Wiedernutzbarmachung getroffen ist; dazu im Einzelnen § 55 Rn. 90 f. Zugelassen und im Detail geprüft wird die Wiedernutzbarmachung regelmäßig erst im Abschlussbetriebsplanverfahren.8 d) Betriebsanlagen und Betriebseinrichtungen (Nr. 3). Dem Anwendungsbereich des Geset- 10 zes unterfallen zusätzlich zu den in Absatz 1 Nr. 1 und 2 aufgeführten Tätigkeiten Betriebsanlagen und -einrichtungen, die überwiegend einer der in Nummern 1 und 2 genannten Tätigkeiten, auch einer dazugehörigen vor- oder nachbereitenden Tätigkeit,9 dienen oder zu dienen bestimmt sind. Er6 BT-Drs. 8/1315, S. 76; BVerwG 5.3.1998, 7 C 71/96 = ZfB 1998, 32, 34; OVG Magdeburg 3.11.2021, 2 M 18/21 = ZfB 2022, 9 Rn. 32. 7 BT-Drs. 8/1315, S. 76; ebenso VGH Kassel 2.12.2004, 4 UE 2874/02 = ZfB 2005, 25, 29 und VG Aachen 26.2.2007, 9 K 4145/ 04 = ZfB 2007, 154, 159. 8 OVG Münster 15.5.1998, 21 A 6726/95 = ZfB 1998, 160, 167 f.; VG Gelsenkirchen 24.8.1984, 8 K 1669/82 = ZfB 1985, 100, 107; Spieth/Hellermann ZfB 2017, 18, 19 f. 9 Zur Wertung einer Feuerungsanlage zur Entwässerung und Trocknung des gewonnenen Bodenschatzes als dienende Einrichtung i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 3: OVG Münster 26.8.2004, 21 B 370/04 = ZfB 2004, 220 sowie zuvor VG Aachen 26.1.2004, 6 L 505/03 = ZfB 2004, 223, 228; zur Wertung einer Grubenmörtelmischanlage für der Gewinnung nachfolgende Verfüll31

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forderlich für die Unterstellung der den betrieblichen Maßnahmen dienenden bzw. dazu bestimmten Einrichtungen unter den Anwendungsbereich des Gesetzes ist, dass diese überwiegend einer der in Nummern 1 und 2 genannten Tätigkeiten dienen oder zu dienen bestimmt sind. Damit ist eine Einschränkung der Begrifflichkeit des Dienens auf solche Einrichtungen bezweckt, deren Funktion oder Produktion zu einem wesentlichen Teil einer bergbaulichen Tätigkeit zur Verfügung gestellt ist und die nicht nur unter anderem für einen Bergwerksbetrieb – aber in gleichem Maße auch für andere Betriebe – genutzt werden. Der Bundesrat hatte im Gesetzgebungsverfahren angeregt, die Begrifflichkeit „überwiegend“ zu streichen.10 Dies lehnte die Bundesregierung ab; in ihrer Gegenäußerung an den Bundesrat wies die Bundesregierung darauf hin, dass bei Streichung der Begrifflichkeit „überwiegend“ auch Kraftwerke, die nur eine geringe Menge elektrischer Energie an einen Bergbaubetrieb liefern, in den Geltungsbereich des Bundesberggesetzes überführt würden und aus dem Geltungsbereich der – damals für Kraftwerke noch einschlägigen – Gewerbeordnung herausfielen.11 Diese Überlegung der Bundesregierung ist nicht zwingend, da sie scheinbar von der unzutreffenden Prämisse ausgeht, dass auch Einrichtungen Dritter bergbauliche Einrichtungen i.S.d. Nummer 3 darstellen könnten; dazu noch unter Rn. 12. Festzuhalten ist aber, dass eine Zuordnung von Einrichtungen, die nur unter anderem dem Bergbau dienen, zum bergrechtlichen Rechtsregime nicht gewollt war und über das Erfordernis eines überwiegenden Dienens einer Einrichtung für eine bergbauliche Tätigkeit i.S.d. Absatzes 1 Nr. 1 und 2 ausgeschlossen ist. Andererseits ist eine ausschließliche Funktionszuordnung einer Einrichtung zu einem Bergbaubetrieb nicht erforderlich. Eine Einrichtung, die auch zu anderen als bergbaulichen Zwecken genutzt wird, stellt eine dem Bergrecht unterfallende Einrichtung i.S.d. Absatzes 1 Nr. 3 dar, wenn sie mit dem überwiegenden Teil ihrer Kapazität oder Leistung für einen Bergbaubetrieb zum Einsatz kommt oder dazu bestimmt ist. Dies ist aus Sicht eines vernünftigen Dritten nach funktionalen Kriterien zu bestimmen. Entscheidend ist der Schwerpunkt des objektiv vernünftigen unternehmerischen Interesses. Kommt der funktionalen Zuordnung einer Einrichtung zu einem Bergbaubetrieb höheres Gewicht zu als mit der Einrichtung ggf. sonst noch verfolgten Zwecken, handelt es sich um eine dienende Einrichtung.12 Geboten ist dabei eine Gesamtwürdigung, die neben quantitativen Gesichtspunkten auch qualitative Gesichtspunkte berücksichtigt und danach fragt, ob sich die Dimensionierung einer Einrichtung aus Sicht eines vernünftigen Unternehmers in erster Linie an den Bedürfnissen des Bergbaubetriebs oder an anderen Zwecken orientiert.13 Auf Grundlage der erforderlichen Gesamtwürdigung kann ein überwiegendes Dienen einer Einrichtung ggf. auch dann bejaht werden, wenn zwar der rechnerisch größere Anteil einer Einrichtung nicht bergbaulichen Zwecken dient, aber die vorrangige und entscheidende Zwecksetzung aus Sicht eines vernünftigen Unternehmers auf den Bergbaubetrieb ausgerichtet ist.14 Über die Erfassung nicht nur von Einrichtungen, die überwiegend einer bergbaulichen Tätigkeit dienen, sondern auch von Einrichtungen, die überwiegend einer bergbaulichen Tätigkeit „zu dienen bestimmt sind“, ist klargestellt, dass bei einer quantitativen Betrachtung nicht allein die tatsächliche Auslastung, sondern die anhand objektivierbarer Planungen unternehmerisch bezweckte Auslastung entscheidend ist. Kann eine Einrichtung, die überwiegend einem Bergbaubetrieb zu dienen bestimmt ist, ggf. im Zeitpunkt des Beginns der bergbaulichen Tätigkeit mangels vollständiger Einsatzbereitschaft des zwecke als dienende Einrichtung i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 3: OVG Saarlouis 5.10.1989, 1 W 125/89 = ZfB 1990, 45, 50; zur Wertung des Bohrplatzes eines Geothermievorhabens als dienende Einrichtung: VG München 5.12.2012, 9 K 12/3036 = ZfB 2013, 150, 155. 10 BT-Drs. 8/1315, S. 173. 11 BT-Drs. 8/1315, S. 188. 12 BVerwG 28.9.2016, 7 C 18/15 = ZfB 2017, 33 Rn. 23; ebenso zuvor OVG Münster 20.5.2015, 8 A 2662/11 = ZfB 2015, 99, 104. 13 BVerwG 28.9.2016, 7 C 18/15 = ZfB 2017, 33 Rn. 23; ebenso zuvor OVG Münster 20.5.2015, 8 A 2662/11 = ZfB 2015, 99, 104; Nolte ZfB 2018, 77, 82. 14 BVerwG 28.9.2016, 7 C 18/15 = ZfB 2017, 33 Rn. 23; ebenso zuvor OVG Münster 20.5.2015, 8 A 2662/11 = ZfB 2015, 99, 104; anders dagegen in der ersten Instanz das VG Aachen 4.10.2011, 6 K 2332/09, juris Rn. 62 und auch Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht, Rn. 71; Frenz UPR 2012, 55; Frenz/Franßen BBergG, § 2 Rn. 21; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 2 Rn. 51. Keienburg/Wiesendahl

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Bergbaubetriebs noch nicht überwiegend für bergbauliche Zwecke genutzt werden, steht dies einer Zuordnung zum Bergbaubetrieb nicht entgegen, wenn eine überwiegend dienende Zwecksetzung für die spätere Betriebsphase besteht. Ebenso führen ein temporärer Stillstand oder eine Drosselung einer bergbaulichen Tätigkeit mit der Folge einer geringeren Abnahme von Leistung oder Kapazität einer dienenden Einrichtung nicht dazu, dass eine dem Bergbaubetrieb zugeordnete dienende Einrichtung damit ihre bergbauliche Zwecksetzung verlöre. Irrelevant für die Qualifizierung von Einrichtungen als einer Tätigkeit i.S.d. Absatzes 1 Nr. 1 11 und 2 dienend sind ein räumliches Näheverhältnis zur Haupttätigkeit sowie die eigentumsrechtliche Zuordnung. Ebenso, wie Nebentätigkeiten i.S.d. Absatzes 1 Nr. 1 auf anderen Grundstücken in räumlicher Entfernung zur Aufsuchungs-, Gewinnungs- oder Aufbereitungstätigkeit durchgeführt werden können, können sich auch Betriebsanlagen und -einrichtungen in räumlicher Entfernung zum Hauptgelände befinden, ohne dass dadurch der unmittelbare betriebliche Zusammenhang, der von der funktionalen Zwecksetzung abhängt, verloren ginge.15 Ebenso wie bergbauliche Tätigkeiten i.S.d. Absatzes 1 Nr. 1 und 2 auch auf Grundstücken durchgeführt werden können, an denen der Unternehmer nur vertraglich berechtigt ist, können auch Einrichtungen, an denen dem Unternehmer kein Eigentum, aber eine vom Eigentümer abgeleitete Berechtigung zusteht, überwiegend einer Tätigkeit i.S.d. Absatzes 1 Nr. 1 oder 2 dienen oder zu dienen bestimmt sein. Zusätzliche Voraussetzung der Qualifizierung einer Einrichtung als einer Tätigkeit i.S.d. Absat- 12 zes 1 Nr. 1 und 2 dienend, mit der Folge, dass die dienende Einrichtung dem Bundesberggesetz unterfällt, ist, ohne dass dies in § 2 ausdrücklich normiert wäre, dass die dienende Einrichtung von dem Bergwerksunternehmer errichtet und/oder betrieben wird.16 Dies ergibt sich nicht aus § 2, aber aus der Definition des Unternehmers in § 4 Abs. 5. Danach ist Unternehmer nur eine solche natürliche oder juristische Person oder Personenhandelsgesellschaft, die eine der in § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 2 bezeichneten Tätigkeiten durchführt oder durchführen lässt und damit nur derjenige, der eine bergbauliche Haupttätigkeit durchführt. Über die eine Haupttätigkeit i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 2 durchführenden Personen sind zusätzlich auch solche Personen, die Tätigkeiten i.S.d. § 2 Abs. 2 durchführen, bergrechtliche Unternehmer; dazu § 4 Rn. 32. Eine erweiternde Auslegung des Unternehmerbegriffs zur Erfassung auch von Personen, die allein Anlagen oder Einrichtungen herstellen oder betreiben und damit Bergbaubetriebe Dritter beliefern oder zuarbeiten, ohne selbst eine bergbauliche Haupttätigkeit durchzuführen, ist weder möglich noch erforderlich. Eine Person, die allein eine einem Bergbaubetrieb dienende Einrichtung betreibt, erfüllt die definitorischen Voraussetzungen der Unternehmereigenschaft nicht. Dies wiederum bedeutet, dass eine solche Person nicht den Pflichten des Gesetzes, die sich allein an den Unternehmer richten, unterliegt und damit auch der Anwendungsbereich des Gesetzes für solche von Dritten betriebene Einrichtungen, auch dann, wenn sie einem Bergbaubetrieb überwiegend oder ausschließlich dienen, nicht eröffnet ist. Damit unterfallen weder Zulieferbetriebe17 noch Stromversorgungseinrichtungen oder sonstige dienende Einrichtungen, die von Dritten betrieben werden, der Nummer 3. Um dienende Einrichtungen i.S.d. Nummer 3 kann es sich nur bei Einrichtungen handeln, die von einem Bergwerksunternehmer und damit von einer eine bergbauliche Haupttätigkeit durchführenden Person errichtet oder betrieben werden. Unter dieser Voraussetzung ist die Erstreckung des Anwendungsbereichs des Gesetzes auch auf dienende Einrichtungen sinnvoll. Anderenfalls fehlt es an dem die Erstreckung rechtfertigenden Anknüpfungspunkt einer bergbaulichen Haupttätigkeit in der Person des Betreibers der Nebeneinrichtung. Um dienende Einrichtungen handelt es sich etwa bei den übertägigen Tagesanlagen und den 13 Fördereinrichtungen eines Bergwerks, bei der Verdichterstation einer Gasgewinnung oder -speicherung, bei von dem Bergwerksunternehmer betriebenen Kraftwerken, die überwiegend der Stromversorgung eines bergbaulichen Betriebs dienen und auch bei Straßen, die ausschließlich der Erschließung eines Bergbauvorhabens dienen, bis zum Anschluss an das öffentliche Verkehrs15 OVG Saarlouis 5.10.1989, 1 W 125/89 = ZfB 1990, 45, 50 f. 16 Frenz/Franßen BBergG, § 2 Rn. 25. 17 Dazu auch Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 2 Rn. 51. 33

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netz,18 sowie bei Gruben- und Grubenanschlussbahnen. Dies gilt unabhängig davon, dass diese Anlagen ggf. Zulassungserfordernissen nach weiteren Gesetzen, etwa einer BauO oder dem BImSchG unterliegen; zwischen dem Bergrecht und sonstigen Rechtsgebieten besteht kein Ausschlussverhältnis. Anlagen zur Erzeugung von Strom aus gewonnenen Bodenschätzen stellen dagegen – wenn sie nicht überwiegend der Versorgung des Bergwerksbetriebs dienen sollen – keine dem Bergbaubetrieb dienenden Anlagen dar und unterfallen, da sie auch keine Aufbereitungsanlagen i.S.d. § 4 Abs. 3 darstellen, dazu § 4 Rn. 21, nicht dem Bergrecht.19

2. Sonstige Tätigkeiten und Einrichtungen im Bereich des Festlands (Absatz 2) 14 Für sonstige Tätigkeiten und Einrichtungen außerhalb des in Absatz 1 eröffneten Anwendungsbereichs gilt das Gesetz gemäß Absatz 2 nur, soweit dies ausdrücklich bestimmt ist und nicht Absatz 1 vorrangig anzuwenden ist. Derartige ausdrückliche Bestimmungen finden sich in §§ 126 bis 129 für Untergrundspeicher, für Endlager für radioaktive Abfälle, für Bohrungen, die mehr als 100 m in den Boden eindringen, für alte Halden und für Versuchsgruben sowie Ausbildungsund Besucherbergwerke. Es handelt sich um Tätigkeiten und Einrichtungen, die nicht zwingend unter Absatz 1 fallen, aber typische bergbauliche Bezüge aufweisen und daher insbesondere hinsichtlich der Betriebsplanpflicht unter den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen sollen. Sofern die in Absatz 2 erfassten Tätigkeiten und Einrichtungen auch unter die Tatbestandsmerkmale einer bergbaulichen Tätigkeit oder Einrichtung i.S.d. Absatzes 1 fallen, etwa das Aussolen einer Kaverne eine Gewinnung darstellt, ist das Bergrecht aufgrund Absatzes 1 ohnehin und vollständig anwendbar. Die Regelung in Absatz 2 verdrängt nicht etwa den Anwendungsbereich des Absatzes 1, sondern stellt eine Auffangvorschrift dar. Dies stellt der mit dem Gesetz zur Ausdehnung der Bergschadenshaftung auf den Bohrlochbergbau und Kavernen vom 4.8.2016 in Absatz 2 angefügte Satz 2 klar.20 Nur dann, wenn bzw. soweit Absatz 1 nicht einschlägig ist, finden über die Auffangregelung des Absatzes 2 jedenfalls einzelne Vorschriften des Gesetzes Anwendung. Anwendbar sind dann die in §§ 126 bis 129 ausdrücklich für anwendbar erklärten Vorschriften. Die frühere Regelung in § 130 BBergG a.F., mit welcher Hohlraumbauten, d.h. Bauten, die von Menschen unter Tage in nicht offener Bauweise mit einem Querschnitt von mehr als 8 Quadratmetern errichtet werden und nicht der Aufsuchung und Gewinnung von Bodenschätzen zu dienen bestimmt sind, etwa Tunnel- und U-Bahn-Bauten, dem Gesetz unterstellt wurden, wurde bereits mit dem Ersten Rechtsbereinigungsgesetz vom 24.4.1986 wieder aufgehoben;21 der in § 169 Abs. 1 Nr. 2 noch enthaltene Verweis auf § 130 ist daher obsolet.

15 a) Untergrundspeicher (Nr. 1 und 2). Das Gesetz gilt gemäß Absatz 2 Nr. 1 für das Untersuchen des Untergrunds auf seine Eignung zur Errichtung von Untergrundspeichern und gemäß Absatz 2 Nr. 2 für Errichtung und Betrieb von Untergrundspeichern sowie Einrichtungen, die überwiegend dem Betrieb eines Untergrundspeichers dienen oder zu dienen bestimmt sind. Um Untergrundspeicher handelt es sich gemäß der Legaldefinition des § 4 Abs. 9 bei Anlagen zur unterirdischen 18 19 20 21

OVG Bautzen 26.9.2009, 4 B 773/06, SächsVBl 2008, 61, 66 f. Ebenso Franke in: Burgi (Hrsg.) Planungssicherheit im Energiewirtschaftsrecht, S. 112 f; Wiesendahl ZfB 2015, 3, 6. BT-Drs. 18/4714, S. 13. Die amtliche Begründung führt an, dass die Anwendung des einem dynamischen Betrieb Rechnung tragenden Betriebsplanverfahrens auf Hohlraumbauten nicht erforderlich sei, da diese Bauten typischerweise von Auftragnehmern für die öffentliche Hand errichtet werden und durch die bei der Auftragsvergabe anzuwendende VOB sichergestellt sei, dass den Erfordernissen des Gefahrenschutzes ausreichendes Augenmerk geschenkt werde: BT-Drs. 10/3290, S. 18 f. Nach dem Einsturz des Kölner Stadtarchivs im März 2009 im Zusammenhang mit dem Kölner U-Bahn Bau hatte die Bezirksregierung Arnsberg mit einem Vorschlag vom 18.2.2011 zur Änderung des Bundesberggesetzes die Wiedereinführung des § 130 gefordert; in das Gesetzgebungsverfahren wurde der Vorschlag nicht eingebracht. Keienburg/Wiesendahl

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behälterlosen Speicherung von Gasen, Flüssigkeiten und festen Stoffen mit Ausnahme von Wasser; dazu § 4 Rn. 46. Die in Absatz 2 Nr. 1 und 2 sowie in § 4 Abs. 9 verwandte Begrifflichkeit der Speicherung stellt ausweislich der amtlichen Begründung im Einklang mit dem allgemeinen Sprachgebrauch klar, dass nur temporäre Einlagerungen zum Zwecke einer späteren Wiederverwendung unter die dem Anwendungsbereich des Gesetzes unterworfene Untergrundspeicherung fallen;22 erfasst werden damit Speicher zur Bevorratung mit Rohstoffen sowie Speicher zur Nutzung von Stoffen zur Energieerzeugung, wie Wasserstoff- und Druckluftspeicher, wenn diese unter Tage errichtet werden. Maßnahmen zur endgültigen Beseitigung von Stoffen unterfallen dagegen auch im Fall der Nutzung untertägiger Hohlräume – mit Ausnahme der über § 126 Abs. 3 erfassten Endlagerung radioaktiver Abfälle – nicht dem bergrechtlichen Regelungsregime, sondern dem Abfallrecht. Zusätzliche Voraussetzung der Qualifizierung einer Anlage als dem Geltungsbereich des Gesetzes unterfallender Untergrundspeicher ist gemäß § 4 Abs. 9 die behälterlose Speicherung. Die Speicherung in Behältern, die nicht von den Eigenschaften des umgebenden Gebirges abhängt, unterliegt nicht dem Bergrecht. Zum Zwecke der Untergrundspeicherung kommen Porenspeicher, Kavernenspeicher, aus- 16 geförderte Erdöl- und Erdgasfelder sowie Bergwerke in Betracht. Porenspeicher sind poröse oder klüftige Gesteinsschichten, in denen Gase aufgenommen werden können; Gasaustritte werden über überlagernde dichte Gesteinsschichten ausgeschlossen. Typische Porenspeicher sind saline Aquifere, d.h. Grundwasserleiter in porigen Gesteinsschichten, die aufgrund ihres hohen Salzgehalts nicht für die Trinkwassergewinnung geeignet sind. Über Bohrlöcher können unter Verdrängung des Wassers Gase in die Gesteinsschicht eingepresst werden. Das Wasser und die umliegenden Gesteinsschichten bilden einen Abschluss zur Verhinderung von Gasaustritten. Kavernenspeicher sind Hohlräume, die in Salzlagerstätten durch die Aussolung von Salzstöcken entweder bei der aktiven Salzgewinnung entstehen oder zielgerichtet zum Zwecke der Speicherung angelegt werden. Sie sind durch die umgebende Salzschicht dicht abgeschlossen. In sie können Erdgas, andere Gase und Öl gepumpt werden. Öl- und Gaslagerstätten können im Anschluss an die Gewinnung der vorhandenen Bodenschätze, d.h. nach Ausförderung, zur Speicherung von Öl bzw. Gas genutzt werden. Auch ausgeförderte untertägige Bergwerke können, wenn die geologischen Randbedingungen dies zulassen und die Schächte besonders abgedichtet werden, zur Speicherung genutzt werden.23 Realistisch ist dies in erster Linie in Salzbergwerken aufgrund der Dichte des Salzes; andere Bergwerke dürften in der Regel eine zu hohe Durchlässigkeit aufweisen. Untergrundspeicher unterliegen aufgrund der Nutzung des untertägigen Gebirges als Spei- 17 cher dem Bergrecht. Dies gilt sowohl für die Untersuchung des Untergrunds auf seine Eignung zur Speicherung als auch für Errichtung und Betrieb eines Untergrundspeichers. Erfüllt die Untersuchung des Untergrunds gleichzeitig die Merkmale einer Aufsuchung i.S.d. § 4 Abs. 1, handelt es sich um eine Tätigkeit, die dem Bergrecht bereits aufgrund Absatz 1 Nr. 1 unterfällt und auf die daher alle Vorschriften des Gesetzes Anwendung finden. § 126 Abs. 2 regelt ausdrücklich, dass dann, wenn eine Tätigkeit eine Aufsuchung i.S.d. § 4 Abs. 1 darstellt, keine Untersuchung des Untergrunds auf seine Eignung zur Errichtung von Untergrundspeichern vorliegt und daher der nachrangige Anwendungsbereich des § 126 Abs. 1 nicht eröffnet ist. Maßnahmen, bei denen die Erkundungstätigkeit auch auf die Entdeckung oder Feststellung der Ausdehnung von Bodenschätzen und nicht allein auf die Feststellung der Speicherfähigkeit des Gebirges gerichtet ist, fallen nicht unter § 126, sondern unterliegen als Aufsuchung unmittelbar dem BBergG. Auch die Errichtung eines Untergrundspeichers kann eine dem Absatz 1 Nr. 1 unterfallende bergbauliche Tätigkeit darstellen, wenn mit der Errichtung eine Aufsuchung oder Gewinnung von Bodenschätzen einhergeht und der Aufsuchungs- oder der Gewinnungsbegriff des § 4 Abs. 1 und 2 erfüllt ist; dazu auch § 4 Rn. 14. In diesem Fall sind auch auf die Errichtung sämtliche Vorschriften des Gesetzes bereits aufgrund des Absatzes 1 Nr. 1 anwendbar. Nur für Erkundungs-, Errichtungs- und Betriebsmaßnah22 BT-Drs. 8/1315, S. 77 und 83. 23 Die amtliche Begründung betont ausdrücklich, dass auch die Speicherung in stillgelegten Bergwerken in dafür geeigneten Fällen nicht ausgeschlossen ist: BT-Drs. 8/1315, S. 76. 35

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men eines Untergrundspeichers, die nicht gleichzeitig die Merkmale eines Aufsuchungs- oder Gewinnungsbetriebs erfüllen, bedarf es der Anordnung der Anwendbarkeit des Gesetzes in Absatz 2 Nr. 1 und 2; vgl. § 126 Rn. 11 f. Auf Vorhaben der Untergrundspeicherung, die nicht gleichzeitig die Merkmale eines Aufsuchungs- oder Gewinnungsbetriebs erfüllen, sind aufgrund Absatz 2 Nr. 1 und 2 die in § 126 Abs. 1 aufgeführten Vorschriften des Gesetzes anwendbar. Anwendbar sind damit auf Erkundung sowie Errichtung und Betrieb eines Untergrundspeichers insbesondere die Vorschriften über das Betriebsplanverfahren. Einzelheiten der technischen Vorgaben eines Untergrundspeichers ergeben sich aus Verordnungen der Länder.24 Einer Speicherberechtigung in Form einer Erlaubnis oder Bewilligung ist die Untergrund18 speicherung mangels entsprechender Regelung im Gesetz – anders als in § 5 Abs. 1 BG DDR geregelt und in Anlage I Kapitel V Sachgebiet D Abschnitt III Nr. 1 Buchst. b) des Einigungsvertragsgesetzes zunächst aufrechterhalten, dazu Anhang Einigungsvertrag Rn. 10 – nicht zugänglich und bedarf die Untergrundspeicherung nicht.25 Erforderlich ist dann, wenn untertägige Untersuchungs- oder Speichertätigkeiten in Bereichen von Bodenschätzen durchgeführt werden, die gemäß § 3 Abs. 3 und 4 dem Bundesberggesetz unterliegen, eine dies legitimierende Berechtigung, die das Bundesberggesetz nur in Gestalt von Erlaubnis, Bewilligung, Bergwerkseigentum oder Grundeigentum kennt.26 Untersuchungs- und Speichertätigkeiten im Bereich bergfreier Bodenschätze erfordern daher eine Erlaubnis, Bewilligung oder Bergwerkseigentum i.S.d. §§ 7 f. Der daraus resultierenden Aufsuchungs- bzw. Gewinnungsberechtigung bedarf es sowohl dann, wenn der Unternehmer entweder zur Untersuchung des Untergrunds oder zur Herrichtung eines Speichers bergfreie Bodenschätze selbst löst und damit Aufsuchungs- bzw. Gewinnungsmaßnahmen i.S.d. § 4 Abs. 1 und 2 durchführt. Der Berechtigung bedarf es auch dann, wenn der Unternehmer bereits geschaffene Hohlräume nutzt, ohne selbst Bodenschätze zu lösen. In beiden Fällen greift er auf untertägige Bereiche bergfreier Bodenschätze zu, die nur auf Grundlage einer Berechtigung nutzbar gemacht werden dürfen. Die Berechtigung kann dem Unternehmer verliehen werden, wenn nicht andere bereits berechtigt sind. Im Falle einer Berechtigung anderer erforderlich aber auch ausreichend ist eine vom dem Berechtigten abgeleitete, privatrechtliche Berechtigung des Speicherunternehmers zur Nutzung. Werden Untersuchungs- oder Speichertätigkeiten in Bereichen fremder Berechtigungen auf bergfreie Bodenschätze durchgeführt, bedarf es einer privatrechtlichen Vereinbarung mit dem bergbaulich Berechtigten hinsichtlich der Nutzung des Gebirges. Zusätzlich bedarf es einer privatrechtlichen Vereinbarung mit dem Grundeigentümer, da die Nutzung des untertägigen Gebirges zu anderen Zwecken als Aufsuchung oder Gewinnung bergfreier Bodenschätze von der bergrechtlichen Berechtsame nicht abgedeckt ist;27 anderes gilt dann, wenn die Speicherung in einer solchen Tiefe stattfindet, dass der Grundeigentümer gemäß § 905 Satz 2 BGB an einem Ausschluss – bei objektiver Würdigung – kein Interesse haben kann;28 vgl. § 126 Rn. 21 ff. Werden Untersuchungs- und Speichertätigkeiten in Bereichen grundeigener Bodenschätze durchgeführt, sind Erlaubnis, Bewilligung und Bergwerkseigentum nicht einschlägig. In diesem Fall erfordert die Nutzung des Untergrunds eine aus dem Grundeigentum resultierende Berechtigung. Der Speicherunternehmer muss also entweder selbst Eigentümer des Grundstücks sein, in dessen Bereich er zum Zwecke der Speicherung auf grundeigene Bodenschätze zugreifen will, oder mit dem Grundeigentümer eine privatrechtliche Vereinbarung über die Nutzung des 24 Vgl. etwa die Bergverordnung für Tiefbohrungen, Untergrundspeicher und für die Gewinnung von Bodenschätzen durch Bohrungen (Tiefbohrverordnung – BVOT) des Landes NRW vom 31.10.2006 (Amtsblatt der Bezirksregierung Arnsberg 2006 Nr. 48 Beilage) oder die BVOT Nds. vom 17.5.2022 (Nds. MBl. S. 856). 25 BT-Drs. 8/1315, S. 150; zu der daraus resultierenden Problematik mit Blick auf entgegenstehende Belange des Oberflächeneigentums: Kühne RdE 2009, 14, 16 f. 26 Verkannt vom VG Bayreuth 28.3.2014, 1 K 12/400 = ZfB 2014, 275, 285. 27 BGH 23.10.1980, III ZR 146/78 = ZfB 1981, 425, 427. 28 Zu § 905 BGB im Verhältnis zu bergbaulichen untertägigen Vorhaben: BGH 21.12.1989, III ZR 26/88, BGHZ 110, 17, 21 = ZfB 1990, 235, 237; BGH 23.10.1980, III ZR 146/78 = ZfB 1981, 425, 428; Berlin NuR 2014, 476, 479; Lemke in: Kühne/ Ehricke (Hrsg.) Bergrecht zwischen Tradition und Moderne, S. 21. Keienburg/Wiesendahl

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Grundeigentums zu Speicherzwecken abschließen. Zusätzlich erforderlich sind sowohl für Untersuchungs- als auch für Speichertätigkeiten Betriebsplanzulassungen, mit denen die eigentliche bergbauliche Tätigkeit zugelassen wird.

b) Sonstige Tätigkeiten und Einrichtungen (Nr. 3) aa) Lagerung, Sicherstellung und Endlagerung radioaktiver Abfälle (§ 126 Abs. 3). Die Bundesregierung verfolgt das Konzept der Endlagerung radioaktiver Abfälle in tiefen geologischen Formationen. Das Endlager Konrad, ein ehemaliges Eisenerzbergwerk in Salzgitter, wurde durch Planfeststellungsbeschluss des Niedersächsischen Umweltministeriums vom 22.5.2002 als Endlager für schwachwärmeentwickelnde radioaktive Abfälle zugelassen. Auch das Standortauswahlgesetz zur Auswahl eines Standorts zur Endlagerung hochradioaktiver Abfälle geht – vorbehaltlich anderer Erkenntnisse der Endlagerkommission gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 1 StandAG – von einer untertägigen Endlagerung aus und sieht daher zunächst eine übertägige und sodann eine untertägige Erkundung mehrerer Standorte zur Auswahl vor. Aus der Erkundung bzw. Nutzung des untertägigen Gebirges ergeben sich zwingende Berührungspunkte zum Bergrecht. Anlagen zur Endlagerung radioaktiver Abfälle stellen mangels einer auf eine nur temporäre Speicherung zur späteren Weiterverwendung der zu lagernden Stoffe gerichteten Zielsetzung keine Untergrundspeicher i.S.d. § 126 Abs. 1 und 2 dar, für welche der Geltungsbereich des Gesetzes bereits über Absatz 2 Nr. 1 und 2 eröffnet ist;29 zudem dürfte die Endlagerung radioaktiver Abfälle regelmäßig nicht behälterlos erfolgen, so dass auch das für Untergrundspeicher gemäß § 4 Abs. 9 maßgebliche Tatbestandmerkmal der behälterlosen Speicherung nicht erfüllt ist. Um dennoch die Anwendbarkeit des Gesetzes auch auf untertägige Anlagen zur Endlagerung radioaktiver Abfälle zu eröffnen, wurde auf Veranlassung des Bundesrats, der dies aus grubensicherheitlichen Gründen für unabweisbar erachtete, § 126 Abs. 3 eingefügt.30 Danach unterfallen auch Endlager für radioaktive Abfälle gemäß Absatz 2 Nr. 3 i.V.m. § 126 Abs. 3 dem Geltungsbereich des Gesetzes, wenn die Anlage ihrer Art nach auch zur unterirdischen behälterlosen Speicherung geeignet ist. Anwendbar sind auf Errichtung und Betrieb einer Anlage zur Endlagerung radioaktiver Abfälle, die ihrer Art nach auch zur unterirdischen behälterlosen Speicherung geeignet ist, gemäß § 126 Abs. 3 u.a. die Vorschriften über das Betriebsplanverfahren. Errichtung und Betrieb von Anlagen zur Endlagerung radioaktiver Abfälle erfordern daher zusätzlich zur atomrechtlichen Zulassung i.S.d. § 9b AtG bergrechtliche Betriebsplanzulassungen; dazu auch § 57b Rn. 61 ff. Die vorherige Erkundung eines Standorts auf seine Eignung zur Endlagerung radioaktiver Abfälle unterfällt weder dem allein auf Errichtung und Betrieb eines Endlagers bezogenen Tatbestand des § 126 Abs. 3 noch dem ebenso allein auf Errichtung und Betrieb eines Endlagers bezogenen Tatbestand des § 9b Abs. 1 und 1a AtG.31 Erkundungstätigkeiten in einer Lagerstätte bergfreier oder grundeigener Bodenschätze unterfallen dem Anwendungsbereich des Gesetzes ohne das Erfordernis einer besonderen Erstreckungsregelung, wenn sie die objektiven Merkmale einer Aufsuchungs- oder Gewinnungstätigkeit i.S.d. § 4 Abs. 1 und 2 erfüllen und damit dem Geltungsbereich des Gesetzes bereits über Absatz 1 Nr. 1 unterliegen. Ob es sich bei Erkundungsmaßnahmen um eine Aufsuchungs- oder – aufgrund Lösens und Freisetzens von Bodenschätzen – um eine Gewinnungstätigkeit handelt, ist höchstrichterlich noch nicht entschieden;32 dazu auch § 4 Rn. 14. Ein Endlagerrecht existiert ebenso wenig wie ein Speicherrecht; dazu bereits Rn. 18. Zum Zwecke der Nutzung des Gebirges im Bereich bergfreier Bodenschätze bedarf es daher, wenn nicht der für die Endlagerung gemäß § 9a Abs. 3 AtG zuständige Bund selbst Berechtsamsinhaber ist, einer von dem daran Berechtigten abgeleiteten Berechtigung. Zum Zwecke der Nutzung grund29 30 31 32 37

BT-Drs. 8/1315, S. 183; Huntemann Recht der unterirdischen Endlagerung radioaktiver Abfälle, S. 119 f. BT-Drs. 8/1315, S. 183. BVerwG 2.11.1995, 4 C 14/94, BVerwGE 100, 1, 5 = ZfB 1995, 278, 281. Ausdrücklich offen gelassen von: BVerwG 2.11.1995, 4 C 14/94, BVerwGE 100, 1, 5 f. = ZfB 1995, 278, 281. Keienburg/Wiesendahl

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eigener Bodenschätze bedarf es des Grundeigentums oder einer vom Grundeigentümer abgeleiteten Berechtigung. Kommt eine privatrechtliche Einigung nicht zustande, kommt nur ein zwangsweiser Zugriff auf die Rechte in Betracht. § 12 Abs. 1 Satz 1 StandAG erklärt die Regelungen über die Grundabtretung auf die Erkundungsphase für entsprechend anwendbar; § 126 Abs. 3 BBergG regelt die entsprechende Anwendbarkeit der Regelungen über die Grundabtretung für Errichtung und Betrieb eines Endlagers für radioaktive Abfälle. Ob das in erster Linie der Rohstoffversorgung und nicht der Entsorgung dienende bergrechtliche Zwangsmittel der Grundabtretung jedoch für Erkundung, Errichtung und Betrieb eines Endlagers für radioaktive Abfälle ein geeignetes Instrumentarium darstellt, ist insbesondere auch in Würdigung der vom BVerfG in der GarzweilerEntscheidung geforderten Bestimmtheit gesetzlicher Enteignungsregelungen zweifelhaft.33 Mit dem 12. Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes vom 8.12.201034 hat der Gesetzgeber zusätzlich in §§ 9d und 9e AtG spezielle Enteignungsregelungen für die Erkundung sowie die Errichtung eines Endlagers normiert.35

23 bb) Bohrungen (§ 127). Bohrungen sowie die zugehörigen Einrichtungen, die der Aufsuchung oder Gewinnung von Bodenschätzen dienen, unterfallen aufgrund Absatz 1 Nr. 1 und 3 unabhängig von der Bohrteufe dem Anwendungsbereich des Gesetzes. Zusätzlich unterfallen gemäß § 127 Abs. 1 auch Bohrungen, die keine Aufsuchungs- oder Gewinnungstätigkeit bzw. eine zugehörige Einrichtung darstellen, dann, wenn sie mehr als 100 m in den Boden eindringen sollen, dem Anwendungsbereich des Gesetzes. Erfasst werden über § 127 Abs. 1 Bohrungen, die aufgrund anderweitiger Zielsetzung nicht der Aufsuchung von Bodenschätzen i.S.d. Legaldefinition des § 4 Abs. 1 Satz 1 dienen, Bohrungen, die trotz etwaigen Lösens oder Freisetzens von Bodenschätzen und damit Erfüllung des objektiven Gewinnungsbegriffs gemäß der Legaldefinition in § 4 Abs. 2 1. Halbsatz keine Gewinnung darstellen, da sie den Ausnahmeregelungen des § 4 Abs. 2 2. Halbsatz unterfallen, sowie Bohrungen zur Aufsuchung oder Gewinnung von Bodenschätzen, die im Umkehrschluss aus § 3 Abs. 1 und 4 nicht dem Geltungsbereich des Gesetzes unterliegen. Typischerweise erfasst werden von § 127 Abs. 1 Bohrungen zur Gewinnung – und damit auch zur vorherigen Aufsuchung – von Erdwärme zur ausschließlichen Nutzung im Zusammenhang mit der Bebauung eines Grundstücks, speziell zu Heizzwecken, die gemäß § 4 Abs. 2 2. Halbsatz dem Gewinnungsbegriff nicht unterfallen, sowie Bohrungen zur Förderung von Wasser, das gemäß § 3 Abs. 1 keinen Bodenschatz im Sinne des Gesetzes darstellt. Diese Bohrungen erfordern ab einer Länge – nicht Tiefe – von mehr als 100 m im Boden die Anwendung einzelner, in § 127 Abs. 1 aufgeführter, Vorschriften des Gesetzes. Erforderlich ist gemäß § 127 Abs. 1 Nr. 1 eine rechtzeitige Anzeige von Beginn und Einstellung der Bohrung gegenüber der zuständigen Bergbehörde. Ein Betriebsplanzulassungsverfahren ist gemäß § 127 Abs. 1 Nr. 2 nur dann durchzuführen, wenn die Bergbehörde dies für erforderlich erachtet. Bohrungen mit einer Länge von maximal 100 m sind, wenn sie nicht dem Anwendungsbereich des Gesetzes über Absatz 1 unterfallen, bergrechtlich genehmigungsfrei und bedürfen auch keiner Anzeige gegenüber der Bergbehörde. Einer UVP-Pflicht unterliegen Bohrungen nur unter den in § 1 Nr. 8, 8a und 10 UVP-V Bergbau normierten Voraussetzungen; es muss sich um Tiefbohrungen handeln. 24 Unabhängig von einer Über- oder Unterschreitung der 100 m Grenze ist für eine Bohrung eine wasserrechtliche Erlaubnis gemäß § 8 Abs. 1 i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 4 WHG erforderlich, wenn die Bohrung in einen Wasserkörper eingebracht wird bzw. einen solchen durchdringt und eine

33 Zu den Bestimmtheitsanforderungen an die Enteignungszwecke und die Vorhaben, für die enteignet werden darf: BVerfG 17.12.2013,1 BvR 3139/08 u. 1 BvR 3386/08, BVerfGE 134, 242 Rn. 196 ff. u. 205 = ZfB 2014, 49 Rn. 197 ff. u. 206. 34 Entsprechende Regelungen enthielt das AtG bereits in der Fassung vom 6.4.1998; diese Regelungen waren mit dem Gesetz zur geordneten Beendigung der Kernenergienutzung zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität vom 22.4.2002 aufgehoben worden. 35 Keienburg NVwZ 2014, 1133, 1136 ff.; Keienburg atw 2014, 571, 576 f. Keienburg/Wiesendahl

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Anzeige gemäß § 49 Abs. 1 Satz 2 WHG nicht ausreichend ist.36 Zusätzlich erforderlich sind gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 4 und 5 WHG wasserrechtliche Erlaubnisse dann, wenn zur Erdwärmegewinnung Wasser als Wärmeträger entnommen und nach Abkühlung wieder eingeleitet wird.37 Zuständig für die Erteilung einer wasserrechtlichen Erlaubnis ist dann, wenn die Bohrung einer Betriebsplanzulassung bedarf, gemäß § 19 Abs. 2 WHG die Bergbehörde, die über die Erteilung der wasserrechtlichen Erlaubnis im Einvernehmen mit der Wasserbehörde entscheidet. Bedarf die Bohrung keiner Betriebsplanzulassung, entscheidet die zuständige Wasserbehörde über die wasserrechtliche Erlaubnis.

cc) Alte Halden (§ 128). Dem Anwendungsbereich des Gesetzes unterfällt das in § 128 so be- 25 zeichnete „Aufsuchen oder Gewinnen“ mineralischer Rohstoffe in alten Halden. Bei mineralischen Rohstoffen, die in alten Halden abgelagert sind, handelt es sich um Restbestände einer vorherigen Gewinnung. Diese erfüllen die Merkmale der dem Anwendungsbereich des Gesetzes unterliegenden Bodenschätze nicht mehr, da Bodenschätze i.S.d. § 3 Abs. 1 nur mineralische Rohstoffe in natürlichen Ablagerungen oder Ansammlungen sind.38 Auf das Auffinden oder Ausbeuten von Rohstoffen in alten Halden gerichtete Tätigkeiten stellen sich daher nicht als Gewinnungstätigkeiten i.S.d. Absatzes 1 Nr. 1 dar. Um diese Tätigkeiten dennoch dem Anwendungsbereich des Gesetzes zu unterwerfen, bedarf es der Regelung in § 128. Um alte Halden i.S.d. § 128 handelt es sich nur bei Halden, die nicht mehr betrieben werden.39 26 Die Verfügungsbefugnis an den Rohstoffen in alten Halden richtet sich nach allgemeinem Sachenrecht. Gelöste Bodenschätze unterliegen nicht mehr den bergrechtlichen Aneignungsrechten.40 Eigentümer der Rohstoffe ist zunächst derjenige, der sie sich bei ihrer Lösung angeeignet hat, also der Bergbautreibende; dies gilt sowohl hinsichtlich der Bodenschätze, zu deren Gewinnung der Unternehmer aufgrund Berechtigung berechtigt war als auch hinsichtlich der Bodenschätze, die von ihm mitgewonnen wurden.41 Im Fall des § 151 Abs. 2 Nr. 1 geht nicht das Eigentum an den Rohstoffen in alten Halden aber ein Aneignungsrecht daran auf denjenigen über, innerhalb dessen Bergwerkfeldes eine alte Halde liegt, es sei denn, dass die Halde im Eigentum des Grundstückseigentümers steht. Eine Halde ist während ihres Betriebs regelmäßig Zubehör eines Bergbaubetriebs. Wird eine Halde nach Beendigung des Betriebs wesentlicher Bestandteil des Grundstücks, auf dem sie sich befindet, gehen das Eigentum an der Halde sowie den in ihr befindlichen Rohstoffen auf den Grundeigentümer über. Die Ausbeutung von Rohstoffen aus einer alten Halde bedarf dann einer von dem Eigentümer abgeleiteten privatrechtlichen Berechtigung. Zudem sind aufgrund § 128 u.a. die Vorschriften des Betriebsplanverfahrens anwendbar.

dd) Versuchsgruben, Bergbauversuchsanstalten (§ 129). Dem Anwendungsbereich des Ge- 27 setzes unterfallen schließlich aufgrund Anordnung in § 129 Versuchsgruben – im Tiefbau sowie im Tagebau42 – sowie unter der Voraussetzung, dass sie wie ein Gewinnungsbetrieb eingerichtet sind, auch Bergbauversuchsanstalten. Die Eröffnung des Anwendungsbereichs des Gesetzes auf diese Einrichtungen ergibt sich dann, wenn Aufsuchungs- oder Gewinnungsmaßnahmen i.S.d. 36 VGH Kassel 10.8.2012, 2 B 896/12 = ZfB 2012, 245; VGH Kassel 17.8.2011, 2 B 1484/11 = ZfB 2012, 36, 38; VG Wiesbaden 12.4.2011, 5 L 366/11, NVwZ-RR 2011, 721, 722; Czychowski/Reinhardt WHG, § 9 Rn. 64; Engelhardt/Louis NuR 2014, 548, 552; Reinhardt NVwZ 2012, 1369, 1370; a.A. Seuser NuR 2012, 8, 14. 37 Vgl. Franke in: Burgi (Hrsg.) Planungssicherheit im Energiewirtschaftsrecht, S. 112. 38 BT-Drs. 8/1315, S. 152. 39 Die Gewinnungsberechtigung aufgrund derer Bodenschätze bzw. Nebengestein gewonnen und aufgehaldet wurden, muss, anders als in § 151 Abs. 2 Nr. 1 geregelt, im Fall des § 127 nicht erloschen sein. 40 BGH 13.5.1955, V ZR 141/54 = ZfB 1955, 298, 299 ff. 41 BGH 13.5.1955, V ZR 141/54 = ZfB 1955, 298, 300 f. 42 BT-Drs. 8/1315, S. 152. 39

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§ 4 Abs. 1 und 2 durchgeführt werden, bereits aus Absatz 1 Nr. 1. Die zusätzliche Anordnung der Anwendbarkeit einzelner Vorschriften des Gesetzes auf Versuchsgruben und Bergbauversuchsanstalten in Absatz 2 Nr. 3 i.V.m. § 129 dient dazu, auch solche Einrichtungen zu erfassen, in denen keine Aufsuchungs- oder Gewinnungstätigkeiten durchgeführt werden. Der Gesetzgeber will auch solche Einrichtungen, die nicht der Aufsuchung oder Gewinnung dienen, aber einen engen bergbaulichen Bezug aufweisen, wie etwa Tätigkeiten zur Erprobung von Schachtfördereinrichtungen oder Sicherheitsvorrichtungen in Versuchsgruben und die zur Ausbildung oder zu Besucherzwecken dienenden Bergwerke den relevanten Sicherheitsvorschriften des Gesetzes durch Anwendung vor allem der Vorschriften über das Betriebsplanverfahren unterwerfen.43

3. Tätigkeiten und Einrichtungen im Bereich des Festlandsockels (Absatz 3) 28 Gemäß Absatz 3 Satz 1 gilt das Gesetz auch im Bereich des Festlandsockels hinsichtlich der durch Absatz 1 und Absatz 2 Nr. 1 und 2 erfassten Tätigkeiten sowie für Unterwasserkabel, Transit-Rohrleitungen und Forschungshandlungen in Bezug auf den Festlandsockel. Absatz 3 beinhaltet damit zwei Anwendungsregelungen. Zum einen regelt Absatz 3, dass das Gesetz hinsichtlich der von ihm auf Grundlage des Absatzes 1 und Absatz 2 Nr. 1 und 2 erfassten Tätigkeiten und Einrichtungen auch für den Festlandsockel – in dessen Bereich alle Bodenschätze gemäß § 3 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 bergfrei sind – gilt; dies bedarf einer ausdrücklichen sog. Erstreckungsregelung, da der Festlandsockel, anders als das Festland und das vorgelagerte Küstenmeer, nicht zum Staatsgebiet gehört und sich damit die Gesetze der Bundesrepublik Deutschland nicht automatisch auf den Festlandsockel beziehen.44 Zum anderen regelt Absatz 3, dass das Gesetz im Bereich des Festlandsockels über die in Absatz 1 und Absatz 2 Nr. 1 und 2 erfassten Tätigkeiten hinaus auch für Unterwasserkabel, Transit-Rohrleitungen und Forschungshandlungen und damit für Tätigkeiten bzw. Einrichtungen, die dem Geltungsbereich des Gesetzes im Gebiet des Festlands nicht unterliegen, gilt. 29 Das Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland umfasst das Festland innerhalb der Staatsgrenze. Zum Staatsgebiet gehört weiter das Küstenmeer. Dessen Reichweite kann von den Küstenstaaten gemäß Art. 3 SRÜ45 in einer Entfernung von bis zu 12 Seemeilen von der Küstenbasislinie entfernt festgelegt werden. Die Bundesrepublik Deutschland beansprucht in Ausnutzung von Art. 3 SRÜ aufgrund unilateraler Proklamation der Bundesregierung vom 19.10.199446 seit dem 1.1.1995 als Küstenmeer der Nordsee eine 12-Meilen-Zone als Hoheitsgebiet. Für die Ostsee bleibt die seewärtige Begrenzung des Küstenmeeres in der Proklamation teilweise unterhalb der 12Meilen-Zone, ohne dass damit eine Aufgabe des Rechtsanspruchs auf die 12-Meilen-Zone verbunden wäre. An das Küstenmeer schließt sich seewärts der Festlandsockel an. Der Festlandsockel ist gemäß Art. 76 Abs. 1 SRÜ der unter dem Meeresspiegel liegende Meeresboden und -untergrund eines Küstenstaats jenseits des Küstenmeeres. Er erstreckt sich gemäß Art. 76 Abs. 1 SRÜ entweder über die gesamte natürliche Verlängerung des Landgebiets bis zur äußeren Kante des Festlandrands oder bis zu einer Entfernung von 200 Seemeilen von der Basislinie. Die Grenzen des deutschen Festlandsockels ergeben sich aus Staatsverträgen, die die Bundesrepublik Deutschland 1971 mit den Niederlanden, Dänemark und Großbritannien geschlossen hat47 und entsprechenden Ver-

43 BT-Drs. 8/1315, S. 152. 44 Keienburg/Neupert 3R 2013, Heft 04–05, 44, 46; Wolf ZUR 2007, 24, 28 f. 45 In nationales Recht umgesetzt durch das Gesetz zur Ausführung des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen vom 10.12.1982 sowie das Übereinkommen vom 28.7.1994 zur Durchführung des Teils XI des Seerechtsübereinkommens (Ausführungsgesetz Seerechtsübereinkommen – AusfG-SRÜ) vom 6.6.1995. 46 BGBl. I S. 3428. 47 Vertrag zwischen dem Königreich der Niederlande und der Bundesrepublik Deutschland über die Abgrenzung des Festlandsockels unter der Nordsee vom 28.1.1971 (BGBl. II S. 889), Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Dänemark über die Abgrenzung des Festlandsockels unter der Nordsee vom 28.1.1971 (BGBl. II Keienburg/Wiesendahl

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trägen zwischen der DDR und anderen Ostsee-Anrainerstaaten.48 Der Festlandsockel der Bundesrepublik Deutschland ist mit der deutschen Ausschließlichen Wirtschaftszone, die gemäß Art. 57 SRÜ nicht mehr als 200 Seemeilen umfassen darf, identisch. Der Festlandsockel gehört nicht zum Staatsgebiet der Küstenstaaten, die Küstenstaaten üben aber gemäß Art. 77 Abs. 1 und 2 SRÜ über den Festlandsockel souveräne und ausschließliche Rechte und Hoheitsbefugnisse zum Zwecke seiner Erforschung und der Ausbeutung seiner natürlichen Ressourcen aus. Jenseits des Festlandsockels, im Tiefseebereich, bestehen keine nationalen Verfügungs- und Hoheitsgewalten der Küstenstaaten. Dort gelten für Tätigkeiten zur Erforschung und Ausbeutung der Ressourcen die Vorschriften des Teils XI SRÜ, deren Einhaltung das Gesetz zur Regelung des Meeresbodenbergbaus (Meeresbodenbergbaugesetz – MBergG) vom 6.6.1995 dient. In Ausübung ihrer Hoheitsbefugnisse über den Festlandsockel hat die Bundesrepublik 30 Deutschland Tätigkeiten i.S.d. Absatzes 1 und Absatz 2 Nr. 1 und 2 sowie Unterwasserkabel, TransitRohrleitungen und Forschungshandlungen im Bereich des Festlandsockels dem Anwendungsbereich des Bundesberggesetzes unterworfen. Detailvorgaben für die Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung im Bereich des Festlandsockels sind in der Bergverordnung für das Gebiet der Küstengewässer und des Festlandsockels (Offshore-Bergverordnung – OffshoreBergV) vom 3.8.2016 geregelt. Zusätzliche Anforderungen können sich insbesondere aus dem Naturschutzrecht ergeben; die Vorgaben des Bundesnaturschutzgesetzes gelten gemäß § 56 Abs. 1 BNatSchG auch im Bereich des Festlandsockels. Forschungshandlungen im Bereich des Festlandsockels, die ihrer Art nach zur Entdeckung 31 oder Feststellung von Bodenschätzen offensichtlich ungeeignet sind, bedürfen gemäß § 132 Abs. 1 Satz 1 einer Genehmigung des Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrographie mit Blick auf die Nutzung der Gewässer über dem Festlandsockel und des darüber liegenden Luftraums; eine bergbehördliche Zulassung ist bei offensichtlicher Ungeeignetheit der Tätigkeit zur Entdeckung von Bodenschätzen nicht erforderlich. Sobald eine Forschungshandlung im Bereich des Festlandsockels dagegen zur Entdeckung oder Feststellung von Bodenschätzen nicht offensichtlich ungeeignet ist, gilt sie gemäß § 132 Abs. 1 Satz 2 – über die Legaldefinition des § 4 Abs. 1 hinausgehend – als Aufsuchung und bedarf damit sowohl einer Erlaubnis gemäß § 7 als auch einer Betriebsplanzulassung gemäß § 52 Abs. 1 Satz 1. Etwa Baugrunduntersuchungen für Offshore-Anlagen erfordern damit mindestens eine Genehmigung gemäß § 132 Abs. 1 Satz 1 und im Fall der Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 132 Abs. 1 Satz 2 eine bergrechtliche Erlaubnis und Betriebsplanzulassung.49 Transit-Rohrleitungen sind gemäß § 4 Abs. 10 Rohrleitungen, die vom Festlandsockel oder vom 32 Gebiet eines anderen Staates in den Festlandsockel der Bundesrepublik führen oder diesen durchqueren; dazu § 4 Rn. 48. Sie bedürfen gemäß § 133 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 einer bergbaulichen Genehmigung sowie einer Genehmigung des Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrographie; eine BeS. 882), Vertrag zwischen dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland und der Bundesrepublik Deutschland über die Abgrenzung des Festlandsockels unter der Nordsee zwischen den beiden Ländern vom 25.11.1971 (BGBl. II S. 897) sowie Gesetz zu den drei Verträgen von 1971 vom 23.8.1972 (BGBl. II S. 881) nebst Bekanntmachung über das Inkrafttreten dieser Verträge vom 17.11.1972 (BGBl. II S. 1616). Ferner sind zu erwähnen der Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande über die seitliche Abgrenzung des Festlandsockels in Küstennähe vom 1.12.1964 und das Gesetz zu diesem Vertrag vom 27.8.1965 (BGBl. II S. 1141) sowie der Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Dänemark über die Abgrenzung des Festlandsockels in Küstennähe vom 9.6.1965 und das Gesetz zu diesem Vertrag vom. 22.4.1966 (BGBl. II S. 205). 48 Vertrag zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und der Volksrepublik Polen über die Abgrenzung der Seegebiete in der Oderbucht vom 22. Mai 1989 (GBl. der DDR II S. 150), bestätigt durch Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über die Bestätigung der zwischen ihnen bestehenden Grenze vom 14. November 1990 (BGBl. 1991 II S. 1329), Vertrag und Protokoll zwischen der DDR und dem Königreich Schweden über die Abgrenzung des Festlandsockels vom 22. Juni 1978 (GBl. der DDR 1979 II S. 38), Vertrag und Protokoll zwischen der DDR und dem Königreich Dänemark über die Abgrenzung des Festlandsockels und der Fischereizonen vom 14. September 1988 (GBl. der DDR 1989 II S. 147). 49 Bellroth ZfB 2016, 151, 152 ff. 41

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Erster Teil – Einleitende Bestimmungen

triebsplanzulassung ist nicht erforderlich. Auf Unterwasserkabel wurden die Regelungen in §§ 2 Abs. 3, 133 Abs. 1 bis 3 mit Wirkung zum 15.6.1995 durch Art. 8 AusfG-SRÜ erstreckt. Eine Definition der Begrifflichkeit Unterwasserkabel wurde in das Gesetz nicht eingefügt; anders, als für TransitRohrleitungen, regelt das Gesetz damit nicht ausdrücklich, dass es sich bei den im Bereich des Festlandsockels dem Bergrecht unterfallenden Unterwasserkabeln nur um Transit-Unterwasserkabel handelt. Dies ergibt sich aber nach hier vertretener Auffassung, die der vom Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrografie praktizierten Verfahrensweise entspricht, aus der Gesetzessystematik.50 Unterwasserkabel, die Anlagen seewärts des deutschen Küstenmeeres mit Energie versorgen, unterfallen als Zubehör dem für diese Anlagen maßgeblichen Zulassungserfordernis gemäß § 2 Abs. 1 SeeAnlG, was ein zusätzliches Genehmigungserfordernis nach § 133 entbehrlich macht.51 Unterwasserkabel, die der Übertragung durch Anlagen seewärts des deutschen Küstenmeeres gewonnener Energie dienen, sind zwar kein Zubehör dieser Anlagen, wurden aber mit § 1 Abs. 2 Satz 2 SeeAnlG ebenfalls ausdrücklich dem Anwendungsbereich des Gesetzes und dem in § 2 Abs. 1 SeeAnlG normierten Zulassungserfordernis unterworfen, weshalb auch für diese Unterwasserkabel ein zusätzliches bergrechtliches Genehmigungserfordernis entbehrlich ist.52 Ein bergrechtliches Genehmigungserfordernis besteht allein für Kabel, die vom Festlandsockel oder Gebiet eines anderen Staates in den Festlandsockel der Bundesrepublik Deutschland führen oder diesen durchkreuzen; ebenso § 133 Rn. 6. Dementsprechend heißt es auch in dem als Anlage 1 zu § 1 der Verordnung über die Raumordnung in der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone in der Nordsee (AWZ Nordsee) vom 21.9.2009, BGBl I S. 3107, verabschiedeten Raumordnungsplan unter Ziffer 3.3.2: „Während Rohrleitungen sowie transnationale Seekabel nach § 133 BBergG genehmigt werden, handelt es sich bei Seekabeln zur Ableitung in der AWZ erzeugter Energie um ‚Einrichtungen, die anderen wirtschaftlichen Zwecken dienen‘, welche nach § 1 Absatz 2 Nummer 2 SeeAnlV zu genehmigen sind.“53 Auch der Verordnungsgeber geht damit von einer bergrechtlichen Genehmigungspflicht nur von Transit-Unterwasserkabeln aus. Eine Übergangsregelung für bereits bestehende und betriebene Unterwasserkabel enthält § 168b; die Übergangsregelung erfasst, ohne dass dies im Gesetzeswortlaut zum Ausdruck käme, ausweislich der amtlichen Begründung nur vor dem Inkrafttreten des SRÜ am 16.11.1994 bereits verlegte und betriebene Unterwasserkabel.54 Im Bereich des Küstenmeeres, welches gemäß § 1 Abs. 2 WaStrG eine Seewasserstraße dar33 stellt und damit gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 WaStrG als Bundeswasserstraße eingestuft ist, bedürfen Transit-Rohrleitungen und Unterwasserkabel gemäß § 31 Abs. 1 Nr. 2 WaStrG einer strom- und schifffahrtspolizeilichen Genehmigung des Wasser- und Schifffahrtsamts, wenn aus dem Verlegen oder dem Betrieb eine Beeinträchtigung des für die Schifffahrt erforderlichen Zustands der Wasserstraße oder der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs zu erwarten ist. In diesem Bereich greift das Bergrecht, welches für Transit-Rohrleitungen und Unterwasserkabel gemäß Absatz 3 Satz 1 auf den Bereich des dem Küstenmeer vorgelagerten Festlandsockels beschränkt ist, nicht. Anderes gilt nur dann, wenn der für die Verlegung von Rohrleitungen und Kabeln erforderliche Aushub von Boden im Bereich des Küstenmeeres als bergrechtliche Gewinnung i.S.d. § 4 Abs. 2 gewertet wird und die Baumaßnahme damit bewilligungs-, betriebsplan- und ggf. umweltverträglichkeitsprüfungspflichtig wird; dazu § 4 Rn. 11.

50 Ebenso Frenz/Franßen BBergG, § 2 Rn. 40; Weller/Kullmann BBergG, § 133 Rn. 2; de Witt/Scheuten/Wolfshohl NABEG, § 2 Rn. 48 f.; a.A. Zabel NordÖR 2012, 263, 264; Spieler NVwZ 2012, 1139, 1141; Pfeil/Töpfer NordÖR 2011, 373, 377; Wolf ZUR 2004, 65, 67 f.; Brandt/Dreher NordÖR 2003, 138, 139; Zimmermann DÖV 2003, 133, 135; Erbguth RdE 1996, 85, 87; Jenisch ZfB 1996, 108, 119. 51 Bellroth ZfB 2016, 151, 160; Wolf ZUR 2004, 65, 69; Zimmermann DÖV 2003, 133, 135; Erbguth RdE 1996, 85, 87; a.A. Brandt/Dreher NordÖR 2003, 138, 139. 52 Ebenso Weller/Kullmann BBergG, § 133 Rn. 2; a.A. Zabel NordÖR 2012, 263, 264. 53 Eine gleichlautende Regelung enthält der Raumordnungsplan AWZ Ostsee vom 10.12.2009 (BGBl. I S. 3861). 54 BT-Drs. 13/193, S. 19. Keienburg/Wiesendahl

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Erster Teil – Einleitende Bestimmungen

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II. Ausnahmen vom Geltungsbereich des Gesetzes (Absatz 4) 1. Schienenverkehr (Nr. 1) Das Gesetz gilt nicht für den Transport von Bodenschätzen und sonstigen dem Geltungsbereich des 34 Gesetzes unterfallenden Massen im Schienenverkehr der Eisenbahnen des öffentlichen Verkehrs i.S.d. § 3 AEG. Der Anwendungsbereich des Gesetzes endet damit ab dem Punkt der Durchführung einer Beförderung auf Schienenwegen des öffentlichen Eisenbahnverkehrs. Grubenbahnen und Grubenanschlussbahnen unterliegen dagegen dem Geltungsbereich des Gesetzes. Bei Gruben- und Grubenanschlussbahnen handelt es sich bereits definitorisch um Einrichtungen i.S.d. Absatzes 1 Nr. 3, die überwiegend einer der in Absatz 1 Nr. 1 oder 2 bezeichneten Tätigkeiten zu dienen bestimmt sind. Grubenbahnen sind alle rein innerbetrieblichen Bahnen eines Bergwerksbetriebs, die keine Gleisverbindung zu Eisenbahnen des öffentlichen Verkehrs haben. Grubenanschlussbahnen sind – auch in anderen Industriebereichen existente, dort aber nur als Anschlussbahnen bezeichnete – Anschlussbahnen des Bergbaus, die den Verkehr eines oder mehrerer Bergwerksbetriebe von und zu Eisenbahnen des öffentlichen Verkehrs vermitteln und mit Eisenbahnen des öffentlichen Verkehrs in einer Gleisverbindung stehen, so dass ein Übergang von Betriebsmitteln möglich ist. Ab dem Übergang auf Gleise des öffentlichen Verkehrs endet die Einstufung einer Bahn als Grubenanschlussbahn und damit aufgrund Absatz 4 Nr. 1 der Anwendungsbereich des Gesetzes.

2. Kraftfahrzeugverkehr (Nr. 2) Das Gesetz gilt nicht für den Transport von Bodenschätzen und sonstigen dem Geltungsbereich 35 des Gesetzes unterfallenden Massen im Kraftfahrzeugverkehr auf öffentlichen Wegen und Plätzen. Während der Transport auf dem Betriebsgelände sowie bei unmittelbarem betrieblichen Zusammenhang auch der Transport außerhalb des Betriebsgeländes auf nicht dem öffentlichen Verkehr gewidmeten Wegen55 dem Geltungsbereich des Gesetzes unterliegt, entfällt der Anwendungsbereich des Gesetzes ab dem Transport auf Verkehrsflächen, die nach dem einschlägigen Recht dem öffentlichen Verkehr gewidmet sind, ganz unabhängig davon, ob noch ein unmittelbarer betrieblicher Zusammenhang zu einem Bergbaubetrieb zu bejahen ist oder nicht.56 Für den Verkehr auf öffentlichen Straßen gelten die Vorschriften des Straßenrechts, nicht das Bergrecht. Die Bergbehörde kann daher keine Transportwege zu oder von einem Bergbaubetrieb über bestimmte öffentliche Straßen vorschreiben.57 Die Nutzung öffentlicher Straßen zum Zwecke des Transports kann – anders als die Inanspruchnahme sonstiger, nicht dem öffentlichen Verkehr gewidmete Flächen für Transportzwecke im unmittelbaren betrieblichen Zusammenhang eines Bergbaubetriebs – nicht über eine Grundabtretung gesichert werden.58 Dritte, insbesondere auch Straßenbaulastträger, können etwaige negative Auswirkungen bergbaulichen Verkehrs auf die straßenrechtliche Lage im Bereich öffentlicher Straßen nicht gegenüber einer Betriebsplanzulassung geltend machen.59 Beinhalten Straßennutzungen für bergbauliche Zwecke eine Sondernutzung – 55 Dazu OVG Berlin 10.3.2008, 11 N 59/05, juris Rn. 18; VG Leipzig 20.6.2012, 1 K 1031/10 = ZfB 2012, 286, 302; VG Leipzig 28.4.2010, 1 K 80/08 = ZfB 2011, 64, 68 f.; VG Kassel 14.1.1994, 4 E 824/90 = ZfB 1994, 244 und VG Magdeburg 29.4.1999, A 3 K 224/95 = ZfB 1999, 266, 269 f. 56 OVG Berlin 10.3.2008, 11 N 59/05, juris Rn. 18; OVG Münster 13.3.1986, 12 B 85/86 = ZfB 1986, 370, 374; VG Leipzig 20.6.2012, 1 K 1031/10 = ZfB 2012, 286, 302; VG Leipzig 28.4.2010, 1 K 80/08 = ZfB 2011, 64, 68 f. 57 VG Karlsruhe 13.4.2011, 5 K 90/10, nicht veröffentlicht. 58 OVG Münster 13.3.1986, 12 B 85/86 = ZfB 1986, 370, 373 ff. 59 VG Trier 29.10.2013, 5 L 1240/13, juris Rn. 9; VG Leipzig 20.6.2012, 1 K 1031/10 = ZfB 2012, 286, 302; VG Leipzig 28.4.2010, 1 K 80/08 = ZfB 2011, 64, 68 f.; VG Leipzig 1.10.1998, 5 K 875/96 = ZfB 1998, 331, 334; VG Leipzig 11.12.1997, 5 K 410/96 = ZfB 1998, 55, 59; VG Regensburg 29.4.2010, RO 2 K 08/01349 = ZfB 2010, 279, 282; VG Schwerin 10.3.2010, 7 A 1908/04 = ZfB 2010, 294, 300 f.; VG Greifswald 28.10.2004, 1 A 2941/99 = ZfB 2007, 35, 40; VG Köln 31.5.2000, 1 L 449/00 = ZfB 2000, 333, 334; VG Gelsenkirchen 22.3.1983, 8 L 1661/82 = ZfB 1984, 239, 243. 43

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Erster Teil – Einleitende Bestimmungen

etwa die Nutzung von Straßen für vibrationsseismische Messungen – ist eine Sondernutzungserlaubnis erforderlich.60 36 Unabhängig von der nicht der Bergbehörde obliegenden Zulassung der Transportwege im öffentlichen Verkehr obliegt der Bergbehörde im Rahmen der Prüfung etwaiger einem bergbaulichen Vorhaben entgegenstehender öffentlicher Interessen i.S.d. § 48 Abs. 2 Satz 1 die Prüfung der bauplanungsrechtlichen Erschließung des Vorhabens gemäß §§ 30 Abs. 1, 34 Abs. 1 Satz 1, 35 Abs. 1 BauGB.61 Gemeindlich einklagbar ist auch die Sicherung der Erschließung nicht, da ein gemeindliches Einvernehmen i.S.d. § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB bei der Zulassung von Vorhaben, die der Bergaufsicht unterliegen, nicht erforderlich ist und daher auch kein gerichtlich durchsetzbarer Anspruch von Gemeinden auf Wahrung der planungsrechtlichen Erfordernisse der §§ 30 ff. BauGB besteht.62 Die bauplanungsrechtlichen Erfordernisse sind allein von den Bergbehörden zu prüfen. Bauplanungsrechtlich erforderlich ist, dass eine geplante oder bereits vorhandene Straßenanbindung den durch das Vorhaben ausgelösten Verkehr bewältigen kann63 und die Erschließung rechtlich gesichert ist.64 Dies ist dann zu bejahen, wenn im Zeitpunkt der Betriebsplanzulassung entweder eine ausreichende Erschließung bereits besteht oder damit gerechnet werden kann, dass bis zur Aufnahme der Nutzung eine funktionsfähige Zuwegung vorhanden und rechtlich gesichert auf Dauer zur Verfügung steht.65 Die rechtliche Sicherung der Erschließung muss bei bestehender Grundabtretungsmöglichkeit gemäß §§ 77 ff. außerhalb der Inanspruchnahme öffentlicher Straßen nicht bereits im Zeitpunkt der Betriebsplanzulassung erfüllt sein, wenn eine Grundabtretung geplant ist und keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass diese keinen Erfolg haben könnte.66 Im Rahmen des § 48 Abs. 2 Satz 1 von der Bergbehörde zu prüfen sind zudem die einem bergbaulichen Vorhaben zuzurechnenden Lärmemissionen aufgrund Zu- und Abgangsverkehrs. Zu diesem Zweck kann die TA-Lärm herangezogen werden, die im Umkehrschluss zu Ziffer 1 Buchst. e) TALärm und der dortigen Ausnahme des Anwendungsbereichs auf Tagebaue und die zum Betrieb eines Tagebaus erforderlichen Anlagen auf den Zu- und Abgangsverkehr bergbaulicher Vorhaben – auch von Tagebauen – anwendbar ist.67 Danach sind durch Transporte von und zu einem Vorhaben ausgelöste Lärmemissionen einem Vorhaben gemäß Ziffer 7.4 TA-Lärm in einem Abstand von maximal 500 m von dem Betriebsgrundstück zuzurechnen, soweit der Beurteilungspegel der Verkehrsgeräusche für den Tag oder die Nacht rechnerisch um mindestens 3 dB(A) erhöht wird, keine Vermischung mit dem übrigen Verkehr erfolgt und die Immissionsgrenzwerte der Verkehrslärmschutzverordnung (16. BImSchV) erstmals oder weitergehend überschritten werden. Über die Vorgaben der TA-Lärm hinausgehende Anforderungen können an bergbauliche Vorhaben nicht gestellt werden. Zunehmende Lärmbelastungen auf öffentlichen Straßen nach einer Vermischung des vorhabenbedingten Verkehrs mit dem öffentlichen Verkehr können einer Betriebsplanzulassung daher von vornherein nicht entgegen gehalten werden.68 Auch eine Überschreitung der Werte der TA-Lärm vor einer Vermischung des Zu- und Abgangsverkehrs mit dem öffentlichen 60 Dazu VG Frankfurt (Oder) 17.2.2015, 1 K 1145/13 = ZfB 2015, 130 ff. 61 BVerwG 4.7.1986, 4 C 31/84, BVerwGE 74, 315, 319 f. = ZfB 1987, 60, 65 ff.; VG Trier 29.10.2013, 5 L 1240/13, juris Rn. 12; VG Regensburg 29.4.2010, RO 2 K 08/01349 = ZfB 2010, 279, 282.

62 VGH München 5.12.2006, 8 CS 06/2705, NVwZ-RR 2007, 190; VG Trier 29.10.2013, 5 L 1240/13, juris Rn. 12; VG Regensburg 29.4.2010, RO 2 K 08/01349 = ZfB 2010, 279, 282; ebenso VG München 5.12.2012, 9 K 12/3036 = ZfB 2013, 150, 155 f. zur fehlenden Rügbarkeit der vermeintlich fehlenden Privilegierung eines Bergbaubetriebs gemäß § 35 Abs. 1 BauGB. 63 BVerwG 3.4.1996, 4 B 253/95, NVwZ 1997, 389. 64 BVerwG 22.11.1995, 4 B 224/95, Buchholz 406.11 § 35 BauGB Nr. 314; OVG Lüneburg 6.9.2007, 4 LB 58/07, NVwZ-RR 2008, 382, 383. 65 OVG Münster 28.7.1995, 21 B 985/95 = ZfB 1995, 315, 320. 66 OVG Bautzen 26.9.2008, 4 B 773/06, SächsVBl 2009, 61, 67; OVG Berlin 10.3.2008, 11 N 59/05, juris Rn. 27; OVG Münster 28.7.1995, 21 B 985/95 = ZfB 1995, 315, 320. 67 Zur Heranziehbarkeit der TA Lärm betr. ein bergrechtliches Vorhaben: OVG Bautzen 20.4.2011, 1 A 514/10 = ZfB 2011, 243, 246; VG Leipzig 20.6.2012, 1 K 1031/10 = ZfB 2012, 286, 300; VG Dresden 14.10.2011, 3 L 352/11 = ZfB 2012, 73, 77. 68 VG Regensburg 29.4.2010, RO 2 K 08/01349 = ZfB 2010, 279, 282; VG Leipzig 20.6.2012, 1 K 1031/10 = ZfB 2012, 286, 300 f.; VG Leipzig 28.4.2010, 1 K 80/08 = ZfB 2011, 64, 68 f.; VG Schwerin 10.3.2010, 7 A 1908/04 = ZfB 2010, 294, 300 f.; VG Keienburg/Wiesendahl

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Erster Teil – Einleitende Bestimmungen

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Verkehr in einem Abstand von weniger als 500 m von dem Vorhaben steht der Zulassung eines bergbaulichen Vorhabens aufgrund der Rohstoffsicherungsklausel bis zur Grenze überwiegender öffentlicher Interessen nicht entgegen.69

3. Schiffsverkehr (Nr. 3) Nicht dem Gesetz unterliegt der Transport im Schiffsverkehr auf Hoher See, d.h. seewärts der Begren- 37 zung des Küstenmeeres, sowie auf Binnen- und Seewasserstraßen und in Seehäfen. Ein betrieblicher Zusammenhang eines Schiffstransports zu einem Bergbaubetrieb ist an der seewärtigen Grenze des Küstenmeeres definitorisch beendet. Auch innerhalb des Küstenmeeres ist der Anwendungsbereich des Gesetzes nicht für den Transport auf Seewasserstraßen i.S.d. § 1 Abs. 2 WaStrG und in Seehäfen eröffnet; da die Definition der Seewasserstraßen in § 1 Abs. 2 WaStrG das gesamte Küstenmeer erfasst, unterfällt der Transport im Küstenmeer dem Geltungsbereich des Gesetzes nicht, unabhängig davon, ob er in Fahrrinnen stattfindet oder außerhalb. Auch der Transport auf Binnenwasserstraßen ist vom Anwendungsbereich des Gesetzes ausgenommen. Dabei handelt es sich um alle zum Festland gehörenden oberirdischen Gewässer, die dem allgemeinen Verkehr mit Schiffen dienen. Nicht aus dem Geltungsbereich des Gesetzes ausgenommen sind – anders als Seewasserhä- 38 fen – Binnenhäfen. Dabei handelt es sich um Häfen, die hinter der Uferlinie einer Binnenwasserstraße angelegt sind und nicht zur Binnenwasserstraße selbst gehören. Für diese räumlich abgegrenzten Bereiche der Binnenhäfen gelten in allen Bundesländern spezielle Verordnungen, die das Verhalten und den Verkehr in Häfen regeln.70 Zuständige Hafenbehörde ist in der Regel die örtliche Ordnungsbehörde. Soweit es sich bei Binnenhäfen entweder vollständig oder jedenfalls teilweise um Betriebsanlagen eines Bergbaubetriebs, d.h. um sog. Zechenhäfen handelt, ist die Zuständigkeit der Bergbehörde durch die speziellen Zuständigkeitsregelungen der Hafenverordnungen begrenzt und auf die landseitigen Anlagen beschränkt.

4. Luftverkehr (Nr. 4) Der Transport in Luftfahrzeugen – legaldefiniert in § 1 Abs. 2 LuftVG – ist vom Anwendungsbe- 39 reich des Gesetzes vollständig ausgenommen.

5. Rohrleitungen (Nr. 5) Während Rohrleitungen auf Grundlage des ABG dem bergrechtlichen Anwendungsbereich unter- 40 fielen, solange sie einen räumlichen oder betrieblichen Zusammenhang zum Bergwerksbetrieb aufwiesen, wollte der Gesetzgeber mit dem Bundesberggesetz nur noch betriebsinterne Leitungen dem Bergrecht unterstellen, nicht mehr aber Fernleitungen.71 Die Abgrenzung zwischen Leitun-

Greifswald 28.10.2004, 1 A 2941/99 = ZfB 2007, 35, 40; VG Köln 31.5.2000, 1 L 449/00 = ZfB 2000, 333, 334; VG Gelsenkirchen 22.3.1983, 8 L 1661/82 = ZfB 1984, 239, 243. 69 OVG Bautzen 20.4.2011, 1 A 514/10 = ZfB 2011, 243, 245 unter Verweis auf BVerwG 16.3.1989, 4 C 25/26 = ZfB 1989, 210 ff. und die vom BVerwG entschiedene verfassungsrechtlich zulässige Grenze von 70 dB(A) tags und 60 dB(A) nachts oberhalb derer unter Summierung aller Lärmquellen der Bereich einer kritischen Gesundheitsgefährdung erreicht wird: BVerwG 9.11.2006, 4 A 2001/06, BVerwGE 127, 95, 135 Rn. 122 und BVerwG 16.3.2006, 4 A 1075/04, BVerwGE 125, 116 Rn. 391. 70 In NRW etwa sind Binnenhäfen in der Ordnungsbehördlichen Verordnung über den Verkehr und den Güterumschlag in Häfen (Allgemeine Hafenverordnung – AHVO) vom 8.1.2000 (GV NRW S. 34) geregelt. 71 BT-Drs. 8/1315, S. 75; dazu, dass der Regelung in § 2 Abs. 4 Nr. 5 keine Rückwirkung auf nach dem ABG zulässigerweise unter Bergrecht zugelassene Rohrleitungen zukommt: VG Düsseldorf 5.7.1983, 3 K 3865/79 = ZfB 1983, 446, 450 f. 45

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§2

Erster Teil – Einleitende Bestimmungen

gen, die dem Anwendungsbereich des Gesetzes unterliegen und Leitungen, die dem Anwendungsbereich des Gesetzes nicht unterliegen, bestimmt sich aber nicht nach der Länge der Leitung, sondern nach dem Abnehmer. Nicht dem Bergrecht unterliegt gemäß Absatz 4 Nr. 5 die Beförderung von Bodenschätzen, Nebengestein und sonstigen Massen in Rohrleitungen ab der Übergabestation, der Einleitung in eine Sammelleitung oder der letzten Messstation für den Ausgang, soweit die Leitung ausschließlich und unmittelbar der Abgabe an Dritte dient (Buchstabe a) oder sie zwar der Abgabe an Betriebe desselben Unternehmers – und damit nicht an Dritte – dient, diese Betriebe des Unternehmers aber nicht zum Aufsuchen, Gewinnen oder Aufbereiten von bergfreien oder grundeigenen Bodenschätzen bestimmt sind (Buchstabe b). Umgekehrt bedeutet dies, dass Rohrleitungen eines Bergwerksbetriebs, die den gemäß Absatz 1 Nr. 1 erforderlichen unmittelbaren betrieblichen Zusammenhang zum Aufsuchen, Gewinnen oder Aufbereiten aufweisen, bis zur Übergabestation, der Einleitstelle in eine Sammelleitung und der letzten Messstation für den Ausgang dem Bergrecht unterliegen. Auch nach diesen Schnittpunkten unterliegen Rohrleitungen dann – weiter – dem Bergrecht, wenn sie nicht der Abgabe an Dritte oder an einen nicht bergbaulichen Betrieb des Unternehmers dienen. Dies gilt unabhängig von der Länge der Rohrleitung. Damit erfasst der Geltungsbereich des Gesetzes sowohl betriebsinterne Leitungen auf dem Betriebsgelände als auch Feldleitungen und Sammelleitungen im Feld72 sowie Rohrfernleitungen im eigentlichen Sinne, sofern und solange diese entweder der Verbindung von Aufsuchungs-, Gewinnungs- oder Aufbereitungsbetrieben desselben Unternehmers oder der Abgabe von Stoffen an andere Umweltmedien aber nicht an Dritte dienen. 41 Die Zulassung von Rohrleitungen innerhalb des Betriebsgeländes erfolgt im Betriebsplanverfahren. Einschlägig sind landesrechtliche bergbauspezifische Verordnungen, die Vorgaben für Rohrleitungen als bergbauliche Betriebseinrichtungen enthalten.73 Beim Transport wassergefährdender Stoffe in einer Rohrleitung eines Bergbaubetriebs sind zudem die materiellen Maßstäbe des § 62 Abs. 1 WHG im Betriebsplanzulassungsverfahren zu beachten. Ein zusätzliches wasserrechtliches Genehmigungserfordernis für Rohrleitungen zum Transport wassergefährdender Stoffe, wie früher in § 19a WHG i.d.F. des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Wasserhaushaltsgesetzes vom 6.8.1964 geregelt, existiert seit der zum 3.8.2001 in Kraft getretenen Änderung des Wasserhaushaltsgesetzes nicht mehr. Nummer 19.3 der Anlage 1 des UVPG ist mit einem daraus resultierenden Planfeststellungs- oder Plangenehmigungserfordernis gemäß § 65 UVPG nicht einschlägig für Rohrleitungen, die den Bereich des Werksgeländes nicht überschreiten.74 42 Auch außerhalb des Betriebsgeländes unterliegen Rohrleitungen dem Betriebsplanverfahren, wenn sie rein bergbaulichen Zwecken dienen. Dies gilt zum einen für Rohrleitungen, die ausschließlich der Abgabe an andere Betriebe desselben Unternehmers dienen, die zum Aufsuchen, Gewinnen oder Aufbereiten von bergfreien oder grundeigenen Bodenschätzen bestimmt sind. Dies gilt zum anderen für Rohrleitungen, die überhaupt nicht der Abgabe an andere Unternehmen, sondern der Abgabe an die Umwelt dienen, etwa für Rohrleitungen zur Einleitung betrieblich anfallender Wässer in Gewässer. Das für betriebliche Rohrleitungen erforderliche Betriebsplanverfahren ist dann, wenn die Rohrleitung ein UVP-pflichtiges Vorhaben darstellt, gemäß § 52 Abs. 2a als Planfeststellungsverfahren durchzuführen. Dies gilt für Wassertransportleitungen der Tagebauentwässerung sowie Leitungen zum Fortleiten von salzhaltigen Wässern aus der Gewinnung und Aufbereitung von Kali- und Steinsalz einschließlich solcher aus Kalihalden unter den Voraussetzungen des § 1 Nr. 6 UVP-V Bergbau; dazu Anhang zu § 57c UVP-V Bergbau, § 1 Rn. 39 ff. Sonstige betriebliche Rohrleitungen sind gemäß § 1 Nr. 9 UVP-V Bergbau nach den Vorgaben der Anlage 1 des UVPG auf ihre UVP-Pflicht zu prüfen; dazu Anhang zu § 57c UVP-V Bergbau, 72 BT-Drs. 8/1315, S. 76. 73 Vgl. etwa Teil 8 der Bergverordnung für Tiefbohrungen, Untergrundspeicher und für die Gewinnung von Bodenschätzen durch Bohrungen im Land Nordrhein-Westfalen (BVOT) vom 31.10.2006. 74 Zur Abgrenzung zwischen Leitungen, die den Bereich des Werksgeländes nicht überschreiten und daher Rohrleitungen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen darstellen auf der einen Seite und Rohrleitungen zum Befördern von Stoffen außerhalb des Werksgeländes auf der anderen Seite: Keienburg/Neupert 3R 2013, Heft 10, 32 f. Keienburg/Wiesendahl

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Erster Teil – Einleitende Bestimmungen

§2

§ 1 Rn. 58. Einschlägig sein können die Kriterien der Nummern 19.3 bis 19.8 und 19.10 der Anlage 1 des UVPG für bergbauliche Rohrleitungen. Rohölleitungen etwa sind, da Rohöl einen wassergefährdenden Stoff i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 2 RohrFLtgV darstellt, nach den Kriterien der Nummer 19.3 der Anlage 1 des UVPG darauf zu prüfen, ob sie eine Umweltverträglichkeitsprüfung erfordern. Erdgasleitungen – als bergbaubetriebliche Einrichtungen – sind ggf. ebenfalls nach den Kriterien der Nummer 19.3 der Anlage 1 des UVPG und anderenfalls nach Nummer 19.5 der Anlage 1 des UVPG auf die Verpflichtung zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu prüfen. Nummer 19.2 der Anlage 1 des UVPG kann dagegen auf bergbaubetriebliche Rohrleitungen keine Anwendung finden, da Nummer 19.2 der Anlage 1 des UVPG nur auf Gasversorgungsleitungen i.S.d. EnWG anwendbar ist, d.h. auf Leitungen zum Zwecke der öffentlichen Gasversorgung, worum es sich bei Leitungen, die einem Bergbaubetrieb dienen, nicht handelt. Erdgasleitungen eines Bergbaubetriebs können mittelbar auf die öffentliche Gasversorgung gerichtet sein, sind aber im Wesentlichen durch ihre Zweckbestimmung als dienende Einrichtung eines Bergbaubetriebs gekennzeichnet und daher keine Gasversorgungsleitungen i.S.d. EnWG. Erfordert eine bergbaulichen Zwecken dienende Rohrleitung eine Umweltverträglichkeitsprü- 43 fung und damit eine bergrechtliche Planfeststellung, bedarf es eines zusätzlichen Planfeststellungsoder Plangenehmigungsverfahrens nach den tatbestandlich ggf. ebenfalls einschlägigen Regelungen des § 65 Abs. 1 UVPG oder des § 4 Abs. 1 Satz 1 KSpG nicht, da dem bergrechtlichen Planfeststellungsverfahren gemäß § 57b Abs. 3 Satz 1 Vorrangwirkung zukommt; vgl. § 57b Rn. 59. Die bergrechtliche Planfeststellung konzentriert erforderliche Planfeststellungen nach anderen Rechtsgebieten; vgl. § 57a Rn. 40. Bedarf eine Rohrleitung dagegen gespiegelt an den Schwellenwerten der Nummern 19.3 bis 19.8 und 19.10 der Anlage 1 des UVPG keiner Umweltverträglichkeitsprüfung, ist kein bergrechtliches Planfeststellungsverfahren durchzuführen. Die Rohrleitung bedarf dann ggf. eines Plangenehmigungsverfahrens nach § 65 Abs. 2 Satz 1 UVPG oder eines Planfeststellungs- oder Plangenehmigungsverfahrens nach § 4 Abs. 1 Satz 1. Da sowohl einem Planfeststellungsverfahren als auch einem Plangenehmigungsverfahren Konzentrationswirkung zukommt,75 wird von diesen Verfahren eine herkömmliche bergrechtliche Betriebsplanzulassung, die außerhalb eines bergrechtlichen Planfeststellungsverfahrens ergeht, konzentriert. Eine Vorrangregelung des herkömmlichen Betriebsplanverfahrens gegenüber einem Plangenehmigungsverfahren gemäß § 65 Abs. 2 UVPG oder gegenüber einem Planfeststellungs- oder Plangenehmigungsverfahren gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 existiert nicht. Daher sind diese Verfahren, wenn sie durchzuführen sind, vorrangig vor dem Bergrecht und konzentrieren die bergrechtliche Betriebsplanzulassung.76 Ein herkömmliches bergrechtliches Betriebsplanverfahren – in Abgrenzung zum bergrechtlichen Planfeststellungsverfahren – ist ohne Verdrängung durch ein Planfeststellungs- oder Plangenehmigungsverfahren nach § 65 Abs. 2 UVPG bzw. §§ 4 Abs. 1 Satz 1 KSpG dann durchzuführen, wenn entweder keine Stoffe i.S.d. Nummern 19.3 bis 19.8 oder 19.10 der Anlage 1 des UVPG transportiert werden sollen oder das Vorhaben von unwesentlicher Bedeutung i.S.d. § 65 Abs. 2 Satz 2 und 3 UVPG bzw. des § 4 Abs. 2 Satz 1 KSpG i.V.m. § 74 Abs. 7 VwVfG ist.

III. Konversion Einem Bergbaubetrieb dienende Einrichtungen i.S.d. Absatzes 1 Nr. 3, die unter dem Regime des 44 Bergrechts zugelassen wurden, können diese Zugehörigkeit nachträglich verlieren. Denkbar ist, dass ein Bergbaubetrieb stillgelegt und eine zugehörige Einrichtung für andere – nicht bergbauliche – Zwecke weitergenutzt wird. Denkbar ist ebenso, dass ein Bergbaubetrieb zwar weiterbetrie75 Zur Konzentrationswirkung eines Planfeststellungsbeschlusses vgl. § 57a Rn. 40 m.w.N.; zur Konzentrationswirkung einer Plangenehmigung: Stelkens/Bonk/Sachs/Neumann VwVfG, § 74 Rn. 251 f.; Kopp/Ramsauer VwVfG, § 74 Rn. 222; Knack/Henneke/Schink VwVfG, § 74 Rn. 276; Ronellenfitsch/Bader/Kämper VwVfG, § 74 Rn. 138; Ziekow VwVfG, § 74 Rn. 74. 76 Keienburg/Neupert 3R 2013, Heft 04–05, 44, 45. 47

Keienburg/Wiesendahl

§3

Erster Teil – Einleitende Bestimmungen

ben, aber die Zwecksetzung einer einzelnen, ursprünglich dem Bergbau dienenden Einrichtung geändert und diese für andere – nicht bergbauliche – Zwecke weiterverwendet wird. In beiden Fällen liegt eine tatsächliche Nutzungsänderung vor. Die vorhandene Einrichtung ist darauf zu überprüfen, ob sie auch unter Berücksichtigung der veränderten Nutzungsbedingungen – etwa veränderte Nutzungszwecke von Gebäuden oder veränderte Stoffe, die durch eine Rohrleitung transportiert werden sollen – ordnungsgemäß betrieben werden kann; dies bedarf einer behördlichen Zulassung, die aufgrund Beendigung der Zugehörigkeit der Einrichtung zu einem Bergbaubetrieb nicht im Betriebsplanzulassungsverfahren erteilt werden kann, sondern in dem für die Anlage ohne Bergbaubezug anzuwendenden Verfahren. Dabei kann insoweit, als die Anlage keine Änderung erfährt, von den behördlichen Feststellungen im früheren Betriebsplanverfahren Kredit genommen werden; der Bestandsschutz einer bergbaulichen Anlage geht durch ihre Überführung in ein neues Rechtsregime nur soweit verloren, als die Änderung reicht.77 Anders stellt sich dies dar, wenn nicht die tatsächliche Nutzung einer Anlage verändert wird, 45 sondern der Unternehmer eines Bergbaubetriebs wechselt und dadurch eine ursprünglich dem Bergrecht zugeordnete Einrichtung kraft Gesetzes ihre Zuordnungsfähigkeit zum Bergrecht verliert. Dies tritt ein, wenn der Unternehmer einen von zwei Bergbaubetrieben, die durch eine Rohrleitung verbunden sind, veräußert; die Rohrleitung erfüllt dann die Tatbestandsvoraussetzungen des Absatzes 4 Nr. 5 und hätte damit – bei gleicher Sachlage bereits im Zeitpunkt der Zulassungsentscheidung – bergrechtlich nicht zugelassen werden können. Ein entsprechender Fall tritt ein, wenn Bodenschätze von dem die Gewinnung durchführenden Unternehmer nicht im unmittelbaren räumlichen aber im unmittelbaren betrieblichen Zusammenhang aufbereitet wurden und der Unternehmer den Aufbereitungsbetrieb später an einen anderen veräußert; dann sind die Tatbestandsvoraussetzungen einer dem Bergrecht unterfallenden Aufbereitung i.S.d. § 4 Abs. 3 nicht mehr erfüllt. Beide Fälle gründen allein auf einer rechtlichen Veränderung aufgrund formellen Unternehmerwechsels. Kann eine Anlage nach einem Unternehmerwechsel nicht mehr unter Bergrecht betrieben werden, weil die erforderliche bergrechtliche Zuordnung entfallen ist, kann und muss der Unternehmerwechsel mangels bergbehördlicher Zuständigkeit nicht bergrechtlich zugelassen werden. Die Anlage ist über ein Anzeigeverfahren in das nach Wegfall des bergrechtlichen Bezugs einschlägige Rechtsregime – etwa im Fall einer Kokerei das Immissionsschutzrecht, das keine subjektiven Zulassungsvoraussetzungen normiert – zu überführen. Einer neuen Genehmigung der tatsächlich unveränderten Anlage bedarf es nicht. Der Bestandsschutz der Genehmigung geht durch einen bloßen Unternehmerwechsel nicht verloren.78

§3 Bergfreie und grundeigene Bodenschätze (1) Bodenschätze sind mit Ausnahme von Wasser alle mineralischen Rohstoffe in festem oder flüssigem Zustand und Gase, die in natürlichen Ablagerungen oder Ansammlungen (Lagerstätten) in oder auf der Erde, auf dem Meeresgrund, im Meeresuntergrund oder im Meerwasser vorkommen. (2) Grundeigene Bodenschätze stehen im Eigentum des Grundeigentümers. Auf bergfreie Bodenschätze erstreckt sich das Eigentum an einem Grundstück nicht. (3) 1Bergfreie Bodenschätze sind, soweit sich aus aufrechterhaltenen alten Rechten (§§ 149 bis 159) oder aus Absatz 4 nichts anderes ergibt: 77 Vgl. aber zur potentiellen Reichweite einer Nutzungsänderung mit der Folge der Genehmigungsunfähigkeit: OVG Münster 20.4.1988, 7 A 2258/86 = ZfB 1990, 29 ff. und zuvor VG Köln 29.7.1986, 2 K 5684/85 = ZfB 1988, 201 ff.; zur Nutzungsänderung ebenfalls: VG Saarlouis 12.3.1992, 2 K 144/90 = ZfB 1993 300, 306. 78 So für den umgekehrten Fall der Überleitung eines wasserrechtlichen Planfeststellungsbeschlusses für eine Nassauskiesung in das Bergrecht nach Feststellung der Bergfreiheit der gewonnenen Kiese: OVG Koblenz 5.10.2010, 1 A 10698/09 = ZfB 2011, 119, 126 f. von Hammerstein https://doi.org/10.1515/9783110709285-014

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Erster Teil – Einleitende Bestimmungen

§3

Actinium und die Actiniden, Aluminium, Antimon, Arsen, Beryllium, Blei, Bor, Caesium, Chrom, Eisen, Francium, Gallium, Germanium, Gold, Hafnium, Indium, Iridium, Kadmium, Kobalt, Kupfer, Lanthan und die Lanthaniden, Mangan, Molybdän, Nickel, Niob, Osmium, Palladium, Phosphor, Platin, Polonium, Quecksilber, Radium, Rhenium, Rhodium, Rubidium, Ruthenium, Scandium, Schwefel, Selen, Silber, Strontium, Tantal, Tellur, Thallium, Titan, Vanadium, Wismut, Wolfram, Yttrium, Zink, Zinn, Zirkonium – gediegen und als Erze außer in Raseneisen-, Alaun- und Vitriolerzen –; Lithium; Kohlenwasserstoffe nebst den bei ihrer Gewinnung anfallenden Gasen; Stein- und Braunkohle nebst den im Zusammenhang mit ihrer Gewinnung auftretenden Gasen; Graphit; Stein-, Kali-, Magnesia- und Borsalze nebst den mit diesen Salzen in der gleichen Lagerstätte auftretenden Salzen; Sole; Flußspat und Schwerspat. 2 Als bergfreie Bodenschätze gelten: 1. alle Bodenschätze im Bereich des Festlandsockels und, 2. soweit sich aus aufrechterhaltenen alten Rechten (§§ 149 bis 159) nichts anderes ergibt, a) alle Bodenschätze im Bereich der Küstengewässer sowie b) Erdwärme und die im Zusammenhang mit ihrer Gewinnung auftretenden anderen Energien (Erdwärme). (4) Grundeigene Bodenschätze im Sinne dieses Gesetzes sind nur, soweit sich aus aufrechterhaltenen alten Rechten (§§ 149 bis 159) nichts anderes ergibt: 1. Basaltlava mit Ausnahme des Säulenbasaltes; Bauxit; Bentonit und andere montmorillonitreiche Tone; Dachschiefer; Feldspat, Kaolin, Pegmatitsand; Glimmer; Kieselgur; Quarz und Quarzit, soweit sie sich zur Herstellung von feuerfesten Erzeugnissen oder Ferrosilizium eignen; Speckstein, Talkum; Ton, soweit er sich zur Herstellung von feuerfesten, säurefesten oder nicht als Ziegeleierzeugnisse anzusehenden keramischen Erzeugnissen oder zur Herstellung von Aluminium eignet; Traß; 2. alle anderen nicht unter Absatz 3 oder Nummer 1 fallenden Bodenschätze, soweit sie untertägig aufgesucht oder gewonnen werden.

Übersicht f)

I.

Vorbemerkungen

II.

Bodenschätze (Absatz 1)

III.

Bergfreie Bodenschätze (Absatz 2 Satz 2 und Absatz 3 Satz 1) 8 Geschichtlicher Rückblick 10 Geltendes Recht Katalog der bergfreien Rohstoffe (Ab12 satz 3) Einzelne bergfreie Rohstoffe (Absatz 3 Satz 1) a) Erste Gruppe (Actinium bis Zirko13 nium) 19a b) Lithium 20 c) Kohlenwasserstoffe 24 d) Stein- und Braunkohle, Graphit 28 e) Salze, Sole

1. 2. 3. 4.

49

1 3

IV. 1. 2.

V. 1. 2. 3.

Flussspat, Schwerspat

31

Als bergfrei geltende Bodenschätze (Absatz 3 Satz 2) 33 Festlandsockel, Küstengewässer Erdwärme 36 a) Allgemeines 40 b) Begriff der Erdwärme Grundeigene Bodenschätze (Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4) 60 Allgemeines Katalog der grundeigenen Bodenschätze (Ab63 satz 4 Nr. 1) Untertägige Aufsuchung und Gewinnung (Ab78 satz 4 Nr. 2)

von Hammerstein

§3

Erster Teil – Einleitende Bestimmungen

I. Vorbemerkungen 1 § 3 ist eine der Kernbestimmungen des BBergG. Mit den Legaldefinitionen der bergfreien und grundeigenen Bodenschätze konkretisiert die Vorschrift den in § 2 normierten Anwendungsbereich des Gesetzes und bestimmt zugleich den rechtlichen Unterschied zwischen beiden Gruppen von Bodenschätzen. Diejenigen Bodenschätze, auf deren Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung das Bergrecht anwendbar ist, müssen benannt werden, weil anders als in frühen Gesetzentwürfen1 nicht alle Bodenschätze dem BBergG unterfallen. Der Gesetzgeber hielt es für zweckmäßig und geboten, Abgrabungen zum Gewinnen von Steinen und Erden, insbesondere von Kies, Sand, Bims, Ton und Torf, nur dem Wasser- und Landschaftspflegerecht sowie dem Baurecht zu unterwerfen. Das Schwergewicht der Prüfung, ob eine beabsichtigte Abgrabung mit den Belangen des Gemeinwohls vereinbar ist, liegt, wie der Bundesrat in seiner Stellungnahme zu dem ersten Regierungsentwurf ausführte, eindeutig im Bereich des Wasser-, Bau- und Landschaftspflegerechts und weniger in dem des Bergrechts.2 Damit trug der Gesetzgeber auch dem Subsidiaritätsgebot des Art. 72 Abs. 2 GG a.F. Rechnung, denn vor der Föderalismusreform 2006 hatte der Bund für das Recht des Naturschutzes, der Landschaftspflege und des Wasserhaushalts nur die Rahmengesetzgebungskompetenz. Innerhalb des durch das BNatSchG a.F. und das WHG a.F. gesetzten Rahmens hatten die Länder in diesen Rechtsbereichen einen eigenen legislativen Gestaltungsspielraum. 2 Die Regelung in § 3 hat zur Folge, dass es neben den von diesem Gesetz erfassten „bergfreien und grundeigenen Bodenschätzen“ mit den sog. Grundeigentümerbodenschätzen3 eine weitere Kategorie von Bodenschätzen gibt. Deren Abbau wird häufig als Abgrabung bezeichnet. Er wird – abgesehen von § 42 (Mitgewinnung) – durch das Bergrecht nicht berührt. Die Aufsuchung und Gewinnung von Grundeigentümerbodenschätzen richtet sich privatrechtlich nach den allgemeinen Vorschriften des Sachenrechts, insbesondere den Bestimmungen über das Eigentum, §§ 903 ff. BGB. Öffentlich-rechtlich unterliegen Abgrabungen den einschlägigen Vorschriften des Bau-, Naturschutz-, Landschaftsschutz-, Wasser- und Immissionsschutzrechts und, soweit vorhanden, speziellen Landesabgrabungsgesetzen (Brandenburg: BbgBauAV, Bayern: BayAbgrG und Nordrhein-Westfalen: Abgrabungsgesetz). Sonderregelungen privatrechtlicher Natur können die Länder für die Aufsuchung und Gewinnung der nicht vom BBergG erfassten Grundeigentümerbodenschätze nur nach Art. 68 EGBGB treffen. Die Ausnahmemöglichkeit nach Art. 67 EGBGB gilt nur für das Bergrecht, und das ist inzwischen abschließend im BBergG geregelt. Zu den nicht dem Bergrecht unterfallenden Grundeigentümerbodenschätzen gehören Kiese und Sande, Natur- und Naturwerksteine, Kalk-, Kalkmergel- und Dolomitsteine, Gips und Anhydrit, Bims, Ton u.a.m., solange sie übertägig (sonst grundeigen nach § 3 Abs. 4 Nr. 2) und nicht auf dem Festlandsockel oder im Bereich der Küstengewässer (sonst bergfrei nach § 3 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 und 2 Nr. 1 Buchst. a)) gewonnen werden.4 Für die Erkundung des Untergrundes auf seine Eignung zur Einrichtung eines Endlagers für 2a hochradioaktive Abfälle nach dem Standortauswahlgesetz ist § 3 gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 StandAG entsprechend anzuwenden (vgl. Vorb. zu §§ 50 bis 57e, Rn. 47 ff.).

II. Bodenschätze (Absatz 1) 3 § 3 Abs. 1 definiert den Begriff „Bodenschätze“. Während die vor Erlass des BBergG geltenden Berggesetze der Länder für die dem Bergrecht unterliegenden Bodenbestandteile die Bezeichnung „Mineralien“ verwendeten, hat sich seit Erlass der ersten reichsrechtlichen Vorschriften mit berg1 Nach § 1 des RegE 1975 sollte das Berggesetz für das Aufsuchen, Gewinnen und Aufbereiten aller Bodenschätze Geltung haben. In § 3 RegE 1975 waren daher lediglich die dem Grundeigentum entzogenen (bergfreien) Bodenschätze besonders aufgeführt, während alle übrigen als grundeigene Bodenschätze bezeichnet wurden. 2 BR-Drs. 350/75. 3 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 3 Rn. 70; Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht, Rn. 61. 4 Müller/Schulz Handbuch Recht der Bodenschätzegewinnung, Rn. 16. von Hammerstein

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Erster Teil – Einleitende Bestimmungen

§3

rechtlichem Inhalt das Wort „Bodenschätze“ durchgesetzt. Das gilt beispielsweise für das Gesetz zur Erschließung von Bodenschätzen vom 1.12.1936,5 die Verordnung zur Sicherung der Gewinnung von Bodenschätzen vom 28.2.19396 und die Verordnung über die Aufsuchung und Gewinnung mineralischer Bodenschätze vom 31.12.1942.7 Mit dem Begriff „Bodenschatz“ sollten neben den Mineralen auch ähnliche Stoffe, z.B. Erdöl und Erdgas, sowie Steine und Erden erfasst werden und zwar unabhängig davon, ob es sich um wirtschaftlich mehr oder weniger wertvolle Bestandteile des Grund und Bodens handelte.8 Der Bundesgesetzgeber hat sich für das BBergG ebenfalls für den Begriff „Bodenschatz“ entschieden, und zwar ist er davon ausgegangen, dass es sich dabei um einen Oberbegriff handelt, der alle im früheren Recht verwendeten Bezeichnungen umfasst.9 Nach der Definition in § 3 Abs. 1 sind Bodenschätze solche Bodenbestandteile, die als mine- 4 ralische Rohstoffe bezeichnet werden können sowie Gase. Das Wort „Rohstoff“ ist im allgemeinen Sprachgebrauch eine Sammelbezeichnung für die Grundstoffe pflanzlicher oder mineralischer Herkunft, die zur Weiterbearbeitung oder -verarbeitung bestimmt sind.10 „Mineralische Rohstoffe“ sind unbearbeitete Naturerzeugnisse mineralischer Herkunft, die im Produktionsprozess einer Umwandlung unterliegen, indem sie entweder verbraucht werden – z.B. durch Verbrennung – oder stofflich in ein Zwischen- oder Fertigprodukt eingehen.11 Dazu gehören natürliche Brennstoffe, Erze der Eisen- und Nichteisenmetalle und nichtmetallische mineralische Rohstoffe.12 Ob es wertlose in der Erdkruste vorkommende Stoffe gibt, die in Ermangelung eines bestimmten Handels- oder Marktwerts keine mineralischen Rohstoffe sind,13 erscheint angesichts des vom Gesetzgeber angestrebten weiten Begriffs der Bodenschätze zweifelhaft. Die Frage dürfte in der Praxis aber nicht relevant werden, weil an der Aufsuchung und Gewinnung derartiger Stoffe kein Interesse besteht. Eine Aufsuchung oder Gewinnung indiziert vielmehr, dass die betroffenen Stoffe für den Unternehmer werthaltig sind. Fossilien sind keine Bodenschätze.14 Unerheblich für die Subsumtion unter den Begriff Bodenschatz ist nach Absatz 1 der Aggregatzustand eines Stoffes. Stoffe in gasförmigem Zustand werden allgemein von der Bezeichnung „Gase“ erfasst. Der Umstand, dass Mineralien in Gemengen und Gase in Gemischen vorkommen, berührt ihre Eigenschaft als Bodenschatz nicht.15 Um die Möglichkeit einer Überschneidung mit dem Wasserrecht auszuschließen, ist das Was- 5 ser ausdrücklich von dem Begriff des Bodenschatzes ausgenommen. Soweit sich Vorschriften dieses Gesetzes auch auf andere als bergfreie oder grundeigene Bodenschätze beziehen, u.a. § 42, finden sie demnach auf das Wasser keine Anwendung. Dieses unterliegt vielmehr den wasserrechtlichen Bestimmungen. Die Ausnahme vom Begriff „Bodenschatz“ bedeutet andererseits nicht auch den Ausschluss von Bodenschätzen, die ihrerseits Wasser enthalten oder in gelöster Form vorkommen, z.B. Sole einschließlich Thermalsole.16 Seit der Neuregelung in 2021 gilt dies auch für Lithium, wenn es nicht als Erz oder in gediegener Form, sondern in gelöster Form bei Tiefenwässern angetroffen wird (vgl. Rn. 19a). Heilwässer, die Mineralstoffe in gelöster Form enthalten, sind keine Bodenschätze im Sinne des § 3 Abs. 1. 5 RGBl. I S. 999. 6 RGBl. I S. 281. 7 RGBl. I 1943 S. 17. 8 Thielmann Glückauf 1948, 523. 9 BT-Drs. 8/1315, S. 78. 10 Römpps/Neumüller Chemie-Lexikon, S. 3614. 11 Der Große Knaur Bd. 3 (1967); Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 3 Rn. 5. 12 Vgl. die Übersicht über nutzbare mineralische Rohstoffe bei Lueger Lexikon des Bergbaus, S. 668 ff.; Piens/Schulte/ Graf Vitzthum BBergG, § 3 Rn. 5.

13 So Boldt/Weller 1. Auflage, § 3 Rn. 4 unter Verweis auf Fettweis Kalender für Berg Hütte Energie 1980, S. 73; Weller/ Kullmann § 3 Rn. 1; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 3 Rn. 5.

14 BVerwG 21.11.1996, 4 C 33/94, BVerwGE 102, 260, 268 = ZfB 1997, 36; OLG Frankfurt 27.6.2014, 12 U 42/13, juris, Rn. 91; Weller/Kullmann § 3 Rn. 1. 15 BT-Drs. 8/1315, S. 78. 16 BT-Drs. 8/1315, S. 78; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 3 Rn. 51. 51

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§3

Erster Teil – Einleitende Bestimmungen

Als weitere Voraussetzung für die Eigenschaft eines Bodenschatzes im Sinne des Bergrechts verlangt § 3 Abs. 1, dass der betreffende Stoff in natürlichen, also nicht durch Menschenhand künstlich geschaffenen Ablagerungen oder Ansammlungen vorkommt.17 Um auch das Aufsuchen und Gewinnen mineralischer Rohstoffe in alten Halden, also künstlichen Ansammlungen, dem Bergrecht zu unterstellen, ist daher die Sonderregelung des § 128 erforderlich. Zu den Bodenschätzen gehören hiernach auch Stoffe, die durch natürliche Vorgänge von ihrem Ursprungsort entfernt wurden und sich in einer zweiten Ablagerung wieder von selbst angesammelt haben. Dies betrifft z.B. flüssige und gasförmige Kohlenwasserstoffe und auch sog. Seifenlagerstätten, d.h. durch Verwitterung oder Erosion gebildete abbauwürdige Konzentrationen von Mineralien (Detritus) in Geröll- und Sandablagerungen. Der Stoff muss zudem eine Verbindung mit der Erdrinde, also dem Boden, dem Meeresgrund oder dem Meeresuntergrund, haben. 7 Den Bodenschätzen ausdrücklich gleichgestellt werden Stoffe, die im Meerwasser vorkommen, um auch Meeresressourcen nutzbar zu machen. Dabei ist das Meerwasser nur im deutschen Hoheitsbereich, d.h. innerhalb der Küstengewässer, erfasst. Außerhalb dieses Hoheitsbereichs gilt das BBergG nach § 2 Abs. 3 Satz 1 nur für Tätigkeiten in Bezug auf den deutschen Festlandsockel, also nur für den Meeresgrund und -untergrund. Bei Erlass des BBergG verfügte die Bundesrepublik außerhalb ihres Hoheitsgebietes auch nicht über Hoheitsrechte in Bezug auf das Meerwasser, so dass der Geltungsbereich dieses Gesetzes von vornherein entsprechend eingeschränkt wurde.18 Seitdem am 16.11.1994 das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen vom 10.12.1982 (SRÜ)19 in Kraft trat, bestehen für den Bereich der (neugeschaffenen) deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone Hoheitsrechte auch in Bezug auf das Meereswasser über dem Meeresboden.20 Der räumliche Anwendungsbereich des BBergG wurde jedoch nicht entsprechend erweitert. Eine Anlage, die der Extraktion von Stoffen aus dem Meerwasser in der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone dient, unterliegt damit nicht dem BBergG. Sie wäre als eine anderen wirtschaftlichen Zwecken dienende Anlage im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SeeAnlG anzusehen und folglich nach § 2 Abs 1 SeeAnlG planfeststellungsbedürftig.

6

III. Bergfreie Bodenschätze (Absatz 2 Satz 2 und Absatz 3 Satz 1) 1. Geschichtlicher Rückblick 8 Das deutsche Bergrecht war seit seinen Anfängen dadurch gekennzeichnet, dass bestimmte Bodenschätze vom Verfügungsrecht des Grundeigentümers ausgeschlossen wurden. Diese Rechtsentwicklung hatte ihren Ursprung im Bergregal, d.h. in der zunächst vom Kaiser und später von den Landesherren in Anspruch genommenen Befugnis, ausschließlich über die als besonders bedeutsam geltenden Bodenschätze zu verfügen. Dazu gehörten ursprünglich vor allem Edelmetalle und Salze. Später wurde der Kreis der regalen Minerale entsprechend dem jeweiligen Stand der Erkenntnis über Wert und Nutzen einzelner Bodenschätze erweitert, wobei neben sämtlichen Metallen in einigen Gegenden auch bereits die Steinkohle einbezogen wurde.21 Die Landesherren übten in der Regel ihr Abbaurecht nicht selbst aus, sondern überließen es gegen Entgelt bergbauwilligen Privatpersonen. Dies war ein Ausfluss der Freierklärung des Bergbaus.22 Unter „Freier17 BT-Drs. 8/1315, S. 74. Daher sind Pflastersteine selbst dann kein Bodenschatz, wenn sie viele Jahre unentdeckt zur Verfüllung einer Grundstücksvertiefung gedient haben, FG Münster 17.2.1997, 13 K 5055/94, EFG 1997, 612.

18 BT-Drs. 8/1315, S. 78. 19 BGBl. II 1994 S. 1799. Das Übereinkommen wurde durch das Vertragsgesetz Seerechtsübereinkommen ratifiziert und ist am 16.11.1994 in Kraft getreten.

20 Vgl. Art. 56 SRÜ. 21 Zum Umfang des Bergregals vgl. Turner Das bergbauliche Berechtsamswesen, S. 14 ff.; Willecke/Turner Grundriß des Bergrechts, S. 11 ff.; Willecke/Turner ZfB 1968, 255, 265 ff. 22 Westhoff/Schlüter ZfB 1909, 47. von Hammerstein

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klärung“ verstand man das von dem Regalherrn für jedermann ausgesprochene Recht, auch unter fremdem Grund und Boden nach Maßgabe der vom Regalherrn vorgeschriebenen Bedingungen Bergbau auf regale Minerale zu betreiben.23 Das Bergregal wurde um die Mitte des 19. Jahrhunderts abgeschafft und durch das Prinzip der Bergbaufreiheit ersetzt, das vor allem im Allgemeinen Berggesetz für die Preußischen Staaten (ABG) vom 24.6.186524 und den im Anschluss daran von anderen Ländern erlassenen Berggesetzen seinen Niederschlag fand. Nach diesem System war das Schürfen, d.h. das planmäßige Suchen nach bergbaufreien Mineralen, jedem gestattet, und die Entdeckung eines bauwürdigen Vorkommens führte zu einem Rechtsanspruch gegen den Staat auf Verleihung des Bergwerkseigentums. Bei den bergbaufreien, vom Grundeigentum ausgeschlossenen Bodenschätzen handelte es sich im Wesentlichen um dieselben, die früher zum Bergregal gehört hatten. Später wurden noch weitere Bodenschätze vom Verfügungsrecht des Grundeigentümers ausgenommen, wenn die betreffenden Bodenschätze größere volkswirtschaftliche Bedeutung gewonnen hatten. So wurden beispielsweise in Preußen durch die Erdölverordnung vom 13.12.193425 Erdöl und Erdgas den Grundeigentümern entzogen. In der Bundesrepublik wurden in den Jahren seit 1949 in fast allen Bundesländern Wolfram, Molybdän, Wismut, Titan, Vanadium, Chrom, Uran- und Thoriumerze vom Grundeigentum ausgeschlossen.26 In der Deutschen Demokratischen Republik wurden die meisten Bodenschätze und Berg- 9 werke durch Enteignungsgesetze in Volkseigentum überführt und damit zugleich vom Grundeigentum getrennt.27 Das Berggesetz der DDR,28 kannte den Begriff der Bergfreiheit nicht, sondern es unterschied in § 3 zwischen Bodenschätzen (mineralische Rohstoffe, deren Nutzung von volkswirtschaftlicher Bedeutung ist) und anderen mineralischen Rohstoffen. Vergleiche hierzu und zur weiteren Rechtsentwicklung in den neuen Bundesländern nach der Herstellung der deutschen Einheit die Kommentierung zum EinigVtr. Rn. 7 ff.

2. Geltendes Recht § 3 Abs. 2 Satz 2 bestimmt, dass sich das Eigentum an einem Grundstück nicht auf die bergfreien 10 Bodenschätze erstreckt und modifiziert damit §§ 903 ff. BGB und insbesondere § 905 BGB. Bergfreie Bodenschätze sind hierdurch dem Verfügungsrecht des Grundeigentümers entzogen. Neben dieser negativen Festlegung fehlt ebenso wie in den außer Kraft getretenen Landesberggesetzen eine positive Aussage darüber, welchen rechtlichen Status die bergfreien Bodenschätze bis zu ihrer Gewinnung haben. Nach § 1 ABG NRW und den entsprechenden Vorschriften der Berggesetze anderer Länder waren bergbaufreie Bodenschätze lediglich „vom Verfügungsrecht des Grundeigentümers ausgeschlossen“. Diese Fassung gab vor Erlass des BBergG Veranlassung zu einem Meinungsstreit über die Eigentumsverhältnisse an bergfreien Bodenschätzen vor ihrem Abbau. So wurde die Ansicht vertreten, die bergfreien Mineralien seien „pars fundi“ und befänden sich daher bis zur Trennung vom Boden im Eigentum des Grundeigentümers, obwohl sie von seiner Verfügungsbefugnis ausgeschlossen seien.29 Nach anderer Auffassung wurde der Staat als Eigentümer der noch nicht gewonnenen bergbaufreien Bodenschätze angesehen.30 Nach überwiegender Meinung standen die bergbaufreien Bodenschätze aber auch nach früherem Bergrecht in nieman23 24 25 26 27

Arndt Zur Geschichte und Theorie des Bergregals und der Bergbaufreiheit, S. 59. PrGS. S. 705. GS. S. 93. Vgl. hierzu die Zusammenstellung bei Turner Das bergbauliche Berechtsamswesen, S. 26 ff. Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht, Rn. 50; vgl. auch die Zusammenstellung bei Krautschneider ZfB 1959, 160, 162. 28 Berggesetz der Deutschen Demokratischen Republik vom 12.5.1969 (GBl. I S. 29). 29 Achenbach Das gemeine deutsche Bergrecht, S. 97; Achenbach ZfB 1867, 77; Brassert/Gottschalk ABG, S. 7; Klostermann/Fürst/Thielmann ABG, § 1 Anm. 2 III; Westhoff/Schlüter/Hense ABG, § 1 Anm. 3. 30 Arndt Zur Geschichte und Theorie des Bergregals und der Bergbaufreiheit, S. 279. 53

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des Eigentum, galten also als herrenlos.31 Das BBergG hat durch den Wortlaut des Absatzes 2 Satz 2, der sich an die Fassung des Art. 1 BayBergG32 anlehnt, eindeutig klargestellt, dass ein Eigentumsrecht des Grundeigentümers an den bergfreien Bodenschätzen nicht in Betracht kommt. Der Gesetzgeber geht vielmehr, wie in der amtlichen Begründung an mehreren Stellen zum Ausdruck kommt, davon aus, dass die bergfreien Bodenschätze bis zu ihrer Aneignung durch den Gewinnungsberechtigten herrenlos sind.33 Dieser Auffassung ist zu folgen.34 Das BGB verwendet den Ausdruck „herrenlos“ zwar nur im Zusammenhang mit beweglichen Sachen, §§ 958 ff. BGB; es kennt aber auch die Dereliktion von Grundstücken (§ 928 BGB), die dadurch ebenfalls „herrenlos“ werden.35 Entgegen § 958 Abs. 1 BGB darf niemand bergfreie Bodenschätze einfach aufsuchen und sich aneignen. Dazu bedarf es nach § 6 einer Bergbauberechtigung. Hierin liegt ein gesetzliches Verbot i.S.d. § 958 Abs. 2 BGB. Wer ohne Berechtigung bergfreie Bodenschätze in Eigenbesitz nimmt, erwirbt an ihnen daher kein Eigentum.36 Indem § 3 Abs. 2 Satz 2 die bergfreien Bodenschätze dem Grundeigentum entzieht, bestimmt 11 er Inhalt und Schranken des Eigentums. Dies ist nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG grundsätzlich zulässig und stellt keine Enteignung dar.37 Bereits vor Erlass des BBergG wurde die Trennung der bergfreien Bodenschätze vom Grundeigentum überwiegend als Inhalts- und Schrankenbestimmung gemäß Art. 14 Abs. 2 Satz 1 GG angesehen.38 Die Beeinträchtigung der Eigentümerbefugnisse muss aber verhältnismäßig sein.39 Die Herausnahme der in § 3 Abs. 3 genannten Bodenschätze aus der Verfügungsbefugnis des Grundeigentümers erfüllt diese Anforderung. Sie dient der Sicherung der Rohstoffversorgung (vgl. § 1 Nr. 1) und beschränkt sich daher auf diejenigen Bodenschätze, denen im volkswirtschaftlichen Interesse an einer gesicherten Rohstoffversorgung eine besondere Bedeutung zukommt. Die Einschränkung des Kreises der dem Grundeigentümer belassenen Bodenschätze durch Gesetz wird in Rechtsprechung und Schrifttum zu Recht allgemein für zulässig gehalten.40 11a Verfassungsrechtlich problematisch ist allerdings die teilweise fehlende Bestimmtheit der in den Katalogen für bergfreie und grundeigene Bodenschätze verwendeten Begriffe. Das BBergG enthält keine gesetzlichen Begriffsdefinitionen zu den Bodenschätzen. Deshalb wird in der Praxis auf die tradierten Bezeichnungen der Vorgängergesetze zurückgegriffen. Das führt zu unterschiedlichen Verwaltungspraktiken und zu gesetzlich nicht legitimierten Abgrenzungskriterien der zuständigen Stellen in den Geologiebehörden der Bundesländer. Beispiele sind die von den Bergbehörden unterschiedlich gehandhabten Anforderungen an den Mindestsalzgehalt von Sole (vgl. Rn. 29) oder die uneinheitlichen und von den Ländern gelegentlich neu gefassten Abgrenzungskriterien für die Frage, wann ein Geothermievorkommen als Erdwärme anzusehen ist und daher als bergfreier Bodenschatz gilt (vgl. Rn. 43 ff.). Es fehlt an einer gesetzlichen Grundlage für eine amtliche Feststellung der Bodenschatzeigenschaft bei Zweifelsfällen. Diese Prüfung findet vielmehr inzident im Berechtsams- oder Betriebsplanverfahren statt. Die Praxis scheint mit diesen Rechtsunsicherheiten in den meisten Fällen pragmatisch umzugehen zu können, sieht man von der 31 32 33 34 35 36 37 38

Boldt ABG, § 1 Anm. 4; Ebel/Weller ABG, § 1 Anm. 3e; Miesbach/Engelhardt Bergrecht, S. 19; Zydek ZfB 1958, 179. Bayerisches Berggesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 10.1.1967 (GVBl. BY S. 185). BT-Drs. 8/1315, S. 77, 84, 85. Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht, Rn. 56. Turner Das bergbauliche Berechtsamswesen, S. 112. MüKo-BGB/Oechsler § 958 Rn. 7. Dürig/Herzog/Scholz/Papier/Shirvani GG, Art. 14 Rn. 539 ff.; Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht, Rn. 57. Vgl. hierzu die amtliche Begründung zum 2. Bergrechtsänderungsgesetz NRW vom 25.5.1954 = ZfB 1954, 276; BGH 2.12.1955, V ZR 75/54, BGHZ 19, 210 = ZfB 1955, 439; BVerwG 7.11.1959, I C 185.56 = ZfB 1960, 89, 93 mit Anmerkung von Zydek ZfB 1960, 97, 102; Miesbach/Engelhardt Bergrecht, S. 22; Krautschneider ZfB 1958, 176; Karpen AöR 1981, 21; nach anderer Meinung lag eine entschädigungslos hinzunehmende Sozialbindung des Eigentums vor, Kremer ZfB 1958, 412; Philipp ZfB 1963, 70. 39 BVerfG 14.7.1981, 1 BvL 24/78, BVerfGE 58, 137, 148; BVerfG 15.7.1981, 1 BvL 77/78, BVerfGE 58, 300, 346. 40 BVerfG 9.1.1991, 1 BvR 929/89, BVerfGE 83, 201, 212 = ZfB 1991, 104, 109 f.; BVerwG 24.6.1993, 7 C 36/92, 7 C 37/92, BVerwGE 94, 23, 27 = ZfB 1993, 203, 206; Dürig/Herzog/Scholz/Papier/Shirvani GG, Art. 14 Rn. 539 ff. m.w.N. von Hammerstein

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Diskussion um den Erdwärmebegriff ab. Da es aber gerade bei der Einstufung von bergfreien Bodenschätzen um die Abgrenzung von grundrechtlich geschützten Rechtspositionen des Grundstückseigentümers einerseits und des (potentiellen) Berechtsamsinhabers andererseits geht, wäre es aus verfassungsrechtlicher Sicht wünschenswert, wenn der Gesetzgeber für ein größeres Maß an Eindeutigkeit sorgen würde.

3. Katalog der bergfreien Rohstoffe (Absatz 3) Absatz 3 enthält eine abschließende Aufzählung der bergfreien Bodenschätze. Damit sind die 12 früheren landesrechtlichen Vorbehalte und regionalen Unterschiede entfallen. Eingeschränkt wird die Ausschließlichkeit dieser Bestimmung lediglich durch den im Einleitungssatz des Absatzes 3 enthaltenen Hinweis auf die §§ 149 ff. dieses Gesetzes. Nach § 150 Abs. 1 bleiben in § 3 Abs. 3 Satz 1 oder 2 Nr. 2 aufgeführte Bodenschätze, auf die sich ein aufrechterhaltenes Recht oder ein aufrechterhaltener Vertrag i.S. des § 149 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 oder 6 oder Abs. 3 bezieht, bis zum Erlöschen oder bis zur Aufhebung des Rechts oder Vertrages grundeigene Bodenschätze. Während der in § 3 Abs. 4 enthaltene Verweis auf die §§ 149 bis 159 Fälle betrifft, in denen ein an sich bergfreier Bodenschatz aufgrund der Übergangsvorschriften im Einzelfall noch im Grundeigentum verbleibt, dient der Verweis auf Absatz 4 ganz allgemein der Abgrenzung zwischen bergfreien und grundeigenen Bodenschätzen. Er soll nach der Gesetzesbegründung sicherstellen, dass ein grundeigener Bodenschatz dem Verfügungsrecht des Grundeigentümers nicht deshalb entzogen wird, weil er in Absatz 3 genannte Elemente enthält, z.B. Aluminiumanreicherungen in Tonen.41 Von Bedeutung ist diese Feststellung insbesondere im Hinblick darauf, dass in Absatz 3 zwar Aluminium – gediegen oder als Erz – zu den bergfreien Bodenschätzen gerechnet wird, in Absatz 4 aber wichtige Rohstoffe für die Aluminiumherstellung, nämlich Bauxit sowie Ton, der sich zur Herstellung von Aluminium eignet, als grundeigene Bodenschätze aufgeführt werden. Der Vorbehalt im Einleitungssatz des Absatzes 3 bewirkt, dass die in dem grundeigenen Bodenschatz enthaltenen Aluminiumbestandteile im Verfügungsrecht des Grundeigentümers stehen.

4. Einzelne bergfreie Rohstoffe (Absatz 3 Satz 1) a) Erste Gruppe (Actinium bis Zirkonium). In der ersten Gruppe sind alle Bodenschätze 13 zusammengefasst, die gediegen und als Erze vorkommen. Sie werden in Absatz 3 nach ihren bestimmenden Elementen aufgezählt. Bergfrei sind diese Bodenschätze nur, soweit sie gediegen, d.h. ohne Verbindung mit den anderen Elementen, oder als Erze vorkommen. Eine allgemeingültige Definition für den Begriff „Erz“ gibt es nicht. In der Mineralogie bezeichnet man als Erz natürliche Metallverbindungen, die sich oft durch metallisches Aussehen oder hohes Eigengewicht auszeichnen.42 Nach einer anderen Definition ist ein Erz eine Mineralparagenese (Vergesellschaftung), ausgezeichnet durch einen über dem allgemeinen Durchschnitt liegenden Gehalt an einem bestimmten oder mehreren bestimmten Metallen. Es ist eine mineralogische Einheit, ein Teil einer größeren Einheit, nämlich Teil einer Erzlagerstätte.43 Im Sinne des Bergrechts sind Erze nicht alle Mineralgemenge, die neben anderen Stoffen das im Gesetz bezeichnete chemische Element enthalten, sondern nur solche natürlichen chemischen Verbindungen, aus denen man das Element nach dem jeweiligen Stand der Aufbereitungs- und Hüttentechnik unter Zugrundelegung günstiger Bedingungen überhaupt technisch herstellen kann.44 Die Metalle oder Metallverbindungen müs41 42 43 44

BT-Drs. 8/1315, S. 79. Börger ZfB 1962, 291. von Philipsborn Erzkunde, S. 1. BVerwG 24.2.1997, 4 B 260/96 = ZfB 1997, 134, 135; Ebel/Weller ABG, S. 55; Miesbach/Engelhardt Bergrecht, S. 22, 62; Oberbergamt Rheinland-Pfalz 3.5.1957 = ZfB 1959, 325. 55

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sen sich dabei im industriellen Maßstab und mit wirtschaftlichem Nutzen gewinnen lassen.45 Der Erzbegriff ist damit primär ökonomisch und nicht naturwissenschaftlich geprägt. Eine bergfreie Erzlagerstätte liegt dann vor, wenn sie unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten abbauwürdig ist.46 Mineralgemenge, bei denen der Metallgehalt unterhalb dieser Grenze liegt, werden nicht als Erz, sondern als metallhaltiges Gestein bezeichnet und fallen somit nicht unter Absatz 3. Fortschreitende technische Entwicklungen und schwankende Ressourcenpreise können daher zu Verschiebungen bei der Abgrenzung zwischen bergfreien Erzen und dem Grundeigentum unterliegenden metallhaltigen Gesteinen führen.47 Soweit dadurch das Grundeigentum weiter eingeschränkt wird, kann auch das im Rahmen der nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG zulässigen Inhaltsbeschränkung des Eigentums liegen. 13a Für Bodenschätze der ersten Gruppe, soweit diese nicht gediegen auftreten, werden Bergbauberechtigungen „als Erz“ erteilt, das Elemente der ersten Gruppe enthält. Diese müssen ausdrücklich im Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis oder Bewilligung bezeichnet werden (§ 11 Nr. 1). Bergwirtschaftlich entspricht dies einer Bergbauberechtigung für eine Erzlagerstätte, deren Lagerstättencharakter durch eine bauwürdige Konzentration des im Antrag bezeichneten Leitminerals als bergfreier Bodenschatz der ersten Gruppe bestimmt wird. Der Lagerstättenbezug für die Elemente der ersten Bodenschatzgruppe ergibt sich auch aus der Ausnahme für Bodenschätze „in“ Raseneisen-, Alaun- und Vitriolerzen (vgl. Rn. 19), da bei einer Klassifizierung als eine derartige Lagerstätte alle darin vorkommenden Bodenschätze der ersten Gruppe unabhängig von ihrer volkswirtschaftlichen Bedeutung und Konzentration nicht als bergfrei gelten. 13b Polymetallische Erze, die mehrere Elemente als Bodenschätze der ersten Gruppe enthalten, können nur für solche Bodenschätze Gegenstand von Erlaubnissen oder Bewilligungen sein, deren Aufsuchung oder Gewinnung technisch möglich ist (§ 12 Abs. 1 Nr. 3), was im Arbeitsprogramm (§ 12 Abs. 1 Nr. 4) technisch und zeitlich darzustellen ist. Ist dies der Fall, können in einer Bergbauberechtigung mehrere Bodenschätze als Leitminerale einer einheitlichen Lagerstätte bezeichnet werden. Auf bergfreie Bodenschätze, die in der Bergbauberechtigung nicht genannt werden, bezieht sich das ausschließliche Aufsuchungs- oder Gewinnungsrecht nach § 7 Abs. 1 oder § 8 Abs. 1 aber nicht, auch wenn diese Bodenschätze Bestandteil der polymetallischen Erzlagerstätte sind.48 Anders als bei Kohlenwasserstoffen, Stein- oder Braunkohle oder Salzen, deren Ausschließlichkeitsrecht einer Bergbauberechtigung kraft Gesetzes auch die bei deren Gewinnung anfallenden Gase oder Salze erfasst, bedarf die Gewinnung bergfreier Bodenschätze der ersten Gruppe, die nicht ausdrücklich in der Bergbauberechtigung bezeichnet sind, damit entweder einer nachträglichen Erteilung einer Bergbauberechtigung oder einer Mitgewinnungsentscheidung nach § 42 (vgl. § 42 Rn. 2 f.). Ebenso nicht ausgeschlossen ist eine eigenständige Beantragung einer Bergbauberechtigung für einen anderen bergfreien Bodenschatz durch einen Dritten, selbst wenn es sich um eine einheitliche polymetallische Lagerstätte handelt.49 Die in der Praxis anzutreffende Reaktion, neben den eigentlichen Leitmineralen, die die Bauwürdigkeit der Lagerstätte bestimmen, andere bergfreie Bodenschätze der ersten Gruppe in einen Antrag auf Bewilligung50 aufzunehmen, sofern diese auch nur in geringen Konzentrationen nachgewiesen sind, vermeidet zwar eine unpraktikable Anwendung der Mitgewinnungsregelungen, muss aber nach dem Arbeitspro-

45 OVG Koblenz 9.10.2008, 1 A 10231/08 = ZfB 2010, 150, 156; Bischoff/Bramann/Dürrer/Moebius/Quadfasel/Schlüter Das kleine Bergbaulexikon, S. 111; Markl Minerale und Gesteine, S. 3. 46 OVG Koblenz 9.10.2008, 1 A 10231/08 = ZfB 2010, 150, 156. 47 OVG Koblenz 9.10.2008, 1 A 10231/08 = ZfB 2010, 150, 156. 48 Auf die Ordnungsfunktion der genauen Bezeichnung des Bodenschatzes in § 11 Nr. 1 zur Vermeidung von Konkurrenzsituationen verweist zurecht Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 11 Rn. 7. 49 Zum Versagungsgrund einer Gefährdung der Aufsuchung oder Gewinnung nach § 11 Nr. 8 bei Erteilung einer eigenständigen Bergbauberechtigung auf einen anderen Bodenschatz in demselben Feld vgl. § 11 Rn. 11. 50 Bei einer Erlaubnis zur Aufsuchung bergfreier Bodenschätze besteht hingegen ein weiter Spielraum des Antragstellers, welche Bodenschätze erkundet werden sollen, wobei dann auch das Arbeitsprogramm nach § 11 Nr. 3 entsprechend breit konzipiert werden muss. von Hammerstein

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gramm des Bewilligungsantrags zumindest plausibel sein. Eine analoge Anwendung der kraft Gesetzes geltenden Erweiterung des ausschließlichen Gewinnungsrechts bei Kohlenwasserstoffen, Stein- und Braunkohle sowie Salzen auf Bodenschätze der ersten Gruppe in Erzlagerstätten scheidet mangels erkennbarer Regelungslücke aus. Actinium ist ein radioaktives metallisches chemisches Element mit der Ordnungszahl 89 des Periodensystems. Actinium ist das Anfangsglied der Actinide (Actinoide). Zu ihnen gehören mit den Ordnungszahlen 89 bis 103 die Elemente Actinium, Thorium, Protactinium, Uran, Neptunium, Plutonium, Americium, Curium, Berkelium, Californium, Einsteinium, Fermium, Mendelevium, Nobelium und Lawrencium. Alle Actinide sind radioaktiv. Die natürlich vorkommenden Elemente reichen nur bis zur Atom-Nr. 92 des Systems, also bis zum Uran. Die übrigen Actinide sind Kunstprodukte (Transurane), die durch Kernumwandlungen im Reaktor erzeugt werden. Als Eisenerz wird eine Eisenverbindung dann angesehen, wenn sie einen Fe-Gehalt von mindestens 15 % aufweist;51 andernfalls handelt es sich lediglich um eisenhaltiges Gestein. Schwefelkies wird als Schwefelerz und nicht als Eisenerz betrachtet, obwohl es einen nicht unerheblichen Prozentsatz Eisen enthält.52 Manganerze treten meist zusammen mit Eisenerzen auf. Manganhaltige Eisenerze sind keine Manganerze, wenn ihr Gehalt an Mangan für eine selbständige technische Verwertung nicht genügt. Übergangserze zwischen Eisenerzen und Manganerzen sind Eisen-Manganerze mit einem mittleren Mangangehalt von 12 bis 13 %, sog. Fernie-Erze.53 Als Schwefelerz gelten nach herkömmlicher Auffassung nur Eisensulfide (Schwefelkies als Pyrit oder Markasit). Nicht erfasst sind dagegen Verbindungen des Schwefels mit Blei, Zink, Kupfer und dergleichen. Das Schwefelerz muss zur Herstellung von Schwefel oder Schwefelsäure dienen können.54 Dazu ist ein S-Gehalt von mindestens 37 % erforderlich. Andere sulfidische Erze, z.B. Magnetkies, Bleiglanz, Zinkblende, Kupferkies, werden, sofern sie sich auch zur Herstellung des jeweiligen Metalls eignen, als Erze dieses Metalls bezeichnet.55 Nicht zu den Schwefelerzen gehören die Sulfate, beispielsweise Gips, Anhydrit, Magnesium-, Barium- oder Natriumsulfat. Bleierz kann als technisch gewinnbar angesehen werden, wenn es einen Mindestgehalt von 1 % Pb hat. Bei Kupfererz wird eine Konzentration von 0,5 % Cu für ausreichend gehalten. Zinkerze sind je nach Zusammensetzung noch bei einem Gehalt von etwa 4 % technisch gewinnbar. Nicht zu den bergfreien Bodenschätzen gehören diese Stoffe, wenn sie sich in Raseneisen-, Alaun- und Vitriolerzen befinden. Bei den Raseneisenerzen handelt es sich um oberflächennahe eisenhaltige Ablagerungen, die in größerer Ausdehnung vor allem in Nordwestdeutschland vorkommen. Zum Raseneisenerz gehört nicht nur das unmittelbar unter der Rasendecke anstehende Brauneisenerz (Eisenoxidhydrat) sondern auch das darunter befindliche Weißeisenerz (Eisenoxidulkarbonat, Siderit), das durch Luftzutritt und unter dem Einfluss der Wiesenentwässerung ebenfalls zu Brauneisenerz oxidiert.56 Die Raseneisenerze waren schon im ABG im Unterschied zu den sonstigen Eisenerzen von der Bergbaufreiheit ausgenommen worden, weil weder bergtechnische noch volkswirtschaftliche Gründe dafür sprachen, sie der Verfügungsbefugnis der Grundeigentümer zu entziehen.57 Durch das Reichsgesetz über den Abbau von Raseneisenerz vom 22.6.193758 wurde für die Gewinnung eine staatliche Genehmigung eingeführt, um eine den volkswirtschaftlichen Bedürfnissen entsprechende Verwertung der Erze zu gewährleisten und um die Wiedernutzbarmachung des Bodens sicherzustellen. Das privatrechtliche Gewinnungsrecht des Grundeigentümers blieb dabei

51 52 53 54 55 56 57 58 57

Bähr Berggesetz, Art. 1, 4; Miesbach/Engelhardt Bergrecht, S. 21, 62. Borger ZfB 1962, 292. Ebel/Weller ABG, S. 54. Miesbach/Engelhardt Bergrecht, S. 22. Bähr Berggesetz, Art. 1, 7. RG 3.11.1934, V 238/34 = ZfB 1934, 516. Amtl. Begr., ZfB 1865, 85. RGBl. I S. 650. von Hammerstein

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unberührt.59 Dieses Gesetz wurde durch § 175 Nr. 2 außer Kraft gesetzt, so dass für den Abbau von Raseneisenerz keine bergrechtlichen Sonderregelungen mehr gelten, sofern nicht ein nach § 149 aufrechterhaltenes altes Recht vorliegt, etwa ein auf Grund früheren Rechts verliehenes Distriktfeld. Alaun- und Vitriolerze gehörten nach den Berggesetzen der Länder zu den bergfreien Mineralien. Sie sind jedoch nicht mehr in den Katalog des § 3 Abs. 3 übernommen worden und unterliegen jetzt dem Verfügungsrecht des Grundeigentümers. Soweit sie Gegenstand eines nach § 149 aufrechterhaltenen Rechts sind, bleiben sie gemäß § 150 Abs. 2 bergfreie Bodenschätze. Alaune sind Doppelsulfate mit einwertigem und dreiwertigem Metall. Ursprünglich bezog sich der Name nur auf Kalium-Aluminium-Sulfat. Der Kalialaun wurde früher aus Alaunschiefer gewonnen, einem mit Pyrit fein durchsetzten Schiefergestein, dessen Schwefelkiesgehalt durch künstliche Verwitterung in gewinnbare Vitriole und Alaune überführt wurde. Jetzt wird vor allem Bauxit oder Kaolin zur Herstellung von Alaun verwendet. Vitriol ist eine veraltete Bezeichnung für in Wasser lösliche Sulfate zweiwertiger Schwermetalle, insbesondere von Zink, Eisen und Kupfer. Vitriolerze wurden früher zur Herstellung von Schwefelsäure verwendet.60

19a b) Lithium. Ursprünglich gehörte Lithium der ersten Gruppe der bergfreien Bodenschätze an. Im Zuge der Änderung des BBergG 2021 wurde Lithium indes aus der ersten Gruppe gestrichen und als eigenständige Gruppe vor dem Kohlenwasserstoff eingefügt. Grund für die Verschiebung waren die bestehenden Unklarheiten bei der Einordnung von Lithium als bergfreiem Bodenschatz,61 denn als Element der ersten Gruppe zählte Lithium nur zu den bergfreien Bodenschätzen, wenn es gediegen oder als Erz gewonnen wird.62 Ob dies bei Lithium der Fall ist, kann – insbesondere, wenn es in wässrigen Lösungen gewonnen wird – nicht immer eindeutig bestimmt werden. Um diese Unsicherheiten zu beseitigen und die weitere Aufsuchung und Gewinnung des Rohstoffes, etwa im Rahmen der Nutzung von hydrothermaler Erdwärme, nicht zu behindern, hat der Gesetzgeber sich entschlossen, alle Arten von Lithiumvorkommen uneingeschränkt den bergfreien Bodenschätzen zuzuordnen.63

20 c) Kohlenwasserstoffe. Die dritte Gruppe der in Absatz 3 aufgeführten bergfreien Bodenschätze umfasst Kohlenwasserstoffe nebst den bei ihrer Gewinnung anfallenden Gasen. Der Begriff „Kohlenwasserstoffe“ ist wegen seiner eindeutigen Abgrenzbarkeit an die Stelle der im früheren Recht uneinheitlich verwendeten Begriffe Bitumen, Erdöl, Erdgas, Erdwachs, bituminöse Gesteine und sonstige Bitumina getreten. Er erfasst alle chemischen Verbindungen, die nur aus Kohlenstoff und Wasserstoff bestehen. 21 Bedeutsam ist die rechtliche Einordnung von sog. Flözgas geworden. Hierbei handelt es sich um gasförmige Kohlenwasserstoffe, die in Kohleflözen eingeschlossen sind. Neue Gewinnungstechniken machen deren Produktion wirtschaftlich rentabel und erlauben eine Förderung aus Kohleflözen unabhängig von einer Kohlegewinnung. Flözgas, das unabhängig von einer Kohlegewinnung gefördert wird, fällt in die Gruppe der Kohlenwasserstoffe.64 Wer Flözgas durch selbständige Bohrungen gewinnen oder derartige Vorhaben explorieren will, benötigt also eine Berechtigung auf Kohlenwasserstoffe. Zur Einordnung von Flözgas, das als Grubengas beim aktiven Steinkohlenabbau selbst freigesetzt wird vgl. Rn. 26. 59 60 61 62 63 64

Amtl. Begr., ZfB 1937, 52. Vgl. Borger ZfB 1962, 291. BT-Drs. 19/28402, S. 10. Frenz/Pottschmidt BBergG, § 3 Rn. 17. BT-Drs. 19/28402, S. 10. BMWi (Hrsg.): Der Bergbau in der Bundesrepublik Deutschland 2002 (2003), S. 40; Franke RdE 1994, 1 ff.; Reshöft/ Kahle EEG, § 26 Rn. 9; Säcker/Kühne Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, Kap. 3 Teil 1 Rn. 11; Piens/Schulte/ Graf Vitzthum BBergG, § 3 Rn. 40; ausführlich hierzu: Kühne Rechtsfragen der Aufsuchung und Gewinnung von in Steinkohleflözen beisitzendem Methangas, S. 26 ff. von Hammerstein

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Während das Gesetz die in der ersten Gruppe zusammengefassten metallischen Bodenschätze 22 nur insoweit als bergfrei erklärt hat, als sie „gediegen oder als Erze“ vorkommen, fehlt es bei den anderen bergfreien Bodenschätzen an einem entsprechenden Abgrenzungskriterium. Nach dem Wortlaut des Absatzes 3 sind diese Bodenschätze also ohne Einschränkung dem Grundeigentum entzogen. Andererseits hängt die Erteilung einer Gewinnungsberechtigung gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 3 davon ab, dass der betreffende Bodenschatz nach seiner Lage und Beschaffenheit technisch gewinnbar ist. Da die rechtliche Trennung der bergfreien Bodenschätze vom Grundeigentum mit dem Ziel erfolgt ist, sie wegen ihrer volkswirtschaftlichen Bedeutung im Allgemeininteresse nutzbar zu machen, entfällt der Zweck der Trennung dann, wenn im Einzelfall nach objektiven Kriterien feststeht, dass ein in Absatz 3 genannter Bodenschatz als solcher technisch nicht gewonnen werden kann. Daher ergibt eine am Sinn der Vorschrift orientierte Auslegung, dass Bodenbestandteile, die einen in Absatz 3 bezeichneten Bodenschatz in so geringer Menge enthalten, dass dieser technisch nicht gewinnbar ist, im Verfügungsrecht des Grundeigentümers stehen.65 Die Abgrenzung kann sich daher durch Entwicklung der technischen Möglichkeiten verschieben. In der Praxis sind wegen ihres Gehalts an Bitumen als technisch verwertbar erklärt worden: Ölschiefer, der sich zur Extraktion von Kohlenwasserstoffen eignet,66 sowie Gesteine, die einen extrahierbaren Anteil an Schwelteer von mindestens 5 % enthalten.67 Neben den Kohlenwasserstoffen selbst sind auch die bei ihrer Gewinnung, d.h. beim Lösen 23 oder Freisetzen (§ 4 Abs. 2) anfallenden gasförmigen Stoffe, die eine andere chemische Zusammensetzung haben, bergfrei. Diese Gase können allerdings nicht Gegenstand einer eigenen Gewinnungsberechtigung sein, sondern werden jeweils von der Berechtigung zum Aufsuchen und Gewinnen von Kohlenwasserstoffen umfasst.

d) Stein- und Braunkohle, Graphit. Nach früherem Bergrecht war das Verfügungsrecht über 24 Steinkohle und Braunkohle unterschiedlich geregelt. In Bayern wurde nur für Braunkohle der Staatsvorbehalt eingeführt. Im Geltungsbereich des ABG zählte Steinkohle überall, Braunkohle dagegen nur in bestimmten Gebieten zu den staatsvorbehaltenen Mineralien und war im Übrigen bergbaufrei. Diese rechtlichen Unterschiede bestehen seit Inkrafttreten des BBergG nicht mehr, so dass die Frage, ob im Einzelfall Steinkohle oder Braunkohle vorliegt, an Bedeutung verloren hat. Kohle ist ein Gemenge sauerstoff- und wasserstoffarmer fester Kohlenwasserstoffe mit einem höheren oder niedrigeren Wassergehalt, der bei Braunkohle 30 bis 60 %, bei Steinkohle höchstens 7 % erreicht. Die oberbayerische Pechkohle, die früher wegen ihrer äußeren Steinkohlenähnlichkeit oft als Steinkohle bezeichnet wurde, wird geologisch, petrographisch und chemisch der Braunkohle zugerechnet. Eine braunkohlenähnliche Torfbildung des Alluviums ist keine Braunkohle.68 Die im Zusammenhang mit der Gewinnung von Stein- und Braunkohle auftretenden Gase 25 sind den Mineralien selbst gleichgestellt. Weil die Gewinnung dieser Gase zwangsläufig Voraussetzung oder Folge des Abbaus von Stein- oder Braunkohle ist, sollte eine Kollision mit dem Verfügungsrecht des Grundeigentümers vermieden werden.69 Aus dem gleichen Grund wäre es auch problematisch, diese Gase zum Gegenstand einer eigenständigen Berechtigung (etwa auf Kohlenwasserstoffe) zu machen. Zu den Begleitgasen zählen außer gasförmigen Kohlenwasserstoffen auch andere gasförmige Stoffe wie z.B. Schwefelwasserstoff, Stickstoffgas, Kohlenmonoxid und Kohlendioxid. Die betreffenden Gase erlangen, sofern es sich nicht um selbständig gewinnbare Kohlenwasserstoffe handelt, die Qualität bergfreier Bodenschätze dadurch, dass sie im Zusammenhang mit der Gewinnung von Stein- oder Braunkohle gelöst werden. Aus der Formulierung „im Zusammenhang mit der Gewinnung“ ergibt sich, dass hier nicht nur die Gase gemeint sind, die 65 66 67 68 69 59

Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 3 Rn. 38. Hessisches Oberbergamt 15.2.1954 = ZfB 1964, 244. Wirtschaftsministerium NW 15.8.1978 = ZfB 1979, 256. Miesbach/Engelhardt Bergrecht, S. 23. BT-Drs. 8/1315, S. 79. von Hammerstein

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„bei“, d.h. räumlich und zeitlich zugleich mit der Gewinnung anfallen, sondern auch solche, die vor oder nach der Gewinnung oder in einer gewissen räumlichen Entfernung vom eigentlichen Gewinnungsort auftreten. Voraussetzung ist aber, dass ihr Auftreten im Zusammenhang mit Betriebshandlungen steht, die der Gewinnung von Stein- oder Braunkohle dienen.70 Hierbei kommt es nicht darauf an, ob das Gas durch Grubenbaue oder durch Bohrungen unter Tage oder von über Tage her gelöst wird, solange die Tätigkeit der Gewinnung von Kohle dient. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, ist die Rechtsgrundlage für die Gewinnung der Gase die bestehende Berechtigung zur Aufsuchung und Gewinnung von Stein- oder Braunkohle. In diesem Fall besteht ein Mitgewinnungsrecht von Gesetzes wegen.71 Wenn der betriebliche Zusammenhang mit der Kohlegewinnung nicht gegeben ist, bestimmt sich das rechtliche Schicksal der Gase nach den allgemeinen Vorschriften. Danach gehören Gase zum Grundeigentum, sofern sie nicht Gegenstand eines nach § 149 aufrechterhaltenen alten Rechts oder – bei gasförmigen Kohlenwasserstoffen – einer Berechtigung nach § 8 oder § 9 sein können. 26 Praktisch ist die Abgrenzung insbesondere für das Flözgas (vgl. Rn. 21) geworden. Mit Methan als Hauptbestandteil fällt es grundsätzlich unter die Kohlenwasserstoffe (2. Gruppe) und kann Gegenstand selbständiger Berechtigungen sein. Wird Flözgas aber als Grubengas beim aktiven Steinkohlenabbau selbst freigesetzt (sog. Coal Seam Methane – CSM), ist es ein im Zusammenhang mit der Kohlegewinnung auftretendes Gas (3. Gruppe) und wird von der Berechtigung auf den Bodenschatz Kohle umfasst.72 Der hierfür erforderliche Bezug zu Gewinnungshandlungen ist jedoch nicht mehr gewahrt, wenn das Grubengas in den Grubenbauen von stillgelegten Bergwerken anfällt (Coal Mine Methane – CMM) oder aus unverritzten Kohleflözen gewonnen wird (Coal Bed Methane – CBM). Nur das in aktiven Kohlebergwerken anfallende Grubengas wird also dem bergfreien Bodenschatz Kohle zugerechnet. 27 Graphit ist reiner Kohlenstoff. Er tritt in großkristalliner Ausbildung oder amorph, d.h. in mikrokristalliner Form, auf. Technisch gewinnbar ist er bei einem Kohlenstoffgehalt des Minerals von mindestens 7 bis 10 %.73

28 e) Salze, Sole. Die in der fünften Gruppe des Absatzes 3 namentlich aufgeführten Salze gehören unabhängig davon, ob sie in selbständigen Lagerstätten oder gemeinsam miteinander vorkommen, zu den bergfreien Bodenschätzen. Eine Bergbauberechtigung kann also für mehrere oder für einzelne dieser Salze erteilt werden. Dagegen sind andere Salze nur bergfrei, wenn sie mit Stein-, Kali-, Magnesia- oder Borsalzen auf der gleichen Lagerstätte auftreten; es kommen insbesondere Jod- und Bromsalze sowie sonstige Natriumsalze in Betracht. 29 Während in den früheren Berggesetzen der Länder noch von Solquellen die Rede war, ist in Absatz 3 die Sole für bergfrei erklärt worden. Salzhaltiges Wasser ist als bergfreie Sole einzustufen, wenn es sich hinsichtlich des Salzgehaltes zur großtechnischen Herstellung von Salz eignet.74 In der Praxis wurde bereits aus Sole mit einem Salzgehalt von 1 % wirtschaftlich Salz gewonnen.75

70 Franke RdE 1994, 1, 4. 71 Eine behördliche Entscheidung nach § 42 Abs.1 Satz 1 ist nicht erforderlich. Unzutreffend daher Beckmann DVBl 2014, 1032, 1033. 72 BMWi (Hrsg.): Der Bergbau in der Bundesrepublik Deutschland 2002 (2003), S. 40; Beckmann DVBl 2014, 1032, 1033; Franke RdE 1994, 1, 3 ff.; Reshöft/Schäfermeier/Kahle EEG, § 26 Rn. 14; Säcker/Kühne Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, Kap. 3 Teil 1 Rn. 11; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 3 Rn. 40; ausführlich hierzu: Kühne Rechtsfragen der Aufsuchung und Gewinnung von in Steinkohleflözen beisitzendem Methangas. 73 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 3 Rn. 41. 74 Hessisches Ministerium für Umwelt, Energie, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (Hrsg.) Nutzung tiefer Geothermie in Hessen, 3. Aufl. (2010), S. 10. 75 Vgl. 27. Referentenbesprechung zum BBergG; Hessisches Ministerium für Umwelt, Energie, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (Hrsg.) Nutzung tiefer Geothermie in Hessen, 3. Aufl. (2010), S. 10. von Hammerstein

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Zum Teil verlangt die Verwaltungspraxis aber auch einen Salzgehalt von mindestens 5 %.76 Der Bodenschatzbegriff des Absatz 1 umfasst ausdrücklich auch mineralische Rohstoffe, die in natürlichen Ansammlungen im Meerwasser vorkommen. Damit wäre grundsätzlich auch eine Salzgewinnung aus dem Meerwasser vom Solebegriff erfasst. Da es nach dem objektiven Gewinnungsbegriff des BBergG nicht darauf ankommt, ob die gelösten oder freigesetzten Bodenschätze wirtschaftlich genutzt werden, wäre jede Entnahme von Meerwasser aus Nord- oder Ostsee als Gewinnung eines bergfreien Bodenschatzes anzusehen und bedürfte einer Bergbauberechtigung und einer Betriebsplanzulassung. Es ist nicht davon auszugehen, dass dies der Vorstellung des Gesetzgebers entsprach, zumal das Meerwasser in unbegrenzter Menge zur Verfügung steht und seine Entnahme keine Zuteilungsfragen aufwirft. Der Solebegriff ist daher teleologisch dahingehend zu reduzieren, dass er sich nicht auf das Meerwasser erstreckt. Dafür spricht auch § 3 Abs. 1, wonach Wasser ausdrücklich vom Begriff der Bodenschätze ausgenommen ist. In unseren kühlen Breiten ist die Fragestellung bisher nicht praktisch relevant geworden. Aus Absatz 1 ergibt sich auch, dass nur Sole in natürlichen Lagerstätten erfasst ist. Das 30 zum Zwecke des Auslaugens einer Salzlagerstätte künstlich eingeleitete Wasser fällt, auch wenn es mit Salz gesättigt ist, nicht unter diesen Begriff. Vielmehr bedarf die künstliche Aussolung einer Salzlagerstätte einer Bewilligung auf den Bodenschatz Salz. Wegen des objektiven Gewinnungsbegriffs des BBergG fällt Sole unter Absatz 3 unabhängig davon, ob tatsächlich Salz daraus gewonnen oder die Sole anderweitig wirtschaftlich genutzt wird.77 Sofern Salze und Sole voneinander getrennt vorkommen, können sie Gegenstand eigener Bergbauberechtigungen sein.

f) Flussspat, Schwerspat. Flussspat (Fluorit) tritt im Allgemeinen mit den Begleitmineralien 31 Quarz und Schwerspat auf. Die Förderung wird durch Flotation zu Säurespat mit etwa 97 % CaF2 angereichert. Als Schwerspat (Baryt) bezeichnet man Bariumsulfat. Es zeichnet sich durch hohe Dichte 32 aus. Für das Erz wird ein BaSO4-Gehalt von mindestens 40 % für notwendig gehalten. IV. Als bergfrei geltende Bodenschätze (Absatz 3 Satz 2) 1. Festlandsockel, Küstengewässer Absatz 3 Satz 2 Nr. 1 ordnet alle Bodenschätze im Bereich des Festlandsockels den bergfreien 33 Bodenschätzen zu. Nach der Gesetzesbegründung sollte so den völkerrechtlichen Gegebenheiten in diesem Bereich entsprochen werden. Der Gesetzgeber konnte dort keine konkreten Eigentümer feststellen, denen das Eigentum hätte entzogen werden müssen. Weil er es jedoch nicht als Aufgabe dieses Gesetzes angesehen hat, eine abschließende Klärung der Eigentumsverhältnisse am Meeresgrund und Meeresuntergrund des Festlandsockels herbeizuführen, wird in Absatz 3 Satz 2 lediglich eine Fiktion aufgestellt.78 Auch das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen vom 10.12.1982 (SRÜ)79 räumt dem Küstenstaat in Art. 77 nur souveräne Rechte am Festlandsockel ein, 76 Ministerium für Umwelt, Natur und Forsten (Schleswig-Holstein), Runderlass vom 14.1.1999: Vollzug des Bundesberggesetzes und der Wassergesetze (Amtsbl. Schl.-H. S. 18); (niedersächsisches) Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie, Rundverfügung Nr. 1.60 v. 25.11.1998. Dort wird die Angabe dahingehend präzisiert, dass Wasser ab einem NaCl-Gehalt von 16 g/L als Sole einzustufen ist. Laut Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 3 Rn. 9 wird in Bayern schon ab einem NaCl-Gehalt von 10,5 g/L von (1 %iger) Sole ausgegangen. Weitere Nachweise zur Verwaltungspraxis der Bergämter bei Neidig, Rechtsfragen saisonaler Aquifer-Wärmespeicher, 2022, S. 97. 77 Neidig, Rechtsfragen saisonaler Aquifer-Wärmespeicher (2022), S. 98. 78 BT-Drs. 8/1315, S. 79. 79 BGBl. II 1994 S. 1799. Das Übereinkommen wurde durch das Vertragsgesetz Seerechtsübereinkommen ratifiziert und ist am 16.11.1994 in Kraft getreten. 61

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klärt aber nicht die Eigentumsverhältnisse. Daher sah der Gesetzgeber keine Veranlassung, § 3 bei Umsetzung des SRÜ zu ändern. 34 Die Bodenschätze im Bereich der Küstengewässer und die Erdwärme wurden erst im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens in diese Fiktion einbezogen (Absatz 3 Satz 2 Nr. 2). Der Bundesrat gab in seiner Stellungnahme zu dem RegE die Anregung, das Berechtsamswesen im Bereich des Küstenmeeres ebenso zu regeln wie im Bereich des Festlandsockels.80 Der Wirtschaftsausschuss des Bundestages teilte grundsätzlich diese Auffassung, ersetzte aber entsprechend dem Vorschlag der Bundesregierung in seiner Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrates das Wort „Küstenmeer“ durch „Küstengewässer“.81 Der völkerrechtliche Begriff „Küstenmeer“ erstreckt sich lediglich auf den Meeresstreifen zwischen der sog. Basislinie und der 12-Seemeilen-Grenze; er umfasst also nicht das bei der Festlegung der geraden Basislinie im Bereich der Nordseeinseln landwärts der Basislinie liegende Meer. Um das gesamte im deutschen Hoheitsbereich liegende Meer zu erfassen, wird der Begriff „Küstengewässer“ verwendet.82 Weil die Zuordnung der Bodenschätze im Bereich der Küstengewässer als bergfrei vom vor Erlass des BBergG geltenden Recht abweicht, ist der sich aus Art. 14 GG ergebende Schutz des Eigentums durch die Möglichkeit der Aufrechterhaltung alter Rechte im Sinne der §§ 149 ff. sichergestellt worden. 35 Aufgrund der Fiktion in Absatz 3 Satz 2 gelten im Bereich des Festlandsockels und der Küstengewässer, von aufrechterhaltenen alten Rechten abgesehen, sämtliche Bodenschätze i.S.d. Absatzes 1 als bergfreie Bodenschätze, also z.B. auch Sand, Kies, Schlick und Ton. Dies hat u.a. zur Folge, dass dort für ihre Aufsuchung und Gewinnung gemäß § 6 eine Bergbauberechtigung erforderlich ist. Nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 liegt allerdings eine Gewinnung im bergrechtlichen Sinne nicht vor beim Lösen oder Freisetzen von Bodenschätzen in oder an einem Gewässer als Voraussetzung für dessen Ausbau oder Unterhaltung, z.B. beim Ausbaggern zum Zwecke der Vertiefung oder Erweiterung eines Hafens. Unter „Gewässer“ i.S. von § 4 Abs. 2 Nr. 2 sind alle Binnen- und Seewasserstraßen einschließlich der Häfen zu verstehen. Dasselbe gilt für „Schifffahrtswege“ im Bereich des Festlandsockels.83

2. Erdwärme 36 a) Allgemeines. Die Nutzung von Erdwärme hat erst nach Erlass des BBergG Bedeutung erlangt. Ein deutlich gesteigertes politisches Interesse an der Erdwärmenutzung als Alternative zu fossilen, klimaschädlichen Energieträgern, die Förderung der Erdwärme nach dem EEG und dem EEWärmeG und gewachsene Erkenntnisse über das Energieversorgungspotential der Erdwärme führten ab 2004 zu einer starken Ausweitung der Aktivitäten der Geothermiebranche.84 Die im Erdboden befindliche thermische Energie wird in unterschiedlichen Formen genutzt. 37 Gebräuchlich ist die Unterscheidung in oberflächennahe und tiefe Geothermie. Bei der oberflächennahen Geothermie wird die in Form von Wärme gespeicherte Energie unterhalb der Erdoberfläche hauptsächlich mittels Erdwärmekollektoren und Erdwärmesonden gewonnen. Die dort nutzbaren Temperaturen betragen meist unter 20 °C. Um die oberflächennahe Erdwärme zum Heizen und zur Warmwassererzeugung nutzen zu können, muss die Temperatur durch Einsatz von Wärmepumpen angehoben werden. In der tiefen Geothermie nutzt man Systeme, die geothermische Energie über Tiefbohrungen oder -sonden erschließen. In tieferen Horizonten herrschen höhere Temperaturen, so dass eine Niveauanhebung durch Wärmepumpen nicht notwendig

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BT-Drs. 8/1315, S. 174. BT-Drs. 8/1315, S. 133. BT-Drs. 8/1315, S. 189. BT-Drs. 8/1315, S. 80. Bruns/Ohlhorst/Wenzel/Köppel Erneuerbare Energien in Deutschland, S. 31.

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ist. Eine gebräuchliche Abgrenzung spricht von tiefer Geothermie bei einer Bohrtiefe von mindestens 400 m und einer Temperatur von mehr als 20 °C.85 Vor Erlass des BBergG wurde Erdwärme in Deutschland kaum genutzt, und das deutsche 38 Recht kannte keine besonderen gesetzlichen Vorschriften für Erdwärme. Aufgrund der Fiktion in § 3 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b) gilt sie nunmehr als bergfreier Bodenschatz mit der Folge, dass alle hierfür einschlägigen Vorschriften des BBergG anwendbar sind. Erdwärme ist deshalb gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 dem Grundeigentum entzogen. Ihre Aufsuchung und Gewinnung sind nur aufgrund einer Bergbauberechtigung i.S. der §§ 6 ff. zulässig. Inzwischen haben alle Bundesländer Leitfäden der Verwaltung zur Nutzung der oberflächen- 39 nahen Erdwärme veröffentlicht.86 In den meisten Bundesländern existieren auch sog. „geothermische Potenzialkarten“, die eine Orientierung über die Möglichkeiten der Nutzung von oberflächennaher Erdwärme und die geothermischen Verhältnisse im Landesgebiet geben. Auch für die Nutzung der tiefen Geothermie liegen derartige Hilfestellungen der Verwaltung vereinzelt vor.87

b) Begriff der Erdwärme.88 Das BBergG definiert den Begriff „Erdwärme“ nicht. § 3 Abs. 3 40 Satz 2 Nr. 2b) präzisiert ihn lediglich dahingehend, dass die im Zusammenhang mit der Gewinnung auftretenden anderen Energien mit erfasst sind. Diese Erweiterung soll kinetische Energien erfas-

85 Vgl. Personenkreis „Tiefe Geothermie“ der Ad-hoc-Arbeitsgemeinschaft Geologie des Bund/Länder-Ausschuss Bodenforschung (BLA-GEO) (Hrsg.) Nutzungen der geothermischen Energie aus dem tiefen Untergrund (Tiefe Geothermie) (2007), S. 5; Regierungspräsidium Darmstadt, Hessisches Landesamt für Umwelt und Geologie (Hrsg.) Leitfaden Tiefengeothermie vom 31.7.2011, S. 6; beide unter Verweis auf VDI-Richtlinie 4640, Thermische Nutzung des Untergrundes Blatt 1 bis 4 (2001 bis 2010); Benz Rechtliche Rahmenbedingungen für die Nutzung der oberflächennahen Geothermie, S. 15. 86 Baden-Württemberg: Umweltministerium Baden-Württemberg (Hrsg.) Leitfaden zur Nutzung von Erdwärme mit Erdwärmekollektoren (2008); Umweltministerium Baden-Württemberg (Hrsg.) Leitfaden zur Nutzung von Erdwärme mit Erdwärmesonden (2005); Bayern: Bundesverband WärmePumpe (BWP) e.V. (Hrsg.) Leitfaden Erdwärmesonden in Bayern (2003); Bayerisches Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz (Hrsg.) Oberflächennahe Geothermie – Heizen und Kühlen mit Energie aus dem Untergrund (2007); Berlin: Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz (Hrsg.) Erdwärmenutzung in Berlin – Merkblatt für Erdwärmesonden und Erdwärmekollektoren mit einer Heizleistung bis 30 kW außerhalb von Wasserschutzgebieten (2020); Brandenburg: Brandenburgische Energie Technologie Initiative (Hrsg.) Nutzung von Erdwärme in Brandenburg – Heizen und Kühlen mit oberflächennaher Geothermie (2009); Bremen: Geologischer Dienst für Bremen (Hrsg.) Technische und rechtliche Hinweise zur Installation von Erdwärmesonden in Bremen (2008); Hamburg: Behörde für Umwelt; Klima, Energie und Agrarwirtschaft (Hrsg.) Leitfaden zur Erdwärmenutzung in Hamburg (2021); Hessen: Hessisches Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Energie (Hrsg.) Erdwärmenutzung in Hessen (2019); Mecklenburg-Vorpommern: Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie (Hrsg.) Leitfaden Erdwärmesonden und Erdwärmekollektoren in Mecklenburg-Vorpommern (2015); Niedersachsen: Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (Hrsg.) Leitfaden Erdwärmenutzung in Niedersachsen (GeoBerichte 24, 2022); Nordrhein-Westfalen: Geologischer Dienst Nordrhein-Westfalen (Hrsg.) Geothermie in Nordrhein-Westfalen: erkunden – bewerten – nutzen (2011); Rheinland-Pfalz: Ministerium für Umwelt, Energie, Ernährung und Forsten (Hrsg.) Leitfaden zur Nutzung von oberflächennaher Geothermie mit Erdwärmesonden (2020); Saarland: Ministerium für Umwelt (Hrsg.) Leitfaden Erdwärmenutzung – Geothermische Nutzung im Saarland (2008); Sachsen: Sächsisches Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (Hrsg.) Erdwärmesonden – Informationsbroschüre zur Nutzung oberflächennaher Geothermie (2014); Sachsen-Anhalt: Landesamt für Geologie und Bergwesen (Hrsg.) Erdwärmenutzung in Sachsen-Anhalt (2012); Schleswig-Holstein: Landesamt Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume des Landes Schleswig-Holstein (Hrsg.) Leitfaden zur geothermischen Nutzung des oberflächennahen Untergrundes (2011); Thüringen: Thüringer Landesverwaltungsamt (Hrsg.) Nutzung oberflächennaher Geothermie – Arbeitshilfe zur wasserrechtlichen Beurteilung (2013). 87 Hessisches Landesamt für Umwelt und Geologie (Hrsg.) Leitfaden Tiefengeothermie (2011); Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie (Hrsg.) Bayerischer Geothermieatlas (2012). 88 Vgl. zum Ganzen auch von Hammerstein FS Salje (2013), S. 201 ff. 63

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sen, die bei der Erschließung von Wärmeträgern, die unter hohem Druck stehen, freigesetzt werden.89 Als Erdwärme wird üblicherweise die in Form von Wärme (thermisch) gespeicherte Energie unterhalb der Oberfläche der festen Erde bezeichnet.90 Diese Definition umfasst die gesamte unterirdische Wärmeenergie, einschließlich derjenigen des Grundwassers, schließt aber die Wärmeenergie von Oberflächengewässern und Meeren aus. Auf die Tiefe kommt es nicht an. Die Wärmeenergie der oberen Erdschichten bis 20 m Tiefe hat ihren Ursprung überwiegend in der Sonneneinstrahlung und sonnenerwärmtem Sickerwasser. In tiefen Schichten stammt sie hauptsächlich von der im Erdkern und im Erdmantel gespeicherten Ursprungsenergie und den dort stattfindenden radioaktiven Zerfallsprozessen. Der Begriff der Erdwärme ist technologieoffen, also unabhängig von der Technik, die zu ihrer Gewinnung verwendet wird. Nur die im Boden gespeicherte Wärme natürlichen Ursprungs fällt unter den Begriff der Erdwärme. Beim Kühlen oder gezielt zu Speicherzwecken „künstlich“ in den Boden eingebrachte Wärme ist nicht erfasst.91 Dafür spricht vor allem die Gleichstellung der Erdwärme mit den bergfreien Bodenschätzen. Wesentlich für das Vorliegen eines Bodenschatzes ist nach § 3 Abs. 1, dass die betreffenden Rohstoffe in natürlichen, d.h. nicht durch Menschenhand künstlich geschaffenen Ablagerungen oder Ansammlungen vorkommen.92 Die unterirdische Wärmespeicherung stellt keine Erdwärmenutzung dar, wenn anhand der Wärmebilanz von Speicherung und Nutzung davon auszugehen ist, dass bei der entnommenen Wärme die Wärme natürlichen Ursprungs nur einen vernachlässigbaren Anteil ausmacht.93 Ein Erdwärmebegriff, der Erdwärme als die unterhalb der festen Erde gespeicherte Wärmeenergie definiert, ist für sich genommen fast uferlos, weil jede Stelle des Erdkörpers eine gewisse Wärmeenergie hat. In der Praxis besteht ein starkes Bedürfnis, Anlagen, die nur geringe Mengen an oberflächennaher Erdwärme gewinnen, nicht dem bergrechtlichen Berechtsamswesen und Betriebsplanverfahren zu unterstellen. Es sind deshalb verschiedene Versuche gemacht worden, den Begriff der Erdwärme einschränkend auszulegen, indem geothermische Vorkommen ohne volkswirtschaftliche Bedeutung, deren Gewinnung weder Konflikte noch Sicherheitsrisiken birgt, aus dem Anwendungsbereich des § 3 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b) herausgenommen werden.94 Sie werden dadurch nicht zu grundeigenen Bodenschätzen, denn § 3 Abs. 4 enthält keinen Auffangtatbestand für unbedeutende Erdwärmevorkommen. Vielmehr fallen derartige geringfügige Vorkommen überhaupt nicht unter das BBergG. Boldt/Weller haben vertreten, dass Erdwärme i.S.d. BBergG voraussetze, dass der Wärmeträger eine bestimmte Temperatur hat.95 Das Kriterium der Mindesttemperatur ist zur Abgrenzung bedeutender und geringfügiger Erdwärmevorkommen allerdings nicht sachgerecht. Die Menge an thermischer Energie eines Stoffes steht zwar in einem direkten Zusammenhang mit seiner Tempe89 BT-Drs. 8/1315, S. 189. 90 Vgl. VDI-Richtlinie 4640; Personenkreis „Tiefe Geothermie“ der Ad-hoc-Arbeitsgemeinschaft Geologie des Bund/ Länder-Ausschuss Bodenforschung (BLA-GEO) (Hrsg.) Nutzungen der geothermischen Energie aus dem tiefen Untergrund (Tiefe Geothermie) (2007), S. 3; Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Hrsg.) Tiefe Geothermie (2010), S. 7; Benz Rechtliche Rahmenbedingungen für die Nutzung der oberflächennahen Geothermie, S. 12; Große ZUR 2009, 535, 536; Ehricke UPR 2009, 281, 282; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 3 Rn. 47. Der in § 2 Abs. 1 Nr. 1 EEWärmeG genutzte Begriff „Geothermie“ wird ebenso ausgelegt, vgl. Danner/Theobald/Wustlich Energierecht, § 2 EEWärmeG Rn. 17; Salje EEG, § 28 Rn. 4. 91 Benz Rechtliche Rahmenbedingungen für die Nutzung der oberflächennahen Geothermie, S. 25; Ehrlich/Erbas/ Huenges Angebotspotential der Erdwärme sowie rechtliche und wirtschaftliche Aspekte der Nutzung hydrothermaler Ressourcen, S. 36; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 3 Rn. 47; Müller/Weyer/Oppelt 20 Jahre Recht der Erneuerbaren Energien, S. 660, 661. 92 BT-Drs. 8/1315, S. 74. 93 Benz Rechtliche Rahmenbedingungen für die Nutzung der oberflächennahen Geothermie, S. 28; Neidig Rechtsfragen saisonaler Aquifer-Wärmespeicher, S. 96 f. 94 Benz Rechtliche Rahmenbedingungen für die Nutzung der oberflächennahen Geothermie, S. 24. 95 Boldt/Weller 1. Auflage, § 3 Rn. 37. von Hammerstein

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ratur, ist aber nicht mit ihr gleichzusetzen.96 Auch bei geringen Temperaturen können mit heutiger Technik je nach den geologischen und hydrogeologischen Verhältnissen des Untergrunds erhebliche Energiemengen entnommen werden.97 Zudem führt die Anknüpfung an eine Mindesttemperatur zu Abgrenzungsschwierigkeiten bei Temperaturschwankungen. Der Wärmeträger muss also keine bestimmte Mindesttemperatur haben. Einige Bergbehörden gehen einen anderen Weg. Sie versuchen nicht, den Begriff der Erdwär- 45 me einschränkend auszulegen. Um ein ähnliches Ergebnis zu erreichen, stützen sie sich vielmehr auf die Ausnahme vom Gewinnungsbegriff nach § 4 Abs. 2 Nr. 1. Danach ist das Lösen oder Freisetzen von Bodenschätzen in einem Grundstück aus Anlass oder im Zusammenhang mit dessen baulicher Nutzung kein Gewinnen i.S.d. BBergG. Nach breiter Verwaltungspraxis unterfällt die Nutzung der oberflächennahen Erdwärme für die Beheizung eines Gebäudes dieser Ausnahme, wenn die Gewinnungsanlage eine Heizleistung von 30 kW nicht überschreitet und ausreichenden Abstand zur Grundstücksgrenze einhält.98 Diese Auffassung kann sich auf die Entstehungsgeschichte des § 4 Abs. 2 Nr. 1 berufen. Wäh- 46 rend der Gesetzentwurf der Bundesregierung noch lautete „Ausgenommen ist das Lösen oder Freisetzen von Bodenschätzen in einem Grundstück als Voraussetzung für dessen bauliche oder sonstige städtebauliche Nutzung“,99 wurde der Wortlaut der Ausnahme auf Anregung des Wirtschaftsausschusses folgendermaßen geändert: „Ausgenommen ist das Lösen oder Freisetzen von Bodenschätzen in einem Grundstück aus Anlass oder im Zusammenhang mit dessen baulicher oder sonstiger städtebaulicher Nutzung“. In der Begründung zu dieser Änderung wird als einziges Anwendungsbeispiel die Nutzung von Erdwärme zur Beheizung eines zu errichtenden Gebäudes genannt.100 Die Anknüpfung an die Ausnahme vom objektiven Gewinnungsbegriff in § 4 Abs. 2 Nr. 1 47 (vgl. § 4 Rn. 8 ff.) bildet indes einen Fremdkörper im System des BBergG.101 Sie bewirkt zwar, dass die grundstücksbezogene Förderung von Erdwärme nicht als Gewinnung anzusehen ist und daher weder einer Bewilligung noch einer Betriebsplanzulassung bedarf. Das genutzte Erdwärmevorkommen bleibt jedoch ein bergfreier Bodenschatz, das nicht dem jeweiligen Grundeigentum zugeordnet ist. Es ist aus praktischen Gründen auf den ersten Blick nachvollziehbar, rechtsdogmatisch aber nicht begründbar, die Nutzung der Erdwärme nur dann vom Anwendungsbereich des BBergG zu befreien, wenn die Bohrungen einen ausreichenden Abstand von der Grundstücksgren96 Die thermische Energie einer bestimmten Menge eines Stoffes ist neben seiner Temperatur von seiner spezifischen Wärmekapazität abhängig. Für die technische Nutzung sind zudem weitere Kriterien wie etwa die Wärmeleitfähigkeit eines Stoffes bedeutsam. 97 Benz Rechtliche Rahmenbedingungen für die Nutzung der oberflächennahen Geothermie, S. 24. 98 Umweltministerium Baden-Württemberg (Hrsg.) Leitfaden zur Nutzung von Erdwärme mit Erdwärmekollektoren (2008); Umweltministerium Baden-Württemberg (Hrsg.) Leitfaden zur Nutzung von Erdwärme mit Erdwärmesonden (2005); Brandenburgische Energie Technologie Initiative (Hrsg.) Nutzung von Erdwärme in Brandenburg – Heizen und Kühlen mit oberflächennaher Geothermie (2009); Hessisches Landesamt für Umwelt und Geologie (Hrsg.) Erdwärmenutzung in Hessen (2011); Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie (Hrsg.) Leitfaden Erdwärmesonden und Erdwärmekollektoren in Mecklenburg-Vorpommern (2015); Geologischer Dienst Nordrhein-Westfalen (Hrsg.) Geothermie in Nordrhein-Westfalen: erkunden – bewerten – nutzen (2011); Ministerium für Umwelt, Energie, Ernährung und Forsten Rheinland-Pfalz (Hrsg.) Leitfaden zur Nutzung von oberflächennaher Geothermie mit Erdwärmesonden (2020); Ministerium für Umwelt Saarland (Hrsg.) Leitfaden Erdwärmenutzung – Geothermische Nutzung im Saarland (2008); Sächsisches Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (Hrsg.) Erdwärmesonden – Informationsbroschüre zur Nutzung oberflächennaher Geothermie (2011); Landesamt für Geologie und Bergwesen Sachsen-Anhalt (Hrsg.), Erdwärmenutzung in Sachsen-Anhalt (2012); Thüringer Landesverwaltungsamt (Hrsg.) Nutzung oberflächennaher Geothermie –Arbeitshilfe zur wasserrechtlichen Beurteilung (2013). So auch die Bundesregierung, Bericht der Bundesregierung über ein Konzept zur Förderung, Entwicklung und Markteinführung von geothermischer Stromerzeugung und Wärmenutzung vom 14.5.2009; BT-Drs. 16/13128, S. 16. 99 BT-Drs. 8/1315, S. 13. 100 Bericht des Wirtschaftsausschusses, BT-Drs. 8/3965, S. 8, 133. 101 Kritisch zur Begrenzung des Erdwärmebegriffs durch Rückgriff auf § 4 Abs. 2 Nr. 1 auch Neidig, Rechtsfragen saisonaler Aquifer-Wärmespeicher, S. 87 ff. 65

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ze einhalten. Dem liegt erkennbar der Gedanke zugrunde, dass die Wärme unterhalb eines Grundstücks dessen Eigentümer zur ausschließlichen Nutzung zugewiesen werden soll. Eine derartige Zuordnung widerspricht aber der Einstufung der Erdwärme als bergfreier Bodenschatz. Einen Fremdkörper bildet diese Konstruktion auch deshalb, weil das BBergG bei der Einstufung von Bodenschätzen als bergfrei sonst nirgends auf den Zweck oder den Umfang der tatsächlichen Gewinnungstätigkeit abstellt, sondern, etwa bei den Erzen, ausschließlich auf deren wirtschaftliche Gewinnbarkeit. Mit diesem Prinzip sind die beiden Ausnahmetatbestände des § 4 Abs. 2 zweiter Halbsatz insoweit vereinbar, als sie sich auf das Lösen und Freisetzen von Bodenschätzen beziehen, die zwangsläufig bei baulichen und städtebaulichen Maßnahmen sowie bei Ausbau und Unterhaltung von Gewässern anfallen. Die Ausnahme ist ihrem Sinn und Zweck nach in erster Linie darauf gerichtet, den Anwendungsbereich des BBergG nicht dadurch zu überdehnen, dass Baumaßnahmen nur deshalb dem Bergrecht unterworfen werden, weil im oberflächennahen Untergrund, quasi zufällig, auch bergfreie oder grundeigene Bodenschätze angetroffen werden, die zur Herstellung von Baugruben, beim Straßenbau, bei Maßnahmen der Landschaftsgestaltung oder beim Ausbau und bei der Unterhaltung von Gewässern ausgehoben oder umgelagert werden müssen, ohne dass sie wirtschaftlich genutzt werden. Derartige Tätigkeiten werfen weder besondere Sicherheitsfragen noch Zuteilungsfragen auf, die es nahelegen, auf das spezifische bergrechtliche Instrumentarium zuzugreifen. Auf die zielgerichtete Bodenschätzegewinnung zum Zwecke ihrer Nutzung in einem Gebäude passt die Vorschrift hingegen nicht. Konsequenterweise müsste es dem Grundstückseigentümer sonst auch erlaubt sein, Kohle, Erdgas oder Erdöl zum Eigenverbrauch zu gewinnen, ohne hierfür über eine Bergbauberechtigung zu verfügen. Dies ist mit der Ausnahmevorschrift erkennbar nicht bezweckt. 48 Die Anknüpfung an § 4 Abs. 2 Nr. 1 führt auch nicht zu praktikablen Ergebnissen. Auch wenn die grundstücksbezogene Nutzung von oberflächennaher Erdwärme nicht dem Gewinnungsbegriff unterfällt, bleibt es dabei, dass es sich bei dem Erdwärmevorkommen um einen bergfreien Bodenschatz handelt. Interessenten könnten deshalb auch für diese Vorkommen großflächige Erlaubnisse und Bewilligungen beantragen, um so die Erdwärme auch unter ihnen nicht gehörenden Grundstücken zu gewinnen. Damit käme es zu einem Nebeneinander von räumlich nicht notwendigerweise getrennten Erdwärmenutzungen innerhalb desselben Horizonts, die sich teilweise nach Bergrecht richten und zu einem anderen Teil außerhalb des Bergrechts stattfinden und damit unterschiedlichen Rechtsregimen unterliegen. Für die damit verbundenen Nutzungsund Interessenkonflikte stellt das BBergG kein geeignetes Instrumentarium zur Verfügung. Zudem gilt die Ausnahme nach § 4 Abs. 2 Nr. 1 dem Wortlaut nach nur für die Gewinnung, nicht aber für die Aufsuchung. In der Konsequenz bräuchte man eine Aufsuchungserlaubnis, aber keine Gewinnungsbewilligung, das wäre wertungswidersprüchlich.102 Siehe hierzu § 4 Rn. 4. 49 Aufgrund ihrer konkreten Ausgestaltung erzielt § 4 Abs. 2 Nr. 1 auch keine sachgerechten räumlichen Abgrenzungen: So ist es nicht überzeugend, einen in wenigen Metern Tiefe verlegten Erdwärmekollektor dem Bergrecht zu unterstellen, nur weil er eine Grundstücksgrenze überschreitet. Weil die Norm zudem voraussetzt, dass die Erdwärme auf dem Grundstück aus Anlass oder im Zusammenhang mit „dessen“ baulicher Nutzung gefördert wird, wären Anlagen, die auch Gebäude auf Nachbargrundstücken beheizen, nicht erfasst.103 Wenn mehrere Gebäude mit Erd-

102 So aber Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 3 Rn. 48. Siehe aber auch die Gegenansicht unter Piens/Schulte/ Graf Vitzthum BBergG, § 4 Rn. 20. 103 Der Gesetzeswortlaut ist in dieser Hinsicht eindeutig, so dass die Verwaltungspraxis dem überwiegend folgt, vgl. Umweltministerium Baden-Württemberg (Hrsg.) Leitfaden zur Nutzung von Erdwärme mit Erdwärmesonden (2005), S. 11; Umweltministerium Baden-Württemberg (Hrsg.) Leitfaden zur Nutzung von Erdwärme mit Erdwärmekollektoren (2008), S. 4; Behörde für Umwelt; Klima, Energie und Agrarwirtschaft – Hamburg (Hrsg.) Leitfaden zur Erdwärmenutzung in Hamburg (2021), S. 30; Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie – Mecklenburg-Vorpommern (Hrsg.) Leitfaden Erdwärmesonden und Erdwärmekollektoren in Mecklenburg-Vorpommern (2015), S. 19 ff; Landesamt für Geologie und Bergwesen Sachsen-Anhalt (Hrsg.) Erdwärmenutzung in Sachsen-Anhalt (2012), S. 16 f. Es gibt aber auch von Hammerstein

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wärme beheizt werden sollen, hinge die Anwendung des Bergrechts damit letztlich von der Größe des Grundstücks und der Zahl der darauf errichteten oder zu errichtenden Gebäude ab. Dies zeigt, dass § 4 Abs. 2 Nr. 1 nicht geeignet ist, den Anwendungsbereich des BBergG für 50 Erdwärme sachgerecht zu begrenzen. Hierfür muss stattdessen bereits beim Begriff der Erdwärme in § 3 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b) angesetzt werden. Eine einschränkende Auslegung ist nicht nur praxisfreundlich, sondern auch rechtlich geboten. Die Einordnung der Erdwärme als bergfreier Bodenschatz entzieht dem Grundeigentümer das Recht zu ihrer Aufsuchung und Gewinnung. Dies ist als Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums nach Art. 14 Abs. 2 Satz 1 GG zwar möglich; die Beschränkung muss aber verhältnismäßig sein.104 Die Einordnung der Erdwärme als bergfreier Bodenschatz rechtfertigt sich, jedenfalls bei Anlagen in geringer Tiefe, nicht durch die Gesetzeszwecke der Betriebssicherheit (§ 1 Nr. 2) und der Gefahrenvorsorge (§ 1 Nr. 3). Um das spezielle bergrechtliche Instrumentarium der Bergaufsicht, insbesondere die Betriebsplanpflicht, zur Anwendung zu bringen, hätte es ausgereicht, die Erdwärme den grundeigenen Bodenschätzen gleichzustellen. Diesen Weg hat der Gesetzgeber in § 3 Abs. 4 Nr. 2 gewählt, indem er zu den grundeigenen Bodenschätzen auch die eigentlich nicht unter das BBergG fallende sog. Grundeigentümerbodenschätze zählt, wenn sie untertägig aufgesucht oder gewonnen werden. Gerechtfertigt ist die Trennung der geothermischen Energie vom Grundeigentum nur insoweit, als gerade die zusätzliche Kontrolle durch das öffentlich-rechtliche Konzessionssystem der §§ 6 ff. erforderlich ist, um Interessen der Allgemeinheit zu wahren. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll § 3 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b) die geordnete Nutzung des vorhandenen Erdwärmepotentials sicherstellen.105 Das Allgemeininteresse an einem sinnvollen Umgang mit der Ressource Erdwärme ist bei unbedeutenden, in der Regel oberflächennahen Erdwärmevorkommen aber nicht negativ berührt, sondern erst dann, wenn Erdwärmepotentiale einer bestimmten Größenordnung genutzt werden.106 Erst in diesem Fall ist es verhältnismäßig, dem Grundstückseigentümer das Recht zur Erdwärmenutzung zu entziehen. Der Begriff der Erdwärme in § 3 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b) ist daher im Lichte der Grundrechte einschränkend auszulegen. Formen der Erdwärmenutzung, die grundsätzlich nicht geeignet sind, Allgemeininteressen zu berühren, sind nicht vom bergrechtlichen Begriff der Erdwärme erfasst. Zur Nutzung ist der Grundstückseigentümer berechtigt. Erdwärme im bergrechtlichen Sinne liegt danach erst dann vor, wenn sie in einem Umfang genutzt werden kann, der von gesamtwirtschaftlicher Bedeutung ist. Das bergrechtliche Berechtsamsverfahren ist zudem bei gesamtwirtschaftlich unbedeuten- 51 den oberflächennahen Geothermievorkommen nicht erforderlich, um einen die Grundstücksgrenzen überschreitenden Entzug von Erdwärme zu regulieren. Den Ausgleich der nachbarlichen Interessen und damit „die geordnete Nutzung des vorhandenen Erdwärmepotentials“107 hat das private Nachbarrecht zu bewältigen.108 Da es sich bei oberflächennahen unbedeutenden Erdwärmevorkommen nicht um einen bergfreien Bodenschatz handelt, steht das Recht an ihrer Nutzung dem jeweiligen Grundstückseigentümer zu. Das aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis folgende Gebot der Rücksichtnahme dürfte es gebieten, mit Geothermieanlagen einen angemessenen Abstand zu Nachbargrundstücken einzuhalten, um dort die Möglichkeit zur Erdwärmenutzung nicht zu beeinträchtigen.109 Will ein Investor eine größere Anlage errichten, die auch ErdAnsätze, sich davon zu lösen, vgl. Ministerium für Umwelt Saarland (Hrsg.) Leitfaden Erdwärmenutzung – Geothermische Nutzung im Saarland (2008), S. 6, wonach bei grundstücksübergreifender Erdwärmeerschließung eine Einzelfallprüfung klären soll, ob eine bergrechtliche Bewilligung erforderlich ist. Für eine Erstreckung auf mehrere Grundstücke, die in unmittelbaren oder betrieblichen Zusammenhang stehen, wohl Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 3 Rn. 47. 104 BVerfG 14.7.1981, 1 BvL 24/78, BVerfGE 58, 137, 148; BVerfG 15.7.1981, 1 BvL 77/78, BVerfGE 58, 300, 346. 105 BT-Drs. 8/1315, S. 173, 189. 106 Vgl. von Hammerstein FS Salje (2013), S. 201, 210. 107 BT-Drs. 8/1315, S. 173, 189. 108 Hierzu Berlin NuR 2014, 476. 109 Vgl. zum nachbarlichen Rücksichtnahmegebot BGH 22.2.1991, V ZR 308/89, BGHZ 113, 384, 389; BGH 10.4.1953, V ZR 115/51, Lindenmaier/Möhring Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofes, § 903 BGB Nr. 2. 67

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wärmevorkommen unter benachbarten Grundstücken erschließt, ist er daran nicht durch das Bergrecht gehindert, muss sich aber mit den betroffenen Grundstückseigentümern verständigen. 52 Damit ist aber noch nicht geklärt, welche Kriterien für die Abgrenzung von wirtschaftlich bedeutenden bergfreien und anderen Erdwärmevorkommen heranzuziehen sind. Anknüpfungspunkt für die Unterscheidung zwischen bergfreier Geothermie und anderen weniger bedeutenden Erdwärmevorkommen kann nach dem vorstehend Gesagten nicht die Kapazität der konkreten Gewinnungsanlage sein. Welche Anlagengröße zum Einsatz kommt, steht in der Aufsuchungsphase auch häufig noch nicht fest. Entscheidend ist vielmehr, ob das Vorkommen als solches volkswirtschaftlich bedeutend ist. In diesem Zusammenhang kann aber durchaus eine Rolle spielen, ob Temperatur und Schüttung den wirtschaftlichen Einsatz größerer Anlagen erlauben. Derartige Anlagen sind mit hohem Investitionsaufwand verbunden und daher auf die Rechts- und Investitionssicherheit angewiesen, die das BBergG dem Berechtsamsinhaber vermittelt. Eine für alle Fälle gültige abstrakte Abgrenzung bergfreier und anderer Formen der Erdwärme lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen. Im Interesse der Rechtssicherheit wäre es wünschenswert, wenn der Gesetzgeber Schwellenwerte festlegte. De lege lata ist es sinnvoll, die Grenze dort zu ziehen, wo die gewinnbare Wärme typischerweise nicht mehr nur der Wärmeversorgung einzelner Gebäude oder Gebäudekomplexe dient, sondern wo sie ausreicht, um ganze Siedlungen oder Ortsteile zu versorgen. In Ermangelung einer klaren gesetzlichen Regelung haben die Bergbehörde hierfür unterschiedliche Abgrenzungskriterien entwickelt. 52a Da eine Nutzung für Fernwärmezwecke in der Regel nur bei tiefen Erdwärmehorizonten der Fall möglich ist, werden teilweise nur Vorkommen jenseits einer Teufe von 400 m als bergfreie Erdwärme eingestuft.110 Bei größeren geothermischen Projekten in derartiger Teufe steht auch die Grundstücksnutzung nicht mehr im Vordergrund. Dies trägt dem in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers111 Rechnung, die grundstücksbezogene Erdwärmenutzung nicht dem Bergrecht zu unterstellen, auch wenn sich die dafür eigentlich bestimmte Ausnahmevorschrift des § 4 Abs. 2 Nr. 1 als ungeeignet erweist, dieses Ziel zu erreichen. Ein Vorschlag des Wirtschaftsausschusses und des Rechtsausschusses des Bundesrats, das 400-m-Kriterium in die Erdwärmedefinition des BBergG zu übernehmen, scheiterte im Plenum des Bundesrats.112 53 Nach bayerischer Verwaltungspraxis113 ist ein Erdwärmevorkommen als bergfreier Bodenschatz einzustufen, wenn die Gesamtanlage eine maximale Heizleistung114 von 0,2 MW erreicht. Der Schwellenwert von 0,2 MW erscheint sachgerecht. Er erlaubt es, ohne Anwendung des Bergrechts für mehrere benachbarte Grundstücke eine Gemeinschaftsanlage zu errichten, auch wenn diese größer ist als eine für ein Einfamilienhaus notwendige Anlage. Großanlagen zur Nutzung der (tiefen) Geothermie würden hingegen eine bergrechtliche Berechtigung und eine Betriebsplanzulassung erfordern. Der Schwellenwert muss allerdings, wie oben dargelegt, dahingehend modifiziert werden, dass es nicht auf die konkrete Anlage, sondern darauf ankommt, ob der Erdwärmehorizont den Einsatz solcher Großanlagen wirtschaftlich sinnvoll erscheinen lässt. Dies wird im Regelfall nur auf die tiefe Geothermie zutreffen. Die Erschließung tiefer Horizonte lohnt sich wirtschaftlich nur, wenn die Ausbeute hoch und damit die Anlagenleistung groß ist. Die größere Tiefe des Erdwärmehorizonts, z.B. von mehr als 400 m, kann deshalb ebenfalls ein Indiz für die volkswirtschaftliche Bedeutung des Vorkommens und damit seine Einstufung als bergfrei sein. 110 (Niedersächsisches) Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie, Leitfaden Erdwärmenutzung in Niedersachsen, GeoBerichte 24 (2022), S. 20. 111 Bericht des Wirtschaftsausschusses, BT-Drs. 8/3965, S. 8, 133. 112 BR-Drs. 166/1/21, S. 1 f. und Plenarprotokoll 1002 vom 26.3.2021, S. 130. 113 Bayerisches Landesamt für Umwelt (Hrsg.) UmweltWissen – Oberflächennahe Geothermie (2013), S. 9; Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie (Hrsg.) Bayerischer Geothermieatlas (2012) S. 90; Bayerisches Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz (Hrsg.) Oberflächennahe Geothermie – Heizen und Kühlen mit Energie aus dem Untergrund (2005), S. 13. 114 Zwar wird der tatsächliche Wärmeentzug nicht durch die Heizleistung, sondern durch die Wärmeentzugsleistung beschrieben, die Abgrenzung anhand der maximalen Heizleistung führt aber zu einer besseren Planbarkeit. von Hammerstein

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Die hessischen Bergbehörden stufen als Erdwärme nur die Geothermie ein, die aus tiefen, geothermischen Reservoiren gewonnen wird und die unmittelbar oder nach Umwandlung in elektrische Energie zur Versorgung des Marktes, also einer Vielzahl von Abnehmern, zur Verfügung gestellt werden kann. Reicht die gewonnene Wärme nicht aus, um sie unmittelbar zu nutzen, sondern muss hierfür eine Wärmepumpe eingesetzt werden, soll es sich nicht um Erdwärme i.S.d. § 3 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 b) BBergG handeln.115 Auch im Hinblick auf die für die Erdwärmenutzung notwendigen Bohrungen steht die hier vertretene einschränkende Auslegung des Erdwärmebegriffs im Einklang mit den Wertungen des BBergG. Selbst wenn der Einsatz größerer Anlagen wirtschaftlich nicht sinnvoll ist, sind alle Bohrungen, die mehr als 100 m in den Erdboden eindringen, der Bergbehörde nach § 127 anzuzeigen. Diese kann das Vorhaben der Betriebsplanpflicht unterstellen, wenn sie es aus Gründen des Betriebs- und Arbeitsschutzes (§ 1 Nr. 2) und der Gefahrenvorsorge (§ 1 Nr. 3) für erforderlich hält. Umgekehrt folgt aus der Entscheidung des Gesetzgebers in § 127 aber auch die Wertung, dass Sicherheitsaspekte im Falle einer Bohrung unter 100 m noch nicht die Anwendung des Bergrechts erforderlich machen. Sonstige Belange werden weiterhin ausreichend geschützt. Unberührt bleibt das wasserrechtliche Verfahren, welches den Grundwasserschutz gewährleistet. Werden als Wärmeträger Stoffe gewonnen, die ihrerseits den bergrechtlichen Vorschriften unterliegen, z.B. heiße Solen, Laugen oder sonstige Minerallösungen und -dämpfe, ist hierfür unabhängig von der eventuellen Erdwärmenutzung eine Bergbauberechtigung erforderlich, sofern es sich nicht nur um eine Mitgewinnung handelt. Dabei ist es zulässig, ebenso wie bei mehreren sonstigen bergfreien Bodenschätzen auch die Aufsuchung und Gewinnung von Erdwärme zusammen mit dem als Wärmeträger vorgesehenen bergfreien Bodenschatz in einer einzigen Erlaubnis oder Bewilligung zu erfassen. Infolge der durch § 3 Abs. 3 Satz 2 erfolgten rechtlichen Gleichstellung mit den bergfreien Bodenschätzen sind auf die Erdwärme auch die Vorschriften des § 42 über die Mitgewinnung von Bodenschätzen bei der Gewinnung bergfreier Bodenschätze anzuwenden. Die hier vorgeschlagene und von den Bergbehörden mit unterschiedlichen Kriterien konkretisierte Auslegung entlastet kleinere Anlagen im Hinblick auf das einzuhaltende Zulassungsverfahren. Sie fördert damit auch die Nutzung einer umweltfreundlichen Technologie, deren Ausbau vom Gesetzgeber gewollt ist. So verpflichtet das EEWärmeG bei neu errichteten Gebäuden, in gewissem Umfang erneuerbare Energien zu nutzen (§ 3 EEWärmeG), wozu auch Erdwärme gehört (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 EEWärmeG). Die Anknüpfung an die wirtschaftliche Bedeutung des Erdwärmevorkommens, die typischerweise mit größerer Teufe zunimmt, hat zudem den Vorteil, dass sie in einem gewissen Umfang das Problem entschärft, das sich ergibt, weil das BBergG keine vertikale Abgrenzung von Aufsuchungs- und Bewilligungsfeldern kennt. Unterfällt eine beabsichtigte oberflächennahe Nutzung von unbedeutenden Erdwärmevorkommen nach dieser Auffassung nicht dem Begriff der Erdwärme i.S.d. § 3 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b), kann sie auch dann zulässig sein, wenn ein anderer Vorhabenträger eine Nutzung der tiefen Geothermie plant und zu diesem Zweck eine bergrechtliche Berechtigung innehat.116 Für diesen Fall wird so eine ökonomisch und ökologisch sinnvolle gleichzeitige Ausnutzung der Erdwärme in unterschiedlichen Tiefen ermöglicht. Dies gilt allerdings nicht für die rechtliche Trennung von bergfreien geothermisch nutzbaren Horizonten unterschiedlicher Teufe. Der Feldesbegriff des § 4 Abs. 7 lässt es nicht zu, Erlaubnisse und Bewilligungen auf Erdwärme vertikal zu gliedern. Eine solche Begrenzung von Feldern nach Tiefenebenen würde die Nutzung der Geothermie in unterschiedlichen hydraulisch getrennten Stockwerken

115 E-Mail-Auskunft des Hessischen Ministeriums für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz vom Mai 2022 unter Hinweis auf ein internes unveröffentlichtes Schreiben des Ministeriums an die Bergbehörden vom 11.11.2021. Der hessische Leitfaden „Erdwärmenutzung in Hessen“ wurde zum Zeitpunkt der Auskunft überarbeitet. 116 Zu diesem Problem vgl. Große ZUR 2009, 535, 537. 69

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erleichtern und wird daher gelegentlich rechtspolitisch gefordert.117 Hierfür müsste allerdings das Gesetz geändert werden. Einen entsprechenden Vorschlag des Wirtschaftsausschusses und des Rechtsausschusses des Bundesrats118 hat die Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesberggesetzes und zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung nicht aufgegriffen. Die Nutzung verschiedener Stockwerke für unterschiedliche Projekte bedürfe wegen möglicher Folgen vertiefter Prüfung.119 Auch für Erdwärme gelten die Übergangsvorschriften der §§ 149 bis 159. Betriebe, die bei 58 Inkrafttreten des BBergG bereits Erdwärme gewonnen haben und diese Wärme weiterhin zu Bade- oder Heilzwecken nutzen, sind nach § 169 Abs. 2 vom Geltungsbereich des Gesetzes ausgenommen. Zur Aufsuchung, Gewinnung, Aufbereitung und Weiterverarbeitung von Erdwärme siehe die 59 Kommentierung zu § 4 Rn. 4, 12 und 22.

V. Grundeigene Bodenschätze (Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4) 1. Allgemeines 60 Absatz 4 führt aus dem Bereich der Grundeigentümerminerale diejenigen Bodenschätze auf, die wie die bergfreien Bodenschätze dem Bergrecht unterliegen. Sie werden als grundeigene Bodenschätze bezeichnet, während man für die nicht von diesem Gesetz erfassten Bodenschätze den Begriff „Grundeigentümerbodenschätze“ verwendet.120 § 3 Abs. 2 Satz 1 stellt klar, dass grundeigene Bodenschätze im Eigentum des Grundeigentümers stehen. Das bedeutet, das Recht, diese Bodenschätze aufzusuchen oder zu gewinnen, ist Teil des Eigentumsrechts und muss nicht durch „Verleihung“ einer besonderen Bergbauberechtigung begründet werden.121 Weil dies bereits aus den §§ 903 BGB folgt, ist die Regelung deklaratorisch. Das BBergG stellt die grundeigenen Bodenschätze den bergfreien Bodenschätzen in öffentlich61 rechtlicher wie in privatrechtlicher Beziehung gleich. Ausgenommen sind lediglich das Berechtsamswesen (§§ 6 bis 33) sowie andere Vorschriften, die ausdrücklich oder inhaltlich auf bergfreie Bodenschätze beschränkt sind. Die Gleichbehandlung der grundeigenen mit den bergfreien Bodenschätzen kommt nicht nur durch die Einbeziehung in den Geltungsbereich des Gesetzes in § 2 Abs. 1 zum Ausdruck, sondern auch in der Definition der Begriffe „Unternehmer“, „Gewinnungsberechtigung“ und „Gewinnungsbetrieb“ in § 4 Abs. 5, 6 und 8. Wenn das Gesetz diese Begriffe verwendet, sind die grundeigenen Bodenschätze miterfasst. Neben den Vorschriften über die Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung, über Bergverordnungen und über die Bergaufsicht (§§ 39 bis 74) finden also auch die Bestimmungen über die Zulegung (§§ 35 bis 38), und die Grundabtretung sowie das Bergschadensrecht (§§ 77 bis 125) Anwendung. Die Zuständigkeit für die bergrechtliche Zuordnung von Bodenschätzen nach § 3 Abs. 4 62 liegt bei den nach § 142 zuständigen Bergbehörden. Weil die Beurteilung der Art und Qualität von Bodenschätzen in die Sachkompetenz der Staatlichen Geologischen Dienste fällt, werden diese häufig von den Bergbehörden mit der gutachterlichen Bewertung von Bodenschätzen im Hinblick auf deren bergrechtliche Zuordnung beauftragt. Um eine Bewertung der betreffenden Bodenschätze nach einheitlichen gutachterlichen Gesichtspunkten sicherzustellen und dadurch die bundeseinheitliche Anwendung des BBergG zu gewährleisten, hat die Ad-hoc-Arbeitsgruppe Rohstoffe des

117 Benz Rechtliche Rahmenbedingungen für die Nutzung der oberflächennahen Geothermie, S. 37; Große ZUR 2009, 535, 536 f.; Schulz Geothermische Energie 40, 9 f. 118 BR-Drs. 166/1/21, S. 2 f. 119 BT-Drs. 19/28402, S. 23. 120 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 3 Rn. 70; Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht, Rn. 61. 121 BT-Drs. 8/1315, S. 79. von Hammerstein

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Bund-Länder-Ausschusses Bodenforschung Empfehlungen zur Anwendung des § 3 Abs. 4 BBergG herausgegeben.122 Die Verwaltungspraxis wird von diesen Richtlinien geprägt.123

2. Katalog der grundeigenen Bodenschätze (Absatz 4 Nr. 1) Die Aufzählung der grundeigenen Bodenschätze in Absatz 4 Nr. 1 lehnt sich weitgehend an die früheren Regelungen in § 1 Abs. 1 der Verordnung über die Aufsuchung und Gewinnung mineralischer Bodenschätze vom 31.12.1942 (sog. Silvesterverordnung)124 und an § 214 ABG an. Schon durch diese beiden Vorschriften waren bestimmte Grundeigentümermineralien in das Bergrecht einbezogen worden und zwar aus unterschiedlichen Motiven. Während es sich bei § 214 ABG um eine provinzialrechtliche Sonderregelung handelte, die lediglich für Dachschiefer, Basaltlava und Trass einen auf dem französischen Bergwerksgesetz vom 21.4.1810 beruhenden Rechtszustand aufrechterhielt, unterstellte die sog. Silvesterverordnung die volkswirtschaftlich bedeutsamen Steine und Erden, insbesondere die wesentlichen feuerfesten und keramischen Rohstoffe, den berggesetzlichen Bestimmungen. Bei Basaltlava handelt es sich um in der Tertiärzeit und in jüngeren Epochen entstandene Ergussgesteine. Erfasst werden basaltische Gesteine im weitesten Sinne entsprechend der „Classification of Igneous Rocks“, die von der International Union of Geological Sciences, Subcommission on the Systematic of Igneous Rocks empfohlen wird, und zwar unabhängig von ihrem geologischen Alter.125 Basalt sondert häufig in meterlangen, senkrecht zur Abkühlungsfläche stehenden Säulen ab (Säulenbasalt). Die Herausnahme des Säulenbasalts in Absatz 4 Nr. 1 stellt klar, dass unter dem bergrechtlichen Begriff Basaltlava nur die schon vor Inkrafttreten des BBergG unter das Bergrecht fallende (massige) Basaltlava zu verstehen ist, die ausschließlich linksrheinisch vorkommt. Der rechtsrheinisch gewonnene Basalt ist in der Regel Säulenbasalt und unterliegt als solcher entsprechend der früheren Regelung nicht dem Bergrecht.126 In der Praxis ist im Einzelfall zu klären, um welche Art von Basalt es sich handelt. Bauxit ist ein wichtiger Rohstoff für die Aluminiumherstellung. Es handelt sich um ein Umwandlungsprodukt tonerdehaltiger Eruptivgesteine und ist von Eisenoxiden rötlich gefärbt. Bauxit enthält etwa 50 bis 70 % Al203. Bentonit und andere montmorillonitreiche Tone sind smektitreiche Tone. Erfasst werden Tone mit einem Gehalt an Montmorillonit in Höhe von 70 bis 80 % bzw. mit Smektitgehalten von mehr als 60 % im getrockneten Rohton.127 Dachschiefer ist Tonschiefer mit ebenflächiger Spaltbarkeit. Er eignet sich deshalb zur Herstellung von Schieferformsteinen für die Bauindustrie, außerdem als Dach- und Wandbedeckung, für Türrahmen, Treppenstufen, Fensterbänke, Kaminverkleidungen, Fußböden und Fassadenverkleidungen. Weitere Verwendungsmöglichkeiten ergeben sich aus der Verarbeitung zu Blähschiefer. Die wichtigsten Vorkommen gibt es im Rheinischen Schiefergebirge, vor allem im Sauerland. 122 Ad-hoc-Arbeitsgruppe Rohstoffe des Bund-Länder-Ausschusses Bodenforschung (Hrsg.) Gutachterliche Bewertung von grundeigenen Bodenschätzen im Sinne des § 3 Abs. 4 Ziffer 1 BBergG durch die Staatlichen Geologischen Dienste vom 20.9.2007, S. 1. 123 Vgl. Landesamt für Geologie und Bergbau Rheinland-Pfalz (Hrsg.) Merkblatt Anforderungen an Bodenschätze zur Einstufung als grundeigene Bodenschätze nach § 3 Abs. 4 Nr. 1 BBergG vom 1.10.2007, sowie Sächsisches Oberbergamt (Hrsg.): Merkblatt zum Nachweis grundeigener Bodenschätze nach § 3 Abs. 4 BBergG vom 3.3.2017. 124 RGBl. 1943 I S. 17. 125 Ad-hoc-Arbeitsgruppe Rohstoffe des Bund-Länder-Ausschusses Bodenforschung (Hrsg.) Gutachterliche Bewertung von grundeigenen Bodenschätzen im Sinne des § 3 Abs. 4 Ziffer 1 BBergG durch die Staatlichen Geologischen Dienste vom 20.9.2007, S. 2. 126 BT-Drs. 8/1315, S. 174. 127 BVerwG 25.5.2011, 9 A 15/10 = ZfB 2011, 188 Rn. 17; Ad-hoc-Arbeitsgruppe Rohstoffe des Bund-Länder-Ausschusses Bodenforschung (Hrsg.) Gutachterliche Bewertung von grundeigenen Bodenschätzen im Sinne des § 3 Abs. 4 Ziffer 1 BBergG durch die Staatlichen Geologischen Dienste vom 20.9.2007, S. 3. 71

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Soweit Dachschiefer Gegenstand eines nach den §§ 149 ff. aufrechterhaltenen alten Rechts ist, fällt er nicht unter Absatz 4, sondern zählt zu den bergfreien Bodenschätzen i.S.d. Absatzes 3.128 Bei Feldspat handelt es sich um alkalihaltige Tonerdesilikate. Nach den Empfehlungen der Ad-hoc-Arbeitsgruppe Rohstoffe sind solche Minerale aus der Gruppe der Feldspäte und Feldspatvertreter bzw. feldspatreichen Gesteine erfasst, die unaufbereitet als Feldspatrohstoff geeignet sind oder nach dem jeweiligen Stand der Aufbereitungstechnik im technischen Maßstab zu Feldspatkonzentrat aufbereitbar sind. Als Feldspatrohstoff gelten dabei Gesteine, wenn sich aus einer petrographischen Analyse ergibt, dass in dem untersuchten unaufbereiteten Substrat Minerale aus der Gruppe der Feldspäte mindestens 25 % ausmachen und eine quantitative chemische Analyse des unaufbereiteten Rohstoffes ergibt, dass sowohl der Anteil an Eisenoxid (Fe2O3) höchstens 2,0 % beträgt, als auch die Summe der Gehalte an Natriumoxid (Na2O) und Kaliumoxid (K2O) nicht mehr als 5,0 % beträgt. Sollten diese Werte nicht im Rohstoff eingehalten sein, so kann nachgewiesen werden, dass die Aufbereitung im technischen Maßstab zur Einhaltung der vorgegebenen Werte führen kann.129 Zum Bergbau auf Feldspat wird der Abbau gang- und stockförmiger Pegmatite gerechnet. Es handelt sich um Erstarrungsgesteine, die die gleichen Komponenten wie Granite enthalten, nämlich Quarz, Feldspat und Glimmer, sich von diesen jedoch durch ihr unregelmäßiges Gefüge und vor allem dadurch unterscheiden, dass die Komponenten deutlich erkennbare Bezirke bilden. Kaolin ist der Sammelname für ein Gemenge verschiedener Tonerdesilikate, dessen Hauptbestandteil der weiße Kaolinit (Al203 × 2Si02 × 2H20) ist. Als Kaolin gilt Gestein mit einem Anteil an Korn ≤ 0,02 mm am nutzbaren Rohstoff von mindestens 20 %, wobei in diesem Kornanteil überwiegend Minerale der Kaolinitgruppe (Kaolinit, Dickit, Nakrit, Halloysit) enthalten sein müssen.130 Lagerstätten von Kaolin sind sehr verschiedenartig ausgebildet und weisen unterschiedlichen Mineralbestand auf. Pegmatitsande sind feldspatreiche Sande und Sandsteine mit einem Feldspatanteil von mindestens 25 % im unaufbereiteten, nutzbaren Rohstoff.131 Unter Glimmer versteht man hydroxyl- und alkali-, häufig auch fluorhaltige Tonerdesilikate, die nach einer Fläche ausgezeichnet spaltbar sind. Kieselgur (Diatomit) ist ein feinkörniges, leichtes Pulver, das aus 70 bis 90 % amorpher Kieselsäure, 3 bis 12 % Wasser und geringen Mengen von organischen, fettähnlichen Beimengungen besteht. Quarz ist chemisch gesehen Siliziumdioxid (Si02). Es ist ein Gemengeteil vieler Gesteine, findet sich aber auch als Einzelkristall. Quarzit ist ein feinkörniges, sehr widerstandsfähiges Gestein, das vorwiegend Quarz enthält. Quarz und Quarzit fallen unter dieses Gesetz, soweit sie sich zur Herstellung von feuerfesten Erzeugnissen oder Ferrosilizium eignen. Als zur Herstellung von feuerfesten Erzeugnissen oder Ferrosilizium geeignet gelten Quarzite, Gangquarze, Quarzsande, 128 Verleihbar war Dachschiefer im Bereich des ehemaligen Herzogtums Nassau (Verordnung vom 22.2.1867, GS. S. 237) und im Gebiet des ehemaligen Fürstentums Waldeck (Gesetz vom 1.1.1869, GS. S. 78); Käst ZfB 1935, 384. Ferner gab es in Bayern aufgrund der brandenburg-bayreuther Bergordnung vom 1.12.1619 Belehnungen auf die sog. niederen Fossilien, zu denen u.a. Dach- und Tafelschiefer gehörte. Im Sauerland ist Schiefer aufgrund der churkölnischen Bergordnung von 1669 verliehen worden. Die §§ 214 bis 214d ABG enthielten demgegenüber keine Berechtsamsvorschriften, sondern erklärten lediglich gewisse den Betrieb betreffende berggesetzliche Bestimmungen auf die in den linksrheinischen Landesteilen gelegenen Dachschieferbrüche für anwendbar. 129 Ad-hoc-Arbeitsgruppe Rohstoffe des Bund-Länder-Ausschusses Bodenforschung (Hrsg.) Gutachterliche Bewertung von grundeigenen Bodenschätzen im Sinne des § 3 Abs. 4 Ziffer 1 BBergG durch die Staatlichen Geologischen Dienste vom 20.9.2007, S. 3. 130 Ad-hoc-Arbeitsgruppe Rohstoffe des Bund-Länder-Ausschusses Bodenforschung (Hrsg.) Gutachterliche Bewertung von grundeigenen Bodenschätzen im Sinne des § 3 Abs. 4 Ziffer 1 BBergG durch die Staatlichen Geologischen Dienste vom 20.9.2007, S. 4. 131 Ad-hoc-Arbeitsgruppe Rohstoffe des Bund-Länder-Ausschusses Bodenforschung (Hrsg.) Gutachterliche Bewertung von grundeigenen Bodenschätzen im Sinne des § 3 Abs. 4 Ziffer 1 BBergG durch die Staatlichen Geologischen Dienste vom 20.9.2007, S. 4. von Hammerstein

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quarzreiche Kiessande, Quarzsandsteine und andere quarzreiche Festgesteine.132 Die Verwaltungspraxis verlangt für die Eignung des Rohstoffs zur Herstellung von feuerfesten Erzeugnissen oder Ferrosilizium, dass der Schmelzpunkt der Gesamtheit der einzelnen Bestandteile bei 1.580 °C (Seger-Kegel 26) oder höher liegt und der Quarzgehalt mindestens 80 % beträgt.133 Es ist nicht erforderlich, dass bereits der in der Natur vorkommende (naturreine) Bodenschatz diesen Grenzwerten entspricht. Es genügt, wenn er diese Voraussetzungen im aufbereiteten Zustand erfüllt.134 Als Aufbereitung gilt ein Verfahren, das nach dem jeweiligen Stand der Technik im technischen Maßstab durchgeführt werden kann.135 Bei einer Aufbereitung durch Waschen und Sieben kann auch auf einzelne Kornfraktionen abgestellt werden.136 Maßgebliches Kriterium für die Anwendbarkeit des Bergrechts ist die abstrakte Eignung (Tauglichkeit) des Bodenschatzes, nicht jedoch die tatsächliche Verwendung bzw. Verwendungsabsicht.137 Dabei sind aber Quarz- und Quarzitlagerstätten als geeignet anzusehen, wenn der eindeutig überwiegende Teil der Produktion tatsächlich in der Feuerfestindustrie verwendet wird (tatsächliche Verwendung als Indiz für die Eignung).138 Bei der Beurteilung der Eignung des Rohstoffs in einer Lagerstätte müssen die dafür gezoge- 74 nen Bodenproben repräsentativ für den Lagerstättenkörper sein.139 Wenn in einer Lagerstätte Horizonte bzw. Lagerstättenteile mit unterschiedlicher Eignung des Rohstoffs auftreten, wird in der Verwaltungspraxis bei der Bewertung die Eignung derjenigen Rohstoffe zugrunde gelegt, deren Gewinnung Ziel der unternehmerischen Tätigkeit ist.140 Es bleibt jedoch auch die Möglichkeit einer Mitgewinnungsentscheidung nach §§ 42 und 43.

132 Ad-hoc-Arbeitsgruppe Rohstoffe des Bund-Länder-Ausschusses Bodenforschung (Hrsg.) Gutachterliche Bewertung von grundeigenen Bodenschätzen im Sinne des § 3 Abs. 4 Ziffer 1 BBergG durch die Staatlichen Geologischen Dienste vom 20.9.2007, S. 4. 133 VG Neustadt (Weinstraße) 7.1.1991, 5 K 2135/90.NW = ZfB 1993, 57, 62. Regierungspräsidium Freiburg (Hrsg.) Rohstoffbericht Baden-Württemberg (2006), S. 13 und Gemeinsamer Runderlass des Ministeriums für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft und des Ministeriums für Wirtschaft, Mittelstand und Technologie des Landes NordrheinWestfalen vom 23.9.1985; Ad-hoc-Arbeitsgruppe Rohstoffe des Bund-Länder-Ausschusses Bodenforschung (Hrsg.) Gutachterliche Bewertung von grundeigenen Bodenschätzen im Sinne des § 3 Abs. 4 Ziffer 1 BBergG durch die Staatlichen Geologischen Dienste vom 20.9.2007, S. 4; Landesamt für Geologie und Bergbau Rheinland-Pfalz (Hrsg.) Merkblatt Anforderungen an Bodenschätze zur Einstufung als grundeigene Bodenschätze nach § 3 Abs. 4 Nr. 1 BBergG vom 1.10.2007, S. 5; Sächsisches Oberbergamt (Hrsg.) Merkblatt zum Nachweis grundeigener Bodenschätze nach § 3 Abs. 4 BBergG vom 3.3.2017, S. 3. 134 BVerwG 24.2.1997, 4 B 260/96 = ZfB 1997, 134, 135; OVG Saarlouis 19.3.2014, 2 A 330/12 = ZfB 2014, 198, 206; OVG Koblenz 5.10.2010, 1 A 10689/09 = ZfB 2011, 119, 126; OVG Koblenz 1.10.1996, 7 A 11474/95 = ZfB 1997, 151, 152 f.; Piens/ Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 3 Rn. 64. 135 Ad-hoc-Arbeitsgruppe Rohstoffe des Bund-Länder-Ausschusses Bodenforschung (Hrsg.) Gutachterliche Bewertung von grundeigenen Bodenschätzen im Sinne des § 3 Abs. 4 Ziffer 1 BBergG durch die Staatlichen Geologischen Dienste vom 20.9.2007, S. 2; Sächsisches Oberbergamt (Hrsg.) Merkblatt zum Nachweis grundeigener Bodenschätze nach § 3 Abs. 4 BBergG vom3.3.2017, S. 4. 136 Ad-hoc-Arbeitsgruppe Rohstoffe des Bund-Länder-Ausschusses Bodenforschung (Hrsg.) Gutachterliche Bewertung von grundeigenen Bodenschätzen im Sinne des § 3 Abs. 4 Ziffer 1 BBergG durch die Staatlichen Geologischen Dienste vom 20.9.2007, S. 2. 137 BVerwG 30.3.2017, 7 C 17/15 = ZfB 2017, 107, Rn. 12ff.; OVG Saarlouis 28.3.2014, 2 A 330/12, amtl. Umdruck, S. 20 f.; VGH Kassel 20.2.2014, 2 B 277/14, juris, Rn. 8 f.; OVG Koblenz 5.10.2010, 1 A 10689/09 = ZfB 2011, 119, 126; OVG Lüneburg 18.12.1985, 7 A 2/85 = ZfB 1986, 358, 365; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 3 Rn. 64. 138 VG Neustadt (Weinstraße) 20.2.1995, 5 K 3458/94.NW = ZfB 1997, 208, 214; sowie Ad-hoc-Arbeitsgruppe Rohstoffe des Bund-Länder-Ausschusses Bodenforschung (Hrsg.) Gutachterliche Bewertung von grundeigenen Bodenschätzen im Sinne des § 3 Abs. 4 Ziffer 1 BBergG durch die Staatlichen Geologischen Dienste vom 20.9.2007, S. 4. 139 VG Neustadt (Weinstraße) 20.2.1995, 5 K 3458/94.NW = ZfB 1997, 208, 214; Ad-hoc-Arbeitsgruppe Rohstoffe des BundLänder-Ausschusses Bodenforschung (Hrsg.) Gutachterliche Bewertung von grundeigenen Bodenschätzen im Sinne des § 3 Abs. 4 Ziffer 1 BBergG durch die Staatlichen Geologischen Dienste vom 20.9.2007, S. 2. 140 Ad-hoc-Arbeitsgruppe Rohstoffe des Bund-Länder-Ausschusses Bodenforschung (Hrsg.) Gutachterliche Bewertung von grundeigenen Bodenschätzen im Sinne des § 3 Abs. 4 Ziffer 1 BBergG durch die Staatlichen Geologischen Dienste vom 20.9.2007, S. 2. 73

von Hammerstein

§3

Erster Teil – Einleitende Bestimmungen

Speckstein und Talkum sind Magnesiumsilikate ähnlicher Zusammensetzung, d.h. ca. 32 % MgO und 62 % Si02. Tone als Verwitterungsrückstände feldspatführender Gesteine sind weit verbreitet. Man un76 terscheidet die älteren tertiären Tone, die hauptsächlich zur Fabrikation feuerfester Erzeugnisse, und die geringerwertigen diluvialen und alluvialen Tone, die für die Ziegel- und Klinkerherstellung eingesetzt werden. Zu den feuerfesten Tonen werden diejenigen gerechnet, deren Schmelzpunkt mindestens bei 1.580 °C (Seger-Kegel 26) liegt.141 Zur Herstellung von säurefesten Erzeugnissen geeignet gilt Ton, wenn die Säurebeständigkeit nach DIN 51102, Teil 1 (Ausgabe 1976) am gebrannten Tonkörper nachgewiesen wurde. Beim Brennverfahren muss die Temperatur zwischen 1.000 und 1.300° C liegen, und die relative Gewichtsänderung darf nach Ende des Verfahrens nicht mehr als 2,5 % betragen.142 Zur Herstellung von keramischen Erzeugnissen, die nicht als Ziegeleierzeugnisse anzusehen sind, eignet sich Ton, wenn aus ihm Keramiken wie Töpferwaren, Tonzellen, Filterkörper oder Steinzeug gefertigt werden können. Als zur Herstellung von Aluminium geeignet gilt Ton, wenn sein Gehalt an Aluminiumoxid (Al2O3) mindestens 30 % beträgt.143 Alle Tone, die zur Herstellung von feuer- und säurefesten sowie keramischen Erzeugnissen, von Tonerde und Emaille geeignet sind, werden unter der Bezeichnung „Spezialtone“ zusammengefasst. Aluminiumtone kommen als Substitut für den teurer und knapper werdenden Rohstoff Bauxit bei der Aluminiumoxidherstellung in Betracht. Die in diesen Tonen enthaltenen Aluminiumbestandteile gehören nicht zu den bergfreien Bodenschätzen. Nach § 169 Abs. 2 Satz 2 ist das BBergG auf Betriebe nicht anzuwenden, in denen bei Inkrafttreten des Gesetzes aus Spezialtonen i.S.d. Absatzes 4 Ziegeleierzeugnisse hergestellt wurden. 77 Unter Trass versteht man natürliche Puzzolangesteine, d.h. Gesteine, die hydraulisch in Gegenwart von Wasser und Kalziumhydroxid erhärten. Ihre Reaktionsfähigkeit hängt ab vom Gehalt an Siliziumoxid in energiereichem, glasartigen Zustand.144 Als Trass bezeichnet man insbesondere den kalkarmen vulkanischen Tuffstein, der vor allem in der Eifel abgebaut wird und in der Baustoffindustrie Verwendung findet. Auch Phonolith zählt als Trass.145 75

3. Untertägige Aufsuchung und Gewinnung (Absatz 4 Nr. 2) 78 Die Vorschrift des Absatzes 4 Nr. 2 lehnt sich an frühere landesrechtliche Regelungen an, durch die der unterirdische Abbau von Grundeigentümerbodenschätzen berggesetzlichen Bestimmungen unterworfen wurde.146 Während in den Ländern aber lediglich bestimmte bergrechtliche Vorschriften, die den Bergwerksbetrieb und seine Überwachung betrafen, für anwendbar erklärt worden waren, bezeichnet Absatz 4 Nr. 2 sonst nicht unter das Bergrecht fallende Bodenschätze, soweit sie untertägig aufgesucht oder gewonnen werden, als grundeigene Bodenschätze 141 Ad-hoc-Arbeitsgruppe Rohstoffe des Bund-Länder-Ausschusses Bodenforschung (Hrsg.) Gutachterliche Bewertung von grundeigenen Bodenschätzen im Sinne des § 3 Abs. 4 Ziffer 1 BBergG durch die Staatlichen Geologischen Dienste vom 20.9.2007, S. 5; vgl. auch Verfügung des Landesoberbergamts NRW zu 09.2-8-12, Stand: April 1994 mit Korrekturen November 1995. 142 Ad-hoc-Arbeitsgruppe Rohstoffe des Bund-Länder-Ausschusses Bodenforschung (Hrsg.) Gutachterliche Bewertung von grundeigenen Bodenschätzen im Sinne des § 3 Abs. 4 Ziffer 1 BBergG durch die Staatlichen Geologischen Dienste vom 20.9.2007, S. 5; vgl. auch Regierungspräsidium Freiburg (Hrsg.) Rohstoffbericht Baden-Württemberg (2006), S. 13. 143 Ad-hoc-Arbeitsgruppe Rohstoffe des Bund-Länder-Ausschusses Bodenforschung (Hrsg.) Gutachterliche Bewertung von grundeigenen Bodenschätzen im Sinne des § 3 Abs. 4 Ziffer 1 BBergG durch die Staatlichen Geologischen Dienste vom 20.9.2007, S. 5. 144 Ad-hoc-Arbeitsgruppe Rohstoffe des Bund-Länder-Ausschusses Bodenforschung (Hrsg.) Gutachterliche Bewertung von grundeigenen Bodenschätzen im Sinne des § 3 Abs. 4 Ziffer 1 BBergG durch die Staatlichen Geologischen Dienste vom 20.9.2007, S. 5. 145 VGH Mannheim 15.7.2022, 6 S 4216/20, juris, Rn. 4. 146 Vgl. Art. 83 BayBergG und im ehemaligen preußischen Rechtsgebiet die §§ 1 bis 3 des Gesetzes über die Beaufsichtigung von unterirdischen Mineralgewinnungsbetrieben und Tiefbohrungen vom 18.12.1933, GS. S. 493. von Hammerstein

74

Erster Teil – Einleitende Bestimmungen

§4

und bezieht sie auf diese Weise in den Geltungsbereich des Gesetzes ein. Es handelt sich um einen Auffangtatbestand, der sicherstellen soll, dass unabhängig von der Art der gewonnenen Mineralien auf die mit besonderen Sicherheitsrisiken verbundene untertägige Gewinnung auf jeden Fall Bergrecht zur Anwendung kommt. Auf die untertägige Gewinnung finden alle Vorschriften des Gesetzes, die sich auf das Auf- 79 suchen, Gewinnen und Aufbereiten von grundeigenen Bodenschätzen beziehen, Anwendung. Daher gelten nicht nur die den Betrieb betreffenden – im Wesentlichen öffentlich-rechtlichen – Vorschriften, sondern auch die Bestimmungen über die Mitgewinnung, die Zulegung, die Grundabtretung und über den Bergschaden.147 Insoweit beeinflusst also die Art der Aufsuchung und Gewinnung die Rechtsposition des Grundeigentümers; denn wenn er dieselben Bodenschätze auf andere Weise als untertägig aufsucht oder gewinnt, hat er nicht die bergrechtlich ausgestaltete Stellung des Unternehmers bzw. Gewinnungsberechtigten. Voraussetzung für die Anwendbarkeit des Absatzes 4 Nr. 2 ist, dass die Bodenschätze untertä- 80 gig, d.h. nicht im Tagebau oder durch übertägig angesetzte Bohrungen, aufgesucht oder gewonnen werden. Zum Begriff untertägig siehe auch § 120 Rn. 14 f. Die Begriffe „Aufsuchen“ und „Gewinnen“ richten sich nach der Legaldefinition in § 4 Abs. 1 und 2. Die Rechtswirkungen des Absatzes 4 Nr. 2 sind unabdingbar. Daraus folgt, dass die untertägige Aufsuchung und Gewinnung von Grundeigentümerbodenschätzen auch dann dem Bergrecht unterliegt, wenn sie in unmittelbarem Zusammenhang mit einer übertägigen Aufsuchung oder Gewinnung steht. Das Gesetz bietet andererseits in § 173 Abs. 1 die Möglichkeit, dass die zuständige Behörde – nach den Zuständigkeitsregelungen der Länder das Ministerium – bei einem Zusammentreffen von untertägiger und übertägiger Aufsuchung oder Gewinnung auch den Betrieb oder Betriebsteil, in dem die Bodenschätze übertägig aufgesucht, oder gewonnen werden, dem Bergrecht unterstellt, soweit dies mit Rücksicht auf die Untrennbarkeit der Arbeits- und Betriebsvorgänge zwischen unter und über Tage geboten ist. Absatz 4 Nr. 2 kommt im Übrigen nur dann zur Anwendung, wenn es sich bei den Bodenschätzen, die aufgesucht oder gewonnen werden, nicht um bergfreie Bodenschätze i.S.d. Absatzes 3 oder um grundeigene Bodenschätze nach Absatz 4 Nr. 1 handelt. Dies ergibt sich aus der Formulierung „alle anderen nicht unter Absatz 3 oder Nummer 1 fallenden Bodenschätze“.

§4 Begriffsbestimmungen (1)

1

Aufsuchen (Aufsuchung) ist die mittelbar oder unmittelbar auf die Entdeckung oder Feststellung der Ausdehnung von Bodenschätzen gerichtete Tätigkeit mit Ausnahme 1. der Tätigkeiten im Rahmen der amtlichen geologischen Landesaufnahme, 2. der Tätigkeiten, die ausschließlich und unmittelbar Lehr- oder Unterrichtszwecken dienen und 3. des Sammelns von Mineralien in Form von Handstücken oder kleinen Proben für mineralogische oder geologische Sammlungen. 2 Eine großräumige Aufsuchung ist eine mit Hilfe von geophysikalischen oder geochemischen Verfahren durchgeführte Untersuchung, wenn sie auf die Ermittlung von Kennwerten beschränkt ist, die großräumige Rückschlüsse auf das mögliche Vorkommen von Bodenschätzen zulassen. (2) Gewinnen (Gewinnung) ist das Lösen oder Freisetzen von Bodenschätzen einschließlich der damit zusammenhängenden vorbereitenden, begleitenden und nachfolgenden Tätigkeiten; ausgenommen ist das Lösen oder Freisetzen von Bodenschätzen 1. in einem Grundstück aus Anlaß oder im Zusammenhang mit dessen baulicher oder sonstiger städtebaulicher Nutzung und

147 Vgl. Rn. 61. 75 https://doi.org/10.1515/9783110709285-015

Keienburg/Wiesendahl

§4

Erster Teil – Einleitende Bestimmungen

2.

(3)

(4) (5)

(6) (7)

(8) (9) (10)

in oder an einem Gewässer als Voraussetzung für dessen Ausbau oder Unterhaltung. 1 Aufbereiten (Aufbereitung) ist das 1. Trennen oder Anreichern von Bodenschätzen nach stofflichen Bestandteilen oder geometrischen Abmessungen auf physikalischer oder physikalisch-chemischer Grundlage einschließlich der damit zusammenhängenden vorbereitenden, begleitenden und nachfolgenden Tätigkeiten, 2. Brikettieren, Verschwelen, Verkoken, Vergasen, Verflüssigen und Verlösen von Bodenschätzen, wenn der Unternehmer Bodenschätze der aufzubereitenden Art in unmittelbarem betrieblichem Zusammenhang selbst gewinnt oder wenn die Bodenschätze in unmittelbarem räumlichem Zusammenhang mit dem Ort ihrer Gewinnung aufbereitet werden. 2 Eine Aufbereitung liegt nicht vor, wenn eine Tätigkeit im Sinne des Satzes 1 mit einer sonstigen Bearbeitung oder Verarbeitung von Bodenschätzen (Weiterverarbeitung) oder mit der Herstellung anderer Erzeugnisse (Nebengewinnung) durchgeführt wird und das Schwergewicht der Tätigkeit nicht bei der Aufbereitung liegt; die Nutzung von Erdwärme ist einer Weiterverarbeitung gleichzustellen. Wiedernutzbarmachung ist die ordnungsgemäße Gestaltung der vom Bergbau in Anspruch genommenen Oberfläche unter Beachtung des öffentlichen Interesses. Unternehmer ist eine natürliche oder juristische Person oder Personenhandelsgesellschaft, die eine der in § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 2 sowie Abs. 2 und 3 bezeichneten Tätigkeiten auf eigene Rechnung durchführt oder durchführen läßt. Gewinnungsberechtigung ist das Recht zur Gewinnung von bergfreien oder grundeigenen Bodenschätzen. Feld einer Erlaubnis, Bewilligung oder eines Bergwerkseigentums ist ein Ausschnitt aus dem Erdkörper, der von geraden Linien an der Oberfläche und von lotrechten Ebenen nach der Tiefe begrenzt wird, soweit nicht die Grenzen des Geltungsbereichs dieses Gesetzes einen anderen Verlauf erfordern. Gewinnungsbetrieb sind Einrichtungen zur Gewinnung von bergfreien und grundeigenen Bodenschätzen. Untergrundspeicher ist eine Anlage zur unterirdischen behälterlosen Speicherung von Gasen, Flüssigkeiten und festen Stoffen mit Ausnahme von Wasser. Transit-Rohrleitung ist eine Rohrleitung, die vom Festlandsockel oder vom Gebiet eines anderen Staates in den Festlandsockel der Bundesrepublik Deutschland führt oder diesen durchquert.

Übersicht I.

Legaldefinitionen

II. 1. 2. 3.

Aufsuchen (Absatz 1) 2 Definition 4 Ausnahmen 5 Zulassungspflicht

III. 1. 2.

Gewinnen (Absatz 2) 6 Definition 8 Ausnahmen a) Lösen oder Freisetzen von Bodenschätzen aus Anlass oder im Zusammenhang mit der baulichen oder städtebaulichen Nut9 zung

Keienburg/Wiesendahl

1

b) c) 3.

Gewässerausbau und -unterhaltung Untertägige Endlagerung und Speiche14 rung 15 Zulassungspflicht

IV. 1. 2. 3.

Aufbereiten (Absatz 3) 17 Definition 21 Ausnahmen 23 Zulassungspflicht

V.

Wiedernutzbarmachung (Absatz 4)

VI.

Unternehmer (Absatz 5)

13

16

24

30

76

§4

Erster Teil – Einleitende Bestimmungen

VII. Gewinnungsberechtigung (Absatz 6) VIII. Feld (Absatz 7) IX.

39

Gewinnungsbetrieb (Absatz 8)

37

X.

Untergrundspeicher (Absatz 9)

46

XI.

Transit-Rohrleitung (Absatz 10)

48

43

I. Legaldefinitionen § 4 enthält in Absätzen 1 bis 10 – so die amtliche Begründung – alle nicht mit dem Begriff des 1 Bodenschatzes zusammenhängenden, für das Gesetz wesentlichen Definitionen.1 Es handelt sich um Legaldefinitionen. Diese verhalten sich in Absätzen 1 bis 4 zu den für den Anwendungsbereich des Gesetzes gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 2 wesentlichen Tatbeständen des Aufsuchens, Gewinnens, Aufbereitens und Wiedernutzbarmachens, in Absatz 5 zum Unternehmer als Adressaten der Pflichten und Verantwortlichkeiten des Gesetzes, in Absätzen 6 und 7 zu der die Voraussetzung der Gewinnung von bergfreien und grundeigenen Bodenschätzen darstellenden Gewinnungsberechtigung und der für die Erteilung einer Berechtigung zur Gewinnung bergfreier Bodenschätze maßgeblichen räumlichen Begrenzung der Berechtigung durch Feldesangabe, in Absatz 8 zum Gewinnungsbetrieb und in Absätzen 9 und 10 zu sonstigen dem Gesetz unterfallenden Betrieben bzw. Einrichtungen.

II. Aufsuchen (Absatz 1) 1. Definition Um eine Aufsuchung handelt es sich bei Tätigkeiten, die auf die erstmalige Entdeckung von Boden- 2 schätzen gerichtet sind sowie bei Tätigkeiten, die auf die Feststellung der Ausdehnung und der Abbau- bzw. Förderwürdigkeit der Lagerstätte bereits bekannter oder erwarteter Bodenschätze gerichtet sind. Unter die Begrifflichkeit der Aufsuchung fallen sowohl unmittelbar auf die Entdeckung oder die Feststellung der Ausdehnung einer Lagerstätte gerichtete Tätigkeiten, etwa Erkundungsbohrungen und Aufschlüsse, als auch mittelbar auf die Entdeckung von Bodenschätzen oder die Feststellung der Ausdehnung einer Lagerstätte gerichtete Tätigkeiten, also geophysikalische, geochemische oder sonstige Untersuchungen, die indirekte Methoden benutzen, um Rückschlüsse auf Bodenschätze und deren Ausdehnung zu ermöglichen. Zur Aufsuchung zählen sowohl das eigentliche Suchen eines Bodenschatzes, d.h. die auf den Fund gerichtete Tätigkeit, als auch die weitere Exploration zur Feststellung der Abbau- bzw. Förderwürdigkeit und -fähigkeit. Die subjektive Zwecksetzung der Tätigkeit – gewerbliche, wissenschaftliche oder sonstige Zwecksetzung – ist für die Bejahung einer Aufsuchung irrelevant.2 Erforderlich ist allein eine zielgerichtet auf die Entdeckung oder Feststellung der Ausdehnung von Bodenschätzen gerichtete Tätigkeit. Der zufällige Fund von Bodenschätzen im Zusammenhang mit anderen Bodeneinwirkungen unterfällt dem Aufsuchungsbegriff nicht. Eine Ausnahme von einer auf die Aufsuchung gerichteten Zielrichtung enthält nur § 132 Abs. 1 Satz 2 für Forschungshandlungen im Bereich des Festlandsockels; diese werden über die Legaldefinition des § 4 Abs. 1 hinausgehend und damit unabhängig von der Zielsetzung des Entdeckens oder Erforschens von Bodenschätzen als Aufsuchung fingiert, wenn sie nicht ihrer Art nach zur Entdeckung oder Feststellung von Bodenschätzen offensichtlich ungeeignet sind;3 vgl. § 132 Rn. 2.

1 BT-Drs. 8/1315, S. 79. 2 BT-Drs. 8/1315, S. 80; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 4 Rn. 12; Frenz/Blatt BBergG, § 4 Rn. 1. 3 BT-Drs. 8/1315, S. 154. 77

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§4

3

Erster Teil – Einleitende Bestimmungen

Besonders definiert sind in Absatz 1 Satz 2 großräumige Aufsuchungen, sog. Übersichtsprospektionen.4 Dabei handelt es sich um mit Hilfe von geophysikalischen oder geochemischen Verfahren durchgeführte Untersuchungen, die auf die Ermittlung von Kennwerten beschränkt sind, welche großräumige Rückschlüsse auf das mögliche Vorkommen von Bodenschätzen zulassen. Derartigen großräumigen Aufsuchungen kann zur Klärung lagerstättenkundlicher Zusammenhänge besondere Bedeutung zukommen,5 weshalb sie gemäß §§ 7 Abs. 2, 8 Abs. 3 auch durch konkurrierende Erlaubnisse oder Bewilligungen zu gewerblichen Zwecken für denselben Bodenschatz in einem von der großräumigen Aufsuchung umfassten Feld nicht ausgeschlossen sind. Die Rechte des Inhabers der Erlaubnis oder Bewilligung zu gewerblichen Zwecken werden über dessen Beteiligungsmöglichkeit an der großräumigen Aufsuchung gemäß §§ 11 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. b), 21 Abs. 1 Nr. 2 geschützt.

2. Ausnahmen 4 Ausgenommen von der Begrifflichkeit der Aufsuchung sind – auch bei Erfüllung der objektiven Tatbestandsvoraussetzungen einer auf die Entdeckung oder Erforschung von Bodenschätzen gerichteten Tätigkeit – die in § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 enumerativ aufgeführten Tätigkeiten im Rahmen der amtlichen geologischen Landesaufnahme, Tätigkeiten, die ausschließlich und unmittelbar Lehr- oder Unterrichtszwecken dienen sowie das Sammeln von Mineralien in Form von Handstücken oder kleinen Proben für mineralogische oder geologische Sammlungen. Auch die Suche nach Fossilien unterfällt nicht dem Aufsuchungsbegriff, sondern bedarf einer denkmalschutzrechtlichen Erlaubnis; Fossilien stellen keine Bodenschätze im Sinne des Gesetzes dar.6 Schließlich stellt auch eine objektiv und subjektiv auf die Entdeckung von Bodenschätzen gerichtete Tätigkeit dann keine Aufsuchung dar, wenn eine anschließende Förderung und Nutzung der Bodenschätze gemäß Absatz 2 2. Halbsatz keine Gewinnung darstellte. So stellt die Förderung von Erdwärme in einem Grundstück im Zusammenhang mit der baulichen Nutzung des Grundstücks gemäß Absatz 2 2. Halbsatz Nr. 1 keine Gewinnung dar und erfordert keine bergrechtliche Berechtigung; vgl. Rn. 12. Konsequenterweise ist auch das vorausgehende Suchen von Erdwärme in einem Grundstück im Zusammenhang mit dessen baulicher Nutzung kein Aufsuchen i.S. des Absatzes 1 und damit weder betriebsplan- noch berechtsamspflichtig.

3. Zulassungspflicht 5 Ist die Aufsuchung auf die Entdeckung oder die Feststellung der Ausdehnung bergfreier Bodenschätze gerichtet, bedarf sie einer Erlaubnis gemäß § 7 Abs. 1. Dieser Erlaubnis kommt dann, wenn sie gewerblichen Zwecken dient – anders als im Falle einer Erlaubnis zu rein wissenschaftlichen Zwecken – gemäß §§ 12 Abs. 2, 14 Abs. 1 eine Schutz- und Vorrangfunktion gegenüber Konkurrenten zu. Unabhängig davon, ob die Aufsuchung auf bergfreie oder grundeigene Bodenschätze gerichtet ist, ist eine Aufsuchung regelmäßig betriebsplanpflichtig, so nicht die Ausnahmevoraussetzungen des § 51 Abs. 2 erfüllt sind oder die Bergbehörde aufgrund geringer Gefährlichkeit und Bedeutung des Betriebs eine Befreiung von der Betriebsplanpflicht gemäß § 51 Abs. 3 Satz 1 erteilt.

4 Diese Begrifflichkeit verwendete der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, in welcher er eine Sonderregelung für großräumige Aufsuchungen anregte: BT-Drs. 8/1315, S. 174.

5 So ausdrücklich die Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrats: BT-Drs. 8/1315, S. 190. 6 BVerwG 21.11.1996, 4 C 33/94, BVerwGE 102, 260, 268 = ZfB 1997, 36 im Auszug; OLG Frankfurt 27.6.2014, 12 U 42/13, juris Rn. 91. Keienburg/Wiesendahl

78

Erster Teil – Einleitende Bestimmungen

§4

III. Gewinnen (Absatz 2) 1. Definition Das Gewinnen umfasst das Lösen und Freisetzen von Bodenschätzen einschließlich der damit zusam- 6 menhängenden vorbereitenden, begleitenden und nachfolgenden Tätigkeiten. Von dem Gewinnungsbegriff umfasst sind damit alle Tätigkeiten, die sich nicht mehr als Aufsuchung und noch nicht als Aufbereitung darstellen.7 Zur Gewinnung gehört der eigentliche Abbau bzw. die Förderung. Zur Gewinnung gehören weiter die den Abbau bzw. die Förderung vorbereitenden und begleitenden Maßnahmen in Form etwa des Feldesaufschlusses, der Beseitigung von Abraum oberhalb von Bodenschätzen, die im Tagebau gewonnen werden, des Einbaus der Abbau- oder Fördervorrichtungen, der Wasserhaltung und der Bewetterung, die die amtliche Begründung ausdrücklich in Bezug nimmt,8 sowie Schacht- und Tunnelbauarbeiten;9 auch vorbereitende Untersuchungsmaßnahmen hinsichtlich der Lagerstätten- und Grundwasserverhältnisse gehören, wenn die Aufsuchung abgeschlossen ist, zur Gewinnung,10 ebenso wie Untersuchungsmaßnahmen an Oberflächeneigentum auf potentielle gemeinschädliche Einwirkungen des Abbaus.11 Zur Gewinnung gehören schließlich die dem Abbau bzw. der Förderung nachgelagerten Maßnahmen in Form des Verladens, Beförderns und Ablagerns von Bodenschätzen, soweit diese Tätigkeiten in dem in § 2 Abs. 1 Nr. 1 geforderten unmittelbaren betrieblichen Zusammenhang stehen, dazu § 2 Rn. 6 f., und nicht gemäß § 2 Abs. 4 vom Geltungsbereich des Gesetzes ausgenommen sind. Ob eine Gewinnung vorliegt, bestimmt sich auf Grundlage des § 4 Abs. 2 1. Halbsatz nach rein 7 tätigkeitsbezogenen, objektiven Kriterien. Eine Gewinnung liegt gemäß Absatz 2 1. Halbsatz definitorisch im Fall des Lösens und Freisetzens von Bodenschätzen vor. Der Gewinnungsbegriff setzt keine subjektive Absicht, gerichtet auf die Aneignung und wirtschaftliche Nutzung der gewonnen Bodenschätze, voraus.12 Der Gewinnungsbegriff setzt auch keine Gewinnungsberechtigung voraus. Anders als früher in den Berggesetzen der Länder geregelt, beinhaltet der Gewinnungsbegriff daher kein sachenrechtliches Aneignungsrecht des Gewinnenden;13 Voraussetzung eines sachenrechtlichen Aneignungsrechts ist zusätzlich zur Gewinnung eine Gewinnungsberechtigung i.S.d. § 4 Abs. 6. Der Gewinnungsbegriff erfordert schließlich auch keine Betriebsplanzulassung der Gewinnungstätigkeit.14 Auch die die objektiven Merkmale der Gewinnung gemäß Absatz 2 erfüllenden Tätigkeiten, die mangels Gewinnungsberechtigung oder mangels Betriebsplanzulassung rechtswidrig durchgeführt werden, stellen eine Gewinnung, allerdings eine rechtswidrige Gewinnung, dar.

7 Zur Begrenzung des Gewinnungsbegriffs durch die Aufsuchung auf der einen und die Aufbereitung auf der anderen Seite: BT-Drs. 8/1315, S. 80.

8 BT-Drs. 8/1315, S. 80. 9 Dazu BAG 26.9.2007, 10 AZR 415/06, NZBau 2008, 50, 51. 10 BVerwG 14.12.1990, 7 C 5/90, BVerwGE 87, 241, 255 = ZfB 1991, 129, 138; OVG Magdeburg 18.7.2018, 2 L 96/16 = ZfB 2019, 38, 54.

11 OVG Münster 19.8.1987, 12 B 1589/87 = ZfB 1988, 106, 107; im Anschluss: BVerfG 21.10.1987, 1 BvR 1048/87 = ZfB 1988, 84 ff.

12 BT-Drs. 8/1315, S. 80; BVerwG 2.11.1995, 4 C 14/94, BVerwGE 100, 1, 5 = ZfB 1995, 278, 281; Weller ZfB 1985, 188, 191; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 4 Rn. 16a; Frenz/Blatt BBergG, § 4 Rn. 10.

13 BT-Drs. 8/1315, S. 80. 14 Nichts anderes ergibt sich aus den Entscheidungen des OVG Magdeburg 18.7.2018, 2 L 96/16 = ZfB 2019, 38, 54 mit Verweis auf VG Halle 24.9.2014, 5 A 160/13 = ZfB 2015, 120, 126. Dort ist dargelegt, dass eine Gewinnung i.S.d. § 18 Abs. 3 Satz 1 BBergG eine Betriebsplanzulassung voraussetzt, der Widerruf einer Bewilligung aufgrund Nichtaufnahme der Gewinnung binnen drei Jahren also eine zugelassene Gewinnung und nicht nur eine objektive Gewinnung ohne Betriebsplanzulassung voraussetzt. Für den objektiven Gewinnungsbegriff des § 4 Abs. 2 BBergG ergeben sich daraus keine Einschränkungen. 79

Keienburg/Wiesendahl

§4

Erster Teil – Einleitende Bestimmungen

2. Ausnahmen 8 Die rein tätigkeitsbezogene Betrachtungsweise macht es ausweislich der amtlichen Begründung erforderlich, den Begriff der Gewinnung von solchen Tätigkeiten abzugrenzen, die zwar ein Lösen und Freisetzen von Bodenschätzen beinhalten, aber dennoch nicht als bergbauliche Tätigkeit zu werten und dem Anwendungsbereich des Gesetzes zu unterwerfen sind, weil ihre Zwecksetzung eine andere ist.15 Der objektive Gewinnungsbegriff wird daher durch die Ausnahmeregelung in § 4 Abs. 2 2. Halbsatz und die dortige Einbeziehung einer subjektiven Zwecksetzung relativiert. Die in Absatz 2 2. Halbsatz Nr. 1 und 2 erfassten Tätigkeiten stellen trotz Lösens und Freisetzens von Bodenschätzen keine Gewinnung dar.

9 a) Lösen oder Freisetzen von Bodenschätzen aus Anlass oder im Zusammenhang mit der baulichen oder städtebaulichen Nutzung. Nicht dem Gewinnungsbegriff und konsequenterweise a majore ad minus auch nicht dem Aufsuchungsbegriff unterfällt gemäß Absatz 2 2. Halbsatz Nr. 1 das Lösen und Freisetzen von Bodenschätzen in einem Grundstück aus Anlass oder im Zusammenhang mit dessen baulicher Nutzung. Während der Regierungsentwurf in Nummer 1 eine Ausnahme allein des Lösens und Freisetzens von Bodenschätzen als Voraussetzung dessen baulicher oder städtebaulicher Nutzung vorgesehen hatte, wurde die Ausnahmeregelung im Gesetzgebungsverfahren auf Vorschlag des Ausschusses für Wirtschaft auf das Lösen und Freisetzen von Bodenschätzen aus Anlass oder im Zusammenhang mit der städtebaulichen Nutzung erweitert. Damit sollte die Ausnahmeregelung von den ursprünglich nur erfassten baulichen Maßnahmen, die unabdingbar mit Eingriffen in den Boden und einem damit ggf. einhergehenden Lösen oder Freisetzen von Bodenschätzen verbunden, aber nicht auf die Gewinnung derselben gerichtet sind, auf die zielgerichtete Gewinnung von Bodenschätzen, insbesondere Erdwärme, im Zusammenhang mit der baulichen Nutzung eines Grundstücks erweitert werden.16 10 Ausgenommen von dem Gewinnungsbegriff ist das Lösen und Freisetzen von Bodenschätzen bei baulichen Maßnahmen im Bodenbereich, etwa dem Ausheben einer Baugrube für Gebäude, der Ebnung des Untergrunds für Straßenbaumaßnahmen oder Ausschachtungsarbeiten für Untertunnelungen, wobei gleichgültig ist, ob von der Erd-oberfläche her oder unterirdisch gebaut wird.17 Ausgenommen von dem Gewinnungsbegriff sind zudem bauliche Maßnahmen im Bodenbereich für städtebauliche Nutzungen, die über rein bauliche Nutzungen hinaus gehen, etwa das Absenken einer Fläche zur Herstellung eines Teichs in einer Parkanlage. Den ausgenommenen Maßnahmen ist gemein, dass sie das Lösen und Freisetzen etwaiger im Baugrund befindlicher Bodenschätze zwingend als Vorbereitung der eigentlich bezweckten Maßnahme erfordern, ohne dass damit ein über die bauliche Maßnahme hinausgehender Zweck verfolgt würde. Solange der unmittelbare Zweck der Maßnahme ein anderer als die Gewinnung, nämlich ein baulicher, ist, ist die Unterwerfung unter das Bergrecht nicht gerechtfertigt und über Absatz 2 2. Halbsatz Nr. 1 ausgeschlossen. 11 Trotz der Ausnahmereglung in Absatz 2 2. Halbsatz Nr. 1 wird in der behördlichen Praxis teilweise das für die Verlegung von Pipelines im Küstenbereich zwingend erforderliche Lösen von Sanden und Kiesen als Gewinnung gewertet. So wurde die für die Verlegung der Gaspipeline „Europipe I“18 erforderliche Entnahme von Sand und Kies als bewilligungs- und betriebsplanpflichtige Gewinnung gewertet und aufgrund des Flächenbedarfs für die Verlegung und damit die Sandentnahme von mehr als 10 ha sowie einem täglichen Fördervolumen von mehr als 3.000 t/d19 15 16 17 18 19

BT-Drs. 8/1315, S. 80. BT-Dr. 8/3965, S. 133. BT-Drs. 8/1315, S. 80. Eine ca. 630 km lange Erdgaspipeline die von Norwegen nach Deutschland durch die Nordsee verläuft. Maßgebliche Schwellenwerte für eine Umweltverträglichkeitsprüfung im Tagebau gemäß § 1 Nr. 1 Buchst. b) aa) und bb) UVP-V Bergbau. Keienburg/Wiesendahl

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§4

ein bergrechtliches Planfeststellungsverfahren mit Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt. Begründet wurde dies damit, dass das Verlegen einer Pipeline keine bauliche Nutzung und zudem keine Nutzung eines Grundstücks, sondern eines Gewässers darstelle.20 Die Bodenentnahme stellt jedoch eine notwendige Voraussetzung für die Verlegung einer Pipeline und damit für die bauliche Nutzung des Küstenmeeres dar, ohne dass eine auf die Nutzung oder Verwertung des entnommenen Bodenaushubs, der nach der Verlegung der Pipeline wieder angeschüttet wird, gerichtete Zielsetzung vorläge. Auch wenn Pipelines nach den Bauordnungen der Länder in der Regel keine baugenehmigungspflichtigen Anlagen darstellen,21 handelt es sich bei der Verlegung einer Leitung dennoch um eine bauliche Maßnahme. Dies kann nicht mit der Größe der benötigten Fläche widerlegt werden; die amtliche Begründung führt als Beispiel einer nicht als Gewinnung zu wertenden baulichen Maßnahme Baumaßnahmen von Bahnen oder Kanälen an,22 die ebenfalls großflächig sein können. Auch der Umstand, dass die Verlegung im Küstenmeer und damit im Bereich eines Gewässers erfolgt, führt nicht zur Unanwendbarkeit der Ausnahmeregelung der Nummer 1. Zwar sind Maßnahmen in Gestalt von Ausbau oder Unterhaltung eines Gewässers in Nummer 2 speziell erfasst. Dies gilt aber nur für Maßnahmen zum Ausbau oder zur Unterhaltung eines Gewässers. Sonstige bauliche Verlegemaßnahmen innerhalb oder unterhalb eines Gewässers im Zusammenhang mit der baulichen Nutzung des Untergrunds sind nach Maßgabe der Nummer 1 zu bewerten. Da diese Ausnahmeregelung ausweislich der amtlichen Begründung dazu dient, den tatsächlichen Gewinnungsbegriff zu relativieren und Bodenschatzentnahmen als notwendige Voraussetzung von Baumaßnahmen ohne weitere Nutzungsabsicht aus der Gewinnung auszunehmen, gilt sie auch für Verlegemaßnahmen von Pipelines. Ausgenommen von dem Gewinnungsbegriff und auch von dem Aufsuchungsbegriff, dazu be- 12 reits Rn. 4, sind weiter solche Maßnahmen, die das Lösen und Freisetzen von Bodenschätzen nicht aus Anlass einer baulichen Maßnahme notwendig voraussetzen, sondern zielgerichtet auf das Lösen oder Freisetzen von Bodenschätzen gerichtet sind, wenn sie im Zusammenhang mit der baulichen Nutzung eines Grundstücks erfolgen und darauf beschränkt sind. Voraussetzung dafür ist, dass das Lösen oder Freisetzen des Bodenschatzes auf und aus dem Grundstück stattfindet, mit dessen baulicher Nutzung das Lösen oder Freisetzen im Zusammenhang steht; eine über die horizontale Grundstücksgrenze hinausgehende weitere Einschränkung in die Tiefe regelt Absatz 2 2. Halbsatz Nr. 1 nicht. Voraussetzung ist weiterhin, dass sich die Nutzung auf das Grundstück bzw. darauf errichtete Gebäude beschränkt und nicht auch andere Grundstücke versorgt werden; eine Restriktivierung der zu versorgenden Gebäudegröße oder -nutzung ist gesetzlich nicht verankert. Die fehlende Beschränkung in die Tiefe und die fehlende Beschränkung der Nutzungsart des Grundstücks dürfte in Fällen des Lösens fester Bodenschätze unproblematisch sein. Bereits die geplante bauliche Nutzung des Grundstücks, mit der das Lösen der Bodenschätze im Zusammenhang stehen muss, steht einer vertieften Entnahme fester Bodenschätze aufgrund des damit einhergehenden Verlusts der Grundstückssubstanz entgegen. Anders stellt sich dies in Fällen mobiler Bodenschätze, insbesondere der Erdwärme – gemäß § 3 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b) ein bergfreier Bodenschatz – dar, deren Entnahmemenge nicht durch die Grundstücksgrenze beschränkt ist und deren Entnahme über Bohrungen nur einen beschränkten Eingriff in die Substanz eines Grundstücks erfordert. Weder der Wortlaut der Ausnahmeregelung noch die faktischen Zwänge verhindern damit eine bergrechtsfreie Förderung und Nutzung von Erdwärme in großen Mengen mit großer Leistung, solange diese auf die bauliche Nutzung des Grundstücks über welches die Förderung erfolgt, beschränkt ist. Allein die Bohrung zur Förderung eines Bodenschatzes im Zusammenhang mit der baulichen Nutzung eines Grundstücks ist gemäß § 127 Abs. 1 ab einer Länge von mehr als 100 m im Boden bergrechtlich anzeige- und ggf. betriebsplanpflichtig.23 Damit geht aber nicht das gleichzeitige Erfordernis einer Bewilligung für 20 21 22 23

Zustimmend: Pellens NuR 1996, 281. Vgl. etwa die Ausnahmeregelung in § 1 Abs. 2 Nr. 3 und 4 LBauO NRW. BT-Drs. 8/1315, S. 80. Vgl. § 9 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 49 Abs. 1 WHG sowie § 9 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. § 46 Abs. 1 WHG e contrario; zu beachten ist zusätzlich das einschlägige Landesrecht. 81

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§4

Erster Teil – Einleitende Bestimmungen

Erdwärmeförderungen in Tiefen von mehr als 100 m oder einer Betriebsplanzulassung für die Förderung selbst einher, wenn die Ausnahmevoraussetzungen des Absatzes 2 2. Halbsatz Nr. 1 erfüllt sind, also eine Förderung im Grundstück zu Zwecken dessen baulicher Nutzung erfolgt. Ob die bauliche Nutzung in einem Einfamilienhaus, einem Bürogebäude oder einer Fabrik besteht, ist nach dem Wortlaut irrelevant. Große Fördermengen der oberflächennahen Erdwärmegewinnung zur Versorgung leistungsstarker Abnehmer auf einem Entnahmegrundstück können zu Problemen für die Temperaturverhältnisse horizontal benachbarter Grundstücke und dortige Nutzungen führen. In der behördlichen Praxis wird die Ausnahmeregelung daher vielerorts dahingehend angewandt, dass nur die oberflächennahe Erdwärme24 und nur die Förderung zur Erzeugung bestimmter Maximalleistungen auf dem Grundstück als unter die Ausnahmeregelung des Absatzes 2 2. Halbsatz Nr. 1 fallend anerkannt wird. Ein anderer Ansatz zur Beschränkung der bewilligungs- und betriebsplanfreien Erdwärmenutzung liegt in einer einschränkenden Interpretation des dem Gesetz unterfallenden bergfreien Bodenschatzes Erdwärme auf die bedeutsamen Vorkommen mit der Folge der Einstufung der nicht bedeutsamen Vorkommen als Grundeigentümerbodenschatz; dazu § 3 Rn. 50 f. Keinesfalls unter die Ausnahmeregelung des Absatzes 2 Nr. 1 fällt die Erdwärmegewinnung zur Nutzung außerhalb des Grundstücks. Sobald die Zielsetzung auf eine andere Nutzung als allein die bauliche Nutzung des Grundstücks gerichtet ist, unterliegen auch die Aufsuchung und Gewinnung von Erdwärme den Vorschriften des Gesetzes und erfordert damit die Aufsuchung eine Erlaubnis, die Gewinnung eine Bewilligung und setzt die tatsächliche Tätigkeit eine Betriebsplanzulassung voraus.

13 b) Gewässerausbau und -unterhaltung. Nicht dem Gewinnungsbegriff unterfällt gemäß Absatz 2 2. Halbsatz Nr. 2 das Lösen oder Freisetzen von Bodenschätzen bei einer Maßnahme des Gewässerausbaus oder der Gewässerunterhaltung, etwa Ausbaggerungen zum Zwecke der Vertiefung oder Verbreiterung eines Gewässers. Um Gewässer im Sinne der Vorschrift handelt es sich bei allen Binnen- und Seewasserstraßen einschließlich der zugehörigen Häfen sowie den Schifffahrtswegen im Bereich des Festlandsockels.25 Auch dieser Ausnahmetatbestand ist nur dann erfüllt, wenn das Lösen und Freisetzen von Bodenschätzen notwendige Folge oder Voraussetzung einer auf einen anderen Zweck gerichteten gewässerbaulichen Maßnahme ist. Nicht erfüllt ist die Ausnahmevoraussetzung daher, wenn parallel zu einer gewässerbaulichen Maßnahme Abbaumaßnahmen durchgeführt werden, die über den für die bauliche Zwecksetzung erforderlichen Umfang hinaus gehen; Abbaumaßnahmen, deren Zwecksetzung unabhängig von oder zusätzlich zu einer gewässerbaulichen Maßnahme auf das Lösen von Bodenschätzen gerichtet sind, beinhalten eine Gewinnung und unterfallen daher den Vorschriften des Bergrechts.26 Anderes gilt – über den Wortlaut des Abs. 2 2. Halbsatz Nr. 2 hinausgehend – nur dann, wenn Bodenentnahmen im Bereich der Bundeswasserstraßen durch den Bund oder ein Land zwar zielgerichtet durchgeführt werden und damit die definitorischen Voraussetzungen einer Gewinnung i.S.d. Absatzes 1 1. Halbsatz erfüllt sind, die Entnahme aber auf Grundlage des Wasserstraßengesetzes aus öffentlichen Interessen gerechtfertigt ist. Soweit der Bund zur Erfüllung seiner Verwaltungsaufgaben oder ein Land zu öffentlichen Zwecken i.S.d. § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 WaStrG Boden – auch Bodenschätze i.S.d. BBergG – aus Bundeswasserstraßen entnimmt, wird dadurch das Bundesberggesetz nicht berührt. Dies ergibt sich aus einer vom Bundesverwaltungsgericht bereits im Jahre 1990 entschiedenen einschränkenden Auslegung der bergrechtlichen Bestimmungen im Fall von Bodenentnahmen des Bundes oder eines Landes im Bereich der Bundeswasserstraßen zu öffentlichen Zwecken; der Abbau von Bodenschätzen im Bereich der Bundeswasserstraßen durch den Bund oder ein Land

24 Gemäß VDI Regelwerk 4640 der Bereich bis in 400 m Tiefe. 25 BT-Drs. 8/1315, S. 80. 26 VG Oldenburg 19.6.2008, 5 A 4956/06 = ZfB 2008, 296, 298; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 4 Rn. 22; vgl. Frenz/ Blatt BBergG, § 4 Rn. 20. Keienburg/Wiesendahl

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zu öffentlichen Zwecken unterfällt dem BBergG auch bei Erfüllung des objektiven Gewinnungsbegriffs des Absatzes 2 nicht.27

c) Untertägige Endlagerung und Speicherung. Untertägige Erkundungsmaßnahmen für An- 14 lagen zur Endlagerung radioaktiver Abfälle i.S.d. § 126 Abs. 3, die mit dem Lösen oder Freisetzen von Bodenschätzen verbunden sind, werden von der Literatur oftmals als Gewinnungsmaßnahmen i.S.d. Absatzes 2 eingestuft.28 Begründet wird dies mit dem rein tätigkeitsbezogenen Gewinnungsbegriff, für welchen eine subjektive Zielsetzung der wirtschaftlichen Verwertung gelöster Bodenschätze nicht erforderlich ist. Dient die Erkundung aber allein der Feststellung der Eignung des Untergrunds für die Endlagerung radioaktiver Abfälle oder auch für eine behälterlose Speicherung i.S.d. § 126 Abs. 1, entspricht dies von der Zwecksetzung her einer auf die Entdeckung oder Feststellung der Ausdehnung von Bodenschätzen gerichteten Tätigkeit i.S.d. Absatzes 1, nicht der Gewinnung i.S.d. Absatzes 2. Dass bei der Erkundung Bodenschätze gelöst und freigesetzt werden, steht der Klassifizierung der Erkundung als Aufsuchung nicht entgegen; § 7 Abs. 1 Nr. 2 begründet das Recht des Aufsuchenden, die bei der Aufsuchung notwendigerweise zu lösenden und freizusetzenden Bodenschätze zu gewinnen, geht also von einer mit der Aufsuchung als Teil derselben einhergehenden Gewinnung aus, ohne deshalb die Aufsuchungsphase als Gewinnung einzustufen. Das VG Stade sowie das VG Lüneburg haben daher die Erkundung der Salzlagerstätte Gorleben auf ihre Eignung zur Endlagerung radioaktiver Abfälle richtigerweise als reine Aufsuchung in Abgrenzung zur Gewinnung gewertet.29 Das BVerwG hat diese Frage bisher ausdrücklich offen gelassen;30 vgl. auch § 126 Rn. 40. Auch für die untertägige Speicherung i.S.d. § 126 Abs. 1 ist die Frage bisher nicht entschieden. Nach hier vertretener Auffassung stellt die untertägige Untersuchung des Untergrunds auf seine Eignung für Speicher- oder Endlagerzwecke auch dann, wenn dabei Bodenschätze gelöst werden, nur eine Aufsuchung dar und keine Gewinnung.31 Gewinnungstätigkeiten im Sinne des objektiven Gewinnungsbegriffs beginnen sowohl bei der untertägigen Endlagerung als auch bei der untertägigen Speicherung erst dann, wenn nach Abschluss der untertägigen Untersuchungen Hohlräume zum Zwecke der Endlagerung bzw. Speicherung aufgefahren werden. In diesem Fall ist die Handlung zielgerichtet auf das Lösen der Bodenschätze gerichtet; dass die gelösten Bodenschätze selbst keiner wirtschaftlichen Nutzung zugeführt werden sollen, ist aufgrund des objektiven Gewinnungsbegriffs unschädlich; dazu Rn. 7.

3. Zulassungspflicht Ist die Gewinnung auf das Lösen oder Freisetzen bergfreier Bodenschätze gerichtet, bedarf sie 15 einer Bewilligung gemäß § 8 Abs. 1 oder Bergwerkseigentums gemäß § 9 Abs. 1. Unabhängig davon, ob die Gewinnung auf bergfreie oder grundeigene Bodenschätze gerichtet ist, ist eine Gewinnung regelmäßig betriebsplanpflichtig, so nicht die Bergbehörde aufgrund geringer Gefährlichkeit und Bedeutung des Betriebs eine Befreiung von der Betriebsplanpflicht gemäß § 51 Abs. 3 Satz 1 erteilt. Ausgenommen von dem Erfordernis einer Gewinnungsberechtigung und der grundsätzlichen Betriebsplanpflicht sind mangels definitorischer Gewinnung die unter den Ausnahmetatbestand des Absatzes 2 2. Halbsatz Nr. 1 und 2 fallenden Maßnahmen. Eine etwaige zugunsten eines 27 BVerwG 6.7.1990, 4 A 1/87, BVerwGE 85, 223, 242 f. = ZfB 1991, 111, 122 f. 28 Kühne DVBl 1985, 207, 208; Schulte Kernfragen des bergrechtlichen Genehmigungsverfahrens, S. 20; Huntemann Recht der unterirdischen Endlagerung radioaktiver Abfälle, S. 12. 29 VG Lüneburg 14.4.2011, 2 B 12/11 und 2 B 13/11, ZUR 2011, 489, 491 f.; VG Lüneburg 7.3.1994, 7 A 137/92 = ZfB 1994, 153, 178 ff.; VG Stade 19.2.1991, 3 B 54/90 = ZfB 1991, 213, 222; ebenso: Hoppe/Beckmann/Beckmann UVPG, § 18 Rn. 18; Weller ZfB 1985, 188, 193 f. 30 BVerwG 2.11.1995, 4 C 14/94, BVerwGE 100, 1, 5 f. = ZfB 1995, 278, 281. 31 So wohl auch Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 4 Rn. 12. 83

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Dritten existierende Gewinnungsberechtigung für einen unter dem Regime der Ausnahmeregelung gelösten oder freigesetzten bergfreien Bodenschatz steht weder dem Lösen oder Freisetzen des Bodenschatzes noch der Aneignung und Nutzung des Bodenschatzes durch den die Maßnahme Durchführenden entgegen, da das ausschließliche Gewinnungsrecht des Inhabers einer Berechtigung durch die definitorisch keine Gewinnung darstellende Nutzung i.S.d. § 4 Abs. 2 2. Halbsatz nicht berührt wird.32 Ebenso verhindern Tätigkeiten i.S.d. Absatzes 2 2. Halbsatz, die keine Gewinnung darstellen, nicht die Erteilung einer Gewinnungsberechtigung für denselben Bodenschatz im selben Bereich zugunsten eines Dritten, der eine Gewinnung durchführen will.33

IV. Aufbereiten (Absatz 3) 16 Die Aufbereitung ist die erste Verarbeitungsstufe bergbaulicher Rohstoffe, wodurch für die unmittelbare Verwertung oder die Weiterverarbeitung absetzbare Produkte erzeugt werden. Die Legaldefinition der Aufbereitung in Absatz 3 Satz 1 dient dazu, die dem Gesetz unterfallenden Aufbereitungstätigkeiten zu klassifizieren. Zu diesem Zweck sind in Absatz 3 Satz 1 Nr. 1 und 2 die nach technischen Maßstäben als Aufbereitungsmaßnahmen zu wertenden Tätigkeiten aufgeführt, die unter der Zusatzvoraussetzung eines unmittelbaren betrieblichen oder räumlichen Zusammenhangs mit der Gewinnung dem Bergrecht unterfallende Aufbereitungsmaßnahmen darstellen. Satz 2 grenzt Maßnahmen der Aufbereitung von Maßnahmen der Weiterverarbeitung und der Nebengewinnung ab.

1. Definition 17 Aufbereiten ist gemäß Absatz 3 Satz 1 Nr. 1 das Trennen und Anreichern von Bodenschätzen nach stofflichen Bestandteilen oder geometrischen Abmessungen auf physikalischer oder physikalischchemischer Grundlage. Physikalische Verfahren können mechanische, elektrische, magnetische sowie thermische Vorgänge beinhalten. Physikalisch-chemische Verfahren setzen sich aus physikalischen und chemischen Komponenten zusammen. Kennzeichnend für die durch Nummer 1 erfasste, sich unmittelbar an die Gewinnung anschließende Phase der Aufbereitung ist, dass die einzelnen Mineralbestandteile nicht verändert werden und auch der Aggregatzustand der Komponenten unbeeinflusst bleibt.34 Unter die Begrifflichkeit der Trennung fällt zum einen die Trennung der Bodenschätze nach stofflichen Bestandteilen, d.h. nach Mineralbestandteilen zum Zwecke der Trennung von Mineralien mit wirtschaftlichem Wert von den bei der Gewinnung beibrechenden Mineralien, die nicht veräußert werden können. Unter die Begrifflichkeit der Trennung fällt zum anderen die Trennung unterschiedlicher Mineralien mit wirtschaftlichem Wert, um sie den jeweiligen Verwertungsmöglichkeiten zuführen zu können. Alle Fälle der stofflichen Trennung beinhalten gleichzeitig eine Anreicherung, da sie die relative Menge der Mineralien erhöhen.35 Die Aufbereitungstätigkeiten des Trennens und Anreicherns umfassen ausweislich der amtlichen Begründung nasse sowie trockene Verfahren zur Trennung von Mineralien nach Korngröße oder Gewicht, Flotationsverfahren, magnetische Verfahren, elektrische Verfahren sowie Verfahren zur Trocknung des Feuchtegehalts eines Bodenschatzes zum Zweck der relativen Erhöhung des verwertbaren Anteils.36 Die Aufzählung in der amtlichen Begründung ist nicht abschließend. Alle physikalischen, d.h. mechanischen, elektrischen, magnetischen und thermischen sowie physikalisch-chemischen Verfahren zum Tren32 33 34 35

Ebenso Franke in: Burgi (Hrsg.) Planungssicherheit im Energiewirtschaftsrecht, S. 103 zur Erdwärme. Weyer/Oppelt in: Müller (Hrsg.) 20 Jahre Recht der Erneuerbaren Energien, S. 680. BT-Drs. 8/1315, S. 81; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 4 Rn. 24; Frenz/Blatt BBergG, § 4 Rn. 27. Zur Trennung durch Trocknung des Feuchtegehalts mit der Folge einer Zunahme der verwertbaren Anteile bezogen auf die Ursprungsmenge: VG Aachen 26.1.2004, 6 L 505/03 = ZfB 2004, 223, 228. 36 BT-Drs. 8/1315, S. 81; zur Aufbereitung durch Trocknung: VG Aachen 14.9.2005, 6 K 372/03, juris Rn. 75. Keienburg/Wiesendahl

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nen oder Anreichern von Bodenschätzen unterfallen Absatz 3 Satz 1 Nr. 1. Als Aufbereitung zu werten sind ausweislich des Gesetzeswortlauts zudem die mit dem Trennen oder Anreichern zusammenhängenden vorbereitenden, begleitenden und nachfolgenden Tätigkeiten, auch soweit sie nicht bereits als Tätigkeiten des Beförderns, Verladens oder Lagerns aufgrund § 2 Abs. 1 Nr. 1 dem Geltungsbereich des Gesetzes unterliegen, ausweislich der amtlichen Begründung etwa das Beschicken der Maschinen, die Entstaubung, die Entwässerung von Erzeugnissen, die Klärung des Aufbereitungswassers, Gewichtskontrollen, Probenahmen sowie Tätigkeiten, die den Absatz des Produkts oder die Weitergabe an Dritte ermöglichen.37 Über Absatz 3 Satz 1 Nr. 2 werden ausweislich der amtlichen Begründung Verfahren erfasst, 18 die dem Bergrecht unterliegen, aber nicht unter Nummer 1 zu subsumieren sind, nämlich das Brikettieren, Verschwelen, Verkoken, Vergasen, Verflüssigen und Verlösen von Bodenschätzen.38 Die Tätigkeit der Brikettierung bezieht sich auf Stein- und Braunkohle und beinhaltet die Herstellung von Kohlebriketts als Brennstoff. Das Verschwelen sowie das Verkoken dienen der Erzeugung von Koks aus Kohle als Brennstoff und vor allem als Reduktionsmittel bei der Eisenerzeugung in Hochöfen. Das Vergasen ist dem Verschwelen und Verkoken verfahrenstechnisch verwandt und dient der Erzeugung von Gas aus Kohle. Das Verflüssigen dient der Gewinnung von Rohöl aus Kohle. Das Verlösen, wozu auch die Kristallisation gehört, erfasst das Trennen von Salzen durch Nutzung der unterschiedlichen Wasserlöslichkeit der einzelnen Bestandteile und beinhaltet im Unterschied zu dem von Nr. 1 erfassten Trennen auf physikalisch-chemischer Grundlage chemische Umsetzungen. Tätigkeiten, die die Tatbestandsmerkmale des Absatzes 3 Satz 1 Nr. 1 oder 2 erfüllen, stellen dann 19 dem Bergrecht unterfallende Aufbereitungsmaßnahmen dar, wenn entweder die Aufbereitung von dem auch die Gewinnung der Bodenschätze durchführenden Unternehmer im unmittelbaren betrieblichen Zusammenhang mit der Gewinnung durchgeführt wird oder die Aufbereitung von dem die Gewinnung durchführenden Unternehmer oder auch von einem anderen Unternehmer in einem unmittelbaren räumlichen Zusammenhang mit der Gewinnung durchgeführt wird. Nur in diesen beiden Fällen ist nach Auffassung des Gesetzgebers eine Grenzziehung der dem Bergrecht unterfallenden Aufbereitung zu vergleichbaren Wirtschaftszweigen möglich. Ein unmittelbarer räumlicher Zusammenhang zwischen Gewinnung und Aufbereitung genügt für die Wertung der Aufbereitung als bergbauliche Tätigkeit, unabhängig davon, ob Gewinnung und Aufbereitung durch denselben oder unterschiedliche Unternehmer durchgeführt werden. Ein räumlicher Zusammenhang erfordert nach allgemeinem Sprachgebrauch eine räumliche Nähe.39 Ein unmittelbarer räumlicher Zusammenhang beinhaltet eine zusätzliche Verschärfung. Nicht erforderlich ist, dass beide Betriebe auf demselben Betriebsgrundstück oder auf unmittelbar aneinander grenzenden Grundstücken liegen. Eine Trennung beider Betriebe durch kleinräumige Unterbrechungen, etwa Verkehrswege oder einen Wasserlauf, unterbricht den räumlichen Zusammenhang nicht.40 Erforderlich ist aber ein nicht durch anderweitige, in keinerlei Zusammenhang mit dem Bergbau stehende Nutzungen unterbrochener Raumzusammenhang, der beide Anlagen optisch als zusammengehörend erkennen lässt.41 Ein unmittelbarer räumlicher Zusammenhang im vorstehenden Sinne ist dann entbehrlich, wenn derselbe Unternehmer die Aufbereitung im unmittelbaren betrieblichen Zusammenhang mit der Gewinnung der Bodenschätze durchführt. Eine räumliche Entfernung zwischen der Gewinnung und der Aufbereitung ist in diesem Fall irrelevant. Das Kriterium des unmittelbaren betrieblichen Zusammenhangs erfordert eine funktionale Verbindung zwischen Gewinnung und Aufbereitung. Eine technische Verbindung zwischen Gewinnung und Aufbereitung ist nicht erforderlich. Auch ein Transport 37 38 39 40

BT-Drs. 8/1315, S. 82. BT-Drs. 8/1315, S. 82. So Landmann/Rohmer/Rehbinder Umweltrecht, § 3 UmweltHG Rn. 26. So OVG Lüneburg 30.11.1999, 7 M 4274/99, NVwZ-RR 2000, 353, 354 zur Begrifflichkeit des einheitlichen Werksgeländes. 41 Zum Kriterium des auch in § 7 Abs. 1 Nr. 1a WeinG (a.F.) geforderten unmittelbaren räumlichen Zusammenhangs: VGH Mannheim 23.3.2004, 5 S 940/03, LMRR 2004, 123. 85

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aufzubereitender Bodenschätze über öffentliche Straßen schließt einen unmittelbaren betrieblichen Zusammenhang nicht aus. Dieser endet erst dann, wenn zwischen Gewinnung und Aufbereitung zusätzliche und Gewinnung und Aufbereitung nicht mehr funktional zuzurechnende Bearbeitungsschritte liegen. Anderenfalls birgt die Identität des Unternehmers von Gewinnung und Aufbereitung eine Vermutung für einen unmittelbaren betrieblichen Zusammenhang beider Tätigkeiten. 20 Sowohl im Fall eines unmittelbaren betrieblichen Zusammenhangs als auch im Fall eines unmittelbaren räumlichen Zusammenhangs ist nicht erforderlich, dass der Unternehmer ausschließlich im benachbarten bzw. im eigenen Betrieb gewonnene Bodenschätze aufbereitet. Der Gesetzgeber hat in der amtlichen Begründung beispielhaft klargestellt, dass in einer Kokerei zusätzlich zu der durch den Unternehmer selbst gewonnenen Kohle auch zugekaufte Kohle verkokt werden kann, ohne dass dadurch der betriebliche Zusammenhang entfiele.42 Gleiches gilt im Fall eines unmittelbaren räumlichen Zusammenhangs zwischen Gewinnung und Aufbereitung; der unmittelbare räumliche Zusammenhang zwischen Gewinnung und Aufbereitung erfordert inzident eine Aufbereitung der im unmittelbaren räumlichen Zusammenhang gewonnenen Bodenschätze, lässt aber den Zukauf von Bodenschätzen auch anderer Betriebe – ohne räumlichen Zusammenhang – zu.

2. Ausnahmen 21 Trotz Erfüllung der Tatbestandsmerkmale des Absatzes 3 Satz 1 handelt es sich gemäß Satz 2 1. Halbsatz nicht um eine Aufbereitung im Sinne des Gesetzes, wenn die Tätigkeit mit einer sonstigen Bearbeitung oder Verarbeitung von Bodenschätzen – einer Weiterverarbeitung – oder mit der Herstellung anderer Erzeugnisse – einer Nebengewinnung – durchgeführt wird und der Schwerpunkt der Tätigkeit nicht auf der Aufbereitung, sondern auf der Weiterverarbeitung oder der Nebengewinnung liegt. Mit dieser Regelung will der Gesetzgeber auf der einen Seite vermeiden, dass technisch zusammenhängende Aufbereitungs- und Weiterverarbeitungs- bzw. Nebengewinnungstätigkeiten, die als Einheit zu werten sind, rechtlich in Aufbereitung und Weiterverarbeitung bzw. Nebengewinnung getrennt werden.43 Auf der anderen Seite will der Gesetzgeber nicht Tätigkeiten, bei denen der Schwerpunkt in der Weiterverarbeitung oder der Nebengewinnung liegt, in das Bergrecht einbeziehen, weshalb als Aufbereitung im Sinne des Gesetzes nur solche Tätigkeiten i.S.d. Absatzes 3 Satz 1 einzustufen sind, bei denen auch im Fall einer damit verbundenen Weiterverarbeitung oder Nebengewinnung der Schwerpunkt in der Aufbereitung liegt.44 Daher stellen etwa Kokereien im unmittelbaren betrieblichen oder räumlichen Zusammenhang mit einem Gewinnungsbetrieb Aufbereitungsanlagen i.S.d. Absatzes 3 dar, obwohl dort Nebenprodukte, wie Gas, Teer, Ammoniak, Benzol oder Kokerei-Rohgas anfallen, wenn nicht das Schwergewicht der Kokerei ausnahmsweise in der Erzeugung dieser Produkte liegen sollte. Die Verstromung von Bodenschätzen stellt dagegen unabhängig von einem räumlichen Zusammenhang mit der Gewinnung keine Aufbereitungstätigkeit dar, da sie der Herstellung eines anderen Erzeugnisses dient;45 dazu, dass eine kraft- oder wärmerzeugende Anlage als dienende Einrichtung eines Bergwerksbetriebs i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 3 dem Gesetz unterfallen kann, § 2 Rn. 13. Die Nutzung von Erdwärme ist in Absatz 3 Satz 2 2. Halbsatz der Weiterverarbeitung gleich22 gestellt. Sie stellt keine Aufbereitung im Sinne der gesetzlichen Definition dar, so dass die reine Erdwärmenutzung keinen bergrechtlich relevanten und zulassungspflichtigen Tatbestand erfüllt.46 Damit bleibt zum einen die vom Gesetzgeber gewollte Ausnahme von Bade- oder Heilbetrieben auf der Grundlage heißer Quellen, die Wasser mit der physikalischen Eigenschaft Wärme 42 BT-Drs. 8/1315, S. 82. 43 BT-Drs. 8/1315, S. 82 f. 44 Zur Bestimmung des Schwergewichts einer Tätigkeit anhand des Umfangs, zu welchem ein hergestelltes Produkt aus einem gewonnenen Bodenschatz besteht: VG Leipzig 20.6.2012, 1 K 1031/10 = ZfB 2012, 286, 297.

45 Wiesendahl ZfB 2015, 3, 6. 46 Ebenso: Weyer/Oppelt in: Müller (Hrsg.) 20 Jahre Recht der Erneuerbaren Energien, S. 678. Keienburg/Wiesendahl

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nutzen, aus dem Bergrecht gewahrt.47 Zum anderen ist gewährleistet, dass die Förderung von Erdwärme, die im Zusammenhang mit der baulichen Nutzung eines Grundstücks gemäß Absatz 2 2. Halbsatz Nr. 1 keine Gewinnung darstellt, nicht über die anschließende Nutzung der Erdwärme zu Heizzwecken als Aufbereitung doch wieder dem Geltungsbereich des Gesetzes unterfällt. Ebenso stellen Kraftwerke zur Verstromung von Erdwärme oder Wärmeversorgung keine dem Bergrecht unterfallenden Aufbereitungsanlagen dar.

3. Zulassungspflicht Die Aufbereitung von Bodenschätzen ist, wenn sie aufgrund der Vorgaben des Absatzes 3 dem 23 Bergrecht unterfällt, in der Regel betriebsplanpflichtig, so nicht die die Bergbehörde aufgrund geringer Gefährlichkeit und Bedeutung des Betriebs eine Befreiung von der Betriebsplanpflicht gemäß § 51 Abs. 3 Satz 1 erteilt. Zudem unterfallen die von Absatz 3 Satz 1 Nr. 2 erfassten Aufbereitungsanlagen teilweise auch dem Immissionsschutzrecht und den daraus resultierenden Genehmigungserfordernissen gemäß § 4 Abs. 1 BImSchG i.V.m. § 1 der 4. BImSchV. Das gilt für Anlagen zum Brikettieren von Braun- oder Steinkohle (Ziffer 1.10 des Anhangs der 4. BImSchV), für Anlagen zur Trockendestillation und damit für Kokereien und Schwelereien (Ziffer 1.11 des Anhangs der 4. BImSchV) sowie für Anlagen zur Vergasung oder Verflüssigung von Kohle oder bituminösem Schiefer (Ziffer 1.14 des Anhangs der 4. BImSchV). Das immissionsschutzrechtliche Genehmigungserfordernis gilt gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 BImSchG auch für Aufbereitungsanlagen des Bergwesens, die über Tage errichtet und betrieben werden. Die immissionsschutzrechtliche Genehmigung ist zusätzlich zur Betriebsplanzulassung erforderlich; weder konzentriert die bergrechtliche Betriebsplanzulassung die immissionsschutzrechtliche Genehmigung,48 noch konzentriert die immissionsschutzrechtliche Genehmigung die bergrechtliche Betriebsplanzulassung.49 Anderes gilt nur dann, wenn die Aufbereitungsanlage aufgrund § 1 Nr. 9 UVP-V Bergbau i.V.m. Anlage 1 des UVPG einer Umweltverträglichkeitsprüfung bedarf; vgl. Anhang zu § 57c UVP-V Bergbau, § 1 Rn. 59. Dem dann im Fall einer bergrechtlichen Aufbereitung i.S.d. § 4 Abs. 3 Satz 1 durchzuführenden bergrechtlichen Planfeststellungsverfahren gemäß § 52 Abs. 2a kommt Konzentrationswirkung zu, vgl. § 57a Rn. 40, so dass es zusätzlich zur bergrechtlichen Planfeststellung keiner weiteren immissionsschutzrechtlichen Genehmigung bedarf.

V. Wiedernutzbarmachung (Absatz 4) Bei der Wiedernutzbarmachung handelt es sich um die ordnungsgemäße Gestaltung der vom 24 Bergbau in Anspruch genommenen Oberfläche unter Beachtung des öffentlichen Interesses. Die Wiedernutzbarmachung bezieht sich auf die gesamte übertägige Betriebsfläche, also auf das eigentliche Betriebsgelände mit den zugehörigen Betriebseinrichtungen, auf Halden und im Fall übertägigen Abbaus auch auf die Abbaufläche. Flächen außerhalb der Betriebsflächen können von Folgewirkungen des Bergbaus, etwa Senkungen, Grundwassersümpfungen oder Immissionen, betroffen sein, sind aber keine Betriebsflächen des Bergbaus und unterfallen daher auch der bergrechtlichen Wiedernutzbarmachung nicht;50 vgl. auch § 55 Rn. 89. Dies belegt § 55 Abs. 2 Satz 1

47 Dazu ausdrücklich die amtliche Begründung: BT-Drs. 8/1315, S. 189. 48 VG Stuttgart 10.5.1996, 4 K 4293/94 = ZfB 1996, 246, 248. 49 Die in § 13 BImSchG normierte Konzentrationswirkung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung gilt nicht für bergrechtliche Betriebsplanzulassungen. 50 BVerwG 14.4.2005, 7 C 26/03, BVerwGE 123, 247, 253 f. = ZfB 2005, 156, 161; BVerwG 16.3.1989, 4 C 36/85, BVerwGE 81, 329, 337 = ZfB 1989, 199, 205; VG Ansbach 10.6.2020, 17 K 19.01129 = ZfB 2020, 270, 276; Frenz/Blatt BBergG, § 4 Rn. 42; von Weschpfennig Strukturen des Bergrechts, S. 369; Kirchner UPR 2010, 161, 164; Kirchner ZfB 1984, 333, 340; Beyer Die 87

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Nr. 2, wonach Voraussetzung der Abschlussbetriebsplanzulassung die Wiedernutzbarmachung der Oberfläche „in der vom einzustellenden Betrieb in Anspruch genommenen Fläche“ ist. 25 Die Wiedernutzbarmachung beinhaltet keinen Zwang zur Wiederherstellung des früheren Zustands vor Durchführung des Bergbaus oder zur Rekultivierung.51 Vielmehr sind Inhalt und Umfang der Wiedernutzbarmachung von der vorgesehenen Folgenutzung abhängig. Dies bestätigt die amtliche Begründung, in welcher ausgeführt ist: „Unter Wiedernutzbarmachung der Oberfläche ist nicht unbedingt die Wiederherstellung des vor Beginn des Abbaus bestehenden Zustands der Oberfläche, sondern sind die Vorkehrungen und Maßnahmen zu verstehen, die erforderlich sind, um die für die Zeit nach dem Abbau oder nach Einstellung des Aufbereitungsbetriebs geplante Nutzung etwa zu landwirtschaftlichen, forstwirtschaftlichen oder Erholungszwecken zu gewährleisten ….“52 Ebenso unterfällt die sich an die Wiedernutzbarmachung anschließende Nutzung nicht der Verantwortlichkeit des Bergbauunternehmers. Die Wiedernutzbarmachung erstreckt sich nur auf die Ermöglichung einer Folgenutzung, nicht auf die Folgenutzung in Form der Wiedernutzung selbst.53 Die Wiedernutzbarmachung beinhaltet daher auch keine dahingehende Gestaltung der Fläche, dass sie sich zur unmittelbaren Aufnahme der Folgenutzung eignet.54 Vielmehr dient die Wiedernutzbarmachung dazu, die Fläche dergestalt herzurichten, dass die bergbauliche Vornutzung einer Folgenutzung nicht im Wege steht. Die Folgenutzung selbst und auch dafür ggf. erforderliche weitere Vorbereitungsmaßnahmen obliegen dem nachfolgenden Nutzer und nicht mehr dem Bergwerksunternehmer, dessen Verantwortlichkeit endet, wenn die Fläche wieder nutzbar ist und damit einer Folgenutzung zugeführt werden kann. 26 Die Abgrenzung der Wiedernutzbarmachung von der Folgenutzung wirft insbesondere im Fall des Einsatzes von Abfällen Abgrenzungsfragen auf; vgl. Anhang zu § 48 Rn. 5 ff. Werden untertägige Hohlräume des Bergbaus oder Tagebaurestlöcher im Anschluss an die bergbauliche Gewinnungstätigkeit mit bergbaufremden Abfällen verfüllt, ist anhand der objektiven Zwecksetzung der Maßnahme zu unterscheiden, ob es sich um eine abfallrechtlich zuzulassende Abfallbeseitigung i.S.d. § 35 Abs. 2 KrWG oder um eine bergrechtlich zuzulassende Abfallverwertung i.S.d. § 6 Abs. 1 Nr. 4 KrWG zum Zweck der Wiedernutzbarmachung handelt. Dies bestimmt sich danach, ob der Hauptzweck der Maßnahme in der Nutzung des Abfalls oder in der Beseitigung seines Schadstoffpotentials liegt. Eine Abfallverwertung ist dann zu bejahen, wenn der Hauptzweck der Maßnahme darauf gerichtet ist, die Abfälle einer sinnvollen Aufgabe zuzuführen, indem sie andeVerantwortung für Gefahren bei der Überplanung und Bebauung risikobehafteter Flächen, S. 129; Stüer/Wolff LKV 2002, 12, 14; Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht, Rn. 246; Beddies Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Einstellung eines Bergwerkes, S. 36 ff.; Niermann Betriebsplan und Planfeststellung im Bergrecht, S. 156; a.A. wohl Frenz Unternehmerverantwortung, S. 32, der meint, dass eine räumliche Ausdehnung der Wiedernutzbarmachung erforderlich sei, um Maßnahmen der Wasserhaltung mit größerer räumlicher Reichweite auch außerhalb der betrieblich genutzten Flächen erfassen zu können, dabei aber verkennt, dass die Wasserhaltung und auch die Einstellung der Wasserhaltung unter dem Aspekt der Gefahrenabwehr gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und 9 zu betrachten ist und nichts mit der Wiedernutzbarmachung gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 zu tun hat. 51 BT-Drs. 8/1315, S. 76; OVG Magdeburg 12.3.2009, 2 L 104/08, juris Rn. 6; OVG Münster 15.5.1998, 21 A 6726/95 = ZfB 1998, 160, 168; VG Dresden 8.7.2020, 12 L 399/20 = ZfB 2020, 277, 282; VG Gießen 9.11.2010, 1 K 1625/09, juris Rn. 45; VG Saarlouis 13.10.2003, 1 K 121/01, nicht veröffentlicht; VG Potsdam 6.9.1996, 1 L 2161/95 = ZfB 1997, 50, 54; VG Gelsenkirchen 24.8.1984, 8 K 1669/82 = ZfB 1985, 100, 106; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 2 Rn. 25; Frenz/Blatt BBergG, § 4 Rn. 40; Kirchner UPR 2010, 161, 164; Kirchner ZfB 1984, 333, 338; Beyer Die Verantwortung für Gefahren bei der Überplanung und Bebauung risikobehafteter Flächen, S. 128; Frenz ZfB 2002, 23 f.; Kühne ZfB 2001, 23, 29; Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht, Rn. 67; Knöchel ZfB 1996, 44, 54; Niermann Betriebsplan und Planfeststellung im Bergrecht, S. 155 f.; Giesen ZfB 1989, 185, 189. 52 BT-Drs. 8/1315, S. 76. 53 OVG Münster 15.5.1998, 21 A 6726/95 = ZfB 1998, 160, 167 f.; VG Gießen 9.11.2010, 1 K 1625/09, juris Rn. 45; VG Potsdam 6.9.1996, 1 L 2161/95 = ZfB 1997, 50, 54; Kirchner UPR 2010, 161, 164; Kirchner ZfB 1984, 333, 341; Frenz Unternehmerverantwortung, S. 37; Stüer/Wolff LKV 2002, 12, 14; Beddies Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Einstellung eines Bergwerkes, S. 39. 54 OVG Münster 15.5.1998, 21 A 6726/95 = ZfB 1998, 160, 168; Beckmann in: Kühne/Ehricke (Hrsg.) Bergrecht zwischen Tradition und Moderne, S. 171; Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht, Rn. 67; Knöchel ZfB 1996, 44, 54. Keienburg/Wiesendahl

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re Materialien ersetzen, die anderenfalls für die Maßnahme hätten verwendet werden müssen, wodurch natürliche Rohstoffquellen erhalten werden können.55 Liegt der Hauptzweck einer Maßnahme in der Nutzung stofflicher Eigenschaften von Abfällen, stellt die Verwendung keine Abfallbeseitigung, sondern eine Abfallverwertung dar, die, wenn sie der Wiedernutzbarmachung dient, bergrechtlich zuzulassen ist.56 Dem Schadstoffgehalt der Abfälle sowie ihrer Einstufung als gefährliche oder ungefährliche Abfälle kommt für die Frage einer Abfallverwertung oder Abfallbeseitigung keine Relevanz zu.57 Bei der Wiedernutzbarmachung muss das öffentliche Interesse beachtet werden. Das bedeu- 27 tet, dass öffentliche Interessen der Wiedernutzbarmachung nicht entgegenstehen dürfen. Nicht dagegen muss die Wiedernutzbarmachung öffentlichen Interessen dienen. Sie darf diesen nur nicht widersprechen. Zu beachten sind im Rahmen der Wiedernutzbarmachung die Vorgaben in Bebauungsplänen.58 Zu berücksichtigen sind darüber hinaus auch Planungen ohne Außenwirkung, etwa Ziele der Raumordnung und Landesplanung sowie die spezifisch auf den Bergbau zugeschnittenen Braunkohlenpläne ebenso wie sonstige Regionalpläne und auch Flächennutzungspläne, wenn und soweit diese hinreichend konkretisiert und bestimmt sind und eine spezifische Betätigung planerischer Gestaltungsfreiheit erkennen lassen.59 Nicht zu berücksichtigen sind daher außenbereichstypische Darstellungen einer Fläche als Landwirtschaftsfläche, Forstwirtschaftsfläche oder Grünland ohne spezifische planerische Gestaltung.60 Ebenfalls nicht berücksichtigungsfähig sind bloße Planungsabsichten eines Planungsträgers.61 Maßstabgebend ist die im Zeitpunkt der Zulassung der Wiedernutzbarmachung anzunehmende Folgenutzung. Wird diese Folgenutzung letztlich nicht verwirklicht, lebt dadurch die Verpflichtung des Bergwerksunternehmers nicht mit der Folge einer an geänderten Maßstäben gespiegelten Wiedernutzbarmachungspflicht wieder auf. Die Abschlussbetriebsplanzulassung muss und kann nur der im Zeitpunkt ihrer Erteilung gegebenen Sach- und Rechtslage genügen. Einem Vorbehalt für den Fall später veränderter Folgeplanungen ist sie nicht zugänglich. Es geht daher nicht zu Lasten des Bergbautreibenden, wenn eine im Zeitpunkt der Wiedernutzbarmachung realistisch angesetzte Folgenutzung nachträglich nicht verwirklicht wird.62 Über planerische Belange hinausgehend zu berücksichtigen sind ausweislich der Tongruben-II-Entscheidung des BVerwG vom 14.4.2005 alle über § 48 Abs. 2 Satz 1 maßgeblichen öffentlichen Interessen, etwa bei der Verfüllung von Tagebauen mit Abfällen

55 EuGH 13.2.2003, C-228/00, NVwZ 2003, 455 Rn. 45; EuGH 13.2.2003, C-458/00, EuZW 2003, 220 Rn. 36 ff.; EuGH 27.2.2002, C-6/00, DVBl 2002, 539 Rn. 69; BVerwG 26.7.2016, 7 B 28/15 = ZfB 2016, 289, 291 f.; BVerwG 14.4.2005, 7 C 26/03, BVerwGE 123, 247, 250 f. = ZfB 2005, 156, 159; BVerwG 26.5.1994, 7 C 14/93, BVerwGE 96, 80, 83 ff. = ZfB 1994, 211, 213 f. 56 BVerwG 14.4.2005, 7 C 26/03, BVerwGE 123, 247, 251 = ZfB 2005, 156, 159 f.; VG Halle 22.1.2014, 5 A 155/13 = ZfB 2014, 286, 296 f. 57 EuGH 14.10.2004, C-113/02, NVwZ 2005, 432 Rn. 32; EuGH 13.2.2003, C-228/00, NVwZ 2003, 455 Rn. 47; BVerwG 14.4.2005, 7 C 26/03, BVerwGE 123, 247, 252 = ZfB 2005, 156, 160. 58 Kirchner UPR 2010, 161, 165; Beddies Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Einstellung eines Bergwerkes, S. 54; Knöchel ZfB 1996, 44, 54; Hüffer/Ipsen/Tettinger Altlasten und kommunale Bauleitplanung, S. 37. 59 VGH Kassel 2.12.2004, 4 UE 2874/02 = ZfB 2005, 25, 29; VG Halle 1.10.2009, 3 A 29/08 = ZfB 2010, 33, 39; Kirchner UPR 2010, 161, 165; Beyer Die Verantwortung für Gefahren bei der Überplanung und Bebauung risikobehafteter Flächen, S. 128; Beddies Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Einstellung eines Bergwerkes, S. 53 ff.; gegen die Möglichkeit der Konkretisierung des öffentlichen Interesses in Flächennutzungsplänen und Regionalplänen dagegen: Knöchel ZfB 1996, 44, 54. 60 OVG Münster 15.5.1998, 21 A 6726/95 = ZfB 1998, 160, 169; VG Gelsenkirchen 1.4.1993, 8 K 2789/90 = ZfB 1993, 294, 299. 61 OVG Weimar 19.3.2008, 1 KO 304/06, NuR 2009, 510, 511; OVG Saarlouis 20.12.2006, 2 W 16/06 = ZfB 2007, 136, 138 f.; OVG Münster 15.5.1998, 21 A 7553/95 = ZfB 1998, 146, 157 f.; Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht, Rn. 68. 62 OVG Münster 15.5.1998, 21 A 6726/95 = ZfB 1998, 160, 168 f. unter ausdrücklicher Verneinung der zuvor mit Beschluss vom 22.4.1993, 12 B 4812/92 = ZfB 1993, 210, 214 aufgeworfenen Frage eines Regelungsbedarfs für den Fall des Scheiterns einer angedachten Folgenutzung; Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht, Rn. 247; Beddies Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Einstellung eines Bergwerkes, S. 40. 89

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die abfallrechtlichen Grundpflichten sowie die Vorgaben des Bodenschutzrechts.63 Dies gilt unabhängig davon, dass § 48 Abs. 2 Satz 1 dem Wortlaut nach nur für Aufsuchung und Gewinnung gilt, auch und erst recht im Abschlussbetriebsplanverfahren zur Wiedernutzbarmachung.64 28 Aus der geplanten Folgenutzung können sich gänzlich unterschiedliche Maßstäbe der Wiedernutzbarmachung im jeweiligen Einzelfall ergeben. Regelmäßig werden die übertägigen Anlagen eines Bergwerksbetriebs abgerissen.65 Im Fall einer sich an den Bergbau anschließenden gewerblichen Nutzung der Flächen eines Bergbaubetriebs können Betriebseinrichtungen aber, soweit nutzbar, auch bestehen bleiben.66 Denkmalgeschützte übertägige Anlagen müssen aufgrund des Denkmalschutzes bestehen bleiben. Abhängig von der Folgenutzung können übertägige Flächen ggf. auch völlig ohne eine gestalterische Maßnahme des Bergbautreibenden einer natürlichen Sukzession zur Renaturierung überlassen werden. Die Zielsetzung der Wiedernutzbarmachung kann damit nicht einheitlich für alle Bergbaubetriebe festgelegt werden. Sie ist mit Blick auf die jeweilige Betriebsfläche und die dafür maßgeblichen Planungsziele zu beurteilen und auf Grundlage des Verhältnismäßigkeitsmaßstabs zu konkretisieren. Eine Sonderregelung gilt für Bergbau im Bereich des Festlandsockels und der Küstengewässer, dessen Abschluss aufgrund ausdrücklicher Regelung in § 55 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 die vollständige Beseitigung der betrieblichen Einrichtungen bis zum Meeresuntergrund erfordert; dies resultiert aus den entsprechenden Vorgaben der im Zeitpunkt der Abfassung des Gesetzes gültigen Genfer Konvention über den Festlandsockel und ist heute ebenso im Seerechtsübereinkommen vom 10.12.1982 geregelt. 29 Eine über öffentliche Interessen hinausgehende Verpflichtung zur Berücksichtigung privater Belange von Oberflächeneigentümern, deren Grundstücke etwa aufgrund vorheriger Pacht für bergbauliche Zwecke von der Wiedernutzbarmachung betroffen sind, besteht nicht. Die Belange betroffener Oberflächeneigentümer sind im Rahmen der Wiedernutzbarmachung ebenso wie bei Aufsuchung und Gewinnung nur insoweit berück-sichtigungsfähig, als sie als öffentliche Interessen zu werten sind.67 Dies ist auf Grundlage der Moers-Kapellen-Entscheidung des BVerwG nur insoweit der Fall, als unverhältnismäßige Beeinträchtigungen des Oberflächeneigentums und damit eine Verletzung des Eigentumsschutzes aus Art. 14 Abs. 1 GG zu befürchten sind.68 Sonstige mit einer Wiedernutzbarmachung einhergehende Beeinträchtigungen muss der Oberflächeneigentümer hinnehmen, ohne dass ihm öffentlich-rechtliche Abwehrrechte zustünden. Eine über die geschützten Eigentumsinteressen hinausgehende Drittschutzwirkung vermittelt § 4 Abs. 4 BBergG nicht.69

VI. Unternehmer (Absatz 5) 30 Der Unternehmer ist gemäß § 58 Abs. 1 Nr. 1 verantwortliche Person kraft Gesetzes und damit eine geborene verantwortliche Person. Er bzw. im Fall juristischer Personen oder Personenhandelsgesellschaften die vertretungsberechtigten Organe müssen im Betriebsplanverfahren die Zuverlässigkeitsvoraussetzung des § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a) und, sofern keine anderen Personen zur Leitung und Beaufsichtigung des Betriebs bestellt sind, auch die aus § 55 Abs. 1 Satz 1

63 BVerwG 14.4.2005, 7 C 26/03, BVerwGE 123, 247, 254 = ZfB 2005, 156, 161 und nachfolgend ebenso BVerwG 28.7.2010, 7 B 16/10 = ZfB 2010, 242 Rn. 10. BVerwG 14.4.2005, 7 C 26/03, BVerwGE 123, 247, 255 = ZfB 2005, 156, 161. Kühne ZfB 2001, 23, 28. VG Saarlouis 12.3.1992, 2 K 144/90 = ZfB 1993, 300, 305. VG Gießen 9.11.2010, 1 K 1625/09, juris Rn. 50; Kirchner UPR 2010, 161, 166; Kühne DVBl 2006, 1219, 1220; a.A. Beddies Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Einstellung eines Bergwerkes, S. 93 und aufgrund grundsätzlicher Kritik an der Moers-Kapellen-Entscheidung des BVerwG auch Beyer Die Verantwortung für Gefahren bei der Überplanung und Bebauung risikobehafteter Flächen, S. 129 ff. 68 BVerwG 16.3.1989, 4 C 36/85, BVerwGE 81, 329, 344 f. = ZfB 1989, 199, 208 f. 69 VG Ansbach 10.6.2020, 17 K 19.01129 = ZfB 2020, 270, 276.

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Nr. 2 Buchst. b) resultierenden Anforderungen der Fachkunde und körperlichen Eignung erfüllen. Der Unternehmer ist gemäß § 61 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz für die ordnungsgemäße Leitung des Betriebs verantwortlich. Ihm obliegen gemäß § 61 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz Sicherheit und Ordnung im Betrieb sowie die in § 61 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 3, Abs. 2 und in weiteren Vorschriften des Gesetzes normierten Verpflichtungen. Bis auf die aus § 61 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz resultierende Pflicht zur ordnungsgemäßen Leitung des Betriebs kann der Unternehmer die ihm obliegenden Pflichten gemäß § 62 Satz 1 auf verantwortliche Personen i.S.d. §§ 58 Abs. 1 Nr. 2, 59 übertragen, ohne sich dadurch ausweislich § 62 Satz 2 von seiner unternehmerischen Leitungs-, Überwachungs- und Kontrollpflicht vollständig befreien zu können. Der Stellung des Unternehmers kommt daher hinsichtlich der verwaltungsrechtlichen Pflichten erhebliche Bedeutung zu. Gleiches gilt hinsichtlich der zivilrechtlichen Haftung für bergbaubedingte Schäden. Dafür haftet gemäß § 115 Abs. 1 der Unternehmer, der den Betrieb zum Zeitpunkt der Verursachung eines Bergschadens betrieben hat, gesamtschuldnerisch mit dem gemäß § 116 Abs. 1 im Außenverhältnis ebenfalls haftenden Gewinnungsberechtigten; im Verhältnis der Gesamtschuldner zueinander haftet, wenn nichts anderes vereinbart ist, gemäß § 116 Abs. 2 allein der Unternehmer. Unternehmer im Sinne des Gesetzes ist gemäß Absatz 5 eine natürliche oder juristische Person 31 oder Personenhandelsgesellschaft, die eine der in § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 2 sowie Abs. 2 und 3 bezeichneten Tätigkeiten auf eigene Rechnung durchführt oder durchführen lässt. Über die ausdrücklich aufgeführten, einer Unternehmerstellung zugänglichen Rechtssubjekte werden alle natürlichen Personen, alle juristischen Personen – AG, KGaA, GmbH, e.V., e.G. und Stiftungen – sowie alle Personenhandelsgesellschaften – OHG und KG – erfasst. Allein Gesellschaften des bürgerlichen Rechts, bei denen es sich weder um juristische Personen noch um Personenhandelsgesellschaften handelt, unterfallen dem Wortlaut nicht.70 Auch die das Erfordernis einer Berechtigung zur Aufsuchung und Gewinnung bergfreier Bodenschätze regelnde Grundlagennorm des § 6 sowie die den verantwortlichen Personenkreis regelnde Vorschrift des § 58 Abs. 1 Nr. 1 verhalten sich konsequent nur zu dem Unternehmer als natürliche Person, juristische Person oder Personenhandelsgesellschaft. Die Ausklammerung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts aus § 4 Abs. 5 stellt damit kein Redaktionsversehen dar. Die Ausnahme von Gesellschaften des bürgerlichen Rechts aus dem Unternehmerbegriff dürfte aus der im Zeitpunkt der Gesetzesfassung fehlenden Rechtsfähigkeit von Gesellschaften des bürgerlichen Rechts resultieren, ohne dass die amtliche Begründung dies ausdrücklich anführt. Die naheliegende Möglichkeit, die Norm mit dem Gesetz zur Ausdehnung der Bergschadenshaftung auf den Bohrlochbergbau und Kavernen vom 4.8.2016, mit welchem u.a. § 4 Abs. 5 verändert wurde, dazu Rn. 32, an die inzwischen anerkannte Rechtsfähigkeit auch von Gesellschaften des bürgerlichen Rechts anzupassen, hat der Gesetzgeber leider nicht genutzt. Nachdem die Rechtsfähigkeit von Gesellschaften des bürgerlichen Rechts inzwischen in der Rechtsprechung entschieden ist,71 ist eine Ausnahme von Gesellschaften des bürgerlichen Rechts aus der Unternehmereigenschaft rechtssystematisch nicht mehr gerechtfertigt. Das BVerwG hat der entsprechend einschränkenden Formulierung des § 3 Abs. 10 KrWG mit Urteil vom 1.10.2015 keine Bedeutung zugemessen und trotz entgegenstehenden Gesetzeswortlauts die Möglichkeit einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts als Sammler von Abfällen i.S. der Norm bejaht.72 Die dortigen Überlegungen lassen sich inhaltlich trotz des eingeschränkten Wortlauts der Norm auf § 4 Abs. 5 BBergG übertragen. Im Übrigen ist zu bedenken, dass Erlaubnis und Bewilligung gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 mehreren Personen und damit auch den Gesellschaftern einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts gemeinsam erteilt werden können; dazu § 6 Rn. 13. Bergwerkseigentum kann zur Mitinhaberschaft mehrerer Personen erteilt werden. Allein die Betriebsplanzulassung ist gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1

70 Predeick Ordnungsrechtliche Verantwortlichkeit für bergbauliche Anlagen, S. 77; Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht, Rn. 81 zu § 6 Satz 2; Kirchner/Kremer ZfB 1990, 189, 192.

71 Vgl. zur Rechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts: BGH 4.12.2008, V ZB 74/08, FGPrax 2009, 6; BGH 25.9.2006, II ZR 218/05, FGPrax 2007, 7 f.; BGH 29.1.2001, II ZR 331/00, BGHZ 146, 341, 343 ff.; BGH 15.7.1997, XI ZR 154/96, BGHZ 136, 254, 257; BGH 4.11.1991, II ZB 10/91, BGHZ 116, 86, 88. 72 BVerwG 1.10.2015, 7 C 8/14, NVwZ 2016, 316 Rn. 23. 91

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zur Regelung eindeutiger Verantwortlichkeiten an den Unternehmer geknüpft und kann daher nicht mehreren Personen gemeinsam erteilt werden. 32 Mit dem bereits unter Rn. 31 erwähnten Gesetz zur Ausdehnung der Bergschadenshaftung auf den Bohrlochbergbau und Kavernen vom 4.8.2016 wurde bis dahin dem Wortlaut nach auf Tätigkeiten i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 2 beschränkte Legaldefinition des Unternehmers auf Tätigkeiten i.S.d. § 2 Abs. 2 erweitert und zudem klargestellt, dass die Unternehmerdefinition auch für Tätigkeiten im Bereich des Festlandsockels gilt. Unternehmer ist, wer die in § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 2 aufgeführten Tätigkeiten des Aufsuchens, Gewinnens und Aufbereitens von Bodenschätzen einschließlich der zugehörigen Nebentätigkeiten sowie des Wiedernutzbarmachens der Oberfläche während und nach der Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung von Bodenschätzen auf eigene Rechnung durchführt oder durchführen lässt.73 Unternehmer ist zudem, wer die in § 2 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 aufgeführten Tätigkeiten des Untersuchens des Untergrunds auf seine Eignung zur Errichtung von Untergrundspeichern, des Errichtens und Betreibens von Untergrundspeichern gemäß § 126 Abs. 1 und 2 sowie sonstige in § 126 Abs. 3 und §§ 127 ff. aufgeführte Tätigkeiten auf eigene Rechnung durchführt oder durchführen lässt. Die Geltung des Unternehmerbegriffs auch für Tätigkeiten i.S.d. § 2 Abs. 2 sowie die Anwendung des Unternehmerbegriffs auch auf Tätigkeiten im Bereich des Festlandsockels gem. § 2 Abs. 3 war auch schon vor der Änderung des Absatzes 5 nicht zu bezweifeln. Denn auch auf diese Tätigkeiten finden u.a. die Vorschriften über die Betriebsplanpflicht gemäß §§ 50 ff. und über die Bergaufsicht gemäß §§ 69 ff. entsprechende Anwendung, woraus sich Pflichten des bergrechtlichen Unternehmers ergeben, was erhellt, dass auch Tätigkeiten i.S.d. § 2 Abs. 2 und 3 einen bergrechtlichen Unternehmer erfordern und voraussetzen. Mit dem Gesetz zur Ausdehnung der Bergschadenshaftung auf den Bohrlochbergbau und Kavernen wurde dies klargestellt.74 Materiell ist die Unternehmerstellung dadurch gekennzeichnet, dass eine dem Gesetz unter33 fallende Tätigkeit i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 2 bzw. Abs. 2 von einer Person oder Gesellschaft auf eigene Rechnung entweder selbst durchgeführt wird oder sie die Tätigkeit von einem Dritten durchführen lässt. Kennzeichnend für die Unternehmerstellung ist das wirtschaftliche Interesse und die leitende Befugnis; diese Merkmale entsprechen den auch in anderen Rechtsgebieten, etwa dem Abfallrecht, dem Immissionsschutz- oder dem Gewerberecht maßgeblichen Kriterien eines verantwortlichen Betreibers.75 Nur der Person oder Gesellschaft, die den maßgeblichen Einfluss auf die Betriebsführung hat, sollen ausweislich der amtlichen Begründung die dem Unternehmer nach dem Gesetz zukommenden Pflichten obliegen.76 In einem Konzern ist die Muttergesellschaft, in deren Namen und für deren Rechnung eine Tochtergesellschaft einen Bergbaubetrieb führt, Unternehmer. Ein Betriebsführer bzw. eine Betriebsführergesellschaft, die einen Betrieb auf fremde Rechnung führt, ist nicht Unternehmer.77 Ebenso sind Spezialfirmen, die Teile bergbaulicher Errichtungsmaßnahmen durchführen, etwa Schächte abteufen oder Strecken vortreiben, nicht Unternehmer.78 Diesen Gesellschaften fehlt die für die Unternehmereigenschaft kennzeichnende und maßgebliche, den Betrieb und seine Ausgestaltung leitende Stellung. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz regelt § 127 Abs. 1 Nr. 3. Danach ist bei der Durchführung von Bohrungen, die nicht Teil einer bergbaulichen Tätigkeit gemäß § 2 sind, auch derjenige als Unter73 Zur Unternehmereigenschaft auch desjenigen, der ohne zuvor eine bergbauliche Tätigkeit ausgeübt zu haben nur die Wiedernutzbarmachung durchführt: Knöchel ZfB 1996, 44, 57; ein Anspruch des Oberflächeneigentümers auf selbständige Wiedernutzbarmachung ohne den Unternehmer, der die Gewinnung durchgeführt hat, besteht allerdings nicht: VG Potsdam 6.9.1996, 1 L 2161/95 = ZfB 1997, 50, 54. 74 So ausdrücklich BT-Drs. 18/8907, S. 11. 75 Vgl. BVerwG 22.7.2010, 7 B 12/10, NVwZ-RR 2010, 759 Rn. 14 f.; VG Gießen 13.11.1990, I/V E 182/90, NVwZ 1991, 914, 915. 76 BT-Drs. 8/1315, S. 83; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 4 Rn. 44 f.; Frenz/Blatt BBergG, § 4 Rn. 54. 77 Amt. Begr., BT-Drs. 8/1315, S. 83; OVG Frankfurt (Oder) 13.6.1997, 4 B 12/97 = ZfB 1997, 137, 140; LG Kleve 14.12.2006, 6 S 263/05 = ZfB 2007, 81, 83; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 4 Rn. 46; Frenz/Blatt BBergG, § 4 Rn. 54; Predeick Ordnungsrechtliche Verantwortlichkeit für bergbauliche Anlagen, S. 78; Kirchner/Kremer ZfB 1990, 189, 194 ff. 78 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 4 Rn. 47; Frenz/Blatt BBergG, § 4 Rn. 53. Keienburg/Wiesendahl

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nehmer anzusehen, der eine Bohrung auf fremde Rechnung durchführt, also das Bohrunternehmen. Wird eine Bohrung dagegen von einem beauftragten Unternehmen im Rahmen einer bergbaulichen Tätigkeit i.S.d. § 2 Abs. 1 bis 3 auf fremde Rechnung durchgeführt, bleibt es bei der Grundsatzregelung des Absatzes 5; dem beauftragten Unternehmen kommt in diesen Fällen keine Unternehmereigenschaft zu. Nicht entscheidend für die Unternehmereigenschaft ist das Eigentum an den Betriebsanlagen 34 bzw. im Fall der Aufsuchung oder Gewinnung bergfreier Bodenschätze die Innehabung der Berechtigung i.S.d. §§ 7 f. und im Fall der Gewinnung grundeigener Bodenschätze das Grundeigentum. Die Gewinnungsberechtigung kann der Unternehmer ausweislich der Darlegungen unter Rn. 38 durch schuldrechtlichen Vertrag mit dem Berechtigten von diesem ableiten. Daher ist auch der Pächter eines Bergwerks Unternehmer, wenn er den Betrieb auf eigene Rechnung durchführt oder durchführen lässt. Ebenso nicht entscheidend ist für die Unternehmereigenschaft die Sachherrschaft oder Verfü- 35 gungsbefugnis über Grundstücke und Anlagen, die zu einem Bergwerksbetrieb gehören. Die Unternehmereigenschaft ist vielmehr an die Ausübung einer bergbaulichen Tätigkeit i.S.d. § 2 geknüpft. Die verwaltungsrechtliche Verantwortlichkeit des Unternehmers aus § 58 Abs. 1 ist mit der Verhaltenshaftung des allgemeinen Ordnungsrechts vergleichbar.79 Deshalb ist der Insolvenzverwalter als Partei kraft Amtes weder Organ einer Unternehmergesellschaft noch selbst Unternehmer i.S.d. § 4 Abs. 5, wenn er nicht Tätigkeiten i.S.d. § 2 Abs. 1 und 2 durchführt.80 Allein die Befugnis des Insolvenzverwalters, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und darüber zu verfügen, führt nicht zu einem Eintritt des Insolvenzverwalters in die frühere Unternehmereigenschaft und -stellung des insolventen Unternehmers. Ebenso ist eine juristische oder natürliche Person, die nach der Durchführung bergbaulicher Tätigkeiten eines anderen Unternehmers eine von diesem im Wege der Einzelrechtsnachfolge abgeleitete Berechtigung erhält, nicht Unternehmer der früheren bergbaulichen Tätigkeit und nicht verantwortlich für die Beseitigung daraus resultierender Gefahren.81 Schließlich kommt es für die Unternehmerstellung nicht darauf an, ob ein Betrieb auf Grund- 36 lage zugelassener Betriebspläne geführt wird oder eine rechtswidrige Tätigkeit vorliegt. Die gegenüber dem bergrechtlichen Unternehmer bestehenden Anordnungs- und Eingriffsbefugnisse der Bergbehörden bestehen gerade auch dann, wenn ein Betrieb nicht genehmigt ist.82

VII. Gewinnungsberechtigung (Absatz 6) Der Begriff der Gewinnungsberechtigung dient, so die amtliche Begründung, der gesetzestechni- 37 schen Vereinfachung und beinhaltet daher keine materielle Regelung, sondern allein eine formale Abgrenzung.83 Über die Einführung des umfassenden Begriffs einer Gewinnungsberechtigung ist eine Detailregelung, woraus die Gewinnungsberechtigung resultieren kann bzw. muss, in den Vorschriften, die die Begrifflichkeit in Bezug nehmen – §§ 35, 42, 44 und 47 – entbehrlich.

79 BVerwG 14.4.2011, 7 B 8/11 = ZfB 2011, 112 Rn. 9; BVerwG 13.12.2007, 7 C 40/07 = ZfB 2008, 57 Rn. 11; VGH München 24.8.2010, 8 BV 06/1795 = ZfB 2011, 114 Rn. 22; VG Dresden 8.7.2020, 12 L 399/20 = ZfB 2020, 277, 283; VG Bayreuth 28.3.2014, 1 K 12/400 = ZfB 2014, 275, 283. 80 BVerwG 13.12.2007, 7 C 40/07 = ZfB 2008, 57 Rn. 11; OVG Weimar 15.4.2009, 1 KO 661/07 = ZfB 2009, 276, 278 ff. unter ausdrücklicher Aufgabe seiner früheren abweichenden Auffassung im Beschluss vom 17.11.2004, 1 EO 7/04 = ZfB 2005, 67, 68 f.; VG Gera 7.3.2007, 2 K 923/04 = ZfB 2007, 173, 176; die abweichende Entscheidung des OVG Berlin vom 10.6.2002, 4 A 16/01 = ZfB 2003, 62, 63 f. ist überholt. 81 BVerwG 14.4.2011, 7 B 8/11 = ZfB 2011, 112 Rn. 10; ebenso zuvor VGH München 24.8.2010, 8 BV 06/1795 = ZfB 2011, 114 Rn. 23 ff. 82 Ebenso BVerwG 22.7.2010, 7 B 12/10, NVwZ-RR 2010, 759 Rn. 17 zum abfallrechtlichen Begriff des Betreibers. 83 BT-Drs. 8/1315, S. 83. 93

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Eine Gewinnungsberechtigung ist unabhängig von der Rechtsgrundlage jedes Recht zur Gewinnung bergfreier und grundeigener Bodenschätze i.S.d. § 3 Abs. 3 und 4. Woraus dieses Recht resultiert, regelt nicht Absatz 6, sondern ergibt sich aus den sonstigen Vorschriften des Gesetzes. Danach steht das Recht zur Gewinnung grundeigener Bodenschätze gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 dem Grundeigentümer zu und kann von diesem auf Dritte übertragen werden; eine schuldrechtliche Berechtigung des Dritten ist ausreichend, eine dingliche Sicherung kann erfolgen, ist aber nicht Voraussetzung einer vom Grundeigentümer abgeleiteten Gewinnungsberechtigung.84 Das Recht zur Gewinnung bergfreier Bodenschätze steht gemäß §§ 8 Abs. 1, 9 Abs. 1 dem Inhaber der dafür erteilten Bewilligung oder des dafür erteilten Bergwerkseigentums zu, der ebenfalls Dritten schuldrechtliche oder dingliche Nutzungsrechte einräumen kann. Irrelevant ist, ob es sich um übergeleitete Rechte gemäß §§ 149 ff. bzw. gemäß Anlage I Kapitel V Sachgebiet D Abschnitt III Nr. 1 Buchst. b) bis d) des Einigungsvertrags oder um auf Grundlage des BBergG neu erteilte Berechtigungen handelt. Zur Frage des Erfordernisses einer bergbehördlichen Zustimmung zur Übertragung einer Berechtigung vgl. § 22 Rn. 2. Zwangsweise kann eine Gewinnungsberechtigung nur durch Zulegung gemäß § 35 begründet werden. Die Regelungen der Grundabtretung gemäß §§ 77 ff. sind dagegen nicht geeignet, eine Gewinnungsberechtigung zu begründen, sondern setzen diese voraus. Soll daher ein Tagebau, in dem grundeigene Bodenschätze gewonnen werden, über die Grenze der aus Grundeigentum oder schuldrechtlicher oder dinglicher Berechtigung resultierenden Gewinnungsberechtigung hinaus ausgedehnt werden, so ist zunächst eine Zulegung zur Erlangung der Gewinnungsberechtigung durchzuführen, der ggf. eine Grundabtretung zur Erlangung der Berechtigung zur Grundstücksnutzung folgen muss; die erschwerten Voraussetzungen des § 35, die u.a. voraussetzen, dass ein grenzüberschreitender Abbau aus bergwirtschaftlichen oder bergtechnischen Gründen geboten und nicht damit zu rechnen ist, dass die Bodenschätze auch ohne Zulegung ebenso wirtschaftlich gewonnen werden, können nicht durch Grundabtretung umgangen werden.85

VIII. Feld (Absatz 7) 39 Die Vorgaben der Feldesbegrenzung sind für die Erteilung einer Erlaubnis, Bewilligung oder von Bergwerkseigentum maßgeblich. Erlaubnis, Bewilligung und Bergwerkseigentum können gemäß §§ 7 Abs. 1, 8 Abs. 1 Nr. 1 und 9 Abs. 1 nur für konkret zu bezeichnende Bodenschätze in einem bestimmten Feld erteilt werden. Das Feld muss den Vorgaben des Absatzes 7 entsprechen. Das Feld einer Erlaubnis, Bewilligung oder eines Bergwerkseigentums ist gemäß Absatz 7 ein Ausschnitt aus dem Erdkörper, der von horizontalen geraden Linien an der Oberfläche und von lotrechten Ebenen nach der Tiefe begrenzt wird. Eine Begrenzung in die Teufe geht damit nicht einher.86 Die Legaldefinition des Absatzes 7 normiert sog. Geviertfelder, die auch bereits auf Grundlage des früheren Landesrechts bekannt waren. Sie unterscheiden sich von den nach früherem Landesrecht ebenfalls möglichen Längenfeldern dadurch, dass sie ausschließlich nach geraden Linien und unabhängig vom Verlauf der Lagerstätte bestimmt werden. Längenfelder waren dagegen dadurch gekennzeichnet, dass sie dem Verlauf einer Lagerstätte im Streichenden und im Fallenden folgten. Zu dem Unterschied zwischen den auf Grundlage des Bundesberggesetzes nur noch festlegbaren Geviertfeldern zu Längenfeldern verhält sich § 161 Abs. 2. 84 OVG Koblenz 21.1.2014, 1 B 11194/13 = ZfB 2014, 272, 273; die gegenteilige Auffassung des OVG Bautzen 12.4.2000, 1 D 560/98 = ZfB 2000, 153, 158 f., das vom Grundeigentümer abgeleitete schuldrechtliche oder dingliche Berechtigungen nicht als ausreichend ansieht, ist unzutreffend und durch die gesetzlichen Regelungen nicht begründet. Eine Bergwerkspacht ist im Fall eines Gewinnungsrechts des Verpächters hinsichtlich zunächst herrenloser bergfreier Bodenschätze als gleichzeitige Verfügung des Verpächters über das Aneignungsrecht anzusehen, vgl. Staudinger/Schaub BGB, § 581 Rn. 32 f. 85 BVerwG 7.6.1995, 4 B 115/95 = ZfB 1995, 190, 191. 86 § 26 Abs. 1 ABG sprach daher von der „ewigen Teufe“. Keienburg/Wiesendahl

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Eine Ausnahme der geraden Begrenzung eines Feldes regelt Absatz 7 nur für den Fall, dass 40 die Grenzen des Gesetzes einen abweichenden Verlauf erfordern. Bewilligungen für Bodenschätze können nicht über die Grenzen der Bundesrepublik Deutschland hinaus erteilt werden, aber bis an die Grenze, weshalb im Grenzbereich Ausnahmen von den geraden Linien eines Feldes an der Oberfläche möglich sind. Abweichende – ländergrenzenübergreifende – Berechtigungen können nur auf Grundlage einer entsprechenden Vereinbarung zwischen den Ländern erteilt werden.87 Ohne dass dies im Gesetz ausdrücklich geregelt wäre, erfordern auch die Grenzen der Bundesländer aufgrund unterschiedlicher Länderzuständigkeiten im Fall länderüberschreitender Lagerstätten entweder Feldesbegrenzungen an der Landesgrenze, die einem geraden Grenzverlauf entgegen stünden, oder besondere Zuständigkeitsvereinbarungen der Bergbehörden; für Letzteres spricht der Wortlaut des Gesetzes, der eine Ausnahme gerader Feldesgrenzen nur für den Fall die Grenzen des Gesetzes überschreitender Lagerstätten regelt. Ausnahmen von dem Erfordernis gerader und lotrechter Linien zur Feldesbegrenzung für den Fall besonderer äußerer Umstände, etwa Flussläufe, lässt das Gesetz anders als das frühere Recht nicht zu.88 Soweit gemäß §§ 149 ff. aufrechterhaltene alte Rechte aber aufgrund früher zulässiger Abweichungen keine den heutigen Vorgaben entsprechende Feldesbegrenzung aufweisen, bleiben diese Berechtigungen dennoch unverändert bestehen. Die Vorgaben des Absatzes 7 gelten nur für auf Grundlage des Gesetzes neu zu erteilende Berechtigungen.89 Aufgrund der Beschränkung des Gesetzes auf Geviertfelder ist es möglich, dass sich die Gren- 41 zen eines Feldes in der Länge nicht mit der Lagerstätte decken und kleiner sind, als die Lagerstätte. Dies ist in Fällen fester, statisch gelagerter Bodenschätze unproblematisch. In Fällen mobiler Bodenschätze aber, wie Erdgas, Erdöl oder Erdwärme, können über Bohrungen eines Feldes auch die Bodenschätze anderer Felder gewonnen werden, woraus sich das Erfordernis einer Abgrenzung von Inhalt und Reichweite der Gewinnungsberechtigung ergibt, die in diesen Fällen allein über die Feldesfestlegung nicht ermöglicht wird. Nach der sog. Bohrlochtheorie ist entsprechend des rule of capture eine unbeschränkte Gewinnung über das Bohrloch eines Feldes zulässig, unabhängig davon, welchem Feld migrierende Bodenschätze ursprünglich zuzuordnen sind.90 Dagegen wird zutreffend angeführt, dass damit dem Lagerstättenprinzip widersprochen werde, weshalb eine mengenmäßige Beschränkung der zulässigen Förderung auf die ursprünglich dem Feld zuzurechnenden Bodenschätze erfolgen müsse.91 Einer gerichtlichen Entscheidung musste diese Frage bisher nicht zugeführt werden. Entschieden hat das BVerwG mit Urteil vom 4.12.2001, dass die Bundesrepublik Deutschland und die Niederlande mit Art. 5 Abs. 1 des Zusatzabkommens zum Ems-Dollart-Vertrag vom 14.5.1962 völkerrechtlich zulässig eine vom Bohrlochprinzip abweichende Regelung getroffen haben, indem sie vereinbart haben, dass der deutschen und der niederländischen Seite an dem im Grenzbereich gewonnenen Erdgas und Erdöl sowie den bei der Gewinnung anfallenden sonstigen Stoffen gleiche Anteile zustehen.92 Das Bohrlochprinzip ist kein vom Gesetzgeber vorgegebener Grundsatz.93 Ist eine Erlaubnis oder eine Bewilligung auf einen bestimmten Bodenschatz für ein Feld 42 erteilt, sind weitere Berechtigungen für denselben Bodenschatz in demselben Feld gemäß §§ 7 Abs. 1 Nr. 1, 8 Abs. 1 Nr. 1, 9 Abs. 1 – vorbehaltlich der in §§ 7 Abs. 2, 8 Abs. 3 geregelten Einschrän-

87 Vgl. etwa das Gesetz über den Abbau von Salzen im Grenzgebiet der Werra vom 3.12.1984, aufgehoben mit Gesetz vom 17.1.1996. 88 Vgl. zu § 27 ABG: Ebel/Weller ABG, § 27 Rn. 5. 89 § 3 Abs. 1 Satz 3 der Verordnung über die Verleihung von Bergwerkseigentum vom 15.8.1990 enthielt eine entsprechende Regelung, so dass auch die gemäß Anlage I Kapitel V Sachgebiet D Abschnitt III Nr. 1 Buchst. d) des Einigungsvertrags vom 31.8.1990 fortgeltenden Berechtigungen der ehemaligen DDR den Vorgaben des Gesetzes entsprechen. 90 Ipsen/Stüer/Mössner Öffentliche Verwaltung in Europa, S. 61. 91 V. Hammerstein FS Kühne (2009), S. 578 ff.; Kühne DVBl 2002, 1117 f.; Keienburg/Knöchel in: Frenz/Preuße (Hrsg.) Grubengas: Entstehung, Gefahren, Nutzung, S. 58. 92 BVerwG 4.12.2001, 4 C 2/00, BVerwGE 115, 274, 285 f. = ZfB 2002, 152, 159. 93 BVerwG 4.12.2001, 4 C 2/00, BVerwGE 115, 274, 286 = ZfB 2002, 152, 159. 95

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kungen gegenüber großräumigen Aufsuchungen und Aufsuchungen zu wissenschaftlichen Zwecken – ausgeschlossen; auch eine Erteilung verschiedener Berechtigungen für denselben Bodenschatz in unterschiedlichen Stockwerken ist – auch wenn dies insbesondere für die Geothermie bedauert wird, da eine gleichzeitige Gewinnung von Erdwärme durch mehrere Projekte in unterschiedlichen Tiefen ohne gegenseitige Beeinflussung denkbar erscheint94 – auf Grundlage des geltenden Rechts aufgrund der unbeschränkten Teufe eines Feldes ausgeschlossen.95 Im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens zur Änderung des Bundesberggesetzes und zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung des Jahres 2021 hat der Bundesrat den Versuch unternommen, § 4 Abs. 7 um einen zweiten Satz zu ergänzen mit folgendem Inhalt: „Ein Feld zur Aufsuchung und Gewinnung von Erdwärme kann nach Horizontebenen in der Tiefe begrenzt werden“.96 Die Bundesregierung hat in ihrer Gegenäußerung mitgeteilt, dass der Vorschlag einer vertieften Prüfung bedarf,97 weshalb er in das Gesetz zur Änderung des Bundesberggesetzes und zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung vom 14.6.2021 nicht aufgenommen wurde.98 Möglich ist dagegen die Erteilung verschiedener Berechtigungen auf verschiedene Bodenschätze in einem Feld.99

IX. Gewinnungsbetrieb (Absatz 8) 43 Die in Absatz 8 enthaltene Legaldefinition des Gewinnungsbetriebs dient ebenso wie die in Absatz 6 enthaltene Definition der Gewinnungsberechtigung primär der gesetzestechnischen Vereinfachung.100 Der Gesetzgeber wollte auf unterschiedliche Begriffe wie Gruben, Brüche und Gräbereien verzichten und einen umfassenden Begriff des Gewinnungsbetriebs normieren. Als Gewinnungsbetrieb definiert Absatz 8 Einrichtungen zur Gewinnung von bergfreien und grundeigenen Bodenschätzen. Gemeint sind damit alle Einrichtungen, die im funktionellen Zusammenhang zur Gewinnung von bergfreien und grundeigenen Bodenschätzen stehen und dem Geltungsbereich des Gesetzes gemäß § 2 Abs. 1 unterfallen, also sowohl der untertägig erschlossene Bereich der Lagerstätte als auch übertägige Abbaubereiche sowie die der Gewinnung dienen Betriebsanlagen i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 3. Diese Einrichtungen stellen in ihrer Gesamtheit den Gewinnungsbetrieb dar. Die Begrifflichkeit des Gewinnungsbetriebs umfasst damit den im herkömmlichen Sprachgebrauch so bezeichneten Bergwerksbetrieb als betriebsorganisatorischen Gesamtkomplex.101 Dieser stellt auch dann einen Gewinnungsbetrieb im Sinne der Definition dar, wenn zusätzlich und parallel zur Gewinnung auch Aufsuchungsarbeiten durchgeführt werden. Die auf die Gewinnung abstellende Begrifflichkeit klammert gleichzeitige Aufsuchungstätigkeiten und die dazu verwandten Einrichtungen ausweislich der amtlichen Begründung aus dem Begriff des Gewinnungsbetriebs nicht aus. Nur ausschließliche Aufsuchungstätigkeiten und -betriebe unterfallen der Definition des Absatzes 8 auch dann, wenn bei der planmäßigen Aufsuchung aus bergtechnischen, sicherheitstechnischen oder anderen Gründen Bodenschätze gewonnen werden müssen, nicht.102 Der den Gewinnungsbetrieb kennzeichnende betriebsorganisatorische Gesamtkomplex um44 fasst alle dem Betrieb des Unternehmers zur Gewinnung eines bestimmten Bodenschatzes auf Grundlage der gesetzgeberischen Wertung in § 2 Abs. 1 objektiv zuzurechnende Betriebsteile. Der 94 Weyer/Oppelt in: Müller (Hrsg.) 20 Jahre Recht der Erneuerbaren Energien, S. 679; Franke FS Kühne (2009), S. 515; Große ZUR 2009, 535, 537. 95 Weyer/Oppelt in: Müller (Hrsg.) 20 Jahre Recht der Erneuerbaren Energien, S. 679; Franke in: Kühne/Ehricke (Hrsg.) Bergrecht zwischen Tradition und Moderne, S. 128; Franke in: Burgi (Hrsg.) Planungssicherheit im Energiewirtschaftsrecht, S. 108 f. 96 BT-Drs. 19/28402, S. 18. 97 BT-Drs. 19/28402, S. 23. 98 BGBl I S. 1760. 99 Vgl. Weller ZfB 1990, 111, 113. 100 BT-Drs. 8/1315, S. 83. 101 BVerwG 9.11.1995, 4 C 25/94, BVerwGE 100, 31, 42 = ZfB 1995, 290, 299. 102 BT-Drs. 8/1315, S. 83. Keienburg/Wiesendahl

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umfassende Betriebsbegriff setzt einer Verselbständigung von Betriebsteilen ausweislich der Rammelsberg-Entscheidung des BVerwG vom 9.11.1995 Grenzen. Einzelne ursprünglich zum Gewinnungsbetrieb gehörende Lagerstättenteile können nach ihrer Ausförderung nicht willkürlich durch rein subjektive Entscheidung des Unternehmers aus dem Gesamtbetrieb ausgegliedert werden; auch der Verbruch ausgeförderter Bereiche eines Grubengebäudes hat nicht zur Folge, dass diese damit aus dem Gesamtbetrieb entfallen.103 Gleiches gilt für übertägige Betriebsteile. Der Bergwerksunternehmer kann sich der über den Gesamtbetrieb bestehenden Bergaufsicht nicht durch reine Willensäußerung oder das Verfallenlassen von untertägigen oder übertägigen Anlagenteilen entledigen. Möglich ist aber der sequentielle ordnungsgemäße Abschluss einzelner Betriebsteile oder -einrichtungen durch Abschlussbetriebsplanzulassung mit der Folge eines sich daran – nach Umsetzung der Abschlussbetriebsplanzulassung – anschließenden Endes der Zugehörigkeit des abgeschlossenen Betriebsteils zum verbleibenden Gewinnungsbetrieb und der Entlassung des abgeschlossenen Teils aus der Bergaufsicht.104 Aus der Rammelsberg-Entscheidung des BVerwG folgt nicht, dass ein Gewinnungsbetrieb bis zu seinem Gesamtabschluss unverändert bleiben müsste; im Gegenteil hat das BVerwG in der Rammelsberg-Entscheidung bestätigt, dass Bergwerke nicht nur als Ganzes errichtet, betrieben und eingestellt werden können.105 Voraussetzung einer zulässigen Einstellung eines Betriebsteils mit der Folge dessen Entlassung aus dem Restbetrieb ist, dass dies unter Beachtung der Instrumentarien des jeweils maßgeblichen Gesetzes erfolgte oder erfolgt. Für Betriebe, die auf Grundlage des BBergG geführt werden, erfordert dies, dass die Betriebseinstellung einer vorherigen behördlichen Prüfung im Abschlussbetriebsplanzulassungsverfahren unterworfen wird; zur Entlassung aus der Bergaufsicht im Einzelnen § 69 Rn. 16 ff. Nicht umfasst von dem betriebsorganisatorischen Gesamtkomplex eines Betriebs sind Betrie- 45 be anderer Unternehmer. Ebenfalls nicht umfasst sind Betriebe desselben Unternehmers, die im räumlich überschneidenden Bereich aber unter Einsatz anderer Betriebseinrichtungen oder Verfahren der Gewinnung anderer Bodenschätze dienen. Dies gilt im Fall der gleichzeitigen und räumlich (teil)identischen Gewinnung verschiedener Bodenschätze durch denselben oder unterschiedliche Unternehmer. Dies gilt auch im Fall einer zeitlich versetzten Gewinnung verschiedener Unternehmer mit räumlichen Überschneidungen. Werden etwa Teile eines ausgekohlten Grubengebäudes im Anschluss an die Gewinnung von demselben oder einem anderen Unternehmer zum Zweck der Gewinnung von Grubengas genutzt, handelt es sich dabei trotz Nutzung von Teilen desselben Grubengebäudes um einen anderen Gewinnungsbetrieb, als den Betrieb zur Kohlegewinnung. Gleiches gilt dann, wenn möglicherweise Jahrzehnte nach Einstellung eines Bergbaubetriebs der Betrieb neu aufgenommen – nicht fortgeführt – wird und dabei Teile des ehemaligen Grubengebäudes wieder aufgefahren werden; ein neu aufgefahrener Gewinnungsbetrieb ist trotz Nutzung vorhandener Einrichtungen eines früheren Betriebs nicht mit dem früheren Betrieb identisch. Der räumliche und sachliche Umfang des Gewinnungsbetriebs bestimmt sich nach der konkreten Tätigkeit und den dazu gehörigen Einrichtungen des Unternehmers und umfasst nicht Teile anderer Gewinnungsbetriebe.

X. Untergrundspeicher (Absatz 9) Untergrundspeicher sind Anlagen zur unterirdischen behälterlosen Speicherung von Gasen, Flüs- 46 sigkeiten und festen Stoffen mit Ausnahme von Wasser.106 Der Aggregatzustand der zu speichern103 BVerwG 9.11.1995, 4 C 25/94, BVerwGE 100, 31, 42 = ZfB 1995, 290, 299. 104 Beckmann in: Kühne/Ehricke (Hrsg.) Bergrecht zwischen Tradition und Moderne, S. 181 ff.; Beyer Die Verantwortung für Gefahren bei der Überplanung und Bebauung risikobehafteter Flächen, S. 103; Knöchel in: Frenz/Preuße (Hrsg.) Spätfolgen des Bergbaus, S. 106; Knöchel ZfB 1996, 44, 59. 105 BVerwG 9.11.1995, 4 C 25/94, BVerwGE 100, 31, 41 = ZfB 1995, 290, 299. 106 Die Speicherung von Wasser unterliegt aufgrund des dabei vorrangigen wasserrechtlichen Schutzzwecks dem Wasserrecht. 97

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Erster Teil – Einleitende Bestimmungen

den Stoffe ist für die Definition des Untergrundspeichers irrelevant.107 Zwingende Voraussetzung der Klassifizierung einer Anlage als Untergrundspeicher ist – zusätzlich zur räumlichen Lage im Untergrund – deren Zwecksetzung zur Speicherung im Sinne einer temporären Aufbewahrung zur Wiederverwendung; Anlagen zur endgültigen Ablagerung und damit zur (Abfall-)Beseitigung stellen keine Untergrundspeicher im Sinne des Gesetzes dar;108 vgl. § 126 Rn. 5. Erforderlich ist weiter eine Nutzung zur behälterlosen Speicherung, da nur im Fall der behälterlosen Speicherung den Eigenschaften des untertägigen Gebirges eine Schutz- und Abschlusswirkung zukommt und dessen Rückhaltefähigkeit daher zu prüfen ist. Anlagen zur Speicherung von Stoffen in Behältern unterfallen dagegen auch bei untertägiger Errichtung der Definition des Untergrundspeichers nicht;109 der Speicher selbst stellt definitorisch keinen Behälter i.S.d. § 4 Abs. 9 dar.110 Aufgrund des Erfordernisses einer Speicherung im Unterschied zur dauerhaften Beseitigung 47 unterfällt die zwar im Sprachgebrauch und auch in § 3 Nr. 1 KSpG als CO2-Speicherung bezeichnete aber richtigerweise zur endgültigen Beseitigung konzipierte CO2-Ablagerung in tiefen geologischen Formationen nicht der Begrifflichkeit der Untergrundspeicherung und finden die Vorschriften des Gesetzes auf die CO2-Ablagerung keine Anwendung.111 Ebenfalls keine Untergrundspeicher stellen zur Endlagerung radioaktiver Abfälle genutzte Formationen dar; weder handelt es sich bei der Endlagerung um eine temporäre Speicherung, noch dürfte im Regelfall eine behälterlose Endlagerung radioaktiver Abfälle stattfinden. Dennoch sind Endlager radioaktiver Abfälle, wenn sie ihrer Art nach zur unterirdischen behälterlosen Speicherung geeignet sind, zusätzlich zum Atomrecht aufgrund spezieller Anordnung in § 126 Abs. 3 einzelnen Vorschriften des Gesetzes unterworfen. Untertägige Speicherbecken für Pumpspeicherkraftwerke stellen keine Untergrundspeicher i.S.d. Absatzes 9 dar, da die untertägige Speicherung von Wasser ausweislich Rn. 46 nicht dem Bergrecht unterliegt. Erfasst werden von der Definition des Absatzes 9 dagegen – unter der Voraussetzung einer behälterlosen Speicherung – die Speicherung von Erdgas und Erdöl sowie von Erdgas, Druckluft und Wasserstoff.

XI. Transit-Rohrleitung (Absatz 10) 48 Transit-Rohrleitungen, die dem Anwendungsbereich des Gesetzes aufgrund § 2 Abs. 3 Satz 1 unterfallen, sind Rohrleitungen, die vom Festlandsockel112 oder vom Gebiet eines anderen Staates in den Festlandsockel der Bundesrepublik Deutschland geführt werden oder diesen durchqueren. Diese Definition entspricht der amtlichen Begründung des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Rechts am Festlandsockel in der Fassung vom 2.9.1974.113 Rohrleitungen, die ihren Ausgang im Festlandsockel der Bundesrepublik Deutschland haben und von dort zum Festland der Bundesrepublik Deutschland führen, etwa Rohrleitungen von einer Bohrinsel auf dem Festlandsockel der Bundesrepublik, die zum Festland der Bundesrepublik führen, fallen nicht unter die Definition des Absatzes 10. Ebenso fallen Rohrleitungen, die vom Festland oder vom Festlandsockel der Bundesrepublik Deutschland in den Festlandsockel oder zum Festland eines anderen Staats führen, nicht unter die Definition des Absatzes 10. Um Transit-Rohrleitungen handelt es sich gemäß der

107 BT-Drs. 8/1315, S. 83. 108 BT-Drs. 8/1315, S. 77 und 88. 109 Röhrenspeicher, in denen die Speicherung röhrengebunden erfolgt, stellen daher keine Untergrundspeicher i.S.d. Absatzes 9 dar; zum Zulassungsregime für Röhrenspeicher: Wahlhäuser UPR 2011, 262 ff.

110 BT-Drs. 8/1315, S. 83. 111 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 2 Rn. 46; Frenz/Blatt BBergG, § 4 Rn. 69; Wieser ZUR 2011, 240, 244; Much ZUR 2007, 130, 133 f.; Mißling ZUR 2008, 286, 291; anderes gilt nur dann, wenn mittels Verpressung von CO2 in Erdöloder Erdgasfeldern eine Gewinnung dort noch vorhandenen Erdöls oder Erdgases erfolgt. 112 Zur Begrifflichkeit bei § 2 Rn. 29. 113 BT-Drs. 7/1963, S. 5. Keienburg/Wiesendahl

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Erster Teil – Einleitende Bestimmungen

§5

Legaldefinition des Absatzes 10 allein bei anlandenden bzw. durchquerenden Rohrleitungen;114 dazu auch § 133 Rn. 2. Eine Definition der in § 2 Abs. 3 Satz 1 dem Anwendungsbereich des Gesetzes ebenfalls unter- 49 worfenen Unterwasserkabel enthält § 4 nicht; Hintergrund dafür dürfte sein, dass Unterwasserkabel erst mit dem AusfG-SRÜ vom 6.6.1995 dem Bergrecht unterstellt wurden. Nach hier vertretener Auffassung handelt es sich bei dem Bundesberggesetz unterfallenden Unterwasserkabeln nur um Transit-Unterwasserkabel; vgl. § 2 Rn. 32 und § 133 Rn. 6.

§5 Anwendung des Verwaltungsverfahrensgesetzes Auf die Ausführung dieses Gesetzes und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen ist, soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist, das Verwaltungsverfahrensgesetz anzuwenden. Für das Verfahren bei der Ausführung des BBergG und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen 1 Rechtsverordnungen gilt gemäß § 5 das VwVfG des Bundes, soweit das Gesetz selbst nicht eigene Verfahrensregelungen enthält. Die Subsidiarität des VwVfG ergibt sich für die Tätigkeit der Bundesbehörden bereits aus § 1 VwVfG. Nach § 1 Abs. 3 VwVfG gilt das VwVfG des Bundes für die Ausführung von Bundesrecht durch die Länder nicht, soweit die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Behörden landesrechtlich durch ein Verwaltungsverfahrensgesetz geregelt ist. Da zum Zeitpunkt des Gesetzgebungsverfahrens zum BBergG noch nicht alle Länder ein eigenes Verwaltungsverfahrensgesetz erlassen hatten, war wegen § 1 Abs. 2 Satz 2 VwVfG die Regelung des § 5 notwendig, um sicherzustellen, dass auch bei der Ausführung des BBergG durch Landesbehörden Verfahrensvorschriften existierten. Inzwischen haben sämtliche Länder eigene Verwaltungsverfahrensgesetze erlassen, so dass nach § 1 Abs. 3 VwVfG für das Verfahren der Landesbehörden grundsätzlich Landesverfahrensrecht Anwendung findet. Lediglich soweit ein Landesverwaltungsverfahrensgesetz keine Regelung enthält, gilt ergänzend das VwVfG des Bundes.1 Nachfolgend wird nur der Einfachheit halber auf die Regelungen des VwVfG verwiesen. Soweit das BBergG durch Landesbehörden ausgeführt wird, sind die entsprechenden Regelungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes des jeweiligen Landes anwendbar. Der Geltungsvorbehalt des § 1 Abs. 3 VwVfG bezieht sich nur auf das VwVfG, nicht auch auf 2 sonstiges Verwaltungsverfahrensrecht des Bundes. Besondere bundesrechtliche Rechtsvorschriften gehen damit gemäß Art. 31 GG auch den Verwaltungsverfahrensgesetzen der Länder vor.2 Daher wirkt der Vorrang der im BBergG enthaltenen besonderen Verfahrensregelungen auch gegenüber den Landesverfahrensgesetzen. Das VwVfG enthält wichtige Verfahrensgrundsätze, die gemäß § 5 auch bei der Ausführung 3 des BBergG zugrunde zu legen sind. Dazu gehört beispielsweise der Grundsatz der Nichtförmlichkeit des Verwaltungsverfahrens (§ 10 VwVfG), nach dem die Bergbehörde, soweit nicht das BBergG oder das VwVfG eine bestimmte Form des Verfahrens vorschreiben, das Verfahren den Erfordernissen des Einzelfalls entsprechend gestalten kann, wobei im Sinne der Beschleunigung nach § 10 Satz 2 VwVfG auf eine einfache und zweckmäßige Durchführung zu achten ist. Aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen ergibt sich auch für die am Verfahren Beteiligten die Verpflichtung, zu einer entsprechenden Verfahrensgestaltung beizutragen.3 Nach § 37 Abs. 2 VwVfG besteht für Verwaltungsakte Formfreiheit, soweit nicht eine bestimmte Form vorgeschrieben ist oder sich aus der 114 Keienburg/Neupert 3R 2013, Heft 04–05, 44, 45; Wolf ZUR 2007, 24, 26; Wolf ZUR 2004, 65, 66; Wiese Grenzüberschreitende Landrohrleitungen und seeverlegte Rohrleitungen im Völkerrecht, S. 180.

1 Stelkens/Bonk/Sachs/Bonk/Schmitz VwVfG, § 1 Rn. 79. 2 Stelkens/Bonk/Sachs/Bonk/Schmitz VwVfG, § 1 Rn. 77. 3 Kopp/Ramsauer VwVfG, § 10 Rn. 15. 99 https://doi.org/10.1515/9783110709285-016

von Hammerstein

§5

Erster Teil – Einleitende Bestimmungen

Natur des Verwaltungsaktes ergibt. Ein mündlicher Verwaltungsakt ist schriftlich zu bestätigen, wenn hieran ein berechtigtes Interesse besteht und der Betroffene dies unverzüglich verlangt (§ 37 Abs. 2 Satz 2 VwVfG). Wichtig ist auch der in § 24 VwVfG verankerte Untersuchungsgrundsatz. Danach ist die Behörde verpflichtet, den für ihre Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln. Nach § 28 VwVfG besteht, von bestimmten Ausnahmen abgesehen, ein Anspruch auf rechtliches Gehör, d.h. jedem Beteiligten ist von der Behörde vor dem Erlass eines in seine Rechte eingreifenden Verwaltungsaktes Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Ein Verwaltungsakt greift dann in ein Recht eines Beteiligten ein, wenn er dessen Rechtsstellung beeinträchtigt. Zur Beteiligung im Betriebsplanverfahren finden sich Regelungen in den §§ 48 Abs. 2 und 54 Abs. 2. Zur Beteiligung im bergrechtlichen Planfeststellungsverfahren vgl. die Kommentierung zu § 57a Rn. 19 ff. Ferner sind das Recht auf Akteneinsicht (§ 29 VwVfG) und die allgemeine Auskunfts- und Beratungspflicht der Behörde (§§ 25, 71c VwVfG) zu beachten. § 36 VwVfG regelt die Zulässigkeit von Nebenbestimmungen zum Verwaltungsakt. Nach § 36 Abs. 1 VwVfG darf ein Verwaltungsakt, auf dessen Erlass ein Anspruch besteht, nur mit einer Nebenbestimmung versehen werden, wenn sie durch Rechtsvorschrift zugelassen ist oder wenn sie sicherstellen soll, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsaktes erfüllt werden. Ein Verwaltungsakt, dessen Erlass oder näherer Inhalt in das Ermessen der Behörde gestellt ist, kann dagegen stets mit einer Nebenbestimmung versehen werden, sofern diese dem Zweck des Verwaltungsaktes nicht zuwiderläuft (§ 36 Abs. 2 und 3 VwVfG). Als Nebenbestimmung kommen in Betracht die Befristung, die Bedingung, der Vorbehalt des Widerrufs, die Auflage sowie der Vorbehalt der nachträglichen Aufnahme, Änderung oder Ergänzung einer Auflage. Für die Begriffe Befristung, Bedingung und Auflage enthält § 36 Abs. 2 VwVfG Legaldefinitionen. Anwendbar sind auch die §§ 43 bis 46 VwVfG mit ihren Regelungen zu Wirksamkeit,4 Nichtigkeit,5 Heilung6 und den Folgen von Verfahrens- und Formfehlern7 von Verwaltungsakten. Voraussetzungen für eine Rücknahme eines rechtswidrigen und den Widerruf eines rechtmäßigen Verwaltungsaktes werden in den §§ 48 und 49 VwVfG genannt. Vgl. zu Widerruf und Rücknahme einer Betriebsplanzulassung aber die Kommentierung zu § 56 Rn. 25 ff. Daneben enthält § 18 Regelungen über den Widerruf von Bergbauberechtigungen. Zum Verhältnis von § 18 BBergG und § 49 VwVfG vgl. § 18 Rn. 20 ff. Wird ein planfestgestelltes Vorhaben endgültig aufgegeben, ist § 77 VwVfG anwendbar.8 Nach § 25 Abs. 3 Satz 1 VwVfG wirkt die Behörde im Sinne einer frühen Öffentlichkeitsbetei4 ligung darauf hin, dass der Träger der Planung von Vorhaben, die nicht nur unwesentliche Auswirkungen auf die Belange einer größeren Zahl von Dritten haben können, die betroffene Öffentlichkeit frühzeitig über die Ziele des Vorhabens, die Mittel, es zu verwirklichen und die voraussichtlichen Auswirkungen unterrichtet. Eine Pflicht zur Öffentlichkeitsbeteiligung folgt aus der Regelung indes nicht. § 25 Abs. 3 Satz 1 VwVfG gilt auch für Vorhaben, die in den Regelungsbereich des BBergG fallen und unmittelbare Auswirkung auf Belange Drittbetroffene haben. Nach den Vollzugsempfehlungen des Bund-Länder-Ausschusses Bergbau zur Anwendung 5 von § 25 Abs. 3 und § 27a VwVfG im bergrechtlichen Verfahren9 soll § 25 Abs. 3 Satz 1 VwVfG insbesondere auf alle nach § 52 Abs. 2a UVP-pflichtigen Vorhaben einschließlich der wesentlichen Änderungen nach § 52 Abs. 2c BBergG Anwendung finden. Auch Verfahren, die nach § 48 Abs. 2 BBergG im Zulassungsverfahren zu einer Auslegung der Betriebspläne führen, fallen im Regelfall in den Anwendungsbereich von § 25 Abs. 3 Satz 1 VwVfG. Bei anderen betriebsplanpflichtigen Verfahren kann es im Einzelfall erforderlich oder auf Wunsch des Vorhabenträgers sinnvoll sein, 4 OVG Lüneburg 17.7.2008, 7 LC 53/05 = ZfB 2008, 257, 264. 5 OVG Saarlouis 1.9.1998, 2 R 4/98 = ZfB 1998, 171, 184. 6 OVG Greifswald 17.5.2006, 2 L 138/05 = ZfB 2006, 164 f.; OVG Münster 2.3.2006, 11 A 1752/04, NuR 2006, 801, 802; OVG Koblenz 20.3.1990, 7 A 78/89 = ZfB 1991, 199, 203; VG Freiburg, 26.4.1989, 1 K 253/88 = ZfB 1990, 314, 318. 7 OVG Münster 2.3.2006, 11 A 1752/04, NuR 2006, 801, 802; OVG Münster 27.10.2005, 11 A 1751/04 = ZfB 2006, 32, 49. 8 OVG Münster 2.3.2006, 11 A 1752/04, NuR 2006, 801, 802. 9 ZfB 2016, 136. von Hammerstein

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§ 5a

eine frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung durchzuführen. Dass der Kreis der Einwender bei einem Verfahren nach § 25 Abs. 3 Satz 1 VwVfG regelmäßig deutlich größer sein wird als der Kreis der berechtigten Einwender im eigentlichen Zulassungsverfahren, ist unerheblich.10 Hat in einem bergrechtlichen Betriebsplanverfahren bereits eine Öffentlichkeitsbeteiligung stattgefunden, muss nach den Vollzugsempfehlungen in den nachfolgenden Haupt-, Sonder- oder Abschlussbetriebsplanverfahren keine erneute Öffentlichkeitsbeteiligung durchgeführt werden. Die im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung erhobenen Einwendungen muss die Behörde nicht berücksichtigen, kann sie aber nutzen und auch zum Anlass für weitere Ermittlungen nehmen.11 Nach dem 2013 in Kraft getretenen § 27a VwVfG soll die Behörde in Fällen, in denen durch 6 Rechtsvorschrift eine öffentliche oder ortsübliche Bekanntmachung angeordnet ist, den Inhalt zusätzlich im Internet veröffentlichen.12 Veröffentlicht werden soll in der Regel mindestens ein Hinweis auf Ort und Zeit der Auslegung von Unterlagen und auf die Geltendmachung von Rechten wie insbesondere Einwendungsfristen. Bezieht sich die Bekanntmachung auf die Auslegung von Unterlagen, sind auch die Unterlagen uneingeschränkt zugänglich zu machen.13 Die Nichtbeachtung des § 27a VwVfG führt zu einem relativen Verfahrensfehler im Sinne des § 46 VwVfG und damit nicht zur Unwirksamkeit des betroffenen Verwaltungsaktes.14 Im Zuge der Reform des Gebührenrechts des Bundes wurde der bis zum 14.8.2013 in § 5 7 enthaltene Verweis auf das Verwaltungskostengesetz gestrichen.15 Bei der Ausführung von Bundesrecht durch Behörden in den Ländern richtet sich die Gebührenerhebung nunmehr vollständig nach Landesrecht. Bestimmungen über die Kosten für die von Landesbehörden auf Grund des BBergG vorzunehmenden Amtshandlungen finden sich in der jeweiligen allgemeinen Gebührenordnung oder einer besonderen Gebührenordnung für das Bergwesen.16 Wegen der Kostenregelung für Amtshandlungen von Bundesbehörden vgl. § 135. Für die Erkundung des Untergrundes auf seine Eignung zur Einrichtung eines Endlagers für 8 hochradioaktive Abfälle nach dem Standortauswahlgesetz ist § 5 gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 StandAG entsprechend anzuwenden (vgl. Vor §§ 50 bis 57e Rn. 47 ff.).

§ 5a Öffentliche Bekanntgabe (1)

1

Entscheidungen, die in Ausführung dieses Gesetzes ergehen und auf die § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 5 oder 6 des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes Anwendung findet, können von der zuständigen Behörde auch öffentlich bekannt gegeben werden. 2Vorschriften über die Bekanntgabe einer Entscheidung mittels Zustellung sowie andere Vorschriften über die öffentliche Bekanntgabe bleiben unberührt. (2) 1Die öffentliche Bekanntgabe wird dadurch bewirkt, dass der verfügende Teil der Entscheidung und die Rechtsbehelfsbelehrung im amtlichen Veröffentlichungsblatt der zuständigen Behörde und außerdem in örtlichen Tageszeitungen bekannt gemacht werden, die in dem Bereich verbreitet sind, in dem sich die Entscheidung voraussichtlich auswirken wird; auf Auflagen ist hinzuweisen. 2Sofern die Entscheidung nicht vollständig bekannt gemacht wird, ist die Entscheidung einschließlich zugehöriger Pläne und der Begründung mit Rechtsbehelfsbelehrung nach der Bekanntmachung zwei Wochen zur Einsicht auszulegen. 3Nach Ablauf von zwei Wochen nach der Bekanntmachung gilt 10 11 12 13 14 15 16

BT-Drs. 17/9666, S. 15. Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 5 Rn. 7b. Eine Aufstellung der erfassten bergrechtlichen Bekanntmachungen kann ZfB 2016, 136, 141 entnommen werden. Stelkens/Bonk/Sachs VwVfG, § 27a Rn. 40 f. Stelkens/Bonk/Sachs VwVfG, § 27a Rn. 70a f. Art. 2 Nr. 92 Gesetz zur Strukturreform des Gebührenrechts des Bundes vom 7.8.2013. Hamburg: Gebührenordnung für das Bergwesen; Berlin: BergGebO.

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Keienburg/Wiesendahl

§ 5a

Erster Teil – Einleitende Bestimmungen

die Entscheidung auch denjenigen, denen Rechtsbehelfe nach dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz zustehen, als bekannt gegeben; hierauf ist in der Bekanntmachung hinzuweisen. 4Nach der öffentlichen Bekanntmachung kann die Entscheidung bis zum Ablauf der Rechtsbehelfsfrist von den in Satz 3 genannten Vereinigungen und denjenigen, denen die Entscheidung bekannt zu geben war, schriftlich angefordert werden. 5In der öffentlichen Bekanntmachung ist anzugeben, wo und wann die Entscheidung nach Satz 2 eingesehen und nach Satz 4 angefordert werden kann.

Übersicht I.

Allgemeines und Zweck der Vorschrift

II.

Anwendungsbereich für öffentliche Bekanntga7 ben (Absatz 1) Entscheidungen in Ausführung des 8 BBergG 9 Verweis auf § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG 14 Verweis auf § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG 17 Verweis auf § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 UmwRG

1. 2. 3. 4. III.

1

Anforderungen an die öffentliche Bekanntgabe 19 (Absatz 2)

1. 2. 3.

20 Notwendiger Inhalt der Bekanntmachung 24 Bekanntmachungsmittel Rahmenbedingungen der Auslegung der Entschei26 dung

IV.

Ermessensentscheidung

V.

Rechtsfolgen und Wirkungen der öffentlichen Be32 kanntgabe (Absatz 2 Satz 3)

VI.

Folgen einer fehlerhaften Bekanntgabe

30

34

I. Allgemeines und Zweck der Vorschrift 1 § 5a wurde durch Art. 7 des Gesetzes zur Anpassung des Umweltrecht-Rechtsbehelfsgesetzes und anderer Vorschriften an europa- und völkerrechtliche Vorgaben vom 29.5.20171 mit Wirkung zum 2.6.2017 neu in das BBergG aufgenommen. Auf der Grundlage von § 5a hat die zuständige Behörde die Möglichkeit, bestimmte Entscheidungen, die in Ausführung des BBergG ergehen und zugleich in den Anwendungsbereich von Vorschriften des UmwRG fallen, nach pflichtgemäßem Ermessen von Amts wegen öffentlich bekannt zu geben. § 5a bezweckt einen Interessenausgleich zwischen dem Interesse an Rechtssicherheit (ins2 besondere des Vorhabenträgers), dem behördlichen Interesse an der effizienten Durchführung verwaltungsbehördlicher Aufgaben und dem Informations- und Rechtsschutzinteresse von Betroffenen und Vereinigungen.2 Gesetzgeberischer Hintergrund der Einfügung des § 5a sind die umfangreichen Möglichkeiten anerkannter Vereinigungen, Verwaltungsentscheidungen auf der Grundlage des UmwRG unter den dort geregelten Voraussetzungen gerichtlich überprüfen zu lassen. Im Sinne der Rechtssicherheit hat der Gesetzgeber – praktisch im Gegenzug zu den Rechtsbehelfsmöglichkeiten – ein Interesse an einer Regelung gesehen, die es ermöglicht, die Bestandskraft von solchen anfechtbaren Entscheidungen überhaupt sowie insbesondere in angemessener Zeit zu bewirken.3 Der Gesetzgeber verweist in seiner Gesetzesbegründung auf § 2 Abs. 3 UmwRG. Nach Satz 1 dieser Vorschrift gilt für eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG, die nach den geltenden Rechtsvorschriften weder öffentlich bekannt gemacht noch der rechtsschutzsuchenden Vereinigung individuell bekannt gegeben worden ist, grundsätzlich eine Rechtsbehelfsfrist von einem Jahr ab der Kenntniserlangung bzw. ab der Möglichkeit der Kenntniserlangung der Vereinigung von der Entscheidung. Rechtsbehelfe gegen eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 oder 6 UmwRG müssen 1 BGBl. I., S. 1298. 2 BT-Drs. 18/9526, S. 52 f. 3 BT-Drs. 18/9526, S. 52. Keienburg/Wiesendahl

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Erster Teil – Einleitende Bestimmungen

§ 5a

gemäß § 2 Abs. 3 Satz 2 UmwRG spätestens binnen zweier Jahre nach Erteilung des Verwaltungsakts erhoben werden. Da eine öffentliche Bekanntgabe gemäß § 41 Abs. 3 Satz 1 VwVfG eine gesetzliche Ermächtigung voraussetzt, müssten die zuständigen Behörden ohne die Regelung in § 5a für eine Vielzahl von Entscheidungen im Anwendungsbereich des UmwRG individuelle Bekanntgaben gegenüber Vereinigungen vornehmen, um Rechtsbehelfsfristen individuell auszulösen und die Bestandskraft einer Entscheidung schneller als innerhalb der vergleichsweise langen Fristen des § 2 Abs. 3 UmwRG herbeizuführen. Der Gesetzgeber geht von in der Regel über 200 individuellen Bekanntgaben aus und verweist zu Recht auf den damit verbundenen erheblichen Verwaltungsaufwand und die mit einer individuellen Bekanntgabe verbundenen Unsicherheiten.4 Als weiteren Grund für das von § 5a verfolgte Interesse an der schnellen und rechtssicheren Erlangung der Bestandskraft einer Entscheidung benennt der Gesetzgeber die Tatsache, dass sich eine Mehrzahl der erfassten Entscheidungen auf bereits bestehende Bergbauvorhaben beziehe, deren Durchführung oftmals zügig erfolgen müsse, um Gefahren für die Umwelt oder die Allgemeinheit abzuwenden oder das Vorhaben selbst nicht zu beeinträchtigen (beispielhaft benennt der Gesetzgeber in diesem Zusammenhang Erhaltungsmaßnahmen an Erdgas- oder anderen Bohrungen, bei deren Verzögerung die Gefahr einer Verwässerung oder Versandung mit der Folge von Kosten in zweistelliger Millionenhöhe bestehe).5 Aus § 41 Abs. 1 Satz 1 VwVfG folgt, dass ein Verwaltungsakt grundsätzlich individuell bekannt gegeben werden muss. Ein Verwaltungsakt wird gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 VwVfG gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Durch die Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes (bzw. im Falle eines Widerspruchsverfahrens durch die Zustellung des Widerspruchsbescheids) werden die zentralen Rechtsbehelfsfristen – einmonatige Widerspruchfrist (§ 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO) und einmonatige Klagefrist (§ 74 Abs. 1 VwGO) – in Gang gesetzt. Folglich hat die Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes erhebliche Bedeutung für die Rechtssicherheit (Wirksamwerden und Bestandskraft) und für die Rechtsschutzmöglichkeiten gegen Verwaltungsakte (Rechtsbehelfsfristen). Eine öffentliche Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes, die anders als die Individualbekanntgabe für und gegen jedermann wirkt, stellt eine Ausnahme vom Grundsatz der Individualbekanntgabe dar. Die öffentliche Bekanntgabe bedarf gemäß § 41 Abs. 3 Satz 1 VwVfG einer Ermächtigung durch Rechtsvorschrift. Der neu eingefügte § 5a stellt eine solche gesetzliche Ermächtigung dar. § 41 Abs. 4 VwVfG, der allgemeine Anforderungen an die öffentliche Bekanntgabe stellt, wird durch § 5a spezieller und strenger ausgestaltet.6 Insbesondere wird nach Maßgabe des § 5a die Bekanntgabe durch eine öffentliche Bekanntmachung bewirkt.7 Sie erfordert eine Veröffentlichung im amtlichen Veröffentlichungsblatt der zuständigen Bergbehörde und ergänzend in örtlichen Tageszeitungen, die in dem Bereich verbreitet sind, in dem sich die Entscheidung voraussichtlich auswirken wird. Im Gegensatz dazu sieht § 41 Abs. 4 Satz 1 VwVfG als allgemeine Vorgabe lediglich eine ortsübliche Bekanntmachung vor (dazu noch ausführlich unter Rn. 19 ff.).8 Mit § 5a hat der Gesetzgeber eine Vorschrift für bergrechtliche Entscheidungen geschaffen, die bereits bestehenden Regelungen im Sinne des § 41 Abs. 3 Satz 1 VwVfG ähnelt. In diesem Zusammenhang sind insbesondere die – bereits in den Gesetzgebungsmaterialien referenzierten9 – §§ 74 Abs. 5, 69 Abs. 2 VwVfG, § 10 Abs. 8, 3 Satz 1 BImSchG und § 21a der 9. BImSchV – zu nennen.

4 5 6 7

BT-Drs. 18/9526, S. 52. BT-Drs. 18/9526, S. 52. Vgl. Kopp/Ramsauer/Tegethoff VwVfG, § 41 Rn. 48a; BT-Drs. 18/9526, S. 51. Der Wortlaut des § 5a Abs. 2 Satz 1 ist diesbezüglich nicht ganz eindeutig; allerdings wird in § 5a Abs. 2 Sätze 2 – 5 eindeutig auf die öffentliche Bekanntmachung verwiesen; so auch in BT-Drs. 18/9526, S. 53. 8 Vgl. zu den unterschiedlichen Anforderungen an ortsübliche und öffentliche Bekanntmachungen auch VG Freiburg (Breisg.) 15.2.2019, 10 K 536/19, NuR 2019, 356 Rn. 11. 9 BT-Drs. 18/9526, S. 53. 103

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§ 5a

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II. Anwendungsbereich für öffentliche Bekanntgaben (Absatz 1) 7 Der Anwendungsbereich für öffentliche Bekanntgaben ist in § 5a Abs. 1 Satz 1 geregelt. Danach ist die Möglichkeit zur öffentlichen Bekanntgabe für Entscheidungen eröffnet, die erstens in Ausführung des BBergG ergehen und auf die zweitens § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 5 oder 6 UmwRG Anwendung findet. In Bezug auf die Anwendung des UmwRG stehen die Vorschriften nach dem Gesetzeswortlaut in einem Alternativverhältnis zueinander. Demnach ist ausreichend, dass auf eine bergrechtliche Entscheidung § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder Nr. 5 oder Nr. 6 UmwRG Anwendung findet. Gemäß § 5a Abs. 1 Satz 2 bleiben Vorschriften über die Bekanntgabe einer Entscheidung mittels Zustellung sowie andere Vorschriften über die öffentliche Bekanntgabe unberührt.

1. Entscheidungen in Ausführung des BBergG 8 Voraussetzung für die Möglichkeit zur öffentlichen Bekanntgabe ist zunächst, dass die öffentlich bekanntzugebende Entscheidung in Ausführung des BBergG ergangen ist. Angesprochen sind insoweit insbesondere Entscheidungen über die Zulassung von Betriebsplänen und bergbauliche Überwachungs- oder Aufsichtsmaßnahmen, etwa Anordnungen im Einzelfall auf der Grundlage der allgemeinen Anordnungsbefugnis gemäß § 71 BBergG.10

2. Verweis auf § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG 9 Eine bergrechtliche Entscheidung kann öffentlich bekannt gegeben werden, wenn auf sie § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG Anwendung findet. Diese Vorschrift betrifft Zulassungsentscheidungen im Sinne des § 2 Abs. 6 UVPG über die Zulässigkeit von Vorhaben, für die nach dem UVPG, der UVP-V Bergbau oder landesrechtlichen Vorschriften eine Pflicht zur Durchführung einer UVP bestehen kann. § 2 Abs. 6 Nr. 1 UVPG wiederum umfasst als für den vorliegenden bergrechtlichen Zusammenhang potentiell relevante Zulassungsentscheidungen Bewilligungen, Erlaubnisse, Genehmigungen, Planfeststellungsbeschlüsse und sonstige behördliche Entscheidungen über die Zulässigkeit von Vorhaben, die in einem Verwaltungsverfahren getroffen werden, einschließlich des Vorbescheids, der Teilgenehmigung und anderer Teilzulassungen, mit Ausnahme von Anzeigeverfahren. Demgegenüber sind die in § 2 Abs. 6 Nr. 2 und 3 UVPG geregelten Zulassungsentscheidungen (Linienbestimmungen und Beschlüsse nach § 10 BauGB) für den bergrechtlichen Zusammenhang des § 5a Abs. 1 Satz 1 nicht von Relevanz. 10 Nach seiner Formulierung knüpft § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG daran an, dass eine UVPPflicht bestehen kann und nicht, dass eine solche tatsächlich besteht. Der Anwendungsbereich für die Möglichkeit zur öffentlichen Bekanntgabe bergrechtlicher Entscheidungen ist daher eröffnet, wenn ein Vorhaben potentiell UVP-pflichtig ist.11 § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG ist demnach einschlägig, wenn eine (standortbezogene oder allgemeine) UVP-Vorprüfung des Einzelfalls vorgeschrieben ist, die zu der Feststellung geführt hat, dass eine UVP-Pflicht für das Vorhaben nicht besteht.12 Über diesen Weg können etwa Betriebsplanzulassungen für UVP-vorprüfpflichtige Vorhaben gemäß § 5a in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG öffentlich bekannt gegeben werden. 11 Es liegt vordergründig nahe, die Zulassung eines obligatorischen Rahmenbetriebsplans im Sinne des § 52 Abs. 2a Satz 1 für ein UVP-pflichtiges Vorhaben durch Planfeststellungsbeschluss über § 1

10 Frenz/Beckmann BBergG, § 5a Rn. 16; BT-Drs. 18/9526, S. 52. 11 So etwa OVG Münster 6.5.2014, 2 D 14/13.NE, NuR 2015, 337 Rn. 35 ff.; OVG Koblenz 31.1.2013, 1 B 11201/12, NVwZ 2013, 883, 884; Schink/Reidt/Mitschang/Franzius UVPG/UmwRG, § 1 UmwRG Rn. 17.

12 Schink/Reidt/Mitschang/Franzius UVPG/UmwRG, § 1 UmwRG Rn. 17. Keienburg/Wiesendahl

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Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG in den Anwendungsbereich des § 5a fallen zu lassen.13 Eine solche Vorgehensweise würde allerdings zu Friktionen führen, da die Zulassung UVP-pflichtiger Vorhaben im Rahmen eines Planfeststellungsverfahrens zu erfolgen hat und für Planfeststellungsverfahren spezielle Vorgaben gelten. Über § 57a Abs. 1 Satz 4 in Verbindung mit § 27 Satz 1 UVPG ist ein Planfeststellungsbeschluss gemäß § 74 Abs. 4 Satz 1 VwVfG dem Vorhabenträger, denjenigen, über deren Einwendungen entschieden worden ist und den Vereinigungen, über deren Stellungnahmen entschieden worden ist, grundsätzlich (gegenüber dem Vorhabenträger zwingend) individuell zuzustellen. Zudem ist eine Ausfertigung des Beschlusses gemäß § 74 Abs. 4 Satz 2 VwVfG mit einer Rechtsbehelfsbelehrung und einer Ausfertigung des festgestellten Plans in den Gemeinden zwei Wochen zur Einsicht auszulegen; Ort und Zeit der Auslegung sind örtlich bekannt zu machen. Mit dem Ende der Auslegungsfrist gilt der Beschluss gemäß § 74 Abs. 4 Satz 3 VwVfG gegenüber den übrigen Betroffenen als zugestellt; darauf ist in der Bekanntmachung hinzuweisen. Individualzustellungen an Vereinigungen, über deren Stellungnahmen entschieden worden ist, können gemäß § 74 Abs. 5 Satz 1 VwVfG durch öffentliche Bekanntmachung ersetzt werden, wenn mehr als 50 Zustellungen vorzunehmen wären. Die öffentliche Bekanntmachung erfolgt im amtlichen Veröffentlichungsblatt und in örtlichen Tageszeitungen, die in dem Bereich verbreitet sind, in dem sich das Vorhaben voraussichtlich auswirken wird; auch hier ist der Beschluss zugleich auszulegen. Mit dem Ende der Auslegungsfrist gilt die Entscheidung gegenüber allen Betroffenen nach § 74 Abs. 5 Satz 3 1. Halbsatz VwVfG als zugestellt.14 Demgegenüber gilt eine nach § 5a öffentlich bekannt gemachte Entscheidung gemäß § 5a 12 Abs. 2 Satz 3 1. Halbsatz nach Ablauf von zwei Wochen nach der Bekanntmachung – also nicht mit dem Ende der zweiwöchigen Auslegungsfrist – gegenüber denjenigen, denen Rechtsbehelfe nach dem UmwRG zustehen, als bekannt gegeben. Würde man also eine Planfeststellung für ein UVP-pflichtiges Vorhaben über § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG in den Anwendungsbereich des § 5a fallen lassen und auf diese Weise eine öffentliche Bekanntgabe ermöglichen, könnte es wegen der Vorgaben des § 74 Abs. 4 und 5 VwVfG zur öffentlichen Bekanntmachung zum Lauf unterschiedlicher Rechtsbehelfsfristen kommen. Dies würde zu erheblicher Rechtsunsicherheit führen. Sinnvoll lösen lässt sich dieses potentielle Spannungsverhältnis zwischen den Vorgaben des § 5a einerseits und den Vorgaben des § 57a Abs. 1 Satz 4 in Verbindung mit § 27 Satz 1 UVPG und § 74 Abs. 4 und 5 VwVfG andererseits, indem man § 5a als allgemeine Vorschrift nicht auf bergrechtliche Planfeststellungen anwendet.15 Für diese Sichtweise spricht auch § 5a Abs. 1 Satz 2, der regelt, dass Vorschriften über die Bekanntgabe einer Entscheidung mittels Zustellung sowie andere Vorschriften über die öffentliche Bekanntgabe – konkret im vorliegenden Zusammenhang § 57a Abs. 1 Satz 4, § 27 Satz 1 UVPG und § 74 Abs. 4 und 5 VwVfG – unberührt bleiben. Im Übrigen ist auch noch zu sehen, dass in Anbetracht der dargestellten spezifischen Regelungen zur öffentlichen Bekanntmachung einer bergrechtlichen Planfeststellung kein Bedürfnis für eine Anwendung des § 5a auf bergrechtliche Planfeststellungsbeschlüsse besteht. Die Zulassung des vorzeitigen Beginns nach § 57b Abs. 1 kann nach Maßgabe des § 5a in 13 Verbindung mit § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG öffentlich bekannt gegeben werden. Es handelt sich bei einer solchen Zulassung um eine Zulassungsentscheidung nach § 2 Abs. 6 UVPG.16 Eine verbindliche und abschließende Aussage zur Zulässigkeit eines Vorhabens wird durch die Zulassung des vorzeitigen Beginns zwar nicht getroffen, da § 57b Abs. 1 Nr. 1 lediglich eine positive 13 So ausdrücklich Frenz/Beckmann BBergG, § 5a Rn. 17, allerdings widersprüchlich zu Frenz/Beckmann BBergG, § 57a Rn. 82, wonach die Bekanntmachung einer bergrechtlichen Planfeststellung gemäß § 27 Satz 1 UVPG i.V.m. § 74 Abs. 5 Satz 2 VwVfG erfolgen muss. 14 Vgl. dazu Kopp/Ramsauer/Wysk VwVfG, § 74 Rn. 201. 15 A.A. Frenz/Beckmann BBergG, § 5a Rn. 17. 16 Vgl. OVG Koblenz 4.3.2016, 8 B 10233/16, NVwZ-RR 2016, 576; Schink/Reidt/Mitschang/Franzius UVPG/UmwRG, § 1 UmwRG Rn. 16; Hoppe/Beckmann/Kment/Schieferdecker UVPG/UmwRG, § 1 UmwRG Rn. 33; offenlassend OVG Magdeburg 24.8.2016, 2 M 43/16, NVwZ-RR 2017, 23, 25; VGH Mannheim 17.11.2009, 10 S 1851/09 juris Rn. 10; zweifelnd Jarass BImSchG, § 8a Rn. 27; differenzierend für den Fall, dass die Behörde ausnahmsweise nicht reversible Maßnahmen zulassen sollte Landmann/Rohmer/Fellenberg/Schiller Umweltrecht, § 1 UmwRG Rn. 21. 105

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Prognose hinsichtlich der Zulassungsfähigkeit verlangt,17 allerdings kann der Vorhabenträger auf der Grundlage einer Zulassung des vorzeitigen Beginns mit der Realisierung seines Vorhabens beginnen. Zudem ergibt sich aus dem Verweis in § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG auf § 2 Abs. 6 UVPG, dass ein weiter Zulassungsbegriff zugrunde zu legen ist, da von § 2 Abs. 6 UVPG sehr allgemein „Zulassungsentscheidungen“ umfasst werden. Diese betreffen aber nicht nur abschließende Entscheidungen. § 2 Abs. 6 UVPG nennt ausdrücklich auch Zulassungsentscheidungen wie Vorbescheide, Teilgenehmigungen und andere Teilzulassungen. Die Entscheidung über die Zulassung des vorzeitigen Beginns fällt zudem jedenfalls auch unter § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG, wenn umweltbezogene Vorschriften Anwendung finden (dazu noch ausführlich unter Rn. 14 ff.). Dies dürfte regelmäßig der Fall sein.

3. Verweis auf § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG 14 Eine bergrechtliche Entscheidung kann ferner öffentlich bekannt gegeben werden, wenn auf sie § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG Anwendung findet. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG betrifft Verwaltungsakte, durch die Vorhaben unter Anwendung umweltbezogener Rechtsvorschriften des Bundesrechts, des Landesrechts oder unmittelbar geltender Rechtsakte der Europäischen Union zugelassen werden. Die Vorschrift fungiert als Auffangtatbestand u.a. gegenüber § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG. Erfasst werden daher etwa nicht UVP-pflichtige bzw. nicht UVP-vorprüfpflichtige Anlagengenehmigungen oder zugelassene Eingriffe in Natur und Landschaft.18 Der Begriff der umweltbezogenen Vorschriften ist weit zu verstehen. Dies folgt aus dem Ver15 weis der entsprechenden Legaldefinition des § 1 Abs. 4 UmwRG auf § 2 Abs. 3 Nr. 1 UIG, der in Art. 9 Abs. 3 der Aarhus-Konvention wurzelt;19 die Gesetzesmaterialien stellen darauf ab, ob sich die Rechtsvorschrift in irgendeiner Weise auf die Umwelt bezieht.20 Es sind Bestimmungen gemeint, die sich zum Schutz von Mensch und Umwelt auf den Zustand von Umweltbestandteilen im Sinne von § 2 Abs. 3 Nr. 1 UIG oder auf Faktoren im Sinne von § 2 Abs. 3 Nr. 2 UIG beziehen. Im Ergebnis ist entscheidend, welche Anforderungen konkret im Rahmen einer Zulassung zu prüfen sind. Besteht ein inhaltlicher Bezug zu umweltrechtlichen Regelungen und zu den in § 2 Abs. 3 UIG genannten Aspekten des Umweltrechts, findet § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG Anwendung. 16 Da Zulassungen für Betriebspläne für störfallrelevante Vorhaben gemäß § 57d Abs. 1 in § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UmwRG speziell geregelt sind, folgt aus der Funktion des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG als Auffangtatbestand auch für Nr. 2, dass Betriebsplanzulassungen auf der Grundlage des § 57d Abs. 1 ungeachtet der Tatsache, ob umweltbezogene Rechtsvorschriften angewendet worden sind, nicht in den Anwendungsbereich der Nr. 5 fallen.21 Zulassungen nach § 57d Abs. 1 können daher nicht gemäß § 5a öffentlich bekannt gegeben werden, da § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UmwRG in § 5a Abs. 1 Satz 1 nicht in Bezug genommen wird. Allerdings ergibt sich aus dem Verweis des § 57d Abs. 1 Satz 2 auf § 18 der 12. BImSchV, dass eine öffentliche Bekanntmachung von Entscheidungen nach § 57d Abs. 1 Satz 1 gemäß § 18 Abs. 5 der 12. BImSchV unter den dort geregelten Anforderungen zu erfolgen hat (vgl. § 57d Rn. 30). Die Regelungen in § 5a zur öffentlichen Bekanntgabe lassen die Vorschriften des § 57d Abs. 1 Satz 2 und § 18 Abs. 5 der 12. BImSchV über die öffentliche Bekanntgabe einer Betriebsplanzulassung auf der Grundlage des § 57d Abs. 1 unberührt, § 5a Abs. 1 Satz 2. Im Übrigen gilt – wie bei bergrechtlichen Planfeststellungsbeschlüssen (vgl. Rn. 11 f.) – auch hier, dass in Anbetracht der 17 Landmann/Rohmer/Fellenberg/Schiller Umweltrecht, § 1 UmwRG Rn. 21; vgl. VG Karlsruhe 12.8.2009, 4 K 1648/09 juris Rn. 17 ff.

18 Schink/Reidt/Mitschang/Franzius UVPG/UmwRG, § 1 UmwRG Rn. 25. 19 BT-Drs. 18/9526, S. 36 mit Verweis auf die Anwendbarkeit der Spruchpraxis des Aarhus-Convention Compliance Committee, S. 32.

20 BT-Drs. 18/9526, S. 32. 21 Vgl. Hoppe/Beckmann/Kment/Schieferdecker UVPG/UmwRG, § 1 UmwRG Rn. 53. Keienburg/Wiesendahl

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dargestellten spezifischen Regelungen zur öffentlichen Bekanntmachung kein Bedürfnis für eine Anwendung des § 5a auf bergrechtliche Betriebsplanzulassungen auf der Grundlage des § 57d Abs. 1 besteht.

4. Verweis auf § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 UmwRG Eine bergrechtliche Entscheidung kann außerdem öffentlich bekannt gegeben werden, wenn auf 17 sie § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 UmwRG Anwendung findet. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 UmwRG betrifft Verwaltungsakte über Überwachungs- oder Aufsichtsmaßnahmen zur Umsetzung oder Durchführung von Entscheidungen nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1–5 UmwRG, die der Einhaltung umweltbezogener Rechtsvorschriften des Bundesrechts, des Landesrechts oder unmittelbar geltender Rechtsakte der Europäischen Union dienen.22 Anknüpfungspunkt für § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 UmwRG sind Verwaltungsakte im Sinne des 18 § 35 VwVfG, sodass behördeninterne Maßnahmen nicht erfasst werden. Voraussetzung ist zudem, dass ein konkreter Bezug zu umweltrechtlichen Normen nach dem unter Rn. 15 dargelegten Verständnis besteht. Nach § 5a i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 UmwRG können daher Aufsichts- und Überwachungsmaßnahmen nach den §§ 70 ff. öffentlich bekannt gegeben werden, wenn der entsprechende Verwaltungsakt der Einhaltung umweltbezogener Rechtsvorschriften des Bundesrechts, des Landesrechts oder unmittelbar geltender Rechtsakte der Europäischen Union dient. Als entsprechende Überwachungs- bzw. Aufsichtsmaßnahmen sind etwa behördliche Anordnungen wegen des Fehlens einer erforderlichen Vorhabenzulassung oder zur Überwachung eines laufenden Vorhabens einzuordnen.23 Auf Maßnahmen des Ordnungswidrigkeitenrechts in Zusammenhang mit umweltbezogenen Vorschriften sowie Maßnahmen des Umweltstrafrechts ist Nr. 6 jedoch nicht anzuwenden.24

III. Anforderungen an die öffentliche Bekanntgabe (Absatz 2) Die öffentliche Bekanntgabe gemäß § 5a wird durch eine öffentliche Bekanntmachung bewirkt. 19 § 5a Abs. 2 regelt die Anforderungen an die öffentliche Bekanntmachung, insbesondere den notwendigen Inhalt (1.), die Bekanntmachungsmittel (2.) und Regelungen bezüglich der Auslegung der Entscheidung (3.).

1. Notwendiger Inhalt der Bekanntmachung Die öffentliche Bekanntgabe wird dadurch bewirkt, dass der verfügende Teil der Entscheidung und 20 die Rechtsbehelfsbelehrung im amtlichen Veröffentlichungsblatt und außerdem in örtlichen Tageszeitungen bekannt gemacht werden, die in dem Bereich verbreitet sind, in dem sich die Entscheidung voraussichtlich auswirken wird, § 5a Abs. 2 Satz 1. Auf Auflagen ist nach dem 2. Halbsatz der Vorschrift hinzuweisen. Notwendiger Mindestinhalt der öffentlichen Bekanntgabe sind damit der Entscheidungstenor als verfügender Teil der Entscheidung (nebst etwaiger Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO und etwaiger konzentrierter Entscheidungen), die Rechtsbehelfsbelehrung und ein Hinweis auf die Auflagen der bekanntzumachenden Entscheidung.

22 Schink/Reidt/Mitschang/Franzius UVPG/UmwRG, § 1 UmwRG Rn. 28; kritisch hinsichtlich der Umsetzung von Art. 9 Abs. 3 Aarhus-Konvention: Schlacke NVwZ 2017, 905, 908. 23 Vgl. Landmann/Rohmer/Fellenberg/Schiller Umweltrecht, § 1 UmwRG Rn. 117 f. 24 Landmann/Rohmer/Fellenberg/Schiller Umweltrecht, § 1 UmwRG Rn. 119. 107

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Unter den Begriff der Auflagen, auf die zumindest hinzuweisen ist, fallen alle Nebenbestimmungen.25 Die öffentliche Bekanntgabe gemäß § 5a erfordert damit nicht die Bekanntmachung der gesamten Entscheidung. Sofern die bekanntzugebende Entscheidung nicht vollständig öffentlich bekannt gemacht wird, muss die Entscheidung gemäß § 5a Abs. 2 Satz 2 einschließlich zugehöriger Pläne und der Begründung mit Rechtsbehelfsbelehrung nach der Bekanntmachung zwei Wochen zur Einsicht ausgelegt werden (dazu noch ausführlich unter Rn. 26 ff.). 21 Dass eine öffentliche Bekanntgabe aller Nebenbestimmungen nicht zwingend erforderlich ist, sondern ein Hinweis auf diese genügt, entspricht der Regelung in § 10 Abs. 8 Satz 2 BImSchG. Der Gesetzgeber begründet dies damit, dass eine zwingende Veröffentlichung aller Nebenbestimmungen gerade bei umfangreichen Vorhaben und entsprechend umfangreichen Nebenbestimmungen nicht sinnvoll sei und bei den Bürgern eher verwirrend wirken könne.26 Zur Bestimmung des erforderlichen Umfangs der Bekanntmachung ist auf die hierdurch bezweckte Anstoßwirkung27 abzustellen. Nach der Rechtsprechung des BVerwG zur Planfeststellung muss bei der öffentlichen Bekanntmachung eines Vorhabens „das Vorhaben mit seinen wesentlichen Maßnahmen und den hierzu getroffenen Regelungen inhaltlich so bezeichnet werden, dass die möglicherweise in ihren Rechten Betroffenen die Möglichkeit ihrer Betroffenheit erkennen können und veranlasst werden, weitere Informationen einzuholen“.28 An diesen Maßstäben ist der Umfang der öffentlichen Bekanntgabe auch bei § 5a auszurichten.29 In der Sache sollte die Bekanntgabe den Kern der Entscheidung in verständlicher Weise wiedergeben und erkennen lassen, worauf sie sich inhaltlich und räumlich bezieht.30 Im Zweifel ist eine eher umfassende Bekanntgabe des Entscheidungsteils anzuraten.31 22 Die Notwendigkeit zur Bekanntgabe der Rechtsbehelfsbelehrung entspricht ebenfalls der immissionsschutzrechtlichen Rechtslage (vgl. § 10 Abs. 8 Satz 2 BImSchG) und geht über die Vorgaben in § 41 Abs. 4 Satz 1 VwVfG hinaus, der nur die Bekanntgabe des verfügenden Teils des Verwaltungsaktes erfordert. Der Gesetzgeber führt als Begründung das Interesse an Transparenz im Hinblick auf die maßgeblichen Fristen an.32 In der Bekanntmachung ist gemäß § 5a Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 2 darauf hinzuweisen, dass die 23 Entscheidung nach Ablauf von zwei Wochen nach der Bekanntmachung auch denjenigen gegenüber, denen Rechtsbehelfe nach dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz zustehen, als bekannt gegeben gilt (sog. Bekanntgabefiktion; dazu noch ausführlich unter Rn. 32 f.). Ferner ist gemäß § 5a Abs. 2 Satz 5 in der öffentlichen Bekanntmachung anzugeben, wo und wann die Entscheidung im Rahmen einer Auslegung gemäß § 5a Abs. 2 Satz 2 eingesehen (dazu noch ausführlich unter Rn. 26 ff.) und angefordert werden kann.

2. Bekanntmachungsmittel 24 Die Bekanntmachung hat nach § 5a Abs. 2 Satz 1 im amtlichen Veröffentlichungsblatt der zuständigen Behörde und außerdem in den örtlichen Tageszeitungen im voraussichtlichen Einwirkungsbe-

25 VGH Mannheim 7.3.2019, 10 S 2025/18, NVwZ-RR 2019, 713, 715; Knack/Henneke/Schink VwVfG, § 74 Rn. 63; für eine analoge Anwendung Kopp/Ramsauer/Wysk VwVfG, § 74 Rn. 197; vgl. auch BT-Drs. 18/9526, S. 54. 26 BT-Drs. 18/9526, S. 54 unter Verweis auf BVerwG NJW 1984, 188, 190; kritisch Frenz/Beckmann BBergG, § 5a Rn. 33. 27 BVerfG 24.10.2017, 1 BvR 877/13, NVwZ 2018, 579, 580 f.; BVerwG 31.7.2012, 4 A 5000/10, BVerwGE 144, 1, Rn. 32; Stelkens/Bonk/Sachs/Neumann/Külpmann VwVfG, § 74 Rn. 217. 28 BVerwG 27.5.1983, 4 C 40, 44, 45/81, BVerwGE 67, 206, 214. 29 Vgl. dazu BVerwG 27.5.1983, 4 C 40, 44, 45/81, BVerwGE 67, 206, 213 ff.; vgl. ferner Kopp/Ramsauer/Wysk VwVfG, § 69 Rn. 13 f.; Ziekow VwVfG, § 69 Rn. 7; Kopp/Ramsauer/Tegethoff VwVfG, § 41 Rn. 49. 30 Knack/Henneke/Schink VwVfG, § 74 Rn. 62; Stelkens/Bonk/Sachs/Neumann/Külpmann VwVfG, § 74 Rn. 218 empfehlen im Zweifel aus Gründen der Rechtssicherheit die wörtliche Wiedergabe des gesamten Entscheidungsteils. 31 Frenz/Beckmann BBergG, § 5a Rn. 33. 32 BT-Drs. 18/9526, S. 54; ferner Frenz/Beckmann BBergG, § 5a Rn. 35 f. Keienburg/Wiesendahl

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reich des Vorhabens zu erfolgen. Nach § 27a VwVfG, der über § 5 im Bergrecht Anwendung findet, soll die Bekanntmachung auch im Internet erfolgen. Gefordert ist damit eine öffentliche Bekanntmachung. Verlangt das Gesetz demgegenüber 25 wie etwa in § 73 Abs. 5 Satz 1 VwVfG eine ortsübliche Bekanntmachung, verweist dies auf die im jeweiligen Landesrecht bzw. in den Bekanntmachungssatzungen der Gemeinden enthaltenen Regelungen zur ortsüblichen Bekanntmachung.33

3. Rahmenbedingungen der Auslegung der Entscheidung Sofern die bekanntzugebende Entscheidung nicht vollständig öffentlich bekannt gemacht wird, sieht § 5a Abs. 2 Satz 2 nach der Bekanntmachung eine zweiwöchige Auslegung der vollständigen Entscheidung einschließlich zugehöriger Pläne und der Begründung mit Rechtsbehelfsbelehrung zur Einsicht vor. In der öffentlichen Bekanntmachung ist dann gemäß § 5a Abs. 2 Satz 5 anzugeben, wo und wann die Entscheidung eingesehen werden kann. Wird die Entscheidung hingegen vollständig öffentlich bekannt gemacht, ist eine Auslegung nicht erforderlich, da hierin kein Informationsgewinn läge. In § 5a Abs. 2 ist nicht exakt geregelt, in welcher zeitlichen Beziehung die öffentliche Bekanntmachung und die Auslegung zueinanderstehen. Nach dem Wortlaut des § 5a Abs. 2 Satz 2 hat die Auslegung „nach“ der Bekanntmachung zu erfolgen. Nach dieser Formulierung ist es grundsätzlich möglich, dass die Auslegung erst mit deutlicher Verzögerung nach der Bekanntmachung stattfindet. Da § 5a Abs. 2 Satz 3 die Bekanntgabefiktion an den Zeitpunkt der Bekanntgabe („zwei Wochen nach der Bekanntmachung“) knüpft (dazu noch ausführlich unter Rn. 32 f.), könnte dies zu einer Rechtsschutzverkürzung führen, wenn Rechtsbehelfsfristen laufen oder gar ablaufen würden, bevor die vollständige Entscheidung ausgelegen hat. Zur Lösung dieser Problematik kann nicht unmittelbar auf Normen zurückgegriffen werden, die dem Gesetzgeber als Vorlage für die Regelung in § 5a dienten. Im Immissionsschutzrecht ist gemäß § 10 Abs. 8 Satz 3 BImSchG eine Auslegung einer Ausfertigung des gesamten Bescheides vom Tage nach der Bekanntmachung an für zwei Wochen zwingend. Nach § 10 Abs. 8 Satz 5 BImSchG ist für die Bekanntgabefiktion auf das Ende der Auslegungsfrist abzustellen, sodass die skizzierte Problematik eines Laufs von Rechtsbehelfsfristen ohne vollständige Transparenz über die vollständigen Inhalte der bekanntgemachten Entscheidung nicht auftreten kann. § 74 Abs. 5 Satz 3 VwVfG knüpft hinsichtlich des Laufs von Rechtsbehelfsfristen ebenfalls an das Ende der Auslegungsfrist im Sinne des § 74 Abs. 4 Satz 2 VwVfG an. Zu sehen ist aber auch, dass die bergrechtliche Entscheidung nach der öffentlichen Bekanntmachung gemäß § 5a Abs. 2 Satz 4 bis zum Ablauf der Rechtsbehelfsfrist von den Vereinigungen und denjenigen, denen die Entscheidung bekannt zu geben war, schriftlich angefordert werden kann. In der öffentlichen Bekanntmachung ist gemäß § 5a Abs. 2 Satz 5 zudem anzugeben, wo und wann die Entscheidung angefordert werden kann. Transparenz über die vollständigen Inhalte der bekanntgemachten Entscheidung kann daher nach den Vorgaben des § 5a auch über die Anforderung der Entscheidung hergestellt werden, sodass es aus Transparenzgesichtspunkten der Auslegung der vollständigen Entscheidung nicht zwingend bedarf. Entsprechend zu dieser Überlegung sehen weder § 41 Abs. 4 VwVfG noch § 69 Abs. 2 VwVfG überhaupt eine Auslegung der bekanntzumachenden Entscheidung vor. Nach der allgemeinen Regelung des § 41 VwVfG kann der öffentlich bekannt gegebene Verwaltungsakt gemäß § 41 Abs. 4 Satz 2 VwVfG mit seiner Begründung eingesehen werden. § 69 Abs. 2 Satz 6 VwVfG sieht vor, dass der im förmlichen Verwaltungsverfahren öffentlich bekannt gemachte Verwaltungsakt nach der öffentlichen Bekanntmachung bis zum Ablauf der Rechtsbehelfsfrist von den Beteiligten schriftlich oder elektronisch angefordert werden kann. Vor dem Hintergrund dieser Regelungsansätze des VwVfG (Möglichkeit zur Einsichtnahme bzw. Anforderung) kann im Ergebnis auch mit Blick auf die öffentliche Bekanntgabe von Entschei33 Vgl. dazu Kopp/Ramsauer/Tegethoff VwVfG, § 41 Rn. 50 f. 109

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dungen gemäß § 5a nicht von einer Rechtsschutzverkürzung ausgegangen werden, da auch im BBergG entsprechende Möglichkeiten, insbesondere die Anforderung der Entscheidung, geregelt sind. Gleichwohl sollte eine Auslegung der vollständigen Entscheidung einschließlich zugehöriger Pläne und der Begründung mit Rechtsbehelfsbelehrung zur Einsicht gemäß § 5a Abs. 2 Satz 2 möglichst zügig nach der Bekanntmachung erfolgen, um Diskussionen über eine Rechtsschutzverkürzung zu vermeiden. Die zuständige Behörde könnte sich etwa an § 10 Abs. 8 Satz 3 BImSchG orientieren und die Unterlagen vom Tag nach der Bekanntmachung an für zwei Wochen zur Einsicht auslegen. Rechtlich zwingend wäre eine solche Vorgehensweise nach den Vorgaben des § 5a Abs. 2 Satz 2 nicht, würde aber jegliches Risiko einer Rechtsschutzverkürzung vermeiden.

IV. Ermessensentscheidung 30 Es steht im pflichtgemäßen Ermessen der zuständigen Behörde, ob diese eine Entscheidung gemäß § 5a öffentlich bekannt gibt. In die Ermessensentscheidung sind insbesondere die individuelle Betroffenheit von potentiellen Rechtsschutzsuchenden und das Interesse an einer schnellen Rechtssicherheit der Entscheidung im Hinblick auf Gefahren für die Allgemeinheit oder die Umwelt einzustellen.34 Da neben der öffentlichen Bekanntgabe einer Entscheidung eine individuelle Bekanntgabe möglich bleibt,35 wird sich die zuständige Behörde einem Wunsch des Vorhabenträgers auf öffentliche Bekanntgabe einer Entscheidung ermessensfehlerfrei kaum verschließen können.36 Erfolgt sowohl eine individuelle als auch eine öffentliche Bekanntgabe einer Entscheidung, stellt 31 sich insbesondere die Frage, welches Ereignis Rechtsbehelfsfristen in Gang setzt. Teilweise wird vertreten, dass auf den Zeitpunkt der individuellen Bekanntgabe gegenüber dem jeweiligen Betroffenen abzustellen sei, unabhängig davon, ob die öffentliche Bekanntgabe vor, zeitgleich oder nach der individuellen Bekanntgabe erfolge. Die öffentliche Bekanntgabe entfaltet nach dieser Ansicht im Falle auch individueller Bekanntgabe keine Wirkung gegenüber dem Betroffenen.37 Dem ist aber jedenfalls im Fall der nach der öffentlichen Bekanntgabe erfolgenden individuellen Bekanntgabe entgegen zu halten, dass die bereits zuvor bewirkte öffentliche Bekanntgabe wegen der Bekanntgabefiktion zur Wirksamkeit des Verwaltungsaktes führt.38 Die kraft gesetzlicher Anordnung eintretende Bekanntgabefiktion (dazu noch ausführlich unter Rn. 32 f.) spricht daher dafür, auf die zuerst erfolgende Bekanntgabe abzustellen, die dann auch den Lauf der Rechtsbehelfsfristen auslöst.39

V. Rechtsfolgen und Wirkungen der öffentlichen Bekanntgabe (Absatz 2 Satz 3) 32 Nach Ablauf von zwei Wochen nach der Bekanntmachung gilt die bekanntgegebene Entscheidung gemäß § 5a Abs. 2 Satz 3 auch denjenigen gegenüber, denen Rechtsbehelfe nach dem UmwRG 34 Vgl. BT-Drs. 18/9526, S. 52. 35 Vgl. BVerwG 7.9.1984, 4 C 16/81, BVerwGE 70, 77, 82; Frenz/Beckmann BBergG, § 5a Rn. 28; Piens/Schulte/Vitzthum BBergG, § 5a Rn. 5; vgl. Kopp/Ramsauer/Wysk VwVfG, § 74 Rn. 196; zur Frage der verfassungsrechtlichen Notwendigkeit einer individuellen Bekanntgabe Stelkens/Bonk/Sachs/U. Stelkens VwVfG, § 41 Rn. 147 mit Verweis auf BVerwG 7.9.1984, 4 C 16/81, BVerwGE 70, 77, 82; siehe auch BVerwG 27.5.1983, 4 C 40, 44, 45/81, BVerwGE 67, 206, 209 ff. 36 Zutreffend Frenz/Beckmann BBergG, § 5a Rn. 26. 37 So etwa Stelkens/Bonk/Sachs/U. Stelkens VwVfG, § 41 Rn. 147; Stelkens/Bonk/Sachs/Neumann/Külpmann VwVfG, § 74 Rn. 214; auch Bambey DVBl 1984, 374, 377. 38 Siehe Knack/Henneke/Schink VwVfG, § 69 Rn. 18; Ziekow VwVfG, § 69 Rn. 8; Kopp/Ramsauer/Wysk VwVfG, § 69 Rn. 15. 39 Im Fall der zwingenden Individualzustellung gegenüber dem Antragsteller nach § 74 Abs. 4 Satz 1 VwVfG, der durch die Regelung des § 5a unberührt bleibt, wird angenommen, dass die Rechtsbehelfsfrist ab der Individualzustellung läuft, unabhängig davon, wann die öffentliche Bekanntgabefiktion eingetreten ist, vgl. Kopp/Ramsauer/Wysk VwVfG, § 74 Rn. 196; vgl. ferner zur Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand Knack/Henneke/Schink VwVfG, § 69 Rn. 18; Kopp/Ramsauer/Wysk VwVfG, § 69 Rn. 15. Keienburg/Wiesendahl

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zustehen, als bekannt gegeben (Bekanntgabefiktion). Eine abweichende Bestimmung des Eintritts der Fiktionswirkung durch die Behörde ist gesetzlich nicht vorgesehen.40 Maßgeblicher Zeitpunkt ist die Veröffentlichung im amtlichen Veröffentlichungsblatt.41 Fallen die Veröffentlichungsdaten im amtlichen Veröffentlichungsblatt und in den örtlich verbreiteten Tageszeitungen auseinander, kommt es für den Lauf von Rechtsbehelfsfristen auf das Datum der Bekanntmachung im amtlichen Veröffentlichungsblatt an. § 5a Abs. 2 Satz 3 formuliert, dass die Bekanntgabefiktion „auch“ für Umweltvereinigungen 33 gilt, die ihre Klagebefugnis aus dem UmwRG ableiten. Dieser Passus darf allerdings nicht so verstanden werden, dass die Bekanntgabefiktion allein gegenüber diesen anerkannten Umweltvereinigungen Anwendung findet. Sowohl aus der Verwendung des Wortes „auch“ als auch aus dem Gesetzeszweck ergibt sich, dass es sich hierbei allein um eine deklaratorische Feststellung des Gesetzgebers handelt; Sinn und Zweck der öffentlichen Bekanntgabe ist die Wirkung gegenüber jedermann.42

VI. Folgen einer fehlerhaften Bekanntgabe Wird die Entscheidung nicht nach den Maßgaben des § 5a bekannt gegeben, kann dies dem Beginn 34 des Laufs der Rechtsbehelfsfristen entgegenstehen, wenn keine ordnungsgemäße individuelle Bekanntgabe erfolgt ist (zur Möglichkeit der individuellen Bekanntgabe bereits unter Rn. 30 f.). Erfolgt eine öffentliche Bekanntgabe nicht nach den zwingenden Voraussetzungen des Gesetzes, tritt keine Bekanntgabefiktion ein und die Rechtsbehelfsfrist beginnt nicht auf der Grundlage des § 5a zu laufen.43 Es bedarf demnach der Differenzierung, welche Anforderungen des § 5a im Rahmen der 35 öffentlichen Bekanntgabe zwingende Voraussetzungen darstellen und deren Fehlerhaftigkeit dem Eintritt der Bekanntgabefiktion entgegensteht. § 5a Abs. 2 fordert als Mindestinhalt die öffentliche Bekanntmachung des verfügenden Teils der Entscheidung unter Hinweis auf Auflagen (und Nebenbestimmungen), die Rechtsbehelfsbelehrung und den Hinweis auf die Bekanntgabefiktion. Im Fall der nicht vollständigen öffentlichen Bekanntmachung der Entscheidung bedarf es zudem der Hinweise auf Ort und Zeit der Auslegung sowie auf das Anforderungsrecht aus § 5a Abs. 2 Satz 4 (dazu bereits unter Rn. 20 ff.). Entscheidend ist, ob ein Mangel der Bekanntgabe die öffentliche Bekanntmachung des verfügenden Teils der Entscheidung selbst betrifft oder lediglich die Erfordernisse einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung.44 Aus einer fehlenden bzw. fehlerhaften Rechtsbehelfsbelehrung folgt nämlich nicht, dass überhaupt keine Rechtsbehelfsfristen laufen, sondern lediglich die Anwendung des § 58 Abs. 2 VwGO mit der Folge des Laufs einer Jahresfrist.45 Mit Blick auf die Anforderungen des § 5a ist hinsichtlich dieser Differenzierung anzunehmen, dass die öffentliche Bekanntmachung der Rechtsbehelfsbelehrung und die Hinweispflichten des § 5a Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 2 und des § 5a Abs. 2 Satz 5 lediglich der Konkretisierung der Erfordernisse einer ord40 Dies lässt sich aus einem Umkehrschluss zu § 41 Abs. 4 Satz 4 VwVfG ableiten, der die ortsübliche Bekanntmachung betrifft und nur für diese durch Allgemeinverfügung die Möglichkeit einer abweichenden Regelung vorsieht, vgl. Stelkens/Bonk/Sachs/U. Stelkens VwVfG, § 41 Rn. 185; vgl. Kopp/Ramsauer/Tegethoff VwVfG, § 41 Rn. 54. 41 Für die öffentliche Bekanntmachung gemäß § 69 VwVfG ist dies explizit in Abs. 2 Satz 5 Halbsatz 1 geregelt, vgl. Knack/Henneke/Schink VwVfG, § 69 Rn. 17; Kopp/Ramsauer/Wysk VwVfG, § 69 Rn. 15. Für § 74 Abs. 5 VwVfG wird dies auch ohne eine entsprechende ausdrückliche Regelung angenommen und § 69 Abs. 2 Satz 5 Halbsatz 1 VwVfG analog angewendet; Stelkens/Bonk/Sachs/Neumann/Külpmann VwVfG, § 74 Rn. 219. 42 Vgl. BT-Drs. 18/9526, S. 51, wonach § 5a eine gegenüber § 41 Abs. 4 VwVfG detailliertere Regelung darstellt, die aber die Grundsätze des § 41 Abs. 4 VwVfG beachtet. 43 Ausführlich zur Verwirkung von Klagerechten Frenz/Beckmann BBergG, § 5a Rn. 44. 44 Vgl. dazu Kopp/Ramsauer/Wysk VwVfG, § 74 Rn. 200; Kopp/Ramsauer/Wysk VwVfG, § 69 Rn. 15; Stelkens/Bonk/ Sachs/Neumann/Külpmann VwVfG, § 74 Rn. 221. 45 Siehe zur Anwendung des § 58 Abs. 2 VwGO auch Frenz/Beckmann BBergG, § 5a Rn. 43. 111

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§ 5a

Erster Teil – Einleitende Bestimmungen

nungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung dienen und zur Anwendung des § 58 Abs. 2 VwGO führen. Auch Mängel der Auslegung gemäß § 5a Abs. 2 Satz 2 (dazu bereits unter Rn. 26 ff.) und das in § 5a Abs. 2 Satz 4 geregelte Anforderungsrecht betreffen die öffentliche Bekanntmachung des verfügenden Teils der Entscheidung nicht, da die insoweit geltenden Anforderungen in § 5a Abs. 1 Satz 1 normiert sind.

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ZWEITER TEIL Bergbauberechtigungen ERSTES KAPITEL Bergfreie Bodenschätze ERSTER ABSCHNITT Erlaubnis, Bewilligung, Bergwerkseigentum Schrifttum zu den §§ 6 bis 23 Badura Das Verwaltungsmonopol (1963); Beddies Die Entwicklung des Grundsatzes „Dulde und liquidiere“ und das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 19. September 2008 (V ZR 28/08) zu § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB, in: Baur/Sandrock/ Scholtka/Shapira (Hrsg.) Festschrift für Gunther Kühne zum 70. Geburtstag (2009), S. 455, zitiert als Beddies FS Kühne (2009); Boldt Staat und Bergbau (1950); Czybulka/Stredak Rechtsfragen der marinen Kies- und Sandgewinnung in Nordund Ostsee (2008); Ehricke Das Verhältnis zwischen dem Bergschadensersatzanspruch nach den §§ 114 ff. BBergG und dem nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch gem. § 906 Abs. 2 S. 2 BGB, in: Kühne/Ehricke (Hrsg.) Bergrecht zwischen Tradition und Moderne (2010), S. 33; Elgeti Störer im Altbergbau – zugleich eine Anmerkung zu den Urteilen des OVG Lüneburg vom 19.10.2011 (7 LB 57/11) und des BVerwG vom 21.2.2013 (7 C 4.12), NuR 2013, 634; Engelhardt Das Allgemeine Berggesetz für die Preußischen Staaten in seinen Auswirkungen auf das Bergrecht, ZfB 1965, 110; Enderle/Rehs Die Übertragung bergrechtlicher Rechtspositionen – Praxisprobleme beim Betrieb unterirdischer Gasspeicheranlagen, NVwZ 2012, 338; Erkens/Giedinghagen Zur Übergangsfähigkeit von Bergbauberechtigungen im Umwandlungsrecht, RdE 2012, 140; Fornelli Der Rechtsschutz im Verleihungsverfahren des Allgemeinen Berggesetzes (1966); Franke Rechtsfragen der Methangasgewinnung aus Steinkohleflözen, RdE 1994, 1; Franke Rechtsfragen der Nutzung erneuerbarer Energien: Grubengas und Geothermie, in: Burgi (Hrsg.) Planungssicherheit im Energiewirtschaftsrecht (2003), 93; Franke Funktionswandel der Bergbauberechtigung?, in Baur/Sandrock/Scholtka/Shapira (Hrsg.) Festschrift für Gunther Kühne zum 70. Geburtstag (2009), S. 510, zitiert als Franke FS Kühne (2009); Franke Rechtliche Rahmenbedingungen für die unkonventionelle Gasgewinnung in Nordrhein-Westfalen, in: Frenz/Preuße (Hrsg.) Chancen und Risiken von unkonventionellem Erdgas (2011), S. 9; Hahn Abwägungsbeachtlichkeit von Bergbauberechtigungen, ZfB 1985, 194; von Hammerstein Feldesüberschreitende Kohlenwasserstoff-Lagerstätten, in: Baur/Sandrock/Scholtka/Shapira (Hrsg.) Festschrift für Gunther Kühne zum 70. Geburtstag (2009), S. 575, zitiert als von Hammerstein FS Kühne (2009); von Hammerstein Wann ist das Bundesberggesetz auf die Nutzung von Erdwärme anwendbar?, in: Klees/Gent (Hrsg.) Energie, Wirtschaft, Recht: Festschrift für Peter Salje zum 65. Geburtstag (2013), S. 201, zitiert als von Hammerstein FS Salje (2013); Hoppe Bergbauberechtigungen als verfassungskräftige Eigentumsposition und ihr Schutz gegenüber Planung, DVBl 1982, 101; Hoppe Die Einschränkung bergbaulicher Berechtigungen durch eine Nationalparkverordnung – am Beispiel des niedersächsischen Wattenmeeres, DVBl 1987, 757; Hoppe Nationalpark-Verordnung „Niedersächsisches Wattenmeer“ und bergbauliche Berechtigungen (1987); Ipsen Zum „Erdöl“-Urteil des Bundesgerichtshofs (BGHZ 19, 209), AöR 81 (1956), 241; Ipsen Rechtsstaatliche Erdölkonzessionierung, in: Conrad/Jahrreiß/Mikat/Mosler/Nipperdey/Salzwedel (Hrsg.) Gedächtnisschrift für Hans Peters (1967), S. 686, (Nachdruck in: Ipsen Öffentliches Wirtschaftsrecht (1985), S. 653), zitiert als Ipsen GS Peters (1967); Karpen Grundeigentum und Bergbaurechte nach dem Bundesberggesetz vom 13.8.1980, AöR 106 (1981), 15; Krüger Der vertikale Nachbar, in: Joost/Oetker/Paschke (Hrsg.) Festschrift für Franz Jürgen Säcker zum 70. Geburtstag (2011), S. 91, zitiert als Krüger FS Säcker (2011); Kühne Bergbauberechtigungen und Bestandsschutz, in: Baur/Müller-Graff/Zuleeg (Hrsg.) Europarecht – Energierecht – Wirtschaftsrecht, Festschrift für Bodo Börner (1992), S. 565, zitiert als Kühne FS Börner (1992); Kühne Rechtsfragen der Aufsuchung und Gewinnung von in Steinkohleflözen beisitzendem Methangas(1994); Kühne Bestandsschutz alten Bergwerkseigentums unter besonderer Berücksichtigung des Art. 14 GG (1998); Kühne Die rechtsvergleichende und internationalrechtliche Dimension des Bergrechts, in: Basedow/Drobnig/Ellger/Hopt/Kötz/Kulms/Mestmäcker (Hrsg.) Aufbruch nach Europa. 75 Jahre Max-Planck-Institut für Privatrecht (2001), S. 363 ff., zitiert als Kühne FS Max-Planck-Institut für Privatrecht (2001); Kühne Urteilsanmerkung, DVBl 2002, 1117; Kühne Die Teilung von Bergwerkseigentum nach Bodenschätzen, ZfB 2008, 49; Kühne Deutsches Bergrecht, in: Säcker (Hrsg.) Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht (2010), Kap. 3, Teil 1 (S. 263); Kühne Bergrecht und Nachbarrecht, in: Joost/Oetker/Paschke (Hrsg.) Festschrift für Franz Jürgen Säcker zum 70. Geburtstag (2011), S. 105, zitiert als Kühne FS Säcker (2011); Kühne Enteignungsentschädigung bei hoheitlichem Entzug von Bodenschätzen zugunsten öffentlicher Verkehrsanlagen, DVBl 2012, 661; Kühne Bergbau(berechtigungen) und Eigentumsgarantie, ZfB 2017, 71; Kühne Fragen des Berechtsamswesens im Bergrecht, ZfB 2018, 92; Lemke Das Nachbarschaftsverhältnis von untertägigem Bergbau und Grundeigentum aus zivilrechtlicher Sicht, in: Kühne/Ehricke (Hrsg.) Bergrecht zwischen Tradition und Moderne (2010), S. 19; Ludes Das Bergwerkseigentum gemäß § 9 BBergG in der Insolvenz des Bergwerks-

113 https://doi.org/10.1515/9783110709285-018

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§6

Zweiter Teil – Bergbauberechtigungen

eigentümers (2012); Manten Die Nutzungsüberlassung von Bergbauberechtigungen, UPR 2010, 429; Mössner Förderabgabe bei bewilligungsfeldüberschreitender Lagerstätte, in: Becker/Bull/Seewald (Hrsg.) Festschrift für Werner Thieme zum 70. Geburtstag (1983), S. 1023, zitiert als Mössner FS Thieme (1983); Müller-Erzbach Das Bergrecht Preußens und des weiteren Deutschlands (1917); Nicolaysen Bewilligung und Förderabgabe nach dem Bundesberggesetz (1982); Ring Grundstrukturen des Bergwerkseigentums, NotBZ 2006, 37; Schmidt-Aßmann/Schoch Bergwerkseigentum und Grundeigentum im Betriebsplanverfahren (1994); Schulte Eigentum und öffentliches Interesse (1970); Schulte Neuordnung des Bergrechts, ZRP 1979, 169 (Nachdruck in: Schulte Bergbau und Grundeigentum (1991), S. 112); Schulte Die Bergbauberechtigungen nach dem Regierungsentwurf für ein Bundesberggesetz, ZfB 1978, 414 (Nachdruck in: Schulte Bergbau und Grundeigentum (1991), S. 91 ff.); Sehling Die Rechtsverhältnisse an den der Verfügung des Grundeigentümers nicht entzogenen Mineralien (1904); Steffen Inhalt und Rechtsnatur des Staatsvorbehalts, ZfB 1961, 310, 424 ff.; Turner Das bergbauliche Berechtsamswesen (1966); Weller Kollision mehrerer Bergbauberechtigungen in einem Feld, ZfB 1990, 111; von Weschpfennig Strukturen des Bergrechts (2022); Westermann Rechtsprinzipien des Preußischen Allgemeinen Berggesetzes, ZfB 1965, 122; Westermann Freiheit des Unternehmers und des Grundeigentümers und ihre Pflichtenbindungen im öffentlichen Interesse nach dem Referentenentwurf eines Bundesberggesetzes (1973); Willecke Die deutsche Berggesetzgebung (1977); Willecke Das Bergrecht Preußens und seiner Nachfolgestaaten in wirtschaftlicher Sicht, ZfB 1965, 134; Winkler Bergbaurecht und Grundeigentum, in: Coing/Wilhelm (Hrsg.) Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts im 19. Jahrhundert, Bd. IV (1979), S. 79; Wörheide Die Bergbauberechtigungen nach dem Bundesberggesetz (2014); Zydek Aufsuchungs- und Gewinnungserlaubnisse nach Artikel 2 des Bayerischen Berggesetzes, ZfB 1958, 178, 311.

§6 Grundsatz 1 Wer bergfreie Bodenschätze aufsuchen will, bedarf der Erlaubnis, wer bergfreie Bodenschätze gewinnen will, der Bewilligung oder des Bergwerkseigentums. 2Diese Berechtigungen können nur natürlichen und juristischen Personen und Personenhandelsgesellschaften erteilt oder verliehen werden.

Übersicht I. 1. 2.

Erfordernis einer Bergbauberechtigung 1 Regelungszweck und Anwendungsbereich Rechtliche Ausgestaltung der Erteilung von Bergbauberechtigungen a) Verleihungssysteme vor dem Bundesbergge4 setz b) Neuordnung als öffentlich-rechtliches Konzes8 sionssystem

12

3.

Sanktionen

II.

Inhaber der Bergbauberechtigungen

III.

Übertragung der Befugnis zur Ausübung der Berg14 bauberechtigung

13

I. Erfordernis einer Bergbauberechtigung 1. Regelungszweck und Anwendungsbereich 1 Aufsuchung und Gewinnung bergfreier Bodenschätze bedürfen nach Satz 1 einer Bergbauberechtigung. Sie unterliegen damit einem umfassenden Erlaubnisvorbehalt. Bergbauberechtigungen, die vor Inkrafttreten des Bundesberggesetzes erteilt worden sind, werden unter den Voraussetzungen des § 149 mit zahlreichen Maßgaben in das neue Berechtsamssystem überführt (§§ 151 ff.); für die Aufsuchung und Gewinnung von Bodenschätzen, die Gegenstand dieser Berechtigungen sind, bedarf es keiner neuen Bergbauberechtigung (§ 149 Abs. 7).1 1 BT-Drs. 8/1315, S. 162; Dapprich/Römermann § 149 Rn. 24. Franke/Karrenstein https://doi.org/10.1515/9783110709285-019

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Erstes Kapitel – Bergfreie Bodenschätze

§6

Das Erfordernis einer Bergbauberechtigung für bergfreie Bodenschätze hat eine doppelte 2 Funktion: Zum einen wird durch den Erlaubnisvorbehalt das freie Aneignungsrecht für herrenlose Sachen ausgeschlossen, das sich sonst nach sachenrechtlichen Grundsätzen aus der Trennung von Grundeigentum und bergfreien Bodenschätzen (§ 3 Abs. 2 Satz 2) ergäbe (vgl. § 8 Rn. 9).2 Zum anderen hat die Bergbauberechtigung eine wirtschaftsordnende Funktion, insbesondere bei der Verfolgung rohstoffpolitischer Ziele. Neben der Vereinfachung des Verfahrens zur Erteilung von Bergbauberechtigungen war dies für den Gesetzgeber das entscheidende Motiv bei der Neuordnung des Berechtsamswesens (Rn. 8 f.). Im gestuften bergrechtlichen Kontrollsystem ist Gegenstand der Bergbauberechtigung nur 3 die Verleihung des ausschließlichen Verfügungsrechts über einen bergfreien Bodenschatz. Konkrete Aufsuchungs- und Gewinnungstätigkeiten unterliegen als Ausübung der Bergbauberechtigung der Betriebsplanpflicht (§ 51). Prüfprogramm und Regelungswirkungen auf der Berechtsams- und der Betriebsplanebene orientieren sich am jeweiligen Kontrollzweck. Dementsprechend stehen bei der Erteilung einer Bergbauberechtigung rohstoffwirtschaftliche Gesichtspunkte im Vordergrund, während die Auswirkungen des Bergbaubetriebs grundsätzlich erst im Betriebsplanverfahren geprüft werden. Die Kontrollebenen sind dadurch verknüpft, dass Betriebspläne nur bei Vorliegen der erforderlichen Berechtigung zugelassen werden dürfen (§ 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1). Hingegen spielt die Zulassungsfähigkeit von Betriebsplänen bei der Erteilung von Bergbauberechtigungen grundsätzlich keine Rolle. Bergbauberechtigungen werden also unter dem Vorbehalt erteilt, dass erst auf der Betriebsplanebene entschieden wird, in welchem Umfang sie konkret ausgeübt werden können (vgl. § 8 Rn. 23). Nur wenn im Zeitpunkt der Entscheidung über die Erteilung einer Bergbauberechtigung erkennbar ist, dass bergbauliche Tätigkeiten im gesamten zuzuteilenden Feld ausgeschlossen sind (§ 11 Nr. 10), führt dies bereits auf der Berechtsamsebene zur Versagung (vgl. § 11 Rn. 13 ff.).

2. Rechtliche Ausgestaltung der Erteilung von Bergbauberechtigungen a) Verleihungssysteme vor dem Bundesberggesetz. Die vom Bundesgesetzgeber in den 4 Landesberggesetzen vorgefundenen Berechtsamsmodelle ließen sich auf drei Grundtypen (Bergbaufreiheit, echter und unechter Staatsvorbehalt) zurückführen, die das Bundesberggesetz zu einem öffentlich-rechtlichen Konzessionssystem kombiniert und fortentwickelt hat. Das Preußische Allgemeine Berggesetz (1865) und die ihm folgenden Berggesetze der meisten 5 übrigen Bundesstaaten3 hatten das Bergregal aufgegeben und gingen vom Grundsatz der Schürffreiheit aus4 (vgl. Einleitung Rn. 1, 6 ff., 9 ff.). Danach war das Aufsuchen von Bodenschätzen jedermann gestattet. Wurde der Schürfer fündig, bestand ein Anspruch auf Verleihung von Bergwerkseigentum (§ 22 ABG), wenn bei der Behörde eine den gesetzlichen Anforderungen

2 BT-Drs. 8/1315, S. 84; Badura Das Verwaltungsmonopol, S. 148; Ebel/Weller ABG, § 1 Anm. 3e; Isay ABG, Band 1, § 1 Rn. 2; Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht, Rn. 56; Ludes Das Bergwerkseigentum gemäß § 9 BBergG in der Insolvenz des Bergwerkseigentümers, S. 25; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 6 Rn. 3; Schmidt-Aßmann/Schoch Bergwerkseigentum und Grundeigentum im Betriebsplanverfahren, S. 77; Sehling Die Rechtsverhältnisse an den der Verfügung des Grundeigentümers nicht entzogenen Mineralien, S. 50 ff.; Steffen ZfB 1961, 310, 313 ff.; Turner Das bergbauliche Berechtsamswesen, S. 111 ff.; von Weschpfennig Strukturen des Bergrechts, S. 70, 89; Willecke/Turner Grundriß des Bergrechts, S. 8; Zydek ZfB 1958, 178, 179. 3 Zur Rezeption des preußischen Bergrechts Engelhardt ZfB 1965, 110, 113 ff.; Willecke Die deutsche Berggesetzgebung, S. 127 ff.; Willecke/Turner Grundriß des Bergrechts, S. 22 f.; Winkler in: Coing/Wilhelm (Hrsg.) Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts im 19. Jahrhundert, S. 109 ff. 4 Boldt Staat und Bergbau, S. 17; Ebel/Weller ABG, § 3 Anm. 2; Isay ABG, Band 1, § 3 Rn. 3; Müller-Erzbach Das Bergrecht Preußens und des weiteren Deutschlands, S. 143 ff.; Willecke/Turner Grundriß des Bergrechts, S. 59 f. 115

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§6

Zweiter Teil – Bergbauberechtigungen

entsprechende Mutung (§ 12 ABG) eingelegt wurde.5 Staatliche Einwirkungsmöglichkeiten auf den Bergbaubetrieb bestanden nur zur Gefahrenabwehr, zum einen durch die Handlungsinstrumente der Bergaufsicht (§ 196 ABG), zum anderen durch die Betriebsplanpflicht (§§ 67 ff. ABG), bei der die behördlichen Prüfungsmöglichkeiten gleichfalls auf die Gegenstände der Bergaufsicht beschränkt waren (§ 67 Abs. 3 ABG). Auf der Regelungsebene der Berechtsamserteilung waren hingegen keine Möglichkeiten vorgesehen, auf die Ausübung der Bergbauberechtigung Einfluss zu nehmen. Insbesondere war weder eine Befristung noch die Möglichkeit zum Widerruf der Verleihung des Bergwerkseigentums vorgesehen, so dass kein Anreiz zu einer zügigen Gewinnung bestand. Es zeigte sich, dass die weitgehende Rücknahme rohstoffwirtschaftlicher Einflussmöglichkeiten im System der Bergbaufreiheit die Entstehung von Monopolstrukturen durch Vorratserwerb von Berechtigungen begünstigte6 (vgl. Einleitung Rn. 13 ff.). Vor allem diese Fehlentwicklung gab Anlass zur Einführung des Staatsvorbehalts für volkswirtschaftlich bedeutsame Bodenschätze. Das Recht zur Aneignung der in das Staatsvorbehaltssystem einbezogenen Bodenschätze war hierbei entweder kraft Gesetzes dem Staat vorbehalten (echter Staatsvorbehalt) oder entstand durch Verleihung des Bergwerkseigentums, die nur an den Staat erfolgen konnte (unechter Staatsvorbehalt).7 Für das System des echten Staatsvorbehalts entschieden sich Baden, Bayern, Braunschweig und Schaumburg-Lippe, für das des unechten Staatsvorbehalts Hessen und Württemberg.8 In Preußen ist zunächst ein unechtes Staatsvorbehaltssystem für Steinkohle, Salze und Abraumsalze eingeführt worden, das später auf weitere Bodenschätze ausgedehnt wurde (§§ 2, 38b ABG).9 Die Aufsuchung und Gewinnung von Erdöl und phosphorithaltigen Mineralien unterlag hingegen auch in Preußen einem echten Staatsvorbehalt.10 Mit dem Staatsvorbehalt wurde ein Verwaltungsmonopol begründet,11 das rohstoffwirt6 schaftliche Lenkungsmöglichkeiten des Staates sowohl durch eigenwirtschaftliche Betätigung in der Rohstoffgewinnung als auch durch Übertragung des staatlichen Gewinnungsrechts auf private Dritte eröffnete.12 Erklärtermaßen zielte die Einführung des Vorbehaltssystems jedoch nicht auf eine Monopolisierung der Aufsuchung und Gewinnung vorbehaltener Bodenschätze durch die öffentliche Hand.13 Im Vordergrund stand vielmehr die Verfolgung marktordnender Ziele im Zuge der Erteilung oder Vereinbarung von Rechten zur Gewinnung vorbehaltener Boden-

5 Boldt Staat und Bergbau, S. 18 f.; Ebel/Weller ABG, § 22 Anm. 2; Fornelli Der Rechtsschutz im Verleihungsverfahren des Allgemeinen Berggesetzes, S. 26 ff.; Isay ABG, Band 1, § 22 Rn. 2; Müller-Erzbach Das Bergrecht Preußens, S. 180 ff.; Westermann ZfB 1965, 122, 125 f.; Willecke/Turner Grundriß des Bergrechts, S. 71 ff.; Winkler in: Coing/Wilhelm (Hrsg.) Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts im 19. Jahrhundert, S. 104. 6 Isay ABG, Band 1, Einl. Rn. 4; Müller-Erzbach Das Bergrecht Preußens, S. 137 ff.; Westermann ZfB 1965, 122, 126 ff.; Willecke/Turner Grundriß, S. 50 ff.; Winkler in: Coing/Wilhelm (Hrsg.) Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts im 19. Jahrhundert, S. 107 ff. 7 Badura Das Verwaltungsmonopol, S. 146 ff.; Steffen ZfB 1961, 310, 311 f.; Turner Das bergbauliche Berechtsamswesen, S. 182 ff.; Westermann Freiheit des Unternehmers und des Grundeigentümers und ihre Pflichtenbindungen im öffentlichen Interesse nach dem Referentenentwurf eines Bundesberggesetzes, S. 22 ff.; Willecke/Turner Grundriß des Bergrechts, S. 50 ff.; Zydek ZfB 1958, 178, 179 f. 8 Steffen ZfB 1961, 310, 311 f.; Willecke Die deutsche Berggesetzgebung, S. 127 ff. 9 Badura Das Verwaltungsmonopol, S. 149 ff.; Isay ABG, Band 1, Einl. Rn. 4, § 2 Rn. 1, § 2a Rn. 1; Müller-Erzbach Das Bergrecht Preußens, S. 137 ff.; Turner Das bergbauliche Berechtsamswesen, S. 187 f.; Willecke ZfB 1965, 134, 135 ff. 10 Zu der aufgrund § 8 PhosphoritG erlassenen ErdölVO BGH 2.12.1955, V ZR 75/54, BGHZ 19, 209, 215 ff.; Badura Das Verwaltungsmonopol, S. 151 f.; Ipsen AöR 81 (1956), 241, 242 ff., 249 f.; Ipsen GS Peters (1967), S. 686, 695 ff. Nicolaysen Bewilligung und Förderabgabe nach dem Bundesberggesetz, S. 14 ff.; Turner Das bergbauliche Berechtsamswesen, S. 41 ff.; Willecke Die deutsche Berggesetzgebung, S. 251 f.; Willecke ZfB 1965, 134, 136 f.; Willecke/Turner Grundriß des Bergrechts, S. 48, 52 f. 11 Badura Das Verwaltungsmonopol, S. 157; Steffen ZfB 1961, 310, 441 f., 450 f.; Willecke/Turner Grundriß des Bergrechts, S. 54; a.A. Turner Das bergbauliche Berechtsamswesen, S. 194 ff., 203 ff. (Finanzmonopol). 12 Isay ABG, Band 1, § 2 Rn. 7; Steffen ZfB 1961, 310, 310 f.; Westermann ZfB 1965, 122, 127 f.; Willecke ZfB 1965, 136. 13 Isay ABG, Band 1, Einl. Rn. 4, § 2 Rn. 7; Steffen ZfB 1961, 310, 310 f.; Winkler in: Coing/Wilhelm (Hrsg.) Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts im 19. Jahrhundert, S. 108. Franke/Karrenstein

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Erstes Kapitel – Bergfreie Bodenschätze

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schätze durch private Dritte.14 Regelmäßig wurde dabei auch die Zahlung eines Entgelts für die Aufsuchung und Gewinnung vorbehaltener Bodenschätze vereinbart.15 Die Vorbehaltsregelungen sahen für die Übertragung des Gewinnungsrechts teilweise bestimmte gesetzliche Handlungsformen vor. So musste im Bereich des echten Staatsvorbehalts die Aufsuchung und Gewinnung vorbehaltener Bodenschätze durch Dritte nach bayerischem Bergrecht durch Verwaltungsakt erlaubt werden;16 im Übrigen, insbesondere im Erdölbergbau, dominierten privatrechtlich ausgestaltete Aufsuchungs- und Gewinnungsverträge.17 § 149 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 setzt dementsprechend Ermächtigungen, Erlaubnisse und Verträge als Übertragungsformen voraus. Im Bereich des unechten Staatsvorbehalts sah § 38c ABG die Möglichkeit vor, an dem vom Staat erworbenen Bergwerkseigentum ein dingliches Gewinnungsrecht zugunsten des privaten Dritten zu bestellen. Die praktische Bedeutung dieser Form der Übertragung des staatlichen Gewinnungsrechts ist gering geblieben, da die Praxis daneben eine Übertragung des Bergwerkseigentums für zulässig hielt18 oder die Einräumung einer schuldrechtlichen Befugnis zur Ausübung des staatlichen Gewinnungsrechts bevorzugte.19 Die nähere rechtliche Einordnung dieser vielfältigen Übertragungsformen ist bis zum Au- 7 ßerkrafttreten der Landesberggesetze umstritten geblieben; die gesetzgeberische Entscheidung dieser Streitfragen gehörte daher zu den wesentlichen Zielen bei der bundesrechtlichen Neuordnung des Berechtsamswesens. Unter der Geltung des Staatsvorbehalts standen im Mittelpunkt der Diskussion die rechtlichen Bindungen bei der Übertragung des staatlichen Gewinnungsrechts an den privaten Dritten. Das betraf zunächst die Frage, ob der Staatsvorbehalt entsprechend den politischen Motiven für seine Einführung als Lenkungsmonopol mit marktordnenden Zielen einzuordnen war oder als Finanzmonopol die Grundlage für die Erhebung oder Vereinbarung von Entgelten für die Aufsuchung oder Gewinnung schaffen sollte. Damit eng verknüpft war das Problem der Zuordnung der Übertragungsformen zum privaten oder öffentlichen Recht. Praktisch bedeutsam war dies vor allem, solange aus der privatrechtlichen Form der Übertragung gefolgert wurde, dass der Staat mit ihr beliebige Ziele verfolgen könne. Der Auffassung, dass bei einer Übertragung des Gewinnungsrechts durch privatrechtlichen Vertrag auch solche Vereinbarungen zulässig waren, für die keine öffentlich-rechtliche Handlungsermächtigung bestand, ist schon früh widersprochen worden. Teilweise wurde die Auffassung vertreten, die Übertragung des staatlichen Gewinnungsrechts unterliege – unabhängig von der Übertragungsform – einer öffentlich-rechtlichen Zweckbindung entsprechend den mit der Einführung des Staatsvorbehalts verfolgten Lenkungszielen.20 Teilweise wurde die Übertragung des Gewinnungsrechts als gestufte Entscheidung verstanden, die auch dann, wenn sie vertragsförmig erfolge, eine einseitige hoheitliche Entscheidung enthalte, die den für begünstigende Verwaltungsakte geltenden rechtlichen Bindungen unterliege.21 Damit waren wesentliche Argumentationsansätze 14 Badura Das Verwaltungsmonopol, S. 146 ff.; Boldt Staat und Bergbau, S. 7 f.; Steffen ZfB 1961, 310, 440 f.; Westermann ZfB 1965, 122, 126 ff.; Westermann Freiheit des Unternehmers und des Grundeigentümers und ihre Pflichtenbindungen im öffentlichen Interesse nach dem Referentenentwurf eines Bundesberggesetzes, S. 24 ff.; Winkler in: Coing/Wilhelm (Hrsg.) Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts im 19. Jahrhundert, S. 107 ff. 15 Nicolaysen Bewilligung und Förderabgabe nach dem Bundesberggesetz, S. 20 ff.; Ebel/Weller ABG, § 2 ErdölV Anm. 2. 16 Badura Das Verwaltungsmonopol, S. 154 f.; Zydek ZfB 1958, 311, 313. 17 Ipsen GS Peters (1967), S. 686, 700 ff.; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 149 Rn. 27; Turner Das bergbauliche Berechtsamswesen, S. 219 f. 18 Die Zulässigkeit einer Übertragung des Bergwerkseigentums im System des unechten Staatsvorbehalts war umstritten (bejahend Isay ABG, Band 1, § 2 Rn. 9; ablehnend Willecke/Turner Grundriß des Bergrechts, S. 51 f.; Turner Das bergbauliche Berechtsamswesen, S. 187 f.), in der Praxis aber üblich (Ebel/Weller ABG, § 38c Anm. 2). 19 Isay ABG, Band 1, § 50 Rn. 16, 17, 36 ff.; Westermann Freiheit des Unternehmers und des Grundeigentümers und ihre Pflichtenbindungen im öffentlichen Interesse nach dem Referentenentwurf eines Bundesberggesetzes, S. 25. 20 Zydek ZfB 1958, 178, 185; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 8 Rn. 6. 21 Ipsen GS Peters (1967), S. 686, 702. Die Rechtsprechung ging von der Zulässigkeit einer Übertragung der Gewinnungsberechtigung in privatrechtlicher Form aus (LVG Hannover 4.2.1953, A I 436/49 = ZfB 1956, 81, 82 f.; hierzu Zydek ZfB 1958, 311, 313 f.). 117

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der späteren grundsätzlichen Diskussion über die rechtlichen Bindungen staatlichen Handelns in Privatrechtsform vorgezeichnet.22

8 b) Neuordnung als öffentlich-rechtliches Konzessionssystem. Das Bundesberggesetz knüpft bei der Neuordnung des Berechtsamssystems nicht an diese Diskussion an, sondern hat sich für eine Umgestaltung als öffentlich-rechtliches Konzessionssystem entschieden, das die Erteilung von Aufsuchungs- und Gewinnungsrechten auf privatrechtlicher Grundlage ausschließt. Entscheidendes Motiv der Neuordnung war das Anliegen der „Wahrung öffentlicher Interessen“ bei gleichzeitiger Vereinfachung des Verfahrens zur Vergabe von Bergbauberechtigungen.23 Diese Regelungsziele stehen vor allem in der Tradition des (echten) Staatsvorbehalts.24 Dessen Zweck, die Einräumung von Gewinnungsrechten mit der Verfolgung rohstoffwirtschaftlicher Ziele zu verbinden, wird beibehalten und auf alle dem Verfügungsrecht des Grundeigentümers entzogenen Mineralien erstreckt.25 Die weiterhin angestrebte Verfahrensvereinfachung wird dadurch erreicht, dass die Genehmigung zur Aufsuchung oder Gewinnung unmittelbar erteilt wird. so dass die für den Staatsvorbehalt kennzeichnende Zwischenstufe der Verleihung an den Staat entfällt.26 Damit wird die Rechtsposition des Berechtsamsinhabers wesentlich durch behördliche Entscheidungen bestimmt.27 Sie wird nicht nur durch die Erteilung der Bewilligung begründet, sondern – durch Auslaufen der Befristung (§ 16 Abs. 4 und 5), Widerruf (§ 18) oder behördliche Aufhebung (§§ 19, 20) – auch beendet. Zudem bestehen – neben der Betriebsplanpflicht – auch auf der Berechtsamsebene behördliche Handlungsmöglichkeiten, die Ausübung der Bewilligung, vor allem bei verspäteter Aufnahme oder längerer Unterbrechung der Gewinnung, unter rohstoffwirtschaftlichen Gesichtspunkten durch nachträgliche Auflagen oder die Ausübung der Widerrufsmöglichkeit zu steuern (§ 16 Abs. 3, § 18 Abs. 2 bis 4). Ferner setzt § 22 Abs. 1 zwar die Möglichkeit einer Übertragung der Bewilligung voraus. Da diese wegen der personenbezogenen Erteilungsvoraussetzungen zu den grundsätzlich nicht übergangsfähigen Personalkonzessionen gehört,28 wird die Übertragung aber an eine behördliche Zustimmung gebunden, die funktional einer Neuerteilung mit eingeschränktem Prüfprogramm entspricht.29 9 Diese weitreichenden behördlichen Handlungsmöglichkeiten unterscheiden sich von den im früheren Staatsvorbehaltssystem bestehenden Lenkungsmöglichkeiten vor allem dadurch, dass sie als rechtlich gebundene Entscheidungen ausgestaltet sind.30 Wenn keine Versagungsgründe

22 Zur weiteren Entwicklung der Zwei-Stufen-Theorie und des Verwaltungsprivatrechts als Ansätzen öffentlich-rechtlicher Bindung des Verwaltungshandelns in Privatrechtsform Schmidt-Aßmann Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee (2004), Kap. 6 Rn. 22 ff., 24 ff.; Ehlers in: Erichsen/Ehlers (Hrsg.) Allgemeines Verwaltungsrecht, § 3 Rn. 37 ff. 23 BT-Drs. 8/1315, S. 71, 84 f. 24 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 3 Rn. 20, § 8 Rn. 6; Schulte ZfB 1978, 414, 415; Schulte ZRP 1979, 169, 170; von Weschpfennig Strukturen des Bergrechts, S. 91 f. 25 BT-Drs. 8/1315, S. 71; Wörheide Die Bergbauberechtigungen nach dem Bundesberggesetz, S. 122. 26 BT-Drs. 8/1315, S. 84 f. 27 Karpen AöR 106 (1981), 15, 25 f.; Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht, Rn. 78; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 8 Rn. 6; Schulte ZfB 1978, 414, 422 ff. („öffentlich-rechtliche Nutzungsordnung“). Wörheide Die Bergbauberechtigungen nach dem Bundesberggesetz, S. 74 ff., 81 geht von einer „umfassenden Regulierungsaufgabe“ der Behörde aus, wobei aber ein vom allgemeinen Verständnis abweichender Regulierungsbegriff zugrunde gelegt wird; zu Recht differenzierend von Weschpfennig Strukturen des Bergrechts, S. 45 f. 28 Erkens/Giedinghagen RdE 2012, 140, 142 f.; Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht, Rn. 133; Manten UPR 2010, 429. 29 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 22 Rn. 2; Enderle/Rehs NVwZ 2012, 338, 340; Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht, Rn. 134; Manten UPR 2010, 429, 430. 30 Westermann Freiheit des Unternehmers und des Grundeigentümers und ihre Pflichtenbindungen im öffentlichen Interesse nach dem Referentenentwurf eines Bundesberggesetzes, S. 28 f.; von Weschpfennig Strukturen des Bergrechts, S. 92, 112 ff. Dass das BBergG insoweit vom Staatsvorbehaltssystem abweicht und an das System der Bergbaufreiheit anknüpft (Franke FS Kühne (2009), S. 507, 508 f.), wird bei Wörheide Die Bergbauberechtigungen nach dem Bundesberggesetz, S. 120 ff. nicht hinreichend berücksichtigt. Franke/Karrenstein

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vorliegen, besteht ein Anspruch auf Erteilung der Bergbauberechtigung (§ 11 Rn. 2). Die hauptsächliche gesetzgeberische Gestaltungsaufgabe bei der Neuordnung des Berechtsamswesens bestand demnach darin, die rechtliche Bindung der Entscheidung über die Erteilung einer Bergbauberechtigung mit dem Ziel in Einklang zu bringen, sich hierbei rohstoffwirtschaftliche Lenkungsmöglichkeiten zu erhalten.31 Erreicht wird dies durch eine „Verrechtlichung“ der rohstoffpolitischen Lenkungsziele, indem auf den Regelungsebenen der Erteilungsvoraussetzungen, der rechtlichen Ausgestaltung der Bergbauberechtigungen und der Voraussetzungen für ihre Aufhebung rohstoffwirtschaftliche Belange gesetzlich konkretisiert werden. Entsprechend dem Gesetzeszweck (§ 1 Nr. 1) hat der Gesetzgeber sich hierbei vor allem an dem Ziel orientiert, Beeinträchtigungen der Rohstoffversorgung entgegenzuwirken, die sich daraus ergeben, dass der Inhaber der Bergbauberechtigung nicht bereit oder in der Lage ist, den mit der Erteilung der Bergbauberechtigung verfolgten, „im öffentlichen Interesse liegenden Zwecken nachzukommen“.32 Es geht demnach – wie beim Staatsvorbehalt – vor allem darum, den Bergbautreibenden zu einer ordnungsgemäßen und planmäßigen Aufsuchung und Gewinnung anzuhalten.33 Hierzu wird ein System präventiver und repressiver Anreize für eine planmäßige Aus- 10 übung der Bergbauberechtigung eingeführt.34 Auf der Regelungsebene der Erteilungsvoraussetzungen findet dieses Ziel seinen Niederschlag vor allem darin, dass die vom Antragsteller vorzulegenden Arbeitsprogramme nicht nur seine technische Leistungsfähigkeit belegen, sondern auch darstellen müssen, dass die Aufsuchung oder Gewinnung innerhalb eines angemessenen Zeitraums erfolgt (§ 11 Nr. 3, § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4). Von zentraler Bedeutung ist ferner die zeitliche Begrenzung der Bergbauberechtigungen. Der Gesetzgeber bedient sich dieses Instruments sowohl mit präventiver als auch mit repressiver Wirkung. Zum einen werden neue Bergbauberechtigungen, anders als das Bergwerkseigentum nach altem Recht, nur noch befristet erteilt (§ 16 Abs. 4 und 5). Der Bergbautreibende muss seine Gewinnungstätigkeit daher von vornherein an einem angemessenen, in der Bergbauberechtigung festgelegten Zeitraum ausrichten, weil eine Verlängerung nur bei ordnungs- und planmäßiger Gewinnung zulässig ist (§ 16 Abs. 5 Satz 3). Zum anderen wird die Nichtaufnahme oder Unterbrechung der Aufsuchungs- oder Gewinnungstätigkeit durch den Widerruf der Bergbauberechtigung sanktioniert (§ 18 Abs. 2 bis 4), sofern der Bergbautreibende sich nicht auf Gründe berufen kann, die er nicht zu vertreten hat. Eine ausdrückliche Regelung, ob Bergbauberechtigungen durch öffentlich-rechtlichen Vertrag 11 begründet werden können, fehlt. Es gilt daher der Grundsatz, dass statt des Erlasses eines Verwaltungsakts ein öffentlich-rechtlicher Vertrag geschlossen werden kann, sofern Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen (§ 54 VwVfG).35 Die Absicht des Gesetzgebers, das Berechtsamswesen als öffentlich-rechtliches Konzessionssystem neu zu ordnen, rechtfertigt nicht den Schluss, dass für die Erteilung neuer Bergbauberechtigungen der Rückgriff auf §§ 54 ff. VwVfG ausgeschlossen werden sollte.36 Ziel der Neuordnung war zum einen, dass anstatt der im Staatsvorbehaltssystem verbreiteten Übertragung durch privatrechtlichen Vertrag die Gewinnungsberechtigung nur noch in öffentlich-rechtli31 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 3 Rn. 20; Schmidt-Aßmann/Schoch Bergwerkseigentum und Grundeigentum im Betriebsplanverfahren, S. 77; Franke FS Kühne (2009), S. 507, 509. 32 BT-Drs. 8/1315, S. 91. 33 Schulte ZfB 1978, 414, 416, 424; Franke FS Kühne (2009), S. 507, 509 f. 34 Franke FS Kühne (2009), S. 507, 510. 35 Nach allgemeiner Ansicht muss die Vertragsform nicht ausdrücklich ausgeschlossen sein; dass fachgesetzlich nur einseitige hoheitliche Handlungsformen vorgesehen sind, reicht aber für die Annahme eines Vertragsformverbots nicht aus (Stelkens/Bonk/SachsVwVfG, § 54 Rn. 103 ff.; Fehling/Kastner/Störmer Verwaltungsrecht, § 54 VwVfG Rn. 47; Kopp/Ramsauer/Tegthoff VwVfG, § 54 Rn. 83 f.; Knack/Henneke/Schliesky VwVfG, § 54 Rn. 15 f.; Obermayer/Funke-Kaiser/ Hettich/Beichel-Benedetti VwVfG § 54 Rn. 71 f.; Ziekow VwVfG, § 54 Rn. 11 f.). 36 Hiergegen spricht auch nicht, dass alte vertragliche Aufsuchungs- und Gewinnungsberechtigungen als Erlaubnisse oder Bewilligungen fortgelten (§§ 152, 153). Bei dem Ziel formaler Vereinheitlichung der alten Rechte hat sich der Gesetzgeber an der Regelform des Verwaltungsakts orientiert. Bei diesen bereits bestehenden Berechtigungen spielten mögliche Vorteile der Vertragsform keine Rolle. Dass solche Vorteile auch bei der Erteilung neuer Berechtigungen ausgeschlossen werden sollten, kann den Übergangsregelungen nicht entnommen werden. 119

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cher Form begründet werden kann, zum anderen die Sicherung staatlicher Einflussmöglichkeiten in rechtlich gebundener Form (Rn. 8 f.). Beide Ziele werden durch die Wahl der Handlungsform des öffentlich-rechtlichen Vertrags nicht berührt, weil § 54 Satz 1, § 59 Abs. 1 VwVfG gewährleisten, dass rechtliche Bindungen der Verwaltung durch die Wahl der Vertragsform nicht unterlaufen werden können. Das spricht dafür, bei der Erteilung von Bergbauberechtigungen nicht von einem generellen Vertragsformverbot auszugehen.37 Ein öffentlich-rechtlicher Vertrag muss jedoch die nach dem Zweck der Berechtsamsvorschriften wesentlichen Elemente berücksichtigen. Das gilt insbesondere für die Wahrung der rohstoffwirtschaftlichen Belange einschließlich der Sanktionsmechanismen bei nicht ordnungsgemäßer Ausübung der Bergbauberechtigung.

3. Sanktionen 12 Aufsuchungs- und Gewinnungstätigkeiten, die ohne die erforderliche Bergbauberechtigung ausgeübt werden, können von der Behörde untersagt werden (§ 72 Abs. 1 Satz 1). Die Entscheidung über die Untersagung ist nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen. Hierbei hat die Behörde auch zu prüfen, ob es ausreicht, lediglich formell illegale Aufsuchungs- und Gewinnungstätigkeiten als Ordnungswidrigkeit zu verfolgen (§ 146 Abs. 1 Nr. 1).

II. Inhaber der Bergbauberechtigungen 13 Nach Satz 2 können Bergbauberechtigungen nur natürlichen und juristischen Personen und Personenhandelsgesellschaften erteilt oder verliehen werden; nur diese Rechtsträger können auch Unternehmer sein (§ 4 Abs. 5). Damit wird, abweichend vom allgemeinen Gewerberecht,38 einerseits angeordnet, dass Personenhandelsgesellschaften als solchen Bergbauberechtigungen erteilt oder verliehen werden können; andererseits wird klargestellt, dass die Erteilung von Bergbauberechtigungen an Gesellschaften bürgerlichen Rechts oder nicht rechtsfähige Vereine ausgeschlossen bleibt.39 Für die praktisch bedeutsamen Formen bergbaulicher Aufsuchungs- und Gewinnungsvorhaben, die als Gesellschaften bürgerlichen Rechts betrieben werden (Arbeitsgemeinschaften, Konsortien), kommt nur die Erteilung an die einzelnen Gesellschafter in Betracht, wobei die Beteiligung mehrerer Personen an einer Erlaubnis oder Bewilligung möglich ist (vgl. § 22 Abs. 1 Satz 1).40

III. Übertragung der Befugnis zur Ausübung der Bergbauberechtigung 14 Der Inhaber einer Bergbauberechtigung und der Unternehmer, der auf der Grundlage dieser Berechtigung einen Bergbaubetrieb führt, müssen nicht identisch sein (§ 4 Abs. 5, § 116 Abs. 1). Da § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 für Aufsuchungs- und Gewinnungsbetriebe aber den Nachweis der erforderlichen Berechtigung fordert, muss dem Unternehmer, der nicht selbst Inhaber der Bergbauberechtigung ist, die Befugnis zur Ausübung der Bergbauberechtigung eingeräumt sein. Der Gesetzgeber setzt die Zulässigkeit derartiger Vereinbarungen über die Ausübung einer Bergbauberechti37 Nicolaysen Bewilligung und Förderabgabe nach dem Bundesberggesetz, S. 24; a.A. Kühne in: Säcker (Hrsg.) Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, Kap. 3, Teil 1 Rn. 28 f. 38 Nach allgemeinem Gewerberecht ist bei Personengesellschaften jeder einzelne Gesellschafter Gewerbetreibender (Heß in: Stober [Hrsg.] Gewerberecht (1999), S. 261, 263). 39 BT-Drs. 8/1315, S. 85; Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht, Rn. 81; Kühne in: Säcker (Hrsg.) Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, Kap. 3, Teil 1 Rn. 41; für die Zulässigkeit einer Erteilung an Gesellschaften bürgerlichen Rechts Wörheide Die Bergbauberechtigungen nach dem Bundesberggesetz, S. 107 f. 40 BT-Drs. 8/1315, S. 93; Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht, Rn. 81; Kühne in: Säcker (Hrsg.) Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, Kap. 3, Teil 1 Rn. 41; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 6 Rn. 10. Franke/Karrenstein

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Erstes Kapitel – Bergfreie Bodenschätze

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gung durch Dritte voraus.41 In Betracht kommen schuldrechtliche Pachtvereinbarungen,42 beim Bergwerkseigentum auch dingliche Belastungen wie die Bestellung eines Nießbrauchs.43 Im Verhältnis zur Behörde bleibt der Inhaber der Bergbauberechtigung Adressat aller an 15 die Inhaberschaft anknüpfenden gesetzlichen Regelungen. Der Gesetzgeber setzt Vereinbarungen über die Ausübung einer Bergbauberechtigung durch Dritte zwar voraus, will diesen aber ersichtlich keine berechtsamsähnlichen Wirkungen zuordnen. Rechtliche Wirkungen haben Ausübungsvereinbarungen grundsätzlich nur im Verhältnis zwischen dem Berechtsamsinhaber und dem Dritten.44 Im behördlichen Verfahren spielt die Befugnis zur Ausübung einer einem anderen erteilten oder verliehenen Bergbauberechtigung nur im Rahmen der Prüfung nach § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 eine Rolle. Da kein Verantwortungsübergang erfolgt, bedürfen Vereinbarungen zur Ausübung einer Bergbauberechtigung nicht der Zustimmung der Behörde.45

§7 Erlaubnis (1)

1

Die Erlaubnis gewährt das ausschließliche Recht, nach den Vorschriften dieses Gesetzes in einem bestimmten Feld (Erlaubnisfeld) 1. die in der Erlaubnis bezeichneten Bodenschätze aufzusuchen, 2. bei planmäßiger Aufsuchung notwendigerweise zu lösende oder freizusetzende Bodenschätze zu gewinnen und das Eigentum daran zu erwerben, 3. die Einrichtungen im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 3 zu errichten und zu betreiben, die zur Aufsuchung der Bodenschätze und zur Durchführung der damit nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 2 im Zusammenhang stehenden Tätigkeiten erforderlich sind. 2 Bei einer Erlaubnis zur großräumigen Aufsuchung gilt Satz 1 mit den sich aus § 4 Abs. 1 Satz 2 ergebenden Einschränkungen. (2) Eine Erlaubnis zur Aufsuchung zu gewerblichen Zwecken schließt die Erteilung einer Erlaubnis zur großräumigen Aufsuchung sowie einer oder mehrerer Erlaubnisse zur Aufsuchung zu wissenschaftlichen Zwecken, eine Erlaubnis zur großräumigen Aufsuchung die Erteilung einer oder mehrerer Erlaubnisse zur Aufsuchung zu wissenschaftlichen Zwecken für dasselbe Feld nicht aus.

Übersicht I.

Allgemeines

1

II.

Erscheinungsformen der Erlaubnis

III. 1. 2. 3. 4.

Rechtsstellung des Erlaubnisinhabers 3 Allgemeines 5 Aufsuchungsrecht Errichtung und Betrieb von Einrichtungen 8 Gewinnungs- und Aneignungsrecht

2

IV. 1. 2.

Ausschließlichkeit der Rechte aus der Erlaubnis 10 Grundsatz; Verhältnis zur Bewilligung Einschränkungen der Ausschließlichkeit (Ab12 satz 2)

V.

Erlaubnis als eigentumsrechtliche Posi16 tion

7

41 Ludes Das Bergwerkseigentum gemäß § 9 BBergG in der Insolvenz des Bergwerkseigentümers, S. 73 f.; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 9 Rn. 24, § 22 Rn. 1, 4; zu Ausübungsvereinbarungen bei der Gewinnung grundeigener Bodenschätze BVerwG, 20.11.2008, 7 C 10/08, BVerwGE 132, 261 = ZfB 2009, 46 Rn. 29, 57. 42 Ebel/Weller ABG, § 50 Anm. 2; Isay ABG, Band 1, § 50 Rn. 56 ff.; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 9 Rn. 24. 43 Isay ABG, Band 1, § 50 Rn. 17. 44 So auch Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 22 Rn. 4, die aber eine analoge Anwendung des § 22 bejahen. 45 Eine analoge Anwendung bejahen Manten UPR 2010, 429, 432; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 22 Rn. 1. 121 https://doi.org/10.1515/9783110709285-020

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§7

Zweiter Teil – Bergbauberechtigungen

I. Allgemeines 1 Mit der Einführung einer Erlaubnispflicht für Aufsuchungsarbeiten knüpft der Gesetzgeber, wie bei der Gewinnungsberechtigung, an die rohstoffwirtschaftlichen Regelungsziele des echten Staatsvorbehalts an (vgl. § 6 Rn. 8 ff.), überführt aber die unterschiedlichen Formen der Übertragung des staatlichen Aufsuchungsrechts auf vorbehaltene Bodenschätze an den Privaten in ein öffentlich-rechtliches Konzessionssystem. In die Erlaubnispflicht einbezogen ist auch die Aufsuchung von bergfreien Bodenschätzen außerhalb des früheren Staatsvorbehalts. Das Prinzip der Schürffreiheit (§ 3 Abs. 1 ABG) für die der Bergbaufreiheit unterliegenden Bodenschätze wird damit aufgegeben.1 Aus dem System der Bergbaufreiheit übernimmt das Bundesberggesetz aber vor allem die rechtliche Bindung behördlicher Entscheidungen über die Erteilung von Bergbauberechtigungen.2 Der nach dem früheren Recht für den Bereich der Bergbaufreiheit bestehende Anspruch auf Verleihung von Bergwerkseigentum (§ 22 ABG) wird dementsprechend auf alle dem Verfügungsrecht des Grundeigentümers entzogenen Bodenschätze sowie alle Berechtigungen zur Gewinnung dieser Bodenschätze ausgedehnt und gilt auch für die neu eingeführte Aufsuchungserlaubnis (vgl. § 11 Rn. 2).

II. Erscheinungsformen der Erlaubnis 2 Das BBergG kennt drei Arten der Erlaubnis zur Aufsuchung bergfreier Bodenschätze (vgl. § 4 Rn. 2 ff.). Die Art der Erlaubnis ist bei der Erteilung zu bezeichnen (§ 16 Abs. 1 Satz 3). Bereits aus der Legaldefinition der Aufsuchung ergibt sich die Unterscheidung zwischen der Erlaubnis zur großräumigen Aufsuchung und sonstigen Aufsuchungserlaubnissen (§ 4 Abs. 1 Satz 2). Eine weitere Unterscheidung folgt daraus, dass § 4 Abs. 1 Satz 1 die Aufsuchung tätigkeitsbezogen, also grundsätzlich ohne Berücksichtigung des Aufsuchungszwecks definiert. Das heißt, dass auch die Aufsuchung zu wissenschaftlichen Zwecken erlaubnispflichtig ist, wenn die Merkmale des Aufsuchungsbegriffs objektiv erfüllt werden.3 Da zur Förderung wissenschaftlicher Aufsuchungsprojekte Ausnahmeregelungen hinsichtlich der Voraussetzungen und der Rechtsfolgen einer Erlaubnis zur Aufsuchung zu wissenschaftlichen Zwecken gelten, muss diese zur Erlaubnis zur Aufsuchung zu gewerblichen Zwecken abgegrenzt werden. Damit wird deutlich, dass die subjektive Zielsetzung von Aufsuchungsmaßnahmen beim Aufsuchungsbegriff (§ 4 Abs. 1) vor allem deshalb unberücksichtigt bleibt, um die Anwendung des bergrechtlichen Schutz- und Aufsichtsregimes unabhängig von der „Deklaration“4 des Aufsuchungszwecks zu gewährleisten;5 auf der Berechtsamsebene kommt es aber zur Unterscheidung zwischen den Erlaubnisarten auf die subjektive Zielsetzung von Aufsuchungsmaßnahmen an. Von wesentlicher Bedeutung bei der Ermittlung des Aufsuchungszwecks ist die Erklärung des Antragstellers, ob er eine Aufsuchung zu gewerblichen oder wissenschaftlichen Zwecken beabsichtigt, weil damit auch die Erklärung verbunden ist, dass er bei einem wissenschaftlichen Aufsuchungszeck auf die Privilegierung des Erlaubnisinhabers bei der Erteilung der Bewilligung (§ 12 Abs. 2, § 14 Abs. 1) verzichtet und sich verpflichtet, Inhaber von Bergbauberechtigungen an der Aufsuchung zu beteiligen (§ 11 Nr. 5, § 21).

1 2 3 4 5

Wörheide Die Bergbauberechtigungen nach dem Bundesberggesetz, S. 120 ff. Franke FS Kühne (2009), S. 507, 508 f. BT-Drs. 8/1315, S. 80. So ausdrücklich BT-Drs. 8/1315, S. 80. BVerwG 2.11.1995, 4 C 14/94, BVerwGE 100, 1, 5 f.

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III. Rechtsstellung des Erlaubnisinhabers 1. Allgemeines Das Recht aus der Erlaubnis umfasst die in Absatz 1 Satz 1 aufgeführten Einzelbefugnisse. Da- 3 nach hat der Erlaubnisinhaber im Verhältnis zu privaten Dritten das ausschließliche Recht zu Aufsuchungstätigkeiten sowie zu Errichtung und Betrieb der hierfür erforderlichen Einrichtungen (Nr. 1 und 3). Ferner gewährt die Erlaubnis die Befugnis zur Gewinnung und Aneignung von Bodenschätzen, die bei planmäßiger Aufsuchung notwendigerweise gewonnen werden müssen (Nr. 2). Im Gegensatz zur Bewilligung und zum Bergwerkseigentum fehlt für die Erlaubnis eine Regelung, dass der Erlaubnisinhaber die Ausschließlichkeit seiner Aufsuchungsberechtigung gegenüber privaten Dritten durch entsprechende Anwendung von Vorschriften des allgemeinen Zivilrechts durchsetzen kann. Ein gesetzgeberisches Versehen scheidet angesichts der abgestuften Regelungen zur Anwendbarkeit zivilrechtlicher Vorschriften in § 8 Abs. 2, § 9 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 aus. Auch die Anerkennung einer eigentumsähnlichen Position gegenüber privaten Dritten6 ist, abgesehen von der Unbestimmtheit der Reichweite des hierdurch gewährleisteten Schutzes, nicht zwingend, da das frühere Recht solche Abwehransprüche weder im unmittelbaren Geltungsbereich der Schürffreiheit noch im Bereich des Staatsvorbehalts kannte. Der Erlaubnisinhaber ist im Übrigen nicht schutzlos, weil Aufsuchungstätigkeiten Dritter, die in die Ausschließlichkeit seines Aufsuchungsrechts eingreifen, betriebsplanpflichtig wären; sie könnten, da der Dritte seine Berechtigung nachweisen müsste (§ 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1), von der Behörde nicht zugelassen werden.7 Die Benutzung fremden Oberflächeneigentums ist, wie nach früherem Recht, Gegenstand besonderer Regelungen (§§ 39, 40). Regelungen, durch die bergbauliche Tätigkeiten aus Gemeinwohlgründen ausgeschlossen 4 oder eingeschränkt werden, sind als Hindernisse für die Ausübung der Erlaubnis bei deren Erteilung nur ausnahmsweise zu berücksichtigen, wenn zu diesem Zeitpunkt erkennbar ist, dass bergbauliche Tätigkeiten im gesamten zuzuteilenden Feld ausgeschlossen sind (§ 11 Nr. 10). Der Erlaubnisinhaber kann also nicht darauf vertrauen, sein von vornherein unter „Ausübungsvorbehalt“ stehendes Aufsuchungsrecht in vollem Umfang nutzen zu können (§ 8 Rn. 23).8 Bei dem Erlass einschränkender Regelungen ist aber der verfassungsrechtliche Eigentumsschutz der Erlaubnis zu berücksichtigen (Rn. 16).

2. Aufsuchungsrecht Inhalt des Rechts zur Aufsuchung (Absatz 1 Satz 1 Nr. 1) sind die in § 4 Abs. 1 bezeichneten Tätig- 5 keiten. Erfasst werden danach alle Maßnahmen, die auf die Entdeckung oder Feststellung der Ausdehnung eines Bodenschatzes gerichtet sind. Eine Erlaubnis zur großräumigen Aufsuchung berechtigt nur zu den in § 4 Abs. 1 Satz 2 bezeichneten Aufsuchungstätigkeiten mittels geophysikalischer oder geochemischer Verfahren (Übersichtsprospektion); diese müssen auf die Ermittlung von Kennwerten beschränkt sein, die großräumige Rückschlüsse auf das mögliche Vorkommen von Bodenschätzen zulassen (Absatz 1 Satz 2). Räumlich ist die Aufsuchungsberechtigung auf das Erlaubnisfeld begrenzt, das den Anfor- 6 derungen des § 4 Abs. 7 entsprechen und in einer Karte (§ 3 Satz 1 Nr. 1 UnterlagenBergV) dargestellt sein muss (§ 11 Nr. 2). Sachlich kann sich das Gewinnungsrecht auf einen oder mehrere Bodenschätze beziehen. Entscheidend ist, welche Bodenschätze in der Erlaubnis bezeichnet 6 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 7 Rn. 4; zu weiteren Ansäzen für einen durch die Erlaubnis vermittelten Schutz gegenüber Dritten von Weschpfennig Strukturen des Bergrechts, S. 90 Fn. 18, 166. 7 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 7 Rn. 5. 8 BVerwG 26.3.1998, 4 A 2/97, BVerwGE 106, 290, 292; BGH 23.11.2000, III ZR 342/99, BGHZ 146, 99, 104; BGH 14.4.2011, III ZR 30/10, BGHZ 189, 231 Rn. 20. 123

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§7

Zweiter Teil – Bergbauberechtigungen

sind. Wegen des Antragsprinzips (§ 10 Satz 1) ist hierfür der Antrag maßgeblich, sofern nicht gesetzliche Versagungsgründe zu einer Einschränkung der Erlaubnis gegenüber dem Antrag führen (vgl. § 10 Rn. 2).

3. Errichtung und Betrieb von Einrichtungen 7 Entsprechend der Unterscheidung zwischen Tätigkeiten und Einrichtungen in § 2 Abs. 1 umfasst das durch die Bewilligung begründete Gewinnungsrecht auch die Errichtung und den Betrieb von Einrichtungen, die überwiegend einer bergbaulichen Tätigkeit dienen oder zu dienen zu bestimmt sind (Absatz 1 Satz 1 Nr. 3). Hieraus ergibt sich die Befugnis zur Errichtung und zum Betrieb der zur Erreichung des Aufsuchungszwecks erforderlichen Einrichtungen. In Betracht kommen übertägig angesetzte Erkundungsbohrungen, aber auch Schächte und Grubenbaue, die für eine untertägige Erkundung erforderlich sind.9 Auf der Berechtsamsebene ergibt sich aus der Einbeziehung der Einrichtungen in die durch die Erlaubnis begründeten Rechte insbesondere, dass unter den Voraussetzungen des § 40 für Errichtung und Betrieb der Einrichtungen grundsätzlich die Benutzung des Oberflächeneigentums verlangt werden kann.

4. Gewinnungs- und Aneignungsrecht 8 Im Rahmen der Aufsuchung wird vielfach die Gewinnung von Bodenschätzen unumgänglich sein; das gilt vor allem bei der untertägigen Aufsuchung. Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 begründet für diesen Fall ein begrenztes Gewinnungsrecht des Erlaubnisinhabers hinsichtlich der bei planmäßiger Aufsuchung notwendigerweise zu gewinnenden Bodenschätze. Das Gewinnungsrecht ist nicht auf den Bodenschatz begrenzt, auf den sich die Aufsuchungserlaubnis bezieht, sondern schließt alle Bodenschätze ein, deren Gewinnung zur Erreichung des Aufsuchungszwecks unumgänglich ist.10 Aus Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 ergibt sich das Gewinnungsrecht nur grundsätzlich. Ob im Einzelfall Bodenschätze gewonnen werden müssen, ist von der Behörde zu entscheiden (§ 41). Wegen des tätigkeitsbezogenen Gewinnungsbegriffs (§ 4 Abs. 2) bedurfte das Recht zur An9 eignung der im Rahmen von Aufsuchungstätigkeiten in Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 einer besonderen Regelung, da es sich bei bergfreien Bodenschätzen um herrenlose Sachen handelt.11 Wie bei dem durch die Bewilligung begründeten Aneignungsrecht wird damit ein Eigentumserwerb durch Dritte ausgeschlossen (vgl. § 8 Rn. 9).

IV. Ausschließlichkeit der Rechte aus der Erlaubnis 1. Grundsatz; Verhältnis zur Bewilligung 10 Die in Absatz 1 bezeichneten Rechte aus der Erlaubnis sind ausschließliche Rechte. Weitere Aufsuchungsberechtigungen auf den verliehenen Bodenschatz, die das Erlaubnisfeld ganz oder teilweise überdecken, dürfen daher nicht erteilt werden.12 9 BT-Drs. 8/1315, S. 85. 10 Frenz/Pottschmidt BBergG, § 7 Rn. 8; Wörheide Die Bergbauberechtigungen nach dem Bundesberggesetz, S. 286. Nach einhelliger Auffassung bezieht sich das Gewinnungsrecht des Erlaubnisinhabers auch auf grundeigene Bodenschätze und Grundeigentümermineralien. Wie bei der Mitgewinnung (§§ 42, 43) ist eine sachliche Rechtfertigung, grundeigene Bodenschätze und Grundeigentümermineralien unterschiedlich zu behandeln, nicht erkennbar (vgl. § 8 Rn. 11); so auch Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 41 Rn 4. 11 BT-Drs. 8/1315, S. 85. 12 Frenz/Pottschmidt BBergG, § 7 Rn. 11; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 7 Rn. 5. Franke/Karrenstein

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Erstes Kapitel – Bergfreie Bodenschätze

§7

Nicht ausgeschlossen ist die Erteilung einer Bewilligung, die eine bereits erteilte Erlaubnis 11 ganz oder teilweise überdeckt. Sofern der Antragsteller in der Lage ist, die gesetzlich vorgesehenen Darlegungspflichten zu erfüllen, kann eine Bewilligung auch unmittelbar beantragt werden.13 Der Erlaubnisinhaber soll durch einen solchen Antrag aber nicht überrascht werden, sondern zum Schutz seiner für die Aufsuchung getätigten Investitionen Gelegenheit erhalten, innerhalb einer Frist von drei Monaten selbst einen Bewilligungsantrag zu stellen; dieser hat Vorrang vor anderen Bewilligungsanträgen (§ 14 Abs. 1). Stellt der Erlaubnisinhaber keinen Bewilligungsantrag, kann die Bewilligung einem anderen Antragsteller erteilt werden. In diesem Fall steht die Erlaubnis der Ausschließlichkeit der Gewinnungsberechtigung entgegen, so dass sie nach § 18 Abs. 2 Satz 2 zu widerrufen ist.

2. Einschränkungen der Ausschließlichkeit (Absatz 2) Eine Erlaubnis zur Aufsuchung zu gewerblichen Zwecken schließt eine Erlaubnis zur großräumigen Aufsuchung sowie eine oder mehrere Erlaubnisse zur Aufsuchung zu wissenschaftlichen Zwecken für dasselbe Feld nicht aus (§ 7 Abs. 2 Halbsatz 1), wobei eine vollständige oder teilweise Überdeckung der Erlaubnisfelder in Betracht kommt (§ 21 Abs. 1). Auch neben einer Erlaubnis zur großräumigen Aufsuchung können eine oder mehrere Erlaubnisse zur Aufsuchung zu wissenschaftlichen Zwecken für dasselbe Feld erteilt werden (§ 7 Abs. 2 Halbsatz 2). Hauptsächlicher Zweck der Regelung ist die Förderung der wissenschaftlichen Aufsuchung; hierzu wird die Ausschließlichkeit der beiden anderen Erlaubnisarten sowie der Gewinnungsberechtigungen (§ 8 Abs. 3, § 9 Abs. 1 Satz 2) eingeschränkt.14 Die Einschränkung der Ausschließlichkeit durch Absatz 2 wird bei Erlaubnissen zur Aufsuchung zu wissenschaftlichen Zwecken zum einen durch das öffentliche Interesse an wissenschaftlicher Aufsuchung,15 zum anderen dadurch gerechtfertigt, dass ein wissenschaftlicher Aufsuchungszweck grundsätzlich nicht auf den Erwerb einer Gewinnungsberechtigung gerichtet ist, so dass auch die Vorschriften über die privilegierte Stellung des Erlaubnisinhabers bei der Erteilung einer Bewilligung (§ 12 Abs. 2, § 14 Abs. 1) nicht anwendbar sind. Eine Interessenkollision zwischen Erlaubnissen zu wissenschaftlichen Zwecken und anderen Erlaubnissen kann daher ausgeschlossen werden.16 Bei der großräumigen Aufsuchung (§ 4 Abs. 1 Satz 2), die erst im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens als besondere Erlaubnisart eingeführt worden ist, werden bereits erteilte Bergbauberechtigungen nur zur Ermittlung von Kennwerten einbezogen, die großräumige Rückschlüsse auf das mögliche Vorkommen von Bodenschätzen zulassen. Bei der Einführung der Erlaubnis zur Übersichtsprospektion ist den Interessen der Inhaber betroffener Bergbauberechtigungen dadurch Rechnung getragen worden, dass diese verlangen können, an der Aufsuchung beteiligt zu werden.17 Diese Regelungen, die auch auf das Verhältnis zwischen Erlaubnissen zur Aufsuchung zu gewerblichen und zu wissenschaftlichen Zwecken ausgedehnt worden sind,18 rechtfertigen die Einschränkung der Ausschließlichkeit der betroffenen Bergbauberechtigungen. § 21 Abs. 1 sieht hierzu vor, dass die Behörde den Inhabern von Bergbauberechtigungen, deren Felder durch Aufsuchungserlaubnisse zur großräumigen Aufsuchung oder zu wissenschaftlichen Zwecken ganz oder teilweise überdeckt werden, den Inhalt dieser Erlaubnisse mitzuteilen hat. Die Berechtigten können innerhalb einer Frist von sechs Wochen beantragen, dass die Behörde ihre 13 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 12 Rn. 2; Hoppe Nationalpark-Verordnung „Niedersächsisches Wattenmeer“ und bergbauliche Berechtigungen, S. 39. 14 BT-Drs. 8/1315, S. 85; Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht, Rn. 83. 15 BT-Drs. 8/1315, S. 85. 16 BT-Drs. 8/1315, S. 85. 17 BT-Drs. 8/1315, S. 133; Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht, Rn. 83. 18 BT-Drs. 8/1315, S. 133, 135. 125

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Beteiligung an der Aufsuchung verlangt, sofern die Übernahme eines entsprechenden Teils der Aufsuchungskosten glaubhaft gemacht wird (§ 21 Abs. 2). Die Inhaber von Aufsuchungserlaubnissen zur großräumigen Aufsuchung oder zu wissenschaftlichen Zwecken müssen sich vor Erlaubniserteilung verpflichten, diesem Verlangen der Behörde zu entsprechen (§ 11 Nr. 5).

V. Erlaubnis als eigentumsrechtliche Position 16 Die Aufsuchungserlaubnis wird durch Art. 14 GG als eigentumsrechtliche Position geschützt (vgl. § 8 Rn. 20 ff.).19 Der verfassungsrechtliche Schutz verdichtet sich in dem Maße, in dem die Erlaubnis unter Einsatz von Kapital und Leistung des Berechtsamsinhabers ausgeübt wird (vgl. § 8 Rn. 20). Beim Erlass von Regelungen, durch die bergbauliche Tätigkeiten ausgeschlossen oder eingeschränkt werden, ist daher nicht nur das Interesse des Erlaubnisinhabers an der Fortsetzung der Aufsuchung, sondern auch die durch fortgeschrittene Aufsuchung erworbene Anwartschaft auf spätere Gewinnungsmöglichkeiten zu berücksichtigen;20 der durch § 12 Abs. 2, § 14 Abs. 1 begründete Anspruch des Erlaubnisinhabers auf Berücksichtigung seiner mit Blick auf eine spätere Gewinnung erbrachten Vorleistungen ist aber nicht als eigentumsrechtliche Position geschützt.21

§8 Bewilligung (1) Die Bewilligung gewährt das ausschließliche Recht, nach den Vorschriften dieses Gesetzes 1. in einem bestimmten Feld (Bewilligungsfeld) die in der Bewilligung bezeichneten Bodenschätze aufzusuchen, zu gewinnen und andere Bodenschätze mitzugewinnen sowie das Eigentum an den Bodenschätzen zu erwerben, 2. die bei Anlegung von Hilfsbauen zu lösenden oder freizusetzenden Bodenschätze zu gewinnen und das Eigentum daran zu erwerben, 3. die erforderlichen Einrichtungen im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 3 zu errichten und zu betreiben, 4. Grundabtretung zu verlangen. (2) Auf das Recht aus der Bewilligung sind, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die für Ansprüche aus dem Eigentum geltenden Vorschriften des bürgerlichen Rechts entsprechend anzuwenden. (3) Die Bewilligung schließt die Erteilung einer Erlaubnis zur großräumigen Aufsuchung sowie einer oder mehrerer Erlaubnisse zur Aufsuchung zu wissenschaftlichen Zwecken für dasselbe Feld nicht aus.

Übersicht I.

Allgemeines

1

II.

Gewinnungs- und Aneignungsrecht

1. 2.

3 Gewinnungsrecht Errichtung und Betrieb von Einrichtungen

7

19 BGH 9.12.2004, III ZR 263/04, BGHZ 161, 305, 313 = DVBl 2005, 373, 375. 20 Karpen AöR 106 (1981), 15, 19; Kühne FS Börner (1992), S. 565, 578; Kühne in: Säcker (Hrsg.) Handbuch zum deutschrussischen Energierecht, Kap. 3, Teil 1 Rn. 48 ff.; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 12 Rn. 11 f.; Westermann Freiheit des Unternehmers und des Grundeigentümers und ihre Pflichtenbindungen im öffentlichen Interesse nach dem Referentenentwurf eines Bundesberggesetzes, S. 36 f.; von Weschpfennig Strukturen des Bergrechts, S. 166. 21 BVerfG 13.4.2007, 1 BvR 284/05 = ZfB 2008, 85; BGH 9.12.2004, III ZR 263/04, BGHZ 161, 305, 313 = DVBl 2005, 373, 375. Franke/Karrenstein https://doi.org/10.1515/9783110709285-021

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Erstes Kapitel – Bergfreie Bodenschätze

3. 4.

Aneignungsrecht 9 10 Nebenrechte

III. 1.

Ausschließlichkeit der Bewilligung Ausschließlichkeit der Rechte aus der Bewilli13 gung Duldungspflicht des Oberflächeneigentü14 mers

2.

1. 2.

3. IV.

§8

16 Rechtswirkungen der Bewilligung Anwendbarkeit der Vorschriften über das Eigentum 17 a) Anwendbare Vorschriften b) Verhältnis zu anderen Bergbaubetrie18 ben c) Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 19 BGB 20 Verfassungsrechtlicher Eigentumsschutz

Bewilligung als eigentumsrechtliche Position

I. Allgemeines Die Bewilligung war in den ersten Entwürfen zum Bundesberggesetz als einzige Art der Gewinnungs- 1 berechtigung vorgesehen.1 Erstmals in dem in der 8. Wahlperiode eingebrachten Regierungsentwurf war das Bergwerkseigentum (§ 9) als weiteres Gewinnungsrecht enthalten (vgl. § 9 Rn. 1). Schon dieser entstehungsgeschichtliche Zusammenhang macht deutlich, dass der Gesetzgeber mit der Bewilligung keine am früheren Bergwerkseigentum orientierte Art der Gewinnungsberechtigung einführen wollte.2 Bestimmend war vielmehr das Ziel, mit der Erteilung der Gewinnungsberechtigung staatliche Einflussmöglichkeiten auf die Rohstoffgewinnung bei gleichzeitiger Vereinfachung des Verfahrens zur Vergabe von Bergbauberechtigungen zu sichern; dies wird durch die Umgestaltung zu einem öffentlich-rechtlichen Konzessionssystem erreicht, so dass die Rechtsposition des Bewilligungsinhabers wesentlich durch behördliche Entscheidungen bestimmt wird (vgl. § 6 Rn. 8 ff.). Wegen der nach Absatz 2 auf das Recht aus der Bewilligung entsprechend anwendbaren zivil- 2 rechtlichen Vorschriften bestimmt sich das Verhältnis des Bewilligungsinhabers zu privaten Dritten zwar nach zivilrechtlichen Grundsätzen, wird aber durch die weitreichenden behördlichen Handlungsmöglichkeiten überlagert. Insbesondere werden die Vorschriften des bürgerlichen Rechts nicht deshalb für anwendbar erklärt, um das Recht aus der Bewilligung als dingliches Recht auszugestalten.3 Vielmehr hat die entsprechende Anwendung zivilrechtlicher Vorschriften lediglich eine instrumentelle Funktion,4 um dem Bewilligungsinhaber die Möglichkeit zu geben, die Ausschließlichkeit seines Gewinnungsrechts gegenüber privaten Dritten mit privatrechtlichen Mitteln durchzusetzen. Die bei Inkrafttreten des Bundesberggesetzes geführte Diskussion, ob der öffentlich-rechtliche oder der zivilrechtliche Einschlag der Bewilligung überwiegt,5 ist daher ohne praktische Bedeutung.

II. Gewinnungs- und Aneignungsrecht 1. Gewinnungsrecht Das Gewinnungsrecht des Inhabers einer Bergbauberechtigung umfasste nach früherem Berg- 3 recht sowohl die Befugnis zur Vornahme von Betriebshandlungen zum Zweck der Gewinnung als 1 BT-Drs. 8/1315, S. 85; in den Referentenentwürfen und in dem von der Bundesregierung noch in der 7. Wahlperiode dem Bundesrat zugeleiteten Entwurf eines Bundesberggesetzes (BR-Drs. 350/75) waren keine Regelungen über das Bergwerkseigentum vorgesehen. 2 So aber BGH 19.9.2008, V ZR 28/08, BGHZ 178, 90 = ZfB 2009, 65 Rn. 11; Lemke in: Kühne/Ehricke (Hrsg.) Bergrecht zwischen Tradition und Moderne, S. 26. 3 BT-Drs. 8/1315, S. 86. 4 Nicolaysen Bewilligung und Förderabgabe nach dem Bundesberggesetz, S. 27 („lediglich ergänzende Bedeutung“). 5 Karpen AöR 106 (1981), S. 15, 23 ff.; Westermann Freiheit des Unternehmers und des Grundeigentümers, S. 42 ff. 127

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§8

Zweiter Teil – Bergbauberechtigungen

auch das Recht zum Eigentumserwerb an den gewonnenen Bodenschätzen und wurde daher allgemein als Aneignungsrecht verstanden.6 § 4 Abs. 2 definiert den Gewinnungsbegriff hingegen rein tätigkeitsbezogen (vgl. § 4 Rn. 7). Im Rahmen des § 8 musste daher zwischen Gewinnungsund Aneignungsrecht unterschieden werden. Inhalt des Gewinnungsrechts sind nur Gewinnungstätigkeiten;7 das Recht zum Erwerb des Eigentums an den gewonnenen Bodenschätzen ergibt sich aus dem in Absatz 1 Nr. 1 als weiteres Recht aus der Bewilligung begründeten Aneignungsrecht (Rn. 9). Ferner umfasst die Bewilligung nicht die vom Gewinnungsbegriff ausgenommenen Tätigkeiten (§ 4 Abs. 2 Hs. 2). Die Ausschließlichkeit der Bewilligung steht der Ausübung dieser Tätigkeiten durch Dritte nicht entgegen. Insbesondere ist die oberflächennahe Erdwärmenutzung zur Beheizung von Gebäuden auch innerhalb eines auf Erdwärme verliehenen Bewilligungsfeldes zulässig.8 Räumlich ist die Gewinnungsberechtigung auf das Bewilligungsfeld begrenzt, das den An4 forderungen des § 4 Abs. 7 entsprechen und in einem Lageriss (§ 3 Satz 1 Nr. 2 UnterlagenBergV) dargestellt sein muss (§ 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2). Umstritten ist der Umfang des Gewinnungsrechts, wenn die Lagerstätte eines flüssigen oder gasförmigen Bodenschatzes von mehreren Bewilligungsfeldern überdeckt wird. Die Auffassung, dass die Bewilligung bei Förderung mittels einer im Bewilligungsfeld niedergebrachten Bohrung auch zur Gewinnung des aus der Nachbarberechtigung nachströmenden Bodenschatzes berechtige („Bohrlochprinzip“),9 widerspricht dem vom Gesetzgeber sonst beachteten Rechtsgedanken, dass die Gewinnung von Bodenschätzen aus einer fremden Berechtigung nicht entschädigungslos hingenommen werden muss (§ 37, § 42 Abs. 2 und 3). Zudem gibt das Bohrlochprinzip den Anreiz, die Förderung auch dann zu maximieren, wenn eine planmäßige Erschließung der Lagerstätte besser durch Gewinnungsbohrungen im Nachbarfeld ermöglicht würde;10 dies entspricht nicht dem Gesetzesziel (§ 1 Nr. 1), die Rohstoffgewinnung zu ordnen und zu fördern.11 Die Praxis orientiert sich am „Lagerstättenprinzip“,12 nach dem der Umfang der Gewinnungsberechtigung sich danach bestimmt, in welcher Menge der Bodenschatz ursprünglich im jeweiligen Bewilligungsfeld vorhanden war.13 5 Sachlich kann sich das Gewinnungsrecht auf einen oder mehrere Bodenschätze beziehen. Entscheidend ist, welche Bodenschätze in der Bewilligung bezeichnet sind. Ob die Bewilligung sich auf einen oder mehrere bergfreie Bodenschätze bezieht, ist wegen des im Verfahren zur Erteilung von Bergbauberechtigungen geltenden Antragsprinzips (§ 10) in erster Linie vom Antragsteller zu entscheiden. Gegenstand der Bewilligung kann aber nur ein für alle Bodenschätze einheitlich begrenztes Bewilligungsfeld sein; dieses kann später nur räumlich, aber nicht nach Bodenschätzen geteilt werden (§ 28).14 Soweit der Gesetzgeber im Bodenschätzekatalog des § 3 zwingende Verknüp6 Ebel/Weller ABG, § 50 Anm. 2a; Isay ABG, Band 1, § 50 Rn. 2; Turner Das bergbauliche Berechtsamswesen, S. 139 f.; Willecke/Turner Grundriß des Bergrechts, S. 89 f.

7 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 8 Rn. 10. 8 Franke in: Burgi (Hrsg.) Planungssicherheit im Energiewirtschaftsrecht, S. 93, 103; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 4 Rn. 20; mit anderem Begründungsansatz (Begrenzung des Begriffs der Erdwärme i.S.d. § 3 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 auf wirtschaftlich bedeutende Erdwärmevorkommen) von Hammerstein FS Salje (2013), S. 201, 205 ff., 208 ff. 9 Mössner FS Thieme (1983), S. 1023, 1030 ff. 10 Von Hammerstein FS Kühne (2009), S. 575, 580 f.; Kühne FS Max-Planck-Institut für Privatrecht (2001), S. 363, 374. 11 Von Hammerstein FS Kühne (2009, S. 575, 578 ff.; Kühne FS Max-Planck-Institut für Privatrecht (2001), S. 363, 375 f. Das BVerwG 4.12.2001, 4 C 2/00, BVerwGE 115, 274, 286, hat betont, dass das Bohrlochprinzip kein dem Gesetzgeber vorgegebener oder gar bindender Grundsatz sei. 12 Von Hammerstein FS Kühne (2009), S. 575, 577; Kühne FS Max-Planck-Institut für Privatrecht (2001), S. 363, 375 f.; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 8 Rn. 10; Wörheide Die Bergbauberechtigungen nach dem Bundesberggesetz, S. 412 ff. 13 Frenz/Pottschmidt BBergG, § 8 Rn. 10; von Hammerstein FS Kühne (2009), S. 575, 581 f. Auch in dem vom BVerwG, 4.12.2001, 4 C 2/00, BVerwGE 115, 274, entschiedenen Fall einer grenzüberschreitenden Erdöl- und Erdgasgewinnung war eine Aufteilung nach dem Lagerstättenprinzip staatsvertraglich vereinbart. 14 Frenz/Pottschmidt BBergG, § 8 Rn. 7. Für die Zulässigkeit einer Teilung nach Bodenschätzen durch analoge Anwendung des § 28 Kühne ZfB 2008, 49, 51 ff.; vgl. auch § 28 Rn. 2. Franke/Karrenstein

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Erstes Kapitel – Bergfreie Bodenschätze

§8

fungen vorgenommen hat, sind die Behörde und der Antragsteller hieran gebunden. Das gilt insbesondere für die durch die „Nebstklauseln“ in § 3 Abs. 3 Satz 1 2. bis 4. Gruppe vorgenommenen Zuordnungen für Bodenschätze, die typischerweise zusammen vorkommen. Soweit diese Nebstklauseln eine lagerstättenbezogene Zuordnungswirkung entfalten, sind die von ihr erfassten Bodenschätze nicht mehr selbständig verleihbar, sondern können nur Gegenstand der Bewilligung für den Bodenschatz sein, dem sie durch die Nebstklausel zugeordnet sind.15 Die Nebstklausel in § 3 Abs. 3 Satz 1 3. Gruppe ist hingegen betriebsbezogen zu verstehen. Eine bestehende Bergbauberechtigung auf Stein- oder Braunkohle schließt daher die Erteilung einer Bewilligung auf Kohlenwasserstoffe in demselben Bereich nicht aus, auch wenn Kohlenwasserstoffe zu den im Zusammenhang mit der Kohlegewinnung auftretenden Gasen gehören.16 Der Bewilligungsinhaber ist nicht nur zur Gewinnung, sondern auch zur Aufsuchung im 6 Bewilligungsfeld ausschließlich berechtigt (Absatz 1 Nr. 1). Das entspricht der Rechtslage vor dem BBergG (§ 54 ABG) und ergab sich nach früherem Recht schon daraus, dass die Schürfarbeiten zum Zweck der Erlangung der Gewinnungsberechtigung erfolgen mussten; Aufsuchungstätigkeiten, die erst nach Erteilung der Gewinnungsberechtigung vorgenommen wurden, wurden daher dem Bergbaubetrieb zugeordnet.17 Das BBergG hält hieran trotz des Übergangs zu einem tätigkeitsbezogenen Aufsuchungsbegriff fest. Zwar ist der Nachweis, dass Bodenschätze entdeckt worden sind, bereits Voraussetzung für die Erteilung der Bewilligung (§ 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1). Für die weitere betriebliche Planung der Gewinnung sind aber in der Regel Feststellungen hinsichtlich der Ausdehnung eines Bodenschatzes erforderlich (§ 4 Abs. 1 2. Alt.). Der Bewilligungsinhaber soll im Bewilligungsfeld auch zu solchen umfassenden Aufsuchungstätigkeiten hinsichtlich des ihm verliehenen Bodenschatzes berechtigt sein, ohne dass er hierfür einer Aufsuchungserlaubnis bedarf. Die Ausschließlichkeit der Bewilligung bezieht sich auch auf diese Tätigkeiten, so dass für den durch eine Bewilligung verliehenen Bodenschatz einem anderen keine Aufsuchungserlaubnis mehr erteilt werden kann.18

2. Errichtung und Betrieb von Einrichtungen Entsprechend der Unterscheidung zwischen Tätigkeiten und Einrichtungen in § 2 Abs. 1 umfasst 7 das durch die Bewilligung begründete Gewinnungsrecht auch die Errichtung und den Betrieb von Einrichtungen, die überwiegend einer bergbaulichen Tätigkeit dienen oder zu dienen zu bestimmt sind (Absatz 1 Nr. 3). Hieraus ergibt sich die Befugnis zur Errichtung und zum Betrieb der in den einzelnen Bergbauzweigen zur Ausübung der Bergbauberechtigung erforderlichen Einrichtungen; im untertägigen Bergbau gehören hierzu das Grubengebäude einschließlich der Einrichtungen, die für eine den sicherheitlichen Anforderungen entsprechende Gewinnung erforderlich sind, im übertägigen Bergbau die Errichtung des Tagebaus einschließlich der Böschungssicherung sowie im Erdöl- und Erdgasbergbau die Einrichtungen zum Niederbringen von Bohrungen.19 Errichtung und Betrieb von Einrichtungen im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 3 unterliegen nicht nur 8 der Betriebsplanpflicht, sondern vielfach auch besonderen Anforderungen durch Bergverordnun15 Kühne Rechtsfragen der Aufsuchung und Gewinnung von in Steinkohleflözen beisitzendem Methangas, S. 32 ff.; Franke in: Burgi (Hrsg.) Planungssicherheit im Energiewirtschaftsrecht, S. 93, 99.

16 Kühne Rechtsfragen der Aufsuchung und Gewinnung von in Steinkohleflözen beisitzendem Methangas, S. 48 ff.; Franke RdE 1994, 1, 4 f.; Franke in: Burgi (Hrsg.) Planungssicherheit im Energiewirtschaftsrecht, S. 93, 99 f.; Franke in: Frenz/Preuße (Hrsg.) Chancen und Risiken von unkonventionellem Erdgas, S. 9, 11. 17 Ebel/Weller ABG, § 3 Anm. 2; Isay ABG, Band 1, § 3 Rn. 2, § 54 Rn. 3; Willecke/Turner Grundriß des Bergrechts, S. 58. 18 BT-Drs. 8/1315, S. 86; Ludes Das Bergwerkseigentum gemäß § 9 BBergG in der Insolvenz des Bergwerkseigentümers, S. 31; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 8 Rn. 9; Frenz/Pottschmidt BBergG, § 8 Rn. 5, 8. 19 BT-Drs. 8/1315, S. 86; Frenz/Pottschmidt BBergG, § 8 Rn. 16; Ludes Das Bergwerkseigentum gemäß § 9 BBergG in der Insolvenz des Bergwerkseigentümers, S. 29 f. 129

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§8

Zweiter Teil – Bergbauberechtigungen

gen sowie zusätzlichen bergrechtsexternen Genehmigungserfordernissen. Auf der Berechtsamsebene ergibt sich aus der Zuordnung der Einrichtungen zur Gewinnungsberechtigung vor allem eine Festlegung des Umfangs der Duldungspflicht des Oberflächeneigentümers sowie des Umfangs des Gewinnungsbetriebs, für den eine Grundabtretung grundsätzlich möglich ist (§ 77 Abs. 1).

3. Aneignungsrecht 9 Das durch die Bewilligung begründete Aneignungsrecht an den gewonnenen Bodenschätzen bedurfte wegen des tätigkeitsbezogenen Gewinnungsbegriffs einer besonderen Regelung. Der Eigentumserwerb selbst erfolgt nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen. Bergfreie Bodenschätze sind herrenlose Sachen.20 Mit dem Eigenbesitzerwerb durch den Gewinnungsvorgang erwirbt der Bergbautreibende das Eigentum an den Bodenschätzen (§ 958 Abs. 1 BGB).21 Die Ausübung des Aneignungsrechts für herrenlose Sachen durch jedermann wird für bergfreie Bodenschätze jedoch durch den Erlaubnisvorbehalt nach § 6 ausgeschlossen und mit dem Erwerb der Gewinnungsberechtigung durch Absatz 1 Nr. 1 als ausschließliches Recht dem Bewilligungsinhaber zugeordnet. Ein Eigentumserwerb durch Dritte ist damit nicht mehr möglich, weil das durch die Bewilligung begründete Aneignungsrecht verletzt würde (§ 958 Abs. 2 BGB).22

4. Nebenrechte 10 Neben dem Gewinnungs- und Aneignungsrecht ergibt sich aus der Bewilligung das Recht des Bewilligungsinhabers, andere Bodenschätze mitzugewinnen (Absatz 1 Nr. 1), die bei der Anlegung von Hilfsbauen zu lösenden oder freizusetzenden Bodenschätze zu gewinnen und das Eigentum daran zu erwerben (Absatz 1 Nr. 2) sowie Grundabtretung zu verlangen (Absatz 1 Nr. 4). Kennzeichnend für diese Nebenrechte ist, dass sie dem Bewilligungsinhaber Befugnisse außerhalb der sachlichen oder räumlichen Grenzen seiner Gewinnungsberechtigung einräumen, wenn deren sachgerechte Ausübung die Vornahme von feldesexternen Betriebshandlungen oder die Benutzung des Oberflächeneigentums erfordert. Weil damit in fremde Gewinnungsrechte oder das Grundeigentum eingegriffen wird, werden die Nebenrechte durch die Bewilligung nur grundsätzlich eingeräumt.23 Ob sie dem Bewilligungsinhaber im Einzelfall zustehen, ist Gegenstand konkretisierender Regelungen;24 danach hat die Behörde zu entscheiden, ob der Eingriff in das fremde Gewinnungsrecht oder das Grundeigentum unter Berücksichtigung der Interessen des Dritten erforderlich ist (vgl. § 42 Rn. 2, 9 ff., § 45 Rn. 2, vor §§ 77 bis 106 Rn. 6 ff.). 11 Das Mitgewinnungsrecht sowie das Gewinnungs- und Aneignungsrecht bei der Anlegung von Hilfsbauen regeln den Fall, dass die Gewinnung von Bodenschätzen, die von der Bewilligung nicht umfasst werden, unumgänglich ist, weil Bodenschätze, die Gegenstand anderer Gewinnungsberechtigungen sind, im Falle der Mitgewinnung aus berg- und sicherheitstechnischen Gründen nur 20 BT-Drs. 8/1315, S. 84; Badura Das Verwaltungsmonopol, S. 148; Ebel/Weller ABG, § 1 Anm. 3e; Isay ABG, Band 1, § 1 Rn. 2; Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht, Rn. 56; Ludes Das Bergwerkseigentum gemäß § 9 BBergG in der Insolvenz des Bergwerkseigentümers, S. 25; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 6 Rn. 1; Schmidt-Aßmann/Schoch Bergwerkseigentum und Grundeigentum im Betriebsplanverfahren, S. 77; Sehling Die Rechtsverhältnisse an den der Verfügung des Grundeigentümers nicht entzogenen Mineralien, S. 50 ff.; Steffen ZfB 1961, 310, 313 ff.; Turner Das bergbauliche Berechtsamswesen, S. 111 ff.; Willecke/Turner Grundriß des Bergrechts, S. 8; Zydek = ZfB 1958, 178, 179. 21 Isay ABG, Band 1, § 50 Rn. 2; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 8 Rn. 10; Sehling Die Rechtsverhältnisse an den der Verfügung des Grundeigentümers nicht entzogenen Mineralien, S. 59; Zydek ZfB 1958, 178, 184. 22 Isay ABG, Band 1, § 50 Rn. 2; Sehling Die Rechtsverhältnisse an den der Verfügung des Grundeigentümers nicht entzogenen Mineralien, S. 59. 23 BGH 23.11.2000, III ZR 342/99, BGHZ 146, 98, 103; BVerwG 24.6.2010, 7 C 16/09 = ZfB 2010, 136 Rn. 13. 24 BT-Drs. 8/1315, S. 86. Franke/Karrenstein

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Erstes Kapitel – Bergfreie Bodenschätze

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gemeinschaftlich gewonnen werden können oder bei der Anlegung von Hilfsbauen zwangsläufig gelöst oder freigesetzt werden. Die auf der Bewilligung beruhenden Nebenrechte stehen nach §§ 34, 43 auch dem Inhaber einer Gewinnungsberechtigung auf grundeigene Bodenschätze zu. Der Gesetzgeber will demnach beim Zusammentreffen von Gewinnungsrechten unterschiedlicher Art wechselseitig gleiche Nebenrechte einräumen. Eine sachliche Rechtfertigung, hierbei grundeigene Bodenschätze und Grundeigentümermineralien unterschiedlich zu behandeln, ist nicht erkennbar; §§ 34, 43 sind daher auch auf Grundeigentümermineralien anzuwenden.25 Bei einer Kollision von Gewinnungsrechten besteht nach diesem Regelungskonzept kein Vorrang der Berechtigung auf bergfreie Bodenschätze. Diese sind zwar wegen ihrer volkswirtschaftlichen Bedeutung dem Verfügungsrecht des Grundeigentümers entzogen. Dabei steht aber der Gesichtspunkt im Vordergrund, eine von Grundstücksgrenzen unabhängige Aufsuchung und Gewinnung zu ermöglichen.26 Eine darüber hinausgehende Privilegierung für den Fall einer Kollision mit Gewinnungsrechten des Grundeigentümers ist hingegen nicht gewollt. Vielmehr geht der Gesetzgeber von der Gleichrangigkeit der Gewinnungsrechte für bergfreie und sonstige Bodenschätze aus,27 wobei im Falle des Zusammentreffens von Gewinnungsinteressen in demselben Bereich der Prioritätsgrundsatz maßgeblich ist.28 Auch der grundsätzliche Anspruch des Bewilligungsinhabers auf Grundabtretung ergibt sich 12 aus der bei der Ausübung der Bewilligung zwangsläufigen Kollision mit der Rechtsposition eines Dritten,29 weil für den Bergbaubetrieb, insbesondere für die Errichtung übertägiger bergbaulicher Anlagen oder die Zufahrt zum Betrieb, Oberflächeneigentum benutzt werden muss. Die Auflösung dieses Kollisionsverhältnisses im Einzelfall ist Aufgabe des als privatnützige Enteignung ausgestalteten Grundabtretungsverfahrens (§§ 77 ff.). Weil Absatz 1 Nr. 4 einen Anspruch auf Grundabtretung nur grundsätzlich begründet, ist das Vorliegen der Grundabtretungsvoraussetzungen eigenständig zu prüfen, wobei eine Abwägung der für und gegen das Vorhaben sprechenden öffentlichen und privaten Belange geboten ist.30 In diesem Rahmen ist zu berücksichtigen, dass der Grundabtretungsanspruch „unter Abwägungsvorbehalt“ in der Bewilligung angelegt ist, weil der Bergbautreibende in der Regel auf die Benutzung des Oberflächeneigentums angewiesen ist.

III. Ausschließlichkeit der Bewilligung 1. Ausschließlichkeit der Rechte aus der Bewilligung Die in Absatz 1 bezeichneten Rechte aus der Bewilligung sind ausschließliche Rechte. Weitere 13 Gewinnungsberechtigungen auf den verliehenen Bodenschatz, die das Bewilligungsfeld ganz oder teilweise überdecken, dürfen daher nicht erteilt werden.31 Da die Bewilligung zur Aufsuchung und Gewinnung berechtigt, ist auch die Erteilung von Aufsuchungserlaubnissen grundsätzlich ausgeschlossen.32 Das gilt nach Absatz 3 nicht für die Erteilung einer Erlaubnis zur großräumigen Aufsuchung sowie einer oder mehrerer Erlaubnisse zur Aufsuchung zu wissenschaftli25 26 27 28 29

BGH 12.10.2000, III ZR 242/98, BGHZ 145, 316, 327 = ZfB 2001, 81, 86 f. Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 3 Rn. 12. BGH 12.10.2000, III ZR 242/98, BGHZ 145, 316, 327 = ZfB 2001, 81, 86 f. BGH 12.10.2000, III ZR 242/98, BGHZ 145, 316, 327 = ZfB 2001, 81, 86 f. Kühne FS Säcker (2011), S. 105, 107 f. und Schulte Eigentum und öffentliches Interesse, S. 287 ff., ziehen eine Parallele zum Notwegrecht (§ 917 BGB). 30 BVerwG 14.12.1990, 7 C 5/90, BVerwGE 87, 241, 250 f. = ZfB 1991, 129, 136 f.; BVerwG 20.11.2008, 7 C 10/08, BVerwGE 132, 261 = ZfB 2009, 46 Rn. 15, 21; BVerfG 17.12.2013, 1 BvR 3139/08, 3386/08, BVerfGE 134, 242 Rn. 281 = ZfB 2014, 49 Rn. 282. 31 Zur Ausschließlichkeit als zentralem Element der durch die Erteilung von Bergbauberechtigungen vermittelten Rechtsstellung von Weschpfennig Strukturen des Bergrechts, S. 88, 166, 169. 32 BT-Drs. 8/1315, S. 86; Ludes Das Bergwerkseigentum gemäß § 9 BBergG in der Insolvenz des Bergwerkseigentümers, S. 31; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 8 Rn. 7. 131

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Zweiter Teil – Bergbauberechtigungen

chen Zwecken. Bei Erlaubnissen zur Aufsuchung zu wissenschaftlichen Zwecken wird die Einschränkung der Ausschließlichkeit dadurch gerechtfertigt, dass eine Interessenkollision mit einer Gewinnungsberechtigung ausgeschlossen werden kann (vgl. § 7 Rn. 13). Bei der großräumigen Aufsuchung (§ 4 Abs. 1 Satz 2) werden bereits verliehene Bewilligungsfelder nur zur Ermittlung von Kennwerten einbezogen, die großräumige Rückschlüsse auf das mögliche Vorkommen von Bodenschätzen zulassen. Den Interessen des Inhabers einer Gewinnungsberechtigung wird vor allem dadurch Rechnung getragen, dass er verlangen kann, an der Aufsuchung beteiligt zu werden (vgl. § 7 Rn. 14 f.).

2. Duldungspflicht des Oberflächeneigentümers 14 Mit der Ausschließlichkeit des Gewinnungsrechts wollte der Gesetzgeber erklärtermaßen auch die Pflicht des Grundeigentümers zur Duldung bergbaulicher Einwirkungen auf das Oberflächeneigentum begründen.33 Damit wird im Verhältnis zum Bergbau insbesondere ein Abwehranspruch des Grundeigentümers aufgrund § 1004 BGB ausgeschlossen; als Ausgleich hierfür besteht eine verschuldensunabhängige Bergschadenshaftung (§§ 114 ff.). Begrenzt wird die Duldungspflicht bei erheblichen Beeinträchtigungen des Oberflächeneigentums vor allem durch den seit der MoersKapellen-Entscheidung in der Rechtsprechung entwickelten präventiven Schutzanspruch des Grundeigentümers auf Berücksichtigung seiner Belange im Betriebsplanverfahren (vgl. § 48 Rn. 62 ff., 84 ff., 92 ff.).34 Ansätze zu einer zivilrechtlichen Einschränkung der Duldungspflicht des Grundeigentümers haben sich nicht durchsetzen können.35 15 Die Duldungspflicht des Grundeigentümers besteht im sachlichen und räumlichen Umfang des durch die Bewilligung begründeten Gewinnungsrechts; nur insoweit wird das Verhältnis zwischen Oberflächeneigentum und bergbaulicher Tiefennutzung unter Verdrängung des § 905 BGB bergrechtlich ausgeformt. Für Tätigkeiten, die nicht vom Gewinnungsbegriff erfasst werden, bestimmt sich das Verhältnis zum Grundeigentum nach allgemeinem Zivilrecht, insbesondere § 905 BGB; das gilt auch für Aktivitäten, die als sonstige Tätigkeiten (§§ 126 ff.) dem Bergrecht unterliegen, aber nicht auf einer Bewilligung beruhen. Keine Duldungspflicht besteht daher, wenn untertägige Hohlräume, die durch die Gewinnung von Bodenschätzen entstanden sind, später zur Untergrundspeicherung genutzt werden.36 Die Nutzung zu Speicherzwecken ist keine mit der Gewinnung zusammenhängende nachfolgende Tätigkeit, sondern wird vom Gesetzgeber als eigenständige Folgenutzung behandelt (§ 4 Abs. 9). Eine bergrechtlich begründete generelle Pflicht des Oberflächeneigentümers zur Duldung von Untergrundspeichern ergibt sich entgegen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs37 auch nicht aus einer bergrechtlichen Zulassung (§ 126 i.V.m. §§ 52 ff.).38 Die behördliche Anlagengenehmigung kann die privatrechtliche Zuordnung der Rechtssphären nicht verändern, sofern sie zur Auferlegung einer Duldungspflicht nicht gesetzlich ermächtigt ist. Für eine solche Ermächtigung gibt es im gesetzlichen Prüfprogramm für die Zulassung von Betriebsplänen (§ 48 Abs. 2, § 55) keinen Anhaltspunkt.39 Das schließt eine indizielle Berücksichtigung der behördlichen Risikobeurteilung bei der Frage, ob der Grundeigentümer sich auf ein Ausschließungsinteresse nach § 905 Satz 2 BGB berufen kann, nicht aus. 33 BT-Drs. 8/1315, S. 86; BGH 19.9.2008, V ZR 28/08, BGHZ 178, 90 = ZfB 2009, 65 Rn. 12; Frenz/Pottschmidt BBergG, § 8 Rn. 22; Beddies Entwicklung, S. 455, 457; Ehricke in: Kühne/Ehricke (Hrsg.) Bergrecht zwischen Tradition und Moderne, S. 33, 47 ff.; von Weschpfennig Strukturen des Bergrechts, S. 89. 34 Beddies FS Kühne (2009), S. 455, 458 ff.; Kremer/Neuhaus gen. Wever Rn. 505 ff.; Kühne FS Säcker (2011), S. 105, 111 ff. 35 Kühne FS Säcker (2011), S. 105, 113. 36 Karrenstein Errichtung und Betrieb von Erdgasspeichern, S. 66 ff., 70 ff. 37 BGH 21.12.1989, III ZR 26/88, BGHZ 110, 17, 22 f.; BGH 19.9.2008, V ZR 28/08, BGHZ 178, 90 = ZfB 2009, 65 Rn. 18 f. 38 Ehricke in: Kühne/Ehricke (Hrsg.) Bergrecht zwischen Tradition und Moderne, S. 33, 84 f.; Staudinger/Roth BGB, § 905 Rn. 10. 39 Ehricke in: Kühne/Ehricke (Hrsg.) Bergrecht zwischen Tradition und Moderne, S. 33, 84. Franke/Karrenstein

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IV. Bewilligung als eigentumsrechtliche Position 1. Rechtswirkungen der Bewilligung Die Bewilligung hat eine doppelte Rechtswirkung: Zum einen hebt sie als gestaltender Verwal- 16 tungsakt das Verbot der Aufnahme der Gewinnung (§ 6) auf und gestattet sie in dem gesetzlich vorgegebenen und für den Einzelfall durch die behördliche Entscheidung konkretisierten Umfang.40 Zum anderen begründet sie als „Recht aus der Bewilligung“ die Rechtsposition des Bewilligungsinhabers im Verhältnis zur Behörde und zu privaten Dritten. Mit dem Gewinnungs- und Aneignungsrecht erlangt der Bewilligungsinhaber kein Sacheigentum an dem verliehenen Bodenschatz.41 Inhalt der durch die Bewilligung begründeten Rechtsposition ist vielmehr die Gesamtheit der in Absatz 1 Nr. 1 bis 4 aufgeführten Einzelbefugnisse. Zu deren Schutz im Verhältnis zu privaten Dritten ordnet Absatz 2 die entsprechende Anwendung der für Ansprüche aus dem Eigentum geltenden Vorschriften des bürgerlichen Rechts an. Dies beruht auf der Erwägung, dass die Bewilligung zwar kein zivilrechtliches Eigentum, aber ein ausschließliches Recht begründet, dessen Schutz am besten durch entsprechende Anwendung der allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften über Ansprüche aus dem Eigentum gewährleistet werde.42

2. Anwendbarkeit der Vorschriften über das Eigentum a) Anwendbare Vorschriften. Absatz 2 bestimmt, dass die für Ansprüche aus dem Eigentum 17 geltenden Vorschriften des bürgerlichen Rechts auf das Recht aus der Bewilligung entsprechend anzuwenden sind. Danach kann sich der Bewilligungsinhaber zum Schutz der Ausschließlichkeit seiner Gewinnungsberechtigung insbesondere auf §§ 985 bis 1007 BGB berufen.43 Er hat daher Anspruch auf Herausgabe eines Gewinnungsbetriebs (§ 985 BGB), wenn dieser von einem Dritten ohne wirksame Vereinbarung zur Ausübung der Bewilligung betrieben wird.44 Ein Anspruch auf Herausgabe der von einem Dritten im Bewilligungsfeld gewonnenen Bodenschätze besteht nach Maßgabe der Vorschriften über das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis (§§ 987 ff. BGB).45 Im Übrigen kann der Bewilligungsinhaber aufgrund des Abwehranspruchs nach § 1004 BGB Beseitigung und Unterlassung von Beeinträchtigungen des Rechts aus der Bewilligung verlangen.46 Dies setzt keinen Eingriff in die Substanz der verliehenen Bodenschätze voraus; auch eine bloße Behinderung im Besitz oder der Nutzung ohne körperliche Einwirkung kann den Abwehranspruch begründen.47 Hingegen kann der Bewilligungsinhaber eine für die Gewinnung nachteilige Benutzung der Feldesgrundstücke nicht durch die Geltendmachung eines auf das Recht aus der Bewilligung gestützten Abwehranspruchs verhindern; ein solcher Anspruch könnte als Inanspruchnahme des Oberflächeneigentums nur unter den Voraussetzungen der §§ 77 ff. durch Grundabtretung durchgesetzt werden.48 40 Maurer Verwaltungsrecht, § 9 Rn. 51 ff.; Wolff/Bachof/Stober/Kluth Verwaltungsrecht I, § 46 Rn. 31. 41 BGH 23.11.2000, III ZR 342/99, BGHZ 146, 98, 101; Isay ABG, Band 1, § 50 Rn. 2; Turner Das bergbauliche Berechtsamswesen, S. 122 ff.; Karrenstein Errichtung und Betrieb von Erdgasspeichern, S. 68; abweichend Wörheide Die Bergbauberechtigungen nach dem Bundesberggesetz, S. 361 ff. 42 BT-Drs. 8/1315, S. 86; Lemke in: Kühne/Ehricke (Hrsg.) Bergrecht zwischen Tradition und Moderne, S. 26; Ludes Das Bergwerkseigentum gemäß § 9 BBergG in der Insolvenz des Bergwerkseigentümers, S. 31 f. 43 BGH 19.9.2008, V ZR 28/08, BGHZ 178, 90 = ZfB 2009, 65 Rn. 10; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 8 Rn. 3; Frenz/ Pottschmidt BBergG, § 8 Rn. 25. 44 Isay ABG, Band 1, § 50 Rn. 21. 45 Isay ABG, Band 1, § 50 Rn. 21. 46 Kühne in: Säcker (Hrsg.) Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, Kap. 3, Teil 1 Rn. 33. 47 BGH, 23.11.2000, III ZR 342/99, BGHZ 146, 98, 101. 48 BGH, 23.11.2000, III ZR 342/99, BGHZ 146, 98, 102 ff.; Frenz/Pottschmidt BBergG, § 8 Rn. 26; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 8 Rn. 3. 133

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Zweiter Teil – Bergbauberechtigungen

18 b) Verhältnis zu anderen Bergbaubetrieben. Gegenüber anderen Bergbaubetrieben steht dem Bewilligungsinhaber ein Unterlassungsanspruch nach § 1004 BGB zu, wenn der andere Betrieb die Ausübung der Bewilligung beeinträchtigt und ohne Berechtigung oder unter Verstoß gegen gesetzliche oder behördliche Regelungen geführt wird.49 Hingegen sind Bergbauberechtigte grundsätzlich zur Duldung von Einwirkungen eines rechtmäßig geführten anderen Bergbaubetriebs verpflichtet, weil schädliche Einwirkungen auf die Umgebung zwangsläufige Folge bergbaulicher Tätigkeiten und daher zwischen Bergbaubetrieben, die gewissermaßen eine „UntertageStörergemeinschaft“ bilden,50 wechselseitig hinzunehmen sind. Dementsprechend besteht weder ein Unterlassungsanspruch (§ 1004 Abs. 2 BGB) noch ein Bergschadensersatzanspruch (§ 114 Abs. 2 Nr. 2; vgl. § 114 Rn. 63 ff.). Nur ausnahmsweise besteht keine Duldungspflicht, wenn eine Bergbauberechtigung missbräuchlich ausgeübt wird (§ 226, § 242, § 826 BGB).51 Der Gesetzgeber hat an diese unter dem früheren Recht entwickelten Grundsätze bewusst angeknüpft52 und auf Regelungen zum (privaten) „Nachbarrecht“ zwischen Bergbaubetrieben weitgehend verzichtet.53 Das wird, vor allem bei der Abgrenzung der Gewinnungsrechte auf nachströmende flüssige oder gasförmige Bodenschätze (Rn. 4), als Regelungsdefizit empfunden (vgl. § 114 Rn. 71 ff.).54 Zur Lösung der Abgrenzungsprobleme zwischen benachbarten Berechtigungen ist in Betracht gezogen worden, das Rechtsverhältnis zwischen Bergbaubetrieben nach den Grundsätzen des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses zu bestimmen;55 angesichts der klaren Absicht des Gesetzgebers, die bisherige Rechtslage nicht zu verändern, haben sich diese Ansätze nicht durchsetzen können (vgl. § 114 Rn. 70).56

19 c) Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB. In der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird Absatz 2 erweiternd dahin ausgelegt, dass zu den entsprechend anwendbaren Vorschriften über Ansprüche aus dem Eigentum auch der Ausgleichsanspruch des Oberflächeneigentümers nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB gehört.57 Dieser Begründungsansatz wird zu Recht kritisiert.58 Dass das Bundesberggesetz bei der Bewilligung konzeptionell von dem früheren Bergwerkseigentum ausgegangen sei,59 entspricht nicht den Regelungsabsichten des Gesetzgebers, der mit der Bewilligung gerade kein dem Grundeigentum vergleichbares dingliches Recht begründen,60 sondern an das System des echten Staatsvorbehalts anknüpfen wollte (Rn. 1). Ferner ist zu

49 Weller ZfB 1990, 111, 118. 50 Zum Gedanken der Untertage-Störergemeinschaft von Hammerstein FS Kühne (2009), S. 575, 584 ff.; Mössner FS Thieme (1983), S. 1023, 1032 f. 51 Weller ZfB 1990, 111, 118 ff. m.w.N. 52 BT-Drs. 8/1315, S. 141; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 114 Rn. 83 f.; kritisch Kühne FS Max-Planck-Institut für Privatrecht (2001), S. 363, 375 („unreflektierte“ Kodifizierung der älteren Rechtsprechung); Kühne DVBl 2002, 1117, 1118. 53 Aus Gemeinwohlgründen (Lagerstättenschutz, Gefahrenabwehr) sind Einwirkungen auf benachbarte Berechtigungen bei der Erteilung von Bergbauberechtigungen (§ 11 Nr. 8 und 9) und bei der Zulassung von Betriebsplänen (§ 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 und 8) zu berücksichtigen. Ob § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 drittschützende Wirkung hat (bejahend OVG Lüneburg, 17.7.2008, 7 LC 53/05, DVBl 2008, 1391, 1393; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 55 Rn. 273) oder den betroffenen Bergbautreibenden nur reflexartig begünstigt (so Weller ZfB 1990, 111, 126 f., 130 ff.; Czybulka/Stredak Rechtsfragen der marinen Kies- und Sandgewinnung in Nord- und Ostsee, S. 66), ist umstritten und nicht abschließend geklärt (offengelassen in BVerwG 23.3.2009, 7 B 54/08, NVwZ 2009, 778 Rn. 10 f.). 54 Von Hammerstein FS Kühne (2009), S. 575, 596. 55 Weller ZfB 1990, 111, 120 ff.; Kühne FS Max-Planck-Institut für Privatrecht (2001), S. 363, 376. 56 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 114 Rn. 83 f.; Weller ZfB 1990, 111, 123. 57 BGH 19.9.2008, V ZR 28/08, BGHZ 178, 90 = ZfB 2009, 65 Rn. 10 ff. 58 Ehricke in: Kühne/Ehricke (Hrsg.) Bergrecht zwischen Tradition und Moderne, S. 33, 72 ff.; Krüger FS Säcker (2011), S. 91, 97; Kühne FS Säcker (2011), S. 105, 117; Wörheide Die Bergbauberechtigungen nach dem Bundesberggesetz, S. 388 ff. 59 BGH 19.9.2008, V ZR 28/08, BGHZ 178, 90 = ZfB 2009, 65 Rn. 11; Lemke Nachbarschaftsverhältnis, S. 26. 60 Ehricke in: Kühne/Ehricke (Hrsg.) Bergrecht zwischen Tradition und Moderne, S. 33, 74; Nicolaysen Bewilligung und Förderabgabe nach dem Bundesberggesetz, S. 27; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 8 Rn. 6. Franke/Karrenstein

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Erstes Kapitel – Bergfreie Bodenschätze

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berücksichtigen, dass Absatz 2 nicht die Duldungspflicht des Grundeigentümers begründet, sondern lediglich eine instrumentelle Funktion hat. Mit den für entsprechend erklärten Vorschriften des bürgerlichen Rechts soll dem Bewilligungsinhaber ermöglicht werden, Eingriffe Dritter – des Oberflächeneigentümers, aber auch anderer Privater – in das Recht aus der Bewilligung abzuwehren (Rn. 2, 16 f.); daher sind nur die für Ansprüche aus dem Eigentum geltenden Vorschriften des bürgerlichen Rechts entsprechend anzuwenden. Dieser Regelungszweck bietet keinen Anknüpfungspunkt, aus Absatz 2 auch Pflichten des Bewilligungsinhabers gegenüber dem Oberflächeneigentümer abzuleiten.61

3. Verfassungsrechtlicher Eigentumsschutz Die bergrechtlichen Gewinnungsberechtigungen sind durch Art. 14 GG geschützte eigentums- 20 rechtliche Positionen.62 Dem Bewilligungsinhaber wird durch die Erteilung der Gewinnungsberechtigung eine vermögenswerte Rechtsposition zur privatnützigen Verfügung zugeordnet.63 Die Bewilligung erfüllt auch die besonderen Anforderungen an den verfassungsrechtlichen Eigentumsschutz öffentlich-rechtlicher Rechtspositionen, weil sie auf dem Einsatz von Kapital und Leistung des Berechtsamsinhabers – insbesondere durch die Aufsuchung – beruht.64 Der grundrechtliche Schutz der Bewilligung ist bei hoheitlichen Regelungen, die bergbauli- 21 che Tätigkeiten im Bewilligungsfeld ganz oder teilweise ausschließen, im Rahmen der jeweiligen Entscheidungsstrukturen zu berücksichtigen. Das gilt insbesondere für das Abwägungsgebot bei hoheitlichen Planungen und für Ausnahmen oder Befreiungen bei Schutzgebietsregelungen sowie für die Prüfung im Betriebsplanverfahren, ob der Oberflächeneigentümer einen präventiven Schutzanspruch geltend machen kann. Der Bewilligungsinhaber hat hierbei dieselben Ansprüche auf Beteiligung am Verfahren und auf materiell-rechtliche Berücksichtigung seiner Belange, wie sie fachgesetzlich dem Privateigentümer eingeräumt sind.65 Solange die Gewinnungsinteressen allein auf einer Bewilligung beruhen und noch nicht durch einen Betriebsplan konkretisiert sind, können die Belange des Bewilligungsinhabers allerdings nur mit der auf der Berechtsamsebene zwangsläufigen Unbestimmtheit berücksichtigt werden.66 Bei der Abwägung mit anderen Nutzungsinteressen ist einerseits die „Eindimensionalität“ 22 der Bergbauberechtigung zu berücksichtigen. Während das Grundeigentum in der Regel auf 61 Ehricke in: Kühne/Ehricke (Hrsg.) Bergrecht zwischen Tradition und Moderne, S. 33, 72 ff.; Krüger FS Säcker (2011), S. 91, 97; Kühne FS Säcker (2011), S. 105, 117.

62 BVerfG 20.10.1987, 1 BvR 1048/87, BVerfGE 77, 130, 136 = ZfB 1988, 84, 88; BVerfG 13.7.2007, 1 BvR 284/05 = ZfB 2008, 85; Hömig/Antoni GG, Art. 14 Rn. 4 f.; Umbach/Clemens/Berkemann GG, Art. 14 Rn. 158; Dapprich/Römermann § 8 Rn. 6; Jarass/Pieroth GG, Art. 14 Rn. 10; Sachs/Wendt GG Art. 14 Rn. 21 ff.; Maunz/Dürig/Papier GG, Art. 14 Rn. 203; Dreier/ Wieland GG, Art. 14 Rn. 43; Hoppe DVBl 1982, 101, 104 ff.; Hoppe DVBl 1987, 757, 762 f.; Hoppe Nationalpark-Verordnung, S. 74 ff.; Kühne FS Börner (1992), S. 565, 570 f.; Schmidt-Aßmann/Schoch Bergwerkseigentum und Grundeigentum im Betriebsplanverfahren, S. 47;von Weschpfennig Strukturen des Bergrechts, S. 127 ff. – Im Ergebnis hält BVerfG, 30.6.2020, 1 BvR 1679/17, 2190/17, BVerfGE 155, 238 Rn. 83, am eigentumsrechtlichen Schutz von Bergbauberechtigungen fest, obwohl Anlagengenehmigungen auch bei erheblichen Investitionen, die auf ihrer Grundlage erfolgen, grundsätzlich keine eigentumsrechtlich geschützte Position vermitteln (Rn. 75 ff.; so schon BVerfG, 16.3.2016, 1 BvR 2823/11, 321, 1456/ 12, BVerfGE 143, 246, Rn. 231 f.). Der Schutz von Bergbauberechtigungen durch Art. 14 GG ergibt sich danach aus ihrem mit Anlagengenehmigungen nicht vergleichbaren Gestattungsinhalt, durch den ein auf den Erwerb des Eigentums an den verliehenen Bodenschätzen gerichtetes ausschließliches Gewinnungsrecht begründet werde (Rn. 83). 63 BVerfG 15.7.1981, 1 BvL 77/78, BVerfGE 58, 300, 330; BVerfG 9.1.1991, 1 BvR 929/89, BVerfGE 83, 201, 208 f.; Hömig/ Antoni GG, Art. 14 Rn. 4; Umbach/Clemens/Berkemann GG, Art. 14 Rn. 123 ff.; Jarass/Pieroth GG, Art. 14 Rn. 10. 64 BVerfG 13.5.1986, 1 BvR 99/85, 1 BvR 461/85, BVerfGE 72, 175, 195; BVerfG 13.6.2006, 1 BvL 9/00 u.a., BVerfGE 116, 96, 121; Hömig/Antoni GG, Art. 14 Rn. 5; Hoppe DVBl 1982, 101, 105 f.; Hoppe Nationalpark-Verordnung „Niedersächsisches Wattenmeer“ und bergbauliche Berechtigungen, S. 74 ff.; Jarass/Pieroth GG, Art. 14 Rn. 10 f. 65 BVerwG 14.10.1996, 4 VR 14/96 = ZfB 1997, 131, 132. 66 Hahn ZfB 1985, 194, 196. 135

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§9

Zweiter Teil – Bergbauberechtigungen

unterschiedliche Weise genutzt werden kann, gewährt die Bewilligung nur die Befugnis zur Gewinnung. Soweit diese Nutzungsmöglichkeit ausgeschlossen wird, eröffnet die Bergbauberechtigung keine anderen Nutzungsmöglichkeiten; diese Konsequenz muss bei der Abwägung berücksichtigt werden.67 23 Andererseits ist zu berücksichtigen, dass die Bewilligung unter Ausübungsvorbehalt erteilt wird, weil im Erteilungsverfahren grundsätzlich nicht geprüft wird, ob öffentliche Belange oder private Interessen der Ausübung der Bewilligung entgegenstehen. Die Prüfung dieser Gesichtspunkte ist der Betriebsplanebene zugewiesen. Hindernisse für die Ausübung der Bewilligung sind bei ihrer Erteilung nur ausnahmsweise dann zu berücksichtigen, wenn zu diesem Zeitpunkt erkennbar ist, dass bergbauliche Tätigkeiten im gesamten zuzuteilenden Feld ausgeschlossen sind (§ 12 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 11 Nr. 10). Aus dieser Sicht stellt die Bewilligung grundsätzlich nur einen „Rechtstitel“ dar, der nichts darüber besagt, „wie (Ort, Zeitpunkt, Mittel) und unter welchen Voraussetzungen der Inhaber seine Berechtigung ausüben darf“.68 Der Bewilligungsinhaber kann also nicht darauf vertrauen, sein von vornherein unter „Ausübungsvorbehalt“ stehendes Gewinnungsrecht in vollem Umfang nutzen zu können.69 Dementsprechend wird in der Rechtsprechung bei der Enteignung von Grundstücken, die ein Bewilligungsfeld überdecken, eine Entschädigung für den Verlust der Gewinnungsmöglichkeit abgelehnt.70 Mit dem verfassungsrechtlichen Eigentumsschutz der Bergbauberechtigung ist das vereinbar, wenn die Belange des Bewilligungsinhabers mit ihrem durch den Ausübungsvorbehalt begrenzten Abwägungsgewicht ordnungsgemäß in die Abwägung eingestellt worden sind und danach substanzielle Möglichkeiten zur Ausübung der Bewilligung verbleiben. Zweifel bestehen jedoch daran, ob der Ausübungsvorbehalt angesichts des verfassungsrechtlichen Schutzes der Bergbauberechtigung soweit reicht, dass die Ausübung der Bewilligung für das gesamte Feld entschädigungslos ausgeschlossen werden kann. Der Gesetzgeber hat derart umfassende Ausübungshindernisse nur als Versagungsgrund, aber nicht für den Fall in Betracht gezogen, dass eine durch Art. 14 GG geschützte Rechtsposition entstanden ist und auf der Ausübungsebene vollständig entwertet werden soll. Die überwiegenden Gründe sprechen in diesem Fall dafür, dass das Gewinnungsrecht nur durch entschädigungspflichtige Enteignung entzogen werden kann.71

§9 Bergwerkseigentum (1)

1

Bergwerkseigentum gewährt das ausschließliche Recht, nach den Vorschriften dieses Gesetzes die in § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 bezeichneten Tätigkeiten und Rechte auszuüben; auf das Recht sind die für Grundstücke geltenden Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechend anzuwenden, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt. 2§ 8 Abs. 3 gilt entsprechend.

67 Hoppe DVBl 1982, 101, 106; Kühne Bestandsschutz alten Bergwerkseigentums unter besonderer Berücksichtigung des Art. 14 GG, S. 43 f. 68 BT-Drs. 8/1315, S. 84. 69 BVerwG 26.3.1998, 4 A 2/97, BVerwGE 106, 290, 292 = ZfB 1998, 131, 132 f.; BGH 23.11.2000, III ZR 342/99, BGHZ 146, 99, 104 = ZfB 2001, 227, 230; BGH 14.4.2011, III ZR 30/10, BGHZ 189, 231 Rn. 20 = ZfB 2011, 290. 70 BVerwG 26.3.1998, 4 A 2/97, BVerwGE 106, 290, 292 = ZfB 1998, 131, 132 f.; BGH 14.4.2011, III ZR 30/10, BGHZ 189, 231 Rn. 17 ff. = ZfB 2011, 290; kritisch von Weschpfennig Strukturen des Bergrechts, S. 135 f., 166. Zu Entschädigungsansprüchen bei hoheitlichen Abbaubeschränkungen und -verboten vgl. auch § 48 Rn. 109–115. 71 A.A. BGH 14.4.2011, III ZR 30/10, BGHZ 189, 231 Rn. 17 ff. = ZfB 2011, 290; kritisch hierzu Kühne ZfB 2017, 71, 78 f.; offen gelassen in BVerwG 26.3.1998, 4 A 2/97, BVerwGE 106, 290, 292 = ZfB 1998, 131, 132 f. Für eine weitergehende Entschädigungspflicht auch bei teilweisem Entzug der Ausübungsmöglichkeit Kühne DVBl 2012, 661, 665; die Ermittlung der Höhe einer Entschädigung, die den die Unzumutbarkeitsgrenze übersteigenden Verlust ausgleicht, dürfte bei komplexen planerischen Entscheidungen allerdings erhebliche praktische Probleme aufwerfen. Franke/Karrenstein https://doi.org/10.1515/9783110709285-022

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§9

Erstes Kapitel – Bergfreie Bodenschätze

(2) Eine Vereinigung eines Grundstücks mit einem Bergwerkseigentum sowie die Zuschreibung eines Bergwerkseigentums als Bestandteil eines Grundstücks oder eines Grundstücks als Bestandteil eines Bergwerkseigentums ist unzulässig.

Übersicht I.

Verhältnis zur Bewilligung

1

II. 1. 2. 3.

Rechtsstellung des Bergwerkseigentümers 2 Allgemeines 4 Rechte aus der Bewilligung Anwendbarkeit grundstücksrechtlicher Vorschriften

a) b) III.

5 Umfang der Verweisung Anwendbare Einzelvorschriften

6

Ausschluss der Vereinigung von Grundstück und 10 Bergwerkseigentum

I. Verhältnis zur Bewilligung Die Entwürfe zum BBergG sahen als Gewinnungsberechtigung zunächst nur die Bewilligung vor.1 1 In seiner Stellungnahme zu dem in der 7. Wahlperiode dem Bundesrat zugeleiteten Entwurf eines Bundesberggesetzes2 griff der Bundesrat die Forderung der Bergbauwirtschaft auf, die Bewilligung grundbuch- und beleihungsfähig auszugestalten.3 Die Bundesregierung entschied sich stattdessen für die Einführung einer zweiten, als grundstücksgleiches Recht ausgestalteten Gewinnungsberechtigung,4 um die Möglichkeit zur Beleihung durch dingliche Belastung der Gewinnungsberechtigung zu eröffnen. Der in der 8. Wahlperiode eingebrachte Regierungsentwurf sah dementsprechend zwei Arten von Gewinnungsberechtigungen (Bewilligung und Bergwerkseigentum) vor. Der Antragsteller kann sich danach aber nicht von vornherein für eine der beiden Gewinnungsberechtigungen entscheiden. Grundform der Gewinnungsberechtigung bleibt die Bewilligung. Bergwerkseigentum kann nur verliehen werden, wenn der Antragsteller bereits Inhaber einer Bewilligung für das beantragte Bergwerksfeld und denselben Bodenschatz ist (§ 13 Nr. 1). Durch die Verleihung des Bergwerkseigentums wird die Bewilligung unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 13 in ein grundstücksgleiches Recht überführt.5 Mit der Entstehung des Bergwerkseigentums erlischt die Bewilligung, soweit sie vom Bergwerksfeld überdeckt wird (§ 17 Abs. 1 Satz 2), weil für dasselbe Feld und denselben Bodenschatz nicht mehrere ausschließliche Gewinnungsrechte bestehen können.6

II. Rechtsstellung des Bergwerkseigentümers 1. Allgemeines Entsprechend dem gesetzlichen Regelungsmodell, dass Bewilligung und Bergwerkseigentum kei- 2 ne alternativen, sondern aufeinander aufbauende Arten der Gewinnungsberechtigung sind,7 1 Ludes Das Bergwerkseigentum gemäß § 9 BBergG in der Insolvenz des Bergwerkseigentümers, S. 53 ff.; Piens/Schulte/ Graf Vitzthum BBergG, § 9 Rn. 1, 7 f.; Ring NotBZ 2006, 37; Schulte ZRP 1979, 169, 170. 2 BR-Drs. 350/75. 3 BR-Drs. 350/75 (Beschluss). 4 Kritisch zum Nebeneinander von Bewilligung und Bergwerkseigentum Schulte ZRP 1979, 169, 170. 5 BT-Drs. 8/1315, S. 85, 86. 6 BT-Drs. 8/1315, S. 90. 7 BT-Drs. 8/1315, S. 88. 137

Franke/Karrenstein

§9

Zweiter Teil – Bergbauberechtigungen

umfasst das Bergwerkseigentum zunächst alle Einzelbefugnisse aus der Bewilligung, an deren Stelle sie tritt (Absatz 1 Satz 1 Halbsatz 1). Ferner werden die grundstücksrechtlichen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs für entsprechend anwendbar erklärt (Absatz 1 Satz 1 Halbsatz 2). Alleiniger Zweck dieser Verweisung ist, die Beleih- und Belastbarkeit der Gewinnungsberechtigung im Wege der Aufwertung zu einem grundstücksgleichen Recht herbeizuführen.8 3 Mit dieser Stärkung der Rechtsposition des Bergwerkseigentümers korrespondieren einerseits zusätzliche Erteilungsvoraussetzungen; insbesondere ist der Nachweis der wirtschaftlichen Gewinnbarkeit erforderlich (§ 13 Nr. 2).9 Andererseits sollen zwar die rohstoffwirtschaftlichen Lenkungsmöglichkeiten, die sich aus der Ausgestaltung der Bergbauberechtigungen als öffentlichrechtliche Konzessionen ergeben, auch beim Bergwerkseigentum erhalten bleiben.10 Um die Beleihbarkeit des Bergwerkseigentums praktisch wirksam zu gewährleisten, waren aber Modifizierungen gegenüber der Bewilligung erforderlich; hierzu werden die Übertragung des Bergwerkseigentums erleichtert (§ 23) und die Widerrufsmöglichkeiten eingeschränkt (§ 18 Abs. 4).11 Im Übrigen wird auch beim Bergwerkseigentum die Rechtsposition des Berechtsamsinhabers wesentlich durch behördliche Entscheidungen bestimmt (vgl. § 6 Rn. 8 ff.). Sie wird insbesondere durch die Verleihung des Bergwerkseigentums (§ 17), durch Vereinigung mit einem angrenzenden, auf denselben Bodenschatz verliehenen Bergwerksfeld (§§ 24 ff.), durch Teilung (§ 28) oder Austausch (§ 29) begründet und durch Auslaufen der Befristung (§ 16 Abs. 5), Widerruf (§ 18) oder behördliche Aufhebung (§ 20) beendet. Insoweit ist die entsprechende Anwendbarkeit der Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs eingeschränkt, weil das BBergG „anderes bestimmt“ (Absatz 1 Satz 1 Halbsatz 2).12

2. Rechte aus der Bewilligung 4 Das Bergwerkseigentum umfasst alle Befugnisse, die sich für die Bewilligung aus § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 ergeben (vgl. § 8 Rn. 3 ff.), als ausschließliches Recht. Die in § 8 Abs. 3 für die Bewilligung vorgesehene Einschränkung der Ausschließlichkeit bei Erteilung einer Erlaubnis zur großräumigen Aufsuchung sowie einer oder mehrerer Erlaubnisse zur Aufsuchung zu wissenschaftlichen Zwecken gilt auch beim Bergwerkseigentum (§ 9 Abs. 1 Satz 2).

3. Anwendbarkeit grundstücksrechtlicher Vorschriften 5 a) Umfang der Verweisung. Auf das Bergwerkseigentum entsprechend anwendbar sind nach Absatz 1 Satz 1 Halbsatz 2 nur die „für Grundstücke geltenden Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs“. Diese Begrenzung entspricht dem Zweck der Verweisung, mit der lediglich die dingliche Belastung des Bergwerkseigentums ermöglicht werden soll (Rn. 2). Damit sind insbesondere die auf Grundstücke bezogenen Vorschriften des öffentlichen Rechts nicht anwendbar.13 Mittelbar anzuwenden sind Vorschriften des Zivilrechts, die nicht zu den grundstücksrechtlichen

8 BGH 19.9.2008, V ZR 28/08, BGHZ 178, 90 = ZfB 2009, 65 Rn. 9; Lemke in: Kühne/Ehricke (Hrsg.) Bergrecht zwischen Tradition und Moderne, S. 26.

9 BT-Drs. 8/1315, S. 88. 10 BT-Drs. 8/1315, S. 85; Frenz/Pottschmidt BBergG, § 9 Rn. 2; Ludes Das Bergwerkseigentum gemäß § 9 BBergG in der Insolvenz des Bergwerkseigentümers, S. 43. 11 Ludes Das Bergwerkseigentum gemäß § 9 BBergG in der Insolvenz des Bergwerkseigentümers, S. 33 ff.; Schulte ZfB 1978, 414, 415. 12 Ludes Das Bergwerkseigentum gemäß § 9 BBergG in der Insolvenz des Bergwerkseigentümers, S. 35 f.; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 9 Rn. 9 ff.; Ring NotBZ 2006, 37, 44. 13 BT-Drs. 8/1315, S. 190; Ludes Das Bergwerkseigentum gemäß § 9 BBergG in der Insolvenz des Bergwerkseigentümers, S. 37 f. Franke/Karrenstein

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Erstes Kapitel – Bergfreie Bodenschätze

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Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs gehören, für deren Vollzug aber erforderlich sind; das gilt vor allem für die Vorschriften des Grundbuchrechts.14 Auf das Bergwerkseigentum entsprechend anzuwenden sind auch die nach § 8 Abs. 2 für Ansprüche aus dem Eigentum geltenden Vorschriften des bürgerlichen Rechts. Diese sollen dem Berechtsamsinhaber die Durchsetzung der Ausschließlichkeit seiner Bergbauberechtigung gegenüber privaten Dritten ermöglichen (vgl. § 8 Rn. 2). Damit ist zwar nicht der Zweck der Verweisung in Absatz 1 Satz 1 Halbsatz 2 berührt; die entsprechende Anwendbarkeit folgt aber daraus, dass § 8 Abs. 2 zu den wesentlichen Elementen der Bewilligung gehört, auf der das Bergwerkseigentum aufbaut.15

b) Anwendbare Einzelvorschriften. Bergwerkseigentum entsteht mit der Zustellung der Be- 6 rechtsamsurkunde an den Antragsteller (§ 17 Abs. 1 Satz 1); die Behörde ersucht das Grundbuchamt um Eintragung des Bergwerkseigentums im Grundbuch (§ 17 Abs. 3). Bei Verfügungen über das Bergwerkseigentum ist nach § 873 Abs. 1 BGB die Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch erforderlich. Entsprechend dem Verweisungszweck kommen als eintragungspflichtige Rechtsänderungen vor allem die Formen dinglicher Belastung des Bergwerkseigentums zu Beleihungszwecken (Hypothek, §§ 1113 ff. BGB; Grundschuld, §§ 1191 ff. BGB) in Betracht.16 Für den Umfang der Beleihungsgrundlage ist zum einen bedeutsam, dass eine gemeinsame dingliche Belastung von Betriebsgrundstücken und Bergwerkseigentum möglich ist (Rn. 11). Zum anderen hat der Gesetzgeber, wie § 46 Satz 1 zeigt, vorausgesetzt, dass das Bergwerkseigentum auch Bestandteile und Zubehör haben kann, die vom Haftungsverband der Grundpfandrechte umfasst werden (§ 1120, § 1192 Abs. 1 i.V.m. § 1120).17 Wesentliche Bestandteile des Bergwerkseigentums (§ 90 BGB) sind Schächte und untertägige Grubenbaue,18 Förderanlagen, Pumpen und Gleisanlagen.19 Zum Zubehör (§ 97 Abs. 1, § 98 Nr. 1 BGB) gehören die beweglichen Betriebsmittel des Bergbaubetriebs (Maschinen, Fahrzeuge, Werkzeug).20 Die grundstücksrechtlichen Regelungen zur Beleihung des Bergwerkseigentums werden 7 durch die öffentlich-rechtlichen Regelungen zur Befristung des Bergwerkseigentums (§ 16 Abs. 5) und zur Möglichkeit des Widerrufs (§ 18 Abs. 4) überlagert. Die Befristung ist – ebenso wie der durch die fortschreitende Gewinnung von Bodenschätzen eintretende Werteverzehr – von den Beteiligten bei der Beleihung des Bergwerkseigentums zu berücksichtigen;21 eine Mitteilung an die dinglich Berechtigten ist nicht vorgesehen, da das Bergwerkseigentum ohne Umset-

14 Ludes Das Bergwerkseigentum gemäß § 9 BBergG in der Insolvenz des Bergwerkseigentümers, S. 37 f.; Ring NotBZ 2006, 37, 40; wohl auch Schulte ZfB 1978, 414, 415. 15 Frenz/Pottschmidt BBergG, § 9 Rn. 5; Ludes Das Bergwerkseigentum gemäß § 9 BBergG in der Insolvenz des Bergwerkseigentümers, S. 33. 16 Kühne in: Säcker (Hrsg.) Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, Kap. 3, Teil 1, Rn. 34; Ludes Das Bergwerkseigentum gemäß § 9 BBergG in der Insolvenz des Bergwerkseigentümers, S. 36 f.; Ring NotBZ 2006, 37, 40; Frenz/ Pottschmidt BBergG, § 9 Rn. 9; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 9 Rn. 14; Wörheide Die Bergbauberechtigungen nach dem Bundesberggesetz, S. 292 ff. 17 Ebel/Weller ABG, § 50 Anm. 2e; Isay ABG, Band 1, § 50 Rn. 7; Ludes Das Bergwerkseigentum gemäß § 9 BBergG in der Insolvenz des Bergwerkseigentümers, S. 36, 84 ff.; Ring NotBZ 2006, 37, 40 f.; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 9 Rn. 15 ff. 18 BVerwG 21.2.2013, 7 C 4/12, NVwZ-RR 2013, 462 Rn. 16; Ebel/Weller ABG, § 50 Anm. 2e; Elgeti NuR 2013, 634, 635 f.; Ludes Das Bergwerkseigentum gemäß § 9 BBergG in der Insolvenz des Bergwerkseigentümers, S. 84 f.; Ring NotBZ 2006, S. 37, 41; Frenz/Pottschmidt BBergG, § 9 Rn. 10; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 9 Rn. 15; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 71 Rn. 58 ff. 19 Ring NotBZ 2006, 37, 41; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 9 Rn. 16. 20 Ebel/Weller ABG, § 50 Anm. 2e; Isay ABG, Band 1, § 50 Rn. 7; Ludes Das Bergwerkseigentum gemäß § 9 BBergG in der Insolvenz des Bergwerkseigentümers, S. 85 f.; Ring NotBZ 2006, 37, 41; Frenz/Pottschmidt BBergG, § 9 Rn. 11; Piens/ Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 9 Rn. 17. 21 Ludes Das Bergwerkseigentum gemäß § 9 BBergG in der Insolvenz des Bergwerkseigentümers, S. 66. 139

Franke/Karrenstein

§ 10

Zweiter Teil – Bergbauberechtigungen

zung durch besondere behördliche Regelung mit Fristablauf erlischt. Im Falle eines Widerrufs des Bergwerkseigentums hat die Behörde die dinglich Berechtigten schriftlich zu unterrichten. 8 Grundstücksrechtliche Regelungen sind auch bei der Überlassung der Ausübung des Bergwerkseigentums in dinglicher Form anwendbar. In Betracht kommen die Bestellung eines Nießbrauchs (§§ 1030 ff. BGB), beschränkter persönlicher Dienstbarkeiten (§§ 1090 ff. BGB) und von Grunddienstbarkeiten (§§ 1018 ff. BGB).22 Die rechtsgeschäftliche Übertragung des Bergwerkseigentums erfolgt durch Auflassung und 9 Eintragung (§§ 873, 925 BGB). Die Genehmigung der Übertragung (§ 23) ist Voraussetzung der Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts, modifiziert aber nicht die allgemeinen Regelungen zur Eigentumsübertragung. Ist im Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts die Genehmigung noch nicht erteilt oder gilt sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht als erteilt (§ 23 Abs. 2 Satz 2), ist die Übertragung schwebend unwirksam.

III. Ausschluss der Vereinigung von Grundstück und Bergwerkseigentum 10 Absatz 2 bestimmt, dass eine Vereinigung von Grundstück und Bergwerkseigentum ausgeschlossen ist. Das gilt sowohl für eine Vereinigung nach § 890 Abs. 1 BGB als auch für eine Zuschreibung nach § 890 Abs. 2 BGB. Damit wird eine Zuständigkeit des nach der Belegenheit eines Grundstücks zuständigen Grundbuchamts für das Bergwerkseigentum ausgeschlossen. Es bleibt bei der in den meisten landesrechtlichen Zuständigkeitsregelungen vorgesehenen Konzentration der Zuständigkeit für das Berggrundbuch bei bestimmten Amtsgerichten. Von Absatz 2 unberührt bleiben Zuschreibungen und Vereinigungen bei altem Bergwerkseigentum (§ 151 Abs. 2 Nr. 3). 11 Nicht ausgeschlossen ist eine gemeinsame dingliche Belastung von Bergwerkseigentum und Grundstücken.23 Erst damit können die Beleihungsmöglichkeiten ausgeschöpft werden, weil die Belastung nur der bergbaulichen Betriebsgrundstücke keine geeignete Beleihungsgrundlage bildet, wenn daneben Bergwerkseigentum besteht und die Verwertbarkeit der Betriebsgrundstücke einschränken würde.24

§ 10 Antrag 1

Erlaubnis und Bewilligung werden nur auf Antrag erteilt, Bergwerkseigentum nur auf Antrag verliehen. 2Der Antrag ist schriftlich bei der zuständigen Behörde zu stellen.

I. Antragserfordernis 1 Das allgemeine Verwaltungsverfahrensrecht bestimmt, dass die Behörde gehindert ist, ein Verwaltungsverfahren einzuleiten, wenn sie nur auf Antrag tätig werden darf und ein Antrag nicht vorliegt (§ 22 Satz 2 Nr. 2 VwVfG). Ob ein Antragserfordernis besteht, wird nicht im allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht, sondern fachgesetzlich geregelt. Für Bergbauberechtigungen ergibt sich das Erfordernis eines Antrags aus Satz 1. Die Regelung hat klarstellenden Charakter, weil Bergbauberechtigungen schon nach allgemeinen Grundsätzen nur auf Antrag erteilt werden dürften.1 Das Antragserfordernis bedeutet, dass gegenüber der Behörde eine auf Erteilung einer Bergbauberechtigung gerichtete Willenserklärung abgegeben werden muss, durch die das Verwal22 Isay ABG, Band 1, § 50 Rn. 17; Ring NotBZ 2006, 37, 40; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 23 Rn. 8. 23 BT-Drs. 8/1315, S. 86; Frenz/Pottschmidt BBergG, § 9 Rn. 14; Ring NotBZ 2006, 37, 42. 24 Ludes Das Bergwerkseigentum gemäß § 9 BBergG in der Insolvenz des Bergwerkseigentümers, S. 64 f. 1 BT-Drs. 8/1315, S. 86. Franke/Karrenstein https://doi.org/10.1515/9783110709285-023

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Erstes Kapitel – Bergfreie Bodenschätze

§ 10

tungsverfahren in Gang gesetzt wird.2 Das Erfordernis eines Antrags entfaltet Sperrwirkung; ohne Vorliegen eines Antrags darf das Erteilungsverfahren nicht eingeleitet werden.3 Damit ist ausgeschlossen, Aufsuchungs- oder Gewinnungsberechtigungen einem Privaten durch behördliche Entscheidung von Amts wegen – etwa mit dem Ziel einer Bereinigung von Berechtsamsverhältnissen – zuzuordnen; der Gesetzgeber hat auf Instrumente einer von der Behörde ausgehenden „Flurbereinigung“ von Berechtsamsverhältnissen bewusst verzichtet (vgl. § 35 Rn. 5). Der Antrag kann bis zur Entscheidung der Behörde geändert oder zurückgenommen werden.4 Kein Verstoß gegen das Antragsprinzip liegt vor, wenn die Behörde die Bergbauberechtigung 2 in einem gegenüber dem Antrag reduzierten Umfang erteilt. Hierbei handelt es sich um einen Fall der Teilablehnung, wenn für abgrenzbare Teile der beantragten Bergbauberechtigung gesetzliche Versagungsgründe vorliegen.5 Die Befugnis, ein Erlaubnisfeld abweichend vom Antrag festzusetzen (§ 16 Abs. 2), meint diesen Fall einer Begrenzung der beantragten Aufsuchungsberechtigung,6 ermächtigt aber nicht zu einer abweichenden Festsetzung unter Einbeziehung von Flächen, auf die sich der Antrag nicht bezog. Ausgeschlossen ist eine Begrenzung gegenüber dem Antrag, wenn überwiegende öffentliche Interessen eine Aufsuchung oder Gewinnung in Teilen des beantragten Feldes ausschließen. § 11 Nr. 10, § 12 Abs. 1 Satz 1 erlauben in diesen Fällen keine Teilablehnung, sondern nur eine Ablehnung des Antrags insgesamt, wenn überwiegende öffentliche Interessen bergbauliche Tätigkeiten im gesamten zuzuteilenden Feld ausschließen (vgl. § 11 Rn. 17).

II. Schriftformerfordernis Satz 2 ordnet für Anträge auf Erteilung einer Bergbauberechtigung die Schriftform an. Die 3 Regelung war erforderlich, weil das allgemeine Verwaltungsverfahrensrecht vom Grundsatz der Formlosigkeit des Antrags ausgeht7 und Schriftform in der Regel nur aufgrund gesetzlicher Grundlage verlangt werden kann.8 Die Beachtung der Schriftform ist Wirksamkeitsvoraussetzung.9 Der Antrag muss schriftlich abgefasst und grundsätzlich vom Antragsteller eigenhändig unterzeichnet sein (§ 126 BGB). Die Schriftform kann durch die elektronische Form ersetzt werden; in diesem Fall ist das Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur zu versehen (§ 3a Abs. 2 VwVfG).10 Mit dem Antrag werden der Inhalt des geltend gemachten materiell-rechtlichen Erteilungsan- 4 spruchs und der Gegenstand des Erteilungsverfahrens bestimmt.11 Über einen Antrag auf Erteilung einer Bergbauberechtigung kann nur entschieden werden, wenn dieser weitere formelle Anforderungen erfüllt. Eine behördliche Entscheidung ist insbesondere nicht ohne eine zeichne2 Obermayer/Funke-Kaiser/Hönig VwVfG, § 22 Rn. 83; Kopp/Ramsauer VwVfG, § 22 Rn. 29; Stelkens/Bonk/Sachs/Schmitz VwVfG, § 22 Rn. 15; Fehling/Kastner/Störmer/Schwarz Verwaltungsrecht, § 22 Rn. 23; Ziekow VwVfG, § 22 Rn. 7.

3 Wörheide Die Bergbauberechtigungen nach dem Bundesberggesetz, S. 102 f.; Obermayer/Funke-Kaiser/Hönig VwVfG, § 22 Rn. 58; Kopp/Ramsauer VwVfG, § 22 Rn. 27; Stelkens/Bonk/Sachs/Schmitz VwVfG, § 22 Rn. 24; Fehling/Kastner/Störmer/Schwarz Verwaltungsrecht, § 22 VwVfG Rn. 40; Ziekow VwVfG, § 22 Rn. 15. 4 Kopp/Ramsauer VwVfG, § 22 Rn. 80 ff. Knack/Hennecke/Ritgen VwVfG, § 22 Rn. 70 ff.; Stelkens/Bonk/Sachs/Schmitz VwVfG, § 22 Rn. 66 ff.; Fehling/Kastner/Störmer/Schwarz Verwaltungsrecht, § 22 VwVfG Rn. 50 ff.; Ziekow VwVfG, § 22 Rn. 10. 5 Kopp/Ramsauer VwVfG, § 22 Rn. 38. 6 BT-Drs. 8/1315, S. 89. 7 Kopp/Ramsauer VwVfG, § 22 Rn. 46; Knack/Hennecke/Ritgen VwVfG, § 22 Rn. 34 ff.; Stelkens/Bonk/Sachs/Schmitz VwVfG, § 22 Rn. 30; Fehling/Kastner/Störmer/Schwarz Verwaltungsrecht, § 22 VwVfG Rn. 28 f.; Ziekow VwVfG, § 22 Rn. 9. 8 Kopp/Ramsauer VwVfG, § 22 Rn. 29; Stelkens/Bonk/Sachs/Schmitz VwVfG, § 22 Rn. 38; Ziekow VwVfG, § 22 Rn. 9. 9 BVerwG 3.3.2011, 7 C 4/10 = ZfB 2011, 105, Rn. 39; Stelkens/Bonk/Sachs/Schmitz VwVfG, § 22 Rn. 39. 10 Frenz/Zimmer BBergG, § 10 Rn. 12. 11 BVerwG 3.3.2011, 7 C 4/10 = ZfB 2011, 105 Rn. 36; Kopp/Ramsauer VwVfG, § 22 Rn. 25; Knack/Hennecke/Ritgen VwVfG, § 22 Rn. 27; Fehling/Kastner/Störmer/Schwarz Verwaltungsrecht, § 22 VwVfG Rn. 36 ff.; Ziekow VwVfG, § 22 Rn. 5. 141

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§ 11

Zweiter Teil – Bergbauberechtigungen

rische Feldesdarstellung möglich. Das Schriftformerfordernis wird dementsprechend für die einzelnen Bergbauberechtigungen um Anforderungen an die zeichnerische Darstellung des Umfangs der angestrebten Aufsuchungs- oder Gewinnungsberechtigung ergänzt (§ 11 Nr. 2, § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, § 13 Nr. 3).

§ 11 Versagung der Erlaubnis Die Erlaubnis ist zu versagen, wenn 1. der Antragsteller die Bodenschätze, die aufgesucht werden sollen, nicht genau bezeichnet, 2. das Feld, in dem aufgesucht werden soll, nicht dem § 4 Abs. 7 entspricht oder in einer Karte in einem nicht geeigneten Maßstab oder nicht entsprechend den Anforderungen einer Bergverordnung nach § 67 eingetragen ist, 3. der Antragsteller nicht ein Arbeitsprogramm vorlegt, in dem insbesondere dargelegt ist, daß die vorgesehenen Aufsuchungsarbeiten hinsichtlich Art, Umfang und Zweck ausreichend sind und in einem angemessenen Zeitraum erfolgen, 4. der Antragsteller sich nicht verpflichtet, die Ergebnisse der Aufsuchung unverzüglich nach ihrem Abschluß, spätestens beim Erlöschen der Erlaubnis, der zuständigen Behörde auf Verlangen bekanntzugeben, 5. der Antragsteller sich nicht verpflichtet, auf Verlangen der zuständigen Behörde a) bei einer Aufsuchung zu wissenschaftlichen Zwecken den Inhabern einer Erlaubnis zur Aufsuchung zu gewerblichen Zwecken, b) bei einer großräumigen Aufsuchung den Inhabern einer Erlaubnis zur Aufsuchung zu gewerblichen Zwecken oder einer Bewilligung oder den Bergwerkseigentümern, deren Felder hinsichtlich desselben Bodenschatzes von dem zuzuteilenden Feld ganz oder teilweise überdeckt wird, das Recht einzuräumen, sich gegen Übernahme eines angemessenen Teiles der Aufwendungen an der Aufsuchung zu beteiligen oder sich dabei vertreten zu lassen; das gilt im Falle des Buchstaben a nicht, wenn die wissenschaftliche Aufsuchung der Entwicklung von neuen Methoden oder Geräten dient, 6. Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß der Antragsteller, bei juristischen Personen und Personenhandelsgesellschaften die nach Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Vertretung berechtigten Personen, die erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzen, 7. bei einer Erlaubnis zur Aufsuchung zu gewerblichen Zwecken oder zur großräumigen Aufsuchung der Antragsteller nicht glaubhaft macht, daß die für eine ordnungsgemäße Aufsuchung und der damit nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 2 im Zusammenhang stehenden Tätigkeiten erforderlichen Mittel aufgebracht werden können, 8. eine sinnvolle und planmäßige Aufsuchung und Gewinnung von bergfreien oder grundeigenen Bodenschätzen gefährdet würde, 9. Bodenschätze beeinträchtigt würden, deren Schutz im öffentlichen Interesse liegt oder 10. überwiegende öffentliche Interessen die Aufsuchung im gesamten zuzuteilenden Feld ausschließen.

Schrifttum Böhm Lizenz zum Fracken? Bergrechtliche Voraussetzungen für die Erschließung unkonventioneller Erdgasvorkommen in: Ewer/Ramsauer/Reese/Rubel (Hrsg.) Methodik – Ordnung – Umwelt. Festschrift Hans-Joachim Koch (2014), S. 565, zitiert als Böhm FS Koch (2014); Czybulka/Stredak Rechtsfragen der marinen Kies- und Sandgewinnung in Nord- und Ostsee (2008); Erbguth Zulassungsverfahren des Bergrechts und Raumordnung, VerwArch 87 (1996), 258; Fischer-Hüftle Bergbauberechtigungen und naturschutzrechtliche Verordnungen, NuR 1989, 106; Franke Funktionswandel der Bergbauberechtigung?, in Baur/Sandrock/Scholtka/Shapira (Hrsg.) Festschrift für Gunther Kühne zum 70. Geburtstag (2009), S. 510, zitiert als Franke FS Kühne (2009); Franke Rechtliche Rahmenbedingungen für die unkonventionelle Gasgewinnung in NordFranke/Karrenstein https://doi.org/10.1515/9783110709285-024

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Erstes Kapitel – Bergfreie Bodenschätze

§ 11

rhein-Westfalen, in: Frenz/Preuße (Hrsg.) Chancen und Risiken von unkonventionellem Erdgas (2011), S. 9; Frenz Bergrecht und nachhaltige Entwicklung (2001); Hoppe Bergbauberechtigungen als verfassungskräftige Eigentumsposition und ihr Schutz gegenüber Planung, DVBl 1982, 101; Hoppe Die Einschränkung bergbaulicher Berechtigungen durch eine Nationalparkverordnung – am Beispiel des niedersächsischen Wattenmeeres, DVBl 1987, 757; Hoppe Nationalpark-Verordnung „Niedersächsisches Wattenmeer“ und bergbauliche Berechtigungen (1987); Hoppe/Spoerr Bergrecht und Raumordnung (1999); Kaiser Umweltverträgliches Bergrecht (2022); Karpen Grundeigentum und Bergbaurechte nach dem Bundesberggesetz vom 13.8.1980, AöR 106 (1981), 15; Kisker Der bergrechtliche Förderzins im bundesstaatlichen Finanzausgleich (1983); Kloepfer Umweltrecht, 3. Aufl. (2004); Kühne Rechtsfragen der Aufsuchung und Gewinnung von in Steinkohleflözen beisitzendem Methangas (1994); Kühne Nochmals: Bergbauliche Berechtigungen und Nationalparkverordnung Niedersächsisches Wattenmeer, DVBl 1987, 1259; Kühne Deutsches Bergrecht, in: Säcker (Hrsg.) Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht (2010), Kap. 3, Teil 1 (S. 263); Kühne Drei Jahrzehnte Bundesberggesetz – Entwicklungslinien und Ausblick, ZfB 2013, 113; Kühne Fragen des Berechtsamswesens im Bergrecht, ZfB 2018, 92; Ludwig Auswirkungen der FFH-RL auf Vorhaben zum Abbau von Bodenschätzen nach dem BBergG (2005); Niermann, Betriebsplan und Planfeststellung im Bergrecht (1992); Pfadt Rechtsfragen zum Betriebsplan im Bergrecht (1981); Schmidt-Aßmann/Schoch Bergwerkseigentum und Grundeigentum im Betriebsplanverfahren (1994); Schulte Die Bergbauberechtigungen nach dem Regierungsentwurf für ein Bundesberggesetz, ZfB 1978, 414 (Nachdruck in: Schulte Bergbau und Grundeigentum (1991), S. 91); von Weschpfennig Strukturen des Bergrechts (2022); Westermann, Freiheit des Unternehmers und des Grundeigentümers und ihre Pflichtenbindungen im öffentlichen Interesse nach dem Referentenentwurf eines Bundesberggesetzes (1973) Wörheide Die Bergbauberechtigungen nach dem Bundesberggesetz (2014).

Übersicht I.

Allgemeines

II.

Anspruch auf Erteilung der Erlaubnis

III. 1.

Versagungsgründe Darlegungs- und Vorlagepflichten (Nr. 1 bis 3 3) Verpflichtung zur Bekanntgabe der Aufsuchungs6 ergebnisse (Nr. 4) Verpflichtung zur Beteiligung Dritter an der Auf8 suchung (Nr. 5)

2. 3.

1 2

7. 8.

9 Zuverlässigkeit (Nr. 6) 10 Finanzielle Leistungsfähigkeit (Nr. 7) Gefährdung der Aufsuchung und Gewinnung 11 (Nr. 8) 12 Lagerstättenschutz (Nr. 9) Entgegenstehende öffentliche Interessen (Nr. 10) 13 a) Regelungszweck b) Überwiegende öffentliche Interes15 sen 17 c) Ausschluss im gesamten Feld

IV.

Verwaltungsverfahren und Rechtsschutz

4. 5. 6.

19

I. Allgemeines § 11 regelt die Gründe, aus denen die Erteilung einer Erlaubnis versagt werden kann. Der Katalog 1 der Versagungsgründe ist abschließend. Hieraus ergibt sich, dass die Erlaubnis eine gebundene Entscheidung ist; liegen keine Versagungsgründe vor, besteht ein Anspruch auf Erteilung (Rn. 2). Im bergrechtlichen Konzessionssystem haben die Erteilungsvoraussetzungen mehrere Funktionen.1 Nach Nummer 1 bis 3 führt die Nichterfüllung von Vorlagepflichten zur Versagung; insoweit wird die Darlegungs- und Beweislast im Erteilungsverfahren dem Antragsteller zugeordnet (Rn. 3). Ferner sollen der Behörde auch auf der Ebene der Erteilungsvoraussetzungen rohstoffwirtschaftliche Lenkungsmöglichkeiten eröffnet werden, um den Bergbautreibenden zu einer ordnungsgemäßen und planmäßigen Aufsuchung anzuhalten (vgl. § 6 Rn. 8 ff.).2 Von zentraler Bedeutung ist hierbei die Pflicht zur Vorlage eines Arbeitsprogramms, das Anknüpfungspunkt für die Entscheidungen über die 1 Zur Systematik der Versagungsgründe Kühne Rechtsfragen der Aufsuchung und Gewinnung von in Steinkohleflözen beisitzendem Methangas, S. 81 ff.; Kühne in: Säcker (Hrsg.) Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, Kap. 3, Teil 1, Rn. 43; Wörheide Die Bergbauberechtigungen nach dem Bundesberggesetz, S. 140 ff. 2 BVerwG 3.3.2011, 7 C 4/10 = ZfB 2011, 105 Rn. 12. 143

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Zweiter Teil – Bergbauberechtigungen

Verlängerung oder den Widerruf der Erlaubnis sowie die Erteilung nachträglicher Auflagen ist (Rn. 4 f.). Nummer 6 und 7 sehen nach allgemeinen ordnungsrechtlichen Grundsätzen eine präventive Kontrolle der Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit des Antragstellers vor. Nach Nummer 8 bis 10 ist, soweit dies bei der Entscheidung über eine Aufsuchungserlaubnis möglich ist, zu prüfen, ob die vorgesehene Aufsuchung mit anderen rohstoffwirtschaftlichen und bergrechtsexternen Gemeinwohlbelangen vereinbar ist (Rn. 11 ff.).

II. Anspruch auf Erteilung der Erlaubnis 2 Die Entscheidung über die Erteilung einer Erlaubnis ist eine gebundene Entscheidung. Der Gesetzeswortlaut ist insoweit zwar nicht eindeutig, weil die bloße Enumeration von Versagungsgründen im Einzelfall ermessensindizierend sein kann.3 Der gesetzgeberische Wille, einen Erteilungsanspruch bei Nichtvorliegen von Versagungsgründen zu begründen, ist jedoch eindeutig.4 Er wird daher in Rechtsprechung5 und Literatur6 allgemein anerkannt. Insbesondere stellt das mit der Einführung des öffentlichrechtlichen Konzessionssystems für die Erteilung von Bergbauberechtigungen verfolgte Ziel, der Behörde rohstoffwirtschaftliche Lenkungsmöglichkeiten zu sichern, die präventive Ausrichtung des durch § 6 begründeten Genehmigungsvorbehalts nicht in Frage,7 weil dieses Ziel – anders als im Staatsvorbehaltssystem – in gesetzlich gebundener Form verfolgt wird (vgl. § 6 Rn. 9).8 Auch die Prüfung, ob überwiegende öffentliche Interessen die Aufsuchung ausschließen (§ 11 Nr. 10), begründet keine behördlichen Entscheidungsspielräume.9 Zwar ist bei den planerischen Vorgaben oder Schutzgebietsregelungen, aus denen sich überwiegende öffentliche Interessen ergeben können, Ermessen eingeräumt. Im Erteilungsverfahren prüft die Behörde jedoch lediglich, ob die in einem bergrechtsexternen Verfahren verbindlich konkretisierten öffentlichen Interessen – auch unter Berücksichtigung von Befreiungsmöglichkeiten10 – eine Aufsuchung ausschließen.11

3 Stelkens/Bonk/Sachs/Sachs VwVfG, § 40 Rn. 22. 4 BT-Drs. 8/1315, S. 86. 5 OVG Bautzen 10.6.1998, 1 S 349/96 = ZfB 1998, 205, 210; VG Weimar 17.1.1995, 7 K 716/93 = ZfB 1995, 225, 229, 230; VG Leipzig 19.1.1995, 5 K 23/94 = ZfB 1995, 48, 53; VG Gera 24.1.1996, 1 K 132/95 = ZfB 1996, 172, 175. Eigentumsrechtlich geschützt ist der Erteilungsanspruch allerdings nicht, BVerfG 13.4.2007, 1 BvR 284/05 = ZfB 2008, 85. 6 Czybulka/Stredak Rechtsfragen der marinen Kies- und Sandgewinnung in Nord- und Ostsee, S. 41; Dapprich/Römermann BBergG, § 11 Rn. 2; Frenz/Franßen BBergG, § 11 Rn. 4; Hoppe DVBl 1982, 101, 104; Hoppe DVBl 1987, 757, 758 f.; Hoppe Nationalpark-Verordnung, S. 28, 39; Hoppe/Spoerr Bergrecht und Raumordnung, S. 89; Karpen AöR 106 (1981), 15, 19; Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht, Rn. 113; Kühne in: Säcker (Hrsg.) Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, Kap. 3, Teil 1, Rn. 31; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 11 Rn. 2; Schmidt-Aßmann/Schoch Bergwerkseigentum und Grundeigentum im Betriebsplanverfahren, S. 77; von Weschpfennig Strukturen des Bergrechts, S. 112 f.; Westermann Freiheit des Unternehmers und des Grundeigentümers und ihre Pflichtenbindungen im öffentlichen Interesse nach dem Referentenentwurf eines Bundesberggesetzes, S. 35 f.; Wörheide Die Bergbauberechtigungen nach dem Bundesberggesetz, S. 135 ff. 7 A.A. Kisker Der bergrechtliche Förderzins im bundesstaatlichen Finanzausgleich, S. 7 ff. 8 Westermann Freiheit des Unternehmers und des Grundeigentümers und ihre Pflichtenbindungen im öffentlichen Interesse nach dem Referentenentwurf eines Bundesberggesetzes, S. 28 f.; Franke FS Kühne (2009), S. 507, 509. 9 A.A. Schulte ZfB 1978, 414, 420 f. 10 Hierbei kommt es nur auf das Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen, nicht darauf an, ob die Erteilung der Befreiung auch bei Vorliegen dieser Voraussetzungen in das Ermessen der Behörde gestellt ist, VGH Mannheim 9.6.1988, 6 S 2972/84 = ZfB 1989, 57, 70; VG Weimar 17.1.1995, 7 K 716/93.We = ZfB 1995, 225, 230, 235. 11 VGH Mannheim 9.6.1988, 6 S 2972/84 = ZfB 1989, 57, 70; OVG Bautzen 10.6.1998, 1 S 349/96 = ZfB 1998, 205, 210; OVG Magdeburg 4.11.1999, A 1/4 S 170/97 = ZfB 2011, 237, 239; VG Weimar 17.1.1995, 7 K 716/93.We = ZfB 1995, 225, 230, 235. Franke/Karrenstein

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Erstes Kapitel – Bergfreie Bodenschätze

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III. Versagungsgründe 1. Darlegungs- und Vorlagepflichten (Nr. 1 bis 3) Nummer 1 bis 3 begründen Darlegungs- und Vorlagepflichten, deren Nichterfüllung zur Versa- 3 gung der Erlaubnis führt. Es handelt sich hierbei um Angaben aus der betrieblichen Sphäre des Antragstellers, die von der Behörde im Wege der Amtsermittlung (§ 24 VwVfG) in der Regel nicht oder nicht auf zumutbare Weise beschafft werden können. Die Darlegungs- und Beweislast wird insoweit dem Antragsteller zugeordnet (Rn. 20). Das Erfordernis, die Bodenschätze, die Gegenstand der Aufsuchung sein sollen, genau zu bezeichnen (Nr. 1), ergibt sich bereits aus dem im Erteilungsverfahren geltenden Antragsprinzip (§ 10). Auf welche Bodenschätze sich die Erlaubnis beziehen soll, ist danach zunächst eine Entscheidung des Antragstellers. In prüffähiger Weise werden der Inhalt des geltend gemachten materiell-rechtlichen Erteilungsanspruchs und der Gegenstand des Erteilungsverfahrens erst durch Vorlage der Karten für den Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis bestimmt (Nummer 2). Die Anforderungen an Maßstab und Inhalt der Karten ergeben sich aus der Bergverordnung über vermessungstechnische und sicherheitliche Unterlagen (§ 1 Abs. 1 Satz 1, §§ 3 ff. UnterlagenBergV).12 Auf der Grundlage des nach Nummer 3 vorzulegenden Arbeitsprogramms soll die Behörde be- 4 urteilen können, ob die Aufsuchung sinnvoll und planmäßig durchgeführt wird.13 Als Instrument, um den Privaten zu einer ordnungsgemäßen und planmäßigen Aufsuchung und Gewinnung anzuhalten, war das Arbeitsprogramm bereits im Staatsvorbehaltssystem verbreitet.14 Der Gesetzgeber hat die Vorlage eines Arbeitsprogramms als Erteilungsvoraussetzung für alle Bergbauberechtigungen übernommen, weil sich hieraus ein Maßstab für die bei der Erteilung, der Verlängerung (§ 16 Abs. 4) und dem Widerruf (§ 18 Abs. 2 und 3) der Erlaubnis sowie bei Antragskonkurrenzen (§ 14 Abs. 2) notwendige Beurteilung ergibt, ob die Aufsuchung der rohstoffwirtschaftlichen Zielsetzung des Gesetzes (§ 1 Abs. 1) entspricht.15 Es reicht daher nicht aus, dass der Antragsteller seine Vorlagepflicht durch ein Arbeitsprogramm erfüllt, das lediglich formal den Anforderungen an eine systematische Aufsuchung entspricht oder sich nur an durchschnittlichen Anforderungen orientiert.16 Die Behörde hat die Vereinbarkeit des Arbeitsprogramms mit den gesetzlichen Anforderungen anhand eines strengen Maßstabs zu prüfen, um zu verhindern, dass durch unsachgemäße oder mangelhafte Aufsuchungsarbeiten die Erschließung von Rohstoffvorkommen blockiert und eine rohstoffwirtschaftlich unerwünschte Vorratshaltung betrieben wird.17 Der Umfang der beabsichtigten Maßnahmen, die vorgesehenen Explorationsverfahren und der Zeitrahmen für die Aufsuchung müssen diesen Anforderungen entsprechen.18 Die Behörde hat auch zu prüfen, ob der Antragsteller ein realistisches Arbeitsprogramm vor- 5 legt, das seinen finanziellen, technischen und personellen Möglichkeiten entspricht.19 Das Erfordernis einer solchen Prüfung ergibt sich vor allem daraus, dass die Qualität des Arbeitsprogramms in Konkurrenzsituationen ausschlaggebend ist (§ 14 Abs. 2)20 und daher auf realistischen Annahmen beruhen muss. Insbesondere kann die Behörde verlangen, dass der Nachweis der finanziellen Leistungsfähigkeit (Nummer 7) mit Bezug auf die nach dem Arbeitsprogramm vorgesehene Aufsuchung

12 Zur Vorlage der nach Nr. 2 erforderlichen Unterlagen erst im Prozess VG Leipzig 22.6.2000, 5 K 950/97 = ZfB 2000, 59, 62 f.

13 BVerwG 3.3.2011, 7 C 4/10 = ZfB 2011, 105 Rn. 13. 14 Kühne Rechtsfragen der Aufsuchung und Gewinnung von in Steinkohleflözen beisitzendem Methangas, S. 83. 15 BVerwG 3.3.2011, 7 C 4/10 = ZfB 2011, 105 Rn. 12 ff.; zuvor bereits VGH Mannheim 15.4.2010, 6 S 1939/09 = ZfB 2010, 176 Rn. 28 ff. Zu den Sanktionsmechanismen bei nicht planmäßiger Aufsuchung Franke FS Kühne (2009), S. 507, 509 f. VGH Mannheim 15.4.2010, 6 S 1939/09 = ZfB 2010, 176 Rn. 27. BVerwG 3.3.2011, 7 C 4/10 = ZfB 2011, 105 Rn. 13. BVerwG 3.3.2011, 7 C 4/10 = ZfB 2011, 105 Rn. 13. BVerwG 3.3.2011, 7 C 4/10 = ZfB 2011, 105 Rn. 17. VGH Mannheim 15.4.2010, 6 S 1939/09 = ZfB 2010, 176 Rn. 31.

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geführt wird. In technischer und personeller Hinsicht ist eine Prüfung vor allem dann geboten, wenn die eigenen Kapazitäten des Antragstellers zur Erfüllung des Arbeitsprogramms nicht ausreichen und etwa mit Engpässen bei der Heranziehung von Fremdfirmen zu rechnen ist.

2. Verpflichtung zur Bekanntgabe der Aufsuchungsergebnisse (Nr. 4) 6 Informationen über Fortgang und Ergebnisse der Aufsuchung benötigt die Behörde, um über das Erfordernis von Anpassungen des Arbeitsprogramms, einer Verlängerung der Erlaubnis oder das Vorliegen von Widerrufsgründen entscheiden zu können. Ferner können die Explorationsergebnisse auch für Entscheidungen in anderen bergbehördlichen Verfahren oder in Planungsverfahren, etwa zur Berücksichtigung von Belangen des Lagerstättenschutzes, erheblich sein. Nach Nummer 4 muss der Antragsteller sich daher verpflichten, der Behörde auf Verlangen die Ergebnisse der Aufsuchung bekanntzugeben.21 Ob die Behörde die Bekanntgabe verlangt, hat sie im Einzelfall zu entscheiden; das Verlangen erfüllt damit die Merkmale eines Verwaltungsakts, der erforderlichenfalls mit den Mitteln des Verwaltungsvollstreckungsrechts durchgesetzt werden kann.22 Das Verlangen kann während der Laufzeit der Erlaubnis ausgesprochen und als Nebenbestimmung bereits mit der Erteilung der Erlaubnis verbunden werden.23 Verlangen kann die Behörde die Bekanntgabe der Ergebnisse der Aufsuchung unverzüglich nach ihrem Abschluss, spätestens beim Erlöschen der Erlaubnis. Nach dem Gesetzeswortlaut nicht eindeutig ist, ob mit der Aufsuchung, deren Ergebnisse auf Verlangen bekannt zu geben sind, die Gesamtheit der im Arbeitsprogramm beschriebenen Aufsuchungsmaßnahmen gemeint ist oder ob die Behörde auch die Bekanntgabe der Ergebnisse abgeschlossener Teile der Aufsuchung verlangen kann. Letzteres entspricht dem Zweck der Regelung, der Behörde die notwendigen Informationsgrundlagen für Entscheidungen auch während der Laufzeit der Erlaubnis zu verschaffen.24 Über die Weitergabe der Aufsuchungsergebnisse durch die Behörde enthält das Bundes7 berggesetz keine Regelungen. Die Weitergabe ist daher nach den allgemeinen Regelungen zulässig. Eine Weitergabe an Behörden kommt unter den Voraussetzungen des § 4 VwVfG, ein Einsichtsrecht Privater nach Maßgabe der in Bund und Ländern erlassenen Gesetze über die Freiheit des Zugangs zu Informationen in Betracht. Dort ist auch geregelt, auf welche Weise der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen gewährleistet wird.

3. Verpflichtung zur Beteiligung Dritter an der Aufsuchung (Nr. 5) 8 Nummer 5 trägt der Einschränkung der Ausschließlichkeit von Erlaubnissen zur gewerblichen Aufsuchung und von Gewinnungsberechtigungen durch § 7 Abs. 2, § 8 Abs. 3 Rechnung. Danach steht die Ausschließlichkeit dieser Berechtigungen der Erteilung von Erlaubnissen zur Aufsuchung zu wissenschaftlichen Zwecken und zur großräumigen Aufsuchung nicht entgegen (vgl. § 7 Rn. 12 ff., § 8 Rn. 13). Die Einschränkung der Ausschließlichkeit wird dadurch gerechtfertigt, dass die Inhaber der betroffenen Bergbau-berechtigungen Anspruch darauf haben, sich gegen Übernahme eines angemessenen Kostenanteils an der Aufsuchung zu beteiligen.25 § 21 Abs. 2 sieht hierzu vor, dass die Behörde auf Antrag der betroffenen Berechtsamsinhaber ein entsprechendes 21 Zur entsprechenden Vertragspraxis im Staatsvorbehaltssystem für den Erdöl- und Erdgasbergbau, an dem sich die Regelung orientiert, vgl. Kühne Rechtsfragen der Aufsuchung und Gewinnung von in Steinkohleflözen beisitzendem Methangas, S. 83. 22 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 11 Rn. 11. 23 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 11 Rn. 11. 24 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 11 Rn. 11. 25 Das gilt nach der Ausnahmeregelung in Nummer 5 Halbsatz 2 nicht, wenn die wissenschaftliche Aufsuchung der Entwicklung von neuen Geräten oder Methoden dient. Franke/Karrenstein

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Verlangen an die Inhaber von Erlaubnissen zur Aufsuchung zu wissenschaftlichen Zwecken und zur großräumigen Aufsuchung zu richten hat. Die Verpflichtung nach Nummer 5 schafft die rechtliche Grundlage für das behördliche Verlangen. Adressaten des Verlangens können nur Inhaber von Erlaubnissen zur Aufsuchung zu wissenschaftlichen Zwecken und zur großräumigen Aufsuchung sein; nur bei diesen Erlaubnisarten kann die Behörde im Erteilungsverfahren eine entsprechende Verpflichtung verlangen.

4. Zuverlässigkeit (Nr. 6) Nummer 6 soll, wie entsprechende Regelungen im Berufszulassungs- und Anlagengenehmigungs- 9 recht, verhindern, dass eine Berechtigung, an deren Ausübung der Gesetzgeber besondere Anforderungen stellt, Personen erteilt wird, die hierfür nicht geeignet sind. Die Zuverlässigkeit des Antragstellers ist zu verneinen, wenn die persönlichen Eigenschaften für einen ordnungsgemäßen Aufsuchungsbetrieb nicht gegeben sind. Diese Beurteilung muss sich auf Tatsachen stützen, die den Rückschluss auf mangelnde Zuverlässigkeit des Antragstellers zulassen. Hierbei kommen insbesondere betriebsbezogenen Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten in Betracht. Bei juristischen Personen und Personenhandelsgesellschaften ist bei der Prüfung, ob Unzuverlässigkeitsgründe vorliegen, auf die vertretungsberechtigten Personen abzustellen. Es kommt daher nicht auf die Zuverlässigkeit von Beschäftigten des Antragstellers oder von ihm beauftragter Fremdfirmen an; für die Beurteilung der Zuverlässigkeit einer vertretungsberechtigten Person kann es allerdings erheblich sein, ob sie unzuverlässigen Personen maßgeblichen Einfluss auf den Aufsuchungsbetrieb ermöglicht.26

5. Finanzielle Leistungsfähigkeit (Nr. 7) Das Erfordernis finanzieller Leistungsfähigkeit des Antragstellers nach Nummer 7 ergibt sich bereits 10 aus den rohstoffwirtschaftlichen Zielen des Gesetzes. Diese würden durch Aufsuchungsvorhaben beeinträchtigt, die wegen mangelnder finanzieller Leistungsfähigkeit aufgegeben werden müssen und Aufsuchungsvorhaben leistungsfähiger Interessenten blockieren.27 Es reicht daher nicht aus, dass der Antragsteller zur Finanzierung seines Aufsuchungsvorhabens lediglich Vorstellungen oder Pläne entwickelt;28 auch Finanzierungszusagen, die von Voraussetzungen abhängig gemacht werden, deren Eintritt ungewiss ist, sind zum Nachweis der finanziellen Leistungsfähigkeit nicht geeignet.29 Der Antragsteller muss vielmehr konkret darlegen, dass er die Finanzierung durch Eigenmittel oder Fremdkapital verlässlich gewährleisten kann. Der Maßstab für die Höhe der Aufsuchungskosten ergibt sich aus dem Arbeitsprogramm (Nummer 3);30 der Finanzierungsnachweis ist zugleich ein Indikator dafür, ob das Arbeitsprogramm von einem realistischen Aufsuchungsvorhaben ausgeht (Rn. 5). Um vor allem in Konkurrenzsituationen einen Abbruch von Aufsuchungsvorhaben zu vermeiden, muss der Finanzierungsnachweis sich grundsätzlich auf die gesamte im Arbeitsprogramm dargestellte Aufsuchung beziehen.31 Für die Erlaubnis zur Aufsuchung zu wissenschaftlichen Zwecken wird der Nachweis der finanziellen Leistungsfähigkeit nicht verlangt, weil Aufsuchungsarbeiten mit wissenschaftlicher Zielsetzung gewerblichen Aufsuchungsvorhaben nicht entgegenstehen.32 26 27 28 29 30 31 32

Lang in: Stober (Hrsg.) Gewerberecht, S. 506, 511 f. BT-Drs. 8/1315, S. 86; VG Neustadt 27.1.2010, 5 K 417/09 = ZfB 2011, 131, 136. BT-Drs. 8/1315, S. 86. VG Neustadt 27.1.2010, 5 K 417/09 = ZfB 2011, 131, 137. VG Neustadt 27.1.2010, 5 K 417/09 = ZfB 2011, 131, 136. VG Neustadt 27.1.2010, 5 K 417/09 = ZfB 2011, 131, 137. BT-Drs. 8/1315, S. 86; Kühne Rechtsfragen der Aufsuchung und Gewinnung von in Steinkohleflözen beisitzendem Methangas, S. 99 f. 147

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Zweiter Teil – Bergbauberechtigungen

6. Gefährdung der Aufsuchung und Gewinnung (Nr. 8) 11 Mit dem Versagungsgrund der Gefährdung einer sinnvollen und planmäßigen Aufsuchung und Gewinnung soll, wie bei der Teilung und dem Austausch von Bergwerksfeldern (§§ 28, 29), eine Feldeszersplitterung durch Erteilung einer Bergbauberechtigung verhindert werden.33 Ob der Zuschnitt des beantragten Feldes eine sinnvolle und planmäßige Aufsuchung und Gewinnung ermöglicht, ist bereits Gegenstand der Prüfung des Arbeitsprogramms (Nummer 3 [Rn. 4 f.]). Aufgrund der Nummer 8 sind aber auch die aus dem Zuschnitt des beantragten Feldes resultierenden Auswirkungen auf die Aufsuchung oder Gewinnung anderer bergfreier oder grundeigener Bodenschätzen in demselben Feld und auf die Aufsuchung und Gewinnung im angrenzenden Bereich zu berücksichtigen.34 Eine Gefährdung der sinnvollen und planmäßigen Aufsuchung und Gewinnung kann sich aus sicherheitlichen und bergwirtschaftlichen Gründen ergeben.35 Beide Gründe sind – wie schon nach früherem Recht36 – bei der Teilung und dem Austausch von Bergwerksfeldern anerkannt; für Nummer 8 kann kein anderes Verständnis gelten, weil der Gesetzgeber erkennbar dasselbe Regelungsziel verfolgt. Eine Versagung kann in Betracht kommen, wenn die beantragte Bergbauberechtigung die Errichtung von Einrichtungen ausschließen würde, die für die sicherheitlich sinnvolle und planmäßige Aufsuchung und Gewinnung eines anderen Bodenschatzes erforderlich sind. Aus bergwirtschaftlicher Sicht muss das beantragte Feld vor allem so zugeschnitten sein, dass es eine wirtschaftliche bergbauliche Tätigkeit ermöglicht. Diese Voraussetzung muss für jedes Feld erfüllt sein; die Wirtschaftlichkeit darf sich nicht daraus ergeben, dass bei der Vorhabenplanung von vornherein die Möglichkeit einer Zulegung (vgl. § 35 Rn. 1) oder der Anlegung von Hilfsbauen (§ 44) berücksichtigt ist.37 Um eine Versagung der Erlaubnis zu rechtfertigen, reicht die bloße Möglichkeit, dass eine Aufsuchung und Gewinnung anderer Bodenschätze erfolgt, nicht aus. Die Planung einer Aufsuchung oder Gewinnung muss sich zumindest soweit konkretisiert haben, dass beurteilt werden kann, ob eine sinnvolle und planmäßige Durchführung durch die beantragte Bergbauberechtigung gefährdet wird. Bei bergfreien Bodenschätzen ist dies dann der Fall, wenn das Feld für die zu schützende Aufsuchung oder Gewinnung festgelegt ist;38 bei grundeigenen Bodenschätzen ist ein vergleichbarer Stand der Vorhabenplanung erforderlich.

7. Lagerstättenschutz (Nr. 9) 12 Aufgrund Nummer 9 können der Erteilung einer Erlaubnis auch Gründe des Lagerstättenschutzes entgegenstehen. Das ist der Fall, wenn Bodenschätze, deren Schutz im öffentlichen Interesse liegt, durch die beabsichtigte Aufsuchung beeinträchtigt würden. Aufgrund § 12 Abs. 2 sind auch Beeinträchtigungen durch eine spätere Gewinnung bei der Erlaubniserteilung zu berücksichtigen, wenn sie in diesem Zeitpunkt bereits erkennbar sind (§ 12 Rn. 9). Geschützter Bodenschatz kann sowohl der Bodenschatz, auf den sich die beantragte Erlaubnis bezieht, als auch ein 33 BT-Drs. 8/1315, S. 86 f., 94. 34 BT-Drs. 8/1315, S. 86 f.; Kühne Rechtsfragen der Aufsuchung und Gewinnung von in Steinkohleflözen beisitzendem Methangas, S. 101; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 11 Rn. 19.

35 Kühne Rechtsfragen der Aufsuchung und Gewinnung von in Steinkohleflözen beisitzendem Methangas, S. 100; a.A. OVG Magdeburg 4.11.1999, A 1/4 S 170/97 = ZfB 2011, 237, 242 f., dessen Begründung aber eher an § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 orientiert ist. Auf der Betriebsplanebene kann der Feldeszuschnitt naturgemäß keine Rolle mehr spielen, so dass aus dem Prüfprogramm für die Betriebsplanzulassung keine Schlussfolgerungen für eine entsprechende Beschränkung der auf der Berechtsamsebene wesentlichen Prüfungsgesichtspunkte gezogen werden können. Zur sicherheitlichen Orientierung des § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8, der an Aufsichtsregelungen des früheren Rechts anknüpft (§ 196 ABG), Piens/ Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 55 Rn. 266 ff. 36 Kühne Rechtsfragen der Aufsuchung und Gewinnung von in Steinkohleflözen beisitzendem Methangas, S. 99 f. 37 Isay ABG, Band 1, § 27 Rn. 4. 38 Kühne Rechtsfragen der Aufsuchung und Gewinnung von in Steinkohleflözen beisitzendem Methangas, S. 101 ff.; vgl. auch Wörheide Die Bergbauberechtigungen nach dem Bundesberggesetz, S. 150 ff. Franke/Karrenstein

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Erstes Kapitel – Bergfreie Bodenschätze

§ 11

anderer Bodenschatz sein.39 Beeinträchtigungen des geschützten Bodenschatzes sind tatsächliche nachteilige Einwirkungen auf die Lagerstätte, während nachteilige Auswirkungen, die sich aus dem Feldeszuschnitt ergeben, durch den Versagungsgrund nach Nummer 8 verhindert werden sollen.40 Der Lagerstättenschutz ist ein sowohl auf der Berechtsams- als auch auf der Betriebsplanebene (§ 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4) zu prüfender Gemeinwohlbelang. Daher ist der auf den beiden Entscheidungsebenen unterschiedliche Konkretisierungsgrad der Vorhabenplanung zu berücksichtigen. Auf der Berechtsamsebene ist eine Versagung nur gerechtfertigt, wenn erhebliche nachteilige Einwirkungen auf die Lagerstätte zu erwarten sind, denen auch im weiteren Prozess der betrieblichen Planung mit den auf der Betriebsplanebene bestehenden Handlungsmöglichkeiten nicht Rechnung getragen werden kann.41 Ob der Bodenschatz, der Gegenstand der beantragten Bergbauberechtigung ist, beeinträchtigt wird, wird bereits beim Arbeitsprogramm geprüft (Nummer 3). Entsprechend der rohstoffwirtschaftlichen Orientierung dieser Prüfung soll vor allem verhindert werden, die Nutzung volkswirtschaftlich wichtiger Bodenschätze durch unsachgemäße Betriebshandlungen zu beinträchtigen; in Betracht kommt hierbei vor allem eine Konzentration der Gewinnung auf die besten Lagerstättenteile ohne Rücksicht auf eine langfristige Nutzung der Lagerstätte (Raubbau).42 Andere Bodenschätze werden etwa dadurch beeinträchtigt, dass sie abgeräumt werden müssten, nur noch mit unvertretbarem Aufwand abgebaut oder verunreinigt werden könnten.43 Zu versagen ist die Erlaubnis aus Gründen des Lagerstättenschutzes nur, wenn der Schutz der Bodenschätze im öffentlichen Interesse liegt. Das ist der Fall, wenn ein Bodenschatz volkswirtschaftlich von besonderem Gewicht ist.44 Dass sich aus diesem Kriterium ein Vorrang bergfreier Bodenschätze ableiten lässt, erscheint fraglich. Diese sind zwar wegen ihrer volkswirtschaftlichen Bedeutung dem Verfügungsrecht des Grundeigentümers entzogen. Dabei steht aber der Gesichtspunkt im Vordergrund, eine von Grundstücksgrenzen unabhängige Aufsuchung und Gewinnung zu ermöglichen;45 im Übrigen geht der Gesetzgeber von der Gleichrangigkeit der Gewinnungsrechte für bergfreie und sonstige Bodenschätze aus (§§ 34, 43). Ein normatives Kriterium für die Schutzwürdigkeit im Rahmen des Lagerstättenschutzes lässt sich daher aus der gesetzgeberischen Einteilung der Bodenschätze nicht ableiten. Hinzu kommt, dass die Entscheidung, ob der Schutz eines Bodenschatzes im öffentlichen Interesse liegt, eine rohstoffpolitische Einschätzung voraussetzt. Ergibt sich das öffentliche Interesse nicht unmittelbar aus einer gesetzlichen Regelung, kann eine solche Entscheidung ohne konkretisierende Vorgaben durch ein gesetzlich geregeltes Verfahren nicht von einer Behörde im Rahmen einer gebundenen Entscheidung getroffen werden. Das spricht dafür, dass ein öffentliches Interesse am Schutz eines Bodenschatzes in der Regel nur bei einer planerischen Ausweisung (etwa durch einen Braunkohlenplan oder als Vorrang- und Eignungsgebiet im Rahmen der regionalen oder örtlichen Planung § 7 Abs. 3 ROG, § 35 Abs. 3 Satz 2 und 3 BauGB]) bejaht werden kann.

8. Entgegenstehende öffentliche Interessen (Nr. 10) a) Regelungszweck. Der Gesetzgeber ist bei der Abgrenzung der Prüfungsinhalte und Rege- 13 lungswirkungen auf der Berechtsams- und der Betriebsplanebene davon ausgegangen, dass der 39 Kühne Rechtsfragen der Aufsuchung und Gewinnung von in Steinkohleflözen beisitzendem Methangas, S. 92. 40 Kühne Rechtsfragen der Aufsuchung und Gewinnung von in Steinkohleflözen beisitzendem Methangas, S. 100. 41 Vgl. Kühne Rechtsfragen der Aufsuchung und Gewinnung von in Steinkohleflözen beisitzendem Methangas, S. 96 f., der auf einen am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz orientierten Interessenausgleich abstellt.

42 Frenz/Franßen BBergG, § 11 Rn. 34; Kühne Rechtsfragen der Aufsuchung und Gewinnung von in Steinkohleflözen beisitzendem Methangas, S. 92; Wörheide Die Bergbauberechtigungen nach dem Bundesberggesetz, S. 150. 43 BT-Drs. 8/1315, S. 87; Kühne Rechtsfragen der Aufsuchung und Gewinnung von in Steinkohleflözen beisitzendem Methangas, S. 92. 44 BT-Drs. 8/1315, S. 87. 45 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 3 Rn. 12. 149

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§ 11

Zweiter Teil – Bergbauberechtigungen

Berechtsamsinhaber mit der Bergbauberechtigung lediglich einen „Rechtstitel“ erlangt hat, der nichts darüber besagt, wie und unter welchen Voraussetzungen die Bergbauberechtigung ausgeübt werden kann.46 An dieser Funktion der Bergbauberechtigung orientiert sich das behördliche Prüfprogramm bei der Entscheidung über die Erteilung einer Bergbauberechtigung, das sich – wegen ihrer Ausgestaltung als gebundene Entscheidung – abschließend aus den gesetzlichen Versagungsgründen (§§ 11 bis 13) ergibt. Danach ist auf der Berechtsamsebene keine Konkretisierung des bergbaulichen Vorhabens erforderlich, die eine Prüfung der Vereinbarkeit mit den bergrechtlichen Anforderungen und mit den Vorgaben des Umwelt- und Planungsrechts ermöglicht. Das gilt vor allem für die im Erteilungsverfahren vorzulegenden Arbeitsprogramme, in denen die vorgesehenen Aufsuchungs- und Gewinnungstätigkeiten beschrieben werden müssen. Für die Zielrichtung dieser Darlegungspflichten ist wesentlich, dass sie rohstoffwirtschaftliche Steuerungsinstrumente sind, mit denen insbesondere der Erwerb von Vorratsberechtigungen verhindert werden soll.47 Auf der Berechtsamsebene werden entsprechend dieser Ausrichtung keine konkreten Aufsuchungs- oder Gewinnungstätigkeiten gestattet. Deren Zulassung ist durch den umfassenden Vorbehalt des § 51 Abs. 1 auf die Entscheidungsebene des Betriebsplans verlagert. In der Regel konkretisiert sich erst auf dieser Ebene die Ausübung der Bergbauberechtigung zum bergbaulichen Vorhaben, dessen Umweltauswirkungen beurteilt werden können. Daher ist der Betriebsplan die im bergrechtlichen Zulassungssystem für die Berücksichtigung von Umweltbelangen prädestinierte Entscheidungsebene. 14 Nummer 10 weicht von dieser grundsätzlichen Zuordnung der Prüfungs- und Regelungsinhalte ab. Obwohl eine „echte Kollision mit anderen öffentlichen Interessen“ nicht schon durch die Erteilung einer Bergbauberechtigung, sondern erst durch deren betriebsplanpflichtige Ausübung entsteht,48 ist nach Nummer 10 bereits die Erteilung einer Bergbauberechtigung zu versagen, wenn überwiegende öffentliche Interessen die Aufsuchung oder Gewinnung im gesamten zuzuteilenden Feld ausschließen. Ob einem Aufsuchungs- oder Gewinnungsvorhaben überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen, ist demnach sowohl auf der Betriebsplanebene (§ 48) als auch bei der Erteilung von Bergbauberechtigungen zu prüfen. Für die Zielrichtung dieser auf die Berechtsamsebene vorgezogenen Prüfung bergrechtsexterner Gemeinwohlbelange ist allerdings bedeutsam, dass der Gesetzgeber sie als Ausnahme angesehen hat, so dass die Möglichkeit zur Versagung „von gravierenden Voraussetzungen“ abhängig gemacht werden müsse.49 Die Prüfung der Vereinbarkeit mit überwiegenden öffentlichen Interessen im Erteilungsverfahren ist danach nicht Ausgangspunkt einer gestuften Planungsentscheidung,50 die im Betriebsplanverfahren nur noch der Konkretisierung bedürfte.51 Dagegen spricht, dass der Gesetzgeber darauf verzichtet hat, für das Erteilungsverfahren eine Konkretisierung der Vorhabendarstellung und Vorlagepflichten des Antragstellers anzuordnen, die für eine umwelt- und planungsrechtliche Beurteilung erforderlich wären.52 Ob ein Versagungsgrund nach Nummer 10 vorliegt, soll nach § 15 vielmehr aufgrund der Stellungnahmen der Fachbehörden beurteilt werden. Auch dass die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bergbaulichen Vorhaben erst auf der Entscheidungsstufe des Rahmenbetriebsplans einsetzt, zeigt, dass der Gesetzgeber nicht von einer umfassenden Prüfung der Vereinbarkeit mit umwelt- und planungsrechtlichen Vorgaben

46 47 48 49

BT-Drs. 8/1315, S. 84. BVerwG 3.3.2011, 7 C 4/10 = ZfB 2011, 105 Rn. 12 ff. BT-Drs. 8/1315, S. 87. BT-Drs. 8/1315, S. 86 Zum Ausnahmecharakter der Vorverlagerung Kühne Rechtsfragen der Aufsuchung und Gewinnung von in Steinkohleflözen beisitzendem Methangas, S. 84 f., 97; Franke FS Kühne (2009), S. 507, 525 – Überblick über die Diskussion zu § 11 Nr. 10 bei Frenz BBergG, nach §§ 11–12 Rn. 6 ff.; Kaiser Umweltverträgliches Bergrecht, S. 88 ff., 239 ff.; von Weschpfennig Strukturen des Bergrechts, S. 104 ff.; Wörheide Die Bergbauberechtigungen nach dem Bundesberggesetz, S. 165 ff. 50 OVG Bautzen 10.6.1998, 1 S 349/96 = ZfB 1998, 205, 208 f.; Kühne ZfB 2018, 92, 95; Wörheide Die Bergbauberechtigungen nach dem Bundesberggesetz, S. 173. 51 So wohl Fischer-Hüftle NuR 1989, 106, 108. Hierzu kritisch Kühne ZfB 2013, 113, 122 f. 52 Niermann Betriebsplan und Planfeststellung im Bergrecht, S. 16; Franke FS Kühne (2009), S. 507, 522. Franke/Karrenstein

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Erstes Kapitel – Bergfreie Bodenschätze

§ 11

auf der Berechtsamsebene ausgegangen ist.53 Hierauf weist auch die materiell-rechtliche Voraussetzung hin, dass eine Versagung nur in Betracht kommt, wenn die Aufsuchung im gesamten zuzuteilenden Feld durch überwiegende öffentliche Interessen ausgeschlossen ist. Damit werden an den räumlichen Umfang und an die Gewissheit des späteren Vorliegens von Zulassungshindernissen hohe Anforderungen gestellt. Dies entspricht dem Ausnahmecharakter der Regelung. Nummer 10 soll danach die Erteilung einer Bergbauberechtigung verhindern, von der feststeht, dass sie insgesamt nicht ausgeübt werden könnte.54 Dahinter steht der Gedanke des fehlenden Bescheidungsinteresses.55 Der Antragsteller kann kein berechtigtes Interesse an der Erteilung einer Bergbauberechtigung haben, die sich im Nachhinein als substanzlos erweist.56 Kommt die Behörde zu der Einschätzung, dass kein Versagungsgrund nach Nummer 10 vorliegt, wird damit lediglich festgestellt, dass eine Ausübung der Bergbauberechtigung nicht insgesamt ausgeschlossen ist; hieraus kann sich keine Bindungswirkung mit greifbarem Inhalt für das Betriebsplanverfahren ergeben.57

b) Überwiegende öffentliche Interessen. Als öffentliche Interessen, die im Rahmen der Prü- 15 fung nach Nummer 10 zu berücksichtigen sind, kommen alle von der Rechtsordnung anerkannten öffentlichen Interessen in Betracht,58 wobei sich aus dem notwendigen Feldesbezug59 ergibt, dass es sich um raumbezogene Interessen handeln muss.60 In Betracht kommen danach vor allem Belange des Natur- und Landschaftsschutzes, der Raumordnung und Landesplanung, des Verkehrs und des Gewässerschutzes.61 Diese Interessen werden in rechtlich geregelten Verfahren konkretisiert. Sie sind daher im Erteilungsverfahren zu berücksichtigen, wenn sie als verbindliche Ziele der Raumordnung und Landesplanung konkretisiert sind;62 außerhalb des gesetzlich geregelten Verfahrens entwickelte planerische Vorstellungen sind nicht hinreichend konkret und verbindlich, um eine Versagung zu rechtfertigen.63

53 Franke FS Kühne (2009), S. 507, 526. 54 Kühne DVBl 1987, 1259, 1261 Fn. 23; Kühne ZfB 2018, 92, 95; Franke in: Frenz/Preuße (Hrsg.) Chancen und Risiken von unkonventionellem Erdgas (2011), S. 9, 16 ff.; Hoppe/Spoerr Bergrecht und Raumordnung, S. 96 f.; Wörheide Die Bergbauberechtigungen nach dem Bundesberggesetz, S. 172. 55 VG Greifswald 16.4.2015, 5 A 1620/12 = ZfB 2015, 136, 141; VG Schleswig 15.10.2015, 6 A 94/15, juris Rn. 60; Frenz/ Franßen BBergG, § 11 Rn. 35; Frenz BBergG, nach §§ 11–12 Rn. 6; Kühne Rechtsfragen der Aufsuchung und Gewinnung von in Steinkohleflözen beisitzendem Methangas, S. 89; Kühne ZfB 2013, 113, 122 f.; Kühne ZfB 2017, 71, 83; Kühne ZfB 2018, 92, 94 f.; Franke FS Kühne (2009), S. 507, 525; Franke in: Frenz/Preuße (Hrsg.) Chancen und Risiken von unkonventionellem Erdgas, S. 9, 18. 56 BVerwG 15.10.1998, 4 B 94/98, NVwZ 1999, 876, 877; OVG Bautzen 10.6.1998, 1 S 349/96 = ZfB 1998, 205, 210 f.; Kühne DVBl 1987, 1259, 1261; Franke FS Kühne (2009), S. 507, 525. 57 Niermann Betriebsplan und Planfeststellung im Bergrecht, S. 16 f.; Schmidt-Aßmann/Schoch Bergwerkseigentum und Grundeigentum im Betriebsplanverfahren, S. 79; Wörheide Die Bergbauberechtigungen nach dem Bundesberggesetz, S. 173, 346 ff.; Frenz/Zimmer BBergG, § 15 Rn. 3 f.; Auch für die bergbauspezifischen Gesichtspunkte, die sowohl auf der Berechtsams- als auch auf der Betriebsplanebene geprüft werden, wird keine Bindungswirkung zwischen den Entscheidungsebenen vertreten (für den Gesichtspunkt des Lagerstättenschutzes wird eine solche Bindungswirkung nur von Pfadt Rechtsfragen zum Betriebsplan im Bergrecht, S. 153, angenommen). 58 VGH Mannheim 9.6.1988, 6 S 2972/84 = ZfB 1989, 57, 66; OVG Magdeburg 4.11.1999, A 1/4 S 170/97 = ZfB 2011, 237, 239; VG Weimar 17.1.1995, 7 K 716/93.We = ZfB 1995, 225, 230 f.; VG Leipzig 19.1.1995, 5 K 23/94 = ZfB 1995, 48, 53; VG Gera 24.1.1996, 1 K 132/95 = ZfB 1996, 172, 175. 59 Zum Erfordernis des Feldesbezugs BT-Drs. 8/1315, S. 86. 60 VGH Mannheim 9.6.1988, 6 S 2972/84 = ZfB 1989, 57, 66; OVG Bautzen 10.6.1998, 1 S 349/96 = ZfB 1998, 205, 208 f.; OVG Magdeburg 4.11.1999, A 1/4 S 170/97 = ZfB 2011, 237, 239; VG Weimar 17.1.1995, 7 K 716/93.We = ZfB 1995, 225, 230 f.; VG Gera 24.1.1996, 1 K 132/95 = ZfB 1996, 172, 175. 61 BT-Drs. 8/1315, S. 86; Frenz/Franßen BBergG, § 11 Rn. 36; Frenz BBergG, nach §§ 11–12 Rn. 26; Böhm FS Koch (2014), S. 565, 576 ff. 62 VG Leipzig 19.1.1995, 5 K 23/94 = ZfB 1995, 48, 56; VG Gera 24.1.1996, 1 K 132/95 = ZfB 1996, 172, 176. 63 VG Gera 24.1.1996, 1 K 132/95 = ZfB 1996, 172, 176. 151

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§ 11

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Zweiter Teil – Bergbauberechtigungen

Ob die einer Aufsuchung entgegenstehenden Interessen überwiegen, ergibt sich aus der umwelt- oder planungsrechtlichen Vorgabe, bei deren Anwendung die Rohstoffsicherungsklausel (§ 48 Abs. 1 Satz 2) zu berücksichtigen ist, ohne dass sich hieraus ein genereller Vorrang bergbaulicher Belange ergibt (vgl. § 48 Rn. 29 ff.).64 Wenn planerische Vorgaben oder Schutzgebietsregelungen absolute, auch durch Ausnahmen oder Befreiungen nicht überwindbare Verbote enthalten, ist im Rahmen der Prüfung nach Nummer 10 für eine Abwägung kein Raum.65 Die bergbehördliche Prüfung, ob planerische Vorgaben und Schutzgebietsregelungen bergbauliche Aktivitäten ausschließen, verdrängt nicht die Zuständigkeit der für die Wahrung dieser Interessen zuständigen Behörden; vielmehr bleiben diese Regelungen unberührt (§ 48 Abs. 1 Satz 1) und bei Schutzgebietsregelungen auch selbständig durchsetzbar. Daher sind zur Prüfung, ob ein Versagungsgrund nach Nummer 10 gegeben ist, die Fachbehörden zu beteiligen, zu deren Aufgaben die Wahrnehmung der öffentlichen Interessen gehört (siehe § 15).

17 c) Ausschluss im gesamten Feld. Dass die Aufsuchung im gesamten zuzuteilenden Feld durch überwiegende öffentliche Interessen ausgeschlossen sein muss, gehört zu den „gravierenden Voraussetzungen“, von denen der Gesetzgeber die Prüfung bergrechtsexterner Belange bereits auf der Berechtsamsebene abhängig machen wollte.66 Versagt werden soll die Erlaubnis nach Nummer 10 nur, wenn eine Prüfung konkreter, nur Teile des Erlaubnisfeldes erfassender Vorhaben auf der Betriebsplanebene entbehrlich ist, weil die Zulassungsfähigkeit bereits bei Erteilung der Bergbauberechtigung für das gesamte Feld ausgeschlossen werden kann. Dieses flächenbezogene Verständnis des Feldesbezugs entspricht dem Gesetzeswortlaut und dem Ausnahmecharakter der Vorschrift.67 Gegen ein qualitatives Verständnis,68 nach dem ein Versagungsgrund vorliegen soll, wenn bergbaulichen Aktivitäten bedeutende und sehr gewichtige öffentliche Interessen entgegenstehen,69 spricht das Erfordernis einer umfassenden Prüfung der Vereinbarkeit mit Vorgaben des Umwelt- und Planungsrechts. Eine solche Prüfung entspricht ersichtlich nicht dem Regelungskonzept des § 11 (Rn. 14). 18 Die einer Aufsuchung entgegenstehenden öffentlichen Interessen müssen eine spätere Zulassung ausschließen. An den Gewissheitsgrad, dass es nicht zu einer Aufsuchung kommen würde, sind entsprechend dem Regelungszweck hohe Anforderungen zu stellen. Eine Versagung kommt danach nur in Betracht, wenn feststeht, dass eine Aufsuchung später nicht zugelassen werden könnte. Hieraus ergeben sich zunächst Anforderungen an die Eindeutigkeit der die bergrechtsexternen Interessen konkretisierenden Regelungen. Ausgeschlossen wird eine Aufsuchung durch absolute Verbote oder Beschränkungen (Rn. 16). Kommen Ausnahmen oder Befreiungen in Be64 BVerwG 15.10.1998, 4 B 94/98, NVwZ 1999, 876. 65 VGH Mannheim 9.6.1988, 6 S 2972/84 = ZfB 1989, 57, 70; VG Leipzig 19.1.1995, 5 K 23/94 = ZfB 1995, 48, 53; VG Gera 24.1.1996, 1 K 132/95 = ZfB 1996, 172, 175; von Weschpfennig Strukturen des Bergrechts, S. 107. 66 BT-Drs. 8/1315, S. 86. 67 OVG Bautzen 10.6.1998, 1 S 349/96 = ZfB 1998, 205, 210 f.; OVG Magdeburg 4.11.1999, A 1/4 S 170/97 = ZfB 2011, 237, 239; VG Weimar 17.1.1995, 7 K 716/93.We = ZfB 1995, 225, 230 f.; Frenz/Franßen BBergG, § 11 Rn. 36; Kühne DVBl 1987, S. 1259, 1261 Fn. 23; Franke FS Kühne (2009), S. 507, 525; Franke in: Frenz/Preuße (Hrsg.) Chancen und Risiken von unkonventionellem Erdgas, S. 9, 18 f. 68 VGH Mannheim 9.6.1988, 6 S 2972/84 = ZfB 1989, 57, 68 f.; VG Leipzig 19.1.1995, 5 K 23/94 = ZfB 1995, 48, 53; Frenz BBergG, nach §§ 11–12 Rn. 21 ff.; Böhm FS Koch (2014), S. 565, 582 f.; Erbguth VerwArch 87 (1996), 258, 278; Fischer-Hüftle NuR 1989, 106, 108; Frenz Bergrecht und nachhaltige Entwicklung, S. 34 f.; Kloepfer Umweltrecht, § 10 Rn. 193; Ludwig Auswirkungen der FFH-RL auf Vorhaben zum Abbau von Bodenschätzen nach dem BBergG, S. 80; Sparwasser/Engel/ Voßkuhle Umweltrecht, § 9 Rn. 316; differenzierend von Weschpfennig Strukturen des Bergrechts, S. 108 f., der von einem flächenbezogenen Versagungsgrund ausgeht, welcher aber auch dann vorliege, wenn sich die überwiegenden öffentlichen Interessen auf das gesamte Feld auswirken. 69 Frenz Bergrecht und nachhaltige Entwicklung, S. 34 f. Hieraus wird etwa abgeleitet, bereits im Verfahren der Berechtsamserteilung müsse aufgrund § 11 Nr. 10 BBergG zumindest überschlägig die FFH-Verträglichkeit geprüft werden (Ludwig Auswirkungen der FFH-RL auf Vorhaben zum Abbau von Bodenschätzen nach dem BBergG, S. 81). Franke/Karrenstein

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Erstes Kapitel – Bergfreie Bodenschätze

§ 11

tracht, hat die Bergbehörde unter Beteiligung der zuständigen Fachbehörden zu prüfen, ob im Zeitpunkt der Erlaubniserteilung das Vorliegen von Ausnahme- oder Befreiungsvoraussetzungen bereits bejaht werden kann. Ist dies der Fall oder erscheinen Ausnahmen oder Befreiungen als möglich, ist die Aufsuchung nicht ausgeschlossen. Angesichts des geringen Grades der Vorhabenkonkretisierung auf der Berechtsamsebene kommt es schließlich auf die Prüfung der Möglichkeit an, ein bergbauliches Vorhaben im weiteren Prozess der betrieblichen Planung so auszugestalten, dass es mit planerischen Vorgaben oder Schutzgebietsregelungen vereinbar ist (vgl. § 15 Rn. 2); bejaht die Behörde diese Möglichkeit, liegt gleichfalls kein Versagungsgrund vor.

IV. Verwaltungsverfahren und Rechtsschutz Im Erteilungsverfahren sind insbesondere die Behörden zu beteiligen, zu deren Aufgaben die 19 Wahrnehmung öffentlicher Interessen im Sinne des § 11 Nr. 10 gehört (§ 15). Rechtlich geschützte Interessen privater Dritter werden durch die Versagungsgründe des § 11 nicht berührt. Bei einer Konkurrenz mehrerer Anträge, die eine Vorrangentscheidung nach § 14 Abs. 2 erfordern, kann aber eine wechselseitige Beteiligung der Antragsteller in Betracht kommen. Bei einem präventiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt liegt die Darlegungs- und Beweislast 20 für das Vorliegen von Versagungsgründen grundsätzlich bei der Behörde.70 Das gilt nicht für die durch Nummer 1 bis 3 dem Antragsteller auferlegten Darlegungs- und Vorlagepflichten sowie für die Beurteilung der finanziellen Leistungsfähigkeit; ob diese gegeben ist, kann sich nur aus Umständen in der betrieblichen Sphäre des Antragstellers ergeben. Die generelle Beweislastverteilung wird daher unter dem Gesichtspunkt der Zuordnung nach Verfügungs- und Verantwortungssphären modifiziert. Es obliegt dem Antragsteller, im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht (§ 26 Abs. 2 Sätze 1 und 2 VwVfG) das Vorliegen der für die Aufsuchung erforderlichen Leistungsfähigkeit darzulegen. Bei der Beurteilung der Zuverlässigkeit muss hingegen die Behörde die zur Annahme der Unzuverlässigkeit führenden Tatsachen darlegen.71 Die Darlegungs- und Beweislast liegt hier nur dann beim Antragsteller, wenn substantiiert dargelegte Unzuverlässigkeitstatsachen durch Gesichtspunkte aus seiner persönlichen oder betrieblichen Sphäre zu entkräften sind.72 Das Vorliegen überwiegender öffentlicher Interesse nach Nummer 10 muss die Behörde darlegen.73 Gegen die Versagung der Erlaubnis kann der Antragsteller Verpflichtungsklage erheben, 21 wobei das Vorliegen von Versagungsgründen gerichtlich uneingeschränkt überprüfbar ist. Auch bei der Prüfung nach Nummer 10 hat die Behörde keinen Beurteilungsspielraum.74 Hat die Behörde das Vorliegen überwiegender öffentlicher Interessen nicht hinreichend aufgeklärt, kann das Gericht den Versagungsbescheid aufheben und zur Neuentscheidung an die Behörde zurückverweisen (§ 113 Abs. 3 VwGO).75 § 11 enthält keine drittschützenden Versagungsgründe. Eröffnet ist Drittrechtsschutz aber, wenn bei konkurrierenden Anträgen eine Entscheidung nach § 14 Abs. 2 getroffen worden ist. Der unterlegene Dritte kann in diesen Fällen Verpflichtungsklage auf Erteilung einer Erlaubnis an ihn erheben. Dabei ist gleichzeitig die Aufhebung der einem anderen erteilten Erlaubnis zu beantragen, deren Ausschließlichkeit die Erteilung einer weiteren Erlaubnis ausschließen würde.76

70 Eyermann/Schübel-Pfister VwGO § 86 Rn. 6; Sodan/Ziekow/Höfling/Rixen VwGO, § 108 Rn. 128; vgl. Hufen Verwaltungsprozessrecht, § 37 Rn. 16 zur Beweiserhebung. 71 Stober/Lang Gewerberecht, S. 506, 510 f. 72 Stober/Lang Gewerberecht, S. 506, 511 f. 73 OVG Magdeburg 4.11.1999, A 1/4 S 170/97 = ZfB 2011, 237, 241. 74 VGH Mannheim 9.6.1988, 6 S 2972/84 = ZfB 1989, 57, 66 f.; OVG Magdeburg 4.11.1999, A 1/4 S 170/97 = ZfB 2011, 237, 239; Frenz/Franßen BBergG, § 11 Rn. 40; von Weschpfennig Strukturen des Bergrechts, S. 112 ff., 117 ff. 75 VG Weimar 17.1.1995, 7 K 716/93.We = ZfB 1995, 225, 237; VG Leipzig 19.1.1995, 5 K 23/94 = ZfB 1995, 48, 51 f. 76 VG Neustadt 27.1.2010, 5 K 417/09 = ZfB 2011, 131, 135. 153

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§ 12

Zweiter Teil – Bergbauberechtigungen

§ 12 Versagung der Bewilligung 1 Für die Versagung der Bewilligung gilt § 11 Nr. 1 und 6 bis 10 entsprechend. 2Die Bewilligung ist ferner zu versagen, wenn 1. nicht die Stellen, an denen die Bodenschätze entdeckt worden sind, nach Lage und Tiefe in einem Lageriß genau angegeben werden, 2. das Feld, in dem gewonnen werden soll, nicht dem § 4 Abs. 7 entspricht oder in einem Lageriß nicht entsprechend den Anforderungen einer Bergverordnung nach § 67 eingetragen ist, 3. der Antragsteller nicht nachweist, daß die entdeckten Bodenschätze nach ihrer Lage und Beschaffenheit gewinnbar sind, 4. der Antragsteller kein Arbeitsprogramm vorlegt, aus dem insbesondere hervorgeht, daß die technische Durchführung der Gewinnung und die danach erforderlichen Einrichtungen unter und über Tage ausreichend sind und die Gewinnung in einer angemessenen Zeit erfolgt. (2) Entdeckt der Inhaber einer Erlaubnis zur Aufsuchung zu gewerblichen Zwecken die in dieser Erlaubnis bezeichneten Bodenschätze im Erlaubnisfeld, so darf die von ihm beantragte Bewilligung nur aus Gründen des Absatzes 1 und nur versagt werden, wenn die Tatsachen, die die Versagung rechtfertigen, erst nach der Erteilung der Erlaubnis eingetreten sind.

(1)

Schrifttum Franke Rechtsfragen der Nutzung erneuerbarer Energien: Grubengas und Geothermie, in: Burgi (Hrsg.) Planungssicherheit im Energiewirtschaftsrecht (2003), S. 93; Franke Funktionswandel der Bergbauberechtigung?, in: Baur/Sandrock/ Scholtka/Shapira (Hrsg.) Festschrift für Gunther Kühne zum 70. Geburtstag (2009), S. 510, zitiert als Franke FS Kühne (2009); Ipsen Rechtsstaatliche Erdölkonzessionierung, in: Conrad/Jahrreiß/Mikat/Mosler/Nipperdey/Salzwedel (Hrsg.) Gedächtnisschrift für Hans Peters (1967), S. 686, (Nachdruck in: Ipsen Öffentliches Wirtschaftsrecht (1985), S. 653), zitiert als Ipsen GS Peters (1967); Kühne Bergbauberechtigungen und Bestandsschutz, in: Baur/Müller-Graff/Zuleeg (Hrsg.) Europarecht – Energierecht – Wirtschaftsrecht, Festschrift für Bodo Börner (1992), S. 565, zitiert als Kühne FS Börner (1992); Kühne Rechtsfragen der Aufsuchung und Gewinnung von in Steinkohleflözen beisitzendem Methangas (1994); Kühne Deutsches Bergrecht, in: Säcker (Hrsg.) Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht (2010), Kap. 3, Teil 1 (S. 263); Kühne Fragen des Berechtsamswesens im Bergrecht, ZfB 2018, 92; Manten Die Privilegierung von Erlaubnisinhabern bei der Beantragung bergrechtlicher Bewilligungen, ZfB 2011, 165; Westermann Freiheit des Unternehmers und des Grundeigentümers und ihre Pflichtenbindungen im öffentlichen Interesse nach dem Referentenentwurf eines Bundesberggesetzes (1973); Wörheide Die Bergbauberechtigungen nach dem Bundesberggesetz (2014).

Übersicht I.

Allgemeines

1

II. 1. 2.

Versagungsgründe 3 Entsprechende Anwendung des § 11 Bewilligungsspezifische Versagungsgründe (Ab4 satz 1 Satz 2 Nr. 1 bis 4)

III. 1. 2.

Einschränkung der Versagungsgründe bei Vorliegen einer Erlaubnis Schutz der Interessen des Erlaubnisinhabers bei 7 Erteilung der Bewilligung Einschränkung der Versagungsgründe bei der Er9 teilung der Bewilligung (Absatz 2)

I. Allgemeines 1 § 12 regelt die Gründe, aus denen die Erteilung der Bewilligung versagt werden kann. Die Entscheidung über die Erteilung der Bewilligung ist wie bei den anderen Bergbauberechtigungen eine gebunFranke/Karrenstein https://doi.org/10.1515/9783110709285-025

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Erstes Kapitel – Bergfreie Bodenschätze

§ 12

dene Entscheidung.1 Der Katalog der Versagungsgründe in Absatz 1 ist abschließend; liegen keine Versagungsgründe vor, besteht ein Anspruch auf Erteilung der Bewilligung. Hierbei ist der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass das aus der Ausschließlichkeit bestehender Gewinnungsberechtigungen (§ 8 Abs. 1 und 2, § 9 Abs. 1 Halbsatz 1) folgende Verbot der Erteilung weiterer feldesüberdeckender Gewinnungsrechte auf denselben Bodenschatz keiner ausdrücklichen Regelung bedurfte.2 Eine Bewilligung kann ohne vorherige Erteilung einer Erlaubnis beantragt werden (§ 14 2 Abs. 1, § 33 Abs. 1).3 In Betracht kommt dies insbesondere, wenn der Antragsteller die Darlegungspflichten nach § 12 Abs. 1 Satz 2 erfüllen kann, weil er die erforderlichen Kenntnisse im Zuge von Aufsuchungs- oder Gewinnungstätigkeiten erlangt hat, die auf einen anderen Bodenschatz gerichtet waren,4 oder weil er die erforderlichen Daten auf dem Markt erworben hat.5 Ist bereits eine Aufsuchungserlaubnis erteilt, hat die Behörde dem Erlaubnisinhaber den Inhalt überdeckender Bewilligungsanträge mitzuteilen, um ihm Gelegenheit zu geben, selbst einen Bewilligungsantrag zu stellen (§ 14 Abs. 1 [vgl. § 14 Rn. 3]).

II. Versagungsgründe 1. Entsprechende Anwendung des § 11 Die Versagungsgründe für die Aufsuchungserlaubnis nach § 11 Nr. 1 und 6 bis 10 (vgl. § 11 Rn. 3, 3 9 ff.) gelten bei der Entscheidung über die Erteilung der Bewilligung entsprechend. Bei der entsprechenden Anwendung ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die geschützten Gemeinwohlbelange durch Gewinnungstätigkeiten in der Regel stärker berührt werden als durch Aufsuchungshandlungen. So können mit Blick auf § 11 Nr. 9 und 10 in geschützten Bereichen begrenzte Eingriffe durch Aufsuchungstätigkeiten wie etwa Erkundungsbohrungen zulässig sein, während die Inanspruchnahme geschützter Flächen durch eine Gewinnung im Tagebau ausgeschlossen sein kann. Auch die Anforderungen an die finanzielle Leistungsfähigkeit sind bei Gewinnungsbetrieben in der Regel höher als bei Aufsuchungsbetrieben. Auf der Grundlage der Konkretisierung der beabsichtigten Gewinnung im Arbeitsprogramm und den sonstigen nach Absatz 1 Satz 2 vorzulegenden Unterlagen sind diese Unterschiede bei der entsprechenden Anwendung des § 11 im Bewilligungsverfahren zu berücksichtigen.

2. Bewilligungsspezifische Versagungsgründe (Absatz 1 Satz 2 Nr. 1 bis 4) Absatz 1 Satz 2 Nr. 1 bis 4 enthält zusätzliche Versagungsgründe für die Bewilligung, die sich nicht 4 aus einer entsprechenden Anwendung der Versagungsgründe für das Erlaubnisverfahren ergeben, obwohl in § 11 Nr. 2 und 3 inhaltlich vergleichbare Regelungen getroffen werden. Durch die Ausgestaltung als bewilligungsspezifische Versagungsgründe wird vor allem klargestellt, dass eine Präklusion nach Absatz 2 nicht in Betracht kommt, weil diese Versagungsgründe nicht Gegenstand der Prüfung im Erlaubnisverfahren sein konnten.6

1 Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht, Rn. 113; Kühne in: Säcker (Hrsg.) Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, Kap. 3, Teil 1, Rn. 42, 45; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 12 Rn. 2.

2 BT-Drs. 8/1315, S. 89; Kühne Rechtsfragen der Aufsuchung und Gewinnung von in Steinkohleflözen beisitzendem Methangas, S. 65. 3 Franke in: Burgi (Hrsg.) Planungssicherheit im Energiewirtschaftsrecht, S. 93, 104; Kühne in: Säcker (Hrsg.) Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, Kap. 3, Teil 1, Rn. 50. 4 Franke in: Burgi (Hrsg.) Planungssicherheit im Energiewirtschaftsrecht, S. 93, 105 f. 5 Kühne in: Säcker (Hrsg.) Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, Kap. 3, Teil 1, Rn. 50. 6 Manten ZfB 2011, 165, 172. 155

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Zweiter Teil – Bergbauberechtigungen

Durch die bewilligungsspezifischen Versagungsgründe werden vor allem Darlegungs- und Vorlagepflichten begründet, deren Nichterfüllung zur Versagung der Bewilligung führt. Vorzulegen ist insbesondere ein Lageriss, der den Anforderungen der (insbesondere § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 3 Satz 1 Nr. 2) UnterlagenBergV entsprechen muss. Im Lageriss müssen die Stellen angegeben sein, an denen die Bodenschätze entdeckt worden sind (Nummer 1). Ferner muss im Lageriss das Bewilligungsfeld dargestellt sein (Nummer 2). Das nach Nummer 4 vorzulegende Arbeitsprogramm soll die Behörde in die Lage versetzen, die Vereinbarkeit der beabsichtigten Gewinnung mit der rohstoffwirtschaftlichen Zielsetzung des Gesetzes (§ 1 Nr. 1) zu beurteilen. Da in Konkurrenzsituationen die Qualität des Arbeitsprogramms ausschlaggebend ist (§ 14 Abs. 2), muss es den finanziellen, technischen und personellen Möglichkeiten des Antragstellers entsprechen (vgl. § 11 Rn. 4 f.). 6 Der nach früherem Recht zu führende Nachweis der Bauwürdigkeit (§ 15 ABG) verlangte, dass eine zur wirtschaftlichen Verwertung führende bergmännische Gewinnung möglich erschien.7 Das Bundesberggesetz hat auf den Nachweis der Bauwürdigkeit verzichtet8 und verlangt in Nummer 3 nur noch den Nachweis, dass Lage und Beschaffenheit des Vorkommens der Gewinnbarkeit aus technischer Sicht nicht entgegenstehen.9 Die Gewinnbarkeit kann durch die Lage des Vorkommens ausgeschlossen sein, wenn der Bodenschatz in solcher Teufe vorhanden ist, dass er mit technisch verfügbaren Verfahren nicht zutage gefördert werden kann. Die Beschaffenheit des Bodenschatzes steht der Gewinnbarkeit entgegen, wenn er nur in Spuren vorhanden und nach dem Stand der Aufbereitungstechnik nicht gewinnbar ist10 (vgl. § 3 Rn. 13). 5

III. Einschränkung der Versagungsgründe bei Vorliegen einer Erlaubnis 1. Schutz der Interessen des Erlaubnisinhabers bei Erteilung der Bewilligung 7 Aufsuchung und Gewinnung sind nach §§ 7, 8 Gegenstand jeweils besonderer Bergbauberechtigungen. Wirtschaftlich stellen sie sich als Phasen eines einheitlichen Vorgangs dar: Aufsuchung zu gewerblichen Zwecken wird mit dem Ziel betrieben, bei positiven Aufsuchungsergebnissen die entdeckten Bodenschätze zu gewinnen.11 Die Kosten – erfolgreicher und erfolgloser – Aufsuchungsvorhaben können nur durch die Erträge aus der Gewinnung erwirtschaftet werden.12 Bereitschaft zur Übernahme der Risiken von Investitionen in Aufsuchungstätigkeiten wird daher nur bei verlässlichen Aussichten auf Erlangung von Gewinnungsberechtigungen vorhanden sein.13 Bereits durch die Ausgestaltung der Bergbauberechtigungen als gebundene Entscheidungen ist der Erlaubnisinhaber davor geschützt, dass eine Gewinnungsberechtigung ohne besonderen gesetzlichen Versagungsgrund verweigert wird. Der Gesetzgeber hat sich darüber hinaus für eine Privilegierung des Erlaubnisinhabers bei der Entscheidung über die Erteilung der Bewilligung entschieden, jedoch keinen uneingeschränkten Erteilungsanspruch begründet. Das ist verfassungsrechtlich grundsätzlich unbedenklich, weil der Anspruch auf Erteilung einer Bewilligung eigentumsrechtlich nicht geschützt ist.14 Bei Regelungen, durch die der Anspruch des Erlaubnisinhabers auf Erteilung einer Bewilligung eingeschränkt wird, muss aber berücksichtigt werden, 7 Isay ABG, Band 1, § 15 Rn. 7; Ebel/Weller ABG, § 15 Anm. 4. 8 BT-Drs. 8/1315, S. 88. 9 BT-Drs. 8/1315, S. 88; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 12 Rn. 9. 10 Boldt/Weller Vorauflage § 3 Rn. 12, § 12 Rn. 5. 11 Ipsen GS Peters, S. 686, 704 ff.; Kühne FS Börner (1992), S. 565, 578 ff.; Kühne in: Säcker (Hrsg.) Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, Kap. 3, Teil 1, Rn. 48 ff.; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 12 Rn. 11; Westermann Freiheit des Unternehmers und des Grundeigentümers, S. 34; Wörheide Die Bergbauberechtigungen nach dem Bundesberggesetz, S. 188 f., der aber betont, dass Erlaubnis und Bewilligung „im Ausgangspunkt“ unabhängig voneinander ausgestaltet sind (S. 191). 12 Kühne in: Säcker (Hrsg.) Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, Kap. 3, Teil 1, Rn. 48. 13 BT-Drs. 8/1315, S. 88. 14 BVerfG 13.4.2007, 1 BvR 284/05 = ZfB 2008, 85; BGH 9.12.2004, III ZR 263/04, BGHZ 161, 305, 313 = DVBl 2005, 373, 375. Franke/Karrenstein

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Erstes Kapitel – Bergfreie Bodenschätze

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dass die Erlaubnis selbst als eigentumsrechtliche Position durch Art. 14 GG geschützt (vgl. § 7 Rn. 16) und auf eine anschließende Gewinnung angelegt ist. Das Bundesberggesetz trägt der besonderen Interessenlage des Erlaubnisinhabers bei der 8 Entscheidung über die Erteilung der Gewinnungsberechtigung für zwei Fallgestaltungen Rechnung. Im Verhältnis zu konkurrierenden Anträgen Dritter wird ein privilegierter Erteilungsanspruch des Erlaubnisinhabers zwar grundsätzlich anerkannt (§ 14 Abs. 1 Satz 2), aber unter dem – die Berechtsamsregelungen insgesamt bestimmenden (vgl. § 6 Rn. 9 ff.) – rohstoffwirtschaftlichen Gesichtspunkt eingeschränkt, dass nur die ordnungsgemäße und planmäßige Aufsuchung geschützt werden soll. Daher können sich nach § 14 konkurrierende Anträge auch gegenüber einer bereits erteilten Erlaubnis durchsetzen, wenn sie rohstoffwirtschaftlichen Zielen besser entsprechen (vgl. § 14 Rn. 9 ff.). Ferner ist der Erlaubnisinhaber nach Absatz 2 gegenüber sonstigen Anträgen auf Erteilung einer Bewilligung dadurch privilegiert, dass sein Antrag nur aus Gründen versagt werden kann, die nach der Erteilung der Erlaubnis eingetreten sind (Rn. 9 ff.). Nicht geschützt ist der Erlaubnisinhaber jedoch dagegen, dass nach Erteilung der Erlaubnis Versagungsgründe entstehen, die dazu führen, dass die Aufsuchungsinvestitionen ganz oder teilweise entwerte werden; das gilt etwa für neue planerische Ausweisungen oder Schutzgebietsregelungen, die nach Absatz 1 Satz 1 i.V.m. § 11 Nr. 10 zur Versagung der Bewilligung führen können. Die besondere Interessenlage des Erlaubnisinhabers ist in diesen Fällen aber im Rahmen der planerischen Abwägung und bei Entscheidungen über Schutzgebietsregelungen mit dem durch Art. 14 GG begründeten Abwägungsgewicht der Erlaubnis zu berücksichtigen.

2. Einschränkung der Versagungsgründe bei der Erteilung der Bewilligung (Absatz 2) Die Bewilligung darf gegenüber dem Inhaber einer Erlaubnis zur Aufsuchung zu gewerblichen Zwe- 9 cken, der die verliehenen Bodenschätze im Erlaubnisfeld entdeckt hat, nur aus den Gründen des Absatzes 1 (Rn. 3 ff.)15 und nur dann versagt werden, wenn die eine Versagung rechtfertigenden Tatsachen erst nach Erteilung der Erlaubnis eingetreten sind. Versagungsgründe, die bereits bei Erteilung der Erlaubnis bestanden, sind präkludiert. Der Erlaubnisinhaber wird damit, wenn er einen Bewilligungsantrag stellt, davor geschützt, dass die Behörde sich auf Versagungsgründe beruft, die bereits zur Versagung der Erlaubnis hätten führen müssen, so dass es zu Aufsuchungsinvestitionen nicht gekommen wäre.16 Die Absicht des Gesetzgebers, dem Erlaubnisinhaber, der Aufsuchungshandlungen vorgenommen und den verliehenen Bodenschatz entdeckt hat, die Amortisation der Aufsuchungskosten durch eine Privilegierung bei der Erteilung der Bewilligung zu erleichtern, würde damit allein aber nicht erreicht. Die durch Versagungsgründe nach § 11 geschützten Gemeinwohlbelange werden in der Regel durch Gewinnungstätigkeiten stärker berührt werden als durch Aufsuchungshandlungen. Das gilt vor allem für die Anforderungen an die finanzielle Leistungsfähigkeit (§ 11 Nr. 7) und die Auswirkungen auf Belange des Lagerstättenschutzes (§ 11 Nr. 9) sowie umweltund planungsrechtliche Belange (§ 11 Nr. 10). Würde die nach Absatz 1 Satz 1 gebotene entsprechende Anwendung der Versagungsgründe des § 11 Nr. 1 und 6 bis 10 auf Gewinnungstätigkeiten so verstanden, dass sich aus ihr neue, von der Präklusion nicht erfasste Versagungsgründe ergeben, ginge die Präklusionsregelung weitgehend ins Leere. Gegen ein solches Verständnis spricht auch, dass die Versagung der Bewilligung nicht auf „neue Tatsachen“ gestützt würde, sondern sich aus der Prüfung desselben Versagungsgrundes mit Blick auf andere bergbauliche Tätigkeiten ergäbe. Die überwiegenden Gründe sprechen daher dafür, dass bereits bei der Entscheidung über die Erteilung der Erlaubnis auch die in der beabsichtigten Aufsuchung angelegte Gewinnung in den Blick genommen und auf das Vorliegen von Versagungsgründen überprüft wird; in diesem Umfang werden 15 Da sich die Versagungsgründe aus Absatz 1 abschließend ergeben, ist die Verweisung deklaratorisch; ebenso Manten ZfB 2011, 165, 172 f.

16 Kühne in: Säcker (Hrsg.) Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, Kap. 3, Teil 1, Rn. 56; Manten ZfB 2011, 165. 157

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Zweiter Teil – Bergbauberechtigungen

Versagungsgründe bei der Erteilung der Bewilligung präkludiert.17 Die Einbeziehung der Gewinnungsphase bei der Entscheidung über die Erteilung der Erlaubnis wird auch nicht durch gesetzliche Anforderungen an die Vorhabenkonkretisierung ausgeschlossen, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht erfüllt werden können. Weder für die Erlaubnis noch für die Bewilligung ist eine detaillierte betriebliche Planung, insbesondere keine räumliche Konkretisierung erforderlich; vielmehr reicht es aus, wenn die Gewinnungsmethoden und die hierfür vorgesehenen Anlagen und Einrichtungen nach Art und Umfang dargestellt werden.18 Der Bewilligungsantrag eines Erlaubnisinhabers kann danach nur abgelehnt werden, wenn 10 sich die Tatsachengrundlage für die Beurteilung des Vorliegens von Versagungsgründen nach § 11 Nr. 1 und 6 bis 10 seit Erteilung der Erlaubnis verändert hat. Solche Veränderungen können in der Sphäre des Erlaubnisinhabers eingetreten sein, etwa durch eine nachteilige Veränderung seiner finanziellen Verhältnisse oder neue Unzuverlässigkeitstatsachen. Vor allem können sie sich aus einer Änderung der externen Rahmenbedingungen für bergbauliche Tätigkeiten ergeben; das gilt insbesondere für planerische Vorgaben und Schutzgebietsregelungen, die seit Erteilung der Erlaubnis erlassen worden sind und die sich auf das Vorliegen von Versagungsgründen nach § 11 Nr. 9 und 10 auswirken können.19 Nicht präkludiert werden Versagungsgründe nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 1 bis 4, die nicht Gegenstand der Prüfung im Erlaubnisverfahren waren (Rn. 4). 11 Die Privilegierung nach Absatz 2 setzt voraus, dass der Inhaber einer Erlaubnis zur Aufsuchung zu gewerblichen Zwecken die in dieser Erlaubnis bezeichneten Bodenschätze im Erlaubnisfeld entdeckt. Auf Erlaubnisse zur großräumigen Aufsuchung und zur Aufsuchung zu wissenschaftlichen Zwecken ist Absatz 2 nicht anwendbar, weil bei diesen Erlaubnissen kein konkreter wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen Aufsuchung und Gewinnung besteht. Begünstigt wird ferner nur der Erlaubnisinhaber, der seine Berechtigung ausgeübt und Aufsuchungshandlungen vorgenommen hat, die zur Entdeckung des verliehenen Bodenschatzes geführt haben. Das entspricht dem Zweck der Regelung, die Amortisation der Aufsuchungskosten zu erleichtern. Nicht begünstigt wird, wer Inhaber einer Erlaubnis auf einen anderen Bodenschatz ist und bei dessen Aufsuchung weitere Bodenschätze entdeckt. Der die Privilegierung rechtfertigende wirtschaftliche Zusammenhang zwischen Aufsuchung und Gewinnung besteht auch in diesen Fällen nur für den verliehenen Bodenschatz. Der Bergbautreibende kann die hinsichtlich des nicht verliehenen Bodenschatzes erlangten Kenntnisse aber bei einem Antrag auf Erteilung einer Bewilligung auf diesen Bodenschatz verwerten; unter den Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 kann sich ein solcher Antrag auch gegenüber einer bereits erteilten Erlaubnis durchsetzen (vgl. § 14 Rn. 12). 12 Die Präklusion nach Absatz 2 tritt nur bei einem vom Erlaubnisinhaber gestellten Bewilligungsantrag ein. Die Erlaubnis muss jedenfalls im Zeitpunkt des Bewilligungsantrags noch bestehen.20 Die Gegenansicht, nach der es für die Anwendbarkeit des Absatzes 2 nur darauf ankommt, ob die Erlaubnis bei der Entdeckung des Bodenschatzes bestanden hat,21 berücksichtigt 17 VG Leipzig 19.1.1995, 5 K 23/94 = ZfB 1995, 48, 54 f.; Kühne ZfB 2018, 92, 96; wohl auch Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 12 Rn. 13; abl. Wörheide Die Bergbauberechtigungen nach dem Bundesberggesetz, S. 191 f.; für eine weitgehende Präklusion, die nur das Vorliegen von versagungsbegründenden Tatsachen voraussetzt (auch dann, wenn die Behörde diese im Erlaubnisverfahren nicht erkannt oder geprüft hat) Frenz/Franßen BBergG, § 12 Rn. 24 ff. 18 Franke FS Kühne (2009), S. 507, 522. Der bei der Entscheidung über die Erteilung der Erlaubnis tatsächlich mögliche Prüfungsumfang kann sich nur im Einzelfall, nicht generell für bestimmte Bergbauzweige ergeben (so aber VG Gera 24.1.1996, 1 K 132/95 = ZfB 1996, 172, 179). 19 VG Gera 24.1.1996, 1 K 132/95 = ZfB 1996, 172, 176. 20 Die Auffassung, dass die Erlaubnis noch im Zeitpunkt der Entscheidung über die Erteilung der Bewilligung bestehen muss (OVG Bautzen 12.4.2000, 1 D 560/98 = ZfB 2000, 153, 157 f.), kann schon deshalb nicht überzeugen, weil die besonderen Regelungsziele des Gesetzes zur Vereinheitlichung der Rechtsverhältnisse bei Bodenschätzen nicht für die Auslegung des allgemeinen Bergrechts maßgeblich sein können. In der Sache spricht entscheidend gegen diese Auffassung, dass der Antragsteller auf die Dauer des Bewilligungsverfahrens keinen Einfluss hat (BVerwG 17.1.2001, 6 CN 4/ 00, NVwZ 2001, 1038, 1039 = ZfB 2002, 148, 150; OVG Magdeburg 4.11.1999, A 1/4 S 170/97 = ZfB 2011, 237, 239; Manten ZfB 2011, 165, 167). 21 OVG Magdeburg 4.11.1999, A 1/4 S 170/97 = ZfB 2011, 237, 239. Franke/Karrenstein

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Erstes Kapitel – Bergfreie Bodenschätze

§ 13

nicht, dass mit der Erlaubnis auch die Schutzwürdigkeit des Amortisationsinteresses entfallen sein kann. Das gilt insbesondere dann, wenn die Aufsuchungstätigkeiten nicht planmäßig erfolgen und die Erlaubnis daher widerrufen wird (§ 18 Abs. 2) oder ausläuft, weil die Voraussetzungen für eine Verlängerung nicht vorliegen (§ 16 Abs. 4). Die Auffassung, dass die Schutzbedürftigkeit und -würdigkeit der Aufsuchungsinvestitionen mit dem Ablauf einer bergrechtlichen Erlaubnis grundsätzlich nicht endet,22 überzeugt daher nicht. Für Differenzierungen fehlen im Bergrecht tragfähige Ansatzpunkte. So berücksichtigt der Vorschlag, die Präklusionsregelung bei Rücknahme oder Widerruf der Erlaubnis nicht anzuwenden,23 nicht hinreichend, dass auch bei Auslaufen der Erlaubnis (§ 16 Abs. 4) kein schutzwürdiges Amortisationsinteresse erkennbar ist. Überzeugender erscheint es, dass bei Wegfall der Erlaubnis vor dem Antrag auf Erteilung einer Bewilligung auch der Anknüpfungspunkt für die Anwendung der Präklusionsregelung entfällt; schutzwürdige Interessen des Erlaubnisinhabers sind im Rahmen der Entscheidungen, die zum Wegfall der Erlaubnis führen, zu berücksichtigen oder durch finanziellen Ausgleich zu kompensieren.24

§ 13 Versagung der Verleihung von Bergwerkseigentum Die Verleihung von Bergwerkseigentum ist zu versagen, wenn 1. der Antragsteller nicht Inhaber einer Bewilligung für die Bodenschätze und das Feld ist, für die er die Verleihung des Bergwerkseigentums beantragt (Bergwerksfeld), 2. der Antragsteller nicht glaubhaft macht, daß in Zukunft mit einer wirtschaftlichen Gewinnung im gesamten beantragten Feld zu rechnen ist, 3. das Feld, in dem gewonnen werden soll, nicht dem § 4 Abs. 7 entspricht oder seine Begrenzung an der Oberfläche nach der horizontalen Projektion eine Fläche von mehr als 25 Quadratkilometer umfassen soll, 4. folgende Angaben und Unterlagen des Antragstellers nicht oder nicht vollständig vorliegen: a) die genaue Bezeichnung der Bodenschätze, für die das Bergwerkseigentum verliehen werden soll, b) die Eintragung des Feldes, für das die Verleihung des Bergwerkseigentums beantragt ist, in einem Lageriß in zweifacher Ausfertigung, der von einem anerkannten Markscheider oder einem öffentlich bestellten Vermessungsingenieur angefertigt worden ist und der den Anforderungen einer Bergverordnung nach § 67 entspricht, c) der Name des zu verleihenden Bergwerkseigentums, d) die Beschreibung von Art und Umfang der Erschließung des Vorkommens unter Angabe der geologisch-lagerstättenkundlichen Merkmale.

Schrifttum Kühne Deutsches Bergrecht, in: Säcker (Hrsg.) Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht (2010), Kap. 3, Teil 1 (S. 263); Kühne Die Bedeutung der Erfordernisse der Raumordnung und Landesplanung bei bergbaulichen Vorhaben, DVBl 1984, 709; Lemke Das Nachbarschaftsverhältnis von untertägigem Bergbau und Grundeigentum aus zivilrechtlicher Sicht, in: Kühne/Ehricke (Hrsg.) Bergrecht zwischen Tradition und Moderne (2010), S. 19; Ludes Das Bergwerkseigentum gemäß § 9 BBergG in der Insolvenz des Bergwerkseigentümers (2012); Wörheide Die Bergbauberechtigungen nach dem Bundesberggesetz (2014).

22 OVG Magdeburg 4.11.1999, A 1/4 S 170/97 = ZfB 2011, 237, 239; Wörheide Die Bergbauberechtigungen nach dem Bundesberggesetz, S. 193; Frenz/Franßen BBergG, § 12 Rn. 25.

23 Manten ZfB 2011, 165, 168 ff. 24 Hierzu, allerdings nur bezogen auf Rücknahme und Widerruf, Manten ZfB 2011, 165, 168 f. 159 https://doi.org/10.1515/9783110709285-026

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§ 13

Zweiter Teil – Bergbauberechtigungen

Übersicht I.

Allgemeines

1

II. 1.

Versagungsgründe Erfordernis einer Bewilligung (Nr. 1)

2.

2

3. 4.

Glaubhaftmachung der wirtschaftlichen Gewinn4 barkeit (Nr. 2) 6 Feldesgröße (Nr. 3) 7 Darlegungspflichten (Nr. 4)

I. Allgemeines 1 § 13 regelt die Gründe, aus denen die Verleihung des Bergwerkseigentums versagt werden kann. Wie bei den anderen Bergbauberechtigungen ist die Entscheidung über die Verleihung des Bergwerkseigentums als gebundene Entscheidung ausgestaltet.1 Der Katalog der Versagungsgründe ist abschließend;2 liegen keine Versagungsgründe vor, besteht ein Anspruch auf Verleihung des Bergwerkseigentums. Der Katalog des § 13 enthält, abweichend von den Erteilungsvoraussetzungen für die Erlaubnis und die Bewilligung, nur spezifische Versagungsgründe (Nummer 2 bis 4). Eine entsprechende Anwendung der allgemeinen Versagungsgründe (§ 11, § 12 Abs. 1) ist nicht vorgesehen, weil Bergwerkseigentum nur bei Vorliegen einer Bewilligung verliehen werden darf und eine umfassende Prüfung im Bewilligungsverfahren erfolgt ist (Rn. 2).

II. Versagungsgründe 1. Erfordernis einer Bewilligung (Nr. 1) 2 Im bergrechtlichen Berechtsamssystem sind Bewilligung und Bergwerkseigentum aufeinander aufbauende Gewinnungsberechtigungen; mit der Verleihung des Bergwerkseigentums wird die Bewilligung in ein grundstücksgleiches Recht überführt, um die Beleihung der Gewinnungsberechtigung zu ermöglichen (vgl. § 9 Rn. 2). Die durch das Bergwerkseigentum vermittelte Rechtsstellung unterscheidet sich von der des Bewilligungsinhabers nur durch diese Aufwertung zu einem der Beleihung zugänglichen Recht (§ 9 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1).3 Mit dem Bergwerkseigentum entsteht zwar eine neue Berechtigung,4 die für den Bereich des Bergwerksfeldes an die Stelle der Bewilligung tritt (§ 17 Abs. 1 Satz 3). Das auf der Bewilligung beruhende Recht zur Gewinnung wird damit aber nicht neu begründet, sondern erfährt nur eine andere rechtliche Ausgestaltung.5 Dementsprechend sieht § 13 nicht vor, dass die allgemeinen Voraussetzungen für die Erteilung einer Bergbauberechtigung (§ 11, § 12 Abs. 1) bei der Verleihung des Bergwerkseigentums nochmals mit Blick auf die zu diesem Zeitpunkt bestehende Sach- und Rechtslage zu prüfen sind.6 1 Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht, Rn. 113; Kühne in: Säcker (Hrsg.) Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, Kap. 3, Teil 1, Rn. 42; von Weschpfennig Strukturen des Bergrechts, S. 90, 92, 112 ff.

2 BT-Drs. 8/1315, S. 88; Frenz/Franßen BBergG, § 13 Rn. 2. 3 BGH 19.9.2008, V ZR 28/08, BGHZ 178, 90 = ZfB 2009, 65 Rn. 9; Lemke in: Kühne/Ehricke (Hrsg.) Bergrecht zwischen Tradition und Moderne, S. 26; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 8 Rn. 2; Kühne in: Säcker (Hrsg.) Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, Kap. 3, Teil 1, Rn. 34 f.; Ludes Das Bergwerkseigentum gemäß § 9 BBergG in der Insolvenz des Bergwerkseigentümers, S. 36. 4 Das gilt insbesondere in verfahrensmäßiger Hinsicht. Bewilligungs- und Verleihungsverfahren sind gesonderte Verfahren, so dass bei der Widerrufsfrist nach § 18 Abs. 4 Satz 1 die Bewilligung nicht zu berücksichtigen ist (OVG Bautzen 24.9.2001, 1 B 335/01, ZfB 2001, 58; OVG Bautzen 20.8.2010, 4 A 325/08 = ZfB 2011, 39, 40. 5 Vgl. BGH 19.9.2008, V ZR 28/08, BGHZ 178, 90 = ZfB 2009, 65 Rn. 9; Lemke in: Kühne/Ehricke (Hrsg.) Bergrecht zwischen Tradition und Moderne, S. 26 (Bergwerkseigentum lediglich eine „Erweiterung“ der Bewilligung). 6 Frenz/Franßen BBergG, § 13 Rn. 2; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 13 Rn. 3; Wörheide Die Bergbauberechtigungen nach dem Bundesberggesetz, S. 195 f.; Hoppe/Spoerr Bergrecht und Raumordnung, S. 88; a.A. Kühne DVBl 1984, 709; Schulte ZfB 1978, 414, 419 f. Franke/Karrenstein

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Erstes Kapitel – Bergfreie Bodenschätze

§ 13

Einer mit Blick auf die Versagungsgründe nach § 11, § 12 Abs. 1 veränderten Sach- und Rechtslage kann auch nicht durch Nebenbestimmungen zur Verleihung des Bergwerkseigentums Rechnung getragen werden, da bei gebundenen Entscheidungen Nebenbestimmungen nur zur Ausräumung von Versagungsgründen zulässig sind (§ 36 Abs. 1 VwVfG).7 Sind Voraussetzungen für die Erteilung der Bewilligung nachträglich entfallen, bleibt die Behörde auf ihre Handlungsmöglichkeiten nach § 16 Abs. 3, § 18 verwiesen. Die Voraussetzungen für die Verleihung des Bergwerkseigentums (Nr. 2 bis 4) beschränken sich auf zusätzliche Gesichtspunkte, die sich aus der Überführung in ein grundstücksgleiches Recht ergeben; das gilt insbesondere für den Nachweis der wirtschaftlichen Gewinnbarkeit (Nr. 2).8 Die Verleihung von Bergwerkseigentum kann nicht unmittelbar beantragt werden, sondern 3 setzt nach Nummer 1 voraus, dass der Antragsteller bereits Inhaber einer Bewilligung für die Bodenschätze und das Feld ist, für die er die Verleihung des Bergwerkseigentums beantragt. In Bergwerkseigentum überführt werden können sowohl Bewilligungen, die nach Inkrafttreten des Bundesberggesetzes erteilt worden sind, als auch aufrechterhaltene Rechte und Verträge, die als Bewilligung fortgelten (§ 153). Die Verleihung von Bergwerkseigentum kann nur der Inhaber der Bewilligung beantragen. Nicht antragsberechtigt ist, wer nur zur Ausübung der Bewilligung berechtigt ist, aber nicht über sie verfügen kann. Ein Verleihungsantrag kann während der gesamten Geltungsdauer der Bewilligung gestellt werden. Die Bewilligung muss im Zeitpunkt des Antrags wirksam geworden und darf nicht erloschen sein. Die Verleihung kann auch unmittelbar nach Erteilung der Bewilligung beantragt werden, ohne dass die Bewilligung bereits ausgeübt worden sein muss.9 Bergwerkseigentum kann für räumliche Teile des Bewilligungsfeldes beantragt werden; das beantragte Bergwerksfeld muss aber vollständig innerhalb der Grenzen des Bewilligungsfeldes liegen. Mit der Entstehung des Bergwerkseigentums erlischt die Bewilligung für den Bereich des Bergwerksfeldes (§ 17 Abs. 1 Satz 3). Hieraus ergibt sich auch, dass der Gesetzgeber eine teilweise Überführung der Bewilligung in Bergwerkseigentum nur in räumlicher Hinsicht zulassen wollte. Wenn eine Bewilligung für mehrere Bodenschätze erteilt ist, kann Bergwerkseigentum daher nicht nur für einen dieser Bodenschätze beantragt werden.

2. Glaubhaftmachung der wirtschaftlichen Gewinnbarkeit (Nr. 2) Die Glaubhaftmachung, dass in Zukunft mit einer wirtschaftlichen Gewinnung im gesamten beantrag- 4 ten Feld zu rechnen ist (Nr. 2), ist eine zusätzliche, an die Beleihbarkeit des Bergwerkseigentums anknüpfende Verleihungsvoraussetzung. Sie dient dem Gläubigerschutz. Es soll verhindert werden, dass Kapitalgeber sich an der Beleihung von Bergwerkseigentum beteiligen, obwohl mit einer wirtschaftlichen Gewinnung von vornherein nicht zu rechnen ist.10 Der Regierungsentwurf verlangte hierfür, dass zum Nachweis der wirtschaftlichen Gewinnbarkeit im beantragten Bergwerksfeld auf der Grundlage der Bewilligung bereits ein Gewinnungsbetrieb wirtschaftlich geführt werden und dass für die Zukunft mit einer wirtschaftlichen Gewinnung im gesamten beantragten Feld zu rechnen sein müsse.11 Auf die Verleihungsvoraussetzung, dass ein wirtschaftlich arbeitender Betrieb bereits bestehen müsse, ist im weiteren Gesetzgebungsverfahren verzichtet worden, weil die Beleihungsfragen in erster Linie privatrechtlich zu lösen seien; es wurde als ausreichend angesehen, dass der Antragsteller glaubhaft macht, dass im gesamten Feld mit einer wirtschaftlichen Gewinnung zu rechnen ist.12

7 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 13 Rn. 3; für Zulässigkeit solcher Nebenbestimmungen aber Kühne § 16 Rn. 27, 28, 38, 39.

8 BT-Drs. 8/1315, S. 88. 9 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 13 Rn. 2. 10 Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht, Rn. 116; Frenz/Franßen BBergG, § 13 Rn. 13. 11 BT-Drs. 8/1315, S. 88. 12 BT-Drs. 8/1315, S. 134. 161

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§ 14

5

Zweiter Teil – Bergbauberechtigungen

Die Glaubhaftmachung der wirtschaftlichen Gewinnbarkeit hat sich nach Entstehungsgeschichte und Regelungszweck an den Maßstäben zu orientieren, die ein Kapitalgeber auch sonst bei der Prüfung anlegen wird, ob ein Sicherungsgegenstand sich als dauerhaft werthaltig erweisen wird. Aus dieser Sicht wird die wirtschaftliche Gewinnbarkeit nicht schon dadurch ausgeschlossen, dass etwa in der Anlaufphase Verluste entstehen können. Entscheidend ist, dass mit einer betrieblichen Entwicklung zu rechnen ist, die einen Kapitalrückfluss gewährleistet. Hierbei sind vor allem der Umfang der gewinnbaren Vorräte und die voraussichtlichen Marktverhältnisse zu berücksichtigen. Dass das Bergwerkseigentum mit fortschreitender Gewinnung der Bodenschätze an Wert verliert, ist bei jeder Finanzierung von Vorhaben zur Bodenschätzegewinnung prognostisch zu bewerten.13

3. Feldesgröße (Nr. 3) 6 Während der Gesetzgeber für das Bewilligungsfeld auf die im früheren Recht vorgesehene flächenmäßige Begrenzung (§ 27 ABG) verzichtet hat, darf das Bergwerksfeld maximal eine Fläche von 25 Quadratkilometern umfassen. Da die Verleihung nach Nummer 1 nur für das Feld beantragt werden kann, für das der Antragsteller Bewilligungsinhaber ist, ergibt sich im Einzelfall eine weitere Begrenzung aus der Größe des Bewilligungsfeldes.

4. Darlegungspflichten (Nr. 4) 7 Nummer 4 begründet Darlegungs- und Vorlagepflichten, die im Wesentlichen den Anforderungen an Erlaubnis- und Bewilligungsanträge entsprechen. Das Erfordernis, die Bodenschätze, für die das Bergwerkseigentum verliehen werden soll, genau zu bezeichnen (Buchstabe a), ergibt sich bereits aus dem im Erteilungsverfahren geltenden Antragsprinzip (§ 10). In prüffähiger Weise werden der Inhalt des geltend gemachten materiell-rechtlichen Verleihungsanspruchs und der Gegenstand des Verleihungsverfahrens erst durch Vorlage des Lagerisses für den Antrag auf Verleihung des Bergwerkseigentums bestimmt (Buchstabe b). Die Anforderungen an den Lageriss ergeben sich aus § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 3 Satz 1 Nr. 2 UnterlagenBergV. Anzugeben ist im Antrag ferner der Name des zu verleihenden Bergwerkseigentums (Buchstabe c). Die nach Buchstabe d vorzulegende Beschreibung von Art und Umfang der Erschließung des Vorkommens unter Angabe der geologisch-lagerstättenkundlichen Merkmale ist Grundlage für die Darstellung des Umfangs der gewinnbaren Vorräte im Rahmen der Glaubhaftmachung der wirtschaftlichen Gewinnbarkeit (Rn. 5).14

§ 14 Vorrang (1)

1

Dem Inhaber einer Erlaubnis zur Aufsuchung zu gewerblichen Zwecken hat die zuständige Behörde unverzüglich den Inhalt jedes Antrages mitzuteilen, den ein Dritter auf Erteilung einer Bewilligung für ein bestimmtes, ganz oder teilweise innerhalb der Erlaubnis gelegenes Feld und für einen bestimmten der Erlaubnis unterliegenden Bodenschatz gestellt hat. 2Stellt der Inhaber der Erlaubnis innerhalb von drei Monaten nach Zugang der Mitteilung ebenfalls einen Antrag auf Erteilung einer Bewilligung, so hat sein Antrag, soweit er sich auf das innerhalb seiner Erlaubnis gelegene Feld bezieht, Vorrang vor allen übrigen Anträgen auf Erteilung einer Bewilligung für denselben Bodenschatz.

13 Ludes Das Bergwerkseigentum gemäß § 9 BBergG in der Insolvenz des Bergwerkseigentümers, S. 66. 14 BT-Drs. 8/1315, S. 89. Franke/Karrenstein https://doi.org/10.1515/9783110709285-027

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Erstes Kapitel – Bergfreie Bodenschätze

(2) In allen anderen Fällen hat bei Anträgen auf Erteilung einer Erlaubnis oder Bewilligung, bei denen Versagungsgründe nach § 11 oder § 12 nicht gegeben sind, der Antrag den Vorrang, in dem das Arbeitsprogramm zusammen mit der Voraussetzung, die nach § 11 Nr. 7 für Erlaubnis oder Bewilligung glaubhaft zu machen ist, den Anforderungen einer sinnvollen und planmäßigen Aufsuchung oder Gewinnung am besten Rechnung trägt; dabei sind die sonstigen bergbaulichen Tätigkeiten des Antragstellers zu berücksichtigen. § 12 Abs. 2 bleibt unberührt.

Schrifttum Franke Rechtsfragen der Methangasgewinnung aus Steinkohleflözen, RdE 1994, 1; Franke Rechtsfragen der Nutzung erneuerbarer Energien: Grubengas und Geothermie, in: Burgi (Hrsg.) Planungssicherheit im Energiewirtschaftsrecht (2003), S. 93; Franke Funktionswandel der Bergbauberechtigung?, in Baur/Sandrock/Scholtka/Shapira (Hrsg.) Festschrift für Gunther Kühne zum 70. Geburtstag (2009), S. 510, zitiert als Franke FS Kühne (2009); Keienburg/Knöchel Ordnungsrechtliche Verantwortlichkeit für Grubengase aus Sicht des Bergbaus, in: Frenz/Preuße (Hrsg.) Grubengas: Entstehung, Gefahren, Nutzung (2001), S. 45; Kühne Rechtsfragen der Aufsuchung und Gewinnung von in Steinkohleflözen beisitzendem Methangas (1994); Kühne Deutsches Bergrecht, in: Säcker (Hrsg.) Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht (2010), Kap. 3, Teil 1 (S. 263); Kühne Fragen des Berechtsamswesens im Bergrecht, ZfB 2018, 92; Manten Die Privilegierung von Erlaubnisinhabern bei der Beantragung bergrechtlicher Bewilligungen, ZfB 2011, 165; Neuhaus gen. Wever Konkurrierende Anträge auf Erteilung von Bergbauberechtigungen, Glückauf 1994, 617; Wörheide Die Bergbauberechtigungen nach dem Bundesberggesetz (2014); Wolff Die behördliche Auswahl zwischen mehreren Bewerbern um eine bergrechtliche Berechtigung, UPR 2005, 409.

Übersicht I.

Allgemeines

1

II.

Bewilligungsantrag bei bestehender Erlaubnis 3 (Absatz 1)

III.

Konkurrierende Anträge (Absatz 2)

IV.

Verfahren und Rechtsschutz

8

13

I. Allgemeines § 14 enthält Vorgaben für die Erteilung von Bergbauberechtigungen bei konkurrierenden 1 Anträgen. Absatz 1 regelt den Fall, dass ein Erlaubnisfeld durch den Bewilligungsantrag eines Dritten ganz oder teilweise überdeckt wird. Zum Schutz der Aufsuchungsinvestitionen des Erlaubnisinhabers erhält dieser Gelegenheit, seinerseits einen Bewilligungsantrag zu stellen, der, wenn keine Versagungsgründe vorliegen, Vorrang vor Bewilligungsanträgen Dritter hat. Absatz 2 regelt die Erteilung von Bergbauberechtigungen bei konkurrierenden gleichartigen Anträgen. Der Gesetzgeber hat hierbei den nach früherem Recht maßgeblichen Prioritätsgrundsatz aufgegeben. Vorrang hat stattdessen der aus rohstoffwirtschaftlicher Sicht qualitativ überlegene Antrag. Keine ausdrückliche Regelung trifft das Bundesberggesetz für den Fall, dass ein Antrag auf 2 Erteilung einer Aufsuchungs- oder Gewinnungsberechtigung mit einer bereits erteilten gleichartigen Bergbauberechtigung kollidiert. Der Gesetzgeber ist davon ausgegangen, dass die Entscheidung dieser Kollisionsfälle sich bereits daraus ergibt, dass die Ausschließlichkeit bestehender Bergbauberechtigungen (§ 7 Abs. 1 Satz 1, § 8 Abs. 1 und 2, § 9 Abs. 1 Halbsatz 1) die Erteilung weiterer gleichartiger feldesüberdeckender Berechtigungen verbietet.1 Absatz 2 erfasst ferner nicht die Konkurrenz eines Erlaubnis- und eines Bewilligungsantrags auf denselben Bodenschatz, 1 BT-Drs. 8/1315, S. 89; Frenz/Franßen BBergG, § 14 Rn. 3; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 14 Rn. 8; Kühne Rechtsfragen der Aufsuchung und Gewinnung von in Steinkohleflözen beisitzendem Methangas, S. 65; Wörheide Die Bergbauberechtigungen nach dem Bundesberggesetz, S. 182, 221 ff. 163

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Zweiter Teil – Bergbauberechtigungen

die sich ganz oder teilweise überdecken. Der Gesetzgeber hat auch diesen Fall nicht für regelungsbedürftig gehalten, weil der Vorrang des Bewilligungsantrags sich aus dem weitergehenden Umfang der Gewinnungsberechtigung ergebe.2

II. Bewilligungsantrag bei bestehender Erlaubnis (Absatz 1) 3 Absatz 1 schützt das Interesse des Inhabers einer Aufsuchungserlaubnis, die Aufsuchungskosten durch eine spätere Gewinnung des entdeckten Bodenschatzes zu erwirtschaften. Ein uneingeschränkter Anspruch des Erlaubnisinhabers auf Erteilung einer Gewinnungsberechtigung besteht nach dem Bundesberggesetz nicht (vgl. § 12 Rn. 7 f.). Seiner besonderen Interessenlage wird jedoch dadurch Rechnung getragen, dass nach § 12 Abs. 2 die Gründe für die Versagung einer Bewilligung begrenzt werden und nach Absatz 1 dem Erlaubnisinhaber bei Bewilligungsanträgen Dritter eine besondere verfahrensmäßige Stellung eingeräumt wird. Danach hat die Behörde dem Inhaber einer Erlaubnis zur Aufsuchung zu gewerblichen Zwecken unverzüglich den Inhalt jedes ganz oder teilweise feldesüberdeckenden Bewilligungsantrags eines Dritten mitzuteilen (Absatz 1 Satz 1). Durch die Informationspflicht soll gewährleistet werden, dass der Erlaubnisinhaber nicht durch das Vorgehen Dritter überrascht wird.3 Sofern er innerhalb von drei Monaten nach Zugang der Mitteilung selbst einen Bewilligungsantrag stellt, hat dieser Vorrang vor allen anderen Bewilligungsanträgen auf denselben Bodenschatz (Absatz 1 Satz 2). Damit wird, wenn keine Versagungsgründe nach § 12 vorliegen, Investitionsschutz für den Erlaubnisinhaber gewährleistet, der eine ordnungsgemäße und planmäßige Aufsuchung und Gewinnung betreibt. 4 Begünstigt wird nur der Inhaber einer Erlaubnis zu gewerblichen Zwecken. Erlaubnisse zur großräumigen Aufsuchung und zur Aufsuchung zu wissenschaftlichen Zwecken werden, wie bei der Präklusion von Versagungsgründen nach § 12 Abs. 2 (vgl. § 12 Rn. 11), nicht privilegiert, weil bei diesen Erlaubnissen kein konkreter wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen Aufsuchung und Gewinnung besteht. Die Erlaubnis muss zu dem Zeitpunkt, in dem der Dritte einen Bewilligungsantrag stellt, noch bestehen.4 Der frühere Inhaber einer aufgehobenen oder ausgelaufenen Erlaubnis hat kein schutzwürdiges Interesse, das eine Privilegierung bei der Erteilung der Gewinnungsberechtigung rechtfertigt (vgl. § 12 Rn. 12). Hiergegen wird eingewandt, die aufwändige Erstellung von Gewinnungs- und Finanzierungskonzepten für bergbauliche Großvorhaben spreche dafür, zunächst den für die Aufsuchung vorgesehenen Zeitraum auszuschöpfen und erst danach den Bewilligungsantrag zu erarbeiten.5 Hieraus ergibt sich jedoch kein Argument für die Privilegierung nicht mehr bestehender Erlaubnisse, sondern nur gegen den im Regelungsmechanismus des Absatz 1 angelegten Zeitdruck für den Erlaubnisinhaber, wenn ein Dritter einen Erlaubnisantrag stellt. Dieser Zeitdruck ist jedoch vom Gesetzgeber gewollt, um eine zügige Klärung der Rechtslage zu erreichen6 und zu verhindern, dass Gewinnungsvorhaben blockiert werden, weil der Erlaubnisinhaber innerhalb der Drei-Monats-Frist zur Vorlage eines Bewilligungsantrags nicht bereit oder nicht in der Lage ist.7 Absatz 1 Satz 2 gehört damit in den Zusammenhang der rohstoffwirtschaftlich motivierten Berechtsamsregelungen, mit denen die Inhaber von Berg2 BT-Drs. 8/1315, S. 89; Frenz/Franßen BBergG, § 14 Rn. 3; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 14 Rn. 12; Kühne Rechtsfragen der Aufsuchung und Gewinnung von in Steinkohleflözen beisitzendem Methangas, S. 65; Wolff UPR 2005, 409, 411. 3 BT-Drs. 8/1315, S. 89. 4 VG Cottbus 30.9.2010, 3 K 433/08 = ZfB 2011, 48, 55; Frenz/Franßen BBergG, § 14 Rn. 6; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 14 Rn. 5. 5 Manten ZfB 2011, 165, 171 f. Auch danach soll eine Privilegierung nur bei Auslaufen, nicht jedoch bei Rücknahme oder Widerruf einer Erlaubnis fortbestehen; ein normativer Anknüpfungspunkt für diese Differenzierung ist nicht erkennbar (vgl. § 12 Rn. 12). 6 BT-Drs. 8/1315, S. 89; Frenz/Franßen BBergG, § 14 Rn. 6; de lege ferenda für eine Flexibilisierung in Anlehnung an § 16 Abs. 4 Kühne ZfB 2018, 92, 97. 7 Manten ZfB 2011, 165, 171. Franke/Karrenstein

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bauberechtigungen zu einer ordnungsgemäßen und planmäßigen Ausübung ihrer Berechtigungen angehalten werden sollen. Der Gesetzgeber hat es ersichtlich für angemessen gehalten, dem Erlaubnisinhaber Gelegenheit zur Vorlage eines Bewilligungsantrags innerhalb der Drei-Monats-Frist zu geben, wenn ein Dritter, ohne über die Aufsuchungserkenntnisse des Erlaubnisinhabers zu verfügen, hierzu in der Lage ist. Keine analoge Anwendung von Absatz 1 kommt für Inhaber einer Aufsuchungs- oder Gewin- 5 nungsberechtigung auf einen anderen Bodenschatz in Betracht, wenn bei deren Ausübung Kenntnisse hinsichtlich des Bodenschatzes erlangt werden, für den der Dritte eine Bewilligung beantragt.8 Eine Regelungslücke als Voraussetzung einer analogen Anwendung besteht nicht.9 § 12 Abs. 2 und Absatz 1 privilegieren den Erlaubnisinhaber wegen des wirtschaftlichen Zusammenhangs zwischen Aufsuchung und Gewinnung des verliehenen Bodenschatzes. Ein mehrfaches Amortisationsinteresse, wenn Bodenschätze zusammen vorkommen, aber nur für einen Bodenschatz eine Erlaubnis erteilt ist, wird nicht geschützt.10 Der Bergbautreibende kann in diesen Fällen von vornherein Berechtigungen auf beide Bodenschätze beantragen.11 Ist dies nicht geschehen, sind bei einem späteren Antrag auf Erteilung einer Aufsuchungs- oder Gewinnungsberechtigung im Falle einer Konkurrenz mit weiteren Anträgen nach Absatz 2 Satz 1 Halbsatz 2 die weiteren bergbaulichen Tätigkeiten des Antragstellers zu berücksichtigen, so dass die hinsichtlich des bereits verliehenen Bodenschatzes gewonnenen Erfahrungen und Kenntnisse in die Vorrangentscheidung einfließen.12 Eine Vorrangentscheidung zugunsten des Erlaubnisinhabers nach Absatz 1 Satz 2 erfolgt 6 nur, wenn dieser innerhalb von drei Monaten nach Zugang der behördlichen Mitteilung über den Bewilligungsantrag eines Dritten selbst einen Bewilligungsantrag stellt. Der Bewilligungsantrag muss den Anforderungen des § 12 entsprechen. Die Privilegierung greift erst recht ein, wenn der Erlaubnisinhaber bereits vor dem Dritten einen Bewilligungsantrag gestellt hat und über diesen noch nicht entschieden ist. Eine Vorrangentscheidung nach Absatz 2 widerspräche in einem solchen Fall dem Willen des Gesetzgebers, den Erlaubnisinhaber, der seine Aufsuchungserlaubnis ordnungsgemäß und planmäßig ausübt, besonders zu schützen. Macht der Erlaubnisinhaber von der Möglichkeit, innerhalb der Drei-Monats-Frist einen Bewilligungsantrag zu stellen, keinen Gebrauch, hat der Dritte, wenn keine Versagungsgründe vorliegen, Anspruch auf Erteilung der Bewilligung;13 liegen mehrere Anträge Dritter vor, ist eine Vorrangentscheidung nach Maßgabe des Absatz 2 zu treffen. Die Erlaubnis ist bei Erteilung der Bewilligung an einen Dritten zu widerrufen (§ 18 Abs. 2 Satz 2).14 Stellt der Erlaubnisinhaber nach Ablauf der Drei-Monats-Frist einen Bewilligungsantrag, kann er sich nicht mehr auf die Privilegierung nach Absatz 1 berufen. Ist über den Antrag des Dritten noch nicht entschieden, ergeht eine Vorrangentscheidung nach Absatz 2. Der fristgerecht gestellte Bewilligungsantrag des Erlaubnisinhabers hat vor anderen Bewilli- 7 gungsanträgen formellen Vorrang. Absatz 1 Satz 2 begründet keinen Erteilungsanspruch, sondern

8 So Keienburg/Knöchel in: Frenz/Preuße (Hrsg.) Grubengas: Entstehung, Gefahren, Nutzung, S. 56 f., für den Inhaber einer Bergbauberechtigung auf Steinkohle, der auch Kenntnisse über kohlegebundenes Methangas erlangt hat. 9 Kühne Rechtsfragen der Aufsuchung und Gewinnung von in Steinkohleflözen beisitzendem Methangas, S. 67 ff.; Franke RdE 1994, 1, 5 f.; Franke in: Burgi (Hrsg.) Planungssicherheit im Energiewirtschaftsrecht, S. 93, 106 ff. 10 Franke in: Burgi (Hrsg.) Planungssicherheit im Energiewirtschaftsrecht, S. 93, 107; Frenz/Franßen BBergG, § 14 Rn. 11. 11 Keienburg/Knöchel in: Frenz/Preuße (Hrsg.) Grubengas: Entstehung, Gefahren, Nutzung, S. 57; Franke in: Burgi (Hrsg.) Planungssicherheit im Energiewirtschaftsrecht, S. 105. 12 OVG Magdeburg 11.5.1994, 3 M 18/93 = ZfB 1994, 230, 235; Kühne Rechtsfragen der Aufsuchung und Gewinnung von in Steinkohleflözen beisitzendem Methangas, S. 79; Franke RdE 1994, 1, 6; Franke in: Burgi (Hrsg.) Planungssicherheit im Energiewirtschaftsrecht, S. 93, 107 f. 13 Frenz/Franßen BBergG, § 14 Rn. 6; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 14 Rn. 6 f.; Manten ZfB 2011, 165, 166. 14 Manten ZfB 2011, 165, 166. 165

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nur einen Prüfungsvorrang.15 Ergibt die Prüfung, dass keine Versagungsgründe vorliegen, ist vorrangig über den Antrag des Erlaubnisinhabers zu entscheiden; damit ist die Erteilung einer weiteren Bewilligung ausgeschlossen. Liegen hingegen Versagungsgründe vor, ist der Antrag des Bewilligungsinhabers abzulehnen; damit kann die Bewilligung einem Dritten erteilt werden.16 In räumlicher Hinsicht besteht der Vorrang nur, soweit das Erlaubnisfeld durch den Bewilligungsantrag des Dritten überdeckt wird.

III. Konkurrierende Anträge (Absatz 2) 8 Als Auffangregelung erfasst Absatz 2 alle Fälle konkurrierender gleichartiger Anträge auf Erteilung einer Erlaubnis oder einer Bewilligung, soweit keine besonderen gesetzlichen Vorgaben für die behördliche Entscheidung in Konkurrenzfällen bestehen. Von Absatz 2 ausdrücklich ausgenommen ist die Vorrangentscheidung zwischen Bewilligungsanträgen nach Absatz 1 Satz 2. Ausgeschlossen wird die Anwendung des § 14 ferner durch § 152 Abs. 2 Satz 4 Halbsatz 2; danach hat der Erlaubnisantrag des aus einem bestätigten, aber inzwischen erloschenen Aufsuchungsrecht oder -vertrag Berechtigten Vorrang gegenüber konkurrierenden Erlaubnisanträgen.17 Nicht Gegenstand von Absatz 2 ist die Konkurrenz eines Erlaubnis- und eines Bewilligungsantrags auf denselben Bodenschatz, die sich ganz oder teilweise überdecken. Der Vorrang des Bewilligungsantrags ergibt sich in diesem Fall aus dem weitergehenden Umfang der Gewinnungsberechtigung.18 9 Die Maßstäbe für die Vorrangentscheidung nach Absatz 2 ergeben sich aus den rohstoffwirtschaftlichen Zielen des Gesetzes.19 Vorrang soll der Antrag haben, in dem das Arbeitsprogramm unter Berücksichtigung der finanziellen Leistungsfähigkeit des Antragstellers den Anforderungen einer sinnvollen und planmäßigen Aufsuchung oder Gewinnung am besten Rechnung trägt, wobei die sonstigen bergbaulichen Tätigkeiten des Antragstellers zu berücksichtigen sind. Der nach früherem Recht maßgebliche Prioritätsgrundsatz20 ist damit zugunsten eines materiellen Entscheidungskriteriums aufgegeben worden,21 das eine vergleichende Bewertung der konkurrierenden Anträge erfordert. Verglichen werden nach Absatz 2 Satz 1 Halbsatz 1 nur die Anträge, bei denen Versagungsgründe nach § 11, § 12 nicht gegeben sind. Die Behörde hat daher zunächst das Vorliegen von Versagungsgründen zu prüfen.22 Bei konkurrierenden Bewilligungsanträgen bleibt hierbei die Privilegierung des Erlaubnisinhabers durch die Präklusionsregelung nach § 12 Abs. 2 unberührt (Absatz 2 Satz 2).

15 Frenz/Franßen BBergG, § 14 Rn. 6; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 14 Rn. 7, 13; Kühne Rechtsfragen der Aufsuchung und Gewinnung von in Steinkohleflözen beisitzendem Methangas, S. 64; Manten ZfB 2011, 165, 166; Wörheide Die Bergbauberechtigungen nach dem Bundesberggesetz, S. 194 Fn. 905. 16 Frenz/Franßen BBergG, § 14 Rn. 6; Manten ZfB 2011, 165, 166. 17 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 152 Rn. 8. 18 BT-Drs. 8/1315, S. 89; Kühne Rechtsfragen der Aufsuchung und Gewinnung von in Steinkohleflözen beisitzendem Methangas, S. 65; Kühne ZfB 2018, 92, 97; Wörheide Die Bergbauberechtigungen nach dem Bundesberggesetz, S. 187 f.; Frenz/Franßen BBergG, § 14 Rn. 3. 19 BT-Drs. 8/1315, S. 134; Kühne in: Säcker (Hrsg.) Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, Kap. 3, Teil 1, Rn. 47; von Weschpfennig Strukturen des Bergrechts, S. 353. 20 Auch der Regierungsentwurf des Bundesberggesetzes ging noch vom Prioritätsgrundsatz aus (BT-Drs. 8/1315, S. 89). Die geltende Regelung geht auf die Beschlussempfehlung des Wirtschaftsausschusses des Bundestages zurück; danach sollten die Kriterien maßgeblich sein, „die für die mit der Regelung des Berechtsamswesens verfolgten Ziele einer sinnvollen und planmäßigen Aufsuchung von entscheidender Bedeutung sind“ (BT-Drs. 8/1315, S. 134). 21 Im Rahmen der nach § 14 Abs. 2 zu treffenden Vorrangentscheidung spielt der Zeitpunkt der Antragstellung keine Rolle (OVG Magdeburg 11.5.1994, 3 M 18/93 = ZfB 1994, 230, 235). Ebenso wenig ist der (frühere) Inhaber einer Erlaubnis, der sich nicht auf den Vorrang nach Absatz 1 berufen kann, im Rahmen der Vorrangentscheidung privilegiert (VG Cottbus 10.9.2010, 3 K 433/08 = ZfB 2011, 48, 56). 22 VG Neustadt 27.1.2010, 5 K 417/09 = ZfB 2011, 131, 135 f., 138; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 14 Rn. 7. Franke/Karrenstein

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Erstes Kapitel – Bergfreie Bodenschätze

§ 14

Gegenstand der vergleichenden Bewertung sind das Arbeitsprogramm (§ 11 Nr. 3) zusam- 10 men mit dem Nachweis der finanziellen Leistungsfähigkeit (§ 11 Nr. 7) unter Berücksichtigung der sonstigen bergbaulichen Tätigkeiten des Antragstellers. Zwischen § 11 Nr. 3 und 7 besteht ein notwendiger Prüfungszusammenhang, weil die Anforderungen an die finanzielle Leistungsfähigkeit sich aus Art, Umfang und Zeitrahmen der im Arbeitsprogramm dargestellten Aufsuchung oder Gewinnung ergeben. Daher kann die Behörde verlangen, dass der Nachweis der finanziellen Leistungsfähigkeit mit Bezug auf die nach dem Arbeitsprogramm vorgesehene Aufsuchung oder Gewinnung geführt wird. Gelingt dies dem Antragsteller nicht, muss davon ausgegangen werden, dass das Arbeitsprogramm nicht auf realistischen Annahmen beruht und daher nicht Grundlage einer Vorrangentscheidung sein kann (vgl. § 11 Rn. 5). Maßstab der vergleichenden Bewertung ist, welcher Antrag den Anforderungen einer sinnvol- 11 len und planmäßigen Aufsuchung oder Gewinnung am besten Rechnung trägt. Für die Vorrangentscheidung sind damit die rohstoffwirtschaftlichen Gesichtspunkte maßgeblich, die sich aus dem Gesetzeszweck (§ 1 Nr. 1) ergeben und die durch die Berechtsamsregelungen mit dem Ziel ausgeformt werden, den Bergbautreibenden zu einer ordnungsgemäßen und planmäßigen Aufsuchung und Gewinnung anzuhalten (vgl. § 6 Rn. 8 ff.).23 Sie bestimmen daher auch die sonstigen behördlichen Entscheidungen über die Erteilung, die Verlängerung und den Widerruf von Bergbauberechtigungen.24 Kriterium für die Vorrangentscheidung ist danach in erster Linie, welcher Antrag in höherem Maße die Gewähr bietet, dass die Erschließung von Rohstoffvorkommen nicht durch unsachgemäße oder mangelhafte Aufsuchungs- oder Gewinnungsarbeiten oder durch die Aufgabe von Vorhaben wegen mangelnder finanzieller Leistungsfähigkeit blockiert und eine rohstoffwirtschaftlich unerwünschte Vorratshaltung betrieben wird.25 Die Vorrangentscheidung kann sich aus einer vergleichenden Bewertung im Hinblick auf dieselben rohstoffwirtschaftlichen Gesichtspunkte ergeben, wenn die konkurrierenden Anträge im Übrigen gleichwertig sind. Tragen die Anträge den gesetzlichen Gemeinwohlzielen jeweils in unterschiedlicher Hinsicht besser Rechnung, ist zu entscheiden, welcher Gemeinwohlgesichtspunkt im Einzelfall von größerem Gewicht ist. Die Überlegenheit eines Antrags kann sich daraus ergeben, dass die kurzfristige Aufnahme der Aufsuchung oder Gewinnung verlässlich prognostiziert werden kann.26 Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Antragsteller in erheblichem Umfang über das Oberflächeneigentum im beantragten Feld verfügt, so dass Entscheidungen nach § 40 oder §§ 77 ff. nicht erforderlich werden.27 Für den Vorrang eines Antrags kann auch erheblich sein, in welchem Umfang Abbauverluste durch Abbaufeste entstehen28 oder ob Einrichtungen eingesetzt werden sollen, die eine effizientere Gewinnung ermöglichen.29 Die Vorrangentscheidung kann aber nur auf rohstoffwirtschaftliche Gesichtspunkte gestützt werden, aus denen sich die qualitative Überlegenheit des Arbeitsprogramms zusammen mit dem Nachweis finanzieller Leistungsfähigkeit ergeben kann.30 Hierzu gehören weder arbeitsmarktpolitische Ziele31 noch Wettbewerbsgesichtspunkte.32

23 Schulte ZfB 1978, 414, 416, 424; Franke FS Kühne (2009), S. 507, 509 f. 24 BVerwG 3.3.2011, 7 C 4/10 = ZfB 2011, 105, Rn. 12 ff.; zuvor bereits VGH Mannheim 15.4.2010, 6 S 1939/09, ZfB 2010, 176 Rn. 28 ff.; Wörheide Die Bergbauberechtigungen nach dem Bundesberggesetz, S. 185 f. 25 BVerwG 3.3.2011, 7 C 4/10 = ZfB 2011, 105, Rn. 13. Zur rohstoffwirtschaftlichen Funktion des Nachweises finanzieller Leistungsfähigkeit (§ 11 Nr. 7) BT-Drs. 8/1315, S. 86; VG Neustadt 27.1.2010, 5 K 417/09 = ZfB 2011, 131, 136. 26 OVG Magdeburg 11.5.1994, 3 M 18/93 = ZfB 1994, 230, 232 ff. 27 OVG Magdeburg 11.5.1994, 3 M 18/93 = ZfB 1994, 230, 233 f.; VG Leipzig 3.3.1994, 5 K 763/93 = ZfB 1994, 143, 147. 28 OVG Magdeburg 11.5.1994, 3 M 18/93 = ZfB 1994, 230, 234. Der Gesichtspunkt des Lagerstättenschutzes (§ 11 Nr. 9) ist, soweit es um den Bodenschatz geht, für den eine Bergbauberechtigung beantragt wird, bereits Gegenstand des Arbeitsprogramms (vgl. § 11 Rn. 12). 29 VG Leipzig 3.3.1994, 5 K 763/93 = ZfB 1994, 143, 148. 30 VG Chemnitz 24.5.1995, 4 K 3380/93 = ZfB 1996, 156, 164. 31 VG Chemnitz 24.5.1995, 4 K 3380/93 = ZfB 1996, 156, 163 f. 32 A.A. VG Leipzig 3.3.1994, 5 K 763/93 = ZfB 1994, 143, 148; Neuhaus gen. Wever Glückauf 1994, 617, 618; Kremer/ Neuhaus gen. Wever Bergrecht, Rn. 114. 167

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Zweiter Teil – Bergbauberechtigungen

Bei der vergleichenden Bewertung der Anträge sind die sonstigen bergbaulichen Tätigkeiten der Antragsteller zu berücksichtigen. Damit fließen vor allem vorhandene Erfahrungen und Kenntnisse in die Vorrangentscheidung ein.33 Diese können sich aus bestehenden Betrieben derselben Bergbausparte ergeben, wobei auch der betriebsübergreifende Einsatz von Personal oder Einrichtungen in Betracht zu ziehen ist. Die Begünstigung etablierter Unternehmen derselben Bergbausparte ist aber nicht Zweck der Regelung. Zu berücksichtigen sind etwa auch Spezialkenntnisse bei der Anwendung bestimmter Gewinnungsverfahren oder Lagerstättenkenntnisse, die sich aus der Aufsuchung oder Gewinnung eines anderen Bodenschatzes ergeben, der mit dem Bodenschatz, auf den sich der Antrag bezieht, zusammen vorkommt.34 Sonstige bergbauliche Tätigkeiten können sich auch auf die Beurteilung der finanziellen Leistungsfähigkeit auswirken; insbesondere kann bei Antragstellern mit mehreren Betrieben eine leichtere Kapitalbeschaffung möglich sein. Die Berücksichtigung sonstiger bergbaulicher Tätigkeiten kann die vergleichende Bewertung des Arbeitsprogramms und des Nachweises der finanziellen Leistungsfähigkeit zugunsten einzelner Antragsteller verstärken, erweitert aber nicht das für die Vorrangentscheidung maßgebliche Prüfprogramm.

IV. Verfahren und Rechtsschutz 13 Die Behörde ist bei der vergleichenden Bewertung der konkurrierenden Anträge nicht an den Antragsinhalt gebunden, sondern hat den Sachverhalt, soweit dies für die Vorrangentscheidung erforderlich ist, von Amts wegen aufzuklären (§ 24 VwVfG). Die für Entscheidungen nach § 14 erforderlichen Informationen werden sich allerdings überwiegend aus der betrieblichen Sphäre der Antragsteller ergeben. Sofern die vorgelegten Arbeitsprogramme und Nachweise zur finanziellen Leistungsfähigkeit nicht so aussagekräftig sind, dass sie eine Vorrangentscheidung ermöglichen,35 hat die Behörde die Antragsteller aufzufordern, das Arbeitsprogramm zu präzisieren oder weitere Nachweise zur finanziellen Leistungsfähigkeit vorzulegen. Die Mitwirkung der Beteiligten ist keine selbständig durchsetzbare Verpflichtung. Als Mitwirkungslast der Beteiligten bei der Sachverhaltsaufklärung schränkt sie die Amtsermittlungspflicht der Behörde ein.36 Unzureichende Mitwirkung wird mittelbar dadurch sanktioniert, dass bei der Vorrangentscheidung für den Antragsteller günstige Umstände möglicherweise nicht in vollem Umfang berücksichtigt werden.37 14 § 11 und § 12 enthalten keine drittschützenden Versagungsgründe. Rechtsbehelfe Dritter gegen eine Vorrangentscheidung können daher nicht darauf gestützt werden, dass die einem anderen erteilte Bergbauberechtigung nach § 11 oder § 12 nicht hätte erteilt werden dürfen; drittschützende Belange werden nur durch die Vorrangentscheidung selbst berührt.38 Bei Entscheidungen nach Absatz 1 kann sich der Dritte nur darauf berufen, dass die formellen Voraussetzungen für die 33 OVG Magdeburg 11.5.1994, 3 M 18/93, ZfB 1994, 230, 235. 34 Kühne Rechtsfragen der Aufsuchung und Gewinnung von in Steinkohleflözen beisitzendem Methangas, S. 79; Franke RdE 1994, 1, 6; Franke in: Burgi (Hrsg.) Planungssicherheit im Energiewirtschaftsrecht, S. 93, 107 f. 35 In solchen Fällen das Prüfungsspektrum der Vorrangentscheidung um Gesichtspunkte zu erweitern, die keinen rohstoffwirtschaftlichen Bezug haben (so VG Leipzig 3.3.1994, 5 K 763/93, ZfB 1994, 143, 148; Neuhaus gen. Wever Glückauf1994, 617, 618; Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht, Rn. 114), steht mit dem eindeutigen Wortlaut und dem an rohstoffwirtschaftlichen Gesichtspunkten orientierten Zweck der Regelung nicht in Einklang; so auch Frenz/Franßen BBergG, § 14 Rn. 22; Wörheide Die Bergbauberechtigungen nach dem Bundesberggesetz, S. 186; Wolff UPR 2005, 409, 412 f. 36 Obermayer/Funke-Kaiser/Schenk VwVfG, § 26 Rn. 93 ff.; Bader/Ronellenfitsch/Herrmann VwVfG, § 26 Rn. 37; Stelkens/Bonk/Sachs/Kallerhoff VwVfG, § 26 Rn. 46 f.; Kopp/Ramsauer VwVfG, § 26 Rn. 43 f.; Knack/Hennecke/Ritgen VwVfG, § 26 Rn. 103; Fehling/Kastner/Störmer/Schwarz Verwaltungsrecht, § 26 VwVfG Rn. 37; Ziekow VwVfG, § 26 Rn. 18. 37 Bader/Ronellenfitsch/Herrmann VwVfG, § 26 Rn. 37; Stelkens/Bonk/Sachs/Kallerhoff/Fellenberg VwVfG, § 26 Rn. 51 ff.; Kopp/Ramsauer VwVfG, § 26 Rn. 43 f.; Fehling/Kastner/Störmer/Schwarz Verwaltungsrecht, § 26 VwVfG Rn. 38 f.; Ziekow VwVfG, § 26 Rn. 19. 38 VG Neustadt 27.1.2010, 5 K 417/09 = ZfB 2011, 131, 135, 138 f.; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 14 Rn. 5. Franke/Karrenstein

168

Erstes Kapitel – Bergfreie Bodenschätze

§ 15

Vorrangentscheidung zugunsten des Erlaubnisinhabers nicht vorgelegen hätten. Das gilt etwa für die Fragen, ob der andere überhaupt Inhaber einer Erlaubnis war oder ob der Bewilligungsantrag des Erlaubnisinhabers innerhalb der Drei-Monats-Frist gestellt worden ist. Bei Entscheidungen nach Absatz 2 kann sich der Dritte nur darauf berufen, dass die vergleichende Bewertung der konkurrierenden Anträge fehlerhaft erfolgt ist. Hierbei besteht kein Ermessen der Behörde.39 Entgegen der ganz überwiegenden Auffassung liegen auch die Voraussetzungen für die Anerkennung eines Beurteilungsspielraums bei der Vorrangentscheidung nach Absatz 2 nicht vor.40 Die vergleichende Bewertung erfordert zwar prognostische Einschätzungen. Diese unterscheiden sich aber nicht grundsätzlich von den Prognoseerfordernissen, die auch ohne eine Konkurrenzsituation bei Entscheidungen nach § 11 oder § 12 bestehen. Auch bei diesen Entscheidungen ist eine Einschätzung erforderlich, wie ein Aufsuchungs- oder Gewinnungsbetrieb sich aufgrund des vorgelegten Arbeitsprogramms und des Nachweises der finanziellen Leistungsfähigkeit entwickeln wird. Der bei der Vorrangentscheidung unterlegene Antragsteller kann Verpflichtungsklage auf 15 Erteilung einer Bergbauberechtigung an ihn erheben. Dabei ist gleichzeitig die Aufhebung der einem anderen erteilten Bergbauberechtigung zu beantragen, deren Ausschließlichkeit die Erteilung einer weiteren Erlaubnis ausschließen würde;41 hierbei reicht es für die Feststellung des Rechtsschutzziels (§ 88 VwGO) aus, wenn sich aus dem Klagevorbringen ergibt, dass die Klage sich auch gegen die Erteilung der Bergbauberechtigung an den Konkurrenten richten soll.42

§ 15 Beteiligung anderer Behörden Die zuständige Behörde hat vor der Entscheidung über den Antrag den Behörden Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, zu deren Aufgaben die Wahrnehmung öffentlicher Interessen im Sinne des § 11 Nr. 10 gehört. Die Erteilung einer Erlaubnis oder Bewilligung ist nach § 11 Nr. 10, § 12 Abs. 1 Satz 1 zu versagen, 1 wenn überwiegende öffentliche Interessen die Aufsuchung im gesamten zuzuteilenden Feld ausschließen. Diese Beurteilung berührt Fragen, die in der Regel außerhalb des Zuständigkeitsbereichs der für die Erteilung von Bergbauberechtigungen zuständigen Behörde liegen. § 15 schreibt vor, dass die Behörde sich die Kenntnisse, die zur Prüfung des Vorliegens eines Versagungsgrundes nach § 11 Nr. 10 erforderlich sind, durch Beteiligung der Behörden verschafft, zu deren Aufgaben die Wahrnehmung der von den angestrebten bergbaulichen Tätigkeiten berührten öffentlichen Interessen gehört. Die Sachverhaltsaufklärung durch die Behörde (§ 24 VwVfG) wird damit durch verbindliche fachgesetzliche Vorgaben mit dem Ziel konkretisiert, eine möglichst umfassende und lückenlose Berücksichtigung aller öffentlichen Belange zu gewährleisten.1 Die unzureichende Ermittlung der durch eine Aufsuchung oder Gewinnung berührten öffentlichen Belange führt zur Aufhebung einer hierauf beruhenden Entschei-

39 OVG Magdeburg 11.5.1994, 3 M 18/93 = ZfB 1994, 230, 232; VG Chemnitz 24.5.1995 = ZfB 1996, 156, 162; Wörheide Die Bergbauberechtigungen nach dem Bundesberggesetz, S. 244; Wolff UPR 2005, 409, 413. 40 Einen Beurteilungsspielraum bei der Vorrangentscheidung bejahend OVG Magdeburg 11.5.1994, 3 M 18/93 = ZfB 1994, 230, 232; VG Chemnitz 24.5.1995, 4 K 3380/93 = ZfB 1996, 156, 162 f.; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 14 Rn. 14; Wörheide Die Bergbauberechtigungen nach dem Bundesberggesetz, S. 244 f.; abl. mit überzeugender Begründung Wolff UPR 2005, 409, 413 f. 41 VG Neustadt 27.1.2010, 5 K 417/09 = ZfB 2011, 131, 135. 42 VG Leipzig 3.3.1994, 5 K 763/93 = ZfB 1994, 143, 146. 1 BT-Drs. 8/1315, S. 86; OVG Bautzen 10.6.1998, 1 S 349/96 = ZfB 1998, 205, 208; VG Weimar 17.1.1995, 7 K 716/93.We = ZfB 1995, 225, 228; von Weschpfennig Strukturen des Bergrechts, S. 105 f. 169 https://doi.org/10.1515/9783110709285-028

Franke/Karrenstein

§ 15

Zweiter Teil – Bergbauberechtigungen

dung der Behörde.2 Andererseits muss das Verfahren so zügig durchgeführt werden, wie dies bei Beachtung der behördlichen Aufklärungspflicht möglich ist; die Beteiligung anderer Behörden rechtfertigt keine mehrjährige Verzögerung des Erteilungsverfahrens.3 Dem Zweck der Beteiligungsregelung entspricht es, den Kreis der zu beteiligenden Behörden so weit zu ziehen, dass auch solche öffentlichen Interessen berücksichtigt werden, die von bergbaulicher Tätigkeit nur möglicherweise berührt sind.4 Konkretisierte öffentliche Interessen, die in der Regel berührt werden, ergeben sich aus Vorgaben der Landes-, Regional- und Bauleitplanung sowie aus Schutzgebietsregelungen, insbesondere zum Natur- und Landschafts- sowie zum Gewässerschutz (vgl. § 11 Rn. 15 f.). Eine Beteiligung der Gemeinden als Planungsträger ist, anders als auf der Betriebsplanebene (§ 54 Abs. 2), zwar nicht ausdrücklich vorgesehen; hieraus kann aber nicht gefolgert werden, dass eine Beteiligung ausgeschlossen werden sollte.5 Nach dem Regelungszweck kommt es darauf an, ob der Gemeinde die Wahrnehmung öffentlicher Interessen i.S.d. § 11 Nr. 10 zugewiesen ist. Hierzu gehören insbesondere die Belange der städtebaulichen Planung.6 Den beteiligten Behörden ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Einvernehmen darü2 ber, ob die beantragte Bergbauberechtigung erteilt wird, muss nicht erzielt werden.7 Zwar wird sich die für die Erteilung der Bergbauberechtigung zuständige Behörde bei Fragen, für die sie selbst über keinen spezifischen Sachverstand verfügt, über die Beurteilung durch die zuständige Fachbehörde nicht ohne weiteres hinwegsetzen können. Nach § 11 Nr. 10, § 12 Abs. 1 Satz 1 muss eine Aufsuchung oder Gewinnung aber im gesamten Feld „ausgeschlossen“ sein (vgl. § 11 Rn. 18). Es reicht also nicht aus, dass nach prognostischer Beurteilung für das gesamte Feld Zweifel bestehen, ob Aufsuchungsoder Gewinnungsvorhaben zugelassen werden können. Vielmehr muss auch ausgeschlossen sein, ein bergbauliches Vorhaben so auszugestalten, dass es – falls erforderlich, aufgrund von Ausnahmen oder Befreiungen – mit planerischen Vorgaben oder Schutzgebietsregelungen vereinbar ist. Gerade bei dem auf der Berechtsamsebene in der Regel geringen Konkretisierungsgrad von Aufsuchungs- oder Gewinnungsvorhaben stellt § 11 Nr. 10 damit hohe Anforderungen an den Gewissheitsgrad der prognostischen Beurteilung, ob bergbauliche Tätigkeiten ausgeschlossen sind. Für diese Beurteilung ist der spezifische Sachverstand der beteiligten Fachbehörden, aber auch bergbehördlicher Sachverstand erforderlich. Auch ohne sich über die fachliche Einschätzung beteiligter Behörden hinwegzusetzen, kann die für die Erteilung der Bergbauberechtigung zuständige Behörde zu der Beurteilung gelangen, dass eine Aufsuchung oder Gewinnung trotz bestehender fachlicher Zweifel angesichts der betrieblichen Gestaltungsmöglichkeiten im weiteren Planungsprozess nicht mit hinreichender Gewissheit „ausgeschlossen“ ist. 3 Unterbleibt eine nach § 15 gebotene Behördenbeteiligung, führt dies zur Rechtswidrigkeit der Entscheidung,8 sofern die Beteiligung nicht mit heilender Wirkung nachgeholt wird (§ 45 Abs. 1 Nr. 5 u. Abs. 2 VwVfG). Ein Aufhebungsanspruch der zu beteiligenden Behörde allein wegen der unterbliebenen Einholung einer Stellungnahme kommt aber schon deshalb nicht in Betracht, weil ihre Mitwirkung der Aufklärung des Sachverhalts durch Abgabe einer fachbehördlichen Stellungnahme dient. Rechtlich geschützte Interessen, die eine Beteiligtenstellung vermitteln könnten (§ 13 Abs. 1 Nr. 4 u. Abs. 2 VwVfG), werden dadurch nicht berührt.9

2 3 4 5 6

VG Leipzig 19.1.1995, 5 K 23/94 = ZfB 1995, 48, 51. VG Weimar 17.1.1995, 7 K 716/93.We = ZfB 1995, 225, 228 f. Böhm in FS Koch (2014), S. 565, 572 f. BVerwG 15.10.1998, 4 B 94/98, NVwZ 1999, 876, 877. BVerwG 15.10.1998, 4 B 94/98, NVwZ 1999, 876, 877; OVG Bautzen 10.6.1998, 1 S 349/96 = ZfB 1998, 205, 208; Frenz/ Zimmer BBergG, § 15 Rn. 6; kritisch Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht, Rn. 112. 7 VG Weimar 17.1.1995, 7 K 716/93.We = ZfB 1995, 225, 228. 8 Frenz/Zimmer BBergG, § 15 Rn. 10. 9 BVerwG 15.10.1998, 4 B 94/98, NVwZ 1999, 876, 877; Frenz/Zimmer BBergG, § 15 Rn. 10 f.; Böhm in FS Koch (2014), S. 565, 573. Franke/Karrenstein

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Erstes Kapitel – Bergfreie Bodenschätze

§ 16

§ 16 Form, Inhalt und Nebenbestimmungen (1)

(2)

(3)

(4)

(5)

1 Erlaubnis und Bewilligung bedürfen der Schriftform; die elektronische Form ist ausgeschlossen. 2Sie sind für ein bestimmtes Feld und für bestimmte Bodenschätze zu erteilen. 3Das Gleiche gilt für Bergwerkseigentum. 4Die Erlaubnis ist als Erlaubnis zur Aufsuchung zu gewerblichen oder zu wissenschaftlichen Zwecken oder als Erlaubnis zur großräumigen Aufsuchung zu bezeichnen. Ein Erlaubnisfeld kann abweichend vom Antrag festgesetzt werden, soweit dies erforderlich ist, um eine Gefährdung der Wettbewerbslage der Bodenschätze aufsuchenden Unternehmen abzuwenden oder die Aufsuchung von Lagerstätten zu verbessern. Die nachträgliche Aufnahme, Änderung oder Ergänzung von Auflagen ist zulässig, wenn sie 1. für den Unternehmer und für Einrichtungen der von ihm betriebenen Art wirtschaftlich vertretbar und 2. nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik erfüllbar sind und soweit dies zur Wahrung der in den §§ 11 und 12 Abs. 1 bezeichneten Rechtsgüter und Belange erforderlich ist. 1 Die Erlaubnis ist auf höchstens fünf Jahre zu befristen. 2Sie soll um jeweils drei Jahre verlängert werden, soweit das Erlaubnisfeld trotz planmäßiger, mit der zuständigen Behörde abgestimmter Aufsuchung noch nicht ausreichend untersucht werden konnte. 1 Die Bewilligung oder das Bergwerkseigentum wird für eine der Durchführung der Gewinnung im Einzelfalle angemessene Frist erteilt oder verliehen. 2Dabei dürfen fünfzig Jahre nur überschritten werden, soweit dies mit Rücksicht auf die für die Gewinnung üblicherweise erforderlichen Investitionen notwendig ist. 3Eine Verlängerung bis zur voraussichtlichen Erschöpfung des Vorkommens bei ordnungs- und planmäßiger Gewinnung ist zulässig.

Schrifttum Dammert/Brückner Aktuelle Rechtsfragen der nachträglichen Verlängerung bergrechtlicher Bewilligungen, DVBl 2021, 1050; Heitmann Der Wegfall der Bergbauberechtigung, ZfB 1987, 26; Kühne Möglichkeiten einer gebündelten Gewinnung übereinander liegender Bodenschätze, Jur. Gutachten für den Regierungspräsidenten Köln (1984 maschinenschriftlich).

Übersicht I.

Systematik und Regelungsgegenstand

II.

Form und Inhalt der Erteilung von Erlaubnis und 3 Bewilligung (Absatz 1 Satz 1, 2, 4)

III.

Festsetzung von Erlaubnisfeldern (Absatz 2)

IV.

Verleihung von Bergwerkseigentum (Absatz 1 9 Satz 3)

V. 1. 2. 3.

(Anfängliche) Nebenbestimmungen Geltung des VwVfG für Erlaubnis und Bewilli11 gung 18 Die Nebenbestimmungen im Einzelnen Nebenbestimmungen bei Bergwerkseigen27 tum

171 https://doi.org/10.1515/9783110709285-029

VI. 1. 2.

1

7

3.

VII. 1. 2. 3.

Nachträgliche Auflagen 30 Allgemeines Die tatbestandlichen Voraussetzungen nachträglicher Auflagen nach § 16 Abs. 3 bei Erlaubnis und 33 Bewilligung Nachträgliche Auflagen bei Bergwerkseigen38 tum Geltungsdauer der Bergbauberechtigungen 41 Allgemeines (Normzweck) 44 Geltungsdauer der Erlaubnis (Absatz 4) Geltungsdauer der Bewilligung und des Bergwerks50 eigentums (Absatz 5)

Kühne

§ 16

Zweiter Teil – Bergbauberechtigungen

I. Systematik und Regelungsgegenstand 1 Die Vorschrift regelt Einzelfragen der Erteilung von Bergbauberechtigungen auf bergfreie Bodenschätze (Erlaubnis, Bewilligung, Bergwerkseigentum) durch den Staat. Sie tut dies allerdings nur ausschnitthaft. Bei der Erteilung der vorgenannten Bergbauberechtigungen handelt es sich ihrer Rechtsnatur nach – unbeschadet ihrer auch privatrechtlichen Wirkungen (vgl. §§ 8 Abs. 2, 9 BBergG) – um Verwaltungsakte i.S. des § 35 VwVfG und darüber hinaus speziell um die Erscheinungsformen des begünstigenden Verwaltungsakts i.S. des § 48 Abs. 1 Satz 2 VwVfG, da ein Recht begründet wird (§§ 7, 8, 9 BBergG), und des mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsakts, da die Erteilung (Verleihung) nur auf Antrag erfolgt (§ 10 BBergG). Im Hinblick auf § 5 BBergG gelten die allgemeinen für Verwaltungsakte maßgebenden Bestimmungen des VwVfG – vorbehaltlich besonderer Regelungen im BBergG – auch für Verwaltungsakte auf der Grundlage des BBergG und damit auch für die Erteilung von Bergbauberechtigungen. § 16 BBergG enthält solche berggesetzlichen Sonderregelungen für Einzelfragen: 2 – Absatz 1 stellt formale Anforderungen an die Erteilung von Erlaubnis und Bewilligung sowie an die Verleihung von Bergwerkseigentum auf; – Absatz 2 enthält eine Ausnahme vom allgemein-verwaltungsverfahrensrechtlichen Erfordernis der Kongruenz von Antrag und Verwaltungsakt1 bei mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsakten; – Absatz 3 regelt einen Ausschnitt aus dem im Übrigen den allgemein-verwaltungsverfahrensrechtlichen Regelungen überlassenen Komplex der Nebenbestimmungen (§ 36 VwVfG); – Absätze 4 und 5 betreffen die Geltungsdauer von Bergbauberechtigungen einschließlich ihrer Verlängerungsmöglichkeiten.

II. Form und Inhalt der Erteilung von Erlaubnis und Bewilligung (Absatz 1 Satz 1, 2, 4) 3 Abweichend von § 37 Abs. 2 Satz 1 VwVfG, der keine Form für Verwaltungsakte vorschreibt, verlangt § 16 Abs. 1 Satz 1 BBergG Schriftform für Erlaubnis und Bewilligung. Die Mindestanforderungen an die Wahrung der Schriftform ergeben sich aus § 37 Abs. 3 VwVfG (Erkennbarkeit der erlassenden Behörde, Unterschrift oder Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten). Die elektronische Form ist ausgeschlossen (§ 16 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz BBergG). 4 Die Erteilung von Erlaubnis und Bewilligung erlangt Wirksamkeit in dem Zeitpunkt, in dem sie dem Adressaten (Antragsteller) bekanntgegeben wird. Eine Bekanntgabe an andere Personen oder Amtsstellen als „Betroffene“ i.S. des § 43 Abs. 1 Satz 1 VwVfG kommt nicht in Betracht, da die Erteilung nicht auf Rechte Dritter einwirkt. Eine bestimmte Bekanntmachungsart ist nicht vorgeschrieben. Die Bekanntgabe der behördlichen Entscheidung kann daher durch einfachen Brief, durch persönliche Übergabe des Schriftstücks aber auch durch die Post mit Zustellungsurkunde oder mittels eingeschriebenen Briefes erfolgen, vgl. zu den Einzelheiten §§ 3 ff. VwZG. Nach § 41 Abs. 2 VwVfG gilt die Entscheidung, wenn sie durch die Post übermittelt wird, grundsätzlich mit dem dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekanntgegeben. 5 Nach § 37 Abs. 1 VwVfG muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein. § 16 Abs. 1 Satz 2 konkretisiert diese Anforderung im Hinblick auf die für Bergbauberechtigungen wesensbestimmenden Inhalte, das Feld und die Bodenschätze. Das zu bezeichnende Feld muss den definitorischen Vorgaben des § 4 Abs. 7 BBergG entsprechen. Die zu benennenden Bodenschätze müssen dem Katalog des § 3 Abs. 3 BBergG zugehören. Die Verwendung des Plurals „Bodenschätze“ deutet an, dass sich eine Bergbauberechtigung auch auf mehr als einen einzigen Bodenschatz beziehen kann.2 Die zwei oder mehreren Bodenschätze müssen dann jeweils für sich bezeichnet werden. Lage, Begrenzung und Flächeninhalt des Erlaubnis- oder Bewilligungsfeldes 1 Dazu Kopp/Ramsauer VwVfG, 23. Aufl. (2022), § 22 Rn. 37, 41. 2 Dazu nur Boldt/Weller 1. Aufl. (1984), § 11 Rn. 4; ferner Kühne ZfB 2008, 49 mit Beispielen. Kühne

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Erstes Kapitel – Bergfreie Bodenschätze

§ 16

sind so genau wie möglich zu beschreiben. Dabei kann auf eine zeichnerische Darstellung, die dem schriftlichen Bescheid beigefügt ist, verwiesen werden. Bei versehentlichen Unvollständigkeiten oder Unrichtigkeiten der vom Antragsteller eingereichten Unterlagen kann die Behörde kraft ihrer „Betreuungspflicht“ (§ 25 VwVfG) auf die notwendigen Ergänzungen, Berichtigungen und Klarstellungen hinwirken. Zur inhaltlichen Bestimmtheit gehört auch die in Absätzen 4 und 5 im Einzelnen ausgestaltete Befristung. Bei der Erteilung einer Erlaubnis ist nach § 16 Abs. 1 Satz 4 die Art der Erlaubnis anzugeben. 6 Die Notwendigkeit hierzu folgt aus dem unterschiedlichen Inhalt und den grundsätzlich verschiedenen Auswirkungen der drei in § 16 Abs. 1 Satz 4 BBergG genannten Erlaubnisarten.

III. Festsetzung von Erlaubnisfeldern (Absatz 2) Grundsätzlich ist die Behörde an den im Antrag bezeichneten Verfahrensgegenstand, zu dem auch 7 das vom Antragsteller bezeichnete Feld gehört, gebunden.3 Der Gesetzgeber hat hiervon in Absatz 2 aus wettbewerbspolitischen Gründen eine Ausnahme zugunsten der Begrenzung des Erlaubnisfeldes gemacht. Wegen der Begrenztheit der verfügbaren Lagerstätten und der langdauernden Ausschließungswirkung von Bergbauberechtigungen kann es hier leicht zu Monopolsituationen oder zumindest marktbeherrschenden Stellungen kommen. Droht bei antragsgemäßer Erlaubniserteilung eine Gefährdung der Wettbewerbslage der Bodenschätze aufsuchenden Unternehmen oder bietet eine Feldesbegrenzung die Möglichkeit zur Verbesserung der Aufsuchung von Lagerstätten – mehr Unternehmen können als Folge der Feldesbeschränkung Aufsuchungstätigkeiten ausführen –, so gestattet Absatz 2 eine solche Abweichung vom beantragten Feld. Der der Behörde durch Absatz 2 eingeräumte wettbewerbspolitische Spielraum ist allerdings 8 sehr begrenzt. So gestattet Absatz 2 keine allgemein vom Antrag abweichende amtswegige Feldeszuschneidung. Ferner ist eine analoge Anwendung der Bestimmung auf Gewinnungsberechtigungen (Bewilligung) ausgeschlossen. Hiergegen sprechen insbesondere auch Vertrauensschutzgesichtspunkte.

IV. Verleihung von Bergwerkseigentum (Absatz 1 Satz 3) Die Regelungen über Form und Inhalt der behördlichen Entscheidung (§ 16 Abs. 1 Satz 1, 2) gelten, 9 soweit sie sich nicht ausschließlich auf die Erlaubnis beziehen, gemäß Abs. 1 Satz 3 auch für die Entscheidung über die Verleihung von Bergwerkseigentum. Unterschiede bestehen jedoch in der rechtlichen Wirkung der Entscheidungen. Während mit der Bekanntgabe der Entscheidung über die Erteilung einer Erlaubnis oder 10 Bewilligung an den Antragsteller die betreffende Bergbauberechtigung zur Entstehung gelangt, hat die Entscheidung über eine Verleihung von Bergwerkseigentum diese Rechtswirkung nicht. Das Bergwerkseigentum entsteht vielmehr gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 erst mit der Zustellung der Berechtsamsurkunde an den Antragsteller, und diese Zustellung ist nach § 17 Abs. 1 Satz 2 erst zulässig, wenn die Entscheidung über die Verleihung unanfechtbar geworden ist. Die Entscheidung über die Verleihung des Bergwerkseigentums begründet also noch keine Bergbauberechtigung, sondern lediglich die Anwartschaft darauf. Dies ergibt sich auch daraus, dass die Bewilligung, aus der das Bergwerkseigentum abgeleitet wird, durch die Entscheidung über dessen Verleihung in ihrem Bestand noch nicht berührt wird, sondern nach § 17 Abs. 1 Satz 3 erst mit der Zustellung der Berechtsamsurkunde erlischt. Durch die Entscheidung über die Verleihung nach § 16 legt die Behörde fest, für welche Bodenschätze, für welches Feld für welche Dauer und mit welchen Nebenbestimmungen das Bergwerkseigentum verliehen wird. Mit dem Wirksamwerden der Entscheidung gemäß § 43 Abs. 1 VwVfG ist die Behörde an den Inhalt der Entscheidung, 3 Kopp/Ramsauer VwVfG, 23. Aufl. (2022), § 22 Rn. 37, 41. 173

Kühne

§ 16

Zweiter Teil – Bergbauberechtigungen

d.h. an die dort getroffene Regelung, gebunden. Sie kann also nicht mehr anderweitig über den von der Verleihung erfassten Bereich verfügen. Eine Aufhebung der Entscheidung über die Verleihung des Bergwerkseigentums ist nur noch nach den Rücknahme- oder Widerrufsvorschriften möglich. Die Entscheidung über die Verleihung des Bergwerkseigentums begründet einen Rechtsanspruch auf die Zustellung der entsprechenden Berechtsamsurkunde.

V. (Anfängliche) Nebenbestimmungen 1. Geltung des VwVfG für Erlaubnis und Bewilligung 11 § 16 BBergG enthält keine Regelung über anfängliche Nebenbestimmungen zu Erlaubnis und Bewilligung. Dieses Schweigen bedeutet keinen Ausschluss der Zulässigkeit der Beifügung von Nebenbestimmungen. Im RegE 19774 hieß es in § 16 Abs. 3 Satz 1, dass Erlaubnis und Bewilligung mit Nebenbestimmungen versehen werden können. Auf Anregung des Bundesrates5 ist diese Regelung als im Hinblick auf § 36 Abs. 1 2. Alt. VwVfG überflüssig gestrichen worden. Da Erlaubnis und Bewilligung Verwaltungsakte sind, auf die der Antragsteller einen Rechtsanspruch hat, ist für die Zulässigkeit von Nebenbestimmungen § 36 Abs. 1 2. Alt. VwVfG maßgebend. § 16 bringt dessen Voraussetzung „Sicherstellung der gesetzlichen Voraussetzungen“ jetzt in Absatz 3 in einer keinen Gegenschluss zulassenden Weise nur für nachträgliche Auflagen zum Ausdruck. Die sicherzustellenden Voraussetzungen, die für eine Nebenbestimmung in Betracht kommen, ergeben sich abschließend und in negativer Formulierung aus den Versagungsgründen der §§ 11, 12 BBergG. 12 Bei der Entscheidung über die Beifügung einer Nebenbestimmung zu Erlaubnis und Bewilligung handelt es sich um eine Ermessensentscheidung. Das Ermessen bezieht sich sowohl auf die Frage, ob im Falle der fehlenden Sicherstellung der Erfüllung einer gesetzlichen Voraussetzung statt einer Ablehnung des Antrags diesem unter Beifügung einer Nebenbestimmung stattgegeben werden soll (Entschließungsermessen), als auch auf die Art der Nebenbestimmung (Auswahlermessen).6 Das der Behörde zustehende Ermessen ist allerdings in mehrfacher Weise eingeschränkt: 13 Zunächst gelten die allgemeinen Grundsätze der Ermessensausübung nach § 40 VwVfG: Da14 nach hat die Behörde ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten; Speziell im Zusammenhang mit Nebenbestimmungen sieht § 36 Abs. 3 VwVfG vor, dass eine 15 Nebenbestimmung dem Zweck des Verwaltungsakts, hier also der Erlaubnis oder der Bewilligung, nicht zuwiderlaufen darf. Nebenbestimmungen, insbesondere Bedingungen und Auflagen, müssen ihre Rechtfertigung in dem Zweck des Gesetzes und der vom Gesetzgeber gewollten Ordnung der Rechtsmaterie7 finden. In diesem Rahmen können für Nebenbestimmungen zu Erlaubnissen und Bewilligungen die in § 1 BBergG niedergelegten Zwecke, insbesondere der Förderzweck der Nr. 1, Bedeutung erlangen; Der dem Antragsteller zustehende Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung schließt 16 die Beachtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips8 ein. Ist eine gesetzliche Voraussetzung für die Erteilung einer Erlaubnis oder Bewilligung nicht erfüllt, so kann die Behörde vor der Wahl zwischen einer Ablehnung des Antrags und der Erteilung der Berechtigung unter Beifügung einer Nebenbestimmung stehen. Kommt in einem solchen Falle eine die Erfüllung der fraglichen Zulassungsvoraussetzung sicherstellende Nebenbestimmung (Auflage) in Betracht, so kann sich das 4 5 6 7

BT-Drs. 8/1315, S. 16. BT-Drs. 8/1315, S. 175. Kopp/Ramsauer VwVfG, 23. Aufl. (2022), § 36 Rn. 46. Stelkens/Bonk/Sachs/U. Stelkens VwVfG, 10. Aufl (2023), § 36 Rn. 145 m. umfangreichen Nachw. aus der Rechtsprechung. 8 Stelkens/Bonk/Sachs/U. Stelkens VwVfG, 10. Aufl (2023), § 36 Rn. 131. Kühne

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Erstes Kapitel – Bergfreie Bodenschätze

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behördliche Ermessen i.S. der Berechtigungserteilung mit Nebenbestimmung (Auflage) als der den Antragsteller weniger belastenden Entscheidung auf Null reduzieren.9 Auf der anderen Seite darf die Behörde wesentliche Voraussetzungen der in Frage stehenden Entscheidung zur Erteilung einer beantragten Erlaubnis oder Bewilligung nicht auf Nebenbestimmungen „abschieben“ und damit letztlich offenlassen.10 Die im BBergG nicht geregelten Folgen fehlerhafter Nebenbestimmungen und die in diesen 17 Fällen gegebenen Rechtsschutzmöglichkeiten richten sich nach den allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen und verwaltungsprozessualen Normen und Grundsätzen.11

2. Die Nebenbestimmungen im Einzelnen Nach § 36 Abs. 2 VwVfG kommen folgende Arten von Nebenbestimmungen in Betracht: die Befristung (Nr. 1), die Bedingung (Nr. 2), der Widerrufsvorbehalt (Nr. 3), die Auflage (Nr. 4) und der Vorbehalt nachträglicher Auflagen (Nr. 5). Über die Geltungsdauer (Befristung) einer Erlaubnis oder Bewilligung enthält § 16 Abs. 4 und 5 BBergG Sonderregelungen, die gegenüber § 36 VwVfG Vorrang haben. Die Behörde hat sich daher bei der Festsetzung der Dauer einer Bergbauberechtigung allein nach den Absätzen 4 und 5 zu richten. Nicht zu verwechseln ist die Frage der Befristung i.S. der Geltungsdauer mit den in § 18 Abs. 2 bis 4 BBergG geregelten Fristen für die Ausnutzung der Bergbauberechtigungen, deren Nichteinhaltung einen Widerruf zur Folge hat. Unter einer Bedingung versteht § 36 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG eine Bestimmung, nach der der Eintritt (aufschiebende Bedingung) oder der Wegfall (auflösende Bedingung) einer Vergünstigung (Bergbauberechtigung!) von dem ungewissen Eintritt eines zukünftigen Ereignisses abhängt. Auch bei der aufschiebenden Bedingung wird die Entscheidung mit der Bekanntgabe i.S. des § 43 VwVfG wirksam; die bedingten Rechtswirkungen bleiben jedoch bis zum Eintritt der Bedingung in der Schwebe. Für einen Widerrufsvorbehalt als konstitutive Nebenbestimmung besteht angesichts der gesetzlichen Widerrufstatbestände in § 18 BBergG und § 49 VwVfG kein Bedürfnis. Außerdem dürfte ein Widerrufsvorbehalt generell zur Sicherstellung der gesetzlichen Voraussetzungen der §§ 11, 12 BBergG ungeeignet sein. Die relativ größte praktische Bedeutung unter den Nebenbestimmungsarten dürfte der Auflage zukommen. Bei ihr handelt es sich gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG um eine Bestimmung, durch die dem Begünstigten (hier: Erlaubnis-, Bewilligungsinhaber) ein Tun, Dulden oder Unterlassen vorgeschrieben wird. Die Auflage ist eine zusätzlich mit einem Verwaltungsakt verbundene, selbständig erzwingbare hoheitliche Anordnung (Gebot oder Verbot).12 Sie steht neben der durch die Entscheidung über die Erteilung einer Bergbauberechtigung getroffenen Regelung und kann daher selbständig vollstreckt, aber auch selbständig angefochten werden.13 Schwierigkeiten bereitet nicht selten die Abgrenzung der Auflage von der Bedingung.14 Ob das eine oder das andere vorliegt, hängt nicht allein von der in dem Bescheid gewählten Bezeichnung, sondern vor allem von dem materiellen Gehalt der Bestimmung ab. Dieser ist durch Auslegung zu ermitteln. Dabei kommt es insbesondere darauf an, welche Bedeutung die Erfüllung der Nebenbestimmung nach dem erkennbaren Willen der Behörde für den Eintritt der Rechtswirkun9 Kopp/Ramsauer VwVfG, 23. Aufl. (2022), § 36 Rn. 49. 10 OVG Lüneburg 9.6.1983, 7 OVG B3/82, DVBl 1984, 229, 231; Kopp/Ramsauer VwVfG, 23. Aufl. (2022), § 36 Rn. 46. 11 Dazu Kopp/Ramsauer VwVfG, 23. Aufl. (2022), § 36 Rn. 88 ff.; Stelkens/Bonk/Sachs/U. Stelkens VwVfG, 10. Aufl. (2023), § 36 Rn. 54 ff.

12 Kopp/Ramsauer VwVfG, 23. Aufl. (2022), § 36 Rn. 67. 13 Zu der Auseinandersetzung um die selbständige/nur unselbständige Anfechtbarkeit von Auflagen Kopp/Ramsauer VwVfG, 23. Aufl. (2022), § 36 Rn. 96 ff. 14 Dazu Kopp/Ramsauer VwVfG, 23. Aufl. (2022), § 36 Rn. 72. 175

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gen der Entscheidung haben soll. Die Auflage macht im Gegensatz zur Bedingung die Rechtswirkungen des Verwaltungsaktes (hier: der Erteilung der Bergbauberechtigung) nicht von dem Eintritt der geforderten Voraussetzungen abhängig. Die Auflage ist daher für den Antragsteller regelmäßig gegenüber der Bedingung die mildere Variante15 – ein Umstand, der das grundsätzlich bestehende Auswahlermessen der Behörde bei gleicher Eignung zur Zweckerfüllung im Sinne der Beifügung einer Auflage beschränken kann. 24 In der Praxis kommen Auflagen im Verfahren der Rechtserteilung sehr selten vor. Dies dürfte mit dem elementaren Charakter der in §§ 11, 12 BBergG enthaltenen Voraussetzungen zusammenhängen, deren Sicherstellung nicht durch Verlagerung in Nebenbestimmungen in der Schwebe gehalten werden darf. Außerdem sind Fragen der Betriebsführung regelmäßig nicht Gegenstand des Berechtsamsverfahrens, sondern haben ihren Platz im Betriebsplanverfahren. Auflagen sind z.B. denkbar hinsichtlich bestimmter Einzelfragen der Mittelaufbringung (§ 11 Nr. 7) oder grundsätzlicher Fragen zum Lagerstättenschutz (§ 11 Nr. 9) – Einzelfragen gehören in das Betriebsplanverfahren (§ 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4).16 Ein ausdrücklicher Vorbehalt der nachträglichen Aufnahme, Änderung oder Ergänzung 25 einer Auflage (§ 36 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG) erzeugt in Anbetracht der gesetzlichen Zulassung nachträglicher Auflagen (§ 16 Abs. 3) und deren abschließenden Charakters keine zusätzlichen Rechtswirkungen. Eine Nebenbestimmung, durch die lediglich die Einhaltung von Rechtsvorschriften zur „Be26 dingung“ oder „Auflage“ gemacht wird, wäre überflüssig und ohne Rechtswirkungen. In der Praxis kann es aber u.U. zweckmäßig sein, in die Entscheidung über die Erteilung einer Bergbauberechtigung einen Hinweis auf bestehende gesetzliche Beschränkungen oder auf besondere öffentlichrechtliche Verpflichtungen aufzunehmen, die unabhängig von den in der Entscheidung geregelten Gegenständen zusätzlich zu beachten sind. Insbesondere kann sich ein Hinweis auf mögliche nachfolgende Rechtsbeschränkungen (§ 16 Abs. 3) empfehlen. Der Rechtsinhaber erhält dadurch die Möglichkeit, derartige Gesichtspunkte und Risiken bei der späteren Betriebsplanung zu berücksichtigen. Solche Hinweise sind jedoch keine Nebenbestimmungen i.S. des § 36 VwVfG und haben daher im Rahmen der Bergbauberechtigung keine unmittelbare Rechtswirkung.

3. Nebenbestimmungen bei Bergwerkseigentum 27 Die Frage der Nebenbestimmungsfähigkeit des Bergwerkseigentums hat der Gesetzgeber in § 16 nicht angesprochen. Die Deutung dieses Schweigens ist schwierig, da die Entstehungsgeschichte des Berechtsamswesens im BBergG durch einen konzeptionellen Bruch gekennzeichnet ist. Während der RegE 1975 ein reines öffentlich-rechtliches Konzessionssystem unter Verzicht auf das Bergwerkseigentum vorsah, hat der RegE 1977 das Bergwerkseigentum als verleihbare Berechtigungsform wieder aufgenommen. Es entsteht zwar ebenfalls durch einen Verwaltungsakt, hat aber die Wirkungen eines grundstücksgleichen dinglichen Rechts. Im Schrifttum wird daher die Ansicht vertreten, als solches lasse das Bergwerkseigentum keine Nebenbestimmungen zu.17 Bei der Entscheidung, ob es sich bei dem Schweigen des Gesetzgebers um eine redaktionelle Unvollständigkeit oder um eine bewusste Ablehnung von Nebenbestimmungen handelt, wird man den mit dem Konzessionssystem verfolgten Flexibilisierungszweck und die Eigenart des Berg-

15 Kopp/Ramsauer VwVfG, 23. Aufl. (2022), § 36 Rn. 73. 16 Im Hinblick auf die Berücksichtigung des Lagerstättenschutzes als Prüfkriterium sowohl auf der Berechtsams- als auch auf der Betriebsplanebene wird man diesbezügliche Auflagen auf der Berechtsamsebene nur dann für zulässig („erforderlich“) halten können, wenn der Schutz der gefährdeten (Dritt-)Lagerstätte grundsätzliche, auf der Betriebsplanebene nicht mehr sachgerecht zu bewältigende Fragen aufwirft, insbesondere bei Konfliktlagen, die sich auf wesentliche Teile des zu verleihenden Feldes erstrecken, vgl. auch Franke § 11 Rn. 12 m.w.Nachw. 17 So Boldt/Weller 1. Aufl. (1984), § 16 Rn. 8 ff. Kühne

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werkseigentums miteinander verbinden müssen. Dies war auch die Absicht des Gesetzgebers.18 Verhältnismäßig unproblematisch ist dies in den wohl seltenen Fällen, in denen es um die Verleihungsvoraussetzungen des § 13 (z.B. Nr. 2: Glaubhaftmachung der wirtschaftlichen Gewinnbarkeit) geht. Insoweit sind Nebenbestimmungen, d.h. vor allem Auflagen, denkbar, soweit sie mit dem Rechtscharakter des Bergwerkseigentums vereinbar sind.19 Dies trifft z.B. nicht für Bedingungen zu, da hier § 925 Abs. 2 BGB (Bedingungsfeindlichkeit der Auflassung) entgegensteht.20 Problematisch ist die Beifügung von Nebenbestimmungen, die die Erteilungsvoraussetzun- 28 gen der Bewilligung (§§ 11, 12 BBergG) sicherstellen sollen. Hier stehen sich in gegensätzliche Richtungen weisende Argumente diametral gegenüber: Gegen diesbezügliche Nebenbestimmungen spricht, dass die §§ 11, 12 in § 13 nicht genannt sind; dafür, dass das Bergwerkseigentum nur eine um die Eigenschaft eines grundstücksgleichen Rechts verstärkte Bewilligung darstellt.21 Im Bergwerkseigentum ist daher die vorangegangene Bewilligung enthalten. In der Bezugnahme auf die „Bewilligung“ in § 13 Nr. 1 kann die Rechtsgrundlage dafür gesehen werden, der Bewilligung beigefügte Nebenbestimmungen in die Verleihung des Bergwerkseigentums unter der Voraussetzung ihrer Verträglichkeit mit diesem zu übernehmen.22 Sollte sich die Notwendigkeit einer Nebenbestimmung erst in zeitlicher Nähe zur Verleihung des Bergwerkseigentums ergeben, so kommt eine unmittelbare Beifügung zur Verleihung des Bergwerkseigentums in den Grenzen in Betracht, die auch bei der Beifügung zur Bewilligung (§ 16 Abs. 3!) hätten eingehalten werden müssen. Zwischen Nebenbestimmungen und dem Rechtscharakter des Bergwerkseigentums als eines 29 grundstücksgleichen, dinglichen Rechts besteht dann keine Unvereinbarkeit, wenn man bei letztem zwischen dem Verwaltungsakt der Verleihung und dem dadurch zur Entstehung gebrachten Recht unterscheidet.23 Die Nebenbestimmungen haften dem Verwaltungsakt der Verleihung, nicht dem Bergwerkseigentum selbst an. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass aus Gründen der Erkennbarkeit in die Verleihungsurkunde die Nebenbestimmung aufgenommen wird. § 17 Abs. 2 schreibt nur den notwendigen („muss“), nicht aber den zulässigen Inhalt der Verleihungsurkunde vor.24 Die Verleihung des Bergwerkseigentums kann mithin in den aufgezeigten Grenzen mit Nebenbestimmungen versehen werden.

VI. Nachträgliche Auflagen 1. Allgemeines Nachträgliche, den Geltungsgehalt vorbehaltloser Gestattungen einschränkende Nebenbestimmun- 30 gen sind nur auf gesetzlicher Grundlage zulässig.25 § 16 Abs. 3 kennt als nachträgliche Nebenbestimmung nur die nachträgliche Auflage, genauer: die nachträgliche Aufnahme, Änderung und Ergänzung von Auflagen. Im Hinblick auf die dabei obwaltenden Vertrauensgesichtspunkte knüpft das Gesetz deren Zulässigkeit an einschränkende Voraussetzungen (dazu unter VI.2). Daneben wird man nachträgliche Auflagen auch insoweit als zulässig ansehen müssen, als 31 die Voraussetzungen eines Widerrufs oder einer Rücknahme nach §§ 18 BBergG, 49 VwVfG

18 BT-Drs. 8/1315, S. 85 (Bergwerkseigentum sollte einerseits eintragungs- und beleihungsfähig, andererseits aber hinsichtlich der Beweglichkeit den Kriterien angepasst werden, die für die ursprüngliche Bewilligung gelten). 19 So auch Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 16 Rn. 33; gegen die Zulässigkeit von Nebenbestimmungen beim Bergwerkseigentum generell Boldt/Weller 1. Aufl. (1984), § 16 Rn. 8 ff. 20 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 16 Rn. 34. 21 BGH 19.9.2008, V ZR 28/08, BGHZ 178, 90 Rn. 9 = ZfB 2009, 65. 22 A.A. Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 13 Rn. 3. 23 So zutreffend auch Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 16 Rn. 33. 24 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 17 Rn. 8 („mindestens“); a.A. Boldt/Weller 1. Aufl. (1984), § 16 Rn. 8. 25 Kopp/Ramsauer VwVfG, 23. Aufl. (2022), § 36 Rn. 21a. 177

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bzw. 48 VwVfG gegeben sind.26 Gegenüber insbesondere dem Widerruf oder der Rücknahme wird sich die Beifügung einer Auflage regelmäßig als die den Berechtigungsinhaber weniger belastende Maßnahme darstellen und daher von der Behörde zwingend vorzuziehen sein. 32 Bei der Entscheidung über die Aufnahme, Änderung oder Ergänzung von nachträglichen Auflagen steht der Behörde Ermessen zu. Dies betrifft sowohl das Entschließungs- als auch das Auswahlermessen. Das Ermessen kann sich nach den allgemeinen Grundsätzen über die Ermessensreduzierung auf Null zu einer Verpflichtung der Behörde verdichten. Eine behördliche Verpflichtung zur nachträglichen Beifügung einer Auflage ist insbesondere dann anzunehmen, wenn nach § 18 BBergG („sind zu widerrufen“) die Voraussetzungen für einen Widerruf vorliegen, im Verhältnis zu dem sich die nachträgliche Auflage als die weniger belastende Maßnahme (Verhältnismäßigkeitsprinzip!) darstellt.27

2. Die tatbestandlichen Voraussetzungen nachträglicher Auflagen nach § 16 Abs. 3 bei Erlaubnis und Bewilligung 33 Der Gesetzgeber hat die Zulässigkeit nachträglicher Auflagen an drei Voraussetzungen gebunden: (1.) die Erforderlichkeit zur Wahrung der in den §§ 11 und 12 Abs. 1 bezeichneten Rechtsgüter und Belange, (2.) die wirtschaftliche Vertretbarkeit für den Unternehmer und für Einrichtungen der von ihm betriebenen Art, (3.) die Erfüllbarkeit nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik. Gleichlautende Voraussetzungen gelten gemäß § 56 Abs. 1 Satz 2 für nachträgliche Auflagen zu Betriebsplanzulassungen. 34 Der Gesetzgeber beruft sich im RegE BBergG 1977 zu § 16 Abs. 3 zur Begründung der Voraussetzungen der wirtschaftlichen Vertretbarkeit und der technischen Erfüllbarkeit auf die Praxis „neuerer ordnungspolitischer Gesetze für die Wirtschaft“ (zu § 56 Abs. 1 Satz 2: die „moderne Verwaltungsgesetzgebung“).28 Er dachte dabei wohl insbesondere auch an § 17 Abs. 2 BImSchG. Diese Vorschrift enthielt seinerzeit29 in negativer Formulierung die Merkmale der „wirtschaftlichen Vertretbarkeit“ und der technischen „Erfüllbarkeit“ als Voraussetzungen für die Zulässigkeit nachträglicher Anordnungen auf der Grundlage des § 17 BImSchG. Im Jahre 1985 wurde in § 17 Abs. 2 BImSchG das Kriterium der „wirtschaftlichen Vertretbarkeit“ durch das Kriterium der „Verhältnismäßigkeit“ ersetzt, um die behördlichen Einwirkungsmöglichkeiten an die Grenze des verfassungsrechtlich Erlaubten zu verlagern.30 Das BBergG hat diese Veränderung weder in § 16 Abs. 3 noch in § 56 Abs. 1 mitvollzogen. Die Gründe hierfür sind nicht bekannt und auch nur schwer erkennbar. Im Einzelnen gilt zu den vorgenannten drei Voraussetzungen Folgendes: 35 Die Erforderlichkeit i.S. der Sicherstellung der Erteilungsvoraussetzungen (§§ 11, 12 Abs. 1) gilt auch bei nachträglichen Auflagen. Wegen des Eingriffs in einen Rechtsbestand wird die Behörde hier sogar besondere Sorgfalt walten lassen müssen. 36 Nach § 16 Abs. 3 Nr. 1, 2 sind nachträgliche Auflagen nur innerhalb der Grenzen der „wirtschaftlichen Vertretbarkeit“ bzw. der „technischen Erfüllbarkeit“ zulässig. Das Verständnis der beiden Begriffe deckt sich mit demjenigen in § 56 Abs. 1 Satz 2.31 Dies gilt sowohl für die Grenzziehung zwischen wirtschaftlicher Vertretbarkeit und wirtschaftlicher Unvertretbarkeit als auch für die Kumulierung von Unternehmerbezug und Einrichtungsbezug hinsichtlich der wirtschaftlichen Vertretbarkeit.32

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Kopp/Ramsauer VwVfG, 23. Aufl. (2022), § 36 Rn. 21a. Kopp/Ramsauer VwVfG, 23. Aufl. (2022), § 36 Rn. 21e. BT-Drs. 8/1315, S. 90 (zu § 16 Abs. 3); BT-Drs. 8/1315, S. 112 (zu § 56 Abs. 1 Satz 2). BImSchG vom 15.3.1974 (BGBl. I 721 ber. 1193). 2. Gesetz zur Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes vom 4.10.1985 (BGBl. I 1950). Siehe § 56 Rn. 16 ff. Siehe § 56 Rn. 17 ff.

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In der Anwendung dürfte die praktische Handhabung des Kriteriums der „wirtschaftlichen 37 Vertretbarkeit“ bei § 16 Abs. 3 wesentlich schwieriger sein als im Falle des § 56 Abs. 1 Satz 2. Wegen der Trennung zwischen der hier relevanten Berechtsamsebene von der Betriebsplanebene muss im Zeitpunkt der Beifügung einer nachträglichen Auflage nämlich noch gar keine betriebswirtschaftliche Einheit („Unternehmen“, „Unternehmer“, „Einrichtung“) vorhanden sein. Als Maßstab für die Beurteilung der „wirtschaftlichen Vertretbarkeit“ kann dann u.U. nur das noch sehr grobmaschige Arbeitsprogramm (§ 11 Nr. 3, § 12 Abs. 1 Nr. 4) herangezogen werden.

3. Nachträgliche Auflagen bei Bergwerkseigentum § 16 Abs. 3 gilt unzweifelhaft für Erlaubnis und Bewilligung. Weit weniger eindeutig ist seine 38 Geltung für das Bergwerkseigentum, an das der Gesetzgeber im Rahmen des § 16 Abs. 3 offenbar nicht gedacht hat.33 Hier ist zu unterscheiden zwischen dem „neuen“ Bergwerkseigentum, das auf der Grundlage des § 13 verliehen worden ist, und „altem“, nach § 151 aufrechterhaltenem Bergwerkseigentum. – Bei neuem Bergwerkseigentum bildet § 16 Abs. 3 die Grundlage. Der klaren gesetzgeberi- 39 schen Absicht, das Bergwerkseigentum mit der der zuvor entstandenen Bewilligung beigegebenen Beweglichkeit auszustatten,34 ist durch Zulassung von nachträglichen Auflagen in den Grenzen des § 16 Abs. 3 zur Wahrung der in den §§ 11, 12 Abs. 1 bezeichneten Rechtsgüter und Belange Rechnung zu tragen. Nachträgliche Auflagen zur Wahrung der in § 13 benannten Gesichtspunkte sind in § 16 Abs. 3 nicht vorgesehen, dürften in der Praxis aber auch kaum denkbar sein. Zur Erhaltung der vom Gesetzgeber bezweckten Beleihungsfähigkeit35 darf die in § 13 Nr. 2 genannte Verleihungsvoraussetzung (wirtschaftliche Gewinnung im gesamten Feld) durch nachträgliche Anordnung von Auflagen allerdings nicht beeinträchtigt werden. – Grundlage des Bestandes des alten Bergwerkseigentums ist § 151. § 151 Abs. 2 schließt nur 40 § 18, nicht aber § 16 von der Anwendung aus. Daraus kann allerdings nicht gefolgert werden, dass altes Bergwerkseigentum mit Auflagen belegt werden kann.36 Ungeachtet der in anderen Industriezulassungsverfahren (BImSchG) seit langem erkennbaren Tendenz zur Absenkung des Bestandsschutzes von Altanlagen hat der Gesetzgeber des BBergG die erklärte Absicht verfolgt, die Rechtsposition des alten Bergwerkseigentums durch die Umstellung von den landesrechtlichen Regelungen auf das BBergG entgegen den Flexibilisierungszwecken des neuen Rechts nicht zu beeinträchtigen.37 Wie nach altem Recht kommen daher nachträgliche Auflagen für das alte Bergwerkseigentum unter dem BBergG nicht in Betracht.38 Sofern die Voraussetzungen des § 160 vorliegen, besteht nur die Möglichkeit einer Enteignung.

33 Dies entbindet den Rechtsanwender allerdings nicht von der Aufgabe, aus dem vorhandenen Normenmaterial eine mit den gesetzgeberischen Grundüberlegungen vereinbare Lösung zu entwickeln. Zu diesen Grundüberlegungen gehört die Absicht des Gesetzgebers, bei der Ausgestaltung des Bergwerkseigentums dessen Beleihungsfähigkeit mit der den Kriterien, die für ursprüngliche Berechtigungen, d.h. die Bewilligung, gelten, angepassten Beweglichkeit zu verbinden, BT-Drs. 8/1315, S. 85. Der Gesetzgeber hat dieses sein Konzept im Rahmen des § 16 Abs. 3 nicht zu Ende gedacht. Die in Boldt/Weller 1. Aufl. (1984), § 16 Rn. 9, vertretene Argumentation greift daher zu kurz, wenn sie die Nebenbestimmungsfeindlichkeit des Bergwerkseigentums aus dem Umstand folgert, dass § 16 Abs. 3 nur die §§ 11, 12 Abs. 1, nicht aber § 13 aufführt. 34 BT-Drs. 8/1315, S. 85. 35 BT-Drs. 8/1315, S. 85. 36 Für Zulässigkeit von nachträglichen Auflagen Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 151 Rn. 8 (unklar). 37 BT-Drs. 8/1315, S. 163. 38 Die in Kühne Möglichkeiten einer gebündelten Gewinnung übereinander liegender Bodenschätze, Jur. Gutachten für den RegPräs. Köln, 1984 (maschinenschriftlich), S. 158 ff., vertretene gegenteilige Auffassung wird aufgegeben. 179

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VII. Geltungsdauer der Bergbauberechtigungen 1. Allgemeines (Normzweck) 41 Das ABG kannte keine befristeten Bergbauberechtigungen. Das Bergwerkseigentum war wie das Grundstückseigentum „ewig“. Dem deutschen Bergrecht waren indes auch vor dem BBergG befristete Bergbauberechtigungen nicht fremd. Der sog. echte Staatsvorbehalt auf Kohlenwasserstoffe (insbesondere Erdöl, Erdgas) führte regelmäßig zur Begründung von Aufsuchungs- und Gewinnungsberechtigungen zugunsten von Unternehmen über sog. Konzessionsverträge. Die auf dieser Grundlage begründeten Berechtigungen waren durchweg befristet.39 Mit dem BBergG hat der Gesetzgeber dieses System für das gesamte Bergrecht eingeführt. Hintergrund ist das Interesse an der Sicherung der Rohstoffversorgung (§ 1 Nr. 1) mit dem Teilaspekt der zügigen, aber elastisch zu handhabenden Lagerstättenerkundung und -ausnutzung. 42 Bei der Bemessung der Fristen in § 16 Abs. 4, 5 hatte der Gesetzgeber verschiedene, z.T. gegenläufige Interessen zu berücksichtigen. Hierzu gehören namentlich die Amortisation der zu tätigenden Investitionen und das öffentliche Interesse an der vollständigen Ausnutzung der Lagerstätten. Im Hinblick auf die sehr unterschiedliche Ergiebigkeit der einzelnen Vorkommen musste die Befristung der Gewinnungsberechtigungen (Bewilligung, Bergwerkseigentum) flexibel ausgestaltet werden (§ 16 Abs. 5). Schließlich waren wegen der geologischen Unvorhersehbarkeiten auch Verlängerungsmöglichkeiten einzubauen. 43 Die Festsetzung der Geltungsdauer einer Berechtigung liegt nicht im Ermessen der Behörde, sondern sie hat nach Maßgabe der in den Absätzen 4 und 5 getroffenen Regelungen zu erfolgen.40 Darin wird der Behörde zwar ein erheblicher Beurteilungsspielraum eingeräumt; dieser wird jedoch dadurch relativiert, dass bei der behördlichen Entscheidung keine anderen als die in den §§ 11 bis 13 bezeichneten Rechtsgüter und Belange berücksichtigt werden dürfen. Im Übrigen ist die Bestimmung der Geltungsdauer einer Berechtigung an dem in § 1 Nr. 1 verankerten Postulat einer optimalen Nutzung heimischer Rohstoffvorkommen auszurichten.

2. Geltungsdauer der Erlaubnis (Absatz 4) 44 Nach den gesetzlichen Vorgaben darf die Dauer der Erlaubnis nach § 16 Abs. 4 Satz 1 bei der Erteilung auf höchstens fünf Jahre festgesetzt werden. Dieser Zeitraum entspricht den Erfahrungen der Praxis41 und dürfte daher auch als Regelfall anzusehen sein. Die zuständige Behörde muss jedoch prüfen, welche Dauer in jedem Einzelfall in Betracht kommt. Kriterium für die Prüfung ist, welche Zeit für eine ausreichende Untersuchung des Gebietes bei planmäßiger Aufsuchung erforderlich ist. Die relativ kurze Befristung von Erlaubnissen erschien dem Gesetzgeber im Hinblick auf § 1 Nr. 1 (Förderung der Aufsuchung zur Sicherung der Rohstoffversorgung) erforderlich, um die Erlaubnisinhaber zu veranlassen, die beabsichtigte Aufsuchung auch tatsächlich zügig durchzuführen oder aber die Größe des für die Erlaubnis in Anspruch zu nehmenden Gebietes von vornherein den sich aus der Höchstdauer für das Unternehmen ergebenden Möglichkeiten anzupassen.42 Bei einer längeren, vom Erlaubnisinhaber zu vertretenden Unterbrechung der Aufsuchungstätigkeit schreibt das Gesetz darüber hinaus in § 18 Abs. 2 einen Widerruf der Erlaubnis vor. 39 Dazu Ebel/Weller ABG, S. 466 f. 40 Nach BVerwG – Beschl. vom 21.11.2019 – 7 B 30.18 Rn. 5 = NVwZ 2020, 328 – handelt es sich bei den Fristen i.S. von § 16 Abs. 4, 5 BBergG um gesetzliche Fristen. Die tatbestandliche Ausgestaltung der Befristungsregelung ist indes so flexibel gehalten, dass von einem Übergriff der exekutivischen in die legislative Entscheidungszuständigkeit nicht die Rede sein kann. Gegen BVerwG, a.a.O., auch Dammert/Brückner, DVBl 2021, 1050, 1052 f. 41 Unter dem System des echten Staatsvorbehalts betrug die in den Aufsuchungs- und Gewinnungsverträgen für die Aufsuchung von Erdöl festgelegte Frist ebenfalls fünf Jahre, Ebel/Weller ABG, S. 467. 42 BT-Drs. 8/1315, S. 90. Kühne

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Die Behörde kann die Befristung der Erlaubnis durch die Angabe eines bestimmten Datums oder durch die Bestimmung eines Zeitraumes nach Jahren oder Monaten vornehmen. Bei der Festlegung eines Zeitraumes richtet sich die Berechnung der Frist nach § 31 VwVfG. Danach gelten grundsätzlich die §§ 187 bis 193 BGB entsprechend. Der Lauf der Frist beginnt gemäß § 31 Abs. 2 VwVfG mit dem Tag, der auf die Bekanntgabe der Entscheidung folgt, außer wenn dem Betroffenen etwas anderes mitgeteilt wird. Nach Ablauf der Frist erlischt die Erlaubnis. Eine erloschene Erlaubnis lebt nicht wieder auf;43 dies auch dann nicht, wenn nur kurz danach ein Verlängerungsantrag eingeht oder sich die behördliche Bearbeitung verzögert. In letzterem Falle kommen bei schuldhaftem Verhalten jedoch u.U. Amtshaftungsansprüche in Betracht. Nach § 16 Abs. 4 Satz 2 soll eine Verlängerung der Erlaubnis um jeweils drei Jahre erfolgen, soweit das Erlaubnisfeld trotz planmäßiger, mit der zuständigen Behörde abgestimmter Aufsuchung noch nicht ausreichend untersucht werden konnte. Diese Regelung ist erst im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens in das Gesetz aufgenommen worden.44 Der RegE BBergG sah lediglich die Möglichkeit vor, die Erlaubnis um höchstens drei und ein weiteres Mal um höchstens zwei Jahre zu verlängern.45 Gegen die sich hieraus ergebende Höchstgrenze für eine Erlaubnis von zehn Jahren wurden von Seiten der Erdöl- und Erdgasindustrie schwerwiegende Bedenken geltend gemacht. Die Aufsuchung von Erdöl und Erdgas erfordert zunehmende Exploration in größeren Tiefen, die mit größerem Risiko und hohem Kapitalaufwand verbunden ist.46 Die Industrie verlangte daher die Möglichkeit längerer Zeiträume für die Erlaubnis – ein Begehren, dem der Wirtschaftsausschuss des Bundestages mit der Gesetz gewordenen Fassung Rechnung getragen hat. Die Verlängerungsmöglichkeit ist als Soll-Vorschrift ausgestaltet: Die Behörde ist im Regelfall zur Verlängerung verpflichtet, es sei denn, es liegen atypische Umstände vor.47 Neben dem Umstand der „nicht ausreichenden Untersuchung“ verlangt eine Regelverpflichtung, dass die bisherige Aufsuchungstätigkeit „planmäßig“ und „mit der zuständigen Behörde abgestimmt“ erfolgt ist. Orientierungsmaßstab für die Planmäßigkeit der Aufsuchung ist das vom Erlaubnisinhaber vorgelegte Arbeitsprogramm (§ 11 Nr. 3). Eine Aufsuchung ist „planmäßig“ und „mit der zuständigen Behörde abgestimmt“ i.S. von § 16 Abs. 4 Satz 2, wenn sie das der Erlaubnis zugrunde liegende Arbeitsprogramm im Wesentlichen umsetzt.48 Unwesentliche Abweichungen sind als von der Erlaubnis gedeckt und daher als „abgestimmt“ zu betrachten. Weicht dagegen die Aufsuchung wesentlich vom Arbeitsprogramm ab, setzt das Erfordernis der Abstimmung mit der Bergbehörde nach § 16 Abs. 4 Satz 2 eine positive Stellungnahme und Billigung seitens der Behörde voraus.49 Ist die Aufsuchungstätigkeit wesentlich und mit der Behörde nicht abgestimmt vom Arbeitsprogramm abgewichen, ist eine Verlängerung gleichwohl nicht ausgeschlossen. Angesichts des nicht abschließenden Charakters des § 16 Abs. 4 Satz 250 hat die Behörde dann nach pflichtgemäßem Ermessen über die Verlängerung zu entscheiden.51 Diese Ermessensentscheidung hat auf der Grundlage der Abwägung aller relevanten, z.T. gegenläufigen Interessen (Ziele des Bundesberggesetzes, Grund und Ausmaß der Abweichung vom alten Arbeitsprogramm, wirtschaftliche Interessen des Erlaubnisinhabers, Vorhandensein und Qualität von Bewerbern für eine Neuerteilung) zu ergehen.52

43 VG Leipzig 19.5.2010, 1 K 191/08, ZfB 2011, 75, 78, 79 für die entsprechende Frage der Verlängerung einer Bewilligung (§ 16 Abs. 5 Satz 3). Es handelt sich bei der Frist um eine gesetzliche Frist, nicht um eine behördliche Frist i.S. von § 31 Abs. 7 VwVfG, die auch rückwirkend nach Ablauf verlängert werden könnte. 44 BT-Drs. 8/3965, S. 134 (Bericht BT-Wirtschaftsausschuss). 45 BT-Drs. 8/1315, S. 16. 46 BT-Drs. 8/3965, S. 134. 47 Allg.: BVerwG 8.4.2010, 6 C 3/09, BVerwGE 136, 263 Rn. 25 m.w.Nachw.; speziell zu § 16 Abs. 4 Satz 2: BVerwG 3.3.2011, 7 C 4.10, BVerwGE 139, 184 Rn. 25 = ZfB 2011, 105. 48 BVerwG 3.3.2011, 7 C 4.10, BVerwGE 139, 184 Rn. 16, 18 ff. = ZfB 2011, 105. 49 BVerwG 3.3.2011, 7 C 4.10, BVerwGE 139, 184 Rn. 21 = ZfB 2011, 105. 50 BVerwG 3.3.2011, 7 C 4.10, BVerwGE 139, 184 Rn. 25 = ZfB 2011, 105. 51 BVerwG 3.3.2011, 7 C 4.10, BVerwGE 139, 184 Rn. 29 = ZfB 2011, 105. 52 BVerwG 3.3.2011, 7 C 4.10, BVerwGE 139, 184 Rn. 30 ff. = ZfB 2011, 105. 181

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In der Rechtsprechung nur teilweise geklärt ist die Frage, ob und inwieweit einer Verlängerung auch Versagungsgründe des § 11 entgegenstehen. Das BVerwG hat dies für § 11 Nr. 3 und 7 mit Recht bejaht.53 Im Schrifttum wird z.T. angenommen, dass wegen Fehlens eines schutzwürdigen Antragsinteresses des Berechtigten die Verlängerung zu versagen ist, wenn in Bezug auf die Erlaubnis ein Widerrufsgrund gemäß § 18 vorliegt.54 Mit Blick auf die auch im Rahmen des § 18 grundsätzlich anwendbare Entschädigungsvorschrift des § 49 Abs. 6 VwVfG55 ist dies in dieser Allgemeinheit nicht zutreffend. Man wird hier zu differenzieren haben: Im Falle der gebundenen Verlängerungsentscheidung („soll“) ist ungeachtet des § 18 Abs. 1 zu verlängern, wenn bei Widerruf Entschädigungsansprüche entstünden. Im Falle einer Ermessensverlängerung geht der Vertrauensschutzaspekt in die Ermessensabwägung ein.

3. Geltungsdauer der Bewilligung und des Bergwerkseigentums (Absatz 5) 50 Als gesetzliche Regelung sind für die Bemessung der Geltungsdauer der Bewilligung und des Bergwerkseigentums die Bestimmungen des Abs. 5 maßgebend; dort werden beide Gewinnungsberechtigungen – ungeachtet ihres verschiedenen Rechtscharakters – wegen ihrer wirtschaftlichtechnischen Funktionsidentität gleichbehandelt. Im Unterschied zu Abs. 4 sieht Abs. 5 keine starre Höchstgrenze bei der Erteilung der Berechtigung vor. Die Frist von fünfzig Jahren stellt lediglich einen Richtwert dar. Die Behörde hat zunächst in jedem Einzelfall zu prüfen, welche Zeit für die Durchführung der Gewinnung angemessen ist. Bei der Beurteilung der Angemessenheit sind die im Bewilligungs- bzw. im Verleihungsantrag gemachten Angaben, insbesondere soweit sie sich aus dem gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 4 vorzulegenden Arbeitsprogramm ergeben, zugrunde zu legen. Hierbei ist davon auszugehen, dass der Antragsteller aufgrund seiner Kenntnis der Lagerstätte und der vor Eröffnung und Durchführung eines Gewinnungsbetriebes zwangsläufig vorzunehmenden technischen Planungen und Wirtschaftlichkeitsberechnungen am besten in der Lage ist, den Zeitraum der im beantragten Feld vorzusehenden Gewinnung zu beurteilen. Daher kommt für die Behörde ein Abweichen von der beantragten Zeitdauer der Berechtigung nur in Betracht, wenn im Antrag nicht schlüssig dargelegt wird, dass die angegebene Zeit für eine ordnungsund planmäßige Gewinnung im Bewilligungs- bzw. Bergwerksfeld benötigt wird. Behörde und Antragsteller treffen hier u.U. eine Förder- bzw. Mitwirkungspflicht (§§ 25, 26 Abs. 2 VwVfG). 51 Die Höchstdauer von fünfzig Jahren darf nach § 16 Abs. 5 Satz 2 nur überschritten werden, „soweit dies mit Rücksicht auf die für die Gewinnung üblicherweise erforderlichen Investitionen notwendig ist“. Die Investitionen sind hier deshalb als Kriterium ausgewählt worden, weil sie bei der ungewöhnlichen Länge des Beurteilungszeitraumes von allen in Betracht kommenden Maßstäben die geeignetste Grundlage für die größtmögliche Objektivität bilden.56 Praktische Bedeutung dürfte diese zusätzliche Voraussetzung kaum gewinnen, denn wenn in einem Feld mit einer Bodenschatzgewinnung für einen Zeitraum von mehr als fünf Jahrzehnten zu rechnen ist, kann unterstellt werden, dass dafür Investitionen erforderlich sind, die eine Erstreckung der Gewinnungsberechtigung über fünfzig Jahre hinaus rechtfertigen. 52 Eine Verlängerung bis zur voraussichtlichen Erschöpfung des Vorkommens bei ordnungsund planmäßiger Gewinnung ist zulässig (§ 16 Abs. 5 Satz 3). Der Gesetzgeber hat für die Verlängerung keine festen Fristen vorgegeben. Angesichts der von Fall zu Fall unterschiedlichen Lagerstättenverhältnisse ist diese Elastizität auch sinnvoll. Auch fehlt eine Regelung entsprechend § 16 Abs. 4 53 BVerwG 3.3.2011, 7 C 4/10, BVerwGE 139, 184 Rn. 26 = ZfB 2011, 105. Das Gericht lässt die Beachtlichkeit weiterer Versagungsgründe ausdrücklich offen („… jedenfalls ein Teil der Versagungsgründe des § 11 BBergG bei der Prüfung eines Verlängerungsantrages weiterhin zu beachten“). Heitmann ZfB 1987, 26, 28, spricht sich gegen eine „volle“ (?) Prüfung der Voraussetzungen der Erteilung der jeweiligen Berechtigung aus. 54 Boldt/Weller 1. Aufl. (1984), § 16 Rn. 15. 55 Siehe § 18 Rn. 14. 56 BT-Drs. 8/1315, S. 90. Kühne

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Erstes Kapitel – Bergfreie Bodenschätze

§ 17

über den der Behörde zustehenden Entscheidungsspielraum. Man wird daher von einer Ermessensentscheidung ausgehen müssen, wobei der Ermessensspielraum als durch den Gesichtspunkt des Vertrauens- und Investitionsschutzes stark eingeengt betrachtet werden muss. Entscheidendes Kriterium ist die planmäßige und ordnungsgemäße Ausbeutung des Vorkommens.57

§ 17 Entstehung des Bergwerkseigentums (1)

1

Bergwerkseigentum entsteht mit der Zustellung der Berechtsamsurkunde an den Antragsteller. 2Die Zustellung ist erst zulässig, wenn die Entscheidung über die Verleihung unanfechtbar geworden ist. 3Mit der Entstehung des Bergwerkseigentums erlischt die Bewilligung für den Bereich des Bergwerksfeldes. (2) 1Die Berechtsamsurkunde besteht aus der Urkunde über die Verleihung (Verleihungsurkunde) und einer Ausfertigung des Lagerisses, den die zuständige Behörde mit dem Inhalt der Entscheidung über die Verleihung in Übereinstimmung zu bringen hat. 2Die Verleihungsurkunde muß enthalten 1. den Namen und Wohnort des Berechtigten (Bergwerkseigentümers), 2. den Namen des Bergwerkseigentums, 3. die genaue Angabe der Größe und Begrenzung des Bergwerksfeldes unter Verweisung auf den Lageriß, 4. die Namen der Gemeinden, in denen das Bergwerkseigentum liegt, 5. die Bezeichnung der Bodenschätze, für die das Bergwerkseigentum gilt, 6. Datum der Urkunde, Siegel und Unterschrift. (3) 1Die zuständige Behörde ersucht das Grundbuchamt um Eintragung des Bergwerkseigentums im Grundbuch. 2Dem Ersuchen ist eine beglaubigte Abschrift der Berechtsamsurkunde beizufügen. (4) Das Grundbuchamt hat die zuständige Behörde von der Eintragung eines neuen Bergwerkseigentümers zu benachrichtigen.

Übersicht I.

Allgemeines

1

II.

Verleihung und Entstehung des Bergwerkseigen2 tums

III.

Erlöschen der Bewilligung

6

IV.

Berechtsamsurkunde

V.

Eintragungsersuchen und Benachrichtigungs7 pflicht

5

I. Allgemeines § 17 regelt die Entstehung des Bergwerkseigentums, allerdings nur ausschnittweise hinsichtlich 1 des Zeitpunkts und weiterer Förmlichkeiten. Die dem Bergwerkseigentum eigentümliche Verbindung von öffentlich-rechtlicher Entstehung und zivilrechtlich-sachenrechtlicher Natur erfordert zusätzlichen Regelungsaufwand: § 13 hat die verwaltungsverfahrensrechtlich-materiellen Entstehungsvoraussetzungen und § 16 ergänzende inhaltliche Anforderungen an den Verleihungsakt 57 BT-Drs. 8/1315, S. 90. Eine bergrechtliche Bewilligung kann auch verlängert werden, allerdings nur auf Antrag des Inhabers der Bewilligung, OVG Sachsen-Anhalt, 18.7.2018; 2 L 96/96 = ZfB 2019, S. 38. Zu weiteren Detailfragen der §§ 16, 18 BBergG vgl. die vorstehende Entscheidung. 183 https://doi.org/10.1515/9783110709285-030

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§ 17

Zweiter Teil – Bergbauberechtigungen

zum Gegenstand. § 17 beinhaltet besondere, sich aus der grundstücksgleichen Natur ergebende Formalitäten: Abs. 1 zum Entstehungszeitpunkt und die sich daran knüpfende Folge für die Bewilligung, Abs. 2 über besondere Anforderungen an die urkundliche Verlautbarung des Bergwerkseigentums (Berechtsams- und Verleihungsurkunde), Abs. 3 und 4 zu grundbuchmäßigen Formalitäten.

II. Verleihung und Entstehung des Bergwerkseigentums 2 Die Verleihung des Bergwerkseigentums ist ein (privatrechtsgestaltender und begünstigender) Verwaltungsakt, der den Regelungen des VwVfG und den ergänzenden Vorgaben des § 16 unterliegt. Rechtswirksamkeit erlangt die Verleihung mit der Bekanntgabe an den Antragsteller (§§ 41, 43 VwVfG). Der Gesetzgeber hielt es allerdings im Hinblick auf die sachenrechtliche Komponente des Bergwerkseigentums für erforderlich, den Zeitpunkt von dessen Entstehung genau festzulegen, und zwar sollte die Berechtigung unabhängig von der Eintragung in das Grundbuch entstehen.1 In Absatz 1 Satz 1 wird daher die Zustellung der Berechtsamsurkunde an den Antragsteller 3 als Zeitpunkt der Entstehung des Bergwerkseigentums festgelegt.2 Nach Satz 2 ist die Zustellung erst zulässig, wenn die Entscheidung über die Verleihung unanfechtbar geworden ist. Aus dieser Vorschrift wird deutlich, dass die Ausfertigung und Zustellung der Berechtsamsurkunde in jedem Falle eine Entscheidung über die Erteilung der Verleihung voraussetzt. Diese Entscheidung, deren Form und Inhalt sich nach § 16 richten, bildet die gestaltende Grundlage für die Verleihung des Bergwerkseigentums. Bei der Zustellung der Berechtsamsurkunde an den Antragsteller handelt es sich um einen nachfolgenden Vollzugsakt, der das Bergwerkseigentum als dingliches Recht zur Entstehung bringt und damit eintragungsfähig macht. 4 Die Zustellung der Urkunde ist in Satz 1 zwingend vorgeschrieben. Sie kann nicht durch eine andere Form der Bekanntgabe (§ 41 Abs. 1 bis 4 VwVfG) ersetzt werden. Die danach in Betracht kommenden Arten der förmlichen Zustellung sind im Verwaltungszustellungsgesetz (VwZG)3 des Bundes und den ihm nachgebildeten Verwaltungszustellungsgesetzen der Länder enthalten (Zustellung durch die Post mit Zustellungsurkunde, Zustellung durch die Post mittels Einschreiben, Zustellung durch die Behörde gegen Empfangsbekenntnis). Die Zustellung der Berechtsamsurkunde kann nach § 17 Abs. 1 Satz 2 BBergG rechtswirksam erst erfolgen, wenn die Entscheidung über die Verleihung unanfechtbar geworden ist. Die Unanfechtbarkeit liegt vor, wenn gegen die getroffene Entscheidung keine weiteren Rechtsbehelfe mehr gegeben sind.

III. Erlöschen der Bewilligung 5 Nach Absatz 1 Satz 3 erlischt mit der Zustellung der Berechtsamsurkunde an den Antragsteller die Bewilligung für den Bereich des Bergwerksfeldes. Durch diese Vorschrift wird klargestellt, dass für dasselbe Feld und denselben Bodenschatz nicht zwei verschiedene Gewinnungsberechtigungen bestehen können. Wenn das Bergwerkseigentum sich auf das gesamte Bewilligungsfeld erstreckt, erlischt die Bewilligung in vollem Umfang. Ist dagegen das Bergwerksfeld kleiner als das Bewilligungsfeld, tritt das Erlöschen nach Absatz 1 Satz 3 nur für diesen Bereich ein, während die Bewilligung für den Rest des Bewilligungsfeldes bestehen bleibt.4 Falls der Bewilligungsinhaber darauf verzichten will, muss er nach § 19 Abs. 1 die Aufhebung beantragen. Die Behörde hat ihrerseits zu prüfen, ob für den verbliebenen Teil der Bewilligung ein Widerrufsgrund nach § 18 1 2 3 4

BT-Drs. 8/1315, S. 90. Dies war auch nach früherem Recht so, KG 22.2.1906, 1 Y 116.06/7, ZfB 1906, 459, 460. Vom 12.8.2005 (BGBl. I 2354). A.A. Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 17 Rn. 9 (auch insoweit Erlöschen).

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§ 17

gegeben ist. Gibt die Behörde dem Antrag des Bewilligungsinhabers auf Verleihung des Bergwerkseigentums nicht statt, bleibt der Bestand der Bewilligung unberührt.

IV. Berechtsamsurkunde Die Berechtsamsurkunde setzt sich nach Absatz 2 Satz 1 aus der Verleihungsurkunde und einer 6 Ausfertigung des vom Antragsteller gem. § 13 Nr. 4 Buchst. b) vorzulegenden Lagerisses5 zusammen. Sofern das Feld, für das die Verleihung beantragt wurde, nicht mit dem in der Entscheidung über die Verleihung bezeichneten Bergwerksfelde übereinstimmt, hat die Verleihungsbehörde den Lageriss an die Verleihung anzupassen. Der notwendige Inhalt der Verleihungsurkunde ergibt sich aus Absatz 2 Satz 2. Dazu gehören Angaben über den Namen und Wohnort des Berechtigten (Bergwerkseigentümers) (Nr. 1), den Namen des Bergwerkseigentums (Nr. 2), die genaue Angabe der Größe und Begrenzung des Bergwerksfeldes unter Verweisung auf den Lageriss (Nr. 3), den Namen der Gemeinden, in denen das Bergwerkseigentum liegt (Nr. 4), die Bezeichnung der Bodenschätze, für die das Bergwerkseigentum gilt (Nr. 5) sowie das Datum der Urkunde, Siegel und Unterschrift (Nr. 6). Den Namen des Bergwerkseigentums (Nr. 2) hat der Antragsteller gemäß § 13 Nr. 4 Buchst. c) bei der Antragstellung anzugeben. Die Verleihungsbehörde ist nicht befugt, von sich aus einen anderen Namen in die Verleihungsurkunde aufzunehmen. Falls gegen den vorgeschlagenen Namen etwa wegen der Gefahr von Verwechslungen, Bedenken bestehen, hat die Behörde nach § 25 VwVfG die Möglichkeit, auf eine Änderung des Namens hinzuwirken. Zur Beschreibung der Begrenzung des Bergwerksfeldes (Nr. 3) kann in der Verleihungsurkunde auf die Darstellungen in dem zugehörigen Lageriss verwiesen werden, da die Berechtsamsurkunde eine Einheit bildet. Die Verweisungsmöglichkeit gilt vor allem für die Angabe der Feldeseckpunkte.

V. Eintragungsersuchen und Benachrichtigungspflicht Nach Absatz 3 Satz 1 hat die Verleihungsbehörde nach Zustellung der Berechtsamsurkunde an 7 den Berechtigten das zuständige Grundbuchamt um Eintragung des verliehenen Bergwerkseigentums im Grundbuch zu ersuchen. Nach Absatz 3 Satz 2 hat die Verleihungsbehörde dem Eintragungsersuchen eine beglaubigte 8 Abschrift der gesamten Berechtsamsurkunde, also der Verleihungsurkunde und des Lagerisses, beizufügen. Dagegen ist eine Übersendung der gemäß § 16 getroffenen Entscheidung über die Verleihung, aus der u.a. die Geltungsdauer des Bergwerkseigentums hervorgeht, nicht vorgesehen. Aus dem Grundbuch muss aber ersichtlich sein, für welchen Zeitraum das eingetragene Bergwerkseigentum gilt. Deshalb hat die Verleihungsbehörde in dem an das Grundbuchamt gerichteten Eintragungsersuchen Beginn und Ende der Geltung des Bergwerkseigentums anzugeben. Nach Ablauf der Geltungsdauer wird das Bergwerkseigentum von Amts wegen gem. § 84 GBO als gegenstandslos gelöscht. Falls das Bergwerkseigentum nach § 16 Abs. 5 Satz 3 verlängert wird, hat die Behörde dies dem Grundbuchamt umgehend mitzuteilen, damit die Löschung unterbleiben kann. Die grundbuchmäßige Behandlung von Bergbauberechtigungen, insbesondere Bergwerks- 9 eigentum, einschließlich der Vorschriften über die Einrichtung und Führung der Berggrundbücher, ist vorbehaltlich der vorgehenden Regelungen des BBergG landesrechtlich geregelt (vgl. § 176 Abs. 2 BBergG).6 Die Länder haben von der nach § 176 Abs. 2 Satz 2 eingeräumten Befugnis, hierzu nach Inkrafttreten des BBergG neue Vorschriften zu erlassen und die bestehenden Vorschriften des Landesrechts aufzuheben oder zu ändern, vielfach Gebrauch gemacht. Die Aufgabe der Einrichtung und Führung der Berggrundbücher ist danach bei den Amtsgerichten (Grundbuchäm5 Dazu § 13 Rn. 7. 6 Die landesrechtlichen Regelungen sind bei Zimmer in Frenz (Hrsg.), BBergG, § 17 Fn. 2 wiedergegeben. 185

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§ 18

Zweiter Teil – Bergbauberechtigungen

tern) angesiedelt. Für die grundbuchmäßige Behandlung des Bergwerkseigentums finden die sich auf Grundstücke beziehenden Vorschriften entsprechende Anwendung (Beispiele: § 97 JustG NW, § 44 Absatz 1 JustG Sachsen). Im Zuge der Bereinigung und Modernisierung des Justizwesens ist gerade in neuerer Zeit auch das auf Bergwerkseigentum bezogene Grundbuchwesen neu geregelt worden. So enthält das JustG NRW7 in §§ 92 ff. Ausführungsbestimmungen zur Grundbuchordnung und dort in den §§ 97 bis 101 Regelungen über die grundbuchmäßige Behandlung von Bergwerkseigentum. Ferner sind zahlreiche untergesetzliche Regelungen über die maschinelle Führung des Grundbuchs einschließlich des Berggrundbuchs und über die Konzentration der Führung des Berggrundbuchs, z.B. landesweit bei einem einzigen Amtsgericht, ergangen.8 Nach § 17 Abs. 4 besteht eine Pflicht des Grundbuchamts, die zuständige Behörde von der 10 Eintragung eines neuen Bergwerkseigentümers zu benachrichtigen. Die Vorschrift ist durch Art. 23 des „Justizmitteilungsgesetzes und Gesetzes zur Änderung kostenrechtlicher Vorschriften und anderer Gesetze“ vom 18.6.1997 (BGBl. I 1430) eingefügt worden.

§ 18 Widerruf (1) Erlaubnis und Bewilligung sind zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. (2) 1Die Erlaubnis ist ferner zu widerrufen, wenn aus Gründen, die der Erlaubnisinhaber zu vertreten hat, die Aufsuchung nicht innerhalb eines Jahres nach Erteilung der Erlaubnis aufgenommen oder die planmäßige Aufsuchung länger als ein Jahr unterbrochen worden ist; die zuständige Behörde kann die Frist aus wichtigem Grunde um jeweils ein weiteres Jahr verlängern. 2Die Erlaubnis kann widerrufen werden, wenn der Erlaubnisinhaber für einen der Erlaubnis unterliegenden Bodenschatz keine Bewilligung beantragt, obwohl die Voraussetzungen für deren Erteilung vorliegen und eine von der zuständigen Behörde für die Antragstellung gesetzte angemessene Frist verstrichen ist. (3) 1Die Bewilligung ist ferner zu widerrufen, wenn die Gewinnung nicht innerhalb von drei Jahren nach Erteilung der Bewilligung aufgenommen oder wenn die regelmäßige Gewinnung länger als drei Jahre unterbrochen worden ist. 2Dies gilt nicht, solange Gründe einer sinnvollen technischen oder wirtschaftlichen Planung des Bewilligungsinhabers es erfordern, daß die Gewinnung im Bewilligungsfeld erst zu einem späteren Zeitpunkt aufgenommen oder wiederaufgenommen wird oder wenn sonstige Gründe für die Unterbrechung vorliegen, die der Bewilligungsinhaber nicht zu vertreten hat. (4) 1Das Bergwerkseigentum ist zu widerrufen, wenn die regelmäßige Gewinnung länger als zehn Jahre unterbrochen worden ist. 2Absatz 3 Satz 2 ist entsprechend anzuwenden. 3 Die zuständige Behörde hat die im Grundbuch eingetragenen dinglich Berechtigten von der Entscheidung über einen Widerruf des Bergwerkseigentums schriftlich zu unterrichten. 4Sie ersucht das Grundbuchamt um die Löschung des Bergwerkseigentums, wenn der Widerruf wirksam geworden ist.

7 Gesetz über die Justiz im Land Nordrhein-Westfalen (Justizgesetz Nordrhein-Westfalen-JustG NRW) vom 26.1.2010 (GV.NRW S. 30); vgl. auch „Gesetz über die Justiz im Freistaat Sachsen (Sächsisches Justizgesetz – SächsJG)“ vom 24.11.2000 (SächsGVBl. S. 482), § 44. 8 Vgl. z.B. in NRW die „Verordnungen über die maschinelle Führung des Grundbuchs und die Konzentration der Führung des Berggrundbuchs“ vom 13.4.2010 (GV. NRW S. 259) (Konzentration der Führung des Berggrundbuchs auf das Amtsgericht Recklinghausen, § 7); AV des Justizministeriums NRW vom 22.4.2010, JMBl. S. 138, über die maschinelle Führung des Berggrundbuchs. Kühne https://doi.org/10.1515/9783110709285-031

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Schrifttum Barczak Der gebundene Verwaltungsakt unter Verhältnismäßigkeitsvorbehalt, VerwArch 2014, 142; Brodale Die Rücknahme von Verwaltungsakten im Industriezulassungsverfahren im weitesten Sinne (1993); Dammert/Brückner Aktuelle Rechtsfragen des Widerrufs bergrechtlicher Berechtigungen, ZfB 2014, 183; Hoppe Die Einschränkung bergbaulicher Berechtigungen durch eine Nationalparkverordnung – am Beispiel des niedersächsischen Wattenmeeres, DVBl 1987, 757; Hoppe Nationalpark-Verordnung „Niedersächsisches Wattenmeer“ und bergbauliche Berechtigungen (1987); Kühne Die Bedeutung der Erfordernisse der Raumordnung und Landesplanung bei bergbaulichen Vorhaben, DVBl 1984, 709; Kühne Nochmals: Bergbauliche Berechtigungen und Nationalparkverordnung Niedersächsisches Wattenmeer, DVBl 1987, 1259; Mede Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit bei gebundenen Entscheidungen, DÖV 2014, 541; Ludes Das Bergwerkseigentum gemäß § 9 BBergG in der Insolvenz des Bergwerkseigentümers (2012); Peters Nationalpark-Verordnung „Niedersächsisches Wattenmeer“ und bergbauliche Berechtigungen, DVBl 1988, 227; Rasel Umweltrechtliche Implikationen im Bundesberggesetz (1994).

Übersicht I. 1. 2.

§ 18 im System der Beendigungsgründe für Bergbauberechtigungen 1 Die einzelnen Beendigungsgründe Der entstehungsgeschichtliche Werdegang von Rücknahme und Widerruf (§ 18 Absatz 1) im 2 BBergG 4

4.

Der Widerruf nach § 18 Abs. 4 (Bergwerkseigen19 tum)

V.

Der Widerruf von Bergbauberechtigungen nach § 49 VwVfG Das Verhältnis zwischen § 18 BBergG und § 49 20 VwVfG Die Widerrufsregelung des § 49 VwVfG für Er24 laubnis und Bewilligung im Einzelnen Der Widerruf (neuen) Bergwerkseigen31 tums

1. 2.

II.

Rücknahme von Bergbauberechtigungen

III.

Widerruf von Erlaubnis und Bewilligung nach 9 § 18 Abs. 1

3.

IV.

Die besonderen Widerrufsgründe des § 18 Abs. 2 bis 4 15 Allgemeines (Normzweck) Der Widerruf nach § 18 Abs. 2 (Erlaub16 nis) Der Widerruf nach § 18 Abs. 3 (Bewilli18 gung)

VI.

1. 2. 3.

Rücknahme und Widerruf aufrechterhaltener 34 Bergbauberechtigungen

VII. Formvorschriften

37

VIII. Klagerecht Dritter

40

I. § 18 im System der Beendigungsgründe für Bergbauberechtigungen 1. Die einzelnen Beendigungsgründe Bergbauberechtigungen auf bergfreie Bodenschätze werden vom Staat durch Verwaltungsakte 1 erteilt (verliehen). Diese Bergbauberechtigungen unterliegen daher grundsätzlich – vorbehaltlich bergrechtlicher Sonderregelungen (§ 5) – den für Verwaltungsakte allgemein geltenden Beendigungsgründen. Bei diesen handelt es sich im Wesentlichen um folgende: – Fristablauf: Mit Ablauf der auf der Grundlage des § 16 Abs. 4, 5 verfügten Befristung erlöschen die befristeten Bergbauberechtigungen;1 – Rücknahme: Darunter ist die behördliche Aufhebung eines rechtswidrigen Verwaltungsakts (§ 48 VwVfG) zu verstehen;

1 S. § 16 Rn. 45. 187

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Widerruf: Als solcher wird die behördliche Aufhebung eines rechtmäßigen Verwaltungsakts aufgrund nach Erlass eingetretener Umstände verstanden (§ 18 BBergG, § 49 VwVfG); – Aufhebung: Als solche bezeichnet das BBergG die Beendigung einer Bergbauberechtigung auf Antrag des Inhabers (§ 19: Erlaubnis, Bewilligung, § 20: Bergwerkseigentum), in der Sache also den Verzicht. Damit weicht der bergrechtliche Sprachgebrauch vom allgemein-verwaltungsverfahrensrechtlichen ab, der „Aufhebung“ als Oberbegriff von „Rücknahme“, „Widerruf“ und weiteren behördlichen oder gerichtlichen Beendigungsformen versteht;2 – Enteignung: Das BBergG spricht in § 160 noch in einem weiteren Sinn von „Aufhebung“: der Enteignung alter Rechte, insbesondere wegen Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit infolge Nichtausnutzung der Berechtigung. Rücknahme und Widerruf sind im BBergG nicht bzw. nur teilweise geregelt.

2. Der entstehungsgeschichtliche Werdegang von Rücknahme und Widerruf (§ 18 Absatz 1) im BBergG 2 Die Gesetz gewordene Regelung des § 18 ist kein gesetzgeberisches Glanzstück und nur entstehungsgeschichtlich erklärbar. § 18 RegE BBergG 1977 war mit „Rücknahme und Widerruf“ überschrieben.3 Abs. 1 Satz 1 enthielt die Bestimmung, dass Erlaubnis und Bewilligung zurückzunehmen seien, wenn ihre Erteilung hätte versagt werden müssen. Diese Vorschrift wurde jedoch auf Veranlassung des Bundesrates mit der Begründung gestrichen, dass es für die Rücknahme von Erlaubnis und Bewilligung bei der differenzierten Regelung der Verwaltungsverfahrensgesetze bleiben solle.4 Auf diese Weise wurde in § 18 Abs. 1 der obligatorische Widerruf zum alleinigen Inhalt von § 18 Abs. 1. Eine besondere Begründung dafür, dass § 18 Abs. 1 einen obligatorischen Widerrufsgrund enthält, hat der Gesetzgeber nicht gegeben.5 Die Begründung enthält jedoch einen Hinweis darauf, dass im übrigen (Rücknahme- und) Widerrufsgründe, die schon nach den Verwaltungsverfahrensgesetzen gelten, von der bergrechtlichen Regelung des § 18 nicht berührt werden sollten.6 3 Für die aufrechterhaltenen Berechtigungen hat der Gesetzgeber den Wirkungsbereich des § 18 wesentlich eingeengt. Aus Gründen des Bestandsschutzes (Aufrechterhaltung des unbefristeten Charakters des alten Bergwerkseigentums) ist die Geltung des § 18 für das alte Bergwerkseigentum (§ 151) gänzlich ausgeschlossen,7 bei aufrechterhaltenen Rechten und Verträgen i.S. von § 152 nach Maßgabe von dessen Abs. 2 modifiziert worden.8

II. Rücknahme von Bergbauberechtigungen 4 Nach der Gesetzgebungsgeschichte steht unzweifelhaft fest, dass das Schweigen des Gesetzgebers zur Rücknahme nicht als Ausschluss des § 48 VwVfG zu deuten ist. Damit kommt für die Rücknahme § 48 VwVfG voll zur Anwendung.9 Dies gilt zunächst für die Erlaubnis (§ 7) und die Bewilligung (§ 8). Aber auch das auf der Grundlage des BBergG verliehene Bergwerkseigentum

2 3 4 5 6

So Stelkens/Bonk/Sachs/Sachs VwVfG, 10. Aufl. (2023), § 48 Rn. 14. BT-Drs. 8/1315, S. 16. BT-Drs. 8/1315, S. 176 (Bundesrat) u. S. 190 (zustimmende Gegenäußerung der BReg.). BT-Drs. 8/1315, S. 90. BT-Drs. 8/1315, S. 91 („Widerrufs- und Rücknahmegründe, die darüber (d.h. § 18 Abs. 2, 3) hinaus schon nach den Verwaltungsverfahrensgesetzen gelten, werden davon nicht berührt (vgl. § 5)“). 7 BT-Drs. 8/1315, S. 163. 8 BT-Drs. 8/1315, S. 163. 9 Unstr., Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 18 Rn. 5, Brodale Die Rücknahme von Verwaltungsakten, S. 86 m.w.Nachw. Kühne

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(§ 9) unterliegt der Rücknahmevorschrift des § 48 VwVfG,10 z.B. wenn sich nachträglich herausstellt, dass die Behörde irrtümlicherweise die Erwartung einer wirtschaftlichen Gewinnbarkeit im gesamten beantragten Feld bejaht hatte. Eine Rücknahme nach § 48 VwVfG setzt Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes (Bergbauberechtigung) voraus. Diese kann in einer Verletzung des formellen Rechts, insbesondere des Verfahrensrechts, oder aber des materiellen Rechts bestehen, und zwar darin, dass die Behörde das geltende Recht falsch ausgelegt oder angewandt hat oder bei der Entscheidung von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der in Wahrheit gar nicht vorlag. Das könnte z.B. dann der Fall sein, wenn nachträglich bekannt wird, dass die entdeckten Bodenschätze nach ihrer Lage und Beschaffenheit nicht gewinnbar sind (§ 12 Abs. 1 Nr. 3). Die Rücknahme von Bergwerkseigentum kann auch auf die Rechtswidrigkeit der zuvor erteilten Bewilligung, z.B. wegen Nichtbeachtung eines Versagungsgrundes nach §§ 11, 12 Abs. 1, gestützt werden: Die Rechtswidrigkeit der Bewilligung (vgl. § 13 Nr. 1) pflanzt sich in das Bergwerkseigentum fort.11 Die Rücknahmeentscheidung liegt im Ermessen der Behörde (§ 48 Abs. 1 Satz 1: „kann“). Bei der Ermessensentscheidung hat sie die für die Aufhebung der rechtswidrigen Bergbauberechtigung und die für deren Aufrechterhaltung (Bestandsschutz) sprechenden Gesichtspunkte gerecht gegeneinander abzuwägen. Die ursprüngliche Absicht des Gesetzgebers, auch die Rücknahme von Bergbauberechtigungen obligatorisch auszugestalten, kann als Indiz für die Bedeutsamkeit des öffentlichen Interesses, rechtswidrige Bergbauberechtigungen aus der Welt zu schaffen, zu werten sein. Auch würde die Betonung des öffentlichen Rücknahmeinteresses den nicht stimmig erscheinenden Gegensatz zum obligatorischen Charakter des Widerrufs nach § 18 Abs. 1 abmildern. Auf der anderen Seite steht u.U. der Vertrauensschutz des Berechtigungsinhabers. Dem Vertrauensschutzgedanken wird allerdings grundsätzlich bereits durch den auch bei Rücknahme von Bergbauberechtigungen anwendbaren § 48 Abs. 3 VwVfG Genüge getan. In dieser Vorschrift wird dem durch die Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsaktes Betroffenen, soweit sein Vertrauen auf den Bestand des Verwaltungsaktes unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist, ein Anspruch auf Ausgleich der ihm durch die Rücknahme entstehenden Vermögensnachteile eingeräumt. Die Berücksichtigung des Vertrauensschutzes schon im Rahmen der Ermessensausübung ist dadurch allerdings insbesondere in den Fällen nicht ausgeschlossen, in denen dem vom Betroffenen investierten schutzwürdigen Vertrauen durch die bloße Zuerkennung finanzieller Ausgleichsansprüche nicht angemessen Rechnung getragen wird.12 Im Falle der Rücknahme von Bergwerkseigentum dürfte dem Bestands- und Vertrauensschutz regelmäßig entscheidende Bedeutung i.S. des Ausschlusses dann zukommen, wenn Sicherungsrechte (Hypotheken) Dritter bestehen. Im Ermessen der Behörde steht es auch, ob eine Rücknahme mit Wirkung nur für die Zukunft oder auch für die Vergangenheit ausgesprochen wird. Nach § 48 Abs. 4 VwVfG ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres nach Kenntnis der die Rücknahme rechtfertigenden Tatsachen zulässig.

10 So schon Boldt/Weller, 1. Aufl. (1984), § 9 Rn. 6; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 18 Rn. 5; Hoppe NationalparkVerordung „Niedersächsisches Wattenmeer“ und bergbauliche Berechtigungen, S. 33. Zur Rücknahme alter aufrechterhaltener Bergbauberechtigungen, insbesondere alten Bergwerkseigentums, siehe Rn. 34 ff. 11 Zu Besonderheiten bei der Ermessensausübung siehe Rn. 6, 7. 12 Im Hinblick auf den als Ausfluss des Vertrauensschutzes fungierenden Ausgleichsanspruch nach § 48 Abs. 3 VwVfG ist die Bedeutung des Vertrauensschutzes im Rahmen der vorgelagerten Ermessensbetätigung über die Rücknahme selbst umstritten, vgl. dazu näher Kopp/Ramsauer VwVfG, 23. Aufl. (2022), § 48 Rn. 137 m.w.Nachw. Auch die Rechtsprechung schließt die Berücksichtigung von Vertrauensschutzgesichtspunkten bei der Ermessensausübung keineswegs aus, vgl. nur BVerfG 16.12.1981, 1 BvR 898/79 u.a., BVerfGE 59, 128, 166. 189

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III. Widerruf von Erlaubnis und Bewilligung nach § 18 Abs. 1 9 Für den Widerruf, also die nachträgliche Aufhebung eines rechtmäßigen Verwaltungsakts, sieht § 18 Abs. 1 eine modifizierte allgemein-verwaltungsverfahrensrechtliche Regelung vor: Danach sind Erlaubnis und Bewilligung zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Die Widerrufsregelung des § 18 Abs. 1 ähnelt derjenigen des § 49 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG, unterscheidet sich von dieser aber in zweifacher Hinsicht: Zum einen ist der Widerruf obligatorisch und nicht wie bei § 49 Abs. 2, 3 VwVfG in das Ermessen der Behörde gestellt und zum anderen – anders als § 49 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG – nicht davon abhängig, dass ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde. § 18 Abs. 1 setzt den nachträglichen Eintritt von Tatsachen voraus. Es muss sich um Tatsa10 chen handeln, die, wären sie bei der Erteilung der Erlaubnis oder der Bewilligung bekannt gewesen, die Behörde verpflichtet hätten, die Berechtigung nicht zu erteilen. Die Formulierung in § 18 Abs. 1 „… zur Versagung hätten führen müssen“ ist enger als in § 49 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG „berechtigt wäre“. Daher muss § 18 Abs. 1 dahin verstanden werden, dass er nur eingreift, wenn die nachträgliche Tatsachenlage, z.B. in Bezug auf wertende Tatbestandsmerkmale (etwa in § 11 Nr. 8: „Gefährdung einer sinnvollen und planmäßigen Aufsuchung und Gewinnung“), im Falle ihres Vorliegens schon zum Zeitpunkt der Erteilung der Behörde keinen (Beurteilungs-)Spielraum zu einer stattgebenden Entscheidung gelassen hätte. Dies stellt auch eine sinnhafte Verbindung zur obligatorischen Ausgestaltung des Widerrufs her. Bei Vorhandensein von Beurteilungsspielräumen kann dann ein Widerruf nach § 49 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG erfolgen. 11 Der nach Erteilung erfolgende Erlass von Rechtsvorschriften jedweder Normhierarchieebene, z.B. der Erlass von naturschutzrechtlichen Vorschriften, stellt keine nachträgliche Tatsache dar.13 Bergwerkseigentum kann – abgesehen von § 18 Abs. 4 BBergG – nur nach § 49 VwVfG wider12 rufen werden.14 Ungeachtet seines obligatorischen Charakters unterliegt die Ausübung dieses Widerrufs dem 13 Verhältnismäßigkeitsprinzip: Stehen der Behörde geeignete mildere Möglichkeiten, z.B. nachträgliche Auflagen nach § 16 Abs. 3, zur Verfügung, so muss sie hiervon Gebrauch machen.15 Aus Vertrauensschutzgesichtspunkten ist auf einen Widerruf nach § 18 Abs. 1 auch § 49 Abs. 6 14 VwVfG (Entschädigung für widerrufsbedingte Vermögensnachteile) anwendbar.16 Voraussetzung ist, dass der widerrufauslösende Umstand nicht der Sphäre des Berechtigungsinhabers entstammt, z.B. bei nachträglichem Eintritt des Versagungsgrundes des § 11 Nr. 10.

IV. Die besonderen Widerrufsgründe des § 18 Abs. 2 bis 4 1. Allgemeines (Normzweck) 15 § 18 Abs. 2 bis 4 enthalten Widerrufsgründe, welche daran anknüpfen, dass der Berechtigungsinhaber die Bergbauberechtigung während bestimmter Fristen nicht nutzt. Regelungen über die Beendigung von öffentlich-rechtlichen, insbesondere auch von gewerblichen, Berechtigungen und Gestattungen wegen deren Nichtausnutzung finden sich im modernen Verwaltungsrecht häufig, z.B. für Baugenehmigungen und Planfeststellungsbeschlüsse. Dadurch soll überlangen Bindungszeiträumen und Vorratsplanungen entgegengewirkt werden. Im Falle des § 18 Abs. 2 bis 13 Hoppe Nationalpark-Verordnung „Niedersächsisches Wattenmeer“ und bergbauliche Berechtigungen, S. 37. 14 S. Rn. 31 ff. 15 Zur Bedeutung des Verhältnismäßigkeitsprinzips bei gebundenen Verwaltungsakten näher: Barczak VerwArch 2014, 142, 158 ff.; Mehde DÖV 2014, 541 ff.

16 A.A. Hoppe Nationalpark-Verordnung „Niedersächsisches Wattenmeer“ und bergbauliche Berechtigungen, S. 34 f.; zu § 49 VwVfG s. Rn. 20 ff. Kühne

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4 kommen rohstoffwirtschaftliche Aspekte hinzu. Dazu gehört insbesondere das sich aus dem Förderzweck des § 1 Nr. 1 ergebende Gebot der Zügigkeit der Aufsuchung und Gewinnung von Bodenschätzen. Angesichts der auch für den Berechtigungsinhaber häufig nicht voraussehbaren bergtechnischen und rohstoffwirtschaftlichen Probleme und Veränderungen bei der Durchführung von Bergbauvorhaben müssen die Fristen und Widerrufsvoraussetzungen elastisch ausgestaltet sein. § 18 Abs. 2 bis 4 ist als gesetzgeberische Lösung dieser Kollision widerstreitender Gesichtspunkte zu verstehen.

2. Der Widerruf nach § 18 Abs. 2 (Erlaubnis) Sinn und Zweck einer Erlaubnis ist es, dass das von ihr umfasste Feld möglichst intensiv und 16 zügig auf das Vorhandensein von Bodenschätzen untersucht wird. Der Inhaber der Erlaubnis muss daher von dem ihm eingeräumten Recht auch Gebrauch machen und die Aufsuchung ohne wesentliche Unterbrechungen durchführen. Die Tatsache, dass mit der Aufsuchung nicht innerhalb eines Jahres nach Erteilung der Erlaubnis begonnen oder die planmäßige Aufsuchung länger als ein Jahr, und zwar zusammenhängend, unterbrochen wird, ist daher nach § 18 Abs. 2 Satz 1 für eine Erlaubnis ein zwingender Widerrufsgrund, es sei denn, dass der verzögerte Beginn oder die Unterbrechung vom Erlaubnisinhaber nicht zu vertreten ist. Nach § 18 Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz kann die Frist für die Aufnahme oder Unterbrechung der Aufsuchung von der Erlaubnisbehörde um jeweils ein Jahr verlängert werden, wenn dafür ein wichtiger Grund vorliegt. Die Behörde hat dabei die nachgewiesenen Bemühungen des Erlaubnisinhabers um eine rechtzeitige Aufnahme oder um die Fortsetzung der Aufsuchungstätigkeit angemessen zu berücksichtigen. Neben dem obligatorischen Widerrufstatbestand in Satz 1 enthält Absatz 2 Satz 2 eine Wider- 17 rufsmöglichkeit, von der die Erlaubnisbehörde nach ihrem Ermessen Gebrauch machen kann. Der Widerrufsgrund kommt nur für eine Erlaubnis zur Aufsuchung zu gewerblichen Zwecken in Betracht. Die zu gewerblichen Zwecken durchzuführende Aufsuchung von Bodenschätzen ist ihrer Natur nach eine die Gewinnung vorbereitende Tätigkeit. Deshalb ist dem Inhaber einer solchen Erlaubnis in § 12 Abs. 2 und § 14 Abs. 1 eine besondere Vorrangstellung bei der Erteilung einer Bewilligung eingeräumt worden. Beantragt jedoch der Erlaubnisinhaber keine Bewilligung, obwohl alle Voraussetzungen nach § 12 für deren Erteilung vorliegen, so kann die Erlaubnis nach § 18 Abs. 2 Satz 2 widerrufen werden. Im Interesse der Rechtssicherheit ist es jedoch notwendig, dass die Behörde vorher eine angemessene Frist für die Beantragung einer Bewilligung setzt. Sie soll dem Erlaubnisinhaber Klarheit über die Beurteilung der Rechtslage durch die zuständige Behörde verschaffen und ihm Gelegenheit geben, den möglichen Widerruf durch eine rechtzeitige Antragstellung abzuwenden. Bei der Frage, ob im Einzelfall von dieser Widerrufsmöglichkeit Gebrauch zu machen ist, wird zu berücksichtigen sein, ob ein besonderes Interesse an der Gewinnung der entdeckten Bodenschätze besteht. Ferner kommt es darauf an, ob begründete Aussicht auf Gewinnung der Bodenschätze durch einen anderen als den Erlaubnisinhaber besteht.

3. Der Widerruf nach § 18 Abs. 3 (Bewilligung) Nach § 18 Abs. 3 ist eine Bewilligung zu widerrufen, wenn die Gewinnung nicht innerhalb von 18 drei Jahren nach deren Erteilung aufgenommen oder die regelmäßige Gewinnung länger als drei Jahre unterbrochen worden ist. Hierbei handelt es sich um einen zwingenden Widerrufsgrund; die Möglichkeit einer Verlängerung der Dreijahresfrist durch die Behörde sieht das Gesetz nicht vor. Eine über dreijährige Untätigkeit oder Unterbrechung der regelmäßigen Gewinnung muss nach Ansicht des Gesetzgebers grundsätzlich ausreichen, um festzustellen, dass der Inhaber der Berechtigung nicht bereit oder in der Lage ist, den mit der Erteilung der Bewilligung verfolgten, im öffentlichen Interesse liegenden Zwecken nachzukommen. Allerdings lassen sich Fälle nicht ausschließen, in denen Gründe, die der Inhaber der Bewilligung nicht zu vertreten hat, 191

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die also außerhalb seiner Einflusssphäre liegen, eine längere Untätigkeit erfordern können. In § 18 Abs. 3 Satz 2 werden Gründe einer sinnvollen technischen oder wirtschaftlichen Planung des Bewilligungsinhabers besonders hervorgehoben, um klarzustellen, dass darauf zurückzuführende Verzögerungen in keinem Fall vom Inhaber der Bewilligung zu vertreten sind. Diese Gründe können sich aus den konkreten technischen und wirtschaftlichen Gegebenheiten des Einzelfalles herleiten; für die wirtschaftliche Planung kann jedoch auch die allgemeine (rohstoff-)wirtschaftliche Situation von Bedeutung sein.

4. Der Widerruf nach § 18 Abs. 4 (Bergwerkseigentum) 19 Das Bergwerkseigentum ist nach Absatz 4 Satz 1 zu widerrufen, wenn die regelmäßige Gewinnung länger als zehn Jahre unterbrochen worden ist. Eine Frist für die Aufnahme der Gewinnung wird nicht bestimmt. Bei einer sinngemäßen Auslegung ist aber davon auszugehen, dass ein Widerruf nach Absatz 4 Satz 1 auch dann in Betracht kommt, wenn die Gewinnung nicht innerhalb von zehn Jahren nach Verleihung des Bergwerkseigentums aufgenommen worden ist. Dies wird durch die Gesetzesbegründung bestätigt, nach der „die Dreijahresfrist des Absatzes 3“ beim Bergwerkseigentum auf zehn Jahre heraufgesetzt wird.17 Im Übrigen findet Absatz 3 Satz 2 auch beim Bergwerkseigentum Anwendung, d.h. ein Widerruf ist nicht zulässig, wenn das Unterlassen der Gewinnung auf Gründe, die der Bergwerkseigentümer nicht zu vertreten hat, zurückzuführen ist.18

V. Der Widerruf von Bergbauberechtigungen nach § 49 VwVfG 1. Das Verhältnis zwischen § 18 BBergG und § 49 VwVfG 20 Anders als bei der Rücknahme von Bergbauberechtigungen hat der Gesetzgeber für deren Widerruf in § 18 eine eigene bergrechtliche Regelung vorgesehen. Dies wirft die Frage auf, ob es sich bei § 18 um eine abschließende, § 49 VwVfG verdrängende Sonderregelung oder um eine § 49 VwVfG lediglich ergänzende Vorschrift handelt. Im Schrifttum ist der Charakter des § 18 als einer abschließenden Sonderregelung insbe21 sondere von Hoppe19 vertreten worden. Diese Auffassung stützt sich darauf, dass im Gesetzgebungsverfahren der Bundesrat und der BT-Wirtschaftsausschuss die im RegE 1977 vorgesehene Rücknahme- und Widerrufsregelung lediglich für die Rücknahme, nicht aber für den Widerruf fallengelassen haben. Der Gesetzgeber habe damit zu erkennen gegeben, dass er die allgemeine Vorschrift des § 49 VwVfG für den Widerruf durch § 18 habe ersetzen wollen; andernfalls hätte man einen gesetzgeberischen Hinweis auf die Geltung des § 49 VwVfG erwarten müssen. Außerdem zeige die Beschränkung auf § 18 in § 151 Abs. 2 Nr. 2, dass der Gesetzgeber von dem Verständnis ausgegangen sein muss, dass § 49 VwVfG neben § 18 BBergG nicht anwendbar ist; andernfalls hätte er auch § 49 ausschließen müssen.20 17 BT-Drs. 8/1315, S. 92. Dammert/Brückner ZfB 2014, 183, 184 ff. m.w.Nachw. lehnen die entsprechende Anwendung des § 18 Abs. 3 Satz 1 auf das Bergwerkseigentum ab. Dabei werden jedoch die auch das Bergwerkseigentum betreffenden Flexibilisierungsbestrebungen des Gesetzgebers, vgl. BT-Drs. 8/1315, S. 85, übersehen und die Unterschiede zwischen Bewilligung und Bergwerkseigentum überzeichnet, vgl. demgegenüber BGH 19.9.2008, V ZR 28/08, BGHZ 178, 90 Rn. 9 = ZfB 2009, 65. 18 Zur Handhabung der Ausschlussgründe nach §§ 18 Abs. 3 Satz 2, 18 Abs. 4 Satz 2 BBergG vgl. Dammert/Brückner ZfB 2014, 183, 187 ff. 19 Hoppe Nationalpark-Verordnung „Niedersächsisches Wattenmeer“ und bergbauliche Berechtigungen, S. 34, 36, und DVBl 1987, 757, 759; ihm folgend Peters DVBl 1988, 227, 228. 20 Hoppe Nationalpark-Verordnung „Niedersächsisches Wattenmeer“ und bergbauliche Berechtigungen S. 35. Kühne

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Nach ganz herrschender und zutreffender Meinung sind § 18 BBergG und § 49 Abs. 2 – 22 abgesehen von Nr. 3 – VwVfG nebeneinander anwendbar.21 Die in hohem Maße unergiebige Entstehungsgeschichte liefert für die von Hoppe geäußerten Vermutungen über die Absichten des Gesetzgebers keine Anhaltspunkte. Insbesondere die Unangemessenheit der Rechtsfolgen eines Ausschlusses des § 49 VwVfG lassen eine dahingehende Absicht des Gesetzgebers höchst unwahrscheinlich erscheinen. So ist kein vernünftiger Grund ersichtlich, weshalb der Widerruf einer Erlaubnis oder Bewilligung etwa wegen der in § 49 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG (Nichterfüllung einer Auflage) oder § 49 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG (Änderung einer Rechtsvorschrift) genannten Gründe durch § 18 Abs. 1 BBergG ausgeschlossen sein soll;22 dies gerade auch im Lichte der uneingeschränkten Anwendbarkeit des § 48 VwVfG. § 18 BBergG und § 49 VwVfG sind damit sowohl hinsichtlich der Widerrufsgründe als auch 23 der Widerrufsfolgen (Entschädigungspflicht des § 49 Abs. 6 VwVfG) bis auf den verdrängten § 49 Abs. 2 Nr. 3 nebeneinander anwendbar. Darüber hinaus wird die unvollständige Regelung des § 18 Abs. 1 BBergG durch § 49 VwVfG ergänzt (Entschädigung).

2. Die Widerrufsregelung des § 49 VwVfG für Erlaubnis und Bewilligung im Einzelnen Widerrufsgründe, die nach den Verwaltungsverfahrensgesetzen gelten, werden – abgesehen von § 49 Abs. 2 Nr. 3 – von § 18 nicht berührt. Da es sich bei der Erteilung einer Bergbauberechtigung um einen begünstigenden Verwaltungsakt handelt, ist § 49 Abs. 2 VwVfG anwendbar, soweit § 18 BBergG keine ausschließende Sonderregelung enthält. Nach § 49 Abs. 2 VwVfG ist ein Widerruf nur unter den dort in den Nummern 1 bis 5 bezeichneten Voraussetzungen und nur für die Zukunft zulässig. Die Entscheidung über den Widerruf steht hiernach grundsätzlich im Ermessen der Behörde. Es gelten daher die allgemeinen Grundsätze zur Ermessensausübung einschließlich derjenigen zu Ermessensbeschränkungen.23 Nach § 49 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG ist ein Widerruf möglich, wenn er durch Rechtsvorschrift zugelassen oder im Verwaltungsakt vorbehalten ist. § 18 BBergG stellt eine solche Rechtsvorschrift dar. Im Hinblick auf § 18 BBergG und § 49 Abs. 2 VwVfG besteht für den Vorbehalt eines Widerrufs bei Erteilung der Berechtigung kein Bedürfnis. Nach § 49 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG ist ein Widerruf zulässig, wenn mit der Erteilung der Berechtigung eine Auflage verbunden oder eine solche nachträglich (§ 16 Abs. 3 BBergG) angeordnet worden ist und der Berechtigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat. Die Behörde hat nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu prüfen, ob zunächst die Vollstreckung der Auflage versucht werden muss, bevor die Berechtigung widerrufen werden kann. Der Widerruf sollte grundsätzlich die „ultima ratio“ sein. § 49 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG sieht die Möglichkeit eines Widerrufs vor, wenn die Behörde aufgrund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde. Für Erlaubnis und Bewilligung enthält § 18 Abs. 1 BBergG insoweit eine Sonderregelung. Hätte für die Behörde auf der Basis der nachträglich eingetretenen Tatsache(n) Spielraum bestanden, die Erlaubnis oder Bewilligung gleichwohl zu erteilen, so kommt als Grundlage für einen Widerruf nicht § 18 Abs. 1

21 So schon Boldt/Weller Vorauflage, § 18 Rn. 7; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 18 Rn. 17; Kloepfer Umweltrecht, 4. Aufl. (2016), § 11 Rn. 521; Kühne DVBl 1987, 1259, 1260; Rasel Umweltrechtliche Implikationen im Bundesberggesetz, S. 79 ff., jetzt auch OVG Bautzen, Urteil vom 30.5.2018, 1 A 264/17, Rn. 46 = NVwZ-RR 2019. 22 Kühne DVBl 1987, 1259, 1260. 23 Dazu Kopp/Ramsauer VwVfG, 23. Aufl. (2022), § 49 Rn. 28 f. Auch hier taucht – wie bei der Rücknahme, vgl. oben Fn. 12 – das Problem der Berücksichtigung des Vertrauensschutzes auf, dazu Kopp/Ramsauer VwVfG, 23. Aufl. (2022), § 49 Rn. 30. Es stellt sich beim Widerruf von Bergwerkseigentum insbesondere dann, wenn bereits dingliche Sicherungsrechte Dritter bestehen, vgl. oben Rn. 7. 193

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BBergG („… zur Versagung hätten führen müssen“), sondern nur § 49 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG in Betracht.24 28 § 49 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG ermöglicht einen Widerruf, wenn die Behörde aufgrund einer geänderten Rechtsvorschrift berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, soweit der Begünstigte von der Vergünstigung (Bergbauberechtigung) noch keinen Gebrauch gemacht hat, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde. Dieser Widerrufsgrund kann z.B. in Betracht kommen, wenn durch neue Rechtsvorschriften das gesamte Feldesgebiet (§ 11 Nr. 10 BBergG) in einer bergbauliche Tätigkeit ausschließenden Weise unter Schutz gestellt wird. Zu Zweifeln Anlass gibt bei Erlaubnis und Bewilligung das Merkmal des „Gebrauchmachens“. Im Schrifttum25 wird z.T. die Auffassung vertreten, bereits die für die Erstellung des „Arbeitsprogramms“ (§ 11 Nr. 3, § 12 Abs. 1 Nr. 4 BBergG) erforderlichen geophysikalischen Vorarbeiten erfüllen dieses Tatbestandsmerkmal. Die Vorarbeiten sind jedoch Voraussetzung für die Erlangung der Berechtigung, nicht aber Folge von deren Gebrauch.26 Vor der Erteilung der Berechtigung gemachte u.U. hohe Aufwendungen können aber im Rahmen der Ermessensausübung den Ausschlag gegen einen Widerruf geben. Dies gilt im Hinblick auf die betriebswirtschaftliche Einheitlichkeit von Aufsuchung und Gewinnung27 insbesondere für den Fall hoher Aufwendungen bei der Exploration, wenn es um die Frage geht, ob eine noch nicht gebrauchte Bewilligung widerrufen werden soll.28 In § 49 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG wird schließlich ein Widerruf für zulässig erklärt, wenn er erfor29 derlich ist, um schwere Nachteile für das Gemeinwohl zu verhüten oder zu beseitigen. Ein Widerruf nach § 49 Abs. 2 VwVfG kann einen Entschädigungsanspruch auslösen. Wird 30 ein Verwaltungsakt in den Fällen des § 49 Abs. 2 Nr. 3 bis 5 VwVfG widerrufen, so hat die Behörde den Betroffenen gemäß § 49 Abs. 6 VwVfG auf Antrag für den Vermögensnachteil zu entschädigen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsakts vertraut hat, soweit sein Vertrauen schutzwürdig ist. Da der Widerrufsgrund des § 18 Abs. 1 inhaltlich dem Tatbestand des § 49 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG weitestgehend entspricht, dürfte auch in diesem Fall ein Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens nach § 49 Abs. 6 VwVfG in Betracht kommen. Gesetzgeberische Vorstellungen über die Nichtanwendbarkeit speziell des Ausgleichsanspruchs sind nicht erkennbar. Inhaltlich würde dessen Ausschluss gerade auch unter Berücksichtigung seiner verfassungsrechtlichen Fundierung29 jeder Rechtfertigung entbehren.

3. Der Widerruf (neuen) Bergwerkseigentums 31 Bergwerkseigentum i.S. des § 9 kann außer nach § 18 Abs. 4 grundsätzlich auch nach § 49 VwVfG widerrufen werden.30 Der Gesetzgeber des BBergG hat dem Bergwerkseigentum in den Grenzen der Verträglichkeit mit dessen Charakter als eines grundstücksgleichen, beleihungsfähigen Rechts die Elastizität des verwaltungsverfahrensrechtlichen Konzessionssystems zuteil werden lassen wollen.31 Im Hinblick auf § 49 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG und die Verleihungsvoraussetzungen des § 13 dürften Anwendungsfälle allerdings selten sein; denkbar ist dies nur bei § 13 Nr. 2 (Glaubhaftmachung der wirtschaftlichen Gewinnbarkeit). 24 25 26 27

Siehe auch Rn. 10. Peters DVBl 1988, 227, 228. Rasel Umweltrechtliche Implikationen im Bundesberggesetz, S. 90. Aufsuchung und Gewinnung sind Entwicklungsstufen eines einheitlichen wirtschaftlichen Vorgangs, Piens/Schulte/ Graf Vitzthum BBergG, § 12 Rn. 11 m.w.Nachw.; Kühne DVBl 1987, 1259, 1261. 28 Kühne DVBl 1987, 1259, 1261; a.A. Rasel Umweltrechtliche Implikationen im Bundesberggesetz, S. 91. 29 Dazu Kopp/Ramsauer VwVfG, 23. Aufl. (2020), § 49 Rn. 78. 30 Boldt/Weller, 1. Aufl. (1984), § 9 Rn. 6; Rasel Umweltrechtliche Implikationen im Bundesberggesetz, S. 93; Kühne DVBl 1984, 709, 710. 31 BT-Drs. 8/1315, S. 85. Kühne

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Praktisch schon bedeutsamer wird ein solcher Widerruf dann, wenn man die Erteilungsvo- 32 raussetzungen der §§ 12, 11 in § 13 hineininterpretiert. Die Eigenschaft des Bergwerkseigentums als einer lediglich um die Grundstücksgleichheit (Beleihungsfähigkeit) verstärkten Bewilligung legt diesen Interpretationsschritt nahe. Im Schrifttum32 ist insbesondere die Widerrufbarkeit von Bergwerkseigentum im Falle 33 der Insolvenz des Bergwerkseigentümers analog § 18 Abs. 1 i.V.m. § 12 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 11 Nr. 7 erörtert und verneint worden. Dies insoweit mit Recht, als ein solcher Widerruf Sinn und Zweck der Ausgestaltung als beleihungsfähiges Recht verfehlen würde. In diesem wie auch in den anderen Fällen der §§ 12, 11 hängt die Zweckverfehlung jedoch entscheidend davon ab, ob das Bergwerkseigentum bereits als Beleihungsobjekt eingesetzt, d.h. belastet, worden ist. Ist dies nicht der Fall, stehen einem Widerruf des Bergwerkseigentums (§ 9) nach § 49 Abs. 2, insbesondere Nr. 3 VwVfG i.V.m. §§ 12 Abs. 1, 11 BBergG, keine hier allein relevanten Hindernisse aus den Rechten Dritter im Wege. Ist das Bergwerkseigentum dagegen tatsächlich belastet, ist dies dann im Rahmen der Ermessensausübung widerrufsausschließend zu berücksichtigen.

VI. Rücknahme und Widerruf aufrechterhaltener Bergbauberechtigungen Im Schrifttum wird die Anwendung der Vorschriften über Rücknahme und Widerruf auf nach 34 §§ 149 ff. aufrechterhaltene Bergbauberechtigungen abgelehnt.33 Diese Auffassung kann sich darauf stützen, dass die durch §§ 48, 49 VwVfG geregelten Rücknahme- und Widerrufsmöglichkeiten vor Erlass des BBergG nach den landesbergrechtlichen und -verwaltungsverfahrensrechtlichen Regelungen zum größten Teil nicht bestanden.34 Die ausdrückliche Nichtanwendungserklärung betreffend § 18 in § 151 Abs. 2 Nr. 2, die von Sinn und Zweck her auf § 49 VwVfG zu erstrecken ist,35 und die insbesondere für das Bergwerkseigentum zum Ausdruck gebrachte gesetzgeberische Absicht, die Rechtsstellung des Rechtsinhabers nicht zu beeinträchtigen,36 legen den Schluss nahe, dass der Gesetzgeber die Rücknahme- und Widerrufsmöglichkeiten der §§ 18 BBergG, 48, 49 VwVfG insoweit nicht zur Verfügung stellen wollte. Auch ist § 160 (Enteignung alter Rechte und Verträge) offenbar als einzige Einbruchstelle in die Bestandskraft alter Bergbauberechtigungen gedacht.37 Die Anwendungssperre gegenüber §§ 18 BBergG, 48, 49 VwVfG erleidet allerdings zwei Durchbrechungen: – Eine Rücknahme nach § 48 VwVfG ist dann zuzulassen, wenn die aufrechterhaltene Bergbau- 35 berechtigung durch Täuschung seitens des Berechtigungsinhabers erlangt worden ist.38 – Ein Widerruf nach § 18 ist möglich, soweit er in den §§ 149 ff. – wie im Falle des § 152 36 Abs. 2 – ausdrücklich zugelassen ist. Unter der Maßgabe der §§ 152 Abs. 2 Satz 1, 153 Satz 2 sind aufrechterhaltene Aufsuchungsberechtigungen (Erlaubnisse) bzw. Gewinnungsberechtigungen (Bewilligungen) auch nach § 49 Abs. 2 (z.B. Nr. 2: Nichterfüllung einer Auflage, Nr. 4: nachträgliche Rechtsänderung) VwVfG widerrufbar.39

32 33 34 35

Ludes Das Bergwerkseigentum gemäß § 9 BBergG in der Insolvenz des Bergwerkseigentümers, S. 52 ff., 69. Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 18 Rn. 16; Kühne DVBl 1984, 709, 710. Brodale Die Rücknahme von Verwaltungsakten, S. 90 ff. Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 18 Rn. 16; Kühne DVBl 1984, 709, 710; Rasel Umweltrechtliche Implikationen im Bundesberggesetz, S. 93. 36 BT-Drs. 8/1315, S. 163. 37 Kühne DVBl 1984, 709, 710; 1987, 1259, 1260. 38 Eine solche Rücknahmemöglichkeit bestand auch bereits vor Inkrafttreten des BBergG, vgl. Brodale Die Rücknahme von Verwaltungsakten, S. 90 ff., 99. 39 Dazu Kühne DVBl 1987, 1259, 1260. 195

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VII. Formvorschriften 37 Die Zuständigkeit für die Rücknahme und den Widerruf einer Bergbauberechtigung bestimmt sich nach § 48 Abs. 5 bzw. § 49 Abs. 5 VwVfG: nach Unanfechtbarkeit der Erteilung der Bergbauberechtigung die nach § 3 VwVfG zuständige Behörde, und zwar auch dann, wenn die zurückzunehmende bzw. zu widerrufende Berechtigung von einer anderen Behörde erlassen worden ist, vor Unanfechtbarkeit die Ausgangsbehörde. Rücknahme und Widerruf bedürfen ebenso wie die Erteilung der Berechtigung der Schriftform. Nach §§ 48 Abs. 4, 49 Abs. 2 Satz 2 VwVfG40 sind Rücknahme und Widerruf nur innerhalb eines Jahres nach Kenntnis des Rücknahme- bzw. Widerrufsgrundes zulässig. Rücknahme und Widerruf werden gemäß § 43 VwVfG mit der Bekanntgabe an den Betroffenen wirksam. Nach § 49 Abs. 4 VwVfG wird mit dem Wirksamwerden des Widerrufs der widerrufene Verwaltungsakt unwirksam, wenn die Behörde keinen anderen Zeitpunkt bestimmt. Vergleichbares gilt für die Rücknahme. 38 § 18 Abs. 4 enthält in den Sätzen 2 und 3 für den Widerruf des Bergwerkseigentums zusätzliche Formvorschriften, deren Notwendigkeit sich aus dem Charakter des Bergwerkseigentums als eines grundstücksgleichen Rechts ergibt. Nach § 18 Abs. 4 Satz 2 hat die zuständige Behörde die im Grundbuch eingetragenen dinglich Berechtigten von dem Widerruf schriftlich zu unterrichten. Sie hat zu diesem Zweck das Grundbuchamt um Bekanntgabe aller im Grundbuch des betreffenden Bergwerkseigentums eingetragenen dinglich Berechtigten zu ersuchen. Sinn dieser Benachrichtigung ist es, die dinglich Berechtigten in die Lage zu versetzen, etwa erforderliche Schritte zur Rechtswahrung zu unternehmen. Die Möglichkeit einer Zwangsversteigerung des Bergwerkseigentums wie im Falle der Aufhebung nach § 20 sieht das Gesetz hier nicht vor. Nach § 18 Abs. 4 Satz 3 hat die widerrufende Behörde das Grundbuchamt um Löschung des Bergwerkseigentums im Grundbuch zu ersuchen, wenn der Widerruf wirksam geworden ist. Der Widerruf wird gemäß § 43 VwVfG mit der Bekanntgabe an den Betroffenen wirksam; durch eine Anfechtung kann aber aufschiebende Wirkung eintreten. 39 Für den Fall der Rücknahme des Bergwerkseigentums fehlen vergleichbare Formvorschriften. Diese Lücke ist durch entsprechende Anwendung des § 18 Abs. 4 Satz 2 bis 4 zu schließen.

VIII. Klagerecht Dritter 40 Der Widerruf einer Bewilligung gemäß § 18 Abs. 3 ist nicht drittschützend gegenüber dem Grundeigentümer.41

§ 19 Aufhebung der Erlaubnis und Bewilligung (1)

1

Eine Erlaubnis oder Bewilligung ist auf Antrag ihres Inhabers ganz oder teilweise aufzuheben. 2Der Antrag ist schriftlich oder zur Niederschrift bei der zuständigen Behörde zu stellen. (2) Mit der Bekanntgabe der Aufhebung im amtlichen Veröffentlichungsblatt der zuständigen Behörde erlischt die Erlaubnis oder Bewilligung in dem Umfang, in dem sie aufgehoben wird.

Schrifttum Heitmann Der Wegfall der Bergbauberechtigung, ZfB 1987, 26.

40 Auch § 49 Abs. 2 Satz 2 VwVfG muss in gleicher Weise auf den Widerruf nach § 18 angewendet werden. 41 OVG Bautzen 23.6.2014, 1 A 529/11, ZfB 2014, 212 Rn. 10 ff.; dazu Dammert/Brückner ZfB 2014, 183, 196 f. Kühne https://doi.org/10.1515/9783110709285-032

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§ 19

I. Allgemeines (Normzweck) Die Regelung des § 19 wie auch die des § 20 beinhaltet einen Aufhebungsgrund, dessen Geltend- 1 machung vom freien Willen des Berechtigungsinhabers abhängt. In der Sache handelt es sich bei der Aufhebung in §§ 19, 20 um einen Verzicht. Aus Gründen der Rechtsklarheit und der Rechtssicherheit hat der Gesetzgeber es nicht für vertretbar gehalten, dass Erlaubnis und Bewilligung durch eine einseitige Verzichtserklärung zum Erlöschen gebracht werden können. Auch das frühere Recht (ABG) kannte zwar eine Verzichtserklärung des Bergwerkseigentümers (§ 161 ABG), ließ die Wirkungen des Verzichts aber erst mit dem Aufhebungsbeschluss der Bergbehörde (§ 160 ABG) eintreten. Ein weiterer Grund der Bindung des Erlöschens der Berechtigung an eine behördliche Entscheidung ergab sich nach früherem Recht aus der Absicht des Gesetzgebers zu verhindern, dass der Inhaber der Berechtigung (Bergwerkseigentümer) auf diese verzichtet, um sich der mit ihr verbundenen Pflichten und Lasten zu entledigen – ein Grund, der nach der Neuregelung des Bergrechts durch das BBergG entfallen ist.1

II. Der Regelungsgehalt des § 19 Voraussetzung für die Aufhebung einer Erlaubnis oder Bewilligung nach § 19 ist einzig ein ent- 2 sprechender Antrag des Berechtigungsinhabers. Dieser hat einen Rechtsanspruch auf die Aufhebung. Es wäre nicht zuletzt aus Gründen einer effizienten Rohstofferkundung und -gewinnung wenig sinnvoll, den Inhaber einer Erlaubnis oder Bewilligung gegen seinen Willen an seinem Recht festzuhalten.2 Dies zumal, da öffentliche Interessen oder Belange Dritter durch die Aufhebung nicht beeinträchtigt werden können: Weder die öffentlich-rechtliche Verantwortlichkeit für die Erfüllung der berggesetzlichen Pflichten (§ 58) noch die privatrechtliche Bergschadenshaftung (§§ 115, 116) ist vom Fortbestand der Bergbauberechtigung abhängig.3 Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 besteht der Aufhebungsanspruch auch hinsichtlich einer teilweisen 3 Aufhebung. Diese kann gegenständlicher (Aufhebung hinsichtlich eines von mehreren verliehenen Bodenschätzen)4 oder räumlicher (Aufhebung hinsichtlich nur eines Feldesteils) Natur sein. Hierbei ist allerdings darauf zu achten, dass für den nicht erfassten Teil die Erteilungsvoraussetzungen (§§ 11 Nr. 8, 12 Abs. 1) gewahrt bleiben.5 Andernfalls ist der von der Aufhebung nicht erfasste Teil der Gefahr eines Widerrufs (§ 18 Abs. 1) ausgesetzt. In förmlicher Hinsicht ergibt sich aus § 19 Abs. 2, dass die Aufhebung einer Erlaubnis oder 4 Bewilligung – im Unterschied zur Erteilung und zum Widerruf einer Bergbauberechtigung – im amtlichen Veröffentlichungsblatt der zuständigen Behörde bekanntzumachen ist. Bei mehreren in Betracht kommenden Bekanntmachungsorganen hat die Bekanntmachung in demjenigen zu erfolgen, in dessen Bezirk das Feld der aufzuhebenden Berechtigung liegt. Mit dem Erscheinungsdatum des Veröffentlichungsorgans wird die Aufhebung wirksam und die Berechtigung erlischt. Eine Rücknahme des Aufhebungsantrags ist dann nicht mehr zulässig. Nach der öffentlichen Bekanntmachung teilt die Behörde dem Antragsteller den Zeitpunkt des Erlöschens mit und veranlasst die Löschung der Berechtigung im Berechtsamsbuch und in der Berechtsamskarte.

1 Siehe Rn. 2. 2 BT-Drs. 8/1315, S. 92. 3 Nach früherem Recht konnte die Behörde die Aufhebung des Bergwerkseigentums bei entgegenstehendem öffentlichem Interesse, z.B. zu erwartenden Gemeinschäden oder Gefahren für die persönliche Sicherheit oder den öffentlichen Verkehr, versagen, Ebel/Weller ABG, § 161 Anm. 4b. 4 Der Gesetzgeber ist offensichtlich nur von der räumlichen Teilaufhebung ausgegangen, BT-Drs. 8/1315, S. 92 (… „im verbleibenden Teilgebiet“…). Hier besteht jedoch ebenso wenig wie bei § 28, siehe dort Rn. 2, ein einleuchtender Grund, die gegenständliche Teilbarkeit einer Bergbauberechtigung zu verneinen. 5 BT-Drs. 8/1315, S. 92. 197

Kühne

§ 20

5

Zweiter Teil – Bergbauberechtigungen

Mit der Aufhebung von Erlaubnis und Bewilligung erlöschen nicht die Rechtsfolgen der auf der Grundlage der erloschenen Bergbauberechtigungen ausgeübten bergbaulichen Tätigkeit. Hier sind insbesondere die §§ 51 Abs. 1 Satz 2 (Betriebsplanpflicht), 58 Abs. 2 Satz 2 (aufsichtliche Verantwortlichkeit) und 116 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz (Bergschadenshaftung) zu nennen.

§ 20 Aufhebung von Bergwerkseigentum (1) (2)

(3)

(4)

(5)

1

Das Bergwerkseigentum ist auf Antrag des Bergwerkseigentümers aufzuheben. 2Eine teilweise Aufhebung ist nicht zulässig. 1 Die zuständige Behörde hat den im Grundbuch eingetragenen dinglich Berechtigten schriftlich mitzuteilen, daß ein Antrag auf Aufhebung des Bergwerkseigentums vorliegt. 2 Die Mitteilung muß den Hinweis auf das sich aus Absatz 3 ergebende Antragsrecht sowie darauf enthalten, daß mit der Aufhebung das Bergwerkseigentum erlischt. 3Die Mitteilung ist im Bundesanzeiger und im amtlichen Veröffentlichungsblatt der zuständigen Behörde bekanntzugeben. 1 Innerhalb von drei Monaten nach Bekanntmachung der Mittelung kann jeder dinglich Berechtigte die Zwangsversteigerung des Bergwerkseigentums beantragen. 2Ein vollstreckbarer Titel ist für den Antrag und die Durchführung der Zwangsversteigerung nicht erforderlich. 1 Wird die Zwangsversteigerung nicht innerhalb der Frist des Absatzes 3 Satz 1 beantragt oder führt das Zwangsversteigerungsverfahren nicht zur Erteilung des Zuschlages, so hebt die zuständige Behörde das Bergwerkseigentum auf; anderenfalls gilt der Antrag nach Absatz 1 als erledigt. 2Die Entscheidung über die Aufhebung ist dem Bergwerkseigentümer und den im Grundbuch eingetragenen dinglich Berechtigten zuzustellen. 3Die Gemeinde, in deren Gebiet das Bergwerksfeld liegt, ist von der Entscheidung zu unterrichten. Ist das Bergwerkseigentum erloschen, so ersucht die zuständige Behörde das Grundbuchamt um die Löschung.

Schrifttum Heitmann Der Wegfall der Bergbauberechtigung, ZfB 1987, 26; Frenz Die ordnungsrechtliche Verantwortlichkeit für austretende Grubengase (2002); Kirchner/Kremer Störerhaftung bei verlassenen Grubenbauen, ZfB 1990, 5; Ludes Das Bergwerkseigentum gemäß § 9 BBergG in der Insolvenz des Bergwerkseigentümers (2012).

Übersicht I.

Allgemeines (Normzweck)

1

II.

Der Regelungsgehalt von § 20 Abs. 1

III.

Der Schutz dinglich Berechtigter (§ 20 Absatz 2 7 bis 4)

4

IV.

Formfragen

V.

Rechtsfolgen

11 12

I. Allgemeines (Normzweck) 1 In Parallele zu § 19 für Erlaubnis und Bewilligung regelt § 20 den in ein behördliches Aufhebungsverfahren gekleideten Verzicht auf das Bergwerkseigentum. § 20 stellt eine abschließende RegeKühne https://doi.org/10.1515/9783110709285-033

198

Erstes Kapitel – Bergfreie Bodenschätze

§ 20

lung der rechtlichen Möglichkeiten einer freiwilligen Aufgabe des Bergwerkseigentums dar, so dass trotz der in § 9 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz angeordneten entsprechenden Anwendung der für Grundstücke geltenden Vorschriften des BGB für eine analoge Anwendung des § 928 Abs. 1 BGB (Aufgabe des Eigentums an einem Grundstück) kein Raum ist. Ein Verzicht auf das Bergwerkseigentum durch Erklärung gegenüber dem Grundbuchamt kommt somit nicht in Betracht. Die irrtümlich vorgenommene Eintragung eines gemäß § 928 BGB erklärten Verzichts auf das Bergwerkseigentum wäre ihrem Inhalt nach unzulässig und daher nach § 53 Abs. 1 Satz 2 GBO von Amts wegen zu löschen. Auch das frühere Recht (ABG) kannte neben der amtswegigen Aufhebung des Bergwerksei- 2 gentums nach §§ 156 bis 160 ABG die Aufhebung auf Antrag (Verzicht), §§ 161, 162 ABG. Die Bergbehörde war allerdings befugt, die Aufhebung wegen entgegenstehender öffentlicher Interessen zu versagen, z.B. nicht erfüllter öffentlich-rechtlicher Verpflichtungen zur Gewährleistung von Sicherheit und Ordnung oder ausstehender Bergschadensersatzforderungen.1 Der im Vergleich zu § 19 deutlich größere Regelungsaufwand in § 20 ergibt sich aus der Not- 3 wendigkeit, die Interessen der dinglich berechtigten Dritten (z.B. Hypothekengläubiger) zu schützen.

II. Der Regelungsgehalt von § 20 Abs. 1 Nach § 20 Abs. 1 ist das Bergwerkseigentum auf Antrag des Bergwerkseigentümers aufzuheben. Bei 4 Miteigentum ist ein Antrag aller Miteigentümer erforderlich. Der Bergwerkseigentümer hat einen Rechtsanspruch auf Aufhebung. Die Behörde kann entgegen früherem Recht die Entscheidung über den Aufhebungsantrag nicht von der Wahrung öffentlicher Interessen (Erfüllung öffentlichrechtlicher, insbesondere ordnungsrechtlicher, Verpflichtungen, von Bergschadensersatzansprüchen) abhängig machen. Das BBergG hat diese Interessen durch Ausdehnung der Verantwortlichkeit über den Zeitpunkt des Erlöschens der Bergbauberechtigung hinaus gewahrt, §§ 58 Abs. 2, 116 Abs. 1 Satz 1. § 20 gilt auch für aufrechterhaltenes altes Bergwerkseigentum, da die Anwendung dieser 5 Vorschrift in § 151 nicht ausgeschlossen ist und Gründe für eine abweichende Behandlung des alten Bergwerkseigentums nicht erkennbar sind. Bei Insolvenz des Bergwerkseigentümers ist der Aufhebungsantrag durch den Insolvenzverwalter zu stellen.2 Anders als im Falle des § 19 Abs. 1 ist die teilweise Aufhebung von Bergwerkseigentum nach 6 § 20 Abs. 1 Satz 2 nicht zulässig. Der Verzicht auf Teile eines Bergwerksfeldes war im früheren Landesrecht unterschiedlich geregelt. Während das ABG in § 162 auch den Verzicht auf einen Teil des Feldes ausdrücklich zuließ, sahen andere Berggesetze (Bayern, Baden, Württemberg) diese Möglichkeit nicht vor.3 Angesichts dieses Rechtszustandes und der gegenteiligen Regelung in § 19 wäre ein Wort des Gesetzgebers zur Begründung seiner Lösung in § 20 naheliegend gewesen. Durch § 20 Abs. 1 Satz 2 wird aber eine Teilaufhebung nicht ganz ausgeschlossen. Sie erfordert lediglich einen weiteren Verfahrensgang. Soll Bergwerkseigentum teilweise aufgehoben werden, sind jetzt zwei Verfahren erforderlich. Zunächst muss ein Teilungsverfahren nach § 28 durchgeführt, also hinsichtlich der aufzuhebenden Teile neues Bergwerkseigentum geschaffen werden. Danach kann dann bezüglich des ursprünglich unselbständigen Teils des Bergwerkseigentums das Aufhebungsverfahren beantragt werden. Das Verbot der Teilaufhebung von Bergwerkseigentum verhindert eine Aufhebung also nur dann, wenn eine entsprechende Teilung nach § 28 nicht möglich sein sollte.4 Die Rege1 Ebel/Weller ABG, § 161 Anm. 4b. 2 Das Bergwerkseigentum gehört nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 80 InsO) zur Insolvenzmasse; dazu und zu anderen Aspekten des Bergwerkseigentums in der Insolvenz des Bergwerkseigentümers Ludes Das Bergwerkseigentum gemäß § 9 BBergG in der Insolvenz des Bergwerkseigentümers, S. 71 ff. 3 Boldt/Weller Vorauflage, § 20 Rn. 6. 4 Z.B. in den Fällen, in denen eine sinnvolle und planmäßige Gewinnung erschwert würde, vgl. § 28 Satz 1. 199

Kühne

§ 20

Zweiter Teil – Bergbauberechtigungen

lung des § 20 Abs. 1 Satz 2 erfasst auch die Teilung von Bergwerkseigentum nach Bodenschätzen, da der Gesetzgeber offenbar keinen Eingriff in den Bestand des Bergwerkseigentums im Zusammenhang mit dessen Aufhebung zulassen wollte. Auch insoweit bietet sich allerdings der Umweg über die analoge Anwendung des § 28 an.5

III. Der Schutz dinglich Berechtigter (§ 20 Absatz 2 bis 4) 7 Zur Wahrnehmung ihrer Rechte müssen dinglich Berechtigte zunächst über einen eingegangenen Aufhebungsantrag unterrichtet werden. Dies regelt § 20 Abs. 2. Nach dem Eingang eines Aufhebungsantrages braucht die Behörde zunächst nur zu prüfen, ob eingetragene dinglich Berechtigte vorhanden sind. Ist das nicht der Fall, kann dem Antrag stattgegeben werden.6 Zur Feststellung der eingetragenen dinglich Berechtigten fordert die Behörde beim zuständigen Amtsgericht einen Grundbuchauszug an (vgl. § 24 VwVfG). Falls sich aus den Grundbucheintragungen ergibt, dass an dem Bergwerkseigentum dingliche 8 Rechte bestehen, hat die Behörde nach § 20 Abs. 2 Satz 1 allen im Grundbuch eingetragenen dinglich Berechtigten schriftlich mitzuteilen, dass der Bergwerkseigentümer die Aufhebung des Bergwerkseigentums beantragt hat. In die Mitteilung ist ein Hinweis auf das Antragsrecht nach Abs. 3 aufzunehmen. Ferner ist darauf hinzuweisen, dass das Bergwerkseigentum mit der Aufhebung erlischt, § 20 Abs. 2 Satz 2. Nach § 20 Abs. 2 Satz 3 ist der Inhalt der nach den Sätzen 1 und 2 vorgeschriebenen Mitteilung auch im Bundesanzeiger und im amtlichen Veröffentlichungsblatt der Behörde bekanntzugeben. In Nordrhein-Westfalen ist dies das Amtsblatt des Regierungspräsidenten, in dessen Bezirk das Feld des aufzuhebenden Bergwerkseigentums liegt. Die öffentliche Bekanntmachung nach Satz 3 macht eine öffentliche Zustellung der Mitteilung aufgrund des Verwaltungszustellungsgesetzes eines Landes entbehrlich. 9 Nach § 20 Abs. 3 hat bei Vorliegen eines ordnungsgemäßen Aufhebungsantrages jeder dinglich Berechtigte die Befugnis, die Zwangsversteigerung des Bergwerkseigentums zu beantragen, auch wenn er nach dem Inhalt des eingetragenen Rechtes die Zwangsvollstreckung in das Bergwerkseigentum nicht betreiben könnte.7 Der Antrag ist innerhalb von drei Monaten nach Empfang der schriftlichen Mitteilung gem. § 20 Abs. 2 Satz 1, 2 bzw. nach Bekanntmachung der Mitteilung gem. § 20 Abs. 2 Satz 3, gerechnet vom Erscheinungsdatum der letzten Veröffentlichung, beim zuständigen Gericht zu stellen. Zuständig ist nach § 1 Abs. 1 ZVG das Amtsgericht, in dessen Bezirk das Bergwerksfeld belegen ist. Liegt das Feld in den Bezirken verschiedener Amtsgerichte, wird das Vollstreckungsgericht gem. § 2 ZVG durch das nächsthöhere Gericht bestimmt. Zur Durchführung der Zwangsversteigerung bedarf es gem. § 20 Abs. 3 Satz 2 keines vollstreckbaren Titels. Der Antragsteller hat aber die Tatsachen, die sein Antragsrecht begründen, dem Gericht durch Vorlage von Urkunden glaubhaft zu machen. 10 § 20 Abs. 4 regelt die Folgen des Ausbleibens einer erfolgreichen Zwangsversteigerung. Sind im Grundbuch dingliche Rechte eingetragen, kann die Behörde gem. § 20 Abs. 4 eine Entscheidung über die Aufhebung des Bergwerkseigentums erst treffen, wenn innerhalb der in § 20 Abs. 3 genannten Frist eine Zwangsversteigerung nicht beantragt wurde oder wenn die Zwangsversteigerung ergebnislos verlaufen ist. Die Behörde muss deshalb nach Ablauf der Frist entsprechende Anfragen an das für die Zwangsversteigerung zuständige Gericht richten. Ergibt sich aus der Auskunft des Gerichts, dass die in § 20 Abs. 4 Satz 1 1. Halbsatz bezeichneten Voraussetzungen vorliegen, hebt die Behörde durch schriftlichen Bescheid das Bergwerkseigentum auf. Mit Unanfechtbarkeit der nach Maßgabe des § 20 Abs. 4 Satz 2 ordnungsgemäß zugestellten Entscheidung erlischt das Bergwerkseigentum. Zugleich gehen auch alle am Bergwerkseigentum bestehenden dinglichen Rechte unter. Kommt es dagegen zu einem Zwangsversteigerungsverfahren und zur 5 Dazu § 28 Rn. 2. 6 BT-Drs. 8/1315, S. 92. 7 BT-Drs. 8/1315, S. 92. Kühne

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Erstes Kapitel – Bergfreie Bodenschätze

§ 20

Erteilung des Zuschlags, dann ist der Aufhebungsantrag gegenstandslos geworden; er gilt nach § 20 Abs. 4 2. Halbsatz als erledigt. Eine Verpflichtung zur Unterrichtung der Gemeinde nach § 20 Abs. 4 Satz 3 besteht nur, wenn das Bergwerkseigentum aufgehoben wird. Dabei kommt es allerdings nicht darauf an, ob die Aufhebung unmittelbar nach § 20 Abs. 1 oder auf Grund eines Verfahrens nach § 20 Abs. 2 bis 4 ausgesprochen worden ist. Dies ergibt sich aus der Begründung für die erst im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens erfolgte Anfügung des Satzes 3 in § 20 Abs. 4. Der Wirtschaftsausschuss des Deutschen Bundestages hielt es angesichts der Bedeutung, die dem grundstücksgleichen Bergwerkseigentum im Bereich kommunaler Aufgaben zukommen kann, für angebracht, dass die Gemeinden generell über die Aufhebung des Bergwerkseigentums an den in ihrem Bezirk gelegenen Feldern unterrichtet werden.8

IV. Formfragen Nach Unanfechtbarkeit des Bescheides über die Aufhebung des Bergwerkseigentums ersucht die 11 Behörde das zuständige Grundbuchamt gem. Absatz 5 um Löschung des erloschenen Rechtes. Das Ersuchen der Behörde um Schließung des Grundbuchblattes ist die alleinige grundbuchmäßige Voraussetzung für die Löschung des Bergwerkseigentums im Grundbuch; auf Antrag eines Beteiligten darf das Grundbuchamt in diesem Falle nicht tätig werden.9 Zur Verhinderung einer missbräuchlichen Verwendung hat die Behörde die Möglichkeit, die über das aufgehobene Bergwerkseigentum ausgestellte Verleihungsurkunde gem. § 52 VwVfG zurückzufordern. Nach § 52 Satz 3 VwVfG kann der Inhaber aber verlangen, dass ihm die Urkunde wieder ausgehändigt wird, nachdem sie von der Behörde als ungültig gekennzeichnet worden ist.

V. Rechtsfolgen Unmittelbare Folge der Aufhebung des Bergwerkseigentums ist dessen Erlöschen sowie das Erlö- 12 schen der auf ihm ruhenden dinglichen Belastungen (z.B. Hypotheken) und mit ihm verbundenen Berechtigungen (z.B. Grunddienstbarkeiten über Bergschadensverzichte). Die früher an das Bergwerkseigentum geknüpften öffentlichen-rechtlichen Pflichten des Unternehmers hat der Gesetzgeber des BBergG vom Bestand der Bergbauberechtigung abgekoppelt (Betriebsplanpflicht: § 51 Abs. 1 Satz 3; Unternehmer-Pflichten: § 58 Abs. 2 Satz 2). Das Gleiche gilt für die Bergschadenshaftung (§ 116 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz), wobei Ausnahmen für vor dem 1.1.1982 verursachte Schäden infolge der in § 170 angeordneten Geltung alten Rechts zur Anwendung kommen können.10 Schwieriger stellt sich die Frage nach der ordnungsrechtlichen Verantwortlichkeit frühe- 13 rer Bergwerkseigentümer für Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (Zustandshaftung) dar, die von zum früheren Bergwerkseigentum gehörenden Anlagen (Grubenbaue) ausgehen (z.B. einstürzende alte Schächte). Die Rechtsprechung hat hier als sachenrechtliche Folge des Erlöschens die Herrenlosigkeit der Anlagen angenommen.11 Anders als im Falle des Erbbaurechts, dessen Bestandteile nach Erlöschen des Erbbaurechts Bestandteile des Grundstücks werden (§ 12 Abs. 3 ErbbauRG), fallen die wesentlichen Bestandteile des (früheren) Bergwerkseigentums nicht in das Grundstückseigentum.12 Das Fortbestehen der Zustandsverantwortlichkeit des früheren Bergwerkseigentümers ergibt sich aus dem Ordnungsrecht (z.B. § 18 Abs. 3 OBG NW). Entscheiden-

8 BT-Drs. 8/3965, S. 135. 9 KG 12.1.1939, 1 Wx 647/38, ZfB 1939/40, 199, 200. 10 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 20 Rn. 10. 11 OVG NW 6.11.1989, 12 A 2685/87, ZfB 1990, 232, 234; dazu Kirchner/Kremer ZfB 1990, 5, 7 f.; Frenz Die ordnungsrechtliche Verantwortlichkeit für austretende Grubengase, S. 75 ff.

12 OVG NW, 6.11.1989, 12 A 2685/87, ZfB 1990, 232, 234, auch zum Vergleich mit der erbbaurechtlichen Rechtslage. 201

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§ 21

Zweiter Teil – Bergbauberechtigungen

de und nachvollziehbare Erwägung der Rechtsprechung ist wohl das Bestreben, den Grundstückseigentümer nicht mit einer „aufgedrängten Zustandshaftung“ zu belasten.13

§ 21 Beteiligung an der Aufsuchung (1) Die zuständige Behörde hat 1. den Inhalt einer Erlaubnis zur Aufsuchung zu wissenschaftlichen Zwecken jedem Inhaber einer Erlaubnis zur Aufsuchung zu gewerblichen Zwecken und 2. den Inhalt einer Erlaubnis zur großräumigen Aufsuchung jedem Inhaber einer Erlaubnis zur Aufsuchung zu gewerblichen Zwecken oder einer Bewilligung und jedem Bergwerkseigentümer unverzüglich mitzuteilen, wenn sich die Felder dieser Berechtigungen mit dem Feld der Erlaubnis zur Aufsuchung zu wissenschaftlichen Zwecken oder der Erlaubnis zur großräumigen Aufsuchung hinsichtlich desselben Bodenschatzes ganz oder teilweise überdecken. (2) 1Die zuständige Behörde hat ein Verlangen im Sinne des § 11 Nr. 5 zu stellen, wenn einer der Berechtigten bis zum Ablauf von sechs Wochen nach Zugang der Mitteilung gemäß Absatz 1 für sich einen entsprechenden Antrag stellt und glaubhaft macht, daß er die zur Übernahme des angemessenen Teils der Aufwendungen gemäß § 11 Nr. 5 erforderlichen Mittel aufbringen kann. 2Nach Ablauf dieser Frist kann die Behörde bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 ein Verlangen stellen, wenn die Entscheidung des Berechtigten über seine Beteiligung vorher nicht möglich war und für den verpflichteten Antragsteller im Zeitpunkt des Verlangens die Beteiligung noch zumutbar ist.

I. Normzweck 1 Grundlage der Vorschrift ist der Umstand, dass es nach dem BBergG möglich ist, entgegen dem normalerweise Bergbauberechtigungen anhaftenden Ausschließlichkeitscharakter eine Erlaubnis zur großräumigen Aufsuchung sowie Erlaubnisse zur Aufsuchung zu wissenschaftlichen Zwecken auch für Gebiete zu erteilen, in denen sich bereits Felder anderer Bergbauberechtigungen befinden. § 7 Abs. 2, § 8 Abs. 3 und § 9 Abs. 1 Satz 2 enthalten diese Koexistenzregelung jeweils für die Erlaubnis, die Bewilligung und das Bergwerkseigentum. Die Einschränkung der Ausschließlichkeit bereits vorhandener konkurrierender Bergbauberechtigungen birgt für deren Inhaber das Risiko, dass die hinzutretenden Erlaubnisinhaber einen Wissensvorsprung erwerben. § 11 Nr. 5 wie auch § 21 dienen dem Zweck, diesen möglichen Wissensvorsprung auszugleichen.1 2 Nach § 11 Nr. 5 Buchst. a) ist die Erteilung einer Erlaubnis zu wissenschaftlichen Zwecken, wenn sie nicht lediglich der Entwicklung von neuen Methoden oder Geräten dient, davon abhängig, dass der Antragsteller sich verpflichtet, auf Verlangen der zuständigen Behörde den Inhabern einer Erlaubnis zu gewerblichen Zwecken, deren Felder hinsichtlich desselben Bodenschatzes von dem zuzuteilenden Feld ganz oder teilweise überdeckt werden, das Recht einzuräumen, sich gegen Übernahme eines angemessenen Teiles der Aufwendungen an der Aufsuchung zu beteiligen oder sich dabei vertreten zu lassen. Entsprechendes gilt gem. § 11 Nr. 5 Buchst. b) für die Erteilung der Erlaubnis zu einer großräumigen Aufsuchung im Verhältnis zu den Inhabern einer Erlaubnis zur Aufsuchung zu gewerblichen Zwecken oder einer Bewilligung oder den Bergwerkseigentümern, deren Felder hinsichtlich desselben Bodenschatzes von dem beantragten Erlaubnisfeld ganz oder teilweise überdeckt werden. Die Verpflichtung aus § 11 Nr. 5 verfahrensmäßig zu verwirklichen, ist Zweck des § 21. 13 OVG NW 6.11.1989, 12 A 2687/87, ZfB 1990, 232, 234. 1 So der BT-Wirtschaftsausschuss, BT-Drs. 8/1315, S. 135. Kühne https://doi.org/10.1515/9783110709285-034

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Erstes Kapitel – Bergfreie Bodenschätze

§ 22

II. Der Regelungsgehalt des § 21 Um den Inhabern der bereits vorhandenen, von der Erlaubnis zur Aufsuchung zu gewerblichen 3 Zwecken oder der Erlaubnis zur großräumigen Aufsuchung ganz oder teilweise überdeckten Bergbauberechtigungen die Gelegenheit zu geben, ihre Beteiligungsoption auszuüben, statuiert § 21 Abs. 1 Mitteilungspflichten der zuständigen Behörde. Diese hat – den gewerblichen Aufsuchungsberechtigten (Erlaubnisinhabern) den Inhalt einer Erlaubnis zur Aufsuchung zu wissenschaftlichen Zwecken, – den gewerblichen Aufsuchungsberechtigten (Erlaubnisinhabern), Bewilligungsinhabern und Bergwerkseigentümern den Inhalt einer Erlaubnis zur großräumigen Aufsuchung unverzüglich mitzuteilen. § 21 Abs. 2 enthält eine abschließende Regelung darüber, wann das Verlangen auf Beteiligung 4 i.S. d. § 11 Nr. 5 zu stellen ist. Nach Satz 1 hat die Behörde dieses Verlangen zu stellen, wenn einer der Berechtigten es innerhalb von sechs Wochen nach Zugang der Mitteilung des Inhalts der Erlaubnis beantragt und wenn er glaubhaft macht, dass er die zur Übernahme eines angemessenen Teils der Aufwendungen erforderlichen Mittel aufbringen kann. Für den Antrag ist eine besondere Form nicht vorgeschrieben; er kann also auch mündlich bei der zuständigen Behörde gestellt werden. Zuständig ist die Behörde, die über die Erlaubnis zu entscheiden hatte. Kommt die Behörde zu dem Ergebnis, dass der Antrag fristgerecht gestellt wurde und die vom Gesetz geforderte Glaubhaftmachung erfolgt ist, hat sie keinen Ermessensspielraum, sondern muss das Verlangen nach § 11 Nr. 5 stellen. Im Falle des § 21 Abs. 2 besteht dagegen kein Rechtsanspruch auf behördliches Tätigwerden. Wird der Antrag eines Berechtigten erst nach Ablauf der Sechswochenfrist gestellt, kann die Behörde i.S.d. § 11 Nr. 5 tätig werden, wenn die Entscheidung des Berechtigten über seine Beteiligung vorher nicht möglich war, wenn eine Beteiligung für den verpflichteten Antragsteller – gemeint ist der Inhaber der Erlaubnis – im Zeitpunkt des Verlangens noch zumutbar ist und wenn der Berechtigte glaubhaft macht, dass er die zur Übernahme eines angemessenen Teils der Aufwendungen erforderlichen Mittel aufbringen kann. Der Behörde steht bei der Prüfung des Vorliegens dieser Voraussetzungen ein weitreichender Beurteilungsspielraum zu. Gelangt sie auf Grund ihrer Beurteilung des gegebenen Sachverhalts zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen für ein Handeln vorliegen, ist ihr Ermessen soweit eingeschränkt, dass sie das Verlangen nach § 11 Nr. 5 zu stellen hat. Die Verpflichtung der zuständigen Behörde zur Mitteilung nach Absatz 1 besteht nur gegen- 5 über den Inhabern von Bergbauberechtigungen, die zum Zeitpunkt der Erteilung der Erlaubnis zur Aufsuchung zu wissenschaftlichen Zwecken oder zur großräumigen Aufsuchung rechtswirksam bestehen und sich auf denselben Bodenschatz beziehen wie die Erlaubnis. § 21 schließt im Übrigen vertragliche Vereinbarungen zwischen den Berechtigten über eine Beteiligung an der Aufsuchung nicht aus; es bedarf dann allerdings der behördlichen Zustimmung nach § 22 Abs. 1. Bei der Beteiligung an einer Erlaubnis zur Aufsuchung zu wissenschaftlichen Zwecken oder zur großräumigen Aufsuchung auf Grund des Verlangens der Behörde nach § 21 Abs. 2 i.V.m. § 11 Nr. 5 ist eine besondere Zustimmung gem. § 22 nach dem Sinn der Regelung nicht mehr erforderlich.

§ 22 Übertragung und Übergang der Erlaubnis und Bewilligung (1)

1 Die Übertragung der Erlaubnis oder Bewilligung auf einen Dritten oder die Beteiligung Dritter an einer Erlaubnis oder Bewilligung ist nur mit Zustimmung der zuständigen Behörde zulässig. 2Die Zustimmung darf nur versagt werden, wenn 1. bei einer Übertragung eine der Voraussetzungen des § 11 Nr. 4 bis 10, auch in Verbindung mit § 12 Abs. 1 S. 1, oder

203

Kühne

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§ 22

Zweiter Teil – Bergbauberechtigungen

2.

bei einer Beteiligung eine der Voraussetzungen des § 11 Nr. 4 bis 7, auch in Verbindung mit § 12 Abs. 1 Satz 1, vorliegt. 3Die Zustimmung bedarf der Schriftform. (2) 1Mit dem Tode des Inhabers einer Erlaubnis oder Bewilligung geht das Recht auf die Erben über. 2Bis zur Dauer von zehn Jahren nach dem Erbfall darf es von einem Nachlaßkonkursverwalter, Nachlaßpfleger oder Testamentsvollstrecker ausgeübt werden. 3 Die in Satz 1 und 2 bezeichneten Personen haben der zuständigen Behörde unverzüglich den Erbfall anzuzeigen. 4Die Rechtsfolgen nach Satz 1 oder Satz 2 treten nicht ein für Erben oder in Satz 2 genannte Verfügungsberechtigte, in deren Person ein Versagungsgrund nach § 11 Nr. 6, auch in Verbindung mit § 12 Abs. 1 Satz 1, gegeben ist. 5Die Sätze 1 bis 3 gelten für sonstige Fälle der Gesamtrechtsnachfolge entsprechend.

Schrifttum Enderle/Rehs Die Übertragung bergrechtlicher Rechtspositionen – Praxisprobleme beim Betrieb unterirdischer Gasspeicheranlagen, NVwZ 2012, 338; Erkens/Giedinghagen Zur Übergangsfähigkeit von Bergbauberechtigungen im Umwandlungsrecht – Ist eine zustimmungsfreie Übertragung von Bergbauberechtigungen im Zusammenhang mit einer Spaltung nach dem Umwandlungsgesetz möglich? RdE 2012, 140; Manten Die Nutzungsüberlassung von Bergbauberechtigungen, UPR 2010, 429; Sustmann/Robles y Zepf Die Übertragung unterirdischer Erdgas- und Erdöl-Speicheranlagen (Kavernen) im Wege eines Asset oder Share Deals, RdE 2011, 52.

Übersicht I.

Allgemeines (Normzweck)

1

II.

Die an der „Übertragung“ und am „Übergang“ be4 teiligten Rechtsvorgänge

III.

Die „Übertragung“ von Erlaubnis und Bewilli5 gung

IV.

Die „Beteiligung Dritter“ an einer Erlaubnis und 9 Bewilligung

V.

Die behördliche Zustimmung

VI.

Gesamtrechtsnachfolge (Absatz 2)

10 15

VII. Rechtswirkungen der Übertragung und des Über17 gangs VIII. Übertragung und Übergang von Betriebsplanzu18 lassungen

I. Allgemeines (Normzweck) 1 § 22 behandelt die Übertragung und den Übergang von Erlaubnis und Bewilligung. Die Vorschrift umfasst damit die Einzelrechtsübertragung und den Übergang im Wege der Gesamtrechtsnachfolge. Da Rechtspositionen aus Verwaltungsakten nicht generell rechtsnachfolgefähig sind,1 erschien es dem Gesetzgeber ratsam, diese Frage klarstellend zu regeln. Im Hinblick auf die wirtschaftlichen Notwendigkeiten tut § 22 dies in bejahendem Sinne. Wie sich aus den antragstellerbezogenen Versagungsgründen etwa des § 11 Nr. 6 und 7 i.V.m. 2 § 12 Abs. 1 ergibt, sind Erlaubnis und Bewilligung grundsätzlich an die Person des Inhabers gebundene Berechtigungen. Bei freier Übertragbarkeit könnten diese subjektiven Erteilungsvoraussetzungen unterlaufen werden. Im Widerstreit zwischen der Inhaberbindung einerseits und dem Bedürfnis nach Verkehrsfähigkeit solcher Berechtigungen andererseits hat sich der Gesetzgeber sachgerecht für die Übertragbarkeit mit sachlich begrenzter behördlicher Zustimmungsbedürftigkeit entschieden. 1 Statt vieler: Kopp/Ramsauer VwVfG, 23. Aufl. (2022), § 13 Rn. 59 ff. Kühne

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Erstes Kapitel – Bergfreie Bodenschätze

§ 22

Im Falle der Gesamtrechtsnachfolge (§ 22 Abs. 2) hat der Gesetzgeber von einem Zustim- 3 mungserfordernis abgesehen, um die Kontinuität von Aufsuchungs- und Gewinnungstätigkeit nicht zu gefährden. Bei Erbfällen wird die Rechtsfolge des Übergangs nur bei Vorliegen des Versagungsgrundes fehlender Zuverlässigkeit (§ 11 Nr. 6, evtl. i.V.m. § 12 Abs. 1) ausgeschlossen, bei sonstigen Fällen der Gesamtrechtsnachfolge, wozu insbesondere gesellschaftsrechtliche Vorgänge (Umwandlung) gehören, überhaupt nicht. Es ist durchaus zweifelhaft, ob diese Zurücknahme staatlicher Kontrolle den Zielen des BBergG (§ 1) genügt.

II. Die an der „Übertragung“ und am „Übergang“ beteiligten Rechtsvorgänge An dem, was das Gesetz als „Übertragung“ und als „Übergang“ bezeichnet, ist regelmäßig mehr 4 als ein Rechtsvorgang beteiligt.2 Anders als für die Übertragung des Bergwerkseigentums (§ 23), das als privates dingliches Recht unmittelbar den zivilrechtlichen Regelungen über die Veräußerung von Vermögensgegenständen unterliegt, liegen die für Erlaubnis und Bewilligung geltenden Regelungen über die „Übertragung“ und den „Übergang“ nicht so klar zutage. Die für die Übertragung des Bergwerkseigentums in § 23 deutlich zum Ausdruck gebrachte Trennung zwischen dem schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäft („schuldrechtlicher Vertrag“) und dem dinglichen Verfügungsgeschäft („rechtsgeschäftliche Veräußerung“) gilt indes auch für die „Übertragung“ und den „Übergang“ von Erlaubnis und Bewilligung. Beide Rechtsebenen müssen zur Bestimmung der Reichweite des § 22 auseinandergehalten werden.

III. Die „Übertragung“ von Erlaubnis und Bewilligung Bei der „Übertragung“ handelt es sich um eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung, durch die die 5 Inhaberschaft hinsichtlich der Erlaubnis oder der Bewilligung unmittelbar geändert wird. Es finden ähnlich wie bei der Übertragung von Forderungen und privaten Rechten die §§ 398 ff., 413 BGB entsprechende Anwendung.3 Die Wirksamkeit der Übertragung hängt damit von der Wahrung der einschlägigen zivilrechtlichen Vorschriften ab. So ist z.B. eine Übertragung dann nicht zustande gekommen, wenn das Übertragungsgeschäft wegen arglistiger Täuschung angefochten worden ist (§§ 142, 123 BGB). Demgegenüber wird neuerdings vertreten, dass die zivilrechtliche Übertragungsvereinbarung 6 kein Bestandteil des Rechtsvorgangs der „Übertragung“ i.S. des § 22 ist. Der die Änderung der Rechtsinhaberschaft bewirkende Tatbestand sei einzig die behördliche Zustimmung. Die Zustimmung im Rahmen des § 22 wird als „verkürzte Ersterteilung“ von Erlaubnis und Bewilligung gedeutet.4 Dem steht bereits die ganz h.M.5 entgegen, dass in Fällen einer Einzelrechtsnachfolge – sofern diese überhaupt zulässig ist – eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung als Teil des Sukzessionstatbestandes fungiert. Aus § 23 Abs. 1 kann auch nicht im Wege des Umkehrschlusses gefolgert werden, dass bei § 22 kein rechtsgeschäftlicher Übergang stattfindet. Die ausdrückliche Erwähnung der rechtsgeschäftlichen Vereinbarungen in § 23 Abs. 1 hängt mit der grundbuchmäßigen Verlautbarung aller das Bergwerkseigentum betreffenden Rechtsvorgänge zusammen und kann

2 So zutreffend auch Manten UPR 2010, 429, 431 f., zur analogen Anwendung des § 22 Abs. 1 auf die Nutzungsüberlassung. 3 VGH Mannheim 26.11.1980, 3 S 2005/80, NJW 1981, 1003 (Rechte aus einer Baugenehmigung); de Wall Die Anwendbarkeit privatrechtlicher Vorschriften im Verwaltungsrecht (1999), S. 511; für Bergbauberechtigungen: Erkens/Giedinghagen RdE 2012, 140, 142. 4 Enderle/Rehs NVwZ 2012, 338, 340. 5 VGH Mannheim NJW 1981, 1003 (Rechte aus einer Baugenehmigung); de Wall Die Anwendbarkeit privatrechtlicher Vorschriften im Verwaltungsrecht (1999), S. 511. 205

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Zweiter Teil – Bergbauberechtigungen

daher nicht für einen grundsätzlichen konstruktiven Unterschied zwischen den Übertragungsvorgängen bei § 22 und bei § 23 in Anspruch genommen werden. 7 Nicht zum Übertragungstatbestand gehört dagegen das dem Übertragungsgeschäft zugrundeliegende Verpflichtungsgeschäft, z.B. Kauf. Mängel auf dieser Ebene beeinträchtigen im Grundsatz nach dem das deutsche Recht beherrschenden Abstraktionsprinzip die Gültigkeit des Verfügungsgeschäfts nicht. 8 In der Praxis wird nicht selten die bergbauliche Berechtigung anstelle einer Übertragung zur Nutzung überlassen. Solche Nutzungsüberlassung war nach früherem Recht insbesondere in Form der Bergwerkspacht häufig. Sie ist auch unter dem BBergG möglich. Dies gilt für das Bergwerkseigentum (§ 9),6 aber auch für Erlaubnis (§ 7) und Bewilligung (§ 8), da auch öffentlichrechtliche Berechtigungen (Taxikonzession, Linienverkehrsgenehmigung7) Gegenstand eines Pachtvertrages sein können. Es stellt sich die Frage, ob auch die Nutzungsüberlassung dem Zustimmungserfordernis des § 22 unterfällt. Zum Teil wird dies im Wege des Analogieschlusses für den Fall bejaht, dass der Nutzungsberechtigte alle zum Inhalt der Berechtigung gehörenden Rechte und Befugnisse rechtswirksam ausüben und über das Recht in jeder nach dem BBergG zulässigen Weise verfügen kann. Maßgeblich sei, dass der Nutzungsberechtigte in die Stellung eines Unternehmers „einrückt“.8 Diese Auffassung bedeutet indes eine Vermengung der Begriffe „Inhaber einer Bergbauberechtigung“ und „Unternehmer“, die das BBergG bewusst trennt. Die § 22 zugrunde liegende Überlegung, durch das Zustimmungserfordernis das Unterlaufen der Erteilungsvoraussetzungen (§§ 11, 12) zu verhindern, greift bei der Nutzungsüberlassung nicht, da die Person des Berechtigungsinhabers erhalten bleibt und für den „Unternehmer“, vor allem im Betriebsplanverfahren, eigene Voraussetzungen gelten (§ 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a)!). Für eine analoge Anwendung des § 22 auf die Nutzungsüberlasssung besteht daher weder eine Grundlage noch ein Bedürfnis.9

IV. Die „Beteiligung Dritter“ an einer Erlaubnis und Bewilligung 9 Von der „Beteiligung eines Dritten“ kann nur gesprochen werden, wenn das Hinzutreten des Dritten eine personelle Erweiterung der Rechtszuständigkeit bewirkt. Dies ist bei der Einräumung von gesellschaftsrechtlichen Teilhaberechten10 der Fall, dagegen nicht bei lediglich finanziellem Engagement.11 Auch eine Nutzungsüberlassung stellt keine „Beteiligung“ dar, da der Nutzungsberechtigte nicht in den Kreis der Genehmigungsinhaber aufgenommen wird.12

V. Die behördliche Zustimmung 10 Die Übertragung der Erlaubnis oder Bewilligung und die Beteiligung Dritter bedürfen der Zustimmung der zuständigen Behörde. Die Zustimmung ist ein Verwaltungsakt.13 Wie sich aus dem Wortlaut des § 22 Abs. 1 Satz 2 (… darf nur versagt werden, wenn …) ergibt, hat der Antragsteller, d.h. der Inhaber der Erlaubnis oder Bewilligung, einen Rechtsanspruch auf die Erteilung der Zustimmung, der durch Verpflichtungsklage vor den Verwaltungsgerichten geltend gemacht wer6 Vgl. § 23 Rn. 4. 7 BGH 4.6.1986, VIII ZR 160/85, Betrieb 1986, 1916. 8 Manten UPR 2010, 429, 430; zuvor schon Boldt/Weller Vorauflage, § 22 Rn. 8; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 22 Rn. 6.

9 So i.Erg. zutreffend auch Enderle/Rehs NVwZ 2012, 338, 341. 10 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 22 Rn. 8. 11 BT-Drs. 8/1315, S. 93; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 22 Rn. 8; Manten UPR 2010, 429, 430. 12 Manten UPR 2010, 429, 430. 13 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 22 Rn. 9. Kühne

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den kann. Die Zustimmung kann mit Nebenbestimmungen versehen werden, soweit sie zur Sicherstellung der gesetzlichen Voraussetzungen, d.h. in diesem Falle zur Ausräumung der in § 22 genannten Versagungsgründe, erforderlich sind. In Ermangelung einer dem § 16 Abs. 3 entsprechenden gesetzlichen Ermächtigung ist die nachträgliche Aufnahme, Änderung oder Ergänzung einer Auflage nur zulässig, wenn die Zustimmung nach § 36 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG mit einem entsprechenden Vorbehalt versehen ist. Bis zur Erteilung der Zustimmung ist das die Übertragung oder die Beteiligung bewirkende Rechtsgeschäft schwebend unwirksam.14 Der Antrag auf Erteilung der Zustimmung kann nur vom bisherigen Berechtigungsinhaber gestellt werden, da er das Verfügungsrecht hat.15 Die zugelassenen Versagungsgründe sind §§ 11, 12 entnommen. Ihr Kreis ist bei der Übertragung und bei der Beteiligung unterschiedlich weit gezogen: – Bei der Übertragung einer Erlaubnis sind es die Versagungsgründe aus § 11 Nr. 4 (Nichtabgabe der Verpflichtung zur Bekanntgabe von Aufsuchungsergebnissen), Nr. 5 (Nicht-Verpflichtung zur Einräumung von Beteiligungsrechten), Nr. 6 (Mangel der erforderlichen Zuverlässigkeit), Nr. 7 (Nicht-Aufbringbarkeit der erforderlichen Mittel), Nr. 8 (Gefährdung einer sinnvollen und planmäßigen Aufsuchung und Gewinnung), Nr. 9 (Beeinträchtigung von Bodenschätzen), Nr. 10 (Ausschließung der Aufsuchung durch überwiegende öffentliche Interessen). Die Zustimmung zur Übertragung einer Bewilligung kann nur aus den Gründen in § 11 Nr. 6 bis 10 versagt werden (§ 12 Abs. 1 Satz 1). – Die Zustimmung zur Beteiligung Dritter kann gemäß § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 bei einer Erlaubnis nur aus den in § 11 Nr. 4 bis 7, bei einer Bewilligung nur aus den in § 11 Nr. 6 und 7 aufgeführten Gründen versagt werden. Bei der vom Gesetzgeber vorgenommenen Auswahl der relevanten Versagungsgründe fallen zwei Entscheidungen auf: Zum einen hat der Gesetzgeber von dem Erfordernis der Vorlegung eines Arbeitsprogramms (§ 11 Nr. 3, § 12 Satz 2 Nr. 4) durch den Erwerber der Bergbauberechtigung abgesehen. Zum anderen hat der Gesetzgeber bei der Regelung des § 22 nicht nur die subjektiv-antragstellerbezogenen, sondern auch die objektiv-vorhaben- und standortbezogenen Versagungsgründe zu solchen im Rahmen des § 22 erhoben. Die letztgenannten werden indes durch den Inhaberwechsel so gut wie nicht berührt. Man wird für die behördliche Zustimmungsverweigerung bei diesen Versagungsgründen fordern müssen, dass ein innerer Zusammenhang zwischen dem Vorliegen des Versagungsgrundes und dem Inhaberwechsel besteht. Das Zustimmungserfordernis gibt der Behörde jedenfalls keine Möglichkeit, die Übertragung (Beteiligung) aufgrund einer inhaberunabhängigen Neuprüfung der vorhaben- und standortbezogenen Erteilungsvoraussetzungen zu verweigern, erst recht nicht unter Rückgriff auf Tatsachen, die bereits bei Erteilung der Berechtigung vorlagen. Hiergegen obwalten nicht zuletzt verfassungsrechtliche Bedenken.16

11 12

13

14

VI. Gesamtrechtsnachfolge (Absatz 2) Nach § 22 Abs. 2 Satz 1 gehen Erlaubnis und Bewilligung auf die Erben über, ohne dass es einer 15 besonderen Zustimmung der Behörde bedarf. Diese Bestimmung wurde getroffen, um die Kontinuität der Aufsuchungs- und Gewinnungstätigkeit nicht zu gefährden.17 Sie lehnt sich ebenso wie die in Absatz 2 Satz 2 enthaltene Regelung an entsprechende gewerberechtliche Vorschriften – § 46 GewO, § 10 GaststättenG – an. Absatz 2 Satz 2 unterscheidet sich von diesen jedoch dadurch, dass an Stelle des Nachlassverwalters der Nachlasskonkursverwalter – jetzt: Nachlassinsolvenz14 So Boldt/Weller Vorauflage, § 22 Rn. 10; a.A. Manten UPR 2010, 429, 432. 15 So Boldt/Weller Vorauflage, § 22 Rn. 10; a.A. Manten UPR 2010, 429, 431: der Antrag kann auch vom künftigen Berechtigten gestellt werden.

16 Vgl. auch § 23 Rn. 10. 17 BT-Drs. 8/1315, S. 93. 207

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verwalter (§ 1975 BGB) – erwähnt wird. Es ist zu vermuten, dass hier ein redaktionelles Versehen vorliegt. Nach der Begründung des RegE sollte nämlich die Befugnis zur Rechtsausübung nach Absatz 2 Satz 2 für den Nachlassverwalter ebenso wie für den Nachlasskonkursverwalter, Nachlasspfleger und Testamentsvollstrecker gelten.18 Der Erbe und ggfls. die in Absatz 2 bezeichneten Personen sind nach Absatz 2 Satz 3 verpflichtet, den Erbfall unverzüglich der Behörde, welche die Bergbauberechtigung erteilt hat, anzuzeigen. Liegen Tatsachen vor, die die Annahme rechtfertigen, dass ein Erbe oder ein nach Absatz 2 Satz 2 Verfügungsberechtigter die erforderliche Zuverlässigkeit i.S. des § 11 Nr. 6 nicht besitzt, treten gemäß Absatz 2 Satz 4 für diese Person die Rechtsfolgen nach Absatz 2 Satz 1 (Übergang auf die Erben) oder Absatz 2 Satz 2 (Rechtsausübung durch Nachlasskonkursverwalter etc.) nicht ein. Die Behörde setzt den Betreffenden von der Rechtslage in Kenntnis. 16 Weit größere Bedeutung kommt § 22 Abs. 2 Sätze 1 bis 3 in den sonstigen Fällen der Gesamtrechtsnachfolge zu. Dies gilt insbesondere für gesellschaftsrechtliche Vorgänge im Rahmen einer Umwandlung nach dem AktG oder dem UmwandlungG, z.B. aus Anlass von Unternehmenstransaktionen oder Restrukturierungen.19 § 22 Abs. 2 Satz 5 ordnet insoweit die entsprechende Geltung von § 22 Abs. 2 Sätze 1 bis 3 an. Die Erlaubnis oder Bewilligung geht ohne behördliche Zustimmung auf den Rechtsnachfolger über: Satz 4 ist nicht in die Verweisung nach Satz 5 eingeschlossen, so dass der Rechtsübergang ohne Zwischenschaltung einer behördlichen Kontrolle eintritt. Die Behörde hat allenfalls die Möglichkeit eines Widerrufs nach § 18 Abs. 1, z.B. i.V.m. § 11 Nr. 7.20 Der Rechtsnachfolger hat den Rechtsübergang unverzüglich der zuständigen Behörde anzuzeigen (§ 22 Abs. 2 Satz 3). Die Behörde schreibt dann die Erlaubnis oder Bewilligung lediglich auf den neuen Inhaber um.21

VII. Rechtswirkungen der Übertragung und des Übergangs 17 Durch die rechtsgeschäftliche Übertragung nach § 22 Abs. 1 und den Rechtsübergang nach § 22 Abs. 2 wird der Bestand der Bergbauberechtigung als solcher nicht berührt. Der Rechtsnachfolger tritt in die Rechte und Pflichten des bisherigen Rechtsinhabers ein. Der Wechsel des Inhabers hat auch auf die Dauer der Berechtigung keinen Einfluss. Mittelbar können die die Übertragung oder den Übergang auslösenden Vorgänge jedoch im Rahmen des § 18 Abs. 2, 3 relevant sein. Will der neue Rechtsinhaber auf sein Recht verzichten, muss er gemäß § 19 die Aufhebung beantragen.

VIII. Übertragung und Übergang von Betriebsplanzulassungen 18 Die Entscheidung des Gesetzgebers in § 22 für die Übertragbarkeit und Übergangsfähigkeit von Erlaubnis und Bewilligung wirkt auch auf die im BBergG nicht geregelte identische Problematik bei den Betriebsplanzulassungen ein: Es wäre nicht sinnvoll, Übertragbarkeit und Übergangsfähigkeit auf der Berechtsamsebene zuzulassen, auf der Ausübungsebene (Betriebsplanebene) aber entgegengesetzt zu entscheiden.22 Eine analoge Anwendung des § 22 Abs. 1 kommt bei der Einzelrechtsnachfolge wegen der Unterschiedlichkeit der Versagungsgründe (Zulassungsvoraussetzungen) bei §§ 11, 12 und § 55 nicht in Betracht. Die Frage ist nach allgemeinen verwaltungsrechtlichen Grundsätzen unter Differenzierung zwischen personen- und objektbezogenen Zulassungsvoraussetzungen zu entscheiden. Bei der Gesamtrechtsnachfolge ist demgegenüber dem in § 22 Abs. 2 BBergG zum Ausdruck gebrachten Gedanken des kontrollfreien Rechtsübergangs Rechnung zu 18 19 20 21 22

BT-Drs. 8/1315, S. 93. Dazu Enderle/Rehs NVwZ 2012, 338, 340 f.; Erkens/Giedinghagen RdE 2012, 140, 142 ff. Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht, Rn. 135; Enderle/Rehs RdE 2012, 338, 341. Enderle/Rehs NVwZ 2012, 338, 341. Erkens/Giedinghagen RdE 2012, 140, 145.

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tragen.23 Wegen der Einzelheiten zu Übertragung und Übergang von Betriebsplanzulassungen vgl. Vor §§ 50 bis 57e Rn. 32 ff.

§ 23 Veräußerung von Bergwerkseigentum 1 Die rechtsgeschäftliche Veräußerung von Bergwerkseigentum und der schuldrechtliche Vertrag hierüber bedürfen der Genehmigung der zuständigen Behörde. 2Die Genehmigung darf nur versagt werden, wenn der Veräußerung Gründe des öffentlichen Interesses entgegenstehen. (2) 1Die Genehmigung kann auch vor der Beurkundung des Rechtsgeschäfts erteilt werden. 2 Sie gilt als erteilt, wenn sie nicht innerhalb von zwei Monaten nach Eingang des Antrages versagt wird. 3Hierüber hat die zuständige Behörde auf Verlangen ein Zeugnis zu erteilen.

(1)

Schrifttum Habighorst Die „Gründe des öffentlichen Interesses“ in § 23 BBergG, ZfB 2000, 230; Ludes Das Bergwerkseigentum gemäß § 9 BBergG in der Insolvenz des Bergwerkseigentümers (2012); Ring Grundstrukturen des Bergwerkseigentums, NotBZ 2006, 37.

Übersicht I.

Allgemeines

1

II.

Gegenstand des Genehmigungsvorbehalts

III.

Rechtsanspruch und Versagungsgründe („entgegenstehende Gründe des öffentlichen Interes6 ses“)

IV.

Die Genehmigung

4

12

I. Allgemeines Im Gegensatz zum früheren Recht (ABG), unter dem das Bergwerkseigentum ein frei verfügba- 1 res dingliches Recht war,1 hat der Gesetzgeber des BBergG die Verfügungsbefugnis über das Bergwerkseigentum unter einen Genehmigungsvorbehalt gestellt. Die Ausübung des Genehmigungsvorbehalts ist dabei an öffentlichen Interessen auszurichten. Dies kann als Ausfluss der Hinwendung des Gesetzgebers zu einem öffentlich-rechtlich geprägten Konzessionssystem gedeutet werden. Allerdings hat der Gesetzgeber auch an anderer Stelle rein privatrechtliche Veräußerungsgeschäfte im Hinblick auf von ihnen berührte Gemeinwohlinteressen unter Genehmigungsvorbehalt gestellt, so die Veräußerung land- und forstwirtschaftlicher Grundstücke nach dem Grundstücksverkehrsgesetz (GrdstVG) – ein Genehmigungsvorbehalt, der insbesondere der Verhinderung einer ungesunden Verteilung von Grund und Boden (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 GrdstVG) und der Verhinderung einer Verkleinerung oder Aufteilung räumlich oder wirtschaftlich zusammenhängender Grundstücke (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 GrdstVG) dienen soll. Die Entstehungsgeschichte deutet in die Richtung des GrdstVG. In § 22 Abs. 1 Satz 2 RegE 2 BBergG (= § 23 Abs. 1 Satz 2 BBergG)2 hieß es, dass die Genehmigung nur versagt werden darf, 23 Enderle/Rehs NVwZ 2012, 338, 342. 1 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 23 Rn. 2. 2 BT-Drs. 8/1315, S. 17. 209 https://doi.org/10.1515/9783110709285-036

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wenn der Veräußerung Gründe des öffentlichen Interesses entgegenstehen, „insbesondere wenn die Veräußerung einer Struktur der Bergwerksfelder widerspricht, die für eine sinnvolle und planmäßige Gewinnung von Bodenschätzen erforderlich ist.“ Mit dieser Regelung sollte dazu beigetragen werden, einer etwaigen rückläufigen Entwicklung, d.h. einer Zersplitterung des Feldesbesitzes, zu begegnen.3 Die Gesetz gewordene Fassung geht auf einen Vorschlag des Wirtschaftsausschusses des Bundestages zurück. Er war der Auffassung, dass bei der Entscheidung über die Genehmigung den nach Absatz 1 Satz 2 des RegE maßgebenden Belangen durch einen allgemeinen Hinweis auf die Berücksichtigung öffentlicher Interessen besser Rechnung getragen werden kann als durch die vorgesehene „Insbesondere-Klausel“.4 Die Regelung des § 23 Abs. 1 ist auch verfassungsgemäß. Wie das OVG Münster5 im Jahre 3 2011 eingehend dargelegt hat, handelt es sich bei der Bestimmung um eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung i.S. von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG.6 Dies knüpft an die Rechtsprechung des BVerfG zu §§ 2, 9 GrdstVG an,7 wonach die Einschränkung des Grundstücksverkehrs durch den Genehmigungsvorbehalt in §§ 2, 9 GrdstVG mit Art. 14 GG vereinbar ist. Die Verwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs des „öffentlichen Interesses“ begegnet auch unter dem Gesichtspunkt des Bestimmtheitsgebots keinen verfassungsrechtlichen Bedenken,8 wenngleich eine gesetzgeberische Andeutung über die der Auslegung zu gebende Richtung – wie im RegE vorgesehen – wünschenswert gewesen wäre. Bei der Auslegung des „öffentlichen Interesses“ ist allerdings dem Gehalt von Art. 14 GG Rechnung zu tragen.

II. Gegenstand des Genehmigungsvorbehalts 4 Gegenständlich erstreckt sich der Genehmigungsvorbehalt auf das nach §§ 13, 17 verliehene (neue) Bergwerkseigentum, aber auch auf das nach § 151 aufrechterhaltene (alte) Bergwerkseigentum i.S. von § 149 Abs. 1 Nr. 1 und von §§ 149 Abs. 1 Nr. 4, 154 Abs. 1.9 In Ermangelung einer entsprechenden gesetzlichen Erstreckung ist – anders als bei § 2 Abs. 2 Nr. 1 GrdstVG – die Veräußerung eines Miteigentumanteils genehmigungsfrei.10 Das Gleiche gilt für die Verpachtung und die Einräumung eines Nießbrauchs.11 Genehmigungspflichtig ist sowohl das dingliche Rechtsgeschäft (§§ 873, 925 BGB i.V.m. § 9 Abs. 1 BBergG) als auch der zugrunde liegende schuldrechtliche Vertrag (§ 311b Abs. 1 BGB). Keine Anwendung findet § 23 auf einen gesetzlichen Rechtsübergang (z.B. durch Zuschlag 5 gemäß § 90 ZVG).12 Auch eine Gesamtrechtsnachfolge z.B. durch Erbgang ist genehmigungsfrei.13 Bergwerkseigentum ist mithin frei vererblich. Auch eine (partielle) Gesamtrechtsnachfolge (umwandlungsrechtliche Übertragung bei Ausgliederung) ist genehmigungsfrei.14 Andernfalls würde sich ein Wertungswiderspruch zu § 22 Abs. 2 ergeben.

3 BT-Drs. 8/1315, S. 93. 4 BT-Drs. 8/3965, S. 135. 5 OVG Münster 12.1.2011, 11 A 1466/08 = ZfB 2011, 29 ff. 6 OVG Münster 12.1.2011, 11 A 1466/08 = ZfB 2011, 29, 32 f. 7 Zu den §§ 2, 9 GrdstVG: BVerfG 12.1.1967, 1 BvR 169/63, BVerfGE 21, 82 f. 8 OVG Münster 12.1.2011, 11 A 1466/08 = ZfB 2011, 29, 33. 9 OVG Münster 12.1.2011, 11 A 1466/08 = ZfB 2011, 29, 32; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 23 Rn. 2. 10 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 23 Rn. 7. 11 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 23 Rn. 8. 12 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 23 Rn. 9; Habighorst ZfB 2000, 230, 233. 13 A.A. Frenz/Zimmer, BBergG, § 23 Rn. 9. 14 A.A. für die Zuordnung von Bergwerkseigentum auf der Grundlage eines verschmelzenden oder spaltenden Umwandlungsbeschlusses Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 23 Rn. 9 im Anschluss an Habighorst = ZfB 2000, 230, 233. Kühne

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§ 23

III. Rechtsanspruch und Versagungsgründe („entgegenstehende Gründe des öffentlichen Interesses“) Auf die Erteilung der Genehmigung besteht ein Rechtsanspruch, wenn nicht der in § 23 Abs. 1 Satz 2 BBergG genannte Versagungsgrund gegeben ist, d.h. wenn nicht Gründe des öffentlichen Interesses entgegenstehen. Der Behörde steht kein Ermessen zu.15 Der Begriff der „Gründe des öffentlichen Interesses“ stellt einen unbestimmten Rechtsbegriff dar und bedarf der Auslegung. Schon die Analyse des Wortlauts engt die Skala der Auslegungsvarianten ein. Wenn § 23 Abs. 1 Satz 2 davon spricht, dass die Genehmigung nur versagt werden darf, wenn der Veräußerung Gründe des öffentlichen Interesses entgegenstehen, dann kommen nur solche Gründe in Betracht, die gerade mit der Veräußerung in einem inneren ursächlichen Zusammenhang stehen.16 Die Vorschrift ist damit kein Hebel, solche öffentlichen Interessen zur Geltung zu bringen, die dem Vorhaben selbst im Wege stehen mögen, mit dem Berechtigungsinhaber selbst aber nichts zu tun haben. Hier kann die Behörde nur die hoheitlichen Instrumente nutzen, welche ihr unabhängig von dem Inhaberwechsel zu Gebote stehen. Auf die Entstehungsgeschichte wird eine in einem Teil des Schrifttums17 vertretene enge Auslegung in dem Sinne gestützt, dass nur bergbaubezogene öffentliche Interessen herangezogen werden können. In diese Richtung weise die im RegE18 enthaltene, dann aber gestrichene „Insbesondere-Klausel“. Zu einer Versagung der Genehmigung könne die Behörde nur dann gelangen, wenn durch die Veräußerung eine sinnvolle und planmäßige Gewinnung von Bodenschätzen gefährdet würde (§ 11 Nr. 8).19 Eine weitergehende Auslegung stützt sich gerade auf die Streichung der „InsbesondereKlausel“ im Gesetzgebungsverfahren.20 Dies zeige, dass der Gesetzgeber eine offenere, weniger nur auf den Erhalt des zusammenhängenden Feldesbesitzes gerichtete Gesetzesformulierung beabsichtigte, die den Behörden eine weitergehende Berücksichtigung auch anderer öffentlicher Interessen ermöglicht.21 Als Versagungsgründe kommen danach alle betriebs- und betreiberbezogenen Kriterien aus dem Katalog der §§ 11 ff. in Betracht, z.B. die fehlende finanzielle Leistungsfähigkeit (§ 11 Nr. 7) des Erwerbers.22 Der zuletzt genannten Ansicht ist der Vorzug zu geben. Der Gesetzgeber hat mit dem Verzicht auf die „Insbesondere-Klausel“ des RegE offensichtlich eine Erweiterung des Anwendungsbereichs der Gründe des öffentlichen Interesses intendiert. Eine Ausdehnung auf die betriebs- und betreiberbezogenen Kriterien des § 11 kann allerdings nur insoweit Platz greifen, wie ein innerer Zusammenhang gerade zwischen der Veräußerung und dem Kriterium selbst besteht. So käme etwa eine Versagung nicht in Betracht, wenn der Erwerber das Arbeitsprogramm des Veräußerers erfüllen will, die Behörde dies jedoch im Hinblick auf den vorgesehenen Zeitraum nachträglich für ungenügend hält. Einer inhaberwechselunabhängigen Neuprüfung des Verfahrens zum Erwerb des Bergwerkseigentums einschließlich des Verfahrens zur Erteilung der Bewilligung würden auch verfassungsrechtliche Bedenken entgegenstehen. Eine Erweiterung des Spektrums der

15 VG Weimar 17.7.2000, 7 K 68/99.We = ZfB 2000, 335, 339; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 23 Rn. 3. 16 So deutlich Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, 1. Aufl. (1983), § 23 Rn. 4; VG Arnsberg 29.5.1996, 10 K 3282/92 = ZfB 1997, 171, 187. Boldt/Weller Vorauflage, § 23 Rn. 8. BT-Drs. 8/1315, S. 17. Boldt/Weller Vorauflage, § 23 Rn. 8. BT-Drs. 8/3965, S. 135. OVG Münster 12.1.2011, 11 A 1466/08 = ZfB 2011, 29, 37. OVG Münster 12.1.2011, 11 A 1466/08 = ZfB 2011, 29, 37 (finanzielle Leistungsfähigkeit i.S. von § 11 Nr. 7 BBergG); VG Weimar 15.8.2001, 7 K 2031/98.We = ZfB 2001, 333, 337; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 23 Rn. 4; Habighorst = ZfB 2000, 230, 243.

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Zweiter Teil – Bergbauberechtigungen

„öffentlichen Interessen“ im Hinblick auf §§ 11, 12 ist auch deswegen sinnvoll, weil dadurch die teleologisch nicht einleuchtende Diskrepanz zu der Regelung des § 22 eingeebnet wird.23 11 Außerbergbauliche Interessen, insbesondere solche naturschutzrechtlicher Art, stellen keine „öffentlichen Interessen“ i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 2 dar.24

IV. Die Genehmigung 12 Die behördliche Genehmigung nach Absatz 1 unterliegt als (privatrechtsgestaltender) Verwaltungsakt den Regelungen des VwVfG und ist selbst eine gesetzliche Wirksamkeitsvoraussetzung des Rechtsgeschäfts. Bis zur Erteilung der Genehmigung ist das Rechtsgeschäft schwebend unwirksam. Mit der Erteilung der Genehmigung wird es – in entsprechender Anwendung des § 184 BGB – rückwirkend von Anfang an wirksam. Bei einer endgültigen Versagung der Genehmigung, die mit der Unanfechtbarkeit des Versagungsbescheides eintritt, endet der Schwebezustand, und das Rechtsgeschäft ist unwirksam. Die Genehmigung kann im Rahmen des § 36 Abs. 1 VwVfG auch mit Nebenbestimmungen, z.B. einer Auflage, versehen werden. Damit die Veräußerung nicht durch eine zeitliche Verzögerung der Genehmigung unvertret13 bar erschwert werden kann, wird durch Absatz 2 Satz 2 sichergestellt, dass spätestens zwei Monate nach Eingang des Genehmigungsantrags bei der Behörde Klarheit über die Genehmigung besteht. Innerhalb dieser Frist kann die Behörde die Genehmigung erteilen oder versagen. Geschieht dies nicht, gilt die Genehmigung mit Ablauf der Frist als erteilt. Da die behördliche Genehmigung Voraussetzung für die Wirksamkeit der rechtsgeschäftlichen Veräußerung ist, kann die Umschreibung des Bergwerkseigentums auf den Erwerber im Grundbuch erst vorgenommen werden, wenn dem Grundbuchamt die Entscheidung der Behörde über die Erteilung der Genehmigung oder das gemäß Absatz 2 Satz 3 von der Behörde ausgestellte Zeugnis darüber, dass die Genehmigung nach Absatz 2 Satz 2 als erteilt gilt, in der nach § 29 GBO vorgesehenen Form vorgelegt worden ist. 14 Um das Veräußerungsgeschäft nicht mit der Ungewissheit über den Ausgang des Genehmigungsverfahrens zu belasten, empfiehlt es sich, von der in § 23 Abs. 2 Satz 1 (ebenso wie nach § 2 Abs. 1 Satz 3 GrdstVG) eingeräumten Möglichkeit Gebrauch zu machen und die Genehmigung bereits vor dem Abschluss des notariellen Vertrages über die Veräußerung zu beantragen. 15 Der Antrag auf Genehmigung ist vom Veräußerer zu stellen, denn nur dieser ist bis zur Eintragung eines anderen Eigentümers im Grundbuch über das Bergwerkseigentum verfügungsberechtigt. Der Antrag ist auf die Genehmigung sowohl des schuldrechtlichen Vertrages als auch des dinglichen Rechtsgeschäfts zu richten. Eine dem § 2 Abs. 1 Satz 2 GrdstVG entsprechende Vorschrift, wonach mit der Genehmigung des schuldrechtlichen Vertrages auch die in Ausführung des Vertrages vorgenommene Auflassung als genehmigt gilt, enthält das BBergG nicht.

23 Zweifel an der Sinnhaftigkeit einer unterschiedlichen Regelung offenbar bei Ludes Das Bergwerkseigentum gemäß § 9 BBergG in der Insolvenz des Bergwerkseigentümers, S. 78.

24 VG Weimar, 17.7.2000, 7 K 68/99.We = ZfB 2000, 335, 339; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 23 Rn. 4; Habighorst = ZfB 2000, 230, 241. Kühne

212

ZWEITER ABSCHNITT Vereinigung, Teilung und Austausch von Bergwerkseigentum § 24 Zulässigkeit der Vereinigung Bergwerksfelder dürfen vereinigt werden, wenn sie aneinandergrenzen und das Bergwerkseigentum auf die gleichen Bodenschätze verliehen ist. Die §§ 24 bis 27 haben die Vereinigung von Bergwerksfeldern als den räumlichen Substraten 1 des Bergwerkseigentums zu einem einzigen Bergwerkseigentum zum Gegenstand. Auf Grund der Eigenschaft des Bergwerkseigentums als eines grundstücksgleichen Rechts i.S. von § 9 Abs. 1 Halbsatz 2 BBergG ist das Institut der Vereinigung der Vereinigung von Grundstücken (§ 890 BGB) nachgebildet. Es war bereits dem früheren Recht als Konsolidation bekannt (§ 41 ABG). § 24 regelt die Zulässigkeit, § 25 die Voraussetzungen, § 26 die Genehmigung und § 27 die Wirkung der Vereinigung. Sie ist zu unterscheiden von der organisatorischen oder betrieblichen Zusammenfassung mehrerer Bergwerksfelder, die den rechtlichen Bestand der einzelnen Felder unberührt lässt.1 Es können sowohl Felder eines und desselben Eigentümers als auch solche verschiedener Eigentümer vereinigt werden. Die Vereinigung ist nur auf freiwilliger Basis möglich. Für die zwangsweise Einbeziehung einer benachbarten fremden Gewinnungsberechtigung in den eigenen Abbaubereich (grenzüberschreitender Abbau) kommt die Möglichkeit einer Zulegung nach §§ 35 ff. in Betracht. Eine – im Übrigen nur rechtsgeschäftlich mögliche – Vereinigung hat nach § 24 zwei Voraus- 2 setzungen: – Die zu vereinigenden Bergwerksfelder müssen eine gemeinsame Grenze haben. – Das Bergwerkseigentum, das sich auf die zu vereinigenden Bergwerksfelder bezieht, muss auf die gleichen Bodenschätze verliehen worden sein. Hier ist der Gesetzgeber vom früheren Recht, das dieses Erfordernis nicht kannte, abgewichen. Grund war das Bestreben, Unklarheiten zu vermeiden.2 Eine Größenbegrenzung für das neue Bergwerksfeld besteht nicht; § 13 Nr. 3 ist nicht anwendbar. Die Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 24 sowie die in § 25 genannten rechtsgeschäftlichen Er- 3 fordernisse müssen erfüllt sein, damit die behördliche Genehmigung der Vereinigung gemäß § 26 erteilt werden kann. Nach dem Wortlaut des § 24 können nur ganze Bergwerksfelder vereinigt werden. Falls nur ein Feldesteil mit einem anderen Feld vereinigt werden soll, bedarf es einer vorherigen Teilung nach § 28. Die Wirkung der Vereinigung ergibt sich aus § 27. Aufrechterhaltendes Bergwerkseigentum kann gemäß § 151 Abs. 2 Nr. 4 nicht mit dem Bergwerkseigentum neuen Rechts vereinigt werden, da die Rechtswirkungen unterschiedlich sind.

§ 25 Voraussetzungen der Vereinigung Zur Vereinigung sind erforderlich 1. eine notariell beurkundete Einigung der beteiligten Bergwerkseigentümer oder eine entsprechende Erklärung des Alleineigentümers über die Vereinigung; dabei sind die Namen des neuen Bergwerkseigentums und des neuen Bergwerkseigentümers, bei mehreren Bergwerkseigentümern auch der Anteil oder die sonstigen Rechtsverhältnisse an dem neuen Bergwerkseigentum anzugeben;

1 Vgl. die Begründung des RegE, BT-Drs. 8/1315, S. 93. 2 BT-Drs. 8/1315, S. 93. 213 https://doi.org/10.1515/9783110709285-038

Kühne

§ 25

2. 3.

4.

Zweiter Teil – Bergbauberechtigungen

zwei Ausfertigungen eines Lagerisses des neuen Bergwerksfeldes, der den Anforderungen einer Bergverordnung nach § 67 entspricht; bei dinglicher Belastung des Bergwerkseigentums eine notariell beurkundete Vereinbarung zwischen den dinglich Berechtigten und den beteiligten Bergwerkseigentümern darüber, daß und in welcher Weise, insbesondere in welcher Rangordnung, die Belastungen auf das neue Bergwerkseigentum (§ 27 Abs. 1) übergehen sollen; die Genehmigung nach § 26.

1 In § 25 werden die rechtsgeschäftlichen und formellen Voraussetzungen für das Zustandekommen einer Vereinigung aufgeführt. Sie entsprechen im Wesentlichen den Regelungen des früheren Rechts (§§ 42 bis 44 ABG). Auch die Genehmigung (Nr. 4) kannte bereits einen Vorläufer in Gestalt der bergbehördlichen Bestätigung (§ 49 ABG). 2 Sollen die Bergwerksfelder verschiedener Bergwerkseigentümer miteinander vereinigt werden, bedarf es einer Einigung zwischen den Beteiligten über die Vereinigung. Haben die zu vereinigenden Bergwerksfelder ein und denselben Eigentümer, ist eine Erklärung dieses Eigentümers über die Vereinigung erforderlich. Die Einigung und die Erklärung bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der notariellen Beurkundung. In die notarielle Urkunde sind auch der Name des neuen Bergwerkseigentums und die Angabe des neuen Bergwerkseigentümers aufzunehmen. Grundsätzlich besteht für Bergwerkseigentum zwar Namensfreiheit; um Verwechslungen auszuschließen, empfiehlt es sich jedoch, dem neuen Bergwerkseigentum einen anderen Namen zu geben als eins der vereinigten Einzelfelder hatte. Geht das neue Bergwerkseigentum auf mehrere Eigentümer über, sind in die notariell beurkundete Einigung auch Angaben über das Anteilsverhältnis oder die sonstigen Rechtsverhältnisse an dem neuen Bergwerkseigentum aufzunehmen. 3 Bestehen an dem Bergwerkseigentum eines oder mehrerer zu vereinigenden Bergwerksfelder dingliche Rechte Dritter, ist nach Nr. 3 eine notariell beurkundete Vereinbarung zwischen den dinglich Berechtigten und den beteiligten Bergwerkseigentümern darüber erforderlich, dass und in welcher Weise die dinglichen Belastungen auf das durch die Vereinigung entstehende neue Bergwerkseigentum übergehen sollen. Der Inhalt der Vereinbarung steht in der Dispositionsbefugnis der Beteiligten. Eine behördliche Bekanntmachung der getroffenen Vereinbarungen zum Zwecke des Gläubigerschutzes ist im Gegensatz zum früheren Recht nicht mehr vorgesehen. 4 Weiterhin ist ein Lageriss des neuen Bergwerkfeldes in zwei Ausfertigungen anzufertigen. Die Notwendigkeit hierzu ergibt sich daraus, dass im Interesse der Rechtssicherheit und Klarheit genau feststehen muss, auf welches Bergwerksfeld sich das neue Bergwerkseigentum bezieht.1 Wenn es auch in Nr. 2 nicht ausdrücklich gefordert wird, ist nach dem Sinn dieser Vorschrift im Hinblick darauf, dass neues Bergwerkseigentum entsteht, davon auszugehen, dass der Lageriss entsprechend § 13 Nr. 4 Buchst. b) von einem anerkannten Markscheider oder einem öffentlich bestellten Vermessungsingenieur anzufertigen ist. Der Maßstab beträgt gem. § 3 Satz 1 Nr. 2 der Bergverordnung über vermessungstechnische und sicherheitliche Unterlagen (UnterlagenBergV) vom 11.11.19822 1:5.000, 1:10.000 oder 1:25.000. Die Wahl des Maßstabes richtet sich nach der Größe des Feldes sowie nach der erforderlichen Genauigkeit, Übersichtlichkeit und Lesbarkeit der Darstellung. Im Unterschied zu § 13 Nr. 3 ist für das durch die Vereinigung entstehende Bergwerksfeld eine Maximalgröße nicht vorgeschrieben. 5 Da mit der Vereinigung von Bergwerksfeldern eine Veränderung der durch staatlichen Akt begründeten Rechte verbunden ist,3 wird in Nr. 4 die Wirksamkeit des privatrechtlichen Vereinigungsaktes von der Genehmigung der zuständigen Behörde nach § 26 abhängig gemacht.

1 BT-Drs. 8/1315, S. 94. 2 BGBl. I 1553. 3 BT-Drs. 8/1315, S. 94. Kühne

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Erstes Kapitel – Bergfreie Bodenschätze

§ 27

§ 26 Genehmigung der Vereinigung, Berechtsamsurkunde (1) Die Genehmigung darf nur versagt werden, wenn 1. die Vereinigung unzulässig ist, 2. die in § 25 Nr. 1 bis 3 bezeichneten Urkunden und die Verleihungsurkunden oder die nach § 154 Abs. 2 ausgestellten Urkunden nicht oder nicht vollständig vorgelegt werden oder 3. der Vereinigung Gründe des öffentlichen Interesses entgegenstehen. (2) Die Genehmigung wird mit der Urkunde nach § 25 Nr. 1, einer Ausfertigung des Lagerisses nach § 25 Nr. 2, den Verleihungs- oder den nach § 154 Abs. 2 ausgestellten Urkunden zu einer einheitlichen Berechtsamsurkunde verbunden. Nach Absatz 1 besteht ein Rechtsanspruch auf Erteilung der Genehmigung, sofern nicht einer 1 der hier genannten Versagungsgründe vorliegt. Danach ist die Genehmigung zu versagen, wenn die Vereinigung nach § 24 unzulässig ist, z.B. wenn die zu vereinigenden Felder nicht aneinander grenzen oder das Bergwerkseigentum nicht auf die gleichen Bodenschätze verliehen ist. Unzulässig ist nach § 151 Abs. 2 Nr. 4 auch die Vereinigung von aufrechterhaltenem Bergwerkseigentum mit nach Inkrafttreten dieses Gesetzes verliehenem Bergwerkseigentum. Ferner ist die Versagung der Genehmigung möglich, wenn die in § 25 Nr. 1 bis 3 bezeichneten notariellen Urkunden und Lagerisse sowie die Verleihungsurkunden der Einzelfelder bzw. die an deren Stelle tretenden Urkunden nach § 154 Abs. 2 nicht oder nicht vollständig vorgelegt werden. Dabei hat die Behörde auch zu prüfen, ob die vorgelegten Unterlagen den in § 25 Nr. 1 bis 3 bezeichneten inhaltlichen und formellen Anforderungen genügen. Als weiterer Versagungsgrund kommen „entgegenstehende Gründe des öffentlichen Inte- 2 resses“ in Betracht. Hier ist auf die Kausalität gerade zwischen der Vereinigung und den Gründen des öffentlichen Interesses zu achten. Inhaberbezogene Gründe scheiden hier – anders als bei § 23 – aus. Es sind nur solche öffentlichen Belange zu berücksichtigen, die einen Bezug zu dem durch die Vereinigung entstehenden Feld selbst haben. So kommt eine Versagung wegen entgegenstehender öffentlicher Interessen dann in Betracht, wenn die Ausübung anderer Bergbauberechtigungen durch die Vereinigung in unzumutbarer Weise beeinträchtigt würde, weil die zu vereinigenden Felder diese Berechtigungen ganz oder teilweise umschließen.1 Die Genehmigung nach § 26 bedarf der Schriftform. Dies folgt daraus, dass nach Absatz 2 3 aus der Genehmigung, den ursprünglichen Verleihungsurkunden, der Einigung oder Erklärung nach § 25 Nr. 1 und dem Lageriss nach § 25 Nr. 2 eine neue Berechtsamsurkunde hergestellt wird.

§ 27 Wirkung der Vereinigung (1) Mit der Zustellung der Berechtsamsurkunde an den Antragsteller entsteht unter Erlöschen des bisherigen Bergwerkseigentums neues Bergwerkseigentum an dem einheitlichen Bergwerksfeld mit den sich aus der Vereinbarung nach § 25 Nr. 3 ergebenden dinglichen Belastungen. (2) 1Ist die Vereinbarung wirksam geworden, so ersucht die zuständige Behörde das Grundbuchamt um Berichtigung des Grundbuches. 2Dem Ersuchen ist eine beglaubigte Abschrift der Berechtsamsurkunde beizufügen. Absatz 1 behandelt das Eintreten der Wirksamkeit und die Rechtsfolgen der Vereinigung. Diese 1 wird mit der Zustellung der gemäß § 26 Abs. 2 von der Behörde hergestellten neuen Berechtsams1 BT-Drs. 8/1315, S. 94. 215 https://doi.org/10.1515/9783110709285-040

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§ 28

Zweiter Teil – Bergbauberechtigungen

urkunde an den Antragsteller wirksam. Die zweite Ausfertigung des Lagerisses und der übrigen Urkunden verbleibt bei der Genehmigungsbehörde. Mit der Zustellung an den Antragsteller erlischt das Bergwerkseigentum an den vereinigten Einzelfeldern, und es entsteht neues Bergwerkseigentum an dem einheitlichen Bergwerksfeld. 2 Die Zustellung der Berechtsamsurkunde hat konstitutive Wirkung. In Übereinstimmung mit dem früheren Recht handelt es sich dabei aber nicht um eine völlige Neuschöpfung, sondern nur um eine Umgestaltung bestehenden Bergwerkseigentums. Das alte Bergwerkseigentum setzt sich in dem durch die Vereinigung entstandenen neuen Bergwerkseigentum fort.1 Durch die Vereinigung wird bereits bestehendes Bergwerkseigentum mit seinen Rechten und Lasten zu einem neuen Objekt zusammengefasst. Bei dem Erwerb des neuen Bergwerkseigentums durch den Berechtigten gemäß § 27 handelt es sich daher im Unterschied zur Verleihung nicht um einen originären, sondern um derivativen Erwerb.2 Ein zeitlicher Vorrang, der dem alten Bergwerkseigentum zukam, wird auch durch das neue gewahrt.3 Ein als Grunddienstbarkeit zugunsten des jeweiligen Eigentümers eines Bergwerks eingetragener Bergschadensverzicht wirkt auch nach der Vereinigung weiter.4 Der Umfang und die Rangordnung der auf das neue Bergwerkseigentum übergegangenen dinglichen Belastungen richten sich nach der gemäß § 25 Nr. 3 getroffenen Vereinbarung. Bei Vereinigung von Feldern, an denen Bergwerkseigentum i.S. des § 151 besteht, richtet sich das Eigentum an dem neuen Feld ebenfalls nach § 151. 3 Die Entstehung des neuen Bergwerkseigentums vollzieht sich außerhalb des Grundbuchs. Nach Zustellung der Berechtsamsurkunde an den Berechtigten ersucht die Genehmigungsbehörde das zuständige Amtsgericht (Grundbuchamt) um Berichtigung des Grundbuchs, d.h. um Schließung der Grundbuchblätter der vereinigten Einzelfelder und um Eintragung des neuen Bergwerkseigentums. Hierfür ist ein neues Grundbuchblatt anzulegen. Mit dem Ersuchen ist dem Gericht eine beglaubigte Abschrift bzw. Kopie der nach § 26 Abs. 2 angefertigten einheitlichen Berechtsamsurkunde zu übersenden. Darüber hinaus ist dem Grundbuchamt die notariell beurkundete Vereinbarung über den Übergang dinglicher Belastungen auf das neue Bergwerkseigentum (§ 25 Nr. 3) zuzuleiten, damit die entsprechenden Grundbucheintragungen vorgenommen werden können.

§ 28 Teilung 1

Ein Bergwerksfeld kann in selbständige Teile geteilt werden, wenn die Teile dem § 4 Abs. 7 entsprechen und durch die Teilung eine Feldeszersplitterung, insbesondere eine Erschwerung der sinnvollen und planmäßigen Gewinnung von Bodenschätzen, nicht zu befürchten ist. 2Die §§ 25 bis 27 gelten mit der Maßgabe entsprechend, daß die in § 25 Nr. 1 und 2 bezeichneten Urkunden für jeden Teil des Bergwerksfeldes erforderlich sind; mit Ausnahme der Lagerisse für die Teilung ist jedoch eine Urschrift nebst der erforderlichen Zahl von Ausfertigungen oder beglaubigten Abschriften der Urkunden ausreichend. 1 Die in § 28 getroffen Regelung knüpft an das dem früheren Recht bekannte Rechtsinstitut der realen Feldesteilung an,1 die eine bergrechtliche Spielart der im BGB nicht geregelten, aber zulässigen Realteilung eines Grundstücks2 darstellt. Es handelt sich um die Teilung eines Berg-

1 2 3 4 1 2

RG 19.6.1937, V 10/37, RGZ 155, 167, 170 f. = ZfB 1937, 426, 429; KG 14.1.1938, Ia WX 1705/37, ZfB 1938, 569, 570. BT-Drs. 8/1315, S. 94. RG 19.6.1937, V 10/37, RGZ 155, 167, 171 = ZfB 1937, 426, 430. LG Beuthen 19.8.1936, 3. O.H. 68/36 = ZfB 1938, 589. § 51 ABG, vgl. auch Boldt/Weller Vorauflage, § 28 Rn. 1 m.w.Nachw. Vgl. dazu Grüneberg/Herrler BGB, 82. Aufl. (2023), § 890 Rn. 5.

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Erstes Kapitel – Bergfreie Bodenschätze

§ 28

werksfeldes in zwei oder mehrere selbständige Bergwerksfelder. Sie ist von der – zulässigen3 – Begründung von Miteigentum nach Bruchteilen zu unterscheiden, die sich nach den §§ 1008 ff. BGB richtet. Die durch die Teilung entstehenden Felder müssen den in § 4 Abs. 7 genannten Kriterien entsprechen, d.h. sie müssen durch ebene Flächen, die lotrecht in die Tiefe verlaufen, abgegrenzt sein. Als weitere Zulässigkeitsvoraussetzung kommt hinzu, dass durch die Teilung keine Feldeszersplitterung eintreten darf. Das wäre insbesondere dann der Fall, wenn die Teilung zu einer Erschwerung der sinnvollen und planmäßigen Gewinnung von Bodenschätzen führen würde.4 Nach überkommener Auffassung ist nach § 28 nur eine räumliche Feldesteilung zulässig.5 Da Bergwerkseigentum auch auf mehr als einen Bodenschatz verliehen sein und seine Nutzung durch betriebliche Abspaltungen zum Gegenstand mehrerer Unternehmen werden kann, besteht ein Bedürfnis für eine Teilbarkeit auch nach Bodenschätzen. Dem ist durch analoge Anwendung von § 28 BBergG Rechnung zu tragen.6 Voraussetzung ist dabei, dass die aufzuteilenden Bodenschätze auch getrennt hätten verliehen werden können. Im Übrigen finden auf die Teilung die §§ 25 bis 27 entsprechende Anwendung. Es bedarf also zunächst einer notariell beurkundeten Erklärung des Bergwerkseigentümers über die Teilung i.S.v. § 25 Nr. 1, und zwar ist für jeden Teil des Bergwerksfeldes eine Ausfertigung der notariellen Urkunde erforderlich. Zur Vermeidung von Verwechslungen sollten die neuen Felder andere Namen als das geteilte alte Feld erhalten. Ferner sind für jedes der durch die Teilung entstehenden neuen Bergwerksfelder zwei Ausfertigungen des in § 25 Nr. 2 verlangten Lagerisses vorzulegen. Die in § 25 Nr. 3 geforderte notariell beurkundete Vereinbarung über den Übergang dinglicher Belastungen auf das infolge der Teilung entstehende neue Bergwerkseigentum wird in Satz 2 zwar nicht ausdrücklich erwähnt; da diese Vereinbarung aber die Grundlage für die Eintragung dinglicher Rechte im Grundbuch bildet, muss für jedes Teilfeld eine Ausfertigung der notariellen Urkunde verlangt werden. In entsprechender Anwendung von §§ 25 Nr. 4, 26 bedarf die Teilung der behördlichen Genehmigung. Hinsichtlich des behördlichen Entscheidungsspielraums gilt das zu § 26 Gesagte.7 Die Genehmigungsbehörde hat in entsprechender Anwendung des § 26 Abs. 2 für jedes neu entstehende Bergwerkseigentum eine eigene Berechtsamsurkunde herzustellen, die sich aus den in § 26 Abs. 2 bezeichneten Urkunden zusammensetzt. Mit der Zustellung der Berechtsamsurkunden an den Berechtigten erlischt das Bergwerkseigentum an dem früheren Feld, und es entsteht neues Bergwerkseigentum an den geteilten, rechtlich selbständigen Bergwerksfeldern. Aber auch hier stellt das neue Bergwerkseigentum wie bei der Vereinigung nur eine Fortsetzung des alten dar.8 Durch die Teilung tritt keine Änderung der Eigentumsverhältnisse ein, d.h. der bisherige Bergwerkseigentümer wird auch Eigentümer der neuen Felder.9 Bei Teilung eines Bergwerksfeldes, an dem Bergwerkseigentum i.S. der § 151 besteht, bleibt für die neu entstehenden Felder Bergwerkseigentum nach § 151 erhalten. Die Wirkung der Teilung tritt mit der Zustellung der neuen Berechtsamsurkunden an den Antragsteller wie bei der Vereinigung außerhalb des Grundbuchs ein. Die Genehmigungsbehörde ersucht das örtlich zuständige Grundbuchamt unter Beifügung der erforderlichen Abschriften oder Kopien von Urkunden um Eintragung des Bergwerkseigentums an den neu entstandenen

3 Boldt/Weller Vorauflage, § 28 Rn. 1. 4 Neben diesem öffentlichen Interesse können bei der behördlichen Entscheidung über §§ 28 Satz 2, 25 Nr. 4, 26 Abs. 1 Nr. 3 noch andere öffentliche Interessen, z.B. solche sicherheitlicher Art, zur Geltung kommen.

5 Boldt/Weller Vorauflage, § 28 Rn. 2; Miesbach/Engelhardt Bergrecht, § 51 ABG, Rn. 1 m.w.Nachw. 6 Dazu näher Kühne ZfB 2008, 49, 51 ff.; für eine analoge Anwendung jetzt auch Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 28 Rn. 8.

7 § 26 Rn. 2. 8 BT-Drs. 8/1315, S. 94. 9 KG 14.1.1938, 1a WX 1705/37 = ZfB 1938, 569, 570. 217

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§ 29

Zweiter Teil – Bergbauberechtigungen

Bergwerksfeldern. Aus Gründen der Übersichtlichkeit ist es zweckmäßig, das alte Grundbuchblatt zu schließen und für jedes neue Bergwerksfeld ein neues anzulegen.

§ 29 Austausch 1 Der Austausch von Teilen von Bergwerksfeldern ist zulässig, wenn die auszutauschenden Teile jeweils an das Bergwerksfeld angrenzen, mit dem sie durch den Austausch vereinigt werden sollen, durch den Austausch eine Feldeszersplitterung, insbesondere eine Erschwerung der sinnvollen und planmäßigen Gewinnung von Bodenschätzen, nicht zu befürchten ist, die auszutauschenden Teile dem § 4 Abs. 7 entsprechen und das Bergwerkseigentum auf die gleichen Bodenschätze verliehen ist. 2Die §§ 25 bis 27 sind mit folgender Maßgabe entsprechend anzuwenden: 1. Die Namen des am Austausch beteiligten Bergwerkseigentums bleiben bestehen. 2. Die in § 25 Nr. 1 und 2 bezeichneten Urkunden sind für jeden am Austausch beteiligten Teil der Bergwerksfelder erforderlich. 3. Mit Ausnahme der Lagerisse für den Austausch ist neben jeweils einer Urschrift die erforderliche Zahl von Ausfertigungen oder beglaubigten Abschriften der Urkunden ausreichend.

1 Der Feldesaustausch vereint in sich Elemente der Feldesteilung (Loslösung eines Teiles eines Feldes von dem Rest) und der Feldesvereinigung (Angliederung des losgelösten Feldesteils an ein anderes Feld). Das Rechtsinstitut war auch dem früheren Recht bekannt (§ 51 ABG). 2 Die Vorschrift setzt einen Austausch voraus. Soll ein Feldesteil gegen Entgelt auf einen Feldesnachbarn übertragen werden, muss eine Teilung nach § 28 durchgeführt werden. Es ist auch denkbar, das aus der Teilung entstandene Feld anschließend mit dem Nachbarfeld gemäß §§ 24 ff. zu vereinigen. Im Fall beabsichtigten grenzüberschreitenden Abbaus besteht ferner die Möglichkeit der Zulegung nach §§ 35 ff. 3 Ein Austausch setzt nach § 29 voraus, dass die auszutauschenden Teile jeweils an das Bergwerksfeld angrenzen, mit dem sie durch den Austausch vereinigt werden sollen; es dürfen keine Enklaven in den verschiedenen Bergwerksfeldern entstehen. Ein Austausch ist ferner – entgegen dem früheren Recht – nur zwischen Feldesteilen zulässig, die auf die gleichen Bodenschätze verliehen sind. Schließlich darf der Austausch nicht zu einer Feldeszersplitterung führen, insbesondere darf die Gewinnung von Bodenschätzen dadurch nicht erschwert werden. Nach § 151 Abs. 2 Nr. 4 ist der Austausch von aufrechterhaltenem Bergwerkseigentum mit nach Inkrafttreten des BBergG verliehenem Bergwerkseigentum nicht zulässig. 4 Nach Satz 2 finden auf den Feldesaustausch die §§ 25 bis 27 entsprechende Anwendung: Aus der Verweisung auf § 27 Abs. 1 folgt, dass mit der Rechtswirksamkeit des Austausches das ursprüngliche Bergwerkseigentum an den ausgetauschten Teilen untergeht. Hinsichtlich dieser Teile entsteht neues, aber nur abgeleitetes Bergwerkseigentum, das mit dem schon vorhandenen Bergwerkseigentum zusammengefasst wird.1 Der abgetrennte Feldesteil wird von seiner bisherigen dinglichen Belastung befreit, aber dafür der dinglichen Belastung des neuen Feldes, mit dem er vereinigt wird, unterworfen.2 Wie sich die Belastungen der neuen Feldeszuschnitte inhaltlich gestalten, ergibt sich aus den nach §§ 29 Satz 2, 25 Nr. 3 vorzulegenden und notariell beurkundeten Vereinbarungen zwischen den dinglich Berechtigten und den beteiligten Bergwerkseigentümern. Im Übrigen enthält § 29 Satz 2 folgende Maßgaben in formeller Hinsicht: Die an dem Aus5 tausch beteiligten Feldesteile erhalten den Namen des Bergwerkseigentums, dem sie zugeschlagen werden (Nr. 1); die in § 25 Nr. 1 und 2 bezeichneten Urkunden (Einigung der beteiligten Bergwerks1 BT-Drs. 8/1315, S. 95. 2 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 29 Rn. 3. Kühne https://doi.org/10.1515/9783110709285-042

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Erstes Kapitel – Bergfreie Bodenschätze

§ 29

eigentümer oder eine entsprechende Erklärung des Alleineigentümers über den Austausch, zwei Ausfertigungen der Lagerisse) sind für jeden am Austausch beteiligten Teil der Bergwerksfelder erforderlich (Nr. 2); mit Ausnahme der Lagerisse für den Austausch ist neben jeweils einer Urschrift die erforderliche Zahl von Ausfertigungen oder beglaubigten Abschriften der Urkunden ausreichend.

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Kühne

DRITTER ABSCHNITT Feldes- und Förderabgabe Vorbemerkungen zu den §§ 30 bis 32 Schrifttum Altenschmidt, Zur Rechtmäßigkeit von Förderabgabenverträgen, in: Pielow (Hrsg.), Bergrecht im Wandel der Zeit (2020), S. 113 ff.; Bücker Regelung der Förderabgabe auf inländisches Erdöl und Erdölgas aufgrund der Niedersächsischen Verordnung über die Feldes- und Förderabgabe vom 17. Dezember 1981, ZfB 1982, 77; Drömann Nichtsteuerliche Abgaben im Steuerstaat (1999); Friauf Der bundesstaatliche Finanzausgleich, JA 1984, 618; von Hammerstein Feldesüberschreitende Kohlenwasserstoff-Lagerstätten, in: Baur/Sandrock u.a. (Hrsg.) Festschrift für Gunther Kühne zum 70. Geburtstag (2009), S. 575; von Hammerstein/Haack Rechtliche Grenzen der Förderabgabeerhöhung durch Landesverordnung, ZfB 2015, 151; Heimlich Die Anerkennung der Verleihungsgebühr durch den „Wasserpfennig-Beschluss“ des Bundesverfassungsgerichts, DÖV 1997, 996; Henning Die bergrechtliche Förderabgabe im bundesdeutschen Länderfinanzausgleich (2002); Horn Die Feldesund Förderabgabe nach dem Bundesberggesetz (1989); H. P. Ipsen Öffentliches Wirtschaftsrecht: Entwicklungsbeiträge unter dem Grundgesetz (1985); Jarass Verfassungsrechtliche Grenzen für die Erhebung nichtsteuerlicher Abgaben, DÖV 1989, 1013; Karpen Die Förderabgabe nach dem Bundesberggesetz im bundesstaatlichen Finanzausgleich, AöR 109 (1984), 417; F. Kirchhof Die Verleihungsgebühr als dritter Gebührentyp, DVBl 1987, 554; Kisker Der bergrechtliche Förderzins im bundesstaatlichen Finanzausgleich (1983); Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht (2001); Kühne Die Förderabgabe im Schnittpunkt von Bergrecht und Finanzverfassungsrecht, DB 1982, 1693; Kühne Erfolgreiche Klage gegen Niedersachsen auf Rückzahlung von Abgaben für Erdgasförderung und Erdölforderung im Ems-Dollart-Gebiet, DVBl 2002, 1117; Lerche/Pestalozza Die bergrechtliche Förderabgabe im System des horizontalen Finanzausgleichs und der Bundesergänzungszuweisungen nach Art. 107 Abs. 2 GG (1984); Mann Erweiterung der Feldes- und Förderabgabenpflicht auf grundeigene Bodenschätze?, in: Kment (Hrsg.) Festschrift für Hans D. Jarass (2015), S. 193; Mössner Förderabgabe bei bewilligungsfeldüberschreitender Lagerstätte – Ein Beitrag zur Auslegung von § 31 BBergG, in: Becker (Hrsg.) Festschrift für Werner Thieme zum 70. Geburtstag (1993), S. 1023, zitiert als Mössner FS Thieme (1993); Mössner Deutsch-niederländische Erdgasförderung und EmsDollart-Vertrag, in: J. Ipsen/Stuer (Hrsg.) Öffentliche Verwaltung in Europa (1999), S. 61; Mußgnug Der Bemessungsmaßstab der Förderabgabe auf Erdgas nach der Niedersächsischen Verordnung über Feldes- und Förderabgabe, ZfB 1993, 168; Nicolaysen Bewilligung und Förderabgabe nach dem BBergG (1982); Pietzcker Abgrenzungsprobleme zwischen Benutzungsgebühr, Verleihungsgebühr, Sonderabgabe und Steuer, DVBl 1987, 774; Säcker Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht (2010); Schulte Das Bundesberggesetz, NJW 1981, 88; Schulz Der rechtliche Status von Erdölaltverträgen nach dem Bundesberggesetz (1990); Turner Der Rechtscharakter von Förderzinsvereinbarungen beim Bergbau auf staatsvorbehaltene Mineralien, ZfB 1970, 42.

Übersicht I.

Überblick

1

II.

Gesetzgebungsverfahren

III.

Bergregal, Bergbaufreiheit, Staatsvorbe3 halt

IV.

Abgabenrechtliche Einordnung der bergrechtlichen Abgaben

1. 2

2. 3. 4.

Gesetzesbegründung und Meinungsspekt5 rum 6 Steuer 7 Sonderabgabe 8 Gebühr

V.

Aufkommen der Feldes- und Förderabgabe, Re13 formforderungen

VI.

Die Förderabgabe im Finanzausgleich

15

I. Überblick 1 Der Gesetzgeber hat in §§ 30, 31 sowohl die Befugnis zur Aufsuchung (Feldesabgabe) als auch die Befugnis zur Gewinnung von Bodenschätzen (Förderabgabe) mit der Zahlung einer Abgabe verknüpft. In § 32 werden die Landesregierungen ermächtigt Rechtsverordnungen zur DurchfühMann https://doi.org/10.1515/9783110709285-043

220

Erstes Kapitel – Bergfreie Bodenschätze

Vorbem. §§ 30–32

rung der §§ 30, 31 zu erlassen. Diese Abgaben treten zusätzlich zu den Steuern hinzu, die die Bergbauunternehmen auf ihre Gewinne abführen müssen und sind von diesen zu unterscheiden.

II. Gesetzgebungsverfahren Die Regelung der Feldes- und Förderabgabe war während des Gesetzgebungsverfahrens zwischen 2 Bund und Ländern bis zuletzt heftig umstritten und bildete seinerzeit den zentralen Anlass zur Anrufung des Vermittlungsausschusses durch den BR. Nach dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf sollte die Zuständigkeit zum Erlass der für die Festlegung und Erhebung der Feldesund Förderabgabe erforderlichen Durchführungsvorschriften beim Bundesminister für Wirtschaft liegen. Der BR erblickte darin eine Beeinträchtigung wesentlicher föderativer Rechte und Interessen der Länder und forderte die Beibehaltung der früheren Zuständigkeit der Länder für die Festsetzung der Feldes- und Förderabgabe. Auf Empfehlung des Vermittlungsausschusses entsprach der BT dem Wunsch des BR und gab § 32 seine heutige Fassung.1 Danach ist die Kompetenz zum Erlass von Rechtsverordnungen über die Feststellung des Marktwertes sowie über die Festsetzung und Erhebung der Feldes- und Förderabgabe den Ländern übertragen. Die im Schrifttum an dieser Lösung geübte Kritik („hier unangemessener Föderalismus“)2 erscheint nicht unberechtigt, denn insoweit kann nicht allein auf die Verhältnisse einzelner Bundesländer abgestellt werden. Zur vorschriftsmäßigen Durchführung der §§ 30 bis 32 bedarf es vielmehr einer engen Zusammenarbeit und wirksamen Abstimmung zwischen den Ländern, denn nach rechtsstaatlichen Grundsätzen sind bei den landesrechtlichen Regelungen für alle Bodenschätze die gleichen rechtlichen Maßstäbe zugrunde zu legen. Insbesondere muss der Marktwert eines Bodenschatzes in allen Ländern einheitlich festgelegt werden. Gemäß § 31 Abs. 2 Satz 1 ist nämlich der Durchschnittswert maßgebend, der für die im gesamten Geltungsbereich dieses Gesetzes geförderten Bodenschätze der betreffenden Art erzielt worden ist (vgl. näher § 31 Rn. 9).

III. Bergregal, Bergbaufreiheit, Staatsvorbehalt Die Erhebung von Abgaben auf die Gewinnung bestimmter Bodenschätze geht in Deutschland auf 3 das Bergregal zurück. Danach stand das Recht zum Abbau der seinerzeit volkswirtschaftlich bedeutenden Bodenschätze den jeweiligen Landesherren zu.3 Diejenigen, denen die Befugnis zum Abbau regaler Mineralien übertragen wurde, hatten zunächst an die Könige und dann an den Landesherren, den sog. „Zehnten“ zu entrichten (vgl. Einleitung Rn. 1). Mit Inkrafttreten des Preußischen Allgemeinen Berggesetzes (ABG) im Jahre 1865 trat an die Stelle des Bergregals das Prinzip der Bergbaufreiheit. Die volkswirtschaftlich bedeutsamen Bodenschätze wurden aus dem Grundeigentum ausgeschlossen und dem Zugriff der Unternehmen überlassen. Die Unternehmen nahmen bei Abbau dieser Bodenschätze ihr eigenes Recht wahr. Die staatliche Verleihung der Bergbauberechtigung hatte lediglich Ordnungsfunktion, stellte hingegen keine Verleihung vermögenswerter Positionen dar. Entsprechend erhob der Staat keine Abgaben. Seit der Einführung zunächst des unechten Staatsvorbehalts auf Steinkohle, Stein- und Kalisalze zu Beginn des 20. Jahrhunderts (vgl. Einleitung Rn. 13) entsprach es jedoch allgemeiner Übung, dass für die Einräumung des Rechts zur Aufsuchung und Gewinnung der dem Staat vorbehaltenen Bodenschätze eine Gegenleistung gefordert wurde. Auch wenn die Berggesetze keine entsprechenden Regelungen beinhalteten, hielt man die Länder angesichts ihrer Befugnis, Bodenschätze selbst aufzusuchen und zu gewinnen, auch für befugt, Einnahmen aus ihrer „Beteiligung“ am Bergbau zu ziehen.4 Schon vor dem Zweiten Weltkrieg sind die 1 2 3 4

BT-Drs. 8/4331, Anl. S. 2; dazu Bücker ZfB 1982, 77. Schulte NJW 1981, 88, 91. Säcker/Kühne Handbuch zum deutschen-russischen Energierecht, S. 265 f. Vgl. Turner ZfB 1967, 198, 213; Turner ZfB 1970, 42, 43.

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kriegswichtigen Stoffe, Erdöl sowie Erdgas in Preußen durch die Erdölverordnung vom 13.12.19345 unter einen echten Staatsvorbehalt gestellt worden;6 die Ausübung des ihm vorbehaltenen Gewinnungsrechts übertrug der Staat Privaten durch Aufsuchungs- und Gewinnungsverträge, die bereits Förderzinsvereinbarungen enthielten. Auch soweit die Berggesetze der anderen Länder keine ausdrücklichen Regelungen darüber enthielten, ob und in welcher Höhe für die Einräumung der Gewinnungsbefugnis ein Entgelt gefordert werden konnte, ging man überwiegend davon aus, dass das an den Staat zu entrichtende Entgelt privatrechtlichen Rechtscharakter hatte.7 Durch das BBergG erfuhren die bergrechtlichen Abgaben erstmals eine gesetzliche Rege4 lung. Nach der Gesetzesbegründung der Bundesregierung schlägt das Gesetz einen Mittelweg zwischen der Bergbaufreiheit und dem echten Staatsvorbehalt ein.8 Einerseits könne die Bergbaufreiheit wegen der reinen Ordnungsfunktion des Staates nicht aufrechterhalten werden, da die moderne Wirtschaftsordnung materielle Gestaltungsmöglichkeiten erfordere. Andererseits könne die Wahrung öffentlicher Interessen auch durch ein Konzessionssystem ohne zugrundeliegendes unmittelbares Aufsuchungs- und Gewinnungsrecht des Staates gewährleistet werden.9

IV. Abgabenrechtliche Einordnung der bergrechtlichen Abgaben 1. Gesetzesbegründung und Meinungsspektrum 5 Die rechtliche Einordnung der Feldes- und Förderabgabe in das System öffentlicher Abgaben war von Beginn an umstritten. Nach der amtlichen Begründung zum BBergG sind die Feldes- und Förderabgabe als öffentlich-rechtliche Verleihungsgebühr ausgestaltet.10 Diese Einordnung stieß im Schrifttum auf heftigen Widerspruch:11 Nach Aufgabe des Staatsvorbehalts fehle es an einer über die reine Rechtsverleihung hinausgehenden Leistung des Staates.12 Die bergrechtlichen Abgaben hätten eine wirtschaftslenkende Funktion, was dem Charakter als Gegenleistung entgegenstehe, wohingegen ihr Besteuerungscharakter nicht länger übersehen werden sollte.13 Auf jeden Fall fehle es an dem zweiten Merkmal einer Gebühr, nämlich der Zweckbestimmung, die Kosten einer individuell zurechenbaren staatlichen Leistung ganz oder teilweise zu decken, da dem Staat durch die Verleihung des Rechts keine finanziellen Aufwendungen entstünden.14 Aus diesem Grund komme auch eine Zuordnung der bergrechtlichen Abgaben zu den finanzrechtlichen Beiträgen nicht in Betracht. Insoweit wurde dafür plädiert die bergrechtlichen Abgaben den Steuern bzw. den Sonderabgaben zuzuordnen.15 Ebenfalls ist die Frage aufgeworfen worden, ob es sich bei der Förderabgabe um eine Abgabe handele, die teils Gebühren-, teils Steuercharakter habe16 bzw. ob es sich um steuerähnliche Abgaben bzw. eine Art „Gebührensteuern“17 oder „Abgabe mit Beitragseinschlag“18 handele. 5 Verordnung über die Berechtigung zur Aufsuchung und Gewinnung von Erdöl und anderen Bodenschätzen (Erdölverordnung) vom 13.12.1934 (Pr. GS S. 463). 6 H. P. Ipsen Öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 662, 665. 7 Boldt/Weller 1. Aufl., Vor § 30 Rn. 2 f. 8 BT-Drs. 8/1315, S. 84. 9 BT-Drs. 8/1315, S. 85. 10 BT-Drs. 8/1315, S. 95. 11 Jarass DÖV 1989, 1013, 1016; Kühne DB 1982, 1693, 1696; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, 1. Aufl. (1983), § 31 Rn. 2; Pietzcker DVBl 1987, 774, 777; Schulte NJW 1981, 88, 91; kritisch hierzu auch Boldt/Weller 1. Aufl., Vor § 30 Rn. 6. 12 Boldt/Weller 1. Aufl., Vor § 30 Rn. 6; Pietzcker DVBl 1987, 774, 777. 13 Schulte NJW 1981, 88, 91. 14 Boldt/Weller 1. Aufl., Vor § 30 Rn. 6; Jarass DÖV 1989, 1013, 1016. 15 Jarass DÖV 1989, 1013, 1016. 16 Kühne DB 1982, 1693, 1696. 17 Kisker Der bergrechtliche Förderzins im bundesstaatlichen Finanzausgleich, S. 28; für Gebührencharakter auch Nicolaysen Bewilligung und Förderabgabe nach dem BBergG, S. 33 ff. 18 Ipsen DVBl 1976, 653. Mann

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2. Steuer Die Förderabgabe wird im Rahmen des Länderfinanzausgleichs gemäß Art. 107 GG i.V.m. § 7 Abs. 2 6 FAG berücksichtigt, obwohl es sich hierbei nicht um eine Steuer handelt. Sie wird in der Aufzählung des § 7 Abs. 1 FAG („Als Steuereinnahmen eines Landes gelten …“) nicht aufgeführt, sondern vielmehr in § 7 Abs. 2 FAG ausdrücklich zusätzlich thematisiert, indem es dort heißt: „Den Steuereinnahmen der Länder … werden 33 Prozent des Aufkommens aus der Förderabgabe nach § 31 des Bundesberggesetzes hinzugesetzt“. Bereits der systematische Befund spricht daher dafür, dass die Förderabgabe keine Steuer ist. Ganz in diesem Sinne hat das BVerfG die Förderabgabe in seiner ersten Entscheidung zum Länderfinanzausgleich eindeutig nicht der Steuer zugeordnet („Förderabgabe als weitere Abgabe zu den Steuern hinzugetreten“), sich freilich aber auch nicht ausdrücklich mit Blick auf die Rechtsnatur der Förderabgabe festgelegt.19 Es hat allerdings klargestellt, dass es sich bei der Förderabgabe um keine „Vermögensumschichtung im Sinne eines Entgelts für die Aufgabe einer eigentumsartigen Sachherrschaft des jeweiligen Landes an seinen Bodenschätzen“ handele, sondern um eine „nicht nur einmalige Einnahme des betreffenden Landes, die diesem eine Teilhabe am wirtschaftlichen Erfolg der Förderunternehmen verschafft, die ein Gut der Allgemeinheit – als solches sind die zunächst in niemandes Eigentum stehenden Bodenschätze (§ 3 Abs. 1 und 3 BBergG) anzusehen – nach Maßgabe einer ihnen nach öffentlichem Recht verliehenen Befugnis verwerten dürfen“.20

3. Sonderabgabe Ebenfalls stellen die bergrechtlichen Abgaben keine Sonderabgaben dar. Sonderabgaben sind kei- 7 ne Steuern und auch keine Vorzugslasten, sondern werden einem begrenzten Personenkreis (homogene Gruppe) gesetzlich auferlegt, der dem mit der Abgabenerhebung verfolgten Zweck sachlich evident näher steht als jede andere Gruppe oder die Allgemeinheit der Steuerzahler (besondere Gruppenverantwortung);21 entscheidend ist, dass das Aufkommen der Sonderabgabe für die Finanzierung einer speziellen Aufgabe einzusetzen ist (überwiegend gruppennützige Verwendung) und nicht zur Finanzierung allgemeiner Staatsaufgaben verwendet werden darf.22 Allein schon weil die bergrechtlichen Feldes- und Förderabgaben den allgemeinen Haushalten der Länder zuwachsen, können sie sachlich bereits keine rechtmäßigen Sonderabgaben sein.

4. Gebühr Gebühren sind nach allgemeiner Ansicht „öffentlich-rechtliche Geldleistungen, die aus Anlass 8 individuell zurechenbarer, öffentlicher Leistungen dem Gebührenschuldner durch eine öffentlich-rechtliche Norm oder sonstige hoheitliche Maßnahme auferlegt werden und dazu bestimmt sind, in Anknüpfung an diese Leistung deren Kosten ganz oder teilweise zu decken“.23 Insoweit werden Gebühren also, im Gegensatz zu Steuern, als Gegenleistung für die tatsächliche Inanspruchnahme öffentlicher Leistungen erhoben. Die Qualifizierung der Feldes- und Förderabgaben als Gebühren hängt damit im Wesentlichen 9 davon ab, ob der Staat mit der Vergabe einer Bergbauberechtigung über den Erlass des Verwal19 BVerfG 24.6.1986, 2 BvF 1/83 und andere, BVerfGE 72, 330, 410 f.; ebenso das Sondervotum Niebler BVerfGE 72, 424, 432, 435: „handelt sich nicht um eine Steuer“, „nichtsteuerliche Einnahme“. 20 BVerfG 24.6.1986, 2 BvF 1/83 und andere, BVerfGE 72, 330, 410 unter Verweis auf Friauf JA 1984, 618, 627. 21 Vgl. im Überblick nur Sachs/Siekmann GG, vor Art. 104a Rn. 147 ff. m.w.N. 22 BVerfG 3.2.2009, 2 BvL 54/06, BVerfGE 122, 316, 334 f.; BVerfG 24.11.2009, 2 BvR 1387/04, BVerfGE 124, 348, 366; Sachs/ Siekmann GG, vor Art. 104a Rn. 158. 23 So ausdrücklich BVerfG 6.2.1979, 2 BvL 5/76, BVerfGE 50, 217, 226. 223

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tungsaktes als Amtshandlung hinaus eine Leistung erbringt, welche die Erhebung einer Abgabe als Gegenleistung rechtfertigt. Solange es sich bei der Einräumung des Aufsuchungs- und Gewinnungsrechts – wie beim Staatsvorbehalt – um die Übertragung einer dem Staate zustehenden vermögenswerten Rechtsposition handelte, war der Entgeltcharakter des Förderzinses klar erkennbar. Nach dem Konzessionssystem des BBergG ist zwar in der Entscheidung über die Erteilung einer Bergbauberechtigung eine individuell zurechenbare öffentliche Leistung zu erblicken. Als Gegenleistung wird von der zuständigen Behörde nach Maßgabe der kostenrechtlichen Vorschriften (vgl. § 5 Rn. 7) eine Verwaltungsgebühr erhoben. Es stellt sich somit die Frage, ob darüber hinaus aber auch die Rechtsposition, die derjenige, dem die Berechtigung erteilt worden ist, auf Grund der §§ 7 bis 9 dieses Gesetzes einnimmt, als besondere staatliche Leistung im abgaberechtlichen Sinne zu werten ist und daher im Einzelfall eine Gegenleistung rechtfertigt. 10 Nach der Gesetzesbegründung24 knüpfen die Abgaben an eine staatliche Leistung an, die nicht nur in der Erteilung einer Erlaubnis oder Bewilligung als solcher besteht, für die ohnehin eine Verwaltungsgebühr erhoben wird. Diese Leistung wird vor allem in der Zulassung gesehen, eine an sich nicht erlaubte Tätigkeit auszuüben und hierbei einige ausschließliche Rechte für sich in Anspruch nehmen zu können. Bei der Erlaubnis sei dies insbesondere der Ausschluss Dritter, die ebenfalls zu gewerblichen Zwecken aufsuchen wollen, aber auch die – wenngleich beschränkte – Aneignungsbefugnis. Bei der Bewilligung und beim Bergwerkseigentum seien es der absolute Ausschluss Dritter und die damit verbundene Sicherung einer wirtschaftlichen Position. Es handele sich insofern um eine Gegenleistung für die Einräumung des Rechts auf Aufsuchung und Gewinnung von Bodenschätzen. 11 In diesem Sinne qualifiziert auch die obergerichtliche Rspr. die Feldesabgabe inzwischen als Gegenleistung für eine Leistung des Staates, nämlich für den marktfähigen und vermögenswerten Vorteil, den der Gewinnungsberechtigte mit dem vom Staat verliehenen Recht erlange, Bodenschätze wirtschaftlich zu verwerten.25 Entsprechend mehren sich auch die Stimmen, welche die Förderabgabe als eine Verleihungsgebühr ansehen.26 Dahinter steht die Überlegung, dass der Staat bei der Erteilung der Bewilligung bzw. des Bergwerkseigentums über die Erlaubnis hinaus eine Leistung zur Verfügung stellt. Denn unabhängig von der Herrenlosigkeit bergfreier Bodenschätze sei das Verfügungsrecht über diese dem Staat zugeordnet, da ohne dessen Mitwirkung niemand eine Bergbauberechtigung oder Eigentum an den Bodenschätzen erwerben könne. Mit der Erteilung der Konzession gebe der Staat eine wirtschaftliche Position auf, die er nach dem BBergG zunächst selbst innehabe.27 12 Dieser Einordnung ist zu folgen. Die bergrechtlichen Abgaben erfüllen die an eine Verleihungsgebühr gestellten Anforderungen: Es handelt sich um Abgaben für die Einräumung eines Rechts, das einen wirtschaftlichen Vorteil begründet und die Rechtsstellung des einzelnen materiell-rechtlich erweitert.28 Insofern rechtfertigt nicht jede Rechtsverleihung die Erhebung einer Verleihungsgebühr. Es darf kein grundrechtlicher Anspruch bestehen, der lediglich aus ordnungspolitischen Erwägungen unter einem präventiven Erlaubnisvorbehalt steht,29 sondern es muss durch die Verleihung die rechtliche Stellung des Begünstigten vielmehr erweitert werden.30 Eine Verleihungsgebühr kommt deshalb nur in Frage, wenn ein Dispens von repressiven Verboten mit 24 BT-Drs. 8/1315, S. 95. 25 BVerwG 19.2.2004, 7 C 9/03 = ZfB 2004, 126, 127; BVerwG 1.2.1999, 4 BN 53/98 = ZfB 1999, 123, 124 f.; OVG Schleswig 13.7.1994, 4 L 22/93 = ZfB 1994, 286, 292.

26 So schon Niebler Sondervotum, BVerfGE 72, 330, 435. Ebenso VG Magdeburg 28.9.2000, 3 A 717/99 MD, JMBl. LSA 2001, 32, 34; Mußgnug ZfB 1993, 168, 172; Tettinger in: R. Schmidt (Hrsg.) Öffentliches Wirtschaftsrecht Besonderer Teil 1 (1995), § 8 Rn. 22; von Hammerstein/Haack ZfB 2015, 151, 164; Mann FS Jarass, 2015, 559, 566 ff.; Piens/Schulte/Graf Vitzthum, BBergG, § 31 Rn. 2g; Frenz/Sladek, BBergG, vor §§ 30–32 Rn. 13 mit Fn. 19. 27 Niebler Sondervotum, BVerwGE 72, 330, 435. 28 Drömann Nichtsteuerliche Abgaben im Steuerstaat, S. 311; Heimlich DÖV 1997, 996, 999; Kisker Der bergrechtliche Förderzins im bundesstaatlichen Finanzausgleich, S. 8 f. 29 Kirchhof DVBl 1987, 554, 559. 30 Heimlich DÖV 1997, 996, 999; Kirchhof DVBl 1987, 554, 559. Mann

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Befreiungsvorbehalt gewährt wird.31 Bei den bergrechtlichen Konzessionen handelt es sich um solche Dispense. Die Gesetzesbegründung macht zwar widersprüchliche Aussagen hierzu, in dem sie einerseits von der „Zulassung, eine an sich nicht erlaubte Tätigkeit auszuüben“,32 andererseits an anderer Stelle von einem Verbot mit Erlaubnisvorbehalt spricht.33 Das mag dem Umstand geschuldet sein, dass es durchaus zweifelhaft ist, ob begrifflich-definitorisch ein repressives Verbot vorliegen kann, wenn Rechtsprechung34 und Literatur35 bei Nichtvorliegen der Versagungsgründe der §§ 11 bis 13 von einer gebundenen Entscheidung und einem Erteilungsanspruch des Antragstellers ausgehen, der jedoch eigentumsrechtlich nicht geschützt ist.36 Maßgeblich ist vielmehr, dass die bergrechtlichen Konzessionen rechtstatsächlich den repressiven Verbotsformen angehören.37 Das BBergG hat durch die Einführung eines öffentlich-rechtlichen Konzessionssystems ohne zugrundeliegendes unmittelbares Aufsuchungs- und Gewinnungsrecht des Staates einen Mittelweg zwischen der Bergbaufreiheit und dem echten Staatsvorbehalt eingeschlagen.38 Es wurde gerade nicht die Bergbaufreiheit statuiert, da dann dem Staat eine rein formale Ordnungsfunktion zukäme, die den Bedürfnissen der modernen Wirtschaftsordnung nicht gerecht würde. Die Abschöpfung bergfreier Bodenschätze ist ähnlich der Nutzung des Grundwassers aus dem Bereich grundrechtlich geschützten Verhaltens herausgenommen und in diesem Sinne repressiv verboten worden.39 Es handelt sich bei den bergfreien Bodenschätzen ebenfalls um ein Allgemeingut, dessen Bewirtschaftung jedoch der Allgemeinheit nicht offen steht, sodass diejenigen, denen die Nutzung erlaubt wird, einen Sondervorteil erlangen, dessen Abschöpfung durch die bergrechtlichen Abgaben gerechtfertigt erscheint.40 Zweck sowie Rechtfertigung der damit als Vorzugslasten zu beurteilenden bergrechtlichen Abgaben ist insoweit die Abschöpfung eines dem Begünstigten vom Staat eingeräumten Vorteils, welcher der Allgemeinheit nicht offensteht.41

V. Aufkommen der Feldes- und Förderabgabe, Reformforderungen Bedingt durch das natürliche Vorkommen der bergfreien Bodenschätze ist das Aufkommen aus 13 der Feldes- und Förderabgabe in den deutschen Ländern sehr unterschiedlich. In den meisten Bundesländern handelt es sich nicht um signifikante Einnahmequellen.42 Die Einnahmen aus der Förderabgabe beliefen sich (gerundet) beispielsweise in B-W im Jahre 2018 auf A 379.000, in Hessen

31 Drömann Nichtsteuerliche Abgaben im Steuerstaat, S. 311; Heimlich DÖV 1997, 996, 999; Kirchhof DVBl 1987, 554, 559. 32 BT-Drs. 8/1315, S. 95. 33 BT-Drs. 8/1315, S. 71. 34 OVG Bautzen 10.6.1998, 1 S 349/96 = ZfB 1998, 205, 210; VG Gera 24.1.1996, 1 K 132/95 = ThürVBl. 1996, 138; VG Weimar 17.1.1995, 7 K 716/93 = ZfB 1995, 225, 229, 230; VG Leipzig 19.1.1995, 5 K 23/94 = ZfB 1995, 48, 53. 35 Vgl. Franke/Keienburg § 11 Rn. 2; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 11 Rn. 2; Czybulka/Stredak, Rechtsfragen der marinen Kies- und Sandgewinnung in Nord- und Ostsee, 2008, S. 41; Kremer/Neuhaus gen. Wever, Bergrecht, 2001, Rn. 113; Schmidt-Aßmann/Schoch Bergwerkseigentum und Grundeigentum im Betriebsplanverfahren, 1994, S. 77; Dapprich/Römermann, BBergG, 1983, § 11 Rn. 2. 36 BVerfG 13.4.2007, 1 BvR 284/05 = ZfB 2008, 85; BGH 9.12.2004, 3 ZR 263/04 = NJW 2005, 748, 750. 37 Drömann Nichtsteuerliche Abgaben im Steuerstaat, S. 313. 38 BT-Drs. 8/1315, S. 84 f. 39 Ebenso Horn Die Feldes- und Förderabgabe nach dem Bundesberggesetz, S. 101; Kisker Der bergrechtliche Förderzins im bundesstaatlichen Finanzausgleich, S. 12; vgl. zum Grundwasser Heimlich DÖV 1997, 996, 999. 40 Mußgnug ZfB 1993, 168, 172; vgl. BVerfG 7.11.1995, 2 BvR 413/88, 2 BvR 1300/93, BVerfGE 93, 319, 345 f. 41 Heimlich DÖV 1997, 996, 998 ff.; Kühne DB 1982, 1693, 1696. 42 Vgl. im Überblick etwa die Zahlen für die Förderabgabe 1998 unter den Ziffern 89 und 201 der Aufstellung „Vollzug des Länderfinanzausgleichs“ unter A I. 14. in dem Urteil des BVerfG 11.11.1999, 2 BvF 2/98, 3/98, 1/99, 2/99, BVerfGE 101, 158, 187, 190. 225

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auf A 399.000, in NRW auf A 560.000 und in Bayern auf A 602.000.43 Demgegenüber betrugen die Einnahmen aus der Förderabgabe in Nds. im Jahr 2018 rund A 154 Mio.44 und im Zeitraum 2006 bis 2010 für Erdöl und -gas sogar rund A 3,9 Mrd.45 Ähnlich aufkommensstark ist noch S-H mit Einnahmen aus Förderabgaben in Höhe von rund A 73 Mio. im Jahr 2018.46 In Abwägung mit dem zur Erhebung nötigen Verwaltungsaufwand wird daher auf eine Erhebung von Feldes- und Förderabgaben verzichtet,47 mitunter auch aus politischen Gründen.48 Aktuell hat etwa Sachsen bis Ende 2025 alle Erlaubnisse von der Feldesabgabe und Bewilligungen für einige bergfreie Bodenschätze (u.a. Braunkohle, Erdwärme, Sole) von der Förderabgabe befreit.49 Dieses Ungleichgewicht im Aufkommen der Feldes- und Förderabgaben hat nicht nur in der 14 Vergangenheit zu Streitigkeiten hinsichtlich der Einbeziehung der Förderabgabe in den Länderfinanzausgleich geführt (vgl. Rn. 15), sondern auch in jüngerer Zeit zu Reformforderungen geführt, die darauf abzielen, die Ertragsbasis aus der Förderabgabe zum Zwecke staatlicher Einnahmenerzielung oder mit dem Ziel eines ökologischen Umbaus der Förderabgabe zu verbreitern. Vorgeschlagen wird etwa, die Förderabgabe auch für grundeigene Bodenschätze (insbes. Sand und Kies in den „alten“ Bundesländern – vgl. § 31 Rn. 17) zu erheben oder die Ausnahme für aufrechterhaltenes Bergwerkseigentum in § 151 Abs. 2 Nr. 2 zu streichen,50 wodurch insbesondere dem Land NRW mit Blick auf die dortige Stein- und Braunkohleförderung Einnahmen in dreistelliger Millionenhöhe zufallen sollen.51 Gegen solche Pläne52 bestehen jedoch diverse Einwände; so wird nicht nur bei einer Einbeziehung auch grundeigener Bodenschätze der Charakter der Verleihungsgebühr (vgl. Rn. 8 ff.) aufgegeben, sondern auch bei einer Erstreckung auf aufrechterhaltenes Bergwerkseigentum kommt es zu einem Systembruch (vgl. dazu § 31 Rn. 4).53 Darüber hinaus stehen einer Aufhebung der Ausnahme für aufrechterhaltenes Bergwerkeigentum auch gewichtige verfassungsrechtliche Argumente aus Art. 12, Art. 14 und Art. 2 Abs. 1 GG und dem rechtsstaatlichen Vertrauensschutz entgegen.54

43 Nach Angaben der Extractive Industries Transparency Initiative (EITI), abrufbar unter https://rohstofftranspa renz.de/daten/einnahmen/ (Abruf vom 21.3.2022). 44 Vgl. ebda. 45 Antwort des Nds. Wirtschaftsministeriums auf eine mündliche Anfrage „Subvention für Erdöl- und Gaskonzerne“, Nds. LT-Drs. 16/115, S. 14888 f. 46 EITI-Statistik (Fn. 41), abrufbar unter https://rohstofftransparenz.de/daten/einnahmen/ (Abruf vom 21.10.2021). 47 So etwa weitgehend in LSA bis Ende 2012 (vgl. § 14 FörderAVO LSA vom 18.11.1996), anders nun § 13 der FörderAVO LSA vom 15.7.2019 (GVBl. S. 192): Befreiung natürlich vorkommender Sole von der Förderabgabe. 48 Vgl. § 11 Nds. FFAVO vom 10.12.2010 (GVBl. S. 564) in der ab 1.1.2021 geltenden Fassung (Nds. GVBl. S. 52): Keine Förderabgabe auf Erdöl im Jahr 2020. 49 Vgl. § 16 Sächs. FFAVO vom 21.7.2021 (GVBl. S. 521). 50 Meyer/Ludewig Forum ökologische soziale Marktwirtschaft (FÖS), Eckpunktepapier: Das Potential der bergrechtlichen Förderabgabe für Ressourcenschutz und Länderfinanzen (2011), passim, abrufbar unter http://www.foes.de/pdf/ Eckpunktepapier_Foerderabgabe.pdf. (Abruf vom 21.3.2022). Vgl. daran anknüpfend auch den „Entwurf eines Gesetzes zur Vereinheitlichung der bergrechtlichen Förderabgabe“ der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (BT-Drs. 17/9390) sowie die Anträge „Anpassung des deutschen Bergrechts“ von Abgeordneten der SPD (BT-Drs. 17/9360), „Novelle des Bundesberggesetzes und anderer Vorschriften zur bergbaulichen Vorhabengenehmigung“ der Fraktion Die Linken (BT-Drs. 17/9034) und „Ein neues Bergrecht für das 21. Jahrhundert“ der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (BT-Drs. 17/8133). Vgl. auch den auf alle genannten Initiativen bezogenen Bericht und die Beschlussempfehlung des Wirtschaftsausschusses (BT-Drs. 17/10182). 51 Nach Meldung bei http://www.taz.de/!92248/ sollen es A 149 Mio. sein (Abruf vom 17.1.2023). 52 Vgl. auch – jenseits jeglicher bergrechtlicher Systematik – die Forderung nach einer Förderabgabe auf Windenergie von Schmidt-Eichstaedt LKV 2018, 1 ff. 53 Ausführliche Darlegung bei Mann FS Jarass, 2015, S. 559 ff. 54 Vgl. Giesecke „Einführung einer Förderabgabe für Inhaber alter Rechte gemäß § 149 BBergG“, Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages vom 16.12.2011, Az.: WD 3 – 3000 – 369/11, S. 4 ff.; Mann FS Jarass, 2015, 559, 570 f. Mann

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§ 30

VI. Die Förderabgabe im Finanzausgleich Die Förderabgabe ist entsprechend den Vorgaben des BVerfG55 durch § 7 Abs. 2 FAG ausdrücklich in 15 den Länderfinanzausgleich miteinbezogen worden, dennoch – wie sich schon aus dieser Vorschrift selbst ergibt (vgl. Rn. 6) – selbst keine Steuer. Das BVerfG hatte die zum Zeitpunkt seiner Entscheidung geltende Fassung des FAG als mit Art. 107 Abs. 2 GG unvereinbar erklärt, weil § 7 Abs. 2 FAG a.F. nicht die volle Einbeziehung der Erträge aus der Förderabgabe vorsah.56 Dies hatte lange Zeit zur Folge, dass das Land Nds., das über 90 Prozent der in der Bundesrepublik eingenommenen Förderabgaben erzielt, aber ein relativ geringes Steueraufkommen aufweist, einen vergleichsweise hohen Anteil am Finanzausgleich erhielt. Angesichts des hohen Aufkommens aus der Förderabgabe hatte das alleinige Abstellen des Finanzausgleichsmechanismus auf die Steuerkraft seine Verlässlichkeit verloren.57 Nach der dem verfassungsgerichtlichen Urteil nachfolgenden Korrektur durch den Gesetzgeber hat sich der zur früheren Rechtslage geführte Streit um die finanzausgleichswirksame Berücksichtigung der Einnahmen aus der Förderabgabe58 inzwischen erledigt.59

§ 30 Feldesabgabe (1) Der Inhaber einer Erlaubnis zur Aufsuchung zu gewerblichen Zwecken hat jährlich eine Feldesabgabe zu entrichten. (2) Die Feldesabgabe ist an das Land zu entrichten, in dem das Erlaubnisfeld liegt; § 137 bleibt unberührt. (3) 1Die Feldesabgabe beträgt im ersten Jahr nach der Erteilung fünf Euro je angefangenen Quadratkilometer und erhöht sich für jedes folgende Jahr um weitere fünf Euro bis zum Höchstbetrag von fünfundzwanzig Euro je angefangenen Quadratkilometer. 2Auf die Feldesabgabe sind die im Erlaubnisfeld in dem jeweiligen Jahr für die Aufsuchung gemachten Aufwendungen anzurechnen.

Übersicht I.

Begriff

II.

Abgabepflichtige (Absatz 1)

III.

Anspruchsberechtigte (Absatz 2)

IV. 1. 2.

1 2

Bemessung der Feldesabgabe (Absatz 3) 6 Bemessungsgrundlage 7 Bemessungsmaßstab und Höhe

4

I. Begriff Der Begriff der „Feldesabgabe“ ist eingeführt worden, weil der Bemessungsmaßstab für diese 1 Abgabe sich auf das Feld bezieht, für das die Erlaubnis erteilt wurde.

55 56 57 58

BVerfG 24.6.1986, 2 BvF 1/83, 2 BvF 5/83, 2 BvF 6/83, 2 BvF 1/85, 2 BvF 2/85, BVerfGE 72, 330, 410 ff. BVerfG 24.6.1986, 2 BvF 1/83, 2 BvF 5/83, 2 BvF 6/83, 2 BvF 1/85, 2 BvF 2/85, BVerfGE 72, 330, 411. Vgl. BVerfG 24.6.1986, 2 BvF 1/83, 2 BvF 5/83, 2 BvF 6/83, 2 BvF 1/85, 2 BvF 2/85, BVerfGE 72, 330, 411. Vgl. Friauf JA 1984, 618, 626 f.; Karpen AöR 109, 417 ff., 431 ff.; Kisker Der bergrechtliche Förderzins im bundesstaatlichen Finanzausgleich, S. 30 ff.; Kühne DB 1982, 1693, 1695 f. 59 Zum Sonderproblem der Rückerstattung bergrechtlicher Förderabgaben im Länderfinanzausgleich Henning Die bergrechtliche Förderabgabe im bundesdeutschen Länderfinanzausgleich, S. 37 ff. 227 https://doi.org/10.1515/9783110709285-044

Mann

§ 30

Zweiter Teil – Bergbauberechtigungen

II. Abgabepflichtige (Absatz 1) 2 Die Verpflichtung, gemäß Abs. 1 jährlich eine Feldesabgabe zu entrichten, besteht nur für den Inhaber einer Aufsuchungserlaubnis zu gewerblichen Zwecken. Sie gilt dagegen nicht für Inhaber einer Erlaubnis zur großräumigen Aufsuchung (§ 4 Abs. 1 Satz 2) oder zur Aufsuchung zu wissenschaftlichen Zwecken, denn diese beiden Erlaubnisarten fallen nicht unter den Begriff der Erlaubnis zur Aufsuchung zu gewerblichen Zwecken i.S.d. Abs. 1 (vgl. auch § 4 Rn. 5). Nach der Begründung der Regierungsvorlage entspricht diese Ausnahme dem allgemeinen Grundsatz, die Aufsuchung zu wissenschaftlichen Zwecken so wenig wie möglich zu belasten.1 Ähnliche Überlegungen dürften für die erst im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens in das Gesetz aufgenommene Form der Erlaubnis zur großräumigen Aufsuchung gelten, zumal diese gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 auf die Ermittlung von Kennwerten beschränkt ist (näher § 4 Rn. 3). 3 Der Inhaber einer Bewilligung fällt ebenfalls nicht unter die Verpflichtung zur Zahlung einer Feldesabgabe, sondern ist nach Maßgabe des § 31 förderabgabepflichtig. Seine Befreiung von der Feldesabgabepflicht besteht auch dann, wenn in seinem Bewilligungsfeld während eines Jahres keine Förderung stattgefunden hat und damit ausweislich des Tatbestandes des § 31 auch keine Förderabgabe zu entrichten ist. Für die Annahme einer in diesem Fall auflebenden subsidiären Feldesabgabeplicht bietet das BBergG keinen Anhaltspunkt. Für alte Rechte und Verträge kommt Abs. 1 nur zum Zuge, wenn das Recht oder der Vertrag gemäß § 149 angezeigt und bestätigt worden ist und nach § 152 als Erlaubnis i.S.d. § 7 (fort-)gilt.2

III. Anspruchsberechtigte (Absatz 2) 4 Nach Abs. 2 Halbsatz 1 ist jeweils das Land, in dem das Feld der Erlaubnis liegt, anspruchsberechtigt. Für die Erhebung und Bezahlung der Feldesabgabe sind im Einzelnen die von den Ländern auf Grund des § 32 erlassenen Rechtsverordnungen über Feldes- und Förderabgaben maßgebend.3 Soweit eine entsprechende Verordnung nicht erlassen ist, gelten die Regelungen des § 30 Abs. 3. 5 Der auf Vorschlag des Wirtschaftsausschusses4 eingefügte Verweis in Abs. 2 Halbsatz 2 auf § 137 betrifft die Verhältnisse im Bereich des Festlandsockels, bei denen eine Zuordnung von Feldes- und Förderabgaben zum Bund oder zu den Ländern umstritten war. Für den Festlandsockel sieht der in Bezug genommene § 137 ausdrücklich nur eine Übergangsregelung vor, wonach die Feldesabgabe an dasjenige Land zu entrichten ist, an dessen Küstengewässer das Feld einer Erlaubnis im Bereich des Festlandsockels angrenzt. Die Zuordnung eines Feldes zum Gebiet des Landes bestimmt sich gemäß § 137 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 nach dem seerechtlichen Äquidistanzprinzip, das die Grenzlinie in gleichem Abstand von beiden Küsten zieht.5 Mit dieser Übergangsregelung, die seinerzeit auf Veranlassung des Bundesrates durch den Vermittlungsausschuss eingeführt worden war,6 sollte einer endgültigen Regelung der Rechte am Festlandsockel nicht vorgegriffen werden. Insbesondere wird nicht 1 BT-Drs. 8/1315, S. 95. 2 A.A. Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 30 Rn. 4. 3 Vgl. FFVO B-W vom 11.12.2006 (GBl. S. 395); BayFFördAbgV vom 22.12.1998 (GVBl. S. 1050); BbgFördAV vom 11.12.2015 (GVBl. II Nr. 69); BremFördAV vom 10.5.2012 (GVBl. S. 180); HbgFFAbgVO vom 22.4.2014 (GVBl. S. 142); FVO Hess 13.12.2004 (GVBl. I S. 454); FeFördAVO M-V vom 8.4.2014 (GVOBl. S. 140); Nds FördAVO vom 10.12.2010 (GVBl. S. 564); FFVO NRW vom 16.5.2018 (GVBl. S. 272); FFVO RLP vom 23.9.1986 (GVBl. S. 271); FFVO SL vom 5.3.1987 (Amtsbl. S. 250); SächsFFAVO vom 21.7.1997 (GVBl. S. 521); FörderAVO LSA vom 15.7.2019 (GVBl. S. 192); FFVO S-H vom 11.12.2012 (GVOBl. S. 776); Thür FFVO vom 23.8.2005 (GVBl. S. 332). 4 BT-Drs. 8/3965, S. 21, 135. 5 Vgl. präzise Art. 6 Abs. 2 des Internationalen Übereinkommens über den Festlandsockel vom 29.4.1958 (UNTS 499, S. 311). Das spätere SRÜ vom 10.12.1982, das gegenüber dem Festlandsockel-Abkommen Vorrang genießt (Art. 311 Abs. 1 SRÜ), hat diese Bestimmung durch Art. 76 Abs. 10 und Art. 83 SRÜ bis zum Abschluss bilateraler Verträge unberührt gelassen. 6 BT-Drs. 8/4331, Anl. S. 2 unter Nr. 5. Mann

228

Erstes Kapitel – Bergfreie Bodenschätze

§ 30

präjudiziert, ob das Gebiet des Festlandsockels territorialer Bestandteil der Küstenländer oder des Bundes ist.7 Mittlerweile haben sich die Länder Nds und S-H am 12.4.2007 auf ein Verwaltungsabkommen über die Abgrenzung der Zuständigkeit im Bereich des deutschen Anteils am Festlandsockel unter der Nordsee geeinigt.8 Zu weiteren Einzelheiten siehe § 137 Rn. 2.

IV. Bemessung der Feldesabgabe (Absatz 3) 1. Bemessungsgrundlage Abs. 3 legt die Bemessungsgrundlage und den Bemessungsmaßstab für die Feldesabgabe fest. 6 Grundlage für die Bemessung ist der angefangene Quadratkilometer, sodass jeder Quadratkilometer des Feldes einer Erlaubnis bei der Feststellung der Bemessungsgrundlage Berücksichtigung findet. Erleidet das Erlaubnisfeld Einschränkungen durch innerhalb seiner Grenzen gelegene andere (ältere) Bergbauberechtigungen für die gleichen Bodenschätze,9 so bleiben die Flächen dieser Berechtigungen bei der Berechnung des Flächeninhalts des Erlaubnisfeldes außer Ansatz. Umfasst die Erlaubnis verschiedene Bodenschätze und sind für diese unterschiedlich große Berechtigungen innerhalb des Erlaubnisfeldes vorhanden, richtet sich die Bemessungsgrundlage nach dem Bodenschatz, der die größte Fläche des Erlaubnisfeldes einnimmt.

2. Bemessungsmaßstab und Höhe Als Bemessungsmaßstab für die Höhe der Feldesabgabe pro angefangenen Quadratkilometer ist 7 die Zahl der Jahre seit Erteilung der Erlaubnis maßgebend. Nach Abs. 3 Satz 1 beträgt die Abgabe im ersten Jahr A 5 und erhöht sich für jedes folgende Jahr um weitere A 5 bis zum Höchstbetrag von A 25 je Quadratkilometer des Erlaubnisfeldes.10 Eine fortlaufende Steigerung des Abgabesatzes bei Verlängerung einer Erlaubnis zur Aufsuchung über die Dauer von fünf Jahren hinaus sieht das Gesetz nicht vor. Die Länder sind aber nach § 32 Abs. 2 ermächtigt, unter den dort genannten Voraussetzungen durch Rechtsverordnung einen von § 30 Abs. 3 Satz 1 abweichenden Betrag und eine andere Staffelung festzusetzen; dabei ist eine Erhöhung der Abgaben gemäß § 32 Abs. 2 Satz 2 höchstens auf das Vierfache der sich aus § 30 Abs. 3 Satz 1 ergebenden Beträge zulässig, d.h. die Feldesabgabe kann im fünften Jahr nach Erteilung der Erlaubnis einen Höchstbetrag von A 100 pro angefangenen Quadratkilometer erreichen. Von der Möglichkeit der Festsetzung abweichender Beträge oder einer abweichenden Staffelung für bestimmte Bodenschätze haben einige Länder Gebrauch gemacht.11 Falls sich eine Erlaubnis auf mehrere Bodenschätze erstreckt, für die unterschiedliche Abgabensätze gelten, ist der Berechnung der Feldesabgabe derjenige Bodenschatz zugrunde zu legen, für den der höchste Satz gilt. Für die Erlaubnisinhaber ist es besonders wichtig, dass nach Abs. 3 Satz 2 die im Erlaubnisfeld 8 gemachten Aufwendungen auf die Feldesabgabe anzurechnen sind. Es empfiehlt sich mithin, 7 BT-Drs. 8/4220, S. 3. 8 Vgl. Amtsbl. S-H 2007, S. 306 bzw. Nds MBl. 2007, S. 371. 9 Vgl. etwa die Konstellation in OVG Lüneburg 17.7.2008, 7 LC 53/05, ZUR 2008, 595, 596 = ZfB 2008, 257 ff.: Kollision von Erkundungsbergwerk und alter Salzabbaugerechtigkeit. 10 Die in der ursprünglichen Fassung der Vorschrift noch vorgesehenen DM-Beträge (DM 10 je km2, Höchstsatz DM 50 je km2) wurden durch Art. 23 Nr. 1 des 9. Euro-Einführungsgesetzes vom 10.11.2001 (BGBl. I S. 2992) in Eurobeträge umgerechnet. 11 Vgl. z.B. § 9 Nds FördAVO vom 10.12.2010 (GVBl. S. 564): A 20/km2 jährlich auf Erdgas und -öl, Höchstbetrag A 80; § 9 FFVO S-H 2013 vom 11.12.2012 (GVOBl. S. 776): A 20/km2 jährlich auf Erdgas und -öl, Höchstbetrag A 80; ebenso für Erdöl und Naturgas § 11 FVO Hess vom 13.12.2004 (GVBl. I S. 454) und § 9 FFVO NRW vom 16.5.2018 (GVBl. S. 272) mit dem Höchstbetrag A 60. In B-W gelten diese Sätze für Erdgas, -öl, Steinsalze und Sole, § 11 FFVO B-W vom 11.12.2006 (GBl. S. 395). 229

Mann

§ 31

Zweiter Teil – Bergbauberechtigungen

über die jährlichen Aufwendungen im Erlaubnisfeld, die für die Aufsuchung i.S.d. § 4 Abs. 1 entstehen (z.B. auch für Geochemie und Processing12), genaue Aufzeichnungen zu machen, die von der zuständigen Bergbehörde nachgeprüft werden können. Die Länder sind nicht befugt, die in Satz 2 vorgeschriebene Anrechnung durch Rechtsverordnung nach § 32 Abs. 2 auszuschließen oder einzuschränken, denn insoweit stehen nicht die Einnahmen der Länder durch die Feldesabgabe im Vordergrund, sondern der Gesetzeszweck richtet sich darauf, die Erlaubnisinhaber durch die Anrechnungsmöglichkeit zu einer Intensivierung ihrer Aufsuchungsarbeiten anzuhalten.13 In ökonomischer Hinsicht führt diese Anrechnungsmöglichkeit freilich dazu, dass die tatsächlich abzuführenden Feldesabgaben i.d.R. so gering ausfallen, dass ihnen im Allgemeinen keine besondere wirtschaftliche Bedeutung zukommt.14 Die Feldes- und Förderabgabeverordnungen der Länder regeln in ihrem allgemeinen Teil 9 auch jeweils näher das Verfahren für die Erhebung und Entrichtung der Feldesabgabe.

§ 31 Förderabgabe (1)

1

Der Inhaber einer Bewilligung hat jährlich für die innerhalb des jeweiligen Jahres aus dem Bewilligungsfeld gewonnenen oder mitgewonnenen bergfreien Bodenschätze eine Förderabgabe zu entrichten. 2Gleiches gilt für den Bergwerkseigentümer. 3Eine Förderabgabe ist nicht zu entrichten, soweit die Bodenschätze ausschließlich aus gewinnungstechnischen Gründen gewonnen und nicht wirtschaftlich verwertet werden. 4Satz 3 gilt nicht für die Errichtung eines Untergrundspeichers. (2) 1Die Förderabgabe beträgt zehn vom Hundert des Marktwertes, der für im Geltungsbereich dieses Gesetzes gewonnene Bodenschätze dieser Art innerhalb des Erhebungszeitraums durchschnittlich erzielt wird. 2Für Bodenschätze, die keinen Marktwert haben, stellt die zuständige Behörde nach Anhörung sachverständiger Stellen den für die Förderabgabe zugrunde zu legenden Wert fest. (3) § 30 Abs. 2 gilt entsprechend.

Übersicht I.

Einleitung

1

II.

Bohrlochprinzip

III.

Abgabenpflichtige

IV.

Alte Rechte/aufrechterhaltenes Bergwerkseigen4 tum

2 3

V.

Ausnahmen von der Abgabepflicht (Absatz 1 5 Satz 3)

VI.

Untergrundspeicher

VII. Förderabgabesatz

VIII. 1. 2. 3. 4. 5.

Bemessungsgrundlage/Marktwertfestsetzung 9 Marktwert 11 Zuständigkeit 12 Aufbereitungsbedürftige Bodenschätze 14 Marktwert und besondere Besteuerung 15 Bodenschätze ohne Marktwert

IX.

Anspruchsberechtigte Länder

X.

Besonderheiten in den „neuen“ Bundeslän17 dern

16

6 7

12 Frenz/Sladek BBergG, § 30 Rn. 13. 13 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 30 Rn. 7; Frenz/Sladek BBergG, § 30 Rn. 13. 14 Tettinger in: R. Schmidt (Hrsg.) Öffentliches Wirtschaftsrecht Besonderer Teil 1 (1995), § 8 Rn. 22. Mann https://doi.org/10.1515/9783110709285-045

230

Erstes Kapitel – Bergfreie Bodenschätze

§ 31

I. Einleitung Während bei der Feldesabgabe die Größe des Erlaubnisfeldes als Bemessungsgrundlage dient (vgl. 1 § 30 Rn. 6), richtet sich die Förderabgabe als Verleihungsgebühr (vgl. Vorbem. §§ 30–32 Rn. 11 f.) grundsätzlich nach dem Wert der innerhalb des Feldes einer Gewinnungsberechtigung gewonnenen und mitgewonnenen bergfreien Bodenschätze. Allein das Ausnutzen einer Bewilligung löst die Abgabenpflicht nicht aus.1 Es müssen vielmehr auch bergfreie Bodenschätze abgebaut werden, sodass die Gewinnung nur grundeigener Bodenschätze i.S.d. § 3 Abs. 2 Satz 1 nicht zur Erhebung einer Förderabgabe führt.

II. Bohrlochprinzip § 31 Abs. 1 Satz 1 knüpft das Entstehen der Förderabgabepflicht an die Gewinnung aus dem Bewil- 2 ligungsfeld an. Ob der bezeichnete Bodenschatz tatsächlich bergfrei ist, ist wegen der Bestandskraft der Bewilligung für die Heranziehung zu einer Förderabgabe nicht mehr nachzuprüfen.2 Problematisch ist bei der Gewinnung von flüssigen oder gasförmigen Bodenschätzen, was unter der Gewinnung aus dem Bewilligungsfeld zu verstehen ist, da diese zwischen verschiedenen Bewilligungsfeldern strömen können.3 Die Förderabgabe könnte grundsätzlich auch nach der geförderten Menge von Erdöl oder -gas zu richten sein, die in dem Bewilligungsfeld bereits vor Förderung vorhanden war (sog. Lagerstättenprinzip),4 doch ist aus Praktikabilitätsgründen auf die tatsächlich aus dem Bohrloch geförderte Menge abzustellen (sog. Bohrlochprinzip). Das ist bei mineralischen Bodenschätzen in festem Zustand kein Problem, gilt aber auch bei Bodenschätzen in flüssigem oder gasförmigem Aggregatzustand und selbst dann, wenn ein Teil der geförderten Menge aus dem einem anderen Berechtigten zugeordneten Bewilligungsfeld nachgeströmt ist.5 Insoweit führt auch das BVerwG aus, dass eine strikte Anwendung des Bohrlochprinzips innerstaatlich kein Problem darstelle, da ein finanzielles Ausgleichsverfahren zwischen unterschiedlichen Bewilligungsinhabern innerstaatlich einfach möglich sei (entsprechend §§ 812 ff. oder § 906 BGB).6 Zum Teil wird das Bohrlochprinzip umfassend verstanden, d.h. es soll auch im Verhältnis der Berechtigten untereinander Geltung beanspruchen (Sondenprinzip).7 Etwas anderes gilt im Ems-Dollart-Gebiet. Hier bestimmt sich die Reichweite des § 31 Abs. 1 Satz 1 nach dem Zusatzabkommen zum Ems-Dollart-Vertrag.8 Der in Art. 5 Abs. 1 des Zusatzabkommens niedergelegte Grundsatz einer Aufteilung des gewonnenen Erdöls und -gases zwischen den deutschen und niederländischen Berechtigten nach gleichen Anteilen (Aufteilungsgrundsatz) ersetzt das Bohrlochprinzip. Es findet mithin eine volumenmäßige Aufteilung der gesamten im Grenzbereich geförderten Menge zwischen den vertragsschließenden Staaten statt, weshalb unbeachtlich ist, welcher nach dem jeweiligen innerstaatlichen Recht Berechtigte an welcher Stelle in diesem Gebiet Erdöl oder -gas gefördert hat.9 Die unklare Rechtslage bei grenzüberschreitenden Lagerstätten hat in der Praxis zum Abschluss öffentlich-rechtlicher Förderabgabeverträge geführt, durch die 1 2 3 4

OVG Magdeburg 22.3.2001, 1 M 267/00 = ZfB 2002, 65, 66. BVerwG 19.2.2004, 7 C 9/03 = ZfB 2004, 126, 127. Mössner FS Thieme (1993), S. 1023, 1030. Hierzu mit beachtlichen Argumenten Kühne DVBl 2002, 1116, 1117 f.; von Hammerstein FS Kühne (2009), S. 575, 578 ff., 582. 5 Mössner FS Thieme (1993), S. 1023, 1030, 1034. 6 BVerwG 4.12.2001, 4 C 2/00, BVerwGE 115, 274, 286 f. = ZfB 2002, 152 ff.; vgl. auch Kühne DVBl 2002, 1116, 1117. 7 So Mössner FS Thieme (1993), S. 1023, 1030, 1034; Mössner in: J. Ipsen/Stüer (Hrsg.) Öffentliche Verwaltung in Europa, S. 61, 65; a.A. Kühne DVBl 2002, 1116, 1117. 8 Zusatzabkommen zu dem zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande am 8.4.1960 unterzeichneten Vertrag über die Regelung der Zusammenarbeit in der Emsmündung (Ems-Dollart-Vertrag) vom 14.5.1962 (BGBl. 1963 II S. 653). 9 BVerwG 4.12.2001, 4 C 2/00, BVerwGE 115, 274 ff. = ZfB 2002, 152 ff. 231

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§ 31

Zweiter Teil – Bergbauberechtigungen

zahlreiche Problemstellungen im Umfeld der Förderabgabeerhebung bereits im Vorfeld einer einvernehmlichen Regelung zugeführt werden können.10

III. Abgabenpflichtige 3 Die Verpflichtung zur Entrichtung der Förderabgabe trifft gemäß Abs. 1 Satz 1 und 2 den Inhaber einer Bewilligung oder den Bergwerkseigentümer. Der Bergwerkseigentümer bleibt, unbeschadet einer abweichenden Regelung im Innenverhältnis, auch dann zur Zahlung der Förderabgabe verpflichtet, wenn er sein Bergwerkseigentum einem Dritten zur Ausübung überlässt (vgl. § 9 Rn. 8). Bei einer Zulegung geht die Förderabgabepflicht dagegen gemäß § 38 Abs. 1 Satz 2 vom Inhaber der ursprünglichen Gewinnungsberechtigung auf den Inhaber des Rechts zum grenzüberschreitenden Abbau über. Da die Abgabepflicht in Abs. 1 Satz 1 und 2 auf Bewilligungsinhaber und Bergwerkseigentümer beschränkt ist, braucht der Inhaber einer Erlaubnis zur Aufsuchung zu gewerblichen Zwecken für diejenigen bergfreien Bodenschätze, die er bei der Aufsuchung im Rahmen des § 7 Abs. 1 Nr. 2 gewinnt, keine Förderabgabe zusätzlich zu der ihn treffenden Feldesabgabe (vgl. § 30 Rn. 2) zu entrichten.

IV. Alte Rechte/aufrechterhaltenes Bergwerkseigentum 4 Für Inhaber alter Rechte oder Verträge kommt § 31 nur zum Zuge, wenn das Recht oder der Vertrag nach § 149 angezeigt und bestätigt wurde und gemäß § 153 als Bewilligung nach § 8 gilt. Für aufrechterhaltenes Bergwerkseigentum i.S.d. § 151 wird keine Förderabgabe erhoben, da § 31 nach § 151 Abs. 2 Nr. 2 nicht anzuwenden ist.11 Das ist konsequent, weil die Erhebung von Förderabgaben wegen des Charakters als Verleihungsgebühr (vgl. Vorbem. §§ 30–32 Rn. 11 f.) nur für Bergwerkseigentum in Betracht kommt, das erst aufgrund des BBergG verliehen wird.12 Insoweit müssten sich Reformforderungen, die für eine Einbeziehung des aufrechterhaltenen Bergwerkeigentums in § 31 plädieren,13 neben verfassungsrechtlichen Einwänden14 auch mit der Veränderung im Grundcharakter der Förderabgabenpflicht auseinandersetzen (vgl. Vorbem. §§ 30–32 Rn. 14).

V. Ausnahmen von der Abgabepflicht (Absatz 1 Satz 3) 5 Eine wichtige gesetzliche Ausnahme von der Förderabgabepflicht enthält Abs. 1 Satz 3. Danach braucht keine Förderabgabe entrichtet zu werden, soweit bergfreie Bodenschätze im Gewinnungsfeld ausschließlich aus gewinnungstechnischen Gründen gewonnen und nicht wirtschaftlich verwertet werden. Der Begriff „Gewinnen“ ist in diesem Zusammenhang i.S.d. § 4 Abs. 2 zu verstehen, d.h. er erfasst das Lösen oder Freisetzen von Bodenschätzen als tatsächlichen Vorgang, also

10 11 12 13

Dazu ausführlich Altenschmidt in: Pielow (Hrsg.) Bergrecht im Wandel der Zeit (2020), S. 113 ff. Dazu BFH 25.7.2012, I R 101/10, BB 2012, 2940, 2941 (Rn. 19). BT-Drs. 8/1315, S. 169. Vgl. etwa Meyer/Ludewig Forum ökologische soziale Marktwirtschaft (FÖS), Eckpunktepapier: Das Potential der bergrechtlichen Förderabgabe für Ressourcenschutz und Länderfinanzen (2011), passim, abrufbar unter http:// www.foes.de/pdf/Eckpunktepapier_Foerderabgabe.pdf (Abruf vom 17.1.2023). 14 Hierzu ansatzweise Giesecke Einführung einer Förderabgabe für Inhaber alter Rechte gemäß § 149 BBergG, Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages vom 16.12.2011, Az.: WD 3 – 3000 – 369/11. Mann

232

Erstes Kapitel – Bergfreie Bodenschätze

§ 31

unabhängig von damit verbundenen subjektiven Zwecksetzungen (vgl. § 4 Rn. 7).15 Die Ausnahme nach Satz 3 gilt daher für gewonnene wie für mitgewonnene bergfreie Bodenschätze. Mit der Forderung, dass die Bodenschätze ausschließlich aus gewinnungstechnischen Gründen gewonnen sein müssen, soll erreicht werden, dass die Befreiung von der Förderabgabe nach Satz 3 beispielsweise dann nicht eintritt, wenn bergfreie Bodenschätze, die zum Zweck einer wirtschaftlichen Verwertung gewonnen wurden, später aus irgendwelchen Gründen nicht wirtschaftlich verwertet werden können. Vielmehr liegen solche „gewinnungstechnischen Gründe“ in erster Linie vor, wenn bergfreie Bodenschätze aus bergtechnischen oder bergsicherheitlichen Gründen mitgewonnen werden müssen. Eine auf die Gewinnungstechnik zurückzuführende Ausnahme kann nach der Gesetzesbegründung z.B. bei der Erdölförderung vorliegen, wenn zwangsläufig Gase mitgefördert und entweder abgefackelt oder der Lagerstätte wieder zugeführt werden.16 Gleiches gilt für die im Zusammenhang mit der Gewinnung von Stein- und Braunkohle auftretenden Gase. So kann von einer Förderabgabenpflicht für mitgewonnenes Grubengas aus bergsicherheitlichen Gründen befreit werden, wenn die Gewinnung des Grubengases erfolgt, um Gefahren für Gesundheit und Eigentum abzuwehren.17 Eine wirtschaftliche Verwertung i.S.d. Satzes 3 liegt vor, wenn die Bodenschätze durch Veräußerung an Dritte wirtschaftlich nutzbar gemacht werden, nicht dagegen bei einer Verwendung im eigenen Gewinnungsbetrieb für betriebliche Zwecke.

VI. Untergrundspeicher In der Regierungsvorlage des Gesetzes war ursprünglich eine Ausnahme von der Förderabgabe- 6 pflicht auch für die Errichtung von Untergrundspeichern vorgesehen.18 Dabei hatte die Bundesregierung insbesondere solche Fälle im Blick, in denen das beim Herstellen von Kavernenspeichern zur Bevorratung von Erdöl in Salzstöcken anfallende Salz nicht verwertet, sondern dem Meer zugeleitet wird.19 Der Bundesrat hielt jedoch eine gesetzliche Freistellung von der Förderabgabe in diesen Fällen nicht für vertretbar: Schon aus Gründen der Gleichbehandlung müsse für ausgesoltes Salz in jedem Fall ein Förderzins gezahlt werden, und zwar unabhängig davon, ob es verwertet oder nur in das Meer geleitet werde; außerdem müsse sich der Hersteller der Kaverne darüber im Klaren sein, dass er einen nutzbaren Bodenschatz gewinne, den er grundsätzlich auch verwerten sollte.20 Ebenso wie bereits die Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung21 hat sich dann auch der Wirtschaftsauschuss des Deutschen Bundestages im Interesse einer möglichst weitgehenden Schonung der Lagerstätten und im Hinblick auf die frühere Praxis dem Vorschlag des Bundesrates zur Abgabepflicht bei der Herstellung von Kavernenspeichern angeschlossen.22 Abs. 1 Satz 4 hat daher die jetzige Fassung erhalten, welche allerdings nicht besagt, dass für die Errichtung eines Untergrundspeichers in jedem Falle eine Förderabgabe zu entrichten ist. Wenn beispielsweise ein Untergrundspeicher hergestellt wird, ohne dass dazu ein Gewinnen i.S.d. § 4 Abs. 2 erfolgt und mithin auch keine Bewilligung oder Bergwerkseigentum i.S.d. Satzes 1

15 BVerwG 2.11.1995, 4 C 14/94, BVerwGE 100, 1 Rn. 19 = ZfB 1996, 278 ff. In diesem Sinne auch die Begr. des RegE zu § 4 BBergG, BT-Drs. 8/1315, S. 80 sowie Weller ZfB 1985, 188, 191; Schulte Kernfragen des bergrechtlichen Genehmigungsverfahrens (1993), S. 20 f.; Kühne Bergrechtlicher Rahmenbetriebsplan, Anlagengenehmigungsrecht und Umweltverträglichkeitsprüfung (1993), S. 80 ff.; Kühne DVBl 1985, 207, 208. 16 BT-Drs. 8/1315, S. 96; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 31 Rn. 5. 17 Vgl. näher Frenz DÖV 2006, 718 ff.; Gahlen/Weiß Glückauf 2001, 532, 536 ff.; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 31 Rn. 12. 18 Vgl. den damaligen § 30 Abs. 1 Satz 2 des Entwurfs (BT-Drs. 8/1315, S. 19): „aus gewinnungstechnischen Gründen oder zu dem Zweck der Errichtung eines Untergrundspeichers“. 19 BT-Drs. 8/1315, S. 96. 20 BT-Drs. 8/1315, S. 177. 21 BT-Drs. 8/1315, S. 191. 22 BT-Drs. 8/3965, S. 135. 233

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§ 31

Zweiter Teil – Bergbauberechtigungen

erforderlich ist, kommt eine Förderabgabe nicht in Betracht.23 Unabhängig davon besteht die Möglichkeit der Befreiung nach § 32 Abs. 2 Nr. 1.

VII. Förderabgabesatz 7 Der in § 31 Abs. 2 festgesetzte Betrag von 10 % des Marktwertes der gewonnenen Bodenschätze bildet den gesetzlichen Regelsatz für die Förderabgabe und kommt stets zur Anwendung, soweit nicht gemäß § 32 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 landesrechtlich eine abweichende Regelung getroffen worden ist. Die Höhe des Vomhundertsatzes in Abs. 2 Satz 1 ist maßgeblich von der Entwicklung des deutschen Erdöl- und -gasmarktes während des Gesetzgebungsverfahrens beeinflusst worden. Nach dem Ölpreisschock 1973 zogen die inländischen Erdöl- und -gasförderer mit den erheblich gestiegenen Weltmarktpreisen nach und konnten, da die Förderkosten deutscher Produzenten weniger stark angestiegen waren, erhebliche Gewinne (sog. windfall-profits) erzielen. Der RegE sah noch eine Förderabgabe in Höhe von 5 % des Marktwertes der gewonnenen Bodenschätze mit der Möglichkeit einer Erhöhung durch Rechtsverordnung gemäß § 32 Abs. 2 auf das Doppelte vor.24 Der Bundesrat hielt diese Bemessung für nicht ausreichend und begründete dies in seiner Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf mit dem Hinweis auf gestiegene Unternehmensgewinne, die „in keinem Verhältnis mehr zu dem früher üblichen Satz für die Förderabgabe“ stünden. Es erscheine daher gerechtfertigt, auch für inländisches Öl den Förderzins „auf eine den Gewinnen angemessene Höhe zu bringen“.25 Die Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung26 und der Wirtschaftsausschuss des Deutschen Bundestages schlossen sich dieser Auffassung an, zumal sich die Preissituation für bestimmte Energieträger auf dem internationalen Markt bis zur Verabschiedung des Gesetzes nochmals drastisch verschärft hatte.27 So beschloss der Bundestag eine Verdoppelung des Regelsatzes für die Förderabgabe in § 31 Abs. 2 Satz 1 auf 10 % des Marktwertes der Bodenschätze und die Möglichkeit einer Erhöhung bis auf 40 % durch landesrechtliche Verordnungen nach § 32 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. Satz 2. Von der Ermächtigung zur Festsetzung abweichender Beträge haben die meisten Länder Ge8 brauch gemacht. Insbesondere Niedersachsen als das Land, in dem die größten Erdöl- und Erdgasquellen vorkommen, hat noch vor dem vollständigen Inkrafttreten des BBergG auf der Basis des vorzeitig in Geltung gesetzten28 § 32 mit Verordnung vom 17.12.1981 die Förderabgabe auf 32 % angehoben.29 Heutzutage gilt in Nds. eine differenzierte Regelung mit variablen Sätzen je nach Bodenschatz mit zahlreichen Ausnahmeregelungen, wobei im Jahr 2020 sogar vorübergehend keine Förderabgabe auf Erdöl und Naturgas aus bestimmten Lagerstätten erhoben wurde.30 Da eine entsprechend gute Marktsituation bei den meisten anderen in der Bundesrepublik Deutschland gewonnenen Bodenschätzen nicht gegeben ist, kommt für diese mitunter auch eine Senkung des Förderabgabesatzes unter den gesetzlichen Regelwert von 10 %31 oder gar eine Befreiung von der Förderabgabe in Betracht.32

23 24 25 26 27 28 29 30

Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 31 Rn. 5. BT-Drs. 8/1315, S. 19 (damals § 30 Abs. 2). BT-Drs. 8/1315, S. 177. BT-Drs. 8/1315, S. 191. BT-Drs. 8/3965, S. 135. Gemäß § 178 Satz 2 ist § 32 bereits am Tag nach Verkündung des BBergG, also am 21.8.1980, in Kraft getreten. Vgl. § 16 der Nds FördAVO a.F. vom 17.12.1981. Vgl. §§ 9 ff. der Nds FördAVO vom 10.12.2010 (GVBl. S. 564 i.d.Fass. der Änderung vom 16.12.2019 (GVBl. S. 406)), insbes. §§ 11 und 14 zu Erdöl und Naturgas in 2020. 31 So beträgt etwa die Förderabgabe für Kali-, Magnesia- und Borsalze in Hessen (vgl. § 12 FVO Hess. vom 13.12.2004, GVBl. I S. 454) oder für Steinsalz und Sole in Sachsen-Anhalt (vgl. § 12 Abs. 2 FörderAVO LSA vom 15.7.2019, GVBl. S. 192) nur 1 % des Bemessungsmaßstabes/Marktwertes. 32 So für Schwefel und Sole §§ 16, 21 der Nds FördAVO vom 10.12.2010 (GVBl. S. 564). Mann

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Erstes Kapitel – Bergfreie Bodenschätze

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VIII. Bemessungsgrundlage/Marktwertfestsetzung 1. Marktwert Bemessungsgrundlage für die Festsetzung der Förderabgabe ist der Wert der im Feld der Berg- 9 bauberechtigung geförderten Bodenschätze. Um die verfassungsrechtlich gebotene Gleichbehandlung sicherzustellen, gilt nach Abs. 2 Satz 1 als einheitlicher Maßstab der Marktwert, der für im Bundesgebiet gewonnene Bodenschätze der betreffenden Art innerhalb des Erhebungszeitraums durchschnittlich erzielt wird. Hingegen ist nicht auf einen abstrakten Wert der geförderten Bodenschätze und die Wettbewerbsbedingungen, die am Gewinnungsort herrschen, abzustellen.33 Da § 31 Abs. 2 jedoch nur unvollkommen regelt, nach welcher Methode der durchschnittlich erzielte Marktwert zu ermitteln ist, bekommt die in § 32 Abs. 1 Satz 1 enthaltene Ermächtigung an die Länder, die zur Durchführung erforderlichen Vorschriften über die Feststellung des Marktwertes zu erlassen, eine besondere Bedeutung. Problematisch ist insoweit, dass einerseits auf den Marktwert abzustellen ist, der für im 10 gesamten Bundesgebiet gewonnene Bodenschätze gleicher Art durchschnittlich erzielt wird, aber andererseits mit Blick auf die Ermittlungsmethode keine einheitlichen Vorgaben gesetzt sind. Das Landesrecht sieht regelmäßig nur vor, dass die Abgabenpflichtigen der zuständigen Behörde zur Ermittlung des Marktpreises Mitteilung über Erlöse, Mengen und Preise zu machen haben,34 die von den zuständigen Behörden überprüft werden.35 Soweit das VG Halle daher dem Landesverordnungsgeber einen Gestaltungsspielraum hinsichtlich der Marktwertfeststellung zubilligt und damit ausdrücklich in Kauf nimmt, dass die von den Ländern ermittelten durchschnittlichen Marktwerte stark voneinander abweichen,36 dürfte dem so nicht zu folgen sein. Immerhin sollte nach der Gesetzesbegründung das Abstellen auf den Marktwert gerade für eine Vereinheitlichung der vorher von Land zu Land verschiedenen Bemessungsgrundlagen dienen.37 Zwar ermächtigt § 32 Abs. 1 Satz 1 die Länder zum Erlass von Vorschriften über die Feststellung des Marktwertes, jedoch sollten diese sich i.S.d. Gleichbehandlung hinsichtlich der Ermittlungsart des Marktwertes abstimmen, damit dem Wortlaut des § 31 Abs. 2 S. 1 entsprechend für einen Bodenschatz im gesamten Bundesgebiet ein einheitlicher Durchschnittswert zugrunde gelegt werden kann.38

2. Zuständigkeit Zuständig zur Berechnung des Marktwertes sind die in den auf Basis des § 32 Abs. 1 erlassenen 11 Landesverordnungen bestimmten Behörden, so u.a. das Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie in Nds.,39 die Landesbergämter in Thür40 und S-H,41 das Wirtschaftsministerium in Bbg,42

33 OVG Magdeburg 26.6.2002, 1 L 20/02 = ZfB 2002, 194, 198. 34 Vgl. z.B. § 10 Abs. 2 FVO Hess 13.12.2004 (GVBl. I S. 454); § 8 Abs. 1 Nds FördAVO vom 10.12.2010 (GVBl. S. 564); § 8 Abs. 2 FFVO NRW vom 16.5.2018 (GVBl. S. 272); § 10 Abs. 2 FörderAVO LSA vom 15.7.2019 (GVBl. S. 192). 35 Vgl. insoweit etwa die „Richtlinie des Bergamtes Stralsund vom 31.3.2003 für die Erstellung von Massenbilanzen zur Prüfung der den Förderabgaben zugrunde liegenden Angaben“, abrufbar unter https://www.lung.mv-regierung.de/ dateien/bodenschatz_foerderabgabe.pdf (Abruf vom 17.1.2023). 36 VG Halle 29.11.2005, 3 A 130/03 HAL = ZfB 2006, 205, 208 f. 37 BT-Drs. 8/1315, S. 96 (zu § 30 Abs. 2 des Entwurfs). 38 Horn Die Feldes- und Förderabgabe nach dem Bundesberggesetz, S. 52; Boldt/Weller 1. Aufl., § 31 Rn. 5: „im gesamten Bundesgebiet derselbe Marktwert“. 39 Vgl. § 8 Abs. 3 Nds FördAVO vom 10.12.2010 (GVBl. S. 564). 40 Vgl. § 10 Abs. 1 Thür FFVO vom 23.8.2005 (GVBl. S. 332). 41 Vgl. 8 Abs. 1 FFVO S-H vom 11.12.2012 (GVOBl. S. 776). 42 § 8 Abs. 1 BbgFördAV vom 11.12.2015 (GVBl. II Nr. 69). 235

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Zweiter Teil – Bergbauberechtigungen

das Umweltministerium in B-W,43 das Regierungspräsidium Darmstadt in Hessen44 oder die Bezirksregierung Arnsberg in NRW.45

3. Aufbereitungsbedürftige Bodenschätze 12 Gleich in mehrfacher Hinsicht problematisch ist auch die Feststellung des Marktwertes nach Abs. 2 Satz 1. Es fragt sich nämlich, wie mit Bodenschätzen zu verfahren ist, die in ihrem ursprünglichen Gewinnungszustand noch nicht verkaufsfähig sind, sondern erst nach einer Aufbereitung einen Marktwert besitzen. Wie aus der amtlichen Begründung ersichtlich ist, ging die Bundesregierung davon aus, dass Abs. 2 Satz 1 in gleicher Weise sowohl auf aufbereitungsbedürftige als auch auf nicht aufbereitungsbedürftige Bodenschätze Anwendung finden soll: Noch im Stadium der Referentenentwürfe war bezogen auf diese beiden unterschiedlichen Konstellationen ein geteilter Abgabesatz vorgesehen. Dieser Regelungsansatz wurde jedoch verworfen, sodass der RegE 1977 schließlich nur noch einen einzigen Förderabgabesatz (von damals 5 %) vorsah. Damit sollten Aufwendungen, die ab Gewinnungsort bis zur wirtschaftlichen Verwertbarkeit entstehen, von vornherein generell berücksichtigt worden sein.46 Diese Festsetzung des relativ niedrigen Abgabesatzes von 5 % kam somit einem pauschalierten Abzug der Aufbereitungs- und Transportkosten vom erzielten Erlös gleich und stand im Einklang mit dem von der Bundesregierung beabsichtigten Konzept einer Ausgestaltung der Feldes- und Förderabgaben als öffentlich-rechtliche Verleihungsgebühren (vgl. Vorbem. §§ 30–32 Rn. 11 f.).47 Denn wenn die Förderabgabe den Charakter einer Gegenleistung des Berechtigten für die Überlassung des Gewinnungsrechts durch den Staat besitzt, müssen bei der Bemessung dieser Gegenleistung zwangsläufig Werterhöhungen, die die gewonnenen Bodenschätze durch Maßnahmen des Inhabers der Berechtigung oder Dritter im Anschluss an die Gewinnung erfahren, außer Betracht bleiben. Insoweit ist nämlich kein Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung mehr gegeben. 13 Weil aber der Regelsatz im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens auf 10 % verdoppelt wurde, ist es zweifelhaft geworden, ob der Gesichtspunkt einer pauschalen Berücksichtigung der Aufbereitungskosten noch weiterhin trägt. Die Praxis geht davon aus, dass die Aufbereitungskosten im Rahmen der Marktwertfeststellung zu berücksichtigen sind; demgemäß haben die Länder durch Befreiungstatbestände bzw. pauschalierte Abzüge von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, im Rahmen der Durchführungsvorschriften nach § 32 Abs. 1 Satz 1 einen Ausgleich herbeizuführen, indem bei der Festlegung des Marktwertes aufbereitungsbedürftiger Bodenschätze vom Erlös des handelsfähigen Produkts Abzüge in Höhe der Aufbereitungs- und Transportkosten gemacht werden. Unter Billigung von Rspr. und Literatur finden damit im Ergebnis die Aufbereitungskosten in der gleichen Weise Berücksichtigung, als wenn von vornherein auf den Wert des Gewinnungsortes abgestellt würde.48 Darüber hinaus hat es die Rspr. gebilligt, die auf die Förderanlage entfallende anteilige Vermögens- und Gewerbekapitalsteuer zu berücksichtigen.49 Weitere Einzelheiten ergeben sich aus dem Landesrecht. So gehören z.B. nach § 8 Abs. 4 Satz 2 Nds FördAVO u.a. die Preisanteile des Transports sowie die Umsatzsteuer nicht zum wertbildenden Erlös. Ebenso werden sog. 43 Vgl. § 10 Abs. 1 FFVO B-W vom 11.12.2006 (GBl. S. 395) – seit 1.1.2012, zuvor war das Wirtschaftsministerium zuständig.

44 Vgl. § 10 Abs. 1 FVO Hess 13.12.2004 (GVBl. I S. 454) i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) BergZAV Hess. vom 16.4.2008 (GVBl. I S. 679). Vgl. § 8 Abs. 1 FFVO NRW vom 16.5.2018 (GVBl. S. 272). Regierungsbegründung, BT-Drs. 8/1315, S. 96. Vgl. BT-Drs. 8/1315, S. 95. OVG Schleswig 13.7.1994, 4 L 22/93 = ZfB 1994, 286, 293; VG Magdeburg 28.9.2000, 3 A 717/99 MD, JMBl. LSA 2001, 32, 36; Boldt/Weller 1. Aufl., § 31 Rn. 7; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 31 Rn. 11; Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht, Rn. 151; Kühne in: Säcker (Hrsg.) Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, S. 283; Frenz/Sladek BBergG, § 31 Rn. 30. 49 OVG Schleswig 13.7.1994, 4 L 22/93 = ZfB 1994, 286, 289, 294.

45 46 47 48

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Erstes Kapitel – Bergfreie Bodenschätze

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Feldesbehandlungskosten von der Förderabgabe abgezogen, worunter z.B. für Erdöl u.a. die Kosten für den Transport, Kosten für die Aufbereitung zur Herstellung eines raffineriefähigen Rohöls, Kosten für die transportbedingte Lagerung und den Versand sowie die Kosten für die Beseitigung des bei der Aufbereitung anfallenden Wassers gehören, vgl. § 12 Abs. 2 Nds FördAVO.50 Auch Rückstellungen für die spätere Beseitigung der Anlagen hat die Rechtsprechung als solche Feldesbehandlungskosten angesehen.51

4. Marktwert und besondere Besteuerung Eine weitere vom Gesetzestext offen gelassene Frage ist, ob der Verkaufspreis als Indikator für 14 den Marktwert auch dann maßgeblich sein kann, wenn im konkreten Verkaufspreis auch besondere Steuern, z.B. die Mineralölsteuer oder die Ökosteuer, enthalten sind. Hiergegen spricht, dass es der Staat in diesem Falle in der Hand hätte, die Höhe des Marktwertes und damit auch die Höhe der Förderabgabe über seine Steuerpolitik selbst zu beeinflussen.52 Dies würde letztlich in einer Art „Selbstbedienungszirkel“ zu einer Abgabe auf eine Steuerschuld führen. Auch mit dem Charakter der Förderabgabe als Verleihungsgebühr (vgl. Vorbem. §§ 30–32 Rn. 11 f.) wäre dies nicht vereinbar; so stellt etwa die auf den mit der Mineralölsteuer belasteten Abgabepreis aufgeschlagene Förderabgabeschuld keine Gegenleistung für die Einräumung eines Rechts, sondern eine zusätzliche Abgabe zur Mineralölsteuer dar.53

5. Bodenschätze ohne Marktwert Für Bodenschätze, die keinen Marktwert haben, stellt nach Abs. 2 Satz 2 die zuständige Behörde 15 nach Anhörung sachverständiger Stellen den für die Förderabgabe zugrunde zu legenden Wert fest. Nach der Einschätzung der Bundesregierung bietet sich der Marktwert für die weitaus überwiegende Zahl der in Betracht kommenden Bodenschätze als geeigneter Maßstab an, während Bodenschätze, die keinen Marktwert haben, eine Ausnahme bilden sollen.54 Das Gesetz besagt aber nichts darüber, auf welche Weise festgestellt und entschieden wird, ob ein Bodenschatz einen Marktwert hat oder nicht. Fraglich ist damit, ob das Gesetz damit noch den an Rechtsnormen zu stellenden Bestimmtheitsanforderungen genügt. Rechtliche Bedenken könnten sich auch daraus ergeben, dass im Gesetz keine Bestimmung darüber enthalten ist, welche Maßstäbe bei der behördlichen Wertfeststellung nach Abs. 2 Satz 2 anzulegen sind (vgl. dazu § 32 Rn. 4). In der Literatur wird auch insoweit angeregt, dass sich die Wertfeststellung nicht an den Brutto-Einnahmen, sondern ebenfalls am Bohrlochprinzip orientiert.55

IX. Anspruchsberechtigte Länder Die Förderabgabe ist nach Abs. 3 i.V.m. § 30 Abs. 2 an das Land zu entrichten, in dem das Bewilli- 16 gungs- bzw. Bergwerksfeld liegt. Die Berechnung hat sich auf die in dem jeweiligen Feld erzielte Fördermenge zu erstrecken. Liegt das Gewinnungsfeld im Bereich des Festlandsockels, erhält die Förderabgabe gemäß der Übergangsregelung § 137 Abs. 1 das Land, an dessen Küstengewässer der 50 Nds. GVBl. 2010, S. 564. 51 OVG Schleswig 13.7.1994, 4 L 22/93 = ZfB 1994, 286, 289 ff. 52 Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht, Rn. 152; Mußgnug ZfB 1993, 168, 174 f.; Kühne in: Säcker (Hrsg.) Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, S. 283.

53 Mußgnug ZfB 1993, 168, 175, 177 f. 54 BT-Drs. 8/1315, S. 96. 55 Mußgnug ZfB 1993, 168, 177. 237

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Zweiter Teil – Bergbauberechtigungen

Teil des Festlandsockels angrenzt, in dem sich das Feld befindet. Die Länder S-H und Nds. haben sich auf eine verbindliche Abgrenzung des deutschen Anteils am Festlandsockel unter der Nordsee geeinigt (vgl. auch § 30 Rn. 5; § 137 Rn. 2).56 In dem Grenzbereich zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Niederlanden, dem Ems-Dollart-Gebiet, bestimmt das Zusatzabkommen zu dem „Ems-Dollart-Vertrag“ vom 14.5.196257 die Reichweite der deutschen Förderabgabe. Danach steht der deutschen wie der niederländischen Seite jeweils der gleiche Anteil der geförderten Stoffe zu, unabhängig davon, an welcher Stelle in dem Grenzbereich Erdöl oder -gas gefördert wird (s.o. Rn. 2).

X. Besonderheiten in den „neuen“ Bundesländern 17 Eine weitere Besonderheit gilt es auf dem Gebiet der östlichen Bundesländer zu beachten. Nach dem Einigungsvertrag58 wurde das BBergG auf diesem Gebiet nur mit näher festgelegten Maßgaben in Kraft gesetzt.59 Insbesondere zählten dort auch Kiese und Sande für einen Übergangszeitraum zu den bergfreien Bodenschätzen,60 obwohl sie im übrigen Bundesgebiet weiterhin zu den grundeigenen Bodenschätzen gehörten. Dadurch war es möglich, in den neuen Ländern eine Förderabgabe auch auf Sand und Kies zu erheben. Nun ist diese Maßgabe des Einigungsvertrages zwar nach § 1 BodSchVereinhG61 inzwischen nicht mehr anzuwenden, doch bleiben gemäß § 2 Abs. 1 und 2 BodSchVereinhG die für diese Bodenschätze bereits bestehenden Bergbauberechtigungen unberührt und die Bodenschätze, auf die sie sich beziehen, bleiben bis zum Erlöschen dieser Berechtigungen bergfreie Bodenschätze. Diese Sonderregelung hat somit zur Folge, dass für die nach alten Bergbauberechtigungen in den „neuen“ Ländern geförderten Sande und Kiese weiterhin eine Förderabgabe zu entrichten ist,62 obwohl sie infolge des Wegfalls der aus dem Einigungsvertrag zunächst geltenden Maßgaben ab 1996 als grundeigen einzustufen wären.63 Nach der Rspr. des BVerwG soll die damit mögliche Erhebung einer Förderabgabe auf hochwertige Kiese und Sande nur in diesem Teil der Bundesrepublik jedoch nicht gegen den Gleichheitssatz verstoßen.64 Dieser Zustand sei vielmehr eine Konsequenz aus der Einstufung dieser Bodenschätze als bergfrei; dies bedinge, dass der vermögenswerte Vorteil, Bodenschätze abbauen zu dürfen, dem Berechtigten durch Bewilligung erst verliehen werde. Bergfreie Bodenschätze seien aus dem Grundeigentum ausgenommen, sodass der Grundeigentümer über diese nicht verfügen könne und hierfür auch kein Entgelt verlangen könne. Dieser Vorteil für den Unternehmer werde durch die Erhebung der Förderabgabe ausgeglichen.65 56 Amtsbl. Schl.-H. 2007, S. 306; Nds. MBl. Nr. 19/2007, S. 371. 57 Zusatzabkommen zu dem zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande am 8.4.1960 unterzeichneten Vertrag über die Regelung der Zusammenarbeit in der Emsmündung (Ems-Dollart-Vertrag) vom 14.5.1962 (BGBl. 1963 II, S. 653). 58 Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands (Einigungsvertrag) vom 31.8.1990 (BGBl. II, S. 889). 59 BGBl. 1990 II, S. 889, 1003 f. 60 Vgl. Anlage I Kapitel V Sachgebiet D Abschnitt III Nr. 1 Buchst. a) Einigungsvertrag i.V.m. § 3 BG DDR vom 12.5.1969 (GBl. I Nr. 5, S. 29). 61 Gesetz über die Vereinheitlichung der Rechtsverhältnisse bei Bodenschätzen vom 15.4.1996 (BGBl. I S. 602). 62 Vgl. § 19 BbgFördAV vom 11.12.2015 (GVBl. II Nr. 69); § 18 FeFördAVO M-V vom 8.4.2014 (GVOBl. S. 140); § 12 SächsFFAVO vom 21.7.1997 (GVBl. S. 521); § 12 Abs. 2 Nr. 3 FörderAVO LSA vom 15.7.2019 (GVBl. S. 192); § 13 Thür FFVO vom 23.8.2005 (GVBl. S. 332). 63 Zur Förderabgabepflicht für Kiese und Kiessande vgl. OVG Magdeburg 26.6.2002, 1 L 20/02 = ZfB 2002, 194, 198; zur Förderabgabenpflicht für Quarz- und Spezialsande vgl. VG Potsdam 30.1.1996, 1 L 1370/95 = ZfB 1996, 318; VG Magdeburg 28.9.2000, 3 A 717/99 MD, JMBl. LSA 2001, 32; zur Förderabgabepflicht für Gesteine zur Herstellung von Dekostoffen aus Sandstein vgl. VG Halle 29.11.2005, 3 A 130/03 HAL = ZfB 2006, 205, 207. 64 BVerwG 1.2.1999, 4 BN 53/98 = ZfB 1999, 123, 124. 65 BVerwG 1.2.1999, 4 BN 53/98 = ZfB 1999, 123, 124 f.; VG Magdeburg 18.9.2000, 3 A 717/99 MD, JMBl. LSA 2001, 32, 35. Mann

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Erstes Kapitel – Bergfreie Bodenschätze

§ 32

§ 32 Feststellung, Erhebung und Änderung der Feldes- und Förderabgabe 1 Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung die zur Durchführung der §§ 30 und 31 erforderlichen Vorschriften über die Feststellung des Marktwertes und des Wertes nach § 31 Abs. 2 Satz 2 sowie über die Erhebung und Bezahlung der Feldes- und Förderabgabe zu erlassen. 2Natürliche und juristische Personen können zur Erteilung von Auskünften verpflichtet werden, soweit dies zur Festsetzung des Marktwertes erforderlich ist. (2) 1Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung für einen bestimmten Zeitraum 1. Erlaubnisse, Bewilligungen und Bergwerkseigentum auf bestimmte Bodenschätze oder in bestimmten Gebieten von der Feldes- und Förderabgabe zu befreien, 2. für Erlaubnisse auf bestimmte Bodenschätze oder in bestimmten Gebieten einen von § 30 Abs. 3 Satz 1 abweichenden Betrag und eine andere Staffelung festzusetzen, 3. für Bewilligungen und Bergwerkseigentum auf bestimmte Bodenschätze oder in bestimmten Gebieten einen von § 31 Abs. 2 abweichenden Vomhundertsatz oder Bemessungsmaßstab festzusetzen, soweit dies zur Anpassung an die bei Inkrafttreten dieses Gesetzes geltenden Regelungen geboten, zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts, zur Abwehr einer Gefährdung der Wettbewerbslage der aufsuchenden oder gewinnenden Unternehmen, zur Sicherung der Versorgung des Marktes mit Rohstoffen, zur Verbesserung der Ausnutzung von Lagerstätten oder zum Schutz sonstiger volkswirtschaftlicher Belange erforderlich ist oder soweit die Bodenschätze im Gewinnungsbetrieb verwendet werden. 2Dabei dürfen die Abgaben höchstens auf das Vierfache des sich aus § 30 Abs. 3 Satz 1 oder § 31 Abs. 2 Satz 1 ergebenden Beträge erhöht werden. (3) Die Landesregierungen können die Ermächtigung nach den Absätzen 1 und 2 durch Rechtsverordnung auf andere Stellen übertragen.

(1)

Übersicht 1. 2.

I.

Einleitung

1

II.

Durchführungsvorschriften (Absatz 1)

III.

Abweichungen von den Regelungen der §§ 30, 31 6 (Absatz 2)

4

Zulässige Fallgruppen 7 Zielvorgaben einer abweichenden Verordnungs8 gebung

I. Einleitung Durch die in § 32 enthaltenen Ermächtigungen sind die für die Rechtspraxis der Feldes- und 1 Förderabgabe wesentlichen Entscheidungen auf die Ebene von Rechtsverordnungen verlagert worden. Das gilt zunächst für die zur Durchführung des Gesetzes erforderlichen verfahrenstechnischen Bestimmungen über die Wertfeststellung sowie über die Erhebung und Bezahlung der Abgaben (Abs. 1), darüber hinaus aber auch für Änderungen in Bezug auf die Abgabenhöhe (Abs. 2). Der Gesetzgeber des BBergG war der Ansicht, das in den §§ 30 und 31 normierte System der Feldes- und Förderabgabe bliebe ohne die Möglichkeit einer Modifizierung nach Höhe und Bemessungsgrundlage im Verordnungswege „zu wenig elastisch“, denn durch das bei einer Gesetzesänderung einzuhaltende Verfahren könne den wirtschaftlichen Erfordernissen und involvierten öffentlichen Interessen „unter Umständen nicht schnell genug Rechnung getragen wer239 https://doi.org/10.1515/9783110709285-046

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§ 32

Zweiter Teil – Bergbauberechtigungen

den“.1 Als ergänzende Direktive zu den im Text des § 32 Abs. 2 genannten Maßgaben werden sich die Verordnungsgeber, wenn sie Abweichungen von den Maßgaben der §§ 30 und 31 normieren wollen, grundsätzlich auch an allgemein normierten Gesetzeszwecken des BBergG zu orientieren haben, insbesondere an dem Ziel des § 1 Nr. 1, „zur Sicherung der Rohstoffversorgung das Aufsuchen, Gewinnen und Aufbereiten von Bodenschätzen unter Berücksichtigung ihrer Standortgebundenheit und des Lagerstättenschutzes bei sparsamem und schonendem Umgang mit Grund und Boden zu ordnen und zu fördern“.2 Bei den in § 32 ausgesprochenen Ermächtigungen handelt es sich um Rechtsverordnungser2 mächtigungen i.S.d. Art. 80 Abs. 1 GG, die den Landesregierungen3 als Organen der Exekutive die Möglichkeit einräumen, materielles Recht zu erlassen. Die in Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG aufgestellten Bestimmtheitsanforderungen an Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung4 werden durch § 32 gewahrt. Alle deutschen Länder, mit Ausnahme Stadtstaaten Berlins, haben von der Ermächtigung in § 32 Abs. 1 Gebrauch gemacht. Eine Auflistung der Feldes- und Förderabgabeverordnungen mit ihren Fundstellen (Rechtsstand März 2022) findet sich in der Kommentierung zu § 30 unter Rn. 4 in Fn. 3. Der Aufbau dieser Verordnungen ist aufgrund einer vom Länderausschuss Bergbau initiierten Musterverordnung5 weitgehend identisch: In einem ersten allgemeinen Teil finden sich die grundlegenden Maßgaben für das Verfahren über die Erhebung und Entrichtung der Feldesund Förderabgaben und die Berechnung des Marktwertes, danach folgen in einem besonderen Teil auf einzelne Bodenschätze bezogene Spezialregelungen, etwa zu deren jeweiligen Marktwerten oder zu auf den jeweiligen Rohstoff bezogenen abweichenden Begünstigungs- und Befreiungstatbeständen. 3 Auch die in Absatz 3 eingeräumte Möglichkeit einer Übertragung der Ermächtigung auf andere Stellen ist in den meisten Ländern genutzt worden, um regelmäßig6 eine Zuständigkeit des jeweiligen Landeswirtschaftsministeriums7 zu begründen. Klarzustellen ist, dass es sich bei den auf Grundlage des § 32 erlassenen Rechtsverordnungen terminologisch und sachlich nicht um Bergverordnungen i.S.d. §§ 65 ff. handelt, wie sich bereits aus der Klammerdefinition in § 65 S. 2 erschließt.

II. Durchführungsvorschriften (Absatz 1) 4 Die Ermächtigung in Abs. 1 Satz 1 betrifft die Befugnis, im Verordnungswege die Durchführungsvorschriften über die Feststellung des Marktwertes (bzw. des Wertes nach § 31 Abs. 2 Satz 2) sowie über die Erhebung und Bezahlung der Feldes- und Förderabgabe zu erlassen. Der Wortlaut enthält 1 BT-Drs. 8/1315, S. 96. 2 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 32 Rn. 2; Frenz/Sladek BBergG, § 32 Rn. 10. 3 In § 31 Abs. 1 RegE (BT-Drs. 8/1315, S. 19) war noch der Bundeswirtschaftsminister als Adressat der Ermächtigung vorgesehen. Nach Beanstandung durch den Bundesrat ist im Vermittlungsausschuss die Länderzuständigkeit geregelt worden, vgl. näher Vorbem. §§ 30–32 Rn. 2. 4 Vgl. hierzu im Überblick Sachs/Mann GG, Art. 80 Rn. 23 ff. 5 Siehe dazu Bücker ZfB 1982, 77, 78. 6 Abweichende Regelungen finden sich in B-W, vgl. § 2 der VO der Landesregierung über die Bestimmung der zuständigen Behörden nach dem Bundesberggesetz (BBergGZuVO) vom 13.1.1982 (GVBl. S. 41), und Hessen, vgl. § 19 Nr. 1 der Delegationsverordnung vom 12.12.2007 (GVBl. I S. 859). Dort wird jeweils das Umweltministerium zum Erlass von Verordnungen nach §§ 31, 32 BBergG ermächtigt. 7 So z.B. § 1 Abs. 1 Satz 2 BergbehördV BY vom 9.11.2013 (GVBl. S. 651); § 1 VO zur Übertragung von Ermächtigungen nach dem BBergG Bbg vom 25.7.1991 (GVBl. S. 357); § 1 VO zur Übertragung von Ermächtigungen nach dem BBergG HB vom 20.7.1981 (GBl. S. 153); § 2 Abs. 1 VO zur Regelung von Zuständigkeiten und zur Übertragung von VO-Ermächtigungen auf dem Gebiet des Bergrechts NRW vom 2.3.2010 (GVBl. S. 163); § 1 Abs. 1 LandesVO zur Übertragung von Befugnissen und Ermächtigungen nach dem BBergG RLP vom 14.11.2007 (GVBl. S. 280); § 1 VO zur Übertragung von Ermächtigungen nach dem BBergG LSA vom 21.2.1991 (GVBl. S. 11); § 2 Abs. 1 Nr. 1 Thür VO zur Bestimmung von Zuständigkeiten nach dem BBergG und dem Geologiedatengesetz vom 1.11.2002 (GVBl. S. 444). Mann

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Erstes Kapitel – Bergfreie Bodenschätze

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die Einschränkung, dass Verordnungen nach Abs. 1 nur „die zur Durchführung der §§ 30 und 31 erforderlichen Vorschriften“ enthalten dürfen, was klarstellt, dass Abs. 1 nicht dazu ermächtigt, die gesetzlichen Vorgaben der §§ 30 und 31 abzuändern. Insbesondere kann durch Landesverordnungen nicht der Abgabentypus als Verleihungsgebühr in einen anderen Abgabentypus, etwa eine Steuer, umgewandelt werden (zur typologischen Einordnung der bergrechtlichen Abgaben vgl. Vorbem. §§ 30–32 Rn. 5–12).8 Um die Vollzugstauglichkeit des Gesetzes herzustellen, das selbst keine Abgrenzung hinsichtlich des Marktwertes getroffen hat, müssen die Landesrechtsverordnungen als Mindestregelungen entscheiden, nach welchen Kriterien zu beurteilen ist, ob ein Bodenschatz einen Marktwert hat oder nicht, und nach welchen Gesichtspunkten der Wert nach § 31 Abs. 2 Satz 2 festzulegen ist. Im Interesse der Betroffenen ist eine einheitliche Verfahrensweise aller deutschen Länder anzustreben; so sollten aus Gründen der Gleichbehandlung vor allem die Vorschriften über die Festsetzung des Marktwertes sowie des Wertes von Bodenschätzen, die keinen Marktwert besitzen, harmonisiert werden (vgl. § 31 Rn. 10).9 Um die erforderlichen Daten zur Festsetzung des Marktwertes erheben zu können, sieht § 32 5 Abs. 1 Satz 2 auch vor, dass in den Rechtsverordnungen der Länder Auskunftspflichten normiert werden können. Hierzu wird es nicht ausreichen, wenn eine Verordnung pauschal eine Auskunftspflicht der Unternehmen postuliert; unter dem Eindruck der im Volkszählungsurteils des BVerfG10 aufgestellten Maßgaben an eine bereichsspezifische Ermächtigung zur Datenerhebung haben die Verordnungen vielmehr den Zweck sowie die Art und Weise der Auskunftspflicht detailliert zu regeln. Die gegenwärtige Ausgestaltung der Verordnungen trägt diesem Postulat regelmäßig dadurch Rechnung, indem dort ein System aus Förderabgabevoranmeldungen sowie Feldes- und Förderabgabeerklärungen und sonstigen Mitteilungspflichten installiert wird.11 Zuwiderhandlungen gegen eine nach Abs. 1 erlassene Rechtsverordnung können gemäß § 145 Abs. 3 Nr. 1 eine Ordnungswidrigkeit darstellen, sofern das Landesrecht auf diese Vorschrift verweist. Dies ist insbesondere mit Blick auf eine Verletzung der Auskunftspflichten nach Abs. 1 S. 2 der Fall.12

III. Abweichungen von den Regelungen der §§ 30, 31 (Absatz 2) Da die §§ 30 und 31 den Maßstab für die Feldes- und Förderabgabe gesetzlich festlegen, kann eine 6 mögliche Abweichung hiervon durch Rechtsverordnung nur erfolgen, soweit der Gesetzeber den Verordnungsgeber dazu explizit ermächtigt. Das ist eine Folge des rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgrundsatzes in Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG (vgl. Rn. 2). In diesem Sinne lässt Abs. 2 zunächst einmal nur zeitlich begrenzte Ausnahmen („für einen bestimmten Zeitraum“) zu, was zur Folge hat, dass die auf § 32 Abs. 2 gestützten Verordnungen jeweils den Beginn und das Ende ihrer Geltungskraft konkret festlegen müssen. Dies erfolgt etwa bei der Festlegung eines von § 30 Abs. 3 Satz 1 abweichenden Betrages (gemäß § 32 Abs. 2 Nr. 2) oder eines von § 31 Abs. 2 abweichenden Vomhundertsatzes oder Bemessungsmaßstabs (gemäß § 32 Abs. 2 Nr. 3) in der Weise, dass die Verordnungen formulieren: „Die Feldesabgabe beträgt vom 1. Januar 2022 bis zum 31. Dezember 2025 für Erlaubnisse auf [Bodenschatz] …“ oder „Bemessungsmaßstab der Förderabgabe auf [Bodenschatz] ist vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 2024 …“. Die jeweilige Dauer der Befristung hängt im Wesentlichen von den Gründen ab, die in dem betreffenden Fall eine Abweichung von der Norm erforderlich machen. Weil die Abweichungen von den gesetzlichen Regelsätzen nach Absatz 2 zudem nur für „bestimmte“ Bodenschätze festgesetzt werden können, muss aus der 8 Mußgnug ZfB 1993, 168, 170. 9 A.A. insoweit VG Halle 29.11.2005, 3 A 130/03 HAL = ZfB 2006, 205, 208 (dazu auch § 31 Rn. 10). 10 BVerfG 15.12.1983, 1 BvR 209/83 u.a., BVerfGE 65, 1 ff. 11 Vgl. z.B. §§ 1 bis 3, 8 Abs. 1 Nds FördAVO vom 10.12.2010 (GVBl. S. 564); §§ 1 bis 3, 10 BbgFördAV vom 11.12.2015 (GVBl. II Nr. 69); §§ 1 bis 3, 10 FVO Hess 13.12.2004 (GVBl. I S. 454).

12 Vgl. z.B. § 23 Nds FördAVO vom 10.12.2010 (GVBl. S. 564); § 22 BbgFördAV vom 11.12.2015 (GVBl. II Nr. 69); § 23 FVO Hess vom 13.12.2004 (GVBl. I S. 454). 241

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Zweiter Teil – Bergbauberechtigungen

Rechtsverordnung außerdem eindeutig hervorgehen, für welche Bodenschätze die Ausnahme besteht. Dies erfolgt durch konkrete Benennung der betroffenen Bodenschätze (im obigen Beispiel durch die eckigen Klammern angedeutet). Entsprechendes gilt, wenn Ausnahmen nur „in bestimmten Gebieten“, z.B. nur für den Bereich des Festlandsockels, gelten sollen.

1. Zulässige Fallgruppen 7 Wegen des Bestimmtheitsgrundsatzes (vgl. Rn. 2, 6) sind Abweichungen von den gesetzlichen Regeln der §§ 30, 31 nur in den drei durch § 32 Abs. 2 vorgezeichneten Konstellationen möglich. So können nach Nr. 1 für Erlaubnisse, Bewilligungen und Bergwerkseigentum Befreiungen von der Feldes- und Förderabgabe erteilt, nach Nr. 2 der Grundbetrag und die Staffelung der Feldesabgabe (nicht jedoch der Bemessungsmaßstab der Feldesgröße in Quadratkilometern) bei Erlaubnissen geändert und nach Nr. 3 der Vomhundertsatz und der Bemessungsmaßstab der Förderabgaben bei Bewilligungen und Bergwerkseigentum abweichend festgesetzt werden. In den Konstellationen der Nr. 2 und 3 kann die Änderung jeweils sowohl in einer Anhebung als auch in einer Herabsetzung der gesetzlichen Regelsätze bestehen, wobei die Möglichkeit zur Anhebung durch Abs. 2 Satz 2 auf das Vierfache der sich aus § 30 Abs. 3 Satz 1 und § 31 Abs. 2 Satz 1 ergebenden Beträge gedeckelt wird. Diese Obergrenze geht auf einen Vorschlag des Wirtschaftsausschusses zurück, der die im RegE noch vorgesehene Begrenzung in lediglich doppelter Höhe als unzureichend ansah, um den „Preisanhebungen für bestimmte Energieträger auf dem internationalen Markt“ im Verordnungswege begegnen zu können.13 Unterschreitungen des Förderabgabe-Regelsatzes von 10 % sind hingegen ohne Untergrenze möglich14 und durchaus üblich (dazu § 31 Rn. 8).

2. Zielvorgaben einer abweichenden Verordnungsgebung 8 Eine Veränderung der maßgeblichen Kennzahlen zur Bemessung der Feldes- und Förderabgaben ist mittels auf Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 gestützter Landesverordnungen jedoch nicht beliebig möglich, sondern an das Vorliegen bestimmter Zielvorgaben gebunden, die im Relativsatz des Abs. 2 Satz 1 abschließend aufgelistet sind.15 Unter ihnen ist die erste Variante, die eine Abweichung zur Anpassung an die bei Inkrafttreten des BBergG geltenden Regelungen erlaubt, nur in der damaligen Übergangszeit relevant gewesen und heute bedeutungslos.16 Die zweite Variante, die eine Abweichung „zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts“ zulässt, nimmt mit dieser Formulierung Bezug auf das Staatsziel des Art. 109 Abs. 2 GG und den Kernbegriff des hierzu ergangenen Stabilitätsgesetzes (StabG), der gemäß § 1 Satz 2 StabG durch das sog. „magische Viereck“ von Preisniveaustabilität, einem hohen Beschäftigungsstand, außenwirtschaftlichem Gleichgewicht sowie einem stetigen und angemessenem Wirtschaftswachstum gekennzeichnet ist. Angesichts des Nachlassens des politischen Interesses an der mit dem StabG verfolgten antizyklischen keynesianischen Globalsteuerung17 ist die Bedeutung auch dieser Variante in der heutigen Praxis marginalisiert.

13 BT-Drs. 8/3965, S. 23, 129 f. 14 Mußgnug ZfB 1993, 168. Dafür spricht – argumentum a maiore ad minus – auch die Befreiungsmöglichkeit nach Abs. 2 Satz 1 Nr. 1. 15 Ausführlich zu den rechtlichen Grenzen der Förderabgabeerhöhung durch Landesverordnung von Hammerstein/ Haack ZfB 2015, 151 ff. 16 Ebenso Frenz/Sladek BBergG, § 32 Rn. 6. 17 Nach der Bestandsaufnahme des BVerfG hat sich zumindest das Grundkonzept der nachfrageorientierten diskretionären Fiskalpolitik als Instrument rationaler Steuerung und Begrenzung staatlicher Schuldenpolitik in der Realität als nicht wirksam erwiesen, vgl. BVerfG 9.7.2007, 2 BvF 1/04, BVerfGE 119, 96, 141 f. Mann

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Erstes Kapitel – Bergfreie Bodenschätze

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Größere Bedeutung hat demgegenüber noch die dritte Variante, die eine abweichende Rege- 9 lung im Verordnungswege zur Abwehr einer Gefährdung der Wettbewerbslage der aufsuchenden oder gewinnenden Unternehmen ermöglicht. Wie sich aus dem sprachlichen Bezugspunkt „der“ Unternehmen ergibt, ist insoweit unter Ausblendung von Sonderinteressen einzelner Unternehmer auf die wirtschaftliche Situation der Gesamtheit der Unternehmen eines Wirtschaftszweiges abzustellen.18 Demgemäß lässt die Ermächtigung auch nur Regelungen zugunsten der Gesamtheit eines Bergbauzweiges zu, versetzt den Verordnungsgeber aber nicht in die Lage, durch Rechtsverordnung Befreiungen für einzelne Härtefälle zu begründen, in denen die Förderabgabepflicht lediglich einzelne Unternehmer finanziell gefährdet19 – eine Konsequenz, die sich zudem bereits aus dem abstrakt-generellen Charakter von Rechtsverordnungen ergibt.20 Eine Befreiung von der Förderabgabepflicht hat auch nicht den Zweck, Wettbewerbsnachteile jeglicher Art auszugleichen, sondern ist nur dann gerechtfertigt, wenn sie für einen nicht unerheblichen Teil der Unternehmen existenzbedrohende Folgen haben kann.21 Soweit landesrechtliche Ausnahmen damit begründet werden, es sei die Wettbewerbslage eines Bergbauzweiges gegenüber der Wettbewerbslage der entsprechenden aufsuchenden oder gewinnenden Unternehmen eines anderen Bundeslandes gefährdet, ist hierzu Voraussetzung, dass zwischen den Unternehmen dieser Bundesländer überhaupt ein Wettbewerbsverhältnis besteht.22 Ebenso wie die vorgenannte Abwehr der Gefährdung der Wettbewerbslage rechtfertigen als 10 weitere in § 32 Abs. 2 Satz 1 genannte Gründe die Sicherung der Versorgung des Marktes mit Rohstoffen und die Verbesserung der Ausnutzung von Lagerstätten grundsätzlich nur eine Herabsetzung der Abgabensätze; hingegen dürfte der des Weiteren aufgeführte Grund des Schutzes sonstiger volkswirtschaftlicher Belange ebenso wie die Variante einer Abwehr der Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts (vgl. Rn. 8) auch als Legitimationsbasis für eine Erhöhung der Abgabensätze dienen.23 Rein fiskalische Gründe wie die Verbesserung der Einnahmesituation des Landes fallen jedoch nicht unter den Begriff der „sonstigen volkswirtschaftlichen Belange“.24 Schließlich besteht noch die Möglichkeit, die Eigenverwendung der Bodenschätze im Gewinnungsbetrieb über § 32 Abs. 2 zu begünstigen, soweit solche Bodenschätze nicht bereits gemäß § 31 Abs. 1 Satz 3 von der Abgabepflicht befreit sind, weil keine wirtschaftliche Verwertung stattfindet (vgl. § 31 Rn. 5). Mit Ausnahme der zuletzt genannten Eigenverwendung der Bodenschätze muss die im Ver- 11 ordnungswege vorgesehene Abweichung von den gesetzlichen Vorgaben zur Erreichung der Ziele des § 31 Abs. 2 „erforderlich“ sein.25 Das ist der Fall, wenn die betreffende Zielvorgabe ohne eine Verordnungsregelung nicht oder nicht hinlänglich erreicht werden kann.26 Vor allem eine Erhöhung der Feldes- oder Förderabgabe wird daher unzulässig sein, wenn andere, ebenso taugliche Mittel zur Realisierung der Ziele bestehen, durch welche die Unternehmen weniger belastet werden. Die Darlegungslast für das Vorliegen dieser Voraussetzung trifft den Verordnungsgeber.

18 19 20 21 22 23 24

BVerwG 1.2.1999, 4 BN 53/98 = ZfB 1999, 123, 124; OVG Magdeburg 16.7.1998, C 1/4 S 266/97 = ZfB 1998, 213, 215. Offenlassend BVerwG 1.2.1999, 4 BN 53/98 = ZfB 1999, 123, 124. Vgl. hierzu Ossenbühl in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.) Handbuch des Staatsrechts, Band 5 (2007), § 103 Rn. 1 f. OVG Magdeburg 16.7.1981, C 1/4 S 266/97 = ZfB 1998, 213, 215. OVG Magdeburg 16.7.1981, C 1/4 S 266/97 = ZfB 1998, 213, 214 f. Bücker ZfB 1982, S. 77, 82. BVerwG 21.12.2018, 7 BN 3/18 = ZfB 2019, 92 f.; OVG Greifswald 25.10.2017, 2 K 121/15 = ZfB 2019, 21 (23); so auch von Hammerstein/Haack ZfB 2015, 151, 153. 25 Die seinerzeitigen Übergangsregeln zum BBergG in der ersten Variante des Relativsatzes mussten nur „geboten“ sein, was eine reine Tauglichkeitsaussage implizierte. 26 In diesem Sinne auch zur Erforderlichkeitsklausel in Art. 72 Abs. 2 GG BVerfG 24.10.2002, 2 BvF 1/01, BVerfGE 106, 62, 146 f. 243

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VIERTER ABSCHNITT Fundanzeige § 33 Anzeige und Entschädigung 1 Wer einen bergfreien Bodenschatz entdeckt, ohne zu seiner Aufsuchung oder Gewinnung berechtigt zu sein, und der zuständigen Behörde die Entdeckung unverzüglich anzeigt, kann von demjenigen, der auf Grund dieser Anzeige eine Bewilligung für den Bodenschatz erhält, Ersatz der Aufwendungen verlangen, die ihm im Zusammenhang mit der Entdeckung entstanden sind. 2Dies gilt nicht, wenn der Bodenschatz unter Verstoß gegen § 6 entdeckt worden oder die Lagerstätte dieses Bodenschatzes bereits bekannt ist. (2) 1Die Anzeige muss Angaben über den Zeitpunkt der Entdeckung, den Fundort mit Bezeichnung des Grundstücks, der Gemeinde und des Kreises sowie eine Beschreibung der Art und Beschaffenheit des Fundes enthalten. 2Die zuständige Behörde hat den Anzeigenden unverzüglich von der Erteilung einer Bewilligung zu benachrichtigen.

(1)

1 Gemäß § 33 hat der zufällige Finder eines bergfreien Bodenschatzes im Sinne des § 3 Abs. 3 einen Anspruch auf Ersatz seiner Aufwendungen, wenn er den Fund unverzüglich bei der Bergbehörde anzeigt. Mit dieser Regelung soll ein Anreiz gegeben werden, zufällig entdeckte bergfreie Bodenschätze der zuständigen Behörde anzuzeigen, damit sie nach Möglichkeit volkswirtschaftlich nutzbar gemacht werden können. Eine Anzeigepflicht besteht allerdings nicht. Anspruchsberechtigt ist, wer einen bergfreien Bodenschatz entdeckt, ohne zu seiner Aufsuchung oder Gewinnung berechtigt zu sein. Entdeckung ist die Wahrnehmung von Tatsachen, die objektiv, d.h. nach allgemeiner Erfahrung eine sichere Schlussfolgerung auf das Vorhandensein des Bodenschatzes gestatten.1 Der Anspruch steht nur demjenigen Finder zu, der für den entdeckten bergfreien Bodenschatz nicht selbst über eine Aufsuchungs- oder Gewinnungsberechtigung verfügt. Voraussetzung für den Ersatzanspruch ist zudem die unverzügliche, d.h. ohne schuldhaftes Zögern, erfolgende Anzeige des Fundes bei der Bergbehörde. Die Anzeige muss inhaltlich den Anforderungen des § 33 Abs. 2 Satz 1 entsprechen. Pflichtangaben sind damit der Zeitpunkt der Entdeckung, der Fundort mit Bezeichnung des Grundstücks, der Gemeinde und des Kreises sowie eine Beschreibung der Art und Beschaffenheit des Fundes. Erfüllt die Anzeige diese Mindestanforderungen nicht, muss die Behörde entsprechend ihrer allgemeinen Informations- und Beratungspflichten den Finder darauf hinweisen.2 Die Bergbehörde darf nach Erhalt der Anzeige die Tatsache der Entdeckung Dritten mitteilen, die für die Gewinnung der gefundenen Bodenschätze in Betracht kommen. Der Anspruch des Entdeckers auf Ersatz der Aufwendungen entsteht nur, wenn ein Dritter 2 aufgrund der Anzeige eine Bewilligung für den entdeckten Bodenschatz erhält. Zwischen der Anzeige des Fundes und der Bewilligung muss ein Kausalzusammenhang bestehen. Dies ist der Fall, wenn die in der Anzeige enthaltenen Angaben Grundlage für den Antrag auf Bewilligungserteilung darstellen.3 Ausreichend ist insoweit jedenfalls, dass sich der Dritte bezüglich des in § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 geforderten Nachweises auf den Anzeigeinhalt stützt. Wenn die genannten Voraussetzungen erfüllt sind, entsteht der Ersatzanspruch mit der Erteilung der Bewilligung, ohne dass es dabei darauf ankommt, ob und inwieweit der Bergbauberechtigte später davon Gebrauch macht. Damit der Entdecker seinen Anspruch so bald wie möglich geltend machen kann, hat die Bewilligungsbehörde ihn nach Absatz 2 Satz 2 unverzüglich von der

1 VG Cottbus 25.10.2018, 3 K 960/13, BeckRS 2018, 32785, Rn. 39. 2 Frenz/Wittmann BBergG, § 33 Rn. 5. 3 Frenz/Wittmann BBergG, § 33 Rn. 3. Kappes https://doi.org/10.1515/9783110709285-047

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Erstes Kapitel – Bergfreie Bodenschätze

§ 33

Erteilung einer unter § 33 fallenden Bewilligung zu benachrichtigen und dabei insbesondere den Inhaber der Berechtigung anzugeben. Nach Absatz 1 Satz 2 besteht kein Ersatzanspruch im Sinne des Satzes 1, wenn die Entdeckung 3 des Bodenschatzes mit einem Verstoß gegen § 6 verbunden war oder wenn der entdeckte Bodenschatz zu einer bereits bekannten Lagerstätte gehört.4 Eine Zuwiderhandlung gegen § 6 liegt vor, wenn eine systematische zielorientierte Aufsuchung und Gewinnung i.S.d. § 4 Abs. 1 und 2 hinsichtlich des später gefundenen Bodenschatzes stattfindet, für den keine Bergbauberechtigung besteht. Wird ein bergfreier Bodenschatz bei einer in § 4 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 bezeichneten, nicht als Aufsuchung im Sinne von § 4 Abs. 1 geltenden Tätigkeit entdeckt, tritt die Ausschlusswirkung des § 33 Abs. 1 Satz 2 nicht ein. Letztlich dürfte ein Ersatzanspruch i.d.R. nur bestehen, wenn bei einer rechtmäßigen Aufsuchung oder Gewinnung nach einem Bodenschatz ein anderer – von der Bergbauberechtigung nicht erfasster – Bodenschatz entdeckt wird. Der Anspruch entsteht gegenüber demjenigen, der aufgrund der Anzeige des Fundes eine 4 Bewilligung in Bezug auf den Bodenschatz erhält. Bei dem Aufwendungsersatzanspruch handelt es sich um einen gesetzlichen Erstattungsanspruch, der alle Kosten umfasst, die im Zusammenhang mit der Entdeckung des Bodenschatzes entstanden sind. Zu diesen Kosten zählen insbesondere die Kosten, die durch die bergmännische Arbeit und die wissenschaftliche Analyse der Bodenschätze angefallen sind, sowie die Verwaltungskosten.5 Einschränkend dürften allerdings in Anlehnung an die Rechtsprechung zu § 670 BGB nur solche Kosten erstattungsfähig sein, die erforderlich waren, um den Fund anzeigen zu können.6 Der Höhe nach ist der Anspruch zwischen den Parteien auszuhandeln, hierbei obliegt dem Anspruchssteller der Nachweis der ihm entstandenen Aufwendungen. Für eine gerichtliche Klärung über den Grund und die Höhe des Ersatzanspruches ist die ordentliche Gerichtsbarkeit zuständig.

4 Vgl. BT-Drs. 8/1315, S. 97. 5 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 33 Rn. 5. 6 Frenz/Wittmann BBergG, § 33 Rn. 6. 245

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ZWEITES KAPITEL Grundeigene Bodenschätze § 34 Inhalt der Befugnis zur Aufsuchung und Gewinnung grundeigener Bodenschätze Für die Befugnis des Grundeigentümers, bei der Aufsuchung und Gewinnung grundeigener Bodenschätze nach Maßgabe dieses Gesetzes andere Bodenschätze mitzugewinnen, das Eigentum daran zu erwerben, Hilfsbaue anzulegen und fremde Grubenbaue zu benutzen, gelten, 1. soweit sich dies nicht schon aus dem Inhalt des Grundeigentums und 2. soweit sich nicht aus den §§ 149 bis 158 etwas anderes ergibt, § 7 Abs. 1 und die §§ 8 und 9 mit der Maßgabe entsprechend, daß an die Stelle des Erlaubnis-, Bewilligungs- und Bergwerksfeldes das Grundstück tritt, auf das sich das Grundeigentum bezieht. 1 Das BBergG macht in § 6 nur die Aufsuchung und Gewinnung von bergfreien Bodenschätzen vom Vorliegen einer Erlaubnis und Bewilligung bzw. Bergwerkseigentum abhängig. Grundeigene Bodenschätze (§ 3 Abs. 4) stehen im Eigentum des Grundeigentümers (§ 3 Abs. 2 Satz 1). Aus diesem Grund folgt das Recht, grundeigene Bodenschätze aufzusuchen, zu gewinnen und die dazu erforderlichen Einrichtungen zu schaffen, schon aus den zivilrechtlichen Befugnissen des Grundstückseigentümers (§§ 903 ff. BGB), bzw. von diesem abgeleitet aus den Befugnissen des Pächters (§§ 581 ff. BGB) oder des Nießbrauchers (§§ 1030 ff. BGB).1 Der Grundeigentümer (bzw. Pächter oder Nießbraucher) benötigt daher keine Erlaubnis, um auf seinem Grundstück grundeigene Bodenschätze aufzusuchen und keine Bewilligung oder Bergwerkseigentum, um sie zu gewinnen.2 2 Teilweise bleiben die zivilrechtlichen Befugnisse jedoch hinter denjenigen zurück, die aus Erlaubnis, Bewilligung oder Bergwerkseigentum folgen und reichen unter Umständen für eine sinnvolle und planmäßige Aufsuchung und Gewinnung grundeigener Bodenschätze nicht aus.3 § 34 gleicht deshalb die Rechtsposition des Grundeigentümers an die des Inhabers einer entsprechenden Berechtigung nach §§ 7 bis 9 an.4 Zu diesem Zweck ordnet die Vorschrift an, dass in Bezug auf die Befugnis des Grundeigentümers, bei der Aufsuchung und Gewinnung andere Bodenschätze mitzugewinnen, sich diese anzueignen, Hilfsbaue anzulegen und fremde Grubenbaue zu benutzen, die § 7 Abs. 1 und die §§ 8 und 9 entsprechend gelten. Dabei gilt die Maßgabe, dass an die Stelle des Berechtigungsfeldes das entsprechende Grundstück tritt. Die Verweisung des § 34 steht nach Nr. 2 unter dem Vorbehalt, dass sich nicht etwas anderes aus aufrechterhaltenen alten Bergbauberechtigungen (§§ 149 bis 158) ergibt. 3 Die Verweisung bewirkt Folgendes: Wenn dies für die planmäßige Aufsuchung von grundeigenen Bodenschätzen auf seinem Grundstück notwendig ist, darf der Grundeigentümer nach Maßgabe von § 41 bergfreie oder fremde grundeigene Bodenschätze mitgewinnen und sich aneignen (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 41).5 Dasselbe gilt nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. §§ 43, 42 für die Gewinnung. Ferner hat auch der Grundeigentümer das Recht, gemäß §§ 8 Abs. 1 Nr. 3 und 9 1 BT-Drs. 8/1315, S. 97; BGH 14.4.2011, III ZR 229/09, NVwZ 2011, 1085 Rn. 26; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 34 Rn. 2; Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht, Rn. 96; Dapprich/Römermann § 34 Rn. 4. 2 BGH 14.4.2011, III ZR 229/09, NVwZ 2011, 1085 Rn. 26; BVerwG 7.6.1995, 4 B 115.95 = ZfB 1995, 190; BGH 26.1.1984, III ZR 216/82, BGHZ 90, 17, 21; Müller/Schulz Handbuch Recht der Bodenschätzegewinnung, Rn. 271, 274; Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht, Rn. 96. 3 Vgl. Turner ZfB 1967, 45 ff. 4 BVerwG 7.6.1995, 4 B 115.95 = ZfB 1995, 190. 5 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 34 Rn. 8. von Hammerstein https://doi.org/10.1515/9783110709285-048

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Zweites Kapitel – Grundeigene Bodenschätze

§ 34

Abs. 1 i.V.m. § 44 außerhalb seines Grundstücks unterirdische Hilfsbaue zu errichten. Die dabei anfallenden Bodenschätze darf er sich unter den Voraussetzungen der §§ 8 Abs. 1 Nr. 2 und 9 Abs. 1 i.V.m. §§ 45 aneignen. Schließlich darf er nach Maßgabe von § 47 fremde Grubenbaue benutzen.6 Zu den Einzelheiten vgl. die entsprechenden Kommentierungen zu den §§ 7 bis 9 und §§ 41 bis 47. Dem Berechtigungsinhaber verleiht das BBergG neben diesen Annexrechten auch die Befug- 4 nis, im Rahmen der Gewinnung fremdes Grundeigentum einschließlich baulicher Anlagen in gewissem Umfang beschädigen zu dürfen (vgl. § 8 Rn. 14). Dritten wird somit eine Duldungspflicht gegenüber den Folgen des Bergbaus auferlegt. Sie können grundsätzlich gegen kleine und mittlere Bergschäden nicht mit dem Abwehranspruch nach § 1004 BGB vorgehen. Stattdessen gelten die Regelungen zu Bergschadensersatz und Anpassungspflicht nach §§ 110 bis 121. Diese Duldungspflicht ist notwendig, da anderenfalls Bergbau vielfach überhaupt nicht realisierbar wäre.7 Seinem Wortlaut nach erweitert § 34 die Rechtsposition des Grundeigentümers aber nur in Bezug auf das Mitgewinnungsrecht, das Hilfsbaurecht und das Recht zur Benutzung fremder Grubenbaue. In der ursprünglichen Fassung des Regierungsentwurfs fehlte der Hinweis auf diese Annexrechte noch. Dort bezog sich die entsprechende Geltung der § 7 Abs. 1 und §§ 8 und 9 umfassend auf „das Recht des Grundeigentümers zur Aufsuchung und Gewinnung grundeigener Bodenschätze“.8 Es war dabei erklärter Wille des Regierungsentwurfs, die Rechtsposition des Grundeigentümers gegenüber Dritten auch durch Begründung einer Duldungspflicht abzusichern, um Abwehransprüche nach § 1004 BGB auszuschließen.9 Auch der Grundeigentümer benötigt nämlich unter Umständen die Befugnis, fremdes Grundeigentum schädigen zu dürfen, ohne dass der Betroffene hiergegen nach § 1004 BGB vorgehen kann. Der nun enthaltene Hinweis auf das Mitgewinnungsrecht, das Hilfsbaurecht und das Recht zur Benutzung fremder Grubenbaue geht zurück auf eine Anregung des Bundesrats.10 Motiv der Textänderung war es, das Gewollte klarzustellen.11 Ein Abrücken von der Duldungspflicht war damit nicht beabsichtigt. Weil diese Duldungspflicht essenziell ist, um Bergbau zu ermöglichen, ist § 34 erweiternd auszulegen. Die Norm sichert die Rechtsposition des Grundeigentümers ab, indem sie gegenüber Dritten eine Duldungspflicht begründet.12 Sie stellt den Grundeigentümer also auch insoweit dem Berechtigungsinhaber gleich. Aus § 34 folgt aber nicht, dass in Bezug auf grundeigene Bodenschätze Erlaubnisse, Bewilli- 5 gungen und Bergwerkseigentum verliehen werden können. Nach dem klaren Wortlaut gilt der Verweis nur in Bezug auf die Befugnis, andere Bodenschätze mitzugewinnen, das Eigentum daran zu erwerben, Hilfsbaue anzulegen und fremde Grubenbaue zu benutzen.13 Unabhängig von § 34 besteht für die Gewinnung grundeigener Bodenschätze die Möglichkeit 6 einer Zulegung nach Maßgabe der §§ 35 bis 38. Unter einer Gewinnungsberechtigung i.S.d. § 35 ist nämlich gemäß § 4 Abs. 6 jedes Recht zur Gewinnung von bergfreien oder grundeigenen Bodenschätzen zu verstehen. Die Regelungen über die bergrechtliche Grundabtretung finden, wie sich aus § 77 i.V.m. §§ 2 und 4 ergibt, ebenfalls zugunsten der Betriebe Anwendung, in denen grundeigene Bodenschätze gewonnen werden. Dies gilt auch für die Aufbereitung grundeigener Bodenschätze.14 Für die Benutzung fremder Grundstücke zum Zwecke der Aufsuchung grundeige6 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 34 Rn. 9. 7 BT-Drs. 8/1315, S. 137; Pollmann/Wilke Der untertägige Steinkohlenbergbau und seine Auswirkungen auf die Tagesoberfläche, S. 113; Schmidt-Aßmann/Schoch Bergwerkseigentum und Grundeigentum im Betriebsplanverfahren, S. 99, 123. 8 BT-Drs. 8/1315, S. 19. 9 BT-Drs. 8/1315, S. 97. 10 BT-Drs. 8/1315, S. 177. 11 BT-Drs. 8/1315, S. 177, vgl. auch Gegenäußerung der Bundesregierung BT-Drs. 8/1315, S. 191. 12 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 34 Rn. 5. 13 BGH 14.4.2011, III ZR 229/09, NVwZ 2011, 1085, Rn. 26; BGH 26.1.1984, III ZR 216/82, BGHZ 90, 17, 21. Unzutreffend BFH GrS 4.12.2006, GrS 1/05, BFHE 216, 168, 181. 14 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 34 Rn. 12. 247

von Hammerstein

§ 34

Zweiter Teil – Bergbauberechtigungen

ner Bodenschätze kann das Instrument der Grundabtretung – wie bei der Aufsuchung bergfreier Bodenschätze – nicht genutzt werden. Stattdessen gelten die §§ 39 und 40, denn die Vorschriften des Dritten Teiles (§§ 39 bis 64) sind auf die grundeigenen Bodenschätze anwendbar, soweit sich aus einzelnen Bestimmungen keine Einschränkung ergibt.15

15 BT-Drs. 8/1315, S. 99. von Hammerstein

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DRITTES KAPITEL Zulegung Schrifttum Beckmann/Wittmann Die Zulegung nach § 35 BBergG, ZfB 2009, 32; Klapper Über die Voraussetzungen und das Ausmaß der Zulegung von Bergwerksfeldern, ZfB 1952, 87; Samel Fragen der Zulegung, ZfB 1965, 247; Zydek Rationalisierungsverband, steuerliche Maßnahmen zur Rationalisierung, Finanzierungshilfe und Bergrecht, ZfB 1964, 94, 289.

§ 35 Voraussetzungen Die zuständige Behörde kann auf Antrag dem Inhaber einer Gewinnungsberechtigung durch Zulegung das Recht erteilen, den Abbau eines Bodenschatzes aus dem Feld seiner Gewinnungsberechtigung (Hauptfeld) in das Feld einer benachbarten fremden Gewinnungsberechtigung, die sich auf den gleichen Bodenschatz bezieht, fortzuführen (grenzüberschreitender Abbau), wenn 1. der Antragsteller nachweist, daß er sich ernsthaft um eine Einigung über den grenzüberschreitenden Abbau zu angemessenen Bedingungen, erforderlichenfalls unter Angebot geeigneter Abbaumöglichkeiten innerhalb der eigenen Gewinnungsberechtigungen, bemüht hat, 2. aus bergwirtschaftlichen oder bergtechnischen Gründen ein grenzüberschreitender Abbau geboten ist, 3. Gründe des Allgemeinwohls, insbesondere die Versorgung des Marktes mit Bodenschätzen oder andere gesamtwirtschaftliche Gründe, einen grenzüberschreitenden Abbau erfordern, 4. nicht damit gerechnet werden muß, daß die in dem Feld der benachbarten Berechtigung anstehenden Bodenschätze von einem anderen Gewinnungsbetrieb auch ohne Zulegung ebenso wirtschaftlich gewonnen werden, 5. Bodenschätze, deren Schutz im öffentlichen Interesse liegt, durch die Zulegung nicht beeinträchtigt werden, 6. folgende Angaben und Unterlagen des Antragstellers vorliegen: a) Ein Lageriß mit genauer Eintragung des Hauptfeldes und des Feldes der fremden Berechtigung unter besonderer Kennzeichnung des zuzulegenden Feldesteiles, b) eine Darstellung der zur bergwirtschaftlichen und bergtechnischen Beurteilung der Zulegung bedeutsamen tatsächlichen Verhältnisse, c) Angaben über das im Hauptfeld durchgeführte sowie über das im Feld der fremden Berechtigung beabsichtigte Arbeitsprogramm, insbesondere über die technische Durchführung der Gewinnung, die danach erforderlichen Einrichtungen unter und über Tage und den Zeitplan, d) glaubhafte Angaben darüber, daß die für eine ordnungsgemäße Durchführung des grenzüberschreitenden Abbaus und der damit nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 2 im Zusammenhang stehenden Tätigkeiten erforderlichen Mittel aufgebracht werden können, e) Angaben über Verwendung und Absatz der durch den grenzüberschreitenden Abbau zu gewinnenden Bodenschätze, f) eine Begründung zu dem Vorliegen der in den Nummern 3 und 4 bezeichneten Voraussetzungen.

249 https://doi.org/10.1515/9783110709285-049

Franke/Karrenstein

§ 35

Zweiter Teil – Bergbauberechtigungen

Übersicht I.

Regelungszweck

1

II. 1. 2.

Anwendungsbereich 3 Gewinnungsberechtigungen Fortführung des Abbaus im Hauptfeld

III. 1. 2. 3.

Voraussetzungen 5 Antrag Vorherige Einigungsbemühungen (Nr. 1) Materielle Entscheidungsvoraussetzungen 7 a) Gemeinwohlrechtfertigung b) Erfordernis einer Gesamtabwägung

c)

4

6

8

4.

Zwingende Zulegungsvoraussetzun10 gen 16 d) Abwägungsgesichtspunkte aa) Entgegenstehende öffentliche Interes17 sen bb) Unterstützende öffentliche Interes18 sen cc) Entgegenstehende private Be19 lange e) Rechtliche Bindung der Zulegungsentschei20 dung 21 Vorlage- und Darlegungspflichten (Nr. 6)

I. Regelungszweck 1 Die Zulegung eröffnet die Möglichkeit, aufgrund behördlicher Entscheidung die Gewinnung eines Bodenschatzes in einer benachbarten Gewinnungsberechtigung fortzuführen, wenn Gemeinwohlgründe dies erfordern. Grundsätzlich muss der Bergbautreibende seine betrieblichen Planungen am Umfang seiner eigenen Gewinnungsberechtigung ausrichten.1 Als Nebenrechte zur Gewinnungsberechtigung bestehen Ansprüche auf Vornahme von feldesexternen Betriebshandlungen daher nur, um die Gewinnungsmöglichkeiten im eigenen Feld durch die Mitgewinnung anderer Bodenschätze (§ 8 Abs. 1, § 42) oder die Errichtung von Hilfsbauen (§ 8 Abs. 1, § 44) ausschöpfen zu können.2 Mit der Zulegung wird hingegen ein neues, selbständiges Nutzungsrecht im benachbarten Feld begründet.3 Die Zulegungsentscheidung konkretisiert daher nicht lediglich einen in der eigenen Gewinnungsberechtigung bereits angelegten Anspruch,4 sondern entzieht dem Inhaber des Nachbarfeldes in dem durch die Behörde festgelegten Umfang die Ausübung seiner Gewinnungsberechtigung und überträgt sie auf den Inhaber der Gewinnungsberechtigung des Hauptfeldes. Damit erfüllt die Zulegung die Merkmale einer Enteignung zugunsten Privater.5 Sie ist daher nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig (Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG). 2 Der die Zulegung rechtfertigende Gemeinwohlgrund ist die sichere Versorgung des Marktes mit Bodenschätzen (§ 35 Nr. 3). Schon die Einführung des Instituts der Zulegung war entsprechend rohstoffpolitisch motiviert.6 Durch die Zulegung soll danach die rohstoffwirtschaftlich gebotene Gewinnung von Bodenschätzen ermöglicht werden, wenn der Inhaber einer Gewinnungsberechtigung auf absehbare Zeit verhindert oder nicht bereit ist, diese auszuüben, der Feldesnachbar aber dazu

1 2 3 4 5

Ebel/Weller ABG, § 1 ZulegungsVO Anm. 2. Kühne FS Säcker (2011), S. 105, 107 f.; Schulte Eigentum und öffentliches Interesse, S. 117 ff., 292 f. Schulte Eigentum und öffentliches Interesse, S. 292 f. Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 35 Rn. 3. BVerwG 20.11.2008, 7 C 10/08, BVerwGE 132, 261 = ZfB 2009, 46, Rn. 16 ff.; Beckmann/Wittmann ZfB 2009, 32, 33; Frenz/ Wittmann BBergG, § 35 Rn. 2 f.; zum früheren Recht entsprechend Ebel/Weller ABG, § 1 ZulegungsVO Anm. 2; Piens/ Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 35 Rn. 2, 5; Schulte Eigentum und öffentliches Interesse, S. 293; von Weschpfennig Strukturen des Bergrechts, S. 354; a.A. Wörheide Die Bergbauberechtigungen nach dem Bundesberggesetz, S. 408 ff. 6 Die ersten Zulegungsregelungen enthielt das preußische Gesetz zur Regelung der Grenzen von Bergwerksfeldern vom 22.7.1922; hierzu Isay ABG, Band 1, Anh § 49 Rn. 22 ff. Es wurde durch das preußische Gesetz über die Zulegung von Bergwerksfeldern vom 21.5.1937 aufgehoben (zu den Gründen für die Neuregelung die Allg. Gesetzesbegründung ZfB 1937, 123 ff.). Auf Reichsebene wurden Zulegungsregelungen durch die auf § 5 des Gesetzes zur Erschließung von Bodenschätzen vom 1.12.1936 beruhende Verordnung über die Zulegung von Bergwerksfeldern vom 25.3.1938 eingeführt, die inhaltlich im Wesentlichen dem preußischen Gesetz entsprach; Überblick bei Samel ZfB 1965, 247, 247 f. Franke/Karrenstein

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Drittes Kapitel – Zulegung

§ 35

gewillt und in der Lage ist.7 Keine eigenständige Bedeutung mehr hat im Rahmen des § 35 das mit den früheren Zulegungsregelungen verfolgte Ziel der Feldesbereinigung.8

II. Anwendungsbereich 1. Gewinnungsberechtigungen An der Zulegung können alle Gewinnungsberechtigungen beteiligt sein. Nach der Legaldefinition 3 des § 4 Abs. 6 sind Gewinnungsberechtigungen alle Rechte zur Gewinnung von bergfreien oder grundeigenen Bodenschätzen. Begünstigter einer Zulegung kann demnach sowohl der Inhaber einer Gewinnungsberechtigung auf bergfreie Bodenschätze (Bewilligung, Bergwerkseigentum) als auch ein Grundeigentümer als Verfügungsberechtigter über grundeigene Bodenschätze sein.9 Die Gewinnungsberechtigungen für das Haupt- und das Zulegungsfeld müssen auch nicht gleichartig sein;10 so kann der gleiche Bodenschatz in dem einen Feld Gegenstand einer Bewilligung sein, in dem anderen als grundeigener Bodenschatz dem Verfügungsrecht des Grundeigentümers unterliegen. Erforderlich ist nur, dass die Gewinnungsberechtigungen den gleichen Bodenschatz zum Gegenstand haben und benachbart sind. Abweichend von § 1 ZulegungsVO muss das Zulegungsfeld keine angrenzende Gewinnungsberechtigung sein, also nicht notwendig eine gemeinsame Grenze mit dem Hauptfeld haben. Bei der Zulegung mehrerer Felder oder Feldesteile reicht es aus, wenn ein Zulegungsfeld nur mittelbar an das Hauptfeld angrenzt; entscheidend ist, dass mit der Zulegung räumlich zusammenhängende Berechtigungen zum grenzüberschreitenden Abbau entstehen.11 Die Möglichkeit zur Zulegung ist nur eröffnet, wenn auf beiden Seiten Gewinnungsberechtigungen bestehen. Kein Gegenstand der Zulegung sind daher vom Bergrecht nicht erfasste Bodenschätze.12 Das gilt auch dann, wenn im Hauptfeld ein Bodenschatz, etwa aufgrund einer aufrechterhaltenen alten Berechtigung, Gegenstand einer Gewinnungsberechtigung ist, der gleiche Bodenschatz im benachbarten Bereich hingegen als Grundeigentümerbodenschatz nicht dem Bergrecht unterliegt.

2. Fortführung des Abbaus im Hauptfeld Mit der Zulegung wird die „Fortführung“ des Abbaus im Hauptfeld in das Nachbarfeld ermöglicht. 4 Erfasst wird damit nur eine räumlich fortschreitende Gewinnung. Nicht anwendbar sind die Zulegungsvorschriften daher auf reine Bohrbetriebe zur Gewinnung von Kohlenwasserstoffen.13 Eine Fortführung des Abbaus in das Nachbarfeld setzt weiterhin voraus, dass im Hauptfeld be7 Die Begründung zu § 1 ZulegungsVO sieht hierin den „Grundgedanken“ der Zulegung zusammengefasst (ZfB 1938, 6, 10); Boldt Staat und Bergbau, S. 22; Dapprich/Römermann BBergG, Übersicht vor § 35; Ebel/Weller ABG, § 1 ZulegungsVO Anm. 1. 8 Anlass, die Zulegung auch dann zu ermöglichen, wenn sie „zur Feldesbereinigung geboten erscheint“ (§ 2 ZulegungsVO), gab vor allem die Gemengelage von Längenfeldern und Geviertfeldern (Boldt Staat und Bergbau, S. 21 f.). Dieser Regelungsanlass ist weitgehend entfallen (zu den landesrechtlichen Regelungen zur Umwandlung in Geviertfelder Boldt/Weller Vorauflage, § 161 Rn. 1). 9 Frenz/Wittmann BBergG, § 35 Rn. 12; Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht Rn. 97. 10 BT-Drs. 8/1315, S. 97; Dapprich/Römermann BBergG, Übersicht vor § 35; Frenz/Wittmann BBergG, § 35 Rn. 12; Piens/ Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 35 Rn. 4; zur entsprechenden Regelung in § 1 Abs. 3 ZulegungsVO Ebel/Weller ABG, § 1 ZulegungsVO Anm. 4; Willecke/Turner Grundriß des Bergrechts, S. 83. 11 Zur entsprechenden Praxis unter der Geltung des § 1 Abs. 2 ZulegungsVO Klapper ZfB 1952, 94 ff.; Samel ZfB 1965, 247, 254. 12 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 35 Rn. 4; zum früheren Recht Ebel/Weller ABG, § 1 ZulegungsVO Anm. 4; Willecke/Turner Grundriß des Bergrechts, S. 83. 13 Samel ZfB 1965, 247, 254. 251

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§ 35

Zweiter Teil – Bergbauberechtigungen

reits ein Gewinnungsbetrieb besteht.14 Durch dieses Erfordernis wird die Zulegung für Fälle ausgeschlossen, in denen eine technisch und wirtschaftlich sinnvolle Gewinnung von vornherein nur bei Einbeziehung der benachbarten Gewinnungsberechtigung in Betracht kommt, also auch die Aufnahme der Gewinnung im Hauptfeld durch die Zulegung erst ermöglicht würde.15 Insbesondere kommt eine Zulegung nicht in Betracht, wenn ein Gewinnungsvorhaben nur durch einen Rahmenbetriebsplan zugelassen ist, weil die Rahmenbetriebsplanzulassung noch nicht den Nachweis der Gewinnungsberechtigung (§ 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) für den gesamten Abbaubereich voraussetzt; dieser Nachweis ist erst bei der Zulassung des Hauptbetriebsplans erforderlich.16 In solchen Fällen durch Zulegung die Voraussetzung für die Zulassung des Hauptbetriebsplans zu schaffen, um die Gewinnung im Hauptfeld aufnehmen zu können, entspricht nicht dem Zulegungszweck.

III. Voraussetzungen 1. Antrag 5 Die Zulegungsentscheidung ergeht nur auf Antrag des Inhabers der Gewinnungsberechtigung für das Hauptfeld. Gegen eine Antragsbefugnis anderer Beteiligter, die in § 7 Abs. 1 Satz 1 ZulegungsVO ausdrücklich vorgesehen war,17 spricht zunächst, dass § 35, der sich eng an der ZulegungsVO orientiert, auf eine entsprechende Regelung verzichtet hat. Vor allem sind die Zulegungsregelungen auf die Prüfung der Erforderlichkeit des Eingriffs in das Gewinnungsrecht für das Zulegungsfeld ausgerichtet, bieten aber keine Handlungsinstrumente und Prüfungsmaßstäbe, um den Inhaber der Gewinnungsberechtigung im Hauptfeld auf Antrag eines anderen Beteiligten zum grenzüberschreitenden Abbau zu verpflichten. Die Behörde kann auch von Amts wegen weder das Zulegungsverfahren ohne Antrag einleiten18 noch den Inhaber der Gewinnungsberechtigung zur Antragstellung verpflichten.19 Als rohstoffwirtschaftliches Steuerungsinstrument ist die Zulegung damit nur begrenzt einsetzbar. Sie bietet insbesondere keine Grundlage für eine von der Behörde ausgehende Bereinigung der Berechtsamsverhältnisse mit dem Ziel, Hemmnisse für eine rohstoffwirtschaftlich sinnvolle Gewinnung von Bodenschätzen, die aus der Berechtsamsstruktur resultieren, übergreifend zu beseitigen. Diese Begrenzung beruht auf einer bewussten Entscheidung des Gesetzgebers, nachdem ein von Amts wegen einzuleitendes Verfahren zum „Ausgleich von Gewinnungsberechtigungen“ in einem frühen Stadium des Gesetzgebungsverfahrens aufgegeben worden ist.20 14 Entsprechend zu § 1 Abs. 2 ZulegungsVO OVG Münster 14.12.1962, IV A 209/59 = ZfB 1963, 365, 366; Samel ZfB 1965, 247, 255.

15 OVG Münster 14.12.1962, IV A 209/59 = ZfB 1963, 365, 366. 16 BVerwG 2.11.1995, 4 C 14/94, BVerwGE 100, 1, 13 = ZfB 1995, 278, 285 f.; BVerwG 20.11.2008, 7 C 10/08, BVerwGE 132, 261 = ZfB 2009, 46, Rn. 30.

17 Isay ABG, Band 1, § 49 Anh Rn. 22; Miesbach/Engelhardt Bergrecht, § 7 ZulegungsVO Anm. 1. Die Begründung zu § 7 Abs. 1 ZulegungsVO ging davon aus, dass der Antrag „regelmäßig“ von dem am Hauptfeld Berechtigten gestellt werde (ZfB 1938, 6, 14 f.). 18 Miesbach/Engelhardt Bergrecht, § 1 ZulegungsVO Anm. 3; zur Sperrwirkung des fehlenden Antrags Obermayer/ Funke-Kaiser/Hönig VwVfG, § 22 Rn. 58 f., 77 ff.; Bader/Ronellenfitsch/Heßhaus VwVfG, § 22 Rn. 39; Kopp /Ramsauer VwVfG, § 22 Rn. 27; Stelkens/Bonk/Sachs/Schmitz VwVfG, § 22 Rn. 24; Fehling/Kastner/Störmer/Schwarz Verwaltungsrecht, § 22 VwVfG Rn. 40; Knack/Hennecke/Ritgen VwVfG, § 22 Rn. 33; Ziekow VwVfG, § 22 VwVfG Rn. 15. 19 Obermayer/Funke-Kaiser/Hönig VwVfG, § 22 Rn. 67 ff.; Kopp/Ramsauer VwVfG, § 22 Rn. 28; Stelkens/Bonk/Sachs/ Schmitz VwVfG, § 22 Rn. 26 ff.; Fehling/Kastner/Störmer/Schwarz Verwaltungsrecht, § 22 VwVfG Rn. 24; Knack/Hennecke/Ritgen VwVfG, § 22 Rn. 31; Ziekow VwVfG, § 22 VwVfG Rn. 16. 20 Der Referentenentwurf eines Bundesberggesetzes (Stand: 13.10.1973) enthielt in §§ 45 ff. Regelungen zum „Ausgleich von Gewinnungsberechtigungen“, die als „verfahrensmäßige Weiterentwicklung der Regelung über den grenzüberschreitenden Abbau“ konzipiert waren (Begr. S. 94); hierzu kritisch Westermann Freiheit des Unternehmers und des Grundeigentümers und ihre Pflichtenbindungen im öffentlichen Interesse nach dem Referentenentwurf eines Bundesberggesetzes, S. 68. Franke/Karrenstein

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Drittes Kapitel – Zulegung

§ 35

2. Vorherige Einigungsbemühungen (Nr. 1) Die Zulegung ist nur zulässig, wenn der Inhaber des Hauptfeldes sich ernsthaft um eine Einigung 6 mit dem Inhaber des Zulegungsfeldes über einen grenzüberschreitenden Abbau zu angemessenen Bedingungen bemüht hat. Vorherige ernsthafte Einigungsbemühungen sind aufgrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes Voraussetzung jeder Enteignung, weil der hoheitliche Entzug einer eigentumsrechtlich geschützten Position nur erforderlich sein kann, wenn ein freihändiger Erwerb zu angemessenen Bedingungen nicht zustande kommt.21 Das Angebot angemessener Bedingungen im Zuge der Einigungsbemühungen muss verbindlich sein22 und alle Positionen enthalten, für die im Enteignungsfall Entschädigung verlangt werden könnte.23 Erforderlichenfalls muss der Inhaber der Gewinnungsberechtigung im Hauptfeld auch Abbaumöglichkeiten innerhalb seiner eigenen Gewinnungsberechtigung anbieten. Die Einhaltung dieser Verpflichtung ist bei der Prüfung der Zulegungsvoraussetzungen zu berücksichtigen, da § 37 nur eine Entschädigung in Geld vorsieht, so dass die behördliche Festsetzung einer Entschädigung durch Einräumung einer anderen Abbaumöglichkeit nicht in Betracht kommt. Hat der Antragsteller keine Abbaumöglichkeit innerhalb seiner eigenen Gewinnungsberechtigung angeboten, obwohl er hierzu verpflichtet gewesen wäre, fehlt es daher an einer zwingenden Zulegungsvoraussetzung. Wann ein Angebot einer anderen Abbaumöglichkeit erforderlich ist, wird gesetzlich nicht konkretisiert, sondern ist im Einzelfall zu beurteilen. Hierbei wird vor allem zu berücksichtigen sein, ob einerseits der Antragsteller über geeignete Abbaumöglichkeiten verfügt, auf die er selbst nicht angewiesen ist, und in welchem Maße andererseits der Inhaber der Gewinnungsberechtigung im Nachbarfeld auf andere Abbaumöglichkeiten angewiesen ist. Anbieten muss der Antragsteller nur Abbaumöglichkeiten innerhalb einer vorhandenen eigenen Gewinnungsberechtigung; er ist nicht verpflichtet, sich Abbaumöglichkeiten zu verschaffen, um sie dem Inhaber der Gewinnungsberechtigung im Nachbarfeld anbieten zu können.24

3. Materielle Entscheidungsvoraussetzungen a) Gemeinwohlrechtfertigung. Das die Enteignung zugunsten Privater rechtfertigende Gemein- 7 wohlziel muss vom Gesetzgeber festgelegt werden.25 Für die Zulegung ergibt sich die Gemeinwohlrechtfertigung aus dem Ziel der Versorgung des Marktes mit Rohstoffen (Nummer 3). In Übereinstimmung mit dem Gesetzeszweck (§ 1 Nr. 1) und durch die Einschränkung auf die vom BBergG erfassten bergfreien und grundeigenen Bodenschätze (Rn. 3) wird damit das die Zulegung grundsätzlich rechtfertigende Gemeinwohlziel hinreichend bestimmt bezeichnet.26 Ein nach dem Wortlaut („insbesondere“) mögliches Verständnis der Vorschrift, dass der Gesichtspunkt der sicheren Rohstoffversorgung nur beispielhaft hervorgehoben wird und eine Zulegung auch auf andere, nicht ausdrücklich benannte Gemeinwohlziele gestützt werden kann, entspräche allerdings nicht den Anforderungen an die Bestimmtheit, mit der die eine Enteignung rechtfertigenden Gemeinwohlziele vom Gesetzgeber festgelegt werden müssen; damit würde die Gemeinwohlklausel des Art. 14 Abs. 3 GG lediglich wiederholt und die Entscheidung über die zulässigen Enteignungszwecke letztlich der Be21 BVerwG 18.8.1964, I C 48/63, BVerwGE 19, 171, 173; BGH 27.6.1966, III ZR 202/65, NJW 1966, 2012; Nüßgens/Boujong Eigentum, Sozialbindung, Enteignung (1987), Rn. 366; Aust/Jacobs/Pasternak Enteignungsentschädigung, Rn. 5 ff. 22 Aust/Jacobs/Pasternak Enteignungsentschädigung, Rn. 20 f. 23 BGH 27.6.1966, III ZR 202/65, NJW 1966, 2012, 2013; Aust/Jacobs/Pasternak Enteignungsentschädigung, Rn. 12. 24 § 35 Nr. 1 weicht damit von Entschädigungsregelungen ab, die (wie etwa § 100 Abs. 1 BauGB) einen Anspruch auf Entschädigung durch Ersatzland und hierbei auch eine Verpflichtung des Enteignungsbegünstigten zur Ersatzlandbeschaffung vorsehen (Aust/Jacobs/Pasternak Enteignungsentschädigung, Rn. 315 ff.). 25 BVerfG 17.12.2013, 1 BvR 3139/08, 1 BvR 3386/08, BVerfGE 134, 242 = ZfB 2014, 49, Rn. 171 f. 26 BVerfG 17.12.2013, 1 BvR 3139/08, 1 BvR 3386/08, BVerfGE 134, 242 = ZfB 2014, 49, Rn. 201 f. (zu § 79 Abs. 1); Frenz/ Wittmann BBergG, § 35 Rn. 20. 253

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§ 35

Zweiter Teil – Bergbauberechtigungen

hörde überlassen.27 Bei verfassungskonformer Auslegung der Vorschrift ist damit der Rückgriff auf unbenannte „andere gesamtwirtschaftliche Gründe“ ausgeschlossen.28

8 b) Erfordernis einer Gesamtabwägung. Die Zulegungsentscheidung setzt als Enteignung zugunsten Privater ferner eine umfassende Abwägung der für und gegen das Vorhaben sprechenden öffentlichen und privaten Belange voraus.29 Das Gebot einer solchen Gesamtabwägung ergibt sich, ohne dass auf Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG zurückgegriffen werden müsste, bereits aus der einfachrechtlichen Regelung in Nummer 3, wonach Voraussetzung der Zulegung ist, dass Gründe des Allgemeinwohls einen grenzüberschreitenden Abbau erfordern.30 Das Erfordernis von „Gründen des Allgemeinwohls“ ist bei verfassungskonformer Auslegung von Nummer 3 also nicht als Wiederholung der Gemeinwohlklausel des Art. 14 Abs. 3 GG zu verstehen, mit der die Zulegungsmöglichkeit auch zur Erreichung unbenannter Gemeinwohlziele eröffnet werden soll (Rn. 7), sondern verweist auf das Erfordernis einer Gesamtabwägung als notwendiges Element der Gemeinwohlrechtfertigung einer Enteignung.31 Gleichwohl ist § 35 nicht als insgesamt abwägungsoffene Entscheidung ausgestaltet, sondern weist eine aus zwingenden Erteilungsvoraussetzungen und Abwägungselementen zusammengesetzte Normstruktur auf. Ob der grenzüberschreitende Abbau bergtechnisch oder -wirtschaftlich geboten ist (Nummer 2) und ob mit einem zumindest genauso wirtschaftlichen Abbau auch ohne Zulegung gerechnet werden muss (Nummer 4), kann grundsätzlich ohne Abwägung mit möglichen Gegenbelangen festgestellt werden; das gilt auch für die rohstoffwirtschaftliche Rechtfertigung der Zulegung (Nummer 3), soweit ihr Vorliegen anhand des typisierenden Maßstabs festgestellt wird, ob der grenzüberschreitende Abbau mit Blick auf die Marktverhältnisse „vernünftigerweise geboten“ ist (Rn. 13). Dies spricht dafür, dass die in § 35 aufgeführten materiell-rechtlichen Voraussetzungen als zwingende, aber nicht abschließende Zulegungsvoraussetzungen die technischen und wirtschaftlichen Mindestanforderungen an die Gemeinwohlrechtfertigung des grenzüberschreitenden Abbaus konkretisieren. Liegen sie nicht vor, kann die Zulegung bereits deshalb nicht erteilt werden. Nur wenn die zwingenden Zulegungsvoraussetzungen gegeben sind, muss zur Prüfung der Gemeinwohlrechtfertigung der Enteignung eine Abwägung zwischen bergbaulichen Belangen und bergrechtsexternen öffentlichen Interessen sowie privaten Belangen, die gegen das grenzüberschreitende Gewinnungsvorhaben sprechen, erfolgen. 9 Bei der Gewichtung der Abwägungsbelange sind die normativen Gewichtungsvorgaben zu berücksichtigen. Unter rohstoffwirtschaftlichen Gesichtspunkten ist vor allem die Rohstoffsicherungsklausel (§ 48 Abs. 1 Satz 2) bedeutsam. Danach ist bei der Anwendung von Regelungen, die bergbauliche Tätigkeiten ausschließen oder einschränken, dafür Sorge zu tragen ist, dass die Gewinnung so wenig wie möglich beeinträchtigt wird. Dieser Anwendungsvorgabe liegen dieselben rohstoffwirtschaftlichen Erwägungen zugrunde wie der gesetzgeberischen Entscheidung, überhaupt zugunsten bergbaulicher Vorhaben die Möglichkeit der Enteignung (§§ 35 ff., §§ 77 ff.) zu eröffnen. Daher kann die Rohstoffsicherungsklausel nicht zusätzlich die Abwägung, ob eine Enteignung durch Gemeinwohlgründe gerechtfertigt wird, in der Weise beeinflussen, dass ein grundsätzlicher Vorrang bergbaulicher Belange vor entgegenstehenden Interessen bestehen soll.32 27 BVerfG 17.12.2013, 1 BvR 3139/08, 1 BvR 3386/08, BVerfGE 134, 242 = ZfB 2014, 49, Rn. 198 f. (zu § 79 Abs. 1). 28 Anders noch BVerwG 20.11.2008, 7 C 10/08, BVerwGE 132, 261 = ZfB 2009, 46, Rn. 52; Frenz/Wittmann BBergG, § 35 Rn. 20. 29 BVerfG 17.12.2013, 1 BvR 3139/08, 1 BvR 3386/08, BVerfGE 134, 242 = ZfB 2014, 49, Rn. 188 f., 211 ff.; BVerwG 14.12.1990, 7 C 5/90, BVerwGE 87, 241, 250 f. = ZfB 1991, 129, 136 f.; BVerwG 20.11.2008, 7 C 10/08, BVerwGE 132, 261 = ZfB 2009, 46, Rn. 15, 21. 30 BVerwG 20.11.2008, 7 C 10/08, BVerwGE 132, 261 = ZfB 2009, 46, Rn. 15; Frenz/Wittmann BBergG, § 35 Rn. 21 ff. 31 BVerwG 20.11.2008, 7 C 10/08, BVerwGE 132, 261 = ZfB 2009, 46, Rn. 15. 32 BVerwG 20.11.2008, 7 C 10/08, BVerwGE 132, 261 = ZfB 2009, 46, Rn. 54 ff., 56; Beckmann/Wittmann ZfB 2009, 32, 41; Frenz/Wittmann BBergG, § 35 Rn. 26 f. Franke/Karrenstein

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Drittes Kapitel – Zulegung

§ 35

Mit Blick auf den Natur- und Landschaftsschutz ergeben sich Gewichtungsvorgaben vor allem daraus, unter welchen Voraussetzungen Befreiungen von Schutzgebietsregelungen in Betracht kommen. Steht im Zeitpunkt der Entscheidung über die Zulegung fest, dass die Gewinnung von Bodenschätzen im Zulegungsfeld aus Gründen des Natur- und Landschaftsschutzes insgesamt ausgeschlossen ist, kann (wie bei der Erteilung von Bergbauberechtigungen [vgl. § 11 Rn. 14]) in der Regel wegen fehlenden Sachbescheidungsinteresses keine Zulegung erteilt werden.

c) Zwingende Zulegungsvoraussetzungen. Die nach § 35 zwingenden Zulegungsvorausset- 10 zungen enthalten vor allem bergbauspezifische Anforderungen an die Erforderlichkeit der Zulegung im Einzelfall. Materiell-rechtliche Maßstäbe für diese Prüfung ergeben sich aus Nummer 2, 3 und 4. Nach Nummer 2 muss der grenzüberschreitende Abbau aus bergwirtschaftlichen oder 11 bergtechnischen Gründen geboten sein. Bergwirtschaftliche Gründe können insbesondere vorliegen, wenn der zuzulegende Bereich nach Form und Größe keine selbständige wirtschaftliche Gewinnung ermöglicht. Bergtechnische Gründe für einen grenzüberschreitenden Abbau können sich im untertägigen Bergbau daraus ergeben, dass Standwasserbereiche oder gasausbruchsgefährdete Bereiche umfahren werden müssen; im übertägigen Bergbau kann etwa beim Anlegen der Endböschung eine geologische Situation auftreten, die zur Gewährleistung einer dauerhaften Böschungsstabilität die Verlegung des Böschungssystems in das Nachbarfeld erforderlich macht. Anforderungen an das Gewicht der bergwirtschaftlichen und bergtechnischen Gründe ergeben sich daraus, dass der grenzüberschreitende Abbau geboten sein muss. Es reicht daher nicht aus, dass die Zulegung für den Inhaber der Gewinnungsberechtigung im Hauptfeld lediglich zweckmäßig oder erwünscht ist.33 Bei der Prüfung, ob der grenzüberschreitende Abbau aus bergtechnischen Gründen geboten ist, muss insbesondere berücksichtigt werden, dass eine Planung im Hauptfeld, die von vornherein einen grenzüberschreitenden Abbau erfordert, nicht vom Zulegungszweck gedeckt wird (Rn. 4). Die Fortführung des Abbaus in das Nachbarfeld kann aber vor allem dann geboten sein, wenn die bergtechnischen Gründe erst später erkennbar werden. Aus Nummer 3 ergibt sich zum einen eine spezifisch rohstoffwirtschaftliche Vorausset- 12 zung für die Erforderlichkeit der Zulegung, zum anderen das Gebot, andere Gründe des Allgemeinwohls im Wege einer Gesamtabwägung bei der Entscheidung über die Zulegung zu berücksichtigen. Das Vorliegen der Voraussetzungen von Nummer 3 ist also nicht von vornherein durch Vornahme einer Abwägung,34 sondern zweistufig zu prüfen. Hierfür spricht, dass die Entscheidung über die Zulegung sonst vor allem vom Gewicht der Gegenbelange abhinge, ohne dass es auf rohstoffwirtschaftliche Mindestanforderungen an den Entzug der fremden Berechtigung ankäme. Mit der Zulegungsvoraussetzung, dass die Versorgung des Marktes mit Bodenschätzen den 13 grenzüberschreitenden Abbau „erfordern“ muss, wird zunächst klargestellt, dass der hohe Gemeinwohlrang einer gesicherten Versorgung mit Rohstoffen generell eine Enteignung rechtfertigen kann (Rn. 7).35 Ob dieser Gemeinwohlgrund ein konkretes Gewinnungsvorhaben erfordert, ist im Einzelfall zu prüfen.36 Maßstab für die Beurteilung der Erforderlichkeit ist nicht, dass das konkrete Vorhaben zur Erreichung des gesetzlich bestimmten Gemeinwohlziels unverzichtbar ist.37 Es kommt also nicht darauf an, ob aktuelle Lieferengpässe bestehen, weil es um Marktverhältnisse geht, die mittel- und langfristigen Veränderungen unterliegen können. Die Erforderlich33 BT-Drs. 8/1315, S. 97. 34 So wohl Beckmann/Wittmann ZfB 2009, 32, 37 f. 35 BVerfG 17.12.2013, 1 BvR 3139/08, 1 BvR 3386/08, BVerfGE 134, 242 = ZfB 2014, 49, Rn. 201 f.; BVerwG 20.11.2008, 7 C 10/08, BVerwGE 132, 261 = ZfB 2009, 46, Rn. 20.

36 Zu den Anforderungen an die gesetzliche Bestimmung der Vorhaben, für die enteignet werden darf, BVerfG 17.12.2013, 1 BvR 3139/08, 1 BvR 3386/08, NVwZ 2014, 211, BVerfGE 134, 242 = ZfB 2014, 49, Rn. 174 ff.

37 BVerfG 17.12.2013, 1 BvR 3139/08, 1 BvR 3386/08, BVerfGE 134, 242 = ZfB 2014, 49, Rn. 184 f. 255

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§ 35

Zweiter Teil – Bergbauberechtigungen

keit ist daher aufgrund einer Prognose der Marktentwicklung zu beurteilen, die für einen mittelund langfristigen Zeitraum die voraussichtliche Bedarfs- und Angebotssituation gegenüberstellt. Eine solche prognostische Einschätzung kann nur anhand eines typisierenden Maßstabs erfolgen. Einerseits reicht die Feststellung nicht aus, dass durch den grenzüberschreitenden Abbau zusätzliche Mengen für den Rohstoffmarkt zur Verfügung stehen; andererseits ist nicht erforderlich, dass die Zulegung einem unabweisbaren rohstoffwirtschaftlichen Bedürfnis entsprich.38 Vielmehr muss die Zulegung mit Blick auf die Marktverhältnisse vernünftigerweise geboten sein; dies ist zu bejahen, wenn das durch die Zulegung ermöglichte Gewinnungsvorhaben einen substantiellen Beitrag zur Erreichung des Gemeinwohlziels einer sicheren Rohstoffversorgung leisten kann.39 Nach diesem Maßstab der prognostischen Einschätzung durch den Marktteilnehmer ist auch die Frage zu beantworten, welcher räumliche Markt zu berücksichtigen ist. Hierbei kommt es vor allem darauf an, über welche Entfernungen ein Transport zwischen dem Ort der Gewinnung und dem Ort des Verbrauchs für den jeweiligen Bodenschatz noch wirtschaftlich ist. 14 Nummer 4 schließt eine Zulegung aus, wenn damit gerechnet werden muss, dass der Bodenschatz im Feld der benachbarten Berechtigung auch ohne Zulegung von einem anderen Gewinnungsbetrieb ebenso wirtschaftlich gewonnen werden kann. Hieraus ergibt sich zunächst die Grundvoraussetzung einer Zulegung. Der Eingriff in die fremde Gewinnungsberechtigung ist nicht gerechtfertigt, wenn dem öffentlichen Interesse an der Gewinnung des Bodenschatzes im Zulegungsfeld dadurch Rechnung getragen wird, dass die Gewinnungsberechtigung im benachbarten Feld absehbar durch den Inhaber selbst oder aufgrund vertraglicher Vereinbarung durch einen Dritten ausgeübt wird. Die Behörde muss daher eine prognostische Prüfung vornehmen. Der Maßstab für diese Prüfung ergibt sich aus der gesetzlichen Anforderung, dass mit einer Aufnahme der Gewinnung ohne Zulegung gerechnet werden muss. Hiervon kann nur bei einer konkretisierten betrieblichen Planung ausgegangen werden. Die bloße Behauptung, die Aufnahme der Gewinnung im Zulegungsfeld sei beabsichtigt oder das Zulegungsfeld werde als Reservefeld benötigt, reicht nicht aus.40 Auch das Vorliegen einer Rahmenbetriebsplanzulassung bietet allein keine Gewähr dafür, dass die Aufnahme der Gewinnung in absehbarer Zeit ernsthaft beabsichtigt ist, weil keine Verpflichtung besteht, die erteilte Zulassung zu nutzen.41 Andererseits kann nicht verlangt werden, dass die Aufnahme der Gewinnung im Zulegungsfeld durch einen bereits bestehenden Gewinnungsbetrieb wahrscheinlich sein muss.42 Dem Gesetzeswortlaut ist dieses Erfordernis nicht zu entnehmen. Dagegen spricht auch, dass nach der 1963 erfolgten Neufassung des § 1 Abs. 2 ZulegungsVO,43 an der sich Nummer 4 orientiert,44 die Gewinnung durch ein erst im Aufschluss befindliches Bergwerk zu berücksichtigen war. Gründe dafür, dass der Gesetzgeber diese Anforderungen verschärfen wollte, sind nicht erkennbar. Ob mit der Aufnahme der Gewinnung ohne Zulegung gerechnet werden muss, obwohl ein hierfür in Betracht kommender Betrieb noch nicht existiert, kann, ohne dass die Zulegungsmöglichkeit praktisch entwertet wird, im Einzelfall bei den Anforderungen an die Konkretisierung der betrieblichen Planungen berücksichtigt werden.

38 BVerfG 17.12.2013, 1 BvR 3139/08, 1 BvR 3386/08, NVwZ 2014, 211, BVerfGE 134, 242 = ZfB 2014, 49, Rn. 184; BVerwG 20.11.2008, 7 C 10/08, BVerwGE 132, 261 = ZfB 2009, 46, Rn. 21, 50. 39 BVerfG 17.12.2013, 1 BvR 3139/08, 1 BvR 3386/08, NVwZ 2014, 211, BVerfGE 134, 242 = ZfB 2014, 49, Rn. 184 f.; BVerwG 20.11.2008, 7 C 10/08, BVerwGE 132, 261 = ZfB 2009, 46, Rn. 50; entsprechend zur Bedarfsprüfung bei Infrastrukturprojekten BVerwG 15.1.2004, 4 A 11/02, BVerwGE 120, 1, 3; BVerwG 9.11.2006, 4 A 2001/06, BVerwGE 127, 95, Rn. 34. 40 Klapper ZfB 1952, 87, 91 f.; Zydek ZfB 1964, 289, 328. 41 Samel ZfB 1965, 247, 255; Zydek ZfB 1964, 289, 328. 42 A.A. Boldt/Weller Vorauflage, § 35 Rn. 5 unter Hinweis auf die Gesetzesbegründung zu § 34 RegE BBergG (BT-Drs. 8/1315, S. 98). 43 § 44 Nr. 1 des Gesetzes zur Förderung der Rationalisierung im Steinkohlenbergbau vom 29.7.1963 (BGBl. I S. 549); hierzu Samel ZfB 1965, 247, 256; Zydek ZfB 1964, 289, 328. 44 BT-Drs. 8/1315, S. 97 f. Franke/Karrenstein

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Drittes Kapitel – Zulegung

§ 35

Weiterhin fordert Nummer 4 einen Wirtschaftlichkeitsvergleich.45 Danach darf nicht abseh- 15 bar sein, dass die Gewinnung im Nachbarfeld auch ohne Zulegung ebenso wirtschaftlich erfolgen kann wie im Falle einer Zulegung. Ergibt der Vergleich, dass die Gewinnung im Nachbarfeld auch ohne Zulegung zumindest ebenso wirtschaftlich erfolgen kann, ist eine zwingende Zulegungsvoraussetzung nicht erfüllt. Ist eine Gewinnung bei grenzüberschreitendem Abbau wirtschaftlicher als ohne Zulegung, ist das Ergebnis des Wirtschaftlichkeitsvergleichs in die nach Nummer 3 gebotene Abwägung einzustellen. Im Einzelfall kann der Wirtschaftlichkeitsvergleich auch Aufschlüsse für die Beurteilung vermitteln, ob eine Gewinnung im Nachbarfeld ohne Zulegung ernsthaft beabsichtigt ist, weil er eine wirtschaftliche Plausibilisierung der betrieblichen Planungen für das Zulegungsfeld ermöglicht. Die Berücksichtigung der Belange des Inhabers der Gewinnungsberechtigung für das Nachbarfeld wird durch Nummer 4 nicht abschließend geregelt. Bei der behördlichen Abwägung ist nicht nur sein Interesse an einer künftigen Ausübung seiner Berechtigung einzubeziehen, sondern auch das Interesse zu berücksichtigen, ein Grundstück anderer Zwecke wegen von Bergbautätigkeit freizuhalten (Rn. 19).46

d) Abwägungsgesichtspunkte. Liegen die in § 35 normierten zwingenden Zulegungsvorausset- 16 zungen vor, ist zu prüfen, ob öffentliche Belange, die der Zulegung im konkreten Fall entgegenstehen, von größerem Gewicht sind als das Interesse am grenzüberschreitenden Abbau. Schließlich sind die privaten Belange des Inhabers der Gewinnungsberechtigung im Zulegungsfeld zu berücksichtigen. aa) Entgegenstehende öffentliche Interessen. Öffentliche Interessen, die dem grenzüber- 17 schreitenden Abbau entgegenstehen, können sich vor allem daraus ergeben, dass Schutzgebietsregelungen oder planungsrechtliche Ausweisungen für das Nachbarfeld Nutzungen vorsehen, die mit der Bodenschatzgewinnung nicht zu vereinbaren sind. Zwingende Verbote und Beschränkungen sind schon aufgrund § 48 Abs. 1 zu beachten. Raum für eine Interessenabwägung besteht in der Regel bei der Prüfung von Ausnahme- oder Befreiungsmöglichkeiten sowie, wenn keine Schutzgebietsregelungen bestehen, im Rahmen der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung; das gilt vor allem für die Alternativenprüfung im Rahmen des Vermeidungsgebots und die Abwägung, ob nicht vermeidbare und nicht kompensierbare Eingriffe zugelassen werden können (§ 15 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 5 BNatSchG).47 Aufgrund Nummer 5 können der Zulegung auch Gründe des Lagerstättenschutzes entgegenstehen. Das ist der Fall, wenn im Zulegungsfeld andere Bodenschätze, deren Schutz im öffentlichen Interesse liegt, durch den grenzüberschreitenden Abbau beeinträchtigt würden. Das öffentliche Interesse an einer vorrangigen Gewinnung des anderen Bodenschatzes kann insbesondere durch eine planerische Ausweisung (etwa durch einen Braunkohlenplan oder als Vorrang- und Eignungsgebiet im Rahmen der regionalen oder örtlichen Planung [§ 8 Abs. 7 ROG, § 35 Abs. 3 Satz 2 und 3 BauGB]) konkretisiert sein. Beeinträchtigt wird der geschützte Bodenschatz etwa dadurch, dass er im Zuge des grenzüberschreitenden Abbaus abgeräumt werden müsste oder verunreinigt werden könnte.48 Die Berücksichtigung entgegenstehender öffentlicher Belange kann zur Versagung der Zulegung insgesamt oder, wenn sie nur in Teilen der beantragten Zulegung überwiegen, auf eine vom Antrag abweichende Abgrenzung des Zulegungsfeldes durch die Behörde (§ 36 Satz 1 Nr. 4) führen.

45 Die Regelung entspricht im Wesentlichen der 1963 erfolgten Neufassung des § 1 Abs. 2 ZulegungsVO; hierzu Samel ZfB 1965, 247, 255 f.; Zydek ZfB 1964, 289, 328.

46 BVerwG 20.11.2008, 7 C 10/08, BVerwGE 132, 261 = ZfB 2009, 46, Rn. 57. 47 Lütkes/Ewer/Lütkes BNatSchG, § 15 Rn. 7, 64 ff.; J. Schumacher/Fischer-Hüftle/A. Schumacher BNatSchG, § 15 Rn. 17 ff., 127 ff. 48 BT-Drs. 8/1315, S. 87. 257

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§ 35

Zweiter Teil – Bergbauberechtigungen

18 bb) Unterstützende öffentliche Interessen. Dass die den grenzüberschreitenden Abbau unterstützenden Gemeinwohlbelange bereits Gegenstand der Prüfung der Zulegungsvoraussetzungen waren, schließt eine Berücksichtigung dieser Belange im Rahmen der Abwägung nicht aus, weil das tatsächliche Gewicht der bergbaubezogenen Gemeinwohlbelange über die Mindestanforderungen der zwingenden Zulegungsvoraussetzungen hinausgehen kann. Im Rahmen der Einzelfallabwägung sind in solchen Fällen die den grenzüberschreitenden Abbau unterstützenden öffentlichen Interessen auch mit einem gegenüber den Anforderungen des § 35 überschießenden Abwägungsgewicht zu berücksichtigen. Auf die Gewichtung der bergbaulichen Belange wirken sich auch die Investitionen aus, die der Unternehmer für den Aufschluss der Lagerstätte und den Gewinnungsbetrieb getätigt hat; sie sind als öffentliche Belange zu berücksichtigen, weil eine möglichst vollständige Ausbeutung einer einmal aufgeschlossenen Lagerstätte dem Gesetzeszweck (§ 1 Nr. 1) entspricht und die hierfür getätigten Investitionen nicht nutzlos verfallen sollen.49

19 cc) Entgegenstehende private Belange. Als private Belange, die dem grenzüberschreitenden Abbau entgegenstehen können, sind die Interessen des Inhabers der Gewinnungsberechtigung für das Nachbarfeld zu berücksichtigen. Das gilt auch dann, wenn eine Gemeinde Eigentümerin ist; diese ist zwar nicht Trägerin des Grundrechts aus Art. 14 GG, hat aber Anspruch auf Berücksichtigung ihrer Belange im Rahmen einer Gesamtabwägung, weil sich das Abwägungsgebot schon aus der einfachrechtlichen Regelung in § 35 Nr. 3 ergibt.50 Zu berücksichtigen ist zunächst das Interesse, die Gewinnungsberechtigung für das Nachbarfeld selbst oder durch einen Dritten auszuüben.51 Bezieht sich der Zulegungsantrag auf einen grundeigenen Bodenschatz, ist weiterhin die gesetzgeberische Wertung in Betracht zu ziehen, dass der Eigentümer ohne Rücksicht auf die bei bergfreien Bodenschätzen bestehenden rohstoffwirtschaftlichen Lenkungsmöglichkeiten entscheiden kann, ob er einen Bodenschatz gewinnen oder von einer Gewinnung absehen will. Daher ist auch das private Interesse abwägungserheblich, ein Grundstück etwa zum Schutz von Natur und Landschaft von Bergbautätigkeit freizuhalten.52

20 e) Rechtliche Bindung der Zulegungsentscheidung. Die Zulegungsentscheidung ist sowohl hinsichtlich der zwingenden Zulegungsvoraussetzungen als auch mit Blick auf die durch § 35 Nr. 3 gebotene Gesamtabwägung rechtlich gebunden. Die Öffnungsklausel des § 35 Nr. 3 verpflichtet zu einer Gesamtabwägung, begründet aber keine planerische Gestaltungsfreiheit; vielmehr bleibt das gesamte behördliche Prüfprogramm gesetzlich determiniert (vgl. § 79 Rn. 4). Mit der Formulierung, dass die Behörde die Zulegung erteilen „kann“, wird daher kein Ermessen, sondern nur die Befugnis zur Erteilung des Rechts auf grenzüberschreitenden Abbau eingeräumt.53

4. Vorlage- und Darlegungspflichten (Nr. 6) 21 Nummer 6 begründet Vorlage- und Darlegungspflichten des Antragstellers, um der Behörde die für die Beurteilung der Zulegungsvoraussetzungen notwendigen Informationsgrundlagen zu verschaffen. Überwiegend geht es hierbei um Informationen aus der betrieblichen Sphäre des Antrag49 50 51 52 53

BVerwG 20.11.2008, 7 C 10/08, BVerwGE 132, 261 = ZfB 2009, 46, Rn. 53. BVerwG 20.11.2008, 7 C 10/08, BVerwGE 132, 261 = ZfB 2009, 46, Rn. 22 ff. BVerwG 20.11.2008, 7 C 10/08, BVerwGE 132, 261 = ZfB 2009, 46, Rn. 57. BVerwG 20.11.2008, 7 C 10/08, BVerwGE 132, 261 = ZfB 2009, 46, Rn. 57. BVerwG 20.11.2008, 7 C 10/08, BVerwGE 132, 261 = ZfB 2009, 46, Rn. 45; Frenz/Wittmann BBergG, § 35 Rn. 4, 35; Piens/ Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 35 Rn. 10; a.A. Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht, Rn. 99. Franke/Karrenstein

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Drittes Kapitel – Zulegung

§ 35

stellers. Mit den durch Nummer 6 auferlegten Vorlage- und Darlegungspflichten wird die behördliche Amtsermittlungspflicht (§ 24 VwVfG) durch eine Mitwirkungslast des Antragstellers für solche Umstände eingeschränkt, die seiner Verantwortungssphäre zuzuordnen sind.54 Insbesondere muss der Antragteller sein Zulegungsbegehren durch Vorlage eines Lagerisses für das Haupt- und das Nachbarfeld, in dem der zuzuteilende Feldesteil besonders gekennzeichnet ist, räumlich konkretisieren (Nr. 6 Buchst. a)). Die Anforderungen an Maßstab und Inhalt des Lagerisses ergeben sich aus der Bergverordnung über vermessungstechnische und sicherheitliche Unterlagen (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UnterlagenBergV). Ferner müssen die zur bergwirtschaftlichen und -technischen Beurteilung der Zulegung bedeutsamen tatsächlichen Verhältnisse dargestellt, Angaben zur bisherigen Gewinnung im Hauptfeld und zur beabsichtigten Gewinnung im Zulegungsfeld, zur Finanzierung des grenzüberschreitenden Abbaus und zu den Absatzmöglichkeiten für die im Zulegungsfeld gewonnenen Bodenschätze gemacht werden (Nr. 6 Buchstaben b) bis e)). Über die zur Beurteilung der Zulegungsvoraussetzungen nach Nummer 3 und 4 erforderli- 22 chen Informationen wird der Antragsteller nur zum Teil verfügen. Nr. 6 Buchstabe f stuft daher die Anforderungen an seine Darlegungspflicht ab und verlangt nur „eine Begründung“ für das Vorliegen dieser Entscheidungsvoraussetzungen. Der Sphäre des Antragstellers zuzuordnen sind insbesondere die für den Wirtschaftlichkeitsvergleich nach Nummer 4 erforderlichen Informationen zur Wirtschaftlichkeit des beabsichtigten grenzüberschreitenden Abbaus. Im Übrigen ist der Antragsteller bei der von Nr. 6 Buchst. f) geforderten Begründung auf allgemein zugängliche Informationen angewiesen. Soweit zur Entscheidung über die Zulegung weitere Informationen erforderlich sind, ist der Sachverhalt von der Behörde im Rahmen ihrer Amtsermittlungspflicht aufzuklären. Diese kann hierbei auf die allgemeinen Beweismittel (§ 26 Abs. 1 VwVfG) zurückgreifen; insbesondere für die zur Beurteilung der rohstoffwirtschaftlichen Erforderlichkeit erforderliche prognostische Einschätzung der Marktentwicklung wird in der Regel die Einholung der Stellungnahme eines Sachverständigen (§ 26 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VwVfG) angezeigt sein. Auch die Ermittlung der dem grenzüberschreitenden Abbau entgegenstehenden öffentlichen Belange ist Aufgabe der Behörde. Entsprechend dem Grundsatz der Verteilung nach Verfügungs- und Verantwortungssphären 23 trifft auch den Inhaber der Gewinnungsberechtigung im Zulegungsfeld eine Mitwirkungslast. Das gilt insbesondere für die Konkretisierung eigener Gewinnungsabsichten sowie im Rahmen des Wirtschaftlichkeitsvergleichs nach Nummer 4 für die Informationen zur Wirtschaftlichkeit einer Gewinnung ohne Zulegung. Auch die Gewichtung seines Interesses, den Bereich seiner Gewinnungsberechtigung von Bergbautätigkeit freizuhalten, setzt entsprechende Darlegungen im Erteilungsverfahren voraus. Die Mitwirkung der Beteiligten ist keine selbständig durchsetzbare Verpflichtung. Als Mitwir- 24 kungslast der Beteiligten bei der Sachverhaltsaufklärung schränkt sie die Amtsermittlungspflicht der Behörde ein.55 Unzureichende Mitwirkung wird mittelbar dadurch sanktioniert, dass die behördliche Entscheidung auf der Grundlage einer Sachverhaltsaufklärung ergeht, bei der Umstände des Einzelfalls, die der Sphäre der Beteiligten zuzuordnen sind, möglicherweise nicht in vollem Umfang berücksichtigt werden.56

54 Stelkens/Bonk/Sachs/Kallerhoff/Fellenberg VwVfG, § 26 Rn. 47; Fehling/Kastner/Störmer/Schwarz Verwaltungsrecht, § 26 VwVfG Rn. 36; Knack/Hennecke/Ritgen VwVfG, § 26 Rn. 58. 55 Bader/Ronellenfitsch/Herrmann VwVfG, § 26 Rn. 37; Stelkens/Bonk/Sachs/Kallerhoff/Fellenberg VwVfG, § 26 Rn. 46 f.; Kopp/Ramsauer VwVfG, § 26 Rn. 43 f.; Knack/Hennecke/Ritgen VwVfG, § 26 Rn. 55; Fehling/Kastner/Störmer/Schwarz Verwaltungsrecht, § 26 VwVfG Rn. 37; Ziekow VwVfG, § 26 Rn. 18. 56 Bader/Ronellenfitsch/Herrmann VwVfG, § 26 Rn. 37; Stelkens/Bonk/Sachs/Kallerhoff/Fellenberg VwVfG, § 26 Rn. 51 ff.; Kopp/Ramsauer VwVfG, § 26 Rn. 43 f.; Fehling/Kastner/Störmer/Schwarz Verwaltungsrecht, § 26 VwVfG Rn. 38; Ziekow VwVfG, § 26 Rn. 19. 259

Franke/Karrenstein

§ 36

Zweiter Teil – Bergbauberechtigungen

§ 36 Verfahren 1 Auf das Verfahren sind die Vorschriften über das förmliche Verwaltungsverfahren nach Teil V Abschnitt 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes mit folgender Maßgabe anzuwenden: 1. Beteiligter ist auch, wem ein Recht zur Gewinnung in dem Feld der fremden Berechtigung zusteht, sowie der Inhaber eines dinglichen Rechtes an der fremden Berechtigung. Liegt die fremde Berechtigung ganz oder teilweise im Bezirk einer anderen zuständigen Behörde, so ist auch diese zu laden. 2. Von Amts wegen ist ein Vertreter auch zu bestellen für Mitberechtigte, wenn sie der Aufforderung der zuständigen Behörde, einen gemeinsamen Vertreter zu bestellen, innerhalb der ihnen gesetzten Frist nicht nachgekommen sind. 3. In der mündlichen Verhandlung ist auf eine Einigung hinzuwirken. Kommt eine Einigung zustande, so ist diese in der Verhandlungsniederschrift zu beurkunden. Auf die Beurkundung sind die §§ 3 bis 13 und 16 bis 26 des Beurkundungsgesetzes vom 28. August 1969 (BGBl. I S. 1513), zuletzt geändert durch Gesetz vom 20. Februar 1980 (BGBl. I S. 157), entsprechend anzuwenden. Die Niederschrift über die Einigung steht einer notariellen Beurkundung der Einigung gleich. Eine Auflassung kann die zuständige Behörde nicht entgegennehmen. 4. Kommt eine Einigung nicht zustande, so entscheidet die zuständige Behörde über den Antrag. Das Recht zum grenzüberschreitenden Abbau ist für ein bestimmtes Feld, für bestimmte Bodenschätze und zeitlich beschränkt zu erteilen. § 16 Abs. 3 gilt entsprechend. 2 An die Stelle der Vorschriften über das förmliche Verwaltungsverfahren nach Teil V Abschnitt 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes treten die entsprechenden Vorschriften der Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder, soweit dies landesrechtlich angeordnet ist.

Übersicht I.

Anwendbarkeit der §§ 63 ff. VwVfG

1

II. 1.

Modifizierungen der §§ 63 ff. VwVfG Erweiterung des Beteiligtenbegriffs

3 4

2. 3. 4.

5 Vertreterbestellung von Amts wegen Einigung in der mündlichen Verhandlung Behördliche Entscheidung bei Nichteini8 gung

7

I. Anwendbarkeit der §§ 63 ff. VwVfG 1 Satz 1 ordnet die grundsätzliche Anwendbarkeit der Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes über das förmliche Verwaltungsverfahren (§§ 63 ff. VwVfG) an, modifiziert sie aber durch die Maßgaben nach Satz 1 Nr. 1 bis 4. Die Durchführung des Zulegungsverfahrens als förmliches Verwaltungsverfahren liegt aus mehreren Gründen nahe. Zum einen stellt die Enteignung einer Gewinnungsberechtigung einen nachhaltigen Eingriff dar. Es ist daher sachgerecht, dass über die Zulegung in einem Verfahren entschieden wird, das aufgrund der formalisierten und gegenüber dem allgemeinen Verwaltungsverfahren (§§ 9 ff. VwVfG) erweiterten Mitwirkungsmöglichkeiten der Beteiligten eine höhere Richtigkeitsgewähr für die behördliche Entscheidung bietet.1 Zum anderen bietet sich die justizförmige Ausgestaltung des förmlichen Verwaltungsverfahrens auch deshalb an, weil die Behörde angesichts der vorausgehenden Einigungsbemühungen der Beteiligten (§ 35 Nr. 1) und der 1 Beckmann/Wittmann ZfB 2009, 32, 33 f.; Knack/Henneke/Dürr VwVfG, § 63 Rn. 5; Fehling/Kastner/Störmer/Fehling Verwaltungsrecht, § 63 VwVfG Rn. 2; Bader/Ronellenfitsch/Michler VwVfG, § 63 Rn. 3; Stelkens/Bonk/ Sachs/Kamp VwVfG, § 63 Rn. 6; Ziekow VwVfG, § 63 Rn. 1. Franke/Karrenstein https://doi.org/10.1515/9783110709285-050

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Drittes Kapitel – Zulegung

§ 36

Verpflichtung, selbst auf eine Einigung hinzuwirken (Satz 1 Nr. 3), in der Situation eines Parteienstreits hoheitlich zu entscheiden hat.2 Satz 1 nimmt auf das Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes Bezug. Nach Satz 2 treten an die 2 Stelle der bundesrechtlichen Regelungen des förmlichen Verwaltungsverfahrens die entsprechenden Vorschriften der Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder, soweit dies landesrechtlich angeordnet ist. Aufgrund der Subsidiaritätsklausel des § 1 Abs. 3 VwVfG gilt dies beim Vollzug von Bundesrecht durch die Länder ohnehin, da alle Länder das Verwaltungsverfahrensrecht kodifiziert haben.3

II. Modifizierungen der §§ 63 ff. VwVfG Der Gesetzgeber ist bei der Entscheidung, im Fachrecht die Anwendbarkeit der §§ 63 ff. VwVfG 3 anzuordnen, an keine normativen Voraussetzungen gebunden. Ob er fachgesetzliche Verfahrensregelungen trifft oder auf das allgemeine Verfahrensrecht Bezug nimmt, ist eine Zweckmäßigkeitsentscheidung. Daher kann der Fachgesetzgeber sich auch dafür entscheiden, die Durchführung eines förmlichen Verwaltungsverfahrens mit fachgesetzlichen Modifizierungen gegenüber §§ 63 ff. VwVfG anzuordnen.4 Satz 1 sieht vier solcher Maßgaben vor, die sich aus dem Gegenstand der Zulegung ergeben.5

1. Erweiterung des Beteiligtenbegriffs Durch Nummer 1 wird der Beteiligtenbegriff gegenüber dem allgemeinen Verfahrensrecht erwei- 4 tert. Nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG, der aufgrund § 63 Abs. 2 VwVfG auch im förmlichen Verwaltungsverfahren gilt,6 sind im Antragsverfahren nur Antragsteller und Antragsgegner kraft Gesetzes Beteiligte; andere Betroffene erlangen die Beteiligtenstellung erst durch Hinzuziehung seitens der Behörde (§ 13 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. Abs. 2 VwVfG). Nummer 1 bestimmt, dass im Zulegungsverfahren auch Inhaber eines Gewinnungsrechts im Zulegungsfeld sowie Inhaber eines dinglichen Rechts an der fremden Berechtigung Beteiligte kraft Gesetzes sind. Inhaber eines Gewinnungsrechts sind alle Personen, denen ein Recht zur Gewinnung eines bergfreien oder grundeigenen Bodenschatzes zusteht (vgl. § 35 Rn. 3). Ihnen wird die Beteiligtenstellung kraft Gesetzes eingeräumt, weil der grenzüberschreitende Abbau die Möglichkeit zur Ausübung ihres Gewinnungsrechts ausschließen oder einschränken kann. Der Inhaber eines dinglichen Rechts an der fremden Gewinnungsberechtigung ist vor allem mit Blick auf sein Interesse am Erhalt des ihm zustehenden Anteils an der Entschädigung zu beteiligen (§ 37 Abs. 2 Satz 5 i.V.m. Art. 52, 53 EGBGB [vgl. § 37 Rn. 5]).

2. Vertreterbestellung von Amts wegen Nummer 2 ergänzt § 16 VwVfG; nach dieser Vorschrift hat auf Ersuchen der Behörde das Betreu- 5 ungsgericht, für einen Minderjährigen das Familiengericht einen geeigneten Vertreter zu bestellen, wenn unbekannte, verhinderte oder selbst nicht handlungsfähige Beteiligte am Verwaltungsverfahren nicht oder nicht ausreichend mitwirken können und ein rechtsgeschäftlich bestellter 2 Fehling/Kastner/Störmer/Fehling Verwaltungsrecht, § 63 VwVfG Rn. 2. 3 Frenz/Wittmann BBergG, § 36 Rn. 1; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 5 Rn. 1 ff., 36 Rn. 1. 4 Knack/Henneke/Schink § 63 Rn. 3; Fehling/Kastner/Störmer Verwaltungsrecht, § 63 VwVfG Rn. 14; Kopp/Ramsauer/ Wysk VwVfG, § 63 Rn. 5; Bader/Ronellenfitsch/Michler VwVfG, § 63 Rn. 17; Stelkens/Bonk/Sachs/Kamp VwVfG, § 63 Rn. 34, 46; Ziekow VwVfG, § 63 Rn. 6. 5 BT-Drs. 8/1315, S. 98. 6 Kopp/Ramsauer/Wysk VwVfG, § 16 Rn. 11 ff.; Stelkens/Bonk/Sachs/Kamp VwVfG, § 63 Rn. 47; Ziekow VwVfG, § 63 VwVfG Rn. 7. 261

Franke/Karrenstein

§ 36

Zweiter Teil – Bergbauberechtigungen

oder gesetzlicher Vertreter nicht vorhanden ist.7 Die Vorschrift, die auch im Zulegungsverfahren anwendbar ist,8 dient einerseits dem Schutz der betroffenen Beteiligten und soll andererseits Verzögerungen im Verwaltungsverfahren verhindern, die im öffentlichen Interesse und im Interesse der übrigen Beteiligten nicht zu rechtfertigen sind.9 Nummer 2 ergänzt den Katalog des § 16 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 VwVfG10 für das Zulegungsverfahren um den Fall, dass an der Gewinnungsberechtigung im Zulegungsfeld mehrere Personen mitberechtigt sind und diese trotz behördlicher Aufforderung innerhalb der ihnen gesetzten Frist keinen gemeinsamen Vertreter bestellen. Damit soll die ordnungsgemäße Durchführung des Zulegungsverfahrens auch dann ermöglicht werden, wenn die Gewinnungsberechtigung einer größeren Anzahl von Personen zusteht. 6 Die Behörde entscheidet nach pflichtgemäßem Ermessen, ob sie das Gericht nach § 16 VwVfG um die Bestellung eines Vertreters von Amts wegen ersucht.11 Dies gilt auch für die ergänzende Regelung in Nummer 2. Dass nach dem Wortlaut der Vorschrift ein Vertreter zu bestellen ist, bezieht sich nicht auf das Ersuchen der Behörde, sondern auf die Vertreterbestellung durch das Gericht.12 Im Rahmen der Ermessensausübung hat die Behörde zu prüfen, ob absehbare erhebliche Verzögerungen des Zulegungsverfahrens die Bestellung eines Vertreters von Amts wegen erfordern.13 Lehnt die Behörde es ab, das Gericht um eine Vertreterbestellung zu ersuchen, sind nach dem Regelungszweck (Rn. 5) rechtlich geschützte Interessen des Antragstellers berührt. Die behördliche Entscheidung kann aber nicht isoliert, sondern nur mit einem Rechtsbehelf gegen die Sachentscheidung angegriffen werden (§ 44a VwGO).14 Damit ist in der Regel wirksamer Rechtsschutz wegen der durch die Nichtbestellung eines Vertreters eintretenden Verzögerungen nicht zu erreichen. In Betracht kommt aber eine Untätigkeitsklage (§ 75 VwGO); im Rahmen der gerichtlichen Prüfung, ob ohne zureichenden Grund noch nicht in der Sache entschieden worden ist, kann auch die Frage erheblich sein, ob durch das Ersuchen um eine Vertreterbestellung eine Sachentscheidung in angemessener Frist ermöglicht worden wäre.15

3. Einigung in der mündlichen Verhandlung 7 Nummer 3 ergänzt die Regelungen des allgemeinen Verfahrensrechts über die im förmlichen Verwaltungsverfahren grundsätzlich obligatorische mündliche Verhandlung (§§ 67, 68 VwVfG) in zweifacher

7 Insbesondere in den Fällen des § 16 Abs. 1 Nr. 5 VwVfG kommt daher eine Vertreterbestellung von Amts wegen nicht in Betracht, wenn bereits eine Pflegschaft oder Betreuung angeordnet ist.

8 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 36 Rn. 13; § 7 Abs. 3 ZulegungsVO enthielt eine mit § 16 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 VwVfG im Wesentlichen übereinstimmende Regelung (Ebel/Weller ABG, § 7 ZulegungsVO Erl. 5).

9 Stelkens/Bonk/Sachs/Schmitz VwVfG, § 16 Rn. 1 f.; Kopp/Ramsauer VwVfG, § 16 Rn. 1; Fehling/Kastner/Störmer/Porz Verwaltungsrecht, § 16 VwVfG Rn. 1; Obermayer/Funke-Kaiser/Hönig VwVfG, § 16 Rn. 2; Knack/Henneke/Ritgen VwVfG, § 16 Rn. 6; Ziekow VwVfG, § 16 Rn. 1. 10 Die Formulierung im Regierungsentwurf, Nummer 2 enthalte eine von § 16 Abs. 1 VwVfG abweichende Regelung, war missverständlich und ist auf Vorschlag des Bundesrates gestrichen worden, um unerwünschte Gegenschlüsse zu verhindern (BT-Drs. 8/1315, S. 177). 11 Bader/Ronellenfitsch/Birk VwVfG, § 16 Rn. 3; Stelkens/Bonk/Sachs/Schmitz VwVfG, § 16 Rn. 8; Kopp/Ramsauer VwVfG, § 16 Rn. 8; Fehling/Kastner/Störmer/Porz Verwaltungsrecht, § 16 VwVfG Rn. 11; Obermayer/Funke-Kaiser/Hönig VwVfG, § 16 Rn. 14; Knack/Henneke/Ritgen VwVfG, § 16 Rn. 8 ff.; Ziekow VwVfG, § 16 Rn. 8. 12 Damit wird die gerichtliche Prüfung, ob die Voraussetzungen für eine Vertreterbestellung von Amts wegen vorliegen, nicht ausgeschlossen; Ermessenserwägungen im Rahmen der behördlichen Entscheidung über das Ersuchen sind aber nicht überprüfbar (Bader/Ronellenfitsch/Birk VwVfG, § 16 Rn. 20; Stelkens/Bonk/Sachs/Schmitz VwVfG, § 16 Rn. 6; Kopp/Ramsauer VwVfG, § 16 Rn. 25; Fehling/Kastner/Störmer/Porz Verwaltungsrecht, § 16 VwVfG Rn. 10; Ziekow VwVfG, § 16 Rn. 9). 13 Bader/Ronellenfitsch/Birk VwVfG, § 16 Rn. 3; Stelkens/Bonk/Sachs/Schmitz VwVfG, § 16 Rn. 8; Kopp/Ramsauer VwVfG, § 16 Rn. 5; Obermayer/Riedl § 16 Rn. 20 f. 14 Bader/Ronellenfitsch/Birk VwVfG, § 16 Rn. 3.1; Obermayer/Funke-Kaiser/Hönig VwVfG, § 16 Rn. 27. 15 Obermayer/Funke-Kaiser/Hönig VwVfG, § 16 Rn. 27. Franke/Karrenstein

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Drittes Kapitel – Zulegung

§ 36

Hinsicht. Zum einen werden die Pflichten des Verhandlungsleiters (§ 68 Abs. 2 VwVfG) dadurch erweitert, dass er auf eine Einigung hinzuwirken hat (Nummer 3 Satz 1). Der Gesetzgeber ist davon ausgegangen, dass der grenzüberschreitende Abbau in erster Linie durch eine Einigung zwischen den Beteiligten zustande kommen und der hoheitliche Entzug der fremden Gewinnungsberechtigung nur subsidiären Charakter haben soll.16 Nicht nur der Antragsteller muss daher im Zulegungsantrag ernsthafte Einigungsbemühungen nachweisen (§ 35 Nr. 1); im weiteren Verfahren ist auch die Behörde verpflichtet, etwa durch Erörterung der Gründe für das bisherige Scheitern der Einigungsbemühungen oder einen Vergleichsvorschlag auf eine Verständigung zwischen den Beteiligten hinzuwirken.17 Für den Fall, dass in der mündlichen Verhandlung eine Einigung zustande kommt, sieht Nummer 3 weiterhin vor, dass diese in der durch § 68 Abs. 4 VwVfG vorgeschriebenen Niederschrift zu beurkunden ist (Nummer 3 Satz 2). Die Niederschrift steht insoweit einer notariellen Beurkundung gleich (Nummer 3 Satz 4); dementsprechend hat die Zulegungsbehörde die für die notarielle Beurkundung geltenden Regelungen (§§ 3 bis 13, 16 bis 26 BeurkG) zu beachten (Nummer 3 Satz 3). Eine Einigung zwischen den Beteiligten wird durch die Beurkundungsbefugnis der Zulegungsbehörde insofern erleichtert, als auch beurkundungsbedürftige Erklärungen in der mündlichen Verhandlung wirksam abgegeben werden können; eine erneute Verhandlung vor einer zur Beurkundung befugten Stelle wird damit vermieden.18 Wegen der Beurkundungspflicht für Grundstücksgeschäfte (§ 311b BGB) ist das vor allem dann bedeutsam, wenn auf die fremde Gewinnungsberechtigung die für Grundstücke geltenden Vorschriften des bürgerlichen Rechts anzuwenden sind (§ 9 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2). Von der Beurkundungsbefugnis der Zulegungsbehörde ausgenommen ist die Entgegennahme von Auflassungserklärungen (Nummer 3 Satz 5).

4. Behördliche Entscheidung bei Nichteinigung Nummer 4 enthält Anforderungen an die behördliche Entscheidung über den Zulegungsantrag, 8 wenn eine Einigung zwischen den Beteiligten nicht zustande kommt. Auf die Entscheidung über die Zulegung sind nach § 36 Satz 1 zunächst die allgemeinen Vorschriften über das förmliche Verwaltungsverfahren anzuwenden. Die Entscheidung ist daher schriftlich zu erlassen, schriftlich zu begründen und den Beteiligten zuzustellen (§ 69 Abs. 2 Satz 1 VwVfG). Auch die durch § 63 Abs. 2 VwVfG in Bezug genommenen sonstigen Vorschriften des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts sind auf die Zulegungsentscheidung anzuwenden. Insbesondere kann sie unter den Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 VwVfG mit Nebenbestimmungen versehen werden.19 Einer besonderen fachgesetzlichen Ermächtigung bedürfen hingegen nachträgliche Auflagen; nach Nummer 4 Satz 3 gilt insoweit § 16 Abs. 3 für die Zulegungsentscheidung entsprechend. Weitere §§ 63 ff. VwVfG ergänzende Anforderungen ergeben sich daraus, dass für das Recht zum grenzüberschreitenden Abbau die Vorschriften über die Bewilligung entsprechend gelten (§ 38 Abs. 1 Satz 1), so dass die Zulegungsentscheidung die Anforderungen des § 8 Abs. 1 berücksichtigen muss. Sie ist daher für ein bestimmtes Feld, für bestimmte Bodenschätze und zeitlich beschränkt zu erteilen (Nr. 4 Satz 2). Der grenzüberschreitende Abbau darf nur in dem nach den Zulegungsvoraussetzungen erforderlichen Umfang gestattet werden. Das gilt zunächst in räumlicher Hinsicht. Liegen die Zulegungsvoraussetzungen – etwa bergtechnische Gesichtspunkte – nach Auffassung der Behörde nicht für den gesamten Bereich des beantragten grenzüberschreitenden Abbaus vor, ist das Zulegungsfeld abweichend vom Antrag festzulegen.20 Hinsichtlich der zeitlichen Be16 17 18 19

BT-Drs. 8/1315, S. 98. Beckmann/Wittmann ZfB 2009, 32, 36. Ebel/Weller ABG, § 7 ZulegungsVO Anm. 6. Eine § 36 VwVfG entsprechende Vorschrift im Regierungsentwurf ist auf Vorschlag des Bundesrates gestrichen worden, wobei der Bundesrat vom Ermessenscharakter der Zulegungsentscheidung ausging und die Entbehrlichkeit einer Regelung im BBergG mit § 36 Abs. 2 VwVfG begründete (BT-Drs. 8/1315, S. 177 f.). 20 Frenz/Wittmann BBergG, § 36 Rn. 9; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 36 Rn. 15. 263

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§ 37

Zweiter Teil – Bergbauberechtigungen

schränkung verweist § 38 Abs. 1 Satz 1 auf § 16 Abs. 5,21 wobei die Behörde bei der entsprechenden Anwendung der Vorschrift die von der Erteilung einer Bergbauberechtigung abweichenden Umstände der Zulegung zu berücksichtigen hat. Hierzu gehört vor allem, dass sowohl die Belange des Antragstellers als auch die des Inhabers der fremden Gewinnungsberechtigung zu berücksichtigen sind. Insbesondere wirken sich die prognostischen Elemente der nach § 35 Nr. 3 gebotenen umfassenden Interessenabwägung auf die zeitliche Beschränkung des grenzüberschreitenden Abbaus aus.22 Soweit das Vorliegen der Zulegungsvoraussetzungen, vornehmlich die rohstoffwirtschaftliche Rechtfertigung (§ 35 Nr. 3), mit hinreichender Verlässlichkeit bejaht werden kann, ist der Eingriff in die fremde Gewinnungsberechtigung auch mittel- und langfristig gerechtfertigt.23 Für die zeitliche Beschränkung gibt es daher keine generellen Obergrenzen.24 Entscheidend ist, mit welchem zeitlichen Horizont das Vorliegen der Zulegungsvoraussetzungen im Zeitpunkt der Zulegungsentscheidung verlässlich bejaht werden kann. Aus der bloßen Möglichkeit einer prognosewidrigen Entwicklung sind keine Maßstäbe für eine zeitliche Beschränkung abzuleiten. Insoweit wird den Belangen des Inhabers der Gewinnungsberechtigung im Nachbarfeld durch die Widerrufsmöglichkeit (§ 38 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 18 Abs. 1 und 3) auch praktisch wirksam Rechnung getragen (vgl. § 38 Rn. 6). Für Prognosezeiträume, bei denen im Zeitpunkt der Zulegungsentscheidung das Vorliegen der Zulegungsvoraussetzungen nicht verlässlich zu beurteilen ist, kann die gebotene Interessenabwägung hingegen einen grenzüberschreitenden Abbau nicht mehr rechtfertigen; hieraus ergibt sich der Maßstab für die zeitliche Beschränkung der Zulegung.

§ 37 Entschädigung (1)

1

Für die Erteilung des Rechts zum grenzüberschreitenden Abbau hat der Berechtigte eine Entschädigung an den Inhaber der fremden Berechtigung zu leisten. 2Kommt eine Einigung nicht zustande, so ist die Entschädigung in der Entscheidung über die Erteilung des Rechts zum grenzüberschreitenden Abbau festzusetzen. (2) 1Die Entschädigung wird für den durch den grenzüberschreitenden Abbau eintretenden Rechtsverlust und für andere dadurch eintretende Vermögensnachteile geleistet. 2Soweit zur Zeit der Entscheidung Nutzungen gezogen werden, ist von dem Maß ihrer Beeinträchtigung auszugehen. 3Hat der Entschädigungsberechtigte Maßnahmen getroffen, um die Nutzungen zu steigern, und ist nachgewiesen, daß die Maßnahmen die Nutzungen nachhaltig gesteigert hätten, so ist dies zu berücksichtigen. 4Die Entschädigung ist auf Verlangen des Inhabers der fremden Berechtigung in wiederkehrenden Leistungen zu zahlen. 5Ist die fremde Berechtigung mit dinglichen Rechten Dritter belastet, so gelten die Artikel 52 und 53 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch entsprechend.

I. Entschädigungspflicht 1 Absatz 1 Satz 1 begründet einen Anspruch des Inhabers der fremden Berechtigung auf Entschädigung für die Erteilung des Rechts zum grenzüberschreitenden Abbau; zur Entschädigung ist der zum grenzüberschreitenden Abbau Berechtigte verpflichtet. Das Erfordernis eines gesetzli21 Für Nichtanwendbarkeit im Rahmen der Zulegungsentscheidung Beckmann/Wittmann ZfB 2009, 32, 35, die aber § 38 Abs. 1 Satz 1 nicht berücksichtigen.

22 Frenz/Wittmann BBergG, § 36 Rn. 10. 23 BVerwG 20.11.2008, 7 C 10/08, BVerwGE 132, 261 = ZfB 2009, 46, Rn. 50. 24 So aber Beckmann/Wittmann ZfB 2009, 32, 35 f., die in der Regel einen Planungshorizont von 10 bis 20 Jahren als angemessen ansehen. Franke/Karrenstein https://doi.org/10.1515/9783110709285-051

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Drittes Kapitel – Zulegung

§ 37

chen Entschädigungsanspruchs ergibt sich aus dem Enteignungscharakter der Zulegung (Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG). Der gesetzliche Entschädigungsanspruch entsteht daher nur bei einer behördlichen Zulegungsentscheidung. Bei einer Einigung zwischen den Beteiligten über den grenzüberschreitenden Abbau sind die Entschädigungsfragen vertraglich zu regeln. Die Festsetzung der Entschädigung ist kein notwendiger Bestandteil der Zulegungsentscheidung.1 Es kann der in Absatz 1 Satz 2 geregelte Fall eintreten, dass die Behörde über die Zulegung entscheiden muss, die Beteiligten aber über die Entschädigung Verhandlungen führen. Nur wenn auch über die Entschädigung keine Einigung erzielt wird, ist sie in der Zulegungsentscheidung behördlich festzusetzen.

II. Höhe der Entschädigung Entschädigung wird für den durch den grenzüberschreitenden Abbau eintretenden Rechtsverlust und für andere dadurch eintretende Vermögensnachteile geleistet (Absatz 2 Satz 1). Die Differenzierung zwischen Substanz- und Folgeschäden entspricht allgemeinen enteignungsrechtlichen Grundsätzen.2 Zweck der Entschädigung für den Rechtsverlust ist der wertmäßige Ausgleich der hoheitlich entzogenen Rechtsposition. Hierbei ist vom Verkehrswert auszugehen, der sich bei der Enteignung eines Gewinnungsrechts grundsätzlich am Marktwert der gewinnbaren Bodenschätze unter Abzug der für die Gewinnung erforderlichen Investitionskosten orientiert.3 Wenn im Zeitpunkt der Zulegungsentscheidung aus der fremden Berechtigung bereits Nutzungen, etwa durch die Gewinnung von Bodenschätzen, gezogen werden, ist das Maß der Beeinträchtigung der Gewinnung Maßstab für die Entschädigung (Absatz 2 Satz 2).4 Darüber hinaus ist bei der Bemessung der Entschädigung der Fall zu berücksichtigen, dass der Inhaber der fremden Berechtigung Vorkehrungen getroffen hat, um die Nutzungen – etwa durch Maßnahmen zur Ausund Vorrichtung oder zur betrieblichen Rationalisierung5 – zu steigern. Als Ausnahme von dem enteignungsrechtlichen Grundsatz, dass künftige Wertsteigerungen bei der Entschädigung nicht zu berücksichtigen sind, kommt dies aber nur in Betracht, wenn die Maßnahmen bereits getroffen worden sind und wenn nachgewiesen ist, dass diese die Nutzungen nachhaltig gesteigert hätten (Absatz 2 Satz 3). Beweispflichtig ist der Inhaber der fremden Berechtigung. Andere infolge des Rechtsverlusts eintretende Vermögensnachteile (Folgeschäden) sind solche Nachteile, die, ohne von der Entschädigung für den Substanzverlust erfasst zu werden, als erzwungene und unmittelbare Folge der Beeinträchtigung hinzutreten.6 Das kann etwa der Fall sein, wenn sich das Zulegungsfeld nur auf Teile der fremden Gewinnungsberechtigung bezieht und hierdurch für den Restbereich der Gewinnungsberechtigung eine zusätzliche Wertminderung eintritt. Die Entschädigung ist in Geld zu leisten, wobei der Inhaber der fremden Berechtigung verlangen kann, dass sie in wiederkehrenden Leistungen zu zahlen ist (Absatz 2 Satz 4). Wenn die fremde Berechtigung mit dinglichen Rechten belastet ist, sind deren Inhaber entsprechend Art. 52, 53 EGBGB geschützt (Absatz 2 Satz 5). Da § 37 keine gesonderte Entschädigung für die Beeinträchtigung dinglicher Rechte Dritter an der fremden Berechtigung vorsieht, ist die 1 § 7 Abs. 1 Satz 3 ZulegungsVO sah ausdrücklich vor, dass über die Zulegung auch vor der endgültigen Feststellung der Entschädigung entschieden werden könne; die Abtrennung der Entscheidung über die Entschädigung sollte vor allem dann in Betracht kommen, wenn in erster Linie das Vorliegen der Zulegungsvoraussetzungen fraglich war (Begr. zu § 7 Abs. 1 ZulegungsVO [ZfB 1938, 6, 15]). 2 Zusammenfassend Aust/Jacobs/Pasternak Enteignungsentschädigung, Rn. 202 ff., 344 ff.; Ossenbühl/Cornils Staatshaftungsrecht, S. 252 ff. 3 Beckmann/Wittmann ZfB 2009, 32, 34; Frenz/Wittmann BBergG § 37 Rn. 3. 4 BT-Drs. 8/1315, S. 99; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 37 Rn. 2. 5 BT-Drs. 8/1315, S. 99. 6 Aust/Jacobs/Pasternak Enteignungsentschädigung, Rn. 344 ff.; Kreft Öffentlich-rechtliche Ersatzleistungen, Rn. 313 f. 265

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2

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§ 38

Zweiter Teil – Bergbauberechtigungen

Entschädigung insgesamt an den Inhaber der fremden Berechtigung zu leisten. Um den Dritten davor zu schützen, dass ihm die Entschädigung für den Verlust oder die Beeinträchtigung seines Rechts vorenthalten wird, ordnet Art. 52 EGBGB an, dass der Dritte am Entschädigungsanspruch dieselben Rechte hat, die ihm im Falle des Erlöschens seines Rechts durch Zwangsversteigerung an dem Erlös zustehen.7 Insbesondere ordnet Art. 53 Abs. 1 Satz 1 EGBGB für Rechte Dritter an Grundstücken die entsprechende Anwendung des § 1128 BGB an. Danach kann der Zulegungsbegünstigte die Entschädigung mit Wirkung gegen den Dritten erst dann an den Inhaber der fremden Berechtigung zahlen, wenn die Enteignung dem Dritten gegenüber angezeigt worden und seit dem Empfang der Anzeige ein Monat verstrichen ist.8 Der Dritte kann bis zum Ablauf der Frist dem Entschädigungspflichtigen gegenüber der Zahlung widersprechen und Vorkehrungen treffen, um sich den ihm zustehenden Anteil an der Entschädigung zu sichern.

§ 38 Inhalt der Zulegung, Aufhebung, Förderabgabe (1)

1

Für das Recht zum grenzüberschreitenden Abbau gelten die §§ 8, 15, 16 Abs. 5 und § 18 Abs. 1 und 3 entsprechend. 2§ 31 gilt in dem Umfang entsprechend, in dem er für den Inhaber der fremden Berechtigung gelten würde. (2) Das Recht darf erst ausgeübt werden, wenn der Berechtigte 1. die Entschädigung geleistet oder 2. bei einer Entschädigung in wiederkehrenden Leistungen die erste Rate und für die übrigen Raten angemessene Sicherheit geleistet hat.

Übersicht I. 1. 2. 3.

Inhalt der Zulegung Gleichstellung mit der Bewilligung, Förderab1 gabe 5 Behördenbeteiligung 6 Zeitliche Beschränkung, Widerruf

II.

Entschädigungsleistung vor Beginn des grenz7 überschreitenden Abbaus

III.

Rechtsschutz

9

I. Inhalt der Zulegung 1. Gleichstellung mit der Bewilligung, Förderabgabe 1 Für das Recht zum grenzüberschreitenden Abbau gelten nach Absatz 1 Satz 1 die Vorschriften über die Bewilligung entsprechend. Diese Gleichstellung mit einer von der Behörde zu erteilenden Berechtigung kann nur dann eintreten, wenn das Recht zum grenzüberschreitenden Abbau durch eine Zulegungsentscheidung der Behörde begründet ist, nicht hingegen bei einer Einigung zwischen den Beteiligten; das gilt auch dann, wenn die Einigung in der mündlichen Verhandlung erfolgt und nach § 36 Nr. 3 in der Verhandlungsniederschrift beurkundet wird. Aus der Gleichstellung mit der Bewilligung folgt, dass die Zulegung für ein bestimmtes Feld und bestimmte Bodenschätze zu erteilen ist (§ 36 Nr. 4 Satz 2). Die Vorschriften über die Bewilligung sind unabhängig von der Art der an der Zulegung beteiligten Gewinnungsberechtigungen anzuwenden, also auch bei grundeigenen Bodenschätzen.

7 MüKo-BGB/Säcker Art. 52 EGBGB Rn. 1. 8 MüKo-BGB/Säcker Art. 53 EGBGB Rn. 1. Franke/Karrenstein https://doi.org/10.1515/9783110709285-052

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Drittes Kapitel – Zulegung

§ 38

Hauptsächliche Konsequenz der Gleichstellung des zugelegten Feldes mit der Bewilligung ist, 2 dass die Berechtigung im Hauptfeld nicht um das Zulegungsfeld erweitert wird, sondern dass die Gewinnungsberechtigungen im Haupt- und im Nachbarfeld als selbständige Berechtigungen erhalten bleiben.1 Nach den früheren Zulegungsregelungen wurde das Zulegungsfeld Teil des Hauptfeldes, sofern es sich im Haupt- und im Zulegungsfeld um verliehenes Bergwerkseigentum handelte.2 Nur wenn nach den allgemeinen Vorschriften eine Vereinigung der benachbarten Berechtigungen nicht möglich war, wurde durch die Zulegung nur die Ausübung der Gewinnungsberechtigung im Nachbarfeld in dem durch die Zulegungsentscheidung bestimmten Umfang auf den Inhaber der Gewinnungsberechtigung des Hauptfeldes übertragen.3 Das Bundesberggesetz knüpft an die letztgenannten Regelungen an und überträgt sie auf alle Arten von Gewinnungsberechtigungen.4 Mit der Entscheidung für ein Regelungsmodell, bei dem das Recht zum grenzüberschreitenden Abbau rechtlich selbständig bleibt, konnte der Gesetzgeber auch der Anforderung Rechnung tragen, dass der Eingriff in das fremde Gewinnungsrecht nur in dem erforderlichen Umfang zulässig ist. Die Berechtigung zum grenzüberschreitenden Abbau wird – anders als im früheren Recht – zeitlich begrenzt und widerruflich erteilt (Rn. 6, § 36 Rn. 8); sie bleibt damit Anknüpfungspunkt für behördliche Entscheidungen, wenn die Gemeinwohlrechtfertigung der Zulegung später entfällt. Sofern die fremde Gewinnungsberechtigung der Förderabgabepflicht unterliegt, ist § 31 auf 3 das Recht zum grenzüberschreitenden Abbau in dem Umfang entsprechend anzuwenden, in dem er für den Inhaber der fremden Berechtigung gelten würde (Absatz 1 Satz 2). Damit wird, wie für die durch die Zulegungsentscheidung begründeten Rechte, die Förderabgabepflicht auf den Inhaber des Rechts zum grenzüberschreitenden Abbau übertragen; die Erteilung der Zulegung führt also zum gesetzlichen Schuldübergang. Die Förderabgabepflicht für das Zulegungsfeld besteht nur in dem Umfang, in dem der Inhaber der fremden Berechtigung abgabepflichtig wäre. Der Inhaber des Rechts zum grenzüberschreitenden Abbau kann sich also insbesondere auf eine Befreiung (§ 151 Abs. 2 Nr. 2) oder eine Ausnahme von der Abgabepflicht (§ 30 Abs. 1 Satz 3) berufen. Der Übergang der Förderabgabepflicht tritt nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut nur bei 4 der gesetzlichen Förderabgabepflicht nach § 31, nicht bei vertraglichen Vereinbarungen über einen Förderzins ein; der Anwendungsbereich der Regelung beschränkt sich daher auf Fälle, bei denen eine Bewilligung oder Bergwerkseigentum von der Zulegung betroffen ist. Der grenzüberschreitende Abbau muss ferner auf einer behördlichen Zulegungsentscheidung beruhen (Rn. 1). Bei einer Einigung zwischen den privaten Beteiligten tritt kein gesetzlicher Übergang der Abgabepflicht ein; im Verhältnis zur Behörde bleibt der Inhaber der fremden Gewinnungsberechtigung abgabepflichtig, die Lastenverteilung im Innenverhältnis muss in diesen Fällen vertraglich geregelt werden.

2. Behördenbeteiligung Wie bei der Entscheidung über die Erteilung von Bergbauberechtigungen sind entsprechend § 15 5 am Zulegungsverfahren die Behörden zu beteiligen, zu deren Aufgaben die Wahrnehmung öf1 BT-Drs. 8/1315, S. 98; Frenz/Wittmann BBergG, § 38 Rn. 2; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 38 Rn. 1. 2 Das preußische Gesetz zur Regelung der Grenzen von Bergwerksfeldern vom 22.7.1922 war nur auf verliehenes Bergwerkseigentum anwendbar (Isay ABG, Band 1, § 49 Anh Rn. 23), während § 4 des preußischen Gesetzes über die Zulegung von Bergwerksfeldern vom 21.5.1937 und § 4 ZulegungsVO bei Vorliegen der Voraussetzungen für eine Konsolidation (§ 41 ABG) anordneten, dass das Zulegungsfeld Teil des Hauptfeldes werde (Ebel/Weller ABG, § 4 ZulegungsVO Anm. 1). 3 § 5 des preußischen Gesetzes über die Zulegung von Bergwerksfeldern vom 21.5.1937 (GS S. 71) und § 5 ZulegungsVO (Ebel/Weller ABG, § 5 ZulegungsVO Anm. 1). 4 BT-Drs. 8/1315, S. 98; BVerwG 20.11.2008, 7 C 10/08, BVerwGE 132, 261 = ZfB 2009, 46 Rn. 17. 267

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§ 38

Zweiter Teil – Bergbauberechtigungen

fentlicher Interessen gehört, die eine Gewinnung im Zulegungsfeld ausschließen können. Zu beteiligen sind danach insbesondere Planungs- und Naturschutzbehörden, deren Stellungnahmen gewährleisten sollen, dass die Zulegungsbehörde die durch § 35 Nr. 3 gebotene Abwägung auf der Grundlage vollständiger Informationen über die durch das Gewinnungsvorhaben berührten öffentlichen Interessen vornehmen kann.

3. Zeitliche Beschränkung, Widerruf 6 Neben § 16 Abs. 5 (vgl. § 36 Rn. 8) gilt auch § 18 Abs. 1 und 3 für das Recht zum grenzüberschreitenden Abbau entsprechend. Danach ist die Zulegung zum einen zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen (§ 18 Abs. 1). Die tatsächlichen Verhältnisse müssen sich also nach Erteilung der Zulegung so verändert haben, dass eine Zulegung nicht mehr erteilt werden dürfte. Solche entscheidungserheblichen neuen Tatsachen können sich etwa aus Änderungen in der Abbauplanung ergeben, die dazu führen, dass der grenzüberschreitende Abbau nicht mehr aus bergtechnischen oder bergwirtschaftlichen Gründen geboten ist (§ 35 Nr. 2). Auch Änderungen der Marktverhältnisse, nach denen die rohstoffwirtschaftliche Rechtfertigung der Zulegung entfällt (§ 35 Nr. 3), sind tatsächliche Änderungen, nicht hingegen eine veränderte Prognose der Marktentwicklung bei unveränderter tatsächlicher Beurteilungsgrundlage. Im Gegensatz zur Parallelvorschrift im allgemeinen Verfahrensrecht (§ 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 6 VwVfG) ist die Behörde bei der Entscheidung über den Widerruf der Zulegung gebunden; auch sieht § 18 Abs. 1 keine Entschädigungsregelung vor (hierzu und zur Frage, ob § 18 die Anwendung des § 49 VwVfG ausschließt, vgl. § 18 Rn. 20 ff., 30). Entsprechend § 18 Abs. 3 ist die Zulegung ferner zu widerrufen, wenn der grenzüberschreitende Abbau nicht innerhalb von drei Jahren nach Erteilung der Zulegung aufgenommen oder wenn die regelmäßige Gewinnung länger als drei Jahre unterbrochen worden ist, sofern nicht aus den in § 18 Abs. 3 Satz 2 bezeichneten Gründen eine spätere Aufnahme oder längere Unterbrechung der Gewinnung gerechtfertigt ist. Während § 18 Abs. 3 in seinem unmittelbaren Anwendungsbereich vor allem rohstoffwirtschaftlich orientiert ist und den Bergbautreibenden zu einer planmäßigen Ausübung seiner Bergbauberechtigung anhalten soll,5 erweitert sich der Schutzzweck bei der entsprechenden Anwendung auf die Zulegung um die Wahrung der Belange des Inhabers der fremden Gewinnungsberechtigung, weil dieser als Enteignungsbetroffener den Eingriff in sein Gewinnungsrecht nur hinnehmen muss, wenn dessen Gemeinwohlrechtfertigung dauerhaft gesichert ist.6 Er soll daher auch davor geschützt werden, dass der Eingriff andauert, obwohl der Inhaber des Rechts zum grenzüberschreitenden Abbau nicht bereit oder in der Lage ist, die der Zulegungsentscheidung zugrunde liegende Abbauplanung umzusetzen. Da die Zulegungsregelungen keine Rückenteignung für den Fall vorsehen, dass die Zulegungsvoraussetzungen nachträglich entfallen, sind vor allem bei der Prüfung, ob Ausnahmegründe nach § 18 Abs. 3 Satz 2 vorliegen, die Belange des Inhabers der fremden Gewinnungsberechtigung zu berücksichtigen. Anknüpfungspunkt für eine Interessenabwägung kann – wie im Rahmen der Zulegungsvoraussetzungen (§ 35 Nr. 3) – insbesondere die Prüfung sein, ob technische oder wirtschaftliche Gründe eine spätere Aufnahme oder längere Unterbrechung der Gewinnung erfordern.

II. Entschädigungsleistung vor Beginn des grenzüberschreitenden Abbaus 7 Zur Sicherung des Entschädigungsanspruchs des Zulegungsbetroffenen7 bestimmt Absatz 2, dass das Recht zum grenzüberschreitenden Abbau erst ausgeübt werden darf, wenn der Berechtig5 Franke FS Kühne (2009), S. 507, 509 f. 6 BVerfG 24.3.1987, 1 BvR 1046/85, BVerfGE 74, 264, 285 f.; BVerwG 24.10.2002, 4 C 7/01, BVerwGE 117, 138, 144. 7 BT-Drs. 8/1315, S. 99. Franke/Karrenstein

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Drittes Kapitel – Zulegung

§ 38

te die Entschädigung geleistet oder bei einer Entschädigung in wiederkehrenden Leistungen (§ 37 Abs. 2 Satz 4) die erste Rate und für die übrigen Raten angemessene Sicherheit geleistet hat. Wie die übrigen Regelungen des § 38 bezieht sich die Vorschrift nur auf den durch behördliche Entscheidung ermöglichten grenzüberschreitenden Abbau; kommt es zwischen den Beteiligten zu einer Einigung, können hierbei entsprechende Vereinbarungen getroffen werden. Die Höhe der Entschädigung, die zu leisten oder für die Sicherheit zu leisten ist, ist in der Zulegungsentscheidung festzusetzen (§ 37 Abs. 1 Satz 2); die Arten der Sicherheitsleistung ergeben sich aus § 232 BGB. Die Pflicht zur vorherigen Leistung der Entschädigung besteht unabhängig davon, ob die 8 Zulegungsentscheidung bestandskräftig oder sofort vollziehbar (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) ist.8 Auch dann, wenn das Recht zum grenzüberschreitenden Abbau rechtlich durchsetzbar ist, soll es erst dann ausgeübt werden können, wenn die Entschädigungsleistung auch praktisch wirksam gesichert ist. Entsprechende Regelungen sind bei der vorzeitigen Besitzeinweisung im Grundabtretungsverfahren (§ 100 Abs. 2) und im allgemeinen Enteignungsrecht (§ 37 Abs. 3 Landesenteignungs- und -entschädigungsgesetz NRW) vorgesehen.

III. Rechtsschutz Gegen die Erteilung des Rechts zum grenzüberschreitenden Abbau kann der Inhaber der fremden 9 Gewinnungsberechtigung ohne Durchführung eines Vorverfahrens (§ 70 VwVfG) Anfechtungsklage erheben (§ 42 Abs. 1 VwGO). Als Enteignungsbetroffener kann er hierbei grundsätzlich alle für die Rechtmäßigkeit der Zulegungsentscheidung erheblichen rechtlichen Gesichtspunkte geltend machen;9 insbesondere kann er sich auch darauf berufen, dass öffentliche Belange, etwa solche des Natur- und Landschaftsschutzes, nicht zutreffend berücksichtigt worden seien.10 Das gilt auch dann, wenn die Zulegung sich auf einen grundeigenen Bodenschatz bezieht und Grundstückseigentümerin eine Gemeinde ist. Diese ist zwar nicht Trägerin des Grundrechts aus Art. 14 GG,11 kann sich aber auf den einfachrechtlichen Eigentumsschutz berufen.12 Da sich das Erfordernis einer Gesamtabwägung bei der Zulegung unmittelbar aus § 35 Nr. 3 ergibt,13 kann auch die Gemeinde als Grundstückseigentümerin die fehlerhafte Berücksichtigung öffentlicher Belange geltend machen.14 Wegen Rechtsstreitigkeiten über die Höhe der Entschädigung ist der Zivilrechtsweg gege- 10 ben (§ 144). Lehnt die Behörde einen Antrag auf Erteilung des Rechts zum grenzüberschreitenden Abbau 11 ab, kann der Antragsteller Verpflichtungsklage erheben (§ 42 Abs. 1 VwGO). Da die Zulegung als gebundene Entscheidung ausgestaltet ist (vgl. § 35 Rn. 20), kann er einen Anspruch auf Erlass des beantragten Verwaltungsakts geltend machen und sich hierbei grundsätzlich auf alle für das Vorliegen der Zulegungsvoraussetzungen erheblichen rechtlichen Gesichtspunkte berufen.

8 OVG Saarlouis 26.8.1983, 1 W 1660-1664/83 = ZfB 1983, 436. 9 BVerwG 20.11.2008, 7 C 10/08, BVerwGE 132, 261 = ZfB 2009, 46 Rn. 22. Das gilt nicht für solche Gesichtspunkte, die – wie etwa die städtebaulichen Entwicklungsinteressen einer Gemeinde – nach der Rechtsordnung bestimmten anderen Rechtsinhabern zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung und Konkretisierung zugewiesen sind (BVerwG 3.3.2011, 9 A 8/10, BVerwGE 139, 150 Rn. 105 ff.). 10 BVerwG 18.3.1983, 4 C 80/79, BVerwGE 67, 74, 76 f.; BVerwG 30.5.1984, 4 C 58/81, BVerwGE 69, 256, 271; BVerwG 14.12.1990, 7 C 5/90, BVerwGE 87, 241, 252; BVerwG 10.4.1997, 4 C 5/96, BVerwGE 104, 236, 238. 11 BVerfG 8.7.1982, 2 BvR 1187/80, BVerfGE 61, 82, 100 ff.; BVerwG 20.11.2008, 7 C 10/08, BVerwGE 132, 261 = ZfB 2009, 46 Rn. 23. 12 BVerwG 29.1.1991, 4 C 51/89, BVerwGE 87, 332, 391 f.; BVerwG 27.3.1999, 7 C 18/91, BVerwGE 90, 96, 101 f.; BVerwG 20.11.2008, 7 C 10/08, BVerwGE 132, 261 = ZfB 2009, 46 Rn. 23. 13 BVerwG 20.11.2008, 7 C 10/08, BVerwGE 132, 261 = ZfB 2009, 46 Rn. 15. 14 BVerwG 20.11.2008, 7 C 10/08, BVerwGE 132, 261 = ZfB 2009, 46 Rn. 23. 269

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DRITTER TEIL Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung ERSTES KAPITEL Allgemeine Vorschriften über die Aufsuchung und Gewinnung ERSTER ABSCHNITT Aufsuchung Schrifttum zu den §§ 39 bis 41 Franke Funktionswandel der Bergbauberechtigung?, in: Baur/Sandrock/Scholtka/Shapira (Hrsg.) Festschrift für Gunther Kühne zum 70. Geburtstag (2009), S. 510 ff., zitiert als Franke FS Kühne (2009); Huntemann Recht der unterirdischen Endlagerung radioaktiver Abfälle (1989); Kühne Bergrechtliche Aspekte der Endlagerung radioaktiver Stoffe, DVBl 1985, 207; Rengeling Rechtsfragen zu Bundesendlagern für radioaktive Abfälle (1990); H. Schulte Kernfragen des bergrechtlichen Genehmigungsverfahrens (1993); Weller Die bergmännische Untersuchung des Untergrundes auf seine Eignung als Endlager für radioaktive Abfallstoffe aus bergrechtlicher Sicht, ZfB 1985, 188.

§ 39 Einigung mit dem Grundeigentümer, Zustimmung anderer Behörden, Entschädigung 1 Wer zum Zwecke der Aufsuchung ein fremdes Grundstück benutzen will, hat vor Beginn der Aufsuchung 1. die Zustimmung des Grundeigentümers und der sonstigen Nutzungsberechtigten und, 2. wenn das Grundstück durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes einem öffentlichen Zweck gewidmet ist, auch die Zustimmung der für die Wahrung dieses Zweckes zuständigen Behörde einzuholen. 2§ 905 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bleibt unberührt. (2) Bei einem unter Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 fallenden Grundstück ist 1. die Zustimmung nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 nicht erforderlich, wenn das Grundstück ausschließlich dem öffentlichen Zweck dient, dem es gewidmet ist, 2. die Zustimmung nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 nicht erforderlich, wenn a) sich Art und Form der Tätigkeit, die der Aufsuchung dient oder zu dienen bestimmt ist, nicht von den Tätigkeiten unterscheidet, die im Rahmen der Widmung ausgeübt werden dürfen oder von der Widmung nicht betroffen sind oder b) für die Zulassung der Tätigkeit nach den Vorschriften, auf denen die Widmung beruht, eine besondere behördliche Erlaubnis, Genehmigung oder Zustimmung vorgesehen und diese von der dafür zuständigen Behörde erteilt worden ist. (3) Der Aufsuchungsberechtigte hat nach Abschluß der Aufsuchungsarbeiten den früheren Zustand fremder Grundstücke wiederherzustellen, es sei denn, daß die Aufrechterhaltung der Einwirkungen auf die Grundstücke nach Entscheidung der zuständigen Behörde für spätere Gewinnungsarbeiten zulässig ist oder die zuständige Behörde zur Wiedernutzbarmachung der Oberfläche eine Abweichung von dem früheren Zustand angeordnet hat. (4) 1Der Aufsuchungsberechtigte hat dem Grundeigentümer und den sonstigen Nutzungsberechtigten für die durch die Aufsuchungsarbeiten entstandenen, nicht durch Wiederherstellung des früheren Zustandes oder andere Maßnahmen nach Absatz 3 ausgeglichenen Vermögensnachteile Ersatz in Geld zu leisten. 2Der Ersatzanspruch haftet den Inhabern von dinglichen Rechten, mit denen das Grundstück belastet ist, in entspre-

(1)

271 https://doi.org/10.1515/9783110709285-053

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§ 39

Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

chender Anwendung der Artikel 52 und 53 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch. (5) Zur Sicherung ihrer Ansprüche aus den Absätzen 3 und 4 können der Grundeigentümer und sonstige Nutzungsberechtigte eine angemessene Sicherheitsleistung verlangen.

Übersicht I.

Allgemeines

1

II.

Anwendungsbereich

III. 1. 2. 3.

Zustimmung zur Grundstücksbenutzung 6 Erfordernis der Zustimmung 8 Form der Zustimmung Rechtslage bei fehlender Zustimmung

IV.

Benutzung von Grundstücken mit öffentlicher Zweckbindung

1. 2.

10 Zustimmungserfordernis Form der Zustimmung; Entscheidungsmaß13 stäbe

V.

Wiederherstellungspflicht

VI.

Ersatzpflicht; Sicherheitsleistung

4

14 17

9

I. Allgemeines 1 Zur Vornahme von Aufsuchungshandlungen ist vielfach die Benutzung fremder Grundstücke erforderlich. Bereits das bisherige Recht enthielt daher Regelungen zur Benutzung fremden Oberflächeneigentums bei der Aufsuchung. Zur Vornahme von Schürfarbeiten auf fremden Grundstücken war danach die Erlaubnis des Berechtigten erforderlich (§ 5 Abs. 1 ABG). Dieser war zur Gestattung grundsätzlich verpflichtet (§ 5 Abs. 2 ABG). Kam es zu keiner Einigung, entschied die Behörde, wobei die behördliche Prüfung darauf beschränkt war, ob Gründe vorlagen, auf die sich der Grundstücksbesitzer gegenüber dem Aufsuchungsberechtigten berufen konnte (§ 8 ABG). Der Grundstücksbesitzer hatte Anspruch auf Entschädigung und Ersatz des Minderwerts bei Rückgabe des Grundstücks (§ 6 ABG).1 §§ 39, 40 übernehmen wesentliche Elemente des bisherigen Rechts. Modifiziert wird jedoch der Anwendungsbereich der Vorschriften über die Benutzung fremder Grundstücke, weil einerseits für bergfreie Bodenschätze der Grundsatz der Schürffreiheit (§ 3 ABG) durch eine generelle Erlaubnispflicht für Aufsuchungstätigkeiten (§ 6) ersetzt worden ist und andererseits das Recht zur Grundstücksbenutzung auch bei der Aufsuchung grundeigener Bodenschätze besteht. Ferner werden die im bisherigen Recht vorgesehenen absoluten Schürfverbote (§ 4 ABG) durch einen behördlichen Zustimmungsvorbehalt für Aufsuchungstätigkeiten auf Grundstücken, die einem öffentlichen Zweck gewidmet sind, ersetzt. 2 Die vorübergehende Benutzung fremder Grundstücke hat keinen enteignenden Charakter.2 Der Gesetzgeber versteht das entschädigungspflichtige Grundstücksbenutzungsrecht als ausgleichspflichtige Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 1 Müller-Erzbach Das Bergrecht Preußens und des weiteren Deutschlands, S. 146 ff.; Westhoff Bergbau und Grundbesitz nach preußischem Recht, Band 2, S. 359 ff.; Willecke/Turner Grundriß des Bergrechts, S. 60 ff. 2 Für die Entscheidung nach § 8 ABG wurde teilweise enteignender Charakter angenommen (Westhoff Bergbau und Grundbesitz nach preußischem Recht, Band 2, S. 381; Isay ABG, Band 1, § 8 Rn. 9); hierfür sprachen die durch § 7 ABG angeordnete entsprechende Anwendung von Grundabtretungsvorschriften und vor allem die besondere verfahrensmäßige Ausgestaltung der behördlichen Entscheidung (Beschluss des Oberbergamts), Brassert/Gottschalk ABG, § 8 Anm. 1; Ebel/Weller ABG, § 8 Anm. 4; Klostermann/Thielmann ABG, § 8 Anm. 2. Anders als bei den behördlichen Entscheidungen mit Enteignungscharakter (§§ 35, 36, §§ 77 ff., 105) hat das BBergG davon abgesehen, für die behördliche Entscheidung nach § 40 die Anwendung der Vorschriften über das förmliche Verwaltungsverfahren anzuordnen. Diese Franke/Karrenstein

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Erstes Kapitel – Allgemeine Vorschriften über die Aufsuchung und Gewinnung

§ 39

GG)3 in privatrechtlicher Form. Die in § 40 Abs. 1 und 2 vorgesehenen behördlichen Entscheidungen über die Grundstücksbenutzung und die Entschädigungshöhe ersetzen lediglich die Erklärungen des Grundeigentümers, wenn eine Einigung mit dem Aufsuchungsberechtigten nicht zustande kommt. Ebenso wie im bisherigen Recht werden durch § 39 aus Gemeinwohlgründen Aufsuchungstä- 3 tigkeiten ausgeschlossen oder eingeschränkt, wenn diese auf einem Grundstück vorgenommen werden sollen, das einem öffentlichen Zweck gewidmet ist. Die bisherigen gesetzlichen oder behördlichen Schürfverbote werden allerdings aufgegeben. Damit trägt der Gesetzgeber der Entwicklung zu einer umwelt- und planungsrechtlich bestimmten Nutzungsordnung Rechnung,4 in der das Bergrecht die in anderen Rechtsgebieten konkretisierten Gemeinbelange berücksichtigt; zentrale Transformationsnorm ist hierbei § 48. Für Aufsuchungstätigkeiten auf Grundstücken, die einem öffentlichen Zweck gewidmet sind, hat der Gesetzgeber den durch § 48 gewährleisteten Schutz jedoch als nicht ausreichend angesehen und zur Wahrung des mit der Widmung verfolgten Zwecks die Zustimmung der zuständigen Behörde für erforderlich gehalten.5

II. Anwendungsbereich §§ 39, 40 regeln die Benutzung fremder Grundstücke zum Zweck der Aufsuchung bergfreier oder 4 grundeigener Bodenschätze.6 Auch bei der Aufsuchung grundeigener Bodenschätze kommen praktische Anwendungsfälle in Betracht, weil der Aufsuchungsberechtigte zwar das Verfügungsrecht über das Grundstück hat, in dem grundeigene Bodenschätze aufgesucht werden sollen, für Aufsuchungszwecke aber auch die Benutzung von Flächen außerhalb des Aufsuchungsfeldes erforderlich sein kann; das ist etwa der Fall, wenn das Grundstück des Aufsuchungsberechtigten zur Vornahme von Aufsuchungshandlungen nur über ein fremdes Grundstück erreicht werden kann. §§ 39, 40 begründen Rechte und Pflichten nur zwischen dem Aufsuchungsberechtigten und dem Grundeigentümer. Bei der Aufsuchung bergfreier Bodenschätze ist nur der Inhaber einer Erlaubnis zur Aufsuchung berechtigt (§ 6). Dies können Erlaubnisse sein, die nach § 7 erteilt worden sind, oder aufrechterhaltene Rechte und Verträge, die nach § 152 Abs. 1 als Erlaubnis fortgelten. Bei der Aufsuchung grundeigener Bodenschätze oder von Grundeigentümermineralien ergibt sich die Aufsuchungsberechtigung aus dem Grundeigentum (§ 34). Sachlich werden alle von der Legaldefinition der Aufsuchung (§ 4 Abs. 1) umfassten Tätigkeiten einbezogen (vgl. § 4 Rn. 2 ff.). In Betracht kommen etwa seismische Untersuchungen, übertägig angesetzte Erkundungsbohrungen, das Anlegen von Schürfgräben oder das Abtragen von Deckschichten.7 Entsprechend anwendbar sind §§ 39, 40 auf Untersuchungen des Untergrundes auf seine Eignung zur Errichtung von Untergrundspeichern verfahrensmäßige Ausgestaltung ist ein gewichtiges formelles Indiz dafür, dass der Gesetzgeber die behördliche Entscheidung nach § 40 nicht als Entscheidung mit Enteignungscharakter verstanden hat. 3 Frenz BBergG, § 39 Rn. 3; auch die vergleichbaren Vorschriften des Fachplanungsrechts über Vorarbeiten auf fremden Grundstücken werden so verstanden (zu § 44 EnWG Säcker/Pielow Berliner Kommentar zum Energierecht, Band 1, Halbband 2, 4. Aufl. (2017–2019), § 44 EnWG Rn. 23). 4 Franke FS Kühne (2009), S. 507, 519. 5 BT-Drs. 8/1315, S. 99. 6 §§ 39 ff. sind, wie grundsätzlich alle Vorschriften des Dritten Teils (§§ 39 bis 64), sowohl auf bergfreie als auch auf grundeigene Bodenschätze anwendbar (BT-Drs. 8/1315, S. 99); zur Anwendung bei Grundeigentümermineralien vgl. § 7 Rn. 8 und § 8 Rn. 11. 7 Ob §§ 39, 40 auch zur Duldung übertägiger Anlagen von Erkundungsbergwerken verpflichten (bejahend Weller ZfB 1985, 188, 191 f.; Rengeling Rechtsfragen zu Bundesendlagern für radioaktive Abfälle, S. 22 ff., 24 Fn. 78; für die Anwendbarkeit der Gewinnungsvorschriften Huntemann Recht der unterirdischen Endlagerung radioaktiver Abfälle, S. 123 ff.; Schulte Kernfragen des bergrechtlichen Genehmigungsverfahrens, S. 20 f.), hat das BVerwG 2.11.1995, 4 C 14/ 94, BVerwGE 100, 1, 6, offengelassen. Unter dem früheren Recht war anerkannt, dass die Benutzung fremder Grundstücke für Schürfarbeiten auch übertägige Schachtanlagen einschließen konnte (Brassert/Gottschalk ABG, § 5 Anm. 2; WesthoffBergbauundGrundbesitznachpreußischemRecht,Band 2,S. 369).AllerdingswarfürsolcheBenutzungenvonlänger273

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§ 39

Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

und auf Untergrundspeicher (§ 126 Abs. 1 Satz 1),8 auf die Errichtung und den Betrieb einer Anlage zur Lagerung, Sicherstellung oder Endlagerung radioaktiver Abfälle (§ 126 Abs. 3) sowie für die Aufsuchung mineralischer Rohstoffe in alten Halden (§ 128). 5 §§ 39, 40 sind nicht anwendbar, wenn Aufsuchungstätigkeiten in solcher Höhe (etwa beim Überfliegen des Grundstücks) oder in solcher Tiefe vorgenommen werden, dass kein Ausschließungsinteresse des Oberflächeneigentümers besteht. § 905 Satz 2 BGB bestimmt für diesen Fall, dass der Grundstückseigentümer derartige Einwirkungen nicht verbieten kann. Absatz 1 Satz 2 stellt klar, dass § 905 Satz 2 BGB unberührt bleibt, so dass für Aufsuchungstätigkeiten, die der Oberflächeneigentümer oder ein sonstiger Nutzungsberechtigter nicht verbieten kann, deren Zustimmung nicht erforderlich ist.9 Da auch ein öffentlicher Widmungszweck durch derartige Tätigkeiten nicht berührt wird, ist auch die Zustimmung der Behörde nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 entbehrlich.10

III. Zustimmung zur Grundstücksbenutzung 1. Erfordernis der Zustimmung 6 Zur Grundstücksbenutzung ist nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 die Zustimmung des Grundeigentümers und sonstiger Nutzungsberechtigter erforderlich. Nutzungsberechtigter ist, wer ein dingliches oder schuldrechtliches Recht zur Nutzung des betroffenen Grundstücks hat.11 Als dingliche Nutzungsrechte kommen der Nießbrauch (§§ 1030 ff. BGB), beschränkt persönliche Dienstbarkeiten (§§ 1090 ff. BGB) und Grunddienstbarkeiten (§§ 1018 ff. BGB), als schuldrechtlich begründete Nutzungsrechte Pacht oder Miete in Betracht.12 Die Zustimmung des Grundeigentümers ist nach dem Gesetzeswortlaut stets erforderlich; dies gilt auch dann, wenn das Grundstück durch Dritte genutzt wird, weil diese in der Regel weder als dinglich Berechtigte noch als Pächter Aufsuchungstätigkeiten vornehmen oder gestatten dürfen.13 Ob die Zustimmung sonstiger Nutzungsberechtigter einzuholen ist, hängt von der Art der Nutzungsberechtigung und der vorgesehenen Aufsuchungstätigkeiten ab; die Zustimmung ist erforderlich, wenn das Nutzungsrecht den Besitz am Grundstück einschließt oder aus sonstigen Gründen der beabsichtigten Aufsuchung entgegensteht. 7 Die Zustimmung des Grundeigentümers und sonstiger Nutzungsberechtigter ist nach Absatz 2 Nr. 1 entbehrlich, wenn ein Grundstück ausschließlich dem öffentlichen Zweck dient, dem es gewidmet ist. Nutzungsinteressen des Eigentümers werden in diesem Fall nicht berührt, weil das er Dauer die entsprechende Anwendung der Entschädigungsregelungen für die Grundabtretung vorgesehen (§ 7 i.V.m. §§ 137 ff. ABG). 8 Wenn mit Untersuchungstätigkeiten nach § 126 Abs. 1 eine Aufsuchung verbunden ist, gelten die allgemeinen Regelungen über die Aufsuchung unmittelbar (§ 126 Abs. 2); Huntemann Recht der unterirdischen Endlagerung radioaktiver Abfälle, S. 126 f.; Kühne DVBl 1985, 207, 208; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 126 Rn. 6, 9; Rengeling Rechtsfragen zu Bundesendlagern für radioaktive Abfälle, S. 22 ff., 24 Fn. 78; Weller ZfB 1985, 188, 191 f. 9 BT-Drs. 8/1315, S. 99; Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht, Rn. 400; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 39 Rn. 2; dazu auch Karrenstein Errichtung und Betrieb von Erdgasspeichern, S. 219 ff. 10 Die Entbehrlichkeit der behördlichen Zustimmung folgt nicht notwendig aus § 905 Satz 2 BGB, da sich die Wahrung des Widmungszwecks bei öffentlichen Sachen nicht stets mit dem Ausschließungsinteresse des privaten Oberflächeneigentümers decken muss; sie ergibt sich aber jedenfalls aus § 39 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a. 11 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 39 Rn. 4; zur entsprechenden früheren Rechtslage (§ 5 Abs. 2 ABG) Brassert/ Gottschalk ABG, § 5 Anm. 1, § 135 Anm. 3; Klostermann/Thielmann ABG, § 5 Anm. 3; Müller-Erzbach Das Bergrecht Preußens und des weiteren Deutschlands, S. 147. 12 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 39 Rn. 4; Brassert/Gottschalk ABG, § 5 Anm. 1, § 135 Anm. 3; Ebel/Weller ABG, § 135 Anm. 6; Klostermann/Thielmann ABG, § 5 Anm. 3, § 135 Anm. 6; Westhoff Bergbau und Grundbesitz nach preußischem Recht, Band 2, S. 374. 13 Klostermann/Thielmann ABG, § 5 Anm. 3; Müller-Erzbach Das Bergrecht Preußens und des weiteren Deutschlands, S. 147. Franke/Karrenstein

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Erstes Kapitel – Allgemeine Vorschriften über die Aufsuchung und Gewinnung

§ 39

Grundeigentum, wie insbesondere bei Verkehrswegen, durch ein öffentlich-rechtliches Nutzungsregime vollständig überlagert wird.14 Entscheidend ist dann nicht die Zustimmung des Grundeigentümers, sondern die der für die Wahrung des Widmungszwecks zuständigen Behörde.

2. Form der Zustimmung Die Zustimmung ist nicht formgebunden, muss aber ausdrücklich erklärt werden; eine bloße 8 Duldung von Aufsuchungstätigkeiten reicht nicht aus.15 Sofern kein dinglich gesichertes Nutzungsrecht, insbesondere durch Grunddienstbarkeit oder beschränkt persönliche Dienstbarkeit, begründet wird, entsteht durch die Zustimmung ein auf schuldrechtlicher Vereinbarung beruhendes Nutzungsrecht des Aufsuchungsberechtigten.16 Hieraus ergibt sich auch der Umfang des Nutzungsrechts. Sofern die Aufsuchungstätigkeiten in der Vereinbarung nicht näher bezeichnet werden, ergeben sich die Grenzen des Nutzungsrechts aus dem Aufsuchungszweck.17

3. Rechtslage bei fehlender Zustimmung Wer ohne erforderliche Zustimmung fremde Grundstücke zu Aufsuchungszwecken benutzt, übt 9 verbotene Eigenmacht aus. Grundeigentümer und Nutzungsberechtigte können die Beseitigung der Störung verlangen (§ 862 BGB); ferner kommt ein auf § 1004 BGB gestützter Beseitigungsund Unterlassungsanspruch sowie ein Schadensersatzanspruch nach § 823 BGB in Betracht.18

IV. Benutzung von Grundstücken mit öffentlicher Zweckbindung 1. Zustimmungserfordernis Mit dem Erfordernis behördlicher Zustimmung bei der Benutzung von Grundstücken, die einem 10 öffentlichen Zweck gewidmet sind, knüpft das BBergG an die im bisherigen Recht vorgesehenen Schürfverbote an, modifiziert diese Regelungen aber in mehrfacher Hinsicht. Aufgegeben wird insbesondere das System absoluter gesetzlicher Schürfverbote auf öffentlichen Plätzen, Straßen und Eisenbahnen sowie auf Friedhöfen (§ 4 Abs. 1 ABG) und bergbehördlicher Schürfverbote, wenn dem Schürfen auf anderen Grundstücken überwiegende Gründe des öffentlichen Interesses entgegenstanden (§ 4 Abs. 2 ABG). Damit trägt der Gesetzgeber der Entwicklung Rechnung, dass sich Gemeinwohlgründe, die eine Untersagung oder Einschränkung bergbaulicher Tätigkeiten erfordern, überwiegend nicht mehr unmittelbar aus bergrechtlichen Vorschriften, sondern aus dem Umwelt- und Planungsrecht ergeben. Sie sind entweder Gegenstand bergrechtsexterner Regelungen, die nach § 48 Abs. 1 Satz 1 unberührt bleiben, oder sind als überwiegende öffentliche Interessen im Betriebsplanverfahren zu berücksichtigen (§ 48 Abs. 2).19 Mit dem Zustimmungserfordernis nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 will der Gesetzgeber bei Grundstücken, die einem öffentlichen Zweck gewidmet sind, über den mit der Transformation bergrechtsexterner Gemeinwohlgründe durch § 48 gewährleisteten Schutz hinausgehen, indem vor der Aufnahme von Aufsuchungstä-

14 15 16 17 18

BT-Drs. 8/1315, S. 100; Frenz BBergG, § 39 Rn. 8 f. Ebel/Weller ABG, § 4 Anm. 6; Frenz BBergG, § 39 Rn. 6. Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 39 Rn. 7. Isay ABG, Band 1, § 5 Rn. 13. Isay ABG, Band 1, § 5 Rn. 10; Klostermann/Thielmann ABG, § 5 Anm. 2; Willecke/Turner Grundriß des Bergrechts, S. 61. 19 Franke FS Kühne (2009), S. 507, 519. 275

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§ 39

Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

tigkeiten die Zustimmung der für die Wahrung des Widmungszwecks zuständigen Behörde erforderlich ist.20 11 Einem öffentlichen Zweck gewidmet sind Grundstücke, die nach Maßgabe eines hoheitlichen Widmungsakts einer öffentlich-rechtlichen Nutzungsordnung unterstellt sind.21 Die Widmung kann durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes erfolgen. Durch Gesetz sind Bundeswasserstraßen (§§ 1, 5 WaStrG)22 sowie die oberirdischen Gewässer durch die Regelungen der Landeswassergesetze über die Einteilung der Gewässer23 gewidmet. Im Übrigen werden öffentliche Sachen überwiegend durch Verwaltungsakt gewidmet; das gilt insbesondere für Verkehrswege.24 Im gemeindlichen Bereich, etwa bei Friedhöfen, kann eine Widmung auch durch Satzung erfolgen. Der besondere Schutz des öffentlichen Widmungszwecks, dem der behördliche Zustim12 mungsvorbehalt dient, ist nach Absatz 2 Nr. 2 Buchst. a nicht erforderlich, wenn die vorgesehenen Aufsuchungstätigkeiten zu den im Rahmen der Widmung allgemein zulässigen Tätigkeiten gehören oder von der Widmung nicht betroffen sind. Eine Zustimmung ist ferner entbehrlich, wenn die zuständige Behörde die Vereinbarkeit der Aufsuchungstätigkeit mit dem Widmungszweck bereits erklärt hat. Das ist insbesondere der Fall, wenn die Aufsuchungstätigkeiten zwar im Rahmen des Widmungszwecks nicht allgemein zugelassen sind, die zu seiner Wahrung bestehenden Nutzungsregelungen aber behördliche Entscheidungen (Erlaubnisse, Genehmigungen, Zustimmungen, Befreiungen) über die Zulassung bestimmter Tätigkeiten auf den von der Widmung erfassten Grundstücken vorsehen und die Behörde die Aufsuchung durch eine solche Entscheidung bereits zugelassen hat (Absatz 2 Nr. 2 Buchst. b).

2. Form der Zustimmung; Entscheidungsmaßstäbe 13 Die Zustimmung der Behörde muss ausdrücklich erteilt werden. Gleiches gilt für die Nichterteilung der Zustimmung. Sie führt unmittelbar zur Unzulässigkeit von Aufsuchungstätigkeiten und ist daher im Verhältnis zum Aufsuchungsberechtigten eine Entscheidung mit Regelungswirkung. Die behördliche Entscheidung über die Erteilung der Zustimmung ist, auch wenn § 39 keine ausdrücklichen Entscheidungsvorgaben enthält, rechtlich gebunden. Wenn Nutzungsregelungen über die im Rahmen des Widmungszwecks zulässigen Tätigkeiten bestehen, ergeben sich die Entscheidungsmaßstäbe hieraus. Fehlt es an solchen Regelungen, muss sich die behördliche Entscheidung daran zu orientieren, ob durch die vorgesehene Aufsuchung zu einer Beeinträchtigung oder Gefährdung des Widmungszwecks führt.

V. Wiederherstellungspflicht 14 Der Aufsuchungsberechtigte ist verpflichtet, nach Abschluss der Aufsuchungsarbeiten den früheren Zustand fremder benutzter Grundstücke wiederherzustellen (Absatz 3). Der Wiederherstellungsanspruch entsteht mit der Beendigung der Benutzung des fremden Grundstücks und kann als privatrechtlicher Anspruch unmittelbar gegenüber dem Aufsuchungsberechtigten durchgesetzt werden. Ist eine Wiederherstellung nicht in vollem Umfang möglich, ist für den hierdurch entstehenden Vermögensnachteil Schadensersatz zu leisten (Absatz 4 Satz 1). Ausgeschlossen ist der Wiederherstellungsanspruch, wenn die zuständige Behörde entscheidet, dass die Aufrechter20 BT-Drs. 8/1315, S. 99. 21 Ehlers/Pünder/Durner/Papier Allgemeines Verwaltungsrecht, § 38 Rn. 6 ff., § 40 Rn. 2 ff.;Wolff/Bachof/Stober/Kluth Verwaltungsrecht II, 7. Aufl. (2010), § 75 Rn. 1 ff., 5. 22 Zu weiteren Fällen Herber in: Kodal (Begr.) Straßenrecht, S. 384 ff. 23 Ehlers/Pünder/Papier/Durner Allgemeines Verwaltungsrecht, § 40 Rn. 3. 24 Herber in: Kodal (Begr.) Straßenrecht, S. 380 ff.; zur eisenbahnrechtlichen Widmung BVerwG 16.12.1988, 4 C 48/86, BVerwGE 81, 111, 113 ff.; BVerwG 31.8.1995, 7 A 19/94, BVerwGE 99, 166, 168 f. Franke/Karrenstein

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Erstes Kapitel – Allgemeine Vorschriften über die Aufsuchung und Gewinnung

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haltung der Einwirkungen auf die fremden Grundstücke für spätere Gewinnungsarbeiten zulässig ist, oder wenn sie zur Wiedernutzbarmachung der Oberfläche eine Abweichung von dem früheren Zustand anordnet (Absatz 3 Hs. 2). Die beiden Ausnahmen von der Wiederherstellungspflicht verfolgen unterschiedliche Rege- 15 lungszwecke. Die behördliche Entscheidung über die Aufrechterhaltung der mit den Aufsuchungsarbeiten verbundenen Einwirkungen auf das fremde Grundstück begünstigt den Aufsuchungsberechtigten. Da die Aufsuchung in der Regel Vorstufe für eine spätere Gewinnung ist, kann es unwirtschaftlich sein, Einwirkungen, die für eine spätere Gewinnung aufrechterhalten bleiben müssen, zunächst wieder zu beseitigen.25 Daher wird die Möglichkeit eröffnet, die Wiederherstellungspflicht durch behördliche Entscheidung ganz oder teilweise auszuschließen. Die Behörde trifft damit eine vorübergehende Regelung zur Benutzung des fremden Grundstücks über die Dauer der Aufsuchungsarbeiten hinaus. Eine Grundlage zur Grundstücksbenutzung für spätere Gewinnungstätigkeiten bietet die Entscheidung aber nicht. Schon wegen des Fehlens ausdrücklicher Entscheidungsvoraussetzungen kann sie angesichts der Gemeinwohlanforderungen an eine privatnützige Enteignung auch keine Bindungswirkung für eine zur späteren Gewinnung erforderliche Grundabtretung entfalten. Der Gesetzgeber ist daher von einem Wahlrecht des Aufsuchungsberechtigten ausgegangen, ob die Wiederherstellungspflicht durch behördliche Entscheidung eingeschränkt oder ausgeschlossen werden soll;26 hierfür spricht auch, dass die Aufrechterhaltung der Einwirkungen die Ersatzpflicht des Aufsuchungsberechtigten erhöhen kann.27 Hieraus folgt, ohne dass dies ausdrücklich vorgesehen ist, dass die behördliche Entscheidung nur auf Antrag des Aufsuchungsberechtigten ergehen darf.28 Sie erfordert zunächst die Feststellung, dass die durch die Aufsuchung verursachten Einwirkungen auch mit späteren Gewinnungstätigkeiten verbunden wären. Angesichts der zwangsläufigen Unsicherheit der Prognose, ob und wann es zu einer Gewinnung kommen wird, ist aber darüber hinaus eine Abwägung zwischen den Interessen des Aufsuchungsberechtigten und des Grundeigentümers und sonstiger Nutzungsberechtigter erforderlich. Damit berührt die behördliche Entscheidung rechtlich geschützte Interessen des Grundeigentümers und sonstiger Nutzungsberechtigter. Diese sind daher im Verwaltungsverfahren zu beteiligen und zur verwaltungsgerichtlichen Drittanfechtung befugt. Wie bei den in §§ 40, 41, 42 und 47 vorgesehenen behördlichen Entscheidungen wird die Entscheidung über die Aufrechterhaltung der mit der Aufsuchung verbundenen Einwirkungen nicht der Beurteilung durch die am privaten Rechtsverhältnis Beteiligten überlassen, sondern der verbindlichen Feststellung durch eine Behörde mit spezifischem Sachverstand zugewiesen. Die bestandskräftige behördliche Entscheidung steht dem Wiederherstellungsanspruch daher mit Bindungswirkung für das Zivilgericht entgegen (vgl. § 42 Rn. 12 f.). Eine von dem früheren Zustand abweichende Wiedernutzbarmachung der Oberfläche 16 kann die Behörde von Amts wegen anordnen, wenn das im Rahmen der Wiedernutzbarmachungspflicht zu beachtende öffentliche Interesse (§ 4 Abs. 4) eine bestimmte, mit dem früheren Zustand nicht übereinstimmende Oberflächengestaltung erfordert (vgl. § 4 Rn. 27 ff.). Die Anordnungsbefugnis ergibt sich nicht aus § 39, sondern aus den allgemeinen Ermächtigungen für behördliche Wiedernutzbarmachungsregelungen im Rahmen von Betriebsplanzulassungen oder durch gesonderte Anordnung (§ 71). Absatz 3 setzt entsprechende Anordnungen voraus und stellt klar, dass diese den privatrechtlichen Wiederherstellungsanspruch ausschließen.

25 26 27 28

BT-Drs. 8/1315, S. 100. BT-Drs. 8/1315, S. 100. BT-Drs. 8/1315, S. 100. Das Antragserfordernis muss nicht ausdrücklich geregelt sein, sondern kann sich auch aus Regelungszweck und -zusammenhang ergeben (Kopp/Ramsauer VwVfG, § 22 Rn. 27; Knack/Henneke/Ritgen VwVfG, § 22 Rn. 22; Stelkens/ Bonk/Sachs/Schmitz VwVfG, § 22 Rn. 15; Ziekow VwVfG, § 22 Rn. 4). Das ist hier der Fall, weil die Entscheidung über die Aufrechterhaltung der Einwirkungen im Interesse des Aufsuchungsberechtigten ergeht und diesem ein Wahlrecht eingeräumt werden sollte. 277

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§ 40

Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

VI. Ersatzpflicht; Sicherheitsleistung 17 Für Vermögensnachteile, die dem Grundeigentümer oder sonstigen Nutzungsberechtigten durch die Aufsuchungstätigkeiten entstehen und die nicht durch die Wiederherstellung des früheren Zustands oder die behördliche Anordnung einer abweichenden Oberflächengestaltung ausgeglichen werden, hat der Aufsuchungsberechtigte nach Absatz 4 Satz 1 Ersatz in Geld zu leisten. Der – nicht auf unmittelbare Vermögensnachteile beschränkte29 – Ersatzanspruch umfasst insbesondere den Nutzungsausfall während der Aufsuchungstätigkeiten; wird die Aufrechterhaltung der Einwirkungen nach Absatz 3 angeordnet, ist für den Nutzungsausfall auch während der Aufrechterhaltung Geldersatz zu leisten. Ob Ersatz durch einmalige Zahlung, durch Teilzahlungen oder durch laufende Zahlungen zu leisten ist, hängt vor allem von der Dauer der Inanspruchnahme durch Aufsuchungstätigkeiten ab. Ersatz durch Teilzahlungen oder durch laufende Zahlungen wird vor allem dann in Betracht kommen, wenn die Aufsuchungstätigkeiten auf einen längeren Zeitraum angelegt sind oder die Grundstücksbenutzung durch behördliche Entscheidung über die Aufrechterhaltung der mit den Aufsuchungsarbeiten verbundenen Einwirkungen über einen längeren Zeitraum erstreckt wird. Ein Vermögensnachteil ist auch ein nach der Wiederherstellung des früheren Zustands verbleibender merkantiler Minderwert. Die Beteiligten können eine von Absatz 4 abweichende Entschädigungsregelung treffen; das kommt insbesondere dann in Betracht, wenn zur Erreichung der Zustimmung nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 eine höhere Entschädigung vereinbart wird.30 Wenn das benutzte Grundstück mit dinglichen Rechten belastet ist, werden deren Inhaber 18 entsprechend Art. 52, 53 EGBGB geschützt (Absatz 4 Satz 2). Da § 39 keine gesonderte Entschädigung für die Beeinträchtigung dinglicher Rechte Dritter an dem benutzten Grundstück vorsieht, ist der Geldersatz insgesamt an den Grundeigentümer oder sonstigen Nutzungsberechtigten zu leisten. Um den Dritten davor zu schützen, dass ihm die Entschädigung für den Verlust oder die Beeinträchtigung seines Rechts vorenthalten wird, ordnet Art. 52 EGBGB an, dass der Dritte am Entschädigungsanspruch dieselben Rechte hat, die ihm im Falle des Erlöschens seines Rechts durch Zwangsversteigerung an dem Erlös zustehen. Insbesondere ordnet Art. 53 Abs. 1 Satz 1 EGBGB für Rechte Dritter an Grundstücken die entsprechende Anwendung des § 1128 BGB an. Danach kann der Aufsuchungsberechtigte die Entschädigung mit Wirkung gegen den Dritten erst dann an den Grundeigentümer zahlen, wenn der Eintritt des Vermögensnachteils dem Dritten gegenüber angezeigt worden und seit dem Empfang der Anzeige ein Monat verstrichen ist. Der Dritte kann bis zum Ablauf der Frist dem Entschädigungspflichtigen gegenüber der Zahlung widersprechen und Vorkehrungen treffen, um sich den ihm zustehenden Anteil an der Entschädigung zu sichern. 19 Zur Sicherung des Wiederherstellungsanspruchs nach Absatz 3 und des Ersatzanspruchs nach Absatz 4 können der Grundeigentümer und sonstige Nutzungsberechtigte eine angemessene Sicherheitsleistung verlangen (Absatz 5). Kommt eine Einigung zwischen den Beteiligten über die Art der Sicherheitsleistung (§§ 232 ff. BGB) oder ihre Höhe nicht zustande, entscheidet die Behörde (§ 40 Abs. 2 Satz 1). Die Aufsuchungstätigkeiten dürfen, sofern die Beteiligten nichts anderes vereinbaren, erst nach Hinterlegung der Sicherheit aufgenommen werden (§ 40 Abs. 2 Satz 2).

§ 40 Streitentscheidung (1)

1 Wird die nach § 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 erforderliche Zustimmung versagt, so kann sie auf Antrag durch eine Entscheidung der zuständigen Behörde ersetzt werden, wenn öffentliche Interessen, insbesondere die Durchforschung nach nutzbaren Lagerstätten,

29 BT-Drs. 8/1315, S. 136. 30 BT-Drs. 8/1315, S. 100. Franke/Karrenstein https://doi.org/10.1515/9783110709285-054

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Erstes Kapitel – Allgemeine Vorschriften über die Aufsuchung und Gewinnung

§ 40

die Aufsuchung erfordern. 2Wenn unter Gebäuden, auf Betriebsgrundstücken, in Gärten oder eingefriedeten Hofräumen aufgesucht werden soll, kann die Zustimmung nur aus überwiegenden öffentlichen Interessen durch eine Entscheidung der zuständigen Behörde ersetzt werden. (2) 1Die zuständige Behörde entscheidet auf Antrag auch über die Höhe des Entschädigungsanspruchs (§ 39 Abs. 4) oder der Sicherheit (§ 39 Abs. 5), wenn eine Einigung hierüber nicht zustande kommt; die Kosten des Verfahrens trägt der Aufsuchungsberechtigte. 2Erst wenn der Ersatz geleistet oder eine Sicherheit hinterlegt ist, darf die Aufsuchung begonnen oder fortgesetzt werden.

Übersicht I.

Allgemeines

II. 1.

Behördliche Entscheidungen Ersetzung der Zustimmung (Absatz 1) 2 a) Allgemeine Voraussetzungen 3 b) Gemeinwohlrechtfertigung Entscheidung über Entschädigung oder Sicherheitsleistung (Absatz 2)

2.

a) b) c)

1

III. 1. 2.

Allgemeines 5 7 Entschädigung Sicherheitsleistung

8

Verfahren, Rechtswirkungen, Rechtsschutz 9 Ersetzung der Zustimmung Entscheidung über Entschädigung oder Sicher10 heitsleistung

I. Allgemeines Für den Fall, dass die Beteiligten sich über die Grundstücksbenutzung für Aufsuchungstätigkeiten 1 nicht einigen, eröffnet § 40 die Möglichkeit, die Zustimmung des Grundeigentümers und sonstiger Nutzungsberechtigter durch eine Entscheidung der zuständigen Behörde zu ersetzen (Absatz 1).1 Auch wenn eine Einigung über die Entschädigung oder Sicherheitsleistung (§ 39 Abs. 3 und 4) nicht zustande kommt, entscheidet auf Antrag die Behörde (Absatz 2). Funktion und rechtliche Wirkungen der behördlichen Entscheidungen entsprechen den in §§ 39, 41, 42 und 47 vorgesehenen Entscheidungen. Sie ergänzen die in §§ 39 ff. grundsätzlich privatrechtlich ausgestalteten Rechtsverhältnisse durch einen behördlichen Entscheidungsvorbehalt bei Einzelfragen, die nicht der Beurteilung durch die am privaten Rechtsverhältnis Beteiligten überlassen, sondern der verbindlichen Klärung durch eine Behörde mit spezifischem Sachverstand zugewiesen werden (vgl. § 42 Rn. 12 f.).2

II. Behördliche Entscheidungen 1. Ersetzung der Zustimmung (Absatz 1) a) Allgemeine Voraussetzungen. Die Zustimmung kann durch behördliche Entscheidung nur 2 dann ersetzt werden, wenn sie nach § 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 erforderlich ist und vom Grundeigentümer oder sonstigen Nutzungsberechtigten versagt wird. Nicht erforderlich ist die Zustimmung insbesondere dann, wenn nach § 905 Satz 2 BGB kein Ausschließungsinteresse des Grundeigentü-

1 Die Zustimmung der nach § 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 zuständigen Behörde ist nicht Gegenstand des § 40 (Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht, Rn. 406); wird die behördliche Zustimmung versagt, kann der Aufsuchungsberechtigte unmittelbar Klage auf Erteilung der Zustimmung erheben (vgl. § 39 Rn. 13). 2 Frenz BBergG, § 40 Rn. 1. 279

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§ 40

Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

mers besteht (§ 39 Abs. 1 Satz 2 [vgl. § 39 Rn. 5]).3 Wird ein Antrag auf behördliche Entscheidung nach § 40 gestellt, obwohl nach Auffassung der Behörde kein Ausschließungsinteresse des Grundeigentümers besteht, kann diese den Antrag nur wegen Nichterforderlichkeit der Zustimmung ablehnen. Ob die Voraussetzungen des § 905 Satz 2 BGB vorliegen, ist hierbei Vorfrage, aber kein Regelungselement der behördlichen Entscheidung. § 40 bietet der Behörde daher keine Grundlage, in Zweifelsfällen über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 905 Satz 2 BGB mit Bindungswirkung für das Zivilgericht zu entscheiden. Versagt wird die Zustimmung zur Grundstücksbenutzung, wenn der Grundeigentümer oder sonstige Nutzungsberechtigte die Erteilung der Zustimmung ausdrücklich ablehnen oder auf andere Weise zu erkennen geben, dass sie nicht bereit sind, die Grundstücksbenutzung zu gestatten. Letzteres ist insbesondere dann der Fall, wenn sie auf die Aufforderung des Aufsuchungsberechtigten, sich zu erklären, innerhalb einer angemessenen Frist nicht reagieren. Voraussetzung ist, dass der Aufsuchungsberechtigte die beabsichtigten Aufsuchungstätigkeiten so dargestellt hat, dass dem Grundeigentümer oder sonstigen Nutzungsberechtigten eine Einschätzung der wesentlichen zu erwartenden Auswirkungen möglich ist.

3 b) Gemeinwohlrechtfertigung. Voraussetzung für die behördliche Entscheidung, mit der die Zustimmung zur Grundstücksbenutzung ersetzt wird, ist eine nach der Schutzwürdigkeit der von der Aufsuchung betroffenen Bereiche abgestufte Gemeinwohlrechtfertigung des Aufsuchungsvorhabens. Danach müssen stets öffentliche Interessen die Aufsuchung erfordern (Absatz 1 Satz 1). Wirtschaftliche Interessen des Aufsuchungsberechtigten allein rechtfertigen keine Grundstücksbenutzung gegen den Willen des Grundeigentümers aufgrund hoheitlicher Entscheidung. In § 40 wird als öffentliches Interesse an Aufsuchungstätigkeiten beispielhaft nur die Durchforschung nach nutzbaren Lagerstätten erwähnt. Die Gemeinwohlrechtfertigung der Aufsuchung auf fremden Grundstücken ist im Einzelfall zu prüfen, wobei der gesetzliche Förderzweck (§ 1 Nr. 1) zu berücksichtigen ist,4 aber nur durch weitere normative Konkretisierung ein öffentliches Interesse im Einzelfall begründen kann. Eine Orientierung an den nach §§ 77, 79 eine Grundabtretung rechtfertigenden Gemeinwohlgründen entspricht diesen Anforderungen jedenfalls, soweit das Aufsuchungsvorhaben der Sicherstellung der Versorgung des Marktes mit Rohstoffen dient.5 Die Benutzung fremder Grundstücke ist ferner nur dann gerechtfertigt, wenn öffentliche Interessen die Aufsuchung erfordern. Die Betroffenen werden damit vor Aufsuchungstätigkeiten geschützt, die zur Erreichung eines – grundsätzlich durch Gemeinwohlbelange gerechtfertigten – Aufsuchungszwecks nicht geboten sind. Dies kann nur mit Blick auf die im Einzelfall beabsichtigten Aufsuchungstätigkeiten beurteilt werden. Erforderlich sind Aufsuchungstätigkeiten auf fremden Grundstücken nur bei einer ordnungsgemäßen Planung der Aufsuchung und grundsätzlich nur dann, wenn der Aufsuchungszweck nicht ohne die Grundstücksbenutzung erreicht werden kann. Ferner müssen Art und Umfang der vorgesehenen Aufsuchungstätigkeiten zur Erreichung des Aufsuchungszwecks erforderlich sein. Nicht erforderlich ist eine Grundstücksbenutzung auch dann, wenn die vorgesehenen Aufsuchungstätigkeiten wei-

3 Zur Konkretisierung von § 905 BGB insbesondere im bergrechtlichen Kontext vgl. auch Karrenstein Errichtung und Betrieb von Erdgasspeichern, S. 219 ff.

4 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 1 Rn. 26. 5 Frenz BBergG, § 40 Rn. 2; hierbei ist eine Differenzierung innerhalb des gesetzlichen Bodenschätzekatalogs durch eine Beschränkung des Benutzungsrechts auf einzelne, besonders wichtige Bodenschätze verfassungsrechtlich nicht geboten (BVerfG, 17.12.2013, 1 BvR 3139/08 u.a., BVerfGE 134, 242 Rn. 202) – Obwohl es bei § 40, anders als bei der Grundabtretung, nicht um die Gemeinwohlrechtfertigung einer Enteignung geht, dürften die Zweifel an der hinreichenden Bestimmtheit der beiden weiteren in § 79 Abs. 1 aufgeführten Gemeinwohlgründe (BVerfG, 17.12.2013, 1 BvR 3139/08 u.a., BVerfGE 134, 242 Rn. 204) auch bei der Grundstücksbenutzung für Aufsuchungsarbeiten zu berücksichtigen sein. Franke/Karrenstein

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terer Erlaubnisse bedürfen (deren Erteilung durch die Zustimmung nicht ersetzt wird6) und feststeht, dass eine Erteilung ausgeschlossen ist.7 Wie im früheren Recht8 werden die Interessen des Grundeigentümers oder sonstiger Nut- 4 zungsberechtigter besonders geschützt, wenn unter Gebäuden, auf Betriebsgrundstücken, in Gärten oder eingefriedeten Hofräumen aufgesucht werden soll. Gebäude sind alle baulichen Anlagen; auf eine besondere Nutzung kommt es nicht an.9 Besonders geschützt sind ferner Bereiche, die gärtnerisch genutzt werden; hierzu gehören Flächen zur gartenbaulichen Erzeugung, aber keine Parkanlagen.10 Eingefriedete Hofräume sind Flächen, die einem Gebäude funktional zugeordnet und durch eine Mauer, einen Zaun oder eine sonstige Einfriedung räumlich begrenzt sind.11 Für Aufsuchungstätigkeiten in besonders geschützten Bereichen kann die Zustimmung nur aus überwiegenden öffentlichen Interessen durch behördliche Entscheidung ersetzt werden (Absatz 1 Satz 2). Auch wenn die vorgesehenen Aufsuchungstätigkeiten zur Erreichung eines durch Gemeinwohlbelange gerechtfertigten Aufsuchungszwecks erforderlich sind, ist danach eine Abwägung vorzunehmen, ob die für die Aufsuchung sprechenden Gemeinwohlbelange größeres Gewicht haben als das Interesse des Grundeigentümers an einer Vermeidung der mit der Aufsuchung verbundenen Beeinträchtigungen.12

2. Entscheidung über Entschädigung oder Sicherheitsleistung (Absatz 2) a) Allgemeines. Die Behörde entscheidet im Streitfall nicht nur über die Zustimmung zur Grund- 5 stücksbenutzung, sondern nach Absatz 2 auch über die Höhe des Entschädigungsanspruchs oder der Sicherheit. Beide Ermächtigungen sind nicht zwingend miteinander verknüpft. Auch wenn die Zustimmung zur Grundstücksbenutzung durch behördliche Entscheidung ersetzt worden ist, sollen die Beteiligten zunächst eine Vereinbarung über die Entschädigung und die Sicherheitsleistung anstreben.13 Erst wenn eine Einigung nicht möglich ist, kommt ein Antrag auf behördliche Entscheidung nach Absatz 2 Satz 1 in Betracht; dieser Antrag muss einen Nachweis der Einigungsbemühungen über die Entschädigung und die Sicherheitsleistung enthalten. Grundeigentümer und sonstige Nutzungsberechtigte werden durch Absatz 2 Satz 2 auch dage- 6 gen geschützt, dass sie die Beeinträchtigungen durch Aufsuchungstätigkeiten hinnehmen müssen, die hierfür vorgesehenen Entschädigungsansprüche sich aber später als nicht durchsetzbar erweisen. Daher dürfen Aufsuchungstätigkeiten erst begonnen oder fortgesetzt werden, wenn der Ersatz geleistet oder eine Sicherheit hinterlegt ist. Die Aufnahme der Aufsuchung wird in der Regel nur von einer angemessenen Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden können. Eine vorherige Entschädigungsleistung kommt vor allem in Betracht, wenn eine Aufsuchung fortgesetzt werden soll und die Entschädigung laufend oder in Teilbeträgen zu leisten ist. Nach dem Regelungszusammenhang und -zweck werden durch die Regelung nur Betroffene geschützt, die aufgrund einer behördlichen Entscheidung die Benutzung ihres Grundstücks dulden müssen; wer mit dem Aufsuchungsberechtigten eine Vereinbarung über die Grundstücksbenutzung trifft, ist 6 Frenz BBergG, § 40 Rn. 1. 7 Frenz BBergG, § 40 Rn. 5 f. 8 Nach § 4 Abs. 3 ABG durfte unter Gebäuden und im Umkreis von sechzig Metern, in Gärten und eingefriedigten Hofräumen nur mit ausdrücklicher Einwilligung des Grundbesitzers geschürft werden; bei Versagung der Einwilligung konnten die Schürfarbeiten nur aufgrund einer Ermächtigung durch das Oberbergamt erfolgen (§ 8 ABG). 9 Ebenso zum früheren Recht Klostermann/Thielmann ABG, § 4 Anm. 6; Westhoff Bergbau und Grundbesitz nach preußischem Recht, Band 2, S. 370. 10 Ebenso zum früheren Recht Ebel/Weller ABG, § 4 Anm. 4; Klostermann/Thielmann ABG, § 4 Anm. 8; Westhoff Bergbau und Grundbesitz nach preußischem Recht, Band 2, S. 372. 11 Ebenso zum früheren Recht Ebel/Weller ABG, § 4 Anm. 5. 12 Frenz BBergG, § 40 Rn. 7. 13 BT-Drs. 8/1315, S. 100; Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht, Rn. 407. 281

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Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

nicht in vergleichbarer Weise schutzbedürftig, weil er seine Zustimmung davon abhängig machen kann, dass Vorsorge zur Durchsetzbarkeit seiner Ansprüche getroffen wird.

7 b) Entschädigung. Die Maßstäbe für die behördliche Entscheidung über die Höhe der Entschädigung ergeben sich aus § 39 Abs. 4 (vgl. § 39 Rn. 17). Danach ist für alle Vermögensnachteile, die dem Grundeigentümer oder sonstigen Nutzungsberechtigten durch die Aufsuchungstätigkeiten entstehen und die nicht durch die Wiederherstellung des früheren Zustands oder die behördliche Anordnung einer abweichenden Oberflächengestaltung (§ 39 Abs. 3 [vgl. § 39 Rn. 14 ff.]) ausgeglichen werden, Ersatz in Geld zu leisten.

8 c) Sicherheitsleistung. Der Grundeigentümer und sonstige Nutzungsberechtigte können Sicherheitsleistung zur Sicherung der Ansprüche nach § 39 Abs. 3 und 4 verlangen. Die Behörde muss bei der Entscheidung über die Höhe der Sicherheit daher zum einen die voraussichtlichen Kosten einer Wiederherstellung des früheren Zustands oder einer abweichenden Oberflächengestaltung nach § 39 Abs. 3 ermitteln; zum anderen ist die voraussichtliche Höhe des Entschädigungsanspruchs wegen verbleibender Vermögensnachteile zu berücksichtigen. § 39 Abs. 5 enthält keine Vorgaben für die Art der Sicherheitsleistung. Auch hierüber hat im Streitfall die Behörde zu entscheiden; der Regelungszweck des Absatz 2, beim Scheitern von Einigungsversuchen die Fragen der Entschädigung oder der Sicherheitsleistung durch Zuweisung an eine sachkundige Stelle zu klären, würde verfehlt, wenn nur die Höhe, aber nicht die Art der Sicherheitsleistung Gegenstand der behördlichen Entscheidung, sondern eines gesonderten Zivilrechtsstreits wäre.

III. Verfahren, Rechtswirkungen, Rechtsschutz 1. Ersetzung der Zustimmung 9 Die Zustimmung des Grundeigentümers oder sonstiger Nutzungsberechtigter wird nur auf Antrag des Aufsuchungsberechtigten durch behördliche Entscheidung ersetzt (Absatz 1 Satz 1). Ein Bescheidungsinteresse besteht nur, wenn die Grundstücksbenutzung durch den oder die Berechtigten versagt worden ist (Rn. 2); der Antrag muss daher einen entsprechenden Nachweis enthalten. Die Entscheidung der Behörde, ob öffentliche Interessen oder (in den Fällen des Absatz 1 Satz 2) überwiegende öffentliche Interessen die Aufsuchung erfordern, ist rechtlich gebunden; ist die Gemeinwohlrechtfertigung gegeben, besteht ein Anspruch des Aufsuchungsberechtigten auf Ersetzung der Zustimmung.14 Ob Gemeinwohlgründe die Grundstücksbenutzung erfordern, kann nur im Einzelfall und auf der Grundlage einer hinreichend konkreten Darstellung der beabsichtigten Aufsuchungstätigkeiten beurteilt werden (Rn. 2 f.). Die behördliche Entscheidung wird daher die Aufsuchungstätigkeiten, für die eine Grundstücksbenutzung eingeräumt wird, in der Regel näher bezeichnen müssen; besteht die Gemeinwohlrechtfertigung für die vorgesehene Aufsuchung nicht in vollem Umfang, ist sie entsprechend einzuschränken. Weil durch die behördliche Entscheidung rechtlich geschützte Interessen des Grundeigentümers oder sonstiger Nutzungsberechtigter berührt werden, sind diese im Verfahren zu beteiligen (§ 13 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 VwVfG) und zur verwaltungsgerichtlichen Anfechtung einer stattgebenden Entscheidung befugt (§ 42 Abs. 2 VwGO). Lehnt die Behörde die Ersetzung der Zustimmung ganz oder teilweise ab, kann der Aufsuchungsberechtigte Verpflichtungsklage erheben.

14 Frenz BBergG, § 40 Rn. 8; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 40 Rn. 2. Franke/Karrenstein

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2. Entscheidung über Entschädigung oder Sicherheitsleistung Die behördliche Entscheidung über die Entschädigung oder die Sicherheitsleistung ergeht 10 nur auf Antrag. Antragsteller können der Aufsuchungsberechtigte, der Grundeigentümer oder sonstige Nutzungsberechtigte sein, wobei die Verfahrenskosten15 stets vom Aufsuchungsberechtigten zu tragen sind (Absatz 2 Satz 1 Halbsatz 2). Die behördlichen Entscheidungen über die Entschädigung oder die Sicherheitsleistung sind nicht notwendig miteinander verbunden. Der Antrag muss daher eine eindeutige Erklärung enthalten, ob die Behörde über die Entschädigung und die Sicherheitsleistung entscheiden soll. Im behördlichen Verfahren sind, soweit sie nicht schon als Antragsteller beteiligt sind, der Aufsuchungsberechtigte, der Grundeigentümer oder sonstige Nutzungsberechtigte zu beteiligen. Für die gerichtliche Kontrolle behördlicher Entscheidungen über die Entschädigung ist der ordentliche Rechtsweg gegeben (§ 144). Im Übrigen unterliegen Entscheidungen nach Absatz 2 der verwaltungsgerichtlichen Überprüfung.

§ 41 Gewinnung von Bodenschätzen bei der Aufsuchung 1 Der Aufsuchungsberechtigte hat das Recht, Bodenschätze zu gewinnen, soweit die Bodenschätze nach der Entscheidung der zuständigen Behörde bei planmäßiger Durchführung der Aufsuchung aus bergtechnischen, sicherheitstechnischen oder anderen Gründen gewonnen werden müssen. 2Das Recht des Aufsuchungsberechtigten, andere als bergfreie Bodenschätze in eigenen Grundstücken zu gewinnen, bleibt unberührt.

Bei der Aufsuchung ist vor allem dann, wenn Aufsuchungshandlungen im Bereich der Lagerstätte 1 vorgenommen werden, die Gewinnung von Bodenschätzen zwangsläufig. Die grundsätzliche Befugnis, bei planmäßiger Aufsuchung notwendigerweise zu lösende oder freizusetzende Bodenschätze zu gewinnen und das Eigentum daran zu erwerben, gehört daher zum Inhalt der Aufsuchungserlaubnis (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2). § 41 konkretisiert diese Befugnis im Wesentlichen in Anlehnung an die für die Mitgewinnung von Bodenschätzen geltenden Grundsätze. Der Gesetzgeber greift damit, ebenso wie für die Gewinnung von Bodenschätzen bei der Anlegung von Hilfsbauen (vgl. § 45 Rn. 1), auf das Regelungsmodell des § 42 zurück, mit dem Bergbauberechtigungen zur Ermöglichung einer sinnvollen Ausübung begrenzt erweitert werden. Das Recht zur Gewinnung steht dem Aufsuchungsberechtigten insoweit zu, als Bodenschätze 2 bei planmäßiger Durchführung der Aufsuchung aus bergtechnischen, sicherheitstechnischen oder anderen Gründen gewonnen werden müssen. Danach muss einerseits die Gewinnung notwendig sein, um Aufsuchungshandlungen vornehmen zu können. Die Notwendigkeit kann sich aus berg- oder sicherheitstechnischen Gründen ergeben, aber auch durch lagerstättenkundliche Erfordernisse begründet sein.1 Andererseits muss das Aufsuchungsprogramm nicht von vornherein darauf ausgerichtet sein, die Gewinnung von Bodenschätzen soweit wie möglich einzuschränken; es reicht aus, dass die Aufsuchung planmäßig, also unter Anwendung anerkannter Methoden, durchgeführt wird. Das Gewinnungsrecht des Aufsuchungsberechtigten hat, wie das Mitgewinnungsrecht (vgl. 3 § 42 Rn. 4), privatrechtlichen Charakter. Ob die Gewinnung zur planmäßigen Durchführung der Aufsuchung erforderlich ist, entscheidet nach Satz 1 jedoch die Behörde. Die Regelung ist der 15 Verfahrenskosten sind die im Verwaltungsverfahren erhobenen Gebühren und Auslagen; das schließt die Kosten der zur Ermittlung der Entschädigungshöhe in der Regel einzuholenden Sachverständigengutachten ein. Mangels einer § 103 Abs. 2 entsprechenden Kostenerstattungspflicht gehören aber die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten nicht zu den vom Aufsuchungsberechtigten zu tragenden Verfahrenskosten. 1 BT-Drs. 8/1315, S. 101. 283 https://doi.org/10.1515/9783110709285-055

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§ 41

Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

behördlichen Entscheidung über das Erfordernis gemeinschaftlicher Gewinnung (§ 42 Abs. 1 Satz 1 [vgl. § 42 Rn. 9 ff.]) nachgebildet. Wie diese hat auch die behördliche Entscheidung nach Satz 1 den Zweck, die Gewinnung von Bodenschätzen im Rahmen der Aufsuchung auf das für Aufsuchungszwecke notwendige Maß zu begrenzen. Insbesondere soll verhindert werden, dass eine verdeckte Gewinnung betrieben wird.2 Daher wird die Entscheidung über das Erfordernis der Gewinnung von Bodenschätzen nicht der Beurteilung durch die am privaten Rechtsverhältnis Beteiligten überlassen, sondern der verbindlichen Feststellung durch eine Behörde mit spezifischem Sachverstand zugewiesen (vgl. § 42 Rn. 12). 4 Da §§ 39 ff. für die Aufsuchung bergfreier und grundeigener Bodenschätze gelten (vgl. § 39 Rn. 4), stellt Satz 2 klar, dass das Recht des Aufsuchungsberechtigten, in eigenen Grundstücken grundeigene Bodenschätze zu gewinnen, unberührt bleibt.3 Das Gewinnungsrecht ergibt sich in diesem Fall aus dem Grundeigentum; daher ist insbesondere keine behördliche Entscheidung nach Satz 1 erforderlich.4

2 BT-Drs. 8/1315, S. 100 f. 3 Zur Anwendung auf Grundeigentümermineralien vgl. § 8 Rn. 11 und § 42 Rn. 5. 4 BT-Drs. 8/1315, S. 101; bei der Mitgewinnung ist gleichfalls keine behördliche Entscheidung erforderlich, wenn dem Gewinnungsberechtigten auch das Verfügungsrecht über die mitzugewinnenden Bodenschätze zusteht (vgl. § 42 Rn. 9). Franke/Karrenstein

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ZWEITER ABSCHNITT Gewinnung § 42 Mitgewinnung von Bodenschätzen bei der Gewinnung bergfreier Bodenschätze 1 Bei der Gewinnung bergfreier Bodenschätze hat der Gewinnungsberechtigte das Recht, innerhalb des Feldes seiner Gewinnungsberechtigung andere Bodenschätze mitzugewinnen, soweit sie nach der Entscheidung der zuständigen Behörde bei planmäßiger Durchführung der Gewinnung aus bergtechnischen oder sicherheitstechnischen Gründen nur gemeinschaftlich gewonnen werden können. 2Andere an diesen Bodenschätzen Berechtigte hat der Gewinnungsberechtigte von der Entscheidung nach Satz 1 unverzüglich in Kenntnis zu setzen. (2) 1Der Gewinnungsberechtigte hat die Herausgabe 1. mitgewonnener bergfreier Bodenschätze, für die Aneignungsrechte Dritter bestehen, und 2. mitgewonnener nicht bergfreier Bodenschätze dem jeweils anderen Berechtigten gegen Erstattung der für die Gewinnung und eine erforderliche Aufbereitung gemachten Aufwendungen und einer für die Gewinnung zu zahlenden Förderabgabe anzubieten und diese Bodenschätze auf Verlangen herauszugeben. 2Der andere Berechtigte kann die Herausgabe nur innerhalb von zwei Monaten nach Kenntnisnahme nach Absatz 1 Satz 2 verlangen. 3Die bis zu dem Zeitpunkt des Verlangens mitgewonnenen Bodenschätze unterliegen nicht der Herausgabepflicht. 4Das gleiche gilt, wenn 1. die Trennung der mitgewonnenen Bodenschätze von den übrigen Bodenschätzen nicht möglich oder wegen der damit verbundenen Aufwendungen nicht zumutbar ist oder 2. die mitgewonnenen Bodenschätze zur Sicherung des eigenen Betriebes des Gewinnungsberechtigten oder in diesem Betrieb zur Sicherung der Oberfläche verwendet werden. 5 Können herauszugebende Bodenschätze nicht voneinander getrennt werden oder ist eine Trennung wegen der damit verbundenen Aufwendungen nicht zumutbar und stehen sie mehreren anderen Berechtigten zu, so hat der Gewinnungsberechtigte jedem dieser Berechtigten einen seiner Berechtigung entsprechenden Anteil herauszugeben. (3) 1Ist dem jeweils anderen Berechtigten die Übernahme herauszugebender Bodenschätze nicht zumutbar, so kann er für diese Bodenschätze von dem Gewinnungsberechtigten einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen, soweit der Gewinnungsberechtigte die Bodenschätze verwerten kann. 2Die Aufwendungen für die Gewinnung und eine erforderliche Aufbereitung sowie eine für die Gewinnung zu zahlende Förderabgabe sind anzurechnen. (4) Auf Antrag des Gewinnungsberechtigten oder eines anderen Berechtigten entscheidet die zuständige Behörde über die Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Trennung der Bodenschätze und die Größe der Anteile.

(1)

Schrifttum Bähr Die Mitgewinnung von Grundeigentümermineralien und ihre Rechtsfolgen, ZfB 1962, 457; Dietzsch Die Mitgewinnung beibrechender Mineralien, ZfB 1966, 404; Franke Rechtsfragen der Methangasgewinnung aus Steinkohleflözen, RdE 1994, 1; Kühne Probleme der Mitgewinnung, insbesondere der Eigenverwendung mitgewonnener Bodenschätze durch den Bergbautreibenden, ZfB 1985, 178; Kühne Rechtsfragen der Aufsuchung und Gewinnung von in Steinkohleflözen beisitzendem Methangas (1994); Kühne Anmerkung zu dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 12.10.2000, ZfB

285 https://doi.org/10.1515/9783110709285-056

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§ 42

Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

2001, 89; Kühne Bergrecht und Nachbarrecht, in: Joost/Oetker/Paschke (Hrsg.) Festschrift für Franz Jürgen Säcker zum 70. Geburtstag (2011), S. 105, zitiert als Kühne FS Säcker (2011); Schulte Eigentum und öffentliches Interesse (1970); Weller Kollision mehrerer Bergbauberechtigungen in einem Feld, ZfB 1990, 111; Willecke/Turner Grundriß des Bergrechts, 2. Aufl. (1970); Wörheide Die Bergbauberechtigungen nach dem Bundesberggesetz (2014).

Übersicht I.

Regelungszweck

II. 1. 2.

Voraussetzungen des Mitgewinnungsrechts 4 Rechtscharakter des Mitgewinnungsrechts Anwendungsbereich, allgemeine Voraussetzun5 gen Erfordernis gemeinschaftlicher Gewin7 nung Behördliche Entscheidung 9 a) Erfordernis 10 b) Verfahren

3. 4.

1

c) III. 1.

Rechtswirkungen

12

2.

Herausgabepflicht und Ausgleichsanspruch Herausgabepflicht a) Herausgabepflicht als Grundsatz (Absatz 2 14 Satz 1, 2 und 5) b) Ausnahmen (Absatz 2 Satz 3 und 4, Ab18 satz 4) 21 Ausgleichsanspruch (Absatz 3)

IV.

Rechtsschutz

23

I. Regelungszweck 1 Bodenschätze kommen vielfach zusammen vor. Die Gewinnung eines Bodenschatzes ist in diesen Fällen oft nur dann möglich, wenn andere Bodenschätze mitgewonnen werden können. Der Gesetzgeber trägt diesem Erfordernis der Mitgewinnung von Bodenschätzen auf unterschiedlichen Regelungsebenen Rechnung. Wenn Bodenschätze typischerweise zusammen vorkommen und in der Regel nur eine gemeinsame Gewinnung in Betracht kommt, können sie bereits im Bodenschätzekatalog mit der Folge zusammengefasst werden, dass eine getrennte Verleihung dieser Bodenschätze nicht möglich ist.1 Eine Kollision mit Gewinnungsrechten Dritter wird damit von vornherein ausgeschlossen. Das Bundesberggesetz bedient sich dieser bereits im früheren Bergrecht angewandten Regelungstechnik bei Kohlenwasserstoffen, die nur mit den bei ihrer Gewinnung anfallenden Gasen verliehen werden können (§ 3 Abs. 3 Satz 1 2. Gruppe), sowie bei Salzen, die in der gleichen Lagerstätte auftreten (§ 3 Abs. 3 Satz 1 4. Gruppe).2 2 Überwiegend kann über Erfordernis und Umfang einer Mitgewinnung nur im Einzelfall entschieden werden. Das frühere Recht enthielt Mitgewinnungsregelungen nur für die Gewinnung bergfreier Bodenschätze,3 die nach dem Verfügungsrecht über den mitzugewinnenden Bodenschatz differenzierten. Für die Mitgewinnung nicht verliehener bergfreier Bodenschätze war der Erwerb einer Gewinnungsberechtigung erforderlich, wobei dem Bergwerkseigentümer im Verhältnis zu Dritten ein Mutungsvorrecht eingeräumt war (§ 55 ABG). Damit war die Kollision mit dem Gewinnungsrecht eines Dritten an dem mitzugewinnenden Bodenschatz auch für die Zukunft ausgeschlossen. Für bergfreie Bodenschätze, die einem anderen verliehen waren, bestand hingegen ein Mitgewinnungsrecht mit einem grundsätzlichen Anspruch des jeweils anderen Berechtigten auf Herausgabe der mitgewonnenen Bodenschätze (§ 56 ABG). Bei diesem 1 Hingegen wird für Gase, die im Zusammenhang mit der Kohlegewinnung auftreten, in § 3 Abs. 3 Satz 1 3. Gruppe eine betriebsbezogene Zuordnung vorgenommen, die wie eine auf der Berechtsamsebene getroffene generelle Mitgewinnungsentscheidung wirkt. Eine bestehende Bergbauberechtigung auf Stein- oder Braunkohle schließt daher die Erteilung einer Bewilligung auf Kohlenwasserstoffe in demselben Bereich nicht aus, auch wenn Kohlenwasserstoffe zu den im Zusammenhang mit der Kohlegewinnung auftretenden Gasen gehören (Franke RdE 1994, 1, 4 f.). 2 Kühne Rechtsfragen der Aufsuchung und Gewinnung von in Steinkohleflözen beisitzendem Methangas, S. 33 ff. 3 Zu einzelnen Regelungen, die ein Mitgewinnungsrecht des Grundeigentümers einräumten, Kühne ZfB 2001, 89, 90. Franke/Karrenstein

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Erstes Kapitel – Allgemeine Vorschriften über die Aufsuchung und Gewinnung

§ 42

Regelungsmodell, auf das § 42 im Wesentlichen zurückgreift, sind die Gewinnungsrechte an zusammen vorkommenden Bodenschätzen von vornherein durch ein wechselseitig eingeräumtes gesetzliches Mitgewinnungsrecht eingeschränkt. Die Mitgewinnung von Bodenschätzen, die dem Verfügungsrecht des Grundeigentümers unterlagen, war nach früherem Recht entschädigungslos möglich, soweit der Bergwerkseigentümer sie für Zwecke seines eigenen Betriebs verwandte; andernfalls bestand ein Herausgabeanspruch des Grundeigentümers (§ 57 ABG).4 Das Bundesberggesetz hat in §§ 42, 43 die Mitgewinnungsregelungen unter Verzicht auf das 3 Mutungsvorrecht vereinheitlicht. Das früher in § 56 ABG vorgesehene Mitgewinnungsrecht wird auf alle Fälle der Mitgewinnung anderer Bodenschätze bei der Gewinnung bergfreier Bodenschätze (§ 42) und grundeigener Bodenschätze (§ 43) erweitert. Danach kann der Inhaber einer Gewinnungsberechtigung bei Bestätigung des Erfordernisses gemeinschaftlicher Gewinnung durch die Behörde andere Bodenschätze mitgewinnen, wobei der Herausgabeanspruch eines anderen Berechtigten für alle mitgewonnenen Bodenschätze davon abhängt, ob eine Trennung der Bodenschätze unmöglich oder unzumutbar ist (Absatz 2 Satz 3 Nr. 1) oder ob der Gewinnungsberechtigte sie im eigenen Betrieb verwendet (Absatz 2 Satz 3 Nr. 2).

II. Voraussetzungen des Mitgewinnungsrechts 1. Rechtscharakter des Mitgewinnungsrechts Die Bewilligung gewährt das Recht zur Mitgewinnung anderer Bodenschätze als Nebenrecht zum 4 Gewinnungs- und Aneignungsrecht für den verliehenen Bodenschatz (§ 8 Abs. 1 Nr. 1).5 Auf der Berechtsamsebene wird das Mitgewinnungsrecht allerdings nur grundsätzlich eingeräumt; seine Ausübung setzt in jedem Einzelfall eine Konkretisierung voraus, für die § 42 formelle und materielle Vorgaben enthält.6 Das entsprechend diesen Vorgaben konkretisierte Mitgewinnungsrecht beruht, anders als die Zulegung (§ 35), nicht auf einem hoheitlichen Eingriff in ein fremdes Gewinnungsrecht. Als Recht aus der Bewilligung hat es privatrechtlichen Charakter (§ 8 Abs. 2 [vgl. § 8 Rn. 2]).7 Die behördliche Entscheidung über das Erfordernis gemeinschaftlicher Gewinnung begründet nicht das Mitgewinnungsrecht, sondern bestätigt lediglich das Vorliegen einer einzelnen Mitgewinnungsvoraussetzung (Rn. 12 f.).8 Hiervon abgesehen sind die Mitgewinnungsregelungen als gegenseitige Abgrenzung der Verfügungsrechte Privater ausgestaltet. Bestimmend ist hierbei der Gedanke, dass eine Erweiterung des Gewinnungsrechts in den Bereich benachbarter Berechtigungen hingenommen werden muss, soweit dies erforderlich ist, um eine sinnvolle Ausübung der Gewinnungsberechtigung zu ermöglichen.9 Der Gesetzgeber bestimmt damit Inhalt und Schranken des Eigentums der an den zusammen vorkommenden Bodenschätzen Berechtigten (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG).10 Für die durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gebotene Ausgewo-

4 Überblick bei Kühne ZfB 1985, 178, 179; Schulte Eigentum und öffentliches Interesse, S. 295 ff.; Willecke/Turner Grundriß des Bergrechts, S. 95 f.

5 Das Bergwerkseigentum schließt dieses Recht ein (§ 9 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1). 6 BT-Drs. 8/1315, S. 101; BGH 23.11.2000, III ZR 342/99, BGHZ 146, 98, 103; BVerwG 24.6.2010, 7 C 16/09 = ZfB 2010, 136 Rn. 13. 7 Kühne ZfB 1985, 178, 181; Kühne FS Säcker (2011), S. 105, 107 f.; Schulte Eigentum und öffentliches Interesse, S. 296. 8 Kühne ZfB 1985, 178, 181; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 42 Rn. 2. 9 BT-Drs. 8/1315, S. 101; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 42 Rn. 3; Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht, Rn. 102. Ähnliche Erwägungen liegen auch dem Notwegrecht (§ 917 BGB) zugrunde, das ein Recht zur Benutzung des Nachbargrundstücks einräumt, soweit dies zur „ordnungsmäßigen Benutzung“ des eigenen Grundstücks erforderlich ist (Kühne ZfB 2001, 89, 91; Kühne FS Säcker (2011), S. 105, 107 f.; Schulte Eigentum und öffentliches Interesse, S. 287 ff.). 10 Frenz BBergG, § 42 Rn. 5; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 42 Rn. 3; Kühne ZfB 1985, 178, 181; Wörheide Die Bergbauberechtigungen nach dem Bundesberggesetz, S. 408. 287

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§ 42

Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

genheit der Abgrenzung11 ist zum einen bedeutsam, dass das Mitgewinnungsrecht wechselseitig eingeräumt wird. Zum anderen gewährt § 42 nur ein aus berg- oder sicherheitstechnischen Gründen erforderliches Mitgewinnungsrecht; der mitgewonnene Bodenschatz bleibt dem anderen Berechtigten aber grundsätzlich erhalten, weil der Gewinnungsberechtigte, sofern keine Ausnahme nach Absatz 2 Satz 3 gegeben ist, zur Herausgabe der mitgewonnenen Bodenschätze an den anderen Berechtigten verpflichtet ist (Rn. 14 ff.).12

2. Anwendungsbereich, allgemeine Voraussetzungen 5 § 42 regelt das Mitgewinnungsrecht bei der Gewinnung bergfreier Bodenschätze.13 Zur Mitgewinnung grundsätzlich berechtigt sind Inhaber einer Bewilligung (§ 8) oder neuen Bergwerkseigentums (§ 9) sowie Inhaber aufrechterhaltenen alten Bergwerkseigentums (§ 151 Abs. 1 Nr. 2) oder einer sonstigen aufrechterhaltenen Gewinnungsberechtigung, die als Bewilligung (§ 153 Satz 1) oder als Bergwerkseigentum (§ 154 Abs. 1) fortgilt. Gegenstand der Mitgewinnung können alle anderen – bergfreie, grundeigene und sonstige dem Verfügungsrecht des Grundeigentümers unterliegende – Bodenschätze sein.14 Das entspricht dem Zweck der Mitgewinnungsregelung, weil auch Grundeigentümermineralien, die im Übrigen nicht dem Bergrecht unterliegen, zusammen mit bergfreien oder grundeigenen Bodenschätzen in einer Weise vorkommen können, dass eine getrennte Gewinnung ausgeschlossen ist. Dementsprechend können Grundeigentümermineralien einerseits bei der Gewinnung anderer Bodenschätze mitgewonnen werden; andererseits kann sich der Grundeigentümer auch als Verfügungsberechtigter über Grundeigentümermineralien auf das Recht zur Mitgewinnung bergfreier und grundeigener Bodenschätze berufen (vgl. § 43 Rn. 1).15 6 Aus dem durch § 42 wechselseitig eingeräumten Mitgewinnungsrecht ergibt sich keine Vorrangregelung für den Fall, dass konkrete Gewinnungsinteressen von Berechtigten räumlich zusammentreffen.16 Bei einer Kollision von Gewinnungsrechten besteht kein Vorrang der Berechtigung auf bergfreie Bodenschätze. Diese sind zwar wegen ihrer volkswirtschaftlichen Bedeutung dem Verfügungsrecht des Grundeigentümers entzogen. Dabei steht aber der Gesichtspunkt im Vordergrund, eine von Grundstücksgrenzen unabhängige Aufsuchung und Gewinnung zu ermöglichen.17 Eine darüber hinausgehende Privilegierung für den Fall einer Kollision mit Gewinnungsrechten des Grundeigentümers ist hingegen nicht gewollt. Vielmehr geht der Gesetzgeber von der Gleichrangigkeit der Gewinnungsrechte für bergfreie und sonstige Bodenschätze aus (§§ 34, 43).18 Im Falle des Zusammentreffens von Gewinnungsinteressen in demselben Bereich ist der Prioritätsgrundsatz maßgeblich.19 Damit wird dem Bestandsinteresse des Berechtigten, der zur Amortisation bereits erfolgter Aufwendungen auf eine technisch unvermeidliche Mitgewinnung angewiesen ist, Rechnung getragen.20 Maßgeblich ist hierbei der Zeitpunkt, in dem das

11 Kühne ZfB 1985, 178, 182 f.; zur Bindung des Gesetzgebers durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bei der Inhaltsund Schrankenbestimmung von Mangoldt/Klein/Starck/Depenheuer GG, Art. 14 Rn. 226 ff.; Jarass/Pieroth GG, Art. 14 Rn. 38 ff. 12 BVerwG 24.6.2010, 7 C 16/09 = ZfB 2010, 136 Rn. 15. 13 Zum Begriff des Bodenschatzes vgl. § 3 Rn. 4 ff. 14 BGH 12.10.2000, III ZR 242/98, BGHZ 145, 316, 329 = ZfB 2001, 81, 87 f.; Kühne ZfB 2001, 89, 90. 15 BGH 12.10.2000, III ZR 242/98, BGHZ 145, 316, 325 f. = ZfB 2001, 81, 86; Kühne ZfB 1985, 178, 183 f.; Kühne ZfB 2001, 89, 90; Wörheide Die Bergbauberechtigungen nach dem Bundesberggesetz, S. 406 f. 16 BGH 12.10.2000, III ZR 242/98, BGHZ 145, 316, 326 f. = ZfB 2001, 81, 86 f. 17 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 3 Rn. 12. 18 BGH 12.10.2000, III ZR 242/98, BGHZ 145, 316, 327 = ZfB 2001, 81, 86 f.; von Weschpfennig Strukturen des Bergrechts, S. 354. 19 RG 8.3.1935, V 365/34, RGZ 147, 161, 171 = ZfB 1935, 111, 122; BGH 12.10.2000, III ZR 242/98, BGHZ 145, 316, 327 = ZfB 2001, 81, 86 f.; Dietzsch ZfB 1966, 404, 406, 418; Kühne ZfB 2001, 89, 92; Weller ZfB 1990, 111, 115. 20 BGH 12.10.2000, III ZR 242/98, BGHZ 145, 316, 327 = ZfB 2001, 81, 86 f. Franke/Karrenstein

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Erstes Kapitel – Allgemeine Vorschriften über die Aufsuchung und Gewinnung

§ 42

Gewinnungsvorhaben genehmigt ist.21 Hierfür spricht nicht nur, dass die Genehmigung einen eindeutigen zeitlichen Anknüpfungspunkt bietet, sondern vor allem, dass mit der Erteilung der erforderlichen behördlichen Zulassung von einem schutzwürdigen Bestandsinteresse des Bergbautreibenden auszugehen ist.

3. Erfordernis gemeinschaftlicher Gewinnung Andere Bodenschätze dürfen mitgewonnen werden, soweit sie bei planmäßiger Durchführung der 7 Gewinnung aus bergtechnischen oder sicherheitstechnischen Gründen nur gemeinschaftlich mit dem verliehenen Bodenschatz gewonnen werden können. Für das Erfordernis gemeinschaftlicher Gewinnung kommt es nur auf berg- oder sicherheitstechnische Gesichtspunkte an; dass erst durch die Erstreckung des Gewinnungsrechts auf nicht verliehene Bodenschätze ein wirtschaftlich sinnvoller Abbau ermöglicht wird, rechtfertigt keine Mitgewinnung.22 Für die Beurteilung, ob eine Mitgewinnung aus technischen Gründen geboten ist, gibt § 42 Maßstäbe vor, die sowohl dem Interesse anderer Berechtigter, den Eingriff in ihr Gewinnungsrecht auf das notwendige Maß zu beschränken, als auch dem rohstoffwirtschaftlichen Interesse, die sinnvolle Mitgewinnung von Bodenschätzen zu ermöglichen, Rechnung tragen. Danach muss einerseits die Mitgewinnung anderer Bodenschätze aus technischen Gründen unumgänglich sein, um den verliehenen Bodenschatz gewinnen zu können. Andererseits reicht es aus, dass eine gemeinschaftliche Gewinnung bei planmäßiger Durchführung, also bei einer technischen Betriebsführung, die dem Stand der Technik oder sonstigen anerkannten Abbaumethoden entspricht, notwendig ist.23 Vom Erfordernis gemeinschaftlicher Gewinnung ist in der Regel auszugehen, wenn mehrere Bodenschätze in der gleichen Lagerstätte auftreten.24 Bei übereinander liegenden Lagerstätten kann eine Mitgewinnung erforderlich sein, wenn ein zeitlich getrennter Abbau aus sicherheitlichen Gründen, insbesondere wegen zu geringer Mächtigkeit des Deckgebirges, nicht möglich ist;25 hingegen liegt kein Fall notwendiger gemeinschaftlicher Gewinnung vor, wenn eine zeitlich getrennte Gewinnung möglich ist, aber in bestimmter Reihenfolge26 oder unter Beachtung behördlicher Auflagen zur Gewährleistung der Betriebssicherheit27 erfolgen muss. Die Befugnis zur Abräumung von Sand- und Kieslagerstätten im Vorfeld der Braunkohlegewinnung ergibt sich daher nicht aus § 42, sondern aus vertraglichen Vereinbarungen mit dem Grundeigentümer oder daraus, dass bei Vorliegen der eine Grundabtretung rechtfertigenden Gemeinwohlgründe die Eigentumsentziehung nach § 78 Nr. 1 auch die Befugnis zur Gewinnung der dem Verfügungsrecht des Grundeigentümers unterliegenden Bodenschätze umfasst. Auch wenn die Möglichkeit eines getrennten Abbaus übereinander liegender Lagerstätten grundsätzlich besteht, ist eine gemeinschaftliche Gewinnung in der Regel insoweit erforderlich, als zur Gewinnung in der tiefer liegenden Lagerstätte die darüber liegende durchteuft werden muss. Als Erweiterung der Berechtigung zur Gewinnung des verliehenen Bodenschatzes besteht das 8 Mitgewinnungsrecht nur in dem für die planmäßige Gewinnung dieses Bodenschatzes erforderlichen Umfang. Hieraus folgt, dass Zweck des Gewinnungsvorhabens in erster Linie die Gewinnung des verliehenen Bodenschatzes sein muss.28 § 42 bietet keine Grundlage für Gewinnungsvorha21 Kühne ZfB 2001, 89, 92; bereits unter der Geltung des § 56 ABG für eine Lösung der Kollision auf der Betriebsplanebene Isay ABG, Band 1, § 56 Rn. 5; Klostermann/Thielmann ABG, § 56 Anm. 2. 22 BT-Drs. 8/1315, S. 101; BVerwG 24.6.2010, 7 C 16/09, ZfB 2010, 136 Rn. 12, 19; Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht, Rn. 103; Kühne ZfB 1985, 178, 182. 23 Ebel/Weller ABG, § 54 Anm. B 1. 24 Ebenso zu §§ 55, 56 ABG Isay ABG, Band 1, § 55 Rn. 5. 25 Isay ABG, Band 1, § 55 Rn. 5. 26 Isay ABG, Band 1, § 55 Rn. 5. 27 Isay ABG, Band 1, § 55 Rn. 5. 28 BGH 12.10.2000, III ZR 242/98, BGHZ 145, 316, 329 = ZfB 2001, 81, 87 f. 289

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§ 42

Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

ben, die planmäßig auf die Mitgewinnung des anderen Bodenschatzes gerichtet sind;29 die Geltendmachung des Mitgewinnungsrechts wäre in derartigen Fällen unzulässige Rechtsausübung (§ 242 BGB).30

4. Behördliche Entscheidung 9 a) Erfordernis. Wie im früheren Recht (§ 56 Abs. 1 ABG) entscheidet über das Erfordernis gemeinschaftlicher Gewinnung die Behörde. Das Erfordernis einer verbindlichen Konkretisierung des Mitgewinnungsrechts ergibt sich vor allem daraus, dass durch die Mitgewinnung fremde Gewinnungsrechte berührt werden31 und das Mitgewinnungsrecht den beteiligten Gewinnungsberechtigten gegenseitig eingeräumt ist. Dieser Regelungszweck entfällt, wenn dem Gewinnungsberechtigten auch das Verfügungsrecht über die mitzugewinnenden Bodenschätze zusteht. Dementsprechend bezog sich die Mitgewinnungsregelung in den Vorentwürfen nur auf fremde Bodenschätze.32 Diese ausdrückliche Einschränkung des Anwendungsbereichs ist in § 42 nicht mehr enthalten, ohne dass es Hinweise darauf gibt, dass mit der Neufassung der Vorschrift eine inhaltliche Änderung beabsichtigt war; hiergegen spräche auch die ausdrückliche Klarstellung in § 41 Satz 2 für den vergleichbaren Fall, dass ein Aufsuchungsberechtigter als Grundeigentümer zur Gewinnung berechtigt und daher keine behördliche Entscheidung erforderlich ist (vgl. § 41 Rn. 4). Das spricht für ein Redaktionsversehen in § 42. Eine behördliche Entscheidung über das Erfordernis gemeinschaftlicher Gewinnung ist daher nicht erforderlich, wenn der Gewinnungsberechtigte als Inhaber einer weiteren Bergbauberechtigung oder als Grundeigentümer, aufgrund vertraglicher Vereinbarung oder aufgrund einer Grundabtretungsentscheidung (§ 78 Nr. 1) zur Gewinnung des anderen Bodenschatzes berechtigt ist.

10 b) Verfahren. Die behördliche Entscheidung über das Erfordernis gemeinschaftlicher Entwicklung ergeht auf Antrag (§ 22 Satz 2 VwVfG). Liegt ein Antrag vor, ist die Behörde zur Einleitung des Verfahrens verpflichtet. Liegt kein Antrag vor, besteht ein Verfahrenshindernis (§ 22 Satz 2 Nr. 2 VwVfG); für ein Tätigwerden von Amts wegen bietet § 42 keine Grundlage, weil keine Mitgewinnungspflicht besteht.33 Der Antragsteller muss Inhaber einer Bergbauberechtigung zur Gewinnung des verliehenen Bodenschatzes (Rn. 5) sein. Im Übrigen hängt der Zeitpunkt, zu dem ein Antrag nach § 42 frühestens gestellt werden kann, vor allem davon ab, wann der Antragsteller in der Lage ist, sein Gewinnungsvorhaben in dem für die behördliche Entscheidung erforderlichen Maß zu konkretisieren. Ob eine gemeinschaftliche Gewinnung erforderlich ist, ist von der Behörde aus berg- und sicherheitstechnischer Sicht für die konkreten Verhältnisse zu beurteilen, wobei die Darlegungspflicht für das Vorliegen der Mitgewinnungsvoraussetzungen beim Antragsteller liegt. Hierbei reicht es grundsätzlich nicht aus, dass lediglich die Möglichkeit des Erfordernisses gemeinschaftlicher Gewinnung dargelegt oder der Nachweis nur durch Rückschlüsse aus Lagerstättenverhältnissen in anderen Bereichen geführt wird.34 Die erforderliche Konkretisierung kann, etwa im Steine- und Erden-Berg-bau, bereits bei Erteilung der Bergbauberechtigung möglich sein. 29 RG 8.3.1935, V 365/34, RGZ 147, 161, 171 = ZfB 1935, 111, 122; BGH 12.10.2000, III ZR 242/98, BGHZ 145, 316, 328 f. = ZfB 2001, 81, 87 f.; VG Arnsberg 29.5.1996, 10 K 3282/92, ZfB 1997, 171, 186; Isay ABG, Band 1, § 57 Rn. 1a; Kühne ZfB 2001, 89, 90 ff. 30 BGH 12.10.2000, III ZR 242/98, BGHZ 145, 316, 329 = ZfB 2001, 81, 87 f.; zu weiteren Ansätzen einer rechtlichen Ableitung (Notwegrecht, nachbarschaftliches Gemeinschaftsverhältnis) Kühne ZfB 2001, 89, 91 f. 31 BT-Drs. 8/1315, S. 101. 32 § 47 Abs. 1 RegE BBergG (BR-Drs. 350/75); auch die vorausgehenden Referentenentwürfe sahen eine Mitgewinnung nur für fremde Bodenschätze vor (§ 54 Abs. 1 RefE BBergG 1971; § 54 Abs. 1 Satz 1 RefE BBergG 1973). 33 Dietzsch ZfB 1966, 404, 417. 34 Entsprechend zu §§ 55, 56 ABG Brassert/Gottschalk ABG, § 55 Rn. 12; Isay ABG, Band 1, § 55 Rn. 6. Franke/Karrenstein

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Erstes Kapitel – Allgemeine Vorschriften über die Aufsuchung und Gewinnung

§ 42

Der Antrag auf behördliche Entscheidung kann aber auch während des laufenden Betriebs gestellt werden. Die behördliche Entscheidung muss spätestens vorliegen, wenn die Gewinnungstätigkeiten, die eine Mitgewinnung einschließen, auf der Grundlage einer Betriebsplanzulassung tatsächlich aufgenommen werden. Ob die Inhaber von Gewinnungsberechtigungen für die mitzugewinnenden Bodenschät- 11 ze vor der behördlichen Entscheidung zu beteiligen sind, ist nicht ausdrücklich geregelt. Dass durch die Mitgewinnung fremde Gewinnungsrechte berührt werden, war für den Gesetzgeber aber vor allem Anlass, die Konkretisierung des Mitgewinnungsrechts einer verbindlichen behördlichen Entscheidung zuzuweisen.35 Das legt einen drittschützenden Charakter der von der Behörde zu prüfenden Gesichtspunkte nahe, so dass eine Beteiligung der Inhaber fremder Gewinnungsrechte in Betracht kommt (§ 13 Abs. 1 Nr. 4 VwVfG).36 Hiergegen spricht nicht, dass die behördliche Entscheidung sich nur auf berg- oder sicherheitstechnische Gesichtspunkte bezieht.37 Auch bei einer auf diese Gesichtspunkte eingeschränkten behördlichen Prüfung kann es auf Fragen ankommen, die nicht lediglich eindeutig zu beurteilende Lagerstättenverhältnisse betreffen, sondern eine bewertende Entscheidung unter Berücksichtigung der Belange Dritter erfordern. Das betrifft insbesondere Fälle übereinander liegender Lagerstätten, bei denen über die sicherheitliche Unbedenklichkeit einer getrennten Gewinnung nur unter dem Vorbehalt von Schutzvorkehrungen bei der Zulassung des Gewinnungsvorhabens entschieden werden kann (Rn. 7). Entgegen der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts38 kann auch aus der Regelung, dass nach Absatz 1 Satz 2 die Inhaber fremder Gewinnungsrechte durch den Gewinnungsberechtigten von der behördlichen Entscheidung in Kenntnis zu setzen sind, nicht zwingend gefolgert werden, dass der Gesetzgeber eine Beteiligung der Dritten durch die Behörde ausschließen wollte. Mit der Kenntnisgabe durch den Gewinnungsberechtigten wird vor allem die Zwei-Monats-Frist in Gang gesetzt, innerhalb derer der andere Berechtigte über die Geltendmachung seines Herausgabeanspruchs entscheiden muss (Absatz 2 Satz 2). Sie hat einen anderen Zweck als die Beteiligung des Dritten im behördlichen Verfahren, die eine möglichst umfassende Sachverhaltsaufklärung und die Wahrung der Belange des Dritten bei der behördlichen Entscheidung gewährleisten soll.

c) Rechtswirkungen. Die behördliche Entscheidung bestätigt das Erfordernis gemeinschaftli- 12 cher Gewinnung. Sie hat also keinen genehmigungsähnlichen Charakter, weil Gegenstand der behördlichen Entscheidung nur ein Ausschnitt der gesetzlichen Mitgewinnungsvoraussetzungen ist. Die behördliche Prüfung beschränkt sich auf das Vorliegen einer Mitgewinnungsvoraussetzung, deren Vorliegen der Gesetzgeber nicht der Beurteilung durch die am privaten Rechtsverhältnis Beteiligten überlassen, sondern der verbindlichen Feststellung durch eine Behörde mit spezifischem Sachverstand zuweisen wollte.39 Insoweit ist die behördliche Entscheidung formelle Voraussetzung für die Geltendmachung des privatrechtlichen Mitgewinnungsrechts, ohne dass der privatrechtliche Charakter des Mitgewinnungsrechts verändert wird.40 Die behördliche Entscheidung über das Erfordernis gemeinschaftlicher Gewinnung entfaltet 13 Tatbestandswirkung für andere behördliche Entscheidungen und im Zivilprozess.41 Damit werden andere Stellen an die Feststellung der Behörde gebunden, dass aus berg- oder sicherheitstechnischen Gründen eine gemeinschaftliche Gewinnung erforderlich ist. Eine solche Bindungswirkung war be35 36 37 38 39 40

BT-Drs. 8/1315, S. 101. Frenz BBergG, § 42 Rn. 6; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 45 Rn. 4. So aber BVerwG 24.6.2010, 7 C 16/09 = ZfB 2010, 136 Rn. 13. BVerwG 24.6.2010, 7 C 16/09 = ZfB 2010, 136 Rn. 13. BT-Drs. 8/1315, S. 101. Kühne ZfB 1985, S. 178, 181; Kühne FS Säcker (2011), S. 105, 107 f.; Schulte Eigentum und öffentliches Interesse, S. 295 ff. 41 Zu Voraussetzungen und Reichweite der Tatbestandswirkung Kopp/Ramsauer VwVfG, § 43 Rn. 16 ff.; Knack/Henneke/Meyer VwVfG, § 43 Rn. 17 ff.; Stelkens/Bonk/Sachs/Sachs VwVfG, § 43 Rn. 154 ff. 291

Franke/Karrenstein

§ 42

Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

reits unter der Geltung des § 56 ABG, den § 42 im Wesentlichen übernimmt, anerkannt.42 Sie ergibt sich aus dem Zweck des Entscheidungsvorbehalts. Über die Frage, ob eine gemeinschaftliche Gewinnung erforderlich ist, soll nach dem Willen des Gesetzgebers nicht wie bei den übrigen Voraussetzungen des Mitgewinnungsrechts nach den für Ansprüche zwischen Privaten geltenden Regeln entschieden werden; vielmehr wird diese Entscheidung einer sachkundigen Behörde zugewiesen. Daher ist die bestandskräftige behördliche Entscheidung bei Meinungsverschiedenheiten über das Vorliegen der übrigen Mitgewinnungsvoraussetzungen zugrunde zu legen und kann vom Zivilgericht inhaltlich nicht überprüft werden.43 Inhaltlich reicht die Bindungswirkung nicht weiter als die behördliche Feststellung, dass aus berg- oder sicherheitstechnischen Gründen eine gemeinschaftliche Gewinnung erforderlich ist. Insbesondere begründet die behördliche Entscheidung keine Bindung für die Grundabtretung, deren Voraussetzungen mit dem Erfordernis einer technisch und wirtschaftlich sachgemäßen Betriebsplanung oder Betriebsführung (§ 77 Abs. 2) anders ausgerichtet sind.44

III. Herausgabepflicht und Ausgleichsanspruch 1. Herausgabepflicht 14 a) Herausgabepflicht als Grundsatz (Absatz 2 Satz 1, 2 und 5). Der Mitgewinnungsberechtigte erwirbt Eigentum an den mitgewonnenen Bodenschätzen (§ 8 Abs. 1 Nr. 1, § 9 Abs. 1, § 151 Abs. 1 Nr. 2).45 Soweit an diesen Bodenschätzen ein fremdes Gewinnungsrecht besteht, hat der Gewinnungsberechtigte zunächst den anderen Berechtigten über die behördliche Entscheidung, dass eine gemeinschaftliche Gewinnung erforderlich ist, unverzüglich in Kenntnis zu setzen (Absatz 1 Satz 2). Mitgewonnene Bodenschätze hat der Gewinnungsberechtigte dem anderen Berechtigten gegen Kostenerstattung (Rn. 17) anzubieten und auf Verlangen herauszugeben (Absatz 2 Satz 1). Der andere Berechtigte kann die Herausgabe nur innerhalb von zwei Monaten nach Zugang der Mitteilung über die behördliche Entscheidung verlangen (Absatz 2 Satz 2). Da die behördliche Entscheidung über das Erfordernis gemeinschaftlicher Gewinnung und die Entscheidung des anderen Berechtigten, ob er Herausgabe verlangt, durch die Auferlegung einer besonderen Mitteilungspflicht formell verknüpft werden, wird der Lauf der Zwei-Monats-Frist erst durch die Mitteilung nach Absatz 1 Satz 2, nicht durch eine frühere tatsächliche Kenntnis des anderen Berechtigten von der behördlichen Entscheidung in Gang gesetzt. Der Zeitpunkt der Mitteilung ist für die Entscheidung über das Herausgabeverlangen unabhängig davon maßgeblich, ob innerhalb der Zwei-Monats-Frist tatsächlich Bodenschätze mitgewonnen und dem anderen Berechtigten zur Übernahme gegen Kostenerstattung angeboten werden. Zwar wird die Beurteilung, ob ein Herausgabeverlangen für den anderen Berechtigten vorteilhaft ist, ohne Kenntnis der Angebotsbedingungen in der Regel kaum möglich sein.46 Der andere Berechtigte wird jedoch für den Fall, dass sich eine Übernahme der mitgewonnenen Bodenschätze später als unzumutbar herausstellt, dadurch geschützt, dass er nach Absatz 3 statt der Herausgabe einen finanziellen Ausgleich verlangen kann.

42 Brassert/Gottschalk ABG, § 55 Rn. 14, § 56 Rn. 2a; Isay ABG, Band 1, § 56 Rn. 5; Klostermann/Thielmann ABG, § 55 Anm. 4, § 56 Anm. 3.

43 In diesem Sinn wird der Entscheidungsvorbehalt zugunsten der Behörde wohl auch vom BGH 12.10.2000, III ZR 242/98, BGHZ 145, 316, 328 = ZfB 2001, 81, 87, verstanden. 44 BVerwG 24.6.2010, 7 C 16/09 = ZfB 2010, 136 Rn. 13. 45 Entsprechend zum früheren Recht Bähr ZfB 1962, 457, 458 ff.; Brassert/Gottschalk ABG, § 56 Rn. 7; Ebel/Weller ABG, § 54 Anm. 2 B 1; Isay ABG, Band 1, § 56 Rn. 3. 46 Daher wird empfohlen, dass der Gewinnungsberechtigte die Mitteilung nach Absatz 1 Satz 2 mit einer Erklärung verbindet, in welchem Umfang und unter welchen Bedingungen er zur Herausgabe mitgewonnener Bodenschätze bereit ist (Boldt/Weller Vorauflage, § 42 Rn. 12). Zwingend ist dies nicht, so dass die Zwei-Monats-Frist ablaufen kann, ohne dass der andere Berechtigte zu einer verlässlichen Beurteilung in der Lage ist, ob die wirtschaftlichen Vor- oder Nachteile eines Herausgabeverlangens überwiegen. Franke/Karrenstein

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Erstes Kapitel – Allgemeine Vorschriften über die Aufsuchung und Gewinnung

§ 42

Der andere Berechtigte hat einen schuldrechtlichen Anspruch auf Herausgabe und Über- 15 eignung der mitgewonnenen Bodenschätze.47 Stehen herauszugebende Bodenschätze mehreren Berechtigten zu und ist eine getrennte Herausgabe nicht möglich oder nicht zumutbar,48 so hat der Gewinnungsberechtigte jedem der Berechtigten einen seiner Berechtigung entsprechenden Anteil herauszugeben (Absatz 2 Satz 5). Kriterien dafür können der gebietsmäßige Anteil der anderen Gewinnungsrechte oder das Gewichts-, Volumen- oder Wertverhältnis der Anteile der einzelnen Bodenschätze an allen mitgewonnenen, nicht getrennt herauszugebenden Bodenschätzen sein.49 Werden fremde Bodenschätze mitgewonnen, ohne dass die Mitgewinnungsvoraussetzun- 16 gen vorliegen, besteht kein Aneignungsrecht. Der Inhaber des Gewinnungsrechts an den mitgewonnenen Bodenschätzen kann in diesem Fall unabhängig von den Voraussetzungen und Einschränkungen nach § 42 Abs. 2 Herausgabe nach § 985 BGB verlangen. Der Gewinnungsberechtigte hat die Herausgabe der mitgewonnenen Bodenschätze gegen 17 Erstattung der für die Gewinnung und eine erforderliche Aufbereitung gemachten Aufwendungen und einer für die Gewinnung zu zahlenden Förderabgabe anzubieten. Da der Kostenerstattungsanspruch ganz überwiegend auf Informationen beruht, über die nur der Gewinnungsberechtigte verfügt, ist der andere Berechtigte auf eine Substantiierung des Kostenerstattungsanspruchs angewiesen.50 Das gilt insbesondere für die Grundsätze, nach denen die auf die mitgewonnenen Bodenschätze entfallenden Kosten geschlüsselt worden sind. Da der Kostenerstattungsanspruch des Gewinnungsberechtigten und der Herausgabeanspruch des anderen Berechtigten sich aus demselben rechtlichen Verhältnis ergeben, kann sich der Gewinnungsberechtigte bei Fälligkeit des Kostenerstattungsanspruchs auf ein Zurückbehaltungsrecht (§ 273 BGB) berufen.

b) Ausnahmen (Absatz 2 Satz 3 und 4, Absatz 4). Der andere Berechtigte kann die Herausga- 18 be mitgewonnener Bodenschätze nur mit Einschränkungen verlangen. Keine Herausgabepflicht besteht zunächst hinsichtlich der Bodenschätze, die bis zu dem Zeitpunkt des Verlangens mitgewonnen werden (Absatz 2 Satz 3). Die Einschränkung der Herausgabepflicht wird dadurch gerechtfertigt, dass der Gewinnungsberechtigte trotz der Ungewissheit, ob die Herausgabe verlangt wird, mit erheblichem Aufwand, insbesondere durch getrennte Lagerung der mitgewonnenen Bodenschätze, Vorsorge für eine mögliche spätere Herausgabe treffen müsste.51 Andererseits kann der andere Berechtigte auf den Zeitraum, in dem Bodenschätze ohne Verpflichtung zur Herausgabe mitgewonnen werden, dadurch Einfluss nehmen, dass er die Zwei-Monats-Frist für das Herausgabeverlangen nicht ausschöpft. Keine Herausgabepflicht besteht ferner, wenn die Trennung der mitgewonnenen Boden- 19 schätze von den übrigen Bodenschätzen nicht möglich oder wegen der damit verbundenen Aufwendungen nicht zumutbar ist (Absatz 2 Satz 4 Nr. 1). Ob eine Trennung nicht möglich oder nicht zumutbar ist, wird nach Absatz 4 auf Antrag von der Behörde entschieden. Die Regelung, die auch für den Fall des Absatz 2 Satz 5 gilt (Rn. 15), ist der behördlichen Entscheidung über das Erfordernis gemeinschaftlicher Gewinnung (Absatz 1 Satz 1 [Rn. 9 ff.]) nachgebildet. Wie diese hat auch die behördliche Entscheidung nach Absatz 4 den Zweck, das Vorliegen einer der Voraussetzungen, unter denen der privatrechtliche Anspruch auf Herausgabe ausgeschlossen ist, durch eine sachkundige Stelle mit Bindungswirkung für andere behördliche Verfahren und im Zivilprozess zu bestätigen.

47 48 49 50

Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 42 Rn. 7. Die Entscheidung dieser Frage weist Absatz 4 der Behörde zu (Rn. 19). BT-Drs. 8/1315, S. 102. Dementsprechend war bereits im früheren Recht ein Anspruch auf Rechnungslegung anerkannt (Brassert/Gottschalk ABG, § 56 Rn. 6; Isay ABG, Band 1, § 56 Rn. 4). 51 BT-Drs. 8/1315, S. 101. 293

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§ 42

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Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

Ausgeschlossen ist der Herausgabeanspruch des anderen Berechtigten auch, wenn die mitgewonnenen Bodenschätze zur Sicherung des eigenen Betriebes des Gewinnungsberechtigten oder in diesem Betrieb zur Sicherung der Oberfläche verwendet werden (Absatz 2 Satz 4 Nr. 2). Ein Eigenverwendungsrecht ohne Entschädigungspflicht war auch im früheren Recht bei der Mitgewinnung von Bodenschätzen, die dem Verfügungsrecht des Grundeigentümers unterlagen, vorgesehen; danach war die Eigenverwendung für alle Zwecke des Betriebs des Gewinnungsberechtigten zulässig (§ 57 Abs. 1 ABG). Der Gesetzgeber will erklärtermaßen hieran anknüpfen.52 Daher kann die vom früheren Recht abweichende Formulierung, dass die Verwendung mitgewonnener Bodenschätze ausschließlich für Zwecke der Sicherung des eigenen Betriebs und der Oberfläche begünstigt wird, nur als bewusste Einschränkung des Eigenverwendungsrechts auf Maßnahmen zum Versatz53 und vergleichbare, im öffentlichen Interesse zu treffende Sicherungsmaßnahmen verstanden werden.54 Der Ausschluss sowohl eines Herausgabe- als auch eines Entschädigungsanspruchs des anderen Berechtigten bei Eigenverwendung im Betrieb des Gewinnungsberechtigten war schon unter der Geltung des § 57 ABG umstritten.55 Verfassungsrechtliche Fragen wirft hierbei – zumal nach der Einschränkung der Eigenverwendungszwecke auf Maßnahmen, die im öffentlichen Interesse geboten sind – weniger der Ausschluss des Herausgabeanspruchs auf; im Vordergrund steht die Frage, ob ein Entschädigungsanspruch des anderen Berechtigten entsprechend dem Ausgleichsanspruch nach Absatz 3 geboten ist (Rn. 22).

2. Ausgleichsanspruch (Absatz 3) 21 Absatz 3 regelt den Fall, dass der andere Berechtigte einen Anspruch auf Herausgabe mitgewonnener Bodenschätze, aber keine Möglichkeit zur wirtschaftlichen Verwendung hat. Nach früherem Recht kam in einer solchen Situation nur in Betracht, keine Herausgabe zu verlangen (§ 56 Abs. 2 ABG).56 Der Gesetzgeber hat dies dann als unbillig angesehen, wenn der Gewinnungsberechtigte die mitgewonnenen Bodenschätze wirtschaftlich verwenden kann.57 Der andere Berechtigte kann daher einen Ausgleich in Geld verlangen, wobei die Aufwendungen des Gewinnungsberechtigten, die auch beim Herausgabeverlangen zu erstatten wären, anzurechnen sind. Da die Unzumutbarkeit der Übernahme herauszugebender Bodenschätze in der Regel erst auf der Grundlage eines konkreten Angebots des Gewinnungsberechtigten beurteilt werden kann, muss der andere Berechtigte den Ausgleichsanspruch nicht anstelle des Herausgabeverlangens innerhalb der Zwei-Monats-Frist nach Absatz 2 Satz 2 geltend machen, sondern kann auch zu einem späteren Zeitpunkt Ausgleich verlangen. 22 Außer für den in Absatz 3 geregelten Fall sieht § 42 keinen Ausgleichsanspruch des anderen Berechtigten vor. Das ist dann verfassungsrechtlich zweifelhaft, wenn das Gewinnungsrecht des anderen Berechtigten entschädigungslos erheblich eingeschränkt wird. Hierbei kann die Einschränkung des Gewinnungsrechts wegen des Erfordernisses gemeinschaftlicher Gewinnung zwar erforderlich sein. Wenn der Gesetzgeber, wie bei den Mitgewinnungsregelungen, Inhalt und Schranken des Eigentums Privater gegeneinander abgrenzt (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG), ist die ausgleichspflichtige Inhalts- und Schrankenbestimmung aber gerade ein Instrument, um dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz auch bei erheblicher Einschränkung der Eigentumssphäre eines der Betei-

52 BT-Drs. 8/1315, S. 101. 53 Versatzmaßnahmen sind in der Gesetzesbegründung als hauptsächlicher Anwendungsfall des Eigenverwendungsrechts ausdrücklich angeführt (BT-Drs. 8/1315, S. 101).

54 So wohl auch Kühne ZfB 1985, 178, 184. 55 Kühne ZfB 1985, 178, 179 f.; Schulte Eigentum und öffentliches Interesse, S. 295 ff. 56 Hieran hätte sich auch nach dem Regierungsentwurf nichts geändert, der den jetzigen Absatz 3 noch nicht enthielt (BT-Drs. 8/1315, S. 101 f.). 57 BT-Drs. 8/3965, S. 136. Franke/Karrenstein

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Erstes Kapitel – Allgemeine Vorschriften über die Aufsuchung und Gewinnung

§ 43

ligten Rechnung zu tragen.58 Vor diesem Hintergrund erscheint vor allem das entschädigungslose Eigenverwendungsrecht (Absatz 2 Satz 4 Nr. 2) problematisch. Dass für Sicherungsmaßnahmen geeignetes Material, das durch die Mitgewinnung im Betriebsbereich verfügbar ist, von der Herausgabepflicht ausgenommen wird, wird zwar nicht durch das Erfordernis gemeinschaftlicher Gewinnung gedeckt, lässt sich aber dadurch rechtfertigen, dass die Erfüllung gemeinwohlbezogener Sicherungspflichten erleichtert wird.59 Eine Rechtfertigung für den Ausschluss des Entschädigungsanspruchs ist aber gerade mit Blick auf die dem Absatz 3 zugrunde liegende gesetzgeberische Bewertung nicht erkennbar. Die Interessenlage bei der Eigenverwendung mitgewonnener Bodenschätze ist insofern mit der in Absatz 3 geregelten Konstellation vergleichbar, als der Gewinnungsberechtigte mitgewonnene Bodenschätze wirtschaftlich verwertet, weil er sich die für Sicherungsmaßnahmen erforderlichen Materialien sonst am Markt beschaffen müsste. Die dem Absatz 3 zugrunde liegende Erwägung, dass in einer solchen Situation die Interessenkollision durch einen Ausgleichsanspruch des anderen Berechtigten aufgelöst werden kann, trifft auch auf die Eigenverwendung zu. Daher ist eine verfassungskonforme Auslegung geboten, nach der bei Eigenverwendung mitgewonnener Bodenschätze ein an der Regelung in Absatz 3 orientierter Ausgleichsanspruch des anderen Berechtigten besteht.60

IV. Rechtsschutz Bei Meinungsverschiedenheiten über die Mitgewinnung von Bodenschätzen zwischen den priva- 23 ten Beteiligten ist der Zivilrechtsweg eröffnet. Hierbei sind die Zivilgerichte an die bestandskräftigen behördlichen Entscheidungen über das Erfordernis gemeinschaftlicher Gewinnung (Absatz 1 Satz 1) sowie nach Absatz 4 gebunden (Rn. 15, 19). Für die behördlichen Entscheidungen ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet, wobei der Gewinnungsberechtigte Verpflichtungsklage auf eine von der Behörde abgelehnte Entscheidung erheben kann und nach hier vertretener Auffassung (Rn. 11) der andere Berechtigte eine gegenüber dem Gewinnungsberechigten ergangene Entscheidung als Dritter anfechten kann, soweit drittschützende Gesichtspunkte berührt sind.61

§ 43 Mitgewinnung von Bodenschätzen bei der Gewinnung grundeigener Bodenschätze Bei der Gewinnung grundeigener Bodenschätze gilt für die Mitgewinnung bergfreier Bodenschätze § 42 entsprechend. § 42, der unmittelbar die Gewinnung anderer Bodenschätze bei der Gewinnung bergfreier Boden- 1 schätze regelt, ist nach § 43 entsprechend anwendbar, wenn bei der Gewinnung von Bodenschätzen, die dem Verfügungsrecht des Grundeigentümers unterliegen, bergfreie Bodenschätze mitgewonnen werden. Nach dem Wortlaut der Vorschrift bezieht sich das nur auf die Gewinnung grundeigener Bodenschätze. § 43 ist jedoch entsprechend auch auf sonstige Bodenschätze anzuwenden, die dem Verfügungsrecht des Grundeigentümers unterliegen. Das entspricht dem 58 Von Mandoldt/Klein/Starck/Depenheuer GG, Art. 14 Rn. 236; Jarass/Pieroth GG, Art. 14 Rn. 47; Dreier/Wieland GG, Art. 14 Rn. 132 ff. 59 Im Ergebnis auch Kühne ZfB 1985, 178, 184; Schulte Eigentum und öffentliches Interesse, S. 296, geht für § 56 ABG von der Verfassungswidrigkeit des entschädigungslosen Eigenverwendungsrechts aus. 60 Kühne ZfB 1985, 178, 187; zum früheren Recht Bähr ZfB 1962, 457, 462, der zwischen Eigenverwendung für betriebliche und sonstige Zwecke unterscheidet; bei einer Verwendung nur zum wirtschaftlichen Vorteil des Gewinnungsberechtigten fehle es „an jeder inneren Berechtigung, ihm entschädigungslos die Befugnis zur Verwertung“ zu gewähren. 61 Frenz BBergG, § 42 Rn. 7. 295 https://doi.org/10.1515/9783110709285-057

Franke/Karrenstein

§ 44

Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

Zweck der Mitgewinnungsregelung, weil auch Grundeigentümermineralien zusammen mit bergfreien oder grundeigenen Bodenschätzen in einer Weise vorkommen können, dass eine getrennte Gewinnung ausgeschlossen ist.1 Hieraus ergibt sich die praktische Notwendigkeit, eine wechselseitige Mitgewinnungsmöglichkeit für alle Kategorien von Bodenschätzen zu eröffnen. Da eine ausdrückliche Regelung für die Mitgewinnung von Grundeigentümermineralien fehlt, besteht eine Regelungslücke. Gegen eine entsprechende Anwendung des § 43 auf Grundeigentümermineralien spricht auch nicht, dass das BBergG im Übrigen nur für bergfreie und grundeigene Bodenschätze gilt. Nachdem bei der Neuordnung des Bergrechts auf Bundesebene zunächst der gesamte Steineund Erdenbereich einbezogen werden sollte, ist der Geltungsbereich im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens auf bergfreie und grundeigene Bodenschätze aus Gründen eingeschränkt worden, die Fragen der Mitgewinnung nicht betreffen.2 Dass durch die Einschränkung des generellen Anwendungsbereichs eine entsprechende Anwendung des § 43 ausgeschlossen werden sollte, kann angesichts der Besonderheiten bei der Mitgewinnung nicht angenommen werden. §§ 42, 43 begründen damit ein wechselseitiges Mitgewinnungsrecht für alle Kategorien von Bodenschätzen: Das umfassende Mitgewinnungsrecht des Inhabers einer Gewinnungsberechtigung auf bergfreie Bodenschätze ergibt sich unmittelbar aus § 42. Das umgekehrte Mitgewinnungsrecht des Grundeigentümers an bergfreien Bodenschätzen ergibt sich aus § 43. Mitgewinnungsrechte zwischen grundeigenen Bodenschätzen und Grundeigentümermineralien bedurften keiner Regelung, weil beide dem Verfügungsrecht des Grundeigentümers unterliegen. 2 § 42 ist auf die Mitgewinnung bergfreier Bodenschätze durch den Grundeigentümer insgesamt entsprechend anwendbar. Ob eine gemeinschaftliche Gewinnung erforderlich ist, entscheidet daher die zuständige Behörde (§ 42 Abs. 1 Satz 1); von dieser Entscheidung ist der andere Berechtigte unverzüglich in Kenntnis zu setzen (§ 42 Abs. 1 Satz 2). Entsprechend anzuwenden sind auch die Regelungen über den Herausgabeanspruch des anderen Berechtigten (§ 42 Abs. 2) und den Ausgleichsanspruch nach § 42 Abs. 3.

§ 44 Hilfsbaurecht 1 Der Gewinnungsberechtigte hat das Recht, außerhalb des Feldes seiner Gewinnungsberechtigung unterirdische Anlagen zu errichten, die der technischen oder wirtschaftlichen Verbesserung seines Gewinnungsbetriebes, insbesondere der Wasserlösung oder Wetterführung, zu dienen bestimmt sind (Hilfsbaue). 2Dies gilt nicht, wenn ein Hilfsbau im Feld einer anderen Gewinnungsberechtigung errichtet werden soll und dadurch die Gewinnung des anderen Gewinnungsberechtigten gefährdet oder wesentlich beeinträchtigt würde. (2) Der Hilfsbauberechtigte hat für den Schaden, der dem anderen Gewinnungsberechtigten durch den Hilfsbau entsteht, Ersatz in Geld zu leisten.

(1)

Schrifttum Kast Das Hilfsbaurecht im Grundeigentümerbergbau, ZfB 1962, 298; Kühne Bergrecht und Nachbarrecht, in: Joost/ Oetker/Paschke (Hrsg.) Festschrift für Franz Jürgen Säcker zum 70. Geburtstag (2011), S. 105, zitiert als Kühne FS Säcker (2011); Schulte, Eigentum und öffentliches Interesse (1970); Turner Das bergbauliche Berechtsamswesen (1966); Weller Kollision mehrerer Bergbauberechtigungen in einem Feld, ZfB 1990, 111; Willecke/Turner Grundriß des Bergrechts, 2. Aufl. (1970); Wörheide Die Bergbauberechtigungen nach dem Bundesberggesetz (2014).

1 BGH 12.10.2000, III ZR 242/98, BGHZ 145, 316, 325 f. = ZfB 2001, 81, 86; Frenz/Frenz BBergG § 43 Rn. 2; Kühne ZfB 1985, 178, 183 f.; Kühne ZfB 2001, 89, 89 f.; von Weschpfennig Strukturen des Bergrechts, S. 354. 2 Zu den Gründen für die Einschränkung des Geltungsbereichs des Bundesberggesetzes auf bergfreie und grundeigene Bodenschätze BT-Drs. 8/1315, S. 70 f.; BGH 12.10.2000, III ZR 242/98, BGHZ 145, 316, 326 = ZfB 2001, 81, 86. Franke/Karrenstein https://doi.org/10.1515/9783110709285-058

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Erstes Kapitel – Allgemeine Vorschriften über die Aufsuchung und Gewinnung

§ 44

Übersicht I.

Allgemeines

II. 1.

Recht zur Anlegung von Hilfsbauen Anwendungsbereich, allgemeine Voraussetzun3 gen 5 Hilfsbaue Ausschluss bei Gefährdung oder wesentlicher Beeinträchtigung einer anderen Gewinnung (Ab8 satz 1 Satz 2)

2. 3.

1

10

III.

Schadenersatz

IV.

Dauer des Hilfsbaurechts

V.

Rechtsschutz

11

12

I. Allgemeines Das Recht zur Anlegung von Hilfsbauen außerhalb der eigenen Gewinnungsberechtigung war 1 bereits im früheren Recht vorgesehen, stand aber nur dem Bergwerkseigentümer zu; dieser konnte im freien Feld ohne Einschränkungen, im Feld anderer Bergwerkseigentümer unter Voraussetzungen, die im Wesentlichen den in Absatz 1 vorgesehenen entsprachen, Hilfsbaue anlegen (§ 60 ABG). Das Bundesberggesetz hat das Hilfsbaurecht auf alle Gewinnungsberechtigungen (§ 4 Abs. 6) ausgedehnt und die Unterscheidung zwischen Hilfsbauen im freien Feld und im Feld fremder Gewinnungsberechtigungen aufgegeben; Hilfsbaue dürfen danach grundsätzlich nur angelegt werden, wenn sie der technischen oder wirtschaftlichen Verbesserung des Gewinnungsbetriebs dienen (Absatz 1 Satz 1). Die zusätzliche Voraussetzung, dass die Gewinnung im Nachbarfeld durch die Errichtung des Hilfsbaus nicht gefährdet oder wesentlich beeinträchtigt werden darf (Absatz 1 Satz 2), ist inhaltlich gleichfalls aus dem früheren Recht übernommen, setzt aber voraus, dass im Nachbarfeld ein Gewinnungsbetrieb besteht oder konkret geplant ist (Rn. 8). Mit dem Hilfsbaurecht wird, ebenso wie mit den Mitgewinnungsregelungen (§§ 42, 43) und 2 dem Recht zur Benutzung fremder Grubenbaue (§ 47), die Gewinnungsberechtigung unter bestimmten Voraussetzungen erweitert, soweit dies erforderlich ist, um eine sinnvolle Ausübung der Gewinnungsberechtigung zu ermöglichen (vgl. 8 Rn. 10 ff.; § 42 Rn. 4).1 Der Gesetzgeber bedient sich hierbei privatrechtlicher Gestaltungsformen, indem er einem Gewinnungsberechtigten das Recht zur Vornahme feldesexterner Betriebshandlungen einräumt und den anderen Gewinnungsberechtigten zur Duldung verpflichtet.2 Er bestimmt damit Inhalt und Schranken des Eigentums der Inhaber der betroffenen Gewinnungsberechtigungen (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG), wobei die durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gebotene Ausgewogenheit der Abgrenzung (vgl. § 42 Rn. 4) vor allem dadurch erreicht wird, dass das Gewinnungsrecht unter den gesetzlichen Voraussetzungen jeweils wechselseitig erweitert wird und dem Inhaber der betroffenen Gewinnungsberechtigung Herausgabe- und Schadensersatzansprüche zustehen.

II. Recht zur Anlegung von Hilfsbauen 1. Anwendungsbereich, allgemeine Voraussetzungen Zur Anlegung von Hilfsbauen berechtigt sind unter den Voraussetzungen des § 44 alle Inhaber 3 einer Berechtigung zur Gewinnung bergfreier oder grundeigener Bodenschätze (§ 4 Abs. 6). Berechtigungen zur Gewinnung bergfreier Bodenschätze sind Bewilligung (§ 8) und 1 Schulte Eigentum und öffentliches Interesse, S. 294 ff.; Weller ZfB 1990, 111, 113 f. 2 Kühne FS Säcker (2011), S. 105, 107 f.; von Weschpfennig Strukturen des Bergrechts, S. 354. 297

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§ 44

Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

Bergwerkseigentum (§ 9), aufrechterhaltenes altes Bergwerkseigentum (§ 151 Abs. 1 Nr. 2) sowie sonstige aufrechterhaltene Gewinnungsberechtigungen, die als Bewilligung (§ 153 Satz 1) oder als Bergwerkseigentum (§ 154 Abs. 1) fortgelten. Die Befugnis des Grundeigentümers, als Verfügungsberechtigter über grundeigene Bodenschätze Hilfsbaue anzulegen, wird in § 34 ausdrücklich klargestellt. Anknüpfungspunkt des Hilfsbaurechts sind die gesetzlich geregelten Gewinnungsberechtigungen, deren Umfang im Einzelfall erweitert wird, um von der Berechtigung sinnvoll Gebrauch machen zu können. Inhaber von Gewinnungsrechten, die von den gesetzlich geregelten Gewinnungsberechtigungen durch Pacht oder sonstige Vereinbarung lediglich abgeleitet sind, können das Hilfsbaurecht nicht im eigenen Namen geltend machen.3 Das Recht zur Anlegung von Hilfsbauen kann sich, ohne dass die Voraussetzungen des § 44 vorliegen müssen, auch aus einer Vereinbarung mit dem Inhaber der benachbarten Gewinnungsberechtigung ergeben,4 wobei auch ein – beim gesetzlichen Hilfsbaurecht nicht vorgesehenes (Rn. 10) – Entgelt vereinbart werden kann.5 Soll der Hilfsbau in einem Feld angelegt werden, für das Bergwerkseigentum verliehen ist, oder im Verhältnis zum Grundeigentümer kann das vertragliche Hilfsbaurecht durch Grunddienstbarkeit dinglich gesichert werden.6 § 44 begründet die Befugnis zur Anlegung von Hilfsbauen sowie zur Benutzung und Unter4 haltung rechtmäßig angelegter Hilfsbaue. Die Anlegung von Hilfsbauen setzt Betriebshandlungen zur Herstellung unterirdischer Anlagen durch den Hilfsbauberechtigten oder einen von ihm Beauftragten voraus; hieran fehlt es beim Stehenlassen eines Sicherheitspfeilers.7 Mit der Anlegung des Hilfsbaus kann auch der Hilfsbauverpflichtete beauftragt werden. Grubenbaue, die dieser ohne ein solches Auftragsverhältnis in seinem Feld anlegt, sind hingegen auch dann, wenn sie objektiv im Interesse des Nachbarbergwerks errichtet werden, keine Hilfsbaue;8 damit besteht insbesondere kein Schadensersatzanspruch nach Absatz 2.9 Kein Gegenstand des Hilfsbaurechts, sondern des Benutzungsrechts nach § 47 ist die Benutzung bereits vorhandener fremder Grubenbaue. Keine Grundlage bietet das Hilfsbaurecht auch für eine zur Anlegung des Hilfsbaus erforderliche Benutzung der Oberfläche. In diesem Fall kann ein Grundabtretungsverfahren (§§ 77 ff.) erforderlich werden,10 wobei die Anlegung des Hilfsbaus zum Gewinnungsbetrieb gehört, für dessen Errichtung oder Führung eine Grundabtretung notwendig sein kann.11

2. Hilfsbaue 5 Gegenstand des Hilfsbaurechts können nur unter Tage angelegte Baue sein. Als Hilfsbaue kommen danach insbesondere Stollen, Förder- und Wetterschächte, Strecken und vergleichbare Anlagen wie ein das Nachbarfeld zur Erreichung eines Gleisanschlusses untertägig durchquerender Eisenbahntunnel in Betracht.12 Das Hilfsbaurecht besteht unabhängig davon, ob der Gewinnungs-

3 Isay ABG, Band 1, § 60 Rn. 7; Kast ZfB 1962, 298, 304 f.; Klostermann/Thielmann ABG, § 60 Anm. 2; Willecke/Turner Grundriß des Bergrechts, S. 98. Isay ABG, Band 1, § 60 Rn. 6. Isay ABG, Band 1, § 60 Rn. 6. Isay ABG, Band 1, § 60 Rn. 1. Brassert/Gottschalk ABG, § 60 Rn. 1; Klostermann/Thielmann ABG, § 60 Anm. 3; Müller-Erzbach Das Bergrecht Preußens und des weiteren Deutschlands, S. 214. 8 Isay ABG, Band 1, § 60 Rn. 2. 9 Isay ABG, Band 1, § 60 Rn. 2. 10 Isay ABG, Band 1, § 60 Rn. 2; Turner Das bergbauliche Berechtsamswesen, S. 176. 11 VGH Kassel 21.5.1957, OS IV 42/56 = ZfB 1957, 453, 458. 12 Brassert/Gottschalk ABG, § 60 Rn. 1; Ebel/Weller ABG, § 60 Anm. 2; Isay ABG, Band 1, § 60 Rn. 2; Klostermann/Thielmann ABG, § 60 Anm. 3; Müller-Erzbach Das Bergrecht Preußens und des weiteren Deutschlands, S. 214; Willecke/ Turner Grundriß des Bergrechts, S. 97.

4 5 6 7

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Erstes Kapitel – Allgemeine Vorschriften über die Aufsuchung und Gewinnung

§ 44

betrieb untertägig oder im Tagebau erfolgt. Entscheidend ist, dass der Hilfsbau selbst unterirdisch angelegt wird. Keine Hilfsbaue sind daher Tagebauböschungen.13 Hilfsbaue sind nur außerhalb des Feldes der Gewinnungsberechtigung angelegte Baue. 6 Der Inhalt der Gewinnungsberechtigung wird damit erweitert, um dem Hilfsbauberechtigten eine technische oder wirtschaftliche Verbesserung des Gewinnungsbetriebes14 zu ermöglichen. Aufgrund des Hilfsbaurechts können daher nur Anlagen errichtet werden, die den Gewinnungsbetrieb im Feld des Hilfsbauberechtigten unterstützen.15 Keine Grundlage bietet das Hilfsbaurecht für Anlagen, die eine Gewinnung im Nachbarfeld bezwecken;16 der Hilfsbauberechtigte darf dort Bodenschätze nur mitgewinnen, soweit diese bei ordnungsgemäßer Anlegung eines Hilfsbaus gelöst werden müssen (vgl. § 45 Rn. 1). Hilfsbaue müssen der technischen oder wirtschaftlichen Verbesserung des Gewinnungs- 7 betriebes des Hilfsbauberechtigten, insbesondere der Wasserlösung oder Wetterführung, dienen. Diese Voraussetzungen gelten entgegen dem früheren Recht (§ 60 Abs. 2 ABG) unabhängig davon, ob der Hilfsbau im Feld einer einem anderen verliehenen Gewinnungsberechtigung angelegt werden soll oder lediglich das Grundeigentum betroffen ist.17 Verbessert wird der Gewinnungsbetrieb durch Maßnahmen, die in technischer oder wirtschaftlicher Hinsicht vorteilhaft sind. Notwendig für den Gewinnungsbetrieb muss der Hilfsbau nicht sein;18 es reicht aus, wenn die Anlegung eines Hilfsbaus im Vergleich mit betrieblichen Maßnahmen innerhalb der eigenen Gewinnungsberechtigung technisch oder wirtschaftlich vorteilhafter ist.19 Der Verzicht auf höhere Anforderungen an die Erforderlichkeit des Hilfsbaus wird dadurch gerechtfertigt, dass allein die Verbesserung des Gewinnungsbetriebs das Hilfsbaurecht nur dann begründet, wenn in dem betroffenen Feld Bodenschätze nicht gewonnen werden, so dass konkrete Gewinnungsinteressen nicht betroffen sind. Besteht im Nachbarfeld bereits ein Gewinnungsbetrieb oder ist die Aufnahme der Gewinnung konkret beabsichtigt (Rn. 8), wird den Interessen des anderen Berechtigten dadurch Rechnung getragen, dass das Hilfsbaurecht bei Gefährdung oder wesentlicher Beeinträchtigung ausgeschlossen ist (Rn. 9) und der andere Berechtigte bei hinzunehmenden Beeinträchtigungen Schadensersatz verlangen kann (Rn. 10).20

3. Ausschluss bei Gefährdung oder wesentlicher Beeinträchtigung einer anderen Gewinnung (Absatz 1 Satz 2) Das Hilfsbaurecht besteht nach Absatz 1 Satz 2 nicht, wenn die Gewinnung des anderen Gewin- 8 nungsberechtigten durch die Anlegung des Hilfsbaus gefährdet oder wesentlich beeinträchtigt würde. Hieraus ergeben sich zusätzliche Voraussetzungen des Hilfsbaurechts bei betriebener oder konkret geplanter Gewinnung im Nachbarfeld;21 die Darlegungs- und Beweislast liegt insoweit aber in der Regel nicht beim Gewinnungsberechtigten, sondern beim Inhaber der Gewinnungsberechtigung für das Feld, in dem der Hilfsbau angelegt werden soll (Rn. 12). Geschützt wird die Gewinnung im Feld der anderen Gewinnungsberechtigung nur, wenn bereits ein Gewinnungsbetrieb besteht oder die Planung zur Aufnahme der Gewinnung so konkretisiert ist,

13 Willecke/Turner Grundriß des Bergrechts, S. 97; Frenz BBergG, § 44 Rn. 1. 14 Das Gewinnungsrecht schließt das Recht zur Aufsuchung ein (§ 8 Abs. 1 Nr. 1); Hilfsbaue können daher auch der Aufsuchung im Feld der Gewinnungsberechtigung des Hilfsbauberechtigten dienen. 15 Isay ABG, Band 1, § 60 Rn. 2, 5; Klostermann/Thielmann ABG, § 60 Anm. 3; Frenz BBergG, § 44 Rn. 2. 16 Klostermann/Thielmann ABG, § 60 Anm. 3. 17 BT-Drs. 8/1315, S. 102. 18 Brassert/Gottschalk ABG, § 60 Rn. 3; Klostermann/Thielmann ABG, § 60 Anm. 5; Müller-Erzbach Das Bergrecht Preußens und des weiteren Deutschlands, S. 215. 19 Isay ABG, Band 1, § 60 Rn. 5. 20 BT-Drs. 8/1315, S. 102 (Begr. zu § 43 Abs. 1 RegE BBergG). 21 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 44 Rn. 3 f. 299

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§ 44

Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

dass sie eine Beurteilung nachteiliger Auswirkungen des Hilfsbaus ermöglicht;22 hierbei ist auch die absehbare betriebliche Entwicklung zu berücksichtigen.23 9 Die Errichtung des Hilfsbaus gefährdet die Gewinnung, wenn damit zu rechnen ist, dass der andere Gewinnungsberechtigte seinen Gewinnungsbetrieb aus sicherheitlichen Gründen ganz oder teilweise einstellen müsste oder nicht aufnehmen könnte. Das ist etwa der Fall, wenn zur Anlegung des Hilfsbaus der Sicherheitspfeiler durchörtert werden müsste.24 Wesentlich beeinträchtigt wird die Gewinnung im Feld der anderen Gewinnungsberechtigung, wenn zwar eine Weiterführung der Gewinnung möglich ist, der Betrieb aber erheblich eingeschränkt oder auf sonstige Weise erschwert wird.25 Nicht wesentliche Beeinträchtigungen sind hinzunehmen, können aber zu einem Schadensersatzanspruch nach Absatz 2 führen (Rn. 10).26

III. Schadenersatz 10 Der Hilfsbauverpflichtete kann für die Duldung des Hilfsbaus in seiner Gewinnungsberechtigung kein Entgelt verlangen.27 Abweichend von § 114 Abs. 2 Nr. 2, wonach bei Schäden an einem anderen Bergbaubetrieb kein Bergschadensersatz zu leisten ist,28 steht dem Hilfsbauverpflichteten aber nach Absatz 2 für den Schaden, der ihm durch den Hilfsbau entsteht, ein Anspruch auf Ersatz in Geld zu.29 Ersatz ist insbesondere zu leisten für Beschädigungen vorhandener Grubenbaue, den durch die Einschränkung der Gewinnungsmöglichkeiten eintretenden Wertverlust sowie die durch erschwerten Abbau verursachten Mehrkosten.30 Für Schäden, die Dritten durch den Hilfsbau entstehen, hat der Hilfsbauberechtigte nach §§ 114 ff. Ersatz zu leisten.31

22 Dass auch konkretisierte betriebliche Planungen geschützt werden sollten, war unter der Geltung des § 60 Abs. 2 ABG anerkannt. Nach der Gesetzesbegründung zu § 44 Abs. 1 Satz 2 soll der Schutzanspruch zwar davon abhängen, dass im Feld der anderen Gewinnungsberechtigung Bodenschätze gewonnen werden (BT-Drs. 8/1315, S. 102). Wäre damit eine Beschränkung des Schutzanspruchs auf bestehende Gewinnungsbetriebe beabsichtigt gewesen, hätte dies jedoch in der Gesetzesbegründung Niederschlag finden müssen, da sich § 44 eng an § 60 Abs. 2 ABG anlehnt und die sonstigen Änderungen gegenüber § 60 Abs. 2 ABG ausdrücklich angesprochen sind. 23 Brassert/Gottschalk ABG, § 60 Rn. 3; Isay ABG, Band 1, § 60 Rn. 5; Klostermann/Thielmann ABG, § 60 Anm. 5. 24 Brassert/Gottschalk ABG, § 60 Rn. 3; Isay ABG, Band 1, § 60 Rn. 5. 25 Brassert/Gottschalk ABG, § 60 Rn. 3, 5; Ebel/Weller ABG, § 60 Anm. 5; Isay ABG, Band 1, § 60 Rn. 5; Klostermann/ Thielmann ABG, § 60 Anm. 6. 26 BT-Drs. 8/1315, S. 102. Fraglich erscheint, ob es bei dieser Abgrenzung nur auf Beeinträchtigungen ankommen kann, die unmittelbar durch die Errichtung des Hilfsbaus verursacht werden. Nach früherem Recht wurde dies insbesondere für den Fall bejaht, dass zum Schutz des Hilfsbaus ein Sicherheitspfeiler – der selbst kein Hilfsbau ist (Rn. 4) – stehengelassen werden musste (Brassert/Gottschalk ABG, § 60 Rn. 5; Isay ABG, Band 1, § 60 Rn. 5; Klostermann/Thielmann ABG, § 60 Anm. 6). Damit kam auch bei erheblichen Beeinträchtigungen, wenn sie lediglich mittelbar durch die Anlegung des Hilfsbaus verursacht wurden, nur ein Schadensersatzanspruch in Betracht. Mit der § 44 zugrunde liegenden gesetzgeberischen Bewertung der Interessenlage der Beteiligten, die ausdrücklich nach der Erheblichkeit der Beeinträchtigungen differenziert, dürfte dieses Ergebnis nicht zu vereinbaren sein. 27 Brassert/Gottschalk ABG, § 62 Rn. 1; Klostermann/Thielmann ABG, § 62 Anm. 1; Müller-Erzbach Das Bergrecht Preußens und des weiteren Deutschlands, S. 215; Willecke/Turner Grundriß des Bergrechts, S. 98. 28 Weller ZfB 1990, 111, 123. 29 Weller ZfB 1990, 111, 123; zur rechtlichen Einordnung Schulte Eigentum und öffentliches Interesse, S. 294 f. 30 Klostermann/Thielmann ABG, § 62 Anm. 1; Müller-Erzbach Das Bergrecht Preußens und des weiteren Deutschlands, S. 215. Zu den Voraussetzungen eines Ersatzanspruchs wegen Stehenlassens eines Sicherheitspfeilers zum Schutz des Hilfsbaus Brassert/Gottschalk ABG, § 62 Rn. 2; Isay ABG, Band 1, § 62 Rn. 1; Müller-Erzbach, Das Bergrecht Preußens und des weiteren Deutschlands, S. 215 Fn. 5. 31 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 44 Rn. 5. Franke/Karrenstein

300

Erstes Kapitel – Allgemeine Vorschriften über die Aufsuchung und Gewinnung

§ 45

IV. Dauer des Hilfsbaurechts Das Hilfsbaurecht endet, wenn die Voraussetzungen für die Anlegung des Hilfsbaus entfallen 11 oder die Gewinnungsberechtigung, deren Ausübung der Hilfsbau dient, erlischt.32 Unberührt bleibt das Hilfsbaurecht durch das Erlöschen der anderen Gewinnungsberechtigung, da § 44, abgesehen von den besonderen Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 2, nicht mehr danach unterscheidet, ob der Hilfsbau im Feld einer anderen Gewinnungsberechtigung oder im freien Feld angelegt werden soll.33

V. Rechtsschutz Wie im früheren Recht (§ 61 ABG) war im Regierungsentwurf vorgesehen, dass bei Meinungsver- 12 schiedenheiten über das Vorliegen der Voraussetzungen des Hilfsbaurechts die Behörde entscheiden sollte; im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens ist hierauf verzichtet worden, weil eine behördliche Entscheidung entbehrlich sei.34 Bei Vorliegen der Voraussetzungen entsteht das Hilfsbaurecht als Nebenrecht aus der Gewinnungsberechtigung (vgl. § 8 Rn. 10) kraft Gesetzes.35 Im Streitfall ist dementsprechend über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 44 im Zivilprozess zu entscheiden. Der andere Gewinnungsberechtigte kann sich hierbei in der Regel auf den Eigentumsabwehranspruch nach § 1004 BGB berufen, wobei nach allgemeinen Grundsätzen der Gewinnungsberechtigte mit dem Nachweis der Voraussetzungen des Absatz 1 Satz 1 belastet ist, während der andere Gewinnungsberechtigte die Beweislast für das Vorliegen der zusätzlichen Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 2 trägt.

§ 45 Mitgewinnung von Bodenschätzen bei Anlegung von Hilfsbauen (1)

1

Der Hilfsbauberechtigte hat das Recht, alle Bodenschätze mitzugewinnen, die nach der Entscheidung der zuständigen Behörde bei ordnungsgemäßer Anlegung eines Hilfsbaues gelöst werden müssen. 2Andere an diesen Bodenschätzen Berechtigte hat er von der Entscheidung nach Satz 1 unverzüglich in Kenntnis zu setzen. (2) 1Bergfreie Bodenschätze, für die Aneignungsrechte Dritter bestehen, und fremde nicht bergfreie Bodenschätze hat der Hilfsbauberechtigte den anderen Berechtigten unentgeltlich herauszugeben, wenn diese es innerhalb eines Monats nach Kenntnisnahme nach Absatz 1 Satz 2 verlangen. 2§ 42 Abs. 2 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 gilt entsprechend. Bei der Anlegung von Hilfsbauen ist die Gewinnung von Bodenschätzen vielfach notwendig.1 Die 1 grundsätzliche Befugnis, in dem für die ordnungsgemäße Anlegung des Hilfsbaus erforderlichen Umfang außerhalb des eigenen Feldes Bodenschätze zu gewinnen, gehört daher zum Inhalt der Gewinnungsberechtigung (§ 8 Abs. 1 Nr. 2, § 9 Abs. 1, § 34, § 151 Abs. 1 Nr. 3 [vgl. § 8 Rn. 10]). § 45 konkretisiert diese Befugnis entsprechend den für die Mitgewinnung von Bodenschätzen (§ 42) geltenden Grundsätzen. Der Regelungszweck beider Vorschriften stimmt insofern überein, als der Umfang des Gewinnungsrechts räumlich oder sachlich über das Feld der eigenen Berechtigung erweitert wird; diese Erweiterung wird aber dadurch begrenzt, dass sie für 32 Isay ABG, Band 1, § 60 Rn. 9. 33 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 44 Rn. 2. 34 BT-Drs. 8/1315, S. 102, 136. Erforderlich bleibt die dem § 42 nachgebildete Entscheidung der Behörde über das Mitgewinnungsrecht des Hilfsbauberechtigten (§ 45 Abs. 1). 35 Wörheide Die Bergbauberechtigungen nach dem Bundesberggesetz, S. 416 f. 1 BT-Drs. 8/1315, S. 102. 301 https://doi.org/10.1515/9783110709285-059

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§ 46

2

3

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Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

eine sinnvolle Ausübung der eigenen Berechtigung notwendig sein muss. So wie die Mitgewinnung nicht auf die planmäßige Gewinnung des anderen Bodenschatzes gerichtet sein darf (vgl. § 42 Rn. 8), bieten §§ 44, 45 keine Grundlage für Planungen, mit denen nicht die Gewinnung im eigenen Feld unterstützt, sondern eine Gewinnung im Nachbarfeld bezweckt wird (vgl. § 44 Rn. 6). Das Recht zur Mitgewinnung steht dem Hilfsbauberechtigten insoweit zu, als Bodenschätze bei ordnungsgemäßer Anlegung eines Hilfsbaus gelöst werden müssen (Absatz 1 Satz 1). Danach muss einerseits die Mitgewinnung unumgänglich sein, um den Hilfsbau anlegen zu können. Andererseits reicht es aus, dass der Hilfsbau ordnungsgemäß angelegt wird, also nach einer betrieblichen Planung, die dem Stand der Technik oder sonstigen anerkannten Abbaumethoden entspricht, notwendig ist (vgl. § 42 Rn. 7).2 Ob die Mitgewinnung zur Anlegung des Hilfsbaus erforderlich ist, entscheidet die Behörde (vgl. § 42 Rn. 9 ff.). Sind die mitzugewinnenden Bodenschätze Gegenstand fremder Gewinnungsberechtigungen, hat der Hilfsbauberechtigte die anderen Berechtigten von der behördlichen Entscheidung unverzüglich in Kenntnis zu setzen (Absatz 1 Satz 2). Diese können innerhalb eines Monats die unentgeltliche Herausgabe der mitgewonnenen Bodenschätze verlangen (Absatz 2 Satz 1). Werden nicht verliehene bergfreie Bodenschätze mitgewonnen, kann der Hilfsbauberechtigten über diese verfügen. Der Herausgabeanspruch anderer Berechtigter wird nach Absatz 2 Satz 2 ausgeschlossen durch die entsprechend anwendbaren Regelungen in § 42 Abs. 2 Satz 3 bis 5. Keine Herausgabepflicht besteht zunächst hinsichtlich der Bodenschätze, die bis zu dem Zeitpunkt des Verlangens nach Absatz 2 Satz 1 mitgewonnen werden (vgl. § 42 Rn. 18). Keine Herausgabepflicht besteht ferner, wenn die Trennung der mitgewonnenen Bodenschätze von den übrigen Bodenschätzen nicht möglich oder wegen der damit verbundenen Aufwendungen nicht zumutbar ist (vgl. § 42 Rn. 19). Ob eine Trennung nicht möglich oder nicht zumutbar ist, wird nach § 42 Abs. 4, der gleichfalls entsprechend anwendbar ist, auf Antrag von der Behörde entschieden. Ausgeschlossen ist der Herausgabeanspruch auch, wenn die mitgewonnenen Bodenschätze zur Sicherung des eigenen Betriebes des Hilfsbauberechtigten oder in diesem Betrieb zur Sicherung der Oberfläche verwendet werden (vgl. § 42 Rn. 20). Stehen herauszugebende Bodenschätze mehreren Berechtigten zu und ist eine getrennte Herausgabe nicht möglich oder nicht zumutbar,3 so hat der Hilfsbauberechtigte jedem der Berechtigten einen seiner Berechtigung entsprechenden Anteil herauszugeben (Absatz 2 Satz 2 i.V.m. § 42 Abs. 2 Satz 5 [vgl. § 42 Rn. 15]).

§ 46 Hilfsbau bei Bergwerkseigentum 1

Ein Hilfsbau, der auf Grund von Bergwerkseigentum rechtmäßig angelegt worden ist, gilt als dessen wesentlicher Bestandteil. 2Eine Eintragung in das Grundbuch ist nicht erforderlich. 1 Das frühere Recht sah überwiegend vor, dass Hilfsbaue wesentliche Bestandteile des Bergwerkseigentums waren, auf dessen Grundlage sie angelegt worden waren, und dass sie einer Eintragung in das Grundbuch nicht bedurften (§ 60 Abs. 3 ABG).1 Das BBergG übernimmt diese Regelungen.2 Ein Hilfsbau gilt danach unabhängig davon, ob die Voraussetzungen der §§ 93, 94 BGB vorliegen, als wesentlicher Bestandteil des Bergwerkseigentums. Voraussetzung ist, dass der Hilfsbau auf Grund von Bergwerkseigentum angelegt worden ist und dass die Voraussetzungen für seine 2 3 1 2

Frenz BBergG, § 45 Rn. 3. Nach dem entsprechend anwendbaren § 42 Abs. 4 entscheidet über diese Frage die Behörde. Isay ABG, Band 1, § 60 Rn. 1, 9. BT-Drs. 8/1315, S. 103.

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Erstes Kapitel – Allgemeine Vorschriften über die Aufsuchung und Gewinnung

§ 47

Anlegung vorlagen. Dies gilt sowohl für Bergwerkseigentum, das aufgrund § 9 verliehen worden ist, als auch für aufrechterhaltenes Bergwerkseigentum (§ 151 Abs. 2).3 Das Hilfsbaurecht erlischt mit dem Bergwerkseigentum, auf dessen Grundlage der Hilfs- 2 bau angelegt worden ist. Die Bestandteilseigenschaft endet ferner, wenn die Voraussetzungen für die Anlegung des Hilfsbaus nachträglich entfallen.4

§ 47 Benutzung fremder Grubenbaue 1 Der Gewinnungsberechtigte hat das Recht, fremde unter Tage errichtete Baue (Grubenbaue) zu benutzen, wenn 1. die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 Satz 1 vorliegen und 2. er einen angemessenen Teil der Aufwendungen für die Errichtung und Unterhaltung der zu benutzenden Grubenbaue übernimmt. 2 Satz 1 gilt nicht für Grubenbaue, die für andere Zwecke als die Aufsuchung oder Gewinnung bergfreier oder grundeigener Bodenschätze benutzt werden. (2) 1Ist eine zweckmäßige Benutzung nach Absatz 1 Satz 1 nur bei entsprechender Veränderung der Grubenbaue möglich und wird dadurch die Gewinnung durch den anderen Berechtigten nicht gefährdet oder wesentlich beeinträchtigt, so ist dieser verpflichtet, die Veränderung nach eigener Wahl entweder selbst vorzunehmen oder zu dulden. 2Die Aufwendungen für die Veränderung trägt der Gewinnungsberechtigte. 3Die Übernahme von Aufwendungen nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 entfällt, wenn der Grubenbau vom anderen Berechtigten nicht mehr benutzt wird; in diesem Fall trägt der Gewinnungsberechtigte die Aufwendungen für die Unterhaltung allein. (3) Für den durch die Benutzung entstehenden Schaden hat der Gewinnungsberechtigte dem anderen Berechtigten Ersatz in Geld zu leisten. (4) In Streitfällen entscheidet auf Antrag die zuständige Behörde über das Recht zur Benutzung.

(1)

Übersicht I.

Allgemeines

1

II. 1. 2.

Anwendungsbereich Benutzung vorhandener Grubenbaue 5 Veränderung der Grubenbaue

III. 1.

Voraussetzungen Voraussetzungen des Hilfsbaurechts

8

2.

Kostenübernahme

IV.

Schadensersatz

V.

Behördliche Entscheidung

VI.

Rechtsschutz

10

3 11

12

7

I. Allgemeines Das im älteren Bergrecht vorgesehene Recht zum Mitgebrauch fremder Grubenbaue war in den 1 Berggesetzen der Länder zugunsten des Hilfsbaurechts aufgegeben worden, wobei vertragliche Vereinbarungen zur Benutzung fremder Grubenbaue möglich blieben.1 Das BBergG sieht sowohl 3 Frenz BBergG, § 46 Rn. 1; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 46 Rn. 1. 4 Ebel/Weller ABG, § 60 Anm. 7. 1 Isay ABG, Band 1, § 60 Rn. 1. 303 https://doi.org/10.1515/9783110709285-061

Franke/Karrenstein

§ 47

Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

das Hilfsbaurecht (§ 44) als auch einen gesetzlichen Anspruch auf Benutzung fremder Grubenbaue vor. Ausschlaggebend für diese Entscheidung war, dass die Anlegung eines Hilfsbaus und die Benutzung eines vorhandenen Grubenbaus gleichermaßen die sinnvolle Ausübung einer Gewinnungsberechtigung ermöglichen können, der Mitgebrauch vorhandener Grubenbaue aber mit geringeren Einschränkungen der betroffenen Gewinnungsberechtigung verbunden sein kann als die Anlegung eines Hilfsbaus.2 Daher sollen entsprechend den Umständen des Einzelfalls beide Möglichkeiten zur Vornahme von Betriebshandlungen außerhalb der eigenen Berechtigung zur Verfügung stehen.3 Die Regelungsstruktur des § 47 entspricht im Wesentlichen dem funktional vergleichbaren 2 Hilfsbaurecht (vgl. § 44 Rn. 2).4 Auch mit dem Recht zur Benutzung fremder Grubenbaue bestimmt der Gesetzgeber Inhalt und Schranken des Eigentums der Inhaber der betroffenen Gewinnungsberechtigungen (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG), wobei die durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gebotene Ausgewogenheit der Abgrenzung (vgl. § 42 Rn. 4) vor allem dadurch erreicht wird, dass das Gewinnungsrecht unter den gesetzlichen Voraussetzungen jeweils wechselseitig erweitert wird und dem Inhaber der durch das Benutzungsrecht betroffenen Gewinnungsberechtigung Ersatz für den durch die Benutzung entstehenden Schaden zu leisten ist.

II. Anwendungsbereich 1. Benutzung vorhandener Grubenbaue 3 Zur Benutzung fremder Grubenbaue sind, wie zur Anlegung von Hilfsbauen (vgl. § 44 Rn. 3), alle Inhaber einer Berechtigung zur Gewinnung bergfreier oder grundeigener Bodenschätze (§ 4 Abs. 6) berechtigt. Zur Duldung des Mitgebrauchs verpflichtet sind unter den Voraussetzungen des § 47 alle Inhaber von Gewinnungsberechtigungen, auf deren Grundlage Grubenbaue zur Aufsuchung oder Gewinnung angelegt worden sind. Durch schuldrechtliche Vereinbarung mit Dritten kann das gesetzliche Mitbenutzungsrecht nicht ausgeschlossen werden. Das Recht zur Mitbenutzung besteht auch bei fremden Grubenbauen im Feld der eigenen Berechtigung. Dem Zweck des Mitbenutzungsrechts, die Anlegung eines neuen Grubenbaus durch Benutzung eines bereits vorhandenen fremden Grubenbaus entbehrlich zu machen, entspricht der Mitgebrauch fremder Grubenbaue sowohl innerhalb als auch außerhalb des eigenen Feldes. Es bleibt auch bei einer mit dem funktional vergleichbaren Hilfsbaurecht übereinstimmenden Bewertung der Interessenlage der Beteiligten. Dass der Anspruch auf Anlegung von Hilfsbauen nur außerhalb des Feldes einer Gewinnungsberechtigung besteht, erklärt sich ohne weiteres daraus, dass der Hilfsbauberechtigte im eigenen Feld bereits aufgrund seiner Gewinnungsberechtigung zur Errichtung von Grubenbauen berechtigt ist. 4 Das Benutzungsrecht besteht auch bei Grubenbauen, die nicht mehr betrieblich genutzt werden.5 Der in diesem Fall bestehenden besonderen Interessenlage wird durch eine vom Grundsatz des Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 abweichende Verteilung der Aufwendungen für Errichtung und Unterhaltung Rechnung getragen. Einerseits wird dem Gewinnungsberechtigten, nachdem der Grubenbau endgültig abgeworfen ist, keine nachträgliche Beteiligung an den Errichtungsaufwendungen auferlegt (Absatz 2 Satz 3 Halbsatz 1); andererseits trägt der Gewinnungsberechtigte, da nur er noch ein wirtschaftliches Interesse am Erhalt der Benutzbarkeit des Grubenbaus hat, die Unterhaltungsauf2 BT-Drs. 8/1315, S. 103; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 47 Rn. 1 f. Bereits unter der Geltung des § 60 Abs. 2 ABG war für diesen Fall ein Anspruch auf Benutzung fremder Grubenbaue in Betracht gezogen worden (Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 47 Rn. 1; Willecke/Turner Grundriß des Bergrechts, S. 97). 3 BT-Drs. 8/1315, S. 103. 4 BT-Drs. 8/1315, S. 103; Frenz BBergG, § 47 Rn. 1; Wörheide Die Bergbauberechtigungen nach dem Bundesberggesetz, S. 418. 5 Frenz BBergG, § 47 Rn. 4. Franke/Karrenstein

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Erstes Kapitel – Allgemeine Vorschriften über die Aufsuchung und Gewinnung

§ 47

wendungen allein (Absatz 2 Satz 3 Halbsatz 2).6 Ausgeschlossen ist das Mitbenutzungsrecht bei Grubenbauen, die nicht mehr für die Aufsuchung oder Gewinnung, sondern für andere Zwecke benutzt werden (Absatz 1 Satz 2). In Betracht kommt insbesondere eine Nutzung als Untertagedeponie, zur Lagerung, Sicherstellung oder Endlagerung radioaktiver Stoffe (§ 126 Abs. 3) oder für Verteidigungszwecke.7 Eine Mitbenutzung zu Aufsuchungs- oder Gewinnungszwecken wird aufgrund der anderen Nutzung vielfach schon tatsächlich ausgeschlossen sein. Hinzu kommt, dass bei einer nicht bergbaulichen Nutzung des Grubenbaus kein wechselseitiger Mitbenutzungsanspruch gegenüber dem Gewinnungsberechtigten besteht. Das Mitbenutzungsinteresse des Gewinnungsberechtigten muss angesichts dieser Gründe zurücktreten, wenn der Grubenbau tatsächlich für andere als bergbauliche Zwecke genutzt wird. Eine Unterbrechung des Aufsuchungs- oder Gewinnungsbetriebes oder das bloße Interesse, sich andere Nutzungsmöglichkeiten offen zu halten, schließen hingegen den Anspruch auf Benutzung des fremden Grubenbaus nicht aus.8

2. Veränderung der Grubenbaue Das Benutzungsrecht umfasst unter den besonderen Voraussetzungen des Absatz 2 Satz 1 auch 5 einen Anspruch des Gewinnungsberechtigten auf eine zur zweckmäßigen Benutzung erforderliche Veränderung der Grubenbaue. Das gesetzgeberische Ziel, durch Mitgebrauch vorhandener Grubenbaue die Anlegung eines neuen Grubenbaus entbehrlich zu machen, wäre durch ein auf fremde Grubenbaue in ihrem bestehenden Zustand beschränktes Benutzungsrecht erheblich eingeschränkt worden. Der Gesetzgeber hat dies als nicht vertretbar angesehen.9 Allerdings können die Interessen des anderen Berechtigten durch einen Anspruch auf Veränderung der Grubenbaue nachhaltiger berührt werden als durch ein bloßes Benutzungsrecht. Absatz 2 Satz 1 trägt dem durch einen einzelfallbezogenen Interessenausgleich Rechnung, der sich an den Voraussetzungen für die Anlegung eines Hilfsbaus im Feld einer anderen Gewinnungsberechtigung (§ 44 Abs. 1 Satz 2) orientiert. Danach besteht ein Anspruch auf Veränderung nur, wenn die Gewinnung durch den anderen Berechtigten nicht gefährdet oder wesentlich beeinträchtigt wird (vgl. § 44 Rn. 8 f.). Grundsätzlich möglich sind danach Veränderungen, die der Herrichtung abgeworfener Grubenbaue dienen, weil eine Kollision mit Gewinnungsinteressen des anderen Berechtigten ausgeschlossen ist. Wenn der Grubenbau durch einen Gewinnungsbetrieb des anderen Berechtigten genutzt wird, sind die Auswirkungen einer Veränderung im Einzelfall zu prüfen. Bei Meinungsverschiedenheiten ist die Frage, ob die Veränderung zu einer Gefährdung oder wesentlichen Beeinträchtigung führt, Gegenstand der behördlichen Entscheidung. Da die Veränderung der Grubenbaue ausschließlich die zweckmäßige Benutzung durch 6 den Gewinnungsberechtigten ermöglichen soll, hat dieser die gesamten Aufwendungen für die Veränderung zu übernehmen (Absatz 2 Satz 2). Dem anderen Berechtigten steht bei Geltendmachung des Veränderungsanspruchs ein Wahlrecht zu, die Veränderung entweder selbst vorzunehmen oder zu dulden (Absatz 2 Satz 1).

III. Voraussetzungen 1. Voraussetzungen des Hilfsbaurechts Das Benutzungsrecht und das Hilfsbaurecht sind funktional vergleichbar. Im Einzelfall soll die 7 Ausübung des Hilfsbaurechts durch die Mitbenutzung eines vorhandenen Grubenbaus vermieden 6 7 8 9

BT-Drs. 8/1315, S. 103; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 47 Rn. 5. BT-Drs. 8/1315, S. 103; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 47 Rn. 4. BT-Drs. 8/1315, S. 103; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 47 Rn. 4. BT-Drs. 8/1315, S. 103.

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Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

werden. Daher müssen die Voraussetzungen des Hilfsbaurechts (§ 44 Abs. 1 Satz 1) auch bei der Benutzung fremder Grubenbaue vorliegen (Absatz 1 Satz 1 Nr. 1).10 Die Benutzung des fremden Grubenbaus muss danach der technischen oder wirtschaftlichen Verbesserung des Gewinnungsbetriebes, insbesondere der Wasserlösung oder Wetterführung, dienen. Das ist der Fall, wenn die Benutzung für den Betrieb des Gewinnungsberechtigten in technischer oder wirtschaftlicher Hinsicht vorteilhaft ist (vgl. § 44 Rn. 7).

2. Kostenübernahme 8 Angesichts der durch die Benutzung fremder Grubenbaue ersparten Kosten für die Anlegung eines Hilfsbaus wird der Gewinnungsberechtigte zur Übernahme eines angemessenen Teils der Aufwendungen für die Errichtung und Unterhaltung der zu benutzenden Grubenbaue verpflichtet (Absatz 1 Satz 1 Nr. 2). Der Gewinnungsberechtigte ist danach zur teilweisen Übernahme der bereits entstandenen Errichtungskosten und zur Beteiligung an den laufenden Unterhaltungskosten verpflichtet. Maßstab für die angemessene Verteilung der Aufwendungen zwischen dem anderen Berechtigten und dem Gewinnungsberechtigten ist das Ausmaß der Benutzung des Grubenbaus.11 Für die Benutzung abgeworfener oder vorübergehend nicht genutzter Grubenbaue enthält Absatz 2 Satz 3 eine abweichende Kostenverteilung (Rn. 4). 9 Die Übernahme eines angemessenen Anteils der Errichtungs- und Unterhaltungsaufwendungen ist als Voraussetzung für die Geltendmachung des Benutzungsrechts ausgestaltet. Der Gewinnungsberechtigte kann die Benutzung erst verlangen, wenn er sich in rechtsverbindlicher Weise zur Übernahme der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 bezeichneten Aufwendungen verpflichtet hat.12 Bei Meinungsverschiedenheiten über den Inhalt dieser Erklärung entscheidet nach Absatz 4 die zuständige Behörde (Rn. 11). Regelungsbedürftig kann etwa sein, welcher Anteil an den Errichtungs- und Unterhaltungsaufwendungen angemessen ist, für welche Unterhaltungsaufwendungen in welcher Weiselaufende Zahlungen zu leisten sind und ob der Gewinnungsberechtigte Sicherheit für die übernommenen Zahlungsverpflichtungen zu leisten hat.

IV. Schadensersatz 10 Wie beim Hilfsbaurecht (§ 44 Abs. 2) steht dem anderen Berechtigten nach Absatz 3 für den Schaden, der ihm durch die Benutzung entsteht, ein Anspruch auf Ersatz in Geld zu.13 Ersatz ist für die durch die teilweise Übernahme der Errichtungs- und Unterhaltungsaufwendungen nicht erfassten Vermögensnachteile zu leisten.14 Das gilt für insbesondere für Beschädigungen der Grubenbaue, soweit die Schäden nicht durch Unterhaltungsmaßnahmen beseitigt werden. Da § 47 das Ausmaß der Benutzung durch den Gewinnungsberechtigten im Verhältnis zum anderen Berechtigten nicht generell begrenzt, können sich für diesen Vermögensnachteile insbesondere auch aus der Einschränkung seiner Nutzungsmöglichkeiten ergeben.

V. Behördliche Entscheidung 11 Im Gegensatz zum Hilfsbaurecht hat der Gesetzgeber für das Benutzungsrecht nach § 47 an einer behördlichen Entscheidung über das Vorliegen der Benutzungsvoraussetzungen festgehalten. 10 11 12 13 14

BT-Drs. 8/1315, S. 103. BT-Drs. 8/1315, S. 103. Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 47 Rn. 3. Weller ZfB 1990, 111, 123. BT-Drs. 8/1315, S. 103.

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Erstes Kapitel – Allgemeine Vorschriften über die Aufsuchung und Gewinnung

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Danach entscheidet in Streitfällen auf Antrag die zuständige Behörde über das Recht zur Benutzung (Absatz 4). Antragsberechtigt sind der Gewinnungsberechtigte und der andere Berechtigte.15 Gegenstand der behördlichen Entscheidung sind alle Voraussetzungen für das Recht zur Benutzung. Hierzu gehören die Fragen, ob die Benutzung der technischen oder wirtschaftlichen Verbesserung des Gewinnungsbetriebes dient (Absatz 1 Satz 1 Nr. 1), zu welchen Zahlungen sich der Gewinnungsberechtigte verpflichten muss (Absatz 1 Satz 1 Nr. 2) und ob die Voraussetzungen für eine Veränderung der Grubenbaue vorliegen (Absatz 2 Satz 1).

VI. Rechtsschutz Gegen Entscheidungen der Behörde nach Absatz 4 ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet. Kla- 12 gebefugt sind der Gewinnungsberechtigte und der andere Berechtigte, soweit sie durch die behördliche Entscheidung beschwert sind. In Betracht kommt eine Anfechtungsklage, wenn die Behörde die Benutzungsvoraussetzungen nach Auffassung des anderen Berechtigten zu Unrecht bejaht hat oder Nebenbestimmungen angefochten werden, oder eine Verpflichtungsklage, wenn die Benutzungsvoraussetzungen nach Auffassung des Gewinnungsberechtigten zu Unrecht verneint worden sind. Wegen des Schadensersatzanspruchs nach Absatz 3 ist der Zivilrechtsweg eröffnet.

15 Frenz BBergG, § 47 Rn. 9; nicht überzeugend Wörheide Die Bergbauberechtigungen nach dem Bundesberggesetz, S. 418, der von einem Antragsrecht nur des anderen Berechtigten ausgeht. 307

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DRITTER ABSCHNITT Verbote und Beschränkungen § 48 Allgemeine Verbote und Beschränkungen 1 Unberührt bleiben Rechtsvorschriften, die auf Grundstücken solche Tätigkeiten verbieten oder beschränken, die ihrer Art nach der Aufsuchung oder Gewinnung dienen können, wenn die Grundstücke durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes einem öffentlichen Zweck gewidmet oder im Interesse eines öffentlichen Zweckes geschützt sind. 2Bei Anwendung dieser Vorschriften ist dafür Sorge zu tragen, daß die Aufsuchung und Gewinnung so wenig wie möglich beeinträchtigt werden. (2) 1In anderen Fällen als denen des Absatzes 1 und des § 15 kann, unbeschadet anderer öffentlich-rechtlicher Vorschriften, die für die Zulassung von Betriebsplänen zuständige Behörde eine Aufsuchung oder eine Gewinnung beschränken oder untersagen, soweit ihr überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen. 2Bei der Prüfung, ob eine Beschränkung oder Untersagung zu erfolgen hat, sind bei raumbedeutsamen Vorhaben Ziele der Raumordnung zu beachten. 3Soweit die öffentlichen Interessen zugleich den Schutz von Rechten Dritter umfassen, kann die für die Zulassung von Betriebsplänen zuständige Behörde den Plan auslegen, wenn voraussichtlich mehr als 300 Personen betroffen sind oder der Kreis der Betroffenen nicht abschließend bekannt ist. 4§ 73 Abs. 3, 4 und 5 Satz 1 und 2 Nr. 1, 2 und 4 Buchstabe b des Verwaltungsverfahrensgesetzes ist mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, daß an die Stelle der Gemeinde die zuständige Behörde tritt. 5Verspätet erhobene Einwendungen sind ausgeschlossen. 6 Hierauf ist in der Bekanntmachung hinzuweisen.

(1)

Schrifttum Beckmann Oberflächeneigentum und Bergbau, DVBl 1992, 741; Beckmann Rechtliche Rahmenbedingungen der Einstellung des Steinkohlenbergbaus, DÖV 2010, 512; Beckmann/Wittmann Die Zulegung nach § 35 BBergG, ZfB 2009, 32; Beddies Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Einstellung eines Bergwerks (1995); Brockhoff Naturschutzrechtliche Eingriffsregelung in bergrechtlichen Zulassungsverfahren (2012); Büllesbach Die rechtliche Beurteilung von Abgrabungen nach Bundes- und Landesrecht – Ein Beitrag zur Lösung des Problems paralleler Genehmigungsverfahren (1994); Durner Konflikte räumlicher Planungen (2005); Durner/Karrenstein Anm. zu BVerfG 17.12.2013, 1 BvR 3139/08 u. 3386/08, DVBl 2014, 182; Fischer-Hüftle Bergbauberechtigungen und naturschutzrechtliche Verordnungen, NuR 1989, 106; Frenz Braunkohlentagebau und Verfassungsrecht, NVwZ 2014, 194; Heitmann Die Leitlinien des Bundesverwaltungsgerichts für den Bergbau, ZfB 1990, 179; Heller Die Entschädigungsansprüche des Bergbautreibenden gegen den Staat oder einen Begünstigten wegen bergbehördlicher Maßnahmen im Betriebsplanverfahren (1965); Hoppe Gelenkfunktion der Braunkohlenplanung zwischen Landesplanung und bergrechtlichem Betriebsplan? UPR 1983, 105; Hoppe Die Einschränkung bergbaulicher Berechtigungen durch eine Nationalparkverordnung – am Beispiel des niedersächsischen Wattenmeeres, DVBl 1987, 757; Hoppe Nationalpark-Verordnung „Niedersächsisches Wattenmeer“ und bergbauliche Berechtigungen (1987); Hoppe Das Spannungsverhältnis von Bergwerkseigentum und Oberflächeneigentum im Lichte des Verfassungsrechts (1991); Hoppe Die Bedeutung von Optimierungsgeboten im Planungsrecht, DVBl 1992, 853; Hoppe/Spoerr Bergrecht und Raumordnung – Einflüsse des Bau- und Raumordnungsgesetzes 1998 auf bergrechtliche Rechtspositionen und die eigentumsrechtlichen Grenzen (1999); Hoppe/Spoerr Die Erfordernisse der Raumordnung im bergrechtlichen Betriebsplanverfahren – Raumordnungsrechtliche Grundlagen und die herkömmliche Betriebsplanzulassung, ZfB 1999, 110; Hoppe/Beckmann UVPG (Kommentar), 12. Aufl. (2012); Hüffer Bergbau, Eigentum und Schadensrisiko, in: Jayme/Laufs/Misera/Reinhart/Serick (Hrsg.) Festschrift Hubert Niederländer (1991), S. 267, zitiert als Hüffer FS Niederländer (1991); Keienburg Die Öffentlichkeitsbeteiligung im Bergrecht (2004); Kloepfer Umweltrecht, 3. Aufl. (2004), § 10 G (Berg- und Umweltrecht); Knöchel Das Bundesberggesetz und die Sicherung der Rohstoffversorgung, in: Baur/Sandrock/Scholtka/Shapira (Hrsg.) Festschrift für Gunther Kühne zum 70. Geburtstag (2009), S. 599, zitiert als Knöchel FS Kühne (2009); Kolonko Anforderungen der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung an einen Abbau von Steinen und Erden – Zur Geltung und Reichweite der Eingriffsregelung bei der Gewinnung oberflächennaher Bodenschätze nach dem Bundesberggesetz (1997); Kühling Fachplanungsrecht (1988); Kühne Zulassung und Ausübung des Bergbaus bei Kollisionen mit anderen öffentlichen Interessen – zugleich

Kühne https://doi.org/10.1515/9783110709285-062

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Erstes Kapitel – Allgemeine Vorschriften über die Aufsuchung und Gewinnung

§ 48

ein Beitrag zu § 47 RegE BBergG, ZfB 1980, 58; Kühne Die Bedeutung der Erfordernisse der Raumordnung und Landesplanung bei bergbaulichen Vorhaben, DVBl 1984, 709; Kühne Nochmals: Bergbauliche Berechtigungen und Nationalparkverordnung Niedersächsisches Wattenmeer, DVBl 1987, 1259; Kühne Die Einführung der Umweltverträglichkeitsprüfung im Bergrecht, UPR 1989, 326; Kühne Bestandsschutz und Verfahrensstufung im Betriebsplanverfahren, UPR 1992, 218; Kühne Bestandsschutz alten Bergwerkseigentums unter besonderer Berücksichtigung des Art. 14 GG (1998); Kühne Grundrechtsunfähigkeit und Ausstrahlungswirkung der Grundrechte auf das einfache Recht, in: Diederichsen/Fischer/Medicus/Pirrung/Wagenitz (Hrsg.) Festschrift für Walter Rolland (1999), S. 211, zitiert als Kühne FS Rolland (1999); Kühne Das Verhältnis von Bergrecht und naturschutzrechtlicher Eingriffsregelung, in: Hendler/Marburger/Reinhardt/Schröder (Hrsg.) Die strategische Umweltprüfung (sog. Plan-UVP) als neues Instrument des Umweltrechts (2004), 251; Kühne Der Schutz kommunalen Oberflächeneigentums im bergrechtlichen Betriebsplanverfahren, NVwZ 2005, 59; Kühne Obligatorische Rahmenbetriebsplanzulassung im Bergrecht und ihre Wirkungen, DVBl 2006, 662; Kühne Entwicklungslinien der bergrechtlichen Rechtsprechung zur Zulassung bergbaulicher (Groß-)Vorhaben, in: Kühne/Ehricke (Hrsg.) Entwicklungslinien des Bergrechts – Genehmigungsrechtliche Fragen bei Großvorhaben des Kohlenabbaus (2008); Kühne Die betriebsplanrechtliche Relevanz bergbauinduzierter Erderschütterungen, DVBl 2010, 874; Kühne Enteignungsentschädigung bei hoheitlichem Entzug von Bodenschätzen zugunsten öffentlicher Verkehrsanlagen – Zur Eigentumsdogmatik des BGH, DVBl 2012, 661; Kühne Drei Jahrzehnte Bundesberggesetz – Entwicklungslinien und Ausblick –, ZfB 2013, 113; Kühne Verfassungsrechtliche Fragen der bergrechtlichen Enteignung – Zum Garzweiler-Urteil des BVerfG vom 17.12.2013, NVwZ 2014, 321; Kühne Wegmarken der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zum Bergrecht, in: Hadding/Herrmann/Krämer (Hrsg.), Festschrift für Wolfgang Schlick (2015), S. 239, zitiert als Kühne FS Schlick (2015); Meyer Der Entschädigungsanspruch wegen bergbehördlicher Einschränkungen des Bergwerkseigentums, ZfB 1961, 216; Niermann Betriebsplan und Planfeststellung im Bergrecht (1991); Papier Die Weiterentwicklung der Rechtsprechung zur Eigentumsdogmatik des Art. 14 GG, DVBl 2000, 1398; Peters Nationalpark-Verordnung „Niedersächsisches Wattenmeer“ und bergbauliche Berechtigungen, DVBl 1988, 227; Rasel Umweltrechtliche Implikationen im Bundesberggesetz (1994); Rausch Umwelt- und Planungsrecht beim Bergbau (1990); Regelmann/Neumann Das „Moers-Kapellen-Urteil“ in der Praxis, Glückauf 1997, 104; Schenke Bergbau contra Oberflächeneigentum und kommunale Selbstverwaltung? Zur Bedeutung der verfassungsrechtlichen Garantie des Eigentums und der gemeindlichen Selbstverwaltung bei der bergrechtlichen Betriebsplanzulassung (1994); Schmidt-Aßmann/Schoch Bergwerkseigentum und Grundeigentum im Betriebsplanverfahren (1994); H. Schulte Bergbau, Umweltrecht, Raumplanung, ZfB 1987, 178; Sparwasser/Engel/Voßkuhle Umweltrecht, 5. Aufl. (2003), § 9 B; Stiens Der bergrechtliche Betriebsplan (1995); Stüer Bergbau und Grundeigentum im Widerstreit, NuR 1985, 263; von Weschpfennig Strukturen des Bergrechts – Verfassungs- und verwaltungsdogmatische Grundfragen im Licht des Eigentums, Umwelt- und Ressourcenschutzes, MS Seiten 539, 2020 (2022); Wilde Verhältnis zwischen Bergrecht und Naturschutzrecht, DVBl 1998, 1321; Wörheide Die Bergbauberechtigungen nach dem Bundesberggesetz (2014).

Übersicht I.

Allgemeines

II. 1. 2.

Entstehungsgeschichte 3 § 48 Absatz 1 4 § 48 Absatz 2

III.

Die „Unberührtheitsklausel“ des § 48 Absatz 1 Satz 1 6 Funktion Die „unberührt bleibenden Rechtsvorschriften“ 8 a) Grundsätzliches b) Einzelne „Rechtsvorschriften“ im Über12 blick

1. 2.

IV. 1. 2. 3.

309

1

Die Rohstoffsicherungsklausel des § 48 Absatz 1 Satz 2 25 Bergrechtspolitischer Zweck 26 Anwendungsbereich 28 Wirkungsweise

V. 1. 2.

VI. 1.

§ 48 Absatz 2 Systematische Stellung und Bedeutung der Vorschrift innerhalb des BBergG 34 Materieller Regelungsgehalt 45 a) Allgemeines (Normcharakter) 50 b) Die „öffentlichen Interessen“ c) Insbesondere: Schutz des Grundeigentums als „öffentliches Interesse“ bei Bergschä62 den d) Die materiellen Kriterien für den Schutz des Oberflächeneigentums nach § 48 Ab66 satz 2 e) Insbesondere: Betriebsplanverfahrensrechtlicher Schutz des Grundeigentums im Falle nachfolgender Grundabtretungspflich74 tigkeit § 48 Absatz 2 und Drittschutz 82 Allgemeines

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§ 48

2. 3. 4.

Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

Drittschützende „öffentliche Interessen“ im Ein83 zelnen 88 Planungsrecht und Drittschutz Zivilrechtlicher Drittschutz über § 823 Abs. 2 89 BGB

VII. Verfahrensrechtliche Ausgestaltung des Drittschutzes (§ 48 Absatz 2 Sätze 2 bis 6) 1. Grundsätzliche Bemerkungen zur Beteiligung 90 nach § 48 Absatz 2 Sätze 2 bis 6 2. Verfahrensarten (Varianten der Beteili95 gung)

3.

Verfahrensablauf der Öffentlichkeitsbeteili97 gung 98 a) Anhörung 104 b) Präklusion c) Zustellung der Entscheidung durch öffentli105 che Bekanntmachung d) Verfahrensfehler und Erkenntnis schwerer Schäden nach der Sonderbetriebsplanzulas106 sung

VIII. Entschädigungsansprüche bei hoheitlichen Ab109 baubeschränkungen und -verboten

I. Allgemeines 1 Die Vorschrift des § 48 gehört zu den unklarsten und umstrittensten Normen des Gesetzes. Sie betrifft das Verhältnis des Bergrechts zu außerbergrechtlichen öffentlich-rechtlichen Vorschriften und öffentlichen Interessen. Hinter dieser Gemeinsamkeit beider Absätze verbergen sich allerdings zwei schwerpunktmäßig verschiedene Fragenkomplexe: § 48 Abs. 1 regelt das Verhältnis zwischen den Normen des BBergG und grundstücksbezogenen außerbergrechtlichen, den Bergbau verbietenden oder beschränkenden Rechtsvorschriften. § 48 Abs. 2 hat dagegen die Frage der Durchsetzbarkeit außerbergrechtlicher öffentlicher Interessen bei der Zulassung bergbaulicher Vorhaben durch die hierfür zuständige Behörde zum Gegenstand.1 Entsprechend ihren unterschiedlichen Funktionen haben § 48 Abs. 1 und 2 sehr verschiedene 2 entstehungsgeschichtliche Werdegänge, die für das Verständnis und Verhältnis der beiden Regelungen von wesentlicher Bedeutung sind. Die turbulente Entstehungsgeschichte insbesondere von § 48 Abs. 2 hat Bedeutung und Inhalt dieser Norm zusätzlich verdunkelt. Dogmatische und inhaltliche Konturen hat namentlich § 48 Abs. 2 erst durch die Rechtsprechung unter Führung des BVerwG erhalten.2

II. Entstehungsgeschichte 1. § 48 Absatz 1 3 § 48 Abs. 1 Satz 1 erstreckte in der Fassung des RegE 1977 (= § 47 Abs. 1)3 die Unberührtheitsanordnung auf „Rechtsvorschriften, die 1. Tätigkeiten auf Grundstücken, die durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes einem öffentlichen Zweck gewidmet oder im Interesse eines öffentlichen Zwecks geschützt sind, oder 2. die Errichtung von Einrichtungen auf oder unter solchen Grundstücken zum Schutze des öffentlichen Zwecks verbieten oder beschränken, wenn die Tätigkeiten oder Einrichtungen ihrer Art nach der Aufsuchung oder Gewinnung dienen können“. Im Laufe der Ausschussberatungen wurde die Vorschrift unter Verdeutlichung der Grundstücksbeziehung im Gesetz gewordenen Sinne gestrafft.4 Ferner wurde als Satz 2 die sog. Rohstoffsicherungsklausel eingefügt.

1 2 3 4

Zur Unterschiedlichkeit von § 48 Abs. 1 und Abs. 2 auch: Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 48 Rn. 3. Vgl. unten Rn. 45 ff. BT-Drs. 8/1315, S. 23, 104. Näher zur Entstehungsgeschichte vgl. Boldt/Weller Vorauflage, § 48 Rn. 3 und Kühne ZfB 1980, 58 ff.

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Erstes Kapitel – Allgemeine Vorschriften über die Aufsuchung und Gewinnung

§ 48

2. § 48 Absatz 2 Die Entstehungsgeschichte des § 48 Abs. 2 steht in engem sachlichem Zusammenhang mit § 11 4 Nr. 8 sowie § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 RegE BBergG 19775 und den dort für die Erlaubniserteilung bzw. Betriebsplanzulassung enthaltenen bzw. vorgesehenen Gemeinwohlklauseln. § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 RegE sah als Zulassungsvoraussetzung vor, „dass dem Betrieb überwiegende öffentliche Interessen, insbesondere im Hinblick auf gemeinschädliche Einwirkungen der Aufsuchung oder Gewinnung, nicht entgegenstehen“. Der Bundesrat hatte aus formellen Gründen in § 54 RegE BBergG 1977 eine von den gemeinschädlichen Einwirkungen getrennte eigenständige gemeinwohlorientierte Zulassungsvoraussetzung („dem Betrieb andere öffentlich-rechtliche Vorschriften sowie überwiegende öffentliche Interessen nicht entgegenstehen und …“)6 vorgeschlagen (Nr. 8a). Der BT-WiA schlug dann vor, den § 47 RegE 1977 (heute: § 48) um einen Abs. 2 mit dem Inhalt des heutigen § 48 Abs. 2 Satz 1, allerdings ohne die Bezugnahme auf § 15, zu erweitern.7 Gleichzeitig wurden die „öffentlichen Interessen“ und „anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften“ aus der Vorschrift des § 54 (Voraussetzungen der Betriebsplanzulassung) herausgenommen. Der BT-WiA war nämlich der Auffassung, „dass die für andere Fälle in verschiedenen Vorschriften des Gesetzentwurfs (§ 11 Nr. 8, § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 bzw. 8a) enthaltenen Regelungen über eine Abwägung öffentlicher Belange in einem Absatz 2 des § 47 aus den im Allgemeinen Teil dieses Berichts angeführten Gründen zusammengefasst werden sollten“.8 Mit den „Gründen“ waren offenbar rechtssystematische Gesichtspunkte gemeint. Auf Wunsch des Bundesrates wurde indes vom Vermittlungsausschuss das Bestreben des Bundestages, in § 47 (jetzt § 48) Abs. 2 die öffentlichen Belange zusammenzufassen, dadurch zunichte gemacht, dass in § 11 Nr. 10 der Versagungsgrund der entgegenstehenden überwiegenden öffentlichen Interessen wieder aufgenommen und § 15 wieder in das Gesetz eingefügt wurden.9 Der Bundesrat glaubte, dies mit Rücksicht darauf vorschlagen zu sollen, dass nach der Begründung des RegE BBergG der Katalog der Versagungsgründe für die Erlaubnis in § 11 abschließend war.10 Dies war allerdings ebenso bei den Betriebsplanzulassungsvoraussetzungen des § 55 der Fall.11 Die vom BR vorgeschlagene Zulassungsvoraussetzung des „Nicht-Entgegenstehens anderer öffentlich-rechtlicher Vorschriften“ ist bei der Übertragung von § 54 (§ 55) nach § 47 (§ 48) Abs. 2 unter den Tisch gefallen, möglicherweise zu dem Zweck, eine sonst u.U. aus der Vorschrift ableitbare Prüfungskompetenz der Bergbehörde auszuschließen.12 Die Sätze 2 bis 5 sind dem Absatz 2 durch Art. 1 Nr. 2 des Gesetzes zur Änderung des BBergG 5 vom 12.2.199013 angefügt worden. Diese Ergänzung erfolgte auf Vorschlag des BT-WiA.14 Den Anlass dazu gab die Rechtsprechung des BVerwG zur rechtlichen Bedeutung des § 48 Abs. 2 im Verhältnis des Bergbaus zum Oberflächeneigentum („Moers-Kapellen“).15

5 6 7 8 9

BT-Drs. 8/1315, S. 15 bzw. 25. BT-Drs. 8/1315, S. 179. BT-Drs. 8/3965, S. 137. BT-Drs. 8/3965, S. 137. Dies ergibt sich aus den Gründen für die Einberufung des Vermittlungsausschusses zum BBergG (BR-Drs. 286/80 – Beschluss –) und der Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses (BT-Drs. 8/4331), beide abgedruckt in ZfB 1981, 334 bzw. 338. 10 Zur Entstehungsgeschichte des § 48 Abs. 2 BBergG vgl. auch Kühne DVBl 1984, 712 f. 11 So ausdrücklich schon die Begr. des RegE BBergG 1977 zum damaligen § 54, BT-Drs. 8/1315 S. 109. 12 In diese Richtung auch Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 48 Rn. 2. 13 BGBl. I 215. 14 BT-Drs. 11/5601, S. 5, 15 f. 15 BVerwG 16.3.1989, 4 C 36/85, BVerwGE 81, 329 = ZfB 1989, 199. 311

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§ 48

Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

III. Die „Unberührtheitsklausel“ des § 48 Absatz 1 Satz 1 1. Funktion 6 Die Funktion der Bestimmung erschließt sich erst vor dem Hintergrund des Rechtszustandes unter dem ABG. Dieses Gesetz und andere landesbergrechtliche Kodifikationen enthielten Schürfverbote auf bestimmten, öffentlichen Zwecken gewidmeten Grundstücken (z.B. Friedhöfen, öffentlichen Straßen und Plätzen). Solche Verbote und Beschränkungen hatten ihren Standort im Bergrecht, weil außerbergrechtliche Schutzregelungen entweder nicht vorhanden oder lückenhaft waren. Seit der Existenz bergrechtlicher Schutzregelungen haben sich die Verhältnisse insoweit grundlegend geändert, als die Zahl der außerbergrechtlichen grundstücksbezogenen Schutzvorschriften massiv zugenommen hat. Dies gilt insbesondere für die Vielzahl von Bestimmungen, welche umweltschützende Ziele verfolgen. In einer unübersehbaren Anzahl von Gesetzen, Verordnungen und Satzungen werden Grundstücke umfassenden und differenzierten Schutzregelungen unterworfen. Diese Rechtsentwicklung und auch die technische Ausdifferenzierung moderner Aufsuchungsverfahren (z.B. seismische Verfahren) haben den Gesetzgeber von den überkommenen absoluten bergrechtlichen Vorschriften zum Schutz außerbergrechtlicher öffentlicher Zwecke und Güter Abstand nehmen lassen.16 Die andernfalls zwangsläufigen normativen Überschneidungen hätten außerdem die Gefahr von Konflikten mit den gesetzgeberischen und administrativen Sachwaltern der außerbergrechtlichen öffentlichen Zwecke heraufbeschworen. 7 Ohne § 48 Abs. 1 Satz 1 würde sich die Rechtsgeltung der außerbergrechtlichen Vorschriften nicht anders darstellen. Die Bestimmung hat daher nur deklaratorische Bedeutung.17 Konstitutiv wirkt sie allerdings im Hinblick auf die Rohstoffsicherungsklausel des § 48 Abs. 1 Satz 2: Nur die mit der in § 48 Abs. 1 Satz 1 enthaltenen inhaltlichen Qualifikation versehenen außerbergrechtlichen Vorschriften werden von Absatz 1 Satz 2 erfasst.18

2. Die „unberührt bleibenden Rechtsvorschriften“ 8 a) Grundsätzliches. Gegenstand der Unberührtheitsanordnung sind „Rechtsvorschriften“. Dieser Begriff umfasst Rechtsnormen auf allen Stufen der Normenhierarchie (Völkerrecht, Europarecht, Bundes-, Landesrecht, kommunale Satzungen) sowie formelle und materielle Gesetze,19 nicht aber Verwaltungsakte.20 Ein Verwaltungsakt ist Instrument der „Anwendung“, nicht aber selbst „Vorschrift“, wie sich § 48 Abs. 1 Satz 2 entnehmen lässt. 9 Bei den in Satz 2 angesprochenen Rechtsvorschriften handelt es sich um Schutznormen für Grundstücke, die durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes einem öffentlichen Zweck gewidmet oder im Interesse eines öffentlichen Zwecks geschützt sind; inhaltlich sind Schutzvorschriften gemeint, die auf diesen Grundstücken Tätigkeiten verbieten oder beschränken, die ihrer Art nach der Aufsuchung oder Gewinnung dienen können. Diese umständliche Formulierung hat ihren Grund darin, dass der Gesetzgeber hier keine bergrechtlichen Begriffe benutzen konnte, weil die

16 Die hier aufgeführten Gesichtspunkte entsprechen im Wesentlichen den vom Gesetzgeber genannten Gründen, RegE BBergG, BT-Drs. 8/1315, S. 104.

17 So auch Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 48 Rn. 4; Rausch Umwelt- und Planungsrecht beim Bergbau, S. 165; Rasel Umweltrechtliche Implikationen im Bundesberggesetz, S. 178. 18 Zutreffend Rausch Umwelt- und Planungsrecht beim Bergbau, S. 165. 19 Vgl. BT-Drs. 8/1315, S. 104. 20 Wenn die Begr. RegE BBergG, BT-Drs. 8/1315, S. 104, „Rechtsverordnungen, Satzungen und Verwaltungsakte“ nebeneinander stellt, so bezieht sich dies auf den Vorschriftenteil „durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes“, nicht aber auf den Begriff „Rechtsvorschriften“. Bei Verwaltungsakten ist „Rechtsvorschrift“ die zugrunde liegende Ermächtigungsnorm. Gegen die Einordnung von Verwaltungsakten als „Rechtsvorschriften“ zutreffend auch Rausch Umweltund Planungsrecht beim Bergbau, S. 167 f. Kühne

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außerbergrechtlichen Verbots- und Beschränkungsvorschriften in der Regel allgemeine, d.h. nicht bergbaubezogene, Begriffe verwenden.21 Eine Unterscheidung zwischen Grundstücken und Gewässern erübrigte sich, da auch Gewässer unter den Grundstücksbegriff fallen.22 Die „Rechtsvorschrift“ muss sich also auf den Schutz eines Grundstücks im sachenrechtlichen Sinne beziehen.23 Grundstücksunabhängige Schutzvorschriften wie z.B. immissionsschutzrechtliche Schongebiete nach § 49 BImSchG fallen nicht darunter.24 § 48 Abs. 1 Satz 1 handelt von solchen Rechtsvorschriften, welche die dort angesprochenen 10 Tätigkeiten „verbieten“ oder „beschränken“. Ein Verbot liegt vor, wenn die Tätigkeit insgesamt zu unterbleiben hat, während bei einer „Beschränkung“ die Tätigkeit grundsätzlich zulässig, aber nur mit gegenständlichen Einschränkungen oder unter bestimmten Voraussetzungen gestattet ist. Wie sich aus § 48 Abs. 1 Satz 2 ergibt, bleiben bei der Frage, ob ein „Verbot“ oder eine „Beschränkung“ vorliegt, etwaige Befreiungstatbestände außer Betracht. § 48 Abs. 1 bezieht sich nur auf öffentlich-rechtliche Verbote und Beschränkungen. Die 11 privatrechtliche Befugnis zur Inanspruchnahme geschützter Grundstücke richtet sich nach den allgemein für die Benutzung fremder Grundstücke geltenden Regelungen dieses Gesetzes.25 Wer ein fremdes Grundstück für Zwecke der Aufsuchung benutzen will, hat dafür nach § 39 die Zustimmung des Grundeigentümers und sonstiger Nutzungsberechtigter einzuholen. Die Zustimmung kann gem. § 40 durch eine behördliche Entscheidung ersetzt werden. Bei der Inanspruchnahme eines Grundstücks, das einem öffentlichen Zweck gewidmet ist, bedarf es nach § 39 Abs. 1 Nr. 2 zusätzlich der Zustimmung der für die Wahrung des Widmungszwecks zuständigen Behörde. Für die Gewinnung von Bodenschätzen vollzieht sich die Inanspruchnahme der Oberfläche von Grundstücken zur Nutzung nach dem Recht der Grundabtretung (§§ 77 bis 106).

b) Einzelne „Rechtsvorschriften“ im Überblick. Als „Rechtsvorschrift“ i.S. des § 48 Abs. 1 12 Satz 1 kommt eine Vielzahl von grundstücksbezogenen Verbots- und Beschränkungsnormen in Betracht, die gerade in neuerer Zeit mehr und mehr dem Umweltrecht zugehören. Dabei kann nicht selten die Grundstücksbezogenheit Anlass zu Zweifeln geben. Tendenziell ist hier eine eher weite Auslegung geboten: § 48 Abs. 1 Satz 1 bezieht seine konstitutive Bedeutung aus der Rohstoffsicherungsklausel des § 48 Abs. 1 Satz 2 und damit mittelbar aus einer das BBergG insgesamt prägenden Zweckbestimmung (§ 1 Nr. 1). Die Begründung des RegE BBergG26 spricht hinsichtlich der geschützten Grundstücke summarisch von öffentlichen Verkehrswegen, Wasserschutz-, Naturschutz-, Landschaftsschutzgebieten, Wasserstraßen und militärischen Schutzbereichen. 13 Im Einzelnen sind „Rechtsvorschriften“ insbesondere: – Im Bereich des Bauplanungsrechts etwa der Bebauungsplan (§ 10 Abs. 1 BauGB)27 und Sat- 14 zungen über Veränderungssperren (§§ 14, 16 Abs. 1 BauGB),28 nicht aber Flächennutzungspläne.29 Trotz ihrer Eigenschaft als Rechtsnorm sind die §§ 34 (unbeplanter Innenbereich) und 35 BauGB keine „Rechtsvorschriften“ i.S. des § 48 Abs. 1 Satz 1, da ihnen wegen ihrer

21 Kühne ZfB 1980, 58, 71. 22 RegE BBergG, BT-Drs. 8/1315, S. 104. 23 Grundstück im Rechtssinne ist ein räumlich abgegrenzter Teil der Erdoberfläche, der im Bestandsverzeichnis eines Grundbuchblattes unter einer besonderen Nummer oder nach GBO 3 V gebucht ist, Grüneberg/Herrler BGB, 82. Aufl. (2023), Überblick vor § 873, Rn. 1. 24 Rausch Umwelt- und Planungsrecht beim Bergbau, S. 170. 25 Vgl. dazu Boldt/Weller Vorauflage, § 48 Rn. 11. 26 BT-Drs. 8/1315, S. 104. 27 BVerwG 4.7.1986, 4 C 31/84, BVerwGE 74, 315, 318 = ZfB 1987, 60, 64; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 48 Rn. 10. 28 Rausch Umwelt- und Planungsrecht beim Bergbau, S. 184; Rasel Umweltrechtliche Implikationen im Bundesberggesetz, S. 163. 29 Wegen mangelnder Außenverbindlichkeit; Rasel Umweltrechtliche Implikationen im Bundesberggesetz, S. 160, 163. 313

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internen Abwägungsoffenheit ein verbietender oder beschränkender Grundstücksbezug abgeht;30 – Die der Anordnung von militärischen Schutzbereichen zugrunde liegenden Vorschriften des Gesetzes über die Beschränkungen von Grundeigentum für die militärische Verteidigung (Schutzbereichsgesetz) (§§ 3, 5);31 – Rechtsverordnungen über die Festsetzung von Wasserschutzgebieten (§ 51 Abs. 1 Satz 1 WHG);32 die wasserrechtlichen Gestattungstatbestände dürften wegen ihrer wasserrechtlichen Abwägungsoffenheit keine „verbietenden“ oder „beschränkenden“ „Rechtsvorschriften“ sein;33 – Rechtsverordnungen über die Festsetzung von Heilquellenschutzgebieten (§ 53 Abs. 4 Satz 1 WHG);34 – Gesetzliche Anbaubeschränkungen an Bundesfernstraßen nach § 9 Abs. 1 BFStrG:35 Im Übrigen ist für das Verhältnis von Gewinnungsbetrieben zu Straßen die Spezialregelung des § 124 BBergG über das Verhältnis zwischen Bergbau und öffentlichen Verkehrsanlagen zu beachten; – Rechtsnormen über die Unterschutzstellung von Teilen von Natur- und Landschaft nach Bundes- und Landesnaturschutzrecht (vgl. § 22 Abs. 1, 2 BNatSchG) (Naturschutzgebiete, Nationalparke, Landschaftsschutzgebiete),36 ferner Verbote im Zusammenhang mit dem Netz „Natura 2000“ nach § 34 Abs. 2 BNatSchG (wegen der Wirkungslosigkeit von § 48 Abs. 1 Satz 2 BBergG vgl. dort); – Verbietende und beschränkende Rechtsnormen des Forstrechts37 (z.B. Waldumwandlungsgenehmigungsbedürftigkeit nach § 9 BWaldG); – Grundstücksbezogene denkmalschutzrechtliche Verbots- und Beschränkungsregelungen nach den Landesdenkmalschutzgesetzen.38 Nicht zu den „Rechtsvorschriften“ i.S. des § 48 Abs. 1 Satz 1 gehören: – Planerische Festlegungen ohne unmittelbare Außenwirkung nach den Landesplanungsgesetzen. Hierzu gehören auch die Braunkohlenpläne. Sie legen im jeweiligen Braunkohlenplangebiet Ziele der Raumordnung fest (vgl. z.B. § 26 Abs. 1 LPlG NW). Solche planerischen Festlegungen i.S. von Zielen der Raumordnung erlangen Außenverbindlichkeit dadurch, dass sie als „überwiegendes öffentliches Interesse“ nach § 48 Abs. 2 in die Betriebsplanzulassung ein-

30 So i.Erg. auch OVG Lüneburg 18.12.1985, 7 OVG A2/85, ZfB 1986, 358, 369; Kühne DVBl 1984, 709, 713; Rasel Umweltrechtliche Implikationen im Bundesberggesetz, S. 162 f.; a.A. Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 48 Rn. 10; Rausch Umwelt- und Planungsrecht beim Bergbau, S. 172 f.; H. Schulte ZfB 1987, 178, 194. 31 Eine Schutzbereichsanordnung erfolgt zwar durch Verwaltungsakt (BVerwG 7.9.1984, 4 C 16/81, BVerwGE 70, 77, 79 ff.), aber auf Grund des Schutzbereichsgesetzes. Auch der Gesetzgeber wollte § 48 Abs. 1 BBergG angewendet sehen, RegE BBergG, BT-Drs. 8/1315, S. 104. Zur Zeit der Verabschiedung des BBergG vertrat allerdings das BVerwG noch die Auffassung, eine Schutzbereichsanordnung erfolge durch Rechtsverordnung, BVerwG 23.10.1968, IV C 101/67, BVerwGE 30, 287. Gegen die Anwendung von § 48 Abs. 1 Rausch Umwelt-und Planungsrecht beim Bergbau, S. 182, anders aber S. 177. 32 VG Arnsberg 29.11.2011, 7 K 2895/09, ZfB 2012, 49, 55; Rausch Umwelt- und Planungsrecht beim Bergbau, S. 174; Rasel Umweltrechtliche Implikationen im Bundesberggesetz, S. 170. 33 Str., für „Rechtsvorschriften“ Rasel Umweltrechtliche Implikationen im Bundesberggesetz, S. 168 f.; dagegen Rausch Umwelt- und Planungsrecht beim Bergbau, S. 174. 34 Rasel Umweltrechtliche Implikationen im Bundesberggesetz, S. 170. 35 Rasel Umweltrechtliche Implikationen im Bundesberggesetz, S. 175; Rausch Umwelt- und Planungsrecht beim Bergbau, S. 179. 36 BVerwG 25.8.1995, 4 B 191/95, ZfB 1995, 276, 277; Hoppe Nationalpark-Verordnung „Niedersächsisches Wattenmeer“ und bergbauliche Berechtigungen, S. 55 (allg. M.). 37 OVG Greifswald 24.11.1999, 2 L 30/98, ZfB 2000, 32, 37; VG Greifswald 19.4.2007, 1 A 1174/00, ZfB 2007, 294, 301; Rausch Umwelt- und Planungsrecht beim Bergbau, S. 176; Rasel Umweltrechtliche Implikationen im Bundesberggesetz, S. 176. 38 Boldt/Weller Vorauflage, § 48 Rn. 21; a.A. Rausch Umwelt- und Planungsrecht beim Bergbau, S. 177. Kühne

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gehen.39 Die Regelungen in § 29 Abs. 3 LPlG NW (Satz 1: Soll-Vorschrift für die Aufstellung und Genehmigung von Braunkohlenplänen vor Beginn eines Abbauvorhabens, Satz 2: Pflicht zur Anpassung der Betriebspläne an die Braunkohlenpläne) sind selbst keine „Rechtsvorschriften“ (Satz 1 enthält bei verfassungskonformer Auslegung nur ein Gebot zur rechtzeitigen Erstellung und Genehmigung der Braunkohlenpläne, Satz 2 ist keine Verbots- oder Beschränkungsvorschrift).40 Nicht grundstücksbezogene umweltrechtliche Genehmigungsvorbehalte und -anforderun- 24 gen z.B. des Wasserrechts (z.B. §§ 8, 12 WHG: Erteilung von Erlaubnis und Bewilligung)41 oder des Immissionsschutzrechts (§ 3, 4, 6 BImSchG).42 Dagegen sind Schutzgebietsausweisungen nach § 49 BImSchG „Rechtsvorschriften“.43

IV. Die Rohstoffsicherungsklausel des § 48 Absatz 1 Satz 2 1. Bergrechtspolitischer Zweck § 48 Abs. 1 Satz 2 ist in engem Zusammenhang mit § 48 Abs. 1 Satz 1 zu sehen: Der Gesetzgeber war 25 der Auffassung,44 dass bei alleiniger Geltung des § 48 Abs. 1 Satz 1 die Gefahr bestehe, infolge der Nichtbefassung (Unberührtheit) des Berggesetzgebers mit dem Konflikt zwischen bergbaulichen und außerbergrechtlichen Belangen werde der außerbergrechtliche Normgeber für die Regelung dieser Konfliktverhältnisse die bergbaulichen Belange möglicherweise nicht hinreichend berücksichtigen. Diese Gefahr wurde um so mehr gesehen, als sich § 48 Abs. 1 Satz 1 auch auf alle zukünftigen Verbotsund Beschränkungsvorschriften beziehen sollte. § 48 Abs. 1 Satz 2 war daher als Gegengewicht gegen das Unberücksichtigtlassen oder die Untergewichtung von bergbaulichen Belangen innerhalb der außerbergrechtlichen Normzusammenhänge gedacht: Es soll bei deren Anwendung dafür Sorge getragen werden, dass die Aufsuchung und Gewinnung so wenig wie möglich beeinträchtigt werden. Zweck der Vorschrift ist es, bei der Anwendung der in Satz 1 angesprochenen Vorschriften dem Ziel der Rohstoffversorgung und -sicherung die ihm zukommende Bedeutung zu verschaffen. Die Vorschrift stellt damit eine Konkretisierung des in § 1 Nr. 1 niedergelegten Förderzwecks dar, wie sie sich auch in anderen Bestimmungen des Gesetzes findet: § 35 Nr. 5, § 40 Abs. 1, § 79 Abs. 1.45 Teleologischer Hintergrund sind zum einen die extreme Standortgebundenheit bergbaulicher Tätigkeit (Bergbau kann nur am Standort der Lagerstätte stattfinden) und zum anderen die volkswirtschaftliche Bedeutung einer gesicherten Rohstoffversorgung. Bei energetischen Bodenschätzen verbindet sich dieses Ziel mit der Bedeutung einer sicheren Energieversorgung, die das BVerfG in ständiger 39 BVerfG 17.12.2013, 1 BvR 3139/08, 3386/08, BVerfGE 134, 242 Rn. 302 = ZfB 2014, 49 Rn. 303; BVerwG 29.6.2006, 7 C 11/ 05, BVerwGE 126, 205 Rn. 21 = ZfB 2006, 156, 160. Die die unmittelbare Außenverbindlichkeit anordnende Vorschrift des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 (ROG 1998 = § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 ROG 2008) ist nicht anwendbar, da die Betriebsplanzulassung wegen § 52 Abs. 2b BBergG nicht im Wege der Planfeststellung, sondern als sog. fakultative Betriebsplanzulassung erfolgt. 40 Zu der inhaltlich entsprechenden früheren Vorschrift des § 24 Abs. 5 Satz 1, 2 LPlG NW war im Schrifttum ein Streit darüber geführt worden, ob die beiden Regelungen als Abbauverbot (Satz 1) und als materielle Anforderung an die Betriebsplanzulassung (Satz 2) zu verstehen sind. Bejahendenfalls wurde die Verfassungswidrigkeit der Vorschrift (Fehlen landesrechtlicher Gesetzgebungszuständigkeit im Bereich des Bergrechts) vertreten, so jetzt hinsichtlich Satz 2 BVerfG 17.12.2013, 1 BvR 3139/08, 3386/08, BVerfGE 134, 242 Rn. 302 = ZfB 2014, 49 Rn. 303. Zum Streitstand zu dieser Frage, über die die Praxis hinweggegangen zu sein scheint, vgl. Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 56 Anhang Rn. 458; Rausch Umwelt- und Planungsrecht beim Bergbau, S. 179 ff. 41 Str., vgl. Fn. 33. 42 Rausch Umwelt- und Planungsrecht beim Bergbau, S. 175 f.; Rasel Umweltrechtliche Implikationen im Bundesberggesetz, S. 171. 43 Rasel Umweltrechtliche Implikationen im Bundesberggesetz, S. 173. 44 Rasel Umweltrechtliche Implikationen im Bundesberggesetz, S. 173. 45 Vgl. auch BVerwG 20.11.2008, 7 C 10/08, BVerwGE 132, 261 Rn. 56 = ZfB 2009, 46, 55. 315

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Rechtsprechung46 als „überragend wichtiges Gemeinschaftsgut“ bewertet. Bei nichtenergetischen Rohstoffen, z.B. Baustoffen, geht es um die Sicherung der Rohstoffversorgung der nichtenergetischen Industrie. Auch sie kann sich zu überragender Bedeutung und Dringlichkeit verdichten, z.B. bei den sog. Seltenen Erden,47 die für Erzeugnisse der Hochtechnologie wie etwa Mobiltelefone unverzichtbar sind. Die Gründung der Deutschen Rohstoffagentur (DERA) bei der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) im Jahre 2010 und der Deutschen Rohstoff-Allianz im Jahre 2012 unterstreicht den Stellenwert der Rohstoffsicherung.

2. Anwendungsbereich 26 Nach dem Wortlaut von § 48 Abs. 1 Satz 2 ist bei „Anwendung“ der in § 48 Abs. 1 Satz 1 angesprochenen bergbauverbietenden und -beschränkenden Vorschriften dafür „Sorge zu tragen, dass die Aufsuchung und Gewinnung so wenig wie möglich beeinträchtigt werden“. Der Begriff „Anwendung“ bedeutet, dass die Vorschrift nur bei administrativem Vollzug vorhandener Vorschriften, dagegen nicht bei der Schaffung solcher Rechtsnormen zur Anwendung kommt.48 Unabhängig von § 48 Abs. 1 Satz 2 sind allerdings bergbauliche und rohstoffsichernde Belange innerhalb von Abwägungsvorgängen eines Normgebers (gesetzgeberischer Gestaltungsspielraum, planerisches Abwägungsgebot) mitzuberücksichtigen. Dies kann sich insbesondere aus Vorgaben des Planungsrechts (Regionalplanung, Bauleitplanung) ergeben.49 Unterlässt es darüber hinaus der Normgeber unabhängig von solchen ausdrücklichen Vorgaben bei der Schaffung von Rechtsnormen, welche bergbauliche Tätigkeit verbieten oder beschränken, normative Vorkehrungen in Gestalt von Anwendungsspielräumen für die Durchsetzung bergbaulicher Belange vorzuhalten, so kann ein Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Verhältnismäßigkeitsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) vorliegen.50 27 § 48 Abs. 1 Satz 2 ist der Sache nach auch bei Abwägungen innerhalb von § 48 Abs. 2 anwendbar, da das Gewicht bergbaulicher Belange dort kein geringeres sein kann als innerhalb der „Rechtsvorschriften“ nach § 48 Abs. 1 Satz 1.51 Nach Auffassung des BVerwG52 soll die Rohstoffsicherungsklausel des § 48 Abs. 1 Satz 2 im Rahmen von Abschlussbetriebsplänen keine Rolle spielen, da sie nur die „Aufsuchung“ und „Gewinnung“ betreffe. Da Fragen der Einstellung von Berg46 BVerfG 16.3.1971, 1 BvR 52, 665, 667, 754/66, BVerfGE 30, 292, 323 f.; BVerfG 20.3.1984, 1 BvL 28/82, BVerfGE 66, 248, 258; BVerfG 11.10.1994, 2 BvR 633/86, BVerfGE 91, 186, 206; BVerfG 17.12.2013, 1 BvR 3139/08, 3386/08, BVerfGE 134, 242 Rn. 286 = ZfB 2014, 49 Rn. 287. 47 So werden z.B. im Erzgebirge große Lagerstätten von Lithium (§ 3 Abs. 3 BBergG) vermutet. Unzutreffend daher Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 48 Rn. 19 und ähnlich § 56 Anhang Rn. 358, die § 48 Abs. 1 Satz 2 bei nichtenergetischen Rohstoffen für unanwendbar halten. Die Unterscheidung ist für die Anwendbarkeit bedeutungslos, kann aber das Ergebnis der Abwägung beeinflussen. 48 So die Rechtsprechung und die ganz h.M. im Schrifttum, BVerwG 25.8.1995, 4 B 191/95, ZfB 1995, 276, 277 unter Berufung auf BVerwG 4.7.1986, 4 C 31.84, BVerwGE 74, 315, 318 = ZfB 1987, 60, 64; OVG Bautzen 24.9.1998, 1 S. 369/96, NuR 1999, 344, 346; Kloepfer Umweltrecht, 4. Aufl. (2016), § 11 Rn. 515; Kühne DVBl 1987, 1259, 1262; Rausch Umweltund Planungsrecht beim Bergbau, S. 197; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 48 Rn. 12; a.A. Hoppe NationalparkVerordnung „Niedersächsisches Wattenmeer“ und bergbauliche Berechtigungen, S. 58, Hoppe DVBl 1987, 757, 762; Peters DVBl 1988, 227, 228. 49 BVerwG 25.8.1995, 4 B 191/95, ZfB 1995, 276, 277; Rausch Umwelt- und Planungsrecht beim Bergbau, S. 197 ff. 50 Kühne DVBl 1987, 1259, 1262. 51 Vgl. Kühne in: Hendler/Marburger/Reinhardt/Schröder (Hrsg.) Die strategische Umweltprüfung (sog. Plan-UVP) als neues Instrument des Umweltrechts, S. 251, 267. Das BVerwG 16.3.1989, 4 C 25.86 = ZfB 1989, 210, 215 f. zieht § 1 Nr. 1 neben § 48 Abs. 1 Satz 2 heran. Teilweise wird § 48 Abs. 1 Satz 2 unmittelbar angewendet, Büllesbach Die rechtliche Beurteilung von Abgrabungen nach Bundes- und Landesrecht (1994), S. 100 m.w.Nachw.; von anderen wird die Anwendung von § 48 Abs. 1 Satz 2 wegen § 1 Nr. 1 für überflüssig gehalten, Brockhoff Naturschutzrechtliche Eingriffsregelung in bergrechtlichen Zulassungsverfahren, S. 297. 52 BVerwG 14.4.2005, 7 C 26/03, BVerwGE 123, 248, 255 = ZfB 2005, 156, 161; ebenso OVG Koblenz 19.11.2007, 1 A 10706/ 05. OVG = ZfB 2008, 147, 154; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 48 Rn. 19. Kühne

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bauvorhaben aber bereits während der Gewinnungsphase bedeutsam sein können, ist darauf zu achten, dass Gewichtungen der Rohstoffsicherung aus einer früheren Phase nicht durch Anforderungen an den Abschlussbetriebsplan ausgehebelt werden.

3. Wirkungsweise Bei § 48 Abs. 1 Satz 2 handelt es sich um eine gesetzgeberische Abwägungsdirektive an die mit der „Anwendung“ der unberührt bleibenden „Rechtsvorschriften“ befassten Behörden, bei der Handhabung von Abwägungsspielräumen in außerbergrechtlichen Rechtsvorschriften die bergbaulichen Belange in das Abwägungsmaterial einzustellen und mit Vorrang zu gewichten. Dies gilt für planerische (Planfeststellungsverfahren)53 wie auch für nachvollziehende Abwägungsentscheidungen54 und für Ermessensentscheidungen.55 Meinungsverschiedenheiten bestehen über die Stärke des den bergbaulichen Belangen in § 48 Abs. 1 Satz 2 zugewiesenen Gewichts. In einem Teil des Schrifttums wird die Auffassung vertreten, § 48 Abs. 1 Satz 2 statte den Bergbau mit einem generellen Vorrang aus.56 Es soll sich danach um eine generelle Abwägungsanordnung mit durchgängiger Ermessensreduktion zugunsten des Vorrangs der bergbaulichen Belange handeln. Dies würde bedeuten, dass z.B. bei der Anwendung von naturschutzrechtlichen Schutzgesetznormen und dazugehörigen Befreiungsvorschriften das diesbezügliche Ermessen generell i.S. einer bergbauliche Tätigkeit ermöglichenden Ausnahmebewilligung auszuüben wäre. Der überwiegende Teil des Schrifttums sieht in § 48 Abs. 1 Satz 2 dagegen eine Klausel mit relativem Vorrang zugunsten des Bergbaus. Danach ist die in § 48 Abs. 1 Satz 2 gemeinte Abwägung bei entsprechendem Spielraum der „unberührten Rechtsvorschriften“ mit in besonderen Konstellationen überwindbarer Priorität für den Bergbau durchzuführen.57 Das BVerwG58 und die Instanzgerichte59 sehen in § 48 Abs. 1 Satz 2 durchgängig nur eine relative Vorrangklausel. Dabei stellt die Anwendung auf die Ermessensausübung innerhalb der Anwendung bauplanungsrechtlicher (§ 31 Abs. 2 BauGB) oder naturschutzrechtlicher Befreiungsvorschriften einen häufigen Erscheinungsfall dar. Nach Auffassung des BVerwG60 kann sich insbesondere wegen der Standortgebundenheit von Aufsuchung und Gewinnung bei Abwägungsentscheidungen eine Ermessensreduzierung auf Null zugunsten des Bergbaus ergeben, wenn das dem Bergbau entgegenstehende öffentliche Interesse nicht zumindest ebenso gewichtig ist wie das Interesse an der Rohstoffsicherung. Der von der Rechtsprechung vertretenen Auffassung ist zuzustimmen. Sie bildet die denkbaren Interessenkonstellationen sachgerechter ab als die Auffassung vom generellen Vorrang des Bergbaus. Ungeachtet der Standortgebundenheit bergbaulicher Tätigkeit sind Situationen vorstellbar, in denen nicht-bergbaulichen Interessen Vorrang zukommt, z.B. wenn es sich einerseits um 53 BVerwG 14.5.1998, 4 VR 1/98 (4 A 1/98) = ZfB 1998, 134, 138. 54 Bei § 48 Abs. 2 BBergG handelt es sich um eine gerichtlich voll überprüfbare sog. nachvollziehende Abwägung im Rahmen eines unbestimmten Tatbestandsmerkmals (BVerwG 2.11.1995, 4 C 14/94, BVerwGE 100, 1, 10 = ZfB 1995, 278, 287). 55 BVerwG 4.7.1986, 4 C 31/84, BVerwGE 74, 315, 318 (bauplanungsrechtlicher Dispens nach § 31 Abs. 2 BauGB). 56 Hoppe Nationalpark-Verordnung „Niedersächsisches Wattenmeer“ und bergbauliche Berechtigungen, S. 56 ff.; Hoppe DVBl 1987, 757, 761 f.; Peters DVBl 1988, 227, 228. 57 Boldt/Weller 1. Aufl. (1984), Ergänzungsband, § 48 Rn. 12; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 48 Rn. 14 ff.; Kühne DVBl 1987, 1259, 1262; Rausch Umwelt- und Planungsrecht beim Bergbau, S. 202 f.; Rasel Umweltrechtliche Implikationen im Bundesberggesetz, S. 191 ff.; Fischer-Hüftle NuR 1989, 106, 111 f.; Brockhoff Naturschutzrechtliche Eingriffsregelung in bergrechtlichen Zulassungsverfahren, S. 296; Knöchel FS Kühne (2009), S. 599, 603. 58 BVerwG 4.7.1986, 4 C 31/84, BVerwGE 74, 315, 318 f. = ZfB 1987, 60, 64; 20.11.2008, 7 C 10/08, BVerwGE 132, 261 Rn. 56 = ZfB 2009, 55. 59 VGH Mannheim 9.6.1988, 6 S 2972/84 = ZfB 1989, 57, 71 f.; OVG Greifswald 24.11.1999, 2 L 30/98, ZfB 2000, 32, 37 f. 60 BVerwG 4.7.1986, 4 C 31/84, BVerwGE 74, 315, 319 = ZfB 1987, 60, 64. 317

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eine unbedeutende Lagerstätte, andererseits aber um ein hochrangiges Naturschutzinteresse handelt. Ferner wird der Vorrang der bergbaulichen Belange dann gemindert oder aufgehoben, wenn das Gewicht der durch die „Rechtsvorschriften“ abgedeckten außerbergrechtlichen Belange ebenfalls durch Verwirklichungsgebote verstärkt wird, z.B. § 50 BImSchG, § 5 WHG, § 2 Abs. 1 bis 3 BNatSchG.61 32 Handelt es sich bei den Verbots- und Beschränkungsvorschriften um europarechtsgeleitete Rechtsnormen wie z.B. die Natura-2000-Schutznormen (§ 34 Abs. 2, 3 BNatSchG), so hat sich die Gewichtung der Belange nach den zugrunde liegenden europarechtlichen Maßstäben zu vollziehen. Die Rohstoffsicherungsklausel des § 48 Abs. 1 Satz 2 kann als nationale Vorschrift diese Gewichtung nicht verändern. 33 Rechtsdogmatisch wird § 48 Abs. 1 Satz 2 teils als Fall einer relativen Vorrangregelung,62 teils als sog. Optimierungsgebot63 verstanden.64

V. § 48 Absatz 2 1. Systematische Stellung und Bedeutung der Vorschrift innerhalb des BBergG 34 Die teilweise schwer nachvollziehbare Entstehungsgeschichte der Vorschrift hat deren systematische Einordnung in das Aufsichtssystem des BBergG nicht erleichtert. Ihre isolierte Stellung im Gesetz hat zunächst die Vorstellung genährt, dass es sich bei ihr um eine selbständige behördliche Befugnis handelt, die Aufsuchung oder die Gewinnung zu untersagen oder zu beschränken.65 Der entstehungsgeschichtlich belegbare Zusammenhang mit den Betriebsplanzulassungsvoraussetzungen des § 55 ist zunächst im Hinblick darauf verdrängt worden, dass die Zulassungsvoraussetzungen des § 55 als abschließender Katalog gemeint waren.66 Andererseits haben die entstehungsgeschichtliche Herkunft der Vorschrift wie auch verfahrensökonomische Gesichtspunkte (Sinnwidrigkeit der Zulassung eines Betriebsplans und anschließende Untersagung/Beschränkung der bergbaulichen Tätigkeit) zunächst das Schrifttum67 und dann die Rechtsprechung68 zu der Auffassung geführt, derzufolge es sich bei § 48 Abs. 2 jedenfalls auch um eine ausgelagerte zusätzliche Betriebsplanzulassungsvoraussetzung handelt. Dieses Verständnis hat Konsequenzen in mehrfacher Hinsicht: 35 – Bereits im Betriebsplanverfahren ist zu prüfen, ob dem Aufsuchungs- und Gewinnungsvorhaben überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen. Bejahendenfalls ist die Betriebsplanzulassung zu verweigern oder mit beschränkenden Auflagen zu versehen; 36 – § 48 Abs. 2 wirkt auch als zusätzliche Zulassungsvoraussetzung bei Abschlussbetriebsplänen (§ 53 Abs. 1);69

61 Dazu Kloepfer Umweltrecht, 4. Aufl. (2016), § 11 Rn. 514; Sparwasser/Engel/Voßkuhle Umweltrecht, 5. Aufl. (2003), § 9 Rn. 317; Rausch Umwelt- und Planungsrecht beim Bergbau, S. 202 ff.

62 So z.B. Brockhoff Naturschutzrechtliche Eingriffsregelung in bergrechtlichen Zulassungsverfahren, S. 295 ff. 63 So BVerwG 14.10.1996, 4 VR 14/96 = ZfB 1997, 131, 132, zu dem wortlautgleichen („so wenig wie möglich beeinträchtigt werden“) § 124 Abs. 1 BBergG.

64 Allgemein zur Abgrenzung von Optimierungsgebot und relativer Vorrangklausel Hoppe DVBl 1992, 853, 859. Auf der Grundlage der vom BVerwG 22.3.1985, 4 C 73/82, BVerwGE 71, 163, 165, vorgenommenen begrifflichen Erläuterung lassen sich nachvollziehbare Abgrenzungsmerkmale nicht finden. Skeptisch insoweit schon Kühne DVBl 1987, 1259, 1262 (Fn. 41). 65 Boldt/Weller Vorauflage, § 48 Rn. 34. 66 BT-Drs. 8/1315, S. 109; Boldt/Weller Vorauflage, § 48 Rn. 34. 67 So bereits H. Schulte NJW 1981, 88, 94; Kühne DVBl 1984, 709, 713. 68 Ständige Rechtsprechung seit BVerwG 4.7.1986, 4 C 31/84, BVerwGE 74, 315, 323. 69 BVerwG 14.4.2005, 7 C 26/03, BVerwGE 123, 247, 255 = ZfB 2005, 156, 161; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 48 Rn. 22. Kühne

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Nachträgliche Auflagen zur Betriebsplanzulassung sind auch zur Sicherstellung der Voraussetzung des § 48 Abs. 2 (Nicht-Entgegenstehen von überwiegenden öffentlichen Interessen) zulässig (§ 56 Abs. 1);70 – Betriebsplanzulassungen unter Verstoß gegen § 48 Abs. 2 sind rechtswidrig. Es greift § 48 VwVfG i.V.m. § 5 BBergG ein (Rücknahme); – Im Falle nach der Betriebsplanzulassung auftretender entgegenstehender überwiegender öffentlicher Interessen gilt die Vorschrift des § 49 VwVfG i.V.m. § 5 BBergG (Widerruf); – § 48 Abs. 2 ist gegenüber den Zulassungsvoraussetzungen des § 55 subsidiär.71 Die Vorschrift erfasst nur solche öffentlichen Interessen, die nicht bereits Gegenstand der Zulassungsvoraussetzungen des § 55 sind. Auch § 52 Abs. 2a Satz 3, der für das obligatorische Rahmenbetriebsplanverfahren (Planfeststellung) gilt, weicht davon nicht ab. Nach dieser Vorschrift sind Anforderungen eines vorsorgenden Umweltschutzes, die sich bei der UVP ergeben und über die Zulassungsvoraussetzungen des § 55 sowie der auf das Vorhaben anwendbaren Vorschriften in anderen Gesetzen hinausgehen, öffentliche Interessen i.S. des § 48 Abs. 2. § 52 Abs. 2a Satz 3 ist dabei keine Grundlage für die quantitative Verschärfung von gegenständlich bereits in § 55 oder den anderen anwendbaren Gesetzen angesprochenen Umweltbelangen auf dem Wege über § 48 Abs. 2.72 Diese Vorschrift greift nur hinsichtlich gegenständlich nicht bereits anderweitig normativ verorteter öffentlicher (Umwelt-)Interessen ein. Für ein Eingreifen des § 48 Abs. 2 als selbständige Ermächtigungsgrundlage für behördliches Eingreifen bleibt daher kein erkennbarer Raum. Der Gesetzgeber des BBergG-ÄndG von 1990 hat allerdings im Zusammenhang mit der Einführung der UVP und der Ausgestaltung des Rahmenbetriebsplanverfahrens als Planfeststellungsverfahren dessen Konzentrationswirkung durch Zulassung eigenständiger Entscheidungen nach § 48 Abs. 2 in den Fällen des Schutzes von Rechten Dritter durchbrochen. Danach werden durch einen Planfeststellungsbeschluss Entscheidungen nach § 48 Abs. 2 ausgeschlossen, ausgenommen solche in den in § 48 Abs. 2 Satz 2 genannten Fällen des Schutzes von Rechten Dritter (§ 57a Abs. 5 2. Halbsatz). Diese Ausnahme betrifft die Fallkonstellation des Moers-Kapellen-Urteils des BVerwG73 (schwerwiegende Auswirkungen der bergbaulichen Tätigkeit auf die Grundstücksoberfläche) und erklärt sich aus der Tatsache, dass Grundstücksschäden erst u.U. lange nach Erlass der Rahmenbetriebsplanzulassung und dann situativ-einzelgrundstücksbezogen auftreten.74 Einzelentscheidungen auf der Grundlage des § 48 Abs. 2 sind dabei flexibler als Eingriffe in den Bestand des Planfeststellungsbeschlusses. Der Text des § 48 Abs. 2 enthält weitere Einschränkungen des Anwendungsbereichs: – Nach seinem Wortlaut kommt § 48 Abs. 2 nur „in anderen Fällen als denen des Absatzes 1 und des § 15“ zum Zuge. Demnach gilt sie bei bergbaulichen Tätigkeiten auf im öffentlichen Interesse geschützten Grundstücken, zu deren Durchführung eine Befreiung von den in § 48 Abs. 1 genannten Schutzvorschriften erforderlich ist, nicht hinsichtlich der dort adressierten grundstücksbezogenen Schutzvorschriften.75 Auch findet sie keine Anwendung bei der Erteilung von Bergbauberechtigungen, da insoweit die Berücksichtigung öffentlicher Interessen nach Maßgabe des § 11 Nr. 10 erfolgt und durch die Beteiligung anderer Behörden gemäß § 15 verfahrensmäßig abgesichert ist.76 Durch die Tatbestandsfassung des § 11 Nr. 10 („gesamten zuzuteilenden Feld“) und dessen Funktion (Sachbescheidungsinteresse als verselbständigte 70 Beckmann DÖV 2010, 512, 517; Kühne DVBl 2010, 874, 876; s. § 56 Rn. 22; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 48 Rn. 24; a.A. VG Halle, 22.1.2014, 5 A 155/13, ZfB 2014, 286, 292 f.

71 BVerwG 29.6.2006, 7 C 11/05, BVerwGE 126, 205 Rn. 18 = ZfB 2006, 156 („Auffangtatbestand“); Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 48 Rn. 33 m.w.N.

72 Boldt/Weller 1. Aufl. (1984), Ergänzungsband, § 57a Rn. 64; Kühne UPR 1989, 326, 328; näher § 52 Rn. 81. 73 BVerwG 16.3.1989, 4 C 36/85, BVerwGE 81, 329 = ZfB 1989, 199. 74 Zu den Einzelheiten der Bedeutung des § 57a Abs. 5 2. Halbsatz BBergG für die Durchbrechung der Konzentrationswirkung näher § 57a Rn. 38.

75 Von Weschpfennig Strukturen des Bergrechts, S 209. 76 Dazu näher § 15 Rn. 1. 319

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Genehmigungsvoraussetzung)77 findet § 48 Abs. 2 auf der Berechtsamsebene eine Entsprechung nur in Extremfällen.78 Ferner besteht die Untersagungs- und Beschränkungsbefugnis nach § 48 Abs. 2 nur „unbeschadet anderer öffentlich-rechtlicher Vorschriften“. Sie ist also nur insoweit gegeben, als nicht bereits andere öffentlich-rechtliche Vorschriften eine spezielle Behörde mit der Wahrnehmung der zu schützenden öffentlichen Interessen betraut haben.79 Dies entspricht der vom BVerwG vertretenen sog. Separationslösung, die im Falle paralleler Genehmigungsverfahren die Wahrnehmung der jeweiligen Entscheidungszuständigkeiten durch die damit betrauten Behörden nach dem jeweils normativ vorgegebenen Entscheidungsprogramm bedeutet.80 Der Umstand, dass ein „öffentliches Interesse“ nach keiner öffentlich-rechtlichen Vorschrift einer anderen Behörde zugewiesen ist, bedeutet jedoch nicht, dass bei bergbaulichen Vorhaben damit immer die für den Bergbau zuständige Behörde zur Wahrnehmung befugt ist. Kommen für die Wahrnehmung eines „öffentlichen Interesses“ zwei Auffangvorschriften als Ermächtigungsgrundlage in Betracht, so ist die Zuständigkeit der prüfungsberechtigten Behörde nach dem Gesichtspunkt zu bestimmen, zu welchem in die originäre Zuständigkeit der jeweiligen Behörden fallenden Regelungsgegenstand der stärkere Bezug besteht. Diesen Gesichtspunkt der größeren Sachnähe hat das BVerwG in der sog. Altenberg-Entscheidung81 angewendet, in der es um die Konkurrenz von bauordnungsrechtlicher („Übereinstimmung der baulichen Anlagen mit den öffentlich-rechtlichen Vorschriften“) und bergrechtlicher (§ 48 Abs. 2) Auffangzuständigkeit ging. Im konkreten Falle wurde der Bergbehörde die größere Sachnähe zur Entscheidung über die Anforderungen des § 22 BImSchG zugesprochen.

2. Materieller Regelungsgehalt 45 a) Allgemeines (Normcharakter). Bei § 48 Abs. 2 handelt es sich nach allgemeinem Verständnis um eine sog. allgemeine Öffnungsklausel,82 wie sie auch in der einen oder anderen Form in verschiedenen öffentlich-rechtlichen Normzusammenhängen über Genehmigung und Betrieb gewerblicher Anlagen anzutreffen ist (z.B. § 7 Abs. 2 Nr. 6 AtG, § 51 GewO). Der Gesetzgeber wollte bei § 48 Abs. 2 die in den benannten Genehmigungs-(Zulassungs-)Voraussetzungen (§ 55 Abs. 1 Satz 1) angesprochenen Gemeinwohlbelange um weitere öffentliche Interessen, die sich einer erschöpfenden tatbestandlichen Erfassung entziehen, erweitern.83 Die nicht einmal durch beispielhafte und richtunggebende Aufzählung von weiteren öffentlichen Belangen gemilderte Offenheit der Gemeinwohlklausel ist rechtsstaatlich nicht völlig unbedenklich.84 Die etwa 30-jährige Spruchpraxis zu § 48 Abs. 2 zeigt indes, dass die Offenheit der Gemeinwohlklausel die Anpassungsfähigkeit des BBergG an sich verändernde Gemeinwohlauffassungen und -wertungen durchaus erhöht hat (vgl. unten Rn. 52 ff.). Die insbesondere für den Bergbautreibenden selbst missliche Unschärfe der Bestimmung vor allem als Grundlage für nachträgliche behördliche Eingriffe in die Ausnutzbarkeit von Bergbauberechtigungen und in Bergbaubetriebe und damit die mögliche Enttäu77 78 79 80

Dazu § 11 Rn. 14. Dazu näher § 11 Rn. 13, 14. BVerwG 4.7.1986, 4 C 31/84, BVerwGE 74, 315, 324 f. = ZfB 1987, 60, 67 f. Zum Separationsaspekt dieser Entscheidung des BVerwG näher Rausch Umwelt- und Planungsrecht beim Bergbau, S. 217 ff.; Seibert Anm. zu BVerwGE 74, 315 in: DVBl 1966, 1277. 81 BVerwG 4.7.1986, 4 C 31/84, BVerwGE 74, 315, 324 f. = ZfB 1987, 60, 67 f. 82 Diese Bezeichnung hat sich insbesondere im Schrifttum eingebürgert, vgl. Boldt/Weller Vorauflage, Ergänzungsband, § 48 Rn. 2; Rausch Umwelt- und Planungsrecht beim Bergbau, S. 205; Rasel, Umweltrechtliche Implikationen im Bundesberggesetz, S. 206. 83 In der Sache bedeutet es dasselbe, wenn das BVerwG in § 48 Abs. 2 eine Norm sieht, die die Befugnisse der für die Zulassung von Betriebsplänen zuständigen Behörde erweitert, BVerwG 16.3.1989, 4 C 36/85, BVerwGE 81, 330, 339 = ZfB 1989, 199, 206. 84 In diesem Sinne bereits Kühne ZfB 1980, 58, 60 und Boldt/Weller Vorauflage, § 48 Rn. 45. Kühne

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schung unternehmerisch investierten Vertrauens ist auf der Entschädigungsebene abzuarbeiten (vgl. unten Rn. 109 ff.). Wie bereits dem Wortlaut („überwiegende“ öffentliche Interessen) zu entnehmen ist, handelt es sich bei § 48 Abs. 2 um eine Abwägungsvorschrift.85 Gegeneinander abzuwägen sind auf der Seite des Bergbautreibenden das auch hier mit dem Gewicht des § 48 Abs. 1 Satz 2 einzustellende Interesse an der Rohstoffsicherung sowie seine Interessen an der Grundrechtsausübung (Art. 14 GG: Bergbauberechtigung) und auf der anderen Seite das im Einzelfall betroffene öffentliche Interesse. Überwiegt letzteres, so ist die Betriebsplanzulassung zu verweigern („Untersagung“) oder mit beschränkenden Nebenstimmungen („Beschränkung“) zu versehen. Für das Verhältnis zwischen untersagenden und beschränkenden Entscheidungen gilt das Verhältnismäßigkeitsprinzip86 (Vorrang der Beschränkung). Nicht unumstritten ist die Frage, um welche Art von Abwägungsvorschrift es sich bei § 48 Abs. 2 handelt. Der Wortlaut „kann“ scheint auf eine Ermessensnorm hinzudeuten. Demgegenüber hat das BVerwG bereits in seiner Altenberg-Entscheidung von 198687 die Formulierung „kann“ als Befugnisnorm und nicht als Ermessensnorm gedeutet. Ein Verständnis der Norm in letztgenanntem Sinne wäre in der Tat mit der vom Gesetzgeber gewollten88 Ausgestaltung der Betriebsplanzulassung als einer gebundenen Erlaubnis (§ 55 Abs. 1 Satz 1 (… „ist zu erteilen“)) nicht vereinbar. Bei der Wahl zwischen den in der Abwägungslehre eingeführten Varianten der planerischen und der nachvollziehenden Abwägung spricht sich eine Minderheit im Schrifttum für eine planerische Abwägung mit planerischer Gestaltungsfreiheit aus.89 Abgesehen von der zu Missverständnissen Anlass gebenden Terminologie (Betriebs„plan“) hat diese Auffassung Nahrung durch das BBergG-ÄndG 1990 erhalten. Für besonders umweltrelevante Bergbauvorhaben wurde damals das Rahmenbetriebsplanverfahren als Planfeststellungsverfahren ausgestaltet (§ 52 Abs. 2a). Zu dessen allgemeinen Wesensmerkmalen wird das Vorhandensein planerischer Gestaltungsfreiheit gezählt.90 Angesichts gleichbleibender materieller Zulassungsvoraussetzungen wurde dieses Merkmal nach der Gesetzesänderung daher bei der bergrechtlichen Planfeststellung z.T. vermisst. Hier war die Uminterpretation der nachvollziehenden Abwägung in § 48 Abs. 2 zu einer planerischen Abwägung scheinbar naheliegend.91 Das BVerwG in seinen Walsum-Urteilen (2006),92 die instanzgerichtliche Rechtsprechung93 und die h.M. im Schrifttum94 sind dieser Auffassung entgegengetreten und haben auch bei der bergrechtlichen Planfeststellung am Charakter des § 48 Abs. 2 als einer Ermächtigungsnorm für eine nachvollziehende Abwägung festgehalten. Dieser Ansicht ist zuzustimmen. Für sie sprechen insbesondere die Lagerstättengebundenheit und damit die gegenüber anderen Planungsverfahren noch gesteigerte Standortgebundenheit bergbaulicher Vorhaben sowie die Funktion der Betriebsplanzulassung als der Freigabeentscheidung für die einzig mögliche Verwirklichungsart der zu85 Allg. M.; statt vieler: BVerwG 4.7.1986, 4 C 31/84, BVerwGE 74, 315, 326 = ZfB 1987, 60, 68; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 48 Rn. 33; Boldt/Weller 1. Aufl. (1984), Ergänzungsband, § 48 Rn. 12.

86 So in der Sache schon Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, 1. Aufl. § 48 Rn. 21. 87 BVerwG 4.7.1986, 4 C 31/85, BVerwGE 74, 315, 323 = ZfB 1987, 60, 67; 14.4.2005, 7 C 26/03, BVerwGE 123, 248, 254 = ZfB 2005, 156, 161. 88 BT-Drs. 8/1315, S. 109. 89 So wohl zuerst Kühling Fachplanungsrecht, Rn. 69; für Betriebsplanzulassungen von Tagebauen sowie Untertagebaue mit Auswirkungen auf die Oberfläche auch von Weschpfennig Strukturen des Bergrechts, S. 251. 90 So etwa Kopp/Ramsauer VwVfG, 23. Aufl. (2022), § 74 Rn. 95 ff. 91 So insbesondere Durner Konflikte räumlicher Planungen, S. 363 ff.; Sparwasser/Engel/Voßkuhle Umweltrecht, 5. Aufl. (2003), § 9 Rn. 322 Fn. 381. 92 BVerwG 15.12.2006, 7 C 1/06, BVerwGE 127, 259, 263 f. (Rn. 28) = ZfB 2006, 306; BVerwG 15.12.2006, 7 C 6/06, BVerwGE 127, 272 Rn. 27 = ZfB 2006, 315, m. Anm. Kühne DVBl 2007, 832 ff. 93 So z.B. OVG Münster 27.10.2005, 11 A 1715/04, ZfB 2006, 32, 49; OVG Saarlouis 21.4.2004, 2 R 26/03= ZfB 2005, 294, 302 f. 94 Kühne DVBl 2006, 662, 664 f.; Boldt/Weller 1. Aufl. (1984), Ergänzungsband, § 57a Rn. 48, 50, 65; Hoppe/Beckmann/ Beckmann UVPG, § 18 Rn. 39; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 48 Rn. 36. 321

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grunde liegenden (vgl. § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und mit grundrechtlicher Qualität (Art. 14 GG) ausgestatteten Bergbauberechtigung. Der Gesetzgeber hat damit – was ihm unbenommen ist – eine atypische Planfeststellung geschaffen wie im Übrigen auch im Falle der atomrechtlichen Planfeststellung (§ 9b AtG).95 Wenngleich der Gesetzgeber die Anforderungen an die Art und Weise der Rohstoffgewinnung in der Betriebsplanzulassung nicht vollständig und abschließend gesetzlich konkretisiert haben mag-96 gebieten die verbleibenden Spielräume ebenso wenig wie bei anderen gebundenen Zulassungsentscheidungen für komplexe Großvorhaben, wie z.B. einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung, eine fachplanerische Gesamtabwägung. Im Übrigen hat in der Regel auch bereits auf der Ebene der Raumordnung und Bauleitplanung eine vorgelagerte Planung stattgefunden. Das BVerfG hat im Garzweiler-Urteil97 die Anwendungspraxis des BVerwG zu § 48 Abs. 2 verfassungsrechtlich gebilligt. Bei Großvorhaben mit flächendeckenden Grundabtretungen (Tagebauen) hält das Gericht die Durchführung der nach enteignungsrechtlichen Maßstäben erforderlichen Gesamtabwägung zwischen den für das Vorhaben sprechenden Gemeinwohlbelangen einerseits und den durch seine Verwirklichung beeinträchtigten öffentlichen und privaten Belangen andererseits schon im (Rahmen-)betriebsplanverfahren für verfassungsrechtlich geboten.98 Die Einbeziehung dieser Gesamtabwägung in das (Rahmen-)betriebsplanverfahren ändert am Charakter der Entscheidung als einer nachvollziehenden Abwägung nichts. Das nach §§ 8 Abs. 1 Nr. 4, 9 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz dem Inhaber einer Gewinnungsberechtigung eingeräumte Recht, Grundabtretung zu verlangen, steht der Gewährung planerischer Abwägungsspielräume entgegen.99 Angesichts der neueren Tendenzen zur Verdrängung der fossilen Brennstoffe (Kohle, Erdöl, 49a Erdgas) zugunsten insbesondere der Wind- und Sonnenenergie stellt sich die Frage, in welchem Umfange der in § 48 Abs. 1 S. 2 angeordnete Vorrang der bergbaulich zu gewinnenden Bodenschätze noch zu rechtfertigen ist. Die bergbautechnischen Besonderheiten (Standortgebundenheit, Unvermehrbarkeit) sind allerdings auch heute noch relevant. Anders steht es mit den Bodenschätzen, die als wirtschaftlich nutzbare Energiequelle infrage kommen. Weiterhin unzweifelhaft gültig ist der Vorrang der nicht der Energieerzeugung dienenden Bodenschätze, z.B. in jüngster Zeit Lithium. Bei den in den nächsten ca. 20 Jahren zur Nutzung anstehenden Lagerstätten für fossile Brennstoffe wird der Nutzwert der Vorräte durch den Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen progredient vermindert. Der Gesetzgeber des BBergG hat indes keine Anhaltspunkte für das Ausmaß des volkswirtschaftlichen Mehrwerts angegeben, das zur Rechtfertigung der Vorrangstellung in § 48 Abs. 1 S. 2 erforderlich ist. Angesichts dieser Unbestimmtheit sind quantitative Kriterien zur Vorrangfrage nicht möglich. Sie könnten daher auch nicht durch den Gesetzgeber festgelegt werden.

50 b) Die „öffentlichen Interessen“. Als allgemeine Auslegungsdirektive dieses Begriffs ist von einem weiten Verständnis auszugehen. Dies leitet sich aus der Funktion des § 48 Abs. 2 als einer Auffangvorschrift100 ab. Es sollten grundsätzlich alle öffentlichen Interessen in die aufsichtliche Tätigkeit der Betriebsplanzulassungsbehörde einbezogen werden, deren Wahrnehmung nicht einer anderen Behörde zugewiesen ist. Ziel des Gesetzgebers war die umfassende Würdigung des 95 BVerwG 26.3.2007, 7 B 73/06, NVwZ 2007, 833, 835; BVerwG 26.3.2007, 7 B 74/06, NVwZ 2007, 837, 838; BVerwG 26.3.2007, 7 B 72/06, NVwZ 2007, 841, 842; dazu Kühne in: 13. Deutsches Atomrechtssymposium 2008, S. 361, 365 f.; a.A. Ramsauer in: 13. Deutsches Atomrechtssymposium 2008, S. 339, 349 ff.; Ramsauer NVwZ 2008, 944, 947 ff. 96 von Weschpfennig Strukturen des Bergrechts, S. 250 f., leitet daraus den planerischen Charakter der Betriebsplanzulassung ab. 97 BVerfG 17.12.2013, 1 BvR 3139/08, 3386/08, BVerfGE 134, 242 Rn. 274 ff. = ZfB 2014, 49 Rn. 275 ff. 98 BVerfG 17.12.2013, 1 BvR 3139/08, 3386/08, BVerfGE 134, 242 Rn. 311 ff. = ZfB 2014, 49 Rn. 312 ff. 99 Für ein umfassendes planerisches Abwägungsgebot aber Durner/Karrenstein Anm. zu BVerfG, 17.12.2013 1 BvR 3139/ 08, 3386/08, DVBl 2014, 182, 184. 100 BVerwG 29.6.2006, 7 C 11/05, BVerwGE 126, 205 Rn. 18 = ZfB 2006, 156. Kühne

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bergbaulichen Vorhabens am Maßstab aller in Betracht kommenden konfligierenden öffentlichen Interessen bei gleichzeitiger Wahrung aller an anderer Stelle normierten behördlichen Zuständigkeiten. Als inhaltlicher Orientierungsmaßstab für die „öffentlichen Interessen“ können Erkenntnisse aus der Handhabung vergleichbarer offener Gemeinwohlklauseln101 herangezogen werden. Lange Zeit war unklar, ob innerhalb des § 48 Abs. 2 nur solche öffentlichen Interessen berücksichtigungsfähig sind, die sich in expliziten öffentlich-rechtlichen Verbotsnormen manifestieren, oder ob auch öffentliche Interessen in die Abwägung einzubeziehen sind, die diese Voraussetzung nicht erfüllen. Entscheidungen des BVerwG aus den Jahren 1990 und 1995 hielten nur solche öffentlichen Interessen für abwägungsfähig, die „in öffentlich-rechtlichen Verboten oder Beschränkungen Niederschlag finden“.102 Diese Umschreibung hat das BVerwG im Jahre 1995 noch weiter dahin verengt, dass als überwiegende öffentliche Interessen nur solche in Betracht kommen, „die in öffentlich-rechtlichen Vorschriften konkretisiert sind, indem sie Tätigkeiten verbieten oder beschränken, die ihrer Art nach der Aufsuchung oder Gewinnung von Bodenschätzen dienen können“.103 In neueren Entscheidungen hat das BVerwG indes auch öffentliche Interessen, die diese engen Kriterien nicht erfüllen, wie abfallrechtliche Grundpflichten, Ziele der Raumordnung oder die kommunale Selbstverwaltungsgarantie als „öffentliche Interessen“ zugelassen.104 In der jüngeren instanzgerichtlichen Rechtsprechung105 und im Schrifttum106 ist die offenkundig von dem Bestreben der Sicherung des gebundenen Erlaubnischarakters der Betriebsplanzulassung107 bestimmte frühere enge Auffassung verworfen worden. Die weite Auffassung entspricht nicht zuletzt der sehr viel engeren entwicklungsgeschichtlichen Beziehung des § 48 Abs. 2 zu § 55 als zu § 48 Abs. 1. In der gerichtlichen Spruchpraxis und im Schrifttum sind bislang insbesondere folgende Belange als „öffentliche Interessen“ i.S. des § 48 Abs. 2 anerkannt worden: – aus dem Immissionsschutzrecht108 das für nicht genehmigungsbedürftige Anlagen gemäß § 22 BImSchG geltende Gebot, nach dem Stand der Technik vermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen zu verhindern und unvermeidbare auf ein Mindestmaß zu beschränken; – im Falle des Fehlens eines bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahrens die bauplanungsrechtlichen Voraussetzungen eines bergbaulichen Vorhabens;109 – die Erfordernisse der Raumordnung und Landesplanung.110 In Rechtsprechung111 und Literatur112 war lange ungeklärt, ob § 48 Abs. 2 als sog. Raumordnungsklausel in Betracht kommt,

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Z.B. § 7 Abs. 2 Nr. 6 AtG. BVerwG 14.12.1990, 7 C 18/90, NVwZ 1991, 992 = ZfB 1991, 140, 142. BVerwG 2.11.1995, 4 C 14/94, BVerwGE 100, 1, 16 = ZfB 1995, 278, 287. BVerwG 29.6.2006, 7 C 11/05, BVerwGE 126, 205 Rn. 18 = ZfB 2006, 156 (Ziele der Raumordnung); BVerwG 14.4.2005, 7 C 26/03, BVerwGE 123, 247, 254 = ZfB 2005, 156, 160 f. (abfallrechtliche Grundpflichten, Anforderungen des Bodenschutzes); BVerwG 15.12.2006, 7 C 1/06, BVerwGE 127, 259, 264 (Rn. 30) = ZfB 2006, 306 (kommunale Selbstverwaltungsgarantie). 105 OVG Lüneburg 17.7.2008, 7 LC 53/05, ZfB 2008, 257, 265 f. (betr. das öffentliche Interesse an einer Endlagersuche für wärmeentwickelnde radioaktive Abfälle). 106 So z.B. Kühne in: Kühne/Ehricke (Hrsg.) Entwicklungslinien des Bergrechts, S. 51, 58 f.; für die enge Auffassung noch Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 48 Rn. 63. 107 So auch die Interpretation in OVG Lüneburg 17.7.2008, 7 LC 53/05, ZfB 2008, 257, 265 f. 108 BVerwG 4.7.1986, 4 C 31/84, BVerwGE 74, 315, 322 = ZfB 1987, 60, 66. 109 BVerwG 16.3.1989, 4 C 25/86, ZfB 1989, 210, 215; Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht, Rn. 256. 110 Schon die späten Neufassungen der Landesberggesetze (Hessen, Niedersachsen) sahen die „Wahrung der Erfordernisse der Raumordnung und Landesplanung“ als bergaufsichtliches Schutzgut vor, vgl. Kühne DVBl 1984, 709, 711 (Fn. 24, 25). 111 Für Raumordnungsklausel VG Wiesbaden 19.1.1998, 5 E 115/96 (1), ZfB 2001, 76, 80; OVG Brandenburg 28.9.2000, 4 B 130/00, ZfB 2000, 297, 315; dagegen, aber letztlich offengelassen, VGH Kassel 12.9.2000, 2 UE 924/99, ZfB 2001, 40, 48. 112 Für Raumordnungsklausel Kühne DVBl 1984, 709, 711 ff.; Boldt/Weller 1. Aufl. (1984), Ergänzungsband, § 48 Rn. 10; Rasel Umweltrechtliche Implikationen im Bundesberggesetz, S. 228 ff. Gegen Raumordnungsklausel insbesondere Hoppe UPR 1983, 105, 110 f.; Hoppe/Spoerr Bergrecht und Raumordnung, S. 106 f.; Hoppe/Spoerr ZfB 1999, 110, 114. 323

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über die raumplanerische Festlegungen in das Entscheidungsprogramm von Betriebsplanzulassungen eingehen und damit nach außen verbindlich werden. Das BVerwG hat dies im Zusammenhang mit dem Braunkohlenplan für das Tagebauvorhaben Garzweiler I/II mit Recht bejaht.113 Das BVerfG hat diese Praxis als verfassungskonform gebilligt.114 Bei einfachen Rahmenbetriebsplanzulassungen – im Falle Garzweiler I/II handelte es sich um eine solche – werden „Ziele der Raumordnung“ damit über § 48 Abs. 2 außenverbindlich. Demgegenüber erlangen „Ziele der Raumordnung“ bei planfeststellungspflichtigen behördlichen Entscheidungen über die Zulässigkeit raumbedeutsamer Planungen und Maßnahmen, also auch bei planfestgestellten Rahmenbetriebsplanzulassungen, von Personen des Privatrechts gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 3 ROG unmittelbare Verbindlichkeit („Pflicht zur Beachtung“).115 Mit der Einführung des § 48 Abs. 2 Satz 2 im Jahr 2017 hat der Gesetzgeber ausdrücklich klargestellt, dass bei raumbedeutsamen Vorhaben die Ziele der Raumordnung zu beachten sind; Anforderungen des Abfallrechts (Beachtung der abfallrechtlichen Grundpflichten der Erzeuger und Besitzer von Abfällen) sowie Anforderungen des Bodenschutzrechts (BBodSchG, Bundesbodenschutz- und Altlastenverordnung – BBodSchV) gerade im Hinblick auf die auch im Bergrecht hervorgehobene Funktion der Gefahrenvorsorge (§ 1 Nr. 3);116 Anforderungen des Naturschutzrechts.117 Dies betrifft auch die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung (§§ 14, 15 BNatSchG).118 Dabei treffen die Abwägung nach § 48 Abs. 2 BBergG und die naturschutzrechtliche Abwägung (bundesrechtlich: § 15 Abs. 5 BNatSchG) zusammen. Richtigerweise sind beide Abwägungen zu einer Gesamtabwägung zu verschmelzen.119 Wegen des Auffangcharakters des § 48 Abs. 2 Satz 1 BBergG sind naturschutzrechtliche Anforderungen an die „Wiedernutzbarmachung“ innerhalb deren gegenständlicher und räumlicher Reichweite nicht über diese Vorschrift, sondern über §§ 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 i.V.m. § 4 Abs. 4 BBergG abzuarbeiten. Anforderungen des Denkmalschutzrechts.120 Erkundung eines Standortes zur Endlagerung radioaktiver Abfälle sowie Einrichtung und Betrieb eines solchen Endlagers, wie sich aus § 9a Abs. 3 Satz 1 AtG ergibt;121 jetzt Standortauswahlgesetz (StandAG). Kommunale Selbstverwaltungsgarantie (Art. 28 GG) mit ihren Bestandteilen und Ausprägungen in Gestalt des Schutzes der Planungshoheit, der Funktionsfähigkeit kommunaler Ein-

113 BVerwG 29.6.2006, 7 C 11/05, BVerwGE 126, 205 Rn. 21 = ZfB 2006, 156. 114 BVerfG 17.12.2013, 1 BvR 3139/08, 3386/08, BVerfGE 134, 242 Rn. 302 = ZfB 2014, 49, 94 Rn. 303. 115 Dazu ausführlich Hoppe/Spoerr Bergrecht und Raumordnung, S. 118, 119 (der mit dem ROG 1998 eingeführte § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 ist mit dem ROG 2008 in § 4 Abs. 1 Nr. 3 verlagert worden).

116 BVerwG 14.4.2005, 7 C 26/03, BVerwGE 123, 247, 254 = ZfB 2005, 156, 161; OVG Münster 21.12.2007, 11 A 3051/06, ZfB 2008, 126, 143; OVG Koblenz 19.11.2007, 1 A 10706/05. OVG, ZfB 2008, 147, 154.

117 Boldt/Weller 1. Aufl. (1984), Ergänzungsband, § 48 Rn. 10; Rausch Umwelt- und Planungsrecht beim Bergbau, S. 229 f.; BVerwG 6.6.2012, 7 B 68/11, ZfB 2012, 236 Rn. 6; OVG Münster 21.12.2007, 11 A 1194/26, ZfB 2008, 101, 121 (Schutz des Waldes); Wilde DVBl 1998, 1321, 1324 f. 118 Brockhoff Naturschutzrechtliche Eingriffsregelung in bergrechtlichen Zulassungsverfahren, S. 290 ff.; Kolonko Anforderungen der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung an einem Abbau von Steinen und Erden, S. 151 f.; Kühne in: Hendler/Marburger/Reinhardt/Schröder (Hrsg.) Die strategische Umweltprüfung (sog. Plan-UVP) als neues Instrument des Umweltrechts (2004), S. 251, 293 f. 119 Brockhoff Naturschutzrechtliche Eingriffsregelung in bergrechtlichen Zulassungsverfahren, S. 293 f.; Kühne in: Hendler/Marburger/Reinhardt/Schröder (Hrsg.) Die strategische Umweltprüfung (sog. Plan-UVP) als neues Instrument des Umweltrechts (2004), S. 251, 293. 120 Boldt/Weller 1. Aufl. (1984), Ergänzungsband, § 48 Rn. 10; Rausch Umwelt- und Planungsrecht beim Bergbau, S. 222 f.; OVG Münster 21.12.2007, 11 A 3051/06, ZfB 2008, 126, 143; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 48 Rn. 49. 121 OVG Lüneburg 17.7.2008, 7 LC 53/05, ZfB 2008, 257, 265 f. Kühne

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richtungen und des Selbstgestaltungsrechts.122 Die Bergbehörde ist deshalb über § 48 Abs. 2 Satz 1 gehalten, eine beabsichtigte Gewinnung des Bodenschatzes zu beschränken oder zu untersagen, wenn nur dadurch eine unverhältnismäßige Beeinträchtigung der Selbstverwaltungsgarantie der betroffenen Gemeinde vermieden werden kann. Eine solche Beeinträchtigung kommt nur dann in Betracht, wenn durch das Vorhaben eine hinreichend konkrete und verfestigte eigene Planung der Gemeinde nachhaltig gestört wird oder wenn das Vorhaben wegen seiner Großräumigkeit wesentliche Teile des Gemeindegebiets einer durchsetzbaren kommunalen Planung entzieht.123 Das Vorhaben darf ferner von der Gemeinde konkret in Betracht gezogene städtebauliche Planungsmöglichkeiten nicht unnötig verbauen.124 Das Selbstgestaltungsrecht wird nach Auffassung des BVerwG allenfalls dann verletzt, wenn die Gemeinde durch Maßnahmen betroffen wird, die das Ortsbild entscheidend prägen und hierdurch nachhaltig auf das Gemeindegebiet und die Entwicklung der Gemeinde einwirken. Denkbare Bergschäden an einzelnen Gebäuden, auch wenn diese in Bebauungsplänen als zu erhaltende festgesetzt sind, stellen eine solche Beeinträchtigung des Selbstgestaltungsrechts (noch) nicht dar.125 In der instanzgerichtlichen Rechtsprechung finden sich teilweise den Schutzbereich der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie stärker einengende Voraussetzungen („schlechthin unerträgliches Ausmaß der Beeinträchtigung des Selbstverwaltungsrechts“).126 Für das obligatorische Rahmenbetriebsplanverfahren (bergrechtliche Planfeststellung) 61 sieht § 52 Abs. 2a Satz 3 ergänzend vor, dass Anforderungen eines vorsorgenden Umweltschutzes, die sich bei der Umweltverträglichkeitsprüfung ergeben und über die Zulassungsvoraussetzungen des § 55 sowie der auf das Vorhaben anwendbaren Vorschriften in anderen Gesetzen hinausgehen, dabei „öffentliche Interessen“ im Sinne des § 48 Abs. 2 sind.127

c) Insbesondere: Schutz des Grundeigentums als „öffentliches Interesse“ bei Berg- 62 schäden. Vorbereitet durch vorangegangene Äußerungen im Schrifttum128 hat die Rechtsprechung unter Führung des BVerwG Ende der 80er Jahre § 48 Abs. 2 zur Umgestaltung des Verhältnisses zwischen dem Bergbau und dem Grundeigentum hinsichtlich der schädigenden Auswirkungen des (untertägigen) Bergbaus auf das Oberflächeneigentum eingesetzt. Dieses Verhältnis war traditionell durch das Prinzip „Dulde und liquidiere“ gekennzeichnet: Der Bergbautreibende war – mit korrespondierender Duldungspflicht des Grundeigentümers – zu der mit normgemäßem Bergbau verbundenen Schädigung der Grundstücksoberfläche befugt. Die Regulierung der Bergschäden erfolgte ausschließlich auf privatrechtlicher Ebene (§§ 114 ff.).129 Der 4. Senat des BVerwG hat in seiner Leitentscheidung vom 16.3.1989 („Moers-Kapel- 63 len“)130 diese Rechtslage erheblich verändert. In der überkommenen Auffassung sah das Gericht eine mit der Eigentumsgarantie (Art. 14 GG) nicht vereinbare Zurücksetzung der Rechtsposition des Grundeigentümers. Unter weiterer Heranziehung des Verhältnismäßigkeitsprinzips (Art. 20 Abs. 3 GG) hat das BVerwG über die Betriebsplanzulassungsvoraussetzung des § 48 Abs. 2 („Nicht122 BVerwG 15.12.2006, 7 C 1/06, BVerwGE 127, 259, 264 Rn. 30 = ZfB 2006, 306; BVerwG 23.6.2022, 7 C 1.21, juris, Rn. 11; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 48 Rn. 60; Schenke Bergbau contra Oberflächeneigentum und kommunale Selbstverwaltung? S. 72 f.; Schoch FS Hoppe (2000), S. 711, 720. 123 BVerwG 15.12.2006, 7 C 1/06, BVerwGE 127, 259 Rn. 31 = ZfB 2006, 306, 311. 124 BVerwG 15.12.2006, 7 C 1/06, BVerwGE 127, 259 Rn. 31 = ZfB 2006, 306, 311. 125 BVerwG 15.12.2006, 7 C 1/06, BVerwGE 127, 259 Rn. 31 = ZfB 2006, 306, 311. 126 Z.B. VG Chemnitz 4 K 2854/93, 10.8.1994, ZfB 1995, 38, 42; krit. dazu Schoch FS Hoppe (2000), S. 711, 719 ff. m.w.Nachw. 127 Zu der Bestimmung näher § 52 Rn. 79 ff. 128 Stüer NuR 1985, 263 ff. 129 So zusammengefasst BT-Drs. 8/1315, S. 137; Boldt/Weller 1. Aufl. (1984), § 114 Rn. 8. 130 BVerwG 16.3.1989, 4 C 36/85, BVerwGE 81, 329 = ZfB 1989, 199 = DVBl 1989, 663 m. Anm. Beckmann = NVwZ 1989, 1157 m. Anm. Schulte = JZ 1990, 133 m. Anm. Kühne. 325

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Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

entgegenstehen überwiegender öffentlicher Interessen“)131 die Rechtsposition des Oberflächeneigentümers verstärkt: § 48 Abs. 2 ist demzufolge verfassungskonform dahin auszulegen, dass die zuständige Behörde die Aufsuchung oder Gewinnung von Bodenschätzen beschränken oder untersagen muss, wenn – unbeschadet der in §§ 114 ff. getroffenen Bergschadensregelung – nur dadurch eine unverhältnismäßige Beeinträchtigung des Oberflächeneigentums vermieden werden kann;132 insoweit hat das Gericht § 48 Abs. 2 auch nachbarschützenden Charakter zugesprochen.133 Eine Verweisung der Oberflächeneigentümer allein auf die Bergschadensregulierung nach §§ 114 ff. hielt der 4. Senat bei „kleinen und mittleren Schäden“ für verfassungsrechtlich unbedenklich.134 Eigentumsbeeinträchtigungen an der Oberfläche „von einigem Gewicht“ unterliegen demgegenüber der Abwägung mit den entgegenstehenden Interessen des Grundeigentümers am Maßstab des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes.135 In seinem Urteil vom 13.12.1991 („Erdgasspeicher“)136 hatte der 7. Senat des BVerwG zu erwä64 gen gegeben, ob eine den Anforderungen der Verfassung entsprechende Verstärkung des Sachgüterschutzes (Oberflächeneigentum) außenstehender Dritter nicht auch über dessen Einbeziehung in die Schutzgüter des § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 erreichbar wäre. Der 7. Senat hat diese Erwägung im Urteil vom 14.4.2005 („Tongruben-Urteil II“) ausdrücklich aufgegeben.137 Ungeachtet der im Schrifttum138 gegenüber der Moers-Kapellen-Entscheidung vorgebrachten 65 dogmatischen Bedenken, vor allem gegenüber der Einstufung des Sachgüterschutzes als „öffentliches Interesse“,139 hat sich diese in der Folgezeit innerhalb der instanzgerichtlichen Judikatur durchgesetzt.140 Im Übrigen hat der Bundesgesetzgeber die Grundsätze des Moers-Kapellen-Urteils aus Anlass des BBergG-ÄndG 1990141 in seinen Willen aufgenommen (Ergänzung des § 48 Abs. 2 um die Sätze 3 bis 6, § 57a Abs. 5 2. Halbsatz). Zu den verfahrensrechtlichen Auswirkungen der Moers-Kapellen-Rechtsprechung vgl. unten VII.

66 d) Die materiellen Kriterien für den Schutz des Oberflächeneigentums nach § 48 Absatz 2. Das BVerwG hat im Moers-Kapellen-Urteil die Kriterien für die verwaltungsverfahrensrechtliche Beachtlichkeit von Bergschäden nur ungenau umschrieben („kleine und mittlere Schäden im üblichen Umfang“:142 unbeachtlich; „Eigentumsbeeinträchtigungen an der Oberfläche von

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BVerwG 4.7.1986, 4 C 31/84, BVerwGE 74, 315, 323 = ZfB 1987, 60, 67. BVerwG 16.3.1989, 4 C 36/85, BVerwGE 81, 329, 346 = ZfB 1989, 199, 209. BVerwG 16.3.1989, 4 C 36/85, BVerwGE 81, 329, 346 = ZfB 1989, 199, 209. BVerwG 16.3.1989, 4 C 36/85, BVerwGE 81, 329, 344 = ZfB 1989, 199, 209. BVerwG 16.3.1989, 4 C 36/85, BVerwGE 81, 329, 345 = ZfB 1989, 199, 209. BVerwG 13.12.1991, 7 C 25/90, BVerwGE 89, 246, 248 f. = ZfB 1992, 38, 40 f. = UPR 1992, 236, 237 mit Anm. Kühne UPR 1992, 218. 137 BVerwG 7 C 26/03, BVerwGE 123, 247, 253 = ZfB 2005, 156, 160. 138 Aus der umfangreichen Literatur zum Verhältnis Bergbau – Oberflächeneigentum im Gefolge der „Moers-Kapellen“-Entscheidung sind insbesondere zu nennen: Beckmann DVBl 1992, Gaentzsch DVBl 1993, 527; Heitmann ZfB 1990, 179; Hoppe Das Spannungsverhältnis von Bergwerkseigentum und Oberflächeneigentum im Lichte des Verfassungsrechts (1991); Hüffer (Hrsg.) Oberflächeneigentum und Bergbau (1994); Schenke Bergbau contra Oberflächeneigentum und kommunale Selbstverwaltung? (1994); Schmidt-Aßmann/Schoch Bergwerkseigentum und Grundeigentum im Betriebsplanverfahren (1994); Schulte Zum Verhältnis Bergwerkseigentum – Grundeigentum, NVwZ 1989, 1138. 139 So z.B. Beckmann DVBl 1992, 741, 745 f.; Kühne JZ 1990, 138, 139. Andererseits ist die Beschränkung des Grundrechtsschutzes auf schwere Schäden kritisiert worden, vgl. Schenke Bergbau contra Oberflächeneigentum und kommunale Selbstverwaltung? S. 26 ff.; Stiens Der bergrechtliche Betriebsplan, S. 128 ff. 140 Statt vieler: OVG Saarlouis 1.9.1998, 2 R 4/98 (9 R 13/96), ZfB 1998, 171, 191 f.; Keienburg Die Öffentlichkeitsbeteiligung im Bergrecht, S. 40. 141 BGBl. 1990 I 215. 142 BVerwG 16.3.1989, 4 C 36/85, BVerwGE 81, 329, 344 = ZfB 130, 199, 209. Kühne

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einigem Gewicht“:143 beachtlich). Entgegen erstem Anschein ist auch das geschützte Rechtsgut „Oberflächeneigentum“ nicht eindeutig.144 Hinsichtlich des Kriteriums der Eigentumsbeeinträchtigungen von einigem Gewicht (schwerer Bergschäden) waren anfangs die Gerichte um allerdings ebenfalls wenig aussagekräftige Umschreibungen bemüht (Zerstörung des Grundeigentums in seiner Substanz mit Totalverlust,145 schwere und unerträgliche Getroffenheit des Grundeigentümers146). Eine Konkretisierung im Tatsächlichen brachte dann der Kriterienkatalog des Länderausschusses Bergbau – Arbeitskreis Rechtsfragen – aus dem Jahre 1992 (überarbeitete Fassung).147 Danach können Eigentumsbeeinträchtigungen an der Oberfläche von einigem Gewicht, d.h. solche, die über kleine und mittlere Schäden im üblichen Umfang hinausgehen, – vor allem im Steinkohlenbergbau – mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit insbesondere eintreten 1. in Bereichen vorhandener oder zu erwartender Unstetigkeitszonen, 2. in Bereichen, in denen bei baulichen Anlagen unter Berücksichtigung der Vorbelastung eine maximale Gesamtschieflage von mindestens 30 mm/m zu erwarten ist. Liegen der Behörde Messergebnisse vor, aus denen sich ganz oder teilweise die bisher eingetretene mittlere Schieflage ergibt, so kann es zweckmäßig sein, bei der Prüfung der Beteiligungspflicht anstelle der maximalen die mittlere Gesamtschieflage zugrunde zu legen; in diesen Fällen ist der Mindestschieflagenwert von 30 mm/m angemessen herabzusetzen (Verwaltungspraxis: 25 mm/m), 3. darüber hinaus bei geringeren Einwirkungen in besonders gelagerten Einzelfällen (z.B. Gewerbebetrieben, wenn eine Betriebseinstellung oder nachhaltige -unterbrechung zu erwarten ist, oder bei Gebäuden, die besonderen bergbaulichen Beanspruchungen, etwa durch wechselnde Schieflagerichtungen, ausgesetzt waren).148 Mangels Rechtsnormeigenschaft kommt dem Kriterienkatalog keine Außenrechtsverbindlichkeit zu. Er verkörpert Sachverständigen- und Erfahrungswissen, das ein Wahrscheinlichkeitsurteil begründet.149 Weitere Kriterien können Berücksichtigung finden (vgl. Nr. 3: besonders gelagerte Einzelfälle). Der Behörde steht bei der Handhabung der Kriterien eine Einschätzungs- und Beurteilungsprärogative zur Seite.150 Außerhalb des Kriterienkatalogs sind bergbauinduzierte Auswirkungen in Gestalt von Erderschütterungen denkbar. „Schwere Bergschäden“ sind allerdings nicht einmal oberhalb von Schwinggeschwindigkeiten von 50 mm/s wahrscheinlich. In extremen Ausnahmefällen wären diese allerdings ebenfalls zu berücksichtigen.151 Schutzfähig i.S. der Moers-Kapellen-Entscheidung des BVerwG sind Oberflächeneigentümer und ihnen gleichgestellte Inhaber dinglicher Rechte, z.B. Nießbraucher, sowie die Betreiber eingerichteter und ausgeübter Gewerbebetriebe (vgl. Nr. 3 des Kriterienkataloges),152 dagegen nicht Inhaber obligatorischer Nutzungsrechte, da sie mittelbar über ihre Rechtsposition gegenüber dem Eigentümer geschützt sind.153 Auch Gesundheitsbeeinträchtigungen fallen im Hinblick auf

143 BVerwG 16.3.1989, 4 C 36/85, BVerwGE 81, 329, 345 = ZfB 130, 199, 209. 144 Zu den materiellen Kriterien für den Schutz des Oberflächeneigentums nach § 48 Abs. 2 BBergG ausführlich Keienburg Die Öffentlichkeitsbeteiligung im Bergrecht, S. 35 ff. 145 OVG Münster 25.4.1989, 12 B 2614/88, ZfB 1990, 33, 37. 146 VG Stade 19.2.1991, ZB 54/90, ZfB 1991, 213, 222. 147 Hinweise des Länderausschusses Bergbau – Arbeitskreis Rechtsfragen – zur Umsetzung des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 16.3.1989 – 4 C 36/85 – (Moers-Kapellen), in: ZfB 1995, 345. 148 ZfB 1995, 345, 346. 149 OVG Saarlouis 1.9.1998, 2 R 4/98 (9 R 13/96) = ZfB 1998, 171, 186. 150 OVG Saarlouis 22.8.2001, 2 W 1/01 = ZfB 2001, 287, 291. 151 OVG Saarlouis 22.8.2001, 2 W 1/01 = ZfB 2001, 287, 295; näher dazu Keienburg Die Öffentlichkeitsbeteiligung im Bergrecht, S. 50 ff. 152 Keienburg Die Öffentlichkeitsbeteiligung im Bergrecht, S. 52 f.; verneinend für den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb VG Saarlouis 28.8.2003, 2 K 56/02 = ZfB 2003, 293, 301. 153 Keienburg Die Öffentlichkeitsbeteiligung im Bergrecht, S. 53 f. 327

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die Vorrangigkeit des § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 (außerbetrieblicher Gesundheitsschutz ist dort erfasst154) nicht unter § 48 Abs. 2.155 72 Nach der ständigen instanzgerichtlichen Rechtsprechung156 ist im Hinblick auf die Grundrechtsunfähigkeit der Gemeinden157 kommunales Eigentum nicht über § 48 Abs. 2 geschützt. Dies wird daraus abgeleitet, dass das BVerwG den Schutz des Grundeigentums im Wege verfassungskonformer Auslegung (Art. 14 GG) des „öffentlichen Interesses“ begründet hat. Die Gemeinden als grundrechtsunfähige Rechtssubjekte könnten sich auf eine solche grundrechtsgeleitete Auslegung nicht berufen. Der Auffassung der Rechtsprechung ist nicht zu folgen. Übersehen wird bei dieser Argumentation, dass das Ergebnis verfassungskonformer Auslegung des einfachen objektiven Rechts nicht zuletzt aus Gründen des Gleichheitsgebots gegenüber allen Rechtssubjekten unabhängig von deren Grundrechtsfähigkeit zur Anwendung kommen muss.158 In diese Richtung weist jetzt auch die Entscheidung des BVerwG vom 20.11.2008 über die Schutzfähigkeit kommunalen Grundeigentums im Verfahren der Zulegung eines gemeindeeigenen Grundstücks (§ 35).159 73 Hat sich der Oberflächeneigentümer seines Eigentumsschutzes durch einen Bergschadensverzicht begeben, so kommt ihm der Schutz des Moers-Kapellen-Rechtsprechung nicht zugute.160

74 e) Insbesondere: Betriebsplanverfahrensrechtlicher Schutz des Grundeigentums im Falle nachfolgender Grundabtretungspflichtigkeit. In Anknüpfung an die Moers-KapellenRechtsprechung161 hat das BVerwG im sog. Garzweiler II-Urteil vom 29.6.2006162 § 48 Abs. 2 auch zum Schutze der Grundeigentümer eingesetzt, die im Falle erfolgter Betriebsplanzulassung für einen Tagebau von der Entziehung ihres Eigentums im Wege der Grundabtretung bedroht würden. In der früheren Entscheidung vom 14.12.1990163 hatte das BVerwG noch die Auffassung vertreten, das Betriebsplanverfahren und das Grundabtretungsverfahren seien zwei vollständig getrennte Verwaltungsverfahren, die auch nicht in der Weise miteinander verbunden seien, dass durch das Vorhaben drohende Eingriffe in das Grundeigentum Dritter, die zum Gegenstand des Grundabtretungsverfahrens gehören, bereits zum Prüfungsgegenstand für das vorausgehende Betriebsplanverfahren vorgezogen werden können. Demgegenüber entfaltet nach dem Urteil vom 154 BVerwG 13.12.1991, 7 C 25/90, BVerwGE 89, 246, 248 = ZfB 1992, 38, 40; BVerwG 29.3.2010, 7 C 18/09 = ZfB 2010, 129 Rn. 20.

155 Keienburg Die Öffentlichkeitsbeteiligung im Bergrecht, S. 64 m.w.Nachw. Das BVerwG 29.4.2010, 7 C 18/09 = ZfB 2010, 129 Rn. 20, hat entgegen der Vorinstanz (OVG Münster 20.8.2009, 11 A 456/06, ZfB 2009, 261, 268) auch nur mittelbar durch den Betrieb herbeigeführte Gefahren für Leben und Gesundheit Dritter (Lebens- und Gesundheitsgefahren durch bergbaubedingtes Schadenshochwasser) nicht § 48 Abs. 2 Satz 1, sondern § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 zugeordnet. 156 OVG Münster 5.9.2003, 21 B 2517/02, ZfB 2003, 282, 283; VG Saarlouis 6.2.2002, 2 F 76/01, ZfB 2003, 136, 147; w. Nachw. bei Keienburg Die Öffentlichkeitsbeteiligung im Bergrecht, S. 55; Kühne NVwZ 2005, 59. Auch die Hinweise des Länderausschusses Bergbau – Arbeitskreis Rechtsfragen – vom 23.10.1992 (ZfB 1995, 345) gaben diese Rechtsauffassung wieder (A. II 4). Das OVG Münster 18.7.2006, 11 B 9/06, ZfB 2006, 168, 169, lässt es zu, dass sich Gemeinden im Rahmen ihres Selbstverwaltungsrechts neben der Planungshoheit auch auf ihr Eigentum berufen, falls mit erheblicher Wahrscheinlichkeit an kommunalen Einrichtungen senkungsbedingte Oberflächenschäden entstehen, die in der Summe an der Schwelle zum Gemeinschaden liegen. 157 BVerfG 8.7.1982, 2 BvR 1187/80, BVerfGE 61, 82, 105 ff., 109; hinsichtlich gemischt-wirtschaftlicher Unternehmen mit kommunaler Dominanz BVerfG 3 K. d. 1. Senats, 16.5.1989, 1 BvR 705/88, JZ 1990, 335 m. abl. Anm. Kühne; BVerfG 1. K. d. 1. Senats, 18.5.2009, 1 BvR 1731/05, JZ 2009, 1069 m. abl. Anm. Kühne. 158 Kühne NVwZ 2005, 59; Kühne FS Rolland (1999), 211; Gaentzsch Diskussionsbeitrag in Hüffer (Hrsg.) Oberflächeneigentum und Bergbau (1994), 97. 159 BVerwG 20.11.2008, 7 C 10/08, BVerwGE = ZfB 2009, 46, 50; dazu zustimmend Beckmann/Wittmann ZfB 2009, 32, 38 f. 160 Keienburg Die Öffentlichkeitsbeteiligung im Bergrecht, S. 61 f. m.w.Nachw. 161 BVerwG 16.3.1989, 4 C 36/85, BVerwGE 81, 329 = ZfB 130, 199. 162 BVerwG, 29.6.2006, 7 C 11.05, BVerwGE 126, 205 = ZfB 2006, 156. 163 BVerwG 14.12.1990, 7 C 18/90, ZfB 1991, 140, 142. Kühne

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29.6.2006 § 48 Abs. 2 Satz 1 schon bei der Zulassung eines Rahmenbetriebsplans für einen Tagebau drittschützende Wirkung zu Gunsten der Eigentümer, deren Grundstücke für den Tagebau unmittelbar in Anspruch genommen werden sollen.164 Durch diese „Vorwirkung“ wird das spätere Grundabtretungsverfahren jedoch nicht obsolet. Im Übrigen hatte das BVerwG in seiner Entscheidung vom 29.6.2006 die Art der „Vorwirkung“ auf das Grundabtretungsverfahren und das Prüfungsprogramm im Betriebsplanverfahren und im Grundabtretungsverfahren nicht vollständig geklärt:165 – Zunächst ist bei den Auswirkungen einer Berücksichtigung der Belange von Grundeigentümern im Rahmenbetriebsplanverfahren auf die Grundabtretungsvoraussetzungen zwischen denen des § 77 Abs. 2 Satz 1 (betriebliche Notwendigkeit der Grundstücksbenutzung) einerseits und denen des § 79 Abs. 1 (Allgemeinwohldienlichkeit) andererseits zu unterscheiden: – Im Falle der Beteiligung eines betroffenen Grundeigentümers an einem Rahmenbetriebsplanverfahren mit dessen nachfolgender Zulassung oder der ergebnislosen Anfechtung der Zulassung auch ohne eine solche Beteiligung ist – vorbehaltlich einer Änderung der tatsächlichen Verhältnisse – durch den bestandskräftig zugelassenen Rahmenbetriebsplan festgestellt, dass das Vorhaben einer technischen und wirtschaftlich sachgemäßen Betriebsplanung und Betriebsführung entspricht und die Benutzung der Grundstücke für das Abbauvorhaben unter diesem Gesichtspunkt notwendig ist (§ 77 Abs. 2);166 – Demgegenüber hat das BVerwG wohl wegen der nur partiellen Deckungsgleichheit der „öffentlichen Interessen“ i.S. von § 48 Abs. 2 Satz 1 und des „Wohls der Allgemeinheit“ i.S. von § 79 Abs. 1 Satz 1 keine Aussage dahin getroffen, mit der Verneinung entgegenstehender überwiegender öffentlicher Interessen i.S. von § 48 Abs. 2 Satz 1 stehe zugleich umgekehrt fest, dass das Vorhaben i.S. von § 48 Abs. 2 Satz 1 dem „Wohl der Allgemeinheit“ i.S. des § 79 Abs. 1 dient.167 Die Zielrichtung der neuen Rechtsprechung des BVerwG war eine zweifache: Durch die Inblicknahme der Grundabtretung bereits im Betriebsplanzulassungsverfahren sollte verhindert werden, dass eine Betriebsplanzulassung erfolgt, wenn schon zu diesem Zeitpunkt feststeht, dass das Vorhaben wegen Fehlens der Voraussetzungen der §§ 77, 79 nicht durchgeführt werden kann.168 Zum anderen sollte dadurch der Rechtsschutz der Grundeigentümer, der andernfalls zu spät gekommen wäre, auf den Zeitpunkt der Zulassung des Vorhabens vorgezogen werden.169 Die damit in Verbindung stehende verfassungsrechtliche Garantie effektiven Rechtsschutzes (Art. 14 Abs. 1 Satz 1, 19 Abs. 4 Satz 1 GG) sowie die Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 GG) haben jüngst dem 1. Senat des BVerfG170 im Fall des Tagebaus Garzweiler I/II Veranlassung gegeben, die Bedeutung des § 48 Abs. 2 Satz 1 für bergbauliche Großvorhaben mit umfangreichen Enteignungen zu verstärken. Ausgehend von der schon für das BVerwG bedeutsamen Erkenntnis, dass nach überkommenem Rechtszustand bei Großvorhaben die Rechtsschutzmöglichkeiten der betroffenen Grundeigentümer im Grundabtretungsverfahren auf einen bereits verfestigten Fortschritt des Vorhabens treffen und daher regelmäßig zu spät kommen, verlangt das BVerfG die Vornahme einer Gesamtabwägung zwischen den für das konkrete Vorhaben sprechenden Gemeinwohlbelangen einerseits und den durch seine Verwirklichung beeinträchtigten öffentlichen und privaten 164 BVerwG 29.6.2006, 7 C 11/05, BVerwGE 126, 205 Rn. 22 = ZfB 2006, 156. 165 So nach eigener Einschätzung auch BVerwG 20.10.2008, 7 B 21/08, ZfB 2008, 249 Rn. 17. 166 BVerwG 29.6.2006, 7 C 11/05, BVerwGE 126, 205 Rn. 26 = ZfB 2006, 156; BVerwG 20.10.2008, 7 B 21/08, ZfB 2008, 249 Rn. 17.

167 BVerwG 20.10.2008, 7 B 21/08, ZfB 2008, 249 Rn. 17. 168 Diesem Gesichtspunkt hätte das Gericht mit der Rechtsfigur des fehlenden Sachbescheidungsinteresses im Betriebsplanverfahren Rechnung tragen können; dazu die Ausführungen bei Kühne in: Kühne/Ehricke (Hrsg.) Entwicklungslinien des Bergrechts, S. 59 ff. 169 BVerwG 29.6.2006, 7C 11/05, BVerwGE = 126, 205 Rn. 23 f. = ZfB 2006, 156. 170 BVerfG 17.12.2013, 1 BvR 3139/08, 3386/08, BVerfGE 134, 242 ff. = ZfB 2014, 49 ff. 329

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Belangen andererseits bereits im (Rahmen-)Betriebsplanverfahren.171 Als Grundlage kommt nach Auffassung des BVerfG § 48 Abs. 2 in Betracht.172 Das Gericht leitet insbesondere aus der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG ab, dass ein solches Vorziehen der Gesamtabwägung verfassungsrechtlich geboten ist. Bei bergbaulichen Vorhaben unterhalb der Schwelle von Großvorhaben nach Art des Tagebaus Garzweiler I/II sieht das BVerfG keine durchgreifenden Bedenken gegen die erstmalige Durchführung der Gesamtabwägung im Grundabtretungsverfahren, „solange effektiver Rechtsschutz auch faktisch möglich und zumutbar ist“.173 Bei der Gewichtung des Art. 14 GG zugunsten der Grundeigentümer ist zu berücksichtigen, dass nach Auffassung des BVerfG174 diese Bestimmung den Bestand des konkreten (Wohn-)Eigentums auch in dessen gewachsenen Bezügen in sozialer Hinsicht schützt, soweit sie an örtlich verfestigte Eigentumspositionen anknüpfen. Art. 14 GG vermittelt danach den von großflächigen Umsiedlungsmaßnahmen in ihrem Eigentum Betroffenen einen Anspruch darauf, dass bei der Gesamtabwägung das konkrete Ausmaß der Umsiedlungen und die mit ihnen für die verschiedenen Betroffenen verbundenen Belastungen berücksichtigt werden. 80 Das Garzweiler-Urteil des BVerfG ist bislang im Schrifttum überwiegend positiv aufgenommen worden.175 Die Öffnung des § 48 Abs. 2 für die verfassungsrechtlich gebotene Durchführung der enteignungsrechtlichen Gesamtabwägung bei den vom Gericht angeschauten Fallgestaltungen verdient Zustimmung. Angesichts der diesbezüglichen tatbestandlichen Unschärfe sollte die Praxis – um auf der sicheren Seite zu sein – im Zweifel den Weg über § 48 Abs. 2 gehen. Unbefriedigend ist die Argumentation des BVerfG zur enteignungsrechtlichen Gesamtabwägung insofern, als sie die Grundrechtsqualität (Art. 14 GG) der Bergbauberechtigung nicht in die Abwägung einbezieht.176 Ungeklärt ist bislang auch, wie sich die Anwendung des § 48 Abs. 2 Satz 1 bei einer Vorziehung der enteignungsrechtlichen Gesamtabwägung in das Betriebsplanverfahren gestaltet, da bei der Abwägung nach § 48 Abs. 2 die Grundrechtsposition des Bergbauberechtigten aus Art. 14 GG mitzuberücksichtigen ist.177 81 Folgt man dem BVerfG und dem BVerwG und verlagert den Grundrechtsschutz (Art. 14 GG) der wahrscheinlich von einer nachfolgenden Grundabtretung betroffenen Grundeigentümer materiell in das Betriebsplanverfahren vor, dann muss dies konsequenterweise auch Auswirkungen auf die Beteiligung der Grundeigentümer im Betriebsplanverfahren haben.178

VI. § 48 Absatz 2 und Drittschutz 1. Allgemeines 82 In Nachvollzug der Entwicklung in anderen öffentlich-rechtlichen Rechtsbereichen, insbesondere solchen des Anlagengenehmigungsrechts, vor allem des Baurechts, hat die Rechtsprechung unter Führung des BVerwG seit Inkrafttreten des BBergG auch im Zusammenhang mit bergrechtlichen Zulassungsverfahren (Betriebsplanverfahren) in mehreren Fällen Genehmigungsvoraussetzungen drittschützende Wirkung zugesprochen.179 Hierbei ist § 48 Abs. 2 so etwas wie eine Schrittma-

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BVerfG 17.12.2013, 1 BvR 3139/08, 3386/08, BVerfGE 134, 242 Rn. 281 = ZfB 2014, 49 Rn. 282. BVerfG 17.12.2013, 1 BvR 3139/08, 3386/08, BVerfGE 134, 242 Rn. 276 = ZfB 2014, 49 Rn. 277. BVerfG 17.12.2013, 1 BvR 3139/08, 3386/08, BVerfGE 134, 242 Rn. 223 = ZfB 2014, 49 Rn. 224. BVerfG 17.12.2013, 1 BvR 3139/08, 3386/08, BVerfGE 134, 242 Rn. 270 = ZfB 2014, 49 Rn. 271. Frenz NVwZ 2014, 211; Durner/Karrenstein DVBl 2014, 182; kritisch zur Verneinung des planerischen Charakters der Gesamtabwägung von Weschpfennig Strukturen des Bergrechts, S 261. 176 Dazu Kühne NVwZ 2014, 321, 323. 177 VG Saarland 8.3.1993, 2F 95/92, ZfB 1994, 31, 41; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 48 Rn. 64. 178 Vgl. unten Rn. 94. 179 Dazu näher § 55 Rn. 45, 97 m.w.Nachw. Kühne

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cherrolle zugefallen. Bereits im Altenberg-Urteil von 1986180 hatte das BVerwG die Auffassung vertreten, dass eine dem § 22 BImSchG zugeschriebene drittschützende Wirkung auch bei Anwendung dieser Bestimmung innerhalb des § 48 Abs. 2 zum Tragen komme. Über diese Fallsituation hinaus hat die Rechtsprechung in der Folgezeit die drittschützende Wirkung sowohl des § 48 Abs. 2 als auch innerhalb des § 55181 auf weitere Fälle ausgedehnt.

2. Drittschützende „öffentliche Interessen“ im Einzelnen Die Begründung des BVerwG im Altenberg-Urteil zur drittschützenden Wirkung des § 48 BBergG i.V.m. § 22 BImSchG legt die Schlussfolgerung nahe, dass eine drittschützende Wirkung im Rahmen von § 48 Abs. 2 immer dann anzunehmen ist, wenn die „öffentlichen Interessen“ in Rechtsnormen konkretisiert sind, denen ihrerseits zumindest auch eine individualschützende Funktion zukommt. Besondere Bedeutung hat die drittschützende Wirkung des § 48 Abs. 2 innerhalb der MoersKapellen-Rechtsprechung erlangt. Neben der materiellen Einbeziehung des Schutzes des Oberflächeneigentums vor schweren bergbaubedingten Beeinträchtigungen in die „öffentlichen Interessen“ ist die Aussage des BVerwG über den diesbezüglichen nachbarschützenden Charakter des § 48 Abs. 2 die zweite Säule des Urteils vom 16.3.1989.182 Materieller Gehalt des Eigentumsschutzes und Umfang des nachbarschützenden Charakters des § 48 Abs. 2 decken sich dabei. Die im Moers-Kapellen-Urteil des BVerwG entwickelte nachbarschützende Funktion des § 48 Abs. 2 zugunsten des Oberflächeneigentums hat mit dem BBergGÄndG von 1990 zu verfahrensrechtlichen Sonderregelungen in § 48 Abs. 2 Sätze 3 bis 6 geführt (s. VII.). Das BVerwG hat ferner in Anwendung der Grundsätze des Moers-Kapellen-Urteils den bodenschutzrechtlichen Anforderungen des BBodSchG bei der Zulassung eines Abschlussbetriebsplans (Verfüllung einer Tongrube mit Abfällen) drittschützende Wirkung beigelegt.183 Auch die in Art. 28 Abs. 2 GG verankerte gemeindliche Planungshoheit vermittelt betroffenen Gemeinden über § 48 Abs. 2 Drittschutz.184 Dieser reicht jedoch nicht weiter als der Schutz der gemeindlichen Planungshoheit allgemein, greift also erst ein, wenn das zur Zulassung anstehende Vorhaben eine hinreichend konkrete und verfestigte eigene Planung der Gemeinde nachhaltig stört, wegen seiner Großräumigkeit wesentliche Teile des Gemeindegebietes einer durchsetzbaren Planung entzieht oder wenn von der Gemeinde konkret in Betracht gezogene städtebauliche Planungsmöglichkeiten unnötig verbaut werden.185

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3. Planungsrecht und Drittschutz Durch Art. 3 des „Gesetzes zur Änderung raumordnungsrechtlicher Vorschriften“ v. 23.5.2017 88 (BGBl. I S. 1245) ist § 48 Abs. 2 S. 2 eingefügt worden. Die Vorschrift enthält die Beachtenspflicht von Zielen der Raumordnung bei raumbedeutsamen Vorhaben. Sie soll die Verbindlichkeit raumordnerischer Festlegungen bei bergrechtlichen Zulassungen sicherstellen. Schon bislang wurde die strikte Beachtenspflicht zielförmiger raumordnerischer Festlegungen bei Planfeststellungen bejaht. Diese Wirkung ist nun auf Zulassungen, die nicht in Form von Planfeststellungen ergehen, durch die Gesetzesergänzung von 2017 erweitert worden.

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BVerwG 4.7.1986, 4 C 31/84, BVerwGE 74, 315, 327 = ZfB 1987, 61, 69. Näher § 55 Rn. 45, 97 m.w.Nachw. BVerwG 16.3.1989, 4 C 36/85, BVerwGE 81, 329, 346 = ZfB 1989, 199, 209. BVerwG 14.4.2005, 7 C 26/03, BVerwGE 123, 247, 260 f. = ZfB 2005, 156, 165. BVerwG 15.12.2006, 7 C 1/06, BVerwGE 127, 259 Rn. 29 bis 31 = ZfB 2006, 306. BVerwG 15.12.2006, 7C 1/06, BVerwGE 127, 259 Rn. 31 = ZfB 2006, 306, 311. Kritisch zu der Enge dieser Kriterien Schoch FS Hoppe (2000), S. 711, 721.

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Von der strikten Bindungswirkung sind Regelungen minderer Bindungsintensität wie z.B. die „Grundsätze und sonstigen Erfordernisse der Raumordnung“ zu unterscheiden. Deren mindere Bindungswirkung, z.B. von Abwägungs- und Ermessensentscheidungen, wird durch die Neuregelung nicht berührt. Abgesehen von dieser gesetzlichen Regelung entfalten Vorschriften des Planungsrechts sowie Grundsätze der Raumordnung und Landesplanung keine drittschützende Wirkung.186

4. Zivilrechtlicher Drittschutz über § 823 Abs. 2 BGB 89 Aufgrund seines auch drittschützenden Charakters kann § 48 Abs. 2 hinsichtlich des Oberflächenschutzes auch Schutzgesetz i.S. von § 823 Abs. 2 BGB sein; dies indes nur, wenn die Pflichtenlage des Bergbautreibenden durch eine bergbehördliche Verfügung, z.B. Betriebsplanzulassung unter Auflage, konkretisiert ist.187 Bedeutung kann dem zivilrechtlichen Drittschutz daher bei Schadenszufügungen zufallen, welche sich aus der Nichtbefolgung bergbehördlicher Schutzanordnungen ergeben.

VII. Verfahrensrechtliche Ausgestaltung des Drittschutzes (§ 48 Absatz 2 Sätze 2 bis 6) 1. Grundsätzliche Bemerkungen zur Beteiligung nach § 48 Absatz 2 Sätze 2 bis 6 90 Die durch das Moers-Kapellen-Urteil des BVerwG188 vorgegebene verfahrensrechtliche Ausgestaltung des Drittschutzes, d.h. die Verfahrensbeteiligung Dritter, bereitet insbesondere bei untertägigen Bergbauvorhaben Schwierigkeiten, weil die Anzahl der von bergbaulichen Einwirkungen Betroffenen (Grundstückseigentümer) und das Ausmaß der Beeinträchtigungen im Vorhinein kaum verlässlich vorherzusagen sind. Dies gilt in besonderer Weise in Anbetracht der unscharfen Kriterien, unter denen der Drittschutz überhaupt eingreift (z.B. „Eigentumsbeeinträchtigungen von einigem Gewicht“). Zur Vermeidung von Verfahrensfehlern bedarf es daher öffentlichkeitsbezogener Beteiligungskriterien. Der im Jahre 1990 eingefügte § 48 Abs. 2 Sätze 2 bis 6 legt diese fest. 91 Unter Heranziehung des Art. 14 GG will das BVerwG im Moers-Kapellen-Urteil189 sichergestellt sehen, dass Eigentumsbeeinträchtigungen an der Oberfläche von einigem Gewicht, mit denen nach Lage der Dinge mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit schon im Zeitpunkt der Betriebsplanzulassung zu rechnen ist, nicht durch eine behördliche Entscheidung, welche für den Bergbauunternehmer die Grundlage seiner Tätigkeit in dem betreffenden Bereich ist, sanktioniert werden, ohne dass sich die so Betroffenen zuvor mit ihren Einwendungen zu Gehör bringen konnten und eine Abwägung der entgegenstehenden Interessen am Maßstab des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes stattgefunden hat. Zu den „Betroffenen“ gehören alle, denen materiell „Eigentumsschutz“ zukommt, also auch Gemeinden.190 92 Bei den durch das BBergG-ÄndG vom 12.2.1990191 vorgenommenen Ergänzungen des § 48 Abs. 2 Sätze 2 bis 6 handelt es sich um eine reine Verfahrensregelung. Sie ermöglicht in Anlehnung an vergleichbare Fälle in anderen Fachgesetzen, z.B. § 10 Abs. 3 BImSchG, durch ein Auslegungsverfahren eine große Zahl von Eigentümern, vor allem aber auch die der Behörde unbe186 OVG Münster, 10.8.1989, 12 A 217/88, ZfB 1990, 43, 44; VG Aachen 25.11.1987, 3 K 638/87, ZfB 1988, 223, 227; Piens/ Schulte/Graf Vitzthum, BBergG, § 56 Anhang Rn. 427 m.w.N. Hüffer FS Niederländer (1991), S. 267, 283. BVerwG 16.3.1989, 4 C 36/85, BVerwGE 81, 329, 346 = ZfB 1989, 199, 209. BVerwG 16.3.1989, 4 C 36/85, BVerwGE 81, 329, 346 = ZfB 1989, 199, 209. Oben Rn. 71–73. BGBl. I 215.

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kannten Betroffenen wirksam am Betriebsplanverfahren zu beteiligen. Dabei reicht es für die Anwendung von § 48 Abs. 2 Satz 3 aus, wenn eine der beiden Voraussetzungen – mehr als 300 Betroffene oder der Kreis der Betroffenen ist nicht abschließend bekannt – alternativ erfüllt ist. Die Zahl von 300 Betroffenen entstammt § 73 Abs. 5 Satz 2 Nr. 4 Buchst. b) VwVfG in der zur Zeit der Verabschiedung des BBergG geltenden Fassung. Mit Art. 1 Nr. 7 Buchst. e) bb) bbb) des Gesetzes zur Beschleunigung von Genehmigungsverfahren – GenBeschlG – vom 12.9.1996192 wurde die Zahl von 300 auf 50 herabgesetzt. Der Gesetzgeber ist dieser Änderung für das BBergG in § 48 Abs. 2 Satz 3 ohne ersichtlichen Sachgrund nicht gefolgt.193 Nach dem Erlass der Moers-Kapellen-Entscheidung durch das BVerwG stellte sich den Bergbe- 93 hörden die Frage, wie die Beteiligung der Oberflächeneigentümer unter Befolgung der vom Gericht aufgestellten undeutlichen Anforderungen verfahrensmäßig zu bewältigen sein würde. Angesichts des Umstandes, dass die Auswirkungen des (untertägigen) Abbaus auf einzelne Oberflächengrundstücke erst mit fortgeschrittener bergbaulicher Tätigkeit hinreichend sicher erkennbar werden,194 kam das am Beginn des Bergbauvorhabens stehende Rahmenbetriebsplanverfahren nicht in Betracht.195 Bereits die „Hinweise“ des Länderausschusses für Bergbau aus dem Jahre 1992 hatten eine Präferenz für ein Sonderbetriebsplanverfahren erkennen lassen.196 Die Praxis in den Ländern mit Steinkohlerevieren – Saarland und Nordrhein-Westfalen – hat sich schnell in diese Richtung bewegt. Es wurde ein neuer Typ von Sonderbetriebsplänen entwickelt, der nicht tätigkeitsbezogen war, sondern die Abbauwirkungen zum Gegenstand hat. Innerhalb des inzwischen aufgegebenen saarländischen Steinkohlenbergbaus wurde der Sonderbetriebsplan „Anhörung der Oberflächeneigentümer“ entwickelt, während in Nordrhein-Westfalen der funktionsgleiche Sonderbetriebsplan „Abbaueinwirkungen auf das Oberflächeneigentum“ eingeführt wurde.197 Die Rechtsprechung hat diese Verwaltungspraxis gebilligt.198 Dies gilt auch für Bergbauvorhaben mit obligatorischer Rahmenbetriebsplanzulassung (Planfeststellung).199 Aufgrund der Garzweiler-Entscheidung des BVerwG ergibt sich auch die Notwendigkeit200 der 94 verfahrensmäßigen Integration der von einer nachfolgenden Grundabtretung betroffenen Eigentümer in das Verfahren zur Beteiligung am Betriebsplanverfahren. § 48 Abs. 2 Sätze 2 bis 6 gilt auch für den Tagebau.201 Dies betrifft insbesondere die vom BVerfG verfassungsrechtlich geforderte Berücksichtigung der Grundeigentümerbelange innerhalb der bei Großvorhaben im Rahmen des § 48 Abs. 2 vorzunehmenden Gesamtabwägung.202

2. Verfahrensarten (Varianten der Beteiligung) Für die Beteiligung der von schweren Bergschäden bedrohten Oberflächeneigentümer stehen 95 zwei Beteiligungsformen zur Verfügung. Zunächst kommt eine Einzelhinzuziehung nach den 192 BGBl. I 1354. 193 Kritisch auch Keienburg Die Öffentlichkeitsbeteiligung im Bergrecht, S. 77 f., die auch mit Recht darauf hinweist, dass die Behörde in dem Fall, dass der Kreis der Betroffenen nicht abschließend bekannt ist, eine Öffentlichkeitsbeteiligung durchführen muss. 194 Zu den bergbaulichen Gegebenheiten bei untertägigem Abbau Keienburg Die Öffentlichkeitsbeteiligung im Bergrecht, S. 68 f. m.w.Nachw. 195 Keienburg Die Öffentlichkeitsbeteiligung im Bergrecht, S. 70. 196 ZfB 1995, 345, 348, (A. III. 2.). 197 Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht, Rn. 201 ff.; Keienburg Die Öffentlichkeitsbeteiligung im Bergrecht, S. 78 ff.; zur Einordnung dieser Sonderbetriebsplanarten in das Gesamtsystem des Betriebsplanverfahrens Schmidt-Aßmann/ Schoch Bergwerkseigentum und Grundeigentum, S. 173 ff. 198 OVG Saarlouis 15.7.1996, 9 W 1/96, ZfB 1996, 226, 228. 199 BVerwG 15.12.2006, 7 C 6/06, BVerwGE 127, 272 Rn. 30 = ZfB 2006, 315. 200 BVerwG 29.6.2006, 7 C 11/05, BVerwGE 126, 205 = ZfB 2006, 156. 201 BVerwG 29.6.2006, 7 C 11/05, BVerwGE 126, 205 Rn. 26 = ZfB 2006, 156. 202 BVerfG 17.12.2013, 1 BvR 3139/08, 3386/08, BVerfGE 134, 242 Rn. 280 = ZfB 2014, 49 Rn. 281. 333

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Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

Vorschriften des VwVfG (§ 5 BBergG) in Betracht. Im Hinblick auf die vielfach großräumigen Auswirkungen untertägigen Bergbaus hat der Gesetzgeber daneben in § 48 Abs. 2 Sätze 3 bis 6 eine Öffentlichkeitsbeteiligung unter Anlehnung an das Planfeststellungsverfahren (§ 73 VwVfG) vorgesehen. Ein solches Verfahren kommt nach § 48 Abs. 2 Satz 2 in Betracht, wenn voraussichtlich mehr als 300 Personen betroffen sind203 oder der Kreis der Betroffenen nicht abschließend bekannt ist. Nachdem in der ersten Zeit nach dem Moers-Kapellen-Urteil im Saarland und in Nordrhein-Westfalen die Einzelhinzuziehung praktiziert wurde, wurde nach 2000 die Öffentlichkeitsbeteiligung zur herrschenden Praxis, angesiedelt beim Sonderbetriebsplanverfahren „Anhörung der Oberflächeneigentümer“ (Saarland) bzw. „Abbaueinwirkungen auf das Oberflächeneigentum“ (Nordrhein-Westfalen).204 Die Einzelhinzuziehung der nach dem Moers-Kapellen-Urteil wahrscheinlich materiell be96 troffenen Oberflächeneigentümer erfolgt auf der Grundlage des § 13 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 VwVfG durch Einzelbenachrichtigung.205 Auch eine öffentliche Bekanntmachung der von schweren Bergschäden betroffenen Grundstücke ist als zulässig angesehen worden.206 Bei der in das Ermessen der Behörde gestellten Bestimmung der Verfahrensfristen (Auslegung, Einwendungserhebung) wird man sich an den Fristenregelungen des Planfeststellungsverfahrens orientieren können.207 Das Verfahren der Einzelhinzuziehung kann bei anderen untertägigen Bergbauvorhaben als der Steinkohlegewinnung wieder praktische Bedeutung erlangen.

3. Verfahrensablauf der Öffentlichkeitsbeteiligung 97 Die Öffentlichkeitsbeteiligung i.S. des § 48 Abs. 2 Sätze 3 bis 6 umfasst folgende Verfahrensschritte: a) Anhörung (Bekanntmachung, Auslegung, Akteneinsicht, Einwendungen), b) Präklusion, c) Zustellung der Entscheidung durch öffentliche Bekanntmachung. Im Zusammenspiel zwischen § 48 Abs. 2 Sätze 3 bis 6 BBergG und § 73 Abs. 3, 4, 5 Sätze 1 und 2 Nr. 1, 2 und 4 Buchst. b) VwVfG stellt sich der Ablauf der Öffentlichkeitsbeteiligung wie folgt dar:

a) Anhörung. 98 –

Nach § 48 Abs. 2 Satz 3 BBergG i.V.m. § 73 Abs. 5 Satz 1 VwVfG wird die öffentliche Auslegung des (Sonder-)Betriebsplans zur Einsichtnahme ortsüblich bekannt gemacht. Die Modalitäten der öffentlichen Bekanntmachung (Veröffentlichungsblatt, Tageszeitungen) richten sich nach einschlägigem Landes- oder Ortsrecht.208 Wirkt sich ein Vorhaben auf mehr als einen bergbehördlichen Bezirk aus, so erfolgt die Bekanntmachung gleichwohl nur durch die für das jeweilige Bergwerk zuständige Bergbehörde.209 Ungeachtet der Nichteinbeziehung des § 73 Abs. 5 Satz 3 VwVfG in § 48 Abs. 2 Satz 3 BBergG (Soll-Benachrichtigung nicht ortsansässiger Betroffener) steht es im Ermessen der Bergbehörde, solche Betroffenen doch zu benachrichtigen.210 In der Bekanntmachung ist auf den für die Einsichtnahme zur Verfügung stehenden Zeitraum hinzuweisen. Auch muß in der Bekanntmachung auf die Präklusion nicht

203 Zur Problematik des Schwellenwerts siehe Rn. 92. 204 Keienburg Die Öffentlichkeitsbeteiligung im Bergrecht, S. 78 f. 205 Die äußerste räumliche Grenze der Hinzuziehung wird dabei durch den Senkungsnullrand des Abbaus bestimmt, Regelmann/Neumann Glückauf 1997, 104, 107. 206 OVG Saarlouis 15.7.1996, 9 W 1/96 = ZfB 1996, 226, 230 f. 207 In diesem Sinne auch Keienburg Die Öffentlichkeitsbeteiligung im Bergrecht, S. 82; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 48 Rn. 70 f. 208 Keienburg Die Öffentlichkeitsbeteiligung im Bergrecht, S. 82 f. 209 Keienburg Die Öffentlichkeitsbeteiligung im Bergrecht, S. 83. 210 Keienburg Die Öffentlichkeitsbeteiligung im Bergrecht, S. 84. Kühne

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Erstes Kapitel – Allgemeine Vorschriften über die Aufsuchung und Gewinnung

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rechtzeitig erhobener Einwendungen hingewiesen werden (§ 48 Abs. 2 Satz 5). Andernfalls tritt die in § 48 Abs. 2 Satz 5 vorgeschriebene Präklusionswirkung nicht ein.211 – Auf die Bekanntmachung der Auslegung folgt diese selbst gemäß § 48 Abs. 2 Satz 3 BBergG i.V.m. § 73 Abs. 3 Satz 1 VwVfG. Die Dauer der Auslegung beträgt einen Monat. Nach der zur Zeit des Inkrafttretens des § 48 Abs. 2 Sätze 2 bis 5 BBergG geltenden Fassung des § 73 Abs. 5 Satz 1 VwVfG hatte noch die Mindestfrist von einer Woche zwischen Auslegung und vorheriger Bekanntmachung gegolten. Diese Frist ist durch die Neufassung mit dem GenBeschlG von 1996212 gestrichen worden, so dass es jetzt ausreicht, wenn die Auslegung einen Tag vor Auslegungsbeginn bekanntgemacht wird.213 Die Auslegung hat zum Ziel, den möglicherweise durch schwere Bergschäden Betroffenen Gelegenheit zu geben, den Auslegungsgegenstand im Hinblick auf ihre tatsächliche Betroffenheit und auf eventuell dagegen zu erhebende Einwendungen zu prüfen.214 – Nach § 29 Abs. 1 Satz 1 VwVfG hat die Behörde den Beteiligten Akteneinsicht zu gestatten, soweit die Kenntnis der das Verfahren betreffenden Akten zur Geltendmachung oder Verteidigung ihrer rechtlichen Interessen erforderlich ist. Bei der Einzelhinzuziehung sind die Hinzugezogenen Beteiligte. Bei dem Öffentlichkeitsbeteiligungsverfahren kommt eine Hinzuziehung nicht in Betracht. Hier ist nach § 72 Abs. 1 2. Halbsatz VwVfG § 29 VwVfG mit der Maßgabe anzuwenden, dass ein Akteneinsichtsrecht nach pflichtgemäßem Ermessen besteht. Obwohl § 48 Abs. 2 Satz 3 BBergG nicht auf § 72 Abs. 1 2. Halbsatz VwVfG verweist, ist diese Bestimmung auf das Öffentlichkeitsbeteiligungsverfahren nach § 48 Abs. 2 Sätze 2, 3 BBergG entsprechend anzuwenden. Beide Verfahren – § 48 Abs. 2 Satz 2 und das Planfeststellungsverfahren – sind im Kern Massenverfahren. Die für die Reduzierung des Rechtsanspruchs zu einer Ermessensvorschrift beim Planfeststellungsverfahren obwaltenden Gründe treffen auch auf § 48 Abs. 2 Sätze 2, 3 zu.215 Weitergehende Informationsansprüche bestehen nach § 3 Abs. 1, 2, § 4 Abs. 1 UIG216 und u.U. nach Landesrecht, z.B. NW.217 Nach § 48 Abs. 2 Satz 3 BBergG i.V.m. § 73 Abs. 4 Satz 1 VwVfG kann jeder, dessen Belange durch das Vorhaben berührt werden, bis zwei Wochen nach Ablauf der Auslegungsfrist schriftlich oder zur Niederschrift bei der Bergbehörde Einwendungen gegen den (Sonder-)Betriebsplan erheben. Das „Berührt-Werden“ muss in diesem Falle eine gegenüber dem unmittelbaren Anwendungsbereich des § 73 Abs. 4 VwVfG spezifische Qualität erreichen. Die Beteiligung nach § 48 Abs. 2 Sätze 2 bis 5 BBergG dient der Abarbeitung des Gesichtspunkts schwerer Bergschäden. Voraussetzung für die Einwendungsberechtigung ist es daher, dass es sich bei dem Einwender um einen mit einiger Wahrscheinlichkeit von schweren Bergschäden betroffenen Oberflächeneigentümer handelt.218 Dies ergibt sich aus dem gesetzgeberischen Zusammenhang zwischen der Regelung des § 48 Abs. 2 Sätze 2 bis 5 und dem Moers-Kapellen-Urteil des BVerwG.219 Die Bergbehörde muss sich mit den erhobenen Einwendungen inhaltlich auseinandersetzen und die rechtserheblichen unter ihnen entsprechend den materiellen Vorgaben des Moers-Kapellen-Urteils abarbeiten.

211 BVerwG, 24.5.1996, 4 A 38/95, DVBl 1997, 51, 52 zu § 17 Abs. 4 Sätze 1, 2 FStrG. 212 Gesetz zur Beschleunigung von Genehmigungsverfahren (Genehmigungsverfahrensbeschleunigungsgesetz – GenBeschlG) vom 12.9.1986 (BGBl. I 1354). Keienburg Die Öffentlichkeitsbeteiligung im Bergrecht, S. 86. Sog. Anstoßfunktion, OVG Münster 15.8.2003, 21 B 2518/02, ZfB 2003, 275, 277. So zutreffend Keienburg Die Öffentlichkeitsbeteiligung im Bergrecht, S. 90. Umweltinformationsgesetz (Art. 1 des Gesetzes zur Neuregelung des Umweltinformationsgesetzes und zur Änderung der Rechtsgrundlagen zum Emissionshandel vom 22.12.2004, BGBl. I 3704). 217 Zu diesen weitergehenden Rechten Keienburg Die Öffentlichkeitsbeteiligung im Bergrecht, S. 91 ff., zum UIG noch auf der Grundlage der Bekanntmachung vom 23.8.2001 (BGBl. I 2218). 218 OVG Saarlouis 1.9.1998, 2 R 4/98 (9 R 13/96), ZfB 1998, 171, 192. 219 BVerwG 16.3.1989, 4 C 36/85, BVerwGE 81, 329 = ZfB 1987, 1989, 199.

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Mangels Verweisung des § 48 Abs. 2 Satz 3 BBergG auf § 73 Abs. 6 (Erörterung) und auf § 73 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 und 4a (Bekanntmachungsanforderungen) VwVfG ist ein Erörterungstermin nicht vorgesehen.

104 b) Präklusion. § 48 Abs. 2 Satz 5 BBergG ordnet mit dem Ausschluss verspätet erhobener Einwendungen die materielle Präklusion an. Verspätet erhobene Einwendungen sind im Verwaltungsverfahren wie auch in einem anschließenden Gerichtsverfahren ausgeschlossen. Die erst 1996 mit dem Genehmigungsverfahrensbeschleunigungsgesetz und damit nach dem BBergGÄndG 1990 in § 73 Abs. 4 Satz 3 VwVfG eingeführte allgemeine materielle Präklusionswirkung ist wegen der Spezialität der bergrechtlichen Regelung unanwendbar.220 Das Gleiche gilt für landesrechtliche Abschwächungen der Präklusionswirkung. Im Anwendungsbereich der UVP-Richtlinie und der IED-Richtlinie hat der EuGH in seiner Entscheidung vom 15.10.2015221 eine materielle Präklusion als europarechtswidrig verworfen. In der Folge hat der Gesetzgeber in § 7 Abs. 4 UmwRG festgelegt, dass die Regelungen der materiellen Präklusion nach § 73 Abs. 4 Satz 3 bis 6 VwVfG bei Vorhaben nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 2b UmwRG keine Anwendung finden. Die Vorschrift erfasst nach der Rechtsprechung in europarechtskonformer Auslegung auch eine Präklusion nach den entsprechenden Vorschriften der Landesverwaltungsverfahrensgesetze sowie – in analoger Anwendung – auch fachrechtliche Präklusionsnormen.222 Damit begründet § 48 Abs. 2 Satz 5 BBergG für diese Vorhaben keine materielle Präklusion. Das gilt auch hinsichtlich der im Rahmen von § 48 Abs. 2 relevanten Eigentümerbelange, denn der EuGH und inzwischen auch § 7 Abs. 4 UmwRG haben die materielle Präklusion nicht nur für Umweltbelange ausgeschlossen, sondern hinsichtlich sämtlicher Einwendungen gegen Vorhaben im Anwendungsbereich der genannten Richtlinien.223 Unbenommen davon bleibt die formelle Präklusion von Einwendungen im Verwaltungsverfahren.

105 c) Zustellung der Entscheidung durch öffentliche Bekanntmachung. Nach § 48 Abs. 2 Satz 3 BBergG i.V.m. § 73 Abs. 5 Satz 2 Nr. 4b VwVfG ist in der Bekanntmachung darauf hinzuweisen, dass die Zustellung der Entscheidung über die Einwendungen (hier also: (Sonder-)Betriebsplanzulassung) durch öffentliche Bekanntmachung ersetzt werden kann, wenn mehr als 50 Benachrichtigungen oder Zustellungen vorzunehmen sind. Auf die der Bekanntmachung zugrunde liegende Regelung des § 74 Abs. 5 Satz 1 VwVfG (tatsächliche Ersetzung der Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung bei mehr als 50 vorzunehmenden Zustellungen) selbst wird in § 48 Abs. 2 Satz 3 BBergG nicht verwiesen. Aus Gründen des Sinnzusammenhangs muss man die Verweisung jedoch entsprechend erweitern.224 Die Ersetzung der Zustellung kann mithin erfolgen, wenn entweder 300 Personen betroffen sind (§ 48 Abs. 2 Satz 3 1. Alt.) oder bei Unbekanntheit des Kreises der Betroffenen (§ 48 Abs. 2 Satz 3 2. Alt.) die Zahl der potentiell von schweren Bergschäden Betroffenen und der Einwender insgesamt 50 übersteigt.

106 d) Verfahrensfehler und Erkenntnis schwerer Schäden nach der Sonderbetriebsplanzulassung. Für die Rechtsfolgen von Verfahrensfehlern im Zusammenhang mit dem Sonderbetriebsplanverfahren „Abbaueinwirkungen auf das Oberflächeneigentum“ gelten über § 5 BBergG allgemein die für die Rechtsfolgen von Verfahrensfehlern beim Erlass von Verwaltungsakten bestehenden Grundsätze des Verwaltungsverfahrensrechts. Das Unterbleiben der Anhörung von Oberflächeneigentümern, die zum Kreis der von § 48 Abs. 2 Satz 1 BBergG geschützten Rechtsträ220 221 222 223 224

Keienburg Die Öffentlichkeitsbeteiligung im Bergrecht, S. 100. EuGH 15.10.2015, C-137/14, NJW 2015, 3495. BVerwG 14.12.2017, 4 C 6/16, NVwZ 2018, 1150. BT-Drs. 18/9526, S. 43. Keienburg Die Öffentlichkeitsbeteiligung im Bergrecht, S. 102.

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ger gehören, im Verfahren der Einzelhinzuziehung führt nicht zur Nichtigkeit der Sonderbetriebsplanzulassung i.S. des § 44 VwVfG.225 Verfahrensfehler im Zusammenhang mit der Anhörung können nach den Verfahrensvor- 107 schriften für die Planfeststellung in entsprechender Anwendung des § 45 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 2 VwVfG bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens geheilt werden.226 Das Fehlen vorgeschriebener Anhörung macht die Sonderbetriebsplanzulassung zwar rechtswidrig (anfechtbar), führt jedoch regelmäßig nicht zu ihrer Aufhebung: Fehler in der Anhörung begründen keine sog. absoluten Verfahrensfehler.227 Im Übrigen dürfte eine Aufhebung regelmäßig daran scheitern, dass der Verfahrensfehler die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat (§ 46 VwVfG).228 Sind erst nach einer Sonderbetriebsplanzulassung schwere Bergschäden i.S. der Moers-Ka- 108 pellen-Rechtsprechung zu besorgen, so greift das Instrumentarium nachträglicher Eingriffe in den Bestand von Betriebsplanzulassungen, also vorrangig nachträgliche Auflagen (§ 56 Abs. 1), sodann – insbesondere in Eilfällen – bergbehördliche Anordnungen nach § 71 Abs. 1.229 Dabei sind die betroffenen Oberflächeneigentümer zu beteiligen.230 Eines erneuten Sonderbetriebsplanverfahrens bedarf es nicht.231

VIII. Entschädigungsansprüche bei hoheitlichen Abbaubeschränkungen und -verboten § 48 Abs. 2 räumt dem Staat die Befugnis ein, die Ausnutzung von staatlich verliehenen wie auch 109 von dem Grundeigentum zugeordneten Bergbauberechtigungen (§ 3 Abs. 4) zu beschränken oder zu untersagen und damit dem Berechtigten teilweise oder gänzlich zugunsten entgegenstehender überwiegender öffentlicher Interessen zu entziehen, rechtstechnisch insbesondere in Gestalt der Beschränkung (Auflage) oder Verweigerung der Betriebsplanzulassung. Angesichts des Umstandes, dass auch Bergbauberechtigungen verfassungsrechtlich geschütztes Eigentum i.S. des Art. 14 GG232 sind, stellt sich die Frage nach der Entschädigungspflicht. Bereits unter dem ABG war das Problem im Zusammenhang mit beschränkenden bergauf- 110 sichtlichen Anordnungen (§ 198 ABG) und der Entschädigungsregelung der §§ 74, 75 Einl. ALR lebhaft umstritten. Die frühere Rechtsprechung des RG233 und die ganz herrschende Literatur234 des 19. und frühen 20. Jahrhunderts verneinte Entschädigungsansprüche mit der Begründung, in dem staatlichen Eingriff aktualisiere sich lediglich eine schon von vornherein bestehende gesetzli-

225 VG Saarlouis 12.9.1996, 2 K 333/94, ZfB 1997, 55, 62; offengelassen, weil entscheidungsunerheblich, von OVG Saarlouis 1.9.1998, 2 R 4/98 (9 R 13/96), ZfB 1998, 171, 184 f.; Keienburg Die Öffentlichkeitsbeteiligung im Bergrecht, S. 108. 226 OVG Bautzen 18.9.1997, 1 S 354/96, ZfB 1997, 314, 324; OVG Saarlouis 1.9.1998, 2 R 4/98 (9 R 13/96), ZfB 1998, 171, 197; Keienburg Die Öffentlichkeitsbeteiligung im Bergrecht, S. 108. 227 Ebenso Keienburg Die Öffentlichkeitsbeteiligung im Bergrecht, S. 113 ff.; zur Kategorie der absoluten Verfahrensfehler Kopp/Ramsauer VwVfG, 3. Aufl. (2022), § 46 Rn. 18 f. 228 Dazu Keienburg Die Öffentlichkeitsbeteiligung im Bergrecht, S. 118 ff. 229 Keienburg Die Öffentlichkeitsbeteiligung im Bergrecht, S. 127; Heitmann ZfB 1990, 179, 188. 230 Keienburg Die Öffentlichkeitsbeteiligung im Bergrecht, S. 127. 231 Keienburg Die Öffentlichkeitsbeteiligung im Bergrecht, S. 127; anders offenbar Schmidt-Aßmann/Schoch Bergwerkseigentum und Grundeigentum, S. 204. 232 BVerfG 21.10.1987, 1 BvR 1048/87, BVerfGE 77, 130, 136 = ZfB 1988, 84, 88; BVerwG 16.3.1989, 4 C 36/85, BVerwGE 81, 329, 343 = ZfB 1989, 199, 208; Dürig/Herzog/Scholz/Papier/Shirvani GG, Art. 14 Rn. 324; Kühne Bestandsschutz alten Bergwerkseigentums, S. 47 – allg. M. 233 RG 17.2.1915, V. ZS 466/14, ZfB 1915, 403, 409 m.w.Nachw.; vgl. auch Ebel/Weller ABG, vor § 196 Anm. 10. 234 Vgl. die Nachw. bei Ebel/Weller ABG, vor § 196 Anm. 10. 337

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che Beschränkung des Bergwerkseigentums. Mit der Entscheidung des RG vom 18.9.1915235 drang eine differenzierende Betrachtungsweise durch: Danach war ein Entschädigungsanspruch des Bergwerkseigentümers ausgeschlossen, soweit eine bergpolizeiliche Anordnung nur solche Beschränkungen des Bergwerkseigentums geltend macht, die sich aus der auf die Nachbarn und das Allgemeinwohl zu übenden Rücksichtnahme als ordnungsgemäße und gewöhnliche ergeben. Soweit dagegen eine solche Anordnung sich als einen außergewöhnlichen Eingriff in die regelmäßige und an und für sich erlaubte Art der Ausübung des Bergwerkseigentums darstellt, insbesondere einer teilweisen oder gänzlichen Entziehung dieses Rechts gleichkommt, war ein Entschädigungsanspruch (§§ 74, 75 Einl. ALR) des Bergwerkseigentümers nicht ausgeschlossen.236 Diese differenzierende Auffassung gewann in der Folgezeit auch im Schrifttum237 Gefolg111 schaft. Sie wurde auch nach Inkrafttreten des GG weitergeführt und in die neue Dogmatik des Art. 14 GG übersetzt (Entschädigungslosigkeit bei bloßer Sozialbindung nach Art. 14 Abs. 1 GG, Entschädigungspflicht bei Enteignung nach Art. 14 Abs. 3 GG).238 Meinungsverschiedenheiten herrschten allerdings hinsichtlich der diesbezüglichen Zuordnung der verschiedenen bergbehördlichen Eingriffe mit unterschiedlichen Zweckrichtungen entsprechend den Schutzgütern i.S. des § 196 ABG.239 Einen neuen Aufschwung erlebte die These von der gesetzlichen Beschränkung des Bergwerksei112 gentums in den 60er und 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts durch die Rechtsprechung des BGH zum Verhältnis des Bergbaus zu den öffentlichen Verkehrsanstalten (§§ 153, 154 ABG).240 Wegen der insoweit traditionell schwächeren Ausgestaltung der Rechtsstellung des Bergbaus hatte sie – wenngleich im Ergebnis auch insoweit unzutreffend – dort einen etwas höheren Plausibilitätsgrad. Zu der Frage der Entschädigungspflicht für bergbehördliche Eingriffe außerhalb der §§ 153, 154 ABG sind keine die Rechtsprechung des RG in Frage stellenden Äußerungen zu verzeichnen. Das BBergG und die Materialien seiner Entstehungsgeschichte verschweigen sich zur Frage 113 der Entschädigungspflicht bei bergbehördlichen Beschränkungen und Verboten einschließlich solcher auf der Grundlage des § 48 Abs. 2, woraus das Schrifttum herrschend die Fortgeltung der späteren differenzierenden Rechtsprechung des RG gefolgert hat.241 Diese Auffassung dürfte jedoch durch die Rechtsprechung zunächst des BVerwG242 und des BGH243 ins Wanken geraten sein.244 Die Fälle betreffen den Bau von Fernstraßen, durch den größere Teile von staatlich verliehenen Bergbauberechtigungen zugeordneten Lagerstätten dem Abbau entzogen wurden. Für das Verhältnis Bergbau – öffentliche Verkehrsanstalten (§ 124)245 verneinten BVerwG und BGH eine Entschädigungspflicht unter Hinweis auf eine immanente gesetzliche Beschränkung staatlich verliehener Bergbauberechtigungen, verwiesen dabei jedoch als argumentative Stütze auch auf den eine Entschädigung nicht vorsehenden § 48 Abs. 2.246

235 RG 18.9.1915, V. ZS Rep. V. 202/15, RGZ 87, 391 = ZfB 1916, 203 (Abbauverbot unterhalb einer Festungsanlage); in diese Richtung bereits zuvor RG 12.3.1909, Rep. VII. 287/08, RGZ 70, 387 = ZfB 1910, 155 (behördliche Anordnung zum Abbau nur mittels Hand- und Spülversatzes zum Schutze des Hochbehältergebäudes eines Wasserwerks). 236 RG 18.9.1915, V. ZS Rep. V. 202/15, RGZ 87, 391, 401 = ZfB 1916, 203, 212 mit ausführlicher Abgrenzung gegen die ältere Rechtsprechung und Lehre. 237 Statt vieler: Isay ABG, Bd. 2, § 196 Rn. 20. 238 Ebel/Weller ABG, vor § 196 Anm. 9; Miesbach/Engelhardt Bergrecht, §§ 196, 196a ABG Rn. 12 ff. 239 K. Meyer ZfB 1961, 216; Heller Die Entschädigungsansprüche des Bergbautreibenden gegen den Staat (1965). 240 Dazu die Nachw. bei § 124 Rn. 57. 241 Boldt/Weller 1. Aufl. (1984), § 48 Rn. 11; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, 1. Aufl. (1983), § 56 Rn. 51 ff. 242 BVerwG 26.3.1998, 4 A 2/97, BVerwGE 106, 290, 293 f. = ZfB 1998, 131, 133; BVerwG 14.5.1998, 4 VR 1/98 (4 A 1.98), ZfB 1998, 134, 139 f.; BVerwG 30.7.1998, 4 A 1/98, ZfB 1998, 140, 145. 243 BGH 14.4.2011, III ZR 30/10, BGHZ 189, 231 Rn. 20 = ZfB 2011, 290. 244 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 56 Rn. 131 ff., 136, halten an der alten RG-Rechtsprechung fest, ohne von der neuesten Rechtsprechung des BVerwG und des BGH Notiz zu nehmen. 245 Dazu § 124 Rn. 49 ff. 246 BVerwG 26.3.1998, 4 A 2/97, BVerwGE 106, 290, 293 f. = ZfB 1998, 131, 133; BGH 14.4.2011, III ZR 30/10, BGHZ 189, 231 Rn. 20 = ZfB 2011, 290. Kühne

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Erstes Kapitel – Allgemeine Vorschriften über die Aufsuchung und Gewinnung

§ 48

Die referierte neuere höchstrichterliche Rechtsprechung begegnet hinsichtlich der an dieser 114 Stelle relevanten Deutung des § 48 Abs. 2 durchgreifenden Bedenken. Sie verkennt die bereits in der Rechtsprechung des RG247 unter Ablehnung der These von der immanenten gesetzlichen Beschränkung des Bergwerkseigentums erreichte Differenzierung zwischen entschädigungslos hinzunehmenden „gewöhnlichen“ und entschädigungspflichtigen „außergewöhnlichen“ (z.B. teilweise oder gänzliche Entziehung des Abbaurechts) bergaufsichtlichen Eingriffen. Diese Unterscheidung hat auch nach der neueren Eigentumsdogmatik unverändert Bedeutung im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Sie entspricht ungefähr der Unterscheidung zwischen einer nicht-ausgleichspflichtigen und einer ausgleichspflichtigen Inhalts- und Schrankenbestimmung.248 Die Entschädigungslosigkeit selbst eines überwiegenden oder, erst recht, totalen Abbauverlusts ist mit dem Verhältnismäßigkeitsprinzip und dem in Art. 14 GG enthaltenen Vertrauensschutzprinzip nicht vereinbar.249 Staatlich verliehene Bergbauberechtigungen sind zwar im wesentlichen Rechtstitel, deren Ausnutzbarkeit unter den Vorbehalt der Erfüllung der die Ausübung regelnden Vorschriften (§§ 50 ff. BBergG) gestellt ist. Als ihrerseits bereits z.T. erhebliche Vermögensaufwendungen (Exploration, Kaufpreis) voraussetzende, privatrechtsverkehrsfähige, Art. 14 GG unterfallende Eigentumspositionen unterliegen sie einem solchen Vorbehalt hinsichtlich der in Art. 14 GG enthaltenen Wertgarantie aber nur in Bezug auf die ausübungsbezogenen Anforderungen und öffentlichen Interessen (Gedanke der Situationsgebundenheit).250 Es kann dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, er habe einerseits mit z.T. hohen Aufwendungen verbundene, andererseits aber jederzeit durch überwiegende öffentliche Interessen entschädigungslos vernichtbare Rechtspositionen schaffen wollen. Ein derart investitionsfeindliches Normverständnis würde nicht zuletzt dem Zweck des § 1 Nr. 1 (Sicherung der Rohstoffversorgung) widersprechen. Für Bergbauberechtigungen auf grundeigene Bodenschätze sollen die Grundsätze der jüngs- 115 ten höchstrichterlichen Rechtsprechung zu staatlich verliehenen Bergbauberechtigungen nicht gelten.251 Der faktische Entzug derartiger Lagerstätten(teile) durch den Staat zugunsten öffentlicher Interessen soll demnach entschädigungspflichtig sein. Mangels einer entsprechenden Regelung in § 48 Abs. 2 ist diese Bestimmung daher insoweit wegen Verletzung des Verhältnismäßigkeitsprinzips (ausgleichspflichtige Inhalts- und Schrankenbestimmung!) auch auf der Grundlage der Auffassung von BVerwG und BGH verfassungswidrig. In jüngster Zeit hat die höchstrichterliche Rechtsprechung denn auch einen Schwenk in Rich- 116 tung einer ausgewogeneren Praxis vollzogen. Einen wesentlichen Schritt auf diesem Wege bedeutet das Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) vom 19.1.2017.252 Es erging in derselben Sache wie BGHZ 189, 231. Nach dieser Entscheidung kann eine durch einen Autobahnbau verursachte partielle oder totale Unausnutzbarkeit einer Bergbauberechtigung durchaus u.U. eine Pflicht zur Entschädigung für den eingetretenen Verlust an Bodenschätzen auslösen. Einen ausgewogeneren Schutzumfang zwischen Bergbauberechtigungen und Grundeigentum lässt auch das Urteil des BVerwG vom 25.10.2018253 erkennen. Hier ging es um die Beschränkung des Bergwerkseigentums durch Ausweisung eines Naturschutzgebiets.254

247 RG 18.9.1915, V ZS Rep. V. 202/15, RGZ 87, 391 = ZfB 1916, 203. 248 BVerfG 2.3.1999, 1 BvL 7/91, BVerfGE 100, 226, 244; Papier DVBl 2000, 1398 ff., 1401 ff. 249 Dazu eingehend Kühne DVBl 2012, 661, und ZfB 2013, 113, 120, 124; vgl. auch § 8 Rn. 20 ff.; ähnlich Wörheide Die Bergbauberechtigungen nach dem Bundesberggesetz, S. 438 f., bei erfolgter Betriebsplanzulassung; kritisch jüngst auch Kühne FS Schlick (2015), S. 263, 266, 268 f. 250 Auch Franke, § 8 Rn. 23, spricht sich für eine Entschädigungspflicht aus, sofern dem Berechtigten keine substanziellen Möglichkeiten zur Ausübung der Berechtigung verbleiben. 251 BGH 14.4.2011, III ZR 229/09, BGHZ 189, 218 Rn. 18 ff. Die Ausführungen beziehen sich nur auf die Nichtanwendbarkeit des Anspruchsausschlusses in § 124 Abs. 4, sind aber auf § 48 Abs. 2 zu übertragen. 252 EGMR (V. Sektion), 32377/12, NVwZ 2017, 1273 (Werra Naturstein GmbH & Co. KG./. Deutschland) = ZfB 2017, 267. Die bisherige Rechtsprechung verteidigend Nusser, NVwZ 2017, 1244. I.S. des EGMR dagegen Kühne, NVwZ 2018, 214. 253 4 C 9/17. 254 Vgl. hierzu die Anmerkung von Kühne, in: ZfB 2019, 198 ff. 339

Kühne

Anh. § 48

Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

Anhang zu § 48 Außerbergrechtliche Rechtsvorschriften im Überblick Übersicht I. 1. 2. 3.

2. 3.

4. 5. 6.

Abfallrecht 1 Vorbemerkung 2 Abfall Unmittelbar anfallende bergbauliche Abfälle (§ 2 3 Abs. 2 Nr. 7 KrWG) 4 Mittelbar anfallende bergbauliche Abfälle 5 Verwertung bergbaufremder Abfälle 13 Beseitigung bergbaufremder Abfälle

II. 1. 2.

Baurecht Bauplanungsrecht Bauordnungsrecht

4.

III. 1. 2.

Bodenschutzrecht 39 Vorbemerkung Rohstofflagerstättenabbau – Bodenfunktio40 nen Bergrechtliche Vorrangregelung (§ 3 Abs. 1 Nr. 10 43 BBodSchG) 50 Bodenschutz – Betriebsplanzulassung 51 Ende der Bergaufsicht 56 Rechtsschutz

3. 4. 5. 6. IV. 1. 2. 3. 4. 5. V. 1. 2.

3.

VI. 1.

17 34

Denkmalschutzrecht 57 Denkmal 58 Genehmigung Denkmalschutzgenehmigung und Betriebs60 plan Sondervorschriften für die Rohstoffgewin61 nung 62 Rechtsschutz Immissionsschutzrecht 63 Vorbemerkung 64 Genehmigungsbedürftige Anlagen a) Bergbauregelung (§ 4 Abs. 2 65 BImSchG) b) Genehmigungsbedürftige bergbauliche Anla68 gen 69 c) Genehmigungsvoraussetzungen d) Immissionsschutzrechtliche Genehmi70 gung 71 e) Rechtsschutz 72 Nicht genehmigungsbedürftige Anlagen 73 a) Bergbauliche Anlagen 74 b) Betriebsplanverfahren 75 c) Rechtsschutz Naturschutzrecht Vorbemerkung

5. 6.

77 Bergbauberechtigung Eingriffsregelung 78 a) Materiell-rechtliche Anforderungen 87 b) Vermeidungsgebot c) Wiedernutzbarmachung – Kompensations88 maßnahmen 91 d) Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen 94 e) Nicht ausgleichbare Eingriffe 97 f) Verfahren Schutz bestimmter Teile von Natur und Land100 schaft 105 Habitatschutz 112a Artenschutz

VII. Raumordnungsrecht 113 1. Vorbemerkung 114 2. Raumordnung des Bundes 115 a) Grundsätze der Raumordnung 120 b) Ziele der Raumordnung c) Ziele der Raumordnung und Landespla129 nung und Bergrecht 133 3. Landesplanung 136 4. Braunkohlenpläne 137 a) Brandenburg 142 b) Nordrhein-Westfalen 152 c) Sachsen 158 d) Sachsen-Anhalt 159 5. Raumverträglichkeitsprüfung VIII. Wald- und Forstrecht IX. 1. 2. 3.

4. 5.

163

Wasserrecht 168 Vorbemerkung 169 Bergbauberechtigung Bewirtschaftungsziele und Vorhabenzulas169a sung 169b a) Umweltziele der WRRL 169c b) Umsetzung in nationales Recht c) Prüfungs- und Beachtenspflicht in der Vor169d habenzulassung d) Bewirtschaftungsziele und Bewertungsmaß169e stäbe 170 Benutzung von Gewässern (§ 9 WHG) 181 Zulassung von Gewässerbenutzungen 182 a) Rechte zur Gewässerbenutzung b) Zulassungsvoraussetzungen (§ 12 183 WHG) aa) Schädliche Gewässerveränderungen 184 (§ 12 Abs. 1 Nr. 1 WHG)

76

Kappes https://doi.org/10.1515/9783110709285-063

340

Erstes Kapitel – Allgemeine Vorschriften über die Aufsuchung und Gewinnung

c) d) e)

bb) Andere öffentlich-rechtliche Anforderungen (§ 12 Abs. 1 Nr. 2 190 WHG) cc) Bewirtschaftungsermessen (§ 12 Abs. 2 191 WHG) dd) Ausnahmeregelung des § 82 Abs. 6 192 Satz 2 WHG 194 Zuständigkeit (§ 19 WHG) 200 Rechtsschutz Erlöschen der Erlaubnis und Bewilli201 gung

6. 7. X. 1. 2. 3.

Anh. § 48

Bergbaubedingter Ausbau von Gewässern 202 (§§ 67 ff. WHG) 205 Wasserschutzgebiete (§ 51 WHG) Klimaschutzrecht 206 Vorbemerkung Das Berücksichtigungsgebot des § 13 Abs. 1 Satz 1 207 KSG Berücksichtigung von Klimaschutzbelangen im 209 Bergrecht

I. Abfallrecht Schrifttum Beckmann Genehmigungsrechtliche Fragen der Gesundheitsschutz-Bergverordnung beim Einsatz von Abfällen als Bergversatz, ZfB 1999, 12; Begemann/Becker Anwendungsprobleme der Versatzverordnung, NVwZ 2003, 675; Bertram Anforderung an die Verfüllung von Abgrabungen, AbfallR 2009, 297; Dazert Rechtliche Anforderungen an den Versatz mit schadstoffbelasteten industriellen Restabfällen im Tagebau, AbfallR 2005, 223; Frenz Abfallverwertung im Bergbau (1998); Frenz Untertägige Abfallentsorgung im Fadenkreuz aktueller Rechtsprechung und Gesetzgebung, ZfB 2000, 216; Freytag Der Einsatz von Rückständen im Bergbau – an der Nahtstelle von Berg- und Abfallrecht, NuR 1996, 334; Petersen Neue Strukturen im Abfallrecht – Folgerungen aus der EUGH-Judikatur NVwZ 2004, 34; Schulze-Rickmann Die Bergversatzverordnung – Inhalt, praktische Probleme, Übergangsregelung, ZUR 2003, 208; Schink Der Abfallbegriff im Kreislaufwirtschaftsgesetz, UPR 2012, 201; Wagner Die Versatzverordnung: Anforderungen an eine hochwertige Verwertung von Abfällen untertage, AbfallR 2003, 7; Weller Rechtliche Probleme der Untertagedeponie ZfB 1988, 342.

1. Vorbemerkung Bei bergbaulichen Tätigkeiten fallen in der Regel Rückstände und Abfälle an; darüber hinaus 1 werden bei diesen Tätigkeiten außerhalb der Bergbaubetriebe angefallene bergbaufremde Abfälle eingesetzt, z.B. als Versatz untertage oder zur Wiedernutzbarmachung. Für den Umgang mit Abfall ist grundsätzlich das KrWG maßgeblich. Das Bergrecht enthält mit der Betriebsplanzulassungsvoraussetzung, eine ordnungsgemäße Entsorgung der anfallenden Abfälle zu gewährleisten (§ 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6), eine eigene abfallrechtliche Norm. Eine Abgrenzung beider Regelungsbereiche enthält § 2 Abs. 2 Nr. 7 KrWG, wonach Abfälle, die unmittelbar beim Aufsuchen, Gewinnen und Aufbereiten sowie der damit zusammenhängenden Lagerung von Bodenschätzen in Betrieben, die der Bergaufsicht unterliegen, anfallen und in solchen Betrieben entsorgt werden, vom Geltungsbereich des KrWG ausgenommen sind.

2. Abfall Kernbegriff des KrWG wie des BBergG ist der Begriff Abfall. Das Bergrecht enthält hierzu keine 2 Begriffsbestimmung, so dass für beide Rechtsmaterien – im Einklang mit den europäischen Vorgaben1 – die des § 3 Abs. 1 KrWG maßgeblich ist. Abfälle sind alle Stoffe und Gegenstände, denen sich der Besitzer entledigt, entledigen will oder entledigen muss (§ 3 Abs. 1 KrWG). Näheres hierzu § 55 Rn. 65. Ein Abfall ist von einem (Neben-)Produkt abzugrenzen. Ein Nebenprodukt liegt vor, wenn die abschließenden Abgrenzungskriterien des § 4 KrWG vorliegen. Näheres hierzu § 55 1 Art 3 Nr. 1 Richtlinie 2006/21/EG (Bergbauabfallrichtlinie) verweist auf Art 1 lit. a) der Richtlinie 75/442/EWG (Abfallrahmenrichtlinie). 341

Kappes

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Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

Rn. 66. Auch wenn die Voraussetzungen für einen Abfall vorliegen, findet das KrWG keine Anwendung, wenn eine der Ausschlussregelungen des § 2 Abs. 2 KrWG greift. Gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 7 KrWG kommt das Abfallrecht nicht zur Anwendung bei Böden am Ursprungsort, einschließlich nicht ausgehobener, kontaminierter Böden und Bauwerke, die dauerhaft mit dem Grund und Boden verbunden sind (vgl. gleichlautend § 22a Abs. 7 Nr. 1 ABBergV). Mit dieser Ausnahmeregelung wird sichergestellt, dass sich die abfallrechtlichen Anforderungen wie bisher auf bewegliche Sachen fokussieren.2 Näheres hierzu § 55 Rn. 68. Darüber hinaus sind vom Anwendungsbereich nicht kontaminiertes Bodenmaterial oder andere natürlich vorkommende Materialien, die bei Bauarbeiten ausgehoben wurden, ausgenommen, sofern sichergestellt ist, dass die Materialien in ihrem natürlichen Zustand an dem Ort, an dem sie ausgehoben wurden, für Bauzwecke verwendet werden (§ 2 Abs. 2 Nr. 11 KrWG bzw. gleichlautend § 22a Abs. 7 Nr. 2 ABBergV). Näheres hierzu § 55 Rn. 69.

3. Unmittelbar anfallende bergbauliche Abfälle (§ 2 Abs. 2 Nr. 7 KrWG) 3 Gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 7 KrWG findet das KrWG auf Abfälle, die unmittelbar bei der Aufsuchung, Gewinnung und auf Aufbereitung sowie bei der damit im Zusammenhang stehenden Lagerung von Bodenschätzen in der Bergaufsicht unterliegenden Betrieben, anfallen, keine Anwendung.3 Die Ausnahmeregelung gilt danach nur für Tätigkeiten und Einrichtungen, die dem Geltungsbereich des BBergG unterliegen. Aus diesem Grund ist es sachgerecht, für die Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung auf die Begriffsbestimmung des BBergG (§ 4 Abs. 1 bis 3) zurückzugreifen. Dabei zählen zur Gewinnung von Bodenschätzen nicht nur das Lösen von Bodenschätzen, sondern auch die damit zusammenhängenden vorbereitenden, begleitenden und nachfolgenden Tätigkeiten (§ 4 Abs. 2), wie die Beseitigung des Oberbodens, die Wiedernutzbarmachung und die dauerhafte Ablagerung der bergbaulichen Abfälle auf einer Halde. Ausdrücklich erfasst § 2 Abs. 2 Nr. 7 KrWG auch die vorübergehende Lagerung von Bodenschätzen. Die Abfälle müssen bei der bergbaulichen Tätigkeit „unmittelbar“ anfallen. Die entscheidenden Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 Nr. 7 KrWG sind danach zum einen die Herkunft des Abfalls und zum anderen die Art des Anfalls, d.h. ob dieser Abfall mittelbar oder unmittelbar bei der bergbaulichen Tätigkeit angefallen ist. Während sich die Herkunft eines Abfalls nicht zuletzt aufgrund der weiten Begriffe Aufsuchen, Gewinnen und Aufbereiten in der Regel mit bergbaulicher Tätigkeit leicht feststellen lässt, ist dies bei der „Unmittelbarkeit“ schwieriger. Für die Annahme der Unmittelbarkeit kommt es auf einen spezifischen Zusammenhang des Abfalls zu der bergbaulichen Tätigkeit an, der sich aus dem betrieblichen oder räumlichen Verhältnis zwischen Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung einerseits und Abfall andererseits ergibt. Dagegen kommt es nicht darauf an, dass der Abfall nur bei Bergbautätigkeiten anfällt (sog. bergbautypischer Abfall). Näheres zur Abgrenzung mit Beispielen der unmittelbar anfallenden Bergbauabfälle vgl. § 55 Rn. 72.4 Fallen bei der Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung Abfälle unmittelbar an, ist für die Verwertung und Beseitigung dieser Abfälle abfallrechtlich allein § 22 ABBergV maßgeblich und die Zulassung eines Betriebsplans unter Beachtung des § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 erforderlich.

4. Mittelbar anfallende bergbauliche Abfälle 4 Nicht unmittelbar bei bergbaulichen Tätigkeiten anfallende Abfälle, wie z.B. Verpackungsmaterial, Kantinen- und Kauenabfälle, werden von der Ausnahmeregelung des § 2 Abs. 2 Nr. 7 KrWG nicht 2 BT-Drs. 17/6052, S. 70. 3 Zur Entwicklung der Ausnahmeregelung siehe § 55 Rn. 63 f. 4 Vgl. auch Kriterien für die Abgrenzung bergbaulicher Abfälle (§ 22a Abs. 1 Satz 1 ABBergV, § 2 Abs. 2 Nr. 7 KrWG (Stand: Mai 2014)) des Länderausschusses Bergbau, ZfB 2014, 245. Kappes

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erfasst, so dass die materiell-rechtlichen Anforderungen des KrWG uneingeschränkt zur Anwendung kommen. Während sich für unmittelbar im Bergbau anfallende Abfälle die Ausnahmeregelung des KrWG und der § 22a ABBergV spiegelbildlich decken und somit nur die bergrechtlichen Vorschriften zur Anwendung kommen, erstreckt sich die Betriebsplanzulassungsvoraussetzung des § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 nur herkunftsbezogen auf alle bei bergbaulichen Tätigkeiten anfallende Abfälle, so dass mittelbar anfallende Bergbauabfälle sowohl dem BBergG als auch dem KrWG unterliegen. Da sich Nummer 6 darauf beschränkt, eine „ordnungsgemäße“ Entsorgung vorzuschreiben, ohne dass auf Gesetzes- oder Verordnungsebene weitere konkrete Anforderungen gestellt werden, kommen die materiell-rechtlichen Anforderungen des KrWG – ohne in Widerspruch zu bergrechtlichen Vorschriften zu kommen – über die „Ordnungsgemäßheit“ im Betriebsplanverfahren uneingeschränkt zur Anwendung.

5. Verwertung bergbaufremder Abfälle Die Gewinnung von Bodenschätzen ist zwangsläufig mit der Schaffung von unter- und übertägigen 5 Hohlräumen und der Gestaltung der Oberfläche nach der Bergbautätigkeit verbunden. Vor allem für die Sicherung der Grubenbaue, die Verminderung bergbaubedingter Senkungen, die Verfüllung von Tagebauen und die Gestaltung der Oberfläche werden deshalb neben bergbaulichen Rückständen, Nebenprodukten und Abfällen auch außerhalb des Bergbaus anfallende bergbaufremde Abfälle benötigt. Wenn es sich nicht um Produkte handelt, wie z.B. Zement, sondern um bergbaufremde Abfälle, gelten für diese Abfälle zumindest auch die Anforderungen des KrWG. Unabhängig davon, ob man die Verfüllung von Hohlräumen als Verwertungsverfahren gemäß Anlage 2 Buchst. R4 oder R5 KrWG (Rückgewinnung von Metallen, Metallverbindungen oder anderen anorganischen Stoffen) betrachtet,5 stellt der Einsatz bergbaufremder Abfälle dann eine Verwertung i.S.d. § 3 Abs. 23 KrWG dar, wenn der Hauptzweck der Maßnahme die Zuführung des Abfalls zu einem sinnvollen Zweck ist und die Eigenschaften des Abfalls so genutzt werden, dass der Einsatz anderer Materialien ersetzt wird.6 Die stoffliche Verwertung setzt voraus, dass aus der Eigenschaft des Stoffes ein konkreter wirtschaftlicher oder sonstiger Nutzen gezogen wird.7 Erfolgt der Einsatz bergbaufremder Abfälle zumindest hauptsächlich aus bergtechnischen oder bergsicherheitlichen Gründen oder zur Wiedernutzbarmachung und wird der Einsatz eines anderen Stoffes damit substituiert, ist der Zweck des Einsatzes nicht auf eine dauerhafte Beseitigung schadstoffhaltiger Abfälle gerichtet. Vielmehr kommt der Unternehmer mit der Verfüllung untertägiger Hohlräume und Tagebaue und der Oberflächengestaltung einschließlich Böschungen und Erdwällen seinen bergrechtlichen Verpflichtungen nach, für die Sicherheit der Beschäftigten und anderer Personen (§ 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und 8), den Schutz der Oberfläche im Interesse der persönlichen Sicherheit und des öffentlichen Verkehrs (§ 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5) oder die Wiedernutzbarmachung zu sorgen. Zur Erfüllung dieser Verpflichtungen, aber auch aus anderen betrieblichen Gründen wird im untertägigen Bergbau bergbaufremder Abfall als Versatz eingebracht. Diese Versatzmaßnahmen dienen u.a. der Verhinderung von Bränden, der Verhinderung des Entstehens gefährlicher Gas- und Staubgemische, der Verbesserung der Wetterführung und damit dem Grubenklima, der Verbesserung der Standsicherheit des Gebirges, der Verminderung der Bergschäden und der Bodenbewegungsbeträge sowie der Verringerung der Abbauverluste der Lagerstätte.8 Der Einsatz bergbaufremder Abfälle im Übertagebereich dient neben der Verfüllung 5 Beckmann ZfB 1999, 12, 14. Im Übrigen handelt es sich bei den in Anlage 1 und 2 KrWG aufgeführten Beseitigungsund Verwertungsverfahren um eine nicht abschließende Aufzählung. 6 Vgl. auch EUGH 27.2.2002, C 6/00, Slg 2002, I-2012 Nr. 69 = ZfB 2002, 42, Nr. 69; ihm folgend BVerwG 14.4.2005, 7 C 26/ 03, BVerwGE 123, 247, 250 = ZfB 2005, 156, 163. 7 BVerwG 14.4.2005, 7 C 26/03, BVerwGE 123, 247, 250 = ZfB 2005, 156, 163. 8 I.3.2 Anforderungen an die stoffliche Verwertung von mineralischen Abfällen als Versatz untertage des Länderausschusses Bergbau (Stand: 22.10.1996) in: Frenz Abfallverwertung im Bergbau (1998), S. 93, 103. 343

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von Tagebauen u.a. auch der Gestaltung von Tagebaulöchern und Halden einschließlich deren Abdeckung, dem Schutz vor Lärm- und Staubimmissionen9 sowie der Herstellung von Fahr- und Förderwegen. Bergtechnische und bergsicherheitliche Gründe sowie die Wiedernutzbarmachung sind als „Verwertungszwecke“ in Rechtsprechung10 und Literatur11 anerkannt. Dies entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers des KrWG, der den Bergversatz unter den Begriff der „sonstigen Verwertung“ i.S.d. § 6 Abs. 1 Nr. 4 KrWG fasst und diesen in der Gesetzesbegründung ausdrücklich als Verwertungsoption aufführt.12 Einer behördlichen Anordnung der Maßnahmen bedarf es zur Qualifikation als Verwertung nicht.13 Dem Verwertungszweck können nur solche bergbaufremden Abfälle dienen, die die für die 6 Verwendungsmaßnahme erforderlichen Eigenschaften besitzen und damit den Einsatz anderer Materialien ersetzen. Entscheidendes Kriterium für die Abgrenzung stoffliche Verwertung und Beseitigung ist danach, ob im konkreten Fall ein wirtschaftlicher Nutzen aus der Eigenschaft des Stoffes gezogen wird.14 Die stoffliche Eigenschaft des bergbaufremden Abfalls muss in Beziehung zu dem Verwendungszweck stehen,15 wobei es sich nicht notwendigerweise um eine spezifische Eigenschaft handeln muss. Soweit bei den sonst einzubauenden Rohstoffen nur deren Volumen genutzt wird, ist bei der Verfüllung von Tagebauen mit bergbaufremden Abfällen das Volumen des Abfalls als Nutzung der stofflichen Eigenschaften anerkannt, nicht zuletzt aufgrund der mit der Verfüllung bezweckten Anhebung des Höhenniveaus der Oberfläche.16 Geht der Verwendungszweck darüber hinaus, z.B. indem bodenmechanische Voraussetzung oder eine bestimmte Druckfestigkeit notwendig ist, muss der bergbaufremde Abfall zur Erfüllung dieser Eigenschaften auch geeignet sein. Soweit bergbaufremde Abfälle als untertägiger Versatz der Vorbeugung von Bergschäden dienen sollen, ist das Volumen alleine nicht ausreichend, da der Versatz der Stabilisierung des Gebirges und der Verminderung von Senkungen dient und hierfür eine gewisse Trag- und Druckfestigkeit des eingebrachten Materials notwendig ist.17 Einem möglichen Mangel kann jedoch durch Vermischung mit anderen Materialien oder Abfällen abgeholfen werden, soweit sie hierfür die spezifischen Stoffeigenschaften besitzen und die Anforderungen an eine ordnungsgemäße und schadlose Verwertung eingehalten werden (§ 9 Abs. 2 Nr. 2 KrWG). Sind die stofflichen Eigenschaften des bergbaufremden Abfalls für den Einsatzzweck geeignet und würde die mit dem Einsatz des bergbaufremden Abfalls bezweckte Maßnahme auch ohne den bergbaufremden Abfall durchgeführt,18 so dass auf die Verwendung anderer Materialien verzichtet werden kann, stellt der Einsatz bergbaufremder Abfälle eine Verwertung dar. So bezeichnet § 14 Abs. 3 Satz 2 KrWG die Verfüllung als stoffliche Verwertung, sofern der Abfall als Ersatz für andere Materialien genutzt wird. § 6 Abs. 1 Nr. 4 KrWG ordnet die Verfüllung ausdrücklich der „sonstigen Verwertung“ zu. Für die Einstufung als Verwertung kommt es nicht auf die Gefährlichkeit, Ungefährlichkeit oder den Schadstoffgehalt der Abfälle an und ob die bergbaufremden Abfälle vorher aufbereitet werden19 oder nicht. Auch ist es für die Qualifizierung als Verwertung nicht entscheidend, ob der

9 OVG Lüneburg 24.6.2011, 7 LC 10/10, ZfB 2011, 192, 201. 10 Zur Wiedernutzbarmachung BVerwG 14.4.2005, 7 C 26/03, BVerwGE 123, 247, 250 = ZfB 2005, 156, 158; BVerwG 26.5.1994, 7 C 14/93, BVerwGE 96, 80, 83 = ZfB 1994, 211, 213; zu bergsicherheitlichen Gründen BVerwG 14.4.2000, 4 C 13/ 98, BVerwGE 111, 136, 137 = ZfB 2000, 135, 137. 11 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 55 Rn. 151; Frenz Abfallverwertung im Bergbau, S. 33. 12 Vgl. BT-Drs. 17/6052, S. 75. 13 Der Unternehmer kann z.B. Versatzmaßnahmen zur Verminderung von Bergsenkungen vorsehen, ohne dass diese den Umfang erreichen, der im Betriebsplanverfahren zu berücksichtigen ist. 14 BVerwG 26.5.1994, 7 C 14/93, BVerwGE 96, 80, 82 = ZfB 1994, 211, 213. 15 Frenz Abfallverwertung im Bergbau, S. 37. 16 BVerwG 14.4.2005, 7 C 26/03, BVerwGE 123, 247, 251 = ZfB 2005, 156, 159. 17 BVerwG 14.4.2000, 4 C 13/98, ZfB 2000, 135, 138 zum Einsatz eines Gemisches aus Salzaufbereitungsrückständen mit Kunststoffgranulat. 18 Bertram AbfallR 2009, 297, 300. 19 OVG Lüneburg 14.7.2000, 7 M 2005/09, NuR 2001, 413, 414. Kappes

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Unternehmer für die Abnahme des Abfalls ein Entgelt zahlt oder erhält.20 Die Verwertung setzt keine bergbehördliche Anordnung oder Nebenbestimmung einer Betriebsplanzulassung voraus. Zwar kann die Bergbehörde zur Sicherstellung der Zulassungsvoraussetzungen im Rahmen der Betriebsplanzulassung z.B. Versatzmaßnahmen anordnen, jedoch kann der Unternehmer dies in seinem Betriebsplan bereits vorsehen; auch steht es ihm frei, im Rahmen einer ordnungsgemäßen Betriebsführung Versatzmaßnahmen vorzusehen, z.B. um den Umfang möglicher Bergschäden zu reduzieren. Die Verwertung bergbaufremder Abfälle hat ordnungsgemäß und schadlos zu erfolgen (§ 7 7 Abs. 3 KrWG). Ordnungsgemäß ist die Verwertung, wenn sie nicht gegen Anforderungen des KrWG und anderer einschlägiger öffentlich-rechtlicher Vorschriften verstößt. Neben den Vorgaben der §§ 7 bis 14 KrWG zählt zu den abfallrechtlichen Rechtsvorschriften u.a. die Verordnung über den Versatz von Abfällen untertage (Versatzverordnung). Die Versatzverordnung gilt nur für die Verwertung bergbaufremder Abfälle, die in Grubenbaue als Versatzmaterial eingebracht werden (§ 1 VersatzV). Der Geltungsbereich umfasst nicht unmittelbar anfallende bergbauliche Abfälle und nicht die Beseitigung bergbaufremder Abfälle. Die VersatzV gilt nur für untertägige Betriebe unter Bergaufsicht.21 Mit der Beschränkung auf Grubenbaue sind Kavernen und der Bohrlochbergbau22 vom Anwendungsbereich der VersatzV ausgenommen. Nach der VersatzV dürfen nur die bergbaufremden Abfälle hergestellt oder eingebracht werden, die die in der Verordnung genannten Feststoff- und Eluatwerte einhalten (§ 4 Abs. 1 VersatzV). Mit der Einhaltung der Eluatwerte ist im Allgemeinen der Schutz des Grund- und Grubenwassers sowie der oberirdischen Gewässer vor schädlichen Verunreinigungen gewährleistet (§ 4 Abs. 1 VersatzV).23 Ein Überschreiten dieser Feststoff- und Eluatwerte ist jedoch dann zulässig, wenn die geogenen Grundwerte am Einbringungsort höher sind oder wenn im Kohlegestein Abfälle aus der Kohleverbrennung eingebracht werden (§ 4 Abs. 2 VersatzV). Beim Einsatz von Versatzmaterial im Salzgestein dürfen aufgrund der Geschlossenheit der Salzlagerstätten die Grenzwerte überschritten werden, wenn ein Langzeitsicherheitsnachweis erbracht wird (§ 4 Abs. 3 VersatzV). § 4 Abs. 5 VersatzV stellt klar, dass neben den Anforderungen der VersatzV sonstige Anforde- 8 rungen, wie sie sich aus bergrechtlichen oder gefahrstoffrechtlichen Rechtsvorschriften ergeben, unberührt bleiben und somit zu beachten sind. Wird untertage mit bergbaufremden Abfällen umgegangen, die nach der Gefahrstoffverordnung als kennzeichnungspflichtig krebserzeugende, erbgutverändernde, fruchtbarkeitsgefährdende, sehr giftige oder giftige Gefahrstoffe eingestuft sind, ist § 4 GesBergV zu beachten. § 4 GesBergV sieht für einen Teil dieser Gefahrstoffe Umgangsverbote und für die anderen neben dem Betriebsplanverfahren ein allgemeines Zulassungsverfahren vor, in dem der Schutz von Leben und Gesundheit Beschäftigter oder Dritter wegen der bergbauspezifischen Gegebenheiten untertage geprüft wird (§ 4 Abs. 4 GesBergV).24 Die vom Länderausschuss Bergbau erarbeiteten Anforderungen an die stoffliche Verwer- 9 tung von mineralischen Abfällen als Versatz untertage (Stand: 22.10.1996)25 stellen nach dem 2. Tongrubenurteil des BVerwG26 keine normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift dar; sie können allenfalls als Orientierungshilfe in der Praxis dienen, soweit sie nicht der VersatzV widersprechen.27

20 21 22 23 24 25 26 27

OVG Münster 18.7.1997, 21 B 1717/94, ZfB 1997, 141, 148. BVerwG 14.4.2005, 7 C 26/03, BVerwGE 123, 247, 255 = ZfB 2005, 156, 161 f. Schulze-Rickmann ZUR 2003, 208, 209. BR-Drs. 272/02, S. 37. Beckmann ZfB 1999, 12. Abgedruckt in Frenz Abfallverwertung im Bergbau, S. 95. BVerwG 14.4.2005, 7 C 26/03, BVerwGE 123, 247, 256 = ZfB 2005, 156, 162. Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 55 Rn. 154.

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Anh. § 48

Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

Mit der Einführung der Ersatzbaustoffverordnung durch Art. 1 der MantelV,28 die am 1.8.2023 in Kraft tritt, gelten künftig bundeseinheitliche und rechtsverbindliche Anforderungen an die Herstellung und den Einbau mineralischer Ersatzbaustoffe in technische Bauwerke. Ziel der Verordnung ist es, erstmalig und bundeseinheitlich Schadstoffe, die bei Einbau von mineralischen Ersatzbaustoffen in technische Bauwerke durch Sickerwasser in den Boden und das Grundwasser eindringen können, zu begrenzen.29 Mineralische Ersatzbaustoffe sind gem. § 2 Nr. 1 mineralische Baustoffe, die als Abfall oder Nebenprodukt in Aufbereitungsanlagen hergestellt werden oder bei Baumaßnahmen, beispielsweise Rückbau, Abriss, Umbau, Ausbau, Neubau und Erhaltung anfallen (a), unmittelbar oder nach Aufbereitung für den Einbau in technische Bauwerke geeignet und bestimmt sind (b) und unmittelbar oder nach Aufbereitung unter die in den Nrn. 18 bis 33 bezeichneten Stoffe fallen (c). Vom Anwendungsbereich der Verordnung sind bergbauliche Tätigkeiten aber in § 1 Abs. 2 teilweise ausgenommen. Dies betrifft Bodenschätze wie Minerale, Steine, Kiese, Sande und Tone, die in Trocken- oder Nassabgrabungen, Tagebauen oder Brüchen gewonnen werden (Nr. 1), die Verwendung mineralischer Ersatzbaustoffe auf oder in einer durchwurzelbaren Bodenschicht (Nr. 2 lit. a)), unterhalb oder außerhalb einer durchwurzelbaren Bodenschicht, ausgenommen in technischen Bauwerken (Nr. 2 lit. b)), auf Halden oder in Absetzteichen des Bergbaus (Nr. 2 lit. d), in bergbaulichen Hohlräumen gemäß der Versatzverordnung (Nr. 2 lit. e)) sowie in Gewässern (Nr. 2 lit. g)). Auch die Zwischen- oder Umlagerung im Tagebau unter vergleichbaren Bodenverhältnissen und geologischen und hydrogeologischen Bedingungen (Nr. 3 lit. a)) fällt nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung. Für die von der Verordnung erfassten bergbaulichen Tätigkeiten regelt die Verordnung die Anforderungen an die Herstellung und an das Inverkehrbringen von mineralischen Ersatzbaustoffen vor, für die Probenahme und Untersuchung von nicht aufbereitetem Bodenmaterial und Baggergut, die Voraussetzungen, unter denen die Verwendung insgesamt nicht zu schädlichen Auswirkungen auf Mensch und Umwelt im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 4 und § 5 Abs. 1 Nr. 4 KrWG führt, die Anforderungen an den Einbau in technische Bauwerke sowie die getrennte Sammlung von mineralischen Abfällen aus technischen Bauwerken. 10 Zu der ordnungsgemäßen Verwertung zählt auch die Einhaltung von Verkehrsverboten. Eine Abfallverwertung erfolgt nicht ordnungsgemäß, wenn sie gegen die Verkehrsverbote insbesondere des Art. 67 in Verbindung mit Anhang XVII der REACH-Verordnung verstößt. So ist die Verwertung asbesthaltiger Abfälle bei der Wiedernutzbarmachung aufgrund des Verkehrsverbotes der Nr. 6 des Anhangs XVII der REACH-Verordnung nicht als ordnungsgemäß anzusehen.30 Für untertage ist derselbe Maßstab anzulegen. Weitergehende nationale Verkehrsverbote ergeben sich für Formaldehyd, Dioxine/Furane, pentachlorphenolhaltige Erzeugnisse und biopersistente Fasern aus § 3 Abs. 2 der ChemVerbotsV, die allerdings nach Abs. 3 – vorbehaltlich abweichender Regelungen in Anlage 1 Spalte 3 – nicht für das Inverkehrbringen zur ordnungsgemäßen und schadlosen Abfallverwertung in einer dafür zugelassenen Anlage oder zur gemeinwohlverträglichen Abfallbeseitigung gelten. 11 Insbesondere bei der Verwertung bergbaufremder Abfälle bei der Wiedernutzbarmachung der Oberfläche sind die Vorgaben des Bodenschutzrechts zu beachten.31 Dies gilt jedoch nicht für die Gestaltung von Halden, da diese keine Bodenfunktion haben und somit keinen Boden i.S.d. BBodSchG darstellen.

9a

28 Verordnung zur Einführung einer Ersatzbaustoffverordnung, zur Neufassung der Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung und zur Änderung der Deponieverordnung und der Gewerbeabfallverordnung vom 9.7.2021, BGBl. I S. 2598. 29 BR-Drs. 566/17, S. 205. 30 OVG Lüneburg 21.4.2005, 7 L C 41/03, ZfB 2005, 287, 291 zum Verkehrsverbot des § 1 ChemVerbotsV in der vor dem 27.1.2017 geltenden Fassung, die mittlerweile aufgrund der unionsrechtlichen Harmonisierung neugefasst wurde und nur noch die über den Harmonisierungsbereich des Unionsrechts hinausgehenden nationalen Verbote und Beschränkungen regelt. 31 BVerwG 14.4.2005, 7 C 26/03, BVerwGE 123, 247, 257 = ZfB 2005, 156, 162. Kappes

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Erstes Kapitel – Allgemeine Vorschriften über die Aufsuchung und Gewinnung

Anh. § 48

Die Verwertung bergbaufremder Abfälle in Bergbaubetrieben bedarf der Betriebsplanzulas- 12 sung. Die abfallrechtlichen Anforderungen des KrWG und seiner Rechtsverordnungen sind über § 48 Abs. 2 bei der Betriebsplanzulassung zu beachten.

6. Beseitigung bergbaufremder Abfälle Sollen bergbaufremde Abfälle in bergbaulichen Hohlräumen oder auf ehemals bergbaulich genutzten Flächen aus nicht bergbaulichen Zwecken dauerhaft abgelagert werden, stellt dies eine Abfallbeseitigung dar. Im Gegensatz zur Beseitigung bergbaulicher Abfälle, die als bergbauliche Tätigkeit dem Geltungsbereich des BBergG unterliegt, bedarf es zur Beseitigung bergbaufremder Abfälle in einer übertägigen Deponie oder in einer Untertagedeponie allein eines abfallrechtlichen Planfeststellungsverfahrens gemäß § 35 Abs. 2 KrWG. Der Gesetzgeber hat nämlich davon abgesehen, für die Beseitigung bergbaufremder Abfälle neben dem Abfallrecht auch dem Bergrecht zu unterstellen, wie z.B. die Endlagerung radioaktiver Stoffe (§ 126 Abs. 3).32 Wenn der Deponiebetrieb nach Einstellung der Rohstoffgewinnung erfolgen soll, ist dies im Abschlussbetriebsplan als „Nachfolgenutzung“ anzugeben und hinsichtlich der erforderlichen bergbaulichen Abschlussarbeiten zu berücksichtigen, z.B. hinsichtlich des Umfangs der Maßnahmen zur Wiedernutzbarmachung. Spätestens nachdem der abfallrechtliche Planfeststellungsbeschluss rechtskräftig ist, endet die Bergaufsicht gemäß § 69 Abs. 2. Diese lebt auch nach Einstellung der Deponierung nicht wieder auf, da die dann ggf. erforderlichen Maßnahmen zu den Einstellungsmaßnahmen einer Deponie zählen (§ 40 KrWG). Zur Frage, ob die nach der Bergbautätigkeit erfolgte Nutzung von Grubenbauen und Bergbauflächen für bergbaufremde Zwecke noch von der Bergbauberechtigung erfasst wird, vgl. Weller ZfB 1988, 342, 349 ff. Erfolgt die Beseitigung bergbaufremden Abfalls in abgeworfenen Teilen eines noch aktiven Bergbaubetriebes, ist hierfür auch ein abfallrechtliches Planfeststellungsverfahren gemäß § 35 Abs. 2 KrWG erforderlich. Dieses Planfeststellungsverfahren erfasst auch die Teile und Anlagenteile, die sowohl durch die bergbauliche als auch die Deponietätigkeit genutzt werden, z.B. Schächte bei einer Untertagedeponie. Die bergrechtlichen Anforderungen sind dann gemäß § 75 Abs. 1 VwVfG in abfallrechtlichen Planfeststellungsverfahren zu berücksichtigen.33 Nach den Abfallgesetzen einiger Bundesländer ist die Bergbehörde bei Betrieben, die dem Geltungsbereich des BBergG unterliegen, die für das abfallrechtliche Planfeststellungsverfahren zuständige Behörde34 (vgl. § 1, Anlage Nr. 8.3 Abfallzuständigkeitsverordnung BY; § 2 Abfall- und Zuständigkeitsverordnung Brb; § 19 Abs. 1 Hessisches Ausführungsgesetz Kreislaufwirtschaftsgesetz; § 17 Abs. 2 Landesabfallgesetz NRW).

II. Baurecht Schrifttum Berkemann Planerische Lenkung des Abbaus von oberflächennahen Bodenschätzen – Zulässigkeit und Grenzen, DVBl 1989, 625; Dippel Alte und neue Anwendungsprobleme der §§ 36, 38 BauGB, NVwZ 1999, 921; Gaentzsch Rechtliche Fragen des Abbaus von Kies und Sand, NVwZ 1998, 889; Pauli/Wörheide Verfahrensfragen bei der bauplanungsrechtlichen Zulassung von Bergbauvorhaben, NuR 2018, 302; Jaschinski Der Konflikt von Bauleitplanung und bergrechtlicher Zulassung eines Abbauvorhabens im Tagebau, LKV 1999, 295; Reimus Anspruch auf Erschließung bei bergrechtlich zugelassenen Abbauvorhaben, DVBl 1984, 82.

32 Weller ZfB 1988, 342, 357. 33 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 55 Rn. 168. 34 VGH Kassel 16.12.1987, 5 R 1861/87, ZfB 1988, 177. 347

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Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

1. Bauplanungsrecht 17 Für die bauplanungsrechtlichen Anforderungen ist das BauGB maßgeblich. Das BauGB enthält ausdrücklich bergbaubezogene Vorschriften, die sich zum einen an die Träger der Bauleitplanung richten (§ 1), zum anderen an das Vorhaben eines Bergbauunternehmers (§§ 29 ff. BauGB). Darüber hinaus gelten allgemeine Sonderregelungen auch für bestimmte Bergbauvorhaben (§ 38 BauGB). Das BBergG enthält keine speziellen bauplanungsrechtlichen Vorschriften. 18 Aufgabe der Bauleitplanung ist, die bauliche und sonstige Nutzung von Grundstücken vorzubereiten und zu leiten (§ 1 Abs. 1 BauGB). Die Bauleitplanung bezieht sich danach auf die Ordnung der Erdoberfläche, ist somit zweidimensional. Zwar ist die Ordnung des Untergrundes nicht Gegenstand der Bauleitplanung, womit untertägige Anlagen nicht dem Bauplanungsrecht unterliegen.35 Die Bauleitplanung wirkt jedoch aufgrund der auch für einen untertägigen Bergbaubetrieb notwendigen übertägigen Flächen für Betriebsanlagen mittelbar auf den untertägigen Bereich. Die Planungsträger haben bei der Aufstellung ihrer Flächennutzungs- und Bebauungspläne die in § 1 Abs. 6 BauGB enthaltenen Grundsätze zu berücksichtigen. Hierzu zählt auch „die Sicherung von Rohstoffvorkommen“ (§ 1 Abs. 6 Nr. 8 lit. f) BauGB). Die Sicherung des Rohstoffvorkommens besteht in der Sicherung des Zugangs zu der Lagerstätte. Mit der entsprechenden Ausweisung der übertägigen Grundstücksnutzung soll der Abbau der über- und untertägigen Rohstofflagerstätten nicht erschwert werden.36 Hierbei ist die Besonderheit der Rohstoffgewinnung mit ihrer Bindung an die Lagerstätte und der Nicht-Vermehrbarkeit der Rohstofflagerstätte zu beachten. Im Gegensatz zu anderen Grundstücksnutzungen bedeutet die „Überplanung“ einer Lagerstätte i.d.R., dass sie für den übertägigen Abbau nicht mehr zur Verfügung steht. Jedoch erfolgt der Abbau zeitlich beschränkt, so dass eine Fläche nach dem Rohstoffabbau, z.B. nach einer entsprechenden Wiedernutzbarmachung, für andere Nutzungen wieder zur Verfügung steht. Das BauGB verbietet nicht, in Bauleitplänen nacheinander folgende Grundstücksnutzungen festzulegen (§ 9 Abs. 2 BauGB). Gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 8 BauGB können in Flächennutzungsplänen Flächen für Aufschüttung, Abgrabungen oder die Gewinnung von Steinen, Erden oder anderen Bodenschätzen einschließlich der hierzu notwendigen Betriebsflächen gekennzeichnet werden. Für die energetischen Bodenschätze ist zusätzlich der Grundsatz des § 1 Abs. 6 Nr. 8 lit. e) BauGB von Bedeutung, wonach der Belang der Versorgung, insbesondere mit Energie zu berücksichtigen und Bauleitpläne den Zielen der Raumordnung, wie z.B. einem Braunkohlenplan, anzupassen sind (§ 1 Abs. 4 BauGB). Darüber hinaus gebietet das Abwägungsgebot des § 1 Abs. 7 BauGB, dass die eigentumsrechtlich geschützten Aufsuchungs- und Gewinnungsrechte als Belang in die planerische Abwägung eingestellt werden, auch wenn noch keine Betriebsplanzulassung vorliegt.37 Zur Berücksichtigung dieser Belange ist die Einreichung oder die Zulassung eines Rahmenbetriebsplans nicht notwendig.38 Die Berücksichtigungspflicht einzelner Belange, wie die Sicherung der Rohstoffversorgung, bedeutet nicht von vorne herein einen Vorrang vor anderen Belangen.39 Auch wenn sich die Bauleitpläne auf die übertägige Nutzung beziehen, sollen – ohne dass damit planungsrechtliche Festlegungen getroffen werden – Flächen, unter denen Bergbau umgeht oder die für den Rohstoffabbau bestimmt sind, gekennzeichnet werden (§§ 5 Abs. 3 Nr. 2; 9 Abs. 5 Nr. 2 BauGB). Eine solche Kennzeichnung löst keine Anpassungspflicht gemäß §§ 110 ff. und keinen Bergschadensersatzanspruch gemäß § 114 Abs. 2 aus. Bei der Aufstellung von Bauleitplänen haben die Behörden, wie z.B. die Geologischen Lan19 desämter und Bergbehörden, die Möglichkeit, Stellung zu nehmen (§ 4 BauGB). Auch die Öffentlichkeit ist über die Planungen zu informieren, so dass Bergbauberechtigte, Grundeigentümer

35 36 37 38 39

Piens/Schulte/Graf Vitzthum, BBergG, § 56 Anhang Rn. 14; Pauli/Wörheide NuR 2018, 302, 303. Gaentzsch BauGB § 1 Rn. 58. OVG Koblenz 29.1.1993, 10 C 10835/91 OVG, ZfB 1993, 215, 217. BVerwG 7.3.2002, 4 BN 38/01, ZfB 2003, 60, 61. OVG Saarlouis 20.10.2011, 2 C 510/09, ZfB 2012, 11, 32.

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Erstes Kapitel – Allgemeine Vorschriften über die Aufsuchung und Gewinnung

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und Bergbauunternehmer zu den Planungen aus ihrer Sicht Stellung nehmen können (§ 3 BauGB). Bei den Rechtsschutzmöglichkeiten ist zwischen Flächennutzungs- und Bebauungsplänen 20 zu unterscheiden. Flächennutzungspläne können nach überwiegender Meinung40 aufgrund ihrer fehlenden Rechtsnormqualität keiner gerichtlichen Kontrolle (§§ 42, 47 VwGO) unterzogen werden. Das BVerwG hat diese Ansicht zumindest in den Fällen von Konzentrationsflächen im Außenbereich (§ 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB) aufgegeben.41 Gegen einen Bebauungsplan ist, soweit dies das Landesrecht zulässt, eine Normenkontrolle gemäß § 47 Abs. 1 VwGO möglich. Antragsbefugt ist auch der Inhaber eines eigentumsrechtlich geschützten Aufsuchungs- und Gewinnungsrechts. Das gilt auch, wenn der Grundstückseigentümer der einzigen bebaubaren Fläche des Plangebiets auf Abwehrrechte gegen die Abbautätigkeit verzichtet hat.42 Für die Antragsbefugnis kommt es nicht auf die Zulassung eines Rahmenbetriebsplans an, es genügt, dass das bergrechtlich geschützte Interesse, Bergbau mit den erforderlichen Anlagen zu betreiben, nicht offensichtlich unbeachtlich ist.43 Eine fehlerhafte rechtliche Beurteilung der Belange des Bergbaus führt zur Nichtigkeit des Bebauungsplans.44 Demgegenüber vermittelt nach dem VGH Kassel die Position als ehemaliger Inhaber einer Bergbauberechtigung und Unternehmer, der noch nicht aus der Bergaufsicht entlassen wurde und daher einer aus §§ 58 ff. folgenden bergrechtlichen Pflichtenstellung unterliegt, die mit der polizeirechtlichen Verhaltensverantwortlichkeit zu vergleichen ist, ohne Hinzutreten weiterer Besonderheiten für sich allein keine Antragsbefugnis im Normenkontrollverfahren.45 Die bauplanungsrechtlichen Anforderungen der §§ 30 bis 37 BauGB gelten für die Errichtung, 21 Änderung oder Nutzungsänderung von baulichen Anlagen, Aufschüttungen, wie z.B. Bergehalden,46 Ablagerungen größeren Umfangs sowie Ausschachtungen und Ablagerungen einschließlich Lagerstätten (§ 29 Abs. 1 BauGB). Entsprechend dem Regelungsbereich des BauGB, die Nutzung von Grundstücken zu gestalten, sind hierunter nur übertägige Anlagen zu fassen. Die Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung von Bodenschätzen ist mit solchen Vorhaben verbunden. Zu den baulichen Anlagen zählen u.a. Gebäude, aber auch Fördergerüste, Grubenlüfter und andere bauliche Betriebseinrichtungen. Auf die Begriffe der LBO und deren bergbauliche Ausnahmeregelung (vgl. Anhang zu § 48 Rn. 36 ff.) kann nicht zurückgegriffen werden, da ohne ausdrückliche Übernahme Ländervorschriften nicht für ein Bundesgesetz maßgeblich sind. Zu den Aufschüttungen, die eine künstliche Erhöhung des Bodenniveaus darstellen,47 zählen alle Arten von Halden, Dämme und Wälle. Abgrabungen dienen der übertägigen Aufsuchung und Gewinnung von Bodenschätzen, wie z.B. Sand-, Ton- und Kiesgruben und alle Tagebaue. Ob die Aufschüttung oder Abgrabungen einen größeren Umfang haben, hängt von den örtlichen Umständen des Einzelfalls ab und ob sie für die städtebauliche Ordnung relevant sind.48 Vorhaben, die gemäß § 1 UVP-V Bergbau UVPpflichtig sind, wie z.B. Tagebaue von mehr als 25 ha49 (§ 1 Nr. 1 lit. b) aa) UVPV Bergbau) oder Halden mit einem Flächenbedarf von 10 ha und mehr (§ 1 Nr. 3 UVP-V Bergbau), dürften einen größeren Umfang haben. Während Abgrabungen i.d.R. auf Dauer angelegt sind, dienen Ausschachtungen einer zeitlich begrenzten Vorbereitung für eine bauliche Anlage.50 Sowohl Abgrabungen als auch Ausschachtungen setzen ein zielgerichtetes Handeln auf die Erdoberfläche voraus, so dass hierunter nicht die durch den untertägigen Abbau entstehenden Bodensenkungen gefasst

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BVerwG 20.7.1990, 4 N 3/88, NVwZ 1991, 262. BVerwG 26.4.2007, 4 CN 3/06, BVerwGE 128, 382. OVG Koblenz 29.1.1993, 10 C 10835/91 OVG, ZfB 1993, 215. BVerwG 7.3.2002, 4 BN 38/01, ZfB 2003, 60, 61. OVG Koblenz 29.1.1993, 10 C 10835/91 OVG, ZfB 1993, 215, 217. VGH Kassel 15.12.2020, 3 C 1368/18.N, juris Rn. 35. OVG Saarlouis 20.12.2006, 2 W 16/06, ZfB 2007, 136, 137. Rausch Umwelt- und Planungsrecht beim Bergbau, 60. OVG Münster 13.6.2002, 8 A 480/01, NuR 2003, 47, 48; Battis/Krautzberger/Löhr/Reidt BauGB § 29 Rn. 23. BVerwG 18.3.1983, 4 C 17/81 = ZfB 1983, 429, 431. Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 56 Anhang Rn. 44.

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Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

werden können.51 Ablagerungen und Lagerstätten sind im Rahmen des BauGB als Lagerplätze zu verstehen.52 22 Die bauplanungsrechtlichen Vorgaben der §§ 30 bis 37 BauGB gelten gemäß § 38 BauGB nicht für Vorhaben, die mittels eines Planfeststellungsverfahrens oder sonstigen Verfahren mit den Rechtswirkungen der Planfeststellung genehmigt werden, soweit die Gemeinde beteiligt wird und das Vorhaben von überörtlicher Bedeutung ist. Dies gilt für die Zulassung obligatorischer Rahmenbetriebspläne. Auch wenn es sich bei der bergrechtlichen Planfeststellung um eine gebundene Entscheidung und damit um ein atypisches Planfeststellungsverfahren handelt und der Rahmenbetriebsplan keine behördliche Fachplanung i.S.d. § 38 BauGB darstellt, gilt § 38 BauG für den obligatorischen Rahmenbetriebsplan, da der Zulassung die von § 38 BauGB geforderte konzentrierende Wirkung eines Planfeststellungsbeschlusses zukommt (§ 57a Abs. 1 Satz 1).53 Nachdem dies von den Obergerichten offen gelassen wurde,54 hat das BVerwG mittlerweile bestätigt, dass die fehlende fachplanerische Abwägung der Rahmenbetriebsplanzulassung angesichts des eindeutigen Wortlauts des § 38 BauGB ohne Bedeutung ist.55 Überörtliche Bedeutung hat ein Vorhaben dann, wenn es aufgrund seiner überörtlichen Bezüge bei typisierender Betrachtungsweise einen gemeindeübergreifenden Koordinierungsbedarf hervorruft. Dies setzt nicht voraus, dass das Vorhaben als solches das Gebiet von mindestens zwei Gemeinden berührt. Ein Koordinierungsbedarf kann vielmehr auch bei einem auf das Gebiet nur einer Gemeinde beschränkten Vorhaben dann vorliegen, wenn dieses in ein übergreifendes Planungsprojekt eingebettet ist oder sich in übergreifende raumbezogene Vorgaben einpassen muss.56 Überörtlich ist ein Bergbauvorhaben, wenn ein überörtlicher Koordinierungsbedarf besteht, der sich in der Notwendigkeit eines Raumordnungsverfahrens57 oder eines Gebietsentwicklungs, Braunkohlen- oder Regionalplans ergibt. Einem Torfabbau dürfte i.d.R. keine überortliche Bedeutung zukommen.58 Auch wenn die UVP-pflichtigen Bergbauvorhaben i.d.R. von überörtlicher Bedeutung sind,59 kann die UVP-Pflichtigkeit eines Vorhabens nicht automatisch mit „Überörtlichkeit“ gleichgesetzt werden, da der Ausgangspunkt der UVP (Umweltauswirkungen) und des BauGB (Überörtlichkeit) unterschiedlich sind.60 Gemeinden sind auch bei einer Freistellung nach § 38 BauGB gemäß § 38 Satz 1 2. Halbsatz BauGB im Planfeststellungsverfahren von der Bergbehörde zu beteiligen; es bedarf jedoch nicht ihres Einvernehmens.61 An die Stelle einer strikten Verbindlichkeit bauplanungsrechtlicher Anforderungen tritt nach § 38 Satz 1 2. Halbsatz BauGB das Gebot, städtebauliche Belange zu berücksichtigen. Dies erfolgt im bergrechtlichen Planfeststellungsverfahren über die Einstellung in die Abwägung nach § 48 Abs. 2 (vgl. § 48 Rn. 54).62 23 Die Zulassung von fakultativen Rahmen-, Haupt-, Sonder- und Abschlussbetriebsplänen hat dagegen nicht die Konzentrationswirkung eines Planfeststellungsbeschlusses, so dass bei Vorhaben nach § 29 BauGB die Ausnahmeregelung des § 38 BauGB nicht zur Anwendung kommt63 und die §§ 30 bis 37 BauGB zu beachten sind. Die Gemeinde ist nicht gehindert, durch einen Bebauungs-

51 Schulte ZfB 1987, 178, 191 Fn. 55. 52 Rausch Umwelt- und Planungsrecht im Bergbau, S. 62. 53 Kühne DVBl 2007 832; Ernst/Zinkhahn/Bielenberg/Krautzberger/Runkel BauGB, § 38 Rn. 159; offen gelassen OVG Saarlouis 20.10.2011, 2 C 510/09, ZfB 2013, 11, 34; OVG Münster 27.10.2005, 11 A 1751/04 = ZfB 2006, 32. 54 OVG Saarlouis 20.10.2011, 2 C 510/09, ZfB 2013, 11, 34; OVG Münster 27.10.2005, 11 A 1751/04, ZfB 2006, 32, 54. 55 BVerwG 30.3.2017, 7 C 17/15 = ZfB 2017, 107, 113. 56 BVerwG 30.3.2017, 7 C 17/15 = ZfB 2017, 107, 113. 57 BVerwG 30.3.2017, 7 C 17/15 = ZfB 2017, 107, 113; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 56 Anhang Rn. 50. 58 VGH München 6.3.1990, 8 B 87.2925, UPR 1990, 750. 59 Hoppe/Spoerr Bergrecht und Raumordnung, S. 124; Gaentzsch NVwZ 1998, 889. 60 Pauli/Wörnheide NuR 2018, 302, 311. 61 Dippel NVwZ 1999, 921, 924. 62 Kühne DVBl 1984, 709, 714. 63 BVerwG 16.3.1989, 4 C 25/86 = ZfB 1989, 210; BVerwG 16.3.2001, 4 BN 15/01, NVwZ-RR 2002, 8, 9; Jaschinski LKV 1999, 295, 296. Kappes

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plan Festsetzungen zu treffen, die einen bergrechtlich bereits zugelassenen Abbau beschränken.64 Erfolgen dagegen nach einem planfestgestellten oder zugelassenen Rahmenbetriebsplan spätere Haupt-, Sonder- und Abschlussbetriebspläne, sind die bauplanungsrechtlichen Anforderungen aufgrund der Bindungswirkung der Rahmenbetriebsplanzulassung grundsätzlich nicht mehr Gegenstand der späteren Zulassungen. Kommen die bauplanungsrechtlichen Vorschriften der §§ 30 ff. BauGB zur Anwendung65 und soll ein Bergbauvorhaben oder ein Teil davon, wie z.B. ein Grubenlüfter, im Bereich eines qualifizierten Bebauungsplans gemäß § 30 Abs. 1 BauGB durchgeführt werden, ist dies zulässig, wenn er nicht den Festsetzungen eines rechtmäßigen Bebauungsplans widerspricht. Im Bebauungsplan sind Festsetzungen unzulässig, wenn sie nur dazu dienen standortgebende Vorhaben zu verhindern, obwohl der Gesetzgeber diesen Vorhaben eine besondere Stellung eingeräumt hat (§ 35 Abs. 1 BauGB) (sog. Negativ-Festsetzungen).66 Widerspricht das Vorhaben den Vorgaben des Bebauungsplans ist eine Ausnahme oder Befreiung von diesen Festsetzungen gemäß § 31 BauGB möglich, wobei die Abwägungsvorgaben des § 48 Abs. 1 Satz 2 zu berücksichtigen sind.67 In nicht beplanten Innenbereichen ist ein Vorhaben nach § 34 BauGB zulässig, wenn es sich nach Art und Maß in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse gewährt bleiben. Aufgrund des Umfangs der Flächeninanspruchnahme, insbesondere bei Tagebauen, befinden sich die meisten Bergbauvorhaben im nicht geplanten Außenbereich und unterliegen – soweit sie nicht mittels eines planfestgestellten Rahmenbetriebsplans zugelassen werden – den Anforderungen des § 35 BauGB. § 35 BauGB unterscheidet sog. privilegierte Vorhaben (§ 35 Abs. 1 BauGB) und sonstige Vorhaben (§ 35 Abs. 2 BauGB). Die Privilegierung besteht darin, dass diese Vorhaben zulässig sind, wenn diesen keine öffentlichen Belange entgegenstehen, während sonstige Vorhaben keine öffentlichen Belange beeinträchtigen dürfen. Privilegierte Vorhaben können sich danach bei der Abwägung zwischen Vorhaben und öffentlichen Belangen eher durchsetzen. Zu den privilegierten Vorhaben zählen solche, die einem „ortsgebundenen gewerblichen Betrieb dienen“ (§ 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB). Zu den Betrieben zählen nicht nur Gewerbebetriebe i.S.d. Gewerberechts, sondern auch solche der Urproduktion,68 wie die Rohstoffgewinnung. Ortsgebunden ist ein Vorhaben, wenn es seinem Wesen und seinem Gegenstand nach auf die geografische oder geologische Eigenart dieser Stelle angewiesen ist.69 Die Aufsuchung und Gewinnung von Bodenschätzen kann aus geologischen Gründen nur dort erfolgen, wo sich die Rohstofflagerstätte befindet.70 Es ist deshalb unbestritten, dass ein Aufsuchungs- oder Gewinnungsbetrieb einen ortsgebundenen Betrieb darstellt. Hierzu zählt die Gewinnung von Bodenschätzen in Tagebauen71 und Steinbrüchen. Die Ortsgegebenheit erstreckt sich nicht nur auf den Gewinnungsort, sondern auch auf die für diese Tätigkeit notwendigen Betriebsanlagen, die mit 64 BVerwG 16.3.2001, 4 BN 15/01, NVwZ-RR 2002, 8, 9; a.A. Strecker Die Rechtsposition der Gemeinde im bergrechtlichen Betriebsplanverfahren, S. 83. 65 Vgl. Berkemann DVBl 1989, 625. 66 BVerwG 4.7.1986, 4 C 31/84, BVerwGE 74, 315, 318 = ZfB 1987, 60, 64, Zur Zulässigkeit eines Fördergerüsts mit Schachthalle in einem der Bahngelände gekennzeichneten Bebauungsplan, Rausch Umwelt- und Planungsrecht im Bergbau, S. 66. 67 BVerwG 4.7.1986, 4 C 31/84, BVerwGE 74, 315, 318 = ZfB 1987, 60, 64. 68 Battis/Krautzberger/Löhr/Mitschang/Reidt BauGB, § 35 Rn. 31; Rausch Umwelt- und Planungsrecht im Bergbau, S. 69. 69 BVerwG 16.6.1994, 4 C 20/93, BVerwGE 96,95, 98; BVerwG 18.12.1995, 4 B 260/95, DÖV 1996, 380; BVerwG 5.7.1974, IV C 76/71, NJW 1975, 550. 70 BVerwG 5.7.1974, IV C 76/71, NJW 1975, 550. 71 BVerwG 19.7.2001, 4 C 4/00, BVerwGE 115, 17, 28 (Gips); BVerwG 16.3.1989, 4 C 25/86, ZfB 1989, 210, 215 (Kies Quarz); BVerwG 18.3.1983, 4 C 17/81, DVBl 1983, 893 (Diabas); VGH München 15.10.2002, 8 ZB 0.5.271, NuR 2003, 238 (Quarz); VGH Kassel 12.9.2000, 2. UE 924/99, ZfB 2001, 40, 47 (Quarz); OVG Lüneburg 23.4.1980, 3 OVG A 107/78, NuR 1981, 137 (Kies); VG Koblenz, 16.1.1984, 1 K 221/82, ZfB 1984, 470, 476 (Betonit, Tone); Schulte ZfB 1987, 178, 194; Kühne DVBl 1984, 709, 713. 351

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der Gewinnungsstätte im räumlichen oder funktionellen Zusammenhang stehen, wie z.B. Betriebswerkstätten, Förderbandanlagen, Abraumhalden, Böschungen, Entwässerungsanlagen und Fahrwege. Auch Aufbereitungsanlagen können hierunter gefasst werden, wie z.B. Anlagen zur Zerkleinerung von Kies.72 Die untertägige Aufsuchung und Gewinnung von Bodenschätzen ist auch an die Rohstofflagerstätte gebunden, so dass die hierfür erforderlichen übertägigen Anlagen ortsgebunden sind, wie z.B. Schachtgebäude, Förderanlagen,73 Grubenlüfter, Bohrtürme, Anlagen für die Erdöl- und Erdgasgewinnung und Halden. Aufbereitungsanlagen sind weitgehend an den Gewinnungsort der Bodenschätze gebunden. Die Ortsgebundenheit verliert jedoch ein Gebäude, das nach Einstellung des Bergbaubetriebes anderen nicht von § 35 Abs. 1 BauGB erfassten Nutzungen zugeführt wird.74 Das Vorhaben „dient“ einem Standort gebundenen Betrieb, wenn ein vernünftiger Betriebsin28 haber unter der größtmöglichen Schonung des Außenbereichs ein solches Vorhaben durchführen würde.75 Privilegierte Bauvorhaben sind unzulässig, wenn ihnen öffentliche Belange entgegenstehen 29 (§ 35 Abs. 1 BauGB). Zu diesen in § 35 Abs. 3 BauGB beispielhaft aufgeführten Belangen zählen Darstellungen in Flächennutzungsplänen (§ 35 Abs. 3 Nr. 1 BauGB). Um als öffentliche Belange berücksichtigt zu werden, müssen die Flächennutzungspläne sachlich und rechtlich hinreichend konkret sein76 und rechtmäßige Ausweisungen enthalten. Ein Vorhaben des übertägigen Kiesabbaus ist daher mit Blick auf die gemeindliche Beachtungspflicht für Ziele der Raumordnung (§ 4 Abs. 1 ROG) und das Anpassungsgebot des § 1 Abs. 4 BauGB für Bauleitpläne zulässig, wenn sie den Darstellungen des Flächennutzungsplans als Fläche für die Landwirtschaft widersprechen, die betroffenen Außenbereichsflächen aber Teil eines wirksam festgesetzten Vorranggebiets für den Abbau von Kiesen und Sanden sind. Die Gemeinde kann der Zulassung eines Bergbauvorhabens nicht einen „zielwidrigen“ Flächennutzungsplan entgegenhalten oder eine Verletzung ihrer Planungshoheit aus einer Entziehung wesentlicher Teile des Gemeindegebiets rügen.77 Der Ausschluss der Rohstoffgewinnung im gesamten Gemeindegebiet, obwohl entsprechende Lagerstätten vorhanden sind, würde eine unzulässige Negativausweisung darstellen, die die Wertung des Gesetzgebers von ortsgebundenen Betrieben (§ 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB) unberücksichtigt lässt.78 Keine Bedenken bestehen jedoch beim Ausschluss der Rohstoffgewinnung in bestimmten Teilen der Gemeinde, wenn aufgrund eines schlüssigen Plankonzeptes, das sich auf den gesamten Außenbereich erstreckt, diese Tätigkeiten auf bestimmte Standorte des Gemeindegebiets als Vorranggebiet konzentriert werden (sog. Konzentrationsflächen) (§ 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB).79 Raumbedeutsame Vorhaben dürfen nicht den Zielen der Raumordnung widersprechen (§ 35 Abs. 3 Satz 2 BauGB). Raumbedeutsam ist ein Vorhaben, das Raum in Anspruch nimmt oder die Entwicklung oder die Funktion eines Gebietes, die in landesplanerischen Zielen verkörpert werden, negativ beeinflussen können (§ 3 Abs. 1 Nr. 6 ROG).80 Die u.a. in Regionalplänen festgelegten Ziele der Raumordnung können zugunsten eines Rohstoffgewinnungsvorhabens festgelegt werden, wie z.B. in Braunkohlenplänen,81 oder auch Rohstoffvorhaben ausschließen. Ein im Außenbereich privilegiertes Gipsabbauvorhaben kann dem in einem Regionalplan festgelegten Ziel „Vorranggebiet für Erholung“ widersprechen und unzulässig sein, wenn diese Ziele räumlich und sachlich hinreichend bestimmt

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Dolde NJW 1981, 1929, 1932. VG Köln 29.7.1986, 2 K 5684/85, ZfB 1988, 201, 2005. OVG Münster 20.8.1988, 7 A 2258/86, ZfB 1990, 29, 32. BVerwG 18.3.1983, 4 C 17/81, DVBl 1983, 893; OVG Münster 23.4.2002, 8 A 3365/99, NuR 2002, 625, 627. BVerwG 15.7.2001, 4 C 4/00, BVerwGE 115, 17, Gipsabbau im Vorranggebiet Erholung. OVG Bautzen 17.8.2018, 1 A 320/17, ZfB 2019, 146, 157. BVerwG 17.12.2002, 4 C 15/01, BVerwGE 117, 287, 293; Rausch Umwelt- und Planungsrecht beim Bergbau, S. 74. BVerwG 15.9.2009, 4 BN 25/09, ZUR 2010, 96; BVerwG 17.12.2002, 4 C 15/01, BVerwGE 117, 287, 293; ausführlich zu den Anforderungen bei der Festlegung von Vorranggebieten für die Rohstoffgewinnung Schink UPR 2012, 369. 80 Hoppe/Spoerr Bergrecht und Raumordnung, S. 110; Schulte ZfB 1987, 178, 192. 81 Kühne DVBl 1984, 709, 713. Kappes

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sind.82 Für Raumordnungspläne als Ziele der Raumordnung gelten dieselben Anforderungen wie für Flächennutzungspläne einschließlich der Möglichkeit bestimmte Grundstücksnutzungen auf ein bestimmtes Gebiet zu konzentrieren (§ 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB), wobei sich bei Regionalplanungen Nutzungsverbote für bestimmte Tätigkeiten auch auf das gesamte Gebiet einer Gemeinde erstrecken können.83 Weitere Voraussetzungen für die Privilegierung ist, dass die Erschließung der Vorhaben ausreichend gesichert ist (§ 35 Abs. 1 3. Halbsatz BauGB). Die Erschließung ist Aufgabe der Gemeinde (§ 123 Abs. 1 BauGB). Eine Verpflichtung zur Erschließung hat die Gemeinde ebenso wenig, wie der Unternehmer einen Rechtsanspruch auf Erschließung der Gemeinde hat.84 Ist der Unternehmer bereit, die Erschließung selbst durchzuführen, ist die Gemeinde jedoch verpflichtet, ein entsprechendes zumutbares Angebot des Unternehmers anzunehmen.85 Die Gemeinde kann sich auf eine Verletzung ihrer Planungshoheit nicht mit dem Einwand berufen, die Erschließung des Vorhabens von § 35 Abs. 1 BauGB sei nicht gesichert.86 Die öffentlichen Belange i.S.d. § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB sind mit denen der Rohstoffgewinnung abzuwägen. Bei der Abwägung haben die privilegierten Vorhaben nach § 35 Abs. 1 BauGB ein besonderes Gewicht, das zu einer größeren Durchsetzungsfähigkeit als bei sonstigen Vorhaben führt. Darüber hinaus sind bei Bergbauvorhaben die Abwägungsvorgaben des § 48 Abs. 1 Satz 2 zu berücksichtigen. Die Privilegierung bedeutet nicht, dass die Abwägung stets zugunsten dieser Vorhaben ausfällt. So können Darstellungen eines Flächennutzungsplanes auch einem privilegierten Vorhaben entgegenstehen.87 Unabhängig davon, dass planfestgestellte Rahmenbetriebspläne nicht des Einvernehmens der Gemeinde bedürfen (§ 38 BauGB) (vgl. Anhang zu § 48 Rn. 22), ist auch bei Vorhaben, die durch andere Betriebspläne zugelassen werden, gemäß § 36 Abs. 1 Satz 2 2. Halbsatz BauGB kein Einvernehmen der Gemeinde erforderlich. Die Vorschrift nimmt Vorhaben i.S.d. § 29 Abs. 1 BauGB, über deren Vereinbarkeit mit dem Bauplanungsrecht in einem anderen als dem bauaufsichtlichen Verfahren entschieden wird, vom Einvernehmenserfordernis aus, sofern sie der Bergaufsicht unterliegen. Nach dem BVerwG ist die Ausnahme vom Erfordernis des gemeindlichen Einvernehmens aber in einschränkender Auslegung nur auf solche Vorhaben zu beziehen, über deren bauplanungsrechtliche Zulässigkeit in der bergrechtlichen Betriebsplanzulassung entschieden wird. Das sei beispielsweise nicht der Fall, wenn über die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit für eine der Bergaufsicht unterliegende Biogasanlage auf dem Gelände eines Klebsand- und Tontagebaus in einem immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren entschieden wird.88 Soweit die Ausnahme vom Einvernehmenserfordernis greift, ist die Gemeinde aber bei Betriebsplänen, die ihre Planungshoheit berühren, gemäß § 54 Abs. 2 von der Bergbehörde zu beteiligen. Die Einhaltung der bauplanungsrechtlichen Vorgaben bei Vorhaben nach § 29 BauGB ist grundsätzlich Gegenstand des Baugenehmigungsverfahrens. Auch wenn für bergbaulich genutzte Gebäude, wie z.B. bei einem Fördermaschinenhaus oder Schallschutzgebäude eine Baugenehmigung erforderlich ist, sind nach der Rechtsprechung des BVerwG die bauplanungsrechtlichen Anforderungen nicht Teil des Baugenehmigungs-, sondern des Betriebsplanverfahrens und über § 48 Abs. 2 Satz 1 zu berücksichtigen. Die bei der Nutzung der Gebäude entstehenden Immissionen haben ihre Ursache in dem Verladen und Befördern von Bodenschätzen und Nebengestein, so dass die Immissionen dem Bergbaubetrieb näher sind als dem Gebäude.89 Dies gilt erst recht, 82 83 84 85 86 87 88

BVerwG 19.7.2001, 4 C 4/00, BVerwGE 115, 17, 3. Leitsatz. BVerwG 13.3.2003, 4 C 4/02, BVerwGE 118, 33, 36. Rausch Umwelt- und Planungsrecht im Bergbau, S. 72. BVerwG 30.8.1985, 4 C 48/81, DVBl 1986, 186, 187; vgl. auch Reimus DVBl 1984, 82, 84. VGH München 5.12.2006 8 CS 06.2705, UPR 2007, 159; VG Ansbach 29.3.2007, AN 16 K 05.03 074, ZfB 2007, 291, 292. BVerwG 22.5.1987, 4 C 57/84, BVerwGE 77, 300, 307. BVerwG 28.9.2016, 7 C 18/15, ZfB 2017, 33, 35 ff.; Kritisch dazu mit Blick auf das Verhältnis von Bergrecht, Immissionsschutzrecht und Baurecht Pauli/Wörheide NuR 2018, 302, 307 ff. 89 BVerwG 16.3.1989, 4 C 25/86, ZfB 1989, 210, 215; VGH Kassel 12.9.2000, 2 UE 924/99, ZfB 2001, 40, 46. 353

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wenn die bergbauliche Anlage, wie z.B. Halden oder Fördergerüste, keiner Baugenehmigung bedürfen.

2. Bauordnungsrecht 34 Das BBergG enthält keine Vorschriften, die ausdrücklich das Bauordnungsrecht betreffen. Dagegen beinhalten die Bauordnungen aller Bundesländer in der Umschreibung ihres Anwendungsbereichs Ausnahmeregelungen für bergbauliche Anlagen.90 Diese Ausnahme erklärt sich aus den aufgrund der wegen der natürlichen Gegebenheiten notwendigen technischen Besonderheiten bei bergbaulichen Anlagen, auf die das Bauordnungsrecht nicht zugeschnitten ist.91 Soweit es sich nicht um Gebäude handelt (vgl. Anhang zu § 48 Rn. 35), gelten die Landesbauordnungen grundsätzlich nicht für Anlagen, die der Bergaufsicht unterliegen.92 Auch wenn in den Landesbauordnungen Aufschüttungen, wie z.B. Berge-, Kohle- und Kokshalden oder (Außen-)kippen und Abgrabungen ausdrücklich zu den baulichen Anlagen zählen (z.B. § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LBO NRW), unterliegen bergbauliche Aufschüttungen und Abgrabungen wegen der bergbaulichen Ausnahmeregelung nicht den bauordnungsrechtlichen Anforderungen. Die materiellen Anforderungen der Bauordnung einschließlich dem Erfordernis der Baugenehmigung und der Anzeige finden danach grundsätzlich auf bergbauliche Anlagen – auch über § 48 Abs. 2 – keine Anwendung. Die Ausnahmeregelung knüpft an das Bestehen der Bergaufsicht, d.h. an den Geltungsbereich des BBergG an. Solange die Bergaufsicht besteht, ist das Bauordnungsrecht nicht anzuwenden. Ist die Bergaufsicht gemäß § 69 Abs. 2 beendet, fallen die vorher bergbaulich genutzten baulichen Anlagen unter den Geltungsbereich der Bauordnung, auch wenn es sich um bergbautypische Anlagen, wie z.B. Grubenlüfter und Fördergerüste, handelt.93 Bis auf das Land BY, das ausnahmslos alle der Bergaufsicht unterliegenden Anlagen vom 35 Geltungsbereich der Landesbauordnung freistellt,94 schränken die anderen Bundesländer die bergbauliche Ausnahme durch eine Rückausnahme wieder ein, wonach die bauordnungsrechtlichen Anforderungen auch für Gebäude gelten, die der Bergaufsicht unterliegen.95 Nach der Legaldefinition sind Gebäude selbständig benutzbare, überdachte bauliche Anlagen, die von Menschen betreten werden können und geeignet oder bestimmt sind, dem Schutz von Menschen, Tieren oder Sachen zu dienen (z.B. § 2 Abs. 2 LBO NRW). In den Bundesländern B-W, Hess, RLP und Thür werden nach dem Wortlaut der Ausnahmere36 gelung auch untertägige Gebäude vom Anwendungsbereich der Landesbauordnung ausgeschlossen, indem die Rückausnahme auf „oberirdische“ oder „Gebäude an der Oberfläche“ abstellt.96 Neben BY findet in diesen Ländern untertägig die Landesbauordnung uneingeschränkt keine Anwendung. Die anderen Länder unterstellen allgemein bergbauliche „Gebäude“ dem Geltungsbereich der Bauordnung. Hier ist fraglich, ob die wenigen untertägigen Anlagen, die die Eigenschaft als Gebäude erfüllen, wie z.B. Schutzräume, hiervon erfasst werden. Im Hinblick darauf, dass für untertägige Gebäude besondere Verhältnisse bestehen und diese von einer kompe-

90 Zu den früher unterschiedlichen bergbaulichen Ausnahmeregelungen in den Bauordnungen der Länder vgl. H. Schulte ZfB 1987, 173,189 f.; Rausch Umwelt- und Planungsrecht beim Bergbau, S. 56 ff.

91 Schulte ZfB 1987, 173, 180. 92 § 1 Abs. 2 Nr. 3 LBO B-W; Art 1 Abs. 2 Nr. 2 LBO BY; § 1 Abs. 2 Nr. 2 LBO Bln; § 1 Abs. 2 Nr. 1 LBO Brb; § 1 Abs. 2 Nr. 2 LBO HB; § 1 Abs. 2 Nr. 2 LBO HH; § 1 Abs. 2 Nr. 3 LBO Hess; § 1 Abs. 2 Nr. 2 LBO M-V; § 1 Abs. 2 Nr. 2 LBO Nds; § 1 Abs. 2 Nr. 2 LBO NRW; § 1 Abs. 2 Nr. 2 LBO RLP; § 1 Abs. 2 Nr. 2 LBO SL; § 1 Abs. 2 Nr. 2 LBO SN; § 1 Abs. 2 Nr. 2 LBO LSA; § 1 Abs. 2 Nr. 2 LBO S-H und § 1 Abs. 2 Nr. 2 LBO Thür. 93 Rausch Umwelt- und Planungsrecht beim Bergbau, S. 56. 94 Vgl. Art. 1 Abs. 2 Nr. 2 LBO BY. 95 Vgl. z.B. § 1 Abs. 2 Nr. 2 LBO NRW. 96 § 1 Abs. 2 Nr. 3 LBO B-W; § 1 Abs. 2 Nr. 3 LBO Hess; § 1 Abs. 2 Nr. 2 LBO RLP; § 1 Abs. 2 Nr. 2 LBO Thür. Kappes

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tenten Behörde beurteilt werden müssen, erscheint es sinnvoll, auch in diesen Ländern die Geltung der Bauordnung nur auf übertägige Gebäude zu beschränken. Übertägige bergbauliche Gebäude unterliegen uneingeschränkt der Anwendung der Bau- 37 ordnung. Zu den Gebäuden zählen u.a. Kauen, Schachtgebäude und Verwaltungsgebäude. Schachtgerüste, Fördertürme und Fördergerüste erfüllen dagegen wegen der fehlenden Überdachung ebenso wenig die Gebäudeeigenschaft wie Aufschüttungen, Halden, Kippen und Lagerplätze. Neben der Betriebsplanzulassung bedarf es für bergbaulich genutzte Gebäude einer Bauge- 38 nehmigung oder Anzeige, es sei denn, dass diese Bestandteil eines bergrechtlichen Planfeststellungsbeschlusses ist. Im Gegensatz zur Betriebsplanzulassung ist die Baugenehmigung i.d.R. unbefristet. Das Gebäude darf solange genutzt werden, solange die Baugenehmigung nicht aufgehoben ist, auch wenn sich inzwischen das materielle Recht geändert hat.97 Auch wenn im Baugenehmigungsverfahren die Vereinbarkeiten des Vorhabens mit den öffentlich-rechtlichen Vorschriften geprüft werden, können Gegenstand dieser Prüfung aufgrund der fehlenden Konzentrationswirkung nur Vorschriften sein, die nicht Gegenstand besonderer Genehmigungsverfahren sind.98 Hat die Bergbehörde über die Lage eines Schachtes mittels Betriebsplanzulassung entschieden, ist die Lage des Schachtgebäudes nicht mehr Gegenstand der Baugenehmigung. Andererseits ist die Bergbehörde aufgrund der Bindungswirkung der Baugenehmigung gehindert, Anordnungen zu erlassen, die sich auf Prüfgegenstände des Baugenehmigungsverfahrens beziehen.99

III. Bodenschutzrecht Schrifttum Attendorn Die unmittelbar oder mittelbar zulassungsmodifizierende Wirkung von Rechtsnormen in der neueren Umweltgesetzgebung, NVwZ 2011, 327; Attendorn Haben BBodSchG und BBodSchV unmittelbar zulassungsmodifizierende Wirkung?, NuR 2011, 28; Attendorn Anwendbarkeit des Bodenschutzrechts auf die Herstellung und Verfüllung untertägiger Hohlräume während und nach Beendigung der Bergaufsicht, AbfallR 2008, 111; Dazert Gelten die Anforderungen des Bundes-Bodenschutzgesetzes auch für vor seiner Geltung bergrechtlich zugelassenen Verfüllungen von Tagebauen, AbfallR 2010, 102; Erbguth/Stollmann Zum Anwendungsbereich des Bundesbodenschutzgesetzes, NuR 2001, 241; Fluck „Legalisierungswirkung“ bergrechtlicher Zulassungen und öffentlich-rechtliche Verantwortlichkeit für Altlasten, ZfB 1989, 13; Müggenborg Abgrenzungsfragen zwischen Bodenschutz und Bergrecht, NVwZ 2012, 659; Müggenborg Ein Nichts als Altlast? – Verlassene Grubenbaue und Bodenschutzrecht, AbfallR 2006, 285; Müggenborg Die Abgrenzung von Berg- und Bodenschutzrecht, NVwZ 2006, 278; Schäfer Zur Subsidiarität des Bundes-Bodenschutzgesetzes, UPR 2001, 325.

1. Vorbemerkung Ohne Eingriffe in den Boden lassen sich weder über- noch untertägig Bodenschätze aufsuchen 39 oder gewinnen. Der Schutz des Bodens als Ziel des Umweltschutzes und die Rohstoffgewinnung zur Rohstoffversorgung stehen somit in einem Spannungsverhältnis.100 Der Schutz des Bodens ist Regelungsgegenstand des BBodSchG mit seinen Verordnungen, soweit diese die Abwehr, Vermeidung und Sanierung von und die Vorsorge gegen schädliche Bodenveränderungen und die Sanierung von Altlasten betreffen. Die im Gesetzentwurf der Bundesregierung101 zunächst vorgesehene 97 Gaentzsch in: Kühne/Gaentzsch (Hrsg.) Wandel und Beharren im Bergrecht, S. 9, 15. 98 Gaentzsch in: Kühne/Gaentzsch (Hrsg.) Wandel und Beharren im Bergrecht, S. 9, 16. 99 OVG Bautzen 20.1.2010, 1 B 316/09, LKV 2010, 331. 100 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 56 Anhang Rn. 78; zu den unterschiedlichen Gesetzeszwecken vgl. Müggenborg NVwZ 2006, 278. 101 § 3 Abs. 4 RegEBBodSchG, BT-Drs. 13/6701, S. 9. 355

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Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

klare Abgrenzung zwischen BBodSchG und BBergG mittels einer unbedingten Kollisionsvorrangreglung zugunsten der Zulassung bergbaulicher Tätigkeiten und Einrichtungen i.S.d. § 2 wurde im Gesetzgebungsverfahren zugunsten der Eingliederung in die allgemeine Regelungssystematik für die Abgrenzung des BBodSchG zu anderen Gesetzen (§ 3 BBodSchG) aufgegeben. Da das BBodSchG spezielle Regelungen zu Rohstoffen und das BBergG bodenschutzrelevante Vorschriften enthält, ist zur Bestimmung des Verhältnisses BBodSchG – BBergG, d.h., ob und ggf. welche Normen des BBodSchG für bergbauliche Vorhaben von Bedeutung sind, auf Vorschriften beider Rechtsmaterien zurückzugreifen.

2. Rohstofflagerstättenabbau – Bodenfunktionen 40 Boden i.S.d. BBodSchG ist die oberste Schicht der Erdkruste mit Ausnahme von Grundwasser und Gewässerbetten (§ 2 Abs. 1 BBodSchG) ohne konkrete Tiefenbegrenzung. Der Boden ist nur dann Regelungsgegenstand des BBodSchG, wenn er zumindest eine der in § 2 Abs. 2 BBodSchG genannten Funktionen hat. Hierzu zählen die „natürlichen Funktionen“, wie z.B. als Bestandteil des Naturhaushalts (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 lit. b) BBodSchG), aber auch sog. „Nutzungsfunktionen“, zu denen auch Rohstofflagerstätten zählen (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 lit. a) BBodSchG). Mit diesen beiden Funktionen wird im BBodSchG selbst das Spannungsverhältnis zwischen den ökologischen und ökonomischen Funktionen des Bodens aufgezeigt. Der Rohstoffabbau hat den Verlust der Lagerstätte zur Folge. Mit der Zuordnung der Rohstofflagerstätten als Nutzungsfunktion wird im BBodSchG klargestellt, dass Rohstofflagerstätten genutzt, d.h. abgebaut werden dürfen,102 „die Nutzung“ als solche keine schädliche Bodenveränderung i.S.d. § 2 Abs. 3 BBodSchG darstellt und die Zugriffsmöglichkeiten auf die Lagerstätten gesichert werden sollen.103 Der Boden wird unter dem funktionalen Gesichtspunkt seiner Bestimmung zugeführt, indem der Rohstoff abgebaut wird.104 Der Einordnung als „Nutzungsfunktion“ würde es widersprechen, hieraus ein die Rohstoffgewinnung lenkendes Abbauverbot i.S. einer Rohstoffbevorratung für künftige Generationen herzuleiten. Auch aus dem dreiteiligen Grundsatz der Nachhaltigkeit lässt sich aufgrund der ökonomischen Komponente keine generelle Erhaltungspflicht von Rohstofflagerstätten herleiten.105 Mit der Ergänzung der Zweckvorschrift des BBergG (§ 1 Nr. 1) um die Worte „bei sparsamen 41 und schonendem Umgang mit Grund und Boden“106 wurde der Boden ausdrücklich Gegenstand des BBergG und damit der Bodenschutz und die Rohstoffgewinnung miteinander verbunden.107 Das Gebot der Sparsamkeit und Schonung stellt einen Teil des übergreifenden Nachhaltigkeitsgrundsatzes dar.108 Im Gegensatz zum Bodenschutzrecht enthält das BBergG mit der Zulassungsvoraussetzung des Lagerstättenschutzes (§ 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4) eine konkrete Anforderung, um einen sparsamen Abbau von Rohstofflagerstätten sicherzustellen. Selbst wenn man der Auslegung des BVerwG zu § 3 Abs. 1 Nr. 10 BBodSchG folgt109 (vgl. Anhang zu § 48 Rn. 44) und einen Vorrang des Bergrechts wegen fehlender konkreter Rechtsvorschriften ablehnt, gelten für den Abbau der Rohstofflagerstätte selbst allein die Vorschriften des Bergrechts. 42 Die mit der untertägigen Gewinnung verbundene Herstellung untertägiger Hohlräume ist – mit Ausnahme der an die Oberfläche reichenden Schächte – i.d.R. nicht mit unmittelbaren signifi-

102 103 104 105

Versteyl/Sondermann/Sondermann/Hejma BBodSchG § 2 Rn. 28. BT-Drs. 13/6701, S. 29. Attendorn AbfallR 2008, 111, 112. A.A. wohl Müggenborg NVwZ 2006, 278; zum Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung vgl. Frenz Sustainable Development durch Raumordnung S. 31 ff. 106 Art. 1 Nr. 1 Gesetz zur Änderung des Bundesberggesetzes vom 12.2.1990; BT-Drs. 11/4015, S. 4, 9. 107 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 56 Anhang Rn. 82. 108 Frenz Bergrecht und Nachhaltige Entwicklung, S. 19 f. 109 BVerwG 14.4.2005, 7 C 26/03, BVerwGE 123, 247 = ZfB 2005, 156. Kappes

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kanten Einwirkungen auf andere Bodenfunktionen verbunden.110 Der übertägige Rohstoffabbau und übertägige bergbauliche Einrichtungen sind dagegen zwangsläufig mit Einwirkungen auf andere natürliche und nutzungsorientierte Bodenfunktionen verbunden. Solche Funktionseinwirkungen alleine schließen einen Rohstoffabbau nicht aus. Sowohl die verschiedenen teilweise gegenläufigen Funktionen des Bodens als auch die Beschränkung auf ein Minimierungsgebot bei Beeinträchtigungen natürlicher Bodenfunktionen (§ 1 Satz 3 BBodSchG) machen deutlich, dass nach dem BBodSchG keiner Bodenfunktion ein absoluter Vorrang zukommt.111 Für Maßnahmen des Bodenschutzrechts sind nicht Funktionsbeeinträchtigungen als solche maßgeblich, sondern ob diese „schädlichen Bodenveränderungen“ nach § 2 Abs. 3 BBodSchG darstellen.

3. Bergrechtliche Vorrangregelung (§ 3 Abs. 1 Nr. 10 BBodSchG) Das BBodSchG gilt für Beeinträchtigungen von Bodenfunktionen, die geeignet sind, Gefahren, er- 43 hebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für den einzelnen oder die Allgemeinheit herbeizuführen (schädliche Bodenveränderungen – § 2 Abs. 3 BBodSchG). Dies konkretisiert die BBodSchV u.a. mit auf Schadstoffe abstellende Anforderungen zur Vermeidung von schädlichen Bodenveränderungen. Aufgrund der schadstofforientierten Vorschriften der BBodSchV überschneiden sich die Regelungsbereiche des BBodSchG und BBergG für den Bereich der Vorsorge und Gefahrenabwehr stoffbezogener Einwirkungen auf den Boden. So kann es z.B. bei Störfällen beim Einsatz von Maschinen zu schädlichen Bodenveränderungen kommen. Für nicht schadstoffbasierte unmittelbare Eingriffe in den Boden, wie z.B. der Bodenabtrag bei Tagebauen oder die Schaffung von untertägigen Hohlräumen mit der Gefahr eines Hangrutsches oder eines Gebirgsschlages, enthält das Bodenschutzrecht keine konkreten Regelungen, so dass bereits aus diesem Grund hierfür allein das Bergrecht maßgeblich ist.112 Am 16. Juli 2021 ist die neue BBodSchV als Teil der Verordnung zur Einführung einer Ersatz- 43a baustoffverordnung, zur Neufassung der Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung und zur Änderung der Deponieverordnung und Gewerbeabfallverordnung verkündet worden. Die Verordnung gilt nach § 1 Abs. 2 unter anderem nicht für den Einbau von mineralischen Ersatzbaustoffen in technische Bauwerke, soweit dieser nach Maßgabe der Ersatzbaustoffverordnung erfolgt (Nr. 1), das Auf- oder Einbringen von Materialien unterhalb oder außerhalb einer durchwurzelbaren Bodenschicht auf Halden oder in Absetzteichen des Bergbaus sowie die Herstellung einer durchwurzelbaren Bodenschicht auf Halden des Kalibergbaus, soweit auf der Halde nicht eine regelmäßige Nutzung durch Park und Freizeitanlagen geplant ist (Nr. 3) und das Einbringen von Materialien in bergbauliche Hohlräume gemäß der Versatzverordnung (Nr. 4) sowie das Einbringen von Materialien in Anlagen des Bundes gemäß § 9a Abs. 3 AtomG. Mit der Neufassung der BBodSchV werden die Anforderungen an die nachhaltige Sicherung und Wiederherstellung der Funktionen des Bodens im Sinne des § 1 BBodSchG näher bestimmt und an den gegenwärtigen Stand der wissenschaftlichen und vollzugspraktischen Erkenntnisse angepasst. Zum anderen wird der Regelungsbereich der BBodSchV im Bereich des vorsorgenden Bodenschutzes um das Auf- oder Einbringen von Materialien unterhalb oder außerhalb einer durchwurzelbaren Bodenschicht, Aspekte des physikalischen Bodenschutzes und die bodenkundliche Baubegleitung erweitert. Die beim Auf- oder Einbringen von Materialien zu beachtenden Anforderungen an den Schutz des Menschen sowie des Bodens und des Grundwassers sind bislang in § 12 BBodSchV nur für das Auf- und Einbringen von Materialien auf oder in eine durchwurzelbare Bodenschicht oder zur Herstellung einer durchwurzelbaren Bodenschicht festgelegt. Mit den §§ 6 bis 8 BBodSchV n.F. werden die Anforderungen an das Auf- und Einbringen von Materialien nun 110 Attendorn AbfallR 2008, 111, 112. 111 Versteyl/Sondermann/Sondermann/Hejma BBodSchG § 2 Rn. 34. 112 Müggenborg NVwZ 2012, 659, 661; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 56 Anhang Rn. 85. 357

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Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

rechtsverbindlich geregelt. § 6 BBodSchV n.F. fasst die Anforderungen an das Auf- oder Einbringen von Materialien zusammen, die sowohl für die durchwurzelbare Bodenschicht als auch unterhalb oder außerhalb der durchwurzelbaren Bodenschicht gelten. § 7 BBodSchV n.F. regelt die spezifischen Anforderungen an das Auf- oder Einbringen von Materialien in die durchwurzelbare Bodenschicht. Die maßgebliche Neuerung enthält § 8 BBodSchV n.F., der nun erstmals die zusätzlichen Anforderungen an das Auf- und Einbringen von Materialien unterhalb oder außerhalb einer durchwurzelbaren Bodenschicht regelt. Typische Anwendungsbereiche der Regelungen sind unter anderem die Rekultivierung von Aufschüttungen und Abgrabungen. Die BBodSchV n.F. tritt am 1. August 2023 in Kraft. § 28 BBodSchV enthält dazu Übergangsregelungen. Werden Materialien bei Verfüllungen von Abgrabungen auf Grund von Zulassungen, die vor dem 16. Juli 2021 erteilt wurden und die Anforderungen an die auf- oder einzubringenden Materialien festlegen, auf oder in den Boden auf- oder eingebracht, sind die Anforderungen der Verordnung erst ab dem 1. August 2031 einzuhalten. Die sich aus § 19 Abs. 1 Satz 1 und 2 ergebenden allgemeinen Anforderungen an die Probennahme sind ab dem 1. August 2028 einzuhalten. 44 Das BBodSchG findet auf schädliche Bodenveränderungen und Altlasten Anwendung, soweit bergrechtliche Rechtsvorschriften über die Errichtung, Führung und Einstellung des Bergbaubetriebes Einwirkungen auf den Boden nicht regeln (§ 3 Abs. 1 Nr. 10 BBodSchG). Sind bei der Errichtung, Führung oder Einstellung eines Bergbaubetriebes schädliche Bodenveränderungen zu erwarten, ist der Vorrang des Bergrechts davon abhängig, dass das BBergG selbst oder seine Rechtsverordnungen Regelungen zu Einwirkungen auf den Boden enthalten. Neben § 1 Nr. 1 ermöglichen verschiedene bergrechtliche Vorschriften der Bergbehörde, Bodenschutzbelange zu berücksichtigen.113 Dies gilt für die im Betriebsplanverfahren zu beachtenden Anforderungen für die Errichtung, Führung und Einstellung eines Bergbaubetriebes. Maßnahmen für den Gesundheitsschutz gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, wie z.B. zum Umgang mit Gefahrstoffen, können mittelbar auch der Vorsorge gegen schädliche Bodenveränderungen dienen. Gleiches gilt für den Schutz der Oberfläche im Interesse der persönlichen Sicherheit (§ 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5). Über § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 i.V.m. Anhang 6 Nr. 2 ABBergV werden bei bergbaulichen Abfällen Bodenbelange erfasst. Die „ordnungsgemäße“ Gestaltung der Oberfläche im Rahmen der Wiedernutzbarmachung (§ 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7) eröffnet die Berücksichtigung von Bodenbelangen. Die Abwehr von gemeinschädlichen Einwirkungen gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 dürfte aufgrund der hohen Einstiegsschwelle kaum für Einwirkungen auf den Boden in Frage kommen. Entsprechendes gilt für den für Abschlussbetriebsplanzulassungen maßgeblichen § 55 Abs. 2. Bei der UVP ist der Boden ausdrücklich Prüfobjekt (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 UVP-V Bergbau). § 52 Abs. 2a Satz 3 ermöglicht, soweit Bodenbelange nicht bereits über § 55 oder andere nicht bergrechtliche Vorschriften erfasst werden, die Ergebnisse der UVP im Betriebsplanverfahren als öffentliche Interessen über § 48 Abs. 2 zu berücksichtigen.114 Messungen nach § 125 können zwar auch Einwirkungen auf den Boden dokumentieren, nicht jedoch die für das BBodSchG maßgeblichen schadstoffbezogenen Einwirkungen.115 Mit den §§ 114 ff. enthält das Bergrecht auch Haftungsregelungen.116 Schließlich bietet § 48 Abs. 2 die Möglichkeit, Belange des Bodenschutzes als öffentliches Interesse im Betriebsplanverfahren zu berücksichtigen.117 45 Von der Möglichkeit, konkrete bodenschutzrechtliche Anforderungen im Rahmen einer Bergverordnung mit Maßgaben zur Wiedernutzbarmachung festzulegen (§ 66 Nr. 8) hat der Bundeswirtschaftsminister bisher keinen Gebrauch gemacht. Die nordrhein-westfälische BVOBr enthält dagegen mit den §§ 39 und 40 BVOBr mit den Anforderungen an kulturfähigen Boden und die Unterbringung von Abraum bodenschutzrelevante Regelungen. 113 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 56 Anhang Rn. 86, 90; Müggenborg NVwZ 2012, 659, 660 f.; Erbguth/Stollmann NuR 2001, 241, 243. Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 56 Anhang Rn. 90. A.A. Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 56 Anhang Rn. 86. Müggenborg NVwZ 2012, 659, 661; Frenz BBodSchG, § 3 Rn. 48. BVerwG 14.4.2005, 7 C 26/03, BVerwGE 123, 247, 254 = ZfB 2005, 156, 161.

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Die Verordnung über den Versatz von Abfällen untertage (Versatzverordnung) zählt aufgrund 46 ihrer abfallrechtlichen Ermächtigungslage nicht zu den bergrechtlichen Vorschriften. § 3 Abs. 1 Nr. 10 BBodSchG stellt mit Gesetzen und Rechtsverordnungen auf allgemeinverbindliche Rechtsvorschriften ab, so dass technische Richtlinien oder Verwaltungsvorschriften, wie z.B. die vom Länderausschuss Bergbau erarbeiteten „Anforderungen an die stoffliche Verwertung von Abfällen im Bergbau übertage“ oder LAGA-Richtlinie „Anforderungen an die stoffliche Verwertung von mineralischen Reststoffen/Abfällen“, außer Betracht bleiben.118 Die Betriebsplanzulassung für die Errichtung und Führung eines Bergbaubetriebes erfolgt 47 nach den Zulassungsvoraussetzungen des § 55 einschließlich des zu beachtenden § 48 Abs. 2 unter Berücksichtigung der mit diesen Tätigkeiten verbundenen Einwirkungen auf den Boden, so dass nach dem Wortlaut des § 3 Abs. 1 Nr. 10 BBodSchG das Bergrecht hierfür allein maßgeblich ist.119 Das BVerwG hat in seinem 2. Tongrubenurteil120 vertreten, dass bei der Einstellung eines Betriebes der Vorrang des Bergrechts gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 10 BBodSchG aufgrund der nicht ausreichend konkreten Bodenschutzanforderungen nicht greift und später bekräftigt, dass für schädliche Bodenveränderungen infolge einer Verfüllung von Abfällen in einem Tagebaubetrieb das BBodSchG anwendbar ist.121 Diese Auffassung kann nicht uneingeschränkt auf die Errichtung und das Führen eines Bergbaubetriebes übertragen werden.122 Sie lässt unberücksichtigt, dass nach dem Wortlaut des § 3 Abs. 1 Nr. 10 BBodSchG der Vorrang des Bergrechts keine vergleichende bewertende Prüfung der bergrechtlichen Normen zu den Vorschriften des Bodenschutzrechts hinsichtlich des Schutzniveaus voraussetzt.123 Die Kollisionsnorm knüpft auch nicht an die Konkretheit der Normen des Fachrechts124 und nicht an die Überschreitung einer bestimmten Gefahrenschwelle an. Entscheidend ist allein, ob das Bergrecht die fraglichen Einwirkungen regelt125 oder eine bergrechtliche Regelungsmöglichkeit besteht. Letzteres ist zumindest über § 48 Abs. 2 möglich. Bei der Einstellung eines Bergbaubetriebes werden zur Wiedernutzbarmachung oft berg- 48 baufremde Abfälle zur Verfüllung von Tagebauen eingesetzt. Für die Zulassung des hierfür notwendigen Abschlussbetriebsplans sieht die ständige Rechtsprechung, der die Literatur weitgehend folgt,126 seit dem 2. Tongrubenurteil des BVerwG127 die materiell-rechtliche Berücksichtigungsmöglichkeit von Bodenbelangen in § 55 nicht als ausreichend an, da das Bergrecht keine konkreten Anforderungen für den Einbau von bergbaufremden Abfällen enthält. Für die Verwertung von bergbaufremden Abfällen in Tagebauen eröffne § 55 keine sachgerechte Prüfungsmöglichkeit, die zu einem Vorrang des Bergrechts führe.128 Zur Beurteilung der mit der Verwertung bergbaufremder Abfälle verbundenen Gefahren für schädliche Bodenveränderungen seien deshalb die Vorschriften des BBodSchG und die BBodSchV anzuwenden. Hierzu zählt die Beurteilung der verwendeten Abfälle anhand der Vorsorgewerte für Böden (Anhang 2 Nr. 4 BBodSchV), bei deren Überschreiten unter Berücksichtigung von geogenen oder großflächig siedlungsbedingten Schadstoffgehalten i.d.R. von der Besorgnis einer schädlichen Bodenveränderung auszugehen ist. 118 BVerwG 14.4.2005, 7 C 26/03, BVerwGE 123, 247, 256 = ZfB 2005, 156, 162. Diese Anforderungen stellen eine Empfehlung eines sachkundigen Gremiums dar.

119 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 56 Anhang Rn 85; a.A. NRW und LSA, die den Vollzug des BBodSchG in der Bergaufsicht unterliegenden Betrieben der zuständigen Bergbehörde zuordnet (§ 13 Abs. 2 LBodSchG NRW; § 18 Abs. 3 BodSchAG LSA). 120 BVerwG 14.4.2005, 7 C 26/03, BVerwGE 123, 247, 253 = ZfB 2005, 156, 161. 121 BVerwG 21.4.2015, 7 B 9/14, UPR 2015, 389, 390. 122 Kritisch auch Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 56 Anhang Rn. 89, der die Entscheidung für den konkreten Sachverhalt für akzeptabel, weil nicht den bergbaulichen Kernbereich betreffend, hält. 123 BT-Drs. 13/7891, S. 38; diese weiterreichenden Merkmale wurden entgegen der Forderung des Umweltausschusses des Bundesrates (BR-Drs. 422/1/97 Nr. 4) vom Gesetzgeber ausdrücklich nicht übernommen; Schäfer, UPR 2001, 325, 326. 124 A.A. OVG Magdeburg 12.12.2013, 2 L 20/12 = ZfB 2014, 159 Rn. 26. 125 Attendorn AbfallR 2008, 111, 115. 126 Müggenborg NVwZ 2012, 659, 661; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 56 Anhang Rn. 87. 127 BVerwG 14.4.2005, 7 C 26/03, BVerwGE 123, 247, 253 = ZfB 2005, 156. 128 BVerwG 14.4.2005, 7 C 26/03, BVerwGE 123, 247, 253 = ZfB 2005, 156, 160. 359

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Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

Vorkehrungen als Sicherungsmaßnahmen zum Einschluss des in den Boden eingebrachten Schadstoffes können dabei nicht berücksichtigt werden.129 Die Neufassung der am 1.8.2023 in Kraft tretenden BBodSchV regelt darüber hinaus rechtsverbindlich auch das Auf- oder Einbringen von Materialien unterhalb oder außerhalb einer durchwurzelbaren Bodenschicht. Die Vorschriften des BBodSchG beschränken sich bei der Verfüllung von Tagebauen grundsätzlich nicht auf den Bereich des durchwurzelten oder durchwurzelbaren Boden und nicht auf die Verfüllung mit Boden i.S.d. § 2 Abs. 2 BBodSchG,130 sondern auch die darunter liegende Schichten, soweit diesen Bodenfunktionen zukommen.131 Nach Auffassung der Rechtsprechung ermöglicht jedoch § 48 Abs. 2 verfahrensmäßig die materiellen Vorgaben der Bodenschutzvorschriften bei der Betriebsplanzulassung zu berücksichtigen. Voraussetzung ist in diesen Fällen auch, dass es sich um Einwirkungen auf den Boden i.S.d. BBodSchG handelt. Dies ist z.B. bei der Wiedernutzbarmachung einer Halde nicht gegeben, da dem Haldenkörper keine Bodenfunktion i.S.d. § 2 Abs. 2 BBodSchG zukommt. Die über den Wortlaut und die Entstehungsgeschichte des § 3 Abs. 1 Nr. 10 BBodSchG hinausgehende zielorientierte Auslegung des § 3 Abs. 1 Nr. 10 BBodSchG durch die Rechtsprechung ist bei Abschlussbetriebsplänen mit Blick auf das anzustrebende Ende der Bergaufsicht und der dann uneingeschränkten Geltung des Bodenschutzrechts zur Vermeidung von unterschiedlichen Bewertungsmaßstäben praxisgerecht. Mit seinem Weg, Anforderungen des Bodenschutzes wegen schädlicher stoffbezogener Bodenveränderungen über § 48 Abs. 2 zu berücksichtigen, stellt das BVerwG sicher, dass Bodenbelange auch bei Abschlussbetriebsplanverfahren Teil der Betriebsplanzulassung sind.132 Der Bergbauunternehmer ist als Adressat der Betriebsplanzulassung den materiell-rechtlichen Anforderungen des Bodenschutzrechts unterworfen. Die ordnungsrechtlichen Verantwortlichkeiten nach dem BBodSchG (§§ 7, 10 BBodSchG) finden damit keine Anwendung.133 Eine Übertragung der für die Verfüllung von Tagebauen vertretenen Auffassung auf die Ver49 füllung unterirdischer Hohlräume mit bergbaufremden Abfällen aus bergtechnischen oder bergsicherheitlichen Gründen erscheint aufgrund derselben materiell-rechtlichen bergrechtlichen Vorgaben (§ 55) naheliegend.134 Im Gegensatz zum übertägigen Bergbau gilt für die untertägige Verwertung bergbaufremder Abfälle die auf der Grundlage des KrW-/AbfG erlassene VersatzV, die mit ihren Feststoff- und Eluatwerten konkrete Anforderungen an das Versatzgut enthält. Die VersatzV stellt aufgrund ihrer Ermächtigungsgrundlage (§ 7 Abs. 2 KrW-/AbfG) keine bergrechtliche Rechtsvorschrift i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 10 BBodSchG dar. Auch wenn sie nach dem Wortlaut des § 3 Abs. 1 Nr. 1 BBodSchG nicht zu den vorrangigen Fachvorschriften des § 3 Abs. 1 BBodSchG zählt, ist zu berücksichtigen, dass die VersatzV auch zum Schutz des Bodens konkrete umweltschutzbezogene Anforderungen speziell für die Versatztätigkeit in Bergbaubetrieben enthält,135 die über § 48 Abs. 2 bei der Betriebsplanzulassung auf den Einzelfall bezogen Anwendung finden.136 Damit fehlen nicht die von der Rechtsprechung auch hinsichtlich des Bodenschutzes angemahnten konkreten Bewertungsmaßstäbe, so dass die VersatzV als Spezialregelung eine Sperrwirkung gegenüber der Anwendung des Bodenschutzrechts entfaltet.

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BVerwG 14.4.2005, 7 C 26/03, BVerwGE 123, 247, 259 = ZfB 2005, 156, 163. So aber VG Magdeburg 9.4.2008, 3 B 53/08 MD, ZfB 2008, 200. BVerwG 22.11.2018, 7 C 9/17, Juris Rn. 19; BVerwG 28.7.2010, 7 B 16/10, ZfB 2010, 242, 244. Die Rechtsprechung legt damit § 3 Abs. 1 Nr. 10 BBodSchG so aus, wie den nicht verabschiedeten § 3 Abs. 4 RegEntBBodSchG (BT-Drs. 13/6701). 133 A.A. OVG Magdeburg 9.5.2012, 2 M 13/12, ZfB 2012, 247, 253, das sich auf den Beschluss des BVerwG vom 21.12.1998, 7 B 211/98, NVwZ 1999, 421 beruft. Im Gegensatz zum Bundesfernstraßengesetz ermöglicht § 48 Abs. 2 Satz 1 im Betriebsplanverfahren Bodenbelange mit zu berücksichtigen. 134 So Attendorn AbfallR 2008, 111, 116. 135 Attendorn AbfallR 2008, 111, 117. 136 So wird z.B. bei der Verwertung von Abfällen mit erhöhtem Schadstoffpotenzial ein Langzeitsicherheitsnachweis (dauerhafter Abschluss) verlangt. Kappes

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4. Bodenschutz – Betriebsplanzulassung Sind die Anforderungen an den Bodenschutz bei Betriebsplanzulassungen über § 55 Abs. 1 oder 50 § 48 Abs. 2 Satz 1 berücksichtigt worden, dessen Adressat der Unternehmer ist, und treten nach der Zulassung Umstände ein, die nach dem Bodenschutzrecht Maßnahmen zur Vorsorge von schädlichen Bodenveränderungen oder Altlasten erforderlich machen, kann die Bergbehörde diese gemäß § 56 Abs. 1 Satz 2 anordnen.137 Darüber hinaus können dazu nachrangig bergbehördliche Anordnungen gemäß § 71 Abs. 1 erlassen werden. Nachdem seit dem Altenbergurteil des BVerwG138 anerkannt ist, dass über § 48 Abs. 2 andere über § 55 hinausgehende Anforderungen, für die kein eigenständiges Genehmigungsverfahrens besteht, bei der Betriebsplanzulassung zu berücksichtigen sind, wie z.B. des Bodenschutzes, können sich §§ 56 Abs. 1, 71 Abs. 1 nicht auf die Durchführung der Zulassungsvoraussetzungen des § 55 beschränken,139 sondern müssen sich auf alle bei der Betriebsplanzulassung zu beachtenden Anforderungen beziehen. Auf das Fehlen konkreter materiell-rechtlicher stoffbezogener Vorgaben des Bergrechts kommt es dabei nicht an.140 Eine „Regelungslücke“ zur Durchsetzung bodenschutzrechtlicher Anforderungen, die die unmittelbare Geltung der Vorschriften des Bodenschutzrechts einschließlich des behördlichen Anordnungsrechts (§ 10 BBodSchG) und des Kreises der Verpflichteten (§ 4 BBodSchG) schließen müsste, besteht nicht. Dies gilt auch, wenn nach Betriebszulassung das Bodenschutzrecht hierzu abweichende Vorgaben enthält. Die gegenteilige Ansicht des OVG Koblenz,141 wonach es zur unmittelbaren Geltung des Bodenschutzrechts keiner Aufhebung oder Änderung der Betriebsplanzulassung bedarf, würde dem BBodSchG und der BBodSchV eine bedenkliche zulassungsmodifizierende Wirkung zubilligen und übersehen, dass das BVerwG die materiell-rechtlichen Vorgaben des Bodenschutzrechts verfahrensrechtlich über § 48 Abs. 2 dem Betriebsplan zuordnet und die Vorsorgewerte der BBodSchV als ein Regel-Ausnahme-System ausgestaltet sind,142 das auch nach dem Bodenschutzrecht einer behördlichen Einzelfallentscheidung unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit bedarf.143 Das BVerwG hat in dem Revisionsverfahren zu dem Urteil des OVG Koblenz zwar an seiner Auffassung zur unmittelbaren Geltung des Bodenschutzrechts bei Bergbauvorhaben festgehalten,144 aber zur Frage der Umsetzung bei einer bestehenden Betriebsplanzulassung in seinem Beschluss vom 28.7.2010145 ausdrücklich keine Stellung genommen.

5. Ende der Bergaufsicht Der Vorrang des Bergrechts vor dem BBodSchG besteht nicht mehr, wenn die Bergaufsicht nach 51 § 69 Abs. 2 endet und somit die öffentlich-rechtlichen Vorschriften des BBergG keine Anwendung mehr finden (vgl. § 69 Rn. 27). Treten nach dem Ende der Bergaufsicht bergbaubedingte schädliche Bodenveränderungen oder Altlasten auf oder drohen diese, lebt die Bergaufsicht nicht wieder auf.146 Das Gleiche gilt für Betriebe, die in den alten Bundesländern vor dem 1.1.1982 und den neuen Bundesländern vor dem 3.10.1990 endgültig eingestellt wurden (§ 169 Abs. 2).147 Auf ehemalige bergbauliche Tätigkeiten und Einrichtungen, die nicht mehr dem Geltungsbereich des BBergG 137 138 139 140 141 142 143 144 145 146

Müggenborg NVwZ 2012, 659, 661; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 56 Anhang Rn. 88. BVerwG 4.7.1986, 4 C 31/84, BVerwGE 74, 315 = ZfB 1987, 60. A.A. VG Halle 22.1.2001, 5 A 155/13, ZfB 2014, 286; Müggenborg NVwZ 2012, 659, 662. A.A. OVG Magdeburg 12.12.2013, 2 L 20/12 = ZfB 2014, 159, Rn. 26. OVG Koblenz 12.11.2009, 1 A 11222/09 ZfB 2010, 162, 171. Ausführlich hierzu Attendorn NVwZ 2011, 327, 311; Attendorn NuR 2011, 28; a.A. Müggenborg NVwZ 2012, 659, 662. Dazert AbfallR 2010, 102. BVerwG 14.4.2005, 7 C 26/03, BVerwGE 123, 247 = ZfB 2005, 156. BVerwG 28.7.2010, 7 B 16/10 = ZfB 2010, 242, 243. BVerwG 16.3.2006, 7 C 3/05, BVerwGE 125, 325, 326 = ZfB 2006, 148, 149; VGH Mannheim 1.4.2008, 10 S 1388/08, ZfB 2008, 86/93. 147 Müggenborg NVwZ 2006, 278, 281. 361

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unterliegen, findet das BBodSchG in vollem Umfang unmittelbar Anwendung. Das Ende der Bergaufsicht begründet dabei allein keine bodenschutzrechtlichen Verpflichtungen, vielmehr muss der Tatbestand der schädlichen Bodenveränderung (§ 2 Abs. 3 BBodSchG) erfüllt sein.148 Das kann durch spätere Ereignisse erfolgen, aber auch durch sich später als fehlerhaft herausstellende Prognosen über die möglichen Gefahren bei der Feststellung der Voraussetzungen des § 69 Abs. 2. So können z.B. Jahrzehnte nach dem Ende der Bergaufsicht Hohlräume drohen, einzustürzen. Mit der unmittelbaren Anwendung des BBodSchG mit dem Ende der Bergaufsicht wechselt die Verantwortlichkeit von dem bergrechtlichen Unternehmer zu den sieben potenziell Verantwortlichen des § 4 BBodSchG. Dies gilt auch für schädliche Bodenveränderungen, die vor Inkrafttreten des BBodSchG verursacht worden sind,149 soweit eine Sanierungspflicht bereits aufgrund des Ordnungsrechts oder einer anderen Rechtsgrundlage bestand. 52 Ob der Anwendung des BBodSchG die Zulassung eines Abschlussbetriebsplans oder die bergbehördliche Feststellung des Endes der Bergaufsicht entgegensteht, hängt vom Einzelfall ab. Die Legalisierungswirkung bergbehördlicher Entscheidungen hängt von dem Prüfumfang und dem Regelungsinhalt der Entscheidung ab.150 Die Rechtsprechung ist mit der Anerkennung eines Legalisierungswirkens sehr zurückhaltend. Dem behördlichen Dulden gefährlicher Zustände kommt keine Legalisierungswirkung zu.151 Gleiches gilt, wenn ein Abschlussbetriebsplan z.B. für eine Salzhalde keinerlei Vorkehrungen für das Problem des Eintrags von Salz in das Grundwasser enthält.152 Die Auffassung, Betriebsplanzulassungen allein deshalb keine Legitimationswirkung zuzubilligen, weil der oberflächennahe Abbau mit der latenten Gefährdung der Oberfläche verbunden ist,153 übersieht, dass diese Tatsache für die Feststellung des Regelungsgehaltes der Betriebsplanzulassung unerheblich ist.154 Die Entlassung aus der Bergaufsicht, die viele Jahre nach der eigentlichen Betriebseinstellung liegen kann, zeigt lediglich auf, dass eine gesteigerte Gefahr, die eine gesonderte bergrechtliche Überwachung bisher erforderlich machte, nach den Prognosen für die Zukunft nicht mehr vorliegt. Eine Haftungsfreistellung für den Unternehmer ist damit nicht verbunden.155 Unabhängig davon, ob ein bei der Bodenschutzgewinnung geschaffener Hohlraum als solcher überhaupt eine Beeinträchtigung einer Bodenfunktion darstellt, steht bodenschutzrechtlichen Anordnungen die Legalisierungswirkung der Betriebsplanzulassung entgegen.156 Um festzustellen, ob nach dem Ende der Bergaufsicht eine Besorgnis schädlicher Bodenver53 änderungen besteht, ist u.a. auf die Vorsorgewerte der BBodSchV (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Anhang 2 Nr. 4) zurückzugreifen. Bei der Anwendung der Vorsorgewerte ist im Einzelfall neben dem Gebot der Verhältnismäßigkeit (§§ 7 Satz 3 BBodSchG, 10 Abs. 1 Satz 1 BBodSchG) darauf zu achten, dass diesen eine widerlegbare Indizienwirkung zukommt,157 wonach bei Überschreiten der Vorsorgewerte „in der Regel“ einer Besorgnis besteht, aber im Einzelfall Ausnahmen möglich sind. Darüber hinaus kann die Ausnahmeregelung des § 9 Abs. 2 BBodSchV für naturbedingte erhöhte Schadstoffgehalte für ehemalige Bergbaubetriebe von Bedeutung sein. Die für Altlasten geltenden Vorschriften der §§ 11 ff. BBodSchG gelten grundsätzlich auch für 54 ehemalige Bergbaubetriebe. Untertägige Hohlräume als solche stellen keine Altlast dar, da die

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Attendorn AbfallR 2008, 111, 118. BVerwG 16.3.2006, BVerwGE 125, 325, Rn. 16 = ZfB 2006, 148, 151. Attendorn AbfallR 2008, 111, 119 m.w.N. BVerwG 16.3.2006, 7 C 3/05, BVerwGE 125, 325, Rn. 32 = ZfB 2006, 148, 155, das der Betriebsplanzulassung eine Legalisierungswirkung grundsätzlich nicht abspricht. Dies übersehen Landel/Versteyl ZUR 2006, 475. 152 VGH Mannheim 1.4.2008, 10 S 1388/08, ZfB 2008, 86, 95. 153 So OVG Münster 29.3.1984, 12 A 2194/82, ZfB 1984, 367, 374 mit Anm. Kirchner. 154 Beckmann UPR 1995, 8, 15; Fluck ZfB 1989, 13, 28. 155 VGH Mannheim 29.3.2000, 1 S 1245/99, ZfB 2000, 140, 145. 156 Attendorn AbfallR 2008, 111, 119. 157 Frenz BBodSchG § 8 Rn. 29. Kappes

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Gefahrenlagen nicht aus dem Umgang mit Abfällen oder umweltgefährdenden Stoffen herrühren (§ 2 Abs. 5 BBodSchG).158 Neben dem Grundeigentümer als Verantwortlicher für schädliche Bodenveränderungen 55 und Altlasten (§§ 4 Abs. 2, 7 Satz 1 BBodSchG) kann auch der Bergwerkseigentümer als Inhaber eines grundsätzlich gleichen Rechts (§ 9 Abs. 1) verpflichtet werden, soweit er die Sachherrschaft über das entsprechende Grundstück besitzt.159 An das Bergwerkseigentum können ordnungsrechtliche Haftungspflichten angeknüpft werden.160

6. Rechtsschutz Da auch der Einzelne gemäß § 2 Abs. 3 BBodSchG vor schädlichen Bodenveränderungen geschützt 56 werden soll, können aufgrund der drittschützenden Wirkung, Dritte die Behörden bei ausreichenden Anhaltspunkten zu Untersuchungsmaßnahmen (§ 9 BBodSchG) veranlassen.161 Dies gilt jedoch nicht für schädliche Bodenveränderungen, die Bergschäden nach §§ 114 ff. darstellen, da die Bergschadenshaftung unabhängig von der Bergaufsicht besteht und deshalb die Bergrechtsvorschriften gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 10 BBodSchG Vorrang vor dem BBodSchG haben.

IV. Denkmalschutzrecht Schrifttum Attendorn Die Berücksichtigung von Belangen des Bodendenkmalschutzes in bergrechtlichen Planfeststellungsverfahren mit Umweltverträglichkeitsprüfung, NuR 2006, 756; Baltis/Müllhoff Denkmalschutz und bergrechtliches Verfahren, NWVBl 1991, 1; Glückert 10 Jahre Streit um Cappenberg: Bestandsaufnahme des juristischen Ertrags und der offen gebliebenen Fragen in: von Danwitz (Hrsg.) Bergbau und Umwelt (1999), S. 13; Jankowski Rohstoffgewinnung im Spannungsfeld des Bodendenkmalschutzes – dargelegt am Beispiel Nordrhein-Westfalen, NuR 2008, 19; Seifert Die Berücksichtigung öffentlicher Interessen bei der Zulassung eines Betriebsplans nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 4.7.1986 am Beispiel des Denkmalschutzes, ZfB 1987, 238.

1. Denkmal Der Denkmalschutz ist für den Bergbau relevant, wenn bei der Aufsuchung oder Gewinnung von 57 Bodenschätzen auf ein Denkmal getroffen wird, oder wenn bei der Stilllegung Anlagenteile des Bergbaubetreibers aus Sicht des Denkmalschutzes von Interesse sind. Bei der Erteilung einer Bergbauberechtigung dürften Belange des Denkmalschutzes kaum in dem gesamten Feld entgegenstehen (§ 11 Nr. 10) und eine Abwägung des Denkmalschutzes und der Rohstoffgewinnung auf dieser Stufe durchführbar sein. Das Denkmalschutzrecht regeln die Länder in ihren Denkmalschutzgesetzen, die in ihren Grundzügen vergleichbare Vorschriften enthalten. Ausgangspunkt des materiellen Denkmalschutzrechts ist der Begriff Kulturdenkmal. Zu den Kulturdenkmälern zählen Baudenkmäler und Bodendenkmäler, d.h. bauliche Anlagen oder Teile von ihnen sowie im Boden befindliche Zeugnisse, Überreste oder Spuren menschlichen, tierischen oder pflanzlichen Lebens, die aus geschichtlicher – einschließlich Wirtschafts-, Technik- und Sozialgeschichte162 –, künstlerischer, wissenschaftlicherer, technologischer, volkskundlicher oder städtebaulichen Gründen als erhaltenswert angesehen wer158 Müggenborg NVwZ 2012, 659, 663; vertiefend zur Verfüllung untertägiger Hohlräume Müggenborg AbfallR 2006, 285 und Attendorn AbfallR 2008, 111. Müggenborg NVwZ 2012, 659, 662. OVG Münster 8.12.2005, 11 A 2436/02, ZfB 2006, 61, 65. Müggenborg AbfallR 2006, 285, 289. OVG Münster 2.4.1998, 10 A 6950/95, juris.

159 160 161 162 363

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den.163 Dazu können nicht nur Schlösser, Kirchen, Burgen Bergarbeitersiedlungen usw. zählen, sondern auch bergbauliche Anlagen, wie Fördertürme, Schachtanlagen, mit denen u.a. der Stand der Fördertechnik dokumentiert wird,164 Kohlenverladebrücken,165 untertägige Grubenbaue und Stollen. Die Denkmaleigenschaft i.S.d. Denkmalschutzrechts erlangt ein Kultur- oder Bodenschutzdenkmal je nach Bundesland entweder aufgrund der Subsumption unter den Denkmalbegriff166 mit einer nachrichtlichen Eintragung im Denkmalverzeichnis oder durch die Eintragung in der Denkmalliste mit konstitutiver Wirkung.167 Der Denkmalbegriff ist nach h.M. ein unbestimmter Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum, der im vollen Umfang der richterlichen Überprüfung unterliegt.168 Die Qualifizierung als Denkmal ist nicht ausgeschlossen, wenn sich die Fundstelle oder Lage des Denkmals im Bereich eines durch Ziele der Raumordnung und Landesplanung festgelegten Gebiets für die Sicherung und den Abbau von Bodenschätzen befindet.169 Die Eigenschaft als Denkmal löst für den Eigentümer unter Berücksichtigung seines Eigentumsschutzes (Art. 14 GG)170 Erhaltungspflichten aus. Der Denkmalschutz dient im öffentlichen Interesse dem Ziel, die Kultur- und Bodenschutzdenkmäler zu erhalten und zu nutzen.

2. Genehmigung 58 Wer Handlungen vornehmen will, die ein Denkmal zerstören oder verändern, oder die Umgebung eines Denkmals so verändert, dass das Erscheinungsbild des Denkmals beeinflusst wird, bedarf einer Genehmigung bzw. Erlaubnis. Dies gilt auch für Grabungsschutzgebiete, die bei begründeten Vermutungen nach Kulturgütern rechtsförmlich festgelegt werden können.171 Werden nicht unter Schutz stehende oder nicht in Grabungsschutzgebieten befindliche Bodendenkmäler nur vermutet, greift wegen des Fehlens eines konkretisierten öffentlichen Interesses das Genehmigungserfordernis nicht;172 dies gilt auch bei UVP-pflichtigen Vorhaben, da die materiellrechtlichen Genehmigungsvoraussetzungen durch die UVP nicht erweitert werden.173 Eine Pflicht des Vorhabensträgers zur Erforschung von Grund und Boden auf das Vorhandensein von Bodendenkmälern besteht selbst in den Bundesländern nicht, in denen die Denkmaleigenschaft nicht der konstitutiven Eintragung in die Denkmalliste bedarf.174 Bei Bodenfunden, die ein Kulturdenkmal sein können, ist jedoch eine Anzeige zu erstatten (z.B. § 16 Abs. 1 DSchG NRW). Die Gewinnung von Bodenschätzen im Tagebau ist zwangsläufig damit verbunden, die auf der Oberfläche des Tagebaugeländes befindlichen baulichen Anlagen und Oberböden zu beseitigen. Hiervon können auch Kulturdenkmäler, wie Bauwerke und Bodendenkmäler, betroffen sein. Bei untertägiger Gewinnung können die dadurch ausgelösten Bodenbewegungen zu verändernden Einwirkungen auf Bau- und Bodendenkmälern führen. Unstreitig löst die im Rahmen von übertägigen Vorhaben erforderliche Beseitigung von Kulturdenkmälern eine Genehmigungspflicht nach dem Denkmalschutzgesetz aus; für untertägige Vorhaben wird dies teilweise in Frage gestellt.175 Die hierfür angeführte Begründung, dass eine Erlaubnispflicht nur bei einem zielgerichteten Handeln ausge163 164 165 166 167 168

Schulte ZfB 1987, 178, 217. OVG Münster 28.4.2004, 8 A 687/01, juris. VG Potsdam 23.2.2005, 2 K 889/00, LKV 2006, 135, 136. Z.B. §§ 3 bis 5 DSchG Nds. Zum Denkmalrecht in NRW Schiemann/Hellhammer-Hawig NWVBl 2010, 1. OVG Münster 17.8.2001, 7 A 4207/00, NWVBl 2002, 234, 235; Rausch Umwelt- und Planungsrecht beim Bergbau, S. 129 m.w.N. aus Rechtsprechung und Literatur. 169 OVG Münster 20.9.2011, 10 A 2611/09, NWVBl 2012, 149, 151; OVG Münster 12.6.2009, 10 A 1847/08, NWVBl 2010, 29. 170 BVerfG 14.4.2010, 1 BvR 2140/08, NVwZ 2010, 1333; BVerfG 2.3.1999, 1 BvL 7/91, BVerfGE 100, 226. 171 Z.B. § 22 DSchG RLP; § 22 DSchG SN. 172 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 56 Anhang 123. 173 Jankowski NuR 2008, 19, 24; a.A. wohl Attendorn NuR 2006, 757, 759. 174 OVG Magdeburg 26.7.2012, 2 L 154/10, juris Rn. 46; Jankowski NuR 2008, 19. 175 Seifert ZfB 1987, 238, 241. Kappes

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löst wird, überzeugt nicht, da auch bei übertägigen Vorhaben die Beseitigung eines Denkmals nicht das Ziel der Handlung ist, sondern die Gewinnung von Bodenschätzen.176 Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Genehmigung sind in den einzelnen Denkmal- 59 schutzgesetzen unterschiedlich gefasst. In einigen Bundesländern kann die Genehmigung nur versagt werden, wenn die Denkmalbelange vorgehen (z.B. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 DSchG BY), in anderen ist die Erlaubnis zu erteilen, wenn Gründe des Denkmalschutzes dem Vorhaben nicht entgegenstehen (§§ 9 Abs. 3; 15 Abs. 3 DSchG NRW; § 10 Abs. 2 DSchG SL). Jedoch wird bei der in allen Ländern notwendigen Abwägung zwischen dem Vorhaben und dem Denkmalschutz neben dem Eigentumsschutz auch zu berücksichtigen sein, dass die standortgebundene Rohstoffgewinnung im öffentlichen Interesse liegt. Dies gilt auch bei Grabungsschutzgebieten. Für die erforderliche Abwägung sind aufgrund des grundstücksbezogenen Charakters des Verbotes bei Grabungsschutzgebieten die Abwägungsvorgaben des § 48 Abs. 1 Satz 2 zu berücksichtigen. Unerhebliche Auswirkungen auf ein Denkmal reichen zur Versagung einer Genehmigung nicht aus.177 Bei Untersuchungen der Bausubstanz eines Denkmals zur Erkundung des Verhaltens eines Denkmals auf mögliche bergbaubedingte Einwirkungen kommt es zunächst auf den Umfang des Eingriffs an und ob damit wesentliche Veränderungen des Denkmals verbunden sind. Dienen diese Untersuchungen dem Nachweis, dass die Voraussetzungen für die Genehmigung eines Bergbaubetriebes vorliegen, können diese gegen den Willen des Eigentümers mittels Grundabtretung ermöglicht werden.178 Werden in Plänen, wie z.B. dem Braunkohlenplan, Ziele der Raum- und Landesplanung festgelegt, ist für eine Abwägung aufgrund der Bindungswirkung der Ziele der Raum- und Landesplanung kein Raum. Die Denkmalschutzgenehmigung – auch wenn sie Teil der Betriebsplanzulassung ist –, kann die Beseitigung von Kulturdenkmälern auch von deren vorheriger Untersuchung und Dokumentierung und ggf. Bergung abhängig machen, wobei dies unter Berücksichtigung der Bedeutung des Denkmals und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen hat; dabei ist die Untersuchung, Dokumentation und Bergung primär Aufgabe der Denkmalschutzbehörde. Die Versagung einer Genehmigung darauf zu stützen, dass diese Untersuchungen aufgrund fehlender Personalund Sachmittel nicht durchführbar sind,179 erscheint aufgrund § 39 Abs. 2 DSchG NRW und der haushalterischen Argumentation fraglich. Die Versagung einer Genehmigung ist gerichtlich uneingeschränkt überprüfbar.180

3. Denkmalschutzgenehmigung und Betriebsplan Ist die bergbauliche Tätigkeit nach der UVP-V Bergbau UVP-pflichtig, sind die Belange des Denk- 60 malschutzes in allen Bundesländern zunächst als „Kulturgüter“ Teil der UVP181 und nach Beteiligung der Denkmalschutzbehörde die denkmalschutzrechtliche Genehmigung aufgrund der Konzentrationswirkung des planfestgestellten Rahmenbetriebsplans Teil der Zulassung, ohne dass es des Einvernehmens oder der Zustimmung der Denkmalbehörde bedarf. Ist ein denkmalschutzrelevantes betriebsplanpflichtiges Vorhaben nicht UVP-pflichtig, ist der Denkmalschutzbehörde gemäß § 54 Abs. 2 im Betriebsplanverfahren Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben;182 diese entscheidet auf Antrag grundsätzlich über die Genehmigung nach den Vorschriften des Denkmalschutzgesetzes. Nicht in allen Bundesländern ist neben der Betriebsplanzulassung eine eigenstän176 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 56 Anhang Rn. 108; Rausch Umwelt- und Planungsrecht beim Bergbau, S. 131 f.

177 VGH München 24.1.2013, 2 BV 11/1631, BayVBl 2013, 470, 471. 178 OVG Münster 19.8.1987, 12 B 1589/87, ZfB 1988, 106, 107; vgl. auch Glückert in: von Danwitz (Hrsg.), Bergbau und Umwelt (1999), S. 13, 17. 179 OVG Münster 20.9.2011, 10 A 1995/09, NWVBl 2012, 146, 147. 180 OVG Kassel 16.3.1995, 4 UA 3505/88, DVBl 1995, 757, 758. 181 Näheres hierzu Attendorn NuR 2006, 756 f. 182 Näheres hierzu Baltis/Mülhoff NWVBl 1991, 1, 2. 365

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dige Genehmigung nach dem Denkmalschutzgesetz erforderlich. In Baden-Württemberg (§ 7 Abs. 3 DSchG BW), Mecklenburg-Vorpommern (§ 7 Abs. 6 DSchG MV) sowie in Nordrhein-Westfalen (§ 9 Abs. 4 DSchG NRW) entfällt die denkmalschutzrechtliche Genehmigung zugunsten der Betriebsplanzulassung. In Baden-Württemberg und Mecklenburg-Vorpommern bedarf die Betriebsplanzulassung der Zustimmung der Denkmalschutzbehörde. Ob diese länderrechtliche Regelung mit Blick auf die bundesrechtliche Vorschrift des § 54 Abs. 2 im Einklang mit Art. 31 GG steht, ist fraglich.183 In Nordrhein-Westfalen (§ 9 Abs. 4 DSchG NRW) sind die Belange des Denkmalschutzes im Betriebsplanverfahren „in angemessener Weise“ zu berücksichtigen. Die Rechtsprechung dieses Landes184 spricht sich für eine strikte Anwendung der Genehmigungsvoraussetzungen nach dem Denkmalschutzgesetz aus, wonach die Beseitigung eines Denkmals zuzulassen ist, wenn Gründe des Denkmalschutzes nicht entgegenstehen oder überwiegende öffentliche Interessen die Maßnahmen verlangen (§ 9 Abs. 3 DSchG NRW).185 Die Belange des Denkmalschutzes sind in diesen Bundesländern als öffentliche Interessen gemäß § 48 Abs. 2 bei Betriebsplanzulassung zu berücksichtigen.186 Eine Erweiterung der maßgeblichen Vorschriften des Denkmalschutzgesetzes ist damit nicht verbunden.187 Auch wenn in den Denkmalschutzgesetzen anderer Bundesländer für baugenehmigungspflichtige Vorhaben auf eine eigenständige Denkmalschutzgenehmigung verzichtet wird,188 ist für betriebsplanpflichtige Vorhaben, soweit sie denkmalschutzrelevant sind und keine Bergbauregelung besteht (§ 7 Abs. 3 DSchG BW; § 7 Abs. 6 DSchG MV; § 9 Abs. 4 DSchG NRW), neben der Betriebsplanzulassung eine Genehmigung nach dem jeweiligen Denkmalschutzgesetz erforderlich.

4. Sondervorschriften für die Rohstoffgewinnung 61 Sondervorschriften für die Rohstoffgewinnung enthalten die Denkmalschutzgesetze von Nordrhein-Westfalen und Mecklenburg-Vorpommern. In Nordrhein-Westfalen haben die Bergbehörden bei der Zulassung bergrechtlicher Betriebspläne das Benehmen mit dem zuständigen Landschaftsverband oder der Stadt Köln herbeizuführen (§ 39 Abs. 2 DSchG NRW). Soweit Ziele der Raumund Landesplanung bergbauliche Maßnahmen betreffen, wie z.B. der Braunkohlenplan, dürfen in Mecklenburg-Vorpommern für diese Gebiete keine Grabungsschutzgebiete festgelegt werden, jedoch ist vor Beginn der bergbaulichen Maßnahmen der Denkmalschutzbehörde Gelegenheit zur fachwissenschaftlichen Untersuchung von vermuteten Baudenkmälern oder zu deren Bergung zu geben (§ 15 DSchG MV).

5. Rechtsschutz 62 Das Denkmalschutzrecht dient allein dem öffentlichen Interesse. Die Unterschutzstellung von Denkmälern verschafft dem Eigentümer keine materielle Rechtsposition.189 Droht durch bergbauliche Tätigkeiten die Beeinträchtigung eines Denkmals, kann sich der Eigentümer dieses Denkmals 183 184 185 186

Vgl. zum Zustimmungserfordernis im landesrechtlichen Naturschutzrecht Wilde DVBl 1998, 1321, 1325. OVG Münster 22.1.1968, 11 A 688/97, juris. Attendorn NuR 2006, 756, 758. Schulte ZfB 1987, 178, 218. Eines Rückgriffs auf die Schwelle der Gemeinschädlichkeit (§ 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9) bedarf es nicht; so aber OVG Münster 19.8.1987, 12 B 1589/87, ZfB 1988, 106, 109; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 56 Anhang Rn. 113. 187 Jankowski NuR 2008, 19, 21, mit Hinweis auf § 3 DSchG NRW, der für öffentliche Planungen und Maßnahmen und nicht für Betriebspläne gilt. 188 Vgl. Art 6 Abs. 3 DSchG BY; § 12 Abs. 3 DSchG Bln; § 7 Abs. 3 DSchG Hess; § 10 Abs. 4 DSchG Nds; § 12 Abs. 3 DSchG SN und § 14 Abs. 8 DSchG LSA; hinsichtlich der alten Bundesländer vgl. Rausch Umwelt- und Planungsrecht beim Bergbau, S. 132. 189 OVG Münster 25.4.1989, 12 B 2614/88, ZfB 1990, 33, 38. Kappes

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nur auf die Verletzung seines Eigentums (Art. 14 GG) berufen. Bei einer Abwägung der Interessen an der Rohstoffgewinnung und dem Eigentumsschutz im Rahmen einer einstweiligen Anordnung sind die öffentlichen Belange des Denkmalschutzes einzustellen.190 Gegen von der Denkmalschutzbehörde auferlegte Erhaltungs- und Unterhaltungsmaßnahmen steht dem betroffenen Eigentümer Klagerecht zu – insbesondere, wenn es um den Umfang der getroffenen Aufwendungen geht.191

V. Immissionsschutzrecht Schrifttum Kotulla Anlagen des Bergwesens und immissionsschutzrechtliche Genehmigungsbedürftigkeit, NuR 2006, 348; Stevens Bergrechtliche und umweltrechtliche Genehmigungen für Tagebaue, ZUR 2012, 338; Wasielewski Das neue Störfallrecht zur Umsetzung der Seveso-III-Richtlinie, NVwZ 2018, 937.

1. Vorbemerkung Bergbauliche Tätigkeiten und Einrichtungen können zwangsläufig mit Immissionen, wie z.B. Ge- 63 räuschen und Staub, verbunden sein. Je nach ihrer Art und dem Entstehungsort können diese neben dem Bergrecht auch den Anforderungen des BImSchG unterliegen. Ob und ggf. in welchem Umfang das BImSchG maßgeblich ist, ergibt sich nicht aus dem BBergG, sondern dem BImSchG. Das BImSchG unterscheidet verfahrensmäßig zwischen genehmigungsbedürftigen und nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen, für die jeweils unterschiedliche materiell-rechtliche Anforderungen gelten. Im Gegensatz zu nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen unterliegen genehmigungsbedürftige Anlagen einer präventiven behördlichen Kontrolle. Einer Genehmigung nach dem BImSchG bedürfen nur die Anlagen, die in dem abschließenden Katalog der Vierten Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen (4. BImSchV) aufgeführt sind und länger als zwölf Monate an demselben Ort in Betrieb sein sollen.192 Eine Erweiterung oder Änderung der Genehmigungspflicht bedarf der Änderung der 4. BImSchV.

2. Genehmigungsbedürftige Anlagen Welche bergbaulichen Anlagen einer Genehmigungspflicht unterstellt werden können, hängt zu- 64 nächst von der für die 4. BImSchV maßgeblichen Ermächtigungsnorm des § 4 BImSchG ab.

a) Bergbauregelung (§ 4 Abs. 2 BImSchG). Der Ermächtigungsrahmen zur Festlegung der 65 nach dem BImSchG genehmigungsbedingten Anlagen (§ 4 Abs. 1 Satz 2 BImSchG) ist für Anlagen des Bergwesens durch die Spezialregelung des § 4 Abs. 2 BImSchG eingeschränkt. Unter Anlagen des Bergwesens193 sind diejenigen Anlagen und Tätigkeiten zu fassen, die den sachlichen und räumlichen Geltungsbereich des BBergG unterworfen sind (§ 2), einschließlich der bergbauverwandten Anlagen und Tätigkeiten (§§ 126 ff., wie z.B. Untergrundspeicher).194 Für nicht dem Gel190 191 192 193

BVerfG 26.7.1989, 1 BvR 685/89, BVerfGE 80, 360 = ZfB 1990, 16, 18. Vgl. BVerfG 14.4.2010, 1 BvR 2140/08, NVwZ 2010, 1333; VGH Kassel 16.3.1995, 4 UE 3505/88, DVBl 1995, 757, 759. Vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1, 4. BImSchV. Dieser Begriff wurde aus dem bisher geltenden § 4 Abs. 2 BImSchG übernommen, der dem Begriff aus der Gewerbeordnung entsprach. 194 Landmann/Rohmer/Dietlein Umweltrecht, § 4 BImSchG Rn. 98; Kotulla NuR 2006, 348, 349; Rausch Umwelt- und Planungsrecht beim Bergbau, S. 89; zu Untergrundspeichern BVerwG 13.12.1991, 7 C 25/90, BVerwGE 89, 246, 257 = ZfB 1992, 38, 44. 367

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tungsbereich des BBergG unterliegende Rohstoffgewinnungsbetriebe kommt § 4 Abs. 2 BImSchG nicht zur Anwendung.195 Nach der vor Inkrafttreten des BBergG geltenden Rechtslage waren Anlagen des Bergwesens, soweit sie der Aufsuchung und Gewinnung dienen, von der Genehmigungspflicht des BImSchG ausgenommen. Diese allein tätigkeitsumschriebene Ausnahme wurde mit der durch § 174 Abs. 5 BBergG geänderten Fassung des § 4 Abs. 2 BImSchG durch ein räumliches auf die Art der Bergbautätigkeit (untertage, Tagebau) abstellendes und betriebstechnisches Kriterium ersetzt. Damit soll das Bergrecht materiell-rechtlich entlastet196 und die BImSchG-Genehmigungspflicht erweitert werden, jedoch unter Berücksichtigung der Standortbindung an die Lagerstätte bei der Rohstoffgewinnung.197 Eine Aussage über die Immissionsrelevanz dieser Anlagen ist mit der Neufassung des § 4 Abs. 2 BImSchG nicht verbunden.198 Gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 BImSchG können einer Genehmigungspflicht nur übertägige Anlagen oder Anlagenteile unterzogen werden, d.h. im Rückschluss, dass untertägige Bergbauanlagen nicht der Genehmigungspflicht nach dem BImSchG unterworfen werden können;199 dies gilt nicht nur für untertägige Aufsuchungsund Gewinnungsanlagen einschließlich der Schächte und Untergrundspeicher,200 sondern nach der Neufassung des § 4 Abs. 2 BImSchG auch für untertägige Aufbereitungsanlagen. Wesentliches Unterscheidungskriterium ist die Erdoberfläche.201 Der für übertägige Bergbauanlagen geltende § 4 Abs. 2 Satz 1 BImSchG ist mit Satz 2 jedoch da66 hingehend eingeschränkt, dass für den übertägigen Bereich eine Genehmigungspflicht für Tagebaue und zum Betrieb eines Tagebaus erforderlichen oder zur Wetterführung unerlässliche Anlagen nicht festgelegt werden können. Mit dieser Reglung wird der dynamischen Betriebsweise bei der Aufsuchung und Gewinnung Rechnung getragen, der das Genehmigungsverfahren nach dem BImSchG nicht gerecht wird.202 Während das BImSchG-Genehmigungsverfahren mit seiner Genehmigung für die Errichtung und die Betriebsphase und gelegentlichen Kontrollen auf statische Anlagen abstellt,203 wird über das bergrechtliche Betriebsplanverfahren eine kontinuierliche Kontrolle – insbesondere der dynamischen Betriebsteile – sichergestellt. Die Ansicht, dass § 4 Abs. 2 BImSchG verfahrenssystematisch bedenklich204 und als nicht gerechtfertigte Privilegierung anzusehen ist,205 übersieht die unterschiedlichen Gegebenheiten zwischen der dynamischen standortgebundenen Rohstoffgewinnung und den statischen Anlagen des BImSchG; die fehlende Konzentrationswirkung der BImSchGGenehmigung hinsichtlich der Betriebsplanzulassung (§ 13 BImSchG) berücksichtigt diese tatsächlichen Unterschiede ebenfalls. Auch wenn Satz 2 auf § 4 Abs. 1 BImSchG Bezug nimmt, ist Satz 2 aufgrund seiner Stellung und der Entstehungsgeschichte206 als eine Einschränkung des § 4 Abs. 2 Satz 1 BImSchG zu betrachten, so dass Satz 2 nur für übertägige Anlagen gilt, die dem Geltungsbereich des

195 196 197 198 199

VG Aachen 3.5.2013, 6 L 552/12, AbfallR 2013, 193. BT-Drs. 8/1315, S. 171. BT-Drs. 8/3965, S. 147. Zur Entstehungsgeschichte vgl. Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 56 Anhang Rn. 126. Stevens ZUR 2012, 338, 345; so aber Rausch Umwelt- und Planungsrecht beim Bergbau, S. 90. Rausch Umwelt- und Planungsrecht beim Bergbau, S. 88; Kotulla NuR 2006, 348, 351; Frenz Abfallverwertung im Bergbau, S. 59. 200 BVerwG 13.12.1991, 7 C 25/90, BVerwGE 89, 246, 251 = ZfB 1992, 38, 40. 201 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 56 Anhang Rn. 212. 202 BT-Drs. 8/1315, S. 171. 203 BVerwG 13.12.1991, 7 C 25/90, BVerwGE 89, 246, 251 = ZfB 1992, 38, 45; VG Stade 16.7.1991, 3 VG A 433/95, ZfB 1992, 52, 65. Vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 4. BImSchV, wonach nur Anlagen erfasst werden, die länger als zwölf Monate an dem selben Ort betrieben werden sollen. 204 Jarass BImSchG § 4 Rn. 39. 205 Kotulla NuR 2006, 348, 350 f. 206 In der Diskussion über die Fassung des § 4 Abs. 2 BImSchG bei § 174 Abs. 5 zwischen der Bundesregierung, dem Bundesrat und dem Bundestag ging es um die Frage, in welchem Umfang bergbauliche Anlagen der Genehmigung nach dem BImSchG unterworfen werden sollen, BT-Drs. 8/1315, S. 186, 197; BT-Drs. 8/3965, S. 147. Kappes

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BBergG unterliegen.207 Ein Tagebau ist der Ort, an dem das Lösen von Bodenschätzen zur Aufsuchung oder Gewinnung in offener Bauweise erfolgt. Zu diesen zählen auch Steinbrüche und offene Gruben. Die Lage des Tagebaus wird von der Lagerstätte bestimmt.208 Auch die Aufsuchung mittels Tagebau und die Wiedernutzbarmachung dieser Oberflächen sind standortgebunden, so dass sie Teil eines Tagebaus sind.209 Neben dem Tagebau selbst erfasst Satz 2 auch die für den Tagebau erforderlichen Anlagen, unabhängig davon, ob sich diese im Tagebau oder außerhalb des Tagebaus befinden.210 Der Einsatzort dieser Anlagen wird von der Lage des Tagebaus und damit letztlich von der Lagerstätte bestimmt. Insoweit schlägt das Bergbauspezifikum des Tagebaus auf die Anlage durch. Die Ansicht, dass § 4 Abs. 2 BImSchG nur Anlagen erfasst, die selbst bergbauspezifischer Natur sind,211 steht nicht im Einklang mit dem Sinn und Wortlaut des § 4 Abs. 2 BImSchG. Erforderlich ist eine Anlage, die für die Aufsuchung und Gewinnung im Tagebau unerlässlich ist,212 d.h. mit der Aufsuchung und Gewinnung im Tagebau in funktionellem Zusammenhang steht. Der Einsatz dieser Anlagen muss von den den Tagebau prägenden Eigenschaften abhängig sein. Zur Aufsuchung und Gewinnung zählen dabei nicht nur das Aufsuchen und Lösen von Bodenschätzen, sondern auch die hierfür vorher notwendige Erschließung des Tagebaus, das im Rahmen dieser bergbaulichen Tätigkeiten notwendige Verladen, Befördern, Abladen, Lagern und Ablegen von Bodenschätzen und sonstigen Massen, soweit dies mit Anlagen unter dem Geltungsbereich des BBergG erfolgt, sowie die Wiedernutzbarmachung und die hierfür notwendigen Anlagen.213 Soweit betriebsplanpflichtige Anlagen für den Betrieb des Tagebaus notwendig sind, werden diese von § 4 Abs. 2 Satz 2 BImSchG erfasst – unabhängig davon, an welcher Position der Produktionskette sich die Anlage befindet. Die Erforderlichkeit kann aufgrund der Funktionsbezogenheit nicht mit der Unmittelbarkeit gleichgesetzt werden.214 Zu diesen Anlagen zählen u.a. die für die Aufsuchung und Gewinnung einschließlich Wiedernutzbarmachung im Tagebau eingesetzten Bagger, Förderbrücken und Absetzer, die dem Gewinnungsfortschritt ständig anzupassenden Förderbänder einschließlich Bandsammelpunkten in und außerhalb des Tagebaus, Kohlenbunker im Braunkohlenbergbau, Grubenbahnen und sonstige für die Aufsuchung und Gewinnung im Tagebau notwendigen Hilfseinrichtungen, wie z.B. Stromversorgungsanlagen, Tagesanlagen für die im Tagebau Beschäftigten, die für die Wasserhaltung notwendigen Brunnen und Anlagen und die Ablagerung215 von Bodenschätzen oder Abraum. Aufbereitungsanlagen sind i.d.R. nicht an die Lagerstätte gebunden, so dass sie allenfalls in Ausnahmefällen als eine für den Betrieb des Tagebaus erforderliche Anlage angesehen werden können. Genehmigungsfrei nach dem BImSchG sind auch die zur Wetterführung unerlässlichen 67 übertägigen Anlagen (§ 4 Abs. 2 Satz 2 letzter Halbsatz BImSchG). Dies sind übertägige Anlagen, wie Grubenlüfter, Wetterschächte und andere zur Wetterführung notwendigen Anlagen, um den 207 VGH München 11.3.2004, 22 B 02.1653, UPR 2005, 306, Landmann/Rohmer/Dietlein Umweltrecht § 4 BImSchG Rn. 23, 99; Sellner/Reidt/Ohms, Immissionsschutzrecht und Industrieanlagen, S. 16; Müller/Schulz, Handbuch Recht der Bodenschätzegewinnung, Rn. 504; a.A. Kotulla NuR 2006, 348, 350, der von Satz 2 auch Tagebaue, die nicht im Geltungsbereich des BBergG unterliegen, erfasst sieht. Dieser Auffassung steht Nr. 2, 4. BImSchV, entgegen. 208 BT-Drs. 8/3965, S. 147. 209 A.A. Stevens ZUR 2012, 338, 345; Frenz Abfallverwertung im Bergbau, S. 59. 210 Vgl. hierzu die Fassung des § 174 Abs. 5 des Regierungsentwurfs, der auf Anlagen im Tagebau abstellte (BT-Drs. 8/1315, S. 17) und die beschlossene Fassung des § 174 Abs. 5 bzw. § 4 Abs. 2 BImSchG (BT-Drs. 8/3965, S. 110, 147. 211 So aber Jarass BImSchG § 4 Rn. 37; Durner Konflikte räumlicher Planung, S. 359, 365. 212 Rausch Umwelt- und Planungsrecht beim Bergbau; Stevens ZUR 2012, 338, 345. 213 Im Ergebnis so auch Kolonko Anforderungen der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung an einen Abbau von Steine und Erden, S. 126. 214 A.A. Landmann/Rohmer/Dietlein Umweltrecht § 4 BImSchG Rn. 100; Frenz Abfallverwertung im Bergbau, S. 59, der den Begriff Tagebau auf den unmittelbaren Abbau begrenzt, um diesen von dem weiteren bergrechtlichen Gewinnungsbegriff abzugrenzen. Diese Auffassung verkennt, dass § 4 Abs. 2 BImSchG, ohne an die Terminologie des BBergG gebunden zu sein, mit dem Begriff Tagebau eine standortgeprägte dynamische Art der Bergbautätigkeit umschreibt. 215 A.A. Rausch Umwelt- und Planungsrecht beim Bergbau, S. 90, der nur Anlagen innerhalb des Tagebaus anerkennt; Landmann/Rohmer/Dietlein Umweltrecht § 4 BImSchG Rn. 100, die den funktionellen Ansatz des § 4 Abs. 2 Satz 2 BImSchG verkennen. 369

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Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

untertägigen Bergbaubetrieb mit frischer Luft zu versorgen. Ohne diese Bewetterung ist die Aufsuchung und Gewinnung von Bodenschätzen, insbesondere bei größeren Teufen und bei Einsatz von emittierenden Arbeitsmitteln nicht möglich, so dass die Bewetterungsanlagen eine unverzichtbare Voraussetzung für die untertägige Bergbautätigkeit darstellt, selbst wenn die Anlagen gleichzeitig auch anderen betrieblichen Funktionen – wie z.B. Schächte zur Seilfahrt – dienen.216 Der Standort solcher Bewetterungsanlagen ist nicht in das Belieben des Unternehmers gestellt und kann nicht frei gewählt werden, sondern hängt von der sich an der Lagerstätte orientierenden Abbauführung und Betriebssicherheit ab.217

68 b) Genehmigungsbedürftige bergbauliche Anlagen. Von den Anlagen des Bergwesens werden überwiegend Aufbereitungsanlagen in der 4. BImSchV als genehmigungsbedürftig eingestuft. Hierzu zählen u.a. Anlagen zum Mahlen oder Trocknen von Kohle (Nr. 1.9 Anhang der 4. BImSchV), Anlagen zum Brikettieren von Braun- oder Steinkohle (Nr. 1.10 Anhang der 4. BImSchV), Anlagen zur Trockendestillation von Steinkohle, Braunkohle (z.B. Kokereien) (Nr. 1.11 Anhang der 4. BImSchV) und Anlagen zur Vergasung und Verflüssigung von Kohle (Nr. 1.14 Anhang der 4. BImSchV).218 Anlagen zur Behandlung von gefährlichen Abfällen (Nr. 8.8 Anhang der 4. BImSchV) können im Rahmen der Versatzstoffherstellung für Bergbaubetriebe relevant sein.219 Eine Salzhalde zählt dagegen nicht zu den genehmigungsbedürftigen Anlagen.220 Werden Anlagen in der 4. BImSchV als genehmigungsbedürftig eingestuft, die für den Tagebaubetrieb überwiegend dienen und erforderlich sind, wie z.B. Kraftwerke (Nr. 1 Anhang der 4. BImSchV), Elektroumspannungsanlagen (Nr. 1.8 Anhang der 4. BImSchV), besteht aufgrund der durch § 4 Abs. 2 BImSchG einschränkenden Ermächtigungsgrundlage für die 4. BImSchG keine Genehmigungspflicht. Aus diesem Grund handelt es sich bei den in Nr. 2.1 Anhang der 4. BImSchV genannten Steinbrüchen nur um solche, die nicht dem Geltungsbereich des BBergG unterliegen.

69 c) Genehmigungsvoraussetzungen. Die materiell-rechtlichen Anforderungen für genehmigungsbedürftige Anlagen enthalten die §§ 5 bis 7 BImSchG. Dies umfasst u.a. die Pflicht zur Gefahrenabwehr und der Vermeidung von erheblichen Nachteilen und Belästigungen gegenüber der Allgemeinheit und der Nachbarschaft (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG) sowie die Vorsorgepflicht gegenüber schädlichen Umwelteinwirkungen und Gefahren und erhebliche Nachteile und Belästigungen (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG). Bei der Bewertung von Lärm und Luft mit Wirkungen außerhalb des Betriebsgeländes kann auf die TA Lärm und TA Luft zurückgegriffen werden. Die Erteilung einer Genehmigung setzt voraus, dass sichergestellt ist, dass die sich aus § 5 BImSchG und einer aufgrund § 7 BImSchG erlassenen Rechtsverordnung ergebenen Pflichten erfüllt werden und andere öffentlich-rechtliche Vorschriften und Belange des Arbeitsschutzes der Errichtung und dem Betrieb der Anlage nicht entgegenstehen (§ 6 Abs. 1 BImSchG). Der Geltungsbereich der 12. BImSchV (Störfall-Verordnung) erstreckt sich dabei nicht auf alle bergbaulichen Tätigkeiten und Einrichtungen (§ 3 Abs. 5a BImSchG; § 1 Abs. 3 12. BImSchV). In Umsetzung der novellierten Seveso-III-Richtlinie221 hat der Gesetzgeber222 die Begriffsbestimmung des Betriebsbereichs in § 3 Abs. 5a BImSchG angepasst und in § 3 Abs. 5b BImSchG die störfallrelevante Errichtung und Ände216 217 218 219 220 221

Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 56 Anhang Rn. 131. BT-Drs. 8/3965, S. 147. Schulte ZfB 1987, 178, 205. Vgl. OVG Magdeburg 22.3.2011, 2 M 5/11, ZfB 2012, 40, 43. VG Stade 24.2.1986, 3 VG D 5/86, ZfB 1987, 361, 363. EU-RL 2012/18/EU zur Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen, zur Änderung und anschließenden Aufhebung der RL 96/82/EG des Rates (ABl 2012, L 197, 1). 222 Gesetz zur Umsetzung der EU-RL 2012/18/EU zur Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen vom 30.11.2016 (BGBl., 1274); vgl. dazu Wasielewski NVwZ 2018, 937. Kappes

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Erstes Kapitel – Allgemeine Vorschriften über die Aufsuchung und Gewinnung

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rung definiert. Darüber hinaus enthält § 3 Abs. 5c BImSchG nun eine Definition des angemessenen Sicherheitsabstands; § 3 Abs. 5d BImSchG definiert benachbarte Schutzobjekte. Die störfallrelevante Änderung einer genehmigungsbedürftigen Anlage bedarf gemäß § 16c BImSchG der Genehmigung.

d) Immissionsschutzrechtliche Genehmigung. Die Erteilung einer immissionsschutzrechtli- 70 chen Genehmigung schließt andere anlagenbezogene Genehmigungen, wie z.B. Baugenehmigungen, ein, jedoch nicht die bergrechtliche Betriebsplanzulassung (§ 13 BImSchG). Beide Genehmigungen stehen bei gleichem Genehmigungsobjekt selbständig nebeneinander.223 Sind bergbauliche Anlagen nach der 4. BImSchV genehmigungs- und UVP-pflichtig (§ 1 Nr. 9 UVP-V Bergbau i.V.m. Anhang UVPG), umfasst der planfestgestellte Rahmenbetriebsplan die BImSchG-Genehmigung.

e) Rechtsschutz. Während anerkannt ist, dass § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG aufgrund des bestimmba- 71 ren Kreises der Nachbarschaft drittschützende Wirkung hat,224 wird dies für die Vorsorgepflichten nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG verneint.225 3. Nicht genehmigungsbedürftige Anlagen Sind Anlagen des Bergwesens nach der 4. BImSchV nicht genehmigungspflichtig, unterliegen sie 72 dennoch grundsätzlich dem Immissionsschutzrecht. § 4 Abs. 2 BImSchG regelt nämlich nur die Genehmigungsbedürftigkeit einer Anlage und damit die für diese Anlagen geltenden materiellrechtlichen Anforderungen der §§ 4 bis 21 BImSchG.226 Für nach § 4 Abs. 2 Satz 2 BImSchG nicht ausgenommene übertägige bergbauliche Tätigkeiten und Einrichtungen (vgl. Anhang zu § 48 Rn. 66 und 67) und sonstige nicht genehmigungsbedürftige Anlagen ist das BImSchG maßgeblich, wenn es sich um eine Anlage i.S.d. BImSchG handelt. Der Anlagenbegriff des § 3 Abs. 5 BImSchG ist umfassend und schließt neben Betriebsstätten und anderen ortsfesten Einrichtungen sowie Maschinen und Geräten und sonstigen ortsveränderlichen Einrichtungen auch Grundstücke ein, auf denen Stoffe gelagert und abgelagert oder Arbeiten durchgeführt werden, die Immissionen verursachen können. Anlagen sind somit auch Lagerplätze, Zechenplätze und Halden.227 Fahrzeuge und Arbeitsmittel, die auf dem Betriebsgelände eingesetzt werden, werden als Teil der Anlage angesehen.228

a) Bergbauliche Anlagen. Nicht genehmigungsbedürftige Anlagen des Bergwesens unterlie- 73 gen den §§ 22 ff. BImSchG mit den drei Grundpflichten des § 22 BImSchG, vermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen zu verhindern, unvermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaß zu beschränken und Vorkehrungen für schädliche Beeinträchtigungen von Abfällen zu treffen. Während § 5 BImSchG für genehmigungsbedürftige Anlagen schädliche Umwelteinwirkungen verbietet, verlangt § 22 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG Umwelteinwirkungen nach dem Stand der 223 VG Stuttgart 10.5.1996, 4 K 4293/94, ZfB 1996, 246, 248. 224 BVerwG 11.12.2003, 7 C 19/02, BVerwGE 119, 329, 332; OVG Münster 1.12.2011, 8 D 58/08 AK, NuR 2012, 342; Jarass BImSchG, § 5 Rn. 120; Landmann/Rohmer/Dietlein Umweltrecht, § 5 BImSchG Rn. 130.

225 BVerwG 16.1.2009, 7 B 47/08, juris Rn. 11; BVerwG 18.5.1982, 7 C 42/80, BVerwGE 65, 313, 320. 226 BVerwG 13.12.1991, 7 C 25/90, BVerwGE 89, 246, 257 = ZfB 1992, 38, 44; Kotulla NuR 2006, 348, 353; Rausch Umwelt und Planungsrecht beim Bergbau, S. 100. 227 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 56 Anhang Rn. 212; Rausch Umwelt und Planungsrecht beim Bergbau, S. 100. 228 Kutscheidt NVwZ 1983, 65, 66. 371

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Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

Technik zu vermeiden. Bei Ermittlung des Standes der Technik soll die TA Luft zum Anhalt genommen werden. Gleiches gilt für die TA Lärm. Wenn die Anwendung der TA Lärm für bestimmte Anlagen ausgenommen ist, wie für Tagebaue und zum Betrieb von Tagebauen erforderliche Anlagen (Nr. 1 lit. e) TA Lärm), ist sie unter Berücksichtigung der bergbaulichen Besonderheiten entsprechend anzuwenden.229

74 b) Betriebsplanverfahren. Für die Prüfung der sich aus §§ 22 ff. BImSchG ergebenden Pflichten sieht das BImSchG kein eigenständiges Verfahren vor. Das BImSchG beschränkt die für die Durchführung des BImSchG zuständige Behörde jedoch nicht darauf, gemäß §§ 24 und 25 BImSchG, nachträglich Anordnungen zu erlassen.230 Auch dürften bergbaubedingte Immissionen selbst in extremen Ausnahmefällen kaum die Schwelle der Gemeinschädlichkeit nach § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 (vgl. § 55 Rn. 100 ff.) erreichen, die zu einer Versagung einer Betriebsplanzulassung führt. Jedoch eröffnet seit der Altenberg-Entscheidung des BVerwG231 § 48 Abs. 2 der Bergbehörde die Befugnis, die immissionsschutzrechtlichen Vorschriften für nach dem BImSchG nicht genehmigungsbedürftige Anlagen mit dem Gebot des § 22 BImSchG als öffentliches Interesse im Betriebsplanverfahren zu berücksichtigen (vgl. § 48 Rn. 53). Das gilt auch, wenn weitere Genehmigungen z.B. nach dem Baurecht, notwendig sind, sofern die Immissionen einen stärkeren Bezug zur bergbaulichen Tätigkeit aufweisen als zu Anlagen nach anderen Gesetzen. So sind Immissionen, die beim Verladen und Befördern von Bodenschätzen entstehen, dem Bergrecht zuzuordnen, da diese nicht von baulichen Anlagen ausgehen.232 Die störfallrelevante Errichtung und der Betrieb oder die Änderung einer nicht genehmigungsbedürftigen Anlage bedarf abweichend von den §§ 23a und 23b Abs. 1, 3 BImSchG gemäß § 23c BImSchG keiner störfallrechtlichen Anzeige oder Genehmigung, wenn für die Errichtung und den Betrieb oder die Änderung eine Betriebsplanzulassung nach dem BBergG erforderlich ist. Im Betriebsplanverfahren wird die durch die Seveso-III-Richtlinie geforderte Öffentlichkeitsbeteiligung durch das Zulassungsverfahren für störfallrelevante Vorhaben nach § 57d sichergestellt.233

75 c) Rechtsschutz. Wird über die Einhaltung der Vorschriften des BImSchG für nicht genehmigungsbedürftige Anlagen im Betriebsplanverfahren mit entschieden, vermittelt § 22 BImSchG in dessen Rahmen für „Nachbarn“ Drittschutz gegen die Betriebsplanzulassung.234 Die drittschützende Wirkung des § 22 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG erschöpft sich darin, die Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen zu bewahren, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind. Das heißt nicht, dass jede Beeinträchtigung, die sich nach dem Stand der Technik vermeiden lässt, unabhängig von ihrem Grad als schädlich zu qualifizieren ist und von den Betroffenen abgewehrt werden kann.235

VI. Naturschutzrecht Schrifttum Beckmann Berg-, umwelt- und planungsrechtliche Probleme der Wiedernutzbarmachung und Folgenutzung bergbaulicher Flächen und Anlagen, in: Kühne/Schoch/Beckmann (Hrsg.) Gegenwartsprobleme des Bergrechts (1995), S. 67;

229 230 231 232 233 234

VG Dresden 14.10.2011, 3 L 352/11, ZfB 2012, 73, 77. BVerwG 4.7.1986, 4 C 31/84, BVerwGE 74, 315, 322 = ZfB 1987, 60, 66. BVerwG 4.7.1986, 4 C 31/84, BVerwGE 74, 315, 322 = ZfB 1987, 60, 66. BVerwG 4.7.1986, 4 C 31/84, BVerwGE 74, 315, 321 = ZfB 1987, 60, 67. BVerwG 4.7.1986, 4 C 31/84, BVerwGE 74, 315, 321 = ZfB 1987, 60, 67. BVerwG 4.7.1986, 4 C 31/84, BVerwGE 74, 315, 327 = ZfB 1987, 60, 69; VG Dresden 14.10.2011, 3 L 352/11, ZfB 2012, 73; Boldt/Weller Ergänzungsband, § 48 Rn. 14. 235 OVG Münster 29.8.2012, 2 B 940/12, juris Rn. 11. Kappes

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Erstes Kapitel – Allgemeine Vorschriften über die Aufsuchung und Gewinnung

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Brockhoff Naturschutzrechtliche Eingriffsregelung in bergrechtlichen Zulassungsverfahren (2012); Cosack Bergrechtliches Zulassungsverfahren und Flora-Fauna-Habitat-Verträglichkeitsprüfung, NuR 2000, 311; Dammert Anwendungsfragen des Flächen- und Artenschutzrechts bei der Zulassung von Bergbauvorhaben, in: Heggemann (Hrsg.) Bergrechtliche Zulassungsentscheidungen im Kontext mit Umweltprüfungen (2009), S. 31; Daniels/Appel Gebiets- und Artenschutz bei der Wiedernutzbarmachung von Bergbaufolgelandschaften – Naturschutzrecht als Hinweis für Maßnahmen der Naturschaffung, NuR 2008; 685; Fellenberg Die ausgefallene Revolution im Artenschutzrecht – das EuGH-Urteil in der Rechtssache Skydda Skogen, NVwZ 2021, 943; Fellenberg Kumulation, Kontrolldichte und Kohärenzsicherung – aktuelle Streitfragen im Habitatschutzrecht, NVwZ 2019, 177; Frenz Wiedernutzbarmachung und Biotopschutz, ZfB 2002, 23; Frenz „Hambi bleibt“ jedenfalls vorläufig – Zu Recht? – Habitatschutz und Energieversorgungssicherheit, RdE 2019. 49; Gellermann/Schuhmacher Schützt den Wald! – Das Verfahren „Skydda Skogen“ und seine artenschutzrechtlichen Folgen, NuR 2021, 182: Gerigk Das Verhältnis zwischen Bergrecht und Naturschutz, ZfB 1987, 232; Hoppe Die Einschränkung bergbaulicher Berechtigungen durch eine Nationalparkverordnung – am Beispiel des niedersächsischen Wattenmeeres, DVBl 1987, 757; Kolonko Anforderungen der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung am Abbau von Steine und Erden (Diss. 1997); Kolonko Naturschutz und Bergrecht, ZUR 1995, 126; Kühne Das Verhältnis von Bergrecht und naturschutzrechtlicher Eingriffsregelung, in: Jahrbuch des Umwelt- und Technikrechts (UTR) 2004, S. 251; Kühne Nochmals: Bergbauliche Berechtigungen und Nationalparkverordnung Niedersächsisches Wattenmeer, DVBl 1987, 1259; Lau Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung, NuR 2011, 680; Louis Das neue Bundesnaturschutzgesetz, NuR 2010, 77; Louis Die Schnittstellen des Bergrechts mit dem Naturschutzrecht, UPR 2017, 285; Ludwig Auswirkungen der FFH-RL auf Vorhaben zum Abbau von Bodenschätzen nach dem BBergG (2005); von Mäßenhausen Bewertung des Naturschutzregimes aus Sicht des Bergbaus, in: Frenz/Preuße (Hrsg.) Bergbau und Naturschutz (2003), S. 44; Sparwasser/Wörkel Ökologische Flutungen von Rückhalteräumen zum Hochwasserschutz und naturschutzrechtliche Eingriffsregelung, NVwZ 2007, 766; Spieth/Appel Genehmigungsprojekte unter dem Damoklesschwert der FFH-Abweichungsprüfung, NuR 2009, 669; Spieth/Hong Wiedernutzbarmachung als ausgleichspflichtiger Eingriff? Zum Verhältnis der bergrechtlichen Stilllegung zur naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung, ZfB 2001, 183; Stevens Bergrechtliche und umweltrechtliche Genehmigung von Tagebauen, ZUR 2012, 338; Teßmer Zum Schutz potentieller FFH-Gebiete und rechtlichen Implikationen geänderter Rahmenbedingungen aus Sicht des Klimaschutzes in Bezug auf den Tagebau Hambach, NuR 2019, 82; Wilde Verhältnis zwischen Bergrecht und Naturschutzrecht, DVBl 1998, 1321; Wilde Braunkohlenbergbau in Brandenburg im Spannungsverhältnis zwischen Natur- und Landschaftsschutz, LKV 2006, 71; M. Wolf Der Bergbau und die naturschutzrechtliche Kompensationspflicht, ZUR 2006, 524; R. Wolf Eingriffsregelung in der AWZ, ZUR 2010, 365.

1. Vorbemerkung Bergbauliche Tätigkeiten sind in der Regel ohne Inanspruchnahme von Grund und Boden und 76 Auswirkungen auf Natur und Landschaft nicht möglich. Der Schutz von Natur und Landschaft ist Regelungsgegenstand des BNatSchG. Da weder das BBergG noch das BNatSchG eine ausdrücklich auf die bergbaulichen Tätigkeiten und Einrichtungen bezogene Einschränkung ihrer Geltungsbereiche enthalten und beide Gesetze unmittelbar geltende Bundesgesetze darstellen, findet das BNatSchG – auch im Bereich der ausschließlichen Wirtschaftszone und des Festlandssockels (§ 56 BNatSchG) – auf bergbauliche Tätigkeiten und Einrichtungen Anwendung, soweit das BBergG keine Spezialregelungen enthält. Vom BNatSchG abweichende Vorschriften der Naturschutzgesetze der Länder236 gelten nur, soweit das BBergG als Bundesrecht dem Landesrecht nicht vorgeht (Art. 31 GG).

2. Bergbauberechtigung Auch wenn eine Bergbauberechtigung keine die Bergbautätigkeit gestattende Wirkung hat, kön- 77 nen Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege bereits im Verfahren zur Erteilung einer Bergbauberechtigung Eingang finden. Gemäß § 11 Nr. 10 ist eine Bergbauberechtigung bei überwiegend öffentlichen Interessen im gesamten zuzuteilenden Feld zu versagen. Zu den öffentlichen Interessen zählen auch naturschutzrechtliche Schutzgebietsausweisungen, wie z.B. Naturschutz- und FFH-Gebiete, jedoch nur, wenn diese ein absolutes Veränderungsverbot enthalten, 236 Zum Abweichungsrecht der Länder vgl. Lütkes/Ewer/Lütkes BNatschG, Einleitung Rn. 24 ff. 373

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Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

das das gesamte Feld betrifft237 (Näheres vgl. hierzu § 11 Rn. 17). Die Bergbehörde hat der Naturschutzbehörde vor Erteilung einer Bergbauberechtigung Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben (§ 15).238 Nur in Ausnahmefällen dürften die Vorhabensplanungen bei der Erteilung der Bergbauberechtigung bereits so konkret sein, dass die konkreten Anforderungen des Naturschutzes abschließend auf Ebene der Bergbauberechtigung abgearbeitet werden können, so dass eine Betriebsplanzulassung später aus Naturschutzgründen nicht versagt werden kann.239 Bei der Erteilung einer Bewilligung ist § 12 Abs. 2 zu beachten. Naturschutzbelange zählen nicht zu den öffentlichen Interessen, die bei der Genehmigung zur Veräußerung des Bergwerkseigentums (§ 23 Abs. 1 Satz 2) zu berücksichtigen sind.240

3. Eingriffsregelung 78 a) Materiell-rechtliche Anforderungen. Zu den zentralen Instrumenten des BNatSchG zum Schutz von Natur und Landschaft zählt die Eingriffsreglung (§§ 13 ff. BNatSchG). Ein Eingriff ist eine Veränderung der Gestalt oder Nutzung von Grundflächen oder Veränderungen des mit der belebten Bodenschicht in Verbindung stehenden Grundwasserspiegels, die die Leistungsund Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts oder des Landschaftsbildes erheblich beeinträchtigen kann (§ 14 Abs. 1 BNatSchG). Die Eingriffsregelung ist über § 56 Abs. 1 BNatSchG auch in der AWZ anwendbar. Ein Eingriff setzt eine zielgerichtete menschliche Handlung voraus.241 Da eine Bergbauberechtigung keine entsprechende Handlung unmittelbar gestattet, kommen die §§ 13 ff. BNatSchG bei der Erteilung der Bergbauberechtigung nicht zur Anwendung, sondern erst bei der für die bergbauliche Tätigkeit notwendigen Betriebsplanzulassung.242 Anknüpfungstatbestand für den Eingriff ist die durch diese Handlung bewirkte Veränderung der Gestalt oder Nutzung der Erdoberfläche einschließlich Wasserfläche und Meeresboden oder des Grundwasserspiegels, die als Folge zu einer erheblichen negativen Beeinträchtigung des Zustandes der Natur, d.h. der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushaltes einschließlich biologischer Vielfalt und des Landschaftsbildes, führen kann. Naturbedingte Veränderungen der Grundfläche243 oder die ordnungsgemäße Unterhaltung eines Geländes erfüllen nicht den für einen Eingriff erforderlichen Veränderungstatbestand,244 aber auch Auswirkungen von Immissionen werden danach nicht erfasst. Ob die Veränderung die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushaltes oder das 79 Landschaftsbild erheblich beeinträchtigt, ist anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls nach wissenschaftlichen Maßstäben zu bewerten.245 Mögliche Stör- und Unfälle sind dabei nicht zu berücksichtigen, da es an der erforderlichen Finalität der Eingriffshandlung fehlt.246 Bei der Erheblichkeitsprüfung ist nach der Erfassung eine Bewertung der Schutzgüter und ihrer Funktion ohne und mit dem Eingriff durchzuführen, wobei Vorbelastungen schutzmindernd einzubeziehen

237 VGH Mannheim, 9.6.1988, 6 S 2972/84, ZfB 1989, 57, 66. 238 Vgl. Gemeinsamer Erlass des Sächsischen Staatsministeriums für Wirtschaft und Arbeit und des Sächsischen Staatsministeriums für Umwelt und Landwirtschaft über die Zusammenarbeit der Naturschutz- und Bergbehörde, ZfB 2002, 333. 239 Weiter wohl Frenz Bergrecht und nachhaltige Entwicklung, S. 76; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 56 Anhang 226. 240 VG Weimar 17.7.2000, 7 K 68/99.We, ZfB 2000, 335, 339. 241 Brockhoff Naturschutzrechtliche Eingriffsregelung in bergrechtlichen Zulassungsverfahren, S. 44 m.w.N.; Lau NuR 2011, 680, 682. 242 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 56 Anhang Rn. 238. 243 Lütkes/Ewer/Lütkes BNatSchG, § 14, Rn. 15. 244 Lütkes/Ewer/Lütkes BNatSchG, § 14 Rn. 8. 245 Lütkes/Ewer/Lütkes BNatSchG, § 14 Rn. 12. 246 Brockhoff Naturschutzrechtliche Eingriffsregelung in bergrechtlichen Zulassungsverfahren, S. 70. Kappes

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sind.247 Die Erfassung des Ist-Zustandes der Natur und der Landschaft (§ 13 BNatSchG) und deren Bewertung sowie die Bewertung der Eingriffsfolgen und deren Ausgleich sollten vor Beginn des Gesamtvorhabens, soweit nicht bereits in Landesplanungsverfahren durchgeführt, am ehesten auf Ebene des Rahmenbetriebsplans erfolgen. Auf diese Weise kann zwischen dem Bergbauvorhaben und dessen möglichen Eingriffsfolgen eine sachgerechte Abwägung erfolgen. Eine Beeinträchtigung wird dann erheblich sein, wenn sie nach Art, Umfang und Schwere von spürbarem Gewicht ist, wobei der Grad der Schutzwürdigkeit des Schutzgutes zu berücksichtigen ist.248 Die angenommenen Beeinträchtigungen der Schutzgüter müssen zumindest mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten sein.249 Die Aufsuchung von Lagerstätten mittels elektrischer Messungen von Anomalien aus der 80 Luft per Flugzeug stellt aufgrund der fehlenden Grundstücksnutzung keinen Eingriff dar. Wenn für die gewählte Aufsuchungstechnik die Inanspruchnahme der Oberfläche notwendig ist, dürfte durch die hiermit verbundene Veränderung der Oberfläche die Erheblichkeitsschwelle für eine Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit und Funktionsfähigkeit des Naturhaushaltes meistens nicht überschritten werden; so z.B. bei seismischen Verfahren. Bei der Gewinnung von Bodenschätzen in Tagebauen – wie z.B. Braunkohle, Kaolin, Quarz 81 und Sand –, ist nicht nur die Tagebauflächen selbst, sondern sind auch die Betriebsflächen mit z.B. Werkstätten, Belegschaftsgebäuden, Aufschüttungen, Halden und Lagerplätze zu berücksichtigen. In der Regel ist bei solchen grundstücksbezogenen Vorhaben von einem Eingriff auszugehen. Die Herstellung oder Umgestaltung von Gewässern zur Gewinnung von Sand und Kies kann im Einzelfall zu einer Verbesserung der Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts führen, die somit nicht als Eingriff anzusehen ist.250 Die Eingriffsregelung erfasst auch Veränderungen des mit der belebten Bodenschicht in Verbindung stehenden Grundwasserspiegels. Die für manche Tagebauvorhaben zur Gewinnung notwendigen Grundwasserabsenkungen sind daher nur dann eingriffsrelevant, wenn die Grundwasserschichten mit der belebten Bodenschicht in Verbindung stehen. Mit dem Bezug auf die belebten Bodenschichten und die damit auf oberflächennahe Grundwasserspiegel bezogene Einschränkung hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass nur in diesen Fällen die Leitungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushaltes von Bedeutung ist.251 Tiefenwasser ohne eine solche Verbindung unterliegt nicht der Eingriffsregelung;252 daran sind auch die landesrechtlichen Eingriffstatbestände zu messen. Absenkungen tieferer Grundwasserschichten werden deshalb von § 14 Abs. 1 BNatSchG nicht erfasst.253 Auch Einleitungen in tiefere Grundwasserschichten, wie z.B. die Versenkung von Salzwässern in den Plattendolomit, haben keine Auswirkungen auf die belebten Bodenschichten und stellen keinen Eingriff i.S.d. § 14 Abs. 1 BNatSchG dar.254 Außer Acht zu lassen sind auch aufgrund des Fehlens einer menschlichen Handlung natürliche Veränderungen des oberen Grundwasserspiegels, so dass letztlich nur mengenmäßig bedingte Grundwasserveränderungen außerhalb der natürlichen Schwankungsbreite eingriffsrelevant sind.255 Erfolgt bei kleineren Abbauvorhaben die Gewinnung in Abschnitten oder mit Unterbrechungen, wird ein Eingriff als erheblich angesehen, wenn die jährliche Abbaufläche mehr als

247 Lau NuR 2011, 680, 683; zu den Bewertungsmethoden ausführlich Brockhoff Naturschutzrechtliche Eingriffsregelung in bergbaulichen Zulassungsverfahren, S. 72 ff. Brockhoff Naturschutzrechtliche Eingriffsregelung in bergrechtlichen Zulassungsverfahren, S. 57. VGH München, 21.4.1998, 3 B 92.3454, NuR 1999, 153, 155; OVG Münster 18.7.1997, 21 B 1717/94, NuR 1997, 617, 619. Sander NuR 1986, 317. BT-Drs. 14/6378, S. 48. Louis UPR 2017, 285, 288. Kühne in: Jahrbuch des Umwelt- und Technikrechts 2004, 251, 270; Frenz/Müggenborg/Guckelberger BNatSchG, § 14 Rn. 23; VGH Kassel 20.3.2013, 2 B 1716/12, ZfB 2013, 291 Rn. 86; von Mäßenhausen in: Frenz/Preuße (Hrsg.) Bergbau und Naturschutz, S. 43, 46; so auch OVG Lüneburg 24.6.1996, 3 L 4259/94, NuR 1997, 253, zur Grundwasserförderung mittels Tiefbohrungen. 254 VGH Kassel 20.3.2013, 2 B 1716/12, ZfB 2013, 291, Rn. 86. 255 Lütkes/Ewers/Lütkes BNatSchG, § 14 Rn. 11.

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Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

30 m² beträgt.256 Die Wiedernutzbarmachung der vom Bergbau in Anspruch genommener Oberfläche, z.B. durch Verfüllen stellt keinen Eingriff dar, sondern einen nicht selbständigen Teil des Bodenabbaus, der erst mit der Wiederverfüllung endet.257 Im Übrigen zielt die Wiedernutzbarmachung bei naturschutzorientierten Maßnahmen auf eine Verbesserung des Naturhaushaltes und stellt somit keine Beeinträchtigung dar.258 Rekultivierungs-, Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen können zwar zunächst ihrerseits zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Naturhaushalts führen. In der Rechtsprechung ist aber geklärt, dass die Behörde zur Kompensation eines Eingriffs wegen eines naturschutznäheren Endziels auch Maßnahmen ergreifen darf, die zunächst eine Beeinträchtigung des bestehenden naturhaften Zustands darstellen. Erweist sich die Maßnahme in der naturschutzfachlichen Gesamtbilanz als günstig, stellt sie also insbesondere eine wesentliche Verbesserung des bestehenden Zustandes dar, bedarf der mit der Maßnahme zunächst bewirkte Eingriff keiner weiteren Kompensation durch Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen. Die an sich erforderliche Kompensation geht in die ökologische Gesamtbilanz regelmäßig ein.259 Erfolgt die Gewinnung von Bodenschätzen mittels Bohrungen, wie z.B. bei Erdöl und Erdgas, liegt zwar aufgrund der notwendigen übertägigen Betriebsanlagen eine Änderung der Nutzung der Grundflächen vor; ob dies zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Naturhaushalts führt, hängt vom konkreten Einzelfall ab. Bei der Gewinnung von Erdwärme mittels Förderung des Grundwassers, das mit der belebten Bodenschicht in Verbindung steht, ist nicht ausgeschlossen, dass die für Eingriffe maßgebliche Erheblichkeitsschwelle überschritten wird.260 Auch bei der untertägigen Gewinnung sind übertägige Betriebsflächen, wie z.B. für Werksgebäude, Schachtanlagen und Lagerplätze sowie für die Ablagerungen von Bodenschätzen und für Rückstands-, Abraum- und Bergehalten notwendig. Neben der Beeinträchtigung des Naturhaushalts durch diese veränderte Flächennutzung können besonders große Halden auch eine erhebliche Beeinträchtigung des Landschaftsbildes darstellen. Untertägige – auch bergbauliche – Tätigkeiten stellen dagegen keinen typischen Fall der von der Grundfläche ausgehenden Eingriffsregelung dar. Zwar ist dieser Grundsatz durch die 2002 erfolgte Berücksichtigung von bestimmten Grundwasserspiegeln durchbrochen worden, jedoch hat der Gesetzgeber mit der Einschränkung der betroffenen Grundwasserspiegel in § 14 Abs. 1 BNatSchG den Ausnahmecharakter dieser Reglung zum Ausdruck gebracht und von der Einbeziehung weiterer untertägiger „Eingriffsobjekte“ Abstand genommen. Andere untertägige Tätigkeiten sind deshalb nicht als eingriffsrelevant im Sinne des § 14 Abs. 1 BNatSchG anzusehen,261 wie z.B. die untertägige Bruchhohlraumverfüllung mit Abfällen (Versatz).262 Gleiches gilt für die untertägige Speicherung von Öl oder Gas in Salzkavernen. Die für die Aufbereitung und sonstigen bergbaulichen Tätigkeiten erforderlichen übertägigen Betriebsflächen stellen in der Regel eine Veränderung der Grundflächennutzung dar. Zur Vereinfachung der Verwaltungspraxis haben einige Länder den unbestimmten Rechtsbegriff Eingriff des § 14 Abs. 1 BNatSchG in ihren Naturschutzgesetzen konkretisiert und Vorhaben aufgenommen, die als Eingriff gelten oder keinen Eingriff darstellen. Als Eingriff gelten u.a. die Veränderung der Bodengestalt (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 Naturschutzgesetz BW), die Gewinnung oberflächennaher Bodenschätze, wenn die abzubauende Fläche größer als 300 m² (§ 12 Abs. 1 Nr. 1 Naturschutzgesetz MV) bzw. 1000 m² (§ 8 Abs. 1 Nr. 2 Naturschutzgesetz SH), die Erkundung, der Abbau

256 257 258 259 260

OVG Lüneburg 16.3.2009, 4 LA 737/07, NuR 2009, 495. OVG Lüneburg 8.11.2001, 8 LB 46/01, NuR 2002, 563. Sparwasser/Wörkel NVwZ 2007, 766; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 56 Anhang Rn. 237. BVerwG 19.9.2014, 7 B 6/14, NuR 2015, 38, 40. Brockhoff Naturschutzrechtliche Eingriffsregelung in bergrechtlichen Zulassungsverfahren, S. 70; speziell zur Eingriffsregelung in der ausschließlichen Wirtschaftszone vgl. R. Wolf ZUR 2010, 365. 261 Landmann/Rohmer/Gellermann Umweltrecht, § 14 BNatSchG Rn. 7; Lau NuR 2011, 680, 681; Frenz/Müggenberg/ Guckelberger BNatSchG, § 14 Rn. 16; Einschränkend Brockhoff Naturschutzrechtliche Eingriffsregelung in bergrechtlichen Zulassungsverfahren, S. 67 ff., der allein auf den Veränderungserfolg durch menschliches Handeln abstellt; a.A. Rausch Umwelt- und Planungsrecht beim Bergbau, S. 105. 262 OVG Münster 18.7.1997, 21 B 1717/4, ZfB 1997, 141, 150. Kappes

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Erstes Kapitel – Allgemeine Vorschriften über die Aufsuchung und Gewinnung

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oder die Gewinnung von Bodenschätzen (§ 27 Abs. 2 Nr. 1 Naturschutzgesetz SL, § 16 Nr. 2 Naturschutzgesetz Bln), die oberirdische Gewinnung von Bodenschätzen (§ 30 Abs. 1 Nr. 1 Naturschutzgesetz NRW) sowie sonstigen Bodenbestandteilen (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 Naturschutzgesetz SN) und Aufschüttungen und Abgrabungen ab 2 Metern Höhe oder Tiefe auf einer Grundfläche von mehr als 400 Quadratmetern, § 30 Abs. 1 Nr. 2 Naturschutzgesetz NRW), selbständige Aufschüttungen, Abgrabungen, Auffüllungen von Bodenvertiefungen oder ähnliche Veränderungen der Bodengestalt im Außenbereich, wenn die betroffene Grundfläche größer als 300 m2 ist und die Höhe oder die Tiefe mehr als 2 m beträgt (§ 9 Abs. 1 Nr. 3 Naturschutzgesetz SN) sowie sonstige Abgrabungen, Aufschüttungen, Auffüllungen, Auf- oder Abspülungen, wenn die betroffene Bodenfläche größer als 1.000 m² oder die zu verbringende Menge mehr als 30 m³ beträgt (§ 8 Abs. 1 Nr. 2 Naturschutzgesetz SH). Nicht als Eingriff gelten z.B. in MV Maßnahmen, die Bestandteil der Maßnahmenprogramme der Bewirtschaftungspläne gemäß §§ 82 und 83 WHG sind (§ 12 Abs. 2 Nr. 1 Naturschutzgesetz MV). Zwischen einzelnen Gewinnungsphasen oder vor Aufnahme der Maßnahmen zur Wieder- 86 nutzbarmachung können sich nach der erstmaligen Inanspruchnahme der Oberfläche von selbst auf diesen Flächen Pflanzen und Tiere entwickeln (Natur auf Zeit).263 Die von einzelnen Gerichten264 vertretene Ansicht, die Beseitigung der sich zwischenzeitlich gebildeten Pflanzen stelle einen neuen Eingriff dar, verkennt, dass die Gewinnung sich ausgehend von der Lagerstätte und der Abbaumethode oft aus einzelnen zeitlich nachfolgenden Gewinnungsschritten zusammensetzt. Die Beseitigung von Boden, Pflanzen oder Tieren im Rahmen der Fortsetzung der Gewinnung oder zur Durchführung der Wiedernutzbarmachungsmaßnahmen stellt mit der Betriebsplanzulassung eine genehmigte Maßnahme eines einheitlichen Projekts dar265 und somit keinen neuen naturschutzrechtlichen Eingriff.266 Dies gilt auch für Maßnahmen, um eingestellte Betriebe in einem ordnungsgemäßen Zustand zu halten. Nach § 30 Abs. 6 BNatSchG unterliegen nach der Gewinnung von Bodenschätzen entwickelte Biotope bei Wiederaufnahme der Gewinnung innerhalb von fünf Jahren nicht dem Beseitigungsverbot nach § 30 Abs. 2 BNatSchG.267 Wenn dies für besonders geschützte Biotope selbst bei Betriebsunterbrechungen gilt, muss dies – ungeachtet des Wortlauts des § 14 Abs. 2 BNatSchG – zumindest im selben Umfang erst recht für „normale“ Eingriffe im Rahmen einer ordnungsgemäßen Betriebsführung gelten. Die bergrechtliche Wiedernutzbarmachungsverpflichtung wird mit dem erstmaligen Eingriff ausgelöst. Solange die Wiedernutzbarmachung nicht durchgeführt wird, besteht diese Pflicht und schließt die unmittelbare Anwendung der §§ 14 und 15 BNatSchG aus. Das BBergG bietet keinen Anknüpfungspunkt, den Unternehmer wiederholt in die Pflicht zur Oberflächengestaltung zu nehmen.268 Eine „Dynamisierung“ der Wiedernutzbarmachungspflicht erscheint aufgrund des mit dem Eigentumsschutz verbundenen Vertrauensschutzes nicht sinnvoll.269 Die Wiedernutzbarmachung selbst stellt keinen neuen Eingriff dar, da sie eine Maßnahme darstellt, die eine Folge des Eingriffs ausgleichen soll.270

b) Vermeidungsgebot. Der Verursacher eines Eingriffs hat vermeidbare Beeinträchtigungen zu 87 unterlassen (§ 15 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG). Dies steht im Einklang mit dem Grundsatz des § 1 Nr. 1, 263 Hiervon sind die von Menschenhand geschaffenen auf Zeit angelegten Vermeidungsmaßnahmen zu unterscheiden.

264 OVG Hamburg 19.5.1992, Bf VI 22/88, NuR 1992, 483, 484; OVG Münster, 17.2.1994, 10 B 350/94, NVwZ 1995, 308, 309. 265 So zur FFH-Richtlinie bei Unterhaltungsmaßnahmen einer Fahrrinne EuGH 14.1.2010, C 226/08, DVBl 2010, 242, 3. Leitsatz; Stevens ZUR 2012, 338, 346.

266 So auch Louis/Engelke BNatSchG, §§ 1 bis 19 f., § 8 Rn. 4; Spieth/Hong ZfB 2001, 183, 191 mit Hinweis auf OVG Münster 17.2.1994, 10 B 350/94, NVwZ 1995, 308, 309; vgl. auch § 4 Abs. 2 Nr. 1 NaturschutzG NRW. 267 Sachgerechter ist § 24 Abs. 1 Nr. 1 NaturschutzG Nds, wonach das Beseitigungsverbot für Biotope nicht für Flächen gilt, für die ein zugelassener oder planfestgestellter Betriebsplan besteht und eine hiernach zulässige Nutzung erfolgt. 268 OVG Münster 15.5.1998, 21 A 6726/95, ZfB 1998, 160, 168. 269 Kühne in: Jahrbuch des Umwelt- und Technikrechts 2004, S. 251, 284. 270 BVerwG 14.4.2005, 7 C 26/03, ZfB 2005, 156, 162. 377

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Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

mit Grund und Boden sparsam und schonend umzugehen. Dieses aus dem Vorsorgeprinzip abgeleitete Vermeidungsgebot ist vom Ort und vom Umfang her beschränkt. Mit den Worten „am gleichen Ort“ wird zum Ausdruck gebracht, dass das Vermeidungsgebot auf Ausführungsvarianten an den vom Vorhabensträger unter Berücksichtigung der Standortgegebenheit des Rohstoffbaus festgelegten Standort zielt.271 Eine Standortalternativprüfung ist damit – im Gegensatz zu § 34 Abs. 3 Nr. 2 BNatSchG – oder eine Nullvariantenprüfung nicht verbunden.272 Der mit dem Vorhaben verbundene Eingriff soll am Standort so umweltschonend wie möglich durchgeführt werden. Auf das Vermeidungsgebot kann die Wahl des ökologisch günstigsten Standortes nicht gestützt werden,273 da der Standort des Vorhabens nicht Prüfgegenstand innerhalb des Vermeidungsgebotes ist. Auch der fehlende Bedarf an einem Bodenschatz ist kein Argument für ein Vermeidungsgebot.274 Die Ausführungsvariante muss für den Verursacher des Eingriffs „zumutbar“ sein. Obwohl das Vermeidungsgebot des Satzes 1 eine Unterlassungspflicht begründet, können als weniger strenge Rechtsfolgen auch Vermeidungsmaßnahmen verlangt werden. Soweit Beeinträchtigungen unvermeidbar sind, hat dies der Verursacher zu begründen (§ 15 Abs. 1 Satz 3 BNatSchG). Bei bergbaulichen Tätigkeiten besteht nur ein beschränktes Vermeidungspotenzial.275 So kann bei kleineren Tagebauen unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit eine Überprüfung der Gewinnungstechnik geboten sein, ob der Abbau im Trockenabbau mit Grundwasserabsenkungen oder mittels Nassabbau erfolgt.276 Auch können jahreszeitlich bedingte Besonderheiten der Tierwelt, wie z.B. die Brutzeit von Vögeln, bei der Zeitplanung des Abbaus, berücksichtigt werden. Mit Anpflanzungen am Rand von Betriebsflächen können betriebsbedingte Immissionen vermindert werden. Zeitlich beschränkte Bepflanzungen von Restseemulden ehemaliger Tagebaue vermindern die Eingriffswirkungen. Dagegen würde das Verlangen aus Gründen des Naturschutzes, Rückstände untertage zu verbringen, die Grenze der Zumutbarkeit überschreiten. Für bergbauliche Tätigkeiten im Bereich der Küstengewässer und des Festlandsockels besteht gemäß §§ 49 Nr. 4; 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 13 ein entsprechendes Vermeidungsgebot, das als lex specialis § 15 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG vorgeht. Da das Vermeidungsgebot für andere Bergbautätigkeiten nicht von den Zulassungsvoraussetzungen des § 55 erfasst wird, ist es im Betriebsplanverfahren über § 48 Abs. 2 zu berücksichtigen.277

88 c) Wiedernutzbarmachung – Kompensationsmaßnahmen. Sind Beeinträchtigungen der Natur und Landschaft nicht vermeidbar, ist der Eingriff gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG durch Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege auszugleichen oder zu ersetzen. Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen dienen der Verbesserung der Natur und der Landschaftspflege und stellen somit keine Beeinträchtigung, d.h. Eingriff dar. Der Ausgleich zielt auf die gleichartige Wiederherstellung der durch den Eingriff zerstörten oder beeinträchtigten ökologischen und landschaftsästhetischen Funktionen der betroffenen Grundfläche (§ 15 Abs. 2 Satz 2 BNatSchG).278 Ersatzmaßnahmen dienen der gleichwertigen Herstellung dieser Funktionen in dem betroffenen Naturraum (§ 15 Abs. 2 Satz 3 BNatSchG). Hiernach besteht ein räumlicher Zusammenhang zwischen Eingriff und Ausgleichsart. Ausgleichsmaßnahmen können auch vor dem Eingriff durchgeführt und dann auf den Ausgleich des Eingriffs angerechnet werden (§ 16 BNatSchG). Als Ausgleichsmaßnahme bei der Aufsuchung und Gewinnung von Bodenschätzen erkennt das BNatSchG neben der natürlichen Sukzession, Renaturierung, naturnahen Gestaltung und Rekultivierung auch die bergrechtliche 271 272 273 274 275 276 277 278

BT-Drs. 16/12274, S. 57. Louis NuR 2010, 77, 81. BVerwG 7.3.1997, 4 C 10/96, BVerwGE 104, 144. Kühne in: Jahrbuch des Umwelt- und Technikrechts 2004, S. 251, 273. Wilde DVBl 1998, 1321, 1323. Brockhoff Naturschutzrechtliche Eingriffsregelung in bergrechtlichen Zulassungsverfahren, S. 126. BVerwG 6.6.2012, 7 B 68/11, ZfB 2012, 236, Rn. 6. Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 56 Anhang Rn. 258.

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Erstes Kapitel – Allgemeine Vorschriften über die Aufsuchung und Gewinnung

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Wiedernutzbarmachung an (§ 1 Abs. 5 Satz 4 BNatSchG). Ist ein bergbaubedingter Eingriff durch Inanspruchnahme der Oberfläche erfolgt, wie z.B. durch Tagebaue oder sonstiger Betriebsflächen einschließlich Straßen, ist der Unternehmer bei der Stilllegung seines Betriebes zur Wiedernutzbarmachung der Oberfläche verpflichtet (§ 55 Abs. 2 Nr. 2).279 Soweit es um die Inanspruchnahme der Oberfläche geht, überschneiden sich die bergrechtlichen und naturschutzrechtlichen Vorschriften. Ein und dieselbe Maßnahme kann sowohl eine Wiedernutzbarmachung nach Bergrecht wie auch eine Kompensation nach Naturschutzrecht darstellen.280 Sowohl das BBergG als auch das BNatSchG gehen mit der in Anspruch genommenen bzw. der Veränderung der Oberfläche vom selben Sachverhalt aus und zielen auf einen Zustand nach dem Abbau – jedoch nicht in jedem Fall mit denselben Rechtsfolgen. Das BNatSchG legt – seinem Gesetzeszweck entsprechend – als Rechtsfolge das hierfür bestehende öffentliche Interesse auf Gesetzesebene eindimensional auf einen zumindest gleichwertigen funktionellen Ausgleich der naturschutzrechtlichen Beeinträchtigung fest. Das BBergG verfolgt dagegen einen mehrdimensionalen Ansatz und bestimmt die vom Unternehmer durchzuführenden Maßnahmen über die Konkretisierung des öffentlichen Interesses im Einzelfall von der Folgenutzung her. Das BBergG hat durch die ausdrückliche Einbeziehung der Wiedernutzbarmachung als bergbauliche Tätigkeit (§ 2 Abs. 1 Nr. 2)281 die Ordnung der in Anspruch genommenen Fläche als Nachgewinnungsphase dem BBergG zugeordnet, einschließlich dem Recht, in einer Bergverordnung Anforderungen hierfür festzulegen (§ 66 Nr. 8).282 Für die Konkretisierung des öffentlichen Interesses im Rahmen der Wiedernutzbarmachung sind nicht allein die naturschutzrechtlichen Anforderungen maßgeblich, wie dies die bei den Gesetzesberatungen vorgenommene Streichung der „Erfordernisse des Naturschutzes und der Landschaftspflege“ in der Begriffsbestimmung des § 4 Abs. 4 verdeutlicht.283 Für die ehemals bergbaulich genutzte Oberfläche hat der Gesetzgeber mit der Wiedernutzbarmachung eine zu der allgemeinen Ausgleichsregelung des BNatSchG für Eingriffe nicht in jedem Fall deckungsgleiche Rechtsfolgenregelung getroffen. Diese Normenkollision ist nach dem Grundsatz lex specialis zu lösen,284 so dass die unmittelbare Anwendung des allgemeinen § 15 BNatSchG zugunsten des speziellen § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7, Abs. 2 Nr. 2 ausgeschlossen ist.285 Auf eine Vergleichbarkeit oder Gleichwertigkeit der Rechtsfolgenseite beider Gesetze kommt es bei diesem Grundsatz nicht an.286 Das BNatSchG selbst erkennt die bergrechtliche Wiedernutzbarmachung als Ausgleichsmaßnahmen bei der Aufsuchung und Gewinnung von Bodenschätzen ausdrücklich an (§ 1 Abs. 5 Satz 4 BNatSchG).287 Eine unmittelbare Anwendung des § 15 BNatSchG neben der Wiedernutzbarmachungsverpflichtung würde im Übrigen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und dem Übermaßverbot widersprechen. Im Falle einer aufgrund anderer Folgenutzung (z.B. Verkehrs279 Eine Beschränkung der Wiedernutzbarmachung auf den Abbaubereich lässt sich hieraus nicht herleiten. So aber Kolonko ZUR 1995, 126, 131. 280 Louis UPR 2017, 285, 288. 281 VG Potsdam 6.9.1996, 1 L 2161/95, ZfB 1997, 50. 282 Der Gesetzgeber ist damit von seinem Grundsatz abgewichen, materiell-rechtliche Überschneidungen zwischen dem BBergG und den Umweltgesetzen zu vermeiden. 283 BT-Drs. 8/3965, S. 133; Frenz ZfB 2002, 23, 25. 284 Der Vorrang des BBergG kann aufgrund der neuen Ermächtigungslage des BNatSchG vom 29.7.2009 nicht mehr auf Art 31 GG gestützt werden. Das gilt jedoch nicht für zum BNatSchG abweichende Regelungen in den Naturschutzgesetzen der Länder; vgl. Wilde LKV 2006, 71, 72. 285 VGH Kassel, 2.12.2004, 4 UE 2874/02, ZfB 2005, 25, 30; Kühne in: Umwelt- und Technikrecht 2004, S. 251, 277 f. Im Ergebnis ebenso Spieth/Hong ZfB 2001, 183, 187, mit Hinweis auf BVerfG 29.1.1974; 2 BrN 1/69, BVerwGE 36, 342, 363, zu Kollisionsnormen; Beckmann in: Kühne/Schoch/Beckmann (Hrsg.) Gegenwartsprobleme des Bergrechts, S. 67, 95; Rausch Umwelt- und Planungsrecht beim Bergbau, S. 107; Wilde DVBl 1998, 1321, 1323; von Mäßenhausen in: Frenz/ Preuße (Hrsg.) Bergbau und Naturschutz, S. 44, 47; Gerigk ZfB 1987, 232 ff. A.A. M. Wolf ZUR 2006, 524, 525; Brockhoff Naturschutzrechtliche Eingriffsregelung im bergrechtlichen Zulassungsverfahren, S. 282 f. 286 A.A. M. Wolf ZUR 2006, 524, 525. 287 Hierfür spricht auch, dass bei der Novelle des BNatSchG 1996 auf eine gesetzliche Klarstellung, dass die Wiedernutzbarmachung den naturschutzrechtlichen Ausgleich darstellt, „wegen der hinreichenden Klarheit der Rechtslage“ verzichtet wurde (BT-Drs. 13/6441, S. 52; BT-Drs. 13/7778, S. 80). 379

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Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

fläche, Abfalldeponie) auf der Bergbaufläche nicht durchführbaren naturschutzrechtlichen Ausgleichsmaßnahme hätte nämlich der Unternehmer neben den Aufwendungen für die Wiedernutzbarmachung der Oberfläche an anderer Stelle zusätzlich Ersatzmaßnahmen gemäß § 15 Abs. 2 BNatSchG auf seine Kosten durchzuführen, ohne dass die Konkretisierung des maßgeblichen öffentlichen Interesses und der damit u.U. verbundene Ausschluss naturschutzrechtlicher Ausgleichsmaßnahmen auf der Bergbaufläche dem Verantwortungsbereich des Unternehmers zugerechnet werden kann.288 Das „öffentliche Interesse“ kann für denselben Sachverhalt nur widerspruchsfrei festgelegt werden. 89 Auch wenn die Wiedernutzbarmachungsverpflichtung für bergbaulich in Anspruch genommene Oberflächen Vorrang vor § 15 BNatSchG hat, bedeutet das nicht, dass die naturschutzrechtliche Kompensationsverpflichtung bei der Stilllegung eines Bergbaubetriebes unberücksichtigt bleibt. Ist nach der Abwägung der öffentlichen Interessen im Rahmen der Wiedernutzbarmachung von einer Folgenutzung auszugehen, die auf die Schaffung eines leistungsfähigen Naturhaushaltes oder einem landschaftsgerechten Landschaftsbild ausgerichtet ist, wie z.B. die Schaffung einer Tagebaufläche für forst- und landwirtschaftliche sowie naturschutzrechtliche Nutzungen oder die Herstellung eines Restsees, sind die in § 15 Abs. 2 BNatSchG genannten Ausgleichsmaßnahmen über die Ordnungsgemäßheit der Oberflächengestaltung (§ 4 Abs. 4) für die Wiedernutzbarmachungsmaßnahmen maßgeblich, soweit es nicht die Kompensation von durch EU-Recht geschützte Gebiete, wie z.B. Natura 2000, betrifft. Das BNatSchG bildet innerhalb der Grenzen der Wiedernutzbarmachung den Maßstab für die notwendigen Ausgleichsmaßnahmen. Kompensiert ist ein Eingriff, wenn die beeinträchtigten Funktionen des Naturhaushalts gleichartig wiederhergestellt sind und die Landschaft landschaftsgerecht gestaltet ist (Ausgleich – § 15 Abs. 2 Satz 2 BNatSchG) oder wenn diese Beeinträchtigungen in dem betroffenen Naturraum gleichwertig hergestellt bzw. gestaltet wurden (Ersatzmaßnahmen – § 15 Abs. 2 Satz 3 BNatSchG). Zur Bestimmung des Umfangs der Ausgleichs- und Kompensationsmaßnahmen bedarf es einer Erfassung und Bewertung der Naturschutzgüter und Biotope einschließlich des Landschaftsbildes und einer Bewertung der Eingriffsfolgen. Hierfür wurden in der Praxis verschiedene Bewertungssysteme entwickelt.289 Hierbei sind u.a. die sich auf der Abbaufläche und dem Betriebsgelände im Wege der natürlichen Sukzession entwickelten wertvollen Lebensräume der Tier- und Pflanzenwelt zu berücksichtigen, die weitere Maßnahmen entbehrlich machen.290 Durch Rekultivierungsmaßnahmen werden Eingriffe in der Regel ausgeglichen.291 Erfüllen die Maßnahmen nicht die Anforderungen des § 15 Abs. 2 Satz 2 BNatSchG, sind ggf. in dem betroffenen Naturraum entsprechende Ersatzmaßnahmen durchzuführen. Für diese Ersatzmaßnahmen als Teil der Wiedernutzbarmachung kann der Unternehmer – soweit notwendig – auch die Grundabtretung gemäß §§ 77 ff. verlangen.292 90 Während die nach § 15 Abs. 4 BNatSchG gebotene zeitlich begrenzte Unterhaltungspflicht für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen noch als eine Art Erfolgskontrolle der Wiedernutzbarmachung angesehen werden kann, wird die von der Wiedernutzbarmachung gezogene Grenze für die mittelbare Anwendung des BNatSchG überschritten, wenn die zur Sicherung von Kompensationsmaßnahmen in § 15 Abs. 4 BNatSchG geforderte rechtliche Sicherung der Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen (§ 15 Abs. 4 Satz 1 BNatSchG), die Sicherheitsleistung (§ 17 Abs. 5 BNatSchG), die Berichtspflicht gemäß § 17 Abs. 6 BNatSchG, die Anzeigepflicht gemäß § 17 Abs. 9 BNatSchG oder die Forderung nach Ersatzzahlungen gemäß § 15 Abs. 6 BNatSchG)293 gelten würden. Die natur288 A.A. M. Wolf ZUR 2006, 524, 529; Brockhoff Naturschutzrechtliche Eingriffsreglung in bergrechtlichen Zulassungsverfahren, S. 289.

289 Vertiefend Brockhoff Naturschutzrechtliche Eingriffsregelung in bergrechtlichen Zulassungsverfahren, S. 81 ff. 290 Brockhoff Naturschutzrechtliche Eingriffsregelung in bergrechtlichen Zulassungsverfahren, S. 289. 291 VG Leipzig 19.1.1995, 5 K 23/94, ZfB 1995, 48, 58; zum Abgrabungsrecht und Rekultivierung BVerwG 18.3.1983, 4 C 17/81, DVBl 1983, 893, 895. 292 Vgl. VG Braunschweig 14.11.2007, 2 A 243/06, ZfB 2008, 69, 71. 293 Kühne in: Umwelt- und Technikrecht 2004, S. 251, 283. Kappes

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Erstes Kapitel – Allgemeine Vorschriften über die Aufsuchung und Gewinnung

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schutzrechtlichen Kompensationsmaßnahmen sind Teil der betriebsplanpflichtigen Wiedernutzbarmachung, für die allein die berggesetzlichen Instrumente maßgeblich sind (§§ 52 Abs. 1 Satz 2; 56 Abs. 2, Satz 1; 71 Abs. 1; 77 ff.).

d) Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen. Soweit bergbauliche Tätigkeiten, die nicht mit einer 91 Inanspruchnahme der Oberfläche verbunden sind, einen Eingriff gemäß § 14 Abs. 1 BNatSchG darstellen, sind für den Ausgleich allein die Rechtsfolgeregelungen des BNatSchG (§§ 15 ff. BNatSchG) mit Ausgleichs-, Ersatzmaßnahmen und Ersatzgeld maßgeblich, einschließlich der Bevorratung von Kompensationsmaßnahmen, z.B. mittels Ökokonten (§ 16 BNatSchG). Soweit für Ersatzmaßnahmen Flächen notwendig sind, können diese ggf. mittels einer Grundabtretung gemäß §§ 77 ff. erlangt werden. Der Flächenschonung dient es für die Kompensationsmaßnahmen gemäß § 15 BNatSchG, soweit möglich, auf zu wiedernutzbarmachende Flächen zurückzugreifen. Unabhängig davon, ob für den Ausgleich des Eingriffs die bergrechtliche Wiedernutzbarma- 92 chung oder ob er über die Vorschriften des § 15 BNatSchG erfolgt, hat der Unternehmer als Verursacher des Eingriffs, die für die Beurteilung des Eingriffs erforderlichen Angaben zu machen (§ 17 Abs. 4 Satz 1 BNatSchG) und ggf. auf Verlangen der Behörde durch Gutachten zu untermauern (§ 17 Abs. 4 Satz 2 BNatSchG). In der Praxis legen Unternehmen hierfür oft einen landschaftspflegerischen Begleitplan vor, auch wenn sie hierzu nicht verpflichtet sind. Die Verpflichtung, bei Eingriffen aufgrund eines nach öffentlichem Recht vorgesehenen Fachplans die Angaben im Fachplan oder einem landschaftspflegerischen Begleitplan darzustellen (§ 17 Abs. 4 Satz 3 BNatSchG), besteht für den Unternehmer nicht, da die Betriebspläne keinen Fachplan darstellen. Die h.M. teilt diese Ansicht zumindest für Betriebspläne mit gestattender Wirkung, d.h. alle Betriebspläne mit Ausnahme von Rahmenbetriebsplänen. Aber auch Rahmenbetriebspläne, selbst wenn dessen Zulassung in Form eines Planfeststellungsbeschlusses erfolgt (§ 52 Abs. 2a), verfügen nicht über die für Fachpläne notwendige planerische Gestaltungsfreiheit.294 Soweit wesentliche Entscheidungen über bergbaubedingte Eingriffe einschließlich Kompensa- 93 tionsmaßnahmen vorhabensbezogen auf einer dem Betriebsplanverfahren vorgelagerten Planungsebene getroffen werden, wie z.B. dem Braunkohlenplan, wird auf die Vorlage entsprechend aussagekräftiger Pläne zurückgegriffen werden können. e) Nicht ausgleichbare Eingriffe. Unabhängig davon, ob für bergbaubedingte Eingriffe der 94 Ausgleich über die Wiedernutzbarmachung oder andere Kompensationsmaßnahmen erfolgt, ist der Eingriff unzulässig, wenn die damit verbundene Beeinträchtigung nicht vermeidbar oder nicht angemessener Zeit mittels Wiedernutzbarmachung oder anderer Kompensationsmaßnahmen ausgleichbar ist und wenn die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege vorgehen (§ 15 Abs. 5 BNatSchG). Nicht vermeidbare Beeinträchtigungen sind zu kompensieren (§ 15 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG). Bei der Bewertung, ob eine Ausgleichsmaßnahme in angemessener Zeit erfolgt, ist nicht auf den Beginn des Eingriffs, sondern auf den Zeitpunkt des betrieblich möglichen Beginns der Kompensationsmaßnahmen nach der Aufsuchung oder Gewinnung abzustellen. Dies können bereits die Teile eines Tagebaus sein, in denen die Gewinnung von Bodenschätzen abgeschlossen wurde. Die Ausgleichsmaßnahmen zielen nämlich auf einen möglichst raschen wertmäßigen Ausgleich nach dem Eingriff ab und knüpfen nicht an die Nutzungsdauer des Eingriffs an; eine absolute Zeitgrenze, innerhalb derer ein Ausgleich zu erfolgen hat, kann aus dem BNatSchG nicht hergeleitet werden.295

294 Kühne in: Umwelt- und Technikrecht 2004, 251, 290 m.w.N; a.A. Lütkes/Ewer/Lütkes BNatSchG, § 17; Kolonko ZUR 1995, 126, 133, die alle Planfeststellungsverfahren als Fachplan ansieht, ohne auf die Besonderheiten des bergrechtlichen Planfeststellungsverfahrens einzugehen. 295 A.A. M. Wolf ZUR 2006, 524, 528. 381

Kappes

Anh. § 48

Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

Falls trotz vorgesehener Ausgleichsmaßnahmen erhebliche Beeinträchtigungen verbleiben, hat die Behörde eine Abwägung zwischen allen Anforderungen an die Natur und „anderen Belangen“, d.h. der Rohstoffgewinnung durchzuführen. Hierbei sind neben den Zielbestimmungen des BNatSchG (§ 1 BNatSchG) das öffentliche Interesse an der Rohstoffversorgung aus heimischen Lagerstätten, wie es in § 1 und in den Abwägungsvorgaben des § 48 zum Ausdruck kommt, einzustellen. Auch ist zu berücksichtigen, dass das BNatSchG in seinen Zielen nicht von einem unüberwindbaren Widerspruch zwischen Naturschutz und Rohstoffgewinnung ausgeht (§ 1 Abs. 5 Satz 4 BNatSchG). Da sich das Unterlassungsgebot des § 15 Abs. 5 BNatSchG als Inhalts- und Schrankenbestimmung nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG darstellt, ist die Berücksichtigung privater Belange zwingend geboten.296 Wenn bereits landesplanerische Festlegungen für ein Bergbauvorhaben bestehen, z.B. in Form eines Braunkohlenplans, sind die Vorgaben für die naturschutzrechtliche Entscheidung nach § 15 Abs. 5 BNatSchG maßgeblich. Gemäß § 15 Abs. 5 BNatSchG setzen sich die Naturschutzbelange nur durch und führen zur Unzulässigkeit des Eingriffs, wenn sie überwiegen. Diese nachvollziehbare Abwägung ist gerichtlich uneingeschränkt nachprüfbar.297 § 15 Abs. 5 BNatSchG ist über § 48 Abs. 2 Satz 1 im Betriebsplanverfahren zu berücksichtigen,298 so dass – formal betrachtet – die Bergbehörde zwei Abwägungsentscheidungen, nämlich nach § 15 Abs. 5 BNatSchG und § 48 Abs. 2 Satz 1, durchzuführen hätte. Das Schrifttum spricht sich wegen der einheitlichen Struktur in diesem Fall für eine Verschmelzung beider Abwägungsvorgänge aus.299 Dem ist zuzustimmen, da aufgrund der Abwägungsvorgaben des § 15 Abs. 5 BNatSchG mit der „Darlegungslast“ der Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege und des § 48 Abs. 2 Satz 1 mit der Rohstoffsicherungsklausel die Ergebnisse sich kaum unterscheiden dürften. Wird ein nicht ausgleichbarer Eingriff aufgrund einer Abwägung nach Absatz 5 zugelassen, 96 hat der Verursacher hierfür Ersatz in Geld zu leisten (§ 15 Abs. 6 Satz 1 BNatSchG). Die zur Bemessung erlassenen landesrechtlichen Regelungen orientieren sich entweder an den Kosten für die unterbliebenen Maßnahmen oder an der Bewertung von Dauer und Schwere des Eingriffs. Für nicht ausgleichbare Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes wird auf andere Maßstäbe, z.B. Höhe, Bauvolumen, abgestellt.300 Für Eingriffe im Bereich der ausschließlichen Wirtschaftszone und des Festlandsockels ist die Ersatzzahlung gemäß § 56 Abs. 4 BNatSchG als zweckgebundene Abgabe an den Bund zu leisten. 95

97 f) Verfahren. Die bei bergbaulichen Tätigkeiten (§ 2 Abs. 1) und bergbauverwandten Tätigkeiten (§§ 126 ff.) durchgeführten Eingriffe nach § 14 Abs. 1 BNatSchG unterliegen entweder der Betriebsplanpflicht301 oder Anzeigepflicht (§§ 50 Abs. 1, 127 Abs. 1 Nr. 1). Für die für diese Tätigkeiten notwendigen Entscheidungen und Maßnahmen nach §§ 15 ff. BNatSchG ist gemäß § 17 Abs. 1 BNatSchG die Bergbehörde zuständig. Sie hat die aus §§ 15 ff. BNatSchG ergebenen Anforderungen nach dem sog. Huckepack-Verfahren im Betriebsplanverfahren zu berücksichtigen. Diese verfahrensrechtliche Zuständigkeitsregelung wird dadurch ergänzt, dass die materiell-rechtlichen Naturschutzregelungen über §§ 48 Abs. 2 Satz 1 Eingang in das Betriebsplanverfahren finden.302 Dies gilt u.a. für die Entscheidung über die Zulässigkeit eines Eingriffs und die Verträglichkeitsprüfung sowie die Ausgleichs- und Kompensationsmaßnahmen außerhalb der vom Bergbau in Anspruch genommenen

296 297 298 299

Lütkes/Ewer/Lütkes BNatSchG, § 15 Rn. 68. BVerwG 13.12.2001, 4 C 3/01, NuR 2002, 360, 361. BVerwG 6.6.2012, 7 B 68/11, Rn. 6, ZfB 2012, 236, Rn. 6. Kühne in: Umwelt- und Technikrecht 2004, S. 251, 294; Kolonko Anforderungen der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung an einen Abbau von Steine und Erden, S. 151. 300 Vgl. z.B. Anlage 2 Kompensationsverordnung Hess. 301 Gemäß § 51 Abs. 2 und 3 von der Betriebsplanpflicht befreite Tätigkeiten dürften nicht mit erheblichen Beeinträchtigungen verbunden sein. 302 BVerwG 6.6.2012, 7 B 68/11, ZfB 2012, 236, Rn. 6. Kappes

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Erstes Kapitel – Allgemeine Vorschriften über die Aufsuchung und Gewinnung

Anh. § 48

Fläche. Für Flächen, die der bergrechtlichen Wiedernutzbarmachung unterliegen, sind allein die verfahrens- und materiell-rechtlichen berggesetzlichen Vorgaben maßgeblich. Weder das BBergG noch das BNatSchG schreiben vor, in welchem Betriebsplan die eingriffs- 98 bezogenen Entscheidungen aufzunehmen sind. Eine sukzessive dem Abbaufortschritt folgende Eingriffsprüfung auf Ebene des Hauptbetriebsplans würde sowohl einer planmäßigen Betriebsführung als auch den Naturschutzbelangen nicht gerecht. Die Eingriffsregelungen sollten – soweit möglich – im Rahmenbetriebsplan erfolgen, unabhängig davon, dass deren Zulassung keine gestaltende Wirkung hat. Soweit Eingriffsregelungen bereits Gegenstand in einem dem BBergG vorgelagerten Verfahren, z.B. Braunkohlenplan, sind, kann insoweit hierauf zurückgegriffen werden. Die konkreten Einzelheiten der Wiedernutzbarmachung sind Gegenstand des Abschlussbetriebsplans. Vollzieht die Bergbehörde im Betriebsplanverfahren Naturschutzrecht, hat sie dies im Be- 99 nehmen mit der Naturschutzbehörde durchzuführen (§ 17 Abs. 1 BNatSchG).303 Sehen Naturschutzgesetze der Länder das Einvernehmen vor (z.B. § 12 Abs. 1 NaturschutzG SN), geht aufgrund Art. 31 GG die bundesrechtliche Beteiligungsform (§§ 17 Abs. 1 BNatSchG, 54 Abs. 2 BNatSchG) vor. Erfolgen die nach dem BNatSchG für Eingriffe erforderlichen Entscheidungen Maßnahmen im Rahmen eines planfestgestellten Rahmenbetriebsplans, ist für die Beteiligung der Naturschutzbehörde allein §§ 5 i.V.m. 75 VwVfG maßgeblich.304

4. Schutz bestimmter Teile von Natur und Landschaft Neben der Eingriffsregelung enthält das BNatSchG ein differenziertes Schutzsystem für bestimm- 100 te aus Sicht des Naturschutzes und der Landschaftspflege bedeutsame Teile von Natur, Landschaft und Arten (BNatSchG). Unter diesem Schutzsystem werden Naturschutzgebiete, Nationalparks, nationale Naturmonumente, Biosphärenreservate, Landschaftsschutzgebiete, Naturparks, Naturdenkmäler, geschützte Landschaftsbestand-teile (§ 20 Abs. 2 BNatSchG) sowie geschützte Biotope gefasst. Zu den Biotoptypen zählen gemäß § 30 Abs. 2 BNatSchG u.a. Moore, Sümpfe, natürliche und naturnahe Bereiche fließender oder stehender Binnengewässer. Von ihrem Recht, weitere Biotoptypen dem Schutz des § 30 zu unterstellen (§ 30 Abs. 2 Satz 2 BNatSchG) haben die Länder teilweise Gebrauch gemacht. Nach § 18 Abs. 1 Nr. 5 NaturschutzG Thür zählen zu den Biotopen auch ausgebeutete Lockergesteinsbrüche und Steinbrüche, für die nach öffentlichem Recht keine Folgenutzung vorgesehen ist. Allen Schutzgebieten und Biotopen ist gemeinsam, dass diese ihrem Schutzweck entsprechend durch absolute oder relative Veränderungsverbote305 geschützt sind. Schutzgebiete werden nach den Naturschutzgesetzen der Länder i.d.R. durch Rechtsverordnungen festgelegt (vgl. z.B. § 9 NaturschutzG Brb, Art. 12 Abs. 1 NaturschutzG BY, § 13 NaturschutzG SN). In NRW erfolgt die Festsetzung durch den Landschaftsplan (§ 19 NaturschutzG NRW). Einer Landschaftsschutzverordnung mit einem Abbauverbot steht § 48 Abs. 1 Satz 2 nicht entgegen, da die Rohstoffsicherungsklausel vom Bestehen eines Schutzgebietes ausgeht306 (vgl. § 48 Rn. 25 ff.). Soweit die Ausweisungen nicht aufgrund europäischer Vorgaben erfolgen (vgl. Anhang zu § 48 Rn. 105), ist bei der Festsetzung von Schutzausweisungen eine Abwägung mit anderen öffentlichen Interessen und Belangen durchzuführen.307 Zu diesen Interessen zählen auch die Aufsu303 Brockhoff Naturschutzrechtliche Eingriffsregelung im bergrechtlichen Zulassungsverfahren, S. 241; a.A. Wilde DVBl 1998, 1321, 1325, die unter der Geltung des vor 2010 geltenden BNatSchG mit Hinweis auf Art 31 GG für die Beteiligung allein § 54 Abs. 2 als maßgeblich ansieht. 304 Kolonko Anforderungen der Naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung an einen Abbau von Steine und Erden, S. 234; Ramsauer NuR 1997, 419, 425. 305 Ausführlich hierzu Lütkes/Ewer/Heugel BNatSchG, § 20 Rn. 2 ff. 306 BVerwG 25.8.1995, 4 A 191/95, ZfB 1995, 276, 277; BVerwG 4.7.1986, 4 C 31/84, BVerwGE 74, 315, 318 = ZfB 1987, 60, 64; OVG Weimar 3.12.2020, 1 N 205/14, juris Rn. 69; OVG Bautzen 24.9.1998, 1 S 369/96, NuR 1999, 344; Kolonko ZUR 1995, 127; Kühne DVBl 1987, 1262; a.A. Hoppe DVBl 1987, 761. 307 OVG Bautzen 24.9.1998, 1 S 369/96, NuR 1999, 344. 383

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Anh. § 48

Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

chung und Gewinnung von Bodenschätzen und planerische Vorgaben zugunsten der Rohstoffgewinnung, wie die Ausweisung von Vorbehaltsflächen für die Kalksteingewinnung in einem Regionalplan.308 Zwar kommt der Rohstoffgewinnung, vor allem bei einer planerischen Vorbehaltsfläche ein besonderes Gewicht zu; dies kann jedoch im Wege der Abwägung grundsätzlich überwunden werden.309 Dies gilt jedoch nicht, wenn auf höherer planerischer Ebene eine Abwägung der verschiedenen Interessen und Belange einschließlich Naturschutz bereits erfolgt ist. Bei der Abwägung sind auch die hiervon betroffenen Belange einschließlich der privaten durch Art. 14 GG geschützten Belange angemessen zu berücksichtigen.310 Hierzu zählt auch das Bergwerkseigentum, das als ein „absolutes Recht“ z.B. bei der Abwägung zur Festsetzung eines Naturdenkmals311 zu berücksichtigen ist. Gleiches gilt für andere Aufsuchungs- und Gewinnungsrechte.312 Die Ausübung des Aufsuchungs- und Gewinnungsrechts ist für die Berücksichtigung keine Voraussetzung; jedoch haben erhebliche Abbaubeschränkungen bei einem zugelassenen bestandsgeschützten Betriebsplan ein besonderes Gewicht bei der Abwägung, die auch zu Einschränkungen des Schutzgebietes führen können.313 Unabhängig von der erforderlichen Abwägung sind die mit der Schutzgebietsausweisung verfolgten Einschränkungen an den naturschutzrechtlichen Anforderungen des Schutzobjekts auszurichten. Die Einschränkungen dürfen nicht über das erforderliche Maß hinausgehen.314 Als unzumutbare Beschränkungen der Eigentümerbefugnisse erweisen sie sich erst dann, wenn nicht genügend Raum für einen privatnützigen Gebrauch des Eigentums oder eine Verfügung über den Eigentumsgegenstand verbliebe oder wenn eine Nutzung, die bisher ausgeübt worden ist oder sich nach der Lage der Dinge objektiv anbietet, ohne jeglichen Ausgleich unterbunden würde.315 Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erfordert nach der Rechtsprechung des BVerfG316 im Rahmen der Bestandsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG, dass in erster Linie Vorkehrungen getroffen werden, die eine unverhältnismäßige Belastung des Eigentümers real vermeiden, z.B. durch entsprechende Befreiungsregelungen, bevor Ausgleichs- und Entschädigungsregelungen geboten sind.317 Diesen Anforderungen kann auch durch die Art der Schutzausweisung, z.B. Landschaftsschutzgebiet – Naturschutzgebiet, Befreiung und Unberührtheitsklausel Rechnung getragen werden.318 Sind in großflächigen Landschaftsschutzgebieten Abgrabungen nur in einem von der überörtlichen Planung bestimmten Bereich zulässig, ist dies grundsätzlich verhältnismäßig.319 Auch bestehen keine Bedenken, Abbaumaßnahmen in besonders schutzwürdigen Zonen zu verbieten und in weniger schutzwürdigen Bereichen zuzulassen.320 Zur Sicherstellung einer beabsichtigten Unterschutzstellung kann ein beabsichtigter Rohstoffabbau im Wege der einstweiligen Sicherstellung untersagt werden, wenn für den Abbau keine Betriebsplanzulassung vorliegt.321 Bei der Anwendung der in einer Schutzgebietsverordnung eingeräumten Befreiungsmöglichkeit ist die Rohstoffsicherungsklausel des § 48 Abs. 1 Satz 2 zu berücksichtigen. Wird mit der Festsetzung einer Landschaftsschutzverordnung eine geplante Bergbautätigkeit verhindert, steht dem Bergbauberechtigten und Unternehmer die Antragsbefugnis für eine Normenkontrolle zu, soweit dies nach Länderrecht zulässig ist.322 308 309 310 311 312 313 314 315 316 317 318 319 320 321 322

VGH München 31.10.2000, 9 N 96/3505, NuR 2001, 519. OVG Weimar 3.12.2020, 1 N 205/14, juris Rn. 70 ff.; VGH München 17.12.1998, 9 N 93/1261, NuR 1999, 393. OVG Koblenz 21.10.1999, 1 A 12648/98.OVG, ZfB 2000, 42, 45. OVG Bautzen 8.8.1996, 1 S 285/95, ZfB 1997, 155, 161. OVG Koblenz 21.10.1999, 1 A 12648/98.OVG, ZfB 2000, 42, 45. Wilde DVBl 1998, 1321, 1328. BVerfG 16.6.1988, 4 B 102/88, NuR 1989, 37. BVerwG 17.1.2000, 6 BN 2.99, NVwZ-RR 2000 S. 339. BVerfG 2.3.1999, 1 BVBl 7/91, BVerfGE 100, 226 ff. BT-Drs. 16/12274, S. 77. Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 56 Anhang Rn. 362. BVerwG 29.1.2007, 7 B 68/06, NuR 2007, 268. VG Dessau 12.4.2001, 12 A 424/98, ZfB 2002, 69, 75. OVG Koblenz 1.7.1999, 1 C 11884/98, NuR 2000, 290. BVerwG 17.1.2001, 6 CN 4/00, ZfB 2002, 148, 151; OVG Bautzen 7.5.2004, 1 D 33/01 LKV 2005, 405, 407.

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Erstes Kapitel – Allgemeine Vorschriften über die Aufsuchung und Gewinnung

Anh. § 48

Soweit die Rechtsverordnung oder Landschaftspläne keine Ausnahme oder Genehmigungs- 101 vorbehalt für die Aufsuchung und Gewinnung von Bodenschätzen vorsieht, ist die übertägige Aufsuchung und Gewinnung von Bodenschätzen in Schutzgebieten und bei geschützten Biotopen aufgrund der Standortgebundenheit sowohl der Rohstoffgewinnung als auch der Schutzgebiete bzw. -objekte in der Regel nur möglich, wenn eine Befreiung gemäß § 67 BNatSchG von den naturschutzrechtlichen Handlungsverboten erteilt wird. Danach können von den Verboten aufgrund des BNatSchG oder aufgrund des BNatSchG erlassenen oder Naturschutzgesetzen der Länder erlassenen Rechtsverordnungen Befreiungen gewährt werden, wenn dies aus überwiegend öffentlichen Interessen, einschließlich solcher sozialer und wirtschaftlicher Art, notwendig ist oder die Durchführung der Vorschriften im Einzelfall zu einer unzumutbaren Belastung führen würde und die Abweichung mit den Belangen von Naturschutz und Landschaftspflege vereinbar ist (§ 67 Abs. 1 BNatSchG). Zu den öffentlichen Interessen zählt auch der Abbau von Bodenschätzen.323 Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Bergbauberechtigung dem Eigentumsschutz des Art. 14 GG unterliegt324 und die Privatnützigkeit des Eigentums soweit wie möglich zu erhalten ist.325 Zu den öffentlichen Interessen zählen auch planerische Ausweisungen, wie z.B. ein Braunkohlenplan. Da es sich bei den Schutzausweisungen aufgrund des BNatSchG um gebietsbezogene Beschränkungen handelt, die zu Beschränkungen oder Untersagung der Aufsuchung und Gewinnung von Bodenschätzen führen können, sind bei der Abwägungsentscheidung des § 67 BNatSchG die Abwägungsgesichtspunkte des § 48 Abs. 1 Satz 2 zu berücksichtigen326 und die Abwägung ist mit relativer Priorität für den Bergbau durchzuführen.327 Die Ablehnung einer Befreiung von einem Beseitigungsverbot für Biotope bei der Rohstoffgewinnung ist rechtswidrig, wenn das in § 48 Abs. 1 Satz 2 erhaltene Gebot in die Abwägung nicht einbezogen wird.328 Die Belastung ist unzumutbar, wenn sich im Rahmen einer Abwägung mit den öffentlichen Interessen, die mit dem betroffenen naturschutzrechtlichen Ge- oder Verbot verfolgt werden, wegen ihrer Besonderheit und Schwere als unangemessen erweist.329 Von den Vorschriften des gesetzlichen Biotopschutzes können – soweit nicht der gesetzliche Ausnahmetatbestand nach § 30 Abs. 6 BNatSchG vorliegt (vgl. Anhang zu § 48 Rn. 102) – Ausnahmen nach § 30 Abs. 3 BNatSchG erteilt werden, wenn die Beeinträchtigungen ausgeglichen werden. Wenn die Ausnahme oder Befreiung nicht im Rahmen der Erteilung der Bergbauberechtigung330 oder eines Planfeststellungsverfahrens erteilt wird, ist diese neben der Betriebsplanzulassung notwendig, es sei denn, die Bergbehörde ist aufgrund Landesrechts gehalten, sie im Rahmen der Betriebsplanzulassung im Einvernehmen mit der Naturschutzbehörde zu erteilen.331 Ein Rechtsanspruch auf eine Genehmigung oder Befreiung besteht nicht; jedoch kann das behördliche Ermessen auf Null reduziert sein.332 Keiner Ausnahmegenehmigung bedarf die Beseitigung gesetzlich geschützter Biotope, die 102 nach Beginn der zulässigen Gewinnung von Bodenschätzen entstanden sind und innerhalb einer Frist von fünf Jahren beseitigt werden sollen (§ 30 Abs. 6 BNatSchG).333 Diese Ausnahme für die „Wiederaufnahme einer Bodenschatzgewinnung“ ist darin begründet, dass die betreffenden Biotope gerade erst durch die Veränderung von Natur und Landschaft infolge einer einge-

323 324 325 326 327

Lütkes/Ewer/Heugel BNatSchG, § 67 Rn. 9; OVG Berlin 5.7.2007, OVG 2 25/07, ZfB 2007, 259, 281. BVerwG 21.10.1987, 1 BvR 1048/87, BVerfGE 77, 130 = ZfB 1988, 84, 88. BVerfG 2.3.1999, 1 BvL 7/91, BVerfGE 100, 226; BT-Drs. 16/122774, S. 76 f. Lütkes/Ewer/Heugel BNatSchG, § 67 Rn. 9. BVerwG 20.11.2008, 7 C 10/08, ZfB 2009, 46 Rn. 56 – ein grundsätzlicher Vorrang der Rohstoffgewinnung ist damit nicht verbunden; OVG Weimar 1.2.2012, 1 KO 49/07, ZfB 2012, 259, 264. 328 OVG Weimar 1.2.2012, 1 KO 49/07, ZfB 2012, 259, 264. 329 Lütkes/Ewer/Heugel BNatSchG, § 67 Rn. 12 m.w.N. 330 VGH Mannheim 9.6.1988, 6 S 2972/84, ZfB 1989, 57, 70 f. 331 Z.B. Art 49 Abs. 3 Satz 3 NaturschutzG BY; § 39 NaturschutzG SN. 332 Wilde DVBl 1998, 1321, 1327. 333 Für vor Beginn der Gewinnungstätigkeit bestehende Biotope ist eine Ausnahme notwendig (vgl. Anhang zu § 48 Rn. 101). 385

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Anh. § 48

Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

schränkten oder unterbrochenen Gewinnung entstanden sind.334 Voraussetzung für die Befreiung von einer Ausnahmegenehmigung ist, dass es sich um eine zulässige Gewinnung von Bodenschätzen handelt. Entsprechend § 4 Abs. 2 erstreckt sich die Gewinnung nicht nur auf die Fläche, auf der Bodenschätze gelöst oder freigesetzt werden, sondern auf alle Flächen, auf denen hierzu vorbereitende, begleitende und nachfolgende Tätigkeiten durchgeführt werden. Die Gewinnung ist zulässig, wenn diese mittels Betriebsplan zugelassen ist; in welchem Betriebsplan dies erfolgt, lässt das Gesetz offen. Mit der Gewinnungstätigkeit muss begonnen worden sein, denn nur dann kann sie unterbrochen oder eingeschränkt werden. Bei einer Unterbrechung der Gewinnung wird man nicht auf die Begrifflichkeiten des BBergG (vgl. § 55 Abs. 2 Satz 2) zurückgreifen können. Vielmehr ist auf die den Abbau vorbereitende Handlung oder die in den jeweiligen Bergbauzweigen durchgeführten Abbaumethoden abzustellen, wonach z.B. der Bodenschatz mehrfach schichtweise abgebaut wird und zwischen den einzelnen Gewinnungsphasen längere Zeiträume liegen. Hiernach ist auf den einzelnen tatsächlichen Gewinnungsvorgang abzustellen. Die Einschränkung der Ausnahme auf höchstens fünf Jahre zwischen den einzelnen Gewinnungsphasen wird einzelnen Bergbauzweigen nicht gerecht. Sachlich zutreffender – ohne den Biotopschutz zu unterlaufen – ist die Ausnahmeregelung in Niedersachsen, wonach das Beseitigungsverbot von Biotopen nicht für Flächen gilt, für die ein zugelassener oder planfestgestellter Betriebsplan besteht (§ 24 Abs. 1 Niedersächsisches Ausführungsgesetz zum Bundesnaturschutzgesetz). 103 Neben dem gebietsbezogenen Schutzsystem enthält das Bundesnaturschutzgesetz für besonders geschützte wild lebende Tiere einschließlich ihrer Fortpflanzungs- und Ruhestätten differenzierte Verbotsnormen, um diese nicht zu stören und zu schädigen. Gleiches gilt für besonders geschützte Pflanzen (§ 44 Abs. 1 BNatSchG). Zu den Anforderungen des Artenschutzrechts vgl. Anhang § 48 Rn. 112a ff. 104 Führen Verbote oder Beschränkungen aufgrund naturschutzrechtlicher Vorschriften zu unzumutbaren Belastungen oder einem Gewinnungsverbot größeren Umfangs, denen nicht durch Ausnahmen oder Befreiungen abgeholfen werden kann, ist eine angemessene Entschädigung zu zahlen (§ 68 Abs. 1 BNatSchG). Dies kann für einen laufenden Betrieb gelten, aber auch für den Inhaber einer Bergbauberechtigung.335 Das BVerwG hat bestätigt, dass § 68 Abs. 1 BNatSchG auch Beschränkungen des Bergwerkseigentums umfasst.336 Naturschutzrechtliche Beschränkungen des Bergwerkseigentums sind nicht bereits deshalb als diesem immanent anzusehen und daher entschädigungslos hinzunehmen, weil das Bergwerkseigentum von vornherein vielfältigen Beschränkungen unterworfen ist. Beschränkungen von Bergwerkseigentum sind jedenfalls dann in aller Regel unzumutbar, wenn seine Privatnützigkeit vollständig ersatz- und übergangslos entfällt. Sofern der vom Bergwerkseigentum umfasste Bodenschatz wegen einer Naturschutzgebietsausweisung als entgegenstehenden öffentlich-rechtlichen Belang nicht mehr gehoben werden kann, verbleibt dem Bergbauberechtigten – anders als dem Grundeigentümer – keine Vielfalt an Nutzungsmöglichkeiten. Die Beschränkung entspricht vielmehr wirtschaftlich dem vollständigen Entzug der bestehenden Eigentumsposition; die Position wird völlig entwertet. Die Rechtsfigur der Situationsgebundenheit des Eigentums ist auf das Grundeigentum gemünzt und bedarf im Fall des Bergwerkseigentums einer einengenden Handhabung. Von einer die Entschädigungspflicht ausschließenden Situationsgebundenheit des Bergwerkseigentums ist daher erst auszugehen, wenn die Untersagung der Gewinnung der Bodenschätze auch unter Beachtung der Bedeutung der Rohstoffgewinnung und der Vielfalt möglicher naturschutzrechtlicher Reaktionsweisen zwingend geboten erscheint. Die Untersagung muss nicht nur als Möglichkeit in der Situation angelegt, sondern dem Bergwerkseigentum gewissermaßen „auf die Stirn geschrieben“ sein.337

334 BT-Drs. 16/13430, S. 51, Lütkes/Ewer/Lütkes BNatSchG, § 30 Rn. 15. 335 Kühne DVBl 2012, 661; bejahend für grundeigene Bodenschätze beim Fernstraßenbau, BGH 14.4.2011, III ZR 229/ 09, BGHZ 189, 218, 220; a.A. BGH 14.4.2011, III ZR 30/10 BGHZ 189, 231, 234 = ZfB 2011, 290, 293. 336 BVerwG 25.10.2018, 4 C 9/17, ZfB 2019, 192, 195. 337 BVerwG 25.10.2018, 4 C 9/17, ZfB 2019, 192, 196. Kappes

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Erstes Kapitel – Allgemeine Vorschriften über die Aufsuchung und Gewinnung

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Durch das Gesetz zur Änderung wasser- und naturschutzrechtlicher Vorschriften zur Untersa- 104a gung und zur Risikominimierung bei den Verfahren der Fracking-Technologie vom 4.8.2016338 wurden besondere Vorschriften für Fracking-Vorhaben eingeführt. Gemäß § 23 Abs. 3 BNatSchG ist in Naturschutzgebieten und gemäß § 24 Abs. 3 Satz 2 BNatSchG in Nationalparken die Errichtung von Anlagen zur Durchführung von Gewässerbenutzungen im Sinne des § 9 Abs. 2 Nr. 3 und 4 WHG verboten. Dabei handelt es sich um die ebenfalls in diesem Zuge neu eingeführten unechten Benutzungstatbestände, nämlich das Aufbrechen von Gesteinen unter hydraulischem Druck zur Aufsuchung oder Gewinnung von Erdgas, Erdöl oder Erdwärme, einschließlich der zugehörigen Tiefbohrungen (Nr. 3) und die untertägige Ablagerung von Lagerstättenwasser, das bei Maßnahmen nach Nr. 3 oder anderen Maßnahmen zur Aufsuchung oder Gewinnung von Erdgas oder Erdöl anfällt (Nr. 4). Die Verbote der §§ 23 und 24 BNatSchG für die Errichtung von Anlagen für Fracking-Maßnahmen gelten unmittelbar kraft Gesetz und bedürfen keiner weitergehenden Konkretisierung in einer Schutzgebietsverordnung. Die Möglichkeit der Erteilung von Befreiungen nach § 67 BNatSchG wurde gesetzlich allerdings nicht ausgeschlossen. In Natura-2000-Gebieten (zu den Europäischen Schutzausweisungen insgesamt siehe Anhang zu § 48 Rn. 105) ist nach § 33 Abs. 1a Satz 1 BNatSchG die Errichtung von Anlagen (1.) zum Aufbrechen von Schiefer-, Ton- oder Mergelgestein oder von Kohleflözgestein unter hydraulischem Druck zur Aufsuchung oder Gewinnung von Erdgas sowie (2.) zur untertägigen Ablagerung von Lagerstättenwasser, das bei Maßnahmen nach Nummer 1 anfällt, verboten. § 34 BNatSchG findet insoweit keine Anwendung. Trotz der Verortung des Verbots in den Vorschriften zum allgemeinen Verschlechterungsverbot und dem Gebietsmanagement, sind Gegenstand des Verbots in erster Linie Maßnahmen mit Projektcharakter.339 Mit dem Ausschluss der Anwendbarkeit von § 34 BNatSchG ist die Möglichkeit der Erteilung von Ausnahmen für Fracking-Maßnahmen in Natura-2000 Gebieten auf der Grundlage von § 34 Abs. 4 BNatSchG gesetzlich ausgeschlossen. Fracking-Vorhaben, die das Schutzgebiet zwar unterirdisch durchteufen, deren Anlagen aber außerhalb des Gebiets errichtet werden, fallen ebenso wenig unter das Verbot wie Fördermaßnahmen in anderen Gesteinen.340

5. Habitatschutz Für die Aufsuchung und Gewinnung von Bodenschätzen sind die in Umsetzung der Richtlinien 105 (2009/147/EG) zur Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (Vogelschutz-RL) und 92/43/EWG zur Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen sowie wildlebender Tiere und Pflanzen (FFH-RL) aufgenommenen §§ 31 ff. BNatSchG von großer Bedeutung. Sie ergänzen und überlagern verschärfend die allgemeinen Schutzvorschriften des BNatSchG. Ziel der Vogelschutz- und FFH-RL ist der Erhalt wildlebender Vogelarten, Tiere und Pflanzen. Hierzu wurden unter Beachtung der Auswahlkriterien und der unterschiedlichen Verfahren beider EG-Richtlinien Vogelschutz- und FFHGebiete festgelegt (§ 32 Abs. 1 und 2 BNatSchG), die Teil des kohärenten europäischen ökologischen Schutznetzes „Natura 2000“ sind (§ 7 Abs. 1 Nr. 8 BNatSchG).341 Zwar fordert Art. 2 Abs. 3 FFH-RL eine Berücksichtigung auch der Anforderungen der Wirtschaft, jedoch sind nach ständiger Rechtsprechung andere als naturschutzfachliche Gesichtspunkte auf der Ebene der Auswahl der Schutzgebiete nicht zu berücksichtigen.342 Dies gilt auch für die Belange der Rohstoffgewinnung 338 339 340 341

BGBl. I, S. 1972. BT-Drs. 18/4713, S. 30. BR-Drs. 143/15, S. 44 f.; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 56 Anhang Rn. 393d. In Deutschland wurden 4606 FFH-Gebiete mit 9,3 % der terrestrischen und maritimen Fläche sowie 740 Vogelschutzgebiete mit 11,2 % der terrestrischen und maritimen Fläche ausgewiesen (Stand: 31.10.2013), die sich teilweise überlappen; zu den Voraussetzungen des Gebiets- und Artenschutzes bei der Wiedernutzbarmachung von Bergbaufolgelandschaften, vgl. von Daniels/Appel NuR 2008, 685. 342 EUGH 7.11.2000, C 371/99, NVwZ 2001, 1147; EUGH 14.1.2010, C 226/08, NJW 2010, 1867, Rn. 30; BVerwG 19.5.1998, 4 A 9/97, BVerwGE 107, 1, 20; BVerwG 12.6.2003, 4 B 37/03, NuR 2004, 522. 387

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Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

einschließlich des § 48 Abs. 1 Satz 2.343 Die ausgewählten Gebiete sind ihrem Erhaltungszweck entsprechend einer der Schutzkategorien des § 20 Abs. 2 BNatSchG zu unterstellen, wobei in der Schutzerklärung neben der Gebietsbegrenzung und dem Schutzobjekt die Erhaltungsziele einschließlich hierzu geeigneter Ge- und Verbote sowie Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen anzugeben sind (§ 32 Abs. 3 BNatSchG bzw. § 57 BNatSchG).344 106 Rechtsschutz beim Aufbau des Schutznetzes „Natura 2000“ hat der betroffene Grundeigentümer, Bergbauberechtigte oder Unternehmer weder bei der Auswahl und Benennung eines Gebietes345 noch der Erteilung des Einvernehmens zum Entwurf der Gemeinschaftsliste346 oder der Festlegung der Gemeinschaftsliste.347 Gegen Schutzgebietsausweisungen in Form einer Rechtsverordnung oder Satzung ist dagegen ein Normenkontrollverfahren gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO möglich, soweit dies in dem jeweiligen Bundesland zulässig ist. Gemäß § 34 Abs. 1 BNatSchG sind Projekte vor ihrer Zulassung oder Durchführung auf ihre 107 Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen eines Natura 2000-Gebiets zu überprüfen, wenn sie einzeln oder im Zusammenwirken mit anderen Projekten oder Plänen geeignet sind, das Gebiet erheblich zu beeinträchtigen, und nicht unmittelbar der Verwaltung des Gebiets dienen.348 Zu den Projekten können auch die Aufsuchung und der Abbau von Bodenschätzen zählen349 und die hierzu notwendigen Einrichtungen. Insbesondere der obertägige Abbau wird häufig FFH-rechtlich relevant sein, während dies im untertägigen Abbau beispielsweise bei Horizontalbohrungen von einem Standort außerhalb des Gebiets weniger häufig der Fall ist.350 Gerade bei dem häufig über Jahrzehnte erfolgenden Abbau von Lagerstätten in mehreren 107a Gewinnungsphasen stellt sich die Frage, was Bezugspunkt des Projektbegriffs und Gegenstand der FFH-Verträglichkeitsprüfung ist. Im mehrstufigen bergrechtlichen Zulassungsregime stellt mit Blick auf die Eigenschaft als Trägerverfahren für die Umweltverträglichkeitsprüfung und die Bindungswirkung grundsätzlich die Rahmenbetriebsplanzulassung das geeignete Verfahren für die Durchführung der FFH-Verträglichkeitsprüfung dar.351 Bei UVP-pflichtigen Vorhaben sind die Auswirkungen auf die Umwelt einschließlich Fauna und Flora zu ermitteln und zu bewerten. Auch wenn UVP und Verträglichkeitsprüfung sich von den Prüfungszielen her unterscheiden, ist es im Hinblick auf die gemeinsame Schnittmenge sinnvoll, soweit dies nicht bereits in dem dem BBergG vorgelagerten Verfahren, z.B. Braunkohlenplan, erfolgt, die Verträglichkeitsprüfung auch im Rahmen des obligatorischen Rahmenbetriebsplanverfahrens neben der UVP durchzuführen. Auch ein fakultativer Rahmenbetriebsplan ist geeignet, da es bei der Verträglichkeitsprüfung nicht auf die gestattende Wirkung der Betriebsplanzulassung ankommt.352 Dies schließt nicht aus, dass im Einzelfall die Verträglichkeitsprüfung auch im Hauptbetriebsplanverfahren oder im Sonderbetriebsplanverfahren erfolgen kann. Abschlussbetriebspläne sind dagegen wegen ihres technischen und zeitlichen Zusammenhangs mit der Gewinnung nicht geeignet, es sei denn, dass es sich um den Sonderfall der Sanierung von Bergbauhinterlassenschaften in den östlichen Bundesländern handelt und die Voraussetzungen des § 32 BNatSchG gegeben sind. Wenn die FFH-Verträglichkeitsprüfung für einen Bergbaubetrieb in der Rahmenbetriebsplanzulassung abschließend durchgeführt wurde, ist für dessen Ausführung als Maßnahmen eines einheitlichen Projekts in den nachfolgenden Hauptbetriebsplanverfahren keine erneute FFH343 344 345 346 347 348

Ludwig Auswirkungen der FFH-RL auf Vorhaben zum Abbau von Bodenschätzen nach dem BBergG, S. 19 f. Zum Verfahren im Einzelnen vgl. Lütkes/Ewer/Heugel BNatSchG § 32, Rn. 2 ff. BVerwG 7.4.2006, 4 B 58/05, NuR 2006, 572 f. Lütkes/Ewer/Heugel BNatSchG, § 32, Rn. 16. EUGH 23.4.2009, C 362/06 P, NuR 2009, 405. Zum Schutz von potenziellen FFH-Gebieten und faktischen Vogelschutzgebieten vgl. Lütkes/Ewer/Heugel BNatSchG, § 33 Rn. 9 ff.; § 34 Rn. 75. 349 OVG Münster 3.8.2010, 8 A 4062/09, NuR 2011, 59, Rn. 90. 350 Ähnlich differenzierend Louis, UPR 2017, 285, der allerdings weitergehend im Obertagebergbau regelmäßig von erheblichen Beeinträchtigungen ausgeht. 351 Piens/Schulte/Graf Vitzthum, BBergG, § 56 Anhang Rn. 320. 352 Ludwig Auswirkungen der FFH-RL auf Vorhaben zum Abbau von Bodenschätzen nach dem BBergG, S. 68. Kappes

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rechtliche Prüfung erforderlich.353 Das gilt grundsätzlich auch für mitunter mehrere Jahrzehnte umfassende Vorhaben, weil auch das Habitatschutzrecht im Grundsatz von einer einheitlichen, umfassenden Verträglichkeitsprüfung für ein Projekt ausgeht. Nach der Rechtsprechung des EuGH können je nach Lage der Dinge aber auch genehmigte, fortlaufende Tätigkeiten jeweils ein neues Projekt darstellen.354 Die Bindungswirkung einer bestandskräftigen Rahmenbetriebsplanzulassung schließt in diesen Fällen eine (erneute) FFH-Verträglichkeitsprüfung im Hauptbetriebsplanverfahren auch nicht von vorneherein aus. Die Bindungswirkung bemisst sich auch nach der GarzweilerEntscheidung des BVerwG nach dem konkreten Entscheidungsgegenstand (vgl. § 52 Rn. 42 ff., 45) und besteht im Verhältnis zu nachfolgenden Verfahren nach der Rechtsprechung des BVerwG nur vorbehaltlich einer Änderung der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse.355 In Ausnahmefällen kann daher bei fortlaufenden Tätigkeiten, die im Sinne der Rechtsprechung des EuGH ein neues Projekt darstellen, eine Aktualisierungsprüfung erforderlich sein. Wenn der Betrieb vor Umsetzung der FFH-Richtlinie in nationales Recht und vor Listung der in Rede stehenden Natura 2000-Gebiete zugelassen wurde, gilt für die Anwendbarkeit des Habitatschutzrechts: Projekte, die genehmigt wurden, bevor die betroffenen Gebiete in die Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung aufgenommen worden sind, unterliegen nicht den sich aus Art. 6 Abs. 3 FFH-RL ergebenden Vorgaben über eine Ex-ante-Prüfung über ihre Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen dieser Gebiete.356 Maßstab für solche Vorhaben ist aber das Verschlechterungsverbot des Art. 6 Abs. 2 FFH-RL, weshalb die Mitgliedsstaaten auch im Fall einer erst nach Genehmigungserteilung erfolgten Listung eines Gebiets verpflichtet sind, das Verschlechterungsverbot des Art. 6 Abs. 2 FFH-RL durch „angemessene Maßnahmen“ sicherzustellen. Zwar verfügen die Mitgliedstaaten grundsätzlich in Bezug auf die nach Art. 6 Abs. 2 FFH-RL zu treffenden „geeigneten Maßnahmen“ über ein Ermessen. Die Ausführung eines solchen Projekts darf aber nur dann begonnen bzw. fortgesetzt werden, wenn die Wahrscheinlichkeit oder Gefahr einer Verschlechterung der Lebensräume oder der Störung von Arten ausgeschlossen ist. Ist dies nicht der Fall, besteht also eine solche Wahrscheinlichkeit oder Gefahr, weil das Projekt nicht auf der Grundlage der besten wissenschaftlichen Erkenntnisse einer nachträglichen Verträglichkeitsprüfung unterzogen wurde, konkretisiert sich die allgemeine Schutzpflicht des Art. 6 Abs. 2 FFH-RL zu einer Pflicht zur Durchführung dieser Prüfung.357 Soweit die erforderlichen Entscheidungen gemäß § 34 BNatSchG nicht Bestandteil eines planfestgestellten Rahmenbetriebsplans sind, können die naturschutzrechtlichen Anforderungen über § 48 Abs. 2 im Betriebsplan berücksichtigt werden. Das OVG Berlin-Brandenburg hat daher entschieden,358 dass mit dem Betrieb eines vor Umsetzung der FFH-Richtlinie und Gebietsmeldung durch Rahmenbetriebsplan zugelassenen Tagebaubetriebs einhergehende, wasserrechtlich erlaubnispflichtige Sümpfungsmaßnahmen und damit verbundene Folgen für die Natura 2000-Gebiete „zum Prüfprogramm“ in Bezug auf eine Hauptbetriebsplanzulassung gehören. Eine projektbezogene Verpflichtung zur Prüfung besteht danach, wenn durch das Voranschreiten des Tagebaus Natura 2000-Gebiete beeinträchtigt werden können. Die FFH-Verträglichkeitsprüfung bezieht sich nach § 34 Abs. 1 BNatSchG auf die Erhaltungs- 107b ziele des betreffenden Gebiets. Erhaltungsziele sind gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 9 BNatSchG Ziele, die im Hinblick auf die Erhaltung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands eines natürlichen Lebensraumtyps von gemeinschaftlichem Interesse, einer in Anhang II der Richtlinie 92/43/EWG oder in Art. 4 Abs. 2 oder Anhang I der Richtlinie 2009/147/EG aufgeführten Art für ein Natura 2000-Gebiet festgelegt sind. Für Gebiete, die nach § 22 Abs. 1 BNatSchG zu Schutzgebieten 353 354 355 356

Piens/Schulte/Graf Vitzthum, BBergG, § 56 Anhang Rn 320; a.A. wohl Louis, UPR 2017, 285, 288 f. Vgl. EUGH 14.1.2010, C 226/08, Slg 2010 I-131 Rn. 51 = DVBl 2010, 242, zu Unterhaltungsmaßnahmen einer Fahrrinne. BVerwG 29.6.2006, 7 C 11.05, ZfB 2006, 156, 161; BVerwG 20.11.2008, 7 C 10.08, ZfB 2009, 46, 52. BVerwG 15.7.2016, 9 C 3.16, NVwZ 2016, 1631, 1635 ff., im Anschluss an EuGH 14.1.2016, C-399/14, NVwZ 2016, 595,

596.

357 EuGH 14.1.2016, C-399/14, NVwZ 2016, 595, 597. 358 OVG Berlin-Brandenburg 28.8.2019, 11 S 51.19, ZfB 2019, 271, 275 ff. 389

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Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

erklärt wurden (z.B. Naturschutzgebiete), ergeben sich die Erhaltungsziele aus dem Schutzzweck und den dazu erlassenen Vorschriften, wenn hierbei die jeweiligen Erhaltungsziele bereits berücksichtigt wurden (§ 34 Abs. 1 Satz 2 BNatSchG). Solange keine konkreten gebietsspezifischen Erhaltungsziele vorliegen, muss die Verträglichkeitsprüfung diese durch eine Auswertung der zur Vorbereitung der Gebietsmeldung gefertigten Standard-Datenbögen ermitteln.359 107c Die Prüfung der Verträglichkeit eines Vorhabens mit einem Natura 2000-Gebiet erfolgt methodisch in der Regel in zwei Schritten: Zunächst wird eine FFH-Verträglichkeits-Vorprüfung (FFHVVP) durchgeführt. Sofern diese dazu kommt, dass erhebliche Beeinträchtigungen nicht offensichtlich ausgeschlossen werden können, muss eine detaillierte FFH-Verträglichkeitsprüfung (FFHVP) durchgeführt werden. Grundsätzlich hat eine FFH-VVP die Frage zu beantworten, ob eine FFH-Verträglichkeitsprüfung erforderlich ist oder nicht. Dabei braucht die Vorprüfung nicht formalisiert durchgeführt zu werden.360 Inhaltlich ist im Rahmen der Vorprüfung zu untersuchen, ob dem jeweiligen Vorhaben die von § 34 Abs. 1 BNatSchG vorausgesetzte Eignung zur erheblichen Gebietsbeeinträchtigung zu attestieren ist.361 Dabei bemisst sich die Erheblichkeit der Gebietsbeeinträchtigung nicht anhand der Schwere oder Intensität projektbedingter Einwirkungen, sondern ausschließlich daran, ob die Wirkfaktoren des jeweiligen Vorhabens, aus sich heraus oder im Zusammenwirken mit anderen Plänen oder Projekten, die im jeweiligen Gebiet verfolgten Schutzund Erhaltungsziele in Mitleidenschaft ziehen können.362 Kommt die FFH-VVP zu dem Schluss, dass es – gemessen am Maßstab der Schutz- und Erhaltungsziele – offensichtlich, d.h. ohne vertiefte Prüfung, nicht zu einer erheblichen Gebietsbeeinträchtigung kommen kann, ist eine Verträglichkeitsprüfung verzichtbar. Kann dies dagegen nach objektiven Umständen nicht sicher ausgeschlossen werden, schließt sich die eigentliche Verträglichkeitsprüfung an.363 Der Unternehmer als Projektträger hat die für die Verträglichkeitsprüfung erforderlichen Unterlagen vorzulegen (§ 34 Abs. 1 Satz 3 BNatSchG). Kommt er dieser Pflicht nicht nach, kann dem Antrag auf Zulassung des Betriebsplans nicht stattgegeben werden und die darauf beruhende Ungewissheit über die habitatschutzrechtliche Bewertung des Vorhabens geht zu seinen Lasten.364 Ein Tagebau in unmittelbarer Nähe eines FFH-Gebiets ist nur genehmigungsfähig, wenn vorher die Auswirkungen auf die Erhaltungsziele des Schutzgebietes beschrieben und bewertet werden.365 In die FFH-Verträglichkeits(vor-)prüfung sind alle Wirkfaktoren des Vorhabens einzubeziehen. Für die Beeinträchtigungen im Rahmen der Verträglichkeitsprüfung kommt es nicht darauf an, ob sich das geplante Projekt innerhalb des Schutzgebietes befindet. Projekte außerhalb eines Natura 2000-Gebietes können nämlich auch zu einer Schutzgebietsbeeinträchtigung führen, wie z.B. Lärmimmissionen auf Vögel366 oder Grundwasserabsenkungen,367 jedoch nur, wenn diese sich unmittelbar auf das Schutzgebiet mit seinen Erhaltungszielen selbst auswirken.368 107d In räumlicher Hinsicht beschränkt sich das Schutzregime des Art. 6 FFH-RL flächenmäßig grundsätzlich auf das FFH-Gebiet in seinen administrativen Grenzen.369 § 34 Abs. 2 BNatSchG verbietet die erhebliche Beeinträchtigung des Schutzgebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen zwar unabhängig davon, ob das Projekt innerhalb des Gebiets oder von diesem entfernt liegt; auch die Anwendbarkeit der Anforderungen des Art. 6 359 360 361 362 363

BVerwG 3.11.2020, 9 A 9/19, BVerwGE 170, 210, 233 f.; BVerwG 17.7.2008, 9 B 15/08, NuR 2008, 659, 661. BVerwG 14.7.2011, 9 A 12/10, Leitsatz 5. BVerwG 10.4.2013, 4 C 3/12, juris Rn. 10. BVerwG 17.1.2007, 9 A 20/05. BVerwG 26.11.2007, 4 BN 46.07, NVwZ 2008, 210, 211 – Näheres hierzu Leitfaden der Europäischen Kommission zur Rohstoffgewinnung durch die nichtenergetische mineralgewinnenden Industrie (NEEI) unter Berücksichtigung der Anforderungen an Natura 2000-Gebiete, 2011, S. 60 f. 364 BVerwG 11.5.2015, 7 B 18/14, ZfB 2015, 85, 88; OVG Berlin-Brandenburg 28.8.2019, 11 S 51.19, ZfB 2019, 271, 274. 365 EUGH 24.11.2011, C 404/9, Slg. 2011, I-11853, 11855. 366 OVG Münster 3.8.2010, 8 A 4062/09, NuR 2011, 59, Rn. 86, 117. 367 Frenz NVwZ 2011, 275, 276. 368 Lütkes/Ewer/Ewer BNatSchG § 34, Rn. 7. 369 BVerwG 14.4.2010, 9 A 5/08, BVerwGE 136, 291 Rn. 32 f. Kappes

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Abs. 3 FFH-RL hängt hiervon nicht ab. Der Verbotstatbestand ist jedoch nur dann erfüllt, wenn sich das Vorhaben nachteilig auf das geschützte Gebiet als solches auswirkt. Dies kann dadurch geschehen, dass Auswirkungen des Vorhabens, insbesondere Emissionen, unmittelbar in das Gebiet hineinreichen. Ein rechtlich beachtlicher Kausalzusammenhang kann jedoch auch dann gegeben sein, wenn für Arten, die geschützte Bestandteile eines FFH-Gebiets sind, die Erreichbarkeit des Gebiets etwa durch Einwirkungen auf Wanderkorridore gestört wird, wenn ökologische Beziehungsgefüge zwischen den Rand- und Pufferzonen des Gebiets und den an das Gebiet angrenzenden Flächen oder dort anzutreffenden Pflanzen- und Tierarten sowie wenn funktionelle Beziehungen zwischen Schutzgebieten beeinträchtigt werden. Eine vollständige Barrierewirkung ist insoweit nicht vorausgesetzt. Beeinträchtigungen charakteristischer Arten spielen daher auch dann eine Rolle, wenn sie diesen außerhalb des FFH-Gebiets widerfahren, soweit diese Auswirkungen geeignet sind, die Erhaltungsziele des Gebiets zu beeinträchtigen. Nicht in den Schutzzweck einbezogen sind indes gebietsexterne Flächen, die von den im Gebiet ansässigen Vorkommen geschützter Tierarten zur Nahrungssuche genutzt werden; sind diese auf die betreffenden Nahrungshabitate zwingend angewiesen, um in einem günstigen Erhaltungszustand zu verbleiben, so ist das Gebiet im Regelfall falsch abgegrenzt und muss auf die Nahrungshabitate ausgedehnt werden.370 Die Anforderungen an eine zwingende Gebietsmeldung und damit auch an den Einwand, es 107e handele sich aufgrund fehlender Ausweisung oder – praktisch relevanter – fehlerhafter Gebietsabgrenzung um ein potentielles FFH-Gebiet sind allerdings hoch. Die Maßstäbe für die Gebietsabgrenzung ergeben sich aus Art. 4 Abs. 1 i.V.m. Anhang III Phase 1 FFH-Richtlinie. Diese Regelung ist nicht nur für die Identifizierung von FFH-Gebieten, sondern auch für deren konkrete Abgrenzung anzuwenden. Maßgebend sind ausschließlich die in Anhang III Phase 1 genannten naturschutzfachlichen Kriterien; Erwägungen, die auf Interessen gesellschaftlicher oder wirtschaftlicher Art abstellen, sind nicht statthaft. Für die Anwendung der Kriterien ist den zuständigen Stellen ein naturschutzfachlicher Beurteilungsspielraum eingeräumt. Zwingend ist eine Gebietsmeldung nur, wenn und soweit die fraglichen Flächen die von der FFH-Richtlinie vorausgesetzte ökologische Qualität zweifelsfrei aufweisen. Solche Gebietsteile dürfen nicht ausgespart werden, auch nicht im Hinblick auf ein bestimmtes Vorhaben. Ein sich aufdrängender Korrekturbedarf muss dann in der Zulassungsentscheidung berücksichtigt werden. Nach der Entscheidung der EU-Kommission über die Gebietslistung spricht indes eine tatsächliche Vermutung für die Richtigkeit der Gebietsabgrenzung. Einwände dagegen bedürfen einer besonderen Substantiierung; sie müssen geeignet sein, die Vermutung zu widerlegen.371 Diesem Maßstab wird der Beschluss des OVG Münster zum Hambacher Forst372 nicht gerecht,373 mit dem das Gericht die aufschiebende Wirkung der Klage unter Verweis auf die im Hauptsacheverfahren erforderliche eingehende Prüfung der Widerlegung der Vermutungswirkung angeordnet hat. Die Vermutung der Richtigkeit der Gebietsausweisung muss indes mit Blick auf den Vertrauens- und Investitionsschutz gerade auch im Rahmen der Interessenabwägung zum Tragen kommen. Einen dem FFH-Regime ähnlichen Maßstab hat die Rechtsprechung für Vogelschutzgebiete ent- 107f wickelt. Soweit die Mitgliedstaaten ihrer Verpflichtung zur Ausweisung von Vogelschutzgebieten nicht nachkommen, erfahren solche Gebiete als sogenannte faktische Vogelschutzgebiete bis zu ihrer ordnungsgemäßen Unterschutzstellung den strengen Schutz des Art. 4 Abs. 4 Satz 1 VogelschutzRichtlinie. Mangels Eintritt des durch Art. 7 FFH-Richtlinie angeordneten Regimewechsel für (rechts370 EuGH 7.11.2018, C 461/17, Rn. 35 ff.;EuGH 26.4. 2017, C-142/16, DVBl 2017, 838 Rn. 29, 33 f.; BVerwG 3.11.2020, 9 A 12/ 19, BVerwGE 170, 33, 44 f., 92; BVerwG 29.5.2018, 7 C 18.17; BVerwG 21.1.2016, 4 A 5.14, BVerwGE 154, 73 Rn. 132; BVerwG 14.4.2010, 9 A 5.08, BVerwGE 136, 291 Rn. 32 f. 371 BVerwG 3.11.2020, 9 A 12/19, BVerwGE 170, 33, 95 f.; BVerwG 27.11.2018, 9 A 8.17, BVerwGE 163, 380 Rn. 67; BVerwG 28. 4.2016, 9 A 9.15, BVerwGE 155, 91 Rn. 99. 372 OVG Münster 5.10.2018, 11 B 1129/18, NVwZ 2018 1818. 373 Frenz RdE 2019, 49, 55; so wohl auch Durner/von Weschpfenning NVwZ 2018, 1818, 1822 f.; a.A. Teßmer NuR 2019, 82. 391

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Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

wirksam) ausgewiesene Vogelschutzgebiete kann das Verbot erheblicher Beeinträchtigungen des Gebiets dann nur zugunsten überragender Gemeinwohlbelange, wie etwa des Schutzes des Lebens und der Gesundheit von Menschen oder der öffentlichen Sicherheit, überwunden werden.374 Faktische Vogelschutzgebiete umfassen Lebensräume und Habitate, die für sich betrachtet in signifikanter Weise zur Arterhaltung in dem betreffenden Mitgliedstaat beitragen und damit zum Kreis der zahlenund flächenmäßig geeignetsten Gebiete im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Satz 4 Vogelschutz-Richtlinie gehören.375 Nach Abschluss des mitgliedstaatlichen Gebietsauswahl- und -meldeverfahrens spricht eine Vermutung dafür, dass eine gemeldete, aber nicht förmlich unter Schutz gestellte Fläche als faktisches Vogelschutzgebiet anzusehen ist. Nach der Rechtsprechung des BVerwG greift im Stadium eines abgeschlossenen mitgliedstaatlichen Gebietsauswahl- und -meldeverfahrens eine Vermutung des Inhalts, dass ein faktisches Vogelschutzgebiet außerhalb des gemeldeten Vogelschutzgebiets nicht existiert, die nur durch den Nachweis sachwidriger Erwägungen bei der Gebietsabgrenzung widerlegt werden kann.376 Diese Vermutung wurzelt in dem den Mitgliedstaaten durch Art. 4 Abs. 1 Satz 4 der Vogelschutz-Richtlinie eröffneten fachlichen Beurteilungsspielraum in der Frage, welche Gebiete nach ornithologischen Kriterien für die Erhaltung der zu schützenden Vogelarten „zahlen- und flächenmäßig“ am geeignetsten sind. Die Ausübung dieses Beurteilungsspielraums ist lediglich auf ihre fachwissenschaftliche Vertretbarkeit hin überprüfbar. Diese Vertretbarkeitskontrolle umfasst auch die Netzbildung in den einzelnen Ländern. In dem Maße, in dem sich die Gebietsvorschläge eines Landes zu einem kohärenten Netz verdichten, verringert sich die richterliche Kontrolldichte. Mit dem Fortschreiten des mitgliedstaatlichen Auswahl- und Meldeverfahrens steigen die prozessualen Darlegungsanforderungen für die Behauptung, es gebe ein faktisches Vogelschutzgebiet, das eine „Lücke im Netz“ schließen soll. Entsprechendes gilt auch für die zutreffende Gebietsabgrenzung. Die gerichtliche Anerkennung eines faktischen Vogelschutzgebiets kommt im Falle eines abgeschlossenen Gebietsauswahl- und -meldeverfahrens deshalb nur in Betracht, wenn der Nachweis geführt werden kann, dass die Nichteinbeziehung bestimmter Gebiete in ein gemeldetes Vogelschutzgebiet auf sachwidrigen Erwägungen beruht.377 In der Verträglichkeitsprüfung ist nach § 34 Abs. 1 BNatSchG auch das Zusammenwirken mit 107g anderen Plänen oder Projekten zu berücksichtigen. Pläne und Projekte sind nach der Rspr. dann in die Verträglichkeitsprüfung einzubeziehen, wenn ihre Auswirkungen und damit das Ausmaß der Summationswirkung verlässlich absehbar sind. Das ist grundsätzlich erst dann der Fall, wenn die hierfür erforderliche Genehmigung erteilt ist (nicht: prüffähiger Antrag).378 Von den in der Kumulationsprüfung zu berücksichtigenden Auswirkungen künftiger Projekte sind die Auswirkungen bereits umgesetzter Vorhaben abzugrenzen. Nach der Rspr. sind die Auswirkungen bereits umgesetzter Vorhaben oder bisheriger Nutzungen, die in den Ist-Zustand eingegangen sind, nicht in die Summationsprüfung einzustellen, sondern der Vorbelastung zuzuordnen.379 In den vergangenen Jahren wurde allerdings, auch vor dem Hintergrund der Entscheidung des EuGH zum Kraftwerk Moorburg,380 diskutiert, ob eine sogenannte Rückkumulation auf den Zeitpunkt der Gebietsausweisung erforderlich ist.381 Nach dem OVG Berlin-Brandenburg soll der „Stichtag“ für die Abgrenzung von Vorbelastungen und dem einem Projekt unmittelbar zuzurechnenden Auswirkungen der Zeitpunkt der Aufnahme der betroffenen Gebiete in die von der Kommission zu erstellende Liste sein.382 Diese Entscheidung zu einer erstmaligen Verträglichkeitsprüfung in der 374 BVerwG 27.3.2014, 4 CN 3.13, BVerwGE 149, 229, Rn. 29. 375 Vgl. BVerwG 22.1.2004, 4 A 32.02, BVerwGE 120, 87, 101 = UPR 2016, 259; BVerwG 27.3.2014, 4 CN 3.13, BVerwGE 149, 229 Rn. 18 = UPR 2014, 345. 376 BVerwG 27.3.2014, 4 CN 3.13, BVerwGE 149, 229 Rn. 25 = UPR 2014, 345. 377 BVerwG 17.12.2021, 7 C 7/20, UPR 2022, 293, 295. 378 BVerwG 15.5.2019, 7 C 27/17, juris Leitsatz. 379 BVerwG 15.7.2016, 9 C 3.16, juris Rn 55. 380 EuGH 26.4.2017, Rs. C-142/16. 381 Fellenberg NVwZ 2019, 177, 179 f. 382 OVG Berlin-Brandenburg 28.8.2019, OVG 11 S 51.19, juris Rn. 27. Kappes

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Erstes Kapitel – Allgemeine Vorschriften über die Aufsuchung und Gewinnung

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Hauptbetriebsplanzulassung für einen bereits vor Umsetzung der FFH-Richtlinie zugelassenen Tagebau ist jedenfalls für eine allgemeine Abgrenzung von Vorbelastung und Kumulation nicht geeignet. Damit wären sämtliche Auswirkungen durch nach der Aufnahme in die Liste umgesetzter Projekte in der Kumulationsprüfung zu berücksichtigen, woraus sich im Einzelfall eine absolute Vorhabenssperre für neue Projekte ergeben könnte. Dieser Ansatz ist schon mit Blick auf den unverhältnismäßigen Aufwand für historische Recherchen abzulehnen, zumal die Vermeidung schleichender Gebietsverschlechterungen Aufgabe des Gebietsmanagements ist. Das BVerwG hat zwischenzeitlich bestätigt, dass eine Rückbeziehung der Summationsprüfung auf den Zeitpunkt der Unterschutzstellung der FFH-Gebiete im Dezember 2004 in der Regel nicht geboten ist. Die Einbeziehung bereits realisierter Vorhaben in die Vorbelastung bewirkt in der Regel keine unzulässige Reduzierung des Schutzniveaus. Vorbelastungen können den Erhaltungszustand so verschlechtern, dass nur noch geringe Zusatzbelastungen toleriert werden können. Zwar kann sich der Ansatz des Rückbezugs auf die Unterschutzstellung auf das unionsrechtliche Vorsorgeprinzip stützen; er berücksichtigt aber nicht genügend den ebenfalls unionsrechtlich begründeten Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.383 Um die projektbedingten Einwirkungen zutreffend auf ihre Erheblichkeit hin beurteilen zu 107h können, hat die Verträglichkeitsprüfung eine sorgfältige Bestandserfassung und -bewertung der von dem Projekt betroffenen maßgeblichen Gebietsbestandteile zu leisten. Dazu bedarf es keiner flächendeckenden Ermittlung des floristischen und faunistischen Gebietsinventars sowie der Habitatstrukturen. Vielmehr genügt die Erfassung und Bewertung der für die Erhaltungsziele maßgeblichen Gebietsbestandteile in einem solchen Umfang, der es zulässt, die Einwirkungen des Projekts zu bestimmen und bewerten werden können.384 In der Praxis zu Unsicherheiten und Verzögerungen in den Zulassungsverfahren aufgrund von Nacherhebungen führt dabei insbesondere die Frage der Datenaktualität. Es gibt keine gesetzlichen Vorgaben zur Aktualität der Datengrundlage. In der behördlichen und naturschutzfachlichen Praxis wird teilweise eine „5-Jahres-Regel“ herangezogen. Das BVerwG hat klargestellt, dass es als Leitlinie für die Praxis im Ansatz sinnvoll sein mag, die Tauglichkeit der Datengrundlage an einer zeitlichen – in der Regel fünfjährigen – Grenze auszurichten. Eine solche Grenze kann aber nur einen allgemeinen Anhalt bieten. Sie ändert nichts daran, dass die Aktualität der Datengrundlage nach Maßgabe praktischer Vernunft unter Berücksichtigung der jeweiligen Einzelfallumstände zu beurteilen ist.385 So kann insbesondere bei einem großflächigen Untersuchungsgebiet die Aktualisierung von Datenbeständen in einem Teilgebiet auch Rückschlüsse auf die Verlässlichkeit älterer Daten für ein anderes Teilgebiet zulassen; eine fortlaufende Aktualisierung aller Bestandsdaten kann nicht verlangt werden.386 In der FFH-VP gilt ein strenger Prüfmaßstab. Ob ein Vorhaben zu „erheblichen Beeinträchti- 107i gungen“ führen kann, ist vorrangig eine naturschutzfachliche Fragestellung, die anhand der Umstände des jeweiligen Einzelfalles beantwortet werden muss.387 Maßgebliches Beurteilungskriterium ist der günstige Erhaltungszustand der geschützten Lebensräume und Arten im Sinne der Legaldefinitionen des Art. 1 lit. e und i der FFH-Richtlinie; dieser muss trotz Durchführung des Vorhabens stabil bleiben, ein bestehender schlechter Erhaltungszustand darf jedenfalls nicht weiter verschlechtert werden. Die Verträglichkeitsprüfung ist indes nicht auf ein – wissenschaftlich nicht nachweisbares – „Nullrisiko“ auszurichten. Ein Projekt ist vielmehr dann zulässig, wenn nach Abschluss der Verträglichkeitsprüfung unter Berücksichtigung der besten einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse, d.h. nach Ausschöpfung aller wissenschaftlichen Mittel und Quellen kein vernünftiger Zweifel verbleibt, dass erhebliche Beeinträchtigungen vermieden werden. Die Prüfung darf nicht lückenhaft sein und muss vollständige, präzise und endgültige Feststellungen enthalten. Soweit sich Unsicherheiten über Wirkungszusammenhänge auch bei Ausschöpfung der einschlägigen Erkenntnismittel nicht 383 384 385 386 387 393

BVerwG 15.5.2019, 7 C 27/17, juris Rn. 45 ff. BVerwG 14.4.2010, 9 A 5/05, juris Rn. 50. BVerwG 3.11.2020, 9 A 7/19, juris Rn. 319. BVerwG 9.2.2017, 7 A 2.15, BVerwGE 158, 1 Rn. 149 f. Schlussanträge der Generalanwältin Kokott zu Rs. C-127/02, Nr. 62. Kappes

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Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

ausräumen lassen, ist es zulässig, mit Prognosewahrscheinlichkeiten und Schätzungen zu arbeiten, die kenntlich gemacht und begründet werden müssen.388 Zulässig ist auch ein Analogieschluss, mit dem bei Einhaltung eines wissenschaftlichen Standards bestehende Wissenslücken überbrückt werden. Ebenfalls zulässig ist eine Worst-Case-Betrachtung, die im Zweifelsfall verbleibende negative Auswirkungen des Vorhabens unterstellt. Allerdings muss dadurch ein Ergebnis erzielt werden, das hinsichtlich der untersuchten Fragestellung „auf der sicheren Seite“ liegt. Zugunsten des Projekts dürfen die vom Vorhabenträger geplanten oder von der Planfeststellungsbehörde angeordneten Schutz- und Kompensationsmaßnahmen berücksichtigt werden, sofern sie sicherstellen, dass erhebliche Beeinträchtigungen verhindert werden.389 Bei der Abgrenzung zwischen ohnehin erforderlichen Erhaltungsmaßnahmen und überobligatorischen Schadensbegrenzungsmaßnahmen (in der neueren Diktion der Kommission „Abschwächungsmaßnahmen“) darf sich der Unternehmer an dem Managementplan für das betreffende Gebiet orientieren. Lässt der Plan keine offenkundigen Fehleinschätzungen oder Versäumnisse erkennen, dürfen Vorhabenträger und Genehmigungsbehörde darauf vertrauen, dass die zuständigen Behörden ihre Entscheidungsspielräume rechtmäßig ausgeübt haben und ihren habitatschutzrechtlichen Verpflichtungen nachgekommen sind.390 Ergibt die Verträglichkeitsprüfung, dass das Projekt nicht nur theoretisch zu erheblichen Be108 einträchtigungen des Gebietes in seinem für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteile führen kann, ist das Projekt grundsätzlich unzulässig (§ 34 Abs. 2 BNatSchG). Eine Ausnahme hierzu ist jedoch möglich, wenn das Projekt aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art, notwendig ist, und keine zumutbare Alternative für das Projekt besteht (§ 34 Abs. 3 BNatSchG). Eine abschließende Definition, was unter öffentlichem Interesse zu verstehen ist, enthält weder die FFH-RL (Art. 6 Abs. 4) noch das BNatSchG. Zu den zwingenden Gründen des öffentlichen Interesses zählen gemäß § 34 Abs. 3 Nr. 1 BNatSchG auch solche wirtschaftlicher Art, die auch die Verfolgung von Zielen der Wirtschaftspolitik einschließt.391 Dies steht im Einklang mit Art. 2 Abs. 3 FFH-RL, wonach Maßnahmen nach der FFH-RL auch den Anforderungen der Wirtschaft Rechnung tragen. Als öffentliches Interesse ist auch die Sicherung der Rohstoffversorgung durch die Rohstoffgewinnung392 aus heimischen Lagerstätten (vgl. § 1 BBergG) anzusehen. Der planmäßige Lagerstättenabbau stellt einen Beitrag zu der angestrebten Sicherung einer preisgünstigen und von Importen unabhängigen Rohstoffversorgung.393 Dabei ist es unerheblich, ob es sich um einen privaten oder öffentlichen Projektträger handelt.394 Die durch den heimischen Abbau energetischer Bodenschätze gewährleistete Energieversorgung stellt ein Gemeinschaftsinteresse höchsten Ranges dar.395 Im Rahmen der Abweichungsprüfung nach § 34 Abs. 3 BNatSchG kann der objektive Bedarf am Abbau eines Bodenschatzes in einem FFH-Gebiet einzelfallbezogen in die Gewichtung des mit dem Vorhaben verbundenen öffentlichen Interesses einfließen.396 Daneben kann die Rohstoffgewinnung auch durch den Erhalt von Arbeitsplätzen und seine Wertschöpfung als Basis für einen 388 BVerwG 3.11.2020, 9 A 12/20, BVerwGE 170, 33, Rn. 365 m.w.N. 389 EuGH 14.1.2016, C-399/14 DVBl 2016, 566 f.; EuGH 26.4.2017, C-142/16, DVBl 2017, 838 Rn. 57; BVerwG 3.11.2020, 9 A 12/ 19, BVerwGE 170, 33, Rn. 364; BVerwG 28.3.2013, 9 A 22.11, BVerwGE 146, 145 Rn. 41; BVerwG 3.5.2013, 9 A 16.12, BVerwGE 146, 254 Rn. 28 BVerwG 23.4.2014, 9 A 25.12, BVerwGE 149, 289 Rn. 48. 390 BVerwG 12.6.2019, 9 A 2/18, BVerwGE 166, 1, 4. Leitsatz. 391 Europäische Kommission (Hrsg.) Auslegungsleitfaden zu Artikel 6 Absatz 4 der Habitat-Richtlinie 92/43/EWG, 2007, Anmerkung 1.3.2. 392 Leitfaden der Europäischen Kommission zur Rohstoffgewinnung durch die NEEI unter Berücksichtigung der Anforderungen an Natura 2000-Gebiete (2011) auch mit einem Hinweis auf die Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat „Die Rohstoffinitiative, Sicherung der Versorgung Europas“ mit den für Wachstum und Beschäftigung notwendigen Gütern (KOM (2008) 699 endgültig). 393 OVG Berlin 5.7.2007, OVG 2 S 25/07, ZfB 2007, 259, 270. 394 Jarass NuR 2007, 371, 376. 395 OVG Berlin 5.7.2007, OVG 2 S 25/07, ZfB 2007, 259, 270. 396 VGH Mannheim 24.3.2013, 10 S 216/13, NuR 2014, 434, 436. Kappes

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im öffentlichen Interesse liegenden Strukturwandel bilden.397 Zu den auch als öffentliches Interesse geltenden Gesichtspunkten der Freizeit und Erholung zählt auch die Wiedernutzbarmachung von z.B. Tagebauen durch Landschaftsseen.398 Bei erheblichen Beeinträchtigungen von prioritären natürlichen Lebensraumtypen oder prioritären Arten, die im Anhang II FFH-RL mit * gekennzeichnet sind (§ 7 Abs. 2 Nr. 11 BNatSchG), können nur solche öffentlichen Interessen im Zusammenhang mit der Gesundheit des Menschen und der öffentlichen Sicherheit geltend gemacht werden sowie Projekte, die mit erheblichen Vorteilen für die Umwelt verbunden sind (§ 34 Abs. 4 Satz 1 BNatSchG). Hierunter können auch bestimmte bergbauliche Tätigkeiten fallen. So dienen die im Rahmen der Wiedernutzbarmachung alter Bergbaustandorte durchgeführten Maßnahmen zur Beseitigung von Gefahren durch Setzungsfließen oder Hangrutschungen399 oder das Sichern von Stollenmundlöchern der öffentlichen Sicherheit und dem Gesundheitsschutz. Andere Ausnahmegründe können nur nach Einholung einer Stellungnahme der Kommission berücksichtigt werden (§ 34 Abs. 4, Satz 2 BNatSchG). Voraussetzung nach § 34 Abs. 3 Nr. 1 BNatSchG ist, dass diese öffentlichen Interessen überwiegen müssen. Danach hat eine Abwägung zwischen dem Gewicht des mit dem Projekt verfolgten öffentlichen Interesses, u.a. der Rohstoffgewinnung, einerseits und dem Ausmaß der Beeinträchtigung der Erhaltungsziele des fraglichen Schutzgebiets andererseits durchzuführen, wobei bei letzterem auch zu beachten ist, ob es sich um prioritäre natürliche Lebensraumtypen oder prioritäre Arten handelt oder nicht. Eine unmittelbare Anwendung der Rohstoffsicherungsklausel des § 48 Abs. 1 Satz 2 ist aufgrund der europäischen Vorgaben fraglich. Darüber hinaus setzt eine Ausnahme voraus, dass keine zumutbare Alternative besteht, 109 den mit dem Projekt verfolgten Zweck an anderer Stelle ohne oder mit geringeren Beeinträchtigungen zu erreichen. (§ 34 Abs. 3 Nr. 2 BNatSchG). Standortalternativen dürften aufgrund der Lagerstättengebundenheit bei der untertägigen Rohstoffgewinnung und Tagebauen kaum bestehen. Alternativen bei der Ausführung der bergbaulichen Tätigkeit zur Verminderung der Beeinträchtigungen können dagegen im Einzelfall möglich sein. Eine sogenannte Null-Variante stellt keine Alternativlösung im Sinne des § 34 Abs. 3 Nr. 2 BNatSchG dar.400 Vielmehr setzt eine Alternativlösung voraus, dass die zulässigerweise verfolgten Planungsziele trotz ggf. hinnehmbarer Abstriche auch mit ihr erreichen lassen.401 Voraussetzung einer Alternative ist, dass damit eine geringere Beeinträchtigung der Erhaltungsziele und des Schutzzweckes des Gebietes verbunden ist und sie für den Projektträger zumutbar ist, d.h. nicht außerhalb jedes vernünftigen Verhältnisses zu dem damit erzielbaren Gewinn für die betroffene gemeinschaftlichen Schutzgüter stehen.402 Liegen die Voraussetzungen für eine Ausnahme gemäß § 34 Abs. 3 BNatSchG vor, hat die 110 Behörde das Vorhaben aus naturschutzrechtlicher Sicht zuzulassen; eine Berücksichtigung der dem Projekt entgegenstehenden habitatrechtlichen Schutzinteresses ist nämlich bereits mit der Feststellung des Überwiegens der öffentlichen Interesse erfolgt.403 Wenn ein Projekt gemäß § 34 Abs. 3 BNatSchG zulässig ist, sind Kompensations- oder sogenannte 111 Kohärenzsicherungsmaßnahmen durchzuführen. Zweck dieser Maßnahmen ist die von dem Projekt ausgehenden Beeinträchtigungen der Erhaltungsziele der betroffenen Schutzgebiete und die damit verbundenen Funktionseinschränkungen zu kompensieren.404 Mit diesen Maßnahmen soll ein gezielter Ausgleich für die negativen Auswirkung eines Plans oder Projekts auf die zu schützenden Arten oder Lebensräume geschaffen werden.405 Die Einzelmaßnahmen bestimmen sich danach funktions397 398 399 400 401 402 403 404 405

OVG Berlin 5.7.2007, OVG 2 S 25/07, ZfB 2007, 259, 269. Spieth/Appel NuR 2009, 669, 671. Frenz ZfB 2002, 23, 30. BVerwG 17.1.2007, 9 A 20/05, BVerwGE 128, 1, Rn. 142. BVerwG 17.5.2002, 4 A 28/01, BverwGE 116, 254, 310. BVerwG 12.3.2008, G A 3/06, BverwGE 130, 299, Rn. 172; Lütkes/Ewer/Ewer BNatSchG, § 34 Rn. 61. Lütkes/Ewer/Ewer BNatSchG, § 34 Rn. 63. BVerwG 12.3.2008, 9 A 3.06, NuR 2008, 633, 654. Europäische Kommission (Hrsg.), Natura 2000 — Gebietsmanagement. Die Vorgaben des Artikels 6 der HabitatRichtlinie 92/43/EWG (2019), Ziff. 5.4.1, S. 64. 395

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bezogen von den Beeinträchtigungen her. Der Funktionsbezug ist dabei nicht nur das Kriterium zur Bestimmung von Art und Umfang der Kohärenzsicherungsmaßnahmen, sondern auch zur Bestimmung des notwendigen räumlichen und zeitlichen Zusammenhangs zwischen der Gebietsbeeinträchtigung und den Maßnahmen.406 Als Maßnahmen kommen z.B. die Wiederherstellung des verbleibenden Lebensraumes oder die Neuanlage eines Lebensraumes und neuer Schutzgebiete des Netzes Natura 2000.407 So kann es z.B. bei Tagebauen geboten sein, die Beseitigung geschützter Tiere durch deren Umsiedlung außerhalb des Schutzgebietes zu kompensieren.408 Ein räumlicher Zusammenhang ist nur dort erforderlich, wo dies wegen des Schutzes und der Weiterentwicklung bestimmter Populationen aus naturschutzfachlicher Sicht geboten ist. Kohärenzsicherungsmaßnahmen gemäß § 34 Abs. 5 BNatSchG können gleichzeitig Ausgleichsmaßnahmen nach § 15 Abs. 2 BNatSchG sein, wobei die speziellen Verpflichtungen des § 34 Abs. 5 BNatSchG vorrangig sind. Allerdings muss gewährleistet sein, dass für dieselbe Beeinträchtigung nicht doppelt Ausgleichsmaßnahmen verlangt werden.409 Kohärenzsicherungsmaßnahmen können in Einzelfällen selbst Eingriffe gemäß § 14 BNatSchG darstellen, sie sind jedoch wegen des „naturschutznäheren Endziels“ zulässig.410 Für die Umsetzung von Kohärenzsicherungsmaßnahmen können umfangreiche zeitaufwändige Maßnahmen, wie z.B. die Schaffung neuer Lebensräume für bestimmte Tiere erforderlich sein, die vor Projektbeginn nicht abgeschlossen werden können oder die noch kein funktionsfähiges Ersatzhabitat darstellen. Dies steht nicht im Wiederspruch zu § 34 Abs. 5 BNatSchG, wenn sichergestellt ist, dass die Kohärenzsicherungsmaßnahmen rechtzeitig bis zur Vollendung des Projektes ergriffen werden411 und das Ziel, Nettoverluste für die globale Kohärenz des Netzes Natura 2000 zu vermeiden, nicht in Frage gestellt wird.412 Nähere Einzelheiten zu der Verträglichkeitsprüfung bei Rohstoffgewinnungsvorhaben enthält 112 der Leitfaden der Europäischen Kommission zur Rohstoffgewinnung durch die NEEI unter Berücksichtigung der Anforderungen an Natura 2000-Gebiete; vgl. auch Rahmenvereinbarung zwischen dem Hessischen Ministerium für Umwelt, Energie, Landwirtschaft und Verbraucherschutz und dem Bundesverband Keramische Rohstoffe und Industrieminerale vom 4.7.2012.413 Allgemeine Auslegungsleitlinien ergeben sich aus dem 2019 aktualisierten Leitfaden der Europäischen Kommission „Natura 2000 — Gebietsmanagement. Die Vorgaben des Artikels 6 der Habitat-Richtlinie 92/43/EWG“ (2019/C 33/01)414 sowie aus dem Leitfaden „Prüfung von Plänen und Projekten in Bezug auf Natura2000-Gebiete – Methodik-Leitlinien zu Artikel 6 Absätze 3 und 4 der FFH-Richtlinie 92/43/EW.415

6. Artenschutz 112a Äußere Planungsgrenzen werden einem Bergbauvorhaben auch durch das Artenschutzrecht gezogen. Nach ständiger Rechtsprechung ist in der Vorhabenzulassung zu prüfen, ob das Vorha-

406 BVerwG 12.3.2008, 9 A 3/06, BVerwGE 130, 299, Rn. 200. 407 Europäische Kommission (Hrsg.), Prüfung von Plänen und Projekten in Bezug auf Natura 2000-Gebiete – Methodik-Leitlinien zu Artikel 6 Absätze 3 und 4 der FFH-Richtlinie 92/43/EW. S. 64; BVerwG 12.3.2008, 9 A 3/06, BVerwGE 130, 299, 199 ff. 408 Vgl. hierzu OVG Berlin 5.7.2007, OVG 2 S 25/07, ZfB 2007, 259. 409 BVerwG 12.3.2008, 9 A 3/06, BVerwGE 130, 299, Rn. 203. 410 Lütkes/Ewer/Ewer BNatSchG, § 34 Rn. 73. 411 BVerwG 12.3.2008, 9 A 3/06, BVerwGE 130, 299, Rn. 200; VGH Kassel 2.1.2009, 11 B 368/085, NuR 2009, 255, 275; Spieth/ Appel NuR 2009, 669, 674. 412 OVG Berlin 5.7.2007, OVG 2 S 25/07, ZfB 2007, 259, 276; Europäische Kommission (Hrsg.), Auslegungsleitfaden zu Artikel 6 Absatz 4 der Habitat-Richtlinie 92/43/EWG (2007), S. 22. 413 Maybaum in: Bundesamt für Naturschutz (Hrsg.), Natura 2000 – Kooperation von Naturschutz und Nutzern, S. 17. 414 Abl. EU C33/25 vom 25.1.2019, S. 1, abrufbar unter https://ec.europa.eu/environment/nature/natura2000/manage ment/docs/art6/DE_art_6_guide_jun_2019.pdf. 415 Bekanntmachung der Kommission vom 28.9.2021 (C (2021) 6931 final), abrufbar unter https://ec.europa.eu/environ ment/nature/natura2000/management/pdf/methodological-guidance_2021-10/DE.pdf. Kappes

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ben zur Auslösung von Verbotstatbeständen nach § 44 Abs. 1 BNatSchG führt.416 Sofern artenschutzrechtliche Konflikte fachlich bereits auf der Ebene der Rahmenbetriebsplanzulassung hinreichend geprüft werden können, ist die artenschutzrechtliche Prüfung dort vorzunehmen. Nach dem BVerwG erfordert die Zulassung des Rahmenbetriebsplans eine artenschutzrechtliche Vollprüfung. Der artenschutzrechtliche Konflikt muss im Planfeststellungsbeschluss erkannt und nicht nur grundsätzlich, sondern auch im Einzelnen bewältigt worden sein. Keine unzulässige Verlagerung der Konfliktbewältigung auf nachfolgende Hauptbetriebspläne liegt darin, wenn die Rahmenbetriebsplanzulassung durch Nebenbestimmungen aktuelle Bestandserfassungen der betroffenen Arten und ggf. erforderliche Anpassung der Maßnahmen in späteren Betriebsplänen anordnet.417 Die artenschutzrechtliche Prüfung erfordert zunächst eine Bestandserfassung. Nach der ständigen Rechtsprechung des BVerwG setzt die Prüfung, ob einem Planvorhaben artenschutzrechtliche Verbote entgegenstehen, eine ausreichende Ermittlung und Bestandsaufnahme der im Trassenbereich vorhandenen Tierarten und ihrer Lebensräume voraus. Die Methode der Bestandserfassung ist nicht normativ festgelegt; sie hängt maßgeblich von den naturräumlichen Gegebenheiten des Einzelfalls ab.418 Das verpflichtet die Behörde jedoch nicht, ein lückenloses Arteninventar zu erstellen. Die Untersuchungstiefe hängt vielmehr maßgeblich von den naturräumlichen Gegebenheiten im Einzelfall ab. Der individuumsbezogene Ansatz der artenschutzrechtlichen Vorschriften verlangt Ermittlungen, deren Ergebnisse die Behörde in die Lage versetzen, die tatbestandlichen Voraussetzungen der Verbotstatbestände zu überprüfen. Hierfür benötigt sie Daten zur Häufigkeit und Verteilung der geschützten Arten sowie deren Lebensstätten im Eingriffsbereich. Die notwendige Bestandsaufnahme wird sich regelmäßig aus zwei wesentlichen Quellen speisen, nämlich der Auswertung bereits vorhandener Erkenntnisse und einer Bestandserfassung vor Ort, deren Methodik und Intensität von den konkreten Verhältnissen im Einzelfall abhängt. Erst durch eine aus beiden Quellen gewonnene Gesamtschau kann sich die Behörde regelmäßig die erforderliche hinreichende Erkenntnisgrundlage verschaffen. Wenn allerdings bestimmte Vegetationsstrukturen sichere Rückschlüsse auf die faunistische Ausstattung zulassen, so kann es mit der gezielten Erhebung der insoweit maßgeblichen repräsentativen Daten sein Bewenden haben.419 Die Behörde ist nicht verpflichtet, ein lückenloses Arteninventar zu erstellen.420 Sind von Untersuchungen keine weiterführenden Erkenntnisse zu erwarten, müssen sie auch nicht durchgeführt werden. Untersuchungen quasi „ins Blaue hinein“ sind nicht veranlasst. Erforderlich, aber auch ausreichend ist – auch nach den Vorgaben des europäischen Gemeinschaftsrechts – eine am Maßstab praktischer Vernunft ausgerichtete Prüfung.421 Für die Aktualität der Datengrundlage gilt das zur Bestandserhebung für die FFH-Verträglichkeitsprüfung Gesagte. Nach dem Tötungsverbot des § 44 Abs. 1 BNatSchG ist es verboten, Tieren der besonders 112b geschützten Arten nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen oder zu töten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören. Das Tötungsverbot ist individuenbezogen zu prüfen. Gemäß § 44 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 BNatSchG liegt jedoch bei den privilegierten Eingriffsvorhaben hinsichtlich der europäisch geschützten Arten (und der nationalen Verantwortungsarten) ein Verstoß gegen das Tötungs- und Verletzungsverbot nicht vor, wenn die Beeinträchtigung durch den Eingriff oder das Vorhaben das Tötungs- und Verletzungsrisiko für Exemplare der betroffenen Arten nicht signifikant erhöht und diese Beeinträchtigung bei Anwendung der gebotenen, fachlich anerkannten Schutzmaßnahmen nicht vermieden werden kann. Der Gesetzgeber hat damit das in der Rechtsprechung entwickelte Signifikanzkriterium normiert. Die Bestimmung der Signifikanz ist naturschutzfachliche Frage des Einzelfalls. Umstände, die für 416 417 418 419 420 421 397

BVerwG 12.8.2009, 9 A 64/07, BVerwGE 134, 308, 316; BVerwG 18.3.2009, 9 A 39/07, BVerwGE 133, 239, 252. BVerwG 6.10.2022, 7 C 4/21, juris Ls. 1 und Rn. 15. BVerwG 3.11.2020, 9 A 7/19, juris Rn. 399; BVerwG 9.7.2008, 9 A 14/07, BVerwGE 131, 274, 289. BVerwG 9.7.2008, 9 14/07, BVerwGE 131, 274, 289. BVerwG 14.3.2018, 4 A 5/17, juris Rn. 70. BVerwG 12.8.2009, 9 A 64/07, BVerwGE 134, 308, 316. Kappes

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die Beurteilung der Signifikanz eine Rolle spielen, sind insbesondere artspezifische Verhaltensweisen, häufige Frequentierung des durchschnittenen Raums und die Wirksamkeit vorgesehener Schutzmaßnahmen, darüber hinaus gegebenenfalls auch weitere Kriterien im Zusammenhang mit der Biologie der Art. 112c Das Störungsverbot des § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG verbietet, wild lebende Tiere der streng geschützten Arten und der europäischen Vogelarten während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Mauser-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten erheblich zu stören; eine erhebliche Störung liegt vor, wenn sich durch die Störung der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art verschlechtert. Eine lokale Population erfasst diejenigen (Teil-)Habitate und Aktivitätsbereiche der Individuen einer Art, die in einem für die Lebens(raum)ansprüche der Art ausreichenden räumlich-funktionalen Zusammenhang stehen.422 Der EuGH hat in seiner Entscheidung vom 4.3.2021 festgestellt,423 dass der Erhaltungszustand der Population erst im Rahmen der artenschutzrechtlichen Ausnahme, nicht aber auf Tatbestandsebene berücksichtigt werden darf. Seither ist umstritten, ob der EuGH damit jeglichem Populationsbezug des Störungsverbots eine Absage erteilt hat424 oder lediglich dem Abstellen auf den in Art. 16 FFH-RL genannten Erhaltungszustand einer Population der betroffenen Art in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet innerhalb der europäischen Mitgliedstaaten insgesamt – was das Störungsverbot des § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG mit dem Bezug auf die Lokalpopulation nicht tut.425 Insofern ist der Entscheidung vor dem Hintergrund der ihr zugrunde liegenden deutlich weniger restriktiven schwedischen Rechtslage nicht die Bedeutung einer vollständigen Neuausrichtung des Störungsverbots beizumessen. Aus diesen Gründen hat das BVerwG entschieden, dass die populationsbezogene Bestimmung der Erheblichkeitsschwelle auch nach der Entscheidung des EuGH im Einklang mit Art. 12 Abs. 1 Buchst. b) FFH-RL steht.426 Das Zerstörungsverbot des § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG verbietet, Fortpflanzungs- oder Ruhe112d stätten der wild lebenden Tiere der besonders geschützten Arten aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören. Für die nach § 44 Abs. 5 BNatSchG privilegierten Vorhaben liegt hinsichtlich der europäisch geschützten Arten (und der nationalen Verantwortungsarten) ein Verstoß gegen dieses Verbot nicht vor, wenn die ökologische Funktion der von dem Eingriff oder Vorhaben betroffenen Fortpflanzungs- und Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang weiterhin erfüllt wird. Der Begriff der Ruhe- oder Fortpflanzungsstätte in § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG ist eng auszulegen. Er umfasst nicht den allgemeinen Lebensraum der geschützten Arten und sämtliche Lebensstätten, sondern einen abgrenzbaren und für die betroffene Art besonders wichtigen Fortpflanzungs- und Ruhebereich. Dieser muss einen nicht nur vorübergehenden, den artspezifischen Ansprüchen genügenden störungsfreien Aufenthalt ermöglichen.427 Der EuGH hat den Lebensstättenschutz zuletzt erheblich ausgeweitet. Der Begriff der Fortpflanzungsstätte umfasst danach auch deren Umfeld, sofern sich dieses Umfeld als erforderlich erweist, um den in Anhang IV Buchst. a der FFH-Richtlinie genannten geschützten Tierarten, wie dem Cricetus cricetus (Feldhamster), eine erfolgreiche Fortpflanzung zu ermöglichen.428 Für Ruhestätten hatte der EuGH bereits zuvor einen ähnlich weiten Umgriff angedeutet.429 Geschützt sind auch Ruhestätten, die nicht mehr von einer der in Anhang IV Buchst. a FFH-RL genannten geschützten Tierarten beansprucht werden, sofern eine hinreichend hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass diese Art an diese Ruhestätten zurückkehrt.430 Auch nach dem BVerwG waren Ruhestätten bereits geschützt, wenn zu erwarten ist,

422 423 424 425 426 427 428 429 430

BVerwG 9.6.2010, 9 A 20/08, juris, Rn. 48; vgl. BT-Drs 16/5100 S. 11. EuGH 4.3.2021, C-473/19 u. C-474/19. Gellermann/Schumacher, NuR 2021, 182, 184. Fellenberg NVwZ 2021, 943, 945. BVerwG 6.10.2022, 7 C 4/21, juris Ls. 3 und Rn. 33. BVerwG 9.2.2017, 7 A 2/15, juris, Rn. 475. EuGH 28.10.2021, C 357-20, NuR 2021, 831. EuGH 2.7.2020, C-477/19, NVwZ 2020, 1186. EuGH 2.7.2020, C477/19, NVwZ 2020, 1186.

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dass sie regelmäßig wiederkehrend genutzt werden.431 Nahrungs-, Jagd- und potenzielle Lebensstätten sowie Wanderkorridore sind nicht geschützt.432 Ggf. sind funktionserhaltende oder konfliktmindernde Maßnahmen zu treffen, die unmittelbar räumlich mit dem betroffenen Bestand verbunden sind und so rechtzeitig durchgeführt werden, dass zwischen dem Erfolg der Maßnahmen und der Durchführung des Vorhabens keine zeitliche Lücke entsteht. Soweit erforderlich sind deshalb „vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen“ zur Sicherung der kontinuierlichen ökologischen Funktionalität (CEF-Maßnahmen) gemäß § 44 Abs. 5 Satz 3 BNatSchG durchzuführen. Dazu zählt beispielsweise die Schaffung von Ersatzhabitaten zur Umsiedlung von Arten vor dem Eingriff. Sind andere, rein national besonders geschützte Arten betroffen, liegt nach § 44 Abs. 5 Satz 5 BNatSchG bei Handlungen zur Durchführung eines Eingriffs oder Vorhabens kein Verstoß gegen die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote vor. Von den artenschutzrechtlichen Verboten können gemäß § 45 Abs. 8 BNatSchG Ausnahmen 112e zugelassen werden. Für Bergbauvorhaben kommt dies gem. § 45 Abs. 8 Satz 1 Nr. 5 BNatSchG in Betracht „aus anderen zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art“. Eine Ausnahme darf nur zugelassen werden, wenn zumutbare Alternativen nicht gegeben sind und sich der Erhaltungszustand der Populationen einer Art nicht verschlechtert, soweit nicht Art. 16 Abs. 1 der FFH-Richtlinie weitergehende Anforderungen enthält. Mit dem Verweis auf die FFH-Richtlinie soll die Europarechtskonformität der Regelung für die Fälle sichergestellt werden, in denen der Erhaltungszustand der Population nicht günstig ist (vgl. BT-Drs. 16/6780, 12). In diesen Fällen sind Ausnahmen weiterhin zulässig, wenn hinreichend nachgewiesen ist, dass sie nicht geeignet sind, den ungünstigen Erhaltungszustand dieser Populationen zu verschlechtern oder die Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands zu behindern.433 Leitlinien für die artenschutzrechtliche Prüfung ergeben sich aus dem 2021 aktualisierten 112f Leitfaden zum strengen Schutzsystem für Tierarten von gemeinschaftlichem Interesse im Rahmen der FFH-Richtlinie der Kommission.434

VII. Raumordnungsrecht Schrifttum Anders Abwägung in Regionalplänen bei der Festlegung von Konzentrationen, NuR 2004, 635; Burckhardt Das Verhältnis von Raumordnungsverfahren nach § 6a ROG und obligatorischen Rahmenbetriebsplanverfahren nach § 52 Abs. 2a BBergG bei Abbauvorhaben der Steine- und Erdenindustrie, ZfB 1994, 8; Degenhart Probleme der Braunkohlenplanung, in: FS Hoppe (2000), S. 695; Degenhart Braunkohlenplanung unter Gesetzesvorbehalt, DVBl 1996, 773; Degenhart Rechtsfragen der Braunkohlenplanung für Brandenburg (1996); Degenhart Braunkohlenplanung unter Gesetzesvorbehalt, DVBl 1996, 773; Erbguth Verfassungsrechtliche Fragen im Verhältnis Landesplanung und Braunkohlenplanung, DVBl 1982, 1; Erbguth Die nordrhein-westfälische Braunkohlenplanung und der Parlamentsvorbehalt, VerwArch 1995, 327; Erbguth Zulassungsverfahren des Bergrechts und Raumordnung – am Beispiel der Aufsuchung und Gewinnung von Kies und Sand in den neuen Bundesländern, VerwArch 1996, 258; Gaentzsch Rechtliche Fragen des Abbaus von Kies und Sand, NVwZ 1998, 889; Hahn Raumordnung und Landesplanung in der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Brandenburg, LKV 2006, 193; Hendler Normenkontrolle Privater gegen Raumordnungs- und Flächennutzungspläne, NuR 2004, 485; Hoppe Gelenkfunktion der Braunkohlenplanung zwischen Landesplanung und bergrechtlichem Betriebsplan, UPR 1983, 105; Hoppe/Spoerr Die Erfordernisse der Raumordnung im bergrechtlichen Betriebsplanverfahren – Raumordnungsrechtliche Grundlagen und die herkömmliche Betriebsplanzulassung, ZfB

431 432 433 434

BVerwG 9 A 14.12, NVwZ 2014, 714, 727. BVerwG 9.2.2017, 7 A 2/15, juris, Rn. 475. EuGH 10.10.2019, C-674-17, ZUR 2020, 54, 57. EU-Kommission 12.10.2021, C (2021) 7301 final, abrufbar unter: https://ec.europa.eu/info/law/better-regulation/haveyour-say/initiatives/12976-Leitfaden-zum-strengen-Schutz-von-Arten-von-gemeinschaftlichem-Interesse-im-Rahmen-der -Habitat-Richtlinie_de. 399

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1999, 11; Hoppe/Spoerr Bergrecht und Raumordnung (1999); Kühne Die Bedeutung der Erfordernisse der Raumordnung und Landesplanung bei bergbaulichen Vorhaben, DVBl 1984, 709; Kühne Braunkohlenplanung und bergrechtliche Zulassungsverfahren (1999); Lenz Chancen und Grenzen der Menschenrechtsbeschwerde – dargestellt am Beispiel der Horno-Entscheidungen des EGMR, LKV 2001, 443; Rausch Umwelt- und Planungsrecht beim Bergbau (1990); Salzwedel Garzweiler II im Spannungsfeld zwischen Bergrecht und Wasserrecht, FS Feldhaus (1999); Schink Planerische Abwägung bei der Festlegung von Vorranggebieten für die Rohstoffnutzung in der Raumordnung, UPR 2012, 369; Schlacke/ Schnittker Fracking und Raumordnung – Steuerungspotenziale der Landesentwicklungsplanung, ZUR 2016, 259; Schleifenbaum/Kamphausen Zum rechtlichen Stellenwert der Sondervorschriften für das Rheinische Braunkohlengebiet, UPR 1984, 43; H. Schulte Raumplanung und Genehmigung bei der Bodenschätzegewinnung (1996); Söfker Fortentwicklung des Raumordnungsrechts im Bauplanungsrecht und Raumordnungsgesetz, DVBl 1987, 597; Stevens Klage gegen Braunkohlenpläne, DVBl 2014, 349; Weller Das neue Bundesberggesetz und die Braunkohlenplanung, in: Materialien der Akademie für Raumordnung und Landesplanung (1983); R. Wolf Grundfragen der Entwicklung einer Raumordnung für die Ausschließliche Wirtschaftszone, ZUR 2005, 176.

1. Vorbemerkung 113 Wegen der mit der Rohstoffgewinnung verbundenen Inanspruchnahme der Oberfläche und der Standortbindung sind für bergbauliche Tätigkeiten und Einrichtungen die Raumordnung und Landesplanung von großer Bedeutung. Hierfür sind Bundes- und Landesgesetze maßgeblich.

2. Raumordnung des Bundes 114 Grundlage für die Raumordnung bildet das ROG vom 22.12.2008. Der Bund hat das ROG aufgrund seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz erlassen (Art. 74 Abs. 1 Nr. 31 GG). Die Länder können von den Vorschriften des ROG abweichende Regelungen treffen (Art. 72 Abs. 3 Nr. 4 GG). Regelungsziele des ROG sind die Entwicklung, die Ordnung und die Sicherung des Raumes. Das ROG enthält mit § 2 Abs. 2 Nr. 4 ROG eine spezielle Vorschrift für die Rohstoffgewinnung.

115 a) Grundsätze der Raumordnung. Bei Festlegungen für die Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Raumes, z.B. in Raumordnungsplänen, sind die Grundsätze der Raumordnung (§ 2 ROG) bei den hierfür notwendigen Abwägungs- und Ermessensentscheidungen zu berücksichtigen (§ 3 Abs. 1 Nr. 3 ROG). Zu den Grundsätzen der Raumordnung zählt der Rohstoffgrundsatz des § 2 Abs. 2 Nr. 4 ROG. 116 Hiernach sind „die räumlichen Voraussetzungen für die vorsorgende Sicherung sowie die geordnete Aufsuchung und Gewinnung von standortgebundenen Rohstoffen zu schaffen“. Er gilt grundsätzlich für alle unter- und übertägige Bodenschätze, unabhängig davon, ob diese dem Geltungsbereich des BBergG unterliegen. Dieser Grundsatz hat sowohl eine zukunfts- als auch eine gegenwartsbezogene Perspektive. Es sind die räumlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass der Zugang zu den überund untertägigen Rohstofflagerstätten erhalten oder geschaffen wird. Dies hat durch entsprechende Flächenausweisungen für übertägig gewinnbare Rohstofflagerstätten und für die notwendigen Betriebsflächen für über- und untertägige Bergbaubetriebe zu erfolgen. Eine unmittelbare planerische Vorgabe für unterirdische Nutzungen schreibt das ROG nicht vor.435 Hierbei ist zu berücksichtigen, dass Rohstoffe nicht vermehrbar sind, deren Gewinnung standortgebunden ist und „Überplanungen“ zugunsten anderer Flächennutzungen, insbesondere bei übertägiger Gewinnung, i.d.R. zum Verlust 435 A.A. wohl Hellriegel Konkurrenzkampf unter der Erde – Rechtsrahmen für eine Raumordnung zur Steuerung unterirdischer Nutzungen, in: Frenz/Preuße (Hrsg.), Unterirdische Raumplanung, S. 9, der jedoch auch nicht von einer „dreidimensionalen“ Raumplanung ausgeht. Vgl. auch Bovet UPR 2014, 418; Erbguth ZUR 2011, 121. Das LPlG S-H schließt ausdrücklich den Untergrund als beplanten Gesamtraum ein (§ 2 Abs. 2). Der Landesentwicklungsplan M-V sieht Vorrangräume für die Erdgas- und Wärmeenergiespeicherung vor. Kappes

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der Lagerstätte führen sowie die Flächen nach dem Abbau für andere Nutzungen zur Verfügung stehen. Die von einigen Ländern am voraussichtlichen Bedarf eines Bodenschatzes für einen bestimmten Zeitraum orientierten Ausweisung hat im ROG keine Stütze und berücksichtigt nicht die im ROG niedergelegten Besonderheiten der Rohstoffgewinnung.436 Andererseits sollen die räumlichen Voraussetzungen für eine geordnete Aufsuchung und Gewinnung geschaffen werden. Auch wenn der Rohstoffgrundsatz nicht nur für die dem BBergG unterliegenden Bodenschätze gilt, wird man bei den Begriffen Aufsuchung und Gewinnung auf die des BBergG zurückgreifen können.437 Eine geordnete Aufsuchung und Gewinnung bedarf der entsprechenden Ausweisung von Betriebsflächen. Aber auch bei der Ausweisung von Nachbarflächen ist zu beachten, dass der laufende Bergbaubetrieb möglichst nicht beeinträchtigt wird und eine Verkleinerung der notwendigen Vorratsflächen für die Fortsetzung des Betriebes vermieden wird. Die Standortbindung der Rohstoffgewinnung zeichnet sich nämlich nicht nur durch die Bindung an die Lagerstätte aus, sondern auch durch die der Lagerstätte folgende dynamische Betriebsweise. Eine Gewichtung der einzelnen Grundsätze zueinander hat der Gesetzgeber des ROG nicht 117 vorgenommen. Dennoch kommt dem Rohstoffgrundsatz des § 2 Abs. 2 Nr. 4 ROG ein hoher Stellenwert zu,438 wie die ausdrückliche Aufnahme des Rohstoffgrundsatzes bei den für Raumordnungspläne anzustrebenden Freiraumstrukturen zeigt (§ 8 Abs. 5 Nr. 2 lit. b) ROG). Dies gilt auch deshalb, weil der Gesetzgeber den Rohstoffgrundsatz im Gegensatz zu anderen Grundsätzen in die Form eines unbedingten Auftrags gefasst hat („Es sind die Voraussetzungen … zu schaffen“) und damit eine im Vergleich zu den Vorgängerregelungen stringentere Fassung gewählt hat.439 Die Grundsätze der Raumordnung sind von öffentlichen Stellen bei ihren Planungen und 118 Entscheidungen zu berücksichtigen (§ 4 Abs. 1 ROG); indem sie als Leitlinien für Abwägungsund Ermessensentscheidungen anzuwenden sind, ohne dass damit zusätzliche Abwägungs- oder Ermessensräume geschaffen werden. Bereits aus der Vielschichtigkeit und Unterschiedlichkeit der einzelnen Grundsätze ergibt sich, dass nach einer Abwägung einzelne Belange nicht zum Zuge kommen. Die Bindungspflicht für die Grundsätze besteht nur für öffentliche Stellen; für Personen des Privatrechts handelt es sich nur um einen Rechtsreflex.440 Dies gilt auch bei bergrechtlichen Planfeststellungsverfahren, da für den Planfeststellungsbeschluss die für die Entscheidung maßgeblichen Vorschriften gelten (§ 57a Abs. 4 Satz 1) und in diesem Verfahren keine hierzu zusätzlichen Abwägungsspielräume geschaffen werden. Grundsätze der Raumordnung können aufgrund ihrer fehlenden Letztentscheidungswirkung einer bergrechtlichen Betriebsplanzulassung oder Erteilung einer Bergbauberechtigung nicht entgegenstehen. Grundsätze der Raumordnung, die nicht als Rechtsvorschrift oder Satzung erlassen wurden, 119 können nicht mittels einer Normenkontrolle gerichtlich überprüft werden. Grundsätze der Raumordnung und Länderplanung haben keine drittschützende Wirkung.441

b) Ziele der Raumordnung. Ziele der Raumordnung sind für öffentliche Stellen verbindliche 120 Vorgaben für die Nutzung einer Fläche, die nach abschließender Abwägung der verschiedenen Belange durch eine räumlich und sachlich bestimmte oder bestimmbare textlich oder zeichnerische Festlegung erfolgen (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 ROG). Die Ziele sind das Ergebnis eines Abwägungsvorganges und können bei einer weiteren Abwägung auf nachgeordneter Planungsebene nicht mehr in Frage gestellt werden (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ROG).442 Die Festlegungen erfolgen in Raumordnungsplänen, Regionalplänen, wie z.B. Braunkohlenplänen, und regionalen Flächennutzungsplä436 437 438 439 440 441 442 401

Offen gelassen BVerwG 18.1.2011 7 B 19/10, ZfB 2011, 92, Rn. 48. Söfker DVBl 1987, 597, 602. Söfker DVBl 1987, 597, 603. Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 56 Anhang Rn. 413. VGH München 11.10.2012, 8 ZB 11/528, NuR 2013, 754, 755; Spannowsky/Runkel/Goppel ROG, § 4 Rn. 48. OVG Münster 10.8.1989, 12 A 217/88, ZfB 1990, 43, 44. VGH Mannheim 15.12.2012, 8 S 2525/09, DVBl 2013, 384 m.w.N. Kappes

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nen. Bei der erforderlichen Abwägung sind die Grundsätze des § 2 ROG und Festlegungen höherrangiger Raumordnungspläne zu beachten.443 Die für die Anerkennung als Ziel der Raumordnung notwendige räumliche und sachliche Konkretisierung ist nicht gegeben, wenn sie nicht über den Inhalt des § 35 Abs. 3 BauGB hinausgeht.444 Planaussagen haben nur dann Zielqualität, wenn sie als solches gekennzeichnet sind (§ 7 Abs. 4 ROG), die Planaussagen hinreichend räumlich und sachlich konkret sind und bei der Festlegung die von ihr berührten Belange gegenseitig und untereinander fehlerfrei abgewogen worden sind.445 Die raumordnerischen Pläne sollen Aussagen zu den Siedlungs- und Freiraumstrukturen sowie Standorten für Infrastrukturvorhaben enthalten (§ 8 Abs. 5 ROG). Zu den Freiraumstrukturen zählen auch Standorte für die vorsorgende Sicherung sowie die geordnete Aufsuchung und Gewinnung von standortgebundenen Rohstoffen (§ 8 Abs. 5 Nr. 2 Buchst. b) ROG). § 8 Abs. 7 ROG enthält hierzu eine Kategorisierung festzulegender Raumordnungsgebiete. In sog. Vorranggebieten haben bestimmte Nutzungen nach einem vollständigen und rechtmäßigen Abwägungsprozess Vorrang, so dass andere Nutzungen, soweit sie nicht mit der festgelegten Nutzung vereinbar sind, unzulässig sind (§ 8 Abs. 7 Nr. 1 ROG). Die Festlegung als Vorranggebiet stellt ein Ziel der Raumordnung mit strikter Ausschlusswirkung für andere Nutzungen dar.446 Durch das am 3. März 2023 beschlossene Gesetz zur Änderung des Raumordnungsgesetzes und anderer Vorschriften (ROGÄndG)447 mit Inkrafttreten am 28. September 2023 neu eingefügt wurden Vorranggesetze mit Ausschlusswirkung (§ 7 Abs. 3 ROG n.F.). Wird durch die Festlegung von Vorranggebieten der jeweiligen Nutzung oder Funktion substantiell Raum verschafft, kann danach festgelegt werden, dass diese Nutzung oder Funktion an anderer Stelle im Planungsraum ausgeschlossen ist. Die Ermittlung der Vorranggebiete mit derartiger Ausschlusswirkung erfolgt auf der Grundlage eines gesamträumlichen Planungskonzepts der planfeststellenden Stelle. Eine systematische Unterscheidung, ob der Ausschluss aus tatsächlichen, rechtlichen oder planerischen Gründen erfolgt, ist nach Satz 5 nicht erforderlich. Damit sollen Regelungen zur Planerhaltung gestärkt werden.448 Auf die Ausweisung von Windenergiegebieten in Raumordnungsplänen sowie Photovoltaik finden die Vorschriften über Vorranggebiete mit Ausschlusswirkung keine Anwendung (§ 7 Abs. 3 Satz 6 bis 8 ROG n.F.). Vorbehaltsgebiete sind Gebiete, in denen bestimmte raumbedeutsame Funktionen oder Nutzungen bei der Abwägung mit konkurrierenden raumbedeutsamen Nutzungen ein besonderes Gewicht beigemessen werden sollte (§ 8 Abs. 7 Nr. 2 ROG). Die Gewichtungsvorgaben sind bei späteren Entscheidungen, z.B. Genehmigungen, bei Abwägungen zu berücksichtigen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Nutzung, der ein besonderes Gewicht beigemessen wird, stets Vorrang vor anderen Nutzungen hat; vielmehr kann bei späteren Abwägungs- und Ermessensentscheidungen anderen öffentlichen oder privaten Belangen ein höheres Gewicht beigemessen werden.449 Eignungsgebiete sind Gebiete des Außenbereichs, die sich für bestimmte räumliche Nutzungen und Maßnahmen eignen und an anderen Stellen im Planungsraum ausgeschlossen sind (§ 8 Abs. 7 Nr. 3 ROG). Die außergebietliche Fläche ist hinsichtlich der Ausschlusswirkung für bestimmte Nutzungen ein Ziel der Raumordnung; innergebietlich ist die Ausweisung als Vorbehaltsgebiet einzustufen. Unter Beachtung der Vorgaben des ROG haben die Planungsträger Raumordnungspläne aufzustellen. Planungsträger sind grundsätzlich die Länder und die nach dem Länderrecht zuständigen Planungsträger. Der Bund hat ausnahmsweise die Planungsbefugnis – und zwar für die AWZ. Er hat 443 VGH Mannheim 15.10.2012, 8 S 2525/09, DVBl 2013, 384. 444 VGH Kassel 12.9.2000, 2 UE 924/99, ZfB 2001, 40, 51; vgl. vertiefend auch H. Schulte Raumplanung und Genehmigung bei der Bodenschätzegewinnung, S. 277 f. VGH Kassel 12.9.2000, 2 UE 924/99, ZfB 2001, 40. BVerwG 13.3.2003, 4 C 4/02, BVerwGE 118, 33, 46. BGBl. 2023 I Nr. 88. BT-Drs. 20/4823, S. 23. BVerwG 15.6.2009, 4 BN 10/9, UPR 2009, 389.

445 446 447 448 449

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von seinem Recht erstmals mit der Verordnung über die Raumordnung in der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone in der Nordsee vom 21.9.2009450 und der Verordnung über die Raumordnung in der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone in der Ostsee vom 10.12.2009451 Gebrauch gemacht. Am 1.9.2021 ist die neue Verordnung über die Raumordnung in der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone in der Nordsee und in der Ostsee vom 19.8.2021 in Kraft getreten. In den Anlagen zu diesen Verordnungen werden neben den Belangen Schifffahrt, Rohrleitungen und Seekabel, der Meeresforschung, der Energiegewinnung, der Fischerei und Meeresumwelt auch Ziele und Grundsätze für die Rohstoffgewinnung festgelegt452 (vgl. § 132 Rn. 22). Von in Raumordnungsplänen festgelegten Zielen der Raumordnung kann aufgrund einer 126 Ausnahmeregelung im Raumordnungsplan (§ 6 Abs. 1 ROG) oder einem Zielabweichungsverfahren abgewichen werden (§ 6 Abs. 2 ROG). § 6 Abs. 2 ROG n.F. wird künftig als Soll-Vorschrift ausgestaltet. Ziele der Raumordnung sind gemäß § 4 Abs. 1 ROG von öffentlichen Stellen bei raumbe- 127 deutsamen Planungen und Maßnahmen zu beachten und zwar nicht nur bei Abwägungs- und Ermessensentscheidungen, wie bei den Grundsätzen der Raumordnung. In höherrangigen Raumordnungsplänen, wie z.B. in Braunkohlenplänen festgelegte Ziele, sind für die Aufstellung nachgeordnete Pläne, wie z.B. Flächennutzungspläne, verbindlich. Gegenüber Privatpersonen, wie dem Bergbauunternehmer, haben sie nach dem ROG zumindest bei nicht UVP-pflichtigen Vorhaben keine unmittelbare Außenwirkung. Ziele der Raumordnung sind Rechtsvorschriften i.S.d. § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO453 und können, 128 soweit die Länder davon Gebrauch gemacht haben, – unabhängig von der Art der Verbindlichkeit – im Rahmen eines Normenkontrollverfahrens gerichtlich überprüft werden.454 Ein Bergbauunternehmer ist im Normenkontrollverfahren gegen ein regionales Raumordnungsprogramm antragsbefugt, soweit es um Festlegungen geht, durch die eine Einstufung der Fläche erfolgt, für die der Unternehmer eine bergrechtliche Rechtsposition besitzt.455 Darüber hinaus unterfallen Raumordnungspläne gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UmwRG dem Anwendungsbereich des UmwRG, da sie gemäß § 2 Abs. 7 UVPG in Verbindung mit Anlage 5 Nr. 1.5 und 1.6 SUP-pflichtig sind.

c) Ziele der Raumordnung und Landesplanung und Bergrecht. Die Ziele der Raumord- 129 nung sind bei Bergbauvorhaben eines Unternehmens neben §§ 4 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 ROG sowie § 35 Abs. 3 Satz 2 BauGB auch aufgrund bergrechtlicher Vorschriften maßgeblich. Gemäß § 48 Abs. 2 Satz 2 BBergG sind bei der Prüfung, ob eine Beschränkung oder Untersagung zu erfolgen hat, bei raumbedeutsamen Vorhaben Ziele der Raumordnung zu beachten. Mit dieser Vorschrift wurde durch das Gesetz zur Änderung raumordnungsrechtlicher Vorschriften vom 23. Mai 2017456 eine sogenannte „echte“ Raumordnungsklausel mit der Folge eingefügt worden, dass die Bergbehörde bei ihren Entscheidungen an Zielfestlegungen der Raumordnung gebunden ist. Diese Regelung einer Beachtenspflicht für Ziele der Raumordnung lässt im Rahmen von § 48 Abs. 2 Satz 2 BBergG für eine Interessenabwägung keinen Raum.457 Die Erteilung einer Bergbauberechtigung ist zu versagen, wenn im gesamten Feld überwie- 130 gende öffentliche Interessen entgegenstehen (§§ 11 Nr. 10, 12, Abs. 1 i.V.m. 11 Nr. 10). Zu den öffentli450 451 452 453 454 455

ZfB 2010, 60 ff. ZfB 2010, 68 ff. Raumordnungsplan Nordsee und Ostsee Nr. 2.2.4. BVerwG 20.11.2003, 4 CN 6/03, BVerwGE 119, 217. Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 56 Anhang Rn. 436. OVG Greifswald 7.9.2000, 4 K 28/99, ZfB 2001, 194. Das Gericht sieht es für die Antragsbefugnis als ausreichend an, wenn Rechtsverletzungen „in absehbarer Zeit“ entstehen können; a.A. zum Braunkohlenplan NRW BVerfG 3.5.1991, 1 BvR 756/90, ZfB 1992, 127; vertiefend hierzu Hendler NuR 2004, 485. 456 BGBl. I, S. 1245. 457 OVG Greifswald 18.8.2020, 3 K 66/17, NordÖR 2021, 117, 122. 403

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chen Interessen können auch Ziele der Raumordnung und Landesplanung zählen.458 Dies setzt voraus, dass diese Ziele und die Ausführung des Bergbauvorhabens ausreichend konkret sind. Ziele der Raumordnung stehen der Erteilung einer Bergbauberechtigung entgegen, wenn diese durch die konkrete Ausgestaltung des Abbauvorhabens oder die Gewichtung der Rohstoffgewinnung nicht überwunden werden können, keine Ausnahmemöglichkeiten, Entscheidungsspielräume bei den Betriebsplanzulassungen oder anderen behördlichen Genehmigungen bestehen,459 kein Zielabweichungsverfahren möglich ist und die Ziele sich auf das gesamte Feld erstrecken. 131 Bei der Zulassung von Betriebsplänen sind die Ziele der Raumordnung mit der Einfügung der Raumordnungsklausel in § 48 Abs. 2 Satz 2 BBergG unmittelbar zu beachten. Im Übrigen können einige der Voraussetzungen des § 55 zur Berücksichtigung von Zielen der Raumordnung genutzt werden. Dies gilt vor allem für Abschlussbetriebspläne, die die Wiedernutzbarmachung der bergbaulich genutzten Oberfläche beinhalten (§ 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7, Abs. 2 Nr. 2). Die für die Art der bergbaulichen Maßnahmen im Rahmen der Wiedernutzbarmachung maßgebliche Nachnutzung kann in raumordnerischen Plänen festgelegt werden und ist dann als Ziel der Raumordnung und Landesplanung als öffentliches Interesse zu berücksichtigen (§§ 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7, Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 4 Abs. 4). Einer ausdrücklichen Nennung der Ziele der Raumordnung als öffentliches Interesse, wie es der Bundesrat bei den Gesetzesberatungen vorschlug,460 bedurfte es zur Vermeidung von Gewichtungsverschiebungen zu anderen öffentlichen Interessen nicht.461 Außerdem können rohstoffbezogene Ausweisungen als Vorrang- oder Vorbehaltsgebiet als öffentliches Interesse bei Beurteilung von Rohstofflagerstätten im Rahmen des Lagerstättenschutzes (§ 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4) Eingang finden.462 Eine Berücksichtigung von Zielen der Raumordnung über § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 als Teil einer ordnungsgemäßen Abfallbeseitigung nach den Grundsätzen des allgemeinen Abfallrechts463 ist nach Erlass des § 22a ABBergV heute nicht möglich. Auch die Ansicht, dass § 55 Abs. 1 Satz Nr. 9 als Raumordnungsklausel dienen könne,464 findet weder im Gesetz noch in der Gesetzesbegründung eine Stütze465 und ist mit der Einfügung der Raumordnungsklausel in § 48 Abs. 2 Satz 2 BBergG obsolet geworden. Aufgrund der nunmehr ausdrücklichen Regelung in § 48 Abs. 2 Satz 2 BBergG kommt es eben132 falls nicht mehr darauf an, dass nach dem BVerwG,466 dessen Auffassung vom BVerfG bestätigt wurde,467 die in Raumordnungsplänen konkretisierten Ziele der Raumordnung über § 48 Abs. 2 Satz 1 bei der Zulassung von nicht planfestellungsbedürftigen Betriebsplänen Eingang finden und zu beachten sind.

3. Landesplanung 133 Das ROG verpflichtet die Länder, für ihr Gebiet einen übergeordneten landesweiten Raumordnungsplan und für Teilräume Regionalpläne aufzustellen (§ 8 Abs. 1 ROG). Die Länder haben – mit Ausnahme der Stadtstaaten hierzu Landesplanungsgesetze erlassen. Unabhängig davon, dass die Grundsätze des ROG einschließlich des Rohstoffgrundsatzes des § 2 Abs. 2 Nr. 4 ROG für die 458 BT-Drs. 8/1315, S. 87; vertiefend hierzu einschließlich der Frage der Berücksichtigung von Zielen der Raumordnung nach der Erteilung einer Bergbauberechtigung Kühne DVBl 1984, 709 f.; auch Hoppe/Spoerr Bergrecht und Raumordnung, S. 50 ff. 459 Hoppe/Spoerr Bergrecht und Raumordnung, S. 97. 460 BT-Drs. 8/1315, S. 174. 461 Kühne DVBl 1984, 709, 711. 462 Kühne DVBl 1984, 709, 711. 463 So Kühne DVBl 1984, 709, 711. 464 Schleifenbaum/Kamphausen UPR 1984, 43, 45. 465 So auch Kühne DVBl 1984, 709, 710. 466 BVerwG 27.4.2006, 7 C 5/05, BVerwGE 126, 210, Rn. 1 ff. = ZfB 2006, 156, 160; so auch OVG Münster 21.12.2007, 11 A 1194/26, ZfB 2008, 101, 122. 467 BVerfG 17.12.2013, 1 BvR 3139/08, 3386/08, BVerfGE 134, 242 Rn. 302 = ZfB 2014, 49 Rn. 303. Kappes

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Landesplanungsgesetze verbindlich sind, wiederholen einige Landesplanungsgesetze den Rohstoffgrundsatz oder modifizieren ihn. Während z.B. das LPlG BY den Rohstoffgrundsatz wiederholt (Art. 6 Abs. 1 Nr. 6 LPlG BY); das LPlG Nds allgemein auf die Grundsätze des ROG verweist, beschränkt Baden-Württemberg den Rohstoffgrundsatz auf die Kennzeichnung von Gebieten für die oberflächennahen Rohstoffe (§ 11 Abs. 3 Nr. 10 LPlG B-W).468 Mecklenburg-Vorpommern stellt den Rohstoffgrundsatz unter den Vorbehalt der Berücksichtigung des Umwelt- und Landschaftsschutzes (§ 2 Nr. 11 LPlG M-V). Das LPlG Brb zählt zu den Zielen der Landesplanung, u.a. die vom Braunkohlenbergbau devastierte Landschaft durch Schaffung landschaftsgerechter Bergbaufolgelandschaft zu überwinden und bei Flächeninanspruchnahme durch den Bergbau sicherzustellen ist, dass dies ökologisch und somit verträglich durchgeführt wird (§ 3 Nr. 13, 14 LPlG Brb). Eine allgemeine Gewichtung einzelner Belange oder Interessen sehen die LPlG nicht vor. Entsprechend den Vorgaben des ROG haben die Flächenländer für ihr Gebiet jeweils länder- 134 weite Raumordnungspläne aufgestellt, die die räumliche und strukturelle Entwicklung in Grundzügen darstellen. Sie werden je nach Bundesland unterschiedlich bezeichnet und teilweise in mehreren raumordnerischen Plänen aufgeteilt, wie z.B. in Mecklenburg-Vorpommern mit seinem Raumentwicklungsprogramm (§ 6 LPlG M-V). Diese enthalten auch Rohstoff bezogene Aussagen, wie z.B., dass mit den Ausweisungen die Versorgung mit nicht energetischen Rohstoffen für 25 Jahre gesichert werden soll (vgl. Anhang zu § 48 Rn. 116) und eine Bündelung der Gewinnung verschiedener Bodenschätze anzustreben ist.469 Einer FFH-Verträglichkeitsprüfung gemäß § 34 BNatSchG bedürfen die landesweiten Raumordnungspläne nicht (§ 36 Satz 2 BNatSchG). Zunehmend werden landesweite Raumordnungspläne auch als Instrument zum Ausschluss 134a von Fracking-Maßnahmen genutzt. Der Landesentwicklungsplan NRW in der Fassung der 1. Änderung 2019 enthält in Ziff. 10.3-4 die Zielfestlegung, dass die Gewinnung von Erdgas, welches sich in sogenannten unkonventionellen Lagerstätten befindet, mittels Einsatz der Fracking-Technologie ausgeschlossen ist, weil durch den Einsatz der Fracking-Technologie erhebliche Beeinträchtigungen des Menschen und seiner Umwelt zu besorgen sind und die Reichweite hiermit verbundener Risiken derzeit nicht abschätzbar ist. Der Landesentwicklungsplan Hessen 2000 in der Fassung der Dritten Änderung vom 16.7.2021 enthält die Zielfestlegung 4.6-8, wonach „bei der Aufsuchung und Gewinnung der in Hessen vorkommenden, unter Bergrecht stehenden tiefliegenden Rohstoffe und den sonstigen Nutzungen des Untergrundes (…) die regionalplanerisch festgelegten Raumnutzungen/Raumfunktionen sowie die Infrastruktur zu beachten [sind]. Die Nutzung des tiefen Untergrundes ist nur auf Flächen und mit Methoden zulässig, bei denen erhebliche Umweltauswirkungen, insbesondere auf Siedlungsgebiete und Schädigungen des Grundwassers, ausgeschlossen werden können. Ausgeschlossen ist unkonventionelles Fracking“. Die Zulässigkeit derartiger Zielfestlegungen ist umstritten.470 Grenzen ergeben sich aus dem Verbot der Verhinderungsplanung, aber auch aus kompetenzrechtlichen Gesichtspunkten. Der Steuerung durch das Raumordnungsrecht unterliegen von vornherein nur raumbedeutsame Vorhaben. Losgelöst von der Frage, ob Raumbegriff lediglich die Erdoberfläche oder im Sinne einer Dreidimensionalität auch den unterirdischen Raum umfasst,471 muss nicht jedes Vorhaben seine Raumbedeutsamkeit an der Erdoberfläche entfalten.472 Gleichwohl hat der Gesetzgeber Fracking-Vorhaben grundsätzlich nach § 1 Nr. 8a UVP-V-Bergbau der UVP-Pflicht unterworfen, womit für diese Vorhaben gem. § 1 Nr. 16 RoV stets ein Raumordnungsverfahren durchzuführen ist. Kompetenzrechtliche Grenzen ergeben sich aber auch für raumbedeutsame Vorhaben in Abgrenzung zum Fachrecht. Während das einschlägi468 In B-W befinden sich auch untertägige Bergbaubetriebe, wie z.B. das Steinsalzbergwerk der Südwestdeutschen Salzwerke AG. Landesentwicklungsplan NRW, Zielfestlegungen Ziff. 9.2-1 und 9.2-2.Schlac. Ablehnend Frenz NVwZ 2016, 1042; zustimmend Schlacke/Schnittker ZUR 2016, 259. Offen gelassen OVG Greifswald 18.8.2020, 3 K 66/17, NordÖR 2021, 117, 122. Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 56 Anhang, Rn. 433a; a.A. Schlacke/Schnittker ZUR 2016, 259, 264, die zur Bejahung der Raumbedeutsamkeit genügen lassen, dass ein Frackingvorhaben jedenfalls Raumbedeutsamkeit haben kann.

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ge Fachrecht regelt, unter welchen Voraussetzungen bestimmte Nutzungen des Bodens, der Umwelt usw. und damit letztlich auch des Raums im Einzelnen möglich bzw. zulässig sind, ist Regelungsgegenstand des Raumordnungsrechts die Festlegung, welche (konfligierenden) Nutzungen des Raums verwirklicht werden sollen.473 Mit der Bewirkung absoluter Vorhabenssperren für das Fracking über das Instrument der Raumordnung dürften die kompetenzrechtlichen Grenzen überschritten sein.474 Derartige Zielfestlegungen müssen sich im Übrigen auch am Abwägungsgebot messen lassen. Wenn durch das festgelegte Ziel des Ausschlusses von bergbaulichen Maßnahmen abschließend entschieden worden ist, muss dem eine umfassende Abwägung im Sinne der Ermittlung und Bewertung der berührten öffentlichen und privaten Belange vorausgehen, wobei die Anforderungen an Ermittlungstiefe und Abwägungsdichte hoch zu veranschlagen sind. Nach dem OVG Greifswald475 wird die Festlegung des Landesraumentwicklungsprogramms Mecklenburg-Vorpommern, dass die Förderung von Erdgas und Erdöl durch Bohrungen im Küstenmeer einschließlich Stützbohrungen im Meer für Produktionsbohrungen auf dem Festland ausgeschlossen ist, diesem Maßstab nicht gerecht, weil die Landesplanungsbehörde im Rahmen der Abwägung lediglich darauf abgestellt hat, dass die Förderung von Erdöl und Erdgas durch Bohrungen im Küstenmeer ein „Risiko unbekannter Größe“ darstelle und für die Ostsee „belastbare Risikoabschätzungen“ nicht vorlägen. Mit diesem Maßstab lässt sich der Ausschluss des Frackings durch die ausdrücklich auf die „nicht abschätzbaren Risiken“ des Frackings abstellende Zielfestlegung im Landesentwicklungsplan NRW auch mit Blick auf das Abwägungsgebot in Frage stellen. 135 Unter Beachtung der Vorgaben des ROG haben die Planungsträger Regionalpläne aufzustellen und damit die Festlegungen der landesweiten Raumordnungspläne zu konkretisieren. In Regionalplänen kann die Gewinnung von Bodenschätzen auf bestimmte Gebiete konzentriert werden. Eine parzellenscharfe Abgrenzung der Rohstoffflächen mit Blick auf Eigentümerbelange ist dabei nicht erforderlich.476 Eine positive Festlegung einer Konzentrationszone Rohstoffgewinnung auf einem bestimmten Gebietsteil hat den Ausschluss der Rohstoffgewinnung in anderen Gebieten zur Folge. Diese Rechtsfolge ist von verschiedenen von der Rechtsprechung aufgestellten Voraussetzungen abhängig. Der Rohstoffabbau muss sich gegenüber anderen konkurrierenden Nutzungen durchsetzen.477 Konzentrationszonen haben die erforderliche Durchsetzungswirkung, wenn die Fläche als Vorrangfläche und Ziel der Raumordnung ausgewiesen ist oder als Sondierungsbereich für den künftigen Abbau von Bodenschätzen gekennzeichnet ist und aus dem Erläuterungsbericht hervorgeht, dass dieser Bereich die Wirkung eines Vorranggebietes haben soll.478 Der Vorrang für die Rohstoffgewinnung kann in diesen Fällen auch nicht durch andere Belange, wie z.B. die des Bodenschutzdenkmals, in Frage gestellt werden.479 Die Ausweisung als Konzentrationszone setzt voraus, dass dieser eine schlüssige Planungskonzeption480 zugrunde liegt, die sich auf das gesamte Planungsgebiet erstreckt und die aus dem Plan oder seinen Erläuterungen nachvollziehbar erkennen lässt, welche Konzeption für die Auswahl von Positiv- und Negativflächen gewählt wurde. Hierbei ist der Entscheidung des Gesetzgebers, bestimmte Vorhaben, wie der Rohstoffgewinnung, zu privilegieren (§ 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB), Rechnung zu tragen. Der generelle Ausschluss der Rohstoffgewinnung in FFH- und Vogelschutzgebieten ist aufgrund des EG-Rechts nicht geboten und kann aufgrund der fehlenden Abwägung als abwägungsfehlerhaft gewertet werden.481 Eine in einem Regionalplan ausgewiesene Konzentrationszone ist abwägungsfehlerhaft, „wenn eine Abwägung überhaupt nicht stattgefunden hat (Abwägungsausfall), wenn in die 473 474 475 476 477 478 479 480 481

OVG Greifswald 18.8.2020, 3 K 66/17, NordÖR 2021, 117, 121. So wohl auch Landmann/Rohmer/von Weschpfennig, § 13a WHG, Rn. 23. OVG Greifswald 18.8.2020, 3 K 66/17, NordÖR 2021, 117, 124. OVG Münster 20.5.2014, 11 A 2921/11 ZfB 2015, 40, 44. BVerwG 18.1.2011, 7 B 19/10, ZfB 2011, 92 Rn. 4. OVG Münster 7.12.2009, 20 A 628/05, ZfB 2010, 5, 22. OVG Münster 7.12.2009, 20 A 628/05, ZfB 2010, 5, 22. BVerwG 13.3.2003, 4 C 4/02, BVerwGE 118, 33, 37. Schink UPR 2012, 369, 371.

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Abwägung nicht eingestellt wurde, was nach Lage der Dinge hätte eingestellt werden müssen (Abwägungsdefizit), wenn die Bedeutung der betroffenen Belange verkannt (Fehlgewichtung) oder wenn der Ausgleich zwischen den Belangen in der Weise vorgenommen wurde, die zur objektiven Gewichtung einzelner Belange außer Verhältnis steht (Disproportionalität).482 Zu diesen Belangen zählen auch die vorhandenen Rohstofflagerstätten und die Interessen der Grundeigentümer an der Nutzung ihrer Flächen zur Rohstoffgewinnung und Bergbauberechtigten. Eine gezielte Verhinderungsplanung ist unzulässig.483

4. Braunkohlenpläne Über spezielle landesplanerische Instrumente für die Gewinnung von Braunkohle verfügen Län- 136 der mit großflächigen Braunkohlentagebauen. Mit vorhabenbezogenen Braunkohlenplänen bzw. Teilentwicklungsplänen werden Gebiete für die Braunkohlengewinnung planerisch auf Regionalebene gesichert. Eine gerichtliche Überprüfung der Braunkohlenpläne können die Gemeinden beantragen, deren Planungshoheit (Art. 28 Abs. 2 GG) durch den Braunkohlenbergbau eingeschränkt wurde. Private, wie z.B. Grundeigentümer oder Bergbauunternehmer, sind nicht klagebefugt, da der Braunkohlenplan ihnen gegenüber keine unmittelbare Rechtswirkung entfaltet.484

a) Brandenburg. Grundlage für die Braunkohlengewinnung in Brandenburg bildet die landes- 137 rechtliche Grundsatzentscheidung, die im Braunkohlengrundlagengesetz vom 7.7.1997 dokumentiert ist. Nach dem Gesetz zur Förderung der Braunkohle im Land Brandenburg (Art. 1 Braunkohlengrundlagengesetz) kann die Braunkohle in der Region Lausitz-Spreewald grundsätzlich gewonnen werden – auch wenn damit Umsiedlungen verbunden sind. Die weiteren landesplanerischen Anforderungen sind nach mehreren gerichtlichen Überprü- 138 fungen der Vorgängerregelung485 heute für den Braunkohlenabbau und die Sanierung ehemaliger Braunkohlengebiete in dem Gesetz zur Regionalplanung und zur Braunkohlen- und Sanierungsplanung geregelt. Als spezielles Landesplanungsgremium auf Regionalebene hat der Braunkohlenausschuss die Aufgabe, Braunkohlen- und Sanierungspläne aufzustellen und dabei die Mitwirkung und regionale Willensbildung sicherzustellen (§ 14 Abs. 1 RegBKPlG). Die Zusammensetzung des Braunkohlenplanausschusses mit Vertretern der Kommunen und anderer Organisationen (u.a. Naturschutz-, Unternehmer- und Arbeitnehmerorganisationen) und beratenden Mitgliedern ist – den Anforderungen des Verfassungsgerichts Potsdam entsprechend – auf Gesetzesebene (§§ 15, 17 RegBKPlG) festgelegt. Der Braunkohlenausschuss stellt für die von der Landesregierung in einer Rechtsverordnung 139 bestimmte Gebiet Braunkohlenpläne auf, in denen neben den Abbaugrenzen, den Sicherheitsabständen zu dem Abbau und den Haldenflächen auch die Maßnahmen zur Minimierung der Eingriffe während und nach dem Abbau, zur Umsiedlung und für die Bergbaufolgelandschaft darzustellen sind (§ 12 Abs. 3 RegBKPlG). Ein wesentlicher Teil der Braunkohlenpläne ist die Darstellung der energiepolitischen Rahmenbedingungen. Braunkohlenpläne bedürfen der strategischen Umweltprüfung (§ 35b Abs. 1 i.V.m. Anlage 5 Nr. 1.5 UVPG). Die UVP ist für UVP-pflichtige Bergbauvorhaben im anschließenden Rahmenbetriebsplan durchzuführen. Die vom Braunkohlenausschuss erarbeiteten Braunkohlenpläne werden von der Landesregierung als Rechtsverordnung erlassen

482 OVG Bautzen 12.11.2003, 1 D 51/00, ZfB 2004, 279, 289; Anders NuR 2004, 635. 483 BVerwG 18.1.2011, 7 B 19/10, ZfB 2011, 92 ff. mit Hinweis auf die Rspr. zu Windenergieanlagen BVerwG 13.3.2003, 4 C 4/02, BVerwGE 118, 33, 37; OVG Münster 8.5.2012, 20 A 3779/06, NuR 2013, 136; ausführlich dazu Schink UPR 2012, 369 ff. 484 Vertiefend Stevens DVBl 2014, 349. 485 U.a. VerfG Potsdam 15.6.2000, VfGBbg 32/99, ZfB 2000, 245; VerfG Potsdam 1.6.1995, VfG Bbg 6/95, ZfB 1995, 192. 407

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(§ 19 RegBKPlG); sie stellen damit Ziele der Raumordnung dar (§ 12 Abs. 1 Satz 2 RegBKPlG), die von anderen Planungsträgern zu berücksichtigen sind. 140 Ist für den Braunkohlentagebau die Inanspruchnahme des gesamten Gebietes einer Gemeinde erforderlich, bedarf die Auflösung der Gemeinde eines Gesetzes,486 wie dies mit Art. 2 Braunkohlengrundlagengesetz (Gesetz zur Auflösung der Gemeinde Horno und zur Eingliederung ihres Gemeindegebietes in die Gemeinde Jänschwalde) für die Gemeinde Horno erfolgt ist.487 Braunkohlenpläne sind bei der Zulassung von Betriebsplänen als Ziele der Raumordnung als 141 öffentliche Interessen gemäß § 48 Abs. 2 (vgl. Anhang zu § 48 Rn. 131 f.) zu berücksichtigen.488 Zu den Wirkungen des Braunkohlenplans auf andere Rechtsvorschriften vgl. Anhang zu § 48 Rn. 148 f.

142 b) Nordrhein-Westfalen. In Nordrhein-Westfalen gelten für die Braunkohlengewinnung auf landesplanerischer Ebene die Spezialvorschriften der §§ 20 bis 31 LPlG NRW mit Regelungen für den Braunkohlenausschuss und den Braunkohlenplan. Der Braunkohlenausschuss ist für die braunkohlenbezogene Landesplanung auf Regional143 ebene zuständig (§ 20 LPlG NRW). Der Braunkohlenausschuss ist ein Sonderausschuss des Regionalrates des Regierungsbezirks Köln. Dem Braunkohlenausschuss gehören als stimmberechtigte Mitglieder Vertreter der „Kommunalen Bank“ (§ 21 Abs. 1 LPlG NRW), der „Regionalen Bank“ (§ 21 Abs. 3 LPlG NRW) und der „Funktionalen Bank“ – u.a. mit Vertretern von Naturschutz-, Unternehmer- und Arbeitnehmerorganisationen – (§ 21 Abs. 6 LPIG NRW) an. Zu den beratenden Mitgliedern zählen u.a. die Bergbehörde und der Bergbauunternehmer (§ 22 LPlG NRW).489 Die Erarbeitung eines Braunkohlenplans erfolgt auf Beschluss des Braunkohlenausschusses. 144 Das Planungsgebiet bestimmt sich durch das Abbaugebiet, die Außenhalden, die Umsiedlungsflächen und das Gebiet, deren oberster Grundwasserleiter durch Sümpfungsmaßnahmen beeinflusst wird (§ 25 LPlG NRW). Auf der Grundlage des Landesentwicklungsprogramms und des Landesentwicklungsplans einschließlich vorliegender energiepolitischer Leitentscheidungen der Landesregierung ist der Braunkohlenplan aufzustellen. Textlich und zeichnerisch sind u.a. das Abbaugebiet mit seinen Abbaugrenzen sowie Halden einschließlich der jeweiligen Sicherheitslinien, die Wiedernutzbarmachung der bergbaulich genutzten Oberfläche, die notwendigen Umsiedlungsmaßnahmen (§ 26 Abs. 2 LPIG NRW) sowie die energiepolitischen Gründe für die Notwendigkeit des Vorhabens darzustellen. Aufgrund der Projektbezogenheit des Braunkohlenplans kann die UVP für das Bergbauvorha145 ben bereits auf Ebene der Landesplanung durchgeführt werden; davon hat der nordrhein-westfälische Gesetzgeber Gebrauch gemacht. Ist ein Braunkohlenvorhaben nach der UVP-V Bergbau UVPpflichtig, ist im Braunkohlenplanverfahren neben der Umweltprüfung und der Sozialverträglichkeit auch die UVP unter Beachtung der entsprechenden bergrechtlichen Anforderungen durchzuführen (§ 27 Abs. 1 LPlG NRW). Diese landesrechtliche Vorschrift widerspricht nicht den bundesrechtlichen Vorgaben des BBergG, da zur Vermeidung von Doppelprüfungen für diese Vorhaben gemäß § 52 Abs. 2b Satz 2 die Bergbehörde nicht die Vorlage eines obligatorischen Rahmenbetriebsplans mit UVP verlangen kann.490 Der Braunkohlenplan bedarf der Genehmigung der Landesplanungsbehörde im Einverneh146 men mit den fachlich zuständigen Landesministerien und im Benehmen mit dem für Landespla-

486 VerfG Potsdam 1.6.1995, VfGBbg 6/95, ZfB 1995, 192. 487 Die gegen dieses Gesetz eingelegten Rechtsmittel hatten beim VerfG Potsdam und beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte – Art 8, 14, 35 EMRK – EG MR 25.5.2000, 46346/99, LKV 2001, 69 mit Anmerkung Lenz LKV 2001, 446 keinen Erfolg. 488 Kühne DVBl 1984, 709, 715. 489 Zur Verfassungsmäßigkeit des Braunkohlenausschusses vgl. VerfGH Münster 9.6. 1997, VerfGH 20/95, ZfB 1997, 300, 308. 490 VG Aachen 10.12.2002, 9 K 7/01, ZfB 2603, 78, 96. Kappes

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nung zuständigen Landtagsausschuss.491 Die Genehmigung hängt neben einer rechtlichen auch von einer fachlichen Prüfung ab.492 Mit der im Gesetzblatt veröffentlichten Genehmigung wird der Braunkohlenplan ein Ziel der Raumverordnung und Landesplanung, das für andere Planungsträger verbindlich ist. Dem Braunkohlenplan kommt aufgrund seiner Außenwirkung als Ziel Raumordnung und Landesplanung Rechtsnormqualität zu.493 Gemeinden, die innerhalb eines Abbaugebietes liegen, können im Rahmen einer Kommunalverfassungsbeschwerde die Verletzung ihrer Selbstverwaltung (Art. 28 Abs. 2 GG) gerichtlich überprüfen lassen.494 Dagegen greift ein Braunkohlenplan nicht unmittelbar in Rechtspositionen Dritter ein.495 Braunkohlenpläne sollen von Beginn des Abbauvorhabens im Braunkohlengebiet aufgestellt und genehmigt sein (§ 29 Abs. 3 Satz 1 LPlG NRW). Entsprechend der landesrechtlichen Gesetzgebungskompetenz erstreckt sich der Regelungsgehalt nur auf den Braunkohlenplan und stellt keine Verbindung zu berggesetzlichen Vorgaben. Der Landesgesetzgeber überschreitet seine Kompetenz jedoch mit § 29 Abs. 3 Satz 2 LPlG NRW, wonach Betriebspläne der im Braunkohlengebiet gelegenen Bergbaubetriebe mit den Braunkohlenplänen in Einklang zu bringen sind. Dem Landesgesetzgeber steht nach Erlass des BBergG nicht die Kompetenz zu, das Bundesrecht durch ergänzende Zulassungsvoraussetzungen für Betriebspläne zu verändern, soweit dies das Bundesrecht nicht ausdrücklich zulässt.496 § 29 Abs. 3 Satz 2 LPlG NRW kann jedoch dahingehend verfassungskonform ausgelegt werden, dass der Braunkohlenplan als Ziel der Raumordnung und Landesplanung über § 48 Abs. 2 Satz 1 als öffentliches Interesse berücksichtigt wird.497 Dabei ist zu beachten, dass dem Braunkohlenplan eine umfangreiche Abwägung der verschiedenen Belange zugrunde liegt und ein Bedürfnis für eine weitere Abwägung gemäß § 48 Abs. 2 Satz 1 nicht besteht.498 Wird ein Braunkohlenplan nach der Zulassung eines Betriebsplans geändert, wirkt die Änderung nicht unmittelbar gegenüber dem Bergbauunternehmer und der Betriebsplanzulassung, da der Braunkohlenplan keine unmittelbare Verbindlichkeit dem Bergbauunternehmer gegenüber hat. In diesen Fällen besteht die Möglichkeit, die Betriebsplanzulassung über eine nachträgliche Änderung der Zulassung gemäß § 56 Abs. 1 Satz 2 oder einem Widerruf gemäß § 49 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG anzupassen.499 Auch wenn der Braunkohlenplan keine Voraussetzung für die Durchführung eines Grundabtretungsverfahrens darstellt,500 kann auf die Aussagen über die energiepolitische Notwendigkeit des Bergbauvorhabens im Braunkohlenplan bei der Darlegung des Wohles der Allgemeinheit des Vorhabens und der Versorgung des Marktes mit Rohstoffen (§ 79 Abs. 1), soweit es für einen Betriebsplan relevant ist, im Betriebsplanverfahren501 und im Grundabtretungsverfahren zurückgegriffen werden. Der im Braunkohlenplan als Ziel der Raumordnung und Landesplanung festgelegte Braunkohlenabbau ist auch für weitere Genehmigungen für das Vorhaben verbindlich. Dies gilt z.B. für wasserrechtliche Erlaubnisse und Planfeststellungsverfahren. Entspricht die Gewinnung und die hierzu notwendigen Maßnahmen oder die Nachfolgenutzung dem landesplaneri491 Die erforderliche Mitwirkung des Parlaments ist damit ausreichend sichergestellt, VerfGH Münster 9.6.1997, VerfGH 20/95, ZfB 1997, 300, 313.

492 OVG Münster 21.12.2007, 11 A 1194/26, ZfB 2008, 101, 123; hierzu zählt auch das Erfordernis einer langfristigen Energieversorgung, VerfGH Münster 9.6. 1997, VerfGH 20/95, ZfB 1997, 300, 309. 493 Kühne Braunkohlenplanung und bergrechtliche Zulassungsverfahren, S. 5; so im Ergebnis auch Erbguth VerwArch 1995, 327, 332. 494 VerfGH Münster 9.6.1997, VerfGH 20/95, ZfB 1997, 300, 304. 495 BVerfG 3.5.1991, 1 BvR 756/90, ZfB 1992, 127. 496 Siehe dazu z.B. § 52 Abs. 2 b Satz 2 i.V.m § 54 Abs. 2 Satz 3; so auch Hoppe UPR 1983, 105, 111; Erbguth DVBl 1982, 1, 10; Weller Das neue Bundesberggesetz und die Braunkohlenplanung, S. 44. 497 Kühne DVBl 1984, 709, 715. 498 Kühne Braunkohlenplanung und bergrechtliche Zulassungsverfahren, S. 32. 499 Vertiefend hierzu Kühne Braunkohlenplanung und bergrechtlicher Zulassungsverfahren, S. 60. 500 OVG Münster 28.4.1988, 12 A 903/86, ZfB 1988, 371, 381. 501 BVerfG 17.12.2013, 1 BvR 3139/08, 1 BvR 3386/08, BVerfGE 134, 242 = ZfB 2014, 49. 409

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schen Ziel, kann z.B. die hierfür erforderliche Absenkung des Grundwassers oder die Herstellung eines Restsees hinsichtlich des „ob“ in späteren wasserrechtlichen Erlaubnis- oder Planfeststellungsverfahren nicht mehr unter dem Gesichtspunkt „Wohl der Allgemeinheit“ in Frage gestellt werden,502 da die Grundsatzentscheidung des Braunkohlenplans Bindungswirkung für die nachfolgenden Verfahren entfaltet.503 151 Im Braunkohlenplan werden die Abbaugrenzen und Haldenflächen unter Beteiligung der Gemeinden festgelegt. Mit dem Braunkohlenplan liegen die Voraussetzungen zur Ermächtigung des Landesgesetzgebers gemäß § 54 Abs. 2 Satz 2, für Betriebsplanzulassungen ein weitergehendes Beteiligungsrecht der Gemeinden vorzusehen, nicht mehr vor (§ 54 Abs. 2 Satz 3).

152 c) Sachsen. In Sachsen ist nach dem Landesplanungsgesetz für jeden Braunkohlentagebau auf der Grundlage langfristiger energiepolitischer Vorstellungen der Staatsregierung ein Braunkohlenplan als Teilregionalplan aufzustellen (§ 5 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz sächs. LPlG). Für stillgelegte Braunkohlentagebaue – unabhängig davon, ob sie dem Geltungsbereich des BBergG unterliegen – ist der Braunkohlenplan als Sanierungsrahmenplan aufzustellen (§ 5 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz sächs. LPlG). Für die Aufstellung von Braunkohlenplänen ist der Braunkohlenausschuss zuständig, der 153 sich aus dem erweiterten Planungsausschuss des regionalen Planungsträgers zusammensetzt. An den Sitzungen können u.a. Vertreter der Bergbehörde und der Bergbauunternehmer teilnehmen. Im Braunkohlenplan sind u.a. Festlegungen zu treffen über die Abbaugrenzen und Sicherheitsli154 nien des Abbaus, die Grenzen der Grundwasserbeeinflussung, die Halden- und Umsiedlungsflächen und die Grundzüge der Wiedernutzbarmachung (§ 5 Abs. 1 Satz 2 sächs. LPlG). In den Sanierungsplänen sind u.a. die Grundzüge der Oberflächengestaltung darzustellen. Die Braunkohlenpläne sind einer Umweltprüfung zu unterziehen (Nr. 1.5 Anlage 5 UVPG). Obwohl der Braunkohlenplan die Voraussetzungen des §§ 52 Abs. 2 b Satz 2 i.V.m. 54 Abs. 2 Satz 2 erfüllt, hat der Gesetzgeber in Sachsen darauf verzichtet, im Braunkohlenplanverfahren auch die UVP für das Bergbauvorhaben durchführen lassen zu können. Der Entwurf des Braunkohlenplans ist im Planungsgebiet auszulegen, so dass betroffene Stellen, Organisationen und Bürger hierzu Stellungnahmen und Anregungen abgeben können. Der als Satzung vom Braunkohlenausschuss beschlossene Braunkohlenplan bedarf der Genehmigung der obersten Raumverordnungs- und Landesplanungsbehörde, die im Benehmen mit den sachlich zuständigen Ministerien zu erteilen ist, wenn der Braunkohlenplan nicht gegen höherrrangiges Recht verstößt (§ 7 Abs. 2 sächs. LPlG). Die Erteilung der Genehmigung ist öffentlich bekanntzugeben (§ 7 Abs. 4 sächs. LPlG). Mit Wirksamwerden des Braunkohlenplans gilt dieser als Ziel der Raumordnung und Landesplanung und ist gemäß § 48 Abs. 2 bei der Betriebsplanzulassung zu berücksichtigen (vgl. Anhang zu § 48 Rn. 131 f.). 155 Gemeinden, dessen Gemeindegebiet vom Braunkohlenplan betroffen ist, können die Verletzung ihres Selbstverwaltungsrechts (Art. 28 Abs. 2 GG) im Rahmen eines Normenkontrollverfahrens gerichtlich geltend machen. Formale Fehler bei der Aufstellung des Braunkohlenplans können aufgrund der sich hieraus ergebenden Abwägungsfehler zur Nichtigkeit eines Braunkohlenplans führen.504 Gemäß § 5 Abs. 2 sächs. LPlG in der vor dem 11.12.2018 geltenden Fassungen waren Betriebs156 pläne mit den Braunkohlenplänen in Einklang zu bringen. Diese aufgrund kompetenzrechtlicher Gründe bedenkliche Norm (vgl. Anhang zu § 48 Rn. 148) hat der Landesgesetzgeber infolge der Aufnahme der Raumordnungsklausel in § 48 Abs. 2 Satz 2 durch das Gesetz zur Änderung planungsrechtlicher Vorschriften vom 11.12.2018 gestrichen.505 Das Gebiet einer Gemeinde kann aus Gründen des Wohls der Allgemeinheit durch oder auf157 grund eines Gesetzes geändert werden. Die Auflösung von Gemeinden gegen deren Willen bedarf eines Gesetzes (Art. 88 Abs. 1 und 2 Verfassung SN). Dies kann auch aufgrund der im Braunkohlen502 503 504 505

Salzwedel FS Feldhaus (1999), S. 281, 286. Müggenborg NuR 2013, 326, 329. OVG Bautzen 12.11.2003, 1 D 51/00, ZfB 2004, 279. LT-Drs. 6/13629, S. 15.

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plan ausgewiesenen Braunkohlengewinnung notwendig sein, wie dies z.B. mit dem Gesetz zur Inanspruchnahme der Gemeinde Heuersdorf für den Braunkohlenabbau und zur Eingliederung der Gemeinde Heuersdorf in die Stadt Regis-Breitingen vom 28.5.2004506 erfolgt ist.

d) Sachsen-Anhalt. Im Gegensatz zu den anderen Ländern, in denen Braunkohle gewonnen 158 wird, beschränkt sich das Land Sachsen-Anhalt darauf, in seinem Landesentwicklungsgesetz für Gebiete, in denen Braunkohlenaufschlüsse oder -abschlussverfahren durchgeführt werden sollen, die Aufstellung eines Regionalen Teilgebietsentwicklungsplans zu verlangen (§ 10 Abs. 1 LEntwG LSA). Regionale Teilgebietsentwicklungspläne legen die Ziele und Grundsätze der Raumordnung fest, die für eine geordnete Braunkohlen- und Sanierungsplanung erforderlich sind. Das sind insbesondere Festlegungen zu Abbaugrenzen und Sicherheitslinien des Abbaus, zu Haldenflächen und deren Sicherheitslinien, zu erforderlichen Umsiedlungen und zur Gestaltung der Bergbaufolgelandschaft (§ 10 Abs. 3 LEntwG LSA). Für die Aufstellung dieser Pläne gelten die allgemeinen Vorschriften für Regionale Entwicklungspläne. Die von der Regionalversammlung beschlossenen Pläne bedürfen der Genehmigung der obersten Landesplanungsbehörde (§ 7 Abs. 6 LPlG LSA). Die Teilentwicklungspläne Braunkohle sind über § 48 Abs. 2 bei Betriebsplanzulassung als öffentliche Interessen zu berücksichtigen. 5. Raumverträglichkeitsprüfung Für raumbedeutsame Maßnahmen und Planungen i.S. von § 1 ROV ist gemäß § 15 Abs. 1 ROG n.F. 159 eine Raumverträglichkeitsprüfung507 durchzuführen. Das Verfahren dient der Überprüfung, ob ein Vorhaben von überörtlicher Bedeutung und Raumbedeutsamkeit raumverträglich ist und aus regionaler Sicht nicht den Zielen der Raumordnung und Landesplanung widerspricht. Als eine solche raumbedeutsame Maßnahme und Planung sind grundsätzlich u.a. Bergbauvorhaben anzusehen, soweit diese einer Planfeststellung gemäß § 52 Abs. 2a bedürfen (§ 1 Nr. 16 ROV), sowie die planfeststellungsbedürftige Herstellung oder Beseitigung eines Gewässers (§ 1 Nr. 7 ROV). Dies gilt nicht für Bergbauvorhaben, für die bereits auf regionaler Planungsebene Festlegungen getroffen wurden, wie z.B. im Braunkohlenplan und für Vorhaben auf dem deutschen Festlandsockel (vgl. § 132 Rn. 25). Mit dem Wort „soweit“ wird an die im Einzelfall bestehende Planfeststellungspflicht angeknüpft und so den in den alten und neuen Bundesländern unterschiedlichen Übergangsregelungen zur UVP Rechnung getragen.508 In der Raumverträglichkeitsprüfung sind neben den raumbedeutsamen Auswirkungen (§ 15 160 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ROG n.F.) zwingend auch ernsthaft in Betracht kommende Standort- und Trassenalternativen zu prüfen (§ 15 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 ROG n.F.). Die bislang gemäß § 9 UVPG nach dem Planungsstand des Vorhabens durchzuführende UVP wird durch eine überschlägige Prüfung der Auswirkungen des Vorhabens auf die Schutzgüter des § 2 Abs. 1 UVPG ersetzt (§ 15 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 ROG n.F.). § 9 UVPG n.F. sieht dementsprechend vor, dass die UVP im nachfolgenden Zulassungsverfahren eine vertiefte Prüfung der in der Raumverträglichkeitsprüfung nur überschlägig geprüfte Umweltauswirkungen umfasst. Ein Betriebsplanverfahren setzt kein abgeschlossenes Raumordnungsverfahren voraus.509 Die Beurteilung der Raumverträglichkeit des Vorhabens ist zu veröffentlichen und im Betriebs- 161 planverfahren über § 48 Abs. 2 als öffentliches Interesse zu berücksichtigen. Die raumordnerische 506 ZfB 2004, 253. 507 Bis zum Inkrafttreten der Änderungen des ROG und der ROV am 28. September 2023 ist ein Raumordnungsverfahren nach den bisherigen Vorschriften durchzuführen. 508 Zum Verhältnis Raumordnungsverfahren Bergbauvorhaben vgl. Burckhardt ZfB 1994, 8. 509 Zum Verhältnis allgemeines Raumordnungsverfahren und obligatorischer Rahmenbetriebsplan vgl. Burckhardt ZfB 1994, 8. 411

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Beurteilung hat gegenüber dem Vorhabensträger keine unmittelbare Rechtswirkung.510 Das Ergebnis der Raumverträglichkeitsprüfung kann nur im Rahmen des Rechtsbehelfsverfahrens gegen die nachfolgende Zulassungsentscheidung überprüft werden (§§ 15 Abs. 6 ROG n.F., 49 Abs. 3 UVPG), d.h. im Rahmen eines Rechtsmittels gegen eine Betriebsplanzulassung. 162 Auch, wenn Ziele der Raumordnung und Länderplanung als „öffentliches Interesse“ gemäß § 11 Nr. 10 bei der Erteilung einer Bergbauberechtigung berücksichtigt werden können, setzt die Erteilung einer Bergbauberechtigung nicht die Durchführung eines Raumordnungsverfahrens (bzw. der Raumverträglichkeitsprüfung) voraus511 und ist auch nicht rechtlich geboten. Die Vorhaben, die einer Raumverträglichkeitsprüfung zu unterziehen sind, sind in § 1 ROV und entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften aufgeführt, wozu die Erteilung von Bergbauberechtigung nicht zählt. Auch setzt das Verfahren sowohl auf landesplanerischer als auch vorhabenbezogener Ebene ausreichend konkrete Angaben voraus, um eine Raumverträglichkeitsprüfung durchführen zu können. Hieran dürfte es bei Erteilung einer Bergbauberechtigung, die nur eine Rechtserteilung ohne Genehmigung eines Vorhabens darstellt, i.d.R. fehlen. 162a Mit der Ablösung des Raumordnungsverfahrens durch die Raumverträglichkeitsprüfung soll eine engere Verzahnung von Raumordnungs- und Zulassungsverfahren erreicht und Doppelprüfungen vermieden werden. Die Änderungen werden durch das am 3. März 2023 verabschiedete Gesetz zur Änderung des Raumordnungsgesetzes und anderer Vorschriften (ROGÄndG) eingeführt, das eine Reihe von Änderungen zur Planungsbeschleunigung vorsieht. Dies betrifft die weitere Digitalisierung des Beteiligungsverfahrens bei der Aufstellung von Raumordnungsplänen (§ 9 Abs. 2 bis 4 ROG), Erleichterungen bei Zielabweichung durch Überführung des § 6 Abs. 2 ROG von einer „Kann“ zur „Soll“-Vorschrift und eine Neuregelung der Vorranggebiete durch Ergänzung des § 7 Abs. 3 ROG. Wird in Vorranggebieten der jeweiligen Nutzung oder Funktion substanziell Raum verschafft, kann festgelegt werden, dass diese Nutzung oder Funktion im übrigen Planungsraum ausgeschlossen ist. Die Ermittlung der Vorranggebiete mit derartiger Ausschlusswirkung erfolgt auf der Grundlage eines gesamträumlichen Planungskonzepts der planaufstellenden Stelle. Das Gesetz sieht darüber hinaus die Beseitigung von Redundanzen bei Änderungen von Planentwürfen (§ 9 Abs. 3 ROG) und erweiterte Regelungen zur Planerhaltung (§ 11 Abs. 3 ROG)512 vor.

VIII. Wald- und Forstrecht 163 Bei bergbaulichen Tätigkeiten, insbesondere der übertägigen Gewinnung von Bodenschätzen, ist die Inanspruchnahme von Flächen, auf denen sich Wald befindet, unausweichlich. Dem Schutz des Waldes dienen das BWaldG i.V.m. dem jeweiligen Wald- und Forstgesetz der Länder. Wald ist jede mit Forstpflanzen bestockte Grundfläche (§ 2 Abs. 1 BWaldG). Unter Forstpflanzen sind Pflanzen aller forstlichen Laub- oder Nadelbäume zu verstehen, gleichgültig, ob in- oder ausländischer Herkunft und ihres Alters.513 Der Baumbestand auf einer Bergehalde stellt auch einen Wald dar, da es weder darauf ankommt, ob die Grundfläche von den Menschen geschaffen wurde und ob das Gehölz von den Menschen geschaffen oder von der Natur angelegt wurde.514 In einigen Bundesländern kann Wald wegen seiner besonderen Funktionen als sog. Schutzwald unter einen besonderen Schutz gestellt werden.515 164 Die Rodung eines Waldes und die Umwandlung in eine andere Nutzungsart bedürfen grundsätzlich einer Umwandlungsgenehmigung (§ 9 Abs. 1 Satz 1 BWaldG i.V.m. den Länder-Waldgesetzen) oder befristeten Umwandlungsgenehmigung (§ 9 Abs. 2 BWaldG und i.V.m. den Länder-Wald510 511 512 513 514 515

Vgl. z.B. § 18 Abs. 5 Satz 2 LPlG B-W. VG Weimar 17.11.1994, 7 K 731/93 We, ZfB 1995, 151, 153. Die Änderungen treten am 28. September 2023 in Kraft. BT-Drs. 7/889, S. 24. OVG Münster 11.2.1985, 20 A 212/84, ZfB 1985, 334, 336; Stemplewski ZfB 1982, 200, 205. Z.B. § 31 WaldG B-W; Art 10 WaldG BY.

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gesetzen). Keine Genehmigungspflicht besteht, wenn durch bergbaulichen Abbau untertage Vernässungen auftreten, die den Wald schädigen.516 Bei der Entscheidung über die Umwandlungsgenehmigung sind die Rechte, Pflichten und wirtschaftlichen Interessen des Waldbesitzers sowie die Belange der Allgemeinheit gegeneinander und untereinander abzuwägen (§ 9 Abs. 1 Satz 2 BWaldG). Zu den Belangen der Allgemeinheit zählt nicht nur der Wald mit seinem Beitrag zur Leistungsfähigkeit der Natur, sondern auch das öffentliche Interesse an der Rohstoffgewinnung.517 Aufgrund des grundstücksbezogenen Verbots, Waldrodungen nicht ohne Umwandlungsgenehmigung vorzunehmen, werden die landesrechtlichen Vorgaben für die Abwägung von der bundesrechtlichen Gewichtung des § 48 Abs. 1 Satz 2 überlagert.518 Ein absoluter Vorrang der Rohstoffgewinnung ist damit jedoch nicht verbunden.519 Soweit bei der Abwägung auch die Erfordernisse der Raumordnung und Landesplanung zu berücksichtigen sind, können diese nur dann ein Versagungsgrund für eine Umwandlungsgenehmigung darstellen, wenn der andere Belang konkret in dem Plan ausgewiesen ist und Vorrang vor dem Bergbau haben soll.520 Selbst wenn für eine Umwandlungsgenehmigung die Aufhebung eines Schutzstatus für einen Wald erforderlich ist – z.B. sog. Bannwald –, ist die Rohstoffgewinnung als überwiegender Grund des Gemeinwohls anzusehen, wenn die abzubauenden Bodenschätze objektiv der regionalen Versorgung dienen.521 Eine Berücksichtigung von Lagerstätten außerhalb der Landesgrenzen ist dabei nicht geboten.522 Wenn keine der gesetzlichen Versagungsgründe vorliegen, besteht ein Rechtsanspruch auf die Genehmigungserteilung.523 Die Abwägung unterliegt der vollständigen gerichtlichen Kontrolle. Einer Umwandlungsgenehmigung für bergbauliche Tätigkeiten bedarf es in Brandenburg 165 und Nordrhein-Westfalen nicht, wenn für die Waldumwandlung eine anderweitige Nutzung in einem Planfeststellungsverfahren oder Braunkohlenplan vorgesehen ist (§ 8 Abs. 1 Satz 3 LWaldG Brb; § 43 Abs. 1 LFoG NRW). Gleiches gilt in Brandenburg, wenn eine Waldumwandlung innerhalb von Sanierungs- und Abschlussbetriebsplänen für vor dem 3.10.1990 begonnene Bergbauvorhaben vorgesehen sind. Die Waldumwandlungsgenehmigung ist bei betriebsplanpflichtigen Tätigkeiten neben der Betriebsplanzulassung erforderlich.524 Ist das bergbauliche Vorhaben und die damit verbundene Waldumwandlung nach der UVP-V Bergbau UVP-pflichtig (§ 1 Nr. 9 UVP-V Bergbau i.V.m. Nr. 17.2, Anlage 1 UVPG), ist die Waldumwandlungsgenehmigung von der Konzentrationswirkung des planfestgestellten Rahmenbetriebsplans erfasst. Nach den Wald- und Forstgesetzen der meisten Länder soll die Umwandlungsgenehmigung 166 mit der Auflage von Ersatzaufforstungen erteilt und ggf. Walderhaltungsabgabe verlangt werden – z.B. § 9 LWaldG B-W; § 8 Abs. 4 LWaldG Brb; § 12 HWaldG; § 8 Abs. 4 NWaldLG. Bei gerodeten Flächen, die nach bergbaulicher Tätigkeit wieder nutzbar zu machen sind (§ 55 Abs. 2 Nr. 2), hat die Bergbehörde im Abschlussbetriebsplan die notwendigen Entscheidungen für eine Folgenutzung festzusetzen. Dabei ist nicht zwingend, dass die gerodete Waldfläche wieder aufgeforstet wird, da die Folgenutzung unter Beachtung auch anderer öffentlichen Interessen zu erfolgen hat. Ist als Folgenutzung keine Wiederaufforstung vorgesehen, kann der Unternehmer weder zu einer Ersatz- noch Ausgleichsmaßnahme verpflichtet werden (vgl. zur gleichen Fallkonstellation beim Naturschutzrecht Anhang zu § 48 Rn. 88). Sollten jedoch im Rahmen der Wiedernutzbarmachung forstwirtschaftlicher Ausgleichmaßnahmen vorgesehen sein, sind diese mit ggf. erforderlichen

516 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 56 Anhang Rn. 545. 517 Giesen ZfB 1989, 185, 187. 518 A.A. OVG Greifswald 24.11.1999, 2 L 30/98, ZfB 2000, 32, 37, wonach die Belange der Rohstoffversorgung im Rahmen der Abwägung nach § 15 Abs. 4 LWaldG M-V zu berücksichtigen sind. OVG Greifswald 24.11.1999, 2 L 30/98, ZfB 2000, 32, 37 f.; VGH Mannheim 9.6.1988, 6 S 2972/84, ZfB 1989, 57, 72. OVG Greifswald 24.11.1999, 2 L 30/98, ZfB 2000, 32, 39 f. Zu § 13 Abs. 2 Satz 3 WaldG Hess; VGH Kassel 20.2.2014, 2 B 277/14, ZfB 2014, 137 Rn. 22. BVerwG 18.5.2000, 3 B 36/00, ZfB 2000, 139. OVG Greifswald 24.11.1999, 2 L 30/98, ZfB 2000, 32, 36.; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 56 Anhang Rn. 546. OVG Münster 11.2.1985, 20 A 212/84, ZfB 1985, 334, 338.

519 520 521 522 523 524 413

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Ersatzmaßnahmen nach dem BNatSchG anzurechnen, da ein doppelter Ausgleich für dieselbe Funktion unzulässig ist.525 167 Ist eine vorher nicht forstwirtschaftlich genutzte Grundfläche nach der Bergbautätigkeit aufzuforsten, bedarf es hierfür einer Genehmigung (§ 10 BWaldG i.V.m. den Landesgesetzen); diese kann nur verweigert werden, wenn Erfordernisse der Raumordnung und Landesplanung dem entgegenstehen. Soweit in Nordrhein-Westfalen Braunkohlenpläne einer Aufforstung als Nachfolgenutzung vorsehen, bedarf es hierzu keiner Genehmigung (§ 43 Abs. 1 LFoG NRW).

IX. Wasserrecht Schrifttum Attendorn Fracking – zur Erteilung von Gewinnungsberechtigungen und der Zulassung von Probebohrungen zur Gewinnung von Erdgas aus unkonventionellen Lagerstätten, ZUR 2011, 565; Dammert/Brückner Weniger strenge Umweltziele und Ausnahmen nach der Wasserrahmenrichtlinie und deren Bedeutung, SächsVBl 2013, 129; Dingemann Auslegung der Wasserrahmenrichtlinie – Öffentlichkeitsbeteiligung und Rügerecht Privater, NVwZ 2020, 1184; Durner Vom Gewässerausbau zum europäischen Grundwasserschutz, W+B 2020, 99; Elgeti/Dietrich Unkonventionelles Erdgas: Berg- und Wasserrecht, NuR 2012, 232; Frenz WHG-Erlaubnispflichtigkeit von Fracking und Lagerstättenwasserablagerung, UPR 2017, 121; Gaentzsch Rechtliche Fragen des Abbaus von Kies und Sand, NVwZ 1998, 889; Große Zu den Genehmigungsvoraussetzungen für geothermische Anlagen, NVwZ 2004, 809; Jordan/Welsing Einstellung der Grubenwasserhaltung nach Beendigung der Steinkohlengewinnung – Wasserrechtliche Betrachtung, ZfB 2017, 121; Keienburg Die Fracking-Gesetzgebung und ihre Folgen für den konventionellen Bohrlochbergbau, ZfB 2016, 270; Krüger Die Anforderungen an den Wasserrechtlichen Fachbeitrag, W+B 2018, 41 ff.; Kühne Planfeststellungspflichtige Deichbaumaßnahmen im Bergbau – Anmerkung zu den Urteilen des BVerwG vom 15.12.2006, DVBl 2007, 832; Piens Sickerwasser von Bergehalden als Rechtsproblem, ZfW 1999, 11; Ramsauer/Wendt Einsatz der Fracking-Technologie insbesondere aus Sicht des Gewässerschutzes, NVwZ 2014, 1401; Reinhardt Bergrechtliche Determinanten wasserbehördlicher Entscheidungen, in: von Danwitz (Hrsg.) Bergbau und Umwelt (1999) S. 57; Reinhardt Das wasserhaushaltsgesetzliche System der Eröffnungskontrolle unter besonderer Berücksichtigung bergrechtlicher Sachverhaltsgestaltungen, NuR 1999, 134; Reinhardt Neuere Entwicklungen im wasserhaushaltsgesetzlichen Bewirtschaftungssystem unter besonderer Berücksichtigung des Bergbaus, NuR 2004, 82; Reinhardt Wasserrechtliche Aspekte des Wasseranstiegs im Steinkohlenbergbau, ZUR 2006, 464; Reinhardt Geothermiebohrungen und Wasserrecht, UPR 2009, 289; Reinhardt Wasserrechtliche Vorgaben für die Gasgewinnung durch Fracking-Bohrungen, NVwZ 2012, 1369; Reinhardt Straßenrechtliche Planfeststellung – Ortsumgehung Ummeln, NVwZ 2021, 487; Salzwedel Garzweiler II im Spannungsfeld zwischen Bergrecht und Wasserrecht, in: FS für G. Feldhaus (1999), S. 281; Salzwedel Lässt die staatliche Bewirtschaftungsplanung für Gewässer heute noch Raum für den langfristigen Schutz von Investitionen im Bergbau?, in: Heggemann (Hrsg.) Bergrechtliche Zulassungsentscheidungen im Kontext mit Umweltprüfungen (2009), S. 51; Scheier Zur Anwendung von Abfall- und Wasserrecht auf Sickerwasser aus Halden, Kippen und Deponien, ZfW 1981, 144; Seuser Unkonventionelles Erdgas, NuR 2012, 8; Spieth Wasserrechtliche Planfeststellung und der bergrechtliche Abschlussbetriebsplan, ZUR 2001, 66; Spieth/von Daniels Einstellung der Wasserhaltung von Bergbaubetrieben – Voraussetzungen und Folgen, in: Heggemann (Hrsg.) Bergrechtliche Zulassungsentscheidungen im Kontext mit Umweltprüfungen (2009), S. 67; Stevens Bergrechtliche und umweltverträgliche Genehmigung für Tagebaue, ZUR 2012, 338; Tettinger Wasserversorgung und bergrechtlicher Betriebsplan, ZfW 1991, 1; Viertel Gewässerausbau und -unterhaltung bei übertägigen Bergbauvorhaben, ZfW 2002, 69; Viertel Die wasserrechtlichen Regelungen aus Sicht der Rohstoffwirtschaft, in: Frenz/Preuße (Hrsg.) Das neue Wasser- und Naturschutzrecht, S. 39; Von Weschpfennig, Strukturen des Bergrechts (2022).

1. Vorbemerkung 168 Die Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung von Bodenschätzen sind oft ohne unmittelbare oder mittelbare Auswirkungen auf das Wasser nicht durchführbar. Dies gilt je nach den geologi-

525 Vgl. § 8 Abs. 6 WaldG Nds; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 56 Anhang Rn. 547. Kappes

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Erstes Kapitel – Allgemeine Vorschriften über die Aufsuchung und Gewinnung

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schen Verhältnissen bei jeder Art der Rohstoffgewinnung. So ist z.B. bei der untertägigen Gewinnung von Steinkohle das anfallende Grubenwasser zu entsorgen, für die Gewinnung von Braunkohle in Großtagebauen zur Trockenhaltung des Gewinnungsortes der Grundwasserspiegel abzusenken, entsteht bei der übertägigen Gewinnung von Kies ein Restsee, wird bei der Erdölgewinnung zwangsläufig Lagerstättenwasser mitgewonnen, werden bei der Erdwärmegewinnung mittels Bohrungen Grundwasserschichten durchteuft, wird Wasser für Kühlzwecke entnommen und sind Rückstände aus der Aufbereitung zu entsorgen. Aufgrund dieses naturgegebenen Nebeneinanders hat das Wasserrecht seit alters her eine große Bedeutung bei der Rohstoffgewinnung. Die aus den früheren Zeiten bestehenden wasserrechtlichen Sonderregelungen für die Rohstoffgewinnung wurden zunehmend den allgemeinen Anforderungen angepasst.526 Für den Schutz des Wassers i.S. einer nachhaltigen Gewässerbewirtschaftung (§ 1 WHG) ist das WHG mit seinen Rechtsverordnungen sowie die hierzu teilweise abweichenden und ergänzenden Länderwassergesetze maßgeblich. Das WHG gilt für oberirdische Gewässer, Küstengewässer und das Grundwasser (§§ 2 i.V.m. 3 Nr. 1 bis 3 WHG), soweit es an den natürlichen Gewässerfunktionen Anteil hat und nicht dem Wasserhaushalt entzogen und der wasserwirtschaftlichen Lenkung zugänglich ist. Es enthält neben Bewirtschaftungsvorschriften für diese Gewässer (§§ 25 ff. WHG) vor allem Vorschriften für die Benutzung dieser Gewässer und den Gewässerausbau. Das WHG gilt uneingeschränkt für bergbauliche Tätigkeiten und Einrichtungen. Es enthält mit der Zuständigkeitsregelung des § 19 WHG sowie dem § 82 Abs. 6 Satz 2 WHG spezielle Regelungen für den Bergbau. Das BBergG enthält keine speziellen wasserrechtlichen Anforderungen.527

2. Bergbauberechtigung Unabhängig von den Genehmigungserfordernissen des WHG können Wasserbelange bereits bei 169 der Erteilung einer Bergbauberechtigung – je nach Aufsuchungs- und Gewinnungsart – Eingang finden. Der Gewässerschutz, wie z.B. die Trinkwasserversorgung, kann als öffentliches Interesse gemäß § 11 Nr. 10 der Rohstoffgewinnung entgegenstehen.528 Ist der Aufgabenbereich der Wasserbehörde berührt, ist dieser vor Erteilung der Bergbauberechtigung Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben ist (§ 15).529 Dies ist nur dann sinnvoll, wenn bereits im Arbeitsprogramm ausreichend konkrete Angaben zur Durchführung des Bergbauprojekts, wie z.B. die Abbaumethode, vorliegen, die eine Abschätzung der Auswirkungen auf das Wasser ermöglichen. Überwiegen im konkreten Fall die sich auf das gesamte Feld erstreckenden Belange des Gewässerschutzes und bestehen keine Ausnahmemöglichkeiten, kann die Bergbauberechtigung nicht erteilt werden (§ 11 Nr. 10). Die mögliche Betroffenheit z.B. eines Wasserschutzgebietes oder allgemeine Vorbehalte gegenüber einer bestimmten Gewinnungstechnik allein reichen jedoch nicht aus. Mögliche Auswirkungen eines Bergbaubetriebes auf die Gewässer und damit die wasserrechtlichen Vorgaben können in der Regel erst bei konkreteren Planungen für die Errichtung und Führung eines Bergbaubetriebes, z.B. auf der Ebene des Rahmenbetriebsplans, sachgerecht beurteilt werden.

526 Zur Entwicklung des Verhältnisses Berg- und Wasserrecht vgl. Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 56 Anhang Rn. 549 ff.; Szelag Das Markscheidewesen 1982, 30. 527 § 22a Abs. 6 ABBergV grenzt den Geltungsbereich des § 22a ABBergV zu Einleitung von Wasser gemäß Art 11 Abs. 3 Buchst. j) erster und zweiter Anstrich Richtlinie 2000/60/EG ab. 528 VGH Mannheim 9.6.1988, 6 S 2972/84, ZfB 1989, 57, 66; VG Leipzig 19.1.1995, 5 K 23/94, ZfB 1995, 48, 53. 529 Vgl. auch Vollzug des Bundesberggesetzes und der Wassergesetze, Gemeinsame Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen und für Wirtschaft, Verkehr und Technologie vom 27.8.1998, Vollzug des Bundesberggesetzes und der Wassergesetze; hier: Zusammenarbeit zwischen Berg- und Wasserbehörden, Amtsblatt Schl.-H. 1999, S. 18, Nr. 1. 415

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Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

3. Bewirtschaftungsziele und Vorhabenzulassung 169a Die Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und Rates zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik vom 23.10.2000 (Wasserrahmenrichtlinie – WRRL) enthält Umweltziele für die Gewässerbewirtschaftung, die im WHG in nationales Recht umgesetzt wurden. Diese im WHG als Bewirtschaftungsziele bezeichneten Vorgaben sind ein zentrales Element der Vorhabenzulassung von Bergbauvorhaben.

169b a) Umweltziele der WRRL. Die WRRL enthält Umweltziele für die Oberfächengewässer und das Grundwasser. Als Oberflächengewässer erfasst die WRRL die Binnengewässer (Fließgewässer und Seen), die Übergangsgewässer sowie die Küstengewässer. Art. 4 Abs. 1 lit. a) WRRL verpflichtet die Mitgliedstaaten, die notwendigen Maßnahmen durchzuführen, um eine Verschlechterung des Zustands aller Oberflächenwasserkörper zu verhindern, und die Gewässer zu schützen, zu verbessern und zu sanieren, mit dem Ziel, dass alle Oberflächenwasserkörper einen guten Zustand erreichen. Ein Oberflächenwasserkörper befindet sich in einem guten Zustand, wenn er sich in einem zumindest „guten“ ökologischen und chemischen Zustand befindet (Art. 2 Nr. 18 WRRL). Die Richtlinie 2008/105/EG des Europäischen Parlaments und Rates über Umweltqualitätsnormen im Bereich der Wasserpolitik vom 16.12.2008, zuletzt geändert am 24.8.2013 (Umweltqualitätsnormenrichtlinie – UQN-Richtlinie) legt für prioritäre Stoffe und bestimmte andere Schadstoffe Umweltqualitätsnormen mit dem Ziel fest, einen guten chemischen Zustand für Oberflächengewässer zu erreichen. Die Richtlinie 2013/39/EU zur Änderung der Richtlinien 2000/60/EG und 2008/105/EG in Bezug auf prioritäre Stoffe im Bereich der Wasserpolitik vom 12.8.2013 ändert u.a. die Liste und Grenzwerte der Umweltqualitätsnormen in Anhang I der UQN-Richtlinie. Art. 4 Abs. 2 lit. b) WRRL verpflichtet die Mitgliedstaaten, alle Grundwasserkörper zu schützen, zu verbessern und zu sanieren sowie ein Gleichgewicht zwischen Grundwasserentnahme und -neubildung zu gewährleisten mit dem Ziel, einen guten Zustand des Grundwassers zu erreichen. Ein Grundwasserkörper befindet sich in einem guten Zustand, wenn er sich in einem zumindest „guten“ mengenmäßigen und chemischen Zustand befindet (Art. 2 Nr. 19 WRRL). Die Richtlinie 2006/118/EG des Europäischen Parlaments und Rates zum Schutz des Grundwassers vor Verschmutzung und Verschlechterung vom 12.12.2006, zuletzt geändert am 24.8.2013 durch die Richtlinie 2014/80/EU (Grundwasserrichtlinie), enthält Kriterien für die Beurteilung des guten Zustands sowie für die Ermittlung und Umkehrung von steigenden und anhaltenden Trends im Grundwasser. Die Grundwasserrichtlinie ergänzt ferner die Bestimmungen aus der WRRL zur Verhinderung und Begrenzung der Einträge von Schadstoffen in das Grundwasser.

169c b) Umsetzung in nationales Recht. Der deutsche Gesetzgeber hat die Umweltziele aus der WRRL in das WHG als sog. Bewirtschaftungsziele übernommen. Das WHG enthält in §§ 27 bis 31 WHG die Bewirtschaftungsziele für die oberirdischen Gewässer, z.B. Fließgewässer (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WHG), in § 44 i.V.m. §§ 27 bis 31 WHG die Bewirtschaftungsziele für Küstengewässer (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WHG) und in §§ 47 i.V.m. §§ 29 bis 31 WHG die Bewirtschaftungsziele für das Grundwasser (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WHG). Das WHG hat die Konkretisierung der Bewirtschaftung auf die Verordnungsebene verlagert. Mit der Verordnung zum Schutz der Oberflächengewässer vom 20.6.2016 (OGewV) setzt die Bundesrepublik Deutschland die Vorgaben aus WRRL und UQN-Richtlinie u.a. für die Bestimmung des ökologischen und chemischen Zustands von Oberflächengewässern in nationales Recht um. Die Verordnung zum Schutz des Grundwassers vom 9.11.2010 (Grundwasserverordnung – GrwV), zuletzt geändert am 4.5.2017, enthält die Kriterien der WRRL und der Grundwasserrichtlinie u.a. für die Bestimmung des chemischen und mengenmäßigen Zustands des Grundwassers sowie für die Ermittlung steigender Trends von Schadstoffkonzentrationen. Kappes

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Erstes Kapitel – Allgemeine Vorschriften über die Aufsuchung und Gewinnung

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Neben dem im WHG normierten Verschlechterungsverbot, Verbesserungsgebot und dem Trendumkehrgebot steht die Phasing-Out-Verpflichtung für sog. prioritär gefährliche Stoffe nach Art. 4 Abs. 1 lit. a Ziff. iv i.V.m. Art. 16 Abs. 8 Satz 1 WRRL als ein eigenständiges Bewirtschaftungsziel. Dieses Bewirtschaftungsziel wird durch die Rechtsprechung als ein sog. bedingtes Bewirtschaftungsziel eingestuft. Die Bedingungen für eine vorhabenbedingte Anwendung dieses Bewirtschaftungsziels in einem einzelnen Vorhaben liegen weiterhin nicht vor. Die Phasing-OutVerpflichtung ist derzeit nicht in einer vollziehbaren Weise konkretisiert, sodass zwingende Vorgaben zur schrittweisen Verringerung nicht bestehen, und die subsidiäre Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Ergreifung eigener Maßnahmen nach Art. 16 Abs. 8 Satz 2 WRRL ist mangels Unbedingtheit und hinreichender Bestimmtheit im Erlaubnisverfahren nicht unmittelbar anwendbar.530

c) Prüfungs- und Beachtenspflicht in der Vorhabenzulassung. Der EuGH hat mit seinem 169d Urteil vom 28. Mai 2020531 klargestellt, dass Art. 4 Abs. 1 lit. a Ziff. i der WRRL nicht nur einen materiell-rechtlichen Prüfungsmaßstab enthält, sondern darüber hinaus auch Vorgaben für das behördliche Zulassungsverfahren. Danach sind die zuständigen Behörden verpflichtet, im Laufe des Genehmigungsverfahrens, und somit vor dem Erlass einer Entscheidung, zu prüfen, ob das Projekt negative Auswirkungen auf die Gewässer haben kann, die den Pflichten zuwiderliefen, die Verschlechterung des Zustands der Oberflächen- und Grundwasserkörper zu verhindern und diesen Zustand zu verbessern. Das Verschlechterungsverbot und das Verbesserungsgebot müssen bei der Zulassung eines Projekts strikt beachtet werden. Die Vereinbarkeit eines Bergbauvorhabens mit den Bewirtschaftungszielen ist daher nicht nur im Rahmen wasserrechtlicher Erlaubnisse, sondern auch bei sonstigen Zulassungsentscheidungen wie Planfeststellungen für einen Gewässerausbau zu prüfen. Die diesbezüglichen Angaben hat der Vorhabenträger der Planfeststellungsbehörde vorzulegen; sie müssen so beschaffen sein, dass die Auswirkungen des Projekts auf die Gewässer anhand der insbesondere in Art. 4 Abs. 1 WRRL vorgesehenen Kriterien und Pflichten geprüft werden können. Die Informationen sind sodann der betroffenen Öffentlichkeit zugänglich zu machen.532 Zwar müssen die Informationen nicht unbedingt in einem einzigen Dokument enthalten sein, doch muss die Öffentlichkeit jedenfalls anhand der ihr zugänglich gemachten Unterlagen einen Überblick über die Auswirkungen erhalten können. Unvollständige Akten oder unzusammenhängend in einer Vielzahl von Dokumenten verstreute Angaben sind hierfür ungeeignet. Während die wasserrechtliche Betrachtung früher vielfach im Rahmen der Prüfung des Schutzguts Wasser in der Umweltverträglichkeitsstudie für die UVP erfolgte, hat sich im Zuge der Konkretisierung der Anforderungen an die gewässerkörperbezogene Prüfung der Bewirtschaftungsziele die Praxis herausgebildet, dass Vorhabenträger einen eigenständigen Wasserrechtlichen Fachbeitrag erarbeiten.533 Der Wasserrechtliche Fachbeitrag gehört zu den (wesentlichen) entscheidungserheblichen Unterlagen im Sinne des § 6 Abs. 1 UVPG a.F. (bzw. § 19 UVPG).534 Die Bewirtschaftungsziele haben indes keine unmittelbar drittschützende Wirkung (zum Rechtsschutz siehe Anhang § 48 Rn. 200).

d) Bewirtschaftungsziele und Bewertungsmaßstäbe. Die konkreten Bewertungsmaßstäbe 169e für die Prüfung der Vereinbarkeit eines Vorhabens mit den wasserrechtlichen Bewirtschaftungszielen war lange Zeit umstritten. Der EuGH und das BVerwG haben die rechtlichen Anforderungen

530 BVerwG 24.2.2021, 9 A 8/20, juris Rn. 85, NVwZ 2021, 1846, 1854; BVerwG 2.11.2017, 7 C 25.15, Buchholz 445.41 § 27 WHG 2010 Nr. 3 Rn. 53 ff. 531 EuGH 28.5.2020, C-535/18, NVwZ 2020, 1177. 532 EuGH 28.5.2020, C-535/18, Rn. 76 und 80 ff., NVwZ 2020, 1177, 1180. 533 Zu den Anforderungen an den Wasserrechtlichen Fachbeitrag vgl. Krüger, W+B 2018, 41 ff. 534 BVerwG 28.4.2016, 9 A 9/15, NVwZ 2016, 1710, 1714. 417

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Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

in den vergangenen Jahren beginnend mit der EuGH-Entscheidung zur Elbvertiefung535 deutlich konkretisiert. Dabei ist zwischen Oberflächengewässern und Grundwasser zu unterscheiden. 169f Oberflächengewässer: Nach § 27 Abs. 1 Nr. 1 WHG sind Oberflächengewässer so zu bewirtschaften, dass eine Verschlechterung ihres ökologischen und ihres chemischen Zustands vermieden wird (sog. Verschlechterungsverbot). Gleichzeitig sollen Oberflächengewässer gem. § 27 Abs. 1 Nr. 2 WHG so bewirtschaftet werden, dass ein guter ökologischer und ein guter chemischer Zustand erhalten oder erreicht wird (sog. Verbesserungsgebot). Handelt es sich bei einem Wasserkörper um ein künstliches oder erheblich verändertes Gewässer, gilt als Referenz für das Verschlechterungsverbot und das Verbesserungsgebot hinsichtlich Gewässerökologie das sog. ökologische Potenzial (vgl. § 27 Abs. 2 WHG). Für die Küstengewässer gelten dieselben Bewirtschaftungsziele (vgl. § 44 Satz 1 WHG i.V.m. § 27 WHG), wobei für das sog. Küstenmeer, d.h. der Meeresbereich seewärts von 1 Seemeile ab der Küstenlinie, das Verschlechterungsverbot und das Verbesserungsgebot lediglich für den chemischen Zustand Anwendung finden. Oberflächengewässer und Küstengewässer befinden sich in einem guten ökologischen Zustand, wenn die aus Anhang V der WRRL in die Anlage 3 der OGewV übernommenen Qualitätskomponenten die Vorgaben der Tabellen 2 bis 5 der Anlage 4 der OGewV erfüllen (vgl. § 5 Abs. 1 OGewV). Das ökologische Potenzial eines erheblich veränderten Oberflächengewässers ist auf der Grundlage der Qualitätskomponenten einzustufen, die die Anlage 3 der OGewV enthält. Es sollen die Qualitätskomponenten genutzt werden, die für diejenige Gewässerkategorie gelten, die dem erheblich veränderten Gewässer am ähnlichsten ist (vgl. § 5 Abs. 2 Satz 1 OGewV). Für die Einstufung sind jeweils die in Anlage 5 der OGewV aufgeführten Verfahren und Werte zu verwenden (§ 5 Abs. 3 OGewV). Maßgebend für die Einstufung des ökologischen Zustands oder des ökologischen Potenzials eines Wasserkörpers ist nach § 5 Abs. 4 Satz 1 OGewV die jeweils schlechteste Bewertung einer der biologischen Qualitätskomponenten (Ziff. 1 der Anlage 3). Die hydromorphologischen Qualitätskomponenten (Ziff. 2 der Anlage 3 der OGewV) sowie die allgemeinen physikalischchemischen Qualitätskomponenten (Ziff. 3.2 der Anlage 3 der OGewV) sind zur Einstufung unterstützend heranzuziehen (sog. unterstützende Qualitätskomponenten, vgl. § 5 Abs. 4 S. 2 OGewV). Ein guter ökologischer Zustand oder ein gutes ökologisches Potenzial kann für einen Wasserkörper nicht angenommen werden, wenn eine oder mehrere UQN (Ziff. 3.1 der Anlage 3 der OGewV) nicht eingehalten werden (§ 5 Abs. 5 Satz 1 OGewV). Oberflächengewässer und Küstengewässer befinden sich in einem guten chemischen Zustand, wenn der betreffende Wasserkörper die UQN (vgl. Anlage 8 der OGewV) erfüllt (§ 6 Satz 1 OGewV). Andernfalls ist der chemische Zustand als nicht gut einzustufen (§ 6 Satz 2 OGewV). 169g Zum Verschlechterungsverbot vertraten zuvor ein Teil der Literatur und die verwaltungsrechtliche Rechtsprechung der ersten beiden Instanzen die sog. Status-quo-Theorie, die davon ausgeht, dass bereits jede nicht unerhebliche Veränderung des Wasserkörpers eine Verschlechterung darstellt.536 Ein Teil der Literatur sah dem gegenüber eine Verschlechterung erst dann als gegeben an, wenn sich die Zustandsklasse des Wasserkörpers negativ verändert hat (sog. Zustandsklassen-Theorie).537 Für die Zustandsklassen-Theorie spricht, dass entsprechend der Richtlinie 2000/60/EG gemäß §§ 4 Abs. 1; 7 Abs. 1 GrwV auf die Zustandsklassen „gut“ und „schlecht“ abgestellt wird. Das BVerwG ist der Ansicht der früheren Rechtsprechung nicht gefolgt, sondern hat mit Beschluss vom 11.7.2013538 dem EUGH die Frage vorgelegt, was unter „Verschlechterung des Zustands“ nach der Richtlinie 2000/60/EG zu verstehen ist. Der EuGH hat in seinem Urteil zur Elbvertiefung vom 1.7.2015539 eine Verschlechterung des Oberflächenwasserkörpers angenommen, sobald sich mindestens eine der Qualitätskomponenten i.S.d. Anhang V Richtlinie 2000/60/ 535 EuGH 1.7.2015, C 461/13, NVwZ 2015, 1041. 536 OVG Hamburg 18.1.2013, 5 E 11/08, NuR 2013, 727; OVG Bremen 4.6.2009, 1 19/09, ZUR 2010, 151; VG Cottbus 23.10.2012, 4 K 321/10, ZfB 2013, 127 (Sümpfung eines Tagebaus); VG Aachen 15.2.2013, 7 K 1970/09, ZfW 2013, 222.

537 Spieth/Ipsen NVwZ 2013, 391 ff.; ausführlich Fassbender EurUP 2013, 70. 538 Pressemitteilung 47/2013 des BVerwG – 7 A 20/11. 539 EUGH 1.7.2015, C 461/13, NVwZ 2015, 1041. Kappes

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Erstes Kapitel – Allgemeine Vorschriften über die Aufsuchung und Gewinnung

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EG um eine Klasse verschlechtert, auch wenn diese Verschlechterung nicht zu einer Verschlechterung der Klasse führt. Ist jedoch die betreffende Qualitätskomponente i.S. von Anhang V bereits in der niedrigsten Klasse eingeordnet, stellt jede Verschlechterung dieser Komponente eine „Verschlechterung des Zustands“ eines Oberflächenwasserkörpers dar. Das BVerwG hat dies in der Folge weiter konkretisiert.540 Eine Verschlechterung des ökologischen Zustands/Potenzials im Sinne von § 27 Abs. 1 und 2 WHG liegt vor, sobald sich der Zustand/ das Potenzial mindestens einer biologischen Qualitätskomponente der Anlage 3 Nr. 1 zur Oberflächengewässerverordnung um eine Klasse verschlechtert, auch wenn diese Verschlechterung nicht zu einer Verschlechterung der Einstufung eines Oberflächenwasserkörpers insgesamt führt. Ist die betreffende Qualitätskomponente bereits in der niedrigsten Klasse eingeordnet, stellt jede Verschlechterung dieser Komponente eine Verschlechterung des Zustands/Potenzials eines Oberflächenwasserkörpers dar. Ob ein Vorhaben eine Verschlechterung des Zustands/Potenzials eines Oberflächenwasserkörpers bewirken kann, beurteilt sich nach dem allgemeinen ordnungsrechtlichen Maßstab der hinreichenden Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts. Bei als erheblich verändert eingestuften Oberflächenwasserkörpern (vgl. § 28 WHG) ist Bezugsgröße für die Verschlechterungsprüfung nicht der ökologische Zustand, sondern das ökologische Potenzial.541 Für die Verschlechterungsprüfung kommt es auf die biologischen Qualitätskomponenten an; die hydromorphologischen, chemischen und allgemein chemisch-physikalischen Qualitätskomponenten nach Anlage 3 Nr. 2 und 3 zur Oberflächengewässerverordnung (OGewV 2011/2016) haben nur unterstützende Bedeutung (vgl. § 5 Abs. 4 Satz 2 OGewV). Aus der unterstützenden Funktion dieser Qualitätskomponenten folgt nicht, dass jegliche nachteilige Veränderung der für die unterstützenden Qualitätskomponenten relevanten Faktoren schon für sich genommen einen Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot bewirken.542 Eine Verschlechterung des ökologischen Zustands ist erst dann anzunehmen, wenn eine Veränderung einer unterstützenden Qualitätskomponente sich in spezifischer Weise auf eine biologische Qualitätskomponente mit Relevanz für den gesamten Wasserkörper auswirken kann und zu einer Verschlechterung der Einstufung führt. Auswirkungen auf die Qualitätskomponenten der sog. flussgebietsspezifischen Schadstoffe (vgl. § 5 Abs. 5 OGewV) bewirken dann eine Verschlechterung des ökologischen Zustands eines Wasserkörpers, wenn die stoffspezifischen UQN in Anlage 6 OGewV überschritten sind.543 Eine Verschlechterung des chemischen Zustands eines Oberflächenwasserkörpers liegt vor, sobald durch die Maßnahme mindestens eine Umweltqualitätsnorm im Sinne der Anlage 8 zur OGewV überschritten wird. Hat ein Schadstoff die Umweltqualitätsnorm bereits überschritten, ist jede weitere vorhabenbedingte messtechnisch erfassbare Erhöhung der Schadstoffkonzentration eine Verschlechterung.544 Auf eine nur rechnerisch ableitbare, gegebenenfalls minimale Erhöhung kommt es nicht an.545 Durch den Bezug auf die Messbarkeit wird den durch die verfügbaren naturwissenschaftlichen Methoden bedingten Grenzen der empirischen Erkennbarkeit einer Veränderung Rechnung getragen. Damit sind rein rechnerisch ermittele Auswirkungen dann nicht bewertungsrelevant, wenn sie mit verfügbaren Mess- und Analysemthoden nicht nachweisbar sind. Die Anforderungen an die Analysemethoden müssen sich an den normativ festgelegten UQN ausrichten. Sie müssen in der Lage sein, solche Grenzwerte verlässlich abzubilden; die Bestimmungsgrenze (Quantifizierungsgrenze) darf demnach grundsätzlich nicht über dem Grenzwert liegen. Dies ist wiederum durch die Einhaltung der normativen Vorgaben zur Messanalytik zu gewährleisten.546

540 541 542 543 544 545 546 419

BVerwG 9.2.2017, 7 A 2/15, BVerwGE 158, 1. BVerwG 9.2.2017, 7 A 2/15, BVerwGE 158, 1, 92. Vgl. BVerwG 9.2.2017, 7 A 2/15, BVerwGE 158, 1, 102 f. Dazu BVerwG 4.6.2020, 7 A 1/18, NuR 2020, 709, 717. BVerwG 9.2.2017, 7 A 2/15, BVerwGE 158, 1, 131 Rn. 578. BVerwG, 4.6.2020, 7 A 1/18, NuR 2020, 709, 718. Vgl. BVerwG 4.6.2020, 7 A 1/18, NuR 2020, 709, 718 f. Kappes

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Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

Nach der Rechtsprechung des EuGH gilt das Verschlechterungsverbot für jeden Typ eines Oberflächenwasserkörpers, für den ein Bewirtschaftungsplan erlassen wurde oder hätte erlassen werden müssen.547 Daraus folgt aber nicht, dass das Verschlechterungsverbot nicht für die Oberflächengewässer gilt, die nicht als Wasserkörper ausgewiesen sind und für die kein Bewirtschaftungsplan erlassen wurde. Die Wasserrahmenrichtlinie kennt keinen ausdrücklichen Vorbehalt bezüglich dieser kleinen Oberflächengewässer (Kleingewässer). Das BVerwG erkennt an, dass dem Verschlechterungsverbot für Kleingewässer dadurch entsprochen werden kann, dass sie so bewirtschaftet werden, dass der festgelegte Oberflächenwasserkörper, in den das zu betrachtende Kleingewässer mündet, die Bewirtschaftungsziele erreicht.548 Diese Vorgehensweise steht im Einklang mit dem im Zuge der Gemeinsamen Umsetzungsstrategie (Common Implementation Strategy – CIS) herausgegebenen CIS Guidance Document No. 2, Identification of Water Bodies (2003),549 welches zwar nicht verbindlich ist, dem aber dennoch bei der Auslegung besonderes Gewicht zukommt. Das CIS-Dokument erkennt die administrativen Schwierigkeiten bei der Erfassung und Unterschutzstellung dieser kleinen Gewässer. Es schlägt den einzelnen Mitgliedstaaten also eine von mehreren Möglichkeiten vor, kleine Gewässer so zu schützen und zu verbessern, wie dies zum Schutz und zur Verbesserung derjenigen (größeren) Gewässer erforderlich ist, mit denen sie unmittelbar oder mittelbar verbunden sind. 169h Der EuGH hat sich in seinem Urteil vom 5.5.2022 mit der Bewertung vorübergehender Auswirkungen auf ein Gewässer befasst und entschieden, dass bei der Prüfung des Verschlechterungsverbots auch vorübergehende Auswirkungen von kurzer Dauer und ohne langfristige Folgen für die Gewässer zu berücksichtigen sind.550 Solche Auswirkungen dürfen nur dann unberücksichtigt bleiben, wenn sich diese Auswirkungen ihrem Wesen nach offensichtlich nur geringfügig auf den Zustand der betroffenen Wasserkörper auswirken und im Sinne dieser Bestimmung nicht zu einer „Verschlechterung“ ihres Zustands führen können. Eine weitergehende allgemeine Aussage zur Zulässigkeit von Bagatellgrenzen in dem Sinn, dass offensichtlich geringfügige Auswirkungen nur dann keine Verschlechterung darstellen, wenn sie vorübergehend und von kurzer Dauer sind, lässt sich dem nicht entnehmen.551 Der Gerichtshof referenziert ausdrücklich auf seine bisherige Rechtsprechung, wonach die Schwelle, bei deren Überschreitung ein Verstoß gegen die Pflicht zur Verhinderung der Verschlechterung des Zustands eines Wasserkörpers vorliegt, so niedrig wie möglich sein muss.552 Dass diese Schwelle überhaupt nur durch kurzfristige Auswirkungen eingehalten werden können soll, ist trotz der – wenn auch unglücklichen – Formulierung nicht erkennbar. Die Bewertungsmaßstäbe aus der Rechtsprechung des BVerwG setzen (beispielsweise durch das Kriterium der messtechnischen Nachweisbarkeit) die Anforderungen des Gerichtshofs an eine niedrige Schwelle um. 169i Nach dem Verbesserungsgebot gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 2 WHG sind oberirdische Gewässer, soweit sie nicht nach § 28 als künstlich oder erheblich verändert eingestuft sind, so zu bewirtschaften, dass ein guter ökologischer und ein guter chemischer Zustand erhalten oder erreicht werden. Die als künstlich oder erheblich verändert eingestuften oberirdischen Gewässer sind nach § 27 Abs. 2 Nr. 2 WHG so zu bewirtschaften, dass ein gutes ökologisches Potenzial und ein guter chemischer Zustand erhalten oder erreicht werden. Diese Regelungen dienen zur Umsetzung von Art. 4 Abs. 1 lit. a Ziffer ii und iii WRRL. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist eine Genehmigung vorbehaltlich der Gewährung einer Ausnahme zu versagen, wenn das konkrete Vorhaben die Erreichung eines guten Zustands eines Oberflächengewässers bzw. seines guten ökologischen Potenzials und (oder) eines guten chemischen Zustands eines Oberflächengewässers zu dem nach der Richtlinie maßgeblichen Zeitpunkt ge547 EuGH 1.7.2015, C-461/13, NVwZ 2015, 1041, 1044. 548 BVerwG 27.11.2018, 9 A 8.17, BVerwGE 163, 380 Rn. 43 f.; BVerwG 10.11.2016, 9 A 18/15, BVerwGE 156, 215, 224 Rn. 105. 549 CIS Guidance Document No. 2, S. 13, abrufbar unter: https://ec.europa.eu/environment/water/water-framework/ facts_figures/guidance_docs_en.htm. 550 EuGH 5.5.2022, Rs. C-525/20, NVwZ 2022, 1033. 551 So aber wohl Reinhardt NVwZ 2022, 1036, 1038. 552 EuGH 1.7.2015, C-461/13, NVwZ 2015, 1041; EuGH 24.6.2021, C-559/19. Kappes

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Erstes Kapitel – Allgemeine Vorschriften über die Aufsuchung und Gewinnung

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fährdet.553 Das BVerwG stellt auch insoweit mangels anderweitiger Auslegungshinweise des EuGH zur Konkretisierung des in der WRRL (vgl. Art. 4 Abs. 6 lit. a und c, Abs. 8 WRRL) und WHG (vgl. § 28 Nr. 3, § 29 Abs. 2 Satz 2, § 31 Abs. 1 Nr. 2 und 3 WHG) verwendeten Begriffs „gefährden“ auf den allgemeinen ordnungsrechtlichen Wahrscheinlichkeitsmaßstab ab. Maßgeblich ist danach, ob die Folgewirkungen des Vorhabens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit faktisch zu einer Vereitelung der Bewirtschaftungsziele führen können.554 Das Verbesserungsgebot ist nach Auffassung des BVerwG vor allem durch die wasserwirtschaftliche Planung zu verwirklichen. Bei der Entwicklung und Auswahl der Bewirtschaftungsmaßnahmen verfügen die Mitgliedstaaten über einen weiten Handlungsspielraum, der es ihnen u.a. ermöglicht, die Besonderheiten und Merkmale der Wasserkörper in ihrem Hoheitsgebiet zu berücksichtigen. Angesichts der in der Wasserrahmenrichtlinie angelegten Vorrangstellung der wasserwirtschaftlichen Planung, dürfen (und müssen) sich die Genehmigungsbehörden bei der Vorhabenzulassung nach deren Inhalt richten. Sie haben daher grundsätzlich nicht zu prüfen, ob die im Maßnahmenprogramm vorgesehenen Maßnahmen zur Zielerreichung geeignet und ausreichend sind. Auch die gerichtliche (inzidente) Überprüfung des Maßnahmenprogramms beschränkt sich darauf, ob die zuständigen Stellen von ihrem wasserwirtschaftlichen Gestaltungsspielraum im Einklang mit den normativen Vorgaben der Wasserrahmenrichtlinie und des Wasserhaushaltsgesetzes Gebrauch gemacht haben. Grundwasser Nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 WHG ist das Grundwasser so zu bewirtschaften, dass 169j eine Verschlechterung des mengenmäßigen und chemischen Zustands vermieden wird (Verschlechterungsverbot). Gleichzeitig soll das Grundwasser gem. § 47 Abs. 1 Nr. 3 WHG so bewirtschaftet werden, dass ein guter mengenmäßiger und ein guter chemischer Zustand erhalten oder erreicht wird (Verbesserungsgebot). Neben diesem Verbesserungsgebot gilt das Gebot der Trendumkehr (§ 47 Abs. 1 Nr. 2 WHG), wonach alle signifikanten und anhaltenden Trends ansteigender Schadstoffkonzentrationen auf Grund der Auswirkungen menschlicher Tätigkeiten umgekehrt werden. Der mengenmäßige Zustand eines Grundwasserkörpers ist gut, wenn die langfristige mittlere jährliche Grundwasserentnahme das nutzbare Grundwasserdargebot nicht übersteigt (§ 4 Abs. 2 Nr. 1 GrwV). Zudem dürfen anthropogene Änderungen des Grundwasserstandes nicht dazu führen, dass die Bewirtschaftungsziele hydraulisch verbundener Oberflächengewässer verfehlt, der Zustand dieser Oberflächengewässer signifikant verschlechtert, abhängige Landökosysteme signifikant geschädigt und das Grundwasser durch den Zustrom von Salzwasser oder anderen Schadstoffen durch Änderungen der Grundwasserfließrichtung nachteilig verändert werden (§ 4 Abs. 2 Nr. 2 GrwV). Das Grundwasser befindet sich in einem guten chemischen Zustand, wenn in dem betreffenden Wasserkörper die Schwellenwerte nicht überschritten werden, die in Anlage 2 der GrwV enthalten sind oder die nach Maßgabe von § 5 Abs. 1 Satz 2 oder § 5 Abs. 2 GrwV festgelegt wurden (vgl. § 7 Abs. 2 Nr. 1 GrwV). Ein Grundwasserkörper befindet sich auch dann in einem guten Zustand, wenn im Rahmen der Überwachung festgestellt wird, dass es keine Anzeichen für anthropogene Schadstoffeinträge gibt, die Grundwasserbeschaffenheit nicht zu einem Verfehlen der Bewirtschaftungsziele für hydraulisch verbundenen Oberflächengewässer führt und eine Schädigung unmittelbar abhängender Landökosysteme nicht zu befürchten ist (vgl. § 7 Abs. 2 Nr. 2 GrwV). Nachdem sich die Rechtsprechung lange vornehmlich mit der Bewertung von Vorhabenaus- 169k wirkungen auf die Oberflächengewässer befasst hat, haben der EuGH und BVerwG nun auch die Bewertungsmaßstäbe für die Prüfung des Verschlechterungsverbots für das Grundwasser präzisiert. Eine vorhabenbedingte Verschlechterung des chemischen Zustands eines Grundwasserkörpers liegt sowohl dann vor, wenn mindestens eine der Qualitätsnormen oder einer der Schwellenwerte i.S.v. Art. 3 Abs. 1 der Grundwasserrichtlinie überschritten wird, als auch dann, wenn sich die Konzentration eines Schadstoffs, dessen Schwellenwert bereits überschritten ist, voraussichtlich erhöhen wird. Die an jeder Überwachungsstelle gemessenen Werte sind individuell zu 553 EuGH 1.7.2015, C-461/13, NVwZ 2015, 1041, 1044. 554 BVerwG 9.2.2017, 7 A 2.15, BVerwGE 158, 1, 133 Rn. 582. 421

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berücksichtigen.555 Eine allein auf den Grundwasserkörper insgesamt abstellende Beurteilung entspricht nach der Rechtsprechung nicht den Vorgaben der WRRL.556 Damit hat die Rechtsprechung zwar erstmals ausdrücklich das Verschlechterungsverbot für das Grundwasser konkretisiert; der Bedarf nach Klärung und für die Praxis handhabbaren Maßstäben besteht allerdings weiterhin: Zunächst berücksichtigt der pauschale Maßstab einer vorhabenbedingten Überschreitung eines Schwellenwertes nach der Grundwasserrichtlinie nicht, dass eine solche Überschreitung unter den Voraussetzungen des Art. 4 Abs. 2 lit. c der Richtlinie (bzw. § 7 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1–3 GrwV) zulässig ist.557 Darüber hinaus bereitet der Bezug auf die individuelle Messstelle in der Praxis erhebliche Schwierigkeiten und lässt sich aus dem System der Überwachung der Grundwasserqualität, das seinerseits auf den Grundwasserkörper insgesamt abstellt, nicht zwingend ableiten.558 Im Zusammenhang mit dem Verschlechterungsverbot für das Grundwasser haben der EuGH559 und ihm folgend das BVerwG560 klargestellt, dass die Bewirtschaftungsziele keine unmittelbar drittschützende Wirkung haben. Zwar können sich auf einen Verstoß gegen das wasserrechtliche Verschlechterungsverbot bzw. Verbesserungsgebot neben Umweltverbänden auch „Mitglieder der von einem Projekt betroffenen Öffentlichkeit“ berufen. Dabei muss es sich aber um eine unmittelbare Betroffenheit handeln. Auf einen Verstoß gegen das grundwasserbezogene Verschlechterungsverbot können sich daher nur diejenigen Mitglieder der Öffentlichkeit berufen, die in räumlicher Nähe zur geplanten Trasse über einen eigenen genehmigten Trinkwasserbrunnen verfügen, nicht aber diejenigen, die lediglich das öffentliche Wasserversorgungsnetz nutzen, ohne über ein besonderes Entnahmerecht zu verfügen.561 Eine Erweiterung der Klage- und Rügebefugnisse gegenüber den geltenden Maßstäben ist damit nicht verbunden. Es ist somit europarechtlich nicht notwendig, dass die Mitgliedstaaten Einzelnen vorbehaltlos den Zugang zu Gericht ermöglichen, um sich auf Art. 4 WRRL berufen und wegen eines vermeintlichen Verstoßes gegen die Bewirtschaftungsziele Klage erheben zu können. 169l Die Rechtsprechung hat die Bewertungsmaßstäbe für das Verbesserungsgebot für das Grundwasser nicht weiter konkretisiert. In Anlehnung an den Maßstab für die Oberflächengewässer ist ein Verstoß gegen das Verbesserungsgebot anzunehmen, wenn das Vorhaben die Erhaltung oder Erreichung des guten mengenmäßigen und guten chemischen Zustands zu dem Zeitpunkt gefährdet, der für den jeweiligen Grundwasserkörper unter Berücksichtigung eventuell bestehender Fristverlängerungen maßgeblich ist. 169m Eine ordnungsgemäße Prüfung der Vereinbarkeit eines Vorhabens mit den Bewirtschaftungszielen setzt eine Ermittlung des Ist-Zustands der zu bewertenden Wasserkörper voraus.562 Schließt die Geltung einer Erlaubnis zeitlich unmittelbar an eine vorangegangene Erlaubnis an, so ist der Zustand des Gewässers bei gleichbleibenden Einleitungen unverändert.563 Bei der Prüfung des Verschlechterungsverbots ist ein Rückgriff auf Potenzial- und Zustandsbewertungen des Bewirtschaftungsplans grundsätzlich zulässig. Nach dem BVerwG ist es grundsätzlich sachgerecht und praktikabel, diese Einstufungen auch bei der Vorhabenzulassung zugrunde zu legen, sofern sie den Anforderungen der WRRL, des WHG und der OGewV entsprechend zustande gekommen und die fachlichen Bewertungen vertretbar sind. Eine darüber hinausgehende Inzidentkontrolle des BWP ist auch im gerichtlichen Verfahren regelmäßig nicht veranlasst. Soweit belastbare neuere Erkenntnisse, insbesondere Monitoring-Daten vorliegen, sind diese aber heranzuziehen. Praktische Schwierigkeiten entstehen re555 556 557 558 559 560 561

BVerwG 30.11.2020, 9 A 5/20, BVerwGE 170, 378; im Anschluss an EuGH 28.5.2020, C-535/18 Rn. 119. BVerwG 24.2.2021, 9 A 8/20, NVwZ 2021, 1846, 1848. Dingemann, NVwZ 2020, 1184, 1185 f.; Reinhardt, NVwZ 2021, 487, 492. Dingemann, NVwZ 2020, 1184, 1185 f.; Durner, W+B 2020, 99, 101. EuGH 28.5.2020, Rs C-535/18. BVerwG 30.11.2020, 9 A 5/20, NVwZ 2021, 487. BVerwG 9 A 5/20, NVwZ 2021, 487, 491, im Anschluss an EuGH 28.5.2020, C-535/18, NVwZ 2020, 1177, 1184, sowie EuGH 3.10.2019, C-197/18, NVwZ 2019, 1587, 1588. 562 BVerwG, Beschl. v. 25.4.2018, 9 A 16/16, juris Rn. 51. 563 BVerwG 2.11.2017, 7 C 25/15, UPR 2018, 227, 233. Kappes

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gelmäßig, wenn der BWP auf einer lückenhaften, unzureichenden oder veralteten Datenlage beruht. In diesem Fall sowie bei konkreten Anhaltspunkten für Veränderungen des Zustands sind nämlich nach dem BVerwG weitere Untersuchungen erforderlich. In der Praxis bestehen weitreichende Umsetzungsdefizite der Länder, deren Bewirtschaftungsplanung häufig auf fehlenden/veralteten Daten und auf einem unzureichenden Messstellennetz beruhen. Vielfach haben sich Vorhabenträger in diesen Fällen bei der Prüfung der Verschlechterung des chemischen Zustands der OWK damit beholfen, dass sie statt eigener Datenerhebung auf die Hälfte der Jahresdurchschnitts-Umweltqualitätsnorm (JD-UQN) als Ist-Zustand abstellen. Das BVerwG hat im Zusammenhang mit der Prüfung des Verschlechterungsverbots für das Grundwasser durch Benzoapyren-Einträge aus der Straßenentwässerung entschieden, dass sich auf der Grundlage einer halben JD-UQN zwar die Zunahme der Gesamtbelastung berechnen lässt, nicht aber die von der Ausgangsbelastung abhängige Beachtung der UQN nachweisen. Deshalb kann der Ist-Zustand nicht durch die Hälfte der JD-UQN ersetzt werden.564 Das führt zu teilweise weitreichenden Untersuchungspflichten des Unternehmers mit erheblichem Verzögerungspotential. Ausnahmsweise ist keine Ermittlung des Ist-Zustands erforderlich, wenn die Konzentrationserhöhung messtechnisch nicht erfassbar ist und daher keine Verschlechterung darstellt.565 Das BVerwG hat ausdrücklich klargestellt, dass die WRRL und das WHG nicht verlangen, bei der Vorhabenzulassung die kumulierenden Wirkungen anderer Vorhaben zu berücksichtigen. Die Erreichung dieser Bewirtschaftungsziele ist aufgrund der oft mit der Rohstoffgewinnung 169n zwangsläufig verbundenen Gewässerbenutzungen nicht nur bei neuen Bergbauvorhaben, sondern auch aufgrund der langen Betriebslaufzeiten einschließlich der Maßnahmen zur Betriebseinstellung für vor 2009 begonnene Bergbaubetriebe und bergbauliche Sanierungsprojekte kaum einhaltbar. Aus diesem Grund sind die Ausnahmeregelungen der §§ 30 f. und 47 WHG für den Bergbau von grundlegender Bedeutung.566 Gemäß §§ 29 und 47 Abs. 2 Satz 2 WHG kann die Frist zur Einhaltung des Verbesserungsgebots zweimal für einen Zeitraum von jeweils sechs Jahren bis maximal 22.12.2027 verlängert werden. Eine Erlaubnis kann auch erteilt werden, wenn für den betroffenen Wasserkörper abweichende Bewirtschaftungsziele im Bewirtschaftungsplan festgelegt worden sind (§§ 30, 47 Abs. 3 WHG). Nach dem Wortlaut des § 47 Abs. 3 WHG beschränkt sich diese Ausnahme beim Grundwasser auf das Verbesserungsgebot.567 Die Voraussetzungen für eine Ausnahme ergeben sich aus § 30 WHG (sachliche oder wirtschaftliche Unmöglichkeit; keine bessere Umweltoption bei sozioökonomischen Erfordernissen, wie z.B. bei der Rohstoffversorgung; Verschlechterungsverbot; Optimierung des beeinträchtigten Wasserkörpers; Verbot der Gefährdung der Bewirtschaftungsziele für andere Gewässer). Bei der Festsetzung abweichender Bewirtschaftungsziele ist darauf zu achten, dass diese Festsetzung für die für die Erteilung der Erlaubnis oder Bewilligung zuständigen Behörden verbindlich ist.568 Neben diesen allgemeinen Ausnahmen ist gemäß § 31 Abs. 2 WHG bzw. § 47 Abs. 3 WHG auch eine behördliche Ausnahme im Einzelfall möglich, und zwar hinsichtlich aller Bewirtschaftungsziele. Voraussetzung hierfür ist, dass die Anforderungen des § 31 Abs. 2 WHG eingehalten werden. Hiernach muss es sich um eine ab dem 1. März 2010 eintretende neue Veränderung der physischen Gewässereigenschaft oder des Grundwasserstandes handeln (§ 31 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WHG).569 Aus dem Bezug auf die physischen Gewässereigenschaften wird teilweise gefolgert, dass § 31 Abs. 2 WHG nur Einwirkungen auf das äußere Erscheinungsbild eines Gewässers erfasse und daher bei der Einleitung von Stoffen keine Ausnahmeerteilung hinsichtlich des chemischen Zustands erlaube.570 Diese Auffassung verengt den Wortlaut der Norm allerdings zu stark. § 31 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 WHG bezieht sich nicht auf eine 564 565 566 567 568 569 570

BVerwG 11.7.2019, 9 A 13/18, NuR 2020, 253. BVerwG 11.7.2019, 9 A 13/18, NuR 2020, 253, 270, 274 f. Ausführlich hierzu Dammert/Brückner SächsVBl 2013, 129. VG Cottbus 23.10.2012, 4 K 321/10, ZfB 2013, 127, 138; Reinhardt ZUR 2006, 465, 467. VG Cottbus 23.10.2012, 4 K 321/10, ZfB 2013, 127, 137. Berendes WHG, § 31 Rn. 3. Berendes/Frenz/Müggenborg/Schmid WHG, 2. Aufl., § 31 Rn. 25; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG § 56 Anhang, Rn. 626b. 423

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physische Veränderung der Gewässereigenschaften, sondern eine Veränderung der physischen Gewässereigenschaften. Das kann auch durch Einleitungen und die dadurch bedingten Veränderungen der stofflichen Beschaffenheit geschehen.571 Nicht nur der Beginn einer Wassernutzung, z.B. Grundwassersenkung, sondern auch die Fortsetzung einer Sümpfungsmaßnahme im Rahmen eines laufenden Betriebes stellt eine neue Veränderung nach Nummer 1 dar.572 Die Gründe für die Veränderung müssen von übergeordnetem öffentlichen Interesse sein (§ 31 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 WHG). Hiernach ist zwischen dem öffentlichen Interesse an der Nutzung des oberirdischen Gewässers bzw. des Grundwassers und der Beeinträchtigung der Wasserbeschaffenheit abzuwägen. Den nationalen Behörden steht nach dem EuGH „ein gewisses Ermessen“ bei der Frage zu, ob ein Vorhaben im übergeordneten öffentlichen Interesse steht; dabei kann das öffentliche Interesse für ein Wasserkraftwerk durch die Förderung erneuerbarer Energien gerechtfertigt sein.573 Zu den öffentlichen Interessen zählen auch die Belange der Daseinsvorsorge, wie z.B. die Energieversorgung.574 Die Gewinnung von Rohstoffen für die Versorgung des Marktes stellt ein Gemeinwohl dar.575 Die gesicherte Versorgung mit energetischen und nichtenergetischen Bodenschätzen ist in einer Industriegesellschaft für die Funktionsfähigkeit und Stabilität der Volkswirtschaft notwendig.576 Für die Sicherung der Energieversorgung durch heimische Rohstoffe, wie z.B. Braunkohle, besteht ein überwiegendes Interesse.577 Das überwiegende öffentliche Interesse an der Rohstoffgewinnung kann auch in landesplanerischen Ausweisungen zugunsten des Rohstoffabbaus, wie z.B. einem Braunkohlenplan, zum Ausdruck kommen. Das mit der Veränderung des Wassers verbundene Ziel darf nach § 31 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 WHG nicht mit anderen Maßnahmen erreichbar sein, soweit solche verhältnismäßig und technisch durchführbar sind. Schließlich sind geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die nachteiligen Auswirkungen auf den Grundwasserzustand zu verringern (§ 31 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 WHG). So wird man z.B. bei der Trockenhaltung eines Tagebaus zu prüfen haben, ob die großflächige Senkung des Grundwasserspiegels oder die Dichtwandtechnologie weniger nachteilige Auswirkungen auf das Wasser haben.

4. Benutzung von Gewässern (§ 9 WHG) 170 Der Schutz des Wassers wird vor allem dadurch sichergestellt, dass die Benutzung von Gewässern grundsätzlich einer wasserrechtlichen Erlaubnis oder Bewilligung bedarf (§ 8 Abs. 1 WHG) (Repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt). Von dem Schutz der „natürlichen“ Gewässer sind die „künstlichen“ Entwässerungsanlagen zu unterscheiden.578 Bei der Benutzung i.S.d. WHG kommt es nicht darauf an, ob der Eingriff in das Gewässer dessen Nutzung selbst zum Ziel hat oder lediglich zwangsläufig mit einer anderen zweckdienlichen Tätigkeit, wie der Gewinnung von Bodenschätzen, verbunden ist.579 § 9 WHG konkretisiert abschließend die wasserrechtlichen Benutzungstatbestände. Hierbei ist zwischen sog. echten (§ 9 Abs. 1 WHG) und unechten (§ 9 Abs. 2 WHG) Benutzungen zu unterscheiden, da hierfür jeweils unterschiedliche Tatbestandsvoraussetzungen gelten. Die einzelnen Benutzungstatbestände beziehen sich entweder auf alle Gewässer einschließlich Küstengewässer oder nur auf oberirdische Gewässer oder nur auf das Grundwasser. Grundwasser ist das unterirdische Wasser in der Sättigungszone, das in unmittelbarer Berüh571 572 573 574

Füßer/Lau NuR 2015, 589, 593 ff.; Czychowski/Reinhardt WHG Rn. 14a; Landmann/Rohmer/Durner, WHG, § 31 Rn. 30. VG Cottbus 23.10.2012, 4 K 321/10, ZfB 2013, 127, 139. EuGH 4.5.2016, C-346/14, NVwZ 2016, 1161. Czychowski/Reinhardt WHG, § 31 Rn. 15 m.w.N.; OVG Berlin 28.9.2000, 4 B 130/00, ZfB 2000, 297; OVG Münster 21.12.2007, 11 A 1194/02, ZfB 2008, 101. 575 BVerfG 17.12.2013, 1 BvR 3139/08, 1 BvR 3386/08, BVerfGE 134, 242 Rn. 202 = ZfB 2013, 49 Rn. 203. 576 BVerwG 14.12.1990, 7 C 5/90, BVerwGE 87, 241, 250 = ZfB 1991, 129, 135. 577 VG Cottbus 23.10.2012, 4 K 321/10, ZfB 2013, 127, 140. 578 Vgl. hierzu Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 56 Anhang Rn. 588 ff. 579 BVerfG 15.7.1981, 1 BvL 77, 78, BVerfGE 58, 300. Kappes

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rung mit dem Boden oder dem Untergrund steht (§ 3 Nr. 5 WHG) und so Teil der natürlichen Grundwasserfunktion ist. Dabei ist die Herkunft des unterirdischen Wassers grundsätzlich ebenso wenig von Bedeutung wie die Tiefe, in der es sich befindet, ob es fließt, in Hohlräumen gestaut oder kapillar gebunden ist. In der Sättigungszone sind alle Hohlräume in Poren-, Kluft- und Karstgrundwasser zu einhundert Prozent mit Wasser ausgefüllt.580 Sickerwasser im Übergangsbereich zwischen gesättigter und ungesättigter Zone ist (noch) nicht als Grundwasser anzusehen.581 Wasser verliert seine Eigenschaft als Grundwasser, wenn es dauerhaft und vollständig künstlich gefasst wird oder dauerhaft zu Tage tritt.582 Bergbauliche Tätigkeiten und Einrichtungen können mit Auswirkungen auf das Oberflächenwasser und/oder Grundwasser einen oder mehrere wasserrechtliche Benutzungstatbestände erfüllen. Den in § 9 Abs. 1 WHG aufgeführten sog. „echten“ Benutzungen ist gemeinsam, dass sie eine bestimmte zweckgerichtete Verhaltensweise umschreiben, die nach ihrer Eignung unmittelbar auf ein Gewässer gerichtet ist,583 unabhängig davon, ob der Gewässerzustand hierdurch günstig oder nachteilig beeinflusst wird.584 Die einzelnen Benutzungstatbestände beziehen sich entweder auf das Oberflächengewässer und Grundwasser (§ 9 Abs. 1 Nr. 4 WHG) oder eines dieser Wässer. Zur Benutzung zählen das Entnehmen und Ableiten von Wasser aus oberirdischen Gewässern (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 WHG), wie z.B. die Wasserentnahme zur Reinigung von gewonnenem Kies. Gleiches gilt für das Absenken oberirdischer Gewässer (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 WHG) und die damit verbundene Veränderung des übertägigen Wasserspiegels für die Rohstoffgewinnung. Das Absenken des Grundwassers, z.B. um den Tagebau für den Rohstoffabbau trockenzulegen, fällt dagegen nicht unter Nummer 2, da sich diese nur auf oberirdische Gewässer bezieht.585 Als wasserrechtliche Benutzung wird auch die Entnahme fester Stoffe aus oberirdischen Gewässern angesehen, jedoch nur, soweit dies Auswirkungen auf die Gewässereigenschaften hat (§ 9 Abs. 1 Nr. 3 WHG).586 Dies gilt z.B. bei der Gewinnung von Kiesen und Sanden und anderen Bodenschätzen aus einem oberirdischen Gewässer.587 Die Gewinnung wasserhaltiger Bodenschätze ist dagegen keine Entnahme aus einem Gewässer.588 Die Entnahme des Wassers wird dagegen von § 9 Abs. 1 Nr. 1 WHG erfasst. Entsteht bei der Entnahme der Bodenschätze aus einem oberirdischen Gewässer ein Gewässer, wie z.B. bei der Nassauskiesung, stellt dies keine wasserrechtliche Benutzung i.S.d. § 9 WHG, sondern eine Gewässerherstellung nach § 67 Abs. 2 WHG dar (§ 9 Abs. 3 Satz 1 WHG). Das Einbringen und Einleiten von Stoffen in Oberflächengewässer oder in das Grundwasser sind ebenfalls Gewässerbenutzungen (§ 9 Abs. 1 Nr. 4 WHG), wobei die Handlung objektiv darauf gerichtet sein muss, dass der Stoff in das Gewässer gelangt.589 Stoff ist grundsätzlich jede Materie, die unmittelbar vor der Einleitung oder Einbringung in dem Gewässer nicht vorhanden ist.590 Nummer 4 erfasst im Gegensatz zu Nummer 3 nicht nur feste, sondern auch flüssige, schlammige und gasförmige Stoffe. Während das Einbringen auf feste Stoffe zielt,591 umfasst das

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OVG Münster 18.11.2015, 11 A 3048/11, ZfB 2016, 33, 49; OVG Münster 27.7.2010, 9 A 2967/08, NWVBl. 2011, 159, 160. Czychowski/Reinhardt WHG, § 3 Rn. 45; Landmann/Rohmer/Faßbender WHG, § 3 Rn. 46. Czychowski/Reinhardt WHG, § 3 Rn. 45; Landmann/Rohmer/Faßbender WHG, § 3 Rn. 46. Czychowski/Reinhardt WHG, § 9 Rn. 5; zur Zweckgerichtetheit als Voraussetzung des Einleitens vgl. Reinhardt NVwZ 2012, 1369, 1370. 584 Czychowski/Reinhardt WHG, § 9 Rn. 26. 585 Dieser Fall wird von § 9 Abs. 1 Nr. 5 WHG erfasst. Reinhardt NuR 2004, 82, 83; a.A. Czychowski/Reinhardt WHG, § 9 Rn. 20. 586 Vgl. hierzu Kotulla WHG, § 9 Rn. 13. 587 Czychowski/Reinhardt WHG, § 9 Rn. 22. 588 Czychowski/Reinhardt WHG, § 9 Rn. 71. 589 Czychowski/Reinhardt WHG, § 9 Rn. 52. 590 Reinhardt Bergrechtliche Determinanten wasserbehördlicher Entscheidungen, in von Danwitz (Hrsg.) Bergbau und Umwelt (1999), 57, 62. 591 Czychowski/Reinhardt WHG, § 9 Rn. 26. 425

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Einleiten flüssige und gasförmige Stoffe jeder Art, einschließlich Wasser.592 Zur Stoffeinleitung zählt u.a. das Einleiten erschrotener Grubenwässer in oberirdische Gewässer oder in das Grundwasser sowie das Einleiten von Kohlenwaschwasser, Kühlwasser oder des gesammelten Sickerwassers einer Halde in ein Gewässer.593 Das aus einer Halde austretende oder abfließende nicht gesammelte Sickerwasser594 oder aus stillgelegten Bergwerken595 austretende Wasser, das in Gewässer gelangt, ist kein Einleiten, da es an der zweckgerichteten Einwirkung auf das Wasser fehlt.596 Das Errichten einer Halde kann jedoch im Einzelfall eine unechte Benutzung darstellen. An der zweckgerichteten Handlung fehlt es auch bei Einstellung der Wasserhaltung durch Abstellen der Pumpen zum Heben des anfallenden Grubenwassers oder Senkung des Grundwasserstandes und des damit verbundenen Wiederansteigenlassens des Grundwassers.597 Eine Stoffeinleitung in das Grundwasser stellt dagegen das durch Versenkbohrungen unmittelbar in das Grundwasser (Plattendolomit) erfolgende Verbringen von Salzabwässern,598 das Verpressen von Gas oder Wasser und von Begleitstoffen bei der Erdöl- und Erdgasgewinnung599 dar, wenn das Einleiten unmittelbar in das Grundwasser erfolgt. Das Verpressen von Gas zur behälterlosen Speicherung in einem Untergrundspeicher ist als Benutzung anzusehen, wenn das Gas mit dem Wasser in Berührung kommt;600 dies gilt z.B. nicht für Salzkavernen, da in diesem Fall keine Verbindung zu Gewässern besteht. Mit der Neuregelung des WHG vom 31.7.2009 wurde Nummer 4 um das Einbringen von Stoffen in das Grundwasser erweitert.601 Formal bedeutet dies eine Verschärfung, da es bei der nunmehr als echte Benutzung zu qualifizierenden Handlung nicht mehr – wie nach der bisherigen Rechtslage – auf eine nachteilige Veränderung des Grundwasserkörpers im konkreten Fall ankommt, um eine Genehmigungspflicht auszulösen. Diese Verschärfung wird jedoch durch § 49 Abs. 1 WHG relativiert (vgl. Anhang zu § 48 Rn. 179). Die Ansicht, dass es sich bei Nummer 4 nur um solche Stoffe handelt, die zur Auflösung oder zu anderen wasserwirtschaftlichen erheblichen Verbindungen mit dem Wasser geeignet sind,602 entspricht zwar dem Schutzzweck des WHG, jedoch ist dieser Umstand keine Frage der Benutzung, sondern der Zulassungsfähigkeit, d.h. ob eine Besorgnis vor schädlichen Gewässerveränderungen besteht.603 Das Einbringen in das Grundwasser ist u.a. das durch den Grundwasserkörper führende Niederbringen von Bohrungen z.B. zur Senkung des Grundwasserspiegels, um die Rohstoffgewinnung vorzubereiten und zu ermöglichen oder zum Einpressen von Stoffen in unterirdische Gesteinsformation zur Gewinnung von Erdgas (Fracking).604 Auch das mit dem Abteufen von Schächten verbundene Einbringen von Baustoffen zählt dazu; hierbei ist nur auf den dabei verwendeten festen Stoff, der mit dem Grundwasserkörper unmittelbar in Berührung kommt, abzustellen, wie z.B. das Bohrrohr – jedoch nicht dessen Inhalt. Auch das Niederbringen von Leitungen und Sonden für Erdwärmegewinnung mittels Durchteufung des Grundwassers stellt unabhängig von der Art der Energiegewinnung eine

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OVG Münster 28.10.1988, 20 A 11327/87, ZfW 1989, 227. Czychowski/Reinhardt WHG, § 9 Rn. 35; Schink DVBl 1986, 161, 163; Scheier ZfW 1981, 144. Czychowski/Reinhardt WHG, § 9 Rn. 35. Reinhardt in: von Danwitz (Hrsg.) Bergbau und Umwelt, S. 57, 62 m.w.N.; Frenz NuR 2006, 684. Czychowski/Reinhardt WHG, § 9 Rn. 35. Spieth/von Daniels in: Heggemann (Hrsg.) Bergrechtliche Zulassungsentscheidungen im Kontext mit Umweltprüfungen, S. 67, 68; Reinhardt in: von Danwitz (Hrsg.) Bergbau und Umwelt, S. 57, 63. 598 VGH Kassel 20.3.2013, 2 B 1716/12, ZfB 2013, 291, Rn. 22 mit der Feststellung, dass dies nicht UVP-pflichtig ist; VGH Kassel 3.11.2010, 7 B 1704/10, DVBl 2011, 113. 599 Czychowski/Reinhardt WHG, § 9 Rn. 61; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 56 Anhang, Rn. 565; a.A. Kotulla WHG, § 9 Rn. 34 mit Hinweis auf das Fehlen des wasserwirtschaftlichen Ziels. 600 Czychowski/Reinhardt WHG, § 9 Rn. 61; Kotulla WHG, § 9 Rn. 34. 601 BT-Drs. 16/12 275, S. 55. 602 Czychowski/Reinhardt WHG, § 9 Rn. 26; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 56 Anhang Rn. 564; Seuser NuR 2012, 8. 603 Elgeti/Dietrich NuR 2012, 232, 237. 604 Czychowski/Reinhardt WHG, § 9 Rn. 64a. Kappes

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Benutzung dar.605 Die bloße Umlagerung von Abraummaterial bei abgesenktem Grundwasserstand stellt dagegen keine echte Benutzung nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 WHG dar, sondern allenfalls eine unechte Benutzung gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 2 WHG, wenn diese Maßnahmen geeignet sind, nachteilige Veränderungen der Wasserbeschaffenheit herbeizuführen.606 Das zweckgerichtete Mobilisieren607 des den Abbau hindernden Grundwassers stellt eine 176 echte Benutzung nach § 9 Abs. 1 Nr. 5 WHG dar, wenn dies durch Ableiten, Entnehmen, Zutagefördern oder Zutageleiten des Grundwassers erfolgt.608 Wird bei Bergbautätigkeiten Grundwasser unbeabsichtigt bzw. zufällig erschlossen, wird dies von Nummer 5 nicht erfasst,609 jedoch ist die Entdeckung anzuzeigen (§ 49 Abs. 2 WHG). Nummer 5 geht nämlich davon aus, dass es sich bereits um erschlossenes Grundwasser handelt. Das planmäßige Heben des Grundwassers mittels Pumpen, um einen Tagebau trocken zu halten (sog. Sümpfung) oder um Erdwärme zu gewinnen,610 stellt ein Zutagefördern des Grundwassers dar.611 Das Freilegen von Grundwasser, z.B. bei der Kiesgewinnung kann als Zutageförderung612 oder Zutageleiten613 gewertet werden, jedoch nur, soweit dies keinen Gewässerausbau darstellt (§ 9 Abs. 3 Satz 1 WHG). Unabhängig von dem Recht des Bergwerkseigentümers, über das Grubenwasser zur Nutzung für betriebliche Zwecke zu verfügen614 und dem speziellen Verfügungsrecht in NRW, das zutage geförderte Wasser für betriebliche Zwecke des Bergwerksbetriebes und sonstiger bergbaulichen Anlagen zu nutzen,615 ist das Ableiten des im Bergbaubetrieb anfallenden oder erschrotenen Grubenwassers, z.B. durch Stollen, als Ableiten i.S.d. Nummer 5 anzusehen. Dies gilt für salzhaltiges Grundwasser jedoch nur, wenn es sich dabei nicht um Sole i.S.d. § 3 Abs. 3 handelt, die ab einem NaCl-Gehalt von 5 % und mehr anzusehen ist.616 Die Einstellung der Grubenwasserhaltung mit der Folge des natürlichen Anstiegs des Grundwassers auf einen Grundwasserspiegel unterhalb der Tagesoberfläche stellt keine Benutzung nach § 9 Abs. 1 Nr. 5 WHG dar.617 Können zielgerichtete Handlungen – im Gegensatz zu den „echten“ Benutzungen gemäß § 9 177 Abs. 1 WHG – ohne das Wasser unmittelbar zu nutzen mittelbare Auswirkungen auf das Wasser haben, können diese eine „unechte“ wasserrechtliche Benutzung nach § 9 Abs. 2 WHG darstellen. Nach Nummer 1 müssen die Einwirkungen auf das Wasser durch Anlagen erfolgen. Als Benutzung gilt eine Anlage, die ein Aufstauen, Ableiten oder Umleiten des Grundwassers bewirkt (§ 9 Abs. 2 Nr. 1 WHG). Umleitung bedeutet, dass dem Grundwasser eine andere Fließrichtung gegeben wird. Zu den Anlagen zählen u.a. Spund- bzw. Dichtwände, Pumpen zum Heben von Grundwasser und Sümpfungswässer,618 soweit dadurch auf das Grundwasser eingewirkt wird, Abdichtungsmaßnahmen zum Schutz vor eindringendem Wasser619 und Stollen, die zum Umleiten des Grundwassers errichtet werden. Eine Kiesgrube stellt dagegen keine geeignete Anlage dar. Ist die Errichtung oder der Betrieb einer solchen Anlage auch mit dem Einbringen von Stoffen in 605 606 607 608 609 610

Czychowski/Reinhardt WHG, § 9 Rn. 64, VGH Kassel 10.8.2012, 2 B 896/12, ZfB 2012, 245. Viertel in: Frenz/Preuße (Hrsg.) Das neue Wasser- und Naturschutzrecht, S. 39, 41. Berendes/Frenz/Müggenborg/Schmid WHG, § 9 Rn. 64. Reinhardt NuR 2004, 82, 83; Tettinger ZfW 1991, 1, 8. Berendes/Frenz/Müggenborg/Schmid WHG, § 9 Rn. 64. VGH Kassel 17.8.2011, ZfB 1484/11, ZfB 2012, 36, lässt offen, ob der Entzug der Erdwärme aus dem Grundwasser den Benutzungstatbestand des § 9 Abs. Nr. 2 WHG erfüllt; vertiefend zu Geothermiebohrungen und Wasserrecht unter Geltung des WHG vor dem 1.3.2010 Reinhardt UPR 2009, 289. 611 Vgl. auch OVG Lüneburg 18.10.2001, 7 LB 161/01, NuR 2003, 40. 612 Czychowski/Reinhardt WHG, § 9 Rn. 69 m.w.N. 613 OVG Bautzen 25.3.2004, 5 B 402/03, SächsVBl 2004, 258, 259. 614 Czychowski/Reinhardt WHG, § 9 Rn. 7 m.w.N. 615 § 7 Abs. 2 Gesetz über den Erftverband i.d.F. vom 1.12.2012. 616 Runderlass des Ministeriums für Umwelt, Natur und Forsten (S-H) vom 14.1.1999, Vollzug des Bundesberggesetzes und der Wassergesetze; hier: Zusammenarbeit zwischen Berg- und Wasserbehörden, Amtsbl. S-H 1999, S. 18 Nr. 2.1. 617 Jordan/Welsing ZfB 2017, 121, 125 ff. 618 Reinhardt NuR 2004, 83. 619 Kotulla WHG, § 3 Rn. 44. 427

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Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

das Grundwasser verbunden, wie z.B. Fundamente i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 4 WHG, geht der anlagenbezogene Benutzungstatbestand des § 9 Abs. 2 Nr. 1 WHG als Spezialregelung vor.620 178 Einen Auffangtatbestand, der nur eingreift, wenn kein anderer Benutzungstatbestand des § 9 Abs. 1 oder Abs. 2 Nr. 1 WHG vorliegt, stellt § 9 Abs. 2 Nr. 2 WHG dar; er erfasst Maßnahmen, die mittelbare Auswirkungen auf das Wasser haben und zumindest dazu geeignet sind, nachteilige Veränderungen der Wasserbeschaffenheit in nicht nur unerheblichem Ausmaß von oberirdischen Gewässern oder Grundwasser hervorzurufen, wobei sich die Wasserbeschaffenheit auf die physikalische und biologische Beschaffenheit bezieht (§ 3 Abs. 9 WHG). Im Gegensatz zu den anderen Benutzungstatbeständen werden nur die Maßnahmen erfasst, bei denen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie geeignet sind, dauernd oder in nicht unerheblichem Maße nachteilige Veränderungen der Wasserbeschaffenheit hervorzurufen. Die Maßnahmen müssen mit einem Gefährdungspotenzial für das Wasser verbunden sein.621 Liegen konkrete Anhaltspunkte nicht vor, liegt keine Benutzung gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 2 WHG vor. Maßnahmen zur Veränderung der Wasserbeschaffenheit können sein z.B. die Verkippung pyrithaltigen Abraummaterials, die Verbringung von Rückständen in untertägige Bergwerksbetriebe, soweit sie mit dem Grundwasser in Berührung kommen können,622 die Errichtung und der Betrieb von Halden, soweit Sickerwasser austritt623 und der Abbau von Sand oder Kies, bei dem grundwassergeschützte Deckschichten oberhalb des Grundwasserspiegels abgetragen werden (Trockenauskiesung), wenn nicht nur die theoretische Möglichkeit einer nachteiligen Veränderung des Grundwassers damit verbunden ist.624 Bohrungen, bei denen mit Gewässerverunreinigungen durch stoffliche Einträge, wie z.B. Spülungszusätze, Schmierstoffe zu rechnen ist, können eine Benutzung nach § 9 Abs. 2 Nr. 2 WHG darstellen.625 Keine unechte Benutzung stellt die Einstellung der Grubenwasserhaltung mit der Folge des natürlichen Anstiegs des Grundwassers auf einen Grundwasserspiegel unterhalb der Tagesoberfläche dar, denn es handelt sich um das schlichte Nichtausnutzen einer zugelassenen Benutzung.626 178a Durch das Gesetz zur Änderung wasser- und naturschutzrechtlicher Vorschriften zur Untersagung und zur Risikominimierung bei den Verfahren der Fracking-Technologie vom 4.8.2016627 wurden neue unechte Benutzungstatbestände für Fracking-Vorhaben eingeführt. Als Benutzungen gelten nach § 9 Abs. 2 Nr. 3 WHG das Aufbrechen von Gesteinen unter hydraulischem Druck zur Aufsuchung oder Gewinnung von Erdgas, Erdöl oder Erdwärme, einschließlich der zugehörigen Tiefbohrungen und nach § 9 Abs. 2 Nr. 4 WHG die untertägige Ablagerung von Lagerstättenwasser, das bei Maßnahmen nach Nr. 3 oder anderen Maßnahmen zur Aufsuchung oder Gewinnung von Erdgas oder Erdöl anfällt. Damit erfasst Nr. 4 neben Fracking-Maßnahmen ganz allgemein die untertägige Ablagerung von Lagerstättenwasser bei Erdgas- und Erdölvorhaben. Lagerstättenwasser ist nach der vom Gesetzgeber in Bezug genommenen628 Legaldefinition des § 22b Satz 1 Nr. 3 ABBergV die in der Produktionsphase aus der Lagerstätte nach über Tage geförderte Flüssigkeit geogenen Ursprungs, während § 1 Nr. 2c UVP-V-Bergbau Lagerstättenwasser als die bei der Aufsuchung und Gewinnung von Erdgas und Erdöl aus der Lagerstätte nach über Tage geförderten Flüssigkeiten geogenen Ursprungs definiert. Offenbar wollte der Gesetzgeber nur die mitgeförderte Flüssigkeit während der Produktionsphase erfassen,629 weil nur diese nach § 22c 620 Czychowski/Reinhardt WHG, § 9 Rn. 79. 621 VGH Mannheim 20.5.2010, 35 1253/08, NuR 2010, 802. 622 Dies gilt wegen der fehlenden Grundwasserberührung z.B. nicht für Salzbergwerke. Im Übrigen berücksichtigt die VersatzV die wasserrechtlichen Anforderungen. 623 Piens ZfW 1999, 11, 14. 624 VGH Mannheim 6.5.1994, 8 S 25 69/93, ZfW 1997, 32; VGH München 31.3.2001, 15 B 96.1537, NuR 2003, 173, 175; Müller/Schulz Handbuch Recht der Bodenschätzegewinnung, Rn. 40. 625 Große NVwZ 2004, 809, 811. 626 Jordan/Welsing ZfB 2017, 121, 128 f. 627 BGBl. I, S. 1972. 628 BT-Drs. 18/4713, S. 21. 629 Ausdrücklich BR-Drs. 144/15, 18, 20; Keienburg ZfB 2016, 270. Kappes

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Erstes Kapitel – Allgemeine Vorschriften über die Aufsuchung und Gewinnung

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Abs. 1 ABBergV untertage abgelagert werden darf; mithin keine Regelungsnotwendigkeit gesehen wurde. Dieser dogmatische Ansatz ist nicht zwingend, zumal nach dem Wortlaut der Nr. 4 auch die untertägige Ablagerung von Lagerstättenwasser erfasst ist, das bei „anderen Maßnahmen zur Aufsuchung“ anfällt. Derselbe dogmatische Ansatz liegt dem Umgang mit Rückfluss (die nach über Tage zurückgeförderte Flüssigkeit, die zum Aufbrechen der Gesteine mit hydraulischem Druck eingesetzt worden ist, § 22b Satz 1 Nr. 3 ABBergV), zugrunde. Die untertägige Ablagerung von Rückfluss ist gemäß § 22c Abs. 2 Satz 6 ABBergV unzulässig und daher ausweislich der Gesetzesbegründung von Nr. 4 nicht erfasst.630 Die untertägige Ablagerung von Lagerstättenwasser erfasst auch nicht die Kreislaufführung durch Verpressung und Re-Injektion oder Wasserzirkulation bei der Erdwärmeaufsuchung und -gewinnung.631 Für vorhandene Anlagen zur Gewässerbenutzung greift die Übergangsregelung des § 104a WHG. Die Vorschrift knüpft an die Nutzung einer bestandskräftig nach Bergrecht zugelassenen Anlage zur untertägigen Ablagerung von Lagerstättenwasser an. Nach § 104a Abs. 1 WHG bedarf die Nutzung einer Anlage zur untertägigen Ablagerung von Lagerstättenwasser, das bei Maßnahmen zur Aufsuchung oder Gewinnung von Erdgas oder Erdöl anfällt, keiner Erlaubnis, wenn die Anlage vor dem 11.2.2017 in Übereinstimmung mit einem bestandskräftig zugelassenen Betriebsplan errichtet worden ist oder zu diesem Zeitpunkt ein bestandskräftig zugelassener Betriebsplan für die Anlage vorlag. Für die Anlage sind aber innerhalb von zwei Jahren die Überwachungs- und Mitteilungspflichten nach § 13b Abs. 2 und 3 WHG in künftigen Hauptbetriebsplänen zu regeln. § 104a Abs. 2 enthält eine Übergangsregelung für alle Anlagen, die den Anforderungen gem. § 22c Abs. 1 Satz 3 ABBergV nicht genügen. Für diese Anlagen entfällt nach Abs. 2 Satz die Erlaubnispflicht, wenn der Anlagenbetreiber spätestens bis zum 11.2.2019 ein Entsorgungskonzept für eine anderweitige Entsorgung des Lagerstättenwassers vorlegt und hierfür eine behördliche Bestätigung vorliegt. Auch unter den Voraussetzungen des Abs. 2 war der Betrieb dieser Anlagen allerdings spätestens am 11.2.2022 einzustellen (§ 104 Abs. 2 Satz 4 WHG), wobei sich für diese Anlagen tatsächlich aufgrund der bergrechtlichen Übergangsregelung des § 22c Abs. 4 BBergG ein Verbot der untertägigen Einbringung bereits seit dem 7.8.2021 ergab. Mit beiden Benutzungstatbeständen hat der Gesetzgeber die Systematik der unechten Benutzungstatbestände verlassen, die sich durch mit den echten Benutzungen vergleichbare Einwirkungspotentiale auf Gewässer auszeichnen, während die neuen Tatbestände der Nr. 3 und 4 von solchen Einwirkungen auf Gewässer losgelöst sind.632 Ergänzend zu den unechten Benutzungstatbeständen sind die gesetzlichen Verbote des § 13a 178b WHG eingeführt worden. Eine Erlaubnis für eine Gewässerbenutzung nach § 9 Abs. 2 Nr. 3 und 4 ist zu versagen, wenn (1.) Schiefer-, Ton- oder Mergelgestein oder Kohleflözgestein zur Aufsuchung oder Gewinnung von Erdgas oder Erdöl aufgebrochen werden soll oder (2.) die Gewässerbenutzung in oder unter bestimmten Gebieten, wie z.B. festgesetzten Wasserschutzgebieten oder Heilquellenschutzgebieten erfolgen soll. Damit untersagt der Gesetzgeber das unkonventionelle Fracking, während das in Deutschland bereits seit Jahrzehnten praktizierte konventionelle Fracking und die untertägige Ablagerung von Lagerstättenwasser unter gesetzlich näher konkretisierten Anforderungen gestattungsfähig bleibt.633 Abweichend von dem gesteinsbezogenen Verbot können für vier Erprobungsmaßnahmen unter den Voraussetzungen des Absatzes 2 mit Zustimmung der Landesregierung Erlaubnisse erteilt werden. Diese Erprobungsmaßnahmen werden von einer Expertenkommission begleitet (Abs. 6). Diejenigen Benutzungen, die nicht schon aufgrund der Verbote des Absatzes 1 unzulässig sind, müssen die Anforderungen des § 13a Abs. 4 und 5 WHG einhalten. Bei Fracking-Vorhaben müssen nach § 13a Abs. 4 WHG insbesondere die Anforderungen an die Fracking-Flüssigkeit und der Stand der Technik eingehalten werden. Für das Lagerstättenwasser ist nach § 13a Abs. 5 WHG der Stand der Technik einzuhalten und es sind insbesondere die Anforderungen nach § 22c ABBergV zu erfüllen. Weitere Anforderungen können nach § 13a Abs. 3 630 631 632 633 429

BT-Drs. 18/4713, S. 22. Keienburg ZfB 2016, 270, 271. Frenz UPR 2017, 121, 122. Landmann/Rohmer/von Weschpfennig WHG, § 13a Rn. 1. Kappes

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Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

WHG für Benutzungen in oder unter Gebieten des untertägigen Bergbaus durch Landesrecht festgelegt werden. Weitergehende Fracking-Verbote durch Landesrecht sind unzulässig. Der Bundesgesetzgeber hat zu Fracking von seiner Gesetzgebungszuständigkeit mit § 9 Abs. 2 Nr. 3 und 4 sowie § 13a WHG umfassend Gebrauch gemacht und dazu eine abschließende Regelung getroffen. Diese Regelungen sind stoffbezogen und daher abweichungsfest im Sinne des Art. 72 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 GG.634 Das Land Schleswig-Holstein hat auf der Grundlage des § 13a Abs. 3 WHG in § 40 Abs. 2 LWG SH geregelt, dass eine Erlaubnis gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 3 WHG in oder unter Gebieten, in denen untertägiger Bergbau betrieben wird oder worden ist, ab der Ausweisung dieser Gebiete in Karten zu versagen ist. Die Regelung in § 40 Abs. 3 LWG SH, wonach eine Erlaubnis gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 WHG unbeschadet der Versagungsgründe gemäß § 13a Abs. 1 WHG nur erteilt werden darf, wenn eine nachteilige Veränderung der Grundwasserbeschaffenheit nicht zu besorgen ist, hat mit der Normierung des Besorgnisgrundsatzes nur klarstellenden Charakter. 179 Die Benutzung von Gewässern gemäß § 9 WHG bedarf grundsätzlich einer wasserrechtlichen Erlaubnis oder Bewilligung. Dies gilt jedoch unter bestimmten Voraussetzungen nicht für Benutzungen gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 4 WHG, wenn es sich um das Einbringen von Stoffen in das Grundwasser bei sog. Erdaufschlüssen handelt (§ 49 Abs. 1 WHG). Erdaufschlüsse sind Arbeiten, die so tief in den Boden eingebracht werden, dass sie sich unmittelbar oder mittelbar auf das Grundwasser auswirken können. Boden ist in Übereinstimmung mit § 2 Abs. 1 BBodSchG die obere Schicht der Erdkruste, soweit sie Träger bestimmter Bodenfunktionen sind;635 hierzu zählen auch Rohstofflagerstätten (§ 2 Abs. 2 Nr. 3a BBodSchG). Auch wenn Ausgangspunkt des § 49 Abs. 1 WHG die Erdarbeiten bei der Errichtung von Bauwerken waren, umfassen die in Satz 1 umschriebenen Arbeiten alle Handlungen, die mit der Beseitigung oder Durchdringung des Bodens verbunden sind, unabhängig davon, ob dies von oder unterhalb der Erdoberfläche und in welcher Tiefe636 erfolgt. Hierzu zählen u.a. das Anlegen von Bau-, Sand- und Kiesgruben, Schächten637 einschließlich Blindschächten, Stollen, Tagebauen, Strecken, das Niederbringen von Bohrungen und das Einbringen von Erdwärmesonden,638 soweit diese Tätigkeiten mit dem Einbringen von Stoffen in das Grundwasser i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 4 WHG verbunden sind. Können diese Erdarbeiten Auswirkungen auf das Grundwasser haben, sind diese der Behörde anzuzeigen. Die Anzeige ermöglicht es der Behörde, die Wirkung dieser Arbeiten aus Sicht des Gewässerschutzes zu überprüfen. In einigen Bundesländern besteht die Anzeigepflicht nach Absatz 1 Satz 1 nicht, wenn die Arbeiten der bergrechtlichen Aufsicht unterliegen (u.a. Art. 30 Abs. 4 WG BY; § 36 Abs. 5 WG SL; § 45 Abs. 5 WG SN; § 56 WG Brb). Adressat der Anzeige ist die Wasserbehörde, es sei denn die Länder regeln Abweichendes, wie z.B. § 37 Abs. 5 WG B-W, wonach für Arbeiten, die dem BBergG unterliegen, die Bergbehörde zuständig ist. Die bei Bohrungen gemäß § 127 Abs. 1 Nr. 1 bestehende Anzeigepflicht (§ 50) ist von der Anzeigepflicht des § 49 Abs. 1 Satz 1 WHG unabhängig. 180 Bringt der Unternehmer bei diesen Erdarbeiten feste oder festwerdende Stoffe in das Grundwasser ein,639 wie z.B. Bohrrohre, Baustoffe für Fundamente, ist – abweichend von der echten Benutzung des § 9 Abs. 1 Nr. 4 WHG – nach der speziellen Regelung des Satzes 2 eine wasserrechtliche Erlaubnis nur dann erforderlich, wenn – wie bei den sog. unechten Benutzungen – im konkreten Einzelfall die Stoffeinbringung mit nachteiligen Auswirkungen auf das Grundwasser verbunden sein können. Von einer Erlaubnisfreiheit kann ausgegangen werden, wenn für den einzubringenden Stoff, z.B. einem Baustoff eine europäische Zulassung oder eine bauaufsichtliche Zulassung nach dem Bauproduktengesetz vorliegt.640 Die Bedeutung des § 49 Abs. 1 WHG wird für bergbauliche Tätigkei634 635 636 637 638

LVerfG SchlH 6.12.2019, LVerfG 2/18, NVwZ 2020, 228. Kotulla WHG, § 49 Rn. 6. Czychowski/Reinhardt WHG, § 9 Rn. 5. Czychowski/Reinhardt WHG, § 49 Rn. 4. BT-Drs. 16/12 275, S. 5; VGH Kassel 10.8.2012, 2 B 896/12, ZfB 2012, 245; VGH Kassel 17.8.2011, 2 B 1484/11, ZfB 2012, 36, 39. 639 A.A. Czychowski/Reinhardt WHG, § 49 Rn. 10 – der auch flüssige Stoffe erfasst sieht. 640 BT-Drs. 16/12275, S. 66. Kappes

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Erstes Kapitel – Allgemeine Vorschriften über die Aufsuchung und Gewinnung

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ten durch die zur Anzeigepflicht des Satz 1 abweichenden Länderregelungen nicht verringert,641 da Satz 2 eine von der Anzeigepflicht unabhängige Sonderregelung zu dem Benutzungstatbestand des § 9 Abs. 1 Nr. 4 WHG darstellt. Soweit die Bergbehörde aufgrund einer Anzeige oder eines Betriebsplans von den grundwasserrelevanten Arbeiten Kenntnis hat, hat sie zu prüfen, ob die Stoffeinbringung sich nachteilig auf die Grundwasserbeschaffenheit auswirken kann und642 hierfür ggf. eine wasserrechtliche Erlaubnis erforderlich ist.

5. Zulassung von Gewässerbenutzungen Soweit kein Ausnahmetatbestand, z.B. §§ 8 Abs. 2 f., 46, 49 WHG, vorliegt, bedarf die Benutzung 181 eines Gewässers i.S.d. § 9 WHG einer wasserrechtlichen Gestattung. Umstritten ist die Frage, ob der Zulassung des Hauptbetriebsplans überwiegende öffentliche Interessen im Sinne des § 48 Abs. 2 BBergG entgegenstehen, wenn eine wasserrechtliche Erlaubnis fehlt oder der Umfang der in einer erteilten wasserrechtlichen Erlaubnis zugelassenen Grundwasserentnahme nicht ausreicht, um den geplanten Fortbetrieb des Bergbauvorhabens zu gewährleisten. In der obergerichtlichen Rechtsprechung wurde zuletzt von einer Beachtlichkeit des Fehlens bzw. etwaiger Mängel einer erforderlichen wasserrechtlichen Erlaubnis für die Zulassung eines Betriebsplans ausgegangen. Nach dem OVG Münster darf ein Hauptbetriebsplan, der den Abbau freigibt, wegen entgegenstehender Gründe des Grundwasserschutzes gemäß § 48 Abs. 2 Satz 1 BBergG nicht vor oder nur bei gleichzeitiger Erteilung der erforderlichen wasserrechtlichen Genehmigung zugelassen werden.643 Das OVG Saarlouis hat in seinem Urteil vom 10.12.2019 zum Bergwerk Saar die Auffassung vertreten, dass eine Betriebsplanzulassung für ein Vorhaben, das mit einer Gewässerbenutzung einhergeht, nicht erteilt werden kann, wenn nicht zuvor oder zumindest gleichzeitig die für die Gewässerbenutzung erforderliche wasserrechtliche Erlaubnis erteilt worden ist bzw. erteilt wird.644 Das BVerwG hat diese Entscheidung im Revisionsverfahren wegen fehlender Klagebefugnis der klagenden Gemeinde abgeändert,645 ohne dabei allerdings die grundsätzliche Frage nach der Beachtlichkeit des Fehlens bzw. etwaiger Mängel einer erforderlichen wasserrechtlichen Erlaubnis für die Zulassung eines Betriebsplans zu entscheiden. Damit bleibt diese Frage weiter im Raum. Die Auffassung des OVG Münster und OVG Saarlouis führt de facto auf eine bergrechtliche Schlusspunkttheorie, die im Widerspruch zu der mit § 48 Abs. 2 Satz 1 eingeführten Separationslösung steht.646 Sie wird dem Charakter der Haupt-(und Sonder-)betriebsplanzulassung nicht gerecht, der gerade keine umfassende Konzentrationswirkung zukommt.647 Die Aufnahme bergbaulicher Tätigkeiten mit Gewässerbenutzungen bedarf ohnehin erst der Zulassung der Benutzung durch die wasserrechtliche Erlaubnis. Mit dem wasserrechtlichen Erlaubnisverfahren steht ein Zulassungsverfahren zur Verfügung, in dem die mit der Benutzung verbundenen wasserrechtlichen Fragen geprüft werden. Es besteht daher keine Notwendigkeit zur Versagung der Hauptbetriebsplanzulassung. Selbst unter dem Gesichtspunkt eines fehlenden Sachbescheidungsinteresses wäre eine fehlende wasserrechtliche Erlaubnis allenfalls dann relevant, wenn ihrer Erteilung zweifellos rechtliche oder tatsächliche Hindernisse entgegenstehen. Das Hindernis darf sich „schlechthin nicht ausräumen“ lassen.648 Im Übrigen könnte einem angenommenen Regelungsbedürfnis jedenfalls durch eine Verklammerungsnebenbestimmung in der Betriebsplanzulassung

641 642 643 644 645 646 647 648 431

So aber Czychowski/Reinhardt WHG, § 49 Rn. 11. Berendes/Frenz/Müggenborg/Böhme WHG, § 49 Rn. 7. OVG Münster 18. 11.2015, 11 A 3048/11, ZfB 2016, 33, 52 f. OVG Saarlouis 10.12.2019, 2 A 85/19, ZfB 2020, 122. BVerwG 23.6.2022, 7 C 1/21. Von Weschpfennig, Strukturen des Bergrechts, S. 345 ff. OVG Berlin-Brandenburg 5.5.2022, OVG 11 S 7/22, ZUR 2022, 498. BVerwG 24.10.1980, 4 C 3/78, juris Rn. 16. Kappes

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Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

derart Rechnung getragen werden, dass von der Betriebsplanzulassung erst dann Gebrauch gemacht werden kann, wenn auch die erforderliche wasserrechtliche Erlaubnis erteilt wurde.

182 a) Rechte zur Gewässerbenutzung. Die Benutzung eines Gewässers ist grundsätzlich nur erlaubt, wenn hierfür eine Erlaubnis, gehobene Erlaubnis oder Bewilligung erteilt wurde (§ 8 Abs. 1 WHG). Die Erlaubnis gewährt dem Inhaber die widerrufliche Befugnis, das Gewässer zu nutzen, ohne dass diese eine privatrechtliche rechtsgestaltende Wirkung gegenüber Dritten hat (§§ 10 Abs. 1, 16 Abs. 1, 18 Abs. 1 WHG). Die Erlaubnis kann befristet werden. Eine gehobene Erlaubnis kann erteilt werden, wenn hierzu ein öffentliches Interesse oder ein berechtigtes Interesse des Antragstellers besteht (§ 15 Abs. 1 WHG). Grundsätzlich liegt die Rohstoffversorgung, insbesondere mit energischen Bodenschätzen zur Energieversorgung,649 im öffentlichen Interesse. Mit Blick auf die hohen Investitionskosten und die i.d.R. lange Betriebsdauer ist bei Bergbauvorhaben auch von einem berechtigten Interesse der Bergbauunternehmer als Gewässerbenutzer an einer Investitionssicherheit auszugehen.650 Im Gegensatz zur Erlaubnis werden bei einer gehobenen Erlaubnis privatrechtliche Abwehransprüche zur Abwehr nachteiliger Wirkungen der Gewässerbenutzungen ausgeschlossen (§ 16 Abs. 1 Satz 1 WHG). Eine Bewilligung kann u.a. nur erteilt werden, wenn dem Benutzer die Gewässerbenutzung ohne eigene Rechtsstellung nicht zugemutet werden kann (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 WHG). Diese Anforderung ist der für die gehobene Erlaubnis geltenden Voraussetzung des § 15 Abs. 1 WHG vergleichbar. Die Bewilligung steht als Gestaltungsform für Gewässernutzungen nicht für das Einbringen und Einleiten von Stoffen in das Grundwasser (§ 9 Abs. 1 Nr. 4 WHG) und die sog. unechten Benutzungen gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 2 WHG zur Verfügung (§ 14 Abs. 1 Nr. 3 WHG). Die Bewilligung gewährt das Recht zur Gewässerbenutzung bei Ausschluss privatrechtlicher Abwehransprüche (§ 16 Abs. 2 WHG). Die Bewilligung ist nur befristet erteilbar und kann im Gegensatz zur Erlaubnis nur aus den in § 49 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 5 VwVfG genannten Gründen widerrufen werden (§ 18 Abs. 2 Satz 1 WHG).

183 b) Zulassungsvoraussetzungen (§ 12 WHG). § 12 WHG normiert für die Gewässerbenutzung die grundsätzlichen Voraussetzungen. Hiernach ist die Erlaubnis oder Bewilligung zu versagen, wenn bei der Benutzung schädliche Gewässerveränderungen zu erwarten sind und andere Anforderungen nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften nicht erfüllt werden (§ 12 Abs. 1 WHG). Darüber hinaus steht der Behörde ein Bewirtschaftungsermessen bei der Erteilung einer Erlaubnis oder Bewilligung zu (§ 12 Abs. 2 WHG).

184 aa) Schädliche Gewässerveränderungen (§ 12 Abs. 1 Nr. 1 WHG). Veränderungen eines Gewässers beziehen sich auf die Eigenschaft eines Gewässers in Bezug auf die Wasserbeschaffenheit, die Wassermenge, die Gewässerökologie und die Hydromorphologie (§ 3 Abs. 7 WHG), die unmittelbar betroffen sein müssen.651 Gewässerveränderungen sind schädlich, wenn sie das Wohl der Allgemeinheit, insbesondere die öffentliche Wasserversorgung, beeinträchtigen oder wenn sie nicht den Anforderungen entsprechen, die sich aus dem WHG aus auf Grund des WHG erlassenen oder aus sonstigen in wasserrechtlichen Rechtsvorschriften ergeben (§ 3 Nr. 10 WHG). Zum Wohl der Allgemeinheit zählen die unmittelbar mit der Wasserwirtschaft zusammenhängenden Belange.652 Umstritten ist, ob hierzu auch andere als wasserwirtschaftliche Gesichts-

649 Kotulla WHG § 15 Rn. 6; vgl. auch BVerfG 17.12.2013 1 BvR 3139/08; 1 BvR 3386/08, BVerfGE 134, 242 Rn. 202 = ZfB 2014, 49 Rn. 203. 650 Berendes/Frenz/Müggenborg/Schmid WHG, § 15 Rn. 8 ff. 651 Berendes/Frenz/Müggenborg/Schmid WHG, § 12 Rn. 16. 652 Kotulla WHG, § 3 Rn. 85. Kappes

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Erstes Kapitel – Allgemeine Vorschriften über die Aufsuchung und Gewinnung

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punkte zählen.653 Das WHG und aufgrund des WHG erlassene Rechtsverordnungen enthalten mit den §§ 27–38 WHG für oberirdische Gewässer, §§ 44–45 WHG für Küstengewässer, §§ 46–49 WHG für Grundwasser und § 57 WHG für Abwassereinleitungen sowie vor allem die Oberflächenwasserverordnung und die Grundwasserverordnung enthalten spezielle Anforderungen, die bei der Erteilung einer Erlaubnis und Bewilligung zu berücksichtigen sind. Zu erwarten ist eine schädliche Gewässerveränderung, wenn sie wahrscheinlich ist und nicht schon dann, wenn sie lediglich möglich ist.654 Erlaubnisse und Bewilligungen dürfen grundsätzlich nur erteilt werden, wenn die Erreichung der ausreichend konkreten Bewirtschaftungsziele nicht gefährdet wird (§§ 27 Abs. 1, 47 Abs. 1 WHG). Das gilt auch für eine Erlaubnis für eine befristete Gewässerentnahme, wie z.B. die zeitweilige Trockenlegung eines Abbaugebietes durch Absenkung des Grundwasserspiegels in der Absicht, später die ursprüngliche Situation wieder herzustellen.655 Zu den Bewirtschaftungszielen für natürliche oberirdische Gewässer zählt nach § 27 Abs. 1 WHG der Erhalt oder das Erreichen eines guten ökologischen und chemischen Zustands (Zustandserhaltung und -erreichung) und die Vermeidung einer Verschlechterung der ökologischen und chemischen Zustands des Gewässers (Verschlechterungsverbot). Auch für das Grundwasser gilt gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 1 WHG das Gebot, Verschlechterungen des mengenmäßigen und chemischen Zustandes zu vermeiden (Verschlechterungsverbot). Das weitere Bewirtschaftungsziel ist das sog. Trendumkehrgebot, wonach alle durch menschliche Tätigkeiten verursachte signifikanten und anhaltenden Trends ansteigender Schadstoffkonzentration umzukehren sind (§ 47 Abs. 1 Nr. 2 WHG). Zu den Bewertungsmaßstäben der wasserrechtlichen Bewirtschaftungsziele vgl. Anhang § 48 Rn. 169e ff. Gemäß § 32 Abs. 1 WHG dürfen feste Stoffe nicht in oberirdische Gewässer eingebracht werden, um sich dieser zu entledigen. Auch wenn dieses Reinheitsgebot unabhängig von den Benutzungstatbeständen des § 9 WHG gilt, ist dieses Verbot auch bei der Erteilung einer Erlaubnis oder Bewilligung zu beachten. Eine ähnliche Anforderung stellt § 48 WHG für das Grundwasser. Hiernach dürfen – unabhängig von den Bewirtschaftungsplänen und Maßnahmenprogrammen – beim Einbringen und Einleiten von Stoffen in das Grundwasser nachteilige Veränderung der Wasserbeschaffenheit des Grundwassers nicht zu besorgen sein. Dieser Besorgnisgrundsatz wird durch die Grundwasserverordnung vom 9.11.2010 konkretisiert. Nicht jede Erhöhung des Schadstoffgehalts im Grundwasser, vor allem gegenüber den regionalen Hintergrundwerten, stellt eine nachteilige Veränderung dar. Um diese Erkenntnis für die Praxis umsetzbar zu machen, wurde das sog. Geringfügigkeitsschwellenkonzept656 erarbeitet, das von den Wasserbehörden in Form von Verwaltungsvorschriften angewendet wird. Eine Verrechtlichung des Konzepts in einer Verordnung ist trotz mehrfacher Versuche bisher nicht erfolgt. Soweit nach den wasserrechtlichen Anforderungen mit schädlichen Gewässerveränderungen zu erwarten, kann eine Erlaubnis oder Bewilligung nicht versagt werden, wenn die schädliche Gewässerveränderung vermeidbar oder ausgleichbar ist (§ 12 Abs. 1 Nr. 1 WHG). So kann z.B. die durch Senkung des Grundwasserspiegels eingeschränkte öffentliche Wasserversorgung einschließlich Trinkwasserversorgung durch die Bereitstellung von Ersatzwasserlieferung ausgeglichen werden. Bei der Prüfung der zu befürchtenden Gewässerveränderungen hat die Behörde jeweils zwischen den für und gegen die Benutzung sprechenden Gründen abzuwägen. Dabei kann die Abwägung im Einzelfall dazu führen, dass eine für das Wohl der Allgemeinheit bedeutsame Benutzung zugelassen wird, obwohl davon eine weniger bedeutsame Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit in anderer Beziehung zu erwarten ist.657 653 654 655 656 657 433

Vgl. hierzu Kotulla WHG, § 3 Rn. 86; Berendes/Frenz/Müggenborg/Schmid WHG, § 12 Rn. 14 f. Berendes WHG, § 12 Rn. 3. Reinhardt ZUR 2006, 464, 465. Näheres hierzu Berendes/Frenz/Müggenborg/Böhme WHG, § 48 Rn. 10 ff m.w.N.; Berendes WHG, § 48 Rn. 7. VGH Kassel 20.3.2013, 2 B 1716/12, ZfB 2013, 291, 310; Czychowski/Reinhardt WHG, § 12 Rn. 15. Kappes

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Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

190 bb) Andere öffentlich-rechtliche Anforderungen (§ 12 Abs. 1 Nr. 2 WHG). Gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 2 WHG setzt die Gestattung von Gewässerbenutzungen voraus, dass die Anforderungen nach anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften eingehalten werden. Zu diesen Vorschriften zählen nicht die bereits von Nummer 1 erfassten Rechtsnormen, sondern andere Vorschriften, die nicht Gegenstand eines eigenen Genehmigungsverfahrens sind. Dies sind z.B. Normen des Bauplanungs- und Naturschutzrechts und des Raumordnungsrechts, wie z.B. Braunkohlenpläne als Ziele der Raum- und Landesplanung.658

191 cc) Bewirtschaftungsermessen (§ 12 Abs. 2 WHG). Schließlich steht der zuständigen Behörde für die Erteilung einer Erlaubnis und Bewilligung ein sog. Bewirtschaftungsermessen zu (§ 12 Abs. 2 WHG). Für dieses der optimalen Nutzung des Wasserangebots dienende behördliche Ermessen ist aufgrund der wasserplanerischen verbindlichen Vorgaben der Bewirtschaftungspläne und Maßnahmenprogramme i.d.R. kaum noch Raum.659 Dennoch steht dem Antragsteller kein Rechtsanspruch auf Erteilung der Erlaubnis oder Bewilligung zu.

192 dd) Ausnahmeregelung des § 82 Abs. 6 Satz 2 WHG. Im Rahmen ihrer Prüfung der §§ 47 und 48 WHG kann die Behörde gemäß § 82 Abs. 6 Satz 2 WHG bestimmte Einleitungen in das Grundwasser zulassen. Diese mögliche behördliche Einzelmaßnahme ist Teil der Maßnahmen des § 82 WHG zur Umsetzung der Bewirtschaftungsziele.660 Mit der Zulassungsmöglichkeit solcher Einleitung wird dem Umstand Rechnung getragen, dass bestimmte Tätigkeiten zwangsläufig mit wasserrelevanten Maßnahmen verbunden sind und nicht alle Gewässer aufgrund ihres geologischen Umfeldes und Qualität demselben Schutzniveau unterzogen werden können. Von dem Verbot direkter Grundwassereinleitungen können gemäß § 82 Abs. 6 Satz 2 WHG i.V.m. Art. 11 Abs. 3 Buchst. j Richtlinie 2000/60/EG grundsätzlich bestimmte Einleitungen im Rahmen bestimmter Tätigkeiten ausgenommen werden. Hierzu zählen u.a. auch: – die Wiedereinleitung geothermisch genutzten Wassers, – die Einleitung von Wasser, das Stoffe enthält, die bei der Aufsuchung oder Gewinnung von Kohlenwasserstoffen oder anderen Bodenschätzen anfallen, – die Einleitung von Wasser zu technischen Zwecken in geologische Formationen, aus denen Kohlenwasserstoffe oder andere Stoffe, z.B. Bodenschätze, gewonnen werden, – die Einleitung von Wasser zu technischen Zwecken in geologische Formationen, die aus natürlichen Gründen für andere Zwecke auf Dauer ungeeignet sind, wie z.B. die Versenkung von Salzwasser in den Plattendolomit,661 – die Wiedereinleitung des aus Bergbaubetrieben abgepumpten Wasser, wie z.B. Grubenwässer oder Sümpfungswässer, – die Einleitung von Erdgas oder Flüssiggas zu Speicherzwecken in andere geologische Formationen, wie z.B. Aquierspeicher. 193 Mit § 82 Abs. 6 Satz 2 WHG hat der deutsche Gesetzgeber die europäische Ausnahmezulassungsregelung des Art. 11 Abs. 3 Buchst. j Richtlinie 2000/60/EG in nationales Recht übernommen und eine Ausnahmemöglichkeit von den Vorgaben der §§ 47 und 48 WHG geschaffen.662 Aufgrund der Stel658 Ausführlich hierzu Berendes, WHG § 12 Rn. 5 f.; Berendes/Frenz/Müggenborg/Schmid WHG, § 12 Rn. 40 ff., Kotulla, WHG, § 12 Rn. 10 ff.

659 Kotulla WHG, § 12 Rn. 18; Czychowski/Reinhardt WHG, § 12 Rn. 49; Berendes/Frenz/Müggenborg/Schmid WHG, § 12 Rn. 106; Durner NuR 2010, 45.

660 Das Maßnahmenprogramm i.S.d. Art 11 Abs. 2 Richtlinie 2000/60/EG bzw. § 82 WHG setzt sich aus Rechtsetzungsakten, Verwaltungsakten und Verwaltungshandeln zusammen; näheres hierzu BT-Drs. 14/7755, S. 20; Berendes WHG, § 82 Rn. 7; Berendes/Frenz/Müggenborg/Appel WHG, § 82 Rn. 26 f. 661 VGH Kassel 20.3.2013, 2 B 1716/12, ZfB 2013, 291. 662 VG Kassel 2.8.2012, 4 L 81/12, ZfB 2013, 61, 72. Kappes

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Erstes Kapitel – Allgemeine Vorschriften über die Aufsuchung und Gewinnung

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lung im Abschnitt „Wasserwirtschaftliche Planung und Dokumentation“ und seiner Wortwahl ist der Regelungsinhalt unklar. Die Ausnahmeregelung beinhaltet eine behördliche Gewässerbenutzungsgestattung und wäre deshalb sachlich gesetzestechnisch besser – wie vom Bundesrat vorgeschlagen663 – in § 48 WHG aufgenommen worden. Die Bezugnahme auf die §§ 47 und 48 WHG umschreibt mit den Worten „im Rahmen der“ den Ort der Prüfung, d.h. bei Erteilung einer Erlaubnis oder Bewilligung, jedoch nicht die materiell-rechtlichen Anforderungen. Dies hätte mit den Worten „nach Maßgabe der“ erfolgen können.664 Damit würde jedoch die vom Gesetzgeber gewünschte Übernahme der Ausnahmezulassungsregelung zu den Anforderungen der §§ 47 und 48 WHG unterlaufen.665 Insoweit ist der Wertung von Berendes666 zuzustimmen, dass die Formulierung des § 82 Abs. 6 Satz 2 WHG den Grundsätzen der guten Rechtsetzung widerspricht; überflüssig ist diese Regelung – wie Berendes behauptet – jedoch nicht, da sie einen eigenständigen Zulassungstatbestand für einen begrenzten Teil von Einleitungen in das Grundwasser enthält und für den Erhalt des wasserrechtlichen status quo (§ 36 Abs. 6 Satz 2 WHG a.F.) notwendig war.667

c) Zuständigkeit (§ 19 WHG). Für die Erteilung einer Erlaubnis oder Bewilligung ist grundsätz- 194 lich die nach dem Landesrecht festgelegte Wasserbehörde zuständig. Sieht der Betriebsplan neben der bergbaulichen Tätigkeit eine hierfür notwendige Benutzung eines Gewässers vor (vgl. Anhang zu § 48 Rn. 170 ff.), ist für die Erteilung einer Erlaubnis hierzu abweichend gemäß § 19 Abs. 2 WHG die Bergbehörde zuständig; dies gilt auch für gehobene Erlaubnisse,668 jedoch nicht für Bewilligungen, es sei denn das Landesrecht sieht dies abweichend zu § 19 Abs. 1 WHG vor (vgl. Art. 64 Abs. 1 WG BY). Da die Betriebsplanzulassung – mit Ausnahme der Zulassung eines obligatorischen Rahmenbetriebsplans – keine Konzentrationswirkung hat, die andere behördliche Entscheidung mit umfasst und das WHG keine weitergehende Regelung enthält, kann § 19 Abs. 2 WHG bei „normalen“ Betriebsplänen ausschließlich als Zuständigkeitsregelung zugunsten der Bergbehörde verstanden werden.669 Die Bergbehörde hat bei der Erteilung der Erlaubnis die Verfahrens- und materiell-rechtlichen wasserrechtlichen Anforderungen zu beachten. Die Bergbehörde bedarf für die Erteilung der Erlaubnis des Einvernehmens der Wasserbe- 195 hörde (§ 19 Abs. 3 WHG). Auf diese Weise soll die Einbringung des Sach- und Fachverstandes der Wasserbehörde sichergestellt werden, was im Hinblick auf die der Wasserbehörde obliegende Bewirtschaftungsverantwortlichkeit sinnvoll erscheint.670 Einvernehmen ist das Herstellen einer vollständigen Übereinstimmung beider Behörden hinsichtlich der Erlaubnis. Die Mitwirkung der Wasserbehörde ist ein Verwaltungsinternum, so dass gegen oder für die Erteilung des Einvernehmens weder der Bergbehörde noch dem Bergbauunternehmer noch Dritten ein Klagerecht zusteht. Die Bergbehörde kann bei einem ihrer Ansicht nach fehlerhaft verweigerten Einvernehmen die gemeinsame „Oberbehörde“, ggf. Regierungschef, um eine Entscheidung bitten.671 Der Antrag stellende Bergbauunternehmer kann jedoch die ablehnende Entscheidung als Ganzes – einschließlich des verweigerten Einvernehmens der Wasserbehörde – gerichtlich überprüfen lassen. Die Wasserbehörde kann ihr Einvernehmen nur aus wasserrechtlichen Gründen verweigern. 196 Ihre Entscheidungskompetenz zur Verweigerung ihres Einvernehmens ist jedoch eingeschränkt, wenn sie in einem vor der Erteilung einer wasserrechtlichen Gestaltung durchgeführten Verfahren zu der mit dem Vorhaben verbundenen Gewässerbenutzung beteiligt wurde und/ 663 664 665 666 667 668 669 670 671 435

BR-Drs. 280/09 (Beschluss), S. 27. So z.B. § 82 Abs. 5 WHG. I.d.S. auch Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 56 Anhang, Rn. 638. Berendes WHG, § 82 Rn. 11. BT-Drs. 13/13426, S. 20; Kotulla WHG § 82 Rn. 33. VG Koblenz 18.1.2000, 1 K 1332/90, ZfB 2000, 160. Kotulla WHG, § 19 Rn. 10; Berendes/Frenz/Müggenborg/Berendes WHG, § 19 Rn. 14. Kotulla WHG, § 19 Rn. 14. Reinhardt NuR 1999, 134, 138 f. Kappes

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Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

oder sich hierzu nicht negativ geäußert hat. Die Wasserbehörde ist nämlich an ihr dort abgegebenes Votum gebunden, soweit sich die tatsächlichen Verhältnisse nicht verändert haben, die eine abweichende Bewertung rechtfertigen würde. Dies folgt aus dem Grundsatz „venire contra factum proprium“,672 aber auch aus dem Grundsatz der fehlerfreien Ausübung des Bewirtschaftungsermessens.673 Ist die Wasserbehörde gemäß § 54 Abs. 2 oder im Rahmen eines bergrechtlichen Planfeststellungsverfahrens bei der Zulassung eines Rahmenbetriebsplans beteiligt worden und hat sie zu der mit dem Bergbauvorhaben verbundenen Gewässernutzung keine grundsätzlichen Bedenken vorgetragen, kann sie ihr Einvernehmen für die Erteilung einer Erlaubnis oder Bewilligung nicht mehr vollständig verweigern und das „ob“ der Gewässerbenutzung in Frage stellen. Dies gilt auch im Verhältnis des Rahmenbetriebsplans zu den nachfolgenden Haupt-, Sonder- und ggf. Abschlussbetriebsplänen, da die Grundzüge der z.B. zum Betrieb eines Tagebaus notwendigen Grundwasserentnahme Gegenstand des Rahmenbetriebsplans ist. Gleiches gilt bei projektbezogenen landesplanerischen Ausweisungen zugunsten eines Bergbauvorhabens, wie z.B. beim Braunkohlenplan. Die Wasserbehörde wird bei der Aufstellung des Braunkohlenplans, der auch in Grundzügen die Bewirtschaftungskonzeption festlegt, beteiligt. Mit Verabschiedung des Braunkohlenplans stehen die mit dem Abbau zwangsläufig verbundenen Grundwasserabsenkungen im Grundsatz fest und können bei späteren Genehmigungsverfahren hinsichtlich des „ob“ nicht mehr in Frage gestellt werden. Im Fall des Braunkohlenplans ergibt sich dies auch aus der Bindungswirkung der Wasserbehörde an den Zielen der Raum- und Landesplanung (§ 4 Abs. 1 ROG). 197 Die Bergbehörde ist aus Rechtsgründen nicht gehindert, die zwei Verwaltungsentscheidungen (Erlaubniserteilung, Betriebsplanzulassung) in einem Bescheid zusammenzuführen. Die Zuständigkeitsregelung des § 19 Abs. 2 WHG erstreckt sich nur auf die Erlaubnis einschließlich der gehobenen Erlaubnis,674 nicht jedoch auf eine Bewilligung. Erteilt die Bergbehörde dennoch eine Bewilligung, ist dies rechtswidrig, nicht nichtig.675 Möchte der Bergbauunternehmer für die Gewässernutzung eine Bewilligung erhalten, muss er diese getrennt von dem Betriebsplan bei der Wasserbehörde beantragen. Wenn die Benutzung eines Gewässers mit einem UVP-pflichtigen Bergbauvorhaben verbun198 den ist, für das ein bergrechtliches Planfeststellungsverfahren durchzuführen ist, ist für die wasserrechtliche Erlaubnis einschließlich gehobener Erlaubnis, aber auch für die Bewilligung die Bergbehörde zuständig (§ 19 Abs. 1 WHG). Verbunden ist die Gewässerbenutzung, wenn die Benutzung für die Umsetzung des Bergbauvorhabens notwendig und die Benutzung Bestandteil der Vorhabensplanung ist.676 Die Regelung des § 19 Abs. 1 WHG umfasst nach h.M.677 nur eine Zuständigkeitskonzentration und keine Entscheidungs- und Verfahrenskonzentration. Zwar umfasst ein Planfeststellungsbeschluss gemäß § 75 Abs. 1 Satz 2 VwVfG alle für das Vorhaben notwendigen behördlichen Entscheidungen, jedoch sieht § 19 Abs. 1 WHG als hierzu vorgehende Spezialregelung vor, über „die Erteilung der Erlaubnis oder der Bewilligung“ die Planfeststellungsbehörde entscheidet. Eine materiell-rechtliche oder verfahrensrechtliche Konzentration enthält § 19 Abs. 1 WHG nicht. Die Bergbehörde bedarf für die Erteilung der Erlaubnis oder Bewilligung des Einvernehmens der Wasserbehörde (§ 19 Abs. 3 WHG) (vgl. hierzu Anhang zu § 48 Rn. 195 f.). 199 Wenn eine von der Bergbehörde erteilte Erlaubnis gemäß § 19 Abs. 2 WHG oder gemäß § 19 Abs. 1 WHG erteilte Erlaubnis oder Bewilligung nachträglich widerrufen oder hierfür nachträgliche Anordnungen erlassen werden sollen, ist hierfür gemäß § 19 Abs. 4 Satz 1 WHG die Bergbehör-

672 Reinhardt in: von Danwitz (Hrsg.), Bergbau und Umwelt, S. 57, 80. 673 Salzwedel in: FS Feldhaus, S. 281, 288; Viertel ZfW 2002, 69, 79; Spieth in: Heggemann (Hrsg.) Bergrecht und Wasserrecht, S. 66. 674 Berendes/Frenz/Müggenborg/Berendes WHG, § 19 Rn. 15. 675 Kotulla WHG, § 19 Rn. 12; a.A. Berendes/Frenz/Müggenborg/Berendes WHG, § 19 Rn. 16. 676 Kotulla WHG, § 19 Rn. 8 m.w.N. 677 Kotulla WHG, § 19 Rn. 4; Berendes/Frenz/Müggenborg/Berendes WHG, § 19 Rn. 6 ff.; a.A. Axer NuR 1995, 241, 244 f.; wohl auch Reinhardt ZUR 2006, 464, 468. Kappes

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Erstes Kapitel – Allgemeine Vorschriften über die Aufsuchung und Gewinnung

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de zuständig. Die Initiative hierzu kann von der Bergbehörde ausgehen.678 Darüber hinaus steht der Wasserbehörde ein Antragsrecht zu. Für die nachträglichen Verwaltungsmaßnahmen sind die materiellen Anforderungen des Wasserrechts und des VwVfG maßgeblich. Die Entscheidungen hat die Bergbehörde im Einvernehmen mit der Wasserbehörde zu treffen (§ 19 Abs. 4 Satz 2 WHG).

d) Rechtsschutz. Der Antragsteller hat keinen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Erlaubnis oder 200 Bewilligung, selbst wenn tatbestandsmäßig alle Voraussetzungen vorliegen, sondern nur einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung. Die Bewirtschaftung von Gewässern und der für die Genehmigung einer Gewässerbenutzung maßgebliche § 12 WHG liegen allein im öffentlichen Interesse.679 Die Bewirtschaftungsziele haben unter Berücksichtigung der Richtlinie 2000/60/EG keine drittschützende Wirkung.680 Gleiches gilt für die Erlaubnis aufgrund der Ausnahmeregelung des § 82 Abs. 6 Satz 2 WHG i.V.m. Art. 11 Abs. 3 Buchst. j Richtlinie 2000/60/EG681 und Erlaubnis zur Einleitung von Abwasser in Gewässer und die hierfür geltenden Anforderungen (§ 57 Abs. 1 Nr. 1 WHG).682 Im Zusammenhang mit dem Verschlechterungsverbot für das Grundwasser haben der EuGH683 und ihm folgend das BVerwG684 klargestellt, dass sich auf einen Verstoß gegen das wasserrechtliche Verschlechterungsverbot bzw. Verbesserungsgebot neben Umweltverbänden auch „Mitglieder der von einem Projekt betroffenen Öffentlichkeit“ berufen können. Dabei muss es sich aber um eine unmittelbare Betroffenheit handeln. Auf einen Verstoß gegen das grundwasserbezogene Verschlechterungsverbot können sich daher nur diejenigen Mitglieder der Öffentlichkeit berufen, die in räumlicher Nähe zur geplanten Trasse über einen eigenen genehmigten Trinkwasserbrunnen verfügen, nicht aber diejenigen, die lediglich das öffentliche Wasserversorgungsnetz nutzen, ohne über ein besonderes Entnahmerecht zu verfügen.685 Eine Erweiterung der Klage- und Rügebefugnisse gegenüber den geltenden Maßstäben ist damit nicht verbunden. Es ist somit europarechtlich nicht notwendig, dass die Mitgliedstaaten Einzelnen vorbehaltlos den Zugang zu Gericht ermöglichen, um sich auf Art. 4 WRRL berufen und wegen eines vermeintlichen Verstoßes gegen die Bewirtschaftungsziele Klage erheben zu können. e) Erlöschen der Erlaubnis und Bewilligung. Die Einstellung einer Gewässerbenutzung, wie 201 z.B. durch Abstellen der Pumpen zur Senkung des Grundwasserspiegels oder Heben des Grubenwassers, stellt keinen eigenständigen Benutzungstatbestand dar, der nach dem WHG einer behördlichen Genehmigung bedarf. In Ergänzung zum WHG enthalten jedoch die Wassergesetze einiger Länder Verpflichtung für die Einstellung der Gewässernutzung bzw. für das Erlöschen wasserrechtlicher Zulassungen, die im Rahmen der Einstellung eines Bergbaubetriebes von Bedeutung sein können. Erlischt die Erlaubnis oder Bewilligung, kann die Wasserbehörde den bisherigen Rechtsinhaber bzw. Unternehmer verpflichten, die Anlagen zur Wassernutzung – wie z.B. die Pumpen zum Heben des Grundwassers oder Grubenwasser – auf seine oder auf Kosten des Landes weiter zu betreiben (z.B. § 37 Abs. 2 WG Brb; § 14 WG Hess; § 7 WG Nds; § 12 WG SN; § 24 Abs. 1 WG LSA). In Nordrhein-Westfalen bedarf die Stilllegung einer Anlage zum Absenken, Ableiten und Umleiten von Grundwasser der Genehmigung der Behörde, die die hierzu erteilte Zulassung erteilt 678 Kotulla WHG, § 19 Rn. 22. 679 Kotulla WHG, § 12 Rn. 2. 680 VGH Kassel 1.9.2011, 7 A 1736/10, NuR 2012, 63, 68; ausführlich insbesondere zu Art 4 Richtlinie 2000/60/EG Breuer NuR 2007, 503, 505; Durner NuR 2010, 452; auch Faßbender ZfW 2010, 189, 205. 681 VG Kassel 2.8.2012, 4 L 81/12, ZfB 2013, 61, 72. 682 Czychowski/Reinhardt WHG § 55 Rn. 13. 683 EuGH 28.5.2020, Rs C-535/18. 684 BVerwG 30.11.2020, 9 A 5/20, NVwZ 2021, 487. 685 BVerwG 9 A 5/20, NVwZ 2021, 487, 491, im Anschluss an EuGH 28. Mai 2020, C-535/18, NVwZ 2020, 1177, 1184, sowie EuGH 3.10.2019, C-197/18, NVwZ 2019, 1587, 1588. 437

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Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

hat (§ 31 Abs. 1 Satz 1 WG NRW). Soweit die Bergbehörde die Erlaubnis oder Bewilligung erteilt hat, kann die Bergbehörde eine Genehmigung nur im Einvernehmen mit der Wasserbehörde erteilen (§ 31 Abs. 1 Satz 2 WG NRW). In Brandenburg ist die Stilllegung einer Anlage zum Absenken, Ableiten und Umleiten von Grundwasser der Wasserbehörde anzuzeigen (§ 37 Abs. 1 WG Brb).

6. Bergbaubedingter Ausbau von Gewässern (§§ 67 ff. WHG) 202 Erfolgt die Gewinnung von Bodenschätzen, z.B. von Kies und Sand, durch vorheriges Entfernen der das Grundwasser schützenden Deckschichten,686 d.h. Freilegen des Grundwassers (Nassauskiesung) und entsteht dadurch eine Wasserfläche von nicht begrenztem Zeitraum, stellt dies keine Gewässerbenutzung i.S.d. § 9 WHG dar, sondern eine Herstellung oder wesentliche Umgestaltung eines Gewässers, d.h. Ausbau eines Gewässers i.S.d. §§ 67 Abs. 2 i.V.m. 9 Abs. 3 WHG).687 Trotz des umfassenden Begriffs Gewässer (§ 2 Abs. 1 WHG) sind unter Gewässer i.S.d. § 67 WHG nur oberirdische Gewässer und Küstengewässer zu verstehen.688 Bei der Herstellung des Gewässers gemäß § 67 WHG kommt es nicht darauf an, ob dies zielgerichtet erfolgt oder zwangsläufig bei der Rohstoffgewinnung. Gelegentliche Wasseransammlungen stellen keinen Gewässerausbau dar.689 Natürlich entstandene Gewässer sind erst dann als Gewässer anzusehen, wenn sie als Bestandteil der sie umgebenden Landschaft empfunden werden.690 Ein Gewässerausbau liegt nicht vor, wenn das Gewässer nur für einen begrenzten Zeitraum entsteht und dadurch keine erheblichen Beeinträchtigungen des Wasserhaushalts eintreten (§ 67 Abs. 2 Satz 2 WHG). Ein begrenzter Zeitraum ist anzunehmen, wenn vor der Entstehung eines Gewässers feststeht, dass es nicht auf Dauer bestehen soll.691 Eine Höchstdauer des Zeitraums schreibt das WHG nicht vor. Soll nach dem Abbau von Bodenschätzen das Restloch im Rahmen der Wiedernutzbarmachung mit Wasser gefüllt werden, ist ein Gewässerausbau nur dann nicht anzunehmen, wenn das vor dem Abbau durch einen konkreten Verfüllungsplan mit einem Zeitplan abgesichert ist. Dies kann z.B. durch die Zulassung des Rahmenbetriebsplans erfolgen, der konkrete Angaben für die Einstellung des Betriebes einschließlich der vorgesehenen Maßnahmen für eine Nachfolgenutzung enthält. Eine Absichtserklärung, ein Gewässer irgendwann zu beseitigen, reicht hierzu nicht aus.692 Die Herstellung eines Gewässers stellt auch die Flutung eines Tagebaurestlochs nach der Gewinnung dar.693 Gleiches gilt für die Beseitigung von Teichen und Flussgewässern in einem FFH-Gebiet, um ein Bergbauvorhaben fortzuführen694 sowie vorbereitende Maßnahmen zur Gewässergestaltung, wie die Umgestaltung von Böschungen. 203 Der Gewässerausbau bedarf der Planfeststellung der zuständigen Behörde (§ 68 Abs. 1 WHG). Besteht für das Vorhaben zur Gewinnung von Bodenschätzen, das für den Gewässerausbau ursächlich ist, wie z.B. bei einer Nassauskiesung (vgl. § 57 b Rn. 60), UVP-Pflicht nach der UVP-V Bergbau, kommt die Verfahrensregelung des § 57 b Abs. 3 Satz 1 zur Anwendung, wonach in diesen Fällen nur das bergrechtliche Planfeststellungsverfahren auch hinsichtlich des Gewässerausbaus durchzuführen ist. Dies gilt nicht, wenn der Gewässerausbau als eine Folgemaßnahme nicht unmittelbar mit dem Bergbauvorhaben verbunden ist, wie z.B. die bergbaubedingte Erhöhung von

686 687 688 689 690 691 692

OVG Lüneburg 18.10.2001, 7 LB 161/01, NuR 2003, 40. OVG Münster 8.6.2000, 26 A 3644/98, ZfB 2001, 203, 206; Czychowski/Reinhardt WHG, § 67 Rn. 25 m.w.N. Berendes/Frenz/Müggenborg/Maus WHG § 67 Rn. 29 m.w.N.; a.A. Czychowski/Reinhardt WHG, § 67 Rn. 22. OVG Berlin 10.11.1995, 4 B 117/95, ZfB 1996, 138, 141. Berendes/Frenz/Müggenborg/Maus WHG § 67 Rn. 36. Gaentzsch NVwZ 1998, 889; Kotulla WHG, § 67 Rn. 8. OVG Berlin 10.11.1995, 4 B 117/95, ZfB 1996, 138, 141 m.w.N.; VGH Kassel 3.2.1986, IX TH 120/82, ZfB 1986, 378, 379; Kotulla WHG, § 67 Rn. 8; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 56 Anhang Rn. 707. 693 Spieth ZUR 2001, 66; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 56 Anhang Rn. 708 m.w.N. 694 OVG Berlin 5.7.2007, OVG 2 25/07, ZfB 2007, 259. Kappes

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Deichen als Hochwasserschutz.695 An dem bergrechtlichen Planfeststellungsverfahren ist hinsichtlich des Gewässerausbaus die Wasserbehörde zu beteiligen. Das Einvernehmen der Wasserbehörde ist für den bergrechtlichen Planfeststellungsbeschluss hinsichtlich des Gewässerausbaus nicht erforderlich, da § 57b Abs. 3 Satz 1 eine verfahrensrechtliche Konzentrationswirkung zukommt und das WHG für das wasserrechtliche Planfeststellungsverfahren (§§ 67 ff. WHG) keine der Zuständigkeitsregelung des § 19 WHG vergleichbare Vorschrift enthält. Dies gilt nicht, wenn die Wassergesetze der Länder eine abweichende Regelung treffen, wie z.B. § 109 WG M-V, § 92 Abs. 1 Satz 1 WG Brb, wonach bei Bergbauvorhaben, bei denen Gewässer entstehen, das Einvernehmen der Wasserbehörde erforderlich ist. Wird für ein Bergbauvorhaben, das mit einem Gewässerausbau verbunden ist, wie z.B. die 204 Herstellung des Gewässers in einem Tagebaurestloch, ein fakultatives Rahmenbetriebsplanverfahren oder Haupt- oder Abschlussbetriebsplanverfahren durchgeführt, ist für den Gewässerausbau neben der Betriebsplanzulassung ein wasserrechtliches Planfeststellungsverfahren durchzuführen. Der Entscheidungsspielraum der Wasserbehörde ist dabei i.d.R. durch vorhergehende Entscheidungen, an denen die Wasserbehörde beteiligt wurde, eingeschränkt. Dies kann z.B. eine landesplanerische Ausweisung über eine Folgenutzung nach dem Abbau sein, wie sie z.B. in Braunkohlenplänen erfolgt. Aber auch Rahmenbetriebspläne können im Rahmen der Vorsorge für die Wiedernutzbarmachung (§ 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7) entsprechende Angaben enthalten, über die mit der Zulassung entschieden wurde; dies gilt erst recht für Abschlussbetriebspläne. In diesen Fällen kann die Wasserbehörde nicht mehr das „ob“ des Gewässerausbaus in Frage stellen (vgl. Anhang zu § 48 Rn. 196).

7. Wasserschutzgebiete (§ 51 WHG) Soweit es das Wohl der Allgemeinheit erfordert, z.B. um die Wasserversorgung sicherzustellen, 205 kann die Landesregierung durch Rechtsverordnung Wasserschutzgebiete festsetzen, die bestimmte Schutzzonen ausweisen, in denen bestimmte Handlungen, wie z.B. die Gewinnung bestimmter oder aller Bodenschätze, verboten oder nur eingeschränkt zulässig sind (§§ 51, 52 WHG). Die Wasserbehörde kann für verbotene Handlungen Befreiungen erteilen, wenn der Schutzzweck der Zone des Wasserschutzgebietes nicht gefährdet wird, z.B. durch den Einsatz bestimmter Abbautechniken oder wenn überwiegende Gründe des Wohles der Allgemeinheit dies erfordern. Die Rohstoffgewinnung liegt grundsätzlich im öffentlichen Interesse; als gebietsbezogene Beschränkung ist bei der Abwägung auch § 48 Abs. 1 Satz 2 zu beachten. Eine Befreiung ist zu erteilen, wenn es zur Vermeidung unzumutbarer Beschränkungen des Eigentums erforderlich ist (§ 52 Abs. 1 Satz 3 WHG). Zu den Beschränkungen des Eigentums zählen auch solche der Bergbauberechtigungen. Wird das Eigentum unzumutbar beschränkt und keine Befreiung erteilt, ist eine Entschädigung zu leisten (§ 52 Abs. 4 WHG). Zu dem gesetzlichen Verbot des § 13a für FrackingMaßnahmen in Wasserschutzgebieten vgl. Anhang § 48 Rn. 178a.

X. Klimaschutzrecht 1. Vorbemerkung Bergbauliche Tätigkeiten verursachen in der Regel bau-, anlage- und betriebsbedingte Treibhaus- 206 gas-Emissionen. Der Schutz des Klimas ist Regelungsgegenstand des Bundes-Klimaschutzgesetzes (KSG) vom 12.12.2019,696 novelliert durch das Erste Gesetz zur Änderung des Bundes-Klimaschutz-

695 BVerwG 15.12.2006, 7 C 1/06, BVerwGE 127, 259, Rn. 42 ff. = ZfB 2006, 306 Rn. 42 ff.; Kühne DVBl 2007, 832. 696 BGBl. I S. 2513. 439

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Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

gesetzes vom 18. August 2021.697 Das KSG schafft den Rahmen für den Klimaschutz, indem die Ziele und Prinzipien der Klimaschutzpolitik gesetzlich verankert werden. Der Gesetzgeber stellt klar, dass durch das KSG „nicht unmittelbar CO eingespart, sondern die Klimapolitik insgesamt auf solide Grundlagen gestellt und verbindlich gemacht“ wird.698 Die nationalen Klimaschutzziele werden durch die Klimaschutzmaßnahmen der einzelnen Sektoren erreicht.

2. Das Berücksichtigungsgebot des § 13 Abs. 1 Satz 1 KSG 207 In Abschnitt 5 des KSG über die „Vorbildfunktion der öffentlichen Hand“ werden Vorgaben für die Berücksichtigung von Klimaschutzbelangen innerhalb des allgemeinen Verwaltungshandelns formuliert. Im Zentrum steht hierbei vor allem das in § 13 Abs. 1 Satz 1 KSG niedergelegte Berücksichtigungsgebot. Nach diesem haben die Träger öffentlicher Aufgaben – also Behörden und sonstige öffentliche Aufgabenträger – bei ihren Planungen und Entscheidungen auf der Grundlage von materiellem Bundesrecht den Zweck des KSG (vgl. § 1 KSG) und die zu seiner Erfüllung festgelegten Ziele (vgl. § 3 KSG) zu berücksichtigen. Das Berücksichtigungsgebot soll nach dem Willen des Gesetzgebers bei allen Planungen und Entscheidungen zum Tragen kommen, soweit im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben Entscheidungsspielräume bestehen. Dabei begründet es keine neuen Handlungs- oder Entscheidungsspielräume, sondern setzt das Bestehen derartiger Spielräume aufgrund anderer gesetzlicher Regelungen voraus. Überall dort, wo materielles Bundesrecht unbestimmte Rechtsbegriffe, wie „öffentliche Interessen“ oder das „Wohl der Allgemeinheit“, verwendet oder Abwägungs-, Beurteilungs- und Ermessensspielräume zuweist, sind nunmehr der Zweck und die Ziele des KSG als (mit-)entscheidungserhebliche Gesichtspunkte in die Abwägung einzustellen.699 Die Verpflichtung, Klimaschutzerwägungen im eigenen Bereich in Entscheidungen einzubeziehen, erwächst neben § 13 Abs. 1 Satz 1 KSG zudem aus völker- und unionsrechtlichen Zielvorgaben sowie aus Art. 20a GG.700 Das Berücksichtigungsgebot des § 13 Abs. 1 Satz 1 KSG i.V.m. Art. 20a GG verlangt von dem 208 Träger öffentlicher Aufgaben, bei seiner Entscheidung Aspekte des globalen Klimaschutzes und der Klimaverträglichkeit zu berücksichtigen. Nach dem BVerwG dürfen die Anforderungen an eine sachgerechte Erfüllung des Berücksichtigungsgebots durch den Träger öffentlicher Aufgaben nicht überspannt werden, müssen „mit Augenmaß“ inhaltlich bestimmt und konkretisiert werden und dürfen keinen unzumutbaren Aufwand abverlangen.701 Dies entspricht nicht nur dem Willen des Gesetzgebers, der mit der Einführung des Berücksichtigungsgebots keinen erhöhten Erfüllungsaufwand der Verwaltung schaffen wollte,702 sondern auch dem Wortlaut des § 13 Abs. 1 Satz 1 KSG. Formuliert ist darin nämlich lediglich ein Berücksichtigungsgebot und keine gesteigerte Beachtenspflicht, die den Klimaschutz als übergeordneten Belang einbringt,703 oder gar ein Optimierungsgebot. Dementsprechend muss die Zulassungsbehörde mit einem – bezogen auf die konkrete Planungssituation – vertretbaren Aufwand ermitteln, welche klimarelevanten Auswirkungen das Vorhaben hat und welche Folgen sich daraus für die Klimaschutzziele des KSG ergeben.704 Das BVerwG fordert hierbei eine sektorübergreifende Gesamtbilanz.705 Dabei sind nicht nur die in § 4 Abs. 1 Nrn. 1-6 KSG genannten Sektoren in die Ermittlung der klimarelevanten Auswirkungen des 697 698 699 700 701 702 703

BGBl. I S. 3905. BT-Drs. 19/14337, S. 17. BT-Drs. 19/14337, S. 36; BVerwG 4.5.2022, 9 A 7/21, NVwZ 2022, 1549, 1555 f. Rn. 62. Vgl. Guckelberger, KlimaR 2022, 294, 294. BVerwG 4.5.2022, 9 A 7/21, NVwZ 2022, 1549, 1558 Rn. 80. BT-Drs. 19/14337, S. 21 f. BVerwG 4.5.2022, 9 A 7/21, NVwZ 2022, 1549, 1559 Rn. 86; Guckelberger, KlimaR 2022, 294, 297; Klinski/Scharlau/von Swieykowski-Trzaska/Keimeyer/Sina, NVwZ 2020, 1, 6. 704 BVerwG 4.5.2022, 9 A 7/21, NVwZ 2022, 1549, 1558 Rn. 82. 705 BVerwG 4.5.2022, 9 A 7/21, NVwZ 2022, 1549, 1558 Rn. 83. Kappes

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Erstes Kapitel – Allgemeine Vorschriften über die Aufsuchung und Gewinnung

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Vorhabens einzustellen, sondern alle in Anlage 1 des KSG genannten Sektoren und damit auch der positiv für die Gesamtbilanz wirkende Beitrag des Sektors Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft nach § 3a KSG, sofern sie durch das konkrete Vorhaben tangiert werden.

3. Berücksichtigung von Klimaschutzbelangen im Bergrecht Das Berücksichtigungsgebot des § 13 Abs. 1 Satz 1 KSG ist auch bei der Zulassung bergbaulicher Vorha- 209 ben anzuwenden. Bedarf ein Vorhaben gemäß § 57c i.V.m. der UVP-V Bergbau einer UVP und damit der obligatorischen Rahmenbetriebsplanzulassung im Planfeststellungsverfahren, stellt die Rahmenbetriebsplanzulassung – trotz Erlass im Planfeststellungsverfahren als Planfeststellungsbeschluss – eine Kontrollerlaubnis in Form einer gebundenen Entscheidung dar (vgl. § 57a Rn. 30). Da die Behörde keinen planerischen Ermessens- oder Gestaltungsspielraum hat, fehlt es an der planerischen Gesamtabwägung als rechtlichem Anknüpfungspunkt. Anknüpfungspunkt für das Berücksichtigungsgebot des § 13 Abs. 1 Satz 1 KSG ist hier die UVP, in deren Rahmen die Behörde die Belange des globalen Klimaschutzes und der Klimaverträglichkeit in ihrem Prüfprogramm zu berücksichtigen hat. Im Übrigen findet das Berücksichtigungsgebot aber auch für alle betriebsplanpflichtigen Vorhaben über § 48 Abs. 2 Satz 1 Eingang in die Zulassungsentscheidung. Danach ist bereits im Betriebsplanverfahren zu prüfen, ob dem Aufsuchungs- und Gewinnungsvorhaben überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen. Der unbestimmte Rechtsbegriff der öffentlichen Interessen ist von der Behörde auszufüllen und dient als rechtlicher Anknüpfungspunkt für das Berücksichtigungsgebot des § 13 Abs. 1 Satz 1 KSG. Der globale Klimaschutz und die Klimaschutzziele des KSG sind somit bei der Zulassung von Betriebsplänen als öffentliche Interessen gemäß § 48 Abs. 2 Satz 1 zu berücksichtigen. Dabei ist allein maßgebend, ob die Klimaschutzbelange dem Bergbauvorhaben „entgegenstehen“, was in der Praxis regelmäßig nicht der Fall sein wird. Für die Ermittlung der CO2-relevanten Auswirkungen des Vorhabens sind nach der Entschei- 210 dung des BVerwG zur fernstraßenrechtlichen Planfeststellung sowohl die betriebsbedingten CO2Emissionen als auch die CO2-Äquivalente aus Lebenszyklusemissionen zugrunde zu legen und in die Abwägung einzustellen.706 Die Berücksichtigung von Lebenszyklusemissionen führt indes nicht zu einer unbeschränkten Einbeziehung sämtlicher, auch nur mittelbar mit dem Vorhaben in Zusammenhang stehender Treibhausgas-Emissionen. Das Berücksichtigungsgebot bezieht sich auf das konkret zur Zulassung gestellte Vorhaben. Einzustellen sind damit nur die Emissionen, die als bau-, anlage- und betriebsbedingte Auswirkungen bei der Durchführung des Vorhabens entstehen. Wenngleich das Bundesverwaltungsgericht eine sektorübergreifende Gesamtbilanz fordert, muss das Berücksichtigungsgebot dort seine Grenze finden, wo es ungeachtet einer kausalen Verknüpfung nicht mehr um Klimaauswirkungen des konkreten Vorhabens geht, sondern die Klimaauswirkungen auf andere Vorhaben oder Tätigkeiten zurückzuführen sind. Gegenstand der Zulassungsentscheidung ist nämlich nur die Errichtung und der Betrieb des konkreten Vorhabens, und eine Abwägung hat stets vorhaben- und standortbezogen zu erfolgen. Von der Einbeziehung ausgenommen sind damit alle Emissionen, die zwar kausal auf das Vorhaben zurückzuführen, jedoch dem Verantwortungsbereich des Vorhabenträgers entzogen sind. Dies betrifft bei der Gewinnung energetischer Rohstoffe, wie Kohle, Erdöl und Erdgas, insbesondere Emissionen, die außerhalb des Gewinnungsbetriebs auf dem Transportweg sowie durch deren Verbrauch in der Industrie oder in privaten Haushalten entstehen. Es gilt auch für Treibhausgas-Emissionen, die dem Vorhaben vorgeschaltet sind und an einem anderen Standort auftreten, wie beispielsweise bei der Herstellung von Beton, Stahl und anderen Baumaterialien.707 Denklogisch sind diese Emissionen bereits der Einberechnung entzogen, da weder der Verbrauch fossiler Brennstoffe noch die Herstellung von Baumaterialien zur Errichtung oder dem Betrieb gehören und damit auch nicht dem Begriff des Vorhabens unterfallen. Eine gegenteilige Betrachtung würde zu einer unüberschaubaren Ausweitung der Prüfungspflicht des Trägers öffentli706 BVerwG 4.5.2022, 9 A 7/21, NVwZ 2022, 1549, 1559 Rn. 90. 707 So auch OVG Berlin-Brandenburg 12.3.2020, OVG 11 A 7.18, juris, Rn. 42. 441

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Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

cher Aufgaben führen, insbesondere in Fällen, in denen sehr viele unterschiedliche Materialien unterschiedlicher Herkunft zur Verwendung gelangten. Nach der obergerichtlichen Rechtsprechung ist beispielsweise im Rahmen der planerischen Abwägung und UVP bei einem Leitungsvorhaben eine ganzheitliche Betrachtung einer Erdgaslieferkette von der Produktion über den Transport bis zum Verbrauch nicht erforderlich. Sie führte zu einer zulassungsrechtlichen Verantwortlichkeit für Tatbestände, auf die der Vorhabenträger – zumal im Falle der Erdgasproduktion im Ausland – grundsätzlich keinen Einfluss hätte und die auch keiner Kontrolle nationaler Aufsichtsbehörden unterliegen würde.708 Nichts anderes kann für die Berücksichtigung im Rahmen des § 13 Abs. 1 Satz 1 KSG gelten. Das KSG verlang keine „ganzheitliche“ Betrachtung im Sinne einer Ökobilanz, sondern nur die Berücksichtigung der Zwecke und Ziele des KSG. Damit aber findet die Ermittlungs- und Berücksichtigungspflicht der Klimaauswirkungen dort ihre Grenze, wo Klimaauswirkungen auf andere Vorhaben oder Tätigkeiten zurückzuführen sind. Die daraus resultierenden Klimaauswirkungen müssen in den dafür vorgeschriebenen Zulassungsverfahren Berücksichtigung finden.709 bzw. werden beispielsweise mit den Instrumenten des europäischen und nationalen Emissionshandels reguliert und begrenzt.

§ 49 Beschränkung der Aufsuchung auf dem Festlandsockel und innerhalb der Küstengewässer Im Bereich des Festlandsockels und der Küstengewässer ist die Aufsuchung insoweit unzulässig, als sie 1. den Betrieb oder die Wirkung von Schiffahrtsanlagen oder -zeichen, 2. das Legen, die Unterhaltung oder den Betrieb von Unterwasserkabeln oder Rohrleitungen sowie ozeanographische oder sonstige wissenschaftliche Forschungen mehr als nach den Umständen unvermeidbar, 3. die Benutzung der Schiffahrtswege, die Schiffahrt oder den Fischfang unangemessen, 4. die Pflanzen- und Tierwelt sowie die Gewässer als Bestandteil des Naturhaushalts unangemessen beeinträchtigt. 1 § 49 beschränkt die Aufsuchung auf dem Festlandsockel und innerhalb der Küstengewässer. Die Vorschrift dient der Vermeidung von besonderes handgreiflichen Nutzungskonflikten zwischen Bergbau und anderen Meeresnutzungen auf dem Festlandsockel und im Küstenmeer.1 Zum Begriff und zur Abgrenzung des Festlandsockels und der Küstengewässer vgl. § 2 Rn. 29. Völkerrechtlich stehen der Bundesrepublik Deutschland in Bezug auf den Festlandsockel und die ausschließliche Wirtschaftszone nur beschränkte Hoheitsrechte zu. Deswegen stellt § 49 sicher, dass Aufsuchungen im Bereich des Festlandsockels nur innerhalb dieser beschränkten Rechtsposition stattfinden.2 Daneben ist § 49 auch im Bereich der Küstengewässer anwendbar. Bei Erlass des BBergG 1980 entsprach der Wortlaut im Wesentlichen den Regelungen in Art. 4 und 5 der Genfer Konvention über den Festlandsockel vom 29.4.1958, die zu diesem Zeitpunkt das maßgebliche Seevölkerrecht darstellte. Inzwischen ergeben sich die Rechte am Festlandsockel und der ausschließlichen Wirtschaftszone aus dem Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen vom 10.12.1982 (SRÜ).3 Das

708 OVG Greifswald 16.11.2021, 5 K 588/20, juris, Rn. 82. 709 OVG Berlin-Brandenburg 12.3.2020, OVG 11 A 7.18, juris, Rn. 57. 1 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 49 Rn. 4 ff.; OVG Greifswald 18.8.2020, 3 K 66/17 = ZfB 2021, 1, 16. 2 BT-Drs. 8/1315, S. 104. 3 BGBl. II 1994, S. 1799. Das Übereinkommen wurde durch das Vertragsgesetz zum Seerechtsübereinkommen ratifiziert und ist am 16.11.1994 in Kraft getreten. von Hammerstein https://doi.org/10.1515/9783110709285-064

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Erstes Kapitel – Allgemeine Vorschriften über die Aufsuchung und Gewinnung

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BBergG-ÄndG hat 1990 den Schutz des § 49 zeitgemäß ausgedehnt4 und den ursprünglichen Schutzbelang „Erhaltung der lebenden Meeresschätze“ durch die jetzige Nr. 4 ersetzt. Das Verbot hat unmittelbare normative Wirkung, ist aber nicht nach § 145 selbständig bußgeldbewehrt. Die praktische Relevanz der Norm ist begrenzt. Grundsätzlich unterliegen Aufsuchungsbetriebe der Betriebsplanpflicht nach § 51 Abs. 1 Satz 1. Betriebspläne zur Aufsuchung im Bereich des Festlandsockels und der Küstengewässer müssen die Voraussetzungen des § 55 und dabei insbesondere diejenigen des § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 bis 13 erfüllen, um zugelassen zu werden. Weil diese Voraussetzungen strenger sind als diejenigen des § 49,5 hat § 49 vor allem Bedeutung für Fälle, in denen eine Aufsuchung aufgrund von § 51 Abs. 2 nicht der Betriebsplanpflicht unterliegt. Daneben hatte § 49 eigenständige Bedeutung für übergeleitete Betriebspläne nach § 167. Konkrete Anforderungen an Aufsuchungsvorhaben im Gebiet der Küstengewässer und auf dem Festlandsockel ergeben sich aus der Offshore-Bergverordnung.6 § 49 gilt nur für die Aufsuchung. Bei der Gewinnung von Bodenschätzen im Bereich des Festlandsockels und der Küstengewässer werden die betroffenen Belange im Betriebsplanverfahren geschützt. Zur Rechtslage im Bereich des Festlandsockels vgl. auch die §§ 132 bis 137. Nach Nummer 1 ist eine Aufsuchung im Bereich des Festlandsockels und der Küstengewässer insoweit unzulässig, als sie den Betrieb oder die Wirkung von Schifffahrtsanlagen oder Schifffahrtszeichen beeinträchtigen würde. Eine gleichlautende Verpflichtung enthält § 55 Abs. 1 Nr. 10 (vgl. § 55 Rn. 110) Durch dieses uneingeschränkte Verbot, das keine Güterabwägung zulässt, soll die Sicherheit der Schifffahrt gewährleistet bleiben. Dies entspricht der Verpflichtung aus Art. 78 Abs. 2 SRÜ. Konkretisiert wird die Vorschrift durch §§ 10, 11 OffshoreBergV. Im Hinblick auf den in Nummer 2 enthaltenen Verbotstatbestand ist nach technischen Gesichtspunkten zu prüfen, ob ggf. durch eine weniger beeinträchtigende Aufsuchungsmaßnahme ein gleichwertiger Untersuchungserfolg erzielt werden kann. Beeinträchtigungen der in Nummer 2 bezeichneten Tätigkeiten sind zulässig, soweit sie nach den Umständen unvermeidbar sind. Das Verbot entspricht § 55 Abs. 1 Nr. 12. Bezogen auf die Unterwasser-Leitungsinfrastruktur wird es durch § 15 OffshoreBergV konkretisiert. Mit der Verwendung des Begriffs „unangemessen“ lässt die Fassung der Nummer 3 eine Abwägung zwischen den bergbaulichen Tätigkeiten einerseits und den wichtigsten anderen Nutzungsarten im Bereich des Festlandsockels und der Küstengewässer zu. Die Norm soll ein geordnetes Nebeneinander von Bergbau und anderen Meeresnutzungen gewährleisten.7 Im Einzelfall kann die Aufsuchung von Bodenschätzen volkswirtschaftlich wichtiger sein als die Interessen der Schifffahrt und der Fischerei, sie kann aber auch weniger bedeutsam sein.8 Unzulässig ist die Aufsuchung von Bodenschätzen im Bereich des Festlandsockels und der Küstengewässer nur dann, wenn die in Nummer 3 genannten Schutzgüter „unangemessen“ beeinträchtigt werden. In die hiernach vorzunehmende Interessenabwägung sind die volkswirtschaftliche Bedeutung der Aufsuchung und der konkurrierenden sonstigen Nutzungsarten ebenso einzubeziehen wie Art und Umfang der konkret zu erwartenden Beeinträchtigungen. Anders als in der Parallelvorschrift des § 55 Abs. 1 Nr. 11 wird der Luftraum nicht explizit genannt. Nummer 4 beschränkt die Aufsuchung im Interesse der Pflanzen- und Tierwelt einschließlich des Meeres als ihrer Lebensgrundlage. Im Interesse der Rohstoffsicherung sollen aber nur unangemessene Beeinträchtigungen der Schutzgüter die Aufsuchung verhindern.9 Bei der Anwendung des unbestimmten Gesetzesbegriffs „unangemessen“ ist – wie bei Nr. 3 – nicht nur auf das Maß der Beeinträchtigung abzustellen, sondern es sind auch die volkswirtschaftliche Bedeutung der Exploration im Verhältnis zu den durch Nummer 4 geschützten Belangen zu berücksichtigen. 4 5 6 7 8 9

BT-Drs. 11/5601, S. 13. Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 49 Rn. 12. BGBl. I 2016, 1866. Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 49 Rn. 4 f. BT-Drs. 8/1315, S. 178. BT-Drs. 11/5601, S. 13.

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Wenn sich ein Verbot i.S.d. § 49 auf das gesamte beantragte Aufsuchungsgebiet erstreckt, kann hierin zugleich ein Grund zur Versagung einer Aufsuchungserlaubnis gemäß § 11 Nr. 10 liegen. 9 Die Regelungen des BBergG für die Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung von Bodenschätzen im Bereich der Küstengewässer und des Festlandsockels werden durch die OffshoreBergverordnung vom 3.8.2016 konkretisiert und ergänzt. Einige Vorschriften der OffshoreBergV gelten gemäß ihrem § 1 Abs. 1 2. Alt. auch für Transit-Rohrleitungen. Die OffshoreBergV ist mit Wirkung zum 5.8.2016 und 19.7.2018 schrittweise an Stelle der früheren Festlandsockel-Bergverordnung getreten. Zur OffshoreBergV vgl. Vor §§ 65–68 Rn. 28 ff.

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ZWEITES KAPITEL Anzeige, Betriebsplan Vorbemerkungen zu den §§ 50 bis 57e Schrifttum Verwiesen wird auch auf die speziellen Schrifttumsverzeichnisse zu den §§ 48 Abs. 2, 53, 54 und zum Anhang zu § 57c UVP-V Bergbau. Beckmann Bergrechtliches Direktionsprinzip und ordnungsrechtliche Verantwortung, ZfB 1992, 120; Beckmann Grenzen der Zumutbarkeit der Nachsorgeverantwortung eines Bergwerksunternehmens?, ZUR 2006, 295; Beckmann Bergrechtliche Anforderungen an die Standsicherheit bergbaulicher Anlagen, BauR 2010, 2047; Beckmann Rechtliche Rahmenbedingungen der Abschlussbetriebsplanung, in: Kühne/Ehricke (Hrsg.) Bergrecht zwischen Tradition und Moderne (2010), S. 169, gekürzt veröffentlicht in DÖV 2010, 512; Beckmann Öffentlichkeitsbeteiligung vor der Zulassung bergbaulicher Vorhaben, UPR 2014, 205; Beckmann/Wittmann, Zur Flexibilisierung des Systems bergrechtlicher Zulassungen, DVBl 2021, 137; Beddies Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Einstellung eines Bergwerks (1995); Bellroth, Die Bindungswirkung bergrechtlicher Rahmenbetriebsplanzulassungen, Diss 2021; Bergs Rückstellungen im Braunkohlenbergbau (2006); Berkemann Planerische Lenkung des Abbaus von oberflächennahen Bodenschätzen – Zulässigkeit und Grenzen, DVBl 1989, 625; Brockhoff Naturschutzrechtliche Eingriffsregelung in bergrechtlichen Zulassungsverfahren (2012); Cosack Bergrechtliches Zulassungsverfahren und Flora-Fauna-Habitat-Verträglichkeitsprüfung, NuR 2000, 311; Czybulka/Stredak Rechtsfragen der marinen Kies- und Sandgewinnung in Nord- und Ostsee (2008); Dammert Aktuelle Fragen der Betriebsplanzulassung, in: Degenhart/Dammert/Heggemann (Hrsg.) Bergrecht in der Entwicklung (2003), S. 73; Dammert Verfassungsrechtliche Anforderungen an Grundabtretung und Rahmenbetriebsplanzulassung, ZfB 2014, 1 und 105; Dippel Die Verfüllung von Tagebauen mit ungeeigneten Abfallstoffen, AbfallR 2010, 132; Durner Konflikte räumlicher Planungen (2005); Elgeti/Dietrich Unkonventionelles Erdgas: Berg- und Wasserrecht, NuR 2012, 232; Fortmann Drittschutz bei der Gewinnung von Bodenschätzen nach Berg-, Wasser- und Immissionsschutzrecht (1999); G. Franßen/Hejma Rechtliche Rahmenbedingungen für die Wiedernutzbarmachung ehemals bergbaulich genutzter Flächen, in: Ingenieurtechnischer Verband für Altlastenmanagement und Flächenrecycling e.V. (ITVA) (Hrsg.) Altlastensymposium 2010 (2010), S. 35; Frenz Bergrecht und nachhaltige Entwicklung (2001); Frenz Wiedernutzbarmachung und Biotopschutz, ZfB 2002, 23; Frenz Unternehmerverantwortung im Bergbau (2003); Frenz Bergbau und Gemeinschaden, UPR 2005, 1; Frenz Die Novelle der Abfallrahmenrichtlinie im Spannungsfeld zum Berg- und Bodenschutzrecht, UPR 2007, 81; Frenz Erdbebenähnliche Erschütterungen und weiterer Steinkohlenabbau, WiVerw 2009, 77; Frenz Drittschutz im Bergrecht, NVwZ 2011, 86; Frenz Höchstrichterliche Absicherung des freien Marktes – Die Abfallwirtschaft in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, in: Kurth (Hrsg.) Ressource Abfall, politische und wirtschaftliche Betrachtungen anlässlich des 50-jährigen Bestehens des BDE (2011), S. 68, zitiert als Frenz FS BDE (2011); Frenz Braunkohlentagebau und Verfassungsrecht, NVwZ 2014, 194; Frenz, Unternehmerische Abweichungen von einem zugelassenen bergrechtlichen Betriebsplan, UPR 2018, 510; Freytag Der Einsatz von Rückständen im Bergbau an der Nahtstelle von Bergbau- und Abfallrecht, NuR 1996, 334; Gaentzsch Die bergrechtliche Planfeststellung, in: E. Franßen/Wilke/Schlichter/Redeker (Hrsg.) Bürger – Richter – Staat: Festschrift für Horst Sendler zum Abschied aus seinem Amt (1991), S. 403, zitiert als Gaentzsch FS Sendler (1991); Gaentzsch Die Zulassung bergbaulicher Vorhaben im System des Anlagengenehmigungsrechts, in: Kühne/Gaentzsch (Hrsg.) Wandel und Beharren im Bergrecht (1992), S. 37; Gaentzsch Oberflächeneigentum und Bergbau aus der Sicht der höchstrichterlichen Rechtsprechung, DVBl 1993, 527; Giesen Rekultivierungsauflagen im Betriebsplan – Zur Abgrenzung der Zuständigkeiten der Bergbehörden und der Forstbehörden, ZfB 1989, 185; Glückert Sonderbetriebsplan und Sonderbetriebsplanzulassung – Anmerkungen zu einigen offenen Fragen, in: Baur/Sandrock/Scholtka/Shapira (Hrsg.) Festschrift für Gunther Kühne zum 70. Geburtstag (2009), S. 543, zitiert als Glückert FS Kühne (2009); Grigo Die Allgemeine Bundesbergverordnung und ihre Bedeutung für Bergaufsicht und Betrieb, bergbau 1995, 536; Heitmann Der Wegfall der Bergbauberechtigung, ZfB 1987, 26; Heitmann Die Leitlinien des Bundesverwaltungsgerichts für den Bergbau, ZfB 1990, 179; Herrmann Das Bergschadensrecht als Haftungsmaßstab im Zusammenhang mit der Flutung von Tagebaurestlöchern, in: Degenhart/Dammert/Heggemann (Hrsg.) Bergrecht in der Entwicklung (2003), S. 115; Herrmann, Sicherheitsleistungen nach dem Bundesberggesetz, ZfB 2018, 271; Herrmann, Vorsorgevereinbarungen zur Sicherung der Wiedernutzbarmachung im auslaufenden Braunkohlebergbau, ZfB 2020, 179; Heuvels Zur Verantwortlichkeit des Bergbauunternehmers für die Behandlung belasteter Grubenwässer nach der Betriebseinstellung, NVwZ 1995, 972; Himmelmann/Tünnesen-Harmes Wende bei der Beurteilung bergrechtlicher Betriebspläne? UPR 2002, 212; Jäkel, Die Sicherheitsleistung zur Sicherstellung der Vorsorge für die Wiedernutzbarmachung der Oberfläche im Bergrecht, 2017; Jordan, Das Zusammenspiel von Bergrecht und Wasserrecht im bergrechtlichen Betriebsplanverfahren, ZfB 2018, 102; Karkaj Das Prüfungsprogramm der Bergaufsicht – Reichweite der Bindungswirkung der Aufsuchungserlaubnis für das Betriebsplanzulassungs- und Bewilligungsverfahren, NuR 2014, 164; Keienburg Konsequenzen der Erschütterungen vom 23.2.2008 de lege lata, Markscheidewesen 2010, 14; Keienburg Das bergrechtliche Betriebsplanzulassungsverfahren unter besonderer

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Vorbem. §§ 50–57e

Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

Berücksichtigung des Sonderbetriebsplans „Abbaueinwirkungen auf das Oberflächeneigentum“, NVwZ 2013, 1123; Keienburg Die Öffentlichkeitsbeteiligung im Bergrecht (2004); Keienburg Öffentlichkeitsbeteiligung im Bergrecht, in: Kühne/Ehricke (Hrsg.) Öffentlichkeitsbeteiligung und Eigentumsschutz im Bergrecht (2005), S. 9; Keienburg Mitwirkungspflichten Bergbaubetroffener und die Folgen ihrer Nichtbeachtung, in: Pielow (Hrsg.) Sicherheit in der Energiewirtschaft (2007), S. 443; Keusgen Allgemeine Bundesbergverordnung – Entstehen, Konzeption, Regelungsinhalt, ZfB 1996, 60; Kirchner Der Begriff der Wiedernutzbarmachung nach dem Bundesberggesetz und nach dem Abgrabungsrecht des Landes Nordrhein-Westfalen, ZfB 1984, 333; Kirchner Aktuelle Fragen zum Abschlussbetriebsplan UPR 2010, 164; Kirchner/Kremer Störerhaftung bei verlassenen Grubenbauen ZfB 1990, 5; Kirschey/Wagner Abbaugebiete als Sekundärlebensraum streng geschützter Amphibienarten – Rekultivierung im Licht des europäischen Artenschutzrechtes, EurUP 2013, 282 ff.; Klages Öffentlichkeitsbeteiligung und Bergrecht, NuR 2014, 259; Kolonko Naturschutzrecht und Bergrecht, ZUR 1995, 126; Knöchel, Novellierung des Bundesberggesetzes? ZfB 2020, 173; Kolonko Anforderungen der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung an einen Abbau von Steine und Erden (1997); Krautschneider Das Betriebsplanverfahren, Bergfreiheit 1967, 38; Kremer Gemeinschädliche Einwirkungen i.S.d. § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 BBergG, UPR 1999, 250; Kropp Die Abgrenzung zwischen Berg- und Abfallrecht bei der Rekultivierung einer Bohrspülungsdeponie, NuR 2003, 526; Kühne Die Bedeutung der Erfordernisse der Raumordnung und Landesplanung bei bergbaulichen Vorhaben, DVBl 1984, 709; Kühne Verfahrensstufung im bergrechtlichen Betriebsplanverfahren – Zur Funktion und Bedeutung des Rahmenbetriebsplanverfahrens, UPR 1986, 81; Kühne Rechtsfragen der Endlagerung radioaktiver Abfälle aus Sicht des Bergrechts, ZfB 1991, 283; Kühne Bestandsschutz und Verfahrensstufung im Betriebsplanverfahren, UPR 1992, 218; Kühne Bergrechtlicher Rahmenbetriebsplan, Anlagengenehmigungsrecht und Umweltverträglichkeitsprüfung (1993), zitiert als Kühne Bergrechtlicher Rahmenbetriebsplan; Kühne Braunkohlenplanung und bergrechtliche Zulassungsverfahren (2000), zitiert als Kühne Braunkohlenplanung; Kühne Die grundsätzliche rechtliche Bedeutung von Bergschäden für das Betriebsplanverfahren, in: Frenz/Liese (Hrsg.) Genehmigungsverfahren in der bergbaulichen Praxis: aktuelle Brennpunkte (2002), S. 65; Kühne Der Schutz kommunalen Oberflächeneigentums im bergrechtlichen Betriebsplanverfahren, NVwZ 2005, 59; Kühne Eigentumsschutz im Bergrecht, in Kühne/Ehricke (Hrsg.) Öffentlichkeitsbeteiligung und Eigentumsschutz im Bergrecht (2005); Kühne Obligatorische Rahmenbetriebsplanzulassung im Bergrecht und ihre Wirkungen, DVBl 2006, 662; Kühne Bergrechtliche Aspekte des Wasseranstiegs im Bergbau, DVBl 2006, 1219; Kühne Entwicklungslinien der bergrechtlichen Rechtsprechung zur Zulassung bergbaulicher (Groß-)Vorhaben, in: Kühne/Ehricke (Hrsg.) Entwicklungslinien im Bergrecht (2008), S. 51; Kühne Umweltverträglichkeitsprüfung und Strategische Umweltprüfung: Auswirkungen auf bergrechtliche Zulassungsentscheidungen, in: B. Heggemann (Hrsg.) Bergrechtliche Zulassungsentscheidungen im Kontext mit Umweltprüfungen (2009), S. 11; Kühne Die betriebsplanrechtliche Relevanz bergbauinduzierter Erderschütterungen, DVBl 2010, 874; Kühne Verfassungsrechtliche Fragen der bergrechtlichen Enteignung, DVBl 2014, 321; Ludwig Auswirkungen der FFH-RL auf Vorhaben zum Abbau von Bodenschätzen nach dem BBergG (2005); Ludwig Umweltaspekte in Verfahren nach dem BBergG, ZUR 2012, 150; Ludwig, Der Schutz des Oberflächeneigentums in der Vorhabenszulassung nach dem BBergG, DVBl 2016, 685; Marder-Bungert/von Mäßenhausen Umsetzung der EURichtlinie über die Bewirtschaftung von Abfällen aus der mineralgewinnenden Industrie, AbfallR 2008, 266; von Mäßenhausen Auswirkungen Europäischer Richtlinien und Europäischer Normen auf das nationale Bergrecht, Glückauf 1998, 18; von Mäßenhausen Entwurf einer Richtlinie zur Bewirtschaftung bergbaulicher Abfälle, AbfallR 2004, 51; Müggenborg Bergbaufolgelandschaften und rechtliche Bewältigung, in: Bergrechtsreform und Fracking (2013), S. 47 = NuR 2013, 326; Neumann Entwicklungstendenzen der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Bergrecht, in: Kühne/Ehricke (Hrsg.) Entwicklungslinien im Bergrecht (2008), S. 27; Niermann Betriebsplan und Planfeststellung im Bergrecht (1992); Pfadt Rechtsfragen zum Betriebsplan im Bergrecht (1981); Pohl Bestandsschutz bergrechtlicher Betriebsplanzulassungen (1996); Pollmann/Wilke Der untertägige Steinkohlenbergbau und seine Auswirkungen auf die Tagesoberfläche (1994), zitiert als Pollmann/Wilke Steinkohlenbergbau; Rausch Umwelt- und Planungsrecht beim Bergbau (1990); Reinhardt Das wasserhaushaltsgesetzliche System der Eröffnungskontrollen unter besonderer Berücksichtigung bergrechtlicher Sachverhaltsgestaltungen, NuR 1999, 134; Salzwedel Garzweiler II im Spannungsfeld zwischen Bergrecht und Wasserrecht, in: Czaika/Hansmann/Rebentisch (Hrsg.) Immissionsschutzrecht in der Bewährung: Festschrift für Gerhard Feldhaus zum 70. Geburtstag (1999), S. 281, zitiert als Salzwedel FS Feldhaus (1999); Schink Der Abfallbegriff im Kreislaufwirtschaftsgesetz UPR 2012, 21; Schleifenbaum/Kamphausen Zum rechtlichen Stellenwert der Sondervorschriften für das Rheinische Braunkohlenplangebiet nach dem Nordrhein-Westfälischen Landesplanungsgesetz, UPR 1984, 43; Schlüter Die verschiedenen bergbehördlichen Befugnisse im Betriebsplanverfahren, Glückauf 1939, 892; Schmidt-Aßmann/Schoch Bergwerkseigentum und Grundeigentum im Betriebsplanverfahren (1994); Schoch Bergwerkseigentum und Grundeigentum im Betriebsplanverfahren, in: Kühne/Schoch/Beckmann (Hrsg.) Gegenwartsprobleme des Bergrechts (1995), S. 25; Schulte Bergbau, Umweltrecht, Raumplanung ZfB 1987, 178; Schulte Gemeinschädliche Einwirkungen nach § 55 BBergG, in: Töpfer (Hrsg.) Berg- und Energierecht vor den Fragen der Gegenwart, S. 149, zitiert als Schulte FS Fabricius (1989); Schulte Raumplanung und Genehmigung bei der Bodenschätzegewinnung (1996), zitiert als Schulte Raumplanung; Schulte Kernfragen des bergrechtlichen Genehmigungsverfahrens (1993), zitiert als Schulte Kernfragen; Sondermann Betriebsplanverfahren, Bestellung verantwortlicher Personen, Erlaß von Bergverordnungen und Bergaufsicht nach dem Bundesberggesetz, Braunkohle 1982, 14;

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Spieth Wasserrechtliches Planfeststellungsverfahren und bergrechtlicher Abschlussbetriebsplan bei der Flutung von Tagebaurestlöchern, ZUR 2001, 66; Spieth/Hellermann, Zur erforderlichen Vorsorge für die Wiedernutzbarmachung im Braunkohlenbergbau, ZfB 2017, 18; Spieth/Laitenberger Umfang und Grenzen der Nachsorgepflicht des Anlagenbetreibers, BB 1996, 1893; Spieth/Wolfers Umfang und Reichweite der Nachsorgepflicht des Bergbauunternehmers bei der Stilllegung, ZfB 1997, 269; Stevens Bergrechtliche und umweltrechtliche Genehmigungen für Tagebaue, ZUR 2012, 338; Stiens Der bergrechtliche Betriebsplan (1995); Terwiesche/Kupfer Schadensersatz trotz Bergschadensverzicht bei Verstoß des Bergbauunternehmens gegen verwaltungsrechtliche Abbaubeschränkungen? NVwZ 2013, 1128; Viertel Gewässerausbau und -unterhaltung bei übertägigen Bergbauvorhaben, ZfW 2002, 69; Vollmer Das Betriebsplanverfahren im Bergbau: ein Instrument zur Sicherung von Mindestarbeitsbedingungen, auch in anderen Branchen? Jahrbuch Arbeit und Technik in Nordrhein-Westfalen 1987, 213; Vollmer Fracking – Einblick in die Praxis und rechtliche Genehmigungsvoraussetzungen, NdsVBl 2014, 184; Weller Das Bergrecht im Verhältnis zum allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht, ZfB 1987, 12; v. Weschpfennig, Die Systematik der UVP-Pflicht im Bergrecht, EuRUP 2016, 182; v. Weschpfennig, Strukturen des Bergrechts (2022); Wilde Verhältnis zwischen Bergrecht und Naturschutzrecht, DVBl 1998, 1321; Wolfers/Ademmer Grenzen der bergrechtlichen Nachsorgehaftung, DVBl 2010, 22.

Übersicht I.

Entwicklung des bergrechtlichen Betriebsplan1 rechts

II.

Überblick über die Betriebsplanvorschriften des 8 BBergG

d) V.

III.

Grundsätzliches zur Betriebsplanpflicht

IV. 1. 2.

14 Rechtsschutz 15 Rechtsschutz des Unternehmers 17 Rechtsschutz Dritter a) Individualrechtsschutz nach der 18 VwGO b) Verbandsklage nach § 2 UmwRG c) Verbandsklage nach § 64 BNatSchG

1.

9

2. VI. 1.

23 30

2.

Gerichtszuständigkeit

31a

Übertragung und Übergang von Betriebsplanzu32 lassungen Übertragung im Wege der Einzelrechtsnachfolge 34 a) Vorbemerkungen b) Übertragung von Haupt-, Sonder- und Ab36 schlussbetriebsplanzulassungen c) Übertragung von Rahmenbetriebsplanzulas40 sungen 42 Übergang bei Gesamtrechtsnachfolge 47 Standortauswahlgesetz Anwendung bergrechtlicher Vorschriften nach 48 § 12 Abs. 1 StandAG 49 Sperre nach § 21 StandAG

I. Entwicklung des bergrechtlichen Betriebsplanrechts Das Betriebsplanverfahren als Instrument einer umfassenden präventiven Betriebsüberwachung 1 ist schon lange ein wesentlicher Bestandteil des deutschen Bergrechts. Es hat seinen Ursprung in dem im preußischen Rechtsraum bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts geltenden Direktionsprinzip. Nach diesem System oblag der Bergbehörde nicht nur die Bergaufsicht, sondern auch die Leitung des Bergwerksbetriebes, und zwar in technischer wie in wirtschaftlicher Hinsicht. Somit lag ursprünglich auch die Betriebsplanung in den Händen der Behörde. Erst das preußische Gesetz, die Aufsicht der Bergbehörden über den Bergbau und das Verhältnis der Berg- und Hüttenarbeiter betreffend, vom 21.5.18601 übertrug die Aufstellung der Betriebspläne dem Bergwerkseigentümer. Dieser war verpflichtet, dem Bergamt jährlich zu einem bestimmten Zeitpunkt den Betriebsplan für das folgende Jahr zur Genehmigung vorzulegen. Zur damaligen Zeit waren die vom Staat erteilten Abbauberechtigungen noch mit einem Betriebszwang verbunden. Der Betriebsplan diente also in erster Linie dazu, der Bergbehörde nachzuweisen, wie der Bergbautreibende im folgenden Jahr seine Betriebspflicht zu erfüllen gedachte. Bei der Prüfung des Betriebsplans hatte die

1 PrGS. S. 201. 447

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Bergbehörde nicht nur Sicherheitsaspekte zu berücksichtigen, sondern auch auf die „Nachhaltigkeit des Bergbaus“ zu achten. 2 Das Allgemeine Berggesetz für die Preußischen Staaten (ABG) vom 24.6.18652 vollendete die Abkehr vom Direktionsprinzip und führte das sog. Inspektionsprinzip ein, d.h. es beschränkte das Aufsichtsrecht des Staates über den Bergbau auf polizeiliche Gesichtspunkte. Das Betriebsplanverfahren wurde jedoch beibehalten und zwar mit folgender Begründung: „Die bereits bestehende Einrichtung, nach welcher der Bergwerksbetrieb nur auf Grund eines von der Bergbehörde in polizeilicher Beziehung geprüften und derselben zu diesem Zwecke vor der Ausführung vorgelegten Betriebsplans geführt werden darf, ist aus überwiegenden Zweckmäßigkeitsgründen beibehalten. Da nämlich ein rationeller Betrieb nicht anders als auf Grund eines Betriebsplans geführt werden kann, so fällt die Verpflichtung zur vorgängigen Aufstellung des letzteren mit dem eigenen Interesse des Bergwerksbesitzers zusammen. Aber auch die vorgängige Prüfung des Betriebsplans durch die Bergbehörde liegt im wohlverstandenen Interesse des Bergwerksbesitzers selbst, denn es ist dies das am wenigsten belästigende Mittel zur Ausübung der bergpolizeilichen Kontrolle. Dasselbe sichert den Bergwerksbesitzer namentlich vor unvorhergesehenen Eingriffen der Behörde in den Betrieb und vor den hieraus erwachsenden finanziellen Nachteilen, während die Behörde ihrerseits der lästigen Verpflichtung enthoben ist, sich durch häufig wiederholte Befahrungen zu überzeugen, daß der Betrieb nach den Vorschriften der Bergpolizei geführt wird. Es handelt sich demnach bei der Prüfung des Betriebsplans um eine Präventivmaßregel, bei welcher die Wahrung der bergpolizeilichen Rücksichten mit dem Privatinteresse des Bergwerksbesitzers Hand in Hand geht“.3 Der Prüfungsumfang für die Zulassung der Betriebspläne beschränkte sich ursprünglich auf 3 die in § 196 ABG bzw. Art. 197 BayBergG4 genannten polizeilichen Gesichtspunkte. Dazu gehörten die Sicherheit der Baue, die Sicherheit des Lebens und der Gesundheit der Arbeiter, der Schutz der Oberfläche im Interesse der persönlichen Sicherheit und des öffentlichen Verkehrs sowie der Schutz gegen gemeinschädliche Einwirkungen des Bergbaus. Im Laufe der Zeit wurde der Katalog der Prüfungskriterien erweitert. Im Anschluss an eine Ergänzung der Gewerbeordnung wurde durch Gesetz vom 24.6.18925 die Aufrechterhaltung der guten Sitten und des Anstandes in die zu berücksichtigenden Belange aufgenommen. Auf Grund des preußischen Gesetzes vom 24.9.19376 bzw. des bayerischen Gesetzes vom 30.3.19397 kam der Lagerstättenschutz hinzu. Seit Kriegsende gewann der Gesichtspunkt der Rekultivierung an Bedeutung. Nach dem Gesetz zur Änderung berggesetzlicher Vorschriften im Lande Nordrhein-Westfalen vom 25.4.19508 erstreckte sich die Bergaufsicht und damit auch die Prüfung bergrechtlicher Betriebspläne auf die Sicherung und Ordnung der Oberflächennutzung und Gestaltung der Landschaft während des Bergwerksbetriebes und nach dem Abbau. Die meisten anderen Bundesländer übernahmen diese Regelung. Das badische und das württembergischen Berggesetz sowie das Allgemeine Berggesetz für das Land Rheinland-Pfalz erklärten darüber hinaus die Auswirkungen des Bergbaus auf den Naturhaushalt zum Gegenstand der Bergaufsicht. In Bayern machte das Gesetz vom 25.10.19669 ferner den Schutz der Allgemeinheit oder der Nachbarschaft vor Gefahren und vor erheblichen Nachteilen und Belästigungen zur bergbehördlichen Aufgabe. Hessen und Niedersachsen nahmen die Wahrung der Erfordernisse der Raumordnung und Landesplanung in den Kreis der nach § 196 ABG zu schützenden Belange auf (Gesetz zur Änderung des Allgemeinen Berggesetzes für das Land Hessen

2 3 4 5 6 7 8 9

PrGS. S. 705. Motive zum ABG, ZfB 1865, 55, 136. Berggesetz vom 20.3.1869 für das Königreich Bayern, GBl. S. 673. PrGS. S. 131. PrGS. S. 257. GVBl. S. 87. GS. NW S. 694. GVBl. S. 331.

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vom 27.5.1969,10 Gesetz zur Änderung und Bereinigung des Bergrechts im Lande Niedersachsen vom 10.3.197811). Neben dieser Erweiterung des Katalogs der ausdrücklich genannten Schutzgüter erweiterte das Gesetz über die Zuständigkeit der Bergbehörden vom 9.6.193412 im preußischen Rechtsgebiet die Aufgaben durch Einfügung des Wortes „insbesondere“ in § 196 Abs. 2 ABG. Die Bergbehörde sollte hierdurch die Möglichkeit erhalten, ohne allzu starre Bindung an die in § 196 Abs. 2 ABG aufgeführten Gesichtspunkte diejenigen polizeilichen Aufgaben zu erfüllen, die im Bergwerksbetrieb ihre Ursache hatten.13 Art. 197 BayBergG enthielt bereits seit 1900 den Zusatz „insbesondere“; damit sollte allerdings, wie aus den Motiven zum Änderungsgesetz vom 30.6.1900 hervorgeht, lediglich eine spätere gesetzliche Zuweisung weiterer Aufgaben an die Bergpolizei ermöglicht werden. Dies entsprach dem allgemeinen Polizeirecht in Bayern, das im Gegensatz zum preußischen Polizeirecht keine Generalklausel zum polizeilichen Einschreiten kannte.14 Über den Inhalt und die Geltungsdauer der Betriebspläne enthielten die Berggesetze der 4 Länder ursprünglich keine besonderen Bestimmungen. Die Gesetze gingen davon aus, dass die Aufstellung des Betriebsplans und die Bestimmung des Zeitraums, für den er Geltung haben sollte, ausschließlich Sache des Bergbautreibenden sei.15 Die Novellierungen der Landesgesetze nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelten die Regelungen über den bergrechtlichen Betriebsplan weiter und passten sie den Bedürfnissen der Praxis an. Diese Weiterentwicklungen ermöglichten auch neue Betriebsplantypen. Den Anfang machte Nordrhein-Westfalen mit dem Bergrechtsänderungsgesetz vom 25.4.1950.16 Durch Ergänzung des § 67 ABG erhielten die Bergbehörden die Befugnis, für bestimmte Arbeiten oder Zeiträume die Aufstellung von Sonderbetriebsplänen zu verlangen. Ferner wurde die Möglichkeit geschaffen, mehreren Bergwerksbesitzern für Arbeiten, die nach einheitlichen Gesichtspunkten durchgeführt werden sollten, die Vorlegung eines gemeinsamen Betriebsplans aufzugeben. Schließlich wurde durch Neufassung des § 71 ABG die Vorlage eines Abschlussbetriebsplanes bei der Betriebseinstellung vorgeschrieben. Die anderen Bundesländer schlossen sich dem nordrhein-westfälischen Vorgehen an. Über die gesetzliche Ergänzung der Betriebsplanvorschriften hinaus wurden in der Praxis weitere Betriebsplanarten eingeführt. Rahmenbetriebspläne wurden für die langfristige Planung oder die Neuerrichtung eines Bergwerks oder wesentlicher Betriebsteile aufgestellt. Sie beschrieben das Vorhaben in seinen Grundzügen. Hauptbetriebspläne bildeten die Grundlage des Bergwerksbetriebes. Sie wurden in der Regel für zwei Jahre aufgestellt und stellten den Zustand des Betriebes sowie die in diesem Zeitpunkt geplanten Arbeiten und Anlagen dar. Einzelbetriebspläne ergänzten den Hauptbetriebsplan. Sie behandelten solche Arbeiten und Anlagen, für die im Hauptbetriebsplan die erforderlichen Einzelangaben nicht gemacht wurden und für die deshalb die Vorlage von Einzelbetriebsplänen vorbehalten wurde. Nachtragsbetriebspläne betrafen spätere Änderungen oder Ergänzungen der genannten Betriebspläne. Als Regelfall der Betriebsplanzulassung sahen die Berggesetze der Länder ursprünglich eine 5 stillschweigende Billigung durch die Behörde vor. Der Bergwerksbesitzer war zur Ausführung eines Betriebsplanes befugt, wenn das Bergamt nicht innerhalb von 14 Tagen (in Bayern einem Monat) Einspruch erhob, § 68 Abs. 1 ABG, Art. 71 Abs. 1 BayBergG. Erhob das Bergamt gegen einen Betriebsplan innerhalb dieser Frist Einspruch, fand eine sog. Betriebsplanerörterung statt, in der dem Bergbautreibenden die Beanstandungen der Behörde mitgeteilt wurden. Nahm dieser die Forderungen des Bergamts in seinen Betriebsplan auf, wurde der Einspruch zurückgezogen und der Betriebsplan damit zugelassen. Die Rechtsprechung bezeichnete das Zulassungsverfahren als einen sich nur zwischen Bergbehörde und Bergwerksbesitzer abspielenden Vorgang, der ohne 10 11 12 13 14 15 16

GVBl. I S. 81. Nieders. GVBl. S. 352. Pr GS. S. 303. Amtl. Begr., ZfB 1934, 96. Miesbach/Engelhardt Bergrecht, S. 451. ZfB 1865, 595. GS. NW. S. 694.

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irgendeinen hoheitlichen Akt abgeschlossen werden konnte.17 Im Zuge der Novellierung der Berggesetze schafften mehrere Länder die Möglichkeit einer stillschweigenden Zulassung ab und schrieben eine ausdrückliche bergbehördliche Zulassung der Betriebspläne vor.18 Sah ein Betriebsplan Maßnahmen vor, die auch den Geschäftsbereich anderer Behörden berührten, hatte die Bergbehörde in Baden-Württemberg, Hessen und Niedersachsen die anderen Behörden zu beteiligen, in Bayern anzuhören. Nordrhein-Westfalen verlangte sogar ein Einvernehmen. Die Bergbehörde konnte allerdings nach eigenem Ermessen entscheiden, wenn das Einvernehmen nicht innerhalb von drei Monaten zu erzielen war, § 68 Abs. 3 ABG NRW. 6 Das am 1.1.1982 in Kraft getretene BBergG hat das Betriebsplanverfahren „als typisch bergrechtliches Instrument zur präventiven und laufenden Betriebsüberwachung durch Unternehmen und Bergaufsicht“19 übernommen. Dabei hat es aber das Betriebsplanverfahren der rechtlichen Entwicklung des Gewerbe- und Umweltrechts angepasst. Dazu gehört beispielsweise der Verzicht auf die Möglichkeit der stillschweigenden Betriebszulassung: § 56 Abs. 1 Satz 1 BBergG verlangt in jedem Fall eine schriftliche Entscheidung der zuständigen Behörde über die Zulassung eines Betriebsplans. Durch das Gesetz zur Änderung des BBergG vom 12.2.1990 wurde als neue Betriebsplanart 7 der sogenannte obligatorische Rahmenbetriebsplan geschaffen, für dessen Zulassung ein bergrechtliches Planfeststellungsverfahren mit Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist. Der Gesetzgeber wollte hiermit ein Verfahren mit Konzentrationswirkung bereitstellen und den vor allem aus der UVP-Richtlinie resultierenden europarechtlichen Umsetzungspflichten gerecht werden.20 Ausführlich zur Entstehungsgeschichte die Kommentierung im Anhang zu § 57c, UVP-V Bergbau, Vorbemerkungen, Rn. 1 ff.

II. Überblick über die Betriebsplanvorschriften des BBergG 8 Für nicht betriebsplanpflichtige Vorhaben normiert § 50 Anzeigepflichten des Unternehmers. Die bergrechtlichen Sonderregelungen über das Betriebsplanverfahren enthalten die §§ 51 bis 57e. Im Übrigen richtet sich das Verfahren gemäß § 5 nach den Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes. § 51 umschreibt den Umfang der Betriebsplanpflicht allgemein. Dort ist zugleich zum Ausdruck gebracht, dass der Plan vom Unternehmer (§ 4 Abs. 5) aufzustellen ist und von der Behörde (ausdrücklich) zugelassen werden muss. Ferner wird der Behörde in begrenztem Maße die Möglichkeit eingeräumt, Betriebe auf Antrag von der Betriebsplanpflicht zu befreien. § 52 konkretisiert die Betriebsplanpflicht hinsichtlich der Errichtung und Führung eines Betriebes näher. Vor allem wird der unabdingbare Inhalt der Betriebspläne festgelegt. Außerdem werden die für die Errichtung und Führung des Betriebes in Betracht kommenden Betriebsplanarten genannt. § 53 enthält entsprechende Regelungen für die Einstellung des Betriebes und fordert daneben für bestimmte Gewinnungsbetriebe die Aufstellung einer Betriebschronik. Für das Zulassungsverfahren ergänzt § 54 die allgemein anwendbaren Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes. Von Bedeutung ist insbesondere die hier vorgesehene Beteiligung anderer Behörden und von Gemeinden am Verfahren. § 55 nennt abschließend die bergrechtlichen Zulassungsvoraussetzungen, bei deren Vorliegen die Bergbehörde den Betriebsplan zuzulassen hat. Der Katalog umfasst die Rechtsgüter und Belange, deren Schutz das bergrechtliche Betriebsplanverfahren bezweckt. Daneben ist im Betriebsplanverfahren auch § 48 Abs. 2 Satz 1 zu beachten (vgl. § 48 Rn. 34 ff.). § 56 bestimmt die Form der Betriebsplanzulassung und 17 Pr. OVG 20.3.1930, IV C 43/27 = ZfB 1931, 278; LVG Gelsenkirchen 16.3.1954, 3 K 224/53 = ZfB 1954, 468. 18 Gesetz zur Änderung des Allgemeinen Berggesetzes für das Land Hessen vom 27.5.1969 (GVBl. I S. 81), Zweites Gesetz zur Änderung bergrechtlicher Vorschriften in Baden-Württemberg vom 18.5.1971 (Ges. Bl. S. 161), Landesgesetz über das Bergrecht im Lande Rheinland-Pfalz vom 3.1.1974 (GVBl. S. 1), Gesetz zur Änderung und Bereinigung des Bergrechts im Lande Niedersachsen vom 10.3.1978 (Nieders. GVBl. S. 253). 19 BT-Drs. 8/1315, S. 71. 20 BT-Drs. 11/4015, S. 1. von Hammerstein

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behandelt die Möglichkeit nachträglicher Auflagen und die Anordnung einer Sicherheitsleistung. § 57 nennt die Voraussetzungen, unter denen der Unternehmer von einem zugelassenen Betriebsplan abweichen darf. Die §§ 57a und 57b beinhalten Regelungen zum bergrechtlichen Planfeststellungsverfahren mit Umweltverträglichkeitsprüfung. § 57c ermächtigt schließlich das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Aspekte des Planfeststellungsverfahrens durch Verordnung zu regeln, insbesondere, welche Vorhaben einer Umweltverträglichkeitsprüfung bedürfen. Dem § 57d sind spezielle Vorschriften für störfallrelevante Vorhaben zu entnehmen. § 57e enthält Regelungen für Vorhaben zur Erzeugung von Energie aus erneuerbaren Quellen.

III. Grundsätzliches zur Betriebsplanpflicht Die Vorschriften über den Betriebsplan unterwerfen die bergbaulichen Tätigkeiten und Einrich- 9 tungen einer Zulassungspflicht in einem besonderen Verfahren (Betriebsplanpflicht). Die Betriebsplanpflicht ist zu unterscheiden vom Berechtsamswesen der §§ 6 ff. BBergG. Das Berechtsamswesen ist das öffentlich-rechtliche Konzessionssystem, in dem der Staat Bergbauberechtigungen vergibt. Mit dem Berechtsamswesen steuert er, von wem bergfreie Bodenschätze in einem Feld aufgesucht und gewonnen werden dürfen, indem er die entsprechenden Rechte deren Inhaber exklusiv zuordnet (ausführlich hierzu § 6 Rn. 1 ff.). Eine wesentliche Funktion der Bergbauberechtigung ist die Ausschlusswirkung gegenüber Dritten. Die Bergbauberechtigung vermittelt dem Berechtigten im Hinblick auf einen bergfreien Bodenschatz eine ähnliche Rechtsposition wie sie der Grundeigentümer im Hinblick auf grundeigene Bodenschätze kraft seines Eigentums bereits innehat. Diese Position ist allerdings, insbesondere wegen der Befristung von Berechtsamen und der Feldes- und Förderabgabepflicht, schwächer als diejenige des Grundeigentümers. Die Erteilung einer Erlaubnis oder einer Bewilligung nimmt die Betriebsplanzulassung nicht vorweg und enthält keine Vorentscheidung darüber, ob und unter welchen Bedingungen das bergbauliche Vorhaben tatsächlich durchgeführt werden darf.21 Die Durchführung setzt voraus, dass die Anforderungen des § 55 und der über § 48 Abs. 2 Satz 1 im Betriebsplanverfahren zu prüfenden außerbergrechtlichen Normen erfüllt sind. Das Betriebsplanverfahren dient dazu, zu klären, ob die konkreten bergbaulichen Tätigkeiten und Einrichtungen zulässig sind. Vereinfacht lässt sich sagen: Die Bergbauberechtigung entscheidet darüber, wer einen bergfreien Bodenschatz aufsuchen oder gewinnen darf; mit der Betriebsplanzulassung wird festgelegt, ob und unter welchen Voraussetzungen (grundeigene oder bergfreie) Bodenschätze aufgesucht und gewonnen werden dürfen. Zu diesem Zweck unterwerfen die Betriebsplanvorschriften diese Tätigkeiten und Einrichtun- 10 gen einer umfassenden Genehmigungspflicht.22 Die Notwendigkeit eines besonders ausgestalteten bergrechtlichen Verfahrens erklärt die Gesetzesbegründung: „Betriebe, die Bodenschätze aufsuchen und gewinnen, unterscheiden sich dadurch grundsätzlich von Gewerbebetrieben, dass sie sich bei ununterbrochener Verringerung der Substanz an Bodenschätzen räumlich ständig fortentwickeln und unter dauernder Anpassung an die Erfordernisse der Lagerstätte verändern. Diese dynamische, durch Art, Beschaffenheit und Verlauf der Lagerstätte diktierte Betriebsweise bedingt einmal eine spezifische Gefährlichkeit für Beschäftigte, Dritte und Sachgüter und zum anderen eine nicht nur einmalige, sondern eine fortschreitende Beeinträchtigung und – soweit Bodenschätze im Tagebau gewonnen werden – erhebliche Veränderung der Erdoberfläche. Angesichts dieser besonderen Ausgangslage bei der Aufsuchung und Gewinnung von Bodenschätzen reicht eine punktuelle Überwachung des laufenden Betriebes nicht aus. Es muss vielmehr eine präventive und in der Regel auch laufende Betriebsüberwachung stattfinden, eine Überwachung also, bei der die Errichtung, der Fortgang des Betriebes, die Art und Weise der Betriebsführung, die Betriebsmittel, die Sicherheitsvorkehrungen, notwendige Maßnahmen zum Schutz oder zur Wiederherstellung der Oberfläche etc. rechtzeitig und kontinuierlich überprüft werden können. 21 BVerwG 15.10.1998, 4 B 94.98 = ZfB 1990, 328, 330. 22 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 52 Rn. 4. 451

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Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

Das Institut einer einmaligen Betriebsgenehmigung oder -zulassung mit der Möglichkeit nachträglicher Auflagen oder einer neuen Genehmigung in besonderen Fällen, wie sie das mehr auf eine statische Betriebsweise ausgerichtete Gewerberecht, Atomrecht oder Wasserrecht kennt, genügt diesen Anforderungen nicht. Das Bergrecht stellt daher als besonderes Rechtsinstitut für die präventive und laufende Betriebsüberwachung das Betriebsplanverfahren zur Verfügung. Dieses Verfahren ermöglicht zudem nicht nur eine behördliche, sondern auch eine Eigenkontrolle des Unternehmens“.23 Das Betriebsplanrecht unterscheidet sich damit erheblich von den Vorschriften über Anlagen11 genehmigungen im Umwelt-, Atom-, oder Gewerberecht. Es unterwirft die bergbaulichen Maßnahmen einer fortlaufenden und nach Zeitabschnitten gestuften Kontrolle. Das Gesetz fordert Betriebspläne für die Errichtung und Führung des Bergbaubetriebs, ohne dabei grundlegend zwei aufeinanderfolgende Phasen zu unterscheiden. Es fasst Arbeiten und (das Herstellen und Benutzen von) Einrichtungen (vgl. § 52 Abs. 3 und 5 BBergG) zusammen und geht davon aus, dass beide ineinander übergehen oder parallel nebeneinander laufen können.24 Das Betriebsplanverfahren bietet zudem verschiedene Betriebsplanarten, die sich hauptsächlich in Regelungsgehalt und Geltungsdauer unterscheiden (hierzu § 52 Rn. 2 ff.). Diese Besonderheiten des Betriebsplanverfahrens sollen angesichts der dynamischen Betriebsweise und Unvorhersehbarkeit der bergbaulichen Tätigkeiten die nötige Flexibilität ermöglichen.25 Dies ist bei der Handhabung der Betriebsplanvorschriften zu berücksichtigen. 12 Die Betriebsplanzulassung begründet kein neues Recht, sondern sie gestattet die Ausübung des Aufsuchungs- oder Gewinnungsrechts, das sich bereits aus der Bergbauberechtigung oder aus dem Grundeigentum ergibt.26 Die Betriebsplanzulassung ist eine Kontrollerlaubnis. Die Betriebsplanpflicht bewirkt also ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt.27 Das präventive Verbot mit Erlaubnisvorbehalt ermöglicht es der Verwaltung, vorweg bestimmte Gefahren oder bestimmte Gesichtspunkte des öffentlichen Wohls zu kontrollieren. Die Kontrollerlaubnis teilt nichts zu. Sie stellt lediglich fest, dass der grundrechtlichen Betätigungsfreiheit des Einzelnen keine Gründe des öffentlichen Wohls, insbesondere keine Gefahrensituationen entgegenstehen, dass also sein Verhalten gemeinverträglich und unbedenklich ist.28 13 Der Wortbestandteil „-plan“ führt gelegentlich zu Missverständnissen. Das Betriebsplanverfahren ist kein behördliches Planungs- oder Fachplanungsverfahren.29 Der Betriebsplan bedarf daher auch keiner Planrechtfertigung.30 Der Betriebsplan ist im Hinblick auf das behördliche Zulassungserfordernis eher einem nach anderen Fachgesetzen einzureichenden Genehmigungsantrag vergleichbar (genauer: der einem Genehmigungsantrag beigefügten Bau- oder Vorhabenbeschreibung). Mit Einreichung des Betriebsplans bei der Bergbehörde beantragt der Unternehmer die Zulassung der im Betriebsplan beschriebenen Anlagen und Tätigkeiten.31 Alle Betriebsplanzulassungen – auch soweit über sie durch Planfeststellung zu entscheiden ist – sind gebundene Entscheidungen.32 Sind die in § 55 und § 48 Abs. 2 genannten Voraussetzungen erfüllt, hat der 23 BT-Drs. 8/1315, S. 105. 24 BVerwG 13.12.1991, 7 C 25/90, BVerwGE 89, 246, 252 = ZfB 1992, 38, 42 f.; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 52 Rn. 2. 25 Vgl. BT-Drs. 8/1315, S. 2; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 52 Rn. 5. 26 OVG Koblenz 29.1.1993, 10 C 10835/91 = ZfB 134, 215, 224; VG Halle 14.5.2009, 3 B 215/08 = ZfB 2010, 223, 224; Kühne DVBl 2006, 662, 663. 27 Ludwig ZUR 2012, 150, 152; Kühne DVBl 2006, 662, 663; Niermann Betriebsplan und Planfeststellung im Bergrecht, S. 54 ff.; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 51 Rn. 2, § 56 Rn. 8. 28 Wahl DVBl 1982, 51, 52 ff. 29 BVerwG 14.12.1990, 7 C 18/90 = ZfB 1991, 140, 143; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 51 Rn. 16, § 56 Rn. 13. 30 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 56 Rn. 14. 31 OVG Berlin-Brandenburg 29.7.2016, OVG 11 N 137.12, juris Rn. 18; Frenz/Beckmann BBergG, § 52 Rn. 2. 32 Vgl. nur BVerwG 15.12.2006, 7 C 1/06, BVerwGE 127, 259 = ZfB 2006, 306; BVerwG 2.11.1995, 4 C 14/94, BVerwGE 100, 1, 16 = ZfB 1995, 278, 284; BVerwG 14.12.1990, 7 C 18/90 = ZfB 1991, 140, 143; Kühne DVBl 2006, 662, 663; Piens/Schulte/ Graf Vitzthum BBergG, § 51 Rn. 5, § 56 Rn. 12 ff. von Hammerstein

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Zweites Kapitel – Anzeige, Betriebsplan

Vorbem. §§ 50–57e

Unternehmer einen Rechtsanspruch auf ihre Erteilung.33 Die Bergbehörde hat also keinen planerischen Ermessens- oder Gestaltungsspielraum.34 Sie führt keine planerische Abwägung durch.35 Mit der Zulassung macht sich die Bergbehörde den Betriebsplan nicht als eigene Planung zu eigen,36 sondern sie bestätigt nur, dass der Plan des Unternehmers, ggf. unter Berücksichtigung von Nebenbestimmungen, den rechtlichen Anforderungen entspricht. Auch der Umstand, dass insbesondere größere Abbauvorhaben eine der Komplexität der zu berücksichtigenden technischen, wirtschaftlichen, umweltfachlichen und nachbarlichen Belange gerecht werdende Planung des Unternehmers erfordern, macht die Entscheidung über die Zulassung des Vorhabens nicht zu einer fachplanerischen Entscheidung. Ob bestimmte Vorhaben einem fachplanerischen Rechtsregime und damit auch dem fachplanerischen Abwägungsgebot unterworfen werden sollen, ergibt sich nicht aus der Natur des Vorhabens, sondern ist vom Gesetzgeber zu entscheiden. Die Zulassung bergbaulicher Vorhaben ist nach dem Willen des Gesetzgebers eine gebundene Entscheidung. Daran hat er auch für die Zulassung obligatorischer Rahmenbetriebspläne durch Planfeststellungsbeschluss festgehalten. Dies ist aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden.37 Einen Sonderfall bildet das bergrechtliche Planfeststellungsverfahren nur, sofern und soweit es andere Genehmigungen konzentriert. Sehen die konzentrierten Genehmigungen einen Abwägungsoder Ermessensspielraum vor, besteht dieser im dort vorgesehenen Umfang auch im Planfeststellungsverfahren.38 Vgl. hierzu die Kommentierung zu § 57a Rn. 30.

IV. Rechtsschutz Der Rechtsschutz im Zusammenhang mit Betriebsplanzulassungen ist nicht im BBergG geregelt. 14 Er richtet sich daher nach dem allgemeinen Verwaltungsprozessrecht. Daneben bestehen Verbandsklagerechte nach § 2 UmwRG (dazu Rn. 23 ff.) und § 64 BNatSchG (dazu Rn. 30 f.). Zum Rechtsschutz gegen die Zulassung eines obligatorischen Rahmenbetriebsplans wird auf die Kommentierung zu § 57a Rn. 66 ff. verwiesen.

1. Rechtsschutz des Unternehmers Lehnt die Behörde eine beantragte Betriebsplanzulassung ganz oder teilweise ab, kann der Unter- 15 nehmer Verpflichtungsklage erheben (§ 42 Abs. 1 Variante 2 VwGO).39 Vorher hat er gemäß § 68 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 VwGO grundsätzlich ein Widerspruchsverfahren durchzuführen. Einige Bundesländer haben hiervon abweichende Regelungen getroffen und schließen das Vorverfahren aus.40

33 BVerwG 14.12.1990, 7 C 18/90 = ZfB 1991, 140, 143; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 51 Rn. 5; Frenz/Beckmann BBergG, § 52 Rn. 6. 34 BVerwG 15.12.2006, 7 C 1/06, BVerwGE 127, 259 Rn. 28 = ZfB 2006, 306; BVerwG 2.11.1995, 4 C 14/94, BVerwGE 100, 1, 16 = ZfB 1995, 278, 284; Kühne DVBl 2006, 662, 664; Niermann Betriebsplan und Planfeststellung im Bergrecht, S. 46 ff. m.w.N.; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 51 Rn. 16. Kritisch zur herrschenden Dogmatik der gebundenen Entscheidung von Weschpfennig Strukturen des Bergrechts, S. 239 ff., der die verfassungsrechtliche Verankerung des Abwägungsgebots betont. 35 Dazu kritisch von Weschpfennig Strukturen des Bergrechts, S. 249 ff. 36 So aber missverständlich Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 52 Rn. 6. 37 Kritischer von Weschpfennig, Strukturen des Bergrechts, S. 239 ff. 38 Gaentzsch FS Sendler (1991), S. 403, 420; Landmann/Rohmer/Seibert Umweltrecht, § 13 BImSchG Rn. 77; Jarass BImSchG, § 13 Rn. 22. 39 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 56 Rn. 172. 40 Vgl. die Nachweise bei Fehling/Kastner/Störmer Verwaltungsrecht, § 68 VwGO Rn. 43 und Sodan/Ziekow/Geis VwGO, § 68 Rn. 131. 453

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Der Rechtsschutz gegen Nebenbestimmungen wird seit langem kontrovers diskutiert.41 Versieht die Behörde die Zulassung mit einer belastenden Nebenbestimmung, hat der Unternehmer ein Interesse daran, gegen die Nebenbestimmungen vorzugehen, ohne gleichzeitig den Rest der ihn begünstigenden Zulassung anzugreifen. Die frühere Rechtsprechung hielt diese isolierte Anfechtung nur bei Auflagen für möglich, während sie bei Bedingungen, Befristungen, Widerrufsvorbehalt und Auflagenvorbehalt eine Verpflichtungsklage gerichtet auf Erlass des Verwaltungsakts ohne die betreffende Nebenbestimmung verlangte.42 Nach der neueren Rechtsprechung und inzwischen herrschenden Auffassung ist grundsätzlich bei jeder Art von Nebenbestimmung eine isolierte Anfechtung statthaft.43 Voraussetzung ist nur, dass eine isolierte Aufhebbarkeit der angegriffenen Teilregelung nicht offensichtlich und von vornherein ausscheidet. Ob die Gesamtregelung auch ohne die angefochtene Nebenbestimmung Bestand haben kann, ist dann lediglich eine Frage der Begründetheit.

2. Rechtsschutz Dritter 17 Dritte können Betriebsplanzulassungen nach § 42 Abs. 2 VwGO anfechten, wenn sie eine Verletzung in eigenen Rechten geltend machen (hierzu Rn. 18 ff.). Neben diesem Individualrechtsschutz haben anerkannte Umweltvereinigungen gewisse Verbandsklagerechte, die auf das Merkmal der Verletzung in eigenen Rechten verzichten. Für den Rechtsschutz gegen Betriebsplanzulassungen sind die Verbandsklagerechte nach § 2 UmwRG (hierzu Rn. 23 ff.) und nach § 64 BNatSchG (Rn. 30 f.) relevant.

18 a) Individualrechtsschutz nach der VwGO. Die Betriebsplanzulassung können auch Dritte beklagen. Sofern das Landesrecht keine hiervon abweichende Regelung trifft,44 ist vorher ein Widerspruchsverfahren durchzuführen, § 68 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 VwGO. Die Anfechtungsklage setzt voraus, dass der Kläger eine Verletzung in eigenen Rechten geltend macht (§ 42 Abs. 2 VwGO). Daher muss zumindest die Möglichkeit bestehen, dass die Betriebsplanzulassung ein subjektiv-öffentliches Recht des Dritten verletzt. Das ist insbesondere der Fall, wenn materielle Zulassungsvoraussetzungen verletzt sind, die Drittschutz vermitteln. Zum Drittschutz vgl. die Kommentierung zu §§ 55 und 48 Rn. 82 ff. Verfahrensvorschriften vermitteln nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts grundsätzlich keine selbständig durchsetzbaren Rechtspositionen.45 Reine Verfahrensfehler bleiben somit im Individualrechtsschutz prozessual folgenlos, wenn sie nicht zu einer Verletzung materieller Rechtspositionen geführt haben. Zur anderen Rechtslage bei Verbandsklagen vgl. Anhang zu § 57c, Vorbemerkungen zur UVP-V Bergbau Rn. 17 ff. Auch § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 UmwRG ändert nichts daran, dass Einzelne nur klagebefugt sind, 19 wenn sie sich auf eine Verletzung subjektiver Rechte berufen können. Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 1 UmwRG ist bei zu Unrecht unterlassener UVP oder UVP-Vorprüfung dieser Verfahrensmangel stets erheblich. § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 UmwRG begründet aber keine von einer materiell-

41 Ausführlich zum Meinungsstand Schoch/Schneider/Bier/Pietzcker/Marsch VwGO, § 42 Abs. 1 Rn. 121 ff.; Fehling/Kastner/Störmer Verwaltungsrecht, § 36 VwVfG Rn. 86 ff.

42 BVerwG 21.2.1992, 7 C 11/91, BVerwGE 90, 42, 43; BVerwG 8.3.1990, 3 C 15/84, BVerwGE 85, 24; BVerwG 12.3.1982, 8 C 23/80, BVerwGE 65, 139, 140; ebenso Kopp/Ramsauer VwVfG, § 36 Rn. 63; Schoch/Schneider/Bier/Pietzcker/MarschVwGO, § 42 Abs. 1 Rn. 137; Fehling/Kastner/ Störmer Verwaltungsrecht, § 36 VwVfG Rn. 96 f. 43 BVerwG 22.11.2000, 11 C 2/00, BVerwGE 112, 221; BVerwG 13.12.2000, 6 C 5/00, BVerwGE 112, 263; ebenso Stelkens/ Bonk/Sachs/Stelkens VwVfG, § 36 Rn. 59 ff. m.w.N; Kopp/Schenke VwGO, § 42 Rn. 22. 44 Vgl. die Nachweise bei Fehling/Kastner/Störmer Verwaltungsrecht, § 68 VwGO Rn. 43 und Sodan/Ziekow/Geis VwGO, § 68 Rn. 131. 45 BVerwG 5.11.2002, 9 VR 14/02, NVwZ 2003, 207, 209 m.w.N.; zum Bergrecht OVG Koblenz 2.3.2006, 11 A 1752/04, ZUR 2006, 487, 488; OVG Koblenz 27.10.2005, 11 A 1751/04 = ZfB 2006, 32, 48 f. von Hammerstein

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rechtlichen Betroffenheit unabhängige Klagebefugnis Einzelner.46 Ist die Klagebefugnis gegeben, kommt es abweichend von § 46 VwVfG für die Begründetheit einer Klage nicht darauf an, ob die verletzten Verfahrensvorschriften dem Schutz eines materiellen subjektiven Rechts dienten und ob der Fehler die Sachentscheidung beeinflussen konnte. Dies gilt aber gemäß § 4 Abs. 3 Satz 2 UmwRG nicht für andere nach Art und Schwere vergleichbare Verfahrensfehler. Sie führen nur zur Aufhebung der Betriebsplanzulassung, wenn dem Kläger gesetzliche Beteiligungsrechte genommen wurden. Der EuGH hat mit Urteil vom 8.3.2011 („slowakischer Braunbär“)47 zu den Klagerechten gemäß 20 Art. 9 Abs. 3 Aarhus-Konvention festgestellt, dass das Unionsrecht einen Zugang von Umweltverbänden zu den Gerichten zur effektiven Durchsetzung des europäischen Umweltrechts fordere.48 Zudem hat der EuGH in der folgenden Zeit den Kreis der Vorschriften des Unions-Umweltrechts, die subjektive Rechte einräumen, immer weiter ausgedehnt.49 Für das deutsche Recht hat das BVerwG hieraus gefolgert, dass auch Umweltvereinigungen, die nach § 3 UmwRG anerkannt sind, Träger dieser subjektiven Rechte sein können.50 Diese Rechtsprechung hat indes durch die starke Ausweitung der Verbandsklagerechte in § 2 UmwRG an praktischer Bedeutung verloren.51 Neben der Anfechtungsklage kann in Ausnahmefällen, etwa bei einer Ankündigung der Zulas- 21 sung durch die Behörde, bereits vor Zulassung des Betriebsplans die vorbeugende Unterlassungsklage oder die vorbeugende Feststellungsklage statthaft sein. Voraussetzung hierfür ist ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis des Klägers, das nur bejaht wird, wenn es dem Kläger ausnahmsweise nicht zumutbar ist, den Erlass der Zulassung abzuwarten.52 Dies ist in der bergbaulichen Praxis kaum vorstellbar. Beginnt der Unternehmer schon vor der Zulassung oder nimmt er nicht zugelassene Tätigkeiten vor, können Dritte eine Verpflichtungsklage erheben. Ist sie erfolgreich, wird die Behörde verpflichtet, dem Unternehmer die unerlaubten Tätigkeiten zu untersagen, vgl. hierzu § 72 Rn. 1 ff. Von den weitreichenden Umweltverbandsklagerechten haben Umweltvereinigungen in jüngerer Zeit zunehmend Gebrauch gemacht, indem sie auf ordnungsbehördliches Einschreiten gerichtete Verpflichtungsklagen erhoben haben. Kommunen sind klagebefugt, wenn sie sich auf ihre über § 48 Abs. 2 geschützte kommunale 22 Selbstverwaltungsgarantie mit ihren Ausprägungen in Gestalt des Schutzes der Planungshoheit, der Funktionsfähigkeit kommunaler Einrichtungen und des Selbstgestaltungsrechts berufen.53 Vgl. hierzu § 48 Rn. 60, 87 und § 57a Rn. 68. Wie das BVerwG54 klarstellte, führt das Auftreten von Bergsenkungen im Plangebiet infolge eines zugelassenen bergbaulichen Vorhabens nicht zu einem Entzug der kommunalen Planungshoheit. Der Gemeinde bleibt es unbenommen, solche Gebiete zu überplanen. Auch das Zutagetreten von Radon – bedingt durch den Grubenwasseranstieg – beeinträchtigt die Gemeinde nicht in ihrer Planung, da sich dieses zum einen mit der Umgebungsluft vermischt und zum anderen eine Beschränkung der Bebaubarkeit dieser Flächen in der Rechtsordnung nicht vorgesehen ist. Zur Klagebefugnis im Hinblick auf kommunales Eigentum

46 So die ganz überwiegende Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum; vgl. etwa BVerwG 22.12.2016 4 B 13.16, juris Rn. 19. Zum Streitstand Landmann/Rohmer/Fellenberg/Schiller, Umweltrecht, 99. EL September 2022, § 4 UmwRG Rn. 51 ff. 47 EuGH 8.3.2011, C-240/09, Slg. I-01255. Hierzu statt vieler Berkemann DVBl 2013, 1137 m.w.N. 48 Auch die Entscheidung V/9h der fünften Tagung der Aarhus-Vertragsparteien vom Juli 2014 (Dok. ECE/MP.PP/2014/ CRP.4) kommt zu dem Ergebnis, dass Art. 9 Abs. 3 Aarhus-Konvention in Deutschland bisher nicht ausreichend umgesetzt wurde. Hierzu Bunge NuR 2014, 605 ff. 49 Vgl. etwa EuGH 25.7.2008, C-237/07, Slg. I-06221, mit Anm. Fonk NVwZ 2009, 69; Faßbender Europarecht 2009, 400. 50 BVerwG 5.9.2013, 7 C 21/12, NVwZ 2014, 64, Rn. 38 ff. mit Anm. Schlacke NVwZ 2014, 11; Spieler jurisPR-UmwR 3/2012 Anm. 2. 51 Landmann/Rohmer/Fellenberg/Schiller, Umweltrecht, 99. EL September 2022, § 4 UmwRG Rn. 50. 52 Ständige Rspr. BVerwG 25.9.2008, 3 C 35/07, BVerwGE 132, 64 Rn. 26 m.w.N. 53 BVerwG 23.6.2022, 7 C 1/21, juris Rn. 11. 54 BVerwG 23.6.2022, 7 C 1/21, juris Rn. 13 ff. 455

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vgl. § 48 Rn. 72. Belange Dritter, insbesondere Belange ihrer Einwohner, können Gemeinden nicht geltend machen.55

23 b) Verbandsklage nach § 2 UmwRG. Das UmwRG ermöglicht es anerkannten Umweltvereinigungen unter bestimmten Voraussetzungen, gegen behördliche Maßnahmen vorzugehen, ohne hierfür eine Verletzung in eigenen Rechten geltend machen zu müssen. Zur Klagemöglichkeit nach UmwRG vgl. auch § 57a Rn. 69 sowie ausführlich die Vorbemerkungen zur UVP-Bergbau Rn. 17 ff. Im Folgenden wird erläutert, inwiefern diese Klagen nicht nur gegen bergrechtliche Planfeststellungsbeschlüsse, sondern auch gegen andere Betriebsplanzulassungen möglich sein können. 24 Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG zählen zu den möglichen Prüfungsgegenständen der Verbandsklage Entscheidungen über die Zulässigkeit von Vorhaben, für die eine UVP-Pflicht „bestehen kann“. Erfasst sind zunächst Entscheidungen über UVP-pflichtige Vorhaben. Entscheidend ist die UVP-Pflichtigkeit, nicht, ob eine UVP tatsächlich durchgeführt wurde (§ 1 Abs. 1 Satz 2 UmwRG). Möglicher Prüfungsgegenstand ist daher nicht nur die obligatorische Rahmenbetriebsplanzulassung, sondern etwa auch die Zulassung eines fakultativen Rahmenbetriebsplans, wenn diese mit der Behauptung angegriffen wird, dass eine UVP zu Unrecht nicht durchgeführt wurde. Die Formulierung in § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG, die nur die Möglichkeit der UVP-Pflicht fordert, erstreckt die Klagemöglichkeit daneben auf solche Vorhaben, bei denen eine (allgemeine oder standortbezogene) Vorprüfung notwendig war. Eine einfache Betriebsplanzulassung kann daher auch angegriffen werden, wenn eine UVP-Vorprüfung zu Unrecht unterlassen wurde (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. lit. b UmwRG). Erfasst ist zudem der Fall, dass die Behörde eine Vorprüfung nicht ordnungsgemäß durchgeführt hat und nach Auffassung des Klägers zu Unrecht zum Ergebnis kam, dass im konkreten Fall eine UVP-Pflicht nicht bestehe (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 2 UmwRG).56 Anders als noch nach dem inzwischen aufgehobenen § 2 Abs. 5 Satz 2 UmwRG a.F. setzt die Begründetheit der Klage gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1 UmwRG nicht mehr voraus, dass tatsächlich eine UVPPflicht bestand. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UmwRG ermöglicht Klagen gegen Genehmigungen für Anlagen, die 24a nach Spalte c des Anhangs der 4. BImSchV im Verfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung nach § 10 BImSchG zu genehmigen sind. Daneben eröffnet sie Klagemöglichkeiten u.a. gegen nachträgliche Anordnungen nach § 17 Abs. 1a BImSchG und wasserrechtliche Erlaubnisse nach § 8 Abs. 1 WHG, die mit einem sog. IED-Vorhaben57 verbunden sind. Manche der in Spalte c des Anhangs der 4. BImSchV genannten Anlagen, wie z.B. Zechenkraftwerke und Feuerungsanlagen (Nr. 1) oder Anlagen zur Brikettierung von Braun- und Steinkohle (Nr. 1.10), können auch dem Bergrecht unterfallen. BImSchG-Genehmigungen haben zwar grundsätzlich Konzentrationswirkung; Betriebsplanzulassungen sind hiervon aber ausgenommen (§ 13 BImSchG). In Fällen, in denen daher für ein Vorhaben BImSchG-Genehmigung und Betriebsplanzulassung parallel einzuholen sind, erfasst § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UmwRG beide Entscheidungen. Der Wortlaut nennt nicht nur die Genehmigung nach dem BImSchG, sondern nutzt die Formulierung „Genehmigungen für Anlagen, die in Spalte c des Anhangs 1 der [4. BImSchV] mit dem Buchstaben G gekennzeichnet sind“. Dass dies alle für den Betrieb der Anlage erforderlichen Genehmigungen meint, ergibt sich auch aus einer gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UmwRG dient (nunmehr) der Umsetzung der Industrieemissionen-Richtlinie (Richtlinie 2010/75/EU).58 Nach Art. 25 Abs. 1 und 3 i.V.m. Art. 24 und Art. 2 Nr. 3 der Richtlinie müssen die Mitgliedstaaten Rechtsbehelfe gegen Genehmigungen von Anlagen vorsehen, in denen bestimmte, in den Anhängen der Richtlinie genannte Tätigkeiten 55 BVerwG 26.2.1999, 4 A 47/96, NVwZ 2000, 560, 562; BVerwG 5.12.1996, 11 VR 8/96, NVwZ-RR 1997, 339; BVerwG 15.12.1989, 4 C 36/86, BVerwGE 84, 209, 213.

56 Bunge UmwRG, § 1 Rn. 36; Hoppe/Beckmann/Schieferdecker UVPG, § 1 UmwRG Rn. 22 f. 57 Vorhaben im Sinne der Industrieemissionen-Richtlinie (Richtlinie 2010/75/EU – IED). 58 Die betreffenden Regelungen gehen zurück auf die Richtlinie 96/61/EG (IVU-Richtlinie). Diese wurde ersetzt durch die Richtlinie 2008/1/EG (IVU-Richtlinie), die wiederum in der Richtlinie 2010/75/EU aufgegangen ist. von Hammerstein

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Zweites Kapitel – Anzeige, Betriebsplan

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durchgeführt werden. „Genehmigung“ ist dabei nach Art. 2 Nr. 7 der Richtlinie „eine schriftliche Genehmigung zum Betrieb einer Anlage […]“. Hiervon sind alle Genehmigungen für den Betrieb der Anlage erfasst.59 Aus diesem Grund erstreckt sich § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UmwRG auch auf Betriebsplanzulassungen, die den Betrieb einer in Spalte c des Anhangs 1 der 4. BImSchV mit dem Buchstaben G gekennzeichneten Anlage genehmigen. Diese können Gegenstand einer Verbandsklage sein. Die Umweltauswirkungen des Vorhabens gehören aber zum Prüfprogramm des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 5 BImSchG), so dass eine Verbandsklage gegen eine parallele Betriebsplanzulassung regelmäßig an § 2 Abs. 1 Nr. 1 UmwRG scheitern wird, weil der Kläger keine Verletzung umweltrechtlicher Vorschriften wird geltend machen können. Die in der Vorauflage60 ausführlich diskutierte Frage, ob bei UVP-pflichtigen Bergbauvorha- 25 ben neben der obligatorischen Rahmenbetriebsplanzulassung auch die sich daran anschließenden Haupt- und Sonderbetriebsplanzulassungen mit der Verbandsklage nach § 2 UmwRG angreifbar sein können, hat durch die Einführung des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG an Bedeutung verloren.61 Zwar handelt es sich bei diesen Zulassungen nicht um solche nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UmwRG, weil die UVP eben nicht im Haupt- oder Sonderbetriebsplanverfahren, sondern bereits im Rahmenbetriebsplanverfahren durchgeführt wurde und die Rahmenbetriebsplanzulassung Bindungswirkung auch für nachfolgende Betriebsplanzulassungen hat.62 Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG können Umweltvereinigungen jedoch auch gegen Zulassungsentscheidungen für Vorhaben vorgehen, die nicht der UVP-Pflicht unterliegen. Hierzu können unter Beachtung der vorstehenden Ausführungen auch Haupt- und Sonderbetriebsplanzulassungen zählen. Der VGH Kassel ist demgegenüber der Auffassung, die Hauptbetriebsplanzulassung sei wegen der Bindungswirkung der Zulassung eines obligatorischen Rahmenbetriebsplans keine Zulassungsentscheidung im Sinne der Vorschrift.63 Sie diene lediglich der Umsetzung des Rahmenbetriebsplans und habe daher den Charakter einer Aufsichtsmaßnahme, indem sie die Ausführung des Vorhabens nur gestatte, soweit sich diese im Rahmen des Planfeststellungsbeschlusses bewege.64 Das gegen solche Verwaltungsakte zu Überwachungs- und Aufsichtsmaßnahmen gerichtete Verbandsklagerecht ergebe sich mithin nicht aus § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5, sondern aus § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 UmwRG (jeweils i.V.m. § 2 Abs. 1 UmwRG). Diese Auffassung übersieht, dass Hauptbetriebspläne nur auf Antrag des Unternehmers zugelassen werden. Sie stellen daher keine „Maßnahme“ im Sinne eines behördlichen Eingriffsakts, sondern einen Baustein in einer gestuften Kette von Vorhabenzulassungen dar. Für die Praxis ist die dogmatische Einordnung aber zweitrangig, weil sich die Verbandsklagerechte für Entscheidungen nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 einerseits und § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 UmwRG andererseits nicht unterscheiden. Anders als bei Klagen gegen die Zulassung UVP-pflichtiger oder vorprüfungspflichtiger Vorha- 26 ben kann gemäß § Abs. 1 Satz 2 UmwRG mit Verbandsklagen gegen Entscheidungen nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG nur eine Verletzung umweltbezogener Rechtsvorschriften geltend gemacht werden.65 Es ist daher bezogen auf den Einzelfall zu prüfen, ob die Zulassung des konkreten Vorhabens Gegenstand des Haupt- oder Sonderbetriebsplans ist und es unter Anwendung von 59 Deutlicher wird dies noch in der Vorgängernorm Art. 2 Nr. 9 Richtlinie 2008/1/EG, nach der eine Genehmigung der „Teil oder die Gesamtheit einer […] oder mehrerer […] Entscheidungen [ist], mit der (denen) eine Genehmigung zum Betrieb einer Anlage oder eines Anlagenteils […] erteilt wird […]“. Ebenso Hoppe/Beckmann/Schieferdecker UVPG, § 1 UmwRG Rn. 29 (zu Art. 2 Nr. 9 Richtlinie 2008/1/EG). 60 Vorbem. §§ 50 bis 57c Rn. 25 ff. 61 Zur Zulässigkeit von Verbandsklagen gegen Haupt- und Sonderbetriebsplanzulassungen, wenn der obligatorische Rahmenbetriebsplan schon vor Inkrafttreten der Gesetzesänderung am 2.6.2017 zugelassen wurde, von Weschpfennig, Strukturen des Bergrechts, S. 334 f. 62 VGH Kassel 17.2.2021, 2 A 1800/16, juris Rn. 35 ff. 63 VGH Kassel 17.2.2021, 2 A 1800/16, juris Rn. 43 ff. 64 VGH Kassel 17.2.2021, 2 A 1800/16, juris Rn. 51. 65 Das Gleiche würde gelten, wenn man stattdessen § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 UmwRG für einschlägig hielte, vgl. VGH Kassel 17.2.2021, 2 A 1800/16, juris Rn. 50. 457

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umweltbezogenen Rechtsvorschriften des Bundes- oder Landesrechts sowie unmittelbar geltender Rechtsakte der EU zugelassen wurde.66 27 Die Umweltverträglichkeit des Vorhabens, also die Vereinbarkeit mit umweltbezogenen Normen, ist primär Gegenstand des Planfeststellungsverfahrens. Sie wird grundsätzlich bereits dort abschließend geprüft und beschieden (§ 57a Rn. 33). Hinsichtlich der Umweltverträglichkeit entfaltet die Planfeststellung eine Feststellungswirkung, die auch spätere Betriebsplanzulassungen bindet (§ 57a Rn. 36 ff.). Zudem ist über die vom Planfeststellungsbeschluss konzentrierten außerbergrechtlichen Genehmigungen grundsätzlich dort zu entscheiden. Soweit die bindenden Feststellungen des Planfeststellungsbeschlusses anschließend in Haupt- und Sonderbetriebsplanzulassungen mit Gestattungswirkung transformiert werden, wird keine neue Entscheidung getroffen, die selbständig anfechtbar wäre. Einwendungen, über die schon im Planfeststellungsverfahren entschieden worden ist oder bei rechtzeitiger Geltendmachung hätte entschieden werden können, sind nach § 57a Abs. 5 auch im Verhältnis zu Haupt- und Sonderbetriebsplanzulassungen präkludiert. Daher scheidet eine Verbandsklage nach § 2 UmwRG gegen Haupt- und Sonderbetriebsplanzulassungen für bereits planfestgestellte Vorhaben regelmäßig aus. 28 Ausnahmsweise ist es aber möglich, dass der obligatorische Rahmenbetriebsplan noch nicht sämtliche Regelungen trifft, die notwendig sind, um die Vereinbarkeit des Vorhabens mit umweltbezogenen Normen sicherzustellen. Dann genügt es, festzustellen, dass dem Vorhaben keine unüberwindbaren rechtlichen Hindernisse entgegenstehen. Der Planfeststellungsbeschluss kann auch rechtmäßig sein, wenn die hierfür erforderlichen Regelungen durch nachfolgende Haupt- oder Sonderbetriebsplanzulassungen getroffen werden können.67 Im Hinblick auf Tatsachen, die erst in einem solchen nachfolgenden Verfahren thematisiert werden, sind dann auch spätere Einwendungen nicht präkludiert. Wären diese nachfolgenden Betriebsplanzulassungen für Umweltvereinigungen nicht mehr beklagbar, liefen die Regelungen über den Zugang zu den Gerichten teilweise leer. Für eine Anwendbarkeit auf Haupt- und Sonderbetriebsplanzulassungen in diesem Ausnahmefall spricht auch die von EuGH68 und BVerwG69 bekräftigte Verpflichtung, die nationalen verwaltungsprozessrechtlichen Voraussetzungen so auszulegen, dass Umweltschutzorganisationen möglicherweise im Widerspruch zum Unions-Umweltrecht stehende Verwaltungsentscheidungen anfechten können. Soweit die Rahmenbetriebsplanzulassung umweltrelevante Regelungen späteren Betriebsplanzulassungen vorbehält, erstreckt sich das Verbandsklagerecht nach § 2 UmwRG auch auf diese Zulassungen. Zu beachten ist aber in jedem Fall die Bindungswirkung vorheriger Betriebsplanzulassungen (hierzu § 52 Rn. 38 ff.). Bloße Konkretisierungen der bereits in einer Rahmenbetriebsplanzulassung getroffenen Regelungen werden daher in der Praxis kaum Gegenstand gesonderter Klagen sein können.70 Angesichts der Entwicklung der Rechtsprechung des EuGH71 und der Entscheidung V/9h der 29 fünften Tagung der Aarhus-Vertragsparteien72 hat das UmwRG mehrere Novellen erfahren. Zuletzt wurden 2017 der Anwendungsbereich des UmwRG erheblich ausgeweitet, eine objektive Rügebefugnis der Verbandskläger und eine objektive Kontrollpflicht der Gerichte geschaffen. Die materielle Präklusionsregelung des § 2 Abs. 3 UmwRG a.F. wurde durch formelle (§ 23b Abs. 2 Satz 4 UmwRG) und prozessuale (§ 6 UmwRG) Präklusionsregelungen und eine Missbrauchsrege66 Dammert/Brückner ZUR 2017, 469, 476. 67 OVG Koblenz, 26.7.2011, 1 A 10473/07 = ZfB 2011, 204, 229, sowie juris Rn. 250 (insoweit in ZfB 2011, 204 ff. nicht abgedruckt).

68 EuGH 8.3.2011, C-240/09, Slg. I-01255, Rn. 52. 69 BVerwG 5.9.2013, 7 C 21/12, NVwZ 2014, 64, Rn. 20 ff. 70 So im Ergebnis auch VGH Kassel 17.2.2021, 2 A 1800/16, juris Rn. 66 ff., der für jede Rüge prüft, ob die Konfliktbewältigung bereits abschließend im Rahmenbetriebsplanverfahren stattgefunden hat.

71 Vgl. insb. EuGH 7.11.2013, C-72/12, ZUR 2014, 36 ff. m. Anm. Meitz ZUR 2014, 40; Seifert AbfallR 2014, 49; Stüer DVBl 2013, 1601; Buchsteiner I+E 2013, 236; Wendt jurisPR-UmwR 1/2014, Anm. 1; ausführlich die Beiträge von Schlacke NVwZ 2014, 11 ff. und Ekhardt NVwZ 2014, 393 ff. 72 Die Entscheidung V/9h vom Juli 2014 (Dok. ECE/MP.PP/2014/CRP.4) kommt zu dem Ergebnis, dass Art. 9 Abs. 3 Aarhus-Konvention in Deutschland bisher nicht ausreichend umgesetzt wurde. Hierzu Bunge NuR 2014, 605 ff. von Hammerstein

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lung ersetzt, und es wurden Regelungen zur Heilung bzw. Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern und materiellen Fehlern eingeführt.73

c) Verbandsklage nach § 64 BNatSchG. Anerkannten Naturschutzvereinigungen (nicht aber 30 anderen anerkannten Umweltvereinigungen) räumt § 64 Abs. 1 i.V.m. § 63 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 Nr. 6 BNatSchG ein Verbandsklagerecht gegen Planfeststellungsbeschlüsse ein, wenn das Vorhaben mit Eingriffen in Natur und Landschaft verbunden ist. Hierzu wird auf die Kommentierung zu § 57a Rn. 69 verwiesen. Da bergbauliche Vorhaben nur planfestgestellt werden, wenn sie UVPpflichtig sind, besteht in diesen Fällen bereits eine Klagemöglichkeit nach dem UmwRG, welche die Verbandsklage nach § 64 BNatSchG verdrängt (§ 1 Abs. 3 UmwRG). § 64 Abs. 3 BNatSchG gesteht den Ländern zu, Rechtsbehelfe anerkannter Vereinigungen auch 31 in weiteren Fällen zuzulassen. Auch für einfache Betriebsplanzulassungen relevant werden kann die Regelung in § 39b Abs. 1 i.V.m. § 39a Abs. 1 Nr. 9 NatSchGBln, die anerkannten Vereinigungen ein Verbandsklagerecht bei Vorhaben einräumt, die mit nicht vermeidbaren und nicht ausgleichbaren Eingriffen in Natur und Landschaft verbunden sind. In diesen Fällen ergibt sich das Verbandsklagerecht aber auch aus § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG. d) Gerichtszuständigkeit. Im Regelfall entscheiden gemäß § 45 VwGO die Verwaltungsgerichte im ersten Rechtszug über Streitigkeiten im Zusammenhang mit Betriebsplanzulassungen. Abweichend von diesem Grundsatz liegt in bestimmten Fällen gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 13, 14 VwGO die sachliche Zuständigkeit bei den Oberverwaltungsgerichten. Hiervon umfasst sind nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 13 VwGO, der durch Art. 1 Nr. 1 lit. a) lit. ee) des Gesetzes zur Beschleunigung von Investitionen vom 3.12.2020 eingeführt worden ist, zum einen Streitigkeiten, die Planfeststellungsverfahren nach dem BBergG betreffen. Die Konzentration des gerichtlichen Verfahrens auf eine Tatsacheninstanz soll zur Beschleunigung der Planungsverfahren insgesamt und zu schnellerer Rechtssicherheit für alle Beteiligten beitragen.74 Zudem soll die Neuregelung eine Spezialisierung der Gerichte ermöglichen, die zuvor auf Ebene der Verwaltungsgerichte in den einzelnen Gerichtsbezirken angesichts der Seltenheit bergrechtlicher Verfahren nur schwer erreicht werden konnte.75 Zum anderen sind die Oberverwaltungsgerichte gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 14 VwGO erstinstanzlich zuständig für Streitigkeiten, die Zulassungen von Rahmen-, Haupt-, Sonder- und Abschlussbetriebsplänen sowie Grundabtretungsbeschlüsse betreffen, die im Zusammenhang mit der aufgrund des Kohleverstromungsbeendigungsgesetzes vorgesehenen Einstellung von Braunkohletagebauen stehen. Die Regelung ist durch das Gesetz zur Änderung des BBergG und der VwGO vom 14.6.2021 eingeführt worden. Sie dient ebenfalls der Verfahrensbeschleunigung sowie der schnellen Umsetzung der Beendigung der Kohleverstromung. Erfasst sind gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 VwGO auch Streitigkeiten über Genehmigungen, die anstelle einer Planfeststellung erteilt werden, sowie Streitigkeiten über sämtliche für das Vorhaben erforderlichen Genehmigungen und Erlaubnisse, auch soweit sie Nebeneinrichtungen betreffen, die mit ihm in einem räumlichen und betrieblichen Zusammenhang stehen. Dies betrifft insbesondere die der Planfeststellung folgenden Haupt- und Sonderbetriebsplanzulassungen sowie außerbergrechtliche Zulassungen wie Baugenehmigungen, naturschutzrechtliche Befreiungen und wasserrechtliche Entscheidungen. Mit dem Begriff der „Erlaubnis“ sind z.B. wasserrechtliche Erlaubnisse gemeint. Nicht unter die Bestimmung fallen Berechtsame, wie Aufsuchungserlaubnisse nach § 7 und Gewinnungsbewilligungen nach § 8, weil sie sich nicht auf ein „Vorhaben“ i.S.d. § 48 Abs. 1 Satz 2 VwGO beziehen. Die Auflistung der erfassten Behördenentscheidungen ist abschlie73 Schlacke NVwZ 2019, 1392; Kment NVwZ 2018, 921. 74 BT-Drs. 19/22139, S. 16. 75 BT-Drs. 19/22139, S. 18. 459

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ßend.76 Durch Landesgesetz kann die erstinstanzliche Zuständigkeit der Oberverwaltungsgerichte in den Fällen des § 48 Abs. Nr. 13, 14 VwGO auch auf Besitzeinweisungen erstreckt werden.

V. Übertragung und Übergang von Betriebsplanzulassungen 32 Während das BBergG die Übertragung und den Übergang von Erlaubnis und Bewilligung und die Veräußerung von Bergwerkseigentum eigens regelt (§§ 22 f.), fehlen entsprechende Vorschriften für die Betriebsplanzulassung. Zu unterscheiden ist hierbei zwischen Einzel- und Gesamtrechtsnachfolge. Bei der Einzelrechtsnachfolge erlangt der Erwerber einzeln eine bestimmte Sache oder ein Recht, während bei der Gesamtrechtsnachfolge der Rechtsnachfolger in alle Rechte und Pflichten seines Vorgängers eintritt. 33 Wird eine Gesellschaft, die Unternehmer i.S.d. § 4 Abs. 5 ist, im Wege des Anteilskaufs (Share Deal)77 veräußert, wechselt die Unternehmereigenschaft nicht.78 Betriebsplanzulassungen müssen daher nicht übergehen, so dass auch eine Zustimmung durch die Bergbehörde nicht erforderlich ist.

1. Übertragung im Wege der Einzelrechtsnachfolge 34 a) Vorbemerkungen. In bestimmten Fällen besteht ein Interesse, dass die bestehende Betriebsplanzulassung im Wege der Einzelrechtsnachfolge auf den Rechtsnachfolger übergeht. Das ist etwa der Fall, wenn ein Bergbaubetrieb im Wege eines Asset Deals79 veräußert wird und deshalb die Unternehmereigenschaft vom Veräußerer auf den Erwerber übergeht. Ob und wie eine öffentlich-rechtliche Genehmigung im Wege der Einzelrechtsnachfolge über35 tragbar ist, hängt von ihrem Rechtscharakter ab. Bei sog. Sachgenehmigungen (Realkonzessionen) beziehen sich die Genehmigungsvoraussetzungen ausschließlich auf die Beschaffenheit der Anlage. Sachgenehmigungen bleiben daher auch bei einem Wechsel des Anlagenbetreibers wirksam.80 Eine Übertragung ist nicht notwendig. Demgegenüber sind Personalgenehmigungen individuelle Regelungen, die an persönliche Eigenschaften, Fähigkeiten und Kenntnisse des Genehmigungsinhabers anknüpfen.81 Personalgenehmigungen gelten nur für den konkreten Genehmigungsinhaber. Sie sind nicht übertragbar. Neben diesen Reinformen gibt es gemischte Genehmigungen, die sowohl sachbezogene als auch personale Elemente enthalten. Gemischte Genehmigungen gehen bei einem Wechsel des Genehmigungsinhabers nicht automatisch (jedenfalls nicht vollständig) auf den neuen Genehmigungsinhaber über.82

36 b) Übertragung von Haupt-, Sonder- und Abschlussbetriebsplanzulassungen. Aus den Zulassungsvoraussetzungen des § 55 ergibt sich, dass die Betriebsplanzulassung grundsätzlich eine 76 BR-Drs. 166/21, S. 14. 77 Hierbei erwirbt der Käufer die Beteiligungsrechte am Unternehmensträger, also etwa die Geschäftsanteile einer GmbH oder Aktien, Hölters/Semler Handbuch Unternehmenskauf, Teil VII Rn. 6. 78 Vgl. Schmidt-Kötters WiVerw 2013, 199, 205. 79 Hierunter versteht man einen Unternehmenskauf, bei dem der Käufer unmittelbar die einzelnen Sachen, Rechte und sonstigen Wirtschaftsgüter, aus denen sich das Unternehmen zusammensetzt, erwirbt, Hölters/Semler Handbuch Unternehmenskauf, Teil VII Rn. 6. 80 Kloepfer Umweltrecht, § 5 Rn. 49; Kreppel Rechtsnachfolge in anlagenbezogene Zulassungsakte im Bereich des Umweltrechts, S. 36. 81 Kreppel Rechtsnachfolge in anlagenbezogene Zulassungsakte im Bereich des Umweltrechts, S. 36. 82 Kloepfer Umweltrecht, § 5 Rn. 49; Kreppel Rechtsnachfolge in anlagenbezogene Zulassungsakte im Bereich des Umweltrechts, S. 126 ff., 140 f.; Landmann/Rohmer/Beckmann Umweltrecht, KrWG, § 36 Rn. 28 (zur Planfeststellung bzw. -genehmigung nach § 35 Abs. 2 KrWG); Schmidt-Kötters WiVerw 2013, 199, 202. von Hammerstein

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gemischte Genehmigung ist.83 Während die Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 bis 13 sachbezogen sind, enthalten § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und insbesondere Nr. 2 personale Elemente. Eine Betriebsplanzulassung wirkt daher nur zu Gunsten des in der Zulassung bezeichneten Unternehmers (§ 4 Abs. 5). Wechselt die Person des Unternehmers, ist eine Änderungszulassung erforderlich.84 Obwohl die Praxis hierfür mitunter den Begriff „Umschreibung“ nutzt, handelt es sich rechtssystematisch um eine abgekürzte erneute Zulassung des Betriebsplans für das übernehmende Unternehmen.85 Bei gemischten Genehmigungen gehen nach herrschender Auffassung die sachbezogenen Ge- 37 nehmigungsteile von allein über, weshalb für die Änderungsgenehmigung nur die personalen Elemente neu zu prüfen sind.86 Im Betriebsplanänderungsverfahren ist daher nur zu prüfen, ob auch der neue Unternehmer die Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 erfüllt.87 Die Behörde darf den Unternehmerwechsel nicht zum Anlass nehmen, das gesamte Vorhaben neu zu prüfen. Eine Änderungszulassung, die nur den Wechsel des Unternehmers behandelt, lässt den Um- 38 fang der erlaubten Tätigkeiten unverändert. Hieraus folgt, dass sie nicht den Aufgabenbereich anderer Behörden oder Gemeinden berühren kann, so dass diese nicht nach § 54 Abs. 2 zu beteiligen sind. Die Behörde hat aber zu prüfen, ob angesichts des neuen Unternehmers eine Sicherheitsleistung nach § 56 Abs. 2 zu verlangen ist. Führt der Übergang auch zu Änderungen des zuständigen Personals, hat der Unternehmer die Änderungen in der Bestellkette der Bergbehörde nach § 60 anzuzeigen. Die personalen Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 Nr. 1 und 2 werden in der Praxis nur im Rahmen- 39 und im Hauptbetriebsplanverfahren geprüft. Sonderbetriebspläne beziehen sich demgegenüber in aller Regel auf sehr spezielle Anlagen oder Tätigkeiten, die keinen personalen Bezug aufweisen. Es ist auch nicht denkbar, dass die Bergbehörde trotz Fehlens personaler Zulassungsvoraussetzungen eine Hauptbetriebsplanzulassung erteilt, aufrechterhält oder verlängert, gleichzeitig aber unter Berufung auf § 55 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 die Zulassung eines Sonderbetriebsplans verweigert. Dies spricht dafür, Sonderbetriebsplanzulassungen als reine Sachgenehmigungen anzusehen, deren Übertragung keiner bergbehördlichen Zulassung bedarf. Beantragt der Unternehmer aus Gründen der Rechtssicherheit die Zustimmung zum Übergang aller Betriebsplanzulassungen, so kann die Bergbehörde diesem Antrag in einem einzigen Bescheid stattgeben, ohne dass im Antrag und im Bescheid neben der Rahmenund Hauptbetriebsplanzulassung auch alle der – häufig sehr zahlreichen – Sonderbetriebsplanzulassungen einzeln aufgeführt werden müssen.

c) Übertragung von Rahmenbetriebsplanzulassungen. Für Rahmenbetriebsplanzulassun- 40 gen gelten Besonderheiten. Die personalen Elemente von § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 sind gemäß § 55 Abs. 1 Satz 2 bei Rahmenbetriebsplänen nicht zu prüfen. Personenbezogen ist aber auch § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, der den Nachweis der erforderlichen Aufsuchungs- oder Gewinnungsberechtigung verlangt. Er gilt grundsätzlich auch für die Zulassung von Rahmenbetriebsplänen. Eine Rahmenbetriebsplanzulassung, für die der Unternehmer seine Aufsuchungs- oder Gewinnungsberechtigung 83 Schmidt-Kötters WiVerw 2013, 199, 202. 84 Enderle/Rehs NVwZ 2012, 338, 342; Sustmann/Robles y Zepf RdE 2011, 52, 57; vgl. allgemein Kloepfer Umweltrecht, § 5 Rn. 49; zur gemischten Planfeststellung bzw. -genehmigung nach § 35 Abs. 2 KrWG: Landmann/Rohmer/Beckmann Umweltrecht, KrWG, § 36 Rn. 28; zur gemischten Genehmigung nach § 7 AtG i.d.F. vom 15.7.1985: vgl. VGH Kassel 1.11.1989, 8 A 2902/88, NVwZ-RR 1990, 128, 133; Haedrich AtG, § 7 Rn. 18; Ronellenfitsch Das atomrechtliche Genehmigungsverfahren, S. 189. 85 Enderle/Rehs NVwZ 2012, 338, 342. 86 Schmidt-Kötters WiVerw 2013, 199, 211; zur gemischten Genehmigung nach § 7 AtG i.d.F. vom 15.7.1985: BVerwG 17.4.1990, 7 B 111/89, NVwZ 1990, 858; VGH Kassel, 1.11.1989, 8 A 2902/88, NVwZ-RR 1990, 128 (nur Leitsatz), juris Rn. 133 ff.; Haedrich AtG, § 7 Rn. 18; Ronellenfitsch Das atomrechtliche Genehmigungsverfahren, S. 189; a.A. Fischerhof Deutsches Atomgesetz und Strahlenschutzrecht, Band 1, § 7 Rn. 6. 87 Enderle/Rehs NVwZ 2012, 338, 342; Sustmann/Robles y Zepf RdE 2011, 52, 57. 461

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nachgewiesen hat, enthält damit ein personales Element. Sie ist nach denselben Regeln zu behandeln wie Haupt-, Sonder- und Abschlussbetriebsplanzulassungen (hierzu Rn. 36 ff.). 41 Das BVerwG hat zu § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 aber entschieden, dass die Bergbehörde die Zulassung eines Rahmenbetriebsplans nicht versagen darf, wenn der Unternehmer die erforderliche Berechtigung zwar noch nicht für das gesamte Abbaufeld nachweisen kann, jedoch nicht auszuschließen ist, dass er den Nachweis zu gegebener Zeit erbringen kann (vgl. § 55 Rn. 10).88 In diesen Fällen ist die Zulassung des Rahmenbetriebsplans mit der einschränkenden Nebenbestimmung zu erteilen, dass die Gewinnungsberechtigung für die Zulassung des einschlägigen Hauptbetriebsplans nachzuweisen ist.89 Eine solche Rahmenbetriebsplanzulassung, bei der an die Stelle des Nachweises der Gewinnungsberechtigung die entsprechende Nebenbestimmung getreten ist, enthält keine personalen Elemente mehr. Sie ist dann eine reine Sachgenehmigung.90 Sie könnte demnach automatisch auf den Erwerber übergehen, ohne dass es einer Änderungsgenehmigung bedarf.91 Allerdings wird es vor Zulassung des Hauptbetriebsplans und ggf. der Sonderbetriebspläne regelmäßig noch gar kein Bergwerk geben, das erworben wird und mit dem die Rahmenbetriebsplanzulassung übergehen könnte. In diesen Fällen muss die Unternehmerstellung rechtsgeschäftlich übertragen und dies der Bergbehörde nachgewiesen werden.92 Allgemein empfiehlt es sich für den Unternehmer, auch bei Rahmenbetriebsplänen den Übergang mit der Bergbehörde abzustimmen.

2. Übergang bei Gesamtrechtsnachfolge 42 Die Frage, welche Auswirkungen eine Gesamtrechtsnachfolge auf eine Betriebsplanzulassung hat, stellt sich vor allem in zwei Konstellationen: wenn der Unternehmer eine natürliche Person ist und diese verstirbt und – relevanter – wenn etwa anlässlich einer Unternehmenstransaktion oder Restrukturierung eine Gesamtrechtsnachfolge nach dem UmwG erfolgt. Das BBergG regelt dies nicht ausdrücklich. Ist eine Rahmenbetriebsplanzulassung rein sachbezogen (hierzu Rn. 36), geht sie automatisch 43 über.93 Schwieriger ist die Situation bei den sonstigen, gemischt sach- und personenbezogenen Betriebsplanzulassungen. Das BVerwG geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass originär zivilrechtliche 44 Rechtsnachfolgetatbestände grundsätzlich auch auf öffentlich-rechtliche Rechtspositionen anwendbar sein können.94 Ein Rechtsübergang setzt aber zusätzlich voraus, dass die betreffende öffentlich-rechtliche Rechtsposition auch nachfolgefähig ist. Diese Nachfolgefähigkeit verneint das überwiegende Schrifttum zum Umwandlungsrecht für personenbezogene öffentlich-rechtliche Genehmigungen.95 Der BFH ist dieser Auffassung für eine (personenbezogene) Erlaubnis zur steuer88 BVerwG 20.11.2008, 7 C 10/08, BVerwGE 132, 261 Rn. 30 = ZfB 2009, 46; BVerwG 2.11.1995, 4 C 14/94, BVerwGE 100, 1, 13 = ZfB 1995, 278, 285 f. 89 BVerwG 20.11.2008, 7 C 10/08, BVerwGE 132, 261 Rn. 30 = ZfB 2009, 46; BVerwG 2.11.1995, 4 C 14/94, BVerwGE 100, 1, 13 = ZfB 1995, 278, 286. 90 Vgl. Schmidt-Kötters WiVerw 2013, 199, 202 Fn. 24. 91 Vgl. Erkens/Giedinghagen RdE 2012, 140, 144. 92 Vgl. zum Parallelfall einer Abgrabungsgenehmigung OVG Münster 7.11.1995, 11 A 5922/94, NVwZ-RR 1997, 70, 71. 93 Erkens/Giedinghagen RdE 2012, 140, 144; vgl. Schmidt-Kötters WiVerw 2013, 199, 225. 94 BVerwG 16.3.2006, 7 C 3/05, BVerwGE 125, 325 Rn. 19 f. = ZfB 2006, 148 m.w.N. und mit Anm. Knauff DVBl 2006, 1321; Toussaint IBR 2006, 591; Ossenbühl JZ 2006, 1128; Rixen JZ 2007; 171, Hünnekens/Arnold NJW 2006, 3388; Palme NVwZ 2006, 1130; Grziwotz ZfIR 2006, 555; Landel/Versteyl ZUR 2006, 475. 95 Gaiser DB 2000, 361, 364 m.w.N.; Dauner-Lieb/Simon/Simon UmwG, § 20 Rn. 30; Henssler/Strohn/Heidinger Gesellschaftsrecht, § 20 UmwG Rn. 36; Kallmeyer/Marsch-Barner UmwG, § 20 Rn. 26; Sippel Auswirkungen von umwandlungsgesetzlichen Unternehmensumstrukturierungen auf gewerberechtliche Erlaubnisse mit Zuverlässigkeitsanknüpfung, S. 173 ff. m.w.N.; Schmitt/Hörtnagl/Stratz UmwG – UmwStG, § 20 UmwG Rn. 89; Semler/Stengel/Kübler UmwG, § 20 Rn. 71; Widmann/Mayer/Vossius Umwandlungsrecht, § 20 Rn. 251; differenzierend Bremer GmbHR 2000, 865. von Hammerstein

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begünstigten Verwendung von Strom nach § 9 Abs. 3 StromStG bei einer Verschmelzung nach § 20 UmwG gefolgt.96 Die Nachfolgefähigkeit ist aber immer in Ansehung der konkreten Rechtsposition und der 45 dafür geltenden gesetzlichen Wertungen zu beurteilen.97 Hier ist zu beachten, dass der Gesetzgeber des BBergG ausdrücklich bei Gesamtrechtsnachfolgen die Kontinuität der Aufsuchungs- und Gewinnungstätigkeit sicherstellen wollte.98 Zu diesem Zweck hat er in § 22 Abs. 2 Satz 1 den automatischen Übergang der ebenfalls personenbezogenen Erlaubnis und Bewilligung auf den Erben angeordnet. Eine Zustimmung der Bergbehörde ist nicht erforderlich; der Rechtsnachfolger hat den Übergang lediglich anzuzeigen. § 22 Abs. 2 Satz 5 erstreckt diese Regelung auf sonstige Fälle der Gesamtrechtsnachfolge, also auch auf Gesamtrechtsnachfolgen nach dem UmwG. Die amtliche Begründung vergleicht die Regelung mit Nachfolgeregelungen im Gewerberecht.99 Diese Nachfolgeregelungen (z.B. § 46 GewO, § 10 GastG, § 4 HwO) bewirken – anders als § 22 Abs. 2 – nicht nur den Übergang einer vorgelagerten öffentlich-rechtlichen Konzession, sondern sie ermöglichen die Weiterführung des tatsächlichen Betriebs. Das offenbart die gesetzgeberische Intention, sicherzustellen, dass der tatsächliche Aufsuchungs- und Gewinnungsbetrieb ohne Unterbrechung fortgesetzt werden kann. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen aber nicht nur Erlaubnis und Bewilligung, sondern auch die Betriebsplanzulassungen automatisch übergehen. Das spricht dafür, dass nach den gesetzgeberischen Wertungen von der Übergangsfähigkeit von Betriebsplanzulassungen auszugehen ist.100 Um die öffentlichen Interessen zu schützen, hat der Rechtsnachfolger dem Rechtsgedanken von § 22 Abs. 2 Satz 3 folgend den Übergang unverzüglich der Behörde anzuzeigen. Diese hat dann die Möglichkeit, auf veränderte Umstände mit nachträglichen Auflagen gemäß § 56 Abs. 1 Satz 2 (vgl. § 56 Rn. 14 ff.) oder notfalls mit einer Rücknahme der Zulassung nach § 49 VwVfG (vgl. § 56 Rn. 25 ff.) zu reagieren. Die Rechtsprechung hat diese Frage bisher nicht behandelt. Daher ist es ratsam, die Vorge- 46 hensweise im Voraus mit der zuständigen Bergbehörde zu koordinieren und ggf. vorsorglich die Zustimmung zum Übergang der Betriebsplanzulassung zu beantragen.

VI. Standortauswahlgesetz Das Gesetz zur Suche und Auswahl eines Standortes für ein Endlager für hochradioaktive Abfälle 47 vom 5.5.2017 (Standortauswahlgesetz, StandAG) kann bei der Anwendung der Vorschriften des BBergG von Bedeutung sein. Dies betrifft insbesondere die betriebsplanrechtlichen Vorschriften.

1. Anwendung bergrechtlicher Vorschriften nach § 12 Abs. 1 StandAG Das StandAG trifft u.a. Regelungen über die unter- und übertägige Untersuchung des Untergrundes 48 auf seine Eignung zur Errichtung eines Endlagers für hochradioaktive Abfälle der im Standortauswahlverfahren festgelegten Standorte (sog. Erkundung, vgl. § 2 Nr. 1 StandAG). Der Begriff der Erkundung wurde gewählt, um die Untersuchung für Endlagerzwecke von der Aufsuchung und Gewinnung von Bodenschätzen abzugrenzen.101 Gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 StandAG sind die §§ 3 bis 29, 39, 40, 48 und 50 bis 104, 106 und 145 bis 148 des BBergG für die Erkundung entsprechend anzuwenden. Dieser Verweis war notwendig, da es sich bei der Untersuchung weitestgehend um bergmännische Arbeiten handelt, für die mit den in Bezug genommenen Vorschriften spezielle 96 BFH 22.11.2011, VII R 22/11, BFHE 235, 95 mit Anm. Keller GWR 2012, 74 und Stöcker AO-StB 2012, 107. 97 Semler/Stengel/Kübler UmwG, § 20 Rn. 67; MüKo-BGB/Leipold Bd. 9, Einleitung Rn. 180. 98 BT-Drs. 8/1315, S. 93. 99 BT-Drs. 8/1315, S. 93. 100 Im Ergebnis ähnlich Enderle/Rehs NVwZ 2012, 338, 342; Schmidt-Kötters WiVerw 2013, 199, 228. 101 BT-Drs. 17/13471, S. 19. 463

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Vorbem. §§ 50–57e

Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

bergrechtliche Vorschriften bestehen. Die durch die bergmännischen Arbeiten gewonnenen Erkenntnisse werden in dem anschließenden atomrechtlichen Zulassungsverfahren verwertet.102 Mit dem Verweis auf die §§ 50 ff. BBergG werden die Erkundungsmaßnahmen der Betriebsplanpflicht mit allen verfahrensrechtlichen Regelungen und materiellrechtlichen Anforderungen unterworfen. Zuständig für die Erteilung von Betriebsplanzulassungen sind die Bergbehörden.103 Nach § 12 Abs. 1 Satz 2 StandAG bleiben die übrigen Vorschriften des BBergG unberührt. Für ihre Anwendung gilt gemäß § 12 Abs. 1 Satz 3 StandAG, dass die übertägige und untertägige Erkundung aus zwingenden Gründen des öffentlichen Interesses erfolgt. Diese Regelung zur Interpretation der bergrechtlichen Vorschriften ist insbesondere im Rahmen von § 48 Abs. 2 Satz 1 BBergG von Bedeutung.104

2. Sperre nach § 21 StandAG 49 § 21 StandAG trifft Regelungen zur Sicherung derjenigen Gebiete, die als bestmöglich sicherer Standort für die Endlagerung in Betracht kommen. Die Gebiete sind nach § 21 Abs. 1 Satz 1 StandAG vor Veränderungen zu schützen, die ihre Eignung als Endlagerstandort beeinträchtigen können. Hierfür dürfen Anträge auf Zulassung eines Vorhabens in Teufen von mehr als 100 m nach den Bestimmungen des BBergG oder sonstigen Rechtsvorschriften in Gebieten, in denen in einer Teufe von 300 bis 1.500 m unter der Geländeoberkante stratiforme Steinsalz- oder Tonsteinformationen mit einer Mächtigkeit von mindestens 100 m, Salzformationen in steiler Lagerung oder Kristallingesteinsformationen mit einer vertikalen Ausdehnung von mindestens 100 m vorhanden sind oder erwartet werden können, nur genehmigt werden, wenn eine der in § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 5 StandAG genannten Voraussetzungen erfüllt ist.105 Nachdem die als Vorhabenträgerin mit der Erkundung beauftragte Bundesgesellschaft für Endlagerung mbH (BGE) am 28.9.2020 den Zwischenbericht nach § 13 Abs. 2 Satz 3 StandAG veröffentlicht hat, beschränkt sich die Sperre gemäß § 21 Abs. 3 StandAG auf Vorhaben in Teufen von mehr als 100 m in den im Zwischenbericht identifizierten Gebieten nach § 13 Abs. 2 Satz 1 StandAG und in Gebieten im Sinne des § 13 Abs. 2 Satz 4 Halbsatz 2 StandAG, die aufgrund nicht hinreichender geologischer Daten nicht eingeordnet werden können. 50 Die Regelung gilt für alle betriebsplanpflichtigen Aufsuchungs- und Gewinnungsvorhaben, aber auch für Untergrundspeicher, auf die das Betriebsplanrecht gemäß § 126 Abs. 1 Satz 1 BBergG anwendbar ist, sowie für Bohrungen gemäß § 127 BBergG, wenn die Bergbehörde die Aufstellung eines Betriebsplans verlangt. Über die Zulassung entscheidet nach § 21 Abs. 2 Satz 3 StandAG die nach Landesrecht zuständige (Berg-)Behörde im Einvernehmen mit dem Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE). Bezieht sich die Zulassung auf Betriebspläne für Vorhaben, die die bereits laufende Gewinnung von Bodenschätzen auf Grundlage eines nach dem BBergG zugelassenen Betriebsplans betreffen, ist nach § 21 Abs. 2 Satz 3 StandAG in der Regel davon auszugehen, dass die Voraussetzungen für eine Zulassung nach Satz 1 erfüllt sind und damit keine Sperre eintritt. 51 Gemäß § 21 Abs. 5 Satz 1 BBergG kann das BASE durch Allgemeinverfügung für die Dauer von höchstens zehn Jahren für bestimmte Gebiete untersagen, dass auf deren Flächen oder in deren Untergrund Veränderungen vorgenommen werden, die das jeweilige Vorhaben erheblich erschweren können. Vor Erlass des Bescheids sind die Gebietskörperschaften, deren Gebiet von der Festlegung betroffen wird, die zuständigen Bergbehörden sowie betroffene Grundstückseigentümer und betroffene Inhaber von Bergbauberechtigungen durch das BASE zu hören.

102 103 104 105

BT-Drs. 17/13471, S. 25. BT-Drs. 17/13471, S. 25. Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 2 Rn. 69. Vgl. ausführlich zu den Zulassungstatbeständen Frenz DVBl 2018, 285.

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Zweites Kapitel – Anzeige, Betriebsplan

§ 50

§ 50 Anzeige 1 Der Unternehmer hat der zuständigen Behörde die Errichtung und Aufnahme 1. eines Aufsuchungsbetriebes, 2. eines Gewinnungsbetriebes und 3. eines Aufbereitungsbetriebes rechtzeitig, spätestens zwei Wochen vor Beginn der beabsichtigten Tätigkeit anzuzeigen; in der Anzeige ist der Tag des Beginns der Errichtung oder der Aufnahme des Betriebes anzugeben. 2Zum Betrieb gehören auch die in § 2 Abs. 1 bezeichneten Tätigkeiten und Einrichtungen. 3Die Pflicht zur Anzeige entfällt, wenn ein Betriebsplan nach § 52 eingereicht wird. (2) 1Absatz 1 gilt für die Einstellung des Betriebes mit Ausnahme der in § 57 Abs. 1 Satz 1 und Absatz 2 bezeichneten Fälle entsprechend. 2§ 57 Abs. 1 Satz 2 bleibt unberührt. (3) 1Unternehmer, deren Betrieb nicht nach § 51 der Betriebsplanpflicht unterliegt, haben der Anzeige über die Errichtung oder die Aufnahme eines Gewinnungsbetriebes einen Abbauplan beizufügen, der alle wesentlichen Einzelheiten der beabsichtigten Gewinnung, insbesondere 1. die Bezeichnung der Bodenschätze, die gewonnen werden sollen, 2. eine Karte in geeignetem Maßstab mit genauer Eintragung des Feldes, in dem die Bodenschätze gewonnen werden sollen, 3. Angaben über das beabsichtigte Arbeitsprogramm, die vorgesehenen Einrichtungen unter und über Tage und über den Zeitplan, 4. Angaben über Maßnahmen zur Wiedernutzbarmachung der Oberfläche während des Abbaues und über entsprechende Vorsorgemaßnahmen für die Zeit nach Einstellung des Betriebes enthalten muß. 2Wesentliche Änderungen des Abbauplanes sind der zuständigen Behörde unverzüglich anzuzeigen.

(1)

Übersicht I.

Anzeigepflicht bei Errichtung und Aufnahme ei1 nes Betriebs (Absatz 1)

IV.

Entsprechende Anwendung (§§ 126 bis 129, 8 StandAG)

II.

Anzeigepflicht bei Betriebseinstellung (Ab4 satz 2)

V.

Zuwiderhandlungen

III.

Qualifizierte Anzeige (Absatz 3)

9

6

I. Anzeigepflicht bei Errichtung und Aufnahme eines Betriebs (Absatz 1) In Übereinstimmung mit der Rechtslage vor Erlass des BBergG1 statuiert § 50 die Pflicht zur 1 Anzeige bergbaulicher Vorhaben. Absatz 1 Satz 1 ordnet an, dass der Unternehmer die Errichtung 1 Vor Inkrafttreten des BBergG schrieben die Berggesetze der Länder vor, dass der Bergwerksbesitzer die beabsichtigte Inbetriebnahme eines Bergwerks mindestens einen Monat vorher dem Bergamt anzuzeigen hatte, § 66 ABG NRW (Allgemeines Berggesetz für die Preußischen Staaten in der Fassung für Nordrhein-Westfalen vom 7.11.1961, GVBl. NW S. 325), Art. 69 BayBergG (Bayerisches Berggesetz in der Fassung vom 10.1.1967, GVBl. S. 185). An anderer Stelle enthielten die Landesgesetze das Gebot, die Einstellung eines Betriebes einen Monat – in NRW drei Monate – vorher der Bergbehörde anzuzeigen; § 71 ABG, Art. 74 BayBergG. 465 https://doi.org/10.1515/9783110709285-066

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§ 50

Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

und Aufnahme eines Aufsuchungs-, Gewinnungs- oder Aufbereitungsbetriebes der Bergbehörde anzuzeigen hat. Verpflichtet ist der Unternehmer i.S.d. § 4 Abs. 5, also derjenige, der das anzuzeigende Vorhaben auf eigene Rechnung durchführen oder durchführen lassen möchte. Der Anzeigepflicht unterliegt grundsätzlich jeder Aufsuchungs-, Gewinnungs- und Aufbereitungsbetrieb. Zum Betrieb gehören nach Absatz 1 Satz 2 auch diejenigen Tätigkeiten und Einrichtungen, die § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 dem in Betracht kommenden Betrieb zuordnet.2 Zu berücksichtigen sind hierbei die Begriffsbestimmungen der jeweiligen Tätigkeiten in § 4 Abs. 1 bis 3. Pflichtinhalt der (einfachen) Anzeige nach Abs. 1 sind lediglich Angaben über den Tag des Beginns der Errichtung oder der Aufnahme bzw. der Einstellung des Betriebes. 1a Im Schrifttum wird die Auffassung vertreten, als anzeigepflichtige „Aufnahme des Betriebs“ sei auch die Übernahme des Betriebs durch einen Unternehmer anzusehen, der den Betrieb nicht selbst errichtet hat.3 Dies sei erforderlich, damit der Unternehmerwechsel der Bergbehörde zur Kenntnis gelange. Offenbar liegt dem die Vorstellung zugrunde, dass der Unternehmerwechsel anderenfalls ohne behördliche Zustimmung zulässig sei. Dies ist indes nicht der Fall. Da es sich jedenfalls bei Hauptbetriebsplanzulassungen um sog. gemischte Personal- und Sachgenehmigungen handelt, bedarf der Wechsel des Unternehmens einer Änderungszulassung.4 Eine zusätzliche Anzeige nach § 50 BBergG ist daher nicht erforderlich. Die Anzeige über die Errichtung oder Aufnahme eines Betriebes muss rechtzeitig und spätes2 tens zwei Wochen vor Beginn der beabsichtigten Tätigkeit bei der Bergbehörde eingehen. Nach welchen Kriterien zu beurteilen ist, ob eine Anzeige „rechtzeitig“ erstattet ist, wird im Gesetz nicht gesagt. Nach der Zielsetzung der Vorschrift muss gewährleistet sein, dass der Behörde zwischen Anzeige und Betriebsbeginn genügend Zeit zur Verfügung steht, um effektiv die Bergaufsicht ausüben und gegebenenfalls die erforderlichen Maßnahmen anordnen zu können. Aufgrund dieser Einzelfallbezogenheit kann auch eine Anzeige, die zwei Wochen vor Beginn der beabsichtigten Tätigkeit eingeht, verspätet sein, wenn der Behörde nicht genügend Zeit zur Erfüllung ihrer Aufgaben zur Verfügung steht.5 Absatz 1 Satz 3 enthält die in der Praxis zumeist eingreifende Ausnahme von der Anzeige3 pflicht. Die Anzeigepflicht entfällt, wenn der Unternehmer einen Betriebsplan nach § 52 einreicht. Erfasst sind alle in § 52 geregelten Betriebspläne. Bei Rahmen- und Sonderbetriebsplänen kommt es dabei nicht darauf an, ob die Behörde diese verlangt hat oder ob der Unternehmer sie von sich aus aufstellt.6 Die Ausnahmeregelung beschränkt den Anwendungsbereich von § 50 Abs. 1 in der Praxis auf Fälle, die nach § 51 Abs. 2 oder 3 nicht der Betriebsplanpflicht unterliegen. In diesen Fällen ist eine qualifizierte Anzeige nach Absatz 3 erforderlich. Eine Frist für die Einreichung des Betriebsplans ist weder vorgesehen noch erforderlich, denn der Betrieb darf erst aufgenommen werden, wenn der Betriebsplan zugelassen wurde.7

II. Anzeigepflicht bei Betriebseinstellung (Absatz 2) 4 Nach Absatz 2 Satz 1 gilt die Anzeigepflicht nach Absatz 1 entsprechend für die beabsichtigte Einstellung eines Betriebes. Eine Ausnahme gilt für die in § 57 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 näher bezeichneten Notfälle. Absatz 2 Satz 2 stellt klar, dass die in § 57 Abs. 1 Satz 2 begründete Verpflichtung zur unverzüglichen Anzeige der getroffenen Maßnahmen voll aufrechterhalten bleibt. 5 In „entsprechender Anwendung“ ist Absatz 1 Satz 3 so zu lesen, dass die Anzeigepflicht entfällt, „wenn ein Betriebsplan nach § 53 eingereicht wird“. Der Unternehmer kann also auch bei der 2 3 4 5 6 7

BT-Drs. 8/1315, S. 105. Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 50 Rn. 5; Frenz/Franßen/Bongartz BBergG, § 50 Rn. 9. Vgl. Vor § 50 Rn. 39. Frenz/Franßen/Bongartz BBergG, § 50 Rn. 15. Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 50 Rn. 11. A.A. Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 50 Rn. 13.

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Zweites Kapitel – Anzeige, Betriebsplan

§ 50

Einstellung des Betriebs die Anzeigepflicht durch die Einreichung eines Abschlussbetriebsplans ersetzen.8

III. Qualifizierte Anzeige (Absatz 3) Absatz 3 gilt für die Errichtung und die Aufnahme von Gewinnungsbetrieben, die nach § 51 Abs. 3 6 von der Betriebsplanpflicht befreit sind. Der Unternehmer muss in diesem Fall der nach Absatz 1 zu erstattenden Anzeige einen Abbauplan beifügen. Der Abbauplan muss alle wesentlichen Einzelheiten der beabsichtigten Gewinnung enthalten. Weil die Befreiung nach § 51 Abs. 3 einen Antrag des Unternehmers voraussetzt, in dem 7 dieser nachweist, dass sein Betrieb von geringer Gefährlichkeit und Bedeutung ist, ist die Behörde über das Vorhaben bereits ausreichend informiert, so dass für eine „Anzeige“ kein Bedarf mehr besteht. Gemäß § 51 Abs. 3 Satz 2 ist außerdem die Möglichkeit einer Befreiung von der Betriebsplanpflicht generell ausgeschlossen für die Errichtung und Einstellung eines Betriebes sowie für alle Betriebe im Bereich des Festlandsockels. Dadurch ist der Anwendungsbereich des Absatzes 3 stark eingeschränkt. Zu erklären ist diese Bestimmung nur aus der Entstehungsgeschichte des Gesetzes. Nach § 56 Abs. 4 des Regierungsentwurfs 19759 war die Errichtung von Betrieben zur Aufsuchung oder Gewinnung grundeigener Bodenschätze in Tagebauen grundsätzlich von der Betriebsplanpflicht befreit und konnte nur im Einzelfall aufgrund einer behördlichen Entscheidung der Betriebsplanpflicht unterworfen werden. Für Fälle dieser Art erschien die Vorschrift des Absatzes 3 angebracht. Demgemäß hieß es in der Begründung des Entwurfs 1975 zu dem damaligen § 55 Abs. 3: „Bei den Betrieben dagegen, die der Betriebsplanpflicht nicht von vornherein unterliegen, muss deshalb eine qualifizierte Anzeige gefordert werden, um das Ausmaß an bergaufsichtlicher Überwachung sicherzustellen, das unabdingbar ist“.10 In der geltenden Fassung des Gesetzes ist aber die Möglichkeit, dass ein Gewinnungsbetrieb „von vornherein“ von der Betriebsplanpflicht befreit ist, nicht mehr enthalten. In der Praxis hat die Bergbehörde die Möglichkeit, die Forderungen des Absatzes 3 bei der Entscheidung über die Befreiung von der Betriebsplanpflicht gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 oder im Rahmen der Zulassung des für die Errichtung des Betriebes vorzulegenden Betriebsplans zur Geltung zu bringen.

IV. Entsprechende Anwendung (§§ 126 bis 129, StandAG) Nach den §§ 126 bis 129 sind die Bestimmungen des § 50 über die Anzeigepflicht auf die dort 8 näher bezeichneten Tätigkeiten und Einrichtungen entsprechend anzuwenden. Für die Erkundung des Untergrundes auf seine Eignung zur Einrichtung eines Endlagers für 8a hochradioaktive Abfälle nach dem Standortauswahlgesetz ist § 50 gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 StandAG entsprechend anzuwenden (vgl. Vor §§ 50 bis 57e, Rn. 47 ff.).

V. Zuwiderhandlungen Die Anzeigepflicht des § 50 ist – anders als die Betriebsplanpflicht nach § 51 – nur ein ordnungs- 9 rechtliches Gebot. Kommt der Unternehmer der Anzeigepflicht nicht nach, kann die anzeigepflichtige Tätigkeit trotzdem rechtmäßig sein. Hieraus erklärt es sich, dass die Bergbehörde nach § 72 Abs. 1 bergbauliche Tätigkeiten zwar wegen Fehlens der erforderlichen Bergbauberechtigung oder

8 BT-Drs. 8/1315, S. 105; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 50 Rn. 12; Frenz/Franßen/Bongartz BBergG, § 50 Rn. 24. 9 BR-Drs. 350/75. 10 BR-Drs. 350/75, S. 115. 467

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§ 51

Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

der nach § 51 notwendigen Betriebsplanzulassung, nicht jedoch wegen einer unterlassenen Anzeige untersagen kann. Die Verletzung der Anzeigepflicht ist aber eine Ordnungswidrigkeit nach § 145 Abs. 1 Nr. 4 und 5.

§ 51 Betriebsplanpflicht (1)

1

Aufsuchungsbetriebe, Gewinnungsbetriebe und Betriebe zur Aufbereitung dürfen nur auf Grund von Plänen (Betriebsplänen) errichtet, geführt und eingestellt werden, die vom Unternehmer aufgestellt und von der zuständigen Behörde zugelassen worden sind. 2Zum Betrieb gehören auch die in § 2 Abs. 1 bezeichneten Tätigkeiten und Einrichtungen. 3Die Betriebsplanpflicht gilt auch für die Einstellung im Falle der Rücknahme, des Widerrufs oder der Aufhebung einer Erlaubnis, einer Bewilligung oder eines Bergwerkseigentums sowie im Falle des Erlöschens einer sonstigen Bergbauberechtigung. (2) Absatz 1 gilt nicht für einen Aufsuchungsbetrieb, in dem weder Vertiefungen in der Oberfläche angelegt noch Verfahren unter Anwendung maschineller Kraft, Arbeiten unter Tage oder mit explosionsgefährlichen oder zum Sprengen bestimmten explosionsfähigen Stoffen durchgeführt werden. (3) 1Die zuständige Behörde kann Betriebe von geringer Gefährlichkeit und Bedeutung auf Antrag des Unternehmers ganz oder teilweise oder für einen bestimmten Zeitraum von der Betriebsplanpflicht befreien, wenn der Schutz Beschäftigter und Dritter und das Wiedernutzbarmachen der Oberfläche nach diesem Gesetz und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen auch ohne Betriebsplanpflicht sichergestellt werden können. 2Dies gilt nicht für die Errichtung und die Einstellung des Betriebes und für Betriebe im Bereich des Festlandsockels.

Übersicht I.

Regelung zur Betriebsplanpflicht (Ab1 satz 1)

IV.

Entsprechende Anwendung der Betriebsplanvor14 schriften (§§ 126 bis 129, StandAG)

II.

Gesetzliche Ausnahmen von der Betriebsplan6 pflicht (Absatz 2)

V.

Zuwiderhandlungen

III.

Behördliche Befreiung von der Betriebsplan9 pflicht (Absatz 3)

15

I. Regelung zur Betriebsplanpflicht (Absatz 1) 1 Vgl. grundsätzlich zur Betriebsplanpflicht Vor § 50 Rn. 9 ff. § 51. Absatz 1 trifft grundlegende Bestimmungen über Gegenstand und Reichweite der Betriebsplanpflicht. Nach Satz 1 dürfen Aufsuchungs-, Gewinnungs- und Aufbereitungsbetriebe nur auf Grund von Betriebsplänen errichtet, geführt oder eingestellt werden, die vom Unternehmer aufgestellt und von der Bergbehörde zugelassen worden sind. Hieraus folgt, dass allein der Unternehmer sein bergbauliches Vorhaben definiert. Die Behörde selbst darf keinen Einfluss auf den Inhalt eines Betriebsplans nehmen. Sie prüft nur, ob der eingereichte Betriebsplan die Zulassungsvoraussetzungen erfüllt. Dies schließt nicht aus, dass der Unternehmer der Bergbehörde vorab einen Entwurf seines Betriebsplans zur Vorprüfung einreicht und den Plan modifiziert, wenn dies notwendig oder sinnvoll ist, um die von Hammerstein https://doi.org/10.1515/9783110709285-067

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Zweites Kapitel – Anzeige, Betriebsplan

§ 51

Zulassung zu ermöglichen. Diese informelle Vorgehensweise kann insbesondere bei rechtlich und/ oder technisch anspruchsvollen Vorhaben ratsam sein.1 Bei der Betriebsplanpflicht handelt es sich rechtssystematisch um ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt.2 Die präventive Prüfung mit der Möglichkeit eines Verbots dient der Feststellung, ob eine rechtmäßige Grundrechtsausübung beabsichtigt ist.3 Es entspricht rechtsstaatlichen Grundsätzen, dass, wenn ein Tätigwerden von einer vorgängigen behördlichen Prüfung abhängig gemacht wird, das Ergebnis der Prüfung in einem förmlichen Verwaltungsakt festgestellt wird. Das Gesetz schreibt deshalb in Absatz 1 Satz 1 eine ausdrückliche behördliche Zulassung von Betriebsplänen vor. Erst der von der Bergbehörde zugelassene Betriebsplan berechtigt zur Errichtung, Führung oder Einstellung eines Betriebs. Die vom Unternehmer eingereichten und mit einem Antrag auf Zulassung verbundenen Betriebspläne stellen verfahrensmäßig Anträge auf Genehmigung der vorgesehenen Tätigkeiten und Einrichtungen dar.4 Insoweit sind sie z.B. mit Anträgen auf gewerbe- oder immissionsschutzrechtliche Betriebsgenehmigungen vergleichbar. Die Aufstellung und Vorlage von Betriebsplänen obliegt dem Unternehmer. Gemäß § 62 Satz 1 Nr. 1 kann er mit dieser Aufgabe verantwortliche Personen beauftragen. Die Betriebsplanpflicht beginnt mit dem Aufsuchen bergfreier oder grundeigener Bodenschätze und endet erst mit der Einstellung eines Betriebes und der Wiedernutzbarmachung der in Anspruch genommenen Flächen. Während die Berggesetze der Länder die Betriebsplanpflicht ursprünglich nur auf die Führung des Betriebes erstreckten, werden in Absatz 1 Satz 1 ausdrücklich alle Entwicklungsphasen eines Betriebes, nämlich seine Errichtung, Führung und Einstellung der Betriebsplanpflicht unterworfen. Satz 2 regelt klarstellend, dass zum Betrieb auch diejenigen Tätigkeiten und Einrichtungen gehören, die nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 jeweils dem in Betracht kommenden Betrieb zuzuordnen sind. Der Umfang der Betriebsplanpflicht stimmt insoweit mit dem Geltungsbereich des Gesetzes nach § 2 Abs. 1 überein.5 Die Betriebsplanzulassung hat damit nicht nur einen Tätigkeitsbezug, sondern – im Hinblick auf die einbezogenen „Einrichtungen“ – auch einen Sachbezug. In einem Betriebsplan dargestellte Gebäude und andere bergbauliche Anlagen finden ihre formelle Rechtsgrundlage in der Betriebsplanzulassung. Wird der Betrieb insgesamt eingestellt oder endet die bergbauliche Nutzung einer Anlage, so entfällt diese Rechtsgrundlage. Eine anderweitige Nutzung der Anlage ist nach Maßgabe der einschlägigen Rechtsvorschriften, insbesondere derjenigen des Bauplanungs- und des Bauordnungsrechts, zu beurteilen und bedarf ggf. einer Baugenehmigung. Hat die Anlage ihre bergbauliche Funktion verloren und ist eine andere Nutzung nicht genehmigungsfähig, kann die Behörde ggf. den Rückbau der Anlage verlangen. Die durch § 2 Abs. 4 von der Geltung des Gesetzes ausgenommenen Tätigkeiten, z.B. der Transport von Bodenschätzen auf öffentlichen Wegen, unterliegen nicht der Betriebsplanpflicht. Nicht jede Maßnahme in einem Bergwerksbetrieb ist betriebsplanpflichtig. Von „Führen“ eines Betriebs kann nur bei Maßnahmen mit einiger Bedeutung für den Bergwerksbetrieb gesprochen werden. Untergeordnete Tätigkeiten, die auch in anderen nicht unter Bergaufsicht stehenden Betrieben ohne Genehmigungserfordernis und behördliche Überwachung durchgeführt werden dürfen, z.B. Maler- und Reinigungsarbeiten, gehören nicht zur Führung des Betriebs.6 Absatz 1 Satz 3 stellt klar, dass die Betriebsplanpflicht nicht an das Bestehen der Bergbauberechtigung gekoppelt ist. Erlöschen eine Erlaubnis, Bewilligung oder das Bergwerkseigentum, entzieht dies dem darauf beruhenden Betrieb die rechtliche Grundlage mit der Folge, dass der Betrieb einzustellen ist. Um sicherzustellen, dass die Betriebseinstellung ordnungsgemäß erfolgt und die 1 2 3 4 5 6

Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht, Rn. 159. Vgl. Vor § 50 Rn. 12 m.w.N. BVerfG 15.7.1981, 1 BvL 77/78, BVerfGE 58, 300, 347; BVerfG 5.8.1966, 1 BvF 1/61, BVerfGE 20, 150, 154 f. OVG Münster 26.1.2012, 11 A 2635/09 = ZfB 2012, 151, Rn. 48; Frenz/Franßen/Bongartz BBergG, § 51 Rn. 1. Vgl. hierzu im Einzelnen § 2 Rn. 1 ff. Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 51 Rn. 35 ff. Mit dieser am Zweck des Gesetzes orientierten Einschränkung hält Piens es auch für möglich, das „Unwesen von Sonderbetriebsplänen“ einzudämmen. 469

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Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

durch § 48 Abs. 2 und 55 geschützten Rechtsgüter und Belange gewahrt bleiben, legt § 51 Abs. 1 Satz 3 ausdrücklich fest, dass die Betriebsplanpflicht auch dann bestehen bleibt, wenn die Bergbauberechtigung entfallen ist.

II. Gesetzliche Ausnahmen von der Betriebsplanpflicht (Absatz 2) 6 Nach Absatz 2 gilt die Betriebsplanpflicht nicht für Aufsuchungsbetriebe, in denen nicht in die Oberfläche eingegriffen wird, keine Arbeiten unter Tage oder unter Anwendung von Sprengstoffen und keine Verfahren unter Anwendung maschineller Kraft durchgeführt werden. Hierunter fallen beispielsweise Handbohrungen, geoelektrische oder geochemische Verfahren sowie die Anfertigung von Luftaufnahmen.7 Der Grund dafür liegt darin, dass bei diesen Aufsuchungsmethoden die besonderen Gefahren oder Beeinträchtigungen des Bergbaubetriebs nicht auftreten.8 Die Befreiung von der Betriebsplanpflicht gilt nicht, wenn Vertiefungen in der Oberfläche, z.B. Löcher oder Schürfgräben angelegt werden. Eine „Vertiefung“ i.S.d. Absatzes 2 liegt dagegen nicht vor beim Eingraben von Gegenständen, wenn das Erdreich nur wenige Spatenstiche abgetragen und der frühere Zustand sogleich wieder hergestellt wird. Seismische Untersuchungen sind betriebsplanpflichtig.9 Dies gilt nicht nur, wenn mit Sprengungen gearbeitet wird, sondern auch beim Einsatz von Vibroseis-Fahrzeugen, denn das Aussenden von Schallwellen mit solchen Fahrzeugen wird als „Verfahren unter Anwendung maschineller Kraft“ eingestuft. Die Ausnahme von der Betriebsplanpflicht tritt kraft Gesetzes ein; ein behördliches Ermessen besteht insoweit nicht. 7 Ist der Ausnahmetatbestand des Absatzes 2 nicht erfüllt, unterliegen Aufsuchungsarbeiten grundsätzlich der Betriebsplanpflicht, und zwar auch dann, wenn die Aufsuchung zu wissenschaftlichen Zwecken vorgenommen wird. Tätigkeiten im Rahmen der amtlichen geologischen Landesaufnahme, Tätigkeiten, die ausschließlich und unmittelbar Lehr- oder Unterrichtszwecken dienen sowie das Sammeln von Mineralien in Form von Handstücken oder kleinen Proben für mineralogische oder geologische Sammlungen sind dagegen nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 kein Aufsuchen im Sinne des Gesetzes.10 Auch diese Tätigkeiten sind daher nicht betriebsplanpflichtig. Ausnahmen von der Betriebsplanpflicht kann auch eine Verordnung gemäß § 65 Nr. 2 8 BBergG anordnen, wenn sie die Betriebsplanpflicht durch eine Genehmigungspflicht ersetzt.

III. Behördliche Befreiung von der Betriebsplanpflicht (Absatz 3) 9 Das Betriebsplanverfahren ist ein spezifisches Rechtsinstitut zur Kontrolle dynamischer und mit besonderen Gefahren verbundener Betriebe. Hierzu sind nach Auffassung des Gesetzgebers – von den in Absatz 2 genannten Ausnahmen abgesehen – grundsätzlich alle bergbaulichen Betriebe zu rechnen.11 Es kann aber außer den in Absatz 2 bezeichneten Aufsuchungsbetrieben auch sonstige Betriebe oder Betriebsteile geben, die zwar dem Bergrecht unterliegen, für die jedoch wegen ihres geringen Umfangs oder ihrer gefahrlosen Betriebsweise die besondere Form der Betriebsüberwachung durch das Betriebsplanverfahren entbehrlich ist. Absatz 3 Satz 1 trägt dieser Tatsache Rechnung und gibt der Bergbehörde die Möglichkeit, den Betrieb auf Antrag ganz oder teilweise oder für einen bestimmten Zeitraum von der Betriebsplanpflicht zu befreien. Absatz 3 ist nur auf Betriebe anwendbar, die an sich der Betriebsplanpflicht unterliegen. Eine Befreiung durch die 7 Vgl. Hausverfügung der Bezirksregierung Arnsberg für die Handhabung des Betriebsplanverfahrens (BetriebsplanRichtlinien – BP-RL), Stand 31.5.2010, Nr. 1 Abs. 2.

8 BT-Drs. 8/1315, S. 106. 9 Vgl. (Niedersächsisches) Landesamt für Bergbau, Geologie und Energie, Ihr Lotse für Geothermie-Projekte in Niedersachsen (GeoBerichte 42), 4. Aufl. 2021, S. 12 f.; a.A. Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 51 Rn. 24. 10 Vgl. § 4 Rn. 4. 11 Vgl. Vor § 50 Rn. 9. von Hammerstein

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Zweites Kapitel – Anzeige, Betriebsplan

§ 51

Behörde kommt also für die Betriebe, die bereits nach Absatz 2 kraft Gesetzes von der Betriebsplanpflicht ausgenommen sind, nicht in Betracht. Voraussetzung für die Befreiung von der Betriebsplanpflicht nach Absatz 3 Satz 1 ist, dass es sich um einen Betrieb von geringer Gefährlichkeit und Bedeutung handelt. Fehlt eine dieser beiden Voraussetzungen, kann eine Freistellung nicht erteilt werden. Für die Frage der Gefährlichkeit sind insbesondere die Lagerstättenverhältnisse und die Abbauverfahren maßgebend. Die Bedeutung eines Betriebes richtet sich in erster Linie nach seiner Größe. Weitere Voraussetzung für die Befreiung nach Absatz 3 Satz 1 ist, dass der Schutz Beschäftigter und Dritter und das Wiedernutzbarmachen der Oberfläche auch ohne die Betriebsplanpflicht sichergestellt werden können. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Errichtung und Einstellung des Betriebes nach Absatz 3 Satz 2 in jedem Falle betriebsplanpflichtig bleiben.12 Die Entscheidung darüber, ob alle in § 51 Abs. 3 Satz 1 bezeichneten Voraussetzungen für eine Befreiung von der Betriebsplanpflicht erfüllt sind, unterliegt der Beurteilung durch die Bergbehörde. Diese hat den ihr gegebenen Beurteilungsspielraum sachgemäß entsprechend dem Zweck der im Gesetz enthaltenen Ermächtigung auszufüllen.13 Auch wenn alle Voraussetzungen für eine Befreiung vorliegen, steht die Entscheidung nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut im Ermessen der Bergbehörde. Hierdurch kann sie im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung auch weitere sachliche Gesichtspunkte berücksichtigen, etwa ein einschlägiges Fehlverhalten des Unternehmers.14 Die Befreiung von der Betriebsplanpflicht lässt die Anzeigepflichten des § 50 unberührt; insbesondere bleibt die qualifizierte Anzeigepflicht des § 50 Abs. 3 anwendbar. Der praktische Nutzen der Befreiung von der Betriebsplanpflicht ist daher begrenzt.15 In der Praxis spielt § 52 Abs. 3 keine Rolle. Absatz 3 Satz 2 begrenzt die in Satz 1 vorgesehene Befreiungsmöglichkeit auf die Führung des Betriebes. Errichtung und Einstellung des Betriebes bleiben also stets betriebsplanpflichtig. Für die Errichtung eines Betriebes ist in § 52 Abs. 1 Satz 1 ebenso wie für die Führung des Betriebes ein Hauptbetriebsplan vorgeschrieben. Hauptbetriebspläne sind aber nach dieser Bestimmung nur für einen begrenzten, und zwar für einen in der Regel zwei Jahre nicht überschreitenden Zeitraum aufzustellen. In der Praxis hat sich deshalb für die Errichtung eines Betriebes die Aufstellung eines Rahmenbetriebsplanes bewährt. Dieser umfasst gemäß § 52 Abs. 2 Nr. 1 einen längeren Zeitraum und enthält allgemeine Angaben über das beabsichtigte Vorhaben, dessen technische Durchführung und voraussichtlichen technischen Ablauf. Der Betriebsplan zur Errichtung des Betriebes gibt der Bergbehörde die Möglichkeit, Gefährlichkeit und Bedeutung des Betriebes zu prüfen. Er bildet damit eine Grundlage für die Entscheidung über die Befreiung von der Betriebsplanpflicht für das Führen des Betriebes. Ein Abschlussbetriebsplan i.S.d. § 53 ist deshalb erforderlich, weil auch in einem Betrieb von geringer Gefährlichkeit und Bedeutung bestimmte Sicherheitsvorkehrungen für die Zeit nach der Einstellung und Maßnahmen zur Wiedernutzbarmachung der Oberfläche notwendig sein können. Das BBergG steht einer Zusammenfassung von Errichtung, Führung und Einstellung eines Betriebes in einem einzigen, kombinierten Haupt- und Abschlussbetriebsplan in geeigneten Fällen nicht entgegen, z.B. bei geophysikalischen Arbeiten oder Explorationsbohrungen. Im Bereich des Festlandsockels – nicht der Küstengewässer – sind nach Absatz 3 Satz 2 grundsätzlich alle Aufsuchungs- und Gewinnungsbetriebe betriebsplanpflichtig. Diese Rückausnahme gewährleistet eine behördliche Kontrolle, um sicherzustellen, dass das in diesem Bereich geltende Völkerrecht beachtet wird.16 Die Bergbehörde kann so in jedem Fall prüfen, ob die Aufsuchung und Gewinnung andere Anlagen, z.B. Einrichtungen der Seefahrt oder Unterwasserkabel, beeinträchtigt oder andere Tätigkeiten, z.B. die Schifffahrt oder den Fischfang, behindert.17 Zudem ist im Bereich des Festlandsockels die Aufsuchung und Gewinnung von Bodenschätzen nach Auf12 13 14 15 16 17 471

Vgl. Rn. 12. Kopp/Ramsauer VwVfG, § 40 Rn. 23. Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht, Rn. 162. Kritisch zur bestehenden Gesetzeslage daher Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht, Rn. 164. Vgl. hierzu § 2 Rn. 28 ff. BT-Drs. 8/1315, S. 106. von Hammerstein

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fassung des Gesetzgebers immer mit besonderen Gefahren verbunden, weil diese Tätigkeiten von der Wasseroberfläche her unter Wasser oder unterirdisch stattfinden müssen.18 Unberührt bleibt nur die Ausnahme für Aufsuchungsbetriebe i.S.d. Absatzes 2.

IV. Entsprechende Anwendung der Betriebsplanvorschriften (§§ 126 bis 129, StandAG) 14 Die §§ 126 ff. erstrecken die Betriebsplanpflicht über die in § 2 Abs. 1 bezeichneten Tätigkeiten und Einrichtungen hinaus auf bestimmte sonstige Tätigkeiten und Einrichtungen. Nach § 126 Abs. 1 ist die Untersuchung des Untergrunds auf seine Eignung zur Errichtung von Untergrundspeichern betriebsplanpflichtig, ebenso wie die Errichtung, der Betrieb und die Einstellung von Untergrundspeichern. Das Gleiche gilt gemäß § 126 Abs. 3 für Anlagen zur Lagerung, Sicherstellung oder Endlagerung radioaktiver Stoffe, wenn die Anlagen ihrer Art nach auch zur unterirdischen behälterlosen Speicherung geeignet sind. Für Bohrungen, die über 100 m in den Boden eindringen und die nicht unter § 2 fallen, gilt die Betriebsplanpflicht gemäß § 127 Abs. 1 Nr. 2 nur, wenn die Bergbehörde die Einhaltung der Betriebsplanpflicht im Einzelfall mit Rücksicht auf den Schutz Beschäftigter oder Dritter oder die Bedeutung des Betriebes für erforderlich erklärt. Ferner ist das Aufsuchen und Gewinnen mineralischer Rohstoffe in alten Halden nach Maßgabe des § 128 betriebsplanpflichtig. Nach § 129 Abs. 1 erstreckt sich die Betriebsplanpflicht auf Versuchsgruben, Besucherbergwerke, Besucherhöhlen sowie auf nicht unter § 2 fallende, wie ein Gewinnungsbetrieb eingerichtete bergbauliche Ausbildungsstätten. Auf sonstige bergbauliche Versuchsanstalten kann der Bundesminister für Wirtschaft durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Betriebsplanvorschriften für entsprechend anwendbar erklären, § 129 Abs. 2. 14a Für die Erkundung des Untergrundes auf seine Eignung zur Einrichtung eines Endlagers für hochradioaktive Abfälle nach dem Standortauswahlgesetz ist § 51 gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 StandAG entsprechend anzuwenden (vgl. Vor §§ 50 bis 57e, Rn. 47 ff.). Erkundungsmaßnahmen sind daher betriebsplanpflichtig, soweit kein Ausnahmetatbestand nach § 51 Abs. 2 vorliegt und die Vorhabenträgerin nicht gemäß § 51 Abs. 3 von der Betriebsplanpflicht befreit wurde. Zuständig für die Betriebsplanzulassung ist die jeweilige Landesbergbehörde.

V. Zuwiderhandlungen 15 Die Betriebsplanpflicht ist ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt. Hiergegen verstoßende Handlungen sind rechtswidrig. Die Bergbehörde kann gemäß § 72 Abs. 1 die Fortsetzung einer betriebsplanpflichtigen Tätigkeit, die jemand ohne zugelassenen Betriebsplan ausübt, untersagen. Im Falle der Einstellung des Betriebes ohne zugelassenen Abschlussbetriebsplan kann die Bergbehörde auf Grund des § 71 Abs. 3 die erforderlichen Maßnahmen anordnen, um die Erfüllung der in § 55 Abs. 2 bezeichneten Voraussetzungen sicherzustellen. Nach § 145 Abs. 1 Nr. 6 handelt ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder fahrlässig einen betriebsplanpflichtigen Betrieb ohne zugelassenen Betriebsplan errichtet, führt oder, ohne dass die Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 oder Absatz 2 vorliegen, einstellt oder Abweichungen von einem zugelassenen Betriebsplan anordnet.

§ 52 Betriebspläne für die Errichtung und Führung des Betriebes (1)

1

Für die Errichtung und Führung eines Betriebes sind Hauptbetriebspläne für einen in der Regel zwei Jahre nicht überschreitenden Zeitraum aufzustellen. 2Eine Unterbrechung

18 BT-Drs. 8/1315, S. 106. von Hammerstein https://doi.org/10.1515/9783110709285-068

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des Betriebes für einen Zeitraum bis zu zwei Jahren gilt als Führung des Betriebes, eine längere Unterbrechung nur dann, wenn sie von der zuständigen Behörde genehmigt wird. 3 Die zuständige Behörde kann festlegen, dass Hauptbetriebspläne auch für einen längeren Zeitraum als für zwei Jahre aufgestellt werden können, wenn eine Kontrolle des Betriebs auch bei einer längeren Laufzeit des Hauptbetriebsplans möglich ist, insbesondere, wenn der Betriebsverlauf absehbar ist. 4Eine Kontrolle des Betriebs bei längerer Laufzeit des Hauptbetriebsplans ist bei Hauptbetriebsplänen im Zusammenhang mit der aufgrund des Kohleverstromungsbeendigungsgesetzes vorgesehenen Einstellung von Braunkohletagebauen im Regelfall zu erwarten. 5Die festzulegende Laufzeit soll in den Fällen der Sätze 3 und 4 vier Jahre nicht überschreiten. Die zuständige Behörde kann verlangen, daß 1. für einen bestimmten längeren, nach den jeweiligen Umständen bemessenen Zeitraum Rahmenbetriebspläne aufgestellt werden, die allgemeine Angaben über das beabsichtigte Vorhaben, dessen technische Durchführung und voraussichtlichen zeitlichen Ablauf enthalten müssen; 2. für bestimmte Teile des Betriebes oder für bestimmte Vorhaben Sonderbetriebspläne aufgestellt werden. 1 Die Aufstellung eines Rahmenbetriebsplanes ist zu verlangen und für dessen Zulassung ein Planfeststellungsverfahren nach Maßgabe der §§ 57a und 57b durchzuführen, wenn ein Vorhaben gemäß der Verordnung nach § 57c in Verbindung mit den Vorschriften des Teils 2 Abschnitt 1 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung einer Umweltverträglichkeitsprüfung bedarf. 2Bei einem Vorhaben, das einzeln oder im Zusammenwirken mit anderen Vorhaben, Projekten oder Plänen geeignet ist, ein Natura 2000-Gebiet erheblich zu beeinträchtigen, wird die Verträglichkeitsprüfung nach § 34 Absatz 1 des Bundesnaturschutzgesetzes zusammen mit der Umweltverträglichkeitsprüfung im Planfeststellungsverfahren nach Satz 1 vorgenommen. 3Anforderungen eines vorsorgenden Umweltschutzes, die sich bei der Umweltverträglichkeitsprüfung ergeben und über die Zulassungsvoraussetzungen des § 55 sowie der auf das Vorhaben anwendbaren Vorschriften in anderen Gesetzen hinausgehen, sind dabei öffentliche Interessen im Sinne des § 48 Abs. 2 1 Für Vorhaben einschließlich notwendiger Folgemaßnahmen, die wegen ihrer räumlichen Ausdehnung oder zeitlichen Erstreckung in selbständigen Abschnitten oder Stufen durchgeführt werden, kann der Rahmenbetriebsplan nach Absatz 2a Satz 1 entsprechend den Abschnitten oder Stufen aufgestellt und zugelassen werden, es sei denn, daß dadurch die erforderliche Einbeziehung der erheblichen Auswirkungen des gesamten Vorhabens auf die Umwelt ganz oder teilweise unmöglich wird. 2Für Vorhaben, die einem besonderen Verfahren im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 3 unterliegen, finden Absatz 2a, § 11 Absatz 1 Wasserhaushaltsgesetz und § 17 Absatz 10 Bundesnaturschutzgesetz und entsprechende Vorschriften über Verfahren zur Durchführung der Umweltverträglichkeitsprüfung in anderen Rechtsvorschriften keine Anwendung, wenn in diesem Verfahren die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung gewährleistet ist, die den Anforderungen dieses Gesetzes entspricht. 3Das Ergebnis dieser Umweltverträglichkeitsprüfung ist bei Zulassungen, Genehmigungen oder sonstigen behördlichen Entscheidungen über die Zulässigkeit des Vorhabens nach Maßgabe der dafür geltenden Vorschriften zu berücksichtigen. Die Absätze 2a und 2b gelten auch für die wesentliche Änderung eines Vorhabens. 1 Bei Vorhaben nach Absatz 2a Satz 1 hat die zuständige Behörde nach Maßgabe der auf das Vorhaben anwendbaren Vorschriften festzulegen, welche Maßnahmen der Unternehmer zur Überwachung erheblicher nachteiliger Auswirkungen auf die Umwelt zu treffen hat. 2Die Festlegung kann auch im Rahmen der Zulassung des Haupt-, Sonderoder Abschlussbetriebsplans erfolgen. 3Bei der Auswahl der Art der zu überwachenden Parameter und der Dauer der Überwachung sind nach Maßgabe der anwendbaren Vorvon Hammerstein

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schriften insbesondere die Art, der Standort und der Umfang des Vorhabens sowie das Ausmaß seiner Auswirkungen auf die Umwelt zu berücksichtigen. Für Arbeiten und Einrichtungen, die von mehreren Unternehmen nach einheitlichen Gesichtspunkten durchgeführt, errichtet oder betrieben werden müssen, haben die beteiligten Unternehmer auf Verlangen der zuständigen Behörde gemeinschaftliche Betriebspläne aufzustellen. 1 Die Betriebspläne müssen eine Darstellung des Umfanges, der technischen Durchführung und der Dauer des beabsichtigten Vorhabens sowie den Nachweis enthalten, daß die in § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 3 bis 13 bezeichneten Voraussetzungen erfüllt sind. 2 Sie können verlängert, ergänzt und abgeändert werden. Für bestimmte Arbeiten und Einrichtungen, die nach einer auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnung einer besonderen Genehmigung bedürfen oder allgemein zuzulassen sind, kann in Haupt- und Sonderbetriebsplänen an Stelle der nach Absatz 4 Satz 1 erforderlichen Darstellung und Nachweise der Nachweis treten, daß die Genehmigung oder Zulassung vorliegt oder beantragt ist.

Übersicht I.

Überblick

II. 1.

Hauptbetriebsplan (Absatz 1) Gegenstand und Geltungsdauer (Absatz 1 8 Satz 1) 10 Unterbrechung (Absatz 1 Satz 2) Wirkung der Zulassung 12 a) Allgemeines b) Betriebsplanzulassung und Grundabtre18 tungsverfahren c) Betriebsplanzulassung und nachträgliche 20 Rechtsänderungen d) Betriebsplanzulassung und außerbergrecht24 liche Genehmigungsverfahren

2. 3.

1

1. 2.

28

III.

Überblick Rahmenbetriebspläne

IV. 1. 2.

Fakultativer Rahmenbetriebsplan (Absatz 2 Nr. 1) 30 Regelung Wirkung der Zulassung 37 a) Allgemeines b) Bindungswirkung für nachfolgende Hauptund Sonderbetriebsplanverfahren aa) Frühe Rechtsprechung und Schrift38 tum 41 bb) Rechtsprechung des BVerwG

V. 1. 2. 3. VI.

Sonderbetriebsplan (Absatz 2 Nr. 2) 48 Regelung Sonderbetriebsplan „Abbaueinwirkungen auf das 50 Oberflächeneigentum“ 51 Wirkung der Zulassung

3. 4. 5. 6. 7.

8. 9. 10.

11.

55 Vorbemerkungen UVP-Pflichtigkeit nach § 57c (Absatz 2a 60 Satz 1) 61 Behördliches Verlangen (Absatz 2a Satz 1) 65 Planfeststellungsverfahren Erörterung des Untersuchungsrahmens (Sco66 ping) 67 Natura 2000-Gebiete (Absatz 2a Satz 2) Anforderungen eines vorsorgenden Umweltschutzes als öffentliche Interessen i.S.d. § 48 Abs. 2 (Ab68 satz 2a Satz 3) Rahmenbetriebsplan in Abschnitten oder Stufen 71 (Absatz 2b Satz 1) Ausnahme von der Planfeststellungspflicht (Ab74 satz 2b Satz 2 und 3) Wesentliche Änderung eines Vorhabens (Ab81 satz 2c) a) Änderung eines UVP-pflichtigen Grundvor83 habens 85 b) Wesentlichkeit der Änderung 86 c) Rechtsfolge 87 d) Keine Anwendung von § 76 VwVfG 88 Überwachungsmaßnahmen (Absatz 2d)

VII. Gemeinschaftlicher Betriebsplan (Ab89 satz 3) 92

VIII. Inhalt der Betriebspläne (Absatz 4 Satz 1) IX.

Verlängerung, Ergänzung und Änderung von Be102 triebsplänen (Absatz 4 Satz 2)

X.

Verweisungsmöglichkeiten (Absatz 5)

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Obligatorischer Rahmenbetriebsplan mit Planfeststellung und Umweltverträglichkeitsprüfung (Absatz 2a bis 2d)

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Zweites Kapitel – Anzeige, Betriebsplan

§ 52

I. Überblick Der Unternehmer darf nach § 51 Abs. 1 Aufsuchungs-, Gewinnungs- oder Aufbereitungsbetriebe nur errichten, führen oder einstellen, wenn er hierfür Betriebspläne aufgestellt und die Bergbehörde diese zugelassen hat. § 52 konkretisiert diese allgemeine Betriebsplanpflicht, indem die Vorschrift für den Bereich der Errichtung und Führung eines Betriebes unterschiedliche Betriebsplanarten ausdifferenziert und näher beschreibt. § 52 unterscheidet zwischen fakultativem und obligatorischem Rahmenbetriebsplan, Hauptbetriebsplan, Sonderbetriebsplan und gemeinschaftlichem Betriebsplan. Für die Einstellung eines Betriebes verlangt § 53 einen Abschlussbetriebsplan. Die verschiedenen Betriebsplanarten des BBergG unterscheiden sich hauptsächlich in Regelungsgehalt und Geltungsdauer. Rahmenbetriebspläne sind auf Verlangen der Bergbehörde für einen bestimmten längeren, nach den jeweiligen Umständen bemessenen Zeitraum aufzustellen. Sie können mitunter einen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten abdecken und müssen nur allgemeine Angaben über das beabsichtigte Vorhaben, dessen technische Durchführung und voraussichtlichen zeitlichen Ablauf enthalten (§ 52 Abs. 2 Nr. 1). Die Zulassung eines Rahmenbetriebsplans berechtigt noch nicht zur Durchführung des Vorhabens. Bedarf ein Vorhaben gemäß § 57c i.V.m. der UVP-V Bergbau einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP), muss die Behörde einen sog. obligatorischen Rahmenbetriebsplan verlangen. Für dessen Zulassung ist ein Planfeststellungsverfahren mit UVP durchzuführen (§ 52 Abs. 2a Satz 1). Hauptbetriebspläne bilden die Grundlage für die Errichtung und Führung eines Betriebes. Sie sollen in der Regel eine Laufzeit von zwei Jahren haben und eine Laufzeit von vier Jahren nicht überschreiten (§ 52 Abs. 1). Im Hauptbetriebsplan sind die für die Errichtung und Führung des Betriebes vorgesehenen Arbeiten und Maßnahmen darzustellen. Der Hauptbetriebsplan ist zwingend vorgeschrieben und kann nicht durch einen Rahmenbetriebsplan – auch nicht in Verbindung mit Sonderbetriebsplänen – ersetzt werden.1 Die (unbedingte) Zulassung des Hauptbetriebsplans berechtigt den Unternehmer, die vorgesehenen Maßnahmen durchzuführen. Sonderbetriebspläne können aufgestellt werden für besondere Teile des Betriebes oder für bestimmte Vorhaben, über die im Hauptbetriebsplan nicht abschließend entschieden werden kann oder soll (§ 52 Abs. 2 Nr. 2). Sie dienen der verwaltungstechnischen Vereinfachung.2 Eine zeitliche Begrenzung der Laufzeit der Sonderbetriebspläne sieht das BBergG nicht vor. Gemeinschaftliche Betriebspläne sind auf Verlangen der Bergbehörde aufzustellen für Arbeiten und Einrichtungen, die von mehreren Unternehmern nach einheitlichen Gesichtspunkten durchgeführt, errichtet und betrieben werden (§ 52 Abs. 3). Der gemeinschaftliche Betriebsplan kann inhaltlich die Form eines Rahmen-, Haupt- oder Sonderbetriebsplans haben. Für die Einstellung eines Bergbaubetriebes ist ein Abschlussbetriebsplan aufzustellen, der eine genaue Darstellung der technischen Durchführung und der Dauer der beabsichtigten Betriebseinstellung enthält (§ 53 Abs. 1). Für die Erkundung des Untergrundes auf seine Eignung zur Einrichtung eines Endlagers für hochradioaktive Abfälle nach dem Standortauswahlgesetz ist § 52 gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 StandAG entsprechend anzuwenden (vgl. Vor §§ 50 bis 57e, Rn. 47 ff.).

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II. Hauptbetriebsplan (Absatz 1) 1. Gegenstand und Geltungsdauer (Absatz 1 Satz 1) Der Hauptbetriebsplan muss für jeden der Betriebsplanpflicht unterliegenden Betrieb aufgestellt 8 werden. Er kann auch parallel zu einem – fakultativen oder obligatorischen – Rahmenbetriebs1 BVerwG 13.12.1991, 7 C 25/90, BVerwGE 89, 246 = ZfB 1992, 569, juris Rn. 38; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 52 Rn. 10.

2 Kühne UPR 1986, 81. 475

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plan aufgestellt und zur Zulassung eingereicht werden.3 Der Hauptbetriebsplan bildet die Grundlage für die Errichtung und Führung des Betriebes. Zum Begriff des Betriebes vgl. § 4 Abs. 1 (Aufsuchung), Abs. 2 und 8 (Gewinnung) und Abs. 3 (Aufbereitung). Die zwingende Zulassung eines Hauptbetriebsplans wird nicht durch die Zulassung von Sonderbetriebsplänen ersetzt.4 Die Hauptbetriebsplanzulassung ist andererseits keine den Sonderbetriebsplanzulassungen übergeordnete Genehmigung. Einrichtungen und Tätigkeiten, deren Prüfung nach den Maßstäben von § 55 und § 48 Abs. 2 BBergG in Sonderbetriebsplanverfahren abgeschichtet worden ist, sind im Hauptbetriebsplanverfahren nicht erneut zu prüfen. Die Bergbehörde darf im Hauptbetriebsplanverfahren also nicht versagen, was sie im Sonderbetriebsplanverfahren bereits zugelassen hat. Im Hauptbetriebsplan sind die für einen bestimmten Zeitraum im gesamten Betrieb vorgesehenen Arbeiten und Einrichtungen darzustellen. Bei der Neuerrichtung eines Betriebes enthält der Hauptbetriebsplan eine Darstellung der vorgesehenen Arbeiten sowie aller zu errichtenden Betriebsanlagen und Betriebseinrichtungen. Die späteren Hauptbetriebspläne gehen von dem bereits zugelassenen Betriebszustand aus und stellen die für die Laufzeit des Betriebsplans vorgesehene Betriebsentwicklung dar. Die Darstellung des Betriebszustandes kann aus einem Hauptbetriebsplan in den folgenden übernommen werden, soweit keine Änderungen des Betriebszustandes eingetreten sind. Zum Inhalt eines Hauptbetriebsplans vgl. unten Rn. 92 ff., 99. 9 Der Hauptbetriebsplan muss eine bestimmte Geltungsdauer haben. Eine unbefristete Hauptbetriebsplanzulassung wäre rechtswidrig.5 Um das Betriebsplanverfahren so effektiv wie möglich zu gestalten, soll die Geltungsdauer nach Absatz 1 Satz 1 „in der Regel“ zwei Jahre nicht überschreiten. Das bedeutet, dass in atypischen Fällen die Behörde auch einen Betriebsplan mit längerer Geltungsdauer zulassen kann.6 Hierdurch kann in der Praxis der Verschiedenartigkeit der Betriebsarten Rechnung getragen werden. Ein atypischer Fall, der eine längere Geltungsdauer des Hauptbetriebsplanes rechtfertigt, kann etwa bei einem Betrieb vorliegen, bei dem während eines Zweijahreszeitraums nur wenige Veränderungen stattfinden. Die Betriebsplanzulassung umfasst den Zeitraum, für den der Hauptbetriebsplan aufgestellt worden ist. 9a Durch die Ergänzung des Absatzes 1 um den Satz 3 hat der Gesetzgeber im Zuge der Änderung des BBergG 2021 das Vorstehende klargestellt. Nach Satz 3 kann die Behörde festlegen, dass Hauptbetriebspläne auch für einen längeren Zeitraum als für zwei Jahre aufgestellt werden, wenn eine Kontrolle des Betriebs auch bei einer längeren Laufzeit des Hauptbetriebsplans möglich ist, insbesondere, wenn der Betriebsverlauf absehbar ist. Nach Satz 4 ist dies bei Hauptbetriebsplänen im Zusammenhang mit der aufgrund des Kohleverstromungsbeendigungsgesetzes vorgesehenen Einstellung von Braunkohletagebauen regelmäßig der Fall. Wird der Betriebsplan nach Satz 1 für einen längeren Zeitraum als für zwei Jahre aufgestellt, soll er nach Satz 5 einen Zeitraum von vier Jahren nicht überschreiten. Die Soll-Regelung schließt es nicht aus, Hauptbetriebspläne auch für längere Zeiträume zuzulassen, wenn die Kontrolle des Betriebes sichergestellt ist. Insbesondere bei Betrieben der Steine- und Erdenindustrie können wegen der häufig relativ statischen Betriebsweise auch längere Zyklen ausreichen. Dies entlastet vor allem kleinere Unternehmen von dem mit einem Betriebsplanverfahren verbundenen Aufwand. Aus § 54 Abs. 1 ergibt sich, dass Hauptbetriebspläne auch verlängert werden können. Wenn sich die Betriebsweise und die tatsächlichen Verhältnisse nicht geändert haben, muss also nach Auslaufen der Zulassung kein neuer Hauptbetriebsplan eingereicht werden. Es genügt, die Verlängerung der Zulassung zu beantragen.

3 A.A. Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 52 Rn. 11. 4 BVerwG 13.12.1991, 7 C 25/90, BVerwGE 89, 246, 259 f. = ZfB 1992, 38, 46; Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht, Rn. 198; Niermann Betriebsplan und Planfeststellung im Bergrecht, S. 205; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 52 Rn. 10; Beckmann DVBl 2021, 137, 141. 5 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 52 Rn. 14. 6 Zum Ermessen bei Regelvorschriften Stelkens/Bonk/Sachs VwVfG, § 40 Rn. 26a f.; Schoch/Schneider/Bier/Riese VwGO, § 114 Rn. 16 m.w.N. von Hammerstein

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Anlass für die Gesetzesänderung waren der Kohleausstieg und die für seine Umsetzung erfor- 9b derliche Umplanung von Braunkohletagebauen.7 Die Beschränkung der zeitlichen Geltungsdauer der Hauptbetriebspläne auf regelmäßig zwei Jahre ist in Bezug auf die Umplanung nicht sinnvoll, da das Abbauende feststeht und die betrieblichen Sachverhalte sich kaum ändern. In der Regel sind die zur Genehmigung stehenden Vorhaben zeitlich überschaubar und können bereits im Zeitpunkt der Aufstellung des ersten Betriebsplans vollständig geplant und beschrieben werden.8 Die Verlängerung der Laufzeit solcher Betriebspläne ist im Sinne der Verfahrensbeschleunigung angezeigt. Die Regelung gilt nicht nur für den Bereich des Braunkohletagebaus, sondern auch für alle anderen Bergbauvorhaben, wenn eine engmaschige Kontrolle im Sinne des Satzes 1 aufgrund der jeweiligen Betriebsweise nicht erforderlich ist.9 Unabhängig von der Art des betroffenen Bergbauvorhabens hat die Behörde stets in Bezug auf den Einzelfall zu prüfen, ob ein längerer Geltungszeitraum als zwei Jahre festgelegt werden kann.

2. Unterbrechung (Absatz 1 Satz 2) § 52 Abs. 1 Satz 2 enthält eine wichtige Bestimmung über das Verhältnis von Einstellung und 10 Unterbrechung des Betriebes. Sie soll einerseits sicherstellen, dass auch bei einer unter Umständen notwendigen vorübergehenden Unterbrechung des Betriebes ein Betriebsplan vorliegt. Andererseits soll sie ausschließen, dass ein Unternehmer unter dem Vorwand der Unterbrechung die Verpflichtungen, die an die Einstellung eines Betriebes geknüpft sind (vgl. § 53 und § 55 Abs. 2, z.B. Wiedernutzbarmachung), umgehen kann.10 Die hier getroffene Regelung ermöglicht es, im Einzelfall festzustellen, ob bei einer Betriebsunterbrechung § 52 oder § 53 anzuwenden ist. Eine Unterbrechung des Betriebes bis zu einer Dauer von zwei Jahren gilt als „Führung des Betriebes“ mit der Folge, dass für diesen Zeitraum die Betriebsplanpflicht nach § 51 i.V.m. § 52 weiter besteht. Dauert die Unterbrechung länger als zwei Jahre, gilt dies als Einstellung eines Betriebes. § 52 Abs. 1 Satz 2 ermöglicht es aber der Bergbehörde, auf Antrag des Unternehmers die Zweijahresfrist zu verlängern. Auf die Genehmigung besteht ein Rechtsanspruch, wenn ausreichend dargelegt wird, dass der Betrieb tatsächlich in absehbarer Zeit wieder aufgenommen werden soll und kann. In diesem Fall ist eine Umgehung der mit der Einstellung verbundenen Pflichten nicht zu befürchten. Der Aufwand für die Betriebseinstellung und deren anschließende Rückgängigmachung wären daher eine unverhältnismäßige Beeinträchtigung des aus der Bewilligung, dem Bergwerkseigentum oder dem Grundeigentum folgenden und nach Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Gewinnungsrechts. Bei Bedarf können auch mehrfache Verlängerungsgenehmigungen erteilt werden.11 Im Falle einer Verlängerung auf mehr als drei Jahre ist § 18 BImSchG zu beachten, wenn die bergrechtlich zugelassene Anlage zugleich immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftig ist. Während einer Unterbrechung, die als Führung des Betriebes gilt, genügt ein vereinfachter, 11 gelegentlich als „Ruhebetriebsplan“ bezeichneter Hauptbetriebsplan, der lediglich die speziellen Fragen der Unterbrechung regelt. Dies sind etwa Fragen der Sicherung des Betriebes und erforderlicher Kontrollen.

7 BT-Drs. 19/28402, S. 14. 8 BT-Drs. 19/28402, S. 15. 9 BT-Drs. 19/28402, S. 15. 10 BT-Drs. 8/1315, S. 107. 11 Frenz/Beckmann BBergG, § 52 Rn. 33. Vgl. auch die einhellige Meinung zu § 18 Abs. 3 BImSchG, Landmann/Rohmer/ Hansmann Umweltrecht, § 18 BImSchG Rn. 39 m.w.N. 477

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Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

3. Wirkung der Zulassung 12 a) Allgemeines. Die Hauptbetriebsplanzulassung ist ein Verwaltungsakt i.S.v. § 35 VwVfG.12 Dabei ist der Betriebsplan von seiner Zulassung zu unterscheiden. Verwaltungsakt ist nicht der vom Unternehmer aufgestellte Betriebsplan selbst, sondern nur der Bescheid, mit dem die Bergbehörde diesen zulässt. 13 Die Zulassung hat keine Konzentrationswirkung. Sie ersetzt also nicht die Entscheidungen anderer Behörden, die für das Vorhaben auf Grund anderer öffentlich-rechtlicher Vorschriften erforderlich sind.13 Der Betrieb kann folglich erst aufgenommen werden, wenn alle für den Betrieb erforderlichen öffentlich-rechtlichen Zulassungen vorliegen.14 Die (unbedingte) Zulassung des Hauptbetriebsplans hat Gestattungswirkung, d.h. sie berech14 tigt, verpflichtet den Unternehmer aber nicht, die im Betriebsplan vorgesehenen Maßnahmen durchzuführen.15 Sofern bestimmte für die Zulassungsvoraussetzungen relevante Angaben nicht im Hauptbetriebsplan enthalten sind, sondern gesonderten Betriebsplänen vorbehalten bleiben, kann die Bergbehörde den Eintritt der Gestattungswirkung von der Zulassung entsprechender Sonderbetriebsplanzulassungen abhängig machen.16 Die Zulassung enthält auch die Feststellung, dass der Betriebsplan die bergrechtlichen Zulas15 sungsvoraussetzungen erfüllt, dass also den im Betriebsplan vorgesehenen Maßnahmen keine der nach §§ 55 und § 48 Abs. 2 zu prüfenden Belange entgegenstehen.17 Die Feststellungswirkung bezieht sich nur auf die Vereinbarkeit des Vorhabens mit der zum Zulassungszeitpunkt geltenden Rechtslage.18 Als Verwaltungsakt bindet die Zulassung mit allen in ihr getroffenen Gestattungen und Fest16 stellungen den Adressaten und die zulassende Behörde (Bindungswirkung). Das gilt auch für den Fall einer rechtswidrigen Zulassung, solange sie nur wirksam, also nicht nichtig ist. Will die Behörde von der Zulassung abweichen, muss sie diese erst unter den Voraussetzungen der § 56 Abs. 1 Satz 2 BBergG bzw. §§ 48 f. VwVfG modifizieren oder aufheben.19 Wie alle Verwaltungsakte bindet die Zulassung auch andere Behörden und öffentlich-rechtliche Rechtsträger. Diese haben die Tatsache, dass die Betriebsplanzulassung existiert und deren Inhalt ohne erneute Nachprüfung der Rechtmäßigkeit ihrer Entscheidung zugrunde zu legen (sog. Tatbestandswirkung).20 Bindungswirkung und Tatbestandswirkung umfassen sowohl den gestattenden als auch den feststellenden Teil der Zulassung.21 Relevant sind diese Bindungswirkungen insbesondere für drei Konstellationen, die nachfol17 gend behandelt werden: Auswirkungen der Betriebsplanzulassung auf das Grundabtretungsverfahren nach §§ 77 ff. (Rn. 18 f.), Auswirkungen von nachträglichen Rechtsänderungen auf Be12 Glückert FS Kühne (2009), S. 543; Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht, Rn. 269; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 56 Rn. 9; Schmidt-Aßmann/Schoch Bergwerkseigentum und Grundeigentum im Betriebsplanverfahren, S. 166 f. 13 BT-Drs. 8/1315, S. 109; Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht, Rn. 284; Müller/Schulz Handbuch Recht der Bodenschätzegewinnung, Rn. 405. 14 Frenz/Beckmann BBergG, § 52 Rn. 16. 15 BVerwG 20.10.2008, 7 B 21/08 = ZfB 2008, 249, 252; Schmidt-Aßmann/Schoch Bergwerkseigentum und Grundeigentum im Betriebsplanverfahren, S. 166; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 52 Rn. 9, 15, § 56 Rn. 48. 16 Frenz/Beckmann BBergG, § 52 Rn. 12. 17 OVG Magdeburg 26.5.2008, 2 L 187/06, NuR 2008, 578, 582; VG Stade 16.7.1991, 3 A 433/85 = ZfB 1992, 52, 62; SchmidtAßmann/Schoch Bergwerkseigentum und Grundeigentum im Betriebsplanverfahren, S. 166 f.; Niermann Betriebsplan und Planfeststellung im Bergrecht, S. 62 f. 18 BVerwG 23.10.2008, 7 C 4/08, NVwZ 2009, 647, 648. 19 Vgl. Kopp/Ramsauer VwVfG, § 43 Rn. 14; Knack/Henneke/Ruffert VwVfG, § 43 Rn. 9. 20 BVerwG 4.7.1986, 4 C 31/84, BVerwGE 74, 315, 320; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 56 Rn. 87; vgl. auch Kopp/ Ramsauer VwVfG, § 43 Rn. 18 f.; vgl. zum Verhältnis von Atomrecht und Wasserrecht, BVerwG 22.11.1979, 4 B 162/79, NJW 1980, 1406. 21 Vgl. Schmidt-Aßmann/Schoch Bergwerkseigentum und Grundeigentum im Betriebsplanverfahren, S. 168 ff. von Hammerstein

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Zweites Kapitel – Anzeige, Betriebsplan

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triebsplanzulassungen (Rn. 20 ff.) und Auswirkungen auf nachfolgende außerbergrechtliche Genehmigungsverfahren (Rn. 24 ff.). Die Bindungswirkung einer Hauptbetriebsplanzulassung über deren Geltungszeitraum hinaus, also insbesondere für das Verlängerungsverfahren, wird unter Rn. 108 ff. erörtert.

b) Betriebsplanzulassung und Grundabtretungsverfahren. Es stellt sich die Frage, welche 18 Auswirkungen die bestandskräftige Zulassung eines Betriebsplans auf ein anschließendes Grundabtretungsverfahren nach den §§ 77 bis 83 hat. Der Hauptbetriebsplanzulassung (und auch der Rahmenbetriebsplanzulassung) kommt keine enteignungsrechtliche Vorwirkung zu.22 Das bedeutet, dass die Zulassung nicht bereits abschließend die Zulässigkeit einer später im Grundabtretungsverfahren zu prüfenden Enteignung einzelner Grundstücke feststellt. Die enteignungsrechtliche Vorwirkung würde eine ausdrückliche gesetzliche Anordnung voraussetzen, die im BBergG jedoch fehlt.23 Eine abschließende Bindung scheidet zudem aus, weil die Voraussetzungen für die Grundabtretung nicht vollständig von den Voraussetzungen für die Zulassung eines Betriebsplans abgedeckt werden.24 Nach § 48 Abs. 2 Satz 1 ist eine Betriebsplanzulassung zu beschränken oder zu versagen, wenn dem Vorhaben überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen. Eine Grundabtretung muss notwendig i.S.v. § 77 sein, und sie muss gemäß Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG, § 79 Abs. 1 Satz 1 dem Wohl der Allgemeinheit dienen. Diese Voraussetzungen sind nicht deckungsgleich, können sich aber überschneiden.25 Demzufolge hat die für die Grundabtretung zuständige Behörde selbst im Wege einer umfassenden Güterabwägung festzustellen, ob das Vorhaben dem Wohl der Allgemeinheit dient. Eine Bindungswirkung kann jedoch insoweit bestehen, als einzelne Elemente dieser Gesamtabwägung wegen einer bestandskräftigen Betriebsplanzulassung der nochmaligen Überprüfung entzogen sein können. Eine solche Bindungswirkung besteht, soweit die Voraussetzungen der Grundabtretung deckungsgleich mit denen der Betriebsplanzulassung sind.26 Inwieweit dies der Fall ist, ist in der Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt.27 Bedeutsam für das Grundabtretungsverfahren ist eine Betriebsplanzulassung aber nach Auffas- 19 sung des BVerwG dann, wenn ein betroffener Eigentümer nach § 48 Abs. 2 Satz 2 bis 5 am Zulassungsverfahren beteiligt wurde oder wenn er zwar nicht beteiligt wurde, er aber die Zulassung ergebnislos angefochten hat. In diesem Fall enthält die Betriebsplanzulassung die Feststellung, dass das Vorhaben einer „technisch und wirtschaftlich sachgemäßen Betriebsplanung und Betriebsführung“ i.S.v. § 77 Abs. 2 Satz 1 entspricht und die Benutzung der Grundstücke für das Abbauvorhaben unter diesem Gesichtspunkt erforderlich ist.28 Diese Feststellung ist – vorbehaltlich einer Änderung der tatsächlichen Verhältnisse – bindend. Vgl. hierzu auch § 48 Rn. 74 ff.

22 BVerfG 17.12.2013, 1 BvR 3139/08, 1 BvR 3386/08, BVerfGE 134, 242 Rn. 272 = ZfB 2014, 49 Rn. 273, mit Anm. Dammert ZfB 2014, 1 und 105; Durner/Karrenstein DVBl 2014, 182; Frenz NVwZ 2014, 194; Kühne NVwZ 2014, 321; Ludwig ZUR 2014, 451; Ziehm ZUR 2014, 458; BVerwG 24.6.2010, 7 C 16/09 = ZfB 2010, 136 Rn. 24; BVerwG 20.10.2008, 7 B 21/08 = ZfB 2008, 249 Rn. 12; BVerwG 29.9.2008, 7 B 20/08 = ZfB 2009, 43 Rn. 14 ff.; BVerwG 29.6.2006, 7 C 11/05, BVerwGE 126, 205 Rn. 26; BVerwG 14.12.1990, 7 C 18/90, ZfB 1991, 140; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 56 Rn. 49, 79. 23 BVerwG 20.10.2008, 7 B 21/08 = ZfB 2008, 249 Rn. 11 f.; BVerwG 29.9.2008, 7 B 20/08 = ZfB 2009, 43 Rn. 16; BVerwG 21.2.1991, 4 NB 16/90, NVwZ 1991, 873. 24 BVerwG 20.10.2008, 7 B 21/08 = ZfB 2008, 249 Rn. 14. 25 BVerwG 24.6.2010, 7 C 16/09 = ZfB 2010, 136 Rn. 23; BVerwG 20.10.2008, 7 B 21/08 = ZfB 2008, 249 Rn. 14. 26 OVG Münster, 21.12.2007, 11 A 3051/06 = ZfB 2008, 126, 134; offengelassen von BVerwG 20.10.2008, 7 B 21/08 = ZfB 2008, 249 Rn. 15 ff. 27 BVerwG 24.6.2010, 7 C 16/09 = ZfB 2010, 136 Rn. 24; BVerwG 20.10.2008, 7 B 21/08 = ZfB 2008, 249 Rn. 17. 28 BVerwG 29.6.2006, 7 C 11/05, BVerwGE 126, 205 Rn. 26; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 56 Rn. 80; Frenz/ Beckmann BBergG, § 52 Rn. 15; anders noch BVerwG 14.12.1990, 7 C 18/90, BVerwGE 87, 241. 479

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20 c) Betriebsplanzulassung und nachträgliche Rechtsänderungen. Von den Rechtswirkungen einer Betriebsplanzulassung hängt auch ab, welche Auswirkungen es hat, wenn sich nach der Zulassung die Rechtslage ändert. Hierbei sind verschiedene Konstellationen zu unterscheiden. Ändern kann sich zunächst sonstiges Fachrecht, dessen Anforderungen nicht im Betriebsplanverfahren zu prüfen waren. In diesem Fall schützt die Betriebsplanzulassung nicht vor neuen oder geänderten Anforderungen, die in anderen Verfahren zu prüfen und durchzusetzen sind. 21 Etwas anderes gilt bei Änderungen des BBergG oder – relevanter – im Falle von Änderungen derjenigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften, die im Zulassungsverfahren im Rahmen von § 48 Abs. 2 zu prüfen sind. Dies kann dazu führen, dass eine Rechtslage entsteht, bei der die Zulassung so nicht erneut ergehen dürfte. Aufgrund der (materiellen) Bestandskraft bleibt die Zulassung dennoch wirksam, und die Behörde kann sie nur nach Maßgabe der § 56 Abs. 1 Satz 2 BBergG bzw. §§ 48 f. VwVfG modifizieren oder aufheben. Die Bestandskraft der Zulassung führt also dazu, dass im Regelfall nachträgliche Rechtsänderungen das Vorhaben nur mittelbar beeinflussen. Sie müssen erst durch nachträgliche Auflagen oder Anordnungen der Verwaltung nach den dafür geltenden Regeln umgesetzt werden. 22 In bestimmten Fällen kann die Rechtsänderung gleichwohl das zugelassene Vorhaben unmittelbar – also ohne Verwaltungsvollzug – beeinflussen. Zum einen kann sich unter Umständen aus der konkreten Betriebsplanzulassung ein dynamischer Verweis auf die jeweils geltenden Regelungen ergeben.29 Dies ist eine Frage des Einzelfalls. Zum anderen ist es im verfassungsmäßigen Rahmen auch möglich, dass ein späteres Gesetz für die Zukunft auch an bereits zugelassene Vorhaben unmittelbar geltende neue (strengere) Anforderungen stellt. Ob einer späteren Rechtsänderung diese sog. unmittelbar zulassungsmodifizierende Wirkung zukommt, ist eine Frage des betreffenden Fachrechts.30 Fehlt eine ausdrückliche Anordnung, ist im Wege der Auslegung zu klären, ob den neuen Pflichten unmittelbar zulassungsmodifizierende Wirkung zukommt oder nicht. Umstritten ist dies etwa für die Vorsorgepflichten und -werte nach §§ 7 BBodSchG und 9 BBodSchV i.V.m. Anhang 2 Nr. 4 BBodSchV.31 23 Nachträgliche Anforderungen können sich auch ergeben, wenn die Europäische Kommission ein vom Bergwerk berührtes Gebiet in die Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung nach Art. 4 Abs. 2 der FFH-Richtlinie (Richtlinie 92/43/EWG, FFH-RL) aufgenommen hat. Hintergrund ist, dass für Projekte, die das betreffende Schutzgebiet erheblich beeinträchtigen könnten, nach Art. 6 Abs. 3 FFH-RL und § 34 Abs. 1 BNatSchG eine FFH-Verträglichkeitsprüfung durchzuführen ist. Nach der Rechtsprechung des EuGH kann nach Art. 6 Abs. 3 und 4 FFH-RL auch bei Vorhaben, die bereits vor Ablauf der Umsetzungsfrist der FFH-RL nach nationalem Recht endgültig genehmigt wurden, nachträglich eine Verträglichkeitsprüfung durchzuführen sein.32 Die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit stehen dem nach Auffassung des Gerichtshofs nicht entgegen. Bei fortgesetzten Vorhaben kann demnach jeder erneute Eingriff ein Projekt im Sinne Art. 6 Abs. 3 FFH-RL darstellen. Anderes gilt nur, wenn die geplanten Maßnahmen im Hinblick auf ihre Art, auf die Umstände oder im Hinblick darauf, dass sie wiederkehrend anfallen, mit den bereits durchgeführten Tätigkeiten als ein einziges Projekt angesehen werden können.33 Zu beachten ist aber, dass nach Ansicht des EuGH auch dann, wenn ein Vorhaben als einheitliches Projekt anzusehen ist und deshalb die Pflicht zur Durchführung einer nachträglichen FFH-Verträglichkeitsprüfung nicht besteht, gleichwohl die allgemeine Schutzpflicht aus Art. 6 Abs. 2 FFH-RL 29 Vgl. OVG Koblenz 12.11.2009, 1 A 11222/09 = ZfB 2010, 162, 167 ff.; nicht beanstandet von BVerwG 28.7.2010, 7 B 16/ 10 = ZfB 2010, 242 Rn. 6 f. mit Anm. Attendorn NVwZ 2011, 327.

30 Attendorn NVwZ 2011, 327, 331. 31 Bejahend OVG Koblenz 12.11.2009, 1 A 11222/09 = ZfB 2010, 162, 170 ff.; die Revisionsinstanz BVerwG 28.7.2010, 7 B 16/10 = ZfB 2010, 242 Rn. 4 musste hierüber nicht entscheiden. Ablehnend Attendorn NVwZ 2011, 327, 331; Attendorn NuR 2011, 28; Dazert AbfallR 2010, 102, 103 ff. 32 EuGH 14.1.2010, C-226/08, Slg. 2010, I-131, Rn. 41 ff., 50; EuGH 14.1.2016, C-399/14, NVwZ 2016, 156 LS 1. Vgl. auch die Anm. Gärditz DVBl 2010, 245; Glaser EuZW 2010, 225; Stüer DVBl 2010, 245; Würtenberger NuR 2010, 316. 33 EuGH 14.1.2010, C-226/08, Slg. 2010, I-131, Rn. 47 f., 51. von Hammerstein

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gilt. Danach sind Verschlechterungen und Störungen, die sich im Hinblick auf die Ziele der FFHRL erheblich auswirken können, zu vermeiden.34

d) Betriebsplanzulassung und außerbergrechtliche Genehmigungsverfahren. Sofern keine Konzentrationsvorschriften greifen, stehen die verschiedenen Genehmigungserfordernisse nebeneinander.35 Mangels Konzentrationswirkung der Betriebsplanzulassung sind für Bergbauvorhaben daher häufig weitere Genehmigungen erforderlich, wie Baugenehmigungen oder immissionsschutzrechtliche, naturschutzrechtliche, wasserrechtliche, denkmalschutzrechtliche und forstrechtliche Zulassungen. Diese Genehmigungen müssen nicht bereits bei Erteilung der Betriebsplanzulassung vorliegen. Sie können auch später erteilt werden. Die vereinzelt gebliebene gegenteilige, aber nicht näher begründete Auffassung des OVG Münster,36 ein Hauptbetriebsplan für ein mit einer Gewässerbenutzung verbundenes Vorhaben dürfe wegen entgegenstehender Gründe des Grundwasserschutzes nicht vor oder nur bei gleichzeitiger Erteilung der erforderlichen wasserrechtlichen Gestattung zugelassen werden, verkennt, dass mehrere parallel einzuholende Genehmigungen nicht in einem gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnis stehen.37 Relevant ist besonders das Verhältnis von bergrechtlichen und wasserrechtlichen Verfahren. Sofern im Betriebsplan vorgesehene Maßnahmen einen Benutzungstatbestand des § 9 WHG erfüllen, bedürfen sie auch einer wasserrechtlichen Erlaubnis oder Bewilligung. Beispiele sind Grundwasserabsenkungen im Tagebau und Abwassereinleitungen. Die hierfür geltende Vorschrift des § 19 Abs. 2 und 3 WHG, nach der die wasserrechtliche Erlaubnis von der Bergbehörde im Einvernehmen mit der Wasserbehörde erteilt wird, normiert eine reine Zuständigkeitskonzentration und ändert nichts an der Erforderlichkeit der wasserrechtlichen Gestattung und der hierfür zu berücksichtigenden materiellen Rechtslage. Bewirkt eine Maßnahme die Herstellung, Beseitigung und wesentliche Umgestaltung eines Gewässers i.S.v. § 67 Abs. 2 WHG, wie etwa die Flutung von Tagebaurestlöchern, handelt es sich um einen Gewässerausbau, der einer Planfeststellung bedarf (§ 68 Abs. 1 WHG). In diesen Fällen überschneiden sich Prüfungsumfang und Entscheidungsgegenstand der bergrechtlichen und wasserrechtlichen Verfahren. Im wasserrechtlichen Verfahren stellt sich deshalb die Frage, welche Auswirkungen es hat, wenn die betreffende Maßnahme bereits von einem zugelassenen Betriebsplan erfasst ist. Die bergrechtliche Zulassungsentscheidung kann das Ergebnis des wasserrechtlichen Verfahrens nicht vollumfänglich bindend vorgeben.38 Einerseits wird der wasserrechtliche Prüfungsund Genehmigungsumfang nicht vollständig im Betriebsplanverfahren abgedeckt. Die Bergbehörde hat nur zu prüfen, ob das Vorhaben auf unüberwindbare wasserwirtschaftliche Belange stößt und damit schon zum Zeitpunkt der Betriebsplanzulassung feststeht, dass ihm überwiegende öffentliche Interessen i.S.d. § 48 Abs. 2 Satz 1 entgegenstehen.39 Zum anderen besteht im Gegensatz zur Betriebsplanzulassung bei der wasserrechtlichen Erlaubnis ein Bewirtschaftungsermessen und im Falle der wasserrechtlichen Planfeststellung ein Planungsermessen.40 Dennoch ist die Betriebsplanzulassung für die wasserrechtlichen Verfahren nicht bedeutungslos. Dies ergibt sich daraus, dass bei Vorhaben mit wasserrechtlichem Bezug die Wasserbehörde schon am bergrechtlichen Verfahren beteiligt war. Aus ihrem eigenen Vorverhalten im Rahmen der Beteiligung im 34 EuGH 14.1.2010, C-226/08, Slg. 2010, I-131, Rn. 49; EuGH 14.1.2016, C-399/14, NVwZ 2016, 156 LS 2. 35 BVerwG 4.7.1986, 4 C 31/84, BVerwGE 74, 315, 317; Kühne Braunkohlenplanung und bergrechtliche Zulassungsverfahren, S. 34.

36 OVG Münster, 18.11.2015 = ZfB 2016, 33, 52 f. unter Verweis auf Entscheidungen des BVerwG, denen sich allerdings kein Beleg für diese Auffassung entnehmen lässt. Frenz/Beckmann BBergG, § 52 Rn. 19. Kühne Braunkohlenplanung und bergrechtliche Zulassungsverfahren, S. 36 f.; Reinhardt NuR 1999, 134, 142 f. BVerwG 15.12.2006, 7 C 6/06, BVerwGE 127, 272 Rn. 40; Jordan ZfB 2018, 102, 114. Reinhardt NuR 1999, 134, 142; Viertel ZfW 2002, 69, 79.

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Betriebsplanverfahren ergibt sich eine Ermessensbindung nach den allgemeinen Grundsätzen.41 Diese Bindung ist stets abhängig vom konkreten Einzelfall. Relevant ist insbesondere, auf Grundlage welchen Kenntnisstands eine wasserbehördliche Einlassung stattgefunden hat und ob sich seitdem neue Tatsachen ergeben haben. Neue Erkenntnisse kann auch die im Rahmen der wasserrechtlichen Planfeststellung zu beteiligende Öffentlichkeit liefern. Ermessensfehlerhaft wäre es allerdings, wenn die Wasserbehörde lediglich aufgrund politischer Umorientierung grundlegend von derjenigen wasserwirtschaftlichen Konzeption abweicht, die sie noch im bergrechtlichen (und eventuell auch im vorgelagerten Planungsverfahren) vertreten hat.42 Auch darf die Wasserbehörde außerhalb der Wasserwirtschaft liegende Umstände, die primär im Betriebsplanverfahren zu prüfen waren, nicht anders beurteilen als die hierfür zuständige Bergbehörde.43 Häufig wird sich also die Situation ergeben, dass die Entscheidung hinsichtlich des „ob“ vorgezeichnet ist, aber ein Spielraum hinsichtlich des „wie“ der wasserrechtlichen Entscheidung bleibt.44

III. Überblick Rahmenbetriebspläne 28 Rahmenbetriebspläne stellen das beabsichtigte Vorhaben in allgemein gehaltenen Angaben dar, ohne Einzelheiten zu beschreiben. Sie stecken einen Rahmen ab für die künftigen, durch weitere Haupt- und Sonderbetriebspläne zu genehmigenden Abschnitte eines Vorhabens. Diese werden so in einen größeren zeitlichen Zusammenhang gestellt, um die längerfristige Entwicklung beurteilen zu können.45 Anders als bei einer bloßen Aneinanderreihung von Hauptbetriebsplänen in Zweijahresabständen erhält die Behörde damit zu einem möglichst frühen Zeitpunkt einen Überblick über das Gesamtvorhaben oder einen größeren eigenständigen Teilbereich. Sie kann hierdurch eventuelle Konflikte des Projekts mit den Belangen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, insbesondere der Umwelt abschätzen und gegebenenfalls vermeiden.46 Rahmenbetriebspläne haben eine ergänzende Funktion. Sie können den Hauptbetriebsplan nicht ersetzen. Mit der Zulassung des Rahmenbetriebsplanes erhält der Unternehmer die grundsätzliche bergrechtliche Billigung der Ausübung seines Aufsuchungs- und Gewinnungsrechts innerhalb des im Betriebsplan abgesteckten Rahmens. Er kann darauf seine weiteren Planungen stützen. Die Durchführung des Vorhabens im Einzelnen bedarf allerdings der Zulassung eines Hauptbetriebsplans. 29 Während die Verpflichtung zur Aufstellung von Hauptbetriebsplänen kraft Gesetzes für jeden der Betriebsplanpflicht unterliegenden Betrieb besteht, hängt die Aufstellung von Rahmenbetriebsplänen (wie auch von Sonder- und gemeinschaftlichen Betriebsplänen) von den Umständen des Einzelfalles ab. Zu unterscheiden ist zwischen dem sog. fakultativen und dem sog. obligatorischen Rahmenbetriebsplan. Der fakultative (einfache) Rahmenbetriebsplan ist in Absatz 2 Nr. 1 normiert. Die Bergbehörde kann danach verlangen, dass der Unternehmer einen Rahmenbetriebsplan aufstellt. Ihr ist insoweit Ermessen eingeräumt. Für den Unternehmer hingegen führt das behördliche Verlangen zu einer Aufstellungspflicht. Im Hinblick auf den obligatorischen Rahmenbetriebsplan hat die Behörde kein Ermessen. Nach Absatz 2a Satz 1 muss sie die Aufstellung eines Rahmenbetriebsplans verlangen, wenn das Vorhaben nach § 57c i.V.m. der UVP-V Bergbau einer UVP bedarf. In diesem Fall ist für die Zulassung des Rahmenbetriebsplans ein Planfeststellungsverfahren mit UVP nach Maßgabe der §§ 57a und 57b durchzuführen.

41 Kühne Braunkohlenplanung und bergrechtliche Zulassungsverfahren, S. 38; Reinhardt NuR 1999, 134, 143 m.w.N.; Salzwedel FS Feldhaus (1999), S. 281, 286; Spieth ZUR 2001, 66, 71; Viertel ZfW 2002, 69, 79. 42 Kühne Braunkohlenplanung und bergrechtliche Zulassungsverfahren, S. 38 Fn. 82; Reinhardt NuR 1999, 134, 143 m.w.N. 43 Vgl. BVerwG 22.11.1979, 4 B 162/79, DVBl 1980, 168; Czychowski/Reinhardt WHG, § 12 Rn. 30 m.w.N. 44 Vgl. auch Müggenborg NuR 2013, 326, 329; BeckOK/Spieth Umweltrecht, § 67 WHG Rn. 14; Spieth ZUR 2001, 66, 71. 45 BT-Drs. 8/1315, S. 107. 46 Säcker/Kühne Handbuch zum deutschen-russischen Energierecht, Kap. 3 Teil 1 Rn. 94. von Hammerstein

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IV. Fakultativer Rahmenbetriebsplan (Absatz 2 Nr. 1) 1. Regelung Die zuständige Behörde kann nach Absatz 2 Nr. 1 verlangen, dass der Unternehmer für einen bestimmten längeren, nach den jeweiligen Umständen bemessenen Zeitraum einen Rahmenbetriebsplan aufstellt. Dieser muss allgemeine Angaben über das beabsichtigte Vorhaben, dessen technische Durchführung und voraussichtlichen zeitlichen Ablauf enthalten. Der Wortlaut des § 52 Abs. 2 Nr. 1 wurde 1990 durch Art. 1 Nr. 4 Buchst. a) des BBergG-ÄndG neu gefasst. Die Umformulierung hatte nur redaktionellen Charakter und diente dazu, den Unterschied zwischen dem fakultativen und dem damals neu eingeführten obligatorischen Rahmenbetriebsplan deutlich zu machen. Inhaltliche Änderungen waren nicht beabsichtigt.47 Der Rahmenbetriebsplan hat die Funktion, die einzelnen, noch durch Haupt- und Sonderbetriebspläne zuzulassenden Vorhaben in einen größeren zeitlichen Zusammenhang zu stellen, um die längerfristige Entwicklung des Betriebes behördlich prüfen zu können.48 Bei großen Betrieben mit einer gewissen Komplexität kann mit dieser „äußeren Klammer“49 ein verbindender Rahmen für die aufeinanderfolgenden Haupt- und Sonderbetriebspläne geschaffen werden, mit dessen Hilfe die langfristigen Entwicklungsziele und -richtungen als Vorgabe für anschließende Hauptbetriebspläne beschrieben werden können.50 So ist ein bruchloser Übergang zwischen aufeinanderfolgenden Hauptbetriebsplänen dokumentier- und überprüfbar. Bei bestimmten Maßnahmen kann hierdurch die langfristige Zweckmäßigkeit und Notwendigkeit erkannt und bewertet werden.51 Wird der Rahmenbetriebsplan für das Gesamtvorhaben aufgestellt, ermöglicht er es, die grundsätzliche Zulassungsfähigkeit des Gesamtvorhabens umfassend mit Blick auf die davon berührten öffentlichen Interessen und privaten Interessen Dritter zu prüfen.52 Diesem Zweck dient auch das verfahrensrechtliche Instrumentarium des § 48 Abs. 2 Satz 2 bis 5. Ferner ermöglicht das Rahmenbetriebsplanverfahren, frühzeitig andere betroffene Fachbehörden zu beteiligen, vgl. § 54. Anders als bei Hauptbetriebsplänen entsteht die Verpflichtung des Unternehmers, einen Rahmenbetriebsplan aufzustellen, erst mit dem entsprechenden Verlangen der Bergbehörde. Das Verlangen der Behörde, einen Rahmenbetriebsplan (oder einen Sonderbetriebsplan oder einen gemeinschaftlichen Betriebsplan) aufzustellen, ist ein Verwaltungsakt,53 dessen Erlass im Ermessen der Behörde steht („kann verlangen“). Die Behörde kann also stets die Aufstellung eines Rahmenbetriebsplans verlangen, wenn sie es für erforderlich oder zweckmäßig hält. Stellt die Bergbehörde ein Verlangen nach § 52 Abs. 2, so entsteht hierdurch für den Unternehmer die Verpflichtung zur Aufstellung eines Rahmenbetriebsplans. Das BBergG schreibt keine bestimmte Form für das Verlangen vor; es kann daher gemäß § 37 Abs. 2 VwVfG schriftlich oder mündlich gestellt werden. Der Unternehmer kann einen Rahmenbetriebsplan aber auch von sich aus aufstellen.54 Die Bergbehörde ist dann verpflichtet, über dessen Zulassung zu entscheiden. Diese Rechtsfolge ist auch im Hinblick auf die privatrechtlichen Rechtsfolgen eines Rahmenbetriebsplans für den Unternehmer geboten (Anpassungspflicht des Bauherrn, § 110 Abs. 1; Kostentragungspflicht des Trägers der öffentlichen

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BT-Drs. 11/4015, S. 9. BT-Drs. 8/1315, S. 107. Ludwig ZUR 2012, 150 f.; von Weschpfennig Strukturen des Bergrechts, S. 276. Pollmann/Wilke Der untertägige Steinkohlenbergbau und seine Auswirkungen auf die Tagesoberfläche, S. 220. Pollmann/Wilke Der untertägige Steinkohlenbergbau und seine Auswirkungen auf die Tagesoberfläche, S. 220. BVerwG 29.6.2006, 7 C 11/05, BVerwGE 126, 205 Rn. 20 = ZfB 2006, 156. Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, 1. Aufl., § 52 Rn. 29. BVerwG 2.11.1995, BVerwGE 100, 1, 10 f. = ZfB 1995, 278, 284; von Mäßenhausen Keram. Z. 1981, 350; Piens/Schulte/ Graf Vitzthum BBergG, § 52 Rn. 22. 483

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Verkehrsanlagen, § 124 Abs. 2).55 Nicht möglich ist es, einen Hauptbetriebsplan zugleich als Rahmenbetriebsplan zur Zulassung einzureichen.56 34 Die Pflicht zur Aufstellung eines Rahmenbetriebsplans beschränkt sich gemäß § 52 Abs. 2 Nr. 1 auf das „beabsichtigte Vorhaben“. Dieses wird nicht von der Bergbehörde, sondern vom Unternehmer definiert. Der Begriff des „beabsichtigten Vorhabens“ meint nicht unbedingt den vollständigen Abbau einer Lagerstätte. Ein fakultativer Rahmenbetriebsplan kann sich auch auf einen räumlich oder zeitlich in sich abgeschlossenen und abgrenzbaren Teil einer Lagerstätte beschränken.57 Die Bergbehörde kann den Unternehmer also nicht zwingen, den Abbaubereich innerhalb einer größeren Lagerstätte größer (oder kleiner) zu fassen, als es den Planungen des Unternehmers entspricht. Es können auch nebeneinander mehrere fakultative Rahmenbetriebspläne für jeweils abgeschlossene Sachbereiche bestehen.58 Solche auf Teile des Gesamtvorhabens bezogene Rahmenbetriebspläne empfehlen sich für Maßnahmen von größerem Umfang, längerer Dauer und erheblicher Bedeutung, z.B. die Neuerrichtung von Schachtanlagen oder Halden.59 35 Der Rahmenbetriebsplan ist nach dem eindeutigen Wortlaut für einen bestimmten Zeitraum aufzustellen. Eine unbefristete Zulassung ist nicht möglich. Auch mittelbare und ungefähre Angaben genügen nicht.60 Das Gesetz enthält keine absolute Grenze für den vom Rahmenbetriebsplan umfassten Zeitraum. Der Zulassungszeitraum ist vielmehr nach den Umständen des Einzelfalles zu bemessen. Er beträgt in der Praxis regelmäßig nicht unter fünf und selten über 30 Jahre. Die Entscheidung über die Laufzeit des Rahmenbetriebsplans obliegt dem Unternehmer. Die Bergbehörde kann den Plan nur zurückweisen, wenn die Laufzeit entweder zu kurz bemessen ist, um der längerfristigen Koordinierungsfunktion des Rahmenbetriebsplanverfahren ausreichend Rechnung zu tragen, oder wenn sie umgekehrt so lang bemessen ist, dass eine sachgerechte Prüfung aufgrund der mit einem Abbau in weiter zeitlicher Ferne verbundenen Unsicherheiten nicht möglich ist.61 36 Zum Inhalt eines fakultativen Rahmenbetriebsplans vgl. Rn. 92 ff., 97.

2. Wirkung der Zulassung 37 a) Allgemeines. Die Zulassung eines fakultativen Rahmenbetriebsplans ist ein Verwaltungsakt.62 Einigkeit besteht darin, dass die Zulassung eines Rahmenbetriebsplans nicht zur tatsächlichen Durchführung des Vorhabens berechtigt (keine Gestattungswirkung).63 Welche Feststellungen die Zulassung eines Rahmenbetriebsplans enthält und welche Bindungswirkungen hiervon ausgehen, gehört zu den umstrittensten Problemen des Bergrechts. Das Verhältnis von Rahmenbetriebs55 Kühne UPR 1986, 81, 85. 56 Das meint offenbar Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 52 Rn. 11 mit der Formulierung, es könne nicht zugleich die Zulassung eines Rahmenbetriebsplans und eines Hauptbetriebsplans beantragt werden. Die zeitgleiche Einreichung und nachfolgende Bescheidung sowohl eines Rahmen- als auch eines Hauptbetriebsplans ist demgegenüber unproblematisch und wird auch in der Praxis häufig gehandhabt. 57 BVerwG 13.12.1991, 7 C 25/90, BVerwGE 89, 246, 252 = ZfB 1992, 38, 42 f. 58 Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht, Rn. 191; Praxisbeispiele bei Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 52 Rn. 37. 59 Pollmann/Wilke Steinkohlenbergbau, S. 221. 60 BVerwG 13.12.1991, 7 C 25/90, BVerwGE 89, 246, 259 = ZfB 1992, 38, 45 f.; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 52 Rn. 25; Schulte Kernfragen des bergrechtlichen Genehmigungsverfahrens, S. 51 f.; Schmidt-Aßmann/Schoch Bergwerkseigentum und Grundeigentum im Betriebsplanverfahren, S. 169. 61 Vgl. Frenz/Beckmann BBergG, § 52 Rn. 43. 62 Kühne/Gaentzsch/Gaentzsch Wandel und Beharren im Bergrecht, S. 9, 25; Kühne DVBl 2006, 662, 663; SchmidtAßmann/Schoch Bergwerkseigentum und Grundeigentum im Betriebsplanverfahren, S. 183. 63 Vgl. nur BVerwG 20.10.2008, 7 B 21/08 = ZfB 2008, 249 Rn. 16; BVerwG 29.6.2006, 7 C 11/05, BVerwGE 126, 205 Rn. 25 = ZfB 2006, 156, 161; BVerwG 21.11.2005, 7 B 26/05 = ZfB 2006, 27, 31; Kühne DVBl 2006, 662, 664; Niermann Betriebsplan und Planfeststellung im Bergrecht, S. 199 ff.; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 56 Rn. 69; Schmidt-Aßmann/Schoch Bergwerkseigentum und Grundeigentum im Betriebsplanverfahren, S. 167; Weller/Kullmann § 52 Rn. 1. von Hammerstein

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planzulassung und nachfolgenden Haupt- und Sonderbetriebsplänen wird sogleich unter Rn. 38 ff. erläutert. Für das Verhältnis von Rahmenbetriebsplanzulassung und Grundabtretungsverfahren und für die Auswirkungen der Zulassung auf außerbergrechtliche Verfahren gelten die Ausführungen zum Hauptbetriebsplan unter Rn. 18 f. entsprechend. Dabei sind aber Besonderheiten zu beachten: Zwar kommt der Rahmenbetriebsplanzulassung regelmäßig keine enteignungsrechtliche Vorwirkung zu. Das BVerfG hat aber eine rechtliche Vorwirkung im Hinblick auf die Rechtsschutzmöglichkeiten gegen spätere Grundabtretungen anerkannt.64 Jedenfalls für Grundstücke inmitten eines großen Braunkohle-Abbaugebiets steht mit Zulassung des Rahmenbetriebsplans dem Grunde nach fest, dass sie notfalls durch Grundabtretung in Anspruch genommen werden können. Mit zunehmender Verwirklichung des zugelassenen Tagebauhabens verringern sich die tatsächlichen Erfolgsaussichten eines Rechtsbehelfs gegen spätere Grundabtretungen, soweit er sich auf die Rechtswidrigkeit des der Grundabtretung zu Grunde liegenden Vorhabens stützt.65

b) Bindungswirkung für nachfolgende Haupt- und Sonderbetriebsplanverfahren aa) Frühe Rechtsprechung und Schrifttum. Die frühe Rechtsprechung und Literatur gingen 38 teilweise davon aus, die Rahmenbetriebsplanzulassung beinhalte Feststellungen, die auch nachfolgende Haupt- und Sonderbetriebsplanverfahren binden. Unterschiede wurden beim Grad der angenommenen Bindung gemacht.66 Vertreten wurde zum Teil eine Bindungswirkung ähnlich dem aus dem Bau-, Immissions- 39 schutz- und Atomrecht bekannten Vorbescheid.67 Die Rahmenbetriebsplanzulassung habe danach eine Funktion ähnlich einem Standort- oder Konzeptvorbescheid. Nach dieser Auffassung hätte die Zulassung einen definitiven Charakter und könnte nur nach Maßgabe der gesetzlichen Aufhebungs- und Einschränkungsbefugnisse (z.B. § 56 Abs. 2 Satz 1 BBergG und § 49 VwVfG) korrigiert werden. Nach anderer Ansicht beinhaltet die Rahmenbetriebsplanzulassung nur ein vorläufiges posi- 40 tives Gesamturteil.68 Das Urteil wäre vorläufig, weil es nur auf vorläufigen, wenn auch hinreichend aussagekräftigen Angaben beruht. Danach bestünde grundsätzlich eine Bindungswirkung. Sie entfiele aber, wenn die spätere Detailprüfung eines Teilvorhabens ergebe, dass dieses so wie geplant nicht zugelassen werden könne. Aber auch wenn eine geänderte Sach- oder Rechtslage neue Anforderungen an noch nicht durch Haupt- oder Sonderbetriebsplanzulassungen genehmigte Teile des Vorhabens stelle, entfalle die Bindungswirkung automatisch.

64 BVerfG 17.12.2013, 1 BvR 3139/08, 1 BvR 3386/08, BVerfGE 134, 242 Rn. 278 = ZfB 2014, 49 Rn. 279, mit Anm. Dammert ZfB 2014, 1 und 105; Durner/Karrenstein DVBl 2014, 182; Frenz NVwZ 2014, 194; Kühne NVwZ 2014, 321; Ludwig ZUR 2014, 451; Ziehm ZUR 2014, 458. 65 BVerfG 17.12.2013, 1 BvR 3139/08, 1 BvR 3386/08, BVerfGE 134, 242 Rn. 278 = ZfB 2014, 49 Rn. 279. 66 Vgl. den Überblick zum Meinungsstand bei Schmidt-Aßmann/Schoch Bergwerkseigentum und Grundeigentum im Betriebsplanverfahren, S. 184 ff. 67 VG Lüneburg 7.3.1994, 7 A 137/92 = ZfB 1994, 153, 171 ff.; VG Stade 16.7.1991, 3 A 433/85 = ZfB 1992, 52, 64 ff.; zuerst systematisch entwickelt von Kühne UPR 1986, 81, 83 ff., unter Bezugnahme auf eine entsprechende Bewertung der älteren Rahmenbetriebsplanpraxis durch Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, 1. Aufl., § 171 Rn. 3; Kühne UPR 1989, 326, 329; Kühne UPR 1992, 218; ähnlich Boldt/Weller 1. Auflage, Ergänzungsband, § 52 Rn. 19; Fluck ZfB 1989, 142, 145; Gaentzsch FS Sendler (1991), S. 403, 408, 415; Gutbrod/Töpfer Praxis des Bergrechts, Rn. 348 ff.; Hoppe/Beckmann Grundeigentumsschutz bei heranrückendem Bergbau, S. 131 ff.; Niermann Betriebsplan und Planfeststellung im Bergrecht, S. 74 ff.; Rausch Umwelt- und Planungsrecht beim Bergbau, S. 240. 68 OVG Berlin 23.3.1990, 2 B 19.88 = ZfB 1990, 200, 209; vorher schon VG Berlin 18.5.1988, 19 A 88.87 = ZfB 1989, 127, 133; i.E. auch OVG Lüneburg 20.10.1988, 7 B 11/87 = ZfB 1990, 18, 25 f.; Cosack NuR 2000, 311, 313. Einen differenzierenden Ansatz entwickeln hiervon ausgehend Schmidt-Aßmann/Schoch Bergwerkseigentum und Grundeigentum im Betriebsplanverfahren, S. 186 ff. 485

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41 bb) Rechtsprechung des BVerwG. Das BVerwG ging zunächst einen anderen Weg.69 In der Gasspeicher-Entscheidung vom 13.12.199170 stellte es fest, der Rahmenbetriebsplan sei nicht mit Genehmigungsformen aus dem Atom- und dem Immissionsschutzrecht vergleichbar. Er habe nicht die Funktion eines vorläufigen positiven Gesamturteils und sei weder eine Teilgenehmigung noch ein Konzept- oder Standortvorbescheid. Seine Zulassung enthalte keine endgültige Feststellung über das Vorliegen einzelner Zulassungsvoraussetzungen. Eine Bindungswirkung für nachfolgende Haupt- und Sonderbetriebsplanzulassungen zugunsten des Unternehmers lehnte das Gericht deshalb ab. Bei einer späteren Zulassung eines Haupt- oder Sonderbetriebsplans sei erneut anhand aller sich zwischenzeitlich neu ergebender Umstände über das Vorliegen der Zulassungsvoraussetzungen nach § 55 zu entscheiden. Das bedeute jedoch nicht, dass ein Rahmenbetriebsplan auch dann zugelassen werden müsse, wenn bereits bekannt sei, dass nachfolgenden Haupt- oder Sonderbetriebsplänen die Zulassung zu versagen wäre.71 Eine Bindungswirkung treffe aber den Unternehmer: Für ihn sei der zugelassene Rahmenbetriebsplan ein „verpflichtender, aber nicht in gleicher Weise wie bei einem Vorbescheid ein berechtigender Rahmen“.72 42 Im Gorleben II-Urteil vom 2.11.199573 bestätigte das BVerwG diese Rechtsprechung, äußerte sich aber zurückhaltender. Gleichzeitig betonte es, dass damit über die Bindungswirkung bei unveränderter Sach- und Rechtslage noch nicht entschieden sei. Das Gasspeicher-Urteil habe der Rahmenbetriebsplanzulassung „nicht jegliche, sondern nur eine in gleicher Weise wie beim Vorbescheid oder bei einem vorläufigen positiven Gesamturteil berechtigende Wirkung abgesprochen“. Es sei also offen, ob „eine Rahmenbetriebsplanzulassung eine gegenüber dem Vorbescheid mindere Bindungswirkung haben könne, etwa derart, dass bei unveränderter Sach- und Rechtslage die Zulassung eines Haupt- oder Sonderbetriebsplans nicht aus einem Grund versagt werden dürfe, der schon zur Versagung der Rahmenbetriebsplanzulassung hätte führen müssen“. 43 Seit der Garzweiler II-Entscheidung vom 29.6.200674 hat das BVerwG die frühere Rechtsprechung zum Teil aufgegeben. Es geht nunmehr davon aus, dass die Rahmenbetriebsplanzulassung auch Bindungswirkung zugunsten des Unternehmers entfaltet. Die Zulassung enthalte die Feststellung, dass das Gesamtvorhaben zulassungsfähig sei und ihm keine überwiegenden öffentlichen Interessen i.S.d. § 48 Abs. 2 Satz 1 entgegenstünden.75 Diese öffentlichen Interessen umfassen sowohl die Umweltauswirkungen des Vorhabens76 als auch die Belange der Eigentümer, deren Grundstücke für die Verwirklichung des Vorhabens in Anspruch genommen werden müssen.77 Weil diese Feststellung der Bestandskraft fähig sei, könne bei der Zulassung der Haupt- und Sonderbetriebspläne die grundsätzliche Zulassungsfähigkeit des Gesamtvorhabens – vorbehaltlich einer Änderung der tatsächlichen Verhältnisse – nicht erneut in Frage gestellt werden.78 44 Die Formulierung des BVerwG, die Rahmenbetriebsplanzulassung enthalte die verbindliche Feststellung, dass das Gesamtvorhaben zulassungsfähig sei und ihm keine überwiegenden öffentlichen Interessen entgegenstünden, bedarf der Präzisierung. Der Umfang der Bindungswirkung eines Verwal-

69 Zur Entwicklung der Rechtsprechung des BVerwG Kühne/Ehricke Entwicklungslinien des Bergrechts, S. 51, 63 ff. 70 BVerwG 13.12.1991, 7 C 25/90, BVerwGE 89, 246 = ZfB 1992, 38 mit Anm. Kühne UPR 1992, 218; Brauner NuR 1994, 20 und von Mäßenhausen ZfB 1994, 119. BVerwG 13.12.1991, 7 C 25/90, BVerwGE 89, 246, 254 = ZfB 1992, 38, 43 f. BVerwG 13.12.1991, 7 C 25/90, BVerwGE 89, 246, 254 = ZfB 1992, 38, 43. BVerwG 2.11.1995, 4 C 14/94, BVerwGE 100, 1 = ZfB 1995, 278; kritisch hierzu Kühne Braunkohlenplanung, S. 54 ff. BVerwG 29.6.2006, 7 C 11/05, BVerwGE 126, 205 = ZfB 2006, 156; m. Anm. Kühne/Ehricke/ Neumann Entwicklungslinien des Bergrechts, S. 33 ff.; Kühne/Ehricke Entwicklungslinien des Bergrechts, S. 51, 63 ff., bestätigt durch BVerwG 20.10.2008, 7 B 21/08 = ZfB 2008, 249 Rn. 16. 75 BVerwG 29.6.2006, 7 C 11/05, BVerwGE 126, 205 Rn. 23 = ZfB 2006, 156, 160; BVerwG 20.10.2008, 7 B 21/08 = ZfB 2008, 249 Rn. 16. 76 OVG Weimar 8.6.2011, 1 KO 704/07 = ZfB 2011, 247, 254. 77 BVerwG 29.6.2006, 7 C 11/05, BVerwGE 126, 205 Rn. 23 = ZfB 2006, 156, 160. 78 BVerwG 29.6.2006, 7 C 11/05, BVerwGE 126, 205 Rn. 25 = ZfB 2006, 156, 160, bestätigt durch BVerwG 20.10.2008, 7 B 21/08 = ZfB 2008, 249 Rn. 16; ebenso OVG Koblenz 29.8.2007, 1 A 10211/07 = ZfB 2007, 283, 291.

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tungsakts bestimmt sich nach seinem Entscheidungsgegenstand.79 Eine Bindungswirkung tritt nur insoweit ein, als ein Sachverhalt überhaupt Prüfungsgegenstand war.80 Die Feststellungswirkung der Rahmenbetriebsplanzulassung wird deshalb durch den Detailgrad des Rahmenbetriebsplans begrenzt.81 Die Auffassung des BVerwG ist also so zu verstehen, dass die Rahmenbetriebsplanzulassung die Feststellung enthält, dass dem Vorhaben, so wie es sich im Rahmenbetriebsplan darstellt, keine im Rahmen von § 55 und § 48 Abs. 2 zu prüfenden Belange entgegenstehen. In diesem Umfang erzeugt die Rahmenbetriebsplanzulassung eine Bindungswirkung für nachfolgende Haupt- und Sonderbetriebsplanzulassungen. Bei der zwangsläufig notwendigen weiteren Präzisierung des Vorhabens können neu hinzutretende Details gleichwohl zur Versagung der Zulassung eines Haupt- oder Sonderbetriebsplans führen. Anders formuliert: Die Behörde darf die Zulassung eines Haupt- oder Sonderbetriebsplans nicht aus einem Grund versagen, der schon zur Versagung der Rahmenbetriebsplanzulassung hätte führen müssen.82 Wie in früheren Entscheidungen hat das Gericht darauf verzichtet, seine Auffassung dogma- 45 tisch einzuordnen und Parallelen zu Rechtsfiguren anderer Zulassungsregime zu ziehen. Zur Art der Bindungswirkung hat das BVerwG nur festgestellt, dass sie unter dem Vorbehalt einer „Änderung der tatsächlichen Verhältnisse“ stehe.83 Eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse liegt etwa vor, wenn sich die Immissionsverhältnisse am Ort des Vorhabens ändern. Im Schrifttum wird vertreten, dass auch neue Erkenntnisse über die geologischen Verhältnisse und sonstige technische oder wissenschaftliche Erkenntnisfortschritte zu berücksichtigen seien.84 Eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse kann allerdings nur dann die Bindungswirkung entfallen lassen, wenn die Änderung so gewichtig ist, dass sie zu einer abweichenden Beurteilung der Zulässigkeit des Vorhabens führt. Will die Behörde von einer früheren Beurteilung abweichen, muss sie qualifiziert begründen, warum die Bindungswirkung entfallen ist.85 Weil das BVerwG die Bindungswirkung unter den Vorbehalt der Änderung der tatsächlichen 46 Verhältnisse stellt, wurde diese Auffassung verglichen mit der Figur des vorläufigen positiven Gesamturteils.86 Die schwierigen Rechtsfragen, die sich ergeben, wenn sich nach Zulassung eines fakultativen Rahmenbetriebsplans die Sach- oder Rechtslage ändert, hat das BVerwG damit bislang unbeantwortet gelassen. Bedeutsam ist in diesem Zusammenhang vor allem die Frage, wie die rechtlich schützenswerten Belange des Investitions- und Bestandsschutzes87 angemessen berücksichtigt werden können, wenn nach Ansicht des BVerwG die Bindungswirkung der Rahmenbetriebsplanzulassung entfällt. An anderer Stelle haben diese Belange Eingang in § 56 Abs. 1 Satz 2, § 71 Abs. 1 Satz 2 und dem über § 5 anwendbaren § 49 VwVfG gefunden (vgl. hierzu § 56 Rn. 14 ff. und 25 ff.). Praxisgerechte und dogmatisch überzeugendere Ergebnisse lassen sich durch eine – über die bisherige Rechtsprechung des BVerwG hinausgehende – Annäherung der einfachen Rahmenbetriebsplanzulassung an die Figur des Vorbescheids erzielen.88 Das hätte zur Folge, dass 79 Stelkens/Bonk/Sachs VwVfG, § 43 Rn. 56. 80 Auch bei Verwaltungsakten, die die grundsätzliche Genehmigungsfähigkeit einer Anlage feststellen, beschränkt sich die Bindungswirkung dieser Feststellung auf diejenigen Gegenstände, die die Genehmigungsbehörde tatsächlich geprüft hat, vgl. Landmann/Rohmer/Dietlein Umweltrecht, § 8 BImSchG Rn. 78; BeckOK/Enders Umweltrecht, § 8 BImSchG Rn. 27. 81 So auch Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 56 Rn. 60; Frenz/Beckmann BBergG, § 52 Rn. 47. 82 Kühne/Ehricke/Neumann Entwicklungslinien des Bergrechts, S. 33, 37; vgl. bereits BVerwG 2.11.1995, 4 C 14/94, BVerwGE 100, 1, 12 = ZfB 1995, 278, 285 (offen gelassen). 83 BVerwG 29.6.2006, 7 C 11/05, BVerwGE 126, 205 Rn. 25 = ZfB 2006, 156, 160. 84 Vgl. Landmann/Rohmer/Dietlein Umweltrecht, § 8 BImSchG Rn. 81. 85 Schmidt-Aßmann/Schoch Bergwerkseigentum und Grundeigentum im Betriebsplanverfahren, S. 191; von Weschpfennig, Strukturen des Bergrechts, S. 293 f. 86 Kühne/Ehricke/Neumann Entwicklungslinien im Bergrecht, S. 27, 37; Kühne/Ehricke Entwicklungslinien im Bergrecht, S. 51, 67; wohl auch von Weschpfennig, Strukturen des Bergrechts, S. 290. 87 Deren Bedeutung für die Bindungswirkung hebt auch von Weschpfennig, Strukturen des Bergrechts, S. 293 ff., hervor. Werde geschütztes Vertrauen enttäuscht, komme auch ein Entschädigungsanspruch des Unternehmers in Betracht. 88 Kühne/Ehricke Entwicklungslinien im Bergrecht, S. 51, 68. Ebenso schon Kühne UPR 1992, 218, 220. 487

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nachträgliche Änderungen der Sach- oder Rechtslage bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen durch nachträgliche Auflagen nach § 56 Abs. 1 Satz 2 oder – wenn nötig – durch Widerruf der Rahmenbetriebsplanzulassung nach § 49 VwVfG umzusetzen wären. Dies ist jedenfalls insoweit sachgerecht, als der Rahmenbetriebsplan und dessen Zulassung bereits abschließende Regelungen enthalten und die nachfolgenden Haupt- und Sonderbetriebsplanzulassungen nur noch den Charakter von wiederholenden Bescheiden haben. Demgegenüber ist der Vertrauensschutz des Unternehmers geringer ausgeprägt, soweit der Rahmenbetriebsplan prognostische Elemente enthält, deren eigentliche rechtliche Prüfung erst in nachfolgenden Betriebsplanverfahren geleistet werden kann. In der Praxis bestehen Rahmenbetriebspläne nicht nur aus allgemeinen Regelungen, die einer späteren Konkretisierung bedürfen. Sie enthalten vielmehr häufig detaillierte Regelungen, die wie etwa die Regelung von Abbaugrenzen endgültigen Charakter haben.89 Die Prüfungsdichte derartiger Elemente der Rahmenbetriebsplanzulassung geht damit über diejenige eines bloß vorläufigen positiven Gesamturteils deutlich hinaus. Dieser Entwicklung entspricht auch die Einführung des mit Planfeststellungsbeschluss zuzulassenden obligatorischen Rahmenbetriebsplans. Hat sich somit in der Praxis die Prüfung der bergrechtlichen und insbesondere der umweltrechtlichen Anforderungen an den Betrieb stärker ins Rahmenbetriebsplanverfahren verlagert, spricht viel dafür, der gewandelten Funktion des Rahmenbetriebsplans auch auf der Rechtsfolgenseite Rechnung zu tragen, indem seine Bindungswirkung gegenüber nahfolgenden Betriebsplanverfahren gestärkt wird.90 Mängel der Rahmenbetriebsplanzulassung schlagen nicht auf die Zulassung von Haupt- und 47 Sonderbetriebsplänen durch. Die Rahmenbetriebsplanzulassung steht in keinem Stufenverhältnis zu den nachfolgenden Zulassungen. Wird sie – etwa auf eine Drittanfechtungsklage – aufgehoben, so bleiben letztere wirksam und wären ggf. gesondert aufzuheben.91

V. Sonderbetriebsplan (Absatz 2 Nr. 2) 1. Regelung 48 Die Behörde kann nach § 52 Abs. 2 Nr. 2 vom Unternehmer verlangen, Sonderbetriebspläne aufzustellen. Gegenstand können nach Absatz 2 Nr. 2 „bestimmte Teile des Betriebes“ oder „bestimmte Vorhaben“ sein. Sonderbetriebspläne sollen den Hauptbetriebsplan entlasten.92 Teile des Betriebes oder bestimmte Vorhaben, die der Unternehmer in Sonderbetriebsplänen behandelt, müssen nicht mehr vollständig im Hauptbetriebsplan dargestellt werden. Dort genügt ein Verweis oder ein entsprechender Vorbehalt. Was bereits Gegenstand eines Sonderbetriebsplans ist, wird im Hauptbetriebsplanverfahren nicht auf seine Vereinbarkeit mit § 55 und § 48 Abs. 2 geprüft. Sachgerecht sind Sonderbetriebspläne daher für besondere Teile und Vorhaben mit eigenständiger Bedeutung. Es genügt aber auch, dass die Sonderbehandlung den Hauptbetriebsplan übersichtlicher macht.93 Sonderbetriebspläne sind daher speziell geeignet für Verfahrensabläufe, die sich wiederholen oder über mehrere Hauptbetriebsplanperioden nicht verändern (z.B. für das Sprengwesen) sowie für die Errichtung und den längerfristigen Betrieb stationärer Anlagen (z.B. Schachtfördergerüste, Bewetterungsanlagen, Aufbereitungsanlagen, Halden). In Betracht kommen auch einzelne Vorhaben, zu denen im Hauptbetriebsplan die erforderlichen Angaben noch nicht gemacht werden

89 Angesichts der unterschiedlichen Ausgestaltung von Rahmenbetriebsplänen, die differenzierte Lösungen für die Frage der Bindungswirkung erfordern, spricht von Weschpfennig, Strukturen des Bergrechts, S. 288, von einem Instrument flexibler Bindungswirkungen. 90 So auch von Weschpfennig Strukturen des Bergrechts, S. 290 f. 91 OVG Saarbrücken 15.11.1996, 9 R 1/96 = ZfB 1997, 45, 47; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 56 Rn. 61. 92 BT-Drs. 8/1315, S. 107. 93 BT-Drs. 8/1315, S. 107. von Hammerstein

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können, z.B. Abbaubetriebe unter Tage, Rekultivierung von Teilflächen eines Tagebaus. Eine zeitliche Begrenzung schreibt das Gesetz für Sonderbetriebspläne nicht vor. Während die Verpflichtung zur Aufstellung von Hauptbetriebsplänen kraft Gesetzes für jeden 49 der Betriebsplanpflicht unterliegenden Betrieb besteht, ist die Aufstellung von Sonderbetriebsplänen abhängig von den betrieblichen Erfordernissen des Einzelfalles. Die Formulierung „auf Verlangen der Behörde“ ist dabei so zu verstehen, dass der Behörde hiermit zwar ein Recht eingeräumt wird, der Unternehmer aber nicht gehindert ist, von sich aus (ohne Aufforderung) einen Sonderbetriebsplan nach den von ihm gesehenen Erfordernissen vorzulegen.94 Das Verlangen, für bestimmte Teilvorhaben Sonderbetriebspläne aufzustellen, kann bereits bei Zulassung des Hauptbetriebsplans ausgesprochen werden. Zum behördlichen Verlangen vgl. Rn. 33.

2. Sonderbetriebsplan „Abbaueinwirkungen auf das Oberflächeneigentum“ Als Konsequenz aus dem Moers-Kapellen-Urteil des BVerwG vom 16.3.198995 hatte sich in der 50 Praxis des inzwischen eingestellten Steinkohlenbergbaus ein spezieller Typ eines Sonderbetriebsplans herausgebildet: der Sonderbetriebsplan „Abbaueinwirkungen auf das Oberflächeneigentum“.96 Nach Auffassung des BVerwG hat die zur Zulassung von Betriebsplänen zuständige Behörde zum einen denjenigen rechtliches Gehör zu gewähren, deren Grundeigentum voraussichtlich von schweren Bergschäden betroffen sein wird und zum anderen eine Abwägung der Belange der betroffenen Oberflächeneigentümer mit den Belangen des Bergbauunternehmers vorzunehmen.97 Hierfür eignen sich in der Regel weder das Rahmenbetriebsplanverfahren noch das Hauptbetriebsplanverfahren. Zum Zeitpunkt der Erstellung und Prüfung des Rahmenbetriebsplans lassen sich die Auswirkungen eines einzelnen Abbauvorhabens oft noch nicht beurteilen. Auch der Hauptbetriebsplan ist wegen seiner Fokussierung auf den Betrieb als Ganzes und wegen seiner kurzen Laufzeit nicht darauf ausgerichtet, derartige Auswirkungen zu beschreiben. Hierfür bietet sich eher das Instrument des Sonderbetriebsplans an. Der Plan enthält eine detaillierte Darstellung des Umfangs und der Wahrscheinlichkeit der Oberflächeneinwirkungen, die vom Vorhaben zu erwarten sind.98 Im Zulassungsverfahren sind die betroffenen Oberflächeneigentümer zu beteiligen. Die Behörde trifft anschließend selbst eine Prognose über Wahrscheinlichkeit und Umfang der Schäden und entscheidet aufgrund einer nachvollziehbar zu begründenden Abwägung, inwieweit Oberflächeneinwirkungen hinzunehmen sind. Vgl. dazu im Einzelnen die Kommentierung zu § 48 Rn. 62 ff. Mit der Einstellung des Steinkohlebergbaus in Deutschland hat das Instrument des Sonderbetriebsplans „Abbaueinwirkungen auf das Oberflächeneigentum“ seine Funktion verloren. Es kommt seitdem nicht mehr zur Anwendung.

3. Wirkung der Zulassung Die Wirkungen der Sonderbetriebsplanzulassung entsprechen weitgehend denen einer Hauptbe- 51 triebsplanzulassung, so dass auf die Erläuterungen dort unter Rn. 12 ff. verwiesen wird. 94 von Mäßenhausen Keram. Z. 1981, 350; Sondermann Braunkohle 1982, 14. 95 BVerwGE 81, 329 = ZfB 1989, 199. 96 Er wird im saarländischen Steinkohlenrevier bezeichnet als Sonderbetriebsplan „Anhörung der Oberflächeneigentümer“. Ausführlich zum Sonderbetriebsplan „Abbaueinwirkungen auf das Oberflächeneigentum“ Schmidt-Aßmann/ Schoch Bergwerkseigentum und Grundeigentum im Betriebsplanverfahren, S. 198 ff., Frenz/Beckmann BBergG, § 52 Rn. 55 ff.; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 52 Rn. 51 ff. 97 Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht, Rn. 202; Schmidt-Aßmann/Schoch Bergwerkseigentum und Grundeigentum im Betriebsplanverfahren, S. 193 ff. 98 Vgl. die Vorgaben der Hausverfügung der Bezirksregierung Arnsberg für die Handhabung des Betriebsplanverfahrens (Betriebsplan-Richtlinien – BP-RL), Stand 31.5.2010, Anlage 3. 489

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Wie die Hauptbetriebsplanzulassung enthält die Sonderbetriebsplanzulassung die Feststellung, dass die Zulassungsvoraussetzungen erfüllt sind. Spezielle Fragen ergeben sich jedoch im Zusammenhang mit der Gestattungswirkung von Sonderbetriebsplänen.99 Insbesondere stellt sich die Frage, ob die Gestattungswirkung des Sonderbetriebsplans die Existenz eines zugelassenen Hauptbetriebsplans voraussetzt. Zwar sind nach § 52 Abs. 1 Hauptbetriebspläne für die Errichtung und Führung eines Betriebes unverzichtbar und können in dieser zentralen Funktion grundsätzlich auch nicht durch eine Vielzahl von jeweils nur Teileinrichtungen betreffenden Sonderbetriebsplänen ersetzt werden, vgl. Rn. 8. Gleichwohl sind Situationen denkbar (und auch eingetreten),100 in denen es eine gestattende Sonderbetriebsplanzulassung gibt, ein zugelassener Hauptbetriebsplan aber fehlt. 53 Nach einer Ansicht ist die Gestattungswirkung von Sonderbetriebsplänen akzessorisch zum Hauptbetriebsplan.101 Danach entfiele die Gestattungswirkung einer Sonderbetriebsplanzulassung, wenn die Hauptbetriebsplanzulassung fehlt oder ausläuft. Begründet wird dies mit der nur ergänzenden Funktion des Sonderbetriebsplans und damit, dass § 52 Abs. 1 für die Führung eines Bergbaubetriebs Hauptbetriebspläne zwingend vorschreibt. 54 Überzeugender ist die Gegenansicht, wonach die Gestattungswirkung einer Sonderbetriebsplanzulassung auch ohne zugelassenen Hauptbetriebsplan bestehen bleibt.102 Ein zugelassener Hauptbetriebsplan ist nach § 55 keine Zulassungsvoraussetzung für einen Sonderbetriebsplan. Das BBergG sieht auch nicht vor, dass der Sonderbetriebsplan seine Gestattungswirkung verliert, wenn der Hauptbetriebsplan unwirksam wird oder ausläuft. Aus der Tatsache, dass das Gesetz in § 52 Abs. 1 vorschreibt, dass Hauptbetriebspläne erforderlich sind und auch nicht durch Sonderbetriebspläne ersetzt werden können,103 folgt nicht, dass eine Sonderbetriebsplanzulassung unwirksam wird, wenn der Hauptbetriebsplan ausläuft. Auch das BVerwG hat in der Gasspeicher-Entscheidung104 aus dem Fehlen eines zugelassenen Hauptbetriebsplans nicht gefolgert, dass die vorhandenen Sonderbetriebsplanzulassungen unwirksam seien. Allerdings wird der Betrieb des Bergwerks als Ganzes ohne Hauptbetriebsplanzulassung nicht fortgeführt werden können, weil Sonderbetriebsplanzulassungen nicht alle für den Betrieb notwendigen Einrichtungen und Tätigkeiten abdecken. 52

VI. Obligatorischer Rahmenbetriebsplan mit Planfeststellung und Umweltverträglichkeitsprüfung (Absatz 2a bis 2d) 1. Vorbemerkungen 55 Der obligatorische Rahmenbetriebsplan ist ein Rahmenbetriebsplan, dessen Vorlage die zuständige Bergbehörde verlangen muss, wenn das Vorhaben bestimmte Voraussetzungen erfüllt. Er ist in einem Planfeststellungsverfahren mit förmlicher Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) zuzulas99 Ausführlich hierzu Glückert FS Kühne (2009), S. 543 ff. 100 So etwa im Berliner Gasspeicherfall, BVerwG 13.12.1991, 7 C 25/90, BVerwGE 89, 246 = ZfB 1992, 38; Glückert FS Kühne (2009), S. 543, 552 ff.

101 OVG Berlin 23.3.1990, 2 B 19.88 = ZfB 1990, 200, 223 f. (zweitinstanzliche Erdgasspeicher-Entscheidung, vom BVerwG nicht bestätigt); Kühne/Gaentzsch Wandel und Beharren im Bergrecht, S. 24; Schulte Kernfragen des bergrechtlichen Genehmigungsverfahrens, S. 69, 94; Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht, Rn. 197; Ludwig Umweltaspekte in Verfahren nach dem BBergG, S. 49; Kolonko Anforderungen der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung an einen Abbau von Steinen und Erden, S. 174 f.; Keienburg NVwZ 2013, 1123, 1125; i.E. auch Stiens Der bergrechtliche Betriebsplan, S. 62. 102 OVG Lüneburg 29.4.1998, 7 L 6235/96 = ZfB 2002, 312, 319 ff.; Glückert FS Kühne (2009), S. 543, 552 ff.; SchmidtAßmann/Schoch Bergwerkseigentum und Grundeigentum im Betriebsplanverfahren, S. 199; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 52 Rn. 86. 103 BVerwG 13.12.1991, 7 C 25/90, BVerwGE 89, 246, 259 f. = ZfB 1992, 38, 46. 104 BVerwG 13.12.1991, 7 C 25/90, BVerwGE 89, 246 = ZfB 1992, 38. von Hammerstein

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sen. Regelungen zu diesem Betriebsplantyp finden sich in den Absätzen 2a bis 2d sowie in den §§ 57a bis 57c. Eingefügt in das BBergG wurden die §§ 52 Abs. 2a bis 2c und 57a bis 57c durch Art. 1 Nr. 4 Buchst. a) bis c) des BBergG-ÄndG vom 12.2.1990. Durch Art. 2 Abs. 4 des UVPModG vom 20.7.2017 wurden die §§ 52 Abs. 2a und 2c sowie § 57a und 57c geändert, § 52 Abs. 2d wurde neu eingefügt. Die Gesetzesänderung vom 12.2.1990 sollte ein bergrechtliches Verfahren mit Konzentrationswirkung zur Verfügung stellen, in dem alle durch ein Vorhaben berührten Belange in einem einheitlichen Verfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung umfassend geprüft werden können.105 Ziel der Gesetzesänderung vom 20.7.2017 war die Umsetzung der Richtlinie 2014/52/EU sowie der Änderung der Richtlinie 2011/92/EU.106 Zum Hintergrund und zur Entstehungsgeschichte vgl. Anhang zu § 57c, Vorbemerkungen zur UVP-V Bergbau Rn. 1 ff. Hinsichtlich des Gegenstands von obligatorischen und fakultativen Rahmenbetriebsplänen ist anhand der in den zusätzlichen Anforderungen für obligatorische Rahmenbetriebspläne (§ 57a Abs. 2) zum Ausdruck kommenden Zielrichtung zu unterscheiden. Für die Zulassung eines obligatorischen Rahmenbetriebsplans ist eine Planfeststellung mit UVP durchzuführen, die das Vorhaben als Ganzes in den Blick nehmen soll.107 Der Umfang des Vorhabens wird dabei grundsätzlich vom Unternehmer bestimmt, vgl. Anhang zu § 57c, § 1 UVP-V Bergbau Rn. 1. Zudem schließt die Planfeststellung gemäß § 57a Abs. 4 BBergG, § 75 Abs. 1 VwVfG alle nach anderen Rechtsvorschriften für das Vorhaben erforderlichen öffentlich-rechtliche Genehmigungen, Verleihungen, Erlaubnisse, Bewilligungen, Zustimmungen und Planfeststellungen ein. Aufgrund dieser Konzentrationswirkung (vgl. dazu näher § 57a Rn. 40 ff.) wird eine für außerbergrechtliche Belange grundsätzlich abschließende und nicht nur rahmensetzende Entscheidung getroffen. Dies ist nur sinnvoll, wenn Gegenstand eines obligatorischen Rahmenbetriebsplans nicht bloß gegenständlich oder zeitlich begrenzte Teilausschnitte, sondern grundsätzlich das Gesamtvorhaben ist. Gestützt wird dies durch § 52 Abs. 2b Satz 1, der es ermöglicht, obligatorische Betriebspläne unter bestimmten Voraussetzungen auch abschnittsweise aufzustellen und zuzulassen, soweit dies eine Prüfung der Auswirkungen des „gesamten Vorhabens“ auf die Umwelt nicht ganz oder teilweise unmöglich macht. § 52 Abs. 2a geht also von einem Vorhabenbegriff aus, der sich auf das Gesamtvorhaben bezieht.108 Trotz der Überschrift des § 52 – „Betriebspläne für die Errichtung und Führung des Betriebes“ – kann ein obligatorischer Rahmenbetriebsplan auch anlässlich der Einstellung eines Betriebes durchzuführen sein; hierzu Anhang zu § 57c, § 1 UVP-V Bergbau Rn. 65. Die Rechtswirkungen der durch Planfeststellungsbeschluss erfolgenden obligatorischen Rahmenbetriebsplanzulassung unterscheiden sich, abgesehen von ihrer Konzentrationswirkung, nicht von denjenigen der fakultativen Rahmenbetriebsplanzulassung. Dies gilt insbesondere für die Bindungswirkung in nachfolgenden Haupt- und Sonderbetriebsplanverfahren (vgl. dazu näher § 57a Rn. 36 ff.). Auch die obligatorische Rahmenbetriebsplanzulassung entfaltet keine enteignungsrechtliche Vorwirkung.109

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2. UVP-Pflichtigkeit nach § 57c (Absatz 2a Satz 1) Absatz 2a Satz 1 ordnet an, dass die zuständige Behörde die Aufstellung eines Rahmenbetriebsplans 60 zu verlangen hat, sofern ein Vorhaben nach § 57c in Verbindung mit den Vorschriften des Teils 2 Abschnitt 1 UVPG einer UVP bedarf. § 57c bestimmt die UVP-Pflicht aber nicht selbst. Die Entscheidung hierüber hat der Gesetzgeber mittels der Ermächtigung in § 57c Satz 1 Nr. 1 auf das Bundesministeri105 106 107 108 109 491

BT-Drs. 11/4015, S. 7; grundlegend Gaentzsch FS Sendler (1991), S. 403 ff. BT-Drs. 18/12994, S. 1. BVerwG 2.11.1995, 4 C 14/94, BVerwGE 100, 1, 7 = ZfB 1995, 278, 282. BVerwG 2.11.1995, 4 C 14/94, BVerwGE 100, 1, 7 = ZfB 1995, 278, 282. Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 56 Rn. 74. von Hammerstein

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um für Wirtschaft und Energie, das im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit110 entscheidet, als Verordnungsgeber übertragen. Die Regelung durch Rechtsverordnung ermöglicht die fachlich gebotene Differenzierung nach Art der einzelnen Vorhaben, nach den in Betracht kommenden Kriterien und möglichen Schwellenwerten und gewährleistet eine Flexibilität durch leichtere Anpassung an zukünftige Entwicklungen in der Praxis.111 Auf die Ermächtigung in § 57c stützt sich die – zwischenzeitlich mehrfach novellierte – Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung bergbaulicher Vorhaben (UVP-V Bergbau) vom 13.7.1990. § 1 UVPV Bergbau enthält eine abschließende Aufzählung der betriebsplanpflichtigen Vorhaben, die einer UVP zu unterziehen sind. Somit bestimmt sich die Pflicht zur Aufstellung eines obligatorischen Rahmenbetriebsplans danach, ob dieses Vorhaben von § 1 UVP-V Bergbau erfasst wird. Im Einzelnen hierzu Anhang zu § 57c, § 1 UVP-Bergbau Rn. 1 ff.

3. Behördliches Verlangen (Absatz 2a Satz 1) 61 Wenn die zuständige Behörde Kenntnis von einem bergbaulichen Vorhaben erlangt, hat sie zu prüfen, ob das Vorhaben nach der UVP-V Bergbau einer UVP bedarf. Ist dies der Fall, muss sie den Unternehmer auffordern, einen qualifizierten, durch Planfeststellung zuzulassenden Rahmenbetriebsplan aufzustellen. Es besteht also – anders als beim fakultativen Rahmenbetriebsplan – kein Ermessen.112 Dieser sogenannte Verlangensbescheid ist ein Verwaltungsakt, mit dem die Behörde feststellt, dass das Vorhaben UVP-pflichtig ist und dass über Betriebspläne zur Realisierung des Vorhabens erst entschieden werden kann, wenn zuvor ein obligatorischer Rahmenbetriebsplan zugelassen worden ist.113 Vor Erlass des Verlangensbescheids hat die Behörde diesen mit dem Unternehmer abzuklä62 ren.114 Dies gehört nicht nur zu den Amtspflichten der Behörde, sondern liegt auch in ihrem Interesse, weil der Inhalt des Verwaltungsaktes abhängig ist von den Voraussetzungen für und den Anforderungen an den jeweiligen Rahmenbetriebsplan.115 Es bestehen keine Bedenken, wenn die Behörde in ihrem Verlangen auch nähere Einzelheiten über den Gegenstand und den Umfang der UVP festlegt, nachdem sie den Unternehmer hierzu angehört hat. Verlangt die Behörde die Aufstellung eines obligatorischen Rahmenbetriebsplans, ist der 63 Unternehmer zu dessen Aufstellung verpflichtet, will er das beabsichtigte Vorhaben durchführen. Ohne das behördliche Verlangen besteht für den Unternehmer keine Verpflichtung zur Aufstellung eines solchen Rahmenbetriebsplans. Umgekehrt bleibt es dem Bergbautreibenden aber unbenommen, auch von sich aus, also ohne behördliches Verlangen, einen Rahmenbetriebsplan vorzulegen und dafür die Zulassung zu beantragen.116 Handelt es sich um ein UVP-pflichtiges Vorhaben, muss die Bergbehörde ein Planfeststellungsverfahren einleiten und über die Zulassung des Betriebsplans entscheiden. Zur Möglichkeit einer freiwilligen UVP und zur Frage, ob der Unternehmer auch bei einem nicht UVP-pflichtigen Vorhaben ein Planfeststellungsverfahren initiieren kann, vgl. Anhang zu § 57c, UVP-V Bergbau Rn. 67 f. Geht die Behörde zu Unrecht von der UVP-Pflichtigkeit des Vorhabens aus und hat sie deswe64 gen die Zulassung eines fakultativen Rahmenbetriebsplans verweigert, kann der Unternehmer den Verlangensbescheid anfechten und parallel dazu im Wege der Verpflichtungsklage die begehrte Zulassung des Betriebsplans durchsetzen. Sollte die Bergbehörde umgekehrt zu Unrecht ein Plan110 111 112 113 114 115 116

Die Bezeichnungen der zuständigen Ministerien haben sich seit Verabschiedung des Gesetzes mehrfach geändert. BT-Drs. 11/4015, S. 9. Keienburg NVwZ 2013, 1123; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 52 Rn. 150. BT-Drs. 11/4015, S. 11; VG Lüneburg 7.3.1994, 7 A 137/92 = ZfB 1994, 153 ff. BT-Drs. 11/4015, S. 11. BT-Drs. 11/4015, S. 11. BVerwG 2.11.1995, BVerwGE 100, 1, 10 f. = ZfB 1995, 278, 284; Keienburg Die Öffentlichkeitsbeteiligung im Bergrecht, S. 139; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 52 Rn. 150. von Hammerstein

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feststellungsverfahren für nicht erforderlich halten, könnte der Unternehmer die Durchführung eines solchen Verfahrens im Wege der Leistungsklage erzwingen. Wegen der langen Dauer verwaltungsgerichtlicher Verfahren sind dies aber eher theoretische Optionen.

4. Planfeststellungsverfahren Ein wesentlicher Unterschied des obligatorischen gegenüber dem fakultativen Rahmenbe- 65 triebsplan liegt in seinem Zulassungsverfahren. Für die Zulassung eines obligatorischen Rahmenbetriebsplans ist nach Absatz 2a Satz 1 anstelle des in §§ 54 und 56 Abs. 1 geregelten herkömmlichen Betriebsplanzulassungsverfahrens ein Planfeststellungsverfahren nach Maßgabe der §§ 57a und 57b durchzuführen. Hierzu wird auf die Kommentierung unter § 57a verwiesen.

5. Erörterung des Untersuchungsrahmens (Scoping) § 52 Abs. 2a Satz 2 a.F., wonach die zuständige Behörde mit dem Unternehmer auf Grundlage des 66 Verlangens Gegenstand, Umfang und Methoden der UVP sowie sonstige für die Durchführung dieser Prüfung erhebliche Fragen erörtern sollte, ist durch Art. 2 Abs. 4 Nr. 1 Buchst. a UVPModG vom 20.7.2017 aufgehoben worden. Wenn vor dem 16.5.2017 bestimmte Verfahrensschritte eingeleitet oder bestimmte Angaben gemacht worden sind, ist das Verfahren nach der Überleitungsvorschrift des § 171a Satz 1 nach der Fassung des BBergG zu Ende zu führen, die vor dem 29.7.2017 galt.117 Die auch nach der Gesetzesänderung weiterhin durchzuführende Beratung und Unterrichtung zum Untersuchungsrahmen richten sich nunmehr gemäß Abs. 2a nach den Maßgaben der §§ 57a und 57b. § 57a Abs. 1 Satz 3 verweist insoweit auf die §§ 15 bis 27 sowie 31 UVPG.118 Vgl. zum Verfahren § 57a Rn. 3 ff.

6. Natura 2000-Gebiete (Absatz 2a Satz 2) Bei einem Vorhaben, das einzeln oder im Zusammenwirken mit anderen Vorhaben, Projekten 67 oder Plänen geeignet ist, ein Natura 2000-Gebiet erheblich zu beeinträchtigen, wird die Verträglichkeitsprüfung nach § 34 Abs. 1 BNatSchG zusammen mit der UVP im bergrechtlichen Planfeststellungsverfahren vorgenommen. Die Regelung in Abs. 2a Satz 2 wurde durch Art. 2 Abs. 4 Nr. 1 lit. a UVPModG vom 20.7.2017 in das BBergG eingeführt. Sie dient der Umsetzung von Art. 2 Abs. 3 Unterabs. 1 der Richtlinie 2014/52/EU. Vgl. im Einzelnen zur FFH-Verträglichkeitsprüfung Anhang zu § 48 Rn. 107 ff.

7. Anforderungen eines vorsorgenden Umweltschutzes als öffentliche Interessen i.S.d. § 48 Abs. 2 (Absatz 2a Satz 3) Absatz 2a Satz 3 stellt Anforderungen eines vorsorgenden Umweltschutzes, die sich bei der UVP 68 ergeben und die über die Zulassungsvoraussetzungen des § 55 sowie anderer anwendbarer Normen hinausgehen, den öffentlichen Interessen im Sinne des § 48 Abs. 2 gleich. Bei der Einführung des Planfeststellungsverfahrens und der UVP in das BBergG hielt der 69 Gesetzgeber es für angezeigt, neben den Verfahrensregelungen auch die sich bei der Durchführung einer UVP ergebenden materiellen Anforderungen an den Umweltschutz zu berücksichti-

117 BT-Drs. 18/11499, S. 119. 118 Frenz/Beckmann BBergG, § 52 Rn. 77. 493

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gen.119 Daher stellt Absatz 2a Satz 3 als Auffangklausel sicher, dass herausragend wichtige Belange, die sich in dem umfassenden und aufwendigen Planfeststellungs- und Prüfverfahren als besonders beachtenswert ergeben, auch dann adäquat in die Zulassungsentscheidung einbezogen werden können, wenn sie bisher nicht rechtlich geregelt sind.120 Erreicht wird dies rechtstechnisch durch die Gleichstellung dieser Belange mit den öffentlichen Interessen im Sinne des § 48 Abs. 2, welche in der Zulassungsentscheidung zu berücksichtigen sind.121 Mit dieser Fiktion werden zwar die Belange des vorsorgenden Umweltschutzes in den Entscheidungsprozess eingeführt, es wird jedoch nicht entschieden, ob diese „öffentlichen Interessen“ im konkreten Fall „überwiegen“ und sich deshalb gegen die bergbaulichen Belange durchsetzen. Dies bleibt dem bei der Zulassungsentscheidung durchzuführenden Abwägungsvorgang mit der in § 48 Abs. 2 vorgegebenen Gewichtung vorbehalten. Die Regelung von Absatz 2a Satz 3 dient auch der Umsetzung der in Art. 8 UVPRichtlinie niedergelegten Pflicht der Mitgliedstaaten, die zu einer UVP eingeholten Angaben „beim Genehmigungsverfahren zu berücksichtigen“.122 Umstritten ist, ob Absatz 2a Satz 3 mit seiner Formulierung „Anforderungen eines vorsorgen70 den Umweltschutzes, die […] über die Zulassungsvoraussetzungen […] hinausgehen“ nicht nur solche Anforderungen meint, für die es bisher keine rechtlichen Regelungen gibt, sondern auch zusätzliche (höhere) Anforderungen stellt in Bereichen, für die bereits gesetzliche Zulassungsvorschriften existieren. Der Wortlaut schließt diese Interpretation jedenfalls nicht aus. Klarer ist die Gesetzesbegründung, die den Anwendungsbereich mehrfach beschreibt als „bergrechtsexterne Belange“ bzw. „Belange, die noch nicht in Form von Rechtsvorschriften verfestigt sind“.123 Auch um zu vermeiden, dass Absatz 2a Satz 3 ein „Einfallstor zur administrativen Verschärfung gesetzlich speziell geregelter Belange“ wird,124 sind demnach nur Belange erfasst, die bisher noch nicht in Form von Rechtsvorschriften verfestigt sind.125 Dies entspricht dem allgemeinen Verständnis der UVP als einem verfahrensrechtlichen Instrument, mit dem keine materielle Anreicherung des Umweltrechts verbunden ist.126 Weitergehende Anforderungen als sie sich aus dem Fachrecht, insbesondere dessen Allgemeinwohlklauseln, ergeben, können auf Absatz 2a nicht gestützt werden.127 Angesichts der umfassenden Verrechtlichung des Umweltschutzes im Allgemeinen und des Vorsorgegrundsatzes im Besonderen spielt Absatz 2a Satz 3 in der behördlichen und gerichtlichen Praxis keine Rolle.128

8. Rahmenbetriebsplan in Abschnitten oder Stufen (Absatz 2b Satz 1) 71 § 52 Abs. 2b Satz 1 ermöglicht es, den obligatorischen Rahmenbetriebsplan in „Abschnitten oder Stufen“ zuzulassen. Voraussetzung ist, dass ein Vorhaben aufgrund seiner räumlichen oder zeitlichen Dimensionen „in selbständigen Abschnitten oder Stufen durchgeführt“ wird. Eine Stufung in Form von Vorbescheiden und anderen Teilgenehmigungen behandelt § 57b Abs. 2.

119 BT-Drs. 11/4015, S. 10. 120 BT-Drs. 11/4015, S. 10. 121 Zur Berücksichtigung der in § 48 Abs. 2 aufgeführten öffentlichen Interessen bei der Zulassungsentscheidung vgl. § 48 Rn. 34 ff. 122 BT-Drs. 11/4015, S. 10. 123 BT-Drs. 11/4015, S. 10. 124 Kühne UPR 1989, 326, 328. 125 Kühne UPR 1989, 326, 328; von Mäßenhausen ZfB 1994, 119, 128; Boldt/Weller 1. Auflage, Ergänzungsband § 57a Rn. 64; a.A. Storm/Bunge HdUVP, § 15 UVPG Rn. 64; Peters Die UVP-Richtlinie der EG und die Umsetzung in das deutsche Recht, S. 104; wohl Tettinger/Bohne Umweltverträglichkeitsprüfung bei Projekten des Bergbaus und der Energiewirtschaft, S. 36 f. 126 BVerwG 25.1.1996, 4 C 5/95, BVerwGE 100, 238, 243 f. 127 Frenz/Beckmann BBergG, § 52 Rn. 89. 128 So auch Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 52 Rn. 152. von Hammerstein

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Grundsätzlich muss ein nach § 52 Abs. 2a Satz 1 aufzustellender obligatorischer Rahmenbe- 72 triebsplan das gesamte UVP-pflichtige Bergbauvorhaben umfassen, wie es der Unternehmer durchzuführen beabsichtigt. Umfangreiche Vorhaben werden jedoch in vielen Fällen in selbständigen Abschnitten oder Stufen durchgeführt. Sie gehen dann auch häufig mit Folgemaßnahmen an anderen Anlagen einher, die zeitlich sehr entfernt liegen können (z.B. Bau von Ersatzstraßen, Ausbau von Gewässern). Hinzu kommt, dass die Betriebsweise, die auch durch Art, Beschaffenheit und Verlauf der Lagerstätte bedingt ist, manchmal von Daten und Entwicklungen abhängt, die anfangs noch nicht bekannt sind. Bei solchen Großvorhaben, die eine Laufzeit von mehreren Jahrzehnten haben, kann mitunter erst viele Jahre nach Aufnahme des Bergwerksbetriebs entschieden werden, ob oder in welchem Umfang einzelne Abbauflächen abgebaut werden. Bei Beginn eines solchen Vorhabens sind detaillierte Regelungen daher nur für die bereits überschaubaren Abschnitte oder Stufen möglich.129 Aus diesem Grund ermöglicht § 52 Abs. 2b Satz 1 eine sinnvolle Abschichtung: Bei Vorhaben, die wegen ihrer räumlichen Ausdehnung oder zeitlichen Erstreckung in selbständigen Abschnitten oder Stufen durchgeführt werden, kann auch der Rahmenbetriebsplan entsprechend diesen Abschnitten oder Stufen aufgestellt und zugelassen werden. Um Missbräuche zu vermeiden, scheidet diese Möglichkeit aus, wenn dadurch die Prüfung der erheblichen Umweltauswirkungen des gesamten Vorhabens ganz oder teilweise unmöglich würde. Dies würde dem gesamthaften Ansatz der UVP widersprechen und wäre daher auch mit der UVPRichtlinie nicht vereinbar.130 Über die abschnitts- oder stufenweise Aufstellung des Rahmenbetriebsplans entscheidet der 73 Unternehmer. Die Bergbehörde muss aber untersuchen, ob der genannte Ausschlussgrund gegeben ist, also ob es durch die Aufteilung ganz oder teilweise unmöglich wird, die erheblichen Umweltauswirkungen des Gesamtvorhabens zu prüfen.131 Ist das nicht der Fall, hat die Behörde das Zulassungsverfahren mit UVP für die jeweiligen Abschnitte oder Stufen nach Maßgabe der §§ 57a und 57b durchzuführen. Trotz der Aufteilung in Abschnitte oder Stufen muss die Behörde die erheblichen Auswirkungen des Gesamtvorhabens auf die Umwelt berücksichtigen, soweit sie nach dem jeweiligen Planungsstand erkennbar sind.

9. Ausnahme von der Planfeststellungspflicht (Absatz 2b Satz 2 und 3) Um Doppelprüfungen zu vermeiden, normiert § 52 Abs. 2b Satz 2 eine Ausnahme von der Pflicht 74 zur Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens mit UVP. Eine UVP muss nicht erneut stattfinden bei Vorhaben, für die bereits in einem besonderen Verfahren im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 3 (z.B. dem nordrhein-westfälischen Braunkohlenplanverfahren) eine UVP durchzuführen war. Stattdessen sind die Ergebnisse der früheren UVP zu berücksichtigen § 52 Abs. 2b Satz 3. Das konzentriert die UVP auf ein Verfahren. Zudem ist wegen der qualifizierten Mitwirkung der kommunalen Seite eine weitere förmliche Beteiligung betroffener Gemeinden im Betriebsplanzulassungsverfahren insoweit nicht mehr erforderlich.132 Tatbestandsvoraussetzung ist zunächst, dass das Vorhaben einem „besonderen Verfahren 75 im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 3“ unterliegt. Darunter ist ein bundes- oder landesgesetzlich vorgeschriebenes besonderes Planungsverfahren zu verstehen, in dem insbesondere die Abbaugrenzen und Haldenflächen eines Gewinnungsbetriebes festgelegt und genehmigt werden. Weiterhin muss dieses Verfahren die Durchführung einer UVP gewährleisten, die den Anforderungen des BBergG entspricht. Die berggesetzlichen Anforderungen an die UVP sind gewährleistet, wenn Rechtsnormen die Ermittlung, Beschreibung und Bewertung der Umweltauswirkungen des Vorhabens vor129 130 131 132

BT-Drs. 11/4015, S. 10. Frenz/Beckmann BBergG, § 52 Rn. 93, der Absatz 2b im Übrigen aber zu Recht als richtlinienkonform ansieht. Frenz/Beckmann BBergG, § 52 Rn. 90. OVG Koblenz 5.10.2010, 1 A 10689/09 = ZfB 2011, 119, 125; BT-Drs. 11/5601, S. 16; BT-Drs. 11/4501, S. 10; Ausschussbericht, BT-Drs. 8/3965, S. 137 zu § 54 Abs. 2 Satz 3. 495

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schreiben. Zu diesem Zweck sind die allgemein für eine UVP geforderten Verfahrensschritte erforderlich. Dazu gehören die Erörterung über den Untersuchungsrahmen zwischen Planungsbehörde und Unternehmer, die Vorlage der für die UVP bedeutsamen Unterlagen mit vergleichbaren Angaben und Prüfungen, die Beteiligung von Behörden, die Einbeziehung der Öffentlichkeit sowie die Bewertung der Umweltauswirkungen.133 Die zusammenfassende Darstellung und die Bewertung der Umweltauswirkungen können in einem Erläuterungsbericht zu dem Plan bzw. der Plangenehmigung enthalten sein. Die überwiegende Meinung im Schrifttum interpretiert § 52 Abs. 2b Satz 2 so, dass es nicht darauf ankommt, ob eine derartige UVP tatsächlich durchgeführt wurde, sondern allein darauf, ob eine gesetzliche Verpflichtung für eine solche UVP bestand.134 Diese Auffassung lässt sich angesichts der jüngeren Rechtsprechung des EuGH nicht aufrechterhalten. Danach ist bei gestuften Zulassungsverfahren eine auf der ersten Stufe rechtmäßig oder rechtswidrig unterlassene UVP jedenfalls auf der späteren Stufe nachzuholen.135 Daher ist § 52 Abs. 2b Satz 2 nur auf Fälle anzuwenden, bei denen die UVP im besonderen Verfahren im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 3 tatsächlich durchgeführt wurde.136 Das entspricht auch dem Normzweck von § 52 Abs. 2b Satz 2, der ausweislich der amtlichen Begründung darin liegt, Doppelprüfungen zu vermeiden.137 Mit Absatz 2b Satz 2 und 3 hat der Bundesgesetzgeber wie in § 54 Abs. 2 Satz 3 den Ländern eine gewisse bergrechtliche Regelungsbefugnis eingeräumt. 76 Sind diese Voraussetzungen erfüllt, ist Rechtsfolge, dass es keiner bergrechtlichen Planfeststellung und damit auch keiner weiteren UVP nach Maßgabe des BBergG bedarf. Ein Verlangen der Behörde gemäß § 52 Abs. 2a Satz 1 scheidet aus. Da das besondere Planungsverfahren im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 3 unter den genannten Voraussetzungen ein bergrechtliches Planfeststellungsverfahren entbehrlich macht, entfällt auch die Konzentrationswirkung des bergrechtlichen Planfeststellungsbeschlusses. In der Regel wird der Unternehmer für das Vorhaben einen fakultativen Rahmenbetriebsplan aufstellen und zur Zulassung einreichen. Neben der Betriebsplanzulassung sind die in anderen Fachgesetzen vorgeschriebenen behördlichen Entscheidungen einzuholen. Um zu vermeiden, dass in diesen Verfahren eine UVP erforderlich wird, sind § 11 Abs. 1 WHG und § 17 Abs. 10 BNatSchG gemäß § 52 Abs. 2b Satz 2 nicht anwendbar. Damit ist sichergestellt, dass die UVP auf ein Verfahren konzentriert wird und die Konzentration der UVP in dem besonderen Planungsverfahren neben den planerischen und bergrechtlichen auch die wasserrechtlichen und naturschutzrechtlichen Gesichtspunkte erfasst. Materielle Anforderungen des Wasser- und Naturschutzrechts werden hierdurch nicht berührt.138 Nach § 52 Abs. 2b Satz 3 ist das Ergebnis der in dem besonderen Planungsverfahren durchgeführten UVP bei Zulassungen, Genehmigungen und sonstigen behördlichen Entscheidungen über die Zulässigkeit des Vorhabens nach Maßgabe der dafür geltenden Vorschriften zu berücksichtigen. Die Ergebnisse der UVP sind also auch bei der Betriebsplanzulassung so zu berücksichtigen, als wäre die UVP im bergrechtlichen Verfahren selbst durchgeführt worden. 76a Im Schrifttum wurden Bedenken geäußert, dass zwischen der UVP im vorgelagerten Verfahren, insbesondere im Braunkohlenplanverfahren, und den nachfolgenden Betriebsplanzulassungen viel Zeit vergehen kann, so dass die Ergebnisse der UVP veraltet und durch eine Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse überholt sein können.139 Dies ist jedoch keine Besonderheit des Braunkohlenplanverfahrens sondern jedem langfristigen Vorhaben immanent. Auch zwischen der 133 Vgl. OVG Brandenburg 28.6.2001, 4 A 115/99 = ZfB 2001, 257, 272; Fouquet ZUR 1994, 190, 193. 134 Hoppe/Beckmann UVPG 4. Auflage, § 18 Rn. 63; Erbguth/Schink UVPG, § 18 Rn. 5a; Fouquet ZUR 1994, 190, 193; a.A. Keienburg Die Öffentlichkeitsbeteiligung im Bergrecht, S. 259 f. 135 EuGH 7.1.2004, C-201/02, Slg. 2004, I-00723, Rn. 62 ff.; ähnlich EuGH 17.3.2011, C-275/09, juris Rn. 37 f. 136 Ebenso Keienburg Die Öffentlichkeitsbeteiligung im Bergrecht, S. 259 f.; a.A. Frenz/Beckmann BBergG, § 52 Rn. 98. 137 BT-Drs. 11/4015, S. 10. 138 BT-Drs. 11/5601, S. 16. 139 Frenz/Beckmann, BBergG, § 52 Rn. 102. Keimeyer/Gailhofer/Schomerus/Teßmer äußern aus rechtspolitischer Sicht grundsätzliche Kritik an der gesetzlich vorgesehenen Möglichkeit, die UVP für Braunkohlentagebaue im Braunkohlenplanverfahren durchzuführen und treten für ihre Abschaffung ein, vgl. Frenz/Keimeyer et al, BBergG, Anhang S. 1828. von Hammerstein

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obligatorischen Rahmenbetriebsplanzulassung für große bergbauliche Vorhaben und nachfolgenden Haupt- und Sonderbetriebsplanzulassungen können mehrere Jahrzehnte liegen. Geänderten tatsächlichen und rechtlichen Veränderungen ist in diesen Verfahren Rechnung zu tragen, ohne dass es dafür einer erneuten UVP bedürfte. Auch die UVP-Richtlinie verlangt nicht, dass ein aufgrund einer UVP zugelassenes Vorhaben bei geänderten tatsächlichen Verhältnissen einer erneuten UVP unterzogen, die UVP damit also einem laufenden Aktualisierungsvorbehalt unterliegt. Zu den Verfahren, die die Voraussetzungen des § 52 Abs. 2b Satz 2 erfüllen, gehört das Braunkohlenplanverfahren in Nordrhein-Westfalen nach §§ 26 ff. LPlG NRW.140 Gemäß § 27 Abs. 1 LPlG NRW werden die Strategische Umweltprüfung und die UVP für betriebsplanpflichtige Vorhaben zum Abbau von Braunkohle einschließlich Haldenflächen sowie für deren wesentliche Änderungen im Braunkohlenplanverfahren gemeinsam durchgeführt, wenn der Braunkohlenausschuss dies beschließt. Dass es sich beim Braunkohlenplan nicht um eine Vorhabengenehmigung handelt, steht der Verlagerung der UVP vom Rahmenbetriebsplanverfahren in das Braunkohlenplanverfahren auch unionsrechtlich nicht entgegen.141 Art. 2 Abs. 1 der UVP-Richtlinie schreibt vor, dass die UVP „vor Erteilung der Genehmigung“ durchgeführt wird. Das muss nicht notwendigerweise „im“ Genehmigungsverfahren stattfinden. Art. 2 Abs. 2 der UVP-Richtlinie überlässt es den Mitgliedstaaten sogar ausdrücklich, die UVP im Genehmigungsverfahren oder im Rahmen anderer Verfahren durchzuführen. Auch können gemäß Art. 2 Abs. 3 UAbs. 2 der UVP-Richtlinie und Art. 11 Abs. 2 der SUP-Richtlinie die Strategische Umweltprüfung und die UVP zur Vermeidung von Mehrfachprüfungen gemeinsam durchgeführt werden. Auch das wasserrechtliche Planfeststellungsverfahren mit UVP zu einem Gewässerausbau nach § 68 WHG erfüllt grundsätzlich die Kriterien,142 wird aber bei Neuvorhaben wegen § 1 Nr. 1 Buchst. b) bb) UVP-V Bergbau i.V.m. § 57b Abs. 3 Satz 1 in der Regel vom bergrechtlichen Planfeststellungsverfahren verdrängt; vgl. dazu Anhang zu § 57c, § 1 UVP-V Bergbau Rn. 25. Die brandenburgischen Braunkohlenpläne nach §§ 12 ff. RegBkPlG Brb, die sächsischen Braunkohlenpläne nach § 5 SächsLPlG und die regionalen Teilgebietsentwicklungspläne für Braunkohleaufschlussoder -abschlussverfahren in Sachsen-Anhalt nach § 8 Abs. 1 LPIG LSA erfüllen die Kriterien nicht, da sie keine UVP beinhalten.143 Die für die Aufstellung dieser Pläne vorgeschriebene strategische Umweltprüfung (SUP) reicht nicht aus, um die Rechtsfolge des § 52 Abs. 2b Satz 1 auszulösen. Das Raumordnungsverfahren nach § 15 ROG a.F., für das § 49 Abs. 1 UVPG eine UVP „nach dem Planungsstand des jeweiligen Vorhabens“ vorschrieb, sofern das Vorhaben grundsätzlich UVP-pflichtig ist, genügt den Anforderungen nicht.144 Die dort durchzuführende UVP beschränkte sich auf die raumbedeutsamen Umweltauswirkungen. Entscheidend ist der (noch vorläufige) Planungsstand des Vorhabens. Wurde im Raumordnungsverfahren eine UVP durchgeführt, konnte aber die bergrechtliche UVP gemäß § 49 Abs. 2 UVPG auf zusätzliche oder andere erhebliche Umweltauswirkungen des Vorhabens beschränkt werden. Das Raumordnungsverfahren ist durch Art. 1 Nr. 9 des Gesetzes zur Änderung des Raumordnungsgesetzes und anderer Vorschriften (ROGÄndG) vom 22.3.2023 durch eine Raumverträglichkeitsprüfung abgelöst worden. Diese beinhaltet für UVP-pflichtige Vorhaben keine UVP mehr, sondern gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 ROG n.F. nur noch eine überschlägige Prüfung der Auswirkungen des Vorhabens auf die Schutzgüter nach § 2 Abs. 1 UVPG. Dementsprechend bleibt die eigentliche – vertiefte – UVP dem obligatorischen Rahmenbetriebsplanverfahren vorbehalten (§ 15 Abs. 5 Satz 3 2. Halbs. ROG n.F., § 49 Satz 2 UVPG n.F.). 140 Keienburg Die Öffentlichkeitsbeteiligung im Bergrecht, S. 258 ff.; Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht, Rn. 179; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 52 Rn. 156. 141 Kritisch hingegen Frenz/Keimeyer et al, BBergG, Anhang S. 1828. 142 Zum insoweit vergleichbaren Vorläuferverfahren nach § 31 Abs. 2 WHG i.d.F vom 25.8.1998 OVG Koblenz 9.10.2008, 1 A 10231/08 = ZfB 2010, 150, 159; bestätigt durch OVG Koblenz 5.10.2010, 1 A 10689/09 = ZfB 2011, 119, 125 zu § 31 WHG i.d.F. vom 19.8.2002. 143 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 52 Rn. 157 f. 144 Keienburg Die Öffentlichkeitsbeteiligung im Bergrecht, S. 262. 497

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Absatz 2b Satz 2 ist abzugrenzen von § 57b Abs. 3, der regelt, welches Planfeststellungsverfahren durchzuführen ist, wenn für dasselbe Vorhaben auch nach außerbergrechtlichen Vorschriften Planfeststellungsverfahren oder vergleichbare behördliche Entscheidungen vorgesehen sind.

10. Wesentliche Änderung eines Vorhabens (Absatz 2c) 81 Nach § 52 Abs. 2c gelten die in den Absätzen 2a und 2b enthaltenen Bestimmungen über das obligatorische Rahmenbetriebsplanverfahren auch für die wesentliche Änderung eines Vorhabens. § 52 Abs. 2c a.F. beschränkte die Planfeststellungspflicht auf wesentliche Änderungen, die erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben können. Diese Voraussetzung wurde durch Art. 2 Abs. 4 Nr. 1b UVPModG vom 20.7.2017 gestrichen. Dies bedeutet aber nicht – worauf der Wortlaut bei isolierter Betrachtung der Norm hindeuten könnte –, dass jede wesentliche Änderung ein Planfeststellungsverfahren erforderlich macht. Der Hinweis auf die Geltung des Absatz 2a schließt auch den in dieser Norm enthaltenen Verweis auf die Vorschriften des Teils 2 Abschnitt 1 UVPG ein. Zu ihnen gehört auch § 9 UVPG. Danach ist die Änderung eines UVP-pflichtigen Vorhabens ihrerseits UVP-pflichtig, wenn allein die Änderung die Größen- oder Leistungswerte für eine unbedingte UVP-Pflicht erreicht oder überschreitet oder wenn eine allgemeine Vorprüfung ergibt, dass die Änderung zusätzliche erhebliche nachteilige oder andere erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen hervorrufen kann. Die UVP-Pflichtigkeit der wesentlichen Änderung ist daher anhand der Maßstäbe der §§ 9–12 und 14 UVPG i.V.m. § 1 UVP-V Bergbau zu bestimmen.145 Die vorzeitige Einstellung eines Betriebes ist keine wesentliche Änderung. Zwar kann sie 82 mit erheblichen – auch nachteiligen – Umweltauswirkungen verbunden sein, etwa wenn bei einem Tagebau die Endkubatur nicht wie vorgesehen erreicht wird. Der Unternehmer kann aber nicht gezwungen werden, einen Gewinnungsbetrieb gegen seinen Willen aufrecht zu erhalten. Die mit der Stilllegung verbundenen Auswirkungen sind vielmehr im Abschlussbetriebsplanverfahren zu bewältigen.146 UVP- und damit planfeststellungspflichtig kann aber die im Hinblick auf eine spätere vorzeitige Stilllegung erforderliche geänderte Abbauführung in der Betriebsphase sein.

83 a) Änderung eines UVP-pflichtigen Grundvorhabens. Die Anwendbarkeit der Norm setzt zunächst die Änderung eines Vorhabens im Sinne des Absatzes 2a Satz 1 voraus, also eines Vorhabens, das nach § 57c in Verbindung mit den Vorschriften des Teils 2 Abschnitt 1 UVPG einer Umweltverträglichkeitsprüfung bedarf. Danach ist § 52 Abs. 2c nur anwendbar, wenn ein bereits UVPpflichtiges Grundvorhaben geändert werden soll.147 Nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut kommt es nur auf die UVP-Pflicht an, nicht darauf, ob tatsächlich eine UVP durchgeführt wurde.148 Wird ein Vorhaben geändert, das aufgrund seiner Größe und Beschaffenheit bisher nicht UVPpflichtig war und bedarf diese Änderung oder Erweiterung einer UVP nach § 9 UVPG (sog. Hineinwachsen in die UVP-Pflicht), so ergibt sich die Pflicht zur Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens mit UVP direkt aus § 52 Abs. 2a i.V.m. der UVP-V Bergbau und § 9 Abs. 2 UVPG; vgl. hierzu Anhang zu § 57c, § 1 UVP-V Bergbau Rn. 3 f. Das Vorhaben muss zudem eine Änderung des Grundvorhabens im Sinne des Absatzes 2c sein. Dies ist der Fall, wenn durch das geplante Geschehen bzw. Verhalten ein Zustand geschaffen werden soll, der nicht mehr vom Regelungsgehalt des 145 BT-Drs. 18/11499, S. 117. 146 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 52 Rn. 167. 147 BT-Drs. 11/4015, S. 10; Boldt/Weller 1. Auflage, Ergänzungsband, § 52 Rn. 80; Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht, Rn. 176; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 52 Rn. 161. 148 Stevens ZUR 2012, 338, 342; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 52, Rn. 161a; a.A. wohl OVG Münster 7.6.2005, 11 A 1193/02, juris, Rn. 99, das in einem obiter dictum zu der Auffassung neigt, dass § 52 Abs. 2c ein bereits zugelassenes Grundvorhaben verlangt. von Hammerstein

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bestehenden Planfeststellungsbeschlusses gedeckt ist.149 Bereits Zugelassenes bedarf keiner erneuten Zulassung.150 Relevant sind hierbei nur Abweichungen vom festsetzenden Teil des bestehenden Planfeststellungsbeschlusses.151 Erfasst sind auch Erweiterungen, solange das Erweiterungsvorhaben nicht technisch und rechtlich abtrennbar ist.152 Die bloße zeitliche Verlängerung eines befristet geltenden obligatorischen Rahmenbetriebsplans ohne inhaltliche Änderung ist keine Änderung des Vorhabens im Sinne des Absatz 2c. Ein Sonderfall ist die Fortführung eines Vorhabens, das nach aktueller Rechtslage UVP-pflich- 84 tig wäre, für das aber keine UVP durchgeführt wurde, weil das Gesamtvorhaben bereits vor Ablauf der Umsetzungspflicht der UVP-Richtlinie am 3.7.1988 begonnen wurde. Für diese Vorhaben ist eine UVP auch dann nicht nachträglich durchzuführen, wenn weitere Betriebsplanzulassungen erforderlich sind. Daher bedarf auch eine räumliche Weiterentwicklung eines Tagebaus keiner UVP, solange sich die Weiterentwicklung im Rahmen des ursprünglichen Gesamtvorhabens bewegt. Vgl. ausführlich hierzu Anhang zu § 57c, Vorbemerkungen zur UVP-V Bergbau Rn. 7.

b) Wesentlichkeit der Änderung. Ein Änderungsplanfeststellungsverfahren mit UVP ist nur 85 erforderlich, wenn die beabsichtigte Änderung des Grundvorhabens wesentlich ist. Eine Änderung ist wesentlich, wenn sie die Grundkonzeption des Vorhabens berührt. Dies beurteilt sich nach Größe, Funktion, Struktur o.ä. des Grundvorhabens. Die gerade beim Untertagebergbau oft zwangsläufig notwendigen Anpassungen der Abbauführung an die wechselnden und nicht vollständig prognostizierbaren geologischen Gegebenheiten liegen danach im Rahmen des zugelassenen Vorhabens und bedürfen, auch wenn sie mit unterschiedlichen Auswirkungen auf die Oberfläche verbunden sein sollten, in der Regel keines erneuten Planfeststellungsverfahrens.153 Um zu vermeiden, dass es zu Abweichungen vom Rahmenbetriebsplan kommt, die nur in einem aufwendigen Planfeststellungsverfahren zugelassen werden können, empfiehlt es sich, schon bei der Aufstellung des Rahmenbetriebsplans nach § 52 Abs. 2a Satz 1 darauf zu achten, dass er hinreichend flexibel ist und absehbare Entwicklungen berücksichtigt. c) Rechtsfolge. Sind die Voraussetzungen des § 52 Abs. 2c gegeben, so hat die Behörde für das 86 Änderungsvorhaben vom Unternehmer die Aufstellung eines Rahmenbetriebsplans zu verlangen und für dessen Zulassung ein Planfeststellungsverfahren mit UVP nach Maßgabe der §§ 57a und 57b durchzuführen. Das Verfahren beschränkt sich auf die geänderten Teile des Vorhabens.154 Bei der Gesamtbetrachtung der Umweltauswirkungen des geänderten Vorhabens sind aber die fortbestehenden Umweltauswirkungen des Grundvorhabens zu berücksichtigen.155 Für die Umweltauswirkungen des Grundvorhabens kann die Behörde auf die Ergebnisse der dafür bereits durchgeführten UVP zurückgreifen. Erneute oder zusätzliche Prüfungen sind nur erforderlich, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Erkenntnisse der früheren Prüfung überholt oder fehlerhaft sind.156 Ist eine Änderung nicht wesentlich oder führt sie nicht zu erheblichen Umweltauswirkungen, entscheidet die Behörde über die Änderung des Rahmenbetriebsplans im formlosen Verfahren. 149 Vgl. BVerwG 7.12.2006, 4 C 16/04, BVerwGE 127, 208 Rn. 31 (zu § 8 Abs. 1 S. 1 LuftVG); Keilich LKV 2004, 97, 101 f.; Steinberg/Müller NJW 2001, 3293 ff.; a.A. Steinberg/Steinwachs NVwZ 2002, 1153, 1154 f.

150 Vgl. BVerwG 7.12.2006, 4 C 16/04, BVerwGE 127, 208 Rn. 31 (zu § 8 Abs. 1 S. 1 LuftVG); Steinberg/Müller NJW 2001, 3293. 151 Vgl. Kopp/Ramsauer/Wysk VwVfG, § 76 Rn. 5. 152 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 52 Rn. 165. 153 Frenz/Beckmann BBergG, § 52 Rn. 106. 154 VGH Kassel 17.2.2021, 2 A 698/16 = ZfB 302 Rn. 55 f. 155 Hoppe/Beckmann/Dienes UVPG 4. Auflage, § 3e Rn. 12.2. 156 OVG Münster 3.12.2008, 8 D 19/07.AK, NuR 2009, 204, 206. 499

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87 d) Keine Anwendung von § 76 VwVfG. Neben Absatz 2c ist für eine Anwendung von § 76 VwVfG bzw. der entsprechenden landesgesetzlichen Vorschriften kein Raum.157 Vorbehaltlich der Sonderregelungen in § 76 Abs. 2 und 3 VwVfG bedarf es nach § 76 Abs. 1 VwVfG eines neuen Planfeststellungsverfahrens, wenn der festgestellte Plan vor Fertigstellung des Vorhabens geändert werden soll. Die §§ 72 ff. VwVfG finden nach Maßgabe des § 1 VwVfG nur subsidiär Anwendung, soweit das jeweils geltende Fachplanungsrecht keine inhaltsgleichen oder entgegenstehenden Bestimmungen enthält. Bestehende fachgesetzliche Regelungen haben also Vorrang.158 § 52 Abs. 2c enthält eine solche fachgesetzliche Regelung, die die Frage der Planfeststellungspflicht von Änderungen UVP-pflichtiger Vorhaben abschließend regelt. Zudem passt § 76 VwVfG auf bergbauliche Vorhaben nicht. § 76 VwVfG ist überhaupt nur anwendbar auf die – üblicherweise kurze – Phase zwischen Planfeststellung und Fertigstellung des Vorhabens. Der Begriff der Fertigstellung meint den Abschluss der Errichtungsphase und impliziert damit, dass Errichtungsphase und Betriebsphase voneinander getrennt sind. Genau das ist aber bei den meisten bergbaulichen Vorhaben nicht der Fall. Die Betriebsphase (der Abbau von Bodenschätzen) fällt in der Regel mit der Errichtungsphase (dem Ausbau des Bergwerks) in einer Durchführungsphase zusammen oder überschneidet sich jedenfalls mit dieser. Hinzu kommt, dass das Planfeststellungsverfahren im Fachplanungsrecht das Regelverfahren ist (und bis zur Einführung der Plangenehmigung in vielen Fachplanungsgesetzen die einzige Verfahrensart war). § 76 Abs. 1 VwVfG soll damit eine präventive behördliche Kontrolle für Planänderungen in einem ordnungsgemäßen Verfahren gewährleisten. Für bergbauliche Vorhaben ist hingegen das einfache Betriebsplanverfahren das Standardverfahren. Das Planfeststellungsverfahren dient nur als Trägerverfahren für UVP-pflichtige Vorhaben. Es findet nicht statt, wenn das Vorhaben nicht UVP-pflichtig ist. Deshalb gibt es keinen Bedarf, über den Anwendungsbereich des § 52 Abs. 2c hinaus auch in anderen Fällen anstelle des einfachen Betriebsplanverfahrens ein Planfeststellungsverfahren durchzuführen. Auf unwesentliche Änderungen (vgl. dazu Rn. 85) und auf nicht UVP-pflichtige wesentliche Änderungen sind daher auch nicht § 76 Abs. 2 und Abs. 3 VwVfG und die entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften anwendbar.159

11. Überwachungsmaßnahmen (Absatz 2d) 88 Absatz 2d wurde durch Art. 2 Abs. 4 Nr. 1 lit. c UVPModG vom 20.7.2017 neu in den § 52 eingefügt. Danach hat die Bergbehörde nach Maßgabe der auf das Vorhaben anwendbaren Vorschriften festzulegen, welche Maßnahmen der Unternehmer zur Überwachung erheblicher nachteiliger Auswirkungen auf die Umwelt zu treffen hat. Die Vorschrift steht im Zusammenhang mit der in § 69 Abs. 1a normierten Pflicht der Bergbehörde, bei Vorhaben, die der UVP-Pflicht unterfallen, Überwachungsmaßnahmen zur Kontrolle erheblicher nachteiliger Umweltauswirkungen zu treffen. Damit wird ein zweistufiger Ansatz verfolgt. Zum einen muss der Unternehmer selbst nach Maßgabe der Betriebsplanzulassung Überwachungsmaßnahmen treffen. Zum anderen hat die Bergbehörde die Einhaltung der umweltrelevanten Anforderungen gemäß § 69 Abs. 1a zu überwachen. Die Maßnahmen nach Satz 2 müssen nicht zwingend in der Rahmenbetriebsplanzulassung festgelegt werden. Dies kann auch im Haupt-, Sonder- oder Abschlussbetriebsplanverfahren geschehen. Gemäß Satz 3 sind bei der Auswahl der Art der zu überwachenden Parameter und der Dauer der Überwachung nach Maßgabe der anwendbaren Vorschriften (z.B. Vorschriften

157 Keienburg Die Öffentlichkeitsbeteiligung im Bergrecht, S. 210 f.; a.A. Bohne ZfB 1989, 93, 121; Niermann Betriebsplan und Planfeststellung im Bergrecht, S. 255; Strecker Die Rechtsposition der Gemeinden im bergrechtlichen Betriebsplanverfahren, S. 168; Boldt/Weller 1. Auflage, Ergänzungsband, § 57a Rn. 81; andererseits heißt es dort aber unter § 52 Rn. 80, dass § 52 Abs. 2c eine abschließende Regelung sei. 158 Stelkens/Bonk/Sachs/Neumann VwVfG, § 72 Rn. 73. 159 Anders unter Verweis auf eine angebliche bisherige Praxis BT-Drs. 18/11499, S. 117. von Hammerstein

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des Wasser-, Immissionsschutz- und Störfallrechts)160 insbesondere die Art, der Standort und der Umfang des Vorhabens sowie das Ausmaß seiner Auswirkungen auf die Umwelt zu berücksichtigen.

VII. Gemeinschaftlicher Betriebsplan (Absatz 3) Unter bestimmten Voraussetzungen kann die Behörde von mehreren Unternehmern verlangen, 89 einen gemeinschaftlichen Betriebsplan aufzustellen. Voraussetzung ist, dass die Arbeiten und Einrichtungen nach einheitlichen Gesichtspunkten durchgeführt, errichtet oder betrieben werden müssen. Beispielsfälle sind die Verlegung von Verkehrs- und Versorgungsanlagen oder die Errichtung und der Betrieb von Zentralhalden.161 Das Instrument des gemeinschaftlichen Betriebsplans eignet sich aber auch für Konstellationen, in denen zwei Unternehmer verschiedene Bodenschätze im selben Feld abbauen und diese Tätigkeiten koordinieren müssen.162 Das Gleiche gilt z.B., wenn ein Unternehmen in einem bestehenden Grubengebäude bereits Versatz und Sicherungsmaßnahmen betreibt, während ein anderes Unternehmen unter Mitnutzung des Schachts, untertägiger Strecken und sonstiger Einrichtungen in anderen Bereichen weiterhin Bodenschätze gewinnt. Es besteht auch die Möglichkeit, dass mehrere Unternehmer von sich aus einen gemeinschaftlichen Betriebsplan aufstellen.163 Nach der amtlichen Begründung des BBergG können gemeinschaftliche Betriebspläne in Form 90 von Haupt- und Rahmenbetriebsplänen in Betracht kommen, allerdings ohne dass diese Einschränkung begründet wird.164 Die systematische Stellung der Regelung innerhalb des § 52 spricht aber dafür, dass es gemeinschaftliche Betriebspläne auch in Form von Sonderbetriebsplänen geben kann.165 Dies entspricht der Verwaltungspraxis.166 Außer der Stellung innerhalb des § 52 sprechen auch keine Gründe dagegen, gemeinschaftli- 91 che Abschlussbetriebspläne zu ermöglichen.167 Der Fall, dass mehrere Unternehmer Arbeiten oder Einrichtungen nach einheitlichen Gesichtspunkten durchführen, errichten oder betreiben müssen, kann auch bei Betriebseinstellungen eintreten. Der Gesetzgeber nennt deshalb „die Wiedernutzbarmachung möglichst großer Betriebsflächen“ als Anwendungsfall des gemeinschaftlichen Betriebsplans.168 Es ist auch sachgerecht, dass zwei Unternehmer, die einen Betrieb oder einen Betriebsteil aufgrund eines gemeinschaftlichen Betriebsplans geführt haben, diesen auch aufgrund eines gemeinschaftlichen Betriebsplans einstellen169 und dessen Zulassung verlangen können.170 Dies bedeutet aber nicht, dass die Bergbehörde benachbarte Unternehmer gegen ihren Willen zwingen kann, einen gemeinschaftlichen Abschlussbetriebsplan aufzustellen. Angesichts des auf die Errichtung und Führung des Betriebs beschränkten Anwendungsbereichs des § 52 Abs. 3 fehlt es für ein solches Verlangen an einer Ermächtigungsgrundlage.171

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Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 52 Rn. 169d. BT-Drs. 8/1315, S. 107. von Weschpfennig Strukturen des Bergrechts, S. 280. BT-Drs. 8/1315, S. 107. BT-Drs. 8/1315, S. 107. Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht, Rn. 214, von Weschpfennig Strukturen des Bergrechts, S. 281. Vgl. die Hausverfügung der Bezirksregierung Arnsberg für die Handhabung des Betriebsplanverfahrens (Betriebsplan-Richtlinien – BP-RL), Stand 31.5.2010, Nr. 2.5. 167 So auch von Weschpfennig Strukturen des Bergrechts, S. 281. 168 Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht, Rn. 214. 169 BT-Drs. 8/1315, S. 107. 170 A.A. Frenz/Beckmann BBergG, § 53 Rn. 67, der der Behörde ein Verfahrensermessen zugesteht. 171 Frenz/Beckmann BBergG, § 53 Rn. 65 f.; a.A. Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht, Rn. 214. 501

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VIII. Inhalt der Betriebspläne (Absatz 4 Satz 1) 92 § 52 Abs. 4 umschreibt allgemein den notwendigen Inhalt der in § 52 geregelten Betriebspläne. Erfasst sind fakultative und obligatorische Rahmenbetriebspläne, Hauptbetriebspläne, Sonderbetriebspläne und gemeinschaftliche Betriebspläne. Der erforderliche Umfang der Nachweise unterscheidet sich je nach Betriebsplanart. Wegen der großen Unterschiede, die zwischen den der Betriebsplanpflicht unterliegenden Betrieben hinsichtlich Umfang und Betriebsweise bestehen, ist es nicht möglich, den Inhalt der Betriebspläne im Einzelnen gesetzlich festzulegen. Für Abschlussbetriebspläne gilt § 53. § 52 Abs. 4 Satz 1 ermöglicht ausschließlich im öffentlichen Interesse eine sachgerechte Prüfung des Betriebsplans und verleiht keinen Drittschutz.172 Absatz 4 Satz 1 hat nicht nur deklaratorischen Charakter, sondern normiert in Verbindung 93 mit den §§ 51 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, 2a Satz 1 und 53 Abs. 1 Satz 1 auch eine Nachweisobliegenheit des Unternehmers. Im Falle von Unklarheiten oder sachlichen Defiziten kann die Behörde nach § 5 i.V.m. § 25 Abs. 2 VwVfG zur Nachbesserung auffordern. Kommt der Unternehmer dem nicht nach, gehen die Defizite zu seinen Lasten. Die Berechtigung der Behörde zur Amtsermittlung nach § 5 i.V.m. §§ 24 VwVfG bleibt unberührt.173 Nach Absatz 4 Satz 1 müssen die von § 52 erfassten Betriebspläne zunächst eine Darstellung 94 des Umfangs, der technischen Durchführung und der voraussichtlichen Dauer des beabsichtigten Vorhabens enthalten. Welche Angaben und Unterlagen dazu im Einzelnen erforderlich sind, hängt grundsätzlich von der Art des Betriebsplans und von dem konkreten Betrieb ab. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass sich das Betriebsplanverfahren nach der Gesetzesbegründung auf die Darstellung und Prüfung des für die Errichtung oder Führung des Betriebes wesentlichen Funktionsund Organisationszusammenhangs konzentrieren soll.174 Der Betriebsplan soll es der Behörde ermöglichen, darüber zu entscheiden, ob die Zulas95 sungsvoraussetzungen erfüllt sind. Ausdrücklich verlangt Absatz 4 Satz 1 nur den Nachweis, dass die in § 55 Abs. 1 Nr. 1 und 3 bis 13 bezeichneten Voraussetzungen erfüllt sind. Entsprechendes muss für die aus der Sphäre des Unternehmers stammenden Informationen gelten, die notwendig sind, um über die nach § 48 Abs. 2 zu berücksichtigenden außerbergrechtlichen Anforderungen (z.B. Betreiberpflichten nach § 22 BImSchG, naturschutzrechtliche Eingriffsregelung) zu entscheiden. Die Fassung des Betriebsplans im Einzelnen ist dem Unternehmer überlassen. Er kann entscheiden, wie er diese Nachweise erbringt. Er darf dafür auch Unterlagen nutzen, zu deren Erarbeitung er ohnehin nach anderen Rechtsvorschriften verpflichtet ist.175 Soweit das Vorliegen der Zulassungsvoraussetzungen nicht bereits aus der textlichen oder zeichnerischen Darstellung der vorgesehenen Tätigkeiten und Einrichtungen hervorgeht, ist gemäß § 52 Abs. 4 Satz 1 der entsprechende Nachweis zu erbringen. Der Umfang der Nachweispflicht richtet sich nach dem Inhalt des jeweils einzureichenden Betriebsplans. Üblich ist etwa die Beifügung von Lageplänen, geologischen und ökologischen Studien sowie Sicherheitsgutachten. Bei Betriebsplänen, die das Aufsuchen und Gewinnen von Bodenschätzen zum Gegenstand haben, hat der Unternehmer gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 nachzuweisen, dass sich seine Aufsuchungs- und Gewinnungsberechtigung über das gesamte von dem Betriebsplan erfasste Gebiet erstreckt. Das gilt nicht für Rahmenbetriebspläne. Für deren Zulassung genügt es, wenn der Unternehmer die erforderliche Berechtigung zwar noch nicht für das gesamte Abbaufeld nachweisen kann, jedoch nicht auszuschließen ist, dass er den Nachweis zu gegebener Zeit erbringen kann (vgl. § 55 Rn. 10). Nach § 6 EinwirkungsBergV sind einem Betriebsplan über untertägige Gewinnungsbetriebe der von der Verordnung erfassten Bergbauzweige und -bezirke zeichnerische Darstellungen des Einwirkungsbereichs der im Betriebsplan vorgesehenen Maßnahmen beizufügen. Der Plan muss für Arbeiten und Einrichtungen unter und über Tage Zweck, Art und Ausführung soweit erkennen lassen, dass die 172 173 174 175

BVerwG 14.12.1990, 7 C 18/90 = ZfB 1991, 140, 141. Unklar insoweit Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht, Rn. 259. BT-Drs. 8/1315, S. 106. Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht, Rn. 259.

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Bergbehörde prüfen kann, ob die in § 55 genannten Belange gewährleistet sind. Daher muss er alle Tätigkeiten und Einrichtungen aufführen, die auf die Sicherheit des Grubenbetriebes Einfluss haben können und die für den Schutz der Oberfläche im Interesse der persönlichen Sicherheit oder des öffentlichen Verkehrs Bedeutung haben. Zur Erläuterung der Textangaben sind erforderlichenfalls Auszüge aus dem Grubenbild, parallelperspektivische Darstellungen, Zeichnungen, Tabellen, Kataloge, Berechnungen oder Verzeichnisse beizufügen. Detaillierte Vorgaben lassen sich den Richtlinien zum Betriebsplanverfahren entnehmen, die mehrere Bundesländer erlassen haben.176 Diese enthalten auch Gliederungen, Muster und Vordrucke, die bei der Betriebsplanaufstellung zum Anhalt zu nehmen sind. Gliederungspunkte, die für den einzelnen Betrieb nicht zutreffen, können entfallen. Ein fakultativer Rahmenbetriebsplan enthält nach § 52 Abs. 2 Nr. 1 lediglich allgemeine Angaben über das beabsichtigte Vorhaben, dessen technische Durchführung und voraussichtlichen zeitlichen Ablauf. Der Rahmenbetriebsplan dient nicht der Beschreibung von Einzelheiten.177 Auch aus praktischen Gründen sollte er keine unnötigen Details enthalten, denn anderenfalls macht eine spätere Abweichung von diesen Details eine Änderung des Rahmenbetriebsplans erforderlich. Der Rahmenbetriebsplan muss etwa Aussagen dazu treffen, an welcher Stelle der Betriebsplanfläche der Unternehmer mit dem Abbau beginnen und wie er die Abbausohle erreichen will.178 Daneben muss er Angaben dazu enthalten, in welcher Reihenfolge der Abbau erfolgen soll und welche Dauer für die einzelnen Abbauschritte veranschlagt wird.179 Notwendig ist auch bei Rahmenbetriebsplänen die Angabe einer genauen Geltungsdauer. Auf eine Befristung kann der Unternehmer daher nicht verzichten.180 Nicht erforderlich ist es hingegen, dass der Rahmenbetriebsplan schon alle für die Sicherheit der Errichtung und des Betriebs wesentlichen Fragen regelt.181 Ein obligatorischer Rahmenbetriebsplan muss zusätzlich nach § 57a Abs. 2 Satz 2 alle für die UVP bedeutsamen Angaben enthalten, die erforderlichen Angaben zu den vom Planfeststellungsbeschluss umfassten behördlichen Entscheidungen sowie nach § 57a Abs. 2 Satz 3 auch einen zur Auslegung geeigneten Plan und eine allgemeinverständliche Zusammenfassung der beizubringenden Angaben. Vgl. hierzu im Detail die Kommentierung zu § 57a Rn. 5 ff. Im Hauptbetriebsplan für die Errichtung eines Betriebes sind die Angaben soweit zu konkretisieren, dass der Betriebsplan ein umfassendes Bild der geplanten Betriebsanlagen und Einrichtungen sowie ihrer Herstellung vermittelt. Der Hauptbetriebsplan für die Führung des Betriebes muss Auskunft darüber geben, wie sich der Betrieb innerhalb des Zeitraumes, für den der Betriebsplan gilt, entwickeln soll, z.B. geplante Aus- und Vorrichtung, in Aussicht genommener Abbau, Aufsuchungs-, Gewinnungs- oder Aufbereitungsverfahren und technische Arbeitsmittel.182 Der Umfang der Hauptbetriebspläne in den verschiedenen Bergbauzweigen ist von der Größe 176 Vgl. Landesamt für Geologie, Rohstoffen und Bergbau (Baden-Württemberg): Leitfaden für die Erstellung eines Hauptbetriebsplanes über Tage vom 6.12.2007, Az.: 4718/53/1; Richtlinie des Landesbergamts Brandenburg für die Handhabung des Betriebsplanverfahrens vom 3.12.2001, Ord.-Nr. 10/01; Richtlinie des Landesbergamts Brandenburg zur Durchführung von bergrechtlichen Planfeststellungsverfahren mit integrierter Umweltverträglichkeitsprüfung nach den Maßgaben der §§ 57a und 57b BBergG vom 3.12.2001, Ord.-Nr. 8/01; Landesbergamt Brandenburg-Richtlinie vom 23.11.2001 zur Durchführung von Planfeststellungsverfahren mit Umweltverträglichkeitsprüfung gemäß BBergG; Empfehlungen der hessischen Bergbehörde für das Betriebsplanverfahren vom 1.3.2007; Nordrhein-Westfalen: Hausverfügung der Bezirksregierung Arnsberg für die Handhabung des Betriebsplanverfahrens (Betriebsplan-Richtlinien – BP-RL), Stand 31.5.2010; Sächsisches Oberbergamt: Richtlinie zur Aufstellung und Gliederung von Betriebsplänen für Tagebaue und dazugehörige Tagesanlagen vom 1.8.2011 (SächsABl. S. 1468), S. 4; Hinweise und Richtwerte des Thüringer Landesbergamtes für den Steine- und Erden-Bergbau vom 30.6.2004. 177 Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht, Rn. 170. 178 Ludwig Umweltaspekte in Verfahren nach dem BBergG, S. 47. 179 VG Koblenz 7.1.1999, 1 K 3765/97 = ZfB 1999, 135, 138 f. 180 BVerwG 13.12.1991, 7 C 25/90, BVerwGE 89, 246, 258 f. = ZfB 1992, 38, 42. 181 BVerwG 13.12.1991, 7 C 25/90, BVerwGE 89, 246, 257 = ZfB 1992, 38, 41 f. 182 BT-Drs. 8/1315, S. 107. 503

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des Betriebes, dem Gefahrencharakter und Mechanisierungsgrad sowie dem Stand der Planung abhängig. Der Inhalt von Sonderbetriebsplänen muss im Hauptbetriebsplan nicht wiederholt werden. Anderenfalls würde deren Entlastungsfunktion hinfällig. In Sonderbetriebsplänen beschriebene Einrichtungen und Tätigkeiten sind im Hauptbetriebsplanverfahren nicht zu prüfen. Kleinere Betriebe können die Gliederung des Hauptbetriebsplans durch zweckmäßige Kürzungen und Zusammenfassungen vereinfachen. 100 Die inhaltlichen Anforderungen an Sonderbetriebspläne sind denjenigen für Hauptbetriebspläne vergleichbar, da sich die Sonderbetriebspläne in das im Hauptbetriebsplan dargestellte Betriebsregime einordnen müssen. Wenn für einen Betrieb viele Sonderbetriebspläne zugelassen sind, unterscheiden sich letztere vom Hauptbetriebsplan in der Praxis aber deutlich. Der Hauptbetriebsplan enthält dann regelmäßig nur noch einen Überblick über die im nächsten Turnus vorgesehenen Maßnahmen und verweist im Übrigen auf die Sonderbetriebspläne. 101 Betriebsplanzulassungen und die ihnen zugrunde liegenden Betriebspläne unterliegen als Umweltinformationen dem Zugangsanspruch nach § 3 Abs. 1 UIG.183 Daher kann es der Verfahrensbeschleunigung dienen, angesichts von § 9 Abs. 1 Satz 4 UIG im Betriebsplan enthaltene Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse als solche zu kennzeichnen.184 Weil ein Ablehnungsgrund nur für die davon betroffenen Informationen gilt (§ 5 Abs. 3 UIG), müsste in der Praxis auch ein mehrere Ordner umfassender Betriebsplan Seite für Seite von der Behörde auf Vorliegen von Ablehnungsgründen überprüft werden.185 Um dies zu vermeiden, kann es im Einzelfall sinnvoll sein, wenn bereits der Unternehmer eine zweite Fassung des Betriebsplans ohne Betriebsgeheimnisse erstellt und diese der Behörde zur Verfügung stellt.

IX. Verlängerung, Ergänzung und Änderung von Betriebsplänen (Absatz 4 Satz 2) 102 Nach Absatz 4 Satz 2 können Betriebspläne für die Errichtung oder Führung eines Betriebes verlängert, ergänzt und abgeändert werden. Erfasst sind nur Modifikationen des zugelassenen Betriebsplans durch den Unternehmer, der nach § 51 Abs. 1 dafür zuständig ist, den Betriebsplan aufzustellen. Der Eingriff der Behörde in bereits zugelassene Betriebspläne ist demgegenüber in § 56 Abs. 1 Satz 2 geregelt.186 Eine Verlängerung betrifft die zeitliche Geltung des Betriebsplans, ohne dass dessen Inhalt darü103 ber hinaus geändert wird. Sie kommt in Betracht, wenn das Vorhaben nicht fristgemäß zum Abschluss gebracht werden kann oder wenn es über den im Betriebsplan vorgesehenen Zeitraum hinaus unverändert beibehalten bzw. fortgeführt werden soll. Zum Prüfungsumfang bei Verlängerung vgl. Rn. 108 ff. Eine Betriebsplanergänzung erweitert den Inhalt, hält ihn sonst aber aufrecht. Sie ist ange104 bracht, wenn während der Laufzeit eines Betriebsplanes neue Vorhaben hinzukommen, für die kein eigener Betriebsplan, z.B. Sonderbetriebsplan, notwendig ist. Sofern der Unternehmer zu einzelnen der im Hauptbetriebsplan genannten Vorhaben die erforderlichen Angaben noch nicht machen kann, sollte er bereits bei Vorlage des Hauptbetriebsplans erklären, dass die erforderlichen Ergänzungen rechtzeitig vorgelegt werden. Eine Betriebsplanänderung modifiziert auch den bisherigen Betriebsplaninhalt. Eine Be105 triebsplanänderung kann notwendig werden, wenn ein Vorhaben nicht in der geplanten Form zu verwirklichen ist und deshalb auf andere Weise durchgeführt werden soll. Ist das geänderte Vorhaben nicht mehr von den Regelungen des zugelassenen Betriebsplans erfasst, muss der Betriebsplan geändert werden. Für das gestufte System der Betriebspläne bedeutet dies, dass in 183 Vgl. Landmann/Rohmer/Reidt/Schiller Umweltrecht, § 2 UIG Rn. 43. 184 Vgl. auch Sächsisches Oberbergamt: Richtlinie zur Aufstellung und Gliederung von Betriebsplänen für Tagebaue und dazugehörige Tagesanlagen vom 1.8.2011, SächsABl. S. 1468.

185 Geiger AnwBl. 2010, 464, 466. 186 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 52 Rn. 117. von Hammerstein

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Fällen, in denen ein Hauptbetriebsplan aufgrund neuer Abbaumethoden geändert werden muss, ein zugehöriger Rahmenbetriebsplan nur dann zu ändern ist, falls er ebenfalls Festlegungen zu den Abbaumethoden trifft. Auch ein Wechsel des Unternehmers macht wegen des in § 52 Nr. 2 zum Ausdruck kommenden gemischt sach- und personenbezogenen Charakters der Betriebsplanzulassung eine Betriebsplanänderung erforderlich, vgl. hierzu auch Vor § 50 Rn. 36 ff. Abweichungen von einem zugelassenen Betriebsplan ohne vorherige Betriebsplanänderung sind nur unter den in § 57 Abs. 1 und 2 genannten Voraussetzungen zulässig. Nach § 57 Abs. 3 ist die Zulassung der infolge der Abweichung erforderlichen Änderung des Betriebsplans unverzüglich zu beantragen. Verlängerung, Ergänzung und Änderung bedürfen ebenso wie der zugrunde liegende Be- 106 triebsplan zu ihrer Wirksamkeit der förmlichen Zulassung durch das Bergamt. Die Form und Inhalt der Zulassung betreffenden Vorschriften des § 56 gelten nach dessen Absatz 3 entsprechend. Verlängerungen, Ergänzungen und Abänderungen muss der Unternehmer gemäß § 54 Abs. 1 vor Beginn der vorgesehenen Arbeiten zur Zulassung einreichen. Für die Darstellung des Inhalts und die notwendigen Nachweise kann er auf den bereits eingereichten Betriebsplan Bezug nehmen. Es gibt keinen sachlichen Grund, der dagegen spricht, auch bereits abgelaufene Hauptbe- 107 triebspläne zu verlängern.187 Dafür kann in der Praxis ein Bedürfnis bestehen, insbesondere wenn ein Verlängerungsverfahren nicht rechtzeitig vor Ablauf der Befristung des vorangegangenen Betriebsplans abgeschlossen wird. Die Rechtsprechung des BVerwG, eine ausgelaufene Bewilligung nach § 8 BBergG könne nicht mehr verlängert werden,188 ist inhaltlich fragwürdig, lässt sich aber jedenfalls nicht auf das Betriebsplanrecht übertragen. Bergbauberechtigungen vermitteln ihrem Inhaber ein Ausschließlichkeitsrecht im Verhältnis zu potentiellen Konkurrenten. Das mag eine gewisse Rechtsklarheit über die Frage erfordern, ob ein solches Recht besteht oder ob ein Wettbewerber für dasselbe Feld einen Erlaubnis- oder Bewilligungsantrag stellen kann, dem durch eine spätere Verlängerung der ausgelaufenen Bewilligung nachträglich die Grundlage entzogen würde. Derartige Rechtswirkungen entfaltet die Betriebsplanzulassung nicht. Um Unsicherheiten über die Zulassung eines Bergbaubetriebes zu vermeiden und um zu verhindern, dass bereits eingestellte Betriebe durch bloße Betriebsplanverlängerungen wieder aufgenommen werden, wird aber zu verlangen sein, dass der Verlängerungsantrag bereits vor dem Auslaufen gestellt wird. Zu beachten ist, dass der das Bergwerk im Zeitraum zwischen dem Auslaufen der alten Betriebsplanzulassung und der Erteilung der Verlängerungsentscheidung nicht zugelassen ist und daher nicht betrieben werden darf. Die Verlängerung entfaltet insoweit keine Rückwirkung. Umstritten ist der Prüfungsumfang bei Verlängerung eines Betriebsplans. Teilweise wird ver- 108 treten, dass die Verlängerung eines Betriebsplans als dessen Neuerteilung anzusehen sei und die Bergbehörde somit bei der Zulassung einer Verlängerung die gesetzlichen Zulassungsvoraussetzungen in vollem Umfang erneut zu prüfen habe.189 Nach Ablauf einer befristeten Betriebsplanzulassung sei deren Wirkung beendet. Die vom Gesetz gewollte Befristung von Betriebsplanzulassungen spreche dafür, dass der Bergbehörde die Möglichkeit einer neuen Beurteilung des Bergbauvorhabens erhalten bleiben solle.190

187 A.A. wohl Frenz/Beckmann BBergG, § 52 Rn. 125. 188 BVerwG 21.11.2019, 7 B 30/18 = ZfB 2020, 328 Rn. 4 ff. 189 OVG Lüneburg 2.4.2013, 7 ME 81/11, DVBl 2013, 725, 726; OVG Berlin 9.5.2006, 11 N 56/05, juris, Rn. 21; VG Magdeburg 20.6.2001, 3 A 560/99 = ZfB 2001, 79, 81; VG Freiburg 25.1.2017, 7 K 1674/14 = ZfB 2017, 180, 186 ff.; Frenz/Beckmann BBergG, § 52 Rn. 127; Ludwig Umweltaspekte in Verfahren nach dem BBergG, S. 45; Kloepfer Umweltrecht, § 10 Rn. 212; Schulte Kernfragen des bergrechtlichen Genehmigungsverfahrens, S. 54; Schulte Raumplanung und Genehmigung bei der Bodenschätzegewinnung, S. 366 f.; Sparwasser/Engel/Voßkuhle Umweltrecht, § 9 Rn. 328. So auch Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 52 Rn. 14 und § 56 Rn. 50. Gleichzeitig befürwortet Piens eine Einschränkung des Prüfprogramms bei Verlängerungen, allerdings ohne eine Bindungswirkung anzunehmen, Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 52 Rn. 110 ff. 190 OVG Berlin 9.5.2006, 11 N 56/05, juris, Rn. 21; VG Magdeburg, 20.6.2001, 3 A 560/99 = ZfB 2001, 79, 81; VG Freiburg 25.1.2017, 7 K 1674/14 = ZfB 2017, 180, 186. 505

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Diese Auffassung überzeugt nicht. Hat sich die Sach- und Rechtslage nicht geändert, ist die Behörde an ihre frühere Beurteilung gebunden. Sie muss dann die Verlängerung zulassen.191 Die gesetzlich vorgeschriebene Befristung von Betriebsplänen leitet sich, wie Kühne dargelegt hat, nicht aus der bergbaulichen Sachgesetzlichkeit der Prognoseunsicherheit und der Unvorhersehbarkeit der geologischen Verhältnisse ab.192 Stattdessen dient die Zulassung in Zeitabschnitten dazu, der Behörde die Bergaufsicht zu erleichtern, die auf der Grundlage der Betriebsplanzulassung erfolgt (vgl. § 71 Abs. 2). Die Unterteilung des bergbaulichen Gesamtvorhabens in kürzere zeitliche Abschnitte stellt sicher, dass die Behörde Kenntnis hat, wann welche zugelassenen Arbeiten durchgeführt werden.193 Dieser Zweck der Befristung wird durch eine Bindung bei der Verlängerungsentscheidung nicht berührt. Der Prognoseunsicherheit und der Unvorhersehbarkeit der geologischen Verhältnisse wird bereits dadurch Rechnung getragen, dass die Behörde bei jeder Verlängerungsentscheidung prüfen muss, ob sich die Sach- und Rechtslage geändert hat. Vielmehr spricht umgekehrt die Unvorhersehbarkeit der geologischen Verhältnisse dafür, den Prüfungsumfang bei Verlängerung der Zulassung zu beschränken, wenn entgegen der ursprünglichen Prognose nicht alle zugelassenen Arbeiten innerhalb der Frist durchgeführt werden konnten.194 110 Schon das Wort „Verlängerung“ meint die räumliche oder zeitliche Erstreckung von etwas bereits Vorhandenem, nicht die Zulassung von etwas Neuem.195 Die ausdrückliche Regelung der Verlängerungsmöglichkeit von Betriebsplänen in Absatz 4 Satz 2 wäre neben der ohnehin bestehenden Möglichkeit, neue Betriebspläne zuzulassen, überflüssig, wenn sie nicht mit einer Modifizierung des Prüfungsumfangs einherginge.196 Daneben begründet das verfassungsrechtlich verankerte Vertrauensschutzprinzip die Bindungswirkung. Zwar handelt es sich bei der Betriebsplanzulassung formal um eine gebundene Entscheidung (§ 55 Rn. 149); faktisch führen aber die unbestimmten Rechtsbegriffe der Zulassungsvoraussetzungen (z.B. § 48 Abs. 2: „überwiegende öffentliche Interessen“) zu relevanten Beurteilungsspielräumen. Der Bergbau ist häufig mit hohen Anfangsinvestitionen verbunden, die sich erst nach längeren Zeiträumen amortisieren. Es wäre wirklichkeitsfern, anzunehmen, ein Unternehmer könnte hohe Investitionen tätigen, wenn sein gesamter Anlagenbestand und die laufenden Tätigkeiten unter dem Damoklesschwert einer in kurzen Abständen erfolgenden Neubeurteilung stünden. Tatsächlich arbeitet er im Vertrauen darauf, dass nicht jederzeit allein eine geänderte Auslegung eines unbestimmten Rechtsbegriffs zu kostenträchtigen Nachrüstungen oder gar zur Einstellung seines Betriebes führen kann. Dieses Vertrauen ist Voraussetzung für die erforderlichen Investitionsentscheidungen und damit rechtlich schutzwürdig.197 Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang der Vergleich mit den sonstigen Ausprägungen, die das Vertrauensschutzprinzip im BBergG gefunden hat. Nachträgliche Auflagen knüpft § 56 Abs. 1 Satz 2 daran, dass sie technisch machbar und wirtschaftlich vertretbar sind. Anordnungen nach § 71 Abs. 1 kann die Bergbehörde nur erlassen, wenn sie zum Schutz von Leben, Gesundheit und Sachgütern Beschäftigter oder Dritter

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191 Mit ausführlicher Begründung VG Lüneburg 7.3.1994, 7 A 137/92 = ZfB 1994, 153, 168 ff. (Das BVerwG hat den Vertrauensschutz des Unternehmers in Zweifel gezogen, die Frage in der Revisionsentscheidung aber letztlich offengelassen, BVerwG 2.11.1995, 4 C 14/94, BVerwGE 100, 1, 11 f. = ZfB 1995, 276, 284 f.); Kühne Bergrechtlicher Rahmenbetriebsplan, Anlagengenehmigungsrecht und Umweltverträglichkeitsprüfung, S. 33 f., 56 f. Das VG Lüneburg 7.3.1994, 7 A 137/ 92 = ZfB 1994, 153, 168 macht hiervon eine Ausnahme, wenn sich nachträglich herausstellt, dass die ursprüngliche Zulassung rechtswidrig war. A.A. Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 56 Rn. 50. 192 Kühne Bergrechtlicher Rahmenbetriebsplan, Anlagengenehmigungsrecht und Umweltverträglichkeitsprüfung, S. 49 ff. 193 Kühne Bergrechtlicher Rahmenbetriebsplan, Anlagengenehmigungsrecht und Umweltverträglichkeitsprüfung, S. 52. 194 Kühne Bergrechtlicher Rahmenbetriebsplan, Anlagengenehmigungsrecht und Umweltverträglichkeitsprüfung, S. 52. 195 VG Lüneburg 7.3.1994, 7 A 137/92 = ZfB 1994, 153, 169. 196 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 52 Rn. 110. 197 Dies übersehen das BVerwG, 2.11.1995, 4 C 14/94, BVerwGE 100, 1, 11 f. = ZfB 1995, 276, 284 f. und das VG Freiburg 25.1.2017, 7 K 1674/14 = ZfB 2017, 180, 186 ff., wenn sie den Vertrauensschutz des Unternehmers ohne weitere Begründung in Zweifel ziehen. von Hammerstein

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erforderlich sind. Diese Einschränkungen liefen weitgehend leer, wenn der Betrieb gemäß § 52 Abs. 1 alle zwei Jahre von neuem auf seine Vereinbarkeit mit den Anforderungen des § 55 und § 48 Abs. 2 Satz 1 geprüft werden könnte. Auch nach § 12 Abs. 2 kann die Bergbehörde dem Inhaber einer Erlaubnis die Bewilligung nur aufgrund von Tatsachen versagen, die nach Erteilung der Erlaubnis eingetreten sind. Dies gilt sogar dann, wenn die ursprüngliche Erlaubnis rechtswidrig erteilt wurde (vgl. hierzu § 12 Rn. 9). Dieses hohe Niveau des Vertrauensschutzes auf der Ebene der Berechtigungen würde entwertet, wenn es keinen Vertrauensschutz auf der Ebene des Betriebsplanverfahrens gäbe. Daher kann auch die Verlängerung eines Betriebsplans nur aufgrund von Tatsachen versagt werden, die nach der ursprünglichen Zulassung des Betriebsplans eingetreten sind. In der Praxis wird das Problem teilweise dadurch entschärft, dass viele Anlagen und Tätigkei- 111 ten Gegenstand unbefristeter Sonderbetriebsplanzulassungen sein werden. Diese müssen nicht verlängert werden, und die in zugelassenen Sonderbetriebsplänen aufgeführten Einrichtungen und Maßnahmen sind in den Verfahren zur Verlängerung von Hauptbetriebsplänen nicht erneut auf ihre Vereinbarkeit mit den gesetzlichen Anforderungen zu prüfen.

X. Verweisungsmöglichkeiten (Absatz 5) Nach § 65 Nr. 2 können zur Vereinfachung oder Entlastung des Betriebsplanverfahrens bestimmte 112 Arbeiten und Einrichtungen durch Verordnung von der Betriebsplanpflicht befreit und stattdessen von einer Genehmigung abhängig gemacht werden. Geschehen ist dies etwa für Grubenbahnen in NRW durch § 24 BVOBr NRW. Nach § 65 Nr. 3 i.V.m. § 68 Abs. 2 Nr. 1 kann für bestimmte Einrichtungen und Stoffe durch Bergverordnung eine allgemeine Bauartzulassung vorgeschrieben werden. Die der Bauartzulassung unterworfenen Einrichtungen und Stoffe unterliegen aber weiterhin der Betriebsplanpflicht. Um das Betriebsplanverfahren von Spezialprüfungen einzelner technischer Arbeitsmittel oder Verfahren zu entlasten, eröffnet § 52 Abs. 5 die Möglichkeit, in den beiden genannten Fällen die nach Absatz 4 Satz 1 geforderten Darstellungen und Nachweise durch den Nachweis zu ersetzen, dass die Genehmigung oder Bauartzulassung vorliegt oder beantragt ist. Bei den von einer besonderen Genehmigung abhängigen Arbeiten und Einrichtungen reicht für eine Betriebsplanzulassung der Nachweis aus, dass die Genehmigung beantragt wurde, denn diese Arbeiten und Einrichtungen sind gemäß § 65 Nr. 2 von der Betriebsplanpflicht befreit. Ihre behördliche Prüfung erfolgt ausschließlich im Genehmigungsverfahren. Dagegen muss die Zulassung eines Betriebsplans über Einrichtungen und Stoffe, für die eine Bauartzulassung vorgesehen ist, vom Vorliegen der Bauartzulassung abhängig gemacht werden, weil diese Einrichtungen und Stoffe nicht von der Betriebsplanpflicht befreit sind, sondern weiterhin einer betriebsplanmäßigen Zulassung bedürfen. Ihr Einsatz kann betriebsplanmäßig nur zugelassen werden, wenn feststeht, dass die Bauart zugelassen ist, denn die Bauartzulassung ersetzt hinsichtlich der typenmäßigen Beschaffenheit des Betriebsmittels die Prüfung im Einzelfall. Eine weitere Möglichkeit zur Entlastung des Betriebsplanverfahrens ergibt sich daraus, dass 113 die Bergbehörden allgemeine Verwaltungsvorschriften über die Durchführung bestimmter Vorhaben erlassen. Wenn Arbeiten oder Einrichtungen nach solchen allgemeinen Verwaltungsvorschriften (Richtlinien, Rundverfügungen) oder nach Plänen, gegen die die Bergbehörde keine Einwände erhoben hat, durchgeführt, errichtet oder betrieben werden sollen, reicht es aus, im Betriebsplan auf die Richtlinien, Rundverfügungen oder Pläne zu verweisen, soweit diese für den Einzelfall genügend konkrete Regelungen enthalten.

§ 53 Betriebsplan für die Einstellung des Betriebes, Betriebschronik (1)

1 Für die Einstellung eines Betriebes ist ein Abschlußbetriebsplan aufzustellen, der eine genaue Darstellung der technischen Durchführung und der Dauer der beabsichtigten

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Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

Betriebseinstellung, den Nachweis, daß die in § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 bis 13 und Absatz 2 bezeichneten Voraussetzungen erfüllt sind, und in anderen als den in § 55 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 genannten Fällen auch Angaben über eine Beseitigung der betrieblichen Anlagen und Einrichtungen oder über deren anderweitige Verwendung enthalten muß. 2Abschlußbetriebspläne können ergänzt und abgeändert werden. (2) 1Dem Abschlußbetriebsplan für einen Gewinnungsbetrieb ist eine Betriebschronik in zweifacher Ausfertigung beizufügen. 2Diese muß enthalten 1. den Namen des Gewinnungsbetriebes mit Bezeichnung der Gemeinde und des Kreises, in denen der Betrieb liegt, 2. Name und Anschrift des Unternehmers und, wenn dieser nicht zugleich Inhaber der Gewinnungsberechtigung ist, auch Name und Anschrift des Inhabers dieser Berechtigung, 3. die Bezeichnung der gewonnenen Bodenschätze nebst vorhandenen chemischen Analysen, bei Kohlen- und Kohlenwasserstoffen unter Angabe des Heizwertes, eine Beschreibung der sonst angetroffenen Bodenschätze unter Angabe der beim Betrieb darüber gewonnenen Kenntnisse sowie Angaben über Erschwerungen des Betriebes in bergtechnischer und sicherheitstechnischer Hinsicht, 4. die Angaben über den Verwendungszweck der gewonnenen Bodenschätze, 5. eine Beschreibung der technischen und wirtschaftlichen Betriebsverhältnisse und, soweit ein Grubenbild nicht geführt wurde, eine zeichnerische Darstellung des Betriebes, 6. die Angaben des Tages der Inbetriebnahme und der Einstellung des Gewinnungsbetriebes sowie der Gründe für die Einstellung, 7. eine lagerstättenkundliche Beschreibung der Lagerstätte nebst einem Verzeichnis der Vorräte an Bodenschätzen einschließlich der Haldenbestände, 8. eine Darstellung der Aufbereitungsanlagen (Art, Durchsatzleistung und Ausbringung an Fertigerzeugnissen nebst vorhandenen chemischen Analysen [Angabe des Metallgehaltes in den Abgängen]), 9. eine Darstellung der Verkehrslage und der für den Abtransport der Verkaufserzeugnisse wesentlichen Verhältnisse des Gewinnungsbetriebes. 3 Satz 1 gilt nicht bei Gewinnungsbetrieben, die in Form von Tagebauen betrieben wurden, es sei denn, daß der Lagerstätte nach Feststellung der zuständigen Behörde noch eine wirtschaftliche Bedeutung für die Zukunft zukommen kann.

Schrifttum Beckmann Berg-, umwelt- und planungsrechtliche Probleme der Wiedernutzbarmachung und Folgenutzung bergbaulicher Flächen und Anlagen, in: Kühne/Schoch/Beckmann (Hrsg.) Gegenwartsprobleme des Bergrechts (1995), S. 67; Beckmann Grenzen der Zumutbarkeit der Nachsorgeverantwortung eines Bergwerksunternehmens? ZUR 2006, 295; Beckmann Rechtliche Rahmenbedingungen der Abschlussbetriebsplanung, in: Kühne/Ehricke (Hrsg.) Bergrecht zwischen Tradition und Moderne (2010), S. 169, gekürzt veröffentlicht in DÖV 2010, 512; Beddies Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Einstellung eines Bergwerks (1995); Elgeti/Dietrich UVP-(Vorprüfungs)pflichtigkeit bergrechtlich zuzulassender Flutungen von Grubenbauen und der Aufhebungsanspruch nach § 4 Abs. 1 UmwRG, NuR 2009, 461; Frenz Folgelasten des auslaufenden Steinkohlenbergbaus, UPR 2007, 321; Frenz Gewässerschutz nur durch unterirdische Raumplanung? – Notwendige UVP beim Abschlussbetriebsplan –, NuR 2014, 405; Giesen Rekultivierungsauflagen im Betriebsplan – Zur Abgrenzung der Zuständigkeiten der Bergbehörden und der Forstbehörden, ZfB 1989, 185; Kirchner Aktuelle Fragen zum Abschlussbetriebsplan, UPR 2010, 161; Klinkhardt Gemeindliche Planungshoheit und die Gestaltung des Abschlußbetriebsplanes stillgelegter Zechen, ZfB 1969, 71; Knöchel Der Abschlussbetriebsplan – Dogmatische Strukturen und Problemfelder in der Praxis, ZfB 1996, 44; Kühne Abbruchverpflichtungen nach dem Bundesberggesetz unter Berücksichtigung steuerlicher Rückstellungskriterien, ZfB 2001, 23; Spieth/Wolfers Umfang und Reichweite der Nachsorgepflicht des Bergbauunternehmers bei Stilllegung, ZfB 1997, 269; Spieth Wasserrechtliches Planfeststellungsverfahren und bergrechtlicher Abschlussbetriebsplan bei der Flutung von Tagebaurestlöchern, ZUR 2001, 66; Stüer/Wolff Ab-

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Zweites Kapitel – Anzeige, Betriebsplan

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schlussbetriebsplanung für den Braunkohlentagebau Ost, LKV 2002, 12; Terwiesche, Vergabe von Leistungen im Rahmen eines bergrechtlichen Abschlussbetriebsplans, NuR 2019, 168.

Übersicht I.

Allgemeines

II.

Verpflichtung zur Aufstellung eines Abschlussbe3 triebsplans (Absatz 1 Satz 1)

III. 1. 2. 3. 4.

1

7 Verfahrensstufung und UVP 8 Teilabschlussbetriebspläne 10 Sonderbetriebspläne Fakultativer Rahmenabschlussbetriebs12 plan Obligatorischer Rahmenabschlussbetriebsplan 16 mit UVP

IV.

Inhalt des Abschlussbetriebsplans (Absatz 1 17 Satz 1)

V.

Zulassungsvoraussetzungen und Rechtswirkun21 gen

VI.

Ergänzung und Abänderung des Abschlussbe23 triebsplans (Absatz 1 Satz 2)

VII. Betriebschronik (Absatz 2)

25

I. Allgemeines Einen zugelassenen Betriebsplan benötigt nach § 51 Abs. 1 nicht nur, wer einen Bergbaubetrieb 1 errichten und führen, sondern auch, wer ihn einstellen will. § 53 konkretisiert diese Betriebsplanpflicht. Für Betriebseinstellungen schreibt die Vorschrift die Aufstellung eines Abschlussbetriebsplans vor und regelt inhaltliche Anforderungen. Verwaltungsverfahrensrechtlich stellt der Abschlussbetriebsplan, wie die sonstigen Betriebspläne auch, einen Antrag auf Zulassung des in dem Plan beschriebenen Vorhabens dar.1 Der Abschlussbetriebsplan betrifft die Phase zwischen der Einstellung des Bergbaubetriebes 2 und der Entlassung aus der Bergaufsicht. Er soll die Probleme bewältigen, die sich bei der Einstellung des Betriebes ergeben.2 Die Bergbehörde prüft so vor Beginn der Abschlussarbeiten, ob alle erforderlichen Maßnahmen getroffen werden, um schädliche Auswirkungen zu vermeiden.3 Der Abschlussbetriebsplan ist das verfahrensrechtliche Instrument, das die Entlassung eines Betriebes aus der Bergaufsicht vorbereitet und den Übergang zum allgemeinen Rechtsregime begleitet.4 Das Zulassungsverfahren richtet sich nach den allgemein für Betriebspläne geltenden Vorschriften. Dies gilt z.B. für die Beteiligung der Fachbehörden und, soweit sie in ihrem Aufgabenbereich betroffen sind, der Gemeinden als Planungsträger.5 Für die Erkundung des Untergrundes auf seine Eignung zur Einrichtung eines Endlagers für 2a hochradioaktive Abfälle nach dem Standortauswahlgesetz ist § 53 gemäß § 12 Abs. 1 S. 1 StandAG entsprechend anzuwenden (vgl. Vor §§ 50 bis 57e, Rn. 47 ff.).

II. Verpflichtung zur Aufstellung eines Abschlussbetriebsplans (Absatz 1 Satz 1) Zur Aufstellung und Vorlage eines Abschlussbetriebsplans sind alle Betriebe verpflichtet, die ge- 3 mäß § 51 der Betriebsplanpflicht unterliegen. Hierzu gehören Aufsuchungs-, Gewinnungs- und Aufsuchungsbetriebe, aber auch Untertagespeicher und andere Betriebe, auf die die Vorschriften 1 2 3 4 5

Kühne ZfB 2001, 23, 24. Kühne/Ehricke/Beckmann Bergrecht zwischen Tradition und Moderne, S. 169, 174. BT-Drs. 8/ 1315, S. 108. Knöchel ZfB 1996, 44, 45. Frenz/Beckmann BBergG, § 53 Rn. 50.

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über Betriebspläne entsprechend anwendbar sind. Ein Abschlussbetriebsplan ist nach § 53 Abs. 1 für die „Einstellung eines Betriebes“ aufzustellen. Der Begriff der Einstellung ist im Gesetz nicht definiert. Aus § 51 Abs. 1 Satz 1, der für das Errichten, Führen und Einstellen eines Betriebes die Betriebsplanpflicht normiert, lässt sich aber ableiten, dass hiermit nicht ein bestimmter Zeitpunkt, sondern eine bestimmte Betriebsphase erfasst werden soll. Die Einstellung des Betriebes ist danach eine weitere Betriebsphase neben der Errichtung und Führung. Sie beginnt, wenn die Phase des Errichtens oder Führens beendet wird.6 Dabei kann es sich um eine Beendigung mit der Absicht einer endgültigen Einstellung handeln oder um eine mehr als zwei Jahre dauernde Betriebsunterbrechung. Eine Unterbrechung des Betriebes für einen Zeitraum bis zu zwei Jahren gilt gemäß § 52 Abs. 1 Satz 2 nicht als Einstellung, sondern als Führung des Betriebes, eine längere Unterbrechung nur dann, wenn sie von der Bergbehörde genehmigt ist (vgl. § 52 Rn. 10 f.). Das bedeutet in der Praxis, dass der Abschlussbetriebsplan regelmäßig spätestens innerhalb von zwei Jahren nach Ende der Produktion aufzustellen ist.7 Eine Verpflichtung des Unternehmers, den Abschlussbetriebsplan im Falle einer beabsichtigten endgültigen Stilllegung so rechtzeitig einzureichen, dass er noch vor der Einstellung zugelassen werden kann,8 lässt sich § 53 nicht entnehmen. Faktisch käme dies einem Verbot gleich, den Betrieb vor der Zulassung des Abschlussbetriebsplans endgültig einzustellen. Das wäre weder praktikabel noch mit der grundrechtlich geschützten unternehmerischen Freiheit vereinbar. Hiervon unberührt bleibt die Verpflichtung, die Einstellung des Betriebes gemäß § 50 Abs. 2 anzuzeigen und die bestehenden Betriebspläne für die Führung des Betriebes anzupassen, soweit die Einstellung nicht von ihnen gedeckt ist.9 Da das Führen des Betriebes i.S.d. § 52 Abs. 1 mit dessen Einstellung endet, ist in der Stilllegungsphase neben dem Abschlussbetriebsplan keine Hauptbetriebsplanzulassung erforderlich.10 Ein Bergbaubetrieb muss nicht zwangsläufig als Ganzes eingestellt werden. Jeder Teil eines 4 Gewinnungsbetriebs, der der Betriebsdefinition des BBergG entspricht, kann einem eigenen rechtlichen Schicksal unterliegen.11 Daher ist auch die schrittweise Einstellung eines Gesamtbetriebs möglich (vgl. hierzu § 4 Rn. 44). § 53 Abs. 1 ist auch dann anwendbar, wenn ein Betrieb oder seine Einrichtungen einer völlig 5 anderen Zweckbestimmung zugeführt werden sollen. Dies gilt auch, wenn ein bergbaulicher Betrieb durch einen anderen bergbaulichen Betrieb ersetzt werden soll, denn § 53 Abs. 1 BBergG macht die Abschlussbetriebsplanpflicht nicht von der Einstellung spezifisch bergbaulicher Maßnahmen überhaupt, sondern von der Einstellung des konkret vorhandenen Betriebes abhängig.12 Eine abschlussbetriebsplanpflichtige Änderung der Zweckbestimmung ist auch gegeben, wenn ein Gewinnungsbetrieb oder ein Teil desselben in ein Besucherbergwerk umgewandelt wird. Für das Besucherbergwerk ist dann auf Grund des § 129 Abs. 1 i.V.m. § 51 ein neuer Betriebsplan einzureichen.13 Ein weiteres Beispiel ist die Verwendung eines früheren Gewinnungsfeldes als Untergrundspeicher. Im Gestein verbleibendes sog. Kissengas, das sich bei der Speicherung mit anderem Gas vermischt, steht der Annahme einer Einstellung des Gewinnungsbetriebes nicht entgegen. Tritt anstelle des bisherigen Bergwerksbetriebs eine andere betriebsplanpflichtige Tätigkeit, so reicht es aus, im Abschlussbetriebsplan darzustellen, wie der Übergang gestaltet wird. Nur für funktionslose Anlagen und Einrichtungen ist zu beschreiben, wie sie anderweitig genutzt, zurückgebaut

6 VGH München 24.8.2010, 8 BV 06.1795 = ZfB 2011, 114, 116; vgl. auch Predeick Ordnungsrechtliche Verantwortlichkeit für bergbauliche Anlagen, S. 41 ff. m.w.N.

7 Knöchel ZfB 1996, 44, 46; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 53 Rn. 31; a.A. wohl Frenz/Beckmann BBergG, § 53 Rn. 21.

8 So vertreten von Frenz/Beckmann BBergG § 53 Rn. 21. 9 Diese Verpflichtung ist gemäß § 145 Abs. 1 Nr. 6 bußgeldbewehrt. 10 Frenz/Beckmann BBergG § 53 Rn. 14. 11 BVerwG 9.11.1995, 4 C 25/94, BVerwGE 100, 31, 42 = ZfB 1995, 290, 299. 12 Vgl. die Hausverfügung der Bezirksregierung Arnsberg für die Handhabung des Betriebsplanverfahrens (Betriebsplan-Richtlinien – BP-RL), Stand 31.5.2010, Nr. 1. 13 Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht, Rn. 216. von Hammerstein

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oder gesichert werden. Wird ein stillgelegter Betrieb für Zwecke genutzt, auf die sich das BBergG nicht erstreckt, z.B. als Lager oder (Untertage-)Deponie, so unterliegt dieser Betrieb nach Durchführung des Abschlussbetriebsplans nicht mehr dem Bergrecht (beachte aber § 126 Abs. 1 für Untergrundspeicher und § 126 Abs. 3 für die (End-)Lagerung radioaktiver Stoffe). Wird ein Betrieb ohne zugelassenen Abschlussbetriebsplan eingestellt, ist die Behörde ver- 6 pflichtet, dem Unternehmer die Einreichung eines Abschlussbetriebsplans aufzuerlegen.14 Dabei kann sie sich auf ihre allgemeine Anordnungsbefugnis nach § 71 Abs. 1 stützen.15 Daneben kann sie aufgrund von § 71 Abs. 3 die erforderlichen Maßnahmen anordnen, um die Erfüllung der in § 55 Abs. 2 bezeichneten Voraussetzungen sicherzustellen.

III. Verfahrensstufung und UVP Eine Verfahrensstufung sieht § 53 nicht ausdrücklich vor. Es gibt aber Vorhaben, die derart um- 7 fangreich und komplex sind, dass nicht nur bei ihrer Errichtung und ihrem Betrieb, sondern auch bei dessen Einstellung ein Bedürfnis nach Abschichtung besteht. Literatur und Praxis haben daher auch für Betriebseinstellungen Formen der Verfahrensstufung, wie Teil- und Rahmenabschlussbetriebspläne entwickelt.

1. Teilabschlussbetriebspläne Der Gesetzgeber ging offenbar davon aus, dass Betriebe mithilfe eines einheitlichen Abschlussbe- 8 triebsplans „aus einem Guss“ eingestellt werden.16 Bei großen Betrieben sind damit aber oft viele komplexe Probleme verbunden. Mit einem einheitlichen, im Vorfeld aufzustellenden Abschlussbetriebsplan lassen sich diese nicht mehr bewältigen.17 Insbesondere, wenn bei der Aufstellung des Abschlussbetriebsplans absehbar ist, dass nicht alle erforderlichen Einstellungsmaßnahmen gleichzeitig entscheidungsreif sind, ist eine Verfahrensstufung sinnvoll. Zu diesem Zweck kann der Unternehmer den Abschlussbetriebsplan zeitlich, räumlich oder inhaltlich in Teilabschlussbetriebspläne aufteilen.18 Diese Form der Verfahrensstufung hat sich unter anderem im nordrhein-westfälischen Steinkohlenbergbau entwickelt. Dort gliedern sich Abschlussbetriebspläne üblicherweise in einen untertägigen und einen übertägigen Teil.19 Der untertägige Teil regelt überwiegend bergbauliche Gesichtspunkte wie die Rückzugsmaßnahmen und Fragen von Ausgasung, Wasserhaltung, Schachtverfüllung und Schachtsicherung. Im übertägigen Teil herrschen planerische Aspekte und Umweltfragen wie Gefährdungsabschätzung, Altlastenbehandlung und Wiedernutzbarmachung vor.20

14 Kühne/Ehricke/Beckmann Bergrecht zwischen Tradition und Moderne, S. 169, 190 f.; Terwiesche NVwZ 2007, 284, 286. Nach Ansicht von Terwiesche ist diese Pflicht eine drittschützende Amtspflicht der zuständigen Beamten, deren Verletzung Schadensersatzansprüche auslösen kann. 15 BVerwG 18.12.2014, 7 C 22.12, BVerwGE 151,156 = ZfB 2015, 29, Rn. 34 ff.; OVG Magdeburg 3.11.2021, 2 M 18/21 = ZfB 2022, 9 Rn. 26 ff.; Piens/Schulte/Graf Vitzthum, BBergG, § 53 Rn. 17; Frenz/Beckmann, BBergG, § 53 Rn. 15; von Weschpfennig Strukturen des Bergrechts, S. 284. 16 Knöchel ZfB 1996, 44, 49; siehe auch Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht, Rn. 219. 17 Kühne/Ehricke/Beckmann Bergrecht zwischen Tradition und Moderne, S. 169, 181. 18 Kühne/Ehricke/Beckmann Bergrecht zwischen Tradition und Moderne, S. 169, 182. 19 Knöchel ZfB 1996, 44, 49; Kirchner UPR 2010, 161, 163; vgl. auch die Hausverfügung der Bezirksregierung Arnsberg für die Handhabung des Betriebsplanverfahrens (Betriebsplan-Richtlinien – BP-RL), Stand 31.5.2010, Anlage 5 (Gliederung Abschlussbetriebsplan für Untertagebetriebe des Steinkohlenbergbaus) und Anlage 6 (Gliederung Abschlussbetriebsplan für Tagesanlagen von Steinkohlenbergwerken und für Kokereien). 20 Kirchner UPR 2010, 161, 163; Knöchel ZfB 1996, 44, 49. 511

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Obwohl der Gesetzgeber sie nicht ausdrücklich vorgesehen hat, bestehen keine rechtlichen Bedenken gegen die Figur des Teilabschlussbetriebsplans.21 Inhaltlich unterscheidet sich eine durch ein Bündel von Teilgenehmigungen erteilte Genehmigung nicht von einer durch einen einzigen Verwaltungsakt erteilten Genehmigung.22 Die aufgeworfenen Rechtsfragen in verschiedene Komplexe abzuschichten und diese in Teilgenehmigungen gesondert zu bewältigen, ist auch ohne gesonderte Ermächtigung zulässig. Der Erlass von Teilgenehmigungen zu bestimmten abgrenzbaren Teilen der Sachentscheidung ist von der Ermächtigung zum Erlass des vollständigen Verwaltungsakts gedeckt.23 Zudem beinhaltet die Betriebsplanzulassung keine staatliche Planungsentscheidung, die eine Gesamtschau erfordert. Als gebundene Entscheidung erfordert sie auch keine einheitliche Ermessensausübung. Die Behörde hat allerdings im Einzelfall zu prüfen, ob der beabsichtigte Teilsachverhalt einer isolierten Regelung zugänglich ist. Eine sachgerechte Regelung kann sie dabei auch durch Änderungsvorbehalte und Nebenbestimmungen sicherstellen. Dabei kann es sinnvoll sein, die Teilabschlussbetriebspläne durch einen Rahmenabschlussbetriebsplan zu umklammern; dazu Rn. 12 ff. Dogmatisch ist es vorzugswürdig, Abschlussbetriebspläne für Teilkomplexe als Teile eines einheitlichen Abschlussbetriebsplans zu begreifen und auch zu bezeichnen.24

2. Sonderbetriebspläne 10 Bei umfangreichen und komplexen Betriebseinstellungen kann das Bedürfnis bestehen, den Abschlussbetriebsplan und sein Zulassungsverfahren zu entlasten, indem bestimmte Teilbereiche ausgelagert werden. Grundsätzlich hat der Gesetzgeber diese entlastende Funktion den Sonderbetriebsplänen zugedacht.25 Es stellt sich also die Frage, ob der Unternehmer auch bei der Betriebseinstellung Teilfragen in Sonderbetriebsplänen behandeln kann. Der Gesetzgeber ging ursprünglich offenbar davon aus, dass eine Betriebseinstellung stets 11 zufriedenstellend in einem einheitlichen Abschlussbetriebsplan abgearbeitet werden kann, weshalb Sonderbetriebspläne nur zur Ergänzung von Hauptbetriebsplänen vorgesehen sind.26 Aus diesem Grund ist § 52, der in Absatz 2 Nr. 2 den Sonderbetriebsplan regelt, überschrieben mit „Betriebspläne für die Errichtung und Führung des Betriebs“. Gleichwohl nutzt die Verwaltungspraxis Sonderbetriebspläne auch im Zusammenhang mit Betriebseinstellungen.27 Hierfür sprechen auch gute Gründe. Bestimmte Themenbereiche, wie etwa das Sprengwesen oder der Weiterbetrieb übertägiger Anlagen, sind inhaltlich weitgehend unverändert sowohl für die Führung des Betriebes als auch für seine Einstellung zu regeln. Auch Maßnahmen zur Wiedernutzbarmachung finden regelmäßig sowohl parallel zur Gewinnung als auch im Rahmen der Betriebseinstellung statt. Diese Einrichtungen und Maßnahmen werden während der Führung des Betriebs, also unter der Geltung eines Hauptbetriebsplans, häufig in Form von Sonderbetriebsplänen zugelassen. Die Nutzung von Sonderbetriebsplänen auch unter der Geltung eines Abschlussbetriebsplans vereinfacht das Verfahren, weil bereits zugelassene Sonderbetriebspläne oftmals weitergelten können. Auch das Aufstellen und Zulassen neuer Sonderbetriebspläne ist zulässig. Zudem kann die Bergbehörde in Fällen, in denen die Einstellungsmaßnahmen erheblich die Belange von Grundeigentü-

21 Kühne/Ehricke/Beckmann Bergrecht zwischen Tradition und Moderne, S. 169, 182; Kirchner UPR 2010, 161, 163; Knöchel ZfB 1996, 44, 50; Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht, Rn. 216; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 53 Rn. 58 ff., Frenz/Beckmann BBergG, § 53 Rn. 61. 22 BVerwG 16.3.1972, I C 49/70, DÖV 1972, 757, 759. 23 BVerwG 18.12.2014, 7 C 22/12 = ZfB 2015, 29 Rn. 33; Kopp/Ramsauer VwVfG, § 9 Rn. 15 ff. m.w.N.; Stelkens/Bonk/Sachs VwVfG, § 35 Rn. 252; Knack/Clausen VwVfG, § 9 Rn. 24; m.w.N. 24 Knöchel ZfB 1996, 44, 50; Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht, Rn. 216. 25 BT-Drs. 8/1315, S. 107. 26 BT-Drs. 8/1315, S. 107. 27 Vgl. nur BVerwG 14.4.2005, 7 C 26/03, BVerwGE 123, 247 = ZfB 2005, 156; OVG Münster 26.1.2012, 11 A 2635/09, DVBl 2012, 578; OVG Weimar 15.4.2009, 1 KO 661/07 = ZfB 2009, 276; OVG Koblenz 19.11.2007, 1 A 10706/05 = ZfB 2008, 147. von Hammerstein

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mern berühren können, auf das etablierte Sonderbetriebsplanverfahren „Abbaueinwirkungen auf das Oberflächeneigentum“28 bzw. „Anhörung der Oberflächeneigentümer“29 zurückgreifen.30 Weil zwingende systematische Gründe dem nicht entgegenstehen, können abtrennbare Teilkomplexe daher auch im Abschlussbetriebsplanverfahren in Sonderbetriebspläne ausgelagert werden.31 Das gilt nach Auffassung des BVerwG umso mehr, wenn die nach § 53 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 abzuwehrenden „gemeinschädlichen Einwirkungen“ erst mit gewissem zeitlichen Verzug auftreten können und sodann bewertet und bewältigt werden müssen.32 Bedarf ein eingereichter Rahmen- oder Teilabschlussbetriebsplan der Vervollständigung durch einen weiteren Sonderbetriebsplan, kann die Bergbehörde dessen Vorlage auf Grundlage von § 71 Abs. 1 Satz 1 verlangen.33

3. Fakultativer Rahmenabschlussbetriebsplan Es ist umstritten, ob auch für Betriebseinstellungen fakultative Rahmenbetriebspläne, sog. Rah- 12 menabschlussbetriebspläne, zugelassen werden können. Während in der Praxis Rahmenabschlussbetriebspläne genutzt werden,34 hält dies nur ein Teil der Literatur für zulässig.35 Die Rechtsprechung hat sich hierzu bisher nicht ausdrücklich36 bzw. ausdrücklich nicht37 geäußert. Die Geltungsdauer von Abschlussbetriebsplänen ist anders als bei Hauptbetriebsplänen nicht 13 begrenzt. Gleichwohl kann es bei Betriebseinstellungen derart umfangreiche, komplexe und langfristige Sachverhalte geben, dass es nicht nur sinnvoll ist, hierfür mehrere Teilabschlussbetriebsplänen aufzustellen, sondern diese auch durch einen Rahmenabschlussbetriebsplan zu umklammern.38 § 53 sieht einen Rahmenabschlussbetriebsplan nicht ausdrücklich vor. Das BBergG stellt zu- 14 dem unterschiedliche Anforderungen an die Errichtung und die Führung eines Betriebes einerseits und dessen Einstellung andererseits. In § 55 Abs. 2 BBergG fehlt ferner eine dem § 55 Abs. 1 Satz 2 BBergG entsprechende Sonderregelung für Rahmenbetriebspläne. Die Gesetzessystematik spricht danach nicht dafür, dass der Gesetzgeber die Möglichkeit in Betracht gezogen hat, auch für die Betriebseinstellung Rahmenbetriebspläne aufzustellen.39 Daraus und weil § 52 überschrie-

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So die in Nordrhein-Westfalen übliche Bezeichnung. So Bezeichnung im Saarland. Vgl. Frenz UPR 2007, 312, 325. BVerwG 18.12.2014, 7 C 22/12 = ZfB 2015, 29 Rn. 33; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 53 Rn. 7; Frenz/Beckmann BBergG, § 53 Rn. 62. 32 BVerwG 18.12.2014, 7 C 22/12 = ZfB 2015, 29 Rn. 33. 33 BVerwG 18.12.2014, 7 C 22/12 = ZfB 2015, 29 Rn. 34. 34 So anscheinend zur Stilllegung des Steinsalzbergwerks Mariaglück in Höfer, vgl. Antwort der Niedersächsischen Landesregierung auf eine Kleine Anfrage, gegeben am 21.5.1984, Niedersächsischer Landtag Drs. 10/2748, S. 2 sowie zur Stilllegung der Grube Rammelsberg, vgl. OVG Lüneburg 15.6.1994, 7 L 5295/92 = ZfB 1994, 277 und BVerwG 9.11.1995, 4 C 25/94 = ZfB 1995, 290. 35 Kühne/Ehricke/Beckmann Bergrecht zwischen Tradition und Moderne, S. 169, 183 f.; Beddies Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Einstellung eines Bergwerkes, S. 114 ff., 160; Frenz Unternehmerverantwortung im Bergbau, S. 76; Gutbrodt/Töpfer Praxis des Bergrechts, Rn. 344; Kühne/Schoch/Beckmann Gegenwartsprobleme des Bergrechts, S. 7, 16; a.A. Knöchel ZfB 1996, 44, 50; Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht, Rn. 221; Ludwig Auswirkungen der FFH-RL auf Vorhaben zum Abbau von Bodenschätzen nach dem BBergG, S. 51; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 52 Rn. 27, § 53 Rn. 7. 36 OVG Lüneburg 15.6.1994, 7 L 5295/92 = ZfB 1994, 277. 37 BVerwG 9.11.1995, 4 C 25/94 = ZfB 1995, 290, 294. 38 So auch Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht, Rn. 221. 39 BVerwG 9.11.1995, 4 C 25/94 = ZfB 1995, 290, 294. 513

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ben ist mit „Betriebspläne für die Errichtung und Führung des Betriebs“ wird gefolgert, dass die in § 52 geregelten Betriebspläne in der Nachbetriebsphase nicht zur Verfügung stünden.40 15 Diese Beschränkung aller in § 52 geregelten Betriebspläne auf die Errichtung und Führung eines Betriebes überzeugt jedoch nicht. Neben der Überschrift findet sich die Beschränkung auf „Errichtung und Führung eines Betriebes“ nur in Bezug auf Hauptbetriebspläne in § 52 Abs. 1. Bei allen anderen in § 52 geregelten Betriebsplanarten ist der Wortlaut offener. Dort ist die Rede von „Vorhaben“ bzw. „Arbeiten und Einrichtungen“. Gerade bei benachbarten Betrieben mehrerer Unternehmer, die nach einheitlichen Gesichtspunkten geführt werden müssen, sprechen gute Gründe dafür, auch bei Betriebseinstellungen gemeinschaftliche Abschlussbetriebspläne zu ermöglichen, hierzu § 52 Rn. 91. Zudem ist die Pflicht zur Aufstellung eines obligatorischen Rahmenbetriebsplans nach § 52 Abs. 2a unabhängig davon, ob es sich um Maßnahmen zur Errichtung, zur Führung oder zur Einstellung eines Betriebes handelt; hierzu näher Rn. 16 sowie Anhang zu § 57c, § 1 UVP-V Bergbau Rn. 65. Wenn unter bestimmten Bedingungen für Einstellungsarbeiten obligatorische Rahmenabschlussbetriebspläne aufzustellen sind, sind fakultative Rahmenabschlussbetriebspläne nicht systemwidrig. Die Anwendungsbereiche der §§ 52 und 53 sind demnach nicht so klar voneinander trennbar, wie es deren Überschriften suggerieren. Die systematischen Bedenken sind nicht gewichtig genug, um die Zulassung eines Rahmenabschlussbetriebsplans mit der Begründung zu verwehren, dieses Instrument sei im Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehen. Deshalb kann die Bergbehörde also einen (fakultativen) Rahmenabschlussbetriebsplan verlangen und zulassen, wenn sie dies für sachgerecht hält.41 Rechtsgrundlage ist § 52 Abs. 2 Nr. 1.

4. Obligatorischer Rahmenabschlussbetriebsplan mit UVP 16 Wie bei der Errichtung und Führung eines Betriebes können auch Maßnahmen anlässlich der Einstellung eines Betriebes UVP-pflichtig sein und damit die Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens mit UVP nach § 52 Abs. 2a erforderlich machen. Ob ein obligatorischer Rahmenbetriebsplan nach § 52 Abs. 2a aufzustellen ist, richtet sich allein danach, ob das geplante Vorhaben von § 1 Nr. 1 bis 9 UVP-V Bergbau erfasst ist.42 Dies ist z.B. bei der der Herstellung von Tagebaurestseen (Anlage 13.18 der Anlage zum UVPG) oder bei großflächigen Erstaufforstungen (Nr. 17.1 der Anlage 1 zum UVPG) im Rahmen der Wiedernutzbarmachung der Fall. Die beantragte Zulassungsform ist dabei nicht entscheidend. Die Planfeststellungs- und UVP-Pflicht ist nicht abhängig von der gewählten Betriebsplanart, sondern umgekehrt bestimmt die UVP-Pflicht die probate Betriebsplanart.43 Wird bei einer Betriebseinstellung eine UVP-pflichtige Maßnahme erforderlich, kommt für das Einstellungsvorhaben eine Zulassung im obligatorischen Rahmenabschlussbetriebsplanverfahren in Betracht.44 Hierzu und zur Konkurrenz mit außerbergrechtlichen Zulassungsverfahren vgl. Anhang zu § 57c, § 1

40 Knöchel ZfB 1996, 44, 50; Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht, Rn. 221; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 53 Rn. 7. 41 A.A. offenbar Frenz/Beckmann BBergG, § 53 rn. 63. 42 Vgl. § 52 Rn. 60; für eine unmittelbare Anwendbarkeit der UVP-Richtlinie bei Umsetzungsdefiziten Frenz NuR 2014, 405, 408. 43 OVG Lüneburg 21.10.2008, 7 ME 170/07, NuR 2009, 58, 60 mit insoweit zustimmender Anm. Elgeti/Dietrich NuR 2009, 461, 464; Kühne/Ehricke/Beckmann Bergrecht zwischen Tradition und Moderne, S. 169, 184. 44 Beispielsweise fasste das niedersächsische Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie den am 29.1.2007 vorgelegten Abschlussbetriebsplan für die Stilllegung des Forschungsbergwerkes Asse als Rahmenabschlussbetriebsplan auf, für dessen Zulassung ein bergrechtliches Planfeststellungsverfahren mit UVP durchzuführen sei, vgl. Niedersächsischer Landtag, Niederschrift über den öffentlichen Teil der 53. Sitzung des 21. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses am 26. August 2010; vgl. auch Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Hrsg.), Gemeinsames Übereinkommen über die Sicherheit der Behandlung abgebrannter Brennelemente und über die Sicherheit der Behandlung radioaktiver Abfälle – Bericht der Bundesrepublik Deutschland für die dritte Überprüfungskonferenz im Mai 2009, S. 174. von Hammerstein

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§ 53

UVP-V Bergbau Rn. 62 ff. Im Fall der Zulassung eines obligatorischen Rahmenabschlussbetriebsplans und nur in diesem Fall hat die Abschlussbetriebsplanzulassung Konzentrationswirkung.

IV. Inhalt des Abschlussbetriebsplans (Absatz 1 Satz 1) Dem Sinn und Zweck des Abschlussbetriebsplans entsprechend verlangt § 53 Abs. 1 Satz 1 zunächst eine genaue Darstellung der technischen Durchführung und der Dauer der beabsichtigten Betriebseinstellung. Den Angaben über die Dauer der Einstellung kommt besondere Bedeutung zu, denn aus ihnen geht hervor, wann das Betriebsgelände gegebenenfalls einer anderen Nutzung zugeführt werden kann. Der Unternehmer hat im Abschlussbetriebsplan den Nachweis zu führen, dass die in § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 bis 13 und Abs. 2 bezeichneten Voraussetzungen erfüllt sind. Danach sind an die Stilllegungsarbeiten und die dabei anzuwendenden Verfahren und zu verwendenden Betriebsmittel gemäß § 55 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 2 bis 13 die gleichen Anforderungen wie an die Führung des Betriebes zu stellen. Darüber hinaus muss gewährleistet sein, dass bei Beendigung der bergbaulichen Tätigkeit alle zum Schutz der Allgemeinheit gegen schädliche Auswirkungen des Betriebes notwendigen Maßnahmen getroffen werden und die von dem einzustellenden Betrieb in Anspruch genommene Oberfläche ordnungsgemäß gestaltet wird, § 55 Abs. 2 Nr. 1 und 2 i.V.m. § 4 Abs. 4. Im Bereich des Festlandsockels und der Küstengewässer muss der Unternehmer gemäß § 55 Abs. 2 Nr. 3 außerdem die vollständige Beseitigung der betrieblichen Einrichtungen bis zum Meeresboden sicherstellen. In § 53 nicht ausdrücklich genannt, aber ebenfalls bei der Zulassung des Abschlussbetriebsplans zu berücksichtigen, sind die Anforderungen des § 48 Abs. 2 (vgl. Rn. 21), so dass sich die Nachweise auch hierauf beziehen müssen. Im Wesentlichen werden sich die notwendigen Nachweise zur Erfüllung der Zulassungsvoraussetzungen aus der Darstellung der technischen Durchführung der Betriebseinstellung ergeben. Soweit das nicht der Fall ist, sind darüber besondere Angaben zu machen. Anhaltspunkte zum Inhalt eines Abschlussbetriebsplans bieten die Richtlinien zum Betriebsplanverfahren, die in mehreren Bundesländern erlassen worden sind und die zum Teil spezielle Gliederungen, Muster und Vordrucke für Abschlussbetriebspläne enthalten.45 Da die Einstellung eines Betriebes auch mit einer Beseitigung von betrieblichen Anlagen und Einrichtungen verbunden sein kann, muss ein Abschlussbetriebsplan nach § 53 Abs. 1 Satz 1 grundsätzlich auch Angaben über den Umfang und die Art und Weise ihrer Beseitigung, z.B. durch Sprengungen, oder aber über die anderweitige Verwendung dieser Anlagen und Einrichtungen enthalten.46 Anders als der Wortlaut von § 53 Abs. 1 nahelegen könnte, vermittelt § 53 dem Unternehmer kein Recht, stets zu wählen, ob die Anlagen und Einrichtungen beseitigt oder anderweitig verwendet werden sollen. § 53 regelt nur den Betriebsplaninhalt als Antragsinhalt; die materielle Pflichtenlage folgt aus § 55.47 Soweit bergbauliche Anlagen und Einrichtungen nach der Betriebseinstellung noch für andere Zwecke genutzt werden können, trifft der Eigentümer im Rahmen seiner Verfügungsbefugnis die Entscheidung über ihre weitere Verwendung. Einzelheiten brauchen dabei nicht angegeben zu werden, da die neue Nutzung nicht Gegenstand des Abschlussbetriebsplans ist. Um sicherzustellen, dass die Betriebseinrichtungen nach der Einstellung des Betriebes einer ordnungsgemäßen Verwendung zugeführt werden, kann die Zulassung festgelegen, dass der Abschlussbetriebsplan erst durchgeführt ist, wenn die Umwidmung stattfindet oder 45 Hausverfügung der Bezirksregierung Arnsberg für die Handhabung des Betriebsplanverfahrens (BetriebsplanRichtlinien – BP-RL), Stand 31.5.2010, Anlage 5 und 6; BVerwG 9.11.1995, 4 C 25/94, BVerwGE 100, 31, 42 = ZfB 1995, 290, 299. Empfehlungen der hessischen Bergbehörde für das Betriebsplanverfahren vom 1.3.2007, S. 9 sowie Anlage 4; Richtlinie des Sächsischen Oberbergamtes zur Erarbeitung und Zulassung von Betriebsplänen für Tagebaue und dazugehörige Tagesanlagen vom 15.2.2002, SächsABl. 2002, S. 389, S. 10 sowie Anlage 6. 46 BT-Drs. 8/1315, S. 108. 47 Kühne ZfB 2001, 23, 24; im Ergebnis ebenso Knöchel ZfB 1996, 44, 46. 515

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die dazu erforderlichen Vorbereitungen getroffen sind. Bis zur Durchführung des Abschlussbetriebsplanes unterliegt die betreffende Anlage oder Einrichtung gemäß § 69 Abs. 2 noch der Bergaufsicht. Ferner sind in diesem Zeitraum nachträgliche Auflagen nach Maßgabe des § 56 zulässig. Im Bereich des Festlandsockels und der Küstengewässer kommt eine anderweitige Verwendung der betrieblichen Einrichtungen nach einer endgültigen Einstellung nicht in Betracht. Sie sind gemäß § 55 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 bis zum Meeresuntergrund vollständig zu beseitigen.

V. Zulassungsvoraussetzungen und Rechtswirkungen 21 Für den Abschlussbetriebsplan gelten die in § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis 13 genannten Zulassungsvoraussetzungen, allerdings mit den besonderen Maßgaben des § 55 Abs. 2. Zulassungsvoraussetzung für Betriebspläne für die Errichtung und Führung von Betrieben ist daneben auch, dass dem Vorhaben keine überwiegenden öffentlichen Interessen i.S.v. § 48 Abs. 2 entgegenstehen.48 Dies gilt auch für die Zulassung von Abschlussbetriebsplänen.49 Auch bei Stilllegungen muss die Bergbehörde also prüfen, ob dem Vorhaben überwiegende öffentliche Interessen i.S.v. § 48 Abs. 2 entgegenstehen.50 Zwar gilt § 48 Abs. 2 seinem Wortlaut nach nur für Verbote und Beschränkungen von Aufsuchungs- und Gewinnungstätigkeiten, um die es beim Abschlussbetriebsplan nicht geht. Allerdings spielt die Rohstoffsicherungsklausel des § 48 Abs. 1 Satz 2, nach der dafür Sorge zu tragen ist, dass Aufsuchung und Gewinnung so wenig wie möglich beeinträchtigt werden, bei der Einstellung eines Betriebes keine unmittelbare Rolle mehr. Das spricht nach Ansicht des BVerwG dafür, dass die Behörde zu einer eher verstärkten Berücksichtigung öffentlicher Interessen befugt ist.51 Zu den im Rahmen von § 48 Abs. 2 zu berücksichtigenden öffentlichen Interessen gehören u.a. die für Verfüllungen relevanten Anforderungen des Bodenschutzrechts (hierzu Anhang zu § 48 Rn. 39 ff.). Ebenso wie andere Betriebsplanzulassungen ist auch die Zulassung des Abschlussbetriebsplans keine staatliche Planungsentscheidung, sondern eine betriebsbezogene gebundene Genehmigung. Bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen hat der Unternehmer einen Rechtsanspruch auf Erteilung der Zulassung.52 Die Abschlussbetriebsplanzulassung hat Gestattungswirkung.53 Die Zulassung hat keine kon22 zentrierende Wirkung. Andere erforderliche Genehmigungen müssen parallel eingeholt werden.54 Beispiele sind Abbruchgenehmigungen für Gebäude und immissionsschutzrechtliche Genehmigungen etwa für thermische Bodenbehandlungsanlagen.55 Eine Legalisierungswirkung, die eine nachfolgende ordnungsrechtliche Inanspruchnahme 22a des Unternehmers ausschließt, kann die Abschlussbetriebsplanzulassung nur in Ausnahmefällen entfalten.56 Insofern ist zu differenzieren: Das BVerwG billigt Betriebsplanzulassungen für die Gewinnungsphase aufgrund ihrer zeitlichen und inhaltlichen Beschränkung für die Phase der

48 BVerwG 4.7.1986, 4 C 31/84, BVerwGE 74, 315 = ZfB 1987, 60 mit Anm. Seibert DVBl 1986, 1277. 49 BVerwG 14.4.2005, 7 C 26/03, BVerwGE 123, 247 = ZfB 2005, 156 mit Anm. Attendorn AbfallR 2006, 167, Dazert AbfallR 2005, 223, Neumann jurisPR-BVerwG 17/2005 Anm. 4, Schlabach VBlBW 2006, 47 und Séché ZfW 2006, 1. 50 BVerwG 28.7.2010, 7 B 16/10 = ZfB 2010, 242 Rn. 10 mit Anm. Jacobj ZUR 2010, 590 und Neumann jurisPR-BVerwG 23/ 2010 Anm. 2; BVerwG 14.4.2005, 7 C 26/03, BVerwGE 123, 247, 255 = ZfB 2005, 156, 161; Frenz UPR 2007, 312, 325; Beddies Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Einstellung eines Bergwerkes, S. 55; Kühne/Schoch/Beckmann (Hrsg.) Gegenwartsprobleme des Bergrechts, S. 87; Knöchel ZfB 1996, 44, 51; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 53 Rn. 26. 51 BVerwG 14.4.2005, 7 C 26/03, BVerwGE 123, 247, 255 = ZfB 2005, 156, 161. 52 Frenz/Beckmann BBergG, § 53 Rn. 6 ff. m.w.N. 53 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 56 Rn. 76. 54 Dazu ausführlich Frenz/Beckmann BBergG, § 53 Rn. 39 ff.; Knöchel ZfB 1996, 44, 50; Beckmann DÖV 2010, 512, 519; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 53 Rn. 11, 70; eine Ausnahme gilt für den Rahmenabschlussbetriebsplan mit Planfeststellung, dazu Rn. 15 f. 55 Knöchel ZfB 1996, 44, 50. 56 A.A. Frenz/Beckmann BBergG, § 53 Rn. 49, der eine Legalisierungswirkung ausschließt. von Hammerstein

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Einstellung des Betriebs keinerlei Rechtswirkung zu.57 Aus dem gleichen Grund bewirkt auch die Zulassung des Abschlussbetriebs keine Legalisierungswirkung für die Folgewirkungen des vorangegangenen Gewinnungsbetriebs. Erweisen sich die Maßnahmen zur Gefahrenabwehr entgegen der Einschätzung der Bergbehörde im Abschlussbetriebsplanverfahren als unzureichend, so kann die Behörde weitergehende Anordnungen treffen und können die Behörden auch nach Beendigung der Bergaufsicht Gefahrenabwehrmaßnahmen auf ordnungsrechtlicher Grundlage verlangen.58 Anders stellt sich die Rechtslage dar, soweit es um die erst in der Einstellungsphase umzusetzenden Wiedernutzbarmachungs- und Gefahrenabwehrmaßnahmen geht. Wenn deren langfristige Umweltauswirkungen im Abschlussbetriebsplanverfahren betrachtet wurden, kommt eine Legalisierungswirkung der Abschlussbetriebsplanzulassung durchaus in Betracht.59 Dies gilt z.B. dann, wenn der Abschlussbetriebsplan die Verfüllung eines Tagebaus mit bergbaufremden Abfällen vorsieht und die Bergbehörde deren Auswirkungen auf Boden und Grundwasser nach Maßgabe der einschlägigen bodenschutzrechtlichen Anforderungen geprüft hat.60

VI. Ergänzung und Abänderung des Abschlussbetriebsplans (Absatz 1 Satz 2) Die ordnungsgemäße Einstellung eines Betriebes erfordert einen je nach Lage des Einzelfalles zu 23 bemessenden längeren oder kürzeren Zeitraum. Während der Abschlussarbeiten kann sich aber herausstellen, dass ein Abweichen von der ursprünglichen Planung tunlich oder geboten ist. Das Gleiche gilt, wenn eine zunächst als vorübergehend beabsichtigte Betriebseinstellung zu einer endgültigen Betriebsaufgabe führen sollte. Um diesen Erfordernissen Rechnung zu tragen, eröffnet Absatz 1 Satz 2 die Möglichkeit, den Abschlussbetriebsplan zu ändern oder zu ergänzen. Die Abänderung oder Ergänzung bedarf zu ihrer Wirksamkeit der behördlichen Zulassung. Eine zulassungspflichtige Änderung des Abschlussbetriebsplans liegt nicht nur bei einer Änderung der technischen Durchführung, sondern auch dann vor, wenn von der im Betriebsplan angegebenen Dauer der Betriebsplaneinstellung abgewichen werden soll. Ohne zugelassenen Abschlussbetriebsplan sind auf die endgültige Einstellung eines Betrie- 24 bes gerichtete Maßnahmen nach § 57 Abs. 1 nur auf ausdrückliche Anordnung des Unternehmers und nur dann zulässig, wenn dadurch eine Gefahr für Leben oder Gesundheit Beschäftigter oder Dritter abgewendet wird. Die Zulassung des für die Einstellung erforderlichen Planes ist gemäß § 57 Abs. 3 unverzüglich zu beantragen. Im Falle der Einstellung eines Betriebes ohne zugelassenen Abschlussbetriebsplan kann die Bergbehörde gemäß § 71 Abs. 3 die erforderlichen Maßnahmen anordnen, um die Erfüllung der in § 55 Abs. 2 bezeichneten Voraussetzungen sicherzustellen.

VII. Betriebschronik (Absatz 2) Nach Absatz 2 Satz 1 ist dem Abschlussbetriebsplan für einen Gewinnungsbetrieb grundsätzlich 25 eine Betriebschronik in zweifacher Ausfertigung beizufügen. Diese gesetzliche Verpflichtung gilt uneingeschränkt für Betriebe, in denen Bodenschätze untertägig oder durch Bohrlöcher gewonnen wurden. Für Gewinnungsbetriebe, die in Form von Tagebauen betrieben wurden, enthält Absatz 2 Satz 3 eine abweichende Regelung. Bei diesen Gewinnungsbetrieben ist die Betriebschronik nur dann einzureichen, wenn die Bergbehörde ausdrücklich feststellt, dass der Lagerstätte noch eine wirtschaftliche Bedeutung für die Zukunft zukommen kann. Die Feststellung ist ein 57 58 59 60

BVerwG 18.12.2014, 7 C 22/12, BVerwGE 151, 156 = ZfB 2015, 29, Rn. 44. Insoweit zutreffend Frenz/Beckmann BBergG, § 53 Rn. 49. Diese Sachverhaltskonstellation übersieht offenbar Frenz/Beckmann BBergG, § 53 Rn. 49. So wohl auch OVG Magdeburg 22.4.2015, 2 L 47/13, juris Rn. 72 f., das im konkreten Fall jedoch eine Legalisierungswirkung verneint hat, weil die Auswirkungen der Verfüllung im Betriebsplanverfahren nicht nach den Maßstäben des BBodSchG geprüft worden waren. 517

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§ 54

Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

Verwaltungsakt, denn sie begründet im Einzelfall die Verpflichtung des Unternehmers, eine Betriebschronik aufzustellen und vorzulegen. Für Aufsuchungs- und Aufbereitungsbetriebe wird keine Betriebschronik gefordert. 26 Die nach Absatz 2 dem Abschlussbetriebsplan beizufügende Betriebschronik hat ihren Ursprung im bayrischen Bergrecht. Nach Art. 82 BayBergG unterstand der Bergbau in Bayern auch in wirtschaftlicher Beziehung der Aufsicht der Bergbehörde. Um beurteilen zu können, ob einer abgebauten Lagerstätte in Zukunft noch wirtschaftliche Bedeutung zukommen könnte, wurden die Bergämter angewiesen, dem Oberbergamt von allen stillgelegten Bergwerksbetrieben einen Abschlussbericht (Grubenaufstand) zu erstatten, der über die Eigentums-, Betriebs-, Lagerstätten-, Wirtschafts- und Verkehrsverhältnisse im einzelnen Aufschluss geben sollte.61 Die Notwendigkeit einer Betriebschronik wird in der Regierungsvorlage des BBergG wie folgt begründet: „Einmal muß die zuständige Behörde möglichst umfassende Informationen haben, um beurteilen zu können, ob dem Vorkommen nach dem Zustand im Zeitpunkt der Stillegung noch eine wirtschaftliche Bedeutung für die Zukunft zukommen kann (Nummern 3 bis 5, 7 bis 9). Weiter ist eine detaillierte Beschreibung des Zustandes des eingestellten Betriebes für die Beurteilung etwaiger künftiger Bergschäden von Bedeutung (Nummern 1, 2, 5, 6). Schließlich sind genaue Kenntnisse über den eingestellten Betrieb für die Planung von Baumaßnahmen (z.B. Errichtung von Gebäuden, Verkehrsanlagen) von großem Wert (Nummern 5, 6, 9)“.62 27 Die Betriebschronik stellt lediglich eine Information der Behörde über gegenwärtige oder vergangene Tatsachen dar. Ihr Inhalt unterliegt nicht der Betriebsplanprüfung, zumal die in § 53 Abs. 2 geforderten Angaben teilweise über die in § 55 bezeichneten Rechtsgüter und Belange hinausgehen. Der Abschlussbetriebsplan ist also unabhängig von der Betriebschronik zuzulassen, sofern er die Voraussetzungen des § 55 erfüllt. Die Nichtbeifügung der vorgeschriebenen Betriebschronik stellt aber nach § 145 Abs. 1 Nr. 7 eine Ordnungswidrigkeit dar.63

§ 54 Zulassungsverfahren (1) Der Unternehmer hat den Betriebsplan, dessen Verlängerung, Ergänzung oder Abänderung vor Beginn der vorgesehenen Arbeiten zur Zulassung einzureichen. (2) 1Wird durch die in einem Betriebsplan vorgesehenen Maßnahmen der Aufgabenbereich anderer Behörden oder der Gemeinden als Planungsträger berührt, so sind diese vor der Zulassung des Betriebsplanes durch die zuständige Behörde zu beteiligen. 2Die Landesregierungen können durch Rechtsverordnung eine weitergehende Beteiligung der Gemeinden vorschreiben, soweit in einem Betriebsplan Maßnahmen zur Lagerung oder Ablagerung von Bodenschätzen, Nebengestein oder sonstigen Massen vorgesehen sind. 3 Satz 2 gilt nicht bei Gewinnungsbetrieben, die im Rahmen eines Planes geführt werden, in dem insbesondere die Abbaugrenzen und Haldenflächen festgelegt sind und der auf Grund eines Bundes- oder Landesgesetzes in einem besonderen Planungsverfahren genehmigt worden ist. (3) 1Die zuständige Behörde kann einen Dritten, der als Verwaltungshelfer beschäftigt werden kann, mit der Vorbereitung und Durchführung von Verfahrensschritten beauftragen wie beispielsweise 1. der Erstellung von Verfahrensleitplänen mit Verfahrensabschnitten und Zwischenterminen, 2. der Fristenkontrolle, 3. der Koordinierung von erforderlichen Sachverständigengutachten, 61 Miesbach/Engelhardt Bergrecht, S. 154. 62 BT-Drs. 8/1315, S. 108. 63 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 53 Rn. 65; a.A. Frenz/Beckmann BBergG, § 53 Rn. 75. von Hammerstein https://doi.org/10.1515/9783110709285-070

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§ 54

Zweites Kapitel – Anzeige, Betriebsplan

4. dem Qualitätsmanagement der Anträge und Unterlagen des Unternehmers, 5. der ersten Auswertung der eingereichten Stellungnahmen und 6. der organisatorischen Vorbereitung und Durchführung eines Erörterungstermins. 2 Die Entscheidung über die Betriebsplanzulassung bleibt bei der zuständigen Behörde. 3 Erfolgt die Beauftragung auf Vorschlag oder mit Zustimmung des Unternehmers, so kann die Behörde entscheiden, dass der Unternehmer die Kosten der Vorbereitung und Durchführung von Verfahrensschritten durch den Dritten tragen muss.

Schrifttum Abel-Lorenz Rechtsschutzmöglichkeiten der Gemeinde im bergrechtlichen Betriebsplanverfahren, ZUR 1995, 120; Christner Die Beteiligung der Kommunen an der Betriebsplanzulassung nach dem Bundesberggesetz, ZfB 1992, 249; Ecker Noch einmal zur rechtlichen Stellung der Gemeinden beim bergrechtlichen Betriebsplanverfahren, ZfB 1984, 95; Holz/Zeiler Gemeindliche Planungshoheit und bergrechtliches Betriebsplanverfahren (1983); Hösgen Zur Verfahrensbeteiligung der Gemeinden bei bergrechtlichen Betriebsplanzulassungen zum Schutz von kommunalen Trinkwasseranlagen, LKV 1992, 398 = Rechte der Kommunen bei bergrechtlichen Betriebsplanzulassungen zum Schutz von kommunalen Anlagen, ThürVBl 1994, 101; Kremer Zur Beteiligung der Gemeinden vor der Zulassung bergbaulicher Vorhaben nach dem Bundesberggesetz, DÖV 1997, 822; Pellens Rechtsschutz gegen Gaspipelines in Küstengewässern, NuR 1996, 281; Rausch Rechte der Gemeinden bei Vorhaben des Bergrechts, UPR 1996, 6; Schenke Bergbau contra Oberflächeneigentum und kommunale Selbstverwaltung (1994); Schoch Die Rechtsstellung der Gemeinden bei der bergbaulichen Betriebsplanzulassung, in: Erbguth/Oebbecke/Rengeling/Schulte (Hrsg.) Planung: Festschrift für Werner Hoppe zum 70. Geburtstag (2000), S. 711, zitiert als Schoch FS Hoppe (2000); Stollenwerk Zur Stellung der Gemeinden im bergrechtlichen Zulassungsverfahren, VR 1997, 335; Strecker Die Rechtsposition der Gemeinden im bergrechtlichen Betriebsplanverfahren (1995); Zeiler Die rechtliche Stellung der Gemeinden beim bergrechtlichen Betriebsplanverfahren, ZfB 1983, 404.

Übersicht Anwendungsbereich, Anwendung der Verwal1 tungsverfahrensgesetze

4. 5.

Art der Beteiligung 26 Folgen von Verfahrensverstößen

II.

Einreichung des Betriebsplans bei der Bergbehör6 de (Absatz 1)

V.

Beteiligung nach § 13 VwVfG

VI. III.

Abänderung und Ergänzung

Mitwirkungsrechte von anerkannten Naturschutz36 vereinigungen (§ 63 BNatSchG)

IV.

Beteiligung von Behörden und Gemeinden (Ab10 satz 2 Satz 1) 11 Zweck der Beteiligung 14 Beteiligung von Behörden Beteiligung von Gemeinden als Planungsträ19 ger

I.

1. 2. 3.

9a

31 34

VII. Ermächtigung zum Erlass weitergehender Beteili37 gungsvorschriften (Absatz 2 Satz 2 und 3) VIII. Beauftragung Dritter (Absatz 3)

38

I. Anwendungsbereich, Anwendung der Verwaltungsverfahrensgesetze Die Vorschrift des § 54 über das Zulassungsverfahren gilt für alle Arten von Betriebsplänen, d.h. 1 für Haupt-, Sonder-, Abschluss- und fakultative Rahmenbetriebspläne sowie für deren Verlängerung, Ergänzung oder Abänderung. Ausgenommen vom Anwendungsbereich der Absätze 1 und 2 sind lediglich Verfahren zur Zulassung obligatorischer Rahmenbetriebspläne. Für sie ordnet § 57a Abs. 1 an, dass anstelle des in § 54 geregelten einfachen Betriebsplanverfahrens das nach § 52 Abs. 2a durchzuführende Planfeststellungsverfahren tritt. Die Regelung über die Einschaltung eines Verwaltungshelfers ist, wie § 57a Abs. 1 Satz 2 ausdrücklich bestimmt, auch im Planfeststellungsverfahren anwendbar. 519

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Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

Für die Erkundung des Untergrundes auf seine Eignung zur Einrichtung eines Endlagers für hochradioaktive Abfälle nach dem Standortauswahlgesetz ist § 54 gemäß § 12 Abs. 1 S. 1 StandAG entsprechend anzuwenden (vgl. Vor §§ 50 bis 57e, Rn. 47 ff.). Soweit das BBergG keine eigenen Verfahrensregelungen enthält, gelten für das Betriebsplanzulassungsverfahren nach § 5 i.V.m. § 1 Abs. 3 (Bundes-)VwVfG die Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder.1 Eigene Regelungen zum Verfahren treffen beispielsweise die §§ 54, 56 und 57a. Gemäß § 10 Satz 2 VwVfG ist das Verfahren einfach, zweckmäßig und zügig durchzuführen. Die im Gesetzentwurf der Bundesregierung noch vorgesehene Frist von einem Monat für die Entscheidung über den Betriebsplanantrag2 wurde im Gesetzgebungsverfahren als „entbehrlich“ gestrichen.3 Aus der Verpflichtung, das Verfahren zügig durchzuführen, ergibt sich ein Anspruch des Unternehmers, dass die Behörde über seinen Antrag in angemessener Frist entscheidet.4 Welche Frist angemessen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Einen Anhaltspunkt für die Angemessenheit gibt § 75 Satz 2 VwGO. Danach kann im Regelfall drei Monate nach Antragstellung Untätigkeitsklage erhoben werden. Besondere Umstände können aber eine kürzere Frist für die Entscheidung gebieten oder eine längere Frist erfordern.5 Die Zulassung eines Betriebsplans setzt einen entsprechenden Antrag des Unternehmers voraus. Um Zweifel auszuschließen, empfiehlt es sich, bei der Einreichung eines Betriebsplans nach § 54 Abs. 1 (hierzu Rn. 6 ff.) ausdrücklich dessen Zulassung zu beantragen. Der Zulassungsantrag kann bis zur Entscheidung der Behörde über die Zulassung zurückgenommen werden. Die Rücknahme führt zur Verfahrensbeendigung. Der Gegenstand des Verfahrens wird durch den Inhalt des vorgelegten Betriebsplanes bestimmt. Nach § 52 Abs. 4 Satz 2 können Betriebspläne geändert werden. Wird die Änderung erst nach der Entscheidung über die Zulassung vorgenommen, ist gemäß § 54 Abs. 1 ein neues Verfahren einzuleiten. In § 56 Abs. 3 wird ausdrücklich bestimmt, dass die für das Betriebsplanverfahren allgemein geltenden Vorschriften auch auf die Verlängerung, Ergänzung oder Änderung eines Betriebsplans entsprechend anwendbar sind. Um die Informationsgrundlage für die Zulassungsentscheidung zu schaffen, hat der Unternehmer nach § 52 Abs. 4 Satz 1 umfangreiche Nachweispflichten. Die Bergbehörde ist jedoch nicht gehindert, nach § 24 VwVfG von Amts wegen Ermittlungen anzustellen. Dabei kann sie sich der in § 26 VwVfG bezeichneten Beweismittel bedienen. Erfordert die Beurteilung eines Sachverhalts besondere, bei der Zulassungsbehörde nicht vorhandene Sachkunde, ist die Hinzuziehung von Sachverständigen möglich. Inzwischen ist anerkannt, dass Sachverständige i.S.d. § 26 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VwVfG nicht nur natürliche Personen, sondern auch private und öffentliche Organisationen sowie Fachbehörden sein können.6 Das Bundesberggesetz teilt diesen Sachverständigenbegriff, vgl. die Formulierung in § 65 Nr. 6 „Anerkennung einer Person oder Stelle als Sachverständiger“. Notwendige Auslagen, die der Behörde im Zusammenhang mit der Betriebsplanprüfung entstehen, hat der Unternehmer auf Grund der gebührenrechtlichen Vorschriften zu ersetzen (vgl. § 10 VwKostG). Dazu gehören auch die Kosten eines Gutachtens. Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 VwVfG soll die Behörde den Antragsteller auf Formfehler und sonstige Mängel der von ihm abgegebenen Erklärungen hinweisen und im Interesse einer zweckmäßigen Rechtsverfolgung notwendige Ergänzungen, Berichtigungen und Klarstellungen anregen. Diese Hinweispflicht gilt im Betriebsplanverfahren etwa dann, wenn die Darstellungen im Betriebsplan nach Auffassung der Bergbehörde nicht ausreichen, um die technische Durchführung und Dauer des Vorhabens unter den in § 55 bezeichneten Gesichtspunkten prüfen und beurteilen zu können. 1 Nachfolgend werden aufgrund der inhaltlichen Übereinstimmung stellvertretend die Vorschriften des (Bundes-)VwVfG zitiert. 2 § 53 Abs. 3 des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 8/1315, S. 25. 3 Frenz/Dazert BBergG, § 54 Rn. 19. 4 BeckOK VwVfG/Gerstner-Heck VwVfG, § 10 Rn. 17. 5 BeckOK VwVfG/Gerstner-Heck VwVfG, § 10 Rn. 17. 6 Kopp/Ramsauer VwVfG, § 26 Rn. 31; Fehling/Kastner/Störmer/Schwarz Verwaltungsrecht, § 26 VwVfG Rn. 25; Stelkens/ Bonk/Sachs/Kallerhoff VwVfG, § 26 Rn. 70. von Hammerstein

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Zweites Kapitel – Anzeige, Betriebsplan

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§ 25 Abs. 1 Satz 1 VwVfG ist eine Soll-Vorschrift, was bedeutet, dass die Behörde im Regelfall verpflichtet ist, die nach Lage der Sache erforderlichen Hinweise zu geben.7 Nach § 28 Abs. 1 VwVfG muss die Behörde einen Beteiligten anhören, bevor sie einen Verwal- 5 tungsakt erlässt, der in dessen Rechte eingreift. Dabei ist umstritten, ob § 28 Abs. 1 VwVfG auch den Fall erfasst, dass die Behörde nur den Erlass eines begünstigenden Verwaltungsakts ablehnt oder einem Antrag nur teilweise stattgibt.8 Bei der Betriebsplanzulassung handelt es sich um eine gebundene Entscheidung, so dass der Unternehmer beim Vorliegen der Zulassungsvoraussetzungen ein subjektiv-öffentliches Recht auf die Zulassung hat. Weil dieses durch eine rechtswidrige Ablehnung des Antrags verletzt wäre, sprechen Gründe der Vergleichbarkeit dafür, den Unternehmer jedenfalls dann immer anzuhören, wenn eine Verpflichtungsklage auf Erlass der Betriebsplanzulassung nicht nach § 42 Abs. 2 VwGO an der fehlenden Klagebefugnis scheitern würde. Von einer Anhörung darf also nur dann abgesehen werden, wenn auch unter Berücksichtigung möglicher Nebenbestimmungen der Betriebsplan offensichtlich und eindeutig nach jeder Betrachtungsweise nicht zulassungsfähig ist.9 Eine Anhörung entspricht zudem gegenwärtiger und früherer Verwaltungspraxis.10

II. Einreichung des Betriebsplans bei der Bergbehörde (Absatz 1) Nach § 51 darf ein betriebsplanpflichtiger Betrieb nur auf Grund eines behördlich zugelassenen 6 Betriebsplans errichtet, geführt oder eingestellt werden. Ein zugelassener Betriebsplan ist nicht nur die Grundlage, sondern auch die Voraussetzung für die in Aussicht genommene betriebliche Tätigkeit und die dabei einzusetzenden Mittel. Daher muss der Betriebsplan vor Beginn der vorgesehenen Arbeiten bei der zuständigen Behörde zur Zulassung eingereicht werden. Dasselbe gilt für Anträge auf Verlängerung, Ergänzung oder Änderung einer bereits erteilten Betriebsplanzulassung. Zuständig ist die Bergbehörde. Sie wirkt bei der Betriebsplanaufstellung grundsätzlich nicht gestaltend mit. Sie hat lediglich über die Zulassung des ihr vorgelegten Planes zu entscheiden. Auf die Gestaltung eines Betriebsplans nimmt sie nur im Rahmen des Zulassungsverfahrens Einfluss, und zwar nur insoweit, als das Gesetz dies ausdrücklich gestattet, z.B. durch Nebenbestimmungen gemäß § 36 Abs. 1 VwVfG oder nachträgliche Auflagen nach § 56 Abs. 1 und 3 BBergG. Eine bestimmte Frist vor Beginn der beabsichtigten Tätigkeit ist für die Einreichung des Betriebsplans im Gesetz nicht vorgeschrieben. Es liegt aber im eigenen Interesse des Unternehmers, den Betriebsplan so rechtzeitig vorzulegen, dass auch unter Berücksichtigung der Dauer des Zulassungsverfahrens bis zu dem vorgesehenen Betriebsbeginn eine behördliche Entscheidung über die Zulassung getroffen werden kann. In der nordrhein-westfälischen Bergverwaltung ist vorgesehen, dass die Bergbehörde den Unternehmer informiert, wenn sie über die Zulassung des Betriebsplans nicht innerhalb eines Monats nach Einreichung entscheiden kann und dass sie die Gründe hierfür in einem Zwischenbescheid mitteilt.11 7 Kopp/Ramsauer VwVfG, § 25 Rn. 10. 8 Die Rechtsprechung verlangt eine Anhörung nur, wenn der Verwaltungsakt eine Rechtsbeeinträchtigung verursacht, gegen die gegebenenfalls die Anfechtungsklage einschlägig wäre, BVerwG 14.10.1982, 3 C 46/81, BVerwGE 66, 184, 186; BVerwG 15.12.1983, 3 C 27/82, BVerwGE 68, 267, 270, ebenso Stelkens/Bonk/Sachs/ Kallerhoff VwVfG, § 28 Rn. 27 ff. Die h.M. in der Literatur geht demgegenüber davon aus, dass mit dem Zweck der Regelung auch die (Teil-)Ablehnung eines begünstigenden Verwaltungsakts erfasst ist, Kopp/Ramsauer VwVfG, § 28 Rn. 26 ff. m.w.N. Speziell für das Betriebsplanverfahren befürworten auch Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht, Rn. 273 eine Anhörung. 9 Zur Klagebefugnis vgl. nur BVerwG 13.7.1973, VII C 6/72, BVerwGE 44, 1, 3 m.w.N.; Schoch/Schneider/Bier/Wahl/Schütz VwGO, § 42 Abs. 2 Rn. 71. 10 Vgl. Nr. 3.7 der Hausverfügung der Bezirksregierung Arnsberg für die Handhabung des Betriebsplanverfahrens (Betriebsplan-Richtlinien – BP-RL), Stand 31.5.2010, sowie die vor Erlass des BBergG vorgesehene Betriebsplanerörterung. 11 Hausverfügung der Bezirksregierung Arnsberg für die Handhabung des Betriebsplanverfahrens (BetriebsplanRichtlinien – BP-RL), Stand 31.5.2010, Nr. 3.2. 521

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Zur Einreichung des Betriebsplans ist der Unternehmer verpflichtet, d.h. nach § 4 Abs. 5 diejenige natürliche oder juristische Person, die die betriebsplanpflichtige Tätigkeit auf eigene Rechnung durchführt oder durchführen lässt (vgl. hierzu auch § 4 Rn. 30 ff.). Der Unternehmer braucht nicht mit dem Inhaber der Bergbauberechtigung identisch zu sein. So kann z.B. das Bergwerkseigentum auf Grund eines dinglichen oder schuldrechtlichen Rechtsgeschäfts einem Dritten zur Ausübung überlassen werden (vgl. § 9 Rn. 8). Werden Erlaubnis- oder Bewilligungsinhaber auf eigene Rechnung tätig, sei es als alleiniger Inhaber, als Mitinhaber einer Erlaubnis oder Bewilligung oder auf Grund eines Auftrags der Mitinhaber einer Erlaubnis oder Bewilligung, so werden sie als Unternehmer tätig. Führen Erlaubnis- oder Bewilligungsinhaber die Arbeiten auf eigene Rechnung durch und beauftragen sie einen Dritten mit der Durchführung der Arbeiten (technische Betriebsführung), so bleiben sie Unternehmer i.S. des Gesetzes. Ein Dritter, der als sog. Kontraktor tätig wird, gilt also nicht als Unternehmer. Wird dagegen innerhalb eines Konsortiums ein Konsorte, der nicht Erlaubnis- oder Bewilligungsinhaber ist, von einem Erlaubnis- oder Bewilligungsinhaber beauftragt, auf eigene Rechnung tätig zu werden, so übt der betriebsführende Konsorte Unternehmertätigkeit i.S. des Gesetzes aus. 8 Der Unternehmer kann die Pflicht zur Einreichung von Betriebsplänen gemäß § 62 Satz 1 Nr. 1 auf verantwortliche Personen übertragen. Diese sind dann im Rahmen ihrer Aufgaben und Befugnisse für die Erfüllung der Betriebsplanpflicht verantwortlich, § 58 Abs. 1 Nr. 2. Häufig wird ein Kontraktor den Antrag stellen. Dies ist zulässig. Es sollte aber vermieden werden, dass Unklarheit hinsichtlich der Person des Unternehmers entsteht. Da die Einreichung eines Betriebsplans rechtlich den Antrag auf die behördliche Zulassung darstellt,12 kann die Bergbehörde ihre Entscheidung vom Nachweis der Antragsberechtigung abhängig machen, d.h. sie kann sich davon überzeugen, dass der Betriebsplan von einem zur Einreichung Berechtigten unterzeichnet worden ist. Bei Betriebsplänen, die für den Arbeitsschutz und die Unfallverhütung von Bedeutung sind, ist eine Stellungnahme des Betriebsrats üblich.13 Vgl. § 70 Rn. 17. 9 Betriebspläne werden der Bergbehörde in der Regel mindestens in zweifacher Ausfertigung eingereicht. Davon erhält der Unternehmer eine Ausfertigung mit dem Zulassungsbescheid zurück, während die andere zu den Bergamtsakten genommen wird. Berührt ein Betriebsplan auch den Aufgabenbereich anderer Behörden oder der Gemeinden als Planungsträger (vgl. Rn. 10 ff.), erhöht sich die entsprechende Anzahl weiterer Ausfertigungen.14 Die dem Betriebsplan beigefügten Anlagen sind mit einem Zugehörigkeitsvermerk zu versehen. 7

III. Abänderung und Ergänzung 9a Bezugspunkt für die Feststellung einer Abänderung oder Ergänzung im Sinne des § 54 Abs. 1 ist der Betriebsplan selbst. Im Gegensatz zu anderen Bereichen des Wirtschaftsverwaltungsrechts trifft das BBergG keine ausdrückliche Regelung darüber, wann eine Ergänzung oder Abänderung des Betriebsplans vorliegt. So ist etwa nach § 7 Abs. 1 AtG eine atomrechtliche Änderungsgenehmigung nur im Falle einer wesentlichen Veränderung erforderlich. Im Anwendungsbereich des Kreislaufwirtschaftsgesetzes ist eine Planfeststellung nach § 35 Abs. 2 KrWG ebenfalls nur bei wesentlichen Änderungen von Deponien oder ihrem Betrieb erforderlich. Auch im Anwendungsbereich des BImSchG bedarf eine Änderung einer genehmigungsbedürftigen Anlage nur dann nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BImSchG einer Änderungsgenehmigung, wenn sich die Änderung auf die in § 1 BImSchG genannten Schutzgüter auswirken kann. 12 Glückert FS Kühne (2009), S. 543; Kühne/Schoch/Beckmann Gegenwartsprobleme des Bergrechts, S. 57. 13 Vgl. Landesamt für Geologie, Rohstoffen und Bergbau (Baden-Württemberg): Leitfaden für die Erstellung eines Hauptbetriebsplanes über Tage vom 6.12.2007, Az.: 4718/53/1, S. 5; Hausverfügung der Bezirksregierung Arnsberg für die Handhabung des Betriebsplanverfahrens (Betriebsplan-Richtlinien – BP-RL), Stand 31.5.2010, Anlage 2. 14 Vgl. Hausverfügung der Bezirksregierung Arnsberg für die Handhabung des Betriebsplanverfahrens (BetriebsplanRichtlinien – BP-RL), Stand 31.5.2010, Nr. 2.1. von Hammerstein

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Unter Berücksichtigung der Regelungen der §§ 51 Abs. 1 und 54 Abs. 4 Satz 1 sind vergleichba- 9b re Einschränkungen bei der Anwendung von § 54 Abs. 1 im Falle von Abänderungen oder Ergänzungen vorzunehmen. Denn gemäß § 51 Abs. 1 sind alle Maßnahmen, die zum Führen des Betriebs gehören, betriebsplanpflichtig und gemäß § 52 Abs. 4 Satz 1 müssen die Betriebspläne eine Darstellung des Umfanges, der technischen Durchführung und der Dauer des beabsichtigten Vorhabens sowie den Nachweis enthalten, dass die in § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 3 bis 13 bezeichneten Voraussetzungen erfüllt sind. Aus dem Zusammenspiel dieser Normen ergibt sich, dass nur dann eine Abänderung oder Ergänzung im Sinne des § 54 Abs. 1 BBergG vorliegt, wenn sie den Betriebsplaninhalt nach § 52 Abs. 4 Satz 1 betreffen und dem Bereich der Betriebsführung im Sinne des § 51 Abs. 1 zugeordnet werden können. Werden Angaben in einem Betriebsplan geändert, die über die nach § 52 Abs. 4 Satz 1 geforderten Inhalte hinausgehen oder offensichtlich nicht für die Zulassungsvoraussetzungen des § 55 i.V.m. § 48 Abs. 2 Satz 1 relevant sind, bedarf es keines Betriebsplanverfahrens. Eine darüber hinausgehende Wesentlichkeitsschwelle lässt sich der Norm hingegen nicht entnehmen.15 Um den Aufwand für Betriebsplanänderungen zu begrenzen, empfiehlt es sich, schon bei der Aufstellung der Betriebspläne darauf zu achten, dass diese möglichst nicht detaillierter ausfallen, als es für die behördliche Prüfung der Zulassungsvoraussetzungen erforderlich ist.

IV. Beteiligung von Behörden und Gemeinden (Absatz 2 Satz 1) Bei den in Absatz 2 enthaltenen Regelungen handelt es sich um Verfahrensvorschriften, die sich 10 an die für die Durchführung des Betriebsplanverfahrens zuständigen Behörden richten. Wird durch die in einem Betriebsplan vorgesehenen Maßnahmen der Aufgabenbereich anderer Behörden oder der Gemeinden als Planungsträger berührt, hat die Bergbehörde diese gemäß Absatz 2 Satz 1 vor der Zulassung des Betriebsplans zu beteiligen. Diese Verfahrensregelung gilt für alle Betriebsplanverfahren mit Ausnahme des bergrechtlichen Planfeststellungsverfahrens nach § 52 Abs. 2a. Wegen § 57a Abs. 1 Satz 1 ist § 54 Abs. 2 auf das Planfeststellungsverfahren nicht anwendbar, so dass für die Beteiligung der Gemeinden dort die allgemeinen Regelungen der Verwaltungsverfahrensgesetze gelten.16

1. Zweck der Beteiligung Die Beteiligung anderer Behörden und der Gemeinden verfolgt mehrere Zwecke. Zunächst dient 11 sie dazu, eine möglichst vollständige Informationsgrundlage für die Zulassungsentscheidung zu gewährleisten. Durch die Beteiligung haben die Behörden und Gemeinden, deren Aufgabenbereich durch die in dem Betriebsplan vorgesehenen Maßnahmen berührt wird, Gelegenheit, ihre Bedenken und Anregungen zu äußern. Dem Vorhaben entgegenstehende Belange fließen so frühzeitig in die Entscheidungsfindung ein. Gesichtspunkte, die für die Beurteilung der Zulassungsvoraussetzungen von Bedeutung sind, muss die Bergbehörde in ihre Zulassungsentscheidung einbeziehen. Gleichzeitig dient die Beteiligung auch der Information der zu beteiligenden Behörden 12 und Gemeinden. Durch die Beteiligung am Betriebsplanverfahren werden sie rechtzeitig über die geplanten Maßnahmen des Bergbaus informiert und erhalten dadurch die Möglichkeit, sich bei ihren eigenen Planungen darauf einzustellen.17 Die Kenntnis der Betriebsplanzulassung ist für die Beteiligten wichtig, weil sie zum einen bei den in ihre Zuständigkeit fallenden Entscheidungen 15 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 54 Rn. 5; a.A. Frenz/Dazert BBergG, § 54 Rn. 30 ff. 16 OVG Münster 27.10.2005, 11 A 1751/04 = ZfB 2006, 32, 48; Christner ZfB 1992, 249, 254; vgl. auch § 57a Rn. 20 ff.; a.A. Rausch UPR 1996, 6, 7.

17 Vgl. Christner ZfB 1992, 249, 256; Kremer DÖV 1997, 822, 825. 523

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Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

den Regelungsgehalt der Betriebsplanzulassung berücksichtigen müssen,18 und zum anderen, weil sie gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 bei eigenen Entscheidungen dafür Sorge zu tragen haben, dass die Aufsuchung und Gewinnung so wenig wie möglich beeinträchtigt werden (vgl. § 48 Rn. 25 ff.). Zudem kann eine frühzeitige Verfahrensbeteiligung der Gemeinden und eine intensive Zusammenarbeit mit ihnen Konflikte vermeiden und die Akzeptanz für das Vorhaben erhöhen.19 13 Die Beteiligung bezweckt zudem eine Abstimmung des bergrechtlichen Verfahrens mit anderen Verfahren. Das bergrechtliche Betriebsplanverfahren hat mit Ausnahme der Rahmenbetriebsplanzulassung nach § 52 Abs. 2a keine Konzentrationswirkung. Deshalb bleibt die Zuständigkeit anderer Behörden, über Genehmigungen, Erlaubnisse, Bewilligungen, Zulassungen und dergleichen nach anderen Vorschriften zu entscheiden, unberührt. Der Bundesgesetzgeber hat das Nebeneinander von Bergrecht und anderen öffentlich-rechtlichen Gesetzen bewusst beibehalten.20 Die Durchführung bergbaulicher Vorhaben würde aber unnötig erschwert, wenn das bergrechtliche Betriebsplanverfahren und die nach anderen Rechtsvorschriften erforderlichen öffentlichrechtlichen Verfahren völlig isoliert voneinander abgewickelt würden und damit die Gefahr widersprüchlicher Verwaltungsentscheidungen gegeben wäre.

2. Beteiligung von Behörden 14 Das allgemeine Verfahrensrecht versteht unter „Behörde“ jede Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt (§ 1 Abs. 4 VwVfG). Innerhalb der Länder unterscheidet man die allgemeine Verwaltung, die alle Gebiete staatlicher Verwaltung umfasst, die nicht Sonderverwaltungen zugewiesen sind, und die Sonderverwaltungen, die für bestimmte Fachgebiete zuständig sind. Die Mittelstufe der allgemeinen inneren Staatsverwaltung bilden in einigen Bundesländern die Regierungspräsidien. Sie sind für alle Aufgaben zuständig, für die nicht eine besondere Verwaltungsbehörde besteht, z.B. in manchen Ländern die Straßenbauverwaltung. Die Unterstufe der allgemeinen Staatsverwaltung wird häufig durch die kreisfreien Städte und Landkreise gebildet. Bei diesen handelt es sich zwar um Gebietskörperschaften mit dem Recht der Selbstverwaltung. Ihnen sind aber durch Gesetz staatliche Verwaltungsaufgaben zur Erfüllung übertragen worden, z.B. auf dem Gebiet des Wasserrechts, des Bauordnungsrechts oder der Landschaftspflege. Insoweit sind die Städte und Landkreise also als Behörden des Landes anzusehen. 15 § 54 Abs. 2 verwendet nicht den Begriff des Trägers öffentlicher Belange, den das Bauplanungsrecht in § 4 Abs. 1 Satz 1 BauGB in einem vergleichbaren Zusammenhang kennt. Zu den Trägern öffentlicher Belange gehören öffentlich-rechtliche und privatrechtliche Rechtsträger, die öffentliche Aufgaben erfüllen, aber keine Behörden sind, z.B. die Deutsche Bahn AG, die DB Netz AG,21 Netzbetreiber, Telekommunikationsunternehmen, Straßenbaulastträger und Bundeswehr.22 Sie sind daher nicht nach § 54 Abs. 2 als Behörde zu beteiligen,23 können aber nach § 5 BBergG i.V.m. § 13 VwVfG beteiligt werden, hierzu Rn. 34 f. 16 Nicht einheitlich wird beurteilt, ob auch Gemeinden als Behörden von § 54 Abs. 2 erfasst sein können. Weil § 54 Abs. 2 – anders als § 15 – ausdrücklich zwischen „Behörden und Gemeinden“ unterscheidet, haben Boldt/Weller gefolgert, dass der Begriff der Behörden Gemeinden in ihrer Eigenschaft als untere Verwaltungsbehörden nicht umfasst.24 Dem ist zu entgegnen, dass mit der Nennung 18 19 20 21

Vgl. zum Verhältnis von Atom- und Wasserrecht BVerwG 22.11.1979, 4 B 162/79, NJW 1980, 1406. Kremer DÖV 1997, 822, 826; Niermann Betriebsplan und Planfeststellung im Bergrecht, S. 119; Rausch UPR 1996, 6, 7. BT-Drs. 8/3965, S. 130. Frenz/Dazert BBergG, § 54 Rn. 37; a.A. Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 54 Rn. 12, der die Deutsche Bahn AG und ihre Tochtergesellschaften als Behörden einstuft. 22 Battis/Krautzberger/Löhr BauGB, § 4 Rn. 3. 23 So zur vergleichbaren Situation bei § 73 Abs. 2 VwVfG Stelkens/Bonk/Sachs/Neumann VwVfG, § 73 Rn. 36; Fehling/ Kastner/Störmer/Wickel Verwaltungsrecht, § 73 VwVfG Rn. 50; BeckOK/Kämper VwVfG, § 73 Rn. 16. 24 Boldt/Weller 1. Auflage, § 54 Rn. 7. von Hammerstein

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der Gemeinden als Planungsträger das Beteiligungsverfahren für Gemeinden nicht eingeschränkt werden sollte. Vielmehr wurde eine Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen Bergbehörde und Gemeinden bezweckt.25 Die Aufnahme der Gemeinden als Planungsträger war nach Ansicht des Gesetzgebers schließlich erforderlich, weil sie in dieser Eigenschaft keine Behörden sind.26 Nach dem Bericht des Wirtschaftsausschusses sollte die Gemeinde, soweit sie als Behörde tätig wird, ohne Einschränkung in allen Fällen beteiligt werden, in denen ihr Aufgabenbereich berührt wird.27 Für eine Auslegung, die auch die Gemeinde als „Behörde“ i.S.d. § 54 Abs. 2 Satz 1 ansieht, spricht zudem, dass nach Ansicht des BVerwG auch der Begriff der Behörde in § 15 Gemeinden umfassen kann.28 Der Behördenbegriff des § 54 Abs. 2 Satz 1 schließt also auch Gemeinden in ihrer Eigenschaft als untere Verwaltungsbehörden ein. Gemeinden sind daher als Behörden am Betriebsplanverfahren zu beteiligen, soweit sie Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen, die durch das Vorhaben berührt werden.29 Nach § 54 Abs. 2 können etwa zu beteiligen sein die für Raumordnung oder Landes- und/oder 17 Regionalplanung zuständige Behörde, die Bauaufsichtsbehörde, die Wasserbehörde, der Wasserverband, die für die Abfallwirtschaft zuständige Behörde, die Forstbehörde, die Naturschutzbehörde, die Denkmalbehörde, die Straßenbaubehörde und die Straßenverkehrsbehörde.30 Die Bergbehörde hat andere Behörden gemäß § 54 Abs. 2 Satz 1 am Betriebsplanverfahren zu 18 beteiligen, wenn und soweit der von diesen wahrzunehmende Aufgabenbereich durch die in dem Betriebsplan vorgesehenen Maßnahmen „berührt“ wird. Berührt sind jedenfalls alle Behörden, die nach anderen Gesetzen eine selbständige Entscheidung über den Betrieb treffen müssen oder die für den Vollzug öffentlich-rechtlicher Vorschriften zuständig sind, die neben dem BBergG anzuwenden sind.31 Berührt sind aber auch Behörden ohne eigene Entscheidungsbefugnis, die auf Grund ihres Aufgabenbereiches öffentlich-rechtliche Belange zu wahren haben, die durch das Vorhaben berührt werden,32 z.B. die geologischen Landesämter. Die Beteiligungspflicht hängt also vom Inhalt des Betriebsplans ab. Wird ein Vorhaben in mehreren gestuften Betriebsplanverfahren – Rahmen-, Haupt- und ggf. Sonderbetriebsplanverfahren – zugelassen, kommt es darauf an, welche Zulassung den Aufgabenbereich einer anderen Behörde erstmals berührt. Wurde bereits ein obligatorischer Rahmenbetriebsplan zugelassen, kann die Behördenbeteiligung in nachfolgenden Verfahren zur Zulassung von Haupt- und Sonderbetriebsplänen, die diesen Plan konkretisieren, regelmäßig weit weniger umfangreich ausfallen. In diesem Fall werden die von den zuvor beteiligten Behörden vertretenen Belange bereits im Rahmenbetriebsplanverfahren umfassend geprüft und in dem mit Konzentrationswirkung ausgestatteten Planfeststellungsbeschluss abgearbeitet worden sein. Ähnliches kann auch im Verhältnis von fakultativen Rahmenbetriebsplanzulassungen zu nachfolgenden Zulassungen und im Verhältnis zwischen Haupt- und Sonderbetriebsplanzulassungen gelten. Weicht ein späterer Betriebsplan hingegen von einem vorgelagerten ab oder erfordert seine Zulassung Entscheidungen, z.B. über Nebenbestimmungen, die noch nicht Gegenstand der früheren Zulassung war, so kann es erforderlich werden, die betroffene Behörde

25 26 27 28 29

BT-Drs. 8/3965, S. 137. BT-Drs. 8/1315, S. 109. BT-Drs. 8/3965, S. 137. BVerwG 15.10.1998, 4 B 94/98 = ZfB 1998, 328, 329. Ebenso Frenz/Dazert BBergG, § 54 Rn. 39, Niermann Betriebsplan und Planfeststellung im Bergrecht, S. 114 f.; AbelLorenz ZUR 1995, 120, 121 (Fn. 4); Christner ZfB 1992, 249, 254; Hösgen LKV 1992, 398, 399 = ThürVBl. 1994, 101, 102 f.; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 54 Rn. 12; Schenke Bergbau contra Oberflächeneigentum und kommunale Selbstverwaltung, S. 91. f.; Schoch FS Hoppe (2000), S. 711, 718; Zeiler ZfB 1983, 404, 411. 30 Müller/Schulz Handbuch Recht der Bodenschätzegewinnung, Rn. 367; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 54 Rn. 12. 31 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 54 Rn. 9; Niermann Betriebsplan und Planfeststellung im Bergrecht, S. 115; vgl. auch (zu § 10 Abs. 5 BImSchG) Landmann/Rohmer/Dietlein Umweltrecht, § 10 BImSchG Rn. 102. 32 Vgl. zu § 73 Abs. 2 Stelkens/Bonk/Sachs/Neumann VwVfG, § 73 Rn. 35 und zu § 10 Abs. 5 BImSchG Landmann/Rohmer/Dietlein Umweltrecht, § 10 BImSchG Rn. 101. 525

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erneut zu beteiligen. Die Entscheidung über die Beteiligung anderer Behörden trifft die Bergbehörde.

3. Beteiligung von Gemeinden als Planungsträger 19 § 54 Abs. 2 Satz 1 verpflichtet die Bergbehörde, eine Gemeinde zu beteiligen, wenn die in einem Betriebsplan vorgesehenen Maßnahmen deren Aufgabenbereich als Planungsträger berühren. Dieser verfahrensrechtliche Schutz der gemeindlichen Planungshoheit besteht neben dem materiellrechtlichen Schutz, der im Rahmen des § 48 Abs. 2 zu gewährleisten ist. Unter „Gemeinden“ i.S.d. § 54 Abs. 2 Satz 1 sind die Gemeinden als Gebietskörperschaften mit 20 dem Recht der Selbstverwaltung zu verstehen, und zwar in Bezug auf den eigenen Wirkungskreis, d.h. auf die Selbstverwaltungsaufgaben. Weil Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG auch Gemeindeverbänden das Selbstverwaltungsrecht garantiert, sind auch sie von § 54 Abs. 2 erfasst, soweit sie eigenständige Planungsträger sind.33 Das ist insbesondere der Fall, wenn sie anstelle ihrer Mitgliedsgemeinden in eigener Zuständigkeit die Aufgabe der vorbereitenden Bauleitplanung erfüllen.34 Sind die Mitgliedsgemeinden weiterhin zuständig für die Aufgaben der verbindlichen Bauleitplanung auf ihrem Hoheitsgebiet, sind Gemeindeverband und Gemeinde gleichzeitig Planungsträger und beide nach § 54 Abs. 2 zu beteiligen.35 21 Die Gemeinden sind zu beteiligen, wenn ihr Aufgabenbereich als Planungsträger berührt ist. Dies dient dem Schutz ihrer Planungshoheit.36 Die gemeindliche Planungshoheit ist Teil der Selbstverwaltungsgarantie aus Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG.37 Die verfassungsrechtliche Planungshoheit schützt das Recht der Gemeinde, die Bodennutzung in ihrem Gebiet in eigener Verantwortung zu planen und zu regeln, um so die künftige Entwicklung des Gemeindegebiets im Rahmen der Bauleitplanung grundsätzlich nach eigenen Vorstellungen steuern und gestalten zu können.38 Für Eingriffe in die Planungshoheit hat das BVerfG ausdrücklich ein Beteiligungsrecht der Gemeinden abgeleitet.39 Das gemeindliche Beteiligungsrecht in § 54 Abs. 2 Satz 1 ist eine einfachgesetzliche Ausprägung der verfassungsrechtlichen Planungshoheit, so dass dieselben Aufgabenbereiche geschützt sind.40 22 Allerdings ist nach § 54 Abs. 2 Satz 1 die Gemeinde nicht erst dann zu beteiligen, wenn in ihre Planungshoheit eingegriffen werden soll, sondern schon dann, wenn diese nur „berührt“ ist. Dieser Wortlaut ist weit. Die „Berührung“ planerischer Belange stellt niedrigere Anforderungen als eine „Beeinträchtigung“. Es sind also geringere Anforderungen zu stellen, als für ein Klagerecht der Gemeinde erforderlich sind.41 Der Begriff „berührt“ verlangt nur überhaupt einen Bezug; negative Auswirkungen sind nicht erforderlich.42 Eine weite Auslegung entspricht auch der Funktion der Norm, der Gemeinde eine Möglichkeit zu geben, mit ihren entgegenstehenden kommunalen Interessen und Planungen möglichst frühzeitig auf den Entscheidungsvorgang Einfluss neh33 VG Aachen 10.12.2001, 9 K 7/01 = ZfB 2003, 78, 84 f.; VG Freiburg 26.4.1989, 1 K 253/88 = ZfB 1990, 314, 317. 34 Das ist etwa der Fall bei den Gemeindeverwaltungsverbänden in Baden-Württemberg, vgl. §§ 59, 61 Abs. 4 Nr. 1 GemO B-W. 35 Vgl. VG Freiburg 15.12.2004, 1 K 899/01, VBlBW 2005, 319 f. 36 BT-Drs. 8/3965, S. 137. 37 OVG Koblenz 20.3.1990, 7 A 78/89 = ZfB 1991, 199, 203; Christner ZfB 1992, 249, 251; Schoch FS Hoppe (2000), S. 711, 718. 38 BVerfG 7.10.1980, 2 BvR 584/76 u.a., BVerfGE 56, 298, 312 ff.; BVerwG 11.4.1986, 4 C 51/83, BVerwGE 74, 124, 132; BVerwG 16.12.1988, 4 C 40/86, BVerwGE 81, 95, 106; BVerwG 15.12.1989, 4 C 36/86, BVerwGE 84, 209, 214. 39 BVerfG 7.10.1980, 2 BvR 584/76 u.a., BVerfGE 56, 298, 319 ff. 40 OVG Koblenz 20.3.1990, 7 A 78/89 = ZfB 1991, 199, 203; Christner ZfB 1992, 249, 251; Schoch FS Hoppe (2000), S. 711, 718. 41 Christner ZfB 1992, 249, 255; Ecker ZfB 1984, 95, 97; Niermann Betriebsplan und Planfeststellung im Bergrecht, S. 119; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 54 Rn. 37. 42 Kremer DÖV 1997, 822, 823. von Hammerstein

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men zu können, um hierdurch besser ihrer Planungshoheit Geltung zu verschaffen.43 Zudem ermöglicht es ihr, das beabsichtigte Bergbauvorhaben in ihren Planungen zu berücksichtigen.44 Die Beteiligung der Gemeinden nützt aber auch der Bergbehörde, denn die Stellungnahme der Gemeinde kann ihr eine vollständigere Informationslage verschaffen und erlaubt es ihr, entgegenstehende Interessen der Gemeinde möglichst frühzeitig einzubeziehen. Außerdem kann die Verfahrensbeteiligung die Akzeptanz für das Vorhaben erhöhen.45 Für den Zweck des Verwaltungsverfahrens ist es daher sinnvoll, die Gemeinden umfassend, also auch in Zweifelsfällen zu beteiligen.46 Die planerischen Belange sind jedenfalls berührt, wenn nachhaltig eine hinreichend bestimmte gemeindliche Planung gestört, wesentliche Teile des Gemeindegebiets einer durchsetzbaren eigenen Planung entzogen oder kommunale Einrichtungen erheblich beeinträchtigt werden.47 Die Gemeinde ist aber auch schon immer dann zu beteiligen, wenn die in einem Betriebsplan vorgesehenen Maßnahmen planerische Belange der Gemeinde auch nur ansprechen. Auf wie auch immer geartete negative Auswirkungen auf konkrete Planungsbelange kommt es nicht an.48 Es reicht aus, dass die im Betriebsplan vorgesehenen Maßnahmen Auswirkungen auf die Bauleitplanung der Gemeinde haben.49 Als Beispiele kommen in Betracht der Betrieb eines Tagebaues,50 die Errichtung einer Bergehalde,51 das Anlegen einer Bohrschlammgrube52 und Maßnahmen zur Wiedernutzbarmachung.53 Auch ein Abschlussbetriebsplan über den Abbruch oder Fortbestand einer bergbaulichen Tagesanlage kann die Planungshoheit einer Gemeinde berühren.54 Bei untertägigen Maßnahmen kommt eine Beteiligung der Gemeinde als Planungsträger nur unter bestimmten Voraussetzungen in Frage. Es muss sich um betriebliche Maßnahmen handeln, die eine Veränderung der Oberflächennutzung zum Gegenstand haben, und zwar muss die Veränderung eine planerische Aufgabe der Gemeinde berühren. Das kann dann der Fall sein, wenn untertägige Maßnahmen Auswirkungen auf die Oberfläche erwarten lassen, die nach Art oder Umfang mit dem Inhalt bestehender Pläne im Widerspruch stehen oder aber planerische Aufgaben der Gemeinde auslösen.55 Maßstäbe für die Anwendung des § 54 Abs. 2 ergeben sich auch aus § 36 Abs. 1 BauGB. 23 Grundsätzlich ist nach § 36 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Halbsatz 1 BauGB für alle Verfahren, in denen über die Zulässigkeit des Vorhabens auch nach den §§ 31 und 33 bis 35 BauGB entschieden wird, das Einvernehmen der Gemeinde erforderlich. Davon macht § 36 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BauGB eine Ausnahme für Vorhaben, die der Bergaufsicht unterliegen. Diese Ausnahme ist aber nur gerechtfertigt, weil für diese Vorhaben bereits das bergrechtliche Betriebsplanverfahren gilt, bei

43 BT-Drs. 8/3965, S. 137; BVerwG 15.7.1994, 4 B 102. 94 = ZfB 1994, 215, 216; OVG Saarlouis 20.12.2006, 2 W 16/06 = ZfB 2007, 136, 137; OVG Münster 15.5.1998, 21 A 7553/95 = ZfB 1998, 146, 155 f.; OVG Münster 28.7.1995, 21 B 985/95 = ZfB 1995, 315, 318; OVG Bautzen 18.9.1997, 1 S 354/96, ZfB 1997, 314, 323; OVG Koblenz 20.3.1990, 7 A 78/89 = ZfB 1991, 199, 202; Schoch FS Hoppe (2000), S. 711, 714. 44 Christner ZfB 1992, 249, 256; Kremer DÖV 1997, 822, 825. 45 Kremer DÖV 1997, 822, 826; Rausch UPR 1996, 6, 7. 46 Niermann Betriebsplan und Planfeststellung im Bergrecht, S. 119; Rausch UPR 1996, 6, 8. 47 BVerwG 16.12.1988, 4 C 40/86; BVerwGE 81, 95,106; BVerwG 15.10.1998, 4 B 94.98 = ZfB 1990, 328, 329. 48 Schoch FS Hoppe (2000), S. 711, 714; Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht, Rn. 263; Kremer DÖV 1997, 822, 826; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 54 Rn. 38; a.A. Christner ZfB 1992, 249, 251. 49 VG Saarlouis 19.2.1987, 2 K 212/83 = ZfB 1987, 378, 382; Abel-Lorenz ZUR 1995, 120; Stollenwerk VR 1997, 335. 50 OVG Koblenz 20.3.1990, 7 A 78/89 = ZfB 1991, 199; OVG Münster 14.9.1981, 12 A 2479/80 = ZfB 1982, 238; OVG Saarlouis 18.12.1974, II W 51/74 = ZfB 1975, 358; VG Köln 26.6.1980, 1 K 2258/78 = ZfB 1981, 470. 51 OVG Saarlouis, 11.10.1990, 1 W 83/90; AS RP-SL 23, 111; OVG Münster 9.7.1974, XII A 955/73 = ZfB 1975, 245; auch der Gesetzgeber nennt Halden als Beispiel, BT-Drs. 8/1315, S. 109. 52 OVG Koblenz 5.4.1977, 1 B 8/77 = ZfB 1978, 227. 53 OVG Münster 15.5.1998, 21 A 7553/95 = ZfB 1998, 146. 54 VG Gelsenkirchen 18.5.1978, 8 K 437/76 = ZfB 1978, 441. 55 VG Saarlouis 19.2.1987, 2 K 212/83 = ZfB 1987, 378, 384. 527

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Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

der die Gemeinde nach § 54 Abs. 2 zu beteiligen ist.56 Spiegelbildlich liegt die Funktion von § 54 Abs. 2 Satz 1 dann darin, den Verlust der Beteiligung nach § 36 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BauGB zu kompensieren.57 Daher ist davon auszugehen, dass die Gemeinde jedenfalls immer dann in ihren Aufgabenbereich als Planungsträger berührt ist, wenn sie auch nach § 36 Abs. 1 Satz 2 BauGB zu beteiligen wäre. Das ist nach § 36 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 1 BauGB der Fall, wenn nach den §§ 31 und 33 bis 35 BauGB entschieden wird, also bei allen Vorhaben im unbeplanten Innenbereich, im Außenbereich und wenn Ausnahmen oder Befreiungen vom Bebauungsplan erforderlich sind. 24 Nach § 36 Abs. 1 Satz 1 und 2 BauGB ist das gemeindliche Einvernehmen nicht erforderlich, wenn das Vorhaben den Festsetzungen eines qualifizierten (§ 30 Abs. 1 BauGB) oder vorhabenbezogenen (§ 30 Abs. 2 BauGB) Bebauungsplans entspricht und somit die planerischen Absichten der Gemeinde umgesetzt werden.58 Hieraus lässt sich aber nicht folgern, dass die Gemeinde in diesem Fall auch nicht nach § 54 Abs. 2 Satz 1 zu beteiligen ist. Denn § 36 Abs. 1 Satz 3 BauGB macht deutlich, dass dann gleichwohl eine rechtzeitige Unterrichtung der Gemeinde sicherzustellen ist, um dieser die Möglichkeit zu geben, den Bebauungsplan zu ändern und über Maßnahmen zur Sicherung der Bauleitplanung nach den §§ 14 und 15 BauGB zu entscheiden. Diese Unterrichtung ist im Betriebsplanverfahren am einfachsten durch Beteiligung nach § 54 Abs. 2 Satz 1 zu gewährleisten. 25 Ob die planerischen Belange einer Gemeinde berührt sind, hat die Behörde bei jeder Art von Betriebsplanverfahren zu prüfen. Aus dem Wortlaut des § 54, der eine Beteiligung „vor der Zulassung des Betriebsplans“ vorschreibt, folgt nicht, dass Gemeinden nur bei der Erstzulassung eines Betriebsplans, aber nie bei einer Verlängerung zu beteiligen sind.59 Die Planungshoheit einer Gemeinde kann auch durch die Zulassung einer Betriebsplanverlängerung berührt sein, etwa wenn sich dadurch eine von der Gemeinde geplante Folgenutzung verschiebt. Nicht jedes betriebsplanpflichtige Vorhaben berührt die gemeindliche Planungshoheit. Dies gilt insbesondere für Sonderbetriebspläne, die Sicherheitsfragen, technische Vorkehrungen und untertägige Maßnahmen zum Gegenstand haben, ohne sich in planungsrelevanter Hinsicht auf Gestalt und Nutzung obertägiger Flächen auszuwirken. Auch wenn eine Gemeinde an einem fakultativen Rahmenbetriebsplanverfahren beteiligt worden ist, ist sie an den nachfolgenden Haupt- und Sonderbetriebsplanverfahren erneut zu beteiligen, wenn das dort dargestellte Vorhaben noch nicht oder noch nicht in derselben Form Gegenstand des vorangegangenen Beteiligungsverfahrens war und die Konkretisierung ihre Planungsbelange berührt.60

4. Art der Beteiligung 26 Rechtsfolge von § 54 Abs. 2 Satz 1 ist, dass die betroffenen Behörden oder Gemeinden „zu beteiligen“ sind. Darunter ist eine Unterrichtung und Anhörung zu verstehen.61 Eine besondere Form ist dafür nicht vorgeschrieben. Aus dem Zweck der Beteiligung folgt, dass den Behörden Gelegenheit zu geben ist, ihre Standpunkte einzubringen. Die Gemeinden sollen ihre planerischen Belange so vortragen können, dass sie Eingang in die Betriebsplanzulassung finden können.62 Die Gemeinden müssen daher einen Kenntnisstand erhalten, der es ermöglicht, zu prüfen, ob und in welchem

56 OVG Saarlouis 20.12.2006, 2 W 16/06 = ZfB 2007, 136, 137; VG Saarlouis 11.7.2007, 5 K 15/06 = ZfB 2007, 204, 213 unter Verweis auf VG Saarland 13.10.2003, 1 K 121/01, nicht veröffentlicht; Battis/Krautzberger/Löhr/Reidt BauGB, § 29 Rn. 24; Kremer DÖV 1997, 822, 824. 57 OVG Münster 28.7.1995, 21 B 985/95 = ZfB 1995, 315, 318; Schoch FS Hoppe (2000), S. 711, 716. 58 Dies folgt daraus, dass § 30 BauGB in § 36 Abs. 2 BauGB nicht genannt ist. 59 A.A. offenbar OVG Bautzen 10.2.2004, 4 B 832/03 = ZfB 2005, 60, 62. 60 Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht, Rn. 264; Hausverfügung der Bezirksregierung Arnsberg für die Handhabung des Betriebsplanverfahrens (Betriebsplan-Richtlinien – BP-RL), Stand 31.5.2010, Nr. 3.6; vgl. auch VG Schwerin 15.6.1999, 1 B 411/99 = ZfB 1999, 230, 234. 61 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 54 Rn. 16, 51. 62 Christner ZfB 1992, 249, 255; Rausch UPR 1996, 6, 8. von Hammerstein

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Umfang sich der Betriebsplan nachteilig auf ihre planerischen Belange auswirkt.63 In der Regel übersendet die Bergbehörde den in Betracht kommenden Behörden oder Gemeinden eine Betriebsplanausfertigung und stellt es ihnen anheim, sich innerhalb einer angemessenen Frist, die von der Bergbehörde nach den Umständen des Einzelfalles zu bestimmen ist, zu dem Betriebsplan zu äußern. In der Regel wird eine Frist von sechs Wochen ausreichend sein. Da den Behörden gemäß § 73 Abs. 3a VwVfG selbst in komplexen Planfeststellungsverfahren keine längere Frist als drei Monate gesetzt werden darf, bildet dieser Zeitraum die äußerste Grenze für die Fristsetzung in einfachen Betriebsplanverfahren.64 Äußert sich eine beteiligte Stelle nicht innerhalb einer angemessenen Frist, hat die Behörde auf eigener Erkenntnisgrundlage zu entscheiden.65 Der Vorschrift ist Genüge getan, wenn der zu beteiligenden Behörde oder Gemeinde Auszüge aus dem Betriebsplan über die Maßnahmen, die ihren Aufgabenbereich berühren, zugeleitet werden. Der Hinweis auf die bloße Möglichkeit einer Einsichtnahme der Planungsunterlagen genügt nicht.66 Wenn es sachdienlich erscheint, kann die Behörde eine mündliche Erörterung mit den am Verfahren beteiligten Stellen durchführen, zu der sinnvollerweise auch der Unternehmer hinzugezogen wird. Der Bundesgesetzgeber hat bewusst davon abgesehen, die Entscheidung der Bergbehörde über die Betriebsplanzulassung von dem Einvernehmen mit der jeweils zuständigen Fachaufsichtsbehörde abhängig zu machen, wie dies nach früherem Landesrecht der Fall war.67 Auch die Zustimmung der betroffenen Gemeinden ist nicht erforderlich. Die der Bergaufsicht unterliegenden Vorhaben sind dem Einvernehmenserfordernis nach § 36 Abs. 1 Satz 2 BauGB entzogen.68 Die Bergbehörde ist an die abgegebenen Stellungnahmen nicht gebunden. Sie kann den Betriebsplan also auch gegen den Willen einer Gemeinde zulassen.69 Bestehen bleibt aber das Erfordernis des gemeindlichen Einvernehmens für ein ggf. neben dem Betriebsplanverfahren durchzuführendes Baugenehmigungsverfahren für Gebäude an der Oberfläche. Der Ausschluss des gemeindlichen Einvernehmens durch § 36 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BauGB gilt nach seinem eindeutigen Wortlaut nur für die sonstigen Verfahren i.S.d. § 36 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 BauGB, nicht aber für § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB. Daneben bleibt es der Gemeinde auch unbenommen, durch die Aufstellung oder Änderung eines Bebauungsplans und Maßnahmen nach den §§ 14 und 15 BauGB die materiellen Zulassungsvoraussetzungen zu beeinflussen. Die Bergbehörde hat die Entscheidung über die Zulassung des Betriebsplans unter Zugrundelegung der nach § 55 und § 48 Abs. 2 zu berücksichtigenden Zulassungsvoraussetzungen in eigener Verantwortung zu treffen,70 muss aber den Inhalt der von den beteiligten Behörden oder Gemeinden im Rahmen ihrer Zuständigkeit abgegebenen Stellungnahmen bei der Entscheidung über die Zulassung des Betriebsplans berücksichtigen.71 Nach Abschluss des Verfahrens unterrichtet die Bergbehörde die beteiligten Behörden oder Gemeinden über die Betriebsplanzulassung. Dabei ist gegebenenfalls anzugeben, aus welchen Gründen einzelne von anderen Behörden oder von Gemeinden in ihren Stellungnahmen vorgebrachte Gesichtspunkte nicht berücksichtigt werden konnten. Einvernehmenserfordernisse können sich aber aus den Fachgesetzen ergeben. Zu beachten ist insbesondere § 19 WHG. Sieht ein Betriebsplan eine erlaubnispflichtige Wasserbenutzung vor, 63 64 65 66

OVG Bautzen, 18.9.1997, 1 S 354/96 = ZfB 1997, 314, 323; OVG Koblenz 20.3.1990, 7 A 78/89 = ZfB 1991, 199, 202. Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 54 Rn. 57. VG Weimar, 23.11.1995, 7 K 719/93 = ZfB 1996, 193, 194. Christner ZfB 1992, 249, 257; a.A. VG Chemnitz 24.5.1996, 4 K 845/93 = ZfB 1996, 151, 153, nach dem sogar die Möglichkeit zur Einsichtnahme während des Widerspruchverfahrens ausreicht; Boldt/Weller 1. Auflage, § 54 Rn. 10; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 54 Rn. 16; Frenz/Dazert BBergG, § 54 Rn. 45. 67 BT-Drs. 8/1315, S. 109. 68 OVG Saarlouis 20.12.2006, 2 W 16/06 = ZfB 2007, 136, 137 f.; VG Wiesbaden 12.4.2011, 5 L 366/11, juris; Piens/Schulte/ Graf Vitzthum BBergG, § 54 Rn. 69; Rausch UPR 1996, 6, 8; Schoch FS Hoppe (2000), S. 711, 714. 69 Christner ZfB 1992, 249, 253; Schoch FS Hoppe (2000), S. 711, 714. 70 Christner ZfB 1992, 249, 253; Zeiler ZfB 1983, 404, 405. 71 OVG Saarlouis 20.12.2006, 2 W 16/06 = ZfB 2007, 136, 137; OVG Bautzen 18.9.1997, 1 S 354/96 = ZfB 1997, 314, 323; Christner ZfB 1992, 249, 257; Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht, Rn 260 f. 529

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entscheidet nach § 19 Abs. 2 WHG die Bergbehörde auch über die Erteilung der wasserrechtlichen Erlaubnis. Für diese Entscheidung ist dann nach § 19 Abs. 3 WHG das Einvernehmen der Wasserbehörde erforderlich. Auf Grundlage von § 17 Abs. 1 2. Halbs. BNatSchG verlangen einige Landesnaturschutzgesetze ein Einvernehmen der unteren Naturschutzbehörde bei der Zulassung von Eingriffen in Natur und Landschaft.72

5. Folgen von Verfahrensverstößen 31 Unterbleibt eine nach § 54 Abs. 2 Satz 1 erforderliche Beteiligung einer Behörde oder Gemeinde, ist die Betriebsplanzulassung rechtswidrig. Mangels eigener Regelung im Bundesberggesetz ist nach § 5 i.V.m. § 45 Abs. 1, 2 VwVfG eine Heilung bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens möglich.73 Die unterbliebene Anhörung einer Gemeinde als Planungsträger kann nach § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG nachgeholt werden, die erforderliche Beteiligung einer anderen Behörde nach § 45 Abs. 1 Nr. 5 VwVfG. Wird der Verfahrensfehler nicht geheilt, stellt sich die Frage nach der Anfechtbarkeit der Be32 triebsplanzulassung. Praxisrelevant ist das in Bezug auf die Anfechtung durch eine Gemeinde. Zwar spricht nach der Rechtsprechung „viel dafür“, dass die § 54 Abs. 2 und § 48 Abs. 2 BBergG der Gemeinde hinsichtlich ihrer gemeindlichen Planungshoheit grundsätzlich Drittschutz vermitteln. § 54 Abs. 2 Satz 1 vermittelt der Gemeinde aber keinen selbständigen Aufhebungsanspruch unabhängig von einer Verletzung des materiellen Rechts.74 Folglich hält die Rechtsprechung eine Anfechtungsklage der Gemeinde für unzulässig, wenn nur das Beteiligungserfordernis, nicht aber gleichzeitig die materielle Planungshoheit verletzt ist. Begründet wird dies damit, dass es im Gesetz keinen Anhaltspunkt dafür gäbe, dass der verfahrensrechtliche Schutz weitergehen soll als der Schutz der (materiellen) Planungshoheit allgemein und im Fachrecht.75 Wenn eine Betriebsplanzulassung sogar rechtmäßig sein kann, wenn materiell gewichtige Belange der Planungshoheit beeinträchtigt sind, wäre es wertungswidersprüchlich, eine Zulassung allein wegen der Verletzung eines Verfahrensrechts aufzuheben, ohne Rücksicht darauf, ob die Planungshoheit überhaupt materiell beeinträchtigt ist. Zudem habe der Gesetzgeber nicht die stärkere Beteiligungsform des gemeindlichen Einvernehmens gewählt.76 Auch weil die bergrechtliche Betriebsplanzulassung eine gebundene Entscheidung ohne fachplanerischen Gestaltungsspielraum ist, seien bloße Verfahrensverstöße nach § 46 VwVfG unbeachtlich.77 Zur Frage, wann die gemeindliche Planungshoheit materiell beeinträchtigt ist, vgl. § 48 Rn. 60.

72 Vgl. etwa § 17 Abs. 1 Satz 1 ThürNatG. 73 OVG Bautzen 18.9.1997, 1 S 354/96 = ZfB 1997, 314, 324 f.; OVG Koblenz 20.3.1990, 7 A 78/89 = ZfB 1991, 199, 203; VG Chemnitz 24.5.1995, 4 K 845/93 = ZfB 1996; 151, 153; VG Gelsenkirchen 17.10.1991, 8 K 3017/89 = ZfB 1992, 143, 150; VG Freiburg 26.4.1989, 1 K 253/88 = ZfB 1990, 314, 317 ff.; Abel-Lorenz ZUR 1995, 120, 122, 125; Christner ZfB 1992, 249, 258; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 54 Rn. 25 ff.; Rausch UPR 1996, 6, 9; Schoch FS Hoppe (2000), S. 711, 715; Zeiler ZfB 1983, 404, 412. 74 BVerwG 15.7.1994, 4 B 102/94 = ZfB 1994, 215, 217; OVG Bautzen 9.2.2004, 4 B 466/03 = ZfB 2005, 56, 58; OVG Münster 28.7.1995, 21 B 985/95 = ZfB 1995, 315, 318 f.; VG Schwerin 15.6.1999, 1 B 411/99 = ZfB 1999, 230, 234; a.A. noch OVG Münster 14.9.1981, 12 A 2479/80 = ZfB 1982, 238, 240. 75 BVerwG 15.7.1994, 4 B 102/94 = ZfB 1994, 215, 217; OVG Bautzen 18.5.1998, 1 S 766/97 = ZfB 1998, 202. 76 BVerwG 15.7.1994, 4 B 102/94 = ZfB 1994, 215, 217; OVG Bautzen 9.2.2004, 4 B 466/03 = ZfB 2005, 56, 58; OVG Bautzen 18.5.1998, 1 S 766/97 = ZfB 1998, 202; OVG Münster 28.7.1995, 21 B 985/95 = ZfB 1995, 315, 318 f.; VG Schwerin 15.6.1999, 1 B 411/99 = ZfB 1999, 230, 234. 77 OVG Münster 27.10.2005, 11 A 1751/04 = ZfB 2006, 32, 49, bestätigt durch BVerwG 15.12. 2006, 7 C 1/06, BVerwGE 127, 259 = ZfB 2006, 306; OVG Münster 13.6.2003, 21 B 1050/03 = ZfB 2005, 166, 171; OVG Bautzen 18.5.1998, 1 S 766/97 = ZfB 1998, 202; OVG Bautzen 18.9.1997, 1 S 354/96 = ZfB 1997, 314, 325. von Hammerstein

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Zweites Kapitel – Anzeige, Betriebsplan

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Diese Auffassung der Rechtsprechung wird im Schrifttum überwiegend geteilt,78 in Teilen 33 aber auch kritisiert.79 Nicht überzeugend ist die Gegenauffassung von Rausch, die bei unterlassener Anhörung die Anwendung von § 46 VwVfG pauschal ablehnt, weil bei unterbliebener Beteiligung stets die Möglichkeit einer Verletzung der (materiellen) Planungshoheit der Gemeinde bestehe.80 Häufig wird trotz unterlassener Beteiligung die Verletzung materiellen Rechts ausgeschlossen sein. Angesichts der Tatsache, dass Zulassungen häufig mit Nebenbestimmungen versehen werden, kritisiert Schoch, dass die Anwendung von § 46 VwVfG und das damit verbundene Postulat der Alternativenlosigkeit der Zulassungsentscheidung einer Fiktion nahe kommt.81 Angesichts des Charakters der Betriebsplanzulassung als gebundene Entscheidung stellt sich die Frage, ob einer Zulassung im Hinblick auf bauplanungsrechtliche Anforderungen Nebenbestimmungen beigefügt werden sollen, jedoch nur, wenn nur so ein gesetzeskonformer Zustand hergestellt werden kann. Letztlich vertritt auch Schoch nicht die Ansicht, dass eine Verletzung des Beteiligungsrechts der Gemeinde stets eine Anfechtbarkeit der Zulassung zur Folge haben soll. Im Ergebnis ist der Rechtsprechung zu folgen; auch weil im Falle eines bloßen Verfahrensfehlers bei gleichzeitiger materieller Rechtmäßigkeit die Aufhebung der Betriebsplanzulassung die Behörde nicht daran hindern – und in der Regel auch verpflichten – würde, nach einem neuen Verfahren denselben Betriebsplan alsbald wieder zuzulassen.82 Kann demnach schon die betroffene Gemeinde oder Behörde allein aus ihrer unterlassenen Beteiligung keinen Aufhebungsanspruch herleiten, kann sich erst Recht auch ein Dritter nicht auf die fehlende Beteiligung einer Gemeinde oder Behörde berufen. In der Praxis des einfachen Betriebsplanverfahrens spielt die Rechtsfrage eine geringe Rolle, weil die versäumte Beteiligung regelmäßig durch Berücksichtigung der im Verwaltungsgerichtsstreit vorgetragenen Argumente der Gemeinde nachgeholt wird (vgl. Rn. 31).

V. Beteiligung nach § 13 VwVfG § 54 Abs. 2 Satz 1 regelt nur die Beteiligung anderer Behörden und der Gemeinden als Planungs- 34 träger. Daher stellt sich die Frage, ob daneben eine Beteiligung aufgrund von § 5 BBergG i.V.m. § 13 VwVfG möglich ist. Nach § 5 ist das VwVfG (und über dessen § 1 Abs. 3 die Landesverfahrensgesetze, vgl. § 5 Rn. 1) anwendbar, „soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist.“ Anhaltspunkte dafür, dass § 54 Abs. 2 die Beteiligung abschließend regeln will, finden sich weder im Wortlaut noch in der Gesetzesbegründung.83 Aus dem schlichten Schweigen über die Beteiligung anderer Personen und Vereinigungen lässt sich nicht schließen, dass der Gesetzgeber den Kreis der Beteiligten auf Behörden und Gemeinden beschränken wollte. Dies wäre angesichts der grundrechtlichen Dimension der rechtzeitigen und umfassenden Verfahrensbeteiligung (sog. Grundrechtsschutz durch Verfahren)84 in einem grundrechtsrelevanten Bereich wie dem Bergrecht auch bedenklich. Auf die Beteiligung privater Dritter ist demnach § 13 VwVfG anwendbar.85 Die Bergbehörde kann daher nach § 13 Abs. 2 Satz 1 VwVfG Dritte beteiligen, wenn deren rechtlich geschützte Interessen durch den Ausgang des Betriebsplanverfahrens berührt werden 78 Abel-Lorenz ZUR 1995, 120, 122 f.; Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht, Rn. 265; Schenke Bergbau contra Oberflächeneigentum und kommunale Selbstverwaltung, S. 71; i.E. auch Christner ZfB 1992, 249, 258 ff.

79 Schoch FS Hoppe (2000), S. 711, 716 f.; Rausch UPR 1996, 6, 9 f. 80 Rausch UPR 1996, 6, 9 f. 81 Schoch FS Hoppe (2000), S. 711, 716 f. Zu angeblichen „planerischen Elementen“ in der Betriebsplanzulassung vgl. auch Schmidt-Aßmann/Schoch Bergwerkseigentum und Grundeigentum im Betriebsplanverfahren, S. 154 ff. 82 Christner ZfB 1992, 249, 260. 83 Vgl. BT-Drs. 8/1315, S. 109. 84 Hierzu BVerfG 20.12.1979, 1 BvR 385/77, BVerfGE 53, 30; BVerfG 20.4.1982, 2 BvL 26/81, BVerfGE 60, 253, 297; BVerfG 20.10.1982, 1 BvR 1467/80, BVerfGE 61, 210, 256; BVerfG 5.5.1987, 1 BvR 981/81, BVerfGE 75, 284, 285; BVerwG 19.5.1988, 7 B 215/87, DVBl 1989, 509. 85 Boldt/Weller 1. Auflage, § 54 Rn. 12; Hösgen LKV 1992, 398, 400; Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht, Rn. 266 ff.; Niermann Betriebsplan und Planfeststellung im Bergrecht, S. 126; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 54 Rn. 104. 531

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§ 54

Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

können (einfache Hinzuziehung).86 Mit der Beteiligung von Betroffenen wird der durch § 48 Abs. 2 Satz 1 vermittelte materielle Schutz auch verfahrensmäßig abgesichert.87 Die Betroffenheit kann sich beim untertägigen Bergbau z.B. durch das Risiko senkungsbedingter Bergschäden, im Übrigen aus der mit dem Vorhaben verbundenen Inanspruchnahme fremder Grundstücke oder aus mittelbaren Betroffenheiten durch Lärm, Staub oder Änderungen des Grundwasserstands ergeben.88 In gestuften Betriebsplanverfahren kommt es – ähnlich wie bei der Behördenbeteiligung nach § 54 Abs. 2 (vgl. Rn. 18) – darauf an, welcher Betriebsplan die Interessen oder Rechte eines Dritten betrifft oder betreffen kann.89 Nach § 13 Abs. 2 Satz 2 VwVfG muss die Behörde einen Dritten auf dessen Antrag am Verfahren beteiligen, wenn der Ausgang des Betriebsplanverfahrens für ihn rechtsgestaltende Wirkung haben kann (notwendige Hinzuziehung).90 Soweit er der Behörde bekannt ist, hat diese ihn von der Einleitung des Verfahrens zu benachrichtigen, § 13 Abs. 2 Satz 2 VwVfG. Außerdem kann die Bergbehörde Nichtbeteiligte nach § 13 Abs. 3 VwVfG anhören. Bei mehr als 300 Betroffenen oder wenn der Kreis der Betroffenen nicht abschließend bekannt ist, kann die Behörde anstelle einer Individualbeteiligung den Betriebsplan gemäß § 48 Abs. 2 Satz 3 öffentlich auslegen. Zur Beteiligung von Oberflächeneigentümern an dem Sonderbetriebsplanverfahren „Abbaueinwirkungen auf das Oberflächeneigentum“ wird auf die Kommentierung zu § 48 Rn. 90 ff. verwiesen. 35 Im Hinblick auf die Beteiligung von Behörden und Gemeinden trifft § 54 Abs. 2 Satz 2 eine abschließende Regelung, so dass § 13 VwVfG nicht ergänzend herangezogen werden kann.91

VI. Mitwirkungsrechte von anerkannten Naturschutzvereinigungen (§ 63 BNatSchG) 36 Die Mitwirkungsrechte von nach § 3 UmwRG anerkannten Naturschutzvereinigungen regelt § 63 BNatSchG i.V.m. mit den Landesnaturschutzgesetzen.92 In den in § 63 BNatSchG genannten Fällen ist der Vereinigung Gelegenheit zur Stellungnahme und zur Einsicht in die einschlägigen Sachverständigengutachten zu geben. Eine Mitwirkung sieht § 63 BNatSchG etwa vor bei der Befreiungen von Geboten und Verboten zum Schutz von Natura 2000-Gebieten, Naturschutzgebieten, Nationalparken, Nationalen Naturmonumenten und Biosphärenreservaten (Absatz 2 Nr. 5) sowie in den durch die Landesnaturschutzgesetze geregelten Fällen (Absatz 2 Nr. 8).93 Da diese Entscheidungen außerhalb des bergrechtlichen Planfeststellungsverfahrens nach § 52 Abs. 2a nicht mit der Betriebsplanzulassung, sondern in gesonderten Verwaltungsakten der Naturschutzbehörden ergehen, beziehen sich die Mitwirkungsrechte der Verbände nur auf die naturschutzrechtlichen Verfahren, nicht hingegen auf das Betriebsplanverfahren.

86 87 88 89 90

Ausführlich hierzu Kopp/Ramsauer VwVfG, § 13 Rn. 34 ff.; Knack/Henneke/Ritgen VwVfG, § 13 Rn. 14 ff. Frenz/Dazert BBergG, § 54 Rn. 73. Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 54 Rn. 110 ff. Frenz/Dazert BBergG, § 54 Rn. 71. Kopp/Ramsauer VwVfG, § 13 Rn. 39; Knack/Henneke/Ritgen VwVfG, § 13 Rn. 17. Zur Frage, ob hieraus folgt, dass auch solche Oberflächeneigentümer am Betriebsplanzulassungsverfahren beteiligt werden müssen, die nicht im Sinne der vom BVerwG im Moers-Kapellen-Urteil entwickelten Grundsätze mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit über kleine und mittlere Schäden hinausgehende Eigentumsbeeinträchtigungen zu erwarten haben, vgl. OVG Saarlouis 1.9.1998, 2 R 4/98 = ZfB 1998, 171 (i.E. offengelassen). 91 Christner ZfB 1992, 249, 254; Ecker ZfB 1984, 95, 100; Niermann Betriebsplan und Planfeststellung im Bergrecht, S. 118; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 54 Rn. 68, 103; wohl auch Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht, Rn. 266 ff.; a.A. Abel-Lorenz ZUR 1995, 120, 121; Zeiler ZfB 1983, 404, 412. 92 Abweichende und ergänzende Regelungen befinden sich in § 38 NAGBNatSchG (Niedersachsen); § 21 HmbBNatSchAG (Hamburg); §§ 56 und 57 SächsNatSchG (Sachsen); § 40 LNatSchG (Schleswig-Holstein). 93 Vgl. § 21 HmbBNatSchAG; §§ 56 und 57 SächsNatSchG; § 40 LNatSchG S-H. von Hammerstein

532

Zweites Kapitel – Anzeige, Betriebsplan

§ 54

VII. Ermächtigung zum Erlass weitergehender Beteiligungsvorschriften (Absatz 2 Satz 2 und 3) Nach Absatz 2 Satz 2 können die Landesregierungen durch Rechtsverordnung für alle Betriebs- 37 planverfahren, in denen eine Lagerung oder Ablagerung von Bodenschätzen, Nebengestein oder sonstigen Massen vorgesehen ist, eine über Satz 1 hinausgehende Beteiligung der Gemeinden vorschreiben. Hintergrund der Vorschrift sind die im Stein- und Braunkohlenbergbau sowie im Kalibergbau häufig notwendigen geräumigen und damit landschaftsprägenden Abraumhalden.94 Die Ermächtigung gilt gemäß Absatz 2 Satz 3 dann nicht, wenn bereits sichergestellt ist, dass Abbaugrenzen und insbesondere die für Halden vorgesehenen Flächen in einem eigenen Plan auf Grund eines gesetzlich vorgeschriebenen besonderen Planungsverfahrens festgelegt und genehmigt worden sind. In diesem Falle ist aufgrund der qualifizierten Mitwirkung der kommunalen Seite im Planungsverfahren eine weitergehende Beteiligung der Gemeinden im Betriebsplan verfahren nicht erforderlich.95 Derartige Planungsverfahren sind etwa die Braunkohlenplanverfahren in Nordrhein-Westfalen,96 Brandenburg,97 Sachsen98 und Sachsen-Anhalt.99 Ein Bedürfnis zum Erlass einer Rechtsverordnung nach § 54 Abs. 2 Satz 2 hat sich bisher in keinem Land ergeben,100 zumal über die Zulassung von größeren Halden gemäß § 52 Abs. 2a i.V.m. § 57c und § 1 Nr. 3 UVPV Bergbau ohnehin im bergrechtlichen Planfeststellungsverfahren entschieden wird.

VIII. Beauftragung Dritter (Absatz 3) Durch das Gesetz zur Änderung des BBergG und zur Änderung der VwGO vom 14.6.2021 ist der 38 Absatz 3 dem § 54 mit Wirkung zum 18.6.2021 hinzugefügt worden.101 Nach Absatz 3 kann die Behörde einen Dritten mit der Durchführung bestimmter Verfahrensschritte beauftragen. Dies gilt gemäß § 57a Abs. 1 Satz 2 auch im bergrechtlichen Planfeststellungsverfahren. Damit ist die Funktion eines sogenannten Projektmanagers, die sich in außerbergrechtlichen Planfeststellungsverfahren bewährt hat,102 nun auch im BBergG gesetzlich verankert. Die Einsetzung eines Projektmanagers soll insbesondere komplexe Zulassungsverfahren beschleunigen.103 Einige Bergbehörden haben auch in der Vergangenheit bereits gelegentlich Projektmanager beauftragt, um eine unzureichende interne Personalausstattung zu kompensieren, externe rechtliche und fachliche Erfahrung fruchtbar zu machen oder eilbedürftige Vorhaben schneller bearbeiten zu können. Dies war auch schon vor der Gesetzesänderung zulässig. Gelegentlich anzutreffende Zweifel haben sich mit der Neuregelung erledigt, zumal mit der Kostenerstattungsregelung des Absatz 3 Satz 3 auch keine Unsicherheiten über die Refinanzierung des zusätzlichen Aufwands mehr bestehen. Wird der Dritte nämlich auf Vorschlag oder mit Zustimmung des Unternehmers beauftragt – aber auch nur dann –, können diesem die Kosten der Vorbereitung und Durchführung der Verfahrensschritte auferlegt werden.

94 Landtag Rheinland-Pfalz, Antwort des Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau auf eine Kleine Anfrage, gegeben am 18.5.2010, Drs. 15/4563.

95 BT-Drs. 8/3965, S. 137. 96 Nach §§ 26 ff. LPlG NRW. 97 Nach §§ 12 ff. RegBkPlG Brb. 98 Nach § 5 SächsLPlG. 99 Nach § 8 Abs. 1 LPIG LSA. 100 Weller/Kullmann § 54 Rn. 1; Landtag Rheinland-Pfalz, Antwort des Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau auf eine Kleine Anfrage, gegeben am 18.5.2010, Drs. 15/4563.

101 BR-Drs. 380/21, S. 2, BGBl. I S. 1760 (Nr. 32). 102 Vgl. z.B. § 43g EnWG, § 17a AEG, § 17h FStrG, § 2 Abs. 2 S. 2 Nr. 5 9. BImSchV. 103 BT-Drs. 166/21, S. 4. 533

von Hammerstein

§ 55

Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

Der Projektmanager darf nur unterstützende Maßnahmen übernehmen und aus rechtsstaatlichen Gründen keine hoheitlichen Tätigkeiten ausführen.104 Insbesondere muss die Bergbehörde die Entscheidung über den Betriebsplanantrag selbst treffen. Dies stellt Absatz 3 Satz 2 klar. Dafür muss sich die Behörde von der Einhaltung aller einschlägigen materiellrechtlichen Vorschriften überzeugen, über Einwendungen entscheiden und nach Maßgabe der einschlägigen Rechtsvorschriften die betroffenen öffentlichen und privaten Belange abwägen. Der Projektmanager ist kein Beliehener, sondern Verwaltungshelfer.105 Er wird üblicherweise durch privatrechtlichen Dienst- oder Werkvertrag beauftragt.106 Nicht als Projektmanager eingesetzt werden dürfen Personen, die gemäß § 20 VwVfG bzw. den entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften von der Tätigkeit im Verfahren ausgeschlossen oder bei denen die Besorgnis der Befangenheit i.S.d. § 21 VwVfG besteht. Es können neben natürlichen Personen auch Unternehmen, etwa spezialisierte Dienstleister, Moderatoren oder Anwaltssozietäten beauftragt werden. Gerade bei komplexen Verfahren erhöht dies die Flexibilität, weil so im Team gearbeitet und bei Bedarf spezielle Expertise hinzugezogen werden kann. Die Einhaltung öffentlich-rechtlicher Pflichten, wie etwa der Vertraulichkeit und der Wahrung des Datenschutzes, muss im Innenverhältnis zwischen Behörde und Drittem sichergestellt werden.107 40 Welche Aufgaben der Projektmanager übernehmen darf, wird in Absatz 3 Satz 1 Nr. 1–6 nur exemplarisch und nicht abschließend aufgeführt. Solange die Letztentscheidung der Bergbehörde nicht angetastet wird, darf der Projektmanager z.B. auch die Zulassungsentscheidung vorbereiten, d.h. der Behörde einen Entscheidungsentwurf mit Tenor, Nebenbestimmungen, Begründung und – bei Planfeststellungsbeschlüssen – zusammenfassender Darstellung und Bewertung der Umweltauswirkungen nach §§ 24, 25 UVPG vorlegen. 39

§ 55 Zulassung des Betriebsplanes (1)

1 Die Zulassung eines Betriebsplanes im Sinne des § 52 ist zu erteilen, wenn 1. für die im Betriebsplan vorgesehene Aufsuchung oder Gewinnung von Bodenschätzen die erforderliche Berechtigung nachgewiesen ist, 2. nicht Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß a) der Unternehmer, bei juristischen Personen und Personenhandelsgesellschaften eine der nach Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Vertretung berechtigten Personen, die erforderliche Zuverlässigkeit und, falls keine unter Buchstabe b) fallende Person bestellt ist, auch die erforderliche Fachkunde oder körperliche Eignung nicht besitzt, b) eine der zur Leitung oder Beaufsichtigung des zuzulassenden Betriebes oder Betriebsteiles bestellten Personen die erforderliche Zuverlässigkeit, Fachkunde oder körperliche Eignung nicht besitzt, 3. die erforderliche Vorsorge gegen Gefahren für Leben, Gesundheit und zum Schutz von Sachgütern, Beschäftigter und Dritter im Betrieb, insbesondere durch die den allgemein anerkannten Regeln der Sicherheitstechnik entsprechenden Maßnahmen, sowie dafür getroffen ist, daß die für die Errichtung und Durchführung eines Betriebes auf Grund dieses Gesetzes erlassenen oder geltenden Vorschriften und die sonstigen Arbeitsschutzvorschriften eingehalten werden, 4. keine Beeinträchtigung von Bodenschätzen, deren Schutz im öffentlichen Interesse liegt, eintreten wird,

104 BT-Drs. 166/21, S. 4. 105 So etwa zur Parallelvorschrift im energiewirtschaftlichen Planfeststellungsverfahren Kment/Turiaux EnWG, 2. Aufl. 2019, § 43g Rn. 4 m.w.N.

106 Kment/Turiaux EnWG, 2. Aufl. 2019, § 43g Rn. 5 m.w.N. 107 BR-Drs. 166/21, S. 4. Kappes https://doi.org/10.1515/9783110709285-071

534

§ 55

Zweites Kapitel – Anzeige, Betriebsplan

5.

für den Schutz der Oberfläche im Interesse der persönlichen Sicherheit und des öffentlichen Verkehrs Sorge getragen ist, 6. die anfallenden Abfälle ordnungsgemäß verwendet oder beseitigt werden, 7. die erforderliche Vorsorge zur Wiedernutzbarmachung der Oberfläche in dem nach den Umständen gebotenen Ausmaß getroffen ist, 8. die erforderliche Vorsorge getroffen ist, daß die Sicherheit eines nach den §§ 50 und 51 zulässigerweise bereits geführten Betriebes nicht gefährdet wird, 9. gemeinschädliche Einwirkungen der Aufsuchung oder Gewinnung nicht zu erwarten sind und bei einem Betriebsplan für einen Betrieb im Bereich des Festlandsockels oder der Küstengewässer ferner, 10. der Betrieb und die Wirkung von Schiffahrtsanlagen und -zeichen nicht beeinträchtigt werden, 11. die Benutzung der Schiffahrtswege und des Luftraumes, die Schiffahrt, der Fischfang und die Pflanzen- und Tierwelt nicht unangemessen beeinträchtigt werden, 12. das Legen, die Unterhaltung und der Betrieb von Unterwasserkabeln und Rohrleitungen sowie ozeanographische oder sonstige wissenschaftliche Forschungen nicht mehr als nach den Umständen unvermeidbar beeinträchtigt werden und 13. sichergestellt ist, daß sich die schädigenden Einwirkungen auf das Meer auf ein möglichst geringes Maß beschränken. 2 Satz 1 Nr. 2 gilt nicht bei Rahmenbetriebsplänen. (2) 1Für die Erteilung der Zulassung eines Abschlussbetriebsplanes gilt Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 bis 13 mit der Maßgabe entsprechend, daß 1. der Schutz Dritter vor den durch den Betrieb verursachten Gefahren für Leben und Gesundheit auch noch nach Einstellung des Betriebes sowie 2. die Wiedernutzbarmachung der Oberfläche in der vom einzustellenden Betrieb in Anspruch genommenen Fläche und 3. im Bereich des Festlandsockels und der Küstengewässer die vollständige Beseitigung der betrieblichen Einrichtungen bis zum Meeresuntergrund sichergestellt sein müssen. 2Soll der Betrieb nicht endgültig eingestellt werden, so darf die Erfüllung der in Satz 1 genannten Voraussetzungen nur insoweit verlangt werden, als dadurch die Wiederaufnahme des Betriebes nicht ausgeschlossen wird.

Übersicht I.

Vorbemerkungen

II.

Sachentscheidungsvoraussetzungen

III.

Zulassungsvoraussetzungen für die Errichtung und Führung des Betriebes (Absatz 1) 6 Berechtigung (Nr. 1) 7 a) Bergbauberechtigung 9 b) Nachweis 10 c) Betriebsplan 14 d) Drittschutz 15 Verantwortliche Personen (Nr. 2) Gesundheits- und Sachgüterschutz (Nr. 3) 23 a) Entstehungsgeschichte 24 b) Personenschutz 25 c) Sachgüterschutz 26 d) Kausalität 27 e) Vorsorge

1.

2. 3.

535

1 5

4.

5.

6.

30 aa) Bergverordnung bb) Sonstige Arbeitsschutzvorschrif35 ten cc) Allgemein anerkannte Regeln 45 f) Drittschutz 46 Lagerstättenschutz (Nr. 4) 48 a) „Äußerer“ Lagerstättenschutz 53 b) „Innerer“ Lagerstättenschutz 54 c) Drittschutz 55 Schutz der Oberfläche (Nr. 5) 57 a) Persönliche Sicherheit 58 b) Öffentlicher Verkehr 61 c) Vorsorge 62 d) Drittschutz Abfallverwertung und -beseitigung (Nr. 6) 63 a) Vorbemerkung 64 b) Verhältnis zum KrWG 65 c) Abfallbegriff

39

Kappes

§ 55

Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

d) e)

7.

8.

9.

10.

11.

Abfallanfall 70 71 Ordnungsgemäße Entsorgung aa) Unmittelbarer bergbaulicher Ab72 fall 73 bb) § 22a ABBergV cc) Mittelbarer bergbaulicher Ab83 fall 84 f) Drittschutz g) Bergbau-Abfall außerhalb des Bergbaube85 triebs 86 h) Einsatz bergbaufremder Abfälle 87 Wiedernutzbarmachung (Nr. 7) a) Vorsorge zur Wiedernutzbarma90 chung 93 b) Drittschutz 94 Andere Bergbaubetriebe (Nr. 8) 95 a) Bergbaubetrieb 97 b) Drittschutz 98 Gemeinschädliche Einwirkungen (Nr. 9) 100 a) Gemeinschaden 105 b) Drittschutz Zusatzbestimmungen für den Festlandsockel und die Küstengewässer (Absatz 1, Nr. 10 bis 106 13) Sonstige öffentliche Interessen (§ 48 115 Abs. 2)

IV.

3. 4.

Zulassungsvoraussetzungen für die Einstellung des Betriebes (Absatz 2 Satz 1) Allgemeine Anforderungen an den Abschlussbetriebsplan 123 a) Zweck 124 b) Gegenstand 125 c) Zurechnungszusammenhang 126 d) Zulassungsvoraussetzungen Besondere Zulassungsvoraussetzungen 128 a) Personenschutz (Nr. 1) b) Wiedernutzbarmachung (Nr. 2) 129 aa) Begriff 131 bb) Öffentliches Interesse 132 cc) Umfang 135 dd) Drittschutz c) Zusatzvoraussetzungen für den Festlandsockel und die Küstengewässer 136 (Nr. 3) 137 Allgemeine Zulassungsvoraussetzungen 147 Sonstige öffentliche Interessen

V.

Zulassung

VI.

Vorläufige Betriebseinstellungen (Absatz 2 151 Satz 2)

1.

2.

149

I. Vorbemerkungen 1 Die in § 55 enthaltenen Regelungen konkretisieren die in § 1 genannten Zwecke des Bundesberggesetzes und stellen neben der von der Rechtsprechung entwickelten ergänzenden Berücksichtigung anderer öffentlicher Interessen über § 48 Abs. 2 (vgl. § 48 Rn. 34 ff.) den materiellen Kern der den Betrieb betreffenden Vorschriften dieses Gesetzes dar. In § 55 wird zunächst normiert, von welchen Voraussetzungen die Zulassung der Betriebspläne abhängig ist, d.h. welche bergrechtlichen Anforderungen im Einzelfall an die Errichtung, Führung und Einstellung eines Betriebes gestellt werden. Hierbei beschränkt sich § 55 im Wesentlichen auf die Beschreibung von Schutzzielen. Darüber hinaus bilden die in § 55 aufgeführten Rechtsgüter und Belange den Rahmen der für den Betrieb aufzustellenden abstrakten Regelungen in Gestalt der nach den §§ 65 bis 67 zu erlassenen Bergverordnungen. Schließlich sind die in § 55 genannten Schutzgüter richtungsweisend für die Ausübung der Bergaufsicht nach den §§ 69 ff. In § 55 werden die von der für die Zulassung und die Überwachung des Betriebes zuständigen Bergbehörde zu beachtenden Erfordernisse dieses Gesetzes festgelegt. 2 Für die Errichtung, Führung und Einstellung eines Betriebes bedarf es eines zugelassenen Betriebsplans (§§ 52 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 1 Satz 1). Absatz 1 enthält die Voraussetzungen für die Erteilung der Zulassung von Hauptbetriebsplänen, Sonderbetriebsplänen, gemeinschaftlichen Betriebsplänen (§ 52 Abs. 3) und – mit der sich aus Absatz 1 Satz 2 ergebenden Besonderheiten – von Rahmenbetriebsplänen. Die Voraussetzungen für die Zulassung eines Abschlussbetriebsplanes für die Einstellung bzw. Stilllegung und ggf. Nachsorge eines Betriebes sind in Absatz 2 festgelegt. Von der Betriebsplanpflicht kann ein Betrieb gemäß § 51 Abs. 2 und 3 befreit werden; ausgenommen sind Arbeiten und Einrichtungen, die aufgrund von Bergverordnungen einer Genehmigung bedürfen (§ 65 Nr. 2). In diesen Fällen reicht ein entsprechender Hinweis im Betriebsplan aus (§ 52 Abs. 5). 3 Ausgangspunkt für die in § 55 enthaltenen Voraussetzungen für die Zulassung von Betriebsplänen sind die vor dem BBergG geltenden Berggesetze der Länder gewesen. Maßstab für die Kappes

536

Zweites Kapitel – Anzeige, Betriebsplan

§ 55

Betriebsplanzulassung waren hiernach die für die Ausübung der Bergaufsicht maßgeblichen Kriterien. Die bergbehördliche Prüfung bei Betriebsplanzulassungen beschränkte sich nach Art. 196 ABG bzw. Art. 253 BayBergG zunächst auf polizeiliche Gesichtspunkte. Dazu gehörten die Sicherheit der Baue, die Sicherheit des Lebens und der Gesundheit der Beschäftigten, der Schutz der Oberfläche im Interesse der persönlichen Sicherheit und des öffentlichen Verkehrs sowie der Schutz gegen gemeinschädliche Einwirkungen; später auch der Lagerstättenschutz. Bereits kurz nach dem 2. Weltkrieg wurde die Bergaufsicht auf die Sicherheit und Ordnung der Oberfläche sowie die Gestaltung der Oberfläche während und nach dem Abbau erweitert.1 Die in den Sechziger-Jahren des letzten Jahrhunderts beginnende Schaffung eines allgemeinen Umweltrechts blieb nicht ohne Auswirkungen auf das Bergrecht der Länder sowie die Genehmigungsvoraussetzungen für bergbauliche Tätigkeiten. Einige Bundesländer erweiterten den Umfang der Bergaufsicht auf den Naturhaushalt, den Schutz der Allgemeinheit oder der Nachbarschaft vor Gefahren mit erheblichen Nachteilen und Belästigungen oder die Berücksichtigung der Erfordernisse der Raumordnung und Landesplanung.2 Aufgrund neuer Umweltvorschriften wurden darüber hinaus neben der bisher allein notwendigen Betriebsplanzulassung für bergbauliche Tätigkeiten weitere Genehmigungen erforderlich und neue Anforderungen gestellt, soweit das Bergrecht oder die entsprechenden Fachgesetze keine bergbauspezifische Regelung enthielten. Mit seinen Zulassungsvoraussetzungen des § 55 – auch in Verbindung mit § 48 Abs. 2 – gilt 4 das Betriebsplanverfahren als das wichtigste bergbehördliche Instrument, um präventiv die Wahrung bestimmter im öffentlichen, aber auch im privaten Interesse liegenden Belange umfassend sicherzustellen. Die Voraussetzungen des § 55 enthalten sowohl sachbezogene als auch personelle Elemente und betreffen bergbauinterne (Nr. 1 bis 3) und bergbauexterne Belange (Nr. 4 bis 13), mit denen sowohl der Schutz der inneren Sicherheit als auch der Außenwelt gewährleistet wird.3 Damit weist das Bergrecht zwar insoweit eine hohe Regelungsdichte auf, kann aber noch nicht die Berücksichtigung sämtlicher Interessen sicherstellen.4 Darüber hinaus dürfen gemäß § 48 Abs. 2 Satz 1 der Zulassung keine überwiegenden öffentlichen Interessen, d.h. in anderen Rechtsvorschriften konkretisierte öffentliche Belange einschließlich des Eigentumsschutzes nach Art. 14 GG entgegenstehen (vgl. § 48 Rn. 52 ff.). Soweit für ein bergbauliches Vorhaben eine UVP durchzuführen ist (vgl. § 52 Abs. 2a i.V.m. § 1 UVP-V Bergbau), ist diese Teil des Rahmenbetriebsplanverfahrens. Die UVP ist kein selbstständiges Verwaltungsverfahren, sondern nur ein verfahrensrechtliches Instrument, das dazu dient, die Umweltbelange für eine abschließende Entscheidung aufzubereiten.5 Der antragstellende Unternehmer hat in dem Betriebsplan gemäß § 52 Abs. 4 den Nachweis dafür zu erbringen, dass die geplante bergbauliche Tätigkeit die für die Zulassung des Betriebsplans geltenden Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 3 bis 13 erfüllen. Eine bestimmte Art des Nachweises schreibt das BBergG nicht vor (vgl. § 52 Rn. 103). Wenn in Bergverordnungen für bestimmte Arbeiten, Einrichtungen (z.B. §§ 4, 5 BVOS NRW) und Stoffe (z.B. § 4 GesBergV) eine Genehmigung oder allgemeine Zulassung vorgeschrieben ist, reicht im Betriebsplan der Hinweis auf die beantragte oder erteilte Genehmigung oder allgemeine Zulassung (§ 52 Abs. 5). Liegen die Voraussetzungen des § 55 vor und stehen dem Vorhaben gemäß § 48 Abs. 2 keine überwiegenden öffentlichen Interessen einschließlich anderer grundsätzlich geschützter privater Rechtspositionen entgegen, hat die Bergbehörde den Betriebsplan zuzulassen, da es sich um eine gebundene Entscheidung ohne planerische Abwägung handelt.6 Unbenommen 1 Vgl. u.a. Gesetz zur Änderung bergrechtlicher Vorschriften im Lande Nordrhein-Westfalen vom 25.4.1950, GS NW, S. 694. Vertiefend Boldt/Weller 1. Auflage Vor § 50, Rn. 3; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 55 Rn. 6. Pfadt Rechtsfragen zum Betriebsplan im Bergrecht, S. 148 f. Von Weschpfennig Strukturen des Bergrechts, S. 195. BVerwG 29.4.2010, 7 C 18/0, ZfB 2010, 129, Rn. 12. So die ständige Rechtsprechung, u.a. BVerfG 17.12.2013, 1 BvR 3139/08, 1 BvR 3386/08, ZfB 2014, 49 Rn. 322; BVerwG 15.12.2006, 7 C 1/06, BVerwGE 127, 259, Rn. 28 = ZfB 2006, 306, Rn. 28; gefolgt von der Literatur u.a. Durner/Karrenstein, DVBl 2014, 182, 184; Von Weschpfennig, DÖV 2017, 23, 31.

2 3 4 5 6

537

Kappes

§ 55

Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

davon bleibt allerdings die die eingeschränkte Bindungswirkung der Rahmenbetriebsplanzulassung für nachfolgende Grundabtretungsverfahren und Betriebsplanverfahren (siehe dazu näher § 52 Rn. 38 ff.). Abgesehen von der Zulassung eines Rahmenbetriebsplans erhält der Unternehmer mit der Zulassung seines Betriebsplans das Recht, die bergbauliche Tätigkeit hinsichtlich der bergrechtlichen Anforderungen entsprechend dem Zulassungsbescheid durchzuführen. Wenn die Zulassung nicht als Planfeststellungsbeschluss ergeht, beinhaltet die Zulassung nicht die für das Vorhaben ggf. nach anderen Rechtsvorschriften erforderlichen Genehmigungen, da der Zulassung insoweit keine Konzentrationswirkung zukommt. Die Folge der Nichtzulassung ist, dass das beabsichtigte Vorhaben nicht durchgeführt werden darf.7

II. Sachentscheidungsvoraussetzungen 5 Die Einreichung eines Betriebsplans ist rechtlich als Antrag des Unternehmers auf behördliche Zulassung der geplanten Tätigkeiten und Einrichtungen anzusehen. Mit der Vorlage des Betriebsplanes bei der Bergbehörde wird ein Verwaltungsverfahren nach § 9 VwVfG anhängig. Der Gegenstand des Verfahrens richtet sich nach dem Inhalt des eingereichten Betriebsplans. Bevor die Bergbehörde über den Zulassungsantrag entscheiden kann, hat sie von Amts wegen das Vorliegen aller Sachentscheidungsvoraussetzungen zu prüfen. Dazu gehört zunächst die sachliche und örtliche Zuständigkeit der Behörde. Die Bergbehörde hat vor ihrer Sachentscheidung weiterhin zu klären, ob eine ordnungsgemäße Antragstellung vorliegt. Dazu gehört die Feststellung, dass der Betriebsplan von einem zur Vorlage Berechtigten eingereicht und unterzeichnet worden ist. Die Bergbehörde kann den Nachweis der Vertretungsbefugnis oder einer Bevollmächtigung verlangen. Ferner muss der Betriebsplan den in § 52 Abs. 4 genannten Anforderungen genügen, d.h. er muss eine Darstellung des Umfangs, der technischen Durchführung und der Dauer des beabsichtigten Vorhabens enthalten einschließlich der ggf. zu treffenden Maßnahmen zur Verminderung oder Vermeidung von betriebsbedingten Gefahren für die im Betriebsplanverfahren zu berücksichtigenden Rechtsgüter und den Nachweis enthalten, dass die Zulassungsvoraussetzungen erfüllt sind. In Betriebsplänen für in der Anlage zur EinwirkungsBergV genannten untertägigen Gewinnungsbetrieben sind der Einwirkungsbereich und besondere Anlagen anzugeben (§§ 5, 6 EinwirkungsBergV). Ein Abschlussbetriebsplan hat gemäß § 53 Abs. 1 eine genaue Darstellung der technischen Durchführung und der Dauer der beabsichtigten Betriebseinstellung zu enthalten. Neben textlichen Ausführungen sind auch zeichnerische Darstellungen zulässig. Die Darstellungen im Betriebsplan müssen insgesamt so beschaffen sein, dass der Behörde eine sachgerechte Beurteilung der technischen Durchführung und Dauer des Vorhabens möglich ist. Soweit erforderlich, regt die Bergbehörde nach § 25 Satz 1 VwVfG eine Ergänzung, Berichtigung oder Klarstellung der in dem Betriebsplan enthaltenen Angaben an. Zur Erleichterung und Vereinheitlichung des Verfahrens haben einige Länderbergbehörden für einzelne Betriebsplanarten und verschiedene Bergbauzweige Gliederungen und Muster herausgegeben, die von den Unternehmen bei der Aufstellung von Betriebsplänen zum Anhalt genommen werden können (vgl. hierzu § 52 Fn. 170).

III. Zulassungsvoraussetzungen für die Errichtung und Führung des Betriebes (Absatz 1) 1. Berechtigung (Nr. 1) 6 Soweit der Betriebsplan die Aufsuchung oder Gewinnung von Bodenschätzen zum Gegenstand hat, ist die Zulassung gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 von dem Nachweis der hierfür erforderlichen Aufsuchungs- oder Gewinnungsberechtigung abhängig. Der Betriebsplan erlaubt die Ausübung 7 BT-Drs. 8/1315, S. 199. Kappes

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Zweites Kapitel – Anzeige, Betriebsplan

§ 55

einer bergrechtlichen Berechtigung.8 Auch wenn die Rechtmäßigkeit der Berechtigung selbst nicht Gegenstand des Betriebsplanverfahrens ist, erfolgt mit Nummer 1 eine Prüfung des schutzwürdigen Antrags- oder Sachentscheidungsinteresse des Unternehmers. Dies besteht nicht, wenn dem Unternehmen keine Berechtigung zusteht und die Betriebsplanzulassung für ihn somit ersichtlich wertlos wäre.9

a) Bergbauberechtigung. Der Begriff Bergbauberechtigung bezieht sich nicht auf die Eigen- 7 tumsverhältnisse der für die bergbauliche Tätigkeit erforderlichen Grundstücke, sondern nur auf die Berechtigung zur Aufsuchung oder Gewinnung von Bodenschätzen. Nummer 1 unterscheidet nicht zwischen einer Berechtigung für bergfreie und grundeigene Bodenschätze. Zweifelsfrei gilt die Anforderung für die Aufsuchung und Gewinnung bergfreier Bodenschätze, aber auch für die Aufsuchung und Gewinnung grundeigener Bodenschätze ist Nummer 1 maßgeblich.10 In der amtlichen Begründung11 wird undifferenziert von „Bergbauberechtigung“ gesprochen. Auch wird dort festgestellt, dass die Frage, ob die im Betriebsplan vorgesehene Aufsuchung und Gewinnung von Bodenschätzen überhaupt möglich ist, in allen Fällen zunächst von dem Vorliegen der jeweils erforderlichen Bergbauberechtigung abhängt. Das Gesetz verwendet zwar den Begriff „Bergbauberechtigung“ in erster Linie in Bezug auf bergfreie Bodenschätze, während § 34 von „Befugnis“ des Grundeigentümers spricht. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Zweite Teil dieses Gesetzes, zu dem auch § 34 zählt, die Überschrift „Bergbauberechtigungen“ trägt. In § 4 Abs. 6 wird schließlich als Gewinnungsberechtigung nicht nur das Recht zur Gewinnung von bergfreien, sondern auch grundeigenen Bodenschätzen bezeichnet. Danach erfasst die Berechtigung nach Nummer 1 Erlaubnis, Bewilligung und Bergwerkseigentum (§§ 7 bis 9) sowie aufrecht erhaltenes Bergwerkseigentum (§ 151), dingliche Gewinnungsrechte und Grundeigentum; letzteres jedoch nur, soweit es um die Aufsuchung oder Gewinnung von Bodenschätzen geht und nicht um die Inanspruchnahme des Grundstücks als solches.12 Die Zulassungsvoraussetzung der Nummer 1 gilt im Gegensatz zu den folgenden Nummern 8 nur für Betriebspläne, die Aufsuchungs- oder Gewinnungstätigkeiten vorsehen. Sie erstreckt sich nicht auf Betriebspläne für die Aufbereitung von Bodenschätzen und nicht auf Abschlussbetriebspläne (§ 55 Abs. 2 Satz 1). Auch für die der Betriebsplanpflicht unterliegenden Einrichtungen und Anlagen gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 und sonstigen Tätigkeiten und Einrichtungen (§§ 126 ff.) ist Nummer 1 nicht anzuwenden, da diese Tätigkeiten keine Ausübung einer Bergbauberechtigung darstellen.

b) Nachweis. Eine bestimmte Art des Nachweises schreibt § 52 Abs. 4 nicht vor. Der Unterneh- 9 mer kann seine Berechtigung für bergfreie Bodenschätze z.B. durch Vorlage der Berechtsamsurkunde oder einem Auszug aus dem Berechtsamsbuch (§ 75) und bei grundeigenen Bodenschätzen durch einen beglaubigten Grundbuchauszug nachweisen. Soweit es sich um die Fortsetzung eines laufenden Betriebes handelt, dürfte bei bergfreien Bodenschätzen ein Verweis auf das Berggrundbuch ausreichend sein.13 Der Unternehmer muss mit dem Inhaber einer Bergbauberechtigung nicht personenidentisch sein.14 In diesem Fall kann der Unternehmer den Nachweis durch Vorlage einer vertraglichen Vereinbarung, wie z.B. Pachtvertrag, erbringen, die dem Unternehmer die Ausübung des dem Grundeigentümer oder dem Bergbauberechtigten zustehenden Rechts ein8 Schmidt-Aßmann/Schoch Bergwerkseigentum und Grundeigentum im Betriebsplanverfahren, S. 78. 9 BVerwG 23.3.1973, IV C 49/71, BVerwGE 42, 115 = NJW 1973, 1518. 10 OVG Bautzen 12.4.2000, 1 D 560/98, ZfB 2000, 153, 159. 11 BT-Drs. 8/1315, S. 110. 12 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 55 Rn. 13. 13 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 55 Rn. 14. 14 OLG Hamburg 9.1.2004, 1 U 131/02, ZfB 2004, 293. 539

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§ 55

Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

räumt.15 Einer dinglichen Verfügungsbefugnis bedarf es nach dem BBergG nicht. Der Nachweis bezieht sich auf eine bestehende Berechtigung. Mit der Betriebsplanzulassung wird dem Unternehmer die Ausübung der Bergbauberechtigung erlaubt, jedoch keine neue Bergbauberechtigung erteilt.16

10 c) Betriebsplan. Der Nachweis der Berechtigung ist grundsätzlich eine Zulassungsvoraussetzung für alle Betriebspläne, die die Aufsuchung oder Gewinnung von Bodenschätzen beinhalten. Falls der Unternehmer bei der Vorlage eines Rahmenbetriebsplans die Berechtigung für den vorgesehenen Abbau noch nicht besitzt – etwa, weil sich innerhalb dieses Gebietes eine sog. Sperrparzelle befindet –, schließt das die Zulassung nicht aus. Da erst die Hauptbetriebsplanzulassung gestattende Wirkung für die Aufsuchungs- und Gewinnungstätigkeit entfaltet, ist anerkannt, dass eine Rahmenbetriebsplanzulassung nicht zwingend den Nachweis einer Bergbauberechtigung für das gesamte vom Rahmenbetriebsplan erfasste Feld verlangt, sofern zum Entscheidungszeitpunkt nicht völlig ausgeschlossen ist, dass der Bergbauunternehmer die Berechtigung noch erlangen kann.17 Die erklärte Weigerung eines betroffenen Eigentümers, dem Bergbauunternehmer die Berechtigung einvernehmlich zu verschaffen, ist nach diesem Maßstab ohne Bedeutung. Denn mit der Zulegung nach §§ 35 ff. BBergG und der beim übertägigen Abbau ebenfalls erforderlichen Grundabtretung gemäß §§ 77 ff. BBergG stellt das Gesetz rechtliche Instrumente zur Verfügung, mit deren Hilfe ein Zugriff auf benachbarte Grundstücke ungeachtet eines entgegenstehenden Willens des Grundstückseigentümers ermöglicht wird.18 Dem steht auch die Garzweiler-Entscheidung des BVerfG19 nicht entgegen.20 Wenngleich bereits die Rahmenbetriebsplanzulassung über die Zulässigkeit des Vorhabens entscheidet und die von Nr. 1 in Bezug genommene Bergbauberechtigung konkretisiert, welcher Bergbauunternehmer Bergbau betreiben darf, folgt daraus keine Notwendigkeit der Berechtigung für das gesamte Feld bereits zur Zeit der Rahmenbetriebsplanzulassung. Eine sachgerechte Prüfung der Zulässigkeit des Vorhabens nicht nur in der Sache, sondern auch mit Blick auf den Inhaber der Berechtigung ist auch möglich, wenn dieser noch nicht über die Berechtigung für das gesamte Feld verfügt. Denn die Rahmenbetriebsplanzulassung ist in diesem Fall mit einer einschränkenden Nebenbestimmung gemäß §§ 5, 36 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG zu versehen, wonach die Berechtigung bei Vorlage des Hauptbetriebsplans nachzuweisen ist.21 Auf diese Weise wird einerseits der Zweck des § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 erfüllt, „ein Aufsuchen oder Gewinnung von Bodenschätzen betriebsplanmäßig nicht zu gestatten, wenn dem Bergbauunternehmer nicht das entsprechende Recht zusteht“,22 anderseits deutlich, dass die Rahmenbetriebsplanzulassung keine vorgreifliche Bedeutung für die Frage enthalten soll und kann, ob die Voraussetzungen für einen zwangsweisen Zugriff auf eine fremde Gewinnungsberechtigung vorliegen.23 Bei der so eingeschränkten Zulassung kann (und muss) auch berücksichtigt werden, dass das Abbauvorhaben eine andere Gestalt hat, falls die fehlende Berechtigung für Teile des Feldes später nicht nachgewiesen werden kann.

15 BVerwG 20.11.2008, 7 C 10/08, BVerwGE 132, 261, Rn. 29 = ZfB 2009, 46, Rn. 29. 16 VG Freiburg 26.4.1989, 1 K 253/88, ZfB 1990, 314, 321. 17 BVerwG 28.6.2019, 7 B 22/18, ZfB 2019, 270; BVerwG 20.11.2008, 7 C 10/08, BVerwGE 132, 261, Rn. 30 = ZfB 2009, 46, Rn. 30; BVerwG 2.11.1995, 4 C 14/94, BVerwGE 100, 1, 13 = ZfB 1995, 278, 287; OVG Koblenz 5.10.2010, 1 A 10 689/10, ZfB 2011, 119; OVG Lüneburg 20.10.1988, 7 OVG B 11/87, ZfB 1990 19, 28; Niermann Betriebsplan und Planfeststellung im Bergrecht, S. 146. 18 BVerwG 28.6.2019, 7 B 22/18, ZfB 2019, 270, 271. 19 BVerfG 17.12.2013, 1 BvR 3139/08, 1 BvR 3386/08, ZfB 2014, 49. 20 A.A. Frenz BBergG, § 55 Rn. 26 ff. 21 BVerwG 28.6.2019, 7 B 22/18, ZfB 2019, 270. 22 BVerwG 2.11, 1995, 4 C 14/94, BVerwGE 100, 1, 12 = ZfB 1995, 278, 286. 23 BVerwG 20.11.2008, 7 C 10/08, BVerwGE 132, 261, Rn. 30 = ZfB 2009, 46, Rn. 30; BVerwG 2.11.1995, 4 C 14/94, BVerwGE 100, 1, 13 = ZfB 1995, 278, 287. Kappes

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Zweites Kapitel – Anzeige, Betriebsplan

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Kann der Unternehmer im Hauptbetriebsplanverfahren noch nicht seine Berechtigung für 11 das gesamte Feld nachweisen, spricht der umschriebene Zweck des § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 nicht dagegen, in diesem Fall die Hauptbetriebsplanzulassung durch eine Nebenbestimmung auf den Feldesteil zu beschränken, für den eine Berechtigung nachgewiesen wurde. Der Unternehmer kann sich das fehlende Gewinnungsrecht nach Beginn des Abbaus im zugelassenen Feldesteil notfalls durch Zulegung nach den §§ 35 ff. beschaffen. Die Bergbautätigkeit in dem anderen Feldesteil ist erst nach dem späteren Nachweis der entsprechenden Berechtigung zulässig. Wird bei einem zugelassenen Rahmen- oder Hauptbetriebsplan die Bergbauberechtigung 12 für das ganze vom Betriebsplan erfasste Abbaufeld nachgewiesen, kann in späteren Betriebsplänen darauf Bezug genommen werden. Ist die Berechtigung befristet, wie z.B. die Erlaubnis und Bewilligung (§§ 7 und 8 i.V.m. 18 Abs. 1, 2), kann eine Betriebsplanzulassung nur für die Geltungsdauer dieser Bergbauberechtigungen erteilt werden.24 Wird die Bergbauberechtigung für die Aufsuchung oder Gewinnung von bergfreien Bodenschätzen während der Laufzeit eines zugelassenen Betriebsplanes gemäß § 18 widerrufen, erledigt sich der Betriebsplan hierdurch nicht automatisch; vielmehr kann die Bergbehörde eine Anordnung gemäß § 72 Abs. 1 erlassen.25 Der in Nummer 1 geforderte Nachweis bezieht sich nur auf die Berechtigung zur Aufsu- 13 chung und Gewinnung von Bodenschätzen, nicht auf die Befugnis zur Inanspruchnahme der Grundstücksoberfläche. Die Versagung einer Betriebsplanzulassung nach Nummer 1 kann danach nicht darauf gestützt werden, dass für eine in den Betriebsplan vorgesehene Benutzung eines Grundstückes notwendiges Einverständnis des Grundeigentümers noch nicht vorliegt. Bei Aufsuchungsarbeiten ist die Ersetzung der Zustimmung durch behördliche Entscheidung nach § 40 möglich, bei Gewinnungsbetrieben kann eine Grundabtretung nach §§ 77 erfolgen. Steht dem Unternehmer zum Zeitpunkt der Betriebsplanzulassung die Bergbauberechtigung für einen Teil des Feldes noch nicht zu (z.B. sog. Sperrparzelle), die ggf. mittels Zulegung zu erlangen ist, wird man allenfalls bei Großvorhaben der Rahmenbetriebsplanzulassung – trotz Beschränkung der Betriebsplanzulassung – eine faktische Wirkung beimessen können, die im Interesse eines effektiven Rechtsschutzes eine Gesamtabwägung zwischen der „fremden“ Gewinnungsberechtigung und der Sicherung der Versorgung mit Rohstoffen bei der Zulassung erforderlich macht.26

d) Drittschutz. Einen Drittschutz nach Nummer 1 kann derjenige geltend machen, dessen Aufsu- 14 chungs- oder Gewinnungsberechtigung für die Aufsuchung oder den Abbau von Bodenschätzen durch einen Dritten in Anspruch genommen werden soll.27 Bei der Gewinnung von grundeigenen oder Grundeigentümer-Bodenschätzen kann der betroffene Grundeigentümer geltend machen, dass der Unternehmer nicht Eigentümer des Grundstücks ist oder ihm vom Grundeigentümer kein Gewinnungsrecht übertragen wurde. Bei der Prüfung der Berechtigung hat die Bergbehörde nicht die Aufgabe, über zivilrechtliche Streitigkeiten zwischen Grundeigentümer und Unternehmer zu entscheiden.28 Das Fehlen des Nachweises einer Berechtigung kann nur dann gerügt werden, wenn in dem laufenden Betriebsplanverfahren über die Zulassungsvoraussetzung der Nummer 1 entschieden wird29 sowie bei bergfreien Bodenschätzen keine Bestandskraft der Bergbauberechtigung oder ein Nichtigkeitsgrund (§ 44 VwVfG) vorliegt.30 Die Aussage des OVG Bautzen,31 dass dem Eigentümer eines Grundstückes, das für einen Tagebau unmittelbar in Anspruch genommen werden soll, nicht verwehrt ist, das Fehlen einer Bergbauberechtigung zu rügen, kann nur eingeschränkt für die Fälle in 24 25 26 27 28 29 30 31 541

VG Lüneburg 7.3.1994, 7 A 137/92, ZfB 1994, 153, 171. Näheres hierzu Heitmann ZfB 1987, 26, 31 ff. BVerfG 17.12.2013, 1 BvR 3139/08, 1 BvR 3386/08, ZfB 2014, 49, Rn. 281. Kühne ZfB 1991, 283, 288; OVG Bautzen 23.6.2014, 1 A 529/11, ZfB 2014, 212, 213. OVG Koblenz 21.1.2014, 1 B 11194/13, ZfB 2014, 272. BVerwG 20.11.2008, 7 C 10/8, BVerwGE 132, 261, Rn. 30 = ZfB 2009, 46, Rn. 30. OVG Bautzen 26.9.2008, 4 B 773/06, SächsVBl 2009, 61, 65; VG Schwerin 10.3.2010, 7 A 1908/04, ZfB 2010, 294, 299. OVG Bautzen 23.6.2014, 1 A 529/11, ZfB 2014, 212, 213. Kappes

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Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

den neuen Bundesländern gelten, in denen von dem Bestand der Bergbauberechtigung abhängt, ob es sich um einen bergfreien oder nach der neuen Rechtslage grundeigenen Bodenschutz handelt. Der Sachgüterschutz betroffener Oberflächeneigentümer kann über Nummer 1 nicht geltend gemacht werden. Im Verfahren zur Erteilung einer Bergbauberechtigung steht dem Grundeigentümer über Nummer 1 kein Rechtsschutz zu.

2. Verantwortliche Personen (Nr. 2) 15 Nach Nummer 2 kann die Zulassung eines Betriebsplans versagt werden, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass eine verantwortliche Person nicht die für seine Aufgaben erforderliche Qualifikation besitzt. Mit dieser der Sicherheit des Betriebes dienenden personenbezogenen Qualitätsanforderung wird das Betriebsplanverfahren mit den Vorschriften über die verantwortlichen Personen (§§ 58 ff.) verknüpft. Die Anforderungen nach Nummer 2 gelten nur für verantwortliche Personen i.S.d. BBergG.32 In Übereinstimmung mit § 58 Abs. 1 sind gemäß Nummer 2 lit. a verantwortliche Personen der Unternehmer als natürliche Person oder bei juristischen Personen und Personenhandelsgesellschaften eine der nach dem Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Vertretung ermächtigte Person (vgl. § 4 Abs. 5) („geborene“ verantwortliche Personen). Sind bei juristischen Personen oder Personenhandelsgesellschaften mehrere Personen vertretungsberechtigt, gilt als „geborene“ verantwortliche Person diejenige, in dessen Ressort die Zuständigkeitsverantwortung für den Bergbaubetrieb fällt. Beauftragte Fremdfirmen werden von Nummer 2 lit. a nicht erfasst. Zu den verantwortlichen Personen nach Nummer 2 lit. b zählen die zur Leitung oder Beaufsichtigung des Betriebes oder Betriebsteilen bestellten Personen („gekorene“ verantwortliche Personen), unabhängig davon, ob deren Bestellung von einer „geborenen“ oder „höhergestellten“, „gekorenen“ verantwortlichen Person erfolgt (vgl. § 58 Rn. 2 bis 7). Dies können auch Personen von Fremdfirmen sein. 16 Die geforderte Qualifikation wird durch die die persönlichen Eigenschaften umschreibenden Begriffe Zuverlässigkeit, Fachkunde und körperliche Eignung abschließend konkretisiert. Diese Qualitätsanforderungen dienen der Sicherheit des Betriebes sowohl nach innen als auch nach außen. Während die zur Leitung oder Beaufsichtigung von Betrieben oder Betriebsteilen bestellten verantwortlichen Personen (Nummer 2 lit. b) alle drei Eigenschaften besitzen müssen, gilt dies für den Unternehmer oder die vertretungsberechtigte „geborene“ Person (Nummer 2 lit. a) nur, wenn für die Leitung oder Beaufsichtigung des Betriebes keine sonstige verantwortliche Person bestellt wurde; andernfalls genügt es, wenn der Unternehmer oder die vertretungsberechtigte Person zuverlässig ist. Für die Qualifikationsanforderungen von „bestellten“ verantwortlichen Personen ist der diesen Personen übertragene Aufgabenbereich maßgeblich. 17 Der Begriff der Zuverlässigkeit bzw. Unzuverlässigkeit wird – ausgehend vom Gewerberecht (§ 35 GewO) – heute in vielen gewerbe- und umweltrechtlichen Rechtsvorschriften33 verwendet. Zuverlässig ist, wer nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens die Gewähr dafür bietet, dass er das von ihm angezeigte Gewerbe künftig ordnungsgemäß betreiben kann.34 Der Begriff der Zuverlässigkeit ist nach dem Schutzzweck der entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen auszulegen. Eine Unzuverlässigkeit ist anzunehmen, wenn personenbezogene Tatsachen vorliegen, die die verantwortliche Person als ungeeignet für die ordnungsgemäße Erfüllung ihrer Aufgaben erscheinen lassen. Die Feststellung der Unzuverlässigkeit setzt kein Verschulden voraus35 (vgl. § 73 Rn. 5). 32 Bei Beschäftigten, die nicht verantwortliche Personen sind, hat der Unternehmer gemäß § 8 ABBergV dafür zu sorgen, dass die Beschäftigten die für ihre Arbeit notwendige persönliche Qualifikation besitzen.

33 Vgl. z.B. §§ 8, 8a SprengG; § 10 5. BImSchV. 34 BVerwG 9.4.1997, 1 B 81/97, GewArch 1999, 72; BVerwG 5.3.1997, 1 B 56/97, GewArch 1997, 244; Landmann/Rohmer/ Marcks GewO, § 35 Rn. 29. 35 Landmann/Rohmer/Marcks GewO, § 35 Rn. 30. Kappes

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Zweites Kapitel – Anzeige, Betriebsplan

§ 55

Wie aus der Begriffsbestimmung des § 66 Nr. 9 folgt, erfasst die geforderte Fachkunde nicht nur technische, sondern auch rechtliche Kenntnisse im Hinblick auf die vorgesehene Tätigkeit. Gemäß § 66 Nr. 9 kann in einer Bergverordnung bestimmt werden, welche konkreten fachlichen Anforderungen an die Fachkunde bestimmter verantwortlicher Personen nach der Art der ihnen übertragenen Aufgaben und Befugnisse unter Berücksichtigung des jeweiligen Standes der Technik zu stellen sind. Von dieser Möglichkeit hat das Bundeswirtschaftsministerium bisher keinen Gebrauch gemacht. Einige Länder haben in ihren Bergverordnungen mittelbar Anforderungen an die Fachkunde bestimmter verantwortlicher Personen gestellt. So hat der Unternehmer z.B. gemäß §§ 7 Abs. 2 und 3 BVOSt und § 9 BVOESSE einen Staubbeauftragten als verantwortliche Person zu bestellen, der nach einem der Bergbehörde anzuzeigenden Plan des Unternehmens auszubilden ist.36 Schließlich muss die verantwortliche Person über die körperliche Eignung verfügen, um die beabsichtigte Tätigkeit ausüben zu können. Hierbei wird die Seh- und Hörfähigkeit sowie das Reaktionsvermögen von Bedeutung sein.37 Soweit die körperliche Eignung der verantwortlichen Person bei einer arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchung gemäß §§ 2 und 3 GesBergV festgestellt wurde, kann hiervon auch im Rahmen des Betriebsplanverfahrens ausgegangen werden. Eine Betriebsplanzulassung kann nach Nummer 2 nur versagt werden, wenn das vorliegende Tatsachenmaterial ausreichende Anhaltspunkte für ein Fehlen der erforderlichen Zuverlässigkeit, Fachkunde oder körperlichen Eignung bietet. Vermutungen aufgrund zurückliegender Ereignisse reichen dagegen nicht aus. Die Tatsachen können, vor allem hinsichtlich der Zuverlässigkeit im Verhalten innerhalb des Betriebes, aber auch außerhalb liegen, wie z.B. strafbare Handlungen, Suchtkrankheit. Dabei sind nur solche Tatsachen relevant, die für die Erfüllung der konkreten Aufgaben der verantwortlichen Person relevant sind. So kann die fehlende körperliche Eignung für einen übertägigen Aufgabenbereich nicht mit der fehlenden Grubentauglichkeit begründet werden. Nach den für die Vergangenheit festgestellten Tatsachen, muss für die Zukunft ein weiteres Fehlen der Qualifikationsanforderungen wahrscheinlich sein.38 Aufgrund der vorliegenden Tatsachen ist eine zukunftsgerichtete Prognosenentscheidung zu treffen.39 Nummer 2 zählt gemäß § 52 Abs. 4 Satz 1 und § 53 Abs. 1 Satz 1 nicht zu den Voraussetzungen, die der Unternehmer nachzuweisen hat.40 Der Unternehmer ist nicht verpflichtet, in dem Betriebsplan die einzelnen verantwortlichen Personen aufzuführen. Die Namhaftmachung verantwortlicher Personen durch den Unternehmer gegenüber der Bergbehörde ist in § 60 Abs. 2 abschließend geregelt (vgl. § 60 Rn. 6 f.). Die Mitteilung gemäß § 60 Abs. 2 erfolgt unabhängig von dem Betriebsplanverfahren und eröffnet der Bergbehörde die Möglichkeit zu prüfen, ob ein Versagungsgrund nach § 55 Abs. 1 Satz 1 Nummer 2 gegeben ist. Nummer 2 setzt allerdings keine grundsätzliche Prüfung der Zuverlässigkeit, Fachkunde und körperlichen Eignung voraus. Die bei der Entscheidung über die Betriebsplanzulassung vorzunehmende Prüfung beschränkt sich vielmehr darauf festzustellen, ob hinsichtlich der mit dem Betriebsplan beantragten Maßnahmen aufgrund vorhandenen Tatsachenmaterials ausreichende Anhaltspunkte für die Unzuverlässigkeit, die fehlende Fachkunde oder körperliche Eignung gegeben sind. Wenn dieses Tatsachenmaterial die Annahme rechtfertigt, dass eine verantwortliche Person die genannten Eigenschaften nicht besitzt, ist die Betriebsplanzulassung zu versagen. Der Behörde steht bei den drei persönlichen Qualifikationsanforderungen kein Beurteilungsspielraum zu, so dass die Entscheidung der Bergbehörde der vollständigen gerichtlichen Kontrolle unterliegt.41 Stellt sich während der Laufzeit eines zuge36 37 38 39 40

So auch §§ 38, 42 BVOSt. BT-Drs. 8/1315, S. 110. Landmann/Rohmer/Marcks GewO, § 35 Rn. 31. Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht, Rn. 372. Dies steht im Gegensatz zum Gewerberecht, wo der Antragsteller seine Zuverlässigkeit und Fachkunde nachweisen muss. 41 BVerwG 15.7.2004, 3 C 33/03, BVerwGE 121, 257, 259; vgl. auch Schwabenbauer/Kling VerwArch 2010, 231. Die Vorschrift hat allerdings keinen drittschützenden Charakter zu Gunsten betroffener Grundstückseigentümer, vgl. VGH München, 6.10.2017, 8 ZB 15.2664, Ls. 2 und juris Rn. 13. 543

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Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

lassenen Betriebsplans heraus, dass verantwortliche Personen nicht mehr die Voraussetzungen der Nummer 2 erfüllen, können nachträgliche Auflagen gemäß § 56 Abs. 1, eine Anordnung nach § 73, oder ein Widerruf der Betriebsplanzulassung gemäß § 49 VwVfG in Betracht kommen. Die Auswahl unter diesen Möglichkeiten ist nach dem Grundsatz der Geeignetheit und der Verhältnismäßigkeit zu treffen. 22 Da die Rahmenbetriebsplanzulassung keine gestattende Wirkung hat und der Ausfüllung durch zumindest eines Hauptbetriebsplanes bedarf, gilt Nummer 2 nicht als Voraussetzung für die Zulassung des Rahmenbetriebsplanes (Absatz 1 Satz 2).42

3. Gesundheits- und Sachgüterschutz (Nr. 3) 23 a) Entstehungsgeschichte. Im Gesetzgebungsverfahren wurde Nr. 3 textlich verändert. Die im Regierungsentwurf von 197743 enthaltenen Worte „Arbeitsschutz- und Unfallverhütungsvorschriften“ wurden durch das Wort „Arbeitsschutzvorschriften“ ersetzt. Mit dieser Änderung wird klargestellt, dass die von den Berufsgenossenschaften erlassenen Unfallverhütungsvorschriften im Betriebsplanverfahren grundsätzlich keine unmittelbare Anwendung finden. Wegen des besonderen Gefährdungspotenzials zählen der Arbeitsschutz und die Betriebssicherheit seit alters her zu den Kernbereichen des staatlichen Bergrechts. Deshalb können Unfallverhütungsvorschriften für unter bergbehördlicher Aufsicht stehende Betriebe nur im beschränkten Umfang erlassen werden.44 Gemäß § 15 Abs. 3 SGB VII können Unfallverhütungsvorschriften für unter bergbehördlicher Aufsicht stehende Unternehmen nur für die Bereiche Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure, Fachkräfte für Arbeitssicherheit und Sicherheitsbeauftragte erlassen werden.45 Die Zulassungsvoraussetzung der Nummer 3 ist für den Arbeits-, Gesundheits- und bestimmten Sachgüterschutz von zentraler Bedeutung, da die Verhütung von Unfällen sowie der Gesundheits- und Sachgüterschutz ein wesentlicher Zweck des BBergG (§ 1 Nr. 3) und des Betriebsplanverfahrens sind.46 Dennoch hat es der Gesetzgeber bei Textung der Nummer 3 an der notwendigen Sorgfalt fehlen lassen,47 wie die Diskussionen in Rechtsprechung und Literatur zeigen.48

24 b) Personenschutz. Die Betriebsplanzulassung ist davon abhängig, dass für den Schutz der Rechtsgüter Leben und Gesundheit die für die Vorsorge erforderlichen Maßnahmen getroffen werden. Nach dem Wortlaut der Nummer 3 sollen Maßnahmen den Gefahren für Leben und Gesundheit Beschäftigter und Dritter im Betrieb entgegenwirken. Dies umfasst den Schutz von Personen, die in dem Bergbaubetrieb tätig sind, unabhängig davon, ob es sich um Beschäftigte des Unternehmers, von Fremdunternehmern, der Bergbehörde oder sonstige sich in dem Betrieb befindliche Personen handelt, wie z.B. Besucher.49 Die aufgrund des nicht eindeutigen Wortlauts zunächst umstrittene Frage, ob dieser Schutz auch betriebsexterne Dritte umfasst, hat das BVerwG in seinem Gasspeicherurteil vom 13.12.1991 nicht über die naheliegende Anwendung der Nummer 5,50 sondern dahingehend entschieden, dass Nummer 3 auch den Schutz Dritter außerhalb 42 BT-Drs. 8/1315, S. 110; VG Freiburg 25.2.1985, 1 K 71/84, ZfB 1985, 339, 348. 43 BT-Drs. 8/1315, S. 25; BT-Drs. 8/3965, S. 36. 44 Den Berufsgenossenschaften steht gemäß § 15 Abs. 3 SGB VII (früher § 708 Abs. 4 RVO) nur ein beschränktes Recht zu, für Bergbaubetriebe Unfallverhütungsvorschriften zu erlassen.

45 Aufgrund der detaillierten europäischen Arbeitsschutzrichtlinien, die in nationales Recht umzusetzen sind, ist der Regelungsbereich von Unfallverhütungsvorschriften zunehmend eingeschränkt worden. 46 Vgl. BT-Drs. 8/1315, S. 100. Zur Entstehungsgeschichte vgl. Boldt/Weller 1. Auflage § 55 Rn. 13. 47 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 55 Rn. 24, die die Vorschrift als sprachlich restlos misslungen ansehen; so auch Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht, Rn. 228. 48 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 55 Rn. 47, 48. 49 Vgl. Boldt/Weller 1. Auflage § 55 Rn. 14. 50 Kühne DVBl 2010, 874, 879. Kappes

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Zweites Kapitel – Anzeige, Betriebsplan

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des Betriebes umfasst.51 Diese inzwischen gefestigte Rechtsprechung hat das BVerwG in seinem Urteil vom 29.4.201052 nochmals bestätigt.53 Einer zusätzlichen Gesundheitsverträglichkeitsprüfung bedarf es deshalb nicht.54 Ein Schutzbedürfnis dieser Personen setzt voraus, dass es sich zum Zeitpunkt der Betriebsplanprüfung um erkennbare Gefahren handelt. Wegen der bei der Rohstoffgewinnung oft naturbedingten Unsicherheiten bedarf es hierzu einer Prognose.55 Eine Gesundheitsgefährdung betriebsexterner Personen kann nicht automatisch mit dem Auftreten von Senkungen, bergbaubedingten Erschütterungen oder Bergschäden und den damit verbundenen Belastungen angenommen werden, da diese Ereignisse nicht typischerweise zu Gesundheitsgefährdungen führen müssen.56 Nicht jede entfernt liegende Möglichkeit eines Personenschadens ist hierfür ausreichend. Beeinträchtigungen, die durch individuelle gesundheitliche Bedingungen mitbestimmt werden, sind auch nicht zu berücksichtigen.57 Die Gefahrenschwelle ist jedoch überschritten, wenn wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen, wonach in speziellen Fällen aufgrund der bergbaubedingten Einwirkungen zwangsläufig Gesundheitsbeeinträchtigungen folgen. Bei der Beurteilung des Schutzes von Personen kann auch – soweit übertragbar – auf Bewertungen in anderen Vorschriften, z.B. TA Lärm, zurückgegriffen werden. Zwar sieht Nummer 3 bei der Beurteilung des gesundheitlichen Integritätsinteresses betriebsexterner Personen und der Rechtsposition des Bergbauunternehmers keine Abwägung vor, jedoch wird man mit Blick auf andere vergleichbare öffentlich-rechtliche Genehmigungsanforderungen (u.a. § 3 Abs. 1 BImSchG) und die Rechtsprechung zur Bergschadenshaftung und zivilem Nachbarrecht58 unwesentliche und unerhebliche Beeinträchtigungen dem gesundheitlichen Wohlbefinden im Rahmen der Nummer 3 außer Acht lassen können.59 Ob die Gefahren für Leben oder Gesundheit mittelbar oder unmittelbar von dem Rohstoffabbau verursacht werden, ist dabei nicht relevant.60 Die Vorsorge gegen Lebensoder Gesundheitsgefahren ist erforderlich, wenn Gefahren erkennbar sind und eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass es ohne gegensteuernde Maßnahmen zu Gefahren kommen würde.61 Durch bergbauliche Senkungen herbeigeführte Hochwassergefahren für Leben und Gesundheit Dritter muss die Bergbehörde nur hinsichtlich der Beherrschbarkeit dieser Gefahren prüfen.62

c) Sachgüterschutz. Neben dem Personenschutz umfasst Nummer 3 auch den Sachgüter- 25 schutz. Der Schutz von Sachgütern wird insbesondere durch die den allgemein anerkannten Regeln der Sicherheitstechnik entsprechenden Maßnahmen gewährleistet.63 Dieser Schutz gilt zweifellos für die Sachgüter von Beschäftigten und Dritten im Betrieb. Im Betrieb sind Sachgüter, die den Tätigkeiten und Einrichtungen nach dem § 2 und §§ 126 bis 131 dienen und im Eigentum eines Dritten stehen – auch bei Eigentumsvorbehalt oder Sicherungsübereignung zugunsten Dritter. Hierzu zählen nicht die Sachgüter des Unternehmers, es sei denn, diese dienen auch dem Schutz 51 BVerwG 13.12.1991, 7 C 25/90 BVerwGE 89,246 = ZfB 1992, 38; a.A. vor den Urteilen des BVerwG Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 55 Rn. 33; Boldt/Weller 1. Auflage § 55 Rn. 14.

52 BVerwG 29.4.2010, 7 C 18/09, ZfB 2010, 129, Rn. 20. 53 Vgl. auch die Begründung zu der hinsichtlich des Personenschutzes vergleichbaren Regelung des Gesetzes zur Demonstration und Anwendung von Technologien zur Abscheidung, zum Transport und zur dauerhaften Speicherung von Kohlendioxid, BT-Drs. 17/5750, S. 40. 54 Keienburg Markscheidewesen 2010, 14; a.A. Frenz Markscheidewesen 2009, 21. 55 OVG Saarlouis 22.11.2007, 2 B 181/07, ZfB 2008, 270, 282 f. 56 VG Saarlouis 25.11.2005, 5 F 36/05, ZfB 2006, 225, 226. 57 OVG Saarlouis 22.8.2001, 2 W 1/01, ZfB 2001, 287. 58 BGH 19.9.2008, VZR 28/08, BGHZ 178, 90, ZfB 2009, 65. 59 Ausführlich hierzu Kühne DVBl 2010, 874, 879 ff. 60 BVerwG 27.4.2010, 7 C 18/09, ZfB 2010, 129, 132. 61 OVG Münster 20.8.2009, 11 A 456/06, ZfB 2009, 261, 269; Kühne DVBl 2010, 874, 883. 62 BVerwG 29.4.2010, 7 C 18/09, ZfB 2010, 129, Rn. 30 f. 63 BVerwG 5.3.2019, 7 B 3/18, ZfB 2019, 181, Rn. 21. 545

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§ 55

Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

der Beschäftigten oder Dritter. Ob Nummer 3 auch Sachgüter Dritter außerhalb des Betriebes erfasst, wurde teilweise in Frage gestellt.64 Der 4. Senat des BVerwGs sah 1989 Nummer 3 nicht als nachbarschützend für die Sachgüter drittbetroffener Oberflächeneigentümer an.65 Der 7. Senat hat in seiner Entscheidung vom 13.12.199166 dieser Auffassung nicht widersprochen, jedoch die Frage aufgeworfen, ob § 55 die Berücksichtigung von Sachgütern außerhalb des Betriebes verbiete, da die Vorschriften des Bundesberggesetzes auch Vorschriften für den Sachgüterschutz außerhalb des Betriebes enthalten. Diese Feststellung ist zwar zutreffend, wie u.a. §§ 1, 110 ff. zeigen, jedoch bedeutet dies nicht zwingend, dass diese – privatrechtlichen Regelungen – hiermit auch Bestandteil des Betriebsplanverfahrens sein müssen. Zwar spricht der Wortlaut unter Berücksichtigung des Kommas zwischen Sachgütern und Beschäftigten für eine Gleichrangigkeit der Beschäftigten, Dritten und Sachgütern. Beschäftigte und Dritte werden jedoch bereits durch die Worte Leben und Gesundheit im 1. Halbsatz erfasst. Geht man davon aus, dass der Gesetzgeber Doppelregelungen ausschließen will, ist das Komma als „redaktionelles Versehen“ anzusehen, so dass die Worte Beschäftigter und Dritter im Betrieb zu einer personellen als auch räumlichen Beschränkung des Begriffs Sachgüter führt. Wenn die Rechtsprechung67 die Verursachung leichter und mittlerer Bergschäden aufgrund der Sachgesetzlichkeiten der Rohstoffgewinnung nicht dem Betrachtungsfeld der Genehmigungsbehörde, sondern dem Privatrechtsverhältnis geschädigter Unternehmer zuordnet und den Schutz des Grundeigentümers aus Art. 14 über § 48 Abs. 2 sicherstellt, bedarf es keiner erweiterten Auslegung der Nummer 3.68 Ohne diese Fragestellungen aufzuwerfen, hat das BVerwG in seinem Urteil vom 14.4.200569 bestätigend festgestellt, dass § 55 Abs. 1 Satz 1 Nummer 3 den Schutz von Sachgütern Dritter außerhalb des Betriebes nicht umfasst und insoweit kein Drittschutz zukommt.70 Zur Berücksichtigung des Sachgüterschutzes Dritter außerhalb des Betriebes vgl. § 48 Rn. 62 ff.

26 d) Kausalität. Die möglichen Gefahren für die von Nummer 3 erfassten Schutzgüter müssen durch den geplanten Betrieb herbeigeführt werden. Ob dies unmittelbar oder mittelbar durch eine bergbauliche Tätigkeit verursacht wird, ist dabei ohne Bedeutung, da sich eine differenzierte Betrachtungsweise aus den Vorschriften des Bundesberggesetzes nicht herleiten lässt.71

27 e) Vorsorge. Der Unternehmer hat für die Schutzgüter Mensch und Sachgüter im Betrieb die erforderliche Vorsorge zu treffen. Mit diesem Vorsorgegrundsatz in Nummer 3 wird der Tatsache Rechnung getragen, dass es bei einem technischen Betrieb – und erst recht bei der Rohstoffgewinnung – keine absolute Sicherheit geben kann und deshalb die Gewährleistung einer solchen Sicherheit72 bei allem Bemühen nicht gefordert werden kann. Vorsorge bedeutet, dass Maßnahmen zum Schutz von Leben und Gesundheit oder Sachgütern zu treffen sind. Dabei ist die Vorsorgeschwelle nach Num-

64 Vgl. Gaentzsch DVBl 1993, 527; vgl. hierzu Kühne/Ehricke Entwicklungslinien des Bergrechts, S. 58; Schmidt-Aßmann/ Schoch Bergwerks- und Grundeigentum im Betriebsplanverfahren, S. 114. 65 BVerwG 16.3.1989, 4 C 36/85, BVerwGE 81, 329; ZfB 1989, 199. 66 BVerwG 13.12.1991, 7 C 25/90, BVerwGE 89, 246; ZfB 1992, 38. 67 BVerwG 16.9.1989, 4 C 36/85, BVerwGE 81, 329, ZfB 1989, 199. 68 Nach Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht, Rn. 29 hätte der Gesetzgeber, wenn er gewollt hätte, bei den Novellen des Bundesberggesetzes eine Klarstellung i.S.d. erweiternden Sachgüterschutzes aufnehmen können. 69 BVerwG 14.4.2005, 7 C 26/03, BVerwGE 123, 247 = ZfB 2005, 156, 160. 70 So auch VG Kassel 13.9.2002, 4 E 1110/99, ZfB 2004, 68, 71. 71 BVerwG 29.4.2010, 7 C 18/09 ZfB 2010, 129, 132; Frenz NVwZ 2011, 86; zweifelnd Kühne DVBl 2010, 874, 883. Das OVG Münster 20.8.2009, 11 A 456/06, ZfB 2009, 261, 268 als Vorinstanz zu diesem Urteil sah über § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 nur die unmittelbaren Gefahren erfasst, während für die mittelbaren Gefahren § 48 Abs. 2 Satz 1 einschlägig ist. 72 Dies sahen die ersten Arbeitsentwürfe des Bundesberggesetzes von 1970 und 1973 sowie der 1. Regierungsentwurf (§ 65 Abs. 1; BR-Drs. 350/75) vor. Kappes

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Zweites Kapitel – Anzeige, Betriebsplan

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mer 3 beim Schutzgut Leben und Gesundheit mit „Gefahren“ niedriger als bei Sachgütern.73 Vorsorge ist geboten, wenn aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse und Erkenntnismöglichkeiten außerhalb rein hypothetischer Betrachtungen mit einer gewissen prognostizierbaren Wahrscheinlichkeit mit Gefahren oder Schäden zu rechnen ist.74 Die Anforderungen an bergbaubedingte Ursachen gehen nicht über diejenigen gegenüber natürlichen Ereignisse hinaus.75 Erfüllt eine Prognose diese Anforderungen, ist es für die Rechtmäßigkeit der Betriebsplanzulassung ohne Bedeutung, ob die Vorhersagen später zutreffen oder nicht.76 Die Vorsorge muss „erforderlich“ sein, d.h. die Maßnahmen müssen zur Verhinderung der möglicherweise auftretenden Gefahren für Leben, Gesundheit sowie für Sachgüter im Betrieb dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechend angemessen und geeignet sein. Dabei ist zwischen Gefahren für Leben und Gesundheit und Gefahren für Sachgüter sowohl in Bezug auf die rechtlichen Prüfungsvoraussetzungen als auch bei der Intensität des Erfahrungsschatzes zu unterscheiden.77 Ob eine Maßnahme zu treffen ist und ggf. welche, hängt vom Einzelfall ab. Der Bergbehörde steht hierbei kein Ermessen zu. Eine vorsorgliche Auferlegung von Vorsichtsmaßnahmen allein unter Risikogesichtspunkten ist nicht zulässig.78 Vorbehaltlich der in Rechtsvorschriften festgelegten konkreten Vorsorgemaßnahmen (vgl. § 55 Rn. 28 ff.) und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit können Vorsorgemaßnahmen innerbetrieblich, z.B. durch Regelungen zur Abbaugeschwindigkeit oder außerhalb des Bergbaubetriebes erfolgen, z.B. durch Messeinrichtung – zur Beobachtung der bergbaubedingten Auswirkungen. Die Vorsorgemaßnahmen hat grundsätzlich der Bergbauunternehmer durchzuführen oder er hat sicherzustellen, dass diese durchgeführt werden, unabhängig davon, ob er diese Maßnahmen im Betriebsplan vorsieht oder die Bergbehörde verlangt. Sind aufgrund bergbaubedingter Gefahren Maßnahmen an Anlagen – außerhalb des Betriebsplanverfahrens und der Zuständigkeit der Bergbehörde – notwendig, wie z.B. Maßnahmen zum Hochwasserschutz an Deichen, reicht es aus, wenn sich die Bergbehörde bei der Zulassung des Betriebsplans vergewissert, dass die von der Rohstoffgewinnung ausgelösten Probleme in dem dafür einschlägigen Verfahren gelöst werden können.79 Ergeben sich aufgrund der natürlichen Unwägbarkeiten bei der Rohstoffgewinnung nach der Betriebsplanzulassung Gefahren für die Schutzgüter der Nummer 3, steht der Bergbehörde das Mittel der nachträglichen Auflage (§ 56 Abs. 1 Satz 2) zur Verfügung.80 Der Gesetzgeber hat in Nummer 3 einige der Vorsorgemaßnahmen allgemein aufgeführt. 28 Die erforderliche Vorsorge gilt grundsätzlich kraft Gesetzes als erfüllt, wenn die Maßnahmen mindestens den allgemein anerkannten Regeln der Sicherheitstechnik entsprechen (1. Halbsatz) und die notwendigen Maßnahmen zur Einhaltung der für den Betrieb geltenden bergrechtlichen und sonstigen Arbeitsschutzvorschriften getroffen werden (2. Halbsatz). Während nach dem 1. Halbsatz das Schutzniveau für die vom Unternehmer zu treffenden Vorsorgemaßnahmen auf der Ebene der allgemein anerkannten Regeln (vgl. § 55 Rn. 39 ff.) festgelegt wird, verlangt der 2. Halbsatz vom Unternehmer die personellen, sachlichen und organisatorischen Maßnahmen, die für die Einhaltung der für den Betrieb geltenden Rechtsvorschriften notwendig sind. Die im 2. Halbsatz vorgesehene Beschränkung auf Maßnahmen zur Einhaltung der Rechtsvorschriften ist folgerichtig, da der Gesetz- und Verordnungsgeber, insbesondere in Bergverordnungen, für allgemeine und spezielle Gefahren bei bergbaulichen Tätigkeiten konkrete Maßnahmen in Ausfüllung des Vorsorgegrundsatzes vorschreibt. Eine allgemeine Festschreibung eines Schutzniveaus, wie im 1. Halbsatz, ist damit entbehrlich. Die Verpflichtungen aus Gesetzen und Rechtsverordnungen sind – auch ohne zugelassenen Betriebsplan – für den Unternehmer rechtsverbindlich. So 73 OVG Münster 20.8.2009, 11 A 456/06, ZfB 2009, 261, 267. 74 OVG Saarlouis 22.8.2001, 2 W 1/01, ZfB 2001, 287, 296; OVG Saarlouis 1.9.1998, 2 R 4/98 (9 R 13/96), ZfB 1998, 171, 198; Keienburg Markscheidewesen 2010, 14, 16. 75 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 55 Rn. 39, Frenz BBergG, § 55 Rn. 61. 76 OVG Saarlouis 22.8.2001, 2 W 1/01, ZfB 2001, 287, 289. 77 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 55 Rn. 43. 78 Frenz NVwZ 2011, 86, 88. 79 BVerwG 29.4.2010, 7 C 18/09, ZfB 2010, 129, 132. 80 OVG Saarlouis 22.11.2007, 2 B 181/07, ZfB 2008, 270, 284. 547

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§ 55

Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

darf der Unternehmer z.B. Beschäftigte erst nach Durchführung einer Vorsorgeuntersuchung einsetzen (§ 2 Abs. 1 GesBergV), muss in grubengasgefährdeten Betrieben entsprechende Messungen durchführen (§ 35 BVOSt) oder hat entsprechend dem Gefährdungspotenzial den Beschäftigten persönliche Schutzausrüstungen zur Verfügung zu stellen (§ 18 ABBergV). Diese Vorsorgemaßnahmen sind grundsätzlich nicht Regelungsgegenstand des Betriebsplans. Dies gilt jedoch nicht, soweit Bergverordnungen nähere Einzelheiten oder weitere Anforderungen an Betriebspläne vorsehen (vgl. z.B. § 22a Abs. 3 ABBergV). Auch können außerhalb des Betriebsplans in Bergverordnungen für bestimmte Anlagen, wie z.B. Schachtförderanlagen, spezielle bergbehördliche Genehmigungen vorgeschrieben werden (§ 4 Abs. 1 BVOS NRW) oder der Einsatz von bestimmten Gefahrstoffen untertage von einer allgemeinen Zulassung abhängig gemacht werden (§ 4 GesBergV). In diesen Fällen reicht ein entsprechender Hinweis auf die vorliegende Genehmigung oder allgemeine Zulassung im Betriebsplan aus (§ 52 Abs. 5), um den Anforderungen der Nummer 3 zu entsprechen. Bei der Festlegung des Schutzniveaus in Bergverordnungen ist der Verordnungsgeber nicht an die Vorgaben des 1. Halbsatzes gebunden,81 so dass das Schutzniveau in Rechtsverordnungen über das der allgemein anerkannten Regeln hinausgehen kann (vgl. § 2 Abs. 4 Nr. 4 ABBergV). Soweit Vorsorgemaßnahmen für bestimmte betriebliche Gefahren Regelungsgegenstand von Rechtsvorschriften sind, besteht grundsätzlich kein Raum mehr für weitergeltende Anforderungen nach dem 1. Halbsatz. 29 Die im 2. Halbsatz vorrangig geltenden Rechtsvorschriften setzen sich aus den Regelungen des BBergG und den Bergverordnungen des Bundes und der Länder sowie sonstigen Arbeitsschutzvorschriften zusammen. Diese sind für den Unternehmer – ohne dass es einer Betriebsplanzulassung bedarf – rechtsverbindlich. Einer Benennung der einschlägigen Rechtsvorschriften im Betriebsplan bedarf es deshalb grundsätzlich nicht.

30 aa) Bergverordnung. Zu den Bergverordnungen, nach denen sich die Maßnahmen i.S.d. Nummer 3 auszurichten haben, zählen Regelungen, die dem Gesundheitsschutz von Menschen innerund außerhalb des Betriebes (vgl. § 55 Rn. 24) und der Betriebssicherheit dienen. Dies sind vor allem die vom Bundeswirtschaftsministerium erlassenen Bergverordnungen. Grundlegend hierfür ist die Allgemeine Bundesbergverordnung vom 23.10.1995, die für die Sicherheit und die Gesundheit der Beschäftigten des Unternehmers bei der Aufsuchung, Gewinnung einschließlich Wiedernutzbarmachung und Aufbereitung von Bodenschätzen und artverwandten Tätigkeiten gilt (§ 1 ABBergV).82 Die ABBergV enthält allgemeine und konkrete Regelungen mit Maßnahmen, die der Unternehmer u.a. zum Schutz der Beschäftigten,83 unter Berücksichtigung der die Arbeit berührenden Umstände zu treffen hat (§§ 2 ff. ABBergV) sowie die Pflichten und Rechte der Beschäftigten (§§ 21, 22 ABBergV). Hierzu zählen neben betriebsorganisatorischen Maßnahmen, die – soweit nicht auf Verordnungsebene konkretisiert – den Stand der Technik, Arbeitsmedizin und Hygiene und sonstigen gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse zu berücksichtigen haben (§ 2 Abs. 4 Nr. 4 ABBergG). Darüber hinaus enthält die ABBergV Anforderungen an die Arbeitsstätten, die Bereitstellung und Benutzung von Arbeitsmitteln und persönlichen Schutzausrüstungen sowie die Sicherheits- und Gesundheitsschutzkennzeichnung. Mit § 3 ABBergV wurde im Bergrecht die Verpflichtung des Unternehmers eingeführt, ein Sicherheits- und Gesundheitsschutzdokument aufzustellen. Der Unternehmer hat hiernach die Gefährdungen für die Beschäftigten zu ermitteln und zu beurteilen sowie unter Berücksichtigung der in Betracht kommenden Umstände und der Beurteilung der Arbeitsbedingungen entsprechende Maßnahmen festzulegen. Zur Erstellung des 81 Die Ermächtigungsnormen für den Erlass von Bergverordnungen (§§ 65 ff.) stellen nur auf das Schutzobjekt ab. 82 Die ABBergV dient der Umsetzung der bergbaulichen Richtlinien 92/91/EWG und 92/104/EWG sowie den allgemeinen Arbeitsschutzrichtlinien 89/391/EWG, 89/655/EWG, 89/656/EWG und 92/58/EWG; Keusgen ZfB 1996, 60; Grigo bergbau 1995, 536. 83 Z.B. § 12 Abs. 1 Satz 2 ABBergV mit der Verpflichtung zur Standsicherheit von Abraumhalden, Kippen, Halden und Absetzbecken. Kappes

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Zweites Kapitel – Anzeige, Betriebsplan

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Sicherheits- und Gesundheitsschutzdokuments können auch andere im Betrieb vorhandene Unterlagen verwendet werden. Dieses Unternehmerdokument ist nicht Bestandteil des Betriebsplans – auch wenn die betrieblichen Maßnahmen in beiden Dokumenten deckungsgleich sein können. Einer Anzeige gegenüber der Bergbehörde oder einer Zulassung durch die Bergbehörde bedarf das Sicherheits- und Gesundheitsschutzdokument nicht; jedoch kann die Bergbehörde überprüfen, ob der Unternehmer seiner Pflicht nachgekommen ist. Zu den die ABBergV ergänzenden und ausfüllenden Bergverordnungen des Bundeswirtschaftsministeriums zählt die Gesundheitsschutz-Bergverordnung, die die Bereiche arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen einschließlich Beschäftigungsverbote,84 Umgang mit Gefahrstoffen und anderen Stoffen sowie Gefährdung durch Staub, Lärm, mechanische Schwingungen, Bildschirme und Lasten regelt. Die Klima-Bergverordnung enthält Vorschriften zum Schutz von untertägig Beschäftigten an warmen/heißen Betriebspunkten. Weitere Einzelheiten vgl. § 66 Rn. 8. Für den Offshore-Bereich ist die Offshore-Bergverordnung zu beachten (vgl. Anhang zu § 49). Die Bundesländer haben in Ergänzung der Bundes-Bergverordnungen verschiedene Bergverordnungen erlassen, die für den Arbeits- und Gesundheitsschutz maßgeblich sind. Hierzu zählen u.a. die allgemeinen Bergverordnungen in den Ländern Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Niedersachsen, Sachsen sowie die Bergverordnung für die Steinkohlenbergwerke (BVOSt), Bergverordnung für die Braunkohlenbergwerke (BVOBr) und die Bergverordnung für die Erzbergwerke, Steinsalzbergwerke und für die Steine- und Erden-Betriebe (BVOESSE) in Nordrhein-Westfalen. Weitgehend inhaltsgleichen Regelungsinhalt enthalten die in einzelnen Ländern erlassene Bergverordnung für Schacht- und Schrägförderanlagen, Bergverordnung für elektrische Anlagen sowie die Tiefbohrverordnung. Da die von Nummer 3 erfassten Schutzgüter auch den Personenschutz außerhalb des Bergbaubetriebes umschließen (vgl. § 55 Rn. 24), sind auch diesbezügliche Vorschriften in Bergverordnungen bei den betrieblichen Maßnahmen zu beachten (z.B. § 8 SächsBergVO). Der Vorsorge von Menschen außerhalb des Betriebes dient u.a. die in § 22a Abs. 5 Satz 1 ABBergV vorgeschriebene Strategie zur Vermeidung schwerer Unfälle bei bergbaulichen Abfallbeseitigungsanlagen. Einige Bergverordnungen enthalten die Möglichkeit, dass die Bergbehörde auf Antrag des Unternehmers unter bestimmten Voraussetzungen eine Ausnahme zu einer Verpflichtung des Unternehmers erteilen kann. Erteilt die Bergbehörde eine Ausnahme, gilt dies als eine mit der Bergverordnung im Einklang stehende Maßnahme.85

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bb) Sonstige Arbeitsschutzvorschriften. Neben den Bergverordnungen hat der Unternehmer 35 gemäß Nummer 3 auch für die Einhaltung „sonstiger Arbeitsschutzvorschriften“ Sorge zu tragen. Sonstige Arbeitsschutzvorschriften sind Rechtsvorschriften des Bundes und der Länder, die den Arbeitgeber verpflichten, Maßnahmen zu treffen, um die Beschäftigten vor den durch die Arbeit drohenden Gefahren zu schützen. Solche allgemeine Arbeitsschutzvorschriften können nur dann für die dem Bundesberggesetz unterliegenden Betriebe Anwendung finden, wenn deren Geltung für diesen Bereich nicht ausgeschlossen ist. Im Hinblick auf die tatsächlichen Besonderheiten bei der Rohstoffgewinnung enthalten einige allgemeine Arbeitsschutzvorschriften für Tätigkeiten und Einrichtungen Sonder- oder Vorrangregelungen zugunsten bergbaulicher Spezialvorschriften. Hierzu zählen u.a. § 1 Abs. 2 ArbSchG, § 1 Abs. 3 Nr. 2 ÜAnlG, § 1b Abs. 1 Nr. 2 SprengG, § 17 Abs. 3 Gesetz über Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit, § 1 Abs. 4 Satz 2 GefStoffV, § 1 Abs. 2 Verordnung zum Schutz von Beschäftigten durch Lärm und Vibrationen, § 1 Abs. 6 ArbstättV, § 1 Abs. 2 Baustellenverordnung, § 1 Abs. 4 PSA-Benutzungsverordnung, § 1 Abs. 2 Arbeitsstättenverordnung, § 1 Abs. 2 BetrSichV. Bei der Formulierung der Sonderregelungen in den einzelnen Rechtsvorschriften zeigt der Ge- 36 setz- und Verordnungsgeber seine große Sprach- und Regelungsvielfalt. Die Regelungen lassen sich 84 BAG 15.6.2004, 9 AZR 483/03, Der Betrieb, 2004, 2643. 85 Z.B. § 42 BVOBr; § 78 BVOESSE; § 58 BVOSt. 549

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Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

in drei Gruppen einteilen. Regelungen, wonach das Gesetz bzw. die Verordnung ausdrücklich nicht für Betriebe oder bestimmte Betriebsteile (wie z.B. untertage) gilt, die dem Bundesberggesetz unterliegen oder einzelne konkret genannte Vorschriften nicht für diese Betriebe zur Anwendung kommen lassen. Hierzu zählen die BetrSichV, Baustellenverordnung, PSA-Benutzungsverordnung, ArbstättV sowie die Verordnung zum Schutz von Beschäftigten durch Lärm und Vibrationen und das SprengG. In diesen ist der uneingeschränkte Vorrang des Bergrechts festgeschrieben. In der GefStoffV und im ArbSchG wird die Ausnahme zugunsten des Bergbaus von „entsprechenden“ bergrechtlichen Vorschriften abhängig gemacht. Das Gesetz über Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit tritt nur zurück, wenn das Bergrecht „gleichwertige“ Regelungen enthält. In beiden Fällen ist zu prüfen, ob bergrechtliche Vorschriften die Anwendung der allgemeinen Arbeitsschutzvorschriften ausschließen. Bei einem Vergleich von „entsprechenden“ Regelungen wird es für einen Ausschluss des allgemeinen Arbeitsschutzrechts ausreichen, wenn der Sachbereich Gegenstand bergrechtlicher Vorschriften ist. Dagegen setzt die „Gleichwertigkeit“ eine inhaltliche materiell-rechtliche Prüfung der einzelnen Vorschriften voraus. Das BBergG und vor allem die ABBergV enthalten Vorschriften, die den Regelungen des ArbSchG zumindest entsprechen, so dass das ArbSchG keine Anwendung in bergbaulichen Betrieben findet. Gleiches gilt für das Gesetz über Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit, soweit die Länder entsprechende Bergverordnungen erlassen haben, wie z.B. die Länder Brb, HB, Nds (BVOASi), NRW (BVOASi), LSA (ASi-BVO) und S-H (BergASiV). 37 Enthalten Gesetze und Verordnungen zum technischen und sozialen Arbeitsschutz keine Regelung zu den bergrechtlichen Vorschriften, finden diese allgemeinen Arbeitsschutzvorschriften uneingeschränkt auch auf Bergbaubetriebe mit ihren Beschäftigten Anwendung. Zu diesen Arbeitsschutzvorschriften zählen u.a. das Jugendarbeitsschutzgesetz, Mutterschutzgesetz, Chemikaliengesetz usw. 38 Unfallverhütungsvorschriften zählen nicht zu den sonstigen staatlich erlassenen Arbeitsschutzvorschriften. Die Bedeutung der Unfallverhütungsvorschriften hat aufgrund der Umsetzungspflichten der EU-Arbeitsschutzrichtlinien abgenommen. Der in dem Regierungsentwurf 1977 in der Nummer 3 enthaltene Hinweis auf die Unfallverhütungsvorschriften wurde auf Veranlassung des Bundesrates gestrichen (vgl. § 55 Rn. 23), um eine Übereinstimmung mit der Ermächtigungsnorm zum Erlass von Unfallverhütungsvorschriften zu erreichen.86 Die Betriebsplanzulassung kann also nicht davon abhängig gemacht werden, dass Vorsorge für die Einhaltung von Unfallverhütungsvorschriften getroffen werden. Dies schließt nicht aus, dass der Unternehmer im Betriebsplan auf einzelne Unfallverhütungsvorschriften verweist.

39 cc) Allgemein anerkannte Regeln. Gesetze und Verordnungen wie auch Bergverordnungen enthalten vor allem beim technischen Arbeitsschutz nicht immer detaillierte Regelungen, da konkrete Anforderungen den vielen unterschiedlichen Arbeitsbedingungen kaum gerecht werden. Auch können zur Ausfüllung der Rechtsvorschriften und zum Stand der Technik von nicht staatlichen Organisationen erlassene technische Regeln dem technischen Fortschritt zeitnaher Rechnung tragen. Nummer 3 1. Halbsatz verpflichtet deshalb den Unternehmer, dass seine Vorsorgemaßnahmen – soweit in Rechtsvorschriften nichts anderes geregelt ist – mindestens das Niveau der allgemein anerkannten Regeln der Sicherheitstechnik haben müssen. Unter allgemein anerkannten Regeln der Technik wird die Gesamtheit der Regeln verstan40 den, die durchweg in den Kreisen der betreffenden Techniker bekannt und als richtig anerkannt sind. Hierbei kommt es nicht darauf an, dass eine Regel die Zustimmung sämtlicher Fachleute findet, entscheidend ist vielmehr, dass die Regel der herrschenden Meinung unter den kompetenten Fachleuten entspricht und sich diese in der Praxis bewährt haben.87 Davon zu unterscheiden

86 BT-Drs. 8/1315, S. 178; BT-Drs. 8/3965, S. 36. 87 BVerwG 30.9.1996, 4 B175/96, UPR 1997, 101; Landmann/Rohmer/Hünnekens Umweltrecht, § 50 WHG Rn. 30. Kappes

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Zweites Kapitel – Anzeige, Betriebsplan

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ist der „Stand der Technik“,88 wonach die praktische Eignung gesichert sein muss und die technische Realisierbarkeit für eine Anforderung als ausreichend anzusehen ist.89 Das Europäische Recht kennt daneben den Standard bester verfügbarer Technik (Best Available Techniques-BAT),90 der dem Stand der Technik vergleichbar ist. „Sicherheitstechnische Regeln“ sind solche Regeln, aus denen diejenigen technischen Maßnahmen einschließlich der Maßnahmen zur Regelung des Betriebes und zur Gestaltung des Arbeitsverfahrens abzuleiten sind, die zur Verhütung von Unfallund Gesundheitsgefahren getroffen werden müssen. Zu diesen wissenschaftlich-technischen Regelwerken zählen die Technischen Regeln für Gefahrstoffe (TRGS), Normen des Deutschen Instituts für Normung (DIN-Normen), Normen des Verbandes für Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik (DIN-VDE-Normen) und Europäische Normen (EN-Normen). Soweit für bergbauliche Betriebe weitergehende Regelungen, z.B. für die Grubensicherheit, entwickelt worden sind, sind diese als spezielle Maßstäbe für die Sicherheitstechnik zugrunde zu legen.91 Wenn die Maßnahmen des Unternehmers den auch auf Bergbaubetriebe zugeschnittenen technischen Regelwerken entsprechen, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass der Unternehmer die erforderliche Vorsorge getroffen hat. Dem Beschäftigtenschutz dienen auch die im ProdSG und seinen Verordnungen festgelegten An- 41 forderungen an technische Geräte und Betriebsmittel und die im ÜAnlG normierten Anforderungen an die Errichtung, Änderung und den Betrieb überwachungsbedürftiger Anlagen. Diese Gesetze gelten auch in Betrieben, die dem Geltungsbereich des BBergG unterliegen, soweit keine bergbauspezifischen Regelungen bestehen (§ 1 Abs. 3 ProdSG, § 1 Abs. 3 Nr. 2 ÜAnlG). Hat der Hersteller das technische Gerät oder das Betriebsmittel für die vorgesehene Verwendung mit einem CE-Zeichen gekennzeichnet, kann der Unternehmer davon ausgehen, dass dieses technische Arbeitsmittel baulich den allgemein anerkannten Regeln der Technik entspricht, so dass bei bestimmungsgemäßer Verwendung keine Gefahren auftreten. Der Einsatz von mit einem CE-Zeichen gekennzeichneten Maschine kann von der Bergbehörde grundsätzlich nicht aus maschineneigenen Gründen untersagt werden, da dies zu einer unzulässigen Behinderung des EU-Binnenmarktes führen würde. Dies schließt nicht aus – soweit notwendig – Verhaltensmaßnahmen festzulegen.92 Die in Nummer 3 aufgezählten Regelungen beziehen sich vorzugsweise auf den Arbeitsschutz 42 und die Betriebssicherheit und stellen – wie das Wort „insbesondere“ verdeutlicht – keine abschließende Aufzählung der Verpflichtungen des Unternehmers dar. Insbesondere im Hinblick darauf, dass Nummer 3 auch den Schutz von Leben und Gesundheit Dritter außerhalb des Betriebes umfasst, hat der Unternehmer – soweit erforderlich – Vorsorgemaßnahmen zum Schutz Dritter zu treffen. So kann z.B. der Betrieb von übertägigen Anlagen mit Staub oder Lärm verbunden sein. Bei der Beurteilung dieser Immissionen und deren Zumutbarkeit können die zum BImSchG erlassenen Technischen Anleitungen, wie die TA Lärm oder TA Luft, zum Anhalt genommen werden.93 Dies gilt z.B. für den Zu- und Abgangsverkehr eines Tagebaus,94 ist jedoch nicht rechtsverbindlich für die ausdrücklich ausgenommenen Tagebaue selbst und die zum Tagebau erforderlichen Anlagen,95 wie z.B. Förderbänder. Werden die Werte der TA Lärm eingehalten, sind ausreichende Vorsorgemaßnahmen getroffen. Ob die in einem Betriebsplan vorgesehenen Maßnahmen ausreichenden Schutz gegen Ge- 43 fahren für Leben, Gesundheit und bestimmte Sachgüter bieten, ist bei der Betriebsplanprüfung nach Lage des Einzelfalls aufgrund des in dem jeweiligen Zeitpunkt vorhandenen Erkenntnisstandes zu beurteilen, wobei die bei planmäßigem Ablauf zu erwartenden künftigen Betriebsent88 89 90 91 92 93 94 95 551

Vgl. Anlage 1 zu § 3 Nr. 11 WHG; Anlage zu § 3 Abs. 6 BImSchG; aber auch § 2 Abs. 4 Nr. 4 ABBergV. Landmann/Rohmer/Kutscheidt Umweltrecht § 3 BImSchG Rn. 30. Z.B. Art. 4 Abs. 3 Richtlinie 2006/21/EG. BT-Drs. 8/1315, S. 111. Vgl. von Mäßenhausen Glückauf 1998, 18. Dies gilt auch, wenn § 22 BImSchG über § 48 Abs. 2 im Betriebsplanverfahren berücksichtigt wird. OVG Bautzen 20.4.2011, 1 A 514/18, ZfB 2011, 243, 246. Diese Ausnahmeregelung übersieht das VG Cottbus in seinem Urteil vom 12.5.2005, 3 K 165/05, ZfB 2006, 198, 204. Kappes

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wicklungen mit in Betracht zu ziehen sind. Die Bergbehörde hat bei ihrer Entscheidung keinen Ermessensspielraum. Der Begriff „erforderliche Vorsorge“ stellt einen unbestimmten Rechtsbegriff dar, dessen Ausfüllung der uneingeschränkten Nachprüfung durch die Verwaltungsgerichte zugänglich ist. 44 Die Bergbehörden einiger Länder haben insbesondere für den Untertagebergbau allgemeine Verwaltungsvorschriften in Form von Richtlinien, Rundverfügungen usw. erlassen, die auch der Vorsorge des Schutzes von Leben, Gesundheit und bestimmter Sachgüter dienen.96 Diese Verwaltungsvorschriften sind zwar nicht für den Unternehmer unmittelbar verbindlich, können aber im Betriebsplan vom Unternehmer übernommen werden oder als Nebenbestimmung zur Betriebsplanzulassung von der Bergbehörde für den Unternehmer verbindlich gemacht werden.

45 f) Drittschutz. Im Hinblick darauf, dass das BVerwG Nummer 3 für den Schutz von Personen inner- und außerhalb des Bergbaubetriebes für anwendbar sieht (vgl. § 55 Rn. 24), ist Nummer 3 insoweit drittschützende Wirkung beizumessen. Der Sachgüterschutz Dritter außerhalb des Bergbaubetriebes ist dagegen hiervon nicht erfasst. Für das nach Art. 14 GG geschützte Grundeigentum vgl. § 48 Rn. 62 ff.

4. Lagerstättenschutz (Nr. 4) 46 Nach Nummer 4 ist bei der Entscheidung über die Betriebsplanzulassung zu prüfen, ob die geplante Tätigkeit und Einrichtungen dem Gesichtspunkt des Lagerstättenschutzes Rechnung tragen. Hiermit wird der in der Zweckvorschrift des Bundesberggesetzes (§ 1 Nr. 1) genannte Lagerstättenschutz in das Betriebsplanverfahren eingefügt. Der Lagerstättenschutz dient dem Ziel, dass eine Lagerstätte im Interesse eines nachhaltigen Handelns sinnvoll abgebaut wird und sich der Abbau zur Ressourcenschonung nicht auf die hochwertigen Lagerstätten beschränkt, sog. Raubbau oder „Filet Bergbau“,97 so dass geringwertige Lagerstättenteile verloren gehen. Der Lagerstättenschutz wurde nicht erst mit dem BBergG im Bergrecht aufgenommen, sondern bereits nach dem Preußischen Gesetz über die Kompetenz der Oberbergämter vom 10.6.1881 zählte „die Wahrung der Nachhaltigkeit des Bergbaus“ zu den Aufgaben der Bergbehörde.98 Dieser Grundsatz hat sich heute zur allgemeinen Handlungsmaxime in Bezug auf die Nutzung von natürlichen Ressourcen entwickelt. 47 Der Lagerstättenschutz ist durch eine äußere und eine innere Komponente gekennzeichnet; er bezieht sich sowohl auf andere Bodenschätze inner- und außerhalb der Lagerstätte als auch auf die Bodenschätze, die abgebaut werden sollen;99 hierzu zählt auch der bergfreie Bodenschatz Erdwärme (§ 3 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 lit. b), auf das Bestehen oder Nichtbestehen einer Bergbauberechtigung kommt es dabei nicht an.100 Den Schutz von bergbauverwandten Tätigkeiten und Einrichtungen (§§ 126 ff.) umfasst Nummer 4 wegen des fehlenden unmittelbaren Bezugs zur Lagerstätte von Bodenschätzen und der Rohstoffgewinnung nicht.101 Bei Betriebsplänen für solche Tätigkeiten, wie z.B. Untergrundspeicher, ist der Lagerstättenschutz hinsichtlich der Rohstoffgewinnung jedoch zu beachten. Mögliche Konfliktsituationen mit anderen Bodennutzungen sind nicht Gegenstand der Nummer 4. Gleiches gilt für die Betriebssicherheit anderer Bergbaubetriebe, die von Nummer 8 erfasst werden.

96 Vgl. z.B. Sammelblatt der Bezirksregierung Arnsberg Abt. 6 A 2. 97 Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht, Rn. 230. 98 Näheres hierzu Boldt/Weller 1. Auflage, § 55 Rn. 23. 99 Kühne Bestandsschutz alten Bergwerkseigentums unter besonderer Berücksichtigung des Art. 14 GG, S. 64. 100 Weller ZfB 1990, 111, 129 f. 101 Müller/Weyer/Oppelt 20 Jahre Recht der Erneuerbaren Energien, S. 660, 682. Kappes

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a) „Äußerer“ Lagerstättenschutz. Die Feststellungen nach Nummer 4 setzen voraus, dass es 48 sich einerseits um ein hinreichend konkretes bevorstehendes Abbauvorhaben, andererseits um eine zur Rohstoffbewertung bekannte Lagerstätte handelt. Der Lagerstättenschutz nach Nummer 4 dient der optimalen Nutzung der heimischen Ressourcen im Hinblick auf ihre unwiederbringliche Substanz.102 Eine langfristige „generationsübergreifende“ Sicherung von Lagerstätten vor einem Abbau würde den Zweck des BBergG, die Rohstoffgewinnung zu ordnen und zu fördern, überdehnen. Die für dieses Ziel notwendigen versorgenden Maßnahmen zählen zu dem Aufgabenbereich der Raum- und Landesplanung.103 Nicht jedes Vorkommen von Bodenschätzen wird von dem Lagerstättenschutz erfasst, sondern nur solche, die durch das geplante Vorhaben konkret beeinträchtigt werden können und deren Schutz wegen der Bedeutung für die Volkswirtschaft im öffentlichen Interesse liegt,104 und zwar unabhängig davon, ob für diese Lagerstätte eine Bergbauberechtigung besteht oder ob die geplante Maßnahme eine bereits im Abbau befindliche Lagerstätte berührt. Auch im letzteren Fall ist keine subjektive Rechtsposition zu prüfen, sondern ist ausschließlich eine rohstoff- und lagerstättenbezogene Betrachtung anzustellen; mögliche sicherheitliche Bedenken gegenüber einem laufenden Betrieb werden von Nummer 8 erfasst. Von Nummer 4 sind nur solche Bodenschätze erfasst, die volkswirtschaftlich von besonderem Gewicht sind und deshalb im öffentlichen Interesse liegen.105 Der Gesetzgeber hat mit der Klassifizierung der Bodenschätze in bergfreie, grundeigene und Grundeigentümer-Mineralien (§ 3) eine grundsätzliche volkswirtschaftliche Bewertung der einzelnen Bodenschätze zum Ausdruck gebracht. Dies bedeutet zwar keinen allgemeinen Vorrang für bergfreie Bodenschätze, kann jedoch zum Anhalt für eine Beurteilung der Lagerstätte genommen werden. Gleiches gilt für die Ausweisung von Lagerstätten im Rahmen der Landesplanung als Vorrang- oder Vorbehaltsgebiet.106 Eine Beeinträchtigung von Bodenschätzen i.S.d. Nummer 4 kann u.a. darin bestehen, dass durch den Abbau einer Lagerstätte die Gewinnung anderer damit in räumlichem Zusammenhang stehenden Bodenschätzen, z.B. bei verschiedenen übereinanderliegenden Lagerstätten, erschwert oder unmöglich gemacht wird. In diesem Fall ist zu prüfen, ob sich durch technische oder organisatorische Maßnahmen eine sinnvolle Nutzung beider Vorkommen ermöglichen lässt. Das kann z.B. durch die Wahl zweckentsprechender Abbaumethoden oder eine zeitliche Abstimmung zwischen den verschiedenen Abbauvorhaben geschehen. Ein Gewinnungsverbot mit einer bestehenden ausreichenden Rohstoffversorgung zu begründen, kann nicht auf Nummer 4 gestützt werden, da es an der erforderlichen konkreten Beeinträchtigung von Bodenschätzen fehlt. Einige LänderBergverordnungen konkretisieren die Anforderungen an den Lagerstättenschutz;107 Abstandsvorschriften und geforderte Sicherheitsabstände dienen dagegen der Betriebssicherheit.108 Werden Gesichtspunkte des Lagerstättenschutzes gemäß dem mit Nummer 4 gleichlautenden § 11 Nr. 9 bereits bei der Erteilung einer Bergbauberechtigung für die Aufsuchung oder Gewinnung bergfreier Bodenschätze von der Behörde geprüft, können im Bergbauberechtigungsverfahren insoweit bekannte Gesichtspunkte des Lagerstättenschutzes nach Erteilung der Erlaubnis, der Bewilligung oder des Bergwerkseigentümers im Betriebsplanverfahren nicht zur Versagung der

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BT-Drs. 8/1315, S. 67. BT-Drs. 8/1315, S. 87; so auch Frenz Sustainable Development durch Raumplanung, S. 80 f. BT-Drs. 8/1315, S. 111. Vgl. auch die Begründung zu der mit Nummer 4 vergleichbaren Regelung im Gesetz zur Demonstration und Anwendung von Technologien zur Abscheidung, zum Transport und zur dauerhaften Speicherung von Kohlendioxid, BT-Drs. 17/5750, S. 40. 106 Kühne DVBl 1984, 709, 711. 107 Vgl. auch § 29 BVOT, § 13 Abs. 2 SächsBergVO. 108 A.A. wohl Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 55 Rn. 70. 553

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Zulassung führen, da andernfalls Entscheidungen des Berechtsamswesens mittels des Betriebsplanverfahrens unterlaufen würden.109

53 b) „Innerer“ Lagerstättenschutz. Die innere Komponente des Lagerstättenschutzes bezieht sich auf den geplanten Abbau der Lagerstätte mit dem Ziel nach einem möglichst vollständigen sparsamen und schonenden Abbau der nicht vermehrbaren Bodenschätze. Der Abbau der Lagerstätte selbst darf hiernach nicht dazu führen, dass durch unsachgemäße Betriebshandlungen volkswirtschaftlich wichtige Lagerstättenteile beschädigt werden. Lagerstätten dürfen aufgrund der Art des Abbaus ohne gewichtige Gründe nicht unwiderlegbar verlorengehen. Hierzu zählt der sog. Raubbau, d.h. die Ausnutzung der besten Teile einer Lagerstätte ohne Rücksicht auf eine spätere wirtschaftliche Abbaumöglichkeit weniger lohnender Teile des Vorkommens.110

54 c) Drittschutz. Der Lagerstättenschutz dient dem öffentlichen Interesse an Bodenschätzen. Jedoch ist aus verfassungsrechtlichen Gründen bei der Beurteilung der Schutzwürdigkeit einer Lagerstätte auch die grundgesetzliche Rechtsposition des Gewinnungsberechtigten zu berücksichtigen.111

5. Schutz der Oberfläche (Nr. 5) 55 Die Aufsuchung und Gewinnung von Bodenschätzen ist unmöglich, wenn nicht ein gewisses Ausmaß von Einwirkungen auf die Oberfläche in Kauf genommen wird.112 Wäre die Bergbehörde oder der Grundeigentümer befugt, alleine wegen der Möglichkeit der Beeinträchtigung der Oberfläche die bergbaulichen Einwirkungen zu verbieten, wäre die Rohstoffgewinnung nicht möglich.113 Diese Kollision hat das ABG mit einer Duldungspflicht des Grundeigentümers gegenüber bergbaubedingten Einwirkungen gelöst und damit – abgesehen von gemeinschädlichen Einwirkungen – den Schutz der Oberfläche grundsätzlich der Bergaufsicht und der Betriebsplanzulassung entzogen.114 Ausgehend von den polizeilichen Aufgaben, für Sicherheit und Ordnung zu sorgen und Gefahren für Personen zu begegnen, war die Oberfläche jedoch nach § 196 Abs. 2 ABG ausnahmsweise Betrachtungsobjekt der Bergbehörde, wenn die Sicherheit des öffentlichen Verkehrs oder die persönliche Sicherheit betroffen ist. Diese Regelung wurde mit Nummer 5 im Wesentlichen übernommen,115 so dass – unabhängig von der Weiterentwicklung der Rechtsprechung zum Schutz des Grundeigentums im Betriebsplanverfahren (vgl. § 48 Rn. 62 ff.) Bergbau nicht ohne jede Rücksicht auf die Erdoberfläche betrieben werden kann.116 Die Oberfläche ist dann Prüfobjekt, wenn über die Veränderung der Oberfläche die persönliche Sicherheit oder der öffentliche Verkehr betroffen sind.117 Hinsichtlich beider Schutzgüter ist Sorge zu tragen, wie

109 Pfadt Rechtsfragen zum Betriebsplan im Bergrecht, S. 153. 110 VGH Mannheim 9.6.1988, 6 S 2973/84, ZfB 1989, 57. 111 Frenz BBergG, § 55 Rn. 113 m.w.N.; Kühne Bestandsschutz alten Bergwerkseigentums unter besonderer Berücksichtigung des Art. 14 GG, S. 64 m.w.N. BT-Drs. 8/1315, S. 111. Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 55 Rn. 71. Die starke Position des Bergbaus bestätigend EGMR, 19.1.2016, 32377/12, NVwZ 2017, 1273. BT-Drs. 8/1315, S. 111. BT-Drs. 8/1315, S. 111. Beyer Die Verantwortung für Gefahren bei der Überplanung und Bebauung risikobehafteter Flächen unter besonderer Berücksichtigung wieder eingetretener flurnaher Grundwasserstände infolge der Stilllegung von Bergbaubetrieben, S. 121.

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sich aus dem Verbindungswort „und“ im Zusammenhang mit dem mit Zulassungsvoraussetzungen aufgebauten § 55 Abs. 1 entnehmen lässt.118 Als Oberfläche gelten nicht nur die unmittelbar in Anspruch genommene Oberfläche, sondern 56 auch unterirdische bauliche Anlagen, wie Keller, Tiefgaragen, Tunnel und Keller, nicht jedoch Grundwasser.119

a) Persönliche Sicherheit. Unter persönlicher Sicherheit ist nur die Sicherheit für Leben und 57 Gesundheit von Personen zu verstehen. Die Sicherheit sonstiger Rechtsgüter, z.B. baulicher Anlagen gegen Bergschäden, ist nicht Regelungsgegenstand der Nummer 5.120 Etwas anderes gilt ausnahmsweise, wenn infolge Abbaueinwirkungen und hinzutretender Umstände (z.B. Erdtreppen, Bruchkanten) ein Gebäude einsturzgefährdet ist.121 Der Unternehmer hat Sorge dafür zu tragen, dass durch seinen Aufsuchungs- oder Gewinnungsbetrieb keine Veränderung der Erdoberfläche eintreten kann, durch die die körperliche Unversehrtheit von Personen bedroht wird, z.B. durch plötzlich eintretende gefährliche Tagesbrüche oder durch einen unverfüllten Stollen oder Schacht verursachte Veränderungen der Oberfläche.

b) Öffentlicher Verkehr. Ferner ist dafür Sorge zu tragen, dass durch bergbauliche Einwirkun- 58 gen auf die Oberfläche der öffentliche Verkehr nicht gefährdet wird. Der öffentliche Verkehr umfasst die Beförderung von Personen oder Gütern auf öffentlichen Straßen, wie z.B. Autobahnen und Plätzen, im Schienenverkehr der Eisen-, Straßen- und Untergrundbahnen des öffentlichen Verkehrs, im Schiffsverkehr auf Wasserstraßen einschließlich Hafenanlagen und im öffentlichen Luftverkehr. Zum öffentlichen Verkehr zählt auch die Beförderung von Nachrichten mit Fernmeldeanlagen.122 Hierzu wird man heute auch Telekommunikationsanlagen zählen, also z.B. Kabelnetze oder ortsfeste Senderanlagen für drahtlose Telekommunikationsanlagen.123 Voraussetzung ist, dass es sich um einen öffentlichen, d.h. jedermann zugänglichen Verkehr handelt, unabhängig von der Organisationsform des Trägers öffentlichen Verkehrs, der in einer privatrechtlichen Organisationsform betrieben wird. Nicht erfasst wird der Privatverkehr auf Grundstücken. Zu den öffentlichen Verkehrsanlagen zählen auch Schifffahrtsstraßen. Der Abbau von 59 Bodenschätzen unter Schifffahrtsstraßen ist grundsätzlich zulässig. Die hierbei zu beachtenden Besonderheiten sind in Nordrhein-Westfalen in den Richtlinien des Landesoberbergamtes NRW für die Handhabung des Betriebsplanverfahrens beim Abbau unter Schifffahrtsstraßen vom 5.10.2000 zusammengefasst. Die Prüfung der Bergbehörde nach Nummer 5 wird dadurch erleichtert, dass der Unterneh- 60 mer von bestimmten untertägigen Bergbauvorhaben verpflichtet ist, seinem Betriebsplan gemäß § 6 EinwirkungsBergV eine zeichnerische Darstellung beizufügen, in der der Einwirkungsbereich der im Betriebsplan vorgesehenen Maßnahme eingetragen ist. Der Einwirkungsbereich stellt den Bereich dar, in dem mit Veränderungen der Oberfläche zu rechnen ist, die zu Gefahren für die persönliche Sicherheit und den öffentlichen Verkehr, aber auch zu Beeinträchtigungen baulicher Anlagen führen können. Die in der Anlage zur EinwirkungsBergV für einzelne Bergbauzweige 118 A.A. Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 55 Rn. 73. 119 BT-Drs. 8/1315, S. 111; Beyer Die Verantwortung für Gefahren bei der Überplanung und Bebauung risikobehafteter Flächen unter besonderer Berücksichtigung, wieder eintretender flurnaher Grundwasserstände infolge der Stilllegung von Bergbaubetrieben, S. 120, mit dem Hinweis auf § 55 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 55 Rn. 76. 120 BVerwG 16.3.1989, 4 C 36/85, ZfB 1989, 199, 205; Neuhaus gen. Wever in: Neuhaus gen Wever/Beckmann (Hrsg.) Aktuelle Probleme des Drittschutzes im Bergrecht (2002), S. 1, 21. 121 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 55 Rn. 77. 122 BT-Drs. 8/1315, S. 149. 123 Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht, Rn. 233. 555

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festgelegten Einwirkungswinkel konkretisieren abstrakt den Bereich, bei dem mit bergbaubedingten Bodensenkungen von mindestens 10 cm zu rechnen ist. Der Unternehmer hat darüber hinaus zu prüfen, ob sich gegen Veränderungen der Erdoberfläche empfindliche Anlagen oder Einrichtungen, wie z.B. öffentliche Verkehrsanlagen, außerhalb des bestimmten Einwirkungsbereichs befinden (§ 5 EinwirkungsBergV). Die Festlegung des voraussichtlichen Einwirkungsbereiches bedeutet jedoch nicht, dass innerhalb des Einwirkungsbereiches Veränderungen der Erdoberfläche mit Beeinträchtigungen von Rechtsgütern eintreten müssen.124

61 c) Vorsorge. Der Unternehmer hat für den Schutz der Oberfläche „Sorge zu tragen“; eine absolute Sicherheit ist wegen der Natur gegebenen Unwägbarkeiten bei der Gewinnung von Bodenschätzen nicht möglich.125 Abgesehen von der außerhalb des Betriebsplanverfahrens bestehenden Verpflichtung des Trägers der öffentlichen Verkehrsanlage und des Bergbaus, gegenseitig Rücksicht zu nehmen (§ 124 Abs. 1 Satz 1), kann den Anforderungen des „Sorgetragens“ durch regelmäßige Beobachtung oder frühzeitiger Anpassungs- und Sicherungsmaßnahmen Rechnung getragen werden.126 Oft werden zwischen dem Bergbauunternehmer und dem Träger der öffentlichen Verkehrsanlage privatrechtliche Absprachen über die Überwachung dieser Anlagen getroffen. In der Regel reicht es zur Erfüllung der Zulassungsvoraussetzungen nach Nummer 5 aus, wenn im Betriebsplan auf solche Übereinkommen verwiesen wird.

62 d) Drittschutz. Der Schutz von Leben und Gesundheit über die drittschützende Wirkung der Nummer 3 ist seit der Entscheidung des BVerwG vom 13.12.1991127 (vgl. § 55 Rn. 24) anerkannt. Einen Drittschutz der Nummer 5 hinsichtlich der persönlichen Sicherheit hat das OVG Saarlouis ausdrücklich abgelehnt und von dem bergbaulichen Vorhaben betroffenen Oberflächeneigentümern Drittschutz im Rahmen der Betriebsplanzulassung in beschränktem Umfang allein durch die §§ 48 Abs. 2, 55 Abs. 1 Nr. 3 BBergG zugebilligt.128 Auch wenn Nummer 5 im Unterschied zu Nummer 3 das Schutzgut Leben und Gesundheit nur erfasst, wenn bergbaubedingte Beeinträchtigungen mittels Oberfläche auftreten, sind Gründe für eine unterschiedliche Bewertung des Drittschutzes beider Nummern nicht ersichtlich. Vielmehr wären die mit dem auslegungsbedürftigen Wortlaut entstandenen Unsicherheiten der Nummer 3 über eine Anerkennung des Drittschutzes über Nr. 5 vermeidbar gewesen.129

6. Abfallverwertung und -beseitigung (Nr. 6) 63 a) Vorbemerkung. Bei bergbaulichen Tätigkeiten fallen in vielfältiger Weise Rückstände an. Dies kann unmittelbar bei der Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung geschehen, wie z.B. Abraum, Berge, Aufbereitungsrückstände, aber auch bei dieser Tätigkeit begleitend anfallen, wie z.B. Rückstände aus Kantinen und Kauen. Nur diese Bergbauabfälle erfasst Nummer 6. Daneben werden bei bergbaulichen Tätigkeiten auch bergbaufremde Abfälle, z.B. zur Wiedernutzbarmachung oder als Versatz, eingesetzt. Der Einsatz dieser Abfälle unterliegt zwar auch der Betriebsplanpflicht 124 125 126 127 128

BR-Drs. 378/82, S. 35. Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 55 Rn. 74. OVG Saarlouis 22.11.2007, 2 B 181/07, ZfB 2008, 270, 277. BVerwG 13.12.1991 7 C 25/90, BVerwGE 89, 246, 249 = ZfB 1992, 38, 40 f. OVG Saarlouis 24.5.2018, 2 A 551/17, ZfB 2018, 219; 22.11.2007; OVG Saarlouis 22.11.2007, 2 B 181/07, ZfB 2008, 270,

277.

129 Eine drittschützende Wirkung der Nummer 5 wird in der Literatur teilweise befürwortet, vgl. Kühne DVBl 2010, 874, 879; Kühne UPR 1992, 218; Schmidt-Aßmann/Schoch Bergwerkseigentum und Grundeigentum im Betriebsplanverfahren, S. 98 f. Kappes

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gemäß § 51, jedoch ergeben sich die materiellen Anforderungen nicht aus Nummer 6, sondern aus anderen Zulassungsvoraussetzungen – z.B. Nummer 7 – und vor allem dem allgemeinen Abfallund Bodenschutzrecht (vgl. Anhang zu § 48 Rn. 1 ff.; 39 ff.). Nummer 6, wonach Bergbau-Abfälle ordnungsgemäß zu entsorgen sind, wurde auf Anregung des Bundesrates während des Gesetzgebungsverfahrens als Zulassungsvoraussetzung aufgenommen. Mit Nummer 6 wird sichergestellt, dass die Entsorgung von Abfällen, die bei der Aufsuchung, Gewinnung, Aufbereitung und Weiterverarbeitung von Bodenschätzen in Bergbaubetrieben anfallen, im Betriebsplanverfahren geprüft wird.130 Gemäß Art. 11 Gesetz zur Beschleunigung von Planungsverfahren für Infrastrukturvorhaben vom 9.12.2006131 wurden nach dem Wort „ordnungsgemäß“ die Worte „verwendet oder“ eingefügt, um die Umsetzung der EG-Richtlinie 2006/21/EG zu ermöglichen132 (vgl. hierzu § 55 Rn. 71).

b) Verhältnis zum KrWG. Wegen des engen betrieblichen Zusammenhangs zwischen der Aufsu- 64 chung, Gewinnung und Aufbereitung mit dem Anfall und der Entsorgung des dabei anfallenden Abfalls waren bei bergbaulichen Tätigkeiten anfallende Abfälle bereits im ersten allgemeinen Abfallbeseitigungsgesetz des Bundes vom 7.6.1972 aus dem Geltungsbereich ausgenommen und ausschließlich Regelungsgegenstand des Bergrechts.133 Diese materiell- und verfahrensrechtliche klare Zweiteilung bestand auch bei Inkrafttreten des BBergG. Eine „Privilegierung“ – wie oft behauptet –134 ist damit nicht verbunden;135 dies gilt gesetzgeberisch spätestens mit Geltung des § 22a ABBergV; außerdem entspricht diese Regelungsart der europäischen Rechtslage mit der Abfallrahmenrichtlinie136 und der Bergabfallrichtlinie.137 Die bergbauliche Ausnahmeregelung im KrW-/AbfG wurde anschließend mehrfach durch zusätzliche Kriterien (u.a. Unmittelbarkeit, Üblichkeit) zugunsten des allgemeinen Abfallgesetzes eingeschränkt, ohne dass der Geltungsbereich der Nummer 6 geändert wurde.138 Nach der heute geltenden Ausnahmevorschrift des § 2 Abs. 2 Nr. 7 KrWG gilt das KrWG und die darauf gestützten Rechtsverordnungen nicht für Abfälle, die unmittelbar beim Aufsuchen, Gewinnen und Aufbereiten sowie bei der damit zusammenhängenden Lagerung von Bodenschätzen in Betrieben anfallen, die der Bergaufsicht unterliegen und nach den bergrechtlichen Vorschriften entsorgt werden. Die vor dem KrWG geltende Ausnahmeregelung des § 2 Abs. 2 Nr. 4 KrW-/AbfG war einerseits enger, da sie sich zusätzlich auf solche Abfälle beschränkte, die „üblicherweise“ nur bei bergbaulichen Tätigkeiten anfallen, andererseits war sie weiter, da sie auch die Weiterverarbeitung einschloss. Auf die bisherige Bergbauüblichkeit kommt es heute dagegen nicht an (vgl. § 55 Rn. 72). Der Wegfall der „Weiterverarbeitung“ bedeutet praktisch keine Rechtsänderung, da diese ggf. gemäß § 4 Abs. 3 Satz 3 einen Teil der Aufbereitung darstellt. Da § 2 Abs. 2 Nr. 7 KrWG Tätigkeiten in Bergbaubetrieben erfasst und das KrWG selbst keine Bestimmung der Begriffe Aufsuchen, Gewinnen und Aufbereitung enthält, ist auf die Begriffsbestimmung des BBergG (§ 4 Nr. 1 bis 3) zurückzugreifen,139 wobei die Wiedernutzbarmachung und die Ablagerung bergbaulicher Abfälle als der Gewinnung nachfolgende Tätigkeit anzusehen sind. Während sich die Betriebsplanzulassungsvoraussetzung der Nummer 6 auf eine herkunftsbezogene Umschreibung der Abfälle beschränkt, enthält § 2 Abs. 2 Nr. 7 KrWG mit der 130 131 132 133

BT-Drs. 8/1315, S. 179; BT-Drs. 8/3965, S. 137. BGBl. I S. 2833, 2852. BT-Drs. 16/3158, S. 24, 45. § 1 Abs. 3 Nr. 3 AbfG – „Abfälle, die beim Aufsuchen, Gewinnen, Aufbereiten und Weiterverarbeitung von Bodenschätzen in den der Bergaufsicht unterstehenden Betrieben anfallen“; zur Entstehungsgeschichte der Ausnahmeregelung vgl. auch Jarass/Petersen, KrWG, § 2 Rn. 74 f. 134 Brockhoff UPR 2013, 254; G. Hansmann/Sellner/Franßen Grundzüge des Umweltrechts (2012), Abfallwirtschaftsrecht, Kapitel 14, Rn. 51. 135 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 55 Rn. 91. 136 Art. 2 Abs. 2 lit. d) Richtlinie 2008/98/EG. 137 Richtlinie 2006/21/EG. 138 Zur Rechtslage vor dem KrWG vgl. Kropp NuR 2003, 526; Freytag NuR 1996, 334; Hopf ZfB 1990, 150. 139 Jarass/Petersen KrWG, § 2 Rn. 77. 557

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Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

„Unmittelbarkeit“ eine zusätzlich auf die Art des Anfalls abstellende Einschränkung. Da der Gesetzgeber trotz der verschiedenen Änderungen des allgemeinen Abfallgesetzes das BBergG hieran nicht angepasst und selbst bei der abfallrechtlichen Ergänzung der Nummer 6 im Jahre 2006 auf eine weitergehende Anpassung an die Ausnahmevorschrift des KrW-/AbfG verzichtet hat, besteht die bei Erlass des BBergG klare Abgrenzung zwischen BBergG und allgemeinen Abfallrecht nicht mehr. Neben den ausschließlich dem Bergrecht unterliegenden unmittelbar anfallenden Bergbauabfällen überschneiden sich die Geltungsbereiche des BBergG und des KrWG140 bei nicht unmittelbar anfallenden Bergbauabfällen.141 Eine dritte Gruppe stellen die im Bergbau eingesetzten nicht im Betrieb angefallenen sog. bergbaufremden Abfälle dar (vgl. Anhang zu § 48 Rn. 5).

65 c) Abfallbegriff. Nummer 6 gilt für Abfälle. Eine Definition des Begriffs Abfall enthält das Bergrecht nicht, so dass auf die Begriffsbestimmung des allgemeinen Abfallrechts zurückgegriffen werden muss.142 Danach sind Abfälle grundsätzlich alle Stoffe und Gegenstände, denen sich der Besitzer entledigt, entledigen will (subjektiver Abfallbegriff) oder entledigen muss (objektiver Abfallbegriff) (§ 3 Abs. 1 KrWG). Auf den Wert des Stoffes oder Gegenstandes kommt es dabei nicht an.143 Eine Entledigung ist anzunehmen, wenn sich der Besitzer eines Stoffes oder Gegenstandes einer der in der Anlage 2 KrWG nicht abschließend genannten Verwertungsverfahren oder einem in Anlage 1 KrWG beispielhaft genannten Beseitigungsverfahren zuführt. Zu den Beseitigungsverfahren zählt u.a. auch die Ablagerung in oder auf dem Boden, wie z.B. bei Deponien (Anlage 1 D 1 KrWG) und Halden, das Verpressen pumpfähiger Bergbauabfälle in Bohrlöchern, Salzdome oder natürliche Hohlräume (Anlage 1 D 3) und die Dauerlagerung in Bergwerken (Anlage 1 D 12). Der subjektive Entledigungswille ist auch gegeben, wenn die ursprüngliche Zweckbestimmung des Stoffes oder Gegenstandes entfällt, ohne dass ein neuer Verwendungszweck unmittelbar an deren Stelle tritt (§ 3 Abs. 3 Nr. 2 KrWG). Für die Beurteilung der Zweckbestimmung ist die Auffassung des Besitzers unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung maßgeblich. Bei Zahlung eines Entgelts für die Überlassung eines Stoffes oder Gegenstandes ist zu prüfen, ob die Voraussetzungen für ein Nebenprodukt gemäß § 4 KrWG vorliegen (vgl. § 55 Rn. 66). Der Besitzer muss sich eines Stoffes oder Gegenstandes entledigen (objektiver Abfallbegriff), wenn diese nicht mehr entsprechend ihrer ursprünglichen Zweckbestimmung verwendet werden, aufgrund ihres konkreten Zustandes geeignet sind, gegenwärtig oder künftig das Wohl der Allgemeinheit, insbesondere die Umwelt, zu gefährden oder deren Gefährdungspotenzial nur durch eine ordnungsgemäße und schadlose Verwertung oder gemeinwohlverträgliche Beseitigung ausgeschlossen werden kann (§ 3 Abs. 4 KrWG). 66 Ein Abfall ist von einem Produkt und Nebenprodukt abzugrenzen. Zielt die Tätigkeit auf die „Herstellung“ einer Sache, wie z.B. die Gewinnung von Bodenschätzen, ab, stellt der Bodenschatz ein Produkt dar. Die bisher über den Begriff der Entledigung erfolgte Abgrenzung des Begriffs Abfall zum Nebenprodukt oder „Nicht-Abfall“ ist über § 4 KrWG entschärft worden. § 4 KrWG setzt Art. 5 EG-Richtlinie 2008/98/EG (Abfallrahmenrichtlinie) um, der wiederum auf die vom EuGH entwickelten Abgrenzungskriterien fußt, insbesondere die Urteile Palin Granit C-9/00144 und Aves-

140 Die auf Vorschlag des Umweltausschusses gefasste Formulierung des § 2 Abs. 2 Nr. 7 KrWG hat nicht zu der gewünschten klaren Abgrenzung von BBergG und KrWG sowie zur Vermeidung von Doppelregelungen geführt (BTDrs. 17/7505, S. 23). § 2 Abs. 2 Nr. 7 KrWG entspricht zwar mit den Kriterien Herkunft und Unmittelbarkeit dem Anwendungsbereich des § 22a ABBergV, nicht jedoch dem nur auf die Herkunft abstellenden „berggesetzlichen“ Abfallbegriff der Nummer 6. 141 A.A. wohl BVerwG 14.4.2005, 7 C 26/03, ZfB 2005, 156, 161, das i.S.d. § 2 Abs. 2 Nr. 4 KrW-/AbfG von Nummer 6 nur „bergbauspezifische“ Abfälle erfasst sieht, ohne näher auf die Gesetzeshistorie und den Wortlaut einzugehen. 142 Diese Regelungstechnik entspricht Art. 3 Nr. 1 Richtlinie 2006/21/EG. Brockhoff UPR 2013, 254; Frenz/Stelter Bergbauliche Abfälle und Emissionshandel, S. 45, 46. 143 Frenz FS BDE (2011), S. 68, 70. 144 EUGH 18.4.2002, C-9/00, Slg 2002, I 3533 = ZfB 2002, 141. Kappes

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Zweites Kapitel – Anzeige, Betriebsplan

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ta/Polarit 114/01.145 § 4 KrWG nennt abschließend vier Abgrenzungskriterien für das Vorliegen eines Nebenproduktes. Hiernach ist ein Stoff oder Gegenstand, auf den das Herstellungs-, Behandlungs- oder Nutzungsverfahren nicht primär gerichtet ist, kein Abfall, wenn die weitere rechtmäßige Verwendung unter Beachtung der hierfür einschlägigen Anforderungen der Produkt-, Umwelt- und Gesundheitsschutzanforderungen sichergestellt, eine über das normale industrielle Verfahren hinausgehende Vorbehandlung hierfür nicht erforderlich und integraler Bestandteil eines Herstellungsprozesses ist.146 Zu den Herstellungs- und industriellen Produktionsverfahren zählen auch bergbauliche Tätigkeiten,147 d.h. die Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung von Bodenschätzen. Bereits bei der bergbaulichen Tätigkeit muss der Bergbauunternehmer wissen, welche Verwendungsabsicht er mit dem bei der Bodenschatzgewinnung mitanfallenden Stoffe hat.148 Abraum und Oberboden, der zur Gewinnung von Bodenschätzen entfernt und anschließend, ggf. nach einer betriebsbedingten Zwischenlagerung, zur Stabilisierung des Tagebaus oder Böschungen sowie zur Wiedernutzbarmachung eingesetzt wird, ist Teil des Gewinnungsverfahrens149 und erfolgt im Einklang mit den bodenschutzrechtlichen Anforderungen (§ 12 Abs. 2 Satz 2 BBodSchV), so dass diese Massen nicht als Abfall zu qualifizieren sind. Dabei kommt es nicht darauf an, ob sich der Ort der Ablagerung an der Abbaustelle auf einem Gelände in der Nähe befindet oder in größerer Entfernung z.B. wegen einer betriebsübergreifenden Bewirtschaftung.150 Das Gleiche gilt für die bei der Aufbereitung anfallenden Rückstände. Die neben den primär gewonnenen Bodenschätzen gemäß § 42 anderen mitgewonnenen Bodenschätze stellen keinen Abfall dar.151 Kann ein bei bergbaulichen Tätigkeiten anfallender Stoff ordnungsgemäß verkauft werden, mangelt es diesem an der Eigenschaft als Abfall.152 Die Voraussetzungen als Nebenprodukt erfüllen Berge (taubes Gestein) verschiedener Kornfraktionen aus der Gewinnung oder Aufbereitung, die z.B. zum Deich- und Dammbau oder anderweitig eingesetzt werden, oder andere Stoffe, die bei der Gewinnung und Aufbereitung anfallen, wie z.B. Filterkuchen, und ohne erhebliche Vorbehandlung entsprechend den Produktanforderungen verkauft werden können oder im Bergbaubetrieb wieder verwendet werden. Für Abfälle und Nebenprodukte, die mineralische Ersatzbaustoffe sind, gelten ab dem 1.8.2023 die Anforderungen der durch Art. 1 der MantelV153 eingeführten Ersatzbaustoffverordnung. Eine Reihe bergbaulicher Maßnahmen ist gem. § 1 Abs. 2 vom Anwendungsbereich der Verordnung ausgenommen. Für die erfassten Maßnahmen regelt die Verordnung künftig bundeseinheitliche und rechtsverbindliche Anforderungen an die Herstellung und den Einbau mineralischer Ersatzbaustoffe in technische Bauwerke und dient der Begrenzung des Eintrags von Schadstoffen durch Sickerwasser in den Boden und das Grundwasser.154 (Siehe näher Anhang § 48 Rn. 9a). Im Gegensatz zur bisherigen Definition erfasst der Abfallbegriff des § 3 Abs. 1 KrWG nicht 67 nur bewegliche Sachen, sondern alle Stoffe und Gegenstände. Da für die materiell-rechtlichen Anforderungen der von Nummer 6 erfassten Abfälle § 22a ABBergV oder das KrWG maßgeblich ist und beide Rechtsvorschriften mit § 22a Abs. 7 ABBergV bzw. § 2 Abs. 2 Nr. 10 und Nr. 11 KrWG 145 EUGH 11.9.2003, C-114/01, Slg 2003, I-8725 = ZfB 2003, 207. 146 Im Einzelnen hierzu Schink UPR 2012, 201, 206; vgl. hierzu auch Mitteilung der Kommission zu Auslegungsfragen betreffend Abfall und Nebenprodukte vom 21.2.2007 (KOM (2007) 59 endgültig) und Guidance Dokument der Kommission (Guidance on the interpretation of Key provisions of Directive 2008/98/EC on waste). 147 BT-Drs. 17/6052, S. 76. 148 BT-Drs. 17/6052, S. 180; VGH Mannheim 19.9.2013, 10 S 1725/13, juris Rn. 7. 149 BR-Drs. 795/07, S. 16; BT-Drs. 16/10330, S. 50; so bereits EuGH 11.9.2003, C-114/01, Slg 2003, I-8725 (Avesta/Polarist), ZfB 2003, 207. 150 EuGH 18.4.2002, C-9/00, Slg. 2002, I-3553, Rn. 42. 151 Attendorn NuR 2008, 153, 155 – so auch bereits VG Gelsenkirchen 1.7.1977, 5 K 1913/74, ZfB 1978, 230, 236. 152 Stevens ZUR 2012, 338, 347. 153 Verordnung zur Einführung einer Ersatzbaustoffverordnung, zur Neufassung der Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung und zur Änderung der Deponieverordnung und der Gewerbeabfallverordnung vom 9.7.2021, BGBl. I S. 2598. 154 BR-Drs. 566/17, S. 205. 559

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Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

gleichlautende Ausnahmen zu ihrem jeweiligen Anwendungsbereich enthalten, geht der Anwendungsbereich des Bergbauabfallrechts nicht weiter als der des allgemeinen Abfallrechts.155 Diese Ausnahmeregelung ist deshalb auch für die Bestimmung des Anwendungsbereiches der Nummer 6 maßgeblich. 68 Gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 10 KrWG und dem gleichlautenden § 22a Abs. 7 Nr. 1 ABBergV gelten das KrWG und § 22a ABBergV nicht für Böden am Ursprungsort (Boden in situ), einschließlich nicht ausgehobener, kontaminierter Böden und Bauwerke, die dauerhaft mit dem Grund und Boden verbunden sind. Mit diesen im Einklang mit Art. 2 Abs. 1 lit. b Abfallrahmenrichtlinie stehenden Ausnahmeregelungen156 zum Geltungsbereich wird nach der Gesetzesbegründung zum KrWG sichergestellt, dass sich die abfallrechtlichen Anforderungen wie bisher auf bewegliche Sachen fokussieren.157 Die Ausnahmeregelungen stellen auf die räumliche Zuordnung zum Ursprungsort und nicht darauf ab, wie der Boden sich zusammensetzt. Maßgeblich ist nach dem BVerwG158 allein, ob die Bestandteile des Bodens – ebenso wie Bauwerke, die dauerhaft mit dem Grund und Boden verbunden sind – im Rechtssinne gemäß § 94 Abs. 1 BGB als wesentlich anzusehen sind. Allein hiernach richtet es sich – auch in zeitlicher Hinsicht – wie lange abgelagerte Stoffe und Gegenstände sich am betroffenen Ort befunden haben müssen, bis dieser zu deren Ursprungsort im Rechtssinne geworden ist. Dies gilt auch für das Bergwerkseigentum, auf das die für Grundstücke geltenden Vorschriften des BGB Anwendung finden (§ 9 Abs. 1, 151 Abs. 1). Die Verbindung des unkörperlichen Bergwerkseigentümers mit den körperlichen Bestandteilen besteht in einem funktionellen Zusammenhang.159 Dieser besteht bei übertägigen baulichen Anlagen, wie z.B. Maschinenhaus und Förderturm160 und Halden sowie bei Grubenbauen, Strecken, Stollen und Schächten.161 Ein wesentlicher Bestandteil liegt auch vor, wenn Bestandteile dieses „Bauwerks“ nicht getrennt werden können, ohne dass der eine oder andere Teil zerstört oder in seinem Wesen verändert wird (§ 93 BGB). Hierzu zählen z.B. Kabelschächte, Abwasserkanäle, Rohrleitungen und Fundamente162 sowie Schacht- und Stollenanlagen,163 mit ihren Ausbauen, wie Schacht-, Streb-, Stollen- und Streckenausbaue und Ankerausbau einschließlich Spritzbeton und eingebauten Versatz.164 Auch Leitungen und Sonden zur Erdwärmenutzung werden als wesentlicher Bestandteil des Bergwerkseigentums angesehen.165 69 Vom Anwendungsbereich ausgenommen sind gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 11 KrWG auch nicht kontaminiertes Bodenmaterial und andere natürlich vorkommende Materialien, die bei Bauarbeiten ausgehoben wurden, sofern sichergestellt ist, dass die Materialien in ihrem natürlichen Zustand an dem Ort, an dem sie ausgehoben wurden, für Bauzwecke verwendet werden. Die wörtliche Übernahme dieser Regelung aus dem KrWG in § 22a Abs. 7 Nr. 2 ABBergV spricht dafür, dass „Bauarbeiten“ und „Bauzwecke“ auch bergbauliche Tätigkeiten umfassen. Mit der Regelung soll sichergestellt werden, dass aus dem Boden gewonnene Baumaterialien dem Bereich freier wirtschaftlicher Verwendung innerhalb eines Vorhabens zur Verfügung stehen, also keinen abfall155 Nr. II 1 Kriterien für die Abgrenzung bergbaulicher Abfälle (§ 22a Abs: 1 Satz 1 ABBergV, § 2 Abs. 2 Nr. 7 KrWG) des Länderausschusses Bergbau (Stand: Mai 2014), ZfB 2014, 245, 246. 156 Bei der Auslegung kann nicht auf die Rechtsprechung des EUGH zu der aufgehobenen Richtlinie 2006/12/EG zurückgegriffen werden; so aber Schink/Versteyl/Dippel KrWG, § 2 Rn. 52. 157 BT-Drs. 17/6052, S. 70. 158 BVerwG 26.7.2016, 7 B 28/15, ZfB 2016, 289. 159 Elgeti NuR 2013, 634, 635. 160 Gojowczyk Das Bergwerkseigentum als Gegenstand der Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen, S. 133, mit weiteren Beispielen aus der Rechtsprechung. 161 OVG Lüneburg 19.10.2011, 7 LB 57/11, ZfB 2012, 142; OVG Münster 8.12.2005, 11 A 2436/02, ZfB 2006, 61, 64; VG Gera 12.2.2009, 5 K 1708/07, juris. 162 BT-Drs. 17/6052, S. 70. 163 OLG Jena 30.5.1995, 8 U 1096/94, juris. 164 Nr. II.1 Kriterien für die Abgrenzung bergbaulicher Abfälle (§ 22a ABBergV, § 2 Abs. 2 Nr. 7 KrWG) des Länderausschusses Bergbau (Stand: Mai 2014), ZfB 2014, 245, 246. 165 Ludes Das Bergwerkseigentum in der Insolvenz, S. 85. Kappes

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Zweites Kapitel – Anzeige, Betriebsplan

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rechtlichen Beschränkungen unterliegen, soweit sie nicht kontaminiert sind. Wie bei Bauarbeiten wird zur Gewinnung in Tagebauen Boden und anderes natürliches Material entnommen und nach der Gewinnung wieder im Rahmen des Betriebes, z.B. zur Sicherung der Böschungen oder der Wiedernutzbarmachung im selben Betrieb eingesetzt. Für diesen Abraum und Oberboden kommt es auf die Abgrenzungskriterien des § 4 KrWG nicht an.

d) Abfallanfall. Nummer 6 erfasst die Abfälle, die durch und bei Tätigkeiten entstehen, auf die 70 sich die Betriebsplanzulassung bezieht,166 d.h. die bei bergbaulichen Tätigkeiten gewollt oder zwangsläufig anfallen. Dagegen fällt der Einsatz von Abfällen, die nicht bei Bergbautätigkeiten anfallen, wie z.B. der Einsatz bergbaufremder Abfälle als Versatz, nicht unter Nummer 6. Der Einsatz dieser Abfälle unterliegt jedoch der Betriebsplanpflicht. e) Ordnungsgemäße Entsorgung. Die anfallenden Abfälle sind ordnungsgemäß zu verwer- 71 ten oder zu beseitigen. Das im Gesetzestext verwendete Wort „Verwendung“ ist im Einklang mit der abfallrechtlichen Terminologie des Begriffspaares Verwertung und Beseitigung als Verwertung zu lesen.167 Eine Verwertung oder Beseitigung bergbaulicher Abfälle ist ordnungsgemäß, wenn sie im Einklang mit den öffentlich-rechtlichen Vorschriften steht. Zu den öffentlich-rechtlichen Vorschriften zählen vor allem die abfallbezogenen Rechtsvorschriften. Welche das im Einzelnen sind, hängt von der Art des Anfalls des Abfalls ab.

aa) Unmittelbarer bergbaulicher Abfall. Für die Konkretisierung der materiell-/abfallrechtli- 72 chen Anforderungen ist entscheidend, ob diese Abfälle unmittelbar bei der bergbaulichen Tätigkeit anfallen. Für Abfälle, die „unmittelbar“ bei der Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung sowie Lagerung von Bodenschätzen anfallen, findet § 22a ABBergV Anwendung (§ 22a Abs. 1 Satz 1 ABBergV), mit dem die EG-Richtlinie 2006/21/EG über die Bewirtschaftung von Abfällen aus der mineralgewinnenden Industrie und zur Änderung der Richtlinie 2004/35/EG für Betriebe, die dem Geltungsbereich des BBergG unterliegen, in nationales Recht umgesetzt wurde.168 Dabei kommt es nicht darauf an, ob diese Abfälle auf dem Festland oder offshore anfallen.169 Die unmittelbar anfallenden bergbaulichen Abfälle sind gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 7 KrWG spiegelbildlich vom Anwendungsbereich des KrWG ausgenommen. Dies umschließt auch die bei Wiedernutzbarmachung anfallenden Abfälle, da die Wiedernutzbarmachung eine dem Lösen von Bodenschätzen nachfolgende Gewinnung darstellt. Die Unmittelbarkeit stellt damit das alleinige Kriterium für die Abgrenzung der materiell-rechtlichen Anforderungen des allgemeinen Abfallrechts und des Bergrechts dar. Dagegen kommt es im Einklang mit dem EU-Recht nach der geltenden Rechtslage nicht mehr darauf an, ob diese Abfälle üblicherweise nur bei Bergbautätigkeiten anfallen – also „bergbautypisch“ sind (§ 2 Abs. 2 Nr. 4 KrW-AbfG). Das bedeutet, dass auch bergbauatypische anfallende Abfälle von der Ausnahmeregelung des KrWG erfasst werden.170 Mit der Streichung der

166 Frenz UPR 2007, 81, 82. 167 Durch ein redaktionelles Versehen während des Gesetzgebungsverfahrens ist aus dem Wort „Verwertung“ das Wort „Verwendung“ geworden, Marder-Bungert/von Mäßenhausen AbfallR 2008, 266, 268. 168 Zur Entstehung und Inhalt des § 22a ABBergV Kullmann mining geo 2012, 851, 856; Attendorn NuR 2008, 153; Herrmann Die EG-Bergbauabfallrichtlinie und ihre Umsetzung in deutsches Bergrecht, 12. DGW-Forschungstage, Dresden 15.6.2009; Marder-Bungert/von Mäßenhausen AbfallR 2008, 266; von Mäßenhausen AbfallR 2004, 51. Für die nicht dem BBergG unterliegenden Mineralgewinnungsbetriebe wurde die Richtlinie 2006/21/EG mit der Gewinnungsabfallverordnung vom 27.4.2009 umgesetzt. 169 Die Ausnahmeregelung für offshore-Abfälle in Art. 2 Abs. 2 c Richtlinie 2006/21/EG hat der deutsche Verordnungsgeber nicht übernommen. 170 Schink/Versteyl/Dippel KrWG § 2 Rn. 43; a.A. Brockhoff UPR 2013, 254, 255. 561

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§ 55

Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

Beschränkung auf bergbautypische Abfälle ist zunächst eine Erweiterung der von der Ausnahmeregelung erfassten Abfälle verbunden und damit eine Änderung der bisherigen Rechtslage. Der Begriff „unmittelbar“ kann auch im Lichte der Bergbauabfallrichtlinie 2006/21/EG nicht i.S.v. bergbautypischen Abfällen verstanden werden,171 da die in der Richtlinie 2006/21/EG verwendeten Begriffe „direkt“ und „unmittelbar“ nur etwas zu dem Verhältnis zwischen der Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung einerseits und dem Abfall andererseits aussagen und nicht dazu, ob der Abfall nur im Bergbau anfällt. Die Unmittelbarkeit kann nicht allein als Kausalität zwischen Abfallanfall und bergbaulicher Tätigkeit verstanden werden; vielmehr kommt es auf den spezifischen Zusammenhang zu den bergbaulichen Tätigkeiten an.172 Dieser Zusammenhang kann sich aus einem betrieblichen oder räumlichen Verhältnis – nicht jedoch aus einem zeitlichen Zusammenhang zwischen Bergbautätigkeit und Abfall ergeben (§§ 2 Abs. 1 Nr. 1, 4 Abs. 3 Satz 1 – letzter Halbsatz).173 Als unmittelbar anfallende bergbauliche Abfälle sind – soweit keine weitere Nutzung innerhalb der Bergbautätigkeit oder Verkauf an Dritte als Produkt erfolgt – u.a. bei der Aufsuchung oder Gewinnung anfallender Vortriebs-, Grob- und Waschberge und sonstige Berge, Flotationsabgänge sowie sonstige schlammartige Abfälle aus der Aufbereitung,174 Kalkschlämme aus der Kokerei, bei der Gewinnung anfallende Rückstandssalze, soweit sie nicht als Teil des Gewinnungsverfahrens als Versatz eingesetzt werden, Rückstände aus der Aufbereitung von Salzen einschließlich Fehlchargen,175 bei der Erdgasgewinnung anfallendes Lagerstättenwasser, Bohrschlämme und Spülungen sowie Schlämme und Filterkuchen aus der Grubenwasserbehandlung und sonstige Rückstände zu betrachten. „Nicht direkt“176 auf die Bergbautätigkeit zurückzuführen, d.h. mittelbar anfallende Abfälle, sind dagegen hausmüllähnliche Abfälle, wie z.B. Verpackungsmaterial, Abfälle aus Waschkauen oder Nahrungsmittelabfälle der Beschäftigten.177 Die Unmittelbarkeit wird nicht durch Überlassung der Abfälle an Dritte unterbrochen, da es allein auf den Anfall und nicht auf die weitere Verwendung der Abfälle ankommt.178 Für unmittelbar angefallene Abfälle ist § 22a ABBergV solange anwendbar bzw. greift die Ausnahmeregelung des § 2 Absatz Nr. 7 KrWG, wie die Verwertung oder Beseitigung dieser Abfälle im Geltungsbereich des BBergG erfolgt. Die Unmittelbarkeit bleibt auch erhalten, wenn solche Abfälle aus einem oder mehreren Bergbaubetrieben mittels Transport über öffentliche Straßen zu einem anderen Ort, z.B. einer Zentralhalde, gebracht und beseitigt werden, solange die Entsorgung unter Geltung des BBergG erfolgt.179 Dies gilt auch bei Verladen, Beförderung, Abladen, Lagern und Ablagern, d.h. begleitende Tätigkeiten, soweit es mit dem Aufsuchen, Gewinnen und Aufbereiten in unmittelbarem betrieblichen Zusammenhang steht (§ 2 Abs. 1 Nr. 1). Die Errichtung einer Abraum- oder Bergehalde und die Transporte im Bergbaubetrieb zur Bergehalde zählen zu der bergbaulichen Gewinnung.180 Werden unmittelbar anfallende Bergbauabfälle dagegen zur Entsorgung auf eine Deponie für Siedlungsabfälle verbracht, gilt hierfür nicht mehr das Bergrecht, sondern das allgemeine Abfallrecht.181

171 172 173 174 175

Jarass/Petersen KrWG § 2 Rn. 79. Attendorn NuR 2008, 153, 156; Marder-Bungert/von Mäßenhausen AbfallR 2008, 266, 268; Frenz UPR 2007, 81. Vgl. zur Rechtslage unter KrW-/AbfG VGH Mannheim 20.10.1998, 14 S 1037/98, ZfB 1999, 25, 29. Vgl. Erwägungsgrund 4 Richtlinie 2006/21/EG. Nr. III.1 Kriterien für die Abgrenzung bergbaulicher Abfälle (§ 22a ABBergV, § 2 Abs. 2 Nr. 7 KrWG) des Länderausschusses Bergbau (Stand: Mai 2014), ZfB 2014, 245, 249. 176 Art. 2 Abs. 2 Richtlinie 2006/21/EG. 177 Vgl. Erwägungsgrund 8 Richtlinie 2006/21/EG. Bei den in dem Erwägungsgrund genannten Beispielen (Altöle, Altfahrzeuge, Altbatterien und Altakkumulatoren) kommt es auf den Einzelfall an; a.A. Brockhoff UPR 2013, 254, 255. 178 Kropp NuR 2003, 526, 527; a.A. Schink/Versteyl/Dippel KrWG, § 2 Rn. 42. 179 BT-Drs. 17/6092, 69; Erwägungsgrund 8 EG-Richtlinie 2006/21/EG. 180 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 55 Rn. 108. 181 BT-Drs. 17/6092, S. 69; Versteyl/Mann/Schomerus KrWG, § 2 Rn. 26. Kappes

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Zweites Kapitel – Anzeige, Betriebsplan

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bb) § 22a ABBergV. Fallen bei der Bergbautätigkeit unmittelbar Abfälle an, ist für die Verwertung 73 und Beseitigung dieser Abfälle abfallrechtlich allein § 22 ABBergV maßgeblich.182 Dies gilt sowohl für die Verwertung als auch für die Beseitigung dieser Abfälle, nicht jedoch für das Einleiten von Wasser oder das Wiedereinleiten von abgepumptem Grundwasser gemäß Art. 11 Abs. 3 lit. j) erster und zweiter Anstrich Richtlinie 2000/60/EG, soweit die Einleitungen nach Maßgabe der §§ 47 und 48 WHG zugelassen werden können (§ 22a Abs. 6 Satz 1 ABBergV)183 sowie wenn natürlich vorkommendes Material und nicht kontaminiertes Bodenmaterial bei Bergbautätigkeiten ausgehoben und anschließend dort wieder eingesetzt wird (§ 22a Abs. 7 Nr. 2 ABBergV). Gemäß § 22a Abs. 1 ABBergV hat der Unternehmer für diese bergbaulichen Abfälle in seinem Betrieb geeignete Maßnahmen zu treffen, um Auswirkungen auf die Umwelt sowie sich daraus ergebende Risiken für die menschliche Gesundheit soweit wie möglich zu vermeiden oder zu vermindern. Welche konkreten Anforderungen für die unmittelbar angefallenen Bergbauabfälle im Einzelnen zu berücksichtigen sind, hängt davon ab, ob diese verwertet oder beseitigt werden und welche Qualität sie haben. Da das Bergrecht keine Definition der Begriffe Verwertung und Beseitigung enthält, ist auf die Begriffsbestimmung des KrWG zurückzugreifen. Verwertung ist ein Verfahren, als dessen Hauptergebnis die Abfälle entweder in der Anlage oder in der weiteren Wirtschaft einem sinnvollen Zweck zugeführt werden, indem sie entweder andere Materialien ersetzen, die sonst zur Erfüllung einer bestimmten Funktion verwendet worden wären oder in dem die Abfälle so vorbereitet werden, dass sie die Funktion erfüllen (§ 3 Abs. 23 KrWG). Entscheidend ist hiernach die Substitutionsfunktion. Eine Verwertung kann über- oder untertage erfolgen (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 4 KrWG und Art. 10 EG-Richtlinie 2006/21/EG). Die für die Verwertung in § 6 KrWG vorgegebene Abfallhierarchie (Vermeidung, Wiederverwendung, Recycling, sonstige Verwertung, insbesondere energetische Verwertung und Verfüllung, Beseitigung) findet aufgrund der abschließenden Regelung des § 22a ABBergV für unmittelbar anfallende bergbauliche Abfälle keine Anwendung.184 Eine Beseitigung ist jedes Verfahren, das keine Verwertung ist (§ 3 Abs. 26 KrWG). Für die Verwertung von bergbaulichen Abfällen in Bergbaubetrieben ist § 22a Abs. 1 und 74 2 ABBergV zu beachten. Werden bergbauliche Abfälle aus bergtechnischen oder bergsicherheitlichen Zwecken oder zur Wiedernutzbarmachung in einen Abbauholraum eingebracht, stellt dies keine Beseitigung dar, da diese Abbauholräume keine Abfallentsorgungsanlage darstellen (§ 22a Abs. 3 Satz 8 ABBergV). Unter Abbauholraum ist im Hinblick auf Art. 10 EG-Richtlinie 2006/21/EG sowohl ein Tagebau als auch im Untertagebergbau entstandener Hohlraum oder Grubenbau zu verstehen; jedoch keine Halde.185 Ein Erfordernis, dass diese bergbaulichen Abfälle aus dem Abbauholraum stammen müssen, in den sie eingebracht werden, lässt sich weder aus § 22a Abs. 3 Satz 8 ABBergV noch Art. 10 EG-Richtlinie 2006/21/EG herleiten.186 Soweit die bei bergbaulichen Tätigkeiten anfallenden Rückstände nicht im Rahmen der Betriebsführung als (Neben-)Produkt anzusehen sind (§ 55 Rn. 66) und nicht unter die Ausnahmeregelung des § 22a Abs. 7 Nr. 2 ABBergV fallen (vgl. § 55 Rn. 69), stellt der Einsatz bergbaulicher Abfälle aus bergtechnischen oder bergsicherheitlichen Zwecken oder zur Wiedernutzbarmachung eine Verwertung dar, da hierdurch der Einsatz anderer Stoffe ersetzt wird; dies gilt auch für die Wiedernutzbarmachung einer Halde mittels bergbaulicher Abfälle. Bei der Beseitigung bergbaulicher Abfälle sind die differenzierten Anforderungen an Ab- 75 fallentsorgungsanlagen gemäß § 22a Abs. 3 bis 5 ABBergV maßgeblich. Eine Abfallentsorgungsanlage ist ein vom Unternehmer ausgewiesener Bereich für die Sammlung oder Ablagerung von festen, flüssigen, gelösten oder in Suspension gebrachten bergbaulichen Abfällen, die je nach ihrer 182 Die frühere Diskussion, was unter „ordnungsgemäßer Abfallentsorgung“ zu verstehen ist, – vgl. Piens/Schulte/ Graf Vitzthum BBergG, § 55 Rn. 128 – ist für unmittelbar anfallende Bergbauabfälle nach Geltung des § 22a ABBergV obsolet. 183 Vgl. Art. 2 Abs. 2c Richtlinie 2006/21/EG. Zur Auslegung der Ausnahmevorschrift ist auf die höherrangige Gesetzesfassung des § 82 Abs. 6 Satz 2 WHG abzustellen (vgl. Anhang zu § 48 Rn. 192). 184 Vgl. zum Abfallbewirtschaftungsplan Anhang 5 zu § 22a Abs. 2 Nr. 2 ABBergV. 185 Attendorn NuR 2008, 153, 160. 186 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 55 Rn. 142a; a.A. Attendorn NuR 2008, 153, 160. 563

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Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

Qualität einen bestimmten Lagerungszeitraum überschreiten (§ 22a Abs. 3 Satz 7 ABBergV). Hierzu zählen Halden und Sedimentationsbecken, gebietsweise auch als Klärteiche, industrielle Absetzanlagen oder Absinkweiher oder Schlammlagerplätze bezeichnet. Für Abfallentsorgungseinrichtungen sind die im Anhang 6 zu § 22a Abs. 3 Satz 1 ABBergV enthaltenen zusätzlichen Regelungen zu beachten. Auch kann auf das Referenzdokument über die besten verfügbaren Techniken für die Bewirtschaftung von Abfällen aus der mineralgewinnenden Industrie (Best Available Techniques (BAT) Reference Document for the Management of Waste from Extractive Industries – MWEI BREF (2018))187 zurückgegriffen werden.188 Soweit das Bergrecht keine ausreichend konkreten oder spezifischen Anforderungen enthält, können für die ordnungsgemäße Entsorgung von bergbaulichen Abfällen andere Umweltvorschriften zum Anhalt genommen werden. So wird man bei der Herstellung natürlicher Bodenfunktion mit bergbaulichem Abfall die Qualitätsmaßstäbe des BBodSchG (§ 12 BBodSchV) zum Anhalt nehmen. Dies gilt jedoch nicht für Konturierung einer Halde, da der Haldenkörper kein Boden i.S.d. § 2 BBodSchG ist.189 Mit dem in das Bergrecht neueingeführten Abfallbewirtschaftungsplan (§ 22a Abs. 2 AB76 BergV)190 soll die betriebliche Planung der Entsorgung bergbaulicher Abfälle gestärkt werden. Er stellt – unabhängig vom und neben dem Betriebsplan – ein neues Instrument dar.191 Unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Nachhaltigkeit,192 der ökologische, soziale und wirtschaftliche Gesichtspunkte umfasst, ist es das Ziel des Abfallbewirtschaftungsplans, das Entstehen von Abfällen und deren Schadstoffpotenzial zu vermindern, die Verwertung bergbaulicher Abfälle zu fördern sowie deren ordnungsgemäße Beseitigung zu sichern (Anhang 5 Nr. 1 ABBergV). Objekt des Abfallbewirtschaftungsplans ist der unmittelbar anfallende bergbauliche Abfall, nicht jedoch andere Abfälle oder Nichtabfälle, wie z.B. Abraum. Hiernach sind im Abfallbewirtschaftungsplan die wesentlichen Aspekte der Verwertung und Beseitigung unmittelbar anfallender bergbaulicher Abfälle einschließlich Stilllegungsmaßnahmen darzustellen, wozu u.a. auch die Charakterisierung der Abfälle (Anhang 5 Nr. 4.1 ABBergV)193 und die Einstufung der Abfallentsorgungsanlage nach Kriterien für ein besonderes Gefährdungspotenzial (Anhang 5 Nr. 4.8)194 sowie die Konzeption zur Stilllegung (Anhang 5, Nr. 4.7) zählen. Wie der Begriff Konzeption verdeutlicht, wird im Abfallbewirtschaftungsplan kein dem Betriebsplan vergleichbarer Detaillierungsgrad der Angaben verlangt. Eine Abhängigkeit zwischen Betriebsplan und Abfallbewirtschaftungsplan besteht nur soweit, dass dem Betriebsplan ein Abfallbewirtschaftungsplan beizufügen ist, soweit dieser noch nicht angezeigt wurde (Anlage 6 Nr. 4 ABBergV). Der Abfallbewirtschaftungsplan ist vom Unternehmer aufzustellen und anzupassen.195 Er kann auf Angaben, die Bestandteil des Betriebsplans, anderer behördlicher Verfahren oder anderer Unterlagen sind, verweisen (Anhang 5 Nr. 1 Satz 2 ABBergV). Der Abfallbewirtschaftungsplan ist vom Unternehmer durch Vorlage bei der Bergbehörde anzuzeigen (§ 22a Abs. 2 Satz 1 ABBergV). Er bedarf keiner Genehmigung durch die Bergbe187 Abrufbar als englische Sprachversion unter: https://eippcb.jrc.ec.europa.eu/sites/default/files/inline-files/jrc109657_ mwei_bref_-_for_pubsy_online.pdf. OVG Magdeburg 3.11.2021, 2 M 18/21, ZfB 2022, 9, 16. Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 55 Rn. 199. Näheres hierzu Brockhoff UPR 2013, 254. BR-Drs. 795/07, S. 16. Vgl. Anhang 5 Nr. 1 ABBergV. Hierzu siehe auch Entscheidung der Kommission 2009/360 EG zur Ergänzung der technischen Anforderungen für die Charakterisierung der Abfälle gemäß der Richtlinie 2006/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die Bewirtschaftung von Abfällen aus der mineralgewinnenden Industrie vom 30.4.2009 (ABl. 110 S. 28) = ZfB 2009, 101 ff. 194 Hierzu siehe auch Entscheidung der Kommission 2009/337/EG über die Festlegung der Kriterien für die Einstufung von Abfallentsorgungseinrichtungen gemäß Anhang III der Richtlinie 2006/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die Bewirtschaftung von Abfällen aus der mineralgewinnenden Industrie vom 20.4.2009 (Abl. 102 S. 7) = ZfB 2009, 90 ff. 195 Im Gegensatz dazu werden die Abfallwirtschaftspläne gemäß § 31 KrWG von den Ländern aufgestellt.

188 189 190 191 192 193

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hörde.196 Er ersetzt keinen Betriebsplan und ist auch kein Teil dessen, von dem die Zulassung abhängig gemacht werden kann. Er ist vielmehr ein Unternehmer-Dokument, das mit dem Sicherheits- und Gesundheitsschutzdokument für den Bereich der Sicherheit und Gesundheit nach § 3 ABBergV vergleichbar ist. Die Bergbehörde kann jedoch prüfen, ob der Abfallbewirtschaftungsplan den Anforderungen des § 22a ABBergV genügt und ggf. ihre Missbilligung durch eine Anordnung (§ 71) ausdrücken. Der Unternehmer hat den Abfallbewirtschaftungsplan alle fünf Jahre auf wesentliche Veränderungen des Betriebes aus abfallwirtschaftlichen Aspekten zu überprüfen und ggf. anzupassen (§ 22 Abs. 2 Satz 2 ABBergV). Der Unternehmer von Abfallentsorgungseinrichtungen mit besonderem Gefährdungspoten- 77 zial – Anlagen der Kategorie A (§ 22a Abs. 3 Satz 6 Nr. 1 i.V.m. Anhang III Richtlinie 2006/21/ EG197) ist darüber hinaus verpflichtet, einen Notfallplan mit unfallrelevanten Angaben aufzustellen und eine Strategie zur Vermeidung schwerer Unfälle zu entwickeln(§ 22a Abs. 5 ABBergV), soweit diese Anlage nicht bereits einen Betriebsbereich umfasst, der gemäß § 3 Abs. 5a BImSchG der EG-Richtlinie 96/82/EG (Seveso II-Richtlinie) unterliegt. Nach § 3 Abs. 5a letzter Halbsatz BImSchG und Art. 4 lit. g) EG-Richtlinie 96/82/EG gilt diese EG-Richtlinie für solche Bergebeseitigungseinrichtungen, einschließlich Bergeteiche und Absetzbecken, die gefährliche Stoffe gemäß Anhang I EG-Richtlinie 96/82/EG enthalten, insbesondere, wenn sie in Verbindung mit der chemischen und thermischen Aufbereitung von Mineralien verwendet werden. Für andere Abfalldeponien und Beseitigungsanlagen ist § 22a Abs. 3 Satz 6 Nr. 1 ABBergV zu beachten. Außerdem hat der Unternehmer – ohne dass der Bergbehörde hierbei ein Ermessen gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 zusteht – eine Sicherheitsleistung oder etwas Gleichwertiges zu erbringen (§ 22a Abs. 3 Satz 4 ABBergV). Zweifel, dass die gesetzlichen Vorgaben des § 56 Abs. 2 Satz 1 durch die niederrangige Verordnung der ABBergV geändert werden kann, wird man i.S. einer europarechtskonformen Auslegung als ausgeräumt betrachten können.198 Die EG-Kommission hat zur Berechnung der Höhe der Sicherheitsleistung die Entscheidung 2009/335/EG erlassen.199 Anstelle der in § 232 BGB bestimmten Sicherheiten können eine Konzernbürgschaft, eine Garantie oder sonstiges Zahlungsversprechen eines Kreditinstituts oder handelsrechtlich zu bildende betriebliche Rückstellungen als gleichwertige Sicherheit anerkannt werden (Anhang 7 Nr. 2 ABBergV) (vgl. § 56 Rn. 38 ff.).200 Das BVerwG hat in seinem Urteil vom 26.6.2008201 zur Deponieverordnung Rückstellungen mit Hinweis auf die fehlende Insolvenzfestigkeit als Sicherheit abgelehnt. Ob diese Auffassung auf Anhang 7 Nr. 2 ABBergV übertragbar ist, erscheint zweifelhaft, da das BVerwG seine Auffassung mit fehlender Ermächtigungsgrundlage im KrW-/AbfG begründet und § 66 Satz 3 BBergG weiter gefasst ist. Schließlich ist die Zulassung einer Abfallentsorgungseinrichtung der Kategorie A – unabhängig von ihrem Flächenbedarf – UVP-pflichtig (§ 1 Nr. 4a UVP-V Bergbau). Für die Stilllegung und Nachsorge von Abfallentsorgungseinrichtungen enthält Anhang 6 78 Nr. 6 ABBergV konkretisierende Regelungen, die sich im Rechtsrahmen des BBergG bewegen. Daneben sind nach dem OVG Magdeburg auch die Anforderungen der Nr. 2 des Anhangs 6 zu erfül196 Brockhoff UPR 2013, 254, 257. 197 Abfallentsorgungseinrichtungen werden in Kategorie A eingestuft, wenn – die Risikoabschätzung, bei der Faktoren wie derzeitige oder künftige Größe, Standort und Umweltauswirkungen der Abfallentsorgungssicherheit berücksichtigt wurden, ergibt, dass ein Versagen oder der nicht ordnungsgemäße Betrieb, wie z.B. das Abrutschen einer Halde oder ein Dammbruch, zu einem schweren Unfall führen könnte, oder – die Anlage Abfälle enthält, die gemäß der Richtlinie 91/689/EWG ab einem bestimmten Schwellenwert als gefährlich eingestuft werden, oder – die Anlage Stoffe oder Zubereitungen enthält, die gemäß den Richtlinien 67/548/EWG bzw. 1999/45/EG ab einem bestimmten Schwellenwert als gefährlich eingestuft werden. 198 Keienburg ZfB 2013, 243, 246. 199 Entscheidung der Kommission 2009/335/EG über technische Leitlinien für die Festsetzung der finanziellen Sicherheitsleistung gemäß Richtlinie 2006/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die Bewirtschaftung von Abfällen aus der mineralgewinnenden Industrie vom 20.4.2009 (ABl. L 101 S. 25) = ZfB 2009, 89. 200 Vgl. die ähnliche Regelung in Nr. 2 Satz 3 Anhang zu § 13 Abs. 3 SeeAnlV. 201 BVerwG 26.6.2008, 7 C 50/07, BVerwGE 131, 251, Rn. 11. 565

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len.202 Wird nach der Beseitigung der bergbaulichen Abfälle – soweit möglich – eine Gestaltung und Wiedernutzbarmachung der Oberfläche, z.B. einer Halde oder einer anderen bergbaulichen Beseitigungsanlage, vorgenommen, können dafür auch bergbaufremde Materialien unter Beachtung der Umweltanforderungen im Betriebsplan zugelassen werden. Eine drittschützende Wirkung kommt § 22a ABBergV nicht zu.203 § 22a ABBergV ist am 1.5.2008 in Kraft getreten.204 Zu diesem Zeitpunkt betriebene Abfallentsorgungseinrichtungen mussten mit Ausnahme der Vorschriften für Sicherheitsleistungen bis 1.5.2012 angepasst werden (§ 22 Abs. 4 Satz 1 ABBergV). Nach der Übergangsregelung des § 22a Abs. 4 ABBergV unterliegen Abfallentsorgungseinrichtungen, die vor dem 1.5.2006 die Annahme von Abfällen eingestellt haben und deren Stilllegung bis Ende 2010 tatsächlich abgeschlossen wurde, nicht den Anforderungen des § 22a ABBergV. Gleiches gilt erst recht für Abfallentsorgungseinrichtungen, die vor dem 1.5.2008 bereits stillgelegt waren.205 Eine solche klarstellende Regelung enthält Art. 24 Abs. 2 Richtlinie 2006/21/EG. Mit den Begriffen „Einstellung“ und „Stilllegung“ ist der Verordnungsgeber des § 22a ABBergV zwar der Terminologie der Richtlinie 2006/21/EG gefolgt, jedoch wird man im Kontext der berggesetzlichen Wortwahl (§ 53) den Begriff „Stilllegung“ als „Einstellung“ lesen müssen. Einstellungsmaßnahmen, wie z.B. die Wiedernutzbarmachung der in Anspruch genommenen Oberfläche, sind im Abschlussbetriebsplan darzustellen. Nach der Durchführung dieser Maßnahmen ist der Betrieb endgültig eingestellt. Für diese Feststellung bedarf es für vor dem 1.5.2008 stillgelegte Betriebe keiner Schlussabnahme. Eine Nachsorgephase kann sich nach der Einstellung anschließen (Anhang 6, Nr. 6 Satz 1 ABBergV). Für Abfallentsorgungseinrichtungen, die vor Inkrafttreten des BBergG stillgelegt wurden, kann hinsichtlich der Feststellung der Einstellung nur dann auf einen Abschlussbetriebsplan zurückgegriffen werden, wenn die vor Inkrafttreten des BBergG geltenden Berggesetze der Länder für die Einstellung einen Abschlussbetriebsplan vorgeschrieben haben. Maßgeblich sind die zum Zeitpunkt der Einstellung geltenden Rechtsvorschriften (vgl. auch § 169 Rn. 4). Von der Übergangsregelung des § 22a Abs. 4 ABBergV sind die Voraussetzungen der einzelnen Verpflichtungen des § 22a ABBergV zu unterscheiden. Auch wenn die Voraussetzungen für die Übergangsregelung nicht vorliegen, bedeutet das nicht, dass z.B. für nach dem 1.5.2008 in Stilllegung befindliche bergbauliche Abfallentsorgungseinrichtungen ein Abfallbewirtschaftungsplan vorzulegen ist. Zwar ist im Abfallbewirtschaftungsplan auch eine „Konzeption“ zur Stilllegung, Nachsorge und Überwachung darzustellen (Anhang 5, Nr. 4.7 ABBergV), jedoch knüpft die Verpflichtung zur Vorlage des Abfallbewirtschaftungsplans gemäß § 22a Abs. 2 Satz 1 ABBergV an die „Verwertung“ und „Beseitigung“ von Abfällen an. Die Entsorgung von Abfällen umfasst jedoch nicht die Einstellung bzw. Stilllegung von Abfallentsorgungsanlagen. Sowohl das BBergG (§ 53) als auch das KrWG (§ 31) unterscheiden zwischen der Gewinnung bzw. Entsorgungstätigkeit und der Stilllegung. Dies steht auch im Einklang mit dem Zweck des Abfallbewirtschaftungsplans, der zukunftsorientiert im Vorfeld der bergbaulichen Tätigkeit auf die Konzeption und Planung der Abfallbewirtschaftung abstellt und nicht parallel zum Betriebsplan materiell-rechtliche Anforderungen an die Zulassung der Stilllegung stellt. Bei der Anwendung des § 22a ABBergV kommt bei der Verwertung und Beseitigung unmittelbar anfallende Bergbauanfälle, das KrWG – auch hinsichtlich der Abfallhierarchie (§ 6 KrWG) – nicht zur Anwendung (§ 2 Abs. 2 Nr. 7 KrWG), jedoch sind die Anforderungen des Umweltschutzes, u.a. des WHG und – soweit Boden betroffen ist – BBodSchG zu beachten.206 Einer abfallrechtlichen oder immissionsschutzrechtlichen Genehmigung bedarf es dagegen nicht. Werden unmittel202 203 204 205 206

OVG Magdeburg 3.11.2018, 2 M 18/21 = ZfB 2022, 9,15. VG Kassel 2.8.2012, 4 L 81/12.Ks = ZfB 2013, 61, 72. Art. 3 Dritte Verordnung zur Änderung bergrechtlicher Verordnungen vom 24.1.2008, BGBl. I S 85. Kullmann mining geo 2012, 851, 858. § 22a ABBergV ist hinsichtlich des Bodenschutzes nicht abschließend, da das Bergrecht keine ausreichend konkreten Anforderungen zum Bodenschutz enthält, so auch Attendorn NuR 2008, 153, 161; vgl. auch BVerwG 14.4.2005, 7 C 26/03 = ZfB 2005, 156 zum Bodenschutz beim Einsatz bergbaufremder Abfälle. A.A. Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, Kappes

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bar angefallene Abfälle mit anderen bergbaufremden Abfällen beseitigt, kommt es für die Anwendung des § 22a ABBergV und dem KrWG auf das Mengenverhältnis von bergbaufremden und bergbaulichen Abfall an.207 Wird dagegen der bergbaufremde Abfall zu bergbaulichen Zwecken verwendet, z.B. zum Modulieren der Haldenfläche oder zur Wiedernutzbarmachung, findet das bergrechtliche Verfahren Anwendung.

cc) Mittelbarer bergbaulicher Abfall. Für die bei bergbaulichen Tätigkeiten nicht unmittelbar 83 anfallenden Bergbauabfälle, wie z.B. Nahrungsrückstände von Beschäftigten, findet zwar § 22a ABBergV keine Anwendung, jedoch die Zulassungsvoraussetzung der Nummer 6. Für die abfallrechtliche Konkretisierung der ordnungsgemäßen Entsorgung dieser Abfälle ist das KrWG maßgeblich.208 Abfälle, die nicht bei bergbaulichen Tätigkeiten anfallen, aber bei diesen Tätigkeiten eingesetzt werden, wie z.B. der Einsatz von bergbaufremden Abfällen als Versatz in untertägigen Betrieben, unterliegen, ohne dass Nummer 6 einschlägig ist, verfahrensmäßig der Betriebsplanpflicht, wobei vor allem die materiell-rechtlichen Anforderungen des KrWG maßgeblich sind.209

f) Drittschutz. Im Einklang mit §§ 7 Abs. 3, 15 Abs. 2 KrWG ist es Zweck der bergrechtlichen 84 abfallrechtlichen Vorschriften, dass die Verwertung und Beseitigung bergbaulicher Abfälle schadlos erfolgt, d.h. keine Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit eintritt. Selbst wenn dies allgemein auch dem Schutz des Menschen dient, ist durch diese Normen unmittelbar nicht der Schutz eines abgrenzbaren Personenkreises zu entnehmen, der eine drittschützende Wirkung entfalten könnte.210 Nummer 6 vermittelt somit keinen Drittschutz gegenüber Personen. Gleiches gilt für § 22a ABBergV.211 g) Bergbau-Abfall außerhalb des Bergbaubetriebs. Nummer 6 verpflichtet den Unterneh- 85 mer nicht, die Verwertung oder Beseitigung der bergbaulichen oder sonst bei der bergbaulichen Tätigkeit anfallenden Abfälle auf einem dem Bergrecht unterliegenden Gelände durchzuführen. Der Unternehmer kann entscheiden, ob er die Entsorgung dieser Abfälle in seinem oder einem anderen unter Bergaufsicht stehenden Betrieb oder auf einem nicht unter dem Geltungsbereich des BBergG liegenden Gelände selbst oder durch einen Dritten durchführt bzw. durchführen lässt. Nummer 6 und § 22a ABBergV sind maßgeblich für die Entsorgung der im Bergbaubetrieb angefallenen Abfälle in einem Betrieb, der dem Geltungsbereich BBergG unterliegt. Dies kann auch auf einer für mehrere Bergbaubetriebe betriebenen Zentralhalde212 oder in einem von einem anderen Bergbauunternehmen geführten Bergbaubetrieb erfolgen. Erfolgt die Entsorgung außerhalb des Geltungsbereichs des BBergG, verlieren diese Abfälle mit Verlassen des Betriebsgeländes ihre Eigenschaft als Bergbau- und bergbaulicher Abfall und unterliegen allein den Vorschriften des KrWG,213 da die Ausnahmeregelung des § 2 Abs. 2 Nr. 7 KrWG auch auf die Entsorgung unter § 55 Rn. 142a mit Hinweis auf Erwägungsgrund 24 EG-Richtlinie 2006/21/EG. Der fehlende Hinweis auf das Bodenschutzrecht im Erwägungsgrund ist aus dem Fehlen eines europäischen Bodenschutzrechts begründet. 207 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 55 Rn. 118; a.A. Attendorn NuR 2008, 153, 157. 208 Dies steht im Einklang mit den europäischen Vorgaben der EG-Richtlinien 2006/21/EG, da diese Richtlinie nur für die unter § 22a ABBergV fallenden Abfälle gilt. 209 BVerwG 14.4.2005, 7 C 26/03, ZfB 2005, 156, 160. 210 BVerwG 16.9.1993, 4 C 28/91, BVerwGE 94, 151, 158, zur inhaltsgleichen Vorgängerregelung des § 10 Abs. 4 Krw-/ AbfG, OVG Lüneburg 24.1.1986, 7 OVG B 39/85, NVwZ 1986, 322 Rn. 19; VG Göttingen 23.9.2002 4 A 4078/02, Nds VBl 2003, 60. 211 VG Kassel 2.8.2012, 4 L 81/12.Ks, ZfB 2013, 61, 72. 212 BT-Drs. 17/6092, S. 69; i.d.S. auch Erwägungsgrund 8 EG-Richtlinie 2006/21/EG; Versteyl/Mann/Schomerus KrWG, § 2 Rn. 26. 213 Kropp NuR 2003, 526, 528; Freytag NuR 1996, 334, 335. 567

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Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

Bergaufsicht abstellt. Für den nach Nummer 6 erforderlichen Nachweis der ordnungsgemäßen Entsorgung der Abfälle ist es in diesem Fall ausreichend, wenn der Unternehmer den Namen des Transports- und Entsorgungsunternehmens sowie den Ort und die Art der Entsorgung angibt.

86 h) Einsatz bergbaufremder Abfälle. Zum Einsatz bergbaufremden Abfalls in Bergbaubetrieben siehe Anhang zu § 48 Rn. 5 ff.

7. Wiedernutzbarmachung (Nr. 7) 87 Die Aufsuchung und Gewinnung von Bodenschätzen ist zwangsläufig mit der Inanspruchnahme der Oberfläche verbunden, unabhängig davon, ob die Gewinnung über-, untertägig oder mittels Bohrungen erfolgt. Die an die Lagerstätte gebundene dynamische Betriebsweise bei der Gewinnung führt zu einer – manchmal Jahrzehnte dauernden – vorübergehenden „Inanspruchnahme der Oberfläche“. Damit diese Flächen nach der bergbaulichen Tätigkeit wieder für andere Nutzungen zur Verfügung stehen, zählte es bereits nach den vor dem BBergG geltenden Berggesetzen der Länder zu den Aufgaben der Bergbehörde, für die Ordnung und Sicherung der Oberflächennutzung und Gestaltung der Landschaft nach dem Abbau zu sorgen (196 Abs. 2 ABG).214 Diese aus damaligen Umweltgesichtspunkten fortschrittliche Gesetzgebung wurde mit dem BBergG weiterentwickelt. Die Bedeutung der Wiedernutzbarmachung hat der Gesetzgeber durch die ausdrückliche Nennung bei der Umschreibung des Geltungsbereiches des BBergG hervorgehoben (§ 2 Abs. 1 Nr. 2) und als integrierter Teil bergbaulicher Tätigkeit insbesondere im Hinblick auf die Erfordernisse eines modernen Umweltschutzes bezeichnet.215 Nach Nummer 7 ist die erforderliche Vorsorge zur Wiedernutzbarmachung der Oberfläche 88 zu treffen. Mit der Wiedernutzbarmachung sollen die Voraussetzungen für eine Nachnutzung der Oberfläche geschaffen werden.216 Die auf die geplante Nachnutzung ausgerichtete Wiedernutzbarmachung217 stellt danach keine Wiederherstellung des vor der bergbaulichen Tätigkeit vorhandenen Oberflächenzustandes dar218 und kann nicht mit der Rekultivierung oder Sanierung gleichgesetzt werden.219 Maßnahmen zur Durchführung der Folgenutzung selbst werden nicht vom Begriff der Wiedernutzbarmachung umfasst;220 diese unterliegen dem Zuständigkeitsbereich der entsprechenden Planungs- und Genehmigungsverfahren und nicht der Verantwortung des Bergbauunternehmers.221 Welche Folgenutzung ermöglicht werden soll, ist im Einzelfall unter Beachtung des öffentlichen Interesses festzulegen. Der bergrechtliche Begriff Wiedernutzbarmachung ist folgenutzungsoffen (hierzu im Einzelnen § 4 Rn. 24 ff.). 89 Die Wiedernutzbarmachung erstreckt sich auf die Oberfläche, unabhängig von den Eigentumsverhältnissen. Sie ist auf den Teil der Oberfläche beschränkt, der durch die bergbauliche Tätigkeit in Anspruch genommen wurde.222 Es sind damit nur die Flächen erfasst, die unmittelbar als bergbauliche Betriebsflächen genutzt wurden, wie z.B. als Tagebau223 oder Betriebsgelände für bauliche und betriebliche Anlagen, wie Schachtanlagen, Werkstätten, Aufbereitungsanlagen, 214 215 216 217 218 219 220

Vgl. hierzu Kirchner ZfB 1984, 333, 335 f.; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 55 Rn. 212. BT-Drs. 8/1315, S. 76. OVG Magdeburg 12.3.2009, 2 L 104/08, AbfallR 2009, 197. VG Gelsenkirchen 24.8.1994, 8 K 1669/82, ZfB 1985, 100, 106. BT-Drs. 8/1315, S. 76. Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 55 Rn. 215 ff.; Frenz BBergG, § 55 Rn. 220. OVG Münster 15.5.1998, 21 A 6726/95, ZfB 1998, 160, 167 f.; Kirchner ZfB 1984, 333, 341; Kirchner UPR 2010, 161, 164; Beddies Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Einstellung eines Bergwerkes, S. 39; Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht, Rn. 67. 221 Frenz Bergrecht und Nachhaltige Entwicklung, S. 58; Wilde DVBl 1998, 1321, 1323. 222 BVerwG 16.3.1989, 4 C 36/85, ZfB 1989, 199, 205. 223 OVG Koblenz 17.12.2002, 7 A 10279/02, ZfB 2004, 30, 37; VG Braunschweig 14.11.2007, 2 A 243/06, ZfB 2008, 69, 71. Kappes

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Zweites Kapitel – Anzeige, Betriebsplan

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Halden, Lagerplätze, Betriebsstraßen usw.224 Würden auch Flächen erfasst, die mittelbar bergbaubedingten Einwirkungen, wie z.B. Senkungen, ausgesetzt sind, käme es zwischen der nutzungsoffenen Wiedernutzbarmachung und der auf Naturalrestitution ausgerichteten Bergschadensvorschriften der §§ 114 ff. zu einem nicht auflösbaren Normenkonflikt.225 Zur öffentlich-rechtlichen Wiedernutzbarmachung zählt nicht der Ausgleich von Bergschäden.226

a) Vorsorge zur Wiedernutzbarmachung. Das BBergG gilt für die Wiedernutzbarmachung 90 während und nach der bergbaulichen Tätigkeit (§ 2 Abs. 1 Nr. 2); sie ist damit nicht allein Bestandteil des für die Einstellung des Betriebes erforderlichen Abschlussbetriebsplans (§ 55 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2), sondern bereits eine Zulassungsvoraussetzung für die Errichtung und den Betrieb eines Bergbaubetriebes (§ 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7). Hiermit wird sichergestellt, dass nicht erst bei der Einstellung des gesamten Betriebes, sondern bereits bei der Gestaltung des laufenden Betriebes im Rahmen des Möglichen den Erfordernissen der Wiedernutzbarmachung Rechnung getragen wird. Die Wiedernutzbarmachung kann danach abhängig vom Inhalt des Betriebsplans Teil der Aufsuchung, Gewinnung227 oder Aufbereitung oder ein selbständiger Teil der bergbaulichen Tätigkeit sein. Unabhängig vom Betriebsplaninhalt wird zwar mit der ausdrücklichen Nennung in § 2 Abs. 1 Nr. 2 die Bedeutung der Wiedernutzbarmachung bei Bergbautätigkeiten hervorgehoben,228 jedoch ohne diese aus dem weiten Gewinnungsbegriff des § 4 Abs. 2 herauszunehmen. Abgesehen vom Zweck der Wiedernutzbarmachung ist es folgerichtig, dass die Wiedernutzbarmachung nicht als eine die UVP auslösende Tätigkeit angesehen wird. Im Hinblick auf die dynamische Betriebsweise ist eine zeitnahe Wiedernutzbarmachung der Oberflächenteile des Betriebes, die nicht mehr für die Aufsuchung und Gewinnung benötigt werden, angezeigt. Sie stellt somit einen Beitrag für den schonenden Umgang mit Grund und Boden dar (§ 1 Abs. 1). In Betriebsplänen für die Errichtung und Führung eines Bergbaubetriebes sind Vorsorgemaß- 91 nahmen zur Wiedernutzbarmachung in dem erforderlichen Umfang und in dem nach den Umständen gebotenen Ausmaß zu treffen. Eine bestimmte Form der Wiedernutzbarmachungsvorsorge legt Nummer 7 nicht fest.229 Angaben über Vorsorgemaßnahmen sind in einem Betriebsplan aufzunehmen, wenn sie zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr oder unter Schwierigkeiten nachgeholt werden können.230 Eine Vorsorge ist nur erforderlich und kann nur getroffen werden, wenn und soweit nach dem Betriebsplan die Inanspruchnahme der Oberfläche vorgesehen ist231 und später nicht mehr oder nur unter Schwierigkeiten Vorsorgemaßnahmen zur Wiedernutzbarmachung nachgeholt werden können232 und soweit in dieser Betriebsphase schon Aussagen zur geplanten Folgenutzung getroffen werden können. Auch wenn bereits im Rahmenbetriebsplan oder in hoheitlichen Planungsentscheidungen, wie z.B. einem Braunkohlenplan, Folgenutzungen festgelegt werden, spricht nichts dagegen, insbesondere bei Betrieben mit langer Betriebsdauer die für die Festlegung der Wiedernutzbarmachungsmaßnahmen erforderlichen konkreten Folgenutzungen erst zu einer späteren Betriebsphase im Einzelnen festzulegen, nicht zuletzt, um damit dem aktuellen „öffentlichen Interesse“ zeitnah Rechnung tragen zu können. Die Maßnahmen, die die Folgenutzung ermöglichen, müssen ordnungsgemäß sein, d.h. im Einklang mit den betroffenen anderen öffentlich-rechtlichen Vorschrif224 Rausch Umwelt- und Planungsrecht beim Bergbau, S. 50. Der Begriff Wiedernutzbarmachung korrespondiert insoweit mit dem Begriff Benutzung, der in den §§ 39 ff., 77 ff. verwendet wird.

225 Kirchner UPR 2010, 161, 164 begründet diese Auffassung zusätzlich mit dem finalen Gewinnungsbegriff (§ 4 Abs. 2); Kirchner ZfB 1984, 333, 340; Brockhoff Naturschutzrechtliche Eingriffsregelung in bergrechtlichen Zulassungsverfahren, S. 278; Beddies Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Einstellung eines Bergwerkes, S. 36. 226 Stüer/Wolff LKV 2002, 12, 14. 227 OVG Koblenz 17.12.2002, 7 A 10279/02, ZfB 2004, 30, 37; VG Braunschweig 14.11.2007, 2 A 243/06, ZfB 2008, 69, 71. 228 BT-Drs. 8/1315 S. 76. 229 VG Neustadt 28.1.1991, 5 K 2135/90, ZfB 1993, 57, 63. 230 BVerwG 2.11. 1996, 4 C 14/94, BVerwGE 100, 1, 17 = ZfB 1995, 278, 287. 231 VG Neustadt 7.1.1991, 5 K 2135/90.NW, ZfB 1993, 57, 62. 232 BVerwG 2.11.1995, 4 C 14/94, ZfB 1995, 278, 287. 569

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Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

ten erfolgen (vgl. § 55 Abs. 2 Nr. 2). Die Erforderlichkeit der Maßnahmen hängt von dem Konkretisierungsgrad der beabsichtigten Folgenutzung ab. Die erforderlichen Vorsorgemaßnahmen zur Wiedernutzbarmachung dürfen entsprechend dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nur in dem den Umständen gebotenen Ausmaß verlangt werden.233 Bei der Abwägung sind neben ökologischen und rechtlichen auch ökonomische Belange mit einzubeziehen.234 Einerseits darf die Aufsuchungs-, Gewinnungs- oder Aufbereitungstätigkeit nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt und ggf. unrentabel235 werden, andererseits darf die bergbauliche Tätigkeit die Umsetzung der geplanten Folgenutzung nicht verhindern. Hiernach reicht es für die Zulassung aus, wenn der Betriebsplan entsprechend der geplanten Folgenutzung Maßnahmen vorsieht, die eine ordnungsgemäße Gestaltung der Oberfläche nicht entgegensetzen. Als Vorsorgemaßnahme kann verlangt werden, dass die bei Tagebauen anfallenden Abraummassen grundsätzlich in Tagebauen zur Wiedernutzbarmachung eingesetzt werden236 und kulturfähige Bodenschichten, soweit deren Mächtigkeit eine getrennte Gewinnung gestatten, für die Wiedernutzbarmachung abzutragen und zum Erhalt der Nutzungsfähigkeiten schonend behandelt werden.237 Die Durchführung der Maßnahmen zur Wiedernutzbarmachung ist dann Gegenstand des Abschlussbetriebsplans (§ 55 Abs. 2 Nr. 2). 92 Von der Möglichkeit, Anforderungen für Vorsorge- und Durchführungsmaßnahmen zur Wiedernutzbarmachung in einer Bergverordnung festzulegen (§ 66 Nr. 8), haben nur einige Länder Gebrauch gemacht (§ 68 Abs. 1).238 Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (§ 68 Abs. 2 Nr. 3) hat diesen Regelungsbereich bisher nicht aufgegriffen.

93 b) Drittschutz. Ein Grundstückseigentümer hat keinen Anspruch darauf, dass bestimmte Vorsorgemaßnahmen zur Wiedernutzbarmachung seines Grundstückes getroffen werden.239 Gegen die Festsetzung von Vorsorgemaßnahmen zur Wiedernutzbarmachung haben Dritte oder eine Gemeinde als Planungsträger allenfalls eine Klagemöglichkeit, wenn bereits in diesem frühen Stadium konkrete Maßnahmen zur Wiedernutzbarmachung festgelegt werden und diese zu einer konkreten unverhältnismäßigen Beeinträchtigung ihres von Wiedernutzbarmachungsfläche umfassten Grundeigentums (Art. 14 Abs. 2 GG) oder der hinreichend konkreten und verfestigten Planung der Gemeinde (Art. 28 Abs. 2 GG) führen können.240 Privatrechtliche Vereinbarungen zwischen dem Grundeigentümer und dem Bergbauunternehmen begründen keinen Drittschutz. Die Festlegung der Folgenutzung selbst und ihrer Durchführung ist in der Regel nicht Regelungsgegenstand des Bergrechts (vgl. § 4 Rn. 25), sondern der Landesplanung, der Bauleitplanung, des Naturschutzrechts usw.241 Außerdem muss eine hinreichend konkrete und verfestigte Planung der Gemeinde vorliegen.242

8. Andere Bergbaubetriebe (Nr. 8) 94 Nach Nummer 8 ist im Betriebsplan dafür Sorge zu tragen, dass die Sicherheit eines angezeigten oder zugelassenen Betriebes nicht gefährdet wird. Nummer 8 stellt eine Konkretisierung des Programmsatzes dar, die Sicherheit des Betriebes und der Beschäftigten zu gewährleisten (§ 1 Nr. 2)

233 234 235 236 237 238 239 240

OVG Münster 15.5.1998, 21 A 6726/95, ZfB 1998, 160, 167. Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 55 Rn. 231. Frenz Bergrecht und nachhaltige Entwicklung, S. 56. Z.B. § 40 BVOBr, § 72 BVOESSE. Z.B. § 39 BVOBr, § 71 BVOESSE. Z.B. §§ 39, 40 BVOBr, §§ 71, 72 BVOESSE. VG Potsdam 6.9.1996, 1 L 2161/95, ZfB 1997, 50, 53. BVerwG 15.12.2006, 7 C 1/06, ZfB 2006, 306, 311; OVG Lüneburg 21.10.2008, 7 ME 170/07, NuR 2009, 58, 59; VG Neustadt (Weinstraße) 7.1.1991, 5 KK 2135/90, ZfB 1991, 34, 57 f. 241 Kühne/Schoch/Beckmann Gegenwartsprobleme des Bergrechts, S. 67, 71. 242 BVerwG 15.12.2006, 7 C 1/06 BVerwGE 127, 259, Rn. 31 = ZfB 2006,306, Rn. 31. Kappes

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Zweites Kapitel – Anzeige, Betriebsplan

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und regelt das Verhältnis zwischen einem rechtmäßig laufenden und geplanten Betrieb mit Vorrang für die Sicherheit des laufenden Betriebes. Vorsorgemaßnahmen zum Schutz eines erst in Planung befindlichen Betriebes können über Nummer 8 nicht gefordert werden.243 Nummer 8 hat seine Wurzeln in dem Nachbarschaftsverhältnis zwischen den Bergbaubetrieben.244 Während § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 die Sicherheit des geplanten Betriebes erfasst, umschließt Nummer 8 parallel dazu die Sicherheit eines anderen laufenden Betriebes. Nummer 8 gilt nicht nur für den Schutz laufender unter- und übertägiger Aufsuchungs-, Gewinnungs- und Aufbereitungsbetriebe einschließlich Betriebsanlagen, sondern aufgrund der Verweisung auf § 55 entsprechend auch für Untergrundspeicher (§ 126), Bohrungen (§ 127), alte Halden (§ 128) sowie Versuchsgruben und Bergbauversuchsanstalten (§ 129). Der Schutz der Nummer 8 gilt dabei unabhängig von den Eigentumsverhältnissen der Betriebe.245

a) Bergbaubetrieb. Das Gesetz verlangt nicht, dass der zu schützende laufende Betrieb in 95 unmittelbarer Nachbarschaft zu dem zulassenden Vorhaben steht. Selbst wenn die Gesetzesbegründung246 zu Nummer 8 auf das „Verhältnis benachbarter Betriebe zueinander“ hinweist, spricht der eindeutige Wortlaut gegen eine einengende Auslegung des Schutzes angrenzender Betriebe.247 Dem widersprechen auch nicht die Ausführungen des OVG Lüneburg,248 das unter „benachbart“ einen von der Allgemeinheit abgrenzbaren individualisierbaren Betrieb versteht.249 Gerade bei größeren Bergbaubetrieben sind Auswirkungen auf nicht unmittelbar angrenzende andere Bergbaubetriebe, die die Sicherheit dieses Betriebes beeinträchtigen können, nicht ausgeschlossen. Die Bergbehörde hat zu prüfen, ob nach dem Betriebsplaninhalt der beantragte Betrieb die 96 Sicherheit anderer laufender Betriebe gefährden kann. Dabei kommt es nicht darauf an, ob sich die Betriebe in demselben Bergbauberechtigungsfeld befinden; vielmehr sind allein sicherheitliche Gesichtspunkte maßgeblich.250 Hierbei kann auch auf das Risswerk zurückgegriffen werden, in dem benachbarte Grubenbaue, Bohrungen und Untergrundspeicher einzutragen sind (§ 9 Abs. 5 Satz 1 MarkschBVO). Der Sicherheit laufender Betriebe dienen die in einigen Länder-Bergverordnungen festgelegten Sicherheitsabstände zwischen Betrieben und Stehenlassen von Sicherheitspfeilern bestimmten Ausmaßes.251 Der Unternehmer hat ggf. im Betriebsplan den Nachweis zu erbringen, dass er geeignete Maßnahmen zum Schutz des anderen Betriebes ergreift.

b) Drittschutz. Mit der Bezugnahme auf einen benachbarten geführten Betrieb ist der Betrieb 97 ein von der Allgemeinheit abgrenzbarer, individualisierbarer Bereich. Nummer 8 unterwirft das Verhältnis benachbarter Betriebe252 bestimmten Mindestanforderungen, so dass Nummer 8 drittschützende Wirkung nur für den Unternehmer eines zulässigerweise geführten Betriebes hat,253 nicht für den Bergbauberechtigten.

243 244 245 246 247 248 249 250 251 252 253

VG Lüneburg 7.2.2005, 2 A 263/03, ZfB 2005, 241, 256. Näheres hierzu Boldt/Weller 1. Auflage, § 55 Rn. 37. Niermann Betriebsplan und Planfeststellung im Bergrecht, S. 157. BT-Drs. 8/1315, S. 111. Niermann Betriebsplan und Planfeststellung im Bergrecht, S. 157. OVG Lüneburg vom 17.7.2008, 7 LC 53/05, ZfB 2008, 257, 264. A.A. Pfadt Rechtsfragen zum Betriebsplan im Bergrecht, S. 155 f.; Boldt/Weller 1. Auflage § 55 Rn. 37. Weller ZfB 1990, 111, 129; zum ABG OVG Münster 22.1.1953, IV B 623/52, ZfB 1953, 362. Z.B. §§ 224 ABVO Nds, 40 BVOT, 14 SächsBergVO. BT-Drs. 8/1315, S. 111. OVG Lüneburg, 17.7.2008, 7 LC 53/05 = ZfB, 2008, 257, 264; offen gelassen dagegen BVerwG 23.3.2009, 7 B 54/08, ZfB 2009, 203, 204; a.A. Boldt/Weller 1. Auflage § 55 Rn. 37. 571

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Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

9. Gemeinschädliche Einwirkungen (Nr. 9) 98 Nummer 9 lautete im Regierungsentwurf 1977 als Nummer 8: „dem Betrieb überwiegende öffentliche Interessen, insbesondere im Hinblick auf gemeinschädliche Einwirkungen, der Aufsuchung oder Gewinnung nicht entgegenstehen“.254 Als Folge der Zusammenfassung der „öffentlichen Interessen“ in § 48 Abs. 2 gab der Gesetzgeber Nummer 9 die geltende Fassung.255 Der hiermit auch angestrebte abschließende Charakter der in § 55 aufgeführten Betriebsplanzulassungsvoraussetzungen ist beginnend mit dem „Altenberg-Urteil“ des BVerwG vom 4.7.1986256 und späteren st. Rspr. jedoch zumindest stark relativiert worden. Nach Nummer 9 darf ein Betriebsplan nur zugelassen werden, wenn gemeinschädliche Ein99 wirkungen nicht zu erwarten sind. Nummer 9 gilt nur für Betriebspläne, die die Aufsuchung oder Gewinnung von Bodenschätzen, nicht die Aufbereitung betreffen. Dieser eingeschränkte Geltungsbereich ist in der bei Aufsuchung und Gewinnung bestehenden Sachgesetzlichkeit begründet. Die Zulassungsvoraussetzung der Nummer 9 besteht unabhängig von möglichen privatrechtlichen Bergschadensersatzansprüchen gemäß §§ 114 ff.

100 a) Gemeinschaden. Welche bergbaulichen Einwirkungen als Gemeinschaden anzusehen sind, wird im BBergG nicht näher umschrieben. Der Gesetzgeber des BBergG hat den Begriff „Gemeinschädliche Einwirkungen“ aus § 196 Abs. 2 ABG übernommen und ging dabei davon aus, dass der Begriff Gemeinschaden im Wesentlichen als gesichert angesehen wird.257 Die überwiegende Meinung des Schrifttums zum ABG sah bergbauliche Einwirkungen dann als gemeinschädlich an, wenn der durch die der Gesamtheit entstehenden Nachteil größer ist als der durch die Betriebshandlung für sie erwachsende Vorteil.258 In diesem Fall soll das öffentliche Interesse an der Gewinnung von Bodenschätzen einschließlich der damit zwangsläufig verbundenen und zu duldenden Einwirkungen zu Gunsten anderer Allgemeinwohlbelange zurücktreten. Die Rechtsprechung und Literatur zum ABG hat den Gemeinschadensbegriff kasuistisch abgegrenzt, ohne eine allgemeine positive Umschreibung des unbestimmten Rechtsbegriffes zu entwickeln.259 Der Gemeinschaden ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der eine Bewertung und Abwägung 101 des im Einzelfall vorliegenden Interesses eröffnet und gerichtlich voll überprüfbar ist. Der Begriff ist durch einen überindividuellen Bezug gekennzeichnet. Ein Gemeinschaden liegt nicht vor, wenn ein Einzelner durch bergbauliche Tätigkeiten geschädigt wird.260 Auch zu erwartende gravierende Schäden werden nicht allein deshalb zu einem Gemeinschaden, weil eine Vielzahl von Einzelpersonen voraussehbar erheblich davon betroffen wird.261 Unabhängig davon stellt nicht jede beliebige Einwirkung einen Gemeinschaden.262 Vielmehr muss ein Schaden in einem solchen

254 255 256 257 258 259

BT-Drs. 8/1315, S. 25. BT-Drs. 8/3965, S. 36. BVerwG 4.7.1986, 4 C 31/84, BVerwGE 74, 315 = ZfB 1987, 60. BT-Drs. 8/1315, S. 111. Boldt/Weller 1. Auflage § 55 Rn. 39 mit weiterführenden Ausführungen. Zur Entwicklung des Begriffs Gemeinschaden zum ABG vgl. Ebel/Weller ABG, § 196 Anm. 3g; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 55 Rn. 284 ff. 260 In Übereinstimmung mit der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 8/1315, S. 111) besteht hierüber in Rechtsprechung und Schrifttum Einvernehmen, BVerwG 9.11.1995, 4 C 25/94, BVerwGE 100, 31, 35 = ZfB 1995, 290, 295; BVerwG 4.7.1986, 4 C 31/84, BVerwGE 74, 315, 321 = ZfB 1987, 60, 66; OVG Münster 20.12.1984, 12 A 704/83, ZfB 1985, 198, 214; Kremer UPR 1999, 250; Frenz UPR 2005, 1. 261 OVG Saarlouis 22.11.2007, 2 B 181/07, ZfB 2008, 270, 277. 262 BVerwG 9.11.1995, 4 C 25/94, BVerwGE 100, 31, 35 = ZfB 1995, 290, 295; VG Gelsenkirchen 24.8.1984, 8 K 1669/92, ZfB 1985, 100, 105, wonach insbesondere die Beschädigungen nicht erfasst werden, die mittels „Rekultivierungsmaßnahmen“ beseitigt werden. Kappes

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Zweites Kapitel – Anzeige, Betriebsplan

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Umfang drohen, dass er die Schwelle der Gemeinschädlichkeit überschreitet und sich damit auf das Allgemeinwohl auswirkt.263 Voraussetzung für die Annahme gemeinschädlicher Einwirkungen ist, dass der geplante Be- 102 trieb eine ganz erhebliche Gefahrenschwelle überschreitet.264 Der nach der EinwirkungsBergV festgelegte Einwirkungsbereich bedeutet nicht, dass innerhalb des Einwirkungsbereichs mit Gemeinschädlichen zu rechnen ist.265 Es muss ein Schaden in einem solchen Umfang sein, dass er eine erhebliche Beeinträchtigung des Allgemeinwohls darstellt, unabhängig davon, welche „Vorteile“ mit der Rohstoffgewinnung verbunden sind.266 Als Allgemeinwohl können nur solche Belange erfasst werden, die als allgemein anerkanntes Gemeinschaftsgut von grundlegender vitaler und unverzichtbarer Bedeutung für die Allgemeinheit sind – unabhängig davon, ob und ggf. in welchen Eigentumsverhältnissen das Schutzgut steht.267 Hiervon ist das öffentliche Interesse zu unterscheiden,268 das sich bei Bergbauvorhaben über § 55 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 8, 10 bis 13 oder andere Rechtsvorschriften konkretisiert. Würde man das öffentliche Interesse dem Allgemeinwohl gleichsetzen oder überordnen,269 würde Nummer 9 als Zulassungsvoraussetzung überflüssig.270 Andererseits ist Nummer 9 nicht das Einfallstor für alle öffentlichen Belange,271 wie z.B. für die FFH-Verträglichkeitsprüfung272 oder Belange der Raum- und Landesplanung. Vielmehr liegt die Schwelle der Gemeinschädlichkeit oberhalb der Eingriffslinie anderer (Umwelt-)Vorschriften.273 Die heutige starke Verrechtlichung öffentlicher Belange hat den Anwendungsbereich der Nummer 9 im Verhältnis zu § 196 ABG erheblich eingeschränkt. Nummer 9 bildet demnach ein Korrektiv für Extremkonstellationen.274 Aus diesem Grund kann auf die Rechtsprechung zu § 196 ABG275 nur eingeschränkt zurückgegriffen werden. Wie bereits unter Geltung der ABG, sieht auch die Rechtsprechung und das Schrifttum zum 103 BBergG das Wasser grundsätzlich als ein Gut an, das dem Allgemeinwohl dient.276 Die Versorgung mit Wasser zählt zu den Grundbedürfnissen der Bevölkerung.277 Nicht jede bergbaubedingte Gewässerverunreinigung erreicht die Schwelle des Gemeinschadens. Einen Anhaltspunkt für die Schwelle sieht das BVerwG in den Vorschriften des WHG.278 Steht eine Tätigkeit mit den Anforderungen des WHG im Einklang, kann eine Betriebsplanzulassung nach Nummer 9 nicht aus Gründen des Wasserschutzes versagt werden. Dabei sind neben den Genehmigungsvoraussetzungen gleichermaßen die 263 264 265 266

BT-Drs. 8/1315, S. 111; BVerwG 9.11.1995, 4 C 25/94, BVerwGE 100, 31, 35 = ZfB 1995, 290, 295. BVerwG 4.7.1986, 4 C 31/84, ZfB 1987, 60, 66. BR-Drs. 378/82, S. 35. I.d.S. Kremer UPR 1999, 250; a.A. Boldt/Weller 1. Auflage § 55 Rn. 39; Schulte FS für Fabricius (1989), S. 152 und Frenz UPR 2005, 1, die eine Abwägung zwischen den Nachteilen für die Allgemeinheit und den Vorteilen der Rohstoffgewinnung befürworten. Nach dieser „Abwägungstheorie“ (Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 55 Rn. 305) würde ein Gemeinschaden auch von dem jeweiligen möglicherweise unterschiedlichen Wert eines Bodenschatzes abhängig sein. Die geforderte Abwägung kann jedoch bei der Betriebsplanzulassung über § 48 Abs. 2 erfolgen. 267 Kremer UPR 1999, 250, 253. 268 Kremer UPR 1999, 250. 269 Frenz UPR 2005, 1, 2, der aus der Entstehungsgeschichte der Nummer 9 das „Allgemeinwohl“ dem „Öffentlichen Interesse“ unterordnet. 270 Schulte FS Fabricius (1989), 149, 150 ff.; Rausch Umwelt- und Planungsrecht beim Bergbau, S. 53, der unter Geltung des deutschen Umweltrechts überhaupt keinen Anwendungsbereich für Nummer 9 sieht. VG Oldenburg 19.6.2008, 5 A 4956/06, ZfB 2008, 296, 303; zu § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 13 und § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9. 271 BVerwG 4.7.1986, 4 C 31/84, BVerwGE 74, 315, 317 = ZfB 1987, 60, 66, so hinsichtlich der Erfordernisse der Raumordnung und Landesplanung auch Kühne DVBl 1984, 709, 711; Hoppe Nationalpark-Verordnung „Niedersächsisches Wattenmeer“ und bergbauliche Berechtigung (1987), S. 52; a.A. Schleifenbaum/Kamphausen UPR 1984, 43, 45. 272 Ludwig Auswirkungen der FFH-RL auf Vorhaben zum Abbau von Bodenschätzen nach dem BBergG, S. 76. 273 Rausch Umwelt- und Planungsrecht beim Bergbau, S. 55. 274 Ebenso Frenz UPR 2005, 1, 2. 275 Vgl. hierzu Beispiele in Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 55 Rn. 284 ff. 276 So u.A. BVerwG 18.12.2014, 7 C 22.12, BVerwGE 151, 156. 277 BVerwG 17.3.1989, 4 C 30/88, BVerwGE 81, 347. 278 BVerwG 9.11.1995, 4 C 25/94, BVerwGE 100, 35 = ZfB 1995, 290, 295. 573

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Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

Ausnahmeregelungen für Bewirtschaftungspläne gemäß §§ 29 ff. und 47 Abs. 2 und 3 WHG sowie die Zulassungsvoraussetzungen für Einleitungen in das Grundwasser gemäß § 82 Abs. 6 WHG i.V.m. Art. 11 Abs. 3 lit. j) EG-Richtlinie 2000/60/EG zu berücksichtigen.279 Umgekehrt erreicht nicht jede Abweichung von den Genehmigungsvoraussetzungen für die Benutzung von Gewässern (§ 12 Abs. 1 WHG) einschließlich des Besorgnisgrundsatzes (§ 48 WHG) die hohe Schwelle des Gemeinschadens. Auch eine Überschreitung der Umweltqualitätsnormen und Schwellenwerte der OGewV und der GrV reicht allein hierzu nicht aus.280 Vielmehr müssen die zu erwartenden Gewässerverunreinigungen oder Einwirkungen auf die Gewässer nachhaltig, dauerhaft oder in erheblichem Umfang sein und die Gewässereigenschaft erheblich verändern.281 Der bergbaubedingte Entzug der privaten Trinkwasserversorgung eines einzelnen landwirtschaftlichen Betriebes282 oder die Beeinträchtigung eines landwirtschaftlichen Betriebes durch Pegelbohrungen283 reichen für einen Gemeinschaden nicht aus. Bergbaubedingte erhebliche Störungen der Vorflut oder der Wasserqualität sowie großflächige Grundwasserabsenkungen stellen keinen Gemeinschaden dar, wenn entsprechende Vorsorgemaßnahmen (wie z.B. Grubenwasserreinigungsanlagen oder Wasserersatzlieferungen) getroffen werden. Der Wasserentzug ganzer Ortschaften wird dagegen als ein Schaden für die Allgemeinheit angesehen,284 wenn nicht für eine Ersatzwasserversorgung gesorgt wird. Gleiches gilt für die bergbaubedingte Belastung eines Vorfluters mit Sauerwasser285 und die Verschmutzung eines für die Trinkwasserversorgung geeigneten Grundwassers mit grundwasserschädlichen Stoffen.286 Dieser über den gesetzlichen Vorgaben liegende Maßstab für gemeinschädliche Einwirkungen ist auch bei Gütern anzulegen, deren Schutz bereits durch andere Umweltgesetze gewährleistet wird. Hierzu zählen u.a. das BNatSchG, BBodSchG sowie Forst- und Denkmalschutzgesetze. Die mit einer Untersuchung verbundenen Eingriffe in die Bausubstanz eines denkmalgeschützten Schlosses stellt keinen Gemeinschaden dar.287 Die Auswirkungen auf den Boden, z.B. durch Verfüllen eines Tagebaus mit bergbaufremden Abfällen, erreichen nicht die Schwelle der Gemeinschädlichkeit.288 Gleiches gilt für bergbaubedingte Inanspruchnahme des Grundeigentums und Bergschäden an einzelnen Gebäuden. Auch die vom BVerwG289 aufgrund des Schutzes des Grundeigentums (Art. 14 GG) eingeführte Beteiligung eines von einem schweren Bergschaden betroffenen Grundeigentümers und vom BVerfG mit seinem Urteil vom 17.12.2013290 geforderte Beteiligung eines von einem Großtagebau betroffenen Grundeigentümers lässt den erwartenden Schaden oder den Entzug des Grundeigentums nicht zu einem Gemeinschaden werden, da die Beteiligung aufgrund Art. 14 GG geboten ist und nicht mit einer Beeinträchtigung des Allgemeinwohls gleichgesetzt werden kann. Wird ein ganzer Ort von zentralen, wichtigen Versorgungseinrichtungen, wie z.B. Strom, Abwasser, Telefon, abgeschnitten und ist

279 Der Leitsatz 1 der Rammelsberg-Entscheidung des BVerwG vom 9.11.1995, der jede Veränderung der Wasserbeschaffenheit, die nach dem WHG als Gewässerverunreinigung zu qualifiziert ist, als Gemeinschaden ansieht, ist – wie die Entscheidungsgründe zeigen – zu pauschal. Da der Gemeinschaden eine erhebliche Beeinträchtigung des Allgemeinwohls erfordert, kann allein das allgemeine Kriterium der Gewässerverunreinigung bei Berücksichtigung des heutigen Rechtsrahmens des WHG nicht automatisch die Annahme eines Gemeinschadens nach Nummer 9 begründen. 280 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 59 Rn. 318. 281 BVerwG 9.11.1995, 4 C 25/94, ZfB 1995, 290, 295, i.V.m. § 3 Nr. 5 und 10 WHG. 282 OVG Lüneburg 18.12.1995, 7 OVG A 2/85, ZfB 1986, 358, 366. 283 VG Aachen 25.11.1987, 3 K 638/87, ZfB 1988, 223, 226 – im Ergebnis bestätigt durch BVerwG 14.12.1990, 7 C 18/90, ZfB 1991, 140. 284 BT-Drs. 8/1315, S. 111. 285 BVerwG 9.11.1995, 4 C 25/94, BVerwGE 100, 31, 35 = ZfB 1995, 290, 295. 286 VG Sigmaringen 30.8.1989, 7 K 2172/84, ZfB 1990, 67, 73. Ob ein Rückgriff auf Nummer 9 im Hinblick auf die Anforderungen des WHG dabei notwendig ist, ist zweifelhaft. 287 OVG Münster 19.8.1987, 12 B 1589/87, ZfB 1988, 106, 109. 288 BVerwG 14.4.2005, 7 C 26/03, BVerwGE 123, 247, Rn. 19 = ZfB 2005, 156, 160. 289 BVerwG 16.3.1989, 4 C 36/95, BVerwGE 81, 329 = ZfB 1989, 199. 290 BVerfG 17.12.2013, 1 BvR 3139/08, 1 BvR 3386/08, ZfB 2014, 49, Leitsatz 4. Kappes

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Zweites Kapitel – Anzeige, Betriebsplan

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damit eine verlässliche Versorgung entfallen, kann sich dies auf die Allgemeinheit auswirken,291 dabei ist der Schutz von öffentlichen Verkehrsanlagen über Nummer 5 als Spezialnorm abgedeckt. Nicht jede Schädigung einer sonstigen öffentlichen Einrichtung erreicht die Schwelle eines Gemeinschadens.292 Auch eine dramatische Wohnwertminderung wegen Bergschäden in einem ganzen Ortsteil allein kann nicht schon deshalb als Gemeinschaden angesehen werden, weil eine Vielzahl von Einzelpersonen betroffen sind.293 Die Gemeinschadensschwelle könnte nur dann überschritten werden, wenn mit der Wohnwertminderung erhebliche Folgen für das Gemeinwesen verbunden wären, etwa die Verelendung des gesamten Ortsteils.294 Ein Schaden an einem einzelnen Grundstück kann nur dann einen Gemeinschaden darstellen, wenn das betroffene Grundstück für das Allgemeinwohl von Bedeutung ist, z.B. unwiederbringliche Kulturgüter.295 Zum Gemeinschaden beim Abschlussbetriebsplan vgl. § 55 Rn. 145. Von Nummer 9 werden nur Schäden erfasst, wenn diese durch die Aufsuchung und Gewinnung 104 von Bodenschätzen verursacht werden können.296 Für nicht bergbau-, sondern naturbedingte oder durch Dritte verursachte Gefahren ist der Bergbauunternehmer nicht verantwortlich.297 Zu erwarten sind gemeinschädliche Einwirkungen dann, wenn ihr Eintritt bei normalem Geschehensablauf nach allgemeinen Erfahrungen wahrscheinlich ist und die Einwirkungen ihrer Natur nach annähernd voraussehbar sind.298 Lediglich die entfernte Möglichkeit ihres Eintrittes reicht als Begründung für eine Ablehnung der Betriebsplanzulassung nicht aus.299 Die Behörde hat eine auf einer Tatsachengrundlage aufbauende Prognose dahingehend aufzustellen, ob bei den geologischen- und Umweltverhältnissen sowie der geplanten Bergbautätigkeit ein Schaden wahrscheinlich eintreten wird. Die gerichtliche Kontrolle der Prognoseentscheidung beschränkt sich dabei auf eine Überprüfung, ob die Behörde den in ihrer Prognose zugrunde gelegten Sachverhalt in den Grenzen seiner Erkennbarkeit zutreffend ermittelt und ob sie konkrete Methoden der Vorausschau angewandt hat.300 Dem Unternehmer ist es unbenommen, statt die gefährliche bergbauliche Maßnahme zu unterlassen, anderweitig sicherzustellen, dass kein Gemeinschaden eintritt, z.B. durch Ersatzwasserlieferungen oder die Reinigung des Sauerwassers. Gemeinschäden für bergbaubedingte erhebliche Störungen der Vorflut oder großflächige Grundwasserabsenkungen sind nicht zu erwarten und stehen damit einer Betriebsplanzulassung nicht entgegen, wenn die Beseitigung dieser Störungen und Folgen zu den gesetzlichen Aufgaben eines öffentlich-rechtlichen Wasserverbandes zählen. Dies sind z.B. im nordrhein-westfälischen Steinkohlenrevier – auch nach der Einstellung der Gewinnung – die Emscher Genossenschaft, LINEG und der Lippe-Verband sowie im nordrhein-westfälischen Braunkohlengebiet der Erftverband,301 zu deren Pflichten der Ausgleich der Wasserführung und der Gewässerunterhaltung zählen. Auch können Gemeinschäden dadurch ausgeschlossen werden, dass Überwachungsmaßnahmen für Versorgungsleitungen, Straßen und ggf. gefährliche Anlagen zwischen dem Bergbauunternehmer und dem Träger dieser Anlagen vereinbart oder Anpassungs- und Sicherungsmaßnahmen durchgeführt werden. Ist ein Gemeinschaden zu erwarten und nicht durch Maßnahmen zu verhindern, kann eine Zulassung des Betriebes nicht erfolgen. Auswirkungen auf das Klima werden im Rahmen der Nummer 9 nur ausnahmsweise relevant werden. Das BVerwG hat

291 OVG Saarlouis 22.11.2007, 2 B 181/07, ZfB 2008, 270, 277. 292 A.A. Frenz WiVerw 2009, 77, 106. 293 OVG Saarlouis 22.11.2007, 2 B 181/67, ZfB 2008, 270, 277; OVG Saarlouis 23.12.1993, 8 W 15/93, ZfB 1994, 22, 29; Kremer UPR 1999, 250, 254; a.A. Frenz WiVerw 2009, 77, 105 unter Hinweis auf OVG Münster 20.12.1984, 12 A 704/83, ZfB 1985, 198, 217, das jedoch auch bei dramatischen Wohnwertminderungen zusätzlich einen öffentlichen Belang fordert. 294 Kremer UPR 1999, 250, 254; OVG Saarlouis 20.4.1994, 8 W 87/93, juris Rn. 33. 295 Kühne/Ehricke Öffentlichkeitsbeteiligung und Eigentumsschutz im Bergrecht, S. 41, 43. 296 BVerwG 9.11.1995, 4 C 25/94, BVerwGE, 100, 31 = ZfB 1995, 290; Spieht/Wolfers ZfB 1997, 269; Knöchel ZfB 1996, 44. 297 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 55 Rn. 292. 298 BVerwG, 9.11.1995, 4 C 25/94, BverwGE, 100, 1, 16 = ZfB 1995, 290, 295. 299 OVG Saarlouis 11.10.1990, 1 W 83/90, juris. 300 BVerwG 8.7.1998, 11 A 53/97, BVerwGE 107, 142, 146. 301 Im Einzelnen Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 55 Rn. 294 ff. 575

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§ 55

Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

zwar in seinem Meggen-Urteil vom 18.12.2014302 darauf hingewiesen, dass die über Nummer 9 in Bezug genommenen umweltrechtlichen Anforderungen nicht statisch sind, sondern einer dynamischen Entwicklung unterliegen. Insbesondere im Bergrecht, das auch in der Entwicklungsphase auf lange Zeiträume angelegt ist, muss der Unternehmer sich auf Änderungen des rechtlichen Umfeldes einstellen. Das schließt selbstverständlich auch das Berücksichtigungsgebot des § 13 KSG und die sich fortentwickelnde Klimaschutzgesetzgebung ein. Für die Vorsorge vor gemeinschädlichen Einwirkungen des Bergbaubetriebs bleibt es aber losgelöst von dieser Dynamisierung303 auch bei einer nachhaltigkeits- und klimaschutzbezogenen Interpretation304 der Nummer 9 weiterhin bei dem erforderlichen Verursachungszusammenhang zwischen bergbaulichen Maßnahmen (nicht: der Nutzung der Bodenschätze) und Gemeinschaden, der bei Veränderungen des (Global-)Klimas in der Regel nicht zu erwarten sein wird.

105 b) Drittschutz. In Rechtsprechung und Literatur besteht Einigkeit darin, dass Nummer 9 nicht individuellen Interessen Einzelner oder einem abgrenzbaren Personenkreis dient, sondern dem objektiven Gemeinwohlinteresse, so dass Nummer 9 kein Nachbar- und Drittschutz zukommt.305 Dies gilt auch für Unternehmen, die Wasser für die Trinkwasserversorgung einer Gemeinde gewinnen oder wenn behauptet wird, dass die Behörde nicht ihrer Pflicht nachkommt, Gemeinschäden zu verhindern.306

10. Zusatzbestimmungen für den Festlandsockel und die Küstengewässer (Absatz 1, Nr. 10 bis 13) 106 Die im Regierungsentwurf von 1977 in § 55 Abs. 1 und 2 enthaltenen Sonderregelungen für den Festlandsockel wurden auf den Bereich der Küstengewässer ausgedehnt und in Absatz 1 Nr. 11 sind die Worte „in vertretbarer Weise“ durch die Worte „unangemessen“ ersetzt worden.307 Zur Anpassung an die geänderte Terminologie des § 49 sind mit Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Änderung des Bundesberggesetzes vom 12.2.1990 in Absatz 1 Nr. 11 die Worte „Erhaltung der lebenden Meeresschätze“ durch die Worte „Pflanzen- und Tierwelt“ ersetzt worden.308 Eine Erweiterung des Anwendungsbereichs war damit nicht verbunden.309 Während für die Betriebsplanzulassung der Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung von 107 Bodenschätzen auf dem Festland die Nummern 1 bis 9 in Verbindung mit § 48 Abs. 2 maßgeblich sind, finden für diese bergbaulichen Tätigkeiten im Bereich der Küstengewässer und des Festlandsockels (zu den Begriffen Küstengewässer und Festlandssockel, vgl. § 2 Rn. 28) neben diesen Vorschriften zusätzlich Nummern 10 bis 13 Anwendung. Nummern 10 und 13 regeln das Verhältnis der bergbaulichen Tätigkeit zu anderen speziell mit dem Wasser verbundenen Tätigkeiten und Belangen, wie Schifffahrt, Luftraum über dem Wasser, Fischfang, Tiere und Pflanzen, Unterwasserkabel, Rohrleitungen, wissenschaftliche Forschungen im Wasser und das Meer als solches. Mit Nummern 10 bis 12 wird sichergestellt, dass die Erfordernisse aus Art. 4 und 5 der 302 303 304 305

BVerwG 18.12.2014, 7 C 22/12; ZfB 2015, 29 Rn. 46. Frenz BBergG, § 55 Rn. 275 ff.; Frenz UPR 2022, 248. Frenz UPR 2022, 248, 258. BVerwG 15.7.1994, 4 B 102/94, ZfB 1994, 215, 216; BVerwG 16.3.1989, 4 C 36/85, BVerwGE 81, 329, 337 = ZfB 1989, 199, 205; OVG Münster 20.8.2009, 11 A 456/06, ZfB 2009, 261, 267; OVG Saarlouis 22.11.2007, 2 B 181/07, ZfB 2008, 270, 277; OVG Münster 27.10.2005, 11 A 1751/04, ZfB 2006, 32; OVG Lüneburg 18.12.1985, 7 OVG A 2/85, ZfB 1986, 358, 367; Frenz UPR 2005, 1, 6. 306 OVG Saarlouis 22.8.2001, 2 B 1/01, ZfB 2001, 287, 289, mit Verweis auf BVerwG 16.3.1989, 4 C 26/85, BVerwGE 81, 329, 337 = ZfB 1989, 199, 205. 307 BT-Drs. 8/3965, S. 37. 308 BT-Drs. 11/5601, S. 5, 13 f. 309 Czybulka/Stredak Rechtsfragen der marinen Kies- und Sandgewinnung in Nord- und Ostsee, S. 67. Kappes

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Zweites Kapitel – Anzeige, Betriebsplan

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zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des BBergG geltenden Genfer Konvention über den Festlandsockel vom 29.4.1958 bei betriebsplanpflichtigen Tätigkeiten gewahrt werden.310 Heute ergeben sich die Rechte am Festlandsockel und der ausschließlichen Wirtschaftszone aus dem Gesetz zur Ausführung des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen vom 10.12.1982 sowie des Übereinkommens vom 29.7.1994 zur Durchführung des Teils XI des Seerechtsübereinkommens (Ausführungsgesetz Seerechtsübereinkommen 1982/1994) vom 6.6.1995. Für die Aufsuchung auf dem Festlandsockel und innerhalb der Küstengewässer gelten neben den Voraussetzungen des § 55 auch die Beschränkungen des § 49.311 Da solche Aufsuchungen nur in Ausnahmefällen die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Betriebsplanpflicht gemäß § 51 Abs. 2 und 3 erfüllen, dürfte § 49 mit seinen wortgleichen Nummern zu § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 bis 12 neben der Betriebsplanverfahren kaum eine praktische Bedeutung zukommen. Vgl. auch § 132 Abs. 2 Nr. 3. Die in Nummern 10 bis 13 genannten Rechtsgüter sind bei bergbaulichen Tätigkeiten im unterschiedlichen Umfang zu berücksichtigen; dabei geht es von dem Ausschluss von Beeinträchtigungen (Nummer 10), der nicht unangemessenen Beeinträchtigungen (Nummer 11), der nicht mehr als nach den Umständen unvermeidbaren Beeinträchtigungen (Nummer 12) bis zu einem Minimierungsgebot (Nummer 13) aus. Abgesehen von Nummer 10 sind danach die Belange der Rohstoffgewinnung mit zu berücksichtigen.312 Nach Nummer 10 ist die Betriebsplanzulassung davon abhängig, dass der Betrieb und die Wirkung von Schifffahrtanlagen und -zeichen durch die in dem Betriebsplan dargestellten Tätigkeiten und Einrichtungen nicht beeinträchtigt werden. Hierdurch soll die Sicherheit der Schifffahrt gewährleistet bleiben. Ein Teil der sich aus dieser Verpflichtung ergebenen Anforderungen im Bereich des Festlandsockels wird in §§ 10 ff. OffshoreBergV konkretisiert. Gemäß Nummer 11 ist dafür Sorge zu tragen, dass die Benutzung der Schifffahrtswege und des Luftraums, die Schifffahrt, der Fischfang und die Pflanzen- und Tierwelt nicht unangemessen beeinträchtigt werden. Soweit die hierfür notwendigen Maßnahmen nicht bereits durch die §§ 10 ff. OffshoreBergV erfasst werden, hat bei der Prüfung eine nachvollziehbare Abwägung des unbestimmbaren Rechtsbegriffs „unangemessene Beeinträchtigung“ unter Beachtung der Bewertung des § 48 zwischen der bergbaulichen Tätigkeit und den anderen Nutzungsarten und Schutzgütern im Bereich des Festlandsockels und der Küstengewässer zu erfolgen. Diese Abwägungsvorgaben werden jedoch für über Schutzgebiete oder FFH-Gebiet geschützte Tiere und Pflanzen von dem im Einklang mit den europäischen Vorgaben stehenden § 34 Abs. 1 BNatSchG überlagert (vgl. Anhang zu § 48 Rn. 107 ff.). Für Fischer hat Nummer 11 keine drittschützende Wirkung.313 Die bergrechtlichen Anforderungen der Nummern 10 und 11 zur Wahrung der schifffahrtlichen Belange werden durch die Anforderungen des § 31 WaStrG an die in der Regel ohnehin erforderliche – und im Falle der Rahmenbetriebsplanzulassung einkonzentrierte – strom- und schifffahrtspolizeiliche Genehmigung überlagert, die mit Nebenbestimmungen zur Gewährleistung der Sicherheit und Leichtigkeit des Schiffsverkehrs zu versehen ist. Nummer 12 betrifft den Schutz von Unterwasserkabeln und Rohrleitungen sowie von wissenschaftlichen Forschungshandlungen. Unabhängig von der Sonderregelung für Unterwasser-Leitungsinfrastrukturen im Bereich des Festlandsockels in § 15 OffshoreBergV genießen diese Schutzobjekte wie in Nummer 11 keinen absoluten Schutz, sondern das Gesetz lässt eine Beeinträchtigung insoweit zu, als dies nach den Umständen unvermeidbar ist. Es ist also im Einzelfall zu prüfen, inwieweit die Möglichkeit besteht, bei der Aufsuchung oder Gewinnung Methoden anzuwenden, die mit einer geringeren Beeinträchtigung der genannten Schutzgüter verbunden sind.

310 BT-Drs. 8/1315, S. 112; Die Genfer Konvention ist durch das Seerechtübereinkommen der Vereinten Nationen vom 10.12.1982, das am 16.11.1994 in Kraft getreten ist, ersetzt worden. 311 Vgl. § 49 Rn. 2. 312 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 55 Rn. 342. 313 OVG Lüneburg 16.2.2005, 7 ME 289/04, ZfB 2005, 34, 35. 577

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Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

Nach Nummer 13 sind schädigende Einwirkungen auf das Meer auf ein möglichst geringes Maß zu beschränken. Der Gesetzgeber geht dabei davon aus, dass bei der Aufsuchung und Gewinnung von Bodenschätzen im Bereich des Festlandsockels und der Küstengewässer ein gewisses Maß von Auswirkungen auf das Meer, d.h. Meerwasser und den Meeresuntergrund, unvermeidbar ist. Der Begriff des Meeres umfasst neben dem Meerwasser auch den Meeresuntergrund.314 Ein Bedürfnis, Nummer 13 auch auf die maritime Pflanzen- und Tierwelt zu erweitern, besteht nicht, da diese bereits von § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 erfasst wurden.315 Die diese Vorschriften konkretisierenden Regelungen der FlsBergV zum Schutz des Meeres und des Meeresgrundes wurden weitgehend durch die Vorschriften des Kap. I Abschnitt 2 OffshoreBergV übernommen. Sie enthalten Anforderungen an grundsätzliche Maßnahmen zum Schutz des Meeres (§ 3) sowie an das Einbringen oder den Austritt von Stoffen in das Meer (§§ 4 bis 7) und sehen besondere Anforderungen bei Bohrungen und der Gewinnung von Lockersedimenten vor (§§ 8 und 9). Der Begriff des Meeres und des Meeresgrundes erstreckt sich entsprechend dem räumlichen Geltungsbereich der Verordnung sowohl auf die Küstengewässer als auch den Bereich des Festlandsockels bzw. die Wassersäule oberhalb dieses Bereiches Nach § 3 Abs. 1 OffshoreBergV hat der Unternehmer dafür zu sorgen, dass nachteilige Einwirkungen auf das Meer und den Meeresgrund sowie auf Tiere und Pflanzen unterbleiben oder zumindest so gering wie möglich gehalten werden. Der Zulassungsbehörde steht bei der Anwendung der Nummern 11 bis 13 aufgrund der in diesen Vorschriften enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriffen ein Beurteilungsspielraum zu. 114 Neben der OffshoreBergV unterliegen die Tätigkeiten und Einrichtungen im Bereich des Festlandsockels bergrechtlich auch der ABBergV, insbesondere Anhang 3 zu § 13, soweit die OffshoreBergV keine Spezialregelungen enthält. Andere Rechtsvorschriften gelten für den Festlandsockel, wenn dies räumlich ausdrücklich geregelt ist (z.B. § 56 Abs. 1 BNatSchG) oder sich aus den Regelungsgegenständen ergibt (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 Hohe-See-Einbringungsgesetz; § 1 Seeanlagengesetz). 113

11. Sonstige öffentliche Interessen (§ 48 Abs. 2) 115 Nach dem Wortlaut sind die Betriebsplanzulassungsvoraussetzungen in § 55 Abs. 1 erschöpfend aufgeführt.316 Privatrechtliche Rechtspositionen sind danach – mit Ausnahme von Satz 1 Nummer 1 – nach § 55 Abs. 1 nicht zu prüfen. Daneben kann die für die Betriebsplanzulassung zuständige Behörde gemäß § 48 Abs. 2 Satz 1 die Aufsuchung und Gewinnung beschränken oder untersagen, soweit überwiegend öffentliche Interessen entgegenstehen.317 Dieses beziehungslose Nebeneinander hätte bei einem abschließenden Charakter des § 55 die Folge, dass die Bergbehörde bei entgegenstehenden überwiegenden Interessen zunächst den Betriebsplan hätte zulassen müssen, um danach gemäß § 48 Abs. 2 die bergbauliche Tätigkeit zu untersagen oder zu beschränken.318 Dieses unbefriedigende Ergebnis hat nach Lösungsvorschlägen des Schrifttums319 das BVerwG erstmals in seiner sog. AltenbergEntscheidung vom 4.7.1986320 und dann mehrfach bestätigt, mit dem Ziel einer „sinnvollen Gesetzesanwendung“321 – jedoch ohne dogmatische Begründung322 – dadurch vermieden, dass es § 48 Abs. 2 Satz 1 als eine die Befugnis der Bergbehörde im Betriebsplanzulassungsverfahren erweiternde Norm

314 315 316 317 318 319 320 321

Czybulka/Stredak Rechtsfragen der marinen Kies- und Sandgewinnung in Nord- und Ostsee, S. 68. Brockhoff Naturschutzrechtliche Eingriffsregelung in bergrechtlichen Zulassungsverfahren, S. 275. BT-Drs. 8/1315, S. 109. BVerwG 22.11.2018, 7 C 11/17, ZfB 2019, 184, Rn. 14; zur Entstehungsgeschichte des § 48 Abs. 2 vgl. § 48 Rn. 34 ff. Kühne/Ehricke Entwicklungslinien des Bergrechts, S. 51, 55. Kühne DVBl 1984, 709, 713. BVerwG 4.7.1986, 4 C 31/84, BVerwGE 74, 315, 323 = ZfB 1987, 60, 67. BVerwG 22.11.2018, 7 C 12/17, BeckRS 2018, 40773 Rn. 13; BVerwG 29.6.2006, 7 C 11/05, BVerwGE 126, 205, 209 = ZfB 2006, 156, 159. 322 Ein Hinweis auf das fehlende Sachbescheidungsinteresse wäre hilfreich. Kappes

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Zweites Kapitel – Anzeige, Betriebsplan

§ 55

qualifiziert, die die Zulassungsvoraussetzungen des § 55 Abs. 1 ergänzt.323 (Vgl. § 48 Rn. 50 ff.) § 48 Abs. 2 eröffnet danach der Bergbehörde die Möglichkeit, unbeschadet des § 55 die beantragte Zulassung des Betriebsplans zu beschränken oder zu verbieten, wenn in öffentlich-rechtlichen Vorschriften erfasste überwiegend öffentliche Interessen entgegenstehen, die nicht Gegenstand anderer Genehmigungsverfahren sind. Liegen bereits bei der Entscheidung der Bergbehörde für die Zulassung eines eingereichten Betriebsplans Umstände vor, die der Bergbehörde Anlass geben, die Aufsuchung oder Gewinnung gemäß § 48 Abs. 2 zu beschränken oder zu untersagen, hat sie dies bei ihrer Entscheidung durch Beschränkung oder Versagung der Zulassung zu berücksichtigen.324 Dadurch verliert die Betriebsplanzulassung jedoch nicht ihren Charakter als gebundene Entscheidung.325 Der Anwendungsbereich des § 48 Abs. 2 Satz 1 im Betriebsplanverfahren wird hinsichtlich 116 der öffentlichen Interessen dreifach beschränkt. Zunächst besteht die Befugnis zur Beschränkung oder Untersagen aufgrund überwiegender öffentlicher Interessen nur in anderen Fällen als denen des Absatzes 1 und des § 15. Die Vorschrift ist daher (ohnehin)326 im Berechtsamsverfahren nicht anwendbar und bezieht sich nicht auf grundstücksbezogene Schutzvorschriften. Im Übrigen erfasst § 48 Abs. 2 Satz 1 zum einen andere als in § 55 Abs. 1 genannte öffentlichen Interessen, da § 48 Abs. 2 Satz 1 nur einen Auffangtatbestand darstellt.327 Zum anderen werden nur die „öffentlichen Interessen“ erfasst,328 die in Rechtsvorschriften konkretisiert sind, und zwar soweit der Vollzug dieser Rechtsvorschriften nicht Gegenstand eines anderen behördlichen Genehmigungsverfahrens ist, mit dessen Durchführung eine andere Behörde betraut ist (vgl. § 48 Rn. 44).329 Zu den in Rechtsvorschriften erfassten öffentlichen Interessen, die gemäß § 48 Abs. 2 im Be- 117 triebsplanverfahren zu berücksichtigen sind, zählt der Immissionsschutz für nicht genehmigungsbedürftige Anlagen gemäß § 22 BImSchG mit dem Gebot nach dem Stand der Technik, vermeidbare schädliche Umweltauswirkungen zu verhindern und unvermeidbare auf ein Mindestmaß zu beschränken (Näheres vgl. § 48 Rn. 53 und Anhang zu § 48 Rn. 72 ff.).330 Außerdem hat die Bergbehörde bei bergbaulichen Vorhaben, die keinem bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren unterliegen, im Betriebsplanverfahren nach Maßgabe des § 48 Abs. 2 über die bauplanungsrechtlichen Voraussetzungen zu entscheiden.331 Die §§ 29 ff. BauGB stellen in diesem Fall eine Orientierungshilfe bei der Abwägung der Bergbehörde dar.332 Die Erfordernisse der Raum- und Landesplanung, wie z.B. der Braunkohlenplan, können über § 48 Abs. 2 ebenso Gegenstand des Betriebsplanverfahrens333 wie auch das Bodenschutzrecht334 sein und die Vorschriften des Denkmalschutzes.335 Dies gilt jedoch

323 Vertiefend hierzu u.a. Rausch Umwelt- und Planungsrecht im Bergbau, S. 208; Stiens Der bergrechtliche Betriebsplan, S. 102. 324 BVerwG 4.7.1986, 4 C 31/84, BVerwGE 74, 315, 322 = ZfB 1987, 60, 66. 325 BVerwG 14.12.1990, 7 C 18/90, ZfB 1991, 140, 143; BVerwG 16.3.1989, 4 C 36/85, BVerwGE 81, 329, 332 = ZfB 1989, 199, 206; Schulte ZfB 1987, 178, 187; Stiens Der bergrechtliche Betriebsplan, S. 108 Rn. 95. 326 Von Weschpfennig, Strukturen des Bergrechts, S. 208 f. 327 BVerwG 29.6.2006, 7 C 11/05, BVerwGE 126, 205, 211 = ZfB 2006, 156, 159. 328 BVerwG 2.11.1995, 4 C 14/90; BVerwGE 100, 1, 16 = ZfB 1995, 278, 287; BVerwG 14.12.1990, 7 C 18/90, ZfB 1991, 15. Die vom OVG Lüneburg (13.7.2008, 7 LC 53/05, ZfB 2008, 257, 265) vertretene Auffassung, dass § 48 Abs. 2 auch nicht explizit in öffentlich-rechtlichen Vorschriften öffentlichen Interessen gilt, hat das BVerwG (23.3.2009, 7 B 54/08, ZfB 2009, 203) nicht geteilt. Die vom OVG Lüneburg aus der Entscheidung des BVerwG vom 2.11.1995 (4 C 14/94; BVerwGE 100, 1, 16 = ZfB 1995, 278, 287) hergeleitete weitere Einschränkung aus Rechtsvorschriften, die explizit Verbote und Beschränkungen enthalten, verkennt, dass auch in Rechtsvorschriften enthaltene Anforderungen und Gebote (z.B. § 22 BImschG) zu auf § 48 Abs. 2 gestützte Beschränkungen oder Untersagungen führen können. 329 BVerwG 4.7 1986, 4 C 31/84, BVerwGE 74, 315, 324 = ZfB 1987, 60, 67; Kühne/Gaentzsch Wandel und Beharren im Bergrecht, S. 9. 330 BVerwG 4.7.1986, 4 C 31/84, BVerwGE 74, 315, 326 = ZfB 1987, 60, 68. 331 BVerwG 16.3.1989, 4 C 25/86, ZfB 1989, 210, 215. 332 Berkemann DVBl 1989, 625, 629; OVG Bautzen 20.4.2011, 1 A 514/10, ZfB 2011, 243, 245. 333 Kühne DVBl 1984, 709. 334 BVerwG 14.4.2005, 7 C 26/03, BVerwGE 123, 247, 251 = ZfB 2005, 156, 161. 335 Vgl. z.B. § 9 Denkmalschutzgesetz NRW. 579

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Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

nicht für Rechtsvorschriften, über deren Anforderungen die Bergbehörde im Betriebsplanverfahren aufgrund einer Verweisung in dem Fachgesetz entscheidet. Über die Zulässigkeit eines bergbaubedingten Eingriffs in die Natur entscheidet die Bergbehörde gemäß § 17 Abs. 1 BNatschG allein nach den materiell-rechtlichen Vorschriften des BNatschG. Im Rahmen der öffentlichen Interessen sind auch die Auswirkungen des Vorhabens auf das Klima zu berücksichtigen. § 13 Abs. 1 Satz 1 BundesKlimaschutzgesetz verpflichtet die Träger öffentlicher Aufgaben, bei ihren Planungen und Entscheidungen den Zweck dieses Gesetzes und die zu seiner Erfüllung festgelegten Ziele zu berücksichtigen. Das klimaschutzrechtliche Berücksichtigungsgebot ist auch im Rahmen der (bergrechtlichen) Vorhabenzulassung zu beachten. Soweit nicht bereits die UVP den Anknüpfungspunkt bildet, findet das klimaschutzrechtliche Berücksichtigungsgebot über § 48 Abs. 2 Satz 1 Eingang in das bergrechtliche Betriebsplanverfahren (vgl. Anhang § 48 Rn. 207 ff.). § 48 Abs. 2 eröffnet nicht nur die Einbeziehung außerbergrechtlicher öffentlicher Belange, sondern ist nach dem Moers-Kapellen-Urteil des BVerwG vom 16.3.1989336 auch das Einfalltor zur verfassungsmäßig gebotenen Berücksichtigung des privaten Oberflächeneigentums in das Betriebsplanverfahren, soweit mit nicht unerheblichen Schäden zu rechnen ist. (Im Einzelnen hierzu § 48 Rn. 62 ff.) Die Bergbehörde hat im Rahmen des § 48 Abs. 2 Satz 1 nur solche Gefahren als dem Vorhaben zurechenbar anzusehen, die bei normalem Geschehensablauf nach allgemeiner Lebenserfahrung wahrscheinlich und ihrer Natur nach vorhersehbar sind.337 Auch bei der Anwendung des § 48 Abs. 2 im Betriebsplanverfahren setzt eine hierauf gestützte Beschränkung oder Untersagung voraus, dass die entsprechenden öffentlichen Interessen überwiegen. Dies erfordert eine abwägende Entscheidung der Bergbehörde. In die Abwägung sind auf der einen Seite alle entgegenstehenden öffentlichen Interessen, soweit sie im Rahmen des § 48 Abs. 2 berücksichtigt werden können, einzustellen; auf der anderen Seite steht das Interesse des Bergbauberechtigten an der Ausübung seines durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Rechts, wobei zusätzlich bei der Abwägung im Einzelfall die schon im Gesetz vorgenommene Bewertung in Form der Rohstoffsicherungsklausel in § 48 Abs. 1 Satz 2 und § 1 Nr. 1 zu berücksichtigen ist.338 Der Bergbehörde steht hierbei weder ein Ermessen noch Gestaltungsrecht zu.339 Die Berücksichtigungsmöglichkeit von öffentlichen Interessen im Rahmen des § 48 Abs. 2 Satz 1 bedeutet nicht, dass die für das bergbauliche Vorhaben aufgrund anderer Rechtsvorschriften erforderlichen Genehmigungen Gegenstand des Betriebsplanverfahrens werden, da der Betriebsplanzulassung mit Ausnahme der Planfeststellung für den obligatorischen Rahmenbetriebsplan keine Konzentrationswirkung zukommt. Soweit im Betriebsplanverfahren Beeinträchtigungen des verfassungsrechtlich geschützten Grundeigentums geltend gemacht werden, kommt § 48 Abs. 2 Satz 1 nachbarschützende Wirkung zu. Sind andere in Rechtsvorschriften normierte öffentliche Interessen im Betriebsplanverfahren zu berücksichtigen, ist der Drittschutz davon abhängig, ob der anderen Rechtsnorm drittschützende Wirkung zugebilligt wird.

IV. Zulassungsvoraussetzungen für die Einstellung des Betriebes (Absatz 2 Satz 1) 1. Allgemeine Anforderungen an den Abschlussbetriebsplan 123 a) Zweck. Als Teil der Betriebsplanpflicht für Aufsuchungs-, Gewinnungs- und Aufbereitungsbetriebe (§ 51 Abs. 1) hat der Unternehmer für die Einstellung dieser Betriebe gemäß § 53 einen Abschlussbetriebsplan aufzustellen und der Bergbehörde zur Zulassung einzureichen. Kommt der 336 337 338 339

BVerwG 16.3.1989, 4 C 36/85, BVerwGE 81, 329 = ZfB 1989, 199. OVG Münster 20.8.2009, 11 A 456/06, ZfB 2009, 261, 268. BVerwG 16.3.1989, 4 C 36/85, BVerwGE 81, 329 = ZfB 130, 199, 206; Heitmann ZfB 1990, 179, 181. BVerwG 2.11.1995, 4 C 14/94, BVerwGE 100, 1, 16 = ZfB 1995, 278, 287.

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Unternehmer oder die hierzu bestellte verantwortliche Person dieser Verpflichtung nicht nach, trifft die Pflicht zur Vorlage eines Abschlussbetriebsplans auch den Inhaber der Aufsuchungs- und Gewinnungsberechtigung (§ 58 Abs. 2 Satz 1). Die Betriebseinstellung bildet den Schlusspunkt der betrieblichen Aktivitäten.340 Wie bei anderen Betriebsplänen handelt es sich bei Abschlussbetriebsplänen nicht um eine staatliche Planung.341 In dem Abschlussbetriebsplan ist für die Einstellung des Betriebes eine genaue Darstellung der technischen Durchführung und Dauer der geplanten Einstellungsmaßnahmen zu geben und der Nachweis zu erbringen, dass die vorgesehenen Maßnahmen den Zulassungsvoraussetzungen des § 55 Abs. 2 i.V.m. § 48 Abs. 2 Satz 1 entsprechen. Der Abschlussbetriebsplan hat dabei von den durch den Aufsuchungs- und Gewinnungsbetrieb geschaffenen Gegebenheiten und den von § 55 Abs. 2 i.V.m. § 48 Abs. 2 Satz 1 erfassten Rechtsgütern auszugehen. Eine scharfe Trennung zwischen Betriebsplänen für die Gewinnung und dem Abschlussbetriebsplan kann nicht gezogen werden, da bereits in der Gewinnungsphase z.B. vorsorgende Maßnahmen zur Wiedernutzbarmachung zu treffen sind (55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7) und diese Auswirkungen auf den Abschlussbetriebsplan haben.342 Neben der ordnungsgemäßen Durchführung der Stilllegungsmaßnahmen – auch hinsichtlich des Arbeitsschutzes und der Betriebssicherheit – zielt der Abschlussbetriebsplan darauf ab, dass von dem eingestellten Betrieb keine Gefahren mehr ausgehen, d.h. dass keine Gefahren für das Leben und die Gesundheit Dritter, andere Bergbaubetriebe und Lagerstätten auftreten sowie keine gemeinschädlichen Gefahren zu erwarten sind (§ 69 Abs. 2). Der Abschlussbetriebsplan stellt ein verfahrensrechtliches Instrument zur Vorbereitung des Endes der Bergaufsicht dar.343 Sind im Rahmen der Einstellung Maßnahmen vorgesehen, die nach anderen Rechtsvorschriften einer behördlichen Genehmigung bedürfen, sind diese ebenfalls zu beantragen, da die Abschlussbetriebsplanzulassung keine Konzentrationswirkung hat.344 Nach Durchführung der Stilllegungsmaßnahmen ist der Betrieb endgültig eingestellt. Im Hinblick auf die Schutzgüter des § 69 Abs. 2 können noch Nachsorgemaßnahmen erforderlich sein, die vorrangig Gegenstand des Abschlussbetriebsplans sind.

b) Gegenstand. Gegenstand des Abschlussbetriebsplanes ist der gesamte vorangegangene Auf- 124 suchungs-, Gewinnungs- oder Aufbereitungsbetrieb mit seinen Betriebsflächen einschließlich Halden sowie über- und untertägigen Hohlräumen. Dies gilt auch, wenn der bisherige Betrieb durch einen auf andere Bodenschätze ausgerichteten Betrieb ersetzt oder einer anderen Nutzung, z.B. als Abfalldeponie, zugeführt werden soll. Nach dem Rammelsberg-Urteil des BVerwG345 kann sich der Abschlussbetriebsplan jeweils auf einen räumlich begrenzten Teil des Bergbaubetriebes beschränken. Der Unternehmer kann jedoch nicht willkürlich einen Teil aus einem Gewinnungsbetrieb ausgliedern, selbst wenn es sich um ausgebeutete Lagerstättenteile handelt, deren Schächte jedoch noch bergbaulich genutzt werden. Keine Bedenken bestehen, Abschlussbetriebspläne für den untertägigen Teil des Bergwerks vorzulegen, während dies für übertägige Teile später erfolgt. Im Hinblick auf die teilweise komplexen Probleme, insbesondere bei größeren Stilllegungsvorhaben, hat es sich in der Praxis darüber hinaus bewährt, zeitliche und sachliche Verfahrensstufungen des Abschlussbetriebsplanes vorzunehmen (Näheres hierzu § 53 Rn. 7 ff.).346 Die Verantwortung für den Abschlussbetriebsplan trägt der gegenwärtige Unternehmer, unabhän-

340 BVerwG 9.11.1995, 4 C 25/94, BVerwGE 100, 31, 38 = ZfB 1995, 290, 298. 341 Kühne/Ehricke/Beckmann Bergrecht zwischen Tradition und Moderne, S. 169, 177 m.w.N. 342 Aus diesem Grund erscheint die Auffassung des BVerwG in seinem Urteil vom 18.12.2014 (7 C 22/12, ZfB 2015, 29, Rn. 44), wonach Betriebspläne für die Gewinnungsphase aufgrund ihrer inhaltlichen Beschränkung für die Phase der Einstellung keinerlei Rechtswirkung zukommt, zu pauschal. 343 Knöchel ZfB 1996, 44, 45. 344 Vertiefend zum Abschlussbetriebsplan vgl. § 53 Rn. 3 ff. 345 BVerwG 9.11.1995, 4 C 25/94, BVerwGE 100, 31, 42 = ZfB 1995, 290, 299. 346 Kühne/Ehricke/Beckmann Bergrecht zwischen Tradition und Moderne, S. 169, 181 f. 581

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Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

gig davon, ob er selbst oder sein Rechtsvorgänger die Auswirkungen verursacht hat.347 Der Unternehmer hat aufgrund seiner vorausgehenden Bergbautätigkeit für die daraus entstandenen Folgen grundsätzlich einzutreten, wobei sich dies bei einer Rechtsnachfolge auch auf die Tätigkeiten des früheren Unternehmers erstreckt.348

125 c) Zurechnungszusammenhang. Im Abschlussbetriebsplan sind nur die Gefahren abzuarbeiten, die ihre Ursache im Bergbaubetrieb haben, der stillgelegt werden soll.349 Dabei ist es unerheblich, ob die Gefahren durch die Stilllegungsmaßnahmen oder aus der vorangegangenen Betriebstätigkeit verursacht werden und ob sie vor oder nach der Einstellung des Betriebes auftreten.350 Nach dem für den Abschlussbetriebsplan grundlegenden Rammelsberg-Urteil des BVerwG351 hat der Unternehmer die während und nach der Einstellung des Betriebes absehbaren bergbaubedingten Gefährdungen im Abschlussbetriebsplan zu lösen. Maßnahmen zur Vermeidung von Gefahren für die Schutzgüter des Absatz 2 Satz 1 können aber nur dann Bestandteil des Abschlussbetriebsplans sein, wenn es um die Abwehr von Gefahren geht, die aus dem Bergbaubetrieb herrühren.352 Das BVerwG begrenzt damit die vom Bergbauunternehmer zu verantwortende Risikosphäre auf Gefahren, in denen sich die Bergbaurisiken verwirklichen.353 Die bergrechtlichen Pflichten des Unternehmers dürfen nämlich nicht zu einer allgemeinen Polizeipflicht erweitert werden.354 Dem Unternehmer sind danach die Folge seiner Bergbautätigkeit und seiner Rechtsvorgänger zuzurechnen, nicht jedoch die durch fremden Abbau desselben oder eines anderen Bodenschatzes in dem Abbaufeld.355 Gefahren, die bei der Betriebseinstellung auftreten, ihre Ursache jedoch nicht in der Bergbautätigkeit haben, bieten keine Handhabe, im Betriebsplan entsprechende Maßnahmen zu verlangen.356 Ein bergbaubezogener Zurechnungszusammenhang kann nicht durch eine Trennung einzelner betrieblicher Maßnahmen während der Bergbautätigkeit hergeleitet werden, wie z.B. die Senkung des Grundwasserspiegels und das Abstellen der Pumpen.357 Selbst eine wasserrechtliche Planfeststellung für die Herstellung eines Restsees in einem ehemaligen Tagebau setzt keine neue Kausalkette in Gang.358 Der Bergbau ist bis zu seiner Einstellung und damit auch im Hinblick auf die Beendigung der Wasserhaltung als Einheit zu betrachten.359 Nur wenn nach Einstellung des Bergbaubetriebes im Vergleich zum Zustand vor der Bergbautätigkeit bergbaubedingte Veränderungen zu Gefahren der Schutzgüter nach Absatz 2 führen, ist der Unternehmer hierfür verantwortlich. Einwirkungen von anderen Bergbaubetrieben, auch wenn sie in demselben Bergwerksfeld erfolgen, sind dem einzustellenden Betrieb nicht zuzurechnen.360 Dies schließt nicht aus, dass der Bergbauunternehmer zur Vermeidung nicht 347 348 349 350

BVerwG 9.11.1995, 4 C 25/94, BVerwGE 100, 31, 40 = ZfB 1995, 290, 298. BVerwG 18.12.2014, 7 C 22/12, ZfB 2015, 29, Rn. 44. BVerwG 9.11.1995, 4 C 25/94, BVerwGE 100, 31, 37 f. = ZfB 1995, 290. BVerwG 9.11.1995, 4 C 25/94, BVerwGE 100, 31, 38 = ZfB 1995, 290, 298; Spieth/Wolfers ZfB 1997, 269, 271; a.A. Heuvels NVwZ 1995, 972, der von den Abschlussbetriebsplanzulassungsvoraussetzungen nur unmittelbar auf die Betriebshandlung während der Stilllegungsphase entstehende Einwirkungen erfasst sieht. 351 BVerwG 9.11.1995, 4 C 25/94, BVerwGE 100, 31 = ZfB 1995, 290. 352 BVerwG 18.12.2014, 7 C 22/12, ZfB 2015, 29, Rn. 44. 353 Heggemann/Spieth/Daniels Bergrechtliche Zulassungsentscheidungen im Kontext mit Umweltprüfungen, S. 67. 354 BVerwG 9.11.1995, 4 C 25/94, BVerwGE 100, 31, 40 = ZfB 1995, 290, 298. Für diese Begrenzung spricht auch die Entstehungsgeschichte des § 55. Die noch im Regierungsentwurf enthaltene Zulassungsvoraussetzung des nicht Entgegenstehens von „überwiegend öffentlichen Interessen“ in § 55 wurde auf Beschluss des Wirtschaftsausschusses gestrichen (BT-Drs. 8/3965, S. 137; so auch Frenz WiVerw 2007, 49, 59). 355 Beckmann/Wittmann FS Kühne (2009), S. 441, 442. 356 Spieth/Wolfers ZfB 1997, 269, 271 ff.; Knöchel ZfB 1996, 44; Kühne DVBl 2006, 1219, 1221. 357 A.A. wohl Kühne/Ehricke/Beckmann Bergrecht zwischen Tradition und Moderne, S. 169, 179, Frenz WiVerw 2007, 49, 76 ff., der einen „teil-handlungs-kausalen“ Ansatz vertritt. 358 OVG Magdeburg 26.5.2008, 2 L 187/06, NuR 2008, 578, 581. 359 Frenz WiVerw 2007, 49, 81, der einen ausschließlich kausal bezogenen Ansatz vertritt. 360 Kühne/Ehricke/Beckmann Bergrecht zwischen Tradition und Moderne, S. 169, 179. Kappes

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bergbaubedingter Gefahren, z.B. als Nichtstörer durch eine Ordnungsverfügung, zu Maßnahmen verpflichtet wird, z.B. zur Aufrechterhaltung der Wasserhaltung.361 Der Zurechnungszusammenhang besteht jedoch nicht mehr, wenn der zunächst maßgebliche bergbauliche Verursachungsbeitrag völlig in den Hintergrund tritt.362

d) Zulassungsvoraussetzungen. § 55 Abs. 2 stellt sicher, dass die Anforderungen an den Ab- 126 schlussbetriebsplan dasselbe Schutzniveau wie andere Betriebspläne haben. Da die Betriebseinstellung Tätigkeiten umfasst, die mit denen des laufenden Betriebes vielfach vergleichbar sind, schreibt § 55 Abs. 2 vor, dass grundsätzlich auch bei einem Abschlussbetriebsplan die in Absatz 1 Satz 1 Nrn. 2 bis 13 bezeichneten Voraussetzungen erfüllt sein müssen. Dies gilt insbesondere für die Anforderungen an die Betriebssicherheit und den Arbeitsschutz; aber auch die übrigen in den Nummern genannten Belange sind zu beachten, soweit nicht die auf die Einstellung zugeschnittenen Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 als Sondervorschrift vorgehen und die Art der mit der Einstellung verbundenen Betriebshandlung dies erfordern. Bergbehörden einzelner Länder haben neben den Anforderungen zur Stilllegung eines Betrie- 127 bes in Bergverordnungen Richtlinien mit Mustern für die Gestaltung eines Abschlussbetriebsplans oder Leitfäden für bestimmte Gefahren herausgegeben, die der Unternehmer bei der Ausgestaltung seines Abschlussbetriebsplans zum Anhalt nehmen kann.363

2. Besondere Zulassungsvoraussetzungen a) Personenschutz (Nr. 1). Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 erweitert den über Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 erfassten 128 Schutz des Lebens und der Gesundheit Dritter über die Stilllegungsphase hinaus auf die Zeit nach der Einstellung des Betriebes. Der in Nummer 1 enthaltenen Einschränkung des Personenschutzes auf Dritte außerhalb des Betriebes kommt keine praktische Bedeutung zu, da der Schutz der mit Stilllegungs- oder sonstigen Arbeiten betrauten Beschäftigten über § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und die einschlägigen Bergverordnungen abgedeckt ist und von Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 insoweit nicht „gänzlich verdrängt“ wird.364 Der Schutz Dritter und Beschäftigter umfasst nur den Schutz von Personen, nicht jedoch deren Sachgüter.365 Der verfassungsmäßig gebotene Schutz des Grundeigentums kann über den auch im Abschlussbetriebsplanverfahren zu beachtenden § 48 Abs. 2 Satz 2 berücksichtigt werden.366 Die Prüfung des Abschlussbetriebsplans hat sich neben der Stilllegungsphase auch darauf zu erstrecken, ob nach Einstellung des Betriebes Gefahrenquellen für Leben und Gesundheit Dritter erkennbar sind und welche Gegenmaßnahmen hierfür getroffen werden. Solche Gefahren können durch betriebsbedingte Veränderungen der Erdoberfläche (Tagebaue, Halden, Bohrlöcher), des Untergrundes (alte Grubenbaue, Schächte) oder durch vorhandene Tagesanlagen verursacht werden. Die im Referentenentwurf des BBergG vom Dezember 1970 noch genannten Gefahrenquellen „Absturz, Einbrechen, Steinschlag oder Böschungsrutschungen“ sind weitere Beispiele. Der Personenschutz kann im Wesentlichen durch Maßnahmen sichergestellt 361 Knöchel ZfB 1996, 44, 52; Beckmann ZfB 1992, 120; Kirchner/Kremer ZfB 1990, 5; Weller ZfB 1987, 13. 362 BVerwG 18.12.2014, 7 C 22/12, ZfB 2015, 29, Rn. 47. 363 U.a. Empfehlungen der hessischen Bergbehörde für das Betriebsplanverfahren vom 1.3.2007, S. 9, und Anlage 4; Richtlinien Betriebsplanverfahren der Bezirksregierung Arnsberg vom 31.8.1999, Anlagen 5, 6, 10, 11; Richtlinie der Bezirksregierung Arnsberg vom 12.11.2002, Betriebsplangliederung für den Bereich des Braunkohlenbergbaus, Anlagen 1, 2. Richtlinie des Sächsischen Oberbergamtes zur Erarbeitung und Zulassung von Betriebsplänen für Tagebaue und dazu gehörige Tagesanlagen vom 15.2.2002, Sächs. Abl. 2002, S. 389, S. 10 und Anlage 6. 364 BVerwG 9.11.1995, 4 C 25/94, BVerwGE 100, 31, 38 = ZfB 1995, 290, 297; Kühne DVBl 2006, 1219, 1220. 365 BVerwG 14.4.2005, 7 C 26/03, BVerwGE 123, 247 = ZfB 2005, 156. 366 BVerwG 16.3.1989, 4 C 36/85, BVerwGE 81, 329 = ZfB 1989, 199; ausführlich Kühne DVBl 2006, 1219, 1220, wonach die Bergbehörde in die Abschlussbetriebsplanzulassungen eigentumsschützende Nebenbestimmungen aufnehmen kann, die der Verhinderung schwerer Bergschäden dienen. 583

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Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

werden, die der Sicherheit der Oberfläche dienen. Neben den in den Bergverordnungen der Länder vorgeschriebenen Schutzmaßnahmen367 hängt es vom Einzelfall ab, welche Vorkehrungen zum Schutz von Personen zu treffen sind. Dies kann die Beseitigung der Gefahrenquelle sein, z.B. durch standsichere Verfüllung von Schächten, Versatzmaßnahmen oder Beseitigung von Altlasten. Hierzu zählt auch die bereits für die Betriebsphase geforderte Standsicherheit von Abraumhalden, Kippen, sonstigen Halden und Absetzbecken (§ 12 Abs. 1 Satz 2 ABBergV). Unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit können auch Einzäunungen bestimmter gefahrträchtiger Flächen oder Schutzgitter vor Stolleneingängen ausreichend sein. Neben den Schutzmaßnahmen geotechnisch-bergbaulicher Art können Nachsorgemaßnahmen im Einzelfall auch gesundheitsgefährdende Immissionen und sonstige Umweltrisiken erfassen, die über der Schwelle der reinen Belästigungen liegen und eine Gefahr im ordnungsrechtlichen Sinn für diese Schutzgüter begründen.368

b) Wiedernutzbarmachung (Nr. 2) 129 aa) Begriff. Während sich die Betriebspläne für die Errichtung und Führung des Betriebes in der Regel auf die erforderliche Vorsorge für eine spätere Wiedernutzbarmachung beschränken (Absatz 1 Satz 1 Nr. 7), ist die Zulässigkeit des Abschlussbetriebsplans nach Absatz 2 Satz 1 Nr. 2 davon abhängig, dass die Wiedernutzbarmachung abschließend sichergestellt ist. Im Abschlussbetriebsplan sind demnach die Maßnahmen der Wiedernutzbarmachung im Einzelnen darzustellen. Die Wiedernutzbarmachung umfasst die ordnungsgemäße Gestaltung der vom Bergbau in Anspruch genommenen Oberfläche unter Beachtung des öffentlichen Interesses (§ 4 Abs. 4). Unabhängig von den Eigentumsverhältnissen erstreckt sich die Wiedernutzbarmachung auf die Erdoberfläche, die von dem einzustellenden Betrieb genutzt wurde und unmittelbar im räumlichen Zusammenhang mit dem Bergbauvorhaben steht, d.h. für die bergbaulichen Tätigkeiten in Besitz genommen wurde,369 wie Betriebsflächen einschließlich Halden370 und übertägige Abbauflächen. Mittelbar beeinflusste Flächen, wie z.B. Bergschadensflächen oder der durch die Beendigung der Wasserhaltungsmaßnahmen verursachte Grundwasseranstieg mit Vernässungen, werden hiervon nicht erfasst.371 Die Wiedernutzbarmachung umfasst auch nicht den Schutz von Boden und Grundwasser außerhalb der Bergbauflächen.372 130 Im Gegensatz zu §§ 39, Abs. 3 und 81 Abs. 4, wonach bei Nutzung der Oberfläche die Verpflichtung zur Herstellung des alten Zustandes besteht,373 bedeutet Wiedernutzbarmachung nach der Begriffsbestimmung des § 4 Abs. 4 nicht zwangsläufig die Wiederherstellung des vor Beginn der

367 Z.B. § 27 BVOSt; §§ 15, 16 SächsBergVO. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie hat bisher nicht von seiner gemäß § 66 Nr. 7 bestehenden Ermächtigung Gebrauch gemacht, in einer Bergverordnung, welche Vorkehrungen und Maßnahmen bei und nach Einstellung eines Betriebes zur Verhütung von Gefahren für Leben und Gesundheit Dritter zu treffen sind. 368 Herrmann NuR 2016, 823, 825. 369 BVerwG 16.3.1989, 4 C 36/85, BVerwGE 81, 329, 337 = ZfB 1989, 199, 205; Kühne/Schoch/Beckmann/Beckmann Gegenwartsprobleme des Bergrechts, S. 67, 85. 370 VGH Kassel 2.12.2004, 4 UE 2874/02, ZfB 2005, 25, 29. 371 BVerwG 16.3.1989, 4 C 36/85, BVerwGE 81, 329, 337 = ZfB 1989, 199, 205, Kirchner UPR 2010, 161, 164; Beddies Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Einstellung eines Bergwerkes, S. 38; Brockhoff Naturschutzrechtliche Eingriffsregelung in bergrechtlichen Zulassungsverfahren, S. 276 f.; a.A. Frenz BBergG, § 55 Rn. 302, Frenz WiVerw 2007, 49, 57, der mit Hinweis auf § 114 auch durch bergbaubedingte Wasserhaltungsmaßnahmen betroffene Grundstücke als bergbaulich beansprucht ansieht. Die Kausalität des § 114 ist jedoch mit dem Wort „infolge“ weiter gefasst. 372 BVerwG 14.4.2005, 7 C 26/03, BVerwGE 123, 247, 254 = ZfB 2005, 156, 161. 373 Entsprechendes gilt beim vorzeitigen Beginn gemäß § 57b Abs. 1 Nr. 2 für Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft. Kappes

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Zweites Kapitel – Anzeige, Betriebsplan

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bergbaulichen Tätigkeit bestehenden Zustandes der Oberfläche (vgl. § 4 Rn. 25).374 Auch die Rekultivierung, die auf die Herstellung des vorigen Zustandes zielt, kann nicht mit der Wiedernutzbarmachung gleichgesetzt werden.375 Eine ordnungsgemäße Gestaltung der Oberfläche liegt dann vor, wenn die vom Bergbau in Anspruch genommene Fläche in einem Zustand ist, der sich für eine andere sinnvolle Nutzung eignet. Die Verpflichtung zur Wiedernutzbarmachung ist sachlich auf die Gestaltung der Oberfläche mit Blick auf den künftigen Nutzungszweck gerichtet und begrenzt. Mit der Wiedernutzbarmachung ist nicht der Zustand für die künftige Nutzung der Erdoberfläche herzustellen;376 nicht erforderlich sind danach Vorkehrungen und Maßnahmen, mit denen die künftige Nutzung bereits aufgenommen werden kann.377 Vielmehr müssen nur die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass der neuen Nutzung keine bergbaubedingten Hindernisse entgegenstehen. Die Wiedernutzbarmachung stellt regelmäßig kein nach der UVP-V-Bergbau UVP-pflichtiges Vorhaben dar, da die UVP auf die Umweltauswirkungen vor dem Abbau zielt.378

bb) Öffentliches Interesse. Welche Maßnahmen zur Gestaltung der Oberfläche im Einzelfall 131 zu treffen sind, hängt neben dem Zustand der Oberfläche nach der bergbaulichen Tätigkeit von der oberflächenbezogenen Folgenutzung ab. Die Festlegung der Folgenutzung und hierzu ggf. notwendige Maßnahmen sind nicht Gegenstand des Bergrechts, sondern bedürfen der für diese Folgenutzung einschlägigen Planungs- und Genehmigungsverfahren. Die Wiedernutzbarmachung ist „folgenutzungsneutral“. Dies wird auch dadurch deutlich, dass der Gesetzgeber auf die vorgeschlagene beispielhafte Aufzählung der bei der Wiedernutzbarmachung zu beachtenden öffentlichen Interessen (Ziele und Erfordernisse der Raum- und Landesplanung, des Naturschutzes und der Landschaftspflege sowie Erholung) verzichtet hat.379 Die Wiedernutzbarmachung kann ökologischen, ökonomischen oder sozialen Zwecken dienen.380 Die Folgenutzung wird jedoch mittelbar über das zu beachtende öffentliche Interesse Teil der Wiedernutzbarma-chung, wobei hiermit nicht eine umfassende Einführung aller öffentlichen Belange aus anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften verbunden ist. Sind in von staatlichen Stellen aufgestellten Plänen verbindliche Festsetzungen für eine Folgenutzung der Oberfläche enthalten, sind diese als öffentliches Interesse zu berücksichtigen. Hierzu zählen Bebauungspläne.381 Gleiches gilt für die nunmehr über die Raumordnungsklausel des § 48 Abs. 2 Satz 2 ROG unmittelbar zu beachtenden Ziele der Raumund Landesplanung wie die Gebietsentwicklungspläne einschließlich Braunkohlenplänen, Regionalplänen und Flächennutzungsplänen,382 soweit sie hinreichend konkrete Angaben für eine Folgenutzung enthalten.383 In diesen Plänen ist nach einer Abwägung der verschiedenen Nutzungs374 BT-Drs. 8/1315, S. 76; OVG Magdeburg 12.3.2009, 2 L 104/08, AbfallR 2009, 197, 2. Leitsatz; OVG Münster 15.5.1998, 21 A 6726/95, ZfB 1998, 160, 168; OVG Münster 15.5.1998, 21 A 75 53/95, ZfB 1998, 146, 158, Niemann Betriebsplan und Planfeststellung im Bergrecht, S. 155, Knöchel ZfB 1996, 44, 54. 375 OVG Magdeburg 12.3.2009, 2 L 104/08, AbfallR 2009, 197 (2. Leitsatz); Rausch Umwelt- und Planungsrecht beim Bergbau, S. 49; Schulte ZfB 1987, 178, 214; Niemann Betriebsplan und Planfeststellung im Bergrecht, S. 156; Giesen ZfB 1989, S. 185, 189; VG Gelsenkirchen 24.8.1984, 8 K 1669/82, ZfB 1985, 100, 106. 376 BT-Drs. 8/1315, S. 76; Kühne/Schoch/Beckmann Gegenwartsprobleme des Bergrechts, S. 67, 69. 377 Knöchel ZfB 1996, S. 44, 54. 378 BVerwG 14.4.2005, 7 C 26/03, ZfB 2005, 156, 162; zur UVP-Pflicht bei der Einstellung und Wiederaufnahme der Grubenwasserhaltung Jordan/Welsing ZfB 2017, 121, 132 ff. 379 BT-Drs. 8/1365, S. 174; BT-Drs. 8/3965, S. 133. 380 Frenz Bergrecht und Nachhaltige Entwicklung, S. 57. 381 Beddies Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Einstellung eines Bergwerkes, S. 54; Kirchner UPR 2010, 161, 165; Knöchel ZfB 1996, 44, 54. 382 Hierzu ausführlich Kühne/Schoch/Beckmann Gegenwartsprobleme des Bergrechts, S. 67, 86 ff. 383 VG Kassel 2.12.2004, 4 UE 2874/02, ZfB 2005, 25,29; VG Halle 1.10.1989, 3 A29/08, ZfB 2004, 33,39; a.A Knöchel ZfB 1996, 44, 54, der aufgrund der fehlenden Außenwirkung eine Konkretisierung dieser Pläne verneint. In diesem Fall können diese Pläne jedoch über § 48 Abs. 2 im Abschlussbetriebsplanverfahren berücksichtigt werden. 585

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Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

möglichkeiten eine Entscheidung getroffen worden. Planungsabsichten der Planungsträger oder allgemeine Ziele, wie z.B. den Außenbereich vor Bebauungen zu schützen, reichen für eine Berücksichtigung dagegen nicht aus.384 Auch können aufgrund von Rechtsvorschriften erlassene raumbezogene Schutzausweisungen, wie z.B. Landschaftspläne, Landschaftsschutzverordnungen385 für die Folgenutzung im Rahmen der Wiedernutzbarmachung als öffentliches Interesse berücksichtigt werden. Da es sich hierbei jedoch um eine fachbezogene Ausweisung ohne Abwägung mit anderen öffentlichen Interessen handelt, hat in diesen Fällen eine Abwägung der hierzu widerstreitenden verschiedenen öffentlichen Interessen zu erfolgen, wozu auch die grundgesetzlich geschützten Positionen des Bergbauunternehmers und des Grundeigentümers zählen.

132 cc) Umfang. Die Folgenutzung bestimmt den Umfang der Oberflächengestaltung. Wenn ohne Veränderungsmaßnahmen der angestrebte Zustand der Oberfläche bereits vorliegt, ist die Verpflichtung zur Wiedernutzbarmachung abgeschlossen.386 Das gilt auch, wenn der Unternehmer z.B. vormals bergbaulich genutzte Gebäude, Flächen, Lagerplätze, Parkplätze, Gleisanlagen oder Schienen einer Nachnutzung zuführen will.387 Eine Wiedernutzbarmachung ist auch „durch die Natur“ infolge natürlicher Sukzession möglich.388 Die Wiedernutzbarmachung als solche verlangt nicht den Abbruch der auf der Tagesoberfläche vorhandenen Gebäude.389 Stehen Gebäude der vorgesehenen Folgenutzung jedoch entgegen, sind – soweit nicht andere Belange, wie z.B. der Denkmalschutz, vorgehen – diese zu beseitigen; dies gilt jedoch nicht für Anlagen im Untergrund, wie z.B. Fundamente, soweit die Folgenutzung dadurch nicht ausgeschlossen wird, da Bezugspunkt für die Wiedernutzbarmachung die Oberfläche ist.390 Ist für die ehemalige Betriebsfläche eine Bebauung vorgesehen, ist das durch frühere Tätigkeit entstandene kontaminierte Material an der Oberfläche soweit zu beseitigen, dass der Realisierung des Bebauungsplans bergbaubedingt nichts entgegensteht Die Wiedernutzbarmachung bedeutet nicht, dass die Oberfläche in einen Zustand gebracht wird, der die unmittelbare Aufnahme der geplanten Folgenutzung ermöglicht.391 Ist keine Folgenutzung festgelegt, hat die Bergbehörde aufgrund der tatsächlichen Gegebenheiten zu prüfen, ob die vom Unternehmer angenommene Folgenutzung den öffentlichen Interessen widerspricht. In diesen Fällen kann es ausreichend sein, dass der Unternehmer diese Fläche als Grünfläche herrichtet, die gefahrlos betreten werden kann.392 Tagebaue können dadurch wiedernutzbar gemacht werden, dass sie mit geeignetem Material verfüllt werden. Dient die Verfüllung – auch beim Einsatz von geeigneten bergbaufremden Abfällen – der vorbereitenden Gestaltung der Fläche, damit die Oberfläche standsicher als Freizeit- oder Erholungsfläche, land- oder forstwirtschaftliche Fläche oder für Infrastrukturmaßnahmen genutzt werden kann, stellt die Verwendung eine Verwertung dar. Liegt dagegen der Hauptzweck der Maßnahme auf der Abfallbeseitigung, ist hierbei das allgemeine Deponierecht maßgeblich. Soll ein Tagebau nach der Rohstoffgewinnung als See gestaltet und genutzt werden, ist die Gestaltung der Oberfläche einschließlich der Uferböschungen Teil der Wiedernutzbarmachung im Abschlussbetriebsplan. Für die Gewässerherstellung ist daneben ein wasserrechtliches Planfeststellungsverfahren (§ 68 WHG) durchzuführen. Wenn bereits in einem zuvor zugelassenen Betriebsplan eine Grundsatzentscheidung über die

384 385 386 387

Kühne/Schoch/Beckmann Gegenwartsprobleme des Bergrechts, S. 67, 91. OVG Münster, 19.1.2001, 8 A 1850/99, NuR 2001, 532 zur Rekultivierungspflicht nach dem Abgrabungsgesetz NW. Frenz ZfB 2002, 23, 24. Soweit hierzu eine Änderung der bauplanungsrechtlichen Nutzungsvorgaben erforderlich ist, kann der Abschluss der Wiedernutzbarmachung von der Umwidmung abhängig gemacht werden. 388 Frenz ZfB 2002, 23, 24; Brockhoff Naturschutzrechtliche Eingriffsregelung im bergrechtlichen Zulassungsverfahren, S. 278. 389 VG Saarlois 12.3.1992, 2 K 144/90, ZfB 1993, 300, 305. 390 Kühne/Schoch/Beckmann Gegenwartsprobleme des Bergrechts, S. 67, 86. 391 VG Gießen 9.11.2010, 1 K 1625/09, DVBl 2011, 188. 392 Knöchel ZfB 1996, 44, 54. Kappes

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Folgenutzung als See getroffen wurde, ist dies auch für das wasserrechtliche Planfeststellungsverfahren bindend.393 Gleiches gilt bei einer Abfalldeponie als Folgenutzung, bei der die Herstellung als Mulde im Rahmen der Wiedernutzbarmachung zu erfolgen hat. Die Oberfläche ist ordnungsgemäß zu gestalten, d.h. hat im Einklang mit den öffentlich- 133 rechtlichen Vorschriften zu stehen. Unabhängig davon sind nach der Rechtsprechung des BVerwG die einschlägigen materiell-rechtlichen Anforderungen aus nicht bergrechtlichen Rechtsvorschriften über § 48 Abs. 2 im Betriebsplanverfahren zu berücksichtigen, soweit hierfür kein eigenständiges Genehmigungsverfahren erforderlich ist; hierzu zählen u.a. das allgemeine Abfallund Bodenschutzrecht394 (vgl. § 48 Rn. 52 ff.). Eine Verpflichtung des Unternehmers, eine Alternative für den Fall des Ausbleibens der 134 Folgenutzung vorzulegen, ergibt sich nicht aus der Wiedernutzbarmachungsverpflichtung.395

dd) Drittschutz. Die Wiedernutzbarmachung dient dem öffentlichen Interesse. Einer Gemeinde 135 wird aufgrund ihrer Planungshoheit (Art. 28 Abs. 2 GG) hinsichtlich der Wiedernutzbarmachung – nicht der Folgenutzung selbst – ein Drittschutz einzuräumen sein. Das BVerwG396 hat offen gelassen, ob dies auf § 54 Abs. 2 oder § 48 Abs. 2 gestützt wird.397 Ein Drittschutz ist jedoch nur gegeben, wenn eine hinreichend konkrete Planung der Gemeinde vorliegt und diese nachhaltig gestört wird.398 Der Grundstückseigentümer kann sich auf eine drittschützende Wirkung der Wiedernutzbarmachungsverpflichtung nicht stützen, da sie nur dem öffentlichen Interesse dient. Auch eine Übertragung der Moers-Kapellen-Grundsätze des BVerwG zur Beteiligung von Grundeigentümern399 ist nicht geboten, da nicht die Wiedernutzbarmachung, sondern allenfalls die Gewinnung mit übermäßigen Beeinträchtigungen der Eigentümer verbunden sind. Der Grundeigentümer hat keinen Anspruch, der ihm das Recht zur Verfüllung eines Tagebaus zuweist.400 Ein Anspruch auf eine andere bestimmte Folgenutzung steht dem Dritten ebenfalls nicht zu. Dies gilt auch, wenn eine Vereinbarung über den Zustand des Grundstücks zwischen dem Bergbauunternehmer und dem Grundstückseigentümer geschlossen wurde, da solche privatrechtlichen Vereinbarungen nicht Bestandteil der im öffentlichen Interesse bestehenden Wiedernutzbarmachung darstellen. Bei einem aufgrund einer Grundabtretung für bergbauliche Zwecke erlangten Grundstück kann der Grundabtretungspflichtige sein Grundstück nach einer wertsteigernden Wiedernutzbarmachung nur zurückerlangen, wenn er die Werterhöhung in Geld ausgleicht (§ 81 Abs. 2 Satz 2). Soweit bei der Wiedernutzbarmachung andere im Betriebsplanverfahren zu beachtende Rechtsvorschriften drittschützende Wirkung haben, gilt dies insoweit auch für das Betriebsplanverfahren. c) Zusatzvoraussetzungen für den Festlandsockel und die Küstengewässer (Nr. 3). 136 Nach Absatz 2 Satz 1 Nr. 3 muss bei der Einstellung eines Betriebes im Bereich des Festlandsockels 393 In diesem Fall wird im wasserrechtlichen Planfeststellungsverfahren nur noch über das „wie“ der Maßnahme und nicht über das „ob“ entschieden; Müggenborg NuR 2013, 326, 329; Viertel ZfW 2002, 69, 78 f.; Spieth ZUR 2001, 66, 71; Reinhardt, NuR 1999, 134, 143, vgl. § 52 Rn. 21. 394 BVerwG 14.4.2005, 7 C 26/3, BVerwGE 123, 247 = ZfB 2005, 156, 161. 395 OVG Münster 15.5.1998, 21 A 6726/95, ZfB 1998, 160, 168. 396 BVerwG 15.7.1994, 4 B 102/94, ZfB 1994, 215, 216. 397 Dagegen leitet das OVG Lüneburg (21.10.2008, 7 ME 170/07, NuR 2009, 58) den Drittschutz aus dem bei der Wiedernutzbarmachbarkeit zu beachtenden öffentlichen Interesse (§ 4 Abs. 4) her, so bereits OVG Münster 15.5.1998, 21 A 6726/95, ZfB 1998, 160, 166. 398 OVG Lüneburg 21.10.2008, 7 ME 170/07, NuR 2009, 58, 59; VG Gießen 9.11.2010, 1 K 1625/09.Gl, DVBl 2011, 188; Kirchner UPR 2010, 161, 16. 399 BVerwG 10.3.1989, 4 C 36/85, BVerwGE 81, 329, 344 = ZfB 1989, 199, 208; so aber VG Gießen 9.11.2010, 1 K 1625/09, DVBl 2011, 188, Leitsatz. 400 VG Potsdam 6.9.1996, 1 L 2161/97, ZfB 1997, 50. 587

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und der Küstengewässer in jedem Fall sichergestellt sein, dass die betrieblichen Einrichtungen und Anlagen bis zum Meeresuntergrund vollständig beseitigt werden. Diese Regelung entspricht der zum Zeitpunkt der Verabschiedung des BBergG geltenden Art. 5 Abs. 5 Satz 2 Genfer Konvention über den Festlandsockel.401 Auf Veranlassung des Bundesrates ist diese Vorschrift auf den Bereich des Küstenmeeres ausgedehnt worden.402 Nummer 3 stellt für den Festlandsockel und das Küstenmeer eine Sonderregelung zu der für das Festland geltenden Wiedernutzbarmachungspflicht dar, die über die internationalen Vereinbarungen hinausgeht.403

3. Allgemeine Zulassungsvoraussetzungen 137 Soweit nicht die Zulassungsvoraussetzungen des Absatzes 2 vorgehen, gelten unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Stilllegung auch für den Abschlussbetriebsplan die Zulassungsvoraussetzungen des § 55 Abs. 1, Satz 1 Nr. 2 bis 13. Ein Nachweis der Bergbauberechtigung gemäß Nr. 1 ist nicht erforderlich.404 Die nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 zur Versagung der Betriebsplanzulassung führende fehlende 138 körperliche Eignung, Zuverlässigkeit und Fachkunde (vgl. § 55 Rn. 16 ff.) erstreckt sich neben dem Unternehmer gemäß § 58 Abs. 2 auch auf den Inhaber der Aufsuchungs- oder Gewinnungsberechtigung, soweit dieser dazu rechtlich in der Lage ist. Da die Zuverlässigkeit des Inhabers der Bergbauberechtigung bereits bei der Erteilung der Aufsuchung und Gewinnungsberechtigung gemäß § 11 Nr. 6 und § 12 Abs. 1 Voraussetzung für die Erteilung der Bergbauberechtigung war, ist die Bergbehörde bei der Zulassung des Abschlussbetriebsplans grundsätzlich vom Vorliegen der Zuverlässigkeit auszugehen, so lange die Bergbauberechtigung besteht. Der Schutz von Leben und Gesundheit Beschäftigter und Dritter gemäß Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 139 gilt uneingeschränkt auch für die betrieblichen Stilllegungs- und Nachsorgearbeiten (vgl. § 55 Rn. 24). Nach Abschluss dieser Maßnahmen greift erweiternd § 55 Absatz 2 Satz 1 Nr. 1.405 Der Lagerstättenschutz gemäß Absatz 1 Satz 1 Nr. 4 ist auch bei der Stilllegung eines Betrie140 bes zu beachten, um die spätere Gewinnung von Restlagerstätten oder anderer Bodenschätze, soweit möglich, nicht zu behindern.406 Für den Schutz der Oberfläche im Interesse des öffentlichen Verkehrs ist auch für die Stillle141 gungsmaßnahmen Absatz 1 Satz 1 Nr. 5 maßgeblich. Absatz 1 Satz 1 Nr. 5 wird jedoch nach der Einstellung des Betriebes hinsichtlich des Schutzes von Leben und Gesundheit von Personen durch den oberflächenunabhängigen Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 verdrängt. Soweit bei Stilllegungsmaßnahmen Abfälle anfallen, wie z.B. der Abbruch von Betriebsanla142 gen, sind diese gemäß Absatz 1 Satz 1 Nr. 6 ordnungsgemäß zu verwerten oder zu beseitigen (Näheres vgl. § 55 Rn. 77 ff.). Dem steht § 2 Abs. 2 Nr. 7 KrWG nicht entgegen, da die im Rahmen der Einstellung eines Betriebes durchzuführenden Stilllegungsmaßnahmen eine dem Lösen von Bodenschätzen nachfolgende Tätigkeit, d.h. Teil der Gewinnung (§ 4 Abs. 2), darstellen407 und das KrWG keine zum BBergG abweichende Begriffsbestimmung enthält. Ein Abschlussbetriebsplan für eine Einrichtung zur Entsorgung von bergbaulichen Abfällen muss neben den speziellen Anforde-

401 Das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen vom 10.12.1982, das die Genfer Konvention ablöste, enthält eine entsprechende Regelung.

402 BT-Drs. 8/1315, S. 179. 403 Wolf UPR 1998, 281, 287. 404 Dies ist folgerichtig, da gemäß § 51 Abs. 1 Satz 2 die Pflicht zur Vorlage eines Abschlussbetriebsplans auch bei Wegfall der Bergbauberechtigung besteht; so auch Beddies Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Einstellung eines Bergwerkes, S. 70. 405 Kühne DVBl 2006, 1219, 1220. 406 So auch Beddies Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Einstellung eines Bergwerkes, S. 74, der zusätzlich auf den für die Einstellung eines Betriebes zu berücksichtigenden Lagerstättenschutzes gemäß § 69 Abs. 2 hinweist. 407 So im Ergebnis auch Beddies Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Einstellung eines Bergwerkes, S. 76. Kappes

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rungen der Nr. 6 des Anhangs 6 zu § 22a ABBergV an Abschlussbetriebspläne auch den Anforderungen der Nr. 2 entsprechen.408 Der Standort muss danach die erforderliche Standfestigkeit aufweisen, geologisch, hydrogeologisch und geotechnisch geeignet sein und es sind Maßnahmen zur Vermeidung, Ermittlung, Bewertung und Behandlung von Sickerwasser zu treffen. Absatz 2 Satz 1 Nr. 2 mit der Verpflichtung zur Sicherstellung der Wiedernutzbarmachung 143 geht den für die Betriebsphase geltenden Vorsorgeanforderungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 7 als weitergehend vor. Gemäß Absatz 1 Satz 1 Nr. 8 sind sicherheitliche Belange benachbarter laufender Bergbaube- 144 triebe auch bei der Stilllegung eines Betriebes zu beachten; hierbei sind jedoch nur die Gefährdungen des benachbarten Betriebes bergrechtlich maßgeblich, die durch den einzustellenden Betrieb verursacht worden sind.409 Fließt dem benachbarten Betrieb nach der Einstellung der Wasserhaltung des eingestellten Betriebes vermehrt Wasser zu, ist dies nicht der Einstellung zuzurechnen, wenn der Wasserzufluss nicht den Umfang überschreitet, der ohne den einzustellenden Betrieb eintreten würde.410 Der benachbarte Betrieb hat keinen Anspruch darauf, dass die aufgrund der Wasserhaltung des einzustellenden Betriebes während der gemeinsamen Betriebsdauer ihn begünstigende verminderte Wasserhaltung aufrechterhalten bleibt. Die Bergbehörde kann die Aufrechterhaltung der Wasserhaltung nicht aufgrund von Nummer 8 anordnen; sie kann allenfalls aufgrund des Polizei- und Ordnungsrechts den Unternehmer des stillzulegenden Betriebs als Nichtstörer dazu verpflichten, dem dann der Aufwendungsersatzanspruch eines Nichtstörers zusteht.411 Ein Abschlussbetriebsplan kann nur zugelassen werden, wenn gemäß Absatz 1 Satz 1 Nr. 9 keine 145 betriebsbedingten gemeinschädlichen Einwirkungen zu erwarten sind. Die Vermeidung gemeinschädlicher Einwirkungen gilt neben der Gewinnung nicht nur für die Stilllegungsmaßnahmen selbst, sondern ist auch Maßstab für ggf. bestehende Nachsorgepflichten sowie das Ende der Bergaufsicht (§ 69 Abs. 2). Zum Begriff des Gemeinschadens vgl. § 55 Rn. 98 ff. Besondere Bedeutung kommt Nummer 9 mit Blick auf Wasserhaltungsmaßnahmen zu. Das betrifft neben den von der Rechtsprechung entschiedenen Fällen der Sauerwasserbildung bei Grubenwasserübertritten in die Vorflut insbesondere die flächenhaften Folgen für das Grundwasser bei der Einstellung von Wasserhaltungsmaßnahmen. Der Unternehmer hat im Abschlussbetriebsplan nachzuweisen, dass die zum Zeitpunkt der Einstellung möglichen oder gar offenkundigen betriebsbedingten Gewässerbelastungen „nicht zu erwarten sind“. Will sich der Bergbauunternehmer dieser Pflicht entledigen, muss er im positiven Sinn darlegen, dass diese gemeinschädlichen Einwirkungen nicht bestehen oder zu einem späteren Zeitpunkt auf ein tolerierbares Maß reduziert sind. Kann er dies nicht, resultieren daraus langandauernde Betriebsverpflichtungen für Wasserbehandlungsanlagen und komplementäre Kontroll- und Überwachungspflichten.412 Das gilt allerdings nicht unbegrenzt. Die über- und untertägige Gewinnung von Bodenschätzen ist oft nur nach Senkung des Grundwassers oder sonstiger Maßnahmen zur Wasserhaltung möglich. Bei einer Stilllegung wird i.d.R. angestrebt, die Wasserhaltung einzustellen. Steigt hierdurch der Grundwasserspiegel mit der Folge, dass die Standsicherheit von Schächten gefährdet ist, sind Maßnahmen zum Schutz der persönlichen Sicherheiten nach Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 geboten. Der Wiederanstieg des bergbaubedingt gesenkten Grundwasserspiegels kann auch zu Vernässungen der Oberfläche führen. Steigt der Grundwasserstand nicht über das vor Beginn der Bergbauaktivität bestandene Niveau, kann dies zu Beeinträchtigungen von z.B. zwischenzeitlich errichteten Gebäuden führen. Diese Schäden sind jedoch nicht durch die bergbauliche Tätigkeit verursacht worden, da der Grundwasserstand nicht höher als vor dem Bergbau ist und somit die gleichen Gefah-

408 OVG Magdeburg 3.11.2021, 2 M 18/21, ZfB 2022, 9, 14 f. 409 BVerwG 9.11.1995, 4 C 25/94, BVerwGE 100, 31, 40 = ZfB 1995, 290, 289. 410 Beddies Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Einstellung eines Bergwerkes, S. 79; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 53 Rn. 78. 411 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 53 Rn. 80. 412 Herrmann NuR 2016, 823, 827 m.w.N. 589

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ren bestehen, die von Anfang an dem Gelände eigen sind.413 Taucht eine nach Beginn der Bergbautätigkeit errichtete Deponie durch die Einstellung der Wasserhaltung in das Grundwasser, so ist für dann mögliche Wasserveränderungen der Deponiebetreiber verantwortlich, da er sich nicht darauf verlassen konnte, dass die Wasserhaltungsmaßnahmen auf Ewigkeit durchgeführt werden.414 Erst die in die natürliche Gefahrzone erfolgte neue Bebauung oder Deponieanlegung begründet die durch die Grundwasserabsenkung nur vorübergehend unterdrückte Gefahr. Ein Anspruch auf „ewiges“ Pumpen durch den Bergbauunternehmer besteht nicht. Der Bergbautätigkeit ist es jedoch zuzurechnen, wenn das Geländeniveau bergbaubedingt gesunken ist und es bei Einstellung der Wasserhaltung dadurch zu Vernässungen kommt. In diesem Fall ist durch den Bergbau ein im Vergleich zurzeit vor dem Bergbau neues Niveau geschaffen worden. Selbst wenn hierfür ggf. ein Bergschadensersatzanspruch gemäß § 114 besteht, erreicht dieser Schaden nicht automatisch die Schwelle eines Gemeinschadens nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 9,415 zumal eine Vernässung nicht plötzlich zu einem Gebäudeschaden führt, sondern in einem länger andauernden Vorgang abläuft, der Zeit für entsprechende Gegenmaßnahmen eröffnet.416 In Abkehr zu der bisher herrschenden Meinung417 hat das BVerwG in seinem Rammelsberg-Urteil vom 9.11.1995418 festgestellt und mit seinem Urteil vom 18.12.2014419 bestätigt, dass das nach Einstellung der Wasserhaltung austretende Wasser dem Bergbaubetrieb zuzurechnen ist. Nimmt das nach Einstellung der Wasserhaltung anfallende Wasser in den durch den Bergbau geschaffenen Grubenbauen und Stollen nicht abgebaute Mineralien oder sonstige abbaubedingte Stoffe auf und tritt dieses Grubenwasser als sog. Sauerwasser aus, kann dies zu Gewässerverunreinigungen führen, die die Schwelle des Gemeinschadens überschreiten können. Für die Bestimmung dieser Schwelle kann auf die Anforderungen des WHG zurückgegriffen werden. Als gemeinschädlich können danach Veränderungen der Wasserbeschaffenheit betrachtet werden, die die Merkmale einer nach dem WHG unzulässigen Gewässerverunreinigung aufweisen (vgl. § 55 Rn. 103). Droht die Qualität des austretenden Wassers die Anforderungen des WHG zu überschreiten, hat nach Ansicht des BVerwG der Unternehmer aufgrund seiner vorausgehenden Bergbautätigkeit zur Vermeidung von Gemeinschäden auf seine Kosten vorbeugende Maßnahmen zu treffen, wie z.B. die Reinigung des Grubenwassers; dies gilt auch, wenn die Gewinnung vorher zugelassen wurde.420 Der Unternehmer trägt als Handlungsstörer für seine Bergbautätigkeit und seiner Rechtsvorgän146 ger die Verantwortung dafür, bergbaubedingte Gemeinschäden zu vermeiden, und zwar auch nach Durchführung der Stilllegungsmaßnahmen des Abschlussbetriebsplans. Diese Verpflichtung besteht jedoch nicht für alle Zeiten. Das BBergG enthält im Gegensatz zum BImSchG (§ 17 Abs. 4a Satz 2) keine zeitliche Befristung für Nachsorgepflichten. Unabhängig davon, dass die bergrechtliche Nachsorgepflicht spätestens endet, wenn nicht mehr mit dem Eintritt bestimmter Gefahren zu rechnen ist (§ 69 Abs. 2), hat die Bergbehörde nach dem Rammelsberg-Urteil des BVerwG „zu gegebener Zeit“ zu prüfen, welche Bedeutung dem Umstand zukommt, dass das Verlangen, eine Reinigung des Wassers dauerhaft zu betreiben, möglicherweise mit einem wirtschaftlich unvertretbaren Aufwand verbunden ist.421 Das BVerwG hat sich weder in seinem Rammelsberg- noch in seinem Meggen-Urteil405 vom 18.12.2014 für 413 OVG Magdeburg 26.5.2008, 2 L 187/06, NuR 2008, 578, 579; Hellriegel NuR 2007, 728; Spieth/Wolfers ZfB 1997, 269, 271; a.A. Frenz BBergG, § 55 Rn. 309, der auch das Zurückkehren auf das Ausgangsniveau als bergbaubedingt einstuft. 414 Knöchel ZfB 1996, 44, 52. 415 Degenhardt/Dammert/Heggemann/M. Herrmann Bergrecht in der Entwicklung, S. 103, 109; Spieth/Wolfers ZfB 1997, 269, 274; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 55 Rn. 308. 416 OVG Saarlouis 20.1.2004, 2 W 59/03, ZfB 2004, 128, 135. 417 Nach der sog. Quellenwassertheorie wurde das nach der Einstellung der Wasserhaltung austretende Grubenwasser als Quellenwasser angesehen, das nicht dem Bergbaubetrieb zugerechnet wird und damit keinen Gewässerbenutzungstatbestand i.S.d. WHG auslösen kann. Boldt/Weller 1. Auflage, § 69 Rn. 21. 418 BVerwG 9.11.1995, 4 C 25/94, BVerwGE 100, 31, 35 = ZfB 1995, 290, 295. 419 BVerwG 18.12.2014, 7 C 22/12, ZfB 2015, 29, Rn. 46. 420 BVerwG 9.11.1995, 4 C 25/94, BVerwGE 100, 31, 35 = ZfB 1995, 290, 295; BVerwG 18.12.2014, 7 C 22/12, ZfB 2015, 29, Rn. 44. 421 BVerwG 9.11.1995, 4 C 25/94, BVerwGE 100, 31, das diese Urteilsausführungen nicht enthält, jedoch in ZfB 1995, 290, 301. Kappes

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eine unbegrenzte Haftung aufgrund bergbaulicher Tätigkeiten ausgesprochen. Während das BVerwG nach dem Rammelsberg-Urteil422 die Verantwortlichkeit des Bergbauunternehmers neben der kausalen Betriebsbezogenheit auch durch den für den Eigentumsschutz geltenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und der Zumutbarkeit der Nachsorgepflichten begrenzt sah, sieht das Gericht in seinem Meggen-Urteil vom 18.12.2014423 – im Gegensatz hierzu und zu der in der Literatur teilweise vertretenen Ansicht424 – die Einstandspflicht des Unternehmers als Handlungsstörer nur durch seinen Verursachungsbeitrag begrenzt. Der Unternehmer trage für die Reinigung des aus einem stillgelegten Bergwerk austretenden Grubenwassers die Nachsorgeverantwortung, ohne dass es auf die wirtschaftliche Vertretbarkeit ankomme. Eine Haftungsgrenze nach dem Maßstab des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes sei erst dann erreicht, wenn das nach dem Verursacherprinzip maßgebliche Zurechnungskriterium nicht mehr trägt, da der dem Bergbau zuzuordnende Verursachungsbeitrag in den Hintergrund getreten sei.425 Eine Übertragbarkeit der für Altlastenfälle entwickelten Haftungsgrenzen für Zustandsstörer426 lehnt der Senat ab.427 Die vom konkreten Einzelfall ausgehenden Aussagen des BVerwG lassen nur eingeschränkt eine Verallgemeinerung zu. Aus den mit der Gewinnung von Bodenschätzen verbundenen typischen Bergbaurisiken kann eine „erhöhte Einstandspflicht“ aller Unternehmer kaum begründet werden. Fraglich ist auch, ob die Betriebspläne für die Gewinnung aufgrund ihrer zeitlichen und inhaltlichen Begrenzung keine Rechtswirkung auf den Abschlussbetriebsplan haben.428 Abgesehen davon, dass der Umfang der Einstellungsmaßnahmen von der vorherigen Gewinnung abhängt, sind bereits in Betriebsplänen für die Gewinnung Vorsorgemaßnahmen für die Einstellung des Betriebes zu treffen (§ 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7), die von der Bergbehörde zugelassen werden. Auch bestehen keine Bedenken, bereits in einem Rahmenbetriebsplan Einstellungsmaßnahmen anzugeben. Zumindest in diesen Fällen entfalten zugelassene Betriebspläne – trotz ihrer zeitlichen Befristung – Rechtswirkungen auf den Abschlussbetriebsplan mit der Folge, dass bei Änderungen zugelassener Einstellungsmaßnahmen § 56 Abs. 1 Nr. 1 mit dem Vorbehalt der wirtschaftlichen Vertretbarkeit zur Anwendung kommt (vgl. § 56 Rn. 16 ff.). Hierbei kann bei der Bestimmung der Haftungsgrenze auf den wirtschaftlichen Nutzen der konkreten Bergbautätigkeit zurückgegriffen werden,429 nicht jedoch auf die allgemeine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Unternehmers.430 Im Gegensatz zu einem Grundeigentümer dürfte der Verkehrswert, d.h. der „Restwert“ einer Bergbauberechtigung, kein geeigneter Anknüpfungspunkt sein. Es ist jedoch angezeigt zu berücksichtigen, ob der Unternehmer zum Zeitpunkt der verursachenden Bergbautätigkeit von dem damit verbundenen Risiko Kenntnis hatte oder hätte haben können. Dies gilt besonders dann, wenn nach der Aufsuchungs- und Gewinnungstätigkeit die Zuordnung der Verantwortlichkeit zu einer Verschiebung der Zumutbarkeitsgrenzen zu Lasten des Unternehmers führen und Pflichten begründet werden, auf deren Auferlegung der Unternehmer sich wirtschaftlich nicht schon während des laufenden Betriebes einrichten musste.431 Nicht 422 BVerwG 9.11.1995, 4 C 25/94, BVerwGE 100, 31 = ZfB 1995, 290. 423 BVerwG 18.12.2014, 7 C 22/12, ZfB 2015, 29, Rn. 47. 424 Vertiefend hierzu Wolfers/Ademmer DVBl 2010, 22; Kühne DVBl 2006, 1219; Spieth/Laitenberger BB 1996, 1893, wonach das BVerwG der zugunsten des Bergbauunternehmens bestehenden Eigentumsgarantie (Art. 14 GG) und der Berufsfreiheit gemäß Art. 12 GG Rechnung trägt; Beckmann/Wittmann, FS Kühne (2009), 441; Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht, Rn. 250; auch das OVG Münster 26.1.2012, 11 A 2635/09, ZfB 2012, 151, 162, geht von dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz aus. 425 BVerwG 18.12.2014, 7 C 22/12, ZfB 2015, 29, Rn. 47; das BVerwG hat damit die kausalitätseinschränkende Zurechenbarkeit des OVG Lüneburg vom 15.6.1994, 7 L 5295/92, ZfB 1994, 277, 285 übernommen; in diesem Sinne auch Frenz BBergG, § 55 Rn. 276; im Einzelnen Frenz, Ewigkeitslasten im Kohlenbergbau (2016), 73 ff. 426 BVerfG 16.2.2000, 1 BvR 242/91 und 1 BvR 315/99, BVerfGE 102, 17 f. 427 BVerwG 18.12.2014, 7 C 22/12, ZfB 2015, 29, Rn. 45. Fraglich ist, ob das auch für den Bergbauberechtigten als Zustandsstörer gilt, wenn er für die Einstellung verantwortlich ist (§ 58 Abs. 2 Satz 1). 428 BVerwG 18.12.2014, 7 C 22/12, ZfB 2015, 29, Rn. 44. 429 Vgl. hierzu Wolfers/Ademmer DVBl 2010, 22, 24. 430 BVerfG 14.4.2010, 1 BvR 2140/08, NVwZ 2010, 957, Rn. 24; BVerfG 16.2.2000, 1 BvR 242/91 und 1 BvR 315/99, BVerfGE 102, 1, Rn. 63. 431 Vgl. BT-Drs. 8/1315, S. 169. 591

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Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

zuletzt, um frühzeitig ausreichende Rückstellungen für die Stilllegungs- und Nachsorgemaßnahmen bilden zu können, sollten die erforderlichen Maßnahmen möglichst frühzeitig zwischen Bergbauunternehmer und Bergbehörde geklärt werden.

4. Sonstige öffentliche Interessen 147 Nach der Entstehungsgeschichte432 sowie nach der Rechtsprechung des BVerwG433 besteht für die Einstellungsphase das gleiche Schutzniveau wie für alle Betriebsphasen. Andere öffentliche Interessen ohne eigenständiges Genehmigungsverfahren, wie z.B. die Anforderungen des Bodenschutzrechts, sind über § 48 Abs. 2 Satz 1 auch bei der Zulassung des Abschlussbetriebsplans zu beachten.434 Das gilt unabhängig davon, dass nach dem Wortlaut des § 48 Abs. 2 Satz 1 nur Beschränkungen der Aufsuchung und Gewinnung und nicht hinsichtlich Einstellungsmaßnahmen zulässig sind.435 § 48 Abs. 2 eröffnet nicht nur die Einbeziehung außerbergrechtlicher öffentlicher Belange, 148 sondern ist nach dem Moers/Kapellen-Urteil des BVerwG436 auch das Einfallstor zur verfassungsmäßig gebotenen Berücksichtigung des privaten Oberflächeneigentums im Betriebsplanverfahren. Inwieweit nach diesen Grundsätzen der Schutz des Oberflächeneigentums beim Abschlussbetriebsplan zu berücksichtigen sind, hängt vom Einzelfall ab. Vorstellbar ist dies z.B. bei starken Bodenhebungen als Folge des Anstiegs des Grubenwassers.437

V. Zulassung 149 Nach dem Wortlaut sind die in § 55 genannten Voraussetzungen für die Betriebsplanzulassung von Betriebsplänen für die Errichtung und Führung des Betriebes abschließend. Abgesehen von den Öffnungsklauseln in § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6, 7 und 9 könnten danach nicht bergbauliche Belange im Betriebsplanverfahren nicht berücksichtigt werden, da weder die im Regierungsentwurf vorgesehene Berücksichtigung von überwiegend öffentlichen Interessen als Zulassungsvoraussetzung438 übernommen wurde439 noch die vom Bundesrat vorgeschlagene zusätzliche Beachtung „anderer öffentlich-rechtlicher Vorschriften“ übernommen wurde. Die geltende Fassung des § 55 mag zwar der Aufrechterhaltung der Betriebsplanzulassung als gebundene Entscheidung dienen, jedoch kaum zu einer sinnvollen Gesetzesanwendung führen.440 Nach der vom Schrifttum geteilten ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts441 (vgl. § 48 Rn. 34 ff.) ist ein Betriebsplan zuzulassen, wenn nach dem vorliegenden Erkenntnisstand die Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 vorliegen und gemäß § 48 Abs. 2 keine überwiegenden öffentlichen Interessen der Zulassung entgegenstehen. Insoweit ist die Betriebsplanzulassung eine gebundene Entscheidung. Sofern ein Rahmenbetriebsplan nicht mittels Planfeststellungsbeschluss zugelassen wird, schließt die Betriebsplanzulassung 432 Aus ihr ergibt sich, dass der Inhalt des § 48 Abs. 1 Satz 1 ursprünglich innerhalb der Betriebsplanzulassungsvoraussetzungen verankert werden sollte, vgl. Kühne DVBl 1984, 709, 712.

433 BVerwG 9.11.1995, 4 C 25/94, BVerwGE 100, 31, 34 = ZfB 1995, 290, 295. 434 BVerwG 14.4.2005, 7 C 26/03, BVerwGE 123, 247 = ZfB 2005, 156; Beddies Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Einstellung eines Bergwerkes, S. 89 f. 435 Zudem bietet bereits die Wiedernutzbarmachung die Möglichkeit, andere öffentliche Interessen im Abschlussbetriebsplanverfahren zu berücksichtigen. 436 BVerwG 16.3.1989, 4 C 36/85, BVerwGE 81, 329 = ZfB 1989, 199. 437 Kühne DVBl 2006, 1219, 1220. 438 § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 Entwurf – BBergG; BT-Drs. 8/1315, S. 25. 439 BT-Drs. 8/1315, S. 179; der Vorschlag lehnt sich an § 6 Abs. 1 BImSchG an, ohne dass das BBergG über eine § 13 BImSchG entsprechende Konzentrationsvorschrift verfügt. 440 BVerwG 29.6.2006, 7 C 11/05, BVerwGE 126, 205 = ZfB 2006, 156, 159. 441 Zuletzt BVerwG 29.6.2006, 7 C 11/05, BVerwGE 126, 205 = ZfB 2006, 156, 159. Kappes

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Zweites Kapitel – Anzeige, Betriebsplan

§ 55

aufgrund ihrer fehlenden Konzentrationswirkung andere für das Vorhaben notwendige Genehmigungen nicht ein. Die Beteiligung der für andere Genehmigungen zuständigen Fachbehörden im Betriebsplanverfahren (§ 54 Abs. 2) kann diese bei ihren Entscheidungen aufgrund nicht bergrechtlicher Rechtsvorschriften nach dem rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes (venire contra factum proprium) einschränken. Hat z.B. die Wasserbehörde im Rahmen der Beteiligung im Betriebsplanverfahren keine Einwände gegen eine Gewässerherstellung bei der Rohstoffgewinnung erhoben, kann sie in dem hierzu durchzuführenden wasserrechtlichen Planfeststellungsverfahren nur noch über die Einzelheiten der Gewässerherstellung entscheiden. Rechtsmittel gegen einen zugelassenen Betriebsplan können neben dem Unternehmer Dritte oder Gemeinden einlegen, soweit einzelne Zulassungsvoraussetzungen drittschützende Wirkung haben. Für die Zulassung des Abschlussbetriebsplans gelten mit §§ 55 und 48 Abs. 2442 dieselben 150 Zulassungsvoraussetzungen, wie für Betriebspläne der Errichtungs- und Betriebsphase. Die Zulassung eines Abschlussbetriebsplans schließt Genehmigungen nach anderen Rechtsvorschriften nicht ein. Die Bergbehörde hat bei dieser Zulassung – soweit erforderlich – ausgehend von dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz auch die Belastungsgrenze für Nachsorgemaßnahmen festzulegen.443 Stellt sich nach der Zulassung des Abschlussbetriebsplans heraus, dass die vorgesehenen Maßnahmen nicht ausreichen, kann der Unternehmer eine entsprechende Änderung des Abschlussbetriebsplans beantragen oder die Bergbehörde eine nachträgliche Ergänzung oder Änderung gemäß § 56 erlassen.444 Wurden die im Abschlussbetriebsplan festgelegten Stilllegungsmaßnahmen durchgeführt und ist damit zu rechnen, dass die Schutzgüter des § 69 Abs. 2 nicht gefährdet werden, endet die Bergaufsicht (vgl. § 69 Rn. 25). Erweist sich nachträglich diese Prognoseentscheidung als unzutreffend, so dass mit nicht vorausgesehenen Gefährdungen dieser Schutzgüter zu rechnen ist, wird die Abschlussbetriebsplanzulassung dadurch nicht rechtswidrig. Die Bergaufsicht lebt nicht wieder auf. Die bergbauliche Tätigkeit und ihre Folgen unterliegen nicht mehr den bergrechtlichen Vorschriften. Das Ende der Bergaufsicht schließt jedoch grundsätzlich nicht aus, dass der Bergbauunternehmer als Grundstückseigentümer oder Verursacher aufgrund des Bodenschutz- oder allgemeinen Polizei- und Ordnungsrechts zur Gefahrenvermeidung verpflichtet werden kann,445 es sei denn, die Gefahren waren bereits Gegenstand des Abschlussbetriebsplans,446 d.h. der Bergbehörde waren diese bekannt und sie hat diese bewertet.

VI. Vorläufige Betriebseinstellungen (Absatz 2 Satz 2) Absatz 2 Satz 2 enthält eine Sonderregelung für den Fall, dass der Betrieb noch nicht endgültig einge- 151 stellt werden soll. Die vorläufige Betriebseinstellung ist zu unterscheiden von der bloßen Unterbrechung des Betriebes. Eine Unterbrechung des Betriebes bis zu einer Dauer von zwei Jahren gilt nach § 52 Abs. 1 Satz 2 als „Führung des Betriebes“, eine längere Unterbrechung nur dann, wenn sie von der Bergbehörde genehmigt wird. Dauert die Unterbrechung eines Betriebes länger als zwei Jahre, ohne dass eine Genehmigung nach § 52 Abs. 1 Satz 2 erteilt wurde, handelt es sich nicht mehr um die Führung, sondern um eine – wenn auch nur vorläufige – Einstellung des Betriebes. Der Unternehmer hat also gemäß § 53 einen Abschlussbetriebsplan aufzustellen und vorzulegen. Im Falle der vorläufigen Betriebseinstellung können die Beseitigung von Anlagen und Einrichtungen und die Verfüllung von Tage- oder Grubenbauen gemäß § 55 Abs. 2 Satz 2 nur insoweit verlangt werden, als dadurch die Wie442 443 444 445

BVerwG 14.4.2005, 7 C 26/03, BVerwGE 123, 247, 249 = ZfB 2005, 156, 161. Vgl. BVerfG 16.2.2000, 1 BvR 242/91 und 1 BvR 315/99, BVerfGE 102, 1, 17. VGH Mannheim, 29.3.2000, 1 S 1245/99, ZfB, 2000, 140. BVerwG 6.3.2006, 7 C 3/05, BVerwGE 125, 325, Rn. 31 = ZfB 2006, 148, 154, das eine Legalisierungswirkung einer Betriebsplanzulassung grundsätzlich nicht ausschließt. A.A VGH Mannheim, 1.4.2008, 10 S 1388/03, ZfB 2008, 76, der mit dem fraglichen Hinweis auf den präventiven Charakter der Betriebsplanzulassung eine Legalisierungswirkung ablehnt. 446 VG Aachen 26.2.2007, 9 K 4145/04, ZfB 2007, 154, 162. 593

Kappes

§ 56

Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

deraufnahme des Betriebes nicht ausgeschlossen wird. Die Nachweispflicht dafür, dass der Betrieb nicht endgültig eingestellt werden soll, trägt der Unternehmer. Er muss also glaubhaft machen, dass er die Absicht hat, den Betrieb nach einer bestimmten Frist wieder aufzunehmen.447

§ 56 Form und Inhalt der Zulassung, Sicherheitsleistung Die Zulassung eines Betriebsplanes bedarf der Schriftform. 2Die nachträgliche Aufnahme, Änderung oder Ergänzung von Auflagen ist zulässig, wenn sie 1. für den Unternehmer und für Einrichtungen der von ihm betriebenen Art wirtschaftlich vertretbar und 2. nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik erfüllbar sind, soweit es zur Sicherstellung der Voraussetzungen nach § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis 13 und Absatz 2 erforderlich ist. (2) 1Die zuständige Behörde kann die Zulassung von der Leistung einer Sicherheit abhängig machen, soweit diese erforderlich ist, um die Erfüllung der in § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 bis 13 und Absatz 2 genannten Voraussetzungen zu sichern. 2Der Nachweis einer entsprechenden Versicherung des Unternehmers mit einem im Geltungsbereich dieses Gesetzes zum Geschäftsbetrieb zugelassenen Versicherer darf von der zuständigen Behörde als Sicherheitsleistung nur abgelehnt werden, wenn die Deckungssumme nicht angemessen ist. 3Über die Freigabe einer gestellten Sicherheit entscheidet die zuständige Behörde. (3) Die Absätze 1 und 2 gelten für die Verlängerung, Ergänzung oder Änderung eines Betriebsplanes entsprechend.

(1)

1

Übersicht I.

Form der Zulassung (Absatz 1 Satz 1)

II.

Nebenbestimmungen zur Betriebsplanzulas4 sung

III. 1. 2. 3.

Nachträgliche Auflagen (Absatz 1 Satz 2) 14 Allgemeines 16 Wirtschaftliche Vertretbarkeit Erfüllbarkeit nach allgemein anerkannten Regeln 20 der Technik 22 Erforderlichkeit 23 Rechtsfolge

4. 5.

1

1. 2.

3. 4.

VI. IV.

V.

Rücknahme und Widerruf der Betriebsplanzulas25 sung (§§ 48, 49 VwVfG) Sicherheitsleistung (Absatz 2)

30 „Ob“ der Sicherheitsleistung (Satz 1) 38 Form der Sicherheitsleistung a) Bürgschaften, Garantien und sonstige Zah39 lungsversprechungen b) Versicherungsverträge (Absatz 2 43 Satz 2) 44 c) Betriebliche Rückstellungen 46 d) Sonstige Sicherungsvereinbarungen 47 Höhe der Sicherheitsleistung Inanspruchnahme und Freigabe der Sicherheit (Ab50 satz 2 Satz 3) Entsprechende Anwendung (Absatz 3)

52

VII. Entsprechende Anwendung im Rahmen der Erkun53 dung nach StandAG

29

I. Form der Zulassung (Absatz 1 Satz 1) 1 Abweichend vom Grundsatz der Formfreiheit des Verwaltungsaktes (vgl. § 37 Abs. 2 Satz 1 VwVfG) ordnet Absatz 1 Satz 1 für die Betriebsplanzulassung die Schriftform an. Für das Betriebsplanzulas447 Kühne/Schoch/Beckmann Gegenwartsprobleme des Bergrechts, S. 67, 76. von Hammerstein https://doi.org/10.1515/9783110709285-072

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Zweites Kapitel – Anzeige, Betriebsplan

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sungsverfahren gelten nach § 5 i.V.m. § 1 Abs. 3 (Bundes-)VwVfG ergänzend die Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder.1 Erforderlich ist also ein schriftlicher Verwaltungsakt i.S.v. § 37 Abs. 3 VwVfG.2 Die behördliche Willenserklärung muss durch Schriftzeichen in einer unmittelbar lesbaren Form verkörpert sein.3 Der Schriftform genügt auch ein Telefax,4 sowie eine zur gerichtlichen Sitzungsniederschrift erklärte Betriebsplanzulassung.5 Zulässig sind auch (schriftliche) Verweise auf den beigefügten Betriebsplan sowie sonstige Pläne und Diagramme.6 Es ist also nicht möglich, einen Betriebsplan mündlich oder durch konkludentes Verhalten zuzulassen. Anforderungen an die Schriftform regelt § 37 Abs. 3 Satz 1 VwVfG. Danach muss die Zulassung die erlassende Behörde erkennen lassen und die Unterschrift oder die Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten enthalten. Nach § 3a Abs. 2 VwVfG kann die Schriftform durch die elektronische Form ersetzt werden, wobei das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur zu versehen ist.7 Zum Ersatz der Schriftform durch andere elektronische Verfahren vgl. § 3a Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 und 4 VwVfG. § 56 Abs. 1 Satz 1 gilt zwar aufgrund von § 57a Abs. 1 Satz 1 nicht für das bergrechtliche Planfeststellungsverfahren; dort folgt die Schriftform aber aus §§ 74 Abs. 1 Satz 2, 69 Abs. 2 Satz 1 VwVfG. Nach § 37 Abs. 1 VwVfG muss der Zulassungsbescheid inhaltlich hinreichend bestimmt sein.8 2 Er muss also genau erkennen lassen, worauf sich die Zulassung bezieht. In der Praxis wird dem Zulassungsbescheid eine Ausfertigung des vom Unternehmer eingereichten Betriebsplanes nebst den mit einem Zuständigkeitsvermerk zu versehenden Anlagen beigefügt; die andere Ausfertigung des Betriebsplans wird zu den Akten der Bergbehörde genommen.9 Der Zulassungsbescheid einer Betriebsplanänderung ist aber auch dann bestimmt genug, wenn ihm keine Ausfertigung des ursprünglichen Betriebsplans beigefügt ist, solange der Zulassungsbescheid diesen erkennbar in seinen Regelungsgehalt einbezieht.10 Für Verlängerungen, Ergänzungen und nachträgliche Aufnahme, Änderung oder Ergänzung von Auflagen gilt dies entsprechend. Die Möglichkeit, zunächst nur über einen Teil des vorgelegten Betriebsplans zu entscheiden, wird durch § 37 Abs. 1 VwVfG nicht ausgeschlossen. Sofern die Bergbehörde dem Zulassungsantrag uneingeschränkt entspricht und die Zulassung 3 nicht in Rechte eines Dritten eingreift, kann der Zulassungsbescheid gemäß § 39 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG ohne Begründung erlassen werden. Ein Zulassungsbescheid greift in Rechte Dritter ein, wenn er eine subjektiv-öffentliche Rechtsposition des Dritten nachteilig verändert; eine Beeinträchtigung wirtschaftlicher, ideeller oder sonstiger Interessen genügt nicht.11 Erfüllt ein Betriebsplan nicht die Zulassungsvoraussetzungen und kann die Erfüllung dieser Voraussetzungen auch nicht durch Nebenbestimmungen sichergestellt werden (vgl. dazu Rn. 4 ff.), lehnt die Bergbehörde die Zulassung des Betriebsplans ab. Dasselbe gilt, wenn die formellen Voraussetzungen für eine Sachentscheidung nicht vorliegen. Ein ablehnender Bescheid ist nach § 39 Abs. 1 und 2 VwVfG in jedem Falle zu begründen. Das Gleiche gilt, wenn die Betriebsplanzulassung mit Nebenbestimmungen 1 Nachfolgend werden aufgrund der inhaltlichen Übereinstimmung stellvertretend nur die Vorschriften des (Bundes-)VwVfG zitiert. OVG Koblenz 19.11.2007, 1 A 10706/05 = ZfB 2008, 147, 153. Statt vieler Stelkens/Bonk/Sachs VwVfG, § 37 Rn. 57 ff. Kopp/Ramsauer/Tegethoff VwVfG, § 37 Rn. 28; Stelkens/Bonk/Sachs VwVfG, § 37 Rn. 62 f. OVG Koblenz 19.11.2007, 1 A 10706/05 = ZfB 2008, 147, 153; vgl. auch BVerwG 15.3.2000, 2 B 98/99, NVwZ 2000, 1186. Vgl. Kopp/Ramsauer/Tegethoff VwVfG, § 37 Rn. 28. § 3a Abs. 2 (Bundes-)VwVfG modifiziert das Schriftformerfordernis auch für Bundesgesetze, die wie das BBergG im Übrigen nach den Verwaltungsverfahrensgesetzen der Länder ausgeführt werden, Kopp/Ramsauer/Tegethoff VwVfG, § 3a Rn. 16. Die von § 3a VwVfG abweichende hamburgische Landesvorschrift (§ 3a Abs. 4 HmbVwVfG) findet daher keine Anwendung. 8 Ausführlich zum Bestimmtheitsgebot Stelkens/Bonk/Sachs/ VwVfG, § 37 Rn. 1 ff. 9 Hausverfügung der Bezirksregierung Arnsberg für die Handhabung des Betriebsplanverfahrens (Betriebsplan-Richtlinien – BP-RL), Stand 31.5.2010, Nr. 3.2. 10 BVerwG 14.4.2005, 7 C 26.03, BVerwGE 123, 247, 260. 11 Fehling/Kastner/Störmer/Schwarz Verwaltungsrecht, § 39 VwVfG Rn. 38, § 28 VwVfG Rn. 25.

2 3 4 5 6 7

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versehen wird, die nicht selbsterklärend sind. In der Begründung sind die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben.

II. Nebenbestimmungen zur Betriebsplanzulassung 4 § 56 Abs. 1 regelt ausdrücklich nur die nachträgliche Aufnahme, Änderung oder Ergänzung von Auflagen. Eine in der Fassung des RegE 1977 enthaltene ausdrückliche Ermächtigung zum Erlass von Nebenbestimmungen schon bei Zulassung des Betriebsplans wurde mit der Begründung gestrichen, dass sich diese Regelung bereits aus den Verwaltungsverfahrensgesetzen der Länder und des Bundes ergebe.12 Die Zulässigkeit von Nebenbestimmungen zur Erteilung der Betriebsplanzulassung richtet sich deshalb nach § 36 VwVfG. Auf die Zulassung eines Betriebsplans hat der Unternehmer einen Anspruch, wenn die gesetzlichen Zulassungsvoraussetzungen vorliegen. Eine Betriebsplanzulassung darf daher nach § 36 Abs. 1 Alt. 2 VwVfG nur mit Nebenbestimmungen versehen werden, um sicherzustellen, dass die in § 55 bezeichneten Voraussetzungen vorliegen und keine überwiegenden Interessen i.S.d. § 48 Abs. 2 entgegenstehen. Die Auflage, bestimmte Maßnahmen vorab mit Trägern öffentlicher Belange oder privaten Dritten, z.B. Straßenbaulastträgern oder Netzbetreibern, abzustimmen, ist unzulässig, wenn sich die Behörde in der Betriebsplanzulassung nicht vorbehält, selbst zu entscheiden, falls eine Einigung nicht zustande kommt. Nicht zur Erfüllung der dort normierten Zulassungsvoraussetzungen notwendige Nebenbestimmungen sind unzulässig. Insbesondere lässt es das Gesetz nicht zu, die Einhaltung von außerhalb des Betriebsplanverfahrens geregelten Belangen durch Nebenbestimmungen sicherzustellen. Insoweit hat die Behörde für ihre Entscheidung keinen Ermessensspielraum. Sind die rechtlichen Voraussetzungen für die Aufnahme von Nebenbestimmungen nach § 36 Abs. l VwVfG gegeben, hat die Behörde nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob sie von dieser Möglichkeit Gebrauch macht. Wenn durch die Festsetzung von Nebenbestimmungen die Erteilung der Zulassung ermöglicht werden kann, gebietet es der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen, anstatt die Betriebsplanzulassung zu versagen. 5 § 36 Abs. 2 VwVfG ermöglicht folgende Arten von Nebenbestimmungen: Befristung, Bedingung, Widerrufsvorbehalt sowie Auflage und deren Vorbehalt. 6 Die Befristung ist eine Bestimmung, nach der die Zulassung zu einem bestimmten Zeitpunkt beginnt, endet oder für einen bestimmten Zeitraum gilt (§ 36 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG). 7 Die Bedingung ist eine Nebenbestimmung, die den Eintritt oder Wegfall der in der Betriebsplanzulassung enthaltenen Vergünstigung von dem ungewissen Eintritt eines zukünftigen Ereignisses abhängig macht (§ 36 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG). Aufschiebende Bedingungen lassen die Betriebsplanzulassung erst wirksam werden, wenn die Bedingung erfüllt ist. Bei einer auflösenden Bedingung verliert die Zulassung mit dem Eintritt des Ereignisses ihre Wirksamkeit. Der Umstand, dass die Herbeiführung des Ereignisses vom Willen des Unternehmers abhängt, schließt den Charakter einer Bedingung nicht aus.13 Die Rechtswirkung der Bedingung tritt automatisch ein, d.h. ohne erneuten Verwaltungsakt der Zulassungsbehörde. Übt der Unternehmer eine betriebsplanpflichtige Tätigkeit trotz Nichteintritts einer aufschiebenden oder Eintritts einer auflösenden Bedingung aus, so handelt er ohne zugelassenen Betriebsplan und somit nach § 145 Abs. 1 Nr. 6 ordnungswidrig. Außerdem kann die Bergbehörde gemäß § 72 Abs. 1 die Fortsetzung des Betriebs untersagen. Der Vorbehalt des Widerrufs (§ 36 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG) gibt der Behörde die Befugnis, bei 8 Vorliegen bestimmter Umstände die Zulassung gemäß § 49 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG zu widerrufen. Ein genereller, nicht an bestimmte Umstände gebundener Widerrufsvorbehalt ist unzulässig. Bei der Betriebsplanzulassung besteht für einen ausdrücklichen Widerrufsvorbehalt grundsätzlich kein

12 BT-Drs. 8/3965, S. 134. 13 Kopp/Ramsauer VwVfG, § 36 Rn 57. von Hammerstein

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Bedürfnis, da die in § 49 Abs. 2 Nr. 2 bis 5 VwVfG enthaltenen gesetzlichen Widerrufsgründe zur Wahrung der nach § 55 und § 48 Abs. 2 maßgeblichen Belange ausreichen. Die Auflage schreibt dem Begünstigten ein Tun, Dulden oder Unterlassen vor (§ 36 Abs. 2 9 Nr. 4 VwVfG). Sie ist nicht Bestandteil der Betriebsplanzulassung, sondern tritt als selbständiger Verwaltungsakt hinzu. Sie kann mit den allgemein für Verwaltungsakte geltenden Verwaltungszwangsmaßnahmen durchgesetzt werden. Auch wenn die Auflage nicht erfüllt wird, bleibt die Zulassung wirksam. Die Behörde kann dann aber nach § 49 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG die mit der Auflage verbundene Betriebsplanzulassung widerrufen. Zulässig ist auch der Vorbehalt, eine Auflage nachträglich aufzunehmen, zu ändern oder zu ergänzen (§ 36 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG). Insbesondere bei den zukunftsbezogenen Nebenbestimmungen (Bedingung, Widerrufs- und 10 Auflagenvorbehalt) sind die Grenzen der Ermächtigung durch § 36 Abs. 1 Alt. 2 VwVfG genau zu beachten. Sinn und Zweck des § 36 Abs. 1 Alt. 2 VwVfG ist es, in der gebundenen Verwaltung an Stelle einer ansonsten zwingenden Ablehnung des Verwaltungsakts – quasi als milderes Mittel – durch Nebenbestimmungen die Zulassungsfähigkeit herbeizuführen.14 Liegen die gesetzlichen Genehmigungsvoraussetzungen bereits ohne Nebenbestimmungen vor, hat der Betroffene einen uneingeschränkten Anspruch auf Erlass des Verwaltungsakts. In diesem Fäll wäre es rechtswidrig, durch Nebenbestimmungen sicherstellen zu wollen, dass die Anspruchsvoraussetzungen in der Zukunft erfüllt bleiben. Die bloße Möglichkeit einer späteren Rechts- und Tatsachenänderung erlaubt daher nicht den Erlass von Nebenbestimmungen.15 Für Betriebsplanzulassungen wird dieses Ergebnis dadurch zusätzlich gestützt, dass für nachträgliche Änderungen die spezielle Regelung in § 56 Abs. 1 Satz 2 existiert, deren Voraussetzungen die Behörde nicht umgehen darf. Gleichwohl folgt hieraus nicht, dass bei Betriebsplanzulassungen mögliche zukünftige Veränderungen nie Anlass für Nebenbestimmungen bei Zulassung des Betriebsplans sein können. Die Entscheidung, ob die bergrechtlichen Zulassungsvoraussetzungen nach §§ 55 und § 48 Abs. 2 erfüllt sind, hat häufig prognostischen Charakter (hierzu etwa § 55 Rn. 27). In diesem Fall können etwa Auflagenvorbehalte dazu dienen, die Zulassungsfähigkeit überhaupt erst herbeizuführen.16 Die Entscheidung über die Auswahl der Nebenbestimmung trifft die Bergbehörde nach 11 pflichtgemäßem Ermessen. Die Nebenbestimmungen dürfen einerseits nicht weitergehen als notwendig ist, um die Zulassungsvoraussetzungen sicherzustellen. Andererseits erlaubt § 36 Abs. 1 Alt. 2 VwVfG keinen Verzicht auf Anspruchsvoraussetzungen, so dass keine defizitären Nebenbestimmungen erlaubt sind, die die Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen nicht mehr wirklich sicherstellen.17 Die Nebenbestimmungen zu einer Betriebsplanzulassung bedürfen wie diese selbst gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 BBergG der Schriftform. Sie müssen nach § 37 Abs. 1 VwVfG inhaltlich hinreichend bestimmt sein.18 Aus der Fassung der Nebenbestimmung muss die getroffene Regelung so vollständig, klar und unzweideutig erkennbar sein, dass der Unternehmer sein Verhalten danach richten kann.19 Das bedeutet allerdings nicht in jedem Falle, dass die Pflichten des Betroffenen bis in die Einzelheiten konkretisiert werden müssen. Entscheidend ist, dass der wesentliche Inhalt klar umrissen wird. Es kann daher u.U. ausreichen, wenn nur das zu erreichende Ziel 14 BVerwG 17.9.1987, 7 C 15/85, BVerwGE 78, 114, 118; Heitsch DÖV 2003, 367, 369; Papier NuR 1991, 162, 166; Stelkens/ Bonk/Sachs VwVfG, § 36 Rn. 120 f.; Fehling/Kastner/Störmer Verwaltungsrecht, § 36 VwVfG Rn. 69; Knack/Henneke VwVfG, § 36 Rn. 18. 15 BVerwG 10.7.1980, 3 C 136/79, BVerwGE 60, 269, 276; BSG 11.6.1987, 7 RAr 105/85, DVBl 1988, 449, 451 f. m.w.N. (zum gleichlautenden § 32 Abs. 1 SGB X); OVG Münster 23.9.1991 1 A 2744/88, NVwZ 1993, 488, 489; Fehling/Kastner/Störmer/ Störmer Verwaltungsrecht, § 36 VwVfG Rn. 71; Stelkens/Bonk/SachsVwVfG, § 36 Rn. 121 f.; Beck-OK/Bader/Ronellenfitsch/ Tiedemann VwVfG, § 36 Rn. 13; Knack/Henneke VwVfG, § 36 Rn. 20 (mit Ausnahme von Dauerverwaltungsakten); a.A. Brenner JuS 1996, 281, 282; Dietz NuR 1999, 681, 684; Obermayer/Janßen VwVfG, § 36 Rn. 32; Erichsen VerwArch 1975, 299, 307. 16 Hierzu allgemein Fehling/Kastner/Störmer Verwaltungsrecht, § 36 VwVfG Rn. 72; Stelkens/Bonk/Sachs VwVfG, § 36 Rn. 123 und 126 ff. 17 Stelkens/Bonk/Sachs VwVfG, § 36 Rn. 126. 18 Kopp/Ramsauer/Tegethoff VwVfG, § 37 Rn. 5. 19 Kopp/Ramsauer/Tegethoff VwVfG, § 37 Rn. 6. 597

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angegeben ist, sofern dieses so präzise formuliert wird, dass der Unternehmer über das von ihm Geforderte nicht im Unklaren ist.20 Wenn die Einhaltung bestimmter sicherheitstechnischer Regeln zur Auflage gemacht werden soll, müssen die einzuhaltenden Regelungen, z.B. Richtlinien der Bergbehörden, DIN-Normen, VDI-Richtlinien, unter Angabe des Erlassdatums und der Fundstelle einzeln bezeichnet werden.21 Maßgebend ist die bei Erlass der Zulassung geltende Fassung; ein dynamischer Verweis auf die „jeweils geltende Fassung“ ist zu unbestimmt.22 Keine Nebenbestimmungen i.S.d. § 36 VwVfG sind Hinweise auf bestehende Rechtsvorschriften oder auf eine etwa nach außerbergrechtlichen Normen für das Vorhaben erforderliche Erlaubnis, Bewilligung und dergleichen. Derartigen Hinweisen fehlt die für eine Nebenbestimmung wesentliche unmittelbare Rechtserheblichkeit. 12 Die Behörde sollte Nebenbestimmungen grundsätzlich so formulieren, dass erkennbar ist, um welche Art einer Nebenbestimmung es sich handelt. Für die Abgrenzung von Bedingung und Auflage kommt es bei der Auslegung neben dem Wortlaut insbesondere auf den für den Betroffenen erkennbaren Zweck der Regelung an. Im Zweifel ist eine Auflage anzunehmen, da diese für den Betroffenen weniger belastend ist.23 Den Unternehmer belastende Nebenbestimmungen sind im Regelfall zu begründen. Zum 13 Rechtsschutz gegen Nebenbestimmungen vgl. Vor §§ 50 bis 57e Rn. 16.

III. Nachträgliche Auflagen (Absatz 1 Satz 2) 1. Allgemeines 14 Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 2 kann die Behörde einen zugelassenen Betriebsplan nachträglich mit Auflagen versehen oder bestehende Auflagen nachträglich ändern oder ergänzen. Ein entsprechender Vorbehalt bei der Betriebsplanzulassung (§ 36 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG) ist nicht notwendig. § 56 Abs. 1 Satz 2 erlaubt nur nachträgliche Auflagen. Andere Nebenbestimmungen (Befristung, Bedingung, Widerrufsvorbehalt) kann die Behörde hierauf nicht stützen.24 Die Norm enthält keinen eigenständigen, von § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG abweichenden weiterreichenden Auflagenbegriff. Nicht erfasst von der Norm sind daher nachträgliche Korrekturen zugelassener Betriebspläne zur Anpassung an geänderte materiellrechtliche Vorgaben. Derartige Inhaltsbestimmungen können daher nur unter den engen Voraussetzungen des § 49 Abs. 2 VwVfG im Wege eines Teilwiderrufs der Betriebsplanzulassung durchgesetzt werden.25 Insoweit unterscheidet sich § 56 Abs. 1 Satz 2 von anderen umfassenderen Eingriffsbefugnissen zur Umsetzung dynamischer Betreiberpflichten wie etwa § 17 BImSchG oder § 13 WHG.26 Die nachträgliche Anordnung, Änderung oder Ergänzung einer Auflage ist ein neuer Verwaltungsakt, der selbständig mit Rechtsbehelfen angegriffen werden kann. Die nachträgliche Anordnung bedarf ebenso wie die zugrundeliegende Betriebsplanzulassung der Schriftform. Die Möglichkeit nachträglicher (belastender) Auflagen schränkt die Bestandskraft der Be15 triebsplanzulassung ein. Der Gesetzgeber hat damit dem Umstand Rechnung getragen, dass sich die Auswirkungen bergbaulicher Vorhaben im Zeitpunkt der Betriebsplanzulassung nicht immer 20 21 22 23 24

Kopp/Ramsauer/Tegethoff VwVfG, § 37 Rn. 6. Stelkens/Bonk/Sachs VwVfG, § 37 Rn. 38. Stelkens/Bonk/Sachs VwVfG, § 37 Rn. 38. Kopp/Ramsauer VwVfG, § 36 Rn. 73. BVerwG, 22.11.2018, 7 C 11/17 = ZfB 2019, 184, 187; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 56 Rn. 243; a.A. noch OVG Magdeburg 7.12.2016, 2 L 21/14 = ZfB 2017, 141 Rn. 136 ff. 25 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 56 Rn. 230b. 26 BVerwG, 22.11.2018, 7 C 11/17 = ZfB 2019, 184, Rn. 17. In dieser Entscheidung hat das BVerwG eine nachträgliche Regelung beanstandet, mit der die Bergbehörde die Verfüllung eines Tagebaus mit einigen der bisher hierfür zugelassenen Abfallarten untersagt hatte. von Hammerstein

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voll übersehen lassen.27 Die Vorschrift gilt auch für obligatorische Rahmenbetriebsplanzulassungen, vgl. hierzu § 57a Rn. 58. Entgegen dem Wortlaut des § 56 Abs. 1 sind nachträgliche Auflagen auch zur Sicherung der 15a Voraussetzungen des § 48 Abs. 2 Satz 1 BBergG zulässig, wonach die für die Betriebsplanzulassung zuständige Behörde eine Aufsuchung oder eine Gewinnung beschränken oder untersagen kann, soweit überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen. Dies folgt aus der inzwischen gefestigten Auslegung des § 48 Abs. 2 Satz 1.28 Wenn die Bergbehörde im Betriebsplanverfahren die möglichen überwiegenden öffentlichen Interessen prüfen und die Zulassung ggf. durch Nebenbestimmungen beschränken muss, obwohl der Wortlaut des § 55 Abs. 1 dies nicht vorsieht, ist es konsequent, der Behörde die Befugnis einzuräumen, Vorkehrungen zum Schutz öffentlicher Interessen auch durch nachträgliche Auflagen anzuordnen. Für diese Belange gilt, wie für die in § 55 genannten, dass ihre Einhaltung infolge der Unwägbarkeiten des Bergbaus nicht immer sicher prognostiziert werden kann und damit ggf. ein Betriebsplan der Nachbesserung bedarf. Damit die Bergbehörden weiterhin gesetzmäßige Zustände gewährleisten können, muss auch die Möglichkeit zum Erlass nachträglicher Auflagen entsprechend erweitert werden.29 Auch insoweit gilt aber, dass nachträgliche Auflagen nicht zulässig sind, die das Ergebnis der im Betriebsplanverfahren vorgenommenen Abwägung der öffentlichen Belange zu Lasten des Unternehmers korrigieren.30 Anforderungen, die sich spezifisch an nach dem BImSchG genehmigungspflichtige Anlagen richten, können nicht von der Bergbehörde auf der Grundlage von § 56 Abs. 1 Satz 2 angeordnet werden, weil sie auch nicht zum Prüfungsumfang des Betriebsplanverfahrens gehören. Die Einhaltung derartiger Anforderungen, insbesondere der Grundpflichten des § 5 BImSchG, ist vielmehr gemäß § 6 Abs. 1 BImSchG im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen. Daher ist für nachträgliche Anordnungen auch nicht die Bergbehörde, sondern die Immissionsschutzbehörde zuständig, deren Befugnisse sich nach § 17 BImSchG richten.

2. Wirtschaftliche Vertretbarkeit Nachträgliche Auflagen sind nur zulässig, wenn sie für den Unternehmer und für Einrichtungen der 16 von ihm betriebenen Art wirtschaftlich vertretbar sind. Der Begriff der wirtschaftlichen Vertretbarkeit wird allgemein dahin verstanden, dass nachträgliche Auflagen nicht zur Unwirtschaftlichkeit des Betriebs führen dürfen.31 Dieses Kriterium soll eine übermäßige Belastung des Bergbautreibenden vermeiden.32 Bei der Formulierung des § 56 Abs. 1 Satz 2 hat sich der Gesetzgeber des BBergG offenbar an Regelungen wie § 17 Abs. 2 BImSchG a.F. orientiert.33 Zu § 17 Abs. 2 BImSchG a.F. wurde vertreten, dass eine Auflage wirtschaftlich vertretbar ist, solange sie die Rentabilität des Unternehmens nicht gefährdet, das Unternehmen also noch nachhaltig einen angemessenen Gewinn erzielen kann.34 Die frühe bergrechtliche Literatur zu § 56 Abs. 1 Satz 2 ist diesem Verständnis gefolgt.35 Nachträgliche Anordnungen nach § 17 BImSchG sollen sicherstellen, dass die immissionsschutzrechtlichen 27 OVG Frankfurt (Oder) 14.10.2004, 4 B 228/04 = ZfB 2005, 20, 23. 28 Seit BVerwG 4.7.1986, 4 C 31/84, BVerwGE 74, 315, 323. 29 BVerwG, 22.11.2018, 7 C 11/17 = ZfB 2019, 184, 187 Rn. 14 f.; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 56 Rn. 117, 230a m.w.N.; Frenz BBergG, § 56 Rn. 52; Kühne/Ehricke/Beckmann Bergrecht zwischen Tradition und Moderne, S. 169, 187; Beckmann ZUR 2006, 295, 297; Boldt/Weller 1. Auflage, Ergänzungsband, § 48 Rn. 7; Frenz WiVerw 2009, 77, 82; Kühne DVBl 2010, 874, 876; a.A. VG Halle 22.1.2014, 5 A 155/13, juris Rn. 39 ff. 30 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 56 Rn. 230b m.w.N. 31 Vgl. zu § 14 BImSchG Landmann/Rohmer/Rehbinder Umweltrecht, § 14 BImSchG Rn. 59; BeckOK/Giesberts Umweltrecht, § 14 BImSchG Rn. 21. 32 OVG Bautzen 31.1.2001, 1 B 478/99 = ZfB 2001, 216, 218. 33 BT-Drs. 8/1315, S. 90, 112. 34 OVG Münster 19.12.1972, VII A 623/71, NJW 1973, 1626, 1627; Sellner Immissionsschutzrecht und Industrieanlagen, Rn. 449. Ausführlich hierzu Hoppe Die wirtschaftliche Vertretbarkeit im Umweltschutzrecht, S. 37 ff. m.w.N. 35 Boldt/Weller 1. Auflage, § 56 Rn. 18; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 56 Rn. 245 ff. 599

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Betreiberpflichten erfüllt werden, und nachträgliche Auflagen nach § 56 Abs. 1 Satz 2 BBergG sollen die gesetzlichen Zulassungsvoraussetzungen sicherstellen (vgl. Rn. 21). In beiden Fällen werden hierdurch unter anderem Rechtsgüter wie Leben, Gesundheit und Eigentum der im Einwirkungsbereich lebenden Menschen geschützt. Deshalb führen die vorstehenden Auslegungen im Ergebnis dazu, dass hohe Verfassungsgüter Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten untergeordnet werden.36 Vor diesem Hintergrund hat der Gesetzgeber im Jahre 1985 die wirtschaftliche Vertretbarkeit in § 17 BImSchG durch das Kriterium der Verhältnismäßigkeit ersetzt.37 Er wollte damit die Eingriffsschwelle ausdrücklich auf das verfassungsrechtlich Gebotene reduzieren.38 Aufgrund der Änderung können nunmehr in besonderen Fällen nachträgliche Anordnungen nach § 17 BImSchG auch dann ergehen, wenn sie den Betreiber der Anlage in seiner Existenz bedrohen.39 § 56 Abs. 1 Satz 2 hat der Gesetzgeber nicht in diesem Sinne angepasst, so dass hier das Kriteri17 um der wirtschaftlichen Vertretbarkeit maßgeblich bleibt. Dieses Kriterium schließt eine abwägende Betrachtung nicht vollkommen aus.40 Nach § 1 Nr. 3, der bei der Auslegung des BBergG zu berücksichtigen ist, bezweckt das BBergG gerade auch die Vorsorge gegen Gefahren für Leben, Gesundheit und Sachgüter Dritter. Für die Frage der wirtschaftlichen Vertretbarkeit ist daher eine einzelfallbezogene Betrachtung erforderlich, welche die wirtschaftliche Belastung der nachträglichen Auflage für den Unternehmer in Relation zur Wertigkeit der betroffenen Schutzgüter, zur Wahrscheinlichkeit der Risikorealisierung und zum Sicherheitsgewinn setzt. Je gravierender die Risiken, denen die Auflage begegnen soll, desto höhere finanzielle Belastungen des Unternehmers sind vertretbar.41 Das Merkmal der wirtschaftlichen Vertretbarkeit zieht eine Grenze jedenfalls dort, wo nachträgliche Auflagen die Existenz des Unternehmens oder die betriebswirtschaftlich sinnvolle Fortsetzung der mit dem Betriebsplan zugelassenen bergbaulichen Tätigkeit gefährden. Existenzgefährdende Auflagen können selbst dann nicht auf § 56 Abs. 1 Satz 2 gestützt werden, wenn sie angesichts der betroffenen Schutzgüter verhältnismäßig wären und ein Einschreiten zu ihrem Schutz geboten ist. Die nachträgliche Auflage darf nicht dazu führen, dass der Unternehmen keinen nachhaltig angemessenen Gewinn mehr erwirtschaften kann oder dass ein solcher Gewinn nachträglich abgeschöpft wird.42 Dabei ist eine auf die Zukunft bezogene Betrachtungsweise zugrunde zu legen. Die mit der nachträglichen Auflage verbundenen Aufwendungen müssen in Bezug zur verbleibenden Nutzungsdauer des Bergbaubetriebs gesetzt werden. Hohe Einmalinvestitionen, die sich in der verbleibenden Laufzeit des Betriebes nicht mehr unter Erzielung eines angemessenen Gewinns erwirtschaften lassen, können nach § 56 Abs. 1 Satz 2 nicht verlangt werden.43 Anderenfalls würden die anfänglichen auf die Betriebsplanzulassung gestützten Kalkulationen und Investitionsentscheidungen des Unternehmens nachträglich in Frage gestellt, ohne dass der Unternehmer die Möglichkeit hätte, darauf noch zu reagieren. Dies gilt auch und gerade für die Nachbetriebsphase. Zwar wird der Unternehmer in dieser Phase regelmäßig keine Gewinne mehr erzielen und deshalb auch keine Gewinnerwartungen geltend machen können.44 Bei der Anordnung nachträglicher Auflagen für die Wiedernutzbarmachung darf die Bergbehörde aber ebenfalls frühere Investitionsentscheidungen nicht entwerten. Die Grenze der wirtschaftlichen Zumutbarkeit wird deshalb regelmäßig durch die Rückstellungen gebildet, die der

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Vgl. Beyer Die Verantwortung für Gefahren bei der Überplanung und Bebauung risikobehafteter Flächen, S. 115. Zweites Gesetz zur Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes. BT-Drs. 10/1862 (neu), S. 11; Landmann/Rohmer/Hansmann Umweltrecht, § 17 BImSchG Rn. 78. Kühne DVBl 2010, 874, 876. Kühne/Ehricke/Beckmann Bergrecht zwischen Tradition und Moderne (2010), S. 169, 188 f.; Frenz WiVerw 2009, 77, 82; a.A. Beyer Die Verantwortung für Gefahren bei der Überplanung und Bebauung risikobehafteter Flächen, S. 114 f. 41 Frenz WiVerw 2009, 77, 82; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 56 Rn. 251; vgl. auch Kühne/Ehricke/Beckmann Bergrecht zwischen Tradition und Moderne (2010), S. 169, 188 f. 42 OVG Magdeburg 7.12.2016, 2 L 21/14 = ZfB 2017, 141 Rn. 129; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 56 Rn. 248. 43 Frenz BBergG, § 56 Rn. 59; a.A. OVG Magdeburg 7.12.2016, 2 L 21/14 = ZfB 2017, 141 Rn. 129. 44 Eine Ausnahme bildet der Versatz von Tagebauen mit Abfällen, für deren Annahme sich Verwertungserlöse erzielen lassen. von Hammerstein

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Unternehmer für die Wiedernutzbarmachung gebildet hat oder bei verantwortlicher Unternehmensführung in der Betriebsphase hätte bilden sollen. Kosten, die dadurch entstehen, dass der Unternehmer seine Verpflichtungen in der Vergangenheit nicht erfüllt hat, sind dabei nicht zu berücksichtigen.45 Kann der Unternehmer die entstehenden Kosten ohne eigenen Wettbewerbsnachteil und ohne besonderen Aufwand an einen leistungsfähigen, mit öffentlichen Mitteln ausgestatteten Dritten weitergeben, ist die Auflage stets wirtschaftlich vertretbar.46 Solange der Betrieb durch Betriebsplan zugelassen ist, gilt die einschränkende Voraussetzung 18 der wirtschaftlichen Vertretbarkeit auch für Anordnungen nach § 71 Abs. 1 (vgl. § 71 Rn. 5). Sofern zum Schutz wichtiger Rechtsgüter nachträgliche Beschränkungen erforderlich sind, die die Grenze des wirtschaftlich Vertretbaren überschreiten, bleibt daher nur die Möglichkeit einer (vorübergehenden) Betriebseinstellung nach § 71 Abs. 2 und einer Aufhebung der Betriebsplanzulassung nach § 5 BBergG i.V.m. §§ 48, 49 VwVfG (vgl. Rn. 24 ff.). Ist zur Gefahrenabwehr ein bestimmtes aktives Handeln des Unternehmers rechtlich geboten, das wirtschaftlich nicht vertretbar ist, muss die Behörde zunächst die Betriebsplanzulassung(en) aufheben und kann anschließend Anordnungen nach § 71 Abs. 1 treffen. Nach dem Gesetzeswortlaut muss die wirtschaftliche Vertretbarkeit kumulativ, also sowohl 19 für den Unternehmer als auch für Einrichtungen der von ihm betriebenen Art, gegeben sein.47 Der Unternehmer darf durch nachträgliche Auflagen nicht in eine Situation gebracht werden, in der er den betriebswirtschaftlich sinnvollen Bergwerksbetrieb nur durch Quersubventionierung aus anderen Betrieben aufrechterhalten kann. Erst recht kann im Konzern keine gesellschaftsübergreifende Quersubventionierung verlangt werden.48 Die in Anlehnung an den anders formulierten § 17 Abs. 2 Satz 1 BImSchG a.F. ohne weitere Begründung vertretene Gegenansicht49 findet in den Gesetzesmaterialien keine Stütze. Die Regierungsbegründung zum Entwurf des § 56 Abs. 1 Satz 2 BBergG führt lediglich aus, die Befugnis zum Erlass nachträglicher Auflagen stehe „im Einklang mit der modernen Verwaltungsgesetzgebung“.50 Es ist nicht sachwidrig, dass die wirtschaftliche Vertretbarkeit kumulativ vorliegen muss. Das Erfordernis der individuellen wirtschaftlichen Vertretbarkeit dient dem Schutz der grundrechtlich geschützten Positionen des Unternehmers.51 Die Begrenzung auf das, was für eine vergleichbare Einrichtung vertretbar ist, sorgt dafür, dass von einem wirtschaftlich überdurchschnittlich gut gestellten Betrieb nicht mehr verlangt wird, als von einem wirtschaftlich gesunden Durchschnittsbetrieb gefordert werden könnte. Diese Voraussetzung lässt sich daher mit dem Bestreben nach Wettbewerbsneutralität staatlichen Handelns begründen.52 Es gibt also keinen Anlass, vom eindeutigen Gesetzeswortlaut abzuweichen.

45 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 56 Rn. 250. 46 OVG Bautzen 31.1.2001, 1 B 478/99 = ZfB 2001, 216, 218. 47 VG Halle 22.1.2014, 5 A 155/13, juris Rn. 49; Beyer Die Verantwortung für Gefahren bei der Überplanung und Bebauung risikobehafteter Flächen, S. 114; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 56 Rn. 247; Pohl Bestandsschutz bergrechtlicher Betriebsplanzulassungen, S. 164 f. Diese Auffassung teilt auch das OVG Bautzen 31.1.2001, 1 B 478/99 = ZfB 2001, 216, 218, das die Frage im Ergebnis aber offen lassen konnte. 48 A.A. Frenz BBergG, § 56 Rn. 60, der befürchtet, anderenfalls könnte ein großes Unternehmen durch Verselbständigung von Unternehmensteilen kleine finanzschwache Einheiten schaffen, an die nur weniger strenge Anforderungen gestellt werden könnten. Dieses Szenario erscheint allerdings wenig praxisnah. 49 Boldt/Weller 1. Auflage, § 56 Rn. 18; Beckmann DÖV 2010, 512, 517; Beckmann ZUR 2006, 29 5, 297 und Frenz WiVerw 2009, 77, 82 zufolge soll es auf die vergleichbaren Einrichtungen nur ankommen, wenn die Maßnahme für den konkreten Unternehmer nicht wirtschaftlich vertretbar ist. Dapprich/Römermann § 56 Rn. 4, § 16 Rn. 4 vertreten gar ohne nähere Begründung, dass es stets nur auf die durchschnittlichen wirtschaftlichen Verhältnisse aller vergleichbaren Bergbaubetriebe ankomme. 50 BT-Drs. 8/1315, S. 112. 51 Ein zugelassener Betrieb vermittelt jedenfalls nach Errichtung und Inbetriebnahme eine durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Rechtsposition, vgl. Landmann/Rohmer/Hansmann Umweltrecht, § 17 BImSchG Rn. 18. 52 Vgl. BVerwG 30.8.1996, 7 VR 2/96, NVwZ 1997, 497, 500. 601

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3. Erfüllbarkeit nach allgemein anerkannten Regeln der Technik 20 Der Begriff der „allgemein anerkannten Regeln der Technik“ wird im deutschen Recht vielfach verwendet.53 Er ist von den Formeln „Stand der Technik“ aus dem Umweltrecht54 und „Stand von Wissenschaft und Technik“ aus dem Atomrecht55 zu unterscheiden und stellt andere Anforderungen.56 Der Begriff der „allgemein anerkannten Regeln der Technik“ hat keine Legaldefinition erfahren. Er wird im Anschluss an ein Reichsgerichtsurteil57 zu den „allgemein anerkannten Regeln der Baukunst“ gemäß § 330 StGB a.F. (§ 319 StGB) interpretiert. Dazu gehören diejenigen Prinzipien und Lösungen, die in der Praxis erprobt und bewährt sind und sich bei der Mehrheit der Praktiker durchgesetzt haben.58 Während eine Maßnahme dem „Stand der Technik“ schon entspricht, wenn ihre praktische Eignung gesichert scheint, etwa weil sie erfolgreich im Betrieb erprobt wurde,59 und eine Maßnahme dem „Stand von Wissenschaft und Technik“ sogar bereits entspricht, wenn sie nur technisch realisierbar ist,60 verlangen die allgemein anerkannten Regeln der Technik nur, dass die Maßnahmen solchen technischen Regeln entsprechen, die in die Praxis eingedrungen sind und sich dort verfestigt haben. Es genügt nicht, dass in der Wissenschaft und im Fachschrifttum die Ansicht vertreten wird, die Regel entspreche den technischen Erfordernissen oder dass einzelne Anlagen bereits die höheren Standards erfüllen.61 Ob einzelne Fachleute oder eine kleine Gruppe von Fachleuten die Regel nicht anerkennen oder überhaupt nicht kennen, ist hingegen unerheblich, ebenso wie ein eingerissener Missbrauch oder eine nachlässig geübte Praxis.62 Der Begriff der „allgemein anerkannten Regeln der Technik“ führt also zu niedrigeren Anforderungen an den Unternehmer als die Formeln „Stand der Technik“ und „Stand von Wissenschaft und Technik“.63 Als geeignete Quellen für die allgemein anerkannten Regeln der Technik kommen auch DIN-Vorschriften und sonstige technische Regelwerke in Betracht. Diese Regelwerke begründen aber keinen Ausschließlichkeitsanspruch, und die dort normierten Regeln haben nicht automatisch die Qualität von anerkannten Regeln der Technik. Ausdruck der fachlichen Mehrheitsmeinung sind sie nur, wenn sie sich mit der Praxis decken.64 21 Nachträgliche Auflagen sind nach § 56 Abs. 1 Satz 2 nur zulässig, solange sie nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik erfüllbar sind. Das gilt auch dann, wenn die nachträgliche Auflage außerbergrechtliche Zulassungsvoraussetzungen umsetzen soll, die materiell höhere Anforderungen stellen. Für einen nicht BImSchG-genehmigungspflichtigen Bergbaubetrieb (zu BImSchGgenehmigungspflichtigen Betrieben vgl. Rn. 15a) ist dies relevant in Bezug auf die Betreiberpflichten

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Z.B. § 319 StGB, §§ 50, 51, 60, 62 WHG, § 2 HaftPflG. Z.B. in § 3 Abs. 6 Satz 1 BImSchG (Legaldefinition); § 21 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b) UVPG; § 22a Abs. 1 Satz 2 ABBergV. Z.B. in § 4 Abs. 2 Nr. 3 und § 5 Abs. 5 AtG. BVerwG 4.8.1992, 4 B 150/92, Buchholz 406.25 § 3 BImSchG Nr. 9; BVerfG 8.8.1978, 2 BvL 8/77, BVerfGE 49, 89, 135; Breuer NVwZ 1988, 104, 109; Sander ZfW 1998, 405. 57 RG 11.10.1910, IV 664/10, RGSt 44, 75. 58 RG 11.10.1910, IV 664/10, RGSt 44, 75, 79 f.; BVerwG 30.9.1996, 4 B 175/96, NVwZ-RR 1997, 214; Kühne/Ehricke/Beckmann Bergrecht zwischen Tradition und Moderne, S. 169, 189; Beckmann ZUR 2006, 295, 297; Breuer AöR 101, 46, 67 m.w.N.; Dapprich/Römermann § 56 Rn. 5, § 16 Rn. 5; Filthaut HaftpflichtG, § 2 Rn. 35; Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp/Gößl WHG – AbwAG, § 50 WHG Rn. 39; Landmann/Rohmer/Hünnekens Umweltrecht, § 50 WHG Rn. 30; Lackner/Kühl/Heger StGB, § 319 Rn. 3; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 56 Rn. 254; Seibel ZfBR 2008, 635, 636. 59 § 3 Abs. 6 Satz 1 BImSchG; BVerwG 4.8.1992, 4 B 150/92, Buchholz 406.25 § 3 BImSchG Nr. 9 m.w.N., Landmann/ Rohmer/Kutscheidt Umweltrecht, § 3 BImSchG Rn. 29; Landmann/Rohmer/Hagmann Umweltrecht, § 21 UVPG Rn. 8. 60 Fischerhof AtG, § 7 Rn. 17; Feldhaus/Feldhaus BImSchG, § 3 Rn. 18; Landmann/Rohmer/Kutscheidt Umweltrecht, § 3 BImSchG Rn. 30. 61 RG 11.10.1910, IV 664/10, RGSt 44, 75, 79 f.; Breuer AöR 101 (1976), 46, 67. 62 RG 11.10.1910, IV 664/10, RGSt 44, 75, 80; Breuer NVwZ 1988, 104, 109; Filthaut HaftpflichtG, § 2 Rn. 35; Seibel ZfBR 2008, 635, 636. 63 BVerwG 4.8.1992, 4 B 150/92, Buchholz 406.25 § 3 BImSchG Nr. 9; BVerfG 8.8.1978, 2 BvL 8/77, BVerfGE 49, 89, 135. 64 BVerwG 30.9.1996, 4 B 175/96, NVwZ-RR 1997, 214. von Hammerstein

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nach § 22 BImSchG. Diese sind im Rahmen von § 48 Abs. 2 zu berücksichtigen65 und gehören damit zu den nach § 56 Abs. 1 Satz 2 sicherzustellenden Zulassungsvoraussetzungen (vgl. Rn. 22). Es kann der Fall eintreten, dass eine fortschrittliche Maßnahme bereits dem für § 22 BImSchG maßgeblichen „Stand der Technik“, aber noch nicht den „allgemein anerkannten Regeln der Technik“ entspricht. Dann kann diese Maßnahme zwar nach § 22 BImSchG materiell geboten sein, die Bergbehörde darf sie aber gleichwohl nicht nach § 56 Abs. 1 Satz 2 durch eine nachträgliche Auflage zum Betriebsplan umsetzen. Diese Anforderungen muss dann die für Anordnungen nach § 24 BImSchG zuständige Behörde umsetzen.

4. Erforderlichkeit Die nachträgliche Aufnahme, Änderung oder Ergänzung einer Auflage setzt nach dem Wortlaut 22 von § 56 Abs. 1 Satz 2 voraus, dass diese Maßnahme erforderlich ist, um die in § 55 Abs. 1 Nr. 2 bis 13 und Abs. 2 aufgeführten Zulassungsvoraussetzungen sicherzustellen. Dies kann z.B. dann der Fall sein, wenn sich die in § 55 Abs. 1 Nr. 3 genannten allgemein anerkannten Regeln der Sicherheitstechnik weiterentwickelt haben. Um einen Gleichlauf mit dem Prüfprogramm des Zulassungsverfahrens nach § 55 Abs. 1 BBergG sicherzustellen, kann eine nachträgliche Auflage auch zum Schutz überwiegender öffentlicher Interessen i.S.v. § 48 Abs. 2 Satz 1 erforderlich sein (vgl. Rn. 15a). Gesetzliche Anforderungen, die nicht im bergrechtlichen Zulassungsverfahren zu berücksichtigen sind, rechtfertigen keine nachträglichen Auflagen nach § 56 Abs. 1 Satz 2. Für Bergwerksbetriebe, die zugleich BImSchG-genehmigungspflichtig sind, bedeutet dies, dass nachträgliche Auflagen nach § 56 Abs. 1 Satz 2 nicht auf immissionsschutzrechtliche Anforderungen gestützt werden können. Diese sind im BImSchG-Verfahren zu prüfen und damit im Betriebsplanverfahren nicht nach § 48 Abs. 2 Satz 1 zu berücksichtigen. Die Erfüllung der immissionsschutzrechtlichen Anforderungen muss daher die dafür zuständige Fachbehörde durch nachträgliche Anordnungen nach § 17 BImSchG sicherzustellen. Dies gilt auch, wenn die BImSchG-Genehmigung durch die bergrechtliche Planfeststellung konzentriert wurde, vgl. § 57a Rn. 58 f. Als unbestimmter Rechtsbegriff ist die „Erforderlichkeit“ verwaltungsgerichtlich nachprüfbar.

5. Rechtsfolge Liegen die Voraussetzungen vor, steht es im Ermessen der Behörde, einen zugelassenen Betriebs- 23 plan nachträglich um Auflagen zu ergänzen oder bestehende Auflagen nachträglich zu ändern oder zu ergänzen. Sie kann entscheiden, ob sie tätig wird (Entschließungsermessen) und welche Auflage sie auferlegt (Auswahlermessen).66 Das Ermessen unterliegt den allgemeinen Grundsätzen. Die Behörde hat die Entscheidung also nach den Grundsätzen der Geeignetheit und Verhältnismäßigkeit zu treffen. Bei gleicher Eignung ist das Mittel zu wählen, das den Unternehmer am wenigsten in seinen Rechten beeinträchtigt. Maßnahmen nach § 56 Abs. 1 Satz 2 haben als primäres Mittel des Betriebsplanverfahrens 24 Vorrang vor Anordnungen nach § 71 Abs. 1 Satz 1, vgl. hierzu die Kommentierung zu § 71 Rn. 5. Die (vorübergehende) vollständige oder teilweise Betriebseinstellung knüpft § 71 Abs. 2 an hohe Voraussetzungen. Um diese nicht zu umgehen, darf ein (auch nur vorübergehender) vollständiger Abbaustopp nicht auf § 56 Abs. 1 Satz 2 gestützt werden.67

65 BVerwG 4.7.1986, 4 C 31/84, BVerwGE 74, 315, 322 f. 66 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 56 Rn. 257. 67 A.A. wohl VG Koblenz 20.10.2010, 1 L 1256/10, LKRZ 2011, 35, das eine nachträgliche Auflage, nach der Bohr- und Sprengarbeiten erst nach besonderer Freigabe durch die Behörde wieder aufgenommen werden durften, nicht beanstandet hat. Offen gelassen von VG Saarlouis 3.11.2005, 5 F 32/05, juris. 603

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IV. Rücknahme und Widerruf der Betriebsplanzulassung (§§ 48, 49 VwVfG) 25 Das BBergG enthält keine eigenen Regeln zur Rücknahme und zum Widerruf von Betriebsplanzulassungen. Insoweit finden gemäß § 5 die allgemein für die Rücknahme und den Widerruf von Verwaltungsakten geltenden Vorschriften der Verwaltungsverfahrensgesetze Anwendung.68 Rücknahme und Widerruf sind ultima ratio. Soweit die Behörde das angestrebte Ziel auch durch eine nachträgliche Auflage nach § 56 Abs. 1 Satz 2, eine nachträgliche Anordnung nach § 71 Abs. 1 oder eine vorübergehende (ggf. nur teilweise) Betriebseinstellung nach § 71 Abs. 2 erreichen kann, sind diese als milderes Mittel vorrangig.69 Die Bergbehörde muss auch prüfen, ob sie dem Unternehmer nach § 71 Abs. 1 als milderes Mittel die Vorlage eines zusätzlichen oder die Anpassung eines zugelassenen Betriebsplans auferlegen kann, um so Gefahren für Schutzgüter zu vermeiden. § 71 Abs. 1 lässt eine solche Anordnung zu.70 26 Rechtswidrige Betriebsplanzulassungen können ganz oder teilweise nach § 48 VwVfG zurückgenommen werden. Als begünstigender Verwaltungsakt, der keine Geld- oder Sachleistung zum Inhalt hat, ist die Rücknahme einer rechtswidrigen Betriebsplanzulassung nicht von weiteren Voraussetzungen abhängig und steht nach § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG im Ermessen der Behörde. Die Rücknahme muss innerhalb der Jahresfrist des § 48 Abs. 4 erfolgen. Der Betroffene kann dann nach § 48 Abs. 3 Entschädigung verlangen, vgl. Rn. 28. 27 Der Widerruf eines rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsaktes ist nur zulässig, wenn bestimmte in § 49 Abs. 2 VwVfG abschließend aufgeführte Gründe vorliegen. Dazu gehören nach Nummer 1 der Vorbehalt eines Widerrufs, nach Nummer 2 die Nichterfüllung einer Auflage, nach Nummer 3 eine nachträgliche Änderung der maßgeblichen Tatsachen, wenn sonst das öffentliche Interesse gefährdet würde, nach Nummer 4 eine Änderung der Rechtslage und nach Nummer 5 schwere Nachteile für das Gemeinwohl. In Fällen, in denen das Vorliegen der Betriebsplanzulassungsvoraussetzungen der §§ 55 Abs. 1, 48 Abs. 2 BBergG aufgrund nachträglich eingetretener Umstände nicht (mehr) sichergestellt ist, kommt daher der Widerruf der Betriebsplanzulassung nach § 5 BBergG i.V.m. § 49 Abs. 2 Nr. 3, 5 VwVfG in Betracht.71 28 Bei einer Rücknahme sieht § 48 Abs. 3 VwVfG einen Anspruch auf Ausgleich des Vermögensnachteils vor, den der Betroffene dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsakts vertraut hat (Ersatz des Vertrauensschadens). Voraussetzung ist, dass sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Gleiches gilt gemäß § 49 Abs. 6 VwVfG bei einem Widerruf in den Fällen des § 49 Abs. 2 Nr. 3 bis 5. Unter der Berücksichtigung von 68 OVG Koblenz 5.10.2010, 1 A 10689/09 = ZfB 2011, 119, 126; VG Magdeburg 30.11.2011, 3 A 50/08, juris; VG Magdeburg 9.4.2008, 3 B 53/08 = ZfB 2008, 200; Beckmann ZUR 2006, 295, 298; Frenz WiVerw 2009, 77, 92; Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht, Rn. 275; Kühne DVBl 2010, 874, 876 f.; Niermann Betriebsplan und Planfeststellung im Bergrecht, S. 204 f.; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 56 Rn. 89 ff.; Schmidt-Aßmann/Schoch Bergwerkseigentum und Grundeigentum im Betriebsplanverfahren, S. 171; offengelassen durch OVG Magdeburg 18.8.2008, 2 M 103/08 = ZfB 2008, 189, 191 f. Vgl. auch die Hausverfügung der Bezirksregierung Arnsberg für die Handhabung des Betriebsplanverfahrens (Betriebsplan-Richtlinien – BP-RL), Stand 31.5.2010, Nr. 3.8. A.A. Kühne/Gaentzsch Wandel und Beharren im Bergrecht, S. 27 ff. mit der Begründung, das BBergG verlange eine Abdeckung aller bergbaulichen Betriebshandlungen und Phasen durch Betriebspläne, so dass das Außer-Geltung-Setzen eines zugelassenen Betriebsplans nur als inzidente Folge der Inkraftsetzung eines neuen Betriebsplans möglich sei. Vgl. zur obligatorischen Rahmenbetriebsplanzulassung auch die Kommentierung zu § 57a Rn. 60. 69 OVG Magdeburg 7.12.2016, 2 L 21/14 = ZfB 2017, 141 Rn. 140 und 2 L 17/14, juris Rn. 190 zur nachträglichen Auflage; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 56 Rn. 93; Frenz WiVerw 2009, 77, 89; Kühne DVBl 2010, 874, 877. Vgl. auch BVerwG 21.5.1997, 11 C 1/96, BVerwGE 105, 6, 13 f. (zum Vorrang nachträglicher Schutzauflagen nach § 9b Abs. 3 Satz 2 AtG gegenüber einem Widerruf). 70 Vgl. OVG Münster 26.1.2012, 11 A 2635/09 = ZfB 2012, 151, 157 ff. A.A. Niermann Betriebsplan und Planfeststellung im Bergrecht, S. 205; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 71 Rn. 39; Schmidt-Aßmann/Schoch Bergwerkseigentum und Grundeigentum im Betriebsplanverfahren, S. 173; Hoppe DVBl 1982, 101, 111. 71 Vgl. OVG Koblenz 5.10.2010, 1 A 10689/09 = ZfB 2011, 119, 126; Kühne DVBl 2010, 874, 877; a.A. Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 56 Rn. 240 f. von Hammerstein

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Risikosphärengesichtspunkten bestehen Zweifel an der Schutzwürdigkeit des Vertrauens, soweit sich bergbauinhärente Risiken verwirklichen, die bei Zulassung des Betriebsplans noch nicht erkennbar waren.72 Bei der Ermittlung der Höhe einer Entschädigung ist auch eine Befristung der Zulassung zu berücksichtigen.73

V. Sicherheitsleistung (Absatz 2) Die Bergbehörde kann nach § 56 Abs. 2 Satz 1 die Zulassung und nach § 56 Abs. 3 auch die Verlän- 29 gerung, Ergänzung oder Änderung eines Betriebsplans von einer Sicherheitsleistung abhängig machen. Hierbei kommen alle Betriebsplanarten infrage, auch obligatorische und fakultative Rahmenbetriebspläne.74 Auch wenn eine Rahmenbetriebsplanzulassung keine Sicherheitsleistung vorsieht, kann sie in nachfolgenden Haupt- oder Sonderbetriebsplanzulassungen festgesetzt werden.75 Enthält die Rahmenbetriebsplanzulassung hingegen schon eine Sicherheitsleistung für das Gesamtvorhaben, steht ihre Bindungswirkung weitergehenden Festsetzungen in nachfolgenden Betriebsplanverfahren entgegen.76 Aus dem Verweis auf § 55 Abs. 2 ergibt sich, dass auch Abschlussbetriebsplanzulassungen von Sicherheitsleistungen abhängig gemacht werden können.77 Die Zulassung des vorzeitigen Beginns nach § 57b Abs. 1 kann nicht mit einer Sicherheitsleistung verbunden werden. Dafür besteht aber auch kein Bedürfnis, weil parallel immer auch eine Hauptbetriebsplanzulassung erforderlich ist, in der eine Sicherheitsleistung festgesetzt werden kann.78 Die Festsetzung einer Sicherheitsleistung nach § 56 Abs. 2 BBergG ist eine Ermessensentscheidung, die bei jeder Zulassung, Verlängerung, Ergänzung oder Änderung eines Betriebsplanes pflichtgemäß zu treffen ist. Die Behörde kann den Zulassungsbescheid zu diesem Zweck mit einer entsprechenden Nebenbestimmung versehen. Der Wortlaut der Norm deutet darauf hin, dass die Sicherheitsleistung als Bedingung ausgestaltet wird. Zulässig und besonders bei bereits laufenden Betrieben regelmäßig angemessen ist aber auch die Festsetzung im Wege einer Auflage.79 Das Verlangen nach einer Sicherheitsleistung ist im jeweiligen Zulassungsbescheid gesondert zu begründen. Für Betriebspläne zu Errichtung, Betrieb und Stilllegung von Abfallentsorgungseinrichtungen der Kategorie A gilt ergänzend die Sonderregelung von § 22a Abs. 3 Satz 3 ABBergV.80 Die Anordnung einer Sicherheitsleistung im Wege der nachträglichen Auflage gemäß Absatz 1 Satz 2 ist hingegen regelmäßig unzulässig.81 Jedenfalls in der Betriebsphase kann die Behörde eine Sicherheit stattdessen gemäß § 56 Abs. 3 bei der Verlängerung oder Neuerteilung auslaufender (Haupt-)Betriebsplanzulassungen verlangen.82 Einige Bergbehörden haben Merkblätter über die Erhebung und Verwertung von Sicherheitsleistungen herausgegeben, in denen

72 Ausführlich Frenz WiVerw 2009, 77, 91 ff.; Kühne DVBl 2010, 874, 877; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 56 Rn. 93. 73 Schmidt-Aßmann/Schoch Bergwerkseigentum und Grundeigentum im Betriebsplanverfahren, S. 172. 74 BT-Drs. 11/4015, S. 11; OVG Weimar 8.6.2011, 1 KO 704/07 = ZfB 2011, 247, 254; Boldt/Weller 1. Auflage, Ergänzungsband, § 57a Rn. 49; Herrmann ZfB 2018, 271, 273. Einschränkend für fakultative Rahmenbetriebspläne: Piens/Schulte/ Graf Vitzthum BBergG, § 56 Rn. 260 f. 75 Herrmann ZfB 2018, 271, 273 f. 76 Herrmann ZfB 2018, 271, 274, der dies mit dem Fehlen eines „Erfordernisses“ begründet. 77 Frenz BBergG, § 56 Rn. 70. 78 Hierzu ausführlich Herrmann ZfB 2018, 271, 274 f. 79 Herrmann ZfB 2018, 271, 287 f.; Herrmann ZfB 2020, 179, 187 f. 80 Vgl. hierzu auch die Leitlinien in Entscheidung der Kommission 2009/335/EG. 81 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 56 Rn. 270. Vgl. dazu näher Herrmann ZfB 2018, 271, 276 f.; Herrmann ZfB 2020, 179, 187 f. 82 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 56 Rn. 269 f.; Frenz BBergG, § 56 Rn. 80. 605

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die Ermessenskriterien für die Entscheidung über das „Ob“, die Höhe und die Ausgestaltung der Sicherheitsleistungen dargestellt werden.83

1. „Ob“ der Sicherheitsleistung (Satz 1) 30 Die zuständige Behörde kann eine Betriebsplanzulassung nach § 56 Abs. 2 Satz 2 von einer Sicherheitsleistung abhängig machen, „soweit diese erforderlich ist, um die Erfüllung der in § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 bis 13 und Absatz 2 genannten Voraussetzungen zu sichern“. Auf der Tatbestandsseite fordert die Norm neben der Betriebsplanzulassung ein Sicherungserfordernis.84 Als Rechtsfolge räumt sie durch das Wort „kann“ der Behörde sowohl Entschließungs- als auch Auswahlermessen ein.85 Das Tatbestandsmerkmal der Erforderlichkeit normiert einen speziellen Gesetzeszweck. Die Behörde hat ihr Ermessen diesem Zweck entsprechend auszuüben, § 40 VwVfG, ohne dass das Sicherungserfordernis den Ermessensspielraum zu Lasten des Unternehmers reduziert. Weil § 55 Zulassungsvoraussetzungen normiert, ließe sich das Tatbestandsmerkmal „erforder31 lich […], um die Erfüllung der in § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 bis 13 und Absatz 2 genannten Voraussetzungen zu sichern“ so deuten, dass das Sicherungsmittel sicherstellen soll, dass zum Zeitpunkt der Zulassung die Zulassungsvoraussetzungen vorliegen.86 Dieses Verständnis legt auch die amtliche Begründung nahe, wenn sie behauptet, die Sicherungsleistung sei erforderlich, „wenn ohne Sicherheitsleistung die Zulassung des Betriebsplans zu versagen wäre“.87 In dieser Deutung wäre die Möglichkeit, ein Sicherungsmittel anzuordnen, lediglich das mildere Mittel gegenüber einer Versagung der Zulassung.88 Danach wäre in Fällen, in denen ein Sicherungsmittel zulässig ist, eine Zulassung ohne Sicherungsmittel stets rechtswidrig. In der Folge wäre das eingeräumte Ermessen hinsichtlich des „Ob“ stets auf null reduziert: Entweder eine Sicherheitsleistung wäre zwingend erforderlich, um die Zulassungsfähigkeit überhaupt erst herzustellen, oder sie wäre nicht erforderlich und dann wegen der Ermessensgrenze „soweit erforderlich“ unzulässig. Dies wollte aber auch der Gesetzgeber nicht. Die Entwurfsfassung aus dem Jahr 1980 enthielt in § 55 Abs. 2 Satz 2 die ergänzende Regelung, dass die Zulassung zwingend mit einer Sicherheitsleistung zu versehen ist, wenn diese für die Sicherstellung der Wiedernutzbarmachung erforderlich ist.89 Diese Regelung wäre nach dem Vorstehenden überflüssig gewesen. Sie zeigt, dass der Gesetzgeber davon ausging, dass die Behörde auch in Fällen, in denen die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Sicherheitsleistung vorliegen, grundsätzlich die Möglichkeit haben sollte, die Zulassung auch ohne Sicherheitsleistung zu erlassen. Diese Regelung ist zwar auf Veranlassung des Bundesrates im Gesetzgebungsverfahren gestrichen worden. Hintergrund war aber, dass der Bundesrat auch hinsichtlich der Wiedernutzbarmachung einen Ermessensspielraum der Behörde befürwortete.90 Vorzugswürdig ist eine andere Auslegung: „Erfüllung der in § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 bis 13 und 32 Absatz 2 genannten Voraussetzungen“ meint die (zukünftige) Erfüllung der sich aus den § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 bis 13 und Absatz 2 ergebenden Pflichten durch den Unternehmer.91 Hierfür spricht der Vergleich mit dem Wortlaut von Absatz 1, der von der „Sicherstellung der Vorausset83 Vgl. etwa (niedersächsisches) Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie, Rundverfügung „Forderung von Sicherheitsleistungen bei der Betriebsplanzulassung“ vom 20.7.2015; Sächsisches Oberbergamt, Merkblatt zur Erhebung und Verwertung von Sicherheitsleistungen gem. § 56 Abs. 2 BBergG, Stand 08/2021. 84 OVG Magdeburg 17.5.2017, 2 L 126/15 = ZfB 2017, 276, 283 f.; Herrmann ZfB 2018, 271, 280; a.A. OVG Weimar 8.6.2011, 1 KO 704/07 = ZfB 2011, 247, 254 und unklar auch noch die Vorauflage. 85 OVG Weimar 8.6.2011, 1 KO 704/07 = ZfB 2011, 247, 254 f.; VG Halle 1.10.2009, 3 A 29/08 = ZfB 2010, 33, 37; Keienburg ZfB 2013, 243, 244; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 56 Rn. 258. 86 So z.B. Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 56 Rn. 258. 87 BT-Drs. 8/1315, S. 112; ebenso Boldt/Weller 1. Auflage, § 56 Rn. 20; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 56 Rn. 258. 88 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 56 Rn. 258. 89 BT-Drs. 8/1315, S. 26. 90 BT-Drs. 8/1315, S. 179. 91 In diesem Sinne Keienburg ZfB 2013, 243, 244; Herrmann ZfB 2018, 271, 280. von Hammerstein

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zungen“ spricht. Das deutet darauf hin, dass „Erfüllung der Voraussetzungen“ mehr als nur das Vorliegen der Voraussetzungen meint. Auch dass das Sicherungsmittel die Erfüllung nicht wie in Absatz 1 „sicherstellen“, sondern „sichern“ (i.S.v. besichern) soll, spricht dafür, dass die zukünftige Erfüllung der Anforderungen gemeint ist. Hierfür spricht auch ein Vergleich mit anderen Sicherungsvorschriften. Auch § 12 Abs. 3 SeeAnlV in der Fassung vom 15.7.2008 ermöglichte es, bei der Planfeststellung von bestimmten Offshore-Anlagen eine Sicherheitsleistung zu verlangen „soweit diese erforderlich ist, um die Erfüllung der in Absatz 1 genannten Voraussetzungen sicherzustellen“. Die dort genannte „Voraussetzung“ war aber keine Genehmigungsvoraussetzung, sondern eine Beseitigungspflicht nach Erlöschen der Genehmigung.92 Auch die Sicherungsvorschriften § 17 Abs. 4a Satz 1 BImSchG, § 17 Abs. 5 BNatSchG und § 36 Abs. 3 KrWG beziehen sich nicht auf Genehmigungsvoraussetzungen, sondern sichern Betreiberpflichten ab. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hat die Zulassungsvoraussetzungen für 33 Betriebspläne dahingehend ergänzt, dass auch überwiegende öffentliche Interessen i.S.v. § 48 Abs. 2 Satz 1 der Zulassung entgegenstehen können. Solche überwiegenden Interessen können sich auch aus außerbergrechtlichen Normen ergeben. Gleichwohl ist der Anwendungsbereich von § 56 Abs. 2 nicht zu erweitern. Sicherungsmittel können dem Wortlaut entsprechend nur zur Sicherung der aus § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 bis 13 und Absatz 2 folgenden Anforderungen angeordnet werden.93 Die Rechtsprechung des BVerwG, derzufolge nachträgliche Auflagen entgegen dem Wortlaut von § 56 Abs. 1 auch zum Schutz überwiegender öffentlicher Interessen zulässig sind (vgl. Rn. 15a), lässt sich auf Sicherheitsleistungen nicht übertragen.94 Anderenfalls würden bergrechtliche Vorhaben ungerechtfertigt benachteiligt gegenüber Vorhaben, die dieselben außerbergrechtlichen Normen berühren, aber in einem Verfahren ohne Möglichkeit zur Anordnung einer Sicherheitsleistung zu genehmigen sind. Der praktische Unterschied zwischen beiden Auffassungen dürfte gering sein. Sicherheiten werden vor allem im Hinblick auf spätere Verpflichtungen zur Gefahrenabwehr und Wiedernutzbarmachung verlangt. Diese auf bergrechtlicher Grundlage (§ 55 Abs. 2) erforderlichen Maßnahmen müssen ohnehin im Einklang mit den einschlägigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften, z.B. des BBodSchG, durchgeführt werden. Darüber hinausgehende selbständige über § 48 Abs. 2 Satz 1 zu berücksichtigende außerbergrechtliche Verpflichtungen, die einen (zusätzlichen) Sicherheitenbedarf auslösen könnten, sind schwer vorstellbar. Unbenommen bleibt es der Bergbehörde außerdem, auf Sonderregelungen in anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften zurückzugreifen, etwa bei Eingriffen in Natur und Landschaft nach § 17 Abs. 5 BNatSchG eine Sicherheitsleistung zu verlangen, um die Durchführung der Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen (§ 15 BNatSchG) abzusichern. Die Behörde kann Sicherungsmittel nach § 56 Abs. 2 auch nicht anordnen, um die Erfüllung möglicher Bergschadensansprüche abzusichern.95 Der Wortlaut ist insoweit eindeutig. Hierfür hätte es einer besonderen Regelung wie in § 13 AtG bedurft. Zudem hat das BBergG dieses Sicherungsinteresse bereits durch die Vorschriften zur Bergschadensausfallkasse (§§ 122 f.) geregelt. Die Behörde „kann“ die Zulassung nur von einer Sicherheitsleistung abhängig machen, „so- 34 weit diese erforderlich ist“, um die Erfüllung der besagten Anforderungen zu sichern. Der Zweck der Sicherheitsleistung besteht darin, Anforderungen zu sichern, die erst in Zukunft zu erfüllen sind96 und deren Erfüllung deshalb zweifelhaft ist. Sie soll vermeiden, dass im Falle mangelnder Leistungsfähigkeit oder -willigkeit des Unternehmers die Allgemeinheit die zum Teil erheblichen

92 Danner/Theobald/Schmälter Energierecht, 73. Lfg. 2012, § 12 SeeAnlV Rn. 1. Dies wurde bei der Neufassung der SeeAnlV vom 15.1.2012 klargestellt. § 13 Abs. 3 SeeAnlV formuliert nun: „soweit diese erforderlich ist, um die Erfüllung der in Absatz 1 genannten Rückbaupflicht sicherzustellen“. 93 Keienburg ZfB 2013, 243 f.; zweifelnd mit ausführlicher Begründung Herrmann ZfB 2018, 271, 277 f.; a.A. Piens/ Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 56 Rn. 117, 262; Frenz BBergG, § 56 Rn. 78. 94 Frenz BBergG, § 56 Rn. 78; a.A. wohl Herrmann ZfB 2018, 271, 277 f. 95 Frenz BBergG, § 56 Rn. 72; Herrmann ZfB 2018, 271, 279. 96 Frenz BBergG, § 56 Rn. 69. 607

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Kosten der Ersatzvornahme tragen muss.97 Relevant ist dies vor allem für Maßnahmen zur Gefahrenvorsorge oder Wiedernutzbarmachung der durch den Unternehmer in Anspruch genommenen Flächen. Für die Erforderlichkeit entscheidend sind deshalb Kriterien wie Ausfallwahrscheinlichkeit des Unternehmers, Interesse der Öffentlichkeit, in diesem Fall nicht die Kosten für die erforderlichen Maßnahmen übernehmen zu müssen, sowie die Kosten des Unternehmers für die Stellung der Sicherheit. Eine Sicherheitsleistung kann nicht nur verlangt werden, wenn konkrete Zweifel an der Seriosität oder Wirtschaftskraft des Unternehmers bestehen.98 Schon der Gesetzgeber ging davon aus, dass sich die Erforderlichkeit einer Sicherheitsleistung auch aus allgemeinen Erfahrungen, aus der wirtschaftlichen Gesamtsituation und aus anderen Gesichtspunkten ergeben kann.99 Schließlich können bei keinem Unternehmer zukünftige Liquiditätsprobleme vollständig ausgeschlossen werden. Auch gegenwärtige Leistungsfähigkeit ist kein Garant für zukünftige Leistungsfähigkeit. Vielmehr haben die Wirtschaftskrisen der Vergangenheit gezeigt, dass auch Großunternehmen in finanzielle Schwierigkeiten geraten können, bei denen dies angesichts ihrer Wirtschaftskraft ursprünglich nicht zu erwarten war.100 Zudem wäre § 56 Abs. 2 Satz 1 ein „stumpfes Schwert“, wenn die Behörde eine Sicherheitsleistung erst dann verlangen könnte, wenn es bereits begründete Zweifel an der Liquidität des Unternehmers gibt, denn dann wäre der Unternehmer in der Regel bereits nicht mehr kreditwürdig und könnte die geforderte Sicherheit nicht mehr erbringen.101 Es genügt also bereits das latent vorhandene allgemeine Liquiditätsrisiko, um ein regelmäßiges Sicherheitsverlangen zu rechtfertigen.102 Die Behörde ist aber nicht berechtigt oder gar verpflichtet, ganz fernliegenden Insolvenzrisiken durch das Verlangen einer Sicherheitsleistung vorzubeugen. So ist es nicht erforderlich, einem Bergbautreibenden eine Sicherheitsleistung für die Wiedernutzbarmachung aufzuerlegen, wenn deren Kosten im Verhältnis zur Finanzkraft des Unternehmens gering sind. Insbesondere bei einem diversifizierten, d.h. nicht von einem bestimmten Bergwerk oder einem Bergbausektor abhängigen, Unternehmen muss geprüft werden, ob es tatsächlich ein Sicherungsbedürfnis gibt. Dabei sind auch mildere Mittel zu berücksichtigen, die das Sicherungsbedürfnis verringern (vgl. dazu Rn. 46). 35 Das Verlangen einer Sicherheitsleistung stellt für das Bergbauunternehmen eine wirtschaftliche Belastung dar. Im Rahmen der Ermessensausübung ist deshalb das Sicherungsinteresse des Staates mit den wirtschaftlichen Belangen des Unternehmens abzuwägen, um die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme zu gewährleisten. Dabei ist auch das in § 1 Nr. 1 verankerte öffentliche Interesse an der Sicherung der Rohstoffversorgung bei der Ermessensausübung zu berücksichtigen.103 Der Verzicht auf das Verlangen einer Sicherheitsleistung ist keine staatliche Beihilfe und daher jedenfalls nicht unter dem Gesichtspunkt des Beihilfeverbots des Art. 107 Abs. 1 AEUV ermessenswidrig.104 Die damit verbundene Inkaufnahme des Risikos, dass staatliche Stellen im Falle einer Insolvenz des Unternehmers einspringen müssen, um etwa die Wiedernutzbarmachung oder Gefahrenabwehr sicherzustellen, ist zu wenig konkret, als dass von einem Einsatz staatlicher Mittel gesprochen werden 97 OVG Magdeburg, 17.5.2017, 2 L 126/15 = ZfB 2017, 276, 286; Keienburg ZfB 2013, 243, 244. 98 BT-Drs. 8/1315, S. 112; OVG Weimar 8.6.2011, 1 KO 704/07 = ZfB 2011, 247, 255 ff.; OVG Magdeburg 17.5.2017, 2 L 126/ 15 = ZfB 2017, 276, 284 f.; Sächsisches Oberbergamt (Hrsg.) Merkblatt zur Erhebung und Verwertung von Sicherheitsleistungen gemäß § 56 Abs. 2 BBergG (2010), S. 1; Landesamt für Geologie und Bergwesen Sachsen-Anhalt (Hrsg.) Hausverfügung zur Erhebung und Verwertung von Sicherheitsleistungen gem. § 56 Abs. 2 BBergG (2013), S. 3 f.; ebenso BVerwG 13.3.2008, 7 C 44/07, BVerwGE 131, 11 Rn. 21 ff. (zur Sicherheitsleistung nach § 17 Abs. 4a S. 1 BImSchG i.d.F. vom 9.12.2006); Keienburg ZfB 2013, 243, 244 f.; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 56 Rn. 267; Herrmann ZfB 2018, 271, 283 f. 99 BT-Drs. 8/1315, S. 112. 100 VG Halle 1.10.2009, 3 A 29/08 = ZfB 2010, 33, 42. 101 BVerwG 13.3.2008, 7 C 44/07, BVerwGE 131, 11 Rn. 32 (zur Sicherheitsleistung nach § 17 Abs. 4a S. 1 BImSchG i.d.F. vom 9.12.2006); OVG Weimar 8.6.2011, 1 KO 704/07 = ZfB 2011, 247, 256; VG Halle 1.10.2009, 3 A 29/08 = ZfB 2010, 33, 42. 102 BVerwG 13.3.2008, 7 C 44/07, BVerwGE 131, 11 Rn. 21 ff. (zur Sicherheitsleistung nach § 17 Abs. 4a S. 1 BImSchG i.d.F. vom 9.12.2006). 103 Herrmann ZfB 2020, 179, 188. 104 So aber Frenz BBergG, § 56 Rn. 81 ff. von Hammerstein

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könnte. Bei laufenden Betrieben kann die nachträgliche Festsetzung einer Sicherheitsleistung in Betriebsplanzulassungen die dem Betrieb zugrunde liegenden betriebswirtschaftlichen Kalkulationen in Frage stellen. Die in der ursprünglichen Planung des Unternehmers noch nicht eingestellten Belastungen können ihn vor besondere wirtschaftliche Herausforderungen stellen, die eine sofort fällige hohe Sicherheitsleistung im Einzelfall als unverhältnismäßig erscheinen lassen. Um dies zu vermeiden, kann es geboten sein, individuelle Zwischenlösungen mit einem geringeren oder stufenweise ansteigenden Sicherungsniveau zu entwickeln.105 Der Hauptanwendungsfall des § 56 Abs. 2 ist die finanzielle Absicherung der Anforderun- 36 gen an den Schutz Dritter vor Gefahren in der Nachbetriebsphase und an die Wiedernutzbarmachung. Nach Einstellung der Bodenschätzegewinnung wird der Unternehmer regelmäßig keine Erlöse mehr erzielen. Es muss deshalb schon bei Aufnahme des Betriebs und anschließend laufend sichergestellt sein, dass das Unternehmen über ausreichende finanzielle Ressourcen verfügt, um seinen späteren Verpflichtungen nachzukommen. Insofern kann die Sicherheitsleistung ein Element der von § 55 Abs. 1 Nr. 7 geforderten Vorsorge zur Widernutzbarmachung sein (finanzielle Vorsorge).106 Ein Sicherheitsverlangen liegt nahe, wenn das Vorhaben eine umfangreiche oder langwierige dauerhafte Grubenwasserhaltung und -reinigung oder Wiedernutzbarmachungsmaßnahmen erforderlich macht, die erst nach Einstellung des Gewinnungsbetriebes erfolgen sollen. Bestehen bereits im Zeitpunkt der Betriebsplanzulassung konkrete Anhaltspunkte für ein Missverhältnis zwischen dem Umfang der Pflichten des Unternehmers und seiner künftigen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, ist eine Sicherheitsleistung stets zu fordern. Nicht erforderlich ist eine Sicherheit bei Anlagenbetreibern, bei denen – wie bei Körperschaf- 37 ten des öffentlichen Rechts – aufgrund von Einstandspflichten von Bund, Ländern oder Kommunen eine Insolvenz von vornherein ausgeschlossen ist. Dort besteht kein Bedürfnis für die Anordnung einer Sicherheitsleistung.107

2. Form der Sicherheitsleistung Die Behörde kann grundsätzlich jede geeignete Sicherheit zulassen; die sich aus den §§ 232 ff. 38 BGB für das Privatrecht ergebenden Beschränkungen sind nicht anwendbar.108 Die Wahl der zulässigen Form der Sicherheit steht im Ermessen der Behörde. Relevant sind dabei vor allem die Verwertungssicherheit und das Interesse der Behörde, die Sicherheitsleistung mit einem angemessenen Verwaltungsaufwand in Anspruch nehmen zu können. Diese Belange sind abzuwägen mit den wirtschaftlichen Interessen des Bergbauunternehmers, insbesondere den Kosten für die Stellung der Sicherheit. Möglich sind die klassischen Sicherungsmittel nach § 232 Abs. 1 BGB, wie die Hinterlegung von Bargeld und Wertpapieren, die Verpfändung von Schuldbuchforderungen oder die Bestellung von Hypotheken. Daneben kann die Behörde aber auch andere Formen der Sicherheitsleistung zulassen. Der Sicherungsbedarf muss auch nicht durch eine einheitliche Sicherung abgedeckt werden. Gerade bei hohen Sicherungsvolumina kann es notwendig oder sinnvoll sein, den Betrag auf mehrere einzelne Sicherheiten, etwa auf Bankbürgschaften mehrerer Kreditinstitute oder Patronatserklärungen der Partner eines Bergbaukonsortiums, aufzuteilen. Denkbar ist auch, dass für Teilbeträge Bankbürgschaften, für anderen Teilbeträge Patronatserklärungen gestellt werden. Eine derartige Kombination aus gleichartigen oder verschiedenen Sicherheitsmitteln

105 Herrmann ZfB 2020, 179, 191. 106 Spieth ZfB 2017, 18, 24; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 56 Rn. 259b. 107 BVerwG 13.3.2008, 7 C 44/07, BVerwGE 131, 11 Rn. 29 (zur Sicherheitsleistung nach § 17 Abs. 4a S. 1 BImSchG i.d.F. vom 9.12.2006); Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 56 Rn. 268a; Herrmann ZfB 2018, 271, 285. Dieser Logik folgt auch der Verordnungsgeber in § 18 Abs. 4 DepV. 108 BT-Drs. 8/1315, S. 112; OVG Magdeburg 17.5.2017, 2 L 126/15 = ZfB 2017, 276, 286; Keienburg ZfB 2013, 243, 247; Piens/ Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 56 Rn. 258. 609

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Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

genügt den Anforderungen des § 56 Abs. 1 Satz 2 BBergG, sofern jedes Sicherungsmittel für sich genommen bezogen auf den erfassten Teilbetrag geeignet ist.109

39 a) Bürgschaften, Garantien und sonstige Zahlungsversprechungen. In der Praxis sind Bankbürgschaften das meistgenutzte Sicherungsmittel. Damit die Bürgschaft im Hinblick auf Effektivität und Sicherheitsniveau mit einer Hinterlegung von Bargeld vergleichbar ist,110 kann die Behörde verlangen, dass der Bürge auf die Einreden der Vorausklage,111 Anfechtbarkeit und Aufrechenbarkeit verzichtet.112 Neben Bürgschaften sind auch Garantien und sonstige Zahlungsversprechen von Finanzinstituten denkbar. Das relativ teure Sicherungsmittel einer Bankbürgschaft ist nicht per se besser geeignet als 40 eine Konzernbürgschaft und harte Patronatserklärung. Hierbei bürgt in der Regel die Muttergesellschaft eines bergbaulichen Unternehmers für eine Tochtergesellschaft oder eine Gesellschaft des Konzerns für eine andere. Das Sicherheitsniveau einer Konzernsicherungsleistung ist abhängig von der Bonität des Sicherungsgebers. Die Finanzkraft eines großen Rohstoffkonzerns wird häufig nicht hinter derjenigen einer regionalen Bank zurückbleiben, sondern kann diese durchaus übertreffen. Zur Bewertung des Sicherheitsniveaus der Bürgschaft hat die Behörde die Bonität des Bürgen zu bewerten.113 Weil eine Bergbehörde jedoch regelmäßig keine umfassende Bonitätsprüfung eines großen Konzerns leisten kann, ist es denkbar, hierfür die Ratings von anerkannten Ratingagenturen zu nutzen. In diesem Fall könnte sie die Zulassung verbinden mit der Auflage, die jeweils aktuellen Ratings vorzulegen und dem Vorbehalt, bei einer Verschlechterung des Ratings weitere Sicherheiten zu verlangen. Damit wird dem Sicherungsinteresse regelmäßig ausreichend Rechnung getragen.114 Schranken der Ermessensausübung ergeben sich aus den Grundfreiheiten der Europäischen 41 Union. Danach ist es in der Regel europarechtswidrig, für eine Sicherheitsleistung einen Sicherungsgeber mit allgemeinem Gerichtsstand in Deutschland zu fordern und EU-ausländische Finanzunternehmen oder Muttergesellschaften als Bürgen auszuschließen.115 Unbenommen bleibt dagegen die Prüfung der Bonität des konkreten Schuldners. Um ihren Sicherungszweck erfüllen zu können, müssen die Bürgschaft, eine Garantie oder 42 ein sonstiges Zahlungsversprechen solange gelten, bis der Unternehmer seine bergrechtlichen Verpflichtungen erfüllt hat. Das ist in der Regel erst mit Beendigung der Wiedernutzbarmachung der Bergbauflächen und Abschluss aller Sicherungsmaßnahmen der Fall. Dieser Zeitpunkt ist noch ungewiss, wenn die Behörde die Sicherheitsleistung verlangt. Eine unbefristete Bürgschaft stellt auf jeden Fall sicher, dass die Behörde solange Zugriff auf die Sicherheitsleistung hat, bis der Sicherungszweck erreicht ist.116 Bei einer befristeten Bürgschaft entfällt der Wert der Sicherung zu einem bestimmten Zeitpunkt allein durch Zeitablauf, unabhängig davon, ob der Unternehmer seine Verpflichtungen erfüllt hat. Selbst wenn die Befristung auf einen Zeitraum bemessen ist, der ursprünglich ausreichend erscheint, um nach Beendigung des Abbaus auch alle notwendigen 109 Vgl. Sächsisches Oberbergamt, Merkblatt zur Erhebung und Verwertung von Sicherheitsleistungen gem. § 56 Abs. 2 BBergG, Stand 08/2021, S. 7. Dies fordert stets VG Halle 1.10.2009, 3 A 29/08 = ZfB 2010, 33, 38. Vgl. § 349 HGB. OVG Magdeburg, 17.5.2017, 2 L 126/15 = ZfB 2017, 276, 286 ff. Keienburg ZfB 2013, 243, 248. A.A. Frenz BBergG, § 56 Rn. 101. Zur Problematik vgl. EuGH 1.12.1998, C-410/96, Slg. 1998, I-7875 (zu Sicherheiten im Reiserecht); EuGH 10.2.1994, C398/92, Slg. 1994, I-467 (zur Zulässigkeit eines Arrests); sowie zur ähnlichen Diskussion zu § 239 BGB und § 108 ZPO: OLG Hamburg 4.5.1995, 5 U 118/93, NJW 1995, 2859, 2860; OLG Düsseldorf 18.9.1995, 4 U 231/93, WM 1995, 1993; jurisPKBGB/Backmann § 239 BGB Rn. 4; Ehricke EWS 1994, 259; Soergel/Fahse BGB, § 239 Rn. 4; MüKo-BGB/Grothe § 239 Rn. 2; Grüneberg/Heinrichs BGB, § 239 Rn. 1; Reich ZBB 2000, 177; Staudinger/Repgen BGB, § 239 Rn. 3; Erman/J. SchmidtRäntsch BGB, § 239 Rn. 4; Strasser RIW 2009, 521, 523. 116 VG Halle 1.10.2009, 3 A 29/08 = ZfB 2010, 33, 39 ff.

110 111 112 113 114 115

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Zweites Kapitel – Anzeige, Betriebsplan

§ 56

Einstellungsarbeiten zu erledigen, setzt die Befristung sie unter Zugzwang. Denn dann ist sie gezwungen, die Einstellungsarbeiten – unter Umständen gegen Widerstände eines auf Zeitgewinn setzenden Unternehmers – rechtzeitig durchsetzen, um die befristete Sicherheit nicht zu verlieren. Da unbefristete Bürgschaften mit hohen Kosten verbunden sind und im Einzelfall prohibitiv teuer sein können, hat die Bergbehörde aber abzuwägen, ob auch eine zwar befristete, aber mit einem gewissen zeitlichen Puffer ausgestattete Bürgschaft ausreicht.117 Ausreichende Sicherheit geben auch Bürgschaften, die vom Bürgschaftsgeber nach Ablauf einer Frist unter der Voraussetzung gekündigt werden können, dass der Sicherungsbetrag an den Begünstigten, d.h. die Bergbehörde, ausgezahlt wird. Derartige im Bankenbereich gebräuchliche Bürgschaftsverträge sehen üblicherweise vor, dass der Unternehmer den Bürgschaftsbetrag im Falle einer Kündigung bei der Bank hinterlegen muss. Sie ermöglichen es der Bank, sich bei nachteiliger Veränderung der Leistungsfähigkeit des Unternehmers rechtzeitig von der Bürgschaft zu lösen, ohne dass der Sicherungszweck gefährdet wird. Wenn der Unternehmer dann eine andere gleichwertige Sicherheit anbieten kann, muss die Bergbehörde den hinterlegten Betrag wieder auskehren. Im Ergebnis ist es nicht in jedem Fall verhältnismäßig, für die Sicherung mittels Bürgschaft eine unbefristete Bürgschaft zu verlangen.118

b) Versicherungsverträge (Absatz 2 Satz 2). Sicherheit kann auch durch entsprechende Ver- 43 sicherungsverträge geleistet werden. § 56 Abs. 2 Satz 2 privilegiert Versicherungen des Unternehmers mit einer im Geltungsbereich des Bundesberggesetzes zum Geschäftsbetrieb zugelassenen Versicherung. Diese kann die Behörde nur mit der Begründung ablehnen, dass die Deckungssumme nicht angemessen ist. Aufgrund der europarechtlich veranlassten Liberalisierung des Versicherungsmarktes sind die in einem EU-Mitgliedstaat zum Geschäftsbetrieb zugelassenen Versicherer gleichzustellen, vgl. hierzu auch Rn. 41.119 In der Praxis dürften Versicherungspolicen, die die von § 56 Abs. 2 erfassten öffentlich-rechtlichen Pflichten decken, am Markt aber kaum verfügbar sein. Wiedernutzbarmachungspflichten lassen sich insbesondere nicht mit verschuldensunabhängigen Haftpflichtversicherungen absichern. c) Betriebliche Rückstellungen. Für bestimmte Abfallentsorgungseinrichtungen hat der Unter- 44 nehmer nach § 22a Abs. 3 Satz 3 ABBergV nachzuweisen, dass er in der Lage sein wird, eine Sicherheitsleistung oder etwas Gleichwertiges zu erbringen. Nach Nr. 2 Anlage 7 zu § 22a Abs. 3 Satz 3 ABBergV können „anstelle der in § 232 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bestimmten Sicherheitsleistungen […] handelsrechtlich zu bildende betriebliche Rückstellungen als gleichwertige Sicherheit verlangt oder zugelassen werden“. Bei dinglichen Sicherheiten oder bei einer Hinterlegung von Geld mit dem daraus resultieren- 45 den Pfandrecht (§ 233 BGB) ist der begünstigte Gläubiger im Insolvenzverfahren absonderungsberechtigt und die geleistete Sicherheit somit insolvenzfest (§§ 49 ff. InsO). Bei der Bildung einer betrieblichen Rückstellung hat der Schuldner dagegen weiterhin grundsätzlich freien Zugriff auf diese Vermögensmasse. Er ist lediglich schuldrechtlich verpflichtet, die betreffenden Mittel dem Sicherungszweck entsprechend zu verwenden. Die Behörde erlangt an ihnen daher keine nach außen wirkende, im Insolvenzverfahren wirksam geschützte Rechte. Die Rückstellung stellt also

117 Keienburg ZfB 2013, 243, 248. 118 So auch Herrmann, ZfB 2020, 179, 194; a.A. VG Halle 1.10.2009, 3 A 29/08 = ZfB 2010, 33, 38; Frenz BBergG, § 56 Rn. 99. Vgl. zum Fall einer auf 51 Jahre befristeten Bürgschaft zur Sicherung der Wiedernutzbarmachung eines Kiessandtagebaus OVG Weimar 8.6.2011, 1 KO 704/07 = ZfB 2011, 247. 119 Salje/Peter UmweltHG, § 19 Rn. 22 (zum vergleichbaren § 19 UmweltHG); vgl. auch die entsprechende Anpassung von § 40 Abs. 3 AMG durch Art. 1 Nr. 26 des Zwölften Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes; ausführlich zur Entwicklung Hübner/Matusche-Beckmann EuZW 1995, 263. 611

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§ 56

Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

keine vorrangige Befriedigung der Behörde in der Insolvenz sicher.120 Insbesondere berechtigen Rückstellungen die Behörde im Falle der Insolvenz nicht zur abgesonderten Befriedigung.121 Betriebliche Rückstellungen sind damit entgegen Nr. 2 der Anlage 7 zu § 22a Abs. 3 Satz 3 ABBergV nicht den in § 232 BGB genannten Sicherheitsleistungen gleichwertig.122 Ausreichende Rückstellungen verringern aber die Wahrscheinlichkeit, dass das Unternehmen wegen der Kosten für die Erfüllung bergrechtlicher Verpflichtungen in finanzielle Schwierigkeiten gerät. Außerdem erhöhen sie die Insolvenzmasse, die allen Gläubigern und damit auch der zuständigen Behörde zur Verteilung zur Verfügung steht. Aufgrund des Auswahlermessens, das § 56 Abs. 2 der Behörde einräumt, ist es deshalb nicht ausgeschlossen, dass betriebliche Rückstellungen als Sicherungsmittel anerkannt werden. Eine Beschränkung auf insolvenzfeste Sicherungsmittel, die den in § 232 BGB genannten vergleichbar sind, fehlt in § 56 Abs. 2.123 In Fällen, in denen die Behörde das Sicherungsniveau von betrieblichen Rückstellungen für ausreichend hält, um die Voraussetzungen des § 55 sicherzustellen, kann sie daher auch Rückstellungen (ggf. auch in Kombination mit anderen Sicherungsmitteln) akzeptieren.124

46 d) Sonstige Sicherungsvereinbarungen. Weil § 56 Abs. 2 der Behörde hinsichtlich der Wahl des Sicherungsmittels Ermessen einräumt, sind auch andere pragmatische Lösungen möglich und im Einzelfall aus Gründen der Verhältnismäßigkeit geboten, die zwar ein geringeres Sicherungsniveau bieten, aber dafür den Unternehmer entlasten. Denkbar ist etwa die Verpflichtung des Unternehmens, die jährlichen Kennzahlen vorzulegen, verbunden mit einem Vorbehalt der Bergbehörde, jederzeit eine Sicherheit nachzufordern. Auf diese Weise wäre die Behörde der Verpflichtung enthoben, laufend aktiv die Solvenz des Unternehmers zu prüfen. Bei börsennotierten Unternehmen kommt auch eine Anknüpfung an das Rating in Betracht. Dies entspräche einer bewährten Praxis im Energie- und Rohstoffhandel, die den beteiligten Unternehmen die hohen Bürgschaftskosten erspart, ohne das Ausfallrisiko des Gläubigers zu hoch werden zu lassen. 46a Zur finanziellen Absicherung der mit enormen Kosten verbundenen Wiedernutzbarmachungspflichten für großflächige Braunkohletagebaue haben die ostdeutschen Bundesländer Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt mit den Bergbauunternehmen sog. Vorsorgevereinbarungen abgeschlossen. Der mit dem Kohleverstromungsbeendigungsgesetz vorgesehene vorzeitige Ausstieg aus der Braunkohleverstromung lässt es nicht zu, die künftigen Wiedernutzbarmachungsaufwendungen durch laufende Erlöse aus neuen Anschlussbetrieben zu decken. Die gebildeten Rückstellungen müssen daher mit anderen Vermögenswerten hinterlegt werden. Zu diesem Zweck sehen die öffentlich-rechtlichen Vorsorgevereinbarungen den Aufbau von Sondervermögen in rechtlich selbständigen Zweckgesellschaften vor, wobei das jeweilige Bundesland ein Pfandrecht an den Gesellschaftsanteilen der Gesellschaft erhält. Im Vergleich zu klassischen Sicherheitsleistungen ermöglicht dies eine auf die Situation des Auslaufbergbaus zugeschnittene Flexibilität und Transparenz und zugleich eine Verbindlichkeit für den jahrzehntelangen Einstellungsprozess unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit.125 120 BVerwG 26.6.2008, 7 C 50/07, BVerwGE 131, 251 Rn. 18. 121 § 22a Abs. 3 Satz 4 ABBergV ändert oder ergänzt nicht die höherrangigen §§ 49 ff. InsO, vgl. BVerwG 26.6.2008, 7 C 50/07, BVerwGE 131, 251 Rn. 19 (zum gleichlautenden § 19 Abs. 4 Satz 4 DepV i.d.F. vom 24.7.2002).

122 Landmann/Rohmer/Beckmann Umweltrecht, § 36 KrWG Rn. 85; BeckOK/Klages Umweltrecht, § 36 KrWG Rn. 28; Danner/Theobald/Schmälter Energierecht, Anhang zu § 13 Abs. 3 SeeAnlV Rn. 1. 123 Keienburg ZfB 2013, 243, 251. Daher überzeugt es nicht, dass das VG Halle 1.10.2009, 3 A 29/08 = ZfB 2010, 33, 42 verlangt, dass die Sicherheitsleistung im Hinblick auf die Effektivität und den Zweck einer Hinterlegung von Bargeld oder der Verpfändung von Sparbüchern (stets) gleichzustehen hat. 124 A.A. Frenz BBergG, § 56 Rn. 102; Herrmann ZfB 2018, 271, 288 f. und ZfB 2020, 179, 191 f. hält Rückstellungen für ein zulässiges Sicherungsmittel, geht aber davon aus, dass sie in der Praxis regelmäßig nicht ausreichen, um den Sicherungszweck zu erfüllen. 125 Zu Inhalt und rechtlicher Zulässigkeit derartiger Vorsorgevereinbarungen ausführlich Herrmann ZfB 2020, 179, 192 ff. von Hammerstein

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Zweites Kapitel – Anzeige, Betriebsplan

§ 56

3. Höhe der Sicherheitsleistung Die Höhe der Sicherheitsleistung richtet sich nach den voraussichtlichen Kosten einer möglichen 47 behördlichen Ersatzvornahme.126 Da die Behörde nicht vorsteuerabzugsberechtigt ist, gehört zu den Kosten auch die Umsatzsteuer.127 Umfasst werden alle Maßnahmen, die im nicht nur theoretischen ungünstigsten zu erwartenden Fall notwendig sind, um die Anforderungen aus § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 bis 13 und Absatz 2 zu erfüllen. Dazu gehören nicht nur Gefahrenabwehrmaßnahmen.128 Neben der Verpflichtung zu Rückbau und Wiedernutzbarmachung sind auch Sicherheitsmaßnahmen wie Verfüllungen oder Absperrungen von Restlöchern und sog. Ewigkeitslasten wie die dauerhafte Grubenwasserhaltung und -reinigung zu berücksichtigen. Ein gewisser Sicherheitszuschlag ist ebenso zulässig wie eine Indexierung zum Zwecke des Werterhalts bei unbefristeten oder langfristigen Betriebsplänen.129 Wird das Vorhaben in Abschnitten durchgeführt, hat die Behörde dies bei der Ausgestaltung des 48 Sicherheitsverlangens zu berücksichtigen. Für die Wiedernutzbarmachung eines Teilstücks ist eine Sicherheitsleistung etwa kurz vor Beginn der tatsächlichen Eingriffe in dieses Teilstück erforderlich. Für Teilflächen, die bereits wieder nutzbar gemacht worden sind, ist eine Sicherheitsleistung schon nicht mehr erforderlich. Wenn das Vorhaben in definierten Etappen durchgeführt wird, kann und muss also auch die Sicherheitsleistung entsprechend gestaffelt und rollierend ausgestaltet werden.130 Für Abfallentsorgungseinrichtungen der Kategorie A im Sinne des Anhangs III der Richtlinie 49 2006/21/EG gilt § 22a Abs. 3 Satz 4 i.V.m. Anhang 7 Nr. 3 und 4 ABBergV. Vgl. hierzu auch die Leitlinien der Europäischen Kommission (Entscheidung der Kommission 2009/335/EG).

4. Inanspruchnahme und Freigabe der Sicherheit (Absatz 2 Satz 3) Über die Verwendung einer Sicherheit enthält das Bundesberggesetz keine besondere Bestim- 50 mung. Aus dem Zweck der Sicherheitsleistung ergibt sich, dass die Sicherheit nur zur Erfüllung der sich aus der erteilten Betriebsplanzulassung für den Unternehmer ergebenden öffentlichrechtlichen Pflichten verwendet werden darf. Eine Inanspruchnahme der Sicherheit durch die Behörde kann in Betracht kommen, wenn der Unternehmer die Kosten einer zur Durchsetzung der Betriebsplanzulassung erforderlich gewordenen Ersatzvornahme nicht erstattet, vgl. z.B. § 54 i.V.m. § 59 VwVG NRW. Dies setzt voraus, dass die ausstehenden Leistungen des Unternehmers zuvor durch entsprechende bestandskräftige oder für sofort vollziehbar erklärte Anordnungen nach § 71 Abs. 1 oder 3 konkretisiert wurden.131 Nach § 54 Satz 3 VwVG NRW darf die Sicherheit erst verwertet werden, wenn dem Vollstreckungsschuldner die Verwertungsabsicht bekanntgegeben und seit der Bekanntgabe mindestens eine Woche verstrichen ist. Eine bei der Betriebsplanzulassung gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 BBergG festgesetzte Sicherheit ist un- 51 verzüglich von Amts wegen freizugeben, wenn der Sicherungszweck entfällt.132 Das ist der Fall, wenn das betriebsplanpflichtige Vorhaben beendet ist und die damit nach § 55 verbundenen Verpflichtungen erfüllt wurden. Ist – etwa aufgrund von bereits erfolgter Wiedernutzbarmachung von Teilflächen – die Sicherheit nicht mehr in voller Höhe erforderlich, so ist ein entsprechender Teilbetrag freizugeben.133 Über die Freigabe einer gestellten Sicherheit entscheidet nach § 56 Abs. 2 Satz 3 die

126 Keienburg ZfB 2013, 243, 252; Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht, Rn. 271. 127 Herrmann ZfB 2018, 271, 291 f.; zu Sicherheitsleistungen nach § 17 Abs. 4a BImSchG auch OVG Münster 2.2.2011, 8 B 1675/10, UPR 2011, 195, 198. 128 Herrmann ZfB 2018, 271, 290. 129 Herrmann ZfB 2018, 271, 292 f. 130 Keienburg ZfB 2013, 243, 253 f.; Herrmann ZfB 2018, 271, 294. 131 Herrmann ZfB 2018, 271, 296. 132 Weller/Kullmann § 56 Rn. 3. 133 Herrmann ZfB 2018, 271, 295. 613

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§ 57

Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

Bergbehörde, ohne dass es eines Antrags bedarf. Die Sicherheitsleistung ist spätestens bei Beendigung der Bergaufsicht (§ 69 Abs. 2) vollständig freizugeben.

VI. Entsprechende Anwendung (Absatz 3) 52 Absatz 3 stellt klar, dass die Regeln über Schriftform, nachträgliche Auflagen und Sicherheitsleistungen nicht nur für die (Erst-)Zulassung eines Betriebsplans gelten, sondern entsprechend auch für dessen Verlängerung, Ergänzung oder Änderung.

VII. Entsprechende Anwendung im Rahmen der Erkundung nach StandAG 53 Für die Erkundung des Untergrundes auf seine Eignung zur Einrichtung eines Endlagers für hochradioaktive Abfälle nach dem Standortauswahlgesetz ist § 56 gemäß § 12 Abs. 1 S. 1 StandAG entsprechend anzuwenden (vgl. Vor §§ 50 bis 57e, Rn. 47 ff.).

§ 57 Abweichungen von einem zugelassenen Betriebsplan (1)

1

Kann eine Gefahr für Leben oder Gesundheit Beschäftigter oder Dritter nur durch eine sofortige Abweichung von einem zugelassenen Betriebsplan oder durch sofortige, auf die endgültige Einstellung des Betriebes gerichtete Maßnahmen abgewendet werden, so darf die Abweichung oder die auf die Einstellung gerichtete Maßnahme auf ausdrückliche Anordnung des Unternehmers bereits vor der Zulassung des hierfür erforderlichen Betriebsplanes vorgenommen werden. 2Der Unternehmer hat der zuständigen Behörde die Anordnung unverzüglich anzuzeigen. (2) Werden infolge unvorhergesehener Ereignisse zur Abwendung von Gefahren für bedeutende Sachgüter sofortige Abweichungen von einem zugelassenen Betriebsplan erforderlich, so gilt Absatz 1 entsprechend mit der Maßgabe, daß die Sicherheit des Betriebes nicht gefährdet werden darf. (3) Die Zulassung der infolge der Abweichung erforderlichen Änderung des Betriebsplanes oder des für die Einstellung erforderlichen Betriebsplanes ist unverzüglich zu beantragen.

Übersicht I.

Hintergrund der Regelung

1

II.

Abweichen bei Gefahr für Leib und Leben (Ab2 satz 1 Satz 1)

III.

Abweichen bei Gefahr für Sachgüter (Ab4 satz 2)

IV.

Anzeigepflicht (Absatz 1 Satz 2)

V.

Betriebsplanpflicht (Absatz 3)

5 6

I. Hintergrund der Regelung 1 Grundsätzlich hat der Unternehmer jede spätere Abweichung von einem zugelassenen Betriebsplan gemäß § 54 Abs. 1 in Form eines (Änderungs-)Betriebsplans vor Beginn der vorgesehenen Arbeiten der Bergbehörde zur Zulassung einzureichen. § 57 regelt den Fall, dass bei unvorhergesevon Hammerstein https://doi.org/10.1515/9783110709285-073

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Zweites Kapitel – Anzeige, Betriebsplan

§ 57

henen Ereignissen hierfür keine Zeit ist. Ähnliche Regelungen enthielt das Bergrecht schon vor Erlass des BBergG (z.B. § 69 Abs. 2 ABG, Art. 71 BayBergG). Für die Erkundung des Untergrundes auf seine Eignung zur Einrichtung eines Endlagers für 1a hochradioaktive Abfälle nach dem Standortauswahlgesetz ist § 57 gemäß § 12 Abs. 1 S. 1 StandAG entsprechend anzuwenden (vgl. Vor §§ 50 bis 57e, Rn. 47 ff.).

II. Abweichen bei Gefahr für Leib und Leben (Absatz 1 Satz 1) Absatz 1 Satz 1 erfasst den schwerwiegenden Fall des Entstehens einer Gefahr für Leben oder 2 Gesundheit. Die Vorschrift lässt eine sofortige Abweichung von einem zugelassenen Betriebsplan oder die endgültige Einstellung des Betriebs ohne Abschlussbetriebsplan zu, wenn dies zur Abwendung einer Gefahr für Leben oder Gesundheit von Personen im Betrieb oder außerhalb des Betriebes erforderlich ist. Erforderlich ist die Abweichung, wenn der aufgetretenen Gefahr nicht mit den auf Grund eines zugelassenen Betriebsplanes zur Verfügung stehenden Mitteln begegnet werden kann.1 Die Gefahr muss nicht auf einem unvorhersehbaren Ereignis beruhen. Sie muss aber durch den Betrieb bedingt sein, wobei es gleichgültig ist, auf welche Ursachen sie im Einzelnen zurückzuführen ist, z.B. Wassereinbruch, Schlagwetter, Einsturz von Grubenbauen oder Rutschung von Böschungen.2 Unerheblich ist auch, ob der Unternehmer die Gefahr zu vertreten hat oder ob sie auf ein Verschulden zurückzuführen ist. Im Gefahrenfall soll unabhängig von den Ursachen sofort gehandelt werden können. Anders als bei § 71 Abs. 2 muss es sich nicht um eine „unmittelbare“ Gefahr handeln. Je schwerwiegender die Auswirkungen des gefahrdrohenden Ereignisses sind, desto geringere Anforderungen sind an dessen Eintrittswahrscheinlichkeit zu stellen.3 Die Beurteilung, welche Maßnahmen zur Abwendung der Gefahr getroffen werden, obliegt dem Unternehmer. Ggf. kommt auch eine sofortige Einstellung des Betriebs ohne vorherige Änderung des Betriebsplans in Betracht.4 Vom Betriebsplan darf aber nur insoweit abgewichen werden, wie dies zur Gefahrenabwendung erforderlich ist. In der Gefahrensituation wird man dem Unternehmer insoweit aber einen erheblichen Spielraum einräumen müssen.5 Nötig ist zudem eine ausdrückliche Anordnung des Unternehmers selbst oder einer von 3 ihm hierfür nach § 62 Satz 1 Nr. 2 bestellten verantwortlichen Person. „Ausdrücklich“ ist eine Anordnung dann, wenn aus ihr unmissverständlich hervorgeht, dass die Anordnung trotz etwaiger entgegenstehender Regelungen im Betriebsplan und unabhängig von dem Erfordernis eines Änderungs- bzw. Abschlussbetriebsplans zu befolgen ist. Eine besondere Form ist für die Anordnung nicht vorgeschrieben; sie kann also schriftlich oder mündlich getroffen werden.

III. Abweichen bei Gefahr für Sachgüter (Absatz 2) Absatz 2 betrifft die Konstellation, dass Sachgüter gefährdet sind. In diesem Fall darf nur unter 4 strengeren Voraussetzungen vom zugelassenen Betriebsplan abgewichen werden. Eine Betriebseinstellung ohne Abschlussbetriebsplan ermöglicht Absatz 2 nicht. Die gefährdeten Sachgüter müssen bedeutend sein. Konkrete Aussagen darüber, wann Sachgüter „bedeutend“ sind, trifft das Gesetz nicht. Weil bergbauliche Maßnahmen beträchtliche Risiken bergen können, besteht grundsätzlich ein erhebliches Interesse an ihrer vorherigen behördlichen Überprüfung. Das Interesse an der Abwendung der Gefahr für Sachgüter muss deshalb ein vergleichbares Maß erreichen. Die Auslegung muss zudem den Ausnahmecharakter von § 57 wahren und darf nicht dazu führen, 1 2 3 4 5

BT-Drs. 8/1315, S. 113. BT-Drs. 8/1315, S. 113. Frenz BBergG, § 57 Rn. 8, 10. Frenz BBergG, § 57 Rn. 14 ff. Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 57 Rn. 5a.

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§ 57

Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

dass die allgemeine Betriebsplanpflicht unterlaufen wird. Da sich der Normzweck von den Zwecken der §§ 110 Abs. 1 und 125 Abs. 2 unterscheidet, sind an den Begriff der „bedeutenden Sachgüter“ im Rahmen von § 57 Abs. 2 höhere Anforderungen zu stellen als bei der Auslegung der §§ 110 Abs. 1 und 125 Abs. 2.6 „Bedeutend“ sind Sachgüter, wenn sie einen besonders hohen wirtschaftlichen Wert haben. Die besondere Bedeutung kann sich aber auch aus der besonderen Relevanz für öffentliche Zwecke ergeben, oder aufgrund eines besonderen historischen, künstlerischen oder wissenschaftlichen Wertes.7 Als Beispiele für bedeutende Sachgüter nennt die amtliche Begründung Fördertürme und Verkehrsanlagen.8 Ob „bedeutende Sachgüter“ gefährdet sind, ist nach einem objektiven Maßstab zu beurteilen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob sie im Eigentum des Unternehmers stehen oder ob es sich um bedeutende Sachgüter Dritter handelt. Es muss ein über das Normalmaß hinausgehender Schaden zu befürchten sein. Absatz 2 verlangt zudem, dass die Abweichung vom Betriebsplan infolge unvorhergesehener (nicht: „unvorhersehbarer“)9 Ereignisse erforderlich ist. Sie ist zudem nur dann zulässig, wenn dadurch die Sicherheit des Betriebes nicht gefährdet wird. Auch für Maßnahmen nach Absatz 2 ist eine ausdrückliche Anordnung (hierzu Rn. 3) nötig.

IV. Anzeigepflicht (Absatz 1 Satz 2) 5 Um eine bergaufsichtliche Prüfung der angeordneten Maßnahmen zu ermöglichen, muss der Unternehmer nach Absatz 1 Satz 2 die getroffene Anordnung unverzüglich der Bergbehörde anzeigen. Dies gilt bei Maßnahmen nach Absatz 2 entsprechend. Die Anzeige hat der Unternehmer oder die von ihm hierfür bestellte verantwortliche Person (§ 62 Satz 1 Nr. 1) zu erstatten, und zwar unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs. 1 BGB). Das Gesetz enthält für die unverzügliche Anzeige keine besonderen Formvorschriften. Der Unternehmer kann die Anzeige also schriftlich oder mündlich erstatten. Es muss aber für die Behörde deutlich erkennbar sein, dass er eine Maßnahme i.S.d. § 57 Abs. 1 oder 2 anzeigt. Eine schriftliche Anzeige kann für die Beteiligten den Vorteil eines eindeutigen Nachweises haben, zumal ein Verstoß gegen die Anzeigepflicht nach § 145 Abs. 1 Nr. 9 eine Ordnungswidrigkeit ist. Andererseits darf die schriftliche Erstattung nicht dazu führen, dass die Unverzüglichkeit der Anzeige in Frage gestellt wird. Die Bergbehörde hat nach dem Eingang einer gemäß § 57 Abs. 1 Satz 2 erstatteten Anzeige ihrerseits zu prüfen, ob der Sachverhalt Veranlassung für eine behördliche Anordnung nach den §§ 71 ff. gibt. Zu beachten sind auch die Anzeigepflichten nach § 74 Abs. 3.

V. Betriebsplanpflicht (Absatz 3) 6 Weil der zugelassene Betriebsplan auch öffentliche Belange schützt, muss die Behörde Abweichungen möglichst unverzüglich überprüfen können. Deshalb muss der Unternehmer nach Absatz 3 unverzüglich eine Änderung des zugelassenen Betriebsplans oder, im Falle der Einstellung des Betriebes, einen Abschlussbetriebsplan bei der Bergbehörde zur Zulassung einreichen. Die Bergbehörde kann so das Vorhaben, wie es sich nach den angeordneten Maßnahmen darstellt, unter allen nach § 48 Abs. 2 und 55 relevanten Gesichtspunkten neu überprüfen. Diese Pflicht besteht neben der Anzeigepflicht nach Absatz 1 Satz 2. Bei UVP-pflichtigen Betrieben kann der Fall eintreten, dass zur Gefahrenabwehr kurzfristig 7 Änderungen des zugelassenen Betriebes erforderlich werden, die ihrerseits gemäß § 52 Abs. 2c und § 9 UVPG UVP-pflichtig sind und für die deshalb ein obligatorischer Änderungs-Rahmenbe6 7 8 9

Vgl. § 110 Rn. 29 und § 125 Rn. 10. Vgl. zu § 25 BImSchG Landmann/Rohmer/Hansmann Umweltrecht, § 25 BImSchG Rn. 27. BT-Drs. 8/1315, S. 113. Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 57 Rn. 5.

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Zweites Kapitel – Anzeige, Betriebsplan

§ 57a

triebsplan aufzustellen ist.10 Wenn über dessen Zulassung im zeitaufwendigen Planfeststellungsverfahren nicht rechtzeitig entschieden werden kann und auch eine Genehmigung des vorzeitigen Beginns nach § 57b Abs. 1 noch nicht möglich ist, kann der Unternehmer die Änderung gemäß § 57 auch ohne zugelassenen Rahmenbetriebsplan durchführen. Er muss dann aber vor Durchführung der Maßnahmen – soweit dies zeitlich möglich ist – zumindest einen geänderten Hauptoder Sonderbetriebsplan zur Zulassung einreichen.

Schrifttum zu den §§ 57a bis 57c Bader/Ronellenfitsch Verwaltungsverfahrensgesetz, 2. Aufl. (2016), zitiert als Bader/Ronellenfitsch/Bearbeiter VwVfG; Fehling/Kastner/Störmer Verwaltungsrecht, 5. Aufl. (2021), zitiert als Fehling/Kastner/Störmer/Bearbeiter Verwaltungsrecht; Bellroth Die Bindungswirkung bergrechtlicher Rahmenbetriebsplanzulassungen (2021); Dammert Umweltrechtliche Prüfungen bei bergrechtlichen Betriebsplanzulassungen, in: Pielow (Hrsg.) Bergrecht im Wandel der Zeit – gestern, heute, morgen Festgabe zum 200-jährigen Bestehen des OLG Hamm (2020), 152; Gaentzsch Der Erörterungstermin im Planfeststellungsverfahren, in: Dolde/Hansmann/Paetow/Schmidt-Assmann (Hrsg.) Verfassung – Umwelt – Wirtschaft: Festschrift für Dieter Sellner zum 75. Geburtstag (2010), 219; Gaentzsch Die bergrechtliche Planfeststellung, in: Franßen/ Wilke/Schlichter/Redeker (Hrsg.) Bürger – Richter – Staat: Festschrift für Horst Sendler zum Abschied aus seinem Amt (1991), 403; Gaentzsch Struktur und Probleme des atomrechtlichen Planfeststellungsverfahrens, in: Ossenbühl (Hrsg.) Deutscher Atomrechtstag 2004 (2005), 115; Hoppe/Spoerr Bergrecht und Raumordnung (1999); Hoppe/Spoerr Raumordnungs- und Bauplanungsrecht in der bergrechtlichen Planfeststellung, UPR 1999, 246; Keienburg Das bergrechtliche Betriebsplanzulassungsverfahren, NVwZ 2013, 1123; Keienburg Öffentlichkeitsbeteiligung im Bergrecht, in: Kühne/Ehricke (Hrsg.) Öffentlichkeitsbeteiligung und Eigentumsschutz im Bergrecht (2005), 9; Keienburg Die Öffentlichkeitsbeteiligung im Bergrecht (2004); Knack/Henneke Verwaltungsverfahrensgesetz, 11. Aufl. (2019), zitiert als Knack/Henneke/ Bearbeiter VwVfG; Kopp/Ramsauer Verwaltungsverfahrensgesetz, 23. Aufl. (2022), zitiert als Kopp/Ramsauer VwVfG; Kühne Umweltverträglichkeitsprüfung und strategische Umweltprüfung: Auswirkungen auf bergrechtliche Zulassungsentscheidungen, in: Heggemann (Hrsg.) Bergrechtliche Zulassungsentscheidungen im Kontext mit Umweltverträglichkeitsprüfungen (2009), 11; Kühne Entwicklungslinien der bergrechtlichen Rechtsprechung zur Zulassung bergbaulicher (Groß)Vorhaben, in: Kühne/Ehricke (Hrsg.) Entwicklungslinien des Bergrechts (2008), 51; Kühne Anmerkung zu BVerwG Urteile vom 15.12.2006 – 7 C 1.06 und 7 C 6.06 –, DVBl 2007, 832; Kühne Obligatorische Rahmenbetriebsplanzulassung im Bergrecht und ihre Wirkungen, DVBl 2006, 662; Kühne Bergrechtlicher Rahmenbetriebsplan, Anlagengenehmigungsrecht und Umweltverträglichkeitsprüfung (1993); Kühne Die Einführung der Umweltverträglichkeitsprüfung im Bergrecht, UPR 1989, 326; Ludwig Umweltaspekte in Verfahren nach dem BBergG, ZUR 2012, 150; Neumann Entwicklungstendenzen der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, in: Kühne/Ehricke (Hrsg.) Entwicklungslinien des Bergrechts (2008), 27; Mann/Sennekamp/Uechtritz Verwaltungsverfahrensgesetz, 2. Aufl. (2919), zitiert als Mann/Sennekamp/Uechtritz/Bearbeiter VwVfG; Niermann Betriebsplan und Planfeststellung im Bergrecht (1992); Ochtendung Zulassung des vorzeitigen Beginns (1998); Peper/Schomerus UVP und vorzeitiger Beginn, UPR 1992, 9; Ramsauer Planfeststellung ohne Abwägung?, NVwZ 2008, 944; Schulte Digitalisierung der Öffentlichkeitsbeteiligung im bergrechtlichen Betriebsplanverfahren, ZfB 2022, 87; Schulte Kernfragen des bergrechtlichen Genehmigungsverfahrens (1993); Stelkens/ Bonk/Sachs Verwaltungsverfahrensgesetz, 10. Aufl. (2023), zitiert als Stelkens/Bonk/Sachs/Bearbeiter VwVfG; Stiens Der bergrechtliche Betriebsplan (1995); Strecker Die Rechtsposition der Gemeinden im bergrechtlichen Betriebsplanverfahren (1994); Ziekow Verwaltungsverfahrensgesetz, 4. Aufl. (2019), zitiert als Ziekow VwVfG; von Weschpfennig Strukturen des Bergrechts (2022); de Witt Struktur und Probleme des atomrechtlichen Planfeststellungsverfahrens, in: Ossenbühl (Hrsg.) Deutscher Atomrechtstag 2004 (2005), 125; Ziekow Praxis des Fachplanungsrechts (2004).

§ 57a Planfeststellungsverfahren, Umweltverträglichkeitsprüfung (1)

1

Das im Falle des § 52 Abs. 2a durchzuführende Planfeststellungsverfahren tritt an die Stelle des Verfahrens nach § 54 Absatz 1 und 2 und § 56 Absatz 1. 2§ 54 Absatz 3 gilt entsprechend. 3Anhörungsbehörde und Planfeststellungsbehörde ist die für die Zulassung von Betriebsplänen zuständige Behörde. 4Bei Vorhaben im Bereich des Festlandsockels tritt bei der Anwendung der Vorschriften der Verwaltungsverfahrensgesetze über das Planfeststellungsverfahren an die Stelle der Gemeinde die zuständige Behörde; als

10 Frenz UPR 2018, 510, 513; a.A. offenbar Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 57 Rn. 9. 617 https://doi.org/10.1515/9783110709285-074

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§ 57a

(2)

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(6)

Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

Bereich, in dem sich das Vorhaben voraussichtlich auswirken wird, gilt der Sitz dieser Behörde. 5Für das Verfahren sind die §§ 15 bis 27 sowie 31 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung sowie die nachfolgenden Regelungen anzuwenden. 1 Der Rahmenbetriebsplan muß den Anforderungen genügen, die sich aus den Voraussetzungen für die Durchführung des Planfeststellungsverfahrens unter Berücksichtigung der Antragserfordernisse für die vom Planfeststellungsbeschluß eingeschlossenen behördlichen Entscheidungen ergeben. 2Der Rahmenbetriebsplan muß alle für die Umweltverträglichkeitsprüfung bedeutsamen Angaben in der Form eines Berichts zu den voraussichtlichen Umweltauswirkungen des Vorhabens (UVP-Bericht) nach Maßgabe des § 16 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung und der Rechtsverordnung nach § 57c enthalten. 3Der Unternehmer hat dem Rahmenbetriebsplan einen zur Auslegung geeigneten Plan beizufügen. 1 Verfügen die beteiligten Behörden zu den nach Absatz 2 Satz 2 und 3 zu machenden Angaben über zweckdienliche Informationen, so unterrichten sie den Unternehmer und stellen ihm die Informationen auf Verlangen zur Verfügung. 2Das gilt insbesondere für Informationen aus einer vorausgegangenen Raumverträglichkeitsprüfung; die dafür zuständige Behörde hat die Unterlagen aus dieser Prüfung, die für die Umweltverträglichkeitsprüfung von Bedeutung sein können, der nach Absatz 1 Satz 21 zuständigen Behörde zur Verfügung zu stellen. 1 Die Entscheidung über die Planfeststellung ist hinsichtlich der eingeschlossenen Entscheidungen nach Maßgabe der hierfür geltenden Vorschriften zu treffen. Das Verhältnis zwischen Unternehmer und Betroffenen und der Schutz von Belangen Dritter im Sinne des Bergrechts bestimmen sich nach den dafür geltenden Vorschriften dieses Gesetzes; dies gilt auch für eine Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses. Hinsichtlich der vom Vorhaben berührten Belange Dritter und der Aufgabenbereiche Beteiligter im Sinne des § 54 Abs. 2 erstrecken sich die Rechtswirkungen der Planfeststellung auch auf die Zulassung und Verlängerung der zur Durchführung des Rahmenbetriebsplanes erforderlichen Haupt-, Sonder- und Abschlussbetriebspläne, soweit über die sich darauf beziehenden Einwendungen entschieden worden ist oder bei rechtzeitiger Geltendmachung hätte entschieden werden können; Entscheidungen nach § 48 Abs. 2 werden außer in den in § 48 Abs. 2 Satz 2 genannten Fällen des Schutzes von Rechten Dritter durch einen Planfeststellungsbeschluß ausgeschlossen. Für das Verfahren zur grenzüberschreitenden Umweltverträglichkeitsprüfung sind die Vorschriften des Teil 5 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung anzuwenden.

Übersicht I.

Planfeststellungsverfahren anstelle Betriebsplan1 verfahren (Absatz 1)

II. 1. 2.

Planfeststellungsverfahren 2 Behördenzuständigkeiten 3 Verfahrensablauf 4 a) Antragstellung 5 b) Unterlagen (Absatz 2) aa) Erforderliche Inhalte des Rahmenbetriebsplans 6 aaa) Bergrecht

bbb) Konzentrierte Entscheidun8 gen 10 ccc) Umweltverträglichkeit 11 aaaa) Mindestangaben 12 bbbb) Weitere Angaben cccc) Informationen beteiligter Behörden (Ab13 satz 3) bb) Auszulegende Unterlagen (Absatz 2) 14 aaa) Plan

1 Richtigerweise: Absatz 1 Satz 3. Keienburg/Wiesendahl

618

Zweites Kapitel – Anzeige, Betriebsplan

c)

III. 1. 2. 3.

4.

bbb) Allgemeinverständliche Zusam15 menfassung ccc) Unterlagen gemäß § 19 Abs. 2 16 Satz 1 Nr. 2 UVPG Anhörungsverfahren (§ 73 Absatz 2 bis 7 VwVfG) 19 aa) Behördenbeteiligung 20 bb) Öffentlichkeitsbeteiligung cc) Grenzüberschreitende Beteiligung (Ab28 satz 6) dd) Abgrenzung von der frühen Öffentlich29 keitsbeteiligung

Inhalte und Wirkungen des Planfeststellungsbeschlusses 30 Gebundene Entscheidung Berücksichtigung der Ergebnisse der Umweltver33 träglichkeitsprüfung Eingeschränkte Gestattungswirkung aufgrund des Erfordernisses nachfolgender Betriebsplanzu34 lassungen Bindungswirkung für nachfolgende Betriebsplan36 zulassungen (Absatz 5)

5. 6. 7. 8. 9.

§ 57a

40 Konzentrationswirkung (Absatz 4) Möglichkeit eines Entscheidungsvorbehalts (§ 74 46 Absatz 3 VwVfG) Gestaltungs-, Duldungs- und Ausgleichswirkung 49 (Absatz 4) 51 Keine enteignende Vorwirkung 53 Keine Planrechtfertigung

IV.

Erlass des Planfeststellungsbeschlusses (§ 74 Ab55 satz 4 und 5 VwVfG)

V.

Veränderungen nach Erlass des Planfeststellungs57 beschlusses 58 Nachträgliche Auflagen Rücknahme und Widerruf (§§ 48, 49 60 VwVfG) Außerkrafttreten eines Planfeststellungsbeschlus61 ses (§ 75 Abs. 4 VwVfG) Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses (§ 77 64 VwVfG)

1. 2. 3. 4.

VI.

Rechtsschutz

66

I. Planfeststellungsverfahren anstelle Betriebsplanverfahren (Absatz 1) Das bergrechtliche Planfeststellungsverfahren wurde mit Art. 1 des Gesetzes zur Änderung des 1 Bundesberggesetzes vom 12.2.1990 und den damit neu normierten §§ 52 Abs. 2a, 57a bis 57c in das Bundesberggesetz eingeführt. Es dient der Umsetzung der europarechtlichen Vorgaben der UVPRichtlinie 85/337/EWG vom 27.6.1985. Für UVP-pflichtige bergbauliche Vorhaben, die in § 1 UVP-V Bergbau aufgelistet sind, dazu im Einzelnen im Anhang zu § 57c UVP-V Bergbau, ist gemäß § 52 Abs. 2a Satz 1 die Aufstellung eines obligatorischen Rahmenbetriebsplans in Abgrenzung zum fakultativen Rahmenbetriebsplan gemäß § 52 Abs. 2 Nr. 1 zwingend, sofern nicht ein besonderes Verfahren i.S.d. § 52 Abs. 2b Satz 2 i.V.m. § 54 Abs. 2 Satz 3 vorrangig ist. Das zur Zulassung des obligatorischen Rahmenbetriebsplans anzuwendende Zulassungsverfahren ist das Planfeststellungsverfahren, geregelt in den Verwaltungsverfahrensgesetzen der Länder und des Bundes. Das Planfeststellungsverfahren tritt an die Stelle des in §§ 54 Abs. 1 u. 2, 56 Abs. 1 geregelten herkömmlichen Betriebsplanzulassungsverfahrens. Entsprechend anwendbar ist der mit dem Gesetz zur Änderung des Bundesberggesetzes und zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung vom 14.6.2021 neu eingefügte § 54 Abs. 3, der die Zulässigkeit der Einschaltung eines Verwaltungshelfers klarstellt.2 Die Einführung des Planfeststellungsverfahrens als Trägerverfahren für die Umweltverträglichkeitsprüfung ist dadurch begründet, dass die Umweltverträglichkeitsprüfung aufgrund Art. 6 Abs. 2 der UVP-Richtlinie eine Öffentlichkeitsbeteiligung erfordert. Da ein Öffentlichkeitsbeteiligungsverfahren im BBergG nicht geregelt war, führte der Gesetzgeber zur Umsetzung der UVP-Richtlinie das Planfeststellungsverfahren, dem eine Öffentlichkeitsbeteiligung immanent ist, ein.3 Durch Plangenehmigung kann der obligatorische Rahmenbetriebsplan nicht zugelassen werden, da im Plangenehmigungsverfahren die Vorschriften über das Planfeststellungsverfahren und damit auch die Vorschriften über die Öffentlichkeitsbeteiligung, die in Verfahren mit Umweltverträglichkeitsprüfung zwingend erforderlich ist, keine Anwendung finden; in Verfahren mit Umweltverträglichkeitsprüfung ist eine Plangenehmigung daher grundsätzlich aus2 Zur klarstellenden Bedeutung BT-Drs. 19/29347, S. 8. 3 BT-Drs. 11/4015, S. 1. 619

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§ 57a

Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

geschlossen,4 wenn nicht anderes gesetzlich ausdrücklich geregelt ist.5 Dies hat der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Verbesserung der Öffentlichkeitsbeteiligung und Vereinheitlichung von Planfeststellungsverfahren (PlVereinhG) vom 31.5.2013, dessen Art. 1 mit den dortigen Änderungen des VwVfG am 8.6.2013 in Kraft getreten ist, in § 74 Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 VwVfG klargestellt, indem dort normiert wurde, dass Voraussetzung der Plangenehmigung ist, dass nicht andere Rechtsvorschriften eine Öffentlichkeitsbeteiligung vorschreiben, die den Anforderungen des § 73 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 4 bis 7 VwVfG entsprechen muss.6 Solche anderen Rechtsvorschriften enthält das UVPG. Auch im Hauptbetriebsplanverfahren kann eine Umweltverträglichkeitsprüfung nicht verortet werden.7

II. Planfeststellungsverfahren 1. Behördenzuständigkeiten 2 Zuständige Planfeststellungsbehörde ist gemäß § 57a Abs. 1 Satz 3 die für die Zulassung von Betriebsplänen zuständige Behörde. Die Zuständigkeit bestimmt sich damit gemäß § 142 Satz 1 nach den landesrechtlichen Zuständigkeitsregelungen. Danach sind i.d.R. mittlere Landesbehörden zuständige Planfeststellungsbehörden für bergbauliche Vorhaben. Die Planfeststellungsbehörde ist gleichzeitig die für die Durchführung des Öffentlichkeitsbeteiligungsverfahrens gemäß § 73 Abs. 1 bis 9 VwVfG zuständige Anhörungsbehörde. Eine Identität von Anhörungs- und Planfeststellungsbehörde, wie in § 57a Abs. 1 Satz 3 geregelt, ist zulässig.8 Die Planfeststellungsbehörde kann sich gemäß Absatz 1 Satz 2 im Verfahren eines Verwaltungshelfers nach Maßgabe des § 54 Abs. 3 bedienen.

2. Verfahrensablauf 3 Der Ablauf des Planfeststellungsverfahrens richtet sich, soweit nicht im Bundesberggesetz Spezialregelungen enthalten sind, nach den Vorschriften des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung. Das regelt der mit dem Artikelgesetz zur Modernisierung des Rechts der Umweltverträglichkeitsprüfung vom 20.7.2017 in Absatz 1 neu eingefügte Satz 4 – aufgrund des Gesetzes zur Änderung des Bundesberggesetzes und zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung vom 14.6.2021 jetzt Satz 5 – mit dem dortigen Verweis auf §§ 15 bis 27 und 31 UVPG. Während bis zur Modernisierung des Rechts der Umweltverträglichkeitsprüfung die Verfahrensvorschriften des UVPG gemäß § 18 Satz 2 UVPG a.F. auf bergbauliche Vorhaben keine Anwendung fanden, ist jetzt in § 51 Satz 2 UVPG n.F. geregelt, dass §§ 15 bis 32 UVPG bei bergbaulichen Vorhaben nur Anwendung finden, soweit das BBergG dies anordnet. Die Anwendbarkeit der Verfahrensvorschriften des UVPG auf bergbauliche Vorhaben wird damit als Möglichkeit eröffnet und in § 57a Abs. 1 4 Stelkens/Bonk/Sachs/Neumann/Külpmann VwVfG, § 74 Rn. 244a; Kopp/Ramsauer/Wysk VwVfG, § 74 Rn. 207; Knack/ Henneke/Schink VwVfG, § 74 Rn. 258; Fehling/Kastner/Störmer/Wickel Verwaltungsrecht, § 74 VwVfG Rn. 165; Ziekow VwVfG, § 74 Rn. 71; Keienburg Die Öffentlichkeitsbeteiligung im Bergrecht, S. 136. 5 Vgl. § 18b AEG, § 17b Abs. 1 Nr. 1 FStrG und § 14b Abs. 2 WaStrG; in diesen Plangenehmigungsverfahren ist allerdings auf Grundlage der Regelungen des UVPG eine Öffentlichkeitsbeteiligung durchzuführen. 6 Zur klarstellenden Funktion der neuen Nummer 3 in § 74 Abs. 6 Satz 1 VwVfG, die auf UVP-pflichtige Vorhaben und deren Ausnahme aus dem Anwendungsbereich einer Plangenehmigung abzielt: BT-Drs. 17/9666, S. 20. 7 OVG Bautzen 17.8.2018, 1 A 320/17 = ZfB 2019, 146 Rn. 65; VG Darmstadt 21.11.2017, 7 L 4343/17 = ZfB 2018, 135, 144 f. u. ebenso zuvor VG Darmstadt 26.11.2015, 7 L 1775/15 = ZfB 2016, 61, 65 f.; anderes gilt hinsichtlich der Klagebefugnis aus § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG: OVG Koblenz 6.2.2013, 1 B 11266/12, UPR 2013, 233 Rn. 30. 8 BT-Drs. 11/4015, S. 11; BVerwG 24.11.2011, 9 A 23/10, NVwZ 2012, 557 Rn. 20; BVerwG 22.1.2004, 4 A 32/02, BVerwGE 120, 87, 99; BVerwG 31.1.2002, 4 A 15/01, NVwZ 2002, 1103, 1104; Stelkens/Bonk/Sachs/Neumann VwVfG, § 73 Rn. 4; Kopp/ Ramsauer/Wysk VwVfG, § 73 Rn. 20; Knack/Henneke/Schink VwVfG, § 73 Rn. 18; Fehling/Kastner/Störmer/Wickel Verwaltungsrecht, § 73 VwVfG Rn. 9; Keienburg Die Öffentlichkeitsbeteiligung im Bergrecht, S. 137 f. Keienburg/Wiesendahl

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Satz 5 umgesetzt.9 Ergänzend kann auf die Regelungen des VwVfG zum Planfeststellungsverfahren zurückgegriffen werden. Dies ergibt sich teilweise aus ausdrücklichen Verweisen des UVPG auf Regelungen des VwVfG und im übrigen aus der in § 5 BBergG normierten Anwendbarkeit des VwVfG.10 Da das Bundesberggesetz von den Ländern ausgeführt wird, gelten gemäß § 1 Abs. 3 VwVfG die Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder. Alle Bundesländer haben eigene Verwaltungsverfahrensgesetze erlassen, teilweise als Vollgesetze, in denen der Wortlaut des VwVfG des Bundes weitgehend wortidentisch übernommen wurde und teilweise als Verweisungsgesetze, in denen mit einzelnen Modifikationen auf das VwVfG des Bundes verwiesen wird.

a) Antragstellung. Gemäß § 52 Abs. 2a Satz 1 ist im Fall der UVP-Pflicht eines bergbaulichen 4 Vorhabens ein Rahmenbetriebsplan von der Bergbehörde zu verlangen. Ein derartiges behördliches Verlangen muss der Vorhabenträger jedoch nicht abwarten; er kann die Zulassung eines Rahmenbetriebsplans auch ohne vorheriges behördliches Verlangen beantragen11 und muss dies im Fall einer obligatorischen Rahmenbetriebsplanpflicht auch tun. b) Unterlagen (Absatz 2). Die erforderlichen Inhalte des Rahmenbetriebsplans sind im Grund- 5 satz für alle bergbaulichen Vorhaben, die einer Umweltverträglichkeitsprüfung bedürfen, identisch. Der Rahmenbetriebsplan muss Angaben zu den bergrechtlichen Zulassungsvoraussetzungen, zu den konzentrierten behördlichen Entscheidungen und zur Umweltverträglichkeit enthalten. Hinsichtlich des möglichen und erforderlichen Konkretisierungsgrads ist zwischen dynamischen und statischen Vorhaben zu unterscheiden. Bergbauliche Vorhaben zum Abbau von Bodenschätzen müssen sich den Lagerstätten-verhältnissen anpassen und sind oftmals dadurch gekennzeichnet, dass sie nicht bereits im Vorfeld der ersten Zulassung mit abschließenden Detailangaben für die gesamte Lebensdauer des Betriebs zugelassen werden können.12 Deshalb sieht § 52 Abs. 1 Satz 1 für Errichtung und Führung des Betriebs Hauptbetriebspläne mit einer Befristung von regelmäßig nicht mehr als zwei Jahren vor. Dies ist die bei einer dynamischen Abbauführung realistisch überschaubare Zeitspanne für eine Zulassung mit Gestattungswirkung. Sind Teilausschnitte eines Betriebs für längerfristige Zeiträume planbar, können diese über Sonderbetriebsplanzulassungen ohne Befristung mit Gestattungswirkung zugelassen werden. Dem Bergrecht ebenfalls unterfallende Betriebsanlagen und -einrichtungen i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 3 sowie Aufbereitungsbetriebe i.S.d. § 4 Abs. 3 stellen dagegen oftmals statische Anlagen dar. Auch diese Anlagen bzw. ihr Betrieb können nachträglichen Änderungen unterworfen sein. Dies ist aber nicht Wesen der Anlagen. Die Unterschiede zwischen dynamischen und statischen Vorhaben wirken sich auf den möglichen Detaillierungs- und Konkretisierungsgrad der Unterlagen für die obligatorische Rahmenbetriebsplanzulassung aus. Die Konkretisierbarkeit eines sich den Lagerstättenverhältnissen anpassenden Vorhabens entspricht nicht der eines statischen Betriebs. Das ist bei der Festlegung der erforderlichen Angaben für die Rahmenbetriebsplanzulassung zu berücksichtigen.13 aa) Erforderliche Inhalte des Rahmenbetriebsplans aaa) Bergrecht. Der Rahmenbetriebsplan muss – wie jeder Betriebsplan – gemäß § 52 Abs. 4 Satz 1 6 Angaben zu den berggesetzlichen Zulassungsvoraussetzungen des § 55 und deren Erfüllung enthalten. Die Angaben müssen eine vorläufige Prüfung der Zulassungsfähigkeit des Vorhabens unter 9 BT-Drs. 18/11499, S. 117. 10 Keienburg Die Öffentlichkeitsbeteiligung im Bergrecht, S. 134. 11 BVerwG 2.11.1995, 4 C 14/94, BVerwGE 100, 1, 10 f. = ZfB 1995, 278, 284; Keienburg NVwZ 2013, 1123. 12 Stiens Der bergrechtliche Betriebsplan, S. 11 f.; Schulte Kernfragen des bergrechtlichen Genehmigungsverfahrens, S. 44 ff. 13 Ebenso: Gaentzsch FS Sendler (1991), S. 414 ff.; kritisch Beckmann ZUR 2014, 541, 545. 621

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Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

bergrechtlichen Gesichtspunkten ermöglichen. Eine abschließende Prüfung der berggesetzlichen Zulassungsvoraussetzungen erfolgt noch nicht auf Rahmenbetriebsplanebene, sondern erst auf der Ebene nachgeordneter Haupt- und ggf. Sonderbetriebspläne. Die eingeschränkte Zulassungswirkung des Rahmenbetriebsplans ist bei der Festlegung des Detaillierungsgrads der bergbaulichen Angaben zu berücksichtigen.14 Erst auf Ebene der nachfolgenden Haupt- und Sonderbetriebsplanzulassungen müssen – und können im Fall dynamischer Vorhaben – die für die Zulassung des Vorhabens mit Gestattungswirkung erforderlichen Detailangaben vorgelegt werden. Auf Rahmenbetriebsplanebene ist dies weder im fakultativen Rahmenbetriebsplanverfahren noch im obligatorischen Rahmenbetriebsplanverfahren erforderlich. Anders, als im fakultativen Rahmenbetriebsplan, der sich auf einen gegenständlich oder zeitlich beschränkten Ausschnitt eines Vorhabens beziehen kann, muss der obligatorische Rahmenbetriebsplan das Vorhaben sowohl inhaltlich als auch in zeitlicher Hinsicht als Ganzes umfassen und beschreiben. Dies resultiert aus der Zielsetzung der im obligatorischen Rahmenbetriebsplanverfahren durchzuführenden Umweltverträglichkeitsprüfung, das Vorhaben als Ganzes in den Blick zu nehmen.15 Insoweit unterscheidet sich der Vorhabenbegriff des obligatorischen Rahmenbetriebsplans von dem des fakultativen Rahmenbetriebsplans16 und resultiert aus der Zielsetzung des obligatorischen Rahmenbetriebsplans einer verbindlichen Rahmensetzung mit Bindungswirkung für nachfolgende Haupt- und Sonderbetriebspläne, dazu Rn. 36, das Erfordernis einer gegenständlich und zeitlich umfassenden Vorhabenbeschreibung zur Festlegung des maximal zulässigen Rahmens des Vorhabens.17 Konkretisierungen auf Ebene nachfolgender Haupt- und Sonderbetriebspläne können sich nur innerhalb dieses Rahmens bewegen, der deshalb hinreichend bestimmt und umfassend sein muss. 7 Der vom Rahmenbetriebsplan abzusteckende Rahmen umfasst ausweislich der auf Errichtung und Betrieb bezogenen Zielsetzung des § 52 Abs. 1 Satz 1 Errichtung und Betrieb des Vorhabens. Die Wiedernutzbarmachung, die Gegenstand der Abschlussbetriebspanzulassung gemäß § 53 Abs. 1 ist, ist im Rahmenbetriebsplanverfahren nur insoweit zu betrachten, als bereits während des Betriebs für die spätere Wiedernutzbarmachung bestimmte und später nicht oder nur noch unter Schwierigkeiten nachholbare Vorsorgemaßnahmen zu treffen sind; vgl. § 2 Rn. 9 und § 55 Rn. 90 f. Dies gilt im fakultativen Rahmenbetriebsplanverfahren.18 Dies gilt ebenso im obligatorischen Rahmenbetriebsplanverfahren. Zwar muss im obligatorischen Rahmenbetriebspanverfahren – anders als im fakultativen Rahmenbetriebsplanverfahren – das Vorhaben im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung als Ganzes in den Blick genommen werden.19 Daraus ergibt sich aber keine Verpflichtung zur Prüfung auch der Wiedernutzbarmachung im obligatorischen Rahmenbetriebsplanverfahren und zur Einbeziehung der Wiedernutzbarmachung in die Umweltverträglichkeitsprüfung, da sich das in den Blick zu nehmende Ganze nach den sachbezogenen Kriterien des § 1 Nr. 1 bis 10 UVP-V Bergbau bestimmt, die auf Errichtung und Betrieb und nicht auf die Wiedernutzbarmachung bezogen sind;20 vgl. Anhang zu § 57c UVP-V Bergbau, § 1 Rn. 62. Ist dagegen die Wiedernutzbarmachung selbst UVP-pflichtig, wie ggf. im Fall eines Gewässerausbaus zur Flutung eines Tagebaurestlochs, kann die Wiedernutzbarmachung aufgrund § 1 Nr. 9 UVP-V Bergbau Gegenstand einer obligatorischen Rahmenbetriebsplanzulassung sein; vgl. Anhang zu § 57c UVP-V Bergbau, § 1 Rn. 63 ff.

14 15 16 17 18 19 20

BVerwG 15.12.2006, 7 6/06, BVerwGE 127, 272 Rn. 18 = ZfB 2006, 315, 318. BVerwG 2.11.1995, 4 C 14/94, BVerwGE 100, 1, 7 = ZfB 1995, 278, 282. Neumann in: Kühne/Ehricke (Hrsg.) Entwicklungslinien des Bergrechts, S. 39. OVG Berlin 17.8.2010, 11 N 10/08 = ZfB 2011, 20, 21 f. BVerwG 2.11.1995, 4 C 14/94, BVerwGE 100, 1, 7 = ZfB 1995, 278, 282. BVerwG 2.11.1995, 4 C 14/94, BVerwGE 100, 1, 7 = ZfB 1995, 278, 282. OVG Lüneburg 21.10.2008, 7 ME 170/07, NuR 2009, 58, 60; a.A. wohl Landmann/Rohmer/Hofmann Umweltrecht, § 18 UVPG Rn. 26 und Elgeti/Dietrich NuR 2009, 461, 465. Keienburg/Wiesendahl

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Zweites Kapitel – Anzeige, Betriebsplan

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bbb) Konzentrierte Entscheidungen. Zusätzlich zu den spezifisch bergbaulichen Angaben 8 muss der obligatorische Rahmenbetriebsplan – anders als der fakultative Rahmenbetriebsplan – aufgrund seiner Zulassung im Planfeststellungsverfahren mit Konzentrationswirkung, dazu Rn. 40, gemäß Absatz 2 Satz 1 die Antragserfordernisse der von dem Planfeststellungsbeschluss eingeschlossenen, d.h. der konzentrierten Entscheidungen beachten. Die Zulassungsfähigkeit des Vorhabens hinsichtlich der konzentrierten Entscheidungen muss – wie immer im Fall einer formellen Konzentration – gemäß Absatz 4 Satz 1 anhand des dafür maßgeblichen materiellen Rechts – etwa des Baurechts, des Immissionsschutzrechts, des Denkmalschutzrechts, des Naturschutzrechts etc. – im obligatorischen Rahmenbetriebsplan dargelegt werden. Dies erfordert über die Rahmenangaben für die bergrechtlichen Zulassungsvoraussetzungen deutlich hinausgehende und deutlich detailliertere Angaben für die von dem Planfeststellungsbeschluss zu konzentrierenden Entscheidungen, die mit dem Planfeststellungsbeschluss mit Gestattungswirkung ausgesprochen werden, sofern diese Angaben auf Rahmenbetriebsplanebene schon möglich sind. Soweit entweder die Planungstiefe im Zeitpunkt der Rahmenbetriebsplanzulassung oder auch der von einer Rahmenbetriebsplanzulassung umfasste längerfristige Zeitraum eine abschließende Detaillierung noch nicht zulassen, ist auf Rahmenbetriebspanebene jedenfalls die Machbarkeit des Vorhabens auch mit Blick auf die von dem Vorhaben berührten sonstigen Rechtsgebiete zu prüfen.21 Eine ausdrückliche weitere Ausnahme von dem Erfordernis der Vorlage vollständiger Unterla- 9 gen konzentrierter Zulassungen zur Ermöglichung einer abschließenden Entscheidung mit dem Planfeststellungsbeschluss regelt § 57b Abs. 2 für den Fall, dass fachgesetzliche Regelungen konzentrierter Entscheidungen Vorbescheide und Teilgenehmigungen zulassen; in diesen Fällen ist die Erteilung eines Vorbescheids oder einer Teilgenehmigung mit dem Planfeststellungsbeschluss zulässig und kann die abschließende Entscheidung gemäß § 57b Abs. 2 Nr. 2 vorbehalten bleiben; dazu § 57b Rn. 34 ff. Darüber hinaus ermöglicht § 74 Abs. 3 VwVfG für den Fall, dass die vorgelegten Unterlagen die Prüfung der Genehmigungsfähigkeit ermöglichen aber die Detailausgestaltung noch offen ist, dass eine abschließende Entscheidung im Planfeststellungsbeschluss vorbehalten bleibt; dazu Rn. 46 ff.

ccc) Umweltverträglichkeit. Schließlich muss der Rahmenbetriebsplan gemäß Absatz 2 Satz 2 10 alle für die Umweltverträglichkeitsprüfung bedeutsamen Angaben in Form des § 16 UVPG enthalten. Anders als vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des UVPG, dazu schon Rn. 3, ist damit jetzt auch im bergrechtlichen Planfeststellungsverfahren ein gesonderter, den Vorgaben des § 16 i.V.m. Anlage 4 UVPG entsprechender UVP-Bericht vorzulegen. aaaa) Mindestangaben. Die erforderlichen Mindestangaben des UVP-Berichts sind in § 16 11 Abs. 1 UVPG geregelt. Dazu gehören gemäß § 16 Abs. 1 Satz 2 UVPG auch Angaben zu den Auswirkungen des Vorhabens auf die Erhaltungsziele eines Natura 2000-Gebiets, wenn das Vorhaben einzeln oder im Zusammenwirken mit anderen Projekten geeignet ist, ein Natura 2000-Gebiet erheblich zu beeinträchtigen. Sofern also nach Maßgabe des § 34 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG eine FFHVerträglichkeitsprüfung erforderlich ist, sind Angaben zu den Auswirkungen auf die Erhaltungsziele auch in den UVP-Bericht aufzunehmen. Angaben zu Vorhabenalternativen sind gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 UVPG nur erforderlich, soweit es sich um vernünftige, für das Vorhaben relevante Alternativen handelt und solche von dem Vorhabenträger geprüft wurden. § 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 UVPG normiert ebenso wie die Vorgängerregelungen keine Pflicht des Vorhabenträgers zur Prü-

21 OVG Koblenz 26.7.2011, 1 A 10473/07 = ZfB 2011, 204, 229. 623

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Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

fung von Vorhabenalternativen.22 Dies entspricht den Vorgaben in Art. 5 Abs. 1 Buchst. d) der UVPRichtlinie in der Fassung der Änderungsrichtlinie 2014/52/EU. Auch die Richtlinie begründet keine Verpflichtung zur Alternativenprüfung, sondern allein eine Verpflichtung zur Angabe geprüfter Vorhabenalternativen für den Fall, dass solche geprüft worden sind. Eine Verpflichtung zur Alternativenprüfung kann sich allein aus materiellem Recht ergeben und ist insbesondere bei Planfeststellungsverfahren zur Leitungsführung mit Abwägungsentscheidung erforderlich. Da die bergrechtliche Planfeststellung aber eine atypische, gebundene Planfeststellung ohne Abwägung darstellt, dazu Rn. 30, bedarf es für sie keiner Alternativenprüfung.

12 bbbb) Weitere Angaben. Gemäß § 16 Abs. 3 UVPG muss der UVP-Bericht weitere Angaben gemäß Anlage 4 enthalten, soweit diese Angaben für das Vorhaben von Bedeutung sind. In Anlage 4 geregelte Angaben, die über die Anforderungen des § 16 Abs. 1 UVPG hinausgehen, sind damit nur erforderlich, soweit das jeweilige Vorhaben diese Angaben erfordert. Damit ist zunächst eine dahingehende Prüfung notwendig, welche der in Anlage 4 des UVPG enthaltenen Angaben über die Mindestanforderungen des § 16 Abs. 1 UVPG hinausgehen, um sodann einzelfallbezogen zu prüfen, ob diese Angaben für das jeweilige Vorhaben erforderlich sind. Das richtet sich nach dem konkreten Vorhaben und den dafür maßgeblichen materiellen Zulassungsvoraussetzungen. So sind etwa Angaben zur Anfälligkeit des Vorhabens für die Risiken von schweren Unfällen oder Katastrophen gemäß Anhang 4 Ziffer 4 Buchst. c) ee) UVPG bei Vorhaben, die keine Störfallanlagen sind, nicht erforderlich. Dies ist in der Rechtsprechung für Leitungsvorhaben entschieden23 und gilt ebenso für Bergbauvorhaben, die ebenfalls Störfallanlagen sein können, wobei zusätzlich die Einstufung bergbaulicher Abfallentsorgungseinrichtungen als Kategorie A-Anlage gemäß Anhang III der Richtlinie 2006/21/EG zu berücksichtigen sein dürfte.

13 cccc) Informationen beteiligter Behörden (Absatz 3). Verfügen beteiligte Behörden über zweckdienliche Informationen zu den nach Absatz 2 Satz 2 und 3 zu machenden Angaben, sind sie über Absatz 3 verpflichtet, diese dem Vorhabenträger und der Bergbehörde zur Verfügung zu stellen. Aus Absatz 3 resultiert eine Informationspflicht der Behörden. Begrenzt wird die Informationspflicht durch den Geheimhaltungs- und Datenschutz. Dies regelt Absatz 3, anders als § 23 UVPG, nicht ausdrücklich, ergibt sich aber aus den allgemeingültigen Geheimhaltungs- und Datenschutzvorschriften. Begrenzt wird die Informationspflicht zudem durch die Verfügungsbefugnis der Behörden, die sich allein auf Daten aus der behördlichen Ermittlungstätigkeit erstreckt, nicht dagegen auf Erhebungen anderer Vorhabenträger. Um zweckdienliche Informationen kann es sich etwa bei Bestandsdaten aus naturschutzrechtlichen Gebietsausweisungen oder Daten aus sonstigen behördlichen Ermittlungen handeln. Zweckdienliche Informationen können gemäß Absatz 3 Satz 2 zudem und insbesondere aus einer vorausgegangenen Raumverträglichkeitsprüfung resultieren. Die Durchführung einer Raumverträglichkeitsprüfung im Vorfeld planfeststellungspflichtiger bergbaulicher Vorhaben ist in § 15 Abs. 1 Satz 1 ROG i.V.m. § 1 Nr. 16 ROV unter der Voraussetzung, dass das jeweilige Vorhaben raumbedeutsam ist und überörtliche Bedeutung hat, als „Soll“-Regelung normiert. Entbehrlich ist eine Raumverträglichkeitsprüfung im Fall eines vorherigen Braunkohlenplanverfahrens, das zudem in Nordrhein-Westfalen aufgrund § 52 Abs. 2b Satz 2 i.V.m. § 27 Abs. 1 Satz 2 LPLG NRW zur Entbehrlichkeit des obligatorischen Rahmenbetriebsplanverfahrens führt; vgl. Anhang zu § 57c UVP-V Bergbau, Vorbemerkungen Rn. 13. In der Raum22 BVerwG 9.4.2008, 7 B 2/08, NVwZ 2008, 789 Rn. 6; BVerwG 11.8.2006, 9 VR 5/06, NVwZ 2006, 1170 Rn. 11; BVerwG 14.5.1996, 7 NB 3/95, BVerwGE 101, 166, 174 f.; VGH Mannheim 20.7.2011, 10 S 2102/09, NuR 2012, 204, 207; VG Oldenburg 13.6.2012, 5 A 3370/10 = ZfB 2012, 306, 319; VG Oldenburg 19.6.2008, 5 A 4956/06 = ZfB 2008, 296, 302; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 52 Rn. 33 u. § 57a Rn. 22; Hoppe/Beckmann/Kment UVPG, § 16 Rn. 28; Peters/Balla UVPG, § 6 Rn. 8; Keienburg Die Öffentlichkeitsbeteiligung im Bergrecht, S. 139 f. 23 OVG Berlin-Brandenburg 12. 3.2020, 11 A 7/18, juris Rn. 25 f.; OVG Münster 4.9.2017, 11 D 14/14, DVBl 2018, 54 Rn. 91 ff. Keienburg/Wiesendahl

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verträglichkeitsprüfung ist bei Vorhaben, für die eine UVP-Pflicht besteht,24 gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 ROG i.V.m. § 49 Abs. 1 Satz 1 UVPG eine überschlägige Prüfung der Auswirkungen des Vorhabens auf die Schutzgüter des UVPG durchzuführen. Aus § 15 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 ROG i.V.m. § 49 Abs. 1 Satz 1 UVPG folgt, dass bei UVP-pflichtigen bergbaulichen Vorhaben, die im Vorfeld auf ihre Raumverträglichkeit zu prüfen sind, eine überschlägige Prüfung der Auswirkungen auf die Schutzgüter des UVPG schon in der Raumverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse sind im nachfolgenden Planfeststellungsverfahren gemäß § 57a Abs. 3 Satz 2 zu berücksichtigen. Entbehrlich wird eine Umweltverträglichkeitsprüfung im nachfolgenden bergrechtlichen Zulassungsverfahren nach Durchführung einer überschlägigen Prüfung der Umweltauswirkungen in der Raumverträglichkeitsprüfung nicht.25 Gemäß § 49 Satz 2 UVPG ist eine vertiefte Prüfung der Umweltverträglichkeitsprüfung im eigentlichen behördlichen Zulassungsverfahren, im Bergrecht also im bergrechtlichen Planfeststellungsverfahren, durchzuführen. Anderes ergibt sich auch nicht aus § 52 Abs. 2b Satz 2 i.V.m. § 54 Abs. 2 Satz 3. Bei einer Raumverträglichkeitsprüfung handelt es sich nicht um ein Verfahren i.S.d. §§ 52 Abs. 2 b Satz 2, 54 Abs. 2 Satz 3; die am Ende einer Raumverträglichkeitsprüfung stehende raumordnerische Beurteilung stellt keinen Plan i.S.d. § 54 Abs. 2 Satz 3 dar, der ein Planfeststellungsverfahren gemäß § 52 Abs. 2b Satz 2 entbehrlich machen würde.

bb) Auszulegende Unterlagen (Absatz 2) aaa) Plan. Gemäß Absatz 2 Satz 3 hat der Vorhabenträger dem Rahmenbetriebsplan einen zur 14 Auslegung geeigneten Plan beizufügen. Der Gesetzgeber unterscheidet zwischen der im Bergrecht als „Plan“ bezeichneten Unterlage, die der Vorhabenträger zur Zulassung stellt, auf der einen und dem vom Vorhabenträger für die Öffentlichkeitsbeteiligung zu erstellenden Plan auf der anderen Seite. Während der Rahmenbetriebsplan, der typischerweise aus einer Vielzahl von Unterlagen und Plänen besteht sämtliche Angaben zur Zulassungsfähigkeit des Vorhabens sowohl hinsichtlich der bergrechtlichen Zulassungsvoraussetzungen als auch hinsichtlich der Zulassungsvoraussetzungen konzentrierter Entscheidungen und hinsichtlich der Umweltverträglichkeit des Vorhabens enthalten muss, kommt dem für die Öffentlichkeitsbeteiligung einzureichenden Plan i.S.d. § 73 Abs. 1 VwVfG eine auf die Öffentlichkeit bezogene Anstoßfunktion zu, potentiell Betroffene dazu zu veranlassen, eine Berührung eigener Belange durch das Vorhaben zu prüfen.26 Der Plan für die Öffentlichkeitsbeteiligung muss nicht sämtliche Detailangaben enthalten, die für die Überprüfung der Zulassungsfähigkeit des Vorhabens erforderlich sind, da die Prüfung der Zulassungsfähigkeit nicht Aufgabe der Öffentlichkeit ist.27 Auszulegen sind daher nicht sämtliche für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Vorhabens erforderlichen Unterlagen, sondern nur die Unterlagen, die erforderlich sind, potentiell Betroffenen das Interesse, Einwendungen zu erheben, bewusst zu machen.28 Zum Zweck der Erfüllung der Anstoßfunktion genügt eine übergeordnete Unterlage, die das Vorhaben und die von ihm ausgehenden Auswirkungen erkennen lässt, um eine Prüfung 24 Erfasst werden sowohl zwingend UVP-pflichtige Vorhaben als auch Vorhaben, die einer Vorprüfung bedürfen, wenn die Vorprüfung die UVP-Pflicht ergibt: vgl. Hoppe/Beckmann/Kment/Wagner UVPG, § 49 Rn. 77 f. 25 Hoppe/Beckmann/Kment UVPG, § 51 Rn. 125. 26 Zur Anstoßfunktion des Plans i.S.d. § 73 Abs. 1 VwVfG: BVerwG 25.6.2014, 9 A 1/13, NVwZ 2015, 85 Rn. 12; BVerwG 31.7.2012, 4 A 7001/11, BVerwGE 144, 44 Rn. 41; BVerwG 3.3.2011, 9 A 8/10, BVerwGE 139, 150 Rn. 19; BVerwG 22.9.2004, 9 A 59/03, NVwZ 2005, 218, 219; BVerwG 27.10.2000, 4 A 18/99, BVerwGE 112, 140, 144; OVG Greifswald 22.3.2012, 5 K 6/10, juris Rn. 152; OVG Münster 15.8.2003, 21 B 2518/02 = ZfB 2003, 275, 277; Stelkens/Bonk/Sachs/Neumann/Külpmann VwVfG, § 73 Rn. 18; Kopp/Ramsauer/Wysk VwVfG, § 73 Rn. 46; Fehling/Kastner/Störmer/Wickel Verwaltungsrecht, § 73 VwVfG Rn. 22; Bader/Ronellenfitsch/Kämper VwVfG, § 73 Rn. 33; Ziekow VwVfG, § 73 Rn. 10; Ziekow/Kirchberg Praxis des Fachplanungsrechts, Rn. 42; Keienburg Die Öffentlichkeitsbeteiligung im Bergrecht, S. 141 f. 27 BVerwG 3.3.2011, 9 A 8/10, BVerwGE 139, 150 Rn. 19; BVerwG 15.12.2006, 7 C 1/06 = ZfB 2006, 306 Rn. 18 insoweit in BVerwGE 127, 259, 262 nicht abgedruckt; BVerwG 27.10.2000, 4 A 18/99, BVerwGE 112, 140, 144; BVerwG 8.6.1995, 4 C 4/ 94, BVerwGE 98, 339, 344. 28 BVerwG 2. 7.2020, 9 A 19/19, NVwZ 2021, 648 Rn. 23. 625

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der Betroffenheiten Einzelner als Laien zu ermöglichen.29 Zu den auszulegenden Unterlagen als Teil des Plans gehört zwingend der UVP-Bericht; dies ergibt sich aus § 19 Abs. 2 Nr. 1 UVPG. Auch ein Landschaftspflegerischer Begleitplan gehört, soweit er erforderlich ist, gemäß § 17 Abs. 5 Satz 4 BNatSchG zu den auszulegenden Unterlagen. Bei Auswirkungen eines Vorhabens auf Gewässer gehört zu den zwingend auszulegenden Unterlagen zudem die Angaben, die erforderlich sind, um die Auswirkungen des Projekts auf die Gewässer anhand der insbesondere in Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2000/60/EG vorgesehenen Kriterien und Pflichten zu beurteilen.30 Zu den auszulegenden Unterlagen gehört danach der inzwischen typischerweise gefertige sog. WRRL-Fachbeitrag,31 wobei die erforderlichen Angaben nach der Richtlinie 2000/60/EG auch in anderen auszulegenden Unterlagen als einem speziellen Fachbeitrag enthalten sein können.32 Sonstige Gutachten sind nicht zwingend auszulegen, sondern gehören nur dann zu den auszulegenden Unterlagen, wenn ohne ihre Kenntnis die mit der Auslegung bezweckte Anstoßfunktion verfehlt würde.33

15 bbb) Allgemeinverständliche Zusammenfassung. Teil des UVP-Berichts ist gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 UVPG eine allgemeinverständliche, nichttechnische Zusammenfassung des UVP-Berichts, die in einem eigenständigen Kapitel des UVP-Berichts aber auch in einer gesonderten Unterlage enthalten sein kann. Als Teil des UVP-Berichts gehört die allgemeinverständliche Zusammenfassung zwingend mit zu den für die Öffentlichkeitsbeteiligung auszulegenden Unterlagen. Die allgemeinverständliche Zusammenfassung muss eine Zusammenfassung aller vom Vorhabenträger beizubringenden Angaben enthalten, also sowohl der Angaben zum Vorhaben, seinem Betrieb und den davon betroffenen Grundstücken als auch Angaben zu den Umweltauswirkungen. Die allgemeinverständliche Zusammenfassung stellt eine Lese- und Verständnishilfe für den technischen Laien dar. Sie muss damit das Vorhaben und seine Auswirkungen für den technischen Laien verständlich, ohne Detailangaben beschreiben, darf dabei aber nicht unvollständig sein.

16 ccc) Unterlagen gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UVPG. Zusätzlich zu den vom Vorhabenträger für die Auslegung beizubringenden Unterlagen normiert § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UVPG eine Verpflichtung der Behörde zur Auslegung der bei ihr im Zeitpunkt des Beginns des Beteiligungsverfahrens, also im Zeitpunkt der Bekanntmachung des Vorhabens gemäß § 73 Abs. 5 Satz 1 VwVfG vorliegenden entscheidungserheblichen Berichte und Empfehlungen zu dem Vorhaben. Damit ist eine Verpflichtung der Behörde begründet, über die vom Vorhabenträger zum Zweck der Auslegung konzipierten Unterlagen hinausgehend auch sonstige, nicht vom Vorhabenträger eingereichte Unterlagen, sondern der Behörde aus anderen Quellen vorliegende entscheidungserhebliche Unterlagen zur öffentlichen Einsichtnahme auszulegen. Dies entspricht den Vorgaben des Art. 6 Abs. 3 Buchst. b) der UVP-Richtlinie. 17 Um entscheidungserhebliche Berichte und Empfehlungen i.S.d. § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UVPG kann es sich bei Behördenstellungnahmen, Stellungnahmen der Europäischen Kommission und Gutachten, die die Behörde selbst eingeholt hat oder die ihr von Dritten zugänglich gemacht worden sind, handeln.34 Unterlagen des Vorhabenträgers, die dieser im Zulassungsverfahren aber außerhalb 29 Auf die Funktion der Betroffenheitsprüfung durch Laien ausdrücklich abstellend: BVerwG 3.3.2011, 9 A 8/10, BVerwGE 139, 150 Rn. 19. EuGH 28.5.2020, C-535/18, NVwZ 2020, 1177 Rn. 84; BVerwG 30.11.2020, 9 A 5/20, BVerwGE 170, 378 Rn. 35. BVerwG 28.4.2016, 9 A 9/15, BVerwGE 155, 91 Rn. 34. BVerwG 10.11.2016, 9 A 18/15, BVerwGE 156, 215 Rn. 25. BVerwG 25.6.2014, 9 A 1/13, NVwZ 2015, 85 Rn. 12; BVerwG 3.3.2011, 9 A 8/10, BVerwGE 139, 150 Rn. 19; BVerwG 18.3.2009, 9 A 39/07, BVerwGE 133, 239 Rn. 30; BVerwG 6.10.2010, 9 A 12/09, NVwZ 2011, 626 Rn. 12; BVerwG 8.6.1995, 4 C 4/94, BVerwGE 98, 339, 344. 34 Hoppe/Beckmann/Kment/Hagmann UVPG, § 19 Rn. 25 ff.

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der von ihm für die Öffentlichkeitsbeteiligung zu erstellenden Unterlagen eingereicht hat und die nicht zur Erfüllung der Anstoßfunktion im Öffentlichkeitsbeteiligungsverfahren auszulegen sind, unterfallen § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 UVPG nicht.35 Gleiches gilt für Einwendungen eines etwaigen früheren Beteiligungsverfahrens und auch damit eingereichte Gutachten.36 Zwar können diese Unterlagen durchaus entscheidungserheblich sein. Es handelt sich aber nicht um Berichte und Empfehlungen im Sinne der Norm, die zwischen den vom Vorhabenträger zu erstellenden und in Nr. 1 erfassten Unterlagen und den Stellungnahmen im Beteiligungsverfahren auf der einen Seite und den in Nr. 2 erfassten Berichten und Empfehlungen auf der anderen Seite differenziert. Weitere entscheidungserhebliche Informationen, die der Behörde erst nach Beginn des Be- 18 teiligungsverfahrens vorliegen, sind der Öffentlichkeit gemäß § 19 Abs. 3 UVPG nach den Bestimmungen des Bundes und der Länder über den Zugang zu Umweltinformationen zugänglich zu machen. Im bergrechtlichen Planfeststellungsverfahren, welches von den Landesbehörden durchgeführt wird, besteht ein Informationszugangsrecht nach den Umweltinformationsgesetzen der Länder. Auch diese Regelung dient der Umsetzung gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben aus Art. 6 Abs. 3 Buchst. c) der UVP-Richtlinie. Eigenständige Bedeutung kommt der Regelung allerdings nicht zu, da die Umweltinformationsgesetze ohnehin – und ohne das Erfordernis einer Zusatzregelung in § 19 Abs. 3 UVPG – Jedermann-Ansprüche auf Zugang zu Umweltinformationen begründen.

c) Anhörungsverfahren (§ 73 Absatz 2 bis 7 VwVfG) aa) Behördenbeteiligung. Die Planfeststellungsbehörde beteiligt gemäß § 17 Abs. 1 UVPG i.V.m. 19 § 73 Abs. 2 VwVfG die Behörden, deren Aufgabenbereich durch das Vorhaben berührt wird. Maßgeblich ist nach überwiegender Auffassung der Literatur der funktionelle Behördenbegriff des § 1 Abs. 4 VwVfG, weshalb im Anhörungsverfahren reine Privatrechtssubjekte, auch wenn sie öffentliche Aufgaben erfüllen, anders als Beliehene nicht als Behörden beteiligt werden können.37 Das BVerwG hat bisher offen gelassen, ob der Behördenbegriff des § 73 Abs. 2 VwVfG derart eng zu verstehen ist oder erweiternd – ähnlich Trägern öffentlicher Belange i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 1 BauGB – auszulegen ist, darunter also auch private Rechtsträger fallen, die aufgrund gesetzlicher Zuweisung an der Erfüllung öffentlicher Aufgaben mitwirken oder sonst gemeinwirtschaftliche Leistungen erbringen; jedenfalls rein erwerbswirtschaftlich orientierte private Unternehmen, denen keine Funktionen der Daseinsvorsorge übertragen wurden, sind wie andere Betroffene gemäß § 73 Abs. 4 VwVfG darauf verwiesen, unaufgefordert Einwendungen gegen den Plan zu erheben und sich durch Einsichtnahme in die ausgelegten Unterlagen Kenntnis von deren Inhalt zu verschaffen und können nicht als Behörden i.S.d. § 73 Abs. 2 VwVfG beteiligt werden.38 Zu beteiligen sind insbesondere die Behörden, deren Entscheidungszuständigkeiten im Planfeststellungsverfahren konzentriert werden,39 aber auch sonstige Behörden, deren öffentlich-rechtliche Wahrnehmungszuständigkeit durch das Vorhaben berührt wird; eine bloß fiskalische Betroffenheit und eine Betroffenheit der kommunalen Planungshoheit rechtfertigen keine Behördenbeteiligung, sondern können im Öffentlichkeitsbeteiligungsverfahren geltend gemacht werden. Die Planfeststellungsbehörde lässt den beteiligten Behörden die Unterlagen des Vorhabenträgers zukommen, die sie zur Prüfung ihrer Aufgabenberei35 Ebenso Landmann/Rohmer/Dietlein Umweltrecht, § 10 BImSchG Rn. 92a; für das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren ergibt sich dies auch aus dem Wortlaut des § 10 Abs. 1 Satz 2 der 9. BImSchV. 36 OVG Lüneburg 24. 9.2021, 12 ME 45/21, NVwZ-RR 2022, 135Rn. 121 zu § 10 Abs. 3 Satz 2 BImSchG. 37 Stelkens/Bonk/Sachs/Neumann/Külpmann VwVfG, § 73 Rn. 30; Knack/Henneke/Schink VwVfG, § 73 Rn. 41; Kopp/Ramsauer/Wysk VwVfG, § 73 Rn. 33; Bader/Ronellenfitsch/Kämper VwVfG, § 73 Rn. 16 f.; Ziekow VwVfG, § 73 Rn. 18 f. 38 BVerwG 11.10.2017, 9 A 14/16, BVerwGE 160, 78 Rn. 13. 39 Stelkens/Bonk/Sachs/Neumann/Külpmann VwVfG, § 73 Rn. 36; Knack/Henneke/Schink VwVfG, § 73 Rn. 42; Kopp/Ramsauer/Wysk VwVfG, § 73 Rn. 35; Bader/Ronellenfitsch/Kämper VwVfG, § 73 Rn. 17; Ziekow VwVfG, § 73 Rn. 18; Fehling/ Kastner/Störmer/Wickel Verwaltungsrecht, § 73 VwVfG Rn. 29; Niermann Betriebsplan und Planfeststellung im Bergrecht, S. 137. 627

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che benötigen und setzt ihnen eine Frist zur Abgabe einer Stellungnahme, die gemäß § 17 Abs. 2 Satz 2 UVPG i.V.m.§ 73 Abs. 3a Satz 1 VwVfG drei Monate nicht überschreiten darf. Nach Fristablauf eingehende Behördenstellungnahmen sind nicht zwingend aus der Entscheidungsfindung der Behörde ausgeschlossen. Belange, die der Planfeststellungsbehörde bekannt sind, hätten bekannt sein müssen oder für die Rechtmäßigkeit der Entscheidung von Bedeutung sind, müssen gemäß § 73 Abs. 3a Satz 2 1. Halbsatz VwVfG von der Planfeststellungsbehörde auch im Fall verspäteter Behördenstellungnahmen berücksichtigt werden. Sonstige Belange, die in verspäteten Behördenstellungnahmen zum Ausdruck gebracht werden, können gemäß § 73 Abs. 3a Satz 2 2. Halbsatz VwVfG von der Planfeststellungsbehörde berücksichtigt werden. Mit dieser mit dem PlVereinhG eingefügten Auflockerung des Ausschlusses der Berücksichtigungsfähigkeit verspäteter Behördenstellungnahmen will der Gesetzgeber den Behörden größere Handlungsspielräume einräumen.40 Die Planfeststellungsbehörde muss damit – wie auch bereits auf Grundlage der früheren Gesetzesfassung – auch verspätete Behördenstellungnahmen vollständig prüfen, um die schon aufgrund des Amtsermittlungsgrundsatzes zwingend zu berücksichtigenden entscheidungserheblichen Inhalte von Behördenstellungnahmen zu identifizieren und zu würdigen.

20 bb) Öffentlichkeitsbeteiligung. Die Beteiligung der Öffentlichkeit muss gemäß § 18 Abs. 1 Satz 4 UVPG den Anforderungen des § 73 Abs. 3 Satz 1 und Absatz 5 bis 7 VwVfG genügen. Einzelne Abweichungen von den Vorgaben des VwVfG regelt das UVPG. Zudem wurden veranlasst durch die COVID-19-Pandemie mit dem Planungssicherstellungsgesetz – PlanSiG – vom 20.5.2020 formwahrende Alternativen für Verfahrensschritte in Planungs- und Genehmigungsverfahren, auch dem bergrechtlichen Planfeststellungsverfahren, zur Verhinderung nicht notwendiger physischer Zusammenkünfte und Gewährleistung der Fortführung von Verwaltungsverfahren während der Pandemie geregelt; dazu Rn. 27. Zu beteiligen ist gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 UVPG die Öffentlichkeit. Dies sind gemäß § 2 Abs. 8 21 UVPG einzelne oder mehrere natürliche oder juristische Personen sowie deren Vereinigungen. Eine Beschränkung der Beteiligung auf Betroffene resultiert aus § 18 Abs. 1 Satz 1 UVPG nicht; auf Grundlage dieser Vorschrift besteht eine Jedermann-Beteiligungsmöglichkeit, die erst im Rahmen der Äußerungsmöglichkeit gemäß § 18 Abs. 1 Satz 2 UVPG auf die betroffene Öffentlichkeit und damit eine Betroffenen-Beteiligung eingeschränkt wird. Zur betroffenen Öffentlichkeit gehören gemäß § 2 Abs. 9 UVPG Personen, deren Belange durch die beantragte Zulassungsentscheidung berührt werden. Betroffene sind alle, die durch das Vorhaben in ihren rechtlichen, wirtschaftlichen oder sonstigen eigenen, anerkennenswerten41 Belangen berührt werden.42 Eine Betroffenheit oder Verletzung drittgeschützter Rechte, wie im Klageverfahren, ist nicht erforderlich. In eigenen Interessen betroffen sein können sowohl natürliche Personen als auch juristische Personen und zwar sowohl juristische Personen des Privatrechts, d.h. Unternehmen, als auch juristische Personen des öffentlichen Rechts und damit auch Gemeinden, wenn diese etwa eine Betroffenheit ihrer Planungshoheit befürchten. Zur betroffenen Öffentlichkeit gehören gemäß § 2 Abs. 9 UVPG zudem Vereinigungen, deren satzungsgemäßer Aufgabenbereich durch eine beantragte Zulassungsentscheidung berührt wird, auch Vereinigungen zur Förderung des Umweltschutzes. Berührt ein Vorhaben den satzungsgemäßen Aufgabenbereich einer Vereinigung ist diese damit aufgrund Betroffenheit in den von ihr altruistisch verfolgten Zwecken Teil der betroffenen Öffentlichkeit und nach Maßgabe der für die betroffene Öffentlichkeit geltenden Regeln beteiligungsberechtigt. 40 BT-Drs. 17/9666, S. 18; Krappel/Süßkind-Schwendi UPR 2012, 255, 257. 41 Zu dem Erfordernis einer Betroffenheit in anerkennenswerten Belangen: VGH Mannheim 9.4.2014, 5 S 534/13, NVwZ-RR 2014, 634, 639. 42 Stelkens/Bonk/Sachs/Neumann/Külpmann VwVfG, § 73 Rn. 71 f.; Knack/Henneke/Schink VwVfG, § 73 Rn. 92 ff.; Kopp/ Ramsauer/Wysk VwVfG, § 73 Rn. 71; Fehling/Kastner/Störmer/Wickel Verwaltungsrecht, § 73 VwVfG Rn. 78 f.; Bader/ Ronellenfitsch/Kämper VwVfG, § 73 Rn. 46; Ziekow VwVfG, § 73 Rn. 44; Keienburg Die Öffentlichkeitsbeteiligung im Bergrecht, S. 153 ff. Keienburg/Wiesendahl

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Zum Zweck der Beteiligung ist das Vorhaben gemäß § 73 Abs. 5 VwVfG in den Gemeinden,43 22 in denen sich das Vorhaben voraussichtlich auswirkt, ortsüblich, d.h. nach den Vorgaben des einschlägigen Ortsrechts, bekannt zu machen. Von den Auswirkungen eines Vorhabens betroffen ist immer die Standortgemeinde. Weitere Gemeinden sind abhängig von der Reichweite der Auswirkungen eines Vorhabens betroffen. Dies ist anhand der prognostizierten Auswirkungen zu bestimmen.44 Bei Vorhaben im Bereich des Festlandsockels tritt gemäß Absatz 1 Satz 4 an die Stelle der Gemeinden die zuständige Behörde.45 Dies ist das Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie des Landes Niedersachsen (LBEG), welches aufgrund Verwaltungsabkommens zuständige Bergbehörde in den Ländern Niedersachsen, Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein ist, bzw. das Bergamt Stralsund in Mecklenburg-Vorpommern. Hintergrund für diese Spezialregelung ist der völkerrechtliche Sonderstatus des Festlandsockels, der nicht zum eigentlichen Hoheitsbereich der Bundesrepublik Deutschland gehört; dazu § 2 Rn. 29. Die Gemeinden machen die Auslegung gemäß § 73 Abs. 5 Satz 1 VwVfG ortsüblich, d.h. nach den Vorgaben des einschlägigen Ortsrechts, bekannt; die Bekanntmachung im Fall eines Vorhabens im Bereich des Festlandsockels erfolgt nach den maßgeblichen Vorgaben für Veröffentlichungen des LBEG bzw. des Bergamts Stralsund. Hinzu kommt die in § 27a Abs. 1 Satz 1 VwVfG für den Fall einer gesetzlich angeordneten öffentlichen oder ortsüblichen Bekanntmachung und damit auch für den Fall der ortsüblichen Bekanntmachung gemäß § 73 Abs. 5 Satz 1 VwVfG als Soll-Vorschrift geregelte Veröffentlichung der Bekanntmachung im Internet, worauf gemäß § 27 Abs. 2 VwVfG unter Angabe der Internetseite in der ortsüblichen Bekanntmachung hinzuweisen ist; ein Verstoß gegen die Vorgaben des § 27a VwVfG stellt einen Verfahrensfehler dar, der allerdings im Ergebnis unbeachtlich ist.46 Die Bekanntmachung muss die in § 73 Abs. 5 Satz 2 VwVfG aufgeführten Angaben enthalten, um die Anstoßfunktion der Bekanntmachung zu erfüllen;47 zusätzlich muss die Bekanntmachung die in § 19 Abs. 1 UVPG normierten Angaben enthalten. Dies erfordert u.a. die ausdrückliche Unterrichtung über die UVP-Pflicht des Vorhabens in der Bekanntmachung.48 Zudem ist ein aussagekräftiger Überblick über die ausgelegten entscheidungserheblichen Unterlagen erforderlich;49 eine ausdrückliche Benennung aller Unterlagen oder eine Zuordnung der Unterlagen zu Themenblöcken ist in Planfeststellungsverfahren – anders als durch den 4. Senat des BVerwG für die Beteiligung im Bauleitplanverfahren entschieden50 – nicht erforderlich.51 Neben der erforderlichen Bekanntmachung zur Beteiligung der Öffentlichkeit sollen nicht ortsansässige Betroffene, deren Person und Aufenthalt bekannt sind oder sich innerhalb angemessener Frist ermitteln lassen, gemäß § 73 Abs. 5 Satz 3 VwVfG auf Veranlassung der Bergbehörde durch die Gemeinden von der Auslegung individuell benachrichtigt werden.52 Nach der Bekanntmachung erfolgt gemäß § 73 Abs. 3 Satz 1 VwVfG für einen Zeitraum von 23 einem Monat die Auslegung der unter Rn. 14 ff. behandelten Unterlagen zur öffentlichen Ein43 In den neuen Bundesländern erfolgt die Auslegung teilweise bei Ämtern, in denen sich einzelne Gemeinden zusammengeschlossen haben; dazu OVG Greifswald 28.10.2009, 5 M 146/09, NordÖR 2010, 67, 69. 44 Instruktiv BVerwG 21.11.2013, 7 A 28/12, NVwZ 2014, 730 Rn. 20 ff. und BVerwG 31.7.2012, 4 A 7001/11, BVerwGE 144, 44 Rn. 32 ff. 45 Die Vorschrift wurde aufgrund der Besonderheiten des Festlandsockels im Gesetzgebungsverfahren für das Gesetz zur Änderung des Bundesberggesetzes auf Veranlassung des Bundesrats eingefügt: BT-Drs. 11/4015, S. 15. 46 BVerwG 7.10.2021, 4 A 9/19, juris Rn. 21 ff. 47 Zur Anstoßfunktion der Bekanntmachung: OVG Münster 7.12.2009, 20 A 628/05 = ZfB 2010, 5, 20. 48 BVerwG 28.4.2016, 9 A 9/15, BVerwGE 155, 91 Rn. 17; BVerwG 21.1.2016, 4 A 5/14, BVerwG 154, 73 Rn. 31 ff.; OVG BerlinBrandenburg 20.12.2018, 6 B 1/17 = ZfB 2019, 95, 98. 49 BVerwG 30.11.2020, 9 A 5/20, BVerwGE 170, 378 Rn. 20; BVerwG 21.1.2016, 4 A 5/14, BVerwGE 154, 73 Rn. 35 ff. 50 BVerwG 11.9.2014, 4 CN 1/14, NVwZ 2015, 232 Rn. 11; BVerwG 18.7.2013, 4 CN 3/12, BVerwGE 147, 206 Rn. 21. 51 BVerwG 30.11.2020, 9 A 5/20, BVerwGE 170, 378 Rn. 20; BVerwG 4.4.2019, 4 A 6/18, juris Rn. 16; BVerwG 28.4.2016, 9 A 9/15, BVerwGE 155, 91 Rn. 20; OVG Berlin-Brandenburg 20.12.2018, 6 B 1/17 = ZfB 2019, 95, 99. 52 Zu den damit verbundenen Schwierigkeiten: Keienburg FS Kühne (2009), S. 606 ff.; auf eine Verfahrensvereinfachung durch Normierung einer Verpflichtung zur Individualbenachrichtigung nur der bekannten nicht ortsansässigen Betroffenen hat der Gesetzgeber jedoch im PlVereinhG bewusst verzichtet, dazu die amtl. Begr., BT-Drs. 17/9666, S. 15. 629

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Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

sichtnahme bei den Gemeinden. Die Begrifflichkeit der Auslegung erfordert nach Maßgabe des UVPG und des VwVfG – zum PlanSiG unter Rn. 27 – eine Zugänglichmachung der Unterlagen in Papierform.Eine zusätzliche Verpflichtung zur Zugänglichmachung der Unterlagen über das Internet regelt § 27a Abs. 1 Satz 3 VwVfG als Soll-Vorschrift, wobei § 27a Abs. 1 Satz 4 VwVfG klarstellt, dass vorbehaltlich abweichender spezialgesetzlicher Regelungen der Inhalt der zur Einsichtnahme ausgelegten Unterlagen maßgeblich ist. Die Gemeinden können Kopiermöglichkeiten zur Verfügung stellen, sind aber dazu im Rahmen des Öffentlichkeitsbeteiligungsverfahrens nicht verpflichtet.Die Auslegung kann am Tag nach der Bekanntmachung beginnen; eine einzuhaltende Frist zwischen der Bekanntmachung und der Auslegung ist gesetzlich seit dem Genehmigungsverfahrensbeschleunigungsgesetz aus dem Jahre 1996 nicht mehr geregelt. Die Monatsfrist der Auslegung bestimmt sich nach § 31 Abs. 1 VwVfG i.V.m. §§ 187 Abs. 2 Satz 1, 188 Abs. 2 2. Alt. BGB. Der Fristenlauf beginnt gemäß § 187 Abs. 2 Satz 1 BGB mit dem ersten Tag der Auslegung.53 Daher endet die Monatsfrist gemäß § 188 Abs. 2 2. Alt. BGB mit dem Ablauf des Tages des letzten Monats, der dem Tag vorhergeht, der durch seine Zahl dem Anfangstag der Frist entspricht. Fällt das Fristende auf einen Sonntag, gesetzlichen Feiertag54 oder Sonnabend, endet die Frist gemäß § 31 Abs. 3 Satz 1 VwVfG mit Ablauf des nächstfolgenden Werktags. An Wochenenden und gesetzlichen Feiertagen muss bei einer Einsichtnahmemöglichkeit in Papierunterlagen keine Einsichtnahme gewährt werden; auch der Ausschluss der Einsichtnahme an Silvester wurde vom BVerwG als unschädlich gewertet.55 Die Festlegung der täglichen Dauer der Einsichtnahmemöglichkeit bei einer Auslegung von Papierunterlagen ist mangels gesetzlicher Vorgaben im VwVfG56 Sache der auf Landesrecht beruhenden und zur Organisationsgewalt gehörenden Regelung des Behördenbetriebs; es genügt die Ermöglichung der Einsichtnahme während der Stunden des Publikumsverkehrs, sofern diese so bemessen sind, dass die Einsichtnahmemöglichkeit nicht unzumutbar beschränkt wird.57 Bis einen Monat nach Ablauf der Auslegungsfrist kann sich die betroffene Öffentlichkeit ge24 mäß § 21 Abs. 1 UVPG äußern, d.h. Einwendungen und Stellungnahmen schriftlich oder zur Niederschrift abgeben. Die in § 73 Abs. 4 Satz 1 VwVfG geregelte zweiwöchige Einwendungs- und Stellungnahmefrist findet im bergrechtlichen Planfeststellungsverfahren keine Anwendung, da die bergrechtliche Planfeststellung eine UVP-Pflicht voraussetzt und damit die einmonatige Äußerungsfrist gemäß § 21 Abs. 2 UVPG vorrangig ist. Die Äußerungsfrist kann in Verfahren mit erheblichem Unterlagenumfang zudem gemäß § 21 Abs. 3 Satz 1 UVPG verlängert werden. Dies erfordert, wenn eine Fristverlängerung erfolgt, eine Ermessensentscheidung der Behörde. Möglich ist eine Fristverlängerung gemäß § 21 Abs. 3 Satz 2 UVPG auf maximal 3 Monate entsprechend der Fristenregelung für die Behördenbeteiligung in § 73 Abs. 3a Satz 1 VwVfG. Die Äußerungsfrist beginnt mit der Auslegung. Sie endet gemäß § 187 Abs. 2 2. Alt. BGB mit dem Ablauf desjenigen Tages des Folgemonats, welcher dem Tag vorhergeht, der durch seine Zahl dem Anfangstag der Frist entspricht; ist dies ein Sonntag, gesetzlicher Feiertag oder Sonnabend, endet die Frist mit Ablauf des nächstfolgenden Werktags.58 Äußerungen können gemäß § 73 Abs. 4 Satz 1 VwVfG schriftlich oder zur Niederschrift erhoben werden und müssen erkennen lassen, welche Betroffenheit befürchtet wird. Die Äußerung muss so konkret sein, dass die Behörde erkennen

53 Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe 6.7.1972, GmS-OGB 2/71, BVerwGE 40, 363, 366 zu § 2 Abs. 6 Satz 1 BBauG; Stelkens/Bonk/Sachs/Neumann/Külpmann VwVfG, § 73 Rn. 63; Kopp/Ramsauer/Wysk VwVfG, § 73 Rn. 49; Fehling/ Kastner/Störmer/Wickel Verwaltungsrecht, § 73 VwVfG Rn. 68. 54 Es muss sich um einen gesetzlichen Feiertag nach Bundes- oder Landesrecht an dem Ort handeln, an dem die Handlung vorzunehmen ist, also die Auslegung stattfindet und daher die Einsichtnahme vorzunehmen ist. 55 BVerwG 16.6.2016, 9 A 4/15, NVwZ 2016, 1641 Rn. 14; BVerwG 13.9.1985, 4 C 64/80, NVwZ 1986, 740, 741. 56 Anders etwa § 10 Abs. 1 Satz 6 der 9. BImSchV und § 6 Abs. 1 AtVfV: Einsichtnahme ist während der Dienststunden zu gewähren. 57 BVerwG 13.9.1985, 4 C 64/80, NVwZ 1986, 740, 741; BVerwG 22.12.1980, 7 C 84/78, BVerwGE 61, 256, 272; BVerwG 4.7.1980, 4 C 25/78, DÖV 1980, 764. 58 BVerwG 18.6.1997, 11 A 70/95, UPR 1997, 471. Keienburg/Wiesendahl

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kann, welche Belange sie in welcher Hinsicht einer näheren Betrachtung unterziehen soll. Die Darlegungsanforderungen richten sich nach den Möglichkeiten planungsbetroffener Laien. Eine Begründung ist nicht erforderlich. An die Substantiierung von anerkannten Naturschutzvereinigungen geltend gemachter Stellungnahmen sind aufgrund der ihnen zukommenden Sachkunde besondere Anforderungen zu stellen. Die Stellungnahme einer anerkannten Naturschutzvereinigung muss zumindest erkennen lassen, welches Schutzgut durch ein Vorhaben betroffen wird und welche Beeinträchtigungen ihm drohen.59 Nach Ablauf der Äußerungsfrist eingehende Äußerungen sind gemäß § 21 Abs. 4 Satz 1 UVPG 25 für das Verfahren präkludiert. Es greift eine formelle Präklusion im Verwaltungsverfahren mit der Folge, dass keine Teilnahmeberechtigung desjenigen, der sich verspätet geäußert hat, als Einwender im Erörterungstermin besteht und die verspätete Äußerung auch nicht zu erörtern ist. Eine materielle Präklusion verspäteter Äußerungen mit der Folge, dass diese auch in einem späteren Rechtsbehelfsverfahren nicht zu berücksichtigen sind, hat der EuGH für den Bereich der UVP-Richtlinie und der IED-Richtlinie mit Entscheidung vom 15.10.2015 als europarechtswidrig verworfen.60 Anders als die nationalen Gerichte, die zuvor mit der Frage der Verfassungskonformität61 und der Europarechtskonformität62 der materiellen Präklusion befasst waren und diese bejaht haben, lassen es nach Auffassung des EuGH Art. 11 Abs. 4 der UVP-Richtlinie 2011/92 und Art. 25 Abs. 4 der IED-Richtlinie nicht zu, die Gründe, auf die ein Rechtsbehelfsführer einen gerichtlichen Rechtsbehelf stützen kann, zu beschränken. Dies widerspreche dem mit den Vorschriften angestrebten Ziel, im Rahmen des Umweltschutzes einen weitreichenden Zugang zu Gerichten zu gewähren.63 Die Entscheidung des EuGH ist, auch wenn sie als durchaus kritikwürdig gewertet wurde,64 für die Mitgliedstaaten verbindlich und verpflichtete die Bundesrepublik Deutschland, gemäß Art. 260 Abs. 1 AEUV, die Maßnahmen zu ergreifen, die sich aus dem Urteil des EuGH ergeben. Eine materielle Präklusion ist damit im Anwendungsbereich der UVP-Richtlinie und der IED-Richtlinie auch national inzwischen nicht mehr geregelt. Durch das BVerwG wurde nach der EuGH-Entscheidung zudem geurteilt, dass die im Anwendungsbereich der UVP-Richtlinie ausgeschlossene materielle Präklusion nicht nur Einwendungen erfasst, denen ein Umweltbezug zukommt, sondern dass sämtliche Einwendungen – auch ohne Umweltbezug – erfasst sind.65 Die fristgerecht erhobenen Einwendungen, Stellungnahmen anerkannter Vereinigungen und 26 Behördenstellungnahmen hat die Planfeststellungsbehörde gemäß § 18 Abs. 1 Satz 4 UVPG i.V.m. § 73 Abs. 6 VwVfG mit dem Vorhabenträger, den Behörden, den Betroffenen und den Einwendern zu erörtern.66 Die Erörterung ist Teil der behördlichen Sachverhaltsermittlung.67 Entschieden wird über die Einwendungen gemäß § 74 Abs. 2 Satz 1 VwVfG, soweit über sie im Erörterungstermin keine Einigung erzielt worden ist, erst im Planfeststellungsbeschluss. Auch die Entscheidung über 59 BVerwG 29.9.2011, 7 C 21/09, NVwZ 2012, 176 Rn. 35; BVerwG 14.7.2011, 9 A 12/10, BVerwGE 140, 149 Rn. 20; BVerwG 12.4.2005, 9 VR 41/04, NVwZ 2005, 943, 946; OVG Münster 18.1.2013, 11 D 70/09, DVBl 2013, 374, 375; Stelkens/Bonk/Sachs/ Neumann/Külpmann VwVfG, § 73 Rn. 109. 60 EuGH 15.10.2015, C-137/14, NVwZ 2015, 1665 ff. 61 BVerfG 27.12.1999, 1 BvR 1746/97, NVwZ 2000, 546, 547; BVerfG 8.7.1982, 2 BvR 1187/80, BVerfGE 61, 82, 109 ff.; BVerwG 24.5.1996, 4 A 38/95, NVwZ 1997, 489 f.; BVerwG 17.7.1980, 7 C 101/78, BVerwGE 60, 297, 305 ff. 62 BVerwG 29.9.2011, 7 C 21/09, NVwZ 2012, 176 Rn. 31; BVerwG 14.7.2011, 9 A 14/10, NVwZ 2012, 180 Rn. 23 ff.; BVerwG 14.7.2011, 9 A 12/10, BVerwGE 140, 149 Rn. 23 ff.; BVerwG 17.6.2011, 7 B 79/10, juris Rn. 10 ff.; BVerwG 3.3.2011, 9 A 8/10, BVerwGE 139, 150 Rn. 36; BVerwG 14.9.2010, 7 B 15/10, NVwZ 2011, 364 Rn. 7; BVerwG 14.4.2010, 9 A 5/08, BVerwGE 136, 291 Rn. 107; BVerwG 11.11.2009, 4 B 57/09, UPR 2010, 103 Rn. 3; OVG Lüneburg 19.9.2013, 7 KS 209/11, ZUR 2014, 106, 107; VGH Mannheim 20.7.2011, 10 S 2102/09, NuR 2012, 204, 208; OVG Münster 9.12.2009, 8 D 10/08, DVBl 2010, 724, 726. 63 EuGH 15.10.2015, C-137/14, NVwZ 2015, 1665 Rn. 76 ff. 64 Nolte ZfB 2018, 77, 78. 65 BVerwG 30.3.2017, 7 C 17/15 = ZfB 2017, 107, 111 f.; Nolte ZfB 2018, 77, 79 f. 66 Zu Einzelheiten des Erörterungstermins: Keienburg Die Öffentlichkeitsbeteiligung im Bergrecht, S. 166 ff. 67 BVerwG 24.7.2008, 4 A 3001/07, BVerwGE 131, 316 Rn. 32; ebenso Gaentzsch FS Sellner (2010), S. 222; zu weitgehend im Sinne der Akzeptanzschaffung: OVG Magdeburg 22.3.2011, 2 M 5/11 = ZfB 2012, 40, 41. 631

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das beantragte Vorhaben erfolgt erst nach der Erörterung, weshalb die Erörterung zwar erst dann stattfinden darf, wenn eine substantielle, hinreichend problembezogene Erörterung möglich ist,68 nicht aber Voraussetzung der Erörterung eine Vorprüfung der Behörde hinsichtlich der Zulassungsfähigkeit des Vorhabens ist.69 Von einer Erörterung kann im Planfeststellungsverfahren gemäß § 73 Abs. 6 Satz 6 i.V.m. § 67 Abs. 2 Nr. 1 und 4 VwVfG nur dann abgesehen werden, wenn dem Antrag im Einvernehmen aller im vollen Umfang entsprochen wird oder alle Beteiligten auf eine Erörterung verzichtet haben. Anderenfalls ist der Erörterungstermin zwingend.70 Abweichende fachgesetzliche Regelungen eines fakultativen Erörterungstermins sind europarechtskonform auch im Anwendungsbereich der UVP-Richtlinie möglich, da die UVP-Richtlinie eine Erörterung nicht vorschreibt.71 Der Erörterungstermin ist, wenn er nicht gemäß § 73 Abs. 7 VwVfG bereits gleichzeitig mit der Bekanntmachung der Auslegung erfolgt ist, gemäß § 73 Abs. 6 Satz 2 VwVfG mindestens eine Woche vor seinem Beginn ortsüblich bekannt zu machen; auch diese Bekanntmachung soll gemäß § 27a Abs. 1 Satz 1 VwVfG im Internet veröffentlicht werden. Die ortsübliche Bekanntmachung erfolgt durch die Gemeinden, die zuvor auch die Auslegung ortsüblich bekannt gemacht haben;72 bei Vorhaben im Bereich des Festlandsockels gelten die unter Rn. 20 geschilderten Besonderheiten. Zusätzlich sind gemäß § 73 Abs. 6 Satz 3 VwVfG die beteiligten Behörden, der Vorhabenträger und diejenigen, die rechtzeitig Einwendungen/Stellungnahmen abgegeben haben, von dem Termin individuell zu benachrichtigen. Die Individualbenachrichtigung kann gemäß § 73 Abs. 6 Satz 4 VwVfG durch eine öffentliche Bekanntmachung ersetzt werden, wenn außer an den Vorhabenträger und die beteiligten Behörden mehr als 50 Individualbenachrichtigungen73 vorzunehmen wären. In diesem Fall kann der Erörterungstermin gemäß § 73 Abs. 6 Satz 5 VwVfG von der Bergbehörde durch Bekanntmachung im amtlichen Veröffentlichungsblatt und in örtlichen Tageszeitungen, die in dem Bereich verbreitet sind, in dem sich das Vorhaben voraussichtlich auswirken wird, bekannt gemacht werden und ist gemäß § 27a Abs. 1 Satz 1 VwVfG die Bekanntmachung zusätzlich im Internet zu veröffentlichen. Ob die öffentliche Bekanntmachung gemäß § 73 Abs. 6 Satz 4 und 5 VwVfG die ortsübliche Bekanntmachung gemäß § 73 Abs. 6 Satz 2 VwVfG ersetzt, ist streitig;74 dazu auch noch Rn. 56. Der Erörterungstermin ist gemäß § 73 Abs. 6 Satz 6 i.V.m. § 68 Abs. 1 Satz 1 VwVfG nicht öffentlich.75 Teilnahmeberechtigt – nicht zur Teilnahme verpflichtet – sind der Vorhabenträger, diejenigen die fristgerecht Einwendungen erhoben haben, Vereinigungen, die fristgerecht eine Stellungahme abgegeben haben, Be-

68 BVerwG 5.12.1986, 4 C 13/85, BVerwGE 75, 215, 226. 69 Dies verkennt das OVG Magdeburg im Urteil vom 22.3.2011, 2 M 5/11 = ZfB 2012, 40, 42 ff., mit den dort aufgestellten Voraussetzungen einer Erörterung. 70 Stelkens/Bonk/Sachs/Neumann/Külpmann VwVfG, § 73 Rn. 113; Kopp/Ramsauer/Wysk VwVfG, § 73 Rn. 119; Knack/ Henneke/Schink VwVfG, § 73 Rn. 171 ff.; Keienburg Die Öffentlichkeitsbeteiligung im Bergrecht, S. 166. 71 BVerwG 7.10.2021, 4 A 9/19, juris Rn. 39; BVerwG 16.6.2016, 9 A 4/15, NVwZ 2016, 1641 Rn. 17; BVerwG 25.3.2015, 9 A 1/14, NVwZ 2015, 1218 Rn. 18; Hoppe/Beckmann/Kment/Hagmann UVPG, § 18 Rn. 9; Keienburg FS Kühne (2009), S. 615 ff.; Keienburg in: Kühne/Ehricke (Hrsg.) Öffentlichkeitsbeteiligung und Eigentumsschutz im Bergrecht, S. 34 ff.; Keienburg Die Öffentlichkeitsbeteiligung im Bergrecht, S. 166 f.; Cancik DÖV 2007, 107, 110; Lecheler DVBl 2005, 1533, 1538. 72 Kopp/Ramsauer/Wysk VwVfG, § 73 Rn. 120 und Ziekow VwVfG, § 73 Rn. 63; die Auffassung von Knack/Henneke/ Schink VwVfG, § 73 Rn. 155 und Fehling/Kastner/Störmer/Wickel Verwaltungsrecht, § 73 VwVfG Rn. 119, dass die ortsübliche Bekanntmachung durch die Gemeinden oder die Anhörungsbehörde erfolgen könne, verkennt, dass sich die Ortsüblichkeit einer Bekanntmachung nach Ortsrecht richtet und daher nur von den Gemeinden vorgenommen werden kann. 73 § 140 Abs. 6 Satz 4 LVwG S-H lässt eine öffentliche Bekanntmachung nur dann zu, wenn mehr als 300 Individualzustellungen vorzunehmen wären. 74 Für eine Ersetzung: Stelkens/Bonk/Sachs/Neumann/Külpmann VwVfG, § 73 Rn. 115; dagegen: Bader/Ronellenfitsch/ Kämper VwVfG, § 73 Rn. 66; Fehling/Kastner/Störmer/Wickel Verwaltungsrecht, § 73 VwVfG Rn. 120; Stüer/Probstfeld DÖV 2000, 701, 705. 75 BVerwG 16.6.2016, 9 A 4/15, NVwZ 2016, 1641 Rn. 16 f. Keienburg/Wiesendahl

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troffene, auch wenn sie keine Einwendungen erhoben haben76 und Behördenvertreter. Der Verhandlungsleiter kann gemäß § 73 Abs. 6 Satz 6 i.V.m. § 68 Abs. 1 Satz 3 VwVfG weiteren Personen die Anwesenheit gestatten, wenn kein Beteiligter widerspricht. Dies gilt auch für die schreibende Presse.77 Film- und Funkaufnahmen dürften dagegen in Anwendung der Grundsätze des Gerichtsverfahrens gemäß § 169 Abs. 1 Satz 2 GVG generell ausgeschlossen sein.78 Der Erörterungstermin ist gemäß § 73 Abs. 6 Satz 7 VwVfG binnen drei Monaten nach Ablauf der Einwendungsfrist abzuschließen. Die ursprüngliche Soll-Vorschrift wurde zum Zwecke der Verfahrensbeschleunigung mit dem PlVereinhG in eine Muss-Regelung umgewandelt. Eine Fristüberschreitung stellt aber weder einen sanktionierbaren Ordnungsverstoß dar, noch einen Verfahrensfehler.79 Eine rechtlich verfolgbare Muss-Regelung enthält § 73 Abs. 6 Satz 7 VwVfG damit weiterhin nicht. Ein rechtlich verfolgbares Muss kann § 73 Abs. 6 Satz 7 VwVfG bereits deshalb nicht enthalten, weil die Planfeststellungsbehörde keinen Einfluss auf den Umfang abgegebener Einwendungen und Stellungnahmen und ein daraus resultierendes Erörterungsbedürfnis und damit auch keinen alleinigen Einfluss auf die Dauer der Erörterung hat. Über den Ablauf des Erörterungstermins ist gemäß § 73 Abs. 6 Satz 6 i.V.m. § 68 Abs. 4 Satz 1 VwVfG eine Niederschrift zu fertigen. Tonaufnahmen der Behörde zum Zwecke der Anfertigung der Niederschrift lässt das VwVfG – anders als § 19 Abs. 1 Satz 5 der 9. BImSchV und § 13 Abs. 1 Satz 5 AtVfV – nicht ausdrücklich zu. Bei Heranziehung der in § 19 Abs. 1 Satz 6 der 9. BImSchV und in § 13 Abs. 1 Satz 6 AtVfV geregelten Vorgaben einer Verpflichtung der Behörde zur Löschung der Tonaufzeichnungen nach Eintritt der Unanfechtbarkeit der Entscheidung wird aber auch im Öffentlichkeitsbeteiligungsverfahren auf Grundlage des § 73 VwVfG eine Tonaufzeichnung des Erörterungstermins durch die Behörde – nicht durch Dritte – für zulässig erachtet werden können;80 einer Zustimmung der Teilnehmer bedarf es dafür nicht.81 Die Zwecksetzung zulässiger Tonaufzeichnungen ist auf die Erleichterung der späteren Anfertigung eines schriftlichen Protokolls beschränkt, weshalb Weitergaben der Tonaufzeichnung an Dritte oder Veröffentlichungen der Tonaufzeichnungen verboten sind.82 Ebenso zulässig ist die Anfertigung eines stenographischen Wortprotokolls des Erörterungstermins. Da aber § 73 Abs. 6 Satz 6 i.V.m. § 68 Abs. 4 VwVfG keine Mitschrift, sondern nur eine Niederschrift mit den in § 68 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 bis 5 VwVfG normierten Mindestinhalten zur Wiedergabe des wesentlichen Verhandlungsablaufs fordert, muss sich die Behörde im Fall der Anfertigung eines stenographischen Wortprotokolls über die Verteilung der dafür anfallenden Kosten mit dem Vorhabenträger einigen; anderenfalls kann sie die Kosten mangels Notwendigkeit im Zusammenhang mit einer Amtshandlung nicht dem Vorhabenträger auferlegen.83 Die Modalitäten der Öffentlichkeitsbeteiligung gemäß § 18 UVPG i.V.m. § 73 VwVfG sind bisher 27 weitgehend auf ein „analoges“ Verfahren ausgerichtet. Die Unterlagen werden in Papierform zur Einsichtnahme bei den Gemeinden ausgelegt, Äußerungen können auch zur Niederschrift bei den Auslegungsstellen erhoben werden, die fristgerecht eingegangenen Äußerungen werden mündlich in einem Erörterungstermin erörtert. Daraus notwendigerweise resultierende Kontakte sind wäh76 § 73 Abs. 6 Satz 1 HVwVfG sowie § 140 Abs. 6 Satz 3 LVwG S-H beschränken die Teilnahmeberechtigung auf Behörden, Vorhabenträger und Einwender.

77 Stelkens/Bonk/Sachs/Neumann/Külpmann VwVfG, § 73 Rn. 127. 78 Ebenso Stelkens/Bonk/Sachs/Kamp VwVfG, § 68 Rn. 14; Kopp/Ramsauer/Wysk VwVfG, § 68 Rn. 7; Knack/Henneke/ Schink VwVfG, § 68 Rn. 13; Fehling/Kastner/Störmer/Fehling Verwaltungsrecht, § 68 VwVfG Rn. 12; Keller KommunalPraxis 1998, 24, 25; Porzner/Kollmer DÖV 1995, 578, 581. 79 BT-Drs. 17/9666, S. 19; dazu, dass eine Überschreitung einer als Muss-Regelung normierten Frist zum Abschluss der Erörterung keinen Verfahrensfehler darstellt: BVerwG 18.3.2009, 9 A 39/07, BVerwGE 133, 239 Rn. 26 und Krappel/ Süßkind-Schwendi UPR 2012, 255, 257. 80 BVerwG 16.6.2016, 9 A 4/15, NVwZ 2016, 1641 Rn. 22 ff. 81 Ebenso: Kopp/Ramsauer/Wysk VwVfG, § 68 Rn. 29; Knack/Henneke/Schink VwVfG, § 68 Rn. 32; Fehling/Kastner/Störmer/Fehling Verwaltungsrecht, § 68 VwVfG Rn. 27. 82 Knack/Henneke/Schink VwVfG, § 68 Rn. 33; Fehling/Kastner/Störmer/Fehling Verwaltungsrecht, § 68 VwVfG Rn. 27. 83 So OVG Münster 11.12.2008, 9 A 1304/05, NWVBl 2009, 272, 273 zu § 19 Abs. 1 der 9. BImSchV aufgrund der auch dort nur geforderten Niederschrift mit Mindestangaben in Abgrenzung zu einer Mitschrift. 633

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§ 57a

Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

rend der COVID-19-Pandemie mit zusätzlichen Risiken verbunden. Das Planungssicherstellungsgesetz vom 20.5.2020, welches aktuell bis zum Ablauf des 31.12.2023 gilt, ermöglicht daher eine abweichende, digitale Verfahrensführung mit reduzierten Kontakten. Das Gesetz ist gemäß § 1 Nr. 6 PlanSiG u.a. in Verfahren nach dem BBergG anwendbar.84 Sehen die für die ortsübliche Bekanntmachung maßgeblichen ortsrechtlichen Regelungen, dazu Rn. 22, einen Anschlag an einer Amtstafel vor, kann dies gemäß § 2 Abs. 1 PlanSiG durch eine Veröffentlichung im Internet ersetzt werden. Die Auslegung der Unterlagen für die öffentliche Einsichtnahme kann gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 PlanSiG durch eine Veröffentlichung im Internet ersetzt werden. Zusätzlich soll gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 PlanSiG eine Auslegung erfolgen, wenn dies nach Feststellung der Planfeststellungsbehörde in Würdigung der jeweiligen konkreten Umstände möglich ist. Alternativ sind gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 PlanSiG sonstige Zugangsmöglichkeiten zu den Unterlagen zu eröffnen, um auszuschließen, dass Dritte mangels Zugangs zum Internet von der Beteiligung ausgeschlossen werden. Die Veröffentlichung im Internet ist aber auf Grundlage des § 3 PlanSiG, gerade anders als in § 27a Abs. 1 Satz 4 VwVfG für den Fall einer vorrangigen Papierauslegung geregelt, für den Rechtsschutz maßgeblich. Erklärungen zur Niederschrift, dazu Rn. 24, können gemäß § 4 Abs. 1 PlanSiG ausgeschlossen werden; dies muss gemäß § 4 Abs. 2 PlanSiG durch die Eröffnung eines Zugangs für elektronische Erklärungen ausgeglichen werden. Der Erörterungstermin kann, wenn er wie in § 73 Abs. 6 Satz 1 VwVfG verpflichtend geregelt ist, durch eine Online-Konsultation gemäß § 5 Abs. 2 bis 4 PlanSiG oder im Einverständnis der Teilnahmeberechtigten gemäß § 5 Abs. 5 PlanSiG durch eine Telefon- oder Videokonferenz ersetzt werden. Mit dem PlanSiG hat der Gesetzgeber einen Schritt in Richtung Digitalisierung der Öffentlichkeitsbeteiligung unternommen, der sich bisher bewährt hat und über die COVID-19-Pandemie hinausgehend zu relevanten Vereinfachungen und Beschleunigungen des Beteiligungsverfahrens führen kann.

28 cc) Grenzüberschreitende Beteiligung (Absatz 6). Absatz 6 verweist für den Fall des Erfordernisses einer grenzüberschreitenden Umweltverträglichkeitsprüfung – wenn ein Vorhaben erhebliche grenzüberschreitende Umweltauswirkungen haben kann – auf die Vorschriften des 5. Teils des UVPG. Anwendbar sind damit im bergrechtlichen Planfeststellungsverfahren auch §§ 54 bis 57 UVPG, die nicht bereits von dem Verweis in Absatz 1 Satz 5 auf einzelne Vorschriften des UVPG umfasst sind.

29 dd) Abgrenzung von der frühen Öffentlichkeitsbeteiligung. Zu unterscheiden ist die in Rn. 20 ff. behandelte Öffentlichkeitsbeteiligung im Planfeststellungsverfahren als notwendiger Verfahrensschritt des Zulassungsverfahrens von der in § 25 Abs. 3 VwVfG geregelten sog. frühen Öffentlichkeitsbeteiligung. Gemäß § 25 Abs. 3 Satz 1 VwVfG ist die Zulassungsbehörde verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass der Vorhabenträger im Fall von Vorhaben, die nicht nur unwesentliche Auswirkungen auf die Belange einer größeren Zahl von Dritten haben können, was bei planfeststellungsbedürftigen Vorhaben der Regelfall sein dürfte,85 aber nicht auf planfeststellungspflichtige Vorhaben beschränkt ist,86 eine frühe Beteiligung der betroffenen Öffent84 Schulte ZfB 2022, 87 ff. 85 Stelkens/Bonk/Sachs/Neumann/Külpmann VwVfG, § 73 Rn. 2b. In der amtlichen Begründung des PlVereinhG, BTDrs. 17/9666, S. 17 ist allerdings ausgeführt, dass § 25 Abs. 3 VwVfG keine Anwendung findet bei tätigkeitsbezogenen Genehmigungsverfahren, was durch die Begrifflichkeit der „Vorhabenplanung“ deutlich gemacht werden solle. Ob der Gesetzgeber damit auch rechtsdogmatisch grundsätzlich auf Tätigkeiten, nämlich Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung sowie die anschließende Wiedernutzbarmachung bezogene bergbauliche Vorhaben auch dann, wenn sie UVP-pflichtig sind, ausklammern will, dürfte zu bezweifeln sein. Die Literatur geht, ohne diese Frage zu problematisieren, davon aus, dass auch bergbauliche Projekte eine frühe Öffentlichkeitsbeteiligung erfordern können: Ziekow NVwZ 2013, 754, 755. 86 Kopp/Ramsauer VwVfG, § 25 Rn. 31; Schmitz/Prell NVwZ 2013, 745, 746. Keienburg/Wiesendahl

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Zweites Kapitel – Anzeige, Betriebsplan

§ 57a

lichkeit möglichst vor der Antragstellung durchführt, wenn nicht die betroffene Öffentlichkeit nach anderen Rechtsvorschriften bereits vor der Antragstellung zu beteiligen ist, worauf § 25 Abs. 3 Satz 5 VwVfG ausdrücklich hinweist; eine derartige Beteiligung nach anderen Rechtsvorschriften kann etwa im Fall einer Raumverträglichkeitsprüfung – abhängig vom jeweiligen Landesrecht – erfolgen und damit eine zusätzliche frühe Öffentlichkeitsbeteiligung entbehrlich machen. Eine Verpflichtung des Vorhabenträgers zu einer frühen Öffentlichkeitsbeteiligung beinhaltet § 25 Abs. 3 VwVfG nicht.87 Eine Verpflichtung war schon deshalb nicht regelbar, weil die frühe Öffentlichkeitsbeteiligung vor der Antragstellung und damit vor Einleitung eines förmlichen Verfahrens mit der Folge der Anwendbarkeit regulierender Verfahrensvorschriften durchgeführt werden soll. Wird eine frühe Öffentlichkeitsbeteiligung durchgeführt, liegt diese in der organisatorischen Verantwortung des Vorhabenträgers, nicht der Behörde.88 Mit der frühen Öffentlichkeitsbeteiligung soll der betroffenen Öffentlichkeit gemäß § 25 Abs. 3 Satz 3 VwVfG Gelegenheit zur Äußerung und zur Erörterung gegeben werden. Dies wiederum setzt voraus, dass der Vorhabenträger der betroffenen Öffentlichkeit, wozu auch im Rahmen der frühen Öffentlichkeitsbeteiligung anerkannte Vereinigungen, deren satzungsgemäßer Aufgabenbereich durch das Vorhaben berührt wird, gehören,89 zunächst Informationen über das von ihm angedachte aber wenn möglich noch nicht beantragte Vorhaben zur Verfügung stellt, die in diesem frühen Stadium nur rudimentär sein können; die amtliche Begründung spricht von einer Unterrichtung der betroffenen Öffentlichkeit über allgemeine Ziele des Vorhabens, die Mittel der Verwirklichung und die voraussichtlichen Auswirkungen.90 Dazu soll der betroffenen Öffentlichkeit Gelegenheit zur Äußerung und zur Erörterung gegeben werden, was dem Zweischritt der Einwendungserhebung bzw. Abgabe einer Stellungahme und anschließenden Erörterung entspricht, ohne dass aber die Formalien der schriftlichen Einwendungserhebung oder Stellungnahme, der Präklusion verspäteter Äußerungen und der Beteiligungsbeschränkung im Erörterungstermin eingreifen. Die konkrete Ausgestaltung des Verfahrens hat der Gesetzgeber nicht geregelt, um, so die amtliche Begründung, die erforderliche Flexibilität zu erhalten;91 die Neuregelung beinhaltet allein einen Orientierungsrahmen.92 § 25 Abs. 3 VwVfG gibt dem Wunsch des Gesetzgebers nach Akzeptanz Ausdruck, auf dessen Befolgung die Behörde hinzuwirken hat, an deren Befolgung und auch an deren Nichtbefolgung aber keine rechtlichen Konsequenzen geknüpft sind.93 Weder ist der Vorhabenträger zu einer frühen Öffentlichkeitsbeteiligung verpflichtet. Noch knüpfen sich an eine frühe Öffentlichkeitsbeteiligung rechtliche Folgen für die Beteiligten, etwa eine Präklusion verspäteter Stellungnahmen im späteren Verfahren.94 Die frühe Öffentlichkeitsbeteiligung kann auch nach der amtlichen Begründung Beteiligungsrechte im Verwaltungsverfahren nur ergänzen aber nicht ersetzen.95 Das in Planfeststellungsverfahren mit Umweltverträglichkeitsprüfung und damit auch im bergrechtlichen Planfeststellungsverfahren zwingend erforderliche Öffentlichkeitsbeteiligungsverfahren gemäß § 73 VwVfG wird im Falle einer zusätzlichen frühen Öffentlichkeitsbeteiligung nicht entbehrlich.

87 BT-Drs. 17/9666, S. 17; Stelkens/Bonk/Sachs/Neumann/Külpmann VwVfG, § 73 Rn. 2b; Stelkens/Bonk/Sachs/Kallerhoff/ Fellenberg VwVfG § 25 Rn. 67; Kopp/Ramsauer VwVfG, § 25 Rn. 42. 88 BT-Drs. 17/9666, S. 17. 89 BT-Drs. 17/9666, S. 17. 90 BT-Drs. 17/9666, S. 15. 91 BT-Drs. 17/9666, S. 17. 92 BT-Drs. 17/9666, S. 14. 93 Stelkens/Bonk/Sachs/Neumann/Külpmann VwVfG, § 73 Rn. 2b; Stelkens/Bonk/Sachs/Kallerhoff/Fellenberg VwVfG, § 25 Rn. 66 f.; Knack/Henneke/Ritgen/Schink VwVfG, § 25 Rn. 156. 94 So ausdrücklich die amtliche Begründung in BT-Drs. 17/9666, S. 18. 95 BT-Drs. 17/9666, S. 15; Kopp/Ramsauer VwVfG, § 25 Rn. 41. 635

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§ 57a

Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

III. Inhalte und Wirkungen des Planfeststellungsbeschlusses 1. Gebundene Entscheidung 30 Die obligatorische Rahmenbetriebsplanzulassung ist zu erteilen, wenn auf Grundlage der erforderlichen allgemeinen Angaben zu den bergrechtlichen Aspekten die Erfüllung der für die Rahmenbetriebsplanzulassung erforderlichen Zulassungsvoraussetzungen gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 3 bis 13 bejaht werden kann,96 öffentliche Interessen i.S.d. § 48 Abs. 2 dem Vorhaben nicht entgegen stehen, die gemäß § 57a Abs. 4 Satz 1 maßgeblichen materiell-rechtlichen Zulassungsvoraussetzungen der eingeschlossenen, konzentrierten Entscheidungen erfüllt sind und die im Planfeststellungsbeschluss erforderliche Bewertung der Auswirkungen des Vorhabens auf die Umwelt gemessen an den einschlägigen materiellen Maßstäben des Fachrechts97 die Umweltverträglichkeit ergibt. Die obligatorische Rahmenbetriebsplanzulassung stellt – trotz Erlass im Planfeststellungsverfahren als Planfeststellungsbeschluss – eine Kontrollerlaubnis in Form einer gebundenen Entscheidung dar.98 Sie ist daher keiner Abwägungs- oder Ermessensentscheidung mit dem Inhalt eines behördlichen Entscheidungs- oder Gestaltungsspielraums zugänglich. Insbesondere auch die in § 48 Abs. 2 BBergG verortete Abwägung einem Bergbauvorhaben entgegenstehender öffentlicher Interessen, die in Fällen großräumiger Vorhaben mit Grundabtretungserfordernissen über lang gestreckte Zeiträume i.S.d. Garzweiler-Entscheidung des BVerfG vom 17.12.2013 zur Wahrung des Eigentumsschutzes aus Art. 14 Abs. 3 GG eine Gesamtabwägung aller öffentlich-rechtlichen und privaten Belange erfordert, dazu noch unter Rn. 39, ändert an der Ausgestaltung der Rahmenbetriebsplanzulassung – sowohl der fakultativen als auch der obligatorischen Rahmenbetriebsplanzulassung – als gebundene Entscheidung nichts.99 Dies gilt allerdings strikt nur hinsichtlich der bergrechtlichen Zulassungsvoraussetzungen. Sofern und 96 § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ist im Rahmenbetriebsplanverfahren gemäß § 55 Abs. 1 Satz 2 nicht anwendbar. 97 BVerwG 20.11.2008, 7 C 10/08, BVerwGE 132, 261 Rn. 42 = ZfB 2009, 46, 53; BVerwG 20.8.2008, 4 C 11/07, BVerwGE 131, 352 Rn. 34; BVerwG 15.12.2006, 7 C 1/06, BVerwGE 127, 259 Rn. 23 = ZfB 2006, 306, 310; BVerwG 15.12.2006, 7 C 6/06, BVerwGE 127, 272 Rn. 16 = ZfB 2006, 315, 318; BVerwG 25.1.1996, 4 C 5/95, BVerwGE 100, 238, 243. 98 BT-Drs. 11/4015, S. 12; BVerwG 5.7.2016 = ZfB 2016, 205 Rn. 15; BVerwG 6.6.2012, 7 B 68/11 = ZfB 2012, 236 Rn. 6; BVerwG 15.12.2006, 7 C 1/06, BVerwGE 127, 259 Rn. 28 = ZfB 2006, 306, 311 und BVerwG 15.12.2006, 7 C 6/06, BVerwGE 127, 272 Rn. 21 = ZfB 2006, 315, 318 mit zust. Anmerkung von Kühne in DVBl 2007, 832 ff.; VGH Mannheim 15.7.2022, 6 S 4216/20 = ZfB 2022, 210 Rn. 40; VGH Kassel 17.2.2021, 1 A 698/16 = ZfB 2021, 302 Rn. 100 und vorausgehend VGH Kassel 7.7.2015, 2 A 177/15 = ZfB 2015, 219, 223; VGH Kassel 20.2.2014, 2 B 277/14 = ZfB 2014, 137 Rn. 3; OVG Saarlouis 20.10.2011, 2 C 510/09 = ZfB 2013, 11, 34; OVG Saarlouis 27.3.2001, 2 N 9/99 = ZfB 2002, 171, 175; OVG Koblenz 5.10.2010, 1 A 10689/ 09 = ZfB 2011, 119, 124; OVG Bautzen 26.9.2008, 4 B 773/06, SächsVBl 2009, 61, 65; OVG Berlin 10.3.2008, 11 N 59/05, juris Rn. 13; OVG Münster 2.3.2006, 11 A 1752/04, ZUR 2006, 487, 488; OVG Münster 27.10.2005, 11 A 1751/04 = ZfB 2006, 32, 49; OVG Lüneburg 16.2.2005, 7 ME 289/04 = ZfB 2005, 34, 36; VG Freiburg 5.11.2020, 10 K 2788/19 = ZfB 2021, 131, 138 f.; VG Oldenburg 13.6.2012, 5 A 3370/10 = ZfB 2012, 306, 314; VG Oldenburg 19.6.2008, 5 A 4956/06 = ZfB 2008, 296, 302; VG Karlsruhe 13.4.2011, 5 K 90/10, nicht veröffentlicht; VG Schwerin 10.3.2010, 7 A 1908/04 = ZfB 2010, 294, 299; VG Greifswald 19.4.2007, 1 A 1174/00 = ZfB 2007, 294, 295; VG Kassel 13.9.2002, 4 E 1110/99 = ZfB 2004, 68, 70; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 51 Rn. 5 und 7; Frenz/Beckmann BBergG, § 52 Rn. 6; Louis UPR 2017, 285, 287; Ludwig ZUR 2012, 150, 154; Hoppe/ Beckmann/Kment UVPG, § 51 Rn. 93; Neumann in: Kühne/Ehricke (Hrsg.) Entwicklungslinien des Bergrechts, S. 41 f.; Kühne in: Heggemann (Hrsg.) Bergrechtliche Zulassungsentscheidungen im Kontext mit Umweltverträglichkeitsprüfungen, S. 18; Kühne in: Kühne/Ehricke (Hrsg.) Entwicklungslinien des Bergrechts, S. 69; Kühne DVBl 2006, 662, 664; Kühne UPR 1989, 326, 327 f.; Ramsauer NVwZ 2008, 944, 949; Hoppe/Spoerr UPR 1999, 246; Strecker Die Rechtsposition der Gemeinden im bergrechtlichen Betriebsplanverfahren, S. 26 ff.; Stiens Der bergrechtliche Betriebsplan, S. 165; Schulte Kernfragen des bergrechtlichen Genehmigungsverfahrens, S. 75; Niermann Betriebsplan und Planfeststellung im Bergrecht, S. 98 ff. und 105, anders aber S. 235 ff.; Gaentzsch FS Sendler (1991), S. 412; kritisch zur Wertung der bergrechtlichen Planfeststellung als gebundene Entscheidung: Durner Konflikte räumlicher Planungen, S. 352 ff. und von Weschpfennig Strukturen des Bergrechts, S. 249 ff. 99 BVerfG 17.12.2013, 1 BvR 3139/08 u. 3386/08, BVerfGE 134, 242 Rn. 321 = ZfB 2014, 49 Rn. 322, auszugsweise auch abgedr. DVBl 2014, 175 mit Anmerkung von Durner/Karrenstein; BVerwG 29.6.2006, 7 C 11/05, BVerwGE 126, 205 Rn. 27 = ZfB 2006, 156, 161; a.A. Frenz NVwZ 2014, 194, 195. 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Zweites Kapitel – Anzeige, Betriebsplan

§ 57a

soweit die Planfeststellung andere Genehmigungen mit Abwägungs- oder Ermessensspielraum konzentriert – etwa eine wasserrechtliche Planfeststellung, die Planfeststellung einer Rohrfernleitung oder naturschutzrechtliche Befreiungen – bleibt der Abwägungs- oder Ermessensspielraum konzentrierter Genehmigungen im Umfang deren Reichweite auch im Planfeststellungsverfahren bestehen und ist von der Planfeststellungsbehörde auszuüben.100 Daraus resultiert keine Abwägungs- oder Ermessensentscheidung auf der Rechtsfolgenseite der bergrechtlichen Planfeststellung; Ermessens- oder Abwägungsspielräume konzentrierter Entscheidungen sind auf die fachgesetzlichen Bewertungen beschränkt. Nebenbestimmungen können der obligatorischen Rahmenbetriebsplanzulassung als gebun- 31 dene Entscheidung unter den Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 VwVfG bei-gefügt werden.101 Sie sind nur dann zulässig, wenn sie sicherstellen sollen, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsakts, also die bergrechtlichen Zulassungsvoraussetzungen der §§ 55 Abs. 1 Satz 1, 48 Abs. 2 Satz 1 sowie die Zulassungsvoraussetzungen der konzentrierten Entscheidungen, erfüllt werden. Darüber hinausgehende Nebenbestimmungen gemäß § 36 Abs. 2 VwVfG sind grundsätzlich nicht zulässig, da die obligatorische Rahmenbetriebsplanzulassung keine Ermessensentscheidung darstellt. Anderes gilt nur insoweit, als konzentrierte Entscheidungen Ermessensentscheidungen darstellen; der Regelungsgegenstand derartiger konzentrierter Entscheidungen kann zulässigerweise über Nebenbestimmungen gemäß § 36 Abs. 2 VwVfG eingeschränkt werden. Schutzauflagen gemäß § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG zum Wohl der Allgemeinheit oder zur Ver- 32 meidung nachteiliger Wirkungen auf Rechte Dritter bzw. – wenn solche Vorkehrungen untunlich oder mit dem Vorhaben unvereinbar sind – die Verpflichtung des Vorhabenträgers zur Entschädigung Betroffener in Geld gemäß § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG können mit einer obligatorischen Rahmenbetriebsplanzulassung regelmäßig nicht verfügt werden. Dies ergibt sich aus der mit § 57a Abs. 4 Satz 2 1. Halbsatz geregelten vorrangigen Anwendbarkeit der berggesetzlichen Vorschriften über das Verhältnis zwischen Unternehmer und Betroffenen. Damit will der Gesetzgeber verhindern, dass – so die amtliche Begründung – „das komplexe bergrechtliche Instrumentarium, das einen besonders gearteten Interessenausgleich zwischen Unternehmer, Grundeigentümern und sonstigen Dritten in einem ausgewogenen System vorsieht“, aus dem Gleichgewicht gerät.102 Die besonderen gegenseitigen Rücksichtnahme-, Duldungs- und Ausgleichspflichten des Bergbaus auf der einen Seite und der betroffenen Grundeigentümer bzw. Verkehrsträger auf der anderen Seite, die in §§ 107 ff., §§ 110 ff., §§ 114 ff. und §§ 124 f. Ausdruck finden, sollen nicht durch außerbergrechtliche Eingriffsmöglichkeiten der Behörde außer Kraft gesetzt werden. In der amtlichen Begründung hat der Gesetzgeber daher ausdrücklich den Ausschluss des § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG angesprochen;103 Gleiches gilt in der Konsequenz für die Folgeregelung einer Entschädigung nicht durch Schutzvorkehrungen vermeidbarer Eingriffe in § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG. Dem erforderlichen Schutz vor unzulässigen Einwirkungen ist durch die Möglichkeit von Nebenbestimmungen gemäß § 36 Abs. 1 VwVfG hinreichend Rechnung getragen. Der Ausgleich zulässig verbleibender Einwirkungen ist durch den verschuldensunabhängigen Bergschadenersatzanspruch sichergestellt, der weder einer Festlegung in der Rahmenbetriebsplanzulassung, im Vorfeld eines Bergschadens, zugänglich ist, noch – aufgrund gesetzlich garantierten Bergschadenersatzanspruchs – einer solchen bedarf; zu der damit eingeschränkten Ausgleichswirkung noch unter Rn. 50. Der Ausschluss der Anwendbarkeit des § 74 Abs. 2 Satz 2 und 3 VwVfG gilt für alle bergrechtlich planfestgestellten Tätigkeiten und Betriebe, für die die besonderen Ausgleichsregelungen des BBergG, insbesondere der verschuldensunabhängige Bergschadenersatz, Anwendung finden. Dies sind alle Tätigkeiten und Betriebe i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 3. Anderes kann für Untersuchungen des Unter100 Kopp/Ramsauer/Wysk VwVfG, § 74 Rn. 64; Gaentzsch FS Sendler (1991), S. 420; vgl. auch zu § 13 BImSchG: Landmann/Rohmer/Seibert Umweltrecht, § 13 BImSchG Rn. 77 und Feldhaus/Rebentisch BImSchG, § 13 Rn. 54 f.; Jarass BImSchG, § 13 Rn. 22. 101 OVG Magdeburg 26.7.2012, 2 L 154/10, NJOZ 2013, 412, 413 f. 102 BT-Drs. 11/4015, S. 12. 103 BT-Drs. 11/4015, S. 12. 637

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§ 57a

Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

grunds auf seine Eignung zur Errichtung von Untergrundspeicher, für Untergrundspeicher als solche sowie für Errichtung und Betrieb von Anlagen zur Endlagerung radioaktiver Abfälle gelten. Sofern diese Tätigkeiten bzw. Anlagen gleichzeitig Aufsuchungs- oder Gewinnungsmaßnahmen beinhalten, dazu § 2 Rn. 17 und 21, unterliegen sie den berggesetzlichen Vorgaben und damit auch § 114 BBergG über § 2 Abs. 1 ohne Einschränkung. Sofern aber keine Aufsuchungs- und Gewinnungsmaßnahmen (mehr) durchgeführt werden, unterliegen sie dem Anwendungsbereich des Gesetzes gemäß § 2 Abs. 2 nur nach Maßgabe des § 126 Abs. 1 und 3. Insoweit finden die Vorschriften über den Bergschadenersatz gemäß § 126 Abs. 1 und 3 keine Anwendung104 und verbleibt daher mangels Anwendbarkeit der speziellen bergrechtlichen Regularien für das Verhältnis zwischen Unternehmer und Betroffenen ein Anwendungsbereich für § 74 Abs. 2 Satz 2 und 3 VwVfG.

2. Berücksichtigung der Ergebnisse der Umweltverträglichkeitsprüfung 33 Mit dem Planfeststellungsbeschluss wird über die Umweltverträglichkeit des Vorhabens entschieden. Maßgeblich für die Bewertung der Umweltverträglichkeit sind die materiellen Maßstäbe des Fachrechts, also die Maßstäbe des BBergG und der konzentrierten Rechtsgebiete, da die Umweltverträglichkeitsprüfung unselbständiger Bestandteil des fachgesetzlichen Zulassungsverfahrens ist und keine eigenständigen materiellen Maßstäbe begründet.105 Die Rahmenbetriebsplanzulassung entfaltet eine Feststellungswirkung hinsichtlich der Umweltverträglichkeit. Die Umweltverträglichkeit des Vorhabens wird im Rahmenbetriebsplanverfahren abschließend geprüft und entschieden. Eine Ausnahme regelt § 57b Abs. 2 Nr. 3 nur für den Fall der Konzentration eines Vorbescheids oder einer Teilgenehmigung durch die Planfeststellung, die ggf. die Notwendigkeit einer späteren Ergänzung der Umweltverträglichkeitsprüfung bedingt; dazu § 57b Rn. 52 ff.

3. Eingeschränkte Gestattungswirkung aufgrund des Erfordernisses nachfolgender Betriebsplanzulassungen 34 Die obligatorische Rahmenbetriebsplanzulassung entfaltet in bergrechtlicher Hinsicht – anders als hinsichtlich der konzentrierten sonstigen Zulassungen – keine Gestattungswirkung. Die Rahmenbetriebsplanzulassung setzt – im Fall einer obligatorischen Rahmenbetriebsplanzulassung ebenso wie im Fall einer fakultativen Rahmenbetriebsplanzulassung – nur den Rahmen. Es bedarf einer Ausfüllung dieses Rahmens und damit einer Konkretisierung des Vorhabens durch nachfolgende Haupt- und ggf. Sonderbetriebspläne. Dies bestätigt Absatz 5, wo von den zur Durchführung des Rahmenbetriebsplans erforderlichen Haupt-, Sonder- und Abschlussbetriebsplänen die Rede ist. Erst auf Grundlage einer Hauptbetriebsplanzulassung mit Gestattungswirkung können die bergbaulichen Tätigkeiten des Vorhabens ausgeführt werden.106

104 Mann, ZfB 2014, 15 f.; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 114 Rn. 18 u. Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 126 Rn. 1; der Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 23.4.2015 (BT-Drs. 18/4714) sieht eine Erweiterung der Bergschadenhaftung auf künstlich geschaffene Untergrundspeicher vor. 105 BVerwG 19.12.2013, 4 C 14/12, BVerwGE 148, 353 Rn. 37; BVerwG 20.11.2008, 7 C 10/08, BVerwGE 132, 261 Rn. 42 = ZfB 2009, 46, 53; BVerwG 20.8.2008, 4 C 11/07, BVerwGE 131, 352 Rn. 34; BVerwG 13.12.2007, 4 C 9/06, BVerwGE 130, 83 Rn. 34; BVerwG 15.12.2006, 7 C 1/06, BVerwGE 127, 259 Rn. 23 = ZfB 2006, 306, 310; BVerwG 15.12.2006, 7 C 6/06, BVerwGE 127, 272 Rn. 16 = ZfB 2006, 315, 318; BVerwG 25.1.1996, 4 C 5/95, BVerwGE 100, 238, 243. 106 BT-Drs. 11/4015, S. 7; BVerwG 15.12.2006, 7 C 1/06, BVerwGE 127, 259 Rn. 25 = ZfB 2006, 306, 310 und BVerwG 15.12.2006, 7 C 6/06, BVerwGE 127, 272 Rn. 18 = ZfB 2006, 315, 318; OVG Koblenz 6.2.2013, 1 B 11266/12, ZUR 2013, 293, 297; OVG Weimar 8.6.2011, 1 KO 704/07 = ZfB 2011, 247, 254; OVG Berlin 10.3.2008, 11 N 59/05, juris Rn. 23; OVG Münster 6.7.2005, 11 B 750/05 = ZfB 2006, 166; VG Kassel 13.9.2002, 4 E 1110/99 = ZfB 2004, 68, 70; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 57a Rn. 42; Frenz/Beckmann BBergG, § 57a Rn 69 ff.; von Weschpfennig Strukturen des Bergrechts, S. 315; Keienburg NVwZ 2013, 1123, 1124; Ludwig ZUR 2012, 150, 154; Stiens Der bergrechtliche Betriebsplan, S. 149; Niermann Keienburg/Wiesendahl

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Zweites Kapitel – Anzeige, Betriebsplan

§ 57a

Aus der Konzentrationswirkung eines Planfeststellungsbeschlusses gemäß § 75 Abs. 1 Satz 1 35 VwVfG, die auch dem bergrechtlichen Planfeststellungsbeschluss zukommt und zu der unter Rn. 40 ff. im Einzelnen ausgeführt wird, ergibt sich nichts anderes. Die Konzentrationswirkung der planfestzustellenden obligatorischen Rahmenbetriebsplanzulassung erfasst als horizontale Konzentrationswirkung die für das Vorhaben erforderlichen sonstigen Erlaubnisse nach anderen Rechtsgebieten mit Gestattungswirkung. Eine vertikale Konzentrationswirkung hinsichtlich der für ein bergbauliches Vorhaben auch nach einer Rahmenbetriebsplanzulassung zusätzlich erforderlichen Haupt-, Sonder- und Abschlussbetriebspläne kommt der obligatorischen Rahmenbetriebsplanzulassung nicht zu.107 Insoweit entfaltet die obligatorische Rahmenbetriebsplanzulassung aber Bindungswirkung.

4. Bindungswirkung für nachfolgende Betriebsplanzulassungen (Absatz 5) Während die Bindungswirkung fakultativer Rahmenbetriebsplanzulassungen in der Rechtspre- 36 chung noch nicht abschließend geklärt ist, dazu § 52 Rn. 44 ff., ist die Bindungswirkung der obligatorischen Rahmenbetriebsplanzulassung höchstrichterlich entschieden. Die obligatorische Rahmenbetriebsplanzulassung setzt einen verbindlichen Rahmen für nachfolgende Haupt- und Sonderbetriebspläne.108 Das bedeutet, auch wenn diese Begrifflichkeit in den Entscheidungen des BVerwG zur obligatorischen Rahmenbetriebsplanzulassung und auch im Gesetz nicht verwendet wird, im Ergebnis, dass die obligatorische Rahmenbetriebsplanzulassung hinsichtlich der darin beinhalteten bergrechtlichen Regelung einen Konzeptvorbescheid darstellt.109 Soweit die Bindungswirkung der obligatorischen Rahmenbetriebsplanzulassung als Rahmen reicht, sind die Bergbehörden daran auf den Ebenen der nachfolgenden Betriebsplanzulassungen gebunden. Die Bergbehörden können aufgrund der Bindungswirkung der Rahmenbetriebsplanzulassung die Zulassung nachfolgender Betriebspläne nicht mit Erwägungen versagen, die im Widerspruch zur Rahmenbetriebsplanzulassung stehen.110 Dies gilt auch im Fall nach Erteilung einer Rahmenbetriebsplanzulassung eintretender Veränderungen der Sach- und Rechtslage. Bei nachträglichen Änderungen der Sach- und Rechtslage entfällt die Bindungswirkung eines Vorbescheids und damit auch die der obligatorischen Rahmenbetriebsplanzulassung nicht automatisch, sondern muss die Bindungswirkung durch nachträgliche Auflagen oder einen Widerruf beseitigt werden. Dritte und beteiligte Behörden können aufgrund der Bindungswirkung gemäß Absatz 5 1. Halbsatz Einwendungen, über die im Planfeststellungsverfahren entschieden worden ist oder bei rechtzeitiger Betriebsplan und Planfeststellung im Bergrecht, S. 92 und 134; Gaentzsch FS Sendler (1991), S. 408 und 415; Bohne ZfB 1989, 93, 108 und 121. 107 BVerwG 15.12.2006, 7 C 6/06, BVerwGE 127, 272 Rn. 28 = ZfB 2006, 315, 319 f.; OVG Münster 6.7.2005, 11 B 750/05 = ZfB 2006, 166; Bohne ZfB 1989, 93, 108. 108 BVerwG 29.4.2010, 7 C 18/09 = ZfB 2010, 129 Rn. 16; BVerwG 15.12.2006, 7 C 1/06, BVerwGE 127, 259 Rn. 25 = ZfB 2006, 306, 310 und BVerwG 15.12.2006, 7 C 6/06, BVerwGE 127, 272 Rn. 18 = ZfB 2006, 315, 318; OVG Koblenz 6.2.2013, 1 B 11266/ 12, ZUR 2013, 293, 297; OVG Weimar 8.6.2011, 1 KO 704/07 = ZfB 2011, 247, 254; OVG Münster 6.7.2005, 11 B 750/05 = ZfB 2006, 166 f.; VG Oldenburg 13.6.2012, 5 A 3370/10 = ZfB 2012, 306, 319; VG Oldenburg 19.6.2008, 5 A 4956/06 = ZfB 2008, 296, 301; von Weschpfennig Strukturen des Bergrechts, S. 319; Neumann in: Kühne/Ehricke (Hrsg.) Entwicklungslinien des Bergrechts, S. 37; die Entscheidung des VG Gelsenkirchen vom 22.1.2004, 8 K 2496/01 = ZfB 2004, 55, 60, die der obligatorischen Rahmenbetriebsplanzulassung unter Verweis auf die Rechtsprechung des BVerwG zur fakultativen Rahmenbetriebsplanzulassung im Urteil vom 13.12.1991, 7 C 25/90, BVerwGE 89, 246, 253 f. = ZfB 1992, 38, 43 eine Bindungswirkung weitgehend absprach, ist durch die jüngeren Entscheidungen des BVerwG zur obligatorischen Rahmenbetriebsplanzulassung überholt. 109 Ebenso Kühne in: Heggemann (Hrsg.) Bergrechtliche Zulassungsentscheidungen im Kontext mit Umweltverträglichkeitsprüfungen, S. 18; Kühne DVBl 2006, 662, 665; Kühne in: Kühne/Ehricke (Hrsg.) Öffentlichkeitsbeteiligung und Eigentumsschutz im Bergrecht, S. 50 f.; Strecker Die Rechtsposition der Gemeinden im bergrechtlichen Betriebsplanverfahren, S. 54; Niermann Betriebsplan und Planfeststellung im Bergrecht, S. 106; Gaentzsch FS Sendler (1991), S. 415. 110 BVerwG 6.10.2022, 7 C 4/21 = ZfB 2023, 108 Rn. 12. 639

Keienburg/Wiesendahl

§ 57a

Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

Geltendmachung hätte entschieden werden können, in nachfolgenden Haupt- und Sonderbetriebsplanverfahren nicht mehr geltend machen.111 Die Entscheidung des EuGH vom 15.10.2015112 zur Europarechtswidrigkeit der materiellen Präklusion im Bereich der UVP-Richtlinie und der IEDRichtlinie, dazu Rn. 25, erfordert keine andere Bewertung und hat den Gesetzgeber auch im Rahmen des Artikelgesetzes zur Modernisierung des Rechts der Umweltverträglichkeitsprüfung nicht veranlasst, Absatz 5 zu ändern. Denn der auf Grundlage des Art. 11 Abs. 1 UVP-Richtlinie nach Auffassung des EuGH erforderliche weitreichende Zugang zu Gerichten im Rahmen des Umweltschutzes besteht nach dem Entfall der materiellen Präklusion gegenüber dem bergrechtlichen Planfeststellungsbeschluss mit Umweltverträglichkeitsprüfung. Es besteht kein Erfordernis einer Vervielfältigung des Rechtsschutzes auch gegenüber nachfolgenden Betriebsplanzulassungen ohne Umweltverträglichkeitsprüfung.113 Die Bindungswirkung der obligatorischen Rahmenbetriebsplanzulassung umfasst die allein 37 auf Rahmenbetriebsplanebene zu prüfende Umweltverträglichkeit des Vorhabens, die bergrechtlichen Zulassungsvoraussetzungen des § 55 Abs. 1 Satz 1, soweit darüber auf Ebene des Rahmenbetriebsplans schon entschieden werden kann, und den Ausschluss etwaiger dem Vorhaben entgegenstehender überwiegender öffentlicher Interessen i.S.d. § 48 Abs. 2 Satz 1. Nachträgliche Entscheidungen i.S.d. § 48 Abs. 2 werden gemäß § 57a Abs. 5 2. Halbsatz – mit Ausnahme von Entscheidungen i.S.d. § 48 Abs. 2 Satz 2 – durch einen Planfeststellungsbeschluss ausgeschlossen. Gemeint ist damit, dass Entscheidungen i.S.d. § 48 Abs. 2 Satz 1 bereits mit dem Planfeststellungsbeschluss getroffen werden, nicht mit nachfolgenden Haupt- und Sonderbetriebsplanzulassungen.114 § 48 Abs. 2 Satz 1 ermächtigt die Bergbehörde, eine Gewinnung oder Aufsuchung unbeschadet anderer öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu beschränken oder zu untersagen, soweit ihr überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen. Die Bergbehörde ist damit ausweislich der Altenberg-Entscheidung des BVerwG vom 4.7.1986115 – ganz unabhängig von einer Konzentrationswirkung – nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet, im Betriebsplanzulassungsverfahren die Zulässigkeit eines Vorhabens auch nach sonstigen, außerbergrechtlichen öffentlich-rechtlichen Vorschriften zu prüfen, sofern dafür nicht besondere Genehmigungserfordernisse und damit Behördenzuständigkeiten bestehen;116 vgl. § 48 Rn. 50 ff. Diese Entscheidungszuständigkeit muss im obligatorischen Rahmenbetriebsplanverfahren auf Ebene der obligatorischen Rahmenbetriebsplanzulassung ausgeübt werden. Da die obligatorische Rahmenbetriebsplanzulassung aufgrund § 75 Abs. 1 Satz 1 VwVfG sogar nach anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften erforderliche Genehmigungen für das Vorhaben konzentriert, muss sie erst recht die Entscheidung über sonstige materiell-rechtliche Vorschriften anderer Rechtsgebiete, die keinem gesonderten Genehmigungsverfahren unterliegen, beinhalten.117 Diese Prüfung ist abschließend im obligatorischen Rahmen111 BVerwG 15.12.2006, 7 C 6/06, BVerwGE 127, 272 Rn. 28 = ZfB 2006, 315, 319; OVG Münster 6.7.2005, 11 B 750/05 = ZfB 2006, 166 f.; OVG Münster 23.6.2005, 11 B 644/05 = ZfB 2005, 311, 312; OVG Münster 15.8.2003, 21 B 2518/02 = ZfB 2003, 275, 278; OVG Bautzen 18.5.1998, 1 S 766/97 = ZfB 1998, 202 f.; VG Leipzig 1.3.2017, 1 K 1142/16 = ZfB 2017, 188, 196 f.; VG Düsseldorf 12.10.2004, 3 L 2758/04 = ZfB 2004, 291, 292; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 57a Rn. 47; Frenz/Beckmann BBergG, § 57a Rn. 127; Kühne in: Kühne/Ehricke (Hrsg.) Entwicklungslinien des Bergrechts, S. 71; Keienburg Die Öffentlichkeitsbeteiligung im Bergrecht, S. 244 f. 112 EuGH 15.10.2015, C-137/14, NVwZ 2015, 1665 ff. 113 Von Weschpfennig Strukturen des Bergrechts, S. 324; offen gelassen durch das OVG Bautzen 17.8.2018, 1 A 320/17 = ZfB 2019, 146 Rn. 89 ff., das von einer Klärungsbedürftigkeit durch den EuGH ausgeht. 114 BT-Drs. 11/4014, S. 12. 115 BVerwG 4.7.1986, 4 C 31/84, BVerwGE 74, 315, 322 ff. = ZfB 1987, 60, 66 f. 116 BVerwG 15.12.2006, 7 C 1/06, BVerwGE 127, 259 Rn. 29 = ZfB 2006, 306, 311 und BVerwG 15.12.2006, 7 C 6/06, BVerwGE 127, 272 Rn. 23 = ZfB 2006, 315, 319; BVerwG 29.6.2006, 7 C 11/05, BVerwGE 126, 205 Rn. 17 = ZfB 2006 156, 159; BVerwG 14.4.2005, 7 C 26/03, BVerwGE 123, 247, 254 f. = ZfB 2005, 156, 161; BVerwG 16.3.1989, 4 C 25/86 = ZfB 1989, 210, 215 f.; BVerwG 4.7.1986, 4 C 31/84, BVerwGE 74, 315, 322 ff. = ZfB 1987, 60, 66 f. 117 Das BVerwG sieht dies als Ausfluss der Konzentrationswirkung aus § 75 Abs. 1 VwVfG: BVerwG 15.12.2006, 7 C 6/ 06, BVerwGE 127, 272 Rn. 28 = ZfB 2006, 315, 319; auch die amtliche Begründung spricht davon, dass § 48 Abs. 2 von der Konzentrationswirkung erfasst werde: BT-Drs. 11/4015, S. 12. Keienburg/Wiesendahl

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Zweites Kapitel – Anzeige, Betriebsplan

§ 57a

betriebsplanzulassungsverfahren durchzuführen und in späteren Betriebsplanverfahren ausgeschlossen,118 wobei die aus der typischen langen Laufzeit von Rahmenbetriebsplanzulassungen resultierenden Restriktionen zu beachten sind. Detailprüfungen etwa auch in natur- und artenschutzrechtlicher Hinsicht, insbesondere Aktualitätsprüfungen bei langer Laufzeit einer Zulassung, können und müssen ggf. auf Sonderbetriebsplanebenen verlagert werden, wobei die Grundsatzprüfung auf Ebene der Rahmenbetriebsplanzulassung zu erfolgen hat.119 Eine ausdrückliche Ausnahme von dem Grundsatz der abschließenden Entscheidung auf Rah- 38 menbetriebsplanebene regelt Absatz 5 2. Halbsatz für Entscheidungen i.S.d. § 48 Abs. 2 Satz 2. Diese Ausnahmeregelung wurde – ebenso wie die Neuregelungen in § 48 Abs. 2 Satz 2 bis 5 – im Gesetzgebungsverfahren des Bergrechtsänderungsgesetzes auf Betreiben des Wirtschaftsausschusses aufgenommen. Hintergrund dafür war die am 16.3.1989 während des Gesetzgebungsverfahrens ergangene Moers-Kapellen-Entscheidung des BVerwG, mit welcher entschieden wurde, dass öffentliche Interessen im Einzelfall auch den Schutz von Rechten Dritter umfassen können und mit einiger Wahrscheinlichkeit von schweren Bergschäden betroffene Oberflächeneigentümer sich zur Wahrung ihres grundrechtlichen Eigentumsschutzes aus Art. 14 Abs. 1 GG im Vorfeld der Zulassung sie so betreffenden Abbaus im Verfahren beteiligen können müssen.120 Dieses Beteiligungsverfahren wurde in § 48 Abs. 2 mit den mit dem Bergrechtsänderungsgesetz neu eingefügten Sätzen 2 bis 5 geregelt.121 Gleichzeitig wurde im Gesetzgebungsverfahren die Ausnahmeregelung in Absatz 5 2. Halbsatz eingefügt.122 Entscheidungen i.S.d. § 48 Abs. 2 Satz 2 zum Schutz von Rechten Dritter, die ein Beteiligungsverfahren erfordern, sind nicht zwingend bereits mit der obligatorischen Rahmenbetriebsplanzulassung zu treffen, sondern können in spätere Haupt- oder Sonderbetriebsplanverfahren verlagert werden. Diese Verlagerung ist in Absatz 5 2. Halbsatz als zulässige Möglichkeit vorgesehen. Absatz 5 2. Halbsatz beinhaltet keine Befugnis der Bergbehörde zu nachträglichen Schutzauflagen i.S.d. § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG, sondern eine Befugnis der Bergbehörde zur Ausklammerung bestimmter Fragen aus der Rahmenbetriebsplanzulassung und Verlagerung in ein späteres Betriebsplanzulassungsverfahren.123 Das BVerwG hat in der Walsum-Entscheidung vom 15.12.2006 bestätigt, dass die Besonderheiten untertägigen Steinkohlenabbaus aufgrund des mit der dynamischen Abbauführung verbundenen kontinuierlich zunehmenden Kenntnisgewinns einen rechtlich nicht zu beanstandenden Grund für die Verlagerung der Prüfung der Belange der Oberflächeneigentümer aus der Rahmenbetriebsplanzulassung in nachfolgende Sonderbetriebsplanverfahren – das sog. Sonderbetriebsplanverfahren „Abbaueinwirkungen auf das Oberflächeneigentum“124 – darstellen.125 Nicht abschließend entschieden hat das BVerwG, aus welchen Gründen die Planfeststellungsbehörde berechtigt ist, von der Möglichkeit der Ausklammerung einer Entscheidung aus einem Planfeststellungsbeschluss gemäß Absatz 5 2. Halbsatz in sonstigen Fällen Gebrauch zu machen.126 Jedenfalls Fragen, die sich sachgerecht erst beantworten lassen, wenn räumlich und zeitlich beschränkte Abschnitte genauer betrachtet werden können, sind ausklammerungsfähig.127 Dies erfordert einen ausdrücklichen Vorbehalt im Planfeststellungsbeschluss, der erkennen lässt, welche Aspekte aus dem Planfeststellungsbeschluss in ein nachgelagertes Verfahren ausgegliedert werden.128 Eine nachträgliche Entscheidung i.S.d. Absatzes 5 2. Halbsatz ist Gegenstand einer nachträglichen Betriebsplanzulassung, nicht einer Ergänzungsentscheidung zur 118 119 120 121 122 123 124 125

BVerwG 15.12.2006, 7 C 6/06, BVerwGE 127, 272 Rn. 28 = ZfB 2006, 315, 319. BVerwG 6.10.2022, 7 C 4/21 = ZfB 2023, 108 Rn. 15 f.; von Weschpfennig Strukturen des Bergrechts, S. 322 f. BVerwG 16.3.1989, 4 C 36/85, BVerwGE 81, 329, 344 = ZfB 1989, 199, 208 f. Zur Begründung vgl. die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft in BT-Drs. 11/5601, S. 16. Dazu Keienburg Die Öffentlichkeitsbeteiligung im Bergrecht, S. 248 ff. Neumann in: Kühne/Ehricke (Hrsg.) Entwicklungslinien des Bergrechts, S. 44. Einzelheiten dazu: Keienburg Die Öffentlichkeitsbeteiligung im Bergrecht, S. 71 ff. BVerwG 15.12.2006, 7 C 6/06, BVerwGE 127, 272 Rn. 30 f. = ZfB 2006, 315, 319 f. und ebenso nachfolgend BVerwG 29.4.2010, 7 C 18/09 = ZfB 2010, 129, 135 Rn. 37. 126 BVerwG 15.12.2006, 7 C 6/06, BVerwGE 127, 272, 278 f. Rn. 31 = ZfB 2006, 315, 320. 127 BVerwG 15.12.2006, 7 C 6/06, BVerwGE 127, 272, 277 Rn. 25 = ZfB 2006, 315, 319; darauf für die Ausklammerung einer wasserrechtlichen Entscheidung Bezug nehmend: OVG Bautzen 26.9.2008, 4 B 773/06, SächsVBl 2009, 61, 65. 128 OVG Berlin 17.8.2010, 11 N 10/08 = ZfB 2011, 20, 23 f. 641

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§ 57a

Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

Rahmenbetriebsplanzulassung.129 Rechte Dritter werden durch die mögliche Ausklammerung ihrer über § 48 Abs. 2 Satz 2 geschützten Belange aus der obligatorischen Rahmenbetriebsplanzulassung nicht verletzt. Sie können ihre Rechte in den nachfolgenden Zulassungsverfahren wahren; Einwendungen in nachfolgenden Zulassungsverfahren sind insoweit, als die obligatorische Rahmenbetriebsplanzulassung keine Regelung beinhaltet, durch diese gemäß Absatz 5 2. Halbsatz gerade nicht ausgeschlossen.130 Nicht von der Ausnahmeregelung des Absatz 5 2. Halbsatz erfasst werden aus großräumigen 39 Vorhaben mit zeitlicher Streckung i.S.d. Garzweiler-Entscheidung des BVerfG vom 17.12.2013 resultierende Grundabtretungsbetroffenheiten.131 Das BVerfG hat in der Garzweiler-Entscheidung ausgeführt, dass das bei Enteignungen und damit auch bei Grundabtretungen aus Art. 14 Abs. 3 GG folgende Erfordernis einer Gesamtabwägung aller erheblichen Belange in Fällen komplexer Vorhaben wie dem der Entscheidung zugrundeliegenden Braunkohlentagebau Garzweiler in das Rahmenbetriebsplanverfahren – im entschiedenen Fall ein fakultatives Rahmenbetriebsplanverfahren – vorverlagert ist. In Fällen derartiger komplexer Vorhaben kann, so das BVerfG, zur Wahrung des Eigentumsschutzes und zur Gewährleistung der Effektivität des Rechtsschutzes nur eine einheitliche Gesamtabwägung aller für und gegen das Vorhaben sprechenden öffentlichen und privaten Belange auf Rahmenbetriebsplanebene gewährleisten, dass die Zulassung des Bergbaubetriebs nicht durch Segmentierung einzelner Entscheidungsgegenstände fehlgewichtet und damit verfälscht wird;132 vgl. § 48 Rn. 74 ff. und Vorbemerkungen zu §§ 77 bis 106 Rn. 15. Das bedeutet, dass die Gesamtabwägung, die insbesondere eine Abwägung der Interessen später potentiell von Grundabtretungen Betroffener beinhaltet und insoweit in § 48 Abs. 2 BBergG verankert ist,133 bei entsprechend komplexen Vorhaben auch dann, wenn diese Gegenstand eines obligatorischen Rahmenbetriebsplans sind,134 nicht über Absatz 5 2. Halbsatz in ein späteres Verfahren verlagert werden darf. Grundabtretungsbetroffenheiten sind im Fall komplexer Vorhaben, wie der Garzweiler-Entscheidung des BVerfG zugrunde liegend, bereits auf Rahmenbetriebsplanebene zu prüfen. Andere Betroffenheiten, auch Eigentumsbetroffenheiten unterhalb der Schwelle der Grundabtretung, können dagegen jedenfalls dann, wenn sie sich auf Rahmenbetriebsplanebene noch nicht sachgerecht prüfen lassen, über Absatz 5 2. Halbsatz weiterhin auf nachgelagerte Zulassungsebenen verlagert werden.135 Insoweit resultieren aus der Garzweiler-Entscheidung des BVerfG keine Restriktionen, da das vom BVerfG entschiedene Erfordernis einer Gesamtabwägung aus Art. 14 Abs. 3 GG resultiert und damit allein im Fall von Enteignungen einschlägig ist.136 Die enteignungsrechtlich ggf. erforderliche Gesamtabwägung ist auf Tatbestandsseite angesiedelt; die Planfeststellungsentscheidung bleibt eine gebundene Entscheidung, dazu bereits Rn. 30.

5. Konzentrationswirkung (Absatz 4) 40 Gemäß § 75 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz VwVfG wird durch einen Planfeststellungsbeschluss die Zulässigkeit des Vorhabens einschließlich notwendiger Folgemaßnahmen an anderen Anlagen im Hinblick auf alle von dem planfestgestellten Vorhaben berührten öffentlichen Belange festgestellt und

129 Neumann in: Kühne/Ehricke (Hrsg.) Entwicklungslinien des Bergrechts, S. 45. 130 BVerwG 29.4.2010, 7 C 18/09 = ZfB 2010, 129, 135 Rn. 39; BVerwG 15.12.2006, 7 C 6/06, BVerwGE 127, 272, 279 Rn. 34 = ZfB 2006, 315, 320; VG Oldenburg 13.6.2012, 5 A 3370/10 = ZfB 2012, 306, 316; Kühne DVBl 2006, 662, 671. 131 BVerfG 17.12.2013, 1 BvR 3139/08 u. 3386/08, BVerfGE 134, 242 ff. = ZfB 2014, 49 ff. 132 BVerfG 17.12.2013, 1 BvR 3139/08 u. 3386/08, BVerfGE 134, 242 Rn. 317 = ZfB 2014, 49 Rn. 318. 133 BVerfG 17.12.2013, 1 BvR 3139/08 u. 3386/08, BVerfGE 134, 242 Rn. 214 = ZfB 2014, 49 Rn. 215; BVerwG 29.6.2006, 7 C 11/05, BVerwGE 126, 205 Rn. 18 ff. = ZfB 2006, 156, 159 f. 134 VG Freiburg 5.11.2020, 10 K 2788/19 = ZfB 2021, 131, 139 ff. 135 Offen gelassen von Beckmann UPR 2014, 206, 213. 136 BVerfG 17.12.2013, 1 BvR 3139/08 u. 3386/08, BVerfGE 134, 242 Rn. 188 = ZfB 2014, 49 Rn. 189; ebenso auch zuvor bereits BVerwG 20.10.2008, 7 B 21/08 = ZfB 2008, 249 Rn. 22. Keienburg/Wiesendahl

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sind andere behördliche Entscheidungen zur Zulassung des Vorhabens zusätzlich zur Planfeststellung nicht nötig. Der Planfeststellungsbeschluss konzentriert gemäß § 75 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz VwVfG alle für das Vorhaben einschließlich notwendiger Folgemaßnahmen erforderlichen öffentlich-rechtlichen Zulassungen. Ihm kommt eine formelle Entscheidungskonzentration zu, da die Planfeststellungsbehörde für die Planfeststellung inklusive der konzentrierten Entscheidungen formell zuständig ist.137 Eine materielle Konzentration im Sinne einer Verdrängung der materiellen Zulassungserfordernisse der für ein planfestzustellendes Vorhaben erforderlichen und von dem Planfeststellungsbeschluss zu konzentrierenden öffentlich-rechtlichen Entscheidungen geht damit nicht einher; die materiellen Voraussetzungen der konzentrierten Entscheidungen bleiben maßgeblich und sind im Planfeststellungsverfahren von der Planfeststellungsbehörde zu prüfen.138 Die formelle Konzentrationswirkung – dies bestätigt Absatz 4 Satz 1 – kommt auch der bergrechtlichen Planfeststellung zu.139 Die Konzentrationswirkung der Planfeststellung war ein wesentlicher Grund für die Einführung des Planfeststellungsverfahrens in das BBergG.140 Die Konzentrationswirkung und damit die Genehmigungswirkung der Planfeststellung gilt für 41 das Vorhaben selbst sowie für notwendige Folgemaßnahmen. Das Vorhaben bestimmt sich nach dem Antrag des Vorhabenträgers. Begrenzt ist der Antragsgrundsatz durch die sachlichen und räumlichen Vorgaben des § 2; nur die dort erfassten Tätigkeiten und Einrichtungen unterfallen dem Geltungsbereich des Gesetzes. Begrenzt ist der Antragsgrundsatz im Planfeststellungsverfahren zudem durch den enumerativen Katalog UVP-pflichtiger Vorhaben in § 1 Satz 1 Nr. 1 bis 10 UVP-V Bergbau; andere, als die in § 1 Satz 1 Nr. 1 bis 10 UVP-V Bergbau aufgeführten Vorhaben sind einer bergrechtlichen Planfeststellung nicht zugänglich. Innerhalb dieses Rahmens bestimmt der Vorhabenträger das Vorhaben durch seinen Antrag.141 Das Vorhaben wird mit Konzentrationswirkung planfestgestellt. Eine Erweiterung der Reichweite der Planfeststellung folgt aus § 75 Abs. 1 Satz 1 VwVfG. Danach umfasst die Planfeststellung auch notwendige Folgemaßnahmen des Vorhabens an anderen Anlagen. Um notwendige Folgemaßnahmen handelt es sich bei Maßnahmen, die aufgrund des Vorhabens an anderen Anlagen142 erforderlich werden, um nachhaltige Störungen der Funktionsfähigkeit anderer Anlagen zu verhindern bzw. zu beseitigen. Es handelt sich damit nicht um Folgewirkungen des Bergbaus etwa in Gestalt von Bodensenkungen als Folge untertägigen Abbaus oder in Gestalt von Gewässern als Folge von Nassauskiesungen. Es handelt sich vielmehr um gezielte Maßnahmen außerhalb des eigentlichen Bergbauvorhabens aber durch dieses veranlasst. Folgemaßnahmen müssen aufgrund des Vorhabens erforderlich werden. Die Funktionsfähigkeit anderer Anlagen muss kausal 137 Stelkens/Bonk/Sachs/Neumann/Külpmann VwVfG, § 75 Rn. 13 ff.; Kopp/Ramsauer/Wysk VwVfG, § 75 Rn. 8 ff.; Knack/ Henneke/Schink VwVfG, § 75 Rn. 16 ff.; Fehling/Kastner/Störmer/Wickel Verwaltungsrecht, § 75 VwVfG Rn. 17 ff.; Bader/ Ronellenfitsch/Kämper VwVfG, § 75 Rn. 5; Ziekow VwVfG, § 75 Rn. 8; Ziekow/Fischer Praxis des Fachplanungsrechts, Rn. 432. 138 BVerwG 6.10.2022, 7 C 4/21 = ZfB 2023, 108 Rn. 12; BVerwG 16.3.2006, 4 A 1075/04, BVerwGE 125, 116 Rn. 448; Paetow FS Sellner (2010), S. 519; Stelkens/Bonk/Sachs/Neumann/Külpmann VwVfG, § 75 Rn. 16 f.; Kopp/Ramsauer/Wysk VwVfG, § 75 Rn. 16; Knack/Henneke/Schink VwVfG, § 75 Rn. 22; Bader/Ronellenfitsch/Kämper VwVfG, § 75 Rn. 5; Ziekow VwVfG, § 75 Rn. 8; Fehling/Kastner/Störmer/Wickel Verwaltungsrecht, § 75 VwVfG Rn. 23. 139 BVerwG 29.4.2010, 7 C 18/09 = ZfB 2010, 129 Rn. 23; BVerwG 15.12.2006, 7 C 1/06, BVerwGE 127, 259 Rn. 41 = ZfB 2006, 306, 313 und BVerwG 15.12.2006, 7 C 6/06, BVerwGE 127, 272 Rn. 36 = ZfB 2006, 315, 320; OVG Magdeburg 26.7.2012, 2 L 154/10, NJOZ 2013, 412, 413; OVG Koblenz 26.7.2011, 1 A 10473/07 = ZfB 2011, 204, 229; OVG Münster 27.10.2005, 11 A 1751/ 04 = ZfB 2006, 32, 58; VG Greifswald 19.4.2007, 1 A 1174/00 = ZfB 2007, 294, 300; VG Dessau 12.4.2001, 2 A 424/98 = ZfB 2002, 69, 70; Stiens Der bergrechtliche Betriebsplan, S. 147; Schulte Kernfragen des bergrechtlichen Genehmigungsverfahrens, S. 72 f.; Niermann Betriebsplan und Planfeststellung im Bergrecht, S. 97 und 136; Gaentzsch FS Sendler (1991), S. 414; Bohne ZfB 1989, 93, 108. 140 BT-Drs. 11/4015, S. 1. 141 Zum Umfang eines planfestzustellenden Vorhabens und der dadurch begrenzten Reichweite der Konzentrationswirkung: OVG Münster 15.3.2011, 20 A 2148/09, DVBl 2011, 767 f. 142 Zur Differenzierung zwischen Folgemaßnahmen an anderen Anlagen und dem Vorhaben selbst: OVG Münster 15.3.2011, 20 A 2148/09, DVBl 2011, 767, 769; VG Düsseldorf 30.11.2010, 17 K 1926/09, NuR 2011, 376, 379; Gaentzsch DVBl 2012, 129, 130. 643

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Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

durch das planfestzustellende Vorhaben gestört sein. Nur anlässlich eines Vorhabens nützliche oder zweckmäßige Maßnahmen an anderen Anlagen stellen keine notwendigen Folgemaßnahmen dar.143 Notwendige Folgemaßnahmen werden in einem Planfeststellungsbeschluss dann mitgeregelt, wenn sie einen überschaubaren und im Rahmen der Planfeststellung des Hauptvorhabens miterledigbaren Umfang aufweisen und nicht ihrerseits ein eigenes, umfassendes Planungskonzept eines anderen Rechtsträgers erfordern. Notwendige Folgemaßnahmen dürfen daher über Anschluss und Anpassung anderer Anlagen nicht wesentlich hinausgehen,144 da anderenfalls ein Verstoß gegen die gesetzliche Kompetenzordnung vorläge. Um notwendige Folgemaßnahmen in diesem Sinne handelt es sich etwa bei erforderlichen Verkehrsanschlüssen eines Vorhabens und damit verbundenen Maßnahmen an bestehenden Verkehrsanlagen.145 Um notwendige Folgemaßnahmen handelt es sich auch bei Maßnahmen an Gewässern zur Aufrechterhaltung deren Abflusses und auch bei Maßnahmen an Deichen zur Aufrechterhaltung deren Funktionsfähigkeit. Um notwendige Folgemaßnahmen soll es sich schließlich bei Regelungen zur Lagerung des bei Baumaßnahmen anfallenden Bodenaushubs handeln.146 Erfordern bergbauliche Vorhaben, wie etwa große Flächen umfassende Tagebauvorhaben, dagegen über Anschluss- und Anpassungsmaßnahmen hinausgehende Verlegungsmaßnahmen von Straßen oder Gewässern, ist damit der Kompetenzbereich der Planfeststellungsbehörde überschritten und ist die sachlich und örtlich zuständige Behörde für die Entscheidung über das Folgevorhaben zuständig. Zudem entfallen aus der Zuständigkeit der Bergbehörde Maßnahmen, die zwar auf Anschluss- und Anpassung beschränkt und damit Folgemaßnahmen i.S.d. § 75 Abs. 1 VwVfG sind, aber selbst planfeststellungspflichtig sind; diese werden aufgrund der Ausnahmeregelung des § 57b Abs. 3 Satz 3 nicht von der obligatorischen Rahmenbetriebsplanzulassung konzentriert, dazu § 57b Rn. 64 ff. 42 Von der Konzentrationswirkung umfasst sind – wenn nicht spezialgesetzlich Ausnahmen geregelt sind – sämtliche für das Vorhaben einschließlich notwendiger Folgemaßnahmen erforderlichen öffentlich-rechtlichen Entscheidungen. Die Konzentrationswirkung umfasst gemäß § 75 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz VwVfG insbesondere öffentlich-rechtliche Genehmigungen, Verleihungen, Bewilligungen,147 Zustimmungen und Planfeststellungen aber auch sonstige Zulassungen. Dies gilt trotz bundesrechtlich normierter Planfeststellung – wie der im Bundesberggesetz normierten – auch für landesrechtliche Genehmigungsvorbehalte.148 Konzentriert werden etwa baurechtliche, immissionsschutzrechtliche, denkmalschutzrechtliche und forstrechtliche Entscheidungen. Konzentriert werden auch fachrechtlich zulässige und ggf. erforderliche Befreiungs- oder Ausnahmeentscheidungen, etwa naturschutzrechtliche Befreiungen oder Ausnahmen149 und auch ggf. erforderliche Zielabweichungen von Raumordnungsplänen.150 Dies gilt auch dann, wenn konzentrierte Entschei143 BVerwG 6.10.2010, 9 A 12/09, NVwZ 2011, 626 Rn. 20; BVerwG 13.7.2010, 9 B 103/09, NVwZ 2010, 1244 Rn. 4; BVerwG 12.2.1988, 4 C 54/84, NVwZ 1989, 153, 154; Gaentzsch DVBl 2012, 129, 130 f.; Stelkens/Bonk/Sachs/Neumann/Külpmann VwVfG, § 75 Rn. 9a; Kopp/Ramsauer/Wysk VwVfG, § 75 Rn. 10a; vgl. Bader/Ronellenfitsch/Kämper VwVfG, § 75 Rn. 3; Ziekow VwVfG, § 75 Rn. 5; Fehling/Kastner/Störmer/Wickel Verwaltungsrecht, § 75 VwVfG Rn. 14. 144 BVerwG 13.7.2010, 9 B 103/09, NVwZ 2010, 1244 Rn. 4; BVerwG 9.2.2005, 9 A 62/03, NVwZ 2005, 813, 814; BVerwG 12.2.1988, 4 C 54/84, NVwZ 1989, 153, 154; Stelkens/Bonk/Sachs/Neumann/Külpmann VwVfG, § 75 Rn. 9; Knack/Henneke/ Schink VwVfG, § 75 Rn. 14. 145 VGH Mannheim 1.6.1993, 5 S 59/93, juris Rn. 24; VG Düsseldorf 30.11.2010, 17 K 1926/09, NuR 2011, 376, 379. 146 VGH Mannheim 9.12.1994, 5 S 1648/94, NuR 1996, 297, 298; OVG Koblenz 5.4.2000, 8 C 11634/98, NVwZ 2001, 104. 147 Dies ist nicht die bergrechtliche Bewilligung i.S.d. § 8, da diese gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 Voraussetzung für eine Betriebsplanzulassung und daher von dem planfestzustellenden Vorhaben der Errichtung und Führung eines Betriebs zu unterscheiden ist. 148 BVerwG 14.4.1989, 4 C 31/88, BVerwGE 82, 17, 22. 149 BVerwG 18.6.1997, 4 C 3/95, NVwZ-RR 1998, 292, 295; OVG Koblenz 26.7.2011, 1 A 10473/07 = ZfB 2011, 204, 229; OVG Münster 25.11.2009, 11 A 474/07, UPR 2010, 114, 115; OVG Münster 8.6.2000, 20 A 3644/98 = ZfB 2001, 203, 206; VGH Kassel 28.6.2005, 12 A 8/05, NVwZ 2006, 230, 238; Stelkens/Bonk/Sachs/Neumann/Külpmann VwVfG, § 75 Rn. 10; Kopp/Ramsauer/ Wysk VwVfG, § 75 Rn. 13; Ziekow/Kirchberg Praxis des Fachplanungsrechts, Rn. 119. 150 VGH Kassel 28.6.2005, 12 A 8/05, NVwZ 2006, 230, 239 f.; VGH Kassel 13.4.2005, 4 Q 3637/04, NVwZ-RR 2005, 683, 684 f.; VGH Mannheim 8.7.2002, 5 S 2715/01, ZLW 2004, 160, 165; ebenso Giemulla ZLW 2004, 152, 156 für den Fall, dass die Zulassungsbehörde auch für die Entscheidung über die Zielabweichung zuständig ist, anders aber für Fälle, in Keienburg/Wiesendahl

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Zweites Kapitel – Anzeige, Betriebsplan

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dungen im Planfeststellungsbeschluss nicht ausdrücklich tenoriert sind; für ein planfestzustellendes Vorhaben erforderliche Zulassungen können mit einem Planfeststellungsbeschluss auch konkludent erteilt werden.151 Die Konzentrationswirkung befreit nicht nur im Außenverhältnis von Genehmigungs- und Zustimmungserfordernissen, sondern ersetzt auch verwaltungsinterne Zustimmungsvorbehalte,152 nicht aber Einvernehmenserfordernisse.153 Ausnahmen von der Konzentrationswirkung können sich aus dem jeweiligen die Planfeststel- 43 lung mit Konzentrationswirkung anordnenden Fachgesetz ergeben. Eine derartige Ausnahme ergibt sich zum einen in vertikaler Hinsicht aus dem in § 57a Abs. 5 1. Halbsatz klargestellten Erfordernis von Haupt-, Sonder- und Abschlussbetriebsplänen im Nachgang zur Planfeststellung; dazu Rn. 34 f. Eine weitere Ausnahme in horizontaler Hinsicht ergibt sich aus dem in § 57b Abs. 3 Satz 3 geregelten Ausschluss planfeststellungspflichtiger Folgemaßnahmen aus der Konzentrationswirkung; dazu § 57b Rn. 64. Ausnahmen können weiter in dem jeweiligen Fachgesetz der – grundsätzlich zu konzentrierenden – Entscheidung angeordnet werden. Eine wesentliche Ausnahme der Konzentrationswirkung gilt für wasserrechtlich erlaubnis- 44 oder bewilligungspflichtige Benutzungstatbestände i.S.d. § 9 WHG. Für diese regelt die vor § 75 Abs. 1 Satz 1 VwVfG vorrangige Spezialregelung des § 19 Abs. 1 WHG eine reine Zuständigkeits- und Verfahrenskonzentration.154 Die Zuständigkeit für eine Entscheidung über eine wasserrechtliche Erlaubnis oder Bewilligung im Zusammenhang mit einem planfeststellungspflichtigen Vorhaben wächst gemäß § 19 Abs. 1 WHG – in jedem Planfeststellungsverfahren – der Planfeststellungsbehörde an. Die Entscheidung über eine wasserrechtliche Erlaubnis oder Bewilligung wird auf Grundlage der für das Planfeststellungsverfahren maßgeblichen Verfahrensvorschriften und damit mit Öffentlichkeitsbeteiligung durch die Planfeststellungsbehörde getroffen. Es findet aber keine Entscheidungskonzentration im Planfeststellungsbeschluss statt. Wasserrechtliche Erlaubnisse oder Bewilligungen werden von der Planfeststellung nicht konzentriert. Wasserrechtliche Erlaubnisse oder Bewilligungen ergehen – auch wenn sie ggf. in demselben Beschluss wie die Planfeststellungsentscheidung tenoriert werden – als gesonderte Entscheidungen. Voraussetzung für die Berechtigung der Planfeststellungsbehörde zur Erteilung einer Erlaubnis oder Bewilligung ist gemäß § 19 Abs. 3 WHG das Einvernehmen der zuständigen Wasserbehörde. Damit bleibt trotz Verfahrens- und Zuständigkeitskonzentration gemäß § 19 Abs. 1 WHG die Entscheidungskompetenz der Wasserbehörde im Innenverhältnis gewahrt. Ein Einvernehmenserfordernis wird selbst im Fall einer formellen Konzentration nicht verdrängt. Ohne das Einvernehmen der Wasserbehörde kann die Planfeststellungsbehörde die wasserrechtliche Erlaubnis oder Bewilligung nicht erteilen. Die bergrechtliche Planfeststellung ist dagegen von dem wasserrechtlichen Einvernehmenserfordernis unberührt, da es sich bei der bergrechtlichen Planfeststellung um eine gedenen die Zulassungsentscheidung auf der einen und die Entscheidung über die Zielabweichung auf der anderen Seite von rechtlich verselbständigten Verwaltungseinheiten wahrgenommen werden. 151 BVerwG 18.6.1997, 4 C 3/95, NVwZ-RR 1998, 292, 295; OVG Münster 25.11.2009, 11 A 474/07, UPR 2010, 114, 115. 152 BVerwG 14.4.1989, 4 C 31/88, BVerwGE 82, 17, 22; Bader/Ronellenfitsch/Kämper VwVfG, § 75 Rn. 5; Ziekow/Kirchberg Praxis des Fachplanungsrechts, Rn. 120; a.A. aber zu weitgehend für den Fall von Mitwirkungsbefugnissen von Umweltbehörden im bergrechtlichen Planfeststellungsverfahren: Bohne ZfB 1989, 93, 111. 153 OVG Münster 30.9.2014, 8 A 460/13, DVBl 2015, 309. 154 BVerwG 18.3.2009, 9 A 39/07, BVerwGE 133, 239 Rn. 32; BVerwG 16.3.2006, 4 A 1075/04, BVerwGE 125, 116 Rn. 450; BVerwG 14.4.2005, 4 VR 1005/04, BVerwGE 123, 241, 242 f.; Paetow FS Sellner (2010), S. 520; Salzwedel in: Heggemann (Hrsg.) Bergrechtliche Zulassungsentscheidungen im Kontext mit Umweltverträglichkeitsprüfungen, S. 51; Knack/Henneke/Schink VwVfG, § 75 Rn. 24; Bader/Ronellenfitsch/Kämper VwVfG, § 75 Rn. 6a; Fehling/Kastner/Störmer/Wickel Verwaltungsrecht, § 75 VwVfG Rn. 21; Franke in: Burgi (Hrsg.) Planungssicherheit im Energiewirtschaftsrecht, S. 199; Niermann Betriebsplan und Planfeststellung im Bergrecht, S. 223; Jordan ZfB 2018, 102, 107 f.; Jordan/Welsing ZfB 2017, 231, 247; Maus NVwZ 2012, 1277; Ruttloff UPR 2012, 328, 332 ff.; Bohne ZfB 1989, 93, 96; teilweise a.A. Landmann/Rohmer/ Pape Umweltrecht, § 19 WHG Rn. 1 f.; Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp/Schenk WHG, § 19 Rn. 22 f.; Berendes/Frenz/Müggenborg WHG, § 19 Rn. 6 ff., die die Auffassung vertreten, dass § 19 Abs. 1 WHG nur eine Zuständigkeits- und keine Verfahrenskonzentration regele; a.A. auch Reinhardt in: v. Danwitz (Hrsg.) Bergbau und Umwelt, S. 76 f. und Reinhardt in: Frenz/Preuße (Hrsg.) Wasseranstieg im Steinkohlenbergbau, S. 85, der von einer formellen Konzentration einer wasserrechtlichen Erlaubnis und Bewilligung durch einen bergrechtlichen Planfeststellungsbeschluss ausgeht. 645

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Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

genüber der wasserrechtlichen Erlaubnis oder Bewilligung selbständige Entscheidung handelt. Von der Ausnahme der Entscheidungskonzentration gemäß § 19 Abs. 1 WHG sind allein wasserrechtlich erlaubnis- oder bewilligungspflichtige Benutzungstatbestände i.S.d. § 9 WHG erfasst. Der wasserrechtlich gemäß § 68 Abs. 1 WHG planfeststellungspflichtige Gewässerausbau – gemäß § 67 Abs. 2 Satz 1 WHG: Herstellung, Beseitigung und wesentliche Umgestaltung eines Gewässers oder seiner Ufer – unterfällt § 19 Abs. 1 WHG dagegen nicht; § 19 WHG ist auf erlaubnis- oder bewilligungspflichtige Gewässerbenutzungen in Abgrenzung zu einem planfeststellungspflichtigen Gewässerausbau beschränkt. Herstellung, Beseitigung und wesentliche Umgestaltung eines Gewässers unterliegen der Konzentrationswirkung aus § 75 Abs. 1 VwVfG. Beinhaltet ein bergrechtlich planfeststellungspflichtiges Vorhaben einen Gewässerausbau, wird die dafür erforderliche wasserrechtliche Planfeststellung von der bergrechtlichen Planfeststellung konzentriert. Der bergrechtlichen Planfeststellung kommt gemäß § 57b Abs. 3 Satz 1 Vorrangwirkung zu; dazu § 57b Rn. 59 f. Die Bergbehörde bedarf für die Konzentration der Planfeststellung eines Gewässerausbaus durch die bergrechtliche Planfeststellung mangels Anwendbarkeit des § 19 WHG keines Einvernehmens der zuständigen Wasserbehörde gemäß § 19 Abs. 3 WHG. Soweit Wassergesetze der Länder eine bergbehördliche Zuständigkeit für die Planfeststellung von Gewässern, die durch die Gewinnung von Bodenschätzen entstehen, regeln und für diesen Fall ein Einvernehmenserfordernis der Wasserbehörde normieren, handelt es sich um Sonderregelungen, die nur dann gelten, wenn die bergbehördliche Zuständigkeit nicht bereits aus der bergrechtlichen Planfeststellung mit Konzentrationswirkung resultiert. Weder bedarf es landesrechtlicher Zuständigkeitsregelungen zur Begründung der Zuständigkeit der Bergbehörde im Umfang der Konzentrationswirkung der bergrechtlichen Planfeststellung. Noch wird die aus der Konzentrationswirkung der bergrechtlichen Planfeststellung resultierende Zuständigkeit der Bergbehörde durch ein landesrechtlich normiertes Einvernehmenserfordernis eingeschränkt, das an eine Zuständigkeit der Bergbehörde außerhalb der bergrechtlichen Planfeststellung anknüpft. 45 Nicht aufgrund der Konzentrationswirkung aber aufgrund spezieller Regelungen verdrängt ist im bergrechtlichen Planfeststellungsverfahren das gemeindliche Einvernehmenserfordernis aus § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB. In Planfeststellungsverfahren für Vorhaben von überörtlicher Bedeutung ist das gemeindliche Einvernehmenserfordernis gemäß § 38 Satz 1 BauGB verdrängt, wenn die Gemeinde im Planfeststellungsverfahren beteiligt wird.155 Auch wenn es sich bei einem planfestzustellenden Vorhaben nicht um ein Vorhaben von überörtlicher Bedeutung handelt und damit § 38 BauGB nicht einschlägig ist, greift das gemeindliche Einvernehmenserfordernis aus § 36 Abs. 1 BauGB im bergrechtlichen Planfeststellungsverfahren aufgrund der Ausnahmeregelung des § 36 Abs. 1 Satz 2 2. Halbsatz BauGB nicht. Das gemeindliche Einvernehmenserfordernis gilt nicht bei Vorhaben, die der Bergaufsicht unterliegen.156 Bergbauliche Vorhaben bedürfen nie eines gemeindlichen Einvernehmens, da den Gemeinden kein Vetorecht gegenüber dem Bergbau zukommen soll.157 Das gilt allerdings nur für solche der Bergaufsicht unterliegende Vorhaben, über deren bauplanungsrechtliche Zulässigkeit im bergrechtlichen Betriebsplanzulassungsverfahren entschieden wird und nicht auch für

155 Zur Anwendbarkeit des § 38 BauGB auch auf das bergrechtliche Planfeststellungsverfahren: BVerwG 30.3.2017, 7 C 17/15 = ZfB 2017, 107 Rn. 35 ff.; BVerwG 16.3.2001, 4 NB 15/01, NVwZ-RR 2002, 8; ausdrücklich: OVG Berlin 10.3.2008, 11 N 59/05, juris Rn. 17; Nolte ZfB 2018, 77, 89 f.; Louis UPR 2017, 285, 286; Kühne DVBl 2007, 832, 834; Kühne in: Kühne/ Ehricke (Hrsg.) Entwicklungslinien des Bergrechts, S. 74 f.; Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger/Runkel BauGB, § 38 Rn. 159; Battis/Krautzberger/Löhr/Reidt BauGB, § 38 Rn. 14; Hoppe/Spoerr Bergrecht und Raumordnung, S. 121; Hoppe/ Spoerr UPR 1999, 246, 247 f.; Jaschinski LKV 1999, 295, 299; Gaentzsch NVwZ 1998, 889, 896; offen gelassen dagegen vom OVG Saarlouis 20.10.2011, 2 C 510/09 = ZfB 2013, 11, 34 f. und OVG Saarlouis 27.3.2001, 2 N 9/99 = ZfB 2002, 171, 175 sowie OVG Münster 27.10.2005, 11 A 1751/04 = ZfB 2006, 32, 54; verneint vom VG Saarlouis 10.10.2012, 5 K 391/10 = ZfB 2013, 81, 91. 156 BVerwG 15.7.1994, 4 B 102/94 = ZfB 1994, 215, 217; OVG Berlin 10.3.2008, 11 N 59/05, juris Rn. 17; VGH Kassel, 12.9.2000, 2 UE 924/99 = ZfB 2001, 40, 47; VG München 5.12.2012, 9 K 12/3036 = ZfB 2013, 150, 156; VG Karlsruhe 13.4.2011, 5 K 90/10, nicht veröffentlicht; VG Regensburg 29.4.2010, RO 2K 08/01349 = ZfB 2010, 279, 282. 157 Keienburg Die Öffentlichkeitsbeteiligung im Bergrecht, S. 149 f.; Strecker Die Rechtsposition der Gemeinden im bergrechtlichen Betriebsplanverfahren, S. 175 ff. Keienburg/Wiesendahl

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Vorhaben, die zwar einer Betriebsplanzulassung aber zusätzlich einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung bedürfen, in deren Rahmen über das Bauplanungsrecht zu entscheiden ist.158

6. Möglichkeit eines Entscheidungsvorbehalts (§ 74 Absatz 3 VwVfG) Gemäß § 74 Abs. 3 VwVfG kann eine abschließende Entscheidung im Planfeststellungsbeschluss 46 vorbehalten werden, sofern sie im Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses noch nicht möglich ist. Die Möglichkeit eines Entscheidungsvorbehalts besteht auch im bergrechtlichen Planfeststellungsverfahren. Dies belegt bereits Absatz 5 2. Halbsatz mit der dort geregelten bergrechtspezifischen Möglichkeit eines Entscheidungsvorbehalts hinsichtlich Entscheidungen i.S.d. § 48 Abs. 2 Satz 2 zum Schutz von Rechten Dritter;159 dazu Rn. 38. Auch die sonstigen im Nachgang zur obligatorischen Rahmenbetriebsplanzulassung erforderlichen Haupt- und Sonderbetriebsplanzulassungen dienen letztlich der Ausfüllung eines der Rahmenbetriebsplanzulassung von ihrer Art her inzidenten Entscheidungsvorbehalts, ohne dass dieser einer ausdrücklichen Tenorierung im Planfeststellungsbeschluss bedürfte.160 In Abgrenzung zu den in Haupt- und Sonderbetriebsplänen zu konkretisierenden bergrechtlichen Details können mittels des Entscheidungsvorbehalts gemäß § 74 Abs. 3 VwVfG konzentrierte außerbergrechtliche Aspekte erfasst werden. Dazu verhält sich speziell, aber nicht abschließend § 57b Abs. 2 Nr. 2, der für den Fall der Konzentration eines Vorbescheids oder einer Teilgenehmigung durch die Planfeststellung für die dann noch ausstehende abschließende Genehmigung einen Vorbehalt erfordert. Voraussetzung für einen Entscheidungsvorbehalt ist, dass die grundsätzliche Frage des „Ob“ 47 des Vorhabens entscheidungsreif ist und mit dem Planfeststellungsbeschluss entschieden wird. Vorbehalten werden können nur Einzelaspekte des „Wie“ des Vorhabens,161 von denen bei vernünftiger Betrachtungsweise erwartet werden kann, dass sie bewältigt werden können.162 Die Grenze der Zulässigkeit eines Entscheidungsvorbehalts ist erreicht, wenn die Machbarkeit eines Vorhabens mit der Planfeststellung noch nicht abschließend geklärt werden kann und für die grundsätzliche Zulassungsfähigkeit des Vorhabens bedeutsame Fragen in spätere Entscheidungen verlagert werden sollen.163 Einem Entscheidungsvorbehalt zugänglich sind dagegen etwa Fragen des naturschutzrechtlichen Ausgleichs, die ggf. erst nach Planfeststellung im Detail festgelegt wer-

158 BVerwG 28.9.2016, 7 C 18/15 = ZfB 2017, 33 Rn. 25 ff.; ebenso zuvor OVG Münster 20.5.2015, 8 A 2662/11 = ZfB 2015, 99, 107 ff. 159 Als Sonderausprägung des Entscheidungsvorbehalts versteht wohl auch das BVerwG § 57a Abs. 5 2. Halbsatz: BVerwG 15.12.2006, 7 C 6/06, BVerwGE 127, 272 Rn. 30 = ZfB 2006, 315, 319 f.; so ausdrücklich: Kühne DVBl 2006, 662, 668; Kühne in: Kühne/Ehricke (Hrsg.) Öffentlichkeitsbeteiligung und Eigentumsschutz im Bergrecht, S. 53; dazu, dass der Entscheidungsvorbehalt gemäß § 57a Abs. 5 2. Halbsatz ebenso wie der Entscheidungsvorbehalt gemäß § 74 Abs. 3 VwVfG ausdrücklich tenoriert werden muss: OVG Berlin 17.8.2010, 11 N 10/08 = ZfB 2011, 20, 23 f. 160 Ebenso vergleicht auch der VGH Kassel 20.2.2014, 2 B 277/14 = ZfB 2014, 137 Rn. 14, die Verlagerung von Regelungen über die Ausgestaltung von Waldrändern aus dem Rahmenbetriebsplanverfahren in das Hauptbetriebsplanverfahren mit § 74 Abs. 3 HVwVfG. 161 Stelkens/Bonk/Sachs/Neumann/Külpmann VwVfG, § 74 Rn. 200; Kopp/Ramsauer/Wysk VwVfG, § 74 Rn. 180; Knack/ Henneke/Schink VwVfG, § 74 Rn. 25; Ziekow VwVfG, § 74 Rn. 57; für eine weitergehende Möglichkeit des Entscheidungsvorbehalts des bergrechtlichen Planfeststellungsbeschlusses aufgrund Abwesenheit planerischer Gestaltungsfreiheit und damit Abwesenheit des Verbots eines Konflikttransfers: Gaentzsch FS Sendler (1991), S. 423 und Kühne DVBl 2006, 662, 667. 162 BVerwG 12.12.1996, 4 C 29/94, BVerwGE 102, 331, 346; BVerwG 26.11.1991, 7 C 16/89 = ZfB 1992, 128, 130. 163 Dies wurde vom OVG Bautzen im Urteil vom 26.9.2008, 4 B 773/06, SächsVBl 2009, 61, 64 für die von einer bergrechtlichen Rahmenbetriebsplanzulassung zur Gewinnung konzentrierte wasserrechtliche Planfeststellung der Herstellung eines Gewässers in einem Tagebaurestloch nach Abschluss der Gewinnung bejaht, da die Herstellung des Gewässers und die dadurch ausgelösten Betroffenheiten im Zeitpunkt der bergrechtlichen Planfeststellung des Gewinnungsvorhabens noch nicht ausreichend geprüft werden konnten; aufgehoben wurde vom OVG Bautzen nur die konzentrierte wasserrechtliche Planfeststellung, nicht die gesamte Planfeststellung. 647

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den können.164 Über eine gemäß § 74 Abs. 3 VwVfG vorbehaltene Entscheidung wird – in Abgrenzung zu den die bergrechtlichen Aspekte konkretisierenden Haupt- und Sonderbetriebsplanzulassungen – durch Planergänzung entschieden, die als selbständiger Verwaltungsakt ergeht und mit dem Planfeststellungsbeschluss zu einer Einheit verschmilzt.165 48 Die Möglichkeit eines Entscheidungsvorbehalts beinhaltet keine Rechtsgrundlage für Auflagenvorbehalte i.S.d. § 36 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG.166 Dies gilt im Planfeststellungsrecht allgemein und im bergrechtlichen Planfeststellungsverfahren zudem, weil es sich bei der bergrechtlichen Planfeststellung nicht um eine Ermessensentscheidung i.S.d. § 36 Abs. 2 VwVfG handelt, sondern um eine gebundene Entscheidung. Ein Entscheidungsvorbehalt kann nur dann formuliert werden, wenn bereits im Zeitpunkt der Planfeststellung das Erfordernis einer weiteren Entscheidung feststeht, diese aber vorbehalten werden kann. Noch nicht konkret absehbare aber für theoretisch möglich gehaltene Entwicklungen können dagegen weder Gegenstand eines Entscheidungsvorbehalts sein noch auf Grundlage des § 74 Abs. 3 VwVfG zum Anlass eines Auflagenvorbehalts gemacht werden.

7. Gestaltungs-, Duldungs- und Ausgleichswirkung (Absatz 4) 49 Einem Planfeststellungsbeschluss kommt gemäß § 75 Abs. 1 Satz 2 VwVfG grundsätzlich Gestaltungswirkung zu. Durch die Planfeststellung werden alle öffentlich-rechtlichen Beziehungen zwischen dem Vorhabenträger und den durch den Plan Betroffenen rechtsgestaltend geregelt.167 Ein Planfeststellungsbeschluss ist ab Erteilung, nicht erst mit Bestandskraft, ausreichende Grundlage für die Verwirklichung eines Vorhabens; gleichzeitig ist ein Planfeststellungsbeschluss bei Ausnutzung für den Vorhabenträger dergestalt verpflichtend, dass er gemäß § 74 Abs. 2 Satz 2 und 3 VwVfG festgelegte Schutzvorkehrungen und Entschädigungsansprüche Dritter beachten muss. Gemäß § 75 Abs. 2 Satz 1 VwVfG kommt einem Planfeststellungsbeschluss Duldungswirkung zu. Danach sind als Folge der Gestaltungswirkung mit Bestandskraft eines Planfeststellungsbeschlusses sowohl öffentlich-rechtliche als auch privatrechtliche Unterlassungs-, Beseitigungs- oder Änderungsansprüche ausgeschlossen.168 Eine Ausnahme von der Duldungswirkung regelt § 75 Abs. 2 Satz 2 bis 4 VwVfG für den Fall nach Bestandskraft eines Planfeststellungsbeschlusses auftretender nachteiliger Wirkungen auf Rechte Dritter. Erst nach Bestandskraft auftretende bzw. erkennbare nachteilige Auswirkungen auf Rechte Dritter begründen Ansprüche der Betroffenen auf Schutzvorkehrungen, oder, wenn Schutzvorkehrungen untunlich oder mit dem Vorhaben unvereinbar sind, auf eine angemessene Entschädigung in Geld.169 Die Ausgleichswirkung des § 75 Abs. 2 Satz 2 bis 4 VwVfG für den Zeitraum nach Bestandskraft eines Planfeststellungsbeschlusses korrespondiert mit der Ausgleichswirkung aus § 74 Abs. 2 Satz 2 und 3 VwVfG. 50 Gestaltungs- und Ausgleichswirkung des bergrechtlichen Planfeststellungsbeschlusses sind durch § 57a Abs. 4 Satz 2 1. Halbsatz eingeschränkt.170 Das Verhältnis zwischen Unternehmer und Betroffenen und der Schutz von Belangen Dritter bestimmen sich nach den dafür geltenden Vorschrif164 BVerwG 22.5.1996, 4 B 30/95, NVwZ-RR 1997, 217, 218; BVerwG 30.8.1994, 4 B 105/94, NVwZ-RR 1995, 322 f.; OVG Lüneburg 1.6.2001, 7 MB 1546/01, NuR 2002, 369, 370. 165 Neumann in: Kühne/Ehricke (Hrsg.) Entwicklungslinien des Bergrechts, S. 45; Stelkens/Bonk/Sachs/Neumann/Külpmann VwVfG, § 74 Rn. 203; Knack/Henneke/Schink VwVfG, § 74 Rn. 28. 166 BVerwG 22.11.2000, 11 C 2/00, BVerwGE 112, 221, 225; Bader/Ronellenfitsch/Kämper VwVfG, § 74 Rn. 120. 167 BVerwG 17.12.1993, 4 B 200/93, NVwZ 1994, 682; Stelkens/Bonk/Sachs/Neumann/Külpmann VwVfG, § 75 Rn. 20 ff.; Kopp/Ramsauer/Wysk VwVfG, § 75 Rn. 17; Knack/Henneke/Schink VwVfG, § 75 Rn. 28; Bader/Ronellenfitsch/Kämper VwVfG, § 75 Rn. 8; Ziekow VwVfG, § 75 Rn. 9; Ziekow/Fischer Praxis des Fachplanungsrechts, Rn. 435 ff. 168 BVerwG 17.12.1993, 4 B 200/93, NVwZ 1994, 682; Stelkens/Bonk/Sachs/Neumann/Külpmann VwVfG, § 75 Rn. 61 f.; Kopp/Ramsauer/Wysk VwVfG, § 75 Rn. 17; Knack/Henneke/Schink § 75 Rn. 55; Bader/Ronellenfitsch/Kämper VwVfG, § 75 Rn. 11; Ziekow VwVfG, § 75 Rn. 12; Ziekow/Fischer Praxis des Fachplanungsrechts, Rn. 440. 169 Stelkens/Bonk/Sachs/Neumann/Külpmann VwVfG, § 75 Rn. 63 ff.; Kopp/Ramsauer/Wysk VwVfG, § 75 Rn. 40 ff. 170 OVG Münster 27.10.2005, 11 A 1751/04 = ZfB 2006, 32, 60 unter Bezugnahme auf Gaentzsch FS Sendler (1991), S. 416; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 57a Rn. 41; Frenz/Beckmann BBergG, § 57a Rn. 91. Keienburg/Wiesendahl

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ten des BBergG, die dem allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht ausweislich der amtlichen Begründung vorgehen.171 Dies gilt insbesondere für die in der amtlichen Begründung ausdrücklich angesprochenen, vorrangigen Regelungen über die Grundabtretung in §§ 77 ff., über Baubeschränkungen in §§ 107 ff., über Anpassung und Sicherung in §§ 110 ff., über Bergschäden in §§ 114 ff. und über das Verhältnis zwischen dem Bergbau und Verkehrsträgern in § 124 sowie über Oberflächenmessungen in § 125.172 Duldungspflichten bestehen gegenüber bergbaulichen Gewinnungsbetrieben und den zugehörigen Einrichtungen i.S.d. § 2 Abs. 1 grundsätzlich.173 Die Duldungspflicht eines Planfeststellungsbeschlusses steht dem nicht entgegen; vielmehr bestätigt ein bergrechtlicher Planfeststellungsbeschluss mit der ihm zukommenden Duldungswirkung die Duldungspflicht.174 Allein für planfeststellungsfähige bergbauliche Betriebe, die keine Gewinnungstätigkeit beinhalten und für die die besonderen bergrechtlichen Duldungs- und Ausgleichspflichten, insbesondere der verschuldensunabhängige Bergschadenersatzanspruch, nicht vollumfänglich gelten, also für die Tätigkeiten i.S.d. § 126, kommt jedenfalls der Ausgleichswirkung der Planfeststellung originäre Bedeutung zu. Eine Duldungswirkung dürfte für Untergrundspeicher regelmäßig auch ohne bergrechtliche Planfeststellung bereits daraus resultieren, dass sie der Aufrechterhaltung der sicheren Energieversorgung dienen;175 für Endlager für radioaktive Abfälle dürfte eine Duldungswirkung aus der mit ihnen wahrgenommenen öffentlichen Entsorgungsaufgabe resultieren.

8. Keine enteignende Vorwirkung Planfeststellungsbeschlüssen – und inzwischen auf Grundlage spezialgesetzlicher Regelungen176 51 sowie des PlVereinhG177 auch Plangenehmigungen – kann enteignende Vorwirkung zukommen. Bereits im Planfeststellungsbeschluss wird in diesem Fall verbindlich über die Rechtmäßigkeit erforderlicher Enteignungen auf Grundlage der verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art. 14 Abs. 3 GG entschieden. Diese Entscheidung entfaltet Bindungswirkung und damit Vorwirkung für die anschließenden Enteignungsverfahren, in denen nicht mehr über das „Ob“ der Enteignung, sondern nur noch über die Modalitäten der Eigentumsentziehung zu entscheiden ist.178 Voraussetzung einer enteignenden Vorwirkung eines Planfeststellungsbeschlusses ist eine diesbezügliche ausdrückliche gesetzliche Anordnung.179 Ohne gesetzliche Anordnung einer enteignenden Vorwirkung kommt Planfeststellungsbeschlüssen keine derartige Wirkung zu. Mangels gesetzlicher Anordnung kommt daher weder der herkömmlichen bergrechtlichen Be-

171 172 173 174

BT-Drs. 11/4015, S. 12. OVG Münster 27.10.2005, 11 A 1751/04 = ZfB 2006, 32, 60 unter Bezugnahme auf Gaentzsch FS Sendler (1991), S. 416. BGH 19.9.2008, V ZR 28/08, BGHZ 178, 90 Rn. 12; BGH 16.2.1970, III ZR 136/68, BGHZ 53, 226, 233. Zur Duldungswirkung der bergrechtlichen Planfeststellung: Stiens Der bergrechtliche Betriebsplan, S. 153; Gaentzsch FS Sendler (1991), S. 416. 175 Dazu BGH 21.12.1989, III ZR 26/88, BGHZ 110, 17, 23 = ZfB 1990, 235, 237. 176 Vgl. § 22 Abs. 2 AEG, § 19 Abs. 2 FStrG, § 28 Abs. 2 LuftVG, § 7 Abs. 2 MBPlG, § 45 Abs. 2 Satz 1 EnWG. Ob diesen Normen praktische Relevanz zukommt, ist zu bezweifeln. Schließlich ist Voraussetzung einer Plangenehmigung in vorgenannten Verfahren, dass Rechte Dritter nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt werden oder diese der Beeinträchtigung zustimmen. Im Falle einer Zustimmung wird eine Enteignung kaum erforderlich sein; anderenfalls, wenn eine Enteignung erforderlich ist, wird kaum von einer nur unwesentlichen Rechtsbeeinträchtigung Dritter gesprochen werden können. 177 Stelkens/Bonk/Sachs/Neumann/Külpmann VwVfG, § 75 Rn. 27. 178 BVerwG 29.9.2008, 7 B 20/08 = ZfB 2009, 43 Rn. 15. 179 BVerfG 17.12.2013, 1 BvR 3139/08 u. 3386/08, BVerfGE 134, 242 Rn. 272 = ZfB 2014, 47 Rn. 273; BVerwG 29.9.2008, 7 B 20/08 = ZfB 2009, 43 Rn. 16; BGH 24.10.2003, V ZR 424/02, NVwZ 2004, 377, 379; Stelkens/Bonk/Sachs/Neumann/Külpmann VwVfG, § 75 Rn. 27; Kopp/Ramsauer/Wysk VwVfG, § 75 Rn. 20; Bader/Ronellenfitsch/Kämper VwVfG, § 75 Rn. 18; Ziekow VwVfG, § 75 Rn. 14; Fehling/Kastner/Störmer/Wickel Verwaltungsrecht, § 75 VwVfG Rn. 35; Gaentzsch FS Sendler (1991), S. 406; a.A. allein Knack/Henneke/Schink VwVfG, § 75 Rn. 28. 649

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triebsplanzulassung,180 noch der obligatorischen Rahmenbetriebsplanzulassung181 eine enteignende Vorwirkung zu.182 52 Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn die Planfeststellung eine Entscheidung mit enteignender Vorwirkung konzentriert. Wasserrechtlichen Planfeststellungsbeschlüssen und Plangenehmigungen, die für bergbauliche Vorhaben sowohl im Fall mariner Gewinnungen als auch für Maßnahmen der Wiedernutzbarmachung erforderlich sein können, kann gemäß § 71 WHG enteignende Vorwirkung zukommen. Voraussetzung dafür ist gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 WHG, dass der Gewässerausbau dem Wohl der Allgemeinheit dient und die enteignende Vorwirkung von der Behörde im Planfeststellungsbeschluss besonders angeordnet, d.h. tenoriert wird. Darüber hinausgehend können die Länder in ihren Landeswassergesetzen eine enteignende Vorwirkung als automatische Folge einer Planfeststellung zum Wohl der Allgemeinheit regeln. Eine enteignende Vorwirkung kommt grundsätzlich auch im Fall privater wasserwirtschaftlicher Vorhaben in Betracht. Auch privatnützige Vorhaben können dem Wohl der Allgemeinheit dienen, wenn sie gleichzeitig öffentlichen Interessen dienen.183 Bergbauliche Vorhaben, die der Rohstoffsicherung dienen, können zwar öffentlichen Interessen dienen, weshalb §§ 77 ff. die Grundabtretung ermöglichen. Dennoch hat der Gesetzgeber für bergbauliche Vorhaben keine enteignende Vorwirkung angeordnet. Dies kann über die Konzentrierung einer wasserrechtlichen Planfeststellung nicht überregelt werden. Bergbaulichen Vorhaben kommt nicht deshalb eine zusätzliche Bedeutung mit der Folge einer enteignenden Vorwirkung zu, weil sie zusätzlich zur bergrechtlichen Zulassung eine wasserrechtliche Planfeststellung erfordern. Damit würde den Grundsätzen des primär einschlägigen Bergrechts widersprochen. Deshalb kann für eine Gewinnung, die gleichzeitig eine wasserrechtliche Planfeststellung erfordert und konzentriert, keine enteignende Vorwirkung auf Grundlage des Wasserrechts ausgesprochen werden. Anderes kann für wasserrechtlich relevante bergbauliche Maßnahmen der Wiedernutzbarmachung gelten.184 Wasserrechtliche Renaturierungsmaßnahmen können, auch wenn sie mittelbar privatwirtschaftlichen Vorhaben dienen, im öffentlichen Interesse liegen.185 Gleiches gilt für die bergrechtliche Wiedernutzbarmachung.

9. Keine Planrechtfertigung 53 Mit dem Rechtsinstrument der Planfeststellung ist der Begriff der Planrechtfertigung eng verbunden. Planfeststellungen erfordern typischerweise eine Rechtfertigung; sie müssen vernünftigerweise geboten sein.186 Dieses Erfordernis wird oftmals mit der enteignenden Vorwirkung von

180 BVerfG 17.12.2013, 1 BvR 3139/08 u. 3386/08, BVerfGE 134, 242 Rn. 150 u. 218 = ZfB 2014, 47 Rn. 151 u. 219; BVerwG 26.4.2010, 7 C 19/09 = ZfB 2010, 135, 140 Rn. 24; BVerwG 20.10.2008, 7 B 21/08 = ZfB 2008, 249 Rn. 12; BVerwG 29.9.2008, 7 B 20/08 = ZfB 2009, 43 Rn. 14 u. 16. 181 OVG Koblenz 5.10.2010, 1 A 10689/09 = ZfB 2011, 119, 126; OVG Bautzen 26.9.2008, 4 B 773/06, SächsVBl 2009, 61, 65; VG Karlsruhe 13.4.2011, 5 K 90/10, nicht veröffentlicht; Dammert in: Degenhart/Dammert/Heggemann (Hrsg.) Bergrecht in der Entwicklung, S. 86; Gaentzsch FS Sendler (1991), S. 412. 182 Vgl. aber OVG Bautzen 26.9.2008, 4 B 773/06, SächsVBl 2009, 61, 63 ff. zur fortgeltenden enteignungsrechtlichen Vorwirkung einer von einem bergrechtlichen Planfeststellungsbeschluss konzentrierten wasserrechtlichen Planfeststellung. 183 BT-Drs. 16/12275 S. 73. 184 Vgl. OVG Bautzen 29.9.2008, 4 B 773/06, SächsVBl 2009, 61, 64. 185 VGH Mannheim 7.8.1989, 5 S 999/89, ZfW 1990, 430, 431 mit ablehnender Anmerkung von Viertel, ZfW 1990, 432 ff.; anders zuvor VG Sigmaringen 21.3.1989, 5 K 324/89, ZfW 1990, 428, 429. 186 BVerwG 9.11.2006, 4 A 2001/06, BVerwGE 127, 95 Rn. 33 ff.; BVerwG 16.3.2006, 4 A 1075/04, BVerwGE 125 116 Rn. 182; BVerwG 24.11.1989, 4 C 41/88, BVerwGE 84, 123, 130; BVerwG 5.12.1986, 4 C 13/85, BVerwGE 75, 214, 232 f.; BVerwG 22.3.1985, 4 C 15/83, BVerwGE 71, 166, 168; BVerwG 7.7.1978, 4 C 79/76, BVerwGE 56, 110, 118 f.; BVerwG 14.2.1975, IV C 21/74, BVerwGE 48, 56, 60. Keienburg/Wiesendahl

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Planfeststellungsbeschlüssen begründet und daher von Teilen der Rechtsprechung und der Literatur nur bei Planfeststellungsbeschlüssen mit enteignender Vorwirkung für einschlägig erachtet.187 Das BVerwG vertritt dagegen die Auffassung, dass die Planrechtfertigung nicht nur dann zu prüfen ist, wenn einem Planfeststellungsbeschluss enteignende Vorwirkung zukommt, sondern die Planrechtfertigung ein Erfordernis jeder Fachplanung, die mit Eingriffen in Rechte Dritter einhergeht, ist.188 Im Fall fachplanerischer Vorhaben – sowohl der öffentlichen Hand als auch eines Privaten189 – hat die Behörde im Planfeststellungsverfahren eine Planungsentscheidung zu treffen, die einen Spielraum an Gestaltungsfreiheit einschließt und daher – so das BVerwG – die Prüfung der Erforderlichkeit des Vorhabens voraussetzt.190 Die Planrechtfertigung ist damit an die Fachplanung geknüpft. Ein derartiges fachplanerisches Element wohnt der bergrechtlichen Planfeststellung nicht inne. Der Planfeststellungsbehörde kommt im bergrechtlichen Planfeststellungsverfahren kein planerischer Gestaltungsspielraum zu; bei der Entscheidungsfindung handelt es sich, wie bei Rn. 30 dargelegt, vielmehr um eine gebundene Kontrollerlaubnis. Es besteht daher kein Raum für die behördliche Prüfung einer Planrechtfertigung.191 Zu beachten ist allerdings, dass das aus dem Grundsatz der Planrechtfertigung stammende 54 Erfordernis eines vernünftigerweise geboten Seins auch Kriterium der Erforderlichkeit eines Vorhabens, für welches Enteignungen – im bergbaulichen Bereich Grundabtretungen – zugelassen werden, ist. Ein Vorhaben, für welches Enteignungen zulässig sind, muss gespiegelt an den eine Enteignung rechtfertigenden Gemeinwohlzwecken erforderlich sein. Das setzt nicht voraus, dass das Vorhaben unausweichlich ist und Gemeinwohlzwecke nur durch ein bestimmtes Vorhaben erreicht werden können. Vielmehr ist zur Bejahung der Erforderlichkeit im enteignungsrechtlichen Sinne notwendig aber auch ausreichend, dass ein Vorhaben gespiegelt an den Gemeinwohlzwecken vernünftigerweise geboten ist,192 d.h. das konkrete Vorhaben in der Lage ist, einen substantiellen Beitrag zur Erreichung des Gemeinwohlziels zu leisten.193 Dieses Kriterium ist auf Grundlage der Garzweiler-Entscheidungen des BVerwG und des BVerfG bei großräumigen Vorhaben mit zeitlicher Streckung bereits im Betriebsplanzulassungsverfahren und nicht erst im Grundabtretungsverfahren zu prüfen. Das Kriterium des vernünftigerweise geboten Seins findet in Fällen i.S.d. Garzweiler-Entscheidung unabhängig von dem Erfordernis einer Planrechtfertigung Eingang in das Betriebsplanverfahren, unabhängig davon, ob, wie im Fall Garzweiler, ein fakultativer Rahmenbetriebsplan oder ein obligatorischer Rahmenbetriebsplan zur Zulassung steht. Der Prüfschritt resultiert allein aus den enteignungsrechtlichen Anforderungen und impliziert weder ein generelles Erfordernis einer Planrechtfertigung noch eine planerische Abwägungsentscheidung der Bergbehörde; dazu bereits unter Rn. 30.

IV. Erlass des Planfeststellungsbeschlusses (§ 74 Absatz 4 und 5 VwVfG) Der Planfeststellungsbeschluss wird gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 VwVfG mit seiner Bekanntgabe wirk- 55 sam. Zum Zweck der Bekanntgabe regelt § 74 Abs. 4 Satz 1 VwVfG, dass der – gemäß § 74 Abs. 1 Satz 2

187 OVG Lüneburg 8.3.2006, 7 KS 128/02, DVBl 2006, 1044, 1047; Ziekow VwVfG, § 74 Rn. 14; a.A. Stelkens/Bonk/Sachs/ Neumann/Külpmann VwVfG, § 74 Rn. 34; Fehling/Kastner/Störmer/Wickel Verwaltungsrecht, § 74 VwVfG Rn. 167. BVerwG 9.11.2006, 4 A 2001/06, BVerwGE 127, 95 Rn. 33. BVerwG 26.4.2007, 4 C 12/05, BVerwGE 128, 358 Rn. 45. BVerwG 24.4.2007, 4 C 12/05, BVerwGE 128, 358 Rn. 47. BT-Drs. 11/4015, S. 12; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 52 Rn. 42; Frenz/Beckmann BBergG, § 57a Rn. 88; Stiens Der bergrechtliche Betriebsplan, S. 159 ff.; Niermann Betriebsplan und Planfeststellung im Bergrecht, S. 98. 192 BVerfG 17.12.2013, 1 BvR 3139/08 u. 3386/08, BVerfGE 134, 242 Rn. 184 = ZfB 2014, 49 Rn. 185 f.; ebenso zuvor BVerwG 20.10.2008, 7 B 21/08 = ZfB 2008, 249 Rn. 32. 193 BVerfG 17.12.2013, 1 BvR 3139/08 u. 3386/08, BVerfGE 134, 242 Rn. 184 = ZfB 2014, 49 Rn. 185.

188 189 190 191

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i.V.m. § 69 Abs. 2 Satz 1 VwVfG zwingend schriftlich zu erlassende – Planfeststellungsbeschluss dem Vorhabenträger, denjenigen, über deren Einwendungen entschieden worden ist und den Vereinigungen, über deren Stellungnahmen entschieden worden ist, zuzustellen ist. Eine zusätzliche Zustellung auch an die bekannten Betroffenen, unabhängig davon, ob diese Einwendungen erhoben haben, über die entschieden wurde, ist auf Grundlage des § 74 Abs. 4 Satz 1 VwVfG in Gestalt des PlVereinhG nicht mehr erforderlich.194 Die Zustellung richtet sich nach dem VwZG der Länder. Mit der Individualzustellung des Planfeststellungsbeschlusses an den Vorhabenträger, diejenigen, über deren Einwendungen entschieden ist und die Vereinigungen, über deren Stellungnahmen entschieden ist, beginnt unter der Voraussetzung einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung der Lauf der einmonatigen Klagefrist gemäß §§ 74 Abs. 1 Satz 2, 70 VwVfG i.V.m. §§ 68 Abs. 1 Satz 2, 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO. Zudem ist der Beschluss gemäß § 74 Abs. 4 Satz 2 1. Halbsatz VwVfG mit Rechtsbehelfsbelehrung für zwei Wochen in den Gemeinden, bei denen auch die Auslegung der Planunterlagen im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung erfolgte, zur öffentlichen Einsichtnahme auszulegen; Ort und Zeit der Auslegung sind gemäß § 74 Abs. 4 Satz 2 2. Halbsatz VwVfG ortsüblich bekannt zu machen, was auf Grundlage des § 27a Abs. 1 Satz 1 VwVfG zugleich eine Veröffentlichung der Bekanntmachung im Internet erfordert. Auf Grundlage des § 3 Abs. 1 PlanSiG, dazu schon unter Rn. 27, kann die Auslegung aktuell durch eine Veröffentlichung im Internet ersetzt werden. Durch die Bekanntmachung wird sichergestellt, dass der Planfeststellungsbeschluss auch den Betroffenen, die keine Einwendungen erhoben haben, über die entschieden wurde und die daher nicht individuell benachrichtigt werden, gemäß § 41 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 VwVfG bekannt gegeben und auch diesen gegenüber der Lauf der Klagefrist in Gang gesetzt wird. Mit dem Ende der Auslegung gilt gemäß § 74 Abs. 4 Satz 3 1. Halbsatz VwVfG der Beschluss auch den übrigen, nicht individuell adressierten Betroffenen gegenüber als zugestellt, so dass gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 VwVfG i.V.m. § 187 Abs. 1 BGB diesen gegenüber am Tag nach dem Ende der Auslegung der Lauf der einmonatigen Klagefrist beginnt.195 Voraussetzung dieser Zustellungsfiktion ist, dass die Bekanntmachung ordnungsgemäß erfolgt und in der Bekanntmachung gemäß § 74 Abs. 4 Satz 3 2. Halbsatz VwVfG auf die Zustellfiktion hingewiesen wird. Ist die Bekanntmachung nicht ordnungsgemäß, wird der Planfeststellungsbeschluss demjenigen gegenüber, dem keine ordnungsgemäße Bekanntmachung erfolgt, nicht wirksam, da Voraussetzung der Wirksamkeit gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 VwVfG die Bekanntgabe ist. Ohne wirksame Bekanntgabe beginnt der Lauf der Klagefrist aus § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO nicht. Ist allein die Rechtsbehelfsbelehrung unzutreffend, läuft nicht die einmonatige Klagefrist aus § 74 Abs. 2 Satz 2 VwGO, sondern gemäß § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO eine einjährige Klagefrist. 56 Auf Grundlage des § 27 Abs. 1 Satz 1 UVPG erfordert der Planfeststellungsbeschluss zudem eine öffentliche Bekanntmachung, die aber die in § 74 Abs. 4 S. 1 VwVfG geregelte individuelle Zustellung an den Vorhabenträger und Einwender sowie Vereinigungen nicht ersetzt.196 Die Individualzustellung an Einwender und Vereinigungen, über deren Einwendungen bzw. Stellungnahmen entschieden worden ist – nicht auch die Individualzustellung an den Vorhabenträger, dem gegenüber eine Individualzustellung erfolgen muss – kann gemäß § 74 Abs. 5 Satz 1 VwVfG nur dann, wenn mehr als 50 Zustellungen197 vorzunehmen sind, durch öffentliche Bekanntmachung ersetzt werden.198 Zu diesem Zweck macht die Planfeststellungsbehörde gemäß § 74 Abs. 5 Satz 2

194 Dies dient ausweislich der Gesetzesbegründung der Reduzierung des Verwaltungsaufwands, BT-Drs. 17/9666, S. 19. 195 Die Zustellfiktion des § 74 Abs. 4 Satz 3 VwVfG wirkt nur gegenüber denjenigen, denen gegenüber keine Individualzustellung erfolgen muss; für diejenigen, denen gegenüber eine Individualzustellung erfolgen muss, kommt es dagegen für den Beginn des Laufs der Klagefrist allein auf die Individualzustellung an: Kopp/Ramsauer/Wysk VwVfG, § 74 Rn. 194. 196 Hoppe/Beckmann/Kment UVPG, § 27 Rn. 5. 197 § 141 Abs. 5 Satz 1 LVwG S-H lässt eine öffentliche Bekanntmachung nur dann zu, wenn mehr als 300 Individualzustellungen vorzunehmen wären. 198 Zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit: BVerfG 28.11.1984, 1 BvR 1113/83, NJW 1985, 729; BVerwG 27.5.1983, 4 C 45/ 81, BVerwGE 67, 206, 209 ff. Keienburg/Wiesendahl

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VwVfG den verfügenden Teil des Planfeststellungsbeschlusses,199 die Rechtsbehelfsbelehrung und einen Hinweis auf die Auslegung gemäß § 74 Abs. 4 Satz 2 öffentlich bekannt. Diesen gegenüber einer ortsüblichen Bekanntmachung, die sich auf die Bekanntmachung von Ort und Zeit der Auslegung beschränken kann, erweiterten Inhalten der öffentlichen Bekanntmachung kommt eine Anstoßfunktion zu, die mit dem Ablauf der Auslegungsfrist die Zustellungsfiktion auslöst und dies auch dann, wenn der Beschluss in der Gemeinde eines späteren Rechtsbehelfsführers fehlerhaft nicht ausgelegt wurde.200 Da die Bekanntmachung gemäß § 74 Abs. 5 Satz 2 VwVfG zur Ersetzung der Individualzustellungen nicht durch die Gemeinden, sondern durch die Planfeststellungsbehörde erfolgt, ist sie als öffentliche Bekanntmachung im amtlichen Veröffentlichungsblatt und in Tageszeitungen, die in dem Bereich verbreitet sind, in dem sich das Vorhaben voraussichtlich auswirkt,201 geregelt. Die öffentliche Bekanntmachung ersetzt aufgrund der ihr zukommenden Publizitätswirkung nach hier vertretener Auffassung die ortsübliche Bekanntmachung gemäß § 74 Abs. 4 Satz 2 VwVfG;202 dies ist aber – wie auch bei der öffentlichen Bekanntmachung des Erörterungstermins gemäß § 73 Abs. 6 Satz 4 VwVfG, dazu Rn. 27 – nicht unstreitig.203 Mit dem Ende der Auslegung – oder einer gemäß § 3 Abs. 1 PlanSiG möglichen ersatzweisen Internetveröffentlichung – gilt der Beschluss im Fall der öffentlichen Bekanntmachung gemäß § 74 Abs. 5 Satz 3 1. Halbsatz VwVfG auch den bekannten Betroffenen und Einwendern gegenüber als zugestellt; die Zustellfiktion greift gegenüber allen. Darauf ist gemäß § 74 Abs. 5 Satz 3 2. Halbsatz VwVfG in der Bekanntmachung hinzuweisen. Der Lauf der einmonatigen Klagefrist beginnt in diesem Fall für alle Einwender, Vereinigungen und sonstigen Betroffenen mit dem Ende der Auslegung. Ob die Behörde bei Erfüllung der Voraussetzungen des § 74 Abs. 5 Satz 1 VwVfG von der Möglichkeit der Ersetzung einer Individualzustellung durch öffentliche Bekanntmachung Gebrauch macht, steht in ihrem Ermessen.204 Für die Nutzung der in § 75 Abs. 5 VwVfG eröffneten Möglichkeit sprechen der Grundsatz der Effektivität des Verwaltungshandelns und auch das Interesse des Vorhabenträgers an einem einheitlichen Lauf der Rechtsbehelfsfristen aller potentiellen Kläger.

V. Veränderungen nach Erlass des Planfeststellungsbeschlusses Der Planfeststellungsbeschluss markiert und genehmigt das Vorhaben auf Grundlage der Planun- 57 gen des Vorhabenträgers und der rechtlichen Anforderungen im Zeitpunkt seines Erlasses. Damit sind sowohl das Vorhaben als auch seine Zulassung nicht für alle Zeiten unveränderlich fixiert. Nachträgliche Veränderungen sind möglich. In Betracht kommen Änderungen aufgrund Neupla-

199 Der bekanntzumachende verfügende Teil muss nicht zwingend mit dem Tenor des Planfeststellungsbeschlusses identisch sein; es genügt die Bekanntmachung der wesentlichen Maßnahmen und Nebenbestimmungen zur Erreichung einer Anstoßwirkung: BVerwG 27.5.1983, 4 C 45/81, BVerwGE 67, 206, 213 f.; Stelkens/Bonk/Sachs/Neumann/Külpmann VwVfG, § 74 Rn. 216 f.; Kopp/Ramsauer/Wysk VwVfG, § 74 Rn. 197; Knack/Henneke/Schink VwVfG, § 74 Rn. 61; a.A. Ziekow VwVfG, § 74 Rn. 62. 200 BVerwG 31.7.2012, 4 A 5000/10, BVerwGE 144, 1, 9 Rn. 32. 201 Die Bekanntmachung muss in mehr als einer Tageszeitung erfolgen. Sind in dem Bereich, in dem sich das Vorhaben voraussichtlich auswirkt, mehrere Tageszeitungen verbreitet, steht es im Ermessen der Behörde, ob sie das Vorhaben in allen Zeitungen bekannt macht, oder sich auf einzelne beschränkt; bei Ausübung des Ermessens sind Ausdehnung und Dichte der Veröffentlichungswirkung maßgeblich: so OVG Münster 9.12.2009, 8 D 12/08.AK, juris Rn. 62 ff., insoweit in DVBl 2010, 719 ff. und anderen Fundstellen nicht abgedruckt. 202 VGH München 26.11.2002, 22 AS 02/40076, NVwZ-RR 2003, 296, 297; Knack/Henneke/Schink VwVfG, § 74 Rn. 64; Keienburg Die Öffentlichkeitsbeteiligung im Bergrecht, S. 196. 203 Für eine Verpflichtung zur öffentlichen und ortsüblichen Bekanntmachung: Kopp/Ramsauer/Wysk VwVfG, § 74 Rn. 195; Fehling/Kastner/Störmer/Wickel Verwaltungsrecht, § 74 VwVfG Rn. 27. 204 Stelkens/Bonk/Sachs/Neumann/Külpmann VwVfG, § 74 Rn. 214; Ziekow VwVfG, § 74 Rn. 62. 653

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nungen des Vorhabenträgers, die entweder als unwesentliche Änderungen in Haupt- und Sonderbetriebsplänen fixiert werden oder als wesentliche Änderung einer Planfeststellung gemäß § 52 Abs. 2c bedürfen; dazu und zu dem Verhältnis zwischen § 52 Abs. 2c sowie § 76 VwVfG vgl. § 52 Rn. 87. Zudem bestehen nachträgliche behördliche Eingriffsmöglichkeiten und greifen bei Aufgabe eines planfestgestellten Vorhabens gesetzliche Regularien.

1. Nachträgliche Auflagen 58 § 56 Abs. 1 Satz 2 eröffnet die Möglichkeit nachträglicher Auflagen zu einer Betriebsplanzulassung unter den Voraussetzungen, dass dies für den Unternehmer und die von ihm betriebene Einrichtung wirtschaftlich vertretbar sowie nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik erfüllbar und zur Erfüllung der Zulassungsvoraussetzungen erforderlich ist. § 56 Abs. 1 Satz 2 ist auch im Fall einer obligatorischen Rahmenbetriebsplanzulassung anwendbar. Die in Absatz 1 Satz 1 geregelte Verdrängung des Betriebsplanverfahrens „nach den §§ 54 Abs. 1 und 2 und 56 Abs. 1“ durch das Planfeststellungsverfahren erfasst nach hier vertretener Auffassung richtigerweise nur §§ 54, 56 Abs. 1 Satz 1, nicht aber auch § 56 Abs. 1 Satz 2.205 Die Rechtsgrundlage nachträglicher Auflagen in § 56 Abs. 1 Satz 2 enthält keine durch das Planfeststellungsverfahren verdrängte Regelung des Betriebsplanverfahrens, sondern regelt nachträgliche Einwirkungsmöglichkeiten auf bergbehördliche Zulassungsentscheidungen nach Abschluss des Betriebsplanverfahrens. Diese Möglichkeit besteht unabhängig von der Verfahrensart der Betriebsplanzulassung als herkömmliches Betriebsplanverfahren oder als Planfeststellungsverfahren; vgl. auch § 56 Rn. 15. 59 § 56 Abs. 1 Satz 2 ermöglicht nachträgliche Auflagen allein zur Sicherstellung der berggesetzlichen Zulassungsvoraussetzungen. Nachträgliche Auflagen zur Sicherstellung der Zulassungsvoraussetzungen von der Planfeststellung konzentrierter Rechtsgebiete rechtfertigt § 56 Abs. 1 Satz 2 aufgrund des eingeschränkten und allein auf die bergrechtlichen Zulassungsvoraussetzungen bezogenen Regelungszwecks nicht. Nachträgliche Auflagen zur Sicherstellung der Zulassungsvoraussetzungen anderer Rechtsgebiete können von der Planfeststellungsbehörde nicht auf Rechtsgrundlagen anderer – im Planfeststellungsverfahren konzentrierte – Gesetze gestützt werden, da die Konzentrationswirkung mit Erlass des Planfeststellungsbeschlusses endet.206 Nachträgliche Auflagen zur Sicherstellung der Zulassungsvoraussetzungen anderer Fachgebiete können von der Planfeststellungsbehörde daher nur unter den Voraussetzungen von Rücknahme oder Widerruf gemäß §§ 48, 49 VwVfG verfügt werden. Zur Verhinderung von Rücknahme oder Widerruf begünstigender Verwaltungsakte ist nach dem Grundsatz a maiore ad minus vorrangig die Möglichkeit von Nebenbestimmungen zu prüfen.207 Außerhalb der Voraussetzungen für Rücknahme oder Widerruf sind nachträgliche Nebenbestimmungen zur Sicherstellung der Zulassungsvoraussetzungen des Fachrechts ausgeschlossen. Die nach Erlass des Planfeststellungsbeschlusses und damit dem Ende der Konzentrationswirkung für die Aufsicht über die konzentrierten Rechtsgebiete wieder zuständigen Fachbehörden können keine nachträglichen Auflagen zum Planfeststellungsbeschluss erlassen, weil nachträgliche Auflagen den Planfeststellungsbeschluss verändern und zu derartigen Eingriffen in den Planfeststellungsbeschluss nur die Planfeststellungsbehörde berechtigt ist.208 Die nach der Planfeststellung für die Aufsicht konzentrierter Rechtsgebiete zuständigen Fachbehörden sind zur Wahrung ihrer aufsichtlichen Befugnisse allein zu nachträglichen Anordnungen, die die 205 A.A. Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 57a Rn. 9; Niermann Betriebsplan und Planfeststellung im Bergrecht, S. 249 und 253 ff. und Strecker Die Rechtsposition der Gemeinden im bergrechtlichen Betriebsplanverfahren, S. 166.

206 Vgl. zum Immissionsschutzrecht: Landmann/Rohmer/Seibert Umweltrecht, § 13 BImSchG Rn. 117 ff.; Jarass BImSchG, § 13 Rn. 25; Fluck NVwZ 1992, 114, 117; a.A. Reinhardt ZUR 2006, 464, 468. 207 Vgl. Stelkens/Bonk/Sachs/Stelkens VwVfG, § 36 Rn. 41; vgl. Kopp/Ramsauer VwVfG, § 48 Rn. 30; Knack/Henneke/ Henneke/Berger VwVfG, § 36 Rn. 49. 208 Vgl. zum Immissionsschutzrecht: Landmann/Rohmer/Seibert Umweltrecht, § 13 BImSchG Rn. 119; Martens Die wesentliche Änderung im Sinne des § 15 BImSchG, S. 54. Keienburg/Wiesendahl

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Planfeststellung genehmigungsrechtlich unberührt lassen und die Regelungswirkung der Planfeststellung berücksichtigen, berechtigt.

2. Rücknahme und Widerruf (§§ 48, 49 VwVfG) Auf das Planfeststellungsverfahren und Planfeststellungsbeschlüsse sind, wenn nicht spezialge- 60 setzlich anderes geregelt ist, gemäß § 72 Abs. 1 VwVfG die Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes mit Ausnahme der §§ 51, 71a bis 71e VwVfG anzuwenden. Anwendbar sind damit auch die Vorschriften über Rücknahme und Widerruf eines Verwaltungsaktes in §§ 48, 49 VwVfG.209 Unter welchen Voraussetzungen diese Vorschriften im Planfeststellungsverfahren herkömmlicher Art anwendbar sind und vor allem wann ein Anspruch eines Dritten auf Widerruf besteht, ist im Detail umstritten; das BVerwG und die herrschende Meinung der Literatur gehen davon aus, dass ein Widerruf gemäß § 49 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG bei veränderter Sach- und Rechtslage aufgrund der erhöhten Bestandskraft von Planfeststellungsbeschlüssen gemäß § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG nur als ultima ratio und erst dann, wenn Schutzmaßnahmen i.S.d. § 75 Abs. 2 Satz 2 nicht mehr ausreichen, um Gefahren abzuwehren, in Betracht komme.210 Dies gilt im Fall der bergrechtlichen Planfeststellung zwar nicht aufgrund der weitgehend unanwendbaren Regelung des § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG – dazu Rn. 50 – aber aufgrund der grundsätzlichen Vorrangigkeit nachträglicher Auflagen zur Wiederherstellung der Rechtmäßigkeit vor einer Rücknahme bzw. einem Widerruf ebenso.211 Ein Rückgriff auf §§ 48, 49 VwVfG ist ultima ratio. Vorrangig sind nachträgliche Auflagen gemäß § 56 Abs. 1 Satz 2 BBergG212 oder aufsichtliche Eingriffsmöglichkeiten gemäß § 71; vgl. auch § 56 Rn. 25.

3. Außerkrafttreten eines Planfeststellungsbeschlusses (§ 75 Abs. 4 VwVfG) Gemäß § 75 Abs. 4 VwVfG tritt ein Planfeststellungsbeschluss außer Kraft, wenn mit der Durchfüh- 61 rung des Plans nicht binnen 5 Jahren nach Eintritt der Unanfechtbarkeit begonnen wird. Die Regelung gilt für alle Planfeststellungsbeschlüsse, soweit für diese nicht spezialgesetzlich oder im Verwaltungsverfahrensgesetz des jeweiligen Bundeslandes, welches für die Planfeststellung zuständig ist, anderes geregelt ist.213 Das Außerkrafttreten eines Planfeststellungsbeschlusses 5 Jahre nach Unanfechtbarkeit bei Nichtdurchführung stellt einen gesetzlich angeordneten Automatismus dar, der keiner Umsetzung durch Verwaltungsakt bedarf, sondern kraft Gesetzes eintritt. Mit dem Ablauf der gesetzlich angeordneten Frist ist der Planfeststellungsbeschluss gemäß § 43 Abs. 2 VwVfG erledigt und damit ex nunc unwirksam.214 Eine Wiedereinsetzung des Begünstigten in den vorigen Stand kommt nach dem Eintritt des gesetzlich angeordneten Außerkrafttretens des 209 BVerwG 28.4.2016, 4 A 2/15, NVwZ 2016, 1325 Rn. 31; BVerwG 16.12.2003, 4 B 75/03, NVwZ 2004, 865, 867; BVerwG 21.5.1997, 11 C 1/96, BVerwGE 105, 6, 11 ff.; OVG Koblenz 5.10.2010, 1 A 10689/09 = ZfB 2011, 119, 125; Stelkens/Bonk/Sachs/ Neumann/Külpmann VwVfG, § 72 Rn. 113 f.; Kopp/Ramsauer/Wysk VwVfG, § 72 Rn. 28; Fehling/Kastner/Störmer/Wickel Verwaltungsrecht, § 72 VwVfG Rn. 20; Knack/Henneke/Schink VwVfG, § 72 Rn. 60; Bader/Ronellenfitsch/Kämper VwVfG, § 72 Rn. 43; Ziekow VwVfG, § 72 Rn. 33; Strecker Die Rechtsposition der Gemeinden im bergrechtlichen Betriebsplanverfahren, S. 171; Niermann Betriebsplan und Planfeststellung im Bergrecht, S. 249; dagegen Bedenken äußernd: VGH Mannheim 21.12.2006, 8 S 1827/06, NuR 2007, 565. 210 BVerwG 28.4.2016, 4 A 2/15, NVwZ 2016, 1325 Rn. 31 ff.; Stelkens/Bonk/Sachs/Neumann/Külpmann VwVfG, § 72 Rn. 115 m.w.N. 211 Vgl. Stelkens/Bonk/Sachs VwVfG, § 48 Rn. 103 und Kopp/Ramsauer VwVfG, § 48 Rn. 49 und § 49 Rn. 42 zur Vorrangigkeit nachträglicher Auflagen. 212 OVG Bautzen 31.1.2001, 1 B 478/99 = ZfB 2001, 216, 217; OVG Magdeburg 18.8.2008, 2 M 103/08 = ZfB 2008, 189, 191. 213 Art. 75 Abs. 4 BayVwVfG regelt eine einmalige Verlängerungsmöglichkeit der 5-Jahres-Frist um höchstens 5 Jahre. 214 Stelkens/Bonk/Sachs/Neumann/Külpmann VwVfG, § 75 Rn. 98; Kopp/Ramsauer/Wysk VwVfG, § 75 Rn. 60; Knack/ Henneke/Schink VwVfG, § 75 Rn. 149; Stoermer NZV 2002, 303, 305. 655

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Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

Planfeststellungsbeschlusses nicht in Betracht, da § 75 Abs. 4 VwVfG eine Ausschlussfrist i.S.d. § 32 Abs. 5 VwVfG beinhaltet.215 62 Der Beginn der Durchführung des Plans erfordert bereits vom Wortlaut her nicht die vollständige Umsetzung des Plans. Die Durchführung des Plans muss nur begonnen werden. Dies setzt eine nach außen erkennbare Tätigkeit von mehr als nur geringfügiger Bedeutung zur plangemäßen Verwirklichung des Vorhabens voraus; rein verwaltungsinterne Vorbereitungsmaßnahmen oder symbolische Akte, die nur dem Zweck dienen, den Fristablauf zu verhindern, reichen nicht aus.216 Mit dem PlVereinhG hat der Gesetzgeber in § 75 Abs. 4 Satz 2 VwVfG eine Legaldefinition des Beginns der Durchführung eines Plans eingeführt. Als Beginn gilt danach „jede erstmals nach außen erkennbare Tätigkeit von mehr als nur geringfügiger Bedeutung zur plangemäßen Verwirklichung des Vorhabens; eine spätere Unterbrechung der Verwirklichung des Vorhabens berührt den Beginn der Durchführung nicht.“ Diese Legaldefinition beinhaltet eine Klarstellung der generell zu stellenden Anforderungen an den Beginn eines Vorhabens.217 Es genügt jede nach außen erkennbare Tätigkeit von mehr als nur geringfügiger Bedeutung, etwa der Erwerb von Grundstückseigentum, das zur Durchführung eines Vorhabens benötigt wird.218 Zur Manifestierung des Beginns der Ausnutzung eines bergrechtlichen Planfeststellungsbeschlusses genügt aufgrund der Besonderheit des gestuften Verfahrens, dass der Unternehmer das Verfahren zur Erteilung von Haupt- oder Sonderbetriebsplanzulassungen zur Umsetzung des Vorhabens vorantreibt.219 Nach dem Beginn der Durchführung des Plans stattfindende Unterbrechungen der Durchführung bewirken ausweislich der nunmehrigen eindeutigen Regelung in § 75 Abs. 4 Satz 2 2. Halbsatz VwVfG keinen erneuten Beginn des Fristenlaufs des § 75 Abs. 4 VwVfG.220 Ist mit der Durchführung des Plans einmal begonnen worden, tritt der Planfeststellungsbeschluss auch dann nicht außer Kraft, wenn die Durchführung anschließend für einen Zeitraum von 5 Jahren unterbrochen wird.221 Mit dem erstmaligen Beginn der Durchführung des festgestellten Plans endet die Anwendbarkeit des § 75 Abs. 4 VwVfG und damit die Möglichkeit des Außerkrafttretens eines Planfeststellungsbeschlusses kraft Gesetzes. Dies gilt allerdings nur für den jeweils festgestellten Plan singulär. Im Fall einer Abschnittsbildung, die gemäß § 52 Abs. 2b Satz 1 auch im Bergrecht zulässig ist, gilt die Frist des § 75 Abs. 4 VwVfG für jeden einzelnen planfestgestellten Abschnitt und muss also mit der Durchführung jedes Abschnitts binnen 5 Jahren nach Unanfechtbarkeit begonnen werden, ohne dass eine vor dem Fristablauf begonnene Durchführung eines Abschnitts die Außerkraftsetzung der Planfeststellungen anderer Abschnitte verhindern könnte.222 63 Eines Abschlussbetriebsplans und dessen Zulassung bedarf es im Anschluss an das Außerkrafttreten eines bergrechtlichen Planfeststellungsbeschlusses nicht. Voraussetzung des Außerkrafttretens ist, dass mit der Durchführung des planfestgestellten Vorhabens nie begonnen worden ist. Dies bedeutet gleichzeitig, dass kein bergbaulicher Betrieb geführt worden und ein solcher

215 Stelkens/Bonk/Sachs/Neumann/Külpmann VwVfG, § 75 Rn. 97; Kopp/Ramsauer/Wysk VwVfG, § 75 Rn. 61a; Ziekow VwVfG, § 75 Rn. 42. 216 BVerwG 21.10.2009, 9 C 9/08, BVerwGE 135, 110 Rn. 12; Stelkens/Bonk/Sachs/Neumann/Külpmann VwVfG, § 75 Rn. 95; Kopp/Ramsauer/Wysk VwVfG, § 75 Rn. 63a; Knack/Henneke/Schink VwVfG, § 75 Rn. 152; Fehling/Kastner/Störmer/Wickel Verwaltungsrecht, § 75 VwVfG Rn. 98; a.A. OVG Koblenz 2.10.1984, 7 A 22/84, DVBl 1985, 408, 409 und Ziekow VwVfG, § 75 Rn. 41: auch nicht nach außen erkennbare Tätigkeiten reichen aus. 217 So BVerwG 21.10.2009, 9 C 9/08, BVerwGE 135, 110 Rn. 12. 218 OVG Münster 27.6.2014, 16 D 31/13, DVBl 2014, 1195, 1196 f. 219 VG Leipzig 1.3.2017, 1 K 1142/16 = ZfB 2017, 188, 196. 220 So auch bereits vor Einfügung des § 75 Abs. 4 Satz 2 VwVfG mit dem PlVereinhG zur früheren Regelung: BVerwG 18.3.2009, 9 A 39/07, BVerwGE 133, 239 Rn. 141; OVG Koblenz 2.10.1984, 7 A 22/84, DVBl 1985, 408, 409; Stelkens/Bonk/ Sachs/Neumann/Külpmann VwVfG, § 75 Rn. 96; Kopp/Ramsauer/Wysk VwVfG, § 75 Rn. 64; Knack/Henneke/Schink VwVfG, § 75 Rn. 152; Bader/Ronellenfitsch/Kämper VwVfG, § 75 Rn. 56; Fehling/Kastner/Störmer/Wickel Verwaltungsrecht, § 75 VwVfG, Rn. 100. 221 OVG Münster 27.6.2014, 16 D 31/13, DVBl 2014, 1195, 1197. 222 Stoermer NZV 2002, 303, 307 zur Abschnittsbildung allgemein. Keienburg/Wiesendahl

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Zweites Kapitel – Anzeige, Betriebsplan

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daher auch nicht einzustellen ist. Ein Abschlussbetriebsplan ist gemäß § 53 Abs. 1 nur für die Einstellung eines Betriebs aufzustellen.

4. Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses (§ 77 VwVfG) Von der fehlenden Durchführung eines Plans mit der in § 75 Abs. 4 VwVfG geregelten automati- 64 schen Folge des Außerkrafttretens zu differenzieren ist die von § 77 VwVfG erfasste Aufgabe eines Vorhabens nach begonnener Durchführung oder auch vor Beginn der Durchführung. Gemäß § 77 Satz 1 VwVfG hat die Planfeststellungsbehörde den Planfeststellungsbeschluss eines Vorhabens, mit dessen Durchführung begonnen worden ist, dann, wenn das Vorhaben endgültig aufgegeben wird, aufzuheben und gemäß § 77 Satz 2 und 3 VwVfG in dem Aufhebungsbeschluss über die Modalitäten der Rückabwicklung zu entscheiden. Entsprechend anzuwenden ist § 77 Satz 1 VwVfG dann, wenn ein Vorhaben, mit dessen Durchführung noch nicht begonnen worden ist, endgültig aufgegeben wird;223 in diesen Fällen bedarf es zwar keiner Rückabwicklung aber einer Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses aus Gründen der Rechtssicherheit und Klarheit. Voraussetzung des § 77 ist eine vollständige und endgültige Aufgabe des Vorhabens seitens des Unternehmers. Eine nur teilweise Vorhabensaufgabe, etwa ein vom Unternehmer erklärter Verzicht auf Abbau in bestimmten Flözen oder Fördermengenreduzierungen erfüllen den Tatbestand des § 77 Satz 1 VwVfG nicht.224 Auch die bloße Nichtausnutzung eines Planfeststellungsbeschlusses ohne ausdrückliche Aufgabe des Vorhabens erfüllt den Tatbestand des § 77 Satz 1 VwVfG nicht, weshalb diese Fälle bei fehlendem Beginn der Durchführung binnen 5 Jahren nach Bestandskraft der von § 75 Abs. 4 VwVfG erfassten Konstellation des gesetzlich angeordneten und von einer Aufgabe des Vorhabens unabhängigen Außerkrafttretens eines Planfeststellungsbeschlusses unterfallen. Wird ein planfestgestelltes bergbauliches Vorhaben vor Beginn der Durchführung endgültig 65 aufgegeben, ist der Planfeststellungsbeschluss in entsprechender Anwendung des § 77 Satz 1 VwVfG aus Gründen der Rechtssicherheit und Klarheit aufzuheben, da in diesem Fall ein Abschlussbetriebsplanverfahren mangels Betriebs nicht erforderlich ist. Wird ein planfestgestelltes bergbauliches Vorhaben nach Beginn der Durchführung endgültig aufgegeben, bedarf es zur Beendigung des Vorhabens eines Abschlussbetriebsplanverfahrens und einer Abschlussbetriebsplanzulassung und ist damit die Beendigung des Vorhabens speziell geregelt, so dass es einer zusätzlichen Aufhebung eines bergrechtlichen Planfeststellungsbeschlusses gemäß § 77 Satz 1 VwVfG aus Rechtssicherheitsgründen nicht bedürfte. Dennoch regelt § 57a Abs. 4 Satz 2 2. Halbsatz, dass sich der Schutz von Rechten Dritter im Fall einer Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses nach den dafür geltenden Vorschriften des Bundesberggesetzes richtet. Die in Absatz 4 Satz 2 2. Halbsatz verwandte Begrifflichkeit „Aufhebung“ spricht dafür, dass eine Aufhebung eines bergrechtlichen Planfeststellungsbeschlusses gemäß § 77 Satz 1 VwVfG auch bei endgültiger Aufgabe eines teilweise ausgeführten Vorhabens jedenfalls möglich ist.225 Gleichzeitig stellt Absatz 4 Satz 2 2. Halbsatz klar, dass im Fall einer Aufhebung eines bergrechtlichen Planfeststellungsbeschlusses im Aufhebungsbeschluss keine Folgeregelungen gemäß § 77 Satz 2 und 3 VwVfG zu treffen sind.226 Die in

223 BVerwG 10.11.2004, 4 B 57/04, NVwZ 2005, 327, 328; BVerwG 23.12.1992, 4 B 188/92, DÖV 1993, 434, 436; BVerwG 11.4.1986, 4 C 53/82, NVwZ 1986, 834, 835; OVG Lüneburg 26.11.2009, 7 KS 8/09, NVwZ-RR 2010, 180; Stelkens/Bonk/Sachs/ Neumann/Külpmann VwVfG, § 77 Rn. 9; Kopp/Ramsauer/Wysk VwVfG, § 77 Rn. 3a; Knack/Henneke/Schink VwVfG, § 77 Rn. 12; Bader/Ronellenfitsch/Kämper VwVfG, § 77 Rn. 1; Ziekow VwVfG, § 77 Rn. 1; Fehling/Kastner/Störmer/Wickel Verwaltungsrecht, § 77 VwVfG Rn. 6; Niermann Betriebsplan und Planfeststellung im Bergrecht, S. 256. 224 BVerwG 15.12.2006, 7 C 1/06 = ZfB 2006, 306 Rn. 15 (insoweit in BVerwGE 127, 259, 262 nicht abgedruckt) und BVerwG 15.12.2006, 7 C 6/06 = ZfB 2006, 315 Rn. 13 (insoweit in BVerwGE 127, 272, 273 nicht abgedruckt); ebenso zuvor OVG Münster 27.10.2005, 11 A 1751/04 = ZfB 2006, 32, 46 f. 225 Eine Verpflichtung der Bergbehörde zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses bei Aufgabe des Vorhabens bejahend: Niermann Betriebsplan und Planfeststellung im Bergrecht, S. 256. 226 Ebenso: Strecker Die Rechtsposition der Gemeinden im bergrechtlichen Betriebsplanverfahren, S. 169. 657

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§ 57a

Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

§ 77 Satz 2 und 3 VwVfG geregelte Wiederherstellungspflicht des früheren Zustands für den Fall, dass Gründe des Allgemeinwohls dies erfordern oder dies zur Vermeidung nachteiliger Wirkungen auf Rechte Dritter erforderlich ist, ist durch die spezialgesetzlichen Regelungen des Bergrechts verdrängt. Die Wiedernutzbarmachung der Oberfläche, die von einer Wiederherstellung zu unterscheiden ist, ist gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 Inhalt der bergrechtlichen Zulassungsvoraussetzungen und allein im Abschlussbetriebsplanverfahren zu regeln. Dies belegt gleichzeitig, dass im Fall eines Abschlussbetriebsplanverfahrens eine Aufhebungsentscheidung gemäß § 77 Satz 1 VwVfG bereits dem Grunde nach entbehrlich ist.

VI. Rechtsschutz 66 Die obligatorische Rahmenbetriebsplanzulassung ist beklagbar; ein vorheriges Widerspruchsverfahren ist gemäß §§ 74 Abs. 1 Satz 2, 70 VwVfG i.V.m. § 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO entbehrlich. Erstinstanzlich zuständiges Gericht ist gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 13 VwGO seit dem Gesetz zur Beschleunigung von Investitionen vom 3.12.2020227 für bergrechtliche Planfeststellungsbeschlüsse das Oberverwaltungsgericht. Die in § 48 Abs. 1 Satz 1 VwGO geregelte erstinstanzielle Zuständigkeit des Oberverwaltungsgerichts gilt gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 VwGO auch für Streitigkeiten über Genehmigungen, die anstelle einer Planfeststellung erteilt werden, sowie für Streitigkeiten über sämtliche für das Vorhaben erforderlichen Genehmigungen und Erlaubnisse, auch soweit sie Nebeneinrichtungen betreffen, die mit ihm in einem räumlichen und betrieblichen Zusammenhang stehen. Gemeint ist mit der 1. Alternative eine Plangenehmigung,228 die unter den in § 74 Abs. 6 VwVfG geregelten Voraussetzungen an die Stelle der Planfeststellung treten kann, im Bergrecht allerdings aufgrund der UVP-Pflicht als Eingangsvoraussetzung einer Planfeststellung und der damit einhergehenden Pflicht zur Öffentlichkeitsbeteiligung ausscheidet; dazu Rn. 1. Über die 2. Alternative werden alle für das planfeststellungspflichtige Vorhaben erforderlichen sonstigen Genehmigungen und Erlaubnisse erfasst und damit insbesondere auch solche Erlaubnisse, die von einem Planfeststellungsbeschluss nicht formell konzentriert werden,229 wie wasserrechtliche Erlaubnisse; dazu Rn. 44. Schließlich werden von der 2. Alternative auch Erlaubnisse für Nebeneinrichtungen, d.h. Einrichtungen, die nicht unmittelbarer Teil des planfestgestellten Vorhabens sind, denen aber eine dienende Funktion zukommt, erfasst. Auch die Zulassung eines vorzeitigen Beginns fällt unter die Sonderregelung des § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 13 VwGO; dazu § 57b Rn. 31. Nicht zu den nach § 48 Abs. 2 Satz 2 VwGO in die erstinstanzliche Zuständigkeit des Oberverwaltungsgerichts fallenden Entscheidungen gehören dagegen – vorbehaltlich der Sonderregelung in § 48 Abs. 2 Satz 1 Nr. 14 VwGO – die zusätzlich zu einem bergrechtlichen Planfeststellungsbeschluss erforderlichen weiteren Haupt- und Sonderbetriebsplanzulassungen. Zwar könnte der für alle Vorhaben i.S.d. § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 14 VwGO geltende Satz 2 in diese Richtung verstanden werden, da danach die erstinstanzliche Zuständigkeit des Oberverwaltungsgerichts auch für sonstige das Vorhaben betreffende Genehmigungen gelten soll. Dagegen spricht aber die Zwecksetzung der Nr. 13, die dazu dient, die erstinstanzliche Zuständigkeit des Oberverwaltungsgerichts auf Planfeststellungsverfahren nach Bergrecht zu erstrecken, da diese Verfahren – so die amtliche Begründung – zum einen besonders umfangreich, komplex sowie wirtschafts-, energie- oder umweltpolitisch bedeutsam sind und zum anderen in der Praxis selten sind und daher ein besonderer Spezialisierungsbedarf auf der Ebene der Verwaltungsgerichte besteht.230 Jedenfalls der in der amtlichen Begründung angeführte Aspekt der Seltenheit gilt für Haupt- und Sonderbetriebsplanzulassungen, auch soweit sie für ein planfeststellungspflichtiges Vorhaben erteilt werden, nicht. Dem mit der erstinstanzlichen Zuständigkeit des Oberverwaltungsgerichts gemäß § 48 Abs. 1 227 228 229 230

BGBL I S. 2694. Sodan/Ziekow VwGO, § 48 Rn. 29; Schoch/Schneider/Panzer VwGO, § 48 Rn. 11a. Sodan/Ziekow VwGO, § 48 Rn. 28; Schoch/Schneider/Panzer VwGO, § 48 Rn. 12a. BT-Drs. 19/22139, S. 18.

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Zweites Kapitel – Anzeige, Betriebsplan

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VwGO generell verfolgten Zweck einer Beschleunigung wird auch durch die alleinige Zuständigkeit über die bergrechtliche Planfeststellung Genüge getan. Soweit Klagen gegenüber bergrechtlichen Planfeststellungsbeschlüssen vor Inkrafttreten des § 48 Abs. 2 Satz 1 Nr. 13 VwGO bei einem Verwaltungsgericht anhängig gemacht wurden, bleibt dessen Zuständigkeit aufgrund des Grundsatzes der perpetuatio fori bestehen und erfasst auch nachträgliche Änderungen und Ergänzungen eines Planfeststellungsbeschlusses, die nach Inkrafttreten des § 48 Abs. 2 Satz 1 Nr. 13 VwGO erlassen werden und dem Planfeststellungsbeschluss anwachsen.231 Klagebefugt sind Dritte, wenn und soweit sie Verstöße gegen drittschützende materiell-recht- 67 liche Normen geltend machen können; als solche kommen drittschützende Normen des Bergrechts232 – vgl. § 48 Rn. 82 ff. und § 55 Rn. 14, 45, 54, 62, 84, 93, 97, 105, 135 – sowie drittschützende Normen konzentrierter Entscheidungen in Betracht. Dritte können gegen eine obligatorische Rahmenbetriebsplanzulassung Klage erheben, soweit diese Bindungswirkung entfaltet. Dies gilt hinsichtlich der mit Feststellungswirkung entschiedenen bergrechtlichen Zulassungsvoraussetzungen, hinsichtlich der Zulassungsvoraussetzungen anderer öffentlich-rechtlicher Vorschriften i.S.d. § 48 Abs. 2 Satz 1 und hinsichtlich der mit Gestattungswirkung ausgesprochenen konzentrierten Genehmigungen sonstiger Rechtsgebiete. Nur soweit Entscheidungen i.S.d. § 48 Abs. 2 Satz 2 zum Schutz von Rechten Dritter gemäß Absatz 5 2. Halbsatz aus der Planfeststellung ausgenommen und einer gesonderten Entscheidung vorbehalten sind, besteht keine Klagemöglichkeit gegenüber der obligatorischen Rahmenbetriebsplanzulassung, sondern sind Dritte auf Rechtsbehelfe gegen die vorbehaltene Entscheidung verwiesen;233 wird allerdings über die Frage gestritten, ob eine Entscheidung gemäß Absatz 5 2. Halbsatz aus der obligatorischen Rahmenbetriebsplanzulassung ausgenommen werden durfte, betrifft dies die obligatorische Rahmenbetriebsplanzulassung.234 Klagebefugt sind auch Kommunen, wenn sie im Öffentlichkeitsbeteiligungsverfahren fristge- 68 recht Einwendungen erhoben haben, gestützt auf ihre über Art. 28 Abs. 2 GG geschützte kommunale Planungshoheit.235 Der Schutz der kommunalen Planungshoheit im bergrechtlichen Betriebsplanzulassungsverfahren entspricht dem Schutz in sonstigen Verfahren und geht darüber nicht hinaus.236 Eine Beeinträchtigung der kommunalen Planungshoheit durch eine Betriebsplanzulassung kann nur dann vorliegen, wenn das Vorhaben eine hinreichend bestimmte kommunale Planung nachhaltig stört, wesentliche Teile des Gemeindegebiets einer durchsetzbaren Planung entzieht oder kommunale Einrichtungen durch das Vorhaben wesentlich beeinträchtigt werden;237 im Fall lagerstättengebundener Bergbauvorhaben ist dabei die Situationsgebundenheit von Kommunen als naturgegebene Vorbelastung ihrer planerischen Möglichkeiten zu beachten.238 Berufen können sich Kommunen ferner auf ihr zwar nicht grundrechtlich über Art. 14 Abs. 1 GG aber einfach-rechtlich geschütztes Eigentum.239 Belange Dritter, insbesondere der Gemeindemitglieder,

231 VGH Kassel 3.3.2022, 2 C 2459/21 = ZfB 2022, 176, Rn. 7. 232 BVerwG 15.12.2006, 7 C 1/06, BVerwGE 127, 259 Rn. 28 = ZfB 2006, 306, 310 f.; BVerwG 15.12.2006, 7 C 6/06, BVerwGE 127, 272 Rn. 21 = ZfB 2006, 315, 318; OVG Lüneburg 16.2.2005, 7 ME 289/04 = ZfB 2005, 34, 35.

233 BVerwG 15.12.2006, 7 C 6/06, BVerwGE 127, 272 Rn. 34 = ZfB 2006, 315, 320. 234 OVG Berlin 17.8.2010, 11 N 10/08 = ZfB 2011, 20, 23 f. 235 BVerwG 15.12.2006, 7 C 1/06, BVerwGE 127, 259 Rn. 30 = ZfB 2006, 306, 311; ebenso zuvor OVG Münster 27.10.2005, 11 A 1751/04 = ZfB 2006, 32, 52. 236 BVerwG 15.7.1994, 4 B 102/94 = ZfB 1994, 215, 217; VG Aachen 10.12.2001, 9 K 2954/01 = ZfB 2003, 104, 109; VG Köln 31.5.2000, 1 L 449/00 = ZfB 2000, 333. 237 BVerwG 15.7.1994, 4 B 102/94 = ZfB 1994, 215, 217; BVerwG 11.5.1984, 4 C 83/80, NVwZ 1984, 584; VG München 5.12.2012, 9 K 12/3036 = ZfB 2013, 150, 157; VG Karlsruhe 13.4.2011, 5 K 90/10, nicht veröffentlicht; VG Koblenz 23.1.2003, 1 K 976/02 = ZfB 2004, 81, 84. 238 OVG Münster 15.8.2003, 21 B 2518/02 = ZfB 2003, 275, 280; VG Saarlouis 24.11.2004, 5 K 4/04, juris Rn. 52; VG Saarlouis 4.11.1999, 2 K 39/93 = ZfB 2000, 169, 177. 239 BVerwG 20.11.2008, 7 C 10/08, BVerwGE 132, 261 Rn. 23 = ZfB 2009, 46, 50; BVerwG 14.4.2005, 7 C 26/03, BVerwGE 123, 247, 261 = ZfB 2005, 156, 165. 659

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§ 57b

Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

kann eine Gemeinde nicht geltend machen; Gemeinden sind nicht Sachwalter der Interessen der Gemeindemitglieder.240 69 Unabhängig von der Verletzung drittschützender Rechte klagebefugt sind anerkannte Vereinigungen. UVP-pflichtige Zulassungen – und damit alle bergbaulichen Planfeststellungsbeschlüsse – sind gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG sowohl von anerkannten inländischen als auch von anerkannten ausländischen Vereinigungen i.S.d. § 3 UmwRG unter den Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 UmwRG beklagbar. Nicht unter das Klagerecht des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG fallen – mangels UVP-Pflicht – der bergrechtlichen Planfeststellung nachfolgende Haupt- und Sonderbetriebsplanzulassungen, diese können aber über § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG beklagbare Zulassungsentscheidungen darstellen.241 Das Klagerecht ist nicht von der Geltendmachung einer Verletzung drittschützender Rechte abhängig; dazu im Einzelnen Anhang zu § 57c UVP-V Bergbau, Vorbemerkungen Rn. 19. Es besteht, wie ein Umkehrschluss aus § 2 Abs. 1 Satz 2 UmwRG ergibt, auch keine Beschränkung der Klagemöglichkeit auf die Geltendmachung einer Verletzung umweltbezogener Rechtsvorschriften. Zeitlich erfasst werden von dem Klagerecht aus § 2 UmwRG auf Grundlage der Altrip-Entscheidung des EuGH über § 8 UmwRG hinausgehend alle Zulassungen mit UVP, die nach dem 25.6.2005 erteilt wurden, unabhängig vom Zeitpunkt der Einleitung des Zulassungsverfahrens vor oder nach dem 25.6.2005;242 dazu Anhang zu § 57c UVP-V Bergbau, Vorbemerkungen Rn. 20d. Zusätzliche Klagerechte für anerkannte Naturschutzvereinigungen aus § 64 Abs. 1 BNatSchG bestehen nicht. Gemäß § 1 Abs. 3 UmwRG ist für Planfeststellungsverfahren, die unter § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder 2 UmwRG fallen, das Rechtsbehelfsverfahren nach UmwRG vorrangig und § 64 Abs. 1 BNatSchG unanwendbar.243 Die Klagemöglichkeiten aus § 2 i.V.m. § 1 UmwRG sind auf anerkannte Vereinigungen be70 schränkt. Die Regelungen in §§ 4 bis 6 UmwRG gelten dagegen auch für sonstige Personen i.S.d. § 61 Nr. 1 VwGO. Daher können auch andere Kläger als anerkannte Vereinigungen die in § 4 Abs. 1 UmwRG geregelten Verfahrensfehler geltend machen. Voraussetzung dafür ist aber, dass sie – anders als anerkannte Vereinigungen – aufgrund möglicher Betroffenheit in eigenen, drittgeschützten Rechten klagebefugt sind.244

§ 57b Vorzeitiger Beginn, Vorbescheide, Teilgenehmigungen, Vorrang (1) Die zuständige Behörde kann unter dem Vorbehalt des Widerrufs zulassen, daß bereits vor der Planfeststellung oder vor der Zulassung eines Rahmenbetriebsplans nach § 52 Absatz 2 Nummer 1 mit der Ausführung des Vorhabens begonnen wird, wenn 1. mit einer Entscheidung zugunsten des Unternehmers gerechnet werden kann, 2. eine nicht wiedergutzumachende Beeinträchtigung von Natur und Landschaft nicht zu besorgen ist, 3. an dem vorzeitigen Beginn ein öffentliches Interesse oder ein berechtigtes Interesse des Unternehmers besteht und 4. der Unternehmer sich verpflichtet, alle bis zur Entscheidung durch die Ausführung des Vorhabens verursachten Schäden zu ersetzen und, falls das Vorhaben nicht planfestgestellt wird, den früheren Zustand wiederherzustellen.

240 241 242 243 244

BVerwG 23.6.2022, 7 C 1/21 = ZfB 2022, 207 Rn. 20; BVerwG 26.2.1999, 4 A 47/96, NVwZ 2000, 560, 562. BVerwG 6.10.2022, 7 C 5/21 = ZfB 2023, 118 Rn. 12 ff. EuGH 7.11.2013, C-72/12, NVwZ 2014, 49 Rn. 30 f. Zur Vorrangwirkung des § 1 Abs. 3 UmwRG ausdrücklich die amtliche Begründung in BT-Drs. 17/10957, S. 38. BVerwG 23.6.2022, 7 C 1/21 = ZfB 2022, 207 Rn. 21; BVerwG 22.12.2016, 4 B 13/16, ZLW 2017, 161 Rn. 19; BVerwG 2.10.2013, 9 A 23/12, NVwZ 2014, 367 Rn. 21; BVerwG 20.12.2011, 9 A 30/10, NVwZ 2012, 573 Rn. 20 f. Keienburg/Wiesendahl https://doi.org/10.1515/9783110709285-075

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Zweites Kapitel – Anzeige, Betriebsplan

§ 57b

(2) Vorschriften über Vorbescheide und Teilgenehmigungen, die in anderen Gesetzen für die vom Planfeststellungsbeschluß eingeschlossenen behördlichen Entscheidungen vorgesehen sind, gelten entsprechend mit der Maßgabe, daß 1. eine Entscheidung auf Grund dieser Vorschriften nur nach Durchführung einer sich auf den Gegenstand von Vorbescheid oder Teilgenehmigung erstreckenden Umweltverträglichkeitsprüfung getroffen werden darf, die die nach dem jeweiligen Planungsstand erkennbaren Umweltauswirkungen des Gesamtvorhabens einbezieht, 2. eine abschließende Entscheidung im Planfeststellungsbeschluß vorzubehalten und dabei 3. eine erneute Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist, soweit bisher nicht berücksichtigte, für die Umweltverträglichkeit des Vorhabens bedeutsame Merkmale des Vorhabens vorliegen oder bisher nicht berücksichtigte Umweltauswirkungen erkennbar werden. (3) 1Sind für ein Vorhaben nach § 52 Abs. 2a auch nach anderen Vorschriften Planfeststellungsverfahren oder vergleichbare behördliche Entscheidungen vorgesehen, so ist nur das Verfahren nach den §§ 57a bis 57c durchzuführen. 2In den Fällen des § 126 Abs. 3 hat § 9b des Atomgesetzes Vorrang. 3Sind für Folgemaßnahmen nach anderen Vorschriften Planfeststellungsverfahren vorgesehen, so ist insoweit das Verfahren nach den anderen Vorschriften durchzuführen.

Übersicht I.

Regelungsgegenstand

II. 1.

Vorzeitiger Beginn (Absatz 1) Ausnahme von der Verpflichtung zur Rahmenbe2 triebsplanzulassung vor Tätigkeitsbeginn Beschränkung auf den Beginn eines durch Rahmenbetriebsplan (fakultativ oder obligatorisch) 3 zuzulassenden Vorhabens 4 Verfahren 9 Zulassungsvoraussetzungen a) Voraussichtliche Entscheidung zugunsten 10 des Unternehmers (Nr. 1) b) Keine Besorgnis einer nicht wiedergutzumachenden Beeinträchtigung von Natur und 13 Landschaft (Nr. 2) c) Öffentliches oder berechtigtes Interesse des Unternehmers am vorzeitigen Beginn 15 (Nr. 3) d) Verpflichtungserklärung des Unternehmers 19 (Nr. 4) 22 Ermessensentscheidung der Behörde 25 Sicherheitsleistung 26 Widerrufsvorbehalt Inhalt und Wirkung der Entscheidung a) Kein Präjudiz für die Planfeststellung bzw. 27 Zulassung des Rahmenbetriebsplans 28 b) Weitere Betriebsplanzulassungen 29 c) Sonstige Entscheidungen 31 Rechtsschutz

2.

3. 4.

5. 6. 7. 8.

9.

661

1

III. 1. 2. 3.

4. 5. 6. IV. 1.

2. 3.

Vorbescheid und Teilgenehmigung konzentrierter 34 Entscheidungen (Absatz 2) Fachgesetzliche Regelungen von Vorbescheid und 36 Teilgenehmigung 40 Verfahren 43 Zulassungsvoraussetzungen a) Zulassungsvoraussetzungen des Fachrechts 44 aa) Berechtigtes Interesse bb) Erfüllung der Genehmigungsvoraussetzungen des zu entscheidenden Teilas45 pekts cc) Vorläufiges positives Gesamtur46 teil 47 b) Zulassungsvoraussetzung (Nr. 1) 49 Entscheidung Vorbehaltene Abschlussentscheidung (Nr. 2 und 51 3) 56 Rechtsschutz Vorrangwirkung (Absatz 3) Grundsätzliche Vorrangwirkung der bergrechtlichen Planfeststellung vor konkurrierenden Plan58 feststellungen Ausnahme: Vorrangwirkung der atomrechtlichen 61 Planfeststellung Planfeststellungspflichtige Folgemaßnah64 men

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§ 57b

Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

I. Regelungsgegenstand 1 § 57b verhält sich in Absätzen 1 bis 3 zu drei unterschiedlichen und inhaltlich nicht zusammenhängenden Komplexen, die ebenso in drei getrennten Normen geregelt sein könnten. In Absatz 1 wird die Möglichkeit des vorzeitigen Beginns mit den dafür maßgeblichen Voraussetzungen geregelt. Absatz 2 eröffnet die Möglichkeit der Konzentration eines Vorbescheids oder einer Teilgenehmigung durch die bergrechtliche Planfeststellung, sofern das konzentrierte Fachrecht Vorbescheid oder Teilgenehmigung vorsieht. Absatz 3 trifft eine grundsätzliche Vorrangregelung des bergrechtlichen Planfeststellungsverfahrens vor anderen Planfeststellungsverfahren mit einer Ausnahme für das atomrechtliche Planfeststellungsverfahren und einer Einschränkung für planfeststellungspflichtige Folgemaßnahmen.

II. Vorzeitiger Beginn (Absatz 1) 1. Ausnahme von der Verpflichtung zur Rahmenbetriebsplanzulassung vor Tätigkeitsbeginn 2 Aufsuchungs-, Gewinnungs- und Aufbereitungsbetriebe dürfen gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 in der Regel nur aufgrund von Betriebsplänen errichtet, geführt und eingestellt werden, die von der Bergbehörde zuzulassen sind. §§ 51 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 2a Satz 1 beinhalten ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt. Ohne vorherige Betriebsplanzulassung sind bergbauliche Tätigkeiten unzulässig. Ausnahmen von einem präventiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt können gesetzlich durch Eröffnung der Möglichkeit eines vorzeitigen Beginns zugelassen werden. Absatz 1 enthält eine derartige Ausnahmeregelung und eröffnet die Möglichkeit des vorzeitigen Beginns sowohl für planfeststellungspflichtige bergbauliche Vorhaben i.S.d. § 52 Abs. 2a als auch für Vorhaben, für die ein fakultativer Rahmenbetriebsplan i.S.d. § 52 Abs. 2 Nr. 1 zugelassen werden soll. 2a Erstmals geregelt wurde ein vorzeitiger Beginn in § 57b mit dem Gesetz zur Änderung des Bundesberggesetzes vom 12.2.1990 und den damit eingefügten Vorschriften zur Regelung einer Umweltverträglichkeitsprüfung. Der Anwendungsbereich des vorzeitigen Beginns war auf planfeststellungspflichtige bergbauliche Vorhaben beschränkt. Gerechtfertigt war die Einführung des vorzeitigen Beginns für planfeststellungspflichtige bergbauliche Vorhaben durch die potentielle Dauer eines Planfeststellungsverfahrens.1 Die die Eingangsvoraussetzung eines bergrechtlichen Planfeststellungsverfahrens darstellende UVP-Pflicht, das Erfordernis einer Öffentlichkeitsbeteiligung und die aus der Konzentrationswirkung der Planfeststellung resultierenden Erfordernisse erschweren das Planfeststellungsverfahren im Vergleich zum herkömmlichen Betriebsplanzulassungsverfahren und führen zu einer Verfahrensdauer von keinesfalls unter 6 Monaten, möglicherweise auch deutlich länger. Aufgrund dieser zeitlichen Randbedingungen kann ein vorzeitiger Beginn für planfeststellungspflichtige bergbauliche Vorhaben und damit die in § 1 Nr. 1 bis 6a und 8 bis 10 UVP-V Bergbau2 aufgeführten Vorhaben und deren wesentliche Änderung i.S.d. § 52 Abs. 2c unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 Nr. 1 bis 4 zugelassen werden. 2b Mit dem Gesetz zur Änderung des Bundesberggesetzes und zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung vom 14.6.20213 wurde der Anwendungsbereich des vorzeitigen Beginns auf das fakultative Rahmenbetriebsplanverfahren gemäß § 52 Abs. 2 Nr. 1 erweitert. Allerdings kann das Verfahren zur Zulassung fakultativer Rahmenbetriebspläne gerade bei Braunkohlentagebauvorhaben, die bislang aufgrund des Beginns des Vorhabens vor dem Ablauf der Umsetzungsfrist der UVP-Richtlinie oder aufgrund der Durchführung der Umweltverträglichkeitsprüfung außer1 BT-Drs. 11/4015, S. 13. 2 Zur Verdrängung des bergrechtlichen Planfeststellungsverfahrens bei Errichtung und Betrieb einer Anlage zur Endlagerung radioaktiver Abfälle i.S.d. § 1 Nr. 7 UVP-V Bergbau aufgrund § 57b Abs. 3 Satz 2 unter Rn. 61 ff.

3 BGBl I.S. 1760. Keienburg/Wiesendahl

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Zweites Kapitel – Anzeige, Betriebsplan

§ 57b

halb des bergrechtlichen Betriebsplanverfahrens häufig auf Grundlage fakultativer Rahmenbetriebspläne genehmigt wurden, ähnlich komplex und langwierig sein, wie das obligatorische Rahmenbetriebsplanverfahren, weil auch in diesen Verfahren eine umfangreiche Behörden- und Öffentlichkeitsbeteiligung und auf Grundlage der Rechtsprechung des BVerfG in Sachen Garzweiler eine umfassende Gesamtabwägung stattzufinden hat, weshalb auch insoweit die Möglichkeit eines vorzeitigen Beginns als sinnvoll erachtet wurde.4 Die damit eröffnete Möglichkeit eines vorzeitigen Beginns ist allerdings nicht auf fakultative Rahmenbetriebspläne für Braunkohlenvorhaben beschränkt, sondern gilt für alle Vorhaben, für die ein fakultativer Rahmenbetriebsplan verlangt bzw. beantragt wird.5

2. Beschränkung auf den Beginn eines durch Rahmenbetriebsplan (fakultativ oder obligatorisch) zuzulassenden Vorhabens Eine gegenständliche Beschränkung des vorzeitigen Beginns auf bestimmte Phasen eines durch 3 Rahmenbetriebsplan zuzulassenden Vorhabens enthält Absatz 1 nicht. Der Wortlaut lässt den vorzeitigen Beginn von Errichtung und Betrieb durch Rahmenbetriebsplan zuzulassender Vorhaben zu. Ebenso lässt auch die tätigkeitsbezogene Parallelvorschrift eines vorzeitigen Beginns in § 17 Abs. 1 WHG den vorzeitigen Beginn einer Gewässerbenutzung ohne Differenzierung zwischen Errichtung und Betrieb zu, während die anlagenbezogenen Parallelvorschriften eines vorzeitigen Beginns in § 8a Abs. 1 BImSchG und § 37 Abs. 1 KrWG zwischen der Errichtung sowie Maßnahmen, die zur Prüfung der Betriebstüchtigkeit der Anlage erforderlich sind auf der einen Seite und dem Betrieb der Anlage auf der anderen Seite differenzieren; eröffnet ist die Möglichkeit eines vorzeitigen Beginns in beiden Vorschriften nur für die Errichtung und die Prüfung der Betriebstüchtigkeit, nicht dagegen für den Betrieb. Hintergrund für die fehlende Differenzierung zwischen Errichtung und Betrieb in Absatz 1 dürfte sein, dass sich jedenfalls typisch tätigkeitsbezogene bergbauliche Vorhaben zum Abbau bzw. zur Förderung von Bodenschätzen gar nicht trennscharf in eine Errichtungs- und eine Betriebsphase unterteilen lassen. Deshalb ist der vorzeitige Beginn bergbaulicher Vorhaben ebenso wie der vorzeitige Beginn einer wasserrechtlichen Benutzung generell nicht an bestimmte terminologische Phasen gekoppelt. Zwingende Restriktionen der Reichweite eines vorzeitigen Beginns ergeben sich aber auch im Bergrecht daraus, dass nur der vorzeitige Beginn des Vorhabens zugelassen werden kann. Alles andere würde dem Regelungszweck der Vorschrift, die auf den vorzeitigen Beginn, nicht auf die vorzeitige und zulassungsfreie Durchführung des Vorhabens gerichtet ist, widersprechen.6 Die Zulassung eines vorzeitigen Beginns kann die endgültige Zulassung nicht vorwegnehmen oder gar ersetzen. Alles andere würde auch der dem vorzeitigen Beginn immanenten Möglichkeit der Wiederherstellung des früheren Zustands widersprechen; zur Wiederherstellungsverpflichtung Rn. 21.

3. Verfahren Die Zulassung des vorzeitigen Beginns erfordert einen darauf gerichteten Antrag des Unterneh- 4 mers. Auch wenn der vorzeitige Beginn gemäß Absatz 1 Nr. 3 im öffentlichen Interesse liegen und zugelassen werden kann, liegt es in der Entscheidungszuständigkeit des Unternehmers, ob er den 4 BT-Drs. 19/28402, S. 20 u. BT-Drs. 19/29347, S. 8. 5 So ausdrücklich BT-Drs. 19/29347, S. 8. 6 Auf den reinen Beginn eines Vorhabens hat auch das BVerwG im Zusammenhang mit § 7a AbfG a.F. und § 9a WHG a.F. abgestellt: BVerwG 30.4.1991, 7 C 35/90, NVwZ 1991, 994, 995 f.; ebenso zuvor: VGH München 14.11.1989, 20 AS 89/ 40007, NVwZ 1990, 990, 991; a.A. Frenz/Beckmann BBergG, § 57b Rn. 9 und wohl auch Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 57b Rn. 1, wonach sich die Zulassung des vorzeitigen Beginns auf das gesamte planfeststellungspflichtige Vorhaben beziehen können soll. 663

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§ 57b

Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

vorzeitigen Beginn mit allen daraus resultierenden Verpflichtungen beantragt oder nicht.7 Mit seinem Antrag muss der Unternehmer den Umfang des von ihm beantragten vorzeitigen Beginns konkretisieren. Der Antrag muss erkennen lassen, welche Teile des von dem Unternehmer mit dem Planfeststellungsantrag beantragten Vorhabens in welchem Umfang vorzeitig begonnen werden sollen. 5 Voraussetzung eines Antrags auf vorzeitigen Beginn ist, dass zuvor ein Antrag auf Planfeststellung bzw. auf fakultative Rahmenbetriebsplanzulassung gestellt und dieser bei der Bergbehörde anhängig ist.8 Anderenfalls ist bereits das Vorhaben, mit welchem – in Teilen – vorzeitig begonnen werden soll, nicht hinreichend konkretisiert und zudem die Zulassungsvoraussetzung der Nummer 1, nämlich eine voraussichtlich positive Entscheidungsfindung im Rahmenbetriebsplanverfahren, nicht prüfbar. Umgekehrt kommt ein Antrag auf Zulassung des vorzeitigen Beginns nach Zulassung des Rahmenbetriebsplans nicht mehr in Betracht und kann eine zuvor erteilte Zulassung des vorzeitigen Beginns nach Zulassung des Rahmenbetriebsplans nicht weiter ausgenutzt werden. Die Zulassung des vorzeitigen Beginns und auch die Zulässigkeit des vorzeitigen Beginns ist gemäß Absatz 1 auf die Phase „vor der Planfeststellung“ bzw. der „Zulassung eines Rahmenbetriebsplans nach § 52 Absatz 2 Nummer 1“ beschränkt.9 Mit Erlass des Planfeststellungsbeschlusses bzw. Zulassung des Rahmenbetriebsplans kann das zugelassene Vorhaben auf Grundlage der Rahmenbetriebsplanzulassung – sowie den zusätzlich erforderlichen Betriebsplanzulassungen mit Gestattungswirkung, vgl. § 57a Rn. 34 – ausgeführt werden. Im Fall von Rechtsbehelfen gegen eine Rahmenbetriebsplanzulassung, die mangels anderweitiger gesetzlicher Regelung gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufschiebende Wirkung entfalten, bedarf es einer Sofortvollzugsanordnung der Rahmenbetriebsplanzulassung zur Fortführung des Vorhabens. Auf eine ggf. zuvor erteilte Zulassung des vorzeitigen Beginns kann nicht mehr zurückgegriffen werden; die Zulassung des vorzeitigen Beginns erledigt sich mit der Zulassung des Rahmenbetriebsplans. 6 Einer Umweltverträglichkeitsprüfung bedarf der auf den Beginn eines Vorhabens und damit auf Teilaspekte des beantragten Gesamtvorhabens beschränkte vorzeitige Beginn auch im Fall eines UVP-pflichtigen und damit einer obligatorischen Rahmenbetriebsplanzulassung bedürfenden Vorhabens nicht.10 Mit der Zulassung des vorzeitigen Beginns wird noch keine Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens getroffen; diese wird erst mit der abschließenden Zulassungsentscheidung, im 7 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 57b Rn. 1; Frenz/Beckmann BBergG, § 57b Rn. 24 f.; ebenso auch Landmann/ Rohmer/Beckmann Umweltrecht, § 37 KrWG Rn. 23; Fluck/Frenz/Fischer/Franßen/Guckelberger/Zott KrWR, AbfR und BodSchR, § 37 KrWG Rn. 30; Czychowski/Reinhardt WHG, § 17 Rn. 6; Kotulla WHG, § 17 Rn. 8; Sieder/Zeitler/Dahme/ Knopp/Knopp WHG, § 17 Rn. 25; Berendes/Frenz/Müggenborg/Schmid WHG, § 17 Rn. 8; Ochtendung Zulassung des vorzeitigen Beginns, S. 59. 8 OVG Greifswald 25.3.2002, 3 M 87/01, NVwZ 2002, 1258, 1259 zu § 8a BImSchG; Landmann/Rohmer/Mann Umweltrecht, § 8a BImSchG Rn. 24 und 30; Landmann/Rohmer/Beckmann Umweltrecht, § 37 KrWG Rn. 22; Fluck/Frenz/Fischer/Franßen/Guckelberger/Zott KrWR, AbfR und BodSchR, § 37 KrWG Rn. 33; Czychowski/Reinhardt WHG, § 17 Rn. 6; Kotulla WHG, § 17 Rn. 8; Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp WHG, § 17 Rn. 22; Ochtendung Zulassung des vorzeitigen Beginns, S. 61. 9 Landmann/Rohmer/Beckmann Umweltrecht, § 37 KrWG Rn. 21; Fluck/Frenz/Fischer/Franßen/Guckelberger/Zott KrWR, AbfR und BodSchR, § 37 KrWG Rn. 25; Jarass BImSchG, § 8a Rn. 21; Kotulla WHG, § 17 Rn. 8; Sieder/Zeitler/ Dahme/Knopp WHG, § 17 Rn. 20. 10 BVerwG 30.4.1991, 7 C 35/90, NVwZ 1991, 994, 995 zu § 7a AbfG a.F. und § 9a WHG a.F.; VG Trier 3.3.2016, 6 L 738/16, BeckRS 2016, 43156, aufgehoben durch OVG Koblenz 4.3.2016, 8 B 10233/16, NVwZ-RR 2016, 576 Rn. 5; VG Karlsruhe 12.8.2009, 4 K 1648/09, juris Rn. 13 u. 24 f. zu § 8a BImSchG; VG Schleswig 11.1.2008, 12 B 44/07, ZUR 2008, 211, 213 zu § 9a WHG a.F.; Frenz/Beckmann BBergG, § 57b Rn. 26; Hoppe/Beckmann/Kment/Appold UVPG, § 2 Rn. 101; Landmann/ Rohmer/Mann Umweltrecht, § 8a BImSchG Rn. 22 und 54 ff.; Jarass BImSchG, § 8a Rn. 20 Fluck/Frenz/Fischer/Franßen/ Guckelberger/Zott KrWR, AbfR und BodSchR, § 37 KrWG Rn. 81; BeckOK/Guckelberger Umweltrecht, § 17 WHG Rn. 4; Kotulla WHG, § 69 Rn. 6; Peper/Schomerus UPR 1992, 9, 11; Ochtendung Zulassung des vorzeitigen Beginns, S. 178 ff.; a.A. Hoppe/Beckmann/Kment/Schieferdecker UVPG, § 29 Rn. 36; Peters/Balla UVPG, § 2 Rn. 43; Berendes/Frenz/Müggenborg/ Schmid WHG, § 17 Rn. 16 ff.; Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp WHG, § 17 Rn. 32 und wohl auch Landmann/Rohmer/Fellenberg/Schiller Umweltrecht, § 1 UmwRG Rn. 11; offen gelassen vom OVG Münster 10.11.2020, 8 B 1409/20, NWVBl 2021, 210, 212 zu § 8a BImSchG; OVG Magdeburg 24.8.2016, 2 M 43/16, NVwZ-RR 2017, 23 Rn. 17 ff. zu § 8a BImSchG; VGH Mannheim 17.11.2009, 10 S 1851/09, juris Rn. 9 zu § 8a BImSchG. Keienburg/Wiesendahl

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Fall UVP-pflichtiger bergbaulicher Vorhaben inklusive Umweltverträglichkeitsprüfung, getroffen. Mit einer Verpflichtung zur Umweltverträglichkeitsprüfung bereits des vorzeitigen Beginns würde dem der Ermöglichung eines vorzeitigen Beginns innewohnenden Beschleunigungsgrundsatz widersprochen. Davon getrennt zu betrachten ist die Frage, wie weit die Umweltverträglichkeitsprüfung im UVP-pflichtigen Planfeststellungsverfahren gediehen sein muss, um eine für die Zulassung des vorzeitigen Beginns erforderliche positive Einschätzung der Planfeststellungsfähigkeit des Vorhabens i.S.d. Absatzes 1 Nr. 1 zu ermöglichen;11 dazu Rn. 10 f. Zudem ist in der Rechtsprechung bei UVP-pflichtigen Vorhaben rotz Verneinung einer UVP-Pflicht der Zulassung des vorzeitigen Beginns in der Vergangenheit teilweise eine Klagebefugnis anerkannter Vereinigungen gegen die Zulassung eines vorzeitigen Beginns aus § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG anerkannt worden; dazu unter Rn. 33. Auch ein förmliches Verfahren, insbesondere ein Verfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung, 7 ist zur Entscheidung über die Zulassung des vorzeitigen Beginns nicht durchzuführen.12 Im Einzelnen streitig ist, wie weit eine im eigentlichen Zulassungsverfahren ggf. erforderliche Öffentlichkeitsbeteiligung gediehen sein muss; dies ist aber keine Fragestellung des Verfahrensablaufs zur Zulassung des vorzeitigen Beginns, sondern eine Fragestellung der materiellen Zulassungsvoraussetzungen des vorzeitigen Beginns, die eine ausreichende Entscheidungsgrundlage für die Prognose einer positiven Entscheidung im Zulassungsverfahren auch mit Blick auf etwaige entgegenstehende Rechte Dritter erfordern;13 dazu Rn. 12. Eine Anhörung Dritter ist im Verfahren zur Zulassung des vorzeitigen Beginns nach den 8 Maßstäben des § 28 Abs. 1 VwVfG erforderlich.14 Anzuhören sind danach nur durch den vorzeitigen Beginn Betroffene. Bestand bereits in einem Öffentlichkeitsbeteiligungsverfahren für das Gesamtvorhaben die Möglichkeit der Einwendungserhebung Betroffener, bedarf es nach hier vertretener Auffassung keiner zusätzlichen Anhörung im Verfahren der Zulassung des vorzeitigen Beginns; die Behörde kann etwaige Betroffenheiten durch den vorzeitigen Beginn, der sich innerhalb des Rahmens des Vorhabens halten muss, auf Grundlage der erhobenen Einwendungen prüfen.15 Hat das Öffentlichkeitsbeteiligungsverfahren die Phase der Einwendungserhebung noch nicht durchlaufen, sind vor der Zulassungsentscheidung über den vorzeitigen Beginn diejenigen anzuhören, in deren Rechte durch den vorzeitigen Beginn eingegriffen wird. Dies bedarf einer genauen Bewertung der durch den vorzeitigen Beginn ausgelösten Wirkungen, die abhängig von der beantragten Reichweite des vorzeitigen Beginns von der größeren Reichweite der durch das Gesamtvorhaben verursachten Betroffenheiten in der Regel deutlich differieren. Zudem reduziert 11 Ebenso: BVerwG 30.4.1991, 7 C 35/90, NVwZ 1991, 994, 995 zu § 7a AbfG a.F. und § 9a WHG a.F. 12 BVerwG 30.4.1991, 7 C 35/90, NVwZ 1991, 994, 995 zu § 7a AbfG a.F. und § 9a WHG a.F.; OVG Münster 10.11.2020, 8 B 1409/20, NWVBl 2021, 210, 211 zu § 8a BImSchG; VG Magdeburg 17.7.2020, 3 B 158/20, juris Rn. 51; Jarass BImSchG, § 8a Rn. 16; Landmann/Rohmer/Mann Umweltrecht, § 8a BImSchG Rn. 21; Fluck/Frenz/Fischer/Franßen/Guckelberger/Zott KrWR, AbfR und BodSchR, § 37 KrWG Rn. 39; die Auffassung des OVG Greifswald im Beschluss vom 25.3.2002, 3 M 87/ 01, NVwZ 2002, 1258, 1260, dass im Verfahren zur Zulassung des vorzeitigen Beginns gemäß § 8a BImSchG eine an den Umfang der Zulassung angepasste Öffentlichkeitsbeteiligung stattzufinden habe, ist durch das Gesetz nicht belegt und wird auch von den vom OVG Greifswald herangezogenen Literaturmeinungen nicht vertreten. 13 Genauso: BVerwG 30.4.1991, 7 C 35/90, NVwZ 1991, 994, 995 zu § 7a AbfG a.F. und § 9a WHG a.F. 14 Landmann/Rohmer/Mann Umweltrecht, § 8a BImSchG Rn. 34; Fluck/Frenz/Fischer/Franßen/Guckelberger/Zott KrWR, AbfR und BodSchR, § 37 KrWG Rn. 80; Jarass BImSchG, § 8a Rn. 16; Landmann/Rohmer/Beckmann Umweltrecht, § 37 KrWG Rn. 45; Czychowski/Reinhardt WHG, § 17 Rn. 8, die eine Anhörung nicht für eine verfahrensrechtliche Anforderung, jedoch für geboten halten. 15 Ebenso Ochtendung Zulassung des vorzeitigen Beginns, S. 175 f.; a.A. Landmann/Rohmer/Mann Umweltrecht, § 8a BImSchG Rn. 34; Jarass BImSchG, § 8a Rn. 17; Fluck/Frenz/Fischer/Franßen/Guckelberger/Zott KrWR, AbfR und BodSchR, § 37 KrWG Rn. 80; Landmann/Rohmer/Beckmann Umweltrecht, § 37 KrWG Rn. 45; Czychowski/Reinhardt WHG, § 17 Rn. 8. Die von der herrschenden Meinung vertretene These, dass eine Anhörung Betroffener zum vorzeitigen Beginn auch im Falle einer bereits durchgeführten Öffentlichkeitsbeteiligung im Planfeststellungsverfahren erforderlich sei, beruht auf dem Ansatz, dass von dem vorzeitigen Beginn eine zusätzliche Beschwer ausgehen könne. Zutreffend ist das nicht, da mit dem vorzeitigen Beginn nicht mehr ermöglicht werden darf, als Gegenstand des Planfeststellungsverfahrens ist. 665

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Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

sich der Kreis im Verfahren der Zulassung des vorzeitigen Beginns anzuhörender Dritter gegenüber einer Öffentlichkeitsbeteiligung des Hauptverfahrens dadurch, dass die Anhörung gemäß § 28 Abs. 1 VwVfG eine Betroffenheit in rechtlichen Interessen erfordert,16 während für die Einwendungsbefugnis in der Öffentlichkeitsbeteiligung eine Betroffenheit jedweder eigener Belange rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Natur ausreichend ist.17 Eine Beteiligung der Behörden, deren Aufgabenbereich durch den vorzeitigen Beginn berührt wird, ist im Zulassungsverfahren des vorzeitigen Beginns verfahrensrechtlich nicht vorgeschrieben. Eine Beteiligung insbesondere der Behörden, deren Zuständigkeiten aufgrund der Konzentrationswirkung berührt werden, ist jedoch regelmäßig erforderlich, um die erforderliche materielle Prognose über die Zulassungsfähigkeit des Vorhabens treffen zu können. Ist die Haltung der in ihren Aufgabenbereichen betroffenen Behörden zu dem zur Planfeststellung beantragten Gesamtvorhaben aufgrund vorliegender Stellungnahmen in der Behördenbeteiligung des Hauptverfahrens bereits bekannt, ist eine zusätzliche Beteiligung im Verfahren zur Zulassung des vorzeitigen Beginns entbehrlich. Ein Erfordernis einer Beteiligung anerkannter Naturschutzvereinigungen könnte – vorbehaltlich einer Betroffenheit der Vereinigungen in eigenen Rechten etwa aufgrund Eigentums – nur aus den speziellen Beteiligungsvorschriften des § 63 Abs. 1 und 2 BNatSchG bzw. den Beteiligungsvorschriften des einschlägigen Landesrechts resultieren. Das aus § 63 Abs. 2 Nr. 6 BNatSchG resultierende Beteiligungsrecht in Planfeststellungsverfahren mit Eingriffen in Natur und Landschaft ist aber nur im Planfeststellungsverfahren einschlägig, nicht außerhalb desselben im Verfahren zur Zulassung des vorzeitigen Beginns.18 Auch etwaige erforderliche Befreiungsentscheidungen im Hauptverfahren mit einem daraus resultierenden Beteiligungsrecht etwa aus § 63 Abs. 2 Nr. 5 BNatSchG begründen kein Beteiligungsrecht anerkannter Naturschutzvereinigungen bereits im Zulassungsverfahren des vorzeitigen Beginns; anderes gälte nur dann, wenn bereits für die Zulassung des vorzeitigen Beginns eine Befreiung erforderlich wäre. Beteiligungsrechte anerkannter Naturschutzvereinigungen im Hauptverfahren wirken sich nicht auf das davon getrennte Verfahren zur Zulassung eines vorzeitigen Beginns aus.

4. Zulassungsvoraussetzungen 9 Voraussetzung der Zulassung des vorzeitigen Beginns ist, dass die in Absatz 1 Nr. 1 bis 4 normierten Erfordernisse kumulativ erfüllt sind. Die Zulassungsvoraussetzungen in Nummern 1, 3 und 4 entsprechen weitgehend den Voraussetzungen anderer Normen zur Zulassung des vorzeitigen Beginns in § 8a Abs. 1 BImSchG, § 37 Abs. 1 KrWG und § 17 Abs. 1 WHG. Die Parallelvorschriften der Zulassung eines vorzeitigen Beginns im Wasserhaushaltsgesetz – damals § 9a WHG – und im damaligen Abfallgesetz – § 7a AbfG – hat der Gesetzgeber bei der Formulierung des Absatzes 1 herangezogen und daran orientiert die Zulassungsvoraussetzungen der Nummern 1, 3 und 4 normiert. Die Zulassungsvoraussetzung der Nummer 2 geht dagegen über andere gesetzliche Regelungen des vorzeitigen Beginns hinaus.19

10 a) Voraussichtliche Entscheidung zugunsten des Unternehmers (Nr. 1). Die Zulassung des vorzeitigen Beginns setzt voraus, dass im Rahmenbetriebsplanverfahren mit einer Entscheidung zugunsten des Unternehmers gerechnet werden kann. Die Planfeststellungsbehörde muss also eine prognostische Aussage über die Erfolgsaussichten der Rahmenbetriebsplanzulassung 16 Stelkens/Bonk/Sachs/Kallerhoff/Mayen VwVfG, § 28 Rn. 30; Kopp/Ramsauer VwVfG, § 28 Rn. 24; Knack/Henneke/Ritgen VwVfG, § 28 Rn. 46; Fehling/Kastner/Störmer/Schwarz Verwaltungsrecht, § 28 VwVfG Rn. 30. 17 Stelkens/Bonk/Sachs/Neumann/Külpmann VwVfG, § 73 Rn. 71; Knack/Henneke/Schink VwVfG, § 73 Rn. 98 f.; Fehling/ Kastner/Störmer/Wickel Verwaltungsrecht, § 73 VwVfG Rn. 76. 18 Offen gelassen von Fluck/Frenz/Fischer/Franßen/Guckelberger/Zott KrWR, AbfR und BodSchR, § 37 KrWG Rn. 93 ff. 19 BT-Drs. 11/4015, S. 13. Keienburg/Wiesendahl

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auf Grundlage einer summarischen Prüfung treffen, um den vorzeitigen Beginn zuzulassen. Die Prognoseentscheidung erfordert keine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit einer positiven Entscheidung über den Rahmenbetriebsplan. Die überwiegende Wahrscheinlichkeit einer positiven Entscheidung im Rahmenbetriebsplanverfahren ist zur Erfüllung der Zulassungsvoraussetzung der Nummer 1 ausreichend aber auch erforderlich.20 Die Prognose beschränkt sich nicht auf die Teilaspekte des Vorhabens, deren vorzeitiger Beginn beantragt ist, sondern beinhaltet die Zulassungsfähigkeit des gesamten zur Rahmenbetriebsplanzulassung beantragten Vorhabens. Das erfordert bei planfeststellungspflichtigen Vorhaben, dass von der Behörde nicht nur die Zulassungsvoraussetzungen des § 55 Abs. 1 zu betrachten sind, sondern auch die Zulassungsvoraussetzungen der konzentrierten Rechtsgebiete.21 Auch bei nicht planfeststellungsbedürftigen Vorhaben ist im Rahmen des Sachbescheidungsinteresses zu prüfen, ob der Erteilung sonstiger Zulassungen außerhalb des Bergrechts unüberwindbare Hinderungsgründe entgegenstehen. Bei Vorhaben, die Enteignungen und nach Maßgabe der Rechtsprechung des BVerfG in Sachen Garzweiler eine Gesamtabwägung erfordern, ist diese Gesamtabwägung bereits auf Ebene der Zulassung des vorzeitigen Beginns vorzunehmen.22 Voraussetzung für eine Prognoseentscheidung über den Ausgang des Rahmenbetriebsplanver- 11 fahrens ist, dass die dafür erforderlichen Entscheidungsgrundlagen vorliegen.23 Die Behörde muss ihre Prognoseentscheidung auf eine ausreichende Entscheidungsgrundlage stützen. Eine positive Entscheidung über den Ausgang des Rahmenbetriebsplanverfahrens kann daher nicht getroffen werden, solange die Bergbehörde nicht über die wesentlichen Entscheidungsgrundlagen im Rahmenbetriebsplanverfahren verfügt. Dies bedeutet in Verfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung, wie in Planfeststellungsverfahren aufgrund § 73 VwVfG zwingend und in fakultativen Rahmenbetriebsplanverfahren für Braunkohlentagebaue aufgrund der Eingriffswirkung ebenfalls, dass die Antragsunterlagen des Vorhabenträgers jedenfalls in für die Öffentlichkeitsbeteiligung und für die Behördenbeteiligung vollständiger Form vorliegen müssen. Auf Grundlage der vorliegenden Unterlagen muss die Bergbehörde in der Lage sein, die Erfüllung der Zulassungsvoraussetzungen des Vorhabens prognostisch zu bewerten. Dies umfasst bei planfeststellungspflichtigen Vorhaben auch die von dem Planfeststellungsbeschluss konzentrierte Entscheidungen; dazu § 57a Rn. 40. Bei Vorhaben, die durch fakultativen Rahmenbetriebsplan ohne Konzentrationswirkung zulassen sind, bedarf es jedenfalls der Prüfung sonstigen erforderlichen Genehmigungen offensichtlich entgegenstehender Aspekte, da das Sachbescheidungsinteresse für einen vorzeitigen Beginn fehlt, wenn offensichtlich ist, dass das Vorhaben letztlich nicht genehmigungsfähig ist. Zu diesem Zweck bedarf es typischerweise der Beteiligung anderer Behörden. Sofern die Bergbehörde Gutachten zu einzelnen Aspekten des Vorhabens für erforderlich erachtet, müssen diese vor einer Entscheidung über den vorzeitigen Beginn vorliegen, wenn sie zur Beurteilung der Zulassungsfähigkeit erforderlich sind; anderes gilt dann, wenn Gutachten allein zu Detailfragen der konkreten Ausgestaltung eines Vorhabens erforderlich sind, aber die Grundfrage der Genehmigungsfähigkeit dadurch nicht berührt ist.

20 BVerwG 22.3.2010, 7 VR 1/10, juris Rn. 16 zu § 8a BImSchG; OVG Berlin-Brandenburg 18.12.2020, 11 S 127/20, BeckRS 2020, 35970 Rn. 22 ff. zu § 8a BImSchG; VGH Kassel 14.2.1989, 7 TH 2335/88, NVwZ-RR 1989, 631, 632 zu § 9a WHG a.F.; Landmann/Rohmer/Mann Umweltrecht, § 8a BImSchG Rn. 39; Jarass BImSchG, § 8a Rn. 10; Landmann/Rohmer/ Beckmann Umweltrecht, § 37 KrWG Rn. 31 f.; Fluck/Frenz/Fischer/Franßen/Guckelberger/Zott KrWR, AbfR und BodSchR, § 37 KrWG Rn. 37; BeckOK/Guckelberger Umweltrecht, § 17 WHG Rn. 6; Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp/Knopp WHG, § 17 Rn. 37; Czychowski/Reinhardt WHG, § 17 Rn. 12; Kotulla WHG, § 17 Rn. 12; Berendes/Frenz/Müggenborg/Schmid WHG, § 17 Rn. 20; Ochtendung Zulassung des vorzeitigen Beginns, S. 72. 21 VGH Kassel 14.2.1989, 7 TH 2335/88, NVwZ-RR 1989, 631, 633 zu § 9a WHG a.F.; Landmann/Rohmer/Beckmann Umweltrecht, § 37 KrWG Rn. 31; Fluck/Frenz/Fischer/Franßen/Guckelberger/Zott KrWR, AbfR und BodSchR, § 37 KrWG Rn. 38. 22 BT-Drs. 19/29347, S. 9. 23 Landmann/Rohmer/Mann Umweltrecht, § 8a BImSchG Rn. 49 ff.; Landmann/Rohmer/Beckmann Umweltrecht, § 37 KrWG Rn. 41; Fluck/Frenz/Fischer/Franßen/Guckelberger/Zott KrWR, AbfR und BodSchR, § 37 KrWG Rn. 39; Czychowski/ Reinhardt WHG, § 17 Rn. 12; Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp WHG, § 17 Rn. 38. 667

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Ob die Einwendungen im Öffentlichkeitsbeteiligungsverfahren als Voraussetzung für die Möglichkeit einer Prognoseentscheidung über die Planfeststellungsfähigkeit vorliegen müssen und ggf. zudem der Erörterungstermin stattgefunden haben muss, ist streitig.24 Dies kann nicht pauschal beantwortet werden, sondern ist abhängig von dem jeweiligen Vorhaben; ein Abwarten der Einwendungsfrist ist daher – abhängig von den konkreten Umständen des Einzelfalls – nicht zwingend.25 Ist das Einwendungspotential qualitativ – nicht zwingend quantitativ – überschaubar, d.h. der Inhalt zu erwartender Einwendungen etwa aufgrund bereits geführter Diskussionen zu dem konkreten Vorhaben oder aufgrund bereits durchgeführter Verfahren für vergleichbare Vorhaben absehbar, muss der Eingang der Einwendungen im Vorfeld der Entscheidung über einen vorzeitigen Beginn nicht abgewartet werden. Keinesfalls erforderlich ist auch dann, wenn die Einwendungen abgewartet werden, die zusätzliche Durchführung eines im Planfeststellungsverfahren erforderlichen Erörterungstermins vor der Entscheidung über den vorzeitigen Beginn.26 Der Erörterungstermin dient der Erörterung der während der Einwendungsfrist rechtzeitig erhobenen Einwendungen und der Behördenstellungnahmen. Er kann von seiner Zweckrichtung her keine völlig neuen Erkenntnisse bringen, deren Grundlagen nicht bereits aus den Einwendungen und Behördenstellungnahmen ersichtlich wären. Das Erfordernis eines Abwartens des Erörterungstermins im Vorfeld einer Entscheidung über den vorzeitigen Beginn ist daher durch einen möglichen Erkenntniszuwachs nicht begründet und würde dem in der Ermöglichung eines vorzeitigen Beginns liegenden Beschleunigungsgedanken widersprechen. Anderes gilt nur dann, wenn die vorliegenden Unterlagen, insbesondere die Einwendungen, eine positive Prognose über die Planfeststellung gerade nicht zulassen und sich ggf. anderes nach dem Erörterungstermin auf Grundlage der dort gewonnenen Erkenntnisse ergibt.

13 b) Keine Besorgnis einer nicht wiedergutzumachenden Beeinträchtigung von Natur und Landschaft (Nr. 2). Die weitere Voraussetzung der Zulassung des vorzeitigen Beginns gemäß Nummer 2, wonach eine nicht wiedergutzumachende Beeinträchtigung von Natur und Landschaft nicht zu besorgen sein darf, enthält eine bergbauspezifische und über die Zulassungsvoraussetzungen der Vergleichsregelungen des vorzeitigen Beginns in anderen Rechtsbereichen hinausgehende Anforderung.27 Die Bundesregierung hatte Nummer 2 in ihrem Gesetzentwurf dahingehend formuliert, dass „die Voraussetzungen für die Zulassung nach § 55 vorliegen und eine nicht wiedergutzumachende Beeinträchtigung von Natur und Landschaft nicht zu besorgen ist“.28 Der 1. Halbsatz mit dem dortigen Verweis auf die Zulassungsvoraussetzungen des § 55 wurde im Gesetzgebungsverfahren auf Anregung des Bundesrats gestrichen, da die Prüfung der bergrechtlichen Zulassungsvoraussetzungen gemäß § 55 bereits aufgrund der gemäß Nummer 1 erforderlichen Prognose einer positiven Entscheidung über den Hauptantrag und ohne das Erfordernis

24 BVerwG 30.4.1991, 7 C 35/90, NVwZ 1991, 994, 995: I.d.R. muss der Ablauf der Einwendungsfrist abgewartet werden; ebenso: Landmann/Rohmer/Mann Umweltrecht, § 8a BImSchG Rn. 53, Kotulla WHG, § 17 Rn. 12; Sieder/Zeitler/Dahme/ Knopp/Knopp WHG, § 17 Rn. 38 f.; Ochtendung Zulassung des vorzeitigen Beginns, S. 174 f. und wohl auch Piens/Schulte/ Graf Vitzthum BBergG, § 57b Rn. 5; nach der Komplexität des Vorhabens und dem Umfang der vorläufig durchzuführenden Maßnahmen differenzierend: Landmann/Rohmer/Beckmann Umweltrecht, § 37 KrWG Rn. 43 f., Jarass BImSchG, § 8a Rn. 11 und wohl auch Frenz/Beckmann BBergG, § 57b Rn. 28. 25 VG Berlin-Brandenburg, 26.2.2020, 11 S 8/20, ZUR 2020, 368, 370. 26 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 57b Rn. 5; ebenso auch Landmann/Rohmer/Mann Umweltrecht, § 8a BImSchG Rn. 53, wonach der Erörterungstermin nur in Ausnahmefällen abgewartet werden muss, Jarass BImSchG, § 8a Rn. 11 und Kotulla WHG, § 17 Rn. 12; nach der Relevanz der Einwendungen differenzierend: Fluck/Frenz/Fischer/ Franßen/Guckelberger/Zott KrWR, AbfR und BodSchR, § 37 KrWG Rn. 39 und Peper/Schomerus UPR 1992, 9, 11 und 13; a.A. wohl Frenz/Beckmann BBergG, § 57b Rn. 28, der die Durchführung eines Erörterungstermins als Einzelfallentscheidung der zuständigen Behörde sieht. 27 BT-Drs. 11/4015, S. 13. 28 BT-Drs. 11/4015, S. 5. Keienburg/Wiesendahl

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einer erneuten Regelung in Nummer 2 stattzufinden hat.29 Die in der endgültigen Gesetzesfassung der Nummer 2 verbliebene Anforderung des Ausschlusses der Besorgnis nicht wiedergutzumachender Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft geht dagegen über die bergrechtlichen Zulassungsvoraussetzungen des § 55 und insbesondere über die bergrechtliche Verpflichtung zur Wiedernutzbarmachung gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 hinaus. Die aus § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 resultierende Verpflichtung zur Wiedernutzbarmachung der Oberfläche bei Beendigung des Betriebs ist auf Wiederherstellung der Nutzbarkeit einer zuvor bergbaulich genutzten Oberfläche gerichtet; vgl. § 4 Rn. 25. Ein naturschutzrechtlicher Ausgleich eines vorherigen Eingriffs ist damit nicht bezweckt. Nummer 2 bezieht sich in Abgrenzung zu den bergrechtlichen Zulassungsvoraussetzungen des 14 § 55 auf die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung des § 15 Abs. 2 BNatSchG. Danach sind unvermeidbare Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft auszugleichen oder zu ersetzen. Sind Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen nicht möglich, kommt unter den Voraussetzungen des § 15 Abs. 6 BNatSchG eine Ersatzgeldzahlung in Betracht. Diese naturschutzrechtlichen Anforderungen müssen mit Blick auf bergbauliche Vorhaben, die typischerweise Eingriffe in Natur und Landschaft verursachen, im Planfeststellungsverfahren geprüft werden. Eine Prognose der naturschutzrechtlichen Zulässigkeit des planfestzustellenden Vorhabens nach Maßgabe des § 15 BNatSchG ist daher bereits gemäß Nummer 1 Voraussetzung der Zulassung eines vorzeitigen Beginns. Über die Prognose nach Nummer 1 hinausgehend wird über Nummer 2 sichergestellt, dass die Möglichkeit einer naturschutzrechtlichen Wiedergutmachung für den Fall, dass das Vorhaben entgegen der Prognose nach Nummer 1 doch nicht zugelassen wird und damit für den Fall der Rückabwicklung konkret geprüft wird.30 Diese Prüfung ist auch in Nummer 4 nicht beinhaltet, da Nummer 4 nur das Erfordernis einer Selbstverpflichtung des Vorhabenträgers zur Wiederherstellung des früheren Zustands im Fall der Rückabwicklung verlangt, ohne dass damit die Möglichkeit der Wiederherstellung materiell geprüft würde. Das Erfordernis der Möglichkeit einer Rückabwicklung ohne den Verbleib einer nicht wiedergutzumachenden Beeinträchtigung von Natur und Landschaft beinhaltet kein Verbot eines mit einem vorzeitigen Beginn einhergehenden Eingriffs in Natur und Landschaft, sondern belegt im Gegenteil die Zulässigkeit unter der Voraussetzung der Möglichkeit der Wiedergutmachung. Erforderlich ist daher die Ausgleichs- oder Ersatzfähigkeit des Eingriffs nach den Maßstäben des § 15 Abs. 2 BNatSchG, d.h. die Möglichkeit der Herstellung eines gleichartigen Zustands im räumlichen Zusammenhang (Ausgleich) oder die Möglichkeit der Herstellung eines gleichwertigen Zustands im betroffenen Naturraum (Ersatz). Allein eine naturschutzrechtlich unter den Voraussetzungen des § 15 Abs. 6 BNatSchG grundsätzlich zulässige Ersatzgeldzahlung stellt aufgrund des in Nummer 2 geregelten Erfordernisses der Wiederherstellung des früheren Zustands keine ausreichende Kompensationsmaßnahme dar, um die Besorgnis eines nicht wiedergutzumachenden Eingriffs zu entkräften.31 Ein in einem vorzeitigen Beginn liegender Eingriff in Natur und Landschaft muss für den Fall, dass die Hauptzulassung nicht erteilt werden sollte, tatsächlich ausgeglichen oder ersetzt werden können.32 Auch eine Waldumwandlung ist auf Grundlage eines vorzeitigen Beginns zulassungsfähig, denn sie kann auf Grundlage der Landeswaldgesetze durch Ersatzaufforstung ausgeglichen werden.33 Ausnahmen von dem artenschutzrechtlichen Tötungsverbot des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG widersprechen dem Wiedergutmachungsgebot ebenfalls nicht, denn das Tötungsverbot beruht auf einer individuenbezogenen Betrachtung als kleinste Größe, während Schutzziel der Norm die Bewahrung bzw. Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands der Population und damit der Art ist.34 Eine Verhinderung der Verschlechterung des Erhaltungszustands der Art ist gemäß § 44 29 30 31 32 33

BT-Drs. 11/4015, S. 16. Frenz/Beckmann BBergG, § 57b Rn. 47; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 57b Rn. 6. A.A. Frenz/Beckmann BBergG, § 57b Rn. 47. Ebenso Ochtendung Zulassung des vorzeitigen Beginns, S. 56. OVG Berlin-Brandenburg 18.12.2020, 11 S 127/20, BeckRS 2020, 35970 Rn. 22 ff. zur Zulassungsfähigkeit einer Rodung als vorzeitiger Beginn gemäß § 8a BImSchG. 34 Bick/Wulfert NVwZ 2017, 346, 348 f.; Frenz/Müggenborg/Lau BNatSchG, § 44–45 Rn. 3 u. 5. 669

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Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

Abs. 7 Satz 2 BNatSchG Zulassungsvoraussetzung einer Ausnahme von dem Tötungsverbot. Damit ist gleichzeitig sichergestellt, dass sich der Erhaltungszustand der Population nicht verschlechtert und damit kein nicht wiedergutmachbarer Eingriff vorliegt.

15 c) Öffentliches oder berechtigtes Interesse des Unternehmers am vorzeitigen Beginn (Nr. 3). Weitere Voraussetzung der Zulassung des vorzeitigen Beginns ist entweder ein öffentliches Interesse oder ein berechtigtes Interesse des Unternehmers am vorzeitigen Beginn. Das Interesse muss sich nicht nur auf das Vorhaben als solches, sondern darüber hinausgehend auf eine Beschleunigung des Vorhabens durch den vorzeitigen Beginn und damit auf den Zeitgewinn beziehen.35 Ein öffentliches Interesse am vorzeitigen Beginn eines bergbaulichen Vorhabens ist in Würdi16 gung der Zwecksetzung des Gesetzes in § 1 Nr. 1 immer dann zu bejahen, wenn der vorzeitige Beginn der Sicherung der Rohstoffversorgung dient.36 Der in § 1 normierte Zweck des Gesetzes impliziert ein öffentliches Interesse auch am vorzeitigen Beginn, normiert die für ein bergbauliches Vorhaben und dessen vorzeitigen Beginn sprechenden öffentlichen Interessen aber nicht abschließend. Ein die Zulassung des vorzeitigen Beginns rechtfertigendes öffentliches Interesse ist – unabhängig von der vom BVerfG in Frage gestellte Rechtfertigung von enteignungsrechtlich zu beurteilenden Grundabtretungen zum Erhalt von Arbeitsplätzen oder zur Erhaltung des Bestands oder Verbesserung der Wirtschaftsstruktur37 – auch dann zu bejahen, wenn der vorzeitige Beginn der Schaffung oder Sicherung von Arbeitsplätzen dient oder die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts gesteigert wird.38 Weiterhin können durch ein Vorhaben und dessen vorzeitigen Beginn bewirkte Verbesserungen des Umweltschutzes – etwa dann, wenn eine planfeststellungspflichtige Vorhabenänderung zu einer Verringerung von Emissionen führt – ein öffentliches Interesse am vorzeitigen Beginn begründen.39 Zusätzlich zum öffentlichen Interesse regelt Absatz 1 Nr. 3 die Möglichkeit eines vorzeitigen 17 Beginns, wenn dieser – unabhängig von einem öffentlichen Interesse – im berechtigten Interesse des Vorhabenträgers liegt.40 Jedes berechtigte Interesse des Vorhabenträgers am vorzeitigen Beginn erfüllt die Zulassungsvoraussetzung der Nummer 3. Dabei muss es sich nicht um ein rechtlich geschütztes Interesse handeln, auch ein rein tatsächliches Interesse reicht aus, wenn es durch die Sachlage gerechtfertigt ist.41 Berechtigte Interessen des Vorhabenträgers an einem vorzeitigen Beginn sind daher etwa dann zu bejahen, wenn dieser aufgrund vertraglicher Bindungen Abnahmepflichten bestellter Anlagenteile hat, wenn er vertragliche Lieferpflichten mit Rückwirkungen auf den erforderlichen Produktionsbeginn eingegangen ist, aber auch dann, wenn es sich um ein komplexes Vorhaben handelt und der Vorhabenträger sich auf das typische und berechtigte unternehmerische Interesse an einer beschleunigten Verwirklichung des Vorhabens beruft. An das berechtigte Interesse des Unternehmers sind keine erhöhten Anforderungen zu stellen. Das

35 Landmann/Rohmer/Mann Umweltrecht, § 8a BImSchG Rn. 62; Fluck/Frenz/Fischer/Franßen/Guckelberger/Zott KrWR, AbfR und BodSchR, § 37 KrWG Rn. 43; Jarass BImSchG, § 8a Rn. 8.

36 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 57b Rn. 7; Frenz/Beckmann BBergG, § 57b Rn. 49. 37 BVerfG 17.12.2013, 1 BvR 3139/08 und 1 BvR 3386/08, BVerfGE 134, 242 Rn. 204 = ZfB 2014, 49 Rn. 205. 38 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 57b Rn. 7; Frenz/Beckmann BBergG, § 57b Rn. 49; ebenso auch Landmann/ Rohmer/Mann Umweltrecht, § 8a BImSchG Rn. 63. 39 Die Verbesserung des Umweltschutzes stellte auf Grundlage des § 15a Abs. 1 Nr. 2 BImSchG i.d.F. vom 11.5.1990 – BGBl I S. 880 – den gesetzlich normierten einzigen Grund eines Interesses am vorzeitigen Beginn einer immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen Anlage dar. 40 § 37 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KrWG lässt dagegen ein berechtigtes Interesse des Vorhabenträgers am vorzeitigen Beginn nicht ausreichen, sondern fordert zwingend ein öffentliches Interesse. 41 Ebenso: Landmann/Rohmer/Mann Umweltrecht, § 8a BImSchG Rn. 67; Jarass BImSchG, § 8a Rn. 8; Sieder/Zeitler/ Dahme/Knopp/Knopp WHG, § 17 Rn. 49; Kotulla WHG, § 17 Rn. 14; Berendes/Frenz/Müggenborg/Schmid WHG, § 17 Rn. 29. Keienburg/Wiesendahl

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berechtigte Interesse des Unternehmers am vorzeitigen Beginn wird regelmäßig zu bejahen sein,42 wenn nicht ausnahmsweise dem Vorhabenträger eine Verzögerung des Zulassungsverfahrens anzulasten sein sollte. Verneint wurde ein berechtigtes Interesse des Unternehmers am vorzeitigen Beginn, soweit ersichtlich, bisher nur in dem Fall der Bundesgartenschau Frankfurt, in welchem der VGH Kassel ein berechtigtes Interesse des Unternehmers verneinte, da dieser nach Auffassung des VGH Kassel die Planungen nicht zielgerichtet und konsequent betrieben hatte und nur daraus das Erfordernis eines vorzeitigen Beginns resultierte.43 Einer Abwägung des öffentlichen oder des berechtigten Interesses des Vorhabenträgers am 18 vorzeitigen Beginn mit etwaigen gegenläufigen Interessen bedarf es im Rahmen der Zulassungsvoraussetzung der Nummer 3 auf Tatbestandsebene nicht. Diese Abwägung ist Gegenstand der Ermessensentscheidung der Behörde, die erst im Anschluss an die Prüfung der Zulassungsvoraussetzungen des vorzeitigen Beginns stattfindet und auf der Rechtsfolgenseite angesiedelt ist; dazu Rn. 22.

d) Verpflichtungserklärung des Unternehmers (Nr. 4). Nummer 4 begründet eine Pflicht 19 des Unternehmers zur Abgabe einer sogen. Risikoübernahmeerklärung. Der Unternehmer muss sich verpflichten, alle bis zur Entscheidung über den Rahmenbetriebsplan durch die vorzeitige Ausführung des Vorhabens verursachten Schäden zu ersetzen und für den Fall, dass die Planfeststellung des Vorhabens versagt werden sollte, den früheren Zustand wiederherzustellen. Möglich ist ein öffentlich-rechtlicher Vertrag zwischen der Bergbehörde und dem Unternehmer, in welchem dieser sich zum Ersatz aller verursachten Schäden und zur Wiederherstellung für den Fall der Versagung der Planfeststellung verpflichtet. Auch eine einseitige Verpflichtungserklärung des Unternehmers ist zur Erfüllung des Sicherungszwecks der Nummer 4 ausreichend.44 Die Behörde kann die Erklärung ablehnen bzw. als für die Zulassung des vorzeitigen Beginns unzureichend zurückweisen, wenn der Unternehmer nicht über die erforderliche finanzielle Leistungsfähigkeit zur Abdeckung der Erklärung verfügen sollte; zur Frage einer Sicherheitsleistung unter Rn. 25. Die wirtschaftliche Vertretbarkeit der Wiederherstellung ist dagegen von der Behörde nicht zu prüfen, da der Unternehmer auf eigenes Risiko handelt. Die Verpflichtung zum Schadenersatz hat Schutzwirkung zugunsten Dritter.45 Geschädigten 20 Dritten steht aus dem Vertrag oder auch der einseitigen Erklärung des Verpflichteten ein Anspruch auf Ersatz aller von dem Vorhabenträger während des vorzeitigen Beginns verursachten Schäden zu. Die Verpflichtung des Vorhabenträgers zum Schadenersatz ist verschuldensunabhängig.46 Sie erfasst alle bis zur Entscheidung der Bergbehörde über den Rahmenbetriebsplan verursachten Schäden und ist nicht davon abhängig, ob der Rahmenbetriebsplan zugelassen oder die Zulassung 42 Ebenso: BeckOK/Guckelberger Umweltrecht, § 17 WHG Rn. 7; Landmann/Rohmer/Mann Umweltrecht, § 8a BImSchG Rn. 67; Jarass BImSchG, § 8a Rn. 8; ebenso auch der Umweltausschuss des Bundesrats in seiner ablehnenden Stellungnahme zu der mit Gesetz vom 9.10.1996 – BGBl I S. 1498 – beschlossenen Erweiterung des § 8a BImSchG um das berechtigte Interesse des Antragstellers am vorzeitigen Beginn, BR-Drs. 31/1/96, S. 4. 43 VGH Kassel 14.2.1989, 7 TH 2335/88, NVwZ-RR 1989, 631, 634. 44 OVG Lüneburg 23.6.2003, 7 ME 13/03 = ZfB 2003, 271, 273 zur Zulassung des vorzeitigen Beginns eines Sandabbaus; ebenso Landmann/Rohmer/Mann Umweltrecht, § 8a BImSchG Rn. 70 und 75 f.; Jarass BImSchG, § 8a Rn. 9; Landmann/ Rohmer/Beckmann Umweltrecht, § 37 KrWG Rn. 37; Fluck/Frenz/Fischer/Franßen/Guckelberger/Zott KrWR, AbfR und BodSchR, § 37 KrWG Rn. 44; Czychowski/Reinhardt WHG, § 17 Rn. 15; Kotulla WHG, § 17 Rn. 15; Sieder/Zeitler/Dahme/ Knopp/Knopp WHG, § 17 Rn. 53; Ochtendung Zulassung des vorzeitigen Beginns, S. 98. 45 Jarass BImSchG, § 8a Rn. 28; Fluck/Frenz/Fischer/Franßen/Guckelberger/Zott KrWR, AbfR und BodSchR, § 37 KrWG Rn. 45; Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp WHG, § 17 Rn. 54; Drittwirkung nur für den Fall eines öffentlich-rechtlichen Vertrags bejahend: Landmann/Rohmer/Mann Umweltrecht, § 8a BImSchG Rn. 72 f. und 76; Kotulla WHG, § 17 Rn. 15; Berendes/Frenz/Müggenborg/Schmid WHG, § 17 Rn. 34. 46 Landmann/Rohmer/Mann Umweltrecht, § 8a BImSchG Rn. 77; Jarass BImSchG, § 8a Rn. 9 und 28; Landmann/Rohmer/Beckmann Umweltrecht, § 37 KrWG Rn. 38; Fluck/Frenz/Fischer/Franßen/Guckelberger/Zott KrWR, AbfR und BodSchR, § 37 KrWG Rn. 46; Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp WHG, § 17 Rn. 54. 671

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Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

abgelehnt wird, greift also auch im Fall einer Rahmenbetriebsplanzulassung für die bis dahin verursachten Schäden.47 Diesem verschuldensunabhängigen Anspruch kommt in anderen Rechtsgebieten mit der Möglichkeit der Zulassung eines vorläufigen Beginns, also im Immissionsschutzrecht, im Abfallrecht und im Wasserrecht, eine erhebliche Sicherungsfunktion zu. Im Bergrecht ist die Regelung obsolet, soweit es um den vorzeitigen Beginn einer Aufsuchungs-, Gewinnungsoder Aufbereitungstätigkeit i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 geht, da § 114 Abs. 1 für daraus resultierende Schäden ohnehin einen verschuldensunabhängigen Schadenersatzanspruch normiert; der Bergschadenersatzanspruch ist unabhängig von der Zulassung des schädigenden Betriebs durch einen Betriebsplan und erfasst auch Schäden, die durch entweder ungenehmigte Tätigkeiten oder durch ein zum vorzeitigen Beginn zugelassenes Vorhaben verursacht werden. Für andere Tätigkeiten oder Einrichtungen, die gemäß § 2 Abs. 2 und 3 unter das Bergrecht fallen und zum vorzeitigen Beginn zugelassen werden, aber nicht dem verschuldensunabhängigen Schadenersatzanspruch aus § 114 Abs. 1 unterfallen, kommt der Regelung der Nummer 4 dagegen Bedeutung zu. 21 Die Verpflichtung zur Wiederherstellung des früheren Zustands, die anders als die Schadenersatzverpflichtung nur greift, wenn das Vorhaben letztlich nicht zugelassen wird, erfordert nicht, dass exakt der frühere Zustand wiederhergestellt wird, da das oftmals gar nicht möglich ist. Entscheidend ist vielmehr, dass ein dem früheren Zustand gleichwertiger Zustand wiederhergestellt wird.48 Dafür spricht auch die in Nummer 2 enthaltene Zulassungsvoraussetzung, dass das Vorhaben keine nicht wiedergutzumachende Beeinträchtigung von Natur- und Landschaft verursachen darf; mit einem bergbaulichen Vorhaben in der Regel unverhinderbar einhergehende Eingriffe in Natur und Landschaft sind dagegen auch bei der Zulassung des vorzeitigen Beginns zulässig. Nicht identisch ist die Wiederherstellungsverpflichtung mit der bergrechtlichen Verpflichtung zur Wiedernutzbarmachung gemäß § 4 Abs. 4 im Anschluss an betriebsplanmäßig zugelassene Bergbauvorhaben; dazu § 4 Rn. 24 ff. Während die Wiedernutzbarmachung in Ansehung möglicher Folgenutzungen einer bergbaulich genutzten Fläche erfolgt und keine Rekultivierung beinhaltet, ist die Wiederherstellung darauf gerichtet, einen dem vormaligen Zustand gleichwertigen Zustand herzustellen.

5. Ermessensentscheidung der Behörde 22 Über den Antrag auf vorzeitigen Beginn entscheidet die Bergbehörde durch Verwaltungsakt. Die Entscheidung über die Zulassung des vorzeitigen Beginns steht im Ermessen der Planfeststellungsbehörde.49 Sie kann den vorzeitigen Beginn zulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 1 Nr. 1 bis 4 erfüllt sind, anderenfalls ist ein vorzeitiger Beginn von vornherein nicht zulassungsfähig. Bei Erfüllung der Zulassungsvoraussetzungen des Absatzes 1 Nr. 1 bis 4 hat der Vorhabenträger einen Anspruch auf fehlerfreie Ermessensentscheidung. Eine Verpflichtung der Behörde, den vorzeitigen Beginn zuzulassen, besteht auch bei Erfüllung der Zulassungsvoraussetzungen der Nummern 1 bis 4 nicht, wenn nicht im Einzelfall das Ermessen auf Null reduziert ist. Die Ermessensentscheidung hat die Behörde auf Grundlage einer Interessenabwägung zu 23 treffen. Auf der Rechtsfolgenseite sind daher auch etwaige dem vorzeitigen Beginn entgegenstehende Interessen Dritter zu berücksichtigen.50 Ob auch der Charakter der Zulassung des vorzeitigen Beginns als Ausnahmeentscheidung zu berücksichtigen ist, oder dies auf der Rechtsfolgenseite

47 Jarass BImSchG, § 8a Rn. 28. 48 Landmann/Rohmer/Beckmann Umweltrecht, § 37 KrWG Rn. 14 ff. 49 Allein § 8a BImSchG wurde mit Art. 15b des Gesetzes zur Neuregelung des Wasserrechts vom 31.7.2009, BGBl I S. 2585, zum 1.3.2010 in eine Soll-Vorschrift geändert; im Übrigen bleibt es bei den Regelungen über den vorzeitigen Beginn im Abfallrecht, Wasserrecht und auch im Bergrecht bei Kann-Vorschriften. 50 Vgl. Landmann/Rohmer/Mann Umweltrecht, § 8a BImSchG Rn. 81; Fluck/Frenz/Fischer/Franßen/Guckelberger/Zott KrWR, AbfR und BodSchR, § 37 KrWG Rn. 57; Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp WHG, § 17 Rn. 28 und 61. Keienburg/Wiesendahl

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bei der Ermessensausübung keine Rolle spielen darf, ist umstritten.51 Nach hier vertretener Auffassung ist der Ausnahmecharakter des vorzeitigen Beginns in den Zulassungsvoraussetzungen verankert. Sind diese erfüllt, kann und darf der Ausnahmecharakter der Regelung nicht nochmals – und damit über die Zulassungsvoraussetzungen hinausgehend – auf der Rechtsfolgenseite berücksichtigt werden. Auf der Rechtsfolgenseite können im Rahmen der Ermessenserwägungen nur sonstige Aspekte, die nicht bereits in den Zulassungsvoraussetzungen fixiert sind, berücksichtigt werden; dies sind in erster Linie der Zulassung des vorzeitigen Beginns entgegenstehende, rechtlich geschützte Interessen Dritter. Das Ermessen der Behörde berechtigt diese nicht nur zu einer Entscheidung darüber, ob der 24 vorzeitige Beginn zugelassen wird oder nicht. Die Behörde kann bei einer Zulassung des vorzeitigen Beginns auch Inhalt und Umfang der Zulassung reglementieren. Die Entscheidung über den vorzeitigen Beginn kann als Ermessensentscheidung gemäß § 36 Abs. 2 VwVfG mit Nebenbestimmungen versehen werden.52 Die Behörde kann daher auch eine nur teilweise Zulassung des vorzeitigen Beginns für gegenständlich beschränkte Maßnahmen aussprechen. Auch eine Befristung der Zulassung – die für den vorzeitigen Beginn gemäß § 37 Abs. 1 Satz 1 KrWG zwingend vorgeschrieben ist – ist gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG zulässig.

6. Sicherheitsleistung Eine Sicherheitsleistung etwa in Form einer Bürgschaft zur Absicherung der Schadenersatzverpflich- 25 tung und der Wiederherstellungspflicht regelt § 57b Abs. 1 nicht. Während § 8a Abs. 2 Satz 3 BImSchG die Behörde berechtigt und § 37 Abs. 2 KrWG die Behörde unter der Voraussetzung, dass dies erforderlich ist, verpflichtet, die Leistung einer Sicherheit zur Erfüllung der Pflichten des Vorhabenträgers – dies sind die Verpflichtung zum Schadenersatz und zur etwaigen Wiederherstellung53 – zu verlangen, schweigt § 57b Abs. 1 dazu. Ein Rückgriff auf § 56 Abs. 2 und die dort geregelte Möglichkeit des Verlangens einer Sicherheitsleistung verbietet sich, da die Regelung nur für in § 56 Abs. 1 behandelte Betriebsplanzulassungen gilt. Die allgemeine Rechtsgrundlage aus § 36 Abs. 1 und 2 VwVfG, die die Behörde berechtigt, einem Verwaltungsakt Nebenbestimmungen beizufügen, ist nicht geeignet, eine Forderung nach Sicherheitsleistung zu begründen. Dies belegen gerade die speziellen Rechtsvorschriften in § 56 Abs. 2 sowie § 8a Abs. 2 Satz 3 BImSchG und § 37 Abs. 2 KrWG und der daraus zu ziehende Umkehrschluss, dass der Gesetzgeber dem Instrument der Sicherheitsleistung ein erheblich belastendes Gewicht beimisst und lediglich besonders bedeutsamen Fallgestaltungen zuweisen will, was eine ausdrückliche gesetzgeberische Regelung voraussetzt.54 Da diese ausdrückliche gesetzgeberische Regelung in § 57b Abs. 1 nicht getroffen wurde, ist eine Sicherheitsleistung für die Zulassung des vorzeitigen Beginns nach hier vertretener Auffassung nicht regelbar.55

7. Widerrufsvorbehalt Absatz 1 regelt, dass die Behörde den vorzeitigen Beginn unter dem Vorbehalt des Widerrufs 26 zulassen kann. Dies beinhaltet das Erfordernis einer entsprechenden behördlichen Regelung in 51 Für die Berücksichtigung des Ausnahmecharakters: Landmann/Rohmer/Mann Umweltrecht, § 8a BImSchG Rn. 85; dagegen: Landmann/Rohmer/Beckmann Umweltrecht, § 37 KrWG Rn. 46. 52 Landmann/Rohmer/Beckmann Umweltrecht, § 37 KrWG Rn. 50; Fluck/Frenz/Fischer/Franßen/Guckelberger/Zott KrWR, AbfR und BodSchR, § 37 KrWG Rn. 67. 53 Landmann/Rohmer/Mann Umweltrecht, § 8a BImSchG Rn. 105; Jarass BImSchG, § 8a Rn. 15; Landmann/Rohmer/ Beckmann Umweltrecht, § 37 KrWG Rn. 57. 54 OVG Münster 30.8.1999, 21 A 2945/96, NVwZ 2000, 89, 90. 55 A.A. Czychowski/Reinhardt WHG, § 17 Rn. 15 und 24; Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp WHG, § 17 Rn. 71; Kotulla WHG, § 17 Rn. 21; Ochtendung Zulassung des vorzeitigen Beginns, S. 114. 673

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der Zulassung des vorzeitigen Beginns; es steht nicht im Ermessen der Behörde, die Zulassung mit einem Widerrufsvorbehalt zu versehen, sondern dazu ist sie aufgrund Absatz 1 verpflichtet.56 Die Möglichkeit des jederzeitigen Widerrufs besteht mangels entsprechender Anordnung in Absatz 1 – anders als in § 8a Abs. 2 Satz 1 BImSchG und in § 17 Abs. 2 Satz 1 WHG geregelt – nicht kraft Gesetzes, sondern ist in der Zulassung auszusprechen. Der Vorbehalt des Widerrufs ermöglicht es der Behörde, auf nachträglich veränderte Umstände, etwa neue Erkenntnisse, die Zweifel an einer positiven Entscheidung zugunsten des Unternehmers im Planfeststellungsverfahren begründen, die Besorgnis nicht wiedergutzumachender Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft oder den Wegfall des die Zulassung rechtfertigenden öffentlichen Interesses bzw. des berechtigten Interesses des Unternehmers, zu reagieren. Dagegen kann sich der Unternehmer nicht auf Bestandsschutz berufen, da dieser durch eine unter dem Vorbehalt des Widerrufs erteilte Zulassung gerade nicht begründet wird. Das Gebrauchmachen von einem vorbehaltenen Widerruf i.S.d. § 36 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG begründet im Umkehrschluss zu § 49 Abs. 6 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 VwVfG auch keine Entschädigungsansprüche des Unternehmers; dieser macht von der Zulassung eines vorzeitigen Beginns auf eigenes Risiko Gebrauch und kann auf den Fortbestand der unter dem Vorbehalt des Widerrufs erteilten Zulassung nicht vertrauen.

8. Inhalt und Wirkung der Entscheidung 27 a) Kein Präjudiz für die Planfeststellung bzw. Zulassung des Rahmenbetriebsplans. Der vorzeitige Beginn ist sowohl von einem Vorbescheid als auch von einer Teilgenehmigung – zwei Rechtsinstitute, die das Bundesberggesetz nicht selbst regelt, sondern die in Absatz 2 unter Bezugnahme auf Regelungen andere Gesetze herangezogen sind, dazu Rn. 34 ff. – zu unterscheiden. Anders als ein Vorbescheid, beinhaltet die Zulassung des vorzeitigen Beginns keine abschließende Feststellungsentscheidung über einzelne Zulassungsvoraussetzungen des Vorhabens. Anders als eine Teilgenehmigung, beinhaltet die Zulassung des vorzeitigen Beginns keine abschließende Genehmigung einzelner Teile oder Stufen eines Vorhabens. Die Zulassung des vorzeitigen Beginns ersetzt damit nicht, auch nicht in Teilen, die mit der späteren Rahmenbetriebsplanzulassung zu treffende Entscheidung. Die Zulassung des vorzeitigen Beginns hat auch keine Bindungswirkung für die mit der Rahmenbetriebsplanzulassung zu treffende Entscheidung;57 ihr kommt keine einem vorläufigen positiven Gesamturteil vergleichbare Wirkung zu, so dass es weder einer Zulassung des vorzeitigen Beginns als Voraussetzung für die spätere Rahmenbetriebsplanzulassung bedarf, noch dem Unternehmer aus einer Zulassung des vorzeitigen Beginns ein Anspruch auf Erteilung der Rahmenbetriebsplanzulassung erwächst.

28 b) Weitere Betriebsplanzulassungen. Da die bergrechtliche Rahmenbetriebsplanzulassung – sowohl als fakultative als auch als obligatorische Rahmenbetriebsplanzulassung – keine bergrechtliche Gestattungswirkung und damit keine vertikale Konzentrationswirkung entfalten, vgl. § 52 Rn. 37 und § 57a Rn. 34, und zur Führung eines bergbaulichen Betriebs immer zusätzlich eine 56 Vgl. BVerwG 30.4.1991, 7 C 35/90, NVwZ 1991, 994, 995 zu § 7a AbfG a.F. und § 9a WHG a.F.; Fluck/Frenz/Fischer/ Franßen/Guckelberger/Zott KrWR, AbfR und BodSchR, § 37 KrWG Rn. 62; Ochtendung Zulassung des vorzeitigen Beginns, S. 147 f. 57 BVerwG 30.4.1991, 7 C 35/90, NVwZ 1991, 994 f. zu § 7a AbfG a.F. und § 9a WHG a.F.; ebenso zuvor VGH München 14.11.1989, 20 AS 89/40007, NVwZ 1990, 990; VGH Mannheim 17.11.2009, 10 S 1851/09, juris Rn. 2; VG Schleswig 11.1.2008, 12 B 44/07, ZUR 2008, 211, 212 zu § 9a WHG a.F.; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 57b Rn. 2; Frenz/Beckmann BBergG, § 57b Rn. 6; Landmann/Rohmer/Mann Umweltrecht, § 8a BImSchG Rn. 41und 116; Jarass BImSchG, § 8a Rn. 19; Landmann/Rohmer/Beckmann Umweltrecht, § 37 KrWG 33; Fluck/Frenz/Fischer/Franßen/Guckelberger/Zott KrWR, AbfR und BodSchR, § 37 KrWG Rn. 50; Czychowski/Reinhardt WHG, § 17 Rn. 10; Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp/Knopp WHG, § 17 Rn. 63; Kotulla WHG, § 17 Rn. 9; Berendes/Frenz/Müggenborg/Schmid WHG, § 17 Rn. 20. Keienburg/Wiesendahl

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Hauptbetriebsplanzulassung und ggf. weitere Sonderbetriebsplanzulassungen erforderlich sind, stellt sich die Frage, ob dieses Erfordernis auch im Fall eines vorzeitigen Beginns gilt. Dagegen spricht, dass eine spezialgesetzlich ermöglichte Zulassung des vorzeitigen Beginns, die im Nachgang weitere Zulassungen auf Grundlage desselben Gesetzes erfordert, systemwidrig erscheint. Auf der anderen Seite ist zu bedenken, dass diese Systematik in der Rahmenbetriebsplanzulassung selbst angelegt ist, die keine Gestattungswirkung hinsichtlich der bergbaulichen Tätigkeit entfaltet. Auf Grundlage allein einer Rahmenbetriebsplanzulassung kann ein bergbauliches Vorhaben nicht geführt werden. Eine Durchbrechung dieses Grundsatzes hat der Gesetzgeber in § 57b Abs. 1 nicht ausdrücklich geregelt. Auch aus der amtlichen Begründung des Bergrechtsänderungsgesetzes aus dem Jahr 1990, mit welchem die Möglichkeit eines vorzeitigen Beginns erstmals für planfeststellungspflichtige Vorhaben eingeführt wurde, ergibt sich nicht, dass der Gesetzgeber die Zulassung eines vorzeitigen Beginns für ausreichend zur Umsetzung eines Vorhabens erachtet. In der amtlichen Begründung der Änderung des BBergG des Jahres 2021 und der damit eingeführten Möglichkeit eines vorzeitigen Beginns auch für Vorhaben, die durch fakultativen Rahmenbetriebsplan zuzulassen sind, ist dagegen ausgeführt, dass die Zulassung des vorzeitigen Beginns den Unternehmer berechtige, mit Errichtungs- und Durchführungsmaßnahmen unmittelbar zu beginnen.58 Ob der Gesetzgeber damit die Entbehrlichkeit zusätzlicher Haupt- bzw. Sonderbetriebsplanzulassungen darlegen will, ist offen. Zudem ist fraglich, ob selbst bei Bejahung eines derartigen Willens nicht der Wortlaut des Gesetzes entgegensteht. Denn Absatz 1 entbindet nur von dem Erfordernis einer Planfeststellung bzw. einer Rahmenbetriebsplanzulassung vor Ausführung des Vorhabens, nicht aber von dem Erfordernis der in § 52 Abs. 1 Satz 1 zwingend geregelten Hauptbetriebsplanzulassung. Nach hier vertretener Auffassung bedarf daher die Führung eines Bergbaubetriebs auch im Fall der Zulassung des vorzeitigen Beginns, die von dem Erfordernis einer obligatorischen Rahmenbetriebsplanzulassung bzw. einer Rahmenbetriebsplanzulassung vor Beginn des Bergbaubetriebs dispensiert, einer Hauptbetriebsplanzulassung.59

c) Sonstige Entscheidungen. Von dem Erfordernis sonstiger Zulassung, die bereits für die 29 Durchführung des vorzeitigen Beginns erforderlich sind, etwa Ausnahmen oder Befreiungen von naturschutzrechtlichen Verboten, befreit die Zulassung des vorzeitigen Beginns insoweit, als dies auch für die Rahmenbetriebsplanzulassung gilt. Im Umfang der Konzentrationswirkung eines Planfeststellungsbeschlusses wird mit der Zulassung des vorzeitigen Beginns nicht nur die Zulässigkeit des vorzeitigen Beginns auf Rahmenbetriebsplanebene ausgesprochen, sondern wird die Zulässigkeit auch im Hinblick auf sonstige für den konkreten Gegenstand des vorzeitigen Beginns erforderliche Genehmigungen anderer Rechtsgebiete ausgesprochen. Die Zulassungsentscheidung des Absatzes 1 entfaltet zwar anders als eine Planfeststellung keine Konzentrationswirkung für die außerbergrechtlichen Zulassungserfordernisse gemäß § 75 Abs. 1 Satz 1 VwVfG. Sie entfaltet aber eine vorläufige Befreiung vom Zulassungserfordernis, die auch die von der Hauptentscheidung zu konzentrierenden Entscheidungen umfasst.60 Da die Entscheidung über die Zulassung des vorzeitigen Beginns im Kontext zu einem für die endgültige Zulassung erforderlichen Planfest58 BT-Drs. 19/28402, S. 20. 59 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 57b Rn. 10; Ochtendung Zulassung des vorzeitigen Beginns, S. 49; Strecker Die Rechtsposition der Gemeinden im bergrechtlichen Betriebsplanverfahren, S. 172; a.A. Frenz/Beckmann BBergG, § 57b Rn. 14 ff.; Beckmann/Wittmann DVBl 2021, 137, 143. 60 Ebenso im Ergebnis, teilweise unter Bejahung einer entsprechenden Anwendbarkeit der Konzentrationswirkung: OVG Greifswald 25.3.2002, 3 M 87/01, NVwZ 2002, 1258, 1259 zu § 8a BImSchG; VG Schleswig 11.1.2008, 12 B 44/07, ZUR 2008, 211, 212 zu § 9a WHG a.F.; Frenz/Beckmann BBergG, § 57b Rn. 12; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 57b Rn. 10; Landmann/Rohmer/Sellner /Mann Umweltrecht, § 8a BImSchG, Rn. 1107 f.; Feldhaus/Rebentisch BImSchG, § 13 Rn. 45; Jarass BImSchG, § 8a Rn. 20; Landmann/Rohmer/Beckmann Umweltrecht, § 37 KrWG Rn. 17; Fluck/Frenz/Fischer/Franßen/Guckelberger/Zott KrWR, AbfR und BodSchR, § 37 KrWG Rn. 75; Czychowski/Reinhardt WHG, § 69 Rn. 8; Kotulla WHG, § 69 Rn. 6; Berendes/Frenz/Müggenborg/Maus WHG, § 69 Rn. 11; Ochtendung Zulassung des vorzeitigen Beginns, S. 144 f.; Thorwarth ZfW 1991, 205, 206 ff. zu § 9a WHG a.F. 675

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stellungsbeschluss – mit Konzentrationswirkung – zu sehen ist und gerade der Beschleunigung eines einer Planfeststellung bedürfenden Vorhabens dienen soll, ist es systemgerecht, der Zulassung über den vorzeitigen Beginn eine umfassende Befreiungswirkung in dem Sinne zuzuerkennen, dass zur Durchführung des vorzeitigen Beginns keine weiteren außerbergrechtlichen Zulassungen erforderlich sind. Anderenfalls müsste der Vorhabenträger zusätzlich zur Zulassung des vorzeitigen Beginns bei anderen Behörden als der Bergbehörde für den vorzeitigen Beginn ggf. erforderliche weitere Zulassungen, etwa Baugenehmigungen oder naturschutzrechtliche Genehmigungen, einholen. Der Vorhabenträger müsste damit außerbergrechtliche Genehmigungen einholen, für die nicht eine vorläufige Prüfung der Genehmigungsfähigkeit ausreichte, sondern eine vollständige Prüfung durchzuführen wäre und die mit Erlass des Planfeststellungsbeschlusses aufgrund dessen Konzentrationswirkung Makulatur wären. Dies würde sowohl der Beschleunigung als auch der Konzentration des Verfahrens bei der Bergbehörde widersprechen. Deshalb sind im Fall eines planfeststellungspflichtigen Vorhabens die bei der Planfeststellungsbehörde aufgrund des Planfeststellungsverfahrens mit Konzentrationswirkung ohnehin vorhandenen Informationen über sämtliche Genehmigungserfordernisse von der Planfeststellungsbehörde ggf. unter Beteiligung der Behörden, deren Entscheidungszuständigkeiten konzentriert werden, auszuwerten und an den Zulassungsmaßstäben des Absatzes 1 Nr. 1 zu spiegeln. Die Bergbehörde entscheidet über die Zulässigkeit des vorzeitigen Beginns des Vorhabens unter Einbeziehung der für den vorzeitigen Beginn erforderlichen sonstigen Zulassungen, die von der Konzentrationswirkung des Planfeststellungsbeschlusses erfasst würden und erteilt mit der Zulassung des vorzeitigen Beginns eine Befreiung vom Zulassungserfordernis auch der konzentrierten Entscheidungen. 30 Anderes gilt im Fall einer fakultativen Rahmenbetriebsplanzulassung, die nicht planfeststellungsfähig ist und damit keine Konzentrationswirkung entfaltet. Soweit parallel zu einer fakultativen Rahmenbetriebsplanzulassung zusätzliche Zulassungen erforderlich sind und das Zulassungserfordernis bereits durch die vorzeitig zugelassenen Maßnahmen bzw. Tätigkeiten ausgelöst wird, sind diese Zulassungen vor Umsetzung des vorzeitigen Beginns einzuholen. Dies gilt auch, soweit außerbergrechtliche Zulassungserfordernisse zusätzlich zu einer obligatorischen Rahmenbetriebsplanzulassung bestehen; in diesen Fällen gehen die spezialgesetzlichen Zulassungserfordernisse, die auch von der Konzentrationswirkung der bergrechtlichen Planfeststellung nicht erfasst werden, vor. Gewässerbenutzungen, die von der Konzentrationswirkung der Planfeststellung gemäß § 19 Abs. 1 WHG nicht umfasst sind – vgl. § 57a Rn. 44 – können nicht Regelungs- und Gestattungsgegenstand einer Zulassungsentscheidung nach § 57b Abs. 1 sein.61 Geht der vorzeitige Beginn eines bergbaulichen Vorhabens mit wasserrechtlich zulassungspflichtigen Gewässerbenutzungen einher, bedarf es zur Durchführung dieser wasserrechtlichen Benutzungen zusätzlich zur Zulassung des vorzeitigen Beginns gemäß § 57 Abs. 1b einer Zulassung des vorzeitigen Beginns auch in Fällen planfeststellungspflichtiger Vorhaben und ebenso in Fällen eines fakultativen Rahmenbetriebsplanverfahrens der wasserrechtlichen Benutzung gemäß § 17 Abs. 1 WHG. Die Voraussetzungen der Zulassung des vorzeitigen Beginns nach § 17 Abs. 1 WHG entsprechen den Voraussetzungen des § 57b Abs. 1 Nr. 1, 3 und 4. Zuständig für die Zulassung des vorzeitigen Beginns gemäß § 17 Abs. 1 WHG ist „die zuständige Behörde“. Dies ist die für die endgültige wasserrechtliche Erlaubnis oder Bewilligung zuständige Behörde und damit im Planfeststellungsverfahren aufgrund der Zuständigkeitskonzentration gemäß § 19 Abs. 1 WHG die Planfeststellungsbehörde. Im bergrechtlichen Planfeststellungsverfahren entscheidet damit die bergrechtliche Planfeststellungsbehörde über die Zulassung des vorzeitigen Beginns gemäß § 17 WHG, dies aber nicht mit der Zulassung gemäß § 57b Abs. 1, sondern außerhalb der bergrechtlichen Zulassung in einer gesonderten wasserrechtlichen Zulassung gemäß § 17 Abs. 1 WHG. Voraussetzung der Erteilung der wasserrechtlichen Erlaubnis oder Bewilligung durch die Planfeststellungsbehörde kraft Zuständigkeitskonzentration ist gemäß § 19 Abs. 3 WHG das Einvernehmen der zuständigen Wasserbehörde. Das Einvernehmenserfordernis dient der Wahrung der materiellen Entscheidungskompetenz der Wasserbehörde. Diese besondere Einvernehmensregelung für die Hauptentscheidung muss konse61 Ebenso Frenz/Beckmann BBergG, § 57b Rn. 13. Keienburg/Wiesendahl

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quenterweise auch im Verfahren der Zulassung eines vorzeitigen Beginns durch die für die Entscheidungsfindung formell zuständige aber nicht materiell alleinentscheidungsbefugte Bergbehörde berücksichtigt werden. Ob dies bedeutet, dass ein formelles Einvernehmen der zuständigen Wasserbehörde zum vorzeitigen Beginn erforderlich ist, ist nicht eindeutig.62 Nach hier vertretener Auffassung muss zwar das förmliche Einvernehmensverfahren im Fall der Zulassung des vorzeitigen Beginns nicht durchgeführt werden, bedarf es aber einer nicht-förmlichen Zustimmung der Einvernehmensbehörde zu der Erteilung der Erlaubnis oder der Bewilligung als Voraussetzung einer positiven Prognoseentscheidung.63 Eines gemeindlichen Einvernehmens bedarf es gemäß § 36 Abs. 1 Satz 2 2. Halbsatz BauGB weder im bergrechtlichen Planfeststellungsverfahren, vgl. § 57a Rn. 45, noch für die Zulassung des vorzeitigen Beginns.

9. Rechtsschutz Die Zulassung des vorzeitigen Beginns ergeht als Verwaltungsakt. Sie ist mit Rechtsbehelfen an- 31 fechtbar. Abhängig von den landesrechtlichen Regelungen, die gemäß § 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO Ausnahmen von dem Erfordernis eines Widerspruchsverfahrens regeln können und dies inzwischen auch weitgehend tun, ist ggf. zunächst ein Widerspruchsverfahren durchzuführen oder sofort eine Klage anhängig zu machen. Dies gilt auch bei der Zulassung eines vorzeitigen Beginns für ein planfestzustellendes Vorhaben i.S.d. § 52 Abs. 2a BBergG; die Ausnahmeregelung für Planfeststellungsbeschlüsse, die gemäß § 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO i.V.m. §§ 74 Abs. 1 Satz 2, 70 VwVfG keiner Vorprüfung im Widerspruchsverfahren unterliegen, sondern unmittelbar mit der Klage anzugreifen sind, findet auf die Zulassung des vorzeitigen Beginns, die nicht als Planfeststellungsbeschluss ergeht, keine Anwendung. Die Gerichtszuständigkeit bei einer Klage gegen einen vorzeitigen Beginn variiert. Handelt es sich um einen vorzeitigen Beginn für ein durch eine obligatorische Rahmenbetriebsplanzulassung planfestzustellendes Vorhaben oder um einen vorzeitigen Beginn für ein durch einen fakultativen Rahmenbetriebsplan zuzulassendes Vorhaben im Zusammenhang mit der aufgrund des Kohleverstromungsbeendigungsgesetzes vorgesehenen Einstellung von Braunkohletagebauen, ist in erster Instanz das Oberverwaltungsgericht zuständig. Die für obligatorische Rahmenbetriebsplanzulassungen und für Rahmenbetriebsplanzulassungen im Zusammenhang mit der aufgrund des Kohleverstromungsbeendigungsgesetzes vorgesehenen Einstellung von Braunkohletagebauen in § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 13 u. 14 VwGO geregelte erstinstanzielle Zuständigkeit des OVG gilt auch für damit zusammenhängende Entscheidungen für Errichtung und Betrieb, wie etwa einen vorzeitigen Begin.64 Für einen vorzeitigen Beginn für sonstige durch fakultative Rahmenbetriebsplanzulassung zuzulassenden Vorhaben, die nicht unter die Spezialregelung des § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 14 VwGO fallen, ist dagegen in erster Instanz gem. § 45 VwGO das Verwaltungsgericht zuständig. Da Widerspruch und Klage gegenüber bergrechtlichen Verwaltungsakten mangels Sonderregelung gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufschiebende Wirkung zukommt, bedarf es im Fall eines Widerspruchs- oder Klageverfahrens einer Sofortvollzugsanordnung zur Ausnutzbarkeit der Zulassung des vorzeitigen Beginns; dies ist kein Automatismus der Zulassung.

62 Verneinend für den Fall eines gesetzlich aufgrund anderweitiger Zuständigkeit ausdrücklich angeordneten Einvernehmens – konkret § 36 Abs. 1 Satz 2 BauGB – Jarass BImSchG, § 8a Rn. 16 und Landmann/Rohmer/Mann Umweltrecht, § 8a BImSchG Rn. 60; bejahend Berendes/Frenz/Müggenborg/Schmid WHG, § 17 Rn. 15. 63 So auch Landmann/Rohmer/Sellner Umweltrecht, § 8a BImSchG Rn. 113 zum im immissionsschutzrechtlichen Verfahren erforderlichen gemeindlichen Einvernehmen nach § 36 Abs. 1 Satz 2 BauGB. 64 OVG Münster 10.11.2020, 8 B 1409/20, DVBl 2021, 396 Rn. 9 u. 11; Schoch/Schneider/Panzer VwGO, § 48 Rn. 9; Fehling/ Kastner/Störmer/Unruh Verwaltungsrecht, § 48 VwGO Rn. 9. 677

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Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

Durch die Maßnahmen des vorzeitigen Beginns unmittelbar betroffene Nachbarn und Grundstückseigentümer können gegen die Zulassung Klage erheben.65 Im Übrigen kommt den Vorschriften über den vorzeitigen Beginn nur geringe Drittschutzwirkung zu. Das BVerwG hat einer Drittschutzwirkung der Zulassungsvoraussetzung einer positiven Prognose für die Genehmigungsentscheidung in Würdigung der §§ 7a AbfG a.F. und 9a WHG a.F. mit Urteil vom 30.4.1991 eine Absage erteilt; da die Annahme einer Entscheidung zugunsten des Vorhabenträgers als Voraussetzung für die Zulassung des vorzeitigen Beginns eine rein vorläufige Wertung ohne Bindungswirkung für die noch zu erlassende endgültige Zulassung ist, kann die fehlende Zulassungsfähigkeit des Vorhabens erst gegenüber der endgültigen Zulassungsentscheidung gerügt werden.66 Auch der Zulassungsvoraussetzung eines öffentlichen Interesses bzw. eines berechtigten Interesses des Vorhabenträgers kommt keine Drittschutzwirkung zu.67 Drittschutzwirkung kommt nach Auffassung des VG Stade im Bergrecht allein der Zulassungsvoraussetzung des § 57b Abs. 1 Nr. 4 zu.68 Das OVG Lüneburg hat dies als gut vertretbar gewertet.69 Drittschutzwirkung entfaltet darüber hinaus das Erfordernis der Beschränkung des vorzeitigen Beginns auf den Beginn; eine darüber hinausgehende Zulassung, die die Grenzen des vorzeitigen Beginns überschreitet, ist angreifbar.70 33 Ob bei UVP-pflichtigen Vorhaben, d.h. im Bereich des Bergrechts bei Vorhaben, die eine Planfeststellung nach § 52 Abs. 2a BBergG erfordern, eine Klagebefugnis anerkannter Vereinigungen gegen die Zulassung eines vorzeitigen Beginns aus § 2 Abs. 3 i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG zu bejahen ist, ist in der Rechtsprechung nicht abschließend entschieden.71 Dagegen spricht, dass es sich bei der Zulassung eines vorzeitigen Beginns auch wenn das Vorhaben UVP-pflichtig ist, nicht um eine in § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG vorausgesetzte UVP-pflichtige Entscheidung handelt; dazu Rn. 6. Zudem wird mit der Zulassung nicht abschließend über die formellen und materiellen Zulassungsvoraussetzungen eines Vorhabens entschieden, was nach Auffassung des BVerwG Voraussetzung einer Zulassungsentscheidung i.S.d. § 2 Abs. 6 UVPG ist.72 Naheliegender, gerichtlich noch nicht entschieden, ist eine Klagebefugnis anerkannter Vereinigungen sowohl bei Zulassung eines vorzeitigen Beginns für ein UVP-pflichtiges, planfestzustellendes Vorhaben als auch bei Zulassung eines vorzeitigen Beginns für ein durch fakultativen Rahmenbetriebsplan zuzulassendes, 32

65 BVerwG 29.11.2010, 7 B 68/10, NVwZ 2011, 242 Rn. 4 zu § 14 Abs. 2 WaStrG; OVG Bautzen 14.7.2020, 4 B 169/19, juris Rn. 39 zu § 69 Abs. 2 i.V.m. § 17 WHG; VGH München 14.11.1989, 20 AS 89/40007, NVwZ 1990, 990 zu § 7a AbfG a.F. und § 9a WHG a.F.; VG Dresden 14.10.2011, 3 L 352/11 = ZfB 2012, 73, 77 zu § 57b; Landmann/Rohmer/Mann Umweltrecht, § 8a BImSchG Rn. 121 f.; Landmann/Rohmer/Beckmann Umweltrecht, § 37 KrWG Rn. 62; Ochtendung Zulassung des vorzeitigen Beginns, S. 187. 66 BVerwG 30.4.1991, 7 C 35/90, NVwZ 1991, 994, 995 zu § 7a AbfG a.F. und § 9a WHG a.F.; dazu, dass die Rechtsschutzgarantie keine Möglichkeiten einer Rüge einer Rechtsverletzung durch ein noch zuzulassendes Gesamtvorhaben gegenüber einer vorgezogenen Teilmaßnahme i.S.d. § 14 Abs. 2 WaStrG erfordert: BVerwG 29.11.2010, 7 B 68/10, NVwZ 2011, 242; OVG Magdeburg 24.8.2016, 2 M 43/16, NVwZ-RR 2017, 23 Rn. 14 zu § 8a BImSchG; OVG Bautzen 14.7.2020, 4 B 169/ 19, juris Rn. 39 zu § 69 Abs. 2 i.V.m. § 17 WHG; VG Gießen 9.10.2000, 8 G 2832/00, NVwZ-RR 2001, 304, 305 zu § 8a BImSchG; Landmann/Rohmer/Mann Umweltrecht, § 8a BImSchG Rn. 123; Landmann/Rohmer/Beckmann Umweltrecht, § 37 KrWG Rn. 63; Fluck/Frenz/Fischer/Franßen/Guckelberger/Zott KrWR, AbfR und BodSchR, § 37 KrWG Rn. 88; Kotulla WHG, § 17 Rn. 13; Berendes/Frenz/Müggenborg/Schmid WHG, § 17 Rn. 11. 67 Landmann/Rohmer/Beckmann Umweltrecht, § 37 KrWG Rn. 64; Fluck/Frenz/Fischer/Franßen/Guckelberger/Zott KrWR, AbfR und BodSchR, § 37 KrWG Rn. 87. 68 VG Stade 17.12.2002, 6 B 1410/02, nicht veröffentlicht. 69 OVG Lüneburg 23.6.2003, 7 ME 13/03 = ZfB 2003, 271, 273. 70 BVerwG 30.4.1991, 7 C 35/90, NVwZ 1991, 994, 996; VGH Mannheim 17.11.2009, 10 S 1851/09, juris Rn. 12 zu § 8a BImSchG; offen gelassen vom OVG Bautzen 14.7.2020, 4 B 169/19, juris Rn. 43 zu § 69 Abs. 2 i.V.m. § 17 WHG und vom OVG Magdeburg 24.8.2016, 2 M 43/16, NVwZ-RR 2017, 23 Rn. 15 zu § 8a BImSchG. 71 Verneinend: OVG Berlin-Brandenburg 14.7.2021, 11 S 78/21, NVwZ-RR 2021, 928 Rn. 21 unter ausdrücklicher Aufgabe der zuvor vertretenen Auffassung in den Beschlüssen vom 18.12.2020, 11 S 127/20, BeckRS 2020, 35970 Rn. 10 und vom 20.2.2020, 11 S 8/20, ZUR 2020, 368, 369; bejahend: OVG Koblenz 4.3.2016, 8 B 10233/16, NVwZ-RR 2016, 576 Rn. 5; offen gelassen vom OVG Münster 10.11.2020, 8 B 1409/20, NWVBl 2021, 210, 212; OVG Magdeburg, 24.8.2016, 2 M 43/16, NVwZRR 2017, 23 Rn. 17; VGH Mannheim, 17.11.2009, 10 S 1851/09, DÖV 2010, 238 Rn. 9. 72 BVerwG 9.12.2019, 7 C 28/18, BVerwGE 167, 250 Rn. 16. Keienburg/Wiesendahl

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nicht UVP-pflichtiges Vorhaben aus der mit Gesetz vom 29.5.2017 neu eingefügten Nr. 5 in § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG. Diese Rechtsschutzmöglichkeit ist aber gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 UmwRG – anders als Rechtsschutz gegenüber Entscheidungen i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG – auf die Geltendmachung umweltbezogener Rechtsvorschriften beschränkt. Zudem kann auch ein Rechtsschutz aus dem UmwRG nicht über die vorläufig zugelassenen Maßnahmen hinausgehen; die Prognoseentscheidung ist auch bei Anwendung des UmwRG nicht prüfbar.73

III. Vorbescheid und Teilgenehmigung konzentrierter Entscheidungen (Absatz 2) Gemäß Absatz 2 sind Vorschriften über Vorbescheide und Teilgenehmigungen von dem Planfeststel- 34 lungsbeschluss konzentrierter Entscheidungen im bergrechtlichen Planfeststellungsverfahren mit den in Nummern 1 bis 3 geregelten Einschränkungen entsprechend anzuwenden. Ob dies bedeutet, dass der bergrechtliche Planfeststellungsbeschluss Vorbescheide oder Teilgenehmigungen konzentrieren kann74 oder bedeutet, dass Vorbescheide und Teilgenehmigungen im Vorfeld eines bergrechtlichen Planfeststellungsbeschlusses von der Bergbehörde erlassen werden können, ergibt sich aus dem Wortlaut der Norm nicht eindeutig.75 Insbesondere die in Absatz 2 Nr. 2 enthaltene Formulierung, dass eine abschließende Entscheidung im Planfeststellungsbeschluss vorzubehalten ist kann in beiderlei Richtung verstanden werden, nämlich dahingehend, dass der bergrechtliche Planfeststellungsbeschluss dann, wenn er Vorbescheid oder Teilgenehmigung konzentriert, den Vorbehalt einer abschließenden Regelung formulieren muss, aber auch dahingehend, dass ein außerhalb der Planfeststellung erteilter Vorbescheid oder eine Teilgenehmigung den Vorbehalt einer abschließenden Regelung in der späteren Planfeststellung enthalten muss. Nach hier vertretener Auffassung ist erstere Lesart, d.h. die Möglichkeit einer Konzentration von Vorbescheid und Teilgenehmigung im bergrechtlichen Planfeststellungsbeschluss vorzugswürdig. Absatz 2 Nr. 2 ermöglicht eine vertikale Stufung des Zulassungsverfahrens, das mit dem Planfeststellungsverfahren beginnt. Zum Zweck der Verfahrenserleichterung kann im Planfeststellungsverfahren ein Vorbescheid oder eine Teilgenehmigung konzentriert und die abschließende Genehmigung im Nachgang und – vorbehaltlich des Erfordernisses einer erneuten Umweltverträglichkeitsprüfung – außerhalb eines Planfeststellungsverfahrens erteilt werden. Für eine darüber hinausgehende Vorverlagerung von Vorbescheid oder Teilgenehmigung vor das bergrechtliche Planfeststellungsverfahren ist weder ein Erfordernis ersichtlich. Noch regelt das Gesetz dafür erforderliche Modalitäten; eine Umweltverträglichkeitsprüfung ist in § 52 Abs. 2a zwingend an das bergrechtliche Planfeststellungsverfahren gebunden. Der bergrechtliche Planfeststellungsbeschluss kann Vorbescheide und Teilgenehmigungen konzentrierter Entscheidungen einschließen und muss, soweit das Fachrecht Vorbescheide und Teilgenehmigungen regelt, nicht die vollständige Genehmigung des konzentrierten Rechtsgebiets umfassen. Eine Vorverlagerung von Vorbescheid und Teilgenehmigung vor das Planfeststellungsverfahren ist dagegen zu verneinen. Mit einer Teilgenehmigung wird über Teile eines Vorhabens, sei es etwa die Errichtung insge- 35 samt oder einen Ausschnitt der Errichtung, entschieden. Hinsichtlich der entschiedenen Teile ist eine Teilgenehmigung abschließend und entfaltet sie Gestattungswirkung.76 Der Vorbescheid dagegen dient nicht der teilweisen Genehmigung eines Vorhabens, sondern der Vorabklärung einzelner Genehmigungsvoraussetzungen, des Anlagenkonzepts (Konzeptvorbescheid) oder der planungsrechtlichen Beurteilung des vorgesehenen Standorts (Standortvorbescheid); auch die Umweltverträglich-

73 Landmann/Rohmer/Fellenberg/Schiller, Umweltrecht, § 1 UmwRG Rn. 21. 74 So Hoppe/ Beckmann/Kment UVPG, § 51 Rn. 98 u. im Ergebnis auch Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 57b Rn. 13 allerdings in Widerspruch zu den Ausführungen in Rn. 12.

75 Hierzu Frenz/Beckmann BBergG, § 57b Rn. 83 ff. 76 BVerwG 11.3.1993, 7 C 4/92, BVerwGE 92, 185, 187; Landmann/Rohmer/Dietlein Umweltrecht, § 8 BImSchG Rn. 39; Feldhaus/Czajka/Peschau BImSchG, § 8 Rn. 19 und 34; Jarass BImSchG, § 8 Rn. 24 ff. 679

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keit eines Vorhabens kann mit einem Vorbescheid festgestellt werden.77 Über die zur Vorbescheidung beantragten Teilaspekte wird mit dem Vorbescheid nicht mit Gestattungswirkung, aber mit Feststellungswirkung und damit mit Bindungswirkung für das spätere Zulassungsverfahren entschieden.78

1. Fachgesetzliche Regelungen von Vorbescheid und Teilgenehmigung 36 Voraussetzung für die Anwendbarkeit des Absatzes 2 ist zunächst, dass das von dem Planfeststellungsbeschluss konzentrierte Fachrecht die Möglichkeit eines Vorbescheids oder einer Teilgenehmigung eröffnet. Absatz 2 begründet keine selbständige Berechtigung zum Erlass von Vorbescheiden oder Teilgenehmigungen mit der bergrechtlichen Planfeststellung, sondern verweist auf Vorbescheid- und Teilgenehmigungsregelungen des von dem Planfeststellungsbeschluss eingeschlossenen Fachrechts und setzt Legitimationsgrundlagen zur Erteilung eines Vorbescheids oder einer Teilgenehmigung im Fachrecht voraus.79 Die typischen Anwendungsbereiche von Vorbescheid und Teilgenehmigung sind das Immissionsschutzrecht, das Atomrecht und das Baurecht. §§ 8, 9 BImSchG regeln für den Bereich genehmigungsbedürftiger immissionsschutzrechtlicher Anlagen die Möglichkeit von Teilgenehmigung und Vorbescheid. § 7a AtG sowie § 18 Abs. 1 AtVfV regeln für kerntechnische Anlagen im Sinne des § 7 Abs. 1 AtG die Möglichkeit von Vorbescheid und Teilgenehmigung. Teilgenehmigung und Vorbescheid im Baugenehmigungsverfahren richten sich nach den jeweils einschlägigen landesrechtlichen Bauordnungen, die auf Grundlage der §§ 74, 75 der Musterbauordnung in der Fassung aus November 2002 sämtlich die Möglichkeit von Vorbescheid und Teilgenehmigung vorsehen. 37 Im bergrechtlichen Planfeststellungsverfahren kommt den atomrechtlichen Regelungen über Vorbescheid und Teilgenehmigung keine Relevanz zu; eine Konzentration einer atomrechtlichen Genehmigung für eine Anlage i.S.d. § 7 Abs. 1 AtG durch eine bergrechtliche Planfeststellung ist mangels Vorhabenidentität ausgeschlossen. 38 Relevanz zukommen kann immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsvorschriften für bergbauliche Vorhaben, insbesondere für Aufbereitungsanlagen. Welche Anlagen einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung bedürfen, regelt § 4 Abs. 1 BImSchG i.V.m. der Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen (4. BImSchV); vgl. Anhang zu § 48 Rn. 63 ff. Diese Vorgaben gelten mit Einschränkungen auch für Anlagen des Bergwesens. Gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 BImSchG bedürfen Anlagen des Bergwesens oder Teile dieser Anlagen, die die Tatbestandsmerkmale des § 4 Abs. 1 BImSchG erfüllen, einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung, soweit sie übertage errichtet und betrieben werden; untertägige Anlagen unterliegen dagegen allein dem Bergrecht. Eine Ausnahme für die immissionsschutzrechtliche Genehmigungspflicht bergbaulicher Anlagen, auch soweit sie übertage errichtet und betrieben werden, regelt § 4 Abs. 2 Satz 2 BImSchG. Danach bedürfen Tagebaue, die der Bergaufsicht unterliegen80 und die zum Betrieb eines solchen Tagebaus erforderlichen Anlagen sowie die zur Wetterführung – und damit zur Belüftung untertägiger Anlagen81 – unerlässlichen Anlagen keiner immissionsschutzrechtlichen Genehmigung. Alle Anlagen des Bergwesens, die nicht unter die Ausnahmevoraussetzungen des § 4 Abs. 2 BImSchG fallen, sind unter den Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 BImSchG i.V.m. den Vorgaben der 4. BImSchV immissionsschutzrechtlich genehmigungspflichtig. Die immissionsschutzrechtliche Genehmigung wird im Fall eines bergrechtlichen Planfeststellungsverfahrens konzentriert. Hinsichtlich der konzentrierten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung kann von der immissionsschutzrechtli77 Dazu OVG Lüneburg 22.5.2008, 12 MS 16/07, juris Rn. 34 ff. 78 BVerwG 17.12.2002, 7 B 119/02, NVwZ 2003, 750, 751; Landmann/Rohmer/Dietlein Umweltrecht, § 9 BImSchG Rn. 67; Feldhaus/Peschau BImSchG, § 9 Rn. 24; Jarass BImSchG, § 9 Rn. 2 und 20. 79 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 57b Rn. 12; Frenz/Beckmann BBergG, § 57b Rn. 77 f. 80 Dazu, dass sonstige Tagebaue, die nicht dem Bergrecht unterliegen, nicht unter § 4 Abs. 2 BImSchG fallen: VG Aachen 3.5.2013, 6 L 552/12, juris Rn. 27; Jarass BImSchG, § 4 Rn. 37. 81 Landmann/Rohmer/Dietlein Umweltrecht, § 4 BImSchG Rn. 101. Keienburg/Wiesendahl

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chen Möglichkeit eines Vorbescheids oder einer Teilgenehmigung Gebrauch gemacht werden, was unter Rechtssicherheits- und Beschleunigungsaspekten von erheblicher praktischer Relevanz ist. Abhängig von den konkreten Inhalten der Landesbauordnungen der Länder bedürfen bauliche 39 Anlagen des Bergwesens auch Baugenehmigungen. Die Begrifflichkeit der nach dem Bauordnungsrecht genehmigungspflichtigen baulichen Anlagen ist weit gefasst und beinhaltet nicht nur Gebäude, sondern auch sonstige mit dem Erdboden verbundene Anlagen. Diese unterfallen dem Bauordnungsrecht der Länder typischerweise nicht, soweit es sich um Anlagen handelt, die der Bergaufsicht unterliegen. Eine Rückausnahme enthalten die Landesbauordnungen der Länder allerdings in der Regel insoweit, als es sich um Gebäude handelt. Gebäude bedürfen nach den Landesbauordnungen auch dann einer Baugenehmigung, wenn sie der Bergaufsicht unterliegen.82 Auch erforderliche Baugenehmigungen für Anlagen des Bergwesens werden von der Konzentrationswirkung der obligatorischen Rahmenbetriebsplanzulassung erfasst. Auch hinsichtlich dieser Anlagen kann daher von den landesrechtlichen Möglichkeiten eines Vorbescheids oder einer Teilgenehmigung Gebrauch gemacht werden.

2. Verfahren Voraussetzung der Konzentration nur eines immissionsschutzrechtlichen oder baurechtlichen Vor- 40 bescheids oder einer Teilgenehmigung durch die bergrechtliche Planfeststellung in Abgrenzung zur Konzentration der immissionsschutzrechtlichen oder baurechtlichen Vollgenehmigung ist zunächst ein auf den Erlass eines Vorbescheids oder einer Teilgenehmigung gerichteter Antrag des Vorhabenträgers. Das Erfordernis eines auf Erteilung eines Vorbescheids oder einer Teilgenehmigung gerichteten Antrags ist in den die Möglichkeit der Erteilung einer Teilgenehmigung oder eines Vorbescheids regelnden spezialgesetzlichen Vorschriften explizit normiert. Der Vorhabenträger bestimmt mit seinem Antrag, ob er – als Teil der Planfeststellung – einen Vorbescheid oder eine Teilgenehmigung begehrt und über welche Teilaspekte mit Vorbescheid bzw. Teilgenehmigung entschieden werden soll bzw. über welche Aspekte damit umgekehrt erst auf einer nachfolgenden Ebene abschließend entschieden werden soll.83 Wenn der Vorhabenträger einen Vorbescheid oder eine Teilgenehmigung nicht beantragt, kann die Behörde diesen im Vergleich zur Vollgenehmigung geringeren Genehmigungsumfang nicht von sich aus aussprechen. Sofern der Vorhabenträger eine vollständige Genehmigungserteilung beantragt, muss die Behörde diesen Antrag bescheiden und – wenn die Voraussetzungen einer vollständigen Genehmigungserteilung nicht bzw. noch nicht vorliegen – gegebenenfalls ablehnen. Der Antrag auf Erlass eines Vorbescheids oder einer Teilgenehmigung ist Teil des Antrags auf 41 Rahmenbetriebsplanzulassung. Es handelt sich – anders als bei einem Antrag auf vorzeitigen Beginn gemäß § 57b Abs. 1 – nicht um einen gesonderten Antrag außerhalb des Planfeststellungsverfahrens, sondern um einen Teil des zur Zulassung gestellten Rahmenbetriebsplans. Die von dem Vorhabenträger für den Vorbescheid oder die Teilgenehmigung einzureichenden Unterlagen müssen abschließende Angaben zur Entscheidung über die mit einem Antrag auf Vorbescheidung zur Feststellung beantragte Frage bzw. zur Entscheidung über den mit einem Antrag auf Teilgenehmigung zur Gestattung beantragten Teil enthalten. Die Unterlagen müssen weiterhin weniger detaillierte Angaben zu dem nicht zur Vorbescheidung bzw. zur Teilgenehmigung beantragten Vorhabensteil enthalten, die der Behörde im Rahmen einer vorläufigen Prüfung ein ausreichendes Urteil über die voraussichtliche immissionsschutzrechtliche oder baurechtliche Genehmigungsfähigkeit des Gesamtvorhabens ermöglichen.84 Hinsichtlich der sonstigen Zulassungsvoraussetzun82 Vgl. etwa: § 1 Abs. 2 Nr. 2 BauO NRW. 83 OVG Münster 9.12.2009, 8 D 12/08, DVBl 2010, 719, 723. 84 Soweit ein immissionsschutzrechtlicher Vorbescheid oder eine immissionsschutzrechtliche Teilgenehmigung beantragt wird, können die Vorgaben des § 22 der 9. BImSchV hinsichtlich der erforderlichen Angaben im Teilgenehmigungsverfahren, die im Verfahren auf Erteilung eines Vorbescheids gemäß § 23 Abs. 4 der 9. BImSchV entsprechend gelten, auch im bergrechtlichen Planfeststellungsverfahren herangezogen werden. 681

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gen des bergrechtlichen Planfeststellungsbeschlusses bleibt es bei den in § 57a normierten Erfordernissen; ein Vorbescheid bzw. eine Teilgenehmigung reduziert die Detailtiefe der Angaben im Planfeststellungsverfahren nur hinsichtlich der immissionsschutzrechtlichen oder baurechtlichen Zulassungsvoraussetzungen einschließlich der davon konzentrierten Rechtsgebiete, nicht aber darüber hinausgehend. Der Antrag auf Vorbescheid bzw. Teilgenehmigung ist Teil der im Öffentlichkeitsbeteiligungsverfahren auszulegenden Unterlagen. 42 Der Antrag auf Vorbescheid oder Teilgenehmigung wird mit dem Planfeststellungsbeschluss und nicht außerhalb des Planfeststellungsbeschlusses beschieden; vgl. Rn. 34. Anders, als ein Antrag auf vorzeitigen Beginn, führt ein Antrag auf Vorbescheidung oder auf Teilgenehmigung nicht zu einer Zulassung vor dem Abschluss des Planfeststellungsverfahrens und der dafür erforderlichen Verfahrensschritte. Zur Vervollständigung der mit einem Vorbescheid oder einer Teilgenehmigung noch nicht vollständig erteilten Genehmigung bedarf es im Nachgang zur Planfeststellung einer Planergänzung.

3. Zulassungsvoraussetzungen 43 Da es sich bei der Konzentrationswirkung der Planfeststellung gemäß § 75 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz VwVfG, wie bei § 57a Rn. 40 dargelegt, um eine rein formelle Konzentrationswirkung handelt, ist die Planfeststellungsbehörde an die materiellen Zulassungsvoraussetzungen des Fachrechts gebunden und muss diese im Planfeststellungsverfahren beachten. Dies gilt auch für den Fall der Erteilung eines Vorbescheids oder einer Teilgenehmigung. Voraussetzung für die Konzentrierung eines Vorbescheids oder einer Teilgenehmigung ist damit zunächst, dass die dafür maßgeblichen Voraussetzungen des Fachrechts erfüllt sind.85 Hinzu kommt die in § 57b Abs. 2 Nr. 1 geregelte Zusatzvoraussetzung des bergrechtlichen Verfahrens.

a) Zulassungsvoraussetzungen des Fachrechts 44 aa) Berechtigtes Interesse. Voraussetzung der Zulassung eines Vorbescheids sowie einer Teilgenehmigung nach §§ 8, 9 BImSchG ist gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG bzw. § 9 Abs. 1 BImSchG ein berechtigtes Interesse des Vorhabenträgers an einem Vorbescheid bzw. einer Teilgenehmigung. Ein berechtigtes Interesse des Vorhabenträgers an einem Vorbescheid ist dann zu bejahen, wenn ein Antrag auf Vollgenehmigung beabsichtigt ist, ein Vorbescheid also nicht nur einer theoretischen Zwecksetzung dient und verfahrensökonomische, wirtschaftliche oder technische Gründe für eine Vorbescheidung sprechen.86 Auch das berechtigte Interesse an einer Teilgenehmigung ist im Fall verfahrensökonomischer, wirtschaftlicher oder technischer Gründe zu bejahen;87 einer zusätzlichen Darlegung, dass die Einleitung eines Vollgenehmigungsverfahrens beabsichtigt ist, bedarf es bei Beantragung einer Teilgenehmigung nicht, da diese bereits Teil des auf die Vollgenehmigung gerichteten Genehmigungsverfahrens ist. Im Fall eines komplexen Vorhabens wird ein berechtigtes Interesse an einem Vorbescheid oder einer Teilgenehmigung aus Investitionsschutzoder Beschleunigungsgründen immer dargelegt werden können. Entsprechende Voraussetzungen regeln §§ 74, 75 MBO für den bauordnungsrechtlichen Vorbescheid bzw. eine Teilgenehmigung nicht; ein berechtigtes Interesse des Vorhabenträgers an einer Teilgenehmigung oder einem Vorbescheid ist keine Zulassungsvoraussetzung des Bauordnungsrechts.

85 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 57b Rn. 12; Frenz/Beckmann BBergG, § 57b Rn. 77 f. 86 Landmann/Rohmer/Dietlein Umweltrecht, § 9 BImSchG Rn. 49; Feldhaus/Peschau BImSchG, § 9 Rn. 13; Jarass BImSchG, § 9 Rn. 9 mit Verweis auf die Kommentierung zu § 8 Rn. 7.

87 Vgl. Landmann/Rohmer/Dietlein Umweltrecht, § 8 BImSchG Rn. 65; Feldhaus/Czajka/Peschau BImSchG, § 8 Rn. 18; vgl. Jarass BImSchG, § 8 Rn. 7. Keienburg/Wiesendahl

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bb) Erfüllung der Genehmigungsvoraussetzungen des zu entscheidenden Teilaspekts. 45 Da mit einer Teilgenehmigung nicht über das gesamte Vorhaben aber über Teile eines Vorhabens abschließend und mit Gestattungswirkung entschieden wird, müssen die maßgeblichen Zulassungsvoraussetzungen für den abschließend entschiedenen Teil vollständig erfüllt sein; dies ist Zulassungsvoraussetzung der Teilgenehmigung gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG und gilt ebenso für die bauordnungsrechtliche Teilgenehmigung. Auch mit einem Vorbescheid wird über die Teilaspekte, die Gegenstand des Vorbescheids sind, zwar nicht mit Gestattungswirkung aber mit Feststellungswirkung abschließend entschieden; deshalb müssen die materiellen Zulassungsvoraussetzungen des zur Vorbescheidung beantragten Aspekts erfüllt sein. Dies gilt sowohl für den immissionsschutzrechtlichen Vorbescheid als auch für den bauordnungsrechtlichen Vorbescheid.88

cc) Vorläufiges positives Gesamturteil. Sowohl eine Teilgenehmigung als auch ein Vorbe- 46 scheid erfordern zudem – über die Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen für den zur Zulassung beantragten Teilaspekt hinausgehend – eine vorläufige Prüfung der Genehmigungsfähigkeit des immissionsschutzrechtlich bzw. baurechtlich zuzulassenden Vorhabens; Errichtung und Betrieb des Vorhabens dürfen keine von vornherein unüberwindlichen Hindernisse im Hinblick auf die Erfüllung der Genehmigungsvoraussetzungen entgegenstehen.89 Teilgenehmigung und Vorbescheid können nicht ergehen, wenn das Vorhaben nicht insgesamt genehmigungsfähig erscheint, da dann ein Torso genehmigt würde. Erforderlich für den Erlass sowohl einer Teilgenehmigung als auch eines Vorbescheids ist daher eine vorläufige positive Beurteilung der Genehmigungsfähigkeit des Gesamtvorhabens, die sich im Fall einer Teilgenehmigung im vorläufigen positiven Gesamturteil gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG ausdrückt und im Fall eines Vorbescheids aus dem Erfordernis einer ausreichenden Beurteilungsmöglichkeit der Auswirkungen der geplanten Anlage gemäß § 9 Abs. 1 BImSchG resultiert. Gleiches gilt für eine Teilgenehmigung und einen Vorbescheid im Bauordnungsrecht. Insoweit müssen vom Vorhabenträger hinreichend aussagekräftige, eine vorläufige immissionsschutzrechtliche bzw. baurechtliche Beurteilung des Gesamtvorhabens ermöglichende Unterlagen vorgelegt werden. Die Behörde muss auf Grundlage dieser Unterlagen in die Lage versetzt werden, zwar nicht abschließend über die Genehmigung des Vorhabens zu entscheiden, aber eine vorläufige positive Gesamtbeurteilung mit dem Ergebnis des Fehlens unüberwindbarer Hindernisse der Genehmigungsfähigkeit abzugeben. Dieser vorläufigen positiven Gesamtbeurteilung kommt eingeschränkte Bindungswirkung für spätere Genehmigungen zu; vorbehaltlich Änderungen im Zuge der Detailplanung des Vorhabens oder Änderungen der Sachoder Rechtslage, aus denen sich veränderte Anforderungen an die noch nicht genehmigten Anlagenteile ergeben, ist die Behörde an die vorläufige positive Gesamtbeurteilung gebunden und kann weitere Genehmigungen nicht mit abweichenden Erwägungen versagen. Dies regelt § 8 Abs. 2 BImSchG für das vorläufige positive Gesamturteil der Teilgenehmigung ausdrücklich; für den Vorbescheid gilt hinsichtlich des in ihm enthaltenen vorläufigen positiven Gesamturteils nichts anderes.90 Gleiches gilt auch für Teilgenehmigung und Vorbescheid im Bauordnungsrecht.

b) Zulassungsvoraussetzung (Nr. 1). Über die Zulassungsvoraussetzungen des Fachrechts hi- 47 naus fordert Absatz 2 Nr. 1, dass eine Entscheidung über Vorbescheid oder Teilgenehmigung nur nach Durchführung einer sich auf den Gegenstand von Vorbescheid oder Teilgenehmigung erstreckenden 88 Zur Feststellungs- und Bindungswirkung auch eines bauordnungsrechtlichen Vorbescheids und einer bauordnungsrechtlichen Teilgenehmigung: Gädtke/Johlen BauO NRW, § 76 Rn. 7 ff. und § 77 Rn. 19 ff.

89 OVG Münster 9.12.2009, 8 D 12/08, DVBl 2010, 719, 723; OVG Lüneburg 22.5.2008, 12 MS 16/07, juris Rn. 61 und 67. 90 BVerwG 19.12.1985, 7 C 65/82, BVerwGE 72, 300, 308 f. und 327; OVG Münster 9.12.2009, 8 D 12/08, DVBl 2010, 719, 723; Feldhaus/Czajka/Peschau BImSchG, § 8 Rn. 20 ff.; Feldhaus/Peschau BImSchG, § 9 Rn. 29; Jarass BImSchG, § 8 Rn. 27 ff. und § 9 Rn. 21.; für eine geringere Bindungswirkung des Gesamturteils eines Vorbescheids dagegen: Landmann/Rohmer/Dietlein Umweltrecht, § 9 BImSchG Rn. 38 ff. 683

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Umweltverträglichkeitsprüfung getroffen werden darf, die die nach dem Planungsstand erkennbaren Umweltauswirkungen des Gesamtvorhabens einbezieht. Diese Regelung ist der in der amtlichen Begründung ausdrücklich in Bezug genommenen Parallelvorschrift in § 13 UVPG a.F., jetzt § 29 UVPG, nachempfunden.91 Das sich aus §§ 8 Abs. 1 Nr. 3, 9 Abs. 1 BImSchG ergebende Erfordernis einer vorläufigen Prüfung der immissionsschutzrechtlichen bzw. baurechtlichen Genehmigungsfähigkeit des Gesamtvorhabens beinhaltet im Fall einer UVP-Pflicht des immissionsschutzrechtlichen Vorhabens ebenso eine Verpflichtung der Behörde zur Einbeziehung auch dieses Prüfschritts.92 Absatz 2 Nr. 1 bestätigt und verdeutlicht93 damit nur, was sich aus den fachgesetzlichen Voraussetzungen eines Vorbescheids und einer Teilgenehmigung ohnehin ergibt. Vorbescheid und Teilgenehmigung können nur erteilt werden, wenn die Umweltverträglichkeit des vorbeschiedenen Aspekts definitiv geprüft und bestätigt ist und auch die vorläufige Gesamtbeurteilung der Umweltverträglichkeit des Gesamtvorhabens positiv ist. 48 Die Umweltverträglichkeitsprüfung im Teilgenehmigungs- oder Vorbescheidverfahren muss den gestattenden Teil einer Teilgenehmigung bzw. den feststellenden Teil eines Vorbescheids vollständig abdecken.94 Je weitreichender der von dem Vorhabenträger mit seinem Antrag bestimmte Umfang der Gestattungswirkung einer Teilgenehmigung bzw. der Umfang der Feststellungswirkung eines Vorbescheids ist, desto weitreichender ist auch die mit dem Vorbescheid oder der Teilgenehmigung abschließend und mit Bindungswirkung bestätigte Umweltverträglichkeit. Der verbleibende und nicht abschließend beschiedene Teil muss einer Umweltverträglichkeitsprüfung im Rahmen des vorläufigen positiven Gesamturteils auf Grundlage der Angaben des Vorhabenträgers zugänglich sein; die Angaben des Vorhabenträgers müssen also auch hinsichtlich des noch nicht abschließend zu bescheidenden Teils eine ausreichende Detailtiefe für eine vorläufige Prüfung der Umweltverträglichkeit des Gesamtvorhabens aufweisen. Insoweit beinhaltet das vorläufige positive Gesamturteil einer Teilgenehmigung bzw. eines Vorbescheids eine vorläufige Bestätigung der Umweltverträglichkeit.95 Diese vorläufige positive Gesamtbeurteilung unterliegt gemäß Absatz 2 Nr. 2 dem Vorbehalt einer abschließenden Entscheidung, die unter den Voraussetzungen des Absatzes 2 Nr. 3, als Ausfluss der eingeschränkten Bindungswirkung des vorläufigen positiven Gesamturteils, einer ergänzenden Umweltverträglichkeitsprüfung bedarf; dazu unter Rn. 52 ff.

4. Entscheidung 49 Über einen Antrag auf Vorbescheid und Teilgenehmigung soll die zuständige Behörde gemäß §§ 8, 9 BImSchG entscheiden. Die Normierung einer Soll-Regelung wurde mit Art. 15a des Gesetzes zur Neuregelung des Wasserrechts vom 31.7.2009 mit Wirkung zum 1.3.2010 eingeführt. Es steht – bei Erfüllung der Zulassungsvoraussetzungen – nicht mehr im Ermessen der Behörde, ob sie einen Vorbescheid oder eine Teilgenehmigung erlässt; vielmehr muss diese vom Vorhabenträger beantragte Bescheidung im Regelfall erlassen werden.96 Die Musterbauordnung 2002 enthält für die Erteilung einer Teilgenehmigung eine Kann-Regelung und für die Erteilung eines Vorbescheids eine Muss-Regelung. Diese fachgesetzlichen Vorgaben gelten mangels abweichender Regelung in § 57b Abs. 2 auch im Fall einer Konzentration von Vorbescheid oder Teilgenehmigung im bergrechtlichen Planfeststellungsverfahren. 50 Ebenso gilt für eine im Planfeststellungsbeschluss konzentrierte Teilgenehmigung bzw. einen konzentrierten Vorbescheid die dafür gesetzlich geregelte bzw. ermöglichte Befristung. Gemäß 91 BT-Drs. 11/4015, S. 13. 92 Vgl. § 22 Abs. 3 der 9. BImSchV; Landmann/Rohmer/Dietlein Umweltrecht, § 8 BImSchG Rn. 123 f.; Jarass BImSchG, § 8 Rn. 23 und § 9 Rn. 17 f. 93 Von einer Verdeutlichung spricht auch die amtliche Begründung ausdrücklich: BT-Drs. 11/4015, S. 13. 94 OVG Lüneburg 22.5.2008, 12 MS 16/07, juris Rn. 34. 95 OVG Lüneburg 22.5.2008, 12 MS 16/07, juris Rn. 34. 96 Jarass BImSchG, § 8 Rn. 15 und § 9 Rn. 13. Keienburg/Wiesendahl

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§ 9 Abs. 2 BImSchG wird der Vorbescheid unwirksam, wenn nicht innerhalb von 2 Jahren nach Eintritt der Unanfechtbarkeit – hier der bergrechtlichen Planfeststellung, die den Vorbescheid konzentriert – die Genehmigung beantragt wird. Die Frist kann gemäß § 9 Abs. 2 BImSchG bis auf insgesamt 4 Jahre verlängert werden; Voraussetzung dafür ist ein Antrag des Genehmigungsinhabers vor Fristablauf, da mit Fristablauf der Vorbescheid gemäß § 43 Abs. 2 VwVfG unwirksam wird und nicht mehr verlängert werden kann. Eine Teilgenehmigung ist nicht gesetzlich befristet, kann aber von der Bergbehörde in Anwendung des § 12 Abs. 3 BImSchG befristet werden. § 75 Satz 2 und 3 MBO regelt eine gesetzliche Befristung des bauordnungsrechtlichen Vorbescheids mit Verlängerungsmöglichkeit. § 73 Abs. 1 MBO ordnet das Erlöschen einer Teilgenehmigung an, wenn mit dem Bauvorhaben nicht binnen drei Jahren nach Erteilung begonnen wird; die Frist kann verlängert werden.

5. Vorbehaltene Abschlussentscheidung (Nr. 2 und 3) Da Vorbescheid und Teilgenehmigung keine abschließende Entscheidung beinhalten, ist die ab- 51 schließende Entscheidung gemäß § 57b Abs. 2 Nr. 2 im Planfeststellungsbeschluss vorzubehalten. Es handelt sich um einen Vorbehalt i.S.d. § 74 Abs. 3 VwVfG. Die abschließende Entscheidung erfolgt durch die Planfeststellungsbehörde im Wege der Planergänzung. Dabei muss die Behörde die aus Vorbescheid und Teilgenehmigung resultierende Bindungswirkung beachten. Soweit mit dem Vorbescheid über den Standort, das Konzept oder einzelne Genehmigungsvoraussetzungen abschließend entschieden ist, ist die Behörde an diese abschließende Feststellung im Vorbescheid gebunden und kann von der definitiven Feststellungswirkung des Vorbescheids nicht abweichen. Eine eingeschränkte Bindungswirkung kommt darüber hinaus dem in einem Vorbescheid und einer Teilgenehmigung enthaltenen vorläufigen positiven Gesamturteil zu, welches durch die geringere Detail- und Prüftiefe der nicht abschließend entschiedenen Teilaspekte beschränkt ist. Die Bindungswirkung des vorläufigen positiven Gesamturteils reicht nur soweit, wie die vorläufige Gesamtbeurteilung ihrem Charakter nach reicht. Die Behörde darf von dem vorläufigen positiven Gesamturteil abweichen, wenn spätere detailliertere Einzelprüfungen oder eine Änderung der Sach- oder Rechtslage im Zeitpunkt der abschließenden Entscheidung zu einem anderen Ergebnis führen.97 Für die im Nachgang zu einem Vorbescheid oder einer Teilgenehmigung erforderliche ab- 52 schließende Entscheidung muss die Behörde gemäß § 57b Abs. 2 Nr. 3 dann eine erneute Umweltverträglichkeitsprüfung durchführen, wenn und soweit bisher – im Rahmen des Teilbescheids oder des Vorbescheids – nicht berücksichtigte, für die Umweltverträglichkeitsprüfung bedeutsame Merkmale des Vorhabens vorliegen oder bisher nicht berücksichtigte Umweltauswirkungen erkennbar geworden sind. Anders als § 29 Abs. 2 UVPG, fordert § 57b Abs. 2 Nr. 3 eine erneute Umweltverträglichkeitsprüfung nur unter den in Nummer 3 genannten Voraussetzungen und dann beschränkt auf die mit der vorherigen Umweltverträglichkeitsprüfung noch nicht berücksichtigten Vorhabensmerkmale oder Umweltauswirkungen; die in § 29 Abs. 2 UVPG enthaltene Soll-Regelung, wonach die Prüfung der Umweltverträglichkeit bei weiteren Zulassungen auf zusätzliche oder andere erhebliche Umweltauswirkungen beschränkt werden soll, damit aber auch dann, wenn keine zusätzlichen oder anderen erheblichen Umweltauswirkungen vorliegen, eine Umweltverträglichkeitsprüfung ausnahmsweise zulässig ist,98 ist so in § 57b Abs. 2 Nr. 3 nicht getroffen. Dadurch soll ausweislich der amtlichen Begründung eine doppelte Prüfung derselben Gesichtspunkte vermieden werden.99

97 Zur eingeschränkten Bindungswirkung: BVerwG 19.12.1985, 7 C 65/82, BVerwGE 72, 300, 309 f.; OVG Münster 9.12.2009, 8 D 12/08, DVBl 2010, 719, 723.

98 Hoppe/Beckmann/Kment/Schieferdecker UVPG, § 29 Rn. 63. 99 BT-Drs. 11/4015, S. 13. 685

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Die tatbestandlichen Voraussetzungen einer erneuten Umweltverträglichkeitsprüfung gemäß Absatz 2 Nr. 3 sind erfüllt, wenn bisher nicht berücksichtigte und für die Umweltverträglichkeit des Vorhabens bedeutsame Merkmale des Vorhabens vorliegen oder bisher nicht berücksichtigte Umweltauswirkungen des Vorhabens erkennbar werden. Neue Aspekte, die eine erneute Umweltverträglichkeitsprüfung erfordern, können sich nur aus tatsächlich gegenüber den Grundlagen des Vorbescheids oder der Teilgenehmigung anderen Vorhabenmerkmalen oder Umweltauswirkungen oder einer Veränderung der Umwelt ergeben. Nicht dagegen können Merkmale des Vorhabens oder Umweltauswirkungen, die bereits Gegenstand der durchgeführten Umweltverträglichkeitsprüfung waren, nachträglich von der Behörde anders gewertet werden. Durch eine veränderte behördliche Auffassung wird weder die Bindungswirkung der bereits erlassenen Teilgenehmigung oder Vorbescheidung berührt, noch die Bindungswirkung des vorläufigen positiven Gesamturteils, die allein durch Änderungen der Sach- oder Rechtslage und die Detailprüfung weiterer, neuer Unterlagen eingeschränkt ist. 54 Welche Merkmale eines Vorhabens für die Umweltverträglichkeitsprüfung von Bedeutung sind, ist allgemein in Anlage 3 zum UVPG normiert. Dort sind die bei einer Vorprüfung eines Vorhabens zu betrachtenden Vorhabensmerkmale, nämlich Größe des Vorhabens (Nr. 1.1), Zusammenwirken mit anderen bestehenden oder zugelassenen Vorhaben und Tätigkeiten (Nr. 1.2), Nutzung und Gestaltung von Wasser, Boden, Natur und Landschaft (Nr. 1.3), Abfallerzeugung (Nr. 1.4), Umweltverschmutzung und Belästigungen (Nr. 1.5) sowie Unfallrisiko, insbesondere mit Blick auf verwendete Stoffe und Technologien und Störfallanfälligkeit (Nr. 1.6) sowie in Nummer 2 standortspezifische Merkmale genannt. Diese Merkmale können auch bei der Bewertung einer erneuten Umweltverträglichkeitsprüfungspflicht gemäß § 57b Abs. 2 Nr. 3 für ein Vorhaben, welches zwar schon einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen worden ist, aber im Zuge der weiteren Detailplanung neue, noch nicht geprüfte Merkmale aufweist, herangezogen werden. Da die Umweltverträglichkeitsprüfung gemäß § 3UVPG dazu dient, die Umweltauswirkungen eines Vorhabens zu ermitteln und zu bewerten, sind bisher nicht berücksichtigte Vorhabensmerkmale für die Umweltverträglichkeitsprüfung irrelevant, sofern sie keine Auswirkungen auf die Umwelt haben. Nur bisher nicht berücksichtigte erhebliche Umweltauswirkungen können eine ergänzende Umweltverträglichkeitsprüfung erfordern. Dies regelt zwar Absatz 2 Nr. 3 nicht ausdrücklich, ergibt sich aber aus der in § 4 UVPG geregelten Stellung der Umweltverträglichkeitsprüfung als unselbständiger Bestandteil des Zulassungsverfahrens. Relevant sind daher nur solche Umweltauswirkungen, die für die Zulassungsvoraussetzungen von Bedeutung und damit erheblich sind.100 Ist aufgrund bisher nicht berücksichtigter, erheblicher Umweltauswirkungen i.S.d. Absatzes 2 55 Nr. 3 eine erneute Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen, ist diese auf die bisher nicht berücksichtigten Umweltauswirkungen zu beschränken. Das ergibt sich daraus, dass gemäß § 57b Abs. 2 Nr. 3 eine erneute Umweltverträglichkeitsprüfung nur insoweit durchzuführen ist, als Umweltauswirkungen bisher nicht berücksichtigt worden sind. Diese Einschränkung bezieht sich sowohl auf die Grundsatzregelung einer erneuten Umweltverträglichkeitsprüfung nur für den Fall, dass bisher nicht berücksichtigte Umweltauswirkungen erkannt werden, als auch auf den Gegenstand der erneuten Umweltverträglichkeitsprüfung, der nur die bisher noch nicht berücksichtigten Umweltauswirkungen erfasst. Die auf die bisher nicht erkannten Umweltauswirkungen beschränkte Umweltverträglichkeitsprüfung unterliegt im Übrigen – mit Ausnahme der gegenständlichen Einschränkung – dem vollständigen Prüfprogramm der Umweltverträglichkeit. Sofern die Umweltverträglichkeitsprüfung mit einem Vorbescheid oder einer Teilgenehmigung noch nicht abschließend geprüft ist, sondern sich auf nachfolgenden Genehmigungsstufen zusätzliche erhebliche Umweltauswirkungen ergeben, die einer erneuten Umweltverträglichkeitsprüfung bedürfen, erfordert dies auch eine erneute Öffentlichkeitsbeteiligung. Dies regelt § 8 Abs. 2 Satz 3 der 9. BImSchV ausdrücklich. Nichts anderes gilt im Fall des § 57b Abs. 2 Nr. 3. 53

100 Zur Ermittlung der Erheblichkeit von Umweltauswirkungen am Maßstab des materiellen Zulassungsrechts: BVerwG 13.12.2007, 4 C 9/06, BVerwGE 130, 83, 93 Rn. 34. Keienburg/Wiesendahl

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6. Rechtsschutz Gesonderte Rechtsbehelfe gegen konzentrierte Entscheidungen, auch gegen einen konzentrierten 56 Vorbescheid oder eine konzentrierte Teilgenehmigung, sind nicht möglich. Mit einer Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss sind auch die davon konzentrierten Entscheidungen Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung, soweit sich aus ihnen Betroffenheiten ergeben. Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung sind auch ein konzentrierter Vorbescheid und eine konzentrierte Teilgenehmigung, soweit deren Feststellungs- bzw. Gestattungswirkung reicht und auch das in einem Vorbescheid und einer Teilgenehmigung enthaltene vorläufige positive Gesamturteil. Dem vorläufigen positiven Gesamturteil kommt Drittschutzwirkung zu, soweit es die Einhaltung drittschützender Genehmigungsvoraussetzungen sicherstellen soll.101 Die im Fall eines Vorbescheids bzw. einer Teilgenehmigung gemäß Absatz 2 Nr. 2 vorbehaltene 57 Abschlussentscheidung stellt erneut einen beklagbaren Verwaltungsakt dar. Dieser Verwaltungsakt ist aber nur noch mit solchem Vorbringen angreifbar, welches gegenüber dem ursprünglichen Planfeststellungsbeschluss noch nicht vorgebracht werden konnte. Ebenso wie Einwendungen gegen das Gesamtvorhaben gemäß § 57a Abs. 5 1. Halbsatz bereits im Planfeststellungsverfahren erhoben werden müssen, auch soweit über das Vorhaben noch nicht abschließend entschieden wird, vgl. § 57a Rn. 36, kann und muss im Klageverfahren gegen den Planfeststellungsbeschluss auch bereits das vorläufige positive Gesamturteil eines Vorbescheids bzw. einer Teilgenehmigung angegriffen werden. Klagen gegenüber einer nachfolgenden Zulassung können nicht mehr mit solchem Vorbringen erhoben werden, welches bereits gegenüber der Ursprungsgenehmigung geltend gemacht werden konnte; dem steht die Bestandskraftpräklusion entgegen. Mit der Rüge, dass im Vorfeld der vorbehaltenen Entscheidung eine ergänzende Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich gewesen wäre, sind gestützt auf § 2 Abs. 1 UmwRG anerkannte Naturschutzvereinigungen klagebefugt.102

IV. Vorrangwirkung (Absatz 3) 1. Grundsätzliche Vorrangwirkung der bergrechtlichen Planfeststellung vor konkurrierenden Planfeststellungen Die bergrechtliche Planfeststellung entfaltet, ebenso wie andere Planfeststellungen, gemäß § 75 58 Abs. 1 Satz 1 VwVfG Konzentrationswirkung; vgl. § 57a Rn. 40. Die Konzentrationswirkung erfasst grundsätzlich – wenn nicht spezialgesetzlich Ausnahmen geregelt sind – sämtliche für das Vorhaben erforderlichen öffentlich-rechtlichen Entscheidungen, ausweislich des ausdrücklichen Wortlauts des § 75 Abs. 1 Satz 1 VwVfG auch Planfeststellungen, die nach anderen Vorschriften erforderlich sind. Die Konzentrationswirkung einer Planfeststellung gemäß § 75 Abs. 1 Satz 1 VwVfG sagt noch 59 nichts darüber, welches Zulassungsverfahren mit Konzentrationswirkung im Einzelfall vorrangig ist, wenn ein Vorhaben die Tatbestandsmerkmale mehrerer Zulassungserfordernisse mit Konzentrationswirkung erfüllt. Eine Vorrangregelung enthält § 78 Abs. 1 und 2 Satz 1 VwVfG für den Fall des Zusammentreffens mehrerer planfeststellungspflichtiger selbständiger Vorhaben; vorrangig ist in dieser Konstellation das Planfeststellungsverfahren für das Vorhaben, das einen größeren Kreis öffentlich-rechtlicher Beziehungen berührt, in dem also der Schwerpunkt liegt. Eine Vorrangregelung für den Fall, dass ein und dasselbe Vorhaben die Erfordernisse mehrerer Zulassungsverfahren mit Konzentrationswirkung erfüllt, enthält weder § 75 Abs. 1 noch § 78 Abs. 1 und 2 Satz 1 VwVfG. Deshalb hat der Gesetzgeber in § 57b Abs. 3 Satz 1 für den Fall, dass ein bergrecht101 BVerwG 19.12.1985, 7 C 65/82, BVerwGE 72, 300, 310; OVG Münster 9.12.2009, 8 D 12/08, DVBl 2010, 719, 723; Feldhaus/ Czajka BImSchG, § 8 Rn. 44a; Jarass BImSchG, § 8 Rn. 36. 102 OVG Hamburg 24.2.2010, 5 Bs 24/10, ZUR 2010, 434, 437; OVG Münster 24.9.2009, 8 B 1342/09.AK, ZUR 2010, 204, 206. 687

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lich planfeststellungspflichtiges Vorhaben zugleich die Tatbestandsmerkmale eines nach anderen Fachgesetzen ebenfalls planfeststellungspflichtigen oder eines durch Zulassung mit Konzentrationswirkung zuzulassenden Vorhabens erfüllt, den Vorrang des bergrechtlichen Planfeststellungsverfahrens geregelt. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass in den Fällen, in denen das bergrechtliche Planfeststellungsverfahren einschlägig ist, also in den Fällen UVP-pflichtiger Vorhaben i.S.d. § 1 Nr. 1 bis 6a, 8 und 9 UVP-V Bergbau,103 das bergrechtliche Verfahren die größte Sachnähe zum Vorhaben aufweist und hat deshalb – so die amtliche Begründung – in Anlehnung an § 78 VwVfG den Vorrang des bergrechtlichen Planfeststellungsverfahrens normiert.104 Im Fall der Erfüllung der Tatbestandsmerkmale mehrerer Zulassungsverfahren mit Konzentrationswirkung durch ein auch die Voraussetzungen des bergrechtlichen Planfeststellungsverfahrens erfüllendes Vorhaben bedarf es daher keiner Einzelfallprüfung, welches Fachgesetz aufgrund Vorhabenschwerpunkts im Einzelfall vorrangig ist. Absatz 3 Satz 1 ordnet den Vorrang des Bergrechts an. 60 Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Vorrangregelung des § 57b Abs. 3 Satz 1 ist, dass es sich bei dem bergrechtlich planfestzustellenden Vorhaben und dem nach anderen Vorschriften planfeststellungsbedürftigen oder einer Zulassung mit Konzentrationswirkung bedürfenden Vorhaben um ein und dasselbe Vorhaben handelt und nicht anlässlich eines Vorhabens zeitgleich noch ein anderes Vorhaben verwirklicht wird. Um ein Vorhaben handelt es sich etwa bei Aufbereitungsbetrieben i.S.d. § 4 Abs. 3, die unter den Voraussetzungen des § 1 Nr. 9 UVP-V Bergbau i.V.m. Nr. 1.7 bis 1.9 der Anlage 1 UVPG UVP-pflichtig und damit bergrechtlich planfeststellungspflichtig sind und gleichzeitig die Merkmale eines immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen Vorhabens gemäß § 4 Abs. 1 BImSchG erfüllen. Aufgrund des bergbaulichen Bezugs ist die bergrechtliche Planfeststellung vorrangig und konzentriert die immissionsschutzrechtliche Genehmigung. Um ein einheitliches Vorhaben mit einem Bergbaubetrieb handelt es sich bei einem Bergbaubetrieb gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 dienenden Einrichtungen, die etwa in Gestalt von Verbrennungsmotoren oder Gasturbinen immissionsschutzrechtlich genehmigungspflichtig und ggf. zusätzlich UVP-pflichtig und damit bergrechtlich planfeststellungspflichtig sind. Um ein Vorhaben handelt es sich auch bei der Nassauskiesung von Bodenschätzen zum Zwecke der Bodenschatzgewinnung, die gleichzeitig die Tatbestandsmerkmale einer Gewässerherstellung erfüllt. Deshalb ist im Fall einer gemäß § 1 Nr. 1b) bb) UVP-V Bergbau UVPpflichtigen Nassauskiesung von Bodenschätzen, die dem BBergG unterfallen, die bergrechtliche Planfeststellung vorrangig vor der aufgrund objektiver Herstellung eines Gewässers auch erforderlichen wasserrechtlichen Planfeststellung gemäß § 68 Abs. 1 WHG105 und konzentriert die bergrechtliche Planfeststellung die wasserrechtliche Planfeststellung. Um zwei unterschiedliche Vorhaben handelt es sich dagegen dann, wenn eine Wasserstraße gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 WaStrG planfeststellungspflichtig ausgebaut wird und gleichzeitig aber räumlich und auch gegenständlich getrennt ein bergrechtlich gemäß § 1 Nr. 1b) aa) oder bb) UVP-V Bergbau umweltverträglichkeitsprüfungspflichtiger Sandabbau durchgeführt wird. In diesem Fall wird mangels einheitlichen Vorhabens weder die Planfeststellung des Wasserstraßenausbaus von der bergrechtlichen Planfeststellung der Gewinnung konzentriert, noch die bergrechtliche Planfeststellung von der Planfeststellung des Wasserstraßenausbaus.106 Allein die zeitliche und räumliche Teilidentität verschiedener Vorhaben führt nicht dazu, dass es sich um ein einheitliches Vorhaben handelt; dies ist vielmehr anhand des jeweiligen Vorhabengegenstands, der sich nach dem Antrag des Vorhabenträgers bestimmt, zu prüfen. 103 Errichtung und Betrieb von Endlagern für radioaktive Abfälle i.S.d. § 1 Nr. 7 UVP-V Bergbau erfordern aufgrund der Vorrangwirkung des atomrechtlichen Zulassungsverfahrens gemäß § 57b Abs. 3 Satz 2 kein bergrechtliches Planfeststellungsverfahren, dazu Rn. 61 ff. 104 BT-Drs. 11/4015, S. 13. 105 Die Herstellung eines Gewässers i.S.d. § 67 Abs. 2 Satz 1 WHG ist ausschließlich von der objektiven Entstehung eines Gewässers abhängig und von einer darauf gerichteten subjektiven Zweck- und Zielsetzung unabhängig; vgl. BVerwG 10.2.1978, 4 C 25/75, BVerwGE 55, 220, 224; Czychowski/Reinhardt WHG, § 67 Rn. 26 und auch Anhang zu § 57c UVP-V Bergbau, § 1 Rn. 23. 106 So OVG Lüneburg 5.3.2008, 7 MS 114/07, NuR 2008, 265, 268 und VG Oldenburg 19.6.2008, 5 A 4956/06 = ZfB 2008, 296, 298 f. Keienburg/Wiesendahl

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2. Ausnahme: Vorrangwirkung der atomrechtlichen Planfeststellung Eine einzige Ausnahme von der grundsätzlichen Vorrangwirkung der bergrechtlichen Planfeststel- 61 lung regelt Absatz 3 Satz 2 für den Fall eines bergrechtlich planfeststellungspflichtigen und gleichzeitig atomrechtlich zulassungspflichtigen Vorhabens, gerichtet auf Errichtung und Betrieb eines Endlagers für radioaktive Abfälle in einer Anlage, die ihrer Art nach zur unterirdischen behälterlosen Speicherung geeignet ist. In diesem Fall ist das atomrechtliche Zulassungsverfahren gemäß § 9b AtG vorrangig vor dem bergrechtlichen Planfeststellungsverfahren und entfällt das bergrechtliche Planfeststellungsverfahren. Trotz bergbaulicher Bezüge sind die kerntechnischen Aspekte eines Endlagers für radioaktive Abfälle vorrangig und bestimmen daher das Zulassungsverfahren. Erfasst wird von Absatz 3 Satz 2 allein der Fall von Errichtung und Betrieb eines Endlagers 62 für radioaktive Abfälle in tiefen geologischen Formationen in Abgrenzung zur vorherigen Erkundung der Eignung eines Standorts zur Endlagerung; vgl. auch § 126 Rn. 40. Die Erkundung eines untertägigen Standorts auf seine Eignung als Endlager bedarf keiner atomrechtlichen Zulassung. Dies hat das BVerwG bereits in seiner ersten Entscheidung zum Erkundungsbergwerk Gorleben vom 9.3.1990 entschieden107 und mit der zweiten Gorleben-Entscheidung vom 2.11.1995 nochmals bestätigt.108 Maßnahmen zur Erkundung eines untertägigen Standorts auf seine Eignung zur Endlagerung radioaktiver Abfälle sind aufgrund des für die Erkundung notwendigen Lösens von Bodenschätzen dann, wenn die Bodenschätze dem BBergG unterfallen, seit jeher bergrechtlich zulassungspflichtig; dies gilt unabhängig davon, ob die Erkundung bergrechtlich als Aufsuchung oder Gewinnung zu qualifizieren ist, vgl. § 4 Rn. 14. Zudem erforderlich ist seit dem 1.1.2014 auf Grundlage des Standortauswahlgesetzes für ein Endlager für wärmeentwickelnde Abfälle ein dem atomrechtlichen Zulassungsverfahren vorgeschaltetes Standortauswahlverfahren, das in verschiedenen Gesetzgebungsakten münden soll. Ein atomrechtliches Zulassungsverfahren ist während der Erkundungsphase ausgeschlossen, so dass § 57b Abs. 3 Satz 2 in der Erkundungsphase keine Relevanz hat. Erst Errichtung und Betrieb einer Anlage zur Endlagerung radioaktiver Abfälle erfordern 63 eine atomrechtliche Planfeststellung gemäß § 9b Abs. 1 AtG bzw. dann, wenn ein Standort nach Standortauswahlverfahren durch Bundesgesetz festgelegt wurde, eine Genehmigung nach § 9b Abs. 1a AtG. Errichtung und Betrieb einer Anlage zur Endlagerung radioaktiver Abfälle sind unabhängig von den bergrechtlichen Vorgaben gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Nr. 11.2 der Anlage 1 zum UVPG zwingend UVP-pflichtig. Zusätzlich normiert § 1 Nr. 7 UVP-V Bergbau eine Verpflichtung zur Umweltverträglichkeitsprüfung von „Errichtung und Betrieb einer Anlage zur Sicherstellung oder zur Endlagerung radioaktiver Stoffe i.S.d. § 126 Abs. 3“. Der Regelung in § 1 Nr. 7 UVP-V Bergbau bedarf es nicht zur Begründung einer UVP-Pflicht für Errichtung und Betrieb von Anlagen zur Endlagerung radioaktiver Abfälle, da diese Pflicht bereits in Nr. 11.2 der Anlage 1 zum UVPG geregelt ist. Die Regelung in § 1 Nr. 7 UVP-V Bergbau führt weiterhin nicht zur Begründung des bergrechtlichen Planfeststellungsverfahrens als Trägerverfahren für Errichtung und Betrieb eines Endlagers für radioaktive Abfälle; dies wird aufgrund der fachlichen Vorrangigkeit des Atomgesetzes als Spezialgesetz durch die Vorrangregelung des § 57b Abs. 3 Satz 2 gerade verhindert. Dennoch kommt § 1 Nr. 7 UVP-V Bergbau Bedeutung zu. Dann, wenn die Endlagerung radioaktiver Abfälle in einer Anlage i.S.d. § 126 Abs. 3 stattfinden soll, bedürfen Errichtung und Betrieb zusätzlich zur vorrangigen atomrechtlichen Zulassung einer obligatorischen Rahmenbetriebsplanzulassung i.S.d. § 52 Abs. 2a. Die obligatorische Rahmenbetriebsplanzulassung ergeht aufgrund Vorrangigkeit des atomrechtlichen Zulassungsverfahrens nicht in Form eines gesonderten bergrechtlichen Planfeststellungsbeschlusses, sondern wird von der atomrechtlichen Zulassung aufgrund der sowohl der atomrechtlichen Planfeststellung gemäß § 75 Abs. 1 Satz 1 VwVfG als auch der atomrechtlichen Genehmigung gemäß § 9b Abs. 1a Satz 4 AtG zukommenden Konzentrationswirkung konzent107 BVerwG 9.3.1990, 7 C 23/89, BVerwGE 85, 54, 56 ff. = ZfB 1990, 295, 297 f. 108 BVerwG 2.11.1995, 4 C 14/94, BVerwGE 100, 1, 9 f. = ZfB 1995, 278, 283 f.; ebenso zuvor VG Lüneburg 7.3.1994, 7 A 137/92 = ZfB 1994, 153, 165 f. und jüngst OVG Lüneburg 2.4.2013, 7 ME 81/11 = ZfB 2013, 319 Rn. 22. 689

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Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

riert;109 dazu auch § 126 Rn. 45 ff. Die in § 1 Nr. 7 UVP-V Bergbau geregelte Umweltverträglichkeitsprüfungspflicht führt damit dazu, dass ein Endlager für radioaktive Abfälle, welches gemäß § 126 Abs. 3 auch zur unterirdischen behälter-losen Speicherung geeignet ist, einer obligatorischen und mit der atomrechtlichen Planfeststellung bzw. Genehmigung zu erteilenden Rahmenbetriebsplanzulassung bedarf und damit auch die bergrechtlichen Zulassungsvoraussetzungen bereits im Zeitpunkt und im Rahmen des atomrechtlichen Zulassungsverfahrens geprüft werden. Damit ist die Verknüpfung der atomrechtlichen Prüfung mit der bergrechtlichen Prüfung im atomrechtlichen Zulassungsverfahren gewährleistet; da die Konzentrationswirkung eine formelle und keine materielle ist – vgl. § 57a Rn. 40 – muss bereits im atomrechtlichen Zulassungsverfahren die Erfüllung der bergrechtlichen Zulassungsvoraussetzungen geprüft werden und kann der atomrechtliche Planfeststellungsbeschluss bzw. die atomrechtliche Genehmigung nur erteilt werden, wenn auch die bergrechtlichen Zulassungserfordernisse erfüllt sind. Die im Nachgang zur obligatorischen Rahmenbetriebsplanzulassung erforderlichen weiteren Haupt- und ggf. Sonderbetriebsplanzulassungen können von der atomrechtlichen Zulassung aufgrund des ratierlichen bergrechtlichen Zulassungserfordernisses nicht konzentriert werden und werden gemäß § 9b Abs. 1a Satz 4 u. Abs. 5 Nr. 3 AtG nicht konzentriert. Über bergrechtliche Haupt- und Sonderbetriebsplanzulassungen für ein Endlager für radioaktive Abfälle entscheidet allerdings nicht die Bergbehörde, sondern gemäß § 23d Satz 1 Nr. 3 AtG – mit Übergangsregelungen bzw. Ausnahmeregelungen für die Endlager Morsleben, Konrad und Asse II in §§ 57b Abs. 9, 58 Abs. 5 AtG – das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung.110

3. Planfeststellungspflichtige Folgemaßnahmen 64 Keine Vorrangregelung, sondern eine Ausnahme von der Konzentrationswirkung regelt Absatz 3 Satz 3 für planfeststellungspflichtige notwendige Folgemaßnahmen. Gemäß § 75 Abs. 1 Satz 1 VwVfG umfasst die Planfeststellung eines Vorhabens auch notwendige Folgemaßnahmen und konzentriert die dafür erforderlichen Zulassungen. Dies gilt im Grundsatz auch im bergrechtlichen Planfeststellungsverfahren; vgl. § 57a Rn. 41. Eine Ausnahme regelt Absatz 3 Satz 3 allein für den Fall, dass Folgemaßnahmen selbst einer Planfeststellung bedürfen. Planfeststellungspflichtige Folgemaßnahmen sind in dem für sie spezialgesetzlich, außerbergrechtlich geregelten Planfeststellungsverfahren zuzulassen. Dies bedeutet keine Verdrängung des bergrechtlichen Planfeststellungsverfahrens – wie in Satz 2 für das atomrechtliche Planfeststellungsverfahren geregelt – durch das Planfeststellungsverfahren für Folgemaßnahmen; das bergrechtliche Planfeststellungsverfahren bleibt als Trägerverfahren für die Zulassung des bergbaulichen Vorhabens maßgeblich. Aus Satz 3 ergibt sich allein eine Einschränkung der Konzentrationswirkung des für das bergbauliche Vorhaben durchzuführenden Planfeststellungsverfahrens, welches planfeststellungspflichtige Folgemaßnahmen nicht erfasst. 65 Hintergrund für diese Ausnahmeregelung ist die Überlegung des Gesetzgebers, dass Folgemaßnahmen unter Umständen erst Jahrzehnte nach dem Bergbau durchgeführt werden und für derartige Folgemaßnahmen, wenn sie selbst planfeststellungspflichtig sind, das fachgesetzliche Planfeststellungsverfahren durchgeführt werden soll; als Beispiel hat der Gesetzgeber in der amtlichen Begründung auf wasserrechtlich planfeststellungspflichtige Deichaufschüttungen als Folge bergbaubedingter Bodensenkungen rekurriert.111 Anwendbar ist Absatz 3 Satz 3 aber auf alle, auch 109 OVG Lüneburg 8.3.2006, 7 KS 128/02, DVBl 2006, 1044, 1049; Frenz/Beckmann BBergG, § 57b Rn. 92; Gaentzsch in: Ossenbühl (Hrsg.) Deutscher Atomrechtstag 2004, S. 116; Gaentzsch FS Sendler (1991), S. 403, 407; de Witt in: Ossenbühl (Hrsg.) Deutscher Atomrechtstag 2004, S. 130; Keienburg in: Kühne/Ehricke (Hrsg.) Öffentlichkeitsbeteiligung und Eigentumsschutz im Bergrecht, S. 13 f.; a.A. Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 57b Rn. 17. 110 Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit der Übertragung bergbehördlicher Befugnisse auf die für atomrechtliche Zulassungen zuständige Bundesoberbehörde: Keienburg AtW 2012, 725, 729 f. 111 BT-Drs. 11/4015, S. 17. Keienburg/Wiesendahl

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Zweites Kapitel – Anzeige, Betriebsplan

§ 57b

auf zeitlich unmittelbar erforderliche Folgemaßnahmen, wenn diese planfeststellungspflichtig sind. Die vom Gesetzgeber in der amtlichen Begründung beispielhaft angeführte Möglichkeit zeitlich entfernt liegender Folgemaßnahmen hat im Wortlaut des Absatzes 3 Satz 3 keinen Niederschlag gefunden. Absatz 3 Satz 3 regelt die Ausnahme planfeststellungspflichtiger Folgemaßnahmen von der Konzentrationswirkung der bergrechtlichen Planfeststellung unbeschränkt und damit sowohl für zeitlich nah als auch für zeitlich entfernt liegende Folgemaßnahmen.112 Einziges Kriterium der Ausnahme aus der Konzentrationswirkung ist die Planfeststellungsbedürftigkeit notwendiger Folgemaßnahmen. Entscheidend zur Bejahung dieses Kriteriums ist, dass das einschlägige Fachgesetz zur Zulassung der Folgemaßnahme grundsätzlich ein Planfeststellungsverfahren vorsieht. Ob die Behörde die Folgemaßnahme in einem Planfeststellungsbeschluss oder einer fachgesetzlich ggf. ebenfalls zugelassenen Plangenehmigung zulässt, ist irrelevant; auch eine plangenehmigte Folgemaßnahme fällt unter die Ausnahmevorschrift des Absatzes 3 Satz 3.113 Die Ausnahme planfeststellungspflichtiger Folgemaßnahmen aus der Konzentrationswirkung 66 bedeutet nicht, dass die Machbarkeit der Folgemaßnahmen im Rahmen der bergrechtlichen Planfeststellung ungeprüft und unberücksichtigt bleiben dürfte. Die Machbarkeit ist trotz Ausklammerung der Zulassung planfeststellungspflichtiger notwendiger Folgemaßnahmen aus der bergrechtlichen Planfeststellung im bergrechtlichen Planfeststellungsverfahren zu prüfen, da die Planfeststellung – unabhängig von der Ausnahme der Konzentrationswirkung gemäß Absatz 3 Satz 3 – versagt werden müsste, wenn feststünde, dass bergbaubedingt erforderliche Folgemaßnahmen nicht möglich sind. Dies hat das BVerwG in den Walsum-Entscheidungen damit begründet, dass dem bergbaulichen Vorhaben bei fehlender Umsetzbarkeit von Folgemaßnahmen öffentliche Belange i.S.d. § 48 Abs. 2 Satz 1 entgegenstünden,114 das OVG Münster hatte zuvor den Grundsatz der Konfliktbewältigung herangezogen,115 nach hier vertretener Auffassung handelt es sich um eine Frage des allgemeinen Sachbescheidungsinteresses. Unabhängig von der dogmatischen Verortung besteht Einigkeit, dass die Machbarkeit bergbaubedingt erforderlicher, planfeststellungspflichtiger Folgemaßnahmen, die aufgrund Ausschlusses aus der Konzentration gemäß Absatz 3 Satz 3 von der Planfeststellung nicht umfasst und damit in der Planfeststellung nicht zugelassen werden, Gegenstand des Prüfprogramms im Planfeststellungsverfahren sein muss, da die Folgemaßnahmen notwendig sind und die Planfeststellung daher von der Machbarkeit der Folgemaßnahmen abhängt. Für Deichbaumaßnahmen, Deichaufhöhungen bzw. -verstärkungen, die zur Gegensteuerung bergbaubedingter Bodenbewegungen und damit zur Aufrechterhaltung des im Allgemeinwohl liegenden Hochwasserschutzes erforderlich sind, hat das OVG Münster über das sogen. Zuvor-Kriterium zudem gefordert, dass über Nebenbestimmungen zur bergrechtlichen Planfeststellung sichergestellt sein muss, dass Deichbaumaßnahmen vor Verursachung der diese Maßnahmen erforderlich machenden bergbaulichen Einwirkungen umgesetzt sind.116 Diese zeitliche Verklammerung ist der Besonderheit des Hochwasserschutzes geschuldet und nur auf präventiv erforderliche Gefahrenvorsorgemaßnahmen übertragbar. Soweit Folgemaßnahmen dagegen nicht der Gefahrenvorsorge zur Gegensteuerung bergbaulicher Einwirkungen dienen, sondern sonstigen Zwecken, besteht kein Erfordernis einer Umsetzung vor dem Beginn der Folgemaßnahmen auslösenden bergbaulichen Tätigkeiten.

112 Deshalb hat das BVerwG § 57b Abs. 3 Satz 3 zutreffend auch auf wasserrechtlich planfeststellungspflichtige Deichbaumaßnahmen angewandt, die kurz nach Beginn eines Abbaus senkungsbedingt erforderlich wurden und die Ausnahme der wasserrechtlichen Planfeststellung für Deichbaumaßnahmen als notwendige Folgemaßnahmen aus der bergrechtlichen Planfeststellung bestätigt: BVerwG 29.4.2010, 7 C 18/09 = ZfB 2010, 129 Rn. 23; BVerwG 15.12.2006, 7 C 1/ 06, BVerwGE 127, 259 Rn. 43 f. = ZfB 2006, 306, 313 f. und BVerwG 15.12.2006, 7 C 6/06, BVerwGE 127, 272 Rn. 37 f. = ZfB 2006, 315, 320 f.; ebenso zuvor OVG Münster 27.10.2005, 11 A 1751/04 = ZfB 2006, 32, 57 f. 113 OVG Münster 27.10.2005, 11 A 1751/04 = ZfB 2006, 32, 57; Neumann in: Kühne/Ehricke (Hrsg.) Entwicklungslinien des Bergrechts, S. 47. 114 BVerwG 15.12.2006, 7 C 1/06, BVerwGE 127, 259 Rn. 45 = ZfB 2006, 306, 314 und BVerwG 15.12.2006, 7 C 6/06, BVerwGE 127, 272, 281 Rn. 40 = ZfB 2006, 315, 321. 115 OVG Münster 27.10.2005, 11 A 1751/04 = ZfB 2006, 32, 58. 116 OVG Münster 27.10.2005, 11 A 1751/04 = ZfB 2006, 32, 59; OVG Münster 13.6.2003, 21 B 1050/03 = ZfB 2005, 166, 167. 691

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§ 57c

Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

§ 57c Verordnungsermächtigung 1 Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und nukleare Sicherheit durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Vorschriften darüber zu erlassen, 1. welche betriebsplanpflichtigen Vorhaben, die erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben können, unter Beachtung der Rechtsakte des Rates oder der Kommission der Europäischen Gemeinschaften einer Umweltverträglichkeitsprüfung bedürfen, 2. welche Angaben im einzelnen im Rahmen des UVP-Berichts zu machen sind, welchen Anforderungen die Angaben genügen müssen und welche Unterlagen dazu beizubringen sind. 2 In der Rechtsverordnung können für die Bestimmung der Vorhaben nach Satz 1 Nr. 1 auch Gruppen oder Arten von Vorhaben durch Festlegung von Schwellenwerten und anderen Kriterien bestimmt werden. 3In einer Rechtsverordnung nach Satz 1 Nummer 2 kann insbesondere bestimmt werden, welche Angaben nach Anlage 4 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung der UVP-Bericht bei bestimmten Vorhaben enthalten muss.

1 § 57c wurde ebenso wie § 52 Abs. 2a bis 2c und §§ 57a und 57b mit dem Gesetz zur Änderung des Bundesberggesetzes vom 12.2.1990 eingefügt. Die Vorschrift trat gemäß Art. 4 Satz 1 des Gesetzes zur Änderung des Bundesberggesetzes bereits am Tage nach der Verkündung und damit am 21.2.1990 in Kraft, während die übrigen Vorschriften gemäß Art. 4 Satz 2 des Gesetzes zur Änderung des Bundesberggesetzes erst am 1.8.1990 in Kraft traten. Über das sofortige Inkrafttreten der Verordnungsermächtigung sollte sichergestellt werden, dass die Verordnung zur Regelung UVPpflichtiger bergbaulicher Vorhaben – die UVP-V Bergbau – rechtzeitig erarbeitet und erlassen werden konnte, um gleichzeitig mit den Vorschriften des Bundesberggesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung in §§ 52 Abs. 2a bis 2c, 57a und 57b am 1.8.1990 in Kraft zu treten. Das Datum des Inkrafttretens der Vorschriften über die Umweltverträglichkeitsprüfung im Bundesberggesetz wiederum wurde mit dem Inkrafttreten des UVPG am 1.8.1990 gleichgeschaltet. Ob damit eine fristgerechte Umsetzung der europäischen Vorgaben erfolgte, ist zweifelhaft; dazu Anhang zu § 57c UVP-V Bergbau, Vorbemerkungen Rn. 5 ff. Mit dem Artikelgesetz zur Modernisierung des Rechts der Umweltverträglichkeitsprüfung vom 20.7.2017 wurden auch in § 57c Änderungen vorgenommen.1 2 Die Verordnungsermächtigung des § 57c ist erforderlich, da das Bundesberggesetz selbst keine Auflistung der UVP-pflichtigen bergbaulichen Vorhaben enthält und auch das UVPG nicht regelt, welche bergbaulichen Vorhaben einer Umweltverträglichkeitsprüfung bedürfen. In Anlage 1 Nr. 15.1 des UVPG ist ausdrücklich normiert, dass bergbauliche Vorhaben einer Umweltverträglichkeitsprüfung nur nach Maßgabe der aufgrund des § 57c Satz 1 Nr. 1 erlassenen Rechtsverordnung bedürfen. 3 Da das Bergrecht in der Ressortkompetenz des jetzigen Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), ehemals Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, liegt, ist dieses ermächtigt, durch Rechtsverordnung Vorschriften über die Umweltverträglichkeitsprüfung bergbaulicher Vorhaben zu erlassen. Die Rechtsverordnung bedarf des Einvernehmens des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz, ehemals Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit, da dort die Ressortkompetenz für das Umweltrecht liegt. Die Rechtsverordnung bedarf zudem der Zustimmung des Bundesrats, da das Bundesberggesetz gemäß Art. 83 GG von den Ländern als eigene Angelegenheit ausgeführt wird; Art. 80 Abs. 2 GG fordert, dass Rechtsverordnungen, die aufgrund von Bundesgesetzen ergehen, die von den Ländern im Auftrag des Bundes oder als eigene Angelegenheit ausgeführt werden, der Zustimmung des Bundesrats bedürfen. 1 BT-Drs.18/11499, S. 18. Keienburg/Wiesendahl https://doi.org/10.1515/9783110709285-076

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Zweites Kapitel – Anzeige, Betriebsplan

Anh. § 57c

Obwohl § 57c eine Ermächtigung des BMWK zum Erlass einer Rechtsverordnung enthält, 4 handelt es sich richtigerweise um eine Pflicht, da die Mitgliedstaaten aufgrund der UVP-Richtlinie2 verpflichtet waren, bis zum Ablauf der Umsetzungsfrist der Richtlinie am 3.7.1988 Vorschriften zur Umsetzung der europarechtlichen Vorgaben in nationales Recht zu erlassen. Die Verpflichtung galt auch bezüglich bergbaulicher Vorhaben. Zwar handelt es sich bei bergbaulichen Vorhaben im Wesentlichen um Projekte i.S.d. Art. 4 Abs. 2 i.V.m. Anhang II Nr. 2 der UVP-Richtlinie. Projekte i.S.d. Anhangs II der UVP-Richtlinie sind nicht zwingend UVP-pflichtig, sondern bedürfen einer Umweltverträglichkeitsprüfung nur dann, wenn ihre Merkmale dies nach Auffassung der Mitgliedstaaten erfordern. Der EuGH hat aber bereits im Jahre 1996 entschieden, dass die Mitgliedstaaten nicht berechtigt sind, eine Umweltverträglichkeitsprüfung für die in Anhang II der UVP-Richtlinie aufgeführten Projektgruppen vollständig und endgültig auszuschließen. Vielmehr ist der den Mitgliedstaaten eingeräumte Ermessensspielraum durch die in Art. 2 Abs. 1 der UVP-Richtlinie festgelegte Pflicht, Projekte, bei denen insbesondere aufgrund ihrer Art, ihrer Größe oder ihres Standorts mit erheblichen Umweltauswirkungen zu rechnen ist, einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen, begrenzt.3 Deshalb können die Mitgliedstaaten nicht ganze Gruppen des Anhangs II der UVP-Richtlinie von vornherein von einer Umweltverträglichkeitsprüfung ausnehmen und war daher die Bundesrepublik Deutschland und über die Verordnungsermächtigung in § 57c das BMWK verpflichtet, für den in Anhang II Nr. 2 der UVP-Richtlinie erfassten Bergbau zu regeln, welche bergbaulichen Projekte unter welchen Voraussetzungen eine Umweltverträglichkeitsprüfung erfordern. Von der Verordnungsermächtigung hat das damalige Bundesministerium für Wirtschaft und 5 Technologie mit der UVP-V Bergbau vom 13.7.1990, die zum 1.8.1990 in Kraft trat, Gebrauch gemacht. § 1 UVP-V Bergbau regelt in Ausnutzung von § 57c Satz 1 Nr. 1 und Satz 2, welche betriebsplanpflichtigen Vorhaben einer zwingenden Umweltverträglichkeitsprüfung oder einer allgemeinen oder standortbezogenen Vorprüfung bedürfen. § 2 UVP-V Bergbau regelt in Ausnutzung von § 57c Satz 1 Nr. 2 ergänzend zu § 57a Abs. 2 Satz 2 und 3, welche Angaben und Unterlagen vom Vorhabenträger für die Umweltverträglichkeitsprüfung beizubringen sind. Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die gesonderte Kommentierung der UVP-V Bergbau im Anhang verwiesen.

Anhang zu § 57c UVP-V Bergbau Vorbemerkungen Schrifttum Berendes/Frenz/Müggenborg Wasserhaushaltsgesetz, 2. Auflage (2017), zitiert als Berendes/Frenz/Müggenborg/Bearbeiter WHG; Bohne Die Umweltverträglichkeitsprüfung bergbaulicher Vorhaben nach den Gesetzentwürfen der Bundesregierung zur Umsetzung der EG-Richtlinie vom 27.6.1985 (85/337/EWG), ZfB 1989, 93; Burckhardt Das Verhältnis von Raumordnungsverfahren nach § 6a ROG und obligatorischem Rahmenbetriebsplanverfahren nach § 52 Abs. 2a BBergG bei Abbauvorhaben der Steine- und Erdenindustrie in den neuen Bundesländern, ZfB 1994, 8; Czychowski/Reinhardt Wasserhaushaltsgesetz, 12. Auflage (2019), zitiert als Czychowski/Reinhardt WHG; Dammert/Brückner Bergwerke und Umweltverträglichkeitsprüfungen, ZUR 2023, 30; Eftekharzadeh Was spricht gegen Fracking? – eine Stellungnahme, NuR 2013, 704; Elgeti/Dietrich UVP-(Vorprüfungs)pflichtigkeit bergrechtlich zuzulassender Flutungen von Grubenbauen und der Aufhebungsanspruch nach § 4 Abs. 1 UmwRG, NuR 2009, 461; Frenz Fracking und UVP, UPR 2012, 125; Gaentzsch Die Bergrechtliche Planfeststellung, in: Franßen/Wilke/Schlichter/Redeker (Hrsg.) Bürger – Richter – Staat: Festschrift für Horst Sendler zum Abschied aus seinem Amt (1991), 403; Hoppe/Beckmann/Kment Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung, 5. Aufl. (2018), zitiert als Hoppe/Beckmann/Kment/Bearbeiter UVPG; Knöchel Die Umweltverträglich-

2 RL 85/337/EWG. 3 EuGH 11.2.2015, C-531/13, juris Rn. 40; EuGH 22.10.1998, C-301/95, NVwZ 1998, 1281 Rn. 38; EuGH 24.10.1996, C-72/95, NVwZ 1997, 473 Rn. 50; EuGH 2.5.1996, C-133/94, Slg. I 1996, 2323 Rn. 43. 693 https://doi.org/10.1515/9783110709285-078

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Anh. § 57c

Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

keitsprüfung bei Vorhaben des untertägigen Steinkohlenbergbaus, NWVBl 1992, 117; Kremer Zur UVP-Pflichtigkeit bergbaulicher Vorhaben in den neuen Bundesländern, LKV 1994, 434; Kremer Umweltverträglichkeitsprüfung im Bergrecht – Anmerkungen zur vierten Änderung des Bundesberggesetzes, NVwZ 1990, 736; Kühne Umweltverträglichkeitsprüfung und strategische Umweltprüfung: Auswirkungen auf bergrechtliche Zulassungsentscheidungen, in: Heggemann (Hrsg.) Bergrechtliche Zulassungsentscheidungen im Kontext mit Umweltverträglichkeitsprüfungen (2009), S. 11; Kühne Die Einführung der Umweltverträglichkeitsprüfung im Bergrecht, UPR 1989, 326; Kühne Bergrechtlicher Rahmenbetriebsplan, Anlagengenehmigungsrecht und Umweltverträglichkeitsprüfung (1993); Landmann/Rohmer Umweltrecht, 99. Ergänzungslieferung (2022), zitiert als Landmann/Rohmer/Bearbeiter Umweltrecht; v. Mäßenhausen Rahmenbetriebsplan und Umweltverträglichkeitsprüfung, ZfB 1994, 119; Pauli/Hagemann Die UVP-Vorprüfung und deren Heilung, UPR 2018, 8; Peters/Balla Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung, 4. Aufl. (2019), zitiert als Peters/ Balla UVPG; Piens/Schulte/Graf Vitzthum Bundesberggesetz, 3. Auflage (2020), zitiert als Piens/Schulte/GrafVitzthum/ Bearbeiter BBergG; Schink/Fellenberg Gemeinschaftskommentar zum Wasserhaushaltsgesetz (2021), zitiert als Schink/ Fellenberg/Bearbeiter WHG; Schink/Reidt/Mitschang Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz, 2. Aufl. (2023), zitiert als Schink/Reidt/Mitschang/Bearbeiter UVPG; Schulte Bergrechtliche und wasserrechtliche Planfeststellung bei Nassauskiesungen, ZfB 1995, 31; Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp Wasserhaushaltsgesetz Abwasserabgabengesetz, 57. Ergänzungslieferung (2022), zitiert als Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp/Bearbeiter WHG; Stevens Bergrechtliche und umweltrechtliche Genehmigungen für Tagebaue, ZUR 2012, 338; Tettinger Umweltverträglichkeitsprüfung bei Projekten des Bergbaus und der Energiewirtschaft (1989); Weller Zur Frage der Anwendbarkeit des § 52 Abs. 2a BBergG auf laufende Betriebe in den neuen Bundesländern, ZfB 1994, 1 von Weschpfennig Strukturen des Bergrechts (2022).

Übersicht I.

Entstehungsgeschichte

II. 1.

Zeitliche Anwendbarkeit Übergangsregelung des Art. 2 Bergrechtsände5 rungsgesetz 7 Übergangsregelung des Einigungsvertrags Vorhabenbezug der Regelungen über die Umwelt8 verträglichkeitsprüfung Neubeginn eines Vorhabens nach Inkrafttreten 10 des UVP-Rechts

2. 3. 4.

1

III.

Sachlicher Anwendungsbereich und Verfah12 ren

IV.

Verhältnis der bergrechtlichen Spezialregelungen 16 zu den Vorschriften des UVPG

V. 1. 2.

Rechtsschutz 17 Verfahrensrecht Art. 11 der Richtlinie 2011/92/EU

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I. Entstehungsgeschichte 1 Mit der UVP-Richtlinie vom 27.6.19851 wurde europarechtlich die Verpflichtung zur Umweltverträglichkeitsprüfung von Projekten, die erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben können, begründet. Mit nachfolgenden Richtlinien vom 3.3.1997,2 vom 27.6.20013 und vom 26.5.20034 wurde die UVP-Richtlinie geändert. Mit Datum vom 13.12.2011 wurde mit Richtlinie 2011/92/EU eine kodifizierte Fassung der UVP-Richtlinie erlassen, die zuletzt mit Richtlinie 2014/52/EU vom 16.4.2014 geändert wurde. Die UVP-Richtlinie und alle Änderungen waren bzw. sind von den Mitgliedstaaten in nationales Recht umzusetzen, da Richtlinien, anders als Verordnungen des europäischen Gesetzgebers, nicht unmittelbar in den Mitgliedstaaten gelten, sondern gemäß Art. 288 Unterabs. 3 AEUV einer Umsetzung durch die Mitgliedstaaten in nationales Recht bedürfen. Die Umsetzungsfrist der

1 2 3 4

RL 85/337/EWG. RL 97/11/EG. RL 2001/42/EG. RL 2003/35/EG.

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Zweites Kapitel – Anzeige, Betriebsplan

Anh. § 57c

UVP-Richtlinie vom 27.6.1985 lief bis zum 3.7.1988; die letzte Änderung der Richtlinie war bis zum 16.5.2017 in nationales Recht umzusetzen. Die Umsetzung der UVP-Richtlinie vom 27.6.1985 in nationales Recht der Bundesrepublik Deutschland erfolgte verspätet mit dem Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie des Rates vom 27.6.1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (85/337/EWG) vom 12.2.1990, einem Artikelgesetz, welches als Art. 1 das Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung, das sog. UVP-Stammgesetz, beinhaltet. Mit Artikel 1 des Gesetzes zur Modernisierung des Rechts der Umweltverträglichkeitsprüfung vom 20.7.2017 wurde das UVPG neu gefasst. Dies diente der Anpassung des Bundesrechts an die Vorgaben der Richtlinie 2014/52/EU.5 Gemäß § 51 Satz 1 UVPG werden die Umweltverträglichkeitsprüfung und die Überwachung des Vorhabens bei bergbaulichen Vorhaben, die in der Anlage 1 zum UVPG aufgeführt sind und dem Bergrecht unterliegen, nach den Vorschriften des Bundesberggesetzes durchgeführt. Im Gegensatz zur Regelung des früheren § 18 UVPG a.F. findet damit nunmehr der größte Teil der Regelungen des UVPG im Bergrecht Anwendung. Die §§ 15 bis 32 in Verbindung mit Anlage 4 des UVPG finden gemäß § 51 Satz 2 UVPG Anwendung, soweit das BBergG dies anordnet. Eine solche Anordnung erfolgt in § 57a Abs. 1 Satz 4 hinsichtlich der §§ 15 bis 27 sowie 31 UVPG.6 Obwohl das UVPG somit heute größtenteils auf bergrechtliche Planfeststellungsverfahren Anwendung findet, führt Anlage 1 zum UVPG, die die Liste UVP-pflichtiger Vorhaben beinhaltet, in Nummer 15.1 jedoch weiter nur allgemein den „Bergbau“ als Gruppe UVP-pflichtiger Vorhaben auf, spezifiziert diese Gruppe aber nicht in Einzelvorhaben, sondern verweist auf die nach Maßgabe des § 57c Satz 1 Nr. 1 erlassene UVP-V Bergbau. Für den Bereich des Bergrechts wurden die Vorgaben der UVP-Richtlinie mit dem Gesetz zur Änderung des Bundesberggesetzes vom 12.2.1990 und den mit Art. 1 dieses Gesetzes in das BBergG neu eingefügten §§ 52 Abs. 2a bis 2c und 57a bis 57c umgesetzt; gemäß Art. 4 Satz 2 des Bergrechtsänderungsgesetzes traten die Neuregelungen im Wesentlichen zum 1.8.1990 in Kraft. Neu in das Bergrecht eingeführt wurde damit durch § 52 Abs. 2a das Planfeststellungsverfahren als Trägerverfahren für die Umweltverträglichkeitsprüfung bergbaulicher Vorhaben. Die Implementierung eines Planfeststellungsverfahrens im Bundesberggesetz erachtete der Gesetzgeber als erforderlich, um die im Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren erforderliche Öffentlichkeitsbeteiligung über die in den Vorschriften des Planfeststellungsverfahrens verankerte Öffentlichkeitsbeteiligung zu gewährleisten. Zudem sollte über das Planfeststellungsverfahren eine – so die amtliche Begründung – wünschenswerte Konzentrierung der nach anderen Gesetzen erforderlichen Erlaubnisse für betriebsplanpflichtige Vorhaben in einem einheitlichen, mit Konzentrationswirkung ausgestatteten Verfahren ermöglicht werden.7 Die Einführung des neuen Planfeststellungsverfahrens im Bergrecht im Unterschied zur Umsetzung der Umweltverträglichkeitsprüfung in sonstigen Rechtsgebieten durch Einfügung in die bestehenden Genehmigungsverfahren war Grund für den Gesetzgeber, die bergbaulichen Vorhaben über § 18 UVPG a.F. in wesentlichen Teilen aus dem Anwendungsbereich der Verfahrensvorschriften des UVP-Stammgesetzes auszunehmen.8 Diesen Ansatz hat der Gesetzgeber mit der Neufassung des UVPG sowie der Anpassung von § 57a sowie §§ 2 und 3 der UVP-V Bergbau im Jahr 2017 teilweise aufgegeben (dazu § 2 UVP-V Bergbau Rn. 1 ff. und § 3 UVP-V Bergbau Rn. 1 f.). Welche bergbaulichen, betriebsplanpflichtigen Vorhaben einer Umweltverträglichkeitsprüfung im bergrechtlichen Zulassungsverfahren bedürfen, wurde nicht im BBergG selbst geregelt, sondern in § 57c einer Verordnungsermächtigung unterworfen. Von der Verordnungsermächtigung machte das BMWK mit dem Erlass der UVP-V Bergbau vom 13.7.1990, die zum 1.8.1990 in Kraft trat, Gebrauch. Geändert wurde die UVP-V Bergbau seitdem mit der Verordnung zur Ände5 6 7 8

BR-Drs. 164/17, S. 1. BR-Drs. 164/17, S. 117. BT-Drs. 11/4015, S. 1. BT-Drs. 11/3919, S. 30.

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Anh. § 57c

Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

rung bergrechtlicher Verordnungen vom 10.8.1998, mit der Zweiten Verordnung zur Änderung bergrechtlicher Verordnungen vom 10.8.2005, mit dem Öffentlichkeitsbeteiligungsgesetz vom 9.12.2006, mit der Dritten Verordnung zur Änderung bergrechtlicher Verordnungen vom 24.1.2008, mit der Verordnung zur Neufassung und Änderung von Vorschriften auf dem Gebiet des Energiewirtschaftsrechts sowie des Bergrechts vom 3.9.2010, mit der Änderungsverordnung zu bergrechtlichen Vorschriften im Bereich der Küstengewässer und des Festlandsockels vom 3.8.2016, mit der Verordnung zur Einführung von Umweltverträglichkeitsprüfungen und über bergbauliche Anforderungen beim Einsatz der Fracking-Technologie und Tiefbohrungen vom 4.8.2016, mit dem Gesetz zur Modernisierung des Rechts der Umweltverträglichkeitsprüfung vom 20.7.2017 und mit der Verordnung zur Änderung der Markscheider-Bergverordnung sowie der Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung bergbaulicher Vorhaben vom 8.11.2019.

II. Zeitliche Anwendbarkeit 1. Übergangsregelung des Art. 2 Bergrechtsänderungsgesetz 5 Zur Regelung des Zeitpunkts der Anwendbarkeit der Vorschriften über die Umweltverträglichkeitsprüfung wurde in Art. 2 des Bergrechtsänderungsgesetzes eine Übergangsregelung normiert, nach welcher Vorhaben, die bereits begonnen und auch nach bisher geltendem Recht öffentlichkeitsbeteiligungspflichtig waren, nur dann nach den neuen Vorschriften – und damit mit Umweltverträglichkeitsprüfung – zu Ende zu führen waren, wenn sie im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes – am 1.8.1990 – noch nicht öffentlich bekannt gemacht waren; anderenfalls waren die bei Inkrafttreten des Gesetzes bereits begonnenen Verfahren nach den bisher geltenden Vorschriften – und damit ohne Umweltverträglichkeitsprüfung – zu Ende zu führen.9 Da bergbauliche Vorhaben bis zum Inkrafttreten des Bergrechtsänderungsgesetzes auf Grundlage des BBergG keiner Öffentlichkeitsbeteiligung bedurften, führte die Übergangsregelung dazu, dass vor dem 1.8.1990 begonnene bergbauliche Vorhaben in der Regel keiner Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen waren. Gesetzgeberisch gewollt war die Anwendbarkeit der Vorschriften über die Umweltverträglichkeitsprüfung im Bergrecht erst ab dem 1.8.1990. Ähnliches regelte die inzwischen aufgehobene Vorschrift des § 22 Abs. 1 Satz 1 UVPG i.d.F. vom 12.2.1990, mit der für den außerbergrechtlichen Bereich geregelt wurde, dass bereits begonnene Verfahren nur dann nach den Vorschriften des UVPG zu Ende zu führen waren, wenn sie bei Inkrafttreten des UVPG – am 1.8.1990 – noch nicht öffentlich bekannt gemacht waren.10 Sowohl die Übergangsvorschrift des Bergrechtsänderungsgesetzes als auch die Übergangsvorschrift des UVPG i.d.F. vom 12.2.1990 sahen damit eine Anwendbarkeit der Vorschriften über die Umweltverträglichkeitsprüfung erst nach Ablauf der Umsetzungsfrist der UVP-Richtlinie am 3.7.1988 und damit nach dem europarechtlich maßgeblichen Stichtag vor. Die Frage der Europarechtskonformität der Übergangsregelung des § 22 UVPG i.d.F. vom 6 12.2.1990 legte der VGH München11 dem EuGH in einem Vorabentscheidungsverfahren zur Prüfung vor. Mit Urteil vom 9.8.1994 entschied der EuGH, dass Art. 12 Abs. 1 der UVP-Richtlinie nicht gestattet,

9 Art. 2 des Bergrechtsänderungsgesetzes vom 12.2.1990 lautet: „Bei Vorhaben, über deren Zulässigkeit nach geltendem Recht auch unter Einbeziehung der Öffentlichkeit entschieden wird, ist ein nach dem Bundesberggesetz bereits begonnenes Verfahren nach den Vorschriften dieses Gesetzes zu Ende zu führen, wenn das Vorhaben bei Inkrafttreten dieses Gesetzes noch nicht öffentlich bekannt gemacht worden ist. Im Übrigen sind die bei Inkrafttreten dieses Gesetzes bereits begonnenen Verfahren nach den bisher geltenden Vorschriften zu Ende zu führen.“. 10 § 22 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz UVPG i.d.F. vom 12.2.1990 lautete: „Bereits begonnene Verfahren sind nach den Vorschriften dieses Gesetzes und den auf dieses Gesetz gestützten Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu Ende zu führen, wenn das Vorhaben bei Inkrafttreten dieses Gesetzes oder im Zeitpunkt der erstmaligen Anwendbarkeit dieses Gesetzes auf Vorhaben nach den Nummern 1 und 2 der Anlage zu § 3 noch nicht öffentlich bekannt gemacht worden ist; ….“. 11 VGH München 5.11.1992, 8 A 92/40017-40068, NuR 1993, 282 f. Keienburg/Wiesendahl

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dass die Mitgliedstaaten Projekte, für die Genehmigungsverfahren nach dem Ablauf der Umsetzungsfrist der Richtlinie am 3.7.1988 eingeleitet wurden, durch nationale Übergangsvorschriften von der Anwendbarkeit der Richtlinie ausnehmen.12 Die Übergangsregelung des § 22 UVPG a.F. wertete der EuGH als europarechtswidrig, da jedenfalls nach dem Ablauf der Umsetzungsfrist am 3.7.1988 begonnene Verfahren nicht durch nationale Übergangsregelungen vom Anwendungsbereich der Vorschriften über die Umweltverträglichkeitsprüfung ausgenommen werden durften.13 Die europarechtliche Zulässigkeit einer Ausnahme von Verfahren, die vor dem Ablauf der Umsetzungsfrist begonnen wurden, ließ der EuGH in seiner Entscheidung vom 9.8.1994 offen. Mit Entscheidung vom 20.10.1998 stellte der EuGH klar, dass die UVP-Richtlinie eine Umweltverträglichkeitsprüfung nur solcher ihr sachlich unterfallender Vorhaben erfordert, für die das Genehmigungsverfahren nach dem 3.7.1988 eingeleitet wurde, Vorhaben, deren Genehmigungsverfahren vor dem Stichtag des Ablaufs der Umsetzungsfrist begonnen wurden, also keiner Umweltverträglichkeitsprüfung bedürfen.14 Ebenso finden Vorschriften einer geänderten Richtlinie, deren Umsetzungsfrist erst nach dem Beginn eines Verfahrens abläuft, keine rückwirkende Anwendung auf zuvor begonnene Verfahren. Dies hat der EuGH mit Urteil vom 24.11.2011 im Vertragsverletzungsverfahren wegen eines Kohletagebaus in Spanien bestätigt.15 Entscheidend für die Bestimmung des Zeitpunkts des Beginns des Verfahrens ist der Zeitpunkt der förmlichen Antragstellung.16 Ob sich aus der Entscheidung des EuGH zur Europarechtswidrigkeit des § 22 UVPG a.F. Rückschlüsse auf die Europarechtswidrigkeit auch des Art. 2 Bergrechtsänderungsgesetz ergeben, hat das BVerwG in der Gorleben-Entscheidung vom 2.11.1995 offen gelassen.17 Mit Entscheidung vom 20.11.2008 hat das BVerwG die Frage der UVP-Pflicht des dort streitgegenständlichen Tagebaus von Lavasand danach bemessen, ob das Vorhaben begonnen war, bevor die Frist zur Umsetzung der UVP-Richtlinie abgelaufen war;18 auf den späteren Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bergrechtsänderungsgesetzes hat das BVerwG nicht mehr abgestellt. Dies ist Konsequenz der Überlegungen des EuGH in der Entscheidung zu § 22 UVPG a.F., die auf Art. 2 Bergrechtsänderungsgesetz zu übertragen sind. Der nationale Gesetzgeber ist gehindert, Übergangsvorschriften zu erlassen, die die Anwendbarkeit europarechtlicher Regelungen über deren Umsetzungsfrist hinaus verschieben. Dies gilt für alle dem Anwendungsbereich einer Richtlinie unterfallenden Vorhaben; die Mitgliedstaaten können die Anwendbarkeit einer Richtlinie auch nicht für einzelne Vorhaben über den Zeitpunkt des Ablaufs der Umsetzungsfrist hinaus verschieben.19

2. Übergangsregelung des Einigungsvertrags Für das Gebiet der ehemaligen DDR wurde in Art. 8 i.V.m. Anlage I Kapitel V Sachgebiet D Ab- 7 schnitt III Nr. 1 Buchst. h) bb) des Einigungsvertrags vom 31.8.1990 geregelt, dass § 52 Abs. 2a auf Vorhaben, deren Zulassungsverfahren am Tage des Wirksamwerdens des Beitritts – am 3.10.1990 –

12 EuGH 9.8.1994, C-396/92, NVwZ 1994, 1093 Rn. 18; ebenso nochmals nachfolgend im von der Kommission angestrengten Vertragsverletzungsverfahren: EuGH 22.10.1998, C-301/95, NVwZ 1998, 1281 Rn. 29.

13 EuGH 9.8.1994, C-396/92, NVwZ 1994, 1093 Rn. 19. 14 EuGH 7.1.2004, C-201/02, NVwZ 2004, 593 Rn. 49 f.; EuGH 22.10.1998, C-301/95, NVwZ 1998, 1281 Rn. 29; EuGH 18.6.1998, C-81/96, Slg. I-1998, 3923 Rn. 22; ebenso BVerwG 12.12.1996, 4 C 29/94, BVerwGE 102, 331, 336; BVerwG 21.3.1996, 4 C 19/ 94, BVerwGE 100, 370, 374; BVerwG 7.3.1996, 4 B 254/95, NVwZ 1996, 906, 907; BVerwG 8.6.1995, 4 C 4/94, BVerwGE 98, 339, 356 ff. 15 EuGH 24.11.2011, C-404/09, NuR 2012, 42 Rn. 70. 16 EuGH 7.11.2013, C-72/12, NVwZ 2014, 49 Rn. 25; EuGH 15.1.2013, C-416/10, NVwZ 2013, 347 Rn. 94; EuGH 24.11.2011, C404/09, NuR 2012, 42 Rn. 70 f.; EuGH 11.8.1995, C-431/92, NVwZ 1996, 369 Rn. 32. 17 BVerwG 2.11.1995, 4 C 14/94, BVerwGE 100, 1, 9 = ZfB 1995, 278, 283. 18 BVerwG 20.11.2008, 7 C 10/08, BVerwGE 132, 261 Rn. 43 = ZfB 2009, 46, 53; ebenso VG Köln 24.11.2017, 14 K 1282/15, ZfB 2018, 150, 157. 19 Dazu, dass zudem der den Mitgliedstaaten in Art. 4 Abs. 2 i.V.m. Anhang II der Richtlinie 85/337/EWG eingeräumte Ermessensspielraum begrenzt ist: § 57c Rn. 4. 697

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bereits begonnen war, keine Anwendung findet;20 vgl. Anhang Einigungsvertrag Rn. 35. Auch mit der Übergangsregelung des Einigungsvertrags wollte der Gesetzgeber – wie mit Art. 2 Bergrechtsänderungsgesetz und § 22 UVPG a.F. – verhindern, dass im Zeitpunkt des Inkrafttretens neuen nationalen Rechts bereits begonnene Vorhaben rückwirkend dem neuen Recht unterfielen. Dies dürfte mit der Übergangsregelung des Einigungsvertrags auch ohne Verstoß gegen europarechtliche Vorgaben gelungen sein. Schließlich wurde das Beitrittsgebiet erst mit Wirksamwerden des Beitritts zur Bundesrepublik Deutschland Mitglied der Europäischen Union.21 Die UVP-Richtlinie und auch deren Umsetzungsfrist hatten vor der Wiedervereinigung keine Wirkung im Beitrittsgebiet. Zur Anpassung der Rechtsverhältnisse des Beitrittsgebiets an die alten Bundesländer waren Übergangsregelungen zwingend erforderlich. Diese mussten sowohl unter Bestandsschutz- als auch unter Investitionsschutzgesichtspunkten eine unterbrechungsfreie Überleitung bereits bestehender Betriebe in das Recht der Bundesrepublik Deutschland, auch das der Umsetzung Europäischen Rechts dienende Recht, ermöglichen. Welche Konsequenzen sich aus dem Einigungsvertrag für außerbergrechtliche Zulassungsverfahren ergeben, d.h. ob sich aus der bergrechtlichen Bestandsschutzregelung des Einigungsvertrags eine übergreifende Wirkung auch für sonstige Genehmigungserfordernisse eines Bergbaubetriebs ergibt, ist streitig;22 dazu auch Anhang Einigungsvertrag Rn. 38. Entschieden ist, dass sich die Ausnahmeregelung des Einigungsvertrags hinsichtlich der UVP-Pflicht bestandsgeschützter Bergbaubetriebe nicht auch auf eine etwaige Verpflichtung zur Durchführung einer FFH-Verträglichkeitsprüfung erstreckt.23

3. Vorhabenbezug der Regelungen über die Umweltverträglichkeitsprüfung 8 Der Stichtag des Ablaufs der Umsetzungsfrist der UVP-Richtlinie bzw. des Wirksamwerdens des Beitritts der ehemaligen DDR ist maßgeblich für die formelle Frage, welche Zulassungsverfahren den Vorschriften über die Umweltverträglichkeitsprüfung unterfallen können. Der Zeitpunkt der formellen Verfahrenseinleitung ist für die Frage der Anwendbarkeit der Vorschriften aber nicht allein entscheidend. Das BVerwG hat bereits in der Gorleben-Entscheidung vom 2.11.1995 dargelegt, dass Art. 2 Bergrechtsänderungsgesetz vorhabenbezogen ist und aufgrund seines Zusammenhangs mit dem Vorhabenbegriff der §§ 52 Abs. 2a, 57c entscheidend darauf abzustellen ist, ob das Gesamtvorhaben vor oder nach dem maßgeblichen Stichtag – richtigerweise des Ablaufs der Umsetzungsfrist – als Gesamtvorhaben begonnen wurde.24 Da die Umweltverträglichkeitsprüfung dazu dient, ein Vorhaben für die Beurteilung der Umweltauswirkungen als Ganzes in den Blick zu nehmen, so das BVerwG in der Gorleben-Entscheidung, „läge es fern, die Fortführung bereits teilweise genehmigter und durchgeführter Vorhaben im Nachhinein einer Umweltverträglichkeitsprüfung und einem Planfeststellungsverfahren zu unterwerfen“.25 Die im Jahre 1992 beantragte Fortsetzung der bereits im Jahr 1983 begonnenen Erkundung des Bergwerks Gorleben auf seine Eignung zur Endlagerung radioaktiver Abfälle, die aufgrund ausgelaufener Befristung der fakulta20 Anlage I Kapitel V Sachgebiet D Abschnitt III Nr. 1 Buchst. h) bb) Einigungsvertrag lautet: „§ 52a gilt nicht für Vorhaben, bei denen das Verfahren zur Zulassung des Betriebes, insbesondere zur Genehmigung eines technischen Betriebsplanes, am Tage des Wirksamwerdens des Beitritts bereits begonnen war.“. 21 Zu dem ähnlich gelagerten Fall der Anwendung der UVP-Richtlinie in der erst zum 1.5.2004 der Europäischen Union beigetretenen Slowakischen Republik: EuGH 15.1.2013, C-416/10, NVwZ 2013, 347 Rn. 96 ff. 22 Gegen eine Wirkung der bergrechtlichen Regelung des Einigungsvertrags auch für sonstige Genehmigungserfordernisse eines Bergbaubetriebs: VG Weimar 4.11.1997, 6 E 1947/97, nicht veröffentlicht; und Schulte ZfB 1995, 31, 33; für eine übergreifende Wirkung: Stevens ZUR 2012, 338, 343. 23 BVerwG 11.5.2015, 7 B 18/14, ZfB 2015, 85 Rn. 24. 24 BVerwG 2.11.1995, 4 C 14/94, BVerwGE 100, 1, 7 f. = ZfB 1995, 278, 282 f.; ebenso zuvor VG Lüneburg 7.3.1994, 7 A 137/ 92, ZfB 1994, 153, 183 ff. und OVG Lüneburg 2.4.2013, 7 ME 81/11, ZfB 2013, 319 Rn. 23; VG Cottbus 20.6.2017, 3 L 255/17, ZfB 2017, 289, 292 ff.; VG Köln 24.11.2017, 14 K 1282/15, ZfB 2018, 150, 157; i.E. ebenso Kühne Bergrechtlicher Rahmenbetriebsplan, Anlagengenehmigungsrecht und Umweltverträglichkeitsprüfung, S. 75. 25 BVerwG 2.11.1995, 4 C 14/94, BVerwGE 100, 1, 7 = ZfB 1995, 278, 282. Keienburg/Wiesendahl

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tiven Rahmenbetriebsplanzulassung einer rein zeitlichen Verlängerung ohne gegenständliche Veränderung oder Erweiterung bedurfte, war daher ohne Umweltverträglichkeitsprüfung zuzulassen.26 Mit Entscheidungen vom 12.6.2002 zu den Tagebauen Cottbus-Nord und Jänschwalde hat das BVerwG diese Rechtsprechung fortgeführt und entschieden, dass auch die im Jahre 1992 beantragte Fortführung eines Tagebaus im Sinne einer räumlichen Weiterentwicklung keiner Umweltverträglichkeitsprüfung bedarf, wenn und soweit das Vorhaben als Gesamtvorhaben bereits vor dem Stichtag der Anwendbarkeit der Vorschriften über die Umweltverträglichkeitsprüfung begonnen wurde.27 Gleiches hat das BVerwG mit Urteil vom 21.11.2005 zum Tagebau Hambach entschieden.28 Wenn und soweit ein Gesamtvorhaben vor dem Stichtag der Umsetzungsfrist begonnen worden ist, sind nach dem 3.7.1988 bzw. dem 3.10.1990 erforderliche weitere Betriebsplanzulassungen des bereits zuvor begonnenen Vorhabens nicht UVP-pflichtig.29 Die Befreiung vor dem maßgeblichen Stichtag begonnener Vorhaben von einer nachträglichen Umweltverträglichkeitsprüfung reicht soweit, wie das Gesamtvorhaben vor dem maßgeblichen Stichtag konkretisiert wurde und sich spätere Betriebspläne in dem Rahmen des zuvor begonnenen Gesamtvorhabens bewegen. Spätere Vorhabenänderungen, die von den ursprünglichen Absichten des Bergwerksunternehmers nicht mehr gedeckt sind, erfordern dagegen unter den Voraussetzungen des § 52 Abs. 2c i.V.m. § 9 UVPG eine Umweltverträglichkeitsprüfung. Der Umfang eines bereits vor dem 3.7.1988 bzw. dem 3.10.1990 begonnenen Gesamtvorhabens 9 ist nicht allein anhand von Zulassungsanträgen bzw. Genehmigungsentscheidungen aus dem Zeitraum vor dem Stichtag zu ermitteln. Entscheidend dafür sind die Absichten des Bergwerksunternehmers vor dem Stichtag, die ihren Niederschlag in objektiv feststellbaren Umständen gefunden haben.30 Ein Gesamtvorhaben ist also nicht nur dann anzunehmen, wenn und soweit dieses im Bereich der Bundesrepublik bereits vor dem Stichtag in einem fakultativen Rahmenbetriebsplan beantragt oder zugelassen wurde und daher nach dem Stichtag nur noch konkretisierende Hauptund Sonderbetriebspläne erforderlich sind bzw. soweit im Bereich der DDR bereits ein technischer Betriebsplan beantragt oder zugelassen war. Vielmehr kann der Umfang eines vor dem 3.7.1988 bzw. dem 3.10.1990 begonnenen Vorhabens sich auch aus sonstigen konkretisierenden Festlegungen oder Entscheidungen außerhalb behördlicher Zulassungsentscheidungen ergeben. Deshalb war es zulässig, den Umfang des vor dem 3.10.1990 begonnenen Tagebaus Cottbus-Nord anhand der Standortbestätigung auf Grundlage des Rechts der ehemaligen DDR zu bestimmen31 und den Umfang des ebenfalls vor dem 3.10.1990 begonnenen Tagebaus Jänschwalde auf Grundlage einer für die Weiterführung des Tagebaus bereits durchgeführten Raumstudie trotz noch ausstehender Standortbestätigung zu bestimmen;32 zu dem Prüfmaßstab auf Grundlage des ehemaligen DDRRechts im Einzelnen: Anhang Einigungsvertrag Rn. 36. Ebenso war es zulässig, den Umfang des vor dem 3.7.1988 begonnenen Tagebaus Hambach anhand des Braunkohlenplans und der ebenso

26 Ebenso hat der EuGH mit Urteil vom 17.3.2011, C-275/09, NuR 2011, 282, 283 entschieden, dass die reine Verlängerung der Betriebsgenehmigung eines Flugplatzes kein Projekt i.S.d. Art. 1 Abs. 2 UVP-Richtlinie ist und damit keiner Umweltverträglichkeitsprüfung bedarf. 27 BVerwG 12.6.2002, 7 C 2/02, NVwZ 2002, 1237 f. (Tagebau Jänschwalde) und BVerwG 12.6.2002, 7 C 3/02, ZfB 2002, 165, 168 f. (Tagebau Cottbus Nord); ebenso zuvor: OVG Frankfurt (Oder) 28.6.2001, 4 A 115/99, ZfB 2001, 257, 272 ff.; das BVerfG nahm die gegen die Entscheidung des BVerwG zum Tagebau Jänschwalde erhobene Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an: BVerfG 11.6.2003, 1 BvR 1796/02, ZfB 2003, 214, 216. 28 BVerwG 21.11.2005, 7 B 26/05, ZfB 2006, 27 Rn. 20. 29 So zuletzt BVerwG 20.11.2008, 7 C 10/08, BVerwGE 132, 261 Rn. 43 = ZfB 2009, 46, 53 und VG Leipzig 4.10.2007, 5 K 1418/04, ZfB 2008, 157, 162 ff. 30 Kühne/Ehricke/Neumann Entwicklungslinien des Bergrechts, S. 41; von Weschpfennig Strukturen des Bergrechts, S. 302 ff. 31 BVerwG 12.6.2002, 7 C 3/02, ZfB 2002, 165, 169 mit Verweis auf die tatrichterlichen Feststellungen des OVG Frankfurt (Oder) 28.6.2001, 4 A 115/99, ZfB 2001, 257, 276 ff. 32 BVerwG 12.6.2002, 7 C 2/02, NVwZ 2002, 1237, 1238. 699

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in früheren Zulassungsentscheidungen indizierten Gesamtplanung zu ermitteln.33 Dies steht nicht im Widerspruch zur Rechtsprechung des EuGH, wonach bei der Prüfung des Erfordernisses einer Umweltverträglichkeitsprüfung auf den Zeitpunkt der Einleitung des Genehmigungsverfahrens und damit auf den Zeitpunkt der förmlichen Antragstellung abzustellen ist. Da weder auf Grundlage des BBergG vor Umsetzung der UVP-Richtlinie noch auf Grundlage des BG DDR eine einmalige Zulassung bergbaulicher Vorhaben ohne ratierliche Fortschreibungspflicht vorgesehen und möglich war, kann zur Bestimmung des Gesamtumfangs eines vor dem maßgeblichen Stichtag begonnenen bergbaulichen Vorhabens auch auf andere, eine hinreichend verlässliche Konkretisierung des Vorhabens ermöglichende Entscheidungen und Festlegungen behördlicher bzw. staatlicher Natur abgestellt werden.34 Sofern und solange es sich bei ratierlich zuzulassenden Betriebsplänen um Teile eines einheitlichen Vorhabens handelt, führen auch spätere Zulassungen nicht zu einer rückwirkenden UVP-Pflicht eines bereits vor dem Ablauf der Umsetzungsfrist begonnenen Vorhabens. Teile eines einheitlichen Vorhabens stellen auch in Würdigung des Projekt-Begriffs des Art. 1 Abs. 2 UVP-Richtlinie kein gesondert UVP-pflichtiges und -fähiges Vorhaben dar. Nichts anderes ergibt sich aus der Muschelfischer-Entscheidung des EuGH vom 7.9.2004. In dieser Entscheidung zur FFH-Richtlinie hat der EuGH geurteilt, dass auch solche Vorhaben – konkret: die mechanische Herzmuschelfischerei – die seit vielen Jahren ausgeübt werden, dann, wenn sie FFH-Gebiete berühren, bei jeder neuen Zulassung eine FFH-Verträglichkeitsprüfung erfordern.35 Zurückgegriffen hat der EuGH im Rahmen dieser Entscheidung auf den Projektbegriff der UVP-Richtlinie und die Herzmuschelfischerei aufgrund damit verbundener Eingriffe in Natur und Landschaft als Projekt im Sinne sowohl der UVP-Richtlinie als auch der FFH-Richtlinie gewertet. Das bedeutet aber nicht, dass der EuGH damit entschieden hätte, dass auch jede einzelne bergrechtliche Betriebsplanzulassung und jede einzelne wasserrechtliche Zulassung jeweils als eigenständiges Projekt i.S.d. UVPRichtlinie zu werten und damit jeweils für sich einer UVP zu unterwerfen wären. Denn zwischen dem Projektbegriff der UVP-Richtlinie auf der einen und der FFH-Richtlinie auf der anderen Seite besteht trotz Interdependenzen ein wesentlicher Unterschied: Der Projektbegriff der FFH-Richtlinie ist wirkungsbezogen, während der Projektbegriff der UVP-Richtlinie vorhabenbezogen ist.36 Daher ist für die Anwendbarkeit der UVP-Richtlinie bzw. der nationalen Vorschriften über die Umweltverträglichkeit entscheidend, wann ein Vorhaben als Ganzes begonnen wurde und es führt nicht allein das Erfordernis nachträglicher weiterer Zulassung dazu, dass damit eine UVP-Pflicht begründet würde. Anderes gilt für die Frage der FFH-Verträglichkeitsprüfung.37

4. Neubeginn eines Vorhabens nach Inkrafttreten des UVP-Rechts 10 Einer Umweltverträglichkeitsprüfung bedürfen dagegen Vorhaben, die zwar vor dem Ablauf der Umsetzungsfrist der UVP-Richtlinie begonnen und möglicherweise auch bereits umgesetzt, dann aber aufgegeben oder beendet und erst nach dem Ablauf der Umsetzungsfrist wieder neu begonnen wurden. Dies hat der EuGH mit Urteil vom 18.6.1998 zunächst für den Fall entschieden, in dem ein aus dem Jahre 1968 stammender Flächennutzungsplan zum Bau eines Binnenhafens nach dem Ab33 BVerwG 21.11.2005, 7 B 26/05, ZfB 2006, 27 Rn. 18 mit Verweis auf die tatrichterlichen Feststellungen des OVG Münster 17.12.2004, 21 A 102/00, ZfB 2005, 40, 48 f. 34 BVerwG 21.11.2005, 7 B 26/05, ZfB 2006, 27 Rn. 18; VG Leipzig 4.10.2007, 5 K 1418/04, ZfB 2008, 157, 162 ff.; Weller ZfB 1994, 1, 6; Burckhardt ZfB 1994, 8, 13. 35 EuGH 7.9.2004, C-127/02, EuZW 2004, 730 ff. 36 BVerwG 11.5.2015, 7 B 18/14, juris Rn. 24; BVerwG 19.12.2013, 4 C 14/12, NVwZ 2014, 1097 Rn. 28 unter Verweis auf BVerwG 10.4.1013, 4 C 3/13 Rn. 29, wo richtigerweise – entgegen des Wortlauts – das wirkungsbezogene Verständnis des Projektbegriffs der FFH-Richtlinie behandelt wird; vgl. zum Verhältnis zwischen UVP-Richtlinie und FFH-Richtlinie ferner EuGH 24.2.2022, C-463/20, ZfB 2022, 94, 98 ff., wo der EuGH zwischen Artenschutzmaßnahmen auf der Grundlage der FFH-Richtlinie einerseits und der vorhabenbezogenen UVP-Prüfung andererseits differenziert und den Entscheidungsspielraum der Mitgliedstaaten zu den Verfahrensbedingungen in komplexen Entscheidungsprozessen betont hat. 37 OVG Bautzen 11.10.2013, 1 A 258/12, ZfB 2014, 149, 158. Keienburg/Wiesendahl

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lauf der Umsetzungsfrist durch einen neuen Flächenutzungsplan mit im wesentlichen gleichem Inhalt ersetzt werden sollte.38 Dann, wenn für ein bereits vor dem 3.7.1988 – ohne Umweltverträglichkeitsprüfung – genehmigtes Projekt, welches dem Anwendungsbereich der UVP-Richtlinie unterfällt, nach dem 3.7.1988 ein vollständig neues förmliches Genehmigungsverfahren eingeleitet wird, ist eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen. Die Erwägungen, die den EuGH dazu veranlasst haben, vor dem 3.7.1988 begonnene Verfahren aus der Verpflichtung zur Anwendung der Richtlinie auszunehmen, nämlich – so der EuGH im Urteil vom 18.6.1998 ausdrücklich – der Umstand, dass die von der Richtlinie erfassten Projekte überwiegend größeren Umfangs mit komplexen Verfahren sind, die bei bereits entstandenen Rechtspositionen nicht durch die Anforderungen der Richtlinie nachträglich zusätzlich belastet und verzögert werden sollen,39 greifen im Fall eines neuen förmlichen Verfahrens nicht. Mit weiterem Urteil vom 7.1.2004 hat der EuGH dies nochmals bestätigt und in der nach der Klägerin benannten sog. Wells-Entscheidung die Verpflichtung zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung eines im Jahre 1947 genehmigten, später eingestellten und im Jahre 1991 zur erneuten Betriebsaufnahme beantragten Steinbruchs in Großbritannien entschieden.40 Mit beiden vorgenannten Entscheidungen des EuGH hat sich das BVerwG im Beschluss vom 11 22.11.2005, betreffend den Tagebau Hambach, dessen Fortsetzung im Jahre 1993 beantragt und im Jahre 1995 durch fakultative Rahmenbetriebsplanzulassung ohne Umweltverträglichkeitsprüfung zugelassen wurde, auseinandergesetzt und die unterschiedlichen Sachverhaltskonstellationen betont.41 Während der Entscheidung des EuGH vom 18.6.1998 ein nach dem 3.7.1988 neu eingeleitetes förmliches Verfahren und der Entscheidung des EuGH vom 7.1.2004 die Wiederaufnahme eines bereits stillgelegten Bergwerksbetriebs zugrunde lag, betrafen die vom BVerwG entschiedenen Verfahren – sowohl im Fall des Tagebaus Hambach als auch in den Fällen Tagebau Cottbus-Nord und Tagebau Jänschwalde sowie Erkundungsbergwerk Gorleben – Vorhaben, die vor dem jeweils maßgeblichen Stichtag begonnen und nicht anschließend eingestellt, sondern nur zur bergrechtlich ratierlich zulassungspflichtigen Fortsetzung beantragt wurden. Das BVerwG hat daher im Beschluss vom 22.11.2005 betont, dass seine in ständiger Rechtsprechung vertretene Auffassung zur Entbehrlichkeit einer Umweltverträglichkeitsprüfung auch im Fall von Genehmigungsverfahren nach dem 3.7.1988, die Vorhaben betreffen, die als Gesamtvorhaben bereits vor dem 3.7.1988 begonnen wurden, nicht im Widerspruch zur Rechtsprechung des EuGH steht.

III. Sachlicher Anwendungsbereich und Verfahren Der sachliche Anwendungsbereich der Umweltverträglichkeitsprüfung bergbaulicher Vorhaben 12 ergibt sich aus § 1 Satz 1 Nr. 1 bis 10. Allgemeine Voraussetzung des § 1 UVP-V Bergbau ist, dass ein betriebsplanpflichtiges Vorhaben zur Zulassung steht. Dafür wiederum ist Voraussetzung, dass es sich um ein Vorhaben handelt, das unter den Geltungsbereich des BBergG fällt; dazu § 2. Vorhaben, die nicht in den Geltungsbereich des BBergG fallen und damit nicht betriebsplanpflichtig sind, unterliegen der UVP-V Bergbau von vornherein nicht; die UVP-Pflicht derartiger Vorhaben kann sich allein aus dem UVPG ergeben. Alle in § 1 Satz 1 Nr. 1 bis 8a aufgeführten und spezifizierten Vorhaben sind betriebsplanpflichtige Vorhaben; auch die Auffangklausel in § 1 Satz 1 Nr. 9, die sich nicht zu spezifizierten Vorhaben verhält, setzt voraus, dass betriebsplanpflichtige Vorhaben gegenständlich sind und unterwirft diese der UVP-Pflicht auch dann, wenn sie ihrer Art oder Gruppe nach nicht von § 1 Satz 1 Nr. 1 bis 8 erfasst sind, aber nach Maßgabe der Anlage 1 des UVPG einer Umweltverträglichkeitsprüfung bedürfen. Betriebsplanpflichtig sind auch die nicht 38 39 40 41

EuGH 18.6.1998, C-81/96, Slg. I-1998, 3923 Rn. 25. EuGH 18.6.1998, C-81/96, Slg. I-1998, 3923 Rn. 24. EuGH 7.1.2004, C-201/02, NVwZ 2004, 593 Rn. 47 f. BVerwG 21.11.2005, 7 B 26/05, ZfB 2006, 27 Rn. 25; OVG Saarlouis 22.11.2007, 2 B 181/07, ZfB 2008, 270, 275; OVG Münster 17.12.2004, 21 A 102/00, ZfB 2005, 40, 51. 701

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Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

von den Nr. 1 bis 9 erfassten Vorhaben der Tiefbohrungen ab 1.000 Metern Teufe zur Aufsuchung oder Gewinnung von Bodenschätzen, die von Nummer 10 erfasst werden. Die Umweltverträglichkeitsprüfung ist gemäß § 4 UVPG unselbständiger Bestandteil verwaltungsbehördlicher Verfahren, die Zulassungsentscheidungen dienen.42 Soweit bergbauliche Vorhaben einer Umweltverträglichkeitsprüfung bedürfen, findet die Umweltverträglichkeitsprüfung gemäß § 51 Satz 1 UVPG im bergrechtlichen Planfeststellungsverfahren statt.43 Durchzuführen ist im Fall der UVP-Pflicht eines bergbaulichen Vorhabens das obligatorische Rahmenbetriebsplanverfahren gemäß § 52 Abs. 2a. Das obligatorische Rahmenbetriebsplanverfahren beinhaltet die Prüfung des Vorhabens als Ganzes um auf diese Weise die Prüfung der Umweltverträglichkeit des Gesamtvorhabens zu gewährleisten; vgl. § 57a Rn. 6. Eine erneute Umweltverträglichkeitsprüfung auf Ebene der nachgelagerten Haupt- und Sonderbetriebsplanzulassungen ist entbehrlich.44 Die Durchführung eines obligatorischen Rahmenbetriebsplanverfahrens ist Folge der UVP-Pflicht bergbaulicher Vorhaben und nicht Eingangsvoraussetzung der Umweltverträglichkeitsprüfung. Eine nach Maßgabe der sachlichen Kriterien des § 1 Satz 1 Nr. 1 bis 10 erforderliche UVP kann daher nicht dadurch umgangen werden, dass anstelle eines obligatorischen Rahmenbetriebsplanverfahrens ein anderes Betriebsplanverfahren durchgeführt wird.45 Eine Ausnahme von der Verpflichtung zur Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens 13 im Fall der UVP-Pflicht eines bergbaulichen Vorhabens regelt § 52 Abs. 2b Satz 2 i.V.m. § 54 Abs. 2 Satz 3 für Vorhaben, die in einem besonderen Planungsverfahren zugelassen werden, in dem insbesondere die Abbaugrenzen und Haldenflächen festgelegt werden, wenn in diesem besonderen Verfahren die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung gewährleistet ist, die den Anforderungen des BBergG entspricht. Diese Regelung dient der Vermeidung von Doppelprüfungen.46 Voraussetzung der Ausnahmeregelung ist, dass in dem besonderen Verfahren die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung gewährleistet ist, die den Anforderungen des BBergG entspricht; vgl. § 52 Rn. 86. Geregelt ist ein derartiges besonderes Verfahren in Nordrhein-Westfalen in Gestalt des Braunkohlenplanverfahrens. Das Braunkohlenplanverfahren in Nordrhein-Westfalen beinhaltet gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 LPlG NRW dann, wenn das Braunkohlenvorhaben gemäß § 1 UVP-V Bergbau einer Umweltverträglichkeitsprüfung bedarf, die Umweltverträglichkeitsprüfung, sofern der Braunkohlenausschuss dies beschließt. Der nordrheinwestfälische Gesetzgeber hat sich mit dem Änderungsgesetz vom 8.7.2021 dazu entschlossen, die gemeinsame Durchführung von Umweltprüfung und Umweltverträglichkeitsprüfung bereits im Braunkohlenplanverfahren von der Entscheidung des Braunkohlenausschusses abhängig zu machen. Damit soll weiter die Möglichkeit bestehen, bergrechtliche Verfahren ohne Planfeststellung durchzuführen, aber bei einem Fehlen eines engen zeitlichen Zusammenhangs zwischen Braunkohlenplanverfahren und bergrechtlicher Betriebsplanzulassung das Braunkohlenplanverfahren effektiv verkürzt werden, indem von der Verbindung von Umweltprüfung und Umweltverträg42 BVerwG 20.11.2008, 7 C 10/08, BVerwGE 132, 261 Rn. 42 = ZfB 2009, 46, 53; BVerwG 15.12.2006, 7 C 1/06, BVerwGE 127, 259 Rn. 23 = ZfB 2006, 306, 310; BVerwG 15.12.2006, 7 C 6/06, BVerwGE 127, 272 Rn. 16 = ZfB 2006, 315, 318; BVerwG 25.1.1996, 4 C 5/95, BVerwGE 100, 238, 243. 43 Eine Ausnahme gilt allein für die in § 1 Satz 1 Nr. 7 UVP-V Bergbau aufgeführten Vorhaben zur Endlagerung radioaktiver Abfälle; dazu § 1 Rn. 45. Errichtung und Betrieb einer Anlage zur Endlagerung radioaktiver Abfälle i.S.d. § 1 Satz 1 Nr. 7 erfordern ein atomrechtliches Zulassungsverfahren, welches gemäß § 57b Abs. 3 Satz 2 vorrangig vor dem bergrechtlichen Planfeststellungsverfahren ist; vgl. dazu § 57b Rn. 61. 44 Der Beschluss des OVG Koblenz vom 6.2.2013, 1 B 11255/12, ZUR 2013, 293, 294 f., mit welchem ein Eilantrag einer anerkannten Naturschutzvereinigung gegen eine einer obligatorischen Rahmenbetriebsplanzulassung nachfolgende Hauptbetriebsplanzulassung auf Grundlage des § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG als zulässig angesehen wurde, verkennt, dass es sich bei einer Hauptbetriebsplanzulassung insbesondere dann, wenn eine Umweltverträglichkeitsprüfung auf Rahmenbetriebsplanebene bereits durchgeführt wurde, nicht um eine Entscheidung handelt, für die eine Pflicht zur Umweltverträglichkeitsprüfung bestehen kann; BVerwG 6.10.2022, 7 C 4/21 = ZfB 2023, 108 Rn. 11 f.; BVerwG 6.10.2022, 7 C 5/21 = ZfB 2023, 118 Rn. 14; vgl. dazu von Weschpfennig Strukturen des Bergrechts, S. 307. 45 OVG Lüneburg 24.9.2013, 7 LA 21/10, juris Rn. 3; OVG Lüneburg 21.10.2008, 7 ME 170/07, NuR 2009, 58, 60. 46 BT-Drs. 11/4015, S. 10. Keienburg/Wiesendahl

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Zweites Kapitel – Anzeige, Betriebsplan

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lichkeitsprüfung abgesehen wird.47 In Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt findet dagegen gemäß §§ 12 Abs. 1 Satz 3, 2a RegBkPlG Brb i.V.m. §§ 8 ff. ROG bzw. gemäß § 5 Abs. 1 SächsLPlG i.V.m. §§ 8ff. ROG bzw. gemäß § 10 Abs. 1 LEntwG LSA i.V.m. §§ 8 ff. ROG im Braunkohlenplanverfahren nur eine Umweltprüfung entsprechend den Vorgaben der strategischen Umweltprüfung gemäß der SUP-RL48 statt, wodurch eine Umweltverträglichkeitsprüfung in späteren Zulassungsverfahren weder auf Grundlage des UVPG noch auf Grundlage der §§ 52 Abs. 2b Satz 2, 54 Abs. 2 Satz 3 entbehrlich wird.49 Das OVG Koblenz erachtet auch wasserrechtliche Planfeststellungsbeschlüsse – erteilt für eine Nassauskiesung nicht dem Geltungsbereich des § 3 Abs. 3 und 4 unterfallender Bodenschätze, wenn die Gewinnung auf andere Bodenschätze ausgedehnt wird bzw. sich die Bodenschätze nachträglich als doch dem Geltungsbereich des BBergG unterfallend herausstellen – als besondere Planverfahren i.S.d. §§ 52 Abs. 2b Satz 2, 54 Abs. 2 Satz 3, wenn im wasserrechtlichen Planfeststellungsverfahren eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt worden ist.50 Sonstige dem Betriebsplanverfahren ggf. vorgeschaltete Verfahren zur Erlangung einer Auf- 14 suchungs- oder Gewinnungsberechtigung in Form von Erlaubnis oder Bewilligung dienen nicht der Entscheidung über die Zulassung des Abbaus. Gleiches gilt für Zulegungs-51 und Mitgewinnungsentscheidungen sowie Grundabtretungsbeschlüsse. Diese Entscheidungen erfordern daher weder eine Umweltverträglichkeitsprüfung noch wären diese Entscheidungen geeignet, die Umweltverträglichkeit des erst im Betriebsplanverfahren auf seine Zulassungsfähigkeit in technischer und rechtlicher Hinsicht zu prüfenden Vorhabens festzustellen. Nur betriebsplanfähige und betriebsplanpflichtige Vorhaben sind einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Maßgabe der Verordnung zugänglich. Auch dem Betriebsplanverfahren nachgeschaltete Vorhaben, die nicht Teil des Bergbauvorha- 15 bens sind, sondern bereits eine nicht mehr dem Bergrecht unterfallende Folgenutzung darstellen, unterliegen der bergrechtlichen UVP-Pflicht nicht. Dies ergibt sich bereits daraus, dass für diese Vorhaben nach Beendigung des Bergbaubetriebs der Anwendungsbereich des Bergrechts gemäß § 2 Abs. 1 bis 3 nicht mehr eröffnet ist, die Vorhaben daher nicht betriebsplanpflichtig sind und somit auch der Anwendungsbereich der UVP-V Bergbau nicht eröffnet ist. Sind Folgenutzungen nach Maßgabe der Anlage 1 des UVPG UVP-pflichtig, sind sie einer Umweltverträglichkeitsprüfung in dem für die Zulassung der Folgenutzung einschlägigen fachrechtlichen Verfahren zu unterziehen.

IV. Verhältnis der bergrechtlichen Spezialregelungen zu den Vorschriften des UVPG Gemäß § 51 Satz 2 UVPG finden §§ 15 bis 32 i.V.m. Anlage 4 UVPG im bergrechtlichen Planfeststel- 16 lungsverfahren nur Anwendung, soweit das BBergG dies anordnet. Ein solcher Fall besteht mit § 57a Abs. 1 Satz 5, der für Planfeststellungsverfahren i.S.d. § 52 Abs. 2a die Anwendung der §§ 15 bis 27 sowie 31 UVPG anordnet. Im Umkehrschluss daraus ergibt sich, dass §§ 1 bis 14a UVPG auch im bergrechtlichen Planfeststellungsverfahren mit Umweltverträglichkeitsprüfung grundsätzlich anwendbar sind. Dies gilt insbesondere für §§ 4 bis 12 UVPG; vgl. dazu § 1 UVP-V Bergbau Rn. 2 ff. Auch § 14 UVPG mit der Möglichkeit der Freistellung von befristeten Entwicklungs- oder Erprobungsvorhaben nach einer allgemeinen Vorprüfung ist anwendbar. Unabhängig von der oben genannten Ausnahme nach § 57a Abs. 1 Satz 5, entfaltet die Ausschlussregelung des § 51 Satz 2 47 LT-NRW-Drs. 17/11624, S. 33. 48 RL 2001/42/EG. 49 Ebenso: Heggemann/Kühne Bergrechtliche Zulassungsentscheidungen im Kontext mit Umweltverträglichkeitsprüfungen, S. 25 zur Rechtslage in Brandenburg; vgl. auch von Weschpfennig Strukturen des Bergrechts, S. 304 f.

50 OVG Koblenz 5.10.2010, 1 A 10689/09, ZfB 2011, 119, 125 und OVG Koblenz 9.10.2008, 1 A 10231/08, ZfB 2010, 150, 159 f. 51 Dazu, dass eine Zulegung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nicht zugänglich ist: BVerwG 20.11.2008, 7 C 10/08, BVerwGE 132, 261 Rn. 42 = ZfB 2009, 46, 53. 703

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UVPG hinsichtlich der §§ 15 bis 32 UVPG ohnehin nur insoweit Wirkung, als die bergrechtlichen Spezialvorschriften mit den wesentlichen Regelungen zur Umsetzung des Gemeinschaftsrechts konformgehen. Soweit die bergrechtlichen Spezialregelungen die im UVPG zur Umsetzung des Gemeinschaftsrechts geregelten wesentlichen Mindestanforderungen nicht beachten, greift der – im Umkehrschluss zu § 51 Satz 2 UVPG auch mit Blick auf die bergrechtlichen Vorschriften anwendbare – Grundsatz aus § 1 Abs. 4 Satz 2 UVPG. Danach findet das UVPG – auch §§ 15 bis 32 UVPG – Anwendung, soweit spezialgesetzliche Regelungen hinter den im UVPG geregelten wesentlichen Mindestanforderungen zurückbleiben.

V. Rechtsschutz 1. Verfahrensrecht 17 Alle Regelungen zur Umweltverträglichkeitsprüfung sind verfahrensrechtlicher Natur. Die Regelungen der Umweltverträglichkeitsprüfung enthalten keine materiellen Regelungen des Inhalts, welche Umweltauswirkungen zulässig sind und welche nicht; der materiell-rechtliche Maßstab der Zulässigkeit eines Vorhabens ergibt sich allein aus dem Fachrecht, im Fall bergbaulicher Vorhaben also aus dem BBergG und den Rechtsgebieten, die durch das jeweilige Vorhaben berührt werden.52 Den rein verfahrensrechtlichen Regelungen der Umweltverträglichkeitsprüfung kommt – ohne diesbezügliche gesetzliche Regelung – keine Drittschutzwirkung zu. Aufgrund der rein verfahrensrechtlichen Natur der Umweltverträglichkeitsprüfung hat die Rechtsprechung drittgeschützte Ansprüche von Personen und auch von anerkannten Naturschutzvereinigungen auf Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung oder ein bestimmtes Verfahren zur Umweltverträglichkeitsprüfung bis zum Ablauf der Umsetzungsfrist des Art. 10a der UVP-Richtlinie in Gestalt der Änderungsrichtlinie 2003/35/EG – jetzt Art. 11 der kodifizierten Fassung der UVP-Richtlinie – immer verneint.53 Anderes galt nur im Fall einer Enteignungsbetroffenheit des Rechtsbehelfsführers. Da eine Enteignung gemäß Art. 14 Abs. 3 GG nur zum Wohl der Allgemeinheit zulässig ist, haben Enteignungsbetroffene einen individuellen Anspruch auf Gewährleistung einer gemeinwohlbezogenen Enteignung und damit auf Wahrung auch rein objektiv-rechtlicher Rechtsvorschriften. Enteignungsbetroffene können daher auch die Verletzung rein formellen Rechts und damit auch die Verletzung von Vorschriften über die Umweltverträglichkeitsprüfung rügen.54 Der bergrechtlichen Planfeststellung kommt jedoch keine enteignende Vorwirkung zu; vgl. § 57a Rn. 51. Deshalb konnten Dritte im bergrechtlichen Planfeststellungsverfahren bisher die Verletzung der Vorschriften über die Umweltverträglichkeitsprüfung nicht rügen.55

2. Art. 11 der Richtlinie 2011/92/EU 18 Mit Richtlinie 2003/35/EG wurde Art. 10a in die UVP-Richtlinie eingefügt, wonach die Mitgliedstaaten bis zum 25.6.2005 sicherzustellen hatten, dass Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit, die ein ausreichendes Interesse haben oder eine Rechtsverletzung geltend machen, Zugang zu einem gerichtlichen Prüfungsverfahren haben. Der Bundestag verabschiedete daraufhin verspätet, am 52 BVerwG 25.1.1996, 4 C 5/95, BVerwGE 100, 238, 243. 53 BVerwG 16.10.2008, 4 C 5/07, BVerwGE 132, 123 Rn. 36; BVerwG 21.1.2008, 4 B 35/07, BauR 2008, 784, 785; BVerwG 8.6.1995, 4 C 4/94, BVerwGE 98, 339, 361; BVerwG 23.2.1994, 4 B 35/94, NVwZ 1994, 688, 689; OVG Saarlouis 22.11.2007, 2 B 181/07, ZfB 2008, 270, 272; OVG Münster 27.10.2005, 11 A 1751/04, ZfB 2006, 32, 50; OVG Bautzen 18.9.1997, 1 S 354/96, ZfB 1997, 314, 320 f. 54 BVerwG 28.2.1996, 4 A 27/95, NVwZ 1996, 1011, 1012; BVerwG 25.1.1996, 4 C 5/95, BVerwGE 100, 238, 240; BVerwG 18.3.1983, 4 C 80/79, BVerwGE 67, 74, 76. 55 BVerwG 21.3.1996, 4 C 1/95, NVwZ 1997, 493; BVerwG 18.3.1983, 4 C 80/79, BVerwGE 67, 74, 76. Keienburg/Wiesendahl

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7.12.2006, das UmwRG; zur zeitlichen Anwendbarkeit des Gesetzes vgl. Rn. 20d. Mit dem Umweltrechtsbehelfsgesetz wurde ein erweitertes Klagerecht für anerkannte Vereinigungen begründet. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG sind alle Zulassungsentscheidungen, für die u.a. auf Grundlage der UVP-V Bergbau eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung bestehen kann, unter den Voraussetzungen des § 2 UmwRG von anerkannten inländischen oder ausländischen Vereinigungen i.S.d. § 3 UmwRG, d.h. von Vereinigungen, die gemäß ihrer Satzung Ziele des Umwelt- oder Naturschutzes fördern und die sonstigen Voraussetzungen des § 3 UmwRG erfüllen, beklagbar. Darüber hinaus wurden mit dem Umweltrechtsbehelfsgesetz absolute Verfahrensfehler geregelt, die gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 UmwRG auch von sonstigen Verfahrensbeteiligten – d.h. anderen Verfahrensbeteiligten, als anerkannten Vereinigungen – geltend gemacht werden können; zu sonstigen Verfahrensfehlern vgl. Rn. 20 ff. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UmwRG i.d.F. vom 7.12.2006 machte das Klagerecht anerkannter Vereinigungen 19 von der Geltendmachung der Verletzung von Rechtsvorschriften, die dem Umweltschutz dienen und Rechte Einzelner begründen, abhängig. Der EuGH entschied auf Vorlage des OVG Münster56 mit Urteil vom 12.5.2011 im Trianel-Verfahren, dass § 2 Abs. 1 Nr. 1 UmwRG insoweit europarechtswidrig war, als die Norm die Klagebefugnis anerkannter Vereinigungen an die Geltendmachung der Verletzung von Rechtsvorschriften, die Rechte Einzelner begründen, knüpfte.57 Aus der Aarhus-Konvention, in deren Lichte Art. 10a der UVP-Richtlinie auszulegen ist – so der EuGH – ergebe sich, dass Umweltverbände unabhängig von den Kriterien eines Mitgliedstaats für die Zulässigkeit von Rechtsbehelfen ein unbeschränktes Recht auf Zugang zu einem gerichtlichen Überprüfungsverfahren haben. Mit Gesetz zur Änderung des UmwRG und anderer umweltrechtlicher Vorschriften vom 21.1.2013 wurde die Einschränkung des Klagerechts in § 2 Abs. 1 Nr. 1 UmwRG auf Rechtsvorschriften, die Rechte Einzelner begründen, gestrichen. Anerkannte Vereinigungen können damit gegenüber Entscheidungen mit dem Erfordernis einer Umweltverträglichkeitsprüfung die Verletzung von Rechtsvorschriften rügen, unabhängig davon, ob diese gleichzeitig drittschützend sind. Die Voraussetzung, dass diese Rechtsvorschriften dem Umweltschutz dienen müssen, besteht seit der Änderung von § 2 Abs. 1 UmwRG durch das Gesetz zur Anpassung des UmwRG und anderer Vorschriften an europa- und völkerrechtliche Vorgaben vom 29.5.2017 nicht mehr. Die Änderung dient der Umsetzung von Artikel 9 Abs. 2 der Aarhus-Konvention. Das Compliance-Committee der Aarhus-Konvention hatte am 20.12.2013 zum UmwRG festgestellt, dass das Kriterium „Rechtsvorschriften, die dem Umweltschutz dienen“ gegen Artikel 9 Abs. 2 der Aarhus-Konvention verstößt. Eine abschließende Beschlussfassung und Bestätigung dieser Feststellung erfolgte auf der 5. Vertragsstaatenkonferenz zur Aarhus-Konvention vom 29.6. bis 2.7.2014 in Maastricht.58 In § 2 Abs. 1 Satz 2 UmwRG ist dafür seitdem jedoch geregelt, dass die Vereinigung bei Rechtsbehelfen gegen eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a bis 6 UmwRG oder gegen deren Unterlassen die Verletzung umweltbezogener Rechtsvorschriften geltend machen muss. Liegt ein Rechtsverstoß gegen dergestalt rügefähige Rechtsvorschriften vor, ist der Klage gemäß § 2 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UmwRG stattzugeben, wenn die Rechtsverletzung für das behördliche Entscheidungsergebnis von Bedeutung ist. Nicht dagegen besteht ein Anspruch anerkannter Vereinigungen auf vollständige Überprüfung der materiellen Rechtmäßigkeit einer gemäß § 1 Abs. 1 UmwRG beklagbaren Ent-

56 OVG Münster 5.3.2009, 8 D 58/08, NVwZ 2009, 987 ff. 57 EuGH 12.5.2011, C-115/09, NVwZ 2011, 801 Rn. 44 ff. mit Anmerkung von Schlacke, auch abgedr. DVBl 2011, 757 ff. mit Anmerkung von Durner und Paus; EuZW 2011, 510 mit Anmerkung von Hellriegel sowie UPR 2011, 268 ff. mit Anmerkung von Greim und NuR 2011, 423 ff. mit Beitrag von Appel NuR 2011, 414 ff. und Meitz NuR 2011, 420 ff.; ähnlich auch bereits zuvor EuGH 15.10.2009, C-263/08, NVwZ 2009, 1553 Rn. 45; zur Entscheidung des EuGH vom 12.5.2011 auch Berkemann DVBl 2011, 1253, 1257 ff. und NuR 2011, 780 ff., Bunge NuR 2011, 605 ff., Leidinger NVwZ 2011, 1345 ff., Steenhoff UPR 2011, 431 ff. und Wegener ZUR 2011, 363, 365 ff.; zu der aus Art. 9 Abs. 3 des Aarhus-Übereinkommens folgenden Verpflichtung der nationalen Gerichte, das Verfahrensrecht der Mitgliedstaaten so weit wie möglich im Einklang mit den Zielen von Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens auszulegen: EuGH 8.3.2011, C-240/09, NVwZ 2011, 673 Rn. 51. 58 BT-Drs. 18/9526, S. 38. 705

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Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

scheidung; die materielle Begründetheitsprüfung ist im Klageverfahren entsprechend den Zulässigkeitsanforderungen auf die rügefähigen Vorschriften des Umweltschutzes beschränkt.59 19a Mit dem Anpassungsgesetz vom 29.5.2017 wurde § 2 Abs. 1 Nr. 3 UmwRG ebenfalls geändert. Zuvor war dort für anerkannte Umweltvereinigungen eine generelle Präklusionsregelung normiert, wonach Rechtsbehelfe nur eingelegt werden konnten, wenn sich die Vereinigung zuvor zu der Sache geäußert hatte oder ihr entgegen den geltenden Rechtsvorschriften keine Gelegenheit zur Äußerung gegeben worden war. Die Norm war aufgrund der Entscheidung des EuGH vom 15.10.2015, C 137/14, anzupassen. Das Gericht hatte entschieden, dass die Zulässigkeit eines Rechtsbehelfs einer anerkannten Umweltvereinigung nicht auf solche Einwendungen beschränkt werden darf, welche bereits innerhalb der Einwendungsfrist des entsprechenden Verwaltungsverfahrens eingebracht wurden. Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 b) UmwRG bleibt die Präklusionsnorm für SUP-pflichtige Pläne und Programme jedoch bestehen.60 20 § 4 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 UmwRG regelt absolute Verfahrensfehler, die auf die Rüge einer anerkannten Vereinigung unabhängig von der Kausalität für das Entscheidungsergebnis zwingend zur Aufhebung der Zulassungsentscheidung führen. Ein absoluter Verfahrensfehler liegt gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 a) UmwRG vor, wenn eine erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung nicht durchgeführt und nicht nachgeholt worden ist. Ein absoluter Verfahrensfehler liegt gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b) UmwRG weiterhin vor, wenn eine erforderliche Vorprüfung des Einzelfalls nicht durchgeführt worden ist. Diese beiden absoluten Verfahrensfehler regelte das Gesetz bereits in der Fassung vom 7.12.2006. Ein fehlerhaftes Ergebnis einer durchgeführten Vorprüfung stellte dagegen auf Grundlage der Gesetzesfassung vom 7.12.2006 nach einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Literatur keinen absoluten Verfahrensfehler dar.61 Dies hat der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Änderung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes und anderer umweltrechtlicher Vorschriften vom 21.1.2013 geändert. Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 UmwRG stellt seitdem auch eine nicht dem Maßstab des § 5 Abs. 3 Satz 2 UVPG genügende Vorprüfung einen absoluten Verfahrensfehler dar, was der Gesetzgeber als Klarstellung ansieht,62 weshalb § 4 Abs. 1 Satz 2 UmwRG auch auf zum Zeitpunkt des Inkrafttretens bereits laufende Verfahren Anwendung findet.63 Die gerichtliche Prüfung bleibt insoweit gemäß § 5 Abs. 3 Satz 2 UVPG auf eine Plausibilitätskontrolle beschränkt.64 Eine fehlerhafte Umweltverträglichkeitsprüfung konnte hingegen auf Grundlage des § 4 UmwRG auch in der Fassung des Gesetzes vom 21.1.2013 weiterhin nicht geltend gemacht werden. Dies stellte einen Verstoß gegen die europarechtlichen Vorgaben des Art. 11 der UVP-Richtlinie dar, wie der EuGH auf Vorlage des BVerwG65 mit Urteil vom 7.11.2013 im Altrip-Verfahren festgestellt hat.66 Eine Unanwendbarkeit der nationalen Bestimmungen des UmwRG in Fällen, in denen eine Umweltverträglichkeitsprüfung zwar durchgeführt worden, aber mit unter Umständen schwerwiegenden Fehlern behaftet ist, nimmt den Bestimmungen über die Beteiligung der Öffentlichkeit in der UVP-Richtlinie ihre praktische Wirksamkeit.67 In Reaktion auf die genannte Rechtsprechung hat der Gesetzgeber § 4 UmwRG mit Artikel 1 des Gesetzes zur Änderung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes zur Umsetzung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 7.11.2013 in der Rechtssache C-72/12 vom 20.11.2015 überarbeitet. 59 BVerwG 24.10.2013, 7 C 36/11, BVerwGE 148, 155 Rn. 21 ff.; ebenso zuvor VGH Mannheim 20.7.2011, 10 S 2102/09, ZUR 2011, 600, 602 f. insoweit in NuR 2012, 207 ff. nicht abgedruckt.

60 BT-Drs. 18/9526, S. 38. 61 VGH Mannheim 20.7.2011, 10 S 2102/09, NuR 2012, 204, 205 f.; OVG Schleswig 9.7.2010, 1 MB 12/10, NVwZ-RR 2011, 9; VGH Kassel 16.9.2009, 6 C 1005/08.T, ZUR 2010, 46, 50; VG Lüneburg 11.2.2010, 2 A 205/09, nicht veröffentlicht; Kment NVwZ 2007, 274, 279; Ziekow NVwZ 2007, 259, 265. 62 BT-Drs. 17/10957, S. 42 f. 63 OVG Münster 14.10.2013, 20 D 7/09, DVBl 2014, 185. 64 BVerwG 20.12.2011, 9 A 31/10, BVerwGE 141, 282 Rn. 24. 65 BVerwG 10.1.2012, 7 C 20/11, NVwZ 2012, 448 ff. 66 EuGH 7.11.2013, C-72/12, NVwZ 2014, 49 ff.; zur Entscheidung des EuGH vom 7.11.2013 Böhm UPR 2014, 201 ff., Ekardt NVwZ 2014, 393 ff., Sinner UPR 2014, 258 ff. 67 EuGH 7.11.2013, C-72/12, NVwZ 2014, 49 Rn. 37. Keienburg/Wiesendahl

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Die bisherigen drei absoluten Verfahrensfehler, die bereits in § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 20a sowie Satz 2 UmwRG in der Fassung vom 21.1.2013 geregelt waren, sind nun in § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 sowie Satz 2 UVPG normiert. Ergänzt wurde zum einen in § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UmwRG der absolute Verfahrensfehler der erforderlichen, aber nicht durchgeführten oder nicht nachgeholten Öffentlichkeitsbeteiligung i.S.v. § 18 UVPG oder § 10 BImSchG. Zum anderen wurde mit § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UmwRG ein Auffangtatbestand68 eingeführt, dessen Wortlaut eng an die Formulierungen des EuGH in seiner „Altrip“-Entscheidung angelehnt ist.69 Unter diesen Tatbestand fallen andere Verfahrensfehler, die nicht geheilt worden sind, die nach Art und Schwere mit den in den Nr. 1 und 2 genannten Fällen vergleichbar sind und der betroffenen Öffentlichkeit die Möglichkeit der gesetzlich vorgesehenen Beteiligung am Entscheidungsprozess genommen haben. Neben der Ergänzung der absoluten Verfahrensfehler hat der Gesetzgeber auch eine deutli- 20b chere Unterscheidung zu den relativen Verfahrensfehlern vorgenommen und letztere in § 4 Abs. 1a UmwRG normiert. Relative Verfahrensfehler sind solche, die nicht unter Abs. 1 fallen. Für diese soll § 46 VwVfG gelten, was bedeutet, dass eine Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit nicht zu einem Anspruch auf Aufhebung führt, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. § 4 Abs. 1a Satz 2 UmwRG regelt für den Fall, dass sich nicht aufklären lässt, ob ein Verfahrensfehler nach Satz 1 die Entscheidung in der Sache beeinflusst hat, eine dahingehende Vermutung zulasten der Behörde.70 Zusätzlich zu der für alle absoluten Verfahrensfehler jeweils geregelten Möglichkeit zur Nachholung (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 UmwRG) bzw. Heilung (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UmwRG) hat der Gesetzgeber in § 4 Abs. 1b UmwRG die Möglichkeit der Entscheidungsergänzung bzw. des ergänzenden Verfahrens geregelt. Dabei sollen § 45 Abs. 2 VwVfG sowie § 75 Abs. 1a VwVfG und andere entsprechende Rechtsvorschriften zur Planerhaltung unberührt bleiben. Verfahrensfehler der Umweltverträglichkeitsprüfung nach § 4 Abs. 1 und Abs. 1a UmwRG kön- 20c nen gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 UmwRG zum einen von den Vereinigungen geltend gemacht werden, die die Anforderungen des § 3 Abs. 1 UmwRG oder des § 2 Abs. 2 UmwRG erfüllen. Des Weiteren können dies gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 UmwRG aber auch Beteiligte i.S.d. § 61 Nr. 1 und 2 VwGO tun, d.h. Beteiligte, die anders als anerkannte Vereinigungen die Verletzung eigener Rechte geltend machen müssen. Dies erfordert nach nationalem Recht, dass der Kläger in materiellen Rechten betroffen ist; die für Betroffene geltenden prozessualen Anforderungen der Klagebefugnis werden über § 4 Abs. 3 UmwRG nicht überregelt.71 Der EuGH hat in der Altrip-Entscheidung ebenso wie bereits zuvor im Trianel-Urteil betont, dass Art. 11 der UVP-Richtlinie die Verknüpfung der Zulassung eines Rechtsbehelfs mit der Geltendmachung einer Rechtsverletzung zulässt.72 Das Ziel der Richtlinie, weiten Zugang zu Gerichten zu gewährleisten, sieht der EuGH dann nicht gefährdet, wenn nach dem Recht der Mitgliedstaaten ein Rechtsbehelfsführer, der einen für das Entscheidungsergebnis nicht kausalen Fehler geltend macht, nicht in seinen Rechten verletzt wird

68 69 70 71

Hoppe/Beckmann/Kment UVPG, § 4 UmwRG Rn. 24. BT-Drs. 18/5927, S. 9; Hoppe/Beckmann/Kment UVPG, § 4 UmwRG Rn. 24. Hoppe/Beckmann/Kment UVPG, § 4 UmwRG Rn. 24 ff. So die h.M.: BVerwG 2.10.2013, 9 A 23/12, NVwZ 2014, 367 Rn. 21; BVerwG 27.6.2013, 4 B 37/12, BauR 2013, 2014 Rn. 10; BVerwG 10.1.2012, 7 C 20/11, NVwZ 2012, 448 Rn. 39; BVerwG 20.12.2011, 9 A 30/10, NVwZ 2012, 573 Rn. 19 f.; VGH Mannheim 9.4.2014, 5 S 534/13, NVwZ-RR 2014, 634, 638; OVG Münster 20 D 7/09, 14.10.2013, juris Rn. 33, insoweit in DVBl 2014, 185 ff. nicht abgedruckt; VGH München 4.4.2013, 22 A 12.40048, UPR 2013, 312 Rn. 46; OVG Lüneburg 8.5.2012, 12 KS 5/10, NVwZ-RR 2012, 836, 838; OVG Lüneburg 21.10.2008, 7 ME 170/07, NuR 2009, 58, 60; VG Kassel 2.8.2012, 4 L 81/12, ZfB 2013, 61, 64 f.; VG Ansbach 10.6.2020, AN 17 K 19.01129, ZfB 2020, 270, 275 f.; Stelkens/Bonk/Sachs/Neumann VwVfG, § 73 Rn. 144 a.E.; Appel NVwZ 2010, 473, 477 und Hoppe/Beckmann/Kment UVPG, § 4 Rn. 14 verneinend: VGH Kassel 19.3.2012, 9 B 1916/11, NVwZ-RR 2012, 544, 545 f.; OVG Magdeburg 17.9.2008, 2 M 146/08, NVwZ 2009, 340, 341; VG Aachen 28.11.2014, 3 L 224/13, juris Rn. 34 ff.; Ogorek NVwZ 2010, 401, 402 f.; Elgeti/Dietrich NuR 2009, 461, 463 f.: Die Geltendmachung eines Verfahrensfehlers gemäß § 4 Abs. 1 UmwRG setzt die Geltendmachung einer Verletzung eigener Rechte nicht voraus; in diese Richtung auch OVG Münster 23.7.2014, 8 B 356/14, NuR 2014, 663, 664 f. 72 EuGH 7.11.2013, C-72/12, NVwZ 2014, 49 Rn. 42; ebenso zuvor EuGH 12.5.2011, C-115/09, NVwZ 2011, 801 Rn. 45. 707

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und infolgedessen nicht zur Anfechtung einer solchen Entscheidung befugt ist.73 Die Öffnung der Ansprüche aus § 4 Abs. 1 UmwRG für Beteiligte i.S.d. § 61 Nr. 1 und 2 VwGO wird durch § 4 Abs. 3 Satz 2 UmwRG jedoch dahingehend eingeschränkt, dass wegen eines Verfahrensfehlers nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UmwRG die Aufhebung einer Entscheidung nur verlangt werden kann, wenn der Verfahrensfehler dem Beteiligten die Möglichkeit der gesetzlich vorgesehenen Beteiligung am Entscheidungsprozess genommen hat. 20d Das Umweltrechtbehelfsgesetz findet gemäß § 8 Abs. 1 UmwRG rückwirkende Anwendung auf Entscheidungen, die nach dem 25.6.2005 – dem Stichtag der Umsetzungsfrist – ergangen sind oder hätten ergehen müssen. Der sich aus der Vorgängervorschrift des § 5 Abs. 1 UmwRG in der Fassung vom 21.1.2013 ergebende Ausschluss einer Anwendbarkeit des UmwRG auf Verfahren, die vor dem 25.6.2005 eingeleitet, aber erst nach dem 25.6.2005 abgeschlossen wurden, ist europarechtswidrig. Das hat der EuGH ebenfalls mit Urteil vom 7.11.2013 in der Altrip-Entscheidung74 auf die entsprechende Vorlagefrage des BVerwG75 geurteilt. Der Zeitpunkt der förmlichen Antragstellung kann für die Anwendung der Vorschriften einer Richtlinie maßgebend sein, wenn bei Anwendbarkeit auf bereits laufende Verfahren die Verfahrensregelungen für ohnehin komplexe Verfahren zusätzlich belastet und damit Verfahren verzögert und bereits entstandene Rechtspositionen beeinträchtigt würden;76 vgl. Rn. 6. Dies trifft für Art. 11 der UVP-Richtlinie und die seiner Umsetzung dienenden Vorgaben des Umweltrechtsbehelfsgesetzes aber nicht zu, da das Gesetz keine verwaltungsverfahrensrechtlichen Regelungen trifft, sondern allein der Verbesserung des Zugangs zu einem Rechtsbehelf dient. Daher müssen die zur Umsetzung des Art. 11 UVP-Richtlinie dienenden nationalen Vorschriften auch auf Verfahren Anwendung finden, die vor dem 25.6.2005 eingeleitet, aber erst danach durch Genehmigungserteilung abgeschlossen wurden.

§1 Vorhaben 1

Der Umweltverträglichkeitsprüfung bedürfen die nachfolgend aufgeführten betriebsplanpflichtigen Vorhaben: 1. Gewinnung von Steinkohle, Braunkohle, bituminösen Gesteinen, Erzen und sonstigen nichtenergetischen Bodenschätzen: a) im Tiefbau mit aa) Flächenbedarf der übertägigen Betriebsanlagen und Betriebseinrichtungen, wie Schacht- und Stollenanlagen, Werkstätten, Verwaltungsgebäude, Halden (Lagerung oder Ablagerung von Bodenschätzen, Nebengestein oder sonstigen Massen), Einrichtungen zur Aufbereitung und Verladung, von 10 ha oder mehr oder unter Berücksichtigung der Auswirkungen vorangegangener betriebsplanpflichtiger, nach dem 1. August 1990 begonnener oder zu diesem Zeitpunkt laufender und nicht bereits planfestgestellter Vorhaben mit bb) Senkungen der Oberfläche von 3 m oder mehr oder cc) Senkungen der Oberfläche von 1 m bis weniger als 3 m, wenn erhebliche Beeinträchtigungen im Hinblick auf Vorflut, Grundwasser, Böden, geschützte Kulturgüter oder vergleichbare Schutzgüter zu erwarten sind; b) im Tagebau mit aa) Größe der beanspruchten Abbaufläche von 25 ha oder mehr oder in Naturschutzgebieten nach § 23 des Bundesnaturschutzgesetzes vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2542), das zuletzt durch Artikel 421 der Verordnung vom 31. August 73 74 75 76

EuGH 7.11.2013, C-72/12, NVwZ 2014, 49 Rn. 49 ff. EuGH 7.11.2013, C-72/12, NVwZ 2014, 49 Rn. 30 f. BVerwG 10.1.2012, 7 C 20/11, NVwZ 2012, 448 Rn. 20 ff. EuGH 7.11.2013, C-72/12, NVwZ 2014, 49 Rn. 25 unter Verweis auf EuGH 11.8.1995, C-431/92, NVwZ 1996, 369 Rn. 28.

Keienburg/Wiesendahl https://doi.org/10.1515/9783110709285-079

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2.

2a.

2b.

2c.

3. 4. 4a.

5.

6.

6a.

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2015 (BGBl. I S. 1474) geändert worden ist, oder in Natura 2000-Gebieten nach § 7 Absatz 1 Nummer 8 des Bundesnaturschutzgesetzes oder bb) Notwendigkeit einer nicht lediglich unbedeutenden und nicht nur vorübergehenden Herstellung, Beseitigung oder wesentlichen Umgestaltung eines Gewässers oder seiner Ufer oder cc) Notwendigkeit einer großräumigen Grundwasserabsenkung mit Grundwasserentnahme- oder künstlichen Grundwasserauffüllungssystemen mit einem jährlichen Entnahme- oder Auffüllungsvolumen von 5 Mio. Kubikmeter oder mehr oder dd) Größe der beanspruchten Abbaufläche von mehr als 10 ha bis weniger als 25 ha auf Grund einer allgemeinen Vorprüfung nach den Vorschriften des Teils 2 Abschnitt 1 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung; Gewinnung von Erdöl und Erdgas zu gewerblichen Zwecken: a) mit Fördervolumen von täglich mehr als 500 Tonnen Erdöl oder von täglich mehr als 500.000 Kubikmetern Erdgas oder b) unterhalb der in Buchstabe a genannten Fördervolumina auf Grund einer allgemeinen Vorprüfung nach den Vorschriften des Teils 2 Abschnitt 1 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung; Aufsuchung und Gewinnung von Erdöl und Erdgas durch Aufbrechen von Gestein unter hydraulischem Druck, einschließlich der zugehörigen Tiefbohrungen einschließlich wissenschaftlicher Erprobungsmaßnahmen; Aufsuchung von Erdöl und Erdgas durch Explorationsbohrungen und Gewinnung von Erdöl und Erdgas mit Errichtung und Betrieb von Förderplattformen im Bereich der Küstengewässer und des Festlandsockels; Entsorgung oder Beseitigung, einschließlich Versenkbohrungen, der bei der Aufsuchung und Gewinnung von Erdgas und Erdöl aus der Lagerstätte nach über Tage geförderten Flüssigkeiten geogenen Ursprungs (Lagerstättenwasser), soweit ihre Umweltauswirkungen nicht bereits im Rahmen von Vorhaben nach den Nummern 2, 2a oder 2b geprüft wurden; Halden mit einem Flächenbedarf von 10 ha oder mehr; Schlammlagerplätze und Klärteiche mit einem Flächenbedarf von 5 ha oder mehr; Abfallentsorgungseinrichtungen der Kategorie A gemäß Anhang III der Richtlinie 2006/ 21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über die Bewirtschaftung von Abfällen aus der mineralgewinnenden Industrie und zur Änderung der Richtlinie 2004/35/EG (ABl. EU Nr. L 102 S. 15); Bau einer Bahnstrecke für Gruben- oder Grubenanschlussbahnen mit den dazugehörigen Betriebsanlagen auf Grund einer allgemeinen Vorprüfung nach den Vorschriften des Teils 2 Abschnitt 1 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung; Wassertransportleitungen zum Fortleiten von Wässern aus der Tagebauentwässerung oder Leitungen zum Fortleiten von salzhaltigen Wässern aus der Gewinnung und Aufbereitung von Kali- und Steinsalz einschließlich solcher aus Kalihalden, die den Bereich des Betriebsgeländes überschreiten, mit einer Länge von 25 km oder mehr außerhalb des Betriebsgeländes auf Grund einer allgemeinen Vorprüfung nach den Vorschriften des Teils 2 Abschnitt 1 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung sowie mit einer Länge von 2 km bis weniger als 25 km außerhalb des Betriebsgeländes auf Grund einer standortbezogenen Vorprüfung nach den Vorschriften des Teils 2 Abschnitt 1 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung; Untergrundspeicher für a) Erdgas mit einem Fassungsvermögen von aa) 1 Milliarde Kubikmeter oder mehr auf Grund einer allgemeinen Vorprüfung nach den Vorschriften des Teils 2 Abschnitt 1 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung Keienburg/Wiesendahl

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bb) 100 Millionen Kubikmeter bis weniger als 1 Milliarde Kubikmeter auf Grund einer standortbezogenen Vorprüfung nach den Vorschriften des Teils 2 Abschnitt 1 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung, b) Erdöl, petrochemische oder chemische Erzeugnisse mit einem Fassungsvermögen von aa) 200.000 Tonnen oder mehr bb) 50.000 Tonnen bis weniger als 200.000 Tonnen auf Grund einer allgemeinen Vorprüfung nach den Vorschriften des Teils 2 Abschnitt 1 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung cc) 10.000 Tonnen bis weniger als 50.000 Tonnen auf Grund einer standortbezogenen Vorprüfung nach den Vorschriften des Teils 2 Abschnitt 1 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung; 7. Errichtung und Betrieb einer Anlage zur Sicherstellung oder Endlagerung radioaktiver Stoffe im Sinne des § 126 Abs. 3 des Bundesberggesetzes; 8. Tiefbohrungen ab 1.000 Metern Teufe zur Gewinnung von Erdwärme in Naturschutzgebieten nach § 23 des Bundesnaturschutzgesetzes oder in Natura 2000-Gebieten nach § 7 Absatz 1 Nummer 8 des Bundesnaturschutzgesetzes oder; 8a. Tiefbohrungen zur Aufsuchung und Gewinnung von Erdwärme mit Aufbrechen von Gestein unter hydraulischem Druck, es sei denn, es werden keine wassergefährdenden Gemische eingesetzt und das Vorhaben liegt nicht in einer Erdbebenzone 1 bis 3 nach DIN EN 1998 Teil 1, Ausgabe Januar 2011; 9. sonstige betriebsplanpflichtige Vorhaben einschließlich der zur Durchführung bergbaulicher Vorhaben erforderlichen betriebsplanpflichtigen Maßnahmen, soweit diese Vorhaben oder Maßnahmen als solche nach Maßgabe der Anlage 1 (Liste „UVP-pflichtige Vorhaben“) zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung der Umweltverträglichkeitsprüfung bedürfen und ihrer Art oder Gruppe nach nicht unter die Nummern 1 bis 8 fallen; 10. nicht von den Nummern 1 bis 9 erfasste Tiefbohrungen ab 1.000 Metern Teufe a) zur Gewinnung von Bodenschätzen auf Grund einer allgemeinen Vorprüfung nach den Vorschriften des Teils 2 Abschnitt 1 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung, b) zur Aufsuchung von Bodenschätzen auf Grund einer standortbezogenen Vorprüfung nach den Vorschriften des Teils 2 Abschnitt 1 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung. 2 Bei Vorprüfungen nach Satz 1 Nummer 2 Buchstabe b und Nummer 10 sind auch Erdbebenzonen 1 bis 3 nach DIN EN 1998 Teil 1, Ausgabe Januar 20112 zu berücksichtigen.

Übersicht I. 1. 2. 3. II. 1.

Maßstäbe zur Ermittlung der Schwellenwerte 1 der UVP-Pflicht Kumulierende Vorhaben (§§ 10, 11, 12 2 UVPG) 3 Änderungsvorhaben (§ 9 UVPG) 9 Vorprüfung (§ 7 UVPG) Vorhaben i.S.d. Nr. 1 bis 10 Gewinnung von Steinkohle, Braunkohle, bituminösen Gesteinen, Erzen und sonstigen nichtenergetischen Bodenschätzen (Nr. 1) 12 a) Begriffe b) Gewinnung im Tiefbau (Nr. 1 Buchst. a))

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c)

aa) Flächenbedarf der übertägigen Betriebsanlagen und Einrichtungen (Nr. 1 13 Buchst. a) aa)) bb) Oberflächensenkungen (Nr. 1 Buchst. a) 16 bb) und cc)) Gewinnung im Tagebau (Nr. 1 18 Buchst. b)) aa) Größe der Abbaufläche (Nr. 1 Buchst. b) 19 aa) und dd)) bb) Abbau in besonderen Schutzgebieten 20 (Nr. 1 Buchst. b) aa))

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cc)

2. 3.

4.

5. 6. 7. 8.

9. 10. 11. 12.

Herstellung, Beseitigung oder wesentliche Umgestaltung eines Gewässers (Nr. 1 23 Buchst. b) bb)) dd) Grundwasserabsenkungen (Nr. 1 27 Buchst. b) cc)) 29 Gewinnung von Erdöl und Erdgas (Nr. 2) Aufsuchung und Gewinnung von Erdöl und Erdgas durch Aufbrechen von Gestein unter hydrauli30a schem Druck (Nr. 2a) Explorationsbohrungen und Förderplattformen im Bereich der Küstengewässer und des Festlandso30b ckels (Nr. 2b) Entsorgung oder Beseitigung von Lagerstättenwas30c ser (Nr. 2c) 31 Halden (Nr. 3) 34 Schlammlagerplätze und Klärteiche (Nr. 4) Abfallentsorgungseinrichtungen der Kategorie A des Anhangs III der Bergbauabfallrichtlinie 35 (Nr. 4a) Gruben- und Grubenanschlussbahnen 37 (Nr. 5) 39 Wassertransportleitungen (Nr. 6) 42 Untergrundspeicher (Nr. 6a) 45 Endlager für radioaktive Abfälle (Nr. 7)

13.

14. 15.

16.

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Tiefbohrungen zur Gewinnung von Erdwärme in Naturschutz- oder Natura-2000-Gebieten 48 (Nr. 8) Tiefbohrungen zur Aufsuchung und Gewinnung 51a von Erdwärme mit Fracking (Nr. 8a) Sonstige betriebsplanpflichtige Vorhaben 52 (Nr. 9) a) Betriebsanlagen und -einrichtungen eines 56 Bergbaubetriebs 59 b) Aufbereitung c) Vorbereitende und begleitende Maßnah60 men 62 d) Wiedernutzbarmachung 66 e) Dynamische Verweisung f) Einstellung von Grubenwasserhal66a tung Sonstige Tiefbohrungen ab 1.000 Metern Teufe 66b (Nr. 10)

III.

Keine Umweltverträglichkeitsprüfung außerhalb 67 der Schwellenwerte

IV.

Berücksichtigung von Erdbebenzonen (§ 1 69 Satz 2)

I. Maßstäbe zur Ermittlung der Schwellenwerte der UVP-Pflicht Ob ein betriebsplanpflichtiges Vorhaben unter die Tatbestände des § 1 Satz 1 Nr. 1 bis 10 UVP-V Berg- 1 bau zu subsumieren ist, richtet sich nach Art und Größe bzw. Leistung des von dem Vorhabenträger beantragten Vorhabens. Es gilt der Antragsgrundsatz, weshalb der Vorhabenträger mit seinem Antrag das Vorhaben und damit den Zulassungsgegenstand sowie – in den Grenzen der §§ 9 bis 12 UVPG – den Prüfgegenstand bestimmt.1 Ein Vorhabenträger ist daher nicht gehindert, sein Vorhaben so zu dimensionieren, dass die Schwellenwerte der Umweltverträglichkeitsprüfung – ggf. knapp – unterschritten werden. Ein Vorhabenträger kann zulässigerweise etwa einen Antrag auf Zulassung eines aufgrund Unterschreitung der Schwellenwerte der Nr. 1 Buchst. b) dd) UVP-V Bergbau nicht UVPpflichtigen Abbauvorhabens im Tagebau mit einer Abbaufläche von maximal 10 ha auch dann stellen, wenn die Gewinnungsberechtigung einen großflächigeren Abbau zuließe und auch dann, wenn eine spätere Erweiterung der Abbaufläche auf mehr als 10 ha bereits wahrscheinlich ist.2 Die Konzeptionierung des Vorhabens liegt in der Zuständigkeit des Vorhabenträgers. Die Verhinderung einer Umweltverträglichkeitsprüfung durch eine entsprechende Dimensionierung des Vorhabens ist ein zulässiges Entscheidungskriterium des Vorhabenträgers. Dies darf allerdings nicht zu einer Umgehung der Zielsetzung der UVP-Richtlinie, Vorhaben ab bestimmten Schwellenwerten auf ihre Umweltauswirkungen zu überprüfen, führen. Eine Aufsplitterung eines Gesamtvorhabens in einzelne Teile, die die Schwellenwerte der UVP-Pflicht jeweils für sich betrachtet unterschreiten, mit der Folge, dass kein Teil des Vorhabens einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen wird – sog. Salamitaktik – ist daher durch §§ 9 bis 12 UVPG ausgeschlossen.3 Diese Vorschriften sind auch im bergrechtlichen Verfahren anwendbar. 1 VG Oldenburg 13.6.2012, 5 A 3370/10, ZfB 2012, 306, 319 f. 2 VG Dessau 29.6.1999, 2 A K 35/97, ZfB 1999, 265; VG Chemnitz 24.5.1995, 4 K 845/93, ZfB 1996, 151, 154; Piens/Schulte/ Graf Vitzthum BBergG, § 57c Rn. 10. 3 EuGH 10.12.2009, C-205/80, NuR 2010, 405, 407 Rn. 53; EuGH 25.7.2008, C-142/07, Slg. I-2008, 6097 Rn. 44; ebenso auch schon EuGH 21.9.1999, C-392/96, ZUR 2000, 284 Rn. 65. 711

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1. Kumulierende Vorhaben (§§ 10, 11, 12 UVPG) 2 Gemäß § 10 Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 UVPG besteht eine UVP-Pflicht unabhängig davon, ob ein einzelnes Vorhaben die maßgeblichen Größen- oder Leistungswerte erreicht, auch dann, wenn mehrere Vorhaben derselben Art, die von einem oder mehreren Vorhabenträgern durchgeführt werden und in einem engen Zusammenhang stehen, zusammen die maßgeblichen Größen- oder Leistungswerte erreichen oder überschreiten.4 Erfasst werden damit sog. kumulierende Vorhaben, die in § 10 Abs. 4 UVPG legaldefiniert sind. Erforderlich ist für das Vorliegen kumulierender Vorhaben danach weiterhin, dass sich der Einwirkungsbereich der Vorhaben überschneidet und die Vorhaben funktional und wirtschaftlich aufeinander bezogen sind. Technische und sonstige Anlagen müssen zusätzlich mit gemeinsamen betrieblichen oder baulichen Einrichtungen verbunden sein. Die Voraussetzung des funktionalen und wirtschaftlichen Bezugs der Vorhaben aufeinander wurde vom Gesetzgeber als Reaktion auf das Irland-Urteil des EuGH5 und die Rechtsprechung des BVerwG eingefügt,6 demgemäß Vorhaben, die beziehungslos und gleichsam zufällig nebeneinander verwirklicht werden, nicht schon wegen ihrer sich überlagernden Umweltauswirkungen der Vorprüfpflicht der Vorgängernorm des § 3b Abs. 2 UVPG a.F. unterliegen sollten.7 Erforderlich ist nach der Rechtsprechung des BVerwG ein funktionaler und wirtschaftlicher Bezug kumulierender Vorhaben; eine bloß zufällige Verwirklichung mehrerer Vorhaben nebeneinander erfüllt die Voraussetzungen für die Kumulation nicht.8 Überschreiten oder erreichen kumulierende Vorhaben zusammen erstmals oder erneut die Prüfwerte für eine allgemeine oder standortbezogene Vorprüfung, so ist bei diesen gemäß § 10 Abs. 2 bzw. 3 UVPG die allgemeine bzw. standortbezogene Vorprüfung durchzuführen (zur Vorprüfung vgl. Rn. 9 ff.). Über die §§ 11 und 12 UVPG ist seit der Neufassung des UVPG die sog. nachträgliche Kumula2a tion ausdrücklich geregelt. Unter nachträglicher Kumulation versteht man Fallkonstellationen, in denen zu einem früheren Vorhaben ein kumulierendes Vorhaben später hinzutritt. Das Gesetz unterscheidet dabei zwischen solchen hinzukommenden Vorhaben, bei denen das Zulassungsverfahren für das frühere Vorhaben abgeschlossen ist (§ 11 UVPG; vgl. dazu Rn. 2b) und solchen, bei denen das frühere Verfahren noch im Zulassungsverfahren ist (§ 12 UVPG; vgl. dazu Rn. 2c). Voraussetzung ist in beiden Fällen, dass durch das hinzutretende Vorhaben mit dem früheren Vorhaben zusammen kumulierende Vorhaben im Sinne des § 10 Abs. 4 UVPG vorliegen (vgl. dazu bereits Rn. 2). 2b Innerhalb des § 11 UVPG wird weiter danach unterschieden, ob für das frühere Vorhaben bereits eine UVP durchgeführt worden ist (§ 11 Abs. 2 UVPG). In diesem Fall besteht für das hinzutretende kumulierende Vorhaben zum einen dann die UVP-Pflicht, wenn das hinzutretende Vorhaben allein die Größen- oder Leistungswerte für eine UVP-Pflicht gemäß § 6 UVPG erreicht oder überschreitet (§ 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UVPG). Zum anderen besteht für das hinzutretende Vorhaben die UVP-Pflicht, wenn eine allgemeine Vorprüfung ergibt, dass durch sein Hinzutreten zusätzliche erhebliche nachteilige oder andere erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen hervorgerufen werden können (§ 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UVPG). Ist für das frühere Vorhaben keine UVP durchgeführt worden, so ist für das hinzutretende Vorhaben die UVP durchzuführen, wenn die kumulierenden Vorhaben zusammen die maßgeblichen Größen- oder Leistungswerte nach § 6 UVPG erreichen oder überschreiten (§ 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 UVPG). Wenn die kumulierenden Vorhaben zusammen die Prüfwerte für die allgemeine Vorprüfung erstmals oder erneut erreichen oder überschreiten, ist die allgemeine Vorprüfung durchzuführen (§ 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 UVPG). 4 Dass die kumulierenden Auswirkungen bergbaulicher Vorhaben auf Grundlage der UVP-Richtlinie in Gestalt der Änderungsrichtlinie 97/11/EG zu prüfen sind, hat der EuGH mit Urteil vom 24.11.2011, C-404/09, NuR 2012, 42 Rn. 76 ff. entschieden. 5 EuGH 21.9.1999, C-392/96, BeckRS 2004, 76983. 6 BT-Drs. 18/11499, S. 83. 7 BVerwG 17.12.2015, 4 C 7/14, NVwZ 2016, 701 Rn. 18; BVerwG 18.6.2015, 4 C 4/14, NVwZ 2015, 1458 Rn. 25 f. 8 BVerwG 17.12.2015, 4 C 7/14, NVwZ 2016, 701 Rn. 18; BVerwG 18.6.2015, 4 C 4/14, NVwZ 2015, 1458 Rn. 25 f. Keienburg/Wiesendahl

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Zweites Kapitel – Anzeige, Betriebsplan

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Wenn die kumulierenden Vorhaben zusammen die Prüfwerte für die standortbezogene Vorprüfung erstmals oder erneut erreichen oder überschreiten, ist die standortbezogene Vorprüfung durchzuführen (§ 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 UVPG). Die Einbeziehung eines bereits vorhandenen Bestands bei der Ermittlung der UVP-Pflicht bzw. Vorprüfpflicht einer nachträglichen Kumulation bedeutet nicht, dass der bereits zugelassene Bestand nachträglich einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen oder erneut zuzulassen wäre; der Bestandsschutz bleibt unberührt.9 Für potentielle Bagatellfälle gilt Absatz 4. Demnach gilt in Fällen, in denen durch das hinzutretende kumulierende Vorhaben weder der Prüfwert für die standortbezogene Vorprüfung noch der Prüfwert für die allgemeine Vorprüfung erreicht oder überschritten werden, die UVP-Pflicht für das hinzutretende Vorhaben nur, wenn die allgemeine Vorprüfung ergibt, dass durch sein Hinzutreten zusätzliche erhebliche nachteilige oder andere erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen eintreten können. In § 11 Abs. 5 UVPG wird zudem klargestellt, dass in der Vorprüfung für das hinzutretende kumulierende Vorhaben die Umweltauswirkungen des früheren Vorhabens als Vorbelastung zu berücksichtigen sind. Damit soll laut Gesetzentwurf der Bundesregierung einerseits sichergestellt werden, dass die Umweltauswirkungen des früheren Vorhabens in der Vorprüfung und ggf. in der UVP für das hinzutretende Vorhaben nicht unberücksichtigt bleiben. Andererseits soll aber auch klargestellt werden, dass das frühere Vorhaben als solches nicht Gegenstand der Vorprüfung bzw. der UVP für das hinzutretende Vorhaben ist.10 Hinsichtlich solcher kumulierenden Vorhaben, die zu einem sich noch im Zulassungsverfah- 2c ren befindenden früheren Vorhaben hinzutreten, unterscheidet § 12 UVPG zwischen solchen früheren Vorhaben für die allein die UVP-Pflicht besteht (Abs. 1) und solchen, bei denen dies nicht der Fall ist (Abs. 2 und 3). Zwischen den Absätzen 2 und 3 des § 12 UVPG wird danach unterschieden, ob die Antragsunterlagen für dieses Zulassungsverfahren bereits vollständig eingereicht sind. Im Fall des § 12 Abs. 1 UVPG besteht für das hinzutretende kumulierende Vorhaben die UVPPflicht, wenn das hinzutretende Vorhaben allein die Größen- und Leistungswerte für die UVPPflicht gemäß § 6 UVPG erreicht oder überschreitet (Nr. 1) oder die allgemeine Vorprüfung ergibt, dass durch das hinzutretende Vorhaben zusätzliche erhebliche nachteilige oder andere erhebliche Umweltauswirkungen hervorgerufen werden können (Nr. 2). Im Fall des § 12 Abs. 2 UVPG (keine UVP-Pflicht des früheren Vorhabens und vollständig eingereichte Unterlagen) ist für das hinzutretende kumulierende Vorhaben die Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen, wenn die kumulierenden Vorhaben zusammen die maßgeblichen Größen- oder Leistungswerte nach § 6 UVPG erreichen oder überschreiten (§ 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UVPG). Wenn im Falle des Absatz 2 die kumulierenden Vorhaben zusammen die Prüfwerte für die allgemeine Vorprüfung erstmals oder erneut erreichen oder überschreiten, ist die allgemeine Vorprüfung durchzuführen (§ 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UVPG). Bei Erreichen oder Überschreiten der Prüfwerte für die standortbezogene Vorprüfung ist entsprechend die standortbezogene Vorprüfung durchzuführen (§ 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 UVPG). Für das frühere Vorhaben besteht nach § 12 Abs. 2 S. 3 UVPG, also wenn die Antragsunterlagen für dessen Zulassungsverfahren bereits vollständig eingereicht sind, keine UVP-Pflicht und keine Pflicht zur Durchführung einer Vorprüfung. Der Träger des früheren Vorhabens soll in diesem fortgeschrittenen Verfahrensstadium davor geschützt werden, durch später hinzutretende kumulierende Vorhaben nachträglich noch mit einer UVP-Pflicht überzogen zu werden.11 Im Fall des § 12 Abs. 3 UVPG (keine UVP-Pflicht des früheren Vorhabens und keine vollständig eingereichten Unterlagen), ist für die kumulierenden Vorhaben, also nicht nur für das hinzutretende Vorhaben, jeweils eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen, wenn die kumulierenden Vorhaben zusammen die maßgeblichen Größen- oder Leistungswerte nach § 6 UVPG erreichen oder überschreiten (§ 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 UVPG). Werden durch die kumulierenden 9 BR-Drs. 164/17, S. 96. 10 BR-Drs. 164/17, S. 96. 11 BR-Drs. 164/17, S. 97. 713

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Vorhaben zusammen die Prüfwerte für eine allgemeine bzw. standortbezogene Vorprüfung erstmals oder erneut erreicht oder überschritten, so ist für die kumulierenden Vorhaben jeweils eine allgemeine bzw. standortbezogene Vorprüfung durchzuführen (§ 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 UVPG bzw. § 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 UVPG). Bei betriebsplanpflichtigen Vorhaben besteht gemäß § 12 Abs. 3 Satz 3 UVPG für das frühere Vorhaben keine Verpflichtung zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung oder einer Vorprüfung, wenn für das frühere Vorhaben zum Zeitpunkt der Antragstellung für das hinzutretende kumulierende Vorhaben ein zugelassener Betriebsplan besteht.12 Auch in § 12 sieht Absatz 4 Regelungen für potentielle Bagatellfälle vor. Demnach gilt in Fällen, in denen für das hinzutretende kumulierende Vorhaben weder der Prüfwert für die standortbezogene Vorprüfung noch der Prüfwert für die allgemeine Vorprüfung erreicht oder überschritten werden, die UVP-Pflicht für das hinzutretende Vorhaben nur, wenn die allgemeine Vorprüfung ergibt, dass durch sein Hinzutreten zusätzliche erhebliche nachteilige oder andere erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen hervorgerufen werden können. Im Fall des Absatz 3, also wenn die Antragsunterlagen für das Zulassungsverfahren des früheren Vorhabens noch nicht vollständig eingereicht sind, ist Absatz 4 für das frühere Vorhaben entsprechend anzuwenden. Für den § 12 UVPG soll in dessen Absatz 5 klargestellt werden, dass in der Vorprüfung für das hinzutretende kumulierende Vorhaben die Umweltauswirkungen des früheren Vorhabens als Vorbelastung zu berücksichtigen sind. Damit soll laut Gesetzentwurf der Bundesregierung einerseits sichergestellt werden, dass die Umweltauswirkungen des früheren Vorhabens in der Vorprüfung für das hinzutretende Vorhaben nicht unberücksichtigt bleiben. Andererseits soll aber auch klargestellt werden, dass das frühere Vorhaben als solches nicht Gegenstand der Vorprüfung bzw. der UVP für das hinzutretende Vorhaben ist. In den Fällen des Absatzes 3 Nr. 2 und 3 sollen auch die Umweltauswirkungen des hinzutretenden kumulierenden Vorhabens in der Vorprüfung für das frühere Vorhaben als Vorbelastung zu berücksichtigen sein.13 Vorhandener Bestand, der bereits vor dem Ablauf der jeweiligen Umsetzungsfrist der 2d UVP-Richtlinie bzw. ihrer Änderungen erreicht wurde, ist im Rahmen der Anwendung der §§ 11 und 12 UVPG für das Erreichen der Größen- oder Leistungswerte und der Prüfwerte gemäß § 11 Abs. 6 bzw. § 12 Abs. 6 UVPG nicht zu berücksichtigen. Alle Vorhaben, die vor dem Ablauf der Umsetzungsfrist der UVP-Richtlinie und nachträglichen Änderungen der Richtlinie rechtmäßig ohne Umweltverträglichkeitsprüfung umgesetzt werden konnten und im Zeitpunkt des Ablaufs der Umsetzungsfrist bereits hinreichend verfestigt waren, sind mit diesem Altbestand bei der Prüfung der Kumulation nicht zu berücksichtigen.14 Dem Bestand aus dem Zeitraum vor dem Ablauf der Umsetzungsfristen haftet eine Begünstigung an, die eine nachträgliche Einbeziehung in die Umweltverträglichkeitsprüfung verhindert.

2. Änderungsvorhaben (§ 9 UVPG) 3 Für die Fälle, in denen ein bislang nicht UVP-pflichtiges Vorhaben durch Änderung/Erweiterung durch additive Betrachtung in die UVP-Pflicht hineinwächst, ergaben sich die UVP-Vorprüf- bzw. UVP-Prüfpflichten für Änderungs-/Erweiterungsvorhaben bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Rechts der Umweltverträglichkeitsprüfung vom 20.7.2017 am 29.7.201715 aus §§ 3b Abs. 3 Satz 1 und § 3c Satz 5 UVPG. Für Änderungen/Erweiterungen von bereits UVP-pflichtigen Vorhaben galt bis zum 29.7.2017 § 3e UVPG. Mit dem Gesetz zur Modernisierung des Rechts 12 Hoppe/Beckmann/Kment/Arnold UVPG, § 12 Rn. 12. 13 BR-Drs. 164/17, S. 98. 14 Vgl. BVerwG 17.12.2015, 4 C 7/14, NVwZ 2016, 701 Rn. 24; OVG Münster 17.6.2014, 2 A 1434/13, DVBl 2014, 1260, 1262; OVG Weimar 2.9.2008, 1 EO 448/08, UPR 2009, 112, 113; VGH Kassel 14.5.2012, 9 B 1918/11, ZUR 2012, 438, 439; Hoppe/ Beckmann/Kment/Arnold UVPG, § 10 Rn. 33; Keienburg/Neupert 3R 2013, Heft 09, 24, 27 u. 29. 15 Zu den Übergangsvorschriften siehe § 171a und § 74 UVPG. Keienburg/Wiesendahl

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der Umweltverträglichkeitsprüfung vom 20.7.2017 wurde hier eine klarere Normstruktur geschaffen und die Systematik der Anwendungsfälle vereinfacht. Die UVP- oder Vorprüfungspflicht von Änderungen/Erweiterungen bestehender Vorhaben richtet sich seit dem 29.7.201716 nach § 9 UVPG. Eine Definition von Änderungen findet sich in § 2 Abs. 4 Nr. 2 UVPG. Voraussetzung der Bejahung einer Änderung/Erweiterung ist stets, dass das Geplante nicht bereits zugelassen ist, was anhand des zugelassenen Soll-Zustands zu ermitteln ist.17 Solange sich das Geplante innerhalb des zugelassenen Soll-Zustands bewegt, liegt keine Änderung vor. Das gilt auch dann, wenn es sich bei einer Planung um eine Konkretisierung zulässiger Freiräume einer Rahmenbetriebsplanzulassung handelt. Detailregelungen in einer Rahmenbetriebsplanzulassung nachfolgenden Haupt- und Sonderbetriebsplänen stellen solange sie sich innerhalb des durch eine Rahmenbetriebsplanzulassung geregelten Rahmens bewegen und davon nicht abweichen, keine Änderung dar. Auch die Stilllegung eines Bergbauvorhabens beinhaltet keine Änderung der auf betriebliche Tätigkeiten gerichteten Tatbestände der Nr. 1 bis 10, sondern den gesetzlich vorgesehenen Abschluss eines bergbaulichen Vorhabens;18 zur möglichen Erfassung von Maßnahmen zur Beendigung eines Betriebs durch Nr. 9 vgl. Rn. 62 ff. In § 9 UVPG wird für die UVP-Vorprüf- bzw. UVP-Prüfpflichten seit der Neufassung nicht mehr danach unterschieden, ob für das zu ändernde Vorhaben eine UVP-Pflicht bestand, sondern schlicht, ob für dieses eine UVP durchgeführt worden ist.19 Ist dies der Fall, so besteht für das Änderungsvorhaben zum einen eine UVP-Pflicht, wenn allein die Änderung die Größen- oder Leistungswerte für eine unbedingte UVP-Pflicht gemäß § 6 UVPG erreicht oder überschreitet (§ 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UVPG). Eine UVP-Pflicht besteht für ein mit UVP zugelassenes Vorhaben ferner, wenn eine allgemeine Vorprüfung ergibt, dass die Änderung zusätzliche erhebliche nachteilige oder andere erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen hervorrufen kann (§ 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UVPG). Es ist mithin also bei UVP-geprüften Vorhaben eine allgemeine Vorprüfung durchzuführen und zwar grundsätzlich auch, wenn das Änderungsvorhaben unterhalb von Prüfwerten für eine Vorprüfung liegt.20 Dies bedeutet, dass jede Änderung eines UVP-geprüften Grundvorhabens mindestens einer allgemeinen Vorprüfung zu unterziehen ist. Die Mindestpflicht einer allgemeinen Vorprüfung gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UVPG ist nicht an das Erreichen bestimmter Schwellenwerte geknüpft, hängt also nicht davon ab, dass die Änderung/Erweiterung die Schwellenwerte einer Vorprüfung erreicht. § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UVPG beinhaltet eine Rechtsfolgen- und keine Rechtsgrundverweisung, mit der Konsequenz, dass jede Änderung unabhängig davon, ob sie die Schwellenwerte einer Vorprüfpflicht erreicht oder nicht, mindestens einer allgemeinen Vorprüfung auf ihre Erheblichkeit zu unterziehen ist. Dieses Verständnis wird insbesondere durch einen Umkehrschluss zu § 9 Abs. 1 Satz 3 UVPG gestützt. § 9 Abs. 1 Satz 3 UVPG unterwirft Vorhaben i.S.d. Nr. 18.1 bis 18.8 der Anlage 1 des UVPG einer allgemeinen Vorprüfung nur dann, wenn allein durch die Änderung der jeweils für den Bau des entsprechenden Vorhabens in Anlage 1 zum UVPG enthaltene Prüfwert erreicht oder überschritten wird; ein derartiger Verweis auf die einschlägigen Prüfwerte fehlt für alle sonstigen Vorhaben. Dies spricht dafür, dass eine Bagatellschwelle für die allgemeine Vorprüfpflicht der Änderung/Erweiterung von Vorhaben außerhalb der Nr. 18.1 bis 18.8 der Anlage 1 zum UVPG nicht besteht. Ist das zu ändernde Vorhaben ohne UVP zugelassen worden und ist auch für frühere Änderungen keine UVP durchgeführt worden,21 so bestimmt sich die UVP-Pflicht nach § 9 Abs. 2 und 3 UVPG.

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Zu den Übergangsvorschriften siehe § 171a und § 74 UVPG. OVG Münster 14.10.2013, 20 D 7/09, DVBl 2014, 185, 186. Ebenso OVG Lüneburg 21.10.2008, 7 ME 170/07, NuR 2009, 58, 60; a.A. Elgeti/Dietrich NuR 2009, 461, 465. Hoppe/Beckmann/Kment/Dienes UVPG, § 9 Rn. 1. Hoppe/Beckmann/Kment/Dienes UVPG, § 9 Rn. 6. BR-Drs. 164/17, S. 90; Hoppe/Beckmann/Kment/Dienes UVPG, § 9 Rn. 7. Keienburg/Wiesendahl

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Gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UVPG besteht für das Änderungsvorhaben eine UVP-Pflicht, wenn das bislang nicht UVP-geprüfte geänderte Vorhaben den Größen- oder Leistungswert für die unbedingte UVP-Pflicht erstmals erreicht oder überschreitet. Laut Gesetzentwurf der Bundesregierung sind die Größen- und Leistungswerte des bereits zugelassenen Vorhabens mit den durch das Änderungsvorhaben hinzutretenden Werten zu summieren. Hiervon zu unterscheiden seien im Falle einer nach der Vorschrift bestehenden UVP-Pflicht die Durchführung der UVP. Gegenstand der UVP sei nur das Änderungsvorhaben, während die Auswirkungen des bestehenden Vorhabens in der UVP nach Maßgabe des Fachrechts zu berücksichtigen seien.22 Gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UVPG besteht eine UVP-Pflicht zudem, wenn das bislang nicht UVP-geprüfte geänderte Vorhaben einen in Anlage 1 zum UVPG angegebenen Prüfwert für die Vorprüfung erstmals oder erneut erreicht oder überschreitet und eine Vorprüfung ergibt, dass die Änderung erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen hervorrufen kann. Durch die Vorschrift sollen u.a. Fälle wiederholter Änderungen vorprüfbedürftiger Vorhaben erfasst werden, bei denen die Vorprüfung jeweils zu dem Ergebnis kam, dass erhebliche Umweltauswirkungen nicht zu erwarten seien und daher keine UVP erforderlich sei. Bei jeder weiteren Änderung eines solchen Vorhabens sei erneut eine Vorprüfung durchzuführen, sofern durch die Änderung nicht erstmals der Größen- oder Leistungswert für die unbedingte UVP-Pflicht erreicht oder überschritten werde. Letzteres wäre nämlich ein Fall des § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UVPG.23 Wird ein Vorhaben geändert, für das bislang keine UVP durchgeführt worden ist und für das in Anlage 1 des UVPG keine Größen- oder Leistungswerte ausgewiesen sind oder wird ein vorprüfpflichtiges Vorhaben geändert, für das in Anlage 1 keine Prüfwerte festgelegt sind, so ist für das Änderungsvorhaben gemäß § 9 Abs. 3 Satz 1 UVPG eine Vorprüfung durchzuführen. Die UVP-Pflicht besteht, wenn die Vorprüfung ergibt, dass die Änderung erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen hervorrufen kann, § 9 Abs. 3 Satz 2 UVPG. Nicht in die Betrachtung einzubeziehen ist gemäß § 9 Abs. 5 UVPG vorhandener Bestand, der bereits vor dem Ablauf der jeweiligen Umsetzungsfrist der UVP-Richtlinie bzw. ihrer Änderungen erreicht wurde. Alle Vorhaben, die vor dem Ablauf der Umsetzungsfrist der UVP-Richtlinie und nachträglichen Änderungen der Richtlinie rechtmäßig ohne Umweltverträglichkeitsprüfung umgesetzt werden konnten und im Zeitpunkt des Ablaufs der Umsetzungsfrist bereits hinreichend verfestigt waren, sind mit diesem Altbestand bei der Prüfung des Hineinwachsens eines Vorhabens in die UVP-Pflicht nicht zu berücksichtigen.24 Dem Bestand aus dem Zeitraum vor dem Ablauf der Umsetzungsfristen haftet eine Begünstigung an, die eine nachträgliche Einbeziehung in die Umweltverträglichkeitsprüfung verhindert. Irrelevant für den Anwendungsbereich des § 9 UVPG ist, ob eine Änderung/Erweiterung nach Maßgabe des Fachrechts als wesentlich oder unwesentlich einzustufen ist.25 Entscheidend für die UVP-Pflicht einer Änderung/Erweiterung ist auf Grundlage des § 9 UVPG allein die Wertung nach Maßgabe der Regelungen des UVPG und damit die Wertung auf Grundlage der Schwellenwerte bzw. einer Vorprüfung. Die fachrechtlichen Vorgaben des § 52 Abs. 2c, der eine Planfeststellungspflicht von Änderungen eines Vorhabens i.S.d. § 52 Abs. 2a nur im Fall einer wesentlichen Änderung, die erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben kann, regelt, ist damit im Lichte des § 9 UVPG dahingehend auszulegen, dass die Wesentlichkeit einer Änderung in Würdigung der Umweltauswirkungen zu bestimmen ist.26 22 BR-Drs. 164/17, S. 90; Hoppe/Beckmann/Kment/Dienes UVPG, § 9 Rn. 8. 23 BR-Drs. 164/17, S. 91; weitere Einzelheiten bei Hoppe/Beckmann/Kment/Dienes UVPG, § 9 Rn. 9. 24 BVerwG 17.12.2015, 4 C 7/14, NVwZ 2016, 701 Rn. 24; OVG Münster 17.6.2014, 2 A 1434/13, DVBl 2014, 1260, 1262; OVG Weimar 2.9.2008, 1 EO 448/08, UPR 2009, 112, 113; VGH Kassel 14.5.2012, 9 B 1918/11, ZUR 2012, 438, 439; Keienburg/ Neupert 3R 2013, Heft 09, 24, 27 u. 29. 25 OVG Münster 14.10.2013, 20 D 7/09, DVBl 2014, 185, 186 zu § 3e UVPG a.F.; a.A. Stevens ZUR 2012, 338, 342, der nur wesentliche Änderungen i.S.d. § 52 Abs. 2c den Kriterien des § 3e UVPG a.F. unterwirft. 26 Dass die Vorschriften des UVPG über die Änderung oder Erweiterung UVP-pflichtiger Vorhaben auch gegenüber bergbaulichen Vorhaben Anwendung finden, hat der Gesetzgeber in der amtlichen Begründung der Neuregelung des Keienburg/Wiesendahl

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3. Vorprüfung (§ 7 UVPG) Eine allgemeine oder standortbezogene UVP-Vorprüfung ist auch durchzuführen, wenn dies in § 1 Satz 1 Nr. 1 bis 10 geregelt ist. Inhalte der Vorprüfung ergeben sich für die allgemeine Vorprüfung aus § 7 Abs. 1 i.V.m. Anlage 3 UVPG und für die standortbezogene Vorprüfung aus § 7 Abs. 2 i.V.m. Anlage 3 UVPG. Formelle Regelungen über das Ergebnis der Vorprüfung und dessen Bekanntmachung enthält § 5 UVPG. Gemäß § 7 Abs. 1 UVPG ist für Vorhaben, die einer allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls bedürfen, eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen, „wenn das Neuvorhaben nach Einschätzung der zuständigen Behörde erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen haben kann, die nach § 25 Abs. 2 UVPG bei der Zulassungsentscheidung zu berücksichtigen wären.“ Eine standortbezogene Vorprüfung i.S.d. § 7 Abs. 2 UVPG wird in zwei Stufen durchgeführt. Da Größe oder Leistung des standortbezogen vorzuprüfenden Vorhabens für sich betrachtet erhebliche Umweltauswirkungen und damit das Erfordernis einer Umweltverträglichkeitsprüfung nicht nahelegen, prüft die zuständige Behörde in der ersten Stufe, ob bei dem Neuvorhaben besondere örtliche Gegebenheiten gemäß den in Anlage 3 Nr. 2.3 des UVPG aufgeführten Schutzkriterien vorliegen. Ergibt die Prüfung, dass keine besonderen örtlichen Gegebenheiten vorliegen, so besteht keine UVP-Pflicht. Ergibt die Prüfung in der ersten Stufe, dass besondere örtliche Gegebenheiten vorliegen, prüft die Behörde auf der zweiten Stufe unter Berücksichtigung der in Anlage 3 aufgeführten Kriterien, ob das Neuvorhaben erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen haben kann, die die besondere Empfindlichkeit oder die Schutzziele des Gebietes betreffen und nach § 25 Abs. 2 UVPG bei der Zulassungsentscheidung zu berücksichtigen wären. Die UVP-Pflicht besteht, wenn das Neuvorhaben nach Einschätzung der zuständigen Behörde solche Umweltauswirkungen haben kann. Die für die Vorprüfung relevanten Kriterien gemäß Anlage 3 des UVPG müssen seitens der Behörde im Vorprüfverfahren einer überschlägigen Prüfung unterzogen werden. Durch die Behörde zu berücksichtigen ist gemäß § 7 Abs. 5 Satz 1 UVPG, ob erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen durch Merkmale des Vorhabens oder des Standorts oder durch Vorkehrungen des Vorhabenträgers offensichtlich ausgeschlossen werden. Liegen der Behörde Ergebnisse vorgelagerter Umweltprüfungen oder anderer rechtlich vorgeschriebener Untersuchungen zu den Umweltauswirkungen des Vorhabens vor, bezieht sie diese Ergebnisse in die Vorprüfung ein, § 7 Abs. 5 Satz 2 UVPG. Bei der allgemeinen Vorprüfung kann sie gemäß § 7 Abs. 5 Satz 3 UVPG ergänzend berücksichtigen, inwieweit Prüfwerte für Größe oder Leistung, die die allgemeine Vorprüfung eröffnen, überschritten werden. In der Vorprüfung zu berücksichtigen sind nur die erheblichen nachteiligen Umweltauswirkungen des Vorhabens unter Berücksichtigung der Maßstäbe des einschlägigen Fachrechts; vgl. § 57a Rn. 33. Derartige Auswirkungen können auf Grundlage einer Vorprüfung nicht bereits dann verneint werden, wenn gesetzliche Grenzwerte durch ein Vorhaben nicht überschritten werden; die Schwelle erheblicher Umweltauswirkungen i.S.d. § 7 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 Satz 5 UVPG ist nicht mit der Schwelle schädlicher, durch Grenzwerte fixierter Umwelteinwirkungen gleichzusetzen.27 Zu berücksichtigen sind erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen nicht erst dann, wenn die Umweltauswirkungen so gewichtig sind, dass sie nach Einschätzung der Behörde zu einer Versagung der Zulassung führen können. Vielmehr sind Umweltauswirkungen dann erheblich, wenn sie mehr als nur geringfügig sind und nach den Maßstäben des materiellen Fachrechts entscheidungserheblich sind. Da das Ziel der Vorprüfung die Beantwortung der Frage nach der UVP-Pflichtigkeit des Vorhabens ist, hat die Vorprüfung entsprechend ihrer verfahrenslenkenden Funktion eine gegenüber der UVP eingeschränkte Prüftiefe.28 Sie darf sich zwar nicht in einer § 1 Satz 1 Nr. 9 UVP-V Bergbau mit der Zweiten Verordnung zur Änderung bergrechtlicher Verordnungen vom 10.8.2005 bestätigt: BR-Drs. 251/05, S. 22. 27 Zu § 3c Satz 1 UVPG a.F. BVerwG 17.12.2013, 4 A 1/13, BVerwGE 148, 353 Rn. 36 ff.; BVerwG 13.12.2007, 4 C 9/06, BVerwGE 130, 83 Rn. 34. 28 BR-Drs. 674/00, S. 89; Pauli/Hagemann UPR 2018, 8, 10; VG Augsburg 25.5.2020, 9 K 18.1393, ZfB 2020, 285, 290. 717

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oberflächlichen Abschätzung erschöpfen, „sondern muss auf der Grundlage geeigneter und ausreichender Informationen erfolgen, wobei der Behörde ein Einschätzungsspielraum u.a. hinsichtlich der Frage zusteht, welche Unterlagen und Informationen als geeignete Grundlage einer überschlägigen Prüfung benötigt werden. Hierzu zählen auch vom Vorhabenträger eingeholte Fachgutachten, die ggf. durch zusätzliche Ermittlungen der Behörde ergänzt werden können.29 Andererseits darf die Behörde im Rahmen der Vorprüfung nicht schon in einer der UVP vergleichbaren Prüftiefe durchermitteln und damit unzulässigerweise die eigentliche UVP vorwegnehmen.“30 Art. 4 Abs. 6 der UVP-Richtlinie in der Fassung der Änderungsrichtlinie 2014/52/EU regelt erst10c mals eine Frist für die behördliche Vorprüfung von höchstens 90 Tagen ab dem Tag, an dem der Vorhabenträger alle erforderlichen Informationen vorgelegt hat; umzusetzen war diese Neuregelung in nationales Recht bis zum 16.5.2017. Seit der Änderung des UVPG durch Artikel 1 des Gesetzes zur Modernisierung des Rechts der Umweltverträglichkeitsprüfung vom 20.7.2017 hat die Behörde gemäß § 7 Abs. 6 Satz 1 UVPG zügig und spätestens sechs Wochen nach Erhalt der erforderlichen Angaben zur Vorbereitung der Vorprüfung i.S.d. § 7 Abs. 4 UVPG festzustellen, ob die UVP-Pflicht besteht. In Ausnahmefällen kann sie die Frist für die Feststellung um bis zu drei Wochen oder, wenn dies wegen der besonderen Schwierigkeit der Prüfung erforderlich ist, um bis zu sechs Wochen verlängern, § 7 Abs. 6 Satz 2 UVPG. 11 Die Durchführung und das Ergebnis der allgemeinen und der standortbezogenen Vorprüfung sind gemäß § 7 Abs. 7 UVPG seitens der Behörde zu dokumentieren. Das Ergebnis der Vorprüfung (Bestehen oder Nichtbestehen der UVP-Pflicht) ist gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 UVPG der Öffentlichkeit bekannt zu geben. Der Begriff der Bekanntgabe wurde vom Gesetzgeber in § 5 Abs. 2 Satz 1 UVPG in bewusster Abgrenzung vom Begriff der Bekanntmachung i.S.d. § 72 Abs. 2 VwVfG und entsprechender fachgesetzlicher Regelungen verwendet. Hierdurch soll der Behörde eine größere Flexibilität ermöglicht und sie in die Lage versetzt werden, „selbst diejenigen Mittel zu wählen, die geeignet sind, der betroffenen und interessierten Öffentlichkeit im konkreten Fall eine effektive Möglichkeit der Kenntnisnahme zu eröffnen.“ In der Begründung zum Gesetzentwurf werden das nach § 20 UVPG einzurichtende UVP-Portal sowie auch eine Veröffentlichung über Amtstafel, Amtsblatt oder eine örtliche Tageszeitung als Bekanntgabebeispiele genannt.31 Bei der Bekanntgabe sind gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2 UVPG von der Behörde die wesentlichen Gründe für das Bestehen oder Nichtbestehen der UVP-Pflicht unter Hinweis auf die jeweils einschlägigen Kriterien nach Anlage 3 des UVPG anzugeben. Im Falle der Verneinung der UVP-Pflicht hat die Behörde auf die für diese Entscheidung maßgeblichen Merkmale von Vorhaben oder Standort oder etwaige Vorkehrungen einzugehen. Bei Feststellung der UVP-Pflicht kann die Bekanntgabe gemäß § 5 Abs. 2 Satz 4 UVPG mit der Bekanntmachung nach § 19 UVPG verbunden werden. 11a Erfolgt die Bekanntgabe nicht bzw. nicht vor der Entscheidung über die Zulassung des Vorhabens, hat dies keine Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit der Zulassungsentscheidung als solche.32

II. Vorhaben i.S.d. Nr. 1 bis 10 1. Gewinnung von Steinkohle, Braunkohle, bituminösen Gesteinen, Erzen und sonstigen nichtenergetischen Bodenschätzen (Nr. 1) 12 a) Begriffe. Einer Umweltverträglichkeitsprüfung bedarf unter den Voraussetzungen der Nr. 1 Buchst. a) und b) die Gewinnung von Steinkohle, Braunkohle, bituminösen Gesteinen, Erzen und 29 VG Augsburg 25.5.2020, 9 K 18.1393, ZfB 2020, 285, 290 m.w.N. 30 VG Augsburg 25.5.2020, 9 K 18.1393, ZfB 2020, 285, 290; BVerwG 20.11.2011, 9 A 31.10, NVwZ 2012, 575 Rn. 25; BVerwG 20.8.2008, 4 C 11.07, BVerwGE 131, 352, 366; Pauli/Hagemann UPR 2018, 8, 10.

31 BT-Drs. 18/11499, S. 77; Hoppe/Beckmann/Kment/Dienes UVPG, § 5 Rn. 17. 32 BVerwG 20.8.2008, 4 C 11/07, BVerwGE 131, 352 Rn. 40; Schink/Reidt/Mitschang/Tepperwien UVPG, § 5 Rn. 13. Keienburg/Wiesendahl

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sonstigen nichtenergetischen Bodenschätzen. Erfasst werden sowohl bergfreie als auch grundeigene Bodenschätze i.S.d. § 3 Abs. 3 und 4. Grundeigentümerbodenschätze unterliegen dem Anwendungsbereich des Bundesberggesetzes und damit auch der UVP-V Bergbau von vornherein nicht; vgl. § 2 Rn. 2 und § 3 Rn. 1 f. Anderes kann im Gebiet der neuen Bundesländer gelten, soweit dort auf Grundlage des Einigungsvertrags noch Sonderrechte mit der Folge einer erweiterten Anwendung des BBergG existieren; vgl. Anhang Einigungsvertrag Rn. 7 ff. und 26. Der umfassende Wortlaut der Nr. 1 erstreckt sich auf sämtliche dem Anwendungsbereich des Bundesberggesetzes unterfallenden nichtenergetischen Bodenschätze. Nicht vollständig erfasst sind von Nr. 1 dagegen die energetischen Bodenschätze. Insoweit ist der Anwendungsbereich der Nr. 1 auf Steinkohle und Braunkohle beschränkt. Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Aufsuchung und Gewinnung von Erdöl und Erdgas sind speziell in den Nr. 2 bis 2c erfasst; vgl. Rn. 29 ff. Methan und Erdwärme sind als Bodenschätze nicht erfasst; die Gewinnung von Erdwärme erfordert nach bisheriger Rechtslage nur dann eine Umweltverträglichkeitsprüfung, wenn sie über Tiefbohrungen der in den Nr. 8 und 8a erfassten Arten erfolgt; vgl. dazu Rn. 48 ff. Einer Umweltverträglichkeitsprüfung bedarf auf Grundlage der Nr. 1 nur und erst die Gewinnung. Die vorhergehende Aufsuchung ist ohne Umweltverträglichkeitsprüfung möglich.

b) Gewinnung im Tiefbau (Nr. 1 Buchst. a)) aa) Flächenbedarf der übertägigen Betriebsanlagen und Einrichtungen (Nr. 1 Buchst. a) 13 aa)). Eine Umweltverträglichkeitsprüfung ist gemäß Nr. 1 Buchst. a) aa) erforderlich, wenn der Flächenbedarf der übertägigen Betriebsanlagen sowie der Betriebseinrichtungen, zu denen auch Schächte und Stollenanlagen und damit auch untertägige Einrichtungen gehören, 10 ha oder mehr umfasst. Nur über diese Regelung konnte der Gesetzgeber Gewinnungen im Tiefbau, die keine relevanten Oberflächensenkungen nach Maßgabe der Kriterien der Nr. 1 Buchst. a) bb) und cc) verursachen, wie etwa der Kali- oder der Erzabbau, in der UVP-V Bergbau erfassen; die Relevanz der Flächeninanspruchnahme gilt aber auch für Tiefbauvorhaben mit relevanten Oberflächensenkungen, also den Steinkohlenbergbau. Einzubeziehen sind in die Flächenermittlung alle übertägigen Betriebsanlagen, etwa die in 14 Nr. 1 Buchst. a) aa) beispielhaft aufgeführten Werkstätten, Verwaltungsgebäude, Halden, Aufbereitungsanlagen und Beförderungseinrichtungen, wenn diese Teil des konkreten zur Zulassung gestellten Gewinnungsbetriebs sind. Nicht die Flächen der übertägigen Einrichtungen sämtlicher Betriebe eines Unternehmers sind – vorbehaltlich einer Kumulation – zu addieren, sondern nur die Flächen des konkreten Gewinnungsbetriebs, um dessen Zulassung es geht; zur Begrifflichkeit des Gewinnungsbetriebs vgl. § 4 Rn. 43 ff. Einzubeziehen sind weiterhin die untertägigen Stollenanlagen. Ob die Flächen im Eigentum des Unternehmers stehen, oder ihm von einem Dritten zur Nutzung überlassen worden sind, ist irrelevant. Die in § 4 Abs. 8 enthaltene Legaldefinition des Gewinnungsbetriebs setzt einer Verselbständi- 15 gung von Betriebsteilen ausweislich der Rammelsberg-Entscheidung des BVerwG vom 9.11.1995 Grenzen;33 dies gilt sowohl für die untertägigen Betriebsteile als auch für die übertägigen Betriebsflächen. Innerhalb dieser Grenzen bestimmen sich die einem Bergbaubetrieb zuzuordnenden Flächen nach dem Antrag des Unternehmers. Ist der Antrag auf die Zulassung eines Gewinnungsbetriebs einschließlich einer im räumlichen und betrieblichen Zusammenhang stehenden Halde gerichtet, sind sowohl die für die übertägigen Einrichtungen des Gewinnungsbetriebs erforderlichen Flächen als auch die Flächen für die Halde in die Betrachtung einzubeziehen. Beantragt der Unternehmer dagegen allein die Zulassung eines Gewinnungsbetriebs und davon getrennt die Zulassung einer Halde, die ggf. der Ablagerung von Bodenschätzen oder Massen mehrerer Gewinnungsbetriebe dient, handelt es sich um getrennte Vorhaben, deren Flächen nicht additiv zu betrachten sind. 33 BVerwG 9.11.1995, 4 C 25/94, BVerwGE 100, 31, 42 = ZfB 1995, 290, 299. 719

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16 bb) Oberflächensenkungen (Nr. 1 Buchst. a) bb) und cc)). Alternativ zu dem Schwellenwert der Flächeninanspruchnahme der übertägigen Betriebsanlagen und -einrichtungen ist eine Umweltverträglichkeitsprüfung des Tiefbaus bei der Verursachung von Oberflächensenkungen abhängig von deren Größenordnung erforderlich. Im Fall von Oberflächensenkungen von 3 m oder mehr ist eine Umweltverträglichkeitsprüfung gemäß Nr. 1 Buchst. a) bb) zwingend durchzuführen. Im Fall von Oberflächensenkungen von 1 m bis weniger als 3 m ist eine Umweltverträglichkeitsprüfung gemäß Nr. 1 Buchst. a) cc) nur dann durchzuführen, wenn erhebliche Beeinträchtigungen im Hinblick auf Vorflut, Grundwasser, Böden, geschützte Kulturgüter oder vergleichbare Schutzgüter zu erwarten sind. Ohne dass dies in Nr. 1 Buchst. a) cc) ausdrücklich geregelt wäre, handelt es sich bei der bei Senkungen zwischen 1 m und 3 m anzustellenden Prüfung zu erwartender erheblicher Beeinträchtigungen um eine allgemeine Vorprüfung i.S.d. § 7 Abs. 1 UVPG. Da das im Zeitpunkt des Erlasses der UVP-V Bergbau gültige UVPG i.d.F. vom 12.2.1990 eine allgemeine Vorprüfung noch nicht regelte – die Vorgängerregelung der Vorprüfung in § 3c UVPG a.F. wurde erst mit Gesetz vom 27.7.2001 eingefügt – ist zwar die Begrifflichkeit der allgemeinen Vorprüfung in Nr. 1 Buchst. a) cc) nicht verwandt. Dennoch können die inzwischen in § 7 Abs. 1 und 5 i.V.m. Anlage 3 des UVPG geregelten Kriterien für die Vorprüfung gemäß Nr. 1 Buchst. a) cc) entsprechend herangezogen werden; vgl. zu § 7 UVPG Rn. 9 f. Im Fall von Oberflächensenkungen von weniger als 1 m ist eine Umweltverträglichkeitsprüfung und auch eine Vorprüfung im Umkehrschluss zu Nr. 1 Buchst. a) cc) entbehrlich. 17 Bei der Ermittlung der zu erwartenden Senkungen aufgrund Tiefbaus zu berücksichtigen sind gemäß dem Verordnungswortlaut in Nr. 1 Buchst. a) die für einen beantragten zukünftigen Abbau prognostizierten Senkungen sowie die Senkungen „vorangegangener betriebsplanpflichtiger, nach dem 1.8.1990 begonnener oder zu diesem Zeitpunkt laufender und nicht bereits planfestgestellter Vorhaben“. Hintergrund der Einbeziehung auch solcher Senkungen, die nach dem 1.8.1990 verursacht wurden, ist der vom Verordnungsgeber in § 5 der Ursprungsfassung der Verordnung geregelte Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verordnung zum 1.8.1990; die Einbeziehung aller Senkungen ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verordnung soll gewährleisten, dass die Verordnung ab diesem Zeitpunkt Wirkung entfaltet und nicht Senkungen, die auf Grundlage bereits zugelassener Vorhaben ab diesem Zeitpunkt verursacht wurden bei einer zeitlich späteren Zulassung aus der Betrachtung ausgeklammert werden. Es handelt sich damit nicht um eine Überleitungsregelung des Inhalts, dass ab dem 1.8.1990 verursachte Senkungen bereits vor dem 1.8.1990 begonnener und zugelassener Vorhaben nachträglich einer erneuten Zulassung mit Umweltverträglichkeitsprüfung bedürfen. Nur dann, wenn nach dem 1.8.1990 weiterer, noch nicht zugelassener Abbau geführt werden soll, sind in die Beurteilung der UVP-Pflicht dieses Abbaus alle nach dem 1.8.1990 bereits verursachten Senkungen einzubeziehen.34

18 c) Gewinnung im Tagebau (Nr. 1 Buchst. b)). Die Gewinnung im Tagebau erfasst Gewinnungen an der Tagesoberfläche, worunter typischerweise die Braunkohlengewinnung, Auskiesungen und sonstige Steine- und Erden-Vorhaben im Anwendungsbereich des BBergG fallen. Auch die marine Gewinnung von Bodenschätzen aus Gewässern fällt unter die Begrifflichkeit der Gewinnung im Tagebau; dies ergibt sich daraus, dass es sich bei der marinen Gewinnung nicht um untertägigen Bergbau handelt und sie damit, da Bergbau nur entweder unter Tage oder im Tagebau möglich ist, einen Tagebau darstellen muss.35 Der Tatbestand der Nr. 1 Buchst. b) bb) ist ausweislich der amtlichen Begründung speziell auf die marine Gewinnung in Seen und Flüssen zugeschnitten.36 34 BVerwG 2.11.1995, 4 C 14/94, BVerwGE 100, 1, 8 f. = ZfB 1995, 278, 283. 35 Ebenso: Czybulka, in: Bundesamt für Naturschutz (Hrsg.) Umweltvorsorge bei der marinen Sand- und Kiesgewinnung, S. 39; Gravenhorst, in: Bundesamt für Naturschutz (Hrsg.) Umweltvorsorge bei der marinen Sand- und Kiesgewinnung, S. 56. 36 BR-Drs. 448/98, S. 16. Keienburg/Wiesendahl

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aa) Größe der Abbaufläche (Nr. 1 Buchst. b) aa) und dd)). Tagebaue mit einer Abbaufläche 19 ab 25 ha bedürfen gemäß Nr. 1 Buchst. b) aa) zwingend einer Umweltverträglichkeitsprüfung, was den Vorgaben in Anhang I Nr. 19 der Richtlinie 85/337/EWG entspricht.37 Tagebaue mit einer Abbaufläche von mehr als 10 ha bis weniger als 25 ha bedürfen gemäß Nr. 1 Buchst. b) dd) einer allgemeinen Vorprüfung gemäß § 7 Abs. 1 UVPG.38 Die Betriebsflächen, die nicht Abbaufläche sind, bleiben bei der Berechnung außer Betracht. Auch ist maßgeblich auf die Abbaufläche des Gesamtvorhabens abzustellen und nicht auf die eines konkreten Erweiterungsvorhabens oder die für den aktuellen Abbau beanspruchte Fläche, wobei es nicht darauf ankommt, ob einzelne Flächen schon wieder aus der Bergaufsicht entlassen wurden.39

bb) Abbau in besonderen Schutzgebieten (Nr. 1 Buchst. b) aa)). Gemäß Nr. 1 Buchst. b) 20 aa) unabhängig von der Größe eines Tagebaus bedarf die Gewinnung im Tagebau auch dann zwingend einer Umweltverträglichkeitsprüfung, wenn sie in Naturschutzgebieten nach § 23 des BNatSchG oder in Natura 2000-Gebieten nach § 7 Abs. 1 Nr. 8 BNatSchG durchgeführt wird.40 Eingefügt wurde die ursprüngliche Fassung dieser Regelung zur Umsetzung des Anhangs III Nr. 2 der UVP-Richtlinie, wonach bei der Festlegung der Kriterien der UVP-Pflicht auch die ökologische Empfindlichkeit des Standorts zu berücksichtigen ist. Bis 2016 waren neben ausgewiesenen Naturschutzgebieten ausdrücklich ausgewiesene besondere Schutzgebiete der europäischen Vogelschutzrichtlinie oder der FFH-Richtlinie erfasst. Seit Änderung der Nr. 1 Buchst. b) aa) durch Verordnung vom 4.8.2016 in Anpassung an die seit 2010 in § 7 Abs. 1 Nr. 8 BNatSchG befindliche Definition von Natura 2000-Gebieten verweist die Regelung nur noch auf eben jene Definition. Danach sind Natura 2000-Gebiete „Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung und Europäische Vogelschutzgebiete“. Erfasst sind von dem Oberbegriff der Natura 2000-Gebiete nach wie vor FFHund Europäische Vogelschutzgebiete.41 Naturschutzgebiete sind gemäß § 23 Abs. 1 BNatSchG rechtsverbindlich festgesetzte Ge- 21 biete, in denen ein besonderer Schutz von Natur und Landschaft erforderlich ist. Sofern und solange ein Naturschutzgebiet nicht als solches förmlich festgesetzt ist, ist es auch dann, wenn die materiellen Voraussetzungen der Schutzwürdigkeit erfüllt sind, nicht als Naturschutzgebiet formell geschützt und damit nicht geeignet, die UVP-Pflicht von Gewinnungsvorhaben im Tagebau gemäß Nr. 1 Buchst. b) aa) auszulösen. Auch Natura 2000-Gebiete sind zusätzlich zu ihrer Aufnahme der Gebiete in die von der Europäischen Kommission geführte Liste der NATURA 2000-Gebiete gemäß § 32 Abs. 2 i.V.m. § 20 Abs. 2 BNatSchG zur Gewährleistung eines nationalen Schutzes als Naturschutzgebiet, Nationalpark oder nationales Naturmonument, Biosphärenreservat, Landschaftsschutzgebiet, Naturpark, Naturdenkmal oder geschützter Landschaftsbestandteil auszuweisen, wenn nicht gemäß § 32 Abs. 4 BNatSchG ein gleichwertiger Schutz durch andere Bestimmun37 Der eine Umweltverträglichkeitsprüfung zwingend erfordernde Flächenwert der Abbaufläche in Nr. 1 Buchst. b) aa) hat sich im Zuge unterschiedlicher Fassungen der Verordnung verändert. Die Verordnungsfassung vom 13.7.1990 regelte eine Verpflichtung zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung ab einer Abbaufläche inklusive der für Betriebsanlagen und -einrichtungen benötigten Fläche von 10 ha. Mit der Verordnung zur Änderung bergbaulicher Verordnungen aus dem Jahre 1998 blieb die Flächenmarge von 10 ha unverändert, wurde aber auf die reine Abbaufläche ohne Einbeziehung weiterer Flächen für Betriebsanlagen oder -einrichtungen beschränkt. Erst die Zweite Verordnung zur Änderung bergrechtlicher Verordnungen vom 10.8.2005 änderte den Flächenschwellenwert einer zwingenden Umweltverträglichkeitsprüfung auf 25 ha oder mehr; anwendbar ist diese Regelung gemäß § 4 Abs. 1 UVP-V Bergbau nur auf Verfahren, die am 20.8.2005 noch nicht begonnen waren. 38 Buchstabe dd) wurde mit Art. 8 des Gesetzes über die Öffentlichkeitsbeteiligung vom 9.12.2006 eingefügt und findet gemäß § 4 Abs. 2 UVP-V Bergbau keine Anwendung auf Verfahren, die am 15.12.2006 bereits begonnen waren. 39 VGH München 27.3.2019, 8 CS 18.2398, ZfB 2019, 202, 206. 40 Ursprüngliche Fassung eingefügt mit Art. 5 der Verordnung zur Änderung bergrechtlicher Verordnungen vom 10.8.1998 und anwendbar gemäß Art. 6 der Verordnung zur Änderung bergrechtlicher Verordnungen auf Vorhaben, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verordnung am 14.3.1999 noch nicht begonnen waren. 41 Landmann/Rohmer/Gellermann Umweltrecht, BNatSchG § 7 Rn. 11. 721

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gen gewährleistet ist. Unabhängig davon findet eine FFH-Verträglichkeitsprüfung gemäß § 34 Abs. 1 BNatSchG aber bereits auf Grundlage der Aufnahme eines Gebiets in die Natura 2000-Liste statt42 und dürfte auch der Anwendungsbereich der Nr. 1 Buchst. b) aa) ab der Aufnahme eines Gebiets in die Natura 2000-Liste und unabhängig von einer zusätzlichen nationalen Schutzausweisung eröffnet sein. Schließlich dient die Regelung ausweislich der amtlichen Begründung dazu, in Umsetzung des Anhangs III der UVP-Richtlinie die ökologische Empfindlichkeit des Standorts zu berücksichtigen,43 die nicht von der nationalen Schutzausweisung abhängig ist, sondern ab der Aufnahme eines Gebiets in die Natura-2000-Liste der Europäischen Kommission eine Verträglichkeitsprüfung erfordert.44 Anders als eine FFH-Verträglichkeitsprüfung, die gemäß § 34 Abs. 1 BNatSchG nur dann erfor22 derlich ist, wenn ein Projekt einzeln oder im Zusammenwirken mit anderen Projekten geeignet ist, ein Natura 2000-Gebiet erheblich zu beeinträchtigen, ist die Möglichkeit einer erheblichen Beeinträchtigung eines Naturschutz- oder Natura 2000-Gebiets nicht Voraussetzung für die UVPPflicht gemäß Nr. 1 Buchst. b) aa). Die UVP-Pflicht gemäß Nr. 1 Buchst. b) aa) ist allein davon abhängig, dass das Vorhaben in, also innerhalb eines ausgewiesenen Naturschutz-, Vogelschutz- oder FFH-Gebiets ausgeführt werden soll, wobei nicht entscheidend ist, dass das gesamte Vorhaben innerhalb eines Schutzgebietes liegt, sondern die Lage von Teilen des Vorhabens innerhalb eines Schutzgebiets ausreicht.45 Die Ausführung des Vorhabens außerhalb solcher Gebiete begründet die UVP-Pflicht gemäß Nr. 1 Buchst. b) aa) nicht; ist ein Vorhaben außerhalb eines Natura 2000Gebiets aber aus anderen Gründen UVP-pflichtig, sind im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung auch etwaige mittelbare Auswirkungen des Vorhabens auf das Natura 2000-Gebiet zu berücksichtigen.46 Sowohl im Fall der Ausführung eines Vorhabens innerhalb eines Natura 2000-Gebiets als auch im Fall der Durchführung eines Vorhabens außerhalb eines Natura 2000-Gebiets kommt ggf. zusätzlich zur UVP-Pflicht eine Verpflichtung zur FFH-Verträglichkeitsprüfung in Betracht, da dafür irrelevant ist, ob ein Vorhaben in einem oder außerhalb eines Natura 2000-Gebiets verwirklicht werden soll,47 sondern allein entscheidend ist, ob das Vorhaben erhebliche Beeinträchtigungen des Natura 2000-Gebiets auslösen kann, was gerade im Fall von Tagebauvorhaben aufgrund der damit einhergehenden Grundwassersümpfungen auch bei Durchführung des Gewinnungsvorhabens außerhalb eines Schutzgebiets möglich sein kann.

23 cc) Herstellung, Beseitigung oder wesentliche Umgestaltung eines Gewässers (Nr. 1 Buchst. b) bb)). Tagebaue mit der Notwendigkeit einer nicht lediglich unbedeutenden und nicht nur vorübergehenden Herstellung, Beseitigung oder wesentlichen Umgestaltung eines Gewässers oder seiner Ufer bedürfen seit der Verordnung zur Änderung bergrechtlicher Verordnungen vom 10.8.1998 – anwendbar gemäß Art. 6 der Verordnung zur Änderung bergrechtlicher Verordnungen auf Vorhaben, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verordnung am 14.3.1999 noch nicht begonnen waren – aufgrund der damit eingefügten Nr. 1 Buchst. b) bb) einer Umweltverträglichkeitsprüfung im bergrechtlichen Verfahren. Erfasst werden damit alle Tagebauvorhaben, die einen Gewässerausbau i.S.d. § 67 Abs. 2 Satz 1 WHG erfordern, der als Herstellung, Beseitigung oder wesentliche Umge-

42 43 44 45

Vgl. etwa BVerwG 14.4.2010, 9 A 5/08, BVerwGE 136, 291 Rn. 30. BR-Drs. 448/98, S. 15. EuGH 14.1.2010, C-226/08, EuZW 2010, 222 Rn. 48. Die im Entwurf der Verordnung zur Änderung bergrechtlicher Verordnungen vom Bundesrat nur bei einer Abbaufläche von mehr als 10 ha in Naturschutz oder FFH-Gebieten vorgesehene UVP-Pflicht von Tagebauen wurde auf Vorschlag des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit mit der Begründung gestrichen, dass auch Vorhaben unter 10 ha den Schutzzweck von Naturschutz- und FFH-Gebieten erheblich beeinträchtigen können: BRDrs. 448/1/98, S. 2. 46 EuGH 24.11.2011, C-404/09, NuR 2012, 42 Rn. 87 ff. 47 BVerwG 17.1.2007, 9 A 20/05, BVerwGE 128, 1 Rn. 36; BVerwG 19.5.1998, 4 A 9/97, BVerwGE 107, 1, 17; OVG Münster 27.7.2010, 8 A 4062/04, NuR 2011, 59, 62. Keienburg/Wiesendahl

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staltung eines Gewässers oder seiner Ufer definiert ist; die für einen Gewässerausbau i.S.d. § 67 Abs. 2 Satz 1 WHG maßgeblichen Kriterien gelten auch zur Bestimmung der Tatbestandsmerkmale der Nummer 1 Buchst. b) bb). Gewässer i.S.d. § 67 WHG und damit auch der Nr. 1 Buchst. b) bb) sind oberirdische Gewässer i.S.d. § 3 Nr. 1 WHG sowie Küstengewässer i.S.d. § 3 Nr. 2 WHG, sowohl als natürliche Gewässer als auch als künstlich geschaffene Gewässer i.S.d. § 3 Nr. 4 WHG. Das Grundwasser dagegen stellt zwar gemäß § 3 Nr. 3 WHG ein Gewässer i.S.d. WHG dar, fällt aber nach hier vertretener Auffassung nicht unter den Gewässerbegriff i.S.d. § 67 WHG48 und erst recht nicht unter den Gewässerbegriff der Nr. 1 Buchst. b) bb), da großräumige Grundwasserabsenkungen von dem speziellen Tatbestand der Nr. 1 Buchst. b) cc) erfasst werden. Ein Gewässerausbau bestimmt sich nach rein objektiven Kriterien. Auf einen auf den Gewässerausbau gerichteten Willen des Unternehmers kommt es nicht an.49 Unter Nr. 1 Buchst. b) bb) können damit etwa Nassauskiesungen, die aufgrund der Entnahme von Masse im Bereich oberflächennahen Grundwassers zur Entstehung von Gewässern führen, sowie marine Gewinnungsvorhaben, die in bereits bestehende Gewässer eingreifen und diese ggf. wesentlich umgestalten, fallen. Erfasst sein können aufgrund des weiten Gewinnungsbegriffs, vgl. dazu § 4 Rn. 6, zudem Vorbereitungsmaßnahmen zum Aufschluss eines Abbaubereichs, wenn diese etwa die Beseitigung oder Verlegung eines Gewässers beinhalten. In allen vorgenannten Fällen beinhaltet die Gewinnung die Notwendigkeit eines Gewässerausbaus. Die Flutung eines Tagebaurestlochs im Nachgang zur Gewinnung ist dagegen keine Gewinnungstätigkeit, sondern Wiedernutzbarmachung oder Folgenutzung; vgl. dazu Rn. 65. Der Verordnungsgeber, der mit Nr. 1 Buchst. b) bb) die europarechtliche Verpflichtung zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung bei marinen Gewinnungen umsetzen wollte,50 hat bei der Fassung der Nr. 1 Buchst. b) bb) nur an Gewässerausbaumaßnahmen gedacht, die mit der Gewinnung unmittelbar einhergehen. Über Vorhaben der marinen Gewinnung hinausgehend sind dies Nassauskiesungen und der Gewinnung zuzurechnende Vorbereitungsmaßnahmen, die auf Gewässer einwirken, nicht aber Maßnahmen der Wiedernutzbarmachung bzw. der Folgenutzung. Mit der Regelung einer UVP-Pflicht im Fall der Notwendigkeit einer nicht lediglich unbedeu- 24 tenden und nur vorübergehenden Herstellung, Beseitigung oder wesentlichen Umgestaltung eines Gewässers enthält die Regelung qualitative Wertungselemente, die sich in Würdigung der in Nr. 1 Buchst. b) bb) ausweislich der amtlichen Begründung berücksichtigten wasserrechtlichen Regelungen allein auf die Varianten einer Gewässerherstellung und einer Gewässerumgestaltung, nicht dagegen auch auf die Variante einer Gewässerbeseitigung beziehen.51 Die Herstellung eines Gewässers stellt gemäß § 67 Abs. 2 Satz 2 WHG keinen Gewässerausbau dar, wenn das Gewässer nur für einen begrenzten Zeitraum entsteht und der Wasserhaushalt dadurch nicht erheblich beeinträchtigt wird. Die zeitliche Komponente einer nur vorübergehenden Herstellung eines Gewässers bestimmt sich nicht nach einer gesetzlich fixierten zeitlichen Frist, etwa ein, zwei oder drei Jahren. Entscheidend ist vielmehr, dass von vornherein feststeht, dass ein Gewässer nur für einen begrenzten Zeitraum bestehen bleibt und dies genehmigungsrechtlich festgelegt ist.52 Ob die temporäre Dauer 5, 10 oder auch mehr Jahre umfasst, ist nach hier vertretener Auffassung 48 In der amtl. Begr., BT-Drs. 16/12275, S. 72 ist ausgeführt, dass sich aus der Stellung des § 67 WHG außerhalb der Vorschriften über die Bewirtschaftung oberirdischer Gewässer ergibt, dass die Regelung künftig zusätzlich zur Anwendung auf oberirdische Gewässer auch für den Ausbau von Küstengewässern gilt; eine Anwendung auch auf das Grundwasser ist in der amtlichen Begründung nicht angelegt. Ebenso Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp/Schenk WHG, § 67 Rn. 8 und Berendes/Frenz/Müggenborg/Maus WHG, § 67 Rn. 29; a.A. Czychowski/Reinhardt WHG, § 67 Rn. 22, Kotulla WHG, § 67 Rn. 3 und Müggenborg NuR 2013, 326, 329. 49 BVerwG 10.2.1978, 4 C 25/75, BVerwGE 55, 220, 224 f.; BVerwG 10.2.1978, 4 C 71/75, DVBl 1979, 67, 68; OVG Magdeburg 28.11.2013, 2 L 222/11, ZfB 2014, 166, 179; Czychowski/Reinhardt WHG, § 67 Rn. 26; Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp/Schenk WHG, § 67 Rn. 16; Guckelberger NuR 2003, 469. 50 BR-Drs. 448/98, S. 16. 51 Die amtl. Begr., in BR-Drs. 448/98, S. 16 verweist auf § 31 Abs. 2 und 3 WHG a.F. 52 Czychowski/Reinhardt WHG, § 67 Rn. 40 f.; Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp/Schenk WHG, § 67 Rn. 28; Kotulla WHG, § 67 Rn. 8; zu den erforderlichen Angaben zur Belegung einer nur temporären Gewässerherstellung im Zuge einer Auskiesung: OVG München 26.2.1987, 8 CS 86/03439, ZfW 1988, 225, 227. 723

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irrelevant.53 Die wasserwirtschaftliche Relevanz bestimmt sich nicht nach der Dauer eines Vorhabens, sondern wird über das zu dem Erfordernis einer zeitlichen Begrenzung der Herstellung eines Gewässers kumulativ hinzutretende Erfordernis einer nur unbedeutenden Herstellung eines Gewässers ausreichend berücksichtigt. Dieses Kriterium bemisst sich unter Heranziehung der Vorgaben des § 67 Abs. 2 Satz 2 WHG in erster Linie nach den Belangen des Wasserhaushalts.54 Entscheidend ist, dass Menge und Güte des Wassers nicht relevant verändert werden. Um einen Gewässerausbau handelt es sich gemäß § 67 Abs. 2 Satz 1 WHG ferner nicht bei einer nur unwesentlichen Umgestaltung eines Gewässers. Diese ist dann zu bejahen, wenn sich eine Umgestaltung auf den Wasserhaushalt, etwa Wasserstand, Wasserabfluss, Wasserfließgeschwindigkeit oder auf das äußere Erscheinungsbild eines Gewässers nicht wesentlich auswirkt.55 Eine UVP-Pflicht auf Grundlage der Nr. 1 Buchst. b) bb) entfällt in diesem Fall. Dabei ist nicht jede wesentliche Umgestaltung eines Gewässers gleichzeitig auch bedeutend genug, um die Pflicht zur Durchführung einer UVP zu begründen.56 Eine Gewässerbeseitigung stellt dagegen ohne wertende Elemente auf Grundlage des § 67 Abs. 2 Satz 1 WHG immer einen Gewässerausbau dar und erfordert gemäß Nr. 1 Buchst. b) bb) zwingend eine Umweltverträglichkeitsprüfung. 25 Maßnahmen eines Gewässerausbaus erfordern grundsätzlich ein wasserrechtliches Planfeststellungsverfahren gemäß § 68 Abs. 1 WHG. Ist ein zur Gewinnung erforderlicher Gewässerausbau gemäß Nr. 1 Buchst. b) bb) UVP-pflichtig, wird die Umweltverträglichkeitsprüfung im bergrechtlichen Planfeststellungsverfahren gemäß § 52 Abs. 2a durchgeführt. Diesem kommt gemäß § 57b Abs. 3 Satz 1 Vorrang vor dem wasserrechtlichen Planfeststellungsverfahren zu. Das für einen Gewässerausbau gemäß § 68 Abs. 1 WHG erforderliche wasserrechtliche Planfeststellungsverfahren wird von dem bergrechtlichen Planfeststellungsverfahren konzentriert und damit verdrängt.57 Dies gilt für alle bergrechtlich planfeststellungspflichtigen Tatbestände des Gewässerausbaus aufgrund Gewinnung im Tagebau. 26 Eine grundsätzliche Ausnahme von der bergrechtlichen Panfeststellung greift – in allen Fällen der Nr. 1 Buchst. b) – dann, wenn ein bergrechtliches Planfeststellungsverfahren trotz eines Gewässerausbaus im Zuge der Gewinnung gemäß §§ 52 Abs. 2b Satz 2, 54 Abs. 2 Satz 3 aufgrund Durchführung der Umweltverträglichkeitsprüfung in einem vorgeschalteten Verfahren, wie dem in Nordrhein-Westfalen geregelten Braunkohlenplanverfahren, entbehrlich ist; vgl. dazu auch die Vorbemerkungen zur UVP-V Bergbau Rn. 13. In diesen Fällen wird das wasserrechtliche Planfeststellungsverfahren mangels bergrechtlichen Planfeststellungsverfahrens nicht verdrängt und ist im Anschluss an ein Braunkohlenplanverfahren mit Umweltverträglichkeitsprüfung ein wasserrechtliches Planfeststellungsverfahren bzw. Plangenehmigungsverfahren durchzuführen.

27 dd) Grundwasserabsenkungen (Nr. 1 Buchst. b) cc)). Die mit der Verordnung zur Änderung bergrechtlicher Verordnungen vom 10.8.1998 – anwendbar gemäß Art. 6 der Verordnung zur Änderung bergrechtlicher Verordnungen auf Vorhaben, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verordnung am 14.3.1999 noch nicht begonnen waren – eingefügte Nr. 1 Buchst. b cc) regelt eine UVPPflicht von Tagebauen mit der Notwendigkeit einer großräumigen Grundwasserabsenkung mit Grundwasserentnahme- oder künstlichen Grundwasserauffüllsystemen mit einem jährlichen Volu53 Die Rechtsprechung wertete dies vor der mit der 6. WHG-Novelle vom 19.11.1996 eingeführten Ausnahmeregelung für nur für einen begrenzten Zeitraum entstehende Gewässer anders: vgl. OVG Münster 27.3.1991, 7 A 1927/87, NuR 1992, 134 f. wonach ein aufgrund Nassauskiesung für einen Zeitraum von etwa 10 Jahren entstehender See als Gewässer zu werten ist und OVG Brandenburg 10.11.1995, 4 B 117/95, ZfB 1996, 138, 141 zu einem im Zuge eines Tonabbaus für einen Zeitraum von 6 Jahren entstandenen Gewässer. 54 VGH Kassel 7.7.2015, 2 A 177/15, ZfB 2016, 219, Rn. 93. 55 OVG Schleswig 1.7.1997, 2 L 101/94, ZfW 1998, 509. 56 VG Augsburg 31.10.2018, 1 S 18.1797, BeckRS 2018, 27888 Rn. 43; siehe auch VG Augsburg 25.5.2020, 9 K 18.1393, ZfB 2020, 285, 295. 57 Stevens ZUR 2012, 338, 343. Keienburg/Wiesendahl

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Zweites Kapitel – Anzeige, Betriebsplan

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men von 5 Millionen m3 oder mehr. Umgesetzt werden sollte damit Anhang II Nr. 10 Buchst. l) der UVP-Richtlinie,58 wonach Grundwasserentnahme- und künstliche Grundwasserauffüllungssysteme, wenn sie nicht aufgrund einer Entnahmemenge bzw. eines Auffüllvolumens von mehr als 10 Mio. m3/a gemäß Anhang I Nr. 11 der UVP-Richtlinie bereits zwingend UVP-pflichtig sind, in Abhängigkeit von den Auswahlkriterien des Anhangs III der UVP-Richtlinie einer Umweltverträglichkeitsprüfung bedürfen. Für Grundwasserentnahmen und -anreicherungen außerhalb bergbaulicher Vorhaben ist eine zwingende UVP-Pflicht in Nr. 13.3.1 der Anlage 1 des UVPG nur bei einem jährlichen Volumen von 10 Millionen m3 oder mehr geregelt; geringere Entnahmen oder Anreicherungen sind gemäß Nr. 13.3.2 und 13.3.3 der Anlage 1 des UVPG nur auf Grundlage einer allgemeinen oder standortbezogenen Vorprüfung mit dem Ergebnis möglicher erheblicher Beeinträchtigungen der Umwelt UVP-pflichtig. Eine Grundwasserabsenkung stellt gleichzeitig einen gemäß § 8 Abs. 1 i.V.m. § 9 Abs. 2 Nr. 1 28 WHG wasserrechtlich zulassungspflichtigen Benutzungstatbestand dar. Die dafür erforderliche wasserrechtliche Erlaubnis oder Bewilligung kann – anders als die unter Rn. 25 f. behandelte wasserrechtliche Planfeststellung für einen Gewässerausbau – nicht von einer bergrechtlichen Planfeststellung konzentriert werden. Dies ergibt sich aus der vorrangigen spezialgesetzlichen Regelung des § 19 Abs. 1 WHG, wonach im Fall eines Planfeststellungsverfahrens, auch einem bergrechtlichen Planfeststellungsverfahren, die Planfeststellungsbehörde über die Erteilung der Erlaubnis oder Bewilligung entscheidet und damit eine reine Verfahrens- und Zuständigkeitskonzentration aber keine Entscheidungskonzentration begründet wird;59 vgl. § 57a Rn. 44. Damit bedarf es im Fall der bergrechtlichen Planfeststellung eines Tagebaus mit großräumiger Grundwasserabsenkung zusätzlich zur bergrechtlichen Zulassung einer wasserrechtlichen Zulassung. Die Zuständigkeit für die Entscheidung über Erlaubnis oder Bewilligung kommt dann, wenn ein bergrechtliches Planfeststellungsverfahren durchgeführt wird, gemäß § 19 Abs. 1 WHG der Planfeststellungsbehörde zu. Diese entscheidet aber über Erlaubnis oder Bewilligung nicht einheitlich mit der Planfeststellung, sondern durch gesonderten Bescheid. Für diese gesonderte Entscheidung über die wasserrechtliche Erlaubnis oder Bewilligung benötigt die Planfeststellungsbehörde gemäß § 19 Abs. 3 WHG das Einvernehmen der zuständigen Wasserbehörde. Dies führt zu der Konsequenz, dass zwar aufgrund der wasserrechtlichen Bedeutung eines Tagebaus mit großräumigen Grundwasserabsenkungen eine Umweltverträglichkeitsprüfung gemäß Nr. 1 Buchst. b) cc) erforderlich ist, in dem dafür erforderlichen bergrechtlichen Zulassungsverfahren aber gerade nicht über die Erteilung der wasserrechtlichen Erlaubnis oder Bewilligung entschieden wird. Dennoch entfaltet das bergrechtliche Verfahren mit Umweltverträglichkeitsprüfung für das wasserrechtliche Verfahren Vorwirkung. Gelangt die Behörde im bergrechtlichen Verfahren mit Umweltverträglichkeitsprüfung zu dem Ergebnis, dass die Umweltverträglichkeit des Vorhabens gerade mit Blick auf die Grundwasserabsenkung zu bejahen ist, ist diese Entscheidung auch für das parallel erforderliche wasserrechtliche Erlaubnis- oder Bewilligungsverfahren präjudizierend. Weder bedarf die wasserrechtliche Erlaubnis oder Bewilligung einer erneuten, zusätzlichen Umweltverträglichkeitsprüfung; dies ergibt sich aus § 51 Satz 1 UVPG, wonach die Umweltverträglichkeitsprüfung bergbaulicher Vorhaben im Planfeststellungsverfahren nach § 52 Abs. 2a durchgeführt wird. Noch kann die wasserrechtliche Erlaubnis oder Bewilligung auf Grundlage von Erwägungen versagt werden, die im bergrechtlichen Planfeststellungsverfahren bereits geprüft und mit positivem Ergebnis gewürdigt worden sind.60

58 BR-Drs. 448/98, S. 16. 59 BVerwG 18.3.2009, 9 A 39/07, NVwZ 2010, 44 Rn. 32; BVerwG 16.3.2006, 4 A 1075/04, BVerwGE 125, 116 Rn. 449; BVerwG 14.4.2005, 4 VR 1005/04, BVerwGE 123, 241, 243. 60 Heggemann/Dammert/Salzwedel Leipziger Umweltrechtliche Dokumentationen, Bd. 6, S. 62 ff.; Viertel ZfW 2002, 69, 79. 725

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Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

2. Gewinnung von Erdöl und Erdgas (Nr. 2) 29 UVP-pflichtig ist die Gewinnung von Erdöl und Erdgas sowohl Offshore als auch an Land. Dabei ist Grubengas, also Gas das im Zusammenhang mit der Gewinnung von Kohle auftritt, von dem Begriff Erdgas nicht umfasst. Dessen Aufsuchung und Gewinnung fällt unter Satz 1 Nr. 10.61 Zur Auslegung des Begriffs der Gewinnung ist auf die Begriffsbestimmungen in § 4 zurückzugreifen. Dort wird die bergrechtliche Gewinnung neben der bergrechtlichen Aufsuchung auch von der bergrechtlichen Aufbereitung unterschieden. Da die Aufbereitung von § 1 Satz 1 Nr. 2 UVP-V Bergbau nicht erfasst ist, ist es regelmäßig notwendig, im Einzelfall zu prüfen, welche Teile eines Erdöloder Erdgasprojekts Teil des Gewinnungsvorhabens sind. Diese Frage stellt sich insbesondere bei typischen Einrichtungen der Erdöl- oder Erdgasaufbereitung, wie etwa Kondensat- oder Wasserabscheidern, Dreiphasenseparatoren, Gastrocknungs- und Gasreinigungseinrichtungen, Öl- und Stapeltanken sowie Gaspendelsystemen, Feuerlöscheinrichtungen und Verbrennungseinrichtungen zum Abfackeln von Gasen im nicht bestimmungsgemäßen Betrieb. Führt die Prüfung zu dem Ergebnis, dass es sich bei diesen Einrichtungen nicht um Teile eines bergrechtlichen Gewinnungsvorhabens handelt, so ist weiter zu prüfen, ob diese ggf. von § 1 Satz 1 Nr. 9 UVP-V Bergbau i.V.m. Anlage 1 des UVPG erfasst sind.62 29a Errichtung und Betrieb von Förderplattformen im Bereich der Küstengewässer und des Festlandsockels zur Gewinnung von Erdöl und Erdgas sind seit Inkrafttreten der UVP-V Bergbau fördermengenunabhängig einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterworfen und waren seit der Verordnung zur Änderung bergrechtlicher Verordnungen vom 10.8.1998 in Nr. 2 Buchst. b) erfasst. Seit der Verordnung zur Einführung von Umweltverträglichkeitsprüfungen und über bergbauliche Anforderungen beim Einsatz der Fracking-Technologie und Tiefbohrungen vom 4.8.2016 ist die Regelung Teil der Nr. 2b. Aufgrund der mit der Änderungsverordnung vom 10.8.1998 neu eingefügten Nr. 2 Buchst. a) ist seitdem zusätzlich die Gewinnung von Erdöl und Erdgas an Land abhängig vom Fördervolumen UVP-pflichtig; für Fracking-Vorhaben vgl. Rn. 30a. Einer Umweltverträglichkeitsprüfung bedarf die Gewinnung von Erdöl an Land bei einem täglichen Fördervolumen von mehr als 500 Tonnen und die Gewinnung von Erdgas an Land bei einem täglichen Fördervolumen von mehr als 500.000 Kubikmetern, wenn diese Vorhaben nach dem 14.3.1999 begonnen wurden.63 Diese Zusatzregelung war aufgrund der inhaltsgleichen Änderung des Anhangs I Nr. 14 der UVPRichtlinie im Jahre 1997 erforderlich.64 Maßgeblich für die Mengenbemessung ist gemäß der amtlichen Begründung das tägliche Fördervolumen „der jeweiligen Erdöl- bzw. Erdgasgewinnungseinrichtung.“65 Gemeint ist damit nicht das tatsächliche tägliche Fördervolumen, sondern das beantragte bzw. zugelassene tägliche Fördervolumen, unabhängig davon, ob dieses ausgeschöpft wird.66 Entscheidend ist richtigerweise nicht allein die Fördermenge einer Bohrung, sondern die Fördermenge des Vorhabens. Dieses kann über eine einzelne Produktionsbohrung hinausgehen. Werden an einem Förderstandort mehrere Produktionsbohrungen betrieben, sind die Fördermengen der Produktionsbohrungen als einheitliches Gewinnungsvorhaben zu addieren; entscheidend für eine additive Betrachtung ist ein funktionaler Zusammenhang mehrerer Bohrungen, der durch einen Förderstandort, gelegen auf einem Betriebsgelände (häufig auch Clusterplatz genannt), konkretisiert wird. Die Zielsetzung der Nr. 2 Buchst. a) kann nicht durch Aufteilung eines

61 BR-Drs. 144/15, S. 13. 62 Wiesendahl ZfB 2015, 3, 9f. 63 Die mit der Art. 5 der Verordnung zur Änderung bergrechtlicher Verordnungen vom 10.8.1998 neu geregelten UVPPflichten sind gemäß Art. 6 der Verordnung zur Änderung bergrechtlicher Verordnungen anzuwenden auf Vorhaben, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verordnung am 14.3.1999 noch nicht begonnen waren. 64 BR-Drs. 448/98, S. 16. 65 BR-Drs. 448/98, S. 16. 66 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 57c Rn. 11e. Keienburg/Wiesendahl

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Zweites Kapitel – Anzeige, Betriebsplan

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Gewinnungsbetriebs in mehrere Bohrungen, die jeweils den Schwellenwert der Nr. 2 Buchst. a) unterschreiten, unterlaufen werden.67 Seit Inkrafttreten der Verordnung zur Einführung von Umweltverträglichkeitsprüfungen und 29b über bergbauliche Anforderungen beim Einsatz der Fracking-Technologie und Tiefbohrungen am 6.8.2016 bestimmt Nr. 2 Buchst. b), dass die UVP-Pflicht bei Unterschreiten der Schwellenwerte von täglich 500 t Erdöl bzw. 500.000 m³ Erdgas vom Ergebnis einer allgemeinen Vorprüfung abhängt. Während die Aufsuchung von Erdöl und Erdgas durch Explorationsbohrungen im Bereich 29c der Küstengewässer und des Festlandsockels (jetzt geregelt in Satz 1 Nr. 2b) oder durch Fracking (Satz 1 Nr. 2a) fördermengenunabhängig UVP-pflichtig ist, besteht für die Aufsuchung von Erdöl und Erdgas im konventionellen Bohrlochbergbau außerhalb der Küstengewässer und des Festlandsockels grundsätzlich weder eine Pflicht zur UVP noch zu einer Vorprüfung.68 Bei Tiefbohrungen ab 1.000 Metern Teufe ist Satz 1 Nr. 10 zu beachten. Das unkonventionelle Gewinnungsverfahren des Hydraulic Fracturing – sog. Fracking – 30 erforderte bis August 2016 mangels Erreichens der Schwellenwerte der Nr. 2 Buchst. a) a.F. oftmals auch in der Gewinnungsphase keine Umweltverträglichkeitsprüfung.69 Ab dem Jahr 2011 wurden Verordnungsanträge der Länder zur Änderung der UVP-V Bergbau in den Bundesrat eingebracht,70 Gesetzesanträge verschiedener Fraktionen des Bundestags zur Änderung des BBergG sowie der UVP-V Bergbau gestellt71 und Entwürfe des Bundesrats72 sowie des verordnungsermächtigten BMWK73 zur Änderung der UVP-V Bergbau vorgelegt. Die Europäische Kommission gab mit Datum vom 27.1.2014 „an den Rat und das Europäische Parlament über die Exploration von Kohlenwasserstoffen (z.B. Schiefergas) durch Hochvolumen-Hydrofracking in der EU“ die Empfehlung an die Mitgliedstaaten, zur Entwicklung eines einheitlichen Rechtsrahmens sicherzustellen, dass vor der Exploration und Förderung von Kohlenwasserstoffen mit dem voraussichtlichen Einsatz von Hochdruck-Hydrofracking eine strategische Umweltprüfung durchgeführt wird.74 In der Bundesrepublik wurden ab Mitte 2014 Überlegungen angestellt, sowohl das Wasserhaushaltsgesetz als auch die UVP-V Bergbau zu ändern und darüber Fracking normativ zu regeln.75 Dies ist mittlerweile geschehen. Mit der Verordnung zur Einführung von Umweltverträglichkeitsprüfungen und über bergbauliche Anforderungen beim Einsatz der Fracking-Technologie und Tiefbohrungen vom 4.8.2016 wurde § 1 UVP-V Bergbau mit Wirkung zum 6.8.2016 u.a. um die Nr. 2a ergänzt, welche für die Aufsuchung und Gewinnung von Erdöl und Erdgas durch Aufbrechen von Gestein unter hydraulischem Druck (Fracking) eine UVP-Pflicht vorsieht; vgl. dazu Rn. 30a.

3. Aufsuchung und Gewinnung von Erdöl und Erdgas durch Aufbrechen von Gestein unter hydraulischem Druck (Nr. 2a) Bei der Aufsuchung und Gewinnung von Erdöl durch Aufbrechen von Gestein unter hydraulischem 30a Druck (Hydraulic Fracturing – sog. Fracking-Technologie) werden mittels Tiefbohrungen unter hohem Druck Risse im Gestein erzeugt. Hierdurch werden die im Gestein gebundenen Bodenschätze 67 So auch ausdrücklich Schlussantrag der Generalanwältin vom 9.10.2014, C-531/13, juris Rn. 40; der EuGH hat diese Frage im abschließenden Urteil vom 11.2.2015, C-531/13, ZfB 2015, 23 ff. nicht behandelt.

68 Vgl. Keienburg ZfB 2016, 270, 278. 69 Vgl. Attendorn ZUR 2011, 565, 568. 70 Antrag der Landesregierung des Landes Nordrhein-Westfalen vom 29.6.2011, BR-Drs. 388/11 und Antrag des Landes Niedersachsen vom 11.12.2012, BR-Drs. 747/1/12.

71 Antrag der Frakton Bündnis 90/Die Grünen vom 14.12.2011, BT-Drs. 17/8133; Antrag der Fraktion Die Linke vom 21.3.2012, BT-Drs. 17/9034, Antrag der Fraktion der SPD vom 24.4.2012, BT-Drs. 17/9560; zu allem Keienburg BT-AusschussDrs. 17(9)826. 72 Entwurf des Bundesrats vom 14.12.2012, BR-Drs. 747/12. 73 Entwurf vom 25.2.2013. 74 Abgedr. ZfB 2014, 235 ff. 75 Antrag des Landes Niedersachsen vom 2.7.2014, BR-Drs. 283/14. 727

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Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

freigesetzt, wodurch diese aufgesucht bzw. gewonnen werden können. Das sog. Fracking führt zu einem Aufbrechen der Lagerstättengesteine, was deren Durchlässigkeit erhöht. Ermöglicht wird das Aufbrechen durch sog. Fracking-Flüssigkeiten, die ganz überwiegend aus Wasser, zu einem geringen Anteil aus Sand und aus einem prozentual geringen Anteil an Chemikalien bestehen. Um die Gesteine aufzubrechen, werden die Fracking-Flüssigkeiten über Tiefbohrungen in die Gesteinsschicht verbracht. Die so entstehenden Gesteinsrisse werden von dem in den Flüssigkeiten enthaltenen Sand offengehalten. Dies ermöglicht das Freisetzen des Bodenschatzes. Die in den Flüssigkeiten enthaltenen Chemikalien unterstützen das Lösen des Bodenschatzes und beugen zudem der Korrosion und dem Befall durch Bakterien vor.76 Vor Inkrafttreten der Verordnung vom 4.8.2016 war mangels Erreichens der Schwellenwerte der Nr. 2 Buchst. a) oftmals auch in der Gewinnungsphase keine Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich.77 Das sog. Fracking ist seit Inkrafttreten der Verordnung zur Einführung von Umweltverträglichkeitsprüfungen und über bergbauliche Anforderungen beim Einsatz der Fracking-Technologie und Tiefbohrungen vom 4.8.2016 einer zwingenden UVP-Pflicht unterworfen. Die Verordnung trat am 6.8.2016 in Kraft. Sie wurde seitens des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Umwelt und nukleare Sicherheit, dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales und dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur erlassen und war Teil des sog. Regelungspakets Fracking. Weitere Bestandteile dieses Regelungspakets waren das Gesetz zur Änderung wasser- und naturschutzrechtlicher Vorschriften zur Untersagung und zur Risikominimierung bei den Verfahren der FrackingTechnologie, welches am 11.2.2017 in Kraft trat, sowie das Gesetz zur Ausdehnung der Bergschadenshaftung auf den Bohrlochbergbau und Kavernen. Mit dem Regelungspaket Fracking wurde die Nutzung der Fracking-Technologie insb. im WHG erheblichen Beschränkungen unterworfen.78 Der UVPPflicht unterliegen fördermengenunabhängig sowohl die Aufsuchung als auch die Gewinnung von Erdöl und Erdgas mittels Fracking, einschließlich der zugehörigen Tiefbohrungen einschließlich wissenschaftlicher Erprobungsmaßnahmen. Da die Umweltverträglichkeitsprüfung an die Durchführung eines Rahmenbetriebsplanverfahrens geknüpft ist, können mehrere Bohrungen und FrackingBehandlungen über ein Rahmenbetriebsplanverfahren in einer UVP zusammengefasst werden. Die UVP soll laut Verordnungsgeber unter Hinweis auf § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 stets auch die Entsorgung oder Beseitigung von Rückflüssen und Lagerstättenwasser umfassen.79 Für den Fall, dass für ein Fracking-Vorhaben die Umweltauswirkungen noch nicht geprüft wurden, gilt für das dort anfallende Lagerstättenwasser die Nr. 2c. Zu beachten ist bei Vorhaben unter Nutzung der Fracking-Technologie auch § 2 UVP-V Bergbau. Dieser enthält eine Aufzählung von Angaben, welche bei Vorhaben nach Nr. 2a im UVP-Bericht nach § 16 UVPG insbesondere enthalten sein müssen; vgl. dazu § 2 UVP-V Bergbau Rn. 2.

4. Explorationsbohrungen und Förderplattformen im Bereich der Küstengewässer und des Festlandsockels (Nr. 2b) 30b Errichtung und Betrieb von Förderplattformen im Bereich der Küstengewässer und des Festlandsockels zur Gewinnung von Erdöl und Erdgas sind seit Inkrafttreten der UVP-V Bergbau fördermengenunabhängig einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterworfen und waren seit der Verordnung zur Änderung bergrechtlicher Verordnungen vom 10.8.1998 in § 1 Satz 1 Nr. 2 b) UVP-V Bergbau a.F erfasst. Mit der Änderungsverordnung zu bergrechtlichen Vorschriften im Bereich der Küstengewässer und des Festlandsockels vom 3.8.2016 wurde der Regelungsinhalt zunächst mit Wirkung vom 5.8.2016 in die neu geschaffene Nr. 2a aufgenommen. In Umsetzung der Richtlinie 2013/30/EU wurde der Tatbestand zudem um die Aufsuchung von Erdöl und Erdgas durch 76 77 78 79

Schink/Fellenberg/Wiesendahl WHG, § 9 Rn. 52. Vgl. Attendorn ZUR 2011, 565, 568. Schink/Fellenberg/Wiesendahl WHG, § 13a Rn. 8ff. BR-Drs. 144/15, S. 14; vgl. Rn. 30d.

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Explorationsbohrungen ergänzt. Mit der Verordnung zur Einführung von Umweltverträglichkeitsprüfungen und über bergbauliche Anforderungen beim Einsatz der Fracking-Technologie und Tiefbohrungen vom 4.8.2016 wurde der Inhalt von Nr. 2a mit Wirkung vom 6.8.2016 in die wiederum neu geschaffene Nr. 2b verschoben. Für Aufsuchungen ohne den Einsatz der Bohrtechnologie soll die UVP-Pflicht nach dieser Vorschrift nicht gelten.80 Die Aufsuchung von Erdöl und Erdgas im Bohrlochbergbau außerhalb der Küstengewässer und des Festlandsockels als solche erfordert dagegen weder eine UVP noch eine Vorprüfung. Die UVP-Vorprüfpflicht von Tiefbohrungen zur Aufsuchung von Bodenschätzen, auch Erdgas und Erdöl, ist in § 1 Satz 1 Nr. 10 Buchst. b) UVP-V Bergbau geregelt. Ab einer Teufe von 1.000 Metern ist eine standortbezogene Vorprüfung erforderlich; vgl. dazu Rn. 66b).81

5. Entsorgung oder Beseitigung von Lagerstättenwasser (Nr. 2c) Zwingend UVP-pflichtig ist die Entsorgung oder Beseitigung, einschließlich Versenkbohrungen, der 30c bei der Aufsuchung und Gewinnung von Erdgas und Erdöl aus der Lagerstätte nach über Tage geförderten Flüssigkeiten geogenen Ursprungs. Diese Flüssigkeiten definiert Nr. 2c als Lagerstättenwasser. Obwohl Nr. 2c als Teil des sog. Regelungspakets Fracking in die UVP-V Bergbau eingefügt wurde, ist es unerheblich, ob das Lagerstättenwasser aus einem Fracking-Vorhaben oder einem anderen Vorhaben zur Aufsuchung oder Gewinnung von Erdgas oder Erdöl stammt. Vorhaben der Gasspeicherung stellen keine Gewinnungsvorhaben dar, so dass die Entsorgung des bei der Ausspeicherung anfallenden Lagerstättenwassers nicht unter Nr. 2c fällt. Die Regelung greift nicht, soweit die relevanten Umweltauswirkungen bereits im Rahmen 30d einer UVP für Aufsuchungs- oder Gewinnungsvorhaben nach den Nr. 2, 2a oder 2b geprüft wurden. Sind bereits Aufsuchung oder Gewinnung von Erdgas oder Erdöl nach Maßgabe des § 1 Satz 1 Nr. 2 UVP-V Bergbau UVP-pflichtig, ist die Entsorgung oder Beseitigung dabei anfallenden Lagerstättenwassers in die UVP für Aufsuchung/Gewinnung zu integrieren.82 Der Verordnungsgeber verweist insoweit auf § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6, wonach in Betriebsplänen auch die ordnungsgemäße Verwendung und Beseitigung von Abfällen eines Aufsuchungs- und Gewinnungsbetriebs nachzuweisen ist und daher die UVP auch die Entsorgung von Lagerstättenwasser umfasst. Für die Entsorgung von Lagerstättenwasser außerhalb des jeweiligen Bergbaubetriebes bedeutet dies jedoch nur, dass das Ob einer ordnungsgemäßen Entsorgung im Betriebsplanverfahren geprüft werden muss. Die Entsorgung selbst wird dann nicht durch Betriebsplan zugelassen und damit auch nicht zum Gegenstand einer UVP für Aufsuchung oder Gewinnung. Eine UVP im bergrechtlichen Betriebsplanverfahren setzt gemäß § 1 UVP-V Bergbau zwingend voraus, dass das zuzulassende Vorhaben durch Betriebsplan zuzulassen ist. Andernfalls scheidet eine Umweltverträglichkeitsprüfung im Betriebsplanverfahren aus. Nur dann, wenn nicht bereits Aufsuchung oder Gewinnung UVP-pflichtig sind, kommt der 30e Regelung in § 1 Satz 1 Nr. 2c UVP-V Bergbau insoweit eigenständige Bedeutung zu, als darüber die UVP-Pflicht nicht der gesamten Aufsuchung oder Gewinnung, aber von Entsorgung oder Beseitigung anfallenden Lagerstättenwassers begründet wird. Der Verordnungsgeber will, dass Entsorgung oder Beseitigung von Lagerstättenwasser immer und unabhängig von einer UVP-Pflicht von Aufsuchung und Gewinnung einer UVP unterworfen werden, so etwa auch bei nachträglicher Änderung des Entsorgungsweges. Über die UVP-Pflicht des § 1 Satz 1 Nr. 2c UVP-V Bergbau erfordert damit (vorbehaltlich der Übergangsregelung; vgl. dazu § 4 UVP-V Bergbau Rn. 4) jedes Kohlenwasserstoffvorhaben, in dessen Rahmen Lagerstättenwasser anfällt, dann, wenn die Voraussetzun-

80 BR-Drs. 144/15, S. 14; BR-Drs. 274/16, S. 141. 81 Vgl. Keienburg ZfB 2016, 270, 278. 82 Vgl. Keienburg ZfB 2016, 270, 279; BR-Drs. 144/15, S. 14. 729

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Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

gen der Nr. 2c erfüllt sind, mindestens eine (Teil-)UVP, bezogen auf Entsorgung oder Beseitigung des Lagerstättenwassers.83 § 1 Satz 1 Nr. 2c UVP-V Bergbau bezieht sich dabei auf die untertägige Entsorgung oder Beseitigung von Lagerstättenwasser. Eine Entsorgung von Lagerstättenwasser durch Einleitung in ein Oberflächengewässer oder Einleitung in eine Kläranlage ist ggf. die Folge, aber nicht Teil eines Bergbaubetriebs und bereits nicht betriebsplanpflichtig und damit auch nicht aufgrund der Nr. 2c UVP-pflichtig. Unter die erfassten Maßnahmen einer (untertägigen) Entsorgung und Beseitigung fällt auch nicht die Re-Injektion von Lagerstättenwasser zu Zwecken der Förderung, da eine solche Einbringung von Lagerstättenwasser Teil eines Gewinnungsvorhabens, nicht aber Entsorgung oder Beseitigung von Lagerstättenwasser ist. Im Referentenentwurf vom 18.12.2014 war noch vorgesehen, eine UVP-Pflicht auch der Wiederverwendung der nach über Tage geförderten Flüssigkeiten zu regeln. Die Begrifflichkeit der Wiederverwendung entfiel bereits mit dem Referentenentwurf aus März 2015. Die Entstehungsgeschichte spricht dafür, dass der Verordnungsgeber zwischen Wiederverwendung (Einbringung) auf der einen Seite und Entsorgung und Beseitigung von Lagerstättenwasser auf der anderen Seite unterscheidet und die Wiederverwendung von Lagerstättenwasser zu Förderzwecken von der verabschiedeten, auf Entsorgung und Beseitigung beschränkten, Regelung nicht erfasst wird. Dafür spricht auch die Begründung des Verordnungsgebers, dass eine der Nr. 2c entsprechende Regelung für die Erdwärmegewinnung entbehrlich war. Der Verordnungsgeber verweist darauf, dass das Wasser bei der Erdwärmegewinnung im Kreis zirkuliert und bei Stilllegung der Gewinnung in die Lagerstätte zurückfalle und nicht an anderer Stelle entsorgt werden müsse, so dass hier eine UVP-Pflicht entbehrlich sei. Gleiches gilt für Lagerstättenwasser, das zu Förderzwecken eingesetzt wird. Die Entsorgung von Lagerstättenwasser an anderer Stelle ist bei der Re-Injektion zu Förderzwecken entbehrlich.84 Ebenfalls nicht von § 1 Satz 1 Nr. 2c UVP-V Bergbau erfasst ist der Transport von Lagerstättenwasser. Dieser war im Verordnungsentwurf noch vorgesehen,85 findet sich in der geltenden Verordnung jedoch nicht mehr. Allerdings kann eine Lagerstättenwasserleitung als Rohrleitungsanlage zum Befördern wassergefährdender Stoffe gemäß Nr. 9 i.V.m. Ziffer 19.3 der Anlage 1 des UVPG unter weiteren Voraussetzungen der UVP- bzw. Vorprüfungspflicht unterfallen.86 Zu beachten sind auch bei Vorhaben nach Nr. 2c die Anforderungen des § 2 UVP-V Bergbau. Dieser enthält eine Aufzählung von Angaben, welche bei Vorhaben nach Nr. 2c im UVP-Bericht nach § 16 UVPG insbesondere enthalten sein müssen; vgl. dazu § 2 UVP-V Bergbau Rn. 2.

6. Halden (Nr. 3) 31 Sowohl die Lagerung von Bodenschätzen als auch die Beseitigung der beim Aufsuchen, Gewinnen und Aufbereiten von Bodenschätzen anfallenden Abfälle unterliegt gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 dem Bergrecht, sofern und solange ein unmittelbarer betrieblicher Zusammenhang mit dem Aufsuchen, Gewinnen und Aufbereiten besteht. Das BBergG erfasst Halden explizit nur in § 128 und versteht darunter Aufschüttungen der bei Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung anfallenden und nicht mehr verwertbaren, also abgelagerten, Abfälle, nicht auch Aufschüttungen der verwertbaren und daher nur gelagerten Bodenschätze.87 Der Verordnungsgeber hat dagegen ein weiteres Verständnis des Haldenbegriffs, das in Nr. 1 Buchst. a) aa) zum Ausdruck kommt. Danach fallen unter die Begrifflichkeit Halden „Lagerung oder Ablagerung von Bodenschätzen, Nebengestein oder sonstigen Massen“ und damit auch die temporäre Lagerung von Bodenschätzen. 83 84 85 86 87

Vgl. Keienburg ZfB 2016, 270, 279 f.; BR-Drs. 144/15, S. 14. Vgl. Keienburg ZfB 2016, 270, 280; BR-Drs. 144/15, S. 15. BR-Drs. 144/15, S. 2. Herbeck ZfB 2017, 1, 15. BT-Drs. 8/1315, S. 152.

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Zweites Kapitel – Anzeige, Betriebsplan

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Halden sind gemäß Nr. 3 abhängig von ihrer Fläche UVP-pflichtig. Bei einer Grundfläche von 32 10 ha oder mehr bedürfen Halden zwingend einer Umweltverträglichkeitsprüfung. Halden mit Grundflächen von weniger als 10 ha bedürfen dagegen auf Grundlage der Nr. 3 keiner Umweltverträglichkeitsprüfung. Anderes kann sich aus den sonstigen Regelungen des § 1 UVP-V Bergbau ergeben. Unter den Voraussetzungen der Nr. 1 Buchst. a) aa) und der Nr. 4a sind Halden auch unabhängig von ihrer Grundfläche UVP-pflichtig. Dies gilt gemäß Nr. 1 Buchst. a) aa) für Halden, die Teil der übertägigen Betriebsanlagen eines Tiefbaubetriebs sind, wenn die übertägigen Betriebsanlagen und -einrichtungen insgesamt, einschließlich der Halde, eine Fläche von 10 ha erreichen oder überschreiten; in diesem Fall ist die Halde als Teil der übertägigen Betriebsanlagen und -einrichtungen auch dann, wenn ihre Fläche weniger als 10 ha umfasst, Gegenstand der Umweltverträglichkeitsprüfung. Dies gilt gemäß Nr. 4a auch dann, wenn eine Halde weder selbst noch als Betriebsteil eines Tiefbaubetriebs eine Grundfläche von 10 ha umfasst oder überschreitet, aber eine Abfallentsorgungseinrichtung der Kategorie A des Anhangs III der Richtlinie über die Bewirtschaftung von Abfällen aus der mineralgewinnenden Industrie vom 15.3.200688 darstellt; eine solche Halde ist seit dem Jahre 2008 flächenunabhängig UVP-pflichtig. Erfüllt eine Halde mehrere Tatbestände des § 1 UVP-V Bergbau, weist sie etwa selbst eine 33 Fläche von 10 ha oder mehr auf und stellt sie sich gleichzeitig als Teil der übertägigen Betriebsanlagen eines Tiefbaubetriebs dar und möglicherweise zusätzlich als Abfallentsorgungseinrichtung der Kategorie A des Anhangs III der Bergbauabfallrichtlinie, bedarf sie dennoch nur einer einzigen Umweltverträglichkeitsprüfung; die Erfüllung mehrerer Eingangsvoraussetzungen der Umweltverträglichkeitsprüfung führt nicht zu einer Vervielfältigung der Zulassungsverfahren. Ist eine Halde Teil eines Tiefbaubetriebs mit einer Grundfläche von mehr als 10 ha, findet die Umweltverträglichkeitsprüfung der Halde im Verfahren zur Zulassung des Tiefbaubetriebs gemäß Nr. 1 Buchst. a) aa) statt; der Tatbestand der Nr. 3 und 4a ist demgegenüber subsidiär.89 Nur dann, wenn eine Halde nicht Teil der übertägigen Betriebsanlagen eines Tiefbaubetriebs ist oder die übertägigen Flächen des Tiefbaubetriebs inklusive Halde nicht mehr als 10 ha betragen, unterliegt eine Halde unter den Voraussetzungen der Nr. 3 und 4a einer eigenständigen Umweltverträglichkeitsprüfung. Diese Umweltverträglichkeitsprüfung erstreckt sich dann allein auf die Halde, nicht auch auf einen von der Halde getrennten Aufsuchungs- oder Gewinnungsbetrieb.90

7. Schlammlagerplätze und Klärteiche (Nr. 4) Schlammlagerplätze und Klärteiche sind gemäß Nr. 4 im Fall eines Flächenbedarfs von 5 ha 34 oder mehr UVP-pflichtig. Auch hier gilt, ebenso wie bei den von Nr. 3 erfassten Halden, dass dann, wenn Schlammlagerplätze oder Klärteiche Betriebsanlagen oder -einrichtungen eines Tiefbaubetriebs mit einem Flächenbedarf der übertägigen Betriebsteile von 10 ha oder mehr sind, die Umweltverträglichkeitsprüfung in dem dann vorrangigen Verfahren gemäß Nr. 1 Buchst. a) aa) stattfindet. Ebenso gilt für Schlammlagerplätze und Klärteiche, wie für Halden, dass diese dann, wenn sie Abfallentsorgungseinrichtungen der Kategorie A gemäß Anhang III der Richtlinie 2006/21/EG darstellen, gemäß Nr. 4a flächenunabhängig einer Umweltverträglichkeitsprüfung bedürfen.

88 RL 2006/21/EG, S. 15. 89 Ebenso Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 57c Rn. 12 und Kühne Bergrechtlicher Rahmenbetriebsplan, Anlagengenehmigungsrecht und Umweltverträglichkeitsprüfung, S. 83 zu dem Verhältnis zwischen § 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a) aa) UVP-V Bergbau und Nr. 3. 90 Dies verkennt Schulte Kernfragen des bergrechtlichen Genehmigungsverfahrens, S. 85 f., wenn er meint, die UVPPflicht einer Halde führe zur UVP-Pflicht auch des zugehörigen Gewinnungsbetriebs. 731

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Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

8. Abfallentsorgungseinrichtungen der Kategorie A des Anhangs III der Bergbauabfallrichtlinie (Nr. 4a) 35 Unabhängig von ihrer Grundfläche bedürfen Abfallentsorgungseinrichtungen der Kategorie A des Anhangs III der Bergbauabfallrichtlinie einer Umweltverträglichkeitsprüfung. Auch Halden mit einem Flächenbedarf von weniger als 10 ha und Schlammlagerplätze und Klärteiche mit einem Flächenbedarf von weniger als 5 ha, die nicht unter die Nr. 3 und 4 fallen, bedürfen einer Umweltverträglichkeitsprüfung, wenn es sich um Abfallentsorgungseinrichtungen der Kategorie A des Anhangs III der Bergbauabfallrichtlinie handelt. Anhang III der Bergbauabfallrichtlinie lautet: „Abfallentsorgungseinrichtungen werden in Kategorie A eingestuft, wenn –

die Risikoabschätzung, bei der Faktoren wie derzeitige oder künftige Größe, Standort und Umweltauswirkungen der Abfallentsorgungseinrichtung berücksichtigt wurden, ergibt, dass ein Versagen oder der nicht ordnungsgemäße Betrieb, wie z.B. das Abrutschen einer Halde oder ein Dammbruch, zu einem schweren Unfall führen könnte, oder



die Anlage Abfälle enthält, die gemäß der Richtlinie 91/689/EWG ab einem bestimmten Schwellenwert als gefährlich eingestuft werden, oder



die Anlage Stoffe oder Zubereitungen enthält, die gemäß den Richtlinien 67/548/EWG bzw. 1999/45/EG ab einem bestimmten Schwellenwert als gefährlich eingestuft werden.“

35a Einer Einstufung in Kategorie A zugänglich sind feste und flüssige Abfälle, nicht aber Abwässer. Die Entsorgung von Abwässern durch Einleitung in ein Gewässer unterfällt dem Wasserrecht, nicht dem Abfallrecht und stellt kein Vorhaben im Sinne der Nr. 4a dar.91 Das Versenken von Abwässern des Bergbaus im Untergrund erfüllt auch keinen sonstigen Tatbestand i.S.d. Anlage 1 des UVPG.92 Unter Nr. 4a fallen Abfallentsorgungseinrichtungen nicht, wenn darin nur solche Abfälle be35b handelt werden, die mittelbar bei dem Gewinnen von Erdgas als mineralischem Rohstoff angefallen sind, wie etwa mit Feststoffen versetzte Reinigungswässer, die bei der Wartung und Reinigung von Anlagenteilen anfallen, die bei der Erdgasproduktion eingesetzt wurden.93 Die in Nr. 4a begründete Verpflichtung einer Umweltverträglichkeitsprüfung von Abfallentsor36 gungseinrichtungen der Kategorie A des Anhangs III der Bergbauabfallrichtlinie wurde mit der Dritten Verordnung zur Änderung bergrechtlicher Verordnungen vom 24.1.2008 zur Umsetzung von Art. 8 und 16 der Bergbauabfallrichtlinie eingefügt94 und ist gemäß § 4 Abs. 3 UVP-V Bergbau anwendbar auf Verfahren, die nach dem 1.5.2008 begonnen wurden oder werden. Art. 8 und 16 der Bergbauabfallrichtlinie beinhalten zwar keine Verpflichtung zur Umweltverträglichkeitsprüfung, aber zur Beteiligung der Öffentlichkeit und ggf. auch zur grenzüberschreitenden Beteiligung im Genehmigungsverfahren einer Abfallentsorgungseinrichtung der Kategorie A des Anhangs III der Bergbauabfallrichtlinie. Da eine Öffentlichkeitsbeteiligung im Bergrecht nur im Fall einer Umweltverträglichkeitsprüfung aufgrund des dann gemäß § 52 Abs. 2a durchzuführenden Planfeststellungsverfahrens zwingend ist und nur im Fall einer Umweltverträglichkeitsprüfung eine grenzüberschreitende Beteiligung gemäß § 57a Abs. 6 möglich ist, entschloss sich der Gesetzgeber, Abfallentsorgungseinrichtungen der Kategorie A des Anhangs III der Bergbauabfallrichtlinie einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterwerfen, um so die Beteiligungsvorgaben der Bergbauabfallrichtlinie umzusetzen. Im Übrigen sind die Vorgaben der Bergbauabfallrichtlinie durch die mit der Dritten Verordnung zur Änderung bergbaulicher Verordnungen vom 24.1.2008 ebenfalls neu erlassene Regelung des § 22a ABBergV umgesetzt. 91 VGH Kassel 20.3.2013, 2 B 1716/12, ZfB 2013, 291 Rn. 30; ebenso zuvor VG Kassel 2.8.2012, 4 L 81/12, ZfB 2013, 61, 69 f. 92 VGH Kassel 20.3.2013, 2 B 1716/12, ZfB 2013, 291 Rn. 11 ff. zur Speicherung insbes. Rn. 18; ebenso zuvor VG Kassel 2.8.2012, 4 L 81/12, ZfB 2013, 61, 65 ff.

93 OVG Lüneburg 9.8.2019, 12 MS 34/19, NVwZ-RR 2020, 23, 24f. 94 BR-Drs. 795/07, S. 18. Keienburg/Wiesendahl

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9. Gruben- und Grubenanschlussbahnen (Nr. 5) Grubenbahnen sind nicht öffentliche und rein innerbetriebliche Betriebsanlagen eines Bergwerks- 37 betriebs ohne Verbindung zu Eisenbahnen des öffentlichen Verkehrs. Grubenanschlussbahnen sind nicht öffentliche Betriebsanlagen eines Bergwerksbetriebs, die den Bergwerksbetrieb mit dem öffentlichen Verkehr verbinden. Grubenbahnen und Grubenanschlussbahnen sind als Betriebsanlagen eines Bergwerks i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 3 betriebsplanpflichtig, da der Geltungsbereich des Bundesberggesetzes gemäß § 2 Abs. 4 Nr. 1 erst im Schienenverkehr der öffentlichen Eisenbahnen endet; vgl. dazu § 2 Rn. 34. Der Bau von Bahnstrecken für Gruben- und Grubenanschlussbahnen erfordern gemäß Nr. 5 38 schwellenwertunabhängig und damit zwingend eine Vorprüfung. Nr. 5 wurde mit der Zweiten Verordnung zur Änderung bergrechtlicher Verordnungen vom 10.8.2005 geändert; die Überleitungsregelung ist in § 4 Abs. 1 UVP-V Bergbau enthalten. Die in Nr. 5 ursprünglich geregelte UVPPflicht einzelner Aufbereitungsanlagen i.S.d. § 4 Abs. 3 wurde aufgrund der mit der Änderungsverordnung neu eingefügten Nr. 9 gestrichen; zur UVP-Pflicht von Aufbereitungsanlagen vgl. Rn. 59. Stattdessen wurde mit der neuen Nr. 5 erstmals eine allgemeine Vorprüfpflicht des Baus von Gruben- und Grubenanschlussbahnen gemäß § 7 Abs. 1 UVPG geregelt. Begründet wurde die neu geregelte Vorprüfpflicht von Gruben- und Grubenanschlussbahnen mit der „besonderen Dynamik des Bergbaubetriebs“.95 Entgegen der Formulierung der Nr. 5, die auf den Bau von Gruben- und Grubenanschlussbahnen abstellt, sind bei der Vorprüfung und einer sich ggf. anschließenden Umweltverträglichkeitsprüfung auch die Auswirkungen des Betriebs zu betrachten. Dies ergibt sich aus dem Erfordernis der Umweltverträglichkeitsprüfung, auch die mittelbaren Auswirkungen eines Vorhabens und damit, auch wenn die UVP-Pflicht an den Bau eines Vorhabens geknüpft ist, auch die Auswirkungen des Betriebs zu betrachten.

10. Wassertransportleitungen (Nr. 6) Auch Nr. 6 wurde mit der Zweiten Verordnung zur Änderung bergrechtlicher Verordnungen im 39 Jahre 2005 geändert; die Überleitungsregelung ist in § 4 Abs. 1 UVP-V Bergbau enthalten. Die in Nr. 6 ursprünglich geregelte UVP-Pflicht von Feuerungsanlagen wurde ebenso wie die zuvor in Nr. 5 geregelte UVP-Pflicht von Aufbereitungsanlagen aufgrund der mit der Änderungsverordnung neu eingefügten Nr. 9 gestrichen; zur UVP-Pflicht von Feuerungsanlagen vgl. Rn. 56. Stattdessen wurden mit der neuen Nr. 6 erstmals Wassertransportleitungen zum Fortleiten von Wasser aus der Tagebauentwässerung, die den Bereich des Betriebsgeländes überschreiten, erfasst. Derartige Wassertransportleitungen unterliegen bei einer Länge von 25 km oder mehr außerhalb des Betriebsgeländes einer allgemeinen Vorprüfung i.S.d. § 7 Abs. 1 UVPG und bei einer Länge von 2 km bis weniger als 25 km außerhalb des Betriebsgeländes einer standortbezogenen Vorprüfung i.S.d. § 7 Abs. 2 UVPG. Begründet wurde auch diese Neuregelung mit der besonderen Dynamik des Bergbaubetriebs.96 Das Betriebsgelände eines Tagebaus geht über die für die übertägigen Betriebseinrichtungen 40 erforderliche Fläche hinaus und umfasst die gesamte Abbaufläche des Tagebaus bis zu der in der amtlichen Begründung der Nr. 6 ausdrücklich erwähnten Sicherheitslinie.97 Im Rahmen der Prüfung der UVP-Pflicht der Wassertransportleitung zu betrachten ist allein die Länge des außerhalb der Sicherheitslinie verlaufenden Leitungsteils; zu dessen Zulassungspflicht vgl. § 2 Rn. 40. Als weiterer Anlagentyp wurden mit Artikel 1 der Verordnung zur Einführung von Umwelt- 40a verträglichkeitsprüfungen und über bergbauliche Anforderungen beim Einsatz der Fracking-Technologie und Tiefbohrungen vom 4.8.2016 Leitungen zum Fortleiten von salzhaltigen Wässern aus 95 BR-Drs. 251/05, S. 23. 96 BR-Drs. 251/05, S. 23. 97 BR-Drs. 251/05, S. 23. 733

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Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

der Gewinnung und Aufbereitung von Kali- und Steinsalz einschließlich solcher aus Kalihalden in Nr. 6 aufgenommen. Der Verordnungsgeber sah hier eine Regelungslücke, da diese bislang in der Regel keiner UVP-Pflicht unterlagen, aber aus seiner Sicht das Gefährdungspotenzial im Vergleich zu einer Tagebauentwässerung in der Regel höher einzustufen sei.98 41 Andere Leitungen sind derzeit von Nr. 6 nicht erfasst, können jedoch schwellenwertabhängig eine Umweltverträglichkeitsprüfung oder Vorprüfung gemäß Nr. 9 i.V.m. Nr. 19 der Anlage 1 des UVPG erfordern; vgl. dazu Rn. 58.

11. Untergrundspeicher (Nr. 6a) 42 Untergrundspeicher sind gemäß der Legaldefinition in § 4 Abs. 9 Anlagen zur unterirdischen behälterlosen Speicherung von Gasen, Flüssigkeiten und festen Stoffen mit Ausnahme von Wasser. Erfasst werden damit allein unterirdische Anlagen zur behälterlosen Speicherung im Unterschied zur Speicherung in Behältern. Erfasst werden weiterhin allein unterirdische Anlagen zur Speicherung im Sinne einer temporären Aufbewahrung mit dem Zweck der späteren Wiederverwendung in Abgrenzung zur Entsorgung mit dem Zweck der dauerhaften Beseitigung.99 Auf die Untersuchung des Untergrunds auf seine Eignung als Untergrundspeicher und auf die Nutzung des Untergrunds als Untergrundspeicher finden gemäß § 126 Abs. 1 einzelne Vorschriften des BBergG entsprechende Anwendung, u.a. die Vorschriften über das Betriebsplanzulassungsverfahren. 43 Bis zur Einfügung der Nr. 6a mit der Verordnung zur Neufassung und Änderung von Vorschriften auf dem Gebiet des Energiewirtschaftsrechts sowie des Bergrechts vom 3.9.2010 bedurften Untergrundspeicher i.S.d. § 4 Abs. 9 keiner Umweltverträglichkeitsprüfung. Dies bestätigte das BVerwG auf Grundlage der UVP-V Bergbau i.d.F. vom 13.7.1990 in der Gasspeicher-Entscheidung aus dem Jahre 1991.100 Nichts anderes ergab sich aus der mit Art. 5 der Zweiten Verordnung zur Änderung bergrechtlicher Verordnungen vom 10.8.2005 neu eingefügten Nr. 9 und dem dortigen Verweis auf die Vorgaben der Anlage 1 des UVPG. Anlage 1 des UVPG in der Fassung des Jahres 2010 regelte in den dortigen Nr. 9.1 und 9.2 eine UVP-Pflicht ausdrücklich nur für Anlagen zur Speicherung von brennbaren Gasen und Flüssigkeiten in Behältern, verhielt sich aber nicht zur unterirdischen behälterlosen Speicherung.101 Seit der Änderung der Anlage 1 des UVPG mit dem Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über Industrieemissionen vom 8.4.2013 werden in Nr. 9.3 und 9.4 der Anlage 1 des UVPG auch Anlagen zur Speicherung von Stoffen i.S.d. Anhangs 2 der 4. BImSchV sowie Anlagen zur Lagerung von Erdöl, petrochemischen oder chemischen Stoffen oder Erzeugnissen mit einem bestimmten Fassungsvermögen erfasst, ohne dass der Wortlaut der Nr. 9.3 und 9.4 ausdrücklich auf eine Lagerung in Behältern beschränkt wäre. Ein Rückgriff auf Anlage 1 Nr. 9.3 und 9.4 UVPG bei Untergrundspeichern i.S.d. § 4 Abs. 9 ist aber seit Inkrafttreten der Spezialregelung für Untergrundspeicher in Nr. 6a zum einen aufgrund der Sperrwirkung des § 1 Nr. 9 UVP-V Bergbau für Vorhaben, die ihrer Art oder Gruppe nach unter § 1 Nr. 1 bis 8 UVP-V Bergbau fallen, ausgeschlossen. Zudem bezieht sich auch der Regelungszweck der Nr. 9.3 und 9.4 der Anlage 1 des UVPG ausweislich der amtlichen Begründung und der Inbezugnahme der 4. BImSchG allein auf immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftige Anlagen,102 worum es sich bei bergrechtlich zuzulassenden Untergrundspeichern gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 BImSchG nicht handelt. Nr. 6a regelt eine UVP-Pflicht bzw. Vorprüfpflicht für Untergrundspeicher für Erdgas und 43a Erdöl sowie petrochemische und chemische Erzeugnisse. Hintergrund der Erfassung von Unter-

98 BR-Drs. 144/15, S. 15. 99 BT-Drs. 8/1315, S. 77 und 83. 100 BVerwG 13.12.1991, 7 C 25/90, BVerwGE 89, 246, 258 = ZfB 1992, 38, 45. 101 BR-Drs. 312/10, S. 106; Hammerstein/Hoff ZfB 2009, 193, 195 f. 102 BR-Drs. 17/10486, S. 72. Keienburg/Wiesendahl

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grundspeichern zur Lagerung von Erdgas, Erdöl, petrochemischen oder chemischen Erzeugnissen ist nach der amtlichen Begründung die zunehmend an Bedeutung gewinnende Untergrundspeicherung von Erdgas und anderen Stoffen.103 Sonstige Untergrundspeicher zur Speicherung etwa von Druckluft zur Bevorratung von Druckluftspeichern unterfallen Nr. 6a nicht.104 Gleiches gilt derzeit noch für Untergrundspeicher zur Speicherung von Wasserstoff; vgl. dazu Rn. 44a. Eine Übergangsregelung ist für am 9.9.2010 bereits begonnene Verfahren in § 4 Abs. 4 UVP-V Bergbau normiert. Zwingend UVP-pflichtig sind gemäß Nr. 6a Buchst. b) aa) Untergrundspeicher für Erdöl sowie 44 petrochemische und chemische Erzeugnisse mit einem Fassungsvermögen von 200.000 Tonnen oder mehr. Erdgasspeicher sind nicht zwingend UVP-pflichtig. Erdgasspeicher mit einem Fassungsvermögen von einer Milliarde Kubikmeter oder mehr sowie Untergrundspeicher für Erdöl sowie petrochemische und chemische Erzeugnisse mit einem Fassungsvermögen von 50.000 Tonnen bis weniger als 200.000 Tonnen bedürfen gemäß Nr. 6a Buchst. a) aa) bzw. b) bb) einer allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls gemäß § 7 Abs. 1 UVPG. Erdgasspeicher mit einem Fassungsvermögen von 100.000 Millionen Kubikmeter bis weniger als einer Milliarde Kubikmeter sowie Untergrundspeicher für Erdöl sowie petrochemische und chemische Erzeugnisse mit einem Fassungsvermögen von 10.000 Tonnen bis weniger als 50.000 Tonnen bedürfen gemäß Nr. 6a Buchst. a) bb) bzw. b) cc) einer standortbezogenen Vorprüfung des Einzelfalls i.S.d. § 7 Abs. 2 UVPG. Keiner Vorprüfung bedürfen im Umkehrschluss Erdgasspeicher mit einem Fassungsvermögen von weniger als 100 Millionen Kubikmeter sowie Speicher für Erdöl, petrochemische oder chemische Erzeugnisse mit einem Fassungsvermögen von weniger als 10.000 Tonnen. Im Fokus der Untergrundspeicherung steht aktuell Wasserstoff. Wasserstoff ist auf Grundlage 44a der nationalen Wasserstoffstrategie der Bundesregierung ein zentraler Aspekt bei der Weiterentwicklung und Vollendung der Energiewende, denn er ermöglicht es, mit Hilfe erneuerbarer Energien die CO2-Emissionen vor allem in Industrie und Verkehr deutlich zu verringern. Mit dem Gesetz zur Gesetz zur Umsetzung unionsrechtlicher Vorgaben und zur Regelung reiner Wasserstoffnetze im Energiewirtschaftsrecht vom 16.7.2021105 wurde das EnWG ausdrücklich um Wasserstoff als Energie erweitert. Für die behälterlose Speicherung von Wasserstoff in Untergrundspeichern bleibt das Bergrecht anwendbar. Eine UVP-Pflicht ergibt sich aus Nr. 6a für Wasserstoffspeicher derzeit nicht. Denn Wasserstoff ist weder Erdgas i.S.d. Buchst. a), noch ein chemisches Erzeugnis i.S.d. Buchst. b). § 3 Nr. 5 ChemG definiert ein Erzeugnis als „Gegenstand, der bei der Herstellung eine spezifische Form, Oberfläche oder Gestalt erhält, die in größerem Maße als die chemische Zusammensetzung seine Funktion bestimmt.“ Davon unterschieden wird in § 3 Nr. 1 ChemG der Begriff des Stoffes, der definiert ist als „chemisches Element und seine Verbindungen in natürlicher Form oder gewonnen durch ein Herstellungsverfahren, einschließlich der zur Wahrung seiner Stabilität notwendigen Zusatzstoffe und der durch das angewandte Verfahren bedingten Verunreinigungen, aber mit Ausnahme von Lösungsmitteln.“ Wasserstoff stellt ein chemisches Element, also einen Stoff dar, aber bei Heranziehung der Legaldefinition des § 3 Nr. 5 ChemG kein chemisches Element. Damit fällt Wasserstoff nicht unter die Regelung des § 1 Nr. 6a Buchst. b) UVP-V Bergbau, wofür auch die dort verwandte Maßeinheit des Gewichts in Tonnen spricht; Wasserstoff ist ein leichtes Gas und wird in Kavernen der typischen Größe der Erdgasspeicherung die Mengenschwellen der Nr. 6a Buchst. b) nicht erreichen. Wenn eine UVP-Pflicht für die Untergrundspeicherung von Wasserstoff geregelt werden soll, ist die Schwelle sinnvollerweise – wie in Nr. 6a Buchst. a) für Erdgas geregelt – anhand des Volumens in Kubikmeter festzulegen. Dies ist auch die aktuelle Überlegung auf Referentenebene; ein Referentenentwurf existiert noch nicht.

103 BR-Drs. 312/10, S. 106. 104 Schütte/Preuß NVwZ 2012, 535, 540. 105 BGBl I S. 3026. 735

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Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

12. Endlager für radioaktive Abfälle (Nr. 7) 45 Errichtung und Betrieb von Anlagen zur Endlagerung radioaktiver Abfälle sind aufgrund des kerntechnischen Bezugs spezialgesetzlich im Atomgesetz geregelt und unterliegen dem dort in § 9b AtG normierten atomrechtlichen Planfeststellungsverfahren bzw. im Nachgang zu einem Standortauswahlverfahren dem in § 9b Abs. 1a AtG geregelten atomrechtlichen Genehmigungsverfahren. Zusätzlich unterfallen Errichtung und Betrieb von Endlagern für radioaktive Abfälle gemäß § 126 Abs. 3 einzelnen Vorschriften des BBergG, u.a. den Vorschriften über das Betriebsplanverfahren, wenn die zur Endlagerung konzipierte Anlage ihrer Art nach zur unterirdischen behälterlosen Speicherung geeignet ist. Dass Errichtung und Betrieb eines Endlagers für radioaktive Abfälle einer Umweltverträglich46 keitsprüfung bedürfen, ergibt sich zwingend bereits aus Nr. 11.2 der Anlage 1 des UVPG; eine inhaltlich gleichlautende Regelung enthielt auch die Ursprungsfassung der Anlage 1 des UVPG in Nr. 3 a.F. Dennoch wurde die Verpflichtung zur Umweltverträglichkeitsprüfung von Errichtung und Betrieb eines Endlagers für radioaktive Abfälle zusätzlich in Nr. 7 normiert. Dies bedeutet nicht, dass Errichtung und Betrieb eines Endlagers für radioaktive Abfälle sowohl einer atomrechtlichen Zulassung mit Umweltverträglichkeitsprüfung als auch einer bergrechtlichen Planfeststellung mit Umweltverträglichkeitsprüfung bedürfen. Vielmehr regelt § 57b Abs. 3 Satz 2 das Verhältnis zwischen atomrechtlicher Zulassung und bergrechtlicher Planfeststellung dahingehend, dass das atomrechtliche Zulassungsverfahren Vorrang hat; vgl. § 57b Rn. 61. Die obligatorische Rahmenbetriebsplanzulassung wird von der atomrechtlichen Planfeststellung gemäß § 75 Abs. 1 Satz 1 VwVfG und von der atomrechtlichen Genehmigung gemäß § 9b Abs. 1a Satz 4 AtG konzentriert.106 Die in Nr. 7 geregelte UVP-Pflicht und die daraus folgende Rahmenbetriebsplanpflicht eines Endlagers für radioaktive Abfälle dient allein dazu, sicherzustellen, dass die bergrechtlichen Zulassungsvoraussetzungen im Zeitpunkt und im Rahmen des atomrechtlichen Zulassungsverfahrens aufgrund dortiger Konzentration des bergrechtlichen Rahmenbetriebsplans geprüft werden; vgl. § 57b Rn. 63. Erkundungsmaßnahmen vor Errichtung und Betrieb eines Endlagers für radioaktive Abfälle 47 unterfallen weder dem Planfeststellungstatbestand des § 9b AtG noch dem Genehmigungstatbestand des § 9b Abs. 1a AtG noch den Tatbestandsvoraussetzungen der Nr. 7.107 Erkundungsmaßnahmen bedürfen daher weder einer atomrechtlichen Zulassung noch einer obligatorischen Rahmenbetriebsplanzulassung mit Umweltverträglichkeitsprüfung gemäß Nr. 7. Erforderlich ist seit dem 1.1.2014 ein Standortauswahlverfahren für ein Endlager für wärmeentwickelnde Abfälle, für welches in Nr. 1.15 und 1.16 der Anlage 3 des UVPG sowohl für die Phase der Festlegung von Standortregionen und Standorten für die übertägige Erkundung als auch für die Phase der Festlegung der Standorte für die untertägige Erkundung eine strategische Umweltprüfung vorgeschrieben ist. Zudem regelt § 18 Abs. 3 Satz 3 StandAG, dass das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung eine Umweltverträglichkeitsprüfung der vertieft zu erkundenden untertägigen Standorte durchführt; Anlage 1 des UVPG regelt eine UVP-Pflicht der untertägigen Standorterkundung allerdings nicht. Ob eine im Bergrecht wurzelnde UVP-Pflicht der Erkundung – nicht über Nr. 7 aber flächenabhängig über Nr. 1 Buchst. a) – denkbar ist, hängt davon ab, ob die untertägige Erkundung eines Standorts auf seine Eignung für die Endlagerung radioaktiver Abfälle aufgrund des damit in der Regel untrennbar verbundenen Lösens oder Freisetzens von Bodenschätzen dann, wenn die Bodenschätze dem Anwendungsbereich des BBergG unterliegen, bergrechtlich als 106 OVG Lüneburg 8.3.2006, 7 KS 128/02, DVBl 2006, 1044, 1049; Ossenbühl/Gaentzsch Deutscher Atomrechtstag 2004, S. 116; Gaentzsch FS Sendler (1991), S. 403, 407; de Witt in: Ossenbühl (Hrsg.) Deutscher Atomrechtstag 2004, S. 130; so auch Ziffer 3.1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Ausführung des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPVwV) der Bundesregierung vom 18.9.1995; die gegenteilige Auffassung in der Vorauflage Boldt/Weller Ergänzungsband § 57b Rn. 10 wird nicht aufrechterhalten. 107 BVerwG 2.11.1995, 4 C 14/94, BVerwGE 100, 1, 9 f. = ZfB 1995, 278, 283 f.; BVerwG 9.3.1990, 7 C 23/89, BVerwGE 85, 54, 56 ff. = ZfB 1990, 295, 297 f.; OVG Lüneburg 2.4.2013, 7 ME 81/11, ZfB 2013, 319 Rn. 22. Keienburg/Wiesendahl

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Zweites Kapitel – Anzeige, Betriebsplan

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Aufsuchung oder Gewinnung zu werten ist, was streitig ist; vgl. § 4 Rn. 14. Nach hier vertretener Auffassung ist die Erkundung trotz des damit notwendig verbundenen Lösens von Bodenschätzen aufgrund der reinen Zielrichtung der Erkundung einer Aufsuchung in Abgrenzung zur Gewinnung gleichzusetzen. Dies ist für die Betriebsplanpflicht der Erkundungstätigkeiten irrelevant, da sowohl Aufsuchung als auch Gewinnung gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 betriebsplanpflichtig sind, aber für die Frage einer UVP-Pflicht außerhalb von Errichtung und Betrieb eines Endlagers gemäß Nr. 7 ist es maßgeblich. Einer Umweltverträglichkeitsprüfung bedarf untertägiger Bergbau mit einer Fläche der übertägigen Betriebsanlagen von mehr als 10 ha gemäß Nr. 1 Buchst. a) aa) nur im Fall eines Gewinnungsvorhabens. Aufsuchungsvorhaben erfasst der Tatbestand nicht; vgl. dazu Rn. 12.

13. Tiefbohrungen zur Gewinnung von Erdwärme in Naturschutz- oder Natura-2000Gebieten (Nr. 8) Erdwärme ist weder ein mineralischer Rohstoff noch ein Gas und damit kein Bodenschatz i.S.d. § 3 Abs. 1. Gemäß § 3 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b) gilt Erdwärme aber als bergfreier Bodenschatz i.S.d. BBergG, wird also als bergfreier Bodenschatz fingiert. Die Gewinnung von Erdwärme bedarf daher einer Bergbauberechtigung i.S.d. §§ 6 ff. Aufsuchung und Gewinnung von Erdwärme als fingierter Bodenschatz sind betriebsplanpflichtig. Anderes gilt gemäß § 4 Abs. 2 2. Halbsatz Nr. 1 allein für die Gewinnung von Erdwärme in einem Grundstück aus Anlass oder im Zusammenhang mit dessen baulicher Nutzung etwa zur Beheizung eines Gebäudes auf dem Grundstück. Diese Gewinnung gilt nicht als Gewinnung i.S.d. BBergG und erfordert daher weder eine Bergbauberechtigung noch eine Betriebsplanzulassung; vgl. § 4 Rn. 12. Nr. 8 wurde mit der Verordnung zur Änderung bergrechtlicher Verordnungen vom 10.8.1998 eingefügt. Umgesetzt werden sollten damit nach der amtlichen Begründung die Vorgaben in Art. 4 Abs. 2 i.V.m. Anhang II Nr. 2 Buchst. d) der UVP-Richtlinie in der Fassung der Richtlinie 97/11/EG zur fakultativen Umweltverträglichkeitsprüfung von Tiefbohrungen zur Gewinnung von Erdwärme.108 UVP-pflichtig sind gemäß Nr. 8 Tiefbohrungen zur Gewinnung von Erdwärme ab tausend Metern Teufe,109 wenn sie in Naturschutzgebieten oder in Natura-2000-Gebieten abgeteuft werden. Bis 2016 waren in Nr. 8 neben ausgewiesenen Naturschutzgebieten explizit ausgewiesene besondere Schutzgebiete der europäischen Vogelschutzrichtlinie oder der FFH-Richtlinie erfasst. Seit Änderung von Nr. 8 durch Verordnung vom 4.8.2016, in Anpassung an die seit 2010 in § 7 Abs. 1 Nr. 8 BNatSchG befindliche Definition von Natura 2000-Gebieten, verweist die Regelung auf eben jene Definition. Danach sind Natura 2000-Gebiete solche „von gemeinschaftlicher Bedeutung und Europäische Vogelschutzgebiete“. Erfasst sind von dem Oberbegriff der Natura 2000-Gebiete in der Sache die FFH- und Europäischen Vogelschutzgebiete.110 Zu den rechtlichen Voraussetzungen einer verbindlichen und damit für die Umweltverträglichkeitsprüfung maßgeblichen Ausweisung von Naturschutzgebieten, Vogelschutzgebieten und FFH-Gebieten vgl. Rn. 21. Die reine Errichtung eines Bohrplatzes ohne Bohrung fällt nicht unter Nr. 8.111 Erdwärmegewinnungsbohrungen in Landschaftsschutzgebieten fallen nicht unter Nr. 8.112 Aufsuchungsbohrungen werden von Nr. 8 generell – unabhängig von der Örtlichkeit der Bohrung – nicht erfasst, da Nr. 8 auf Bohrungen zur Gewinnung beschränkt ist. Auf Grundlage der derzeitigen Fassung der 108 BR-Drs. 448/98, S. 17. 109 Für die UVP-Pflicht ist ausweislich des ausdrücklichen Wortlauts der Nr. 8 die Teufe, also die Tiefe der Bohrung maßgeblich, während sich die Betriebsplanpflicht gemäß § 127 Abs. 1 ausweislich der amtlichen Begründung auf die Länge der Bohrung im Boden und gerade nicht auf die Tiefe bezieht: BT-Drs. 8/1315, S. 151. 110 Landmann/Rohmer/Gellermann Umweltrecht, BNatSchG § 7 Rn. 11. 111 VGH München 21.8.2012, 8 CS 12.847, ZfB 2012, 240 Rn. 26. 112 VGH München 21.8.2012, 8 CS 12.847, ZfB 2012, 240 Rn. 24. 737

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Nr. 8 ist eine Umweltverträglichkeitsprüfung allein im Falle der normierten Voraussetzung einer Tiefbohrung zur Gewinnung ab tausend Metern Teufe in ausgewiesenen Naturschutzgebieten oder in ausgewiesenen Vogelschutzgebieten oder FFH-Gebieten erforderlich.113 51 Erforderlich ist eine UVP für ein Vorhaben zu Erdwärmegewinnung unabhängig von den Vorgaben der Nr. 8 dann, wenn es sich um ein hydrothermales Vorhaben handelt, bei welchem 10 Mio. m3 oder mehr Grundwasser pro Jahr gefördert werden.114 Diese Grundwasserförderung erfordert gemäß Nr. 13.3.1 der Anlage 1 des UVPG zwingend eine Umweltverträglichkeitsprüfung. Geringere Grundwasserfördermengen erfordern bei einer Fördermenge ab 5.000 m3 pro Jahr unter den Voraussetzungen der Nr. 13.3.2 und 13.3.3 der Anlage 1 des UVPG eine Vorprüfung. Stellt eine UVP-pflichtige Grundwasserförderung eine betriebsplanpflichtige Maßnahme dar, führt dies – unabhängig von der zusätzlichen wasserrechtlichen Erlaubnispflicht gemäß §§ 8 Abs. 1, 9 Abs. 1 Nr. 5 WHG – aufgrund der Nr. 9 zu dem Erfordernis eines bergrechtlichen Planfeststellungsverfahrens mit Umweltverträglichkeitsprüfung. Das zusätzliche Erfordernis einer wasserrechtlichen Benutzungserlaubnis bleibt unabhängig von einer bergrechtlichen Planfeststellung bestehen, da wasserrechtliche Erlaubnisse und Bewilligungen einer Konzentration durch die obligatorische Rahmenbetriebsplanzulassung nicht zugänglich sind; vgl. § 57a Rn. 44.

14. Tiefbohrungen zur Aufsuchung und Gewinnung von Erdwärme mit Fracking (Nr. 8a) 51a § 1 Satz 1 Nr. 8a UVP-V Bergbau wurde mit Artikel 1 der Verordnung zur Einführung von Umweltverträglichkeitsprüfungen und über bergbauliche Anforderungen beim Einsatz der Fracking-Technologie und Tiefbohrungen vom 4.8.2016 eingefügt. Damit soll den Vorgaben des Art. 4 Abs. 2 i.V.m. Anhang II Nr. 2 Buchst. i der Richtlinie 2011/92/EU Rechnung getragen werden; zum Begriff des Frackings vgl. Rn. 30a. Durch Nr. 8a wird Nr. 8 insoweit ergänzt als für die Aufsuchung und Gewinnung von Erdwärme mit Aufbrechen von Gestein unter hydraulischem Druck die UVP-Pflicht gilt, es sei denn, es werden keine wassergefährdenden Gemische eingesetzt und das Vorhaben liegt nicht in einer Erdbebenzone 1 bis 3 nach DIN EN 1998 Teil 1, Ausgabe Januar 2011. Wird etwa Frischwasser zum Aufbrechen von Gestein außerhalb von Erdbebenzonen eingesetzt, muss laut dem Verordnungsgeber nicht grundsätzlich mit erheblichen Umweltauswirkungen zu rechnen sein, so dass in diesen Fällen lediglich eine Vorprüfung des Einzelfalls nach Nr. 10 zu erfolgen haben soll; zu Nr. 10 vgl. Rn. 66b. Für die Einstufung von Gemischen als wassergefährdend sollen die Einstufungsregelungen der Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (AwSV) maßgeblich sein. Die UVP-Pflicht soll für alle Tiefbohrungen zur Aufsuchung und Gewinnung von Erdwärme gelten, bei denen über Bohrungen unter Anwendung von hydraulischem Druck künstliche Risse im Gestein erzeugt werden, um damit in den Gesteinen vorhandene Erdwärme nachweisen und gewinnen zu können. Nr. 8a soll dagegen nicht anwendbar sein, wenn hydraulischer Druck in der Gewinnungsphase angewandt wird, um bohrlochnahe technische Blockierungen zu beseitigen, die sich im Rahmen der Nutzung der Erdwärme bilden können.115 Der Kreislauf des Wassers bei der hydrothermalen Erdwärmegewinnung und auch die Entsorgung des Wassers in der Lagerstätte nach Beendigung der Gewinnung sollen laut Verordnungsgeber keine UVP nach Maßgabe der Nr. 8a erfordern, da das zuvor im Kreis zirkulierende Wasser bei Stilllegung des Vorhabens in die Lagerstätte zurückfalle und nicht an anderer Stelle entsorgt werden müsse. Daher wurde auf einen Tatbestand nach dem Vorbild der Nr. 2c verzichtet.116

113 114 115 116

VGH München 21.8.2012, 8 CS 12.847, ZfB 2012, 240 Rn. 23 ff. VGH München 21.8.2012, 8 CS 12.847, ZfB 2012, 240 Rn. 26. BR-Drs. 144/15, S. 15. Keienburg ZfB 2016, 270, 281; BR-Drs. 144/15, S. 15.

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Zweites Kapitel – Anzeige, Betriebsplan

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Zu beachten sind auch bei Vorhaben nach Nr. 8a die Anforderungen des § 2 UVP-V Bergbau. 51b Dieser enthält eine Aufzählung von Angaben, welche bei Vorhaben nach Nr. 8a im UVP-Bericht nach § 16 UVPG insbesondere enthalten sein müssen; vgl. dazu § 2 UVP-V Bergbau Rn. 2.

15. Sonstige betriebsplanpflichtige Vorhaben (Nr. 9) Die mit Art. 5 der Zweiten Verordnung zur Änderung bergrechtlicher Verordnungen im Jahr 2005 52 neu eingefügte Nr. 9 beinhaltet einen Auffangtatbestand,117 der gemäß § 4 Abs. 1 UVP-V Bergbau beschränkt auf Verfahren, die am 20.8.2005 noch nicht begonnen waren, einen Rückgriff auf Anlage 1 des UVPG ermöglicht und für solche Vorhaben und Maßnahmen, die nicht bereits Nr. 1 bis 8 unterfallen, auch erfordert. Vor Einfügung der Nr. 9 war dieser Rückgriff ausgeschlossen, da Nr. 15.1 der Anlage 1 des UVPG hinsichtlich der UVP-Pflicht bergbaulicher Vorhaben und der zu ihrer Durchführung erforderlichen betriebsplanpflichtigen Maßnahmen auf die UVP-V Bergbau verweist und eine UVP-Pflicht bergbaulicher Vorhaben nur nach Maßgabe der Verordnung zulässt.118 Nr. 15.1 der Anlage 1 des UVPG kommt damit für bergbauliche Vorhaben einschließlich der zu ihrer Durchführung erforderlichen betriebsplanpflichtigen Maßnahmen eine Sperrwirkung zu, die vor Inkrafttreten der Nr. 9 einen Rückgriff auf Anlage 1 des UVPG ausschloss. Nur über eine Rückverweisung der UVP-V Bergbau auf Anlage 1 des UVPG konnte der Anwendungsbereich der Anlage 1 des UVPG auf bergbauliche Vorhaben eröffnet und damit eine Anpassung des Vorhabenkatalogs der UVP-V Bergbau an die Liste UVP-pflichtiger Vorhaben in Anlage 1 des UVPG erreicht werden.119 Nr. 9 gewährleistet, dass bergbauliche Vorhaben und Maßnahmen, die in Nr. 1 bis 8 nicht ausgeführt sind, aber auf Grundlage der Anlage 1 des UVPG außerhalb des Bergrechts einer Umweltverträglichkeitsprüfung oder einer Vorprüfung bedürfen, seit 2005 im Bergrecht ebenso behandelt werden, wie außerhalb des Bergrechts. Trägerverfahren einer Umweltverträglichkeitsprüfung ist im Fall bergbaulicher Vorhaben auch bei Heranziehung der Anlage 1 des UVPG über Nr. 9 das bergrechtliche Rahmenbetriebsplanverfahren gemäß § 52 Abs. 2a BBergG. Anwendung findet der Auffangtatbestand nur dann, wenn betriebsplanpflichtige Vorhaben und 53 Maßnahmen nicht ihrer Art oder Gruppe nach bereits in Nr. 1 bis 8 erfasst sind. Nr. 1 bis 8 gehen der Auffangklausel der Nr. 9 als spezialgesetzliche Bestimmungen mit Ausschlusswirkung vor.120 Ausgeschlossen ist ein Rückgriff auf die Tatbestände der Anlage 1 des UVPG nicht nur dann, wenn in Anlage 1 des UVPG erfasste Vorhaben wortidentisch auch in Nr. 1 bis 8 erfasst sind. Vielmehr genügt für die Ausschlusswirkung, dass Art oder Gruppe von Vorhaben, die auch in Anlage 1 des UVPG geregelt sind, inhaltlich in Nr. 1 bis 8 erfasst sind. Aus der amtlichen Begründung ergibt sich, dass auch ein Vorhaben, das sich verschiedenen Bezeichnungen nach der UVP-V Bergbau auf der einen Seite und Anlage 1 des UVPG auf der anderen Seite zuordnen lässt, etwa Tagebauvorhaben i.S.d. Nr. 1 Buchst. b), die auch unter Nr. 2.1 der Anlage 1 des UVPG und die dort erfassten Steinbrüche subsumiert werden könnten, nur nach den vorrangigen Vorgaben der Verordnung zu bewerten ist.121 Gleiches gilt auch für marine Gewinnungen i.S.d. Nr. 1 Buchst. b) bb) im Verhältnis zu Nr. 13.15 der Anlage 1 des UVPG, für Grundwasseranreicherungen eines Tagebauvorhabens gemäß Nr. 1 Buchst. b) cc) im Verhältnis zu Nr. 13.3 der Anlage 1 des UVPG, für Anlagen zur Entsorgung bergbaulicher Abfälle i.S.d. Nr. 3 und 4a im Verhältnis zu Nr. 12 der Anlage 1 des UVPG, für Bahnstrecken für Gruben- und 117 BR-Drs. 251/05, S. 21; OVG Lüneburg 24.9.2013, 7 LA 21/10, juris Rn. 4. 118 Nr. 15.1 der Anlage 1 des UVPG lautet: „Bergbauliche Vorhaben einschließlich der zu ihrer Durchführung erforderlichen betriebsplanpflichtigen Maßnahmen dieser Anlage nur nach Maßgabe der aufgrund des § 57c Nummer 1 des Bundesberggesetzes erlassenen Rechtsverordnung“. 119 Diese Anpassung war Zweck der Einfügung der Nr. 9: BR-Drs. 251/05, S. 21; dazu auch von Weschpfennig Strukturen des Bergrechts, S. 301. 120 So ausdrücklich die amtliche Begründung: BR-Drs. 251/05, S. 22. 121 BR-Drs. 251/05, S. 22; diese Vorrangwirkung hat das OVG Koblenz im Beschluss vom 6.2.2013, 1 B 11266/12, ZUR 2013, 293, 294 f. verkannt. 739

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Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

Grubenanschlussbahnen i.S.d. Nr. 5 im Verhältnis zu Nr. 14.7 der Anlage 1 des UVPG sowie für Wassertransportleitungen der Tagebauentwässerung i.S.d. Nr. 6 im Verhältnis zu Nr. 19.8 der Anlage 1 des UVPG. In allen Fällen, in denen Vorhaben – unabhängig von ihrer Bezeichnung – in den Nr. 1 bis 8 erfasst sind, finden die Regelungen der Anlage 1 des UVPG auf diese Vorhaben keine zusätzliche Anwendung. 54 Die Ausschlusswirkung gilt sowohl dann, wenn ein Vorhaben nach Art oder Gruppe in den Nr. 1 bis 8 erfasst ist, die dortigen Schwellenwerte überschreitet und daher bereits auf Grundlage der Nr. 1 bis 8 UVP-pflichtig oder vorprüfpflichtig ist als auch dann, wenn ein Vorhaben in den Nr. 1 bis 8 erfasst ist, aber die Schwellenwerte der Nr. 1 bis 8 unterschreitet oder eine Vorprüfung ergibt, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung entbehrlich ist. Die Ausschlusswirkung ist gerade auch dann einschlägig, wenn ein unter die speziellen Tatbestände der Nr. 1 bis 8 fallendes Vorhaben nach den dort normierten Schwellenwerten nicht UVP-pflichtig ist. Fraglich ist aber die Reichweite der Ausschlusswirkung mit Blick auf den Vorhabenbegriff: Sind sämtliche Teile eines von dem Vorhabenträger geplanten Vorhabens und zugehörigen Maßnahmen – etwa ein Gewinnungsvorhaben mit Infrastruktur, Betriebseinrichtungen und sonstigem Zubehör – dann, wenn im Beispielsfall das Gewinnungsvorhaben als solches nach Maßgabe der Nr. 1 bis 8 nicht UVP-pflichtig ist, aus der UVP-Pflicht ausgenommen, oder sind über die Auffangklausel der Nr. 9 auch Teile eines Vorhabens singulär auf ihre UVP-Pflicht zu überprüfen. Die Zielsetzung der Auffangklausel, den Vorhabenkatalog an die Liste UVP-pflichtiger Vorhaben in Anlage 1 des UVPG anzupassen, spricht nach hier vertretener Auffassung dafür, dass die Ausschlusswirkung der Nr. 1 bis 8 nur soweit reicht, als ein Vorhaben oder eine Maßnahme von Nr. 1 bis 8 erfasst ist und gleichzeitig auch unter einen Tatbestand der Anlage 1 des UVPG fallen könnte. Die Ausschlusswirkung entfaltet damit nur dann Sperrwirkung, wenn eine Vorhabenidentität vorliegt, also bergbauliche Vorhaben i.S.d. Nr. 1 bis 8 identisch mit einem Vorhaben der Anlage 1 des UVPG sind. Eine nur im Zusammenhang mit und als Teil eines Vorhabens i.S.d. Nr. 1 bis 8 durchzuführende Maßnahme dagegen, die auch außerhalb eines bergbaulichen Vorhabens i.S.d. Nr. 1 bis 8 durchgeführt werden könnte und nach Maßgabe der Anlage 1 des UVPG einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterläge, unterfällt dann, wenn nicht das bergbauliche Vorhaben als solches aufgrund der Nr. 1 bis 8 UVP-pflichtig ist und die für das bergbauliche Vorhaben erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung auch die Maßnahme umfasst, der Nr. 9.122 Eröffnet ist der Anwendungsbereich der Auffangklausel daher für sämtliche Vorhaben und Maßnahmen, die nicht als solche in Nr. 1 bis 8 erfasst sind und auch nicht als Teil eines Vorhabens i.S.d. Nr. 1 bis 8 Gegenstand der dafür durchzuführenden Umweltverträglichkeitsprüfung sind. Dies kann für Betriebsanlagen und -einrichtungen i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 3 gelten, die einem Aufsuchungs- oder Gewinnungsbetrieb zu dienen bestimmt sind; vgl. dazu Rn. 56 ff. Dies kann ebenso für Aufbereitungsanlagen i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 gelten; vgl. dazu Rn. 59. Dies kann für vorbereitende oder begleitende Maßnahmen gelten; vgl. dazu Rn. 60. Dies kann schließlich für Maßnahmen der Betriebseinstellung und der Wiedernutzbarmachung gelten; vgl. dazu Rn. 62 ff. 55 Der Verweis in Nr. 9 auf Anlage 1 des UVPG führt ausweislich der amtlichen Begründung zur UVPPflicht in dem Umfang, wie dies in Anlage 1 des UVPG vorgesehen ist, d.h. je nach Kategorisierung der Anlage 1 des UVPG zu einer zwingenden Umweltverträglichkeitsprüfung, einer allgemeinen Vorprüfung oder einer standortbezogenen Vorprüfung.123 Zusätzliche Vorgaben des Landesrechts sind nach Streichung des § 3d UVPG und der Verweise auf Landesrecht in Anlage 1 des UVPG durch dortige „L“Markierung mit dem Rechtsbereinigungsgesetz vom 11.8.2009, welches zum 1.3.2010 in Kraft getreten ist, im Rahmen der Nr. 9 irrelevant; maßgeblich sind allein die Vorgaben in Anlage 1 des UVPG.

56 a) Betriebsanlagen und -einrichtungen eines Bergbaubetriebs. Betriebsanlagen i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 3, die überwiegend einer bergbaulichen Tätigkeit zu dienen bestimmt sind,124 können etwa Kraftwerke, Heizkraftwerke, Heizwerke und sonstige Feuerungsanlagen sein. Diese An122 Ebenso im Ergebnis Stevens ZUR 2012, 338, 341; siehe ferner Dammert/Brückner ZUR 2023, 30, 36. 123 BR-Drs. 251/05, S. 22; siehe ferner Dammert/Brückner ZUR 2023, 30, 36. 124 Zur dienenden Bestimmung von Betriebsanlagen und -einrichtungen § 2 Rn. 10 ff. Keienburg/Wiesendahl

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Zweites Kapitel – Anzeige, Betriebsplan

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lagen wurden ursprünglich in Nr. 6 der UVP-V Bergbau erfasst, die mit der Zweiten Verordnung zur Änderung bergbaulicher Verordnungen vom 10.8.2005 geändert wurde und sich seitdem zu Wassertransportleitungen des Tagebaus sowie seit 2016 auch zu Leitungen für salzhaltige Wässer aus der Gewinnung und Aufbereitung von Kali- und Steinsalz verhält. Die amtliche Begründung bezeichnet den Entfall der früheren Regelungen in Nr. 6 – und in Nr. 5 – ausdrücklich als Folgeänderungen der mit der Änderungsverordnung neu eingefügten Nr. 9.125 Kraftwerke, Heizkraftwerke und Heizwerke und sonstige Feuerungsanlagen sind nun über die Auffangklausel der Nr. 9 i.V.m Nr. 1.1 und 1.2 der Anlage 1 des UVPG auf ihre UVP-Pflicht zu untersuchen; dem gehen die Nr. 1 bis 8 mangels Erfassung von Feuerungsanlagen nicht vor. Aus dem nunmehrigen Maßstab der Nr. 1.1 und 1.2 der Anlage 1 des UVPG für die UVP-Pflicht bergbaulicher Feuerungsanlagen ergeben sich relevante Änderungen zu der früheren Regelung in Nr. 6 der Verordnung, die Kraftwerke, Heizkraftwerke, Heizwerke und sonstige Feuerungsanlagen nur im Fall einer Feuerungswärmeleistung von mehr als 200 Megawatt einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterwarf und Anlagen mit geringerer Feuerungswärmeleistung nicht erfasste. Auf Grundlage der Nr. 1.1.1 der Anlage 1 zum UVPG bleibt es zwar bei einer zwingenden UVP-Pflicht von Feuerungsanlagen mit einer Wärmeleistung von mehr als 200 MW. Auch Feuerungsanlagen mit geringerer Wärmeleistung werden aber jetzt erfasst und bedürfen auf der Grundlage der Nr. 1.1.2 sowie 1.2.1 bis 1.2.4 der Anlage 1 des UVPG abhängig von der Feuerungswärmeleistung und dem eingesetzten Brennstoff einer allgemeinen oder standortbezogenen Vorprüfung. UVP-pflichtig bzw. vorprüfpflichtig sind über Nr. 9 i.V.m. Nr. 1.4 der Anlage 1 des UVPG weiterhin 57 Verbrennungsmotoranlagen sowie Gasturbinenanlagen zum Antrieb von Arbeitsmaschinen bei Einsatz bestimmter Brennstoffe in Abhängigkeit von der Feuerungswärmeleistung. Darunter können Verdichterstationen als Betriebsanlagen eines Gasgewinnungsbetriebs oder Gasspeichers fallen, die damit ggf. einer Umweltverträglichkeitsprüfung bedürfen und dem obligatorischen Rahmenbetriebsplanverfahren unterfallen. Die abweichende Entscheidung des VG München vom 30.8.1996,126 die auf Grundlage älterer Fassungen des UVPG und der UVP-V Bergbau erging, ist überholt. Typische Verbindungseinrichtungen eines Bergbaubetriebs sind Rohrleitungen zum Trans- 58 port von Bodenschätzen in flüssigem oder gasförmigem Zustand aber auch zum Transport von Wässern. Diese Rohrleitungen unterliegen bis zur Übergabestation oder der Einleitung in eine Sammelleitung oder der letzten Messstation zwingend dem Bergrecht und unterliegen dem Bergrecht auch im Anschluss an die Übergabestation oder die Einleitung in eine Sammelleitung oder die letzte Messstation, wenn die Leitung nicht unmittelbar und ausschließlich der Abgabe an Dritte oder an andere, nicht bergbauliche Betriebe des Unternehmers dient; dies ergibt sich aus einem Umkehrschluss zu § 2 Abs. 4 Nr. 5. Von diesen Rohrleitungen erfasst die UVP-V Bergbau in Nr. 6 nur Wassertransportleitungen der Tagebauentwässerung sowie Leitungen zum Fortleiten von salzhaltigen Wässern aus der Gewinnung und Aufbereitung von Kali- und Steinsalz einschließlich solcher aus Kalihalden. Sonstige Rohrleitungen zur Beförderung gewonnener oder aufbereiteter Bodenschätze oder von Wässern und auch Abwässern erfasst die UVP-V Bergbau nicht. Derartige Rohrleitungen unterliegen daher keiner UVP-Pflicht nach den Nr. 1 bis 8a, sind aber dann, wenn sie den Bereich des Werksgeländes überschreiten, gemäß den Nr. 19.2 bis 19.8 der Anlage 1 des UVPG abhängig von dem transportierten Stoff und Länge sowie Durchmesser der Rohrleitung zwingend UVP-pflichtig oder vorprüfpflichtig;127 vgl. § 2 Rn. 42.

b) Aufbereitung. Das BBergG gilt gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 auch für das Aufbereiten von Boden- 59 schätzen. Aufbereiten ist gemäß § 4 Abs. 3 das Trennen oder Anreichern von Bodenschätzen 125 BR-Drs. 251/05, S. 23. 126 VG München 30.8.1996, M 16 S 96/1956, ZfB 1996, 316, 317. 127 Bei der Ermittlung der Länge eines Leitungsvorhabens ist auch die Länge eines etwaigen im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats liegenden Teilstücks zu berücksichtigen, da die UVP-Pflicht unter Berücksichtigung der Größe des Gesamtvorhabens zu ermitteln ist: EuGH 10.12.2009, C-205/08, NuR 2010, 405 Rn. 51. 741

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Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

sowie das Brikettieren, Verschwelen, Verkoken, Vergasen, Verflüssigen und Verlösen von Bodenschätzen, wenn diese Tätigkeiten entweder vom Bergwerksunternehmer selbst im betrieblichen oder räumlichen Zusammenhang mit der Gewinnung oder von einem Dritten im räumlichen Zusammenhang mit der Gewinnung durchgeführt werden; vgl. § 4 Rn. 19. Aufbereitungsanlagen, die ursprünglich in Nr. 5 der Verordnung erfasst waren, werden seit der Zweiten Verordnung zur Änderung bergbaulicher Verordnungen vom 10.8.2005 nicht mehr ausdrücklich in der Verordnung erfasst. Die UVP-Pflicht von Aufbereitungsanlagen ist daher gemäß Nr. 9 nach Maßgabe der Anlage 1 des UVPG zu prüfen. Einschlägig sind die Nr. 1.7 bis 1.9 der Anlage 1 des UVPG. Daraus ergeben sich Erweiterungen gegenüber den ursprünglichen Regelungen in Nr. 5 der Verordnung insoweit, als Anlagen zur Trockendestillation von Steinkohle oder Braunkohle sowie Anlagen zum Vergasen oder Verflüssigen von Kohle oder bituminösem Schiefer nicht mehr nur im Fall einer täglichen Durchsatzmenge von 500 t oder mehr einer Umweltverträglichkeitsprüfung bedürfen, sondern diese Anlagen bei geringeren Durchsatzmengen eine allgemeine Vorprüfung erfordern.

60 c) Vorbereitende und begleitende Maßnahmen. Gewinnungsbetriebe i.S.d. Nr. 1 müssen aufgeschlossen werden, indem etwa untertägige Grubenbaue angelegt oder übertägige Abbaubereiche freigelegt werden. Diese Maßnahmen unterfallen dem weiten Gewinnungsbegriff, dazu § 4 Rn. 6. Alle anderen in den Nr. 2 bis 8a aufgeführten Vorhaben umfassen, auch wenn dies nur in den Nr. 2b und 7 ausdrücklich zum Ausdruck kommt, eine Errichtungs- und Betriebsphase, die dem Bergrecht unterliegt. Die Vorbereitung oder Begleitung eines Vorhabens kann aufgrund damit verbundener Eingriffe in Natur und Landschaft UVP-pflichtige Maßnahmen umfassen, etwa die Umwandlung von Wald. Gemäß Nr. 17.2 der Anlage 1 des UVPG bedarf die Rodung von 10 ha Wald oder mehr zum Zweck der Umwandlung in eine andere Nutzungsart einer Umweltverträglichkeitsprüfung. Gemäß den Nr. 17.2.2 und 17.2.3 der Anlage 1 des UVPG sind Rodungen ab 1 ha aber weniger als 10 ha Wald zum Zweck der Umwandlung vorprüfpflichtig. Dies gilt auch im Fall bergbaulicher Vorhaben, wenn nicht die Waldumwandlung – wie oftmals – Teil einer nach Maßgabe der Nr. 1 oder 2 ohnehin UVP-pflichtigen Gewinnung ist oder die Waldumwandlung bereits Gegenstand eines Braunkohlenplans mit genehmigungs- und UVP-ersetzender Funktion ist.128 Die Vorbereitungsmaßnahme ist als Teil der Gewinnung betriebsplanpflichtig. Insoweit ist der Anwendungsbereich der Nr. 9 eröffnet. Die Ausschlussregelung der Nr. 9, wonach der Verweis auf Anlage 1 des UVPG nur gilt, wenn das betriebsplanpflichtige Vorhaben bzw. die Maßnahme ihrer Art oder Gruppe nach nicht unter die Nr. 1 bis 8 fällt, ist ausweislich der Darlegungen unter Rn. 54 mangels vollständiger Identität einer Waldumwandlung mit der Gewinnung – vorbehaltlich der Einbeziehung der Waldumwandlung in eine ggf. für die Gewinnung erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung – nicht erfüllt. Die Bergbehörde muss daher, wenn nicht das Gewinnungsvorhaben als solches ohnehin UVP-pflichtig ist, über die UVP-Pflicht einer Waldumwandlung zur Vorbereitung einer Gewinnung auf Grundlage der Vorgaben der Anlage 1 des UVPG entscheiden. Kommt die Bergbehörde zu dem Ergebnis, dass die Waldumwandlung UVP-pflichtig ist, wird dadurch nicht nachträglich das auf Grundlage der Nr. 1 bis 8 nicht UVP-pflichtige Gesamtvorhaben der Gewinnung infiziert, sondern ist die Umweltverträglichkeitsprüfung allein für die Maßnahme der Waldumwandlung durchzuführen. Nur für diese Maßnahme bedarf es dann einer obligatorischen Rahmenbetriebsplanzulassung gemäß § 52 Abs. 2a mit Umweltverträglichkeitsprüfung. Dies bestätigt die amtliche Begründung der Nr. 9, die ausdrücklich darauf hinweist, dass sich der Vorhabenumfang nach dem Antrag des Vorhabenträgers bestimmt und dieser die Dispositionsbefugnis darüber hat, ob ein Vorhaben oder eine Maßnahme Teil eines anderen bergbaulichen Vorhabens ist oder gesondert beantragt wird.129 Damit wird weder über eine Zersplitterung des Gesamtvorhabens eine Umweltverträglichkeitsprüfung umgangen, da diese für das jeweils UVP-pflichtige Teil128 Gemäß § 43 Abs. 1 Buchst. d) LFoG NRW ist eine Waldumwandlungsgenehmigung entbehrlich, wenn für die Waldfläche bereits in einem Braunkohlenplan eine anderweitige Nutzung vorgesehen ist.

129 BR-Drs. 251/05, S. 22; siehe ferner Dammert/Brückner ZUR 2023, 30, 36 ff. Keienburg/Wiesendahl

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vorhaben auf Grundlage der Nr. 1 bis 8 bzw. der Nr. 9 gewährleistet ist. Noch wird eine Betrachtung des Gesamtvorhabens in der Umweltverträglichkeitsprüfung umgangen, da sich der einer Umweltverträglichkeitsprüfung bedürfende Vorhabenumfang nach den sachbezogenen Kriterien der Nr. 1 bis 8a bzw. der Nr. 9 i.V.m. Anlage 1 oder ggf. Nr. 10 des UVPG bestimmt. Auch die Bergbehörde kann den Umfang eines UVP-pflichtigen Teilvorhabens nicht über einen Verlangensbescheid gemäß § 52 Abs. 2a auf weitere Vorhaben erweitern. Der Umfang eines UVP-pflichtigen Vorhabens ergibt sich allein aus den Kriterien der Nr. 1 bis 8a bzw. der Nr. 9 i.V.m. Anlage 1 oder ggf. Nr. 10 des UVPG. Eine Ausnahme von der bergbehördlichen Prüfung der UVP-Pflicht von Maßnahmen im Zu- 61 sammenhang mit der Vorbereitung eines Bergbaubetriebs oder begleitend zu einem Bergbaubetrieb gilt dann, wenn es sich um notwendige Folgemaßnahmen des Vorhabens i.S.d. § 75 Abs. 1 VwVfG handelt, für die nach anderen Vorschriften ein Planfeststellungsverfahren durchzuführen ist; zur Begrifflichkeit der notwendigen Folgemaßnahme vgl. § 57a Rn. 41. Für diese Fälle regelt § 57b Abs. 3 Satz 3, dass das nach dem einschlägigen Fachrecht durchzuführende Planfeststellungsverfahren durchzuführen ist, nicht das bergrechtliche Planfeststellungsverfahren gemäß § 52 Abs. 2a; vgl. § 57b Rn. 64. Diese Abgrenzungsregelung wird nicht dadurch unterbrochen, dass eine notwendige Folgemaßnahme UVP-pflichtig ist und damit über Nr. 9 in das bergrechtliche Planfeststellungsverfahren einbezogen werden könnte. § 57b Abs. 3 Satz 3 ist vorrangig und gilt auch für planfeststellungspflichtige Folgemaßnahmen, die UVP-pflichtig sind.

d) Wiedernutzbarmachung. Die Wiedernutzbarmachung der Oberfläche stellt – im Unterschied 62 zu der sich an die bergbauliche Tätigkeit anschließenden Folgenutzung einer ehemaligen bergbaulich genutzten Fläche – eine bergbauliche Tätigkeit dar, die gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 dem Anwendungsbereich des BBergG unterfällt. Von den Tatbeständen der Nr. 1 bis 8 wird die Wiedernutzbarmachung nicht erfasst, da diese sich auf die Aufsuchung und Gewinnung bzw. Errichtung und Betrieb bestimmter sonstiger dem Geltungsbereich des BBergG unterfallender Vorhaben beziehen, wovon die Wiedernutzbarmachung zu differenzieren ist.130 Daran ändert auch der Umstand, dass das Vorhaben im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung als Ganzes in den Blick zu nehmen ist,131 nichts. Was das in den Blick zu nehmende Ganze des Vorhabens ist, bestimmt sich nach den sachbezogenen Kriterien der Nr. 1 bis 8a. Nicht dagegen führt der Umstand, dass die Wiedernutzbarmachung der vom Bergbau in Anspruch genommenen Fläche bergrechtliche Pflicht des Unternehmers ist, dazu, dass damit das UVP-pflichtige Vorhaben i.S.d. Nr. 1 bis 8 erweitert und auch die Wiedernutzbarmachung eines Vorhabens i.S.d. Nr. 1 bis 8 automatisch UVP-pflichtig würde.132 Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob die Wiedernutzbarmachung singulär betrachtet 63 UVP-pflichtig sein kann. Das BVerwG hat im Tongruben-II-Urteil vom 14.4.2005 entschieden, dass die Wiedernutzbarmachung der Oberfläche kein betriebsplanpflichtiges Vorhaben ist, das einer Umweltverträglichkeitsprüfung bedarf, da die Wiedernutzbarmachung keinen Eingriff in die Umwelt darstellt, sondern eine Maßnahme, die die Folgen des bergbaulichen Eingriffs begrenzen und vermindern soll.133 Das BVerwG hat damit eine generelle UVP-Pflicht von Maßnahmen der

130 Ebenso OVG Lüneburg 21.10.2008, 7 ME 170/07, NuR 2009, 58, 60; a.A. in einem obiter dictum OVG Koblenz 17.12.2002, 7 A 10279/02, ZfB 2004, 30, 37; Elgeti/Dietrich NuR 2009, 461, 465, die die Stilllegung als Änderung eines Gewinnungsbetriebs einer Vorprüfung gemäß § 3e UVPG a.F. unterwerfen wollen, vgl. dazu bereits Rn. 3a. 131 BVerwG 2.11.1995, 4 C 14/94, BVerwGE 100, 1, 7 = ZfB 1995, 278, 282. 132 Dies gilt auch in Würdigung der Entscheidung des EuGH vom 3.3.2011, C-50/09, NVwZ 2011, 929 Rn. 97 ff., mit welcher der EuGH die Möglichkeit der Erfüllung des Projektbegriffs der UVP-Richtlinie auch durch Abbrucharbeiten entschieden hat. Abbrucharbeiten sind im Beispielsfall des Abbruchs nicht deshalb UVP-pflichtig, weil die vorherige Errichtung UVP-pflichtig war, sondern weil dem Abbruch als solchem UVP-Relevanz zukommt. 133 BVerwG 14.4.2005, 7 C 26/03, BVerwGE 123, 247, 255 f. = ZfB 2005, 156, 161. 743

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Wiedernutzbarmachung verneint.134 Zu prüfen ist aber, ob sich aufgrund der zeitlich nach der Tongruben-II-Entscheidung des BVerwG in Kraft getretenen Nr. 9 für Maßnahmen der Wiedernutzbarmachung über die Kriterien der Anlage 1 des UVPG im Einzelfall, abhängig von der konkreten Art der Wiedernutzbarmachung, eine UVP-Pflicht ergibt. 64 Die vom BVerwG im Tongruben-II-Urteil behandelte Verfüllung von Tagebauen mit Abfällen zum Zweck der Wiedernutzbarmachung, die auf die Abfallverwertung in Abgrenzung zur Abfallbeseitigung ausgerichtet ist, stellt mangels Abfallbeseitigung keine UVP-pflichtige Maßnahme i.S.d. Nr. 12 der Anlage 1 des UVPG dar, womit eine UVP-Pflicht der Wiedernutzbarmachung auch über Nr. 9 zu verneinen ist. Wäre dagegen die Beseitigung von Abfällen durch Verbringung in einen ehemaligen Tagebau oder auch in Stollen des tiefen Bergbaus gewollt, handelte es sich dabei mangels auf die Wiedernutzbarmachung gerichteter Zielsetzung nicht um eine dem Anwendungsbereich des BBergG unterfallende Tätigkeit, die daher auch nicht über eine Betriebsplanzulassung zugelassen werden könnte,135 sondern um eine Folgenutzung, die einer abfallrechtlichen Planfeststellung gemäß § 35 Abs. 2 KrWG bedürfte und als solche nach Maßgabe der Nr. 12 der Anlage 1 des UVPG eine Umweltverträglichkeitsprüfung oder eine Vorprüfung erforderte. Der Abschluss des Bergbaubetriebs wäre zuvor durch Abschlussbetriebsplan zuzulassen, in welchem die erforderlichen Vorkehrungen zur Ermöglichung der Folgenutzung „Abfallbeseitigung“ zu regeln wären. Das OVG Lüneburg hatte sich im Jahre 2008 und erneut im Jahre 2013 mit der Frage zu befassen, ob die mit Abschlussbetriebsplan zugelassene Flutung eines Kali- und Steinsalzbergwerks nach Beendigung des Abbaus die Errichtung eines Wasserspeichers beinhaltet und damit den UVPpflichtigen Tatbestand „Bau einer Anlage zur Zurückhaltung oder dauerhaften Speicherung von Wasser“ i.S.d. Nr. 13.6 der Anlage 1 des UVPG erfüllt. Dies hat das OVG Lüneburg in Würdigung der Tatbestandsmerkmale der Nr. 13.6 der Anlage 1 des UVPG verneint, da zum einen das Grubengebäude nicht gebaut werden sollte, sondern bereits vorhanden war und zum anderen die Speicherung von Wasser eine nur temporäre Ansammlung voraussetzt und nicht die dauerhafte Verfüllung eines Grubengebäudes umfasst.136 Auch wenn dies anders und die Tatbestandsmerkmale der Nr. 13.6 der Anlage 1 des UVPG erfüllt gewesen wären, das ehemalige Steinsalzbergwerk also zur temporären Speicherung von Wasser ausgebaut worden wäre, wäre dies aber keine Maßnahme der bergrechtlichen Wiedernutzbarmachung, sondern eine Folgenutzung gewesen. Diese Folgenutzung hätte mangels Eröffnung des sachlichen Anwendungsbereichs des BBergG nicht durch Betriebsplan zugelassen werden können, sondern den vorherigen Abschluss des Bergbaubetriebs und die anschließende wasserrechtliche Zulassung der Folgenutzung erfordert. Im wasserrechtlichen Zulassungsverfahren wäre dann unter den Voraussetzungen der Nr. 13.6 der Anlage 1 des UVPG eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen gewesen. Die Erstaufforstung einer zuvor bergbaulich genutzten Fläche bedürfte unter den Voraussetzungen der Nr. 17.1 der Anlage 1 des UVPG einer Umweltverträglichkeitsprüfung. Ob eine Erstaufforstung noch Wiedernutzbarmachung oder bereits Folgenutzung wäre, müsste im Einzelfall geprüft werden. 65 Um eine bergbauliche Wiedernutzbarmachung in Abgrenzung zu einer Folgenutzung kann es sich bei der Flutung von Tagebaurestlöchern, die als Ausbaumaßnahme unter den Voraussetzungen der Nr. 13.18 der Anlage 1 des UVPG UVP-pflichtig ist, handeln. Dies gilt dann, wenn die Flutung eines Tagebaurestlochs nicht oder jedenfalls nicht allein dazu dient, die ehemalige Bergbaufläche einer neuen Nutzung zuzuführen, sondern die Flutung der Stabilisierung der Abbauflanken dient.137 134 A.A. Frenz Unternehmerverantwortung im Bergbau, S. 76, der ohne Spiegelung an den Vorgaben der UVP-V Bergbau und der Anlage 1 des UVPG davon ausgeht, dass eine Wiedernutzbarmachung, wenn sie erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben kann, einer Umweltverträglichkeitsprüfung bedarf. 135 Zu einer solchen Konstellation: BVerwG 14.4.2000, 4 C 13/98, BVerwGE 111, 136, 138 ff. = ZfB 2000, 135, 136 ff.; ebenso zuvor: VGH Mannheim 20.10.1998, 14 S 1037/98, ZfB 1999, 25, 29 ff. 136 OVG Lüneburg 24.9.2013, 7 LA 21/10, juris Rn. 5; OVG Lüneburg 21.10.2008, 7 ME 170/07, NuR 2009, 58, 60; ebenso die Vorinstanz: VG Lüneburg 11.2.2010, 2 A 205/09, nicht veröffentlicht. 137 Ebenso Stevens ZUR 2012, 338, 344; Heggemann/Dammert/Oldiges Grundsatzfragen der Wiederherstellung des Wasserhaushalts durch Flutung von Tagebaurestlöchern im Südraum Leipzig, S. 97. Keienburg/Wiesendahl

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Vor Inkrafttreten der Nr. 9 wurde eine Umweltverträglichkeitsprüfung für die Herstellung eines Gewässers, die nicht automatische Folge eines Abbaus gemäß Nr. 1 Buchst. b) bb) war, sondern über aktive Maßnahmen der Wasserzuführung zur Wiedernutzbarmachung erfolgt, außerhalb des Bergrechts in dem für die Flutung eines Tagebaurestlochs zusätzlich zur bergrechtlichen Zulassung erforderlichen wasserrechtlichen Planfeststellungsverfahren gemäß § 68 Abs. 1 WHG durchgeführt. Eine Umweltverträglichkeitsprüfung im bergrechtlichen Verfahren scheiterte an einer dafür erforderlichen Regelung der UVP-Pflicht in der UVP-V Bergbau. Seit Inkrafttreten der Nr. 9 ist die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung für die Flutung eines Tagebaurestlochs im Bergrecht nicht mehr aufgrund fehlender Regelung in der UVP-V Bergbau ausgeschlossen. Entgegen gehalten werden könnte der Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung für Maßnahmen der Wiedernutzbarmachung im bergrechtlichen Verfahren, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung im Bergrecht ein obligatorisches Rahmenbetriebsplanverfahren erfordert, das ausweislich der Überschrift des § 52 für Errichtung und Führung eines Bergbaubetriebs konzipiert ist, nicht aber für die Einstellung eines Bergbaubetriebs, die durch Abschlussbetriebsplanzulassung gemäß § 53 zugelassen wird. Ob die Überschrift des § 52 einem fakultativen Rahmenabschlussbetriebsplan – nicht als Ersatz eines Abschlussbetriebsplans aber ergänzend zu diesem – entgegen steht, wird in der Literatur seit langem streitig diskutiert;138 im Einzelnen vgl. § 53 Rn. 14 ff. Für die Zulässigkeit eines obligatorischen Rahmenabschlussbetriebsplans lässt sich anführen, dass § 52 Abs. 2a einen obligatorischen Rahmenbetriebsplan – unabhängig von der Überschrift des § 52 – nicht von den Tatbeständen Errichtung und Führung eines Betriebs, sondern allein von der UVP-Pflicht abhängig macht. Keinesfalls kann, wie vom OVG Lüneburg entschieden, eine nach Maßgabe der sachlichen Kriterien des § 1 Satz 1 Nr. 1 bis 10 UVP-V Bergbau erforderliche UVP dadurch umgangen werden kann, dass anstelle eines obligatorischen Rahmenbetriebsplanverfahrens ein anderes Betriebsplanverfahren ohne UVP durchgeführt wird.139 Dies hat das OVG Lüneburg allerdings nicht mit dem Erfordernis eines Abschlussbetriebsplanverfahrens in Gestalt eines obligatorischen Rahmenbetriebsplanverfahrens verbunden; vielmehr hat das OVG Lüneburg betont, dass eine erforderliche UVP nicht allein im Verfahren über die Zulassung eines Rahmenbetriebsplans nach § 52 Abs. 2a durchgeführt werden kann.140 Erfordert daher die Wiedernutzbarmachung eine Umweltverträglichkeitsprüfung, kann deren Durchführung nicht daran scheitern, dass das BBergG nicht ausdrücklich die Möglichkeit eines obligatorischen Rahmenbetriebsplanverfahrens für die Betriebseinstellung regelt. In Frage gestellt werden könnte, ob die wasserrechtlichen Aspekte der Flutung eines Tagebaurestlochs, die oftmals nicht über Sümpfungswässer aktiver Tagebaue möglich ist, sondern aufgrund Fremdwasserzuführungen erhebliche und langjährige Eingriffe in den Wasserhaushalt erfordert, gegenüber den bergrechtlichen Aspekten überwiegen und daher ein wasserrechtliches Planfeststellungsverfahren vorrangig vor einem bergrechtlichen Betriebsplanverfahren ist. Ein derartiger Vorrang ist aber gesetzlich nicht geregelt. Insbesondere die in § 78 Abs. 2 Satz 1 VwVfG für den Fall des Zusammentreffens mehrerer planfeststellungspflichtiger Vorhaben normierte Vorrangwirkung des Verfahrens für diejenige Anlage, die einen größeren Kreis öffentlich-rechtlicher Beziehungen berührt, ist nicht einschlägig. § 78 VwVfG setzt das eher zufällige gleichzeitige Zusammentreffen mehrerer selbständiger Vorhaben voraus und greift nicht, wenn, wie im Fall der Flutung eines Tagebaurestlochs, das eine Vorhaben durch das andere bedingt ist.141 Damit

138 Die Zulässigkeit eines fakultativen Rahmenabschlussbetriebsplans bejahend: Kühne/Ehricke/Beckmann Bergrecht zwischen Tradition und Moderne, S. 183 f.; Beddies Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Einstellung eines Bergwerksbetriebs, S. 116; a.A. Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 52 Rn. 27; Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht, Rn. 221; Knöchel ZfB 1996, 44, 50; offen gelassen für den fakultativen Rahmenbetriebsplan vom BVerwG 9.11.1995, 4 C 25/94, BVerwGE 100, 31, 33 = ZfB 1995, 290, 294; tendenziell gegen die Möglichkeit eines Rahmenabschlussbetriebsplans OVG Münster 26.1.2012, 11 A 2635/09, ZfB 2013, 151, 160; vgl. insgesamt zum Streitstand auch von Weschpfennig Strukturen des Bergrechts, S. 307 ff. 139 OVG Lüneburg 21.10.2008, 7 ME 170/07, NuR 2009, 58, 60. 140 VGH München 8.12.2014, 1 ZB 14/55, juris Rn. 3 ff.; OVG Lüneburg 24.9.2013, 7 LA 21/10, juris Rn. 3; a.A. Frenz Unternehmerverantwortung im Bergbau, S. 76; kritisch auch von Weschpfennig Strukturen des Bergrechts, S. 307. 141 BVerwG 26.4.1996, 11 VR 47/95, LKV 1996, 375; Stelkens/Bonk/Sachs/Neumann VwVfG, § 78 Rn. 6. 745

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spricht auf Grundlage der Gesetzeslage Überwiegendes für die Durchführung einer nach Maßgabe der Nr. 13.18 der Anlage des UVPG ggf. erforderlichen Umweltverträglichkeitsprüfung für die Flutung eines Tagebaurestlochs als bergrechtliche Wiedernutzbarmachung im bergrechtlichen Betriebsplanverfahren und dem zur Durchführung der Umweltverträglichkeitsprüfung speziell konzipierten obligatorischen Rahmenbetriebsplanverfahren. Anderes gilt nur dann, wenn die Wiedernutzbarmachung einem besonderen Verfahren i.S.d. § 52 Abs. 2b Satz 2 unterliegt, in dem die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung gewährleistet ist; vgl. Vorbemerkungen zur UVP-V Bergbau Rn. 13. In diesem Fall wird eine zusätzliche Umweltverträglichkeitsprüfung im bergrechtlichen Verfahren entbehrlich.

66 e) Dynamische Verweisung. Nr. 9 beinhaltet eine dynamische Verweisung. Nach Erlass der Nr. 9 eintretende Änderungen der Anlage 1 des UVPG sind sowohl im Fall der Erweiterung des Katalogs UVP-pflichtiger Vorhaben, als auch im Fall einer Reduzierung zu beachten. Nr. 9 ist mangels einschränkender Regelung und in Anbetracht der Zielsetzung einer Vereinheitlichung der UVP-pflichtigen Tatbestände auf Grundlage des UVPG und der Verordnung als Verweisung auf Anlage 1 des UVPG in der jeweils gültigen Fassung zu verstehen.

66a f) Einstellung von Grubenwasserhaltung. Nicht UVP-pflichtig ist der Anstieg von Grubenwasser im Steinkohlenbergbau nach dem Verlassen von Bereichen des untertägigen Grubengebäudes.142 Während des aktiven Steinkohlenabbaus muss das dem Grubengebäude zutretende Grundwasser, das sog. Grubenwasser, gesammelt und mittels Pumpen nach über Tage gefördert werden, um die untertägigen Abbauarbeiten zu ermöglichen. Nach der Beendigung des Abbaus in einzelnen Bereichen oder der vollständigen Einstellung des Abbaus in einem Grubengebäude kann die Grubenwasserhaltung eingestellt werden. Der dann folgende Anstieg des Grubenwassers stellt kein potentiell UVPpflichtiges Entnehmen, Zutagefördern oder Zutageleiten i.S.d. Nr. 13.3 der Anlage 1 des UVPG dar. Der Grubenwasseranstieg erfolgt mit dem Einstellen der Pumpmaßnahmen naturbedingt und ohne zweckgerichtete, auf das Entnehmen, Zutagefördern oder Zutageleiten gerichtete Maßnahmen. Damit fehlt es an einer für die Bejahung einer wasserrechtlichen Benutzung i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 5 WHG erforderlichen zweckgerichteten Tätigkeit und ebenso an einer potentiell UVP-pflichtigen Tätigkeit.143 Die Einstellung einer bergbaulichen Wasserhaltung beinhaltet allein die Einstellung der Nutzung einer begünstigenden Zulassung und ist nicht aus sich heraus wasserrechtlich erlaubnispflichtig; vgl. Anh. § 48 Rn. 201. Die UVP ist unselbständiger Bestandteil eines Zulassungsverfahrens und setzt damit ein fachrechtliches Zulassungsverfahren voraus.

16. Sonstige Tiefbohrungen ab 1.000 Metern Teufe (Nr. 10) 66b Nr. 10 enthält einen Auffangtatbestand, mit welchem alle von den vorhergehenden Nr. 1 bis 9 nicht erfassten Tiefbohrungen ab 1.000 Metern Teufe zur Aufsuchung oder Gewinnung von Bodenschätzen einer allgemeinen oder standortbezogenen Vorprüfung unterzogen werden.144 Die Regelung wurde mit Artikel 1 der Verordnung zur Einführung von Umweltverträglichkeitsprüfungen und über bergbauliche Anforderungen beim Einsatz der Fracking-Technologie und Tiefbohrungen vom 4.8.2016 in § 1 UVP-V Bergbau eingefügt und trat am 6.8.2016 in Kraft.

142 Jordan ZfB 2018, 102, 109 f.; Jordan/Welsing ZfB 2017, 231, 241 ff.; Jordan/Welsing ZfW 2017, 121, 132 ff.; vgl. zur Frage der UVP-Pflichtigkeit der Einstellung der Grubenwasserhaltung auch von Weschpfennig Strukturen des Bergrechts, S. 309 ff. 143 Jordan/Welsing ZfW 2017, 121, 124. 144 BR-Drs. 144/15, S. 16. Keienburg/Wiesendahl

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Damit wurden die Vorgaben aus Anhang II Nr. 2 Buchst. d) der UVP-Richtlinie umgesetzt. Der EuGH hat mit Urteil vom 11.2.2015 entschieden, dass Anhang II Nr. 2 Buchst. d) der UVP-Richtlinie, der durch Nr. 8 umgesetzt werden sollte, keine abschließende Aufzählung der erfassten Bohrungsarten enthält, was auch bereits die Formulierung „insbesondere“ impliziert, sondern alle Tiefbohrungen erfasst sind, ausgenommen Bohrungen zur Untersuchung der Bodenfestigkeit.145 Der EuGH bejahte daher eine Vorprüfpflicht der seiner Entscheidung zugrunde liegenden Aufschlussbohrung zur Aufsuchung von Erdgas. Die Entscheidung hat zur Folge, dass die Mitgliedstaaten Vorgaben treffen müssen, die eine Überprüfung der UVP-Pflicht der einzelnen von Anhang II erfassten Vorgaben ermöglichen. Den Mitgliedstaaten steht es frei, die UVP-Pflicht anhand einer Einzelfalluntersuchung oder von den Mitgliedsstaaten festgelegter Schwellenwerte bzw. Kriterien festzulegen. Der Verordnungsgeber hat sich in der neuen Nr. 10 – europarechtskonform – für Einzeluntersuchungen entschieden.146 Als Auffangtatbestand soll die Nr. 10 zur Anwendung kommen, wenn es sich um Tiefbohrungen handelt, die zwar der Erdgas-, Erdöl- oder Erdwärmeförderung dienen, aber im konkreten Einzelfall nicht von den Nr. 2 bis 2c oder 8 oder 8a erfasst werden, beispielsweise bei Aufsuchungsbohrungen nach Erdgas unterhalb der Schwellenwerte in Nr. 2 Buchst. a) und ohne Einsatz der Fracking-Technologie oder bei Tiefbohrungen zur Gewinnung von Erdwärme außerhalb von Schutzgebieten und ohne den Einsatz der Fracking-Technologie.147 Nr. 10 Buchst. a) bestimmt, dass für Tiefbohrungen zur Gewinnung von Bodenschätzen ab 1.000 Metern Teufe, die nicht von den Nr. 1 bis 9 erfasst sind, eine allgemeine Vorprüfung zu erfolgen hat. Nr. 10 Buchst. b) bestimmt, dass für Tiefbohrungen zur Aufsuchung von Bodenschätzen ab 1.000 Metern Teufe, die nicht von den Nr. 1 bis 9 erfasst sind, eine standortbezogene Vorprüfung zu erfolgen hat.

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III. Keine Umweltverträglichkeitsprüfung außerhalb der Schwellenwerte Die Tatbestände des § 1 Satz 1 Nr. 1 bis 10 UVP-V Bergbau sind enumerativ und damit abschlie- 67 ßend.148 Erfüllt ein betriebsplanpflichtiges Vorhaben die Kriterien der Nr. 1 bis 10 auch unter Berücksichtigung der Vorgaben der §§ 9 bis 12 UVPG nicht, bedarf das Vorhaben keiner Umweltverträglichkeitsprüfung. In diesem Fall kann eine Umweltverträglichkeitsprüfung von dem Vorhabenträger zwar freiwillig durchgeführt werden, aber nicht mit der Folge, dass das Vorhaben in einem obligatorischen Rahmenbetriebsplanverfahren gemäß § 52 Abs. 2a zuzulassen ist. Ebenso wenig, wie bei Erfüllung der Tatbestände der Nr. 1 bis 10 eine Wahlmöglichkeit des Vorhabenträgers oder der Behörde besteht, eine Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterlassen, besteht bei Nichterfüllung der Tatbestände der Nr. 1 bis 10 eine Wahlmöglichkeit des Vorhabenträgers oder der Behörde, eine Umweltverträglichkeitsprüfung mit der Folge eines obligatorischen Rahmenbetriebsplanverfahrens durchzuführen. Das obligatorische Rahmenbetriebsplanverfahren ist gemäß § 52 Abs. 2a Satz 1 nur dann durchzuführen, wenn ein Vorhaben nach den objektiven Vorgaben des § 57c i.V.m. § 1 Satz 1 Nr. 1 bis 6a sowie 8 bis 10 UVP-V Bergbau einer Umweltverträglichkeitsprüfung bedarf. Anderenfalls ist das Vorhaben ohne Umweltverträglichkeitsprüfung im herkömmlichen Betriebsplanverfahren ohne Konzentrationswirkung zuzulassen.149 Die Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens ohne gesetzliche Ermächtigung birgt Ver- 68 fahrensrisiken. Aufgrund der einem Planfeststellungsbeschluss gemäß § 75 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz VwVfG zukommenden Konzentrationswirkung nimmt die Behörde bei Durchführung eines Plan-

145 146 147 148

EuGH 11.2.2015, C-531/13, ZfB 2015, 23. Keienburg ZfW 2016, 270, 278; EuGH 11.2.2015, C-531/13, ZfB 2015, 23 Rn. 30. BR-Drs. 144/15, S. 16. VGH München 21.8.2012, 8 CS 12/847, ZfB 2012, 242 Rn. 27; VG Kassel 2.8.2012, 4 L 81/12, ZfB 2013, 61, 66; VG München 5.12.2012, M 9 K 11.5927, BeckRS 2013, 45521. 149 Keienburg NVwZ 2013, 1123 f. 747

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feststellungsverfahrens ohne Rechtsgrundlage Entscheidungszuständigkeiten wahr, die ihr ohne Konzentrationswirkung nicht zukommen. Das kann zur Rechtswidrigkeit führen.150

IV. Berücksichtigung von Erdbebenzonen (§ 1 Satz 2) 69 Gemäß § 1 Satz 2 UVP-V Bergbau sind bei Vorprüfungen nach Satz 1 Nr. 2 Buchst. b und Nr. 10 auch Erdbebenzonen 1 bis 3 nach DIN EN 1998 Teil 1, Ausgabe Januar 2011 zu berücksichtigen. Satz 2 wurde mit Artikel 1 der Verordnung zur Einführung von Umweltverträglichkeitsprüfungen und über bergbauliche Anforderungen beim Einsatz der Fracking-Technologie und Tiefbohrungen vom 4.8.2016 eingefügt. Damit soll klargestellt werden, dass neben der in Anlage 3 des UVPG beispielhaft aufgeführten Gebieten insb. auch Erdbebenzonen 1 bis 3 bei der Vorprüfung nach Nr. 2 Buchst. b) und Nr. 10 zu berücksichtigen sind.151

§2 Angaben im UVP-Bericht Bei Vorhaben nach § 1 Nummer 2a, 2c und 8a hat der Bericht zu den voraussichtlichen Umweltauswirkungen des Vorhabens (UVP-Bericht) nach § 16 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung insbesondere auch folgende Angaben zu enthalten: 1. Angaben über die Identität aller Stoffe, die eingesetzt, wiederverwendet, entsorgt oder beseitigt werden sollen, über ihre voraussichtliche Menge und über ihren Anteil in Gemischen sowie 2. Angaben über die Beschaffenheit des Grundwassers, oberirdischer Gewässer, des Bodens und der Gesteine im möglichen Einwirkungsbereich des Vorhabens, wobei die zuständige Behörde festzulegen hat, welche Untersuchungen im Einzelfall erforderlich sind.

I. Gesetzesgeschichte 1 § 2 UVP-V Bergbau verhielt sich in der Vergangenheit sowohl zu den vom Vorhabenträger für die Umweltverträglichkeitsprüfung beizubringenden Angaben i.S.d. § 57a Abs. 2 Satz 2 BBergG a.F. als auch zum Scoping i.S.d. § 52 Abs. 2a Satz 2 BBergG a.F. Durch die Verordnung zur Einführung von Umweltverträglichkeitsprüfungen und über bergbauliche Anforderungen beim Einsatz der Fracking-Technologie und Tiefbohrungen vom 4.8.2016 wurde zudem in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UVP-V Bergbau a.F. das Erfordernis zusätzlicher Angaben festgelegt, wenn es sich um Vorhaben nach den damals neu eingefügten bzw. geänderten Nr. 2a, 2c und 8a des § 1 Satz 1 UVP-V Bergbau handelte. Die Nummern betreffen Vorhaben unter Nutzung der sog. Fracking-Technologie sowie Vorhaben der Entsorgung oder Beseitigung von Lagerstättenwasser. 1a Mit Artikel 2 des Gesetzes zur Modernisierung des Rechts der Umweltverträglichkeitsprüfung vom 20.7.2017 wurde der § 57a Abs. 2 Satz 2 BBergG a.F., auf den sich § 2 Abs. 2 UVP-V Bergbau bis dahin bezog, dahingehend geändert, dass der Rahmenbetriebsplan alle für die Umweltverträglichkeitsprüfung bedeutsamen Angaben in Form eines UVP-Berichts nach Maßgabe des § 16 UVPG und der Rechtsverordnung nach § 57c enthalten muss. Eine eigene Aufzählung von erforderlichen 150 BVerwG 19.2.2015, 7 C 10/12, NJOZ 2015,984 und OVG Münster 15.3.2011, 20 A 2148/09, DVBl 2011, 767 ff. zur wasserrechtlichen Planfeststellung des Binnenhafens Köln-Godorf; VG Düsseldorf 30.11.2010, 17 K 1926/09, NuR 2011, 376, 381 zur Planfeststellung einer Abgrabung mit nachfolgender Nutzung des entstehenden Gewässers als Yachthafen durch die für die Planfeststellung des Yachthafens nicht aber für die Abgrabung sachlich zuständige Behörde. 151 BR-Drs. 144/15, S. 17. Keienburg/Wiesendahl https://doi.org/10.1515/9783110709285-080

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Zweites Kapitel – Anzeige, Betriebsplan

Anh. § 57c

Angaben enthält § 57a Abs. 2 Satz 2 seither nicht mehr, dazu und zu § 16 UVPG vgl. auch § 57a Rn. 10 ff. Korrespondierend damit wurde mit der Verordnung vom 20.7.2017 der Inhalt des § 2 UVP-V 1b Bergbau bis auf die mit Verordnung vom 4.8.2016 eingefügten Angaben gestrichen, sodass diese nunmehr den einzigen Regelungsgehalt darstellen. Von der Streichung umfasst war damit auch der erst mit der Verordnung vom 4.8.2016 einge- 1c fügte § 2 Abs. 1 Satz 2 UVP-V Bergbau, nach dem die zuständige Behörde diese Angaben der zuständigen Wasserbehörde und Bodenschutzbehörde zu übermitteln und deren Stellungnahme einzuholen hatte. Dies ergibt sich nunmehr aus § 17 UVPG, der gemäß § 57a Abs. 1 Satz 5 auch bei bergrechtlichen Verfahren anzuwenden ist.1

II. Bedeutung Die Aufführung der Angaben in § 2 Nr. 1 UVP-V Bergbau ist nicht abschließend (erkennbar an 2 der Formulierung „insbesondere auch“) und dient laut Verordnungsbegründung der Klarstellung. Erforderlich sind im UVP-Bericht nach § 16 UVPG bei Vorhaben nach § 1 Satz 1 Nr. 2a, 2c und 8a UVP-V Bergbau (insbesondere auch) Angaben über die Identität aller Stoffe, die eingesetzt, wiederverwendet, entsorgt oder beseitigt werden sollen, über ihre voraussichtliche Menge und über ihren Anteil in Gemischen. Die Form der Angaben zur Stoffidentität soll sich nach den jeweils einschlägigen Vorgaben des Chemikalienrechts richten. Erfasst werden soll damit auch die gesamte Behandlung der eingesetzten Fluide, des Rückflusses und des Lagerstättenwassers. In der Umweltverträglichkeitsprüfung sollen damit sowohl der Einsatz der Fluide als auch die spätere Behandlung des Rückflusses und des Lagerstättenwassers zu prüfen sein.2 Darüber hinaus muss der UVP-Bericht bei Vorhaben nach § 1 Satz 1 Nr. 2a, 2c und 8a UVP-V 2a Bergbau auch Angaben über die Beschaffenheit des Grundwassers, oberirdischer Gewässer, des Bodens und der Gesteine im möglichen Einwirkungsbereich der Vorhaben enthalten, wobei die zuständige Behörde festzulegen hat, welche Untersuchungen im Einzelnen erforderlich sind (§ 2 Nr. 2 UVP-V Bergbau). Auch diese Aufzählung ist nicht abschließend. Als Anhaltspunkt zu Zielsetzung und Anforderungen der Angaben nach § 2 UVP-V Bergbau kann 2b § 13b Abs. 1 WHG herangezogen werden. Die Angaben nach § 2 Nr. 1 und 2 UVP-V Bergbau müssen gemäß § 13b Abs. 1 WHG auch in einem Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis für eine Gewässerbenutzung nach § 9 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 WHG enthalten sein. Die Angaben nach § 2 Nr. 1 UVP-V Bergbau sollen dort der Behörde die Möglichkeit geben, die Auswirkungen der jeweiligen Gewässerbenutzung auf den Boden und das Grundwasser beurteilen zu können. Daher sind vollständige Angaben über die Identität aller Stoffe, mit denen im Rahmen der Gewässerbenutzung umgegangen werden soll, über ihre voraussichtliche Menge und über ihren Anteil in den Gemischen erforderlich.3 Die Angaben nach § 2 Nr. 2 UVP-V Bergbau werden vom Gesetzgeber des WHG als „Ausgangszustandsbericht“ bezeichnet.4 Es geht einerseits darum, einen fundierten Kenntnisstand über die Beschaffenheit insbesondere des Grundwassers, aber auch der möglicherweise betroffenen Oberflächengewässer (physikochemische Verhältnisse, geogene Hintergrundwerte) zu gewinnen. Andererseits dient der Bericht der Erbringung des Nachweises, dass festgestellte Grundwasserverunreinigungen im Vorfeld von Aufsuchung und Gewinnung von Erdöl, Erdgas oder Erdwärme nicht durch diese Tätigkeiten verursacht wurden oder werden (Beweissicherungsfunktion).5

1 2 3 4 5

BT-Drs. 18/11499, S. 121. BR-Drs. 144/15, S. 17. BT-Drs. 18/4713, S. 26 f.; Schink/Fellenberg/Wiesendahl WHG, § 13b Rn. 9. BT-Drs. 18/4713, S. 27.; Schink/Fellenberg/Wiesendahl WHG, § 13b Rn. 11. Frenz/Slota ZNER 2015, 307, 311; Frenz NVwZ, 2016, 1042, 1044; Schink/Fellenberg/Wiesendahl WHG, § 13b Rn. 11.

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Anh. § 57c

Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

§3 (aufgehoben) I. § 3 UVP-V Bergbau aufgehoben 1 § 3 UVP-V Bergbau enthielt Regelungen über die grenzüberschreitende Beteiligung zur Konkretisierung des § 57a Abs. 6 BBergG a.F. Mit Artikel 2 des Gesetzes zur Modernisierung des Rechts der Umweltverträglichkeitsprüfung vom 20.7.2017 wurde § 3 UVP-V Bergbau aufgehoben und die entsprechenden Regelungen des § 57a Abs. 6 BBergG a.F. gestrichen. Für die grenzüberschreitende Beteiligung verweist § 57a Abs. 6 nunmehr auf die Vorschriften des 5. Teils des UVPG. Anwendbar sind damit im bergrechtlichen Planfeststellungsverfahren auch §§ 54 bis 57 UVPG, die nicht bereits von dem Verweis in § 57a Abs. 1 Satz 5 auf einzelne Vorschriften des UVPG umfasst sind. Eine eigenständige bergrechtliche Regelung war damit entbehrlich geworden.1 Die Vorschrift des § 3 UVP-V Bergbau a.F. regelte die grenzüberschreitende Beteiligung sowohl 1a von Behörden anderer Staaten, als auch der Öffentlichkeit anderer Staaten in den Fällen, in denen ein Vorhaben i.S.d. § 1 UVP-V Bergbau in einem anderen Staat erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben kann. Normiert war in § 3 UVP-V Bergbau i.V.m. § 57a Abs. 6 Satz 1 und 2 für den Fall grenzüberschreitender erheblicher Umweltauswirkungen des planfestzustellenden Vorhabens eine Verpflichtung der Planfeststellungsbehörde zur aktiven grenzüberschreitenden Beteiligung.

II. Grenzüberschreitende UVP bei inländischen Vorhaben (§§ 54 bis 57 UVPG) 2 Die über § 57a Abs. 6 im bergrechtlichen Planfeststellungsverfahren anwendbaren §§ 54 bis 57 UVPG regeln im Wesentlichen das Vorgehen der jeweils zuständigen deutschen Behörde im Falle der grenzüberschreitenden UVP bei inländischen Vorhaben. Wenn ein Vorhaben, für das eine UVP-Pflicht besteht, erhebliche grenzüberschreitende Umweltauswirkungen haben kann, benachrichtigt die zuständige deutsche Behörde frühzeitig die von dem anderen Staat benannte Behörde durch Übersendung geeigneter Unterlagen über das Vorhaben. Wenn der andere Staat keine Behörde benannt hat, so wird die oberste für Umweltangelegenheiten zuständige Behörde des anderen Staates benachrichtigt (§ 54 Abs. 1 UVPG). Dies gilt entsprechend, wenn ein anderer Staat um Benachrichtigung bittet (§ 54 Abs. 2 UVPG). Dies bedeutet im Ergebnis, dass unabhängig von der Einschätzung der deutschen Behörde hinsichtlich der Reichweite der Umweltauswirkungen, der andere Staat insoweit einen Anspruch auf Benachrichtigung hat.2 Die zuständige deutsche Behörde bittet die von dem anderen Staat benannte Behörde um Mitteilung innerhalb einer angemessenen Frist, ob eine Beteiligung erwünscht ist (§ 54 Abs. 4 UVPG). Teilt der andere Staat mit, dass eine Beteiligung gewünscht wird, so findet eine grenzüberschreitende Behörden- und Öffentlichkeitsbeteiligung nach Maßgabe der §§ 55 bis 57 UVPG statt (§ 54 Abs. 5 UVPG). § 55 UVPG regelt die grenzüberschreitende Behördenbeteiligung bei inländischen Vorhaben. Der Behörde des anderen Staates ist danach, soweit die Angaben nicht in der Benachrichtigung enthalten waren, der Inhalt der Bekanntmachung zur Unterrichtung der Öffentlichkeit nach § 19 Abs. 1 UVPG zu übermitteln sowie die Unterlagen die gemäß § 19 Abs. 2 UVPG zur Einsicht für die Öffentlichkeit auszulegen sind. Geregelt ist auch, welche Unterlagen in deutscher und in einer Amtssprache des anderen Staates zu übermitteln sind (§ 55 Abs. 2 UVPG). Gemäß § 55 Abs. 4 UVPG gibt die zuständige deutsche Behörde der benannten Behörde des anderen Staates sowie weiteren, von dieser Behörde angegebenen Behörden mindestens im gleichen Umfang wie den nach § 17 UVPG zu beteiligenden Behörden Gelegenheit zur Stellungnahme. Für die Stellungnahmen gilt 1 BT-Drs. 18/11499, S. 121. 2 Hoppe/Beckmann/Kment/Grandjot UVPG, § 54 Rn. 23. Keienburg/Wiesendahl https://doi.org/10.1515/9783110709285-081

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Zweites Kapitel – Anzeige, Betriebsplan

Anh. § 57c

§ 73 Abs. 3a VwVfG entsprechend. In § 55 Abs. 5 UVPG wird die etwaige Durchführung von Konsultationen zwischen den zuständigen obersten Bundes- und Landesbehörden mit dem anderen Staat geregelt. Die zuständige deutsche Behörde übermittelt den beteiligten Behörden des anderen Staates in einer Amtssprache des anderen Staates sonstige für das Verfahren der grenzüberschreitenden Umweltverträglichkeitsprüfung wesentliche Unterlagen, insbesondere Einladungen zum Erörterungstermin und zu Konsultationen (§ 55 Abs. 6 UVPG). In § 56 UVPG ist die grenzüberschreitende Öffentlichkeitsbeteiligung bei inländischen Vorhaben normiert. Bei der grenzüberschreitenden Öffentlichkeitsbeteiligung kann sich die Öffentlichkeit des anderen Staates am Verfahren nach den §§ 18 bis 22 UVPG beteiligen (§ 56 Abs. 1 UVPG). Die zuständige deutsche Behörde wirkt darauf hin, dass das Vorhaben in dem anderen Staat auf geeignete Weise bekannt gemacht wird und dabei auch Angaben zu den Modalitäten und den Rechtswirkungen der Beteiligung gemacht werden; siehe dazu im Einzelnen § 56 Abs. 2 UVPG. Weiter enthält § 56 UVPG Regelungen zur elektronischen Übermittlung von Äußerungen (§ 56 Abs. 3 UVPG). Die Öffentlichkeit des anderen Staates kann ihre Äußerungen in einer ihrer Amtssprachen übermitteln (§ 56 Abs. 4 UVPG). § 57 UVPG regelt die Übermittlung des Zulassungsbescheides an die benannte Behörde des anderen Staates sowie diejenigen Behörden des anderen Staates, die Stellungnahmen abgegeben haben. Bestimmte Teile des Bescheids sowie die Rechtsbehelfsbelehrung sind zusätzlich in einer Amtssprache des anderen Staates zu übermitteln (§ 57 Abs. 1 UVPG). Die zuständige deutsche Behörde wirkt darauf hin, dass der betroffenen Öffentlichkeit des anderen Staates die Zulassungsentscheidung auf geeignete Weise bekannt gemacht und der Bescheid einschließlich der übersetzten Teile zugänglich gemacht wird (§ 57 Abs. 2 UVPG).

§4 Übergangsvorschrift (1) Die am 20. August 2005 bereits begonnenen Verfahren betreffend betriebsplanpflichtige Vorhaben im Sinne des § 1 sind nach den bisher geltenden Vorschriften zu Ende zu führen. (2) Die am 15. Dezember 2006 bereits begonnenen Verfahren betreffend betriebsplanpflichtige Vorhaben im Sinne des § 1 sind nach den bisher geltenden Vorschriften zu Ende zu führen. (3) Die am 1. Mai 2008 bereits begonnenen Verfahren betreffend betriebsplanpflichtige Vorhaben im Sinne des § 1 Nr. 4a sind nach den bisher geltenden Vorschriften zu Ende zu führen. (4) Die am 9. September 2010 bereits begonnenen Verfahren betreffend betriebsplanpflichtige Vorhaben im Sinne des § 1 Nummer 6a sind nach den bisher geltenden Vorschriften zu Ende zu führen. (5) Für Vorhaben nach § 1 Satz 1 Nummer 2 Buchstabe b, Nummer 2a, 2b, 2c, 8, 8a und 10, für die am 6. August 2016 ein genehmigter Betriebsplan der zuständigen Behörde vorliegt, wird die Verordnung in der bis zum 5. August 2016 geltenden Fassung angewendet. Die UVP-V Bergbau in der Fassung vom 13.7.1990 enthielt keine Übergangsregelung. Eine Über- 1 gangsregelung war vielmehr in Art. 2 des Gesetzes zur Änderung des BBergG vom 12.2.1990 enthalten; vgl. dazu die Vorbemerkungen zur UVP-V Bergbau Rn. 5 f. § 4 UVP-V Bergbau a.F. regelte in der Ursprungsfassung der Verordnung die Gültigkeit der Verordnung auch im Land Berlin. Erforderlich war diese Regelung vor der Wiedervereinigung aufgrund § 13 Abs. 1 des Dritten Überleitungsgesetzes vom 4.1.1952, wonach Bundesrecht in Berlin gesondert in Kraft zu setzen war. Nach der Wiedervereinigung und der damit bedingten Entbehrlichkeit gesonderter gesetzlicher Regelungen des Landes Berlin wurde § 4 UVP-V Bergbau a.F. mit der Verordnung zur Änderung bergrechtlicher Verordnungen vom 10.8.1998 zunächst gestrichen. 751 https://doi.org/10.1515/9783110709285-082

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Anh. § 57c

Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

Auch mit der Verordnung zur Änderung bergrechtlicher Verordnungen vom 10.8.1998, die in Art. 5 Änderungen der UVP-V Bergbau zur UVP-Pflicht von Tagebauvorhaben i.S.d. § 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b) UVP-V Bergbau enthielt, wurde keine Überleitungsregelung in der UVP-V Bergbau eingefügt. Vielmehr regelte Art. 6 der Verordnung zur Änderung bergrechtlicher Verordnungen außerhalb der UVP-V Bergbau, dass Vorhaben i.S.d. Art. 5 der Verordnung nach den bisher geltenden Vorschriften zu Ende zu führen waren. Erst mit der Zweiten Verordnung zur Änderung bergrechtlicher Verordnungen vom 10.8.2005 wurde in § 4 UVP-V Bergbau eine Übergangsvorschrift eingefügt, wonach am 20.8.2005 – dem Tag des Inkrafttretens der Zweiten Änderungsverordnung – bereits begonnene Verfahren nach den bisher geltenden Vorschriften zu Ende zu führen sind. Die mit der Zweiten Verordnung zur Änderung bergrechtlicher Verordnungen normierte zwingende UVP-Pflicht von Tagebauen erst ab einer Abbaufläche von 25 ha gemäß § 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b) aa) UVP-V Bergbau, einer Vorprüfung von Gruben- und Grubenanschlussbahnen und von Wassertransportleitungen des Tagebaus gemäß § 1 Satz 1 Nr. 5 und 6 UVP-V Bergbau sowie die Auffangklausel des § 1 Satz 1 Nr. 9 UVP-V Bergbau finden damit nur auf Verfahren Anwendung, die nach dem 20.8.2005 begonnen wurden. Dies regelt inzwischen Absatz 1. Mit weiteren Novellen wurden die Absätze 2 bis 4 hinzugefügt. Absatz 2 regelt die Anwendbarkeit der mit dem Öffentlichkeitsbeteiligungsgesetz vom 9.12.2006 beschlossenen Änderungen, insbesondere die Vorprüfung von Tagebauen mit einer Abbaufläche von mehr als 10 ha bis weniger als 25 ha gemäß § 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b) dd) UVP-V Bergbau, die auf nach dem 15.12.2006 begonnene Verfahren Anwendung finden. Absatz 3 wurde mit der Dritten Verordnung zur Änderung bergrechtlicher Verordnungen vom 24.1.2008 eingefügt; die damit normierten Änderungen der UVPV Bergbau und damit insbesondere die UVP-Pflicht bestimmter Abfallentsorgungseinrichtungen gemäß § 1 Satz 1 Nr. 4a UVP-V Bergbau finden keine Anwendung auf am 1.5.2008 bereits begonnene Verfahren. Die mit der bisher letzten Novelle der UVP-V Bergbau mit der Verordnung zur Neufassung und Änderung von Vorschriften auf dem Gebiet des Energiewirtschaftsrechts sowie des Bergrechts vom 3.9.2010 in § 1 Satz 1 Nr. 6a UVP-V Bergbau neu geregelte UVP-Pflicht von Untergrundspeichern für Erdgas, Erdöl und petrochemische oder chemische Erzeugnisse findet gemäß Absatz 4 keine Anwendung auf am 9.9.2010 bereits begonnene Verfahren. 3 Die Übergangsregelungen des § 4 Abs. 1 bis 4 UVP-V Bergbau stellen auf den Beginn des Verfahrens ab. Der Beginn eines Verfahrens bestimmt sich nach dem Zeitpunkt der Antragstellung; vgl. dazu die Vorbemerkungen zur UVP-V Bergbau Rn. 6. Zusätzlich ist der Zeitpunkt des Beginns eines Vorhabens zu berücksichtigen; vgl. dazu die Vorbemerkungen zur UVP-V Bergbau Rn. 8. Soweit ein Vorhaben als Ganzes vor dem Inkrafttreten von Vorschriften, die inzwischen die UVP-Pflicht des Vorhabens begründen, begonnen wurde, sind auch spätere Zulassungsverfahren, die sich innerhalb des Rahmens des bereits zuvor begonnenen Gesamtvorhabens bewegen, nicht UVP-pflichtig. Entwicklungen eines Vorhabens, die über die ursprüngliche Konzeption hinausgehen, unterliegen dann, wenn das Erweiterungs- oder Änderungsverfahren nach dem gemäß § 4 Abs. 1 bis 4 UVP-V Bergbau jeweils maßgeblichen Stichtag eingeleitet wurde, abhängig vom Erreichen der maßgeblichen Schwellenwerte einer UVP-Pflicht. Dabei ist bereits vorhandener Bestand unter den Voraussetzungen der §§ 9 bis 12 UVPG mit zu berücksichtigen; vgl. dazu § 1 UVP-V Bergbau Rn. 2a ff. 4 Mit Artikel 1 der Verordnung zur Einführung von Umweltverträglichkeitsprüfungen und über bergbauliche Anforderungen beim Einsatz der Fracking-Technologie und Tiefbohrungen vom 4.8.2016 wurde Absatz 5 eingefügt. Nach dieser Übergangsregelung wird für Vorhaben nach § 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b), Nr. 2a, 2b, 2c, 8, 8a und 10 UVP-V Bergbau, für die am 6.8.2016 – also dem Tag des Inkrafttretens der Änderungsverordnung – ein genehmigter Betriebsplan der zuständigen Behörde vorliegt, die UVP-V Bergbau in der bis zum 5.8.2016 geltenden Fassung angewendet. Sinn und Zweck dieser Vorschrift ist, dass für betriebsplanmäßig am 6.8.2016 zugelassene Vorhaben die Änderungen an dem Katalog des § 1 Satz 1 UVP-V Bergbau keine Anwendung finden sollen. Gegenüber den sonstigen Übergangsregelungen ist dies ein Erschwernis, da es für die Anwendung des § 4 Abs. 5 UVP-V Bergbau nicht auf den Beginn des Verfahrens, also regelmäßig den Antrag auf Betriebsplanzulassung, ankommt, sondern auf die behördliche Zulas2

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Zweites Kapitel – Anzeige, Betriebsplan

Anh. § 57c

sungsentscheidung. Für die Anwendung der Übergangsvorschrift kommt es auf die Art der Betriebsplanzulassung nicht an. Die unveränderte Fortsetzung eines am 6.8.2016 zugelassenen Vorhabens führt auch bei einer erneuten Zulassung, die wegen der Befristung von Rahmen- und Hauptbetriebsplanzulassungen erforderlich wird, nicht zur UVP-Pflicht des Vorhabens. Die Übergangsvorschrift ist auch in solchen Fällen einer inhaltlich unveränderten Fortsetzung des Zulassungsgegenstands anwendbar.1

§5 Inkrafttreten Diese Verordnung tritt am 1. August 1990 in Kraft. Das Inkrafttreten der Verordnung wurde mit dem Inkrafttreten des Bergrechtsänderungsgesetzes 1 vom 12.2.1990 und den damit neu normierten §§ 52 Abs. 2a bis 2c, 57a bis 57c gleichgeschaltet. Die europäische UVP-Richtlinie, die von den Mitgliedstaaten bis zum 3.7.1988 in nationales Recht umzusetzen war, wurde damit in der Bundesrepublik Deutschland verspätet umgesetzt.1 Verspätet oder unzureichend umgesetzten Richtlinien der Europäischen Union kommt inso- 2 weit, als sie hinreichend bestimmt und inhaltlich unbedingt sind, bis zu einer ordnungsgemäßen Umsetzung im Recht der Mitgliedstaaten unmittelbare innerstaatliche Wirkung zu. Dies gilt auch für die UVP-Richtline.2 Hinreichend bestimmt und unbedingt sind die Vorschriften über zwingend UVP-pflichtige Vorhaben i.S.d. Art. 4 Abs. 1 i.V.m. Anhang I der Richtlinie.3 Bergbauliche Vorhaben unterfallen jedoch im Wesentlichen nicht dem Katalog zwingend UVP-pflichtiger Vorhaben, sondern gemäß Art. 4 Abs. 2 i.V.m. Anhang II Nr. 2 der Richtlinie dem Katalog fakultativ UVPpflichtiger Vorhaben. Der den Mitgliedstaaten bei der Umsetzung des Art. 4 Abs. 2 i.V.m. Anhang II der Richtlinie zukommende Ermessensspielraum ist durch die aus Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie resultierende Verpflichtung zur Untersuchung von Projekten, die aufgrund ihrer Art, Größe oder ihres Standorts erhebliche Umweltauswirkungen erzeugen können, begrenzt.4 Vorhaben i.S.d. Art. 4 Abs. 2 i.V.m. Anhang II der Richtlinie dürfen die Mitgliedstaaten nicht vollständig aus der UVP-Pflicht ausnehmen bzw. die UVP-Pflicht von solchen Schwellenwerten abhängig machen, dass damit eine ordnungsgemäße Erfassung von Vorhaben, die erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben könnten, ausgeschlossen wird. In derartigen Fällen einer Überschreitung des den Mitgliedstaaten eingeräumten Wertungsspielraums müssen die Behörden des jeweiligen Mitgliedstaats im Rahmen ihrer Zuständigkeiten alle erforderlichen Maßnahmen treffen, um die betreffenden Vorhaben daraufhin zu überprüfen, ob sie möglicherweise erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben, und sie bejahendenfalls einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterziehen.5

1 1 2 3 4

Zum Ganzen Keienburg ZfB 2016, 270, 281f. EuGH 22.10.1998, C-301/95, NVwZ 1998, 1281 Rn. 11 ff. EuGH 12.5.2011, C-115/09, NVwZ 2011, 801 Rn. 54 ff.; EuGH 11.8.1995, C-431/92, NVwZ 1996, 369 Rn. 26. EuGH 11.8.1995, C-431/92, NVwZ 1996, 369 Rn. 36 ff. EuGH 11.2.2015, C-531/13, juris Rn. 50; EuGH 21.3.2013, C-244/12, NVwZ 2013, 707 Rn. 31; EuGH 15.10.2009, C-255/08, Slg. I2009, 167 Rn. 35; EuGH 16.9.2004, C-227/01, Slg. I 2004, 8253 Rn. 38; EuGH 21.9.1999, C-392/96, Slg. I 1999, 5929 Rn. 65 ff.; EuGH 16.9.1999, C-435/97, juris Rn. 44; EuGH 22.10.1998, C-301/95, NVwZ 1998, 1281 Rn. 37; EuGH 24.10.1996, C-72/95, NVwZ 1997, 473 Rn. 50; EuGH 2.5.1996, C-133/94, Slg. I 1996, 2339 Rn. 40 ff. 5 EuGH 21.3.2013, C-244/12, NVwZ 2013, 707 Rn. 41; EuGH 16.9.1999, C-435/97, juris Rn. 70 f.; EuGH 24.10.1996, C-72/95, NVwZ 1997, 473 Rn. 61. 753 https://doi.org/10.1515/9783110709285-083

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§ 57d

Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

§ 57d Zulassungsverfahren für störfallrelevante Vorhaben 1 Bei der Zulassung eines Betriebsplans zur Errichtung oder Änderung eines Betriebs ist ein Rahmen- oder Sonderbetriebsplan zu verlangen und die Öffentlichkeit entsprechend § 23b Absatz 2 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beteiligen, wenn 1. es sich dabei um eine störfallrelevante Errichtung und einen Betrieb oder eine störfallrelevante Änderung einer Anlage nach § 3 Absatz 5b des Bundes-Immissionsschutzgesetzes handelt, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs nach § 3 Absatz 5a des Bundes-Immissionsschutzgesetzes ist und die keiner Genehmigung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz bedarf, 2. durch die störfallrelevante Errichtung und den Betrieb oder die störfallrelevante Änderung der angemessene Sicherheitsabstand zu benachbarten Schutzobjekten nach § 3 Absatz 5c des Bundes-Immissionsschutzgesetzes erstmalig unterschritten wird, der bereits unterschrittene Sicherheitsabstand räumlich noch weiter unterschritten wird oder eine erhebliche Gefahrenerhöhung ausgelöst wird und 3. keine Öffentlichkeitsbeteiligung im Rahmen eines Planfeststellungsverfahrens nach § 52 Absatz 2a Satz 1 vorgesehen ist. 2 § 18 der Störfall-Verordnung ist mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass anstelle des Antrags nach § 23b Absatz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes der Antrag auf Betriebsplanzulassung tritt. Anforderungen nach § 22 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes sowie der auf Grundlage des § 23 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes erlassenen Verordnungen sind, sofern sie über die Anforderungen nach § 55 hinausgehen, öffentliche Interessen im Sinne des § 48 Absatz 2 Satz 1. (2) 1Bei Vorhaben, die die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 und 2 erfüllen und bei denen die Öffentlichkeitsbeteiligung nach den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 genannten Vorschriften erfolgt, ist die Öffentlichkeitsbeteiligung mit der Maßgabe durchzuführen, dass sich der Umfang der vorzulegenden Unterlagen, Berichte und Empfehlungen entsprechend § 23b Absatz 2 Satz 2 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes bestimmt. 2Die Regelungen des § 18 der Störfall-Verordnung sind dabei mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass 1. an die Stelle des Antrags nach § 23b Absatz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes der Antrag auf Betriebsplanzulassung tritt und 2. an die Stelle der in § 18 Absatz 2 Nummer 4 der Störfall-Verordnung genannten Frist die im Verfahren nach § 52 Absatz 2a Satz 1 geltende Frist tritt 3. u. 4 (weggefallen). 3 Absatz 1 Satz 3 ist anzuwenden. (3) Absatz 1 Satz 1 und 2 und Absatz 2 Satz 1 und 2 gelten nicht, soweit dem Gebot, den angemessenen Sicherheitsabstand zu wahren, bereits auf Ebene einer raumbedeutsamen Planung oder Maßnahme durch verbindliche Vorgaben Rechnung getragen worden ist.

(1)

Übersicht I.

Allgemeines

1

II. 1.

3 Anwendungsbereich Vorrang des förmlichen immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens (Absatz 1 Satz 1 6 Nr. 1)

Keienburg/Wiesendahl https://doi.org/10.1515/9783110709285-084

2. 3.

Störfallrelevante Vorhaben (Absatz 1 Satz 1 8 Nr. 1) 13 Sicherheitsrelevanz (Absatz 1 Satz 1 Nr. 2) 14 a) Angemessener Sicherheitsabstand 19 b) Erhebliche Gefahrenerhöhung 20 c) Schutzobjekte

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Zweites Kapitel – Anzeige, Betriebsplan

III. 1. 2.

Verfahren 28 Betriebsplanverfahren (Absatz 1 Satz 2) Planfeststellungsverfahren (Absatz 2 Satz 1 31 u. 2)

IV.

Materielle Prüfmaßstäbe (Absatz 1 Satz 3)

V.

Ausschluss der Anwendung (Absatz 3)

VI.

Rechtsschutz

§ 57d

38

29 40

33

I. Allgemeines § 57d wurde mit dem Artikelgesetz zur Umsetzung von Art. 15 der Richtlinie 2012/18/EU zur 1 Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen vom 30.11.20161 – sog. Seveso-III-Richtlinie – eingefügt. Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2012/18/EU schreibt vor, dass in Planungs- und Zulassungsverfahren über die Ansiedlung neuer Betriebsbereiche, wesentliche Änderungen von Betriebsbereichen oder neue Entwicklungen in der Nachbarschaft von Betriebsbereichen, durch die das Risiko eines schweren Unfalls vergrößert oder die Folgen eines solchen Unfalls verschlimmert werden können, immer dann, wenn dem Erfordernis eines angemessenen Sicherheitsabstandes aus Art. 13 Abs. 2 der Richtlinie Rechnung getragen werden muss, eine Öffentlichkeitsbeteiligung durchzuführen ist. Dies erforderte Neuregelungen in §§ 16a, 19 Abs. 4 und 23a bis 23c BImSchG zur Regelung eines Öffentlichkeitsbeteiligungsverfahrens für störfallrelevante Vorhaben auch in den Fällen, in denen nicht bereits aufgrund § 4 Abs. 1 BImSchG i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der 4. BImSchV ein förmliches Genehmigungsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung für Errichtung und Betrieb bzw. aufgrund § 16 BImSchG für wesentliche Änderungen durchzuführen ist.2 Da bergbauliche Vorhaben in der Regel keine immissionsschutzrechtliche Genehmigung erfordern, dazu noch Rn. 6, wäre für bergbauliche störfallrelevante Vorhaben ohne Sonderregelung das Anzeige- und Genehmigungsverfahren nach §§ 23a u. b BImSchG durchzuführen gewesen. Dies wird über § 23c BImSchG verhindert. Bereits der Gesetzentwurf der Bundesregierung sah für immissionsschutzrechtlich nicht genehmigungsbedürftige störfallrelevante Vorhaben, die eine Betriebsplanzulassung nach BBergG erfordern, in § 23c BImSchG eine Ausnahme vom Anwendungsbereich der §§ 23a und b BImSchG vor. Da Anlagen, die keiner immissionsschutzrechtlichen Genehmigung bedürfen, aber eine Betriebsplanzulassung erfordern, ohnehin einem Genehmigungsverfahren nach Bergrecht unterliegen, ist ein zusätzliches Anzeige- und Genehmigungsverfahren, wie es mit §§ 23a und b BImSchG eingeführt wurde, entbehrlich.3 Eine Änderung des BBergG war nicht Inhalt des Gesetzentwurfs der Bundesregierung.4 Eingefügt wurde § 57d in das BBergG auf Empfehlung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, um sicherzustellen, dass störfallrelevante Vorhaben auch im Bergrecht in einem Verfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung zugelassen werden.5 Über die Einbeziehung des störfallrechtlichen Zulassungsverfahrens in das für bergbauliche Vorhaben ohnehin erforderliche Betriebsplanverfahren kann eine zusätzliches immissionsschutzrechtliches Anzeige- und Genehmigungsverfahren nach Maßgabe der §§ 23a u. b BImSchG vermieden werden.6 Mit dem Gesetz zur Modernisierung des Rechts der Umweltverträglichkeitsprüfung vom 2 20.7.2017 wurde u.a. § 57d geändert. In Absatz 2 Satz 2 wurden Nummern 3 und 4 gestrichen. Die dort ursprünglich enthaltenen Vorgaben zur grenzüberschreitenden Beteiligung und zur Bekanntmachung bei UVP-pflichtigen Vorhaben sind aufgrund der mit dem Gesetz zur Modernisierung 1 2 3 4 5 6

BGBl I S. 2749. BT-Drs. 18/9417, S. 15. BT-Drs. 18/9417, S. 29. BT-Drs. 18/9147. BT-Drs. 18/10057, S. 13 f. BT-Drs. 18/10057, S. 13.

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§ 57d

Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

des Rechts der Umweltverträglichkeitsprüfung in § 57a Abs. 1 Satz 4 geregelten unmittelbaren Anwendbarkeit der Verfahrensvorgaben der §§ 15 bis 27 sowie 31 UVPG, dazu § 57a Rn. 3, und der in § 57a Abs. 6 geregelten unmittelbaren Anwendbarkeit der Vorschiften des UVPG über die grenzüberschreitende Öffentlichkeitsbeteiligung, dazu § 57a Rn. 28, entbehrlich geworden.7

II. Anwendungsbereich 3 Von § 57d erfasst werden gemäß Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 vorbehaltlich eines vorrangigen immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens, dazu unter Rn. 6, – die störfallrelevante Errichtung und der Betrieb oder eine störfallrelevante Änderung einer Anlage gemäß § 3 Abs. 5b BImSchG, die Betriebsbereich oder Teil eines Betriebsbereichs i.S.d. § 3 Abs. 5a BImSchG ist (Nr. 1), – durch die der angemessene Sicherheitsabstand zu benachbarten Schutzobjekten i.S.d. § 3 Abs. 5c BImSchG erstmalig unterschritten wird oder ein bereits unterschrittener Sicherheitsabstand räumlich weiter unterschritten wird oder eine erhebliche Gefahrenerhöhung ausgelöst wird (Nr. 2). Diese Vorhaben erfordern als bergrechtlich zuzulassende Vorhaben eine Rahmen- oder Sonderbetriebsplanzulassung, die gemäß Absatz 1 Satz 1 von der Bergbehörde zu verlangen ist. Die grundsätzliche Befugnis der Bergbehörde, Rahmen- oder Sonderbetriebspläne zu verlangen, die in § 52 Abs. 2 als „Kann“-Regelung angelegt ist, verdichtet sich im Fall eines störfallrelevanten Vorhabens zu einer Verpflichtung der Bergbehörde.8 Ob ein Rahmen- oder ein Sonderbetriebsplan verlangt wird, steht – vorbehaltlich des Erfordernisses eines obligatorischen Rahmenbetriebsplans gemäß § 52 Abs. 2a Satz 1 – im Ermessen der Bergbehörde und dürfte von Umfang und Konkretisierungsmöglichkeit des Vorhabens abhängen. Angesichts der für ein durch Rahmenbetriebsplan zuzulassendes Vorhaben bestehenden Möglichkeit eines vorzeitigen Beginns gem. § 57b Abs. 1 sollte bei zeitkritischen Vorhaben ein Rahmenbetriebsplan präferiert werden. Handelt es sich bei dem störfallrelevanten Vorhaben um ein UVP-pflichtiges Vorhaben, muss die Bergbehörde bereits aufgrund § 52 Abs. 2a Satz 1 einen – obligatorischen – Rahmenbetriebsplan verlangen, in dessen Rahmen gemäß § 57d Abs. 2 auch die störfallrechtlichen Anforderungen zu beachten sind. In den in § 57d Abs. 2 erfassten Fällen eines störfallrelevanten Vorhabens, welches einen obligatorischen Rahmenbetriebsplan erfordert, bedarf es daher keiner zusätzlichen Ermessenausübung der Bergbehörde gemäß § 57d Abs. 1, denn in dieser Fallvariante ist ohne Ermessensspielraum das obligatorische Rahmenbetriebsplanverfahren durchzuführen. Anderenfalls, außerhalb UVP-pflichtiger Vorhaben, handelt es sich bei einem nach § 57d Abs. 1 Satz 1 verlangten Rahmenbetriebsplan nicht um einen planfeststellungspflichtigen Rahmenbetriebsplan.9 4 Nicht geregelt ist in § 57a ein Anzeigeverfahren gemäß § 23a BImSchG zur behördlichen Feststellung, ob durch die störfallrelevante Errichtung und den Betrieb oder die störfallrelevante Änderung der Anlage der angemessene Sicherheitsabstand zu benachbarten Schutzobjekten erstmalig unterschritten wird, räumlich noch weiter unterschritten wird oder eine erhebliche Gefahrenerhöhung ausgelöst wird. § 23a BImSchG findet auf bergbauliche Vorhaben ausweislich § 23c Satz 1 BImSchG keine Anwendung, da der Gesetzgeber davon ausgeht, dass für das bergbauliche Vorhaben ohnehin ein Betriebsplanzulassungsverfahren durchzuführen ist, das Vorhaben also anders als die von §§ 23a f. BImSchG erfassten Vorhaben nicht zulassungsfrei ist. Unabhängig davon ist auch im Bergrecht ein vorgeschaltetes behördliches Prüfverfahren entsprechend § 23a BImSchG durchzuführen, da nur damit die Notwendigkeit eines Betriebsplanverfahrens gemäß § 57d in Abgrenzung zu den in § 52 geregelten Betriebsplanverfahren festgestellt werden

7 BT-Drs. 18/12994, S. 20. 8 BT-Drs. 18/10057, S. 13. 9 BT-Drs. 18/10057, S. 13 f. Keienburg/Wiesendahl

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Zweites Kapitel – Anzeige, Betriebsplan

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kann.10 Es ist Aufgabe der zuständigen Bergbehörde, on es sich bei einem Bergbauvorhaben um ein Vorhaben handelt, welches die Anforderungen des § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 u. 2 erfüllt. Um dies zu prüfen, kann die Bergbehörde von dem Unternehmer Gutachten zu den Störfallauswirkungen des Vorhabens und der räumlichen Reichweite verlangen.11 Hauptsächlich erfasst werden von § 57d unter den dort geregelten Voraussetzungen Onshore- 5 Untergrundspeicher.12 Aber auch übertägige Aufbereitungsanlagen können unter den Anwendungsbereich des § 57d fallen. Heranrückende Bauten sind nicht geeignet, ein Genehmigungserfordernis nach § 57d oder den Parallelvorschriften des BImSchG auszulösen;13 die Zulassungsfähigkeit heranrückender Bauten ist in den für diese Vorhaben erforderlichen Zulassungsverfahren unter Berücksichtigung der Störfallrelevanz benachbarter Anlagen zu prüfen. Dem Betreiber einer störfallrelevanten Anlage kann ein Abwehrrecht gegen heranrückende Bauten aus dem baurechtlichen Rücksichtnahmegebot zustehen.14 Das störfallrechtliche Abstandserfordernis dient nicht nur dem Schutz Dritter, sondern auch dem Recht des Betreibers auf Erhaltung seines Betriebs und seinem Interesse auf betriebliche Entwicklung.15

1. Vorrang des förmlichen immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens (Absatz 1 Satz 1 Nr. 1) Vorrangig vor dem bergrechtlichen Zulassungsverfahren für störfallrelevante Vorhaben ist aus- 6 weislich des letzten Halbsatzes des § 57d Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 „und die keiner Genehmigung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz bedarf“ das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren. Gemeint ist damit nicht das besondere störfallrechtliche Anzeige- und Genehmigungsverfahren nach §§ 23a und b BImSchG, welches auf bergbauliche Vorhaben ausweislich § 23c Satz 1 BImSchG keine Anwendung findet, dazu schon Rn. 1, sondern das förmliche Genehmigungsverfahren nach § 4 Abs. 1 i.V.m. §§ 10 u. 19 Abs. 4 BImSchG. Soweit ein bergbauliches Vorhaben auch – zusätzlich zur Betriebsplanzulassung – eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung erfordert, wird bei störfallrelevanten Vorhaben die erforderliche Öffentlichkeitsbeteiligung im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren sichergestellt und ist damit ein zusätzliches Öffentlichkeitsbeteiligungsverfahren nach § 57d BBergG entbehrlich. Zu berücksichtigen ist dabei der eingeschränkte Anwendungsbereich des BImSchG auf bergbauliche Vorhaben. Gemäß § 4 Abs. 2 BImSchG bedürfen Anlagen des Bergwesens einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung unter den Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 BImSchG nur, soweit sie über Tage errichtet und betrieben werden; auch über Tage erfordern Tagebaue und die zum Betrieb eines Tagebaus erforderlichen sowie die zur Wetterführung unerlässlichen Anlagen keine immissionsschutzrechtliche Genehmigung. Nur für Übertageanlagen eines Bergbauvorhabens, ausgenommen Tagebaue nebst dafür erforderlichen Anlagen und Anlagen der Wetterführung kommt damit ein immissionsschutzrechtliches Genehmigungsverfahren in Betracht; für untertägige Bergbauvorhaben ist ein immissionsschutzrechtliches Genehmigungserfordernis ausgeschlossen. Das förmliche immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren ist gemäß § 57d Abs. 1 7 Satz 1 Nr. 1 bei Störfallrelevanz des Vorhabens vorrangig vor dem Zulassungsverfahren nach § 57d. Die Ausschlussregelung des § 57d Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ist aber entgegen ihres Wortlauts dahingehend einzuschränken, dass sie nur für Fälle eines nicht UVP-pflichtigen und damit planfeststellungspflichtigen bergbaulichen Vorhabens gilt. Erfordert ein bergbauliches Vorhaben eine Um10 11 12 13 14

BT-Drs. 18/9417, S. 29. BT-Drs. 18/9417, S. 51. BT-Drs. 18/10057, S. 13; zur Ausnahme von Offshore-Untertagespeichern unter Rn. 12. Landmann/Rohmer/Dietlein Umweltrecht, § 23b BImSchG Rn. 10. BVerwG 28.3.2013, 4 B 15/12, BauR 2013, 1248 Rn. 5; BVerwG 20.12.2012, 4 C 11/11, BVerwGE 145, 290 Rn. 31 ff.; OVG Münster 15.12.2011, 2 A 2645/08, DVBl 2012, 634, 635 ff. 15 VGH Kassel 25.11.2019, 4 B 544/19, NVwZ-RR 2020, 474 Rn. 11. 757

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§ 57d

Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

weltverträglichkeitsprüfung, ist gemäß § 52 Abs. 2a Satz 1 ein Planfeststellungsverfahren durchzuführen. Die Planfeststellung entfaltet auch hinsichtlich einer etwaigen für das Vorhaben erforderlichen immissionsschutzrechtlichen Genehmigung und auch bei Störfallrelevanz des Vorhabens Konzentrationswirkung, dazu § 57a Rn. 40. In diesem Fall ist daher ein zusätzliches immissionsschutzrechtliches Genehmigungsverfahren entbehrlich und die störfallrechtliche Prüfung auf Grundlage des § 57d Abs. 2 im bergrechtlichen Planfeststellungsverfahren durchzuführen.

2. Störfallrelevante Vorhaben (Absatz 1 Satz 1 Nr. 1) 8 Störfallrelevante Vorhaben sind gemäß der in § 57d Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 in Bezug genommenen Legaldefinition des § 3 Abs. 5b BImSchG Errichtung und Betrieb oder Änderungen von Anlagen, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs i.S.d. § 3 Abs. 5a BImSchG sind. Der in § 3 Abs. 5a BImSchG legaldefinierte Begriff des Betriebsbereichs ist damit Eingangsvoraussetzung einer Störfallrelevanz. Ein Betriebsbereich ist gemäß der Legaldefinition des § 3 Abs. 5a BImSchG der gesamte unter der Aufsicht eines Betreibers stehende Bereich, in dem gefährliche Stoffe in den in Art. 3 Nr. 2 oder 3 der Richtlinie 2012/18/EU bezeichneten Mengen tatsächlich vorhanden oder vorgesehen sind oder vernünftigerweise vorhersehbar ist, dass sie bei außer Kontrolle geratenden Prozessen anfallen. Dies kann eine Anlage sein, aber auch ein Standort. Erfasst wird der gesamte Standort, der betriebstechnisch zusammengehört und als organisatorische Einheit unter der Aufsicht eines Betreibers steht. Nicht erforderlich ist, dass der Betriebsbereich grundbuchrechtlich eine Einheit darstellt. Entscheidend ist der betriebstechnische Zusammenhang mehrerer Anlagen zu einem Standort. Auch eine kurzräumige Trennung der Anlagen durch öffentliche Verkehrswege mit der eventuellen Folge verschiedener Umzäunungen dürfte der Wertung als einheitlicher Betriebsbereich nicht zwingend entgegenstehen, sofern der betriebstechnische Zusammenhang besteht und ein und derselbe Betreiber – hier der bergrechtliche Unternehmer i.S.d. § 4 Abs. 5 – die ausschlaggebende wirtschaftliche Verfügungs- oder Entscheidungsgewalt über den gesamten Bereich hat. 9 Die für einen Betriebsbereich relevanten Mengenschwellen des Art. 3 Nr. 2 u. 3 der Richtlinie sind entsprechend in Anhang I der 12. BImSchV (Störfall-Verordnung) geregelt. Diese gilt gemäß ihrem § 1 Abs. 1 für Betriebsbereiche der unteren und oberen Klasse. Ausweislich der Begriffsbestimmungen des § 2 der 12. BImSchV ist ein Betriebsbereich der unteren Klasse ein Betriebsbereich, in dem gefährliche Stoffe in Mengen vorhanden sind, die die in Spalte 4 der Stoffliste in Anhang I genannten Mengenschwellen erreichen oder überschreiten, aber die in Spalte 5 der Stoffliste in Anhang I genannten Mengenschwellen unterschreiten und ein Betriebsbereich der oberen Klasse ein Betriebsbereich, in dem gefährliche Stoffe in Mengen vorhanden sind, die die in Spalte 5 der Stoffliste in Anhang I genannten Mengenschwellen erreichen oder überschreiten. Demnach fallen grundsätzlich – zu Ausnahmen unter Rn. 12 – Bergbaubetriebe in den Anwendungsbereich des § 57d, in denen gefährliche Stoffe in solchen Mengen vorhanden sind, dass die Mengenschwellen mindestens der Spalte 4 des Anhang I der Störfall-Verordnung erreicht oder überschritten werden.16 10 Eine störfallrelevante Errichtung und Betrieb einer störfallrelevanten Anlage liegen aufgrund des Verweises in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 auf § 3 Abs. 5b BImSchG vor, wenn es um Errichtung und Betrieb einer Anlage geht, die entweder selbst Betriebsbereich ist, d.h. die relevanten Mengenschwellen gefährlicher Stoffe erreicht, oder die durch ihr Hinzukommen dazu führt, dass ein Betriebsbereich entsteht, d.h. ein Bereich, in welchem die Mengenschwellen bei kumulativer Betrachtung aller Anlagen erreicht werden. Entscheidend ist damit, ob es sich bei der Anlage entweder singulär oder als Teil eines Betriebsbereichs in kumulativer Betrachtung mit den weiteren Einrichtungen um eine Anlage handelt, die in den Anwendungsbereich der 12. BImSchV fällt.

16 Frenz/Müggenborg BBergG, § 57d Rn. 17. Keienburg/Wiesendahl

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Zweites Kapitel – Anzeige, Betriebsplan

§ 57d

Eine Änderung beinhaltet eine Abweichung des Ist-Zustands einer Anlage oder eines Be- 11 triebsbereichs von dem genehmigten Soll-Zustand. Eine Änderung liegt ausweislich § 3Abs. 5b Satz 1 BImSchG u.a. bei der Änderung eines Lagers, eines Verfahrens oder der Art oder physikalischen Form oder der Menge gefährlicher Stoffe vor. Störfallrelevant ist eine Änderung gemäß § 3 Abs. 5b Satz 1 BImSchG dann, wenn sich durch sie erhebliche Auswirkungen auf die Gefahren schwerer Unfälle ergeben können (§ 3 Abs. 5 b Satz 1 BImSchG). Grundvoraussetzung dafür ist, dass ein Betriebsbereich existiert oder durch die Änderung entsteht. Ausweislich des Wortlauts („können“) ist die Möglichkeit erheblicher Auswirkungen ausreichend.17 Die Erheblichkeit der Auswirkung bestimmt sich nach der Eintrittswahrscheinlichkeit sowie dem Grad und der Bedeutung der drohenden Schäden.18 Führt eine Änderung dazu, dass ein Betriebsbereich der unteren Klasse zu einem Betriebsbereich der oberen Klasse wird, liegt gemäß § 3 Abs. 5b Satz 2 BImSchG zwingend eine störfallrelevante Änderung vor. Gleiches gilt gemäß § 3 Abs. 5b Satz 2 BImSchG auch im umgekehrten Fall einer Änderung eines Betriebsbereichs der oberen Klasse in eine untere Klasse. Vom Anwendungsbereich der Störfall-Verordnung ausgeschlossen und damit auch für die 12 Anwendung des § 57d nicht relevant sind gemäß § 3 Abs. 5a 2. Halbsatz BImSchG und ebenso gemäß § 1 Abs. 3 Störfall-Verordnung u.a. die in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 lit. e) bis g) der Richtlinie 2012/ 18/EU gelisteten bergbaulichen Tätigkeiten, d.h. die Gewinnung, nämlich die Erkundung, der Abbau und die Aufbereitung von Mineralien im Bergbau und in Steinbrüchen, einschließlich durch Bohrung (lit. f), die Offshore-Erkundung und -Gewinnung von Mineralien (lit d) und die unterirdische Offshore-Speicherung von Gas sowohl in eigenen Lagerstätten als auch an Stätten, wo auch Mineralien, einschließlich Kohlenwasserstoffe, erkundet und gewonnen werden (lit g). Eine Rückausnahme regelt Art. 2 Abs. 2 Satz 2 der Richtlinie 2012/18/EU für an Land gelegene unterirdische Gasspeicheranlagen in natürlichen Erdformationen, Aquiferen, Salzkavernen und stillgelegten Minen und chemische und thermische Aufbereitungsmaßnahmen und die mit diesen Maßnahmen in Verbindung stehende Lagerung, die gefährliche Stoffe umfassen, sowie in Betrieb befindliche Bergebeseitigungseinrichtungen, einschließlich Bergeteichen oder Absetzbecken, die gefährliche Stoffe enthalten. Ausgenommen vom Anwendungsbereich der Richtlinie sind damit die Gewinnung Onshore und Offshore sowie die unterirdische Speicherung von Gas Offshore. Onshore fällt die unterirdische Speicherung von Gas und auch von sonstigen nicht gasförmigen Stoffen dagegen in den Anwendungsbereich der Richtlinie und damit – abhängig von den Mengenschwellen – auch in den Anwendungsbereich der Störfall-Verordnung. Zudem fallen chemische und thermische Aufbereitungsmaßnahmen sowie Bergebeseitigungseinrichtungen in den Anwendungsbereich der Störfallverordnung, sofern die maßgeblichen Mengenschwellen gefährlicher Stoffe erreicht bzw. überschritten werden.

3. Sicherheitsrelevanz (Absatz 1 Satz 1 Nr. 2) § 57d ist nur auf störfallrelevante Vorhaben anwendbar, bei deren Errichtung und Betrieb oder 13 deren Änderung der angemessene Sicherheitsabstand zu benachbarten Schutzobjekten erstmalig unterschritten wird, der bereits unterschrittene Sicherheitsabstand räumlich weiter unterschritten wird oder eine erhebliche Gefahrenerhöhung ausgelöst wird. Es handelt sich hierbei um alternativ und nicht um kumulativ zu erfüllende Voraussetzungen. Insbesondere ist die Alternative der erheblichen Gefahrenerhöhung eine selbstständige Voraussetzung.19 Ein Unterschreiten des Sicherheitsabstands muss daher keine erhebliche Gefahrenerhöhung auslösen; vielmehr geht der Gesetzgeber davon aus, dass eine Gefahrenerhöhung der Unterschreitung des angemesse17 Hinweise und Definitionen der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Immissionsschutz zum angemessenen Sicherheitsabstand nach § 3 Abs. 5c BImSchG, Stand 13.9.2022, S. 8. 18 BeckOK UmweltR/Schulte/Michalk, § 3 BImSchG Rn. 92. 19 BT-Drs.18/9417, S. 50; Jarass BImSchG, § 23a Rn. 14. 759

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§ 57d

Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

nen Abstands inhärent ist. Aber auch unabhängig von einer Unterschreitung des angemessenen Sicherheitsabstands kann eine Sicherheitsrelevanz bei erheblicher Gefahrerhöhung aus sonstigen Gründen vorliegen.

14 a) Angemessener Sicherheitsabstand. Der angemessene Sicherheitsabstand ist in § 3 Abs. 5c Satz 1 BImSchG legaldefiniert. Dort heißt es: „Der angemessene Sicherheitsabstand im Sinne dieses Gesetzes ist der Abstand zwischen einem Betriebsbereich oder einer Anlage, die Betriebsbereich oder Bestandteil eines Betriebsbereichs ist, und einem benachbarten Schutzobjekt, der zur gebotenen Begrenzung der Auswirkungen auf das benachbarte Schutzobjekt, welche durch schwere Unfälle im Sinne des Art. 3 Nr. 13 der Richtlinie 2012/18/EU hervorgerufen werden können, beiträgt“. Diese Legaldefinition ist aufgrund der expliziten Verweisung in § 57d Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BBergG auch für störfallrelevante bergrechtliche Vorhaben anzuwenden. Der angemessene Sicherheitsabstand wird ausweislich § 3 Abs. 5c Satz 2 BImSchG anhand 15 störfallspezifischer Faktoren ermittelt.20 Dabei handelt es sich um anlagespezifische Faktoren der Störfallanlage aber auch der zu betrachtenden Schutzobjekte, insbesondere der Art der jeweiligen gefährlichen Stoffe, der Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines schweren Unfalls, und den Folgen eines etwaigen Unfalls für die menschliche Gesundheit und die Umwelt, in der Art der Tätigkeit des Betriebsbereichs, in der Intensität seiner öffentlichen Nutzung sowie in der Leichtigkeit, mit der Notfallkräfte bei einem Unfall eingreifen können.21 Andererseits können auch technische Maßnahmen zur Verminderung des Unfallrisikos oder zur weiteren Begrenzung möglicher Unfallfolgen zu berücksichtigen sein, sei es im Betriebsbereich, sei es außerhalb des Betriebsbereichs.22 Störfallspezifisch sind daher nicht nur Faktoren, die der Störfallanlage selbst anhaften, sondern auch die Eigenheiten der betroffenen Schutzobjekte, soweit sie für die Gefährdungslage relevant sind, etwa Schutzmaßnahmen an den Objekten. Sozioökonomische Faktoren, die im Rahmen der Prüfung der Zulassungsfähigkeit eines Vor16 habens zu beachten sind,23 spielen bei der Ermittlung des erforderlichen Sicherheitsabstands keine Rolle.24 Sozioökonomische Erwägungen sind lediglich im Rahmen der Zulassungsentscheidung zu berücksichtigen, dazu Rn. 35 ff., und bleiben bei der Bestimmung des angemessenen Sicherheitsabstands unberücksichtigt.25 Ein Genehmigungserfordernis wird nur bei einer errichtungs- oder änderungsbedingten erst17 maligen oder räumlich noch weitergehenden Unterschreitung des angemessenen Sicherheitsabstands ausgelöst. Damit wird sichergestellt, dass der Bestandsschutz bereits bestehender und einen angemessenen Sicherheitsabstand unterschreitender Anlagen nicht berührt wird.26 Zur Bestimmung des angemessenen Sicherheitsabstands wurde mit dem Artikelgesetz zur 18 Umsetzung der Richtlinie 2012/18/EU in § 48 Abs. 1 Nr. 6 BImSchG die Ermächtigung der Bundesregierung zum Erlass einer Verwaltungsvorschrift, d.h. einer TA Abstand, eingefügt, um einen bundesweit einheitlichen und rechtssicheren Verwaltungsvollzug für die Einzelfallzulassungen zu gewährleisten.27 Bereits 2016 befasste sich ein Sachverständigengremium im Auftrag des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie und Klimaschutz mit der Ausarbeitung eines Thesenpapiers. Von 2016 bis 2019 war sodann ein Bund-Länder-Arbeitskreis der obersten Bau- und 20 BT-Drs.18/9417, S. 26; Jarass BImSchG, § 3 Rn. 106b u. § 23a Rn. 14. 21 BVerwG 20.12.2012, 4 C 11/11, BVerwGE 145, 290 Rn. 18 mit Verweis auf EuGH 15.9.2011, C-53/10, EuZW 2011, 873 Rn. 44. BVerwG 20.12.2012, 4 C 11/11, BVerwGE 145, 290 Rn. 18; OVG Lüneburg 14.4.2021, 1 ME 140/20 = ZfBR 2021, 566, 567. BVerwG 20.12.2012, 4 C 11/11; BVerwGE 145, 290 Rn. 22. Rebentisch NVwZ 2017, 1569, 1570. BVerwG 20.12.2012 4 C 11/11, BVerwGE 145, 290 Rn. 19; BeckOK UmweltR/Schulte/Michalk, § 3 BImSchG Rn. 94; Jarass BImSchG, § 3 Rn. 106a. 26 BT-Drs. 18/9417, S. 41 f. 27 BT-Drs. 18/9417, S. 45.

22 23 24 25

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Zweites Kapitel – Anzeige, Betriebsplan

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Immissionsschutzbehörden mit ersten Arbeiten für eine konkrete TA Abstand beauftragt. 2017 stellte das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit ein „Eckpunktepapier zur TA Abstand“ vor. Da dieses jedoch weder die Vorschläge des Thesenpapiers noch die des Bund-Länder-Arbeitskreises aufgriff wurde es überwiegend negativ aufgenommen. Ende 2019 wurde der Fachöffentlichkeit ein sogenannter „Planspielentwurf“ zur Verfügung gestellt. Auch dieser wird jedoch weitgehend als unzureichend kritisiert.28 Eine TA Abstand wurde daher bisher nicht verabschiedet. Mangels bisheriger Verabschiedung einer TA Abfall wird der angemessene Sicherheitsabstand einzelfallbezogen von den Verwaltungsbehörden bestimmt. Herangezogen wird dabei häufig der Leitfaden KAS-18 der Kommission für Anlagensicherheit mit „Empfehlungen für Abstände zwischen Betriebsbereichen nach der Störfall-Verordnung und schutzbedürftigen Gebieten im Rahmen der Bauleitplanung“. Gegebenenfalls sind gutachterliche Prüfungen der Auswirkungen eines Störfalls und des danach zu bestimmenden maßgeblichen Sicherheitsabstands erforderlich.29 Ein Beurteilungs- oder Ermessensspielraum kommt den Verwaltungsbehörden hinsichtlich des angemessenen Sicherheitsabstands nicht zu.30

b) Erhebliche Gefahrenerhöhung. Unabhängig von der Unterschreitung des angemessenen Si- 19 cherheitsabstands, der generell eine Gefahrenerhöhung zugemessen wird, werden auch sonstige, abstandsunabhängige, erhebliche Gefahrenerhöhungen erfasst. Mithin unterliegen auch solche Errichtungen, Betriebsvorgänge und Änderungen bestehender Betriebe mit potentiell erheblichen Gefahren schwerer Unfälle, bei denen keine Abstandsunterschreitung vorliegt, einem Genehmigungsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung. Die Möglichkeit einer erheblichen Gefahrenerhöhung ist für die Auslösung des Genehmigungserfordernisses ausreicht, solange es hinreichende Hinweise auf eine solche gibt.31 Eine erhebliche Gefahrenerhöhung liegt auf Grundlage der Hinweise und Definitionen der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Immissionsschutz zum angemessenen Sicherheitsabstand nach § 3 Abs. 5c BImSchG, Stand 13.9.2022, vor, wenn eine neue Gefahr, für die Maßnahmen nach § 3 der 12. BImSchV erforderlich sind, geschaffen wird oder eine bereits bestehende Gefahr durch die Änderung derart beeinflusst wird, dass die Neubewertung (Gefahrenanalyse o.ä.) zu Maßnahmen nach § 3 der 12. BImSchV (verhindernde oder auswirkungsbegrenzende) führt oder 3. eine bereits bestehende Gefahr durch die Änderung derart beeinflusst wird, dass sie zur Ursache eines Störfalls werden kann, die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Störfalls vergrößern kann oder die Folgen eines Störfalls verschlimmert werden können.32 Die Hinweise und Definitionen der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Immissionsschutz zum angemessenen Sicherheitsabstand nach § 3 Abs. 5c BImSchG, Stand 13.9.2022, beinhalten – nicht abschließende – Fallbeispiele.

c) Schutzobjekte. Der angemessene Sicherheitsabstand betrifft immer das Verhältnis zwischen 20 dem störfallrelevanten Vorhaben und benachbarten Schutzobjekten. Diese sind in § 3 Abs. 5d BImSchG legaldefiniert. Dort heißt es, dass Schutzobjekte ausschließlich oder überwiegend dem Wohnen dienende Gebiete, öffentlich genutzte Gebäude und Gebiete, Freizeitgebiete, wichtige Verkehrswege und unter dem Gesichtspunkt des Naturschutzes besonders wertvolle oder besonders empfindliche Gebiete sind. Diese Aufzählung ist abschließend.33 Das Kriterium der Nachbarschaft

28 Uechtritz/Farsbotter NVwZ 2020, 1160, 1162 ff. 29 BVerwG 20.12.2012, 4 C 11/11, BVerwGE 145, 290 Rn. 17; OVG Münster 15.12.2011, 2 A 2645/08, DVBl 2012, 634, 638 zu den Auswirkungen des Vollabrisses eines Kavernenkopfes (Dennoch-Störfall).

30 BVerwG 20.12.2012, 4 C 11/11, BVerwGE 145, 290 Rn. 20. 31 Feldhaus/Czajka BImSchG, § 23a Rn. 19; Jarass NVwZ 2018, 185, 190. 32 Hinweise und Definitionen der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Immissionsschutz zum angemessenen Sicherheitsabstand nach § 3 Abs. 5c BImSchG, Stand 13.9.2022, S. 9. 33 Jarass BImSchG, § 3 Rn. 109. 761

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§ 57d

Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

erfordert ein räumliches Näheverhältnis aber keinen unmittelbare Angrenzung von Schutzobjekten an ein störfallrelevantes Vorhaben.34 21 Welche Gebiete ausschließlich oder überwiegend dem Wohnen dienen bestimmt sich primär nach planungsrechtlichen Vorgaben.35 Demnach sind solche Gebiete, die als reine, allgemeine oder besondere Wohngebiete ausgewiesen sind (gem. §§ 3, 4, 4a BauNVO), Sondergebiete (§ 10 BauNVO), Kleinsiedlungsgebiete (§ 2 BauNVO) sowie Dorf- und Mischgebiete36 als Schutzobjekte erfasst. Sind keine planungsrechtlichen Vorhaben vorhanden, so ist auf die tatsächliche Situation abzustellen.37 Einzelne Wohngebäude werden nach Maßgabe der Arbeitshilfe der Fachkommission Städtebau der Bauministerkonferenz zu Art. 13 Seveso-III-Richtlinie, Stand 18.4.2018, und ebenso nach Maßgabe der Hinweise und Definitionen der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Immissionsschutz zum angemessenen Sicherheitsabstand nach § 3 Abs. 5c BImSchG, Stand 13.9.2022, nur dann erfasst, wenn sie einem Wohngebiet vergleichbare Dimensionen aufweisen, was auf Grundlage der Musterbauordnung bei dem Wohnen dienenden Nutzungseinheiten mit einer Größe von insgesamt mehr als 5.000 qm6 Brutto-Grundfläche der Fall ist.38 Nicht geschützt sind Splittersiedlungen39 und Einzelanwesen im Außenbereich.40 Splittersiedlungen und Einzelanwesen im Außenbereich lösen daher kein Abstandserfordernis einer hinzukommenden Störfallanlage aus. Anderes gilt hinsichtlich des Abwehrrechts des Betreibers einer Störfallanlage gegenüber einer heranrückenden Bebauung. Ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme kann auch bereits durch ein einzelnes Gebäude im Außenbereich ausgelöst werden, so dass dem Betreiber eines störfallrelevanten Vorhabens auch gegen ein Einzelgebäude ein Abwehranspruch zustehen kann.41 Öffentlich genutzte Gebäude und Gebiete sind solche, die nicht nur von einem festen Perso22 nenkreis genutzt werden, der auf einen Alarmierungsfall vorbereitet werden kann.42 Das bedeutet, dass der Publikumsverkehr nicht in der Weise der Obhut der besuchten Anlage zuzuordnen ist, dass er dort effektiv hinsichtlich des richtigen Verhaltens im Falle eines Störfalls angehalten werden kann.43 Maßgeblich ist also, dass das Gebäude oder Gebiet von einem unbegrenzten und wechselnden Personenkreis einschränkungslos aufgesucht wird.44 Dabei ist es nicht relevant, ob das Gebäude oder Gebiet selbst einem öffentlichen Zweck dient, d.h. aus welchem Grund die Öffentlichkeit Zugang zum Gebäude hat. Als öffentliche Gebäude zählen etwa Gartencenter,45 Verbrauchermärkte,46 Baumärkte47 und Ge23 schäfts-, Büro- und Verwaltungsgebäude mit allgemeinem Publikumsverkehr.48 Letztere können auch

34 Hinweise und Definitionen der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Immissionsschutz zum angemessenen Sicherheitsabstand nach § 3 Abs. 5c BImSchG, Stand 13.9.2022, S. 13. 35 VGH München 5.3.2001, 8 ZB 00.3490, NVwZ-RR 2001, 579, 581; Jarass BImSchG, § 3 Rn. 111. 36 VGH München 5.3.2001, 8 ZB 00.3490, NVwZ-RR 2001, 579, 581; kritisch hierzu BeckOK UmweltR/Tophoven, § 50 BImSchG, Rn. 10. 37 Jarass BImSchG, § 3 Rn. 110; BeckOK UmweltR/Tophoven, § 50 BImSchG Rn. 10. 38 Arbeitshilfe „Berücksichtigung des neuen nationalen Störfallrechts zur Umsetzung des Art. 13 Seveso-III-Richtlinie im baurechtlichen Genehmigungsverfahren in der Umgebung von Störfallbetrieben“ der Fachkommission Städtebau der Bauministerkonferenz, Stand 18.4.2018, S. 4; Hinweise und Definitionen der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Immissionsschutz zum angemessenen Sicherheitsabstand nach § 3 Abs. 5c BImSchG, Stand 13.9.2022, S. 4. 39 VGH München 5.3.2001, 8 ZB 00.3490, NVwZ-RR 2001, 579,581; Uechtritz BauR 2012, 1039, 1045. 40 VGH München 5.3.2001, 8 ZB 00.3490, NVwZ-RR 2001, 579, 581; Wasielewski NVwZ 2018, 937, 942 f.; Frenz/Müggenborg BBergG, § 57d Rn. 24. 41 OVG Münster 15.12.2011, 2 A 2645/08, DVBl 2012, 635 ff. 42 Jarass BlmSchG, § 50 Rn. 13. 43 VGH Kassel 22.10.2020, 4 B 1371/20, NVwZ 2020, 1772 Rn. 11. 44 VGH Kassel 22.10.2020, 4 B 1371/20, NVwZ 2020, 1772 Rn. 11; VGH Mannheim 29.4.2015, 3 S 2101/14, juris Rn. 12. 45 EuGH 15.9.2011, C-53/10, ZUR 2011, 586 ff.; BVerwG 20.12.2012, 4 C 11/11, BVerwGE 145, 290 Rn. 14. 46 OVG Lüneburg 14.4.2021, 1 ME 140/20 = ZfBR 2021, 566, 566; OVG Münster 25.11.2020, 7 A 3983/19, NVwZ 2021, 1479 Rn. 59; OVG Münster 3.9.2009,10 D 121/07, juris Rn. 177. 47 VGH Kassel 26.3.2015, 4 C 1566/12.N, BauR 2015, 1282, 1283. 48 VGH Kassel 22.10.2020, 4 B 1371/20, NVwZ 2020, 1772 Rn. 12; Hendler DVBl 2012, 532, 535. Keienburg/Wiesendahl

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Zweites Kapitel – Anzeige, Betriebsplan

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ohne allgemeinen Publikumsverkehr zu öffentlichen Gebäuden werden, wenn ein unkontrollierter Strom an Besuchern stattfindet. Große Verbrauchermärkte werden in Rechtsprechung und Literatur durchweg als öffentlich genutzte Gebäude eingestuft.49 Inwieweit eine Großflächigkeit in Abgrenzung zu einem Einzelhandelsvorhaben bzw. eine Mindest-Kundenfrequenz Voraussetzung für die Bejahung eines öffentlichen Gebäudes ist, wird nicht einheitlich beantwortet.50 Der Entwurf der Musterbauordnung zur Umsetzung der Seveso-III-Richtlinie sieht ein besonderes Prüfverfahren nur für öffentlich genutzte Gebäude, die eine gleichzeitige Nutzung durch mehr als 100 Besucher ermöglichen, vor.51 Die Landesbauordnungen sehen Beteiligungspflichten im Baugenehmigungsverfahren öffentlicher Gebäude innerhalb des Sicherheitsabstands von Störfallanlagen teilweise erst ab einer möglichen gleichzeitigen Nutzung durch 100 Besucher fest.52 Größere Wohnkomplexe können erfasst sein, sofern sie mit einem Wohngebiet vergleichbar sind; dazu schon Rn. 21.53 Einzelne Wohngebäude stellen unabhängig von ihrer Größe und Bewohnerzahl keine öffentlichen Gebäude dar.54 Nicht erfasst sein sollen nach einer Entscheidung des VGH Kassel Frühstückshotels, da die Nutzung des Gebäudes von der vorherigen Eingehung von vertraglichen Beziehungen zwischen Nutzer und Betreiber abhängig ist;55 dem entgegenstehend hat der VGH Mannheim entschieden, dass Fitnesscenter mit einem wechselnden Personenkreis trotz mitgliedschaftlicher Organisation, ein öffentliches Gebäude darstellt, da die Einrichtung von jedermann benutzt werden könne, der zuvor einen entsprechenden Benutzungsvertrag mit dem Betreiber des Fitnesscenters geschlossen hat.56 Stehen außerhalb des Abstandsgebots ausreichende Möglichkeiten zur Verfügung, die Nutzer 24 eines Gebäudes vor den Folgen eines Störfalls zu schützen, beispielsweise durch entsprechende Vorabinformation der potenziell gefährdeten Personen zum Verhalten im Störfall, handelt es sich nicht um ein öffentlich genutztes Gebäude im störfallrechtlichen Sinne.57 Weitere Abgrenzungskriterien sind etwa die Überwachung des Gebäudezugangs und ob die Nutzer des Gebäudes in der Lage sind, Verhaltenshinweise praktisch umzusetzen.58 Letzteres könnte etwa bei einem gesteigerten Gefahrenpotential aufgrund der besonderen Schutzbedürftigkeit der Nutzer eine Rolle spielen, der sich die Frage anschließt, wie schwierig sich die Organisation der Nutzer in einem Notfall gestaltet (etwa in Schulen, Krankenhäusern, Kindergärten, Seniorenheimen).59 Zuletzt kann auch in Betracht gezogen werden, ob sich die Nutzer lediglich flüchtig in dem Gebäude aufhalten (Supermärkte, öffentliche Verwaltungsgebäude, Freizeitparks, Sportstadien oder wichtige Verkehrsknotenpunkte).60 49 BVerwG 20.12.2012, 4 C 11/11, BVerwGE 145, 290 Rn. 14; OVG Lüneburg 14.4.2021, 1 ME 140/20 = ZfBR 2021, 566, 567; OVG Münster 25.11.2020, 7 A 3893/19, BauR 2021, 200 Rn. 59; Jarass BImSchG, § 50 Rn. 13.

50 Bejahend Landmann/Rohmer/Schoen Umweltrecht, § 50 BImSchG Rn. 113; verneinend VGH Kassel 26.3.2015, 4 C 1566/12.N, BauR 2015, 1282, 1283; offen gelassen vom OVG Lüneburg 14.4.2021, 1 ME 140/20 = ZfBR 2021, 566, 567 und vom OVG Münster 25.11.2020, 7 A 3893/19, BauR 2021, 200 Rn. 61. 51 Arbeitshilfe „Berücksichtigung des neuen nationalen Störfallrechts zur Umsetzung des Art. 13 Seveso-III-Richtlinie im baurechtlichen Genehmigungsverfahren in der Umgebung von Störfallbetrieben“ der Fachkommission Städtebau der Bauministerkonferenz, Stand 18.4.2018, S. 5; ebenso Hinweise und Definitionen der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Immissionsschutz zum angemessenen Sicherheitsabstand nach § 3 Abs. 5c BImSchG, Stand 13.9.2022, S. 5. 52 Siehe etwa § 64 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2HBauo, § 70 Abs. 7 Nr. 2 BauO Bbg, § 70 Abs. 5 Nr. 2 BauO Sachsen; kritisch zu diesen „Bagatellschwellen“, insbesondere deren Richtlinienkonformität, Wasielewski NVwZ 2018, 937, 943. 53 Jarass Cohen Baugenehmigungen und Störfallrecht, NVwZ 2014, 902, 904. 54 Wasielewski NVwZ 2018, 937, 943. 55 VGH Kassel 22.10.2020 4 B 1371/20, NVwZ 2020, 1772 Rn. 12; offen gelassen wurde, ob anders für Hotels mit Konferenzräumen und öffentlich zugänglichem Restaurantbereich gilt (ibid, Rn. 14). 56 VGH Mannheim 29.4.2015, 3 S 2101/14, juris Rn. 13. 57 VGH Kassel 22.10.2020, 4 B 1371/20, NVwZ 2020, 1772 Rn. 11. 58 VGH Kassel 22.10.2020, 4 B 1371/20, NVwZ 2020, 1772 Rn. 11. 59 VGH Kassel: Zulässige „Hotelbebauung“ innerhalb des Abstandserfordernisses nach der Seveso-III-Richtlinie (Anm. Jarass Cohen), NVwZ 2020, 1772, 1774 f. 60 VGH Kassel: Zulässige „Hotelbebauung“ innerhalb des Abstandserfordernisses nach der Seveso-III-Richtlinie (Anm. Jarass Cohen), NVwZ 2020, 1772, 1774 f., unter Verweis auf den Frage-Antwort-Katalog der Seveso Expert Group, welche die Europäische Kommission bei der Implementierung der Seveso-III-RL berät (Ref. Ares [2018]1656198 v. 26.3.2018, 6). 763

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§ 57d

Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

Öffentlich genutzte Gebiete sind etwa Parkanlagen, Messegelände,61 Messeparkplätze62 und Friedhöfe.63 Neben dem Publikumsverkehr können auch weitere Faktoren der Schutzwürdigkeit in Betracht gezogen werden.64 Freizeitgebiete sind etwa Campingplätze,65 Ferienhausgebiete,66 Sport-, Spiel- und Badeplätze67 oder (Dauer)Kleingartengebiete.68 Die Hinweise und Definitionen der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Immissionsschutz zum angemessenen Sicherheitsabstand nach § 3 Abs. 5c BImSchG, Stand 13.9.2022, erachten auch bei Freizeitgebieten einen gleichzeitigen Aufenthalt von regelmäßig mehr als 100 Personen für erforderlich.69 Zur Vermeidung schwerer Unfälle sind wichtige Verkehrswege explizit als Schutzobjekt in 26 § 3 Abs. 5d BImSchG aufgenommen. Wichtige Verkehrswege sind vor allem Hauptverkehrsstraßen nach § 47b Nr. 3 BImSchG sowie Haupteisenbahnstrecken nach § 47b Nr. 4 BImSchG,70 wohl auch Wasserwege und Flughäfen i.S.d. § 47b BImSchG, nicht jedoch Flugverfahren in Gestalt von Verkehrsregelungen oder Verhaltensvorschriften für die Luftfahrzeugführer, bzw. Flugrouten.71 Zur Abgrenzung wichtiger Verkehrswege von unwichtigen Verkehrswegen kann der Vorschlag der Kommission (FAQ zu Dir. 2012/18/EC-Seveso-III vom 1.3.2016, No. 5, Ref. 034), herangezogen werden, wonach Straßen weniger als 10.000 PKW in 24 Stunden und Schienenwege mit weniger als 50Personenzügen in 24 Stunden nicht als wichtige Verkehrswege zu betrachten sind.72 Umgekehrt sollen jedenfalls Autobahnen mit mehr als 200.000 PKW in 24 Stunden oder mehr als 7.000 PKW in der verkehrsreichsten Stunde, andere Straßen mit mehr als 100.000 PKW in 24 Stunden oder mehr als 4.000 PKW in der verkehrsreichsten Stunde und Schienenwege mit mehr als 250 Personenzügen in 24 Stunden oder mehr als 60 Personenzügen in der verkehrsreichsten Stunde (beide Fahrtrichtungen) als wichtige Verkehrswege gewertet werden.73 Ausweislich Art. 13 Abs. 2 lit. a Seveso-IIIRichtlinie muss der angemessene Sicherheitsabstand zu wichtigen Verkehrswegen nur eingehalten werden, soweit dies möglich ist; dieser Flexibilisierung ist bei der Anwendung und Auslegung des Abstandsgebots Rechnung zu tragen.74 Nicht vom Anwendungsbereich erfasst sind Betriebsbereiche i.S.d. § 3 Abs. 5a BImSchG75 und andere Industrieanlagen,76 es sei denn, diese würden öffentlich genutzt. Besonders wertvolle oder empfindliche Gebiete im Hinblick auf den Naturschutz sind 27 etwa FFH-Gebiete, Vogelschutzgebiete und Naturschutzgebiete. Ebenso sollen auf Grundlage der Hinweise und Definitionen der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Immissionsschutz zum angemessenen Sicherheitsabstand nach § 3 Abs. 5c BImSchG, Stand 13.9.2022, Kern- und Pflegezonen von Biosphärenreservaten sowie auch gesetzlich geschützte Biotope i.S.d. § 30 BNatSchG, wenn 25

61 62 63 64 65 66 67 68 69

Jarass BImSchG, § 3 Rn. 111. OVG Münster 6.3.2008, 10 D 103/06.NE, ZUR 2008, 434, 435. Jarass BImSchG, § 3 Rn. 111. Jarass Cohen NVwZ 2014, 902, 904. VGH Kassel 4.10.1984, III N 17/82, UPR 1985, 219, 220. BeckOK UmweltR/Tophoven, § 50 BImSchG Rn. 12. Jarass BImSchG, § 3 Rn. 111. OVG Hamburg 27.4.2016 2 E 20/13.N, ZUR 2016, 605, 609; VGH Kassel 26.2.2004, 3 N 739/02, NVwZ-RR 2004, 821, 824. Hinweise und Definitionen der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Immissionsschutz zum angemessenen Sicherheitsabstand nach § 3 Abs. 5c BImSchG, Stand 13.9.2022, S. 5. 70 Jarass BImSchG, § 3 Rn. 112. 71 VGH Kassel 24.10.2006, 12 A 2216/05, NVwZ 2007, 597, 598; a.A. wohl Sellner/Scheidmann NVwZ 2004, 267, 271 f. 72 Hinweise und Definitionen der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Immissionsschutz zum angemessenen Sicherheitsabstand nach § 3 Abs. 5c BImSchG, Stand 13.9.2022, S. 6. 73 Hinweise und Definitionen der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Immissionsschutz zum angemessenen Sicherheitsabstand nach § 3 Abs. 5c BImSchG, Stand 13.9.2022, S. 7. 74 BT-Drs.18/9417, S. 17. 75 VGH Kassel 24.10.2006, 12 A 2216/05, NVwZ 2007, 597, 600. 76 Jarass BImSchG, § 3 Rn. 112. Keienburg/Wiesendahl

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Zweites Kapitel – Anzeige, Betriebsplan

§ 57d

sie Gebietscharakter besitzen, erfasst werden.77 Nicht geschützt wird die freie Landschaft.78 Ebenso nicht erfasst werden Naturschutzdenkmäler, Landschaftsschutzgebiet, Naturparke und geschützte Landschaftsbestandteile.79 Auch bei Gebieten in der Nachbarschaft von Störfallbetrieben, die unter dem Gesichtspunkt des Naturschutzes als besonders wertvoll bzw. besonders empfindlich anzusehen sind, kann nach Art. 13 Abs. 2 lit. b der Seveso-III-Richtlinie von der Einhaltung des Sicherheitsabstandes abgesehen werden, wenn die Gebiete durch andere relevante Maßnahmen geschützt werden; auch dieser Flexibilisierung ist bei der Anwendung und Auslegung des Abstandsgebotes Rechnung zu tragen.80

III. Verfahren § 57d unterscheidet in Absätzen 1 und 2 zwischen betriebsplanpflichtigen Vorhaben, die nicht 28 UVP-pflichtig sind und deshalb kein obligatorisches Rahmenbetriebsplanverfahren gemäß § 52 Abs. 2a Satz 1 mit Öffentlichkeitsbeteiligung erfordern und UVP-pflichtigen Vorhaben, die gemäß § 52 Abs. 2a Satz 1 BBergG im Planfeststellungsverfahren und daher ohnehin mit Öffentlichkeitsbeteiligung zuzulassen sind. Die Unterscheidung ergibt sich aus Absatz 1 Satz 1 Nr. 3. Die Verfahrensmodalitäten für den Fall eines nicht UVP-pflichtigen Vorhabens regelt Absatz 1 Satz 2; dazu Rn. 29 f. Die Verfahrensmodalitäten für den Fall eines UVP-pflichtigen Vorhabens regelt Absatz 2 Satz 1 u. 2; dazu Rn. 31.

1. Betriebsplanverfahren (Absatz 1 Satz 2) Gemäß § 23c Satz 2 BImSchG ist § 23b Abs. 2 BImSchG im bergrechtlichen Verfahren unter den in 29 § 57d genannten Bedingungen entsprechend anzuwenden. Zudem sind gemäß § 23c Satz 3 BImSchG die Vorgaben des § 18 Störfall-Verordnung entsprechend anzuwenden. Die Öffentlichkeit wird gemäß § 23b Abs. 2 Satz 2 BImSchG i.V.m. § 18 Abs. 2 Störfall-Verordnung durch öffentliche Bekanntmachung des Vorhabens durch die Bergbehörde informiert. Die von dem Vorhabenträger einzureichenden Unterlagen mit Ausnahme der Unterlagen, die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse enthalten, sowie die entscheidungserheblichen Berichte und Empfehlungen, die der Behörde im Zeitpunkt der Bekanntmachung vorliegen, werden gemäß § 23b Abs. 2 Satz 2 BImSchG i.V.m. § 18 Abs. 3 Störfall-Verordnung bei der Bergbehörde und soweit erforderlich, bei einer geeigneten Stelle in der Nähe des Standorts des Vorhabens einen Monat zur Einsicht ausgelegt. Personen, deren Belange durch das Vorhaben berührt werden81 sowie Vereinigungen, die die Anforderungen von § 3 Abs. 1 oder § 2 Abs. 2 UmwRG erfüllen, können gemäß § 23b Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 10 Abs. 3 Satz 4 BImSchG innerhalb von zwei Wochen gegenüber der zuständigen Behörde schriftlich oder elektronisch Einwendungen erheben; bei Anlagen i.S.d. Industrieemissions-Richtlinie gilt eine Einwendungsfrist von einem Monat. Eine materielle Präklusion, dazu § 57a Rn. 25, ist an eine Versäumung der Einwendungsfrist ausweislich § 10 Abs. 3 Satz 5 BImSchG nicht geknüpft. Ein Erörterungstermin ist in §§ 23b Abs. 2 BImSchG, 18 Störfall-Verordnung nicht vorgesehen.

77 Hinweise und Definitionen der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Immissionsschutz zum angemessenen Sicherheitsabstand nach § 3 Abs. 5c BImSchG, Stand 13.9.2022, S. 7. 78 Jarass BImSchG, § 50 Rn. 12. 79 Hinweise und Definitionen der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Immissionsschutz zum angemessenen Sicherheitsabstand nach § 3 Abs. 5c BImSchG, Stand 13.9.2022, S. 7. 80 BT-Drs.18/9417, S. 17. 81 Anders als im Immissionsschutzrecht gemäß § 10 Abs. 3 Satz 4 BImSchG üblich, kann sich im Verfahren nach § 23b Abs. 2 BImSchG nur die betroffene Öffentlichkeit und nicht die Öffentlichkeit unabhängig von einer Betroffenheit beteiligen: BT-Drs.18/9417, S. 29. 765

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Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

Die in den Anwendungsbereich des § 57d fallende Betriebsplanzulassung ist gemäß § 18 Abs. 4 Störfall-Verordnung schriftlich oder elektronisch zu erteilen und zu begründen und dem Antragsteller und den Personen, die Einwendungen erhoben haben, zuzustellen. Gemäß § 18 Abs. 4 Satz 3 Störfall-Verordnung kann die Zustellung durch eine öffentliche Bekanntmachung ersetzt werden, wenn mehr als 50 Personen Einwendungen erhoben haben. In der öffentlichen Bekanntmachung ist anzugeben, wo und wann der Bescheid und seine Begründung eingesehen und angefordert werden können (§ 18 Abs. 5 Satz 4 Störfall-Verordnung). Nach der öffentlichen Bekanntmachung können der Bescheid und seine Begründung bis zum Ablauf der Widerspruchsfrist von den Personen, die Einwendungen erhoben haben, schriftlich angefordert werden (§ 18 Abs. 5 Satz 6 Störfall-Verordnung). In jedem Fall ist der Genehmigungsbescheid im amtlichen Veröffentlichungsblatt und im Internet oder in örtlichen Tageszeitungen öffentlich bekannt zu machen. Gemäß § 18 Abs. 5 Satz 3 StörfallVerordnung muss der Genehmigungsbescheid zwei Wochen zur Einsicht ausgelegt werden. Nach Ablauf der Auslegung gilt gemäß § 18 Abs. 3 Satz 5 Störfall-Verordnung der Bescheid Dritten gegenüber als zugestellt, worauf in der Bekanntmachung hinzuweisen ist.

2. Planfeststellungsverfahren (Absatz 2 Satz 1 u. 2) 31 Die Verfahrensmodalitäten bei Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens richten sich vorrangig nach den für das Planfeststellungsverfahren maßgeblichen Vorgaben. Daher gelten gemäß § 57d Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 für die Äußerungsfrist die vorrangigen Fristen des § 52a Abs. 2a Satz 1 i.V.m. § 57a Abs. 1 Satz 4 und damit eine Mindestfrist von einem Monat für die Äußerungsmöglichkeit der Öffentlichkeit, dazu § 57a Rn. 24. Der im Planfeststellungsverfahren gemäß § 73 Abs. 6 Satz 1 VwVfG obligatorische Erörterungstermin ist durchzuführen;82 dazu § 57a Rn. 26. Auch die Bekanntmachung des Planfeststellungsbeschlusses richtet sich nach den dafür speziell geregelten Modalitäten; dazu § 57a Rn. 55 ff. Auf Grundlage des Planungssicherstellungsgesetzes können derzeit bis Ende 2022 Bekannt32 machungen und Auslegungen durch vorrangige elektronische Verfahren erfolgen; Einzelheiten dazu bei § 57a Rn. 27.

IV. Materielle Prüfmaßstäbe (Absatz 1 Satz 3) 33 § 57d Abs. 1 Satz 3, in Bezug genommen auch in Ansatz 2 Satz 3, regelt, dass die materiell-rechtlichen Vorgaben des § 22 BImSchG sowie die der auf Basis des § 23 BImSchG erlassenen Verordnungen, insbesondere der Störfall-Verordnung, öffentliche Interessen i.S.d. § 48 Abs. 2 Satz 1 sind, soweit ihre Anforderungen über die des § 55 hinausgehen. Das entspricht der Systematik des Bergrechts, wonach nicht von § 55 Abs. 1 u. 2 erfasst öffentliche Interessen über § 48 Abs. 2 zu berücksichtigen sind. Die Regelung in Absatz 1 Satz 3 beinhaltet daher eine reine Klarstellung.83 Vorrangig vor den immissionsschutzrechtlichen Vorgaben und deren Berücksichtigung über 34 § 48 Abs. 2 sind die speziellen bergrechtlichen Vorgaben. Dies gilt etwa soweit die Tiefbohrverordnungen der Länder speziellere Abstandsvorgaben u.a. auch zu Anlagen, von denen in Störund Schadensfällen Gefahren für die Umgebung ausgehen können, enthalten.84 Die Unterschreitung des angemessenen Sicherheitsabstands ist – soweit nicht eine abstands35 unabhängige erhebliche Gefahrerhöhung bejaht wird – Eingangsvoraussetzung des § 57d und nicht gleichbedeutend mit einer materiellen Unzulässigkeit des Vorhabens. Im Rahmen der Prüfung der materiellen Zulassungsfähigkeit eines Vorhabens, welches den angemessenen Sicherheitsabstand unterschreitet, sind zusätzlich zu den störfallrelevanten Faktoren auch sozioökono82 BT-Drs.18/10057, S. 14. 83 BT-Drs. 18/10057, S. 14. 84 BT-Drs. 18/9417, S. 29; OVG Münster 15.12.2011, 2 A 2645/08, DVBl 2002, 634, 636 ff. zur BVOT NRW. Keienburg/Wiesendahl

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Zweites Kapitel – Anzeige, Betriebsplan

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mische Faktoren zu berücksichtigen, insbesondere soziale, ökologische und wirtschaftliche Belange.85 Derartige Belange können im Einzelfall dazu führen, dass ein Vorhaben auch bei Unterschreitung des störfallrechtlich angemessenen Sicherheitsabstands zugelassen wird. Dabei wird davon ausgegangen, dass die erstmalige Schaffung einer Gemengelage in der Regel unzulässig sein dürfte.86 In Fällen, in denen der angemessene Abstand bereits im Ist-Zustand nicht eingehalten wird und damit eine Vorbelastung besteht, ist die Zulassungsfähigkeit weiterer Vorhaben kein aus der Vorbelastung resultierender Automatismus.87 Ausnahmsweise kann aber bei einer bestehenden Vorbelastung ein weiteres Vorhaben oder ein Änderungsvorhaben innerhalb des angemessenen Sicherheitsabstands zulässig sein, wenn hinreichend gewichtige störfallspezifische Belange für die Zulassung des Vorhabens streiten. Zwar wird mit jedem Vorhaben, das den angemessenen Abstand unterschreitet, der störfallrechtlich unerwünschte Zustand in der Regel weiter verfestigt. Das Abstandskriterium ist aber nicht im Sinne eines Verschlechterungsverbots zu verstehen. Vielmehr greift bei einer bereits bestehenden Gemengelage der in Art. 13 der Seveso-III-Richtlinie geregelte behördliche Wertungsspielraum.88 Ist die Prüfung einer ausnahmsweise zulässigen Unterschreitung des angemessenen Sicher- 36 heitsabstands nicht bereits auf einer übergeordneten und gemäß Absatz 3 vorrangigen planerischen Ebene, insbesondere der Bauleitplanung, durchgeführt worden und ist eine derartige planerische Steuerung auch nicht wegen eines ausnahmsweise bestehenden Planungserfordernisses zwingend,89 ist eine nachvollziehende Abwägung im Genehmigungsverfahren erforderlich. Dabei ist im Rahmen des Rücksichtnahmegebots zu prüfen, welche individuellen und schutzwürdigen Belange des Vorhabenträgers für die ausnahmsweise Zulassung des Vorhabens sprechen; in Betracht kommen typischerweise eigentumsrechtliche und wirtschaftliche Belange. Diese Belange überwiegen gegenüber dem grundsätzlichen Interesse an der Einhaltung des angemessenen Sicherheitsabstands im Zweifelsfall um so mehr, wenn sich die angestrebte Nutzung aufdrängt.90 Nicht in die Abwägung einzustellen sind dagegen zugunsten des Vorhabenträgers städtebauliche Gründe;91 ebenso ist die Vorbelastung aufgrund einer bereits bestehenden Gemengelage kein im Rahmen der Abwägung einzustellender Aspekt, der für die ausnahmsweise Zulassungsfähigkeit des Vorhabens geltend gemacht werden kann.92 Auch ein bestehender Alternativstandort für die Verwirklichung des Vorhabens dürfte einer ausnahmsweisen Unterschreitung des angemessenen Sicherheitsabstands entgegen stehen.93 Ob vorhabenseitige Belange, die bereits bei der Ermittlung des angemessenen Sicherheitsabstands zu berücksichtigen sind, dazu Rn. 15, bei der Abwägung nochmals angesetzt werden können, wird nicht einheitlich beantwortet.94 Die behördliche nachvollziehende Abwägung unterliegt der vollen gerichtlichen Kontrolle.95 85 BVerwG 20.12.12012, 4 C 11/11, BVerwGE 145, 290 Rn. 22; OVG Lüneburg 14.4.2021, 1 ME 140/20 = ZfBR 2021, 566, 568; OVG Münster 25.11.2020, 7 A 3893/19, BauR 2021, 200 Rn. 76. 86 BVerwG 20.12.12012, 4 C 11/11, BVerwGE 145, 290 Rn. 35; OVG Lüneburg 14.4.2021, 1 ME 140/20 = ZfBR 2021, 566, 568 f.; OVG Münster 25.11.2020, 7 A 3893/19, BauR 2021, 200 Rn. 76; Wasielewski NVwZ 2018, 937, 941; Rebentisch NVwZ 2017, 1569, 1570; siehe auch BeckOK UmweltR/Enders, § 23b BImSchG Rn. 8. 87 BVerwG 20.12.12012, 4 C 11/11, BVerwGE 145, 290 Rn. 23; OVG Münster 25.11.2020, 7 A 3893/19, juris Rn. 76. 88 BVerwG 20.12.2012, 4 C 11/11, BVerwGE 145, 290 Rn. 22 ff.; OVG Lüneburg 14.4.2021, 1 ME 140/20 = ZfBR 2021, 566, 567 f.; OVG Münster 25.11.2020, 7 A 3893/19, NVwZ 2021, 1479 Rn. 76 ff. 89 OVG Lüneburg 14.4.2021, 1 ME 140/20 = ZfBR 2021, 566, 568; OVG Münster 25.11.2020, 7 A 3893/19, NVwZ 2021, 1479 Rn. 66; OVG Münster, 21.1.2012, 2 B 15/12, I+E 2012, 90 Rn. 17 ff. 90 OVG Lüneburg 14.4.2021, 1 ME 140/20 = ZfBR 2021, 566, 569; OVG Münster 25.11.2020, 7 A 3893/19, NVwZ 2021, 1479 Rn. 76. 91 OVG Lüneburg 14.4.2021, 1 ME 140/20 = ZfBR 2021, 566, 568; OVG Münster 25.11.2020, 7 A 3893/19, NVwZ 2021, 1479 Rn. 55. 92 OVG Lüneburg 14.4.2021, 1 ME 140/20 = ZfBR 2021, 566, 568; OVG Münster 25.11.2020, 7 A 3893/19, NVwZ 2021, 1479 Rn. 76. 93 OVG Lüneburg 14.4.2021, 1 ME 140/20 = ZfBR 2021, 566, 568; OVG Münster 25.11.2020, 7 A 3893/19, NVwZ 2021, 1479 Rn. 55. 94 Verneinend: OVG Lüneburg 14.4.2021, 1 ME 140/20 = ZfBR 2021, 566, 568; bejahend OVG Münster 25.11.2020, 7 A 3893/19, juris Rn. 76. 95 BVerwG 20.12.12012, 4 C 11/11, BVerwGE 145, 290 Rn. 26; OVG Lüneburg 14.4.2021, 1 ME 140/20 = ZfBR 2021, 566, 568; OVG Münster 25.11.2020, 7 A 3893/19, juris Rn. 72. 767

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§ 57d

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Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

Die vorliegende Rechtsprechung zur ausnahmsweisen Zulässigkeit von Vorhaben innerhalb des angemessenen Sicherheitsabstands bezieht sich typischerweise auf nicht störfallrelevante Vorhaben, die innerhalb des Sicherheitsabstands eines störfallrelevanten Vorhabens verwirklicht werden sollen. Ebenso ist aber auch der umgekehrte Fall des Unterschreitens des angemessenen Sicherheitsabstands durch Errichtung und Betrieb oder Änderung einer störfallrelevanten Anlage denkbar und in § 57d geregelt. Die vorbehandelten materiellen Maßstäbe gelten auch für die Prüfung dieser Fallvariante, wobei den Besonderheiten bergbaulicher Betriebe und deren Lagerstättenbindung sowie der Relevanz für die Rohstoffversorgung im Rahmen der Abwägung besonderes Gewicht zukommen muss. Diese Besonderheiten lassen es, wenn das Vorhaben alternativlos ist, auch als möglich erscheinen, dass unabhängig von einer bereits bestehenden Gemengelage die erstmalige Errichtung eines Störfallvorhabens innerhalb des angemessenen Sicherheitsabstands zulassungsfähig sein könnte.

V. Ausschluss der Anwendung (Absatz 3) 38 Absatz 3 bestimmt, dass trotz Vorliegens der Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 u. 2 kein störfallrechtliches Zulassungsverfahren nach Maßgabe des § 57d Abs. 1 u. 2 erfolgt, soweit der Wahrung des angemessenen Sicherheitsabstands bereits durch verbindliche Vorgaben auf der Ebene einer raumbedeutsamen Planung oder Maßnahme ausreichend Rechnung getragen worden ist. Dies entspricht § 23b Abs. 1 Satz 2 BImSchG. Erforderlich ist eine Planung oder Maßnahme, die eine hinreichende Auseinandersetzung mit 39 dem den störfallrelevanten Vorgaben der Richtlinie 2012/18/EU beinhaltet und der eine nicht nur interne, sondern eine außenverbindliche Wirksamkeit zukommt. Dies kann etwa durch hinreichend konkrete Bebauungspläne96 oder auch durch Planfeststellungen erfüllt werden. Mangels Außenverbindlichkeit nicht ausreichend sind Flächennutzungspläne.97

VI. Rechtsschutz 40 Drittbetroffenen stehen Rechtbehelfsmöglichkeiten zu, sofern drittschützende Normen als verletzt gerügt werden können. Drittschützende Normen bestehen im störfallrechtlichen Zulassungsverfahren des § 57d etwa in den auf die Gefahrenabwehr ausgerichteten Betreiberpflichten des § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 u. 2 BImSchG. Zudem sind die erforderliche Vorsorge gegen Gefahren für Leben und Gesundheit aus § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, die bei Störfallvorhaben betroffen sein kann und der aus § 48 Abs. 2 Satz 1 resultierende Schutz vor schweren Sachschäden drittschützend; dazu § 55 Rn. 45 und § 48 Rn. 62 ff. Auch das baurechtliche Gebot der Rücksichtnahme, welches bei der Zulassung von Vorhaben im unbeplanten Innenbereich und im Außenbereich Anwendung finde, ist drittschützend.98 41 Zulassungen von Betriebsplänen nach § 57d Abs. 1, die nicht planfeststellungspflichtig sind, sind zudem gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1Nr. 2a UmwRG umweltrechtsbehelfsfähige Entscheidungen und damit von anerkannten Vereinigungen mit Rechtsbehelfen angreifbar. Planfeststellungspflichtige Bergbauvorhaben mit Umweltverträglichkeitsprüfung sind unabhängig von einer Störfallrelevanz des Vorhabens gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1b UmwRG umweltrechtsbehelfsfähige Entscheidungen und damit von anerkannten Vereinigungen angreifbar; dazu § 57a Rn. 69. Während bei Umweltrechtsbehelfen gegen Entscheidungen mit Umweltverträglichkeitsprüfung keine über § 2 Abs. 1 Satz 1 UmwRG hinausgehende Beschränkung der durch anerkannte Vereinigungen geltend machbaren Belange besteht, muss bei Rechtsbehelfen einer anerkannten Vereinigung gegen 96 BT-Drs. 18/9417, S. 41; Jarass BImSchG, § 23b Rn. 7. 97 BT-Drs. 18/9417, S. 41; Jarass BImSchG § 16a Rn. 8. 98 BeckOK UmweltR/Enders, § 23c BImSchG Rn. 15. Keienburg/Wiesendahl

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Zweites Kapitel – Anzeige, Betriebsplan

§ 57e

nicht UVP-pflichtige störfallrelevante Entscheidungen gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 UmwRG eine Verletzung umweltbezogener Rechtsvorschriften geltend gemacht werden.

§ 57e Verfahren im Zusammenhang mit Vorhaben zur Erzeugung von Energie aus erneuerbaren Quellen (1) Für die Zulassung von Betriebsplänen für Vorhaben im Zusammenhang mit der Gewinnung von Erdwärme nach diesem Gesetz sind die Absätze 2 bis 5 anzuwenden. (2) Auf Antrag des Unternehmers werden das Verfahren zur Zulassung von Betriebsplänen für ein Vorhaben nach Absatz 1 sowie alle sonstigen Zulassungsverfahren, die für die Durchführung des Vorhabens nach Bundes- oder Landesrecht erforderlich sind, über eine einheitliche Stelle abgewickelt. (3) 1Die einheitliche Stelle nach Absatz 2 stellt ein Verfahrenshandbuch für Unternehmer bereit und macht die im Verfahrenshandbuch enthaltenen Informationen auch im Internet zugänglich. 2In den im Internet veröffentlichten Informationen weist die einheitliche Stelle auch darauf hin, für welche Vorhaben sie zuständig ist und welche weiteren einheitlichen Stellen im jeweiligen Land für Vorhaben nach Absatz 1 zuständig sind. (4) 1Nach Eingang der vollständigen Antragsunterlagen erstellt die zuständige Behörde einen Zeitplan für das weitere Verfahren. 2Den Zeitplan teilt die zuständige Behörde dem Unternehmer und in den Fällen des Absatzes 2 auch der einheitlichen Stelle mit. (5) 1Die zuständige Behörde entscheidet über die Zulassung innerhalb der folgenden Fristen: 1. bei Vorhaben zur Gewinnung von Erdwärme, wenn das Vorhaben der Erzeugung von Strom mit einer Kapazität von weniger als 150 Kilowatt dient, innerhalb eines Jahres, 2. bei Vorhaben zur Gewinnung von Erdwärme, wenn das Vorhaben der Erzeugung von Strom mit einer Kapazität von 150 Kilowatt und darüber dient, innerhalb von zwei Jahren. 2 Die Frist beginnt mit Eingang der vollständigen Antragsunterlagen. 3Die zuständige Behörde kann die jeweilige Frist um bis zu ein Jahr verlängern, wenn außergewöhnliche Umstände vorliegen. 4Sie teilt die Fristverlängerung dem Unternehmer und in den Fällen des Absatzes 2 auch der einheitlichen Stelle mit.

Übersicht I.

Allgemeines und Zweck der Vorschrift

1

II.

Anwendungsbereich (Absatz 1)

III. 1. 2. 3.

Einheitliche Stelle (Absatz 2) Begriff der einheitlichen Stelle 11 Antragserfordernis 12 Verfahrensabwicklung

IV.

Verfahrenshandbuch und Internetauftritt (Ab16 satz 3)

1. 2.

Verfahrenshandbuch 18 Internetauftritt

V.

Zeitplan (Absatz 4)

VI. 1. 2.

Regelungen zur Verfahrensdauer (Absatz 5) 22 Entscheidungsfristen Fristverlängerung und Mitteilung über die Frist24 verlängerung

17

5 19

8

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§ 57e

Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

I. Allgemeines und Zweck der Vorschrift 1 § 57e wurde mit Wirkung zum 18.6.2021 durch Art. 1 des Gesetzes zur Änderung des Bundesberggesetzes und zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung1 neu in das BBergG aufgenommen. Die Vorschrift dient der Umsetzung der Art. 15 und 16 der Richtlinie (EU) 2018/2001 zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen (RED II)2 in die deutsche Rechtsordnung. Die Dauer von Zulassungsverfahren für Anlagen zur Gewinnung und Nutzung erneuerbarer 2 Energien wird häufig klima-, aber auch industriepolitisch kritisiert. Im Hinblick auf die Verschärfung der Klimaziele hin zur Klimaneutralität besteht insoweit Handlungsbedarf. Art. 15 und 16 RED II sehen daher für Verwaltungsverfahren für die Zulassung von Anlagen zur Produktion von Elektrizität, Wärme oder Kälte aus erneuerbaren Quellen Vereinfachungen vor. Hierunter fällt nach dem Richtliniengeber insbesondere auch die Einführung transparenterer Regelungen für Verwaltungsverfahren, die verbesserte Koordination zwischen verschiedenen Genehmigungsstellen sowie die Schaffung einer gemeinsamen Anlaufstelle für Projektentwickler und Eigenversorger.3 Darüber hinaus wird eine Verkürzung des Verwaltungsverfahrens angestrebt; die Bereitstellung eines Verfahrenshandbuches soll weitere Klarheit schaffen.4 3 § 57e sieht in Umsetzung dieser europarechtlichen Vorgaben für Betriebsplanverfahren im Zusammenhang mit Vorhaben zur Erzeugung von Energie aus erneuerbaren Quellen, genauer Vorhaben im Zusammenhang mit der Gewinnung von Erdwärme, Vereinfachungen vor. 4 Unter „Energie aus erneuerbaren Energiequellen“ bzw. erneuerbarer Energie ist Energie aus erneuerbaren, nicht fossilen Energiequellen, das heißt Wind, Sonne (Solarthermie und Photovoltaik), geothermische Energie, Umgebungsenergie, Gezeiten-, Wellen- und sonstige Meeresenergie, Wasserkraft, und Energie aus Biomasse, Deponiegas, Klärgas und Biogas zu verstehen.5 Geothermische Energie ist die Energie, die in Form von Wärme unter der festen Erdoberfläche gespeichert ist.6 Ein Synonym für geothermische Energie ist der im BBergG verwendete Begriff der Erdwärme,7 vgl. § 3 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b.

II. Anwendungsbereich (Absatz 1) 5 § 57e Abs. 1 regelt den Anwendungsbereich der nachfolgenden vier Absätze zur einheitlichen Stelle. Die Abs. 2 bis 5 des § 57e sind auf die Zulassung von Betriebsplänen für Vorhaben im Zusammenhang mit der Gewinnung von Erdwärme nach dem BBergG anzuwenden. In der Sache stellt dies eine deutliche Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 57e insbesondere unter zwei bedeutenden Gesichtspunkten dar. 6 Erstens begrenzt § 57e Abs. 1 den Anwendungsbereich der Vorschrift wegen seines Bezuges zur Erdwärmegewinnung auf Vorhaben, die als Gewinnungsvorhaben dem Bergrecht unterliegen. Die Nutzung der gewonnenen Erdwärme als der Produktionsschritt, der der bergrechtlichen Erdwärmegewinnung nachgelagert ist, wird in § 57e demgegenüber nicht geregelt.8 Obwohl der sachliche Anwendungsbereich der in die deutsche Rechtsordnung umzusetzenden RED II auch die Nutzung von Erdwärme umfasst, ist diese Beschränkung des Anwendungsbereichs des § 57e aus

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BGBl. I., S. 1760. ABl. (EU) L 328, S. 82 ff. Vgl. Erwägungsgrund 50 RED II. Vgl. Erwägungsgrund 51 RED II. Art. 2 Satz 2 Nr. 1 RED II. Art. 2 Satz 2 Nr. 3 RED II. Vgl. Creifelds/Hakenberg Rechtswörterbuch Weber kompakt, „Erdwärme“. Vgl. BT-Drs. 19/28402, S. 15.

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der Sicht des BBergG konsequent und nachvollziehbar, da die Nutzung der gewonnenen Erdwärme keine bergrechtliche Aufbereitung darstellt9 und etwa Kraftwerke, die Erdwärme nutzen, nicht in den Anwendungsbereich des BBergG fallen. Die Inhalte der RED II zur in der Richtlinie als „Anlaufstelle“ bezeichneten einheitlichen Stelle können in Bezug auf die Nutzung von Erdwärme vor diesem Hintergrund nicht sinnvoll im BBergG geregelt werden. Ergänzend greifen hier § 10 Abs. 5a BImSchG und § 11a WHG. Zweitens begrenzt § 57e Abs. 1 den Anwendungsbereich der Vorschrift gegenüber Verfahren 7 und Zulassungsschritten, die der Erdwärmegewinnung vorgelagert sind. Nicht erfasst sind die Zulassung von Betriebsplänen für Vorhaben im Zusammenhang mit der Aufsuchung von Erdwärme und auch Verfahren für die Erteilung von Bergbauberechtigungen (Erlaubnis und Bewilligung) für Erdwärme.10 Diese zweite Beschränkung des Anwendungsbereichs des § 57e ist aus der Sicht des BBergG – anders als bei der Nutzung der gewonnenen Erdwärme – keinesfalls zwingend, da insoweit der Anwendungsbereich des BBergG eröffnet ist und eine Regelung hätte erfolgen können. Mit nachvollziehbarer Begründung hat daher der Bundesverband Geothermie im Gesetzgebungsverfahren vorgeschlagen, dass die einheitliche Stelle ihre Funktion bereits in Bezug auf die Erteilung von Bergbauberechtigungen wahrnehmen können soll. Gleiches gilt für Betriebsplanzulassungsverfahren für Aufsuchungsvorhaben. Warum der Gesetzgeber diese bergrechtlichen Aspekte aus dem Anwendungsbereich des § 57e ausgeklammert hat, wird auch aus der Gesetzesbegründung nicht deutlich. Hier bestünde unter Vereinfachungs- und Effektivitätsgesichtspunkten eine Möglichkeit zur weiteren Modernisierung des BBergG, die der Gesetzgeber umsetzen könnte, indem er sowohl die Verfahren für die Erteilung von Bergbauberechtigungen (Erlaubnis und Bewilligung) als auch die Zulassung von Betriebsplänen für Vorhaben im Zusammenhang mit der Aufsuchung von Erdwärme in den Anwendungsbereich des § 57e aufnähme.

III. Einheitliche Stelle (Absatz 2) § 57e Abs. 2 regelt, dass auf Antrag des Unternehmers Verfahren zur Zulassung von Betriebsplänen 8 für Vorhaben zur Erdwärmegewinnung sowie alle sonstigen Zulassungsverfahren, die für die Durchführung des Vorhabens nach Bundes- oder Landesrecht erforderlich sind, über eine einheitliche Stelle abgewickelt werden. Es handelt sich bei der Regelung um eine Rechtsvorschrift im Sinne des § 71a Abs. 1 VwVfG, die anordnet, dass ein Verwaltungsverfahren über eine einheitliche Stelle abgewickelt werden kann. Die Verfahrensvorschriften der §§ 71a – 71e VwVfG finden demnach auf einheitliche Stellen im Sinne des § 57e Anwendung.11

1. Begriff der einheitlichen Stelle Eine einheitliche Stelle (teilweise auch als „Einheitlicher Ansprechpartner“ bezeichnet12) ist jede 9 vom Gesetzgeber hierzu bestimmte Verwaltungseinheit, die mit den Aufgaben der §§ 71a ff. VwVfG betraut wurde.13 Die Bestimmung oder Benennung einer einheitlichen Stelle im Sinne des § 57e Abs. 2 ist wegen Art. 84 Abs. 1 Satz 1 GG Ländersache.

9 Nach § 4 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 BBergG wird die Nutzung von Erdwärme der Weiterverarbeitung gleichgestellt. 10 Vgl. BT-Drs. 19/28402, S. 15. 11 Vgl. BT-Drs. 19/28402, S. 16; ausführlich etwa Kopp/Ramsauer/Wysk VwVfG, § 71a Rn. 17 ff. 12 Bspw. Art. 1 Satz 1 BayEAG und § 1 Abs. 2 Satz 1 WiPG NRW. 13 Schoch/Schneider/Reimer VwVfG, § 71a Rn. 19. 771

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Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

Welche Stellen in den Ländern die Aufgabe der einheitlichen Stelle im Sinne des § 57e wahrnehmen, ist in den einzelnen Bundesländern auf landesrechtlicher Grundlage sehr unterschiedlich geregelt14: – in Baden-Württemberg gilt grundsätzlich das sog. „Kammermodell“, wonach je nach ihrem Zuständigkeitsbereich eine Kammer, z.B. die Industrie- und Handelskammer, als Einheitlicher Ansprechpartner fungiert; bestimmte Land- und Stadtkreise fungieren im Rahmen ihrer örtlichen Zuständigkeit als Einheitliche Ansprechpartner; – in Bayern gilt wie in Baden-Württemberg ebenfalls das „Kammermodell“, wobei der Industrie- und Handelskammer zudem eine Auffangzuständigkeit zukommt; bestimmte Landkreise und kreisfreie Gemeinden fungieren im Rahmen ihrer örtlichen Zuständigkeit als Einheitliche Ansprechpartner; – in Berlin ist eine im Geschäftsbereich der für Wirtschaft zuständigen Senatsverwaltung eingerichtete Organisationseinheit als Einheitlicher Ansprechpartner tätig; – in Brandenburg ist die für Wirtschaft zuständige oberste Landesbehörde Einheitlicher Ansprechpartner; – in Bremen wurde der WFB Wirtschaftsförderung Bremen GmbH die Aufgabe des Einheitlichen Ansprechpartners übertragen; – in Hamburg gilt das „Kammermodel“; – in Hessen ist das Regierungspräsidium zum „Einheitlichen Ansprechpartner Hessen“ bestimmt; – in Mecklenburg-Vorpommern richtet sich die Zuständigkeit nach dem „Kammermodell“; – in Niedersachsen kann entweder das für Wirtschaft zuständige Ministerium oder die örtlich zuständige kommunale Körperschaft – die Landkreise, die kreisfreien Städte oder die großen selbstständigen Städte – als Einheitlicher Ansprechpartner in Anspruch genommen werden; – in Nordrhein-Westfalen wird die Aufgabe des Einheitlichen Ansprechpartners durch die Bezirksregierung Detmold erfüllt, die eine Geschäftsstelle für das Portal einrichtet; – in Rheinland-Pfalz wurde bei den Struktur- und Genehmigungsdirektionen Nord und Süd jeweils ein Einheitlicher Ansprechpartner eingerichtet; – im Saarland gilt das „Kammermodel“; – in Sachsen wurde das Sächsische Oberbergamt ausdrücklich auf bergrechtlicher Grundlage als einheitliche Stelle gemäß § 57e Abs. 2 benannt; – in Sachsen-Anhalt ist das Landesverwaltungsamt Einheitlicher Ansprechpartner; – in Schleswig-Holstein wurde die Anstalt „IT-Verbund Schleswig-Holstein“ mit der Aufgabe des Einheitlichen Ansprechpartners betraut und – in Thüringen ist das „Thüringer Antragssystem für Verwaltungsleistungen“ einheitliche Stelle, wobei diese durch die jeweils zuständigen Kammern – z.B. die Industrie- und Handelskammer – unterstützt wird.

2. Antragserfordernis 11 Die Abwicklung eines von § 57e Abs. 1 erfassten Verfahrens durch eine einheitliche Stelle erfolgt auf Antrag des Unternehmers (zur Begrifflichkeit des Unternehmers vgl. § 4 Abs. 5). Die Regelung eines Antragserfordernisses zeigt, dass die Inanspruchnahme einer einheitlichen Stelle für den jeweiligen Unternehmer freiwillig ist. Ihm steht neben dem Betriebsplanverfahren bei der zuständigen Bergbehörde optional die einheitliche Stelle zur Verfügung. Die Möglichkeit der Abwicklung des Verfahrens über eine einheitliche Stelle stellt damit ein Angebot an den Unternehmer dar, der selbst entscheiden kann, ob und in welchem Umfang er die einheitliche Stelle in Anspruch nehmen will (sog. Optionsmodell).15 14 Die nachfolgende Übersicht bildet den Sachstand am 5.1.2023 ab. 15 Stelkens/Bonk/Sachs/Schmitz/Wiegand VwVfG, § 71a Rn. 16; Kopp/Ramsauer/Wysk VwVfG, § 71a Rn. 3. Keienburg/Wiesendahl

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3. Verfahrensabwicklung Der Gesetzgeber hat in § 57e Abs. 2 bewusst formuliert, dass die betroffenen Zulassungsverfahren für Erdwärmegewinnungsvorhaben auf Antrag über eine einheitliche Stelle „abgewickelt“ werden. In der Sache soll die einheitliche Stelle als Kontaktpunkt oder Ansprechpartner des Unternehmers fungieren und die verfahrenstechnische Abwicklung als Serviceleistung übernehmen, um auf diese Weise zur Vereinfachung und Beschleunigung der Verfahren beizutragen.16 Dieser Ansatz folgt dem One-Stop-Shop-Gedanken17: der Träger des Vorhabens soll die Möglichkeit haben, sein Vorhaben über eine einzige Stelle abwickeln zu können.18 Mit der verfahrenstechnischen Abwicklung sind keine Befugnisse der einheitlichen Stelle und erst recht keine Entscheidungs- oder Verfahrenskonzentration verbunden. Die Zuständigkeit und die Befugnisse der originär für die jeweilige Entscheidung zuständigen Behörden bleiben auch bei einer Inanspruchnahme der einheitlichen Stelle unberührt.19 Die einheitliche Stelle kann gemäß § 71b Abs. 1 VwVfG Anzeigen, Anträge, Willenserklärungen und Unterlagen des Unternehmers entgegennehmen und leitet diese unverzüglich an die zuständigen Behörden weiter. Wesentliche Auswirkungen haben die Regelungen in § 71b Abs. 2 Sätze 1 und 2 VwVfG. Nach § 71b Abs. 2 Satz 1 VwVfG gelten Anzeigen, Anträge, Willenserklärungen und Unterlagen, die bei der einheitlichen Stelle abgegeben bzw. eingereicht wurden, am dritten Tag nach Eingang bei der einheitlichen Stelle als bei der zuständigen Behörde eingegangen (unwiderlegliche Zugangsfiktion20). Fristen werden gemäß § 71b Abs. 2 Satz 2 VwVfG mit Eingang bei der einheitlichen Stelle gewahrt. Eine verspätete Weiterleitung von Anzeigen, Anträgen, Willenserklärungen und Unterlagen des Unternehmers durch die einheitliche Stelle fällt demnach in den Verantwortungsbereich der Behörden und geht nicht zulasten des Unternehmers. Ferner ist in § 71c Abs. 1 Satz 1 VwVfG eine umfassende Auskunftspflicht der einheitlichen Stelle geregelt, die auf Anfrage eine unverzügliche Auskunft über die maßgeblichen Vorschriften, die zuständigen Behörden, den Zugang zu öffentlichen Registern und Datenbanken, die zustehenden Verfahrensrechte und die Einrichtungen, die den Antragsteller oder Anzeigepflichtigen bei der Aufnahme oder Ausübung seiner Tätigkeit unterstützen, beinhaltet. Nach § 71a Abs. 2 VwVfG obliegen der zuständigen Behörde die Pflichten aus § 71b Abs. 3, 4 und 6, § 71c Abs. 2 und § 71e VwVfG auch dann, wenn sich der Antragsteller oder Anzeigepflichtige unmittelbar an die zuständige Behörde wendet. Die durch § 71a Abs. 2 VwVfG in Bezug genommenen Regelungen umfassen die Pflicht zur Ausstellung einer qualifizierten Empfangsbestätigung (§ 71b Abs. 3 VwVfG), die Pflicht zur unverzüglichen Nachforderung fehlender Unterlagen (§ 71b Abs. 4 VwVfG), eine Zugangsvermutung bei der Bekanntgabe eines Verwaltungsakts per Post im Ausland (§ 71b Abs. 6 VwVfG), unverzügliche Auskunftsverpflichtungen über die maßgeblichen Vorschriften und deren gewöhnliche Auslegung (§ 71c Abs. 2 VwVfG) sowie einen Anspruch auf eine elektronische Verfahrensabwicklung (§ 71e VwVfG).21 Diese Verfahrensregelungen gelten für die zuständigen Behörden unabhängig davon, ob die einheitliche Stelle tatsächlich in Anspruch genommen wird.22 Zwar wird in § 57e Abs. 2 selbst keine Regelung im Sinne des § 71a Abs. 2 VwVfG getroffen, aber die Vorschrift ordnet an, dass Zulassungsverfahren für Erdwärmegewinnungsvorhaben im Sinne des Abs. 1 über eine einheitliche Stelle abgewickelt werden können. Konsequenz dieser Anordnung ist die Geltung der genannten Verfahrensregelungen bei der betriebsplanmäßigen Zulassung von Vorhaben im Zusammenhang mit der Gewinnung von Erdwärme. 16 17 18 19 20 21 22 773

Vgl. BT-Drs. 19/28402, S. 16; Kopp/Ramsauer/Wysk VwVfG, § 71a Rn. 4. Dauses/Ludwigs Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, E. I. Grundregeln Rn. 275. Vgl. Kopp/Ramsauer/Wysk VwVfG, § 71a Rn. 4. Vgl. BT-Drs. 19/28402, S. 16; Stelkens/Bonk/Sachs/Schmitz/Wiegand VwVfG, § 71a Rn. 9. Stelkens/Bonk/Sachs/Schmitz/Wiegand VwVfG, § 71b Rn. 11. Siehe auch Stelkens/Bonk/Sachs/Schmitz/Wiegand VwVfG, § 71a Rn. 17; Kopp/Ramsauer/Wysk VwVfG, § 71a Rn. 22. Stelkens/Bonk/Sachs/Schmitz/Wiegand VwVfG, § 71a Rn. 17; Kopp/Ramsauer/Wysk VwVfG, § 71a Rn. 22. Keienburg/Wiesendahl

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IV. Verfahrenshandbuch und Internetauftritt (Absatz 3) 16 Durch die Regelung in § 57 Abs. 3 wird Art. 16 Abs. 3 RED II in die deutsche Rechtsordnung umgesetzt. Dem jeweiligen Vorhabenträger soll durch ein Verfahrenshandbuch und im Internet veröffentlichte Informationen ein besserer Überblick und ein besseres Verständnis über die erforderlichen Verfahrensschritte sowie die jeweils zuständigen Behörden verschafft werden.

1. Verfahrenshandbuch 17 Die einheitliche Stelle ist nach § 57e Abs. 3 Satz 1 verpflichtet, ein Verfahrenshandbuch für Unternehmer bereitzustellen. Dieses soll die notwendigen Zulassungsverfahren darlegen, Hilfestellungen im Rahmen der Antragstellung – etwa zu Inhalt und Umfang der erforderlichen Antragsunterlagen – und der Verfahrensführung beinhalten sowie Informationen zu spezifischen Verfahrensfragen liefern.23 Nicht jede Stelle muss ein eigenes Verfahrenshandbuch erstellen; es sind auch stellen- bzw. länderübergreifende Gestaltungen möglich.24 Die im Verfahrenshandbuch enthaltenen Informationen müssen auch im Internet zugänglich gemacht werden.

2. Internetauftritt 18 Gemäß § 57e Abs. 3 Satz 2 müssen neben den im Verfahrenshandbuch enthaltenen Informationen auch Informationen über den Aufgabenbereich der einheitlichen Stelle und Hinweise auf andere einheitliche Stellen des Landes im Internet veröffentlicht werden. Die einheitliche Stelle muss veröffentlichen, für welche Vorhaben sie selbst zuständig ist und welche weiteren einheitlichen Stellen des Landes ggf. zuständig sind. Die Formulierung in § 57e Abs. 3 Satz 2, nach der die einheitliche Stelle im Internet darauf hinweisen muss, „für welche Vorhaben sie zuständig ist“, darf nicht so verstanden werden, dass § 57e eine eigene Zuständigkeit der einheitlichen Stelle für die betroffenen Zulassungsverfahren für Erdwärmegewinnungsvorhaben begründet. Es geht um die Zuständigkeit als einheitliche Stelle, nicht um die Zuständigkeiten und Befugnisse der originär für die jeweilige Entscheidung zuständigen Behörden, die auch bei einer Inanspruchnahme der einheitlichen Stelle unberührt bleiben (dazu bereits unter Rn. 13).

V. Zeitplan (Absatz 4) 19 In § 57e Abs. 4 Satz 1 wird die zuständige Behörde dazu verpflichtet, nach Eingang der vollständigen Antragsunterlagen einen Zeitplan für das weitere Verfahren zu erstellen. Sie muss diesen Zeitplan gemäß § 57e Abs. 4 Satz 2 dem Unternehmer und im Fall der Inanspruchnahme einer einheitlichen Stelle durch den Unternehmer auch der einheitlichen Stelle mitteilen. Diese Regelung zur Aufstellung vorhersehbarer Zeitpläne dient der Umsetzung des Art. 15 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. a und soll für Verfahrenstransparenz im Sinne des Art. 16 Abs. 2 Satz 1 RED II sorgen.25 Die Anforderungen an die Erstellung und Mitteilung eines Zeitplans für das weitere Verfahren 20 richten sich an die originär für die jeweilige Entscheidung zuständige Behörde und nicht an die einheitliche Stelle. Dabei ist wegen § 57e Abs. 1 und in Anbetracht des Anwendungsbereichs des BBergG (dazu bereits unter Rn. 6 f.) eindeutig, dass § 57e Abs. 4 nur bergrechtliche Betriebsplanzulassungen für die Erdwärmegewinnung betrifft und für etwaige weitere Zulassungsverfahren (etwa baurechtliche oder raumordnungsrechtliche Verfahren für Gewinnungsvorhaben) eigen23 BT-Drs. 19/28402, S. 16. 24 BT-Drs. 19/28402, S. 13. 25 BT-Drs. 19/28402, S. 16. Keienburg/Wiesendahl

774

Zweites Kapitel – Anzeige, Betriebsplan

§ 57e

ständige fachrechtliche Regelungen erfolgen müssen, um auch in diesen Verfahren die Verpflichtung zur Erstellung von Zeitplänen zu etablieren. Europarechtliche Vorgaben für den Zeitpunkt, zu dem ein Zeitplan für das weitere Verfahren 21 zu erstellen ist, beinhaltet die RED II nicht. Die Erstellung eines Zeitplanes muss gemäß § 57e Abs. 4 Satz 1 nach dem vollständigen Eingang der Antragsunterlagen erfolgen, weil nach Auffassung des Gesetzgebers erst dann ein belastbarer Zeitplan erstellt werden kann.26

VI. Regelungen zur Verfahrensdauer (Absatz 5) 1. Entscheidungsfristen § 57e Abs. 5 Satz 1 trifft eine Fristenregelung für die Zulassungsverfahren für Erdwärmegewin- 22 nungsvorhaben des Abs. 1. Dabei wird zwischen der Kapazität der Erzeugung von Strom durch das jeweilige Vorhaben differenziert. Dient das Vorhaben der Erzeugung von Strom mit einer Kapazität von weniger als 150 Kilowatt, muss die Zulassung innerhalb eines Jahres erfolgen (Nr. 1); bei einer Kapazität von 150 Kilowatt und darüber muss die Zulassung innerhalb einer Frist von zwei Jahren erfolgen (Nr. 2). Diese Entscheidungsfristen dienen der Umsetzung der europarechtlichen Regelungen des Art. 16 Abs. 4 und Abs. 5 Satz 1 und 2 RED II zur Verfahrensdauer.27 Fristbeginn ist gemäß § 57e Abs. 5 Satz 2 bei Eingang der vollständigen Antragsunterlagen. Die Regelungen zu den Fristen gemäß § 57e Abs. 5 richten sich an die originär für die jeweilige Entscheidung zuständige Behörde und nicht an die einheitliche Stelle. Die europarechtlichen Vorgaben zur Verfahrensdauer beziehen sich jeweils auf alle Verfah- 23 ren, die für ein von der RED II erfasstes Vorhaben erforderlich sind. Sie erfassen demnach alle für die Errichtung und den Betrieb einer Anlage zur Nutzung von Erdwärme erforderlichen Genehmigungen, Erlaubnisse, Bewilligungen und Anzeigeverfahren. Wegen § 57e Abs. 1 und in Anbetracht des Anwendungsbereichs des BBergG (dazu bereits unter Rn. 6 f.) gilt auch für § 57e Abs. 5 (zu § 57e Abs. 4 bereits unter Rn. 20), dass die Vorschrift nur auf bergrechtliche Betriebsplanzulassungen für die Erdwärmegewinnung anwendbar ist und nicht auf etwaige weitere notwendige Zulassungsverfahren. Auch insoweit müsste die Umsetzung der Richtlinienvorgaben der RED II betreffend die Verfahrensdauer für andere Zulassungsverfahren in den jeweiligen Rechtsgebieten erfolgen.28

2. Fristverlängerung und Mitteilung über die Fristverlängerung Die Fristen des Abs. 5 Satz 1 können gemäß § 57e Abs. 5 Satz 3 durch die zuständige Behörde um 24 bis zu ein Jahr verlängert werden, wenn außergewöhnliche Umstände vorliegen. Eine Fristverlängerung ist gemäß § 57e Abs. 5 Satz 4 seitens der zuständigen Behörde dem Unternehmer und im Fall der Inanspruchnahme einer einheitlichen Stelle auch der einheitlichen Stelle mitzuteilen.

26 BT-Drs. 19/28402, S. 16. 27 BT-Drs. 19/28402, S. 16. 28 BT-Drs. 19/28402, S. 16. 775

Keienburg/Wiesendahl

DRITTES KAPITEL Verantwortliche Personen Vorbemerkungen zu den §§ 58 bis 62 Schrifttum Kirchner/Kremer Leitung und Beaufsichtigung des Bergbaubetriebes, ZfB 1990, 189; Ludes Das Bergwerkseigentum gemäß § 9 BBergG in der Insolvenz des Bergwerkseigentümers (2012); Sondermann Betriebsplanverfahren, Bestellung verantwortlicher Personen, Erlass von Bergverordnungen und Bergaufsicht nach dem Bundesberggesetz, Braunkohle 1982, 14; Weller Vom Direktionsprinzip zur Bergaufsicht von heute, ZfB 1965, 218; Weller Erläuternde Bemerkungen zum Dritten Bergrechtsänderungsgesetz in NRW, ZfB 1965, 437.

1 Aufgrund der mit der Gewinnung von Bodenschätzen verbundenen besonderen Gefahren enthält das Bergrecht seit alters her organisatorische Regelungen für die innerbetriebliche Leitung und Beaufsichtigung des Bergbaubetriebes. Mit diesen soll eine fachkundige und rechtskonforme Betriebsführung einschließlich klarer innerbetrieblicher Organisationsformen und Verantwortlichkeiten sichergestellt werden. Bis um die Mitte des 19. Jahrhunderts wurde das Bergrecht in Deutschland durch das Direktionsprinzip bestimmt, d.h. die Leitung des Bergwerksbetriebes lag unmittelbar in den Händen der Bergbehörde. Auch die für die Beaufsichtigung zuständigen Schichtmeister und Steiger wurden von der Bergbehörde angestellt und waren nur der Behörde gegenüber verantwortlich. Eine leichte Lockerung des Direktionsprinzips trat mit dem Gesetz über die Verhältnisse der Miteigentümer eines Bergwerks vom 12.5.18511 und dem Gesetz, die Aufsicht der Bergbehörden über den Bergbau und das Verhältnis der Berg- und Hüttenarbeiter betreffend vom 21.5.18602 ein, die dem Bergwerksbesitzer die privatrechtliche Befugnis zur Anstellung der für die Beaufsichtigung des Betriebes vorgesehenen Personen einräumten; jedoch durften die sog. Aufsichtspersonen ihre Arbeit erst aufnehmen, nachdem ihre Qualifikation gegenüber der Bergbehörde nachgewiesen und von dieser anerkannt worden war.3 2 Auch das ABG schrieb in § 73 vor, dass der Bergwerksbetrieb nur unter Leitung, Aufsicht und Verantwortung von Personen geführt werden dürfe, deren Befähigung hierzu von der Bergbehörde anerkannt worden sei. Begründet wurde dies damit, dass „die großen Gefahren, welche fast mit jedem Bergwerksbetrieb für die Arbeiter und das Publikum verknüpft sind, nur durch eine sachkundige Betriebsführung, durch Kenntnis und Anwendung der Regeln der Bergtechnik und durch pünktliche Befolgung der bergpolizeilichen Vorschriften vermieden werden könne“.4 Zu den Aufsichtspersonen für die Leitung und Beaufsichtigung des Betriebes zählte das Gesetz Betriebsführer, Steiger und technische Aufseher, nicht jedoch den Bergwerksbesitzer selbst. Dieser war lediglich verpflichtet, der Bergbehörde, die zur Leitung und Beaufsichtigung des Betriebes vorgesehenen Personen zu benennen; im Übrigen hatte er sich aller Einwirkungen auf den Betrieb zu enthalten.5 Er machte sich u.U. sogar strafbar, wenn er zu sehr in die Leitung des Betriebes eingriff.6 3 Die seit dem Erlass des ABG im Bergbau eingetretenen Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse, insbesondere die Entstehung größerer Betriebseinheiten und die damit verbundenen Veränderungen in der Personalstruktur der Betriebe, führte 1909 zu einer gesetzlichen Neuregelung der Verantwortlichkeit im Bergwerksbetrieb.7 Durch die Berggesetznovelle vom 28.7.19098 wurde die 1 2 3 4 5 6 7 8

PrGS, S. 265. PrGS, S. 201. Kirchner/Kremer ZfB 1990, 189, 190. Motive zu dem Entwurf eines Allgemeinen Berggesetzes für die Preußischen Staaten, ZfB 1865, 138. Weller ZfB 1965, 218. KG Berlin 1.6.1893, ZfB 1897, 107. Vgl. auch Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 58 Rn. 12. PrGS, S. 677.

Kappes https://doi.org/10.1515/9783110709285-086

776

Drittes Kapitel – Verantwortliche Personen

Vorbem. zu den §§ 58–62

Beschränkung der Verantwortlichkeit des Betriebsführers auf Teile des Betriebes ermöglicht und dem Bergwerksbesitzer sowie den anderen leitenden Angestellten wurden gewisse betriebliche Eingriffsbefugnisse zugestanden. Die „unmittelbare Leitung und Beaufsichtigung des Betriebes im engeren technischen Sinne“9 und die damit verbundene Verantwortung verblieben jedoch bei den vom Bergamt anzuerkennenden Personen, wie Betriebsführer, Steiger, technische Aufseher, für die das Gesetz die Sammelbezeichnung „Aufsichtspersonen“ einführte. Die Vorgesetzten der Aufsichtspersonen konnten nur unter bestimmten Voraussetzungen verantwortlich gemacht werden, nämlich wenn sie selbst in den Betrieb eingegriffen hatten oder es an der erforderlichen Sorgfalt bei der Kontrolle der ihnen unterstellten Aufsichtspersonen hatte fehlen lassen.10 Eine grundsätzliche Neugestaltung der bergrechtlichen Verantwortlichkeit wurde in Nord- 4 rhein-Westfalen mit dem Dritten Bergrechtsänderungsgesetz vom 8.12.196411 eingeleitet, die in den anderen alten Bundesländern anschließend in ähnlicher Weise eingeführt wurde. Das Dritte Bergrechtsänderungsgesetz in Nordrhein-Westfalen brach mit dem früheren Grundsatz, dass für die Einhaltung aller Vorschriften und Betriebspläne in erster Linie die Aufsichtspersonen die Verantwortung zu tragen hätten; mit der Neufassung des § 73 ABG wurde vielmehr der Bergwerksbesitzer, d.h. der Unternehmer, an die Spitze der betrieblichen Verantwortungskette gestellt. Dieser hatte für die Leitung und Beaufsichtigung des Betriebes andere geeignete Personen zu bestellen, soweit die Betriebsverhältnisse es erforderten. Die Verpflichtung zur Anerkennung dieser Personen durch die Bergbehörde wurde abgeschafft. Die Verantwortung für Ihre Qualifikation lag allein beim Bergwerksbesitzer. Dieser hatte die bestellten Aufsichtspersonen der Bergbehörde lediglich namhaft zu machen.12 Das BBergG hat diese Regelung über die betriebliche Verantwortlichkeit mit seinen §§ 58 bis 5 62 im Wesentlichen übernommen, jedoch den im bisherigen Sprachgebrauch unter dem Begriff „Aufsichtspersonen“ zusammengefassten Personenkreis unter dem Sammelbegriff „verantwortliche Personen“ einschließlich des Unternehmers bezeichnet. Diese Personen sind für die Erfüllung der sich aus dem Bundesberggesetz, den Bergverordnungen, den Verwaltungsakten, z.B. aufgrund § 71, und den zugelassenen Betriebsplänen ergebenen Verpflichtungen verantwortlich. Die oberste Verantwortung für die Einhaltung der bergrechtlichen Pflicht zur ordnungsgemäßen Errichtung, Führung und Einstellung eines Betriebes trägt danach der Unternehmer, der jedoch zur Erfüllung seiner Aufgaben, soweit erforderlich, weitere zuverlässige, körperlich geeignete und fachkundige Personen für die Leitung oder Beaufsichtigung des Betriebes oder Betriebsteile zu bestellen hat. Im Rahmen seiner umfassenden Verantwortung für die ordnungsgemäße Leitung des Betriebes (§ 61 Abs. 1 Satz 1) und damit die Funktions- und Leistungsfähigkeit der Betriebsorganisation13 obliegt die Auswahl dieser verantwortlichen Personen dem Unternehmer. Lediglich für bestimmte Funktionen im Betrieb kann durch Bergverordnung gemäß § 66 Satz 1 Nr. 9 vorgeschrieben werden, dass an die Fachkunde der mit diesen Funktionen zu betrauenden Personen bestimmte Anforderungen zu stellen sind.14 Die Bergbehörde erlangt über die Namhaftmachung des Unternehmers Kenntnis von der Bestellung der verantwortlichen Personen (§ 60 Abs. 2); ihr steht damit eine nachträgliche Kontrollmöglichkeit über den Einsatz bestellter verantwortlicher Personen zu. Ist eine nach Ansicht der Bergbehörde für den Aufgabenbereich ungeeignete Person bestellt worden, kann die Bergbehörde keine Anordnung gemäß § 71 erlassen oder eine andere Person bestellen; ihr stehen die abschließend im BBergG eingeräumten Spezialrechte zu, nämlich die Zulassung eines Betriebsplans zu versagen (§ 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2), die Beschäftigung dieser Person als ver9 Entwurf eines Gesetzes betreffend die Abänderung des Allgemeinen Berggesetzes vom 24. Juni 1865/1892 und 14. Juli 1905, ZfB 1909, 309, 321. 10 Diese Regelung wurde auch in der Neubekanntmachung des Bayerischen Berggesetzes vom 13.8.1910 übernommen. 11 GV. NRW 1964, 412. 12 Zu den Einzelheiten der Neuregelung vgl. Weller ZfB 1965, 437; zur historischen Entwicklung im Überblick vgl. Weller ZfB 1965, 218. 13 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 58 Rn. 3. 14 BT-Drs. 1315, S. 71. 777

Kappes

§ 58

Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

antwortliche Person (§ 73 Abs. 1 Satz 1) oder die Fortsetzung des Betriebes (§ 73 Abs. 1 Satz 2) zu untersagen.

§ 58 Personenkreis (1) Verantwortlich für die Erfüllung der Pflichten, die sich aus diesem Gesetz, den auf Grund der §§ 65 bis 67 erlassenen oder nach § 176 Abs. 3 aufrechterhaltenen Bergverordnungen, aus Verwaltungsakten und aus zugelassenen Betriebsplänen für die ordnungsgemäße Errichtung, Führung und Einstellung eines Betriebes ergeben (verantwortliche Personen), sind, soweit dieses Gesetz oder eine auf Grund dieses Gesetzes erlassene Rechtsverordnung nichts anderes bestimmt, 1. der Unternehmer, bei juristischen Personen und Personenhandelsgesellschaften die nach Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Vertretung berechtigten Personen, und 2. die zur Leitung oder Beaufsichtigung des Betriebes oder eines Betriebsteiles bestellten Personen im Rahmen ihrer Aufgaben und Befugnisse. (2) 1Ist der Betrieb eingestellt, so ist verantwortliche Person auch der Inhaber der Aufsuchungs- oder Gewinnungsberechtigung, es sei denn, daß er zur Erfüllung der in Absatz 1 genannten Pflichten rechtlich nicht in der Lage ist. 2Ist die Berechtigung zur Aufsuchung oder Gewinnung nach Inkrafttreten dieses Gesetzes erloschen, so tritt an die Stelle des Inhabers dieser Berechtigung die Person, die im Zeitpunkt des Erlöschens Inhaber der Berechtigung war.

Übersicht I.

Regelungsinhalt

II. 1.

2 Kreis der verantwortlichen Personen „Geborene“ verantwortliche Personen (Absatz 1 3 Nr. 1) „Gekorene“/bestellte verantwortliche Personen 7 (Absatz 1 Nr. 2)

2.

III.

1

12

IV.

Verantwortungsbereich

V.

Verwaltungs-, straf- und zivilrechtliche Verant16 wortlichkeit

VI.

Verantwortliche Personen und Beauftragte außer19 halb des Bergrechts

Verantwortlichkeit nach Betriebseinstellung (Ab10 satz 2)

I. Regelungsinhalt 1 § 58 regelt die notwendige Abgrenzung des Kreises der verantwortlichen Personen und bestimmt den Umfang der verwaltungsrechtlichen Verantwortung dieser Personen. § 58 in Verbindung mit § 60 gewährleistet damit, dass im Einzelfall festgestellt werden kann, wer zu den verantwortlichen Personen eines Betriebes zählt und in welchem Umfang er Verantwortung trägt. Bei der Abgrenzung der Verantwortung knüpft das BBergG an die betrieblich-unternehmerische Verantwortungsstruktur und Einflussmöglichkeiten an. Grundlage der Regelung ist die in der Praxis übliche vertikale Verteilung von Verantwortung und Befugnissen. Demgemäß trifft den Unternehmer bzw. die vertretungsberechtigte Person gemäß Absatz 1 Nr. 1 eine umfassende Verantwortung, während den Personen, die vom Unternehmer zur Leitung oder Beaufsichtigung bestellt werden, nach Absatz 1 Nr. 2 nur im Rahmen der ihnen übertragenen Aufgaben und Befugnisse eine VerantKappes https://doi.org/10.1515/9783110709285-087

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Drittes Kapitel – Verantwortliche Personen

§ 58

wortung auferlegt ist.1 Die Bestimmung der Verantwortlichkeit im Einzelnen hängt von dem Inhalt der bergrechtlichen Vorschriften und den hierauf erlassenen Verwaltungsakten für eine ordnungsgemäße Errichtung, Führung und Einstellung eines Betriebes sowie dem Umfang der übertragenen Aufgaben und Befugnisse ab. §§ 58 ff. gelten für alle Betriebe und Betriebsteile, die dem BBergG unterliegen, unabhängig davon, ob sich diese unter- oder übertägig befinden einschließlich Aufbereitungsanlagen und bergbauverwandter Tätigkeiten (§§ 126 bis 131). Die Verantwortlichkeit nach dem Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht wird durch § 58 nicht berührt.2

II. Kreis der verantwortlichen Personen Das BBergG unterscheidet zwei Arten von verantwortlichen Personen; die sog. „geborenen“ und 2 „gekorenen“/bestellten verantwortlichen Personen.

1. „Geborene“ verantwortliche Personen (Absatz 1 Nr. 1) Zu den verantwortlichen Personen nach Absatz 1 Nr. 1 zählt der Unternehmer. Da es hierzu keines 3 besonderen bergrechtlich begründeten Aktes bedarf, wird der Unternehmer i.S.d. § 58 Abs. 1 Nr. 1 als sog. „geborene“ verantwortliche Person bezeichnet. Der Begriff des Unternehmers ist in § 4 Abs. 5 legal definiert. Danach ist ein Unternehmer eine natürliche Person oder die vertretungsberechtigte Person bei juristischen Personen oder juristische Person oder Personenhandelsgesellschaft, die eine oder mehrere der in § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 2 bezeichneten Tätigkeiten auf eigene Rechnung durchführt oder durchführen lässt (vgl. hierzu § 4 Rn. 30 ff.).3 Die Unternehmereigenschaft knüpft nicht an die tatsächliche Sachherrschaft oder Verfügungsbefugnis über ein Betriebsgrundstück an,4 sondern bezieht sich vielmehr auf die betrieblich-unternehmerische Verantwortung und damit die Ausübung der Aufsuchung, Gewinnung oder Aufbereitung von Bodenschätzen einschließlich Wiedernutzbarmachung der Oberfläche (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 und 2),5 unabhängig davon, ob dies rechtmäßig erfolgt. Als Verantwortlicher gemäß § 58 Abs. 1 Satz 1 ist daher auch anzusehen, wer nur die Wiedernutzbarmachung des Grubengeländes betrieben und dementsprechend auch den Abschlussbetriebsplan vorgelegt hat.6 Zu den erfassten Tätigkeiten sind aufgrund der Betriebsplanpflicht auch bergbauverwandte Tätigkeiten der §§ 126 ff. zu zählen (vgl. § 4 Rn. 32). Abgesehen von dem erweiterten Unternehmerbegriff bei Bohrungen, die nicht bergbaulichen Tätigkeiten dienen (§ 127 Abs. 1 Nr. 3) müssen diese bergbaulichen Tätigkeiten auf eigene Rechnung dieser Person durchgeführt oder für diese von Dritten durchgeführt werden. Der Gesetzgeber hat mit Rücksicht auf die dem Unternehmer nach diesem Gesetz obliegenden Verpflichtungen damit klar gestellt, dass als Unternehmer im bergrechtlichen Sinne immer derjenige anzusehen ist, der den Betrieb oder die Tätigkeit maßgeblich beeinflusst.7 Die verwaltungsrechtliche Verantwortlichkeit des Unternehmers ist folglich vergleichbar mit der Verhaltenshaftung im Sinne des allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht.8 Mit dem Kriterium „auf eigene Rechnung“ wird zum Ausdruck gebracht, dass derjenige die finanziellen Mittel zur Durchführung seiner Tätigkeit selbst aufbringt und/oder das finanzielle und wirtschaftliche Risiko seiner Tätigkeit trägt.9 Die Unternehmereigen1 2 3 4 5 6 7 8 9

BT-Drs. 8/1315, S. 114. Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 58 Rn. 1. BVerwG 13.12.2007, 7 C 40/07, ZfB 2008, 57, Rn. 10. VGH München 24.8.2010, 8 BV 06.1795, ZfB 2011, 114, 117. BVerwG 13.12.2007, 7 C 40/07, NVwZ 2008, 583, Rn. 11, 17; Frenz/Rehs BBergG, § 58 Rn. 7. OVG Berlin-Brandenburg 29.7.2016, OVG 11 N 137.12, juris Rn. 24. BT-Drs. 8/1315, S. 83. Frenz/Rehs BBergG, § 58 Rn. 8 m.w.N. Kirchner/Kremer ZfB 1990, 189, 192.

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Kappes

§ 58

Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

schaft hängt demnach von dem wirtschaftlichen Interesse und der leitenden Befugnis hinsichtlich der bergbaulichen Tätigkeit ab. Der Unternehmerbegriff kann nicht mit dem Begriff des Arbeitgebers gleichgesetzt werden. U.a. die arbeitsschutzrechtlichen Bergrechtsvorschriften erstrecken sich – im Gegensatz zum allgemeinen Arbeitsschutzrecht – nicht auf Arbeitnehmer, sondern alle im Bergbaubetrieb Tätige. Als Unternehmer nach dem BBergG kann nur jemand angesehen werden, der selbstständig handelt, d.h. der den von ihm beherrschten Bereich in eigener Verantwortung leitet und leiten kann. Dabei ist es nicht von Bedeutung, ob der Unternehmer die bergbaulichen Tätigkeiten selbst durchführt oder durch einen Dritten durchführen lässt. Die Selbständigkeit misst sich nämlich nach dem Maß der Handlungsfreiheit, die von der jeweilig rechtlichen oder tatsächlichen Gestaltung des einzelnen Unternehmers abhängt. Eine sog. Betriebsführungsgesellschaft, die einen Bergbaubetrieb für fremde Rechnung führt, erfüllt nicht den Unternehmerbegriff.10 Wer lediglich bergbauliche Teilarbeiten im Rahmen eines von einem anderen geleiteten Gesamtbetriebes durchführt, ist nicht als Unternehmer i.S.d. BBergG anzusehen. Dies gilt z.B. für sog. Unternehmerfirmen, die sich auf bestimmte bergbauliche Tätigkeiten – z.B. Schachtabteufen, Streckenvortrieb, Wiedernutzbarmachung – spezialisiert haben und aufgrund von Verträgen mit dem Unternehmer in verschiedenen Bergbaubetrieben tätig werden. Bei der Einschaltung derartiger Servicebetriebe oder Spezialgesellschaften ist verantwortliche Person i.S.d. § 58 Abs. 1 Nr. 1 der Unternehmer, der den Auftrag erteilt. Beschäftigte der vom Bergbauunternehmer beauftragten Firma können jedoch als verantwortliche Person nach § 58 Abs. 1 Nr. 2 bestellt werden. 4 Ist eine juristische Person oder Personenhandelsgesellschaft Unternehmer i.S.d. Gesetzes, verweist § 58 Abs. 1 Nr. 1 – entsprechend dem einschlägigen Gesellschaftsrecht – auf die nach Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Vertretung berechtigten Personen, d.h. die „geborenen verantwortlichen Personen“. Der Vorstand bzw. Geschäftsführer einer juristischen Person wird damit der juristischen Person „für die Haftung gleichgestellt“.11 Ihre Legitimation zur Vertretung der juristischen Person oder Personenhandelsgesellschaft und damit verantwortliche Person ergibt sich aus den gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen in Verbindung mit den entsprechenden Handelsregistereintragungen. Aktiengesellschaften werden durch den Vorstand vertreten (§ 78 Abs. 1 AktG). Bei einem Vorstand aus mehreren Mitgliedern gilt der Grundsatz der Gesamtvertretung. Die Verantwortung für den Bergbaubetrieb kann wegen der Anforderungen des § 60 nicht mittels Satzung oder Geschäftsverteilungsplan auf ein Mitglied des Vorstands übertragen werden. Prokuristen und Handelsbevollmächtigte zählen nicht zum Kreis der verantwortlichen Personen i.S.d. § 58 Abs. 1 Nr. 1. 5 Für die Einstellung eines Betriebes gelten die gleichen Anforderungen, wie für die Errichtung und Führung des Betriebes (§ 58 Abs. 1). Die Erfüllung der sich aus der Betriebseinstellung ergebenden bergrechtlichen Pflichten obliegt danach dem Unternehmer und im Rahmen ihres Geschäftskreises den bestellten verantwortlichen Personen. Mit Absatz 2 hat der Gesetzgeber den Kreis der „geborenen“ verantwortlichen Personen für die Einstellungs- und ggf. Nachsorgephase auf den Inhaber der Bergbauberechtigung erweitert. Dies ist – unabhängig von dem Bestehen der Bergbauberechtigung – der letzte Inhaber der bestehenden oder erloschenen Bergbauberechtigung. Näheres hierzu siehe § 58 Rn. 10. Der Inhaber der Bergbauberechtigung kann jedoch nur in Anspruch genommen werden, wenn er zur Erfüllung der bergrechtlichen Pflichten rechtlich in der Lage ist (§ 58 Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz), d.h. er muss die entsprechende Verfügungsbefugnis besitzen. 6 Die Befugnis des Insolvenzverwalters, aufgrund § 80 Abs. 1 InsO das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und darüber zu verfügen, führt nicht zu einem Eintritt des Insolvenzverwalters in die frühere Unternehmereigenschaft des insolventen Unternehmers oder

10 BT-Drs. 8/1315, S. 83. 11 BVerwG 13.12.2007, 7 C 40/07, ZfB 2008, 57, Rn. 15. Kappes

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Drittes Kapitel – Verantwortliche Personen

§ 58

einer eigenen Unternehmerschaft, soweit er keine Tätigkeiten i.S.d. § 2 Abs. 1 und 2 durchführt12 (vgl. § 4 Rn. 35). Die bergrechtliche Verantwortlichkeit verbleibt auch nach Bestellung des Insolvenzverwalters beim Unternehmer.13 Dies gilt auch im Rahmen einer Einzelrechtsnachfolge der von einem anderen Unternehmer übernommenen Bergbauberechtigung.14

2. „Gekorene“/bestellte verantwortliche Personen (Absatz 1 Nr. 2) Neben dem Unternehmer und bei juristischen Personen deren vertretungsberechtigten Personen 7 umfasst der Kreis der verantwortlichen Personen gemäß § 58 Abs. 1 Nr. 2 auch die zur Leitung oder Beaufsichtigung des Betriebes oder eines Betriebsteils vom Unternehmer bestellten Personen („gekorene“ verantwortliche Personen). Aufgrund der für diese Personen geforderten persönlichen Qualifikationsvoraussetzung (§ 59 Abs. 1 – Zuverlässigkeit, Fachkunde, körperliche Eignung) können „gekorene“ verantwortliche Personen nur natürliche Personen sein. Diese tragen nur im Rahmen der ihnen übertragenen Aufgaben und Befugnisse Verantwortung. Deshalb ist es besonders wichtig, dass die Aufgaben und Befugnisse der „gekorenen“ verantwortlichen Personen eindeutig und lückenlos festgesetzt (§ 59 Abs. 2 Satz 2) und bei der Bestellung genau beschrieben werden (§ 60 Abs. 1 Satz 3). Während jeder Betrieb, und zwar auch der kleinste, im Unternehmer kraft Gesetzes zumindest eine verantwortliche Person besitzt, hängt die Anzahl der nach Absatz 1 Nr. 2 bestellten verantwortlichen Personen von der Betriebsgröße und den betrieblichen Erfordernissen ab (§ 59 Abs. 2 Satz 1). Bestellte verantwortliche Personen können ihrerseits im Rahmen ihrer Aufgaben und Befugnisse Teile oder bestimmte Aufgabenbereiche ihres Verantwortungsbereiches auf andere Personen weiterdelegieren (§ 62 Satz 1 Nr. 2), die wiederum Teile ihrer Aufgaben weiter delegieren können. Alle diese Personen – unabhängig auf welcher Ebene – zählen zu den bestellten verantwortlichen Personen. Je nach Betriebsgröße kann so eine mehrere Delegationsebenen umfassende Pyramide von bestellten verantwortlichen Personen mit dem Unternehmer als „geborene“ verantwortliche Person an der Spitze bestehen. Die Entscheidung darüber, wer als verantwortliche Person i.S.d. § 58 Abs. 1 Nr. 2 bestellt wird, hat zunächst der Unternehmer zu treffen. Die weitere Delegation muss er nicht persönlich erfüllen, sondern kann sie auf andere verantwortliche Personen übertragen (vgl. § 59 Rn. 3). Verantwortliche Personen nach Absatz 1 Nr. 2 können nur solche Personen sein, die Leitungs- oder Aufsichtsfunktionen im Betrieb oder in Betriebsteilen wahrnehmen.15 Dazu gehört in der Regel, dass die bestellten Personen ihrerseits andere Personen zu beaufsichtigen haben. Dies bedeutet jedoch nicht, dass jeder Vorgesetzte eine verantwortliche Person ist. Voraussetzung zur Bestellung einer verantwortlichen Person ist nicht, dass es sich um einen leitenden Angestellten i.S.d. § 5 Abs. 3 BetrVG handelt16 oder einen Beschäftigten des Unternehmens; vielmehr können als verantwortliche Personen auch Beschäftigte einer für den Bergbauunternehmer tätigen Firma bestellt werden, soweit sie die hierfür erforderliche Qualifikation besitzen. Die Befugnis, Beschäftigte mit bestimmten der Betriebsüberwachung dienenden Tätigkeiten, z.B. der Durchführung von Messungen, zu beauftragen, bleibt hiervon unberührt, da es sich dabei nicht um eine Bestellung i.S.d. § 60 Abs. 1 handelt.

12 BVerwG 13.12.2007, 7 C 40/07, ZfB 2008, 57, Rn. 11; OVG Weimar 15.4.2009, 1 KO 661/07, ZfB 2009, 276, 278; Piens/ Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 58 Rn. 23; Frenz/Rehs BBergG, § 58 Rn. 9; a.A. vor der Entscheidung des BVerwG OVG Weimar 17.11.2004, 1 EO 7/03 = ZfB 2005, 67, Ludes Das Bergwerkseigentum gemäß § 9 BBergG in der Insolvenz des Bergwerkseigentümers, S. 130. Davon unberührt bestehen die Verantwortlichkeiten des Insolvenzverwalters aufgrund nicht bergrechtlicher Rechtsvorschriften, wie z.B. § 4 Abs. 3 BBodSchG als Inhaber der tatsächlichen Gewalt über das Bergwerkseigentum (OVG Magdeburg 12.12.2013, 2 L 20/12 = ZfB 2014, 159, 164), soweit das Bergrecht nicht vorgeht (§ 3 Abs. 1 Nr. 10 BBodSchG). 13 Frenz/Rehs BBergG, § 58 Rn. 9. 14 14 BVerwG 14.4.2011, 7 B 8/11, ZfB 2011, 112, 113 Rn. 10. 15 BT-Drs. 8/1315, S. 120. 16 BAG 23.1.1986, 6 ABR 51/81, ZfB 1987, 96; BAG 23.1.1986, 6 ABR 22/82, ZfB 1987, 102. 781

Kappes

§ 58

Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

In Bergverordnungen kann gemäß § 66 Nr. 10 lit. a) festgelegt werden, dass für bestimmte Tätigkeiten im Bergbaubetrieb, die für die Betriebssicherheit von Bedeutung sind, auch Personen als verantwortliche Personen bestellt werden können, die keine Aufsichts- und Leitungsfunktion haben.17 Der Übergangsregelung des § 167 Abs. 1 Nr. 2, wonach Personen, die nach den vor dem 9 BBergG geltenden Berggesetzen als Aufsichtspersonen anerkannt worden sind, als verantwortliche Personen i.S.d. § 58 gelten, kommt heute keine Bedeutung mehr zu, da diese Übergangsregelung spätestens zum 31.12.1983 abgelaufen ist. Gleiches dürfte letztlich auch für die Übergangsregelung des § 167 Abs. 1 Nr. 3 gelten, auch wenn diese keine Befristung enthält. Danach gelten die nach den novellierten Berggesetzen der Länder vom Unternehmer als verantwortliche Personen bestellten Personen nach Maßgabe der Ihnen übertragenen Aufgaben und Befugnisse als verantwortliche Person, die i.S.d. § 58 Abs. 1 Nr. 2 anzusehen sind.

8

III. Verantwortlichkeit nach Betriebseinstellung (Absatz 2) 10 Auch wenn der Unternehmer primär für die Betriebseinstellung verantwortlich ist, hat der Gesetzgeber im Interesse einer möglichst weitgehenden Absicherung der nach der Einstellung der Aufsuchung und Gewinnung durchzuführenden Stilllegungsmaßnahmen zusätzlich den Inhaber der für den eingestellten Betrieb maßgeblichen Bergbauberechtigung in die verwaltungsrechtliche Verantwortlichkeit im Rahmen seiner rechtlichen Möglichkeiten einbezogen (§ 58 Abs. 2 Satz 1).18 Zum Betrieb zählen dabei alle Tätigkeiten und Einrichtungen des § 2 und der §§ 126 bis 131 (§ 169 Abs. 1). Diese Erweiterung ist nur relevant, wenn Bergbauberechtigter und Unternehmer nicht identisch sind. Der Bergbauberechtigte für die Aufsuchung oder Gewinnung bergfreier oder grundeigener Bodenschätze zählt somit qua Gesetz zu den „geborenen“ verantwortlichen Personen, jedoch mit einem eingeschränkten Verantwortungsbereich. Nach dem Wortlaut dieser Bestimmung besteht die Verantwortlichkeit des Inhabers der Bergbauberechtigung erst, wenn der Betrieb eingestellt ist. Dieser Zeitpunkt tritt im Regelfall nach der Durchführung des Abschlussbetriebsplans ein.19 Denkbar ist aber auch, dass ein Betrieb vom Unternehmer ohne zugelassenen Abschlussbetriebsplan oder vor der ordnungsgemäßen Durchführung des zugelassenen Abschlussbetriebsplans, d.h. nach Beendigung der Aufsuchungs- bzw. Gewinnungstätigkeit, beendet wird. In diesen Fällen kann die Bergbehörde die Einreichung eines Abschlussbetriebsplans (§ 51 Abs. 1 Satz 3) oder die Durchführung von für die Betriebseinstellung erforderlichen Maßnahmen auch mittels Anordnung nach § 71 Abs. 3 vom Inhaber der Bergbauberechtigung verlangen. Aus diesem Grund ist es folgerichtig, in diesen Fällen als „Betriebseinstellung“ bereits die Beendigung der Aufsuchungs- und Gewinnungstätigkeit anzunehmen20 und den Bergbauberechtigten ab diesem Zeitpunkt als verantwortliche Person gemäß § 58 Abs. 1 Nr. 1 anzusehen. Der Bergbauberechtigte kann nur in Anspruch genommen werden, wenn er zur Erfüllung der sich aus Absatz 1 ergebenden Pflichten rechtlich in der Lage ist, d.h. er muss die entsprechende Verfügungsbefugnis hierzu besitzen, z.B. durch entsprechende vertragliche Vereinbarungen mit dem Unternehmer. 11 Die Ausdehnung der verwaltungsrechtlichen Verantwortlichkeit auf den Inhaber der Bergbauberechtigung soll nach dem Willen des Gesetzgebers nicht daran scheitern, dass die Berechtigung vor oder während der Einstellung des Betriebes erlischt. Gemäß § 58 Abs. 2 Satz 2 wird die Person in die Verantwortung einbezogen, die im Zeitpunkt des Erlöschens der Berechtigung ihr Inhaber war. Diese über das frühere Recht hinausgehende Regelung gilt jedoch nur, wenn es sich um 17 BT-Drs. 8/1315, S. 120; z.B. der als verantwortliche Person zu bestellende Staubbeauftragte (§ 9 BVOESSE, § 7 Abs. 2 BVOSt). 18 BT-Drs. 8/1315, S. 114. 19 BVerwG 13.12.2007, 7 G 40/07, ZfB 2008, 57, 59. 20 Beddies Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Einstellung eines Bergwerkes, S. 124; Heitmann ZfB 1987, 26, 35; a.A. VG Magdeburg 4.3.2013, 1 A 328/11, juris Rn. 121; VG Regensburg 22.10.1991, RN 6 K 90.2032, ZfB 1992, 296. Kappes

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Drittes Kapitel – Verantwortliche Personen

§ 58

Berechtigungen handelt, auf die das BBergG Anwendung findet.21 Für die Einbeziehung in die Verantwortlichkeit nach Absatz 2 Satz 2 ist daher Voraussetzung, dass die in Betracht kommende Berechtigung erst nach dem 1.1.1982 erloschen ist; auf die Art des Erlöschens kommt es dabei nicht an.

IV. Verantwortungsbereich Der Verantwortungsbereich der verantwortlichen Personen für die Erfüllung der Pflichten be- 12 stimmt sich abschließend nach den für den festgelegten Aufgabenbereich maßgeblichen bergrechtlichen Rechtsvorschriften und aufgrund dieser erlassenen Verwaltungsakte, soweit die Verantwortlichkeit nicht aufgrund anderer Rechtsvorschriften anderen Personen obliegt (z.B. § 64 Abs. 1 Satz 1). Dies gilt auch, wenn materiell-rechtliche Anforderungen aus anderen Rechtsvorschriften über bergrechtliche Rechtsvorschriften und Verwaltungsakte für den Unternehmer verbindlich sind. Pflichten nach anderen nicht bergrechtlichen Rechtsvorschriften, die für den Bergbaubetrieb Anwendung finden, wie z.B. des Umwelt-, Arbeits- und Gesundheitsschutzes, zählen nicht zu dem bergrechtlichen Verantwortungsbereich, selbst wenn die Bergbehörde für den Vollzug dieser Rechtsvorschriften in Betrieben, die der Bergaufsicht unterliegen, zuständig ist. Zu den bergrechtlichen Vorschriften und zu deren Durchführung erlassenen Verwaltungsakte und Anordnungen gemäß § 71 Abs. 1, die für den Verantwortungsbereich der verantwortlichen Personen maßgeblich sind, zählen nur diejenigen, die sich auf die Errichtung, Führung und Einstellung eines Betriebes beziehen. Hierzu zählen im Wesentlichen die Vorschriften des dritten bis fünften Teils des BBergG – nicht jedoch z.B. die des Berechtsamswesens und des privatrechtlichen Bergschadensrechts. Aufgrund der Tätigkeitsbezogenheit i.S.d. § 4 Abs. 5 ist die bergrechtliche Verantwortlichkeit – mit Ausnahme der verantwortlichen Personen nach Absatz 2 – der Verhaltenshaftung des allgemeinen Polizei- und Ordnungsrechts vergleichbar,22 ohne dass damit der Vorrang des § 58 vor dem allgemeinen Ordnungsrecht in Frage gestellt wird.23 Steht ein Bergbaubetrieb oder ein Betriebsteil nicht mehr unter dem Geltungsbereich des BBergG (§ 69 Abs. 2), endet auch die bergrechtliche Verantwortlichkeit gemäß § 58 Abs. 1.24 Der bergrechtliche Verantwortungsbereich der verantwortlichen Person wird zunächst im 13 BBergG und seinen Bergverordnungen umschrieben. Der Unternehmer trägt als „geborene“ verantwortliche Person die Gesamtverantwortung für die ordnungsgemäße Leitung und die Sicherheit und der Ordnung des Bergwerksbetriebes (§ 61 Abs. 1 Satz 1) (vgl. § 61 Rn. 2). Diese generelle Verantwortlichkeit wird durch spezielle Vorschriften des BBergG und Bergverordnungen konkretisiert; dies ist jedoch wegen der vielfältigen Fallgestaltungen nicht abschließend. Der Unternehmer ist für die Erfüllung dieser bergrechtlichen Pflichten verantwortlich, wenn der Unternehmer im BBergG oder in Bergverordnungen ausdrücklich als Normadressat genannt wird, wie z.B. in §§ 54 Abs. 1, 61 und § 3 Abs. 1 Satz 1 ABBergV, oder wenn Pflichten ohne Nennung eines Normadressaten im BBergG (§§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 1) oder in Bergverordnungen festgelegt sind (z.B. § 12 SächsBergVO). Ordnet das BBergG oder eine Bergverordnung ausdrücklich einer anderen Person die Erfüllung einer Rechtspflicht zu, zählt diese nicht zu dem Verantwortungsbereich der verantwortlichen Personen gemäß § 58 Abs. 1. So ist z.B. das Risswerk für untertägige Aufsuchungs- und Gewinnungsbetriebe von einem anerkannten Markscheider anzufertigen (§§ 64 Abs. 1) oder sind die arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen von einem hierzu von der Bergbehörde ermächtigten Arzt durchzuführen (§ 3 GesBergV).25 In diesen Fällen obliegt es dem Unternehmer nur zu veranlassen, dass diese Maßnahmen von den hierfür „zuständigen“ Personen 21 22 23 24 25 783

BT-Drs. 8/1315, S. 114. BVerwG 14.4.2011, 7 B 8/11, ZfB 2011, 112, 113. BVerwG 13.12.2007, 7 C 40/7, ZfB 2008, 57, Rn. 8. OVG Berlin 10.6.2002, 4 A 16/01, ZfB 2003, 62, 63. Folglich zählen auch diese zu dem gegenüber der Bergbehörde auskunftspflichtigen Personenkreis (§ 70 Abs. 1). Kappes

§ 58

Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

durchgeführt werden (§§ 63 Abs. 1 Satz 1, 3 Abs. 1 GesBergV). Gleiches gilt z.B. auch für Tätigkeiten, die nach einer Bergverordnung der Länder einem anerkannten Sachverständigen oder Sachverständigenstelle vorbehalten werden (z.B. § 4 BayBergV, § 4 SächsBergVO). Darüber hinaus zählt zu dem Verantwortungsbereich des Unternehmers auch die Umsetzung der bergrechtlichen Verwaltungsakte, wie z.B. der Betriebsplanzulassung und Anordnungen gemäß § 71 Abs. 1.26 14 Der Unternehmer kann den Inhalt seines Verantwortungsbereichs durch Bestellung (§ 60) und Übertragung bestimmter Pflichten und Befugnisse (§ 62) auf bestellte verantwortliche Personen verändern, soweit das BBergG oder Bergverordnungen einer Übertragung auf bestellte verantwortliche Personen nicht entgegenstehen. Ist der Unternehmer als Normadressat genannt, ist eine Delegation von Pflichten möglich, wenn dies das Bundesberggesetz (§ 62) oder die Bergverordnungen (z.B. §§ 23 ABBergV, 16 GesBergV, 54 BayBergV, 59 BVOSt, 44 BVOBr) ausdrücklich zulassen oder diese Pflicht als Teil der Sicherheit und Ordnung des Betreibers (§ 61 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz) anzusehen ist. Enthält die Rechtsnorm keinen Normadressaten, ist eine Übertragung der Verantwortung ebenfalls möglich. Mit der Übertragung der Pflichten und Befugnisse gemäß § 60 gehen diese Pflichten auf die bestellte verantwortliche Person über, so dass die Erfüllung dieser Pflichten aus dem Verantwortungsbereich des Unternehmers entfällt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Unternehmer mit der Bestellung von jeder Verantwortung freigestellt wird. Unabhängig von der Verantwortung der bestellten verantwortlichen Person, im Rahmen seiner Pflicht, für Sicherheit und Ordnung im Betrieb zu sorgen, hat die bestellende Person weiterhin innerbetriebliche Aufsichts-, Kontroll-, Informations- und Koordinierungspflichten (§ 62 Satz 2). 15 Der Verantwortungsbereich der bestellten verantwortlichen Personen nach § 58 Abs. 1 Nr. 2 bestimmt sich nach den in der Bestellung des Unternehmers festgelegten Aufgaben und Befugnissen (§ 60) und den sich nach dem BBergG und den Bergverordnungen hierfür geltenden Pflichten (z.B. § 36 Abs. 1 und 2 BVOSt). Zu den vom Unternehmer übertragbaren Pflichten zählen aus dem BBergG z.B. § 62 Satz 1 2. Halbsatz oder aus der ABBergV (§§ 2, 5, 6, 12 ABBergV). Mit der Bestellung zur verantwortlichen Person wird diese gegenüber der Bergbehörde auskunftspflichtig (§ 70 Abs. 1). Auch wenn dem Unternehmer als „geborene“ verantwortliche Person bei einer Delegation weiterhin Pflichten obliegen, entlastet dies – unabhängig von der betrieblichen Hierarchie und Weisungsbefugnis – nicht den Verantwortungsbereich der „gekorenen“ verantwortlichen Person. Bei einer weiteren Delegation von Pflichten auf andere bestellte verantwortliche Personen verändert sich der Verantwortungsbereich der bestellenden verantwortlichen Person innerhalb seines Aufgabenbereiches wie beim Unternehmer in Aufsichts-, Kontroll- und Informationspflicht.

V. Verwaltungs-, straf- und zivilrechtliche Verantwortlichkeit 16 § 58 hat den Zweck, den Kreis derjenigen Personen nach außen klar festzulegen, die für die Erfüllung der sich nach Bergrecht für die ordnungsgemäße Errichtung, Führung und Einstellung eines Betriebes ergebenen öffentlich-rechtlichen Pflichten verantwortlich sind. Im Einzelnen ergeben sich diese Verpflichtungen aus den bergrechtlichen Rechtsvorschriften und hierauf erlassenen Verwaltungsakten und dem jeweilig festgelegten Verantwortungsbereich (vgl. § 58 Rn. 12 bis 15). Bei der in § 58 festgelegten Verantwortlichkeit handelt es sich um die verwaltungsrechtliche Verantwortung,27 d.h. die Bergbehörde kann sich unmittelbar an die zuständige verantwortliche Person wenden. Die verantwortliche Person ist Adressat der bergbehördlichen Maßnahme. Erfüllt die verantwortliche Person nicht die angeordneten bergbehördlichen Maßnahmen, kann die Bergbehörde mit den ihr zustehenden Verwaltungszwangsmaßnahmen, wie z.B. Anordnungen, reagieren. Gleichwohl vermittelt die bergrechtliche Pflichtenstellung nach den §§ 58 ff. ohne Hinzutreten weiterer Besonderheiten für sich alleine keine Antragsbefugnis in einem Normenkontrollverfahren.28 26 BVerwG 14.4.2011, 7 B 8/11, ZfB 2011, 112, 114. 27 BT-Drs. 8/1315, S. 114. 28 VGH Kassel 15.12.2020, 3 C 1368/18, ZfB 2021, 232, Rn. 35. Kappes

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Drittes Kapitel – Verantwortliche Personen

§ 58

Ist ein Geschäftsführer oder Vorstand einer juristischen Person persönlich Adressat einer 16a bergbehördlichen Maßnahme, ist die persönliche Haftung dieser Person auf den Haftungsumfang der juristischen Person beschränkt. §§ 58 ff. dienen allein dem Zweck, eine fachkundige Betriebsführung mit klaren innerbetrieblichen Organisationsformen sicherzustellen und nicht dem Unterlaufen gesellschaftsrechtlicher Haftungsgrenzen. Gegenüber bestellten verantwortlichen Personen liegen Verstöße gegen Pflichten i.d.R. nur vor, wenn sie entsprechend ihrem Verantwortungsbereich diese selbst begangen haben oder bei Mängeln innerhalb ihres Pflichtenkreises.29 Voraussetzung für die bergrechtliche Verantwortlichkeit ist bei bestellten verantwortlichen Personen, dass die Bestellung wirksam ist und nicht an Mängeln leidet, z.B. dem Erfordernis der Schriftlichkeit (§ 60 Abs. 1 Satz 1). Eine Rechtsnachfolge in die Position als verantwortliche Person ist wegen fehlender formalgesetzlicher Grundlagen im BBergG ausgeschlossen.30 § 58 hat gegenüber landesrechtlichen Vorschriften über die allgemeine ordnungsrechtliche Verantwortung Vorrang.31 § 58 begründet nicht zwingend auch die Verantwortlichkeit im Sinne des Ordnungswidrig- 17 keiten- oder Strafrechts. So sind verantwortliche Personen bei Verstößen gegen bergrechtliche Vorschriften Tatbestände nach den Buß- und Strafvorschriften der §§ 145, 146 in Verbindung mit den jeweils in Bezug genommenen Vorschriften des BBergG sowie den jeweiligen Bergverordnungen strafrechtlich- bzw. ordnungswidrigkeitenrechtlich verantwortlich, wenn sie vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat (vgl. § 146 Rn. 9). Im Übrigen kommt eine strafrechtliche- bzw. ordnungswidrigkeitenrechtliche Verantwortung aber nur in Betracht, wenn die im Sinne des § 58 verantwortliche Person die straf- bzw. ordnungswidrigkeitenrechtlichen Voraussetzungen der Verantwortlichkeit – insbesondere aus § 14 StGB bzw. § 9 OWiG – erfüllt.32 Die Verantwortlichkeit der verantwortlichen Personen gemäß § 58 Abs. 1 kann darüber hinaus 18 auch für zivilrechtliche Ansprüche relevant sein. Ein Verstoß gegen eine Pflicht einer verantwortlichen Person, der zu einem Personen- oder Sachschaden führt, kann einen zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch, z.B. aus § 823 Abs. 2 BGB, begründen.

VI. Verantwortliche Personen und Beauftragte außerhalb des Bergrechts Während Vorschriften über die Verantwortlichkeit in Bergbaubetrieben seit langem Bestandteil des 19 Bergrechts sind, sind entsprechende Regelungen in anderen Fachgesetzen des Arbeits- und Umweltschutzes erst im letzten Drittel des letzten Jahrhunderts aufgenommen worden. Mittlerweile finden sich in einer Vielzahl von Fachgesetzen Vorschriften über verwaltungsrechtlich verantwortliche Personen (z.B. Verantwortliche Personen nach §§ 19 ff. SprengG, Strahlenschutzverantwortlicher nach § 69 StrSchG, Verantwortliche Personen nach §§ 5, 6 MBergG) und mit der Eigenüberwachung Beauftragte (z.B. Strahlenschutzbeauftragter nach § 70 StrlSchG, Betriebsbeauftragter für Immissionsschutz nach §§ 53 ff. BImSchG, Störfallbeauftragter nach §§ 58a ff. BImSchG, Gewässerschutzbeauftragter §§ 64 ff. WHG, Betriebsbeauftragter für Abfall nach §§ 59 f. KrWG). Soweit diese Fachgesetze auch in Bergbaubetrieben gelten,33 hat der Bergbauunternehmer neben den verantwortlichen Personen i.S.d. § 58 auch die nach anderen Fachgesetzen vorgeschriebenen verantwortlichen Personen und Beauftragten zu bestellen. Mit ihrer Bestellung und Einordnung in das innerbetriebliche Überwachungssystem erlangen diese jedoch nicht die Stellung einer verantwortlichen Person nach § 58.34 29 30 31 32 33

Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 58 Rn. 2. VGH München 24.8.2010, 8 BV 06.1795, ZfB 2011, 114, Rn. 26. BVerwG 13.12.2007, 7 C 40/7, ZfB 2008, 57, Rn. 8. Piens/Schulte/Graft Vitzthum BBergG, § 58 Rn. 1; Frenz/Rehs BBergG, § 58 Rn. 3. Siehe z.B. den eingeschränkten Anwendungsbereich des SprengG (§§ 1b Abs. 1 Nr. 2, 16a Abs. 2 Nr. 3) und des StrlSchG (§§ 12 Abs. 4 Nr. 2, 150 Abs. 1). Das ArbSchG findet gem. § 1 Abs. 2 keine Anwendung in Betrieben, die dem Bundesberggesetz unterliegen, weil dafür entsprechende Rechtsvorschriften bestehen (vgl. § 61 BBergG und insbesondere die Vorschriften der ABBergV und GesBergV). 34 Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht, Rn. 321. 785

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§ 59

Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

Die Bestellung als verantwortliche Person i.S.d. § 58 schließt aber nicht aus, dass die Person bei entsprechender Qualifikation auch die Aufgaben als verantwortliche Person oder Beauftragter nach anderen Fachgesetzen und umgekehrt übernimmt.35 Teilweise ist dies auch gesetzlich vorgesehen. So müssen nach § 70 Abs. 7 StrlSchG Strahlenschutzbeauftragte, die für das Aufsuchen, das Gewinnen oder das Aufbereiten radioaktiver Bodenschätze zu bestellen sind, als verantwortliche Person zur Leitung oder Beaufsichtigung des Betriebes oder eines Betriebsteiles nach § 58 Abs. 1 Nr. 2 BBergG bestellt sein, wenn auf diese Tätigkeiten die Vorschriften des BBergG Anwendung finden. Darüber hinaus wird der Begriff „verantwortliche Person“ auch im Haftungsrecht verwendet, wie z.B. in § 90 Abs. 2 WHG i.V.m. USchadG.

§ 59 Beschäftigung verantwortlicher Personen (1) Als verantwortliche Personen im Sinne des § 58 Abs. 1 Nr. 2 dürfen nur Personen beschäftigt werden, die die zur Erfüllung ihrer Aufgaben und Befugnisse erforderliche Zuverlässigkeit, Fachkunde und körperliche Eignung besitzen. (2) 1Verantwortliche Personen im Sinne des § 58 Abs. 1 Nr. 2 sind in einer für die planmäßige und sichere Führung des Betriebes erforderlichen Anzahl zu bestellen. 2Die Aufgaben und Befugnisse der verantwortlichen Personen sind eindeutig und lückenlos festzusetzen sowie so aufeinander abzustimmen, daß eine geordnete Zusammenarbeit gewährleistet ist.

Übersicht I.

Regelungsinhalt

II.

III. 1. 2. 3.

1

9

4.

Sonstige Anforderungen

Befugnis zur Beschäftigung verantwortlicher Per2 sonen (Absatz 1)

IV.

Pflicht zur Bestellung verantwortlicher Personen 10 (Absatz 2 Satz 1)

Persönliche Anforderungen an verantwortliche 4 Personen 5 Zuverlässigkeit 6 Fachkunde 8 Körperliche Eignung

V.

Aufgabenbereich und Zusammenarbeit verant11 wortlicher Personen (Absatz 2 Satz 2)

VI.

Zuwiderhandlungen

12

I. Regelungsinhalt 1 In Ausfüllung seiner Pflicht zur ordnungsgemäßen Betriebsführung hat der Unternehmer verantwortliche Personen zu bestellen. § 59 umfasst hierzu drei Regelungsbereiche. In Absatz 1 werden die persönlichen Anforderungen genannt, die an Beschäftigte gestellt werden, die als verantwortliche Personen bestellt werden sollen (Qualität). Absatz 2 schreibt in Satz 1 die Bestellung der erforderlichen Anzahl verantwortlicher Personen (Quantität) und in Satz 2 die Regelung ihrer Zusammenarbeit (Koordinierung) vor. Normadressat des § 59 sind der Unternehmer und die „gekorenen“/bestellten verantwortlichen Personen, die verantwortliche Personen bestellen.

35 § 64 Abs. 3 WHG kommt nur eine deklaratorische Wirkung zu. Kappes https://doi.org/10.1515/9783110709285-088

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Drittes Kapitel – Verantwortliche Personen

§ 59

II. Befugnis zur Beschäftigung verantwortlicher Personen (Absatz 1) Absatz 1 geht davon aus, dass sich der Unternehmer bei der Leitung und Beaufsichtigung seines 2 Betriebes dritter Personen bedienen darf. Mit der Bestellung solcher Personen zu verantwortlichen Personen findet eine gewisse Veränderung der Verantwortlichkeit des Unternehmers statt (vgl. § 58 Rn. 14). Damit in jedem Falle eine ordnungsgemäße Leitung und Beaufsichtigung des Betriebes gewährleistet ist, dürfen Personen, derer sich der Unternehmer zur Erfüllung seiner Leitungs- und Aufsichtsfunktionen bedient, als bestellte verantwortliche Person i.S.d. § 58 Abs. 1 Nr. 2 nur beschäftigt werden, wenn sie die zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben und Befugnisse erforderliche Zuverlässigkeit, Fachkunde und körperliche Eignung besitzen. Der Unternehmer trägt somit eine Qualitätspflicht im Sinne einer öffentlich-rechtlichen Organisationspflicht.1 Die entsprechenden Anforderungen an den Unternehmer selbst sind nicht Regelungsgegenstand des Absatzes 1, sondern können aus § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 lit. a) bzw. § 73 Abs. 2 entnommen werden. Sie decken sich mit denen für bestellte verantwortliche Personen. Für Unternehmer, die die Leitung ihres Betriebes auf eine verantwortliche Person übertragen, beschränkt sich die Voraussetzung auf die Zuverlässigkeit. Der Unternehmer kann diese persönliche Anforderung nicht durch eine Delegation unterlaufen. Absatz 1 bestimmt nicht ausdrücklich, wer für die Sicherstellung der Qualitätsanforderungen 3 an die Beschäftigung von Personen i.S.d. § 58 Abs. 1 Nr. 2 verantwortlich ist. In erster Linie ist hierzu der Unternehmer verpflichtet; er muss diese Verpflichtung nicht persönlich erfüllen, sondern kann diese auf bestellte verantwortliche Personen mit der Möglichkeit einer weiteren Delegation übertragen;2 dies ergibt sich aus § 62 Satz 1 Nr. 2. Bei dieser Übertragung hat der Unternehmer die persönlichen Qualitätsanforderungen, wie Zuverlässigkeit, Fachkunde und körperliche Eignung, selbst zu achten, während bei einer weiteren Delegation von einer bestellten verantwortlichen Person auf eine andere bestellte verantwortliche Person den Unternehmer keine Erfüllungspflichten treffen, es sei denn, dass das Fehlverhalten einer verantwortlichen Person die grundsätzliche Sicherheit des Betriebes gefährdet. Mit dem in § 59 Abs. 1 verwendeten Begriff „beschäftigen“ wird zum Ausdruck gebracht werden, dass die in dieser Vorschrift geforderten Eigenschaften nicht nur im Zeitpunkt der Einstellung, sondern während der gesamten Dauer der Tätigkeit als verantwortliche Person vorliegen müssen;3 dies kann zu Nachschulungen während dieser Zeit führen. Erfüllt eine verantwortliche Person nicht mehr die an ihre Qualifikation zu stellenden Anforderungen, ist sie von der bestellenden Person abzuberufen (§ 60). Die Bergbehörde kann in diesem Fall notfalls durch Anordnung nach § 73 Abs. 1 ein Beschäftigungsverbot aussprechen. Das Beschäftigungsverbot gilt nur für den Einsatz als verantwortliche Person; mit anderen dem Können und der Fähigkeit des Beschäftigten entsprechenden Arbeiten kann eine Person weiter beschäftigt werden. Der Begriff „Beschäftigung“ bedeutet nicht, dass Voraussetzung für die Beschäftigung als verantwortliche Person ein arbeits- oder dienstvertragrechtliches Beschäftigungsverhältnis mit dem Unternehmer ist. Auch Beschäftigte von Fremdfirmen können als verantwortliche Person bestellt werden.

III. Persönliche Anforderungen an verantwortliche Personen Die Verantwortung für die Auswahl geeigneter verantwortlicher Personen tragen der Unterneh- 4 mer und die verantwortliche Person, die die Befugnis zur Bestellung verantwortlicher Personen inne hat. Bei den in § 59 Abs. 1 bezeichneten Qualitätsvoraussetzungen für die Beschäftigung als verantwortliche Person handelt es sich um unbestimmte Rechtsbegriffe, die verwaltungsgericht1 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 59 Rn. 1. 2 Hierzu hätte es keiner gesetzlichen Regelung in § 62 bedurft, da der Unternehmer nicht als Normadressat in § 59 genannt wird.

3 BT-Drs. 8/1315, S. 114. 787

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§ 59

Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

lich voll nachgeprüft werden können. Das Gesetz hat das zu fordernde Maß an Zuverlässigkeit, Fachkunde und körperlicher Eignung nicht abstrakt festgelegt, sondern stellt darauf ab, welche Eigenschaften zur Erfüllung der einer verantwortlichen Person übertragenen Aufgaben und Befugnisse erforderlich sind. Die Anforderungen an die persönlichen Eigenschaften hängen danach von dem Aufgabenbereich der verantwortlichen Person ab. Dabei ist nicht zwingend notwendig, dass die verantwortliche Person für alle Teilbereiche über das spezielle detaillierte Fachwissen selbst verfügen muss, wenn sie diesen Aufgabenbereich auf eine hierfür kompetente verantwortliche Person weiter delegiert und in der Lage ist, ihrer Kontrollpflichten nachzukommen. Die Beurteilung, welche Anforderungen zu stellen sind und ob die zu bestellende Person über diese verfügt, obliegt im Einzelfall dem Unternehmer bzw. der von diesem dafür bestellten Person. Die Beurteilungsfreiheit des Unternehmers bei der Auswahl verantwortlicher Personen kann allerdings dadurch eingeschränkt sein, dass gemäß § 66 Satz 1 Nr. 9 durch Bergverordnungen für bestimmte Tätigkeiten besondere Anforderungen an die Fachkunde der zuständigen verantwortlichen Person gestellt werden. 4a Aus dem Wortlaut der Norm („beschäftigt“/„besitzt“) folgt, dass die persönlichen Anforderungen durch die verantwortliche Person während ihrer gesamten Beschäftigung erfüllt werden müssen.4 Entspricht eine verantwortliche Person nicht mehr den Anforderungen, darf sie nicht mehr in ihrer Funktion als verantwortliche Person eingesetzt werden. Je nachdem, wie hoch die Gefahr für die geschützten Rechtsgüter ist, kann der Wegfall des Vorliegens der persönlichen Anforderungen dazu führen, dass eine sofortige Entbindung der betroffenen Person von ihren Aufgaben erforderlich ist.5

1. Zuverlässigkeit 5 Anknüpfungspunkte für die Annahme der Zuverlässigkeit bzw. Unzuverlässigkeit enthält das Bergrecht im Gegensatz zum Sprengstoffrecht (§ 8a SprengG) nicht. Die Zuverlässigkeit ist eine Charaktereigenschaft, die sich nur nach dem Gesamteindruck des Verhaltens einer Person hinsichtlich der die ihr gestellten Aufgaben beurteilen lässt.6 Zuverlässig ist eine Person dann, wenn der Unternehmer nach den ihm bekannten Tatsachen von ihr erwarten kann, dass sie sich bei der Erfüllung der ihr übertragenen Aufgaben und Befugnisse ordnungsgemäß verhalten wird. Vermutungen reichen hierzu nicht aus. Als Tatsache kann das Verhalten innerhalb, aber auch außerhalb des Betriebes betrachtet werden. In der Vergangenheit eingetretene Tatsachen sind daraufhin zu beurteilen, ob sie auf eine Unzuverlässigkeit der betreffenden Person in der Zukunft schließen lassen, d.h. ob auch ein künftiges Fehlverhalten wahrscheinlich erscheint. Auf ein Verschulden des Verhaltens kommt es dabei nicht an.7 Die Unzuverlässigkeit kann insbesondere aus einer strafrechtlichen Verurteilung oder der Verhängung eines Bußgeldes wegen Ordnungswidrigkeiten folgen, wenn ein Bezug zu den dienstlichen Aufgaben besteht. Auch eine Mehrzahl kleinerer Verstöße kann die Unzuverlässigkeit begründen, wenn daraus die Neigung zur Nichtbeachtung geltender Vorschriften erkennbar wird. Negative Rückschlüsse auf die Zuverlässigkeit bei der Handhabung dienstlicher Aufgaben können vor allem aus Verurteilungen wegen Vermögensdelikten wie Betrug und Unterschlagung sowie Tötungs- und Körperverletzungsdelikten gezogen werden.8

4 5 6 7 8

Frenz/Rehs BBergG, § 59 Rn. 1. Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 59 Rn. 9. BVerwG 9.4.1997, 1 B 81/97, GewArch 1999, 72; Landmann/Rohmer/Marcks, GewO, § 35 Rn. 29. Landmann/Rohmer/Marcks GewO § 35 Rn. 30. Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 59 Rn. 4.

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Drittes Kapitel – Verantwortliche Personen

§ 59

Eine Unzuverlässigkeit ist auch gegeben, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass 5a die Person abhängig von Alkohol oder anderen berauschenden Mitteln, psychisch krank oder debil ist.9

2. Fachkunde Geeignet ist derjenige, der über die notwendige Fachkunde für die entsprechende Arbeit verfügt. 6 Als Fachkunde sind gemäß § 66 Satz 1 Nr. 9 die technischen und rechtlichen Kenntnisse zu verstehen. Inhalt und Umfang der zu verlangenden technischen und rechtlichen Kenntnisse hängen von den vorgesehenen Aufgaben und Befugnissen ab, die der in Betracht kommenden Person im Einzelfall übertragen werden sollen. Der Gesetzgeber hat von einer Konkretisierung der im Einzelfall an die Fachkunde zu stellenden Anforderungen abgesehen. Es obliegt daher grundsätzlich der bestellenden verantwortlichen Person, welchen Maßstab sie im Einzelnen an die erforderliche Fachkunde der von ihr bestellten verantwortlichen Person anlegt.10 Bei der Bestellung von unternehmer- oder bergbaufremden Personen ist bei der Beurteilung der Fachkunde besonders darauf zu achten, dass diese ausreichende Kenntnisse über die besonderen Arbeitsverhältnisse im Bergbau und die bergrechtlichen Rechtsvorschriften haben. Aus Gründen der Betriebssicherheit ist der Entscheidungsspielraum der bestellenden Person bei der Beurteilung der Fachkunde dann eingeschränkt, wenn in Bergverordnungen gemäß § 66 Satz 1 Nr. 9 für bestimmte Aufgabenbereiche an eine verantwortliche Person besondere Anforderungen an die fachliche Qualifikation gestellt werden. Dies gilt z.B. für Staubbeauftragte (§ 7 Abs. 2, 3 BVOSt, § 9 BVOESSE) und Wettersteiger (§ 38 Abs. 1 BVOSt), die nach einem der Bergbehörde anzuzeigenden Plan des Unternehmers ausgebildet sind. Abgesehen von dem Fall, dass in einer Bergverordnung Anforderungen an die Fachkunde 7 festgelegt werden, obliegt es den bestellenden verantwortlichen Personen, sich über die Fachkunde der Person zu vergewissern. Bei Absolventen eines bergbaulichen oder technischen Studiums an einer technischen Universität, Fachhochschule oder Bergschule, wie z.B. an der Rheinischen Braunkohlenbergschule in Köln, der Fachschule für Wirtschaft und Technik in Clausthal, der Deutschen Bohrmeisterschule in Celle oder dem Beruflichen Schulzentrum für Technik und Wirtschaft Julius Weisbach in Freiberg ist ein erfolgreicher Abschluss durch Vorlage eines Zeugnisses in der Regel ein ausreichender Nachweis für die erforderliche Fachkunde. Gleichwohl dürfen Berufsanfänger unabhängig von der Art ihrer Qualifikation keine Funktionen übertragen werden, deren Umfang und Schwierigkeitsgrad sie noch nicht sicher beherrschen können.11 Gleiches gilt für vergleichbare Abschlüsse von Hoch- und Fachschulen innerhalb der EU. Bei anderen nicht bergbaulichen Ausbildungsgängen wird zusätzlich auf die je nach Bergbauzweig bergbauspezifische und aufgabenbereichsbezogene bergbauliche Kenntnis zu achten sein. Es ist dem Unternehmer unbenommen, anstelle von Zeugnissen über eine Ausbildung einen anderen Nachweis für die erforderliche Fachkunde heranzuziehen. So kann die notwendige Fachkunde für manche Aufsichtsfunktionen beispielsweise aufgrund langjähriger Berufserfahrung einschließlich einer geordneten Weiterqualifizierung angenommen werden.

3. Körperliche Eignung Wegen den mit der Durchführung bergmännischer Arbeiten oft verbundenen körperlichen Belas- 8 tungen hat der Gesetzgeber als weitere Voraussetzung für die Bestellung zur verantwortlichen Person das Erfordernis der körperlichen Eignung aufgenommen. Es muss auf jeden Fall gewähr9 Vgl. § 8 b Abs. 1 Nr. 2 SprengG. 10 BT-Drs. 8/1315, S. 119 „Ermessen“. 11 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 59 Rn. 6. 789

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§ 59

Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

leistet sein, dass eine verantwortliche Person zur ordnungsgemäßen Wahrnehmung der ihr übertragenen Aufgaben körperlich in der Lage ist. Allgemein wird hierbei die Seh- und Hörfähigkeit sowie das Reaktionsvermögen von Bedeutung sein.12 Des Weiteren ist die körperliche Eignung im Hinblick auf die jeweils beabsichtigte Tätigkeit zu prüfen. Eine bestellte verantwortliche Person muss in gesundheitlicher Hinsicht grundsätzlich den Anforderungen entsprechen, die für die Beschäftigten in dem zu beaufsichtigenden Bereich gesetzlich oder behördlich vorgeschrieben sind. Soweit die körperliche Eignung der verantwortlichen Person bei einer arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchung gemäß §§ 2 und 3 GesBergV festgestellt wurde, kann dementsprechend auch bei der Bestellung einer verantwortlichen Person davon ausgegangen werden. Ob darüber hinaus besondere Anforderungen an die körperliche Eignung einer verantwortlichen Person zu stellen sind, hängt von der jeweiligen Funktion und dem Einsatzort ab. So sind z.B. bei einem Einsatz an sog. heißen Betriebspunkten zusätzlich die arbeitsmedizinischen Anforderungen des § 12 KlimaBergV zu beachten. Dagegen ist bei einem ausschließlich übertägigen Aufgabenbereich die fehlende Grubentauglichkeit kein Grund, die körperliche Eignung zu verneinen. Durch Alkohol- und Drogenabhängigkeit kann die körperliche Eignung als verantwortliche Person in Frage gestellt werden.

4. Sonstige Anforderungen 9 Neben den speziellen auf verantwortliche Personen abgestellten Vorgaben hat der Unternehmer bei der Bestellung auch die allgemeinen für die Übertragung von Arbeiten geltenden Anforderungen zu beachten (§ 8 ABBergV). Hierzu zählt z.B. auch die Fähigkeit, sich als verantwortliche Person gegenüber den Beschäftigten verständlich zu machen, d.h. dass diese über die entsprechende Sprachkenntnis verfügt (vgl. auch § 20 Abs. 2 OffshoreBergV, § 8 Abs. 3 BVOT-NRW).

IV. Pflicht zur Bestellung verantwortlicher Personen (Absatz 2 Satz 1) 10 Absatz 2 findet Anwendung, wenn der Unternehmer allein nicht in der Lage ist, den Betrieb zu leiten und zu beaufsichtigen. In einem solchen Fall ist es ihm nicht freigestellt, sich verantwortlicher Personen nach eigenem Ermessen zu bedienen.13 Absatz 2 Satz 1 enthält deshalb die Verpflichtung des Unternehmers zur Bestellung verantwortlicher Personen, und zwar in der Zahl, die für die planmäßige und sichere Führung des Betriebes erforderlich ist. Die Beurteilung der Frage, wie viele verantwortliche Personen für die Leitung und Beaufsichtigung bestellt werden müssen und mit welcher Qualifikation, um eine planmäßige und sichere Führung des Betriebes zu gewährleisten, obliegt grundsätzlich dem Unternehmer bzw. den von ihm dafür bestellten verantwortlichen Personen. Bei der Bemessung der Zahl der zu bestellenden verantwortlichen Personen ist darauf abzustellen, dass eine ordnungsgemäße Beaufsichtigung der im Zusammenhang mit dem technischen Betriebsablauf beschäftigten Personen sichergestellt wird. Dies ist gewährleistet, wenn der Aufgabenbereich so bemessen ist, dass die damit verbundenen Pflichten erfüllt werden können, wobei es dabei auch auf die räumliche Ausdehnung des Bereichs und die Intensität der Aufsicht nach den sicherheitlichen Erfordernissen der jeweiligen Arbeitsbereiche ankommt (vgl. z.B. § 5 Abs. 4 Nr. 2 ABBergV). Zur planmäßigen und sicheren Führung eines Betreibers zählt auch für bestellte verantwortliche Personen, im Falle ihrer Verhinderung – Krankheit, Urlaub – einen Vertreter zu bestellen. Unabhängig von diesen allgemeinen Anforderungen ist der Unternehmer in seiner Organisationsfreiheit und -verantwortung durch Bundes- und Ländervorschriften eingeschränkt. So hat der Unternehmer z.B. gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 ABBergV für jede Arbeitsstätte eine verantwortliche Person zu bestellen. Dies schließt nicht aus, dass eine Person 12 BT-Drs. 8/1315, S. 110. 13 BT-Drs. 8/1315, S. 114. Kappes

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Drittes Kapitel – Verantwortliche Personen

§ 59

für mehrere Arbeitsstätten bestellt wird. In einigen Bundesländern ist der Unternehmer verpflichtet, für bestimmte sicherheitsrelevante Tätigkeiten verantwortliche Personen zu bestellen; hierzu zählen u.a. Staubbeauftragte (§ 7 Abs. 2 BVOSt, § 9 Abs. 1 BVOESSE) und Wettersteiger (§ 38 Abs. 1 BVOSt) sowie Explosionsschutzsteiger (§ 42 Abs. 1 BVOSt). Eine bestimmte Organisationsform schreibt das BBergG nicht vor.14 Die verantwortlichen Personen müssen zum Unternehmer nicht in einem Arbeits- oder Dienstverhältnis stehen; vielmehr kann der Unternehmer bei Vorliegen der Qualitätsanforderungen Personen von sog. Fremd- oder Unterfirmen bestellen, wobei in diesen Fällen auf die Abgrenzung mit den Aufgabenbereichen anderer verantwortlicher Personen besonders Wert zu legen ist.

V. Aufgabenbereich und Zusammenarbeit verantwortlicher Personen (Absatz 2 Satz 2) Die Bestellung der erforderlichen Anzahl verantwortlicher Personen bietet für sich allein noch 11 nicht die Gewähr für eine ordnungsgemäße Betriebsführung. Hierfür ist vielmehr nach Absatz 2 Satz 2 eine eindeutige und lückenlose Bestimmung und Abgrenzung der Aufgabenbereiche und Befugnisse sowie eine lückenlose Koordinierung der Leitungs- und Aufsichtstätigkeit erforderlich. Diese Pflicht erstreckt sich auf den gesamten Betrieb und umfasst alle bestellten verantwortlichen Personen unabhängig davon, ob es sich um Beschäftigte des Unternehmers oder einer im Bergbaubetrieb tätigen Fremd- oder Spezialfirma handelt. Der Aufgabenbereich ist sachlich – z.B. für den Bereich der Wetterführung oder/und Maschinen – und räumlich – z.B. um ein bestimmtes Revier – zu umschreiben. Der Detaillierungsgrad der Aufgabenumschreibung hängt von der übertragenen Aufgabe ab.15 Eines Kataloges der für den Aufgabenbereich einschlägigen Vorschriften des BBergG und der Bergverordnungen bedarf es nicht, da diese Anforderung über die notwendige Fachkunde abgedeckt ist.16 Darüber hinaus ist eine Klarstellung aller an andere Personen übertragenen Sonderaufgaben und eine Abgrenzung zu allen Nachbarbereichen erforderlich, so dass von der Bestellung her gesehen eine geordnete Zusammenarbeit gewährleistet ist; Überschneidungen oder Lücken bei den Aufgabenbereichen und Befugnissen sind auszuschließen. Eine solche Abgrenzung ist auch im Hinblick auf § 6 ABBergV erforderlich, wonach Beschäftigte ihre Tätigkeit erst ausüben dürfen, nachdem sie in ihre Aufgaben sachlich und örtlich eingewiesen wurden. Unklarheiten bei der Umschreibung der Aufgabenbereiche und Befugnisse gehen zu Lasten der bestellenden verantwortlichen Person.

VI. Zuwiderhandlungen Beschäftigt der Unternehmer eine verantwortliche Person, die die zur Erfüllung ihrer Aufgaben 12 und Befugnisse erforderliche Zuverlässigkeit, Fachkunde oder körperliche Eignung nicht besitzt (§ 59 Abs. 1), handelt er gemäß § 146 Abs. 1 Nr. 10 ordnungswidrig. Die Anordnung ist gegenüber der Person zu richten, die die betreffende verantwortliche Person beschäftigt. Da die verantwortliche Person durch die behördliche Anordnung in ihren Rechten betroffen ist, steht ihr neben dem Adressaten der Anordnung ein eigenes Klagerecht zu.17 Eine Untersagung der Beschäftigung bestellter verantwortlicher Personen kann die Bergbehörde gemäß § 73 Abs. 1 anordnen (vgl. § 73 Rn. 2 ff.).

14 15 16 17 791

Zu möglichen Organisationsformen vgl. Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 59 Rn. 11 ff. Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 60 Rn. 8. Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 60 Rn. 2. Weller ZfB 1965, 437, 446. Kappes

§ 60

Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

§ 60 Form der Bestellung und Abberufung verantwortlicher Personen, Namhaftmachung (1)

1

Die Bestellung und Abberufung verantwortlicher Personen sind schriftlich zu erklären. In Fällen, die nach § 57 Abs. 1 Satz 1 und Absatz 2 eine Abweichung von einem zugelassenen Betriebsplan rechtfertigen, kann die Erklärung auch mündlich erfolgen; sie ist unverzüglich schriftlich zu bestätigen. 3In der Bestellung sind die Aufgaben und Befugnisse genau zu beschreiben; die Befugnisse müssen den Aufgaben entsprechen. (2) 1Die verantwortlichen Personen sind unter Angabe ihrer Stellung im Betrieb und ihrer Vorbildung der zuständigen Behörde unverzüglich nach der Bestellung namhaft zu machen. 2Die Änderung der Stellung im Betrieb und das Aus-scheiden verantwortlicher Personen sind der zuständigen Behörde unverzüglich anzuzeigen. 2

Übersicht I.

Regelungsinhalt

1

II.

Form der Bestellung und Abberufung (Ab2 satz 1)

III.

Namhaftmachung bei der Behörde (Ab6 satz 2)

8

IV.

Zuwiderhandlung

V.

Informationsrechte Dritter

9

I. Regelungsinhalt 1 Mit der Bestellung der verantwortlichen Person wird die Verantwortung für den Betrieb oder einen Teil des Betriebes auf die nachgeordnete Ebene erstreckt. § 60 enthält die hierzu zu beachtenden formalen Anforderungen. Normadressaten sind die „geborenen“ sowie „gekorenen“ verantwortlichen Personen, die verantwortliche Personen bestellen oder abberufen. Gleiches gilt für deren Abberufung.

II. Form der Bestellung und Abberufung (Absatz 1) 2 Die in Absatz 1 Satz 1 für die Bestellung und Abberufung vorgeschriebene Schriftform liegt im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit. Sie dient nicht nur den verantwortlichen Personen selbst als Legitimation, sondern ermöglicht auch der Bergbehörde und den Gerichten die Feststellung, wer für die Erfüllung bergrechtlicher Pflichten in Bezug auf den Gesamtbetrieb oder auf Teilbereiche verantwortlich ist. In der Bestellung sind entsprechend § 59 Abs. 2 Satz 2 die Aufgaben und Befugnisse der zu bestellenden Person genau zu beschreiben (vgl. § 59 Rn. 11). Die Bestellung hat in schriftlicher Form zu erfolgen; erst dann hat sie konstitutive Wirkung, d.h. der Verantwortungsbereich wird übertragen. Der Zustimmung der Bergbehörde bedarf eine Bestellung zu ihrer Wirksamkeit nicht. Regelmäßig ist die verwaltungsrechtliche Bestellung arbeitsvertraglich verankert. Ist die Leitung eines Betriebes oder Teilbetriebes Gegenstand eines Arbeitsvertrages, ist der betroffene Mitarbeiter verpflichtet, das Bestellschreiben entgegenzunehmen.1 2a Wird die Schriftform – abgesehen von den in § 60 Abs. 1 Satz 2 genannten Ausnahmefällen – nicht gewahrt, ist die Bestellung unwirksam, so dass eine Übertragung der Verantwortlichkeit 1 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 60 Rn. 5. Kappes https://doi.org/10.1515/9783110709285-089

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Drittes Kapitel – Verantwortliche Personen

§ 60

nicht stattfindet und der jeweilige Vorgesetzte selbst in der Verantwortung bleibt. Dasselbe gilt, wenn die übertragenen Aufgaben und Befugnisse nicht eindeutig bezeichnet werden. Auch eine faktische Übernahme der Aufgaben reicht zu einer wirksamen Bestellung nicht aus. Das Fehlen einer formwirksamen Bestellung hat allein Einfluss auf die verwaltungsrechtliche Verantwortlichkeit.2 Nimmt der Mitarbeiter eines Betriebes auf Grundlage seines Arbeitsvertrages ohne formwirksames Bestellschreiben gleichwohl bestimmte Aufgaben verantwortlich wahr, schließt dies die Verantwortlichkeit im Sinne des Ordnungswidrigkeiten- und Strafrechts nicht aus.3 Denn die einschlägigen Normen des StGB und OWiG, gemäß derer ein Beauftragte bei Gesetzesverstößen wie der Unternehmer verantwortlich ist, erfordern allein eine Beauftragung, die z.B. im Rahmen des Arbeitsvertrages erfolgen kann, und nicht eine Bestellung im Sinne der Vorschriften des BBergG.4 Einen fundamentalen Grundsatz aller Delegationen enthält § 60 Abs. 1 Satz 3 letzter Halbsatz, 3 in dem das Verhältnis von Aufgaben und Befugnissen festgelegt wird. Wem Aufgaben mit Pflichten übertragen werden, muss auch über die hierfür notwendigen Befugnisse verfügen. Hierzu zählt auch, dass das für die Erfüllung der Aufgaben erforderliche Personal und die entsprechenden Sachmittel zur Verfügung stehen. Sofern dieser Grundsatz nicht erfüllt ist, ist die Delegation unwirksam. Dies ist z.B. der Fall, wenn ein Leiter mit der Anweisung, sich aus dem Tagesgeschäft des Betriebes herauszuhalten, eingesetzt wird.5 Für die Abberufung einer verantwortlichen Person ist ebenfalls eine schriftliche Erklärung 4 gegenüber dieser Person erforderlich. Während eine bestellte Person i.d.R. aufgrund ihres Arbeitsoder Dienstvertrages ihr Einverständnis mit der Bestellung als verantwortliche Person gegeben hat, bedarf die Abberufung formalrechtlich weder einer Begründung noch der Zustimmung der abberufenen Person.6 Die durch die Bestellung übertragene Verantwortung endet im Zeitpunkt des Empfangs des Abberufungsschreibens durch die abberufene Person.7 Anstelle der grundsätzlich geforderten Schriftform ist eine Bestellung oder Abberufung ver- 5 antwortlicher Personen bei besonderen Gefahrensituationen auch mündlich möglich. Dies ist zur Abwendung einer Gefahr für Leben oder Gesundheit Beschäftigter oder Dritter zulässig (§ 57 Abs. 1 Satz 2) und wenn infolge unvorhergesehener Ereignisse zur Abwendung von Gefahren für bedeutende Sachgüter ein sofortiges Handeln erforderlich ist (§ 57 Abs. 2). Die mündlich vorgenommene Bestellung oder Abberufung einer verantwortlichen Person ist gemäß § 60 Abs. 1 Satz 2 2. Halbsatz ohne Verzögerung schriftlich zu bestätigen.

III. Namhaftmachung bei der Behörde (Absatz 2) Die in § 60 Abs. 2 normierte Pflicht zur Namhaftmachung der verantwortlichen Personen i.S.d. 6 § 58 Abs. 1 Nr. 2 unter Angabe ihrer Stellung im Betrieb dient der Unterrichtung der Bergbehörde, damit diese in der Lage ist, sich im Rahmen ihrer Überwachungstätigkeit unmittelbar an die im Betrieb jeweils zuständigen Personen zu wenden. Aus dem gleichen Grund müssen der Bergbehörde gemäß Absatz 2 Satz 2 auch Änderungen der Stellung im Betrieb und das Ausscheiden verantwortlicher Personen unverzüglich angezeigt werden. Die Namhaftmachung ist keine Voraussetzung für die Wirksamkeit der Bestellung oder Abberufung; dafür ist allein Absatz 1 maßgeblich. Mit der Meldung erhält die Bergbehörde die Möglichkeit zu prüfen, ob eine ausreichende Anzahl von verantwortlichen Personen bestellt worden ist und ob die bestellten verantwortlichen Perso2 Frenz/Rehs BBergG, § 60 Rn. 4. 3 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 60 Rn. 4. 4 Vgl. für § 14 Abs. 2 StGB Kindhäuser/Neumann/Paeffgen/Böse StGB, § 14 Rn. 41 ff. und für § 9 Abs. 2 OWiG Krenberger/ Krumm OWiG, § 9 Rn. 21 ff.

5 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 60 Rn. 6. 6 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 60 Rn. 6. 7 Frenz/Rehs BBergG, § 60 Rn. 5. 793

Kappes

§ 60

Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

nen die an sie zu stellenden Anforderungen erfüllen. Aus diesem Grund wird in Absatz 2 Satz 1 nicht nur die Angabe der Stellung im Betrieb, sondern auch die Angabe über die Vorbildung der bestellten Person vorgeschrieben. Die Vorbildung ist in dem Umfang anzugeben, dass die Behörde daraus Rückschlüsse auf die Fachkunde der betreffenden Person ziehen kann. Unter Vorbildung ist nicht nur eine abgeschlossene Berufsausbildung zu verstehen, sondern alle Tatsachen, die in Bezug auf den Aufgabenbereich Aufschluss über die Fachkunde geben (vgl. § 59 Rn. 6 und 7). Durch die Anzeige wird allerdings keine Verpflichtung der Bergbehörde begründet, in jedem einzelnen Fall das Vorliegen der in § 59 Abs. 1 geforderten persönlichen Voraussetzungen für die Bestellung zu verantwortlichen Personen zu prüfen. Die Behörde soll lediglich in die Lage versetzt werden zu beurteilen, ob Veranlassung zur Versagung bzw. Einschränkung der Betriebsplanzulassung gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 lit. b) oder zu einer Anordnung nach § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 besteht. Falls die Bergbehörde im Einzelfall über die Anzeige nach § 60 Abs. 2 hinausgehende Angaben über bestellte verantwortliche Personen benötigt, können die zur Durchführung der Bergaufsicht erforderlichen Auskünfte im Rahmen des § 70 eingeholt werden. 7 Die Namhaftmachung der verantwortlichen Personen hat gemäß Absatz 2 Satz 1 unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern, nach der Bestellung zu erfolgen. Auch eine Änderung der Stellung im Betrieb und das Ausscheiden als verantwortliche Person sind nach Absatz 2 Satz 2 unverzüglich anzuzeigen.

IV. Zuwiderhandlung 8 Ordnungswidrig handelt, wer die Voraussetzung des § 60 Abs. 1 zur Bestellung und Abberufung verantwortlicher Personen nicht erfüllt, z.B. die Bestellung nicht schriftlich durchführt, ihre Aufgaben und Befugnisse nicht genau umschreibt oder ihnen Aufgaben zuweist, denen die Befugnisse nicht entsprechen (§ 145 Abs. 1 Nr. 10). Gleiches gilt für denjenigen, der die Pflichten der Namhaftmachung gegenüber der Bergbehörde gemäß § 60 Abs. 2 unterlässt.

V. Informationsrechte Dritter 9 Die Namhaftmachung der verantwortlichen Person gegenüber der Bergbehörde dient im Rahmen der Überwachungstätigkeit der Behörde ausschließlich der Feststellung der verantwortlichen Person, die für die Erfüllung einer bergrechtlichen Rechtspflicht verantwortlich ist, und nicht der Erfüllung der Rechtspflicht. Ein Anspruch Dritter gegenüber der Bergbehörde zur Bekanntgabe des Namens der verantwortlichen Person und dessen Aufgabenbereich besteht nach dem BBergG nicht. Abgesehen davon, dass es bereits zweifelhaft ist, ob es sich hierbei um eine Umweltinformation i.S.d. § 3 Abs. 3 UIG handelt, ist ein Informationsanspruch von personenbezogenen Daten gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 UIG grundsätzlich ausgeschlossen. Zu der geschützten Privatsphäre zählen auch solche aus dem beruflichen Bereich einer Person.8 Der Ausschluss kommt nur ausnahmsweise nicht zum Zuge, und zwar, wenn die verantwortliche Person einer Weitergabe der Angaben zustimmt oder ein öffentliches Interesse überwiegt (§ 9 Abs. 1 letzter Halbsatz UIG). Letzteres kann nicht gegeben sein, da diese Angaben in keinem Zusammenhang mit der Umwelt stehen und keinen Nutzen für den Umweltschutz haben.9 Gleiches gilt für einen Informationsanspruch nach dem Gesetz zur Regelung des Zugangs zu Informationen (§ 5 IFG).

8 Landmann/Rohmer/Reidt/Schiller Umweltrecht, § 9 UIG Rn. 7. 9 BVerwG 24.9.2009, 7 C 2/09, BVerwGE 135, 34, Rn. 63. Kappes

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§ 61

Drittes Kapitel – Verantwortliche Personen

§ 61 Allgemeine Pflichten 1 Der Unternehmer ist für die ordnungsgemäße Leitung des Betriebes verantwortlich; ihm obliegt die Sicherheit und Ordnung im Betrieb. 2Er ist verpflichtet, 1. für die ordnungsgemäße Errichtung des Betriebes und den ordnungsgemäßen Betriebsablauf zu sorgen, insbesondere a) unter Beachtung der allgemein anerkannten sicherheitstechnischen, arbeitsmedizinischen und arbeitshygienischen Regeln sowie der sonstigen gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse die erforderlichen Maßnahmen und Vorkehrungen zu treffen, um Beschäftigte und Dritte vor Gefahren für Leben, Gesundheit und Sachgüter zu schützen, soweit die Eigenart des Betriebes dies zuläßt, b) durch innerbetriebliche Anordnungen sicherzustellen, daß die verantwortlichen Personen ihre Aufgaben erfüllen und ihre Befugnisse wahrnehmen können, 2. bei Zuständen oder Ereignissen im Betrieb, die eine unmittelbare Gefahr für Leben oder Gesundheit Beschäftigter oder Dritter herbeizuführen geeignet sind oder herbeigeführt haben, die zur Abwehr der Gefahr oder zur Rettung von Verunglückten geeigneten Maßnahmen zu treffen, 3. bei Zuständen oder Ereignissen im Sinne der Nummer 2 in benachbarten Betrieben anderer Unternehmen im Rahmen seiner Möglichkeiten die erforderliche sachkundige Hilfe durch Einsatz eigener Beschäftigter und Geräte zu leisten. (2) 1Der Unternehmer ist ferner verpflichtet, den verantwortlichen Personen von allen die Errichtung, Führung oder Einstellung des Betriebes betreffenden Verwaltungsakten einschließlich der dazugehörigen Unterlagen unverzüglich insoweit Kenntnis zu geben, als deren Aufgaben und Befugnisse betroffen werden. 2Er hat dafür zu sorgen, daß Betriebspläne und deren Zulassung von den verantwortlichen Personen jederzeit eingesehen werden können.

(1)

Übersicht I.

Regelungsinhalt

II.

III.

1

IV.

Nachbarliche Hilfeleistung (Absatz 1 Satz 2 7 Nr. 3)

Betriebsleitung sowie Sicherheit und Ordnung im 2 Betrieb (Absatz 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1)

V.

Information der verantwortlichen Person (Ab8 satz 2)

Gefahrenabwehr, Rettung Verunglückter (Ab5 satz 1 Satz 2 Nr. 2)

VI.

Zuwiderhandlungen

11

I. Regelungsinhalt § 61 umschreibt in Form einer allgemeinen Grundregel die Pflichten des Unternehmers für 1 seinen Betrieb.1 Hiernach obliegt dem Unternehmer die ordnungsgemäße Leitung des Betriebes, die Sorge für Sicherheit und Ordnung im Betrieb und die ordnungsgemäße Errichtung und Führung einschließlich Einstellung des Betriebes und der ordnungsgemäße Betriebsablauf. Eine Beschränkung auf einzelne Teilbereiche, wie z.B. den Arbeitsschutz, ist damit nicht verbunden.2 Eine 1 BT-Drs. 8/1315, S. 115. 2 A.A. wohl Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht, Rn. 322. 795 https://doi.org/10.1515/9783110709285-090

Kappes

§ 61

Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

erschöpfende ausreichend konkrete Umschreibung aller Pflichten ist im Gesetz nicht möglich.3 Sie erfolgt im BBergG, in Bergverordnungen und Verwaltungsakten, sie kann sich aber auch aus anerkannten Regeln und gesicherten allgemeinen Erkenntnissen ergeben.

II. Betriebsleitung sowie Sicherheit und Ordnung im Betrieb (Absatz 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1) 2 Nach Absatz 1 Satz 1 1. Halbsatz hat der Unternehmer die – öffentlich-rechtliche – Pflicht zur ordnungsgemäßen Leitung des Betriebes. Hiermit trägt der Unternehmer sämtliche Leitungsfunktionen mit dem Ziel, die wirtschaftlichen, planerischen und organisatorischen Voraussetzungen für eine ordnungsgemäße Errichtung und Führung des Betriebes zu schaffen.4 Hierzu zählen die Planung der betrieblichen Vorhaben, die Bereitstellung der zu ihrer Durchführung notwendigen Betriebsmittel, die Erteilung von Weisungen, die Einstellung des erforderlichen Personals sowie die Regelung der Betriebsüberwachung. Die Leitung des Betriebes hat der Unternehmer ordnungsgemäß durchzuführen, d.h. die Maßnahmen dürfen nicht gegen geltendes Recht verstoßen. Das BBergG geht davon aus, dass der Unternehmer diese Leitungsaufgaben selbst wahrnimmt. Wegen ihres höchstpersönlichen Charakters5 kann diese Pflicht (§ 61 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz) nicht auf andere verantwortliche Personen übertragen werden (§ 62). Treten während des Betriebes Tatsachen ein, die die Annahme rechtfertigen, dass der Unternehmer die zur Gewährleistung von Sicherheit und Ordnung im Betrieb erforderliche Zuverlässigkeit oder Fachkunde nicht besitzt, kann die Bergbehörde gemäß § 73 Abs. 2 die Fortführung des Betriebes bis zur Bestellung einer mit der Gesamtleitung beauftragten verantwortlichen Person untersagen. In diesem Fall lässt das BBergG ausnahmsweise die Leitung des Betriebes durch eine andere Person als den Unternehmer zu. Der Bergbehörde wird damit kein Recht zur Bestellung einer verantwortlichen Person eingeräumt. Auf diese Weise kann im Interesse der Beschäftigten vermieden werden, dass ein laufender Betrieb aus Gründen, die in der Person des Unternehmers liegen, zum Erliegen kommt. In entsprechender Anwendung des § 35 Abs. 6 GewO muss es dem Unternehmer gestattet werden, den Betrieb wieder persönlich zu leiten, wenn die Untersagungsgründe nicht mehr vorliegen. 3 Von der Aufgabe zur Betriebsleitung gemäß Absatz 1 Satz 1 1. Halbsatz ist die öffentlich-rechtliche Pflicht, für Sicherheit und Ordnung im Betrieb zu sorgen (Absatz 1 Satz 1 2. Halbsatz), gesetzlich getrennt. Die mit Sicherheit und Ordnung in Absatz 1 Satz 1 2. Halbsatz allgemeine Betriebsführungspflicht wird in Satz 2 Nr. 1 näher mit ordnungsgemäßer Errichtung und Führung des Betriebes umschrieben. Mit Blick auf die Gesamtverantwortung des Unternehmers für alle Betriebsphasen (§ 58 Abs. 1 Satz 1) wird man hierunter auch die Einstellungsphase eines Betriebes zu fassen haben. Von einem ordnungsgemäßen Betriebsablauf werden vor allem die Betriebsund Arbeitssicherheit, aber auch die anderen durch das Bergrecht für die Errichtung, Führung und Einstellung des Betriebes geltenden Anforderungen erfasst. Zu einem ordnungsgemäßen Betriebsablauf zählen die organisatorischen Maßnahmen und Vorkehrungen für die Erfüllung der Pflichten aus dem BBergG, den Bergverordnungen und der hierauf erlassenen Verwaltungsakte (§ 58 Abs. 1), die Überwachung der Tätigkeiten der unterstellten Personen, u.a. durch Information über Gefahrenquellen, die Überprüfung von Betriebsanlagen aus eigenem Antrieb, die Verhütung von Unfällen durch pflichtgemäße Aufmerksamkeit, Warnungen vor Gefahren, das Verhindern von sicherheitsrelevantem Verhalten und das Vergewissern, dass die Vorschriften des zugelassenen Betriebsplans und gegebenen Anweisungen eingehalten werden. Die Einzelmaßnahmen zur ordnungsgemäßen Betriebsführung und Sicherheit werden im BBergG und in Bergverordnungen in nicht abschließender Fassung festgelegt. Hinsichtlich des Arbeitsschutzes kommt der ABBergV 3 Sondermann Braunkohle 1982, 14, 16. 4 BT-Drs. 8/1315, S. 115. 5 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 61 Rn. 4. Kappes

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Drittes Kapitel – Verantwortliche Personen

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eine wesentliche Bedeutung zu.6 Hierzu zählen z.B. die allgemeinen Pflichten des Unternehmers (§ 2 ABBergV), die Erstellung eines Sicherheits- und Gesundheitsschutzdokuments (§ 3 ABBergV) und § 5 ABBergV mit Regelungen für die Beaufsichtigung durch verantwortliche Personen. Auch die GesBergV und die Länderbergverordnungen enthalten entsprechende Regelungen. Neben den konkreten Pflichten aus dem BBergG und den Rechts- und Bergverordnungen sind die allgemein anerkannten sicherheitstechnischen, arbeitsmedizinischen und arbeitshygienischen Regeln sowie die sonstigen gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse Maßstab für weitere zum Schutz Beschäftigter und Dritter sowie Sachgüter erforderlichen Sofortmaßnahmen und Vorkehrungen. Solche Maßnahmen und Vorkehrungen sind erforderlich, soweit die Eigenart des Betriebes dies zulässt. Hiermit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass die Aufsuchung und Gewinnung vielfach mit einem höheren Gefahrenpotenzial und teilweise mit unvermeidlichen Auswirkungen verbunden ist.7 Danach sind auf den Bergbau bezogene allgemein anerkannte Regeln und gesicherte Erkenntnisse strikt einzuhalten, während außerhalb des Bergbaus entwickelte Regeln und Erkenntnisse unter dem Vorbehalt der Eigenart des Betriebes stehen.8 Darüber hinaus ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Schutzobjekte sind Leben und Gesundheit Beschäftigter und Dritter sowie Sachgüter. Entsprechend der Rechtsprechung zu § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 (vgl. § 55 Rn. 24) werden hierunter auch Dritte außerhalb des Betriebes zu fassen sein.9 Aus dieser generellen Betriebsführungspflicht kann jedoch kein Verbot von bergbaubedingten Einwirkungen, hergeleitet werden, da diese zwangsweise mit der Eigenart der Rohstoffgewinnung verbunden sind. Zu einem ordnungsgemäßen Betriebsablauf zählt auch, durch innerbetriebliche Anordnun- 4 gen sicherzustellen, dass die verantwortlichen Personen ihre Aufgaben erfüllen und ihre Befugnisse wahrnehmen können (Absatz 1 Satz 2 Nr. 1 lit. b), und zwar sowohl in zeitlicher, räumlicher als auch ausstattungstechnischer Hinsicht. Während sich die Anforderungen des § 59 Abs. 2 Satz 2 auf eine geordnete Zusammenarbeit zwischen den verantwortlichen Personen bezieht, erstrecken sich die nach § 61 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 lit. b) geforderten innerbetrieblichen Anordnungen auf alle im Betrieb Beschäftigten.

III. Gefahrenabwehr, Rettung Verunglückter (Absatz 1 Satz 2 Nr. 2) Bei bergbaulichen Tätigkeiten ist der Eintritt von Unglücksfällen trotz ordnungsgemäßer Vorsorge- 5 maßnahmen nicht auszuschließen. § 61 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 normiert eine ausdrückliche Verpflichtung des Unternehmers, bei einer drohenden oder bereits eingetretenen unmittelbaren Gefahr für Beschäftigte oder Dritter die zur Abwehr der Gefahr oder zur Rettung von Verunglückten geeigneten Maßnahmen zu treffen (vgl. auch §§ 2 Abs. 1 Nr. 5, 11 Abs. 1 Nr. 4 und 15 Abs. 9 ABBergV). Eine entsprechende innerbetriebliche Vorsorgemaßnahme stellt die Einrichtung von Grubenwehren für untertägige Betriebe dar. Für Betriebe, in denen unatembare oder giftige Gase oder Dämpfe auftreten, sind Gasschutzwehren zu errichten. Als Vorsorgemaßnahme ist auch die Vorhaltung einer Betriebsfeuerwehr anzusehen, die in einigen Bundesländern auch als Werksfeuerwehr anerkannt werden kann.10 Neben diesen innerbetrieblichen Vorsorgemaßnahmen schreibt § 131 Abs. 1 im Interesse einer 6 überbetrieblichen Kooperation vor, dass Unternehmer, die einen untertägigen Gewinnungsbetrieb oder einen Gewinnungsbetrieb mit brand- oder explosionsgefährlichen Anlagen oder mit Anlagen betreiben, in denen unatembare oder giftige Gase oder Dämpfe auftreten können, zur 6 7 8 9

Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht, Rn. 323. Vgl. auch § 1 Nr. 3, der von „unvermeidbaren Schäden“ bei der Rohstoffgewinnung ausgeht. Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 61 Rn. 8. A.A. Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 61 Rn. 7, mit Hinweis auf die hierzu fehlenden sicherheitstechnischen Regeln. 10 Z.B. in NRW § 15 Abs. 2, Gesetz über den Feuerschutz und die Hilfeleistung NRW. 797

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Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

Wahrnehmung gemeinsamer Aufgaben auf dem Gebiet des Grubenrettungs- und Gasschutzwesens Hauptstellen für das Grubenrettungswesen unterhalten oder solchen angeschlossen sind (vgl. § 131).

IV. Nachbarliche Hilfeleistung (Absatz 1 Satz 2 Nr. 3) 7 Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 begründet die öffentlich-rechtliche Verpflichtung zur nachbarlichen Hilfeleistung, d.h. überbetrieblichen Kooperation.11 Die Pflicht des Unternehmers zur Hilfeleistung entsteht, wenn in einem benachbarten dem Bergrecht unterliegenden Betrieb eines anderen Unternehmers Zustände oder Ereignisse eintreten, die eine unmittelbare Gefahr für Leben oder Gesundheit Beschäftigter oder Dritter herbeizuführen geeignet sind oder herbeigeführt haben. Diese Hilfeverpflichtung gilt nur bei besonderen Betriebsereignissen im Betrieb eines fremden Unternehmers. Die Pflicht zur Unterstützung von Rettungsaktionen in eigenen benachbarten Betrieben ergibt sich aus Satz 2 Nr. 2. Die Hilfeleistungspflicht erstreckt sich auf fremde Betriebe in der Nachbarschaft, d.h. in räumlicher Nähe – nicht zwingend angrenzend – des eigenen Betriebes. Insbesondere im Hinblick auf die geringer werdende Anzahl von Bergbaubetrieben und den heutigen Verkehrsmöglichkeiten dürfte der Begriff „benachbarter Betrieb“ nur in Ausnahmefällen zu einer Einschränkung der Hilfeleistung führen. Auf die Art des gefährdeten Betriebes, insbesondere auf die dort gewonnenen oder aufbereiteten Bodenschätze, kommt es nicht an. Entscheidend ist, dass es sich um einen Betrieb handelt, in dem Tätigkeiten und Einrichtungen i.S.d. § 2 und der §§ 126 bis 131 durchgeführt oder betrieben werden (§ 169 Abs. 1). Die in Nummer 3 geforderte sachkundige Hilfe ist durch Einsatz eigener Beschäftigter oder Geräte zu leisten, und zwar begrenzt durch die auf den eigenen Betrieb gegebenen Möglichkeiten. Nach der Gesetzesbegründung erstreckt sich die Hilfeleistungspflicht auf die Bereitstellung sachkundiger Personen, von Rettungsgeräten, Transportmitteln, Medikamenten, Verbandstoffen und sonstigen in derartigen Fällen benötigten Mitteln im Rahmen der eigenen Leistungsfähigkeit.12 Der Unternehmer hat dabei darauf zu achten, dass durch die Hilfeleistung der Schutz des eigenen Betriebes nicht gefährdet wird. Andererseits kann sich auch ein Nachbarunternehmer bei der Erfüllung der ihm nach Nummern 1 und 2 obliegenden eigenen Vorsorge- und Schutzpflichten nicht allein auf die Hilfeleistung des anderen verlassen. Bei brand- oder explosionsgefährdeten Anlagen oder solchen, in denen unatembare oder giftige Gase oder Dämpfe auftreten können, wird ein wesentlicher Teil der Nachbarschaftshilfen durch die Hauptstellen für Grubenrettungswesen (vgl. § 131) geleistet. Soweit ein Unternehmer seiner Hilfeleistungspflicht nicht nachkommt, kann die Bergbehörde gemäß § 74 Abs. 2 eine Hilfeleistung bei Unglücksfällen in anderen Bergbaubetrieben zur Abwehr von Gefahren oder zur Rettung Verunglückter anordnen. Zwar dürfte es sich um ein redaktionelles Versehen handeln, dass § 74 Abs. 2 das einschränkende Kriterium „benachbarter Betrieb“ nicht enthält,13 jedoch dürfte – wie bei § 61 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 – eine Anordnung nach § 74 Abs. 2 kaum an diesem Kriterium scheitern. Für die geleisteten Hilfeleistungen sind dem Unternehmer die entstandenen Aufwendungen zu erstatten (§ 74 Abs. 2 Satz 2).

V. Information der verantwortlichen Person (Absatz 2) 8 Der ordnungsgemäße Betriebsablauf wird im Einzelnen durch betriebsinterne Weisungen, Anordnungen und Aufträge bestimmt. Daran ändert auch das Vorhandensein eines Betriebsplanes nichts, zumal die zahlreichen in einem Betrieb stattfindenden Arbeitsvorgänge von der Natur der Sache her nicht bis in die letzten Einzelheiten in Betriebsplänen dargestellt werden müssen und können. Alle Betriebshandlungen müssen sich aber innerhalb eines zugelassenen Betriebsplanes 11 BT-Drs. 8/1315, S. 153. 12 BT-Drs. 8/1315, S. 115. 13 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 61 Rn. 12. Kappes

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Drittes Kapitel – Verantwortliche Personen

§ 62

bewegen. Der zugelassene Betriebsplan stellt einen wesentlichen Teil eines ordnungsgemäß geführten Betriebes dar. Deshalb ist es erforderlich, dass diejenigen, die für die Einhaltung der Betriebspläne verantwortlich sind (§ 58 Abs. 1), deren Inhalt sowie etwaige Nebenbestimmungen der Zulassung kennen. Aus diesem Grund hat der Unternehmer nach Absatz 2 Satz 1 die verantwortlichen Personen über alle die Errichtung, Führung oder Einstellung des Betriebes betreffenden Betriebspläne zu unterrichten, soweit der Aufgabenbereich der verantwortlichen Person davon betroffen wird. Neben der Betriebsplanzulassung erstreckt sich die Informationspflicht auf alle für den Aufgabenbereich der verantwortlichen Person betreffende Verwaltungsakte wie nachträgliche Auflagen gemäß § 56 Abs. 1 Satz 2, behördliche Anordnungen nach den §§ 71 bis 74 sowie aufgrund von Bergverordnungen erteilte Genehmigungen (§ 65 Nr. 2). Die Unterrichtung kann im Einzelfall erfolgen, aber auch durch organisatorische Maßnahmen, z.B. durch die mögliche Einsichtnahme aller relevanten bergbehördlichen Verwaltungsakte an einem bekannten Ort. Die Unterrichtung hat unverzüglich und jedenfalls vor dem Beginn der durch den Betriebsplan erfassten Arbeiten zu erfolgen.14 Eine bestimmte Form der Unterrichtung schreibt das BBergG nicht vor. Es dürfte jedoch im Interesse der bestellenden Person sein, dass die Unterrichtung ggf. nachgewiesen werden kann. Bei Betriebsplänen reicht die einmalige, unverzügliche nach der Zulassung vorzunehmende 9 Unterrichtung zur Erfüllung des genannten Zwecks nicht aus. Die verantwortlichen Personen müssen vielmehr in der Lage sein, sich auch während der Dauer des Betriebes jederzeit erneut über den Inhalt und die Zulassung der maßgeblichen Betriebspläne zu informieren. Daher hat der Unternehmer gemäß Absatz 2 Satz 2 sicherzustellen, dass die Betriebspläne und deren Zulassung von den betroffenen verantwortlichen Personen jederzeit, d.h. zu den üblichen Betriebsund Arbeitsstunden,15 eingesehen werden können. Die Pflichten des Unternehmers aus § 61 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz und Satz 2 sowie Absatz 2 10 kann der Unternehmer auf bestellte verantwortliche Personen übertragen.

VI. Zuwiderhandlungen Im Hinblick auf den sehr allgemeinen Regelungsinhalt des § 61 Abs. 1 ist es folgerichtig, dass dieser 11 nicht ordnungswidrigkeits- und strafbewehrt ist. Zuwiderhandlungen gegen die Bestimmung des § 61 Abs. 2 stellen dagegen eine Ordnungswidrigkeit dar (§ 145 Abs. 1 Nr. 11 und 12).

§ 62 Übertragbarkeit bestimmter Pflichten und Befugnisse 1

Der Unternehmer kann 1. die sich aus § 51 Abs. 1, §§ 52, 54 Abs. 1, § 57 Abs. 1 Satz 2 und Absatz 2, § 61 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz, Satz 2 und Absatz 2 sowie § 74 Abs. 3 ergebenden Pflichten sowie 2. die sich aus § 57 Abs. 1 und 2 sowie aus dieser Vorschrift ergebenden Befugnisse auf verantwortliche Personen übertragen. 2Die Pflichten des Unternehmers nach § 61 Abs. 1 Satz 1 zweiter Halbsatz und Satz 2 bleiben bestehen, auch wenn verantwortliche Personen bestellt worden sind. § 62 stellt klar, welche seiner bergrechtlichen Pflichten und Befugnisse der Unternehmer auf 1 bestellte verantwortliche Personen übertragen kann. Die nach dem Wortlaut („kann“) bestehende Dispositionsfreiheit des Unternehmers wird jedoch rechtlich durch die Verpflichtung für die planmäßige und sichere Führung des Betriebes, andere Personen zu bestellen (§ 59 Abs. 2), 14 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 61 Rn. 13. 15 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 61 Rn. 14. 799 https://doi.org/10.1515/9783110709285-091

Kappes

§ 62

Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

und faktisch von der Größe und den Gefährdungen des Betriebes eingeschränkt. Das BBergG unterscheidet zwischen den übertragbaren und den nicht übertragbaren Pflichten. 2 Die dem Unternehmer für die Errichtung, Führung und Einstellung des Betriebes obliegenden übertragbaren Pflichten nach dem BBergG werden in § 62 Satz 1 Nr. 1 abschließend aufgeführt.1 Im Einzelnen handelt es sich dabei um die Verpflichtung zur Aufstellung von Betriebsplänen (§ 51 Abs. 1 und § 52), die Pflicht zur Einreichung von Betriebsplänen (§ 54 Abs. 1), die Verpflichtung, Abweichungen zum zugelassenen Betriebsplan unverzüglich der Bergbehörde anzuzeigen (§ 57 Abs. 1 Satz 2 und Absatz 2), die allgemeinen Pflichten, für Sicherheit und Ordnung im Betrieb und für einen ordnungsgemäßen Betriebsablauf zu sorgen, Maßnahmen zur Abwehr konkreter Gefahren und zur Rettung Verunglückter zu treffen, die Pflicht zur Hilfeleistung in Nachbarbetrieben und zur Information der verantwortlichen Personen (§ 61 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz, Satz 2 und Absatz 2) sowie die Verpflichtung zur unverzüglichen Anzeige besonderer Betriebsereignisse (§ 74 Abs. 3). Andere betriebsbezogene Pflichten, die ausdrücklich dem Unternehmer zugeordnet sind und nicht in § 62 Satz 1 Nr. 1 genannt werden, wie z.B. die Anzeigepflicht für nicht betriebsplanpflichtige bergbauliche Tätigkeiten (§ 50), oder solche, für die kein Normadressat genannt wird, wird der Unternehmer auch delegieren können, wenn sie Teil der Sicherheit und Ordnung im Betrieb (§ 61 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz) und damit der ordnungsgemäßen Betriebsführung sind. Für Pflichten in Bergverordnungen gilt dies entsprechend (vgl. § 58 Rn. 13, 14). 3 Nach § 62 Satz 1 Nr. 2 kann der Unternehmer ferner die Befugnis zur Anordnung sofortiger Abweichungen vom zugelassenen Betriebsplan gemäß § 57 Abs. 1 Satz 1 und Absatz 2 sowie die sich aus § 62 Satz 1 selbst ergebende Delegationsbefugnis auf verantwortliche Personen übertragen.2 Das bedeutet, dass diese Person ihrerseits im Rahmen der ihnen eingeräumten Befugnisse Teile ihrer Pflichten und Befugnisse auf andere verantwortliche Personen weiter übertragen kann. In Folge der so entstehenden Verantwortungskette können abhängig vom Inhalt und Umfang der Bestellung die Pflichten und Befugnisse stufenweise weiter nach unten verlagert werden.3 Dies gilt auch für Befugnisse aufgrund einer Bergverordnung. Aus dem in § 62 fehlenden Zitat des § 61 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz ergibt sich, dass die Unter4 nehmerpflicht zur ordnungsgemäßen Leitung des Betriebes nicht übertragbar ist. Pflichten des Unternehmers aufgrund außerbergrechtlicher Rechtsvorschriften werden von § 62 nicht erfasst und können deshalb auch nicht aufgrund bergrechtlicher Vorschriften übertragen werden. Der Verantwortungsbereich von verantwortlichen Personen beschränkt sich auf bergrechtliche Rechtsvorschriften und darauf gestützte Verwaltungsakte (§ 58 Abs. 1); dies gilt jedoch nicht, wenn die außerbergrechtlichen Vorschriften über § 48 Abs. 2 ins Bergrecht „überführt“ werden. Pflichten, die sich aus solchen außerbergrechtlichen Vorschriften ergeben, sind übertragbar und fallen unter die Grundsätze der Bestellung.4 Im Übrigen führt die Übertragung von außerbergrechtlichen Pflichten und Befugnissen nicht zu einer mit der Bestellung verbundenen Delegation der verwaltungsrechtlichen Verantwortung. Dies betrifft insbesondere Pflichten und Befugnisse des Umweltrechts (u.a. Abfallrecht, Immissionsschutzrecht, Bodenschutzrecht und Chemikalienrecht). Werden solche Pflichten und Befugnisse – wie in der Praxis üblich – neben den bergrechtlichen Pflichten und Befugnissen im Rahmen der Bestellung übertragen, dient dies neben der reinen Aufgabenzuweisung als Hinweis der betroffenen Person auf die entstehende Verantwortlichkeit neben dem Unternehmer nach den Regeln des StGB und OWiG.5 Eine verwaltungsrechtliche Verantwortlichkeit nach den außerbergrechtlichen Vorschriften kann sich aber aus der Bestellung als verantwortliche Person oder Beauftragter nach Maßgabe des entsprechenden Fachrechts ergeben (vgl. § 58 Rn. 19).

1 2 3 4 5

A.A. wohl Frenz/Rehs BBergG, § 62 Rn. 2. BT-Drs. 8/1315, S. 115. Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 62 Rn. 5. Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 62 Rn. 7. Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 62 Rn. 7.

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Drittes Kapitel – Verantwortliche Personen

§ 62

Mit der Übertragung einzelner Pflichten und Befugnisse auf verantwortliche Personen treten 5 diese im Rahmen ihrer Aufgaben und Befugnisse in die Verantwortlichkeit nach § 58 Abs. 1 Nr. 2 ein. Der Unternehmer bleibt aber nach § 62 Satz 2 auch nach einer Delegation von Pflichten und Befugnissen für alle ihm nach § 61 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz und Satz 2 obliegenden Pflichten verantwortlich. Gleiches gilt für Pflichten aus Bergverordnungen. Außerhalb der Leitungsfunktion ändert sich jedoch mit der Übertragung der Pflichten und der Befugnisse der Inhalt der Unternehmerverantwortung. Der Unternehmer hat in diesem Fall in erster Linie darüber zu wachen, dass die den verantwortlichen Personen übertragenen Rechte und Pflichten ordnungsgemäß wahrgenommen werden; ihm obliegen Aufsichts-, Kontroll-, Informations- und Koordinierungspflichten einschließlich der Pflicht zum Eingreifen aus konkretem Anlass. Dies gilt entsprechend auch bei weiteren Delegationen dem jeweiligen Aufgabenbereich entsprechend. Die Verantwortlichkeit der bestellten verantwortlichen Personen wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass zugleich eine hierzu modifizierte Verantwortung der bestellenden Person bestehen bleibt. Im Falle der Nichterfüllung der Pflichten kann die betreffende Person nach den Regeln des StGB und OWiG zur Verantwortung gezogen werden. Für die Übertragung der Pflichten und Befugnisse ist zwar keine Form vorgeschrieben, doch 6 ist es aus Beweisgründen zweckmäßig, sie im Rahmen der schriftlichen Bestellung gemäß § 60 zu erklären.

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VIERTES KAPITEL Sonstige Bestimmungen für den Betrieb § 63 Rißwerk 1 Der Unternehmer hat für jeden Gewinnungsbetrieb und untertägigen Aufsuchungsbetrieb ein Rißwerk in zwei Stücken anfertigen und in den durch Rechtsverordnung nach § 67 vorgeschriebenen Zeitabständen nachtragen zu lassen. 2Für Aufsuchungsbetriebe über Tage gilt dies nur, soweit es durch Rechtsverordnung nach § 67 vorgeschrieben wird. 3Durch Rechtsverordnung nach § 67 können Ausnahmen von Satz 1 zugelassen werden, wenn es sich um Betriebe von geringer Gefährlichkeit und Bedeutung handelt, die Aufsuchung oder Gewinnung einen geringen Umfang hat und das Wiedernutzbarmachen der Oberfläche nach den Vorschriften dieses Gesetzes und auf Grund dieses Gesetzes erlassenen oder aufrechterhaltenen Vorschriften auch ohne Rißwerk sichergestellt werden kann. (2) 1Zum Rißwerk zählen 1. das Grubenbild und 2. sonstige Unterlagen wie Risse, Karten und Pläne. 2 Inhalt und Form des Rißwerkes sowie die nach Art des Betriebes erforderlichen Unterlagen im Sinne des Satzes 1 Nr. 2 ergeben sich aus einer Rechtsverordnung nach § 67. (3) 1Ein Stück des Rißwerkes ist der zuständigen Behörde einzureichen, das andere an einem geeigneten Ort im Betrieb oder in dessen Nähe aufzubewahren. 2Mit Zustimmung der zuständigen Behörde kann von der Einreichung der in Absatz 2 Satz 1 Nr. 2 genannten Unterlagen abgesehen werden. (4) 1Wer der zuständigen Behörde gegenüber glaubhaft macht, daß er von einem Bergschaden betroffen sein kann, ist zur Einsichtnahme in den entsprechenden Teil des bei der Behörde befindlichen Stückes des Grubenbildes berechtigt. 2Dem Unternehmer ist Gelegenheit zu geben, bei der Einsichtnahme zugegen zu sein.

(1)

Übersicht I.

Vorbemerkungen

1

II.

Anwendungsbereich

III.

Risswerk

IV.

Nachtragungspflicht

V.

Anfertigung von zwei Stücken

VI.

Kreis der Verpflichteten

13

VII. Einreichungs- und Aufbewahrungspflicht 3

VIII. Bergrechtliches Einsichtnahmerecht

6 10 11

IX.

Umweltinformationsgesetz

22

X.

Informationsfreiheitsgesetz

29

XI.

Verwaltungsverfahren, Zuwiderhandlun30 gen

16

12

I. Vorbemerkungen 1 Wegen der mit der Aufsuchung und Gewinnung von Bodenschätzen verbundenen Einwirkungen auf den Erdkörper und wegen der dynamischen Betriebsweise des Bergbaus sind zur ordnungsgemäßen Betriebsführung Messungen und maßstäbliche zeichnerische Darstellungen über den Bergbaubetrieb unentbehrlich. Zuverlässige und vollständige Risswerke gehören daher seit lanHerrmann https://doi.org/10.1515/9783110709285-092

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Viertes Kapitel – Sonstige Bestimmungen für den Betrieb

§ 63

ger Zeit zu den wesentlichen Hilfsmitteln des Bergbaus. „Ein sinnvoller und planmäßiger Abbau von Bodenschätzen ist ohne ein Risswerk in der Regel nicht möglich“;1 dies gilt in besonderem Maße für die untertägige Aufsuchung und Gewinnung von Bodenschätzen. Darüber hinaus bedarf auch die Bergbehörde zur wirksamen Handhabung der Bergaufsicht solcher Unterlagen. Schließlich kann das Risswerk als Beweismaterial bei der Geltendmachung von Bergschadensersatzansprüchen von Bedeutung sein.2 Die bergbauspezifische und sehr ausdifferenzierte Dokumentationspflicht des sich ständig in 1a Veränderung befindlichen Aufsuchungs- oder Gewinnungsbetriebs einschließlich der Wiedernutzbarmachungsphase durch weisungsfreie fachkundige Markscheider und anerkannte „andere Personen“ gehört zu den grundlegenden Bestandteilen des bergrechtlichen Zulassungs- und Aufsichtsystems, das sich deutlich vom sonstigen Abgrabungsrecht außerhalb des BBergG unterscheidet. Gleichzeitig bedarf die für den Unternehmer belastende Risswerksführungspflicht einer im Einzelfall angemessenen Begrenzung, um Kleinbetriebe und wenig dynamische Bergbautätigkeiten ganz oder teilweise von den gesetzlichen Grundpflichten zu entlasten. In Anlehnung an das früher geltende Recht enthält das Bundesberggesetz in §§ 63 und 64 2 Vorschriften zur Ordnung des Vermessungs-(Markscheider-)wesens, insbesondere des Risswerks. Einzelheiten hierzu sind in der mit Wirkung zum 1.10.2019 grundlegend novellierten Markscheider-Bergverordnung enthalten.3 Diese regelt neben Anforderungen zur Ausführung von markscheiderischen Arbeiten und Messungen auch Ausnahmen zur gesetzlichen Risswerkführungspflicht nach Absatz 1 Satz 3 sowie zum Umfang der Einreichungspflicht risslicher Unterlagen bei der zuständigen Bergbehörde nach Absatz 3 Satz 2.

II. Anwendungsbereich Der Unternehmer hat nach Absatz 1 für jeden Gewinnungsbetrieb und untertägigen Aufsu- 3 chungsbetrieb ein Risswerk anzufertigen und nachzutragen. Dies gilt für die Aufsuchung und Gewinnung bergfreier und grundeigener Bodenschätze. Untertägig ist ein Betrieb, in dem sich untertägig Menschen aufhalten können. Aufgrund entsprechender Verweisungen auf § 63 gilt diese Verpflichtung auch für Untergrundspeicher (§ 126 Abs. 1), Anlagen zur Lagerung, Sicherstellung oder Endlagerung radioaktiver Stoffe, wenn die Anlage ihrer Art nach auch zur unterirdischen behälterlosen Speicherung geeignet ist (§ 126 Abs. 3), das Aufsuchen und das Gewinnen in alten Halden (§ 128) und Versuchsgruben (§ 129 Abs. 1). Die Pflicht zur Anfertigung und Nachtragung des Risswerks liegt ausschließlich im öffentlichen Interesse und stellt kein subjektives Recht dar, auf das sich Personen berufen können.4 Die unter den Anwendungsbereich dieser Verpflichtung fallenden Tätigkeiten können gemäß § 63 Abs. 1 Sätze 2 und 3 mittels Rechtsverordnung erweitert oder eingeschränkt werden. Hiervon ist mit der MarkschBergV Gebrauch gemacht worden. Nach § 63 Abs. 1 Satz 2 kann durch Rechtsverordnung die Verpflichtung zur Vorlage des Riss- 4 werks auf übertägige Aufsuchungsbetriebe erweitert werden. Dies ist durch Aufnahme einer Risswerksführungspflicht für mit Bohrungen verbundene Vorhaben erfolgt, wonach die Vorlage eines Bohrlochbildes als „sonstige Unterlage“ im Sinne des § 63 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 vorgeschrieben wird (Anlage 3 Teil 1 Nr. 1.3 sowie Teil 2 Nr. 14 MarkschBergV). Die von übertage niedergebrachte Bohrung zur Aufsuchung unterfällt damit ebenfalls der Risswerksführungspflicht.5 1 BT-Drs. 8/1315, S. 116. 2 Zur geschichtlichen Entwicklung der Grubenbilder und ihrer Bedeutung, vgl. Scharf Mitteilungen aus dem Markscheidewesen 1970, 45. 3 Markscheider-Bergverordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. Juli 2020 (BGBl. I S. 1702). 4 OVG Münster 31.10.2013, 11 A 174/11 = ZfB 2013, 322, 324; VG Gelsenkirchen 25.11.2010, 8 K 5305/9 = ZfB 2011, 62, 64. 5 Vgl. § 12 Abs. 1 Nr. 2 sowie Anlage 3 zu §§ 9, 12 und 13 MarkschBergV (Aufsuchungs- und Gewinnungsbetrieb mit Bohrungen von über Tage). Die darin geregelten Ausnahmen setzen im Umkehrschluss voraus, dass grundsätzlich eine Risswerksführungspflicht nach § 63 Abs. 1 Satz 1 besteht. 803

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§ 63

Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

Nach § 63 Abs. 1 Satz 3 können in einer Rechtsverordnung die Pflichten zur Vorlage eines Risswerks für Betriebe mit geringer Gefährlichkeit und Bedeutung eingeschränkt werden, wenn die Aufsuchung und Gewinnung einen geringen Umfang hat und die Wiedernutzbarmachung sichergestellt ist. Diese Kriterien entsprechen weitgehend denen für die Befreiung von der Betriebsplanpflicht (§ 51 Abs. 3). Eine generelle Befreiung einzelner Betriebsarten von dem Erfordernis des Risswerks ist aufgrund der Bedeutung des Risswerks für bergbauliche Betriebe und die Bergaufsicht ausgeschlossen.6 Eine Ausnahmebewilligung kommt nach § 63 Abs. 1 Satz 3 nur in Betracht, soweit keine Gefahren vorhanden sind, zu deren Vermeidung das Risswerk ganz oder teilweise erforderlich ist. Dies setzt eine Einzelfallprüfung der Behörde voraus; eine in der Rechtsverordnung verankerte unmittelbar geltende Ausnahme für bestimmte Arten von Betrieben würde den unterschiedlichen Gegebenheiten der verschiedenen Bergbaubetriebe nicht ausreichend Rechnung tragen. § 12 Abs. 1 MarkschBergV schränkt die Ausnahmemöglichkeit auf übertägige Gewinnungsbetriebe, Gewinnungsbetriebe mit Bohrungen von übertage, Porenspeicher und Betrieben zur Gewinnung in alten Halden ein. Darüber hinaus setzt die Erteilung einer Ausnahme die Erfüllung der in § 12 Abs. 2 MarkschBergV aufgestellten Sicherheitsanforderungen voraus. Hiernach dürfen u.a. keine gefährlichen Bodenbewegungen oder weiträumige Grundwasserabsenkungen auftreten. Diese Sicherheitsanforderungen stellen eine Konkretisierung der in § 63 Abs. 1 Satz 3 enthaltenen Kriterien dar und sind für die Erteilung der Ausnahme allein maßgeblich. Eine bestimmte Form der Ausnahmebewilligung ist nicht vorgeschrieben. 5a Die Ausnahmebewilligung kann im Zusammenhang mit einer Betriebsplanzulassung oder als eigenständiger Verwaltungsakt gegenüber dem Unternehmer als Adressaten der Risswerksführungspflicht erfolgen. Als Dispens von einer Unternehmerpflicht nach Absatz 1 Satz 1 steht die Ausnahmebewilligung im Ermessen der zuständigen Bergbehörde, deren Ermessensspielraum durch die tatbestandlichen Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 3 und § 12 Abs. 2 MarkschBergV eingeschränkt wird, aber dadurch nicht zu einem Anspruch auf eine Ausnahmebewilligung führt, wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind. Die „Kann“-Bestimmung in § 12 Abs. 1 MarkschBergV regelt insoweit nicht nur eine Befugnis der zuständigen Bergbehörde zur Ausnahmebewilligung, sondern belässt dieser gerade auch dann ein Entscheidungsermessen, wenn die entgegenstehenden Gründe („darf nur erteilt werden, wenn“) nach § 12 Abs. 2 MarkschBergV nicht vorliegen. 5b Eine Ausnahmebewilligung nach § 12 Abs. 1 MarkschBergV bezieht sich nur auf das Grubenbild, nicht auf die Risswerksführung als Ganzes. Darüber hinaus verlangt § 12 Abs. 3 MarkschBergV im Falle einer Ausnahmebewilligung zum Grubenbild die Erstellung „besonderer risslicher Darstellungen“ als Bestandteil der sonstigen Unterlagen im Risswerk. Der gesetzliche Spielraum für eine auch vollständige Ausnahme zur Risswerksführungspflicht nach Absatz 1 Satz 1 wird damit durch die MarkschBergV nicht ausgeschöpft. Möglich ist aber die Kombination mit einer Verlängerung der Nachtragungspflichten nach § 10 Abs. 3 MarkschBergV, so dass für Betriebe mit geringer Gefährlichkeit und Bedeutung eine Entlastung von Dokumentationspflichten möglich ist. 5

III. Risswerk 6 Im Gegensatz zum früheren Recht, das allein auf das Grubenbild abstellte, ist Ausgangspunkt des § 63 das Risswerk. Ein Riss ist eine im Wesentlichen aufgrund von Messungs- und Berechnungsergebnissen erstellte zeichnerische Darstellung, die ein klares, übersichtliches und vollständiges Bild von dem jeweiligen Zustand des Bergbaubetriebes unter- und übertage sowie seiner Umgebung gibt. Je nach Darstellungsobjekt unterscheidet man verschiedene Risse, wie z.B. Gewinnungsrisse, Tagesrisse, Sohlenrisse für untertägige Gewinnung. Welche Angaben die einzelnen Risse enthalten müssen, ergibt sich aus Anlage 3 Teil 2 MarkschBergV. Eine Mehrzahl von Rissen und anderen Unterlagen bilden ein Risswerk. Zum Risswerk zählen gemäß Absatz 2 das Grubenbild (Nummer 1) sowie sonstige Unterlagen, wie Risse, Karten und Pläne (Nummer 2). 6 BR-Drs. 483/86, S. 59. Herrmann

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Eine Legaldefinition des Begriffes Grubenbild enthält weder das Bundesberggesetz noch die MarkschBergV. Das Grubenbild setzt sich aus verschiedenen Rissen zusammen. Risse können auch sonstige Unterlagen nach § 63 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 sein. Die Zuordnung der risslichen Darstellungen und Verzeichnisse zum Grubenbild oder den sonstigen Unterlagen richtet sich nach der Bedeutung, die dem jeweiligen Bestandteil im Hinblick auf die mit dem Risswerk verfolgten Ziele beizumessen ist.7 In Ausfüllung des § 63 Abs. 2 Satz 2 legt Anlage 3 Teil 1 MarkschBergV differenziert nach untertägigen, übertägigen und mittels Bohrungen von über Tage betriebenen Aufsuchungsund Gewinnungsbetrieben sowie bergbauverwandten Tätigkeiten (Untergrundspeicher, Halden, Versuchsgruben) fest, welche Risse vorzulegen sind, welche Risse das Grubenbild bilden sowie welche den sonstigen Unterlagen zuzuordnen sind. Von der Zuordnung der einzelnen Risse hängt ab, welchen Umfang die Ausnahmeregelungen des § 63 Abs. 1 Sätze 2 und 3 hinsichtlich der Pflicht zur Anfertigung des Risswerkes haben (vgl. Rn. 3, 4), ob der Riss von einem anerkannten Markscheider oder auch von einer anderen anerkannten Person gemäß § 64 Abs. 1 Satz 2 angefertigt werden darf (vgl. § 64 Rn. 7) und welche Risse einer Einsichtnahme nach Absatz 4 zugänglich sind (vgl. Rn. 16 ff.). Zu den sonstigen Unterlagen nach § 63 Abs. 2 Satz 1 Nummer 2 zählen neben Rissen auch Karten und Pläne. Die nicht abschließende Aufzählung der Nummer 2 verbietet dem Verordnungsgeber nicht, weitere Dokumente als sonstige Unterlagen vorzuschreiben. Nach Anlage 3 Teil 1 MarkschBergV sind für bestimmte Tätigkeiten auch Verzeichnisse, wie z.B. über Standwasserbereiche, oder sonstige Risse, wie z.B. Bohrlochbilder, vorzulegen. Der Inhalt, den diese Dokumente mindestens enthalten müssen, ist in Anlage 3 Teil 2 MarkschBergV festgelegt. Wesentliche Grundlage des Risswerkes bilden Messungen und Berechnungen. Wegen der Bedeutung des Risswerks (vgl. Rn. 1) werden gestützt auf § 63 Abs. 2 Satz 2 in den §§ 2 bis 8 MarkschBergV Anforderungen an die Durchführung markscheiderischer und sonstiger vermessungstechnischer Arbeiten gestellt. Diese gehen von den Grundprinzipien der Richtigkeit, Übersichtlichkeit, Lesbarkeit, Genauigkeit, Vollständigkeit und Nachvollziehbarkeit aus.8 Bei den markscheiderischen Arbeiten sind unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten die allgemein anerkannten Regeln der Markscheide- und Vermessungskunde einzuhalten. Die allgemein anerkannten Regeln für die Herstellung und Ausgestaltung des Risswerks sind in den Normen DIN 21901 ff. zusammengefasst.9 Die DIN-Normen umfassen die Bereiche Grundlagen, Form und Inhalt des Bergmännischen Risswerkes (DIN 21901 bis DIN 21908), Tagesgegenstände und Tagebaue (DIN 21913 bis DIN 21914), Technische und Sicherheitseinrichtungen, Gebirgsbewegungsgrößen (DIN 21915 bis DIN 21917), Geologische Zeichen und Begriffe (DIN 21918 bis DIN 21921). Außerdem ist es, ohne dass es einer Regelung in einer Rechtsvorschrift bedarf, anerkannt, dass bei Anwendung einer anerkannten technischen Norm die Vermutung dafür besteht, dass die allgemein anerkannten Regeln der Technik eingehalten werden. Des Weiteren enthalten die §§ 3 bis 8 MarkschBergV Vorschriften über die Koordinaten- und Höhensysteme, den Anschluss der Vermessungen an sichere Festpunkte, die Einhaltung bestimmter Messgenauigkeiten, die Anfertigung von Messungs- und Berechnungsdokumentationen sowie die Verwendung fremder Unterlagen. Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 MarkschBergV kann das Risswerk auf Antrag und nach schriftlicher Zustimmung der zuständigen Behörde in elektronischer Form nach den Grundsätzen der elek-

7 BR-Drs. 486/86, S. 57. 8 Zur Einführung neuer Techniken bei der Erstellung des Risswerks vgl. Frenz/Preuße in: Hendler/Reinhardt (Hrsg.) Jahrbuch des Umwelt- und Technikrechts 2005, S. 325 ff.

9 § 2 Abs. 1 Satz 1 MarkschBergV enthält bei den allgemein anerkannten Regeln der Markscheide- und Vermessungskunde eine statische Verweisung auf die grundlegende DIN 21901 (Ausgabe Februar 1984), schließt aber nicht aus, dass abweichende oder zusätzliche Eintragungen im Risswerk nach den örtlichen Gegebenheiten vorgenommen werden. Diese sind im Risswerk nach § 2 Abs. 1 Satz 3 MarkschBergV kenntlich zu machen und nach § 2 Abs. 1 Satz 4 MarkschBergV zu begründen. 805

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Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

tronischen Langzeitarchivierung vorgehalten werden.10 Zum Abschluss des Risswerks entscheidet die zuständige Behörde nach § 9 Abs. 1 Satz 5 MarkschBergV ebenso darüber, ob dieses in elektronischer Form eingereicht werden kann. Beide Regelungen bezwecken, dass auch im Falle einer – nur – elektronischen Risswerksführung die Inhalte langzeitsicher für die Verwendung und Archivierung gesichert werden.11 9b Das Risswerk in elektronischer Form erfüllt mit einer qualifizierten elektronischen Signatur die Anforderungen an eine private Urkunde nach § 371a Abs. 1 ZPO und kann damit vor Gericht als Beweismittel dafür, dass die elektronische Urkunde vom Aussteller stammt, verwendet werden. Das von einem Markscheider innerhalb seines Geschäftskreises erstellte elektronische Risswerk ist darüber hinaus ein öffentliches elektronisches Dokument nach § 371a Abs. 3 ZPO und hat mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen die Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde nach § 415 ZPO (§ 64 Rn. 11). Ein Risswerk in elektronischer Form erfüllt damit gleichwertig zum analogen Risswerk alle Anforderungen einer Urkunde. Eine Verpflichtung des Unternehmers zur Risswerksführung in elektronischer Form besteht 9c nicht, da § 9 Abs. 1 Satz 3 MarkschBergV nur eine Zustimmung der Bergbehörde auf einen Antrag des Unternehmers regelt und keine weitergehende Befugnisnorm zur Einreichung des Risswerks bei der zuständigen Behörde enthält. Der zuständigen Behörde steht es aber frei, analoge Risswerke zu digitalisieren und für eigene Zwecke z.B. in behördeninternen Informationssystemen in elektronischer Form zu verwenden. Ein unmittelbarer Datenaustausch zwischen risswerkführendem Markscheider oder dem Unternehmer mit der zuständigen Behörde ist ebenso möglich. Dem durch die zuständige Behörde erstellten Digitalisat eines Risswerks als öffentlicher Urkunde kann nach § 371b ZPO unter den darin genannten Bedingungen die Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde zukommen.

IV. Nachtragungspflicht 10 Die aufgrund der dynamischen Betriebsweise bei der Gewinnung von Bodenschätzen verbundenen betrieblichen Veränderungen machen eine regelmäßige Anpassung des Risswerks an die veränderten Gegebenheiten erforderlich. Deshalb hat der Unternehmer innerhalb bestimmter Fristen das Risswerk nachtragen zu lassen (§ 63 Abs. 1 Satz 1). Für die Fristen zur Nachtragung und Einreichung des Risswerks ist der Umfang der Veränderungen, der sich bei der Durchführung der verschiedenen bergbaulichen Tätigkeiten erfahrungsgemäß einstellt, maßgeblich.12 Aus diesem Grund legt die MarkschBergV Fristen für die Nachtragung und Einreichung des Risswerks differenziert nach der Art der Aufsuchung und Gewinnung von Bodenschätzen und der bergbauverwandten Tätigkeiten zwischen 3 und 48 Monaten fest (Anlage 4, Teil 1 MarkschBergV). Sicherheitlich besonders wichtige Veränderungen sind unverzüglich im Risswerk nachzutragen. Hierzu zählen u.a. betriebliche Sicherheitspfeiler, Standwasserbereiche, Brandherde, Austritt- und Ausbruchstellen von Gasen und Gebirgsschlagsstellen (Anlage 4, Teil 2 MarkschBergV). Wie die Anfertigung, liegt auch die Nachtragung des Risswerks ausschließlich im öffentlichen Interesse, auf die sich ein Einzelner nicht berufen kann. Auch das Einsichtnahmerecht gemäß § 63 Abs. 4 rechtfertigt keine andere Auffassung.13 Zeitlich besteht die Nachtragungspflicht bis zum Ende der Bergaufsicht, womit sicherheitlich 10a relevante Veränderungen der Geländeoberfläche wie Rutschungen oder Senkungen auch nach Einstellung des Betriebs erfasst werden können.14 Diese mit Wirkung zum 1.10.2019 in Kraft getre10 Vgl. hierzu Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 68 Rn. 57. 11 Bedenken zur elektronischen Form des abgeschlossenen Risswerks aufgrund der begrenzten Haltbarkeit von Speichermedien äußert Frenz/Kirchner BBergG, §§ 65–67 Rn. 32.

12 BR-Drs. 486/86, S. 58. 13 OVG Münster 31.10.2013, 11 A 174/11 = ZfB 2013, 322, 324; OVG Münster 31.10.2013, 11 A 1005/11, UPR 2014, 80 Rn. 23. 14 Zu sofort eintragungspflichtigen Ereignissen vgl. Anlage 4 Teil 2 MarkschBergV. Herrmann

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Viertes Kapitel – Sonstige Bestimmungen für den Betrieb

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tene Änderung von § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 MarkschBergV gilt aufgrund der Übergangsregelung in § 10 Abs. 2 Satz 2 MarkschBergV nicht für Betriebe, für die zu diesem Zeitpunkt das Risswerk bereits vollständig nachgetragen und abgeschlossen war.15 Mit der zeitlichen Erweiterung der Nachtragungspflicht bis zum Ende der Bergaufsicht hat der Verordnungsgeber eine bis dahin bestehende Lücke geschlossen, da gerade in bergschadensrechtlicher Hinsicht oder für Zwecke der Gefahrenabwehr für die nachbetriebliche Phase zwischen Einstellung des Betriebs und Ende der Bergaufsicht die für diese Zwecke relevanten Veränderungen dokumentiert sein müssen. Neben der Nachtragung des Risswerks bestehen weitere Dokumentationspflichten für Mes- 10b sungen und Berechnungen nach § 7 i.V.m. Anlage 2 MarkschBergV, die ebenfalls bis zum Ende der Bergaufsicht auf Verlangen der zuständigen Behörde vorgelegt werden müssen. Die Dokumentation wird dem Stand der Technik entsprechend regelmäßig in digitaler Form erfolgen.16 Die zuständige Behörde kann aber im Einzelfall verlangen, dass die Dokumentation in dauerhafter analoger Form entweder auf Vordrucken oder durch Ausdruck aus der digitalen Dokumentation erstellt wird.17 Inhaltlich werden hierdurch nicht nur die von der zuständigen Behörde angeordneten Messungen nach § 125 erfasst, sondern darüber hinaus auch alle Messungen im Zusammenhang mit bergbaubedingten Bodenbewegungen oder im Zusammenhang mit der Erstellung des Risswerks.18 Dokumentierte Messungen und Berechnungen zu bergbaubedingten Bodenbewegungen stel- 10c len Unterlagen dar, die im Rahmen der Auskunfts- und Vorlagepflicht nach § 70 der zuständigen Bergbehörde zugänglich gemacht werden müssen.19 Dies dient nicht nur bergaufsichtlichen Aufgaben zur Überwachung von Bergbaubetrieben, sondern kann auch der Überwachung markscheiderischer Tätigkeiten im Sinne von § 69 Abs. 3 dienen. Dokumentierte Messungen und Berechnungen sind nicht Bestandteil des Grubenbildes und un- 10d terliegen damit nur dann dem Einsichtsrecht Dritter nach § 63 Abs. 4, wenn es sich um Ergebnisse zu Messungen nach § 125 Abs. 1 Satz 3 handelt (§ 125 Rn. 22). Messergebnisse sind ebenso wie das Grubenbild die risslichen Eintragungen bzw. Messwerte und damit nicht deckungsgleich mit der umfassenden Dokumentation der Messungen, die nach § 7 MarkschBergV auch entsprechende weitere Daten zum Messzeitpunkt, zur Vermessungsperson und zum Messverfahren enthalten. Sonstige Messungen zu bergbaubedingten Bodenbewegungen, die erst durch die Erweiterung des Anwendungsbereichs in § 1 Nr. 2 MarkschBergV der Dokumentationspflicht des Bergbauunternehmers unterfallen, können allerdings ebenso bergschadensrelevant sein. Eine analoge Anwendung von § 125 Abs. 1 Satz 3 auf diese Messdaten ist damit gerechtfertigt, um eine Regelungslücke beim Informationszugang des Bergschadensbetroffenen zu vermeiden, die ansonsten nur über den im Bergschadensrecht systemfremden Umweg eines Umweltinformationsanspruchs geschlossen würde.

V. Anfertigung von zwei Stücken Der Unternehmer ist gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 grundsätzlich verpflichtet, das Risswerk in zwei Stü- 11 cken anfertigen zu lassen. Die Notwendigkeit, das Risswerk in zwei Exemplaren anzufertigen, ergibt sich einerseits aus seinen betrieblichen Zwecken und andererseits aus seinem bergaufsichtlichen Verwendungszweck.20 Die betriebliche Ausfertigung muss dabei im Betrieb oder in räumlicher Nähe dazu aufbe- 11a wahrt werden (§ 63 Abs. 3 Satz 1). Im Falle einer von der zuständigen Behörde nach § 9 Abs. 1 15 16 17 18

Zur vorherigen Rechtslage vgl. Frenz/Kirchner BBergG, §§ 65–67 Rn. 32. Nr. 1.2 Anlage 2 MarkschBergV. Nr. 1.4 und Nr. 1.5 Anlage 2 MarkschBergV. § 1 MarkschBergV begrenzt den Anwendungsbereich der Pflichten aus der MarkschBergV nur insoweit, als die Messungen im Zusammenhang mit Tätigkeiten und Einrichtungen nach § 2 stehen müssen. 19 § 15 Abs. 2 Satz 2 MarkschBergV. 20 BT-Drs. 8/1315, S. 116. 807

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Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

Satz 3 MarkschBergV zugelassenen elektronischen Führung des Risswerks muss sichergestellt sein, dass dieses für betriebliche Zwecke insbesondere den verantwortlichen Personen im Rahmen ihrer Bestellung zugänglich ist. Die behördliche Ausfertigung des Risswerks ist Grundlage bergaufsichtlicher Befugnisse, aber ebenso Grundlage des Betriebsplanverfahrens, da der aktuelle Betriebszustand anhand risslicher Unterlagen nachgewiesen werden muss. Nach § 10 Abs. 2 Nr. 1 MarkschBergV ist deshalb durch den Unternehmer sicherzustellen, dass das Risswerk zum Zeitpunkt der Antragstellung vollständig nachgetragen ist.21 Die behördliche Ausfertigung dient weiterhin Informationsansprüchen Dritter nach Absatz 4. Das Erfordernis eines zweiten Exemplars entfällt für sonstige Unterlagen i.S.d. § 63 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, sofern von ihrer Einreichung mit Zustimmung der Behörde abgesehen werden kann (§ 63 Abs. 3 Satz 2). Insoweit ist die Pflicht zur Anfertigung von zwei Stücken des Risswerks eingeschränkt. Das zum Zeitpunkt der Beendigung der Bergaufsicht vollständig nachgetragene Risswerk22 wird aber aufgrund der Dokumentationsfunktion des Risswerks für dauerhafte Bergbaufolgen oder mögliche spätere bergbauliche Aktivitäten regelmäßig vollständig bei der zuständigen Bergbehörde einzureichen sein. Vorherige Ausnahmebewilligungen können insoweit beschränkt oder widerrufen werden.

VI. Kreis der Verpflichteten 12 Die Verantwortung für das Risswerk ist geteilt. Die in § 63 Abs. 1 i.V.m. § 12 MarkschBergV bestehende Verpflichtung, ein Risswerk anfertigen und nachtragen zu lassen, gilt für den Unternehmer des entsprechenden Betriebes. Die Anfertigung und Nachtragung des Risswerks selbst ist gemäß § 64 Abs. 1 anerkannten Markscheidern oder anderen anerkannten Personen vorbehalten. Wenn der Unternehmer nicht gemäß § 64 Abs. 1 selbst als Markscheider von der Behörde anerkannt ist, kann er das Risswerk nicht anfertigen und nachtragen. Aus der Weisungsfreiheit des Markscheiders nach § 64 Abs. 2 lässt sich im Übrigen nicht ableiten, dass der Unternehmer als anerkannter Markscheider kein Risswerk für den eigenen Betrieb führen kann. Aufgrund der damit verbundenen Einschränkungen der Berufsausübungsfreiheit bedürfte dies einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage. Bei Unternehmer-Markscheidern wird deshalb in besonderem Maße die Aufsicht der zuständigen Bergbehörde nach § 69 Abs. 3 sicherstellen müssen, dass die Anfertigung und Nachtragung des Risswerks nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik erstellt werden.23 Im Regelfall hat sich der risswerksführungspflichtige Unternehmer einer gemäß § 64 Abs. 1 anerkannten Personen zu bedienen. Der Unternehmer hat diese Personen mit der Anfertigung des Risswerks zu beauftragen und sicherzustellen, dass diese ihre Aufgaben erfüllt. Der Unternehmer trägt demnach die Verantwortung dafür, dass ein Risswerk in dem vorgeschriebenen Umfang angefertigt und in den festgelegten Zeitabständen nachgetragen wird. Deutlich wird der so beschriebene Pflichtenumfang des Unternehmers in den Regelungen für die Nachtragungsfristen für das Risswerk in § 10 MarkschBergV, wonach der Unternehmer die Pflicht hat, dieses nachtragen und eintragen „zu lassen“ und gemäß § 11 MarkschBergV sicherzustellen hat, dass die anerkannten Markscheider und anerkannten Personen i.S.d. § 64 Abs. 1 Satz 2 ihre Arbeiten durchführen können. Die Verantwortung für Form und Inhalt des Risswerks liegt dagegen nicht beim Unternehmer, sondern bei der mit der Anfertigung und Nachtragung beauftragten Person. Die Markschei21 Ebenso sind risswerksführende Personen nach § 11 Nr. 1 MarkschBergV bereits vor Erstellung von Betriebsplänen vom Unternehmer einzubeziehen. 22 § 10 Abs. 2 Nr. 2 MarkschBergV. 23 Zur Inkompatibilität der Risswerksführung durch einen bei der zuständigen Bergbehörde tätigen Markscheider vgl. Frenz/König/Neumann/Preuße BBergG, § 64 Rn. 9; regelmäßig wird dies aber schon dienstrechtlich wegen Interessenkonflikten ausgeschlossen sein. Sind allerdings Interessenkonflikte ausgeschlossen, steht beispielsweise dem Abschluss des Risswerks durch einen Behördenmarkscheider im Falle einer Ersatzvornahme bei einem insolventen Bergbauunternehmen nichts entgegen. Herrmann

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der sind gemäß § 64 Abs. 2 bei der Anwendung ihrer Fachkunde weisungsfrei; die von ihnen im Rahmen ihres Geschäftskreises beurkundeten Tatsachen genießen öffentlichen Glauben (vgl. § 64 Rn. 10 f.). Der Unternehmer kann sich also auf ihre Arbeiten verlassen. Bei anderen Personen gemäß § 64 Abs. 1 Satz 2, die sonstige Unterlagen i.S.d. § 63 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 anfertigen und nachtragen dürfen, wird die erforderliche Fachkunde und Zuverlässigkeit durch die vorgeschriebene behördliche Anerkennung nach § 13 MarkschBergV gewährleistet.

VII. Einreichungs- und Aufbewahrungspflicht Nach § 63 Abs. 3 Satz 1 ist ein Stück des Risswerks der Bergbehörde einzureichen. Die Verpflichtung zur Einreichung eines Exemplares gilt für das Grubenbild uneingeschränkt; welche Risse Teil des Grubenbildes sind, richtet sich nach Anlage 3, Teil 1 MarkschBergV. Von der Einreichung der von § 63 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 erfassten sonstigen Unterlagen kann dagegen mit Zustimmung der zuständigen Behörde abgesehen werden. Die Bergbehörde kann die Zustimmung nach § 63 Abs. 3 Satz 2 sowohl für einzelne Betriebe als auch für bestimmte Arten von Unterlagen erteilen. Ausnahmen von der Einreichungspflicht sind vom Unternehmer zu beantragen. Die Zustimmung der zuständigen Behörde ist ein Verwaltungsakt, der eigenständig oder im Rahmen eines Betriebsplanverfahrens erteilt werden kann. Anders als bei weiteren Ausnahmen im Zusammenhang mit der Risswerksführungspflicht (Abweichungen bei Nachtragungspflichten nach § 10 Abs. 3 MarkschBergV, Ausnahmen zum Erfordernis des Grubenbildes nach § 12 MarkschBergV) sieht das Gesetz keine Kriterien für Ausnahmen zur Einreichungspflicht nach Absatz 3 Satz 2 vor. Die zuständige Bergbehörde hat insoweit einen weiten Ermessensspielraum, da die Ausnahme nur Auswirkungen auf die behördliche Aufgabenerfüllung hat, aber keine Belange Dritter berührt. Einsichtsrechte bergschadensbetroffener Dritter nach Absatz 4 werden nicht nachteilig betroffen, da sich das Einsichtsrecht auf das Grubenbild (Absatz 2 Nr. 1) beschränkt, die behördlichen Ausnahmen zur Einreichungspflicht aber nur Unterlagen nach Absatz 2 Nr. 2 erfassen. Der weite Ermessensspielraum der zuständigen Behörde umfasst schließlich auch die Zustimmung zur Führung des Risswerks in digitaler Form, die Einsichtsrechte Dritter nicht nachteilig berühren kann. Mit der Einreichung bei der Bergbehörde wird das abzuliefernde Stück des Risswerks Bestandteil der Akten der Behörde und geht in das Eigentum des Staates über. Die vereinzelt vertretene Auffassung, es handele sich um eine bloße Gebrauchsüberlassung, ist von Zydek24 überzeugend widerlegt worden. Eine Rückgabepflicht des Staates kann jedenfalls beim Risswerk von der Zweckbestimmung her nicht in Betracht kommen, denn das bei der Behörde befindliche Exemplar soll auch nach der Betriebseinstellung noch die Feststellung alter Grubenbaue ermöglichen. Der Urheberrechtsschutz für selbst hergestellte Unterlagen oder veränderte amtliche Unterlagen zugunsten des Unternehmers und des Herstellers von für Risse verwendeten Karten bleibt hiervon unberührt. Während der Dauer des Betriebes muss auch das bei der Bergbehörde befindliche Exemplar des Risswerks nachgetragen werden. Hierzu kann das Risswerk dem Unternehmer kurzfristig zur Nachtragung überlassen werden, ohne dass dies an dem Eigentumsübergang auf den Staat etwas ändert. Der Unternehmer kann seiner Nachtragungspflicht auch dadurch nachkommen, dass er der Bergbehörde ein vollständiges Risswerk in der aktualisierten Form übergibt. Besondere Bedeutung hat die letzte Nachtragung des Risswerks für den eingestellten Betrieb nach § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 MarkschBergV. Dieses dokumentiert den Betriebszustand zum Zeitpunkt der Beendigung der Bergaufsicht und stellt damit die Schnittstelle zur Überleitung einer verbleibenden Gefahrenabwehrverpflichtung in das Ordnungsrecht dar (§ 69 Rn. 25). Die in der

24 Zydek ZfB 1957, 469, 472. 809

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Praxis entwickelten Formen des „Abschlussrisswerks“25 oder „Abschlussdokumentationen“26 basieren auf dem vollständig nachgetragenen Risswerk und enthalten aggregierte Kerninformationen zum eingestellten Betrieb mit dem Ziel einer übersichtlichen Darstellung wesentlicher Daten, die auch für den Zeitraum nach Beendigung der Bergaufsicht Bedeutung haben können. Das Abschlussrisswerk ist damit nicht identisch mit dem abgeschlossenen Risswerk nach § 63 und kann als Auflage in einer Abschlussbetriebsplanzulassung gefordert werden. Risikomanagementsysteme der Bergbehörden wie in Nordrhein-Westfalen27 oder Bergschadenkundliche Analysen in den neuen Bundesländern28 sind hingegen eigene Bewertungsinstrumente der Bergbehörden und werden inzwischen regelmäßig in digitaler Form für Aufgaben der präventiven Gefahrenabwehr verwendet. Sämtliche weiterführende Informationssysteme beruhen aber letztlich auf Darstellungen der abgeschlossenen Risswerke, die im Übrigen auch nach Beendigung der Bergaufsicht die wesentliche Grundlage für den Kausalitätsnachweis bei geltend gemachten Bergschäden für den Bergschadensberechtigten darstellen.29 Ein zweites Exemplar des Risswerks ist als Betriebsausfertigung gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 an 15 einem geeigneten Ort im Betrieb oder in dessen Nähe aufzubewahren. Die Verantwortung für die Auswahl eines geeigneten Ortes für die Aufbewahrung des Risswerks trägt der Unternehmer oder die von ihm bestellte verantwortliche Person. Der Aufbewahrungsort muss so beschaffen sein, dass das Risswerk dort unversehrt bleibt. Es muss sich im Betrieb selbst oder in solcher Nähe des Betriebes befinden, dass das Risswerk bei Betriebskontrollen oder im Falle eines Grubenunglücks leicht erreichbar ist.

VIII. Bergrechtliches Einsichtnahmerecht 16 § 63 Abs. 4 stellt eine berggesetzliche Sonderregelung dar, die gemäß § 1 Abs. 1 letzter Halbsatz VwVfG Vorrang vor den allgemeinen Bestimmungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes über die Akteneinsicht (§§ 29, 30 VwVfG) hat.30 Zusammen mit der Einsichtnahme in das Berechtsamsbuch und in die Berechtsamskarte nach § 76 ist die Grubenbildeinsichtnahme Kern eines bergbauspezifischen Informationszugangsrechts (vgl. hierzu § 76 Rn. 1). Im Gegensatz zu früherem Recht hat der Bundesgesetzgeber davon abgesehen, die Einsichtnahme in das Grubenbild von der Glaubhaftmachung eines Schadensersatzanspruches abhängig zu machen. Dies wird damit begründet, dass es nicht Aufgabe der zuständigen Behörde sein könne, in eine rechtliche Würdigung derartiger privatrechtlicher Ansprüche einzutreten.31 Stattdessen wird das Recht zur Einsichtnahme in § 63 Abs. 4 Satz 1 denjenigen Personen eingeräumt, die glaubhaft machen, dass sie von einem Bergschaden betroffen sein können. Voraussetzung für das berechtigte Interesse zur Einsichtnahme ist also nicht, dass tatsächlich ein Bergschaden vorliegt. Es genügt vielmehr, dass es sich der Art nach, d.h. nach seinem äußeren Erscheinungsbild, um einen solchen Schaden nach § 114 Abs. 1 1. Halbsatz handeln kann.32 Dieses erweiterte Einsichtsrecht ist sachgerecht, da derjenige, 25 Vgl. hierzu z.B. die Richtlinie des Landesamtes für Bergbau, Geologie und Rohstoffe Brandenburg vom 3.12.2001, https://bravors.brandenburg.de/verwaltungsvorschriften/rlabri?msclkid=46763f2cb3e011ec97e13c2f21b75008 (zuletzt abgerufen am 12.3.2023). 26 Zur Definition vgl. die Übersicht in https://www.dmv-ev.de/images/stories/pdf/DMV-FABERG_Gesamt_komp.pdf (zuletzt abgerufen am 12.3.2023). 27 https://www.bra.nrw.de/system/files/media/document/file/flyer_risikomanagement_altbergbau_online.pdf (zuletzt abgerufen am 12.3.2023). 28 Ausdrücklich geregelt ist dies in der Sächsischen Hohlraumverordnung nach § 7 Abs. 1 SächsHohlrVO. 29 Weitere wesentliche Informationen in bergbehördlichen Bergbaukatastern zum Altbergbau sind darüber hinaus Anzeigen zu stillgelegten Grubenbauen oder Hohlräumen, die zu einem späteren Zeitpunkt bekannt werden und nicht in Risswerken erfasst sind. 30 VG Saarlouis 25.8.2003, 2 F 9/03 = ZfB 2004, 86, 87. 31 BT-Drs. 8/1315, S. 116. 32 BT-Drs. 8/1315, S. 116. Herrmann

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der möglicherweise von einem Bergschaden betroffen ist, auch den Anpassungspflichten nach §§ 110 ff. unterliegt. Das Einsichtsrecht soll dem vom Bergbau Betroffenen die Möglichkeit geben, sich über die Auswirkungen des Bergbaus auf sein Eigentum zu informieren; es dient nicht der Kontrolle des Grubenbildes.33 Aktive Mitwirkungspflichten der Bergbehörde, insbesondere als Ausprägung einer verfassungsrechtlichen Schutzverpflichtung zugunsten von Bergschadensbetroffenen, sind damit nicht verbunden.34 Eine Einsichtnahme aufgrund eines allgemeinen Interesses am Zustand der Oberfläche, z.B. 16a für Planungen eines Gemeindegebietes, ist nach § 63 Abs. 4 nicht vorgesehen, aber zulässig.35 Dies ergibt sich aus der Amtspflicht der Bergbehörden, bei ihr vorhandene Kenntnisse zu Gefahren aus früheren bergbaulichen Tätigkeiten, die für Dritte nicht erkennbar sind und insoweit nicht dem allgemeinen Baugrundrisiko zuzuordnen sind, Planungsträgern zugänglich zu machen.36 Eine Information an Planungsträger im Wege der Amtshilfe nach § 4 VwVfG ist ebenso möglich, soweit die Zugangseröffnung zu diesen bergbauspezifischen Informationen zu den Aufgaben der Bergbehörden gehört.37 Einsichtsansprüche privater Dritter, die andere Gründe als Bergschadensbetroffenheiten geltendmachen, sind nach dem Wortlaut von § 63 Abs. 4 nicht gegeben. Insoweit besteht ein Wertungswiderspruch zum Einsichtsrecht nach § 76 Abs. 1, das von einem allgemeiner gefassten berechtigten Interesse abhängig ist. Die restriktive Informationszugangsregelung zur Einsicht in das Grubenbild führt in der Praxis deshalb zu einer Verlagerung zu Informationsansprüchen nach Umweltinformationsrecht, das grundsätzlich neben dem bergbauspezifischen Einsichtsrecht steht und voraussetzungsfrei gewährt werden muss. Eine eigenständige Bedeutung kommt § 63 Abs. 4 allerdings dadurch zu, dass anders als bei Informationsansprüchen nach Umweltinformationsrecht und auch anders als beim Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen nach § 76 Abs. 1 Satz 2 die Einsicht in das Grubenbild ohne Abwägung entgegenstehender Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse erfolgt (Rn. 19). Voraussetzung für die Befugnis zur Einsichtnahme in das Grubenbild ist, dass derjenige, der 17 die Einsichtnahme begehrt, von dem eingetretenen oder zu erwartenden Schaden „betroffen“, d.h. in seinen Rechten beeinträchtigt wird. Der Antragsteller kann z.B. bei einem Sachschaden an seinem Gebäude seine Betroffenheit dadurch nachweisen, dass er neben einem Lageplan mit dem in seinem Antrag gekennzeichneten Grundstück einen Grundbuchauszug oder eine sonstige amtliche Unterlage vorlegt, aus der hervorgeht, dass er Hauseigentümer ist. Bei der Prüfung der für die Einsichtnahme in das Grubenbild erforderlichen Glaubhaftma- 18 chung nach § 63 Abs. 4 Satz 1 ist § 294 ZPO sinngemäß anzuwenden.38 Hiernach tritt an die Stelle des Vollbeweises eine Wahrscheinlichkeitsfeststellung,39 für die jedes geeignete Beweismittel verwendet werden kann. Ob das Beweismittel geeignet und ausreichend ist, eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit der behaupteten Tatsache zu begründen, d.h. von einem Bergschaden betroffen zu sein, hängt vom Einzelfall ab.40 Liegt das betroffene Grundstück innerhalb des nach der EinwirkungsBergV festgelegten Einwirkungsbereichs eines untertägigen Bergbaubetriebes, spricht eine gewisse Vermutung dafür, dass ein Bergschaden vorliegen kann oder zu besorgen ist.

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VG Saarlouis 25.8.2003, 2 F 9/03 = ZfB 2004, 86, 87. Vgl. hierzu Dammert/Brückner ZfB 2017, 249, 264ff. A.A. die Vorauflage. BGH, Urt. v. 29.7.1999 III ZR 234/97, BGHZ 142, 259, ZfB 1999, 277; zustimmend Lühmann, NJ 2000, 94 zu Amtspflichten des Planungsträgers gegenüber dem Bauherrn für von ihm nicht beherrschbare Gefahren aus dem Untergrund. Der BGH lässt allerdings offen, ob auch Amtspflichten der datenhaltenden Fachbehörde zur Mitteilung der bergbauspezifischen Gefahren bestehen. Zu den Amtspflichten der Bergbehörde, alles zu tun, um Gefahren gar nicht erst eintreten zu lassen vgl. Zimmerling/Wingler jurisPK BGB, 2. Aufl. 2020, § 839 Rn. 364. 37 Zu Einsichtnahmen im Wege der Amtshilfe vgl. Frenz/König/Neumann/Preuße BBergG, § 63 Rn. 27. 38 OVG Münster 3.12.1958, IV A 1530, 57 = ZfB 1959, 209. 39 OLG Düsseldorf 26.2.2009, I-10 W 137/8 juris. 40 OVG Münster 3.12.1958, IV A 1530, 57 = ZfB 1959, 209. 811

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Wenn die in den Rn. 16 bis 18 genannten Voraussetzungen erfüllt sind, hat die Bergbehörde dem Antrag stattzugeben. Auf die Frage, ob das Grubenbild ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis darstellt, das einer Einsichtnahme entgegensteht, kommt es hierbei nicht an (vgl. hierzu Rn. 25). Nach § 63 Abs. 4 Satz 2 hat die Bergbehörde dem Unternehmer, in dessen Grubenbild eingesehen werden soll, Gelegenheit zu geben, bei der Einsichtnahme zugegen zu sein. Zu diesem Zweck ist der Unternehmer von dem Antrag auf Einsichtnahme in Kenntnis zu setzen. Der Antrag muss deshalb so rechtzeitig gestellt werden, dass eine Benachrichtigung des Unternehmers über den Termin der Einsichtnahme möglich ist. Der Betroffene kann die Einsichtnahme selbst durchführen oder andere Personen damit be20 auftragen. Letztere müssen dies der Bergbehörde gegenüber mittels Vollmacht nachweisen. Die Einsichtnahme ist bei der Behörde innerhalb der Öffnungszeiten möglich. Sie kann nur persönlich vom Antragsteller oder einer von ihm beauftragten Person bei der Bergbehörde erfolgen. Die Hinzuziehung eines bevollmächtigten Sachverständigen ist zulässig. Die Einsichtnahme in das Grubenbild sollte nur in Gegenwart eines Vertreters der Bergbehörde erfolgen. Über die Einsichtnahme und die zur Verfügung gestellten Unterlagen empfiehlt sich eine Niederschrift aufzunehmen. Die Befugnis zur Einsichtnahme gilt nur für das Grubenbild und nicht für die sonstigen Unterlagen nach § 63 Abs. 2 Nr. 2 (zur Dokumentation von Messungen vgl. aber Rn. 10d). Das Einsichtnahmerecht ist ferner auf den Teil des Grubenbildes beschränkt, auf den sich das Interesse des Betroffenen bezieht.41 Nach Ansicht des VG Saarlouis42 enthält § 63 Abs. 4 Satz 1 keinen Anspruch, von dem Grubenbild Kopien zu fertigen. Im Gegensatz zu § 76 Abs. 2, wonach der Einsichtnehmende auch Auszüge verlangen kann, enthält § 63 Abs. 4 keine solche Regelung. Im Hinblick auf die insoweit weitergehenden Informationsrechte nach dem UIG ist die Auffassung des VG Saarlouis letztlich ohne praktische Bedeutung. Während sich § 63 Abs. 4 auf das Grubenbild beschränkt, bezieht sich das Informationsrecht 21 des Unternehmers bei benachbarten Betrieben gemäß § 9 Abs. 6 Satz 2 MarkschBergV auf Auszüge des Risswerks. Hiernach hat der Unternehmer oder Bergbauberechtigte eines geplanten oder betriebenen Aufsuchungs-, Gewinnungs- oder Untergrundspeicherbetriebs (§ 126) dem benachbarten Unternehmer für die Anfertigung seines Risswerks auf Anforderung Auszüge des Risswerks einschließlich sonstiger Darstellungen zur Verfügung zu stellen, damit dieser die Nachbarbaue in sein Risswerk eintragen kann (§ 9 Abs. 6 Satz 2 MarkschBergV). 19

IX. Umweltinformationsgesetz 22 Neben dem Einsichtnahmerecht gemäß § 63 Abs. 4 können Informationen über das Grubenbild auch aufgrund des Umweltinformationsgesetzes erlangt werden (§ 3 UIG). Die Länder und der Bund haben Umweltinformationsgesetze mit weitgehend gleichem Regelungsinhalt erlassen. Die Voraussetzungen und der Umfang der Rechte nach § 63 Abs. 4 und dem UIG unterscheiden sich dabei. Während § 63 Abs. 4 von einem besonderen Interesse ausgeht, wird mit dem UIG jedem insoweit ein „voraussetzungsloses Informationsrecht“ eingeräumt. Entsprechend der Vorgaben der EG-Richtlinie 2003/4/EG ist ein rechtliches Interesse bei den Begehren nach Information nicht darzulegen (§ 3 Abs. 1 Satz 1 UIG). Zwar ist das Informationsrecht nach dem UIG nicht auf das Grubenbild und auf eine Einsichtnahme beschränkt, es kann jedoch aus bestimmten Gründen versagt werden. Auch wenn gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 UIG andere Ansprüche auf Zugang zu Informationen unberührt bleiben, ergibt sich das selbstständige Nebeneinander von § 63 Abs. 4 und dem UIG bereits aus den unterschiedlichen Voraussetzungen und dem unterschiedlichen Umfang der Rechte.43

41 BT-Drs. 8/1315, S. 116. 42 VG Saarlouis 25.8.2003, 2 F 9/03 = ZfB 2004, 86, 87. 43 Im Ergebnis so auch VG Saarlouis 16.1.2008, 5 K 130/05 = ZfB 2008, 221, 230 f. Herrmann

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Die für den Vollzug des BBergG zuständigen Länderbergbehörden unterliegen den jeweiligen Umweltinformationsgesetzen ihres Landes. Als Teil der öffentlichen Verwaltung stellen sie eine informationspflichtige Stelle dar. Sie verfügen über das Exemplar des Grubenbildes, das der Unternehmer der Bergbehörde einzureichen hat (vgl. Rn. 13). Als Umweltinformationen werden unabhängig von ihrer Speicherung alle Daten über den Zustand von Umweltbestandteilen angesehen; dabei ist der Begriff Umweltinformation weit auszulegen.44 Dies kann auch ein in der Vergangenheit liegender Zustand der Umwelt sein.45 Zu den Umweltbestandteilen zählen u.a. Luft, Wasser, Boden, Landschaft und natürliche Lebensräume (§ 3 Abs. 3 Nr. 1 UIG). Als Boden wird man entsprechend § 2 Abs. 3 BBodSchG auch Lagerstätten von Bodenschätzen zählen. Die Risse des Grubenbildes geben den aktuellen oder zurückliegenden, nicht jedoch künftigen Zustand des Bergbaubetriebes in Bezug auf diese Bestandteile der Umwelt wieder. Das Grubenbild enthält mit seinen Rissen zumindest auch Umweltinformationen.46 Jeder kann nach dem UIG einen Antrag auf den Zugang zum Grubenbild stellen. Die Bergbehörde hat dem Antragsteller den Zugang zu ermöglichen, es sei denn, es liegt einer der in §§ 8 und 9 UIG abschließend genannten Ablehnungsgründe vor. Hiernach kann die Information dann versagt werden, wenn hierdurch Informationen über personenbezogene Daten offenbart werden, wie z.B. die Nennung von Einzeladressen von Grundeigentümern, deren Interessen dadurch erheblich beeinträchtigt werden (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 UIG). Dieser personenbezogene Datenschutz gilt jedoch nicht für juristische Personen des Privatrechts und des öffentlichen Rechts.47 Soweit der Unternehmer seine Risse selbst herstellt oder herstellen lässt, kann ein Ablehnungsgrund auch das Recht auf geistiges Eigentum, insbesondere Urheberrechte darstellen (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 UIG). Schließlich kann das Vorliegen von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen einen Ablehnungsgrund darstellen (§ 9 Abs. 1 Nr. 3 UIG). Eine Bestimmung des Begriffs Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse enthält das UIG nicht. Nach der Rechtsprechung werden hierunter alle auf ein Unternehmen bezogene Tatsachen, Umstände und Vorgänge verstanden, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat.48 Betriebsgeheimnisse umfassen im Wesentlichen technisches Wissen des Unternehmers. Geschäftsgeheimnisse betreffen die kaufmännische Seite.49 Die Begriffsbestimmung für Geschäftsgeheimnisse nach § 2 Nr. 1 GeschGehG kann insoweit auch bei Auslegung der Ausnahmegründe nach § 9 UIG herangezogen werden,50 Die Risse des Grubenbildes enthalten auch Informationen zum Boden und zum Grundwasser, die in Verbindung mit anderen Informationen auf das technische Wissen und die Wirtschaftlichkeit des Unternehmers Rückschlüsse zulassen. Hiernach ist nicht ausgeschlossen, dass das Risswerk Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse beinhaltet, so dass sich empfiehlt, dass die Bergbehörde bei ihrer Prüfung dem Unternehmen Gelegenheit zur Stellungnahme gibt. Eine solche Unterrichtung ist nicht notwendig, wenn der Unternehmer das Risswerk oder Teile des Risswerks als Betriebs- und Geschäftsgeheimnis gekennzeichnet hat (§ 9 Abs. 1 Satz 3 UIG). Wenn ein Ablehnungsgrund gemäß § 9 Abs. 1 UIG vorliegt, schließt dies eine Herausgabe der Informationen nicht aus. Vielmehr kann der Ablehnungsgrund durch die Zustimmung des betroffenen Unternehmers oder wegen überwiegender öffentlicher Interessen ausgeräumt werden (§ 9 Abs. 1 UIG). Im letzteren Fall hat die Behörde im Einzelfall das öffentliche Interesse 44 45 46 47

BVerwG 21.2.2008, 4 C 13/07, BVerwGE 130, 223. OVG Koblenz 2.6.2006, 8 A 10267/06, NVwZ 2007, 351, 352. VG Saarlouis 16.1.2008, 5 M 130/05 = ZfB 2008, 221, 229 f.; VG Arnsberg 29.11.2007, 7 K 3982/06, ZfB 2008, 59, 63. OVG Koblenz 2.6.2006, NVwZ 2007, 351, 353; VG Saarlouis 16.1.2008, 5 K 130/05 = ZfB 2008, 221, 231; VG Arnsberg 29.11.2007, 7 K 3982/06 = ZfB 2008, 59, 66. 48 BVerfG 14.3.2006, 1 BvR 2087/03, BVerfGE 115, 205 (230 f.); BVerwG 24.9.2009, 7 C 2/09, NVwZ 2010, 189 Rn. 50; Landmann/Rohmer/Reidt/Schiller Umweltrecht, § 9 UIG Rn. 19 ff. 49 BVerwG 28.5.2009, 7 C 18/08, NVwZ 2009, 1113. 50 Nach § 1 Abs. 2 GeschGehG gehen aber öffentlich-rechtliche Vorschriften zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen vor. 813

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an der Bekanntgabe mit den Interessen des Betroffenen an der Geheimhaltung abzuwägen;51 hierzu bedarf es einer Anhörung des Betroffenen und konkreter Ermittlungen.52 Das öffentliche Interesse überwiegt nur, wenn mit dem Antrag ein Interesse verfolgt wird, das über das allgemeine Interesse hinaus geht.53 Durch entsprechendes Schwärzen und damit Unkenntlichmachung der geschützten Informationen kann ein Zugang ermöglicht werden.54 27 Der Anspruch gegenüber der Bergbehörde besteht auf Umweltinformationen in der Form, wie diese der Behörde vorliegen. Liegen der Behörde die gewünschten Informationen nur in analoger, nicht jedoch in der gewünschten digitalen Form vor, besteht ein Anspruch nur auf Informationen in analoger Form.55 Für die Übermittlung von Umweltinformationen haben die Behörden entsprechend der Um28 weltinformationskostenverordnung vom Antragsteller Gebühren und Auslagen zu erheben (§ 12 UIG).

X. Informationsfreiheitsgesetz 29 Soweit die Länder Informationsfreiheitsgesetze erlassen haben und keine Vorrangreglung zugunsten des UIG des Landes besteht (wie z.B. § 4 Abs. 2 Satz 1 Informationsfreiheitsgesetz NRW), kann ein Informationsrecht auch auf das IFG gestützt werden. Im Gegensatz zu § 9 Abs. 1 UIG (vgl. Rn. 25) kann eine Einsichtnahme in Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse nur gewährt werden, wenn der Betroffene eingewilligt hat (§ 6 IFG).

XI. Verwaltungsverfahren, Zuwiderhandlungen 30 Die Einhaltung der dem Unternehmer nach § 63 Abs. 1 und 3 obliegenden Pflichten zur Anfertigung und Nachtragung sowie zur Einreichung und Aufbewahrung des Risswerks kann von der Bergbehörde erforderlichenfalls durch Anordnungen nach § 71 sichergestellt werden. Im Rahmen der Aufsicht über die Markscheider und die Ausführung markscheiderischer Arbeiten gemäß § 69 Abs. 3 ist darüber zu wachen, dass das Risswerk nach Form und Inhalt ordnungsgemäß angefertigt und nachgetragen wird. Nach § 145 Abs. 1 Nr. 13 handelt ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder fahrlässig entgegen § 63 Abs. 1 bis 3 Satz 1 das Risswerk nicht vorschriftsmäßig anfertigt oder nachträgt, der zuständigen Behörde nicht einreicht oder nicht ordnungsgemäß aufbewahrt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Verpflichtung des Unternehmers nach Absatz 1 Satz 1 nur darin besteht, das Risswerk anfertigen und nachtragen zu lassen (vgl. Rn. 12). Demnach bezieht sich auch die Bußgeldbewehrung nach § 145 Abs. 1 Nr. 13 nicht auf das Anfertigen und Nachtragen als solches, sondern auf die Nichterfüllung der Pflicht, für eine ordnungsgemäße Anfertigung und Nachtragung des Risswerks zu sorgen. Da die Einhaltung der für das Risswerk in der MarkschBergV festgelegten Anforderungen eine Konkretisierung des vorschriftsmäßigen Anfertigens und Nachtragens des Risswerks nach § 63 Abs. 1 bis 3 darstellt, bedurfte es in der MarkschBergV keiner entsprechenden Bußgeldvorschrift. 30a Eine inhaltliche Kontrolle des Risswerks durch die Bergbehörde im Rahmen der Aufsicht nach § 69 Abs. 3 ist möglich, da dies auch die Ausführung markscheiderischer Arbeiten umfasst. Soweit die risswerksführende Person die allgemein anerkannten Regeln der Markscheidekunde einhält, kann die Bergbehörde als Aufsichtsbehörde keine anderen Eintragungen fordern oder gar selbst Änderungen im Risswerk vornehmen. Dies gilt ebenso, wenn in der fachlichen Beurteilung Bewer-

51 52 53 54 55

Vgl. EUGH 16.12.2010, C 266/09, NVwZ 2011, 156. VG Arnsberg 29.11.2007, 7 K 3982/06 = ZfB 2008, 59, 66. BVerwG 24.9.2009, 7 C 2/07, BVerwGE 135, 34 f. Rn. 62. BVerwG 18.10.2005, 7 C 5/04, NVwZ 2006, 343, 344. VG Saarlouis 3.11.2008, 5 L 873/08 = ZfB 2009, 63 ff.

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tungsspielräume vorhanden sind, die der Markscheider auch im Verhältnis zur Aufsichtsbehörde weisungsfrei auszufüllen hat (zum Charakter einer Rechtsaufsicht vgl. § 69 Rn. 31).

§ 64 Markscheider 1 Das für untertägige Aufsuchungs- oder Gewinnungsbetriebe vorgeschriebene Rißwerk muß von einem von der zuständigen Behörde anerkannten Markscheider angefertigt und nachgetragen werden. 2Für andere Betriebe vorgeschriebene sonstige Unterlagen im Sinne des § 63 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 können auch von anderen Personen, die von der zuständigen Behörde dafür anerkannt sind, angefertigt und nachgetragen werden. (2) 1Die Markscheider sind bei Anwendung ihrer Fachkunde weisungsfrei. 2Der Markscheider ist befugt, innerhalb seines Geschäftskreises Tatsachen mit öffentlichem Glauben zu beurkunden. (3) Die Länder können Vorschriften über die Voraussetzungen erlassen, unter denen eine Person als Markscheider tätig werden kann.

(1)

Schrifttum Kleine Neue Markscheidergesetze in Deutschland, Markscheidewesen 2010, 3; von Mäßenhausen Die Stellung des Markscheiders im Bundesberggesetz, Das Markscheidewesen 1982, 4; Pielow/Brauner Das Bergschadensrecht im Lichte des Verfassungsrechts, ZfB 2015, 178; Schleicher Das markscheiderische Vorschriftenwesen nach dem Bundesberggesetz, Das Markscheidewesen 1987, 348 ff.

Übersicht I.

Vorbemerkung

1

II.

Tätigkeit des Markscheiders

III.

Dem Markscheider vorbehaltene Aufga6 ben

5

11

IV.

Öffentlicher Glaube

V.

Voraussetzungen für die Tätigkeit als Markschei12 der

VI.

Andere anerkannte Personen

15

I. Vorbemerkung Der Name „Markscheider“ ist eine bereits seit dem 13. Jahrhundert im deutschen Bergbau ge- 1 bräuchliche Berufsbezeichnung. Das Wort „Markscheide“ bezeichnet im bergmännischen Sprachgebrauch die Grenze zwischen zwei Bergwerksfeldern (Mark = Grenze, Scheiden = Abtrennen, Einteilen). Die Aufgabe des Markscheiders bestand ursprünglich darin, die Grenzen des gemuteten Grubenfeldes an der Oberfläche zu markieren und sie nach Untertage zu übertragen. Seit dem 16. Jahrhundert fertigte er auch maßstäbliche rissliche Darstellungen von untertägigen Bauen an. Die Markscheider waren ursprünglich dem Landesherren in einem beamtenähnlichen Verhältnis unterstellt. Im Jahre 1856 wurde ihre staatliche Stellung in Preußen – später auch in anderen Ländern – in eine gewerbliche umgewandelt. Danach konnten die Landesgesetze vorschreiben, dass das Gewerbe der Markscheider nur von Personen betrieben werden durfte, die als solche geprüft und konzessioniert waren. Eine entsprechende Regelung wurde erstmals durch die „Allgemeinen Vorschriften für die 2 Markscheider im Großpreußischen Staate“ vom 21.12.1871 getroffen, wonach die Ausführung markscheiderischer Arbeiten konzessionierten Markscheidern vorbehalten wurde. Nur diese waren 815 https://doi.org/10.1515/9783110709285-093

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berechtigt, die Berufsbezeichnung Markscheider zu führen.1 Anstelle dieser Vorschriften trat zunächst die preußische Markscheiderordnung vom 23.3.1923 und später die zwischenzeitlich mehrfach geänderten Gesetze über die Zulassung als Markscheider der Länder. Danach dürfen die nach den bergrechtlichen Vorschriften den Markscheidern vorbehaltenen Tätigkeiten nur von einem Markscheider durchgeführt werden, der von der Bergbehörde anerkannt worden ist (vgl. Rn. 6 bis 8). Einen Schutz der Berufsbezeichnung Markscheider sehen diese Gesetze nicht vor. 3 Mit der Streichung des vor Inkrafttretens des BBergG geltenden § 34 Abs. 5 GewO (§ 174 Abs. 1 Nr. 2) hat der Bundesgesetzgeber zum Ausdruck bringen wollen, dass der selbständig tätige Markscheider die Stellung eines freiberuflich Tätigen hat.2 Das Gesetz schließt aber nicht aus, dass Markscheider auch im Angestelltenverhältnis beschäftigt werden können. Damit der Markscheider auch in diesem seine Arbeiten zuverlässig und objektiv ausführen kann, wird in § 64 Abs. 2 Satz 1 bestimmt, dass er bei Anwendung seiner Fachkunde weisungsfrei ist. Hierdurch wird die Beeinflussung eines angestellten Markscheiders durch den Arbeitgeber unterbunden. Die im Gesetz verankerte Weisungsfreiheit hat den Vorrang vor etwaigen vertraglichen Verpflichtungen des Markscheiders gegenüber seinem Arbeitgeber. Das Gebot der Weisungsfreiheit in Absatz 2 Satz 1 gilt allerdings nur für die Wahrnehmung der Aufgaben, die den Markscheidern nach diesem Gesetz oder einer aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnung obliegen. Um eine ordnungsgemäße Durchführung der markscheiderischen Arbeiten sicherzustellen, sind die Markscheider mit ihren markscheiderischen Arbeiten der bergbehördlichen Aufsicht unterstellt (§ 69 Abs. 3). Der Markscheider trägt für die von ihm und seinen Mitarbeitern durchgeführten Arbeiten die Verantwortung. 4 Da die Markscheider mit der behördlichen Anerkennung keine Beamten werden und auch keine mit hoheitlichen Befugnissen ausgestatteten Beliehene darstellen, kommt für sie eine Haftung wegen Amtspflichtverletzung nach § 839 BGB, Art. 34 GG nicht in Betracht. Eine Haftung des Staates wegen eines Fehlers eines Markscheiders kann nur dann in Frage kommen, wenn die nach § 69 Abs. 3 zuständige Bergbehörde es an der pflichtgemäßen Aufsicht über die Markscheider hat fehlen lassen.3 Markscheider, die nicht nur Vermessungen durchführen, die der Beurteilung möglicher Bergschäden dienen, sondern darüber hinaus ihren Auftraggeber bei der rechtlichen Geltungmachung von Bergschadensersatzansprüchen vertreten, verstoßen dann gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz vom 12.12.2007, wenn der Rechtssuchende eine besonders rechtliche Betreuung oder Aufklärung erkennbar erwartet oder nach der Verkehrsanschauung eine besondere rechtliche Prüfung erforderlich ist.4

II. Tätigkeit des Markscheiders 5 Markscheiderarbeiten bestehen zunächst in vermessungstechnischen Arbeiten für bergbauliche Zwecke. Hierzu zählen u.a.: – Die Durchführung von Messungen unter- und übertage zur Auffahrung von Grubenbauen und zur Erfassung der Lage und Ausdehnung des Grubengebäudes sowie deren Berechnung. – Die Beobachtung und Feststellung von gebirgsmechanischen Vorgängen im Gebirgskörper und von Bodenbewegungen an der Oberfläche sowie die Festlegung von Einwirkungsbereichen. – Die Herstellung und Nachtragung von Rissen, Karten und Plänen für bergmännische Zwecke. – Die Erkundung, Untersuchung, Erfassung und Darstellung von Lagerstätten sowie – die Auswertung des bergmännischen Risswerks zur Feststellung möglicher Gefahrenbereiche und deren Darstellung.

1 2 3 4

ZfB 1872, 1. BT-Drs. 8/1315, S. 117. OLG Hamm 12.10.1928, 3 U 122/28 = ZfB 1931, 310. Vgl. BGH 4.11.2011, I ZR 118/09, WRP 2011, 742 Rn. 28.

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Darüber hinaus werden Markscheider und die von ihnen im Rahmen ihres Geschäftskreises ermittelten Daten in der Praxis häufig in Bergschadensangelegenheiten hinzugezogen, wobei die Beurteilung, ob es sich um einen Bergschaden handelt, in der Regel von Bauingenieuren vorgenommen wird. Zudem sind Markscheider vielfach mit der Planung von Aufsuchungs- und Gewinnungstätigkeiten und auch von Stilllegungs- und Verwahrungsmaßnahmen befasst. Diese Tätigkeiten gehören zum Berufsbild, erfordern aber keine Anerkennung als Markscheider im Sinne von Absatz 1.

III. Dem Markscheider vorbehaltene Aufgaben Den Kern markscheiderischer Tätigkeiten bilden die Arbeiten, die dem Markscheider aufgrund 6 des Bundesberggesetzes und der nach diesem Gesetz erlassenen Rechtsverordnungen vorbehalten sind; sie bilden den Geschäftskreis des Markscheiders i.S.d. § 64 Abs. 2 (vgl. Rn. 11), soweit der Unternehmer seiner Verpflichtung zur Vorlage eines Risswerkes gemäß § 63 Abs. 1 nachkommt oder der Unternehmer einen abweichenden Einwirkungswinkel gemäß § 4 Abs. 1 EinwirkungsBergV beantragt.5 Nach § 13 Nr. 4 Buchst. b) ist für die Verleihung des Bergwerkseigentums erforderlich, dass das begehrte Feld in einem von einem anerkannten Markscheider oder einem öffentlich bestellten Vermessungsingenieur angefertigten Lageriss eingetragen ist. Die Anforderungen für den Lageriss sind in den § 1 bis 8 UnterlagenBergV festgelegt. Wenn es der Gesetzgeber für die Verleihung von Bergwerkseigentum für erforderlich hält, dass Lagerisse von einem anerkannten Markscheider oder öffentlich bestellten Vermessungsingenieur anzufertigen sind, wird man dieselben Anforderungen an die Lagerisse für die Vereinigung, Teilung und dem Austausch von Bergwerkseigentum stellen können – auch wenn dies in § 25 Nr. 2 nicht ausdrücklich gefordert wird. Die Anfertigung von Lagerissen für Erlaubnisse (§ 11 Nr. 2) und Bewilligungen (§ 12 Abs. 1 Nr. 2) zählt dagegen nicht zu den Tätigkeiten, die u.a. anerkannten Markscheidern vorbehalten sind. Den größten Umfang der Tätigkeit bilden die dem Markscheider durch die in § 63 und § 64 7 zugewiesenen Aufgaben zur Führung des Risswerks. Das gesamte für untertägige Aufsuchungsoder Gewinnungsbetriebe vorgeschriebene Risswerk, bestehend aus dem Grubenbild und sonstigen Unterlagen i.S.d. § 63 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, muss nach § 64 Abs. 1 Satz 1 von einem anerkannten Markscheider angefertigt und nachgetragen werden. Eine eindeutige Regelung darüber, ob mit der Formulierung „untertägige Aufsuchungs- oder Gewinnungsbetriebe“ auch das Risswerk für übertägige Gewinnungsbetriebe, wie z.B. Tagebaue, erfasst ist, enthält das BBergG nicht. Da einerseits andere Personen als Markscheider nach § 64 Abs. 1 Satz 2 nur sonstige Unterlagen im Sinne des § 63 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 anfertigen und nachtragen dürfen, andererseits gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 für jeden Gewinnungsbetrieb ein Risswerk einschließlich Grubenbild vorgeschrieben ist, wird man zur Vermeidung einer Regelungslücke die Anfertigung eines Grubenbildes auch für übertägige Gewinnungsbetriebe nur anerkannten Markscheidern vorbehalten müssen.6 Diese Auslegung trägt auch den schutzwürdigen Belangen derjenigen Rechnung, die in das Grubenbild Einsicht nehmen wollen. Denn das Grubenbild genießt öffentlichen Glauben gemäß § 64 Abs. 2 Satz 2 nur, wenn es von einem anerkannten Markscheider angefertigt und nachgetragen wird. Das Gleiche gilt für die Risse des Grubenbildes für Gewinnungsbetriebe mit Bohrungen, Untergrundspeicher (§ 126), Versuchsgruben (§ 129) und die Gewinnung in alten Halden (§ 128) (vgl. Anlage 3, Teil 1 MarkschBergV). Aufgrund der Möglichkeit einer Ausnahmebewilligung zum Erfordernis des Grubenbildes 7a nach § 12 MarkschBergV kann für übertägige Aufsuchungs- oder Gewinnungsbetriebe die Anfertigung der sonstigen Unterlagen als Ersatz für das nicht mehr erforderliche Grubenbild aber durch 5 Die Festlegung des Einwirkungsbereichs nach § 3 Abs. 1 Satz 1 EinwirkungsBergV ist Aufgabe des Unternehmers, aber die zugrundeliegenden Messungen sind nach § 3 Abs. 1 Satz 2 EinwirkungsBergV durch einen Markscheider vorzunehmen. 6 Von Mäßenhausen Das Markscheidewesen 1982, 4, 5. 817

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sonstige Personen nach § 13 MarkschBergV erfolgen. Diese sonstigen Unterlagen nach § 63 Abs. 2 Nr. 2 genießen anders als das Grubenbild jedoch keinen öffentlichen Glauben. 8 Schließlich können dem Markscheider durch Rechtsverordnungen bestimmte Tätigkeiten übertragen werden. Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 EinwirkungsBergV sind die Messungen zum Nachweis eines abweichend zum Einwirkungsbereich geltenden Einwirkungswinkels bei untertägigen Betrieben von einem anerkannten Markscheider durchzuführen.7 Nicht zu dem durch Gesetz oder Rechtsverordnung dem Markscheider zugeordneten Ge9 schäftskreis zählen andere nicht in Rn. 6 bis 8 erfassten Arbeiten, wie z.B. Messungen nach § 125. Nach § 69 Abs. 3 unterliegen die Markscheider, unabhängig davon, ob sie selbständig tätig 10 sind oder in einem Beschäftigungsverhältnis stehen sowie die Ausführung markscheiderischer Arbeiten der Aufsicht der Bergbehörde. Die Aufsicht über die Markscheider dient der Einhaltung der personenbezogenen Zulassungsvoraussetzungen in den Länder-Markscheidergesetzen, die sich vor allem auf die Fachkunde, Zuverlässigkeit und körperliche Eignung sowie ggf. auf die zur Ausübung der Tätigkeit notwendigen Einrichtungen beziehen. Die Aufsicht über die Ausführung der markscheiderischen Arbeiten erstreckt sich nur auf die Rechtmäßigkeit der Arbeiten, die dem Markscheider oder anderen anerkannten Personen aufgrund Gesetz oder Rechtsverordnung zugewiesen werden (vgl. § 64 Rn. 6 bis 8); hierzu zählt vor allem die Risswerkführung. Innerhalb dieses Rahmens ist der Markscheider hinsichtlich seiner Fachkunde auch in Bezug auf Aufsicht weisungsfrei (§ 64 Abs. 2 Satz 1). Zur Wahrnehmung der Aufsicht stehen der Bergbehörde die Rechte gemäß §§ 70 ff. zu. Der Markscheider zählt zu den gegenüber der Bergbehörde auskunftspflichtigen Person (§ 70 Abs. 1). Eine Korrektur des Risswerks in unmittelbarer behördlicher Ausführung ist nicht möglich, da das Risswerk keine amtliche, sondern eine betriebliche Unterlage darstellt. Die zuständige Bergbehörde kann aber durch Anordnung nach § 71 Abs. 1 den Unternehmer verpflichten, ein nicht ordnungsgemäßes Risswerk ergänzen oder ändern zu lassen. Eine nicht ordnungsgemäße Anfertigung oder Nachtragung des Risswerks stellt zudem eine Ordnungswidrigkeit nach § 145 Abs. 1 Nr. 13 dar, die aufgrund der eindeutigen Adressierung als Unternehmerpflicht in § 63 Abs. 1 Satz 1 nur gegenüber dem Unternehmer und nicht unmittelbar gegenüber der risswerkführenden Person verfolgt werden kann.8

IV. Öffentlicher Glaube 11 Der anerkannte Markscheider ist befugt, innerhalb seines Geschäftskreises Tatsachen mit öffentlichem Glauben zu beurkunden (§ 64 Abs. 2 Satz 2). Diese Vorschrift wurde auf Veranlassung des Bundesrates in das Bundesberggesetz übernommen.9 Sie verleiht den vom Markscheider hergestellten Urkunden, soweit sie öffentliche Urkunden darstellen, einen erheblichen Beweiswert. Öffentliche Urkunden sind gemäß § 415 Abs. 1 ZPO Urkunden, die u.a. von einer mit öffentlichem Glauben versehenen Person innerhalb ihres Geschäftskreises in der vorgeschriebenen Form aufgenommen wurden. Sie begründen nach §§ 415, 418 ZPO den vollen Beweis der darin bezeugten Tatsachen, jedoch ist nach § 415 Abs. 2 ZPO der Gegenbeweis zulässig. Diese Beweisregel gilt nicht nur im Zivilprozess, sondern gemäß § 98 VwGO auch im Verwaltungsgerichtsverfahren. Urkunden genießen nur öffentlichen Glauben, wenn der Markscheider diese innerhalb des ihm hoheitlich zugewiesenen Geschäftskreises anfertigt (vgl. Rn. 6 bis 8) und es sich um die Feststellung oder Darstellung bestehender Situationen oder

7 Schleicher Das Markscheidewesen 1987, 348 ff. 8 Der Tatbestand der Ordnungswidrigkeit nach § 145 Abs. 1 Nr. 13 (wer „das Risswerk […] nicht vorschriftsmäßig anfertigt oder nachträgt“) weicht zwar von § 63 Abs. 1 Satz 1 ab, wonach der Unternehmer die Pflicht hat, das Risswerk anfertigen oder nachtragen „zu lassen“. Daraus kann aber keine unmittelbare Adressatenstellung der risswerkführenden Person im Sinne von § 61 abgeleitet werden, wenn es um die Risswerksführungspflicht als solche geht, die der Unternehmer nicht delegieren kann. 9 BT-Drs. 8/1315, S. 180; BT-Drs. 8/3965, S. 138. Herrmann

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Gegebenheiten, d.h. Tatsachen handelt; zu diesen Urkunden zählen Karten,10 Risse, Grubenbilder, Protokolle über Messungen11 und Lagerrisse. Berechnungen über zu erwartende bergbaubedingte Veränderungen, z.B. der Oberfläche im Rahmen des Betriebsplanverfahrens stellen keine Urkunde mit öffentlichem Glauben und keine markscheiderischen Arbeiten i.S.d. § 64 Abs. 1 dar. Ferner ist Voraussetzung für den öffentlichen Glauben einer vom Markscheider aufgenommenen Urkunde, dass sie den dafür maßgeblichen Formvorschriften, d.h. der UnterlagenBergV, MarkschBergV und EinwirkungsBergV entspricht. Die Vorschriften über die Beurkundung von Tatbeständen, die am Grund und Boden durch vermessungstechnische Ermittlungen festgestellt werden durch öffentlich bestellte Vermessungsingenieure oder Markscheider, bleiben gemäß § 61 Abs. 1 Nr. 8 BeurKG von der umfassenden Zuständigkeit der Notare unberührt.

V. Voraussetzungen für die Tätigkeit als Markscheider Der Beruf des Markscheiders gehört zu den bergbautypischen Berufen. Der Gesetzgeber hat deshalb 12 nicht nur Vorschriften über die markscheiderischen Arbeiten im BBergG aufgenommen, sondern er betrachtete auch die Regelungen des Zugangs zu dieser Tätigkeit als Teil des Bergrechts.12 Er hat allerdings davon abgesehen, im BBergG selbst die Voraussetzungen für die Ausübung der Tätigkeit als Markscheider festzulegen; vielmehr wird gemäß § 64 Abs. 3 der Erlass entsprechender Vorschriften den Ländern vorbehalten. Da das BBergG über Form und Inhalt dieser Vorschrift keine näheren Bestimmungen trifft, können die Länder nach den jeweiligen Erfordernissen unter Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Grundsätze entscheiden, in welcher Weise sie den Zugang zur Tätigkeit als Markscheider regeln. Dabei ist zu beachten, dass Gegenstand einer diesbezüglichen Regelung nur die Tätigkeiten sein können, deren Ausübung nach dem BBergG oder aufgrund dieses Gesetzes erlassener Rechtsverordnungen einem anerkannten Markscheider vorbehalten sind, denn nur insoweit ist ein Regelungsbedürfnis gegeben. Die Gesetzgebungskompetenz der Länder ist dabei kaum mehr durch Sachgründe gerechtfertigt, da für vergleichbare berufsbezogene Regelungen bei anerkannten sonstigen Personen nach § 13 MarkschBergV oder anerkannten Sachverständigen nach § 23a ABBergV bundesrechtliche Grundlagen bestehen und auch die Tätigkeit des anerkannten Markscheiders ausschließlich Aufgaben nach dem BBergG betrifft. Aufgrund der zwischenzeitlichen Überprägung der Anerkennungsvoraussetzungen durch Europarecht (Rn. 13b) sind im Übrigen auch die Gesetzgebungsspielräume eng begrenzt. Ein Ersetzen von § 64 Abs. 3 durch eine Bundesverordnungskompetenz nach § 65 liegt deshalb nahe. Die Regelung der Voraussetzungen für die Anerkennung stellt eine Vorschrift zur Berufs- 13 ausübung der Markscheider dar. Soweit eine solche Tätigkeit unter einen Erlaubnisvorbehalt gestellt wird, liegt eine Einschränkung des Grundrechts der freien Berufswahl nach Artikel 12 GG vor. Zur Regelung der Voraussetzungen für den Zugang zu diesen Tätigkeiten bedarf es gemäß Artikel 12 Absatz 1 Satz 2 GG eines Gesetzes, und zwar im vorliegenden Fall eines formellen Gesetzes, da § 64 Abs. 3 keine dem Artikel 80 Absatz 1 GG entsprechende Ermächtigung zum Verordnungserlass enthält.13 Mit Ausnahme der Stadtstaaten Berlin, Bremen, Hamburg und den Ländern Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein haben alle Bundesländer mit ihren Markscheidergesetzen Vorschriften für die Anerkennung von Markscheidern erlassen.14 10 11 12 13

LG Bochum 16.4.1963, BT 93/63 = ZfB 1963, 489. Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 64 Rn. 8. BT-Drs. 8/1315, S. 117. Anders bei Anerkennungsvoraussetzungen für Sachverständige nach § 65 Nr. 6, die nunmehr in § 23a ABBergV bundesrechtlich geregelt ist. 14 In Bayern ist die Anerkennung von Markscheidern in § 53a BayBergV, also durch Rechtsverordnug und nicht durch förmliches Landesgesetz geregelt. Eine entsprechende Verordnungsermächtigung nach Art. 80 Abs. 1 GG stellt aber auch § 176 Abs. 3 nicht dar, die weiteren in der Verordnungsgrundlage der BayBergV zitierten Vorschriften des BBergG betreffen nicht die Anerkennung von Markscheidern. 819

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In den Ländern ohne eigene Markscheidergesetze können markscheiderische Aufgaben durch in anderen Ländern anerkannte Markscheider wahrgenommen werden, da die Anerkennungsvoraussetzungen personenbezogen sind. Die Durchführung von Tätigkeiten, die einem Markscheider vorbehalten sind, kann jedenfalls in diesen Ländern nicht bergbehördlich untersagt werden, wenn kein entsprechendes Landesmarkscheidergesetz nach § 64 Abs. 3 erlassen wurde. Ein förmliches Landesgesetz zur Anerkennung von Markscheidern ist jedoch schon aus europarechtlichen Gründen erforderlich, da einem ausländischen Antragsteller, der die Gleichwertigkeit seines Berufsabschlusses zur Aufnahme des reglementierten Berufes eines Markscheiders im Bundesgebiet begehrt, ein entsprechendes Anerkennungsverfahren zur Verfügung stehen muss. Auch wenn in anderen Bundesländern eine Rechtsgrundlage zur Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen innerhalb der Markscheidergesetze vorhanden ist, kann ein Antragsteller nicht auf eine solche Anerkennung in einem anderen Bundesland verwiesen werden. 13b Im Zusammenhang mit der Umsetzung der Änderungsrichtlinie über die Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen15 sind in die Markscheidergesetze der Länder Rechtsgrundlagen für die Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen aufgenommen worden, die einen Berufszugang für Markscheider mit im Ausland erworbenen Qualifikationen eröffnen. Da nach § 64 Abs. 1 für die Ausführung markscheiderischer Tätigkeiten die Anerkennung als Markscheider erforderlich ist, stellt dies einen reglementierten Beruf im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchstabe a) der Berufsanerkennungsrichtlinie 2005/36/EG dar.16 Die gleichwertige Qualifikation wird dabei entsprechend den in den Ländern zur Umsetzung der oben genannten Richtlinie erlassenen bzw. geänderten Berufsqualifikationsfeststellungsgesetze geregelt. Die weiteren Anerkennungsvoraussetzungen wie Zuverlässigkeit und körperliche Eignung gelten uneingeschränkt für alle Antragsteller. Ob die Anerkennung einer Person mit im Ausland erworbener Qualifikation als Markscheider nur innerhalb des Bundeslandes oder bundesweit gilt, richtet sich nach dem jeweiligen LandesMarkscheidergesetz. 13c Ohne förmliche Anerkennung als Markscheider ist zudem nach Maßgabe von Art. 5 und 7 der Berufsanerkennungsrichtlinie sicherzustellen, dass im Ausland niedergelassene Markscheider, die nur vorübergehend in Deutschland Dienstleistungen erbringen wollen, tätig werden dürfen, ohne dass sie eine förmliche Anerkennung nachweisen müssen. Da die Aufgaben des Markscheiders für die betriebliche und öffentliche Sicherheit bedeutsam sind, ermöglicht Art. 7 Abs. 4 der Berufsanerkennungsrichtlinie aber eine Prüfung der gleichwertigen Qualifikation im Wege eines Anzeigeverfahrens vor der erstmaligen Übernahme markscheiderischer Tätigkeiten im Bundesgebiet. § 65 Abs. 3 steht einer landesrechtlichen Regelung, wonach eine Markscheidern vorbehaltene Tätigkeit auch ohne förmliche Anerkennung ausgeführt werden kann, nicht entgegen. Die Markscheidergesetze der Länder, die noch keine derartigen Anzeigeverfahren enthalten, sind dementsprechend zu ergänzen, selbst wenn die praktische Bedeutung gering bleiben wird, da die Länder keine fachlich geringwertigeren Qualifikationen von ausländischen Dienstleistern akzeptieren müssen. 14 Für die Anerkennung als Markscheider ist die Bergbehörde des jeweiligen Landes zuständig. Nach der Umsetzung der Richtlinie 2006/123/EG über Dienstleistungen im Binnenmarkt kann das Anerkennungsverfahren auch über die sog. einheitliche Stelle des jeweiligen Landes abgewickelt werden. Die Anerkennung nach § 64 Abs. 1 kann nur mit Wirkung für den räumlichen Zuständigkeitsbereich der Anerkennungsbehörde erteilt werden. Das schließt nicht aus, dass einzelne Bundesländer gegenseitig die Anerkennung anderer Länderbehörden anerkennen; hiervon ist 13a

15 Richtlinie 2013/55/EU des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2005/36/EG über die Anerkennung von Berufsqualifikationen und der Verordnung (EU) Nr. 1024/2012 über die Verwaltungszusammenarbeit mit Hilfe des Binnenmarkt-Informationssystems („IMI-Verordnung“) vom 20.11.2013 (ABl. L 354 vom 28.12.2013, S. 132). 16 Nach Art. 59 der RL 2005/36/EG in der Fassung der Änderungsrichtlinie 2013/55/EU haben die Mitgliedstaaten der Kommission eine Liste der reglementierten Berufe zu übermitteln, die in einer interaktiven Karte abrufbar ist; in der nationalen Übersicht ist der Markscheider ebenso erfasst: https://www.anerkennung-in-deutschland.de/de/interest/ finder/notice?profession=937 (zuletzt abgerufen am 12.3.2023). Herrmann

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in den Markscheidergesetzen einiger Länder Gebrauch gemacht worden.17 Soweit in einzelnen Länder-Markscheidergesetzen keine Gleichwertigkeit von Anerkennungen durch andere Bundesländer geregelt ist, bedarf es an sich eines erneuten Anerkennungsverfahrens, wenn ein bereits in einem anderen Bundesland anerkannter Markscheider tätig werden will. Dieses kann aber im Lichte des europarechtlichen Anspruchs auf Anerkennung gleichwertiger Berufsabschlüsse nur positiv entschieden werden, da ansonsten eine Inländerdiskriminierung und Verletzung des Gleichheitsgebots zu besorgen wäre. Personenbezogene Differenzierungsmerkmale für die Anerkennung wie eine feste Altergrenze für anerkannte Markscheider, die in einzelnen Ländern verankert sind, sind europarechtlich ohnehin nur sehr eingeschränkt zu rechtfertigen.18

VI. Andere anerkannte Personen Nach § 64 Abs. 1 Satz 2 können sonstige Unterlagen im Sinne des § 63 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 für andere Betriebe auch von anderen Personen, die von der Bergbehörde anerkannt sind, angefertigt und nachgetragen werden. Unter „anderen Betrieben“ sind Betriebe zu verstehen, die nicht unter die von § 64 Abs. 1 erfassten untertägigen Aufsuchungs- oder Gewinnungsbetrieb fallen. Ob darunter auch übertägige Gewinnungsbetriebe zählen, ist aufgrund des nicht eindeutigen Wortlauts in § 64 Abs. 1 Satz 1 unklar. Da andere Personen gemäß § 13 Abs. 1 MarkschBergV nicht für untertägige Gewinnungsbetriebe anerkannt werden können und für übertägige Gewinnungsbetriebe auch Grubenbilder erforderlich sind, die nicht von anderen Personen angefertigt werden können (vgl. Rn. 7), wird man unter „anderen Betrieben“ nur übertägige Aufsuchungsbetriebe und alte Halden (§ 128) fassen können. Die Möglichkeit der Anfertigung und Nachtragung durch andere Personen als Markscheider besteht gemäß § 64 Abs. 1 Satz 2 nur hinsichtlich der vorgeschriebenen sonstigen Unterlagen i.S.d. § 63 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 (vgl. § 63 Rn. 8). Soweit die Risse nach der MarkschBergV Teil des Grubenbildes darstellen, können diese nicht von anderen anerkannten Personen angefertigt und nachgetragen werden; dies gilt auch für das für übertägige Gewinnungsbetriebe vorgeschriebene Grubenbild. Andere Personen als Markscheider dürfen sonstige Unterlagen i.S.d. § 63 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 nur anfertigen und nachtragen, wenn sie hierzu von der Bergbehörde anerkannt sind. Die Voraussetzungen hierzu ergeben sich aus § 13 MarkschBergV. Die Vorschriften über die Weisungsfreiheit und den öffentlichen Glauben (§ 64 Abs. 2) finden auf diese anderen Personen im Sinne des § 64 Abs. 1 Satz 2 keine Anwendung. Die Anfertigung und Nachtragung von Rissen und Karten i.S.d. § 63 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 durch andere anerkannten Personen unterliegt aber gemäß § 69 Abs. 1 der Aufsicht der Bergbehörde, da es sich um die Ausführung markscheiderischer Arbeiten i.S.d. § 64 Abs. 1 handelt. Die aufgrund des § 64 Abs. 1 Satz 2 anerkannten Personen gehören gemäß § 70 Abs. 1 zum Kreis der Auskunftspflichtigen und haben daher der Bergbehörde die zur Durchführung der Bergaufsicht erforderlichen Auskünfte zu erteilen und Unterlagen vorzulegen. Die Anerkennung anderer Personen nach § 13 MarkschBergV ist anders als die Anerkennung von Markscheidern bundesrechtlich einheitlich durch § 64 Abs. 1 Satz 2 geregelt und stützt sich auf die Verordnungsermächtigung in § 67 Nr. 2. Die Anerkennung anderer Personen hat dabei in der Praxis eine erhebliche Bedeutung für Bergbaubetriebe, die nach § 63 keine Verpflichtung zur Führung eines Grubenbildes haben oder hiervon befreit sind. Diese können zwar die Risswerksführung auch ohne Grubenbild einem anerkannten Markscheider übertragen, dürfen diese Arbeiten aber auch durch eine andere Person nach § 13 MarkschBergV durchführen lassen.

17 Z.B. § 1 Abs. 2 Gesetz über die Anerkennung als Markscheider im Land Nordrhein-Westfalen, § 1 Abs. 3 – Gesetz über die Anerkennung als Markscheider im Freistaat Sachsen.

18 § 5 Abs. 2 Satz 2 Markscheidergesetz NRW ermöglicht auf Antrag eine Verlängerung der Anerkennung über das 70. Lebensjahr hinaus. 821

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§ 64

Dritter Teil – Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung

Die Anerkennungsvoraussetzungen anderer Personen sind im Rahmen der Novellierung der Markscheider-Bergverordnung in § 13 Abs. 2 MarkschBergV neu geregelt worden. Neben der körperlichen Eignung und Zuverlässigkeit (Nr. 1) muss der Antragsteller eine markscheiderische oder vermessungstechnische Hochschulqualifikation oder eine gleichwertige Berufsausbildung mit überdurchschnittlicher Fachkunde erworben haben (Nr. 2) sowie die erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten für die Tätigkeit nachweisen (Nr. 3). Die Gleichwertigkeit der im Ausland erworbenen Berufsqualifikation richtet sich dabei nach dem allgemeinen Recht der Berufsqualifikationsanerkennungsgesetze. Die Kenntnisse nach Nr. 3 können durch eine mindestens dreijährige einschlägige Berufspraxis nachgewiesen werden, die „insbesondere“-Regelung in § 13 Abs. 2 Satz 2 MarkschBergV lässt aber auch eine andere Form des Nachweises zu. Der Verweis auf die Verfahrensführung über eine einheitliche Stelle nach §§ 71a bis 71e VwVfG zeigt die Berücksichtigung der europarechtlich begründeten Dienstleistungsfreiheit. 17c Die Anerkennung anderer Personen hat grundsätzlich bundesweite Wirkung, da § 63 Abs. 1 und § 13 MarkschBergV bundesweit gelten. Nach dem Inhalt der Anerkennung hängt die Frage der bundesweiten Geltung aber davon ab, in welchem Umfang die Anerkennung durch die zuständige Landesbergbehörde vorgenommen wurde. Bezieht sich die Anerkennung auf einen konkreten Betrieb, ist die Regelung sach- und personenbezogen, womit eine weitergehende Anerkennungswirkung über den geregelten Einzelfall hinaus ausscheidet. Ist die Anerkennung einer anderen Person aber für einen bestimmten Bergbauzweig generell vorgenommen, kann die Anerkennung als personenbezogener Verwaltungsakt den Adressaten auch zu Tätigkeiten in anderen Bundesländern berechtigen. Die bergbauzweigbezogene Anerkennung ist in § 13 Abs. 1 MarkschBergV ausdrücklich eröffnet und findet sich auch in den Anerkennungsvoraussetzungen nach Absatz 2 Satz 2 wieder, soweit dort auf einen „Bergbauzweig“ verwiesen wird, „für den der Antragsteller die Anerkennung beantragt“. § 13 MarkschBergV geht damit von einer auf einen bestimmten Bergbauzweig bezogenen Anerkennung aus, eine nur einschränkende Anerkennung für einen bestimmten Betrieb oder Betriebe im jeweiligen Bundesland bedarf damit einer Begründung im Einzelfall, warum die Anerkennung darauf beschränkt werden soll. 17d § 13 Abs. 3 MarkschBergV enthält eine Widerrufsbefugnis der Anerkennung, wenn markscheiderische Arbeiten wiederholt oder gröblich nicht entsprechend der Markscheider-Bergverordnung ausgeführt werden. Die Zuständigkeit für den Widerruf ist bergrechtlich nicht geregelt, so dass § 5 i.V.m. § 49 Abs. 5 VwVfG Anwendung findet. Zuständige Behörde für den Widerruf der Anerkennung nach § 13 MarkschBergV ist danach die nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG örtlich zuständige Bergbehörde, da sich der Widerruf auf eine berufliche Tätigkeit der anerkannten Person bezieht. Unabhängig davon haben alle Landesbergbehörden für die in ihrem Aufsichtsbezirk geführten Risswerke bergaufsichtliche Befugnisse nach § 69 Abs. 3 in Hinblick auf markscheiderische Tätigkeiten. Eine bundesweite Tätigkeit der für bestimmte Bergbauzweige anerkannten Personen unterliegt damit umfassend sowohl der Widerrufsbefugnis der für den Geschäftssitz zuständigen Bergbehörde als auch der Bergaufsicht aller Bergbehörden, in deren Zuständigkeitsbereich markscheiderische Tätigkeiten durch anerkannte andere Personen ausgeführt werden. 17b

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VIERTER TEIL Ermächtigungen zum Erlass von Bergverordnungen Vorbemerkungen zu den §§ 65 bis 68 Übersicht I.

Rechtsentwicklung

1

II.

Verordnungsermächtigungen des BBergG

III.

Inhaltliche Grenzen und Anwendungsbereich der 7 Bergverordnungen

IV.

Zuständigkeitsverteilung

V.

Formvorschriften

VI.

Vollzug, Zuwiderhandlungen, Rechts14 schutz

3. 4 4.

9 5.

11

VII. Aktuell geltende Bundesbergverordnun17 gen 1. Bergverordnung über vermessungstechnische und sicherheitliche Unterlagen (Unterlagen-Bergverordnung – UnterlagenBergV) vom 18 11.11.1982 2. Bergverordnung über Einwirkungsbereiche (Einwirkungsbereichs-Bergverordnung – Einwir19 kungsBergV) vom 11.11.1982

6.

7.

8.

Verordnung über die Anwendung von Vorschriften des Bundesberggesetzes auf die Bergbau-Versuchsstrecke (Bergbau-VersuchsstreckenV) vom 20 11.11.1982 Bergverordnung zum Schutz der Gesundheit gegen Klimaeinwirkungen (Klima-Bergverordnung – KlimaBergV) vom 9.6.1983 (BGBl. I 21 S. 685) Verordnung über markscheiderische Arbeiten und Beobachtungen der Oberfläche (Markscheider-Bergverordnung – MarkschBergV) in der Fas22 sung vom 21.7.2020 (BGBl. I S. 1702) Bergverordnung zum gesundheitlichen Schutz der Beschäftigten (Gesundheitsschutz-Bergverordnung – GesBergV) vom 31.7.1991 (BGBl. I 24 S. 1751) Bergverordnung für alle bergbaulichen Bereiche (Allgemeine Bundesbergverordnung – ABBergV) 25 vom 23.10.1995 (BGBl. I S. 1466) Bergverordnung für das Gebiet der Küstengewässer und des Festlandsockels (Offshore-Bergverordnung – OffshoreBergV) vom 3.8.2016 (BGBl. I 28 S. 1866)

I. Rechtsentwicklung Das deutsche Bergrecht ist seit jeher dadurch gekennzeichnet, dass der Bergwerksbetrieb einer 1 umfassenden vorherigen Sicherheitskontrolle unterworfen wird. Als besonderes Rechtsinstitut für eine präventive Betriebsüberwachung stellt das Bergrecht das Betriebsplanverfahren zur Verfügung (vgl. vor § 50 Rn. 1 ff.). Eine weitere rechtliche Möglichkeit, Gefahren vorbeugend zu bekämpfen, besteht in der normativen Festlegung der an einen Betrieb zu stellenden Sicherheitsanforderungen. Die früheren Berggesetze der Länder enthielten deshalb neben den Betriebsplanvorschriften immer auch die Ermächtigung zum Erlass entsprechender Rechtsnormen. Nach § 197 ABG waren die Oberbergämter befugt, über die in § 196 ABG bezeichneten Gegenstände Polizeiverordnungen zu erlassen, nach Art. 254 BayBergG konnten entsprechende Bestimmungen durch Verordnung oder oberpolizeiliche Vorschriften erlassen werden. Die Bezeichnung „Bergpolizeiverordnung“ wurde nach dem Zweiten Weltkrieg in einigen Ländern im Rahmen der sog. „Entpolizeilichung“,1 d.h. der Trennung der Verwaltungspolizei von der Vollzugspolizei durch das Wort „Bergverordnung“ ersetzt. Die Regelungsbefugnis der Bergbehörde erstreckte sich nach dem früheren Landesrecht auf 2 alle Rechtsgüter und Belange, die Gegenstand der Bergaufsicht waren (§ 196 ABG, Art. 253 BayBergG). Dazu gehörten vor allem die Sicherheit der Baue, die Sicherheit des Lebens und der Gesundheit der Beschäftigten, der Lagerstättenschutz, der Schutz der Oberfläche im Interesse der persönlichen Sicherheit und des öffentlichen Verkehrs, der Schutz gegen gemeinschädliche 1 Vgl. dazu Erbguth/Mann/Schubert, Besonderes Verwaltungsrecht, Rn. 385. 823 https://doi.org/10.1515/9783110709285-094

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Einwirkungen des Bergbaus sowie die Sicherung und Ordnung der Oberflächennutzung und Gestaltung der Landschaft während des Bergwerksbetriebes und nach dem Abbau. Durch das Gesetz über die Zuständigkeit der Bergbehörden vom 9.6.19342 wurde dem Aufgabenkatalog des § 196 Abs. 2 ABG das Wort „insbesondere“ vorangestellt und damit zum Ausdruck gebracht, dass sich die bergbehördliche Aufsicht neben den dort einzeln aufgeführten Gesichtspunkten ganz allgemein auf die Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung erstrecken sollte, soweit diese ihre Ursache im Bergwerksbetrieb hatten. Daraus wurde die Befugnis der Bergbehörde hergeleitet, durch Bergpolizeiverordnung (Bergverordnung) sämtliche zur Gefahrenabwehr im Bergbau erforderlichen Rechtsnormen zu erlassen. Im Sinne des Polizeirechts handelte es sich um polizeiliche Gebote oder Verbote, die für eine unbestimmte Anzahl von Fällen an eine unbestimmte Anzahl von Personen gerichtet waren, vgl. § 24 PVG,3 also um polizeiliche (ordnungsbehördliche) objektive Rechtsnormen.4 Im bayrischen Rechtsbereich, in dem eine dem preußischen Recht vergleichbare polizeiliche Generalklausel nicht bekannt war, beschränkte sich die Verordnungsermächtigung auf den Schutz der in Art. 253 BayBergG aufgeführten Gegenstände. Durch Änderungsgesetz vom 25.10.19665 wurde darüber hinaus der Inhalt der Ermächtigung in Art. 254 BayBergG näher abgegrenzt. 3 Gemäß § 176 Abs. 3 Satz 1 sind die auf Grund der Berggesetze der Länder erlassenen Verordnungen (Bergpolizeiverordnungen, Bergverordnungen) mit den zugehörigen gesetzlichen Bußgeldvorschriften aufrechterhalten geblieben, soweit nicht ihre Gegenstände im BBergG geregelt sind oder soweit sie nicht mit den Vorschriften dieses Gesetzes in Widerspruch stehen. Die aufrechterhaltenen Verordnungen können von den nunmehr nach § 68 Abs. 1 und 2 zuständigen Behörden aufgehoben werden, soweit über die darin geregelten Gegenstände eine neue Bergverordnung erlassen wird, § 176 Abs. 3 Satz 2 und 3. Mit dieser Regelung wurde gewährleistet, dass durch die 1982 mit dem BBergG vollzogene Neugestaltung des Bergrechts im Bereich der technisch-sicherheitlichen Vorschriften keine rechtlichen Lücken entstehen konnten.

II. Verordnungsermächtigungen des BBergG 4 Das BBergG geht davon aus, dass der Schutz der in § 55 bezeichneten Rechtsgüter und Belange insgesamt Sache des Bergrechts ist. Der Bundesgesetzgeber hat aber in Übereinstimmung mit dem früheren Landesrecht davon abgesehen, den technisch-sicherheitlichen Bereich durch formellgesetzliche Regelungen voll abzudecken, sondern sieht hierfür nach wie vor den Weg über Rechtsverordnungen vor. Die §§ 65 bis 68 enthalten die für eine solche Verordnungsgebung gemäß Art. 80 Abs. 1 GG notwendigen gesetzlichen Grundlagen, die Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung näher bestimmen. § 65 gestattet gewisse verfahrensrechtliche Regelungen zur Vereinfachung oder Entlastung des Betriebsplanverfahrens, erst § 66 bildet in materieller Hinsicht den Kern der Verordnungsermächtigungen. Er ermöglicht es, die zum Schutze der Beschäftigten und Dritter vor Gefahren im Betrieb und zur Wahrung der übrigen in § 55 bezeichneten Rechtsgüter und Belange erforderlichen Rechtsvorschriften zu erlassen. Auf Grund des § 67 können Vorschriften über technische und statistische Unterlagen sowie über markscheiderische Angelegenheiten erlassen werden. In § 68 wird die Zuständigkeit zum Erlass von Bergverordnungen zwischen dem Bund und den Ländern abgegrenzt. 5 Mit den in den §§ 65 ff. erteilten Ermächtigungen zum Erlass von Bergverordnungen wird in Verbindung mit den Vorschriften dieses Gesetzes über das Betriebsplanverfahren (§§ 51 ff.) und über die Bergaufsicht (§§ 69 ff.) der Schutz der in § 55 bezeichneten Rechtsgüter und Belange im Bergbau abschließend geregelt. Die Zuständigkeit des Bundes zu einer gesetzlichen Regelung dieser Materie 2 3 4 5

PrGS. S. 303. Preußisches Polizeiverwaltungsgesetz (PVG) vom 1.6.1931. KG 22.7.1930, I S. 367.30/3., ZfB 1931, 309. GVBl. S. 331.

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beruht, soweit es sich um den Arbeitsschutz handelt, auf Art. 74 Nr. 12 GG, im Übrigen ergibt sie sich aus Art. 74 Nr. 11 GG (Recht der Wirtschaft, insbes. Bergbau) in Verbindung mit der daraus resultierenden sog. Annex-Kompetenz. Nach der Rspr. des Bundesverfassungsgerichts schließt jede Zuweisung einer Gesetzgebungszuständigkeit zugleich die Befugnis ein, innerhalb des betreffenden Sachgebietes auch polizeiliche (ordnungsrechtliche) Fragen zu regeln und die dieses Lebensgebiet betreffenden spezialpolizeilichen Vorschriften zu erlassen.6 Neben der spezialgesetzlichen Regelung dieser Materie durch das BBergG ist die Anwendung einer landesrechtlichen Generalklausel nicht möglich. Auch eine ergänzende Regelung durch den Landesgesetzgeber kommt nicht in Betracht. So sind beispielsweise die der Bergaufsicht unterliegenden Anlagen (teilweise mit Ausnahme von Gebäuden) vom Geltungsbereich der Landesbauordnungen ausgenommen; vgl. z.B. § 1 Abs. 2 Nr. 2 NBauO7 bzw. BauO NRW. Das Bundesrecht trägt dem Umstand, dass die Betriebssicherheit und der Arbeitsschutz einschließlich der Unfallverhütung im Bergbau in erster Linie Gegenstand des Bergrechts sind, ebenfalls Rechnung. Nach § 15 Abs. 3 SGB VII können für die unter Bergaufsicht stehenden Unternehmen von den Unfallversicherungsträgern nicht die in § 15 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 SGB VII genannten Unfallverhütungsvorschriften erlassen werden; es bleibt ihnen lediglich die Befugnis, für die unter bergbehördlicher Aufsicht stehenden Unternehmen Unfallverhütungsvorschriften nach § 15 Abs. 1 Nr. 6 SBG VII über die Maßnahmen, die der Unternehmer zur Erfüllung der sich aus dem Gesetz über Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit ergebenden Pflichten zu treffen hat und über die Zahl der Sicherheitsbeauftragten nach § 15 Abs. 1 Nr. 7 SBG VII aufzustellen. Auch im Übrigen wird der bergrechtliche Sektor vor allem mit Blick auf den Untertageberg- 6 bau vom Geltungsbereich anderer Sicherheits- und Arbeitsschutzvorschriften des Bundes ausgenommen (vgl. auch § 55 Rn. 35 ff.). Das gilt insbesondere für die Arbeitsstätten-Verordnung (vgl. dort § 1 Abs. 6) und die Gefahrstoffverordnung (vgl. dort § 1 Abs. 4 Satz 2), aber auch die Betriebssicherheitsverordnung, die überwachungsbedürftige Anlagen behandelt, gilt gemäß ihres § 1 Abs. 2 nicht in Betrieben, die dem BBergG unterliegen, soweit dafür entsprechende Rechtsvorschriften bestehen. Demgegenüber enthält das Chemikaliengesetz (ChemG) in seinem § 2 (Anwendungsbereich) keine Einschränkungen bezüglich der Anwendung für die der Bergaufsicht unterliegenden Betriebe; der federführende Bundestagsausschuss hatte im Abschlussbericht zwar erklärt, er erwarte, dass entsprechend den Regelungen in der Arbeitsstätten-Verordnung auch Verordnungen nach §§ 17 und 19 ChemG nicht auf den untertägigen Bereich ausgedehnt werden,8 doch wenn diese Erwartung zwischenzeitlich immer noch nicht Gesetz geworden ist, wird man allein aus den Hinweisen in den Gesetzesmaterialien keine Ausnahme für den Bergbau herleiten können.

III. Inhaltliche Grenzen und Anwendungsbereich der Bergverordnungen Der Inhalt der Bergverordnungen richtet sich im Einzelnen nach den Erfordernissen der jeweils 7 zu erfüllenden Schutzziele. Er wird begrenzt durch die in den §§ 65 bis 67 enthaltenen Verordnungsermächtigungen, die Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung verbindlich vorgeben. Sie entsprechen damit den Anforderungen, die Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG allgemein für eine Verordnungsgebung aufstellt.9 Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Ermächtigungsnormen müssen erfüllt sein, ihre Grenzen dürfen nicht überschritten werden, ansonsten ist die Verordnung nichtig. Im Übrigen müssen die Bergverordnungen inhaltlich den Anforderungen genü6 BVerfG 16.6.1954, 1 PBvV 2/52, BVerfGE 3, 407, 433; BVerfG 29.4.1958, 2 BvO 3/56, BVerfGE 8, 143, 149 f.; BVerfGE 78, 374, 386 f.; BVerwG 3.3.1994, 4 C 1/93, BVerwGE 95, 188, 191; BVerwG 10.12.1996, 1 C 33/94, NVwZ-RR 1997, 350, 351; Sachs/ Degenhart GG, Art. 70 Rn. 37 ff. 7 Näher Große-Suchsdorf/Mann Niedersächsische Bauordnung, 10. Aufl. 2020, § 1 Rn. 27. 8 Näher mit Fundstellennachweisen bei Weinmann/Thomas/Wölcke Chemikaliengesetz (1981), § 2 Rn. 10. 9 Dazu s. statt vieler nur Sachs/Mann GG, Art. 80 Rn. 23 ff. 825

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gen, die grundsätzlich an alle Rechtsnormen zu stellen sind. Dazu gehört die Einhaltung des Bestimmtheitsgebots, d.h. die Vorschriften müssen in ihrem Inhalt so bestimmt sein, dass die Normunterworfenen aus den in einer Verordnung enthaltenen Geboten oder Verboten sicher und klar erkennen können, was von ihnen verlangt wird.10 Dies schließt nicht aus, dass in Bergverordnungen unbestimmte Rechtsbegriffe verwendet werden, die der Konkretisierung im Einzelfall bedürfen und die durch Verwaltungsvorschriften ausgefüllt werden können (vgl. § 143 Rn. 6 f.). Nach § 68 Abs. 4 ist es auch zulässig, wegen technischer Anforderungen auf Bekanntmachungen sachverständiger Stellen unter Angabe der Fundstelle zu verweisen (vgl. § 68 Rn. 21 ff.). Der Verordnungsgeber hat ferner beim Erlass von Bergverordnungen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zwischen Zweck und Mittel zu wahren; danach dürfen Grundrechte nur so weit beschränkt werden, als es zum Schutz öffentlicher Interessen unerlässlich ist.11 Die eingesetzten Mittel müssen geeignet und erforderlich sein, um den erstrebten Zweck zu erreichen. Sind mehrere Maßnahmen in gleicher Weise geeignet, Gefahren abzuwehren oder zu verringern, so ist in der Verordnung diejenige Maßnahme vorzuschreiben, die die Normadressaten am wenigsten belastet. 8 Hauptadressaten der auf Grund der §§ 65 ff. zu erlassenden Bergverordnungen sind die verantwortlichen Personen (§ 58 Abs. 1). Mit Ausnahme derjenigen Vorschriften, die sich z.B. an jedermann (§ 66 Satz 1 Nr. 6 letzte Alt.) oder an bestimmte Personengruppen (§ 67 Nr. 3, 4) wenden, ist die überwiegende Zahl der Schutzvorschriften vom Unternehmer und von den übrigen verantwortlichen Personen zu beachten. Der räumliche Anwendungsbereich der Bergverordnungen deckt sich mit dem Zuständigkeitsbereich der die Verordnung erlassenden Behörde. Die vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie erlassenen Bergverordnungen haben also im ganzen Bundesgebiet – bzw. im Bereich des Festlandsockels – Geltung, während der Geltungsbereich der Bergverordnungen der Länder auf das jeweilige Land beschränkt bleibt. Letztere haben lediglich den Rang von Landesverordnungen, auch wenn sie auf einer bundesgesetzlichen Ermächtigung beruhen.12 In sachlicher Hinsicht können Bergverordnungen mit Wirkung für die in § 2 Abs. 1 und §§ 126 bis 131 genannten Tätigkeiten und Einrichtungen erlassen werden. Insoweit stimmt der Anwendungsbereich der Bergverordnungen mit dem Geltungsbereich des BBergG überein. Der Verordnungsgeber hat aber die Möglichkeit, den Anwendungsbereich einer Bergverordnung auf Teilgebiete, z.B. auf bestimmte technische Einrichtungen oder einzelne Bergbauzweige zu beschränken. Die Bergverordnungen sind verbindlich für den Unternehmer, die sonstigen verantwortlichen Personen, für die Beschäftigten sowie für diejenigen Personen, die sich in den räumlichen Geltungsbereich begeben (vgl. § 66 Satz 1 Nr. 6 „wie sich diese Personen – Beschäftigte und Dritte – im Betrieb zur Vermeidung von Gefahren zu verhalten haben“).

IV. Zuständigkeitsverteilung 9 Ein wesentliches Anliegen des Bundesgesetzgebers bei der Schaffung des BBergG war die Vereinheitlichung und Harmonisierung des technischen Vorschriftenwesens im Bergbau auf Bundesebene. Technische Vorschriften sollten künftig materiell einheitlich im ganzen Bundesgebiet für alle in Betracht kommenden Bergbauzweige erlassen werden.13 Um dieses Ziel zu erreichen, sah die Regierungsvorlage des Gesetzes in § 67 für den Erlass von Bergverordnungen eine grundsätzliche Kompetenz des Bundesministers für Wirtschaft vor. Eine Übertragung der Ermächtigung auf eine Landesregierung sollte nach § 67 Abs. 2 des Regierungsentwurfs lediglich dann in Betracht kommen, wenn Vorschriften nur für einen oder mehrere Bergbauzweige eines Landes notwendig 10 BVerfG 3.3.2004, 1 BvF 3/92, BVerfGE 110, 33, 53 f.; BVerfG 27.7.2005, 1 BvR 668/04, BVerfGE 113, 348, 375. 11 BVerfG 15.12.1965, 1 BvR 513/65, BVerfGE 19, 342, 349, ständige Rspr. Aus der Literatur vgl. statt aller nur Kingreen/ Poscher Grundrechte, Rn. 391 ff.

12 Allgemeine Regel, vgl. nur BVerfG 23.3.1965, 2 BvN 1/62, BVerfGE 18, 407, 408, 413; Sachs/Mann GG, Art. 80 Rn. 18; BeckOK-GG/Uhle Art. 80 Rn. 15. 13 Amtl. Begr., BT-Drs. 8/1315, S. 117. Mann

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wären.14 Die grundsätzliche Bundeskompetenz begegnete jedoch schwerwiegenden Bedenken des Bundesrates, der in seiner Stellungnahme zu dem Regierungsentwurf darauf hinwies, dass wegen der Besonderheiten der einzelnen Bergbauzweige und Lagerstätten sowie wegen der sich laufend verändernden Verhältnisse in technischer Hinsicht und in den einzelnen Bergbaubetrieben unterschiedliche Sicherheitsrisiken bestehen und entstehen, denen entsprechend differenziert und vor allem schnell begegnet werden müsse: „Dementsprechend ist nach geltendem Recht die Bergaufsicht ein in sich geschlossenes Überwachungssystem, bei dem Betriebsplanzulassung, Betriebsüberwachung und Vorschriftenwesen eng verzahnt sind und ineinander übergehen“.15 Der BR verlangte deshalb die Beibehaltung der grundsätzlichen Zuständigkeit der Länder zum Erlass von Bergverordnungen (vgl. Rn. 1 f.). Der WiA des Bundestages schlug einen Kompromiss vor, der in Gestalt des jetzigen § 68 in das Gesetz aufgenommen wurde.16 Danach ist die Kompetenz zum Erlass von Bergverordnungen grundsätzlich bei den Ländern belassen worden. Lediglich in den in § 68 Abs. 2 näher bezeichneten Fällen ist die Zuständigkeit auf den Bundesminister für Wirtschaft und Energie übergegangen. Durch § 68 Abs. 2 Nr. 3 wird sichergestellt, dass auch bei grundsätzlich nur regional geltenden Vorschriften der Arbeitsschutz und die Betriebssicherheit im Bergbau nicht unterschiedlich geregelt werden und dass europäische Rechtsakte, Beschlüsse internationaler Organisationen sowie zwischenstaatliche Vereinbarungen einheitlich umgesetzt werden. In vielen Ländern ist die Ermächtigung zum Erlass von Bergverordnungen nach § 68 Abs. 1 2 10 auf das Oberbergamt übertragen worden, nämlich in HB, HH, im SL, in S-H, SN und Thür. Hingegen werden Bergverordnungen in BY, Bbg, M-V, RLP und LSA vom Wirtschaftsministerium, in Bln von dem für das Bergrecht zuständigen Mitglied des Senats (Wirtschaftssenator), erlassen.17 Abweichend hiervon haben B-W und Hess eine Zuständigkeit des Umweltministeriums begründet18 und NRW die Ermächtigung der Landesregierung zum Erlass von Bergverordnungen nach § 68 Abs. 1 Satz 1 auf die Bezirksregierung Arnsberg übertragen.19 Auf Grund von Staatsverträgen bzw. Verwaltungsabkommen ist das Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG, das frühere Oberbergamt) in Clausthal-Zellerfeld für den Erlass von Bergverordnungen nicht nur in Nds., sondern auch in den Ländern HB, HH und S-H zuständig.20

V. Formvorschriften Beim Erlass von Bergverordnungen sind in formeller Hinsicht die für Rechtsverordnungen allge- 11 mein geltenden Vorschriften zu beachten: Das Zitiergebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG verlangt eine Angabe der Rechtsgrundlage, d.h. im Interesse der Selbstkontrolle und der externen Richtigkeitskontrolle sind in der Eingangsformel jeder Bergverordnung die Vorschriften anzugeben, von denen der Verordnungsgeber seine Befugnis zum Erlass der Verordnung ableitet.21 Ferner soll die Bergverordnung eine Überschrift tragen, die ihren Inhalt kennzeichnet. Außerdem ist der örtliche Geltungsbereich der Verordnung anzugeben und die Behörde zu bezeichnen, die die Verord14 15 16 17 18

BT-Drs. 8/1315, S. 30. BR-Drs. 350/75 und BT-Drs. 8/1315, S. 180. BT-Drs. 8/3965, S. 46, 138 f. Zu ausführlichen Fundstellennachweisen vgl. die Fußnoten zu § 68 Rn. 7. Vgl. § 2 B-W Bundesberggesetz-Zuständigkeitsverordnung vom 13.1.1982; § 19 Nr. 2 Hess. DelegationsVO vom 12.12.2007. 19 Vgl. § 2 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung zur Regelung von Zuständigkeiten und zur Übertragung von Verordnungsermächtigungen auf dem Gebiet des Bergrechts NRW vom 2.3.2010. 20 Eine Liste der aktuell geltenden Bergverordnungen in diesen vier Ländern findet sich auf der Homepage des LBEG unter https://www.lbeg.niedersachsen.de/bergbau/weitere_themen/downloads/downloadangebote-im-bereich-bergbau96026.html (zuletzt abgerufen am 17.1.2023). 21 Vgl. BVerfG 6.7.1999, 2 BvF 3/90, BVerfGE 101, 1, 42 ff., insbes. 44: vollständiger und spezifizierter Nachweis aller in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen. Näher Sachs/Mann GG, Art. 80 Rn. 31. 827

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nung erlassen hat, sowie diejenigen Stellen zu benennen, mit deren Zustimmung oder nach deren Anhörung die Bergverordnungen erlassen worden sind (vgl. Rn. 12 f.). Nach Art. 82 Abs. 1 Satz 2 GG und den entsprechenden Bestimmungen der Landesverfassungen muss jede Rechtsverordnung von der Stelle, die sie erlässt, ausgefertigt werden. Dazu muss die erlassende Behörde ein Originalstück der Bergverordnung, das mit vollem Text, voller Unterschrift und Datum versehen ist, herstellen und bei den Akten aufbewahren. Dieses Stück stellt den amtlichen Text fest und dient als Grundlage für die anschließende Veröffentlichung. Wie andere Rechtsverordnungen auch sind Bergverordnungen zudem ordnungsgemäß zu verkünden. Die Verkündung der vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie erlassenen Verordnungen erfolgt gemäß Art. 82 Abs. 1 Satz 2 GG im Bundesgesetzblatt. Die Landesverfassungen schreiben in der Regel eine Verkündung im jeweiligen Gesetz- und Verordnungsblatt (im Saarland: „Amtsblatt“) vor. In Nordrhein-Westfalen sind die von der Bezirksregierung Arnsberg erlassenen Bergverordnungen im Amtsblatt derjenigen Bezirksregierung zu verkünden, in deren Bezirk sie gelten sollen.22 Die Bergverordnungen des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie bedürfen gemäß 12 § 68 Abs. 3 zu ihrer Wirksamkeit der Zustimmung des Bundesrates sowie in den Fällen des § 68 Abs. 3 Nr. 1 bis 3 des Einvernehmens mit den dort näher bezeichneten anderen Bundesministerien. Das Verfahren richtet sich im Einzelnen nach dem sechsten Abschnitt (§§ 62 ff.) der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien.23 Gemäß § 141 Satz 1 nimmt der Sachverständigenausschuss für den Bergbau zu den vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie zu erlassenden Bergverordnungen Stellung. Je nach Landesrecht kann auch bei bestimmten landesrechtlich erlassenen Bergverordnungen 13 nach § 68 Abs. 1 eine Beteiligung von anderen Ministerien erforderlich sein. In M-V betrifft das etwa das Einvernehmen des Sozial- oder Umweltministeriums, in BY das des Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales.24 Außerdem wird in BY, NRW, RLP, S-H, dem SL und Thür bei Bergverordnungen, die den Schutz des Lebens und der Gesundheit der Beschäftigten betreffen, ausdrücklich eine Beteiligung bzw. Anhörung der zuständigen Berufsgenossenschaften bzw. Unfallversicherungsträger angeordnet.25 Trotz des unterschiedlichen Wortlauts der Vorschriften ist insoweit in allen Ländern eine Beteiligung in Form der Anhörung ausreichend; ein Einvernehmen mit den Berufsgenossenschaften wird nicht gefordert.

VI. Vollzug, Zuwiderhandlungen, Rechtsschutz 14 Die für die Bergaufsicht (§ 69 Abs. 1) zuständigen Landesbehörden überwachen auch die Einhaltung der Bergverordnungen. Sie können im Einzelfall nach § 71 Abs. 1 anordnen, welche Maßnahmen zur Durchführung der Bergverordnungen zu treffen sind. Führt ein Zustand, der einer Bergverordnung widerspricht, eine unmittelbare Gefahr für Beschäftigte oder Dritte herbei, so kann unter den in § 71 Abs. 2 genannten Voraussetzungen eine Betriebseinstellung angeordnet werden. Falls eine Bergverordnung ein besonderes Verwaltungshandeln vorsieht, z.B. eine Genehmigung, Bauartzulassung, Anerkennung oder die Entgegennahme von Anzeigen, wird die dafür zu22 Vgl. § 2 Abs. 2 Satz 3 der Verordnung zur Regelung von Zuständigkeiten und zur Übertragung von Verordnungsermächtigungen auf dem Gebiet des Bergrechts NRW vom 2.3.2010 (GVBl. S. 163). 23 Vgl. die Bekanntmachung der Neufassung der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO) vom 9.8.2000 (GMBl. S. 526). Einzelheiten bei Sachs/Mann GG, Art. 80 Rn. 39. 24 Siehe § 2 Abs. 2 BergZuVO M-V vom 5.5.1994; § 1 Abs. 1 Satz 3 –BergbehördV BY vom 9.11.2013. 25 Vgl. § 1 Abs. 1 Satz 3 – BergbehördV BY vom 9.11.2013: „die zuständigen Unfallversicherungsträger“; § 2 Abs. 2 Satz 2 Verordnung zur Regelung von Zuständigkeiten und zur Übertragung von Verordnungsermächtigungen auf dem Gebiet des Bergrechts NRW vom 2.3.2010; § 1 Abs. 2 Landesverordnung zur Übertragung von Befugnissen und Ermächtigungen nach dem BBergG RLP vom 14.11.2007; § 1 Abs. 2 Satz 2 Verordnung zur Übertragung von Ermächtigungen zum Erlass von Rechtsverordnungen nach dem BBergG SL vom 10.6.1981; § 2 Satz 2 Landesverordnung zur Übertragung von Ermächtigungen nach dem BBergG S-H vom 18.6.1981; § 2 Abs. 2 Satz 2 der Thüringer Verordnung zur Bestimmung von Zuständigkeiten nach dem BBergG und dem Geologiedatengesetz vom 1.11.2002. Mann

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Vierter Teil – Ermächtigungen zum Erlass von Bergverordnungen

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ständige Behörde von den Ländern bestimmt. Das gilt nicht nur für die von den Ländern selbst erlassenen Bergverordnungen, sondern gemäß Art. 84 Abs. 1 GG auch für Bergverordnungen, die der Bundesminister für Wirtschaft und Energie nach § 68 Abs. 2 erlässt. Nach Maßgabe des § 145 Abs. 3 handelt ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder fahrlässig einer 15 Bergverordnung zuwiderhandelt, soweit sie für einen bestimmten Tatbestand auf diese Bußgeldvorschrift verweist. Zur Höhe der Geldbuße siehe § 145 Abs. 4. Unter bestimmten Voraussetzungen kann ein Verstoß gegen eine Bergverordnung gemäß § 146 eine Straftat darstellen. Die auf eine Bergverordnung gestützten belastenden Verwaltungsakte sind vor den Verwal- 16 tungsgerichten mit der Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 VwGO) anfechtbar. In denjenigen Ländern, die von der in § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO vorgesehenen Möglichkeit zur Schaffung einer prinzipalen Normenkontrolle Gebrauch gemacht haben,26 kann eine Landes-Bergverordnung auch mit der Normenkontrolle einer verwaltungsgerichtlichen Überprüfung zugänglich gemacht werden.27 Dies gilt hingegen nicht für eine Bergverordnung des Bundeswirtschaftsministeriums nach § 68 Abs. 2, da es sich insoweit nicht um eine „im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschrift“ (vgl. § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO) handelt.

VII. Aktuell geltende Bundesbergverordnungen Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind auf Bundesebene die folgenden Bergverordnungen in Kraft 17 (Auflistung in der Reihenfolge ihres Inkrafttretens):

1. Bergverordnung über vermessungstechnische und sicherheitliche Unterlagen (Unterlagen-Bergverordnung – UnterlagenBergV) vom 11.11.198228 Diese Verordnung, die ihre Rechtsgrundlage in § 67 Nr. 1, 4 und 8 findet, fasst zwei unterschiedli- 18 che Regelungsbereiche in einer einheitlichen Verordnung zusammen: Im 1. Abschnitt (§§ 1 bis 8) werden Anforderungen an Karten und Lagerrisse für Bergbauberechtigungen aufgestellt. Die Aufstellung dieser vermessungstechnischen Anforderungen liegt darin begründet, dass Anträge auf Erlaubnis (§ 11 Nr. 2), Bewilligung (§ 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2) oder Bergwerkseigentum (§§ 13 Nr. 4, 25 Nr. 2) zu versagen sind, wenn die mit dem Antrag einzureichenden Karten und Lagerrisse nicht den bergverordnungsrechtlichen Vorgaben entsprechen. Neben der allgemeinen Anforderung des § 1 Abs. 1 UnterlagenBergV, dass den Anträgen auf Erteilung einer Erlaubnis nach § 7 sowie den in den Nrn. 1 bis 4 der Vorschrift aufgelisteten Anträgen amtliche Karten der Landesvermessung oder des Liegenschaftskatasters in der neuesten Ausgabe zugrunde zu legen sind, enthält die Verordnung Regelungen, in welchem Maßstab Karten und Lagerrisse anzufertigen sind (§ 3) sowie die Vorgabe, dass Feldeseckpunkte grundsätzlich in Gauß-Krügerschen Koordinaten festzulegen sind, einschließlich der Berechnung des Flächeninhalts des Feldes (§ 5). Sondervorschriften für den Festlandsockel und die Küstengewässer finden sich in § 8. Der 2. Abschnitt der UnterlagenBergV (§§ 9 bis 11) sieht verschiedene Mitteilungs- und Nachweispflichten des bergbaulichen Unternehmens vor. Während die überwiegenden Mitteilungspflichten des § 9 sich innerhalb der Verordnungsermächtigung bewegen und insb. mit Gründen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes sowie des Schutzes der Lagerstätten gerechtfertigt werden können, wird bisweilen in Zweifel gezogen, ob dies auch für die Angaben über Betriebsflächen und wieder nutzbar gemachte Flächen in § 9 Satz 1 Nr. 1 Buchst. h) UnterlagenBergV zutrifft.29 Dem ist entgegen zu halten, dass sich die finale Ausrichtung der Ermächtigung in § 67 Abs. 1 auf die „Durchführung der Bergaufsicht“ 26 27 28 29

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt (Stand 1.1.2023) sind dies alle deutschen Länder mit Ausnahme von Bln, und HH. Zu den Details dieses Verfahrens s. Mann/Lang JURA 2022, 693 ff. Eingehend zur Unterlagen-Bergverordnung Keusgen ZfB 1983, 95, 96 ff.; Kirchner Glückauf 1983, 203. Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, §§ 65–68 Rn. 18.

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auch auf eine Einhaltung der Wiedernutzbarmachungsverpflichtung aus § 55 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 S. 2 bezieht30 und hierzu die Angaben aus Buchst. h) dienlich sind.31 Die Mitteilungspflicht des § 10 UnterlagenBergV über alle Unfälle, bei denen Personen mehr als drei Tage ganz oder teilweise arbeitsunfähig werden,32 gewinnt ausweislich ihres Satzes 2 erst dann eigenständige Bedeutung, soweit der Unfall nicht bereits nach einer anderen Rechtsvorschrift (vor allem § 74 Abs. 3 – dazu § 74 Rn. 12 –, aber auch § 193 Abs. 1 SGB VII) mitteilungspflichtig ist. § 11 verpflichtet den Unternehmer schließlich zur Nachweisführung über die in seinem Betrieb Beschäftigten. Die Aufbewahrungsfrist beträgt zwei Jahre ab Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Vgl. auch § 67 Rn. 6.

2. Bergverordnung über Einwirkungsbereiche (EinwirkungsbereichsBergverordnung – EinwirkungsBergV) vom 11.11.1982 19 Der Regelungsgegenstand dieser Verordnung beschränkt sich entsprechend der Ermächtigung des § 67 Nr. 7 auf Vorgaben, wie der Einwirkungsbereich festzulegen ist. Hierunter versteht das BBergG denjenigen Bereich, in dem durch einen Bergbaubetrieb oder Tätigkeiten nach den §§ 126– 129 auf die Oberfläche eingewirkt werden kann (vgl. die Legaldefinition in § 67 Nr. 7). Demgemäß sind nach Maßgabe der EinwirkungsBergV die Einwirkungsbereiche von untertätigen Bergbaubetrieben, von Bergbaubetrieben mit Hilfe von Bohrungen (wie bei Erdöl oder Erdgas) und von Untergrundspeichern mit künstlich geschaffenem Hohlraum (sog. Kavernen) festzulegen (§ 1 EinwirkungsBergV), was vor allem Bedeutung für die Bergschadensvermutung hat (§ 2 Abs. 1–3 EinwirkungsBergV). Der Einwirkungsbereich erfährt eine räumliche und eine zeitliche Begrenzung. Erstere erfolgt durch die Festlegung sog. Einwirkungswinkel (§ 2 Abs. 1 EinwirkungsBergV). Nach näherer Maßgabe der Definition in § 2 Abs. 2 EinwirkungsBergV wird von der Verordnung im Rahmen der Bergschadensvermutung dabei eine Bodensenkung (Nr. 1) oder Bodenhebung (Nr. 2) von weniger als 10 cm für tolerierbar gehalten, was auf der Annahme beruht, dass Schäden an Normalbauwerken bei einer Bodensenkung unter diesem Wert typischerweise nicht auftreten.33 Für besondere Einzelfälle, in denen eine Heranziehung von Einwirkungswinkeln für die Zwecke der Bergschadensvermutung34 nicht in Betracht kommt, verpflichtet § 3 EinwirkungsBergV den Unternehmer zu alternativen Methoden der Festlegung des Einwirkungsbereichs. Eine gänzlich andere Bestimmung erfährt der Einwirkungsbereich für bergrechtliche Verwaltungsverfahren; hier wird gemäß § 2 Abs. 4 EinwirkungsBergV der sog. rechnerische Nullrand der Bodensenkung oder -hebung für maßgeblich erklärt. Die zeitliche Begrenzung knüpft gem. § 4 Abs. 1 EinwirkungsBergV für ihren Beginn im Regelfall an das Erreichen der Bodensenkung oder Bodenhebung von 10 cm an und endet erst, wenn Bodensenkungen oder -hebungen messtechnisch nicht mehr nachweisbar oder nach allgemeiner Erfahrung nicht mehr zu erwarten sind. Für besonders bergschadensempfindliche Anlagen und Einrichtungen, die schon durch Bodensenkungen oder Bodenhebungen von weniger als 10 cm beeinträchtigt werden (z.B. Schleusen, Hebewerke oder größere Brückenbauwerke), sieht § 5 EinwirkungsBergV eine Sonderregelung zur Festlegung des Einwirkungsbereichs vor, nach deren Satz 2 der erweiterten Einwirkungsbereich, bis zu dem Einwirkungen zu berücksichtigen sind, mit Hilfe des Nullrandes der Bodensenkung oder Bodenhebung festzulegen ist. In § 7 EinwirkungsBergV wird, gestützt auf § 67 Nr. 1 BBergG, vorgeschrieben, dass 30 Umfassend hierzu Jäkel, Die Sicherheitsleistung zur Sicherstellung der Vorsorge für die Wiedernutzbarmachung der Oberfläche im Bergrecht, 2017, passim.

31 Ebenso unter Verweis auf die Bodenschutzklausel des § 1 Nr. 1 („bei sparsamem und schonendem Umgang mit Grund und Boden“, vgl. § 1 Rn. 9) Frenz/Kirchner BBergG, §§ 65–67 Rn. 21.

32 Zur Übertragbarkeit der Mitteilungspflicht s. Heitmann ZfB 1985, 455, 466. 33 Keusgen ZfB 1983, 95, 108; Regelmann Das Verhältnis zwischen Bergbau und Grundbesitz, S. 53. Dezidiert a.A. Frenz/Kirchner BBergG, §§ 65–67 Rn. 23 (auch Bodensenkungen unter 10 cm oder horizontale Bodenbewegungen, sog. Zerrungen, könnten Schäden an der Tagesoberfläche herbeiführen) und Kunert Markscheidewesen 2002, 40, 58. 34 Vgl. BR-Drs. 591/17, S. 52. Mann

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der Unternehmer dem Betriebsplan in näher bestimmten Fällen zeichnerische Darstellungen beizufügen hat, in denen der Einwirkungsbereich der im Betriebsplan vorgesehenen Maßnahmen einzutragen ist.

3. Verordnung über die Anwendung von Vorschriften des Bundesberggesetzes auf die Bergbau-Versuchsstrecke (Bergbau-VersuchsstreckenV) vom 11.11.1982 Die Bergbau-VersuchsstreckenV wurde als Art. 3 einer Sammelverordnung35 gemeinsam mit der 20 UnterlagenBergV (vgl. Rn. 18) und der EinwirkungsBergV (vgl. Rn. 19) bekannt gemacht. Sie findet ihre Ermächtigungsnorm allerdings in § 129 Abs. 2, weshalb sie keine eigentliche Bergverordnung im dem oben in Rn. 2 und 4 dargelegten Sinne ist.36 Der Regelungszusammenhang dieser nur zwei Paragraphen umfassenden Verordnung, erhellt sich vor dem Hintergrund des Verzichts des Gesetzgebers, Bergbau-Versuchsstrecken dem sachlichen Anwendungsbereich des BBergG zu unterstellen, und der gleichzeitigen Erkenntnis, dass sich aber auch auf Versuchsstrecken bergbautypische Gefahren realisieren können. Das Bundesministerium für Wirtschaft hat daher von der Verordnungsermächtigung des § 129 Abs. 2 Gebrauch gemacht, indem die Bergbau-VersuchsstreckenV die entsprechende Anwendung der in § 129 Abs. 1 aufgeführten Vorschriften auf BergbauVersuchsstrecken anordnet. Die einzige aktuell in Betrieb befindliche Versuchsstrecke ist die von ursprünglich von der Westfälischen Berggewerkschaftskasse, heute von deren Rechtsnachfolgerin „DeutscheMontanTechnonlogie e.V.“, als Forschungsanlage für Explosionsschutz betriebene Anlage in Dortmund-Derne (dazu § 129 Rn. 10).

4. Bergverordnung zum Schutz der Gesundheit gegen Klimaeinwirkungen (KlimaBergverordnung – KlimaBergV) vom 9.6.1983 (BGBl. I S. 685) Diese Verordnung stützt sich gemäß ihrer Eingangsformel (dazu Rn. 11) auf § 66 Satz 1 Nr. 4 21 Buchst. a), b), d) und e), Nr. 5 Buchst. b), § 67 Nr. 1 und 8 und § 68 Abs. 2 Nr. 1 und 3 sowie Abs. 3 Nr. 1. Sie bezweckt vornehmlich den Gesundheitsschutz der in untertätigen Betrieben Beschäftigten vor ungünstigen Klimaeinwirkungen unter Tage und flankiert die bereits nach § 61 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bestehende (allgemeine) Pflicht des Bergbauunternehmers, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um durch Optimierung der klimatischen Verhältnisse unter Tage Beschäftigte und Dritte vor Gefahren zu schützen.37 Werden trotz der ergriffenen technischen und organisatorischen Maßnahmen die in den einzelnen Paragraphen aufgestellten Temperaturhöchstwerte – Trockentemperatur von 28 °C oder Effektivtemperatur von 25 °C38 – überschritten (die Verordnung trennt insoweit zwischen dem untertägigen Salzbergbau mit vergleichsweise hohen Temperaturen und geringer Luftfeuchtigkeit sowie dem übrigen untertägigen Bergbau), geht dies mit einer Einschränkung der Beschäftigungszeiten, bis hin zu einem vollständigen Beschäftigungsverbot,39 bzw. der Gewährung zusätzlicher Pausen einher (vgl. §§ 3 ff. KlimaBergV). Bei der Schaffung des BBergG kritisierten die Bergbauunternehmen die von der Verordnung festgelegten Temperaturhöchstwerte, weil sie sie als nicht vereinbar mit arbeitsphysiologischen Erkenntnissen und somit als nicht von der Ermächtigungsnorm des § 66 gedeckt ansahen. Eine Rolle dürfte dabei sicherlich auch die Tatsache gespielt haben, dass Verstöße 35 Verordnung über bergbauliche Unterlagen, Einwirkungsbereiche und die Bergbau-Versuchsstrecke vom 11.11.1982 (BGBl. I S. 1553). Frenz/Kirchner BBergG, §§ 65–67 Rn. 23. Marth Glückauf 1990, 706. Zur Definition dieser Temperaturwerte vgl. § 2 KlimaBergV. Das ist im Salzbergbau bei Trockentemperaturen von mehr als 52 °C oder Feuchttemperaturen von mehr als 27 °C (vgl. § 5 KlimaBergV) und außerhalb des Salzbergbaus bei Effektivtemperaturen (vgl. § 2 Nr. 3 KlimaBergV) von mehr als 30 °C (vgl. § 4 KlimaBergV) der Fall.

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gegen die überwiegenden Vorschriften als Ordnungswidrigkeiten ausgestaltet sind (vgl. § 15 KlimaBergV).

5. Verordnung über markscheiderische Arbeiten und Beobachtungen der Oberfläche (Markscheider-Bergverordnung – MarkschBergV) in der Fassung vom 21.7.2020 (BGBl. I S. 1702) 22 Die u.a. aufgrund des § 67 Nr. 1 bis 6 und 8, des § 68 Abs. 2 Nr. 1 und 2, Abs. 3 Nr. 3 ergangene Markscheider-Bergverordnung gilt für Vermessungen im Zusammenhang mit Tätigkeiten und Einrichtungen nach § 2 sowie für Messungen und Erfassung von bergbaubedingten Bodenbewegungen. Vom sachlichen Geltungsbereich umfasst sind nicht nur alle vermessungstechnischen Arbeiten im Rahmen der bergbaurechtlichen Tätigkeiten nach § 2 Abs. 1, sondern infolge der Bezugnahme des § 1 Abs. 1 MarkschBergV auf den gesamten § 2 auch mit Blick auf Tätigkeiten und Einrichtungen nach § 2 Abs. 2 und 3, also beispielsweise Vermessungen über Tage (bzgl. Festlandsockel oder alte Halden) und unter Tage (bzgl. Untergrundspeicher). Als Grundsatz für diese vermessungstechnischen Arbeiten legt § 2 Abs. 1 MarkschBergV fest, dass die Arbeiten im Anwendungsbereich nach den allgemeinen anerkannten Regeln der Markscheide- oder Vermessungskunde durchzuführen sind, wobei die Regeln der DIN 21901 (Ausgabe Februar 1984) und die in deren Rahmen vom Deutschen Institut für Normung aufgestellten technischen Normen grundsätzlich zu beachten sind. Darüber hinaus statuiert § 2 Abs. 3 MarkschBergV den Grundsatz der Richtigkeit, Nachvollziehbarkeit, Übersichtlichkeit und Lesbarkeit der risslichen Darstellungen. Diese Eigenschaften sind durch anerkannte Markscheider und andere anerkannte Personen i.S.d. § 64 Abs. 1 Satz 2 sicherzustellen und Ausnahmen zu begründen. 23 Die genauen Anforderungen an das Risswerk gemäß § 63 regelt § 9 MarkschBergV. Je nach Betriebsart sind bei untertägigen Betrieben beispielsweise Tagesrisse, Sohlenrisse, Gewinnungsrisse sowie Schnittrisse, bei übertägigen Betrieben u.a. Grundwasserrisse und Höhenfestpunktrisse Bestandteil des Risswerks. Form und Inhalt des Risswerks ergeben sich aus der Anlage 3 Teil 2 zu § 9 MarkschBergV. Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 4 MarkschBergV kann das Risswerk seit der Novelle 2020 auf Antrag und nach schriftlicher Zustimmung der zuständigen Behörde auch in elektronischer Form nach den Grundsätzen der digitalen Langzeitarchivierung vorgehalten oder mit Zeichengrundstoffen geringerer Haltbarkeit angefertigt werden.40 Dem Grundsatz der Lesbarkeit und Übersichtlichkeit gemäß § 2 Abs. 3 MarkschBergV trägt § 9 Abs. 3 MarkschBergV Rechnung, wonach ein Riss unter Umständen in mehrere Teile aufgeteilt werden muss, bzw. die Zusammenlegung mehrerer Risse ermöglicht wird. Die MarkschBergV trifft im Übrigen Bestimmungen zu den zu verwendenden Geobasisdaten des amtlichen Vermessungswesens und den von diesen Geobasisdaten abgeleiteten Produkten (§ 3 MarkschBergV), zur erforderlichen Messgenauigkeit (§ 6 MarkschBergV mit der Anlage 1), zur Dokumentationspflicht (§ 7 MarkschBergV mit Anlage 2) sowie zur Übernahme fremder Unterlagen (§ 8 MarkschBergV). Nähere Regelungen zu Nachtragungsfristen finden sich in § 10 MarkschBergV.41 Für Messungen zur Erfassung von Bodenbewegungen nach § 125 (z.B. Höhen-, Längen- und Winkelmessungen sowie Punktlagebestimmungen) stellt § 15 Abs. 3 MarkschBergV die Anforderung auf, dass durch Messungen und Darstellungen eine zuverlässige Vorhersage über Ausdehnung, Größe und zeitlichen Ablauf zu erwartender Einwirkungen auf die Oberfläche durch die jeweiligen Bergbaubetriebe und ihre Auswirkungen auf bauliche Anlagen ermöglicht wird. Diese Messungen nach § 125 können jedoch nur für Gebiete verlangt werden, in denen zu besorgen ist, dass bauliche Anlagen beeinträchtigt werden und damit Gefahren für Leben, Gesundheit oder bedeutende Sachgüter entstehen (vgl. § 125 Abs. 2). 40 Zur Kritik an der alten Regelung in § 9 Abs. 1 S. 4, nach der ausnahmslos „zweckentsprechender haltbarer Zeichengrundstoff“ zu verwenden war, s. Frenz/Kirchner BBergG, §§ 65–67 Rn. 32. 41 Zur Satellitenmessung als Methode der Risswerksnachtragung vgl. Guder/Weber/Frenz/Preuße Glückauf 2006, 547, 551 ff. Mann

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Für die allgemeinen Anforderungen an die Darstellung und Messung verweist § 15 Abs. 2 Satz 1 MarkschBergV auf die Regelungen für vermessungstechnische Maßnahmen nach § 2. Zu weiteren Einzelheiten siehe § 63 Rn. 3 ff., § 64 Rn. 7 sowie § 67 Rn. 9 und 12.

6. Bergverordnung zum gesundheitlichen Schutz der Beschäftigten (Gesundheitsschutz-Bergverordnung – GesBergV) vom 31.7.1991 (BGBl. I S. 1751) Die GesBergV gilt für gesundheitliche Eignungsuntersuchungen sowie (arbeitsmedizinische) Vor- 24 sorge- und Schutzmaßnahmen bei der Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung von Bodenschätzen sowie bei der Ausübung artverwandter Tätigkeiten. Aufgrund der mangelnden Vergleichbarkeit mit den genannten Tätigkeiten nicht vom Anwendungsbereich der Verordnung umfasst ist die Wiedernutzbarmachung,42 doch können u.U. einzelne Teilhandlungen wie Verfüllungs-, Sicherungs- und Verfestigungsarbeiten, sowie Abbruch- und Sanierungsarbeiten erfasst sein, soweit sie noch unter die Gewinnung (vgl. § 4 Abs. 2) zu fassen sind (vgl. § 4 Rn. 6 ff.). Das Verbot hinsichtlich des Umgangs von Personen mit kennzeichnungspflichtigen, sehr giftigen und giftigen Gefahrstoffen nach der Gefahrstoffverordnung (GefStoffVO) sowie die ausnahmsweise Zulassung des Umgangs mit anderen näher bezeichneten Stoffen war vor der Novellierung der GesBergV 2017 in § 4 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 GesBergV a.F. geregelt, doch normierte § 4 Abs. 7 GesBergV a.F. für unverhältnismäßige Härtefälle eine Ausnahme im Hinblick auf die Vorschriften des § 4 Abs. 1 GesBergV, was insbesondere den Entwicklungen im Bereich des Gefahrstoffrechts Rechnung tragen sollte.43 Diese Vorschrift wurde im Zuge der Novellierung des GesBergV aufgehoben. Ersetzt wurde § 4 GesBergV a.F. durch § 7 GesBergV n.F., der lediglich die Anwendbarkeit der ABBergV und der GefStoffV klarstellend regelt, sofern die GesBergV selbst keine Regelungen enthält. Spiegelbildlich gilt die GefStoffVO nach § 1 Abs. 4 Satz 2 GefStoffVO nicht für Betriebe, die dem Bundesberggesetz unterliegen, soweit im Bundesberggesetz oder in den aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen entsprechende Rechtsvorschriften bestehen. Es ist damit im Einzelfall von der zuständigen Behörde zu prüfen, inwieweit die GesBergV einschlägig ist oder ob die entsprechenden Bestimmungen der GefStoffVO anzuwenden sind. Die GesBergV trifft zudem besondere Bestimmungen für die Belastung mit fibrogenem Grubenstaub im untertägigen Bergbau (§§ 8 ff. GesBergV). Fibrogene Stäube sind Stäube, die mit pathologischer Bindegewebsbildung einhergehende Staublungenerkrankungen durch inhalative Aufnahme verursachen können.44 Die vor 2017 noch in der GesBergV enthaltenen Vorschriften über den Schutz vor Lärm, mechanische Schwingungen, gesundheitsschädliche Beschäftigung an Bildschirmgeräten sowie vor unsachgemäßer oder übermäßiger Handhabung von manuellen Lasten sind aufgehoben worden, weil eine Rechtfertigung für bergrechtliche Sonderregeln insoweit nicht mehr besteht. Stattdessen gelten auch hier die allgemeinen arbeitsschutzrechtlichen Verordnungen (ArbeitsstättenVO, Lärm- und Vibrations-ArbeitsschutzVO u.a.).

7. Bergverordnung für alle bergbaulichen Bereiche (Allgemeine Bundesbergverordnung – ABBergV) vom 23.10.1995 (BGBl. I S. 1466) Diese Verordnung, die sich maßgeblich auf § 66 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b), Nr. 2, 4 Buchst. a) und d), 25 Nr. 5, 6, 9, 10 und Satz 3, den § 67 Nr. 1 und 8 und den § 68 Abs. 2 stützt, regelt die Sicherheit und den Gesundheitsschutz sowie den Umweltschutz bei 1. dem Aufsuchen, Gewinnen und Aufbereiten von Bodenschätzen und der damit zusammenhängenden Wiedernutzbarmachung der Oberfläche, 42 Begr. der BReg zur ÄnderungsVO 2017, BR-Dr. 591/17. S. 33; Frenz/Kirchner BBergG, §§ 65–67 Rn. 38. 43 Vgl. Begr. des BMWi, BR-Dr. 251/05, S. 18. 44 BR-Drs. 171/91, S. 49. 833

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dem Aufsuchen und Gewinnen mineralischer Rohstoffe in alten Halden, der Untergrundspeicherung, Tätigkeiten in Versuchsgruben und sonstigen bergbaulichen Versuchsanstalten, Einrichtungen, die überwiegend Tätigkeiten nach den Nr. 1 bis 4 dienen oder zu dienen bestimmt sind, auf dem Festland sowie im Bereich des Festlandsockels und der Küstengewässer (§ 1 Satz 1 ABBergV). Ihre §§ 2–22 und 23 sind zudem auf Anlagen zur Lagerung, Sicherstellung und Endlagerung radioaktiver Stoffe nach § 126 Absatz 3 anzuwenden (§ 1 Satz 1 ABBergV). 26 Die ABBergV konkretisiert die Pflichten des Unternehmers aus § 61 im Bereich der von der VO umfassten Arbeitsstätten (§§ 2 ff. ABBergV) und normiert in § 21 ABBergV auch für die Beschäftigen Pflichten für sicherheitsgerechtes Verhalten. Als Arbeitsstätte im Sinne der ABBergV gilt jede Örtlichkeit, in der Arbeitsplätze für bergbauliche Tätigkeiten und Einrichtungen, einschließlich der Unterkünfte vorhanden oder vorgesehen sind, und zu denen die Beschäftigten im Rahmen ihrer Aufgaben Zugang haben (§ 2 Abs. 1 S. 3 ABBergV). Eine oder mehrere Arbeitsstätten bilden einen Betrieb. Als allgemeinen Grundsatz legt § 2 Abs. 4 ABBergV u.a. fest, dass Arbeiten so zu gestalten sind, dass Risiken für Leben und Gesundheit bereits möglichst nicht entstehen und dennoch verbleibende Risiken jedenfalls sorgfältig abzuschätzen und zu verringern sind. Um diesem Grundsatz zu genügen, legt die ABBergV eine Vielzahl von den Unternehmer treffenden Pflichten fest. So hat der Unternehmer als erforderliche Maßnahme des Arbeitsschutzes ein Sicherheits- und Gesundheitsschutzdokument zu erstellen (§ 3 ABBergV). In diesem ist darzulegen, dass unter Berücksichtigung der in Betracht kommenden Umstände und der Beurteilung der Arbeitsbedingungen die jeweils erforderlichen Maßnahmen, welche der Sicherheit und dem Gesundheitsschutz der Beschäftigten dienen, rechtzeitig getroffen werden. Der Unternehmer hat ferner (§§ 5 ff. ABBergV) dafür zu sorgen, dass die belegten Arbeitsstätten ausreichend durch verantwortliche Personen beaufsichtigt und Beschäftigte vor Beginn der Beschäftigung über Gefahren für Sicherheit und Gesundheit, sowie über Notfall- und Erste-Hilfe-Maßnahmen bezogen auf ihren Arbeitsplatz unterrichtet werden. Er hat schriftliche Anweisungen in verständlicher Sprache zu erstellen und bei der Übertragung von Arbeiten eine sorgfältige Auswahl der Beschäftigten zu treffen. Die Beschäftigen sind ihrerseits gemäß § 21 ABBergV verpflichtet, nach ihren Möglichkeiten sowie gemäß der Unterweisung und besonderer Weisung des Unternehmers für ihre Sicherheit und Gesundheit Sorge zu tragen. Diese Pflicht bezieht sich insbesondere auf die bestimmungsgemäße Benutzung von Maschinen, Geräten, Apparaten, maschinen- und elektrotechnischen Anlagen, Werkzeugen und Arbeitsstoffen, sowie die Benutzung von Schutzvorrichtungen und Schutzausrüstungen. In Konsequenz dieser Verpflichtung sind die Beschäftigen gemäß § 22 ABBergV gegenüber dem Unternehmer berechtigt, Vorschläge zu allen Fragen der Sicherheit oder des Gesundheitsschutzes zu machen oder sich an die zuständige Behörde zu wenden, wenn sie aufgrund konkreter Anhaltspunkte der Auffassung sind, dass die Sicherheit und der Gesundheitsschutz durch den Unternehmer nicht ausreichend gewährleistet wird. Ihnen dürfen hierdurch keine Nachteile entstehen. Die ABBergV stellt in ihren §§ 12 ff. ferner Anforderungen an Arbeitsstätten und sanitäre Einrichtungen sowie an die Bereitstellung von Arbeitsmitteln und Schutzausrüstungen auf. Risiken und Gefahren für Sicherheit und Gesundheit an Arbeitsplätzen sind zu kennzeichnen. 27 Nach dem 2008 neu eingefügten § 22a ABBergV trifft den Unternehmer ferner die Verpflichtung zur Entsorgung von bergbaulichen Abfällen.45 Der 2016 eingefügte § 22b ABBergV legt den Technikstandard für die Aufsuchung und Gewinnung von Erdgas, Erdöl und Erdwärme fest und regelt die hierbei erforderlichen Überwachungsmaßnahmen. Insbesondere mit Blick auf die Technik des Hydraulic Fracturing (Fracking)46 enthält die Vorschrift Regelungen zur Bohrlochintegrität, zur Überwachung von Rückfluss und Lagerstättenwasser nach dem Stand der Technik und 45 Zum Begriff des Abfalls in diesem Kontext vgl. Marder-Bungert/v. Mäßenhausen AbfallR 2008, 266, 267; Attendorn NuR 2008, 153, 154; Frenz/Kirchner BBergG, §§ 65–67 Rn. 53 ff. 46 Näher dazu v. Weschpfennig ZfB 2016, 193 ff. Mann

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zur Erstellung eines seismologischen Basisgutachtens sowie zur Überwachung von Methan und anderer Emissionen. Wie auch sonst im allgemeinen Umweltrecht ist der „Stand der Technik“ auch im bergrechtlichen Kontext nicht statisch zu verstehen, sondern bildet den Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen ab, der es gesichert erscheinen lässt, dass eine Maßnahme praktisch geeignet ist, um die jeweiligen Genehmigungserfordernisse zu erfüllen. Dabei muss die Verhältnismäßigkeit von Kosten und Aufwand im Verhältnis zum Nutzen möglicher Maßnahmen berücksichtigt werden.47 Der ebenfalls 2016 eingefügte § 22c ABBergV bildet eine Sonderregelung für den Umgang mit Lagerstättenwasser und Rückfluss, die zuvor als bergbauliche Abfälle unter § 22a ABBergV zu subsumieren waren.

8. Bergverordnung für das Gebiet der Küstengewässer und des Festlandsockels (Offshore-Bergverordnung – OffshoreBergV) vom 3.8.2016 (BGBl. I S. 1866) Diese Verordnung, die die alte Festlandsockel-Bergverordnung – FlsBergV vom 21.3.1989 abgelöst 28 hat,48 stützt sich u.a. auf die Ermächtigungen in §§ 65, 66 und 67 Nr. 1 und 8 sowie § 68 Abs. 2 Nr. 2. 3. Sie dient der Umsetzung mehrerer EU-Richtlinien49 und gilt für die Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung von Bodenschätzen im Gebiet der Küstengewässer und des Festlandsockels50 der Bundesrepublik Deutschland und konkretisiert die Vorschriften des § 55 Abs. 1 Nr. 10 bis 13 sowie Abs. 2 Nr. 3. Die OffshoreBergV sieht in ihrem Kapitel 1 neben Maßnahmen zum Schutz des Meeres und des Meeresgrundes (§§ 3–9) – nach der Generalklausel des § 3 Abs. 1 sind nachteilige Einwirkungen auf das Meer und den Meeresgrund sowie auf Tiere und Pflanzen durch bergbauliche Tätigkeiten im Offshore-Bereich zu vermeiden oder zumindest so gering wie möglich zu halten – und Maßnahmen zur Sicherheit des Schiffs- und Luftverkehrs und von UnterwasserLeitungsinfrastruktur (§§ 10–15) auch Maßnahmen für den Bereich des Arbeitsschutzes vor (§§ 16– 30). Letztere beinhalten u.a. eine Pflicht zur Durchführung von Eignungsuntersuchungen (§ 16) und Sonderregelungen über Taucherarbeiten (§§ 23–25) oder den Umgang mit brennbaren, wassergefährdenden oder radioaktiven Stoffen (§§ 28–30). Die Vorschriften über die Aufsuchung und Gewinnung durch Bohrungen (§§ 31–36) beschreiben u.a. die Vorgehensweise bei der Niederbringung von Bohrungen oder die Überwachung des Bohrlochs. Nach diesen Vorschriften des ersten Kapitels, die im Wesentlichen für die Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung von allen Bodenschätzen gelten, enthält Kapitel 2 (§§ 40–67) der OffshoreBergV Sonderregelungen speziell für die Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung von Erdöl und Erdgas im Offshore-Bereich, namentlich zum Risikomanagement und Betriebsplan (§§ 40–52), zu den Anforderungen an Plattformen sowie zu den Notfallmaßnahmen (§§ 53–59) und zur Untergrundspeicherung (§ 69). Für den Vollzug der OffshoreBergV sind die Bergämter der jeweiligen Küstenländer als untere Verwaltungsbehörden

47 BR-Drs. 144/15, S. 18. Näher Mann Abfallverwertung als Rechtspflicht, S. 97 ff. 48 Zur FlsBergV vgl. die Voraufl. §§ 65–68 Rn. 22; zu deren Integration in die OffshoreBergV vgl. näher Frenz/Kirchner BBergG, §§ 65–67 Rn. 33.

49 Etwa der Umsetzung der EU-Richtlinie 2013/30/EU über die Sicherheit von Offshore-Erdöl- und -Erdgasaktivitäten (ABl. L 178 S. 66), deren durch die Deepwater Horizon-Havarie 2010 beeinflusstes Ziel die Verringerung von schweren Unfällen im Zusammenhang mit Offshore-Erdöl- und -Erdgasaktivitäten sowie die Begrenzung ihrer Folgen ist, vgl. BR-Drs. 274/16, S. 82. 50 Nach der auch hier gültigen Definition in Art. 76 Abs. 1 SRÜ umfasst der Festlandsockel eines Küstenstaats „den jenseits seines Küstenmeers gelegenen Meeresboden und Meeresuntergrund der Unterwassergebiete, die sich über die gesamte natürliche Verlängerung seines Landgebiets bis zur äußeren Kante des Festlandrands erstrecken oder bis zu einer Entfernung von 200 Seemeilen von den Basislinien, von denen aus die Breite des Küstenmeers gemessen wird, wo die äußere Kante des Festlandrands in einer geringeren Entfernung verläuft.“ Das in der Definition angesprochene Küstenmeer ist gem. § 3 SRÜ vom jeweiligen Staat festzulegen, darf aber höchstens 12 Seemeilen von der Basislinie (Art. 5 SRÜ) entfernt sein. Zum Küstengewässer als Rechtsbegriff im deutschen Recht vgl. § 3 Nr. 2 WHG. Vgl. § 2 Rn. 29 und § 66 Rn. 5. 835

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bzw. das LBEG zuständig (vgl. § 136). Zu weiteren Einzelheiten siehe § 2 Rn. 30, § 49 Anhang, vor § 132 Rn. 2, § 132 Rn. 20, § 133 Rn. 13. 29 In manchen Aufstellungen findet sich auch die Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung bergbaulicher Vorhaben (UVP-V Bergbau) vom 13.7.1990 als Bergverordnung aufgelistet, doch findet diese Verordnung ihre Ermächtigung in § 57c BBergG und ist damit keine eigentliche Bergverordnung i.S.d. Vierten Teils (§§ 65 ff.) des BBergG. Zu ihr siehe daher § 57c Rn. 5 und die gesonderte Kommentierung der UVP-V Bergbau. 30 Die Bestandsaufnahme der Bergverordnungen der Länder ergibt ein uneinheitliches Bild. Neben speziellen Bergverordnungen für alle Bergbauzweige, wie sie etwa in NRW existieren, gibt es je nach der Bedeutsamkeit einzelner Bergbauzweige in den betreffenden Ländern auch unvollständige oder fehlende Regelungen oder es wurde, wie in Bayern, Hessen und Sachsen, nur eine einzige zusammenfassende Bergverordnung erlassen. Parallel hierzu hat der Bund-LänderAusschuss Bergbau Muster-Bergverordnungen erarbeitet. Für eine aktuelle Übersicht der Bergverordnungen und Durchführungsvorschriften auf Bundes- und Landesebene (inklusive aller Bergverordnungen) siehe Zydek/Heller/Kullmann Deutsches Bergrecht.

§ 65 Anzeige, Genehmigung, allgemeine Zulassung, Prüfung 1

Zum Schutze der in § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und 4 bezeichneten Rechtsgüter und Belange kann, soweit im Hinblick auf eine ordnungsgemäße und sichere Führung der Betriebe eine Vereinfachung oder Entlastung bei der Zulassung von Betriebsplänen notwendig oder zweckmäßig ist, durch Rechtsverordnung (Bergverordnung) bestimmt werden, 1. daß bestimmte Arbeiten sowie die Errichtung, Herstellung und Inbetriebnahme bestimmter Einrichtungen, die Vornahme von Änderungen und sonstige sie betreffende Umstände anzuzeigen und welche Unterlagen den Anzeigen beizufügen sind, 2. daß bestimmte Arbeiten sowie die Errichtung oder Herstellung bestimmter Einrichtungen, ihr Betrieb und die Vornahme von Änderungen unter Befreiung von der Betriebsplanpflicht einer Genehmigung bedürfen, 3. daß nach einer Bauart- oder Eignungsprüfung durch eine in der Bergverordnung zu bezeichnende Stelle oder durch einen von der zuständigen Behörde anerkannten Sachverständigen bestimmte Einrichtungen und Stoffe allgemein zugelassen werden können, welche Anzeigen bei allgemeiner Zulassung zu erstatten und welche Unterlagen diesen Anzeigen beizufügen sind, 4. daß bestimmte Einrichtungen einer Prüfung oder Abnahme vor ihrer Inbetriebnahme und nach Instandsetzung, regelmäßig wiederkehrenden Prüfungen und Prüfungen auf Grund einer Anordnung der zuständigen Behörde durch eine in der Bergverordnung zu bezeichnende Stelle, durch eine besonders zu bestimmende verantwortliche Person oder durch einen von der zuständigen Behörde anerkannten Sachverständigen unterliegen, 5. daß Genehmigungen und allgemeine Zulassungen im Sinne der Nummern 2 und 3 von bestimmten persönlichen und sachlichen Voraussetzungen abhängig zu machen sind, 6. daß die Anerkennung einer Person oder Stelle als Sachverständiger im Sinne der Nummern 3 und 4 von bestimmten persönlichen und sachlichen Voraussetzungen abhängig zu machen, insbesondere welche Anforderungen an die Ausbildung, die beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten, an Zuverlässigkeit und Unparteilichkeit zu stellen sind und welche Voraussetzungen im Hinblick auf die technische Ausstattung und auf die Zusammenarbeit verschiedener Sachverständiger oder Stellen erfüllt werden müssen. 2 Zur Durchführung von Rechtsakten des Rats oder der Kommission der Europäischen Gemeinschaften können durch Rechtsverordnung (Bergverordnung) für Einrichtungen und Stoffe über Satz 1 hinaus und auch zum Schutz anderer als der dort genannten Mann https://doi.org/10.1515/9783110709285-095

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Vierter Teil – Ermächtigungen zum Erlass von Bergverordnungen

§ 65

Rechtsgüter sicherheitstechnische Beschaffenheitsanforderungen und sonstige Voraussetzungen des Inverkehrbringens und der bestimmungsgemäßen Verwendung, insbesondere Prüfungen, Produktionsüberwachung, Bescheinigungen, Kennzeichnung, Aufbewahrungs- und Mitteilungspflichten, sowie behördliche Maßnahmen geregelt werden.

Übersicht I.

Zweck und Ausmaß der Ermächtigung

II. 1. 2. 3. 4.

3 Inhalt der Ermächtigung 4 Anzeigen (Nr. 1) 5 Genehmigungen (Nr. 2) 6 Bauartzulassungen (Nr. 3) Prüfungen und Abnahmen (Nr. 4)

1

5. 6.

III. 7

Persönliche und sachliche Voraussetzungen 8 (Nr. 5) Voraussetzungen für die Anerkennung von Sach9 verständigen (Nr. 6) Durchführung europäischer Rechtsakte 10 (Satz 2)

I. Zweck und Ausmaß der Ermächtigung Ausweislich der Gesetzesbegründung bezweckt die Ermächtigung in § 65 eine „Vereinfachung 1 und Entlastung des Betriebsplanverfahrens mit dem Ziel einer Konzentration der Betriebspläne auf Funktions- und Organisationszusammenhänge“.1 Damit ist insbesondere gemeint, dass bestimmte betriebstechnische Verfahren und technische Arbeitsmittel eigentlich im Rahmen des Betriebsplanverfahrens geprüft werden müssten, dies aber das Betriebsplanverfahren allein schon in zeitlicher Hinsicht belasten würde. Weil aber die größte Zahl der technischen Verfahren und Arbeitsmittel standardisiert und typisiert sind, kann dies vermieden werden, indem sie einer i.d.R. einmaligen Genehmigung, Zulassung oder sonstigen Prüfung außerhalb des Betriebsplanverfahrens unterworfen werden. Diese Überlegung betrifft zentral § 65 Nr. 2 und 3, doch dienen in diesem Sinne auch alle weiteren Verordnungsermächtigungen in § 65 dem Zweck, das Betriebsplanverfahren durch vereinheitlichte allgemeine Regeln zu vereinfachen und zu verschlanken.2 Der Eingangssatz des § 65 stellt das Ausmaß der Verordnungsermächtigung klar; es wird 2 dadurch bestimmt, dass die in der Vorschrift ihrem Inhalt nach im Einzelnen umschriebenen Bergverordnungen nur dem Schutz der in § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und 4 bezeichneten Rechtsgüter und Belange dienen dürfen. Schutzgegenstand dieser Vorschriften sind im Wesentlichen die Betriebssicherheit und der Arbeitsschutz sowie der Lagerstättenschutz. Außerdem ist für das Ausmaß der Ermächtigungen des § 65 entscheidend, dass die darauf gestützten Vorschriften für eine Entlastung oder Vereinfachung des Betriebsplanverfahrens im Hinblick auf eine ordnungsgemäße und sichere Führung des Betriebes notwendig oder zweckmäßig sein müssen.

II. Inhalt der Ermächtigung Welche Gegenstände in den aufgrund der Ermächtigung in § 65 erlassenen Bergverordnungen 3 inhaltlich geregelt werden dürfen, ergibt sich im Einzelnen aus den Nummern 1 bis 6.

1 BT-Drs. 8/1315, S. 118. 2 Dapprich/Römermann BBergG, § 65 Anm. 1. 837

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1. Anzeigen (Nr. 1) 4 Nach der Ermächtigung in Nummer 1 kann durch Bergverordnung vorgeschrieben werden, dass bestimmte Betriebsvorgänge angezeigt werden müssen und welche Unterlagen diesen Anzeigen beizufügen sind. Derartige Anzeigen sollen nach dem Telos der Norm zu einer Erleichterung der mit dem Betriebsplanverfahren verbundenen Überwachung des Betriebes beitragen (siehe Rn. 1 f.). Anders als im Falle des § 65 Nr. 2 (siehe Rn. 5) bleibt die Betriebsplanpflicht nach §§ 51 ff. allerdings von den gemäß § 65 Nr. 1 vorgeschriebenen Anzeigen unberührt.

2. Genehmigungen (Nr. 2) 5 Nach Nummer 2 ist es möglich, durch Bergverordnung für bestimmte Arbeiten und Einrichtungen eine Genehmigung vorzuschreiben, und zwar ausdrücklich unter Befreiung von der Betriebsplanpflicht. Eine solche – i.d.R. einmalige – Genehmigung kommt bei gleichförmigen Arbeiten und stationären Einrichtungen in Betracht, die während der Betriebsdauer keinen weiteren Änderungen unterliegen und für die daher eine Überprüfung im Betriebsplanverfahren, das ein besonderes Instrument zur präventiven und laufenden Betriebskontrolle darstellt, nicht erforderlich ist. Nach § 52 Abs. 5 kann in diesen Fällen in Haupt- und Sonderbetriebsplänen auf die nach § 52 Abs. 4 eigentlich erforderliche Darstellung und Nachweise verzichtet werden; es reicht vielmehr aus, im Betriebsplanverfahren nachzuweisen, dass eine solche Genehmigung oder Zulassung vorliegt oder beantragt ist. In der Bergverordnung ist die für die Erteilung der Genehmigung zuständige Behörde zu bezeichnen (vgl. § 52 Rn. 121).

3. Bauartzulassungen (Nr. 3) 6 Nach näherer Maßgabe der Ermächtigung in Nummer 3 kann in Bergverordnungen vorgesehen werden, dass bestimmte Einrichtungen oder Stoffe allgemein zugelassen werden können, nachdem sie einer Bauart- oder Eignungsprüfung durch eine in der Bergverordnung zu bezeichnenden Stelle oder durch einen von der zuständigen Behörde anerkannten Sachverständigen unterzogen worden sind. Anders als im Anwendungsbereich der Nr. 2 sieht das Gesetz für diese Fallgruppe jedoch keine Befreiung von der Betriebsplanpflicht vor. Die Verwendung allgemein zugelassener Einrichtungen oder Stoffe bedarf daher im Einzelfall der betriebsplanmäßigen Zulassung. Das Betriebsplanverfahren wird aber dadurch entlastet, dass für die in Nr. 3 angesprochenen Einrichtungen gemäß § 52 Abs. 5 in Haupt- und Sonderbetriebsplänen der Nachweis genügt, dass eine allgemeine Zulassung vorliegt oder beantragt ist. Das Bergamt kann mithin von einer Prüfung der Beschaffenheit allgemein zugelassener Einrichtungen oder Stoffe im Einzelfall absehen und sich auf eine Prüfung ihrer speziellen Einsatzbedingungen beschränken. Die Betriebsplanzulassung ist davon abhängig zu machen, dass die allgemeine Zulassung vor der Inbetriebnahme der betreffenden Einrichtungen oder Stoffe vorliegt (vgl. § 52 Rn. 121). Gestützt auf die Ermächtigung in Nr. 3 wurde auf Bundesebene 1983 die Elektrozulassungs-Bergverordnung erlassen, die jedoch im Jahr 2005 wieder außer Kraft getreten ist.3 Zu den Elektro-Bergverordnungen der Länder s.u. Rn. 7.

4. Prüfungen und Abnahmen (Nr. 4) 7 Die in Nummer 4 enthaltene Ermächtigung dient der Vereinfachung bzw. Entlastung des Betriebsplanverfahrens, indem sie es möglich macht, dass neben der Betriebsplanzulassung für bestimmte Einrichtungen weitere Prüfungen oder Abnahmen vorgeschrieben werden können. In Betracht 3 Vgl. Art. 7 der Zweiten Verordnung zur Änderung bergrechtlicher Verordnungen vom 10.8.2005. Mann

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Vierter Teil – Ermächtigungen zum Erlass von Bergverordnungen

§ 65

kommen Prüfungen und Abnahmen bestimmter Einrichtungen vor ihrer Inbetriebnahme oder nach ihrer Instandsetzung sowie regelmäßig wiederkehrende Prüfungen und Prüfungen auf Grund einer Anordnung der in der Verordnung genannten Behörde. Die Befugnis zu Abnahmen und Prüfungen kann einer in der Bergverordnung zu bezeichnenden Stelle, besonders zu bestimmenden verantwortlichen Personen oder von der Behörde anerkannten Sachverständigen übertragen werden. Derartige wiederkehrende Prüfungen erscheinen vor allem für solche Einrichtungen angebracht, die bei ihrem Gebrauch einer besonders starken Beanspruchung ausgesetzt sind. Gestützt auf diese Vorschrift haben mehrere Länder inhaltlich ähnliche Elektro-Bergverordnungen erlassen, die für die Errichtung und den Betrieb elektrischer Anlagen und elektrischer Betriebsmittel in den der Bergaufsicht unterliegenden Betrieben und Einrichtungen entsprechende Prüfpflichten vor Inbetriebnahme vorsehen.4

5. Persönliche und sachliche Voraussetzungen (Nr. 5) In personeller Hinsicht ermöglicht Nummer 5 Vorschriften in den Bergverordnungen über per- 8 sönliche und sachliche Voraussetzungen bei den nach den Nummern 2 und 3 vorgesehenen Genehmigungen und allgemeinen Zulassungen. Denkbar sind insoweit etwa die Anforderungen der Zuverlässigkeit oder Fachkunde. Diese Voraussetzungen gelten vor allem für denjenigen, der eine Genehmigung oder eine allgemeine Zulassung beantragt. Sie müssen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen. Als Maßstab können die gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bei der Betriebsplanzulassung an verantwortliche Personen zu stellenden Anforderungen zugrunde gelegt werden.

6. Voraussetzungen für die Anerkennung von Sachverständigen (Nr. 6) Mit der Ermächtigung in Nummer 6 wird es schließlich möglich, durch Bergverordnung zu regeln, 9 unter welchen persönlichen und sachlichen Voraussetzungen eine Person oder Stelle zur Ausübung der ihr im Rahmen der Nummern 3 und 4 übertragenen Aufgaben als Sachverständiger anerkannt werden kann. Insbesondere kann auf diesem Wege vorgeschrieben werden, welche Anforderungen an die Ausbildung, die beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten, an Zuverlässigkeit und Unparteilichkeit der Sachverständigen zu stellen sind und welche Voraussetzungen mit Blick auf die technische Ausstattung und auf die Zusammenarbeit verschiedener Sachverständiger erfüllt werden müssen. Da das BBergG nur die Anerkennung von Personen als Sachverständige vorsieht (vgl. Nummer 3 und 4: „von der zuständigen Behörde anerkannten Sachverständigen“), kann auch die Ermächtigung der Nummer 6 lediglich personenbezogen aufgefasst werden. Soweit hingegen eine „Stelle“ zur Vornahme von Prüfungen oder Abnahmen ermächtigt werden soll, muss sie in der Bergverordnung konkret namentlich bezeichnet werden (vgl. Nummer 3 und 4: „in der Bergverordnung zu bezeichnende Stelle“), d.h. der Verordnungsgeber bestimmt selbst darüber, ob eine Stelle für prüfungs- oder abnahmeberechtigt erklärt wird oder nicht. Es handelt sich dabei um einen Akt der Rechtsetzung. Eine „Anerkennung“ i.S. der Nummer 6 kommt also nicht in Betracht. Demnach entfällt insoweit aber auch das Bedürfnis zum Erlass von Vorschriften über die Voraussetzungen für die Anerkennung. Die Erwähnung der „Stelle“ in Nummer 6 dürfte als redaktionelles Versehen zu betrachten sein, das bei einer Überarbeitung des BBergG beseitigt werden sollte. 4 Z.B. §§ 9 ff. Elektro-Bergverordnung B-W vom 9.12.2002; §§ 9 ff. Elektro-Bergverordnung Bay. v. 12.3.1992; §§ 9 ff. Elektro-Bergverordnung Bln vom 8.7.2003; §§ 9 ff. Elektro-Bergverordnung M-V vom 12.1.1999; §§ 9 ff. Elektro-Bergverordnung vom 23.10.2000 – gilt für HB, HH und Nds; §§ 9 ff. Elektro-Bergverordnung NRW vom 9.5.2000; §§ 9 ff. Thüringer Elektro-Bergverordnung vom 1.12.2005; §§ 25 ff. Sächs. Bergverordnung vom 16.7.2009; §§ 9 ff. Elektro-Bergverordnung LSA vom 27.11.2001; §§ 9 ff. Elektro-Bergverordnung S-H v. 23.5.2003. 839

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III. Durchführung europäischer Rechtsakte (Satz 2) 10 Der 1992 durch Änderungsgesetz5 eingeführte Satz 2 soll die Möglichkeit schaffen, um alle europäischen Harmonisierungsrichtlinien für Beschaffenheitsanforderungen im Bereich des Bergbaus in vollem Umfang umsetzen zu können, was nach Ansicht des Gesetzgebers allein durch die in den Nummern 3, 5 und 6 des Satzes 1 enthaltenen Ermächtigungen nicht ausreichend gesichert erschien.6 Er sieht vor, dass zur Durchführung von europäischen Rechtsakten für Einrichtungen und Stoffe durch Bergverordnung sicherheitstechnische Beschaffenheitsanforderungen und sonstige Voraussetzungen des Inverkehrbringens und der bestimmungsgemäßen Verwendung (insbesondere Prüfungen, Produktionsüberwachung, Bescheinigungen, Kennzeichnung, Aufbewahrungs- und Mitteilungspflichten), sowie behördliche Maßnahmen geregelt werden können. Satz 2 erschöpft sich nicht lediglich in einer Klarstellung, dass die Ermächtigungen des Satzes 1 auch eine solche Umsetzung europäischen Rechts erlauben, sondern geht deutlich über eine bloße Klarstellung hinaus. Das zeigt sich an der Formulierung, dass dies „über Satz 1 hinaus und auch zum Schutz anderer als der dort genannten Rechtsgüter“ erfolgen kann. Mit dieser Wendung kommt zum Ausdruck, dass der bergrechtsändernde Gesetzgeber gleichsam präventiv eine Europarechtskonformität der Bergverordnungen sichern wollte. Als Preis dafür geht durch diese doppelte Extension aber der Bezug zum Zweck der Vorschrift (Rn. 1 f.) in weiten Teilen verloren.

§ 66 Schutzmaßnahmen, Wiedernutzbarmachung, Fachkunde 1

Zum Schutze der Beschäftigten und Dritter vor Gefahren im Betrieb und zur Wahrung der in § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis 13 und Absatz 2 bezeichneten Rechtsgüter und Belange kann durch Rechtsverordnung (Bergverordnung) bestimmt werden, 1. daß Einrichtungen der in § 2 Abs. 1 Nr. 3 genannten Art hinsichtlich a) der Wahl des Standortes und b) der Errichtung, Ausstattung, Unterhaltung und des Betriebes bestimmten Anforderungen genügen müssen, 2. welche Anforderungen an Aufsuchungs-, Gewinnungs- und Aufbereitungsverfahren zu stellen sind, 3. daß und welche Sicherheitszonen im Bereich des Festlandsockels und der Küstengewässer um Betriebe zu errichten, wie sie anzulegen, einzurichten und zu kennzeichnen sind, 4. daß a) die Beschäftigung bestimmter Personengruppen mit bestimmten Arbeiten nicht oder nur unter Einschränkungen zulässig ist, b) die Beschäftigung an bestimmten Betriebspunkten unter Tage eine bestimmte Höchstdauer nicht überschreiten darf, c) ein arbeitsmedizinischer Dienst einzurichten ist und welche Aufgaben er wahrzunehmen hat, d) die Beschäftigung von Personen mit Arbeiten unter oder über Tage nur nach Maßgabe einer Bescheinigung eines mit den Arbeitsbedingungen im Bergbau vertrauten Arztes erfolgen darf, daß, in welchem Umfange und in welchen Zeitabständen Nachuntersuchungen bei diesen Personen und bei einer Änderung der Tätigkeit von Be-

5 Art. 3 Nr. 1 des Zweiten Gesetz zur Änderung des Gerätesicherheitsgesetzes vom 26.8.1992. 6 Vgl. BT-Drs. 12/2693, S. 26. Mann https://doi.org/10.1515/9783110709285-096

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§ 66

schäftigten durchzuführen sind und daß für die Aufzeichnung der Untersuchungsbefunde und Bescheinigungen bestimmte Vordrucke zu verwenden sind, e) Aufwendungen für die ärztlichen Untersuchungen nach Buchstabe d, soweit sie nicht von Sozialversicherungsträgern übernommen werden, von dem Unternehmer zu tragen sind, in dessen Betrieb die untersuchte Person beschäftigt werden soll oder beschäftigt ist, 5. welche Maßnahmen verantwortliche Personen in Erfüllung der sich aus § 61 ergebenden Pflichten zu treffen haben, insbesondere a) welche Vorsorge- und Überwachungsmaßnahmen im Hinblick auf die Regelung eines den zugelassenen Betriebsplänen entsprechenden Arbeitsablaufs zu treffen sind, b) daß die Beschäftigten vor Beginn der Beschäftigung über die Unfall- und Gesundheitsgefahren, denen sie bei der Beschäftigung ausgesetzt sind, sowie über die Schutzeinrichtungen und Maßnahmen zur Abwendung dieser Gefahren zu belehren und in welchen Zeitabständen die Belehrungen zu wiederholen sind, 6. daß ein sicherheitstechnischer Dienst einzurichten ist und welche sonstigen Vorsorgeund Überwachungsmaßnahmen zum Schutz der Beschäftigten und Dritter im Betrieb zu treffen sind und wie sich diese Personen im Betrieb zur Vermeidung von Gefahren zu verhalten haben, 7. welche Vorkehrungen und Maßnahmen bei und nach Einstellung eines Betriebes zur Verhütung von Gefahren für Leben und Gesundheit Dritter zu treffen sind, 8. welche Vorsorge- und Durchführungsmaßnahmen zur Wiedernutzbarmachung der Oberfläche während und nach der Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung zu treffen und welche Anforderungen an diese Maßnahmen zu stellen sind, 9. welche fachlichen Anforderungen an die technischen und rechtlichen Kenntnisse (Fachkunde) bestimmter verantwortlicher Personen nach der Art der ihnen zu übertragenden Aufgaben und Befugnisse unter Berücksichtigung des jeweiligen Standes der Technik gestellt werden müssen, welche Nachweise hierüber zu erbringen sind und auf welche Weise die zuständige Behörde das Vorliegen der erforderlichen Fachkunde zu prüfen hat, 10. daß a) die Verantwortung für die Erfüllung bestimmter Pflichten auch anderen als den in § 58 Abs. 1 bezeichneten Personen übertragen werden kann, b) mit der Durchführung bestimmter gefährlicher Arbeiten oder mit besonderer Verantwortung verbundener Tätigkeiten nur Personen betraut werden dürfen, die den hierfür in der Bergverordnung festgesetzten persönlichen und fachlichen Anforderungen genügen, welche Nachweise hierüber zu erbringen sind und auf welche Weise die zuständige Behörde das Vorliegen der festgesetzten Anforderungen zu prüfen hat, 11. unter welchen Voraussetzungen und in welcher Weise die aus Anzeigen nach § 74 gewonnenen Erkenntnisse, ausgenommen Einzelangaben über persönliche und sachliche Verhältnisse, zum Zwecke der Verbesserung der Sicherheit und Unfallverhütung durch in der Bergverordnung zu bezeichnende Stellen veröffentlicht werden dürfen. 2 Die Regelung über Sicherheitszonen (Satz 1 Nr. 3) lässt § 27 des Bundeswasserstraßengesetzes vom 2. April 1968 (BGBl. II S. 173), zuletzt geändert durch Artikel 5 des Gesetzes vom 10. Mai 1978 (BGBl. I S. 613), und § 9 des Gesetzes über die Aufgaben des Bundes auf dem Gebiet der Seeschifffahrt vom 24. Mai 1965 (BGBl. II S. 833) in der Fassung der Bekanntmachung vom 30. Juni 1977 (BGBl. I S. 1314), geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 10. Mai 1978 (BGBl. I S. 613), unberührt. 3Rechtsverordnungen (Bergverordnungen) können gemäß Satz 1 auch erlassen werden, soweit dies zur Durchführung von Rechtsakten des Rates oder der Kommission der Europäischen Gemeinschaften oder von Beschlüssen internationaler Organisationen oder von zwischenstaatlichen Vereinbarungen, die Gegenstände dieses Gesetzes betreffen, erfor841

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derlich ist; durch solche Rechtsverordnungen können auch anderen Personen als Unternehmern und Beschäftigten Pflichten auferlegt werden. 4Rechtsverordnungen zur Durchführung von Rechtsakten im Sinne des Satzes 3 (Bergverordnungen) können auch festlegen: 1. die Art und den Umfang einer Deckungsvorsorge für Haftungsverbindlichkeiten, die infolge bergbaulicher Tätigkeiten entstehen können, sowie Anforderungen an den Nachweis der Deckungsvorsorge und 2. die Art und den Umfang der technischen und finanziellen Leistungsfähigkeit, die erforderlich ist, um Vermeidungs-, Schadensbegrenzungs-, Notfalleinsatz- und Sanierungsmaßnahmen durchzuführen, sowie Anforderungen an den Nachweis der technischen und finanziellen Leistungsfähigkeit.

Übersicht I.

Zweck und Ausmaß der Ermächtigung

II. 1.

3 Inhalt der Ermächtigung Anforderungen an Einrichtungen und an Verfah4 ren (Nr. 1 und 2) 5 Sicherheitszonen (Nr. 3 und Satz 2) Gesundheitsschutz, ärztliche Untersuchungen 7 (Nr. 4) Regelung des Arbeitsablaufs, Belehrungen 12 (Nr. 5) Verhalten im Betrieb, sicherheitstechnischer 13 Dienst (Nr. 6)

2. 3. 4. 5.

1

6. 7. 8. 9. 10. 11. 12.

Schutzmaßnahmen bei Betriebseinstellung 15 (Nr. 7) 16 Wiedernutzbarmachung (Nr. 8) 17 Fachkunde (Nr. 9) Verantwortung für bestimmte Aufgaben 18 (Nr. 10) Veröffentlichung von Erkenntnissen über Be19 triebsereignisse (Nr. 11) Durchführung europäischer Rechtsakte/internati20 onaler Beschlüsse (Satz 3) Deckungsvorsorge für Haftungsverbindlichkeiten 21 (Satz 4)

I. Zweck und Ausmaß der Ermächtigung 1 Die Ermächtigung in § 66 umfasst als Sammelvorschrift alle durch Bergverordnungen regelungsbedürftigen Sachbereiche, soweit sie sich nicht auf betriebliche Unterlagen im weitesten Sinne und markscheiderische Arbeiten beziehen; diese werden in § 67 behandelt. Wie bei fast allen Verordnungsermächtigungen ergibt sich der Sinn der Rechtsetzungsdelegation aus der Einsicht in die Notwendigkeit eines flexibleren Handlungsinstrumentariums, als es das förmliche Gesetz bieten kann: Angesichts des prozedural und zeitlich aufwendigen Gesetzgebungsverfahrens ist es, von wenigen Ausnahmen abgesehen, nicht sinnvoll, die zum Kern des Bergrechts gehörenden arbeitsschutzrechtlichen und betriebssicherheitlichen Vorschriften im Gesetz selbst zu verankern. Um eine möglichst elastische Anpassung an sich verändernde Verhältnisse und Erfordernisse zu ermöglichen, gebietet das Effizienzprinzip daher eine Verlagerung auf das Instrument der Rechtsverordnung.1 2 Soweit Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG eine Bestimmung von Zweck und Ausmaß der Ermächtigung verlangt, wird diesem verfassungsrechtlichen Erfordernis dadurch genügt, dass die in den Nummern 1 bis 11 im Einzelnen dem Inhalt nach umschriebenen Bergverordnungen dem Schutz der Beschäftigten und Dritten vor Gefahren im Betrieb und der Wahrung der übrigen in § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis 13 und Abs. 2 bezeichneten Rechtsgüter und Belange dienen müssen. Die Einbeziehung aller dieser schutzwürdigen Interessen in die Bestimmung des Ausmaßes der Ermächtigung war mit Rücksicht auf den umfassenden Telos der Verordnungsermächtigung erforderlich.

1 Vgl. grundsätzlich von Mangoldt/Klein/Starck/Brenner GG, Art. 80 Rn. 12; Sachs/Mann GG, Art. 80 Rn. 4. Mann

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§ 66

II. Inhalt der Ermächtigung Der Inhalt der auf Grund des § 66 zu erlassenden Bergverordnungen wird in Satz 1 (Nummern 1 3 bis 11) im Einzelnen umrissen. Den Schwerpunkt bilden die in den Nummern 1 bis 7 aufgeführten Schutzmaßnahmen. Sie betreffen in erster Linie die Betriebssicherheit und den Arbeitsschutz. Die Ermächtigung in Nummer 8 bezieht sich auf Maßnahmen zur Wiedernutzbarmachung der Oberfläche. Die Nummern 9 und 10 lassen Regelungen über die Fachkunde bestimmter Personengruppen zu. Durch Nummer 11 wird es ermöglicht, die aus Betriebsereignissen gewonnenen Erkenntnisse durch Veröffentlichung im Interesse der Unfallverhütung nutzbar zu machen. Der Gesetzgeber hat sich, wie aus der amtlichen Begründung hervorgeht,2 bei Erteilung der Ermächtigung in § 66 im Einzelnen von den folgenden Erwägungen leiten lassen:

1. Anforderungen an Einrichtungen und an Verfahren (Nr. 1 und 2) Eine Vielzahl von Einrichtungen der in § 2 Abs. 1 Nr. 3 genannten Art muss sowohl hinsichtlich des 4 Standorts als auch hinsichtlich der Errichtung, Ausstattung, Unterhaltung und des Betriebes besonderen Anforderungen genügen. Gleiches gilt für die bei der Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung zur Anwendung kommenden Verfahren. Angesichts der Vielfalt der Sachverhalte und der dabei zum Tragen kommenden Gesichtspunkte ist eine ins Einzelne gehende Regelung unerlässlich. Die Nummern 1 und 2 ermächtigen zum Erlass entsprechender Vorschriften. So werden z.B. bei der Wahl des Standortes geologische Gesichtspunkte allgemein zu beachten sein. Auch Schutzabstände zu anderen Betriebsanlagen oder zu sonstigen schützenswerten Tagesgegenständen können eine Rolle spielen. Bei Arbeiten auf dem Festlandsockel sind u.U. die lebenden Meeresschätze und der Fischfang von Bedeutung. Bei der Errichtung und Ausstattung sind nicht nur die allgemein anerkannten Regeln der Sicherheitstechnik zugrunde zu legen, sondern es können spezielle bergtechnische, insbesondere grubensicherheitliche Regeln notwendig sein. Das gleiche gilt in Bezug auf die Unterhaltung und den Betrieb. Bestimmte Anforderungen können beispielsweise an die Errichtung elektrischer Anlagen oder an Verfahren, bei denen mit Sprengstoffen gearbeitet wird, gestellt werden.

2. Sicherheitszonen (Nr. 3 und Satz 2) Die Verordnungsermächtigung in Nummer 3 ist eine der Grundlagen, auf die sich – wie die frühe- 5 re Festlandsockel-Bergverordnung – die Offshore-Bergverordnung (zum Inhalt siehe Vorbem. §§ 65–68 Rn. 28) stützt. Die Notwendigkeit, den Umfang der Verpflichtung zur Errichtung von Sicherheitszonen im Festlandsockel3 sowie die Einzelheiten ihrer Anlegung, Einrichtung und Kennzeichnung zu regeln, ergibt sich mit Rücksicht auf die Art. 76 ff. des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen (SRÜ) vom 10.12.1982 (BGBl. 1994 II S. 1798), welches der früheren Genfer Konvention über den Festlandsockel vom 29.4.19584 vorgeht (vgl. Art. 311 Abs. 1 SRÜ). Die Worte „und der Küstengewässer“ sind auf Veranlassung des Bundesrates in das Gesetz aufgenommen worden, wobei der BR ursprünglich die Formulierung „und des Küstenmeeres“ gewählt hat2 BT-Drs. 8/1315, S. 118 ff. 3 Nach der auch hier gültigen Definition in Art. 76 Abs. 1 SRÜ umfasst der Festlandsockel eines Küstenstaats „den jenseits seines Küstenmeers gelegenen Meeresboden und Meeresuntergrund der Unterwassergebiete, die sich über die gesamte natürliche Verlängerung seines Landgebiets bis zur äußeren Kante des Festlandrands erstrecken oder bis zu einer Entfernung von 200 Seemeilen von den Basislinien, von denen aus die Breite des Küstenmeers gemessen wird, wo die äußere Kante des Festlandrands in einer geringeren Entfernung verläuft.“ Das in der Definition angesprochene Küstenmeer ist gemäß Art. 3 SRÜ vom jeweiligen Staat festzulegen, darf aber höchstens 12 Seemeilen von der Basislinie (Art. 5 SRÜ) entfernt sein. 4 Vgl. dazu Zydek ZfB 1960, 64, 72 ff. 843

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te,5 was die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme aber i.S.d. Gesetzesfassung abgeändert wissen wollte, weil der Begriff Küstenmeer völkerrechtlich festgelegt ist6 und als solcher das landwärts der geraden Basislinie im Bereich der Nordseeinseln verlaufende Meer nicht erfasst.7 Der stattdessen gewählte Begriff „Küstengewässer“ umgreift hingegen das gesamte im deutschen Hoheitsbereich liegende Meer (vgl. die insoweit übertragbare Def. in § 3 Nr. 2 WHG). 6 Diese Erstreckung von § 66 Nr. 3 auf die Küstengewässer hat es aber erforderlich gemacht, in Satz 2 das Verhältnis dieser Vorschrift zum Bundeswasserstraßengesetz und zum Gesetz über die Aufgaben des Bundes auf dem Gebiet der Seeschifffahrt in der Weise klarzustellen, dass auch innerhalb der Sicherheitszonen eine verkehrs- und wegerechtliche Verordnungsgebung möglich bleibt. Da die Regelungstechnik in Satz 2 eine statische Verweisung enthält, sind die in Bezug genommenen Vorschriften heute nicht mehr aktuell. Der Verweis sollte in eine dynamische Verweisung geändert werden. Nach Sinn und Zweck gemeint sind aber weiterhin die heutigen § 27 Bundeswasserstraßengesetz (Rechtsverordnungen zur Gefahrenabwehr, sog. „Strompolizeiverordnungen“) und § 9 Seeaufgabengesetz (Rechtsverordnungen „zur Abwehr von Gefahren für die Sicherheit und Leichtigkeit des Seeverkehrs, zur Abwehr von Gefahren für die Meeresumwelt, zur Verhütung von der Seeschifffahrt ausgehender schädlicher Umwelteinwirkungen i.S.d. BundesImmissionsschutzgesetzes und zur Gewährleistung eines sicheren, effizienten und gefahrlosen Schiffsbetriebs und zur Abwehr und Verhütung der von Abwracken von Seeschiffen ausgehenden Gefahren und schädlichen Umwelteinwirkungen im Hinblick auf an Bord befindliche Gefahrenstoffe und im Hinblick auf Tätigkeiten von der Außerdienststellung eines Schiffes und dem Beginn der Abwrackarbeiten“).

3. Gesundheitsschutz, ärztliche Untersuchungen (Nr. 4) 7 Die Tätigkeit im Bergbau, insbesondere unter Tage, ist i.d.R. mit besonderen Risiken für die Gesundheit verbunden. Bestimmte Beschäftigungsverbote oder Beschäftigungseinschränkungen, z.B. in zeitlicher Hinsicht oder an besonderen Betriebspunkten, die Einrichtung eines arbeitsmedizinischen Dienstes sowie vorbeugende kontinuierliche ärztliche Untersuchungen und die Regelung der damit verbundenen Aufwendungen sollen durch Bergverordnung sichergestellt werden. § 66 Satz 1 Nr. 4 enthält hierfür die gesetzliche Ermächtigung. Mit dem Begriff „über Tage“ wird in Buchst. d) sowohl der Bereich der Tagesanlagen als auch der Tagebaue erfasst. Unter anderem gestützt auf § 66 Satz 1 Nr. 4 Buchst. a), b), d) und e) ist die Klima-Bergverord8 nung (KlimaBergV) ergangen. Die Verordnung legt eine Reihe von Maßnahmen zum Schutze der Gesundheit der an warmen untertägigen Betriebspunkten Beschäftigten fest. In bestimmten Bereichen ist eine Beschäftigung nur unter Einschränkungen erlaubt. Oberhalb bestimmter Temperatur- oder Klimawerte ist eine Beschäftigung verboten (vgl. näher Vorbem. §§ 65–68 Rn. 21). Vergleichbare Vorschriften, die die tägliche Arbeitszeit an warmen untertägigen Betriebspunkten einschränkten, waren vor Inkrafttreten des BBergG bereits in den Landesberggesetzen enthalten (§§ 93c, 93d ABG; Art. 114, 115 BayBergG). Im Übrigen gelten die gegenüber den Bergverordnungen normhierarchisch vorrangigen Vor9 schriften der allgemeinen Arbeitsschutzgesetze, etwa für die Arbeitszeit der im Bergbau Beschäftigten sowie für Beschäftigungsbeschränkungen bestimmter Personengruppen. Die tägliche Arbeitszeit (Arbeitsdauer) der Beschäftigten richtet sich seit 1994 nach dem Arbeitszeitgesetz (ArbZG). Im Bergbau unter Tage zählen gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 ArbZG die Ruhepausen zur Arbeitszeit. Ein grundsätzliches Verbot der Sonn- und Feiertagsarbeit enthält § 9 ArbZG. Von der Möglichkeit für bestimmte Berufe die Sonn- und Feiertagsarbeit zuzulassen ist in § 10 ArbZG Gebrauch gemacht worden, doch besteht für den Bergbau eine solche Ausnahme nicht. Insbesondere fallen 5 BT-Drs. 8/1315, S. 179. 6 Art. 3 SRÜ. 7 BT-Drs. 8/1315, S. 189, 192. Mann

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Bergbaubetriebe nicht unter die mit „Energieversorgungsbetriebe“ umschriebene Ausnahme des § 10 Abs. 1 Nr. 11 ArbZG.8 Für die Beschäftigung Jugendlicher im Bergbau sind die Vorschriften des Jugendarbeits- 10 schutzgesetzes (JArbSchG) maßgeblich. Die Beschäftigung von Jugendlichen unter Tage ist gemäß § 24 Abs. 1 JArbSchG grundsätzlich verboten, doch gilt dies gemäß § 24 Abs. 2 JArbSchG nicht für die Beschäftigung Jugendlicher über 16 Jahre, soweit dies zur Erreichung ihres Ausbildungsziels erforderlich ist, wenn sie eine Berufsausbildung für die Beschäftigung unter Tage abgeschlossen haben oder wenn sie an einer von der Bergbehörde genehmigten Ausbildungsmaßnahme für Bergjungarbeiter teilnehmen oder teilgenommen haben und ihr Schutz durch die Aufsicht eines Fachkundigen gewährleistet ist. Gemäß § 12 JArbSchG darf die Schichtzeit Jugendlicher zehn Stunden, im Bergbau unter Tage acht Stunden nicht überschreiten. Zudem sehen die §§ 22 bis 24 JArbSchG für die Beschäftigung von Jugendlichen mit Arbeiten unter Tage und mit bestimmten gefährlichen oder tempoabhängigen Arbeiten (Akkordarbeit) weitere Verbote und Beschränkungen vor. Ein grundsätzliches Verbot der Frauenarbeit unter Tage enthielt ursprünglich § 16 Abs. 1 11 der Arbeitszeitordnung vom 30.4.1938 (RGBl. I S. 447), ab 1994 fand sich dieses Verbot dann in dem 2009 wieder aufgehobenen § 64a Abs. 1 BBergG.9 Danach durften Frauen nicht im Bergbau unter Tage beschäftigt werden, wobei gewisse Ausnahmen (u.a. leitende Stellung und keine schwere körperliche Arbeit; Gesundheits- oder Sozialdienst) vorgesehen waren. Dieses Beschäftigungsverbot trug einem Abkommen der Internationalen Arbeitsorganisation aus dem Jahr 1935 Rechnung,10 das durch die Bundesregierung 2008 gekündigt wurde, nachdem der EuGH die Mitgliedsstaaten zur Kündigung des Übereinkommens verpflichtet hatte,11 da es gegen die europäische Richtlinie zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen verstieß. Aus diesem Grund gilt heute der Grundsatz, dass Frauen grds. auch unter Tage arbeiten dürfen.

4. Regelung des Arbeitsablaufs, Belehrungen (Nr. 5) Die Verordnungsermächtigung in Nummer 5 dient der Konkretisierung der sich aus § 61 ergeben- 12 den allgemeinen Pflichten verantwortlicher Personen. Der intensiven Belehrung über Unfallund Gesundheitsgefahren sowie deren Abwehr (Buchst. b) kommt dabei eine herausgehobene Bedeutung zu. Die Einhaltung des für die Sicherheit im Betrieb maßgeblichen Betriebsplanes (Buchst. a) wird nur dann sicherzustellen sein, wenn im Hinblick auf den in ihm vorgesehenen Arbeitsablauf in allen Bereichen die dabei erforderlichen Vorsorge- und Überwachungsmaßnahmen getroffen werden. Dazu gehört auch die Ordnung der innerbetrieblichen Aufsicht unterhalb der Ebene der verantwortlichen Personen.

5. Verhalten im Betrieb, sicherheitstechnischer Dienst (Nr. 6) Der Schutz Beschäftigter und Dritter kann nicht in vollem Umfang durch das Instrument des 13 Betriebsplans sichergestellt werden, weil dabei die Bereitstellung und Organisation der technischen Arbeitsmittel und Verfahren durch den Unternehmer und die sonstigen verantwortlichen Personen im Vordergrund stehen, während es für den Arbeitsschutz und die Unfallverhütung entscheidend auch auf das Verhalten des einzelnen Beschäftigten im Betrieb und bei der Benut8 BeckOK/Kock Arbeitsrecht, § 10 ArbZG Rn. 18. 9 Die Vorschrift wurde eingefügt durch Gesetz vom 6.6.1994 (BGBl. I S. 1170) und wieder aufgehoben mit Wirkung vom 25.3.2009 durch Gesetz vom 17.3.2009 (BGBl. I S. 550). 10 IAO-Übereinkommen Nr. 45 über die Beschäftigung von Frauen bei Untertagearbeiten in Bergwerken jeder Art vom 21.6.1935 (BGBl. 1954 II S. 624). 11 EuGH 1.2.2005, C-203/03, EuGRZ 2005, 124 = ZfB 2005, 8. 845

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zung der Betriebsmittel ankommt. Die Nummer 6 enthält deshalb die Ermächtigung, durch Bergverordnung vorzuschreiben, wie sich Beschäftigte und Dritte zur Vermeidung von Gefahren zu verhalten haben. Ferner können Regelungen über die zum Schutz der Beschäftigten und Dritter erforderlichen Vorsorge- und Überwachungsmaßnahmen getroffen werden. In diesem Zusammenhang kommt auch der Einrichtung eines sicherheitstechnischen Dienstes besondere Bedeutung zu. 14 Zwar hat der Bund durch das Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG) allgemeine Regelungen zur Bestellung von Betriebsärzten sowie von Fachkräften für Arbeitssicherheit getroffen,12 doch haben gemäß § 17 Abs. 3 ASiG gleichwertige Regelungen, die das Bergrecht enthält, Vorrang. Wegen der allgemeinen Wendung „das Bergrecht“ sind vom Anwendungsvorrang nicht nur Vorschriften des BBergG erfasst, sondern auch Bestimmungen, die in Bergverordnungen getroffen werden. Hier kann es also entgegen der ansonsten üblichen normhierarchischen Ordnung zu einem Vorrang der Verordnung vor einem Gesetz kommen. Da die gesetzesverdrängende Wirkung jedoch auf einem ausdrücklich reduzierten – subsidiären – Geltungsanspruch des formellen Gesetzes beruht, ist die scheinbar gesetzesverdrängende Wirkung der Rechtsverordnung bei Lichte besehen nur gesetzesausführend und daher verfassungsrechtlich unbedenklich.13

6. Schutzmaßnahmen bei Betriebseinstellung (Nr. 7) 15 Entsprechend der Notwendigkeit besonderer Abschlussbetriebspläne für die Einstellung eines Betriebes (§ 53) können wegen der bei der Betriebseinstellung gegenüber dem laufenden Betrieb zum Teil abweichenden Anforderungen an Vorkehrungen und Maßnahmen auch besondere Durchführungsvorschriften erforderlich sein. Die Ermächtigung in Nummer 7 trägt dem Rechnung; sie bezieht sich insoweit auf die Verhütung von Gefahren für Leben und Gesundheit Dritter.

7. Wiedernutzbarmachung (Nr. 8) 16 Die Nummer 8 umfasst dagegen den gesamten Bereich der Vorsorge- und Durchführungsmaßnahmen im Hinblick auf die Wiedernutzbarmachung der Oberfläche. Die Regelungsbefugnis bezieht sich allerdings im Unterschied zu Nummer 7 nicht nur auf den Zeitraum der Einstellung des Betriebes, sondern erfasst auch die Phase der Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung; denn eine sinnvolle und planmäßige Wiedernutzbarmachung setzt häufig Maßnahmen bereits während des Abbaus voraus.14 Die Einbeziehung der Aufbereitung in Nummer 8 ist auf Veranlassung des Wirtschaftsausschusses des Bundestages erfolgt.15 Bislang existieren nur einzelne landesrechtliche Vorschriften im Sinne der Nr. 8,16 daneben enthalten aber einige bergbehördliche Richtlinien Hinweise zur Vorsorge für die Wiedernutzbarmachung.17

12 Dazu Zydek ZfB 1977, 340, 352 ff. 13 Zu dieser Frage näher Sachs/Mann GG, Art. 80 Rn. 11; v. Münch/Kunig/Wallrabenstein GG, Art. 80 Rn. 10. 14 Ausführlich Jäkel, Die Sicherheitsleistung zur Sicherstellung der Vorsorge für die Wiedernutzbarmachung der Oberfläche im Bergrecht, 2017, S. 92 f. 15 BT-Drs. 8/3965, S. 44, 138. 16 Vgl. §§ 71 f. BergVO für die Erzbergwerke, Steinsalzbergwerke und für die Steine- und Erdenbetriebe NRW i.d. Fass. v. 1.5.2001 (ABl. Arnsberg Beil. Nr. 46 = ZfB 2003, 34); §§ 39 f. BergVO für Braunkohlenbergwerke NRW i.d. Fass. v. 1.5.2001 (ABl. Arnsberg Beil. Nr. 47 = ZfB 2002, 22). 17 Vgl. z.B. Betriebsplan-RiLi BBg. V. 3.12.2001, S. 11, https://bravors.brandenburg.de/verwaltungsvorschriften/rlhbet (zuletzt abgerufen am 17.1.2023). Mann

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8. Fachkunde (Nr. 9) Unter Fachkunde sind nach der in Nummer 9 enthaltenen Klammerdefinition technische und 17 rechtliche Kenntnisse zu verstehen. Da § 59 Abs. 1 nicht näher festlegt, nach welchem Maßstab im Einzelnen die erforderliche Fachkunde der vom Unternehmer bestellten verantwortlichen Personen zu bestimmen ist, enthält Nr. 9 im Interesse der Betriebssicherheit die Ermächtigung, durch Bergverordnung zu bestimmen, welche fachlichen Anforderungen an die technischen und rechtlichen Kenntnisse bestimmter verantwortlicher Personen nach der Art der ihnen zu übertragenden Aufgaben und Befugnisse gestellt werden müssen. Da diese Verordnungsermächtigung nur Anforderungen an die Kenntnisse „bestimmter“ verantwortlicher Personen ermöglicht, bezieht sie sich nicht auf alle verantwortlichen Personen, sondern gilt nur für diejenigen Fälle, in denen im Interesse der Betriebssicherheit für ganz bestimmte Aufgabenbereiche besondere Anforderungen an die fachliche Qualifikation der diese Aufgaben wahrnehmenden verantwortlichen Personen gestellt werden müssen; das kann z.B. für Wettersteiger, Sprengmeister oder Elektrofachkräfte in Betracht kommen. Mit der Bezugnahme auf den „Stand der Technik“ verwendet die Vorschrift einen unbestimmten Rechtsbegriff, der als Technikstandard in weiten Bereichen des Umwelt- und Technikrechts längst eingeführt ist und dessen Legaldefinition in § 3 Abs. 6 BImSchG und § 3 Abs. 28 KrWG sich nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts18 daher auch auf andere Rechtsbereiche übertragen lässt. Außerdem enthält Nummer 9 die Ermächtigung, Vorschriften darüber zu erlassen, wie der Nachweis der Fachkunde zu führen ist und auf welche Weise die zuständige Behörde das Vorliegen der Fachkunde zu prüfen hat.

9. Verantwortung für bestimmte Aufgaben (Nr. 10) Verantwortliche Personen können nach § 58 nur solche Personen sein, die mindestens Lei- 18 tungs- oder Aufsichtsfunktionen im Betrieb oder in Betriebsteilen wahrnehmen (vgl. § 58 Rn. 3 ff.). Angesichts der Vielfalt betrieblicher Tätigkeiten ist aber nicht auszuschließen, dass einige dieser Tätigkeiten etwa wegen ihrer Bedeutung für die Betriebssicherheit besonders regelungsbedürftig und daher mit einer eigenständigen Verantwortung verbunden sind, ohne dass es sich dabei um Leitungs- oder Aufsichtsfunktionen handelt. Für diese Fälle gewährt Nr. 10 Buchst. a) die Möglichkeit, auch Personen verwaltungsrechtliche Verantwortung zu übertragen, die nicht zu dem Personenkreis nach § 58 gehören, aber die erforderliche Qualifikation besitzen. Entsprechendes gilt nach Buchst. b) für die Durchführung bestimmter gefährlicher oder mit besonderer Verantwortung verbundener Tätigkeiten. Als Beispiel für eine besonders gefährliche Tätigkeit nennt die Gesetzesbegründung Höhenarbeiten am Bohrturm, als eine mit besonderer Verantwortung verbundene Tätigkeit verweist sie auf die Tätigkeit eines Fördermaschinisten sowie auf die Personen, die dem arbeitsmedizinischen oder sicherheitstechnischen Dienst angehören, soweit sie nicht ohnehin als verantwortliche Personen i.S.v. § 58 Abs. 1 Nr. 2 bestellt werden oder zu bestellen sind.19

10. Veröffentlichung von Erkenntnissen über Betriebsereignisse (Nr. 11) Nach § 74 Abs. 3 ist der Unternehmer verpflichtet, der zuständigen Behörde Betriebsereignisse 19 zu melden, die zum Tod oder einer schweren Verletzung von Personen geführt haben oder hätten führen können. Das gilt auch für sonstige Betriebsereignisse, deren Kenntnis für die Verhütung oder Beseitigung von Lebens- oder Gesundheitsgefahren von besonderer Bedeutung ist. Die Ermächtigung in Nummer 11 bezweckt, dass die Erkenntnisse, die durch solche Anzeigen 18 BVerfG 8.8.1978, 2 BvL 8/77, BVerfGE 49, 89, 135 f. 19 BT-Drs. 8/1315, S. 120. 847

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des Unternehmers gewonnen werden, im Interesse der Sicherheit und der Unfallverhütung soweit wie möglich ausgewertet und einem möglichst großen Kreis zugänglich gemacht werden können. Aus Gründen des Datenschutzes ist dabei aber zu beachten, dass nähere Angaben über persönliche und sachliche Verhältnisse von der Veröffentlichung ausgenommen bleiben müssen.

11. Durchführung europäischer Rechtsakte/internationaler Beschlüsse (Satz 3) 20 Die im Jahr 1995 angefügte20 Regelung in § 66 Satz 3 schafft die Voraussetzungen für die einheitliche Umsetzung von Rechtsakten und Beschlüssen internationaler Einrichtungen und von zwischenstaatlichen Vereinbarungen. Sie ist nicht nur, wie die seinerzeitige Gesetzesbegründung21 auswies, eine „Präzisierung der Verordnungsermächtigung“, sondern geht in doppelter Hinsicht über die Ermächtigungen in Satz 1 hinaus; zum einen, weil auch anderen Personen als Unternehmen und Beschäftigten Pflichten auferlegt werden können und zum anderen, weil die ursprüngliche, dem Satz 1 entsprechende materielle Begrenzung auf solche Rechtsakte oder Beschlüsse, „die die Sicherheit und den Gesundheitsschutz betreffen“, seit einer Gesetzesänderung im Jahre 200622 durch die Wörter „die Gegenstände dieses Gesetzes betreffen,“ ersetzt worden ist, was den Anwendungsbereich deutlich über denjenigen des Satzes 1 erweitert hat.

12. Deckungsvorsorge für Haftungsverbindlichkeiten (Satz 4) 21 In Umsetzung der Richtlinie 2013/30/EU über die Sicherheit von Offshore-Erdöl- und -Erdgasaktivitäten23 ist § 66 im Juli 2016 um den heutigen Satz 4 erweitert worden.24 Die Richtlinie entstand unter dem Eindruck der Havarie der Erdöl-Bohrplattform Deepwater Horizon im Jahr 2010 und bezweckt eine Verringerung von schweren Unfällen im Zusammenhang mit Offshore-Erdöl- und -Erdgasaktivitäten sowie die Begrenzung ihrer Folgen. Sie sieht u.a. vor, dass bei der Genehmigung von Offshore-Erdöl- und -Erdgasaktivitäten angemessen Vorsorge dafür zu treffen ist, dass eventuell entstehende Haftungsverbindlichkeiten gedeckt sind. Mit der in Satz 4 verankerten erweiterten Ermächtigungsgrundlage sollen Rechtsverordnungen nun auch Regelungen zu den dort näher umschriebenen Tatbeständen rund um die Deckungsvorsorge für Haftungsverbindlichkeiten enthalten können. Insbesondere können Vorsorgeverpflichtungen für mögliche Ersatzverpflichtungen nach Berg- oder Zivilrecht und für Vermeidungs-, Schadensbegrenzungs-, Notfalleinsatz- und Sanierungsmaßnahmen nach Bergrecht oder Umweltschadensgesetz vorgesehen werden. Zu beachten ist, dass die Erfüllung der in § 66 Satz 1 aufgeführten Anforderungen keine Voraussetzung für Verordnungsregelungen nach Satz 4 bildet. Dadurch, dass im Wortlaut explizit auf die Rechtsakte gemäß Satz 3 Bezug genommen wird, wird festgelegt, dass die Ermächtigung in Satz 4 nur für die Umsetzung von europäischem Recht, Beschlüssen internationaler Organisationen oder von zwischenstaatlichen Vereinbarungen herangezogen werden kann.25

20 Vgl. Art. 8 Nr. 2 des Gesetzes zur Ausführung des Seerechtsübereinkommens vom 6.6.1995. 21 BT-Drs. 13/193, S. 19. 22 Vgl. Art. 11 Nr. 4 Buchst. a) des Gesetzes zur Beschleunigung von Planungsverfahren für Infrastrukturvorhaben vom 9.12.2006 (BGBl. I S. 2833). 23 Richtlinie 2013/30/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juni 2013 über die Sicherheit von Offshore-Erdöl- und -Erdgasaktivitäten und zur Änderung der Richtlinie 2004/35/EG (ABl. L 178 S. 66). 24 Eingefügt durch Art. 2 des G v. 21.7.2016 (BGBl. I S. 1764). 25 Regierungsbegründung, BT-Drs. 18/8703, S. 7. Mann

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§ 67 Technische und statistische Unterlagen, Markscheidewesen Soweit es zur Durchführung der Bergaufsicht, der Vorschriften über Erteilung, Verleihung und Aufrechterhaltung von Bergbauberechtigungen und zum Schutze der in § 11 Nr. 8 und 9 oder § 66 genannten Rechtsgüter und Belange oder im Fall von Nummer 7 zur Regelung der Festlegung von Einwirkungsbereichen erforderlich ist, kann durch Rechtsverordnung (Bergverordnung) bestimmt werden, 1. daß bestimmte rißliche und sonstige zeichnerische Darstellungen über Tätigkeiten im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 2 und über Einrichtungen im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 3 einzureichen und nachzutragen, daß bestimmte Listen, Bücher und Statistiken über Beschäftigte und betriebliche Vorgänge zu führen und vorzulegen, Anzeigen zu erstatten und den Anzeigen bestimmte Unterlagen beizufügen sind, 2. unter welchen Voraussetzungen eine Person im Sinne des § 64 Abs. 1 Satz 2 anerkannt werden kann, 3. welche Anforderungen an die Geschäftsführung von Markscheidern einschließlich der technischen Ausstattung zu stellen sind, 4. welchen Anforderungen markscheiderische und sonstige vermessungstechnische Arbeiten genügen müssen, 5. welche Risse, Karten, Pläne und Unterlagen zum Rißwerk gehören und in welchen Zeitabständen das Rißwerk nachzutragen ist, 6. für welche Arten von Betrieben unter welchen Voraussetzungen der Unternehmer zur Anfertigung eines Rißwerks verpflichtet ist, 7. in welcher Weise der Bereich festzulegen ist, in dem durch einen Bergbaubetrieb oder sonstige Tätigkeiten nach §§ 126 bis 129 auf die Oberfläche eingewirkt werden kann (Einwirkungsbereich), 8. daß und für welchen Zeitraum die Unterlagen, Darstellungen, Listen, Bücher und Statistiken aufzubewahren sind.

Übersicht I.

Zweck und Ausmaß der Ermächtigung

II.

Inhalt der Ermächtigung

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1. 2.

Technische und statistische Unterlagen (Nr. 1 und 8) 4 7 Markscheidewesen (Nr. 2 bis 7)

I. Zweck und Ausmaß der Ermächtigung Technische und statistische Unterlagen dienen nicht nur unternehmensinternen betrieblichen 1 Zwecken, sondern stellen auch wichtige Hilfsmittel der Bergaufsicht dar. Ein Teil dieser Unterlagen ist für eine wirksame Durchführung der Bergaufsicht sogar unerlässlich und muss daher von qualifizierten Fachkräften angefertigt werden, die bereits kraft ihres Berufsstandes eine besondere Gewähr für die Richtigkeit ihrer Tätigkeit bieten (vgl. § 64). Entsprechendes gilt für Unterlagen, die im Rahmen der Erteilung, Verleihung, Veränderung und Aufrechterhaltung von Bergbauberechtigungen von Bedeutung sind. Das trifft auch auf Unterlagen zu, die sich auf die sinnvolle und planmäßige Aufsuchung oder Gewinnung von Bodenschätzen i.S.d. § 11 Nr. 8 beziehen. Für den Lagerstättenschutz gemäß § 11 Nr. 9 ergibt sich das von selbst, weil das Bergrecht insoweit nur auf solche Bodenschätze abstellt, deren Schutz im öffentlichen Interesse liegt. Die Einbeziehung der in § 66 genannten Rechtsgüter und Belange hat im Zusammenhang mit der Durchführung der Bergaufsicht zum Teil nur klarstellenden Charakter, zumindest soweit damit die Verbindungslinie zum Betriebsplan gezogen wird. Andererseits trägt die sich in § 67 anschließende 849 https://doi.org/10.1515/9783110709285-097

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Ermächtigung dem Umstand Rechnung, dass die in § 66 bezeichneten Rechtsgüter und Belange nicht erst nach Anlegung der für die staatliche Aufsicht geltenden Maßstäbe ihre Bedeutung erhalten, sondern durchaus eigenständigen Charakter haben.1 2 Für die Fälle der Nummer 7 wurde die Zwecksetzung 2016 insofern erweitert, als dass die Verordnungsermächtigung nunmehr ausdrücklich auch das Bedürfnis zur „Regelung der Festlegung von Einwirkungsbereichen“ umfasst.2 Der Gesetzgeber wollte dadurch ermöglichen, dass auch im Bereich der Bergschadensvermutung zur Festlegung von Einwirkungsbereichen direkt und bundeseinheitlich auf die Vorschriften der EinwirkungsBergV zurückgegriffen werden kann (dazu Rn. 15).3

II. Inhalt der Ermächtigung 3 Zu den genannten Zwecken und innerhalb des beschriebenen Ausmaßes enthält § 67 die Ermächtigung, Bergverordnungen mit dem in den Nummern 1 bis 8 näher bezeichneten Inhalt zu erlassen. Dabei sind zwei unterschiedliche Regelungsbereiche auseinander zu halten. Einerseits ermächtigt § 67 zum Erlass von Vorschriften über die Anfertigung, Führung, Einreichung und Aufbewahrung verschiedenartiger Unterlagen (Nummern 1 und 8), auf der anderen Seite lässt er Regelungen über das Markscheidewesen im weiteren Sinne zu (Nummern 2 bis 7).

1. Technische und statistische Unterlagen (Nr. 1 und 8) 4 Nach dem Ermächtigungstatbestand in Nummer 1 kann durch Bergverordnung vorgeschrieben werden, dass zur Durchführung der Bergaufsicht bestimmte rissliche und sonstige zeichnerische Darstellungen über bergbauliche Tätigkeiten und Einrichtungen einzureichen und nachzutragen, ferner dass bestimmte Listen, Bücher und Statistiken über Beschäftigte und betriebliche Vorgänge zu führen und vorzulegen, Anzeigen zu erstatten und den Anzeigen bestimmte Unterlagen beizufügen sind. Als Beispiele für rissliche und sonstige zeichnerische Darstellungen i.S.d. Nummer 1 nennt die Gesetzesbegründung „z.B. Eintragungen über Arbeitsbereiche und Betriebspunkte bei nicht betriebsplanpflichtigen geophysikalischen Untersuchungsarbeiten auf Messtischblättern oder Katasterplankarten“, als Beispiele für die in Nummer 1 ergänzend genannte Gruppe der Listen, Bücher und Statistiken benennt sie „Wetterbücher, Standwasserlisten, Schießbücher, Schichtenbücher, aber auch Verzeichnisse der Beschäftigten oder Listen über verfahrene Neben- und Überschichten nach deren Zahl und Dauer“,4 wie sie schon in den §§ 93, 93e ABG vorgesehen waren.5 5 Dem Fortschritt der Datenverarbeitung Rechnung tragend wird man die in Nummer 1 genannten Unterlagen, Darstellungen, Listen, Bücher und Statistiken nicht einengend allein im Sinne einer physischen Verkörperung („in Aktenordnern“) verstehen dürfen, sondern wird auch deren Erstellung in elektronischer Form („als Datei“) als ausreichend ansehen müssen. Dies gilt selbstverständlich auch für den korrespondierenden Ermächtigungstatbestand in Nummer 8, der es erlaubt, durch Bergverordnung auch Vorschriften über Aufbewahrungspflichten und deren Dauer zu erlassen. 6 Das Bundeswirtschaftsministerium hat von der Ermächtigung in § 67 Nr. 1, 4 und 8 durch Erlass der Unterlagen-Bergverordnung (UnterlagenBergV) Gebrauch gemacht, in deren ersten Abschnitt (§§ 1 bis 8) Anforderungen an Karten und Lagerrisse für Bergbauberechtigungen aufge1 BT-Drs. 8/1315, S. 120. 2 Durch Art. 1 des Gesetzes zur Ausdehnung der Bergschadenshaftung auf den Bohrlochbergbau und Kavernen v. 4.8.2016 (BGBl. I S. 1962).

3 BT-Drs. 18/4714, S. 13. 4 BT-Drs. 8/1315, S. 120. 5 Vgl. dazu Ebel/Weller ABG, §§ 93, 93e. Mann

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stellt werden (dazu unten Rn. 11) und deren zweiter Abschnitt (§§ 9 bis 11) verschiedene Mitteilungs- und Nachweispflichten vorsieht. So hat der Bergbauunternehmer nach § 9 gegenüber der zuständigen Behörde bestimmte periodische Meldungen über Beschäftigte und betriebliche Vorgänge abzugeben, nach § 10 Mitteilung über Unfälle zu machen und nach § 11 einen Nachweis über die im Betrieb Beschäftigten zu führen sowie diesen Nachweis noch zwei Jahre nach Beendigung eines Arbeitsverhältnisses aufzubewahren (zum Inhalt der UnterlagenBergV auch Vorbem. §§ 65–68 Rn. 18).6

2. Markscheidewesen (Nr. 2 bis 7) Die auf das Markscheidewesen bezogenen Verordnungsermächtigungen in den Nummern 2 bis 6 sind in engem Zusammenhang mit den §§ 63 und 64 (Risswerk, Markscheider) zu sehen, die Ermächtigung in Nummer 4 stellt darüber hinaus eine wichtige Ergänzung für den Vollzug der §§ 11 bis 13, 25, 28, 29 und 35 dar, indem sie es ermöglicht, Anforderungen an Karten und Lagerisse für Bergbauberechtigungen aufzustellen, die u.a. für Vereinigungen, Teilungen und den Austausch von Bergwerksfeldern oder für Zulegungen relevant sind. Die Verordnungsermächtigung in Nummer 2 ist im Kontext des § 64 Abs. 1 Satz 2 zu sehen. Danach können die zum Risswerk gehörenden „sonstigen Unterlagen“ i.S.d. § 63 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 für bestimmte übertägige Betriebe an Stelle von Markscheidern auch von anderen Personen, die von der zuständigen Behörde dafür anerkannt sind, angefertigt und nachgetragen werden (vgl. § 64 Rn. 15 ff.). Um sicherzustellen, dass für die Anerkennung in der behördlichen Praxis einheitliche Maßstäbe angelegt werden, lässt § 67 Nr. 2 Vorschriften darüber zu, unter welchen Voraussetzungen einer Person beantragte Anerkennung i.S.d. § 64 Abs. 1 Satz 2 zu erteilen ist. Der Verordnungsgeber hat diese Anforderungen seit 1986 in § 13 der MarkschBergV (siehe Rn. 9 und Vorbem. §§ 65–68 Rn. 22 f.) geregelt. Indem Nummer 3 es ermöglicht, durch Bergverordnung zu bestimmen, welche Anforderungen an die Geschäftsführung von Markscheidern einschließlich der technischen Ausstattung zu stellen sind, knüpft diese Vorschrift an entsprechende Regelungen an, die bereits vor Erlass des BBergG in von den Ländern erlassenen Markscheiderordnungen enthalten waren. Nachdem der Verordnungsgeber 1986 durch Erlass der Markscheider-Bergverordung (MarkschBergV) von der Ermächtigung in § 67 Nr. 3 Gebrauch gemacht hat, sind diese landesrechtlichen Regelungen außer Kraft getreten.7 Die MarkschBergV inkl. ihrer Anlagen regelt seitdem umfassend die Anforderungen, die an markscheiderische und sonstige vermessungstechnische Arbeiten zu stellen sind; hierbei wird insbesondere Bezug auf die allgemein anerkannten Regeln der Markscheide- oder Vermessungskunde genommen, wie sie insbesondere in der DIN-Norm 21901 und den sonstigen in deren Rahmen vom Deutschen Normenausschuss aufgestellten technischen Regeln enthalten sind (vgl. § 2 MarkSchBergV). Zum Überblick über die MarkschBergV siehe Vorbem. §§ 65–68 Rn. 22 f., zu Einzelheiten siehe § 63 Rn. 3 ff., § 64 Rn. 7 f., 11 ff. Die Einhaltung der MarkSchBergV wird von den zuständigen Bergbehörden im Rahmen der Bergaufsicht gemäß § 69 Abs. 3 überwacht. Soweit Nummer 4 zu Regelungen darüber ermächtigt, welchen Anforderungen markscheiderische und sonstige vermessungstechnische Arbeiten genügen müssen, können diese Anforderungen vorwiegend in technischer, inhaltlicher und formeller Hinsicht gestellt werden. Da die Verhältnisse in den einzelnen Bergbaubereichen nicht immer einheitlich sind, ist es notwendig, in den Bergverordnungen den jeweiligen Gegebenheiten Rechnung zu tragen, was etwa in § 2 Abs. 3 Satz 2 MarkschBergV dadurch berücksichtigt wird, dass sich die Wahl des Maßstabs risslicher Darstellungen nach der „erforderlichen Genauigkeit“ zu richten hat. Als Beispiel für markscheiderische Unterlagen außerhalb des Risswerkes kommen nach der Gesetzesbegründung Berechnungen und Angaben über den Abbau an Markscheiden, Betriebsgrenzen oder behördlich festgelegten 6 Eingehend zur Unterlagen-Bergverordnung Keusgen ZfB 1983, 95, 96 ff.; Kirchner Glückauf 1983, 203. 7 Vgl. § 18 MarkSchBergV. 851

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Sicherheitspfeilern und Schutzbezirken sowie Messungs- und Berechnungsniederschriften in Betracht.8 Die Ausfüllung der Ermächtigung in Nummer 4 ist unverzichtbare Voraussetzung für die Anwendbarkeit einzelner Vorschriften dieses Gesetzes. Das gilt insbesondere für die Anforderungen, denen die in den §§ 11, 12, 13, 25, 28, 29 und 35 für die Begründung oder Änderung von Bergbauberechtigungen vorgeschriebenen Karten und Lagerisse entsprechen müssen. Darüber hinaus sind durch Bergverordnung nach § 67 Nr. 4 auch Form und Inhalt des Risswerks gemäß § 63 Abs. 2 Satz 2 zu bestimmen. Wegen dieser besonderen Bedeutung für das Bergrecht sind die Anforderungen an Karten und Lagerisse für Bergbauberechtigungen schon alsbald nach Inkrafttreten des BBergG in der Unterlagen-Bergverordnung (UnterlagenBergV) geregelt worden. Deren §§ 1 bis 8 normieren die Anforderungen, die an Karten und Lagerrisse für Bergbauberechtigungen zu stellen sind. Für den Bereich des Festlandsockels und für Felder, die sich ausschließlich oder überwiegend in Küstengewässern erstrecken, gelten die sich aus § 8 UnterlagenBergV ergebenden Besonderheiten.9 Im zweiten Abschnitt der UnterlagenBergV (§§ 9 bis 11) finden sich Regelungen zu verschiedenen Mitteilungs- und Nachweispflichten (Rn. 5 sowie Vorbem. §§ 65–68 Rn. 18). Die Verordnungsermächtigung in § 67 Nr. 5 stellt eine notwendige Ergänzung zur Vorschrift über das Risswerk (§ 63) dar. Sie ermöglicht die nach § 63 Abs. 2 Satz 2 erforderliche normative Festlegung, welche Risse, Karten, Pläne und Unterlagen zum Risswerk i.S.d. § 63 Abs. 2 Satz 1 gehören. Außerdem bildet Nummer 5 die Rechtsgrundlage für die Bestimmung der Zeitabstände, in denen das Risswerk gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 nachzutragen ist. Als Normadressat der auf § 67 Nr. 5 gestützten Bergverordnungen kommt in erster Linie der Unternehmer in Betracht, denn ihn trifft die Verpflichtung, das vorgeschriebene Risswerk ordnungsgemäß anfertigen und nachtragen zu lassen (vgl. § 63 Rn. 10). Die auf Nummer 5 gestützten Inhalte finden sich in den §§ 9 und 10 sowie den Anlagen 3 und 4 zur MarkschBergV (dazu bereits Rn. 9). In Ausführung des § 9 MarkschBergV beinhaltet deren Anlage 3 detaillierte Angaben zu Gliederung, Inhalt und Form des Risswerks. In Ausführung des § 10 MarkschBergV beinhaltet deren Anlage 4 sowohl die Fristen, innerhalb derer der Unternehmer das Risswerk vollständig nachzutragen und einzureichen hat, als auch eine Auflistung von Angaben, die unverzüglich in das Risswerk einzutragen sind. Auch die Ermächtigung in Nummer 6 hat Bedeutung im Zusammenhang mit § 63 Abs. 1. Nach § 63 Abs. 1 Satz 1 ist für jeden Gewinnungsbetrieb und für jeden untertägigen Aufsuchungsbetrieb ein Risswerk anzufertigen. Gemäß § 67 Abs. 1 Satz 2 kann die Anfertigung eines Risswerks durch Rechtsverordnung auch für übertägige Aufsuchungsbetriebe vorgeschrieben werden. Umgekehrt können gemäß § 63 Abs. 1 Satz 3, ebenfalls durch Rechtsverordnung, aber auch Ausnahmen von der Verpflichtung zur Risswerkerstellung nach Satz 1 zugelassen werden, wenn bestimmte Voraussetzungen („wenn es sich … werden kann“ – dazu § 63 Rn. 5) gegeben sind. In Anknüpfung an diese Normierungen ermächtigt § 67 Nr. 6 den Verordnungsgeber zu Regelungen darüber, für welche Arten von Betrieben unter welchen Voraussetzungen der Unternehmer zur Anfertigung eines Risswerks verpflichtet ist. Die Regelung durch Verordnung hat dabei die genannten Voraussetzungen des § 67 Abs. 1 Satz 3 als Maßgabe für den Zweck der Verordnungsgebung (Art. 80 GG, vgl. Vorbem. §§ 65–68 Rn. 7) zu beachten. Von der Ermächtigung in § 67 Nr. 6 ist durch § 12 MarkschBergV Gebrauch gemacht worden. Durch Nummer 7 erhält der Verordnungsgeber die Befugnis zur Bestimmung, in welcher Weise der Bereich festzulegen ist, in dem durch einen Bergbaubetrieb oder „sonstige Tätigkeiten nach den §§ 126 bis 129“ auf die Oberfläche eingewirkt werden kann (sog. Einwirkungsbereich). Die Norm erfasst heute anders als noch vor 2016 nicht mehr ausdrücklich nur Gewinnungsbetriebe,10 sondern auch Aufsuchungsbetriebe, Untergrundspeicher, Bohrungen, alte Halden und Versuchsgruben. Außerhalb der Ermächtigung zur Festlegung im Rahmen der Bergschadensver8 BT-Drs. 8/1315, S. 121. 9 Vgl. zu der Verordnung im Einzelnen Keusgen ZfB 1983, 95; Kirchner Glückauf 1983, 203. 10 Insoweit hat sich die vormals streitige Frage, ob der Bohrlochbergbau vom Bergschadensrecht umfasst ist, erledigt (dazu ausführlich die Voraufl., § 126 Rn. 19 f.). Mann

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mutung hat die Festlegung zum Schutze der im Eingangssatz des § 67 bezeichneten Rechtsgüter und Belange zu erfolgen. Soweit der im Eingangssatz in Bezug genommene § 66 seinerseits wiederum zurückverweist auf § 55 Abs. 1 Nr. 2 bis 13 wird deutlich, dass hier insoweit insbesondere der Schutz der Erdoberfläche im Interesse der persönlichen Sicherheit und des öffentlichen Verkehrs (§ 55 Abs. 1 Nr. 5) in Betracht kommt.11 Demnach müssen die Kriterien einer nach § 67 Nr. 7 zu erlassenden Bergverordnung für vorbeugende Maßnahmen und damit für das Betriebsplanverfahren geeignet sein.12 Auf Grund des § 67 Nr. 7 hat das Bundeswirtschaftsministerium die Einwirkungsbereichs- 15 Bergverordnung (EinwirkungsBergV) erlassen, die 2016 zum Zwecke der vollständigen Ausdehnung der Bergschadenshaftung, insbesondere auf die Bereiche der Untergrundspeicher und den Bohrlochbergbau in §§ 1–5 und 7, mehrere Änderungen sowie Erweiterungen erfuhr.13 Ausweislich ihres § 1 enthält sie nunmehr Maßgaben für die Festlegung der Einwirkungsbereiche von untertätigen Bergbaubetrieben, von Bergbaubetrieben mit Hilfe von Bohrungen und von Untergrundspeichern mit künstlich geschaffenem Hohlraum. Der Unternehmer hat nach § 2 Abs. 1 bis 3 EinwirkungsBergV die Grenze des Einwirkungsbereichs im Rahmen der Bergschadensvermutung mit Hilfe des sog. Einwirkungswinkels festzulegen. Die räumliche Begrenzung des Einwirkungsbereichs ergibt sich als Verbindungslinie der Punkte, in denen die freien Schenkel bestimmter, in der Anlage zu der Verordnung angegebener Winkel die Erdoberfläche bei einer Bodensenkung von 10 cm durchdringen. Ist die Festlegung unter Heranziehung des Einwirkungswinkels im Einzelfall nicht möglich, erfordert § 3 EinwirkungsBergV ausnahmsweise die Bestimmung durch alternative Methoden, insbesondere durch Messungen eines anerkannten Markscheiders. Für bestimmte Anlagen und Einrichtungen, die durch die Festlegung des Einwirkungsbereichs nach § 2 Abs. 1 bis 3 oder § 3 Abs. 1 bis 3 EinwirkungsBergV nicht erfasst werden, ist gemäß § 5 EinwirkungsBergV ein erweiterter Bereich bis zum Nullrand (Grenzwinkel) festzulegen. Der Nullrand ist gemäß dem 2016 ebenfalls neu eingefügten § 2 Abs. 4 EinwirkungsBergV auch für die Festsetzung der Belange im bergrechtlichen Verfahren maßgebend und stellt den äußeren Rand der rechnerisch bestimmbaren relevanten Einwirkungen des bergbaurechtlichen Vorhabens dar.14 In § 7 EinwirkungsBergV wird, gestützt auf § 67 Nr. 1 BBergG, vorgeschrieben, dass der Unternehmer dem Betriebsplan in näher bestimmten Fällen zeichnerische Darstellungen beizufügen hat, in denen der Einwirkungsbereich der im Betriebsplan vorgesehenen Maßnahmen einzutragen ist.15 Zur EinwirkungsBergV allgemein siehe auch Vorbem. §§ 65–68 Rn. 19; speziell zur Bedeutung der EinwirkungsBergV für die Bergschadensvermutung § 120 Rn. 14 ff.

§ 68 Erlaß von Bergverordnungen (1)

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Bergverordnungen auf Grund der §§ 65 bis 67 werden, soweit sich aus Absatz 2 nichts anderes ergibt, von den Landesregierungen erlassen. 2Diese können die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf andere Stellen übertragen.

11 Kritisch zu dieser Kaskadenfolge der relevanten Belange auch noch nach der Gesetzesänderung von 2016 („Zweifel an der verfassungsmäßig gebotenen Bestimmtheit dieser Ermächtigung“) Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 68 Rn. 24, 24a. 12 Keusgen ZfB 1983, 95, 106. 13 Durch Art. 2 des Gesetzes zur Ausdehnung der Bergschadensvermutung auf den Bohrlochbergbau und Kavernen v. 4.8.2016 (BGBl. I S. 1962). 14 So definiert in BT-Drs. 18/4714, S. 15. 15 Ausführlich zur EinwirkungsBergV (a.F.) Keusgen ZfB 1983, 95, 106 ff. 853 https://doi.org/10.1515/9783110709285-098

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(2) Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie erläßt Bergverordnungen, 1. soweit sie auf Grund des § 65 Satz 1 Nr. 3, 6 und 5 in Verbindung mit Nr. 3, des § 65 Satz 2, des § 66 Satz 1 Nr. 4 Buchstabe a, b, d und e und des § 67 ergehen, 2. soweit sie Tätigkeiten im Sinne des § 2 im Bereich des Festlandsockels betreffen und 3. soweit für gleichartige Verhältnisse der Schutz der in den §§ 65 bis 67 bezeichneten Rechtsgüter und Belange durch Bergverordnungen nach Absatz 1 nicht gleichwertig sichergestellt wird oder soweit Rechtsakte des Rates oder der Kommission der Europäischen Gemeinschaften oder Beschlüsse internationaler Organisationen oder zwischenstaatliche Vereinbarungen, die Gegenstände dieses Gesetzes betreffen, durchgeführt werden. (3) Bergverordnungen nach Absatz 2 ergehen mit Zustimmung des Bundesrates und 1. Bergverordnungen auf Grund der §§ 65 und 66 Satz 1 Nr. 1, 2, 4 bis 7, 9 und 10 und Satz 3 im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales, soweit sie Fragen des Arbeitsschutzes betreffen, 2. Bergverordnungen auf Grund des § 66 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe a und Nr. 8 im Einvernehmen mit den Bundesministerien für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit und für Verkehr und digitale Infrastruktur, 3. Bergverordnungen auf Grund des § 66 Satz 1 Nr. 3 sowie alle anderen Bergverordnungen, soweit sie Tätigkeiten im Sinne des § 2 Abs. 1 im Bereich des Festlandsockels und der Küstengewässer betreffen, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur. (4) In den Bergverordnungen kann wegen technischer Anforderungen auf Bekanntmachungen sachverständiger Stellen unter Angabe der Fundstelle verwiesen werden.

Übersicht I.

Entstehungsgeschichte

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II.

Überblick

III.

Länderkompetenz (Absatz 1)

IV.

Zuständigkeit des Bundes (Absatz 2)

V.

Zustimmungs- und Mitwirkungserfordernisse (Ab18 satz 3)

VI.

Verweisungsmöglichkeit (Absatz 4)

2 21

4 VII. Durchführung, Verwaltungsvorschriften

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I. Entstehungsgeschichte 1 Die Verteilung der Kompetenzen zum Erlass von Bergverordnungen war während des Gesetzgebungsverfahrens zwischen dem Bund und den Ländern heftig umstritten. Der RegE 1977 sah eine generelle Zuständigkeit des Bundesministers für Wirtschaft vor, die nur ausnahmsweise durch Rechtsverordnung auf die Landesregierung hätte übertragen werden können, soweit Vorschriften lediglich für einen oder mehrere Bergbauzweige eines Landes notwendig wären.1 Der BR schlug demgegenüber vor, die Zuständigkeit für den Erlass von Bergverordnungen grundsätzlich bei den Ländern zu belassen und die Kompetenz des Bundesministers für Wirtschaft auf diejenigen Fälle zu beschränken, in denen die Notwendigkeit besteht, für die Bergbauzweige aller Länder einheitliche Regelungen zu treffen2 – ein Vorschlag, den die Bundesregierung mit ausführlicher Begründung zurückwies.3 Die 1 Vgl. BT-Drs. 8/1315, S. 35. 2 BT-Drs. 8/1315, S. 180. 3 BT-Drs. 8/1315, S. 192 f. Mann

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endgültige Fassung des § 68 ist das Ergebnis eines Kompromissvorschlages, der durch eine vom Ausschuss für Wirtschaft des Bundestages eingesetzte Arbeitsgruppe zustande gekommen ist4 und auf folgenden Grundüberlegungen beruht: „Kernpunkt der Regelung ist der Schutz von Leben und Gesundheit der Beschäftigten und Dritter. In allen Bereichen des Bergbaus muss für gleichartige Verhältnisse zumindest ein gleichwertiger Schutz gewährleistet sein. Demgegenüber kann der Zuordnung der Kompetenzen zum Erlass solcher Schutznorm(en) nur nachrangige Bedeutung zukommen.“5

II. Überblick Die aus dem Kompromissvorschlag erwachsene Gesetzesfassung nimmt die vor dem BBergG geltende 2 Rechtslage zum Ausgangspunkt und ordnet die Kompetenz zum Erlass der Bergverordnungen in Absatz 1 grundsätzlich den Ländern zu. Ähnlich der Systematik bei der Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen nach den Art. 70 ff. GG steht diese Landeskompetenz allerdings unter dem Vorbehalt, dass in Absatz 2 nichts Abweichendes geregelt ist. In den drei aufgelisteten Fällen des Absatz 2 besteht eine Kompetenz des Bundeswirtschaftsministeriums. Dabei sollte vor allem durch die Gleichwertigkeitsklausel im ersten Halbsatz der Nummer 3 sichergestellt werden, dass der Arbeitsschutz und die Betriebssicherheit einheitlich geregelt werden können, selbst wenn ansonsten eine Landeskompetenz nach Absatz 1 besteht.6 Alle Bundes-Bergverordnungen sind über Absatz 3 an die Zustimmung des Bundesrates gebunden, doch bedürfen die in Absatz 3 Nr. 1 bis 3 aufgelisteten Bergverordnungen darüber hinaus noch des Einvernehmens der dort jeweils genannten Ministerien. Die Vorschrift hat mehrere Änderungen erfahren, wobei zumeist nur die Bezeichnung der 3 Ministerien dem jeweils aktuellen Organisationserlass der Bundesregierung angepasst worden ist7 oder sich durch die Änderung der Satzfolge in anderen Vorschriften Folgeänderungen für die in § 68 enthaltenen Verweise auf diese Vorschriften ergeben haben.8 Als sachliche Änderung ist 1995 der zweite Halbsatz in Absatz 2 Nr. 3 (Ermächtigung zur Durchführung von unionsrechtlichen Rechtsakten und Beschlüssen internationaler Organisatoren) eingefügt worden,9 dessen enge Formulierung „die die Sicherheit und den Gesundheitsschutz betreffen“ 2006 auf die umfassendere Formulierung „die Gegenstände dieses Gesetzes betreffen“ erweitert worden ist.10 Der Erlass von Bergverordnungen der Länder in diesem supra- und internationalen Kontext ist damit ausgeschlossen. Ein Kuriosum bildet das Schicksal des Absatzes 3 Nr. 1. Diese Ermächtigung ist im Jahr 2003 durch Verordnung komplett gestrichen11 und im Jahr 2006 erneut durch Verordnung wieder nahezu wortlautgleich eingefügt worden,12 was den Gesetzgeber aber nicht gehindert hat, diese Einfügung seinerseits rund zwei Monate später noch einmal zu verfügen.13

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Im Detail siehe BT-Drs. 8/3965, S. 46, 130, 138 f. BT-Drs. 8/3965, S. 139. Vgl. BT-Drs. 8/3965, S. 139. Zuletzt etwa durch Art. 237 Nr. 1 der Elften Zuständigkeitsanpassungsverordnung vom 19.6.2020 (BGBl. I S. 1328). So in Art. 3 des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gerätesicherheitsgesetzes vom 26.8.1992; Art. 8 Nr. 3 Buchst. b) des Gesetzes zur Ausführung des Seerechtsübereinkommens vom 6.6.1995. 9 Durch Art. 8 Nr. 3 Buchst. a) des Gesetzes zur Ausführung des Seerechtsübereinkommens vom 6.6.1995. 10 Vgl. Art. 11 Nr. 4 Buchst. a) bb) des Gesetzes zur Beschleunigung von Planungsverfahren für Infrastrukturvorhaben vom 9.12.2006. 11 Vgl. Art. 123 Nr. 2 Buchst. b) der Achten Zuständigkeitsanpassungsverordnung vom 25.11.2003. Die normhierarchisch ungewöhnliche Befugnis zur Änderung von Gesetzen durch Rechtsverordnung ist dem Bundesjustizministerium durch § 2 des Zuständigkeitsanpassungsgesetzes vom 16.8.2002 übertragen worden. 12 Durch Art. 159 Nr. 2 Buchst. b) aa) der Neunten Zuständigkeitsanpassungsverordnung vom 31.10.2006. 13 Vgl. Art. 11 Nr. 4 Buchst. b) aa) des Gesetzes zur Beschleunigung von Planungsverfahren für Infrastrukturvorhaben vom 9.12.2006. Die Gesetzesmaterialien (BT-Drs. 16/54; Beschlussempfehlung und Bericht, BT-Drs. 16/3158) enthalten keine Begründung zu diesem Punkt. 855

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III. Länderkompetenz (Absatz 1) 4 Nach der Systematik der Vorschrift (oben Rn. 2) ist den Ländern ihre grundsätzliche Kompetenz zum Erlass von Bergverordnungen nur in denjenigen Materien entzogen, die gemäß Absatz 2 Nr. 1 und 2 sowie Nr. 3 Halbsatz 2 ausschließlich dem Bundeswirtschaftsministerium vorbehalten bleiben. Im Fall von Absatz 2 Nr. 3 Halbsatz 1 handelt es sich dagegen nur um eine subsidiäre Zuständigkeit des Bundeswirtschaftsministeriums. Nur und erst dann, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen – Schutz nicht gleichwertig sichergestellt – vorliegen und daraufhin das Bundeswirtschaftsministerium tätig wird, tritt eine Sperrwirkung für die Länder ein. 5 Nach Absatz 1 Satz 1 sind für den Erlass von Bergverordnungen die Landesregierungen zuständig. Was Landesregierung ist, bestimmt das Landesverfassungsrecht; i.d.R. ist es das aus dem Ministerpräsidenten und den Ministern zusammengesetzte Kollegialorgan.14 Nur wenn nach dem Verfassungsrecht des Landes unter „Landesregierung“ (auch) der zuständige Minister verstanden werden kann, darf die durch Bundesgesetz der Landesregierung gegebene Ermächtigung unmittelbar durch den Minister ausgeübt werden.15 Jedoch kann die Landesregierung nach Absatz 1 Satz 2 ihre Verordnungsermächtigung auf 6 eine andere Stelle übertragen. In Übereinstimmung mit Art. 80 Abs. 1 Satz 4 GG sieht Absatz 1 vor, dass es hierzu wiederum einer Rechtsverordnung bedarf. Die Landesregierung ist nicht genötigt, die ihr erteilte Ermächtigung vollumfänglich weiter zu übertragen, sondern kann sich auch mit einer teilweisen Delegation begnügen. Die Weitergabe der Verordnungsermächtigung gemäß Absatz 1 Satz 2 ist ein Rechtsetzungsakt, der bewirkt, dass die Landesregierung sich insoweit ihrer Rechtsetzungskompetenz begibt.16 Sie ist aber in der Lage, durch eine neue Verordnung die Übertragung rückgängig zu machen. In den Bergverordnungen ist gemäß Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG (Zitiergebot) die Rechtsgrundlage anzugeben. Im Falle einer Delegation nach § 68 Abs. 1 Satz 2 ist neben der Ermächtigungsvorschrift (§ 68) auch die Übertragungsverordnung anzugeben, weil erst beide zusammen die Rechtsgrundlage für die Verordnungsbefugnis der erlassenden Behörde bilden. Von der Delegationsmöglichkeit des § 68 Abs. 1 Satz 2 haben alle Länder Gebrauch gemacht. 7 In vielen Ländern ist die Befugnis an das Oberbergamt übertragen worden, nämlich in HB,17 HH,18 Nds.,19 im SL,20 in S-H,21 SN22 und Thür.23 In NRW ist die Zuständigkeit zum Erlass von

14 Vgl. z.B. Art. 43 Abs. 2 Verfassung des Freistaates Bayern; Art. 45 Abs. 2 Satz 1 Verfassung des Landes Baden-Württemberg; Art. 100 Verfassung des Landes Hessen; Art. 28 Abs. 2 Niedersächsische Verfassung; Art. 51 Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen; Art. 59 Abs. 2 Verfassung des Freistaates Sachsen. 15 BVerfG 10.5.1960, 2 BvL 76/58, BVerfGE 11, 77, 86. Das ist, soweit ersichtlich, momentan aber in keinem Land der Fall. 16 Vgl. Sachs/Mann GG, Art. 80 Rn. 33. 17 § 2 Abs. 1 der Verordnung zur Übertragung von Ermächtigungen nach dem Bundesberggesetz vom 20.7.1981: Landesbergamt Clausthal-Zellerfeld = Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie in Niedersachsen (LBEG). 18 § 1 Weiterübertragungsverordnung – Bergrecht vom 15.12.1981 Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie in Niedersachsen (LBEG). 19 § 7 Nr. 4 der Verordnung zur Übertragung von Ermächtigungen aufgrund bundesgesetzlicher Vorschriften (Subdelegationsverordnung) vom 9.12.2011: Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG). 20 § 1 Abs. 2 der Verordnung zur Übertragung von Ermächtigungen zum Erlass von Rechtsverordnungen nach dem Bundesberggesetz vom 10.6.1981. 21 § 2 Satz 1 der Landesverordnung zur Übertragung von Ermächtigungen nach dem BBergG vom 18.6.1981: Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG). 22 § 2 Abs. 1 BBergG-Ermächtigungsverordnung vom 12.12.2000. 23 § 2 Abs. 2 Thüringer Verordnung zur Bestimmung von Zuständigkeiten nach dem Bundesberggesetz und dem Geologiedatengesetz vom 1.11.2002: Landesamt für Umwelt, Bergbau und Naturschutz. Mann

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Bergverordnungen an die Bezirksregierung Arnsberg übertragen worden.24 In Bln., B-W,25 BY,26 Brb.,27 Hess.,28 M-V,29 RLP30 und LSA31 werden Bergverordnungen vom für das Bergrecht zuständigen Ministerium erlassen. In der Regel ist dies das Wirtschaftsministerium, in Bln.32 das für das Bergrecht zuständige Mitglied des Senats (Wirtschaftssenator), in B-W und Hess. allerdings das Umweltministerium. Bisweilen wird im Landesrecht für den Erlass bestimmter Bergverordnungen eine Beteili- 8 gung anderer Ministerien vorgeschrieben. In M-V betrifft das etwa das Einvernehmen des Sozialoder Umweltministeriums, in BY das des Staatsministeriums für Arbeit und Soziales, Familie und Integration.33 Außerdem wird in BY, NRW, RLP, S-H, dem SL und Thür. bei Bergverordnungen, die den Schutz des Lebens und der Gesundheit der Beschäftigten betreffen, ausdrücklich eine Beteiligung bzw. Anhörung der zuständigen Berufsgenossenschaften bzw. Unfallversicherungsträger angeordnet.34 Trotz des teilweise unterschiedlichen Wortlauts der Vorschriften ist insoweit in allen Ländern eine Beteiligung in Form der Anhörung ausreichend; insbesondere ist die Herstellung eines Einvernehmens mit den Berufsgenossenschaften nicht erforderlich. Die von den Landesregierungen bzw. Ministerien oder Oberbergämtern in Subdelegation er- 9 lassenen Bergverordnungen, sind Rechtsverordnungen des Landesrechts;35 der Umstand, dass sie auf einer bundesgesetzlichen Ermächtigungsgrundlage beruhen, macht sie nicht zu (partikulärem) Bundesrecht. Die früher vertretene gegenteilige Auffassung würde zu regional unterschiedlichem Bundesrecht führen.36 Gemäß Art. 80 Abs. 4 GG sind die Länder auch zu einer Regelung durch Gesetz befugt, 10 soweit Landesregierungen durch Bundesgesetz ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen. Den Erlass von Bergverordnungen nach Absatz 1 könnten kraft Verfassungsrechts also auch die Landesparlamente an sich ziehen.37

24 § 2 Abs. 2 der Verordnung zur Regelung von Zuständigkeiten und zur Übertragung von Verordnungsermächtigungen auf dem Gebiet des Bergrechts vom 2.3.2010. § 2 Bundesberggesetz-Zuständigkeitsverordnung vom 13.1.1982. § 1 Abs. 1 Bergbehörden-Verordnung vom 9.11.2013. § 4 der Verordnung zur Übertragung von Ermächtigungen nach dem Bundesberggesetz vom 25.7.1991. § 19 Nr. 2 der Delegationsverordnung vom 12.12.2007. § 2 Abs. 1 der Bergzuständigkeitsverordnung vom 5.5.1994. § 1 Abs. 1 der Landesverordnung zur Übertragung von Befugnissen und Ermächtigungen nach dem Bundesberggesetz vom 14.11.2007. 31 § 2 der Verordnung zur Übertragung von Ermächtigungen nach dem BBergG vom 21.2.1991. 32 § 1 der Verordnung zur Übertragung von Ermächtigungen nach dem BBergG vom 28.5.1982. 33 § 2 Abs. 2 der Bergzuständigkeitsverordnung vom 5.5.1994; § 1 Abs. 1 Satz 3 Bergbehörden-Verordnung vom 9.11.2013. 34 § 1 Abs. 1 Satz 3 Bergbehörden-Verordnung BY vom 9.11.2013: „die zuständigen Unfallversicherungsträger“; § 2 Abs. 2 Satz 2 der Verordnung zur Regelung von Zuständigkeiten und zur Übertragung von Verordnungsermächtigungen auf dem Gebiet des Bergrechts NRW vom 2.3.2010; § 1 Abs. 2 der Landesverordnung zur Übertragung von Befugnissen und Ermächtigungen nach dem BBergG RLP vom 14.11.2007; § 1 Abs. 2 Satz 2 der Verordnung zur Übertragung von Ermächtigungen zum Erlass von Rechtsverordnungen nach dem BBergG SL vom 10.6.1981; § 2 Satz 2 der Landesverordnung zur Übertragung von Ermächtigungen nach dem BBergG S-H vom 18.6.1981; § 2 Abs. 2 Satz 2 der Thüringer Verordnung zur Bestimmung von Zuständigkeiten nach dem BBergG und dem Lagerstättengesetz sowie zur Übertragung von Ermächtigungen vom 1.11.2002. 35 BVerfG 23.3.1965, 2 BvN 1/62, BVerfGE 18, 407, 414. 36 BVerfGE 18, 407, 414 ff. Siehe dazu Sachs/Mann GG, Art. 80 Rn. 18; von Mangoldt/Klein/Starck/Brenner GG, Art. 80 Rn. 62 m.w.N. 37 Dazu ausführlich Helms Das verordnungsvertretende Gesetz (2008), passim und Mann in: Brüning/Suerbaum (Hrsg.) Die Vermessung der Staatlichkeit (2013), S. 57 ff.; Schmidt DÖV 2021, 518 ff.

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IV. Zuständigkeit des Bundes (Absatz 2) 11 Zu den Regelungen, die gemäß § 68 Abs. 2 Nr. 1 dem Bundeswirtschaftsministerium vorbehalten sind, gehört zunächst die in § 65 Nr. 3 vorgesehene Bestimmung, dass bestimmte Einrichtungen und Stoffe nach einer Bauart oder Eignungsprüfung allgemein zugelassen werden können. Im Gegensatz zu der Genehmigung nach § 65 Nr. 2 ersetzt eine allgemeine Zulassung i.S.d. § 65 Nr. 3 nicht die nach § 51 vorgeschriebene Betriebsplanzulassung (siehe § 65 Rn. 6). Die allgemeine Zulassung erstreckt sich nur auf die Beschaffenheit, nicht auf den Einsatz der betreffenden Betriebsmittel. Im Rahmen einer Bergverordnung nach § 65 Nr. 3 i.V.m. § 68 Abs. 2 Nr. 1 können also auch nur in dieser Hinsicht Regelungen getroffen werden. Für die Errichtung und den Betrieb allgemein zugelassener Einrichtungen und die Verwendung allgemein zugelassener Stoffe gelten wiederum die einschlägigen Bestimmungen der vor den Ländern erlassenen Bergverordnungen. 12 In Verbindung mit § 65 Nr. 3 zu sehen ist auch die Ermächtigung des § 65 Nr. 5, Genehmigungen und allgemeine Zulassungen von bestimmten persönlichen oder sachlichen Voraussetzungen abhängig zu machen (siehe § 65 Rn. 8). Ferner kann ausschließlich der Bundeswirtschaftsminister durch Bergverordnung gemäß § 65 Nr. 6 die Voraussetzungen für die Anerkennung von Sachverständigen festlegen (siehe § 65 Rn. 9) sowie die zur Umsetzung unionsrechtlicher Rechtsakte gemäß § 65 Satz 2 (siehe § 65 Rn. 10) erforderlichen Bergverordnungen erlassen. 13 Von den zahlreichen Ermächtigungstatbeständen des § 66 sind nur die in § 66 Nr. 4 Buchst. a), b), d) und e) bezeichneten Bereiche der ausschließlichen Kompetenz des Bundeswirtschaftsministeriums zugeordnet worden. Dabei handelt es sich um die Möglichkeit, bestimmte Beschäftigungsverbote oder -beschränkungen anzuordnen sowie Vorschriften über ärztliche Anlege- und Nachuntersuchungen und über die Kostentragungspflicht zu erlassen. Auf diesen Ermächtigungstiteln beruht die Klima-Bergverordnung (dazu Vorbem. §§ 65–68 Rn. 21 und § 66 Rn. 8) sowie in Teilen auch die Allgemeine Bundesbergverordnung (dazu Vorbem. §§ 65–68 Rn. 25 f.). 14 Schließlich ist das Bundeswirtschaftsministerium gemäß § 68 Abs. 2 Nr. 1 auch pauschal für alle Bergverordnungen zuständig, die auf Grund des § 67 ergehen, also technische und statistische Unterlagen sowie das Markscheidewesen betreffen. Da es sich insoweit um eine ausschließliche Zuständigkeit des BMWK handelt (oben Rn. 2, 4) ist die Aufnahme auch des § 67 bei der Zuweisung der Verordnungskompetenz an die Länder durch Absatz 1 irreführend, weil sachlich nicht richtig. Unter anderem auf die Verordnungskompetenzen aus § 67 i.V.m. § 68 Abs. 2 stützen sich die Unterlagen-Bergverordnung (dazu Vorbem. §§ 65–68 Rn. 18, § 67 Rn. 6 und 11) und die Markscheider-Bergverordnung (dazu § 63 Rn. 3 ff., § 64 Rn. 7, 12 ff., Vorbem. §§ 65–68 Rn. 22 f., § 67 Rn. 9 und 12). 15 Nach § 68 Abs. 2 Nr. 2 erlässt das Bundeswirtschaftsministerium Bergverordnungen, soweit sie bergbauliche Tätigkeiten im Bereich des Festlandsockels betreffen. Die Beschlussempfehlung des Wirtschaftsausschusses des Bundestages sah darüber hinaus auch eine Einbeziehung der Küstengewässer vor,38 wie sie heute etwa noch in § 66 Satz 1 Nr. 3 enthalten ist. Auf Veranlassung des Vermittlungsausschusses wurden jedoch die Worte „und der Küstengewässer“ (zur Definition vgl. § 66 Rn. 5) in Absatz 2 Nr. 2 wieder gestrichen,39 um insoweit doch noch Landeskompetenzen zu eröffnen; dem weitergehenden Begehren des Bundesrates, die Nummer 2 komplett zu streichen, hat der BT unter Hinweis auf die in § 137 Abs. 2 festgeschriebene Vorläufigkeit der Regelungen im Bereich des Festlandsockels nicht entsprochen.40 Wenn in § 68 Abs. 2 Nr. 2 auch nur „Tätigkeiten“ i.S.d. § 2 genannt werden, muss doch davon ausgegangen werden, dass sich die Verordnungskompetenz des Bundeswirtschaftsministers nach dem Sinn der Vorschrift wegen des zwingenden Sachzusammenhangs auf den gesamten § 2, also auch auf die dort bezeichneten Einrichtungen erstreckt. Gestützt auf § 68 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. §§ 65, 66 und 67 Nr. 1 und 8 hat das Bundeswirtschaftsministerium die Offshore38 BT-Drs. 8/3965, S. 46. 39 BT-Drs. 8/4331, S. 2. 40 Vgl. den Bericht des Abg. Russe (CDU/CSU) zu den Beratungen im Vermittlungsausschuss, BT-Prot. 8/230, S. 18685 C/D. Mann

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Bergverordnung erlassen (siehe dazu Vorbem. §§ 65–68 Rn. 28, vor § 132 Rn. 2, § 132 Rn. 20, § 133 Rn. 1). Die dem Bundeswirtschaftsministerium in Absatz 2 Nr. 3 Halbsatz 1 eingeräumte konkurrie- 16 rende Befugnis zum Erlass von Bergverordnungen dient der Gewährleistung gleichwertiger Arbeitsschutzregelungen auch auf solchen Sachgebieten, die zur Verordnungskompetenz der Länder gehören. Es ist nicht erforderlich, dass die Bergverordnungen der Länder wörtlich übereinstimmen; der Gesetzgeber bezweckt mit der Ermächtigung in Nummer 3 lediglich, dass für gleichartige Verhältnisse durch Bergverordnung ein gleichwertiger Schutz sichergestellt wird. Die Voraussetzungen der Nummer 3 sind erfüllt, wenn erkennbar wird, dass die Länder nicht in der Lage sind oder nicht beabsichtigen, für gleichartige Tatbestände gleichwertige Vorschriften zu erlassen. Solange der Bund von der Kompetenz nach Nummer 3 allerdings keinen Gebrauch macht, liegt die Befugnis zum Erlass entsprechender Bergverordnungen weiterhin bei den Ländern. Erst durch den Erlass einer auf Nummer 3 Halbsatz 1 gestützten Verordnung entfällt eine Länderkompetenz, und zwar in dem sachlichen Umfang der durch die Bundesverordnung geregelten Gegenstände. Das Bundeswirtschaftsministerium hat – abgesehen von den Fällen des § 176 Abs. 3 Satz 3 – allerdings nicht die Befugnis, etwa bereits vorhandene Ländervorschriften ausdrücklich aufzuheben. Sofern er aber auf Grund des § 68 Abs. 2 Nr. 3 eine Bergverordnung erlässt, kommt dieser gemäß Art. 31 GG Vorrang vor thematisch entsprechenden Bergverordnungen der Länder zu. Die Länder sind dann verpflichtet, die unwirksam gewordenen eigenen Vorschriften im Interesse der Rechtsklarheit aufzuheben. Gestützt u.a. auf Abs. 2 Nr. 3 Halbsatz 1 wurde die Klima-Bergverordnung (dazu Vorbem. §§ 65–68 Rn. 21 und § 66 Rn. 8) erlassen. Die in unionsrechtlichen und internationalen Durchführungsfragen seit 1995 in Abs. 2 Nr. 3 17 Halbsatz 2 enthaltene Verordnungsbefugnis des Bundeswirtschaftsministeriums ist anders als die konkurrierende Befugnis im Halbsatz 1 eine ausschließliche Bundeszuständigkeit, wie sie auch in Absatz 2 Nr. 1 und 2 festgelegt ist. Sie korrespondiert mit den sachlichen Befugnissen in § 65 Satz 2 (dazu § 65 Rn. 10) und § 66 Satz 3 (dazu § 66 Rn. 20).

V. Zustimmungs- und Mitwirkungserfordernisse (Absatz 3) Nach Absatz 3 bedürfen Bergverordnungen des Bundeswirtschaftsministeriums zu ihrer Wirksam- 18 keit stets der Zustimmung des Bundesrates. Dies erklärt sich vor dem Hintergrund der Verfassungsregelung in Art. 80 Abs. 2 Alt. 4 (Rechtsverordnungen auf Grund von Bundesgesetzen, die der Zustimmung des Bundesrats bedürfen).41 Die Zustimmung des Bundesrates ist Wirksamkeitsvoraussetzung der Bergverordnungen; verweigert der BR seine Zustimmung, kommt die betreffende Bergverordnung nicht zustande. Ein Vermittlungsverfahren ist für Verordnungen nicht vorgesehen. Der BR kann sich jedoch auch sogenannter Maßgabebeschlüsse bedienen, die dazu führen, dass die Rechtsverordnungen nicht wirksam werden, solange die Änderungsbegehren des Bundesrates nicht berücksichtigt wurden.42 Da durch die Bergverordnungen in manchen Sachbereichen aber nicht nur Zuständigkeiten 19 und Aufgaben des Bundeswirtschaftsministeriums, sondern auch andere Bundesressorts betroffen werden, enthält Absatz 3 die notwendigen Vorschriften über das Zusammenwirken der in Betracht kommenden Bundesressorts beim Erlass der Bergverordnungen. Die Beteiligungspflicht anderer Bundesminister gilt selbstverständlich nur insoweit, als die Zuständigkeit des Bundes auf Grund des Absatzes 2 gegeben ist. Die in Absatz 3 Nr. 1 bis 3 vorgesehenen Einvernehmenserfordernisse machen die beteiligten Ressorts nicht zu Mit-Verordnungsgebern, gleichwohl kann eine Verordnung nicht in der beabsichtigten Form ergehen, wenn ein durch Absatz 3 berechtigter Bundesminister sein Einvernehmen verweigert oder der Bergverordnung nur teilweise zustimmt. Weil die Verordnungsbefugnis des Ministers zum ressortspezifischen eigenen Aufgabenbereich (Art. 65 41 Dazu von Münch/Kunig/Wallrabenstein GG, Art. 80 Rn. 64 f. 42 Dazu Sachs/Mann, GG, Art. 80 Rn. 39. 859

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Satz 2 GG) gehört, ist im Konfliktfall auch das Kabinett nicht berechtigt, die Meinungsverschiedenheit gemäß Art. 65 Satz 3 GG zu entscheiden. Im Übrigen muss das Grundgesetz auch der Regelung des § 15 Abs. 1 Buchst. c) GeschO-BReg (Beratung und Beschlussfassung durch die Bundesregierung im Falle bundesministerieller Verordnungsentwürfe von besonderer politischer Bedeutung) vorgehen, d.h. auch eine unter Missachtung eines Beschlusses der Bundesregierung erlassene Bergverordnung des Bundeswirtschaftsministeriums ist wirksam.43 Im Einzelnen richtet sich das Verfahren beim Erlass von Bergverordnungen durch den Bun20 deswirtschaftsminister nach den §§ 62 bis 68 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien.44 Gemäß § 62 Abs. 2 i.V.m. § 47 Abs. 1 Satz 1 GGO ist der Entwurf einer Rechtsverordnung Ländern, kommunalen Spitzenverbänden und den Vertretungen der Länder beim Bund möglichst frühzeitig zuzuleiten, wenn ihre Belange berührt sind. Entsprechend sind Zentral- und Gesamtverbände sowie Fachkreise, die auf Bundesebene bestehen, rechtzeitig zu beteiligen (§ 62 Abs. 2 i.V.m. § 47 Abs. 3 GGO).

VI. Verweisungsmöglichkeit (Absatz 4) 21 Für die technischen Normen i.S.d. §§ 65 bis 67, die einerseits ohne Einbeziehung allgemein anerkannter Regeln der Technik unvollständig wären, andererseits aber bei vollständiger Einarbeitung dieser Regeln unübersichtlich würden, eröffnet Absatz 4 die Möglichkeit, auf Regelwerke zu verweisen, die von sachlich legitimierten Institutionen nach Beratung in Sachverständigenausschüssen aufgestellt und veröffentlicht werden.45 Die Verweisung stellt mithin ein gesetzliches Instrument zur Inkorporation privater Normen in die Rechtsordnung dar, das vornehmlich der Entlastung des Verordnungsgebers dient.46 Da allerdings bei diesen privaten Regelwerken sowohl der Normerzeuger als auch das Normerzeugungsverfahren nicht den verfassungsrechtlich fixierten Bindungen unterliegen, kommt ihnen keine eigene Rechtsnormqualität zu. Mithin sieht sich auch eine Verweisung auf konkrete private Normen rechtsstaatlichen Bedenken ausgesetzt.47 22 Der im Rechtsstaatsprinzip verwurzelte Bestimmtheitsgrundsatz gebietet, dass der Inhalt einer Rechtsnorm für den Normadressaten von vornherein erkennbar sein muss. Es muss der Gefahr begegnet werden, dass private Normen ohne ausreichende eigene Prüfung durch den Verordnungsgeber schlicht rezipiert werden und die Rechtssetzung damit faktisch nichtstaatlichen Institutionen übertragen wird. Sog. dynamische Verweisungen, d.h. solche die auf ein nichtstaatliches Regelwerk in seiner jeweils geltenden Fassung verweisen, haben zur Konsequenz, dass spätere Änderungen der privaten Normen auch unmittelbar zu einer Änderung staatlichen Rechts führen. Sie sind daher aus verfassungsrechtlichen Gründen unzulässig.48 23 Sog. statische Verweisungen, durch die auf eine bestimmte Ausgabe oder einen bestimmten Stand anderer Normen Bezug genommen wird, hält die Rspr.49 unter überwiegender Zustimmung

43 44 45 46

Von Mangoldt/Klein/Starck/Brenner GG, Art. 80 Rn. 58. Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO) vom 26.7.2000. BT-Drs. 8/1315, S. 121. Vgl. zu den Gründen für die Anwendung der Verweisungstechnik: Marburger Die Regeln der Technik im Recht (1979), S. 379 ff.; Mann Einführung in die juristische Arbeitstechnik, 5. Aufl. 2015, Rn. 284. 47 Dazu ausführlich: Karpen Die Verweisung als Mittel der Gesetzgebungstechnik (1970), S. 123 ff.; Marburger Die Regeln der Technik im Recht (1979), S. 405 ff.; Tettinger Rechtsanwendung und gerichtliche Kontrolle im Wirtschaftsverwaltungsrecht (1980), S. 404 ff.; Denninger Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Normsetzung im Umwelt- und Technikrecht (1990), S. 117 ff. 48 BVerfG 14.6.1983, 2 BvR 488/80, BVerfGE 64, 208, 214; BVerfG 23.4.1986, 2 BvR 487/80, BVerfGE 73, 261, 272; BVerfG 26.1.2007, 2 BvR 2408/06, EuGRZ 2007, 231, 232. 49 BVerfG 1.3.1978, 1 BvR 786/70, 1 BvR 793/70, 1 BvR 168/71, 1 BvR 95/73, BVerfGE 47, 285, 311 f.; BVerwG 29.8.1961, I C 14/61, NJW 1962, 506; BVerwG 17.2.1978, 1 C 102/76, BVerwGE 55, 250, 256; OVG Lüneburg 27.7.1990, 6 OVG A 60/88, NVwZRR 1991, 106 f. Mann

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der Literatur50 für grundsätzlich zulässig, weil die Bezugnahme auf ein konkretes Gültigkeitsdatum die eigenverantwortliche staatliche Entscheidung über die Sachgerechtigkeit der Rezeption eines bestimmten Inhalts des privaten Bezugstextes sichert. Als Mindestvoraussetzung muss allerdings gewährleistet sein, dass die gewollte Inkorporierung in der Rechtsnorm zum Ausdruck kommt, das private Regelwerk hinreichend bestimmt bezeichnet wird51 und den Betroffenen in einer ihrer Art nach für amtliche Anordnungen geeigneten Verlautbarung zugänglich ist. Selbstverständlich muss auch das private Regelwerk selbst den rechtsstaatlichen Grundsätzen der Normenklarheit und Justiziabilität entsprechen, also so formuliert sein, dass die Betroffenen die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach einrichten können.52 Um die Zugänglichkeit der nichtstaatlichen Referenztexte für die Rechtsunterworfenen zu sichern, muss gemäß Absatz 4 die „Fundstelle“ der Bekanntmachungen der sachverständigen Stelle benannt werden. Hierfür ist ein pauschaler Hinweis auf die Verfügbarkeit bei der sachverständigen Stelle oder auf eine Bezugsmöglichkeit „über den Buchhandel“ bzw. auf den Verlag, in dem die DIN-Normen erscheinen, nicht ausreichend; zu fordern ist eine postalisch ausreichende Quellenangabe. Eine genaue Bezeichnung der Bezugsquelle ist allerdings entbehrlich, wenn ihre Zugänglichkeit durch die Veröffentlichung als Anlage zur Verordnung gewahrt ist.

VII. Durchführung, Verwaltungsvorschriften Die Einhaltung der nach den §§ 65 ff. erlassenen und der nach § 176 Abs. 3 aufrechterhaltenen 24 Bergverordnungen wird im Rahmen der Bergaufsicht gemäß §§ 69 ff. behördlich überwacht. Soweit in Bergverordnungen der Länder bestimmte Verwaltungshandlungen vorgesehen sind, z.B. Genehmigungen, Entgegennahme von Anzeigen, Anerkennung von Sachverständigen, wird die dafür zuständige Behörde in der Verordnung selbst angegeben. Verwaltungstätigkeiten, die in den vom Bundeswirtschaftsministerium auf Grund von Absatz 2 erlassenen Bergverordnungen vorgeschrieben sind, werden gemäß Art. 83 GG ebenfalls von Behörden der Länder wahrgenommen, soweit sich nicht aus den §§ 132 bis 134 eine Zuständigkeit von Bundesbehörden ergibt. Welche Landesbehörden im Einzelnen zuständig sind, wird gemäß § 142 von den Landesregierungen oder den von ihnen ermächtigten Stellen bestimmt (vgl. im Detail § 142 Rn. 4 ff.). Nach allgemeinen Grundsätzen gilt ein Hoheitsakt in der Regel nur im Hoheitsgebiet der 25 handelnden Stelle. Demgemäß ist der räumliche Geltungsbereich der Verwaltungsakte von Bundesbehörden grundsätzlich das Bundesgebiet, von Landesbehörden das Gebiet des jeweiligen Landes (Territorialprinzip). Etwas anderes gilt aber dann, wenn Verwaltungsakte durch Landesbehörden auf Grund von Bundesrecht ergehen, selbst wenn sie in Ausübung landeseigener Verwaltung gemäß Art. 83 GG erlassen werden. Dann entfaltet der Verwaltungsakt grundsätzlich seine Wirksamkeit räumlich in dem Gebiet, in dem die Bundesrechtsnorm gilt, welche die Grundlage für ihn abgibt; das ist aber das ganze Bundesgebiet (sog. „Verwaltungsakte mit überregionaler Wirkung“). Diese Wirkung kann bei Verwaltungsakten eintreten, die auf Grund einer vom Bundeswirtschaftsministerium gemäß Absatz 2 erlassenen Bergverordnung ergehen, sofern sich nicht schon aus dem Inhalt des Verwaltungsaktes eine räumliche oder gegenständliche Begrenzung ergibt. In der Praxis sind die zur Durchführung der Bergverordnungen erlassenen allgemeinen 26 Verwaltungsvorschriften von besonderer Bedeutung. Sie haben sich als wirksames Instrument zur Entlastung der Bergverordnungen von technischen Einzelheiten erwiesen. Sie erfüllen insbesondere den Zweck, im Gesetz oder in Rechtsverordnungen verwendete unbestimmte Rechtsbegriffe wie „anerkannte Regeln der Technik“ zu konkretisieren und so den Interpretationsspiel50 Ossenbühl DVBl 1967, 401, 408; Karpen Die Verweisung als Mittel der Gesetzgebungstechnik (1970), S. 136, 159; Jarass NJW 1987, 1225, 1231.

51 BVerfG 15.7.1969, 2 BvF 1/64, BVerfGE 26, 338, 367 m.w.N. 52 BVerfG 16.7.1969, 1 BvL 19/63, BVerfGE 27, 1, 8. 861

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raum der Behörden im Interesse einer einheitlichen Verwaltungspraxis einzuschränken und die behördlichen Entscheidungen damit für den Betroffenen voraussehbar zu machen (vgl. § 143 Rn. 6 f.). Verwaltungsvorschriften zu den gemäß § 68 erlassenen und den nach § 176 Abs. 3 aufrechterhaltenen Bergverordnungen werden grundsätzlich von den Ländern erlassen. Das Bundeswirtschaftsministerium kann gemäß § 143 Abs. 1 Satz 2 lediglich zur Ausführung der von ihm nach § 68 Abs. 2 erlassenen Bergverordnungen allgemeine Verwaltungsvorschriften aufstellen, und zwar nur, soweit der Schutz der in den §§ 65 bis 67 bezeichneten Rechtsgüter und Belange durch Verwaltungsvorschriften der zuständigen Landesbehörden nicht gleichwertig sichergestellt wird (vgl. § 143 Rn. 1).

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FÜNFTER TEIL Bergaufsicht Schrifttum zu den §§ 69 bis 74 Beckmann Der Altbergbau – Haftung und ordnungsrechtliche Verantwortung für die Spätfolgen des Bergbaus, NWVBl 2019, 45; Beckmann/Wittmann Die „Ewigkeitshaftung“ für den Altbergbau und die Verjährung von Bergschadensersatzansprüchen, in: Piens (Hrsg.) Bergrecht im Wandel der Zeit – gestern, heute, morgen Festgabe zum 200-jährigen Bestehen des OLG Hamm (2020), 134; Beckmann/Wittmann Zur zeitlichen Begrenzung der Inanspruchnahme für Gefahren und Bergschäden des Altbergbaus, in: Baur/Sandrock/Scholtka/Shapira (Hrsg.) Festschrift für Gunther Kühne zum 70. Geburtstag (2009), 441; Beckmann Grenzen der Zumutbarkeit der Nachsorgeverantwortung eines Bergwerksunternehmens?, ZUR 2006, 295; Beddies Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Einstellung eines Bergwerkes (1995); Bethge/Elgeti/Brück von Oertzen Zwischen Berg- und Ordnungsrecht – Regelungsbedarf für den Altbergbau?, in: Piens (Hrsg.) Bergrecht im Wandel der Zeit – gestern, heute, morgen Festgabe zum 200-jährigen Bestehen des OLG Hamm (2020), 346; Bethge/Elgeti/Dietrich Zwischen Berg- und Ordnungsrecht, Regelungsvorschläge zum Altbergbau, ZfB 2021, 109; Dapprich Grundsätze des bundesberggesetzlichen Betriebsplan- und Bergaufsichtsrechts, ZfB 1987, 325; Beyer Die Verantwortung für Gefahren bei der Überplanung und Bebauung risikobehafteter Flächen (2005); Elgeti/Fock Gefahr und Risiko als Begriffe des Altbergbaus, NuR 2018, 369; Franke Spätfolgen des Bergbaus – Rechtliche Fragen aus Sicht der Bergbehörde, in: Frenz/Preuße (Hrsg.) Spätfolgen des Bergbaus, 93; Frenz Heutige Haftung aus altem Bergwerkseigentum, in: Piens (Hrsg.) Bergrecht im Wandel der Zeit – gestern, heute, morgen Festgabe zum 200-jährigen Bestehen des OLG Hamm (2020), 180; Frenz Unternehmerverantwortung im Bergbau (2003); Frenz/Kummermehr Rechtliche Fragen zu bergbaubedingten Bodenabsackungen, ZfB 2000, 24; Heuvels Zur Verantwortlichkeit des Bergbauunternehmers für die Behandlung belasteter Grubenwässer nach Betriebsstillegung, NVwZ 1995, 972; Keienburg Konflikte zwischen umgegangenem Bergbau und Nachfolgenutzung, in: Piens (Hrsg.) Bergrecht im Wandel der Zeit – gestern, heute, morgen Festgabe zum 200-jährigen Bestehen des OLG Hamm (2020), 248; Keienburg Mitwirkungspflichten Bergbaubetroffener und die Folgen ihrer Nichtbeachtung, in: Pielow (Hrsg.) Sicherheit in der Energiewirtschaft (2007), 443; Kirchner/Kremer Störerhaftung bei verlassenen Grubenbauen, ZfB 1990, 5; Knöchel Rechtsprobleme des Altbergbaus im Überblick, ZfB 2014, 263; Knöchel Die Haftung des Bergbauunternehmers nach Einstellung der Förderung, in: Frenz/Preuße (Hrsg.) Spätfolgen des Bergbaus, 106; Kühne Die betriebsplanrechtliche Relevanz bergbauinduzierter Erderschütterungen, DVBl 2010, 874; Kühne Bergrechtliche Aspekte des Wasseranstiegs im Bergbau, DVBl 2006, 1219; Kummermehr Zeitliche Grenzen der öffentlich-rechtlichen Verantwortlichkeit, in: Frenz/Preuße (Hrsg.) Grubengas: Entstehung, Gefahren, Nutzung, 59; Lisken/Denninger Handbuch des Polizeirechts 7. Aufl. (2021); Mann Bergschaden als „Ewigkeitslast“, in: Piens (Hrsg.) Bergrecht im Wandel der Zeit – gestern, heute, morgen Festgabe zum 200-jährigen Bestehen des OLG Hamm (2020), 278; Müggenborg Abgrenzungsfragen zwischen Bodenschutz- und Bergrecht, NVwZ 2012, 659; Predeick Ordnungsrechtliche Verantwortlichkeit für bergbauliche Anlagen (2002); Schulte Bergbau, Umwelt. Raumplanung, ZfB 1985, 178 ff.; Spieth/Daniels Einstellung der Wasserhaltung von Bergbaubetrieben, in: Heggemann (Hrsg.) Bergrechtliche Zulassungsentscheidungen im Kontext mit Umweltverträglichkeitsprüfungen (2009), 72; Spieth/ Appel Die rechtliche Bewältigung von Vernässungsschäden bei Einstellung der bergbaulichen Grundwasserhaltung und Flutung von Tagebaurestlöchern, LKV 2007, 501; Spieth/Wolfers Umfang und Reichweite der Nachsorgepflicht der Bergbauunternehmers bei der Stilllegung, ZfB 1997, 269; von Weschpfennig Strukturen des Bergrechts (2022); Weller Gefahrenabwehr im Bergbaubetrieb, ZfB 1992, 30; Weller Das Bergrecht im Verhältnis zum allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht, ZfB 1987, 13; Wolfers/Ademmer Grenzen der bergrechtlichen Nachsorgehaftung, DVBl 2010, 22.

§ 69 Allgemeine Aufsicht (1) Der Bergbau unterliegt der Aufsicht durch die zuständige Behörde (Bergaufsicht). (1a) 1Bei Vorhaben nach § 52 Absatz 2a Satz 1 hat die zuständige Behörde im Rahmen der Aufsicht nach Absatz 1 durch geeignete Überwachungsmaßnahmen insbesondere sicherzustellen, dass das Vorhaben im Einklang mit den umweltbezogenen Bestimmungen des Planfeststellungsbeschlusses und den erforderlichen Haupt-, Sonder- und Abschlussbetriebsplanzulassungen sowie den damit verbundenen Nebenbestimmungen durchgeführt wird; dies gilt insbesondere für Bestimmungen zu umweltbezogenen Merkmalen des Vorhabens, dem Standort des Vorhabens, für Maßnahmen, mit denen erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen ausgeschlossen, vermindert oder ausge863 https://doi.org/10.1515/9783110709285-099

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glichen werden sollen, sowie für Ersatzmaßnahmen bei Eingriffen in Natur und Landschaft. 2Hierbei sind bereits bestehende Überwachungsmechanismen zu nutzen und Ergebnisse der nach § 52 Absatz 2d durch den Unternehmer vorzunehmenden Überwachungsmaßnahmen zu berücksichtigen. Die Bergaufsicht endet nach der Durchführung des Abschlussbetriebsplanes (§ 53) oder entsprechender Anordnungen der zuständigen Behörde (§ 71 Abs. 3) zu dem Zeitpunkt, in dem nach allgemeiner Erfahrung nicht mehr damit zu rechnen ist, daß durch den Betrieb Gefahren für Leben und Gesundheit Dritter, für andere Bergbaubetriebe und für Lagerstätten, deren Schutz im öffentlichen Interesse liegt, oder gemeinschädliche Einwirkungen eintreten werden. Der Aufsicht der zuständigen Behörde unterliegen die Markscheider und die Ausführung der markscheiderischen Arbeiten im Sinne des § 64 Abs. 1.

Übersicht I. 1. 2.

3.

Bergaufsicht (Absatz 1 und 2) 1 Gegenstand der Bergaufsicht Funktion der Bergaufsicht 5 a) Betriebsaufsicht b) Repressive Überwachung in Abgrenzung zur präventiven Betriebsplanzulas6 sung c) Abgrenzung zu sonstigen bergbehördlichen 8 Zuständigkeiten d) Abgrenzung zu den Zuständigkeiten ande9 rer Aufsichtsbehörden 10 Mittel der Bergaufsicht

4.

Dauer der Bergaufsicht 14 a) Beginn 16 b) Ende

II.

Gefahrenabwehr nach dem Ende der Bergauf25 sicht

III.

Aufsicht über Markscheider (Absatz 3)

IV.

Gebühren und Auslagen für aufsichtliche Maß32 nahmen

30

I. Bergaufsicht (Absatz 1 und 2) 1. Gegenstand der Bergaufsicht 1 Wie alle gefahrgeneigten Tätigkeiten unterliegt gemäß Absatz 1 auch der Bergbau der behördlichen Aufsicht, die von den Bergbehörden als Sonderordnungsbehörden wahrgenommen wird. Zuständig für die Bergaufsicht sind gemäß § 142 die von den Ländern bestimmten Behörden, soweit nicht im Ausnahmefall Bundesbehörden zuständig sind.1 Über die im Gesetz nicht definierte, unbestimmte Begrifflichkeit „der Bergbau“ sind alle dem 2 Geltungsbereich des Gesetzes unterliegenden Tätigkeiten und Einrichtungen im Sinne des § 2 Abs. 1 und damit die typisch bergbaulichen Tätigkeiten der Bergaufsicht unterworfen.2 Der Bergaufsicht unterliegen danach das Aufsuchen, Gewinnen und Aufbereiten von Bodenschätzen nebst zugehörigen Nebentätigkeiten i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1, das Wiedernutzbarmachen der vom Bergbau in Anspruch genommenen Oberfläche i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 2 sowie Betriebsanlagen und Einrichtungen i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 3, die überwiegend einer der in § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 2 genannten Tätigkeiten zu dienen bestimmt sind. Weiterhin unterliegen der Bergaufsicht die dem Anwendungsbereich des Gesetzes gemäß § 2 Abs. 2 und 3 unterworfenen Tätigkeiten, soweit dies in den dafür geltenden Vorschriften der §§ 126 ff. 1 So etwa in § 133 Abs. 3 für die Bergaufsicht über Transit-Rohrleitungen und Unterwasserkabel in der Zuständigkeit des Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrographie und in § 23d Satz 1 Nr. 4 AtG für die Bergaufsicht über Anlagen zur Sicherstellung und Endlagerung radioaktiver Abfälle in der Zuständigkeit des Bundesamts für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung geregelt. 2 BT-Drs. 8/1315, S. 121; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 69 Rn. 22; Frenz/Beckmann BBergG, § 69 Rn. 10. Keienburg/Wiesendahl

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angeordnet ist. Der Bergaufsicht unterliegen danach auch die Untergrundspeicherung, Errichtung und Betrieb von Anlagen zur Endlagerung radioaktiver Abfälle, wenn die Anlage ihrer Art nach auch zur unterirdischen behälterlosen Speicherung geeignet ist, Bohrungen, die mehr als 100 m in den Boden eindringen sollen, Aufsuchung und Gewinnung in alten Halden, Versuchsgruben und Besucherbergwerke sowie Transit-Rohrleitungen und Unterwasserkabel. Dem Geltungsbereich des Bundesberggesetzes und damit auch der Bergaufsicht unterfallen alle 3 von dem Gesetz gemäß § 2 Abs. 1 bis 3 erfassten Tätigkeiten und Einrichtungen ab Inkrafttreten des Gesetzes am 1.1.1982. Nicht anwendbar ist das Gesetz gemäß § 169 Abs. 2 Satz 1 auf Bergbaubetriebe, die bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes endgültig eingestellt waren.3 An diese schlichte Formulierung können sich tatbestandlich hochkomplexe Fragen anschließen. Die Frage der endgültigen Einstellung eines Bergbaubetriebs bestimmt sich nicht allein nach der Einstellung der Gewinnungstätigkeit und der anschließenden Verlautbarung des Unternehmers, den Betrieb eingestellt zu haben. Vielmehr ist eine ordnungsgemäße Betriebseinstellung inklusive Durchführung erforderlicher Abschlusstätigkeiten Voraussetzung einer endgültigen Betriebseinstellung.4 Dies wiederum ist auf Grundlage der im Zeitpunkt der Betriebsbeendigung maßgeblichen rechtlichen Vorgaben und technischen Standards zu prüfen.5 Dabei ist sowohl zu berücksichtigen, dass nach den früheren landesrechtlichen Regelungen – abhängig von der maßgeblichen Fassung – und auch nach früherem Recht der DDR Abschlussbetriebsplanzulassungen ggf. nicht erforderlich waren, als auch zu berücksichtigen, dass die Umweltstandards andere waren. Ein nach früherem Recht endgültig eingestellter Bergbaubetrieb kann nicht deshalb nachträglich dem Anwendungsbereich des Gesetzes unterworfen werden, weil seine Einstellung nach heutigen Maßstäben nur unter Verfügung zusätzlicher Schutzvorkehrungen zugelassen worden wäre; damit würde § 169 Abs. 2 umgangen. Ist das Gesetz nicht anwendbar, weil ein Bergbaubetrieb bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes endgültig eingestellt war, bestimmt sich die Gefahrenabwehr nach allgemeinem Ordnungsrecht; dazu Rn. 26. Ein Rückgriff auf die vor Inkrafttreten des Bundesberggesetzes gültigen landesrechtlichen Regelungen des Bergbaus ist nicht möglich, da diese mit Inkrafttreten des Bundesberggesetzes gemäß § 176 Abs. 1 außer Kraft getreten sind.6 Sofern dagegen das Bundesberggesetz anwendbar ist, ist dieses vorrangig vor den Regelungen des allgemeinen Ordnungsrechts; dazu Rn. 12. Aus der sachlichen Begrenzung der Bergaufsicht auf den Bergbau ergibt sich gleichzeitig eine 4 Begrenzung der Adressaten bergaufsichtlicher Anordnungen. Bergaufsichtliche Anordnungen gemäß §§ 70 ff. können nur gegenüber Bergbau treibenden Personen im Zusammenhang mit der 3 BVerwG 9.11.1995, 4 C 25/94, BVerwGE 100, 31, 41 = ZfB 1995, 290, 299; OVG Magdeburg 28.11.2013, 2 L 222/11 = ZfB 2014, 166, 173; OVG Magdeburg 31.5.2001, 1 L 110/01 = ZfB 2001, 220 und ebenso zuvor VG Magdeburg 22.2.2001, A 3 K 318/98 = ZfB 2001, 222, 225; VGH Mannheim 25.10.2012, 1 S 1401/11 = ZfB 2013, 47, 52; OVG Münster 12.1.2011, 11 A 1466/ 08 = ZfB 2011, 29, 38; VGH München 24.8.2010, 8 BV 06/1795 = ZfB 2011, 114 Rn. 17; VG Aachen 26.2.2007, 9 K 4145/04 = ZfB 2007, 154, 155; VG Düsseldorf 15.5.1991, 3 K 4171/87 = ZfB 1991, 296, 298; VG Gelsenkirchen 27.10.1988, 8 K 376/85 = ZfB 1990, 59, 61; Predeick Ordnungsrechtliche Verantwortlichkeit für bergbauliche Anlagen, S. 50 ff.; a.A. früher OVG Münster 8.4.1986, 12 A 1022/85 = ZfB 1986, 377, 380; Franke in: Frenz/Preuße (Hrsg.) Spätfolgen des Bergbaus, S. 95 und Kirchner ZfB 1984, 377, 379, wonach § 169 Abs. 2 Satz 1 aufgrund der einschränkenden Regelung in Absatz 1 2. Halbsatz nur solche Betriebe erfasse, die vor Inkrafttreten des Gesetzes auf Grundlage des früheren Rechts überhaupt nicht der Bergaufsicht unterlagen, während auf solche Betriebe, die auch nach früherem Recht der Bergaufsicht unterlagen, gemäß § 167 Abs. 1 das Bundesberggesetz und damit auch die Bergaufsicht gemäß § 69 Abs. 1 Anwendung finden sollen, wenn die Betriebe bei Inkrafttreten des Gesetzes noch unter Bergaufsicht standen. 4 OVG Magdeburg 31.5.2001, 1 L 110/01 = ZfB 2001, 220 f. und ebenso zuvor VG Magdeburg 22.2.2001, A 3 K 318/98 = ZfB 2001, 222, 225; a.A. Predeick Ordnungsrechtliche Verantwortlichkeit für bergbauliche Anlagen, S. 65. 5 OVG Magdeburg 28.11.2013, 2 L 222/11 = ZfB 2014, 166, 173; VG Cottbus 3.11.2011, 3 K 356/09 = ZfB 2012, 62, 68. 6 VGH Mannheim 25.10.2012, 1 S 1401/11 = ZfB 2013, 47, 52; VGH Mannheim 29.3.2000, 1 S 1245/99 = ZfB 2000, 140, 143; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 69 Rn. 55; Frenz/Beckmann BBergG, § 69; Kirchner ZfB 1984, 377, 378 f.; Predeick Ordnungsrechtliche Verantwortlichkeit für bergbauliche Anlagen, S. 60; a.A. VG Gelsenkirchen 27.10.1988, 8 K 376/85 = ZfB 1990, 59, 61 unter Verweis auf die frühere Rechtsprechung des OVG Münster, 17.8.1983, 12 A 929/81, nicht veröffentlicht, und ebenso OVG Münster 29.3.1984, 12 A 2194/82 = ZfB 1984, 367, 373, die aber mit Urteil vom 8.4.1986, 12 A 1022/ 85 = ZfB 1986, 377, 380 aufgegeben wurde. 865

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bergbaulichen Tätigkeit ergehen. Dies sind gemäß § 58 Abs. 1 Nr. 1 und 2 der Unternehmer, dazu auch § 71 Rn. 13, und von ihm benannte verantwortliche Personen im Rahmen ihrer Aufgaben und Befugnisse – wozu auch Mitarbeiter von Fremdfirmen zählen können – sowie gemäß § 58 Abs. 2 nach Stilllegung des Bergwerksbetriebs der Inhaber der Aufsuchungs- oder Gewinnungsberechtigung. Weiterhin unterliegen der Bergaufsicht gemäß § 69 Abs. 3 Markscheider und andere anerkannte Personen, die markscheiderische Tätigkeiten wahrnehmen, dazu Rn. 30 f. Dritten gegenüber, die mangels bergbaulicher Tätigkeit nicht der Bergaufsicht unterstehen, können keine auf §§ 70 ff. gestützten bergaufsichtliche Anordnungen ergehen.7 Dies gilt sowohl für Dritte außerhalb des Bergwerksbetriebs als auch für Dritte innerhalb eines Bergwerksbetriebs.8 Eine Sonderreglung mit der Möglichkeit einer bergbehördlichen Verfügung gegenüber Dritten beinhaltet § 125 Abs. 3; vgl. § 125 Rn. 20. Außerhalb dieser Sonderregelung können Dritte als Nichtstörer nach allgemeinem Ordnungsrecht durch die zuständigen Ordnungsbehörden herangezogen werden, wenn die dafür maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen, insbesondere eine anders nicht abwendbare gegenwärtige erhebliche Gefahr zu verzeichnen ist. Ist die Inanspruchnahme des Eigentums eines Dritten für einen bergrechtlichen Aufsuchungs- oder Gewinnungsbetrieb erforderlich, sei es für die bergrechtliche Tätigkeit als solche oder für Sicherungsmaßnahmen, kommt unter den Voraussetzungen der §§ 77 ff. eine Grundabtretung in Betracht, die einen Grundabtretungsantrag des Unternehmers voraussetzt. Die auf den Bergbau bezogene Aufsicht aber kann nicht extensiv zur Ermöglichung des Zugriffs auf Dritte ausgelegt werden.

2. Funktion der Bergaufsicht 5 a) Betriebsaufsicht. Der Bergaufsicht unterliegen primär bergbauliche Tätigkeiten und zudem Betriebsanlagen und -einrichtungen, die den bergbaulichen Tätigkeiten gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 zu dienen bestimmt sind. Die Bergaufsicht ist daher eine Betriebsaufsicht,9 keine Anlagenaufsicht. Die Bergaufsicht bestimmt sich nicht nach räumlich abgrenzbaren Flächen mit der Folge, dass alle auf bestimmten Flächen durchgeführten Tätigkeiten der Bergaufsicht unterfallen. Die Bergaufsicht bestimmt sich nach Tätigkeiten mit der Folge, dass die den bergbauspezifischen Tätigkeiten zugeordneten Flächen und Einrichtungen der Bergaufsicht unterfallen, soweit dort bergbauliche Tätigkeiten durchgeführt werden. Nicht der Bergaufsicht unterliegen dagegen Tätigkeiten und Einrichtungen, die zwar auf bergbaulich genutzten Flächen durchgeführt werden, aber keine bergbaulichen Tätigkeiten i.S.d. § 2 Abs. 1 bis 3 darstellen.10 Derartige Tätigkeiten müssen allerdings mit parallelen bergbaulichen Tätigkeiten ggf. auch unter Einschaltung der Bergaufsicht abgestimmt werden, um negative Wechselwirkungen auszuschließen.

6 b) Repressive Überwachung in Abgrenzung zur präventiven Betriebsplanzulassung. Die Bergaufsicht dient der Gefahrenabwehr durch Überwachung. Während das Betriebsplanzulassungsverfahren der präventiven Gefahrenabwehr durch behördliche Zulassung eines Betriebs vor Beginn der zuzulassenden Tätigkeit dient, ist Gegenstand der Bergaufsicht die Gefahrenabwehr durch

7 Keienburg in: Pielow (Hrsg.) Sicherheit in der Energiewirtschaft, S. 450. 8 A.A. Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 71 Rn. 76 zur Möglichkeit bergaufsichtlicher Anordnungen auch gegenüber Dritten, die sich im Bergwerksbetrieb aufhalten und Frenz/Beckmann BBergG, § 60 Rn. 22.

9 OVG Münster 16.9.1976, XII A 562/73 = ZfB 1977, 110, 114; VG Aachen 14.3.1990, 3 K 807/89 = ZfB 1990, 307, 311; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 69 Rn. 23; Frenz/Beckmann BBergG, § 69 Rn. 10; Predeick Ordnungsrechtliche Verantwortlichkeit für bergbauliche Anlagen, S. 48; Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht, Rn. 338; Knöchel ZfB 1996, 44, 55; Weller ZfB 1987, 13, 23. 10 VG Leipzig 19.8.2010, 1 L 275/10 = ZfB 2011, 81 ff. zu einem Festival im Bereich eines ehemaligen Tagebaus, der noch nicht aus der Bergaufsicht entlassen war. Keienburg/Wiesendahl

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repressive Überwachung.11 Insbesondere hat die Bergaufsicht nach der amtlichen Begründung darüber zu wachen, dass die Vorschriften des Gesetzes und die aufgrund des Gesetzes erlassenen Verordnungen, die Vorgaben der Betriebsplanzulassungen sowie bergbehördliche Anordnungen eingehalten werden.12 Gegenstand des Aufsichtsverfahrens ist damit die Kontrolle, dass betriebsplanpflichtige Tätigkeiten nicht ohne Betriebsplanzulassung durchgeführt werden und die Vorgaben einer Betriebsplanzulassung eingehalten werden. Gegenstand des Aufsichtsverfahrens ist zudem sowohl im Fall betriebsplanpflichtiger Vorhaben als auch im Fall bergbaulicher Vorhaben, die ausnahmsweise – etwa aufgrund § 51 Abs. 2 und 3 – keine Betriebsplanzulassung erfordern, dass gesetzlichen Vorgaben, die zwingendes Recht beinhalten – etwa die ABBergV aber auch landesrechtliche Verordnungen – beachtet werden und Gefahren verhindert bzw. beherrscht werden. Eine kontinuierliche Prüfpflicht schreibt das Gesetz nicht vor. Eine regelmäßige bergbehördliche Überprüfung bergbaulicher Betriebe – keine bergaufsichtliche Überprüfung im eigentlichen Sinne – ist über die im Regelfall ratierlich erforderlichen, präventiven Hauptbetriebsplanzulassungsverfahren gemäß § 52 Abs. 1 Satz 1 sichergestellt. Die zusätzliche repressive bergaufsichtliche Überwachung kann sich auf Stichproben beschränken,13 wenn nicht aufgrund Kenntnis besonderer Geschehnisse besondere Kontrollen erforderlich werden. Über die Überwachung der Einhaltung der Vorgaben der Betriebsplanzulassung und der ge- 7 setzlichen Anforderungen sowie die Gefahrenabwehr kann die Aufsicht nicht hinausgehen; dazu auch § 71 Rn. 3 f. Schließt sich die Bergaufsicht an ein vorangegangenes Betriebsplanverfahren an, kann die Aufsicht keine über die Inhalte der Betriebsplanzulassung hinausgehenden Forderungen stellen, wenn diese nicht durch zwingende gesetzliche Vorschriften oder eine Gefahrenlage gerechtfertigt sind. Die Vorgaben der Betriebsplanzulassung setzen einen verbindlichen Rahmen auch für die Aufsicht. Die Legitimationswirkung einer Betriebsplanzulassung kann durch die Aufsicht – vorbehaltlich der Gefahrenabwehr – nicht durchbrochen werden. Die Aufsicht über einen Betrieb, der gemäß § 51 Abs. 2 und 3 oder aufgrund spezieller Regelungen etwa in § 127 Abs. 1 Nr. 2 zulässigerweise ohne Betriebsplanzulassung geführt werden darf, muss sich an dem in § 1 Nr. 1 bis 3 verankerten Schutzzweck des Gesetzes, der in den Zulassungsvoraussetzungen des § 55 Abs. 1 und 2 konkretisiert ist, orientieren. Forderungen, die nicht der Erreichung dieses Schutzzwecks dienen und im Betriebsplanzulassungsverfahren nicht erhoben werden könnten, können von der Bergaufsicht auch nicht auf Grundlage der §§ 69 ff. erhoben werden. Eine Sonderregelung hinsichtlich des Zwecks und des Inhalts der Aufsicht wurde für Vorha- 7a ben i.S.d. § 52 Abs. 2a, d.h. für UVP-pflichtige Vorhaben, mit dem Gesetz zur Modernisierung des Rechts der Umweltverträglichkeitsprüfung vom 20.7.2017 mit dem neuen Absatz 1a eingefügt. Die Regelung steht in Zusammenhang mit dem ebenfalls neuen § 52 Abs. 2d und dient der Umsetzung des Art. 8a Abs. 4 der UVP-Richtlinie in der Fassung der Änderungsrichtlinie 2014/52/EU vom 16.4.2014.14 Danach ist bei UVP-pflichtigen Vorhaben insbesondere eine Überwachung der Einhaltung der umweltbezogenen Bestimmungen unter Berücksichtigung der von dem Unternehmer geforderten Überwachungsmaßnahmen und -ergebnisse erforderlich. Inhaltlich ergibt sich aus dem neuen Absatz 1a nichts Neues und insbesondere nichts Zusätzliches, denn die Überwachung der Einhaltung auch der umweltbezogenen Bestimmungen im Aufgabenbereich der Bergbehörden ist seit jeher Gegenstand der Bergaufsicht und dies nicht nur bei UVP-pflichtigen Vorhaben sondern auch bei nicht UVP-pflichtigen Vorhaben.15 Auch die aufsichtlichen Mittel zur Kontrolle der umweltbezogenen Bestimmungen unterscheiden sich nicht von den ohnehin geltenden aufsichtlichen Mitteln gem. §§ 70 bis 74; dazu Rn. 10. Sinn und Zweck des neuen Absatzes 1a erschöpfen 11 Zur Abgrenzung zwischen der präventiven Gefahrenabwehr durch Betriebsplanzulassung und der anschließenden Aufsicht auch Predeick Ordnungsrechtliche Verantwortlichkeit für bergbauliche Anlagen, S. 33; Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht, Rn. 339. 12 BT-Drs. 8/1315, S. 121. 13 Weller ZfB 1992, 30, 36. 14 BR-Drs. 18/11499, S. 118. 15 Ebenso Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 69 Rn. 32a; Frenz/Beckmann BBergG, § 69 Rn. 26. 867

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sich damit in der formellen Umsetzung des Art. 8a der UVP-Richtlinie, ohne dass damit über die ohnehin bestehende Bergaufsicht hinausgehende neue materielle Vorgaben getroffen worden wären.

8 c) Abgrenzung zu sonstigen bergbehördlichen Zuständigkeiten. Abzugrenzen ist die Zuständigkeit der Bergbehörden als Bergaufsicht von sonstigen Zuständigkeiten der Bergbehörden aufgrund räumlichen oder sachlichen Zusammenhangs zu Bergbaubetrieben, die zwar eine Wahrnehmungskompetenz der Bergbehörden begründen aber nicht unter die in § 69 geregelte Bergaufsicht fallen. Zuständig sind die Bergbehörden in allen Bundesländern kraft bundesrechtlicher Regelung in § 19 Abs. 2 WHG für die Erteilung einer Erlaubnis zur Benutzung von Gewässern, die in einem bergrechtlichen Betriebsplan vorgesehen ist. Die Erlaubnis ergeht trotz Zuständigkeit der Bergbehörde nicht als Betriebsplanzulassung, sondern als wasserrechtliche Erlaubnis; die Aufsicht über die Gewässerbenutzung richtet sich nicht nach §§ 69 ff., sondern nach den einschlägigen wasserrechtlichen Vorschriften. Zuständig sind die Bergbehörden aufgrund landesrechtlicher Regelungen zudem oftmals für die Erteilung sonstiger Zulassungen für Bergbaubetriebe, etwa für zusätzlich zu einer Betriebsplanzulassung erforderliche immissionsschutzrechtliche und sonstige Zulassungen eines Bergbaubetriebs für dienende Einrichtungen i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 3.16 Auch diese Zulassungen ergehen trotz Zuständigkeit der Bergbehörde nicht als Betriebsplanzulassung, sondern als Zulassung nach dem einschlägigen Fachrecht; die aufsichtlichen Zuständigkeiten und Befugnisse der Bergbehörde richten sich insoweit nach dem jeweiligen Fachrecht.17 Schließlich regeln die landesrechtlichen Zuständigkeitsverordnungen teilweise Zuständigkeiten der Bergbehörden auch für solche Tätigkeiten oder Anlagen, die keine bergbaulichen Tätigkeiten oder Anlagen sind und damit keinen sachlichen Bezug zum Bergrecht aufweisen aber von demselben Betreiber in einem engen räumlichen Zusammenhang mit einer Tätigkeit oder Anlage, die der Bergaufsicht unterliegt, betrieben werden. So ist etwa in Nordrhein-Westfalen die Bezirksregierung Arnsberg als Bergbehörde zuständig für die immissionsschutzrechtliche Genehmigung einer Abfallverbrennungsanlage, die auf einer der Bergaufsicht unterstehenden Fläche errichtet werden soll, ohne dem Bergbaubetrieb zu dienen.18 Diese Anlagen unterfallen aufgrund landesrechtlicher Zuständigkeitsregelungen allein wegen des räumlichen Zusammenhangs zu einem Bergbaubetrieb – und damit aufgrund eines Merkmals, welches zur Begründung der sachlichen Anwendbarkeit des Gesetzes gemäß § 2 Abs. 1 gerade nicht ausreicht – der Zuständigkeit der Bergbehörde.19 Diese Anlagen unterliegen zwar der Aufsicht der Bergbehörde aber nicht der Bergaufsicht gemäß §§ 69 ff., sondern den aufsichtlichen Regelungen des einschlägigen Fachrechts.20

9 d) Abgrenzung zu den Zuständigkeiten anderer Aufsichtsbehörden. Abzugrenzen ist die Zuständigkeit der Bergbehörden als Bergaufsicht von der Zuständigkeit anderer Aufsichtsbehörden. Soweit bergbauliche Tätigkeiten und Einrichtungen zusätzlich zur bergrechtlichen Betriebsplanzulassung Zulassungen anderer Behörden bedürfen, etwa für übertägige bauliche Anla-

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Vgl. etwa § 2 Abs. 1 Satz 2 ZustV Umwelt NRW; dazu VG Aachen 14.9.2005, 6 K 372/03, juris Rn. 72 ff. Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 69 Rn. 27; Frenz/Beckmann BBergG, § 69 Rn. 18; Weller ZfB 1987, 13, 22. Vgl. etwa § 2 Abs. 2 ZustV Umwelt NRW. Das bedeutet, dass auch ein etwaiges gemeindliches Einvernehmenserfordernis aus § 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB zu beachten ist, da es sich bei Anlagen, die nicht durch Betriebsplan zugelassen werden, nicht um Vorhaben unter Bergaufsicht im eigentlichen Sinne handelt, die gemäß § 36 Abs. 1 Satz 2 2. Halbsatz BauGB kein Einvernehmen erfordern: VG Aachen 4.10.2011, 6 K 2332/09, juris Rn. 101 ff.; VG Saarlouis 13.10.2003, 1 K 121/01, nicht veröffentlicht. 20 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 69 Rn. 27; Frenz/Beckmann BBergG, § 69 Rn. 18; Weller ZfB 1987, 13, 22. Keienburg/Wiesendahl

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gen Baugenehmigungen erforderlich sind21 und die Bergbehörden für diese Zulassung nicht aufgrund spezialgesetzlicher Aufgabenzuweisung zuständig sind, bestehen parallel zur Bergaufsicht weitere aufsichtliche Zuständigkeiten anderer Behörden über die in ihren Aufgabenbereich fallenden Tätigkeiten und Einrichtungen. Die über den Bergbau bestehende Bergaufsicht ist keine ausschließliche aufsichtliche Zuständigkeit mit der Folge des Ausschlusses anderer Behördenzuständigkeiten. Wenn aber aufsichtliche Zuständigkeiten hinsichtlich der materiellen Zielsetzung des von ihnen jeweils überwachten Fachrechts konfligieren, ist die bergaufsichtliche Zuständigkeit vorrangig. So ist etwa ein bergbehördliches Einschreiten gegenüber einer ungenehmigten Haldenschüttung vorrangig vor einem naturschutzbehördlichen Einschreiten.22 Soweit spezifisch bergrechtlich zu beurteilende Sachverhalte in Rede stehen, geht das Bundesberggesetz als Spezialgesetz vor anderen gesetzlichen Regelungen vor und ist damit auch die Bergaufsicht gegenüber anderen fachgesetzlichen Zuständigkeiten vorrangig.

3. Mittel der Bergaufsicht Aufsichtsbehörden haben grundsätzlich die Möglichkeit schlichthoheitlichen Verwaltungshandelns 10 durch Maßnahmen, die nicht auf die Herbeiführung von Rechtsfolgen, sondern auf einen rein tatsächlichen Erfolg gerichtet sind. Darüberhinausgehende und mit Zwangsmitteln durchsetzbare aufsichtliche Anordnungsbefugnisse bestehen nur insoweit, als diese gesetzlich normiert sind. Gemäß Art. 20 Abs. 3 GG ist die vollziehende Gewalt an Gesetz und Recht gebunden. Aus dieser rechtsstaatlichen Bindung der vollziehenden Gewalt folgt zum einen die Begrenzung der Verwaltungstätigkeit auf Maßnahmen, welche sich im Rahmen des Rechts und der Gesetze halten (sogenannter Vorrang des Gesetzes) und zum anderen, dass das Handeln der Verwaltung in bestimmten Fällen einer gesetzlichen Grundlage bedarf (sogenannter Vorbehalt des Gesetzes). Aufsichtliche Maßnahmen beinhalten typischerweise Eingriffe in die Grundrechte des Unternehmers – und ggf. auch der beschäftigten Personen – auf Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG, auf den Schutz der Betriebsstätten aus Art. 13 Abs. 1 GG und auf Eigentum aus Art. 14 Abs. 1 GG. Grundrechtseingriffe erfordern aufgrund des Vorbehalts des Gesetzes eine förmliche gesetzliche Grundlage. Dies gilt auch für aufsichtliche Maßnahmen, die die Ausübung von Grundrechten final, unmittelbar, rechtsförmig und hoheitlich beschränken.23 Die den Bergbehörden zum Zweck der Wahrnehmung der Bergaufsicht zur Verfügung stehen- 11 den Mittel sind nicht in § 69 geregelt, sondern in §§ 70 bis 74. Danach stehen den Bergbehörden Auskunfts- und Betretensrechte (§ 70), auf die Betriebsführung und die Beschäftigung verantwortlicher Personen gerichtete Anordnungsbefugnisse bis hin zur Untersagung des Betriebs bzw. der Beschäftigung bestimmter Personen (§§ 71 bis 73) sowie Anordnungsbefugnisse zur Hilfeleistung im Falle der Havarie eines Bergbaubetriebs (§ 74) zu. Das in § 70 geregelte Auskunfts- und Betretensrecht berechtigt die Bergbehörden zu Kontrollmaßnahmen und zur Informationsbeschaffung; darüber hinausgehende Anordnungsbefugnisse hinsichtlich der Betriebsführung gehen damit nicht einher. Anordnungsbefugnisse hinsichtlich der Betriebsführung ergeben sich aus §§ 71 ff. § 71 enthält als Grundregelung die allgemeine Anordnungsbefugnis, über die die Beachtung der gesetzlichen und in Betriebsplänen vorgegebenen Anforderungen bis hin zur vorläufigen Betriebseinstellung angeordnet werden kann. §§ 72 bis 74 regeln darüber hinausgehend spezielle aufsichtliche Befugnisse. Weitere Aufsichtsmittel, als die in §§ 70 ff. geregelten, stehen der Bergbehörde nicht zu; die Regelung aufsichtlicher Mittel in §§ 70 bis 74 ist abschließend. Voraussetzung des Gebrauchmachens von den aufsichtlichen Befugnissen der §§ 70 ff. ist die Erfüllung der jeweiligen normierten tatbe21 Die Bauordnungen der Länder regeln typischerweise eine Ausnahme von der bauordnungsrechtlichen Genehmigungspflicht für Anlagen des Bergwesens nur insoweit, als es sich nicht um Gebäude handelt; vgl. etwa § 1 Abs. 2 Nr. 2 BauO NW. 22 VGH Kassel 2.12.2004, 4 UE 2874/02 = ZfB 2005, 25, 29 f. 23 Vgl. Dürig/Herzog/Scholz/Herdegen GG, Art. 1 Abs. 3 Rn. 40; Sachs GG, Vor Artikel 1 Rn. 80 m.w.N. 869

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standlichen Voraussetzungen sowie eine Ermessensausübung. §§ 70 ff. erfordern sämtlich eine Ermessensentscheidung der Bergbehörde. Sowohl das aufsichtliche Einschreiten als auch die jeweilige aufsichtliche Maßnahme müssen im konkreten Einzelfall verhältnismäßig, d.h. erforderlich, geeignet und angemessen sein. Sind die Tatbestandsvoraussetzungen aufsichtlichen Einschreitens erfüllt und ist das Einschreiten sowie das gewählte Mittel verhältnismäßig, beinhalten die geregelten Befugnisse der Bergaufsicht ausreichende Legitimationsgrundlagen für etwaige mit den zugelassenen aufsichtlichen Maßnahmen verbundene Grundrechtseingriffe. 12 Eines zusätzlichen Rückgriffs auf die allgemeinen Befugnisse des Polizei- und Ordnungsrechts bedarf es vor dem Hintergrund der speziellen Regelungen in §§ 70 ff. nicht; die aufsichtlichen Befugnisse in §§ 70 ff. sind abschließend und beinhalten alle erforderlichen Befugnisse zur Durchführung der Bergaufsicht. Ein Rückgriff auf die ordnungsrechtliche Generalklausel zur Ermöglichung zusätzlicher, nicht bereits über §§ 70 ff. legitimierter Maßnahmen wäre unzulässig.24 Der Gesetzgeber hat über die speziellen Rechtsgrundlagen der §§ 70 ff. und die dort geregelten Befugnisse zum Ausdruck gebracht, über welche Mittel die Bergaufsicht zur Ausübung der Aufsicht verfügen muss und verfügt. Darüberhinausgehende Maßnahmen können nicht auf Grundlage der allgemeinen und damit subsidiären ordnungsrechtlichen Generalklausel legitimiert werden. Dies würde gegen die Grundsätze des Vorrangs und des Vorbehalts des Gesetzes verstoßen. Die Regelungen in §§ 70 ff. verdrängen die allgemeine Eingriffsermächtigung des allgemeinen Ordnungsrechts.25 13 Die Vollstreckung bergaufsichtlicher Anordnungen richtet sich dagegen nach den allgemeinen Vollstreckungsvorschriften der Länder.26 Insoweit enthält das Bundesberggesetz keine Spezialregelungen. Voraussetzung der Vollstreckung ist, wenn nicht ausnahmsweise ein Zwangsmittel zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr ohne vorausgehenden Verwaltungsakt notwendig ist,27 ein vollziehbarer Bescheid, d.h. eine mit Sofortvollzug ausgestattete oder bestandskräftige Anordnung gemäß §§ 70 ff. Diese kann, wenn der Adressat der Anordnung nicht nachkommt, durch Zwangsmittel in Gestalt der Ersatzvornahme, eines Zwangsgelds oder unmittelbaren Zwangs erzwungen werden. Dazu auch noch § 71 Rn. 16.

4. Dauer der Bergaufsicht 14 a) Beginn. Die Bergaufsicht ist ausweislich der Ausführungen unter Rn. 5 eine Betriebsaufsicht. Die Bergaufsicht beginnt daher nicht bereits mit der Erteilung einer Erlaubnis oder Bewilligung im Sinne der §§ 7 f. Erlaubnis und Bewilligung begründen ein Recht zur Aufsuchung oder Gewinnung bergfreier Bodenschätze. Weder geht damit eine Pflicht zur Aufsuchung oder Gewinnung einher, noch können Aufsuchung oder Gewinnung allein auf Grundlage einer Erlaubnis oder Bewilligung durchgeführt werden. Vielmehr bedarf es dazu in der Regel gemäß § 51 Abs. 1 zusätzlich einer Betriebsplanzulassung als öffentlich-rechtliche Betriebsberechtigung oder zumindest einer Befreiung von der Betriebsplanpflicht gemäß § 51 Abs. 3. Auch der Zeitpunkt der Betriebsplanzulassung kann den Beginn der Bergaufsicht nicht abschließend markieren, da zum einen Betriebsplanzulassungen nicht ausgenutzt werden müssen und zum anderen nicht alle bergbaulichen Tätigkeiten betriebsplanpflichtig sind. Der Beginn der Bergaufsicht kann daher definitiv nur am Zeitpunkt des Beginns einer Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 bis 3 festgemacht werden. Mit 24 BVerwG 14.4.2011, 7 B 8/11 = ZfB 2012, 112, 113; BVerwG 13.12.2007, 7 C 40/07 = ZfB 2008, 57, 58; VG Düsseldorf 19.10.1982, 3 K 1329/80 = ZfB 1983, 202, 210; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 71 Rn. 29; Frenz/Beckmann BBergG, § 71 Rn. 2, mit wohl abweichender Meinung betreffend landesrechtlicher Regelungen. 25 OVG Weimar 15.4.2009, 1 KO 661/07 = ZfB 2009, 276, 278; VG Düsseldorf 19.10.1982, 3 K 1329/80 = ZfB 1983, 202, 210; Predeick Ordnungsrechtliche Verantwortlichkeit für bergbauliche Anlagen, S. 40 f.; Beddies Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Einstellung eines Bergwerkes, S. 122 f.; Weller ZfB 1987, 13, 21; a.A. Dapprich ZfB 1987, 325, 329. 26 Weller ZfB 1987, 13, 22. 27 Dazu VG Gelsenkirchen 3.3.2005, 8 K 2655/02 = ZfB 2005, 234, 237; VG Köln 21.9.1995, 1 K 2866/92 = ZfB 1996, 89, 92. Keienburg/Wiesendahl

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dem Beginn einer dem Gesetz unterfallenden Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 bis 3 beginnt die Bergaufsicht. Dies gilt auch dann, wenn eine Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 bis 3 ohne die dafür gegebenenfalls erforderliche Berechtigung durchgeführt wird. Auch und insbesondere ungenehmigte Betriebe unterliegen der bergbehördlichen Aufsicht, die im Fall einer ungenehmigten Tätigkeit einschreiten und den Betrieb untersagen können muss. Die Bergaufsicht umfasst zeitlich alle Phasen einer bergbaulichen Tätigkeit ab der Errichtung 15 eines Aufsuchungs-, Gewinnungs- oder Aufbereitungsbetriebs über dessen Betrieb bis hin zur Betriebseinstellung und der Wiedernutzbarmachung der Oberfläche. Die räumliche Reichweite der Bergaufsicht erschließt sich über die der Aufsicht unterliegenden Tätigkeiten und zugehörigen Einrichtungen, nicht über Grundstücksbezeichnungen. Der Bergaufsicht unterliegen nicht übertägige Grundstücksflächen oder untertägige Berechtsame, sondern bergbauliche Tätigkeiten und zugehörige Einrichtungen.

b) Ende. Das Ende der Bergaufsicht ist in Absatz 2 geregelt. Die Bergaufsicht endet nach Durch- 16 führung des Abschlussbetriebsplans gemäß § 53 oder entsprechender Anordnungen der Bergbehörde gemäß § 71 Abs. 3 zu dem Zeitpunkt, in dem nach allgemeiner Erfahrung nicht mehr damit zu rechnen ist, dass durch den Betrieb Gefahren für Leben und Gesundheit Dritter, für andere Bergbaubetriebe und für Lagerstätten, deren Schutz im öffentlichen Interesse liegt, oder gemeinschädliche Einwirkungen eintreten werden. Eine Unterbrechung des Betriebs einer bergbaulichen, der Bergaufsicht unterliegenden, Tätigkeit beendet die Bergaufsicht nicht. Dies gilt sowohl im Fall einer Unterbrechung für einen Zeitraum von maximal zwei Jahren, die gemäß § 52 Abs. 1 Satz 2 als Betriebsführung fingiert wird, als auch im Fall einer längeren Unterbrechung, die gemäß § 52 Abs. 1 Satz 2 dann, wenn sie nicht behördlich genehmigt ist, eine Betriebseinstellung bedeutet. Die Bergaufsicht endet unabhängig davon, wie lange eine Betriebsführung zurück liegt und unabhängig davon, ob ein Betrieb aufgrund langer Betriebsunterbrechung als beendet gilt, erst dann, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 erfüllt sind. Absatz 2 geht von dem Regelfall einer Abschlussbetriebsplanzulassung und der Durchfüh- 17 rung der in der Abschlussbetriebsplanzulassung geregelten Maßnahmen vor dem Ende der Bergaufsicht aus. Die Zulassung eines Abschlussbetriebsplans ist aber keine zwingende formelle Voraussetzung des Endes der Bergaufsicht;28 ebenso endet die Bergaufsicht ausweislich der Verweisung in Absatz 2 auf § 71 Abs. 3 ohne Abschlussbetriebsplanzulassung nach Durchführung von der Bergbehörde gemäß § 71 Abs. 3 angeordneter Maßnahmen, wenn die materiellen Voraussetzungen des Absatzes 2 erfüllt sind. Im Regelfall des Abschlussbetriebsplanverfahrens werden die Voraussetzungen der Entlassung aus der Bergaufsicht, nämlich der Ausschluss betriebsbedingter Gefahren auch nach der Betriebseinstellung, im Abschlussbetriebsplanverfahren anhand der Zulassungsvoraussetzungen des § 55 Abs. 2 geprüft; die Vorgaben der Abschlussbetriebsplanzulassung dienen dazu, die Voraussetzungen der Entlassung aus der Bergaufsicht zu schaffen. Die in der Abschlussbetriebsplanzulassung geregelten Maßnahmen müssen vor dem Ende der Bergaufsicht umgesetzt sein;29 die Bergaufsicht endet nicht bereits mit der Abschlussbetriebsplanzulassung. Zudem kann die Bergaufsicht nicht vor der – ggf. erst nach Umsetzung der Vorgaben der Abschlussbetriebsplanzulassung eintretenden – Bestandskraft der Abschlussbetriebsplanzulassung enden,30 da anderenfalls im Fall einer Anfechtung und gerichtlichen Aufhebung der Zulassung keine bergaufsichtliche Zuständigkeit mehr bestünde. Nach ordnungsgemäßer Umsetzung und Bestandskraft der Abschlussbetriebsplanzulassung wird aufgrund der vorherigen bergbehördlichen Prüfung, die in den Festsetzungen der 28 A.A. Terwiesche NVwZ 2007, 284, 287 in Verkennung der von ihm angeführten Literatur, die zutreffend darauf hinweist, dass die Bergaufsicht nach Durchführung des Abschlussbetriebsplans oder entsprechender Anordnungen der Bergbehörde endet: Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht, Rn. 342 und Frenz/Kummermehr ZfB 2000, 24. 29 OVG Münster 26.1.2012, 11 A 2635/09 = ZfB 2012, 151, 157; OVG Münster 12.1.2011, 11 A 1466/08 = ZfB 2011, 29, 35 f.; OVG Münster 22.4.1993, 12 B 4812/92 = ZfB 1993, 210, 214; Weller ZfB 1987, 13, 23. 30 VG Saarlouis 12.3.1992, 2 K 144/90 = ZfB 1993, 300, 306. 871

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Abschlussbetriebsplanzulassung mündet, in der Regel davon ausgegangen werden können, dass die Voraussetzungen der Entlassung aus der Bergaufsicht erfüllt sind,31 wenn dem nicht ausnahmsweise andere Erkenntnisse entgegenstehen oder im Einzelfall eine längerfristige Kontrolle der Wirksamkeit umgesetzter Maßnahmen erforderlich ist. 18 Bergbauliche Abfallentsorgungseinrichtungen i.S.d. § 22a ABBergV erfordern im Anschluss an die Abschlussbetriebsplanzulassung und deren Umsetzung zusätzlich eine behördliche Zustimmung zur endgültigen Stilllegung der Abfallentsorgungseinrichtung. Das Erfordernis einer behördlichen Zustimmung zur endgültigen Stilllegung einer Abfallentsorgungseinrichtung resultiert aus Art. 12 Absatz 3 der Richtlinie über die Bewirtschaftung von Abfällen aus der mineralgewinnenden Industrie vom 15.3.2006 (2006/21/EG) und wird von den Bergbehörden trotz fehlender Umsetzung der europarechtlichen Vorgaben in der ABBergV vollzogen. Die Bergbehörde erteilt die Zustimmung zur endgültigen Stilllegung, wenn sie auf Grundlage einer Schlussabnahme vor Ort und einer Bewertung aller von dem Unternehmer vorgelegten Unterlagen die Sanierung des Standorts feststellt. Die behördliche Schlussabnahme stellt einen feststellenden Verwaltungsakt dar,32 mit dem die Bergbehörde im Anschluss an die Durchführung der Stilllegung die endgültige Stilllegung fixiert. Frühestens mit der behördlichen Zustimmung zur endgültigen Stilllegung endet die Bergaufsicht über eine Abfallentsorgungseinrichtung, wenn sich an die endgültige Stilllegung nicht noch eine Nachsorgephase mit weiterer Aufsicht anschließt. Zwar sollen Anlagen zur Beseitigung bergbaulicher Abfälle gemäß Nummer 3.3 des Anhangs 5 zu § 22a Abs. 2 ABBergV möglichst so konzipiert werden, dass eine Nachsorge der stillgelegten Anlagen entbehrlich ist. Das ist aber nicht immer möglich. Deshalb hat der Unternehmer gemäß Nummer 6 des Anhangs 6 zu § 22a Abs. 3 Satz 1 ABBergV im Abschlussbetriebsplan darzustellen, ob nach Stilllegung der Abfallentsorgungseinrichtung eine Nachsorge erforderlich ist. Die Bergbehörde kann und sollte trotz Fehlens einer entsprechenden gesetzlichen und verordnungsrechtlichen Regelung entsprechend § 40 Abs. 3 u. 5 KrWG den Abschluss der endgültigen Stilllegung einer Abfallentsorgungseinrichtung und das Ende einer ggf. zusätzlich erforderlichen Nachsorgephase und damit das Ende der Bergaufsicht durch Verwaltungsakt feststellen. 19 Die Bergaufsicht kann sukzessive für einzelne Betriebsbereiche, deren bergbauliche Nutzung beendet ist, eingestellt werden.33 Dies gilt sowohl für abtrennbare räumliche Bereiche der Bergaufsicht, etwa die Einstellung der Bergaufsicht über übertägige Gewinnungseinrichtungen nach Beendigung der Gewinnung bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Bergaufsicht über eine auf dem Betriebsgelände gelegene Halde bis zu deren abschließender Kubatur. Dies gilt auch für abtrennbare übertägige und untertägige Maßnahmen, weshalb im Bereich des Steinkohlenbergbaus heute eine Beendigung der Bergaufsicht über die betrieblich genutzten Oberflächen bei Aufrechterhaltung der Bergaufsicht über etwaige fortzuführende Grundwasserhaltungs- oder -beobachtungsmaßnahmen üblich ist. 20 Materielle Voraussetzung des Endes der Bergaufsicht ist, dass nach allgemeiner Erfahrung nicht mehr damit zu rechnen ist, dass durch den Betrieb Gefahren für Leben und Gesundheit Dritter, für andere Bergbaubetriebe und für Lagerstätten, deren Schutz im öffentlichen Interesse liegt, oder gemeinschädliche Einwirkungen eintreten werden. Dies erfordert eine Prognose auf

31 OVG Münster 16.9.1976, XII A 562/73 = ZfB 1977, 110, 114; Beckmann in: Kühne/Ehricke (Hrsg.) Bergrecht zwischen Tradition und Moderne, S. 176; Predeick Ordnungsrechtliche Verantwortlichkeit für bergbauliche Anlagen, S. 49; Franke in: Frenz/Preuße (Hrsg.) Spätfolgen des Bergbaus, S. 94; Beddies Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Einstellung eines Bergwerkes, S. 118. 32 Vgl. Kunig/Paetow/Versteyl KrW-/AbfG, § 36 KrW-/AbfG a.F. Rn. 33 u. 38 zu der Parallelvorschrift in § 36 Abs. 3 u. 5 KrW-/AbfG a.F. 33 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 69 Rn. 48 u. 60; Frenz/Beckmann BBergG, § 69 Rn. 38; Beckmann in: Kühne/ Ehricke (Hrsg.) Bergrecht zwischen Tradition und Moderne, S. 181 ff.; Beyer Die Verantwortung für Gefahren bei der Überplanung und Bebauung risikobehafteter Flächen, S. 103; Knöchel ZfB 1996, 44, 56; Knöchel in: Frenz/Preuße (Hrsg.) Spätfolgen des Bergbaus, S. 106; ebenso auch Ziffer 2.1.6 der Richtlinie zur Feststellung des Endes der Bergaufsicht des Sächsischen Oberbergamts vom 26.8.2003, Sächs. Abl. 2003, S. 914. Keienburg/Wiesendahl

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Grundlage allgemeinen Erfahrungswissens aus der ex ante Sicht.34 Die Prognose beruht auf den vorliegenden Erkenntnissen auf Grundlage der allgemeinen Erfahrung. Unwägsamkeiten hinsichtlich etwaiger späterer, von der Prognose abweichender, Entwicklungen, führen nicht dazu, dass die Bergaufsicht für den Fall derartiger abweichender Entwicklungen aufrecht zu erhalten wäre. Vielmehr müssen dann, wenn derartige Entwicklungen mit der Folge von Gefahren im Vorfeld der Entlassung aus der Bergaufsicht auf Grundlage des Erfahrungswissens bereits absehbar sind, zusätzliche Vorsorgemaßnahmen zur Verhinderung getroffen werden. Sind derartige Entwicklungen aber nicht absehbar, sondern nur nicht ausschließbar, führt der allen Rechtsbereichen immanente Umstand, dass 100-%ige technische Sicherheit nie erreichbar ist, nicht dazu, dass für den Fall von den Prognosen abweichender Entwicklungen die Bergaufsicht aufrecht zu erhalten wäre. Maßstab des Endes der Bergaufsicht ist die allgemeine Erfahrung, nicht die hypothetische Möglichkeit einer Gefahr.35 Erkenntnisgrenzen sind einer Prognoseentscheidung immanent, hindern aber die Prognose nicht. Die Bergbehörde muss den ihrer Prognose zugrunde gelegten Sachverhalt in den Grenzen der Erkennbarkeit angemessen und zutreffend ermitteln sowie korrekte Methoden der Vorausschau anwenden. Sind diese Anforderungen erfüllt und ist auf Grundlage nachvollziehbarer Erwägungen von einer Gefahr nicht auszugehen, ist es für die Rechtmäßigkeit der Prognoseentscheidung irrelevant, ob sich die Voraussagen später bewahrheiten.36 Auch im Fall einer fehlerhaften Prognose lebt die Bergaufsicht wenn sie beendet ist nicht nachträglich mit der Erkenntnis doch noch bestehender Gefahren wieder auf; dazu Rn. 25. Gefahren für die über Absatz 2 geschützten Schutzgüter Leben und Gesundheit Dritter, andere 21 Bergbaubetriebe und Lagerstätten, deren Schutz im öffentlichen Interesse liegt, müssen hinreichend sicher ausgeschlossen werden. Gemeinschädliche Einwirkungen dürfen nicht zu erwarten sein. Unterhalb der Gemeinschadenschwelle entspricht der Sachgüterschutz im Abschlussbetriebsplanverfahren dem Sachgüterschutz in der Betriebsphase. Sachgüterschäden aufgrund durch untertägigen Bergbau unverhinderbar herbeigeführten Bodenbewegungen stehen auch dann, wenn sie absehbar sind, der Beendigung der Bergaufsicht bis zur Grenze der Gemeinschadenschwelle nicht entgegen. Insoweit gelten die gleichen Erwägungen, die auch während der Bergaufsicht gelten. Kleine bis mittlere abbaubedingte Bergschäden sind von den Betroffenen hinzunehmen und auf den zivilrechtlichen Schadensausgleich beschränkt; ihre Wahrscheinlichkeit steht daher weder der Zulassung bergbaulicher Betriebe noch der Beendigung der für die Schadensliquidation gerade nicht zuständigen Bergaufsicht entgegen.37 Zu betrachten sind allein durch den Betrieb bedingte Gefahren für die Schutzgüter, nicht Gefahren aufgrund anderer Ursachen.38 Zu betrachten sind daher Gewässerverunreinigungen, die durch eine Bergbautätigkeit und die damit verbundene Auslaugung von Schwermetallen begünstigt wird.39 Gefahren, die im Zeitpunkt der Betriebseinstellung zwar manifest werden, aber ihre Ursache nicht in der vorangegangenen Bergbautätigkeit haben, bieten dagegen keine Hand-

34 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 69 Rn. 49; Frenz/Beckmann BBergG, § 69 Rn. 49; Beyer Die Verantwortung für Gefahren bei der Überplanung und Bebauung risikobehafteter Flächen, S. 100; Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht, Rn. 343; Beddies Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Einstellung eines Bergwerkes, S. 120; Knöchel ZfB 2014, 263, 264. 35 Dies verkennt Müggenborg in NVwZ 2012, 659, 664 Fn. 45. 36 OVG Saarlouis 22.11.2007, 2 B 181/07 = ZfB 2008, 270, 283; OVG Saarlouis 22.8.2001, 2 W 1/01 = ZfB 2001, 287, 293 f.; Beckmann in: Kühne/Ehricke (Hrsg.) Bergrecht zwischen Tradition und Moderne, S. 177; Beyer Die Verantwortung für Gefahren bei der Überplanung und Bebauung risikobehafteter Flächen, S. 100; Franke in: Frenz/Preuße (Hrsg.) Spätfolgen des Bergbaus, S. 94; Knöchel ZfB 1996, 44, 48. 37 Kühne DVBl 2006, 1219, 1220. 38 BVerwG 9.11.1995, 4 C 25/94, BVerwGE 100, 31, 40 = ZfB 1995, 290, 298; von Weschpfennig Strukturen des Bergrechts, S. 373. 39 BVerwG 18.12.2014, 7 C 22/12, BVerwGE 151, 156 Rn. 44 = ZfB 2015, 29 Rn. 44; BVerwG 9.11.1995, 4 C 25/94, BVerwGE 100, 31, 40 = ZfB 1995, 290, 298. 873

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habe für bergaufsichtliche Maßnahmen.40 Der Wiederanstieg bergbaubedingt gesümpften Grundwassers, das nach Einstellung der bergbaulichen Tätigkeit auf das ursprüngliche Niveau zurück steigt, stellt daher keine bergbaubedingte Gefahr dar. Die Zurechnung aus einem Wiederanstieg bergbaubedingt gehaltenen Grundwassers resultierender Vernässungsschäden zum Bergbau rechtfertigt sich nicht daraus, dass eine bergbauliche Tätigkeit, nämlich die Grundwasserhaltung, eingestellt wird und dadurch Gefahren manifest werden. Vielmehr ist Voraussetzung für eine Zurechnung von Gefahren zum Bergbau, dass sie ihre Ursache in der bergbaulichen Tätigkeit haben. Das ist dann, wenn Vernässungsgefahren aus dem Wiederanstieg des Grundwassers auf den ursprünglichen Grundwasserstand resultieren, zu verneinen.41 Grundwasseranstiegsbedingte Vernässungsschäden an Gebäuden oder Einrichtungen, die in Bereichen gebaut wurden, die ohne den Bergbau und dessen Grundwasserhaltungsmaßnahmen seit jeher vernässt gewesen wären, sind nicht dem Bergbau anzulasten. Dies gilt auch dann, wenn grundwasseranstiegsbedingte Risiken für Schutzgüter des Absatzes 2 drohen, etwa aufgrund der Vernässung industrieller Anlagen Risiken für die Allgemeinheit zu besorgen sind. Die Einstellung der Wasserhaltung eines Bergbaubetriebs mit der Folge des Wiederanstiegs von Grundwasser auf den früheren Stand kann mangels bergbaulicher Verursachung des Wiederanstiegs im Abschlussbetriebsplanverfahren nicht versagt werden. Es besteht keine Verpflichtung, einen abgesenkten Grundwasserstand dauerhaft aufrecht zu erhalten. Aus dem Wiederanstieg von Grundwasser zukünftig resultierende Gefahren rechtfertigen nicht die Fortführung der Bergaufsicht. Das bedeutet nicht, dass die Bergbehörde vor grundwasseranstiegsbedingten Gefahren für Schutzgüter des Absatzes 2 die Augen verschließen könnte. Zur Verhinderung von Gefahren muss sie Maßnahmen ergreifen und zu diesem Zwecke ggf., wenn keine anderen Maßnahmen möglich sind, auch den Bergwerksunternehmer zur Durchführung weiterer Wasserhaltungsmaßnahmen heranziehen. Die Inanspruchnahme des Bergwerksunternehmers ist dann aber keine bergrechtliche, sondern eine Inanspruchnahme als Nichtstörer. Anderes gilt, wenn Gefahren aus durch den Wiederanstieg des Grundwassers bedingten Bodenbewegungen resultieren.42 In diesem Fall ist die bergbauliche Grundwasserhaltung kausale Ursache für Gefahren, die sich ohne die Grundwasserhaltung nicht eingestellt hätten. 22 Eine absolute zeitliche Grenze der Bergaufsicht existiert nicht. Ebenso wenig, wie etwa die Nachsorgephase von Abfalldeponien in § 40 KrWG zeitlich begrenzt ist, ist die Phase nach der Beendigung eines Bergbaubetriebs bis zur Einstellung der Bergaufsicht zeitlich begrenzt. Eine § 17 Abs. 4a Satz 2 BImSchG entsprechende Regelung mit dem Inhalt der Befristung der Zulässigkeit nachträglicher Anordnungen auf ein Jahr nach Stilllegung eines Betriebs enthält das Bundesberggesetz nicht. Eine entsprechende Anwendung des § 17 Abs. 4a Satz 2 BImSchG auf Bergwerke ist aufgrund der unterschiedlichen Gefahrenlagen – Emissionen auf der einen Seite und Gefahren, die aus Eingriffen in die Erdkruste resultieren auf der anderen Seite – auch abzulehnen.43 Eine

40 BVerwG 9.11.1995, 4 C 25/94, BVerwGE 100, 31, 40 = ZfB 1995, 290, 298; Beckmann in: Kühne/Ehricke (Hrsg.) Bergrecht zwischen Tradition und Moderne, S. 178; Kühne DVBl 2006, 1219, 1221; Beyer Die Verantwortung für Gefahren bei der Überplanung und Bebauung risikobehafteter Flächen, S. 106. 41 OVG Magdeburg, 26.5.2008, 2 L 187/06, NuR 2008, 578, 579 mit bestätigender Anmerkung von Appel in NUR 2008, 553 ff.; Beyer Die Verantwortung für Gefahren bei der Überplanung und Bebauung risikobehafteter Flächen, S. 106 ff.; Spieth/Daniels in: Heggemann (Hrsg.) Bergrechtliche Zulassungsentscheidungen im Kontext mit Umweltverträglichkeitsprüfungen, S. 72; Spieth/Appel LKV 2007, 501, 502; Spieth/Wolfers ZfB 1997, 269, 272 ff.; Herrmann in: Degenhart/ Dammert/Heggemann (Hrsg.) Bergrecht in der Entwicklung, S. 109; Knöchel in: Frenz/Preuße (Hrsg.) Spätfolgen des Bergbaus, S. 108; Knöchel ZfB 1996, 44, 52 f.; a.A. Frenz LKV 2010, 49, 55; Frenz Unternehmerverantwortung im Bergbau, S. 91 und 95 und Beckmann in: Kühne/Ehricke (Hrsg.) Bergrecht zwischen Tradition und Moderne, S. 179. 42 Zu einem derartigen Fall: OLG Köln 18.7.2005, 16 U 12/03, OLGR Köln 2005, 673 ff.; ebenso Kühne DVBl 2006, 1219, 1221 und Beyer Die Verantwortung für Gefahren bei der Überplanung und Bebauung risikobehafteter Flächen, S. 107. 43 VGH Mannheim 29.3.2000, 1 S 1245/99 = ZfB 2000, 140, 146; Beyer Die Verantwortung für Gefahren bei der Überplanung und Bebauung risikobehafteter Flächen, S. 116 f. Keienburg/Wiesendahl

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Ewigkeitshaftung wird allein über den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz eingeschränkt;44 Einer Verjährung unterliegen ordnungsrechtliche Ansprüche nicht.45 Das BVerwG hat in der MeggenEntscheidung vom 18.12.2014 und in der Rammelsberg-Entscheidung vom 23.11.1995 die Frage einer unbegrenzten Einstandspflicht des Bergwerksunternehmers ausdrücklich offen gelassen.46 Auf Grundlage des allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes haben die Gerichte ein bergbehördliches Einschreiten auf Grundlage der bergrechtlichen Anordnungsbefugnis bzw. auf Grundlage des allgemeinen Ordnungsrechts 20 Jahre nach der Einstellung eines Bergbaubetriebs ohne Abschlussbetriebsplanzulassung47 bzw. 7 Jahre nach Entlassung eines Betriebs aus der Bergaufsicht48 nicht als unverhältnismäßig erachtet. In einem nicht den Bergbau betreffenden Fall hat das OVG Münster die Inanspruchnahme des Gesamtrechtsnachfolgers des Verhaltensstörers 60 Jahre nach Verursachung der Störung als unbillig gewertet.49 Einzuschränken ist die Haftung dann, wenn sich der Verantwortliche in Ansehung der vom BVerfG im Beschluss vom 16.2.200050 dargelegten Maßstäbe aufgrund wirtschaftlicher Erwägungen in einer Opferposition befindet; dazu Rn. 29. Für den Abschluss des Betriebs gilt der Grundsatz der Letztbetreiberverantwortung. Der 23 für die Betriebseinstellung verantwortliche, letzte Unternehmer muss Vorkehrungen zur Abwehr aller gemäß § 69 Abs. 2 relevanten Gefahren, die aus dem Bergwerksbetrieb resultieren, treffen. Irrelevant ist, ob diese Gefahren durch den vom Unternehmer geführten Betrieb oder durch den früheren Betrieb eines anderen Unternehmers verursacht wurden. Dies hat das BVerwG in der Rammelsberg-Entscheidung vom 23.11.1995 betont und daher dem Letztbetreiber des Bergwerks Rammelsberg die Verantwortung für die Fortführung der Behandlung und Klärung saurer, aufgrund Kontakts mit bergbaulich gelösten Erzen mit Oxydationsprodukten belasteter Wässer aufgegeben. Diese Verpflichtung traf den letztverantwortlichen Unternehmer unabhängig davon, dass in dem Bereich, in dem die Wässer anfielen, von ihm nie Bergbau betrieben worden war. Für die Haftung des letzten Unternehmers genügt die Zuordnung des gefahrverursachenden Bereichs zum Bergbaubetrieb, für den der Letztunternehmer verantwortlich ist.51 Diese Letztbetreiberverantwortung bedeutet aber, auch wenn sie im Einzelfall weitreichend sein kann, keine von einem Verursachungsbeitrag des Unternehmers völlig gelöste Haftung des Unternehmers für alle Gefahren des Bergbaubetriebs ähnlich einer Zustandsstörerhaftung. Die Verantwortung des Unternehmers ist ausweislich § 58 Abs. 1 eine Verhaltensverantwortung. Dies hat das BVerwG mit Urteil vom 14.4.2011 klargestellt; dazu noch bei § 71 Rn. 13. Deshalb kommt eine Inanspruchnahme des Unternehmers für Gefahren aus dem Bergbaubetrieb nur insoweit in Betracht, als er Gefahren

44 BVerwG 12.3.1999, 7 B 260/98, juris Rn. 5 und BVerwG 6.5.1997, 7 B 142/97, NVwZ 1997, 1000, 1001 zu § 36 Abs. 2 KrW-/AbfG; OVG Münster 12.1.2011, 11 A 1466/08 = ZfB 2011, 29, 38; VGH Mannheim 29.3.2000, 1 S 1245/99 = ZfB 2000, 140, 146; Beckmann/Wittmann FS zum 200-jährigen Bestehen des OLG Hamm (2020), S. 134, 140; Wolfers/Ademmer DVBl 2010, 22 ff.; Beckmann/Wittmann FS Kühne (2009), S. 443 f.; Kummermehr in: Frenz/Preuße (Hrsg.) Grubengas: Entstehung, Gefahren, Nutzung, S. 69 f. 45 Beckmann/Wittmann FS zum 200-jährigen Bestehen des OLG Hamm (2020), S. 134, 139. 46 BVerwG 18.12.2014, 7 C 22/12, BVerwGE 151, 156 Rn. 48 = ZfB 2015, 29 Rn. 48; BVerwG 9.11.1995, 4 C 25/94 = ZfB 1995, 290, 300 f., insoweit in BVerwGE 100, 31 ff. nicht abgedruckt. 47 OVG Münster 12.1.2011, 11 A 1466/08 = ZfB 2011, 29, 38. 48 VGH Mannheim 29.3.2000, 1 S 1245/99 = ZfB 2000, 140, 146. 49 OVG Münster 30.5.1996, 20 A 2640/94, NVwZ 1997, 507, 511. 50 BVerfG 16.2.2000, 1 BvR 242/91 und 1 BvR 315/99, BVerfGE 102, 1, 20 ff. 51 BVerwG 9.11.1995, 4 C 25/94, BVerwGE 100, 31, 41 = ZfB 1995, 290, 299; im Ergebnis ebenso aber den Aspekt der zeitlichen Reichweite der Haftung problematisierend: OVG Lüneburg 6.6.1994, 7 L 5295/92 = ZfB 1994, 277, 285; zustimmend: Beyer Die Verantwortung für Gefahren bei der Überplanung und Bebauung risikobehafteter Flächen, S. 106; kritisch: Predeick Ordnungsrechtliche Verantwortlichkeit für bergbauliche Anlagen, S. 85 f. und Heuvels NVwZ 1995, 972 ff. 875

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im Sinne eines Handlungsstörers zumindest mit verursacht hat.52 Die Haftungsgrenze ist erreicht, wenn das Zurechnungskriterium nicht mehr trägt.53 24 Die Bergaufsicht endet mit Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 2 ipso iure.54 Eine behördliche Bestätigung des Endes der Bergaufsicht ist möglich, aber nicht erforderlich. Ihr kommt rein deklaratorische, keine konstitutive Wirkung zu. Ob es sich bei einer behördlichen Erklärung über das Ende der Bergaufsicht um einen feststellenden Verwaltungsakt handelt55 oder um eine rein informatorische Erklärung ohne Regelungscharakter,56 wird unterschiedlich gewertet. Unabhängig von der rechtlichen Qualität einer behördlichen Erklärung über das Ende der Bergaufsicht ist eine Erklärung aus Gründen der Rechtsklarheit sinnvoll. Mit dem Ende der Bergaufsicht endet die Zuständigkeit der Bergbehörde.

II. Gefahrenabwehr nach dem Ende der Bergaufsicht 25 Mit dem Ende der Bergaufsicht werden für die Abwehr etwaiger entgegen der Prognose doch auftretender Gefahren aus dem früheren Bergbau die allgemeinen Ordnungsbehörden zuständig. Auch wenn die Bergbehörde nach der Entlassung eines Betriebs aus der Bergaufsicht nachträglich von bergbauverursachten Gefahren, die ein behördliches Eingreifen erforderlich machen, Kenntnis erlangt, kommt ein Zugriff ihrerseits auf Grundlage der bergaufsichtlichen Befugnisse der §§ 69 ff. nicht mehr in Betracht. Ein Wiederaufleben der Bergaufsicht hinsichtlich bereits aus der Bergaufsicht entlassener Betriebe bzw. Betriebsteile ist nicht möglich.57 Möglich ist in diesen Fällen aber ein Zugriff auf Grundlage des allgemeinen Ordnungsrechts oder sonstigen Umweltrechts. Der Entlassung eines Bergwerksbetriebs aus der Bergaufsicht kommt prognostische Bedeutung dahingehend zu, dass nach aktuellem Erkenntnisstand keine bergbauspezifische Gefahr mehr besteht; diese Prognose bindet die nach dem Ende der Bergaufsicht zuständigen Behörden, die nach der Entlassung aus der Bergaufsicht zur Gefahrenabwehr auf Grundlage des allgemeinen Ordnungsrechts zuständig sind, nicht.58 Konkreten Gefahren kann auf Grundlage des allgemeinen 52 BVerwG 14.4.2011, 7 B 8/11 = ZfB 2011, 112 Rn. 10; ebenso zuvor VGH München, 24.8.2010, 8 BV 06/1795 = ZfB 2011, 114 Rn. 22.

53 BVerwG 18.12.2014, 7 C 22/12, BVerwGE 151, 156 Rn. 47 = ZfB 2015, 29 Rn. 47; vgl. auch § 55 Rn 146. 54 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 69 Rn. 65; Frenz/Beckmann BBergG, § 69 Rn. 40; Beckmann in: Kühne/Ehricke (Hrsg.) Bergrecht zwischen Tradition und Moderne, S. 177; Beyer Die Verantwortung für Gefahren bei der Überplanung und Bebauung risikobehafteter Flächen, S. 99; Ipsen/Tettinger Altlasten und kommunale Bauleitplanung, S. 36; Müggenborg NVwZ 2012, 659, 662. 55 So Ipsen/Tettinger Altlasten und kommunale Bauleitplanung, S. 36; Knöchel ZfB 2014, 263, 264 und ZfB 1996, 44, 47 f. 56 So VG Düsseldorf 26.1.1993, 3 K 6003/92 = ZfB 1993, 287, 288 und unter Bezugnahme auf die Entscheidung des VG Düsseldorf auch VG Aachen 26.2.2007, 9 K 4145/04 = ZfB 2007, 154, 155; ebenso Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 69 Rn. 65; Frenz/Beckmann BBergG, § 69 Rn. 40 und Beddies Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Einstellung eines Bergwerkes, S. 119 f., der einen feststellenden Verwaltungsakt deshalb für unzulässig erachtet, weil die Bergbehörde sich über die Voraussetzungen des Endes der Bergaufsicht irren könne; damit entzieht Beddies aber sämtlichen Verwaltungsakten ihre Legitimation. 57 VGH Mannheim 1.4.2008, 10 S 1388/08 = ZfB 2008, 86, 93; VGH Mannheim 29.3.2000, 1 S 1245/99 = ZfB 2000, 140, 143; OVG Lüneburg 1.8.2006, 7 ME 276/04, juris Rn. 8; OVG Münster 16.9.1976, XII A 562/73 = ZfB 1977, 110, 114; VG Braunschweig 28.10.2004, 2 B 1/04, nicht veröffentlicht; VG Düsseldorf 15.5.1991, 3 K 4171/87 = ZfB 1991, 296, 298 mit zust. Anm. von Kremer, ZfB 1991, 300 ff.; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 69 Rn. 54; Frenz/Beckmann BBergG, § 69 Rn. 41; von Weschpfennig Strukturen des Bergrechts, S. 379; Beckmann BauR 2010, 2047, 2049; Beyer Die Verantwortung für Gefahren bei der Überplanung und Bebauung risikobehafteter Flächen, S. 100; Predeick Ordnungsrechtliche Verantwortlichkeit für bergbauliche Anlagen, S. 50; Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht, Rn. 344; Franke in: Frenz/Preuße (Hrsg.) Spätfolgen des Bergbaus, S. 94; Ipsen/Tettinger Altlasten und kommunale Bauleitplanung, S. 38 ff.; Müggenborg NVwZ 2012, 659, 663; Knöchel ZfB 1996, 44, 48; Weller ZfB 1987, 13, 24 f.; Kirchner ZfB 1984, 377, 379. 58 VGH Mannheim 1.4.2008, 10 S 1388/08 = ZfB 2008, 86, 96; VGH Mannheim 29.3.2000, 1 S 1245/99 = ZfB 2000, 140, 143; OVG Weimar 1.12.1999, 2 EO 865/96 = ZfB 2000, 51, 54; OLG Hamm 26.10.2001, 11 U 44/01 = ZfB 2002, 216; 218; VG Gelsenkirchen 3.3.2005, 8 K 2655/02 = ZfB 2005, 234, 237; Beckmann NWVBl 2019, 45, 49. Keienburg/Wiesendahl

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Ordnungsrechts begegnet werden.59 Anderes gilt nur dann, wenn und soweit einer Betriebsplanzulassung Legalisierungswirkung zukommt; dazu Rn. 28. Typische Fallgestaltungen bergbauverursachter Gefahren nach Beendigung der Bergaufsicht 26 resultieren aus Tagesbrüchen des frühen – im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts geführten – oberflächennahen Abbaus in Teufen von teilweise nur wenigen Metern unter der Erdoberfläche und aus frühen, nicht dauerstandsicheren, Schachtverfüllungen. Für die Abwehr von Gefahren aus verlassenen Grubenbauen, die nicht mehr der Bergaufsicht unterliegen – nicht für kleinere bis mittlere Bergschäden, die verfassungskonform hinzunehmen sind und daher weder der Zulassung eines Bergbaubetriebs entgegen gehalten werden können, noch nach Beendigung der Bergaufsicht Anlass für ordnungsbehördliche Maßnahmen begründen60 – sind auf Grundlage des allgemeinen Polizei- und Ordnungsrechts der Länder auch nach Beendigung der Bergaufsicht aufgrund landesrechtlicher Zuständigkeitsregelungen in der Regel die Bergbehörden – nicht als Sonderordnungsbehörde sondern als allgemeine Ordnungsbehörde – zuständig.61 Die Zuständigkeit der Bergbehörden nach Polizei- und Ordnungsrecht ist auf Gefahren des Altbergbaus beschränkt und umfasst nicht sonstige Gefahren.62 Zur Abwehr für Gefahren des Altbergbaus, insbesondere für Tagesbruchgefahren aus Grubenbauen herangezogen werden kann derjenige, der den Abbau geführt und den Schacht bzw. den Grubenbau angelegt oder genutzt hat als Handlungsstörer, wenn er oder ein Gesamtrechtsnachfolger noch existiert;63 einer Einzelrechtsnachfolge ist die Handlungsstörerhaftung vor Erlass einer konkretisierenden Ordnungsverfügung nicht zugänglich.64 Zusätzlich haftet der Zustandsstörer. Dies sind bei Gefahren aus Grubenbauen der Bergwerkseigentümer sowie ein ggf. davon getrennter Nutzungsberechtigter als Inhaber der tatsächlichen Gewalt. Auf das Bergwerkseigentum sind gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 die für Grundstücke geltenden Vorschriften des BGB entsprechend anzuwenden. Nach § 94 Abs. 1 Satz 1 BGB gehören zu den wesentlichen Bestandteilen eines Grundstücks alle mit dem Grund und Boden fest verbundenen Sachen. Dieser Gedanke wird von der Rechtsprechung auf Grubenbaue und Schächte aufgrund ihres funktionellen Zusammenhangs zum unkörperlichen Bergwerkseigentum übertragen, mit der Folge, dass Schächte und Grubenbaue, die in Ausnutzung der eine Zustandsstörereigenschaft begründenden bergbaulichen Berechtigung angelegt wurden, wesentliche Bestandteile des Bergwerkseigentums sind;65 Grubenbaue dagegen, die vor der Schaffung des konkreten Berg59 Zu dem Erfordernis einer konkreten Gefahr: Bethge/Elgeti/Brück von Oertzen FS zum 200-jährigen Bestehen des OLG Hamm (2020), S. 346, 353 ff.; Bethge/Elgeti/Dietrich ZfB 2021, 109, 111. 60 Kühne DVBl 2006, 1219, 1223. 61 Vgl. etwa § 48 Abs. 3 OBG NRW; anders aber etwa in Hessen, wo in § 85 HSOG keine bergbehördliche Sonderzuständigkeit geregelt ist. 62 VG Magdeburg 3.3.2020, 3 A 140/17 = ZfB 2020, 264, 266 zur Differenzierung der allgemeinen Gefahrenabwehr nach Ordnungsrecht von der spezielleren Gefahrenabwehr für Eisenbahnanlagen, resultierend aus Altbergbau, nach § 5a Abs. 1 Satz 2 AEG und VG Cottbus 22.4.2010, 3 L 28/10 = ZfB 2011, 41, 45 zur Differenzierung zwischen Ordnungsverfügungen zur Abwehr von Gefahren des Altbergbaus in der Sonderzuständigkeit der Bergbehörden und Ordnungsverfügungen zur Nutzung von Gebäuden im Bereich ehemaligen Abbaus in der Zuständigkeit der Bauordnungsbehörden. 63 Zu einem solchen Fall: OVG Münster 26.9.1995, 21 A 7041/95 = ZfB 1997, 36, 39; zur Verkehrssicherungspflicht des Bergbauunternehmers bei stillgelegten und eingeschlossenen Grubenbauen: BGH 30.4.1985, VI ZR 162/83 = ZfB 1986, 260 ff.; Predeick Ordnungsrechtliche Verantwortlichkeit für bergbauliche Anlagen, S. 130 ff.; Knöchel ZfB 2014, 263, 266. 64 VGH München 24.8.2010, 8 BV 06/1795 = ZfB 2011, 114 Rn. 25 f.; OVG Münster 6.11.1989, 12 A 1456/87 = ZfB 1990, 303, 307; VG Gelsenkirchen 3.3.2005, 8 K 2655/42 = ZfB 2005, 234, 238; Predeick Ordnungsrechtliche Verantwortlichkeit für bergbauliche Anlagen, S. 162 f.; anderes galt auf Grundlage der Verwahrungsanordnung der ehemaligen DDR vom 19.10.1971, dazu VG Gera 30.1.2007, 3 E 1354/06 = ZfB 2007, 164, 166. 65 BVerwG 21.2.2013, 7 C 4/12 = ZfB 2013, 281 Rn. 16; VGH Mannheim 25.10.2012, 1 S 1401/11 = ZfB 2013, 47, 54; OVG Lüneburg 19.10.2011, 7 LB 57/11 = ZfB 2012, 142, 147; OVG Münster 8.12.2005, 11 A 2436/02 = ZfB 2006, 61, 64 ff.; OVG Münster 13.9.1995, 21 A 2273/91 = ZfB 1995, 322, 331; OVG Münster 6.11.1989, 12 A 1456/87 = ZfB 1990, 303, 305; OVG Münster 6.11.1989, 12 A 2685/87 = ZfB 1990, 232, 233; VG Braunschweig 8.10.2008, 2 B 174/08 = ZfB 2009, 207, 209; VG Gelsenkirchen 3.3.2005, 8 K 2655/42 = ZfB 2005, 234, 238; VG Gelsenkirchen 8.9.2000, 8 K 3891/97 = ZfB 2005, 69, 73; VG Arnsberg 8.3.2002, 3 K 772/00 = ZfB 2004, 41, 48; OLG Hamm 26.10.2001, 11 U 44/01 = ZfB 2002, 216, 218 und ebenso zuvor LG Essen 16.11.2000, 4 O 494/99 = ZfB 2001, 230, 235; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 71 Rn. 58; Frenz/ 877

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werkeigentums und damit nicht in Ausnutzung des Bergwerkseigentums angelegt und abgeworfen wurden, begründen keine aus dem Bergwerkseigentum resultierende Zustandsstörerhaftung.66 Die Bestandteilseigenschaft bleibt auch nach dem Verbruch von Grubenbauen oder Schächten und Stilllegung von Teilen eines Bergwerksbetriebs oder vollständiger Stilllegung des Betriebs bestehen.67 Erst nach Aufhebung des Bergwerkseigentums gemäß § 20 Abs. 1 werden Grubenbaue und Schächte als ehemals wesentliche Bestandteile des Bergwerkseigentums herrenlos. Die Zustandsstörerhaftung des ehemaligen Bergwerkseigentümers bleibt auf Grundlage des allgemeinen Ordnungsrechts auch nach Dereliktion des Eigentums – sowohl bei gewillkürter als auch bei gesetzlich etwa aufgrund § 149 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 5 Satz 1 eintretender Dereliktion – weiter bestehen,68 soweit bereits im Zeitpunkt der Dereliktion eine konkrete Gefahr von dem Eigentum ausgegangen und diese nicht erst später entstanden ist.69 Grubenbaue und Schächte gehen auch nach Aufgabe des Bergwerkseigentums nicht in das Eigentum des Grundstückseigentümers über, so dass dieser auch nach Aufgabe des Bergwerkseigentums nicht verantwortlich für den Zustand von Grubenbauen und Schächte wird. Nicht umfasst von der Zustandsstörereigenschaft des Bergwerkseigentümers sind solche Grubenbaue, die nicht in Ausnutzung des Bergwerkseigentums, sondern von Dritten entweder vor der Einführung von Bergwerkseigentum oder auf Grundlage früheren, zwischenzeitlich erloschenen, Bergwerkseigentums oder unberechtigt angelegt wurden, d.h. Grubenbaue aufgrund sog. wilden Abbaus70 sowie sonstige außerhalb bergbaulicher Tätigkeiten angelegte Hohlräume, etwa Bunker des 2. Weltkriegs.71 Diesen Grubenbauen fehlt der für die Begründung der Bestandteilseigenschaft erforderliche funktionelle Zusammenhang zum Bergwerkseigentum. Die bloße Lage eines Grubenbaus innerhalb eines zu Eigentum verliehenen Bergwerksfeldes begründet die Zustandsstörerhaftung des Bergwerkseigentümers nicht, dafür ist vielmehr die Anlegung eines Grubenbaus in Ausübung des Bergwerkseigentums erforderlich. 27 Zunehmende Bedeutung kommt darüber hinaus auf das Bundesbodenschutzgesetz gestützten Sanierungsanordnungen nach Entlassung eines Bergbaubetriebs aus der Bergaufsicht zu. Die Vorschriften des BBodSchG sind über § 48 Abs. 2 Satz 1 auf Bergbaubetriebe bereits während der Betriebsphase bzw. der Stilllegung anwendbar, sofern nicht speziellere Vorschriften des Bergrechts Einwirkungen auf den Boden regeln und damit dem Bodenschutzrecht gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 10 BBodSchG vorgehen;72 derartige speziellere, dem Bodenschutzrecht vorgehende Regelungen sind von der Rechtsprechung für den Fall der Verfüllung eines Tagebaus mit bergbaufremden Abfällen Beckmann BBergG, § 69 Rn. 69 und Predeick Ordnungsrechtliche Verantwortlichkeit für bergbauliche Anlagen, S. 172 sowie Knöchel ZfB 2014, 263, 266. 66 Mann FS zum 200-jährigen Bestehen des OLG Hamm (2020), S. 278, 288; Frenz/Beckmann BBergG, § 69 Rn. 69. 67 OVG Lüneburg 19.10.2011, 7 LB 57/11 = ZfB 2012, 142, 148; VG Braunschweig 8.10.2008, 2 B 174/08 = ZfB 2009, 207, 209; VG Düsseldorf 15.5.1991, 3 K 4171/87 = ZfB 1991, 296, 299; LG Essen 16.11.2000, 4 O 494/99 = ZfB 2001, 230, 235; Piens/ Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 71 Rn. 59; Mann FS zum 200-jährigen Bestehen des OLG Hamm (2020), S. 278, 287 f. 68 OVG Lüneburg 19.10.2011, 7 LB 57/11 = ZfB 2012, 142, 146 f. mit zustimmender Anmerkung von Frenz in UPR 2012, 153; OVG Münster 13.9.1995, 21 A 2273/91 = ZfB 1995, 322, 328 und 333; OVG Münster 6.11.1989, 12 A 2685/87 = ZfB 1990, 232, 233; VG Braunschweig 8.10.2008, 2 B 174/08 = ZfB 2009, 207, 210; VG Braunschweig 19.10.2006, 1 A 267/04 = ZfB 2007, 32, 34; VG Arnsberg 8.3.2002, 3 K 772/00 = ZfB 2004, 41, 48 f.; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 71 Rn. 62; Mann FS zum 200-jährigen Bestehen des OLG Hamm (2020), S. 278, 285 ff.; Predeick Ordnungsrechtliche Verantwortlichkeit für bergbauliche Anlagen, S. 179; Franke in: Frenz/Preuße (Hrsg.) Spätfolgen des Bergbaus, S. 99. 69 OVG Münster 3.3.2010, 5 B 66/10, NJW 2010, 1988, 1989; VG Würzburg 4.2.2019, W 5 S 19.36, juris Rn. 33; VG Würzburg 9.11.2006, 5 K 05.1171, juris Rn. 41. 70 In diesem Sinne OVG Münster 13.9.1995, 21 A 2273/91 = ZfB 1995, 322, 328 ff.; VG Arnsberg 8.3.2002, 3 K 772/00 = ZfB 2004, 41, 54; Predeick Ordnungsrechtliche Verantwortlichkeit für bergbauliche Anlagen, S. 174; a.A. wohl VG Braunschweig 9.2.2009, 2 B 255/08 = ZfB 2009, 211 und VG Braunschweig 8.10.2008, 2 B 174/08 = ZfB 2009, 207, 209. 71 VG Aachen 14.3.1990, 3 K 807/89 = ZfB 1990, 307, 312. 72 In § 3 Abs. 1 Nr. 10 BBodSchG wird ausdrücklich auf vorgehende Vorschriften des BBergG abgestellt, woraus des LG Düsseldorf im Urteil vom 17.7.2014, 18 A O 8/14 = ZfB 2015, 46, 47, den Schluss zieht, dass auf zeitlich ältere Bergbaubetriebe, die vor Inkrafttreten des BBergG nach Maßgabe landesrechtlicher Regelungen geführt wurden, das BBodSchG uneingeschränkt anwendbar sei. Diese Auffassung verkennt, dass in Fällen älterer Bergbaubetriebe erst recht eine Vorrangwirkung spezieller bergrechtlicher Vorschriften gelten muss. Keienburg/Wiesendahl

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verneint worden,73 aber hinsichtlich der bergbautypischen Anlegung von Tagebauen und Grubenbauen zu bejahen.74 Aus der Anwendbarkeit des BBodSchG auch auf Bergbaubetriebe folgt nicht nur die Heranziehung der dortigen materiellen Maßstäbe, sondern auch die Anwendbarkeit der bodenschutzrechtlichen Anordnungsbefugnisse aus § 10 Abs. 1 BBodSchG, ohne dass diesen die speziellen berggesetzlichen Anordnungsbefugnisse vorgehen würden.75 Nach Beendigung eines Bergbaubetriebs und Entlassung aus der Bergaufsicht ist das Bodenschutzrecht anwendbar,76 soweit nicht die Vorschriften des Bundesberggesetzes über die Einstellung des Betriebs auch nach Beendigung der Bergaufsicht fortwirken; da § 3 Abs. 1 Nr. 10 BBodSchG ausdrücklich auch die Vorschriften des Bundesberggesetzes über die Einstellung des Betriebs in Bezug nimmt, können nicht nach Beendigung der Bergaufsicht auf Grundlage des Bodenschutzrechts Anordnungen in Widerspruch zu vorrangigen berggesetzlichen Vorschriften verfügt werden. Die Eingriffsbefugnisse aus §§ 9, 10 und 13 BBodSchG finden nach der Rechtsprechung auch auf solche Bodenveränderungen oder Altlasten Anwendung, die vor Inkrafttreten des BBodSchG am 1.3.1999 verursacht wurden, da Zielsetzung des Gesetzes ist, auch in der Vergangenheit beeinträchtigte Bodenfunktionen wiederherzustellen.77 Bergbaulich genutzte Grundstücke können unter den Voraussetzungen des § 2 Abs. 5 Nr. 1 und 2 BBodSchG Altlasten darstellen. Bergbauverursachte Hohlräume können unter den Voraussetzungen des § 2 Abs. 3 BBodSchG schädliche Bodenveränderungen darstellen. Das ist kein Automatismus der Existenz untertägiger Grubenbaue, die nach Maßgabe bergbehördlicher Vorgaben angelegt wurden und hinsichtlich deren Verbleibens die Bergbehörde im Zeitpunkt der Abschlussbetriebsplanzulassung Gefahren verneint haben muss. Nur dann, wenn sich entgegen der Prognose im Zeitpunkt der Abschlussbetriebsplanzulassung nachträglich eine Beeinträchtigung der Bodenfunktion aufgrund der Existenz untertägiger Grubenbaue einstellt und daraus Gefahren resultieren, stellen diese eine schädliche Bodenveränderung – und ebenso eine unter Rn. 26 behandelte Gefahr im ordnungsrechtlichen Sinne – dar.78 Eine Inanspruchnahme des Störers auf Grundlage des allgemeinen Polizei- und Ordnungsrechts, 28 des Bodenschutzrechts oder sonstigen Umweltrechts ist dann ausgeschlossen, wenn und soweit einer behördlichen Betriebsplanzulassung Legalisierungswirkung zukommt. Für den Bereich des Immissionsschutz- und Gewerberechts ist anerkannt, dass die ordnungsbehördliche Generalklausel keine Handhabe bietet, gegen spezialgesetzlich zugelassene und damit legitimierte Anlagen einzuschreiten.79 Diese Legalisierungswirkung kommt auch Betriebsplanzulassungen hinsichtlich des mit ihnen zugelassenen Betriebs zu und kann auch Abschlussbetriebsplanzulassungen zukommen, soweit diese bestimmte Tätigkeiten und Folgen explizit legalisieren.80 Dies setzt voraus, dass sich die Legalisie73 BVerwG 21.4.2015, 7 B 9/14, NVwZ-RR 2015, 566 Rn. 11; BVerwG 20.7.2010, 7 B 16/10 = ZfB 2010, 242 Rn. 10; BVerwG 14.4.2005, 7 C 26/03, BVerwGE 123, 247, 256 f. = ZfB 2005, 156, 162 f.; OVG Magdeburg 22.4.2015, 2 L 52/13 = ZfB 2016, 296, 302. 74 Müggenborg NVwZ 2012, 659, 663; Attendorn AbfallR 2008, 111, 113 f. 75 BVerwG 21.4.2015, 7 B 9/14, NVwZ-RR 2015, 566 Rn. 11 in Bestätigung der vorangegangenen Entscheidung des OVG Magdeburg v. 12.12.2013, 2 L 20/12 = ZfB 2014, 159, 163; ebenso auch OVG Magdeburg, 22.4.2015, 4 L 48/13, NVwZ-RR 2015, 929 Rn. 50. 76 Fluck/Peine KrW-/AbfG/BodSchR, § 3 BBodSchG Rn. 456; BeckOK/Erbguth/Schubert Umweltrecht, § 3 BBodSchG Rn. 18; Müggenborg NVwZ 2012, 659, 663; Attendorn AbfallR 2008, 111, 118. 77 BVerwG 16.3.2006, 7 C 3/05, BVerwGE 125, 325 Rn. 15 = ZfB 2006, 148, 151; BGH 2.4.2004, V ZR 267/03, NVwZ 2004, 1267, 1268; LG Düsseldorf 17.7.2014, 18 a O 8/14 = ZfB 2015, 46, 47. 78 Dies wird in der Literatur kontrovers behandelt, ohne dass ein wirklicher inhaltlicher Widerspruch erkennbar wäre: Vgl. Müggenborg NVwZ 2012, 659, 663 f. und Attendorn AbfallR 2008, 111, 119 f. in wechselseitiger Auseinandersetzung mit der Auffassung des jeweils anderen. 79 BVerwG 2.12.1977, 4 C 75/75, BVerwGE 55, 118, 120. 80 So auch BVerwG 18.12.2014, 7 C 22/12, BVerwGE 151, 156 Rn. 44 = ZfB 2015, 29 Rn. 44; BVerwG 16.3.2006, 7 C 3/05, BVerwGE 125, 325, Rn. 31 = ZfB 2006, 148, 154 f.; Predeick Ordnungsrechtliche Verantwortlichkeit für bergbauliche Anlagen, S. 153 ff.; Fluck ZfB 1989, 13, 37 f.; in diesem Sinne auch Beddies Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Einstellung eines Bergwerkes, S. 145 f., der Maßnahmen auf Grundlage allgemeinen Ordnungsrechts nach Beendigung der Bergaufsicht nur insoweit für zulässig und rechtmäßig erachtet, als diese auch während der Bergaufsicht über §§ 56 879

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rungswirkung aus der Betriebsplanzulassung selbst ergibt; eine bloße behördliche Duldung ist nicht geeignet, Legalisierungswirkung zu entfalten.81 Dies setzt weiter voraus, dass ein Gefahrenpotential von der Bergbehörde erkannt und gewürdigt und die beantragte Maßnahme bzw. Betriebsbeendigung gerade in Würdigung des Gefahrpotentials zugelassen worden ist. Dann kann die insoweit in der behördlichen Zulassungsentscheidung enthaltene Legitimation nicht nachträglich trotz unveränderter Umstände und unveränderter Erkenntnisse durch andere Behörden überregelt werden. Keine Legalisierungswirkung kommt Betriebsplanzulassungen insoweit zu, als sich Gefahren einstellen, die nicht Gegenstand der Betriebsplanzulassung sind, also Gefahren eintreten, die im Betriebsplanzulassungsverfahren nicht geprüft und zugelassen wurden.82 Daher verneint die ständige Rechtsprechung eine Legalisierungswirkung von Betriebsplanzulassungen hinsichtlich im Zeitpunkt der Betriebsplanzulassung nicht absehbarer Tagesbrüche oder Schachteinbrüche, die durch Betriebsplanzulassungen nicht legalisiert werden.83 Ebenso hat die Rechtsprechung eine Legalisierungswirkung einer Abschlussbetriebsplanzulassung einer Halde verneint, die keine abschließende Regelung einer Gasabführung84 bzw. keine abschließende Regelung von Salzeinträgen in das Grundwasser85 enthielt. Eine Legalisierungswirkung kann schließlich dann nicht greifen, wenn durchgeführte Tätigkeiten der Betriebsplanzulassung nicht entsprachen.86 Grenzen der Störerinanspruchnahme sind für den Bereich bergrechtlicher Altlasten bisher 29 nicht judiziert. Eine Zumutbarkeitsgrenze der Zustandsstörerhaftung besteht nach der – nicht bergbauspezifischen – höchstrichterlichen Rechtsprechung dann, wenn Sanierungsaufwendungen den Verkehrswert des sanierten Eigentums überschreiten.87 In diesem Fall kann eine die Grenze überschreitende Belastung dann unzumutbar sein, wenn sich der Eigentümer als Zustandsverantwortlicher in einer Opferposition befindet, weil sein Eigentum allein durch Fremdeinwirkung in Mitleidenschaft gezogen wurde oder das Eigentum den wesentlichen Teil des Vermögens des Pflichtigen bildet. Hat allerdings der Eigentümer im Zeitpunkt des Erwerbs des Eigentums Kenntnis von der Gefahr gehabt oder er davor in fahrlässiger Weise die Augen verschlossen, kann auch eine den Verkehrswert überschreitende Inanspruchnahme zulässig sein. In diesem Fall ist es dem Eigentümer zumutbar, auch die den Verkehrswert überschreitenden Kosten zu tragen, soweit das dafür einzusetzende Vermögen in einer funktionalen Einheit mit dem sanierungsbedürftigen Gegenstand steht; Vermögen, das in keinem rechtlichen oder wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem sanierungsbedürftigen Gegenstand steht, ist nicht einzusetzen. Diese Grenzen sind nicht auf die bergrechtliche Verhaltensverantwortlichkeit,88 aber auf die Haftung des Bergwerkseigentümers als Zustandsstörer übertragbar. Die Rechtsprechung geht allerdings davon aus, dass bergbauspezifische Gefahren aus Grubenbauen ein bekanntes und damit von dem Störer bewusst in Kauf genommenes Risiko darstellen.89 Das OLG Hamm hat daher die Zumutbarkeit der Inanspruchnahme eines Bergwerkseigentümers als Zustandsstörer für die Kosten einer Schachtsanierung an dessen Gesamtvermögen gespiegelt und daran

Abs. 2 Satz 2, 71 Abs. 1 Satz 2 hätten verfügt werden können; a.A. Frenz Unternehmerverantwortung, S. 106 und Kirchner/Kremer ZfB 1990, 5, 10. 81 BVerwG 16.3.2006, 7 C 3/05, BVerwGE 125, 325 Rn. 31 = ZfB 2006, 148, 155. 82 OVG Münster 26.9.1995, 21 A 7041/95 = ZfB 1997, 36, 39; OVG Münster 10.1.1985, 4 B 1434/84, NVwZ 1985, 355, 356; VG Aachen 26.2.2007, 9 K 4145/04 = ZfB 2007, 154, 162; OLG Hamm 26.11.2001, 11 U 44/01 = ZfB 2002, 216, 219. 83 OVG Münster 26.9.1995, 21 A 7041/95 = ZfB 1997, 36, 39; OVG Münster 29.3.1984, 12 A 2194/82 = ZfB 1984, 367, 375; OLG Hamm 26.11.2001, 11 U 44/01 = ZfB 2002, 216, 219. 84 VGH Mannheim 29.3.2000, 1 S 1245/99 = ZfB 2000, 140, 145. 85 VGH Mannheim 1.4.2008, 10 S 1388/08 = ZfB 2008, 86, 95 f. 86 OVG Magdeburg 22.4.2015, 4 L 48/13, NVwZ-RR 2015, 929 Rn. 65. 87 BVerfG 16.2.2000, 1 BvR 242/91 und 1 BvR 315/99, BVerfGE 102, 1, 20 ff. 88 BVerwG 18.12.2014, 7 C 22/12, BVerwGE 151, 156 Rn. 45 = ZfB 2015, 29 Rn. 45; Nolte ZfB 2018, 77, 86. 89 OVG Lüneburg 15.7.2015, 7 LA 22/13, NVwZ-RR 2016, 34, 35; OVG Münster 13.9.1995, 21 A 2273/91 = ZfB 1995, 322, 333 f.; OLG Hamm 26.10.2001, 11 U 44/01 = ZfB 2002, 216, 221; LG Essen 16.11.2000, 4 O 494/99 = ZfB 2001, 230, 237 f. Keienburg/Wiesendahl

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gemessen nicht als unzumutbar angesehen.90 Das OVG Münster hat die Kosten der Sanierung eines Tagesbruchs an dem Verkehrswert des Bergwerkseigentums, bemessen anhand des Werts einer möglichen Ausbeute der verliehenen Bodenschätze, gespiegelt und daran gemessen ebenfalls nicht als unzumutbar gewertet.91 Die Zumutbarkeitsgrenzen der Inanspruchnahme eines Bergwerkseigentümers als Zustandsstörer sind damit weit.92

III. Aufsicht über Markscheider (Absatz 3) Der Aufsicht der Bergbehörden unterliegen gemäß Absatz 3 auch die Markscheider und die Ausfüh- 30 rung markscheiderischer Arbeiten i.S.d. § 64 Abs. 1 (vgl. § 64 Rn. 5 ff.). Markscheider werden ausweislich § 64 Abs. 1 Satz 1 von den zuständigen Behörden anerkannt; die Einzelheiten sind in Landesgesetzen geregelt.93 Die Führung des Risswerks für untertägige Aufsuchungs- und Gewinnungsbetriebe ist gemäß § 64 Abs. 1 Satz 1 Markscheidern vorbehalten. Das Risswerk anderer Bergbaubetriebe kann gemäß § 64 Abs. 1 Satz 2 auch von anderen Personen, die von der zuständigen Behörde anerkannt sind, geführt werden; die dafür zu erbringenden Voraussetzungen sind in § 13 Markscheider-Bergverordnung geregelt. Da sich die bergbehördliche Aufsicht gemäß Absatz 3 auf Markscheider und die Ausführung markscheiderischer Tätigkeiten i.S.d. § 64 Abs. 1 und damit auf die dort erfassten Tätigkeiten gemäß Satz 1 und Satz 2 bezieht, unterfallen der Bergaufsicht nicht nur Markscheider, sondern auch andere anerkannte Personen, die markscheiderische Tätigkeiten i.S.d. § 64 Abs. 1 wahrnehmen. Zuständige Aufsichtsbehörden sind die nach Landesrecht bestimmten und regelmäßig aber nicht zwingend die auch für die Aufsicht über Bergbaubetriebe zuständigen Bergbehörden. Der behördlichen Aufsicht unterliegen zum einen die Markscheider und andere zur Führung 31 des Risswerks anerkannte Personen, d.h. die an sie zu stellenden subjektiven Zuverlässigkeitsund Fachkundeanforderungen. Diese ergeben sich für Markscheider aus den jeweiligen Landesgesetzen über die Anerkennung als Markscheider94 und für sonstige anerkannte Personen aus § 13 Markscheider-Bergverordnung. Zum anderen unterliegt der Aufsicht die Ausführung der markscheiderischen Arbeiten i.S.d. § 64 Abs. 1, also die Führung des Risswerks. Dies gilt sowohl im Fall einer selbständigen Tätigkeit des Markscheiders als auch im Fall einer Tätigkeit des Markscheiders als Angestellter eines Bergbauunternehmens.95 Sonstige Tätigkeiten des Markscheiders, die dieser etwa aufgrund Angestelltenverhältnisses bei einem Bergwerksunternehmen wahrnimmt, unterliegen nicht der behördlichen Aufsicht aus Absatz 3. Die an die Führung des Risswerks zu stellenden Anforderungen ergeben sich aus der Markscheider-Bergverordnung. Gemäß § 2 Abs. 4 Satz 1 Markscheider-Bergverordnung haben die Markscheider und sonstigen anerkannten Personen die Richtigkeit, Genauigkeit und Vollständigkeit des Risswerks sicherzustellen. Die Führung des Risswerks kann behördlich nur unter dem Aspekt der Rechtmäßigkeit geprüft werden; es handelt sich um eine Rechtsaufsicht. Bei der Anwendung ihrer Fachkunde sind die Markscheider gemäß § 64 Abs. 2 Satz 1 weisungsfrei.96 Das gilt nicht nur im Verhältnis gegenüber einem Arbeitgeber, sondern auch im Verhältnis zur Aufsichtsbehörde.

90 OLG Hamm 26.10.2001, 11 U 44/01 = ZfB 2002, 216, 221; ebenso zuvor LG Essen 16.11.2000, 4 O 494/99 = ZfB 2001, 230, 237 f.

91 OVG Münster 8.12.2005, 11 A 2436/02 = ZfB 2006, 61, 67. 92 Von Weschpfennig Strukturen des Bergrechts, S. 374 f. 93 Vgl. etwa das Gesetz über die Anerkennung als Markscheider im Lande Nordrhein-Westfalen (Markscheidergesetz) vom 17.12.2009.

94 Vgl. etwa § 2 Markscheidergesetz NRW. 95 BT-Drs. 8/1315, S. 122; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 69 Rn. 74; Frenz/Beckmann BBergG, § 69 Rn 76. 96 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 69 Rn. 79; Frenz/Beckmann BBergG, § 69 Rn. 77. 881

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IV. Gebühren und Auslagen für aufsichtliche Maßnahmen 32 Behörden können für Amtshandlungen, durch die eine nicht die Allgemeinheit, sondern den Einzelnen betreffende und diesem zurechenbare Leistung erbracht wird,97 Gebühren und Auslagen erheben. Voraussetzung dafür ist eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage, die den Gebührentatbestand hinreichend bestimmt umschreibt. Die gesetzlichen Grundlagen für Gebühren und Auslagen der Bergbehörden ergeben sich aus dem jeweiligen Landesrecht, soweit gemäß § 142 Satz 1 die Länder für die Ausführung des Gesetzes zuständig sind. Gebühren können auf landesrechtlicher Grundlage auch für aufsichtliche Maßnahmen i.S.d. §§ 69 ff. erhoben werden, wenn eine Gebührenpflicht für abgrenzbare, dem Kostenpflichtigen zurechenbare aufsichtliche Überwachungsmaßnahmen ausdrücklich geregelt ist.98 Ohne speziellen Gebührentatbestand können Gebühren für aufsichtliche Maßnahmen i.S.d. §§ 69 ff. nicht auf Grundlage allgemeiner Gebührentatbestände erhoben werden; ohne spezielle gesetzliche Regelung fehlt es an einer Konkretisierung der gebührenrechtlichen Zurechenbarkeit bestimmter aufsichtlicher Amtshandlungen in Abgrenzung zu den dem Staat zum Schutz der Allgemeinheit obliegenden allgemeinen Aufsichts- und Überwachungspflichten.99 33 Von Gebühren und Auslagen für aufsichtliche Tätigkeiten zu differenzieren sind die Kosten für behördliche Vollstreckungsmaßnahmen. Diese richten sich nach den jeweiligen landesrechtlichen Verwaltungsvollstreckungsgesetzen; dazu bereits Rn. 13 und § 71 Rn. 16.

§ 70 Allgemeine Aufsichtsbefugnisse, Auskunfts- und Duldungspflichten (1) Wer zur Aufsuchung oder Gewinnung von bergfreien oder grundeigenen Bodenschätzen berechtigt ist, ferner die verantwortlichen Personen, die in § 64 Abs. 1 bezeichneten und die dem arbeitsmedizinischen oder sicherheitstechnischen Dienst angehörenden sowie die unter § 66 Satz 1 Nr. 10 fallenden Personen (Auskunftspflichtige) haben der zuständigen Behörde die zur Durchführung der Bergaufsicht erforderlichen Auskünfte zu erteilen und Unterlagen vorzulegen. (2) 1Die von der zuständigen Behörde mit der Aufsicht beauftragten Personen (Beauftragte) sind befugt, Betriebsgrundstücke, Geschäftsräume und Einrichtungen des Auskunftspflichtigen sowie Wasserfahrzeuge, die der Unterhaltung oder dem Betrieb von Einrichtungen im Bereich des Festlandsockels dienen oder zu dienen bestimmt sind, zu betreten, dort Prüfungen vorzunehmen, Befahrungen durchzuführen und gegen Empfangsbescheinigung auf Kosten des Unternehmers Proben zu entnehmen sowie die geschäftlichen und betrieblichen Unterlagen des Auskunftspflichtigen einzusehen. 2Zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung dürfen die genannten Grundstücke und Räumlichkeiten auch außerhalb der üblichen Arbeits- und Betriebszeiten und auch dann betreten werden, wenn sie zugleich Wohnzwecken dienen; das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 des Grundgesetzes) wird insoweit eingeschränkt. 3Die Beauftragten sind, soweit der Unternehmer nicht ausdrücklich darauf verzichtet, verpflichtet, einen Teil der Probe amtlich verschlossen oder versiegelt zurückzulassen; sie sind

97 Zur Begrifflichkeit der Verwaltungsgebühr: BVerwG 13.10.1955, I C 5/55, BVerwGE 2, 246, 247 f.; BVerwG 8.12.1961, VII C 2/61, BVerwGE 13, 214, 219.

98 Zu einem derartigen Fall: BVerwG 21.8.1998, 8 B 115/98, NVwZ 1999, 191. 99 BVerwG 7.11.1990, 8 C 71/88, NVwZ 1991, 482, 483; dies hat das VG Weimar in seiner Entscheidung vom 7.12.2009, 7 K 345/07 = ZfB 2010, 47, 49 f. verkannt. Keienburg/Wiesendahl https://doi.org/10.1515/9783110709285-100

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§ 70

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berechtigt, Gegenstände vorübergehend sicherzustellen, soweit dies zur Überprüfung von Unfallursachen notwendig ist oder soweit in diesem Zusammenhang die Erlangung neuer Erkenntnisse zur Unfallverhütung zu erwarten ist. 4Die Auskunftspflichtigen haben die Maßnahmen nach den Sätzen 1 und 2 zu dulden. 5Sie sind bei Befahrungen verpflichtet, die Beauftragten auf Verlangen zu begleiten. (3) Der Auskunftspflichtige kann die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihn selbst oder einen der in § 383 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 der Zivilprozessordnung bezeichneten Angehörigen der Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung oder eines Verfahrens nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten aussetzen würde. (4) Die Absätze 1 bis 3 gelten auch für Personen, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß sie eine der in § 2 Abs. 1 Nr. 1 bezeichneten Tätigkeiten ohne die erforderliche Berechtigung ausüben oder ausgeübt haben.

Übersicht I.

Vorbemerkung

II.

Auskunfts- und Unterlagenvorlagepflichten (Absätze 1 und 3) 3 Verpflichtete 4 Inhalt 6 Form und Zeit 7 Auskunftsverweigerungsrecht

1. 2. 3. 4. III. 1.

1

Betretensrecht und sonstige Duldungs- und Mitwirkungspflichten (Absatz 2) 11 Berechtigte

2. 3. 4. 5.

12 Betretensrecht 15 Prüfrechte Duldungs- und Mitwirkungspflicht 17 Information des Betriebsrats

IV.

Erstreckung auf ungenehmigte Tätigkei18 ten

V.

Verschwiegenheitspflicht der Behörde

VI.

Ordnungswidrigkeiten

16

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I. Vorbemerkung § 70 beinhaltet das Recht zur sogenannten behördlichen Nachschau durch Auskunfts- und Un- 1 terlagenverlangen sowie Betreten der Betriebsstätte. Entsprechende Regelungen enthalten alle Gesetze mit behördlichen Überwachungsrechten und -pflichten gewerblicher Anlagen, etwa § 29 Abs. 1 bis 4 GewO, § 52 Abs. 2 bis 5 BImSchG, § 69 Abs. 1 bis 6 EnWG, § 28 Abs. 1 bis 4 ProdSG, § 47 Abs. 3 bis 7 KrWG, § 19 Abs. 2 AtG. Besondere Gefahren- oder Verdachtsmomente sind – außer wenn es um die in Absatz 2 Satz 2 geregelten besonderen Betretensrechte von Betriebsgrundstücken und Betriebsräumlichkeiten außerhalb der üblichen Arbeits- und Betriebszeiten und der Betretensrechte von Wohnungen geht – nicht Voraussetzung der Wahrnehmung der behördlichen Auskunfts- und Nachschaurechte. Es handelt sich um routinemäßig einsetzbare Aufsichtsmittel. Des Einsatzes der in § 70 geregelten aufsichtlichen Mittel bedarf es zur Wahrnehmung der 2 Aufsicht nicht zwingend. Die Bergbehörden müssen ihrer Aufsichtspflicht nachkommen, sind aber nicht zum Einsatz der aufsichtlichen Mittel aus § 70 verpflichtet. Verabredet die Bergbehörde mit dem Unternehmer eine Betriebsbegehung oder bittet die Behörde den Unternehmer oder sonstige Personen um Auskünfte oder Unterlagen, handelt es sich dabei regelmäßig um schlichthoheitliches Verwaltungshandeln, dessen Erkenntnisse ebenso verwertbar sind, wie Erkenntnisse auf Grundlage förmlicher Anordnungen. Förmliche behördliche Betretens- oder Auskunftsverlangen durch mündlichen oder schriftlichen Verwaltungsakt dürften die Ausnahme verwaltungsbehördlichen Handelns darstellen, werden aber durch § 70 Abs. 1 ermöglicht; nur förmliche Auskunftsverlangen sind vollstreckbar. Die behördlichen Betretens- und Auskunftsrechte beinhalten die erforderlichen Mittel zur Wahrnehmung der Aufsicht notfalls durch Zwang. 883

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II. Auskunfts- und Unterlagenvorlagepflichten (Absätze 1 und 3) 1. Verpflichtete 3 Absatz 1 regelt eine Auskunfts- und Unterlagenvorlagepflicht bestimmter Personen. Auskunftspflichtig sind Gewinnungsberechtigte, d.h. diejenigen, die aufgrund Erlaubnis, Bewilligung oder Bergwerkseigentums zur Aufsuchung bzw. Gewinnung bergfreier Bodenschätze berechtigt sind, diejenigen, die aufgrund Grundeigentums zur Aufsuchung und Gewinnung grundeigener Bodenschätze berechtigt sind sowie diejenigen, die von den vorgenannten originär Berechtigten schuldrechtliche oder dingliche Rechte zur Aufsuchung oder Gewinnung ableiten; zur Gewinnungsberechtigung § 4 Rn. 38. Auskunftspflichtig sind weiter die verantwortlichen Personen im Sinne des § 58 Abs. 1, d.h. der Unternehmer, bei juristischen Personen und Personenhandelsgesellschaften die zur Vertretung berechtigten Personen (Nummer 1), sowie die zur Leitung oder Beaufsichtigung des Betriebs bestellten Personen (Nummer 2). Auskunftspflichtig sind zudem Markscheider sowie andere zur Führung des Risswerks berechtigte Personen im Sinne des § 64 Abs. 1, die dem arbeitsmedizinischen oder sicherheitstechnischen Dienst angehörenden Personen sowie die Personen, die ohne verantwortliche Personen zu sein gemäß § 66 Satz 1 Nr. 10 mit bestimmten Verantwortungen bzw. mit der Durchführung bestimmter Arbeiten betraut worden sind. Über die Aufzählung auskunfts- und unterlagenvorlagepflichtiger Personen in Absatz 1 werden alle funktionell hervorgehobenen Personengruppen erfasst.1 Weiteren Personen, als den in Absatz 1 ausdrücklich aufgeführten, obliegen keine Auskunfts- und Unterlagenvorlagepflichten. Die Aufzählung auskunftsund vorlagepflichtiger Personen in Absatz 1 ist abschließend.

2. Inhalt 4 Gegenstand der Auskunfts- und Unterlagenvorlagepflicht sind die zur Durchführung der Bergaufsicht erforderlichen Auskünfte und Unterlagen. Ist der Bergbehörde das Erfordernis einer – ggf. wiederkehrenden – Information ihrerseits über bestimmte Vorgänge bereits im Zeitpunkt der Betriebsplanzulassung ersichtlich, kann sie entsprechende Informationspflichten über Nebenbestimmungen der Betriebsplanzulassung verfügen; den nachträglichen aufsichtlichen Informationsrechten aus Absatz 1 kommt insoweit keine Sperrwirkung zu.2 Gleiches gilt auch, soweit sich Informations- oder Meldepflichten des Unternehmers aus gesetzlichen Regelungen ergeben; gesetzlich normierte Informationspflichten müssen nicht zusätzlich durch ein behördliches Auskunftsverlangen nach § 70 aktualisiert werden. Im Fall nachträglich für erforderlich erachteter und nicht schon in Betriebsplanzulassungen oder gesetzlichen Regelwerken angelegten Auskünften oder Unterlagen muss die Bergbehörde konkretisieren, welche Auskünfte bzw. Unterlagen sie zur Wahrnehmung der Aufsicht benötigt. Weder begründet Absatz 1 eine von einem behördlichen Verlangen unabhängige Auskunfts- oder Unterlagenvorlagepflicht,3 noch steht der Behörde ein allgemeines Ausforschungsrecht zu.4 Vielmehr muss die Behörde spezifiziert darlegen, zu welchen Themenbereichen sie Auskünfte oder Unterlagen verlangt. Das Auskunftsverlangen muss sich auf Aspekte, die in der Zuständigkeit der Bergaufsicht liegen, beziehen, also mit der Erfüllung bergrechtlicher Pflichten zusammenhängen; die in Absatz 1 ausdrücklich verwandte Formulierung „zur Durchführung der Bergaufsicht“ beschränkt den Inhalt zulässiger Auskunftsverlangen auf bergrechtliche Belange.5 Auskunftsrechte zur Wirtschaftlichkeit eines Bergbaubetriebs etwa stehen der Bergaufsicht nicht zu. Das Auskunftsverlangen ist ausweislich des Wortlauts der Norm 1 2 3 4 5

BT-Drs. 8/1315, S. 122. BVerwG 2.7.2008, 7 C 38/07, NVwZ 2009, 52 Rn. 20 zu § 19 Abs. 2 AtG, insoweit in BVerwGE 131, 259 ff. nicht abgedruckt. Ebenso: Landmann/Rohmer/Marcks GewO, § 29 Rn. 6. Ebenso: Feldhaus/Spindler BImSchG, § 52 Rn. 33 und 62; Jarass BImSchG, § 52 Rn. 36. Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht, Rn. 348.

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zudem auf für die Wahrnehmung der Bergaufsicht erforderliche Informationen in Abgrenzung zu gewünschten aber nicht erforderlichen Informationen beschränkt.6 Schließlich muss ein Auskunftsverlangen auch in Ansehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes geeignet, erforderlich und angemessen sein. Das Auskunftsverlangen muss sich auf Informationen beziehen, über die die Bergaufsicht nicht bereits verfügt und in Würdigung der Zielsetzung und des Aufwands angemessen sein. Die an bestimmte Personen gerichteten Auskunfts- oder Unterlagenvorlageverlangen sind auf 5 geschäftliche und betriebliche Informationen und Unterlagen beschränkt und müssen in den Zuständigkeitsbereich der jeweiligen Person fallen.7 Es muss sich um Informationen oder Unterlagen handeln, die in einem sachlichen Zusammenhang zu dem jeweiligen Aufgabenbereich der Person stehen. Die Bergaufsicht kann nicht Auskünfte oder Unterlagen von einer Person verlangen, die nicht in deren Zuständigkeits- und Verantwortungsbereich fallen. Die Auskunfts- und Unterlagenvorlagepflichten der auskunfts- und vorlagepflichtigen Personen beinhalten keine über ihren Verantwortungsbereich hinausreichende Verpflichtung zur Beschaffung von Auskünften oder Unterlagen, sondern erstrecken sich allein auf Auskünfte oder Unterlagen, die ihnen aufgrund ihres Verantwortungsbereichs bekannt sind, bekannt sein müssten oder die sie sich durch Nachforschungen in ihrem Einflussbereich beschaffen können; hinsichtlich solcher Informationen, die die Auskunftspflichtigen nicht präsent haben, die aber in ihren Aufgabenbereich fallen, obliegen ihnen zur Erfüllung der Auskunftspflicht auch Erkundigungspflichten bzw. Beschaffungspflichten.8

3. Form und Zeit Weder verpflichtet Absatz 1 die Auskunftspflichtigen zu einer sofortigen Auskunft noch regelt die 6 Norm das Erfordernis einer schriftlichen Auskunft. Sofern die Behörde keine konkrete Vorgabe trifft, kann der Auskunftspflichtige Auskünfte in mündlicher, auch fernmündlicher, oder in schriftlicher Form erteilen.9 Ein Verlangen der Behörde nach schriftlicher Auskunftserteilung muss dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügen; dies ist etwa dann zu bejahen, wenn eine Vielzahl von Daten oder Einzelangaben zusammenzustellen ist. Unterlagen sind entweder in Papierform oder, wenn die Behörde den Zugang für elektronische Kommunikation gemäß § 3a Abs. 1 VwVfG eröffnet hat, oder eine entsprechende Verabredung zwischen Behörde und Auskunftspflichtigen getroffen wird, in elektronischer Form zu überreichen. Zeitlich ist das Auskunftsrecht der Behörde nicht eingeschränkt.

4. Auskunftsverweigerungsrecht Gemäß Absatz 3 können die Auskunftspflichtigen die Auskunft auf solche Fragen verweigern, de- 7 ren Beantwortung sie selbst oder einen Angehörigen im Sinne des § 383 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 ZPO der Gefahr strafrechtlicher Verfolgung oder eines Verfahrens nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten aussetzen würde. Das Auskunftsverweigerungsrecht entspricht dem Zeugnisverweigerungsrecht des § 383 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 ZPO. Vor der Gefahr strafrechtlicher oder ordnungswidrigkeitenrechtlicher Verfolgung werden danach neben dem Auskunftspflichtigen der Verlobte sowie derjenige, dem ein Versprechen zur Begründung einer Lebenspartnerschaft gegeben wurde, der Ehegatte sowie der Lebenspartner, auch wenn die Ehe oder die Lebenspartnerschaft nicht mehr 6 Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht, Rn. 348. 7 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 70 Rn. 9; Frenz/Beckmann BBergG, § 70 Rn. 18. 8 Ebenso: Feldhaus/Spindler BImSchG, § 52 Rn. 66; Landmann/Rohmer/Hansmann/Röckinghausen Umweltrecht, § 52 BImSchG Rn. 43; Jarass BImSchG, § 52 Rn. 55.

9 Ebenso: Feldhaus/Spindler BImSchG, § 52 Rn. 70; Landmann/Rohmer/Hansmann/Röckinghausen Umweltrecht, § 52 BImSchG Rn. 44; Jarass BImSchG, § 52 Rn. 51; Ennuschat/Wank/Winkler GewO, § 29 Rn. 26. 885

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besteht, und diejenigen Personen, mit denen der Auskunftspflichtige in gerader Linie verwandt oder verschwägert ist sowie diejenigen, mit denen der Auskunftspflichtige in einer Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert ist oder war, geschützt. Das Auskunftsverweigerungsrecht steht nur natürlichen Personen, nicht juristischen Personen oder Personenhandelsgesellschaften zu; ist Unternehmer eines Bergbaubetriebs eine juristische Person oder eine Personenhandelsgesellschaft und ergeht dieser gegenüber ein Auskunfts- oder Unterlagenvorlageverlangen, kann sich das Unternehmen nicht auf ein Auskunftsverweigerungsrecht berufen. Das natürlichen Personen zustehende Auskunftsverweigerungsrecht kann von diesen nur aufgrund der Gefahr einer strafrechtlichen oder ordnungswidrigkeitenrechtlichen Verfolgung ihrerseits oder der in § 383 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 ZPO genannten Personen geltend gemacht werden. Die Befürchtung anderer Nachteile für den Auskunftspflichtigen oder die in § 383 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 ZPO genannten Personen, als eine strafrechtliche oder ordnungswidrigkeitenrechtliche Verfolgung, begründet das Auskunftsverweigerungsrecht nicht. Auch die Befürchtung von Nachteilen für das Unternehmen – und damit nicht für geschützte Personen – rechtfertigt kein Auskunftsverweigerungsrecht. 8 Eine Gefahr einer strafrechtlichen oder ordnungswidrigkeitenrechtlichen Verfolgung ist nur dann zu bejahen, wenn die ernsthafte Möglichkeit der Einleitung eines Verfahrens besteht.10 Nur soweit diese Gefahr besteht, kann der Auskunftspflichtige von seinem Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch machen.11 Nur die Beantwortung der Fragen, die die Gefahr einer straf- oder ordnungswidrigkeitenrechtlichen Verfolgung begründen, kann der Auskunftspflichtige verweigern;12 aus der Gefahr einer straf- oder ordnungswidrigkeitenrechtlichen Verfolgung erwächst kein generelles Schweigerecht zu allen Fragen, auch zu solchen, deren Beantwortung keine Verfolgungsgefahr begründet.13 Macht der Auskunftspflichtige von seinem Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch, muss er sich darauf ausdrücklich berufen;14 Schweigen ohne Angabe von Gründen reicht nicht. Die Hintergründe des Auskunftsverweigerungsrechts muss der Auskunftspflichtige dagegen nicht belegen oder glaubhaft machen;15 eine Verpflichtung zur Konkretisierung der Gründe des Auskunftsverweigerungsrechts würde dem damit bezweckten Schutz vor strafrechtlicher oder ordnungswidrigkeitenrechtlicher Verfolgung widersprechen.16 9 Das Auskunftsverweigerungsrecht ist auf Auskünfte beschränkt und erstreckt sich nicht auf die Verpflichtung zur Vorlage von Unterlagen; die Vorlage von der Behörde verlangter Unterlagen kann nicht unter Berufung auf das Auskunftsverweigerungsrecht negiert werden.17 Ein von einem Auskunftspflichtigen geltend gemachtes Auskunfts-verweigerungsrecht steht auch einer Einsichtnahme der Beauftragten der Behörde in Unterlagen im Betrieb nicht entgegen; das Auskunftsverweigerungsrecht reduziert die Duldungs- und Mitwirkungspflichten der Verpflichteten aus Absatz 2 nicht.18 Das Betretensrecht aus Absatz 2 und das damit einhergehende Recht zur Unterlageneinsichtnahme erstreckt sich allerdings nur auf routinemäßige Kontrollen; Durchsuchungen zum Zwecke 10 Ebenso: VGH Mannheim 30.3.2001, 10 S 1184/00, NVwZ-RR 2003, 20, 23 zu § 40 Abs. 4 KrW-/AbfG; Feldhaus/Spindler BImSchG, § 52 Rn. 71.

11 Jarass BImSchG, § 52 Rn. 52. 12 Landmann/Rohmer/Hansmann/Röckinghausen Umweltrecht, § 52 BImSchG Rn. 57. 13 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 70 Rn. 15; Frenz/Beckmann BBergG, § 70 Rn. 27; ebenso: VGH Mannheim 30.3.2001, 10 S 1184/00, NVwZ-RR 2003, 20, 23 zu § 40 Abs. 4 KrW-/AbfG.

14 Ebenso: VGH Mannheim 30.3.2001, 10 S 1184/00, NVwZ-RR 2003, 20, 23 zu § 40 Abs. 4 KrW-/AbfG; Feldhaus/Spindler BImSchG, § 52 Rn. 76; Landmann/Rohmer/Hansmann/Röckinghausen Umweltrecht, § 52 BImSchG Rn. 58. 15 Ebenso: Jarass BImSchG, § 52 Rn. 52. 16 A.A. Feldhaus/Spindler BImSchG, § 52 Rn. 76. 17 Ebenso: BVerwG 13.2.1997, 7 C 47/95, NVwZ 1997, 998, 1000 zu § 52 BImSchG; Feldhaus/Spindler BImSchG, § 52 Rn. 71; Landmann/Rohmer/Hansmann/Röckinghausen Umweltrecht, § 52 BImSchG Rn. 56; Jarass BImSchG, § 52 Rn. 52; Piens/ Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 70 Rn. 15; Frenz/Beckmann BBergG, § 70 Rn. 26. 18 Ebenso: VGH Mannheim 30.3.2001, 10 S 1184/00, NVwZ-RR 2003, 20, 23 und VG München 26.7.2010, 17 K 09.4550, juris Rn. 17 zu § 40 Abs. 4 KrW-/AbfG; Feldhaus/Spindler BImSchG, § 52 Rn. 71; Landmann/Rohmer/Hansmann/Röckinghausen Umweltrecht, § 52 BImSchG Rn. 56. Keienburg/Wiesendahl

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des Auffindens von dem Auskunftspflichtigen nicht freiwillig herausgegebener Unterlagen oder Informationen sind über Absatz 2 nicht gerechtfertigt. Ebenso sind Einsichtnahmen in private Unterlagen Einzelner, auch wenn sie sich im Betrieb befinden, nicht gerechtfertigt; das Unterlageneinsichtnahmerecht aus Absatz 2 ist auf geschäftliche und betriebliche Unterlagen beschränkt. Die Behörde ist nicht verpflichtet, den Auskunftspflichtigen auf ein mögliches Auskunftsver- 10 weigerungsrecht hinzuweisen;19 die Belehrungsverpflichtung des § 383 Abs. 2 ZPO ist in Absatz 3 nicht in Bezug genommen. Gibt ein Auskunftspflichtiger ggf. in Unkenntnis eines Auskunftsverweigerungsrechts Auskunft, kann die Behörde die Auskunft verwerten; ein Verwertungsverbot besteht nicht.

III. Betretensrecht und sonstige Duldungs- und Mitwirkungspflichten (Absatz 2) 1. Berechtigte Absatz 2 beinhaltet Betretens- und Nachschaurechte der von der zuständigen Behörde mit der 11 Aufsicht beauftragten Personen. Dies sind die Angehörigen der zuständigen Behörde, d.h. die dort tätigen Angestellten und Beamten. Dies sind weiter sonstige von der Behörde mit der Aufsicht beauftragte Personen, die keine Angehörigen der Behörde sind, aber hoheitliche Befugnisse wahrnehmen, also Beliehene, denen eigene öffentlich-rechtliche Befugnisse der aufsichtlichen Tätigkeit eingeräumt werden.20 Anderen von der Behörde hinzugezogenen Personen, etwa Sachverständigen, die für die Behörde beratend tätig sind, stehen keine selbständigen Betretens-, Prüf- und Unterlageneinsichtnahmerechte zu. Insoweit gilt im Bergrecht ebenso wie im Immissionsschutzrecht anderes als im Atomrecht, für welches § 19 Abs. 2 Satz 1 AtG ausdrücklich ein Betretensund Prüfrecht sowohl der Beauftragten der Aufsichtsbehörde als auch der von ihr nach § 20 AtG zugezogenen Sachverständigen regelt. Ohne ausdrückliche Regelung eines Betretens- und Prüfrechts weiterer Personen, als der von der zuständigen Behörde mit der Aufsicht Beauftragten, besteht ein solches erweitertes Betretens- und Prüfrecht nicht. Die Beauftragten der Aufsichtsbehörde können allerdings weitere Personen hinzuziehen.

2. Betretensrecht Das Betretensrecht erstreckt sich gemäß Absatz 2 Satz 1 auf die Betriebsgrundstücke, Geschäftsräu- 12 me und Einrichtungen des Auskunftspflichtigen sowie Wasserfahrzeuge, die der Unterhaltung oder dem Betrieb von Einrichtungen im Bereich des Festlandsockels dienen oder zu dienen bestimmt sind. Das Betretensrecht erstreckt sich damit auf die den eigentlichen Betrieb ausmachenden Betriebsgrundstücke sowie die wesentlichen Bestandteile dieser Grundstücke, die dem Betrieb zugeordnet sind. Hinzu kommen die Geschäftsräume des Betriebs, auch dann, wenn sie sich auf anderen Grundstücken, als den Betriebsgrundstücken befinden, sowie dem Betrieb zugeordnete Einrichtungen, worunter sowohl übertägige Anlagen und Betriebszubehör fallen, als auch das untertägige Grubengebäude. Einrichtungen, die sich zwar auf einem Betriebsgelände befinden, diesem aber nicht zu dienen bestimmt sind, etwa Privatfahrzeuge, unterliegen dem Betretensrecht nicht. Zeitlich ausgeübt werden kann das Betretensrecht gemäß Absatz 2 Satz 1 während der üblichen Arbeits- und Betriebszeiten. Das Betretensrecht erfordert keine vorherige behördliche Anmeldung, sondern besteht anmeldungsunabhängig.21 Eine Verpflichtung der Behörde, Angaben 19 Ebenso: Feldhaus/Spindler BImSchG, § 52 Rn. 76; Landmann/Rohmer/Hansmann/Röckinghausen Umweltrecht, § 52 BImSchG Rn. 51; Jarass BImSchG, § 52 Rn. 52. 20 Ebenso: Ennuschat/Wank/Winkler GewO, § 29 Rn. 27; Feldhaus/Spindler BImSchG, § 52 Rn. 23; Landmann/Rohmer/ Hansmann/Röckinghausen Umweltrecht, § 52 BImSchG Rn. 47; Jarass BImSchG, § 52 Rn. 34. 21 Ebenso: Jarass BImSchG, § 52 Rn. 46; Hartung Die Atomaufsicht, S. 135 zu § 19 Abs. 2 AtG. 887

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zu den Zwecken und vorgesehenen Prüfungen zu machen, besteht nicht.22 Dennoch sollte in Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei Betretungen und Kontrollen vor Ort dann, wenn nicht ein Überraschungsmoment gerade zu Kontrollzwecken erforderlich ist, eine vorherige Anmeldung der Behörde zur Ermöglichung einer personellen und sächlichen Vorbereitung des Unternehmers erfolgen, da es sich bei Bergbaubetrieben um Betriebe handelt, die keinem öffentlichen Verkehr zugänglich sind, sondern aufgrund der erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen einer Vorbereitung für Besucher bedürfen.23 Außerhalb der üblichen Arbeits- und Betriebszeiten räumt Absatz 2 Satz 2 ein Betretens13 recht zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ein. Nur zur Verhütung dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung dürfen gemäß Absatz 2 Satz 2 – sowohl innerhalb als auch außerhalb der üblichen Arbeits- und Betriebszeiten – auch Räumlichkeiten betreten werden, die zugleich Wohnzwecken dienen. Anderenfalls ist das Betreten von Räumen, die zugleich Wohnzwecken dienen, über Absatz 2 nicht gerechtfertigt. Die in Absatz 2 Satz 1 und 2 enthaltenen Beschränkungen des Grundrechts aus Art. 13 14 Abs. 1 GG sind verfassungskonform. Der grundrechtlich über Art. 13 Abs. 1 GG garantierte Schutz der Wohnung umfasst nicht nur Wohnzwecken dienende Wohnungen, sondern auch Betriebs- und Geschäftsräume.24 Die weite Auslegung des Wohnungsbegriffs durch Einbeziehung auch von Geschäfts- und Betriebsräumen wird dadurch relativiert, dass an die verfassungsrechtliche Rechtfertigung eines Eingriffs in Geschäfts- und Betriebsräume geringere Anforderungen zu stellen sind. Ein behördliches Betretensrecht von Betriebs- und Geschäftsräumen wird durch gesetzliche Vorschriften, die den Zweck des Betretens sowie Gegenstand und Umfang der zugelassenen Prüfungen deutlich erkennen lassen und das Betreten auf Zeiten beschränken, in denen die Räume normalerweise für die betriebliche Nutzung zur Verfügung stehen, hinreichend legitimiert.25 Die Schrankenregelungen des Art. 13 Abs. 2 und 7 GG greifen nicht.26 Die Einhaltung des Zitiergebots aus Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG ist entbehrlich.27 Anderes gilt für das in Absatz 2 Satz 2 geregelte Betretensrecht von Grundstücken und Räumlichkeiten auch außerhalb der üblichen Arbeits- und Betriebszeiten sowie von Grundstücken und Räumlichkeiten, die zugleich Wohnzwecken dienen. Diese Betretensrechte sind – wie in Absatz 2 Satz 2 geregelt – in Wahrung der Schrankenregelung des Art. 13 Abs. 7 GG nur zur Abwehr dringender Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung verfassungskonform zulässig; dies muss – wie in Absatz 2 Satz 2 geschehen – durch Wahrung des Zitiergebots verdeutlicht werden. Weitere Betretensrechte können die Berechtigten gestatten, müssen sie aber auf Grundlage der gesetzlichen Regelungen nicht einräumen.

3. Prüfrechte 15 Das Betretensrecht ist mit weiteren Rechten der mit der Aufsicht beauftragten Personen im Zuge des Betretens von Betriebsgrundstücken, Geschäftsräumen und Einrichtungen des Auskunfts22 BVerwG 5.11.1987, 3 C 52/85, BVerwGE 78, 251, 256. 23 Zur Unverhältnismäßigkeit einer auf § 40 Abs. 2 KrW-/AbfG gestützten behördlichen Kontrolle nach 19:00 Uhr: VGH Mannheim 28.11.2000, 10 S 1375/99, NVwZ 2001, 574, 575.

24 BVerfG 3.3.2004, 1 BvR 2378/98 und 1 BvR 1084/99, BVerfGE 109, 279, 320; BVerfG 16.6.1987, 1 BvR 1202/84, BVerfGE 76, 83, 88; BVerfG 24.5.1977, 2 BvR 988/75, BVerfGE 44, 353, 371; BVerfG 26.5.1976, 2 BvR 294/76, BVerfGE 42, 212, 219; BVerfG 13.10.1971, 1 BvR 280/66, BVerfGE 32, 54, 68 ff.; BVerwG 21.2.1995, 1 C 36/92, NVwZ-RR 1995, 425, 426; BVerwG 5.11.1987, 3 C 52/85, BVerwGE 78, 251, 253; Dürig/Herzog/Scholz/Papier GG, Art. 13 Rn. 13; kritisch dagegen: Sachs/Kühne GG, Art. 13 Rn. 4. 25 BVerfG 17.2.1998, 1 BvF 1/91, BVerfGE 97, 228, 265 f.; BVerfG 13.10.1971, 1 BvR 280/66, BVerfGE 32, 54, 76 f.; BVerwG 21.2.1995, 1 C 36/92, NVwZ-RR 1995, 425, 426; BVerwG 5.11.1987, 3 C 52/85, BVerwGE 78, 251, 255. 26 BVerfG 17.2.1998, 1 BvF 1/91, BVerfGE 97, 228, 265 f.; BVerfG 13.10.1971, 1 BvR 280/66, BVerfGE 32, 54, 73 ff.; BVerwG 21.2.1995, 1 C 36/92, NVwZ-RR 1995, 425, 426; BVerwG 5.11.1987, 3 C 52/85, BVerwGE 78, 251, 254. 27 BVerwG 21.2.1995, 1 C 36/92, NVwZ-RR 1995, 425, 426. Keienburg/Wiesendahl

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pflichtigen verbunden. Die mit der Aufsicht beauftragten Personen dürfen auf den Betriebsgrundstücken sowie in Geschäftsräumen und Einrichtungen des Auskunftspflichtigen und in Wasserfahrzeugen Prüfungen vornehmen, Befahrungen durchführen – die bergmännische Terminologie des Befahrens entspricht der außerhalb des Bergrechts üblichen Begrifflichkeit des Besichtigens28 – und gegen Empfangsbescheinigung auf Kosten des Unternehmers Proben entnehmen sowie die geschäftlichen und betrieblichen Unterlagen des Auskunftspflichtigen einsehen. Diese Rechte sind durch die aufsichtliche Zwecksetzung beschränkt. Prüfungen, Probenahmen und Einsichtnahmen in betriebliche Unterlagen können nur zum Zwecke der Kontrolle spezifischer Gegebenheiten, nicht zum Zwecke der Ausforschung durchgeführt werden. Soweit dies zur Überprüfung von Unfallursachen notwendig ist oder die Erlangung neuer Erkenntnisse zur Unfallverhütung zu erwarten ist, sind die mit der Aufsicht Beauftragten zudem berechtigt, Gegenstände vorübergehend sicherzustellen. Die Sicherstellung ist nur zu vorübergehenden Zwecken und zudem unter der einschränkenden Voraussetzung der Überprüfung von Unfallursachen oder der Erlangung neuer Erkenntnisse zur Unfallverhütung zulässig. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung ist abzuwägen, inwieweit ein Gegenstand für betriebliche Zwecke im Betrieb erforderlich ist und aufsichtliche Prüfungen eines Gegenstands auch im Betrieb durchgeführt werden können.

4. Duldungs- und Mitwirkungspflicht Die Auskunftspflichtigen haben behördliche Aufsichtsmaßnahmen nach Absatz 2 Satz 1 und 2 aus- 16 weislich Satz 4 zu dulden. Inhalt der Duldungspflicht ist – über den Wortlaut hinausgehend – aufgrund Sachzusammenhangs zudem die Beseitigung von Hindernissen, d.h. etwa das Öffnen verschlossener Türen.29 Auf Verlangen sind die Auskunftspflichtigen gemäß Satz 5 verpflichtet, die Beauftragten der Behörde bei Befahrungen zu begleiten. Verweigerungsrechte der Duldungsund Mitwirkungspflicht stehen den Auskunftspflichtigen, anders als im Fall einer Anordnung nach Absatz 1 zur Erteilung von Auskünften, nicht zu. Den Auskunftspflichtigen steht daher auch dann, wenn sich aus Unterlagen oder sonstigen Gegebenheiten die Gefahr einer strafgerichtlichen oder ordnungswidrigkeitenrechtlichen Verfolgung ihrerseits ergibt, keine Möglichkeit zu, die Betretens-, Prüf- und Einsichtnahmerechte der Beauftragten der Aufsichtsbehörde aus Absatz 2 Satz 1 und 2 zu beschränken.

5. Information des Betriebsrats Gemäß § 89 Abs. 1 BetrVG hat sich der Betriebsrat dafür einzusetzen, dass die Vorschriften über 17 den Arbeitsschutz und die Unfallverhütung im Betrieb sowie die Vorschriften über den betrieblichen Umweltschutz durchgeführt werden. Bei der Bekämpfung von Unfall- und Gesundheitsgefahren hat der Betriebsrat die für den Arbeitsschutz zuständigen Behörden und die sonst in Betracht kommenden Stellen durch Anregung, Beratung und Auskunft zu unterstützen. Diese Verpflichtung obliegt dem Betriebsrat auch in bergbaulichen Betrieben. Zur Ermöglichung der Wahrnehmung der arbeitsschutzrechtlichen Pflichten des Betriebsrates aus § 89 Abs. 1 BetrVG haben sowohl der Arbeitgeber als auch die für den Arbeitsschutz zuständigen Behörden und sonstigen Stellen den Betriebsrat oder die von ihm bestimmten Mitglieder des Betriebsrats gemäß § 89 Abs. 2 Satz 1 BetrVG bei allen im Zusammenhang mit dem Arbeitsschutz oder der Unfallverhütung stehenden Besichtigungen und Fragen sowie bei Unfalluntersuchungen hinzuzuziehen. Die Verpflichtung zur Beteiligung der Betriebsräte ist von der Bergaufsicht bei Aufsichtsmaßnahmen im Zusammenhang 28 Matthiass Bergmännische Grundbegriffe, S. 52. 29 Ebenso: Feldhaus/Spindler BImSchG, § 52 Rn. 59; Landmann/Rohmer/Hansmann/Röckinghausen Umweltrecht, § 52 BImSchG Rn. 63; Jarass BImSchG, § 52 Rn. 47. 889

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mit dem Arbeitsschutz und der Unfallverhütung zu beachten. Einzelheiten der Zusammenarbeit zwischen der Bergaufsicht und den Betriebsräten sind in untergesetzlichen Regelwerken der Länder geregelt.30

IV. Erstreckung auf ungenehmigte Tätigkeiten 18 Gemäß Absatz 4 gelten die Vorgaben der Absätze 1 bis 3 auch gegenüber solchen Personen, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie eine der in § 2 Abs. 1 Nr. 1 bezeichneten Tätigkeiten ohne die erforderliche Berechtigung ausüben oder ausgeübt haben. Die behördlichen Auskunfts-, Betretens-, Prüf- und Unterlageneinsichtnahmerechte bestehen damit auch gegenüber solchen Aufsuchungs-, Gewinnungs- und Aufbereitungsbetrieben i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 – sowie gegenüber sonstigen Betrieben im Sinne des § 2 Abs. 2 und 3, für welche die bergaufsichtlichen Befugnisse über spezielle Verweise in §§ 126 ff. entsprechend gelten – die entweder über die erforderliche Gewinnungsberechtigung oder über erforderliche Betriebsplanzulassungen nicht verfügen. Auf ein subjektives Verschulden des Betreibers hinsichtlich der unberechtigten Betriebsführung kommt es nicht an; entscheidend ist allein, dass eine objektiv unberechtigte Betriebsführung vorliegt. Gerade auch in diesen Fällen jedenfalls in Teilen illegaler Betriebe muss die Bergaufsicht ihre aufsichtlichen Mittel des Betretens, Prüfens und Einsichtnehmens von Unterlagen sowie das Auskunftsverlangen wahrnehmen können. Als Korrelat gilt auch in diesen Fällen das Auskunftsverweigerungsrecht des Auskunftspflichtigen, wenn dieser sich oder eine andere Person im Sinne des § 383 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 ZPO der Gefahr einer strafrechtlichen oder ordnungswidrigkeitenrechtlichen Verfolgung aussetzen würde. 19 Voraussetzung für die Ausdehnung der aufsichtlichen Befugnisse aus Absätzen 1 und 2 auf andere als die in Absatz 1 genannten Personen ist, dass die Annahme einer illegalen Tätigkeit durch Tatsachen gerechtfertigt ist. Es müssen tatsächliche Erkenntnisse vorliegen, die die Annahme eines unberechtigten Betriebes nachvollziehbar begründen. Der bloße Verdacht unbefugten Handelns genügt nicht.31

V. Verschwiegenheitspflicht der Behörde 20 Das Bundesberggesetz regelt eine Verschwiegenheitspflicht der Aufsichtsbehörden hinsichtlich der im Zusammenhang mit der aufsichtlichen Tätigkeit erlangten Kenntnisse ebenso wenig, wie dies für die für die Betriebsplanzulassung zuständigen Behörden hinsichtlich der im Zusammenhang mit Genehmigungsverfahren erhaltenen Kenntnisse geregelt ist. Eine Geheimhaltungsverpflichtung der Beauftragten der Aufsichtsbehörde ergibt sich aus der in § 30 VwVfG geregelten Geheimhaltungspflicht. Die Geheimhaltungspflicht des § 30 VwVfG gilt sowohl in Verwaltungsverfahren im Sinne des § 9 VwVfG als auch außerhalb von Verwaltungsverfahren, etwa im Rahmen aufsichtlicher Verfahren und dortiger Auskunftsbegehren.32 Gemäß § 30 VwVfG haben die Beteiligten – im Fall aufsichtlicher Verfahren ohne Beteiligtenstellung die Aufsichtspflichtigen – Anspruch darauf, dass ihre Geheimnisse, insbesondere die zum persönlichen Lebensbereich gehörenden Ge30 Vgl. etwa die Richtlinien über die Beteiligung der Betriebsräte im Rahmen der Ausübung der Bergaufsicht des Landesoberbergamts NW vom 22.8.1972, zuletzt geändert durch Verfügung der Bezirksregierung Arnsberg vom 13.7.2009. 31 BT-Drs. 8/1315, S. 122. 32 Stelkens/Bonk/Sachs/Kallerhoff/Mayen VwVfG, § 30 Rn. 5; Kopp/Ramsauer VwVfG, § 30 Rn. 5; Knack/Henneke/Ritgen VwVfG, § 30 Rn. 12; Fehling/Kastner/Störmer/Schwarz Verwaltungsrecht, § 30 VwVfG Rn. 4; Bader/Ronellenfitsch/Herrmann VwVfG, § 30 Rn. 7; Ziekow VwVfG, § 30 Rn. 2; im Ergebnis ebenso Landmann/Rohmer/Hansmann/Röckinghaus Umweltrecht, § 52 BImSchG Rn. 33, die allerdings von einer unmittelbaren Anwendbarkeit des § 30 VwVfG im Aufsichtsverfahren ausgehen. Keienburg/Wiesendahl

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heimnisse, sowie Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse von der Behörde nicht unbefugt offenbart werden. Unter die zum persönlichen Lebensbereich gehörenden Geheimnisse fallen alle Privatgeheimnisse, die unter den Schutz der Persönlichkeits- und Intimsphäre fallen, etwa gesundheitliche Daten.33 Unter Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse fallen alle Tatsachen, die im Zusammenhang mit einem Geschäftsbetrieb stehen und an deren Geheimhaltung der Unternehmer ein schutzwürdiges wirtschaftliches Interesse hat; Betriebsgeheimnisse sind Tatsachen, die die technische Seite des Unternehmens betreffen, während Geschäftsgeheimnisse dem kaufmännischen Bereich zugeordnet sind.34 Der Geheimnisschutz gilt innerhalb der verpflichteten Behörde;35 Angehörigen der Bergauf- 21 sicht, die von Geheimnissen für die Erledigung der ihnen obliegenden Aufgaben keine Kenntnis haben müssen, dürfen Geheimnisse nicht weitergegeben werden. Der Geheimnisschutz setzt sich auch im Amtshilfeverfahren durch; § 30 VwVfG begründet einen Ausschluss i.S.d. § 5 Abs. 2 Satz 2 VwVfG von der grundsätzlichen Amtshilfepflicht.36 Der Geheimnisschutz gilt zudem und erst recht gegenüber Dritten soweit sich nicht aus gesetzlichen Regelungen anderes ergibt. Vorrangig ist der Geheimnisschutz im Rahmen von Akteneinsichtsanträgen Dritter, die auf § 29 Abs. 1 VwVfG gestützt sind; § 29 Abs. 2 VwVfG orientiert sich an den Maßstäben des § 30 VwVfG.37 Auch Informationsansprüchen auf Grundlage der Umweltinformationsgesetze oder der Informationsfreiheitsgesetze der Länder sind Grenzen durch den Geheimnisschutz gesetzt. Der dortige Geheimnisschutz ist allerdings kein absoluter. Gemäß der in den Ländern in der Regel entsprechend geltenden Vorschrift des § 9 Abs. 2 Satz 1 UIG des Bundes ist Anträgen auf Umweltinformationszugang, die personenbezogene Daten oder Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse offenbaren würden, trotz Geheimnisschutzes stattzugeben, wenn das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe gegenüber den Interessen des Geschützten überwiegt.38 Behördliche Mitteilungspflichten können sich aus Spezialgesetzen ergeben. Mitteilungspflichten gegenüber Strafverfolgungs- oder Ordnungswidrigkeitenbehörden bestehen dann, wenn Angehörige einer Behörde Kenntnis von strafbewehrten Handlungen oder Ordnungswidrigkeiten erhalten und in diesem Zusammenhang Geheimnisse offenbaren müssen.39 Der Geheimnisschutz begründet kein Zeugnisverweigerungsrecht vor Gericht.40 Im Verwaltungsprozess kann die Vorlage von Unterlagen und Akten, die Geheimnisse enthalten, von der zuständigen obersten Aufsichtsbehörde gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO verweigert werden.

VI. Ordnungswidrigkeiten Wird eine Auskunft nach Absatz 1 vorsätzlich oder fahrlässig nicht, nicht richtig oder nicht voll- 22 ständig erteilt, stellt dies gemäß § 145 Abs. 1 Nr. 14 eine Ordnungswidrigkeit dar. Ebenso begeht gemäß § 145 Abs. 1 Nr. 15 eine Ordnungswidrigkeit, wer entgegen Absatz 2 Satz 4 oder 5 das Betreten von Grundstücken, Geschäftsräumen, Einrichtungen oder Wasserfahrzeugen, die Vornahme 33 Stelkens/Bonk/Sachs/Kallerhoff/Mayen VwVfG, § 30 Rn. 10 ff.; Kopp/Ramsauer VwVfG, § 30 Rn. 9; Knack/Henneke/ Ritgen VwVfG, § 30 Rn. 15; Fehling/Kastner/Störmer/Schwarz Verwaltungsrecht, § 30 VwVfG Rn. 8; Bader/Ronellenfitsch/ Herrmann VwVfG, § 30 Rn. 9; Ziekow VwVfG, § 30 Rn. 4. 34 Stelkens/Bonk/Sachs/Kallerhoff/Mayen VwVfG, § 30 Rn. 13; Kopp/Ramsauer VwVfG, § 30 Rn. 9a; Knack/Henneke/Ritgen VwVfG, § 30 Rn. 19; Fehling/Kastner/Störmer/Schwarz Verwaltungsrecht, § 30 VwVfG Rn. 9; Bader/Ronellenfitsch/ Herrmann VwVfG, § 30 Rn. 10; Ziekow VwVfG, § 30 Rn. 4. 35 Stelkens/Bonk/Sachs/Kallerhoff/Mayen VwVfG, § 30 Rn. 25; Kopp/Ramsauer VwVfG, § 30 Rn. 10. 36 Stelkens/Bonk/Sachs/Kallerhoff/Mayen VwVfG, § 30 Rn. 25; Kopp/Ramsauer VwVfG, § 30 Rn. 14; Knack/Henneke/Ritgen VwVfG, § 30 Rn. 25; Fehling/Kastner/Störmer/Schwarz Verwaltungsrecht, § 30 VwVfG Rn. 14; Bader/Ronellenfitsch/ Herrmann VwVfG, § 30 Rn. 17; Ziekow VwVfG, § 30 Rn. 7. 37 Stelkens/Bonk/Sachs/Kallerhoff/Mayen VwVfG, § 29 Rn. 66; Kopp/Ramsauer VwVfG, § 30 Rn. 13. 38 Vgl. etwa den Verweis in § 2 Satz 3 UIG NRW auf die Vorschriften des UIG. 39 BVerwG 15.4.1988, 7 C 100/86, NJW 1988, 1863; Stelkens/Bonk/Sachs/Kallerhoff/Mayen VwVfG, § 30 Rn. 18; Knack/ Henneke/Ritgen VwVfG, § 30 Rn. 27. 40 Knack/Henneke/Ritgen VwVfG, § 30 Rn. 28. 891

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von Prüfungen oder Befahrungen, die Entnahme von Proben oder die Einsichtnahme in geschäftliche oder betriebliche Unterlagen nicht duldet oder Beauftragte bei Befahrungen nicht begleitet.

§ 71 Allgemeine Anordnungsbefugnis 1 Die zuständige Behörde kann im Einzelfall anordnen, welche Maßnahmen zur Durchführung der Vorschriften dieses Gesetzes, der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen und der nach § 176 Abs. 3 aufrechterhaltenen Rechtsverordnungen zu treffen sind. 2Dabei können Anordnungen, die über die auf Grund einer Rechtsverordnung oder eines zugelassenen Betriebsplans gestellten Anforderungen hinausgehen, nur getroffen werden, soweit dies zum Schutz von Leben, Gesundheit und Sachgütern Beschäftigter oder Dritter erforderlich ist. (2) Führt ein Zustand, der diesem Gesetz, einer auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnung, einem zugelassenen Betriebsplan, einer Nebenbestimmung der Zulassung, einer nachträglichen Auflage oder einer Anordnung nach Absatz 1 widerspricht, eine unmittelbare Gefahr für Beschäftigte oder Dritte herbei, so kann die zuständige Behörde anordnen, daß der Betrieb bis zur Herstellung des ordnungsgemäßen Zustandes vorläufig ganz oder teilweise eingestellt wird, soweit sich die Gefahr auf andere Weise nicht abwenden läßt oder die Einstellung zur Aufklärung der Ursachen der Gefahr unerläßlich ist. § 51 Abs. 1 gilt nicht. (3) Im Falle der Einstellung des Betriebes ohne zugelassenen Abschlussbetriebsplan kann die zuständige Behörde die erforderlichen Maßnahmen anordnen, um die Erfüllung der in § 55 Abs. 2 bezeichneten Voraussetzungen sicherzustellen.

(1)

Übersicht I.

Allgemeine Anordnungsbefugnis

1

II.

Grundsatzregelung (Absatz 1)

III.

Vorläufige Betriebseinstellung (Absatz 2)

IV.

Abschluss eines Betriebs (Absatz 3)

V.

Ermessen

VI.

3

Adressat

13

VII. Zeitliche Reichweite der Anordnungsbefug15 nis 6 VIII. Vollstreckung

16

9 IX.

Ansprüche Dritter

17

12

I. Allgemeine Anordnungsbefugnis 1 § 71 enthält die allgemeine bergaufsichtliche Anordnungsbefugnis, über die es der Bergbehörde ermöglicht wird, Anordnungen zur Wahrnehmung der in § 69 allgemein und ohne die Einräumung von Anordnungsbefugnissen geregelten Aufsicht zu treffen. Über § 71 kann die Bergbehörde Anordnungen zur Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Betriebs verfügen und die Erfüllung der objektiven Betriebsanforderungen sicherstellen. Diese allgemeine Anordnungsbefugnis ist das wichtigste Instrument der Bergbehörde zur Erfüllung der Aufgaben der Bergaufsicht.1 Anordnungsbefugnisse, die die Einhaltung der personenbezogenen Erfordernisse sicherstellen, sind speziell in § 73 geregelt. Ausgangslage der Norm ist ein jedenfalls im Ursprung zugelassener Betrieb. 1 BVerwG 18.12.2014, 7 C 22/12, BVerwGE 151, 156 Rn. 23 = ZfB 2015, 29 Rn. 23. Keienburg/Wiesendahl https://doi.org/10.1515/9783110709285-101

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Die Verhinderung unerlaubter Tätigkeiten ist speziell in § 72 geregelt. Allein eine Betriebseinstellung ohne zugelassenen Abschlussbetriebsplan ist von § 71 Abs. 3 erfasst, weil in diesem Fall keine Betriebsuntersagen zu verfügen ist bzw. eine Betriebsuntersagung nicht ausreichend ist, sondern Anordnungen zur Regelung der Betriebseinstellung erforderlich sind. Die in Absatz 1 und 2 geregelten Anordnungsbefugnisse unterliegen einer Eskalationsstu- 2 fung. Grundsätzlich ist die Bergbehörde gemäß Absatz 1 Satz 1 befugt, Anordnungen zur Einhaltung der Vorschriften des Bundesberggesetzes und der zugehörigen Rechtsverordnungen zu treffen. Anordnungen, die über die Anforderungen einer Rechtsverordnung oder eines zugelassenen Betriebsplans hinausgehen, können gemäß Absatz 1 Satz 2 nur getroffen werden, soweit dies zum Schutz von Leben, Gesundheit und Sachgütern Beschäftigter oder Dritter erforderlich ist. Eine vorläufige Betriebseinstellung als schwerster Eingriff ist gemäß Absatz 2 Satz 1 nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen eines objektiv rechtswidrigen Zustands, einer daraus resultierenden Gefahr und des Erfordernisses der vorläufigen Betriebseinstellung zur Gefahrenabwehr oder -aufklärung zulässig. Absatz 3 steht außerhalb des Stufenverhältnisses der vorherigen Absätze und enthält die erforderliche Anordnungsbefugnis zur Verfügung der für eine Betriebseinstellung erforderlichen Maßnahmen. Mit § 71 Absatz 1 bis 3 verfügt die Bergbehörde damit über eine umfassende Anordnungsbefugnis zur Sicherstellung der objektiven gesetzlichen Anforderungen. Ob bei Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen der Absätze 1 bis 3 eine behördliche Anordnung getroffen wird und mit welchem Inhalt steht im Ermessen der Bergbehörde. Die angeordnete Maßnahme muss verhältnismäßig sein.

II. Grundsatzregelung (Absatz 1) Die Anordnungsbefugnis aus Absatz 1 Satz 1 kann zur Anordnung von Maßnahmen zur Durchfüh- 3 rung der Vorschriften des Gesetzes oder bergrechtlicher Verordnungen, genutzt werden. Über Absatz 1 Satz 1 können damit schon auf Grundlage des Wortlauts des Satzes 1 allein Verfügungen getroffen werden, mit denen die Befolgung gesetzlicher Vorgaben aufgegeben wird. Gesetzliche Vorgaben in diesem Sinne können sich aus Betriebsplanzulassungen ergeben, da mit Betriebsplanzulassungen die erforderlichen Maßgaben zur Durchführung der Vorschriften des Bundesberggesetzes festgelegt werden.2 Gesetzliche Vorgaben ergeben sich weiterhin aus § 55 Abs. 1 für die Betriebsphase und zusätzlich aus § 55 Abs. 2 für die Phase des Betriebsabschlusses sowie aus bergrechtlichen Verordnungen. Über die Erfordernisse der berggesetzlichen Anforderungen, d.h. Betriebsplanzulassungen, § 55 Abs. 1 u. 2 i.V.m. § 48 Abs. 2 Satz 1 und Bergverordnungen hinausgehende Anordnungen zur Einhaltung sonstiger Anforderungen, etwa anderer gesetzlicher Regelwerke, können über Satz 1 nicht getroffen werden. Die Einhaltung sonstiger gesetzlicher oder genehmigungsrechtlicher Anforderungen ist, auch wenn sich die bergbehördliche Zuständigkeit kraft spezieller Aufgabenzuweisung ggf. auch auf diese Gesetze erstreckt, vgl. § 69 Rn. 8, nach Maßgabe der dafür einschlägigen fachgesetzlichen Vorschriften sicherzustellen. Begrenzt ist die Anordnungsbefugnis des Satzes 1 zudem durch die Einschränkung in Satz 2. Danach können Anordnungen, die über die Anforderungen einer bergrechtlichen Verordnung oder eines zugelassenen Betriebsplans hinausgehen, nur verfügt werden, wenn dies zum Schutz von Leben, Gesundheit und Sachgütern Beschäftigter oder Dritter erforderlich ist. Im Umkehrschluss ergibt sich daraus, dass die Anordnungsbefugnis der Bergaufsicht aus Satz 1 regelmäßig nur dazu genutzt werden kann, die Einhaltung der Vorgaben bergrechtlicher Verordnungen oder Betriebsplanzulassungen zu fordern. Die Anordnungsbefugnis aus Satz 1 ermöglicht damit eine Befolgungskontrolle, beschränkt auf die Kontrolle der Befolgung von Verordnungen und Betriebsplanzulassungen. Nur im Fall von Gefahren für Leben, Gesundheit und Sachgüter Beschäftigter oder Dritter können auf Grundlage des Absatzes 1 Satz 2 über die Vorgaben bergrechtlicher Verordnungen und 2 BVerwG 18.12.2014, 7 C 22/12; BVerwGE 151, 156 Rn. 23 = ZfB 2015, 29 Rn. 23; OVG Magdeburg, 3.11.2021, 2 M 18/21 = ZfB 2022, 9 Rn. 26; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 71 Rn. 5; Frenz/Beckmann BBergG, § 71 Rn. 4. 893

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zugelassener Betriebspläne hinausgehende Anordnungen getroffen und insoweit die Legalisierungswirkung einer Betriebsplanzulassung durchbrochen werden.3 Damit kann über Satz 2 erst nach Erlass einer Betriebsplanzulassung ersichtlich werdenden Gefahren begegnet werden. Auch diese über Satz 2 ermöglichten, über die Vorgaben von Rechtsverordnungen und Betriebsplanzulassungen potentiell hinausgehenden, Maßnahmen wiederum unterliegen der aus Satz 1 resultierenden absoluten Grenze einer Begründung durch das Gesetz; sie müssen also den im Gesetz geregelten Schutzzwecken und damit, da Satz 2 dem Schutz vor Gefahren für Leben, Gesundheit und Sachgüter Beschäftigter oder Dritter Rechnung trägt, dem Schutzzweck des § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 dienen. 4 Maßnahmen, die bereits im Betriebsplanzulassungsverfahren auf Grundlage der Zulassungsvoraussetzungen des § 55 i.V.m. § 48 Abs. 2 Satz 1 bei rechtzeitiger Erkenntnis nicht gefordert werden können, können auch über nachträgliche Anordnungen nicht verlangt werden.4 Die Zulassungsvoraussetzungen der §§ 55, 48 Abs. 2 Satz 1 stellen die Grenze bergbehördlicher Anordnungsbefugnisse dar. Die materiellen Befugnisse der Bergaufsicht gehen über die Befugnisse der Bergbehörde im Betriebsplanverfahren nicht hinaus. So können etwa im aufsichtlichen Verfahren keine Maßnahmen zum Schutz von Sachgütern vor kleinen bis mittleren Bergschäden aufgrund untertägigen Abbaus angeordnet werden. Der Sachgüterschutz gegenüber unverhinderbar Schäden verursachendem untertägigem Steinkohlenbergbau ist aufgrund der Moers-Kapellen-Entscheidung des BVerwG im Betriebsplanverfahren auf mit einiger Wahrscheinlichkeit zu erwartende schwere Bergschäden beschränkt; nur diese sind im Betriebsplanverfahren zu beachten und im Vergleich zu möglichen Gewinnungsvorteilen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung zu unterziehen.5 Diese Kriterien stellen auch die für aufsichtliche Anordnungen aufgrund zu erwartender Bergschäden maßgeblichen Schwellen dar.6 5 Gleichzeitig ergibt sich aus der Bindung der aufsichtlichen Anordnungsbefugnis an die Vorgaben des § 55 i.V.m. § 48 Abs. 2 Satz 1, dass dann, wenn ein Betrieb durch Betriebsplan zugelassen ist und nicht die Ausnahmen von einem Betriebsplanzulassungserfordernis aus § 51 Abs. 2 und 3 erfüllt sind, die nachträglichen Eingriffsmöglichkeiten der Bergbehörde in Gestalt der nachträglichen Aufnahme, Änderung oder Ergänzung von Auflagen gemäß § 56 Abs. 1 Satz 2 Vorrang vor einer aufsichtlichen Anordnung nach Absatz 1 haben;7 vgl. auch § 56 Rn. 24. Die Bergbehörden sind verpflichtet, die Erfüllung der Zulassungsvoraussetzungen der §§ 55, 48 Abs. 2 Satz 1 im Betriebsplanverfahren zu prüfen und sicherzustellen. Ergeben sich nach der eine Prognoseentscheidung darstellenden Betriebsplan3 OVG Magdeburg 18.8.2008, 2 M 143/08 = ZfB 2008, 193 f. 4 BVerwG 22.11.2018, 7 C 9/17 = ZfB 2019, 184 Rn. 17; BVerwG 16.3.1989, 4 C 36/85, BVerwGE 81, 329, 338 = ZfB 1989, 199, 203 und ebenso zuvor OVG Münster 20.12.1984, 12 A 704/83 = ZfB 1985, 198, 214 sowie VG Düsseldorf 19.10.1982, 3 K 1329/80 = ZfB 1983, 202, 218; OVG Magdeburg, 3.11.2021, 2 M 18/21 = ZfB 2022, 29 Rn. 27; VGH Kassel 2.12.2004, 4 UE 2874/ 02 = ZfB 2005, 25, 29; OVG Berlin-Brandenburg 27.3.2015, 11 S 14/15 = ZfB 2015, 94, 96; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 71 Rn. 38; vgl. Frenz/Beckmann BBergG, § 71 Rn. 19; Kühne DVBl 2006, 1219, 1222; Beddies Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Einstellung eines Bergwerkes, S. 138. 5 BVerwG 16.3.1989, 4 C 36/85, BVerwGE 81, 329, 344 f. = ZfB 1989, 199, 208 f. 6 OVG Magdeburg, 3.11.2021, 2 M 18/21 = ZfB 2022, 9 Rn. 27; OVG Münster 31.10.2013, 11 A 174/11 = ZfB 2013, 322, 323 und ebenso OVG Münster 31.10.2013, 11 A 1005/11 = ZfB 2013, 322, 323; VG Gelsenkirchen 25.11.2010, 8 K 5305/09 = ZfB 2011, 62, 63; VG Gelsenkirchen 10.6.2010, 8 K 4261/09 = ZfB 2010, 201, 203; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 71 Rn. 42; Frenz/Beckmann BBergG, § 71 Rn. 71; Kühne DVBl 2006, 1219, 1222; so auch von Weschpfennig Strukturen des Bergrechts, S. 283, der allerdings die Moers-Kapellen-Entscheidung des BVerwG skeptisch sieht. 7 BVerwG 18.12.2014, 7 C 22/12, BVerwGE 151, 156 Rn. 38 = ZfB 2015, 29 Rn. 38; BVerwG 16.3.1989, 4 C 36/85, BVerwGE 81, 329, 333 = ZfB 1989, 199, 203; OVG Münster 31.10.2013, 11 A 174/11 = ZfB 2013, 322 und ebenso OVG Münster 31.10.2013, 11 A 1005/11 = ZfB 2013, 322, 323; OVG Münster 26.1.2012, 11 A 2635/09 = ZfB 2012, 151, 157; OVG Bautzen 31.1.2001, 1 B 478/99 = ZfB 2001, 216, 217; Beckmann in: Kühne/Ehricke (Hrsg.) Bergrecht zwischen Tradition und Moderne, S. 195; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 71 Rn. 36; ausführlich Frenz/Beckmann BBergG, § 71 Rn. 18 ff.; Beckmann ZUR 2006, 295, 298; Kühne DVBl 2010, 874, 877; Kühne DVBl 2006, 1219, 1222; Predeick Ordnungsrechtliche Verantwortlichkeit für bergbauliche Anlagen, S. 38; Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht, Rn. 361; Beddies Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Einstellung eines Bergwerkes, S. 139; Heitmann ZfB 1990, 179, 187 f. Keienburg/Wiesendahl

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zulassung8 aufgrund nachträglicher Entwicklungen Zweifel an der Erfüllung der Zulassungsvoraussetzungen, hat die Bergbehörde zunächst zu prüfen, ob und inwieweit gemäß § 56 Abs. 1 Satz 2 Anlass zu einer nachträglichen Korrektur der Betriebsplanzulassung durch nachträgliche Auflagen besteht. Soll die durch Betriebsplanzulassung gestattete Betriebsführung dem Grunde nach eingeschränkt oder geändert werden, kann dies nur über einen Zugriff auf die die Betriebsführung legitimierende Zulassung durch nachträgliche Auflagen erfolgen. Für Anordnungen auf Grundlage des Absatz 1 ist nur insoweit Raum, als der Zweck der Anordnung nicht im Betriebsplanverfahren einschließlich nachträglicher Auflagen erreicht werden kann.9 Dies ist in der Regel nur dann der Fall, wenn Einzelfallregelungen zur Wiederherstellung des durch Betriebsplanzulassung oder Gesetz geforderten Zustands – einschließlich der Forderung zur Einreichung eines erforderlichen Betriebsplans, dazu noch unter Rn. 11 –10 oder zur Begegnung eines konkreten Gefahrenzustands getroffen werden sollen.11 Die einschränkenden Voraussetzungen einer nachträglichen Auflage aus § 56 Abs. 1 Satz 2 hinsichtlich technischer Vertretbarkeit gelten auch für Anordnungen gemäß Absatz 1. Die weitere Voraussetzung wirtschaftlicher Vertretbarkeit aus § 56 Abs. 1 Satz 2 gilt für Anordnungen gemäß Absatz 1 allenfalls eingeschränkt, wenn eine vergleichbare Interessenlage besteht.12 Eine derartige vergleichbare Interessenlage hat das BVerwG in einem Fall verneint, in dem in einer Abschlussbetriebsplanzulassung die Bewältigung einer bedeutenden und kostspieligen Folge der Betriebseinstellung bewusst offen gelassen und einer späteren Entscheidung vorbehalten worden war, so dass der Unternehmer durch die spätere behördliche Anordnung nicht in schutzwürdigem Vertrauen auf einen Fortbestand der Abschlussbetriebsplanzulassung in ihrer anfänglichen Form enttäuscht werden konnte.13 Damit ist aber die Möglichkeit einer vergleichbaren Interessenlage nicht generell ausgeschlossen. Vielmehr kommt insbesondere hinsichtlich der Betriebsführung ein aus Betriebsplanzulassungen resultierender Vertrauensschutz mit der Folge eines Ausschlusses wirtschaftlich unvertretbarer Anordnungen gemäß § 71 Abs. 1 in Betracht.14

III. Vorläufige Betriebseinstellung (Absatz 2) Absatz 2 Satz 1 berechtigt die Bergaufsicht, eine vorläufige Betriebseinstellung zu verfügen, wenn 6 ein Zustand, der dem Gesetz, einer aufgrund des Gesetzes erlassenen Rechtsverordnung, einem zugelassenen Betriebsplan, einer Nebenbestimmung der Zulassung, einer nachträglichen Auflage oder einer Anordnung nach Absatz 1 widerspricht, eine unmittelbare Gefahr für Beschäftigte oder Dritte herbeiführt und die Betriebseinstellung zur Gefahrenabwehr oder Aufklärung der Gefahrenursachen unerlässlich ist. Eine vorläufige Betriebseinstellung stellt als schärfstes aufsichtliches Mittel die ultima ratio möglicher Verfügungen der Bergbehörde dar.15 Voraussetzung einer einstweiligen Betriebseinstellung ist zunächst, dass ein der Rechtslage 7 oder einer Betriebsplanzulassung widersprechender Zustand vorliegt. Es handelt sich um eine 8 Zum Charakter der Betriebsplanzulassung als Prognoseentscheidung: OVG Saarlouis 22.8.2001, 2 W 1/01 = ZfB 2001, 287, 291.

9 BVerwG 16.3.1989, 4 C 36/85, BVerwGE 81, 329, 333 = ZfB 1989, 199, 203; OVG Bautzen 31.1.2001, 1 B 478/99 = ZfB 2001, 216, 217. 10 BVerwG 18.12.2014, 7 C 22/12, BVerwGE 151, 156 Rn. 23 ff. u. 34 ff. = ZfB 2015, 29 Rn. 23 ff. u. 34 ff. 11 VG Düsseldorf 19.10.1982, 3 K 1329/80 = ZfB 1983, 202, 218. 12 BVerwG 18.12.2014, 7 C 22/12, BVerwGE 151, 156 Rn. 42 = ZfB 2015, 29 Rn. 42; OVG Magdeburg, 3.11.2021, 2 M 18/21 = ZfB 2022, 9 Rn. 92 ff. 13 BVerwG 18.12.2014, 7 C 22/12, BVerwGE 151, 156 Rn. 42 = ZfB 2015, 29 Rn. 42. 14 Generell für die Berücksichtigung der wirtschaftlichen Vertretbarkeit: Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 71 Rn. 35; Wolfers/Ademmer DVBl 2010, 22, 25; Predeick Ordnungsrechtliche Verantwortlichkeit für bergbauliche Anlagen, S. 38; Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht, Rn. 361; Heitmann ZfB 1990, 179, 188; a.A. Frenz/Beckmann BBergG, § 71 Rn. 21 und Beddies Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Einstellung eines Bergwerkes, S. 140. 15 OVG Saarlouis 22.11.2007, 2 B 181/07 = ZfB 2008, 270, 284; OVG Saarlouis 17.10.2005, 2 W 13/05 = ZfB 2006, 175, 177; VG Saarlouis 10.6.2005, 5 F 12/05 = ZfB 2006, 222, 223. 895

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rein objektive Eingriffsvoraussetzung. Auf ein schuldhaftes Verhalten des Bergbautreibenden kommt es nicht an. Aus dem regelwidrigen Zustand muss als zusätzliche Voraussetzung einer einstweiligen Betriebseinstellung eine unmittelbare Gefahr für Beschäftigte oder Dritte resultieren. Andere Schutzgüter als Leben und Gesundheit, etwa Sachgüter oder Bodenschätze, werden über Absatz 2 nicht geschützt. Eine unmittelbare Gefahr ist zu bejahen, wenn sich aus tatsächlichen Anhaltspunkten bei verständiger Würdigung eine hinreichende Wahrscheinlichkeit eines zeitlich nicht ganz entfernt liegenden Schadeneintritts ergibt.16 Ausgeklammert werden damit Gefahrenverdachtsmomente, die den polizeirechtlichen Gefahrentatbestand erfüllen,17 aber keine unmittelbare Gefahr darstellen. Ausgeklammert werden ferner solche Ereignisabläufe, bei denen der Eintritt eines Schadens absehbar noch Jahre auf sich warten lassen wird.18 Im Übrigen dürfen die Anforderungen an das Vorliegen einer konkreten Gefahr mit Rücksicht auf den Rang der Schutzgüter Leben und Gesundheit nicht überspannt werden.19 Sind die Tatbestandsvoraussetzungen des Absatzes 2 Satz 1 erfüllt, kommt auf Grundlage der 8 von der Bergbehörde zu treffenden Ermessensentscheidung, dazu unter Rn. 12, eine vorläufige Betriebseinstellung in Betracht, wenn dies zur Abwehr oder Untersuchung der Gefahr unabwendbar ist. Die Vorläufigkeit der Betriebseinstellung kann durch zeitliche Befristung oder – wahrscheinlicher – durch auflösende Bedingung gekennzeichnet werden. Eine endgültige Betriebseinstellung kann im aufsichtlichen Verfahren nicht verfügt werden. Legitimationsgrundlage der Betriebseinstellung ist im Fall einer Anordnung gemäß Absatz 2 Satz 1 die behördliche Anordnung. Eine zusätzliche Betriebsplanzulassung der Betriebseinstellung ist zur Legitimation einer behördlich verfügten temporären Betriebseinstellung nicht erforderlich; das stellt Absatz 2 Satz 2 klar. Mündet eine behördlich verfügte vorläufige Betriebseinstellung in einer endgültigen Betriebseinstellung, ist dafür eine Abschlussbetriebsplanzulassung erforderlich. Absatz 2 Satz 2 dispensiert den Unternehmer nicht von der Verpflichtung zum ordnungsgemäßen Abschluss eines Betriebs bei dauerhafter Einstellung durch Abschlussbetriebsplanzulassung.

IV. Abschluss eines Betriebs (Absatz 3) 9 Zum Zwecke der Betriebseinstellung ist der Unternehmer gemäß § 51 Abs. 1 – vorbehaltlich einer Befreiung gemäß § 51 Abs. 3 – verpflichtet, einen Abschlussbetriebsplan einzureichen und zur Zulassung zu stellen. Auf diese Weise wird gewährleistet, dass eine den Anforderungen des § 55 Abs. 2 genügende ordnungsgemäße Betriebseinstellung behördlich geprüft und erst nach behördlicher Prüfung zugelassen wird. Im Fall einer Betriebseinstellung ohne zugelassenen Abschlussbetriebsplan kann die Bergaufsicht gemäß Absatz 3 die erforderlichen Maßnahmen anordnen, um die Erfüllung der Voraussetzungen einer ordnungsgemäßen Betriebsbeendigung gemäß § 55 Abs. 2 sicherzustellen. Liegt eine Abschlussbetriebsplanzulassung vor, ist der Anwendungsbereich des Absatzes 3 10 versperrt. Die Bergbehörde kann daher etwaige im Nachgang zu einer Abschlussbetriebsplanzulassung erforderlich werdende Maßnahmen zur Betriebseinstellung, die über die in der Abschlussbetriebsplanzulassung geregelten Maßnahmen hinausgehen, nicht auf Grundlage des Absatzes 3 verfügen. Zur Verfügung zusätzlicher Maßnahmen der Betriebseinstellung im Nachgang zu einer Abschlussbetriebsplanzulassung steht der Bergbehörde die Möglichkeit nachträglicher Auflagen gemäß § 56 Abs. 1 Satz 2, die ausweislich des Verweises in § 56 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 auf § 55 Abs. 2 auch auf Abschlussbetriebsplanzulassungen Anwendung finden, zur Verfügung; die restriktiven Voraussetzungen nachträglicher Auflagen können nicht durch eine Anordnung gemäß Absatz 3 16 BVerfG 26.1.2001, 1 BvQ 8/01, DVBl 2001, 721; BVerfG 14.5.1985, 1 BvR 233/81, BVerfGE 69, 315, 353 f. 17 BVerfG 14.5.1985, 1 BvR 233/81, BVerfGE 69, 315, 354; OVG Münster 7.6.1978, IV A 330/77, DVBl 1979, 733, 733 f.; Di Fabio DÖV 1991, 629, 633.

18 BVerwG 26.6.1970, IV C 99/67, NJW 1970, 1890, 1892. 19 OVG Münster 18.10.1972, IV A 845/71 = ZfB 1973, 429, 435 zu § 196 Abs. 1, 2 ABG. Keienburg/Wiesendahl

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umgangen werden, dazu bereits Rn. 5. Darüber hinaus stehen bei Erfüllung der Voraussetzungen des Absatzes 1 oder 2 die dort normierten Anordnungsbefugnisse auch in der Phase der Betriebseinstellung zur Verfügung; insbesondere Absatz 1 aber auch Absatz 2 sind nicht auf die aktive Betriebsphase von Aufsuchung, Gewinnung und Aufbereitung beschränkt. Kommt der Unternehmer seiner Verpflichtung zur Einreichung eines Abschlussbetriebsplans 11 nicht nach, steht der Bergbehörde zusätzlich zur Anordnungsbefugnis aus Absatz 3, die die Behörde zur Anordnung konkreter Maßnahmen berechtigt, aus Absatz 1 Satz 1 die Befugnis zur Anordnung der Vorlage eines Abschlussbetriebsplans zu.20 Dem steht auf Grundlage der Meggen-Entscheidung des BVerwG nicht entgegen, dass das Betriebsplanverfahren gemäß § 54 Abs. 1 ein Antragsverfahren ist. Anders als Betriebspläne zur Errichtung und Führung eines Betriebs, denen eine begünstigende Wirkung zukommt, und die deshalb nicht aufgedrängt werden dürfen, steht ein Abschlussbetriebsplan nach Führung eines Bergbaubetriebs nicht im Belieben des Unternehmers, sondern ist aus Gründen der Gefahrenabwehr verpflichtend. Der Unternehmer kann daher über eine bergbehördliche Anordnung nach Absatz 1 Satz 1 zur Vorlage eines Abschlussbetriebsplans zur Umsetzung der entsprechenden gesetzlichen Pflicht angehalten werden. Dem steht nicht die zusätzliche Anordnungsbefugnis in Absatz 3 entgegen, da diese die behördlichen Möglichkeiten lediglich erweitert.21 Dem steht auch nicht entgegen, dass eine Verpflichtung zur Aufstellung und Vorlage eines Abschlussbetriebsplans höchstpersönlicher Natur ist und daher die Verpflichtung zur Einreichung eines Antrags nicht im Wege der Ersatzvornahme erzwingbar ist.22 Denn auf das Zwangsmittel des Zwangsgeldes kann zurückgegriffen werden.23

V. Ermessen Die Anordnungsbefugnis des § 71 stellt sich in allen Tatbestandsalternativen als Ermessensrege- 12 lung dar. Anordnungen nach Absatz 1 bis 3 können getroffen werden. Daraus ergibt sich auf Grundlage des Wortlauts ein Ermessen der Behörde, ob und welche Anordnungen sie trifft. Die Behörde muss sowohl ihr Einschreitensermessen als auch ihr Auswahlermessen ausüben. Eines behördlichen Einschreitens bedarf es dann nicht, wenn der Unternehmer selbst geeignete Abhilfemaßnahmen ergreift. Anderenfalls wird das behördliche Ermessen des „Ob“ einer Maßnahme dann, wenn es um die Einhaltung zwingender Vorgaben i.S.d. Absatzes 1 Satz 1 geht und erst recht dann, wenn es in den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 u. Absatz 2 um die Abwehr von Gefahren geht, regelmäßig auf Null reduziert sein und nur ein Auswahlermessen der zu verfügenden Maßnahmen bestehen. Die Auswahl der konkret verfügten Maßnahmen und damit des „Wie“ muss dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügen. Das zur Abhilfe verfügte Mittel muss erforderlich, geeignet und angemessen sein. Die Angemessenheit, d.h. die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne, ist abhängig von dem angestrebten Erfolg auf der einen Seite in Abwägung zu dem mit der 20 BVerwG 18.12.2014, 7 C 22/12, BVerwGE 151, 156 Rn. 34 ff. = ZfB 2015, 29 Rn. 34 ff.; im Ergebnis ebenso die Vorinstanz OVG Münster 26.1.2012, 11 A 2635/09 = ZfB 2012, 151, 159 ff.; OVG Magdeburg, 3.11.2021, 2 M 18/21 = ZfB 2022, 9 Rn. 73; VG Cottbus 3.11.2011, 3 K 356/09 = ZfB 2011, 62, 70; von Weschpfennig Strukturen des Bergrechts, S. 268; Nolte ZfB 2018, 77, 84 f.; Beckmann in: Kühne/Ehricke (Hrsg.) Bergrecht zwischen Tradition und Moderne, S. 190 ff. u. Terwiesche NVwZ 2007, 284, 286; a.A. VG Arnsberg 16.10.2009, 13 K 1587/08 = ZfB 2011, 261, 265 f.; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 71 Rn. 39; Frenz/Beckmann BBergG, § 71 Rn. 23 f.; Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht, S. 101 Rn. 359; Beddies Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Einstellung eines Bergwerkes, S. 136 f.; offen gelassen vom OVG Bautzen 31.5.2001, 1 L 110/01 = ZfB 2001, 220, 221. 21 BVerwG 18.12.2014, 7 C 22/12, BVerwGE 151, 156 Rn. 37 = ZfB 2015, 29 Rn. 37. 22 BT-Drs. 8/1315, S. 123; BVerwG 18.12.2014, 7 C 22/12, BVerwGE 151, 156 Rn. 25 = ZfB 2015, 29 Rn. 25; VG Arnsberg 22.11.2012, 7 K 3226/11, juris Rn. 22 ff.; VG Arnsberg 16.10.2009, 13 K 1587/08 = ZfB 2011, 261, 266; VG Aachen 26.2.2007, 9 K 4145/04 = ZfB 2007, 154, 156; Beddies Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Einstellung eines Bergwerkes, S. 135; offen gelassen vom OVG Münster 26.1.2012, 11 A 2635/09 = ZfB 2012, 151, 159 und vom OVG Bautzen 31.5.2001, 1 L 110/ 01 = ZfB 2001, 220, 221. 23 BVerwG 18.12.2014, 7 C 22/12, BVerwGE 151, 156 Rn. 25 = ZfB 2015, 29 Rn. 25. 897

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Anordnung verbundenen Eingriff auf der anderen Seite.24 Das schärfste aufsichtliche Mittel stellt die Betriebseinstellung dar. Diese ist nur im Fall des Absatzes 2 verfügbar. Gleichzeitig stellt eine Betriebseinstellung bei Erfüllung der Eingriffsvoraussetzungen des Absatzes 2 Satz 1, wenn ein regelwerkswidriger Zustand eine unmittelbare Gefahr für Beschäftigte oder Dritte begründet, die nicht anders abwendbar ist, als durch Betriebseinstellung, auch das einzig in Betracht kommende Mittel dar.25 Liegt dagegen keine unmittelbare Gefahr für Beschäftige oder Dritte vor oder ist diese auf andere Weise beherrschbar, als durch eine Betriebseinstellung, darf eine Betriebseinstellung nicht angeordnet werden, sondern ist ein milderes Mittel zu wählen. Das Mittel ist sowohl inhaltlich als auch umfänglich an den erstrebten Zweck anzupassen. Maßnahmen, die inhaltlich oder umfänglich über den erstrebten Zweck hinausgehen, sind unverhältnismäßig.

VI. Adressat 13 § 71 enthält keine ausdrückliche Aussage darüber, gegen wen sich bergbehördliche Anordnungen zulässigerweise richten können. Seit Beginn des Inkrafttretens der Vorschrift wurde daher streitig diskutiert, ob sich die Adressatenstellung einer bergbehördlichen Anordnung aus der Unternehmereigenschaft gemäß § 58 ergibt und daneben für das allgemeine Ordnungsrecht kein Raum bleibe26 oder ob sich die Adressateneigenschaft mangels ausdrücklicher Regelung in § 71 nach allgemeinem Ordnungsrecht und damit nach den Störergrundsätzen richte.27 Das BVerwG hat mit Urteil vom 13.12.2007 im Zusammenhang mit der bergaufsichtlichen Inanspruchnahme des Insolvenzverwalters einer bergbautreibenden Gesellschaft entschieden, dass Anordnungen auf Grundlage des § 71 Abs. 1 Satz 1 „in erster Linie gegen die verantwortlichen Personen im Sinne des § 58 BBergG zu richten“ sind. § 58 – so das BVerwG weiter – „hat Vorrang gegenüber landesrechtlichen Vorschriften über die allgemeine ordnungsrechtliche Verantwortlichkeit.“28 Die Inanspruchnahmemöglichkeit des Insolvenzverwalters, der den Bergwerksbetrieb nicht kraft eigenen Rechts und im eigenen Namen fortbetrieben hat, nach § 71 Abs. 1 Satz 1 verneinte das BVerwG im entschiedenen Fall, da maßgeblich für die Verantwortlichkeit nach § 58 Abs. 1 die Ausübung einer bergbaulichen Tätigkeit im Sinne des § 4 Abs. 5 und nicht die – bei fehlender Fortführung des Bergbaubetriebs durch den Insolvenzverwalter – allein bestehende tatsächliche Sachherrschaft des Insolvenzverwalters sei. Die Verantwortlichkeit nach § 58 Abs. 1 sei – so das BVerwG – „der Verhaltenshaftung des allgemeinen Ordnungsrechts vergleichbar“.29 Das BVerwG hat damit klargestellt, dass sich die Adressatenstellung bergaufsichtlicher Anordnungen gemäß § 71 nicht nach allgemeinem Ordnungsrecht, sondern nach § 58 richtet. Aus der vom BVerwG verwandten einschränkenden Formulierung, dass Anordnungen „in erster Linie“ gegen die verantwortlichen Personen im Sinne des § 58 zu richten sind, ergibt sich nichts anderes. Diese Formulierung nimmt Bezug auf den Wortlaut des § 58 Abs. 1 selbst, der eine Verantwortung der in Nummern 1 und 2 aufgeführten verantwortlichen Personen regelt, „soweit dieses Gesetz oder eine aufgrund dieses Gesetzes erlassene Rechtsverordnung nichts anderes bestimmt“; abweichende Regelungen der Verantwortlichkeit sind damit auf Grundlage des BBergG oder der auf seiner Grundlage erlasse24 VG Cottbus 3.11.2011, 3 K 356/09 = ZfB 2012, 62, 70. 25 Der BGH hat bereits mit Urteil vom 2.4.1962, III ZR 15/61, DVBl 1962, 488 zum allgemeinen Polizeirecht entschieden, dass die Polizei einschreiten muss, wenn es um die Abwendung einer unmittelbaren Gefahr für wesentliche Rechtsgüter geht; dies gilt im Bergrecht ebenso. 26 So inzwischen OVG Münster 26.1.2012, 11 A 2635/09 = ZfB 2012, 151, 157; VGH München 24.8.2010, 8 BV 06/1795 = ZfB 2011, 114 Rn. 22; Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht, Rn. 392 ff.; Beddies Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Einstellung eines Bergwerkes, S. 130; Weller ZfB 1992, 30, 36; Weller ZfB 1987, 13, 21; Kirchner/Kremer ZfB 1990, 189, 198. 27 So früher OVG Münster 8.4.1986, 12 A 1022/85 = ZfB 1986, 377, 381; VG Aachen 26.2.2007, 9 K 4145/04 = ZfB 2007, 154, 158 ff.; VG Arnsberg 19.10.1990, 3 K 2214/89 = ZfB 1991, 147, 150; Frenz Unternehmerverantwortung, S. 84; Predeick Ordnungsrechtliche Verantwortlichkeit für bergbauliche Anlagen, S. 43 f. 28 BVerwG 13.12.2007, 7 C 40/07 = ZfB 2008, 57, 58. 29 BVerwG 13.12.2007, 7 C 40/07 = ZfB 2008, 57, 58. Keienburg/Wiesendahl

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nen Rechtsverordnungen möglich. Eine davon abweichende Bestimmung der Verantwortlichkeit auf Grundlage des allgemeinen Ordnungsrechts ist ausgeschlossen. Dies hat das BVerwG mit Urteil vom 14.4.2011 nochmals und unter ausdrücklicher Betonung, dass sich aus der Formulierung „in erster Linie“ keine subsidiäre Anwendbarkeit des allgemeinen Ordnungsrechts ergibt, entschieden.30 Damit besteht für die Anwendung der Störergrundsätze des allgemeinen Ordnungsrechts neben der Verantwortlichkeitsregelung des § 58 kein Raum.31 Anderes gilt für eine Inanspruchnahme des Insolvenzverwalters auf Grundlage des § 10 Abs. 1 BBodSchG. Die Anordnungsbefugnis aus § 10 Abs. 1 BBodSchG wird durch § 71 Abs. 1 nicht verdrängt; dazu § 69 Rn. 27. Auch die Verneinung einer Verhaltenshaftung des Insolvenzverwalters in Fällen, in denen er bergbaulich nicht selbst als Unternehmer tätig geworden ist, steht seiner Inanspruchnahme nach Bodenschutzrecht nicht entgegen. Zwar haftet der Insolvenzverwalter nicht als Verursacher für ein in der Vergangenheit liegendes Verhalten des Insolvenzschuldners. In Betracht kommt aber eine Zustandsstörerhaftung des Insolvenzverwalters, da die Haftung aus § 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG nicht an ein Verhalten, sondern an die tatsächliche Sachherrschaft anknüpft.32 Im Fall mehrerer in Betracht kommender Adressaten muss die Bergbehörde im Rahmen des 14 ihr zukommenden Ermessens eine Auswahlentscheidung treffen. Dies gilt in Fällen bereits stillgelegter Betriebe, da dann zusätzlich zu dem Unternehmer gemäß § 58 Abs. 2 auch der Inhaber der Aufsuchungs- und Gewinnungsberechtigung ordnungsrechtlich haftet. Existieren sowohl der Unternehmer als auch der Inhaber der Berechtigung, bedarf es einer behördlichen Störerauswahl.33 In der Rechtsprechung wird bei der ordnungsrechtlichen Störerinanspruchnahme aufgrund des Verursacherprinzips oftmals eine vorrangige Inanspruchnahme des Verhaltensstörers vor dem Zustandsstörer propagiert.34 Dies gilt aber nur dann, wenn die Inanspruchnahme eines Zustandsstörers nicht effektiver ist. Entscheidend für die Störerauswahl ist im Ordnungsrecht die Effektivität der Gefahrenabwehr.35 Gleiches gilt im Falle der bergrechtlichen Auswahlentscheidung. Dies führt oftmals zu einer vorrangigen Inanspruchnahme des Unternehmers als Handlungsstörer vor dem Inhaber der Berechtigung als Zustandsstörer. Ein Automatismus wohnt dieser Rangfolge aber nicht inne. Trifft die Bergbehörde überhaupt keine Auswahlentscheidung, ist die Entscheidungsfindung unabhängig von dem Ergebnis aufgrund Ermessensausfalls rechtswidrig.36

VII. Zeitliche Reichweite der Anordnungsbefugnis Anders als privatrechtliche oder öffentlich-rechtliche Ansprüche, die gemäß § 194 Abs. 1 BGB der 15 Verjährung unterliegen, verjähren ordnungsrechtliche Eingriffsbefugnisse der Behörden nicht.37 30 BVerwG 14.4.2011, 7 B 8/11 = ZfB 2011, 112 Rn. 9; die gegenteilige Auffassung von Kirchner UPR 2010, 161, 167, der aus der Entscheidung des BVerwG vom 13.12.2007 schlussfolgerte, dass das BVerwG eine ergänzende Anwendung der landesrechtlichen Regelungen für möglich erachte, ist damit überholt. 31 Zu der davon getrennten Frage einer Inanspruchnahmemöglichkeit des Insolvenzverwalters auf Grundlage der §§ 10 Abs. 1, 4 Abs. 3 BBodSchG verhalten sich die Entscheidungen des OVG Magdeburg vom 12.12.2013, 2 L 20/12 = ZfB 2014, 159, 164 f., vom 19.9.2013, 2 M 114/13, UPR 2014, 274, 278 und vom 9.5.2012, 2 M 13/12 = ZfB 2012, 247, 253 und die davon abweichende Entscheidung des VG Magdeburg vom 4.3.2013, 1 A 328/11, juris Rn. 42 ff. 32 OVG Magdeburg 22.4.2015, 4 L 48/13, NVwZ-RR 2015, 929 Rn. 60. 33 VG Regensburg 27.11.2008, RO 2 K 07/1982, nicht veröffentlicht; Predeick Ordnungsrechtliche Verantwortlichkeit für bergbauliche Anlagen, S. 186. 34 VGH Kassel 21.5.1997, 7 TG 2293/95, NVwZ-RR 1998, 747, 749. 35 Lisken/Denninger/Bäcker Handbuch des Polizeirechts, Kapitel D Rn. 208; Drews/Wacke/Vogel/Martens Gefahrenabwehr, S. 304 f. 36 VG Regensburg 27.11.2008, RO 2 K 07/1982, nicht veröffentlicht. 37 BVerwG 18.12.2014, 7 C 22/12, BVerwGE 151, 156 Rn. 47 = ZfB 2015, 29 Rn. 47; OVG Münster 30.5.1996, 20 A 2640/94, NVwZ 1997, 507, 511; VGH Mannheim 4.3.1996, 10 S 2687/95, NVwZ-RR 1996, 387, 390; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 71 Rn. 72 und 86; Frenz/Beckmann BBergG, § 71 Rn. 44; Beckmann/Wittmann FS Kühne (2009), S. 442; Kummermehr in: Frenz/Preuße (Hrsg.) Grubengas: Entstehung, Gefahren, Nutzung, S. 67 ff. 899

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Auch eine Verwirkung öffentlich-rechtlicher Einschreitensbefugnisse zur Gefahrenabwehr ist zu verneinen.38 Eine zeitliche Begrenzung für nachträgliche Anordnungen ergibt sich allein aus dem allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz; dazu § 69 Rn. 22.

VIII. Vollstreckung 16 Die Vollstreckung bergbehördlicher Anordnungen richtet sich nach den Vorgaben der Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder. Voraussetzung der Vollstreckung einer behördlichen Anordnung, d.h. ihre Durchsetzung mit Zwangsmitteln, ist immer, dass die zu vollstreckende Anordnung entweder unanfechtbar ist oder ein Rechtsmittel aufgrund sofortiger Vollziehbarkeit der Anordnung keine aufschiebende Wirkung entfalten kann. Nur dann kann die Behörde eine Anordnung mit den ihr zustehenden Zwangsmitteln, nämlich Ersatzvornahme, soweit nicht höchstpersönliche Handlungen in Rede stehen, vgl. Rn. 11, Zwangsgeld und unmittelbarer Zwang durchsetzen. Voraussetzung dafür ist stets eine vorherige Androhung des Zwangsmittels und dessen Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne. Nur ausnahmsweise kann Verwaltungszwang ohne eine vorausgehende behördliche Anordnung angewendet werden, wenn dies zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr notwendig ist und die Vollzugsbehörde dabei innerhalb ihrer Befugnisse handelt.39

IX. Ansprüche Dritter 17 Ein Anspruch Dritter gegen die Bergbehörde auf ordnungsrechtliches Einschreiten nach § 71 BBergG besteht grundsätzlich nicht. Drittschutz begründet § 71 i.V.m. § 48 Abs. 2 Satz 1 BBergG nur in den Fällen schwerwiegender, über das normale Bild von Bergschäden hinausgehender Folgen, wie z.B. dem Totalverlust von Gebäuden;40 vgl. dazu auch schon Rn. 4. Anders gilt für anerkannte Vereinigungen, denen aus § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 i.V.m. § 2 Abs. 1 UmwRG ein Klagerecht gegen Verwaltungsakte über Überwachungs- oder Aufsichtsmaßnahmen zur Umsetzung oder Durchführung von Entscheidungen nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 UmwRG, die der Einhaltung umweltbezogener Rechtsvorschriften des Bundesrechts, des Landesrechts oder unmittelbar geltender Rechtsakte der Europäischen Union dienen, zustehen kann. Ebenso kann ihnen ein Klagerecht aus § 1 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 2 Abs. 1 UmwRG zustehen, wenn entgegen geltenden Rechtsvorschriften keine Entscheidung nach § 1 Abs. Satz 1 UmwRG getroffen worden, also ggf. eine erforderliche aufsichtliche Anordnung zur Einhaltung umweltbezogener Rechtsvorschriften unterblieben ist.

§ 72 Verhinderung unerlaubter Tätigkeiten, Sicherstellung (1)

1

Wird die Aufsuchung oder Gewinnung bergfreier Bodenschätze ohne die erforderliche Berechtigung ausgeübt oder wird ein Betrieb ohne die nach § 51 notwendigen und zugelassenen Betriebspläne oder ohne eine Genehmigung, allgemeine Zulassung oder Prüfung durchgeführt, die nach den Vorschriften der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen oder aufrechterhaltenen Rechtsverordnungen erforderlich ist, so kann die zuständige Behörde die Fortsetzung der Tätigkeit untersagen. 2Im Bereich des Festlandsockels und

38 VGH Mannheim 29.3.2000, 1 S 1245/99 = ZfB 2000, 140, 145 f. 39 Bejaht für die Sicherung eines Tagesbruchs in einem Wohngebiet mit der Möglichkeit des Einsturzes von Personen: VG Köln 21.9.1995, 1 K 2866/92 = ZfB 1996, 89, 91 f.; verneint für Sicherungsmaßnahmen eines Schachts im Bereich einer Bundesstraße, die ohnehin für den Kfz-Verkehr gesperrt war: OVG Münster 9.4.2008, 11 A 1386/05, NVwZ-RR 2008, 437 f. 40 VG Lüneburg 20.5.2021, 2 A 238/17 = ZfB 2021, 329, 333; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 71 Rn. 102; Frenz/ Beckmann BBergG, § 71 Rn. 27. Keienburg/Wiesendahl https://doi.org/10.1515/9783110709285-102

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der Küstengewässer ist im Falle der Untersagung die Beseitigung der Einrichtungen anzuordnen, die der Ausübung der Tätigkeit zu dienen bestimmt sind. (2) 1Die zuständige Behörde kann explosionsgefährliche und zum Sprengen bestimmte explosionsfähige Stoffe, Zündmittel, Sprengzubehör sowie sonstige Gegenstände sicherstellen und verwerten, wenn diese Gegenstände zur Verwendung in den der Bergaufsicht unterliegenden Betrieben nicht zugelassen sind oder wenn es erforderlich ist, um ihre unbefugte Verwendung zu verhindern. 2Der Erlös aus der Verwertung tritt an die Stelle der sichergestellten Gegenstände.

Übersicht I. 1. 2. 3.

Untersagungsverfügung (Absatz 1) 2 Formelle Illegalität 8 Ermessen 11 Dauer

1

4.

Beseitigungsanordnung

II.

Sicherstellung (Absatz 2)

12 14

I. Untersagungsverfügung (Absatz 1) Auf Grundlage des Absatzes 1 kann die Bergbehörde die Fortsetzung unerlaubter Tätigkeiten un- 1 tersagen.1 Unerlaubt sind nur solche Tätigkeiten, die aufgrund Fehlens einer erforderlichen staatlichen Zulassung formell illegal sind. In diesem Fall ist die allgemeine Anordnungsbefugnis aus § 71 nicht einschlägig; § 72 ist lex specialis.2 Ein Verstoß gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften, die keine Zulassungs- oder Prüferfordernisse begründen, sondern außerhalb von Zulassungsverfahren zu beachtende Pflichten normieren, rechtfertigt keine Untersagungsverfügung gemäß Absatz 1, da in diesem Fall keine formelle Illegalität vorliegt. Verstöße gegen bergrechtliche Pflichten außerhalb von Zulassungs- oder Prüfverfahren rechtfertigen nur unter den Voraussetzungen des § 71 behördliche Anordnungen. Verstöße gegen Vorgaben außerhalb der bergrechtlichen Regelungen rechtfertigen ein Einschreiten der Bergbehörden weder über § 71 noch über § 72. Das Fehlen von Genehmigungen oder Zulassungen nach anderen Rechtsgebieten, etwa eine fehlende Baugenehmigung für übertägige Gebäude, rechtfertigt eine bergbehördliche Untersagungsanordnung nicht; denkbar sind ggf. Rückschlüsse auf die erforderliche Zuverlässigkeit des Unternehmers und daran anschließende aufsichtliche Maßnahmen nach § 73 Abs. 2. Allein Verstöße gegen bergrechtliche Genehmigungs- und Prüfpflichten können auf Grundlage des § 72 Abs. 1 sanktioniert werden.

1. Formelle Illegalität Um unerlaubte Tätigkeiten im Sinne der Vorschrift handelt es sich bei der Aufsuchung oder Ge- 2 winnung bergfreier Bodenschätze ohne die dafür erforderliche Gewinnungsberechtigung im Sinne des § 4 Abs. 6. Unerlaubt und eine Untersagungsanordnung rechtfertigend sind – unabhängig von der Gewin- 3 nungsberechtigung – weiter solche Tätigkeiten, die nicht über eine erforderliche Betriebsplanzulassung, Genehmigung oder allgemeine Zulassung verfügen oder für die eine erforderliche Prüfung 1 Zuständig für eine Verfügung, gerichtet auf Untersagung einer dem Geltungsbereich des Gesetzes unterfallenden Tätigkeit – auch einer Wiedernutzbarmachung – ist allein die Bergbehörde, nicht eine andere Behörde, etwa eine Naturschutzbehörde, die naturschutzrechtliche Belange durch eine Haldenschüttung verletzt sieht: VGH Kassel 2.12.2004, 4 UE 2874/02 = ZfB 2005, 25, 29 ff. 2 OVG Bautzen 26.10.2020, 1 B 259/20 = ZfB 2021, 22, 23; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 72 Rn. 2; Frenz/Beckmann BBergG, § 72 Rn. 5. 901

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nicht durchgeführt worden ist, wenn die Genehmigung, Zulassung oder Prüfung aufgrund bergrechtlicher Vorschriften erforderlich ist.3 Untersagen kann die Bergbehörde eine gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 betriebsplanpflichtige Tätigkeit i.S.d. § 2 Abs. 1 und 2, die ohne eine erforderliche Betriebsplanzulassung geführt wird, ohne dass dies über die Ausnahme- und Befreiungsregelungen des § 51 Abs. 2 und 3 gerechtfertigt wäre. Untersagen kann die Bergbehörde auch solche Tätigkeiten, die entweder zusätzlich zu einer Betriebsplanzulassung oder unabhängig von einer Betriebsplanzulassung sonstiger bergrechtlicher Genehmigungen, Zulassungen oder Prüfung bedürfen, wenn diese fehlen. Ein Genehmigungserfordernis regelt etwa § 133 Abs. 1 Nr. 1 für Errichtung und Betrieb von Transit-Rohrleitungen und Unterwasserkabeln. Weitere Genehmigungs-, Zulassungs- und Prüferfordernisse ergeben sich aus den auf Grundlage des § 65 Satz 1 Nr. 1 bis 4 erlassenen Rechtsverordnungen des Bundes bzw. der Länder sowie aus aufrechterhaltenen Rechtsverordnungen. 4 Sonstige Zulassungs-, Genehmigungs- oder Prüferfordernisse aus untergesetzlichen bergrechtlichen Regelwerken, etwa Verwaltungsanweisungen, Richtlinien oder Rundverfügungen, rechtfertigen keine Untersagungsverfügung. Eine die Betriebsuntersagung rechtfertigende formelle Illegalität liegt nur im Fall einer nach dem Bundesberggesetz oder darauf beruhender bzw. aufrechterhaltener Rechtsverordnungen vor. 5 Eine erforderliche Berechtigung, Betriebsplanzulassung, Genehmigung, Zulassung oder Prüfung fehlt dann, wenn sie von Anfang an fehlt, aber auch dann, wenn sie nachträglich aufgrund Fristablaufs oder Widerrufs oder Rücknahme erlischt oder im Rechtsbehelfsverfahren aufgehoben wird. Eine erforderliche Berechtigung, Betriebsplanzulassung, Genehmigung, Zulassung oder Prüfung fehlt zudem dann, wenn ein Betrieb unter wesentlicher Abweichung von existenten Zulassungen geführt wird. Keine Untersagungsanordnung rechtfertigt dagegen nach der Rechtsprechung zu vergleichbaren Anordnungsbefugnissen die Ausnutzung einer erteilten aber aufgrund von Rechtsbehelfen Dritter nicht vollziehbaren Zulassung. Im Fall der fehlenden Vollziehbarkeit, so das BVerwG zu § 20 Abs. 2 BImSchG, greife die ratio einer behördlichen Stilllegungsmöglichkeit, die Rechtmäßigkeit eines Betriebs einer präventiven behördlichen Kontrolle zu unterziehen, nicht, da die Rechtmäßigkeit des Betriebs von der Behörde bereits geprüft und bestätigt ist. Der Suspensiveffekt von Rechtsbehelfen kann durch gerichtliche Mittel über § 80a Abs. 1 Nr. 2 VwGO durchgesetzt werden, ohne dass es dafür einer behördlichen Untersagungsverfügung bedarf.4 Der Wortlaut der Norm stellt auf das Fehlen der erforderlichen Betriebspläne oder das Fehlen 6 einer Genehmigung, allgemeinen Zulassung oder Prüfung ab. Die Verwendung der Begrifflichkeit „Betriebspläne“ im Plural würde bei wörtlicher Auslegung dazu führen, dass nur solche Tätigkeiten, die über überhaupt keine Betriebsplanzulassungen verfügen, untersagt werden könnten. Dagegen sprechen aber der im Übrigen verwandte Singular bei fehlender Genehmigung, allgemeiner Zulassung oder Prüfung sowie der Schutzzweck der Norm. Auch Tätigkeiten, die über einzelne Betriebsplanzulassungen oder sonstige Zulassungen verfügen, denen aber andere ebenfalls erforderliche Zulassungen fehlen, können untersagt werden. Die Möglichkeit einer Untersagung ist nicht dann ausgeschlossen, wenn bereits eine Zulassung – von mehreren erforderlichen Zulassungen – vorliegt, sondern im Gegenteil bereits dann möglich, wenn eine Zulassung von mehreren erforderlichen Zulassungen fehlt.5 Der Umfang und das Gewicht einer fehlenden Zulassung spielen nicht bereits auf Tatbestandsebene eine Rolle, sondern sind im Rahmen der Ermessensausübung zu berücksichtigen.

3 OVG Bautzen 26.10.2020, 1 B 259/20 = ZfB 2021, 22. 4 BVerwG 28.1.1992, 7 C 22/91, BVerwGE 89, 357, 361 f.; ebenso VGH Mannheim 74.1988, 10 S 1498/86, NVwZ-RR 1989, 123, 124; VGH Kassel, 14.6.1991, 14 UE 1162/85, GewA 1992, 113; a.A. Landmann/Rohmer/Hansmann/Röckinghausen Umweltrecht, § 20 BImSchG Rn. 92. 5 Zu einem derartigen Fall des Fehlens einer Sonderbetriebsplanzulassung für die Verfüllung eines Tagebaus mit Bauschutt: VG Trier 9.12.2010, 5 L 1319/10 = ZfB 2011, 139 ff. Keienburg/Wiesendahl

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Erforderlich aber auch ausreichend für eine Untersagungsanordnung ist tatbestandlich die 7 formelle Illegalität.6 Es kommt nicht darauf an, ob die fehlende Zulassung, Genehmigung oder Prüfung erteilt bzw. positiv durchgeführt werden könnte, der Betrieb also materiell genehmigungsfähig ist. Nur durch die Möglichkeit, formell illegale Bergbautätigkeiten ohne Rücksicht auf ihre materielle Illegalität zu verbieten, kann die Bergaufsicht ihre präventive Überwachungsfunktion wirksam ausüben. Die materielle Genehmigungsfähigkeit ist ein im Rahmen der Ermessensausübung zu würdigender Aspekt.

2. Ermessen Im Fall der formellen Illegalität kann die Bergaufsicht die Fortsetzung der ungenehmigten Tätig- 8 keit untersagen. Es handelt sich um eine Ermessensentscheidung, die verhältnismäßig, d.h. geeignet, erforderlich und angemessen sein muss. Für den Bereich des Immissionsschutzrechts und die dort in § 20 Abs. 2 BImSchG als Soll- 9 Vorschrift geregelte Untersagungsmöglichkeit geht die Rechtsprechung davon aus, dass aufgrund des Schutzzwecks der präventiven behördlichen Prüfung eine Stilllegungsverfügung im Fall fehlender Genehmigungen der Regelfall ist, wenn sich die fehlende Genehmigung nicht auf einen nachgeordneten und abtrennbaren Ausschnitt des im Übrigen vollständig genehmigten Betriebs bezieht.7 Dieser Grundsatz ist auf die bergrechtliche Untersagungsmöglichkeit insoweit übertragbar, dass dann, wenn die Legalisierung einer Tätigkeit weitestgehend fehlt, in der Regel eine Untersagung des gesamten Betriebs auszusprechen sein dürfte. Das Fehlen nur einer nachgeordneten Zulassung, der für den Gesamtbetrieb auch unter sicherheitstechnischen Aspekten keine primäre Bedeutung zukommt, bzw. das Fehlen der Zulassung eines abtrennbaren und für den Hauptbetrieb nicht zwingend erforderlichen Betriebsteils kann dagegen eine Untersagung des Gesamtbetriebs nicht rechtfertigen. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitserwägungen ist daher immer zu prüfen, ob eine Untersagung des gesamten Betriebs oder nur eines abtrennbaren Betriebsteils erforderlich und angemessen ist. Zu berücksichtigen ist weiterhin die materielle Zulassungsfähigkeit. Dann, wenn eine feh- 10 lende Genehmigung beantragt aber noch nicht erteilt ist, die materielle Zulassungsfähigkeit aber auf Grundlage einer vorläufigen Prüfung bereits bejaht werden kann, d.h. nur noch der formelle Zulassungsakt aussteht, kommt trotz formeller Illegalität eine Fortführung des Betriebs in Betracht.8 Zweifel hinsichtlich der materiellen Zulassungsfähigkeit dürften in der Regel zu Lasten des Unternehmers gehen.9

3. Dauer Eine Untersagungsverfügung beinhaltet nicht zwingend eine dauerhafte Tätigkeitsuntersagung, 11 sondern gilt im Fall eines heilbaren Mangels nur temporär, solange der Mangel nicht geheilt ist. Dies kann in der Untersagungsverfügung ausdrücklich ausgesprochen werden. Etwa dann, wenn ein Genehmigungsverfahren bereits anhängig ist, kann eine Untersagung der Tätigkeit unter die 6 BVerwG 7.8.2012, 7 C 7/11, ZUR 2013, 100 Rn. 15; OVG Bautzen 26.10.2020, 1 B 259/20 = ZfB 2021, 23 Rn. 17; VGH Kassel 2.12.2004, 4 UE 2874/02 = ZfB 2005, 25, 30; VGH Kassel 30.11.1998, 2 TG 2652/96 = ZfB 1999, 37, 40; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 72 Rn. 2; Frenz/Beckmann BBergG, § 72 Rn. 10 und 17; ebenso zu § 20 BImSchG: BVerwG 28.1.1992, 7 C 22/91, BVerwGE 89, 357, 361 und BVerwG 15.12.1989, 7 C 35/87, BVerwGE 84, 220, 232 sowie zu Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BayAbgrG VGH München 16.2.2017, 11 K 16.3938 = ZfB 2018, 36, 39. 7 BVerwG 28.1.1992, 7 C 22/91, BVerwGE 89, 357, 361 zu § 20 Abs. 2 BImSchG; VGH Kassel 1.3.2019, 1 K 961/14, ZUR 2019, 482, 483. 8 Ebenso BVerwG 15.12.1989, 7 C 35/87, BVerwGE 84, 220, 233 zu § 20 Abs. 2 BImSchG. 9 VGH Mannheim 19.9.2013, 10 S 1725/13, juris Rn. 9. 903

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auflösende Bedingung der Genehmigungserteilung gestellt werden. Anderenfalls bedarf es vor der Wiederaufnahme der untersagten Tätigkeit zunächst einer Aufhebung der Untersagungsverfügung. Darauf besteht bei Heilung des die Untersagung begründenden Mangels ein Anspruch des Unternehmers. Ist die formelle Illegalität einer Tätigkeit durch nachträgliche Genehmigung geheilt, kann eine Untersagungsverfügung nicht aufrechterhalten werden. Begründet die formelle Illegalität einer Tätigkeit Zweifel an der Zuverlässigkeit des Unternehmers, kann die Bergbehörde diese Zweifel nicht zur Rechtfertigung einer Untersagungsverfügung bzw. der Aufrechterhaltung einer Untersagungsverfügung heranziehen. Zweifel hinsichtlich der Zuverlässigkeit sind im Betriebsplanverfahren zu prüfen bzw. nach Zulassung eines Betriebsplans von der speziellen Anordnungsmöglichkeit des § 73 Abs. 2 erfasst.

4. Beseitigungsanordnung 12 Für illegale Einrichtungen im Bereich des Festlandsockels und des Küstenmeeres hat die Bergaufsicht gemäß Absatz 1 Satz 2 eine Beseitigungsanordnung zu erlassen. Hintergrund der Verpflichtung zur Beseitigung illegaler Einrichtungen im Bereich des Festlandsockels ist ausweislich der amtlichen Begründung die im Zeitpunkt der Gesetzgebung gültige Genfer Konvention über den Festlandsockel vom 29.4.1958;10 gemäß Art. 5 Satz 2 der Genfer Konvention über den Festlandsockel ist jede Anlage im Bereich des Festlandsockels, die aufgegeben oder nicht mehr benutzt wird, vollständig zu beseitigen. Auf Betreiben des Bundesrats wurde die Beseitigungspflicht zum Zwecke des Schutzes der Fischerei auf illegale Einrichtungen im Bereich des Küstenmeeres ausgedehnt.11 Die Verpflichtung zur Beseitigung von Anlagen im Bereich des Festlandsockels und des Küstenmeeres ergibt sich ebenso aus § 55 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 für den Fall der Beantragung einer Betriebseinstellung im Abschlussbetriebsplanverfahren. Die Berechtigung und Verpflichtung der Bergbehörde zum Erlass einer Beseitigungsverfügung illegaler Anlagen sichert die Beseitigungspflicht auch außerhalb des Abschlussbetriebsplanverfahrens. Die Verpflichtung zur Beseitigung illegaler Einrichtungen im Bereich des Festlandsockels und des Küstenmeeres ist von der Behörde anzuordnen. Der Behörde kommt auf Grundlage des Wortlauts der Norm kein Ermessensspielraum zu. Dies kann aber richtigerweise nur dann gelten, wenn eine Genehmigung der Anlagen entweder nicht beantragt oder materiell nicht zulassungsfähig ist. Die reine formelle Illegalität rechtfertigt dann, wenn dieser Zustand ersichtlich nur temporärer Natur ist, eine Beseitigungsverfügung nicht, da dann nach Erteilung der erforderlichen Genehmigung eine erneute Errichtung durchgeführt würde. Eine Beseitigungsverfügung kann und muss sich daher nur an eine dauerhafte Untersagungsverfügung anschließen. Dies ergibt sich aus einer systematischen Vergleichsbetrachtung zu § 55 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, wo die Beseitigungspflicht ebenfalls nur für den Fall einer endgültigen, also dauerhaften Betriebseinstellung normiert ist; für den Fall einer nicht endgültigen Betriebseinstellung regelt auch § 55 Abs. 2 Satz 2, dass nur solche Abschlussmaßnahmen verlangt werden können, durch die eine Wiederaufnahme des Betriebs nicht ausgeschlossen wird. 13 Illegale Einrichtungen im Bereich des Festlands sind dagegen nicht zwingend zu beseitigen. Dies ergibt der Umkehrschluss aus Absatz 1 Satz 2. Die Bergbehörde kann die Beseitigung illegaler Einrichtungen auf dem Festland nicht auf Grundlage des Absatzes 1 sondern nur auf Grundlage des § 71 Abs. 3 anordnen, wenn dies zur Erfüllung der in § 55 Abs. 2 Satz 1 normierten Voraussetzungen einer Betriebseinstellung, insbesondere zur Wiedernutzbarmachung erforderlich ist. Kann die erforderliche Wiedernutzbarmachung auf andere Weise erreicht werden, ist die Beseitigung bzw. die vollständige Beseitigung illegaler Anlagen nicht erforderlich und damit behördlich nicht verfügbar. Eine Beseitigungsanordnung dient nicht der Sanktionierung illegaler Tätigkeiten, sondern ist an den Erfordernissen des Gesetzes auszurichten.

10 BT-Drs. 8/1315, S. 123. 11 BT-Drs. 8/1315, S. 180. Keienburg/Wiesendahl

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II. Sicherstellung (Absatz 2) Gemäß Absatz 2 Satz 1 kann die Bergaufsicht explosionsgefährliche und zum Sprengen bestimmte 14 explosionsfähige Stoffe, Zündmittel, Sprengzubehör sowie sonstige Gegenstände sicherstellen und verwerten, wenn diese Gegenstände im Betrieb nicht zugelassen sind oder dies erforderlich ist, um ihre unbefugte Verwendung zu verhindern. Hintergrund der Regelung ist nicht, dass explosionsgefährliche oder explosionsfähige Stoffe grundsätzlich nicht zur Verwendung in Bergbaubetrieben zugelassen sind, sondern dass sie in dem Betrieb, in welchem sie sichergestellt werden, nicht zur Verwendung zugelassen sind oder eine unbefugte Verwendung zu besorgen ist. Voraussetzung für den Umgang mit explosionsgefährlichen Stoffen ist auch in Bergbaubetrieben gem. §§ 1b Abs. 1 Nr. 2, 7 Abs. 1 Nr. 1 SprengG eine personenbezogene Erlaubnis desjenigen, der mit explosionsgefährlichen Stoffen umgeht. Vorgaben hinsichtlich der Anleitung zur Verwendung explosionsgefährlicher Stoffe ergeben sich allgemein aus § 24 Abs. 1 SprengG; diese Vorgaben sind allerdings gem. § 1b Abs. 1 Nr. 2 SprengG in Bergbaubetrieben nur anwendbar, soweit bergrechtliche Vorschriften nicht entgegen stehen. Zu beachten sind daher auch und insbesondere die speziellen bergrechtlichen Vorschriften etwa des § 11 Abs. 2 ABBergV und der GesBergV. Liegen erforderliche Zulassungen nicht vor oder bestehen aufgrund von Verstößen gegen Regelungs-, Lageroder Überwachungspflichten begründete Verdachtsmomente der Möglichkeit einer unbefugten Verwendung, kann die Bergaufsicht explosionsfähige Stoffe, Zündmittel, Sprengzubehör sowie sonstige Gegenstände sicherstellen und verwerten. Die Möglichkeiten der Bergaufsicht gemäß Absatz 2 Satz 1 gehen über die Anordnungsbefug- 15 nisse auf Grundlage des § 32 SprengG hinaus. Gemäß § 32 Abs. 5 Satz 1 SprengG kann die zuständige Behörde die Verwendung explosionsgefährlicher Stoffe untersagen bzw. deren Unbrauchbarmachung anordnen. Erst nach dem Ablauf einer dafür zu setzenden Frist können die Stoffe auf Grundlage des § 32 Abs. 5 Satz 2 SprengG sichergestellt und verwertet oder vernichtet werden. § 72 Abs. 2 regelt dagegen die Möglichkeit der Sicherstellung und Verwertung unabhängig von einer vorherigen Untersagungsanordnung. Dies muss bei der Ermessensausübung berücksichtigt werden. Die Anordnung einer Sicherstellung stellt eine Ermessensentscheidung dar; sie kann, muss aber nicht erfolgen, weshalb auch andere – mildere – Mittel, etwa einer Untersagung der Nutzung, verfügbar sind. Bei der Ermessensausübung hat die Behörde insbesondere zu berücksichtigen, ob dem Unternehmer Verschulden vorzuwerfen ist, ob Wiederholungsgefahr besteht und ob andere Abhilfemöglichkeiten bestehen. Liegt etwa ein einmaliges Fehlverhalten einer verantwortlichen Person vor, ohne dass dem Unternehmer Verschulden zur Last zu legen wäre, wäre eine Sicherstellung im Fall anderer Abhilfemöglichkeiten unverhältnismäßig. Gleiches gilt dann, wenn Abhilfe durch veränderte innerbetriebliche Regelungen getroffen werden kann oder eine temporäre Untersagung der Verwendung explosionsfähiger Stoffe bis zur Erteilung einer ggf. fehlenden Genehmigung ausgesprochen werden kann. Eine Sicherstellung erfordert regelmäßig einen schweren, wiederholten Regelwerksverstoß des Unternehmers oder eine gegenwärtige Gefahr, der nicht anders begegnet werden kann, als durch Sicherstellung. Die Sicherstellung und Verwertung stellt das einschneidendste Mittel dar. Die Möglichkeit dieses Mittels in der Zuständigkeit der Bergaufsicht ohne Hinzuziehung der Polizei erachtet der Gesetzgeber in Bergbaubetrieben aus Gründen der Sicherheit für erforderlich.12 Im Fall der behördlichen Sicherstellung begründet die Bergbehörde ein öffentlich-rechtli- 16 ches Verwahrungsverhältnis an den sichergestellten Gegenständen, dessen Inhalte sich nach §§ 688 ff. BGB bestimmen; das Eigentum bleibt durch die Sicherstellung unberührt.13 Die Bergbehörde ist gegenüber dem Eigentümer zur sorgfältigen Verwahrung verpflichtet; sie haftet für schuldhafte Beschädigungen der sichergestellten Gegenstände.14 Die Verwertung erfolgt durch öffentliche Versteigerung oder durch freihändigen Verkauf, wenn die Versteigerung erfolglos bleibt 12 BT-Drs. 8/1315, S. 123. 13 Drews/Wacke/Vogel/Martens Gefahrenabwehr, S. 209. 14 MüKo-BGB/Henssler § 688 BGB Rn. 64 f. 905

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oder von vornherein aussichtslos erscheint; im Fall der Verwertung erlaubnispflichtiger Sprengmittel dürfte eine Verwertung durch öffentliche Versteigerung regelmäßig an der Erlaubnispflicht des Umgangs mit explosionsgefährlichen Stoffen scheitern. Der Erlös aus der Verwertung tritt gemäß Absatz 2 Satz 2 an die Stelle des sichergestellten Gegenstandes und ist an den Eigentümer auszukehren. Notwendige Aufwendungen der Bergbehörde für die Verwahrung können von dem Erlös in Abzug gebracht werden.

§ 73 Untersagung der Beschäftigung verantwortlicher Personen 1 Die zuständige Behörde kann dem Unternehmer die Beschäftigung einer der in § 58 Abs. 1 Nr. 2 genannten verantwortlichen Personen in dem ihr übertragenen Aufgabenbereich untersagen, wenn 1. diese Person vorsätzlich oder grob fahrlässig gegen Pflichten verstoßen hat, für deren Erfüllung sie verantwortlich ist, und dieses Verhalten trotz Verwarnung durch die zuständige Behörde fortsetzt oder sonst Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß die Person die erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt, 2. Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß die Person die erforderliche Fachkunde oder körperliche Eignung nicht besitzt. 2 Kommt der Unternehmer einer Anordnung nach Satz 1 nicht nach, so kann die zuständige Behörde die Fortführung des Betriebes bis zur Befolgung der Anordnung untersagen. (2) 1Liegen Tatsachen vor, die die Annahme rechtfertigen, daß der Unternehmer die zur Gewährleistung von Sicherheit und Ordnung im Betrieb erforderliche Zuverlässigkeit oder Fachkunde nicht besitzt, so kann die zuständige Behörde die Fortführung des Betriebes bis zur Bestellung einer mit der Gesamtleitung beauftragten verantwortlichen Person untersagen und, wenn der Unternehmer der Untersagung nicht nachkommt, verhindern. 2Dies gilt entsprechend, wenn bei juristischen Personen und Personenhandelsgesellschaften die Voraussetzungen des Satzes 1 bei einer der nach Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Vertretung berechtigten Person vorliegen.

(1)

Übersicht I.

Untersagung der Beschäftigung verantwortlicher 2 Personen

III.

Fehlende Zuverlässigkeit oder Fachkunde des Un9 ternehmers

II.

Vorübergehende Betriebsuntersagung aufgrund Beschäftigung einer ungeeigneten verantwortli8 chen Person

IV.

Konsequenzen eines Verstoßes gegen eine Unter13 sagungsanordnung

1 Voraussetzung für die Zulassung eines Betriebsplans ist gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a die Zuverlässigkeit des Unternehmers, bei juristischen Personen und Personenhandelsgesellschaften die Zuverlässigkeit der vertretungsberechtigten Personen; eine Ausnahme gilt gemäß § 55 Abs. 1 Satz 2 für Rahmenbetriebspläne, denen keine Gestattungswirkung zukommt. Voraussetzung ist gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a weiterhin die erforderliche Fachkunde und körperliche Eignung des Unternehmers bzw. der vertretungsberechtigten Personen, wenn nicht zur Leitung oder Beaufsichtigung des Betriebes andere verantwortliche Personen i.S.d. § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2b bestellt sind, die die erforderliche Fachkunde und körperliche Eignung besitzen. Bei Bestellung verantwortlicher

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Personen zur Leitung oder Beaufsichtigung des Betriebs, die typischerweise erfolgt,1 beschränken sich die subjektiven Anforderungen an den Unternehmer auf die Zuverlässigkeit. Die bestellten verantwortlichen Personen müssen gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2b i.V.m. § 59 Abs. 1 die jeweils erforderliche Zuverlässigkeit, Fachkunde und körperliche Eignung besitzen. Zuverlässigkeit, Fachkunde und körperliche Eignung sind ausweislich des Wortlauts des § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 negative Zulassungsvoraussetzungen. Es müssen nicht Tatsachen vorliegen, die Zuverlässigkeit, Fachkunde und körperliche Eignung positiv bestätigen, sondern dürfen nur keine Tatsachen vorliegen, aus denen sich die Unzuverlässigkeit, fehlende Fachkunde oder fehlende körperliche Eignung ergäbe. Liegen im Zeitpunkt der Betriebsplanzulassung keine derartigen Tatsachen vor, ist die Betriebsplanzulassung zu erteilen, wenn auch die objektiven Zulassungsvoraussetzungen des § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 9 erfüllt sind. Werden nach Erteilung der Betriebsplanzulassung Tatsachen bekannt, die Zweifel hinsichtlich Zuverlässigkeit, Fachkunde oder körperlicher Eignung des Unternehmers bzw. verantwortlicher Personen begründen, kommen die aufsichtlichen Mittel des § 73 in Betracht. Die in § 73 geregelten Aufsichtsbefugnisse ergeben sich nicht bereits aus § 71, weshalb § 73 lex specialis ist.2

I. Untersagung der Beschäftigung verantwortlicher Personen Gemäß Absatz 1 Satz 1 kann die Bergbehörde dem Unternehmer die Beschäftigung einer verant- 2 wortlichen Person im Sinne des § 58 Abs. 1 Nr. 2 in dem ihr übertragenen Aufgabenbereich untersagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Person die erforderliche Zuverlässigkeit, Fachkunde oder körperliche Eignung nicht besitzt. Da die Bestellung verantwortlicher Personen durch den Unternehmer bzw. eine von diesem dazu ermächtigte Person erfolgt, kann auch die Abberufung der Person nur durch den Unternehmer erfolgen. Die Behörde kann kein Tätigkeitsverbot gegenüber einer bestellten verantwortlichen Person aussprechen. Deshalb ist Adressat einer behördlichen Anordnung nach Absatz 1 Satz 1 trotz Gegenständlichkeit von Zuverlässigkeit, Fachkunde oder körperlicher Eignung einer bestellten verantwortlichen Person der Unternehmer. Die Untersagungsanordnung ist allein auf eine Beschäftigung einer verantwortlichen Person in dem ihr zur verantwortlichen Wahrnehmung übertragenen Aufgabenbereich bezogen.3 Eine Weiterbeschäftigung der Person außerhalb des Verantwortungsbereichs und ohne entsprechende Verantwortung in anderen Bereichen ist damit nicht ausgeschlossen. Ein absolutes Beschäftigungsverbot kann von der Behörde nicht verfügt werden und geht mit einer Anordnung nach Absatz 1 Satz 1 nicht einher.4 Abhängig von den Inhalten des Arbeitsvertrags zwischen Unternehmer und verantwortlicher Person kann sich aus einer Untersagungsverfügung gemäß Absatz 1 Satz 1 aber ein Kündigungsrecht des Unternehmers ergeben. Voraussetzung einer Untersagungsanordnung nach Absatz 1 Satz 1 ist, dass Tatsachen die 3 Annahme einer mangelnden Zuverlässigkeit, Fachkunde oder körperlichen Eignung rechtfertigen. Bei Tatsachen handelt es sich um „etwas Geschehenes oder Bestehendes, das zur Erscheinung gelangt und in die Wirklichkeit getreten und daher dem Beweise zugänglich ist.“5 Reine Vermutungen oder der Verdacht eines Geschehnisses stellen keine Tatsachen dar und sind nicht geeignet, eine Untersagungsanordnung gemäß Absatz 1 Satz 1 zu begründen. Die eine Untersagungsanordnung allein rechtfertigenden Tatsachen müssen einen Bezug zur bergrechtlich erforderlichen Zu1 Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 ABBergV hat der Unternehmer für jede belegte Arbeitsstätte eine verantwortliche Person zu bestellen. Das erfordert nicht zwingend unterschiedliche verantwortliche Personen für jede Arbeitsstätte. Vielmehr kann auch eine Person für mehrere Arbeitsstätten verantwortlich sein, solange eine ordnungsgemäße Aufgabenwahrnehmung gewährleistet ist. 2 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 72 Rn. 2; Frenz/Beckmann BBergG, § 72 Rn. 5. 3 Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht, Rn. 377. 4 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 73 Rn. 8; Frenz/Beckmann BBergG, § 73 Rn. 7. 5 RG 21.12.1920, II 1214/20, RGSt 55, 129, 131; vgl. MüKo-ZPO/Prütting § 291 Rn. 4. 907

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verlässigkeit, Fachkunde oder körperlichen Eignung aufweisen und auf Grundlage einer behördlichen Prognoseentscheidung Zweifel an Zuverlässigkeit, Fachkunde oder körperlicher Eignung für die Zukunft begründen. Nur solche Tatsachen, die Relevanz für die Zuverlässigkeit, Fachkunde oder körperliche Eignung haben, die für die konkrete verantwortliche Tätigkeit erforderlich ist, sind beachtlich.6 Nicht entscheidend ist, ob diese Tatsachen im Zusammenhang mit der verantwortlichen Tätigkeit im Bergbaubetrieb eingetreten oder bekannt geworden sind.7 Insbesondere die Zuverlässigkeit aber auch Fachkunde und körperliche Eignung ergeben sich aus einem Gesamtbild der Persönlichkeit des Verantwortlichen unter Berücksichtigung auch außerbetrieblicher Geschehnisse. Die Tatsachen, aus denen Schlussfolgerungen für die berufliche Tätigkeit gezogen werden sollen, müssen aber Rückschlüsse auf die betriebliche Zuverlässigkeit zulassen. Es gibt keine Unzuverlässigkeit schlechthin.8 Vorliegende Tatsachen müssen eine in die Zukunft gerichtete Prognose rechtfertigen, dass 4 Zuverlässigkeit, Fachkunde oder körperliche Eignung zu verneinen sind.9 Zweck einer Untersagungsanordnung nach Absatz 1 Satz 1 ist nicht die behördliche Sanktionierung bereits geschehener Vorfälle. Absatz 1 Satz 1 stellt keine Strafvorschrift dar.10 Zweck einer Untersagungsverfügung gemäß Absatz 1 Satz 1 ist vielmehr, die Beschäftigung von Personen ohne die erforderliche Zuverlässigkeit, Fachkunde oder körperliche Eignung zum Zwecke der Verhinderung von Gefahren in der Zukunft zu unterbinden und damit ein erhöhtes Risiko für die Zukunft auszuschließen.11 Deshalb müssen sowohl zwischenzeitliche Lern- und Umdenkungsprozesse als auch zwischenzeitliche unternehmerische oder aufsichtsbehördliche Maßnahmen zur Verhinderung von Risiken, die ein stattgefundenes Geschehnis offengelegt hat, berücksichtigt werden.12 5 Die Zuverlässigkeit ist zu verneinen, wenn eine Person nicht die Gewähr dafür bietet, dass sie in der Zukunft ihre Tätigkeit ordnungsgemäß und im Einklang mit den rechtlichen Vorschriften ausüben wird.13 Ein Regelbeispiel begründeter Zweifel der erforderlichen Zuverlässigkeit normiert Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 1. Alt. Hat eine Person in der Vergangenheit vorsätzlich oder grob fahrlässig gegen Pflichten verstoßen, für deren Erfüllung sie verantwortlich ist und dieses Verhalten trotz Verwarnung durch die zuständige Behörde fortgesetzt, liegen hinreichende Anhaltspunkte dafür vor, von einem Verstoß gegen Pflichten und damit der Unzuverlässigkeit auch in der Zukunft auszugehen. Der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 erfasste Pflichtenverstoß bezieht sich auf der verantwortlichen Person aufgrund ihrer bergrechtlichen Verantwortung obliegende Pflichten. Dies ergibt sich aus der in Nummer 1 normierten Verantwortlichkeit für die Pflichterfüllung und der dort normierten Verwarnung durch die zuständige Behörde, nämlich die Bergbehörde. Sonstige, außerbergrechtliche Pflichtverstöße, etwa Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung außerhalb des Betriebsgeländes, sind nicht geeignet, die Tatbestandsvoraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 1. Alt. zu erfüllen. Derartige Pflichtverstöße können gegebenenfalls als sonstige Tatsachen im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 2. Alt. die Zuverlässigkeit negieren. Voraussetzung einer Untersagungsanordnung gemäß Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 1. Alt. ist weiterhin, dass ein vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Pflichtenverstoß vorliegt. Vorsatz ist dann zu bejahen, wenn die verantwortliche Person wissentlich und willentlich in Kenntnis des Pflichtenverstoßes bzw. unter billigender Inkaufnahme des Pflichtenverstoßes handelt.14 Grobe Fahrlässigkeit erfordert, dass die verantwortliche Person die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße ver6 VGH Mannheim 5.5.2014, 10 S 30/14, NVwZ 2014, 1253, 1255. 7 Landmann/Rohmer/Marcks GewO, § 35 Rn. 33; Ennuschat/Wank/Winkler GewO, § 35 Rn. 29. 8 Landmann/Rohmer/Marcks GewO, § 35 Rn. 34; vgl. Ennuschat/Wank/Winkler GewO, § 35 Rn. 28 f. 9 Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht, Rn. 372. 10 Ebenso: Landmann/Rohmer/Marcks GewO, § 35 Rn. 30. 11 In diesem Sinne VGH München 8.5.1996, 22 A 95/40002, NVwZ-RR 1997, 279, 280 zu § 7 Abs. 2 Nr. 1 und 2 AtG. 12 BVerwG 11.3.1993, 7 C 4/92, BVerwGE 92, 185, 194 f.; BVerwG 17.4.1990, 7 B 111/89, NVwZ 1990, 858, 859; VGH München 11.4.2000, 22 A 99/40013 und 22 A 99/40015, NVwZ 2000, 1192, 1193, alles zu § 7 Abs. 2 Nr. 1 und 2 AtG. 13 BVerwG 2.2.1982, 1 C 146/80, BVerwGE 65, 1, 2. 14 Zur Begrifflichkeit des Vorsatzes: BVerwG 18.9.2003, 2 WD 3/03, NVwZ-RR 2004, 426. Keienburg/Wiesendahl

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letzt und das nicht beachtet hat, was in der gegebenen Situation jedermann hätte einleuchten müssen.15 Einfache oder leichte Fahrlässigkeit, d.h. das außer Acht lassen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt, erfüllen dagegen die Tatbestandsvoraussetzungen des Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 1. Alt. nicht. Hinzu kommen muss zu einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Pflichtverletzung eine Fortsetzung des Verhaltens trotz Verwarnung durch die zuständige Behörde. Ist dies der Fall, rechtfertigt die dann vorliegende fortgesetzte Begehung einer Pflichtverletzung die Prognose, dass die verantwortliche Person auch in Zukunft die ihr obliegenden Pflichten nicht beachten wird und daher die erforderliche Zuverlässigkeit zu verneinen ist. Auch sonstige Tatsachen können gemäß Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 2. Alt. die Annahme rechtfertigen, dass eine verantwortliche Person die erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt. Dies gilt etwa für Verstöße gegen sonstige, außerbergrechtliche Pflichten, bußgeld- oder strafbewehrte Handlungen, Suchtkrankheiten oder sonstige Tatsachen, wenn diese Rückschlüsse auf eine mangelnde Zuverlässigkeit bei Ausübung der verantwortlichen Tätigkeit rechtfertigen.16 Die erforderliche Fachkunde fehlt, wenn die für einen übertragenen Verantwortungsbereich 6 erforderlichen technischen oder rechtlichen Kenntnisse i.S.d. § 66 Satz 1 Nr. 9 nicht vorliegen; Einzelheiten ergeben sich aus bergbehördlichen Verordnungen. Entscheidend ist dabei allein die für den jeweiligen übertragenen Verantwortungsbereich erforderliche Fachkunde. Nicht jede verantwortliche Person muss über die erforderliche Fachkunde für alle verantwortlichen Positionen eines Bergbaubetriebs verfügen.17 Erforderlich aber auch ausreichend zur Bejahung der Fachkunde ist, dass eine Person auf Grundlage einer Ausbildung und ggf. zusätzlichen Erfahrungen die Fähigkeit besitzt, den Pflichten, für deren Erfüllung sie als verantwortliche Person bestellt ist, nachkommen zu können.18 Tatsachen, die die Annahme rechtfertigen, dass die verantwortliche Person die erforderliche körperliche Eignung nicht besitzt, liegen etwa dann vor, wenn eine Person mit Tätigkeiten i.S.d. § 2 Abs. 1 GesBergV beauftragt ist, für die eine arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchung erforderlich ist und die Person die gemäß § 2 Abs. 1 GesBergV erforderliche Erstuntersuchung oder eine erforderliche Nachuntersuchung nicht besteht. Der Behörde kommt bei der Bewertung von Zuverlässigkeit, Fachkunde und körperlicher 7 Eignung kein Beurteilungsspielraum zu. Die Begrifflichkeit der Zuverlässigkeit ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der der vollständigen gerichtlichen Kontrolle unterliegt.19 Die Entscheidung über die Konsequenzen von Unzuverlässigkeit, fehlender Fachkunde oder körperlicher Eignung einer verantwortlichen Person liegt im Ermessen der Behörde. Sie kann die Beschäftigung untersagen, muss dies aber nicht tun. Eine Untersagungsverfügung dürfte allerdings den Regelfall darstellen. Die Belassung einer ungeeigneten verantwortlichen Person in der verantwortlichen Stellung dürfte kaum jemals möglich sein, wenn nicht im Ausnahmefall andere Abhilfemaßnahmen möglich sind und ergriffen werden, etwa eine temporäre Aussetzung der Verantwortlichkeit erfolgt.

II. Vorübergehende Betriebsuntersagung aufgrund Beschäftigung einer ungeeigneten verantwortlichen Person Kommt der Unternehmer einer Untersagungsanordnung gemäß Absatz 1 Satz 1 nicht nach, kann 8 die Bergbehörde gemäß Satz 2 die Fortführung des Betriebs bis zur Befolgung der Anordnung 15 Zur Begrifflichkeit der groben Fahrlässigkeit: BGH 12.1.1988, VI ZR 158/87, NJW 1988, 1265, 1266. 16 Verneint vom BVerwG für den Fall, dass das Erfordernis einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung erst aufgrund einer gerichtlichen Auseinandersetzung erkannt und das Genehmigungsverfahren sodann unverzüglich eingeleitet wurde: BVerwG 11.3.1993, 7 C 4/92, BVerwGE 92, 185, 195 zu § 7 Abs. 2 Nr. 2 AtG. 17 BVerwG 11.3.1993, 7 C 4/92, BVerwGE 92, 185, 195 zu § 7 Abs. 2 Nr. 2 AtG. 18 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 73 Rn. 3; Frenz/Beckmann BBergG, § 73 Rn. 13. 19 BVerwG 15.7.2004, 3 C 33/03, DÖV 2005, 118, 119 zu § 35 GewO; OVG Münster 14.11.2000, 21 A 2891/99, NVwZ-RR 2001, 725, 726 zu § 55 Abs. 2 Satz 1 und 2 BImSchG. 909

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untersagen. Der Behörde steht damit, da sie die Beschäftigung einer bestellten verantwortlichen Person nicht selbst verhindern kann, sondern dies gegenüber dem Unternehmer anordnen muss, eine Sanktionsmöglichkeit gegenüber dem Unternehmer für den Fall der Nichtbefolgung zu. Voraussetzung einer vorläufigen Betriebseinstellung ist, dass eine vollziehbare Untersagungsverfügung gemäß Satz 1 vorliegt und der Unternehmer dieser nicht nachkommt. In diesem Fall kann die Behörde eine vorläufige Betriebseinstellung anordnen. Dies erfordert eine zusätzliche Ermessensentscheidung der Behörde. Die Betriebsuntersagung kann nur zeitlich beschränkt bis zur Umsetzung einer Verfügung gemäß Satz 1 ausgesprochen werden. Sie kann zudem nur räumlich bzw. gegenständlich beschränkt auf den Betriebsbereich, für welchen die Person verantwortlich ist, deren Beschäftigung untersagt wurde, ausgesprochen werden. Dies ergibt sich zwar – anders als die zeitliche Befristung – nicht aus dem Wortlaut des Satzes 2, aber aus Sinn und Zweck der Vorschrift. Satz 2 sanktioniert nicht die – verfügungswidrige – Weiterbeschäftigung einer verantwortlichen Person durch den Unternehmer, sondern dient dazu, Gefahren aufgrund der Tätigkeit einer Person, die nicht über die erforderliche Zuverlässigkeit, Fachkunde oder körperliche Eignung verfügt, auszuschließen.

III. Fehlende Zuverlässigkeit oder Fachkunde des Unternehmers 9 Gemäß Absatz 2 kann die Behörde den Betrieb auch im Fall des Fehlens der erforderlichen Zuverlässigkeit oder Fachkunde des Unternehmers zur Gewährleistung von Sicherheit und Ordnung im Betrieb untersagen. Voraussetzung dafür ist, dass dem Unternehmer die erforderliche Eignung für die ihm gemäß § 61 Abs. 1 Halbsatz 2 obliegende Sicherheit und Ordnung im Betrieb fehlt. Von dieser Grundpflicht kann der Unternehmer sich durch Bestellung verantwortlicher Personen nicht befreien. Zwar kann der Unternehmer die Pflichten und Befugnisse zur Gewährleistung von Sicherheit und Ordnung im Betrieb gemäß § 62 Satz 1 Nr. 1 auf verantwortliche Personen übertragen. In diesem Fall reduzieren sich die Pflichten des Unternehmers zur Gewährleistung von Sicherheit und Ordnung, sie können aber gemäß § 62 Satz 2 nicht vollständig delegiert werden; der Unternehmer bleibt für die Überwachung der auf verantwortliche Personen übertragenen Aufgaben zur Gewährleistung von Sicherheit und Ordnung im Betrieb zuständig. Er muss zur Wahrnehmung der ihm obliegenden Aufgabe zur Gewährleistung von Sicherheit und Ordnung im Betrieb – in dem Umfang, in dem diese Aufgabe ihm in Abgrenzung zu ggf. bestellten verantwortlichen Personen obliegt – geeignet sein. Diese Eignung erfordert die Zuverlässigkeit des Unternehmers. Sie erfordert insofern seine Fachkunde, als er intellektuell zur Leitung des Betriebs in der Lage sein muss; weitere Fachkundeanforderungen sind an den Unternehmer – wie unter Rn. 1 dargelegt – nicht zu stellen, wenn die erforderliche spezifische Fachkunde durch verantwortliche Personen erfüllt wird. 10 Die Voraussetzungen der Betriebsuntersagung des Absatzes 2 sind die gleichen, wie im Fall einer Untersagungsverfügung gemäß Absatz 1. Es müssen Tatsachen vorliegen, die auf Grundlage einer Prognoseentscheidung Zweifel hinsichtlich der erforderlichen Eignung des Unternehmers zur Gewährleistung von Sicherheit und Ordnung im Betrieb für die Zukunft begründen. Es müssen Tatsachen vorliegen, die den Schluss auf fortwirkende und für den Betrieb relevante personenbezogene Defizite des Unternehmers rechtfertigen. Abzustellen ist dabei gemäß Absatz 2 Satz 1 auf den Unternehmer als natürliche Person. Ist der Unternehmer eine Personenhandelsgesellschaft oder eine juristische Person, ist gemäß Absatz 2 Satz 2 auf die nach Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Vertretung berechtigten Personen abzustellen. Sind mehrere Personen vertretungsberechtigt, ist für eine Untersagungsverfügung nicht die fehlende Eignung aller vertretungsberechtigten Personen zu verlangen, sondern genügt die fehlende Zuverlässigkeit oder Fachkunde der vertretungsberechtigten Person, in deren Ressortkompetenz der Bergbaubetrieb und dessen Leitung fällt. Umgekehrt kann die fehlende Zuverlässigkeit oder Fachkunde einer vertretungsberechtigten Person, die keine Ressortkompetenz für den Bergbaubetrieb hat, eine Betriebsuntersagung nicht rechtfertigen. Keienburg/Wiesendahl

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Die Betriebsuntersagung stellt auch im Fall der fehlenden Zuverlässigkeit oder Fachkunde 11 des Unternehmers eine Ermessensentscheidung dar. Im Fall einer Betriebsuntersagung kann diese nur temporär bis zur Bestellung einer geeigneten und mit der Gesamtleitung des Betriebs beauftragten verantwortlichen Person verfügt werden. Anders, als in § 35 Abs. 2 GewO geregelt, ist die Betriebsfortführung durch einen Stellvertreter nicht nur auf Antrag des Unternehmers als Ermessensentscheidung der Behörde zu gestatten, sondern darf die Betriebseinstellung von der Behörde auch ohne entsprechenden Antrag des Unternehmers nur temporär bis zur Fortführung des Betriebs durch einen Stellvertreter als verfügt werden. Die Fortführung des Betriebs durch eine mit der Gesamtleitung des Betriebs beauftragte verantwortliche Person ist damit zur Verhinderung einer Betriebseinstellung immer möglich und bedarf keiner gesonderten Gestattung der Behörde. Ob der Unternehmer von dieser Möglichkeit Gebrauch macht, liegt in seiner Entscheidungszuständigkeit. Er muss zur Fortführung des Betriebs die Gesamtleitung auf eine verantwortliche Person übertragen; die Behörde kann dies weder verfügen, noch selbst vornehmen. Kommt der Unternehmer der Betriebseinstellung bis zur Übertragung der Gesamtleitung auf eine verantwortliche Person nicht nach, führt er also den Betrieb eigenverantwortlich weiter, kann die Behörde die Betriebsfortführung gemäß ausdrücklicher Regelung in Absatz 2 Satz 1 verhindern. Die Verhinderung der Betriebsfortführung stellt keinen eigenständigen Verwaltungsakt dar, der der Durchsetzung im Wege der Vollstreckung bedarf, sondern ist bereits eine Maßnahme der Vollstreckung, die auf Grundlage der Verfügung einer Betriebsuntersagung bis zur Bestellung einer verantwortlichen Person zur Gesamtleitung erfolgen kann. Im Nachgang zur Betriebseinstellung bedarf es keiner weiteren Grundverfügung zur Verhinderung der Betriebsfortführung. Es gilt Gleiches, wie zur Durchsetzung einer auf § 35 GewO gestützten Gewerbeuntersagung, die ebenfalls eine ausreichende Grundlage für eine Verwaltungsvollstreckung darstellt. Dies hat auch der Gesetzgeber so gesehen und daher im Jahre 1998 die frühere Regelung in § 35 Abs. 5 GewO, wonach die Ausübung eines untersagten Gewerbes durch geeignete Maßnahmen, etwa die Schließung der Betriebs- und Geschäftsräume, durchgesetzt werden konnte, als entbehrlich gestrichen;20 eine Verfügung, mit der ein Gewerbe untersagt wird, kann ohne das Erfordernis einer zusätzlichen Verfügung zur Verhinderung der Betriebsfortführung durch Zwangsmittel umgesetzt werden. Da Bergbaubetriebe nicht auf der Grundlage unbefristeter Zulassungen geführt werden, son- 12 dern auf der Grundlage befristeter Hauptbetriebspläne, bedarf es zur dauerhaften Fortführung des Betriebs zusätzlich ratierlicher Hauptbetriebsplanzulassungen. Diese setzen gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a die Zuverlässigkeit – ggf. zudem Fachkunde und körperliche Eignung – des Unternehmers voraus. Die Zulassung stellt damit zwingende subjektive Zuverlässigkeitsanforderungen an den Unternehmer, die auch durch eine mit der Gesamtleitung des Betriebs beauftragte verantwortliche Person nicht abgedeckt werden. Ist daher die Zuverlässigkeit eines Unternehmers zu verneinen, können diesem trotz Bestellung einer mit der Gesamtleitung des Betriebs beauftragten verantwortlichen Person keine neuen Betriebsplanzulassungen erteilt werden und ist die Fortführung des Betriebs nur temporär bis zum Ablauf der Befristung bereits erteilter Zulassungen möglich. Anderes gilt dann, wenn der Unternehmer zuverlässig ist, ihm aber die erforderliche Fachkunde oder körperliche Eignung fehlt. Diese subjektiven Anforderungen müssen gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a nicht vom Unternehmer selbst erfüllt werden, so dass ein Betrieb im Fall der Zuverlässigkeit des Unternehmers und der Beauftragung fachkundiger und körperlich geeigneter Personen ordnungsgemäß geführt wird und auf dieser Grundlage auch weitere Betriebsplanzulassungen erteilt werden können.

20 BT Drs. 13/9109, S. 15 unter Inbezugnahme der entsprechenden Erwägungen im Urteil des VGH Mannheim vom 5.2.1986, 6 S 3039/85, NVwZ 1987, 69 f. 911

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IV. Konsequenzen eines Verstoßes gegen eine Untersagungsanordnung 13 Die Weiterbeschäftigung einer bestellten verantwortlichen Person als verantwortliche Person entgegen einer vollziehbaren Untersagungsanordnung gemäß Absatz 1 Satz 1 stellt bei Vorsatz oder Fahrlässigkeit gemäß § 145 Abs. 1 Nr. 16 eine Ordnungswidrigkeit dar. Vollziehbare und bestandskräftige Betriebsuntersagungen gemäß Absatz 2 werden gemäß § 149 Abs. 2 Nr. 1 b) GewO in das Gewerbezentralregister eingetragen.

§ 74 Hilfeleistung, Anzeigepflicht (1) Bei Betriebsereignissen, die eine Gefahr für Beschäftigte oder Dritte herbeigeführt haben oder herbeizuführen geeignet sind, kann die zuständige Behörde, soweit erforderlich, die zur Abwehr der Gefahr oder zur Rettung Verunglückter oder gefährdeter Personen notwendigen Maßnahmen anordnen. (2) 1Der Unternehmer und auf Verlangen der zuständigen Behörden auch die Unternehmer anderer bergbaulicher Betriebe haben unverzüglich die zur Ausführung der nach Absatz 1 angeordneten Maßnahmen erforderlichen Arbeitskräfte, Geräte und Hilfsmittel zur Verfügung zu stellen. 2Aufwendungen, die den Unternehmern anderer bergbaulicher Betriebe entstehen, hat der Unternehmer zu tragen, in dessen Betrieb die zur Verfügung gestellten Arbeitskräfte, Geräte und Hilfsmittel eingesetzt worden sind. (3) Der Unternehmer hat der zuständigen Behörde 1. Betriebsereignisse, die den Tod oder die schwere Verletzung einer oder mehrerer Personen herbeigeführt haben oder herbeiführen können, und 2. Betriebsereignisse, deren Kenntnis für die Verhütung oder Beseitigung von Gefahren für Leben und Gesundheit der Beschäftigten oder Dritter oder für den Betrieb von besonderer Bedeutung ist, unverzüglich anzuzeigen.

Übersicht I. 1.

Hilfeleistung 1 Anordnungen gegenüber dem Unternehmer des 2 betroffenen Betriebs

2.

Hilfeleistungspflicht anderer Unternehmer

II.

Anzeigepflicht gemäß Absatz 3

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I. Hilfeleistung 1 Die Behörde kann gemäß Absatz 1 bei Betriebsereignissen, die eine Gefahr für Beschäftigte oder Dritte herbeigeführt haben oder herbeizuführen geeignet sind, soweit erforderlich, die zur Abwehr der Gefahr oder zur Rettung Verunglückter oder gefährdeter Personen notwendigen Maßnahmen anordnen. Die Anordnungsbefugnis aus Absatz 1 besteht ausweislich Absatz 2 sowohl gegenüber dem Unternehmer, in dessen Betrieb es zu einem Betriebsereignis mit einem Schaden oder einer Gefahr für Personen gekommen ist, als auch gegenüber anderen, benachbarten Bergwerksunternehmern. Ratio der Anordnungsbefugnis aus Absatz 1 und 2 ist, die Bergbehörde im Fall von Betriebsereignissen mit Personengefahren oder -schäden in die Lage zu versetzen, unabhängig von der Anordnungsbefugnis des § 71, die zum einen nicht speziell der Hilfeleistung dient, sondern im Vorfeld von Unglücksfällen ansetzt und zum anderen keine Aufsichtsmaßnahmen gegenüber anderen Unternehmern rechtfertigt, zu aufsichtlichen Maßnahmen zu berechtigen.

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Diese Aufsichtsbefugnis ergibt sich nicht aus § 71,1 weshalb § 74 im Fall von Unglücken lex specialis ist.2

1. Anordnungen gegenüber dem Unternehmer des betroffenen Betriebs Die behördliche Anordnungsbefugnis gegenüber dem Unternehmer des Betriebs, in dem sich ein Ereignis i.S.d. Absatzes 1 ereignet hat, korrespondiert mit der Verpflichtung des Unternehmers aus § 61 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, bei Zuständen oder Ereignissen im Betrieb, die eine unmittelbare Gefahr für Leben oder Gesundheit Beschäftigter oder Dritter herbeizuführen geeignet sind oder herbeigeführt haben, die zur Abwehr der Gefahr oder zur Rettung von Verunglückten geeigneten Maßnahmen zu treffen.3 Einer Anordnung nach § 74 Abs. 1 bedarf es daher nur dann, wenn im Fall von Gefahren für Beschäftigte oder Dritte der Unternehmer seiner Gefahrenabwehrpflicht aus § 61 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 nicht nachkommt. Kommt der Unternehmer dagegen seiner Verpflichtung nach, ist eine zusätzliche behördliche Anordnung nicht erforderlich und nicht zulässig.4 Voraussetzung einer Anordnung nach Absatz 1 ist ein Betriebsereignis, das eine Gefahr für Beschäftigte oder Dritte herbeigeführt hat oder herbeizuführen geeignet ist. Bei Betriebsereignissen i.S.d. Absatzes 1 handelt es sich aufgrund der Korrespondenz dieser Vorschrift mit § 61 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 um jedwede Zustände oder Ereignisse, die eine Gefahr für Beschäftige oder Dritte herbeiführen können oder herbeigeführt haben. Es muss sich, wenn nicht ein Schaden bereits eingetreten ist, um eine unmittelbare Gefahr handeln, d.h. um eine Sachlage, bei der die Einwirkung des schädigenden Ereignisses bereits begonnen hat oder die Einwirkung unmittelbar oder in allernächster Zeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bevorsteht.5 Auch dies ergibt sich aus der Korrespondenz mit § 61 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und der dortigen Regelung einer Verpflichtung des Unternehmers zur Gefahrenabwehr bei einer unmittelbaren Gefahr.6 Maßnahmen zur Abwehr abstrakter Gefahren können nicht über § 74 Abs. 1, sondern allein unter den Voraussetzungen des § 71 Abs. 1 verfügt werden. Schutzgüter des Absatzes 1 sowie des § 61 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 sind Personen, nämlich Beschäftigte sowie Dritte; Gefahren und Schäden für Sachen rechtfertigen eine behördliche Anordnung gemäß Absatz 1 nicht. Bei Beschäftigten handelt es sich um die Beschäftigten des Bergbaubetriebs, unabhängig von ihrer arbeitsvertraglichen Bindung an den Unternehmer oder einen von diesem beauftragten Auftragnehmer; entscheidend ist ihre tatsächliche Beschäftigung im Betrieb. Dritte sind sowohl Besucher im Betrieb als auch Personen außerhalb des Betriebs. Die missverständliche Formulierung des § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 „… Beschäftigter und Dritter im Betrieb …“, die auch dort ausweislich der Rechtsprechung nicht als Beschränkung des Gesundheitsschutzes auf Dritte im Betrieb zu verstehen ist,7 findet sich in Absatz 1 von vornherein nicht. Die Behörde hat den Betriebsrat zur Ermöglichung der Wahrnehmung der arbeitsschutzrechtlichen Pflichten des Betriebsrats aus § 89 Abs. 1 BetrVG bei allen im Zusammenhang mit dem Arbeitsschutz stehenden Maßnahmen und damit auch bei Maßnahmen zur Unfallverhütung oder zur Rettung verunglückter oder gefährdeter Personen gemäß Absatz 1 hinzuzuziehen; dazu § 70 Rn. 17. Die Mittel zur Gefahrenabwehr bzw. zur Rettung Verunglückter sind aufgrund der Verpflichtung des Unternehmers des Betriebs, in dem Gefahren für Personen drohen oder bereits eingetreten 1 2 3 4 5

BT-Drs. 8/1315, S. 123. Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 74 Rn. 1. BT-Drs. 8/1315, S. 124. Kremer/Neuhaus gen. Wever Bergrecht, Rn. 380. BVerwG 26.2.1974, I C 31/72, BVerwGE 45, 51, 57 f.; Lisken/Denninger/Denninger Handbuch des Polizeirechts, Kapitel D Rn. 53. 6 So auch Weller ZfB 1992, 30, 35 zum Gefahrenbegriff des § 74 Abs. 3. 7 BVerwG 13.12.1991, 7 C 25/90, BVerwGE 89, 246, 248 = ZfB 1992, 38, 40. 913

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sind, von dem betroffenen Unternehmer zu stellen. Dies ist logische Konsequenz seiner Gefahrenabwehr- bzw. Rettungspflicht und in Absatz 2 Satz 1 deklaratorisch klargestellt. Der vorsätzliche oder fahrlässige Verstoß gegen eine bergbehördliche Anordnung gemäß Absatz 1 i.V.m. Absatz 2 Satz 1 stellt ausweislich § 145 Abs. 1 Nr. 17 eine Ordnungswidrigkeit dar, nicht dagegen ein Verstoß gegen die nicht durch eine behördliche Verfügung konkretisierte Gefahrenabwehrpflicht aus § 61 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2.

2. Hilfeleistungspflicht anderer Unternehmer 7 Die Behörde kann ausweislich Absatz 2 Satz 1 auch die Unternehmer anderer Bergbaubetriebe verpflichten, unverzüglich die zur Abwehr oder Beherrschung von Gefahren für bzw. Schäden an Personen erforderlichen Arbeitskräfte, Geräte und Hilfsmittel zur Verfügung zu stellen; die Anordnungsbefugnis resultiert auch in diesem Fall aus Absatz 1. Die Hilfeleistungspflicht anderer bergbaulicher Unternehmer besteht gemäß § 61 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 auch unabhängig von einer behördlichen Anordnung nach Absatz 1 kraft Gesetzes; spezielle Regelungen zur Organisation der betriebsübergreifenden Hilfsleistung durch eine Grubenwehr enthält § 131 für Unternehmer untertägiger bzw. brand- oder explosionsgefährdeter Gewinnungsbetriebe. Eine bergbehördliche Anordnung zur Hilfeleistungspflicht gegenüber anderen Unternehmern kommt – ebenso wie eine Anordnung gegenüber dem betroffenen Unternehmer – nur dann in Betracht, wenn diese ihrer Verpflichtung aus § 61 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 nicht eigenverantwortlich nachkommen. Die behördliche Verpflichtung zur Hilfeleistung ist von der Bergbehörde auszusprechen, die für die Aufsicht über den zur Hilfeleistung herangezogenen Betrieb zuständig ist; dies kann eine andere Behörde sein, als die für den Betrieb, in dem es zu einem Gefahrenzustand gekommen ist, zuständige Behörde. 8 Da die Anordnungsbefugnis des Absatzes 2 Satz 1 mit der Hilfeleistungspflicht aus § 61 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 korrespondiert, besteht die behördliche Anordnungsbefugnis nur unter den Voraussetzungen des § 61 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3. Absatz 2 Satz 1 berechtigt die Behörde nicht zu weitergehenden Forderungen, sondern allein dazu, die grundsätzliche Hilfeleistungspflicht dann, wenn ein Unternehmer ihr nicht nachkommt, zu aktivieren. Zur Hilfeleistung verpflichtet sind nur Unternehmer i.S.d. § 4 Abs. 5, d.h. natürliche oder juristische Personen, die eine bergbauliche Tätigkeit im Sinne des Gesetzes durchführen oder auf eigene Rechnung durchführen lassen. Weder bestehen bergrechtliche Hilfeleistungspflichten von Unternehmern nicht-bergbaulicher Betriebe gegenüber Bergwerksunternehmern, noch bestehen bergrechtliche Hilfeleistungspflichten von Bergwerksunternehmern gegenüber nicht-bergbaulichen Unternehmern; insoweit ist der Anwendungsbereich des Bundesberggesetzes nicht eröffnet. Zur Hilfeleistung verpflichtet und auch behördlich verpflichtbar sind in Anwendung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 61 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 nur Unternehmer benachbarter Bergbaubetriebe.8 Die Begrifflichkeit der Nachbarschaft setzt ein gewisses räumliches Näheverhältnis voraus. Nicht erforderlich ist, dass der zur Hilfeleistung herangezogene Betrieb unmittelbar an den verunglückten Betrieb grenzt. Der zu einem verunglückten Betrieb nächstgelegene Betrieb stellt zweifellos einen Nachbarbetrieb dar. Irrelevant ist, ob es sich bei dem Nachbarbetrieb um einen gleichartigen, d.h. auf die gleiche bergbauliche Tätigkeit, gerichteten Betrieb handelt. Auch Unternehmer auf eine andere bergbauliche Tätigkeit gerichteter Betriebe sind zur nachbarschaftlichen Hilfeleistung verpflichtet. Beschränkt ist die Hilfeleistungspflicht benachbarter Bergbaubetriebe durch die Möglichkeiten des benachbarten Betriebs zur sachkundigen Hilfe. Dies ergibt sich aus § 61 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 ausdrücklich und ist Folge des allgemeinen Grundsatzes, dass weder Unmögliches verlangt werden kann, noch durch Hilfeleistungsmaßnahmen der Hilfeleistende selbst gefährdet werden darf. Keine zusätzliche Beschränkung ergibt sich dagegen aus der in § 61 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 verwandten Formulierung, wonach der benachbarte Unternehmer Hilfe durch den Einsatz „eigener“ Beschäftigter und Geräte zu leisten 8 BT-Drs. 8/1315, S. 124. Keienburg/Wiesendahl

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hat. Dies bedeutet nicht, dass zwingend nur arbeitsvertraglich bei dem Unternehmer beschäftigtes Personal und sachenrechtlich im Eigentum des Unternehmers stehende Geräte zur Hilfeleistung eingesetzt werden müssten. Vielmehr dient die Formulierung dazu, die Verpflichtung des Unternehmers zum Einsatz von Personen und Mitteln aus seiner Verfügungsgewalt zu regeln. Deshalb muss der hilfeleistungspflichtige Unternehmer etwa auch Personal einer Betriebsführungsgesellschaft und geleaste Geräte zur Hilfeleistung einsetzen. Alles andere widerspräche dem Schutzzweck der Norm. Die bergrechtliche Hilfeleistungspflicht stellt eine Spezialausprägung der Notstandsinanspruchnahme von Nichtstörern im Notfall dar. Sie dient der effektiven Gefahrenabwehr bzw. -beherrschung unter Einsatz auch fremder, nicht dem havarierten Unternehmen zuzurechnender, Mittel. Dabei auf die Eigentumsverhältnisse der Mittel oder die arbeitsvertragliche Beziehung der Beschäftigten des benachbarten Unternehmers abzustellen, würde unter der Voraussetzung eines Direktion- und Verfügungsrechts des Unternehmers über ihm zur Verfügung stehende Arbeitskräfte und Sachmittel, die eine Hilfeleistung ermöglichen, angesichts des Schutzzwecks der Norm zu kurz greifen. Darüber hinaus ist der benachbarte Unternehmer aber – im Gegensatz zu dem havarierten Unternehmer – nicht verpflichtet, zum Zwecke der Hilfeleistung Dritte zu beauftragen.9 Gemäß Absatz 2 Satz 2 sind Aufwendungen, die einem hilfeleistenden Unternehmer bei der 9 Hilfeleistung entstehen, von dem Unternehmer, dem Hilfe geleistet wurde, zu tragen und damit zu ersetzen. Absatz 2 Satz 2 begründet einen zivilrechtlichen Aufwendungsersatzanspruch des Hilfeleistenden. Die Begrifflichkeit der zu ersetzenden Aufwendungen kann anhand der ebenso im Rahmen der Regelungen der Geschäftsführung ohne Auftrag in § 683 Satz 1 BGB verwandten Begrifflichkeit konkretisiert werden; die bergrechtliche Hilfeleistung stellt eine Spezialausprägung der Geschäftsführung ohne Auftrag dar. Unter den Begriff der Aufwendung i.S.d. § 683 Satz 1 BGB werden alle freiwilligen Vermögensopfer des Geschäftsführers gefasst, die der Geschäftsführer zum Zwecke der Ausführung des Geschäfts auf sich nimmt, oder die sich als notwendige Folge der Geschäftsführung ergeben.10 Auch Schäden werden, obwohl es sich dabei nicht um freiwillige Vermögensopfer handelt, ersetzt, wenn sich bei ihnen tätigkeitsspezifische Risiken verwirklicht haben.11 Um derart tätigkeitsspezifische Schäden handelt es sich etwa bei der Beschädigung eingesetzter Hilfsmittel, nicht dagegen bei Folgeschäden, die dem Hilfeleistenden entstehen, wenn er die Hilfsmittel aufgrund eines weiteren Ereignisses im eigenen Betrieb benötigen sollte und diese dort erst verspätet zum Einsatz kommen könnten. Nicht ersatzfähig sind Sowieso-Kosten, die bei dem Hilfeleistenden sowieso, unabhängig von der Hilfeleistung anfallen. Ersatzfähig sind nur solche Kosten bzw. Schäden, die allein aufgrund der Hilfeleistung anfallen. Ersatzfähig sind daher die Einsatzkosten für Geräte und Mittel inklusive der Kosten für die anschließende Instandsetzung der eingesetzten Mittel bis hin zur Neubeschaffung im Fall der Zerstörung beim Hilfseinsatz. Ersatzfähig sind etwaige Kosten, die für den Einsatz von Personal zur Hilfeleistung zusätzlich zu den ohnehin zu zahlenden Personalkosten anfallen; die Personalkosten als solche können dagegen nur dann als Aufwendungen geltend gemacht werden, wenn die Hilfstätigkeit in den Bereich der gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit des Hilfeleistenden fällt,12 was im Fall der bergrechtlichen Hilfeleistung eines benachbarten Unternehmers ausgeschlossen ist. Zu ersetzen sind alle, auch erfolglose, Aufwendungen, soweit diese entweder behördlich angeordnet wurden oder der Hilfeleistende sie für erforderlich erachten durfte. Obwohl der Aufwendungsersatzanspruch in Absatz 2 Satz 2 geregelt ist und damit im textli- 10 chen Zusammenhang mit einer behördlichen Anordnung zur Hilfeleistung gemäß Absatz 2 Satz 1 steht, besteht der Aufwendungsersatzanspruch nicht nur im Falle einer behördlich verfügten Hil9 Ebenso zur Nichtstörerinanspruchnahme: Lisken/Denninger/Denninger Handbuch des Polizeirechts, Kapitel D Rn. 142. 10 BGH 15.12.1975, II ZR 54/74, BGHZ 65, 384, 389; Staudinger/Bergmann BGB, § 683 Rn. 46. 11 BGH 27.11.1962, VI ZR 217/61, BGHZ 38, 270, 277; BGH 7.11.1960, VII ZR 82/59, BGHZ 33, 251, 257; MüKo-BGB/Schäfer § 683 Rn. 38 f. 12 Vgl. MüKo-BGB/Schäfer § 683 Rn. 37; Staudinger/Bergmann BGB, § 683 Rn. 58; Jauernig/Mansel BGB, § 683 Rn. 6. 915

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feleistung, sondern auch im Falle einer freiwilligen Hilfeleistung.13 Dies ergibt sich aus dem Sinn des Aufwendungsersatzanspruchs als nicht Vergütung aber Kompensation der Aufwendungen einer Hilfeleistung. Der Hilfeleistende soll – ebenso wie im Falle der Geschäftsführung ohne Auftrag – nicht in seinem Vermögen geschädigt werden. Dies gilt im Fall jeder Hilfeleistung, sei sie freiwillig oder behördlich angeordnet. Anderenfalls wäre derjenige, der freiwillig Hilfe leistet, gegenüber demjenigen, der erst auf behördliche Anordnung Hilfe leistet, benachteiligt; diese Konsequenz gilt es im Interesse der freiwilligen Hilfeleistung zu vermeiden, weshalb der Aufwendungsersatzanspruch aus Absatz 2 Satz 2 im Fall der Hilfeleistung grundsätzlich einschlägig ist. Dies bestätigt auch die amtliche Begründung, die darauf verweist, dass die Regelung des Aufwendungsersatzes in Abs. 2 Satz 2 dem bis dahin geltenden Recht entspricht.14 § 206 ABG NRW regelte unabhängig von einer behördlichen Anordnung zur Hilfeleistung, dass der Besitzer des Bergwerks, dem Hilfe geleistet wurde, sämtliche Kosten zu tragen hatte. Eine Grenze des Aufwendungsersatzes ergibt sich aus der im Geschäftsbesorgungsrecht allgemeinen Restriktion, dass nur Ersatz solcher Aufwendungen verlangt werden kann, die nach objektiven Kriterien dem Interesse oder dem Willen des Geschäftsherrn entsprechen einschließlich dabei ggf. entstehender, tätigkeitsspezifischer Schäden. 11 Besteht keine Hilfeleistungspflicht des Unternehmers eines anderen Bergbaubetriebs, scheidet auch eine Inanspruchnahme des anderen Unternehmers zur Hilfeleistung als Nichtstörer aus. Die bergaufsichtlichen Anordnungsmöglichkeiten der §§ 70 ff. sind abschließend und lassen eine subsidiäre Anwendung des allgemeinen Ordnungsrechts soweit, als die bergrechtlichen Regelungen reichen, nicht zu; dazu bereits § 69 Rn. 12. Eine Inanspruchnahme sowohl anderer bergrechtlicher Unternehmer, als auch sonstiger Personen als Nichtstörer nach allgemeinem Ordnungsrecht kommt nur in Betracht, um Gefahren von diesen abzuwenden. Die Bergaufsicht ist zu einer möglichst effektiven Gefahrenabwehr verpflichtet. Im Falle eines Unfalls, der ggf. betriebsübergreifende Auswirkungen haben kann, muss die Bergbehörde daher in der Lage sein, erforderlichenfalls naheliegende Gebäude oder Betriebe zu räumen, auf welche sich ein Unglücksfall auswirken könnte. Dies dient allein dem Schutz der von einem Unglücksfall potentiell betroffenen Nichtstörer, nicht dagegen der Hilfeleistung des verunglückten Unternehmers.

II. Anzeigepflicht gemäß Absatz 3 12 Betriebsereignisse, die den Tod oder eine schwere Verletzung einer oder mehrerer Personen herbeigeführt haben oder herbeiführen können, sowie Ereignisse, deren Kenntnis für die Verhütung oder Beseitigung von Gefahren für Leben und Gesundheit der Beschäftigten oder Dritter oder für den Betrieb von besonderer Bedeutung ist, hat der Unternehmer der Bergbehörde unverzüglich anzuzeigen. Diese in Absatz 3 enthaltene Regelung begründet eine Verpflichtung des Unternehmers, die im Katalog der bergaufsichtlichen Rechte und Pflichten gemäß §§ 69 ff. systemwidrig ist; die Auflistung der unternehmerischen Anzeigepflicht in Absatz 3 ist nur damit zu erklären, dass aus der Anzeige des Unternehmers Rückschlüsse für bergaufsichtliche Maßnahmen zu ziehen sind. Deshalb ist auch eine unverzügliche Anzeige gegenüber der Bergbehörde erforderlich, d.h. eine Anzeige ohne schuldhaftes Zögern.15 Dies setzt die Kenntnis von dem anzeigepflichtigen Ereignis voraus, was im Fall eines Ereignisses i.S.d. Nummer 1 1. Alt., das den Tod oder eine schwere Verletzung von Personen herbeigeführt hat, an objektiven Geschehnissen festzumachen ist, im Fall ebenfalls anzeigepflichtiger Gefahrenpotentiale i.S.d. Nummer 1 2. Alt. und Nummer 2 aber eine zusätzliche Würdigung und Einschätzung des Unternehmers voraussetzt. 13 Anzeigepflichtige Todesfälle gemäß Nummer 1 sind unschwer festmachbar. Wann eine gemäß Nummer 1 ebenso anzeigepflichtige schwere Verletzung vorliegt, ist dagegen interpretations13 A.A. wohl Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 74 Rn. 4 und Frenz/Beckmann BBergG, § 74 Rn. 16. 14 BT-Drs. 8/1315, S. 124. 15 So die Legaldefinition in § 121 Abs. 1 BGB. Keienburg/Wiesendahl

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fähig; die amtliche Begründung verweist auf die jahrzehntelange Praxis im Rahmen des früheren Rechts, auf deren Grundlage die Begrifflichkeit als geklärt angesehen werden könne.16 Eine schwere Verletzung ist danach unter Heranziehung des Verständnisses der früheren entsprechenden Regelungen in § 204 ABG NRW zu bejahen, wenn Lebensgefahr besteht oder eine Erwerbsunfähigkeit von voraussichtlich mehr als 8 Wochen zu erwarten ist.17 Anzeigepflichtig sind nicht nur Betriebsereignisse, die zu einem Todesfall oder schweren Verletzungen geführt haben, sondern darüber hinaus auch Ereignisse, die einen Todesfall oder schwere Verletzungen herbeiführen können. Gemeint ist damit nicht die Anzeige theoretischer Ereignisse mit schweren Folgen, sondern die Anzeige tatsächlich eingetretener Ereignisse, die zu einer schweren Folge führen können oder hätten führen können, etwa der Einbruch einer für die Betriebsführung genutzten Strecke oder eine Gasexplosion. Über die in Nummer 1 bezeichneten Ereignisse hinaus müssen der Bergbehörde gemäß Num- 14 mer 2 auch solche Ereignisse angezeigt werden, deren Kenntnis für die Verhütung oder Beseitigung von Gefahren für Leben und Gesundheit Beschäftigter oder Dritter oder für den Betrieb von besonderer Bedeutung ist. Auch die Anzeigepflicht gemäß Nummer 2 setzt bereits eingetretene Ereignisse voraus, die allerdings – im Umkehrschluss zu Nummer 1 – zu keinen Todesfällen oder schweren Verletzungen geführt haben oder hätten führen können. Es handelt sich damit um Ereignisse mit Folgen unterhalb der Schwelle der Ereignisse gemäß Nummer 1, aber mit eingetretenen oder potentiellen Folgen für Leben und Gesundheit oder den Betrieb. Dies ist nach der amtlichen Begründung von zahlreichen Faktoren abhängig und erfordert eine fallabhängige Konkretisierung, die – so die amtliche Begründung – gegebenenfalls durch Verwaltungsvorschrift erfolgen muss.18 Beispiele anzeigepflichtiger Ereignisse i.S.d. Absatzes 3 Nr. 2 sind in den Vorschriften der Länder geregelt. § 3 Nr. 2 BVOT NRW führt als Ereignisse, deren Kenntnis für die Verhütung oder Beseitigung von Gefahren für Leben und Gesundheit der Beschäftigten oder Dritter oder für den Betrieb von besonderer Bedeutung ist, auf: „Explosionen, Brände, Öloder Gasausbrüche, Bohrlocheinbrüche, Auslaufen größerer Mengen gefährlicher oder wassergefährdender Stoffe und größere Schäden an Einrichtungen, größere Störungen im Betrieb, soweit sie von sicherheitlicher Bedeutung sind, außergewöhnliche, vom Betrieb ausgehende Emissionen oder Verunreinigungen von Gewässern oder Böden, Unfälle und Unregelmäßigkeiten beim Umgang mit explosionsgefährlichen oder radioaktiven Stoffen sowie den Verlust oder Fund solcher Stoffe.“ Detailliertere Vorgaben zu den anzeigepflichtigen Ereignissen der Nummer 2 finden sich – gegliedert für unterschiedliche Betriebe – in der Rundverfügung Nr. 84.09.1-9-11 „Anzeigepflicht aufgrund § 74 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 145 Abs. 1 Nr. 18 BBergG“ der Bezirksregierung Arnsberg vom 16.10.2002 in Gestalt der überarbeiteten Fassung vom 1.2.2011, Nr. 62.09.1-2010-8. Diese Regelwerke enthalten keine abschließenden Aufzählungen; sie können aber in Nordrhein-Westfalen als Maßstab herangezogen werden. Ein vorsätzlicher oder fahrlässiger Verstoß gegen die unverzügliche Anzeigepflicht aus Ab- 15 satz 3 Nr. 1 und 2 stellt gemäß § 145 Abs. 1 Nr. 18 eine Ordnungswidrigkeit dar. Spezielle Anzeigepflichten besonderer Ereignisse und Unfälle sind für die Aufsuchung, Gewin- 16 nung und Aufbereitung von Bodenschätzen im Gebiet der Küstengewässer und des Festlandsockels u.a. in § 39 OffshoreBergV normiert. Ein Verstoß gegen diese Anzeigepflichten stellt gemäß § 71 Abs. 1 Nr. 6 OffshoreBergV eine Ordnungswidrigkeit i.S.d. § 145 Abs. 3 Nr. 1 dar. Die Verordnung basiert auf der Verordnungsermächtigung des § 68 Abs. 2 Nr. 2. Eine Ermächtigung zu einer zu § 74 Abs. 3 hinzutretenden Normierung anzeigepflichtiger Ereignisse noch dazu mit ordnungswidrigkeitenrechtlichen Folgen ergibt sich aus der Verordnungsermächtigung richtigerweise nicht. Da aber Absatz 3 die anzuzeigenden Ereignisse nicht katalogisiert, sondern ausweislich der amtlichen Begründung eine Konkretisierung durch Verwaltungsvorschriften erforderlich ist, müssen die Vorgaben des § 39 OffshoreBergV jedenfalls als Konkretisierung des Absatzes 3 beachtet werden, mit 16 BT-Drs. 8/1315, S. 124. 17 Ebel/Weller ABG, § 204 Rn. 4. 18 BT-Drs. 8/1315, S. 124. 917

Keienburg/Wiesendahl

§ 74

Fünfter Teil – Bergaufsicht

der Folge, dass ein Verstoß gegen die Anzeigepflichten aufgrund § 145 Abs. 1 Nr. 18 ordnungswidrigkeitenrechtliche Folgen nach sich ziehen kann. 17 Außerbergrechtliche Anzeigepflichten von Unglücksfällen bleiben von § 74 Abs. 3 unberührt. Dies galt etwa für die in der amtlichen Begründung ausdrücklich erwähnten Anzeigepflichten gemäß §§ 1559 ff. RVO.19 Nach Aufhebung der §§ 1546–1772 RVO durch Art. 35 UVEG vom 7.8.1996 sind die Anzeigepflichten des Unternehmers in § 193 SGB VII geregelt. Auch diese bestehen parallel zu den Anzeigepflichten nach § 74 Abs. 3.

19 BT-Drs. 8/1315, S. 124. Keienburg/Wiesendahl

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SECHSTER TEIL Berechtsamsbuch, Berechtsamskarte § 75 Anlegung und Führung des Berechtsamsbuchs und der Berechtsamskarte (1) Bei der zuständigen Behörde werden ein Berechtsamsbuch und eine Berechtsamskarte angelegt und geführt. (2) In das Berechtsamsbuch sind einzutragen 1. Erlaubnisse, Bewilligungen, Bergwerkseigentum und nach § 149 aufrechterhaltene Bergbauberechtigungen, 2. Änderungen der in Nummer 1 genannten Bergbauberechtigungen durch Vereinigung, Teilung, Austausch oder Zulegung. (3) In die Berechtsamskarte sind einzutragen 1. die Felder, auf die sich die in Absatz 2 Nr. 1 genannten Bergbauberechtigungen beziehen, 2. die Veränderungen der Felder, die sich aus den in Absatz 2 Nr. 2 genannten Veränderungen ergeben, 3. Baubeschränkungsgebiete. (4) Die Eintragungen in das Berechtsamsbuch und die Berechtsamskarte werden von Amts wegen vorgenommen. (5) 1Erloschene Bergbauberechtigungen sind im Berechtsamsbuch zu löschen. 2Auf der Berechtsamskarte ist das Erlöschen in geeigneter Weise zu kennzeichnen. Der sechste Teil des Bundesberggesetzes regelt in den §§ 75 und 76 mit dem Berechtsamsbuch und 1 der Berechtsamskarte ein öffentlich-rechtliches Register für Bergbauberechtigungen, die durch staatliche Entscheidungen erteilt oder im Falle alter Rechte bestätigt wurden. Darüber hinaus werden Baubeschränkungsgebiete in der Berechtsamskarte dargestellt. Die Funktion eines öffentlichrechtlichen Registers entspricht dem Wasserbuch nach § 87 WHG und dem CCS-Register nach § 6 KSpG, wobei letzteres eine wesentlich umfangreiche Regelungstiefe hat.1 Die Eintragungen sind von Amts wegen vorzunehmen und haben keine konstitutive Wirkung; Inhalt und Umfang der Berechtigungen richten sich vielmehr nach den entsprechenden rechtsbegründenden, rechtsändernden oder sonstigen rechtsgestaltenden Akten.2 Auch wenn dies anders als beim Wasserbuch in § 87 Abs. 4 WHG nicht gesetzlich geregelt ist, ergibt sich diese nicht konstitutive Rechtswirkung aus den Vorschriften der Erteilung oder Bestätigung von Rechten, deren Rechtswirksamkeit einen Verwaltungsakt nach § 16 Abs. 1, bei Bergwerkseigentum in Form einer Berechtsamsurkunde nach § 17 Abs. 2, voraussetzt, aber keine Eintragung in das Berechtsamsbuch und die Berechtsamskarte. Dieses Register erfüllt vielmehr eine Überblicksfunktion für Dritte, denen § 76 bei Darlegung eines berechtigten Interesses ein weitgehendes Einsichtsrecht gewährt. Der öffentliche Glaube in Hinblick auf Bergbauberechtigungen, die im Grundbuch eingetragen werden, also bei Bergwerkseigentum und bestimmten alten Gewinnungsrechten nach § 149, bleibt hiervon unberührt. Die in das Berechtsamsbuch einzutragenden Gewinnungsrechte ergeben sich aus Absatz 2. 2 Sie umfassen die nach dem Bundesberggesetz erteilten Bergbauberechtigungen (Erlaubnis, Bewilligung und Bergwerkseigentum) sowie die nach § 149 aufrechterhaltenen Bergbauberechtigungen einschließlich der in Absatz 2 Nr. 2 genannten Änderungen dieser Rechte.3 Daneben sind auch die 1 Nach § 6 Abs. 4 KSpG wird das BMWi ermächtigt, im Einvernehmen mit dem BMU durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats Einzelheiten zur Erstellung und Führung des Registers, den Datenschutz, die öffentliche Zugänglichkeit und die jeweiligen Verfahren zu regeln. 2 Amtl. Begründung BT-Drs. 8/1315, S. 124; Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 75 Rn. 5. 3 Zu aufrechterhaltenen, aus dem Grundeigentum abgeleiteten Berechtigungen nach § 149 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 oder aufrechterhaltenen Altverträgen nach § 149 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 näher Frenz/Sladek BBergG, § 75 Rn. 8. 919 https://doi.org/10.1515/9783110709285-105

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Sechster Teil – Berechtsamsbuch, Berechtsamskarte

nach dem Einigungsvertrag bestätigten alten Gewinnungsrechte in das Berechtsamsbuch und die Berechtsamskarte einzutragen.4 Zu den Änderungen nach Absatz 2 Nr. 2 gehört auch der Wechsel des Bergbauberechtigten oder die Beteiligung an einer Bergbauberechtigung, soweit dies Gegenstand einer Zustimmung nach § 22 oder Genehmigung nach § 23 ist. Sonstige Rechtsänderungen, die nicht Gegenstand einer behördlichen Entscheidung sind, z.B. die Verpachtung von Bergwerkseigentum, sind nicht Bestandteil der bergbehördlichen Berechtsamsentscheidung und damit auch nicht in das Berechtsamsbuch einzutragen. Erloschene Bergbauberechtigungen sind nach Absatz 5 Satz 1 im Berechtsamsbuch zu löschen, aber in der Berechtsamskarte in geeigneter Weise zu kennzeichnen. Dies gilt ebenso bei der teilweisen Aufhebung von Erlaubnissen und Bewilligungen, da im aufgehobenen Teilfeld die Bergbauberechtigung erlischt. Die Löschung im Berechtsamsbuch schließt jedoch nicht aus, bei Anträgen auf Einsichtnahme nach § 76 auch Urkunden einzusehen, die sich auf erloschene Rechte beziehen, da auch insoweit ein berechtigtes Interesse auf Einsicht bestehen kann, z.B. im Falle der Bergschadenshaftung nach § 116 Abs. 1. Die Löschung von Bergwerkseigentum im Grundbuch erfolgt gesondert auf Antrag der zuständigen Bergbehörde nach § 18 Abs. 4 Satz 3 für den Fall des Widerrufs sowie § 20 Abs. 5 bei einer Aufhebung. Durch Fristablauf erloschenes Bergwerkseigentum kann auf Antrag des Bergwerkseigentümers im Wege der Grundbuchberichtigung5 oder von Amts wegen aufgrund Gegenstandslosigkeit im Grundbuch gelöscht werden (§ 17 Rn. 7). 3 Zur Form des Berechtsamsbuchs enthält das Gesetz keine näheren Vorschriften. Zwar schließt § 16 Abs. 1 Satz 1 die elektronische Form bei Erteilung einer Bergbauberechtigung aus, so dass die Berechtsamsurkunden selbst nur als körperliche Verwaltungsakte in Schriftform ausgestellt werden können. Für das nicht konstitutive Berechtsamsbuch als Register gilt diese Einschränkung nicht, so dass dieses grundsätzlich auch in elektronischer Form geführt werden kann. Allerdings entspricht Absatz 2 nicht den erhöhten Anforderungen an eine elektronische Datenverarbeitung, da weder der genaue Inhalt der Datensätze noch die weiteren Anforderungen an das Verfahren und den Abruf von Daten aus dem Berechtsamsbuch normativ geregelt sind, wie dies beispielsweise in den Landeswassergesetzen sowie Verordnungen zum Wasserbuch geregelt ist oder bei der Kohlendioxidspeicherung durch Verordnung geregelt werden kann. In der Praxis wird deshalb weiterhin ein analoges Berechtsamsbuch bei der zuständigen Bergbehörde vorgehalten. Aufgrund des Mindestinhalts des Berechtsamsbuchs nach Absatz 2 wird dieses in Gestalt von einzelnen Berechtsamsblättern geführt, die in standardisierter Form die wesentlichen Inhalte der Berechtsame nach Feldesname, Inhaber, Gültigkeitszeitraum, Bodenschatz, Art der Bergbauberechtigung sowie Größe und Lage des Feldes erfassen. Diese statusbegründenden Angaben ergeben sich aus § 16 Abs. 1 und Abs. 4, da sie den Inhalt der erteilten Bergbauberechtigungen konkretisieren. Weitere Nebenentscheidungen wie Auflagen nach § 16 Abs. 3 oder das Datum des Antrags nach § 10 sind nicht Bestandteil des Registers. Ein Zugang zu diesen und weiteren in den Verleihungsurkunden enthaltenen Informationen gewährt § 76 Abs. 1, da neben den Daten des Berechtsamsbuches ausdrücklich auch eine Einsicht in Urkunden, auf die in der Eintragung Bezug genommen wird, gewährt werden kann. Zur Offenlegung von Basisdaten aus dem Berechtsamsbuch nach der 2017 neu eingefügten Regelung in § 76 Abs. 3 vgl. § 76 Rn. 15 4 Die Berechtsamskarte enthält nach Absatz 3 Nr. 1 die räumliche Darstellung der Felder, auf die sich Bergbauberechtigungen nach Absatz 2 beziehen. Soweit sich die zugrunde liegenden Bergbauberechtigungen im Sinne von Absatz 2 Nr. 2 geändert haben, sind diese Änderungen in der Berechtsamskarte zu kennzeichnen, wodurch auch der frühere Rechtszustand nachvollzogen werden kann. Die Eintragung der Baubeschränkungsgebiete nach Absatz 3 Nr. 3 ist systematisch ein gewisser Fremdkörper der ansonsten immer auf Bergbauberechtigungen bezogenen Registerfunktion des § 75. Die Aufnahme in die Berechtsamskarte nach Absatz 3, nicht aber in das Berechtsamsbuch nach Absatz 2, verdeutlicht das Bestreben des Gesetzgebers, aus reinen Zweckmäßig4 Anlage I Kapitel V Sachgebiet D Abschnitt III Nr. 1 Buchstabe d) Abs. 5 EV. 5 Zum Grundbuchvollzug bei erloschenem Bergwerkseigentum vgl. Gojowczyk, Das Bergwerkseigentum als Gegenstand der Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen S. 187ff. Herrmann

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Sechster Teil – Berechtsamsbuch, Berechtsamskarte

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keitserwägungen Baubeschränkungsgebiete in die Berechtsamskarte zu integrieren, weil sich in diesen Gebieten besondere Auswirkungen von Bergbauberechtigungen ergeben können.6 Die förmlichen Anforderungen einer Rechtsverordnung zur Festsetzung von Baubeschränkungsgebieten nach § 107 Abs. 2 und 3, insbesondere die archivmäßig gesicherte Niederlegung von Karten und Plänen als Bestandteil der jeweiligen Rechtsverordnungen, bleiben davon unberührt. Die Aufnahme in die Berechtsamskarte ersetzt diese Formvorschriften nicht, sondern soll ausschließlich eine rechtlich unverbindliche Überblicksinformation ermöglichen. Eine nach § 5 Abs. 3 Nr. 2 BauGB im Flächennutzungsplan sowie nach § 9 Abs. 5 Nr. 2 BauGB im Bebauungsplan vorzunehmende Kennzeichnung von Flächen, die zum Abbau von Mineralien vorgesehen werden, kann ebenfalls durch Übernahme von Baubeschränkungsgebieten in die Bauleitplanung erfolgen. Auch diese Kennzeichnung ohne normative Wirkung dient der Information, die bauleitplanerische Konfliktbewältigung kann in diesen Fällen auf die nachfolgenden Genehmigungsverfahren verlagert werden.7 Gesetzlich inkonsequent ist deshalb die Regelung in § 76 Abs. 3 Satz 2, die eine Befugnis der 4a zuständigen Bergbehörde zur öffentlichen Bereitstellung von Basisdaten zu Bergbauberechtigungen enthält (vgl. § 76 Rn. 18), aber Angaben zu Baubeschränkungsgebieten nicht in die veröffentlichungsfähigen Angaben nach Absatz 3 Satz 1 aufnimmt, obwohl gerade diese keinen rechtlichen Hindernissen für einen öffentlichen Zugang unterliegen. Dies beruht auf der gesetzlichen Zielstellung des 2017 eingefügten § 76 Abs. 3, die Voraussetzungen einer Vollmitgliedschaft der Bundesrepublik Deutschland in der „Extractive Industries Transparancy Initiative“ – EITI – zu schaffen, was u.a. die Offenlegung von Lizenzen zur Rohstoffgewinnung erfordert.8 Baubeschränkungsgebiete sind aber nicht Gegenstand des EITI-Standards, so dass diese Angaben nicht in die veröffentlichungsfähigen Daten aufgenommen wurden. Dass einer Veröffentlichung der Angaben zu Baubeschränkungsgebieten als Bestandteil der Berechtsamskarte dennoch kein rechtliches Hindernis entgegensteht, ergibt sich aus dem normativen Rechtscharakter einer Rechtsverordnung nach § 107, der eine Zugangsbeschränkung ohnehin ausschließt. Die Form der Berechtsamskarte ist ebenso wie die Form des Berechtsamsbuchs nicht 5 durch das Gesetz geregelt. Sie kann dementsprechend ebenfalls elektronisch geführt werden,9 muss aber in diesem Fall die Anforderungen des Absatzes 5 erfüllen, der eine Kennzeichnung von Änderungen verlangt, die in elektronischer Form eine gesicherte Historienverwaltung der Datenbestände erfordert. In der Praxis wird die elektronisch erstellte und verwaltete Berechtsamskarte auch noch in körperlicher Form geführt. Absatz 3 schließt es im Übrigen nicht aus, weitere Informationen in die Berechtsamskarte aufzunehmen, die der besseren Lesbarkeit dienen. Dementsprechend wird regelmäßig die Topografie hinterlegt. Der Maßstab der Berechtsamskarte orientiert sich an dem Nutzungsziel einer schnellen Orientierung und Lesbarkeit im Verhältnis zu den dort dargestellten Bergbauberechtigungen.10 Durch die digitale Führung der Berechtsamskarte spielt die Frage des Maßstabs allerdings keine Rolle, da sämtliche Eintragungen mit räumlichen Bezug durch Koordinaten eindeutig festgelegt werden.11

6 Amtl. Begründung BT-Drs. 8/1315, S. 124. 7 OVG Münster 17.5.2017, 10 D 2/16NE, ZfB 2018, 17, 21 zur Kennzeichnung von bergschadensgefährdeten Flächen, unter denen alter Steinkohlenbergbau umgegangen ist, im Bebauungsplan.

8 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, BT-Drs. 18/ 12994, S. 20; zum Transparenzziel von EITI durch Offenlegung von Genehmigungen und Abbaurechten vgl. Wagner, Bergbau 2020, 291. 9 Die Entwicklung zu einer digitalen Berechtsamskarte im Zusammenhang mit dem Transparenzgebot des EITI-Prozesses prognostiziert auch Frenz/Sladek BBergG, § 75 Rn. 17. 10 Die Vorschriften zum Maßstab nach § 3 UnterlagenBergV gelten nicht für die Führung der Berechtsamskarte, enthalten aber in Satz 2 ebenfalls den Hinweis auf die Wahl eines geeigneten Maßstabs in Hinblick auf die erforderliche Genauigkeit, Übersichtlichkeit und Lesbarkeit der Darstellung. 11 Die koordinatengenaue Festlegung von Feldern für Bergbauberechtigungen regelt § 5 UnterlagenBergV. 921

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§ 76

Sechster Teil – Berechtsamsbuch, Berechtsamskarte

§ 76 Einsicht 1 Die Einsicht in das Berechtsamsbuch, in die Berechtsamskarte und in Urkunden, auf die in der Eintragung Bezug genommen wird, ist jedem gestattet, der ein berechtigtes Interesse darlegt. 2Ausgenommen sind Urkunden, die Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse enthalten. (2) Soweit die Einsicht gestattet ist, können Auszüge gefordert werden, die auf Verlangen zu beglaubigen sind. (3) 1Die zuständige Behörde gestattet auf Antrag ohne Darlegung eines berechtigten Interesses Einsicht in folgende Angaben zu den in § 75 Absatz 2 Nummer 1 genannten Bergbauberechtigungen: 1. Inhaber, 2. Felder, auf die sich die Bergbauberechtigung bezieht, 3. Datum der Beantragung und der Erteilung, 4. Laufzeit sowie 5. Bodenschatz, auf den sich die Bergbauberechtigung bezieht. 2 § 3 Absatz 2 des Umweltinformationsgesetzes ist entsprechend anzuwenden. 3Die zuständige Behörde kann die in Satz 1 genannten Angaben öffentlich einsehbar machen. 4 Die Einsicht in weitere Angaben nach Absatz 1, die Anforderung von Auszügen nach Absatz 2 und die Gestattung der Einsicht oder die Veröffentlichung von Angaben auf Grund der Zustimmung des betroffenen Unternehmers oder auf Grund anderer Vorschriften bleiben unberührt.

(1)

Übersicht I.

Regelungsinhalt

1

II.

Einsichtsrecht nach Absatz 1 und 2

III.

Einsichtnahmerecht nach Absatz 3 Satz 1

IV.

Art und Weise der Einsichtnahme nach Absatz 3 16 Satz 2

V.

Öffentliche Bereitstellung der Basisdaten nach Absatz 3 Satz 3 18

VI.

Andere Einsichtsrechte

2 21

12

I. Regelungsinhalt 1 § 76 regelt zusammen mit § 63 ein bergbauspezifisches Informationszugangsrecht. § 76 Abs. 1 gewährt ein Einsichtsrecht in Berechtsamskarte und Berechtsamsbuch einschließlich der den Eintragungen zugrundeliegenden Urkunden und deckt damit Sachinformationen auf Ebene der Bergbauberechtigungen ab. § 63 Abs. 4 enthält demgegenüber ein Einsichtsrecht in das Grubenbild, das die wesentlichen Informationen mit räumlichem Bezug auf Ebene des Aufsuchungsoder Gewinnungsbetriebs darstellt. Beide seit Inkrafttreten des BBergG unveränderten Einsichtsrechte sind antragsgebunden und setzen ein berechtigtes Interesse des Antragstellers voraus. Gesetzliches Motiv für diese gegenüber dem allgemeinen Akteneinsichtsrecht nach § 29 VwVfG spezielleren Vorschriften war dabei der Zusammenhang insbesondere mit dem Bergschadensrecht, in dessen Rahmen den Anspruchsberechtigten ein Zugang zu anspruchsbegründenden Tatsachen sowohl beim Bergschadenspflichtigen als auch zur bergbaulichen Verursachung erleichtert werden sollte.

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Sechster Teil – Berechtsamsbuch, Berechtsamskarte

§ 76

2017 neu eingefügt wurde das Einsichtsrecht in § 76 Abs. 3, das einerseits für bestimmte Basisdaten zu Bergbauberechtigungen einen voraussetzungsfreien, aber immer noch antragsgebundenen, Zugang eröffnet und andererseits in Absatz 3 Satz 3 eine Befugnis der zuständigen Behörde zu einer öffentlichen Datenbereitstellung dieser Basisdaten schafft.

II. Einsichtsrecht nach Absatz 1 und 2 Das Einsichtsrecht in § 76 Abs. 1 ist dem Einsichtsrecht in das Grundbuch nach § 12 GBO nachgebildet. Es umfasst ein Recht auf Einsicht in das Berechtsamsbuch und die Berechtsamskarte sowie in Urkunden, auf die in den Eintragungen Bezug genommen wird. Die Inhalte des Berechtsamsbuches und der Berechtsamskarte sind in § 75 Abs. 2 und 3 festgelegt. Sind darin weitere, über die gesetzlich geregelten Daten hinausgehenden Informationen aufgenommen, kann auch in diese Einsicht genommen werden. Mögliche Konflikte mit Rechten Dritter, insbesondere der Rechtsinhaber, können im Rahmen der Zugangsbeschränkungen Absatz 1 Satz 2 berücksichtigt werden. Die Entscheidung der zuständigen Behörde über einen Antrag nach Absatz 1 stellt keine Ermessensentscheidung dar, sondern beruht auf einem Auskunftsanspruch des Antragstellers.1 Auch soweit eine Einsicht in Urkunden aufgrund von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen nach Absatz 1 Satz 2 versagt wird, besteht kein Abwägungsspielraum der Bergbehörde, in dem deren Schutz mit dem Informationsinteresse der Antragsteller ins Verhältnis gesetzt wird. Absatz 1 Satz 2 entspricht insoweit dem verfahrensrechtlichen Anspruch auf Geheimhaltung nach § 30 VwVfG. Das Einsichtnahmerecht erstreckt sich ebenso auf die Urkunden, auf die in den Eintragungen des Berechtsamsbuches und der Berechtsamskarte Bezug genommen wird. Dies sind die statusbegründenden Verleihungsurkunden für Bergbauberechtigungen, nicht aber die Bescheide, in denen diese Berechtsamsentscheidungen getroffen wurden (zu dieser Differenzierung vgl. § 17 Rn. 3). Das Einsichtnahmerecht in § 76 Abs. 1 bezieht sich damit erst recht nicht auf die Unterlagen, die Gegenstand des Verwaltungsverfahrens gewesen sind; ein Akteneinsichtsrecht im Sinne von § 29 VwVfG ist damit nicht verbunden. Die ausdrückliche Erstreckung des Einsichtnahmerechts auf die den Eintragungen zugrunde liegenden Urkunden gewährt insoweit keinen erweiterten Informationszugang für Dritte, sondern ermöglicht eine Überprüfung der in Berechtsamsbuch und Berechtsamskarte vorgenommenen Eintragungen, da anders als im Grundbuch diese Registereintragungen keine Richtigkeitsvermutung beinhalten (§ 75 Rn. 1). Dass insbesondere bei Anzeigen alter Gewinnungsrechte nach § 149 ein berechtigtes Interesse bestehen kann, Einsicht in die Anzeigen und die diesen beigefügten Nachweisen zum Vorliegen von Altrechten nehmen zu können, spricht aber für eine weite Auslegung der Einsichtnahme nach § 76 Abs. 1, da die allgemeine Akteneinsicht nach § 29 VwVfG nicht als Auffangregelung zum Tragen kommt (vgl. Rn. 21). Die Art und Weise der Einsichtnahme steht im Ermessen der zuständigen Bergbehörde, da § 76 hierzu keine nähere Bestimmung trifft. Der Grundsatz des einfachen, zweckmäßigen und zügigen Verwaltungshandelns nach § 10 Satz 2 VwVfG kann hierbei angewendet werden. Die Einsichtnahme wird regelmäßig vor Ort bei der zuständigen Behörde stattfinden, da das Register aus Berechtsamskarte und Berechtsamsbuch im Original regelmäßig nicht zur Übersendung geeignet ist. Insoweit besteht ein wesentlicher Unterschied zum allgemeinen Akteneinsichtsrecht nach § 29 VwVfG, das sich grundsätzlich auf eine vollständige Akte bezieht,2 während § 76 Abs. 1 nur die dort genannten Inhalte zur Einsicht erfasst. § 76 Abs. 1 schließt umgekehrt eine andere Form

1 Ebenso Frenz/Blatt BBergG, § 76 Rn. 26. 2 BeckOK/Herrmann VwVfG, 54. Ed. 1.1.2022, § 29 Rn. 34a erstreckt dies auch auf elektronische Metadaten. Im Falle einer digitalen Berechtsamskarte und einem digitalen Berechtsamsbuch beinhaltet dies eine Historienverwaltung der jeweiligen Änderungszeitpunkte für Eintragungen in der zugrundeliegenden Datenbank. 923

Herrmann

2

3

4

5

§ 76

Sechster Teil – Berechtsamsbuch, Berechtsamskarte

der Einsichtnahme aber auch nicht aus.3 Eine nach dem Einsichtsziel des Antragstellers geeignete Auskunft, ein Verweis auf bereits öffentlich zugängliche Informationen oder eine digitale Datenbereitstellung bei umfangreicheren Einsichtsbegehren sind ebenfalls vom Einsichtsrecht gedeckt, soweit die Einschränkungen nach Absatz 1 Satz 2 berücksichtigt werden können. Ein Einsichtsbegehren kann zudem unmittelbar durch Übersendung eines Auszugs nach Absatz 2 an den Antragsteller erfüllt werden. Einschränkungen einer Vor-Ort-Einsicht aufgrund persönlicher Umstände des Antragstellers oder aufgrund von pandemiebedingten Zutrittsbeschränkungen in den Behörden4 sind im Rahmen des Ermessens der zuständigen Behörde zur Art der Einsichtnahme zu berücksichtigen. 6 Anders als § 12 Abs. 4 GBO enthält § 76 Abs. 1 keine ausdrückliche Verpflichtung zur Protokollierung einer erfolgten Einsicht in Berechtsamsbuch und Berechtsamskarte. Eine aktenmäßige Dokumentationspflicht ergibt sich jedoch bereits aus der allgemeinen Verpflichtung zur Aktenführung staatlicher Behörden, da diese sämtliche Verfahrensschritte eines Verwaltungsverfahrens abbilden muss und auch das Einsichtsbegehren nach § 76 Abs. 1 ein antragsgebundenes Verwaltungsverfahren in Gang setzt. Dies gilt ebenso für eine elektronische Vorgangsbearbeitung oder Datenübermittlung.5 Eine Beteiligung des Rechtsinhabers im Verwaltungsverfahren ist erforderlich, wenn möglicherweise Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse im Sinne von Absatz 1 Satz 2 betroffen sind. Die zuständige Behörde ist jedoch nicht verpflichtet, jedes Einsichtnahmebegehren Dritter dem Rechtsinhaber eines im Berechtsamsbuch eingetragenen Rechts mitzuteilen. 7 Das Recht zur Einsichtnahme hängt dem Grunde nach und vom Umfang her von der Darlegung eines berechtigten Interesses ab. Ein solches liegt vor, wenn der Antragsteller ein verständiges, durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse darlegt, so dass unbefugte Zwecke oder bloße Neugier ausgeschlossen erscheinen.6 Auch ein bloß tatsächliches, insbesondere wirtschaftliches Interesse, das in Beziehung zu der Bergbauberechtigung steht, kann das Recht auf Einsichtnahme begründen.7 Ein berechtigtes Interesse kann in der Regel bei den Inhabern eingetragener Rechte und denjenigen, die in einer sonstigen rechtlichen Beziehung zu einer eingetragenen Berechtigung stehen, angenommen werden.8 Darüber hinaus können beispielsweise auch Personen, die einen Antrag auf Erteilung einer Bergbauberechtigung stellen wollen, sowie Grundeigentümer oder Planungsträger, für deren Vorhaben das Vorhandensein von Bergbauberechtigungen von Bedeutung ist, ein berechtigtes Interesse an der Einsichtnahme haben.9 Gleiches gilt für potenzielle Bergschadensgeschädigte. Ein berechtigtes Interesse besteht nicht, wenn die Einsichtnahme der Adressenbeschaffung für Werbemaßnahmen dient. Das berechtigte Interesse braucht nicht glaubhaft gemacht, sondern nur dargelegt werden. „Darlegen“ ist das Vorbringen von Tatsachen in der Weise, dass die Behörde den überzeugenden Anhalt für die Richtigkeit der Darstellung des Antragstellers erlangt. 8 Die Einsichtnahme ist verwehrt, wenn die Urkunden Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse enthalten (Absatz 1 Satz 2) (vgl. § 63 Rn. 25). Da sich dies ausdrücklich nur auf die dort genannten Urkunden bezieht, kann ein Ausschluss der Einsichtnahme nicht darauf gestützt werden, dass die Eintragungen in Berechtsamsbuch und Berechtsamskarte selbst Geschäfts-oder Betriebsgeheimnisse beinhalten. In den Berechtsamsurkunden werden zudem anders als in den zugrundeliegenden Anträgen oder auch den begründeten Bescheiden zur Erteilung von Bergbauberechtigungen regelmäßig keine Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse enthalten sein. Aufgrund dessen sowie der nunmehr in Absatz 3 enthaltenen voraussetzungslosen Einsicht in die dort genannten Basisda3 So auch Frenz/Blatt BBergG, § 76 Rn. 10 unter Hinweis auf das Ermessen der zuständigen Behörde zur Art der Einsichtnahme nach § 40 VwVfG. BeckOK/Herrmann VwVfG, 54. Ed. 1.1.2022, § 29 Rn. 35. BeckOK/Herrmann VwVfG, 54. Ed. 1.1.2022, § 29 Rn. 11a. KG Berlin 19.6.2001, 1 W 132/01, NJW 2002, 223, 224. OLG München 7.11.2012, 34 Wx 360 12, juris Rn. 6. Zum Einsichtsrecht ins Grundbuch vgl. Demharter GBO, § 12 Rn. 9. BT-Drs. 8/1315 S. 124.

4 5 6 7 8 9

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Sechster Teil – Berechtsamsbuch, Berechtsamskarte

§ 76

ten kommt der Frage eines Schutzes von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen nach Absatz 1 Satz 2 keine praktische Bedeutung mehr zu. Die Bestimmungen des § 76 über die Einsichtnahme begründen für die Behörde keine beson- 9 dere Auskunftspflicht über den Inhalt der hier bezeichneten Unterlagen hinaus. Die Behörde ist aber zur Erteilung von Auskünften berechtigt. Die Verpflichtung zur Auskunftserteilung gegenüber anderen Behörden im Rahmen der Amtshilfe (§§ 4, 5 VwVfG) bleiben unberührt. Auszüge oder deren Beglaubigung können nach Absatz 2 entsprechend dem Umfang des 10 Einsichtnahmerechts verlangt werden, soweit ein berechtigtes Interesse hierfür dargelegt wurde. Für die amtliche Beglaubigung ist § 33 VwVfG mit den dazu ergangenen landesrechtlichen Bestimmungen maßgeblich. Gemäß § 33 Abs. 4 VwVfG gelten die Vorschriften über die Beglaubigung von Abschriften entsprechend für Ablichtungen, Lichtdrucke u.ä. in technischen Verfahren hergestellten Vervielfältigungen. Die Beglaubigung von elektronischen Urkunden hat bei Bergbauberechtigungen bisher keine praktische Bedeutung, da für diese die elektronische Form nach § 16 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz ausgeschlossen ist. Die Beglaubigung von elektronischen Auszügen aus dem Berechtsamsbuch und v.a. auch der Berechtsamskarte kann hingegen im Rahmen von § 33 Abs. 5 und 7 VwVfG beantragt werden. Dies erfasst auch die Umwandlung eines analogen Auszugs in ein elektronisches Dokument und dessen elektronische Beglaubigung.10 Für die Gestaltung der Einsichtnahme sowie die Anfertigung und Beglaubigung von Auszügen 11 werden nach den gebührenrechtlichen Vorschriften der Länder grundsätzlich Verwaltungsgebühren erhoben, ähnlich wie im Bereich des Zugangs zu Umweltinformationen sind Auskünfte einfacher Art nach dem Kostenrecht der Länder kostenfrei.

III. Einsichtnahmerecht nach Absatz 3 Satz 1 Absatz 3 Satz 1 gewährt einen voraussetzungsfreien Zugang zu den dort abschließend aufgeführ- 12 ten Daten. Das gesetzliche Ziel dieser mit Art. 2 des Gesetzes zur Modernisierung des Rechts der Umweltverträglichkeitsprüfung11 vorgenommenen Ergänzung des allgemeinen Einsichtsrechts in Absatz 1 war dabei nicht die Umsetzung europarechtlicher Vorschriften zur Umweltverträglichkeitsprüfung, sondern die Erfüllung von Transparenzstandards für die Vollmitgliedschaft der Bundesrepublik Deutschland in der „Extractive Industries Transparency Initiative“ – EITI.12 Dieser Standard setzt u.a. voraus, dass in den Mitgliedstaaten ein öffentlich zugängliches Register oder Kataster mit Informationen zu Lizenzen für die Gewinnung von Bodenschätzen vorhanden ist.13 Die von der Darlegung eines berechtigten Interesses abhängige Einsichtsberechtigung in Absatz 1 bleibt hinter diesem voraussetzungslosen Transparenzgebot zurück, so dass eine gesetzliche Ergänzung erforderlich wurde.14 Die Umsetzung in Absatz 3 geht über die Mindestverpflichtungen des EITI-Standards hi- 13 naus, da diese Transparenzinitiative ausdrücklich nur Lizenzen für die Aufsuchung und Gewinnung von Öl, Gas und mineralischen Rohstoffen erfasst. Der Geltungsbereich von § 3 Abs. 3 BBergG für bergfreie Bodenschätze einschließlich des aufgrund von Bestandschutzvorschriften erweiterten Anwendungsbereichs der bergrechtlichen Regelungen für Lizenzen ist weiter, eine Abgrenzung, für welche davon der EITI-Standard zur Anwendung kommen soll, schwierig. Durch die weite Ausgestaltung des Einsichtsrechts in Absatz 3 auf alle Bergbauberechtigungen sollen deshalb damit verbundene Vollzugsprobleme bei der Ermittlung der betroffenen Bergbauberechtigungen 10 BeckOK/U. Müller VwVfG, 54. Ed. 1.1.2022, § 33 Rn. 29f. 11 Gesetz vom 20.7.2017, BGBl. I S. 2808. 12 Vgl. die Gesetzesbegründung in der Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit BT-Drs. 18/12994, S. 20. 13 Nr. 2.3 EITI Standard 2019, S. 16, https://eiti.org/sites/default/files/2022-03/EITI%20Standard%202019%20EN.pdf, (zuletzt abgerufen am 12.3.2023). 14 Ebenso Frenz/Blatt BBergG, § 76 Rn. 13. 925

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Sechster Teil – Berechtsamsbuch, Berechtsamskarte

vermieden werden.15 Absatz 3 eröffnet damit einen voraussetzungsfreien Zugang zu Basisinformationen für alle im Berechtsamsbuch eingetragenen neu erteilten Erlaubnisse und Bewilligungen und Bergwerkseigentum, aber ebenso zu alten Gewinnungsrechten, die nach § 149 oder den Vorschriften des Einigungsvertrags in das Berechtsamssystem des BBergG übergeleitet wurden.16 Nicht erfasst sind Gewinnungsberechtigungen für grundeigene Bodenschätze im Sinne von § 3 Abs. 4, da diese nicht im Berechtsamsbuch eingetragen werden. Ausübungsberechtigungen zur Gewinnung dieser Bodenschätze im Form von Betriebsplanzulassungen sind auch keine Lizenzen im Sinne des EITI-Standards, der letztlich einer Transparenz von staatlichen Verleihungsentscheidungen für Bodenschätze dient, die der Verfügungs- oder Entscheidungsbefugnis staatlicher Stellen unterliegen. Letzteres ist bei grundeigenen Bodenschätzen auf Ebene der Gewinnungsberechtigung nicht der Fall. 14 Die Einsicht nach Absatz 3 Satz 1 ist antragsabhängig, setzt aber kein berechtigtes Interesse des Antragstellers voraus. Gegenstand des Einsichtsrechts sind nur die in Absatz 3 Satz 1 genannten Basisdaten, eine weitergehende Einsicht in alle von Absatz 1 erfassten Daten ist nach Absatz 3 Satz 3 möglich, setzt aber die Darlegung eines berechtigten Interesses voraus. 15 Zu den Basisdaten nach Absatz 3 gehören Angaben zum Inhaber der Bergbauberechtigung (Nr. 1) und zum verliehenen Feld (Nr. 2), das koordinatengenau anzugeben ist.17 Für die erfassten Bergbauberechtigungen sind sowohl das Datum der Erteilung als auch das Datum der Beantragung anzugeben (Nr. 3). Das Erteilungsdatum ist Bestandteil der Eintragungen im Berechtsamsbuch nach § 75, während das Antragsdatum sich entweder den zugrundeliegenden Urkunden entnehmen lässt oder durch die zuständige Behörde ermittelt werden muss. Im EITI-Standard ist das Antragsdatum ein notwendiges Datum, insbesondere im Zusammenhang mit solchen Lizenzen, die in einem Ausschreibungserfahren vergeben werden, für das der Zeitpunkt der Antragstellung entscheidungserheblich ist.18 Nach deutschem Recht ist das Datum der Antragstellung kein materielles Erteilungskriterium v.a. in Konkurrenzsituationen mehrerer Antragsteller, allenfalls bei zur Bestätigung angezeigten Rechten kann es auf die rechtzeitige Beantragung innerhalb der Bestätigungsverfahren ankommen.19 Ob bei bestätigten alten Gewinnungsrechten der EITI-Standard tatsächlich das Datum der Beantragung dieser aufrechterhaltenen Rechte verlangt,20 ist aber fraglich. Sachgerecht und im bundesdeutschen Bergrecht systemkonform wäre vielmehr das Abstellen auf den Antrag im Bestätigungsverfahren, der regelmäßig Bestandteil der Bestätigungsentscheidung gewesen sein muss, sodass der notwendige Verwaltungsaufwand zur Ermittlung des Antragsdatums beschränkt bliebe. Hierfür spricht zudem, dass der EITI-Standard eine Einbeziehung solcher Lizenzen oder Verträge ermöglicht, die vor Wirksamwerden des EITI-Standards erteilt wurden, dies aber nicht fordert, sondern den Mitgliedstaaten überlässt.21 Die Angabe der Laufzeit (Nr. 4) erfolgt nach Maßgabe von § 16 für neu erteilte Bergbauberechtigungen einschließlich vorgenommener Verlängerungen. Unbefristetes Bergwerkseigentum nach § 151 ist mit dem Status des unbefristeten Rechts anzugeben, aus dem EITI-Standard ergibt sich im Übrigen auch nicht eine zwingende Befristung von Lizenzen nach Maßgabe des nationalen Rechts. Schließlich ist der in der Bergbauberechtigung verliehene Bodenschatz (Nr. 5) Gegenstand der Basisdaten 15 BT-Drs. 18/12994, S. 21. 16 BT-Drs. 18/12994, S. 21; die in der Gesetzesbegründung nicht genannten bestätigten Gewinnungsrechte nach dem Einigungsvertrag lassen nicht den Rückschluss zu, dass diese ausgenommen werden sollten.

17 BT-Drs. 18/12994, S. 21; eine koordinatengenaue Angabe ergibt sich dabei unabhängig vom Maßstab der Berechtsamskarte bereits aus der Feldesdefinition nach § 16 Abs. 1 i.V.m. § 5 UnterlagenBergV.

18 Nr. 2.2 EITI Standard 2019, S. 15f., https://eiti.org/sites/default/files/2022-03/EITI%20Standard%202019%20EN.pdf (zuletzt abgerufen am 12.3.2023). 19 Insbesondere § 149 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b. 20 Die Gesetzesbegründung spricht zwar Probleme bei „älteren Berechtigungen“ an, BT-Drs. 18/12994, S. 21. Dass dies aber tatsächlich das Antragsdatum der Altrechte betrifft, wie dies Frenz/Blatt BBergG, § 76 Rn. 17 vertritt, lässt sich der amtlichen Begründung nicht entnehmen. 21 Nr. 2.2 Buchst. b) EITI Standard 2019, S. 16, https://eiti.org/sites/default/files/2022-03/EITI%20Standard%202019%20 EN.pdf (zuletzt abgerufen am 12.3.2023). Herrmann

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Sechster Teil – Berechtsamsbuch, Berechtsamskarte

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nach Absatz 3. Die Bodenschatzangabe richtet sich dabei nach der zugrundeliegenden Berechtsamsentscheidung mit der darin vorgenommenen Bezeichnung (§ 16 Abs. 1, § 11 Nr. 1). Gleiches gilt für Bestätigungsentscheidungen nach §§ 149 ff. bzw. dem Einigungsvertrag.

IV. Art und Weise der Einsichtnahme nach Absatz 3 Satz 2 Die Art und Weise der voraussetzungslosen Einsicht in Basisdaten nach Absatz 3 ergibt sich aus 16 einer entsprechenden Anwendung von § 3 Abs. 2 UIG nach den Maßstäben des Umweltinformationsrechts. Absatz 3 Satz 2 stellt dabei eine Rechtsfolgenverweisung dar, der Rechtsgrund des Einsichtsrechts ergibt sich unmittelbar aus Absatz 3 Satz 1.22 Praktische Auswirkungen hat dies kaum, da sich das zugrunde liegende Informationszugangsrecht nur auf die Basisdaten nach Absatz 3 Satz 1 bezieht. Für diese ist die in § 3 Absatz 2 UIG geregelte differenzierte Entscheidung der datenhaltenden Behörde über eine vom Antrag abweichende Form des Datenzugangs unproblematisch, soweit auch das allgemeine Einsichtsrecht nach Absatz 1 grundsätzlich ein Ermessen über die Art und Weise der Einsichtnahme bzw. Informationsübermittlung eröffnet, das im Ergebnis keine zwingende Einsichtnahme in das Berechtsamsbuch und die Berechtsamskarte vor Ort rechtfertigen wird, wenn ein Antragsteller nur die Übermittlung der Basisdaten nach Absatz 3 Satz 1 durch eine bloße Auskunftserteilung begehrt. Im Zweifel führt aber die entsprechende Anwendung von § 3 Absatz 2 Satz 2 UIG dazu, dass die zuständige Behörde nur aus gewichtigen Gründen von einem Antrag auf eine bestimmte Art der Informationsübermittlung abweichen kann. Eine grundsätzliche Verweisung auf eine Einsichtnahme vor Ort ohne ermessensgerechte Würdigung des Einzelfalls wäre rechtswidrig. Fraglich ist hingegen, ob die entsprechende Anwendung von § 3 Absatz 2 UIG auch dazu führen kann, dass eine Einsichtnahme vor Ort aufgrund des Verwaltungsaufwands versagt wird und der Antragsteller auf eine bloße Auskunft verwiesen wird.23 Dies wird regelmäßig nicht auf § 3 Absatz 2 Satz 2 UIG gestützt werden können, da hierfür ein „deutlich“ höherer Verwaltungsaufwand vorliegen müsste. Sind hingegen die gewünschten Informationen aufgrund von Absatz 3 Satz 3 durch die zuständige Behörde öffentlich zugänglich gemacht worden, ergibt sich auch aus § 3 Abs. 2 Satz 4 UIG, dass der Antragsteller auf diese Informationsquelle verwiesen werden kann. Eine Beglaubigung von Auszügen nach Absatz 2 kann im Rahmen der voraussetzungslosen 17 Einsicht nach Absatz 3 nicht gefordert werden.24 Eine Beglaubigung nach § 33 VwVfG ist insoweit zwar möglich, da die allgemeine Beglaubigungsbefugnis der Bergbehörde für die von ihr ausgestellten Urkunden unberührt bleibt.25 Aus dieser Befugnis ergibt sich hingegen kein Beglaubigungsanspruch eines Antragstellers, vielmehr kann sich ein solcher nur aus Fachrecht ergeben oder aus einer ermessensgerechten Entscheidung über ein derartiges Begehren, für das das konkrete Beglaubigungsinteresse des Antragstellers eine wesentliche Rolle spielen wird.26 Aus § 3 Absatz 2 UIG lässt sich aber eine Beglaubigungsverpflichtung im Sinne einer bestimmten Form des Informationszugangs nicht ableiten. Absatz 3 Satz 4 stellt zudem klar, dass eine Beglaubigung von Auszügen nach Absatz 2 unberührt bleibt. Dies ist eine klarstellende Rechtsgrundverweisung auf Absatz 1, ein Anspruch auf beglaubigte Auszüge besteht deshalb nur im Zusammenhang mit dem Einsichtsrecht nach Absatz 1.

22 23 24 25

BT-Drs. 18/12994, S. 21. So Frenz/Blatt BBergG, § 76 Rn. 23. BT-Drs. 18/12994, S. 21. Eine Beglaubigungsbefugnis anderer Behörden für Auszüge nach Absatz 2 ist im Übrigen ausgeschlossen, § 33 Abs. 1 Satz 2 VwVfG. 26 Zur ermessensgerechten Entscheidung über Beglaubigungsanträge allgemein in: Stelkens/Bonk/Sachs/Kallerhoff/ Stamm VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 33 Rn. 12. 927

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Sechster Teil – Berechtsamsbuch, Berechtsamskarte

V. Öffentliche Bereitstellung der Basisdaten nach Absatz 3 Satz 3 18 Die voraussetzungslose Einsicht in Basisdaten zu Bergbauberechtigungen wird ergänzt durch die Befugnis der Länderbergbehörden zu einer öffentlichen Bereitstellung dieser Daten nach Absatz 3 Satz 3. Diese gesetzliche Regelung greift dabei die zum Teil schon zuvor vorhandene Verwaltungspraxis der Länder auf, Informationen zu Bergbauberechtigungen auf Internetportalen zur Verfügung zu stellen. Der EITI-Standard erfordert allerdings keine aktive Informationsbereitstellung, sondern nur die voraussetzungslose Zugänglichmachung, was bereits durch ein Einsichtsrecht nach Absatz 3 Satz 1 gewährleistet wird. Die zusätzliche öffentliche Bereitstellung von Daten zu Bergbauberechtigungen geht darüber hinaus und ist als Befugnisnorm ausgestaltet. Dies hat zur Folge, dass die Länderbergbehörden davon Gebrauch machen können oder nicht, ebenso, ob sie die Basisdaten nach Absatz 3 Satz 1 vollständig oder teilweise öffentlich bereitstellen.27 In der Praxis werden die Daten teilweise in die entsprechenden Portale eingestellt, da die vollständigen Datensätze regelmäßig hinsichtlich des vom EITI-Standard geforderten und im deutschen Recht nicht bedeutsamen Antragsdatum nicht vollständig vorliegen. 19 Die Bedeutung dieser öffentlichen Zugänglichmachung liegt neben einer nutzerfreundlicheren Transparenz in einer Vermeidung von Einsichtnahmeverfahren nach Absatz 3 Satz 1, da nach Absatz 3 Satz 2 i.V.m. § 3 Abs. 2 Satz 4 UIG die öffentliche Verfügbarkeit von Informationen einen gewichtigen Grund darstellt, eine andere, regelmäßig aufwändigere Form der Informationsbereitstellung zu versagen. Zwischenzeitlich werden im Übrigen sämtliche Basisdaten mit Ausnahme der jeweiligen Antragsdaten zu Bergbauberechtigungen bundesweit vollständig im Rahmen der Umsetzungsberichte der EITI-Initiative bereitgestellt.28 Eine Aktualisierung dieser Daten erfolgt dabei im Jahresrhythmus. Die Veröffentlichung weiterer Angaben vor allem zu Urkunden oder Antragsinhalten bei 20 Bergbauberechtigungen kann nach Absatz 3 Satz 4 nur mit Zustimmung des betroffenen Unternehmers erfolgen.29 Dies stellt einen Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen sicher und vermeidet Wertungswidersprüche zu Absatz 1 Satz 2, der bei Urkunden mit darin enthaltenen Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen eine Einsicht ohne weitere Abwägung ausschließt. Beschränken sich die Urkunden allerdings auf die Erteilungsentscheidung oder andere statusbegründende Verwaltungsakte der Bergbehörde, werden diese Unterlagen selten Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse enthalten.30 Das hierfür notwendige berechtigte Interesse des Unternehmers an der Nichtverbreitung oder das „geldwerte“ Wissen als exklusiver Zugang zu Informationen mag bei Erkundungsberichten zu Lagerstätten ohne weiteres vorliegen,31 wird den Unterlagen nach Absatz 2 aber regelmäßig fehlen. Ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung von Berechtsamsdaten kann somit nur in Verbindung mit der mittelbaren Beeinträchtigung der Wettbewerbsposition des Unternehmers begründet werden. Die bloße Kenntnis, welcher Rechtsinhaber welche Bergbauberechtigungen hält, erreicht diese Qualität jedenfalls nicht, zumal derartige Basisinformationen aufgrund von Absatz 3 nunmehr öffentlich zugänglich sind. Entscheidend für das Vorliegen von schützenswerten Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen sind damit weitere Informationen 27 BT-Drs. 18/12994, S. 21. 28 Eine entsprechende Excel-Tabelle ist Bestandteil des 5. D-EITI Berichts für das Jahr 2020, S. 38, https://d-eiti.de/ Downloads/Aktualisierung%20zum%20Berichtsjahr%202020.pdf, (zuletzt abgerufen am 12.3.2023). Die Tabelle der Bergbauberechtigungen wird auch gesondert bereitgestellt, https://rohstofftransparenz.de/download/#sectionMenu_7 (zuletzt abgerufen am 12.3.2023). 29 Zu weitgehend deshalb Frenz/Blatt BBergG, § 76 Rn. 30, der die öffentliche Bereitstellung von Unterlagen nach Absatz 1 durch die Bergbehörden im Interesse einer „modernen und serviceorientierten Verwaltung“ ebenso von der Veröffentlichungsbefugnis erfasst sieht. 30 Zur Auslegung des Vorliegens von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen kann zwar auf § 1 GeschGehG zurückgegriffen werden, dennoch ist aufgrund von § 1 Abs. 2 GeschGehG im Vollzug öffentlich-rechtlicher Vorschriften eine eigenständige Bewertung nach Fachrecht erforderlich; vgl. hierzu BVerwG 17.6.2020, 10 C 22.19, juris Rn. 16. 31 So für den Erkundungsbericht einer Sandlagerstätte mit Bodenschatzeinstufung nach § 3 Abs. 4 BBergG OVG Schleswig 17.1.2007, 15 P 1/06, NVwZ 2007, 1448 f. Herrmann

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Sechster Teil – Berechtsamsbuch, Berechtsamskarte

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zu Lagerstätte, betrieblichen Einrichtungen oder Verfahren oder andere für ein Bergbauprojekt wertbildende Informationen.32 Veröffentlichungsbefugnisse nach anderen Rechtsgrundlagen bleiben im Übrigen unberührt, was Absatz 3 Satz 4 klarstellt.

VI. Andere Einsichtsrechte Das bergbauspezifische Informationszugangsrecht nach § 76 lässt nach dem Grundsatz des nur 21 ergänzend anwendbaren allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts (§ 5) keinen Raum für Akteneinsicht nach § 29 VwVfG.33 Gleiches gilt für die Beglaubigung von Auszügen nach Absatz 2. Gegenüber anderen Informationszugangsansprüchen entfaltet § 76 aber keine Sperrwirkung, da darin keine gesetzliche Ausschluss- oder Konkurrenzregelung getroffen wurde. Sieht auch die andere Informationszugangsregelung ihrerseits keine Ausschluss- oder Vorrangregelung vor oder regelt diese ausdrücklich das Unberührtbleiben anderweitiger Informationsansprüche wie beispielsweise § 3 Abs. 1 Satz 2 UIG, stehen die jeweiligen Anspruchsnormen einschließlich der darin geregelten Begrenzungen zum Informationszugang gleichwertig nebeneinander. Der Antragsteller kann insoweit die für ihn günstigere Regelung wählen.34 Gegenüber § 76 Abs. 1 kann damit ein Informationsanspruch nach Umweltinformationsrecht35 für den Antragsteller vorteilhafter sein, da Umweltinformationen auch schon bei laufenden Verwaltungsverfahren verfügbar gemacht werden können, Sollfristen für die Bereitstellung bestehen (§ 3 Abs. 3 UIG), einfache Auskünfte kostenfrei sind und kein berechtigtes Interesse dargelegt werden muss. Darüber hinaus kann bei einem überwiegenden öffentlichen Interesse an der Bekanntgabe nach § 9 Abs. 1 UIG ein entgegenstehendes Geschäfts- und Betriebsgeheimnis zugänglich gemacht werden, während § 76 Abs. 1 bei Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen ohne weitere Abwägung eine Einsicht ausschließt. Ein Zugang zu Umweltinformationen nach § 3 UIG setzt voraus, dass die Informationen des 22 Berechtsamsbuches und der Berechtsamskarte Umweltinformationen im Sinne von § 2 Abs. 3 UIG darstellen. Bergbauberechtigungen als bloße Rechtstitel, die noch nicht zur Durchführung von bergbaulichen Tätigkeiten berechtigen, enthalten dabei weder Daten über den Zustand von Umweltbestandteilen nach § 2 Abs. 3 Nr. 1 UIG noch über Maßnahmen oder Tätigkeiten, die sich auf Umweltbestandteile auswirken nach § 2 Abs. 3 Nr. 3 UIG.36 Ein Anspruch auf Umweltinformation besteht damit bei noch ungenutzten Bergbauberechtigungen nicht.37 Bei laufenden Bergbauaktivitäten einschließlich eingestellter Betriebe werden hingegen Informationen zu Bergbauberechtigungen vom weiten Maßnahmenbegriff erfasst, da sie eine Voraussetzung für die Betriebsplanzulassungen und die darin gestatteten bergbaulichen Aktivitäten sind. Eine Beschränkung des Informationszugangs auf die Art und Lage der Bodenschätze ohne Angaben zum Inhaber der Bergbauberechtigung ist nicht möglich.38 Die Frage, inwieweit nach § 9 Abs. 1 32 Zur Einordnung von Informationen über Bergbauberechtigungen vgl. Rossi Rechtliche Grundlagen der Zugänglichkeit geologischer Daten, S. 72. 33 Die Rechtsprechung zur Einsicht in das Grubenbild nach § 63 Abs. 4 kann insoweit übertragen werden; vgl. hierzu VG Saarlouis 25.8.2003, 2 F 9/03, ZfB 2004, 86, 87. 34 Landmann/Rohmer/Reidt/Schiller, Umweltrecht, 96. EL September 2021, UIG § 3 Rn. 31 zum Verhältnis UIG und Akteneinsicht nach § 29 VwVfG. 35 Gegenüber den Länderbergbehörden kommt dabei das Landesrecht zur Anwendung, da das UIG des Bundes nur für informationspflichtige Stellen des Bundes gilt, § 1 Abs. 2 UIG. 36 Bewilligungen, Zulassungen oder Genehmigungen als Verwaltungsakte können derartige Maßnahmen sein, allerdings nur dann, wenn sie umweltrelevante Tätigkeiten gestatten. Zu öffentlich-rechtlichen Genehmigungen als Umweltinformationen vgl. auch Landmann/Rohmer/Reidt/Schiller Umweltrecht, 96. EL September 2021, UIG § 2 Rn. 43. 37 Ebenso Frenz/Blatt BBergG, § 76 Rn. 32 mit der weiteren Einschränkung, dass auch in Zukunft keine Nutzung der Bergbauberechtigung zu erwarten sein darf; die Entscheidung BVerwG 24.9.2009, 7 C 2.09, BVerwGE 135, 34 zu Emissionsrechten als Umweltinformationen ist aber insoweit nicht übertragbar, als anders als im THG-Emissionshandelsrecht mit der Erteilung von Bergbauberechtigungen keine ausdrückliche Umweltzielstellung bezweckt wird. 38 A.A. noch die Vorauflage § 76 Rn. 6. 929

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Sechster Teil – Berechtsamsbuch, Berechtsamskarte

UIG ein Informationszugang aufgrund entgegenstehender Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse versagt werden kann, ist durch die nunmehr voraussetzungsfreie Einsicht in die Basisdaten nach Absatz 3 nicht mehr praxisrelevant. 23 Gleiches gilt für Auskünfte nach den Geodatenzugangsgesetzen des Bundes und der Länder. Daten zu Bergbauberechtigungen stellen Geodaten dar, soweit sie digital vorliegen und Informationen über mineralische Bodenschätze enthalten.39 Die Nutzungsbeschränkungen für eine digitale Bereitstellung dieser Daten nach § 12 Abs. 2 GeoZG verweisen auf die Regelungen nach § 9 UIG, so dass auch insoweit ein voraussetzungsfreier Zugang zu Bergbauberechtigungen als Geodaten möglich ist. Aufgrund der öffentlichen Bereitstellung von Basisdaten nach Absatz 3, die grundsätzlich in digitaler Form geschieht, können damit Geoportale auf Grundlage des Geodatenzugangsrechts ohne rechtliche Einschränkungen insbesondere Koordinaten zu Bergbauberechtigungen mit ihren Feldesabgrenzungen bereitstellen. 24 Ein Einsichtnahmerecht über den Zugang zu amtlichen Informationen aufgrund des IFG des Bundes und der Länder neben § 76 besteht nur, soweit diese Gesetze keine Vorrangregelung zugunsten anderer Rechtsvorschriften, wie § 1 Abs. 3 IFG, enthalten. Da Informationen aus Berechtsamsbuch und Berechtsamskarte Umweltinformationen darstellen können, kommt das Informationsfreiheitsrecht vorrangig bei solchen behördlichen Informationen zum Tragen, die weder von § 76 erfasst werden noch Umweltinformationen beinhalten. Entscheidend ist auch hier auf das im Einzelnen unterschiedliche Landesrecht abzustellen, da die datenhaltenden Bergbehörden als Landesbehörden nicht dem IFG des Bundes unterfallen.

39 § 4 Abs. 1 Buchstabe z8 GeoZG. Herrmann

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SIEBENTER TEIL Bergbau und Grundbesitz, öffentliche Verkehrsanlagen ERSTES KAPITEL Grundabtretung ERSTER ABSCHNITT Zulässigkeit und Voraussetzungen der Grundabtretung Vorbemerkungen zu den §§ 77 bis 106 Schrifttum Aust/Jacobs/Pasternak/Friedrich Enteignungsentschädigung, 8. Aufl. (2021); Baer Zum „Recht auf Heimat“ – Art. 11 GG und Umsiedlungen zugunsten des Braunkohletagebaus, NVwZ 1997, 27; Breloer Was ist mein Baum wert? 5. Aufl. (2005); Bröker Die rechtliche Natur der bergrechtlichen Grundabtretung nach dem allgemeinen Berggesetz für die Preußischen Staaten von 1865 (1934); Büchs Handbuch des Enteignungs- und Entschädigungsrechts, 3. Aufl. (1996); Dahm Die Rechtsnatur der bergrechtlichen Grundabtretung (1962); Dammert Verfassungsrechtliche Anforderungen an Grundabtretung und Rahmenbetriebsplanzulassung, ZfB 2014, 1; Diers Die Obergrenze der Entschädigung bei Betriebsverlagerungen infolge öffentlich-rechtlicher Maßnahmen, BB 1981, 1246; Durner/Karrenstein Anmerkungen zum Urteil des BVerfG in der Rechtssache Garzweiler, DVBl 2014, 182; Erbguth Die nordrhein-westfa ¨lische Braunkohlenplanung und der Parlamentsvorbehalt, VerwArch 1995, 327; Frenz Braunkohlentagebau und Verfassungsrecht. Anmerkung zu BVerfG, U. v. 17.12.2013 – 1 BvR 3139/08, 1 BvR 3386/08 –, NVwZ 2014, 194; Frenz Kohleausstieg und Braunkohletagebau, DVBl 2019, 467; Gelzer/Busse/Fischer Entschädigungsanspruch aus Enteignung und enteignungsgleichem Eingriff, 3. Auflage (2010); Hauer Fragen der Grundabtretung und der Entschädigung (2000); Heinemann Raumordnung und bergrechtliche Grundabtretung (1961); Herrmann Der Konflikt zwischen Verkehrswegen, Leitungsrechten und Bergbau in der neuen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, WM 2011, 1781; Hofmann Das Rettungsübernahmegesetz im Spiegel des Art. 14 Abs. 3 GG, „Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig“, NVwZ 2009, 673; Kintzel Bodenordnerische und bodenwirtschaftliche Modifikationen der bergrechtlichen Grundabtretung für den Rheinischen Braunkohlentagebau (2004); Kment Vorzeitige Besitzeinweisung und vorzeitiges Enteignungsverfahren nach dem Energiewirtschaftsgesetz, NVwZ 2012, 1134; Knöchel FS Kühne (2009), S. 599 ff.; Konrad in: Kühne/Ehricke (Hrsg.) Bergrecht zwischen Tradition und Moderne, 33 ff.; Kühne Anmerkung zu BVerwG 16.3.1989 – 4 C 36.85 – JZ 1990, 138; Kühne Anmerkung zu BVerwG, Urteile vom 15.12.2006, DVBl 2006, 662; Kühne Anmerkung zu BGH, Urteile vom 14.4.2011, DVBl 2012, 661; Kühne Verfassungsrechtliche Fragen der Bergrechtlichen Enteignung. Anmerkung zum Garzweiler-Urteil des BVerfG vom 17.12.2013 – 1 BvR 3139/08, 1 BvR 3386/08 –, NVwZ 2014, Lange Grundabtretung und vorzeitige Besitzeinweisung im bergrechtlichen Betriebsplanverfahren, DÖV 1988, 805; Leisner Bestandsgarantie des Eigentums – vom Bergrecht unterminiert? DVBl 1988, 555; Lemke in: Kühne/Ehricke (Hrsg.) Bergrecht zwischen Tradition und Moderne, 19 ff.; Maucksch Die Unternehmensflurbereinigung, LKV 1997, 240; Palm Die Grundabtretung nach altem und neuem Bergrecht, ZfB 1981, 415; Rolshoven Grundabtretung und Bergschaden im französischen Bergrecht (1972); Scheidler Die vorzeitige Besitzeinweisung nach § 27 Abs. 1 NABEG, RdE 2013, 107; H. Schulte Das Bundesberggesetz, NJW 1981, 88; Spieker Die bergrechtliche Grundabtretung nach dem Allgemeines Berggesetz für die preußischen Staaten v. 24. Juni 1865 (1929); Steding Grundzüge der Flurbereinigung und ihrer rechtlichen Gestaltung in den neuen Bundesländern, LKV 1992, 350; Stolberg Zur Obergrenze der Entschädigung bei Betriebsverlagerungen infolge öffentlich-rechtlicher Maßnahmen, BB 1983, 1955; Uellner Die Zulässigkeit der allgemeinen Enteignung neben der bergbaulichen Grundabtretung (1927); Weides/Jahnz Rechtsfragen der Enteignung nach dem Bundesberggesetz, DVBl 1984, 921; Weiss Der Rechtscharakter der bergrechtlichen Grundabtretung (1962); Weller Aktuelle Fragen des Grundabtretungsrechts, ZfB 1986, 227; Wilde Verhältnis zwischen Bergrecht und Naturschutzrecht, DVBl 1998, 1321; Wingerter/Mayr Flurbereinigungsgesetz, 9. Aufl. (2013); de Witt/Burmeister Enteignungsrecht des Staßenbaulastträgers?, NVwZ 1994, 38.

Übersicht I.

Tatsächlicher Hintergrund

1

II.

Funktion und Einordnung in die Konfliktnormen 2 des Gesetzes

931 https://doi.org/10.1515/9783110709285-107

III. 1. 2.

Rechtlicher Rahmen Historischer Überblick 4 Die Grundabtretung unter dem Bundesbergge6 setz

Greinacher

Vorbem. §§ 77–106

IV. 1.

Siebenter Teil – Bergbau und Grundbesitz, öffentliche Verkehrsanlagen

Garzweiler-Urteil des Bundesverfassungsge9 richts Betroffene Grundrechte 10 a) Eigentumsgrundrecht, Art. 14 GG b) Kein Eingriff in die Freizügigkeit, Art. 11 11 GG

2. 3. 4.

Rechtfertigung einer Enteignung 15 Gesamtabwägung 16 Rechtsschutz

V.

Aufbau des Kapitels

12

17

I. Tatsächlicher Hintergrund 1 Die Gewinnung von Bodenschätzen erfordert regelmäßig Maßnahmen an der Erdoberfläche. Bei diesen Maßnahmen handelt es sich insbesondere um die Errichtung und den Betrieb von oberirdischen Anlagen, Einrichtungen und Gebäuden; im Tagebau findet der gesamte Abbau an der Erdoberfläche statt. Der Bergbau ist dabei an die Lagerstätte gebunden, wobei das Maß der Bindung von der Art des Bergbaus abhängt (Tagebaubetriebe, untertätig angelegte Gewinnungen oder Bohrlochbergbau). Je nach Art des Bergbaubetriebs sind keine räumlichen Abweichungen von der Lagerstätte an der Erdoberfläche möglich (Tagebau) oder relativ große Abstände wie beim untertägigen Abbau und insbesondere beim Bohrlochbergbau. Unabhängig von der konkreten Art der Gewinnung ist es regelmäßig so, dass für den Bergbau Grundstücke in Anspruch genommen werden müssen, die nicht immer dem Bergbautreibenden gehören. Um bergbaulich tätig werden zu können, muss er also – gegebenenfalls mit staatlicher Unterstützung – ein Nutzungsrecht an den erforderlichen Grundstücken erlangen. Diese tatsächliche Konfliktlage hat den rechtlichen Grund letztlich darin, dass der Gesetzgeber das Grundeigentum beschränkt hat und die in einem Grundstück lagernden bergfreien Bodenschätze nicht dem Grundstückseigentum zugeschlagen hat. Der Abbau eines bergfreien Bodenschatzes erfordert häufig aber auch die Benutzung der darüberliegenden Grundstücksfläche. Die daraus resultierende Kollision ist also notwendig.1 Vor allem wenn es sich um die großflächige Inanspruchnahme von Grundeigentum handelt, also insbesondere für Tagebauvorhaben, ist es nicht ausreichend, den Bergbauunternehmer ausschließlich auf den freihändigen Erwerb zu verweisen. Sollte der freihändige Erwerb nicht zum Erfolg führen, stellt ihm das Gesetz das Institut der Grundabtretung zur Verfügung.

II. Funktion und Einordnung in die Konfliktnormen des Gesetzes 2 Das Gesetz regelt an verschiedenen Stellen Konflikte zwischen den durch das BBergG eingeräumte Rechtspositionen und anderen, ebenfalls eigentumsrechtlich geschützten Positionen. Die Grundabtretung regelt den Konflikt zwischen dem Inhaber der Bergbauberechtigung zur Gewinnung und Aufbereitung einerseits und dem durch die Gewinnung oder Aufbereitung betroffenen Grundeigentümer andererseits. Die Grundabtretung erstreckt sich dabei nur auf die Konfliktsituationen, in denen der Bergbauberechtigte zielgerichtet fremde Grundstücke benutzen möchte.2 Die bloßen tatsächlichen Beeinträchtigungen von Grundstücken etwa durch unter dem Grundstück umhergehenden Bergbau, insbesondere Beeinträchtigungen in Form von Setzungen, Erschütterungen oder sonstige Beeinträchtigungen des Grundstücks sind entweder Gegenstand des Bergschadensrechts (§§ 114 ff.) oder des zivilrechtlichen Nachbarrechts und dort vor allem des § 906 BGB.3 Die dabei auftretenden Konflikte beruhen jedoch nicht auf einer zielgerichtete Grundstücksbenutzung, sondern behandeln etwaige Abwehransprüche gegenüber Schäden oder Beeinträchtigungen durch bergbauliche Nutzungen, Entschädigungs- und Schadensersatzansprüche. Sie regeln – anders als 1 H. Schulte NJW 1981, 88, 92. 2 Weller ZfB 1986, 227, 228. 3 Siehe beispielsweise BGH 19.9.2008, V ZR 28/08, BGHZ 178, 19; Lemke in: Kühne/Ehricke (Hrsg.) Bergrecht zwischen Tradition und Moderne, S. 19 ff.; Konrad in: Kühne/Ehricke (Hrsg.) Bergrecht zwischen Tradition und Moderne, S. 33 ff. Greinacher

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Erstes Kapitel – Grundabtretung

Vorbem. §§ 77–106

die Grundabtretung und die Zulegung – jedoch nicht einen behördlich zu genehmigenden Zugriff auf Grundstücke Dritter. Das entsprechende Spannungsfeld zwischen dem Inhaber einer Aufsuchungserlaubnis und 3 dem Grundeigentümer ist Gegenstand der Streitentscheidung, § 40, soweit sich die Beteiligten nicht außerhalb eines Verwaltungsverfahrens einigen können, § 39. Die Befugnis, über das Feld der eigenen Gewinnungsberechtigung hinaus auf ein Nachbarfeld zugreifen zu können und damit die Gewinnungsberechtigung zu erweitern, regeln wiederum die Bestimmungen über die Zulegung, §§ 35 ff.4 (siehe hierzu § 35 Rn. 5 ff.). Für diese beiden Konstellationen stehen staatliche Verwaltungsverfahren und behördliche Kompetenzen zur Verfügung.

III. Rechtlicher Rahmen 1. Historischer Überblick Das Spannungsverhältnis zwischen der Gewinnung eines Bodenschatzes einschließlich der damit 4 erforderlichen Arbeiten und der Nutzung der Oberfläche besteht schon seit langer Zeit. Deswegen nimmt es auch nicht Wunder, dass sich Vorläufer des Rechtsinstituts der Grundabtretung weit zurückverfolgen lassen. Bereits gegen Ende des 13. Jahrhunderts sah das spätere Iglauer Bergrecht ein entsprechendes Rechtsinstrument vor.5 Das Verständnis der Grundabtretung und insbesondere ihre dogmatische Einordnung haben sich jedoch über die Jahre erheblich gewandelt. Zunächst wurde das Rechtsverhältnis zwischen den an der Grundabtretung beteiligten Parteien als ein Vertragsverhältnis, zu dessen Abschluss der Grundstückseigentümer verpflichtet war, angesehen. Dieses Recht entstand mit dem berechtigten Betriebsbedürfnis des Bergwerksbesitzers. Dieser konnte auf der Grundlage des so entstandenen Rechts den Abschluss eines Vertrages von dem Grundbesitzer verlangen, in dem Fall, dass eine gütliche Einigung nicht zustande kam, war die Grundabtretungsbehörde berechtigt, das Vertragsverhältnis durch Beschluss zu begründen.6 Erst unter der Geltung des ABG, dessen §§ 135 ff. die Grundabtretung regelte, hat sich die Auffassung herausgebildet (§ 64 ABG), dass dieses Institut eine Enteignung darstellt. Dies gelte jedenfalls in den Fällen, in denen die Grundabtretung nicht auf der Grundlage eines Vertrages, sondern im Wege der Entscheidung der Grundabtretungsbehörde nach § 143 ABG erfolgt. Bis zum Inkrafttreten des Bundesberggesetzes war es streitig, ob die Grundabtretung als 5 eine Inhaltsbeschränkung des Grundeigentums ein privatrechtliches, nachbarrechtliches Institut darstellt oder doch als Enteignung zu qualifizieren ist.7 Literatur und Rechtsprechung neigten seinerzeit wohl eher dazu, in der Grundabtretung eine Inhalts- und Schrankenbestimmung des Grundeigentums zu sehen8 wie beispielsweise das nachbarrechtliche Hammerschlags- und Leiterrecht.9

4 5 6 7

Zum Verhältnis von Zulegung zur Grundabtretung siehe BVerwG 7.6.1995, 4 B 115/95 = ZfB 1995, 190, 190 ff. Ebel/Weller ABG, Vor § 135 Rn. 1; Boldt/Weller Vorlauflage, Vor § 77 Rn. 2. Ebel/Weller ABG, Vor 135 Anm. 2. BT-Drs. 8/1315, S. 125; zur Qualität als Inhalts- und Schrankenbestimmung siehe BGH 16.2.1970, III ZR 136/68, BGHZ 53, 226, 234 zu den entsprechenden Bestimmungen des PrBergG: „[Die Vorschriften über die Grundabtretung] sind im Lichte des Verfassungsrechts als Inhalt und Schranken des Eigentums regelnde Gesetzesbestimmungen im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG zu werten.“ Vgl. auch Leisner DVBl 1988, 555, 559. 8 Wobei die damaligen Regelungen auch anders ausgestaltet waren. Eine kurze Übersicht zur alten Rechtslage bei Weller ZfB 1986, 227, 233; siehe ferner zum Meinungsstand bis zum Inkrafttreten des BBergG: Boldt/Weller Vorauflage, Vor § 77 Rn. 7. Diese Diskussion greift Dammert ZfB 2014, 1, 4 (dort Fn. 19) noch einmal kurz auf. 9 Das heute in den Nachbarrechtsgesetzen der Länder verankert ist, siehe etwa §§ 24 f. NachbarG NRW, dazu auch Palm ZfB 1981, 415, 417. 933

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Vorbem. §§ 77–106

Siebenter Teil – Bergbau und Grundbesitz, öffentliche Verkehrsanlagen

2. Die Grundabtretung unter dem Bundesberggesetz 6 Der Gesetzgeber des Bundesberggesetzes hat sich dafür entschieden, die Grundabtretung nunmehr deutlich als Enteignung im Sinne von Art. 14 Abs. 3 GG auszugestalten,10 nachbarrechtliche Vorschriften finden daneben keine Anwendung mehr.11 Das grundsätzliche Recht, die Grundabtretung verlangen zu können, ist Teil der Bergbauberechtigung (§ 8 Abs. 1 Nr. 4, § 9 Abs. 1, siehe § 8 Rn. 12). Eine Enteignung ist nach Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG nur zum Wohl der Allgemeinheit zulässig. Die Bestimmung des Wohls der Allgemeinheit ist dem parlamentarischen Gesetzgeber vorbehalten,12 der allerdings wiederum durch die Vorgaben des Grundgesetzes gebunden ist. In diesem Zusammenhang ist vor allem die normative Grundentscheidung der Ermöglichung der Gewinnung von Bodenschätzen, § 1 Nr. 1, bedeutsam.13 7 Unabhängig von dieser rechtlichen Einordnung unterscheidet sich die Grundabtretung jedoch von klassischen Enteignungssituationen, wie sie insbesondere bei der Errichtung von Infrastrukturmaßnahmen vorkommen.14 Denn typischerweise finden Enteignungen statt, um öffentliche Interessen, vor allem Maßnahmen zur Durchführung von Infrastrukturvorhaben, durchzusetzen. Diese öffentlichen Interessen sind von unterschiedlicher Qualität, jedoch regelmäßig nicht ihrerseits wiederum grundrechtlich geschützt. Anders ist die Interessenlage hingegen bei der Grundabtretung: Diese soll die Kollision zweier jeweils eigentumsrechtlich ausgestalteter Rechtspositionen, das Grundeigentum einerseits und die Bergbauberechtigung (Bergwerkseigentum oder Bewilligung15) andererseits, in Ausgleich bringen. Denn die Bergbauberechtigung kann nur in der Weise ausgeübt werden, dass der Berechtigte den Bodenschatz abbauen kann. Eine andere Möglichkeit, diese Eigentumsposition auszuüben, besteht nicht. Das Bundesberggesetz trägt dem unter anderem dadurch Rechnung, dass es mit der Bewilligung und dem Bergwerkseigentum das grundsätzliche Recht verbindet, die Grundabtretung zu verlangen, §§ 8 Abs. 1 Nr. 4, 9 Abs. 1, 151 Abs. 1 Nr. 5.16 Der in Ausübung dieser Grundrechte entstehende Konflikt ist im Wege der praktischen Konkordanz17 so zu lösen, dass beide Rechtspositionen zu optimaler Wirksamkeit gelangen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Art. 14 GG zunächst eine Bestandsgarantie, auf der Sekundärebene aber auch eine Wertgarantie enthält. An dieser zweiten Ebene der Wertgarantie nimmt jedoch die Bergbauberechtigung in den durch die Grundabtretung geregelten Fällen grundsätzlich nicht teil, die Unmöglichkeit (aus welchen Gründen auch immer), die Bergbauberechtigung auszuüben, führt nicht zu einem Erstattungsanspruch. Anders ist hingegen die Situation bei dem Schutz des Grundeigentums: Der von einer Enteignung seines Grundstücks betroffene Grundeigentümer hat einen Anspruch auf eine Enteignungsentschädigung. Er steht also auch im Fall des Entzugs oder der Beschränkung seines Grundeigentums nicht rechtlos da. Dem entspricht auch die Regelung der einer Grundabtretung vergleichbaren Kollisionslage in der übrigen Rechtsordnung, z.B. im Nachbarrecht unter Rückgriff auf das Verhältnismäßigkeitsprinzip. Dies schließt die Auferlegung von Duldungspflichten mit Entschädigungsansprüchen ein (siehe nur § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB). Der Entzug der Befugnis, die Bergbauberechtigung auszuüben, als Folge der Versagung der Grundabtretung kann dabei aus rechtlichen (Fehlen einer Rechtsgrundlage) und wirtschaftlichen (mangelnde Leistungsfähigkeit der Grundeigentümer) Gründen nicht zu einer Entschädigung führen.18

10 11 12 13 14 15

BT-Drs. 8/1315, S. 125; kritisch hierzu noch Schulte NJW 1981, 88, 92. OLG Hamm 18.1.1990, 5 U 275/89 = ZfB 1990, 344, 345. Kloepfer Verfassungsrecht, Band 2, § 72 Rn. 127. Hierzu: Knöchel FS Kühne (2009), S. 599 ff. Etwa im Fernstraßenrecht § 19 FStrG, im Eisenbahnrecht § 22 AEG, für Energiefortleitungsanlagen § 45 EnWG. Der Schutz der Bergbauberechtigungen durch Art. 14 GG wird allerdings durch deren Inhaltsbestimmung, z.B. § 124, relativiert. Hierzu BGH 14.4.2011, III ZR 30/10, BGHZ 189, 231 (bergfreier Bodenschatz); BGH 14.4.2011, III ZR 229/ 09, BGHZ 189, 218 (grundeigener Bodenschatz); zu diesen beiden Entscheidungen Kühne DVBl 2012, 661. 16 Dazu oben § 8 Rn. 12. 17 Hesse Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Rn. 317 ff. 18 Dazu bereits Kühne JZ 1990, 138, 139. Greinacher

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Erstes Kapitel – Grundabtretung

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Seit geraumer Zeit wird auch diskutiert, ob die Grundabtretung – vor allem wenn sie der 8 Verwirklichung größerer Tagebauvorhaben wie Garzweiler II dient – nicht auch den Schutzbereich der (negativen) Freizügigkeit berührt und deswegen ebenso an den Vorgaben von Art. 11 GG zu messen ist.19 Die „negative“ Freizügigkeit soll dabei ein Recht auf den Verbleib an einem bestimmten Ort umfassen.20 Die Möglichkeit, dieses Recht ausüben zu können, hängt jedoch von tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen ab, deren Bestand Art. 11 GG nicht garantiert. Hierzu gehört das Eigentum an dem Grundstück oder ein vom Eigentum abgeleitetes Recht, auf dem Grundstück verbleiben zu können.21 Ebenso setzt die Ausübung der Freizügigkeit voraus, dass an dem zum Wohnen gewählten Ort überhaupt eine derartige Nutzung planungsrechtlich zulässig ist.22 Somit ist jedenfalls zweifelhaft, ob der Entzug des individuellen Eigentums – und erst recht der staatliche oder staatlich ermöglichte Zugriff auf große Flächen zur Ermöglichung von Tagebauvorhaben – überhaupt den Schutzbereich der Freizügigkeit berührt oder nur einen diesen Schutzbereich vorgelagerten Bereich.23 Jedenfalls liegt in der Zulassung derartiger Vorhaben und damit auch in deren Sicherung durch Grundabtretung kein Eingriff in dieses Grundrecht. Denn ein Eingriff setzt einen zielgerichteten Rechtsakt voraus.24 Bei der Überplanung größerer Flächen mit einer Nutzung, die andere Nutzungen – auch die der dortigen Grundstückseigentümer – ausschließt, beabsichtigt der Plangeber nicht, den Zuzug zu diesen Grundstücken zu verhindern oder den Wegzug der dort Wohnenden zu verursachen. Dies sind allenfalls mittelbare Folgen, die er zur Verwirklichung des Vorhabens hinnimmt. Ein Eingriff in die Freizügigkeit ist damit nicht gegeben.

IV. Garzweiler-Urteil des Bundesverfassungsgerichts In seinem Urteil vom 17.12.2013 zu zwei Behördenentscheidungen betreffend den Braunkohlenta- 9 gebau Garzweiler hatte sich das Bundesverfassungsgericht intensiv mit der verfassungsrechtlichen Einordnung der bergrechtlichen Enteignung beschäftigt und die Regelungen des Gesetzes als grundsätzlich mit der Verfassung im Einklang eingestuft.25 Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts stellt zunächst heraus, dass die Grundabtretung als spezielle Ausprägung einer Enteignung nur am Maßstab von Art. 14 GG, nicht jedoch auch am Freizügigkeitsgrundrecht nach Art. 11 GG zu messen ist. Im Rahmen der Rechtfertigung betont das Gericht sodann die besondere Rolle der Abwägung der betroffenen öffentlichen und privaten Belange, wie Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG sie fordert. Und weiter betont das Gericht die Erforderlichkeit eines effektiven Rechtsschutzes gegen Enteignungsmaßnahmen und misst an diesem Maßstab die bergrechtliche Grundabtretung im Zusammenhang einschließlich der vorangegangenen Schritte, insbesondere der Betriebsplanzulassungen. Ein besonderes Augenmerk legt das Gericht dann auf die spezielle Konstellation derjenigen, die infolge der Grundabtretung ihre Wohnung oder das zu Wohnzwecken genutzte Haus aufgeben müssen. Hierzu im Einzelnen:

19 Baer NVwZ 1997, 27 ff.; siehe BbgVerfG 28.6.2001, VfGBb 44/00 = ZfB 2002, 45, 50 f.; BVerwG 29.9.2008, 7 B 20/08, ZfB 2009, 43, 44; ebenso die Vorinstanz OVG Münster 21.12.2007, 11 A 1194/02, DVBl 2008, 453, 457 zur Zulassung des Rahmenbetriebsplans Garzweiler II. Das BVerfG hat diese Frage bisher offengelassen, siehe BVerfG 20.2.2008, 1 BvR 2722/06, NVwZ 2008, 780, 785 f. zur vergleichbaren Situation durch die Planfeststellung für den Flughafen Schönefeld. 20 BVerwG 29.9.2008, 7 B 20/08 = ZfB 2009, 43, 44. 21 BVerwG 29.9.2008, 7 B 20/08 = ZfB 2009, 43, 44. 22 BVerwG 29.9.2008, 7 B 20/08 = ZfB 2009, 43, 44. 23 BbgVerfG 18.6.1998, VfGBb 27/97, LKV 1998, 395, 406; BbgVerfG 28.6.2001, VfGBbg 44/00 = ZfB 2002, 45, 50 f.; Maunz/ Dürig/Herzog/Durner GG, Art. 11 Rn. 123. 24 Kloepfer Verfassungsrecht, Band 2, § 51 Rn. 25. 25 BVerfG 17.12.2013, 1 BvR 3139/08; 1 BvR 3386/08, BVerfGE 134, 242 ff. = ZfB 2014, 49 ff.; hierzu auch Dammert ZfB 2014, 1 ff.; Kühne NVwZ 2014, 321 ff.; Frenz NVwZ 2014, 194 ff.; Durner/Karrenstein DVBl 2014, 182 ff. 935

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1. Betroffene Grundrechte 10 a) Eigentumsgrundrecht, Art. 14 GG. Das Bundesverfassungsgericht ordnet die Grundabtretung als Enteignung ein, die an Art. 14 Abs. 3 GG zu messen ist. Das insoweit betroffene Grundrecht ist also das Eigentumsrecht.26 Damit erteilt das Gericht auch der Einstufung der Grundabtretung als Inhalts- und Schrankenbestimmung eine Absage. Besonderes Gewicht erhält das (Grund-)Eigentum, wenn es zu dauerhaftem Wohnen genutzt wird und damit gewachsene soziale Beziehungen der Eigentümer zu ihrem auch örtlich geprägten Umfeld durch eine Grundabtretung gestört werden.27 Zu beachten ist dieses besondere Gewicht der Grundrechtsposition nicht zuletzt bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung der Enteignung.

11 b) Kein Eingriff in die Freizügigkeit, Art. 11 GG. Die Grundabtretung greift hingegen nicht in das Grundrecht auf Freizügigkeit, Art. 11 GG, ein, und zwar selbst dann nicht, wenn sich die Grundabtretung auf große Flächen und Bebauungszusammenhänge erstreckt, wie sie vor allem bei den Umsiedlungen im Zuge des Braunkohlentagebaus vorkommen. Art. 11 GG gewährleistet „in Anerkennung freier und selbstbestimmter Lebensgestaltung allen Deutschen Freizügigkeit im ganzen Bundesgebiet. Mit der freien Wahl des Aufenthalts- und Wohnorts schützt es die eigene Lebensplanung und -gestaltung vor staatlicher Einmischung.“28 Die Freizügigkeit setzt jedoch insbesondere die privatrechtliche Befugnis, sich an einen bestimmten Ort niederzulassen, voraus. Soweit Regelungen zur Bodenordnung oder Bodennutzung dem Daueraufenthalt entgegenstehen, berühren diese nicht den Schutzbereich von Art. 11 GG. Dies gilt jedenfalls dann, soweit sie allgemein gelten und nicht gezielt gegen die Freizügigkeit bestimmter Personen oder Personengruppen treffen sollen.29 Insbesondere vermittelt Art. 11 GG kein „eigenständiges Recht auf Heimat“, wie das Urteil in ausführlicher Auseinandersetzung mit der Entstehungsgeschichte von Art. 11 GG festhält.

2. Rechtfertigung einer Enteignung 12 Die Grundabtretung in der von dem Gericht vorgenommenen Auslegung ist grundsätzlich auch am Maßstab von Art. 14 Abs. 3 GG gerechtfertigt.30 Danach ist eine Enteignung zulässig, wenn sie dem Wohl der Allgemeinheit dient. Die Allgemeinwohlbelange, die eine Enteignung rechtfertigen können, sind gesetzlich zu bestimmen, Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG („Vorbehalt des Gesetzes“).31 Dem wird das Bundesberggesetz bei verfassungskonformer Auslegung gerecht. 13 Bei der Bestimmung der eine Enteignung rechtfertigenden Belange kommt dem Gesetzgeber ein großer Gestaltungsspielraum zu, der nur einer eingeschränkten verfassungsgerichtlichen „Vertretbarkeitsüberprüfung“ unterliegt.32 Diesen Rahmen überschreitet das Gesetz hingegen bei dem Allgemeinwohlbelang des „planmäßigen Abbaus der Lagerstätte“. Dieser Belang ist allein dann als Rechtfertigungsgrund noch tragbar, wenn er im Zusammenhang mit dem Abbau von Bodenschätzen zur

26 BVerfG 17.12.2013, 1 BvR 3139/08; 1 BvR 3386/08, BVerfGE 134, 242 Rn. 160 ff. = ZfB 2014, 49 Rn. 161 ff., die Zählweisen von amtlicher Sammlung und ZfB weichen aufgrund nachträglicher Zusammenlegung der Rn. 12 und 13 durch das BVerfG entsprechend ab. 27 BVerfG 17.12.2013, 1 BvR 3139/08; 1 BvR 3386/08, BVerfGE 134, 242 Rn. 168 = ZfB 2014, 49 Rn. 169. 28 BVerfG 17.12.2013, 1 BvR 3139/08; 1 BvR 3386/08, BVerfGE 134, 242 Rn. 251 = ZfB 2014, 49 Rn. 252. 29 BVerfG 17.12.2013, 1 BvR 3139/08; 1 BvR 3386/08, BVerfGE 134, 242 Rn. 256 = ZfB 2014, 49 Rn. 257. 30 BVerfG 17.12.2013, 1 BvR 3139/08; 1 BvR 3386/08, BVerfGE 134, 242 Rn. 195 ff. = ZfB 2014, 49 Rn. 196 ff. 31 VG Aachen, 7.10.2021, 6 L 418/21, Rn 66; insoweit in der Beschwerdeinstanz nicht beanstandet, OVG Münster, 28.3.2022, 21 B 1675/21 (jeweils nach juris). 32 BVerfG 17.12.2013, 1 BvR 3139/08; 1 BvR 3386/08, BVerfGE 134, 242 Rn. 173 = ZfB 2014, 49 Rn. 174. Greinacher

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Erstes Kapitel – Grundabtretung

Vorbem. §§ 77–106

Versorgung des Marktes mit Rohstoffen Enteignungen rechtfertigen können,33 nicht jedoch isoliert und für sich betrachtet. Aus einem anderen Grund äußert das Gericht erhebliche Zweifel daran, ob die „Erhaltung 14 der Arbeitsplätze im Bergbau“ und „der Bestand oder die Verbesserung der Wirtschaftsstruktur“ gemessen an Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG hinreichend präzise die Gemeinwohlbelange umschreiben oder nicht der Verwaltung einen zu großen Spielraum bei ihrer Ausfüllung im konkreten Fall eröffnen. Ein solcher Spielraum wäre mit dem Gesetzesvorbehalt nicht mehr in Einklang zu bringen. Letztlich lässt das Gericht diese Frage jedoch offen, weil es hierauf zur Beantwortung des konkreten Falls nicht ankommt.34 Künftig dürften jedoch Grundabtretungen, die allein auf einen dieser beiden Belange gestützt ist, wohl erheblichen verfassungsrechtlichen Zweifeln unterliegen.

3. Gesamtabwägung Die verfassungsrechtlichen Anforderungen von Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG entsprechen jedoch nicht 15 in einer bloß konditionalen Tatbestands-Rechtsfolgen-Struktur, vielmehr erfordern sie eine Gesamtabwägung. In dieser ist zu prüfen, ob die Enteignung im konkreten Fall tatsächlich durch das Wohl der Allgemeinheit gerechtfertigt ist. Diese Abwägung ist spezifisch enteignungsrechtlich geprägt und insbesondere durch die Gerichte nachvollziehend – gleichwohl vollständig – überprüfbar.35 In diesem Zusammenhang rügt das Bundesverfassungsgericht, dass diese Gesamtabwägung weder im Rahmen der Betriebsplanzulassungen noch bei der Grundabtretung gesetzlich vorgesehen sind.36 Dieses legislatorische Defizit werde jedoch durch die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung ausreichend konkretisiert,37 wobei das Gericht in diesem Zusammenhang auf die Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts zu der Bedeutung von § 48 Abs. 2 Satz 1 im Betriebsplanzulassungsverfahren verweist.38

4. Rechtsschutz Letztlich hebt das Gericht hervor, dass Art. 14 Abs. 3 GG in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG 16 einen effektiven Rechtsschutz der betroffenen Eigentümer gegen eine Grundabtretung erfordern. Effektiv ist der Rechtsschutz nur dann, wenn er so rechtzeitig eröffnet wird, dass noch keine rechtlichen oder tatsächlichen Vorfestlegungen den Vollzug des die Grundabtretung erfordernden Vorhabens soweit verfestigt haben, dass eine ergebnisoffene Überprüfung noch möglich ist. Durch die Einbeziehung auch privater Belange in die Betriebsplanzulassung und der damit eröffneten Rechtsschutzmöglichkeit für möglicherweise künftig betroffene Eigentümer schon auf dieser Stufe des Verfahrens39 wird dem grundsätzlich Rechnung getragen, wobei die Betriebsplanzulassung eine gebundene Entscheidung bleibt.

V. Aufbau des Kapitels Die Grundabtretung ist im ersten Kapitel des siebenten Teils des Bundesberggesetzes geregelt. Der 17 erste Abschnitt dieses Kapitels (§§ 77 bis 83) regelt den Zweck, den Gegenstand und die Voraussetzun33 34 35 36 37 38 39 937

BVerfG 17.12.2013, 1 BvR 3139/08; 1 BvR 3386/08, BVerfGE 134, 242 Rn. 203 = ZfB 2014, 49 Rn. 204. BVerfG 17.12.2013, 1 BvR 3139/08; 1 BvR 3386/08, BVerfGE 134, 242 Rn. 204 = ZfB 2014, 49 Rn. 205. Dammert ZfB 2014, 1, 7. BVerfG 17.12.2013, 1 BvR 3139/08; 1 BvR 3386/08, BVerfGE 134, 242 Rn. 212 = ZfB 2014, 49 Rn. 213. BVerfG 17.12.2013, 1 BvR 3139/08; 1 BvR 3386/08, BVerfGE 134, 242 Rn. 217 = ZfB 2014, 49 Rn. 218. BVerwG 29.6.2006, 7 C 11/05, BVerwGE 126, 205, 208 ff. = ZfB 2006, 156, 159. BVerwG 29.6.2006, 7 C 11/05, BVerwGE 126, 205, 208 ff. = ZfB 2006, 156, 160. Greinacher

§ 77

Siebenter Teil – Bergbau und Grundbesitz, öffentliche Verkehrsanlagen

gen, kurz also die Zulässigkeit und den Tatbestand der Grundabtretung. Regelungsgegenstand sind also die materiellen Anforderungen an die Grundabtretung. Die Vorschriften orientieren sich sowohl in ihrer Struktur wie auch in ihrem Wortlaut an den entsprechenden Vorgaben des bei Inkrafttreten des BBergG geltenden Bundesbaugesetzes, dem Vorgänger des heute geltenden Baugesetzbuchs. So regelt dieser Abschnitt auch die Personen des bei der Grundabtretung Begünstigten und Verpflichteten (§ 80), den Umfang der Grundabtretung (§ 81), die Ausdehnung der Grundabtretung (§ 82) sowie letztlich die Erstreckung der vorgenannten Vorschriften auf Grundstücksteile und grundstücksgleiche Rechte (§ 83). 18 Gegenstand des zweiten Abschnitts sind die Entschädigungsbestimmungen. Hier regelt das Gesetz zunächst die Grundsätze (§ 83), den Umfang der Entschädigung für den Rechtsverlust (§ 85) sowie für andere Vermögensnachteile (§ 86). Darüber hinaus sind die Rechte der Nebenberechtigten Gegenstand von § 87 sowie der Übergang einer Verpflichtung aus Grundpfandrechten sowie den materiellen, durch Grundpfandrechte gesicherten Forderungen (§ 88), die Art und Weise der Entschädigungsleistung (§ 89) sowie der Umgang mit Wertänderungen, Veränderung und Begründungen neuer Rechtsverhältnisse (§ 90). Der nächste, dritte Abschnitt regelt die Vorabentscheidung, die Ausführung und Rückgängigmachung der Grundabtretung sowie die Hinterlegung der Entschädigungsleistung in bestimmten Fällen. Praktisch besonders bedeutsam ist der vierte Abschnitt, der der vorzeitigen Besitzeinweisung gewidmet ist.40 Das Interesse des Bergbauberechtigten geht zunächst vor allem dahin, tatsächlich auf die jeweiligen Grundstücke zugreifen zu können. Die rechtliche Absicherung mit dinglicher Wirkung kann demgegenüber später erfolgen. Die tatsächliche Zugriffsmöglichkeit wird durch die vorzeitige Besitzeinweisung in den §§ 97 bis 102 geregelt. Letztlich enthält das Kapitel noch einen Abschnitt zu den Kosten, der Vollstreckung und den Verfahren sowie der Informationspflicht gegenüber den Grundbuchämtern (§§ 103 bis 106).

§ 77 Zweck der Grundabtretung (1) Nach den Vorschriften dieses Kapitels kann auf Antrag des Unternehmers eine Grundabtretung durchgeführt werden, soweit für die Errichtung oder Führung eines Gewinnungsbetriebes oder Aufbereitungsbetriebes einschließlich der dazugehörigen, in § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 bezeichneten Tätigkeiten und Einrichtungen die Benutzung eines Grundstücks notwendig ist. (2) Die Benutzung ist insbesondere dann notwendig, wenn das Vorhaben einer technisch und wirtschaftlich sachgemäßen Betriebsplanung oder Betriebsführung entspricht und die Bereitstellung von Grundstücken des Unternehmers für diesen Zweck nicht möglich oder deshalb nicht zumutbar ist, weil die Benutzung solcher Grundstücke für andere Zwecke der in Absatz 1 bezeichneten Art unerläßlich ist. (3) Vorschriften über die Enteignung zu anderen als den in Absatz 1 bezeichneten Zwecken bleiben unberührt.

Übersicht I.

Vorbemerkung

II.

Voraussetzungen und Zweck der Grundabtretung (Absatz 1) 5 Zweck der Grundabtretung

1.

1

2. 3.

Errichtung und Führung eines Gewinnungs- und 7 Aufbereitungsbetriebs Art der die Grundabtretung rechtfertigenden Ar11 beiten

40 Siehe dazu jüngst VG Aachen, 7.10.2021, 6 L 418/21, und als Beschwerdeentscheidung dazu OVG Münster, 28.3.2022, 21 B 1675/21 (jeweils nach juris). Greinacher https://doi.org/10.1515/9783110709285-108

938

§ 77

Erstes Kapitel – Grundabtretung

4. 5. 6. 7. 8.

Umsiedlungsflächen 13 Ausgleichs- und Ersatzflächen nach Naturschutz14 recht 18 Aufbereitung 19 Transport, Lagerung und Ablagerung 20 Untergrundspeicher, alte Halden

III. 1.

Notwendigkeit der Benutzung (Absatz 2) 21 Allgemeine Bedeutung

2.

4. 5.

Betriebsplanzulassung und Grundabtre22 tung Mitgewinnungsrecht und Grundabtre25 tung 26 Sonstige Fälle der Notwendigkeit 29 Fehlende Notwendigkeit

IV.

Konkurrenzen (Absatz 3)

3.

30

I. Vorbemerkung Die Regelungen der Grundabtretung beginnen mit § 77. Entsprechend der Überschrift enthält der 1 Paragraf Bestimmungen zum Zweck der Grundabtretung. Das Gesetz regelt die Grundabtretung als Enteignung (siehe Vor §§ 77 Rn. 6). Nach Art. 14 Abs. 3 GG kann eine Enteignung sowohl durch (Legalenteignung) als auch aufgrund Gesetzes (Administrativenteignung) durchgeführt werden. Dabei muss das die Enteignung zulassende Gesetz nach Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG den Zweck der Enteignung, also die öffentliche Aufgabe, festlegen.1 Diese Zweckbestimmungen trifft § 77, der so formuliert ist, dass die Zweckbestimmung ähnlich wie Tatbestandsvoraussetzungen zu lesen sind, ohne deren Erfüllung eine Grundabtretung nicht gewährt werden kann. Weder § 77 noch die Begriffsbestimmungen in § 4 enthalten eine Definition der Grundabtre- 2 tung. Jedoch beschreibt § 78 den Gegenstand der Grundabtretung, § 81 regelt deren Umfang. Kurz formuliert umfasst die Grundabtretung die hoheitlich eingeräumte Befugnis eines Unternehmers zur Benutzung derjenigen fremden Grundstücke, die er für die Ausübung seiner Gewinnungsberechtigung benötigt.2 Die Grundabtretung ist sowohl für die Gewinnung und Aufbereitung bergfreier Bodenschätze als auch grundeigener Bodenschätze zulässig. Somit regelt die Grundabtretung den Konflikt zwischen der Berechtigung, einen Bodenschatz zu gewinnen, und dem Grundeigentum (siehe Vor § 77 Rn. 5). Hingegen zielt die Grundabtretung nicht auf die Einräumung des Rechts auf Gewinnung grundeigener Bodenschätze ab; wenn allerdings die Grundabtretung zur Eigentumsübertragung führt, hat der Grundabtretungsbegünstigte als Eigentümer auch das Recht, über die grundeigenen Bodenschätze zu verfügen. Das Gesetz regelt mit der Grundabtretung abschließend die Inanspruchnahme von Grundstü- 3 cken zu bergbaulichen Tätigkeiten. Darüber hinaus enthält beispielsweise das Landesenteignungsund Entschädigungsgesetz Nordrhein-Westfalen (EEG NW) Vorschriften für die Enteignung von Flächen, die als Ersatzland für die in den festgelegten Abbau- und Aufschüttungsgebieten ansässigen Personen und Unternehmungen sowie öffentlichen Zwecken dienende Einrichtungen in den Grenzen des Bedarfs anzusiedeln (sogenannte „Umsiedlungsflächen“), § 46 Satz 1 EEG NW; eine entsprechende Regelung findet sich in § 46 EntGBbg.3 In den anderen Braunkohleländern fehlen entsprechende ausdrückliche Regelungen für bergbaulich veranlasste Umsiedlungen in den Enteignungsgesetzen, auch wenn andere Landesenteignungsgesetze grundsätzlich die Möglichkeit eröffnen, in Land statt in Geld zu entschädigen, siehe zum Beispiel § 15 EnteigG LSA,4 § 14 ThürEG.5 Das sächsische Recht wiederum verweist allein auf das BauGB, wobei der Gesetzeszweck ausdrücklich auch die Beschaffung von Grundstücken für die Entschädigung in Land umfasst, § 2 Nr. 2 SächsEntG.6

1 2 3 4 5 6

BVerfG 10.3.1981, 1 BvR 92/71, BVerfGE 56, 249, 261; BVerwG 14.12.1990, 7 C 5/90 = ZfB 1991, 129, 134. Wie hier Frenz/Rehs BBergG, § 77 Rn. 2. Enteignungsgesetz des Landes Brandenburg vom 19.10.1992. Enteignungsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt vom 13.4.1994. Thüringer Enteignungsgesetz vom 23.3.1994. Sächsisches Enteignungs- und Entschädigungsgesetz vom 18.7.2001.

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Die Enteignungsmöglichkeiten nach dem nordrhein-westfälischen und dem brandenburgischen Recht dienen nur mittelbar dem Bergbau, da sie die Grundabtretung zulasten der genannten Personen und Unternehmungen voraussetzen und nur die Voraussetzungen für deren Entschädigung durch die Übertragung von Ersatzflächen schaffen. Diese landesrechtlichen Institute ermöglichen eine Umsiedlung, die den ursprünglichen sozialen Zusammenhalt der Betroffenen nicht auseinanderreißt, indem die betroffenen Personen gemeinsam an einem neuen Ort wieder angesiedelt werden können.

II. Voraussetzungen und Zweck der Grundabtretung (Absatz 1) 1. Zweck der Grundabtretung 5 Absatz 1 regelt den Zweck und zugleich einige Voraussetzungen der Grundabtretung, die in Absatz 2 weiter konkretisiert werden. Weitere Voraussetzungen finden sich in vor allem in § 79. § 77 Abs. 3 stellt nur klar, dass neben der bergrechtlichen Grundabtretung auch Enteignungen auf anderer Grundlage weiterhin möglich sind. Gegenstand der Grundabtretung ist allein der Konflikt zwischen dem Unternehmer und dem davon verschiedenen Grundeigentümer.7 Die Grundabtretung bedarf zunächst eines Antrags, aus dem sich ergeben muss, dass die Voraussetzungen für die Grundabtretung erfüllt sind. Darüber hinaus müssen sich aus dem Antrag und den ihm beigefügten Unterlagen die individuelle Betroffenheit der Grundstücke sowie die jeweiligen Grundstückseigentümer oder sonstigen dinglich oder obligatorisch Berechtigten ergeben (Grunderwerbsplan). Insoweit ergeben sich gegenüber sonstigen Enteignungen zur Durchführung etwa von linienförmigen Infrastrukturvorhaben wie Eisenbahnstrecken, Fernstraßen oder Energietransportleitungen keine Besonderheiten. Für den Antrag ist zwar nicht zwingend Schriftform8 vorgeschrieben, sodass er gemäß § 64 VwVfG, auf den § 105 verweist, auch zur Niederschrift bei der Behörde gestellt werden kann. Diese Variante dürfte jedoch in der Praxis kaum vorkommen. 6 Antragsberechtigt ist allein der Unternehmer, siehe § 4 Abs. 5 (§ 4 Rn. 30 ff.). Somit fehlt die Antragsberechtigung etwa Betriebsführungsgesellschaften, die den Gewinnungs- oder Aufbereitungsbetrieb nicht auf eigene Rechnung durchführen. Ist eine Betriebsführungsgesellschaft eingeschaltet, bleibt allein derjenige, der die tatsächliche Entscheidungsbefugnis hat und die wirtschaftlichen Chancen und Risiken trägt, also der Unternehmer im Sinne von § 4 Abs. 5, berechtigt, die Grundabtretung zu beantragen.9

2. Errichtung und Führung eines Gewinnungs- und Aufbereitungsbetriebs 7 Nach dem Gesetz ist die Grundabtretung allein für die Errichtung und Führung eines Gewinnungsbetriebs oder Aufbereitungsbetriebs einschließlich der dazugehörigen, in § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 bezeichneten Tätigkeiten (siehe § 2 Rn. 8 ff.) zulässig. Maßnahmen zur Aufsuchung können eine Grundabtretung dagegen nicht rechtfertigen. Das Recht zur Benutzung von Grundstücken, die ein Unternehmer zur Aufsuchung von Bodenschätzen benötigt, muss dieser entweder im freihändigen Verfahren oder im Wege der Streitentscheidung erlangen, §§ 39, 40. Diese Abgrenzung

7 So bereits BT-Drs. 8/1315, S. 125. 8 Praktisch relevant dürfte das fehlende Schriftformerfordernis nicht bei der Antragstellung an sich, sondern bei der Änderung des Antrags in Besprechungen mit der Behörde sein. Dort kann der Unternehmer auch mündlich seinen Antrag konkretisieren oder – ggf. auf Anregung der Behörde – auch modifizieren. Dafür ist dann ebenso wenig Schriftform erforderlich, die entsprechenden Erklärungen sollten sich jedoch ausdrücklich aus dem jeweiligen Protokoll ergeben. 9 OVG Frankfurt/Oder 9.6.1997, 4 B 12/97 = ZfB 1997, 137, 139. Greinacher

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erscheint zunächst problemlos, kann jedoch in der Praxis durchaus Fragen aufwerfen. Denn im Rahmen der Gewinnung können auch Aufsuchungsarbeiten durchgeführt werden,10 zumal die Bewilligung nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 auch das Recht zur Aufsuchung umfasst. Derartige Aufsuchungen im Rahmen der Gewinnung kommen beispielsweise bei der Lagerstättenerkundung im Hinblick auf die Konzeptionierung eines weiteren planmäßigen Abbaus eines bestehenden Gewinnungsbetriebs vor. Für diese Aufsuchungsarbeiten im Rahmen der Gewinnung ist die Grundabtretung zulässig, selbst wenn die einzelne Maßnahme nicht als Gewinnung zu qualifizieren ist, sondern eine auf die Feststellung der Ausdehnung gerichtete Tätigkeit und damit Aufsuchung im Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 1 ist.11 Erst wenn sich der Schwerpunkt des gesamten Betriebs von der Gewinnung zur Aufsuchung verschiebt, wenn also von „Gewinnung“ nur noch im Zusammenhang mit den bei der Aufsuchung notwendigerweise zu lösenden oder freizusetzenden Bodenschätzen die Rede ist, dient der Betrieb insgesamt der Aufsuchung und kommt eine Grundabtretung nicht in Betracht. Umgekehrt ist der Aufsuchungsberechtigte nach Maßgabe von § 41 befugt, die Bodenschätze zu gewinnen, soweit diese nach der Entscheidung der zuständigen Behörde bei planmäßiger Durchführung der Aufsuchung aus bergtechnischen, sicherheitstechnischen oder anderen Gründen gewonnen werden müssen. Ebenso wenig kann über die Grundabtretung eine Bergbauberechtigung erlangt werden. 8 Vielmehr ist die Bergbauberechtigung eine Voraussetzung dafür, dass ein Unternehmer, der – nicht unbedingt als Bergbauberechtigter (§ 4 Abs. 5) – eine solche ausübt, Grundabtretung verlangen kann. Dies gilt gleichermaßen für Gewinnungsberechtigungen auf bergfreie (Bewilligung, Bergwerkseigentum) wie für grundeigene Bodenschätze. Zu einer Verbindung zwischen Bergbauberechtigung und Grundabtretung kann es jedoch in 9 Fällen der Mitgewinnung kommen: – Nach einer Übereignung des Grundstücks – sei es im Wege der Grundabtretung, sei es auf der Grundlage einer Vereinbarung zwischen den Betroffenen – kann der neue Eigentümer auch die sich aus § 34 BBergG ergebenden Abbaubefugnis hinsichtlich grundeigener Bodenschätze für sich in Anspruch nehmen. Dies gilt auch für die nicht unter das BBergG fallenden, dem Grundeigentümer gehörenden Bodenschätze (z.B. Kiese und Sande). Diese Situation tritt im Rahmen der Mitgewinnung besonders häufig bei Tagebauvorhaben auf, so bei oberflächennahen Sand- und Kiesvorkommen, die oberhalb von Braunkohlenlagerstätten liegen und vor deren Ausbeutung abgetragen werden müssen. – Dagegen vermittelt die Grundabtretung nicht die Befugnis zur Gewinnung bergfreier Bodenschätze. Diese kann im Wege der Grundabtretung auf den Grundabtretungsbegünstigten nur in den Fällen der Mitgewinnung übergehen, d.h. wenn der bergfreie Bodenschatz mit dem grundeigenen in dem von § 42 BBergG geforderten Zusammenhang vorkommt. Ist dies nicht der Fall, bedarf es für die Gewinnung des bergfreien Bodenschatzes einer eigenständigen Bergbauberechtigung (Bewilligung, Bergwerkseigentum).12 Das Recht des Gewinnungsberechtigten, außerhalb des Feldes seiner Gewinnungsberechtigung 10 unterirdische Anlagen zu errichten – sogenannte Hilfsbaue, richtet sich grundsätzlich nach § 44 (siehe dort Rn. 5 ff.). Nur soweit für die Anlegung eines Hilfsbaus die Benutzung der Oberfläche erforderlich ist, kommt eine Grundabtretung in Betracht, denn der Hilfsbau gehört zur Errichtung oder Führung eines Gewinnungsbetriebes.13

10 „Für das Vorhandensein eines Gewinnungsbetriebs ist es unschädlich, wenn, was häufig unerlässlich ist, auch aufgesucht wird“, BT-Drs. 8/1315, S. 83 in der Erläuterung zu § 3 Abs. 7.

11 Weller ZfB 1986, 227, 229. 12 BVerwG 24.6.2010, 7 C 16/09 = ZfB 2010, 136, 138; anders noch die Vorinstanz OVG Koblenz 9.10.2008, 1 A 10231/08 = ZfB 2010, 150, 155; wobei der Fall im Übrigen andere rechtliche Aspekte behandelte. 13 Boldt/Weller Vorauflage, § 44 Rn. 3; VGH Kassel 21.5.1957 = ZfB 1957, 453, 456. 941

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3. Art der die Grundabtretung rechtfertigenden Arbeiten 11 Für den Umfang, der eine Grundabtretung rechtfertigenden Gewinnungs- oder Aufbereitungstätigkeiten bzw. -einrichtungen verweist das Gesetz auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 3, wobei diese Aufzählung zwar bereits weitgehend, jedoch nicht völlig abschließend ist, wie sich aus der Verwendung des Begriffs „einschließlich“ in § 77 Abs. 1 ergibt.14 So sind beispielsweise auch Bergehalden noch dem Gewinnungsbetrieb zuzurechnen, sodass auch hierfür die Grundabtretung beansprucht werden kann.15 Zu der Gewinnung gehören weiter vorbereitende, begleitende oder nachfolgende Tätigkeiten. Ferner sind Erkundungsmaßnahmen wie beispielsweise die Abteufung eines Brunnens zur Beobachtung der Grundwasserverhältnisse vor einer Sümpfung, zur Förderung des Grundwassers zum Zwecke der Sümpfung sowie zur Beobachtung des Wiederanstiegs des Grundwassers nach Einstellung der Sümpfung insgesamt dem Gewinnungsbetrieb zuzurechnen und damit tauglicher Zweck einer Grundabtretung.16 Ebenso sind diejenigen Tätigkeiten einbezogen, die der Erfüllung bergbehördlich angeordneter Schutzmaßnahmen im Zusammenhang mit dem Gewinnungsbetrieb dienen.17 Zu den begleitenden Tätigkeiten gehören beispielsweise auch Anlagen zum Schutz vor Emissionen wie Lärm- und Staubschutzwälle. 12 Außerdem ist die Grundabtretung möglich für Maßnahmen des Transports und des innerbetrieblichen Verkehrs. Das Verladen, Befördern und Abladen von Bodenschätzen, Nebengestein und sonstigen Massen unter Nutzung von Anlagen des öffentlichen Verkehrs rechtfertigt hingegen keine Grundabtretung. Dies ergibt sich daraus, dass derartige Anlagen zum einen nicht mehr von der Gewinnung oder Aufbereitung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 erfasst sind und zum anderen das gesamte Gesetz nach § 2 Abs. 4 sich auf derartige Anlagen nicht mehr erstreckt.18 Weiterhin ist die Grundabtretung nur für Arbeiten zulässig, die dem Geltungsbereich des Gesetzes unterfallen. So ist das Lösen und Freisetzen von Bodenschätzen aus Anlass oder im Zusammenhang mit der baulichen Nutzung eines Grundstücks oder sonstiger städtebaulicher Nutzung sowie im Zusammenhang mit dem Ausbau von Gewässern nach § 4 Abs. 2 kein tauglicher Grundabtretungszweck. Hingegen gehört zu den nachfolgenden Tätigkeiten nicht zuletzt die Wiedernutzbarmachung der Oberfläche,19 sodass beispielsweise für die dafür erforderlichen Zuwegungen ebenfalls im Wege der Grundabtretung auf Grundstücke Dritter zugegriffen werden kann.20 Ebenso ist die Herrichtung der Böschungen im übertägigen Bergbau Teil der Wiedernutzbarmachung der Oberfläche. Soweit für die Herstellung dieser Böschungen Massen benötigt werden, die aus dem laufenden Tagebaubetrieb nicht mehr zu gewinnen sind, kann sich die Grundabtretung auch auf Flächen erstrecken, die zur Produktion dieser Massen benötigt werden.21

4. Umsiedlungsflächen 13 Die Beschaffung von Siedlungsflächen oder vergleichbaren Ersatzflächen etwa für die von einem Braunkohlentagebau umzusiedelnden Ortschaften und ihren Einwohnern kann demgegenüber eine Grundabtretung nicht rechtfertigen. Der Verweis auf die Tätigkeiten nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 ist zwar sehr weitgehend, gleichwohl rechtfertigt nur eine unmittelbar bergbaubedingte 14 15 16 17 18 19 20 21

BT-Drs. 8/1315, S. 125. Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 77 Rn. 15; Frenz/Rehs BBergG, § 77 Rn. 11. BVerwG 14.12.1990, 7 C 5/90, BVerwGE 87, 241, 255 = ZfB 1991, 129, 138 f. Weller ZfB 1998, 227, 233. Weides/Jahnz DVBl 1984, 921, 922. BT-Drs. 8/1315, S. 125. OVG Lüneburg 3.9.2008, 7 LA 33/08 = ZfB 2008, 185, 186. Eine Frage, die sich vor allem mit dem beschleunigten Ende des Braunkohlebergbaus stellt. Die hier vertretene Wertung ist vergleichbar mit der Einbeziehung von Flächen für naturschutzrechtlich erforderliche Ausgleichsmaßnahmen, siehe hierzu unten Rn. 15. Greinacher

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Einwirkung auf ein Grundstück die Grundabtretung.22 Selbst wenn also den Abbau vorbereitende Tätigkeiten eine Grundabtretung rechtfertigen kann, so ist die Ersatzlandbeschaffung für Umsiedler zu mittelbar, als dass der Unternehmer hierfür noch auf die Grundabtretung zurückgreifen könnte. Deswegen ist die Landbeschaffung für Umsiedler in §§ 46 ff. EEG NW oder §§ 46 ff. EntGBbg für zwei wichtige Braunkohleländer gesondert geregelt (siehe auch oben Rn. 3). Nach diesen Bestimmungen ist für Flächen, die für die Ansiedlung der wegen des Tagebaus weichenden Personen, Unternehmungen oder öffentlichen Einrichtungen nach Maßgabe der Braunkohlepläne auf Antrag des Abbauberechtigten die klassische Enteignung möglich. Die Enteignungsmöglichkeiten erstrecken sich auch auf Flächen für die Erschließung und den Gemeinbedarf. Die Flächen sind den von der Umsiedlung betroffenen Personen, Unternehmungen oder öffentlichen Einrichtungen zu überlassen – sogenannter „Durchgangserwerb“, § 49 EEG NW, § 49 EntGBbg. Eine Grundabtretung findet für diese Fälle jedoch nicht statt.

5. Ausgleichs- und Ersatzflächen nach Naturschutzrecht Das BBergG beantwortet die Frage, ob diejenigen Flächen, die für naturschutzrechtlich erforder- 14 liche Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen benötigt werden, ebenfalls durch Grundabtretung erworben werden können, nicht ausdrücklich. Nach § 15 BNatSchG ist der Verursacher eines Eingriffs verpflichtet, unvermeidbare Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft auszugleichen oder zu ersetzen. Vor allem bei großräumigen Vorhaben (Tagebau) ist ein entsprechend großräumiger Ausgleich oder Ersatz gefordert. Es stellt sich deswegen die Frage, ob der Verursacher (Unternehmer) auch durch Grundabtretung den Zugriff auf hierfür erforderliche Flächen erlangen kann. Richtigerweise ist auf die Wertungen, die die Rechtsprechung für die Enteignung für Fachplanungsvorhaben (und dementsprechend auch für die enteignungsrechtliche Vorwirkung eines Planfeststellungsbeschlusses) entwickelt hat, zurückzugreifen.23 Für das Fachplanungsrecht argumentiert diese Rechtsprechung, dass nach dem jeweiligen Fachrecht auch Umweltbelange zu berücksichtigen sind, § 18 Abs. 1 AEG, § 17 Satz 2 FStrG; § 14 Abs. 1 WaStrG. § 15 BNatSchG wiederum fordert zwingend, nicht vermeidbare Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft auszugleichen oder zu ersetzen. Gleiches gilt nach § 48 auch für die Belange des Naturschutzes in Bergrecht, soweit im konkreten Fall entsprechende Ausgleichsmaßnahmen gefordert sind (siehe § 48 Rn. 30 ff.). Deswegen sind Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen zur Durchführung des planfestgestellten Vorhabens notwendig, dafür erforderliche Flächen dürfen im Wege der Grundabtretung enteignet werden.24 Bei allen strukturellen und materiell-rechtlichen Unterschieden zwischen bergrechtlichen Zu- 15 lassungsentscheidungen einerseits und Planfeststellungsbeschlüssen mit ihrer enteignungsrechtlichen Vorwirkung (siehe dazu oben Rn. 14) andererseits sind diese Rechtsfragen jedenfalls insoweit mit der bergrechtlichen Situation vergleichbar. Soweit ein bergbauliches Gewinnungs- oder Aufbereitungsvorhaben Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft hervorruft, die nach § 48 Abs. 2 auszugleichen oder zu ersetzen sind,25 gehören die dafür erforderlichen Flächen auch zum Gewinnungsbetrieb. Diesen Gedanken hat die Rechtsprechung auch im Fall Schloss Cappenberg aufge-

22 Wie hier Frenz/Rehs BBergG, § 77 Rn. 15. 23 Ständige Rechtsprechung, siehe nur BVerwG 10.9.1998, 4 A 35/97, NVwZ 1999, 532 zur fernstraßenrechtlichen Planfeststellung; BVerwG 13.3.1995, 11 VR 4/95, NVwZ-RR 1995, 631 zur wasserstraßenrechtlichen Planfeststellung; BVerwG 21.12.1995, 11 VR 6/95, NVwZ 1996, 896 zur eisenbahnrechtlichen Planfeststellung; hierzu auch Aust/Jacobs/Pasternak/ Friedrich Enteignungsentschädigung, Rn. 63; ferner Stüer Handbuch des Bau- und Fachplanungsrechts, Rn. 4474; kritisch dazu de Witt/Burmeister NVwZ 1994, 38. 24 BVerwG 21.12.1995, 11 VR 6/95, NVwZ 1996, 896, 899; anders hingegen Frenz/Rehs BBergG, § 77 Rn. 16, der auf die landesrechtlichen Enteignungsmöglichkeiten verweist. 25 Siehe hierzu Wilde DVBl 1998, 1321. 943

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griffen26 und dem Denkmalschutz die Qualität eines öffentlichen Belangs zugewiesen, der ebenfalls für eine Grundabtretung spricht: Zur Durchführung sichernder Maßnahmen und damit zur Wahrung des Denkmalschutzes an vom Bergbau möglicherweise betroffenen geschützten Gebäuden darf auch auf die Grundabtretung zugegriffen werden. Damit hat die Rechtsprechung die Grundabtretung aus Gründen zugelassen, die nur mittelbar mit einer bergbaulichen Tätigkeit zusammenhängen. Diese Rechtsprechung ist auf andere öffentliche Belange zu übertragen, wenn sie in der Sache – wie bei den naturschutzrechtlich erforderlichen Ausgleichsmaßnahmen – letztlich eine durch den Bergbau hervorgerufene Folge als Zweck für eine Grundabtretung ausreichen lässt. Dementsprechend sind auch naturschutzrechtlich erforderliche Ausgleichsmaßnahmen einer Grundabtretung zugänglich. 16 Dem Grundabtretungsverfahren kommt allerdings bei der Enteignung von Ausgleichsflächen eine weitere Aufgabe zu: Die Frage, an welcher Stelle der naturschutzrechtliche Ausgleich zu erfolgen hat, unterliegt nicht allein naturschutzfachlichen Erwägungen, sondern ist letztlich planerisch zu beantworten. Denn es ist regelmäßig möglich, den Ausgleich an verschiedenen Stellen zu bewirken, eine enge räumliche Bindung zwischen den Ausgleichsmaßnahmen und dem zu gewinnenden Bodenschatz besteht nicht. 17 Im Rahmen dieser Planung ist den Interessen der betroffenen Eigentümer an der unveränderten weiteren Nutzung ihrer Grundstücke Rechnung zu tragen. Bei planfestgestellten Vorhaben kann eine Enteignungsbehörde wegen dessen enteignungsrechtlicher Vorwirkung insoweit auf die Regelungen des Planfeststellungsbeschlusses verweisen. Eine derartige Abschichtung fehlt jedoch bei der Grundabtretung. Dies führt jedoch nicht dazu, dass die Grundabtretung deswegen unzulässig ist. Vielmehr hat die Grundabtretungsbehörde diese Erwägungen im Rahmen des Grundabtretungsverfahrens selbst anzustellen bzw. die Vorschläge des Antragstellers nachvollziehend abzuwägen. Da die konkrete Verortung dieser Flächen nicht unmittelbar an die Lage des zu gewinnenden Bodenschatzes gebunden ist, kommt auch der räumlichen Festsetzung der konkreten Ausgleichsmaßnahme (und nur insoweit) ein planungsähnlicher und damit vor allem abwägender Charakter zu. Es ist deswegen angezeigt, die räumliche Verortung der Ausgleichsmaßnahme nach ähnlichen Kriterien – und entsprechenden Freiheitsgraden – zu überprüfen wie eine Planungsentscheidung.27

6. Aufbereitung 18 Nicht nur für Einrichtungen des Gewinnungsbetriebes, sondern auch für solche der Aufbereitung kann eine Grundabtretung stattfinden. Die Aufbereitung umfasst das Trennen oder Anreichern von Bodenschätzen nach stofflichen Bestandteilen oder geometrischen Abmessungen auf physikalischer oder physikalisch-chemischer Grundlage sowie das Brikettieren, Verschwelen, Verkoken, Vergasen, Verflüssigen und Verlösen von Bodenschätzen, wenn der Unternehmer die Bodenschätze der aufzubereitenden Art in unmittelbarem betrieblichen Zusammenhang selbst gewinnt oder wenn die Bodenschätze in unmittelbarem räumlichen Zusammenhang mit dem Ort ihrer Gewinnung aufbereitet werden, § 4 Abs. 3 (siehe auch § 4 Rn. 16 ff.). Die Aufbereitung erstreckt sich also nicht nur auf eine erste Behandlung, sondern reicht beispielsweise bis hin zum Brikettieren oder Verkoken von Kohle, § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2. Somit sind auch Brikettfabriken und Kokereien, soweit diese im unmittelbaren betrieblichen Zusammenhang mit der Gewinnung betrieben werden, tauglicher Zweck für eine Grundabtretung (siehe auch § 4 Rn. 18). Jedoch ist bei diesen allenfalls noch eingeschränkt der Ortsgebundenheit einer Lagerstätte unterliegenden Anlagen besonders intensiv zu prüfen, ob die Grundabtretung erforderlich ist, oder ob der Grundabtretungs26 BVerfG 26.7.1989, 1 BvR 685/89, BVerfGE 80, 360, 366, siehe zum fachgerichtlichen Instanzenzug VG Gelsenkirchen 30.6.1987, 8 L 676/87 = ZfB 1988, 112, 115 und OVG Münster 19.8.1987, 12 B 1589/87 = ZfB 1988, 106.

27 So zum Beispiel für den ähnlichen Fall einer Zuwegung OVG Lüneburg 3.9.2008, 7 LA 33/08 = ZfB 2008, 185, 187, das allerdings auf die Ermessensfehlerlehre verweist. Greinacher

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zweck, also die Errichtung und der Betrieb der Brikettfabrik oder Kokerei, nicht auf andere zumutbare Weise erreicht werden kann, § 79 Abs. 1 a.E.

7. Transport, Lagerung und Ablagerung Praktisch bedeutsamer ist, dass zur Gewinnung auch der gesamte Transport innerhalb des Be- 19 triebsgeländes – und damit beispielsweise Betriebsstraßen28 – sowie die Maßnahmen zum Lagern und Ablagern der gewonnenen Bodenschätze, des Nebengesteins und sonstige Massen, die im betrieblichen Zusammenhang mit dem Gewinnen oder Aufbereiten stehen, zählen, § 2 Abs. 1 Nr. 1, also insbesondere die Halden. Ferner sind auch diejenigen Maßnahmen, die im funktionalen Zusammenhang mit einem Gewinnungsbetrieb stehen, grundsätzlich geeignet, eine Grundabtretung zu rechtfertigen, hierzu zählen beispielsweise Anlagen zur Ableitung von Grubenwasser sowie Grubenbahnen, Förderbänder und vergleichbare Förderanlagen. Für Verkehrswege außerhalb der Betriebsflächen kann die Grundabtretung hingegen nicht mehr beansprucht werden.

8. Untergrundspeicher, alte Halden Die Grundabtretung ist ebenso für die Errichtung und den Betrieb von Untergrundspeichern zu- 20 lässig, § 126 Abs. 1. Entsprechendes gilt für die Gewinnung mineralischer Rohstoffe aus Halden, § 128. Zu beachten ist jedoch, dass in diesen beiden Fällen § 105, also die Anordnung des förmlichen Verwaltungsverfahrens, keine Anwendung findet,29 über den Antrag auf Grundabtretung ist in diesen Fällen somit im nichtförmlichen Verwaltungsverfahren einfach, zweckmäßig und zügig zu entscheiden (§ 10 Satz 2 VwVfG).

III. Notwendigkeit der Benutzung (Absatz 2) 1. Allgemeine Bedeutung Weitere Voraussetzung ist, dass für diese Tätigkeiten die Benutzung des zu entziehenden Grund- 21 stücks notwendig ist. Die Notwendigkeit der Grundstücksbenutzung konkretisiert Absatz 2. Danach ergibt sich die Notwendigkeit der Grundabtretung positiv aus einer technisch und wirtschaftlich sachgemäßen Betriebsplanung oder Betriebsführung sowie negativ daraus, dass der Unternehmer die Grundstücke nicht selbst bereitstellen kann. Nach der Gesetzesbegründung sollen diese beiden Voraussetzungen abschließend sein.30 Dies widerspricht zwar dem Wortlaut, der durch die Verwendung des Begriffs „insbesondere“ nahelegt, dass auch weitere Tatbestandsvoraussetzungen die Notwendigkeit einer Grundabtretung rechtfertigen können. Jedoch dürfte in der Praxis wenig Raum für weitere Erwägungen sein, die die Notwendigkeit anderweitig zu begründen vermögen.31

28 Hingegen findet die Grundabtretung auf öffentliche Verkehrsflächen keine Anwendung, da diese gemäß § 2 Abs. 4 Nr. 2 vom Geltungsbereich des Gesetzes ausgenommen sind, OVG Münster 13.3.1986, 12 B 85/86 = ZfB 1986, 370, 373. 29 Vgl. auch § 105 Rn. 3. 30 BT-Drs. 8/1315, S. 125: „Nach Absatz 2 ist die Benutzung eines Grundstücks notwendig, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt sind: …“; in diesem Sinne auch Weller ZfB 1986, 227, 233. 31 In dem Sinne auch Frenz/Rehs BBergG. § 77 Rn. 18. 945

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2. Betriebsplanzulassung und Grundabtretung 22 Nach Absatz 2 ist eine Benutzung fremder Grundstücke insbesondere dann notwendig, wenn das bergbauliche Vorhaben einer technisch und wirtschaftlich sachgemäßen Betriebsplanung oder Betriebsführung entspricht. Notwendig ist eine Benutzung auch dann, wenn sich der Bodenschatz zwar nicht auf dem Grundstück an sich befindet oder der Abbau des Bodenschatzes sich nicht auf das Grundstück erstreckt, diese gleichwohl beispielsweise zur Böschungsgestaltung in Anspruch genommen werden muss.32 Auch wenn die Grundabtretung einen Betriebsplan nicht voraussetzt, ist mit dem Verweis auf den Betriebsplan verbunden, dass sich die Notwendigkeit nicht anhand von abstrakt-theoretischen Maßstäben beurteilt, sondern nach den Vorgaben des Betriebsplans, den der Unternehmer aufstellt. Er kann mit dem Betriebsplan im Rahmen der technisch und wirtschaftlich sachgemäßen Möglichkeiten also auch die nachfolgende Grundabtretung gestalten.33 23 In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob andere bergrechtliche Entscheidungen die Frage nach der Notwendigkeit der Benutzung fremder Grundstücke ganz oder teilweise vorwegnehmen. Es ist also zu prüfen, ob andere bergrechtliche Entscheidungen vergleichbar der enteignungsrechtlichen Vorwirkung eines Planfeststellungsbeschlusses die Frage der Notwendigkeit der Grundabtretung verbindlich für die nachfolgende Entscheidung über die Grundabtretung feststellen. Die Vorwegnahme kann dabei sowohl rechtlicher wie auch faktischer Natur sein. Denn in jedem Fall ist dem Gebot eines effektiven Rechtsschutzes, Art. 19 Abs. 4 GG, zu genügen. Mit anderen Worten ist zu gewährleisten, dass eine umfassende und effektive Prüfung des enteignenden Rechtsakts, im konkreten Fall also des Grundabtretungsbeschlusses, einschließlich ihn tragender und nicht selbstständig angreifbarer Vorentscheidungen gewährleistet ist. Nicht mehr vereinbar mit der verfassungsrechtlichen Rechtsschutzgarantie ist eine Klagemöglichkeit zu einem Zeitpunkt, zu dem aus tatsächlichen Gründen die Verletzung des Eigentums nicht mehr verhindert werden kann, weil das Vorhaben bei Eröffnung des Rechtswegs bereits so weit fortgeschritten ist, dass die Verletzung nicht mehr rückgängig gemacht werden kann.34 Die so aufgeworfene Frage stellt sich insbesondere im Hinblick auf die gestufte Zulassung von großflächigen Tagebauvorhaben über die Braunkohlenpläne, die Zulassung eines Rahmenbetriebsplans bis zu der Zulassung von Haupt- und Sonderbetriebsplänen. Eine derartige Bindungswirkung schon auf der Ebene der Zulassung von Betriebsplänen hatte das Bundesverwaltungsgericht lange Zeit abgelehnt.35 Auch später hat die Rechtsprechung daran noch festgehalten und hervorgehoben, dass es trotz des gestuften Systems verschiedener Verwaltungsentscheidungen zur Zulassung insbesondere großflächiger Tagebauvorhaben von der allgemeinen Landesplanung über die Braunkohleplanung36 sowie nachfolgend verschiedenen bergrechtlichen Betriebsplänen eine Betroffenheit der Eigentümer erst auf der Ebene der Grundabtretung zu erkennen ist.37 Diese Rechtsprechung hat das Bundesverwaltungsgericht mittlerweile ausdrücklich aufgegeben. In Fortführung seiner Moers-Kapellen-Rechtsprechung hat das Bundesverwaltungsgericht im Jahr 2006 § 48 Abs. 2 Satz 1 wegen seiner Bindungswirkung für das Grundabtretungsverfahren eine

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OVG Magdeburg 18.8.2009, 2 M 31/09 = ZfB 2010, 174, 175. OVG Koblenz 1.10.1996, 7 A 11474/95 = ZfB 1997, 151, 154. BVerfG 17.12.2013, 1 BvR 3139/08, 1 BvR 3386/08, BVerfGE 134, 242 Rn. 194 = ZfB 2014, 49 Rn. 195. BVerwG 14.12.1990, 7 C 18/90 = ZfB 1991, 140, 144; siehe auch OVG Koblenz 5.10.1010, 1 A 10689/09 = ZfB 2011, 119,

127.

36 Siehe zur Braunkohlenplanung in Nordrhein-Westfalen: Erbguth VerwArch 1995, 327; Stüer Handbuch des Bauund Fachplanungsrechts, Rn 3954 ff. Der Braunkohlenplan an sich entfaltet hingegen noch keine Bindungswirkung mit Hinblick auf die Grundabtretung, weil er nur Ziele der Raumordnung und Landesplanung enthält und somit das Gebiet gegen eine Inanspruchnahme für andere Nutzungen als den Braunkohleabbau sichert, jedoch noch keine weiteren verbindlichen Festlegungen trifft, BVerwG 29.6.2006, 7 C 11/05, BVerwGE 126, 205, 210; so bereits VG Aachen 22.6.1994, 3 K 6090/93 = ZfB 1994, 241, 243. 37 OVG Münster 7.6.2005, 11 A 1193/02, NuR 2006, 60, 62. Greinacher

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Erstes Kapitel – Grundabtretung

§ 77

drittschützende Wirkung zuerkannt.38 Dies gelte sogar im Fall der Zulassung eines Rahmenbetriebsplans, der bezogen auf das konkrete Bergbauvorhaben noch keine regelnde, sondern allein feststellende Wirkung hat. Diese feststellende Wirkung, nämlich dass die grundsätzliche Zulassungsfähigkeit des Gesamtvorhabens nicht weiter infrage zu stellen ist, bindet auch den von einer möglichen Grundabtretung betroffenen Eigentümer. Das führt wiederum dazu, dass der künftige Grundabtretungspflichtige hinsichtlich derjenigen Belange, die bei der Zulassung des Rahmenbetriebsplans bereits geprüft und festgestellt sind, später präkludiert ist (vgl. § 48 Rn. 44).39 Diese Rechtsprechung hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Garzweiler II-Urteil ausdrücklich als verfassungsrechtlich geboten bestätigt.40 Das Bundesverwaltungsgericht unterscheidet dabei zu Recht die enteignungsrechtliche 24 Vorwirkung eines Planfeststellungsbeschlusses im sonstigen Fachplanungsrecht von der Wirkung, die von einer Betriebsplanzulassung – selbst wenn diese im Wege der bergrechtlichen Planfeststellung41 erlassen wird – ausgeht. Die sogenannte enteignungsrechtliche Vorwirkung eines Planfeststellungsbeschlusses führt dazu, dass die für die Realisierung des Vorhabens erforderlichen Grundstücke im Wege der Enteignung grundsätzlich entzogen werden dürfen, weil mit dem Planfeststellungsbeschluss die Allgemeinwohldienlichkeit des Vorhabens verbindlich für das Enteignungsverfahren festgestellt ist. Diese Wirkung entsteht nicht kraft Natur der Sache oder wegen der Anordnung eines Planfeststellungsverfahrens, sondern nur, weil, wenn und soweit dies in den jeweiligen Fachplanungsgesetzen ausdrücklich bestimmt ist.42 Eine derartige explizite Bestimmung fehlt im Bergrecht. Bereits deswegen kann die Betriebsplanzulassung diese Wirkung nicht entfalten. Zudem stellt die Betriebsplanzulassung nur fest, dass das Vorhaben einer technischen und wirtschaftlichen Betriebsplanung und Betriebsführung entspricht und die Benutzung der Grundstücke für das Bergbauvorhaben unter diesem Gesichtspunkt notwendig ist. Diese Feststellung umfasst nur einen Teil der Tatbestandsvoraussetzungen für die Grundabtretung. Der Prüfungsumfang der Betriebsplanzulassung und derjenige der Grundabtretung sind – nur – insoweit identisch. Um doppelte Prüfungen identischer rechtlicher Anforderungen an dasselbe Vorhaben zu vermeiden, ist es angezeigt, für diese Prüfung im Zusammenhang mit der Grundabtretung jedenfalls dann auf die Betriebsplanzulassung abzustellen, wenn sich die tatsächlichen Verhältnisse in der Zwischenzeit nicht verändert haben und der Eigentümer in dem Zulassungsverfahren nach § 48 Abs. 2 Satz 2 bis 5 beteiligt worden ist.43 Es geht allerdings zu weit, diese Vorabentscheidung, die letztlich nur die Bindungswirkung eines Verwaltungsakts beschreibt, in die Nähe einer enteignungsrechtlichen Vorwirkung zu stellen.44 Das führt jedoch dazu, dass eine umfassende Abwägung, ob das Vorhaben dem Wohl der Allgemeinheit entspricht, wie Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG es für eine Enteignung fordert und § 79 für die Grundabtretung konkretisiert, jedenfalls bei komplexen Vorhaben schon auf der Ebene der Betriebsplanzulassung erfolgen muss.45 Anderenfalls ist ein effektiver Rechtsschutz nicht mehr möglich, da nach einem sich über lange Jahre 38 BVerwG 29.6.2006, 7 C 11/05, BVerwGE 126, 205, 111 f. = ZfB 2006, 156, 160. Mit dieser Entscheidung hat das Bundesverwaltungsgericht nicht nur eine Anfechtungsmöglichkeit eröffnet, sondern auch die Anfechtungslast auf die Ebene des Betriebsplans vorverlagert; siehe hierzu auch Frenz, Kohleausstieg und Braunkohletagebau, DVBl 2019, 467, 469. 39 BVerwG 29.6.2006, 7 C 11/05, BVerwGE 126, 205, 213 = ZfB 2006, 156, 161. 40 BVerfG 17.12.2013, 1 BvR 3139/08, 1 BvR 3386/08, BVerfGE 134, 242 Rn. 219 = ZfB 2014, 49 Rn. 220. 41 Es kommt nicht auf die Verfahrensform – Planfeststellungsverfahren – an, sondern auf die materielle Entscheidungsstruktur als entweder nur beschränkt überprüfbare planerische Entscheidung oder vollständig überprüfbare gebundene Entscheidung, siehe auch Kühne Anmerkung zu BVerwG, Urteile vom 15.12.2006, DVBl 2006, 662, 664 f. 42 Siehe § 45 Abs. 2 EnWG, § 22 AEG, § 19 FStrG; so auch ausdrücklich OVG Koblenz 5.10.2010, 10689/09 = ZfB 2011, 119, 127; hingegen ist für die Planfeststellung nach §§ 65 ff. UVPG keine enteignungsrechtliche Vorwirkung gesetzlich angeordnet. 43 BVerwG 29.6.2006, 7 C 11/05, BVerwGE 126, 205, 213 Rn. 26 = ZfB 2006, 156, 161. 44 So aber OVG Münster 21.12.2007, 11 A 1194/02, DVBl 2008, 452, 453. Das OVG begründet allerdings mit dieser Figur – und das im Ergebnis zu Recht – die Klagebefugnis eines Drittbetroffenen. 45 So ausdrücklich BVerfG 17.12.2013, 1 BvR 3139/08, 1 BvR 3386/08, BVerfGE 134, 242 Rn. 224 = ZfB 2014, 49 Rn. 225; anders noch BVerwG 24.6.2010, 7 C 16/09 = ZfB 2010, 136, 139. 947

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§ 77

Siebenter Teil – Bergbau und Grundbesitz, öffentliche Verkehrsanlagen

erstreckenden Planungs- und Realisierungszeitraums für ein komplexes Großvorhaben dieses nicht mehr grundsätzlich infrage gestellt werden kann. Dementsprechend ist die Abwägung jedenfalls bei komplexen Vorhaben nicht erst nach § 79 bei der Entscheidung über die Grundabtretung anzustellen. Dies gilt insbesondere in den Fällen, in denen die Betriebsplanzulassung nach §§ 52 Abs. 2a, 57a ff. als Planfeststellungsbeschluss ergeht, wobei die Verfahrensform nur als Indiz für die Komplexität herangezogen werden kann.

3. Mitgewinnungsrecht und Grundabtretung 25 Ein Mitgewinnungsrecht vermittelt nur ein Aneignungsrecht an dem mitgewonnenen anderen Bodenschatz und ist Teil der Gewinnungsberechtigung nach §§ 8 und 9. Mit der Feststellung der Notwendigkeit einer gemeinsamen Gewinnung im Sinne von § 42 Abs. 1 ist noch keine Aussage dazu getroffen, ob der entsprechende Gewinnungsbetrieb einer technisch und wirtschaftlich sachgemäßen Betriebsführung und Betriebsplanung entspricht. Von dem Mitgewinnungsrecht kann folglich auch nicht auf die „Notwendigkeit“ der Grundstücksbenutzung geschlossen werden. Denn die Entscheidung nach § 42 bezieht sich auf die Beurteilung der Lagerstättenverhältnisse im Hinblick auf die Notwendigkeit des gemeinsamen Gewinnens. Die Notwendigkeit im Sinne von § 77 Abs. 2 erstreckt sich hingegen auf die wirtschaftlich sachgemäße Betriebsplanung und Betriebsführung. Demgemäß sind die Belange der Grundeigentümer im Verfahren nach § 42 nicht zu prüfen.46

4. Sonstige Fälle der Notwendigkeit 26 Ein zugelassener Betriebsplan ist hingegen nicht zwingende Voraussetzung für die Notwendigkeit der Benutzung. § 77 Abs. 2 stellt nur Regelbeispiele auf, der Unternehmer kann also auch auf andere Weise die Notwendigkeit darlegen.47 In der Praxis dürfte jedoch kaum ein Fall denkbar sein, in dem die Nutzung eines Grundstücks zwar notwendig im Sinne von Absatz 2 ist, jedoch (noch) keine Betriebsplanzulassung vorliegt. Notwendig im Sinne von § 77 Abs. 1 muss dabei die jeweils die Grundabtretung rechtfertigen27 de einzelne Maßnahme sein, die Notwendigkeit erfordert hingegen keine allgemeine Prüfung des gesamten bergbaulichen Vorhabens. Erstreckt sich beispielsweise die Grundabtretung nur auf Untersuchungsbohrungen bzw. deren Ausbau zu einer Grundwassermessstelle im Vorgriff auf einen künftigen Tagebau, so ist es nicht erforderlich, dass die Verwirklichung des Tagebaus bereits feststeht und die Grundwassermessstelle hierfür erforderlich ist. Denn das Gesetz setzt für die Zulässigkeit der Grundabtretung im Hinblick auf vorbereitende Tätigkeiten nicht voraus, dass der später noch zu errichtende Gewinnungsbetrieb nach den einschlägigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften zugelassen werden darf und auch im Übrigen dem Allgemeinwohl dient.48 Ebenso wenig ist zu fordern, dass das gesamte bergbauliche Vorhaben bereits feststeht und tatsächlich sowie rechtlich gesichert ist. Auf der anderen Seite sind bloße Maßnahmen „ins Blaue hinein“ nicht zulässig. 28 Ferner muss sich die Notwendigkeit auf das bergbauliche Vorhaben beziehen. So ist es unschädlich, wenn für die Gewinnung eines Bodenschatzes im Tagebau Böschungen bis auf das Nachbargrundstück reichen, wenn anderenfalls der Bodenschatz nicht oder nur in erheblich geringerem Umfang abgebaut werden könnte.49

46 47 48 49

BVerwG 24.6.2010, 7 C 16/09 = ZfB 2010, 136, 139. OVG Frankfurt/Oder 28.9.2000, 4 B 130/00 = ZfB 2000, 297, 304. BVerwG 14.12.1990, 7 C 5/90, NVwZ 1991, 987, 991. OVG Magdeburg 18.8.2009, 2 M 31/09 = ZfB 2010, 174, 175.

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Erstes Kapitel – Grundabtretung

§ 77

5. Fehlende Notwendigkeit Die Benutzung eines Grundstücks ist nicht notwendig, wenn der Unternehmer über geeignete 29 Grundstücke verfügt, die die Errichtung oder Führung seines Gewinnungs- oder Aufbereitungsbetriebs ermöglichen. In diesem Fall hat der Unternehmer zunächst auf seine eigenen Grundstücke zuzugreifen, eine Konstellation, die insbesondere bei einer Grundabtretung für Aufbereitungsbetriebe zu prüfen ist. Unternehmer ist dabei nach § 4 Abs. 5 diejenige natürliche oder juristische Person oder Personenhandelsgesellschaft, die eine der in § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 2 bezeichneten Tätigkeiten durchführt. Das Gesetz stellt somit auf den jeweiligen Rechtsträger ab, sodass geeignete Grundstücke von anderen Konzerngesellschaften (Mutter-, Schwester- oder Tochterunternehmen) nicht ohne Weiteres berücksichtigt werden müssen. Jedoch ist in anderen Bereichen des öffentlichen Rechts eine öffentlich-rechtliche „Konzernhaftung“ durchaus bekannt, siehe § 4 Abs. 3 Satz 4 BBodSchG,50 die allerdings einen Ausnahmefall darstellt und nicht ohne weiteres verallgemeinerungsfähig ist. Es dürfte gleichwohl gerechtfertigt sein, an die Notwendigkeit des Zugriffs auf Grundstücke nicht konzernverbundener Dritter besondere Anforderungen zu stellen, wenn das Vorhaben auch durch Inanspruchnahme von konzerneigenen Grundstücken durchgeführt werden kann, auch um etwaigen gesellschaftsrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten keinen zu großen Raum einzuräumen.

IV. Konkurrenzen (Absatz 3) Absatz 3 regelt das Konkurrenzverhältnis zu sonstigen Enteignungsvorschriften. Die Grundab- 30 tretung ist das ausschließliche Rechtsinstitut, um durch staatlichen Zwang auf fremde Grundstücke zur Gewinnung oder Aufbereitung von bergfreien oder grundeigenen Bodenschätzen zugreifen zu können. Andere Enteignungsgesetze finden grundsätzlich keine Anwendung, soweit diese bergbaulichen Enteignungszwecke in Rede stehen. Eine Ausnahme hiervon enthält die Flurbereinigung zugunsten des Bergbaus als Unterfall der Unternehmensflurbereinigung,51 § 90 FlurbG. Nach dieser Bestimmung kann ein Flurbereinigungsverfahren durchgeführt werden, wenn ländliche Grundstücke im großen Umfang im Wege der Grundabtretung entzogen werden können. Es reicht aus, wenn in diesem Fall die Voraussetzungen für die Grundabtretung vorliegen, es ist nicht erforderlich, dass das Grundabtretungsverfahren tatsächlich durchgeführt wird. Es kann vielmehr durch das Flurbereinigungsverfahren ersetzt werden. Die Flurbereinigung setzt also zunächst voraus, dass es sich um ländliche Grundstücke han- 31 delt. Dieser Begriff steht im Gegensatz zu städtischen Grundstücken, es ist hingegen nicht erforderlich, dass sie konkret auch land- oder forstwirtschaftlich genutzt werden.52 Zudem müssen es Grundstücke in großem Umfange sein, die Rechtsprechung zieht eine Untergrenze von im Regelfall mindestens 5 ha.53 Nur ein betroffener Grundstückseigentümer kann den Antrag stellen, das Flurbereinigungsverfahren durchzuführen, der Bergbauunternehmer kann nur die Grundabtretung beantragen. In der Praxis ist der Fall der Flurbereinigung für den Bergbau nach § 90 sehr selten.54 Zu anderen Zwecken als zur Gewinnung oder Aufbereitung von Bodenschätzen kann auf der 32 Grundlage von anderen Gesetzen hingegen zugegriffen werden, wenn und soweit die einschlägigen Voraussetzungen erfüllt sind.

50 „Zur Sanierung ist auch verpflichtet, wer aus handelsrechtlichem oder gesellschaftsrechtlichem Rechtsgrund für eine juristische Person einzustehen hat, der [ein Altlastengrundstück] gehört.“.

51 Zur Unternehmensflurbereinigung im Besonderen Maucksch LKV 1997, 240; zur Flurbereinigung allgemein ferner Steding LKV 1992, 350.

52 Wingerter/Mayr Flurbereinigungsgesetz, § 87 Rn. 6. 53 BVerwG 26.11.1969, IV C 22/66, BVerwGE 34, 199; Wingerter/Mayr Flurbereinigungsgesetz, § 87 Rn. 7. 54 Wingerter/Mayr Flurbereinigungsgesetz, § 90 Rn. 4 sprechen ihm gar jegliche praktische Relevanz ab. 949

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§ 78

Siebenter Teil – Bergbau und Grundbesitz, öffentliche Verkehrsanlagen

§ 78 Gegenstand der Grundabtretung Durch Grundabtretung können 1. das Eigentum einschließlich aus § 34 sich ergebender Befugnisse, der Besitz und dingliche Rechte an Grundstücken, 2. persönliche Rechte, die zum Erwerb, zum Besitz oder zur Nutzung von Grundstücken berechtigen oder deren Benutzung beschränken, entzogen, übertragen, geändert, mit einem dinglichen Recht belastet oder sonst beschränkt werden.

I. Vorbemerkung 1 § 78 bestimmt diejenigen Gegenstände, auf die im Wege der Grundabtretung Zugriff genommen werden kann. Die Vorschrift lehnt sich an die Parallelnorm des damaligen § 86 BBauG, heute § 86 BauGB, an, geht jedoch inhaltlich über die dortigen Regelungen hinaus. Neben den Rechten, in die durch die Grundabtretung eingegriffen werden kann, bestimmt sie auch abschließend die Art der Eingriffe.

II. Von der Grundabtretung betroffene Rechte 2 Durch die Grundabtretung kann in das Eigentum an Grundstücken (§ 83 Rn. 2) oder an Grundstücksteilen (§ 83 Abs. 1 Nr. 1) eingegriffen werden. Grundsätzlich sind hiervon auch die wesentlichen Bestandteile der Grundstücke (§§ 93, 94, 96 BGB) erfasst, siehe zu den Einzelheiten unten Rn. 10. Betroffen sein kann jede Art von Eigentumsrecht an einem Grundstück, also Alleineigentum, Miteigentum, Gesamthandseigentum oder Wohnungseigentum. Bergwerkseigentum und selbständige Abbaugerechtigkeiten kommen hingegen nicht als Zugriffsgegenstand der Grundabtretung in Betracht, da nur Rechte an einem Grundstück Gegenstand der Grundabtretung sein können. § 83 Abs. 1 Nr. 2 nimmt das Bergwerkseigentum und selbständige Abbaugerechtigkeiten ausdrücklich von den grundstücksgleichen Rechten aus. 3 Die Grundabtretung erfasst nur die Befugnis, in privatrechtliche Beziehungen zum Grundstück einzugreifen. Etwaige öffentlich-rechtliche Belastungen oder Überlagerungen des Grundstücks, insbesondere eine etwaige Widmung für einen öffentlich-rechtlichen Zweck wie beispielsweise ein Straße, kann eine Grundabtretung nicht rechtsgestaltend ändern oder beseitigen.1 Denn die Grundabtretung gestaltet nur die privatrechtliche Situation. Die öffentlich-rechtliche Widmung einer öffentlichen Sache überlagert und verdrängt hingegen die privatrechtlichen Eigentümerbefugnisse durch die öffentliche Zweckbestimmung. Denn nach dem öffentlichen Sachenrecht ist es unerheblich, ob dies jeweiligen Grundstücke einem Privaten gehören oder im Eigentum der öffentlichen Hand stehen.2 Die öffentlich-rechtliche Widmung muss dann auf dem jeweils fachgesetzlich dafür vorgesehenen Weg angepasst oder aufgehoben werden. Im Übrigen kommt es auf die Person des Rechtsinhabers nicht an, die Grundabtretung kann sich dementsprechend grundsätzlich auch auf private Rechte juristischer Personen des öffentlichen Rechts erstrecken. Maßgeblich ist dabei, dass es sich um das Finanzvermögen handelt, Grundstücke, die zum Verwaltungsvermögen der öffentlichen Hand gehören, dürfen wegen der dann erforderlichen Änderungen der Widmung regelmäßig nicht im Wege der Grundabtretung übertragen werden.3

1 Battis/Krautzberger/Löhr/Battis BauGB, § 86 Rn. 3 zur Parallelvorschrift § 86 BauGB. 2 Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger/Runkel BauGB, § 86 Rn. 25. 3 Frenz/Rehs BBergG, § 78 Rn. 8. Greinacher https://doi.org/10.1515/9783110709285-109

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Erstes Kapitel – Grundabtretung

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Die Grundabtretung kann auch in die Befugnis des Grundeigentümers zur Aufsuchung und Gewinnung grundeigener Bodenschätze eingreifen, wie sich aus dem Verweis auf § 34 ergibt. Nach der amtlichen Begründung soll diese ausdrückliche Inbezugnahme nur klarstellen, dass die sich aus § 34 ergebenden Befugnisse neben dem Eigentum an einem Grundstück keine selbstständige Rechtsposition, sondern nur Teil des Grundeigentums sind.4 § 78 Nr. 1 regelt als möglichen Gegenstand der Grundabtretung darüber hinaus den Besitz an Grundstücken und stellt damit eine Besonderheit in den Enteignungsvorschriften dar.5 Für das Verständnis von „Besitz“ ist auf die zivilrechtlichen Besitzregelungen, § 854 BGB, abzustellen. Hiermit wird der Besonderheit im Bergrecht Rechnung getragen, dass im Rahmen der Grundabtretung zur Ermöglichung bergbaulicher Vorhaben die Einräumung des Besitzes ebenso wie die vollständige und dauerhafte Entziehung des Eigentums Gegenstand der behördlichen Maßnahme sein kann.6 Dies ermöglicht es, dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in besonderem Maße Rechnung zu tragen. Ob eine bloße Besitzeinräumung hingegen ausreicht, um den regelmäßig länger dauernden Nutzungszweck rechtssicher zu gewährleisten, ist im konkreten Einzelfall zu beurteilen. Diese dürfte allenfalls bei kleineren Maßnahmen von kurzer Dauer, die nicht auf eine grundbuchliche Eintragung und damit dingliche Sicherung angewiesen sind, ausreichen.7 Von der auf den Besitz abstellenden Grundabtretung ist die vorzeitige Besitzeinweisung nach §§ 97 ff. zu unterscheiden, die zwar auch auf die Einräumung von Besitz abzielt, jedoch allein eine vorläufige Regelung bis zur Wirksamkeit der Grundabtretung ermöglicht und keine über die Duldungspflicht hinausreichende Regelung, insbesondere keine dingliche Rechtsänderung bewirkt. Letztlich ermöglicht Nr. 1 die Beschränkung von dinglichen Rechten an Grundstücken. Hierzu gehören sämtliche Rechte, die in Abteilung II oder III des Grundbuchs eingetragen sind, insbesondere eingetragene Vorkaufsrechte, Reallasten, Grunddienstbarkeiten, Nießbrauch und beschränkte persönliche Dienstbarkeiten sowie die Grundpfandrechte (Grund- und Rentenschulden, Hypotheken). Nr. 1 erfasst auch diejenigen privatrechtlichen dinglichen Belastungen, die außerhalb des BGB geregelt sind.8 Nr. 2 erstreckt den Gegenstand der Grundabtretung auf persönliche Rechte, die zum Erwerb, zum Besitz oder zur Nutzung von Grundstücken berechtigen oder deren Benutzung beschränken. Persönliche Rechte im Sinne dieser Vorschrift sind obligatorische Rechte, also solche, die ein Dritter mit dem dinglich Berechtigten (Eigentümer) vereinbart hat und die nur in diesem Verhältnis gelten. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang insbesondere Miet- und Pachtrechte, daneben aber auch obligatorische Vorkaufsrechte oder obligatorische Wiederkaufsrechte.9 Maßgeblich ist, dass diese vereinbarten Rechte den Eigentümer gegenüber dem Rechtsinhaber an einer uneingeschränkten Ausübung seiner Eigentümerbefugnisse, insbesondere der Nutzung des Grundstücks oder die Verfügung darüber, hindern.

4

5

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7

8

III. Formen der Grundabtretung § 78 Halbsatz 2 regelt die Art der in Betracht kommenden Rechtsbeschränkungen. Danach können 9 die oben genannten Rechte entzogen, übertragen, geändert, mit einem dinglichen Recht belastet oder in sonstiger Weise beschränkt werden. Insbesondere durch die Formulierung „oder sonst be4 BT-Drs. 8/1315, S. 126. 5 Weller ZfB 1986, 227, 236; siehe aber beispielsweise § 3 Abs. 1 Nr. 3 EEG NW oder die weitgehend wortgleiche Formulierung in § 3 Abs. 1 Nr. 4 EntGBbg, der einen Eingriff in Besitzrechte ermöglicht. 6 BT-Drs. 8/1315, S. 126. 7 In diesen seltenen Fällen spielt die Übertragung des Besitzes eine eigenständige Rolle und ist nicht bloße Folge der Eigentumsübertragung, anders aber Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 78 Rn. 10. 8 Zu den Einzelheiten sowie zu der Frage, inwieweit Fischerei- und Jagdrechte selbstständig enteignungsfähig sind, Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger/Runkel BauGB, § 86 Rn. 48 ff. 9 Frenz/Rehs BBergG, § 78 Rn. 12. 951

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§ 79

Siebenter Teil – Bergbau und Grundbesitz, öffentliche Verkehrsanlagen

schränkt werden“ macht das Gesetz klar, dass ein sehr weiter Spielraum in der möglichen Rechtsbeschränkung besteht. Dies ermöglicht es, die Grundabtretung viel genauer mit einem möglichst geringen Eingriff in die jeweilige Rechtsposition zu verbinden als dies durch eine bloße Entziehung der Rechtsposition des bisherigen Inhabers der Fall wäre. Diese Regelung trägt dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, insbesondere der Erforderlichkeit, in besonderer Weise Rechnung.10 10 Die Grundabtretung erstreckt sich grundsätzlich nicht auf bewegliche Sachen. Scheinbestandteile, Zubehör und Inventar, §§ 95, 97, 98 BGB, werden der Grundabtretung allenfalls auf ausdrückliches Verlangen des jeweiligen Eigentümers, Pächters oder Nießbrauchers im Rahmen von § 82 Abs. 5 unterworfen. Dies ist auch interessengerecht, da die Nutzung von Scheinbestandteilen, Zubehör und Inventar grundsätzlich nicht für die Errichtung oder Führung eines Gewinnungsbetriebs oder Aufbereitungsbetriebs erforderlich ist. Sollte der Grundabtretungsbegünstigte gleichwohl derartige Sachen benötigen, hat er sie auf anderem Wege – also freihändig – zu erwerben. Die Anwendung – oder auch nur Androhung – von staatlichem Zwang wäre insoweit nicht mehr verhältnismäßig, denn sie ist nicht dem unausweichlichen Konflikt zwischen Bodenschatz und Grundeigentum geschuldet. Hat hingegen der Grundabtretungspflichtige ein Interesse an der Einbeziehung dieser Güter in die Grundabtretung, kann er nach § 82 Abs. 5 die Erstreckung der Grundabtretung verlangen.

§ 79 Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Grundabtretung (1) Die Grundabtretung ist im einzelnen Falle zulässig, wenn sie dem Wohle der Allgemeinheit dient, insbesondere die Versorgung des Marktes mit Rohstoffen, die Erhaltung der Arbeitsplätze im Bergbau, der Bestand oder die Verbesserung der Wirtschaftsstruktur oder der sinnvolle und planmäßige Abbau der Lagerstätte gesichert werden sollen, und der Grundabtretungszweck unter Beachtung der Standortgebundenheit des Gewinnungsbetriebes auf andere zumutbare Weise nicht erreicht werden kann. (2) Die Grundabtretung setzt voraus, daß der Grundabtretungsbegünstigte 1. sich ernsthaft a) um den freihändigen Erwerb des Grundstücks zu angemessenen Bedingungen, insbesondere, soweit ihm dies möglich und zumutbar ist, unter Angebot geeigneter anderer Grundstücke aus dem eigenen Vermögen, oder b) um die Vereinbarung eines für die Durchführung des Vorhabens ausreichenden Nutzungsverhältnisses zu angemessenen Bedingungen vergeblich bemüht hat und 2. glaubhaft macht, daß das Grundstück innerhalb angemessener Frist zu dem vorgesehenen Zweck verwendet werden wird. (3) 1Die Abtretung eines Grundstücks, das bebaut ist oder mit einem bebauten Grundstück in unmittelbarem räumlichem Zusammenhang steht und eingefriedet ist, setzt ferner die Zustimmung der nach Landesrecht zuständigen Behörde voraus. 2Die Zustimmung darf nur aus überwiegenden öffentlichen Interessen unter Berücksichtigung der Standortgebundenheit des Vorhabens erteilt werden.

Übersicht I.

Vorbemerkung

1

II.

Allgemeinwohldienlichkeit (Absatz 1)

1.

Allgemeinwohldienlichkeit als Vorausset2 zung

10 Frenz/Rehs BBergG, § 78 Rn. 13. Greinacher https://doi.org/10.1515/9783110709285-110

952

§ 79

Erstes Kapitel – Grundabtretung

2. 3.

4.

Besonderheiten der Grundabtretung und deren 6 Konsequenzen 8 Gesetzliche Vorgaben nach Absatz 1 a) Versorgung des Marktes mit Rohstof12 fen b) Erhaltung der Arbeitsplätze im Berg13 bau c) Bestand oder Verbesserung der Wirtschafts14 struktur d) Verfassungskonforme Einschrän15 kung e) Sinnvoller und planmäßiger Abbau der La16 gerstätte f) Abwägung: Überwiegen der öffentlichen Be17 lange Verhältnismäßigkeit der Grundabtretung, Stand19 ortgebundenheit

5. 6.

21 Umfang der gerichtlichen Kontrolle Ausschlussgrund: Andere zumutbare Optio24 nen

III. 1.

25 Angemessenes Angebot (Absatz 2) Angemessene Bedingungen (Absatz 2 26 Nr. 1) 29 Verweigerung von vornherein Erwerb oder Einräumung eines Nutzungsverhält30 nisses 33 Verwendungsfrist (Absatz 2 Nr. 2)

2. 3. 4. IV.

Grundabtretung bebauter Grundstücke (Ab36 satz 3)

I. Vorbemerkung § 79 regelt die grundsätzlichen Voraussetzungen der Grundabtretung. Er entspricht weitgehend 1 dem ursprünglichen Regierungsentwurf, im Gesetzgebungsverfahren wurde jedoch die Bestimmung der Behördenzuständigkeit in Absatz 3 den Ländern übertragen. Absatz 1 konkretisiert die Anforderungen an die Allgemeinwohldienlichkeit, die dem Maßstab von Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG gerecht werden müssen. Nach Absatz 2 kommt die Grundabtretung erst in Betracht, wenn der Grundabtretungsbegünstigte sich vergeblich um eine einvernehmliche Lösung mit dem Grundabtretungsbetroffenen bemüht hat. Den freihändigen Erwerbsversuch hat der Grundabtretungsbegünstigte im Grundabtretungsverfahren darzulegen. Weiterhin verlangt die Bestimmung, dass die Grundabtretung in zeitlicher Nähe zu dem beabsichtigten bergbaulichen Vorhaben stehen muss. Absatz 3 letztlich regelt Besonderheiten bebauter Grundstücke. Weitere Voraussetzungen sind im Wege der verfassungskonformen Auslegung in die Bestimmung hinein zu lesen.1

II. Allgemeinwohldienlichkeit (Absatz 1) 1. Allgemeinwohldienlichkeit als Voraussetzung Wie jede Enteignung ist auch die Grundabtretung nur zulässig, wenn sie dem Wohle der Allge- 2 meinheit dient. Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG fordert die Allgemeinwohldienlichkeit als Voraussetzung für eine Enteignung, die Allgemeinwohldienlichkeit ist ihrerseits wiederum verfassungsrechtlich determiniert. Denn es reicht nicht jedes öffentliche Interesse aus, um als Allgemeinwohl im Sinne von Art. 14 Abs. 3 GG eine Enteignung zu rechtfertigen. Erforderlich ist vielmehr ein besonders schwerwiegendes, dringendes öffentliches Interesse.2 Es obliegt dem Gesetzgeber, das Allgemeinwohl für den jeweiligen Enteignungszweck näher zu definieren.3 Diese Definition ist der Enteignung zugrunde zu legen, solange sie nicht offensichtlich unzutreffend ist.4

1 BVerfG 17.12.2013, 1 BvR 3139/08, 1 BvR 3386/08, BVerfGE 134, 242 ff. = ZfB 2014, 49 ff. 2 BVerfG 24.3.1987, 1 BvR 1046/85, BVerfGE 74, 264, 289; Hofmann NVwZ 2009, 673, 675; Jarass/Pieroth GG, Art. 14 Rn. 80. 3 BVerfG 17.12.2013, 1 BvR 3139/08, 1 BvR 3386/08, BVerfGE 134, 242 Rn. 169 ff. = ZfB 2014, 49, jüngst auch VG Aachen, 7.10.2021, 6 L 433/21, Rn. 58, juris.

4 BVerfG 18.12.1968, 1 BvR 638, 643/64, BVerfGE 24, 367, 406; Jarass/Pieroth GG, Art. 14 Rn. 80. 953

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Mittlerweile steht außer Streit, dass auch eine Enteignung zugunsten Privater gleichzeitig dem Allgemeinwohl dienlich sein kann.5 Der Verfassung ist kein ausdrückliches oder implizites Verbot von Enteignungen zugunsten Privater zu entnehmen. Vielmehr steht nach der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung fest, dass es bei der Beurteilung der Zulässigkeit einer Enteignung zunächst nicht auf die Person des Begünstigten ankommt.6 Lässt sich bereits der Geschäftsgegenstand eines privaten Unternehmens der Daseinsvorsorge zuordnen, insbesondere dem öffentlichen Personenverkehr oder der Versorgung, so reicht es aus, dass diese Aufgabe ordnungsgemäß erfüllt wird, ohne dass auf die Rechtsnatur des Unternehmens abzustellen wäre. Bergbauunternehmen kommen im Allgemeinen wegen der Versorgung des Marktes mit Rohstoffen Unternehmen der Daseinsvorsorge nahe, sodass es ausreicht, dass deren Aufgabenerfüllung sichergestellt ist.7 Aber auch bei Unternehmen, deren Gegenstand die Erfüllung von Allgemeinwohlaufgaben noch nicht indiziert, ist nach der Rechtsprechung die Allgemeinwohldienlichkeit durchaus denkbar. Hier verlangt Art. 14 Abs. 3 GG jedoch weitergehende Vorkehrungen, dass die Gemeinwohlzwecke nachhaltig gewahrt und gesichert werden. Diese Sicherung erfordert vor allem eine diesen Vorgaben entsprechende verfahrensrechtliche Ausgestaltung im Gesetz.8 Diesen Anforderungen genügt das Gesetz mit den Sicherungsinstrumenten nach § 81 Abs. 1 Satz 2 und § 95 (Ausführungsfrist) sowie der Sanktionsmöglichkeit nach § 96 (Aufhebung der Grundabtretung). Als Enteignungszweck sieht das Gesetz zwar die Versorgung des Marktes mit Rohstoffen – nach der Systematik des Gesetzes zählen hierzu nur die in § 3 Abs. 3 und 4 namentlich aufgezählten bergfreien und grundeigenen Bodenschätze9 – vor, Absatz 1. Gleichwohl ist eine Sicherung dieses Zwecks nicht erforderlich, weil der Gesetzgeber praxisnah davon ausgehen darf, dass die gewonnenen Bodenschätze dem Markt als Rohstoffe zur Verfügung gestellt werden.10 In jedem Fall fordert die Festsetzung des Allgemeinwohls eine abwägende Entscheidung, 4 in die alle für und gegen das Vorhaben sprechenden Belange einzustellen sind. Diese Bestimmung ist eine spezifisch enteignungsrechtliche Abwägung, nicht hingegen eine planerische Abwägung im Sinne des Fachplanungsrechts.11 Dementsprechend gewährt § 79 der Bergbehörde auch keine planerische Gestaltungsfreiheit, die eine nur eingeschränkte gerichtliche Kontrolle zur Folge hätte. Vielmehr kann – und muss im Streitfall – ein Gericht die Feststellung der Allgemeinwohldienlichkeit umfassend kontrollieren12 und ist dabei an die verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertungen gebunden.13 Das Allgemeinwohl ist in einer Gesamtschau unter Einbeziehung aller berührten öffentli5 chen und privaten Belange im jeweiligen Einzelfall zu ermitteln.14 Insoweit führt nicht bereits jedes gegen das Vorhaben sprechende öffentliche (Einzel-)Interesse zur Verneinung des Allgemeinwohls. Dies ist erst der Fall, wenn gewichtige Allgemeinwohlinteressen der Gewinnung des Boden3

5 BVerfG 24.3.1987, 1 BvR 1046/85, BVerfGE 74, 264, dies aufgreifend BVerfG 17.12.2013, 1 BvR 3139/08, 1 BvR 3386/08, BVerfGE 134, 242 Rn. 71 ff. = ZfB 2014, 49, 72 ff. Ebenso ist beispielsweise in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung anerkannt, dass für privat betriebene Energieleitungen enteignet werden darf, § 43 EnWG, BVerfG 10.9.2008, 1 BvR 1914/02, WM 2009, 422. 6 BVerfG 24.3.1987, 1 BvR 1046/85, BVerfGE 74, 264, 289; Maunz/Dürig/Papier GG, Art. 14 Rn. 578, für den Fall der Grundabtretung ausdrücklich bestätigt durch BVerfG 17.12.2013, 1 BvR 3139/08, 1 BvR 3386/08, BVerfGE 134, 242 Rn. 178 = ZfB 2014, 49 Rn. 179. 7 BVerfG 17.12.2013, 1 BvR 3139/08, 1 BvR 3386/08, BVerfGE 134, 242 Rn. 178 ff. = ZfB 2014, 49 Rn. 179 ff., 208; Dammert ZfB 2014, 1, 7. 8 BVerfG 17.12.2013, 1 BvR 3139/08, 1 BvR 3386/08, BVerfGE 134, 242 Rn. 179 = ZfB 2014, 49 Rn. 180; BVerfG 24.3.1987, 1 BvR 1046/85, BVerfGE 74, 264, 289; Maunz/Dürig/Papier/Papier GG, Art. 14 Rn. 579; Sachs/Wendt GG, Art. 14 Rn. 162; Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf/Hofmann GG, Art. 14 Rn. 66. 9 VG Aachen, 7.10.2021, 6 L 433/21, Rn. 60, juris. 10 BVerfG 17.12.2013, 1 BvR 3139/08, 1 BvR 3386/08, BVerfGE 134, 242 Rn. 209 f. = ZfB 2014, 49 Rn. 210 f. 11 BVerwG 20.10.2008, 7 B 21/08 = ZfB 2008, 249, 253 = NVwZ 2009, 333, 335. 12 BVerwG 20.10.2008, 7 B 21/08 = ZfB 2008, 249, 253 = NVwZ 2009, 333, 335. 13 OVG Frankfurt/Oder 28.9.2000, 4 B 130/00 = ZfB 2000, 297, 306. 14 Leisner DVBl 1988, 555, 557. Greinacher

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schatzes an der jeweiligen Stelle entgegenstehen,15 die auch durch andere, für das Vorhaben sprechende Belange des Allgemeinwohls überwunden werden können.

2. Besonderheiten der Grundabtretung und deren Konsequenzen Bei der verfassungsrechtlichen Einordnung der Grundabtretung als Enteignung im Sinne von 6 Art. 14 Abs. 3 GG darf jedoch die Besonderheit des bergrechtlichen Instituts nicht unbeachtet bleiben. Die „klassische“ Enteignung regelt die Kollision zwischen dem privaten Eigentum16 und dem Allgemeinwohl, zu dessen Verwirklichung auf das private Eigentum zugegriffen werden soll. Diese Beschreibung gibt jedoch die bergrechtliche Konstellation der Grundabtretung nur unvollständig wider: Denn die Grundabtretung dient nicht nur der Wahrung des Wohls der Allgemeinheit durch die Versorgung des Marktes mit Rohstoffen, der Erhaltung von Arbeitsplätzen im Bergbau, dem Bestand oder die Verbesserung der Wirtschaftsstruktur oder dem sinnvollen und planmäßigen Abbau von Bodenschätzen, wie Absatz 1 das Allgemeinwohl spezifiziert. Vielmehr ermöglicht häufig erst die Grundabtretung dem Grundabtretungsbegünstigten, dessen ebenfalls eigentumsrechtlich geschützte Position aus seiner Bergbauberechtigung17, nämlich die aus seiner Bewilligung oder seinem Bergwerkseigentum fließenden Befugnisse, zu nutzen, siehe §§ 8 Abs. 1 Nr. 4, 9 Abs. 1 Satz 1 und 151 Abs. 1 Nr. 5. Diese Konstellation ähnelt derjenigen von auf einander einwirkenden Nutzungen benachbarter Grundstücke, deren Bewältigung Gegenstand des Nachbarrechts ist.18 Dieses Rechtsgebiet regelt den Konflikt zwischen Nachbarn, oder verfassungsrechtlich betrachtet, den Konflikt zwischen Grundrechtsträgern, die sich jeweils auf ihr Eigentumsrecht nach Art. 14 GG berufen können, und versucht, ihn im Wege der praktischen Konkordanz19 aufzulösen. Diese Lösung dürfte jedoch im Konflikt zwischen der Ausnutzung der Bewilligung bzw. des Bergwerkseigentums einerseits und der weiteren Nutzung des Grundeigentums andererseits häufig nicht möglich sein, weil es regelmäßig auf ein „Entweder-oder“ hinausläuft. Andererseits führte eine bloße Einstufung der Grundabtretung als „klassische“ Enteignung dazu, dass die eigentumsrechtliche Position des Grundabtretungsbegünstigten keine Berücksichtigung fände.20 Ebenso wenig kann in einer Gesamtschau dieser Erwägungen die alleinige Einordnung der Grundabtretung als nachbarrechtliche Kollisionsnorm – und damit in den Kategorien von Art. 14 GG als Inhaltsbestimmung21 – überzeugen, denn die Grundabtretung führt zu einem – wenigstens temporären bzw. partiellen – Entzug des Eigentums des Grundabtretungspflichtigen (Grundstückseigentümer) von hoher Hand und erfüllt deswegen jedenfalls auch den Tatbestand der Enteignung. Verfassungsrechtlich führt diese Überlagerung der Einstufung sowohl als Enteignung als 7 auch als nachbarrechtsähnlicher Konflikt nach hier vertretener Auffassung dazu, dass an das Wohl der Allgemeinheit als rechtfertigendes Element der Grundabtretung geringere Anforderungen zu stellen sind als dies bei der klassischen Enteignung zugunsten Privater der Fall ist. Denn die Grundabtretung ist eben nicht nur eine rein privatnützige Enteignung, sondern dient gleichzeitig auch der Durchsetzung von ebenfalls nach Art. 14 GG geschützten Rechten des Grundabtretungsbegünstigten. Diese Rechtsposition nach Art. 14 GG kann der Grundabtretungsbe-

15 BVerwG 20.10.2008, 7 B 21/08 = ZfB 2008, 249, 253 = NVwZ 2009, 333, 335. 16 Genauer: Das Privateigentum Privater, denn Körperschaften oder sonstige juristische Personen des öffentlichen Rechts sind generell nicht grundrechtlich geschützt, BVerfG 8.7.1982, 2 BvR 1187/80, BVerfGE 61, 82, 108 f.: „Art. 14 als Grundrecht schützt nicht das private Eigentum, sondern das Eigentum Privater.“. 17 Auch die Gewinnungsberechtigung nimmt an dem grundrechtlichen Schutz des Eigentums nach Art. 1 Zusatzprotokoll zur EMRK teil, EGMR, 19.1.2017, 32377/12, NVwZ 2017, 1273. 18 Kühne JZ 1990, 138; ein Gedanke, den die amtliche Begründung im Zusammenhang mit der Anpassungspflicht nach § 110 bemüht, BT-Drs. 8/1315, S. 139. 19 Hierzu Hesse Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 317 ff. 20 Diesen Aspekt bezieht Leisner DVBl 1988, 555 ff. nicht ausreichend in seine Erwägungen ein. 21 Sachs/Wendt GG, Art. 14 Rn. 54. 955

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günstigte – neben etwaigen Allgemeinwohlbelangen – in die Waagschale legen, sie wirkt nach der hier vertretenen Auffassung im Saldo schutzmindernd für den Grundabtretungspflichtigen. Auf der Ebene des einfachen Gesetzes findet dies darin Niederschlag, dass das Allgemeinwohl beispielsweise auch durch die Versorgung des Marktes mit Rohstoffen begründet werden kann, ein Belang, der sowohl die volkswirtschaftliche Nutzung von Bodenschätzen als auch die privatnützige Ausnutzung der Bewilligung oder des Bergwerkseigentums umfasst. Diesen Gedanken hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zur Grundabtretung für den Tagebau Garzweiler II zwar in der Darstellung des Streitstoffs vermerkt,22 jedoch in der rechtlichen Begründung nicht wieder aufgegriffen und somit jedenfalls nicht abgelehnt. Das Gericht hat sich diese Erwägung andererseits auch nicht zu eigen gemacht.

3. Gesetzliche Vorgaben nach Absatz 1 8 § 79 Abs. 1 konkretisiert vor dem Hintergrund der vorstehend skizzierten Verfassungsrechtslage das Allgemeinwohl, das eine Grundabtretung rechtfertigt und schon in § 1 Nr. 1 beschrieben ist.23 Ausdrücklich benennt das Gesetz folgende Belange: – Die Versorgung des Marktes mit Rohstoffen, – die Erhaltung der Arbeitsplätze im Bergbau, – der Bestand oder die Verbesserung der Wirtschaftsstruktur oder – die Sicherung eines sinnvollen und planmäßigen Abbaus der Lagerstätte. 9 Nach dem Wortlaut des Gesetzes kann bereits die Erfüllung eines der vorgenannten vier Kriterien ausreichen, um das öffentliche Interesse an der Grundabtretung zu bejahen, wie aus der Verwendung des Begriffs „oder“ deutlich wird. Dem hat das Bundesverfassungsgericht jedoch einen Riegel vorgeschoben. Der Sicherung des sinnvollen und planmäßigen Abbaus der Lagerstätte vermag nur im Zusammenhang mit einem Abbau von Bodenschätzen zur Versorgung des Marktes mit Rohstoffen die Grundabtretung zu rechtfertigen.24 Im Gesetz sind die ausdrücklich genannten Kriterien als Regelbeispiele angelegt, wie sich 10 aus der Formulierung „insbesondere“ ergibt. Die eine Enteignung rechtfertigenden Allgemeinwohlbelange hat jedoch der Gesetzgeber hinreichend konkret selbst zu bestimmen, das Gesetz darf es nicht der Enteignungsbehörde überlassen, ob noch weitere, nicht benannte öffentliche Belange die Enteignung rechtfertigen, weil das dem Gesetzesvorbehalt in Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG nicht gerecht wird.25 Deswegen sind weitere, im Gesetz nicht genannte Allgemeinwohlbelange nicht geeignet, eine Grundabtretung zu rechtfertigen. Die in der Rechtsprechung teilweise darüber hinaus gehenden Fälle wie die Sicherung eines alten Grubengebäudes oder einer Schachtanlage,26 lassen sich jedenfalls nach der Garzweiler-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts27 nicht mehr mit dem Verweis auf die Formulierung „insbesondere“ rechtfertigen.28 Der erste und der vierte Belang beziehen sich vor allem auf die Rohstoffseite, der zweite 11 und dritte Belang nehmen vor allem den arbeitsmarktpolitischen oder allgemeinen volkswirtschaftlichen Effekt des bergbaulichen Vorhabens in den Fokus. Der dritte Belang, der Bestand oder die Verbesserung der Wirtschaftsstruktur, ermöglicht auch die Einbeziehung von solchen Arbeitsplätzen, die nur mittelbar mit dem durch die Grundabtretung begünstigten Vorhaben in 22 BVerfG 17.12.2013, 1 BvR 3139/08, 1 BvR 3386/08, BVerfGE 134, 242 Rn. 143 = ZfB 2014, 49 Rn. 144. 23 Ob es deswegen der Allgemeinwohlbestimmung in § 79 Abs. 1 nicht mehr bedurfte, wie es das BVerwG 14.12.1990, 7 C 5/90, BVerwGE 87, 241 = ZfB 1991, 129, 139 andeutete und letztlich offengelassen hat, mag hier dahinstehen. 24 BVerfG 17.12.2013, 1 BvR 3139/08, 1 BvR 3386/08, BVerfGE 134, 242 Rn. 203 = ZfB 2014, 49 Rn. 204, siehe zu der einschränkenden Auslegung auch Frenz/Rehs BBergG, § 78 Rn. 16 f. 25 BVerfG 17.12.2013, 1 BvR 3139/08, 1 BvR 3386/08, BVerfGE 134, 242 Rn. 198 f. = ZfB 2014, 49 Rn. 199 f. 26 OVG Lüneburg 3.9.2008, 7 LA 33/08, ZfB 2008, 185. 27 BVerfG 17.12.2013, 1 BvR 3139/08, 1 BvR 3386/08, BVerfGE 134, 242 Rn. 198 = ZfB 2014, 49 Rn. 199. 28 Anders noch Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 79 Rn. 3. Greinacher

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Zusammenhang stehen, also nicht direkt im Gewinnungs- oder Aufbereitungsbetrieb geschaffen werden.29 Jedoch hat das Bundesverfassungsgericht bezweifelt, ob diese beiden Belange hinreichend konkret formuliert sind, um sowohl dem Bestimmtheitsgrundsatz als auch dem Gesetzesvorbehalt Rechnung zu tragen.30

a) Versorgung des Marktes mit Rohstoffen. Bergbau zielt generell auf die Gewinnung von 12 Rohstoffen. Das Gesetz benennt diese Funktion des Bergbaus ausdrücklich als öffentlichen Belang, der eine Grundabtretung rechtfertigen kann. Dabei kommt es nicht darauf an, dass das bergbauliche Vorhaben unabdingbar für die Rohstoffversorgung ist, dass also beispielsweise im Falle der Braunkohlegewinnung anderenfalls „die Lichter ausgehen“.31 Dies ist auch auf nicht-energetische Bodenschätze zu übertragen, wie beispielsweise auf Lavasande.32 Einer Notwendigkeit der Rohstoffversorgung kann nicht entgegen gehalten werden, dass der jeweilige Bodenschatz in anderen bergbaulichen Vorhaben gewonnen werden kann. Denn anderenfalls könnte praktisch immer auf andere Gewinnungsvorhaben verwiesen werden. Das führte aber dazu, dass diese Vorräte schneller erschöpft sind und dann neue Gruben aufgeschlossen werden müssten. Es kommt also darauf an, dass der jeweilige Bergbaubetrieb einen Beitrag für die Versorgung mit dem Bodenschatz leistet.33 Dabei ist eine Prognose anzustellen, die auf die die voraussichtliche Dauer der bergbaulichen Tätigkeit abstellt. In dem Zusammenhang ist auch auf die rechtlichen Vorgaben des Kohleverstromungsbeendigungsgesetzes abzustellen, nicht hingegen auf darüberhinausgehende politische Forderungen zum sogenannten Kohleausstieg, die noch keinen rechtsförmigen Niederschlag gefunden haben.34

b) Erhaltung der Arbeitsplätze im Bergbau. Ebenso ist der Erhalt der Arbeitsplätze im Berg- 13 bau ein öffentlicher Belang, der für eine Grundabtretung sprechen kann. Arbeitsplätze im Bergbau sind sowohl diejenigen Arbeitsplätze, die unmittelbar im Betrieb des Unternehmers erhalten werden wie auch diejenigen, die in der Weiterverarbeitung in der Nähe des Bergbaus erhalten werden.35 So können beispielsweise die Arbeitsplätze in einem Kraftwerk ebenfalls zur Begründung der Allgemeinwohldienlichkeit herangezogen werden, gleiches gilt für die Weiterverarbeitung der gewonnen Bodenschätze auch nach der Aufbereitung. Die Grenze zwischen der dem Bergbau zuzuschreibenden Erhaltung von Arbeitsplätzen und entfernteren Weiterverarbeitungsstufen kann im Einzelfall schwierig zu ziehen sein.36 Arbeitsplätze sind zudem nicht nur dann relevant, wenn sie – wie der Gesetzeswortlaut ergibt – „erhalten“, sondern erst recht, wenn sie durch das Vorhaben erst geschaffen werden. c) Bestand oder Verbesserung der Wirtschaftsstruktur. Als weiteren Allgemeinwohlbelang 14 nennt das Gesetz den Bestand oder die Verbesserung der Wirtschaftsstruktur. Dieses Tatbestandsmerkmal erstreckt sich auf die nur mittelbar mit dem Vorhaben verbundenen wirtschaftlichen

29 In diesem Sinn wohl OVG Magdeburg 18.8.2009, 2 M 31/09 = ZfB 2010, 174, 175. 30 BVerfG 17.12.2013, 1 BvR 3139/08, 1 BvR 3386/08, BVerfGE 134, 242 Rn. 203 = ZfB 2014, 49 Rn. 205. 31 BVerwG 20.10.2008, 7 B 21/08 = ZfB 2008, 249, 255; OVG Münster 21.12.2007, 11 A 3051/06 = ZfB 2008, 126, 135; OVG Frankfurt/Oder 28.9.2000, 4 B 130/00 = ZfB 2000, 297, 305.

32 BVerwG 20.11.2008, 7 C 10/08, BVerwGE 132, 261, 273 = ZfB 2009, 46, 54 für die parallele Frage im Zusammenhang mit der Zulegung.

33 BVerwG 20.11.2008, 7 C 10/08, BVerwGE 132, 261 = ZfB 2009, 46, 50, für die Zulegung. 34 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 79 Rn. 6d; Frenz Kohleausstieg und Braunkohlentagebau, DVBl 2019, 467, 471. 35 OVG Magdeburg 18.8.2009, 2 M 31/09 = ZfB 2010, 174, 175. 36 Diese können aber gegebenenfalls bei der Verbesserung der Wirtschaftsstruktur berücksichtigt werden. 957

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Auswirkungen des Vorhabens, die ebenfalls als Allgemeinwohlinteressen anerkannt sind. So hat der Verlust von Arbeitsplätzen dann gesamtwirtschaftliche Auswirkungen, wenn dadurch Auswirkungen auf den regionalen Arbeitsmarkt spürbar werden.37

15 d) Verfassungskonforme Einschränkung. Es ist zweifelhaft, ob die Allgemeinwohlbelange „Sicherung von Arbeitsplätzen“ und „Bestand oder die Verbesserung der Wirtschaftsstruktur“ konkret genug sind, um eine Enteignung im Sinne von Art. 14 Abs. 3 GG zu rechtfertigen, zumal wenn es sich – wie bei der Grundabtretung typischerweise – um eine Enteignung zugunsten Privater handelt.38 Diese Aspekte sind jedenfalls als Allgemeinwohlbelange geeignet, das Gewicht des Allgemeinwohls zu stärken, auch wenn sie für sich allein gesehen eine Grundabtretung gegebenenfalls nicht zu rechtfertigen vermögen. In dieser Weise fanden sie auch in der bisherigen Praxis Berücksichtigung, sodass sich aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts keine erheblichen Änderungen ergeben dürften.39

16 e) Sinnvoller und planmäßiger Abbau der Lagerstätte. Letztlich benennt das Gesetz noch den sinnvollen und planmäßigen Abbau einer Lagerstätte als öffentlichen Belang. Dieser Aspekt ist auf Bestreben des Wirtschaftsausschusses in das Gesetz aufgenommen worden.40 Das Gebot des sinnvollen und planmäßigen Abbaus einer Lagerstätte soll dazu dienen, diese möglichst weitgehend auszubeuten, und dient damit auch der Ressourcenschonung. An seiner Bedeutung als Teil des öffentlichen Interesses ist gelegentlich Kritik geübt worden,41 die sich jedoch letztlich nicht durchgesetzt hat. Dieser öffentliche Belang begrenzt andererseits das Allgemeinwohl insoweit, als ein nicht sinnvoller und planmäßiger Abbau der Lagerstätte gegen die Grundabtretung sprechen kann.42 Zudem ist der sinnvolle und planmäßige Abbau einer Lagerstätte für sich allein gesehen noch kein die Grundabtretung rechtfertigender Allgemeinwohlbelang, sondern allenfalls im Zusammenhang mit der dem Abbau von Bodenschätzen zur Versorgung des Marktes mit Rohstoffen.43

17 f) Abwägung: Überwiegen der öffentlichen Belange. Die Grundabtretung ist nur dann zulässig, wenn im jeweiligen Einzelfall die gesetzlich genannten Belange so gewichtig sind, dass sie entgegenstehende öffentlichen Interessen sowie die Interessen des Grundeigentümers der dafür benötigten Grundstücke überwiegen.44 Explizite Vorgaben an die Gesamtabwägung fehlen im Bundesberggesetz; weder die Bestimmungen zur Betriebsplanzulassung noch die Vorgaben an die Grundabtretung verlangen ausdrücklich eine derartige Abwägung. Sie ist jedoch zur Umsetzung der Vorgaben von Art. 14 Abs. 3 GG im Wege der verfassungskonformen Auslegung in die materiellen Anforderungen an die Grundabtretung hineinzulesen.45 Diese „Gesamtabwägung“46 ist auf 37 BVerwG 20.11.2008, 7 C 10/08, BVerwGE 132, 261, 274 = ZfB 2009, 46, 54. 38 BVerfG 17.12.2013, 1 BvR 3139/08, 1 BvR 3386/08, BVerfGE 134, 242 Rn. 204 = ZfB 2014, 49 Rn. 205; siehe auch schon BVerwG 14.12.1990, 7 C 5/90, BVerwGE 87, 241, 248. 39 Dammert ZfB 2014, 1, 6. 40 BT-Drs. 8/3965, S. 139. 41 Lange DÖV 1988, 805, 807; Leisner DVBl 1988, 555, 561; Weides/Jahnz DVBl 1984, 921, 927. 42 BVerwG 14.12.1990, 7 C 5/90, BVerwGE 87, 241 = ZfB 1991, 129, 138. 43 BVerfG 17.12.2013, 1 BvR 3139/08, 1 BvR 3386/08, BVerfGE 134, 242 Rn. 203 = ZfB 2014, 49 Rn 204. 44 BVerwG 20.10.2008, 7 B 21/08, ZfB 2008, 249, 254; BVerwG 14.12.1990, 7 C 5/90, BVerwGE 87, 241, 250 f; Frenz/Rehs BBergG, § 79 Rn. 25 ff. 45 BVerfG 17.12.2013, 1 BvR 3139/08, 1 BvR 3386/08, BVerfGE 134, 242 Rn. 210 ff. = ZfB 2014, 49 Rn. 211 ff.; Kühne NVwZ 2014, 321, 323 f.; Dammert ZfB 2014, 1, 7; Durner/Karrenstein DVBl 2014, 182, 183 f. 46 So der Begriff des Bundesverfassungsgerichts in seiner Garzweiler II-Entscheidung 17.12.2013, 1 BvR 3139/08, 1 BvR 3386/08, BVerfGE 134, 242 Rn. 315 = ZfB 2014, 49 Rn. 316. Greinacher

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einer Entscheidungsstufe erforderlich, auf der die Zulassung des Großvorhabens grundsätzlich in Rede steht und die dann auch von den im Eigentum Betroffenen – also den künftigen Grundabtretungspflichtigen – rechtzeitig gerichtlich überprüft werden kann.47 Denn mit der Zulassung des Rahmenbetriebsplans steht im Regelfall faktisch fest, dass Grundstücke im Wege der Grundabtretung in Anspruch genommen werden, auch wenn sie keine enteignungsrechtliche Vorwirkung entfalten wie etwa Planfeststellungen für Infrastrukturvorhaben.48 Daraus folgt zum einen, dass bereits auf dieser Entscheidungsstufe die Voraussetzungen für die Grundabtretung dem Grunde nach erfüllt sein müssen,49 was unter anderem eine Gesamtabwägung der für und gegen das Vorhaben sprechenden Belange und Einbeziehung der privaten Belage erfolgen muss. Denn auch ohne enteignungsrechtliche Vorwirkung, wie sie vor allem aus dem Fachplanungsrecht bekannt ist, greift bereits die Zulassung des Rahmenbetriebsplans in das Grundeigentum ein. Denn mit dieser Zulassung beginnt der Abwanderungsprozess aus den betroffenen Gebieten und verändert sich das mit dem Wohneigentum verbundene soziale und städtebauliche Umfeld.50 Diese Entscheidung erfolgt im Wege einer – spezifisch enteignungsrechtlichen – Gesamtabwä- 18 gung,51 die grundsätzlich vollständig gerichtlich überprüfbar ist und auch als nachvollziehbare Abwägung von den Gerichten noch nachgeholt werden kann.52 Der Gesetzgeber hat durch § 79 nicht jede Gewinnung von Bodenschätzen, die ein privater Unternehmer beabsichtigt, zu einer allgemeinwohldienlichen Tätigkeit bestimmt, die per se eine Enteignung rechtfertigt.53 Vielmehr hat die Grundabtretungsbehörde unter besonderer Berücksichtigung der in Absatz 1 ausdrücklich genannten Allgemeinwohlbelange zu prüfen, ob die bergbauliche Tätigkeit im konkreten Einzelfall zunächst überhaupt im öffentlichen Interesse liegt und sodann, ob dieses öffentliche Interesse andere öffentliche Interessen54 sowie die Interessen des Eigentümers der in Anspruch zu nehmenden Grundstücke überwiegt.55 Als möglicherweise entgegenstehende andere Belange des Allgemeinwohls kommen beispielsweise der Natur- und Landschaftsschutz, der Denkmalschutz, die Wasserwirtschaft, die Raumordnung oder der Städtebau in Betracht,56 es sei denn, über diese Belange ist in vorgelagerten Stufen bereits eine Entscheidung getroffen worden.

4. Verhältnismäßigkeit der Grundabtretung, Standortgebundenheit Die Grundabtretung muss zudem von Verfassungs wegen verhältnismäßig, also geeignet, erforder- 19 lich und letztlich auch zumutbar (verhältnismäßig im engeren Sinne) sein. Diese Verhältnismäßigkeit ist am gesetzgeberischen Ziel – vor allem also die Versorgung des Marktes mit Rohstoffen – zu messen.

47 BVerfG 17.12.2013, 1 BvR 3139/08, 1 BvR 3386/08, BVerfGE 134, 242 Rn. 316 = ZfB 2014, 49 Rn. 317. 48 Bei den meisten Infrastrukturvorhaben ist in der Planfeststellung zu prüfen, ob die Enteignung von für das Vorhaben benötigte Grundstücke gerechtfertigt ist. Im anschließenden Enteignungsverfahren braucht dann die Frage, ob eine Enteignung überhaupt zulässig ist, nicht mehr geprüft zu werden, siehe zum Beispiel ausdrücklich § 45 Abs. 2 Satz 1 EnWG. 49 BVerfG 17.12.2013, 1 BvR 3139/08, 1 BvR 3386/08, BVerfGE 134, 242 Rn. 277 ff. = ZfB 2014, 49 Rn. 278 ff. 50 BVerfG 17.12.2013, 1 BvR 3139/08, 1 BvR 3386/08, BVerfGE 134, 242 Rn. 277 = ZfB 2014, 49 Rn. 278. 51 BVerfG 17.12.2013, 1 BvR 3139/08, 1 BvR 3386/08, BVerfGE 134, 242 Rn. 187, 211 = ZfB 2014, 49 Rn 188, 212; Dammert ZfB 2014, 1, 7. 52 BVerfG 17.12.2013, 1 BvR 3139/08, 1 BvR 3386/08, BVerfGE 134, 242 Rn. 233 = ZfB 2014, 49 Rn. 234. 53 Der Gesetzgeber hat nicht bestimmt, dass die Gewinnung von Bodenschätzen schlechthin dem Allgemeinwohl dient, weil damit die Grenzen von Art. 14 Abs. 3 GG überschritten worden wären, BT-Drs. 8/3965, S. 139; siehe auch BVerwG 16.3.1981, 4 C 36/85, BVerwGE 81, 329, 335; Maunz/Dürig/Papier GG, Art. 14 Rn. 433. 54 BVerfG 17.12.2013, 1 BvR 3139/08, 1 BvR 3386/08, BVerfGE 134, 242 Rn. 188 = ZfB 2014, 49 Rn. 189. 55 BVerwG 20.10.2008, 7 B 21/08, ZfB 2008, 249, 254. 56 BVerfG 17.12.2013, 1 BvR 3139/08, 1 BvR 3386/08, BVerfGE 134, 242 Rn. 203 f. = ZfB 2014, 49 Rn. 204 f., siehe auch VG Cottbus, 11.3.2021, VG 3 K 1022/12, BeckRS 2021, 24487. 959

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Die Voraussetzung der Eignung stellt regelmäßig keine besonderen Anforderungen. Die Erforderlichkeit und die Zumutbarkeit haben sich auf zwei Ebenen zu erstrecken. Zunächst muss die Enteignung erforderlich und zumutbar sein, um die konkrete Maßnahme – beispielsweise einen Tagebau – zu ermöglichen.57 Es darf also kein milderes Mittel geben, das in gleicher Weise in der Lage ist, dass Vorhaben zu ermöglichen. Zumutbar ist der Eingriff, wenn das entzogene Eigentum nicht außer Verhältnis zu dem Gewicht des Eingriffs steht, den der konkrete Eigentumsbezug für den betroffenen Rechtsinhaber bedeutet. Bei dieser Beurteilung hat die zu leistende Entschädigung außer Betracht zu bleiben.58 Darüber hinaus muss das Vorhaben, zu dessen Gunsten die Grundabtretung durchgeführt wird, erforderlich sein, um die Allgemeinwohlziele nach Abs. 1 zu erreichen. Insoweit reicht es allerdings aus, wenn das konkrete Vorhaben „zum Wohl der Allgemeinheit vernünftigerweise geboten ist. Das ist der Fall, wenn das konkrete Vorhaben in der Lage ist, einen substanziellen Beitrag zur Erreichung des Gemeinwohlziels zu leisten.“59 Es ist hingegen nicht erforderlich, das das Vorhaben unverzichtbar ist. Während also auf der ersten Ebene – der Erforderlichkeit zur Durchführung des Vorhabens – eine strikte Erforderlichkeitsprüfung zu erfolgen hat, reicht auf der zweiten Ebene – Prüfung des Vorhabens an den gesetzlichen Kriterien nach Abs. 1 – eine Plausibilitätskontrolle aus.60 Ebenso muss die konkrete Enteignungsmaßnahme in angemessenem Verhältnis zu dem konkret verfolgten Gemeinwohlziel stehen. Der Standortgebundenheit des Vorhabens kommt bei dieser Abwägung besondere Bedeutung zu. Denn der Grundabtretungsbegünstigte kann regelmäßig nur an der konkreten Stelle sein Vorhaben durchführen; wird ihm die Grundabtretung verwehrt, so kann er seine bergrechtliche Position überhaupt nicht mehr nutzen.61 Hingegen erhält der Grundabtretungspflichtige für die Entziehung oder Beschränkung seines Rechts nach § 78 immerhin einen Entschädigungsanspruch.62 In diese Zumutbarkeitsprüfung sind nicht nur die entgegenstehenden Belange des betroffenen Eigentümers, sondern auch entgegenstehende öffentliche Belange einzustellen.63

5. Umfang der gerichtlichen Kontrolle 21 Der Grundabtretungspflichtige kann die Prüfung und gerechte Abwägung der übrigen öffentlichen Belange verlangen. Denn nur wenn dem Vorhaben keine überwiegenden öffentlichen Belange entgegen stehen, dient es dem Allgemeinwohl und ist die Grundabtretung nach Absatz 1 gerechtfertigt.64 Das hat Auswirkungen auf die Rechtsschutzmöglichkeiten des Grundabtretungspflichtigen: Er kann sich auf die fehlende Allgemeinwohldienlichkeit berufen, auch wenn der jeweilige öffentliche Belang an sich nicht dazu bestimmt ist, seinen Interessen zu dienen. Denn die Voraussetzungen von § 79 dienen in vollem Umfang (auch) den Interessen des privaten Grundabtretungspflichtigen,65 sie sollen in ihrer Gesamtheit den betroffenen Eigentümer dagegen schützen, dass sein Eigentum beschnitten oder entzogen wird, ohne dass dies durch entsprechende öffentliche

57 BVerfG 17.12.2013, 1 BvR 3139/08, 1 BvR 3386/08, BVerfGE 134, 242 Rn. 182 ff. = ZfB 2014, 49 Rn. 183 ff. 58 BVerfG 17.12.2013, 1 BvR 3139/08, 1 BvR 3386/08, BVerfGE 134, 242 Rn. 187 = ZfB 2014, 49 Rn. 188; Dammert ZfB 2014, 1, 11. 59 BVerfG 17.12.2013, 1 BvR 3139/08, 1 BvR 3386/08, BVerfGE 134, 242 Rn. 184 = ZfB 2014, 49 Rn. 185. 60 Hierzu auch Dammert ZfB 2014, 1, 10 ff. 61 Eine andere Wertung ist beim sogenannten Bohrlochbergbau angezeigt. 62 Kühne NVwZ 2014, 321, 323. 63 BVerfG 17.12.2013, 1 BvR 3139/08, 1 BvR 3386/08, BVerfGE 134, 242 Rn. 188 = ZfB 2014, 49 Rn. 189. 64 BVerwG 20.11.2008, 7 C 10/08, BVerwGE 132, 261 = ZfB 2009, 46; BVerwG 14.12.1990, 7 C 5/90, BVerwGE 87, 241, 252. 65 Einrichtungen und Körperschaften der öffentlichen Hand, also insbesondere Gemeinden, dürften sich hingegen nicht auf diesen letztlich aus Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG abgeleiteten Schutz berufen, OVG Frankfurt/Oder 16.5.1995, 4 B 20/95, ZfB 1995, 199, 201. Ob das zwingend ist, mag dahinstehen. Denn dem Gesetzgeber ist nicht versagt, kommunalen Gebietskörperschaften oder anderen juristischen Personen des öffentlichen Rechts einfachgesetzlich einen Schutz einzuräumen, der verfassungsrechtlich nicht zwingend ist. Greinacher

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Interessen gerechtfertigt ist.66 Das entspricht der Rechtsposition des Enteignungsbetroffenen in der Fachplanung.67 Hingegen ist nicht erforderlich, dass ohne das Vorhaben die Allgemeinwohlbelange ernstlich gefährdet sind. Soweit die Voraussetzungen nach Absatz 1 deckungsgleich sind mit denjenigen einer vorange- 22 gangenen Rahmenbetriebsplanzulassung, bindet Letztere auch die Entscheidung über die Grundabtretung, es sei denn, es hätten sich in der Zwischenzeit erhebliche tatsächliche Änderungen ergeben.68 Hingegen begründet die Mitgewinnungsentscheidung, § 42, keine Bindungswirkung im Hinblick auf den sinnvollen und planmäßigen Abbau der Lagerstätte als Teil des Allgemeinwohls. Denn die entgegenstehenden Belange privater Dritter sind bei der Entscheidung über die Mitgewinnung noch nicht zu berücksichtigen. Die behördliche Entscheidung über die Mitgewinnung erstreckt sich allein auf die Lagerstättenverhältnisse, sie wird allein aus bergtechnischen oder sicherheitstechnischen Gründen gewährt, nicht jedoch in Hinblick auf einen künftigen Gewinnungsbetrieb.69 Auch haben Mitgewinnungsentscheidung und Grundabtretung unterschiedliche Anwendungsbereiche: Während die Mitgewinnung sich auf das Aneignungsrecht an einem Bodenschatz bezieht, ermöglicht die Grundabtretung die Nutzung eines fremden Grundstücks. Die Grundabtretung liegt hingegen nicht im Interesse der Allgemeinheit, wenn die zugrun- 23 de liegende Bergbauberechtigung rechtswidrig ist.70 Denn an der Perpetuierung eines rechtswidrigen Zustands besteht kein öffentliches Interesse. Dies kann der Grundabtretungspflichtige auch rügen: Auf die Bestandskraft der Bergbauberechtigung kommt es dabei nicht an, da der Grundabtretungspflichtige regelmäßig keine Möglichkeit hat, bereits die Bewilligung anzufechten.71 Dies hat zur Folge, dass bei jeder Grundabtretung inzident die Rechtmäßigkeit der Bergbauberechtigung zu prüfen ist.

6. Ausschlussgrund: Andere zumutbare Optionen Negativ bestimmt Absatz 1 schließlich, dass dem Allgemeinwohl nicht gedient ist, wenn der 24 Grundabtretungszweck, also die Errichtung oder Führung eines Gewinnungsbetriebes oder Aufbereitungsbetriebes, auch auf andere zumutbare Weise, also ohne die Grundabtretung, erreicht werden kann. Verfügt der Grundabtretungsbegünstigte bereits über Grundstücke oder Nutzungsrechten an Grundstücken, die ihm unter Berücksichtigung der örtlichen Bindung an die konkrete Lagerstätte die Errichtung oder Führung eines Gewinnungs- oder Aufbereitungsbetriebs bzw. die Maßnahme erlauben, die auf dem jeweils für das der Grundabtretung unterliegende Grundstück beabsichtigt ist, so kann er den Grundabtretungszweck auf andere zumutbare Weise erreichen. Hingegen reicht es nicht aus, dass auch Dritte über entsprechende Grundstücke verfügen, wenn der Grundabtretungsbegünstigte auf diese Grundstücke ebenfalls nur im Wege der Grundabtretung Zugriff erlangen kann. Denn mit dem gleichen Argument könnte sich umgekehrt auch der Dritte gegen eine Grundabtretung wehren mit der Folge, dass für die meisten Vorhaben überhaupt keine Grundabtretung mehr in Betracht käme.72 Der hier zum Ausdruck kommende Gedanke trägt dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung und hat deswegen klarstellenden Charakter.

66 BVerwG 20.11.2008, 7 C 10/08, BVerwGE 132, 261 = ZfB 2009, 46, 50, allerdings – für die insoweit identische – Zulegung nach § 35. 67 So schon BVerwG 18.3.1983, 4 C 80/79, BVerwGE 67, 74, 76; so auch Wahl in: Hansmann/Sellner (Hrsg.) Grundzüge des Umweltrechts, Kap. 4, Rn. 107 f. 68 OVG Münster 21.12.2007, 11 A 3051/06, ZfB 2008, 126, 134. 69 BVerwG 24.6.2010, 7 C 16/09, ZfB 2010, 136, 138 f. 70 BVerfG 17.12.2013, 1 BvR 3139/08, 1 BvR 3386/08, BVerfGE 134, 242 Rn. 216 = ZfB 2014, 49 Rn. 217. 71 OVG Weimar 15.5.2003, 1 KO 710/00, ZfB 2004, 137, 144. 72 OVG Münster 16.8.2002, 21 B 1184/02, ZfB 2002, 321, 323, zu der insoweit gleichen Konstellation bei der vorzeitigen Besitzeinweisung nach § 97. 961

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Ebenso wenig kann ein Grundabtretungsbegünstigter auf ein Notwegerecht eines Dritten verwiesen werden.73

III. Angemessenes Angebot (Absatz 2) 25 Nach Absatz 2 hat sich der Grundabtretungsbegünstigte zunächst entweder um den freihändigen Erwerb des Grundstücks zu angemessenen Bedingungen oder um eine Vereinbarung eines Nutzungsverhältnisses zu angemessenen Bedingungen zu bemühen. Erst wenn er auf diesem Wege die erforderlichen Grundstücke oder ein Nutzungsrecht nicht erhalten kann, kommt die Grundabtretung in Betracht. Diese Anforderung ist eine besondere Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Sie entspricht – mit Ausnahme des Versuchs, ein bloßes Nutzungsverhältnis zu begründen – § 87 BauGB oder § 4 EEG NW.

1. Angemessene Bedingungen (Absatz 2 Nr. 1) 26 Der Grundabtretungsbegünstigte erfüllt die Voraussetzung eines angemessenen Angebots nur, wenn er sich um einen Erwerb zu angemessenen Bedingungen bemüht hat. Angemessen ist die Bedingung insbesondere, wenn er dem Grundabtretungsverpflichteten ein geeignetes anderes Grundstück aus dem eigenen Vermögen angeboten hat. Hingegen ist der Grundabtretungsbegünstigte nicht verpflichtet, zunächst Ersatzland zu erwerben, um dies den Grundabtretungsverpflichteten anzubieten. Angemessene Bedingungen sind weiter dann anzunehmen, wenn der Grundabtretungsbegünstigte eine hinreichend bemessene Entschädigungszahlung angeboten hat. Die angebotene Entschädigung muss unter Berücksichtigung des Verkehrswertes des Grundstücks zuzüglich der übrigen durch die Grundabtretung eintretenden Rechtsverluste berechnet sein. Zu den Einzelheiten des Verkehrswertes und seiner Ermittlung vgl. §§ 84 ff. Fehlt ein angemessenes Angebot, ist die Grundabtretung bereits aus diesem Grund unzulässig.74 Hingegen hängt bei der Grundabtretung – anders als bei der Enteignung nach dem Baugesetzbuch – von dem Zeitpunkt des angemessenen Angebots nicht der Bewertungsstichtag ab, da das BBergG keine entsprechende Regelung enthält, vgl. dazu § 84 Rn. 12 f. 27 Die Angemessenheit der Entschädigung kann in der Praxis insbesondere dann Probleme aufwerfen, wenn Gegenstand der Grundabtretung nicht der vollständige Entzug eines Grundstücks, sondern nur dessen Belastung mit einem – gegebenenfalls nur temporären – Nutzungsrecht oder einer dinglichen Belastung wie einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit ist. Denn während es häufig relativ einfach ist, den Verkehrswert für Grundstücke insgesamt festzustellen75 und daraus die Angemessenheit der Entschädigung abzuleiten, fehlt es für diese nur partiellen oder temporären Enteignungen regelmäßig an einem Marktpreis. Grundsätzlich muss es deswegen ausreichen, wenn der Grundabtretungsbegünstigte ein Angebot macht, das er plausibel unterlegen kann, um das Grundabtretungsverfahren anzustrengen. Erst wenn das Angebot des Grundabtretungsbegünstigten schlechterdings nicht mehr begründbar ist, kann der Antrag auf Grundabtretung mit Hinweis auf das fehlende angemessene Entschädigungsangebot zurückgewiesen werden, ohne dass eine weitergehende sachliche Prüfung erforderlich ist. Die Interessen des Grundabtretungspflichtigen werden in diesem Fall durch das Verwaltungsverfahren ausreichend gewahrt, weiter kann er nachfolgend gerichtlichen Rechtsschutz einfordern. Da

73 OVG Lüneburg 3.9.2008, 7 LA 33/08, ZfB 2008, 185, 188. 74 BGH 8.5.1980, III ZR 27/77, BGHZ 77, 338, 344 f.; BGH 1.3.1984, III ZR 197/82, BGHZ 90, 243, 245 f.; siehe auch BVerwG 18.8.1964, I C 48/63, BVerwGE 19, 171, 175; zur Einbeziehung des Werts von grundeigenen Bodenschätzen, die im Rahmen der Mitgewinnung produziert werden, siehe BVerwG 24.6.2010, 7 C 16/09, ZfB 2010, 136, 138 f. 75 Beispielsweise durch Auskünfte bei dem Gutachterausschuss. Greinacher

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die preisfixierende Wirkung des angemessenen Angebots im Grundabtretungsverfahren fehlt – siehe vorstehende Rn. 26 –, ist seine Position dadurch hinreichend gesichert. Das Angebot muss zudem ernsthaft sein. Dies bedeutet vor allem, dass es als verbindliches 28 Angebot, also ohne Einschränkungen und Vorbehalte, erklärt wird.76 Hingegen ist nicht erforderlich, dass es gleich in einer rechtlich bindenden Form, vor allem in den Fällen von § 311b BGB durch notarieller Beurkundung, unterbreitet wird, weil das wegen der damit verbundenen Kosten im Grundstücksverkehr unüblich ist.77 Es sollte allerdings mit Hinblick auf eine etwaige Beweisführung in späteren Grundabtretungsverfahren schriftlich erfolgen.78 Das Erwerbsangebot sollte zudem darauf hinweisen, dass es zur Vermeidung einer Grundabtretung abgegeben wurde. Die Ernsthaftigkeit kann auch dadurch belegt werden, dass der Grundabtretungsbegünstigte in Verhandlungen über sein Angebot einzusteigen bereit ist.

2. Verweigerung von vornherein Ein angemessenes Entschädigungsangebot ist hingegen nicht erforderlich, wenn der Grundabtre- 29 tungsverpflichtete sich grundsätzlich gegen die Grundabtretung wehrt und jede Verhandlung über die Einräumung eines Nutzungsrechts (siehe nachfolgend Rn. 24) oder die Übertragung des Grundstücks verweigert, wie beispielsweise ein Naturschutzverband, der ein sogenanntes „Sperrgrundstück“ erwirbt und deutlich macht, dass er nicht bereit ist, dieses Grundstück freihändig an den Grundabtretungsbegünstigten zu übertragen.79 Im Zweifel sollte der Grundabtretungsbegünstigte aber auch in einer solchen Situation dem Betroffenen ein Entschädigungsangebot unterbreiten.

3. Erwerb oder Einräumung eines Nutzungsverhältnisses Ebenso wie in anderen Enteignungsverfahren setzt § 79 Abs. 2 voraus, dass der Grundabtretungs- 30 begünstigte sich um ein für die Durchführung des Vorhabens ausreichendes Nutzungsverhältnis zu angemessenen Bedingungen erfolglos bemüht hat. Das trägt dem Umstand Rechnung, dass die Benutzung eines Grundstücks für die Errichtung und den Betrieb eines Gewinnungs- oder Aufbereitungsbetriebs häufig nur zeitlich begrenzt stattfindet. Dementsprechend reicht auch die Einräumung einer Nutzungsbefugnis für die konkret in Rede stehende Dauer der Errichtung des Betriebs des Gewinnungs- bzw. Aufbereitungsbetriebs aus. Das Gesetz regelt dabei nicht ausdrücklich, ob es sich um ein dingliches Nutzungsverhältnis handeln muss oder ob es ausreicht, dass der Grundabtretungsberechtigte obligatorisch zur Nutzung berechtigt ist. Die Einräumung eines bloß obligatorischen Nutzungsrechts dürfte jedenfalls dann ausreichen, wenn auch die Grundabtretung nur auf diese abzielt, vgl. § 78 Nr. 2. Dem besonderen Sicherungsinteresse des Grundabtretungsbegünstigten ist Rechnung zu tragen. So dürfte der Grundabtretungsbegünstigte bei einer Nutzungsdauer, die über mittlere Frist hinausreicht (länger als etwa drei Jahre), ein Interesse an einem dinglichen Nutzungsrecht haben. Es reicht aus, wenn sich der Grundabtretungsbegünstigte um eine der in Absatz 2 Nr. 1 genannten anderweitigen Lösungen bemüht hat; die Voraussetzungen von Absatz 2 Nr. 1 Buchst. a) und Buchst. b) sind alternativ zu verstehen. Der Grundabtretungspflichtige kann in den Verhandlungen auf die ihm genehme Nutzungsvereinbarung drängen.80 Die beiden Varianten von § 79 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a) und Buchst. b) stehen in einem Alterna- 31 tivverhältnis. Reicht für das Bergbauvorhaben ein Nutzungsverhältnis aus, so ist der Grundabtretungsbegünstigte nicht verpflichtet, daneben auch noch ein Erwerbsangebot zu unterbreiten. Um76 77 78 79 80

Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 79 Rn. 13; Frenz/Rehs BBergG, § 79 Rn. 47. Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger/Runkel BauGB § 87 Rn. 79, Frenz/Rehs BBergG, § 79 Rn. 48. BGH 24.3.1977, III ZR 230/75, NJW 1977, 1535; Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger/Runkel BauGB § 87 Rn. 79. Vgl. Battis/Krautzberger/Löhr/Battis BauGB, § 87 Rn. 6. OVG Frankfurt/Oder 13.6.1997, 4 B 12/97, ZfB 1997, 137, 141.

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gekehrt braucht sich der Grundabtretungsbegünstigte nicht auf die Einräumung eines bloß obligatorischen Nutzungsverhältnisses verweisen zu lassen, wenn dies seinem Sicherungsinteresse oder dem Vorhaben nicht gerecht wird. 32 Die Grundabtretung selbst erfolgt von hoher Hand und ist somit dem öffentlichen Recht unterworfen. Das Bemühen um einen freihändigen Erwerb ist zwar Voraussetzung für diese öffentlich-rechtliche Maßnahme. Ein Vertrag über eine Grundstücksnutzung oder einen Grundstückserwerb zur Abwendung der Grundabtretung ist jedoch seinerseits als Kauf-, Miet- oder Pachtvertrag rein zivilrechtlich zu beurteilen.81

4. Verwendungsfrist (Absatz 2 Nr. 2) 33 Letztlich verlangt § 79 Abs. 2 Nr. 2, dass der Grundabtretungsbegünstigte glaubhaft macht, das Grundstück innerhalb einer angemessenen Frist zu dem vorgesehenen bergbaulichen Zweck zu verwenden. Die Angemessenheit der Frist ergibt sich dabei aus dem konkreten Nutzungszweck. Dabei sind insbesondere die Größe des beabsichtigten bergbaulichen Vorhabens sowie die Dauer seiner Durchführung zu berücksichtigen. Diese Anforderung soll vor allem verhindern, dass der Grundabtretungsbegünstigte sich die Grundstücke gleichsam auf Vorrat beschafft, ohne dass seine bergbaulichen Pläne hinreichend konkretisiert sind. 34 Bei der Festlegung der angemessenen Frist im jeweiligen Einzelfall kann der Grundabtretungsbegünstigte durchaus berücksichtigen, dass das Grundabtretungsverfahren und gegebenenfalls ein sich anschließendes Gerichtsverfahren ebenfalls über einen gewissen Zeitraum erstrecken können. Ein diese Eventualitäten berücksichtigender zeitlicher Vorlauf ist dementsprechend noch angemessen im Sinne von § 79 Abs. 2 Nr. 2. 35 Die Verwendung zu dem vorgesehenen Zweck ist zudem glaubhaft zu machen. Hierbei ist nicht die Glaubhaftmachung im Sinne von § 294 ZPO zu verstehen, eine Anforderung, die in der zivilprozessualen Praxis vor allem dem zeitlichen Druck in Eilverfahren (Arrest- und Verfügungsverfahren) geschuldet ist. Vielmehr reicht eine hinreichende Plausibilisierung der Angaben des Grundabtretungsbegünstigten aus. Die Vertreter der Gegenauffassung82 verkennen die unterschiedlichen Funktionen der zivilprozessualen Glaubhaftmachung einerseits und der Glaubhaftmachung einer künftigen Verwendung von der Grundabtretung unterliegenden Grundstücken andererseits. Insbesondere tragen sie dem Umstand nicht ausreichend Rechnung, dass die Glaubhaftmachung nach § 79 Abs. 2 Nr. 2 – anders als die Glaubhaftmachung in Eilverfahren nach der ZPO – auf eine künftige Verwendung zielt, die keiner naturgesetzlichen Logik unterworfen ist und deswegen streng genommen ohnehin einem Beweis oder einer Glaubhaftmachung im zivilprozessualen Sinne nicht zugänglich ist. Vielmehr kommt es darauf an, dass der Grundabtretungsbegünstigte diese Verwendung hinreichend konkret beabsichtigt und Vorkehrungen dafür getroffen hat, sie auch ins Werk zu setzen und beides plausibel darlegt.

IV. Grundabtretung bebauter Grundstücke (Absatz 3) 36 Der besonderen Bedeutung von bebauten Grundstücken entsprechen die besonderen Anforderungen, die Absatz 3 an eine entsprechende Grundabtretung stellt. So hat auch das Bundesverfassungsgericht jedenfalls die Wohnnutzung als von Art. 14 GG besonders geschützte Position hervor-

81 BGH 29.4.1982, III ZR 154/80, BGHZ 84, 1 (ständige Rechtsprechung); Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger/Runkel BauGB, § 87 Rn. 70 m.w.N.; anders noch Palm ZfB 1981, 415, 421 und 424, der jedoch nicht hinreichend zwischen der Veranlassung zum Vertragsabschluss (Abwendung der Grundabtretung) und den rechtlichen Regelungen im Vertrag (Kauf, Miete, Pacht oder ähnliche Nutzungen) unterscheidet. 82 Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger/Runkel BauGB, § 87 Rn. 112. Greinacher

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gehoben.83 Denn die Eigentumsgarantie schützt den konkreten Bestand in der Hand der einzelnen Eigentümer und verleiht ihnen die Befugnis, andere von der Nutzung oder dem Besitz auszuschließen. Der konkrete Bestand erstreckt sich dabei auch auf die konkrete Nutzung einschließlich ihrer städtebaulichen und sozialen Bezüge.84 Dabei darf nicht übersehen werden, dass Absatz 3 über diesen besonderen Schutz hinaus geht, weil sich der Zustimmungsvorbehalt generell auf die Grundabtretung bebauter Grundstücke bezieht, unabhängig von einer eventuellen Wohnnutzung. Absatz 3 sieht besondere Anforderungen an die Grundabtretung vor, wenn diese sich auf 37 bebaute oder mit einem bebauten Grundstück in unmittelbarem räumlichen Zusammenhang stehende und eingefriedete Grundstücke erstreckt. Die besonderen Anforderungen sind zum Teil formaler Natur – Zustimmung der nach Landesrecht zuständigen Behörde. Sie enthalten aber auch besondere materielle Anforderungen – die überwiegenden öffentlichen Interessen unter Berücksichtigung der Standortgebundenheit des Vorhabens. Der Gesetzgeber stellt also für die Grundabtretung bebauter Grundstücke höhere Anforderungen an die Allgemeinwohldienlichkeit als bei unbebauten Grundstücken, verlangt also öffentliche Interessen von besonderem Gewicht.85 Gegenstand dieser Bestimmung sind bebaute Grundstücke und solche, die mit bebauten 38 Grundstücken in einem unmittelbaren räumlichen Zusammenhang stehen und eingefriedet sind. Es reicht nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes nicht aus, dass es sich um bebaubare Grundstücke handelt, also solche, für die ein Bebauungsplan eine Bebauung zulässt oder deren Bebauung nach §§ 34, 35 BauGB rechtlich möglich ist.86 Nicht zwingend erforderlich ist hingegen, dass sich die Grundabtretung auch konkret auf die überbaute Fläche bezieht. Bebaute Grundstücke sind dabei solche Grundstücke, auf denen dauerhaft Gebäude stehen.87 Anlagen, die nur vorübergehend an dem konkreten Ort stehen bleiben sollen (Wohnwagen, Baubaracken, Container, aber auch semimobile Baumaschinen wie etwa ein Turmdrehkran oder eine Brecheranlage), sind keine Gebäude im Sinne dieser Vorschrift und führen deswegen nicht dazu, dass ein Grundstück als bebaut anzusehen ist. Insoweit ist deswegen eher auf den Begriff des „Vorhabens“ im Sinne von § 29 BauGB abzustellen, als auf die bauliche Anlage entsprechend den jeweiligen Bauordnungen der Länder. Soll sich nun die Grundabtretung auf derart bebaute Grundstücke erstrecken, so ist die 39 Zustimmung der nach Landesrecht zuständigen Behörde Voraussetzung. Hierdurch soll gewährleistet werden, dass neben der Grundabtretungsbehörde eine weitere Behörde über die Zulässigkeit der Grundabtretung bebauter Grundstücke entscheidet. Die Zustimmung der nach Landesrecht zuständigen Behörde ist dabei ein zusätzliches Merkmal, sie ist neben den Voraussetzungen nach § 79 Abs. 1 und 2 zu erfüllen. Diese Zustimmung darf nur aus überwiegenden öffentlichen Interessen unter Berücksichtigung der Standortgebundenheit des Vorhabens erteilt werden. Hierdurch soll sichergestellt werden, dass den Interessen des Grundstückseigentümers bebauter Grundstücke ein höheres Gewicht zukommt als den Interessen der Grundstückseigentümer unbebauter Grundstücke. Ein etwaiger Verstoß gegen diese Mitwirkungspflicht einer weiteren Behörde – selbst wenn diese Pflicht drittschützend sein sollte – ist nach § 46 VwVfG nur dann in einem gerichtlichen Verfahren relevant, wenn die Entscheidung in der Sache hätte anders ergehen können.88 Die Frage, ob diese Vorschrift tatsächlich unmittelbaren Drittschutz

83 BVerfG 17.12.2013, 1 BvR 3139/08, 1 BvR 3386/08, BVerfGE 134, 242 Rn. 269 ff. = ZfB 2014, 49 Rn. 270 ff. 84 BVerfG 17.12.2013, 1 BvR 3139/08, 1 BvR 3386/08, BVerfGE 134, 242 Rn. 269 ff = ZfB 2014, 49 Rn. 270 ff., das damit gleichzeitig einem besonderen aus Art. 11 GG abzuleitenden „Recht auf Heimat“ eine Absage erteilt; siehe weiter Kühne NVwZ 2014, 321, 324 ff.; Frenz NVwZ 2014, 194, 197. 85 In diesem Sinne auch BVerfG 17.12.2013, 1 BvR 3139/08, 1 BvR 3386/08, BVerfGE 134, 242 Rn. 269 ff. = ZfB 2014, 49 Rn. 270 ff. für Wohngrundstücke. 86 Frenz/Rehs BBergG, § 79 Rn. 59. 87 Frenz/Rehs BBergG, § 79 Rn. 50. 88 OVG Lüneburg 3.9.2008, 7 LA 33/08, ZfB 2008, 185, 187. 965

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zugunsten der betroffenen Grundstückseigentümer entfaltet,89 ist streitig. Die einen Drittschutz verneinende Auffassung greift jedenfalls im Ergebnis zu kurz. Denn selbst wenn Absatz 3 nicht unmittelbar drittschützend sein sollte, hat der betroffene Grundstückseigentümer als Enteignungsbetroffener einen Anspruch auf eine vollständig materiell rechtmäßige Entscheidung, weil anderenfalls die Enteignung nicht im Sinne von Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG dem „Wohle der Allgemeinheit“ dient.90 Hingegen ist die Entscheidung der nach Landesrecht zuständigen Behörde nicht isoliert anfechtbar. Denn es fehlt an einem nach außen wirksamen Rechtsakt, da die Zustimmung – wie auch ihre Versagung – zunächst rein verwaltungsintern wirkt. Außenwirkung entfaltet erst die Grundabtretungsentscheidung.91 Absatz 3 fordert für die Grundabtretung bebauter Flächen neben der verfahrensrechtlichen 40 Einbindung einer weiteren Behörde im Ergebnis ein qualifiziertes öffentliches Interesse. Die Entscheidungsstruktur bleibt jedoch unverändert, deswegen ist auch das im Wege einer enteignungsrechtlichen Abwägung zu bestimmende Allgemeinwohl nach Absatz 3 eine gerichtlich vollständig überprüfbare gebundene Entscheidung.92

§ 80 Grundabtretungsbegünstigter und -pflichtiger (1) Grundabtretungsbegünstigter ist der Unternehmer, für dessen Vorhaben ein Grundabtretungsverfahren durchgeführt wird. (2) Grundabtretungspflichtige sind der Eigentümer des von der Grundabtretung betroffenen Grundstücks oder sonstigen Gegenstandes und die Inhaber der Rechte, die entzogen, übertragen, geändert, belastet oder sonst beschränkt werden sollen. (3) Nebenberechtigte sind die Personen, denen dingliche oder persönliche Rechte am oder in Bezug auf den Gegenstand der Grundabtretung zustehen.

Übersicht I.

Vorbemerkung

1

II.

Grundabtretungsbegünstigter (Absatz 1)

2

III.

Grundabtretungspflichtiger (Absatz 2)

IV.

Nebenberechtigter (Absatz 3)

3

4

I. Vorbemerkung 1 § 80 definiert die möglichen Beteiligten an einem Grundabtretungsverfahren: den Grundabtretungsbegünstigten, den Grundabtretungspflichtigen sowie Nebenberechtigte. Die Bestimmung entspricht § 79 des Regierungsentwurfs.

89 Verneinend Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 79 Rn. 23 mit Verweis auf OVG Lüneburg 3.9.2008, 7 LA 33/08, ZfB 2008, 185, 187, Frenz/Rehs BBergG § 79 Rn. 60.

90 BVerwG, 26.6.2019, 4 a 5/18, NVwZ 2019, 944; siehe auch Rennert, Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Umweltrecht im Zeitraum 2018/2019, DVBl 2020, 389.

91 OVG Magdeburg 17.7.2012, 2 L 117/10, ZfB 2012, 257, 258, siehe zur Parallele im Baurecht Battis/Krautzberger/Löhr/ Reidt BauGB, § 36 Rn. 5.Krautzberger/Löhr/Reidt BauGB, § 36 Rn. 5.

92 BVerwG 20.10.2008, 7 B 21/08, ZfB 2008, 249, 251. Greinacher https://doi.org/10.1515/9783110709285-111

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II. Grundabtretungsbegünstigter (Absatz 1) Nach Absatz 1 ist der Grundabtretungsbegünstigte der Unternehmer, für dessen Vorhaben das 2 Verfahren durchgeführt wird. Das Gesetz stellt dabei nicht auf den Bergbauberechtigten ab, also den Inhaber der Bewilligung oder des Bergwerkeigentums, sondern auf den Unternehmer als denjenigen, der die Gewinnungs- und Aufbereitungsarbeiten im Sinne von § 2 Nr. 1 oder die Wiedernutzbarmachung der Oberfläche im Sinne von § 2 Nr. 2 auf eigene Rechnung durchführt oder durchführen lässt, wie § 4 Abs. 5 definiert (vgl. § 4 Rn. 30 ff.). Nach dieser Definition kommt beispielsweise auch ein Grundstückspächter, der grundeigene Bodenschätze abzubauen berechtigt ist, als Grundabtretungsbegünstigter in Betracht.

III. Grundabtretungspflichtiger (Absatz 2) Absatz 2 definiert den Grundabtretungspflichtigen als den Eigentümer des von der Grundabtre- 3 tung betroffenen Grundstücks oder sonstigen Gegenstands sowie den Inhaber der Rechte, die entzogen, übertragen, geändert, belastet oder in sonstiger Weise beschränkt werden sollen. Somit sind neben den nach § 78 Nr. 1 in eigenen Rechten Betroffene auch die nach § 78 Nr. 2 in ihren Rechten betroffene Grundabtretungspflichtige. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang vor allem diejenigen, zu deren Gunsten Rechte in Abteilung II des Grundbuchs eingetragen sind, also Inhaber von Wege- oder Leitungsrechten, Nießbrauch, Dienstbarkeiten und so weiter, wenn sich die Grundabtretung konkret auf diese Rechte bezieht und diese nicht nur mittelbar durch die Grundabtretung berührt sind. In diesem Falle gibt es – und zwar auch bezogen auf ein Grundstück – regelmäßig mehrere Grundabtretungspflichtige.

IV. Nebenberechtigter (Absatz 3) Absatz 3 definiert die Nebenberechtigten als diejenigen, denen dingliche oder persönliche Rechte 4 am oder in Bezug auf den Gegenstand der Grundabtretung zustehen.1 In Betracht kommen dabei vor allem Grundpfandgläubiger, also Inhaber von Grundschulden oder Hypotheken. Die Unterscheidung zwischen dem Grundabtretungspflichtigen und den Nebenberechtigten ist in Ansehung von §§ 85 ff. von geringerer rechtlicher Relevanz.

§ 81 Umfang der Grundabtretung 1 Die Grundabtretung darf nur in dem Umfang durchgeführt werden, in dem sie zur Verwirklichung des Grundabtretungszweckes erforderlich ist. 2Die Frist, innerhalb der der Grundabtretungszweck verwirklicht werden muß, ist von der zuständigen Behörde festzusetzen. (2) 1Die Entziehung des Eigentums an Grundstücken ist nur zulässig, wenn 1. die Grundstücke bebaut sind oder mit bebauten Grundstücken in unmittelbarem räumlichem Zusammenhang stehen und eingefriedet sind, 2. im Zeitpunkt der Grundabtretung damit zu rechnen ist, daß die Grundstücke auf Grund behördlich angeordneter Maßnahmen zur Wiedernutzbarmachung der Oberfläche eine Wertsteigerung erfahren werden oder 3. der Eigentümer die Entziehung des Eigentums nach § 82 verlangt.

(1)

1 BT-Drs. 8/1315, S. 127. 967 https://doi.org/10.1515/9783110709285-112

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2

Reicht in den in Satz 1 Nr. 1 genannten Fällen die Belastung des Eigentums an Grundstücken mit einem dinglichen Nutzungsrecht zur Verwirklichung des Grundabtretungszweckes aus, so ist die Grundabtretung hierauf zu beschränken. 3In den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 ist die Entziehung des Eigentums nicht zulässig, wenn der Eigentümer sich verpflichtet, nach Beendigung der Benutzung des Grundstücks die durch die Maßnahme zur Wiedernutzbarmachung der Oberfläche eingetretene Werterhöhung in Geld auszugleichen. (3) Der Grundabtretungsbegünstigte ist, soweit nicht die Entziehung des Eigentums an einem Grundstück oder einer in § 82 Abs. 5 bezeichneten Sache Gegenstand der Grundabtretung ist, verpflichtet, nach Beendigung der Benutzung der abgetretenen Sachen zu dem vorgesehenen Zweck oder, wenn das Grundstück danach einem Zweck zugeführt wird, der eine Grundabtretung rechtfertigen würde, nach Beendigung der Benutzung zu diesem Zweck, 1. den Zustand des Grundstücks oder der Sachen in dem Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Grundabtretung wiederherzustellen, es sei denn, daß die Wiederherstellung mit unzumutbaren Aufwendungen verbunden oder eine vom früheren Zustand abweichende Anordnung der zuständigen Behörde zur Wiedernutzbarmachung der Oberfläche erlassen worden ist und 2. den abgetretenen Gegenstand dem betroffenen Grundabtretungspflichtigen wieder zur Verfügung zu stellen.

Übersicht I.

Vorbemerkung

1

II. 1. 2.

Umfang und Verwirklichungsfrist (Absatz 1) 2 Umfang 3 Verwirklichungsfrist

III. 1. 2. 3.

Entziehung des Eigentums (Absatz 2) 11 Überblick 12 Enteignung bebauter Grundstücke (Nr. 1) Wertsteigerung durch Wiedernutzbarmachung 13 der Oberfläche (Nr. 2)

4.

Entziehung des Eigentums auf Verlangen des Ei15 gentümers (Nr. 3)

IV.

Wiederherstellung und Rückgabe nach Beendi16 gung der Benutzung (Absatz 3) 17 Wiederherstellungspflicht 19 Rückgabepflicht Regelung durch die Grundabtretungsbe21 hörde

1. 2. 3.

I. Vorbemerkung 1 § 81 regelt und begrenzt den Umfang der Grundabtretung in rechtlicher, gegenständlicher und zeitlicher Hinsicht und ist somit insbesondere einfachgesetzliche Ausprägung des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Dieser wird in Absatz 1 mit dem ausdrücklichen Hinweis auf die Erforderlichkeit noch einmal besonders hervorgehoben. Nach Absatz 2 ist die Entziehung des Eigentums, also die vollständige und dauerhafte Übertragung des Eigentums auf den Grundabtretungsbegünstigten, nur in den dort genannten Ausnahmefällen zulässig. Insoweit unterscheidet sich die Bestimmung von anderen Enteignungsvorschriften, bei denen diese Entziehung den Regelfall darstellt. Absatz 3 schließlich spricht die Verpflichtung des Grundabtretungsbegünstigten aus, das von der Grundabtretung betroffene Grundstück nach Abschluss der Nutzung wiederherzustellen und zurückzugeben. Die Vorschrift bezieht sich allein auf den Rechtsübergang im Wege der Grundabtretung. Einigen sich der Grundabtretungsbegünstigte und der Grundabtretungspflichtige, ohne dass über die Grundabtretung im Verwaltungsverfahren entschieden werden muss, so gelten allein die Bestimmungen der zwischen ihnen getroffenen privatrechtlichen RegeGreinacher

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lung.1 Es spricht jedoch nichts dagegen, in dem zivilrechtlichen Vertrag eine Verweisung auf die Regelungen des Gesetzes aufzunehmen, die dann allerdings nicht behördlich, sondern ebenfalls nur zivilrechtlich durchgesetzt werden können. Das gilt allerdings nicht bei einer Einigung im Verfahren, weil diese Einigung die Grundabtretungsbehörde nur davon entbindet, bestimmte Fragen „streitig“ zu entscheiden. Die Grundabtretung an sich bleibt bei einer Einigung im Verfahren jedoch ein Verwaltungsakt, für den die Anforderungen von §§ 77 ff. gelten (vgl. § 92 Rn. 5)

II. Umfang und Verwirklichungsfrist (Absatz 1) 1. Umfang Nach Absatz 1 ist die Grundabtretung auf dasjenige Maß zu beschränken, das zur Verwirklichung 2 des begünstigten bergbaulichen Vorhabens erforderlich ist. Der Begriff „Umfang“ ist dabei zum einen räumlich zu verstehen. Nur diejenigen Flächen, die tatsächlich für das bergbauliche Vorhaben in Anspruch genommen werden sollen, unterliegen der Grundabtretung. Die Grenzen der einer Grundabtretung unterliegenden Flächen müssen nicht unbedingt mit den Flurstücksgrenzen übereinstimmen, es ist auch möglich, dass Flurstücke nur teilweise in Anspruch genommen werden. Der Begriff Umfang hat noch eine weitere Bedeutung: Der Begriff bezieht sich auch auf den Gegenstand der Grundabtretung, also die konkrete Bezeichnung des Rechts, das dem Grundabtretungsbegünstigten zukommt, wie beispielsweise Volleigentum, Nießbrauch, Dienstbarkeit oder obligatorisches Nutzungsrecht.

2. Verwirklichungsfrist Die Grundabtretungsbehörde muss nach Absatz 1 Satz 2 dem Grundabtretungsbegünstigten eine 3 Frist setzen, innerhalb derer er sein Vorhaben verwirklichen muss. Damit soll verhindert werden, dass Grundabtretungen gleichsam „auf Vorrat“ betrieben werden, obwohl das konkrete Vorhaben zeitlich noch nicht hinreichend konkretisiert ist. Eine Grundabtretung „auf Vorrat“ wäre zudem auch (noch) nicht erforderlich und hätte deswegen vor Art. 14 GG keinen Bestand. Die Verwirklichung nach Absatz 1 Satz 2 bezieht sich zunächst auf den Beginn des bergbau- 4 lichen Vorhabens. Denn die Fristsetzung zielt darauf ab, dass der Grundabtretungsbegünstigte die Grundabtretung nicht „auf Vorrat“ betreibt. Für diesen Sicherungszweck reicht es aus, wenn er mit der durch die Grundabtretung zu ermöglichenden Maßnahme beginnt. Zudem ist jedenfalls bei größeren Vorhaben der Zeitpunkt ihrer Beendigung nur schwer vorherzusagen. Deswegen reicht es jedenfalls im Regelfall aus, wenn sich die Frist auf den Beginn der bergbaulichen Maßnahme bezieht, nicht hingegen ihre Beendigung. Im Rahmen der Konkretisierung der gesetzlichen Regelung kann die Behörde im Grundabtretungsbeschluss näher bestimmen, welche konkreten Maßnahmen innerhalb der Frist umzusetzen sind. Trotz der Verwendung des Begriffs „Frist“ handelt es sich nicht um eine Befristung im Sinne 5 von § 36 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG, da die Grundabtretung nicht nur für diesen Zeitraum gelten oder danach erst wirken soll. Vielmehr handelt es sich insoweit um eine Bedingung im Sinne von § 36 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwVfG, und zwar in Form einer auflösenden Bedingung. Denn der Grundabtretungsbegünstigte muss innerhalb einer festgelegten Zeit eine Anforderung – nämlich die Verwirklichung des Vorhabens – erfüllen, um dauerhaft oder jedenfalls für einen weiteren Zeitraum von dem durch die Grundabtretung eingeräumten Recht Gebrauch machen zu können. Anderenfalls hat der – dann ehemalige – Grundabtretungspflichtige das Recht, die Aufhebung der Grundabtretung für die Zukunft zu beantragen, § 96. Eine darüberhinausgehende Widerrufsmöglichkeit sieht

1 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 81 Rn. 18; Frenz/Rehs BBergG, § 79 Rn. 20. 969

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das Gesetz, anders als für die Erlaubnis und Bewilligung nach § 18 Abs. 2 bis 4, hingegen nicht vor. Die konkrete Frist muss sich aus dem Grundabtretungsbeschluss ergeben. Ob dieser Beschluss eine entsprechende Bestimmung enthält, beurteilt sich nicht allein nach dem Tenor, also dem ausdrücklich verfügenden Teil des Bescheids. Vielmehr kann sich die Frist auch aus der Begründung ergeben, wenn die Auslegung ergibt, dass die Grundabtretungsbehörde insoweit eine Regelung treffen wollte. Es dürfte auch zulässig sein, gestaffelte Fristen vorzusehen: Also beispielsweise eine Frist für die Freiräumung einer für einen Tagebau vorgesehenen Fläche sowie eine weitere Frist für den Beginn der eigentlichen Gewinnungstätigkeit. Die Dauer dieser Frist muss der Grundabtretungsbegünstigte ohnehin gemäß § 79 Abs. 2 Nr. 2 im Antrag benennen und glaubhaft machen. Die Grundabtretungsbehörde ist jedoch an die vom Grundabtretungsbegünstigten vorgeschlagene Frist nicht gebunden, sie kann – soweit sachlich gerechtfertigt – die Frist gemäß § 81 Abs. 1 Satz 2 auch abweichend von den Angaben des Grundabtretungsbegünstigten festsetzen. Der Grundabtretungsbeschluss muss auf jeden Fall eine Fristbestimmung enthalten. Fehlt eine solche, ist der Grundabtretungsbeschluss rechtswidrig. Die Behörde kann jedoch eine fehlende Fristsetzung nachholen, sogar noch im Rechtsmittel- (Klage-)Verfahren. Mit der Ergänzung des Grundabtretungsbeschlusses um die Fristsetzung wird eine etwaige anfängliche Rechtswidrigkeit geheilt.2 Diese Ergänzung braucht nicht im förmlichen Verwaltungsverfahren zu ergehen, zumal auch eine Fristverlängerung nach § 95 Abs. 2 Satz 2 nicht im förmlichen Verfahren zu bescheiden ist, sondern der Grundabtretungspflichtige nur angehört werden muss.3 Nach § 95 Abs. 1 beginnt die Frist mit dem Eintritt der Rechtsänderung. Das ist der Zeitpunkt, den die Behörde in der Ausführungsentscheidung festsetzt, vgl. § 92 Abs. 1 Satz 4. Das Gesetz sieht also vor, dass ein Zeitraum beginnend mit der Rechtsänderung, nicht hingegen ein Endtermin festgelegt wird. Die Behörde kann die Frist nach Maßgabe von § 95 Abs. 2 verlängern (siehe § 95 Rn. 5 ff.). Nach fruchtlosem Fristablauf entfällt die Wirkung der Grundabtretung. Zur Möglichkeit der Fristverlängerung siehe § 95 Abs. 2, dort Rn. 5 ff. Aus Gründen der Rechtsklarheit soll die Behörde diesen Zustand per Bescheid feststellen. Dieser Bescheid ist dann rechtsmittelfähig.4 Der Grundabtretungspflichtige kann nach § 96 nach fruchtlosem Ablauf der Frist die Rückgängigmachung der Rechtsänderungen für die Zukunft verlangen.

III. Entziehung des Eigentums (Absatz 2) 1. Überblick 11 Die Grundabtretung geht als Regelfall davon aus, dass dem Grundabtretungsbegünstigten nur die vorübergehende Nutzung von Grundstücken eingeräumt wird. Die dauerhafte und vollständige Entziehung des Eigentums, also die Übertragung des Eigentums auf den Grundabtretungsbegünstigten, ist allein unter den weiteren – abschließenden – Voraussetzungen von Absatz 2 zulässig. Das Recht des Grundabtretungspflichtigen, statt der Einräumung eines vorübergehenden Nutzungsrechts die Eigentumsentziehung zu beantragen, richtet sich nach § 82.5 Grundsätzlich gilt, dass der vollständige Entzug des Eigentums nur letztes Mittel sein kann; diesen Grundsatz ver-

2 3 4 5

BVerwG 14.12.1990, 7 C 5/90, BVerwGE 87, 241, 244 = ZfB 1991, 129, 133. BVerwG 14.12.1990, 7 C 5/90, BVerwGE 87, 241, 245 = ZfB 1991, 129, 133 f. Vgl. § 18 BImSchG, dazu Jarass BImSchG, § 18 Rn. 11 ff. BVerwG 18.7.2012, 7 B 33/12, NVwZ-RR 2012, 792.

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deutlicht Absatz 2. Die Vollenteignung, also die dauerhafte und vollständige Entziehung des Grundstückseigentums, ist danach nur in folgenden Fällen zulässig: – Nach Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 bei bebauten Grundstücken oder mit bebauten Grundstücken in unmittelbarem räumlichen Zusammenhang stehenden Grundstücken, die eingefriedet sind (vgl. § 79 Abs. 3), sowie – nach Absatz 2 Satz 1 Nr. 2 bei Grundstücken, bei denen wegen der behördlich angeordneten Wiedernutzbarmachung der Oberfläche eine Wertsteigerung zu erwarten ist. – Letztlich ist eine Vollenteignung nach Absatz 2 Satz 1 Nr. 3 in den Fällen zulässig, in denen der Eigentümer, also der Grundabtretungspflichtige, gemäß § 82 die Entziehung des Eigentums verlangt.

2. Enteignung bebauter Grundstücke (Nr. 1) Voraussetzung für die Enteignung bebauter Grundstücke6 sowie von diesen in unmittelbarem 12 räumlichen Zusammenhang stehenden Grundstücke ist wiederum, dass auch in diesen Fällen die Enteignung erforderlich sein muss, also ein bloßes temporäres Nutzungsrecht nicht ausreicht. Dies macht Absatz 2 Satz 2 noch einmal gesondert deutlich. Danach ist bei einer Vollenteignung auch von bebauten und diesen gleichzustellenden Grundstücken zu prüfen, ob nicht ein dingliches Nutzungsrecht zur Verwirklichung des Grundabtretungszwecks ausreicht. Diese Fälle sind vor allem dann denkbar, wenn nicht das eigentliche Gewinnungsvorhaben, sondern nur Maßnahmen zu dessen Verwirklichung (Verlegung von Rohrleitungen oder Straßen, Zuwegungen, Versorgungsanlage für Medien etc.) in Rede stehen. Nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes kommt eine Vollenteignung für sonstige Grundstücke auf Betreiben des Grundabtretungsbegünstigten nicht in Betracht. Der Grundabtretungspflichtige kann jedoch die Vollenteignung beantragen, § 81 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, deren Einzelheiten sich dann nach § 82 richten. Außerdem fordert § 79 Abs. 3 Satz 2 für die Entziehung bebauter Grundstücke ein überwiegendes öffentliches Interesse (vgl. § 79 Rn. 36 ff.).

3. Wertsteigerung durch Wiedernutzbarmachung der Oberfläche (Nr. 2) Eine Enteignung ist auch dann zulässig, wenn zum Zeitpunkt der Grundabtretung zu erwarten 13 ist, dass das Grundstück aufgrund der angeordneten Wiedernutzbarmachung an Wert gewinnt. Maßgeblich für die Beurteilung einer etwaigen Wertsteigerung des Grundstücks sind die entsprechenden Betriebspläne und die landschaftspflegerischen Begleitmaßnahmen. Eine Eigentumsübertragung kommt allerdings nur in Betracht, wenn zum Zeitpunkt der Grundabtretung bereits feststeht, welche Maßnahmen zur Wiedernutzbarmachung zu treffen sind. Außerdem sind nur Wertsteigerungen aufgrund dieser Maßnahmen geeignet, die Eigentumsübertragung zu verlangen. Wertsteigerungen aufgrund anderer Maßnahmen, etwa einer planungsrechtlichen Änderung, sind vom Wortlaut des Gesetzes nicht erfasst und widersprechen auch dem Sinn der Regelung, dass der Grundabtretungspflichtige nicht von besonderen Aufwendungen des Grundabtretungsbegünstigten profitieren können soll. Absatz 2 Satz 3 trägt den Interessen des Grundeigentümers für den Ausnahmefall von Ab- 14 satz 2 Satz 1 Nr. 2 – Wertsteigerung durch Wiedernutzbarmachung der Oberfläche – Rechnung. Nach Absatz 2 Satz 1 Nr. 2 soll der Grundabtretungsbegünstigte nämlich nicht verpflichtet sein, dem Grundabtretungspflichtigen zu einer Wertsteigerung seines Grundstückes zu verhelfen, zu der der Grundabtretungsbegünstigte aufgrund seiner Pflicht zur Wiedernutzbarmachung rechtlich gehalten ist. Dieses Interesse spielt jedoch dann keine Rolle mehr, wenn der Grundabtretungs6 Dabei kommt es allein auf die tatsächliche Bebauung an, eine aktuelle Nutzung der aufstehenden Gebäude ist nicht erforderlich, VG Meiningen 25.8.2009, 2 K 157/06, ZfB 2010, 43, 45. 971

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pflichtige zusagt, die Wertsteigerung auszugleichen. In diesen Fällen bleibt es bei dem Grundsatz, dass dem Grundabtretungsbegünstigten nur ein – zudem nicht zu sicherndes – Nutzungsrecht einzuräumen ist. Eine entsprechende Erklärung des Grundabtretungspflichtigen sollte mindestens schriftlich festgehalten werden, beispielsweise in der Niederschrift der Enteignungs- oder Entschädigungsverhandlung. Der Ausgleich der Wertdifferenz wird allerdings erst nach Abschluss der Maßnahmen zur Wiederherstellung der Oberfläche fällig, denn vorher kann die Wertsteigerung nicht beziffert werden. Es kann dazu führen, dass zwischen Entziehung von Nutzungsrechten durch Stellung dinglicher Rechte zugunsten des Grundabtretungsbegünstigten und im Zeitpunkt der Fälligkeit der Ausgleichszahlung sehr lange Zeiträume liegen. Hier ist es an den Beteiligten und nicht zuletzt an der Grundabtretungsbehörde, den künftigen Anspruch auf Kompensation der Wertsteigerung entsprechend zu sichern, das Gesetz sieht hierfür allerdings keine Regelung vor.

4. Entziehung des Eigentums auf Verlangen des Eigentümers (Nr. 3) 15 Letztlich kann eine Volleignung stattfinden, wenn der Grundabtretungspflichtige dies verlangt und die Voraussetzungen von § 82 erfüllt sind. Zu den Einzelheiten siehe § 82 Rn. 4 ff.

IV. Wiederherstellung und Rückgabe nach Beendigung der Benutzung (Absatz 3) 16 Absatz 3 regelt die Verpflichtungen des Grundabtretungsbegünstigten nach Abschluss des Grundabtretungszwecks, also für den Zeitraum, zu dem das jeweilige Grundstück nicht mehr für das bergbauliche Vorhaben genutzt wird. Der Grundabtretungsbegünstigte ist nach Beendigung der Benutzung verpflichtet, das Grundstück wiederherzustellen und das Grundstück dem Grundabtretungspflichtigen wieder zur Verfügung zu stellen.

1. Wiederherstellungspflicht 17 Wenn die Grundabtretung nicht im Wege der Eigentumsübertragung erfolgt ist, hat der Grundabtretungsbegünstigte nach Beendigung der Benutzung des Grundstücks dieses wiederherzustellen. Eine Ausnahme gilt in den Fällen, in denen die Wiederherstellung mit unzumutbaren Aufwendungen verbunden ist oder wenn die zuständige Behörde eine andere Wiedernutzbarmachung der Oberfläche angeordnet hat. Diese Bestimmung korreliert mit der Verpflichtung zur Wiedernutzbarmachung der Oberfläche, § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 (siehe § 55 Rn. 87 ff.). Anders als die Wiedernutzbarmachungspflicht für Betriebspläne, die im öffentlichen Interesse auszusprechen ist, begründet § 81 Abs. 3 Nr. 1 jedoch ein subjektives Recht des Grundabtretungspflichtigen. Unterschiede können sich weiter daraus ergeben, dass die Wiedernutzbarmachung nach § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 im öffentlichen Interesse anzuordnen ist und häufig einen naturschutzrechtlichen oder landschaftspflegerischen Hintergrund hat, weswegen der Grundeigentümer auch keinen Anspruch auf eine bestimmte Wiedernutzbarmachung hat. Demgegenüber knüpft die Wiederherstellung nach § 81 Abs. 3 an den früheren Zustand des Grundstücks vor der Nutzung für den Bergbau an und dient dem Interesse des Grundabtretungspflichtigen. Zudem ist die Wiederherstellungspflicht nach § 81 Abs. 3 grundstücksbezogen und nicht an einen Abschlussbetriebsplan gebunden, sondern an die Rückgabe des Grundstücks, auch wenn das Vorhaben im Übrigen noch weiter betrieben wird. 18 Eine Ausnahme von der Pflicht zur Wiederherstellung besteht nach Absatz 3 Nr. 1 1. Variante, wenn die Wiederherstellung mit unzumutbaren Aufwendungen verbunden wäre. Stellt sich die Unzumutbarkeit der Wiederherstellung erst nach Erlass des Grundabtretungsbeschlusses heraus, so ist der Grundabtretungspflichtige auf die Ergänzungsentschädigung nach § 89 Abs. 2 (vgl. § 89 Rn. 8 f.) zu verweisen, wenn die Beteiligten sich nicht privatrechtlich einigen können. Greinacher

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Entfällt wegen der Verschlechterung eines Grundstücks das Interesse des Eigentümers an der Rückübertragung des Eigentums, so ist dieser entsprechend § 82 berechtigt, statt des Ersatzes der Wertdifferenz die Vollenteignung zu verlangen. Außerdem ist der Grundabtretungsbegünstigte nicht zur Wiederherstellung verpflichtet, wenn die zuständige Behörde eine abweichende Anordnung zur Wiedernutzbarmachung der Oberfläche erlassen hat, Absatz 3 Nr. 1, 2. Variante. Hierdurch soll ein zu starkes Auseinanderfallen oder gar Widersprüche der Pflichten nach § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 einerseits und § 81 Abs. 3 andererseits verhindert werden. Dies ist vor allem bei großflächigen Tagebauen denkbar, ebenso aber auch bei Nassauskiesungsvorhaben, bei denen dauerhaft Wasserflächen hergestellt werden und dieser Zustand auch einer wasserrechtlichen Planfeststellung entspricht.7

2. Rückgabepflicht Nach § 81 Abs. 3 Nr. 2 ist der Grundabtretungsbegünstigte verpflichtet, nach Beendigung des 19 Grundabtretungszwecks den abgetretenen Gegenstand dem Grundabtretungspflichtigen wieder zur Verfügung zu stellen. Diese Bestimmung ist in Verbindung mit Absatz 3 Satz 1 2. Halbsatz zu sehen. Danach kann der Grundabtretungsberechtigte eine Verlängerung der Nutzung verlangen, wenn ein neuer Zweck ebenfalls die Grundabtretung rechtfertigte. Ein erneutes Grundabtretungsverfahren ist in diesem Fall nicht erforderlich. Dies gilt auch in den Fällen, in denen der neue Grundabtretungszweck sich zwar nicht unmittelbar, jedoch nach einem – gemessen an der Dauer der neuen Verwendung überschaubaren – Zeitraum an den ersten Grundabtretungszweck anschließt. Eine kurzzeitige Zwischennutzung außerhalb eines berechtigten Zwecks nach § 77 ändert also nicht die Befugnis des Grundabtretungsbegünstigten, das Grundstück auch in dieser Zwischenzeit nutzen zu dürfen. Die Rückübertragungspflicht nach Absatz 3 1. Halbsatz besteht nur in den Fällen, in denen 20 keine Vollenteignung, also eine dauerhafte und vollständige Entziehung des Eigentums an einem Grundstück oder einer in § 82 Abs. 5 bezeichneten Sache, stattgefunden hat. Hat der Grundabtretungsberechtigte das Eigentum an dem Grundstück erworben, so besteht keine Rückgabepflicht; eine Rückenteignung sieht das Gesetz – mit Ausnahme der Fälle von § 96 – nicht vor.

3. Regelung durch die Grundabtretungsbehörde Die Pflicht zur Wiederherstellung sowie zur Rückgabe des Grundstücks sollte die Grundabtre- 21 tungsbehörde bereits in dem Grundabtretungsbeschluss verfügen. Dann kann die Behörde die Anforderungen von § 81 Abs. 3 konkretisieren und Widersprüche oder Diskrepanzen zur Wiedernutzbarmachungspflicht nach § 55 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 vermeiden, wobei die Wiederherstellungspflicht nach Absatz 3 Nr. 1 ohnehin unter dem Vorbehalt abweichender behördlicher Anordnungen steht. Die Verpflichtung des Grundabtretungsbegünstigten zur Wiederherstellung des Grundstücks besteht dem Grunde nach unmittelbar kraft Gesetzes, sodass der Grundabtretungspflichtige auch ohne die Anordnung entsprechende Maßnahmen durchsetzen kann. Er ist dann jedoch in der Situation, den konkreten Umfang und insbesondere der Wiederherstellungspflicht darzulegen sowie gegebenenfalls zu beweisen. Außerdem müsste er diesen Anspruch gegen den Grundabtretungsbegünstigten zivilrechtlich geltend machen. Sind derartige Pflichten hingegen bereits im Grundabtretungsbeschluss enthalten, so kann die zuständige Behörde sie nach den allgemeinen Regeln des Verwaltungsvollstreckungsrechts auch gegenüber dem Grundabtretungsberechtigten durchsetzen. Dem Grundabtretungspflichtigen steht ein korrelierender Anspruch gegen die Behörde auf Durchsetzung der ihn be-

7 Dieser Fall lag der Entscheidung OVG Koblenz 9.10.2008, 1 A 10231/08 = ZfB 2010, 150, 151 zugrunde. 973

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günstigenden Bestimmungen des Grundabtretungsbeschlusses aus verfassungskonformer Auslegung der bergrechtlichen Bestimmungen zu.8

§ 82 Ausdehnung der Grundabtretung (1) In den in § 81 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 genannten Fällen kann der Eigentümer anstelle einer anderen beantragten Form der Grundabtretung die Entziehung des Eigentums verlangen. (2) Der Eigentümer kann ferner die Entziehung des Eigentums an einem Grundstück verlangen, soweit eine andere Form der Grundabtretung für ihn unbillig ist. (3) Soll ein Grundstück oder ein räumlich oder wirtschaftlich zusammenhängender Grundbesitz nur zur einem Teil Gegenstand der Grundabtretung werden, so kann der Eigentümer die Ausdehnung der Grundabtretung auf das Restgrundstück oder den Restbesitz insoweit verlangen, als das Restgrundstück oder der Restbesitz nicht mehr in angemessenem Umfang baulich oder wirtschaftlich genutzt werden kann. (4) 1Wird ein Grundstück durch die Entziehung, Belastung oder Beschränkung eines Rechts an einem anderen Grundstück in seiner Wirtschaftlichkeit wesentlich beeinträchtigt, so kann der Eigentümer die Ausdehnung der Grundabtretung auf das Grundstück verlangen. 2Die Absätze 1 und 2 gelten entsprechend. (5) Der Eigentümer, der Nießbraucher oder der Pächter kann verlangen, daß die Grundabtretung auf das Zubehör eines Grundstücks sowie auf Gegenstände im Sinne des § 95 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ausgedehnt wird, soweit er das Zubehör oder die Sachen infolge der Grundabtretung nicht mehr wirtschaftlich nutzen oder in anderer Weise angemessen verwerten kann.

Übersicht I. 1. 2.

Vorbemerkung Gegenstand der Regelung 2 Aufbau der Vorschrift

II.

Bebaute und ihnen gleichgestellte Grundstücke 3 (Absatz 1)

III.

Unbilligkeit einer anderen Form der Grundabtre4 tung (Absatz 2)

IV.

Erstreckung auf das Restgrundstück oder den 9 Restgrundbesitz (Absatz 3)

V.

Rechte an einem anderen Grundstück (Ab14 satz 4)

VI.

Erstreckung auf Zubehör (Absatz 5)

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VII. Frist für den Antrag

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I. Vorbemerkung 1. Gegenstand der Regelung 1 Während § 81 das Interesse des Grundabtretungspflichtigen dadurch zu wahren versucht, dass der Eingriff in das Eigentum und in die Rechte des Grundstückseigentümers möglichst gering gehalten werden, betrachtet § 82 diejenigen Fälle, in denen der Eigentümer den verbleibenden Rest wirtschaftlich oder tatsächlich nicht mehr sinnvoll verwenden kann. In diesen Fällen kann der Eigentümer vom Grundabtretungsbegünstigten verlangen, dass sich die Grundabtretung 8 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, 1. Aufl. (1983), § 81 Rn. 15. Greinacher https://doi.org/10.1515/9783110709285-113

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auch auf seine übrigen Rechtspositionen erstreckt und er hierfür entschädigt wird. Berechtigt ist nur der Eigentümer; Nebenberechtigte wie Inhaber einer Grundschuld oder Dienstbarkeit (§ 80 Abs. 3) können die Erstreckung der Grundabtretung nicht verlangen.1 Das Gesetz unterscheidet dabei zwischen der Ausdehnung nach der rechtlichen Form (Eigentumsentzug oder bloße Belastung mit einem, ggf. dinglichen, Nutzungsrecht), also einer eingriffsorientierten, „modalen“ Ausprägung einerseits sowie nach dem tatsächlichen Gegenstand, also der räumlichen oder „objektorientierten“ Ausdehnung andererseits.2 Diese Regelung entspricht dem Grundsatz anderer Enteignungstatbestände, vgl. § 92 Abs. 2 bis 5 BauGB und beispielhaft für die landesrechtlichen Enteignungsgesetze § 7 Abs. 2 bis 5 EEG NW. Maßgeblich ist dabei jeweils, dass die Initiative einer über den Mindestumfang der Grundabtretung hinausgehenden Entziehung von Rechtspositionen vom Eigentümer ausgehen muss.

2. Aufbau der Vorschrift Absatz 1 und 2 regeln Fälle, bei denen der Eigentümer statt einer Belastung seines Grundstückes 2 die Vollenteignung verlangen könnte. Absätze 3 bis 5 hingegen regeln Fälle, in denen die gegenständliche Reichweite der Grundabtretung erweitert wird. Absatz 3 regelt dabei zunächst den Fall, dass die Erstreckung auf weitere Grundstücksteile oder weiteren Grundbesitz desselben Eigentümers zu gewähren ist.

II. Bebaute und ihnen gleichgestellte Grundstücke (Absatz 1) Absatz 1 bezieht sich auf bebaute Grundstücke sowie auf diejenigen Grundstücke, die mit bebauten 3 Grundstücken in unmittelbarem räumlichen Zusammenhang stehen und eingefriedet sind. In den Fällen, in denen der Grundabtretungsbegünstigte nur die Einräumung eines Nutzungsrechts beantragt hat, kann der Eigentümer die Entziehung des Eigentums, also die Vollenteignung verlangen. Dies gilt selbst dann, wenn der Grundabtretungsbegünstigte zwar die Vollenteignung beantragt hat, die Grundabtretungsbehörde jedoch nur die Einräumung eines Nutzungsrechts oder nur eine teilweise Entziehung des Grundstücks bewilligen will. In diesem Fall ist die Grundabtretungsbehörde gemäß § 25 VwVfG gehalten, wenn nicht gar verpflichtet, den Eigentümer darauf hinzuweisen, dass er die Vollenteignung beantragen kann. Insoweit kann ein Hinweis in der mündlichen Verhandlung ausreichen, der zu protokollieren ist. Sinnvollerweise und wegen der Reichweite einer entsprechenden Erklärung für den Eigentümer sollte die Grundabtretungsbehörde einen derartigen Hinweis jedoch vorab schriftlich erteilen. Weitergehende Anforderungen an die modale Ausdehnung der Grundabtretung stellt das Gesetz für bebaute und ihnen nach § 81 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 gleichgestellte Grundstücke nicht. Es hängt also allein am Eigentümer, ob er sich mit einer teilweisen Grundabtretung abfindet oder er die vollständige Enteignung fordert. Fordert der Grundstückseigentümer hingegen auch einen größeren räumlichen Umfang der Grundabtretung, so ist dieser Anspruch nur begründet, wenn und soweit gleichzeitig auch die Voraussetzungen von Absatz 3 erfüllt sind.3

III. Unbilligkeit einer anderen Form der Grundabtretung (Absatz 2) Auch in den Fällen, in denen das der Grundabtretung unterliegende Grundstück nicht bebaut ist, 4 kann der Eigentümer nach Absatz 2 die Erstreckung der Grundabtretung verlangen. Anders als bei bebauten und ihnen gleichgestellten Grundstücken ist die Ausdehnung der Grundabtretung 1 VG Meiningen 25.8.2009, 2 K 157/06 = ZfB 2010, 43, 47. 2 BVerwG 18.7.2012, 7 B 33/12 = ZfB 2013, 8, 9. 3 BVerwG 18.7.2012, 7 B 33/12 = ZfB 2013, 8, 9. 975

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nach Absatz 2 jedoch nur möglich, wenn eine andere Form der Grundabtretung – also eine Beschränkung des Eigentumsrechts unterhalb der Vollenteignung, insbesondere nur temporäre Nutzungseinräumung zugunsten des Grundabtretungsbegünstigten – unbillig ist. Die Unbilligkeit ist nicht anhand eines objektiven Maßstabs zu ermitteln, sondern aus der Perspektive des Eigentümers zu beurteilen. Denn im Gegensatz zu der entsprechenden Regelung in § 92 Abs. 3 BauGB verweist Absatz 2 ausdrücklich „auf ihn“, also auf den Eigentümer, und legt damit einen subjektiven Maßstab an die Unbilligkeit. Bei der Beurteilung der Unbilligkeit ist also auf die konkrete Nutzung des Grundstücks durch den Eigentümer und nicht auf eine davon möglicherweise abweichende Nutzbarkeit abzustellen. Gleichwohl kann der Grundabtretungspflichtige die Unbilligkeit nicht selbst definieren, vielmehr muss sie anhand rational nachvollziehbarer Erwägungen in der Person des Grundabtretungspflichtigen – insoweit also „objektiv“ – vorliegen. Unbillig ist die andere Form der Grundabtretung, wenn sie für den Grundeigentümer wirtschaftlich unzumutbar ist. Diese Voraussetzung ist insbesondere dann erfüllt, wenn der Eigentümer sein Grundstück nicht mehr wirtschaftlich nutzen kann oder er für eine sinnvolle Nutzung nicht mehr vertretbare Zusatzaufwendungen machen müsste.4 Sie können auch dann vorliegen, wenn die bergbauliche Nutzung zwar nur temporär, jedoch für einen langen Zeitraum ermöglicht werden soll und der Grundstückseigentümer deshalb kein Interesse mehr an dem – erst in ferner Zukunft wieder uneingeschränkt zur Verfügung stehenden – Grundstückseigentum hat. Der ursprüngliche Gesetzentwurf sah noch Regelbeispiele für die Unbilligkeit vor, nämlich eine bergbauliche Nutzung von mehr als drei Jahren, eine voraussichtliche Wertminderung des Grundstücks und die Belastung des Grundstücks mit einem Erbbaurecht.5 Diese Regelbeispiele sind später auf Anregung des Wirtschaftsausschusses gestrichen worden, weil sie nicht praktikabel seien.6 Gleichwohl wird man die Dreijahresfrist auch ohne ausdrückliche Erwähnung im Gesetz weiterhin als Anhaltspunkt für eine unbillige andere Form der Grundabtretung heranziehen können. Sind die Voraussetzungen für die Ausdehnung der Grundabtretung erfüllt und verlangt der Eigentümer daraufhin die Vollenteignung, so hat die Behörde diesem Verlangen stattzugeben. Ihr steht weder hinsichtlich der Rechtsfolge ein Ermessen noch – insbesondere hinsichtlich des Begriffs der Unbilligkeit – ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. Vielmehr handelt es sich um eine tatsächlich wie rechtlich gebundene Entscheidung, die einer umfassenden gerichtlichen Kontrolle zugänglich ist.7 Das bedeutet weiter, dass der Grundeigentümer einen Anspruch auf die Ausdehnung der Grundabtretung hat, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen vorliegen und er einen entsprechenden Antrag gestellt hat.

IV. Erstreckung auf das Restgrundstück oder den Restgrundbesitz (Absatz 3) 9 Absatz 3 regelt die räumliche Erstreckung der Grundabtretung auf weitere Teile des betroffenen Grundstücks oder Grundbesitzes auf Verlangen des Eigentümers. Grundstück ist dabei das Flurstück, also die mit eigener Nummer im Bestandsverzeichnis des Grundbuchs versehene Parzelle. Mehrere Grundstücke eines Eigentümers ergeben den Grundbesitz. Restgrundstück respektive der Restbesitz entspricht dann denjenigen Flächen eines Grundstücks bzw. eines Grundbesitzes, die nicht von der Grundabtretung erfasst werden. Die Erstreckung der Grundabtretung auf das Restgrundstück oder den Restbesitz setzt voraus, dass das verbleibende, also nicht von der Grundabtretung erfasste Grundstück oder der Restbesitz nicht mehr in angemessenem Umfang insbesondere baulich 4 5 6 7

Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger/Runkel BauGB, § 92 Rn. 61. BT-Drs. 8/1315, S. 34. BT-Drs. 8/3965, S. 140. VG Meiningen 25.8.2009, 2 K 157/06 = ZfB 2010, 43, 45; siehe zur vergleichbaren Rechtslage im Baurecht Ernst/ Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger/Runkel BauGB, § 92 Rn. 60; Aust/Jacobs/Pasternak/Friedrich Enteignungsentschädigung, Rn. 719; h.M. Greinacher

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oder in sonstiger Weise oder nicht mehr wirtschaftlich genutzt werden kann und der Grundeigentümer deswegen die Erstreckung verlangt. Für die Erstreckung der Grundabtretung auf den Restbesitz gilt dies jedoch nur, wenn die weiteren Flächen in räumlichem oder wirtschaftlichem Zusammenhang mit dem der Grundabtretung unterliegenden Besitz stehen. Räumlich hängen diejenigen Grundstücke zusammen, die aneinandergrenzen oder beispielsweise nur durch öffentliche Wege oder kleinere Gewässer voneinander getrennt sind, eine naturräumliche oder anhand von objektiven Kriterien sichtbare Eingrenzung ist hingegen nicht erforderlich.8 Neben einem räumlichen Zusammenhang des Grundbesitzes kann auch ein wirtschaftlicher Zusammenhang die Erstreckung begründen. Da das Gesetz auf den wirtschaftlichen Zusammenhang abstellt, ist die Eigentümerstellung nicht maßgeblich. Es reicht vielmehr aus, dass ein von der Grundabtretung Betroffener aufgrund eines obligatorischen oder dinglichen Rechts mehrere Grundstücke nutzen kann.9 Wirtschaftlich hängen Grundstücke zusammen, wenn sie als Gesamtheit einem einheitlichen wirtschaftlichen Prozess zugeordnet sind, ohne dass dieser wirtschaftliche Prozess zwingend auch einen räumlichen Zusammenhang erfordert. Hiervon betroffen sind beispielsweise Flächen eines landwirtschaftlichen Betriebes, unabhängig davon, ob es sich um Eigenflächen oder Pachtflächen handelt. Es sind aber auch andere Konstellationen mit einer einheitlichen und wirtschaftlichen Nutzung, die sich auch auf unterschiedliche Produktionsstufen erstrecken kann, denkbar. Dies umfasst beispielsweise Vorratsflächen für eine künftige Erweiterung eines Betriebes.10 Jedoch ist eine gewisse Nachhaltigkeit oder eine andauernde zusammenhängende wirtschaftliche Nutzung zu fordern. Ist der Nutzer nur obligatorisch berechtigt, den Grundbesitz zu nutzen, kann der Berechtigte auch nur die Übernahme dieser obligatorischen Rechte im Wege der Grundabtretung verlangen; die Übernahme des Eigentums kann er hingegen nicht begehren.11 Die Erstreckung der Grundabtretung auf das Restgrundstück oder den Restbesitz kann der Eigentümer auch bei offener Prognose der zukünftigen wirtschaftlichen Entwicklung verlangen. Anderenfalls würde ihm das Risiko einer etwaigen Unwirtschaftlichkeit der Verwertung des Restgrundstücks übertragen. Einen Anspruch auf Ausdehnung der Grundabtretung auf das Restgrundstück oder den Restbesitz hat der Eigentümer ohnehin nur, wenn und soweit das Restgrundstück oder der Restbesitz nicht mehr in angemessenem Umfang baulich oder wirtschaftlich genutzt werden kann. Die bauliche Nutzung ist nur ein Beispielsfall der wirtschaftlichen Nutzung.12 Bei ihrer Beurteilung ist auf einen objektivierten Maßstab abzustellen. Die Tatsache, dass der Eigentümer ggf. nicht die Mittel für eine weitere wirtschaftliche Verwendung des Restgrundstücks oder Restgrundbesitzes bereitstellen kann, reicht insoweit nicht aus. Zudem steht die wirtschaftliche Nutzung unter dem Vorbehalt der Angemessenheit, sodass nicht jede wirtschaftliche Einbuße ausreicht, um den Ausdehnungsanspruch zu begründen. Bei der Beurteilung der Angemessenheit ist ferner zu beachten, dass gewisse Einbußen durch die Abtrennung von Grundstücksteilen oder Grundbesitz nach § 86 Abs. 2 Satz 2 ohnehin bereits entschädigungspflichtig sind. Erst wenn eine derartige Entschädigung nicht mehr ausreicht, ist das Restgrundstück oder der Restbesitz nicht mehr in angemessenem Umfang baulich oder wirtschaftlich nutzbar.

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V. Rechte an einem anderen Grundstück (Absatz 4) Absatz 4 regelt sodann den Fall, dass ein nicht von der Grundabtretung betroffenes Grundstück 14 nicht mehr genutzt werden kann, weil das zugunsten dieses Grundstücks bestehende Recht an einem anderen Grundstück von einer Grundabtretung betroffen ist. Die Regelung erfasst vor allem 8 Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger/Runkel BauGB, § 92 Rn. 71. 9 Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger/Runkel BauGB, § 92 Rn. 76; Battis/Krautzberger/Löhr/Battis BauGB, § 92 Rn. 4. 10 Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger/Runkel BauGB, § 92 Rn. 74. 11 Aust/Jacobs/Pasternak/Friedrich Enteignungsentschädigung, Rn. 726. 12 Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger/Runkel BauGB, § 92 Rn. 78. 977

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§ 83

Siebenter Teil – Bergbau und Grundbesitz, öffentliche Verkehrsanlagen

diejenigen Fälle, in denen für ein (nicht originär betroffenes) Grundstück ein Wege- oder Leitungsrecht an einem von der Grundabtretung betroffenen Grundstück (vor allem als Grunddienstbarkeit) besteht. Das insoweit in Rede stehende Recht an dem anderen von der Grundabtretung betroffenen Grundstücks muss jedoch ein dingliches Recht sein, § 78 Rn. 1.

VI. Erstreckung auf Zubehör (Absatz 5) 15 Nach Absatz 5 ist es letztlich möglich, auf Antrag die Grundabtretung auch auf Zubehör und sonstige bewegliche Sachen nach § 95 BGB zu erstrecken, wobei die Voraussetzungen denen von Absatz 3 und 4 entsprechen. Hervorzuheben ist, dass insoweit ausdrücklich neben dem Eigentümer auch der Nießbraucher oder Pächter, also dinglich oder obligatorisch Berechtigte, die Erstreckung beantragen können.

VII. Frist für den Antrag 16 § 82 ist weitgehend § 92 BBauG, dem heutigen § 92 BauGB, nachgebildet. § 92 Abs. 5 BauGB verlangt ausdrücklich, dass die Ausdehnung der Enteignung nur bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung geltend gemacht werden kann. Eine derartige Fristbestimmung fehlt jedoch in § 82. Dies ist auch deswegen hervorzuheben, weil die amtliche Begründung13 mehrfach ausdrücklich auf die „Vorbildnormen“ § 13 LBeschG und § 92 BBauG verweist. Dass der Gesetzgeber des Bundesberggesetzes hingegen in § 82 auf eine entsprechende Regelung einer Frist verzichtet hat, deutet darauf hin, dass er keine Frist für den Antrag setzen wollte, sodass der jeweils Betroffene auch nach Durchführung der mündlichen Verhandlung, (§ 105 in Verbindung mit § 67 VwVfG) die Rechte nach § 82 geltend machen kann. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der entsprechenden Anwendung des förmlichen Verwaltungsverfahrens, § 105 i.V.m. §§ 63 ff. VwVfG. Denn die Regelungen des Verwaltungsverfahrensrechts über das förmliche Verwaltungsverfahren enthalten keine Präklusionsvorschriften. Eine zeitliche Begrenzung einer Erstreckung nach § 82 kann sich dementsprechend nur aus allgemeinen Erwägungen, insbesondere aus dem Gedanken der Verwirkung, ergeben. Der Antrag ist jedenfalls noch vor Ergehen der Grundabtretungsentscheidung zu stellen, weil diese Entscheidung auf der Grundlage des vorangegangenen Verfahrens die Rechtslage gegenüber den Beteiligten – und damit auch gegenüber dem jeweiligen Grundabtretungspflichtigen – abschließend regelt. Danach ist eine Änderung nur noch in einem etwaigen Rechtsmittelverfahren möglich, wenn die Entscheidung rechtswidrig war, oder nach §§ 48, 49 VwVfG.

§ 83 Sinngemäße Anwendung von Vorschriften (1) Soweit nichts anderes bestimmt ist, gelten 1. die für Grundstücke geltenden Vorschriften dieses Kapitels sinngemäß auch für Grundstücksteile und 2. die für das Eigentum an Grundstücken geltenden Vorschriften dieses Kapitels sinngemäß auch für grundstücksgleiche Rechte mit Ausnahme des Bergwerkseigentums und selbständiger Abbaugerechtigkeiten. (2) Soweit nichts anderes bestimmt ist, sind die für die Entziehung oder Belastung des Eigentums an Grundstücken geltenden Vorschriften dieses Kapitels auf die Entziehung, Übertragung, Änderung, Belastung oder sonstige Beschränkung der in § 78 Nr. 1 und 2 bezeichneten anderen Rechte sinngemäß anzuwenden. 13 BT-Drs. 8/1315, S. 127 f. Greinacher https://doi.org/10.1515/9783110709285-114

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§ 83

I. Vorbemerkung § 83 erstreckt die Regeln über die Grundabtretung (§§ 77 bis 81) auf dem Grundeigentum ähnliche 1 Rechte. Die Norm orientiert sich unter anderem an § 145 BBauG (entspricht § 200 BauGB).1 Sie dient zudem der Klarstellung.2

II. Grundstücksteile und grundstücksgleiche Rechte (Absatz 1) Absatz 1 Nr. 1 legt nahe, dass für den Begriff des „Grundstücks“ auf den zivilrechtlichen Bedeu- 2 tungsgehalt abzustellen ist,3 Bergwerkseigentum ist nicht erfasst, Absatz 1 Nr. 2. Denn anderenfalls wäre eine ausdrückliche Erstreckung auf Grundstücksteile nicht erforderlich. Ein Grundstück im Rechtssinne ist ein räumlich abgegrenzter Teil der Erdoberfläche, der im Bestandsverzeichnis eines Grundbuchblatts unter einer besonderen Nummer gebucht ist.4 Die Erstreckung auf Grundstücksteile meint dabei sowohl die physische wie auch die rechtliche Teilbarkeit. Schon unter der Geltung von § 145 BBauG (entspricht § 200 BauGB) galt, dass Bruchteilseigentum wie beispielsweise Wohnungs- oder Teileigentum, als Grundstücksteil im Sinne von § 145 BBauG gelten.5 Diese Auslegung ist auch für das BBergG heranzuziehen, dessen Begründung ausdrücklich auf § 145 BBauG verweist.6 Nach Absatz 1 Nr. 2 gelten die Grundabtretungsvorschriften zudem sinngemäß für grund- 3 stücksgleiche Rechte. Grundstücksgleiche Rechte sind diejenigen Rechte, die grundbuchlich durch Anlage eines eigenständigen Grundbuchblattes gesichert werden, also insbesondere Wohnungseigentum, Erbbaurechte, Wohnungserbbaurechte usw. Erfasst werden demnach besondere beschränkte dingliche Rechte an Grundstücken, die auf der Grundlage besonderer gesetzlicher Bestimmungen sowohl materiell wie auch formell wie Grundstückseigentum zu behandeln sind. Hierzu zählt grundsätzlich auch das Bergwerkseigentum,7 § 17 Abs. 3. Da sich hierauf jedoch die Grundabtretung gerade nicht erstrecken soll, nimmt Absatz 1 Nr. 2 das Bergwerkseigentum ausdrücklich von der Definition der grundstücksgleichen Rechte aus.

III. Geltung auch für obligatorische Rechte (Absatz 2) Absatz 2 stellt darauf ab, dass in allen Fällen die für Grundstücke geltenden Grundabtretungsbe- 4 stimmungen für die dinglichen und die genannten obligatorischen Rechte an Grundstücken (vgl. § 78 Nr. 2) sinngemäß gelten, ohne dass es an den betreffenden Stellen jeweils ausdrücklich betont zu werden braucht. Diese Vorschrift – wie auch Absatz 1 – ermöglicht dadurch eine sprachliche Vereinfachung des Gesetzes.8

1 BT-Drs. 8/1315, S. 128. 2 Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 83 Rn. 1; Frenz/Rehs BBergG, § 83 Rn. 1. 3 Für diesen auch im öffentlichen Recht geltenden Grundstücksbegriff siehe BVerwG 2.7.1982, 8 C 28, 30 und 33/81, BVerwGE 66, 69, 70 f.

4 Grüneberg/Herrler BGB, Vor § 873 Rn. 1. 5 BGH 16.2.1984, V ZB 24/83, BGHZ 90, 174, 175. Vgl. hierzu auch Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger/Kalb/Külpmann BauGB, § 200 Rn. 19; Battis/Krautzberger/Löhr/Battis BauGB, § 200 Rn. 6. 6 BT-Drs. 8/1315, S. 128. 7 Grüneberg/Herrler BGB, Vor § 873 Rn. 3. 8 BT-Drs. 8/1315, S. 128. Dies entspricht der Parallelvorschrift § 145 BBauG, siehe Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger/Kalb/Külpmann BauGB, § 200 Rn. 20. 979

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ZWEITER ABSCHNITT Entschädigung § 84 Entschädigungsgrundsätze (1) Für die Grundabtretung ist eine Entschädigung zu leisten. (2) Die Entschädigung wird gewährt für 1. den durch die Grundabtretung eintretenden Rechtsverlust, 2. andere durch die Grundabtretung eintretende Vermögensnachteile. (3) 1Entschädigung kann verlangen, wer in seinem Recht durch die Grundabtretung beeinträchtigt wird und dadurch einen Vermögensnachteil erleidet (Entschädigungsberechtigter). 2Zur Leistung der Entschädigung ist der Grundabtretungsbegünstigte verpflichtet (Entschädigungsverpflichteter). (4) 1Die Entschädigung ist in Geld festzusetzen. 2Sie ist in einem einmaligen Betrag zu leisten, soweit in § 89 nichts anderes bestimmt ist. 3Einmalige Entschädigungsbeträge sind mit zwei vom Hundert über dem Basiszinssatz nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs jährlich von dem Zeitpunkt an zu verzinsen, in dem die zuständige Behörde über den Grundabtretungsantrag entscheidet. 4Im Falle der vorzeitigen Besitzeinweisung ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem diese wirksam wird. 5Die Sätze 1 bis 4 gelten nicht, soweit sich der Entschädigungsberechtigte und der Entschädigungsverpflichtete über eine andere Art der Entschädigung einigen. (5) 1Für die Bemessung der Entschädigung ist der Zustand des Gegenstandes der Grundabtretung in dem Zeitpunkt maßgebend, in dem die zuständige Behörde über den Grundabtretungsantrag entscheidet. 2In den Fällen der vorzeitigen Besitzeinweisung ist der Zustand in dem Zeitpunkt maßgebend, in dem diese wirksam wird.

Übersicht I.

Entschädigungspflicht (Absatz 1)

1

II.

Entschädigungsgrundsätze (Absatz 2)

III.

Entschädigungsberechtigter und -verpflichteter 6 (Absatz 3)

IV.

Entschädigungsleistung (Absatz 4)

V.

Maßgeblicher Zustand des Grundabtretungsgegenstands für die Entschädigungsbemessung (Ab12 satz 5)

VI.

Rechtsschutz

2

14

9

I. Entschädigungspflicht (Absatz 1) 1 Gemäß Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG dürfen Enteignungen nur auf Grundlage eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Um dem Gebot der Junktimklausel in Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG gerecht zu werden, bestimmt § 84 Abs. 1, dass für die Grundabtretung eine Entschädigung zu leisten ist. Mittels der Entschädigung soll die durch die Grundabtretung gestörte Vermögenslage des von der Grundabtretung Betroffenen soweit wie möglich ausgeglichen werden.1 Der Entschädigungsberechtigte wird bildhaft in die Lage versetzt, ein dem entzogenen Recht gleichwertiges Recht zu erwerben. Ob dies gelingt, d.h. ein gleichwertiges Recht auf dem Markt zu

1 BT-Drs. 8/1315, S. 128. Keienburg/Wiesendahl https://doi.org/10.1515/9783110709285-115

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Erstes Kapitel – Grundabtretung

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erwerben ist, ist für die Entschädigungsbemessung irrelevant.2 Die Enteignungsentschädigung ist ein Wertausgleich, kein Schadenersatz.3 Der Entschädigungsberechtigte hat keinen Anspruch auf Erhalt eines gleichwertigen Ersatzobjekts. Wie die Entschädigung einer Grundabtretung im Einzelnen zu bemessen ist, regeln §§ 84 bis 90. Die Entschädigungsregelungen sind den Entschädigungsregelungen des ehemaligen Bundesbaugesetzes, die sich heute in §§ 93 ff. BauGB finden, nachempfunden.4

II. Entschädigungsgrundsätze (Absatz 2) Entschädigung wird gemäß Absatz 2 gewährt für den durch die Grundabtretung eintretenden 2 Rechtsverlust und für andere durch die Grundabtretung eintretende Vermögensnachteile. Abgrenzungskriterium zwischen dem Rechtsverlust und anderen Vermögensnachteilen ist das Objekt, an dem der Schaden eintritt. Während der in Nummer 1 behandelte Rechtsverlust an das entzogene Recht anknüpft, beziehen sich die in Nummer 2 behandelten anderen Vermögensnachteile auf das Vermögen allgemein. Als Rechtsverlust i.S.d. Absatzes 2 Nr. 1 wird der Wert des Gegenstands der Grundabtretung entschädigt. Entscheidend ist der Wert des durch die Grundabtretung unmittelbar entzogenen oder beschränkten Rechts, d.h. des Rechts, auf welches mittels Grundabtretung zugegriffen wird. Dabei kann es sich gemäß § 78 um das Eigentum, den Besitz und dingliche Rechte an Grundstücken sowie um persönliche Rechte, die zum Erwerb, Besitz oder Nutzung von Grundstücken berechtigen oder deren Benutzung beschränken, handeln. Die Entschädigung des Rechtsverlusts ist in § 85 geregelt. Bei anderen durch die Grundabtretung eintretenden Vermögensnachteilen i.S.d. Absatzes 2 Nr. 2 handelt es sich in Abgrenzung zu dem Verlust, der aus dem Zugriff auf den Grundabtretungsgegenstand resultiert, um nachteilige Auswirkungen auf das sonstige Vermögen, die als Folge der Grundabtretung eintreten. Die Entschädigung von Folgenachteilen ist in § 86 geregelt.5 Sowohl die Entschädigung für den Rechtsverlust als auch die Entschädigung für andere Vermögensnachteile setzt eine durch die Grundabtretung kausal bewirkte Minderung des Vermögens voraus. Nachteile, die in der Minderung oder Beseitigung von rechtlich nicht gesicherten Chancen, Aussichten oder wirtschaftlichen Interessen bestehen, werden im Rahmen der Entschädigung nicht berücksichtigt.6 Die Gewährung einer Entschädigung sowohl für den Rechtsverlust als auch für darüber hi- 3 nausgehende Vermögensnachteile ist notwendig, um dem gesetzgeberischen Ziel, die durch die Grundabtretung gestörte Vermögenslage des Betroffenen auszugleichen, gerecht zu werden.7 Dies darf nicht zu einer Doppelentschädigung führen.8 § 86 Abs. 1 normiert das Verbot der Doppelentschädigung ausdrücklich. Ein Folgeschaden ist nur dann und nur insoweit zu entschädigen, als 2 BGH 11.10.2007, III ZR 298/06, BGHZ 174, 25 Rn. 8; BGH 30.9.1976, III ZR 149/75, BGHZ 67, 190, 196; BGH 13.11.1975, III ZR 162/72, BGHZ 65, 253, 263; BGH 8.2.1971, III ZR 65/70, BGHZ 55, 294, 298; BGH 6.12.1965, III ZR 172/64, NJW 1966, 493, 496; BGH 27.4.1964, III ZR 136/63, WM 1964, 968, 971. 3 BGH 31.1.2019, III ZR 186/17, BGHZ 221, 74, 84 f.; BGH 11.10.2007, III ZR 298/06, BGHZ 174, 25 Rn. 8; BGH 6.12.1965, III ZR 172/64, NJW 1966, 493, 496; Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger/Groß BauGB, § 93 Rn. 14; Scheidler ZfBR 2019, 126. 4 BT-Drs. 8/1315, S. 128. 5 Zur Folgenentschädigung nach § 96 BauGB siehe Scheidler ZfBR 2019, 126, 130. 6 BGH 31.1.2019, III ZR 186/17, BGHZ 221, 74, 84 f.; BVerfG 23.2.2010, 1 BvR 2736/08, NVwZ 2010, 512, 514; BVerfG 26.6.2002, 1 BvR 558/91 und 1 BvR 1428/91, BVerfGE 105, 252, 277; BVerwG 20.12.2011, 9 A 30/10, NVwZ 2012, 573 Rn. 14; BGH 14.4.2011, III ZR 30/10 = ZfB 2011, 290 Rn. 18 und 35; BGH 11.10.2007, III ZR 298/06, BGHZ 174, 25 Rn. 11 und 19; BGH 1.2.1982, III ZR 93/80, BGHZ 83, 61, 70; BGH 7.1.1982, III ZR 114/80, BGHZ 83, 1, 3 f.; BGH 29.3.1976, III ZR 98/73, BGHZ 66, 173, 178; BGH 12.6.1975, III ZR 25/73, BGHZ 64, 382, 390; BGH 29.11.1965, III ZR 34/64, NJW 1966, 497; OLG Brandenburg 18.6.2019, 11 U 2/16, juris Rn. 67; OLG Naumburg 18.5.2017, 2 U 112/16, juris Rn. 34. 7 BT-Drs. 8/1315, S. 128. 8 BGH 7.10.1976, III ZR 60/73, BGHZ 67, 200, 203; zum Verbot der Doppelentschädigung im Baurecht siehe BeckOK BauGB/Wünschmann, § 96 BauGB Rn. 2. 981

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der Vermögensnachteil nicht bereits bei der Bemessung der Entschädigung für den Rechtsverlust berücksichtigt worden ist.9 4 Der im Einzelfall fehlenden Trennschärfe zwischen Rechtsverlust und sonstigem Vermögensnachteil tragen die Gerichte Rechnung, indem sie in ständiger Rechtsprechung die These der „Einheitlichkeit der Enteignungsentschädigung“ verfolgen.10 Danach sind die einzelnen Schadenpositionen unselbständige Rechnungsposten des Anspruchs auf Gesamtentschädigung.11 Eine zu niedrige Bemessung eines Rechnungspostens führt daher nicht zur Rechtswidrigkeit der festgesetzten Entschädigungsleistung, wenn der Gesamtbetrag letztendlich zu einem angemessenen Wertausgleich führt. Eine Anrechnung von Vermögensvorteilen, die dem Entschädigungsberechtigten durch die 5 Grundabtretung ggf. entstehen, regeln §§ 85 ff. nicht. Auch unabhängig von einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung gilt aber das Prinzip der Vorteilsausgleichung.12 Der Betroffene soll einen Ausgleich erlangen, aber keinen Gewinn erzielen. Dies gilt im Schadenersatzrecht und ebenso im Entschädigungsrecht.13 Ein anzurechnender Vermögensvorteil setzt voraus, dass der Entschädigungsberechtigte einen Vermögensvorteil erhalten hat, der ohne die Enteignung nicht entstanden wäre und die Enteignung als das schädigende Ereignis mit dem Vorteil bringenden Umstand in adäquatem Zusammenhang steht.14 Dies bedeutet nicht, dass der Eingriff unmittelbar und gleichzeitig auch den Vorteil verursacht haben muss.15 Die Betrachtung des Zusammenhangs zwischen Nachteil und Vorteil erfolgt nicht rein kausal, sondern wertend.16 Ausreichend ist, dass der Eingriff allgemein geeignet war, derartige Vorteile herbeizuführen. Anzurechnen sind daher etwa aus einer Teilenteignung für den verbleibenden Grundstücksteil resultierende Wertzuwächse; dies ist möglich im Fall planungsrechtlicher Enteignungen gemäß §§ 85 ff. BauGB zum Zwecke der Anlegung von Infrastruktur mit einem daraus resultierenden Wertzuwachs eines verbleibenden Grundstücksteils,17 im Fall bergrechtlicher Grundabtretungen aber kaum vorstellbar. Ebenso denkbar sind Vermögensvorteile als Folge einer Enteignung und auch einer Grundabtretung im Fall eines Wertzuwachses, der aus einer Instandsetzung des mit einem Nutzungsrecht belasteten Grundabtretungsgegenstands vor Rückgabe an den Berechtigten resultiert.18

III. Entschädigungsberechtigter und -verpflichteter (Absatz 3) 6 Entschädigungsberechtigt ist gemäß Absatz 3 Satz 1, wer in seinem Recht durch die Grundabtretung beeinträchtigt wird und dadurch einen Vermögensnachteil erleidet. Die Tatbestandsmerkmale der Rechtsbeeinträchtigung und des dadurch vermittelten Vermögensnachteils müssen kumulativ vorliegen.19 Es muss durch die mit der Grundabtretung bewirkte Rechtsbeeinträchtigung zu 9 BT-Drs. 8/1315, S. 129. 10 BGH 2.7.1992, III ZR 162/90, BGHZ 119, 62, 64; BGH 12.1.1978, III ZR 57/76, WM 1978, 468, 470; zu Ausnahmen vom Grundsatz der Einheitlichkeit der Entschädigung in Sonderfällen: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger/Groß BauGB, § 95 Rn. 47; Gelzer/Busse/Fischer Entschädigungsanspruch aus Enteignung und enteignungsgleichem Eingriff, Rn. 117. 11 BGH 2.7.1992, III ZR 162/90, BGHZ 119, 62 Rn. 9; OLG Naumburg 18.5.2017, 2 U 112/16, juris Rn 29. 12 Ebenso: Piens/Schulte/Graf Vitzthum BBergG, § 84 Rn. 3; Frenz/Rehs BBergG, § 84 Rn. 10; Ernst/Zinkahn/Bielenberg/ Krautzberger/Groß BauGB, § 93 Rn. 38. 13 BGH 15.12.1988, III ZR 110/87, NJW 1989, 2117; BGH 7.10.1976, III ZR 60/73, BGHZ 67, 200, 203; BGH 28.5.1962, III ZR 213/60, WM 1962, 925. 14 BGH 9.10.1997, III ZR 148/96, NJW 1998, 2215, 2218; BGH 13.5.1974, III ZR 7/72, BGHZ 62, 305, 312; BGH 28.2.1966, III ZR 159/65, NJW 1966, 1075; Aust/Jacobs/Pasternak/Friedrich Die Enteignungsentschädigung, Rn. 943; Scheidler ZfBR 2019, 126. 15 Scheidler ZfBR 2019, 126. 16 BGH 15.12.1988, III ZR 110/87, NJW 1989, 2117. 17 Vgl. Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger/Groß BauGB, § 93 Rn. 39. 18 BGH 28.5.1962, III ZR 213/60, WM 1962, 925. 19 BGH 8.2.1971, III ZR 65/70, BGHZ 55, 294, 296. Keienburg/Wiesendahl

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Erstes Kapitel – Grundabtretung

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einem Vermögensnachteil gekommen sein. Weder steht ein Entschädigungsanspruch demjenigen zu, in dessen Rechte eingegriffen wird, ohne dadurch einen Vermögensnachteil zu verursachen, noch kann derjenige, dem durch den Eingriff in das Recht eines anderen ohne eigenen Rechtsentzug nur mittelbar ein Vermögensnachteil entsteht, Entschädigung verlangen.20 §§ 85 bis 87 differenzieren zwischen Haupt- und Nebenberechtigten, die nebeneinander entschädigungsberechtigt sein können.21 Hauptberechtigter ist der Inhaber des durch die Grundabtretung direkt betroffenen Rechts, der Adressat des Grundabtretungsbeschlusses und damit der Grundabtretungspflichtige i.S.d. § 80 Abs. 2 ist. Dies ist in der Regel der Grundstückseigentümer. Ebenso kann aber auch ohne Vermittlung über das Eigentum durch die Grundabtretung unmittelbar auf das Recht eines dinglich oder obligatorisch Berechtigten als Hauptberechtigten zugegriffen werden, etwa wenn der Grundeigentümer sein Eigentum freiwillig veräußert oder belastet, aber eine Grundabtretung sonstiger auf dem Eigentum lastender Rechte erforderlich ist. Nebenberechtigte sind gemäß § 80 Abs. 3 diejenigen, denen dingliche oder persönliche Rechte am oder in Bezug auf den Grundabtretungsgegenstand zustehen und die in Folge der gegen den Hauptberechtigten gerichteten Grundabtretung nach Maßgabe des § 87 eine Beeinträchtigung erfahren.22 In die Rechte der Nebenberechtigten wird nicht dergestalt eingegriffen, dass sie Adressat des Grundabtretungsbeschlusses sind. Der Zugriff auf das Recht des Hauptberechtigten richtet sich aber zwangsläufig zugleich auch gegen die Nebenberechtigten, deren Rechte von der Existenz des Rechts des Hauptberechtigten abhängen. Wenn die Rechte der Nebenberechtigten nicht gemäß § 87 Abs. 1 aufrechterhalten werden, steht Nebenberechtigten i.S.d. § 87 Abs. 2 zum Ausgleich ihres Rechtsverlusts ein Entschädigungsanspruch im Außenverhältnis gegen den Entschädigungspflichtigen und Nebenberechtigten i.S.d. § 87 Abs. 3 zum Ausgleich ihres Rechtsverlusts ein Entschädigungsanspruch im Innenverhältnis gegen den Hauptberechtigten zu. Rechtsträger und damit entschädigungsberechtigt können natürliche sowie juristische Perso- 7 nen des Privatrechts sein. Entschädigungsberechtigt können auch juristische Personen des öffentlichen Rechts sein. Obwohl sich juristische Personen des öffentlichen Rechts nicht auf den Grundrechtsschutz aus Art. 14 Abs. 1 GG berufen können,23 können sie Inhaber von Rechten, auch von Eigentum, sein und stehen ihnen bei Eingriffen in ihr Eigentum Entschädigungsansprüche nach Maßgabe des einfachgesetzlichen Rechts zu.24 Entschädigungsverpflichtet ist gemäß Absatz 3 Satz 2 der Grundabtretungsbegünstigte. Dies 8 ist gemäß § 80 Abs. 1 der Unternehmer, für dessen Vorhaben ein Grundabtretungsverfahren durchgeführt wird.

IV. Entschädigungsleistung (Absatz 4) Vorrangig vor einer behördlichen Festsetzung der Entschädigungsleistung ist gemäß Absatz 4 9 Satz 5 eine Einigung des Entschädigungsberechtigten und des Entschädigungsverpflichteten über die Entschädigung. Der Inhalt einer derartigen Vereinbarung ist durch die Entschädigungsregelungen der §§ 85 ff. nicht determiniert. Entschädigungsberechtigter und Entschädigungsverpflichteter können sich bis zur Grenze der §§ 134, 138 BGB über jede Art und Höhe der Entschädigung einigen. 20 Ein mittelbarer Eingriff begründet keinen Ersatzanspruch: BGH 15.3.1962, III ZR 211/60, BGHZ 37, 45, 47 m.w.N. 21 Grundstückseigentümer und Nutzungsberechtigte gelten entschädigungsrechtlich nur dann als Träger verschiedener (Vermögens-)Interessen und sind demzufolge gesondert zu entschädigen, wenn sie auch wirtschaftlich unterschiedliche Vermögensinteressen verfolgen: FG Hessen 26.2.2019, 4 K 537/16, juris Rn. 60. 22 So etwa bei Pachtverhältnissen, siehe OVG Koblenz 7.11.2017, 8 A 10859/17, BauR 2018, 218, 219; FG Hessen 26.2.2019, 4 K 537/16, juris Rn. 60. 23 BVerfG 8.7.1982, 2 BvR 1187/80, BVerfGE 61, 82, 105; BVerfG 19.12.1967, 2 BvL 4/65, BVerfGE 23, 12, 30; BVerwG 20.11.2008, 7 C 10/08, BVerwGE 132, 261 Rn. 23 = ZfB 2009, 46, 50. 24 BVerwG 20.11.2008, 7 C 10/08, BVerwGE 132, 261 Rn. 23 = ZfB 2009, 46, 50; BGH 3.3.1983, III ZR 93/81, BGHZ 87, 66, 71. 983

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Dies gilt im Fall einer privatrechtlichen Einigung über den Rechtsübergang, die bereits eine Grundabtretung entbehrlich macht und daher in §§ 84 ff. überhaupt nicht erfasst ist.25 Dies gilt ebenso im Fall einer zwar erforderlichen Grundabtretung aber einer ggf. dennoch einvernehmlich möglichen Regelung einer Entschädigung. Eine zwangsweise Grundabtretung hat nicht zwingend auch eine behördliche Regelung der Entschädigungsleistung zur Folge, sondern lässt eine einvernehmliche Regelung der Entschädigungsleistung zu. Dies stellt Absatz 4 Satz 5 klar. Nur wenn eine einvernehmliche Regelung nicht zustande kommt, bedarf es einer behördlichen Regelung der Entschädigung. Diese bestimmt sich nach den Grundsätzen des Absatzes 4 Satz 1 bis 4, die in §§ 85 ff. konkretisiert werden. 10 Absatz 4 Satz 1 regelt die Art der Entschädigungsleistung. Die Regelung trägt der Junktimklausel des Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG Rechnung, die eine Regelung darüber verlangt, in welcher Art eine Entschädigung zu leisten ist. Gemäß Absatz 4 Satz 1 ist die Entschädigung in Geld festzusetzen; eine Naturalentschädigung ist nicht vorgesehen. Der gesetzliche Regelfall ist nach Satz 2 die Leistung der Entschädigung in einem einmaligen Betrag, soweit nicht wiederkehrende Leistungen gemäß § 89 zugelassen sind. Da die Grundabtretung gemäß § 81 Abs. 2 in der Regel nicht auf den Entzug des Eigentums, sondern auf die Einräumung eines Nutzungsrechts gerichtet ist, ist das in § 84 Abs. 4 Satz 2 zum Ausdruck kommende Regel-Ausnahme-Verhältnis in der Praxis umgekehrt. Wiederkehrende Leistungen sind der Regelfall. 11 Einmalige Entschädigungsbeträge sind gemäß Absatz 4 Satz 3 ab dem Zeitpunkt, in dem die zuständige Behörde über den Grundabtretungsantrag entscheidet, jährlich mit zwei vom Hundert über dem in § 247 BGB geregelten Basiszinssatz zu verzinsen. Die Zinsen stellen keine Zinsen im Rechtssinne, sondern eine besondere Form der Entschädigung für abstrakt entgangene Nutzungsmöglichkeiten dar und sind daher verzugsunabhängig.26 Die Verzinsung der Entschädigungssumme ist der abstrakt berechnete Ausgleich dafür, dass ein mit der Grundabtretung entzogenes Recht ab der Grundabtretung belastet ist, die an die Stelle des Rechts tretende Entschädigung aber möglicherweise erst später zu zahlen ist und damit nicht unmittelbar zur Verfügung steht.27 Deshalb wird die Verzinsung auch ausweislich des ausdrücklichen Wortlauts des Absatzes 4 Satz 3 nur für einmalige Entschädigungsbeträge gewährt, nicht für wiederkehrende Leistungen i.S.d. § 89. Richtigerweise müsste die Verzinsung in Anbetracht ihrer Zwecksetzung zudem auf den Entschädigungsanteil für den Rechtsverlust i.S.d. § 85 beschränkt sein, da nur insoweit abstrakte Nutzungsmöglichkeiten entgehen, während sonstige Vermögensnachteile i.S.d. § 86 keinen abstrakten Verlust von Nutzungsmöglichkeiten beinhalten.28 Dennoch sprechen der Wortlaut der Norm mit der undifferenzierten Regelung einer Verzinsung einmaliger Entschädigungsbeträge und der Umstand, dass die Entschädigungsleistung für den Rechtsverlust und sonstige Vermögensnachteile auch aufgrund der Abgrenzungsschwierigkeiten beider Entschädigungsposten als einheitlicher Betrag festgesetzt wird, für eine Verzinsung der gesamten Entschädigungssumme inklusive der Entschädigung für sonstige Vermögensnachteile.29 Im Fall einer vorzeitigen Besitzeinweisung besteht die Verzinsungspflicht gemäß Satz 4 von dem Zeitpunkt an, in dem die Besitzeinweisung wirksam wird; geregelt ist damit die Verzinsung für den Fall einer vorzeitigen Besitzeinweisung vor dem Grundabtretungsbeschluss. Im Fall einer Besitzeinweisung nach dem Grundabtretungsbeschluss verbleibt es bei dem – dann zeitlich früheren – Zeitpunkt der Entscheidung der Behörde über den Grundabtretungsbeschluss als maßgeblichem Zeitpunkt für

25 Außerhalb des Enteignungs- oder Besitzeinweisungsverfahrens getroffene Vereinbarungen sind rein privatrechtlicher Natur; ein Rückgriff auf Normen des öffentlichen Rechts ist hier grundsätzlich ausgeschlossen: BGH 8.12.2016, III ZR 407/15 = ZfBR 2017, 250, 251. 26 BGH 10.7.1986, III ZR 44/85, BGHZ 98, 188, 193 f. 27 BGH 2.9.1999, III ZR 315/98, NVwZ 2000, 230, 231; BGH 13.10.1983, III ZR 155/82, BGHZ 88, 337, 340; BGH 19.6.1980, III ZR 182/78, NJW 1981, 219, 221; BGH 28.9.1967, III ZR 43/67, BGHZ 48, 291, 293. 28 So zu § 99 Abs. 1 BauGB: Büchs Handbuch des Enteignungs- und Entschädigungsrechts, S. 1240. 29 Ebenso zu § 99 Abs. 1 BauGB: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger/Groß BauGB, § 99 Rn. 21; Battis/Krautzberger/ Löhr/Battis BauGB, § 99 Rn. 6. Keienburg/Wiesendahl

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den Beginn der Verzinsung.30 Mit Zahlung oder Hinterlegung der Entschädigungssumme endet die Verzinsung. Eine Anrechnung von tatsächlich gezogenen Nutzungen auf die Zinszahlung erfolgt nicht, da dies dem gesetzgeberischen Ziel einer abstrakten Entschädigung zuwiderlaufen würde.31 Ein Anspruch auf zusätzliche Verzugszinsen besteht neben der in Absatz 4 Satz 3 und 4 geregelten Verzinsungspflicht nicht.32

V. Maßgeblicher Zustand des Grundabtretungsgegenstands für die Entschädigungsbemessung (Absatz 5) Für die Bemessung der Entschädigung ist gemäß Absatz 5 Satz 1 der Zustand des Gegenstands der 12 Grundabtretung in dem Zeitpunkt maßgebend, in dem die Behörde über den Grundabtretungsantrag entscheidet. Im Fall einer vorzeitigen Besitzeinweisung vor der Entscheidung über die Grundabtretung ist gemäß Satz 2 der Zustand im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Besitzeinweisung maßgeblich, denn dann wird der Gegenstand der Grundabtretung dem Berechtigten bereits vor der Grundabtretung wirtschaftlich entzogen. Absatz 5 bestimmt damit den Zeitpunkt der Qualitätsermittlung (Qualitätsstichtag) und legt diesen auf den Zeitpunkt, zu welchem in die Rechte des Grundabtretungspflichtigen eingegriffen wird.33 Ob sich an die Grundabtretung oder die vorzeitige Besitzeinweisung Klageverfahren anschließen, hat auf die Fixierung des Qualitätsstichtags keinen verändernden Einfluss. Von dem Zeitpunkt der Qualitätsbestimmung zu unterscheiden ist der Zeitpunkt der Wertbestimmung (Bewertungsstichtag);34 dazu § 85 Rn. 15 f. Während der Qualitätsstichtag für die Bestimmung der Qualität des Gegenstands, dessen Entzug entschädigt werden soll, d.h. die Bestimmung der Qualitätsmerkmale maßgebend ist, ist der Bewertungsstichtag der Zeitpunkt, der für die Preisverhältnisse ausschlaggebend ist.35 Der Zeitpunkt der Wertbestimmung ist im Gesetz nicht explizit geregelt. Er fällt regelmäßig mit dem Zeitpunkt der Qualitätsermittlung zusammen,36 kann aber im Einzelfall auch abweichend festzulegen sein, weshalb beide Zeitpunkte der Qualitätsermittlung und der Wertbestimmung unabhängig voneinander zu bestimmen sind.37 Ausnahmen von der Fixierung des Zeitpunkts der Qualitätsermittlung – und auch und primär 13 des Zeitpunkts der Wertermittlung – auf den Stichtag des Grundabtretungsbeschlusses bzw. des Wirksamwerdens der vorzeitigen Besitzeinweisung regelt § 90 Abs. 1; dazu § 90 Rn. 2 ff.38 Eine weitere, gesetzlich nicht geregelte, Ausnahme von der Festlegung des Qualitätsstichtags auf den Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung über die Grundabtretung gilt nach der Rechtsprechung des BGH im Fall der Grundabtretung von Nutzungsrechten, die ihren wirtschaftlichen Wert aus der Ausübung des tatsächlichen Besitzes ziehen, wie Miete und Pacht. Da der wirtschaftliche Wert

30 31 32 33 34 35 36 37

BGH 2.9.1999, III ZR 315/98, NVwZ 2000, 230, 232. BGH 2.9.1999, III ZR 315/98, NVwZ 2000, 230, 231. BGH 1.10.1981, III ZR 13/80, NJW 1982, 1277. OLG Frankfurt 16.6.2016, 100 U 1/14, juris, Rn. 42 (m.w.N.). BGH 11.2.1988, III ZR 64/87, NVwZ 1988, 963; BGH 22.4.1982, III ZR 131/80, WM 1982, 878. BGH 11.2.1988, III ZR 64/87, NVwZ 1988, 963. Scheidler ZfBR 2019, 126, 128. BGH 17.11.1988, III ZR 210/87, WM 1989, 1036, 1037; BGH 19.6.1986, III ZR 22/85, NVwZ 1986, 1053, 1054; Piens/Schulte/ Graf Vitzthum BBergG, § 85 Rn. 4; Frenz/Rehs BBergG, § 84 Rn. 19. 38 Obwohl § 90 ebenso wie die Parallelvorschrift des § 95 Abs. 2 BauGB als Ausnahmeregelung des Bewertungsstichtags gewertet wird, enthalten sowohl § 90 als auch § 95 Abs. 2 BauGB auch Ausnahmen des Stichtags der Qualitätsbestimmung; vgl. BGH 17.11.1988, III ZR 210/87, WM 1989, 1036, 1037; BGH 11.2.1988, III ZR 64/87, NVwZ 1988, 963; BGH 22.4.1982, III ZR 131/80, WM 1982, 878, 880; BGH 22.5.1967, III ZR 121/66, NJW 1967, 2306, 2307; BGH 25.9.1958, III ZR 82/ 57, BGHZ 28, 160, 163. 985

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der Ausübung derartiger Nutzungsrechte erst mit Ausführung der Grundabtretung verloren geht, ist daher auch dieser Zeitpunkt für die Qualitätsermittlung maßgeblich.39

VI. Rechtsschutz 14 Für Rechtsstreitigkeiten über die Entschädigung ist gemäß § 144 Abs. 1 der ordentliche Rechtsweg eröffnet; zuständig sind gemäß § 144 Abs. 2 Satz 1 in erster Instanz die Landgerichte. Parteien des Verfahrens sind gemäß § 144 Abs. 4 Satz 1 trotz behördlicher Festsetzung der Entschädigung der Entschädigungsberechtigte und der Entschädigungsverpflichtete; die Bergbehörde ist im prozessualen Verfahren, betreffend die Entschädigungsleistung, nicht beteiligt. Anderes gilt in Verfahren über die Rechtmäßigkeit des Grundabtretungsbeschlusses, für welche die Verwaltungsgerichte zuständig sind und in welchen die Bergbehörde beklagte Partei ist. Wird sowohl die Rechtmäßigkeit des Grundabtretungsbeschlusses als auch die Höhe der Entschädigung zur gerichtlichen Prüfung gestellt, setzt das Landgericht das Verfahren über die Entschädigungshöhe bis zur Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Grundabtretung regelmäßig aufgrund Vorgreiflichkeit der Frage der Rechtmäßigkeit der Grundabtretung gemäß § 148 ZPO aus.

§ 85 Entschädigung für den Rechtsverlust (1) Die Entschädigung für den Rechtsverlust bemisst sich nach dem Verkehrswert des Gegenstandes der Grundabtretung. (2) Der Verkehrswert wird durch den Preis bestimmt, der in dem Zeitpunkt, auf den sich die Ermittlung bezieht, im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach den rechtlichen Gegebenheiten und tatsächlichen Eigenschaften, der sonstigen Beschaffenheit und Lage des Gegenstandes der Wertermittlung ohne Rücksicht auf ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse zu erzielen wäre. (3) Die auf Grund des § 199 Abs. 1 des Baugesetzbuchs erlassenen Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

Übersicht I.

Zweck der Vorschrift

1

II. 1.

Verkehrswertentschädigung Wertermittlungsmethoden

2. 3.

10 Wertbildende Faktoren 15 Bewertungsstichtag

III.

Enteignungsgegenstände

3 5

17

I. Zweck der Vorschrift 1 § 85 verhält sich zu der Entschädigung des Rechtsverlusts i.S.d. § 84 Abs. 2 Nr. 1 und normiert dafür als Maßstab in Absatz 1 den Verkehrswert. Eine Entschädigung zum Verkehrswert steht mit Art. 14 Abs. 3 Satz 2 GG in Einklang, da dadurch das Vermögensopfer des Betroffenen voll ausgeglichen wird.1 Im Fall weiterer Vermögensnachteile, die über den Rechtsverlust hinausgehen,

39 BGH 15.11.1971, III ZR 162/69, NJW 1972, 528, 529; BGH 20.1.1958, III ZR 40/57, BGHZ 26, 248, 250; Aust/Jacobs/Pasternak/ Friedrich Die Enteignungsentschädigung, Rn. 1026.

1 BVerfG 30.3.1998, 1 BvR 1172/85, NVwZ 1998, 947, 948. Keienburg/Wiesendahl https://doi.org/10.1515/9783110709285-116

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Erstes Kapitel – Grundabtretung

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gewährt § 86 zudem einen diese Nachteile erfassenden Entschädigungsanspruch. Die Gesamtentschädigung kann daher über den Verkehrswert hinausgehen. Der Entschädigungsanspruch aus § 85 Abs. 1 für den Rechtsverlust steht demjenigen zu, des- 2 sen Recht entzogen wird. Dies sind der Hauptberechtigte i.S.d. § 80 Abs. 2, der Adressat des Grundabtretungsbeschlusses ist, sowie die Nebenberechtigten i.S.d. § 80 Abs. 3, deren Rechte an dem Recht des Hauptberechtigten als Folge der Grundabtretung nicht aufrechterhalten werden können und gemäß § 87 Abs. 2 gesondert zu entschädigen sind.

II. Verkehrswertentschädigung2 Der Verkehrswert wird gemäß Absatz 2 durch den Preis bestimmt, der in dem Zeitpunkt, auf den 3 sich die Ermittlung bezieht, dazu Rn. 15 f., im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach den rechtlichen Gegebenheiten und tatsächlichen Eigenschaften, der sonstigen Beschaffenheit und der Lage des Grundabtretungsgegenstands ohne Rücksicht auf ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse zu erzielen wäre.3 Unter gewöhnlichem Geschäftsverkehr wird der Handel verstanden, der sich nach den marktwirtschaftlichen Grundsätzen von Angebot und Nachfrage vollzieht und bei dem die Preise nicht durch behördliche Vorschriften gebunden sind, sondern die Aushandlung des Preises den Vertragsparteien überlassen wird.4 Dabei wird vorausgesetzt, dass keine der Parteien die andere übervorteilt und in die Preisbildung alle Überlegungen einfließen, die üblicherweise bei entsprechenden Veräußerungen angestellt werden, so dass alle Merkmale des zu enteignenden Gegenstands bzw. Rechts ausreichend gewürdigt werden. Ungewöhnliche und persönliche Verhältnisse werden aufgrund des Maßstabs des gewöhnlichen Geschäftsverkehrs nicht berücksichtigt; die Berücksichtigung eines Affektionsinteresses ist daher ausgeschlossen.5 Entscheidend ist der Wert des entzogenen Gegenstands in der Hand eines jeden Inhabers.6 Da der Verkehrswert sich nach dem Preis des Gegenstands bestimmt, dient er als taugliche 4 Bemessungsgrundlage dann, wenn im Wege der Grundabtretung das Eigentum, ein Erbbaurecht als grundstücksgleiches Recht oder sonstige Rechte an Grundstücken entzogen werden. Wenn der Grundabtretungsgegenstand nicht entzogen, sondern, wie im Bergrecht aufgrund der den Eigentumsentzug einschränkenden Regelungen des § 81 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 üblich, mit einem Nutzungsrecht belastet wird,7 bedarf es einer Nutzungsausfallentschädigung. Dazu verhält sich § 85 nicht. Die Einräumung bloßer Nutzungsrechte zugunsten des Grundabtretungsbegünstigten ohne Eigentums- und dauerhaften Rechtsentzug wird nicht durch eine einmalige Entschädigung des Verkehrswerts abgegolten, sondern gemäß § 89 durch wiederkehrende Leistungen. Diese werden auf Grundlage einer Verzinsung nicht des Verkehrswerts des betroffenen Gegenstands, sondern des Verkehrswerts der Nutzung berechnet.

1. Wertermittlungsmethoden Zur Ermittlung des Verkehrswerts verweist Absatz 3 auf die aufgrund § 199 Abs. 1 BauGB erlasse- 5 nen Vorschriften. Diese sind entsprechend anzuwenden. Durch die Anwendung der normierten Vorgaben zur Verkehrswertermittlung soll sichergestellt werden, dass auch im Bereich der Grund2 Zur Verkehrswertentschädigung im Baurecht ausführlich Scheidler ZfBR 2019, 126, 127 ff. 3 OLG Naumburg 6.6.2019, 2 U 120/18, juris Rn. 30 ff. (zum Verkehrswert i.S.d. § 194 BauGB). 4 Ausgeschlossen sind etwa Grundstücke, die bereits vor dem Eigentumserwerb dem öffentlichen Verkehr gewidmet sind, da sie mangels Verkehrsfähigkeit keinen realisierbaren Vermögenswert darstellen: OLG Naumburg 6.6.2019, 2 U 120/18, juris Rn. 32. 5 BT-Drs. 8/1315, S. 129; BGH 26.5.1977, III ZR 93/75, NJW 1977, 1725. 6 BGH 11.10.2007, III ZR 298/06, BGHZ 174, 25 Rn. 8; BGH 19.1.1989, III ZR 6/87, WM 1989, 1154, 1155. 7 BGH 3.6.1982, III ZR 189/80 = ZfB 1982, 453, 455. 987

Keienburg/Wiesendahl

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Siebenter Teil – Bergbau und Grundbesitz, öffentliche Verkehrsanlagen

abtretung bei der Ermittlung des Verkehrswerts soweit wie möglich nach einheitlichen Grundsätzen verfahren wird.8 6 Bei der Ermittlung des Verkehrswerts von Grundstücken nebst ihren Bestandteilen und Zubehör sowie grundstücksgleichen Rechten, Rechten an diesen und Rechten an Grundstücken heranzuziehen ist insbesondere die ImmoWertV,9 die drei Wertermittlungsverfahren zur Verfügung stellt, nämlich das Vergleichswertverfahren einschließlich des Verfahrens zur Bodenwertermittlung, das Ertragswert- und das Sachwertverfahren.10 Von Bedeutung sind zudem die Entschädigungsrichtlinien Landwirtschaft und die Waldwertermittlungsrichtlinien, die spezifische Maßstäbe zur Ermittlung des Verkehrswerts landwirtschaftlicher bzw. forstwirtschaftlicher Grundstücke beinhalten. Es ist diejenige Wertermittlungsmethode zu wählen, die den Besonderheiten des konkreten 7 Falls am besten gerecht wird und unter Berücksichtigung aller wertbeeinflussenden Faktoren sowie bei Meidung der Gefahr einer Doppelentschädigung zu der richtigen, also angemessenen Entschädigung führt.11 Insoweit ist die Wahl eines der (gleichwertigen) Wertermittlungsverfahren eine Einzelfallentscheidung.12 Die Bergbehörde ist daher nicht an ein bestimmtes Verfahren gebunden. Ebenso ist auch im Fall einer gerichtlichen Überprüfung der behördlichen Entschädigungsfestsetzung der Tatrichter nicht an ein bestimmtes Bewertungsverfahren gebunden, sondern befugt, gemäß § 287 Abs. 1 Satz 1 ZPO über die Höhe der Entschädigung nach freier Überzeugung zu befinden.13 Im Vergleichswertverfahren wird der Verkehrswert aus Vergleichspreisen oder anderen Ver8 gleichsfaktoren für Grundstücke, die nach Lage, Nutzung, Bodenbeschaffenheit, Zuschnitt und sonstigen Merkmalen hinreichend mit dem zu bewertenden Grundstück übereinstimmen, abgeleitet. Das Vergleichswertverfahren eignet sich insbesondere zur Bestimmung des Bodenwerts.14 Bei der Verkehrswertbestimmung baulicher Anlagen scheitert das Vergleichsverfahren dagegen oftmals an Vergleichsobjekten. In diesen Fällen kann das Ertragswert- oder das Sachwertverfahren genutzt werden. Das Ertragswertverfahren ist speziell zur Bewertung von Renditeobjekten geeignet, bei denen eine Ertragserzielung im Vordergrund steht,15 da der Verkehrswert durch Berechnung des zukünftigen Überschusses aus Einnahmen und Ausgaben ermittelt wird. Heranzuziehen ist das Ertragswertverfahren daher sowohl bei fremdgenutzten aber auch bei selbstgenutzten Objekten, die dazu bestimmt sind, einen Ertrag zu erzielen.16 Das Ertragswertverfahren kann auch bei der Bewertung landwirtschaftlicher Flächen oder zur Ermittlung des Bodenwerts sonstiger Flächen, deren Wertigkeit aus der