Auswahl medicinisch-gerichtlicher Gutachten der königlich wissenschaftlichen Deputation für das Medicinalwesen, Erster Band: Mit Genehmigung des Herrn Ministers der geistlichen, Unterrichts- und Medicinal-Angelegenheiten herausgegeben von der Königlichen wissenschaftlichen Deputation für das Medicinal-Wesen 9783111612591, 9783111236803

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Auswahl medicinisch-gerichtlicher Gutachten der königlich wissenschaftlichen Deputation für das Medicinalwesen, Erster Band: Mit Genehmigung des Herrn Ministers der geistlichen, Unterrichts- und Medicinal-Angelegenheiten herausgegeben von der Königlichen wissenschaftlichen Deputation für das Medicinal-Wesen
 9783111612591, 9783111236803

Table of contents :
Vorwort des Herausgebers
Inhalt
I. Gutachtliche Aeufserung über eine von dem Professor Heinroth zu Leipzig herausgegebene Schrift: „Ueber das falsche ärztliche Verfahren bei criminal-gerichtlichen Untersuchungen zweifelhafter Gemüthszustände“
II. Gutachten über den Gemüthszustand eines wegen Veruntreuung im Dienst zur Untersuchung gezogenen Beamten
III. Gutachten über den Gemüthszustand und die Zurechnungsfähigkeit einer jungen Brandstifterinn, wobei die Frage aufgeworfen worden: ob und in wie weit, besonders bei dem Mangel aller äußeren Motive zur That, bei der Inculpatin ein solcher körperlicher oder Seelenzustand anzunehmen sei, der ihre Zurechnungsfähigkeit in Casu concreto ganz oder zum Theil ausschliefst?
IV. Gutachten über den Gemüthszustand des Eigenkäthner M. W., als er den Landreuter G. erschlagen hatte, und Beantwortung der Frage: ob es wahrscheinlich sei, dafs Inquisit zur Zeit der verübten That nicht im normalen Gemüthszustande sich befunden habe, und er also nicht im Stande gewesen sei, mit Freiheit und Ueberlegung zu handeln?
V. Gutachten über den Gemüthszustand einer Frau, welche ihre beiden Kinder, das eine tödtlich, verwundet hatte
VI. Gutachten über die Ursachen und die Tödtlichkeit verschiedener in einem rücksichtlich Statt gefundener Tödtung zweifelhaften Falle vorgefundener Verletzungen
VII. Gutachten über die Tödtlichkeit einer Kopfverletzung
VIII. Gutachten darüber, ob in dem erzählten Falle aus dem Leichenbefunde auf eine statt gefundene Vergiftung zu schliefsen
IX. Gutachten über das Alter und die Todesart einer heimlich gebornen Frucht, wobei die Frage aufgestellt worden: Ob mit Gewifsheit anzunehmen sei, dafs das Kind, von dem die unverehel. B. zu S. in der Nacht vom 23sten zum 24sten März 1819 niedergekommen ist, eine Frucht von mehr als 3o Wochen gewesen sei, und in der Geburt gelebt habe?
X. Gutachten über Vollständigkeit, Leben nach der Geburt und Ursache des Todes eines neugebornen Kindes
XI. Gutachten über die Lebensfähigkeit, das statt gefundene Leben und die Ursache des Todes des von der unverehel. G. H. zur Welt gebrachten Kindes
XII. Gutachten darüber: „Ob das von der P. W. in St. heimlich borne Kind noch während der Geburt gelebt habe?“
XIII. Gutachten über die Art des Todes eines neugebornen Kindes
XIV. Gutachten über das bei der Geburt statt gefundene Leben eines heimlich gebornen Kindes
XV. Gutachten über die Todesart eines neugebornen Kindes, und die Entstehung der am Halse vorgefundenen Verletzungen
XVI. Gutachten über die Todesart eines neugebornen Kindes und die Tödtlichkeit der vorgefundenen Verletzungen

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A u s w a h l medicinisch - gerichtlicher

G u t a c h t e n d e r

K ü u i g l . wissenschaftlichen Deputation für das Medicinalwesen, mit

G e n e h m i g u n g

Eines hohen Ministerii der GeistlichenUnterrichts- und MedicinalAngelegenheiten herausgegeben von

Dr.

Fr.

K l

Ktinigt. Geheimen Medicinal - Rathe

u g,

und Professor,

Her K ö n i g ! , w i s s e n s c h a l t l i c h e n D e p u t a t i o n wesen,

Mitdireclor

Coramission,

der

Konigl.

mehrerer

für

d«>

Ober - Examinations-

gelehrten

Gesellschaften

Mitgliede.

E r s t e r

B

e

r

l

i

G e d r u c k t bei

n

Band.

,

und

Director Medicinal-

1 8 2 8 .

v e r l e g t

G . I i e i in e r .

Vorwort des Herausgebers.

w ie allen Erfahrungswissenschaften durch Aufstellung aus dem Leben entnommener Beispiele vorzüglich genützt wird, so ist dieses auch der Fall mit der Medicin, besonders der gerichtlichen, welche eine nur auf Anschauung und Erfahrung gegründete, alles , was hypothetisch ist, verbannende Doctrin im strengsten Sinne ist. Mittheilungen medicinisch - gerichtlicher Verhandlungen haben in dieser Hinsicht, schon als treue Darstellungen von Ereignissen im Fache der betreffenden Lehre, ihren unleugbaren und bleibenden Werth, welcher einestheils

IV

durch das Interesse und die Belehrung, welche an sich ein Fall vorzugsweise g e w ä h r t , anderntheils durch eine fleifsige und ausführliche Begutachtung desselben erhöhet wird. S a m m l u n g e n solcher Fälle sind verschiedentlich, vorzüglich in f r ü h e r e n Zeiten, veranstaltet, doch auch aufserdem nicht wenige O r i m i n a l - Berichte und Gutachten in periodischen, entweder ausschliefslich der chen Medicin, oder der

gerichtli-

Criminalrechtslehre

gewidmeten, oder allgemein ärztlichen Schriften bekannt gemacht worden, und

dürfte es

daher wohl s c h e i n e n , als wären dergleichen n u n m e h r in hinreichender Anzahl im Druck erschienen, zumal die Verschiedenheit der Fälle überhaupt mehrere und

so

grofs

jeder

Art

Schriften

nicht in

leicht

ist ,

jenen

dafs

nicht

Sammlungen

aufgefunden

werden

könnten. W e n n indefs die gerichtliche Medicin, als Wissenschaft betrachtet, in den neueren Zeiten rasch vorgeschritten

ist

und

alljährlich

sich m e h r ausbildet, die Forderungen an Arbeiten in diesem Fach

in eben

dem Maafse

steigen und eine gröfsere Ausführlichkeit und Vollständigkeit derselben hierdurch

nothwen-

V

dig herbeigeführt wird, wenn aufserdem kein Fall genau dem andern gleich ist, vielmehr, bedingt durch die unendliche Verschiedenheit der einwirkenden Umstände, wie der betroffenen Organismen, ein jeder sich anders gestaltet, jeder auch einer mehrseitigen Betrachtung und Begutachtung fähig ist, so werden Sammlungen der erwähnten A r t , und sollten auch neue und unerhörte Fälle darin nicht beleuchtet werden können, dennoch so wenig des Interesse als der Belehrung entbehren und die Zahl der unnützen Bücher keineswegs vermehren. Hiervon überzeugt, hatte ich bereits vor sechs Jahren den Entschluls gefafst, eine Sammlung der von der Königl. wissenschaftlichen Deputation für das Medicinalwesen verfafsten Gutachten herauszugeben, auch die Genehmigung Eines hohen vorgesetzten Ministerii hierzu nachgesucht und erhalten. Ich habe aber lange mit der Ausführung gezögert, hauptsächlich, weil mir die Mufse mangelte, mich dem sehr mühsamen und Zeit raubenden Geschäfte, unter der vorhandenen nicht geringen Anzahl der Gutachten eine zweckmäfsige Auswahl zu treffen, hin zu ge-

VI

ben, theils auch, weil es an einem besondern Antriebe

unter

sonst

wenig

begünstigenden

Umständen fehlte. Dieser Antrieb ist inde£s neuerdings dadurch gegeben w o r d e n ,

dafs der Deputation

selbst an der Bekanntwerdung des von ihr erstatteten Gutachtens, lung das erste i s t , stände erlaubten

welches in der S a m m gelegen

war.

Die

Um-

die Hinzufügung von noch

mehreren Gutachten, wodurch die gegenwärtige S a m m l u n g entstanden i s t , von der

ich

nur w ü n s c h e , dafs sie den ihr gegebenen Titel einer „ A u s w a h l " vollständig und überall rechtfertigen möge. Es dürfte hier am passenden

Orte sein,

in der Kürze das Verfahren anzugeben, w e l ches

die

Deputation

in

den

verschiedenen

Zeiträumen seit ihrer Entstehung bei Abfassung ihrer Gutachten, namentlich der Criminal-Gutachten, befolgt hat. Seitdem dieselbe i m Jahre 1810 in

der

Medicinal - Abtheilung des damaligen Departements der allgemeinen

Polizei eingerichtet

worden ist, um einen Theil der bis dahin von dem Ober - Collegio medico et sanitatis

ver-

walteten Geschäfte zu übernehmen, sind auch

die von den Gerichtshöfen in Fällen, wo die von den Médicinal - Collégien der Provinzen erstatteten ihnen nicht genügten, verlangten Gutachten in Criminal- und andern Angelegenheiten im Auftrage des gedachten Departements und nachher Eines hohen Ministerii der Geistlichen- Unterrichts- und MedicinalAngelegenheiten, wie früher von dem OberCollegio medico, so von der Deputation ertheilt vrorden. Letztere behielt hierbei anfänglich noch das bisher üblich gewesene Verfahren des Votirens bei, indem nach den Votis der einzelnen Mitglieder nach einer gewissen Reihefolge von e i n e m Mitgliede das Gutachten ausgearbeitet, dann vorgetragen und von sämmtlichen Mitgliedern unterschrieben wurde. Aber noch in dem nemlichen Jahre wurde hierin eine Aenderung getroffen, und zwar dahin, dafs der Director der Deputation zur Ausarbeitung solcher Gutachten i m m e r zwei Mitglieder, den einen zum Referenten, den andern zum Correferenten ernannte, und w a r es vornemlich die Pflicht des ersteren, das Gutachten auszuarbeiten. Der Correferent durfte sich begnügen, dem Gutachten des Referenten bei-

VIII

zutreten und dieses durch seine Mitunterschrift zu erkennen zu geben. Von dieser Erlaubnis machten die Mitglieder jedoch nur selten Gebrauch und es unterschieden sich die Correlationen von den Relationen mehrentheils nur dadurch, dafs ersteren die ausführliche Geschichtserzählung nicht, wie den letzteren vorangeschickt war. Die Arbeit des Correferenten konnte daher nicht allein zur Vervollständigung der Relation, sondern auch in geeigneten Fällen für sich als Gutachten benutzt werden. Mit dem Anfange des Jahres 1817 wurden, gemäfs der i m Januar dieses Jahres von Einem hohen vorgesetzten Ministerium ertheilten Instruction, jedesmal zwei Referenten ernannt, so dafs jeder derselben ein vollständiges Gutachten auszuarbeiten hatte, welches der erste Referent versiegelt unmittelbar dem Director der Deputation überschickte. Die Akten gelangten hierauf an den zweiten Referenten, welcher sie nebst der von ihm angefertigten zweiten Relation ebenfalls dem Director Behufs des Vortrages beider Relationen aushändigte, deren eine demnächst von den Mitgliedern angenommen und unterschrieben

IX

w u r d e , nachdem die etwa noch für nöthig erachteten Abänderungen waren getroffen und hinzugefügt worden. Das eben beschriebene ist das auch noch in diesem Augenblick geltende Verfahren und ist hierdurch nicht allein eine Ausführlichkeit der Geschichtserzählung, sondern auch eine Vollständigkeit der Beurtheilung, wie sie sonst nicht leicht zu erlangen gewesen wäre, erreicht worden. Dafs auch die Ausarbeitung einer species facti ihren grofsen Werth hat, und nicht etwa, wie hin und wieder wohl geäufsert v,-orden, eine vergebliche und überflüfsige Mühe ist, hiervon ist Jeder, welcher die Bearbeitung von Criminal-Gutachten je selbst übernommen h a t , ohnehin überzeugt. Aber es unterliegt auch keinem Zweifel, dafs eigentlich die A r t , wie die species facti niedergeschrieben worden, uns den Gang der Ideen bezeichnet, welcher den Verfasser des Gutachtens geleitet h a t , die Punkte angiebt, auf welche er bei der Beurtheilung einen besondern W e r t h gelegt und worauf der erkennende' Richter nur zurückzugehen hat, wenn er Zweifel erledigt oder andere Funkte in ein helleres Licht gestellt wissen will, ja,

X

dafs selbst eine sorgfältige Ausarbeitung jener species facti Gewähr leistet dafür, dafs auch der Gegenstand gehörig erwogen worden ist. Aus

dem

Zeiträume

nach

1816 rühren denn auch fast

dem

Jahre

sämmtliche in

gegenwärtige Sammlung aufgenommene Gutachten her, indem sowohl in dieser längeren Zeit die meisten, als auch, zufolge des eben beschriebenen Verfahrens, die ausführlicheren Gutachten erstattet worden sind. Schliefslich bemerke ich, dafs, wie überall, wo collegialische Verhältnisse

herrschen,

so auch in der Deputation bei den Berathungen

abweichende

Meinungen

geglichen und vereinigt

entweder aus-

werden, oder

nach

Mehrheit der Stimmen der Beschlufs gefafst wird, welchen die Deputation als solche vertritt.

Die Deputation hat es sich aber in Cri-

minalsachen vorzüglich zum Gesetz gemacht, da, wo ihr Gewifsheit nicht einleuchtet, ihr Urtheil

zweifelhaft

zu

stellen

und

Wahr-

scheinlichkeit nach ihren verschiedenen Graden jederzeit da gelten zu lassen, wo das Factum nicht streng zu beweisen war. W a s die Gestalt betrifft, unter

welcher

ich die Gutachten der Oeffentlichkeit

iiberge-

XI

ben habe, so ist denselben,

mit

Ausnahme

einiger Abkürzungen und unwesentlicher Aenderungen überall

die ursprüngliche

Fassung

geblieben. Alle Andeutungen auf Personen- und Ortsverhältnisse sind, um nirgend Anstofs zu geben, von mir sorgfaltig vermieden, auch die Verfasser der Gutachten nicht genannt worden. Ich bin bemüht gewesen, vorzüglich solche Gutachten auszuheben,

die von

irgend

einem besondern Interesse entweder in Hinsicht ihres Inhalts oder der A r t der Bearbeitung waren. ist i m m e r

Die Z a h l der frappanten Falle nur gering

und

im

Verhältnifs

•wenige waren nach Inhalt und Bearbeitung in gleichem M a a f s j zur öffentlichen Bekanntmachung geeignet. In Betreff der bearbeiteten

Gegenstände

habe ich möglichst f ü r Abwechselung gesorgt, doch hat in dieser Beziehung mein Bestreben nicht so

vollkommen

manche an sich

gelingen

sehr wichtige

können,

da

Gegenstände

selten, andere dagegen, z. B. die zweifelhaften Todesarten neugeborner Kinder, unverhältnifsm ä f s i g oft bei den Criminalgerichtshöfen zur Sprache kommen.

XII

Sollte meinem Unternehmen eine günstige Aufnahme zu Theil werden, so dürfte mich solches zur Fortsetzung dieser Sammlungen bestimmen, und werde ich dann eine sorgfältige und zweckmässige Auswahl mir immer mehr angelegen sein lassen. Berlin, im November 1828.

Dr, Fr. Klug.

I n h a l t .

I. G u t a c h t l i c h e A e u f s e r u n g ü b e r eine von dem P r o f e s s o r Heinroth zu L e i p z i g herausgpgebene Schrift: „ U e b e r das falsche ä r z t l i c h e V e r f a h r e n bei c r i m i „ n a l - gerichtlichen Untersuchungen zweifelhafter „Gemiithszustände." Seite 1 II. Gutachten ü b e r den G e m ü t h s z u s t a n d e i n e s wegen Veruntreuung im D i e n s t zur U n t e r s u c h u n g g e z o g e nen B e a m t e n —

67

IIL Gutachten ü b e r den G e m ü t h s z u s t a n d und die rechnungsfähi^lteit e i n e r j u n g e n B r a n d s t i f t e r i n , bei die F r a g e aufgeworfen w o r d e n : ob u n d in weit, besonders b e i dem M a n g e l aller nufseren tive zur T h a l , bei der I n c u l p a t i n n ein s o l c h e r perlicher o d e r S e e l e n z u s t a n d a n z u n e h m e n s e i , ihre Z u r e c h n n n g s f ä h i g k e i t in casu c o n c r e t o oder zum T h e i l a u s s c h l i e f s t

85

Ztiwowie Mokörder ganz —

IV. Gutachten ü b e r den G e m ü t h s z u s t a n d des E i g e n k ä t h ner M . W . , als e r den I a n d r e u t e r G . e r s c h l a g c n hatte, u n d B e a n t w o r t u n g der F r a g e : o b es w a h r scheinlich s e i , dafs Inrjuisit zur Z e i t der x e r ü b t e n Tliat n i c h t i m n o r m a l e n G e m i i t h s z u s t ä n d e sich befunden h a b e , u n d e r a l s o n i c h t im S t a n d e gewesen sei, m i t F r e i h e i t und U e b e r l e g u n g zu h a n d e l n . — 109 V.

Gutachten ü b e r den G e m ü t h s z u s t a n d e i n e r F r a u , welche i h r e beiden K i n d e r , das eine t ö d t l i c h , v e r wundet h a l t e —

147

V I . Gutachten ü b e r die U r s a c h e n und die T ö d t l i c h k e i t verschiedener in e i n e m r ü c k s i c h l l i c h S i a i t g e f u n d e ner T ö d t u n g zweifelhaften F a l l e v o r g e f u n d e n e r V e r letzungen —

177

xir Vif.

Gutachten letzung.



über die Tödtlichkeit

einer

KopfverSeite 195

VIII. Gutachten darüber, ob in dem erzähllen Falle a m dem Leichenbefund« auf eine siatt gefundene Vergiftung zu schlielsen. . . . , . —

209

I X . Gutachten über das Alter und die Todesart einer heimlich gebornen F r u c h t , wobei die Frage aufgestellt worden: Ob mit Gewifsheit anzunehmen sei, dafs das Kind, von dem die unverehelichte B. zu S . in der Nacht vom 23sten zum 24sten März 1819 niedergekommen ist, eine F r u c h t von mehr als 3 0 W o c h e n gewesen sei, und in der Geburt gelebt habe. — 221 X . Gutachten über Vollständigkeit, Leben nach der G e burt und Ursache des Todes eines neugebornen Kindes — 243 X I . Gutachten über die Lebensfähigkeit, das statt gefundene Leben und die Ursache des Todes des von der unverehelichten G . H. zur W e l t gebrachten Kindes. — 275 X I I . Gutachten d a r ü b e r : „ O b das von der P . W . i n S t . heimlich geborne K i n d noch während der G e b u r t gelebt h a b e ? " — 313 X I I I . Gutachten über die Todesart eines neugebornen Kindes.

335

X I V . Gutachten über das bei der Geburt statt gefundene Leben eines heimlich gebornen Kindes. . . — 359 XV.

Gutachten über die Todesart eines neugebornen Kindes, und die Entstehung der am Halse vorgefundenen Verletzungen. . . . . . — 3/3

X V I . Gutachten über die Todesart eines neugebornen Kindes und die Tödtlichkeit der vorgefundeuen Verletzungen.

I.

Gutacht-

I.

Gutachtliche

Aeufserung

über ein« von dem P r o f e s s o r Ii einrot h zu Leipzig herausgegebene Schrift: , Ueber das falsche ärztliche Verfahren bei ,criminal-gerichtlichen Untersuchungen zweif e l h a f t e r Gemüthszustände."

Hing Gutachten.

1

A ^ o n E i n e m hohen Ministerin in der Geistlichen- Unterrichts- und Medicinal-Angelegenheiten ist der u n terzeichneten

wissenschaftlichen Deputation f ü r das

Medicinalwesen unterm 31slen J a n u a r d. J . befohlen worden,

eine

von

dein

Professor

Leipzig verfafsle, aus H i t z i g ' s Criininal-Kechtspflege

in

den

Heinroth

zu

Zeitschrift f ü r die

Preufs.

Staaten

etc.

.lahrgaug 1828. Bd. I. S. 95 f. besonders abgedruckte, mit einem Vorworte des Herausgebers versehene und von demselben mittelst eines Schreibens vom lsten Jan. d. J . bei Einem hohen vorgesetzten Ministerium eingereichte Schrift: ,,Ueber das falsche ärztliche Verfahren bei criminal-gericbtlichen

Untersuchungen zweifelhaf-

ter Gemiithszustände" welche bei der neuen R e d a c tion der gegenwärtig im §.18. T h . II. Tit. 20. A . L . R . und im

230. der Criin. Ordn.

enthaltenen

Vor-

schriften in Betracht kommen k ö n n t e , gründlich

zu

beurtheilen und sich gutachtlich darüber zu äufsern. — Diesem Auftrage hat die unterzeichnete Deputation nach

reiflicher E r w ä g u n g

des Inhalts besagter 1 *

4 Schrift u u d nach

den

E r g e b n i s s e n der

medicinischen

E r f a h r u n g im F o l g e n d e n zu geniigen g e s u c h t . Der Professor

Hein rot h

z w e i A b s c h n i t t e gelheilt. antwortung

mehrerer

von

hat

seine Schrift in

In d e m ersten ist die ihm

Be-

aufgestellten F r a g e n

e n t h a l t e n , wodurch er die „ K r i t e r i e n f ü r die P r ü f u n g und die R e s u l t a t e psychisch-ärztlicher G u t a c h t e n ü b e r haupt"

festzustellen

gesucht

hat;

findet sich eine Beurlheilting v o n

in d e m drei

in

zweiten

Hitzig'»

Zeitschrift f ü r die Cri/ninal-Ilechtspflege a b g e d r u c k t e n Gutachten. B e v o r aber die u n t e r z e i c h n e t e D e p u t a t i o n u r l h e i l u n g des ersten

und

hauptsächlich

kommenden Abschnitts übersehet, üigen W o r t e n den S t a n d p u n k t zu m ü s s e n ,

in

Betracht

glaubt sie m i t ei

überhaupt

bezeichnen

v o n w e l c h e m II e i n r o t Ii d e n

s t e h e n d e n Gegenstand

eurße-

in R e d e

betrachtet.

Das P r i n c i p des menschlichen L e b e n s , sagt er, ist die V e r a u n f t, so w i e das M a t e r i e l l e n u r die Basis ist. — D e r I n h a l t der V e r n u u f t aber ist das

Gebot

der H e i l i g k e i t . — D u r c h den Besitz der V e r n u n f t ist der M e n s c h f r e i d . h . zur S e l b s t b e s t i m m u n g fähig. — Der

Mensch kann

a b e r eben d e s h a l b , weil e r f r e i

ist, n i c h t g e z w u n g e n w e r d e n , w e n n er nicht selbst in den Z w a n g einwilligt.

Diese m o r a l i s c h e

Freiheit

des Menschen w i r d aber gestört durch seinen H a n g z u m Bösen.

D a d u r c h , dafs er sich diesem hingiebt,

wird

e r u n f r e i , m i t h i n w i r d nie die Unschuld w a h n s i n n i g , sondern nur die Schuld.

Der

Verlust der V e r n u n f t

und F r e i h e i t ist d e s h a l b nicht das E r z e u g n i f s k ö r p e r licher K r a n k h e i l s z u s t a n d e ,

sondern nur der

Hinge-

5 bang cum Böten und die Seele kann daher eben

se

gut und zwar nur moralisch erkranken, als der L t i b es kann. In diesen Sätzen sind die Grundleiiren der H e i n r o t h ' s c l i e n Theorie enthalten steht nur in Folgerungen

und alles übrige

be-

aus diesen Prämissen.



Allein gerade in d i e s e n P r ä i n i s s e n l i e g t a u c h d a s FalschederganzenLehre.

Wenn nämlichHein-

r o t l i 1 ) behauptet, das Princip des menschlichen L e bens sei die Vernunft, so wie das Materielle nur die Basis sei, so ist dies in solern richtig, als die V e r nunft

dasjenige

menschliche

ist,

durch

dessen

Besitz sich da*

Leben vor jedem anderen

auszeichnet.

W e n n er ferner 2 ) behauptet, der Inhalt der V e r nunft sei das Gebot der Heiligkeit, so ist dies, wenn auch nicht unrichtig, doch einseitig; denn der Inhalt der Vernunft, um H e i n r o t h s W o r t e zu gebrauchen, ist nicht blos die Idee des Gulen und Rechten , sondern

es

sind dieses

ebensowohl auch

die anderen

höchsten Ideen, des W a h r e n , Schönen u. s. w., w e l che der Mensch, vermöge seiuer Anlagen in sich zu entwickeln fällig ist.

Diese Einseitigkeit ist aber hier

nicht ohne Folgen, indem H e i n r o t h damit übereinstimmend

die

Unheiligkeit

als das der

Vernuuft

gradezu Entgegengesetzte und dieselbe Aufhebende betrachtet. — W e n n er ferner 3 ) behauptet, durch den Besitz der Vernunft sei der Mensch frei, d. h.

zur

Selbstbestimmung fähig, so ist dieses allerdings richt i g , insofern der Mensch beim Mangel der Vernunft unfrei i s t , sich nicht nach derselben zu vermag,

bestimmen

da sie überhaupt nicht vorhanden ist.

AI-

lein es ist nicht so zu verstehen, als bestände menschliche

Freiheit

eben

in

die

der Vernunft selbst,

vielmehr ist die Freiheit das Vermögen s i c h s e l b s t f r e i z u b e s t i m m e n , entweder n a c h der V e r n u n f t oder auch n i c h t

n a c h der Vernunft, und ist dieses

um deswillen hier zu bemerken, weil

Heinroth,

oft wenig g e n a u , Vernunft, Freiheit, Heiligkeit, Seeligkeit als

gleichbedeutende Begriffe gebraucht

— W e n n er aber sagt:

hat.

der Mensch kann eben des-

halb, weil er frei ist, nicht gezwungen werden, w e n n er nicht selbst in den Zwang einwilligt, — so ilndet dies natürlich n u r auf den noch mit Vernunft begabten Menschen seine Anwendung, nicht aber auf den u n freien. W e n n ferner 4) behauptet w i r d : die moralische Freiheit w ü r d e gestört durch seinen Hang zum B ö s e n ; d a d u r c h , dals er sich diesem hingäbe, würde er u n frei , 60 ist eben diefs der falsche Satz, um den sich alles drehet und aus welchem alle die anderen falschen Folgerungen hergeleitet sind.

Denn die mensch-

liche Freiheit ist ja eben das Vermögen sicli frei zu bestimmen,

den Geboten der

oder ihnen nicht zu folgen.

Vernunft zu

folgen,

Folgt der Mensch

selben, so wird er ein tugendhafter, folgt er nicht, so wird er ein lasterhafter werden.

denihnen

Das sind

die unmittelbaren und nolhwendigen Folgen und es können daher aus einer Nichtbeachtung der V e r n u n f t gebote zunächst immer nur moralische chen hervorgehen.

Wenn

Geistesgebre-

aber auch — was freilich

in der Regel durchaus nicht der Fall ist — als entferntere und mittelbare

Folgen

Geisteskrankheiten

durch den Hang zum Bösen sollten

hervorgebracht

w e r d e n kÖDDeii, so erscheint dieser H a n g doch i m m e r nur Als die e n t f e r n t e U r s n c h e der S e e l e n s l ö r u n g , su dafs z w i s c h e n beiden k e i n n o l h w e n d i g e r

und

un-

mittelbarer Z u s a i n m e n l i a n g S t a t t findet, und über d a s W e s e n , die s o g e n a n n t e nächste Ursache der krankheiten

Geistes-

d. 1). über die Natur des dabei im M e n -

schen S t a t t findenden k r a n k h a f t e n Z u s t a n d e s , ob d e r selbe m e h r iin Geistigen oder K ö r p e r l i c h e n begründet ist, durchaus kein A u f s c h l u ß g e w o n n e n

wird.

E s erscheint aber auch die A n n a h m e als in sich ungereimt, dafs der Mensch dadurch, dafs er der V e r nunft nicht F o l g e l e i s t e t ,

diese vernichten

selbst derselben berauben k ö n n e ,

sich

und

da i h m doch

eben

die Freiheit gegeben ist, sich nach derselben zu richten oder nicht zu richten.

Wie

soll d e r SIensch e i -

nen Tlieil seiner eigenen S e e l e t ö d l e n , a n sich selbst z u m theilweisen psychischen Mörder w e r d e n k ö n n e n ? W i e ist eine solche A n n a h m e

mit den L e h r e n einer

gelhulerten P s y c h o l o g i e nur irgend vereinbar u n d welchen , wirklich heillosen Folgerungen

würde

selbe f ü h r e n , w e n n s i e w e i t e r verfolgt w ü r d e ?

zu die-



Aber auch von der S e i t e der E r f a h r u n g betrachtet zeigt sich, w i e unten naher nachgewiesen w e r d e n wird, j e n e B e h a u p t u n g als völlig unrichtig, indem der H a n g z u m B ö s e n k a u m einmal

als entfernte occasio-

nelle Ursache der S e e l e n s t ö r u n g e n in Betracht k ö m m t , geschweige

denn

als ihre nächste

und

unmittelbare

U r s a c h e , w o r a u s die Natur derselben hergeleitet w e r den könnte.

Und w i e dieser S a t z sich a l s

scher zeigt, so sind e s deun natürlich a u s abgezogenen Folgerungen

„dafs

ein

fal-

a u c h die

dar-

n i e m a l s die U u -



8

tchnld wahnsinnig w ü r d e ,



sondern nur die S c h u l d ;

dafs der Verlust der Vernuofl und Freiheit nicht das Erzeugnifs körperlicher Krankheilszustände s e i , dafs die

Seele eben so gut (moralisch)

und

erkranken

k ö n n e , als der Leib es k a n n . " — Auf diese allgemeine Auseinandersetzung lassen w i r nun die Untersuchung der einzelnen Fragen folgen, w e l c h e H e i n r o t h in seiner Schrift aufgeworfen hat.

Von diesen

ist aber die e r s t e folgende: „ K ö n n e n die sogenannten G e m ü l h s - oder Geisteskrankheilen (Seelenstörungen) von

den

Aerzten

als

organische Uebel ihrem

Ur-

sprünge, Sitze und W e s e n nach dargethan w e r d e n ? " ( S . 10 der oben gen. S c h r i f t . ) Die M e d i a n ,

sagt H e i n r o t h ,

habe nur vier

Quellen, aus denen sie die organische Natur der S e e lenstörungen ableiten könne, nämlich die Anatomie, P h y siologie, Fathologie und Therapie. — Von diesen zeige uns die A n a t o m i e und z w a r die p a t h o l o g i s c h e allerdings mannigfache k r a n k h a f t e Veränderungen und Destructionen in allen Tlieilen des Organismus, w e l che aber nicht als die Ursachen der

Seelenstörungen

betrachtet werden könnten, sondern vor deren E n t s t e hen thälig

schon eine zerstörende und umbildende K r a f t gewesen

sein

müsse,

welche zugleich

Grund der Krankheilserscheinungen

iin Gebiete

den der

Vorslellkraft enthalte. — W a s zerstört und k r a n k haft umgebildet s e i , sei aus dem Kreise der gesunden oder krankhaften organischen Thntigkeiten getreten und so könne uns denu keine Ausartung des Gehirns oder seiner Umgebungen f ü r eine gleichsam sichtbare Ursache der Seelenslörungen gelten.



9



Allerdings erhalten w i r durch die pathologische Anatomie allein keinen befriedigenden Aufschluß über die nächste Ursache der Seelenstörungen , über den ihnen unmittelbar zum Grunde liegenden krankhaften Zustand des Seelenorgans, allein in manchen Fällen giebt sie uns doch einiges Licht und weiset uns wenigstens die entfernteren Ursachen nach, die wahr* scheinlich der Seelenstörung zum Grunde gelegen h a ben, und weon auch nicht behauptet werden kann, dafs die nach dem Tode gefundenen krankhaften V e r änderungen und Destructionen in allen Theilen des Organismus grade in der aufgefundenen Beschaffenheit, Ursachen der im Leben Statt gefundenen Krankheiten gewesen sind, so ist es doch sehr wohl möglich und selbst wahrscheinlich, dafs der im O r g a n i s c h e n w u r zelnde Krankheitsprozefs, der die aufgefundenen Mifsbildungen hervorgebracht h a t , auch auf die Statt g e fundene Seelenstörung einen Einflufs behauptet und eine o r g a n i s c h e A n I n g e zu derselben begründet habe. Die Häufigkeit des Vorkommens organischer Fehler, besonders des Gehirns und seiner Umgebungen bei Geisteskranken, scheint auf einen hier Statt findenden ursachlichen Zusammenhang hinzuweisen. Warum fände man sonst so häufig Abflachungen des Schädels, Unregelinäfsigkeit der Durchmesser der Schädelhüle bei Blödsinnigen? W a r u m so oft ungewöhnliche Dicke und Starke der Hirnschale, Entartungen der Hirnhäute von mannigfacher Art, Wasseransammlungen zwischen den Hirnhäuten, zwischen ihnen und dem Gehirn, iin Gehirn selbst? W a r u m die speciflsche Schwere des Gehirns verrück ter Personen oft verschieden

10



von seiner S c h w e r e im gesunden Z u s t a n d e ?

Warum

die Consistenz des Gehirns oft auffallend verändert, die Adergeflechte mifsfarbig, d i c k , g e s c h w o l l e n ,

verhiirtel

und voller W a s s e r b l a s e n ? Die Zirbeldrüse grüfser, k l e i ner als g e w ö h n l i c h , verhärtet und sonst auf v e r s c h i e dene W e i s e entartet? W a r u m so oft Knochenconcremente der h a r t e n Hirnhaut bei Menschen, die nach tobsüchtigen Anfällen, nach vorhergegangenen Erscheinungen von S c h w i n d e l , Schlaflosigkeit, Kopfschmerz u. s. w . vom Schlage getroffen w u r d e n , oder i Ii rem L e h e n durch Selbstmord ein Ende m a c h t e n ? Es ist bekannt, dafs ein Druck auf das entblüfste Gehirn Schläfrig k e i t , ein s t ä r k e r e r , A u f h ö r e n der Besinnung und den Tod hervorbringen kann.

Ergufs des Blutes in das Ge-

hirn m a c h t blutigen Schlagilufs und man kann z u w e i l e n im Gehirn die Spuren früherer Schlaglliisse n a c h w e i s e n . W e g n a h m e grüfserer Massen des grofsen Gehirns macht Unempfindliclikeit und Mangel an aller G e h i r n t h ä l i g k e i t ; E r w e i c h u n g des Gehirns V e r s t a n d e s s c h w ä c h e ,

Ver-

gefslichkeit u. s. w . W e n n man sagt, ein Gehirnleiden oder eine Gelnülhsstürung u. s. w . findet sich z u w e i l e n bei einer k r a n k h a f t e n Beschaffenheit im Gehirne ein, ein anderes Mal Dicht, so zeugt dies oft vou der F l ü c h t i g k e i t der Betrachtung.

W e n n grofse V e r k n ü c h e r u n g e n an

der harten Hirnhaut vorhanden sind und das Indivi duuin, in w e l c h e m sie v o r k o m m e n , lebt innfsig

und

in G e i n ü t h s r u h e ,

so kann es alt w e r d e n ,

erst

nach

erkennt

d e m Tode

man

etwas

und

Fehlerhaftes.

L e b t e es hingegen in G e m ü t s b e w e g u n g e n , iin Mil'sbrauch geistiger

Getränke,

k u r z ist Cougeslion

da,



11



«];ina w i r k e n jene Verknöcherungen höchst nachtheilig. So ist es auch mit den Ergiefsungen zwischen der A r a rhnoidea und pia inaler, wie man sie bei den melirsten "Wahnsinnigen

findet,

die bei ('ongestionen c?en

W a h n s i n n vielleicht grüfsteutheils unterhalten,

wäh-

rend lichte Z e i t e n ,

Tode

besonders kurz

vor dem

dann eintreten, w e n n keine Congestion, sondern vielleicht gar Collapsus

statt findet.

Daher das W o h l -

thalige des Ausbruchs der K a t a m e n i e n ,

der H ä m o r -

rhoiden u. s. w . W a r u m finden w i r ferner so o f t , nachdem der Eulwicklung von partiellem W a h n s i n n , Melancholie u. s. w. jahrelang die unverkennbarsten einer geslörlen

Verdauung

Symptome

vorher gingen, bei den

endlich nach langen Leiden Verstorbenen, die deutlichsten Metamorphosen von L e b e r , Milz,

Pankreas,

die auffallendsten Verschiebungen und

Verwachsun-

gen der Gedärme untereinander?

soll es e n d -

Wie

lich z u g e h e n , dafs nach mechanischen Verletzungen des Schiidels und Gehirns nicht blofs N e r v e n k r a n k heiten,

Epilepsie u. s. w . ,

sondern auch

Blödsinn,

Raserei e n t s t e h e n , da hier doch die äufsere Gewalt nicht mehr fortdauert, also nicht als gleichzeitige W i r kung

auch

die Seelenstürung hervorzubringen

m a g , sondern

ver-

nur allein die durch diese hervorge-

brachte organische Verletzung als w i r k e n d e Ursache in Betracht k o m m e n k a n n ? In allen diesen Fällen ist nicht entfernt darzut h u n , dafs diese organischen Verletzungen in einem ursächlichen Verhältnisse zu den im Leben statt gefundenen Seelenslüruugen n i c h t gestanden haben k ö n -

— nen; gen

r,» —

das Gegentlieil ist v i e l m e h r , wegen des häufiZusammentreffens beider, sehr

wahrscheinlich,

und die Annahme, dafs die vor dem Entstehen dieser organischen Abnonnilnten ihätig gewesene zerstörende und umbildende Kral't nur nebenher diese und

zu-

gleich und unabhängig davon die Seelenstörung bewirkt habe, bleibt eine, in den meisten Fällen unerweisliche, Hypothese. W ä r e dies aber auch der Fall, so wird ja eben dadurch, dafs diese zerstörende K r a f t im Organischen ihre W i r k u n g e n äufsert, die organische Natur der Geisteskrankheiten erwiesen. Dagegen dürfen w i r aber keinesweges

erwarten

und verlangen, dafs die pathologische Anatomie uns in jedem Falle einen k r a n k h a f t e n Zustand der bilde

nachweise.

Denn

wie

w i r in vielen

Ge-

Fällen

selbst von anerkannt körperlichen Krankheiten keine regelwidrige Beschaffenheit des Materiellen mit u n seren Sinnen e r k e n n e n ,

so können w i r auch nicht

behaupten, dafs hei Individuen,

in deren

Leichnam

sich keine Mifsbildungen auffinden lassen, die vorhergegangene, oft lange dauernde Seelenstörung nicht organischen Ursprunges gewesen sei und eine Behauptung dieser A r t w ü r d e eben so unbegründet s e i n , als w e n n man behaupten w o l l t e , dafs der nervöse Schlagflufs,

das bösartige Nervenfieber, die Hirnerschütte-

rung u . s . w . nicht organisch gewesen seien, weil man, w i e es häufig genug der Fall ist, in den Leichen der an diesen K r a n k h e i t e n Verstorbenen, nicht die m i n deste Spur von organischer Veränderung aufzufinden vermochte.



13



W e n n H e i n r o t h ferner b e h a u p t e t : stört und k r a n k h a f t

umgebildet

sei,

„ W a s zersei aus

dem

K r e i s e der gesunden oder k r a n k h a f t e n Thäligkeit ge treten und keine A u s a r t u n g des Gehirns oder seiner Umgebungen k ö n n e uns daher f ü r eine gleichsam sichtbare Ursache der Seelenstörungen g e l t e n ; "

— so ist

es e i n l e u c h t e n d , dafs w e n n ein Organ zerstört ist, allerdings w e d e r von einer g e s u n d e n , noch von einer krankhaften Thäligkeit desselben,

sondern

von

gar

k e i n e r m e h r die R e d e sein k a n n ; also bei einein z e r störten Seelenorgan, w e d e r von g e s u n d e r ,

noch

k r a n k e r S e e l e n t h ä t i g k e i t , ja von gar keiner thäligkeil m e h r .

Ist aber ein

von

Lebens-

Organ k r a n k h a f t

um-

gebildet, so ist es eben k r a n k h a f t t b ä t i g , nicht

aber

nnlhatig, welches T o d sein w ü r d e und keine K r a n k heit. Z u m Beweise d i e n e n die häufigen Fälle von B l ö d sinn mit chronischem W a s s e r k o p f , dessen Dasein schon w ä h r e n d des L e b e n s e r k a n u t wird und der viele J a h r e fortdauern k a n n .

H i e r k a n n natürlich nicht

behaup-

tet w e r d e n , dafs das k r a n k e , mit W a s s e r

umgebene

G e h i r n aus d e m

Thäligkeit

herausgetreten sei.

K r e i s e der organischen

E s fuugirt schlecht, k r a n k , blöd-

sinnig, aber es f u n g i r t doch.

I s t dies keine sichtbare

Ursache einer S e e l e n s t ö r u n g ?

A u c h ist niemals

Fall einer gelungenen H e i l u n g dieses Blödsinns gekommen,

bei

Fortdauer

der

der vor-

Wasseransammlung.

Die z w e i t e Quelle, aus w e l c h e r nAch H e i n r o t h die A e r z t e die organische Natur der Seelenstörungen sollen herleiten k ö n n e n , die P h y s i o l o g i e nämlich, hat es allerdings init a b n o r m e n Lebenserscheinungen nicht

— zu t h i m ;



14

einige Dala zur Entscheidung

der obigen

Krage aber giebt sie doch an die H a n d ,

durch die

N a c h w e i s u n g der genauen Verbindung z w i s c h e n L e i b und S e e l e in ihrer gesunden Thätigkeit und der nicht geringen A b h ä n g i g k e i t der Letzteren stande des Ersteren.

von dem

Zu-

Die Erfahrung l e h r t , dafs A b -

s t a m m u n g , T e m p e r a m e n t , Organisation, A l t e r u. s. w . einen entschiedenen

Geschlecht,

Einilufs auf die

Beschaffenheit des psychischen C h a r a k t e r s haben.

Es

ist namentlich k e i n e m Z w e i f e l u n t e r w o r f e n , dafs die Verschiedenheit der T e m p e r a m e n t e ihren Grund i m Körperlichen habe und nicht mit Unrecht hat

man

b e h a u p t e t , dafs manches Irresein nur e i n e , über eiu g e w i s s e s Maafs hinausschweifende S t e i g e r u n g des T e m peraments s e i , das Irresein

w o r a u s denn h e r v o r g e h t , dafs aucli

in körperlicher A b w e i c h u n g

begründet

sein könne. — liebrigens ist es s c h w e r begreiflich, w i e biblische sein,

S p r ü c h e z. B.

denn ich

G o t t ! — ferner:

,,lhr

bin heilig, Innerlich

H i m m e l r e i c h . " u. s. w .

sollt

der in

euch

hier e i n e

heilig

Herr, ist

Stelle

euer das finden

konnten, und es ist nicht zu v e r k e n n e n , dafs mit den mannigfach gebrauchten W o r t e n :

, , Gesetz der F r e i -

heit, Heiligkeit, Gebundensein, und Nichtgebundensein durch das Gesetz, eigentlich nur allbekannte und bedingt w a h r e Sachen auf e i n e andre A r t gesagt w o r den sind.

S o heilst es unter a n d e r n :

also durch das G e s e t z

„Wir

sind

(der Freiheit nämlich) n i c h t

g e b u n d e n , nicht Naturwesen, sondern zur Freiheit bestimmt und f r e i , so w e i t w i r es e r f ü l l e n .

Das Ge-

setz bindet uns, d. h . beraubt uns der Freiheit, d. h .

— macht uns unselig,

15



nur sobald und so weit wir es

nicht erfüllen u. s. w . Die Pn t h o l o g i e ferner soll nach H e i n r o t h den organischen Ursprung der Seelenstörungen nicht nachweisen können

1 ) weil die Symptome theils in den

Kreis des psychischen Lebens gehörten , theils wenn sie organischer Natur sind, ebensowohl auch

sntnint-

lich vorhanden sein könnten, o h u e dafs die mindeste psychische Störung mit denselben verbunden wäre. 2 ) W e i l die Ursachen häufig sowohl in psychischen Dispositionen als Einwirkungen bestünden und weil von den angeblichen ursachlichen Momenten organischer Art die Beweise fehlten, dafs sie wirklich ursächliche Momente der Seelenslörungen sind. Aus der Ij.ofsen Aufeinanderfolge könne dies nicht geschlossen werden und noch weniger aus dem gleichzeitigen Beisammensein organischer und psychischer Störungen. Die Erfahrung aber, die hier allein entscheiden kann, spricht deutlich für das Gegentheil.

Den m e i -

s t e n Seelenstörungen gehen krankhafte o r g a n i s c h e Erscheinungen voraus, anderen folgen sie oder begleiten sie, vervielfältigen sich bei ihrer Fortdauer und dauern oft so lange f o r t , als jene bestehen. — Dadurch wird ein inniger Zusammenhang beider m e h r als wahrscheinlich.

Eine bestimmte Reihe von p h y -

sischen Krankheitserscheinungen

ist hier nicht erfor-

derlich; grade wie bei andern organischen K r a n k h e i ten finden auch

hier mannigfache

und Variationen Statt.

Abwechselungen

Zwar können, wie

Hein-

r o t h ganz richtig bemerkt, alle die gewöhnlich

als

Begleiter psychischer Krankheiten angeführten Symp-



16



t o m e allerdings vorbandet» s e i n , o h n e dals die deste psychische S t ö r u n g damit verbunden w ä r e ;

min' al-

lein auch hei anderen, a n e r k a n n t organischen K r a n k heiten k o m m t Aehnliches vor.

Der F i e b e r k r a n k e h a t

H i t z e , Durst, Schlaflosigkeit, V e r ä n d e r u n g seiner S e c r e t i o n e n , w e l c h e S y m p t o m e Niemand als nicht

we-

sentlich zum Fieber gehörend betrachten w i r d ;

und

doch k o m m e n auch alle diese Erscheinungen solchem V e r h ä l t n i s s e zu einander K r a n k e nicht lieherkrank ist.

vor,

in eben

obwohl

der

Dasselbe findet bei den

psychischen K r a n k h e i l e n Statt.

Mau k a n n appetitlos,

verstopft sein, Ausleerungen k ö n n e n u n t e r d r ü c k t , das Gesicht k a n n roth, blafs und sonst verändert sein, o h n e dafs sich eine S p u r , on Seelenstüruug findet.

Dagegen

a b e r f i n d e t man hei vielen Seelengestürten u n v e r k e n n b a r e M e r k m a l e eines damit io Verbindung s t e h e n d e n organischen

Uebelbelindens.

Manche

Nervenkrankheiten,

Schlagilüsse, welche unvollständig eintraten, nicht e i n m a l L ä h m u n g e n der Glieder b e w i r k t e n ,

Epilepsieen,

Hysterieen, Hypocliondrieen, nachdem sie R e i h e n von J a h r e n o h n e eine S p u r von Seelenstörung u n d verliefen, gehen

endlich

über io

bestanden

Geisteskrank-

heilen, verbinden sich mit diesen, bald als W a h n s i n o , bald als periodische oder p e r m a n e n t e T o b s u c h t , als Blödsinn,

und b e h a u p t e n diese V e r b i n d u n g ,

bald so

maDcben Abwechselungen dieselbe auch u n t e r w o r f e n sein mag, bis zain Tode. dein moralischen hierbei

Irgend eine B e z i e h u n g zu

W e r t h e der

nicht auffinden.

Eben

Iudividuen lafst sich so

gehöreu

manche

a n d e r e häufig v o r k o m m e n d e S y m p l o m e offenbar einer k r a n k h a f t thätigen O r g a n i s a t i o n a u , w i e z u m Beispiel der

der

eigentümliche

Ausdruck

der Augen

und des

Blickes bei fielen Seelengestörten, ihre Gestikulation e n , ihre Haltung und Stellung, ihr Gang und die seltsamen Bewegungen ihrer Glieder, die «in

deut-

lichsten und auffallendsten erscheinen, wenn sie unbemerkt beobachtet werden. — Bei vielen Geisteskranken bemerkt man einen unangenehmen

Geruch

ihrer Ausdünstung, eine auffallende Trockenheil, Unthätigkeit und Uneinpfindlichkeit ihrer H a u t ,

Unord-

nungen und Veränderungen der natürlichen Ausleerungen, erliühete K r a f t und Ausdauer ihrer Muskeln, die durch die gewöhnlichen, oft heftigen Anstrengung gen gar nicht zu ermüden sind, häufig eine Unempfind« lichkeit gegen epidemische Einflüsse der Atmosphäre, denen sie in der Regel viel schwerer als Nichtgemüthskranke unterliegen; gegen Hitze und K ä l t e ,

ferner

Unempfindlichkeit

einen grofsen Torpor ihrer

Verdauungswerkzeuge, wobei die 4 , 6 and 12fachen Gaben drastischer Arzneimittel ohne alle wahrnehmbare Wirkung und Reaction gereicht werden können. Beweisen diese

eigentümlichen

Krankheitserschei-

nungen nicht, dafs die organische Seite des Menschen, die einen wesentlichen Theil der Person,

wiewohl

nicht in dem Sinne und in der Vorstellungsweise des Prof. H e i n r o t h ausmacht, bei diesen Krankheiten die vorzugsweise leidende sei ?

Und geht nicht dar-

a u s , dafs dieselben Erscheinungen nicht selten auch bei anderen Nervenkrankheiten ohne Verbindung mit Seelenstörungen angetroffen werden, deutlich hervor, dafs sie nicht erst als die Wirkungen von diesen hervortreten können, dafs die Seelenstörungen Klug Gutachten.

2

nicht



18



als die Ursachen derselben a n g e s e h e n w e r d e n d ü r f e n ? — W e n n aber auch k e i n e einzige K r a n k h e i t s e r s c h e i n u n g dieser A r t sich d a r b ö l e , so w ü r d e

daraus

doch

nicht folgen, dafs die psychische K r a n k h e i t k e i n e o r ganische sein k ö n n t e , da es selbst tüdlliche organische K r a n k h e i t e n gieht, deren U r s a c h e n durch d i e oft ganz u n e r w a r t e t e n Resultate der L e i c h e n ö f f n u n g e n erst e n t deckt w e r d e n ;

so k ö n n e n

vasa

varicosa im G e h i r n

d u r c h i h r e Z e r r e i f s u n g plötzlich den T o d so die H e r z w ä n d e

v e r d ü n n t sein u n d

verursachen,

rupturn

cordis

e n t s t e h e n , so vomicae p l a t z e n , deren Dasein sich w ä h rend

des L e b e n s nicht verrieth u. s. w .

Durch die

grofse V e r s c h i e d e n h e i t der S e e l e n s t ö r u n g e n w i r d auch eine grofse

Mannigfaltigkeit

tome h e r b e i g e f ü h r t .

der

organischen

Eine bestimmte

Symp-

R e i h e von Z u -

fällen giebt es d a h e r nicht, so w i e dasselbe auch

bei

a n d e r e n N e r v e n k r a n k h e i t e n , z . B. H y p o c h o n d r i e oder H y s t e r i e , der Fall ist.

Wie

hier,

so auch bei

S e e l e n s t ö r u n g e n , treten sie nicht selten ganz

den

zurück,

i n t e r m i t t i r e n , reinittiren u n d exacerbiren. M a n k a n n d a h e r nicht das V o r k o m m e n scher K r a n k h e i l s s y m p t o m e halb leugnen,

weil

bei Seelenstörungen

sie eine grofse

d a r b i e t e n , w e i l sie nicht i m m e r weil

sie m a n c h e n

A r t e n von

abzugeben s c h e i n e n ,

organides-

Mannigfaltigkeit

dieselben sind

Seelenstörungen

und ganz

nicht b e s t i m m t bei i h n e n e r -

kannt werden. W e n n aber H e i n r o t h b e h a u p t e t , die S y m p t o m e gehörten

zum

T h e i l in den

K r e i s des

L e b e n s , w i e f e r n sie sich auf I r r g e f ü h 1,

psychischen Irrwahn

u n d I r r t r i e b bezögen, w e l c h e s ä m m t l i c h , auch w e n n

— sie

wirklich

sollten,

aus

doch

19

organischen

— Leiden

offenbar k r a n k h a f t e

entspringen

Affectionen

des

empfindenden, vorstellenden und handelnden Wesens, k u r z , der Ferson nach seinem Begriff wären, — so wird hierdurch ja

eben zugegeben, dafs organische

Leiden die Ursachen seien oder wenigstens sein k ö n n t e n , welche die irrigen G e l ü h l e , Vorstellungen

und

Triebe hervorbrächten, so w i e eine gesunde Organisation normale Gefühle u. s. w . zur Folge h a t ; dafs mithin der Causalnexus nicht ein umgekehrter sein könne. W a s denn ferner die U r s a c h e n der Seelenstörungen betrifft, so behauptet H e i n r o t h , dafs zuvörderst die Anlage meistens, weun nicht immer in einer p s y c h i s c h e n Disposition bestehe, und dafs die Behauptung e r b l i c h e r Anlage nur etwas tisches sei.

hypothe-

Daraus, dnl's mehrere Glieder derselben

Familie seelengestüi t seien, folge noch nicht, dafs die Anlage erblich sei.

Der Grund des gemeinsamen Lei-

dens könne ebensowohl moralisch als organisch sein, z. B. in Erziehungsfehlern, in Familienunglück bestehen.

Aber auch angenommen, es gebe organische A n -

lagen zu Seelenstörungen, so seien sie doch f ü r sich allein nicht hinreichend,

diese K r a n k h e i t e n zu er-

zeugen. In der T h a t kann nur eine grofse Befangenheit, eine entschieden vorgefafste Meinung,

oder ein gro-

fser Mangel an Erfahrung zu solchen

Behauptungen

führen. Jeder psychische A r z t , der seine praktisch ausübt,

Wissenschaft

wird gewifs oft gefunden haben, o *



dafs die e r b l i c h e

20



Anlage eine leider seht häufig

v o r k o m m e n d e , prädispouirende Ursache der Seelenstürungen abgiebt.

So w i e zu N e r v e n - und

andern

organischen Krankheiten die Anlage sich fortpflanzt, so erzeugen

wahnsinnige

Väter

und Mütter

nicht

selten Kinder, bei denen nach der geringfügigsten V e r anlassung, oft ohne alle w a h r n e h m b a r e GelegenheitsUrsacbe, die Geisteskrankheit ausbricht.

In manchen

Familien theilten Base, O h e i m , Vettern u. s. w . mehr oder

weniger

dieselbe Anlage

und diese

ging auf

nachkommende Zweige desselben Stammes über.

Die

Krankheit entwickeile sich unter Umstanden, wo von Erziehungsfehlern, Familienunglück die Rede sein konnte.

u. dgl. gar nicht

W e n n diese moralischen Ein-

flüsse f ü r die Bildung von Seelenstürungen so entscheidend w ä r e n , wie viel gröfser w ü r d e dann Zahl

dieser

Kranken sein

und

welche

die

Anstalten

miifsten vorhanden sein, um nur den geringsten Theil derselben zu fassen.

K a u m müchte es ein D o r f , -ein

Städtchen geben, w o diese moralischen — Erziehungsfehler

und

häufig genug v o r k ä m e n .

Verhältnisse

Familienunglück —

nicht

Die Erfahrung lehrt viel-

mehr, dafs bei einem gesunden K ü r p e r , der eine gesunde Seele bedingt, die härtesten Schläge des Schicksals ertragen werden, ohne Zerrüttung des Geistes hervorzubringen,

w ä h r e n d bei zerrüttetem K ö r p e r ,

bei

verstimmtem Nervensystem, oft unter den günstigsten Aufsenverhaltnissen sich Seelenstörungen

unabwend«

bar entwickeln. Die erbliche Anlage m u f s

aber eine

a t h » s e i n , wenn auch das anatomische

organiMesser

sie

nicht nachzuweisen

vermag,

denn sie erreicht ihre

Entwickelung uod begünstigt die Entstehang von S e e leuslürungen

unter den verschiedensten

Einflüssen in allen Ständen

psychischen

und unter den mannig-

fachsten Verhiiltnissen, ohne dafs man eine p s y c h i s c h e S c h ä d l i c h k e i t , die sie veranlagt hätte, entdecken k ö n n t e . Ein gewisses A l t e r , eine sitzende

Lebensweise,

eine bequeme, geschäftslose L a g e , der blofse Eintritt des Wochenheltes, sind oft hinreichend, uin diese erbliche Anlage zu Seelenstörungen zur Entwickelung zu bringen.

Aufser

den

Geinülhskranken kommen

ia

solchea Familien auch nicht seilen hysterische, h y p o chondrische, epileptische und sonst Nervenkranke von den verschiedensten Nuancen vor.

Einige sind e n t -

schieden w a h n s i n n i g , andere weniger in die Augen fallend, so dafs eine genaue Bekanntschaft mit ihrer Individualität nüthig ist, um das erbliche Gepräge zu erkennen. heiten

Niemand wird bezweifeln, dafs jene K r a n k -

organische Krankheiten sind.

W e n n sie es

aber s i n d , sollten denn die Seelenstörungen es nicht auch sein , da alle Glieder derselben Familie einem Stamm T a a r e angehören und da die Geisteskranken und Nervenkranken d e n s e l b e n

geistigen, morali-

schen und bürgerlichen Einflüssen ausgesetzt waren ? Aufser dieser angeerbten Anlage giebt es auch noch eine a n g e b o r e n e .

Kinder von geistig gesun-

den Eltern können eine solche A n l a g e mit zur W e l t bringen.

Alle übrigen Kinder derselben Eltern k ö n -

nen gesund, eins aber durch diese Anlage ausgezeichnet sein.

Schon von der frühesten Kindheit an zeigt

sieb ein solches abweichend in s e i n e m B e n e h m e n , seinem G e s i c h t s a u s d r u c k ,

begreift s c h l e c h t , ist

u n r e i n l i c h , b e s c h r ä n k t , a u l f a l l e n d in s e i n e i n

in

sehr

Verhal-

t e n gegen G e s c h w i s t e r und E l t e r n , und so k a n n sicli W a h n s i n n u n d Blüdsinn schon

frühzeitig und

lange

vor d e m E i n t r i t t e der M a n n b a r k e i t e n t w i c k e l n .

Von

Erziehungsfehlern

und

Familienunglück

nichts a u f z u f i n d e n s e i n ;

kann

dieselbe E r z i e h u n g ,

Geschick ist allen geinein

gewesen

und

dabei

dasselbe

doch

unter

vielen a n d e r u ein geistig eigenthüinlichcs K i n d , einer angebomen

Anlage

abhängig.

JUufs h i e r

Ursache nicht organisch s e i n , da der geistig Z u s t a n d in seinein K e i m oder

von

schon

die

kranke

vorhanden

k a n n t w i r d , zu einer Z e i t w o S e e l e u s l i i r u n g e n

er-

durch

psychische Einflüsse noch n i c h t vorbereitet o d e r a u s gebildet

werden k ö n n e n ?

denn

von

einer

morali-

schen E n t a r t u n g k a n u bei K i n d e r n von w e n i g e n J a h r e n nicht die R e d e sein und was in

den ersten f ü n f

J a h r e n d e s L e b e n s sich als A n z i n g des Uebels zeigte, w i r d in den späteren J a h r e n der M a n n b a r k e i t i m m e r deutlicher und m e h r e n t w i c k e l t , Umstände, Trennung

die des

mit

Heinroth

Menschen

von

ohne Hülle „eine der

solcher

freiwillige

Vernunft'*

be-

w i r k e n sollen. Mancherlei a n d e r e k ö r p e r l i c h e Z u s t ä n d e disponir e n a u f s e r d e m besonders

zu

Geisteskrankheiten.

So

w e r d e n M e n s c h e n mit s c h w a c h e n N e r v e n , von h y s t e rischer Constitution, I n d i v i d u e n , die durch ein a n h a l t e n d e n d e s Zimtnerleben g e s c h w ä c h t , d e m Eiuilusse der L u f t u n d der stärkenden

E i n w i r k u n g einer mit

strengung und Thätigkeit der

Muskeln

An-

verbundenen



'2i



Lebensweise entzogen bind, nach allen bisherigen Erfahrungen viel leichter geisteskrank, als solche, bei denen die entgegengesetzten Verhältnisse Statt linden. Ebenso w i e die körperliche Anlage, sucht H e i a r o t h denn auch die physischen -Schädlichkeiten, als G e l e g e n h e i t s u r s a e h e n der Seelenstörungen z weifelhaft zu machen. Er behauptet, dafs wenn Störungen organischer l'rozesse, der Hämorrhoiden, Menstruation, Lochien u. s. w . als Ursachen von Seelensliirungen angesehen würden, so wäre dies irrig, weil Iiier psychische Erschütterungen vorausgegangen w ä ren , bei deren Einwirkung denn auch diese organischen Frocesse nicht ungestört hätten bleiben können. — Die Erfahrung lehrt aber hiervon vielfach das Gegentheil. Häufig entstehen Seelenslörungen allein durch körperliche Einflüsse, welche Unordnungen in den Verrichtungen des Körpers herbeiführen, ohne gleichzeitige psychische Schädlichkeiten, ohne Gemüthsbew e g u n g e n , ohne fehlerhafte Erziehung oder eigene Verwahrlosung. So entstehen namentlich zur Zeit der Fubertätsentwickelung n e b e n a n d e r e n N e r v e n k r a n k h e i t e n , Veitstanz, Epilepsie u. s. w . , a u c h Seelenstörungen , allein durch uie Einwirkung physischer Schädlichkeiten: Erhitzung, Erkältung des Körpers, Witterungseinflüsse u. s. w . , welche bei oberflächlicher Untersuchung freilich leicht übersehen, durch eine sorgfältige Nachforschung aber entdeckt weiden. Dasselbe vermag die Schwangerschaft für

24





sich allein zu bewirken , sobald eine a n g e b o r n e

oder

später erworbene Anlage die Entstehung von N e r v e n krankheiten und Seelenstörungeu begüustigt.

E s fehlt

nicht an E r f a h r u n g e n , dafs eine periodische

Melan-

cholie nur

während

bei Personen eintrat,

der

Schwangerschaft

die vor und nachher sich w o h l

befanden, und diefs geschah so oft und w a r so deutl i c h und

zweifelsfrei,

dafs

man

Melancholie für ein Z e i c h e n tenen S c h w a n g e r s c h a f t Einwirkungen

von

die

neubegonnene

d e r wieder

eingetre-

halten k o n n t e .

Geistige

Erheblichkeit

fanden dabei

gar

nicht S t a t t . A u f dieselbe W e i s e k a n n ferner das bett

wirken.

Derselbe

gereizte,

Wochen-

geschwächte

stand des Nerveusystems, der W ö c h n e r i n n e n

Zu-

zu

so

manchen Nervenkrankheiten geneigt m a c h t , begründet auch die Entstehung von Seelenstörungen, die hier so häufig ohne alle wahrnehmbare geistige Einflüsse zu Stande kommen.

Nicht reiten

entsteht in

mehreren

W o c h e n b e t t e n nach e i n a n d e r , zuweilen selbst in len eine Mania oder JUelancholia p u e r p e r a l e ,

al-

häufig

bei z w e c k m ä ß i g e r Hülfe leicht heilbar, zuweilen bei versäumter und u n z w e c k m ä ß i g e r

Hülfe

in eine

un-

heilbare Manie übergehend, wovon sich in jeder grofsen Irrenanstalt Beispiele linden.



Manche andere physische Schädlichkeiten bringen n i c h t weniger häufig Seelenstörungen h e r v o r ;

so die

Ursachen der Hypochondrie, Hysterie, der A n o m a l i e e n in den K a t a m e n i e e n , den Hämorrhoiden u. s . w . b e sonders bei schon vorhandener Anlage.

Menschen, die

eine sitzende Lebensart f ü h r e n , wobei die Verdauung

gestört, Hämorrhoiden und Menstruation werden,

inanclie

Handwerker

und

unterdrückt

Fabrikarbeiter,

'weibliche Individuen, die einem stillen, mit

unun-

terbrochenem Sitzen verbundenen Berufe sich hingeben, werden viel leichter geisteskrank, als Individuen von entgegengesetzter Beschäftigungsweise, bei denen viel Bewegung in freier L u f t , Anstrengung der p h y sischen K r ä f t e und Beförderung der Verdauung nicht fehlen.

Bei jener Lebensweise sind oft nur geringe

geistig wirkende Schädlichkeiten, oft auch gar keine o ü t b i g , um selbst geringere Grade organischer Nervenübel bis zur vollendeten gern. — In

Seelenstörung zu stei-

andern Fällen werden

Seelenstörungen

hervorgebracht durch den Mifsbrauch geistiger,

da9

Gehirn erhitzender Getränke; hitzige Fieber mit Entzündungen, Nervenfieber, Ruhren, haben nicht selten o h n e vorhergegangene Einwirkung psychischer E i n flüsse,

Seelenstörungen hervorgebracht und m a n h a t

n i c h t gefunden, dafs irgend ein e t h i s c h e s h ä l t nifs,

ein

Ver-

größerer oder geringerer Grad ¡von

moralischer Bildung und Haltung sich hierbei geltend gemacht hätte. Ueberhaupt wird Jeder, der oft Gelegenheit hatte zu beobachten,

w i e und unter welchen

Umständen

Seelenstörungen

am häufigsten zu Stande k o m m e n ,

gefunden haben, dafs g e i s t i g e Einflüsse hierbei weit weniger entscheiden, als k ö r p e r l i c h e » u n d dafs da, w o die organische Anlage mangelt, die heftigsten Gem ü t s b e w e g u n g e n , die erschütterndsten Einflüsse, u n glückliche L i e b e ,

tief gegründeter Gram und K u m -

m e r über den Verlust geliebter Verwandten, der Ehre,



'26



des Vermögens elc. e i n w i r k e n , und dauernd

einwir-

ken k o n n e u , ohne d.ifs eine Seelenstörnng die Folge davou wiire; während auf der andern Seite, hei vorhandener Anlnge, besonders augeboroer, ein unbedeutend scheinender EiuQufs h i n r e i c h t , um einen liohen Grad von Seelenslöiung, oft unheilbarer A r t ,

schnell

herbeizuführen. Heinroth

will ferner die organischen Ursachen

der Seelenslürungen deswegen nicht anerkennen, weil der nolhwendige Zusammenhang zwischen der organischen und psychischen Afleclion nicht

nachgewie-

sen werden k ö n n e , so dafa die erstere deutlich als der Grund der letzteren erschiene. langen

ist

aber

beiläufig nur

durchaus

dann von

Ein solches V e r -

unstatthaft

Heinroth

und

würde

m i t Recht ge-

macht we-den können, wenn er uns zuvor in Zusammenhange

dein

des Seelenlebens mit dem organi-

schen Leben nur die Möglichkeit

einer Beeinträchti-

gung des ersteren, ohue Einilufs auf die organische Natur des Menschen nachgewiesen hätte.

Die N o t -

wendigkeit eines Zusammenhanges zwischen der eingewirkt habenden Schädlichkeit und dem danach und ohne

Zweifel dadurch eintretenden

cesse vermögen nachzuweisen.

wir

Krankheitspro-

aber in den wenigsten

Fällen

So h a t die Pathologie nie nachzuwei-

sen vermocht: den tiothwendigen Zusammenhang zwisehen der eingeimpften Kuhpockenlymphe und den, vor der Pockenvergiftung schützenden, Pockenpusteln; zwischeo der Einwirkung der Nord- und Ostwinde im Winter und den dadurch hervorgebrachten Tneumonieen; zwischen der heilenden W i r k u n g des S c h w e -



27



fels und der Nalur des Krätzgifles u. s. w., und doch sind dies erwiesene Sachen , die nicht

weggeläugnet

w e r d e n k ö n n e n , obwohl ihre Causalerklärung noch mangelt und der nothwendige

Zusammenhang

nicht

begiiffen wird. hier die in

Irrenanstalten

so häufig gemachten Erfahrungen von

Schließlich sind auch

kritischen

Vorgangen,

vom Eintreten kritischer

Furunkeln,

Fleclilen und andern impetiginösen Processen, Häinorrhoidalhlutungen, Drüseneilerungen, Speichelflufs u. s. w . in Erinnerung zu bringen, welche den offenbar eigenmächtig zu Stande gekommenen

Genesungspro-

cels

und

der

Seelenstörung

ankündigten

begleite-

ten, nicht selten bei schon veralteten Fällen, die zur völligen Heilung wenig Hoffnung gaben und die jede V e r m u t h u n g , dals Einwirkungen auf das ethische V e r hältnifs sich geltend gemocht haben k ö n n t e n ,

ganz

ausschlössen. W a s nun endlich viertens die T h e r a p i e

be-

trifft, so giebt H e i n r o t h zu, dafs die somatisch behandelnden Aerzte nach der A n w e n d u n g ihrer Mittel Heilungen hätten zu Stande kommen s e h e n ; aber er bezweifelt, dafs diese Heilungen d u r c h diese physischen Mittel bewirkt worden wären , so w i e er auch die Beobachtungen

anficht,

w o man durch kraftige

Krisen der Natur die Heilung bewirkt gesehen

hat.

E r räumt z w a r ein, dafs der von E s q u i r o l erzählte Fall

einer plötzlichen

Hebung einer

Seelenstörung,

die zehn J a h r e gedauert h a t t e , nach d e m u n e r w a r t e ten Wiedereintreten der K a t a m e n i e e n , in der W a h r heit begründet sein k ö n n e , aber er f r a g t : „ w o d u r c h



'28



•waren die Regeln des jungen Mädchens u n i e r d r ü c k t ? " wodurch w a r sie verwirrt geworden?

W i e "viele (und

w a r u m auch uicht psychische) Einflüsse liier eingewirkt haben?

konnten

W i e leicht k o n n t e die Un-

terdrückung der Regeln die Folge einer

Gemüthser-

scliütterung s e i u , welche die eigentliche Ursache der Verrücktheit w a r , und welche (organische und psychische ) Veränderungen bewirkten die R ü c k k e h r der Regeln ?"

E r tadeil, dafs von allem diesen in dieser

Krankheits- und Geuesungs-Skizze kein W o r t

vor-

k o m m e und v e r i n u t h e t — denn für weiter nichts, als jedes Beweises enlbehrende Vermuthungen

kön-

nen jene Angaben angesehen werden — dafs bei solchen K u r e n entweder geistig heilsame

Einwirkungen

( von den Aerzlen v e r k a n n t ) sie b e w i r k t ,

oder dafs

es gar keine wirkliche psychische K r a n k h e i t e n , dern nur heftige Angriffe somatischer

son-

Krankheiten

mit psychischen Reflexen ( T y p h u s , Hirnenlzündung, H u n d s w u t h ) gewesen seien. E s kann aber unmöglich angenommen und Prof. H e i n r o t h ,

welcher eigene überzeugende

dem Er-

fahrungen aus dem Gebiete der Psychiatrie wenigstens noch nicht mitgetheilt hat, eingeräumt w e r d e n ,

dafs

alle die Aerzte in England, Frankreich, Deutschland, die sich mancher glücklicher Kuren

Geisteskranker

rühmen, so schlechte Beobachter gewesen wären, dafs sie bei ihrem Verfahren so wesentliche

Gegenstände

hätten übersehen, dafs sie etwanige psychisch-heilsame Einwirkungen hätten unbeachtet l a s s e n , dafs sie T y phus, Hirnentzündung, H u n d s w u t h , gar nicht hätten erkennen sollen.

W e r mit regem Eifer und wahrer



29



T h e i l n a h m e der Behandlung dieser Unglücklichen sich u n t e r z i e h t , und nach langer tbäliger Bemühung sein W e r k glücklich beendigt sieht, der wird gewifs nicht leicht sich und A n d r e die i h m halfen ungefragt lassen, "was denn hier entschieden, um die Heilung zu vollenden;

welche

Einflüsse

mitwirken

konnten,

welche möglicher, w e l c h e wahrscheinlicher, gewisser W e i s e ?

welche

E s ist nicht anzunehmen, dais der

Therapeut nach vorhergefafster Ansicht, Verinuthungen und W ü n s c h e zur scheinbaren Bestätigung jener in die Geschichte hineinlege, die nicht factisch, nicht ermittelt sind.

E r wird nicht vollständige

tungen liefern w o l l e n , dazu fehlen. quirol

Beobach-

wenn die objektiven Belege

D e r im Beobachten höchst geübte E s -

würde

so wichtige Momente sicher nicht

ignorirt haben, wenn sie sich geltend gemacht, w e n n sie eine besondre Beobachtung verdient hätten. begreiflich ist es aber in der Tliat, wie

Kaum

Heinroth

erfahrnen Aerzten die Beschränktheit und einen so grofsen Mangel an praktischem T a k t und Uebuog hat zutrauen k ö n n e n , dafs sie sich der K u r e n von

Ty-

phus, Hirnentzündung u. s. w., d. h. von K r a n k h e i ten, w i e er sie nennt, mit psychischen Reflexen, r ü h m e n sollten, die sie fälschlich f ü r permanente S e e lenstörungen übergehen,

gehalten.

Während

jene schnell

vor-

dauern diese Reihen von Monaten und

Jahren, andrer augenfälliger Verschiedenheiten

nicht

zu gedenken. Heinroth

behauptet demnach

nicht n u r : die

Aerzte verständen sich nicht auf das W e s e n Seelenstörungen, nicht auf ihre

der

Veranlassungen,



30



nicht auf ihre B e h a n d l u n g , sie auch nicht einmal

zu

sondern sie w ü f s t e n

erkennen,

indem

Seelenstörungen geheilt zu haben glaubten, sie nur ein T y p h u s f i e b e r ,

sie

während

eine Hirnentzüudung

be-

handelt hätten. W e n n wir aber die E r f a h r u n g

fragen,

durch

•welches Heilverfahren die Genesung der Geisteskrank e n herbeigeführt wird, welches V e r f a h r e n in

Irren-

anstalten, w i e in der F r i v a t p r n x i s ,

Bezie-

in dieser

h u n g ain meisten geleistet h a t , so ergiebt s i c h ,

dafs

sich zunächst als von Wichtigkeit gezeigt h a t :

die

Verfolgung

der

der C a u s a l a n z e i g e ,

die

Entfernung

U r s a c h e n , die Hebung und Ausgleichung von s o m a l i schen Unordnungen ; die Trennung der K r a n k e n von der gewohnten U m g e b u n g ;

die A n w e n d u n g der das

Gemein-Gefühl ansprechenden, S c h m e r z e n erregenden künstlichen

Geschwüre,

Herbeiführung

erschütternder

eines neuen

Mittel;

die

Lebensverhältnisses

mit

ungewohnter, ja aufgedrungener Lebensordnung, eine e t n s t e Z u c h t , fortwährende Beschäftigung ,

angemes-

s e n e r Unterricht, wobei oft ein fortgesetzter, den K r ä f t e n des K r a n k e n

abgemessener

nach

Zwang

zur

A r b e i t Statt finden inufs. — Manche angehende G e i s t e s k r a n k e werden

durch die

wohlthätigen Q u e l l e n

in Carlsbad, M a r i e n b a d , Franzensbrunn u. s. w .

ge-

h e i l t ; viel seltner durch andre Miueralwiisser und B ä der, w i e E m s , A a c h e n , W i e s b a d e n , G a s t e i n , litz; —

Manche durch das

Nord-

und

Toep-

Ost-Seebad

viel leichter und besser, als durch die wärmeren S e e bäder in N i z z a , L i v o r n o ,

Genua.

Vortrefflich

wir-

k e n eiskalte Sturzbäder, wogegen w a r m e aromatische,



31



Seifen-, Schwefelbäder u. dgl. ungleich weniger n ü tzen. Von grofser "Wirksamkeit sind die Ekel erregenden, Brechen und Purgireu bewirkenden Mittel, die Beschränkungen der Diät u. s. w . , dahingegen bittere, aromatische, stärkende Mittel, eine üppige, nahrhafte Diät häufig nur schaden. W o h e r diese Verschiedenheit der "Wirkung, wenn es hier blofs auf psychischen Verhältnissen nnkäine. Häufig sind schwere Gemüthskranke, die schon versuchten ihr Leben gewaltsam zu enden, von anstrengenden, u n ter angemessener Aufsicht vorgenommenen Fufsreisen, gegen ihren "Willen vorgeschrieben , gesund und froh zurückgekehrt; w a r u m wird dies w i r k s a m e Mittel durch eine gemächliche, bequeme, selbst gewählte "Weise zu reisen durchaus nicht ersetzt ? Durch alle diese Mittel sind, w i e Erfdhrungsmäfsig feststeht, viele vollständige, bleibende Kuren p e r manenter Seelenstörungen bewirkt worden. Ihr« W i r k u n g bezieht sich aber, WAS keiner weiteren A u s einandersetzung bedürfen w i r d , zunächst und vorzugsweise auf den K ö r p e r , nicht auf die Seele, and es ist durchaus nicht abzusehen, w i e alle diese, durch ihre W i r k s a m k e i t berühmt gewordenen Heilmethoden den S ü n d e r , den m o r a l i s c h E n t a r t e t e n , I

den B ö s e n , wieder auf den W e g der Tugend sollten zurückführen können. Das steigende Vertrauen des Publikums giebt den Beweis für die Nützlichkeit des angegebenen Verfahrens. W i e sollte der Zudrang der Kranken zu unseren Irrenanstalten 90 grofs sein, w i e die therapeutische Sorgfalt der Aerzte grade für diese Art von K r a n k -



32



heiten so häufig in Anspruch genommen werden, wie dieser Glaube zur K u n s t der Aerzte so allgemein, ja in gröfserem Maafse wie f r ü h e r vorhanden sein, w e n n ihre Leistungen nur scheinbar w ä r e n ?

W i e würden

so häufig gelungene Fälle von Heilung, von denen so •viele Bewohner grofser Slädte durch F a m i l i e n Verwandtschaftsverhältnisse

Kenntnifs n e h m e n ,

und zu

Stande gekommen s e i n , w e n n die Grundsätze dieser Therapeutik, obwohl sie mit den Trämissen der H e i n rothschen

L e h r e n ganz unvereinbar s i n d , falsche

gewesen w ä r e n ? Die Behauptung H e i n r o t h s :

es bemühe sich

die somatische Therapie umsonst, Seelenstörungen zu heilen;

was sie h e i l e ,

w ä r e n nur organische Uebel,

aber keine Seelenstörungen, da ein nicht organisches Vebel durch organische H ü l f e nicht beseitigt

werden

könne, — ist daher völlig unvereinbar mit den R e s u l taten vieljähriger Erfahrungen lange beschäftigter Irrenarzte. Diese würden nicht von einein Jahrzehnt in das andere, ihrer glücklichen Erfahrungen eingedenk, den durch

Nachdenke^

einer rationellen

und Versuche gefundenen Empirie

ferner

verfolgen,

Weg wenn

nicht ein häufig glücklicher Erfolg ihrer Bemühungen sie dazu nöthigte; denn welcher A r z t wird eine Heilmethode verlassen, welcher er schon viel v e r d a n k t ? Unbegründet daher in jeder Hinsicht und befremdend ist die Behauptung H e i n r o t h s : die somatische M e d i a n bemühe sich umsonst, Seelenstörungen

zu h e i -

len, und ihre Anwendung zur Ausmittelung v o r h a n dener oder

nicht vorhandener

Seelenstörungen

sei

ein falsches V e r f a h r e n ! — Irrig ist ebenso und

mit den



33



den Resultaten täglicher Beobachtung im Widerspruch stehend, was H e i n r o t h über die w e s e n t l i c h e V e r s c h i e d e n h e i t der zu körperlichen Krankheiten sich hinzugeselienden Delirien und peimanenter Seelenslörungen 6agt: bei jenen soll die Persönlichkeit (Icliheit) nicht beharren, sondern das Selbstbewußtsein verschwunden sein, weshalb auch die Kranken nach der Genesung nichts mehr von den vergangenen Zuständen wüßten; bei den eigentlichen permanenten Seelenstörungen soll dagegen das Bewußtsein fortdauern, aber als ein Vernunft-beraubtes, der innere Charakter dieser Seelenslörungen soll die u n freie Persönlichkeit sein und die Kranken sollen sich daher auch ihrer vergangenen Zustände sehr wohl erinnern, zum sichern Zeichen, dafs ihnen das Selbstbewußtsein , die Persönlichkeit oder Ichheit blieb. Ein solcher Unterschied zwischen Delirien, die als Reflexe körperlicher Krankheiten auftreten, und permanentem Wahnsinn ist aber durchaus willkührlich ersonnen und läßt sich in der Natur nicht nachweisen. Im acuten Fieberdelirium, wie iin chronischen Wahnsinn können die Kranken gleichviel oder gleichwenig Selbstbewußtsein behalten und nach der Genesung sich gleich deutlich des Vergangenen erinnern oder nicht erinnern; aber in beiden Fällen ist das Bewußtsein ein unfreies, die freie Thäligkeit der Vernunft durch die körperliche Krankheit, die organische Zerrüttung gehemmt. Findet aber eine solche wesentliche Verschiedenheit zwischen den zu somatischen Krankheiten sich gesellenden Delirien und den eigentlichen sogenannten Seelenstörungen nicht Klug Gutuchten. 3



34

stall ( d i e Verschiedenheit



liegt aber in andern

au-

rserwesenllichen Verhältnissen) und ist die körperliche Beschaffenheit jener Krankheiten

nicht zu be-

zweifeln, so ist auch die organische Natur der permanenten Seelenslürungen erwiesen.

W a s aber H e i n -

v o t h anfuhrt über die A r t , w i e der Seelengestörte, indem er sein Selbstbewußtsein

behalte,

der

Ver-

nunft verlustig gehe, indem nämlich Anfangs e r die Vernunft verlasse, die Sünde sich zur Freundin wähle und so zum Sünder werde, dann aber,

damit die

Seelenstörung zu Stande k o m m e , die Vernunft

ihn

verlasse (gleichsam als wäre 6ie über ihre Hintansetzung ungehalten) so ist dies denn doch in der Thal nichts als ein leeres

Bilderspiel und eine

Erfindung

der Einbildungskraft. Die z w e i t e nun folgende F r a g e lautet: W e l ches ist die N a t u r

der S e e l e n s t ö r u n g e n ,

wer hat über ihr V o r h a n d e n s e i n Vorhandensein zu

entscheiden?

unter

gewissen

oder

und

Niehl

Umstanden

Diese Frage beantwortet H e i n

r o t h d a h i n : die Sünde ist die ursprüngliche Krankheit der Seele. Diese Krankheit der Sünde unterscheidet sich aber von der Seelenstörung dadurch, dal's in der Sünde die Seele gefesselt w i r d , in der Gestörtheit hingegen gefesselt i s t .

Alle Seelenstörung entspringt demnach

aus der Sünde und ist mithin n a c h f o l g e n d e K r a n k heit.

Eine organische Beimischung findet dabei al-

lerdings Statt, aber diese ist Folge, nicht Ursache. — Ueber das

Vorhandensein

oder

Nichtvorhandensein

von Seelenstörungen kann nur entscheiden der p s y c h i s c h e Arzt, der es aber auch im vollen Sinne des

35



W o r t s sein, d. Ii. der die Seelenstörungen a l s

sol-

c h e , nicht vom organischen Standpunkte aus beurtheilen und behandeln

mufs, sondern vom ethisch-

psychologischen, indem die eigentliche H e i l m e t h o d e dieser Zustände nur eine e t h i s c h - p s y c h o l o g i s c h e sein kann. Von diesen Prämissen ist, wie schon oben gezeigt worden, die ganze Ansicht des Verfassers ausgegangen.

Die S ü n d e , die m o r a l i s c h e

Entartung,

soll die innere Bedingung jeder Seelenstörung, und diese demnach die Folge und W i r k u n g von

Verbre-

chen sein. Da aber eben diese Prämissen und falsch s i n d ,

erfahrungswidrig

so zerfällt das ganze System des

Verfassers in Nichts, das neue desselben erscheint als irrig und hypothetisch, von allen

Erfahrungsgründen

entblöfst, das Uebrige aber ist längst bekannt und von allen guten Aerzten stets gewürdigt.

Es

erscheint

aber die Hypothese des Verfassers in so hohem Grade gewagt, unwahrscheinlich an sich und gleich bei der ersten Berührung so abstofsend, dafa man kaum begreift, wie ein A r z t , ein öiTentlicher L e h r e r es wagen können,

sie öffentlich auszusprechen.

hat Kein

Arzt, der Irren kennt, sie beobachtete, sie behandelte, und sollte er erst seit Kurzem sich diesem

Geschäft

gewidmet

Glauben

haben,

wird einer Behauptung

schenken, der die Erfahrung so entschieden entgegentritt.

So

wenig die Sünde als solche die

Ursache

eines Wechselfiebers, einer Wassersucht, einer Schwindsucht sein kann, so wenig kann sie auch die Ursa-* che der Seelenstörungen sein, denn sie hat mit den 3 *



30



Seelenstörungeo nicht m e h r zu thun als mit der Krätze, mit den Flechten, mit der Engbrüstigkeit;

und hier-

mit wird niemand ein ursachliches Verhältnifs nachzuweisen vermögen.

Die Erfahrung, aber, a u f w e i c h e

wir uns berufen l e h r t : 1 ) Dafs eine Menge von Individuen, gegen deren ethische Sinnesart und Moralität im

Denken,

Wol-

len und Handeln nicht der entfernteste Verdacht obwaltet, deren früheres und gegenwärtiges Leben nicht reiner und unbescholtener sein k a n n , dennoch lenstörungen unterliegen. — Ist eine a n g e e r b l e ,

Seenn-

geborne, erworbene Anlage vorhanden, leiden die Menschen an schwachen Nerven, sind sie verzärtelt, verzogen, v e r w ö h n t ,

so reichen geringe

Gemüthsbewe-

g u n g e n , Schrecken, Verdrufs von einiger Heftigkeit u. s. w . schon hin, um sie aus ihren Fugen zu bringen.

Nicht

weniger sind S c h w a n g e r s c h a f t e n , "Wo-

chenbetten, hitzige Fieber, deren Krisen gestört w u r den,

Unordnung in den Verdauungsorganen,

vieles Sitzen herbeigeführt, fortgesetzte

durch

^tastrengun-

gen ihrer Seelenkräfte Behufs schwieriger

Berufsge-

schäfte, bei gleichzeitiger feindseliger Einwirkung u n günstiger Jahreszeilen, Witterungsconstitulionen u. s. w . hinreichend, um solche Individuen seelenkrank zu machen.

Auch

wir bei manchen

darf nicht unbemerkt bleiben, Thieren,

denen

keine

keine Tugend, also auch kein L a s t e r ist, die Analogie der mehrsten

zuzuschreiben

Gemüthskrankheiten,

gleich wie der Temperamente, wieder 2 ) L e h r t die E r f a h r u n g ,

dafs

Vernunft,

finden.

dafs manche

k r a n k e zwar allerdings ihre moralischen

Geistes-

Schwächen



37



liaben, keine ethische Musler lind, vielmehr der moralischen Besserung bedürftig, oft mit einer Hinneigung zum Egoismus, die sieb bei Manchen findet, welche an einer partiellen Manie leiden, indem sie ihre Bedeutung, ihren W e r t h , ihre Kenntnisse, ihre Macht, ihr Vermögen überschätzen; aber sie sind n i c h t gleich Verbrechern m o r a l i s c h e n t a r t e t . Bei eiuer solchen egoistischen Richtung des Charakters ist die Entstehung einer partiellen Manie nur dann begünstigt, wenn die o r g a n i s c h e A n l a g e vorausgeht und o c c a s i o n e l l e M o m e n t e verschiedener Art hinzukommen. W o diese Anlage, diese Gelegenheilsursachen fehlen, da wird der Erfahrung zufolge diese Charakterrichtung für sich allein nie Seelenstörung bewirken. Denn wer vermag wohl die Selbstsüchtigen und andere Sünder ähnlicher Stufe zu zählen, die, ohne je einer Seelenstörung zu unterliegen , ihr ganzes Leben in einer behaglichen Selbstgenügsamkeit zubringen ? 3 ) Lehrt die Erfahrung, dafs viele tausend V e r brecher ihr ganzes Leben hindurch Verbrecher bleiben, ihre lebenslängliche Zuchtbausstrafe ertragen, ihre groben Versündigungen aller Art fortsetzen, ohne je Seelenstörungen zu unterliegen. W i e wäre dies möglich, wenn die H e i n r o t h s c h e Theorie in W a h r heit begründet w ä r e ? Alle grofsen Zuchthäuser in volkreichen Städten gebeu von jener Thatsache Zeugnifs. Keinen von allen den Verbrechern hat man verrückt werden sehen, es müfste denn zufällig das Vorhandensein jener organischen Bedingungen zusammentreffen mit einer



3S



solchen Lasterhaftigkeit so gut w i e die phthisische oder apoplektische Architektur zufällig damit

zusammen-

treffen kann. Es gevfinnt nes umgekehrten

-vielmehr

fast

den

Anschein

ei-

Verhältnisses, als das von H e i n -

r o t h hypothetisch angenommene.

Moralische

Entar-

tung scheint in manchen Lagen die Bildung von Seelenstörungen zu erschweren.

Sie f ü h r t nicht selten

zur Vorsicht, Besonnenheit, Aufmerksamkeit auf sich selbst, f ü h r t eine grofse Thäligkeit und Geschäftigkeit herbei, um beabsichtigte Verbrechen

unbemerkt

zu begehen und ihre Entdeckung zu verhüten.

Eine

solche SpannuDg der Seelenkräfte, mag ihre Richtung auch noch so bösartig und verbrecherisch

sein,

ist

gar nicht geeignet, die Entwickelung von Seelenstörungen zu begünstigen, sondern wird sie eher erschweren. Die öffentlichen Mädchen in grofsen Städten b e finden sich zum grofsen Theil auf der höchsten Stufe moralischer E n t a r t u n g ; K r a n k h e i t e n aller Art, Gicht, Schwindsucht, Abzehrung und früher Tod bei vielen, selbst Epilepsie u n d andere Nervenkrankheiten die Folgen ihres G e w e r b e s , höchst selten rungen.

In

solche

fallen dagegen

viele

sind

Seelenstöweibliche

Individuen, die mit unbescholtenem R u f e ihrem stillen häuslichen Geschäft in Zucht und Ehrbarkeit hingegeben waren, Mädchen von reinen Sitten, aber vorgerückten J a h r e n , junge Frauen die ihre Männer f r ü h yerloren, Nonnen u . s . w . — unter Verhältnissen also, welche die Befriedigung des Geschlechtstriebes ausschliefsen, und ohne dafs Schuld oder Sünde im g e w ö h n lichen Sinne dabei im mindesten mitgewirkt hätte.



39



Da H e i n r o t h übrigens behauptet, die K r a n k heit der Siiade unterscheide sich von der Seelenstörung dadurch, dafs in der Sünde die Seele gefesselt w e r d e , in der Gestörtheit dagegen gefesselt s e i , so folgt daraus, dafs zwischen beiden kein andrer als ein gradweiser Unterschied Statt finde. Denn w a s gefesselt w i r d , i s t auch schon immer, Anfangs w e niger und je länger je mehr gebunden und seiner Freiheit verlustig gegangen. Wodurch w i r d nun der Moment bestimmt, wo das Gefesseltwerden (die blofse Lasterhaftigkeit) aufhört und das Gefessellsein ( d i e Seelenslörung) anfängt? Wodurch wird die Verschiedenheit dieser anerkannt verschiedenen Zustände begründet ? W a s miifs hier hinzutreten, um das Eine in das Andere zu verwandeln ? Eine Störung in den organischen Verhältnissen ist hier das den Ausschlag Gebende, die Seelenslörung Begründende und dieses ist es grade, w a s H e i n r o t h nicht beachtet. W e n n demnach auch Lasterhaftigkeit zur Seelenstörung f ü h ren könnte, so würde sie doch immer nur die entfernte Ursache derselben sein, gleich manchen andern, sehr verschiedenartigen Schädlichkeiten und in Beziehung auf das W e s e n der Seelenstörungen w ü r d e sich daraus nichts folgern lassen. W e l c h e Folgen aber aus einer solchen unbegründeten Ansicht, welche streng genommen keinen Unterschied zwischen Iininoralitat und Geisteskrankheit gestattet, für die bürgerliche Gesellschaft und für die Ausübung der Rechtspflege entstehen w ü r d e n , ist zu einleuchtend, als dafs es einer weiteren Auseinandersetzung bedürfte. —



40

Die folgende, d r i t t e

— Frage

lautet: ( S . 3 5 . )

In welchen Fällen können überhaupt

psy-

c h i s c h - ä r z t l i c h e U n t e r s u c h u n g e n und G u t achten

verlangt

und

in

welchen

sie entschieden zurückgewiesen — Der Verfasser behauptet:

müssen werden?

Nicht das Vernunftwi-

drige der That — denn alle Verbrechen wären vernunftwidrig — mache

den Richter und

Sachwaller

zweifelhaft über den Gemüthszustand der Individuen, sondern die Spuren der Vernunftberaubtheit, oder w a s dasselbe sei, der Unfreiheit, die in der gesetzwidrigen That erkennbar sein müfsten, wenn dieselbe zu einem zweifelhaften Gegenstände des richterlichen Urtheils werden solle.

Diese Spuren könnten aber blofs

in der Beschaffenheit des

Impulses zu finden sein.

Der Impuls zur freien That sei jederzeit ein denkbar e r , d. h. sich selbst nicht widersprechender Z w e c k , dahingegen der Impuls zur unfreien That entweder ganz zwecklos sei oder einen tbeils sich selbst, theils im Interesse des Individuums, so wie den Mitteln zur Ausführung

widersprechenden

Zweck

in sich

be-

greife. — Nur bei erwiesenen Spuren der Unfreiheit des Thäters

soll

ein

psychisch-ärztliches

Gutachten

verlangt werden. Der Verf. zeigt sich hier besorgt, dafs die Aerzte zu oft und ohne Nolh gefragt werden und durch ihre Gutachten Zweifel herbeiführen, welche der Strenge der Gesetze und ihrer Anwendung Eintrag thun könnten. — W o der Impuls zur freien That klar vor A u gen liegt, da wird das psychisch-ärztliche allerdings unnötliig sein.

Gutachten

Aber bei jedem, selbst dein



41

geringsten Zweifel dagegen, baren Spur, — n i c h t , w i e erwiesenen Spuren — ist echtens erforderlich, nicht fürchten.



bei der geringsten, scheinH e i n r o t h will, nur bei das Einholen des Gutüberflüssig und nicht z»

Die sächsischen Gerichte scheinen auch so zu verfahren, w i e das Gutachten des Doctor C l a r u s in Leipzig in der W o y d z e c k s c h e n Sache zeigt, wo, obgleich der Impuls zur freien That klar yor Augen lag, dennoch, — obwohl in diesem psychisch-evidenten Falle ganz überflüssig — ein Gutachten verlangt und gegeben wurde. Gutachten von erfahrnen und unbefangenen A e r z ten gegeben, ohne alle Absicht die Schuld der Inquisilen uiiDder grofs erscheinen zu lassen, vielweniger gegen eigene bessere Ueberzeugung „einen Verbr»< eher absichtlich zu einem Vernunftberaubten stempeln zu w o l l e n " — solche Gutachten, die nur nach Erfahrungsgründen die objektive Wahrheit des z w e i felhaften Vorganges in einein concreten Falle zu finden beabsichtigen und w o sie nicht bis zur Vernichtung jedes Zweifels aufzufinden ist, einen solchen Zweifel fester zu begründen suchen, — solche Gutachten, besonders wenn sie von dem Gepräge gewagter Hypothesen z. B. der H e i n r o t h s c h e n sich möglichst frei erhalten, werden ihren Nutzen nicht verfehlen. Uebrigens ist noch zu bemerken, dafs keinesweges allein in der Beschaffenheit des Impulses zur T h a t die Spuren der Vernunftbeiaubtheit zu finden s i n d , sondern diese sich eben- sowohl aus dem Be»



42



nehmen des Iqquisiten yor und während

und nach

der T h a l , aus seinem gegenwärtigen Zustande u. s. w« ergeben können.

Wenn

V e r n u n f t und F r e i h e i t

aber H e i n r o t h

früher

und H e i l i g k e i t u. s.

w . als gleichbedeutende Beg/iife genommen h a t , und hier

alle

Verbrechen

als

vernunftwidrig

bezeichnet, die Spuren der Vernunftberaubtheit

oder

Unfreiheit aber dem Seelengestörten Zustande beilegt und dann wieder ( S . 3 0 . )

im geisliggesunden

stande begangene V e r b r e c h e n

für f r e i e

Zu-

Hand-

lungen erklärt, — so liefsen sich hier die auffallendsten Widersprüche nachweisen, wie z. B . wo es bei I l e i n r o t h heilst: ( S . 36. d. a. S e h r . ) Weibsbild,

„ W e n n ein

der ihr K i n d zur L a s t ist, es ermordet,

um es los zu werden, begeht sie eine freie T h a t " — folglich auch eine v e r n ü n f t i g e , — folglich auch eine

heilige

u. s. w . ,

während kurz zuvor alle

Verbrechen als vernunftwidrig bezeichnet sind. Vierte

Frage:

t e s (S. 38.) d u r c h vorgeschriebenes

Giebt

es ein

Vernunft

und

bestimmErfahrung

normales Verfahren

ärztlichen Untersuchungen



bei

zweifelhafter

G e m ü t h s z u s t ä n d e ? — Das hier Gesagte ist zwar im Allgemeinen richtig, aber auch allgemein bekannt, nur leider

nicht

überall

ausführbar.

Der ärztliche

Iuijuirent soll zuvörderst prüfen, ob auch der angeblich zweifelhafte Gemüthszustnnd wahrhaft ein Grund für psychisch-ärztliche Untersuchung sein könne und sei;

der Zielpunkt der ärztlichen

Untersuchung soll

kein andrer sein, als die Beschaffenheit des bestimmten Impulses zur bestimmten That an das Licht zu

43





bringen, defshalb sei nicht blofs durch Nachlesen der Akten die Prüfung der T h a t

nach allen

Umständen

erforderlich, sondern auch ein vollständiges Bekanntmachen init der Individualität des Tbäters und tauglichst genaue Kunde von dessen Leben.

Ohne eine

vollständige Bekanntschaft mit der Person des ters, aus dessen Leben

Thä-

selbst, sei eine genaue

und

gründliche Kunde seines Gemiithszustandes zur

Zeit

der That

nicht

möglich.

Jeder Mensch handle in

seinem Charakter, und der Charakter selbst sei etwas, durch das gut oder schlecht geführte L e b e n

Gewor-

d e n e s , ' — und es müsse defshalb ein normales V e r fahren

bei

ärztlicher

Exploration zweifelhafter

Ge-

mntliszustände nicht blofs in der Gegenwart v e r w e i len, sondern auch in die Vergangenheit

zurückgehen

und theils in der Beschaffenheit und den Umständen der That, theils in der ganzen Persönlichkeit des T h ä ters, wie sie aus seinem Leben hervortritt,

ebenso-

wohl die Spuren des freien, als die des unfreien Z u standes verfolgen, weil die Ausiindung des ersteren Zustandes den Erweis des letzteren nicht blofs unnötliig, sondern sogar unmöglich mache. Dies Alles ist guten Aerzten längst bekannt und nur zu bedauern, dafs das Licht, wonach Jurist und Arzt hier forschen,

gemeiniglich

ist, dafs das frühere Leben

nicht zu erlangen

des Incjuisiten

meistens

unbekannt bleibt, dafs alle Bemühungen, einen tiefein Blick in die früheren menschlichen Inquisiten lieinroth

zu t h u n ,

gewöhnlich

Verhältnisse fruchtlos

sind.

des —

mufs in der T h a t noch nicht häufig iu

dein Falle gewesen sein, gerichtliche Gutachten über



u



zweifelhafte Gemütszustände selbst abzugeben, sonst w ü r d e er es missen, dafs ungeachtet der allergründlichsten Untersuchungen vollständiger Criminalakten die geistige und moralische E i g e n t ü m l i c h k e i t des Inculpaten fast niemals vollständig — w i e es hier verlangt w i r d . — sich ermitteln läfst. W i e selten ¡st über den Lebenswandel des Thäters, über seine erste Erziehung und Ausbildung oder Verbildung irgend eine Auskunft zu erlangen, w i e selten Mittheilungen von zuverläfsigen Personen, welche Augenzeugen seines Lebenswandels waren.' Aber auch angenommen, dies Bestreben führte zu einem befriedigenden Resultate, so werden w i r doch so häutig dadurch nicht in den Stand gesetzt werden, den k u r z v o r d e r T h a t Statt gefundenen Gemütszustand befriedigend zu würdigen. W a s alles kann hier auf den Menschen eingewirkt haben, um seinen Seelenzustand umzuändern, oder seine organische Gesundheit zu trüben und ihn dadurch seelenkrank zu machen? Mit seinem Charakter, mit seinem früheren Leben braucht dies nicht in Verbindung zu stehen, er kann ein anderer Mensch geworden sein, und nicht immer ein schlechterer, oft auch ein kränkerer. H e i n r o t h hat auch die Iiäudg bestätigte Erfahrung übersehen, dafs Individuen, deren geistige Gesundheit und Moralität bis dahin Niemand bezweifeln konnte, ganz plötzlich und ohne stürmische oder auffallende Veranlassung in Wahnsinn und Tobsucht verfallen, die durch keine Vorläufer sich angekündigt hat, welche den Umgebungen des Kranken wahrnehmbar

45 gewesen wären; ebenso wie auch manche rein k ö r perliche Krankheilen, Schlagflüsse, Eklampsieen u. s. w . plötzlich eintreten, ohne durch die gewöhnlichen Vorboten angekündigt zu sein. — W e n n wir daher auch eine ganz vollständige Lebensgeschichte des I u culpaten, seiner E l t e r n , Erzieher, seiner Jugendzeit, seines Charakters, seiner geistigen Eigentümlichkeit, seiner Neigungen, seiner Schicksale uns zu verschaffen im Stande wären, so würde es doch sehr problematisch bleiben, ob wir dadurch Licht bekommen würden über die Natur und den eigentlichen Charakter eines solchen plötzlichen, oft schnell vorübergehenden Furor und über die Zurechnungsfähigkeit hinsichtlich eines während desselben begangenen Verbrechens. Ebenso möchten auch in jenen Fällen von plötzlich eingetreteneu schweren Krankheiten rein organischer A r t , die genauesten Erkundigungen über die anamnestischen Momente nicht selten eben so w e nig über deren Veranlassung und Beschaffenheit irgend ein Licht verschaffen. Demnach kann denn auch dieser Abschnitt nicht befriedigen, und angehende Aerzte, die ihr Verfahren nur nach diesen Vorschriften einrichten zu können glauben, werden Irrthümer begehen, die um so beklagenswerther erscheinen, je wichtiger die Folgen sein k ö n n e n , die sie herbei« fuhren. Zur folgenden f ü n f t e n F r a g e : Welches sind d i e Hau p t v e r s t ö fse g e g e n ein n o r m a l e s V e r f a h r e n bei der ä r z t l i c h e n U n t e r s u c h u n g z w e i f e l h a f t e r G e m ü t h s z u s t ä n d e ? behauptet der Verf.: der e r s t e Verstofs liege d a r i n , dafs der



46



Arzt lediglich darauf bedacht s e i ,

Zeichen einer

et-

wanigen Seelenstörung in dem Individuo quaest. aufzufinden, dafs er also nicht frage, o b der Mensch gemiithskrank sei, sondern gleich zu beweisen

suche,

d a f s er es sei. — Sollte aber auch wirklich ein Arzt auf diese W e i s e verfahren, so würde dies doch k e i nesweges immer fehlerhaft sein;

denn wenn die S a -

che selbst schon das o b entschieden haben s o l l t e , so könnte der Arzt recht wohl gleich zu dein Kachweis,

dafs

gehen.

der Mensch gemüthskrank

sei,

über-

W e n n eine richterliche Behörde fragte: Läfst

es sich nach Gründen

der medicinischen

Erfahrung

wahrscheinlich machen, oder gar nachweisen , d a f s u . s. w . , so kann der Arzt es sparen, mit dem o b sein Geschäft zu beginnen. Der z w e i t e Verstofs soll dann geschehen, wenn der Arzt sich mit dem blofsen Erweis der Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit

einer Seelenslöruug

einem bestimmten Falle begnügt, statt ihre l i c h k e i t daizuthun.

in

Wirk-

Hier befindet sich der

Verf.

in einein grofsen Irrthuine und die Beachtung seiner Vorschriften sein.

würde von den nachtheiligsten

Der untersuchende Arzt

sondern auch

Folgen

ist nicht nur befugt,

durchaus verpflichtet, in F a l l e n ,

wo

keine Gewifsheit zu erlangen ist, den gröfseren oder geringeren Grad von Wahrscheinlichkeit

hinsichtlich

des Vorhandenseins einer

anzugeben,

Seelenstörung

da dies augenscheinlich von der gröfsesten Wichtigkeit für die richterliche Beurtheilung des Falles ist.

Oder

sollte etwa der A r z t , der nach seiner besten

Ueber-

zeuguog,

Akten,

nach

sorgfältiger

Benutzung

der



47



nach strenger Prüfung der Person des Inculpaten, solche ThatsacheD nicht findet, die i h n zu dem Voto der W i r k l i c h k e i t vermochten, lieber gar nichts s a g e n ? Gelten die Aussprüche: möglich, sehr w o h l möglich, wahrscheinlich, sehr wahrscheinlich u . s . w . , nichts in forensischer B e z i e h u n g ? Soll es hier n u r heifsen : J a , oder N e i n ? — Bekommen die Crirninalgerichte nicht sonst auch ärztliche Gutachten, w o es z . B . h e i l s t : Dies Kind hat nach der Geburt g e w i f s dies wahrscheinlich gelebt? u . s . w . — Ein apodictisches A b s p r e c h e n , wie H e i n r o t h es vorschlägt, w ü r d e grade ein Hauptverstofs gegen die Grundsätze der B e weistheorie i m Criminalprozefs sein. Der d r i t t e Verstofs soll s e i n , w e n n der A r z t in dunkeln und zweideutigen F ä l l e n , w o sich nichts Gewisses entscheiden läfst, es unterläßt, dies a n z u z e i gen und mit kräftigen Gründen zu belegen. H i e r g e gen ist nichts zu erinnern, nur steht die Forderung gewissermafsen i m W i d e r s p r u c h mit der vorhergehenden. A l s v i e r t e r Verstofs w i r d angegeben, wenn der A r z t ein unbegründetes oder ungründliches Gutachten abgiebt. Es soll auf überzeugenden Gründen b e ruhen. Hierbei wird vorausgesetzt, dafs die factischen Umstände, die die A k t e n ergeben und die Resultate der Prüfung des Inculpaten überzeugende Gründe z u lassen. A l l e i n häufig sind die Fälle nicht von d i e ser A r t , die A k t e n nicht so vollständig und erschöpfend, der Vorgang selbst nicht so k l a r und z w e i f e l s t frei dargethnn, die A u s k u n f t über den Seelenzustand des Inculpaten nicht so befriedigend, dafs der A r z t



48



«ine solche Basis zu bilden, seinem Gutachten

(was

Jeder gern so überzeugend wie möglich geben w i r d ) überzeugende Gründe beizugeben vermöchte. Der f ü n f t e

Verslofs ferner soll dann begangen

'werden, wenn der Arzt seine Beweise für das

Da-

sein oder Dagewesensein einer Seelenstörung aus der somatischen Medicin entnehmen w o l l t e ; da die somatische Medicin weder über den Ursprung,

noch über

die Natur der Seelenstörungen Auskunft geben k ö n n e ? der Arzt soll also seine Gründe nicht aus der k ö r perlichen Beschaffenheit, aus irgend einem organischkrankhaften Zustande des Individuums ableiten.

Aber

es giebt gar keine psychische Heilkunde, die nicht zugleich

eine somalische wäre.

Seele

und L e i b

sind nicht getrennt zu denken, bedingen sich

wech-

selseitig, stehen in einem beständigen wechselseitigen Dependenzverhältnisse, und S e e l e n s t ö r u n g e n sind, wie oben gegen H e i n r o t l i ' s

Ansicht entgegenge«

setzter Art nachgewiesen ist, i m m e r z u g l e i c h g a n i s c h e Krankheiten.

or-

Ein gerichtlicher Arzt (oder

nach H e i n r o t Ii ein psychischer A r z t ) , der bei E r gründung eines zweifelhaften Gemülbszustandes psychischen Zustand ganz getrennt

von den

den

organi-

schen Störungen des Inculpaten betrachten, den physischen Zustand aber ignoriren w o l l t e , grofsen Verstofs gegen die Erfahrung begehen.

würde einen

ersten Vorschriften

der

W e n n ein Epileptischer , ein in

der Pubertätsentwickelung Begriffener, eine

Kindbet-

terin, ein eingewurzelter Hypochondrist, ein der T r u n kenheit Ergebener,

eines zweifelhaften

Gemütszu-

standes verdächtig wird, — wie dürfen da diese organischen



49



nischen Verleihungen unbeachtet bleiben? — Es ist demnach in der T b a t das Gegentheil Ton dem w a s H e i n r o t h sagt das Richtige, und seine Behauptung nur aus seiner irrigen Ansicht über die Nalur

der

Seelenstörungen entsprungen, die ihn überdies in W i dersprüche v e r w i c k e l t , w i e sich unter anderem aus dem gleich Folgenden ergeben wird. Den s e c h s t e n

Verstofs soll nämlich der Arzt

b e g e h e n , wenn er die Zeichen der

Seelenstürungen,

insofern sie sich a m O r g a n i s m u s offenbaren, z . B . Blick, Habitus, R e d e , G e b e h r d e , Stellungen,

Bewe-

gungen des Individuums, aber ungetrennt von ibrer Beziehung a u f das psychische L e b e n , nicht auf das Sorgfältigste beachtet. Das Alles gehört ja aber zum Organischen, bezieht sich ja auf die körperliche Beschaffenheit des Individuums, behauptet,

und doch hat H e i n r o t h

kurz zuvor

der A r z t dürfe seine Gründe nicht

aus

d e r körperlichen Beschaffenheit des Individuums herleiten .' Ein s i e b e n t e r

Verstofs soll ferner entstehen,

wenn der L e b e n s w a n d e l , die Lebensführung des I n dividui quaestionis entweder gar nicht, oder n u r oberflächlich und einseitig berücksichtigt wird. Allerdings unterliegt es keinem Z w e i f e l ,

dafs,

wenn dieser Forderung genügt werden k a n n , der Arzt dadurch häufig manchen erwünschten Aufsdilufs über den Gemüthszustand

des Inculpaten erhalten

Allein eben so gewifs ist e s , dafs der A r z t

wird.

sehr oft

durchaus keine genügenden, keine vollständigen Nachrichten über den Lebenswandel des Inculpaten erlialKltig Gutachten,

4

— ten kann.

50



Die Akten geben sie selten, meistens sehr

oberflächlich.

Das Individuum

quaest. ist weit

von

seinem Vaterlande e n t f e r n t , ein F r e m d e r , ohne

El-

tern, Verwandte, F r e u u d e , ohne Umgang, ohne Vertraute.

W e r giebt hier Licht über seine L e b e n s f ü h -

rung? kaum erfahren wir vollständig die L e b e n s f ü h rung in seinem K e r k e r ! Durch die Mehrzahl der Fälle wird das Gesagte belegt, und H e i n r o t h scheint m e h r an fingirte Fälle für die Cathederdemonstration, als an die W i r k l i c h keit gedacht zu haben. Als a c h t e n Verstofs führt derselbe an, das P s y chologisiren nach festen Trincipien, nach der A n n a h m e psychologischer Gesetze, z. B. der Ideen-Associationen, wodurch der Mensch den ten erhallen würde.

Charakter eines Automa-

Der Mensch, sagt H e i n r o t h ,

t n u f s nicht d e n k e n , w a s er d e n k t , er i n u f s

nicht

handeln, wie er handelt; er kann auch trotz aller Veranlassung auf eine bestimmte W e i s e zu denken zu handeln, beides dennoch auf andere W e i s e

und thun.

So verhält es sich aber n u r , so lange der Mensch frei ist, sich selbst bestimmt, sein Geist eines gesunden L«bens sich e r f r e u t ; — keinesweges aber, w e u n der Geist b e f a n g e n , unterdrückt, unfrei, d. h. krank ist.

W e r kann von einem am hitzigen Fieber leiden-

den sagen, w e n n er irre redet:

er i n u f s nicht den-

ken, wie er d e n k t , er m u f s nicht handeln, w i e er handelt?

W e r von einem durch W e i n

berauschten,

an Hirnentzündung leidenden u. s. w . ?

Dergleichen

organische Veranlassungen zu Verletzungen des H i r n lebens und davon abhängigen Seelenstürungen, die das



51



Individuum hindern, so zu denken, zu wollen, zn h a n deln, w i e dieä iin Zustande der Gesundheit möglich ist, giebt es noch viele.

Durch organisches

Krank-

sein mancher A r t wird die freie Selbstbestirnmbarkeit f ü r k ü r z e r e oder längere Z e i t , oder selbst f ü r immer aufgehoben, und ebenso wie hier ist auch die geistige Freiheit bei den eigentlich sogenannten SeelenstöruDgen vernichtet, w a s grade den Charakter derselben ausmacht.

Der Verf. sagt auch selbst:

Al-

lerdings ist es unstatthaft, die Handlungen des Menschen , s o

lange er

noch

bei V e r n u n f t

ist,

durch Naturgesetze leiten zu lassen. — Aber der Seelengestörte ist eben nicht m e h r bei V e r n u n f t , seine Organisation ist verletzt, die freie Selbstbestimmbarkeit ist, durch den Einilufs neuer abnormer Naturgesetze aufgehoben. — So lüdtet der

Schwermiithige,

der Hypochondrist, dessen besserer Zustand noch vor K u r z e m nach Hülfe zur Erhaltung des in vermeintliche Gefahr gerathenen Lebens sich ängstlich

sehnte,

einige W o c h e n später ¿ich selbst, nachdem die Z u nahme seines organischen Krankseins i h m den

ge-

ringen Rest seiner V e r n u n f t raubte, durch einen psychischen D r a n g dazu entschieden, dessen Abwendung seiner W i l l k ü h r nun entgegen w a r . E s ist daher kaum begreiflich, wie

Heinroth,

mit seinen eigeuea Angaben im graden Widerspruch, eine solche Behauptung wie diese hat aufstellen k ö n nen ; wie er h a t verlangen k ö n n e n , ddfs bei der Untersuchung zweifelhafter Geraüthszustände, die f r e i e W i l l k ü h r stets als vorhanden angenommen müsse.

4

werden

52





Der folgende n e u n t e V e r s t o ß soll e i n

Haupt-

veratofs s e i n , und darin bestehen, dafs der A r z t nicht zu a l l e r e r s t , vor uem B e g i n n e n seines übrigen

Ge-

schäfts, den Gehalt und W e r t h des Z w e i f e l s und B e d e n k e n s untersucht, w e l c h e überhaupt zur Aurforderung arztlicher Früfung Veranlassung gegeben.

Wenn

sich die Nichtigkeit dieses Z w e i f e l s oder B e d e n k e n s durch psychisch-ärztliche W i s s e n s c h a f t darthnn liefse, so sei alle w e i t e r e Untersuchung

und

Begutachtung

überflüssig, denn das Hindernifs der A n e r k e n n u n g des Verbrechens sei gehoben. Hierin k a n n aber k e i n Ilauptverslofs liegen.

Der

A r z t w ü r d e höchstens e t w a s Ueberflüssiges lliun, w a s man i h m erlassen k ö n n t e , daraus nicht e r w a c h s e n . Untersuchung

schädlich

aber Nachtheile

würden

Wie

sollle eine

genauere

werden

können?

Könnten

Umstände dadurch eine Erläuterung, eine A u f k l ä r u n g g e w i n n e n , die man lieber im Dunkeln gelassen h ä t t e ? Man müfste den A u f w a n d an Zeit und die V e r z ö g e rung der Entscheidung m e i n e n , geführt w e r d e n ,

die dadurch

herbei-

sonst ist es nicht begreiflich, w i e

eine beim ersten Dafürhalten überflüssig scheinende Untersuchung und Begulachtung n a c h t h e i l i g

wer-

den könnte. — Ueberdies w e r d e n aber d e m A r z l e in der R e g e l die Gründe des Z w e i f e l s überhaupt

nicht

und a m w e n i g s t e n in ihren Einzelnheilen milgetheilt, sondern derselbe

nur

i m A l l g e m e i n e n aufgefordert,

über den Gemüthszustand des Inculpaten ein Gutachten abzugeben,

w e i l im V e r l a u f der

Untersuchung

Z w e i f e l über die geistig g e s u n d e Beschaffenheit desselben entstanden w ä r e n .

Und w i e s e i l e n w i r d

es



53



dem Arzte, wenn er gewissenhaft bandeln will, möglich sein, über den Grund oder Uugrund des Z w e i fels zu urtheilen, ohne in die Sache genau einzugehen d. b. ohne die vollständige Untersuchung zu führen. Der z e h n t e Verstofs endlich entsteht, wenn der ärztliche Inquirent historische Data falsch auslegt, oder gar blofse eigene Erfindungen oder Vermuthungen für historische Data ausgiebt und darauf bauet. H e i n r o t h hat vollkommen recht, wenn er ein solches Verfahren streng rügt. Leider kömmt es häufig genug v o r ; doch hat derselbe seinen Forderungen an Andere ungelreu bei den Prüfungen der Gutachten andrer Aerzte hiergegen selbst gefehlt. Offenbar hat er historische Data falsch ausgelegt, wenn er behauptet: (d. v. a, Schrift pag. 58, 59 elc.) „ W e i l S c h i n o l l i n g 1) den Genufs des Branntweins liebte, weil er 2) in Befriedigung des Geschlechtstriebes liederlich w a r , und w e i l er 3 ) Schulden g e macht, — so lasse sich annehmen, dafs er seine Lehne in einer v e r b r e c h e r i s c h e n Absicht e r m o r d e t h a b e , die jede Vermuthung einer bei ihm Statt gefundenen Gemiilhskrankheit ausscliliefse." — W e r d e n hier nicht historische Data offenbar falsch und ganz w i l l k ü h r l i c h ausgelegt? Giebt es nicht Tausende, die jene Uoregelinäfsigkeiten, welche Niemand tadellos finden wird, ihr ganzes Leben hindurch begehen, und denen man ein schreiendes Unrecht z u f ü gen w ü r d e , wenn man sie deshalb des Mordes für fähig halten wollte ?

— Heinroth thung, und

hat

54



hier

offenbar e i n e

dafs S c h m o l l i n g

die L e h n e w o h l böslich

m i t freier S e l b s t b e s t i m m b a r k e i t

könne,

Vermu-

getüdtet

haben

mit einem historischen Dato, nach w e i c h e i n

dies in der T l i a t

gesclielien

sei,

verwechselt,

und

b a t v o l l k o m m e n Recht, w e n n er b e m e r k t : ,,Das F a l sche in dieser A r t des V e r f a h r e n s brauche nicht

er-

w i e s e n zu w e r d e n . " — Es springt in die A u g e n . — Dies

sind

die

von

Hein roth

aufgestellten

zehen

V e r s t ö f s e , deren die A e r z l e sich häufig schuldig m a chen sollen und deren gefährliche Folgen er höchlich beklagt.

E r h ä t t e zu

diesen

zehen Verslüfsen

noch

den wichtigsten e i l f t e n h i n z u f ü g e n k ö n n e n ,

näm-

lich d e n :

nach

einen z w e i f e l h a f t e n G e m i i ü i s z u s t a n d

e i n e r v o r g e f a l l e n , höchst g e w a g t e n , allen bisherigen Erfahrungen entgegentretenden H y p o t h e s e würdigen z u wollen, statt nach den

Resultaten

wahrer

Erfah-

r u n g zu forschen, w e l c h e einen z w e i f e l h a f t e n K r a n k heilszustand allein in sein rechtes L i r h t zu

setzen

vermag. Nach e i n e r H y p o t h e s e aber soll die B e u r t h e i lung

geschehen,

die höchst gefährlich ist in

ihrer

A n w e n d u n g auf die C r i m i n a l j u s t i z , da s i e , w i e aus d e m Folgenden sich noch ergeben w i r d , den A e r z t e n m i t ihrer heilbiingenden K u n s t es verbietet, die S t r a f würdigkeit

geisteskranker

bestes W i s s e n

und

Verbrecher, — wenn

Gewissen

ihr

es g e s t a t t e t , — nach

ärztlichen E r f a h r u n g e n analoger F ä l l e zu m i n d e r n u n d d a f ü r den i n h u m a n e n und falschen G r u n d s a t z geltend macht,

dafs jeder W a h n s i n n e i n e r moralischen E n t -

artung seinen Ursprung v e r d a n k e .

— A n Hinrichtungen

55



o h n e genügende B e w e i s e von

Schuld der Inquisiten würde es nicht fehlen, o b w o h l es sehr zweifelhaft bleibt,

ob ein solches Mittel

ihre

moralische Entartung würdiger s t r a f e , oder i h r e S e e lenstörung gründlicher heile. D i e s e c h s t e und letzte F r a g e e n d l i c h , w e l c h e Heinroth

zur eigenen Beantwortung aufgestellt ftat,

ist d i e : ( p a g . 4 7 ) , , Hat das e r w i e s e n e densein

p s y c h i s c h - k r a n k h a ft e r

bestimmter Individuen zur Z e i t setzwidriger

Handlungen

VorhanZustände

ihrer Vorübung

eine

ge-

entschuldigende

K ra f t ?

O d e r h e b t es blofs die B e s t r a f u n g s f ä -

bigkeit

und auch

Weise a u f ?

diese

vielleicht

nur

H e i n r o t h glaubt selbst,

bedingter

dafs man die

hier zum Grunde liegende Ansicht für m e h r als streng, für inhuman, ja für grausam e r k l ä r e n ,

auch

als

vor

das ärztliche F o r u m nicht gehörig zurückweisen würde. Dies

Urlheil ist schonend g e n u g ,

gerecht.

genstande vertrauter A r z t , wird terdrücken ein

aber

vollkommen

K e i n unbefangener, init dein fraglichen G e können

sein

und es g l a u b e n ,

öffentlicher L e h r e r

der

Erstaunen dafs ein

psychischen

Dinge w i e folgende behaupten konnte. Bichler", Salz

heilst es pag. 4 7 ,

anerkennt,

k o m m t es w o h l Salz

dnJ's

„im

Krankheit

dem psychischen

zu l i m i l i r e n ,

wenn

Heilkunde

,,Wenn

der

Allgemeinen

den

entschuldige, Arzte

er zeigen

welche

unArzt,

zu,

kann,

Krankheiten

giebt,

w e i l sie s e l b s t

v e r s c h u l d e t sind."

nicht

so

diesen dafs

es

entschuldigen, ,,Dieser

Be-

w e i s aber ist peführt, indem gezeigt worden ist, dafs jede S e e l e n s l ü n i n g , die es w a h r h a f t i s t , den C'harnk-



50



ter der V e r n u n f t b e r a u b t h e i t an sich

trögt,

und

der M e n s c h nur durch seioe

seiner

Vernunft

beraubt

werden

kann.

Schuld

Denn

können den KJensclien wohl Veruuult

allein,

w u ß t s e i n , w i e es bei isl.

Einwirkungen

seines B e w u f s t s e i n s und

damit denn auch der V e r n u n f t der

hufsere

dafs

berauben,

aber

nicht

hei forlbestshendem

Selbstbe-

den Seelenstüiungen

der

D a h e r kann der Mensch nur durch

sich

Fall

seihst,

d. h. durch sein eigenes V e r f a h r e n , durch sein H a n deln wider und ohne die Vernunft;', derselben v e r l u stig gehen, i n d e m die Vernunft nicht auf solche W e i s e an ihn gebunden ist, dafs er nicht selbst sich von ihr treonen k ö n n t e , denn er ist frei, d. Ii. er hat das V e r mögen,

der V e r n u n f t zu folgen

nun in der freiwilligen

oder nicht.

Wenn

Trennung des M e n s c h e n von

der V e r n u n f t die einzige Möglichkeit gegeben ist, w i e er derselben verlustig gehen kann, so folgt auch, dafs dieser V e r l u s t nur durch seine Schuld herbeigeführt w e r den k a n n ; E i n e T h a t demnach in dem vernunftberaubten Zustande verübt, ist eine verschuldete T h a t , und kann folglich den T h ä t e r nicht entschuldigen, darum, d a f s und w e i l

er sie in diesem Zustande verübt hat.

Der Geisteskranke, gleicher Stufe m i t

heifst

es f e r n e r , sieht

dem B e t r u n k e n e n .

heit w i r d als Schuld angerechnet,

Die

Akt

des T r i n k e n s ,

Trunken-

w e i l es des

k e r s Schuld ist, wenn er zu viel trinkt. es ist die T h a t

des

welche die Veniunfiberaublheit herbeiruft.

auf

Es

Trinist

der

Menschen, So

lang«

der Mensch über sich waclit, d. h. auf die warnende S t i m m e der Vernunft liort,

wird er nie zu viel trin-

k e n , und folglich sich nie berauschen. — D e r gleiche



57



Fall soll nun bei den Seelenstörungen Statt

finden«

So lauge der Mensch der Vernunft Gehür giebt, w i r d er sich nicht von der Leidenschaft unterjochen, v o m W a h n bethören und noch viel weniger vom Laster der V e r t h i e r t l i e i t (sie. 1 ) herabziehen lassen.

Es

ist gleichviel, ob sich der Blensch in sogenannten Spirituosen G e t r ä n k e n , oder ob er sich in Leidenschaft, W a h n und Lastern berauscht. schenden

Diese geistigeu berau-

Getränke bemächtigen sich des Menschen

nie ohne sein Z u t b u n , ohne seine Einwilligung, ohne sein eigenes Begehren und W o l l e n , und zwar gans gegen die W e i s u n g der V e r n u n f t , und nur durch Z u rückweisung der Vernunft. Ilichterstuhle

Es

ist mithin vor dem

der V e r n u n f t nicht zu

rechtfertigen,

wenn der Vollbringer gesetzwidriger Handlungen frei« gesprochen, d. b. f ü r schuldlos erklärt wird, aus dein Grunde, weil er die T h a t in einem Zustande von Seelenslürung beging." Eine unglaubliche Selbsttäuschung ist in der That nötliig, um Behauptungen aufzustellen, die bei der e r sten oberflächlichen P r ü f u n g in Nichts zerfallen, und es zeigt sich hier wieder, zu welchen

Ungereimthei-

ten die Folgerungen aus falschen Vordersätzen fuhren können.

So wenig, wie oben ausführlich gezeigt w o r -

den, die Seelenstörungen durch eigene Schuld, durch die Hingebung zur Sünde und Lasterhaftigkeit entstehen k ü u n e n , so wenig statthaft ist diese menstellung

der

Geisteskranken

und

Zusam-

Betrunkenen.

Der Berauschte, der es w u l s l e , dafs der übermäfsige Genufs geistiger Getränke ihu seiuer Vernunft berau-



58



ben kann und wird, h a t t e diesen Genurs zu

meiden,

um in diesen Zustand der Vernunftberaubtheil

nicht

zu g e r a t h e n ;

nicht

und das Gesetz wird ihn daher

ungestraft l a s s e n , w e n n er in deten

Zustande

diesem

gesetzwidrige

laubte. — W i e ganz anders verhält Geisteskranken!

Sind w o h l

selbstverschul-

Handlungen

es sich mit

die an

leidenden m i t den Veranlassungen

sich

erden

Seelenstörungen

zu ihrer

Geistes-

zerriittung, w i e die Erfahrung sie n a c h w e i s e t , zuvor bekannt g e w e s e n , um ihrer E i n w i r k u n g h e n zu k ö n n e n ? hen?

entzie-

Und wären sie damit bekannt

w e s e n , hätten sie es vermocht ten

sich

S i n d denn

selbst herbeigeführte

und L a s t e r , — diese

geistig

Leidenschaf-

berauschende

l r ä n k e , — hinreichende und g e w ö h n l i c h e sungen zu S e e l e n s t ö r u n g e n ?

ge-

sich ihnen zu entzie-

Thysische

Ge-

Veranlas-

und

psychi-

sche Ursachen sind es vielmehr, die in der Regel ganz unverschuldet sind.

Diese schädlichen

kommen unerwartet, chen Folgen.

Einwirkungen

ungeahnt m i t ihren

D i e Unglücklichen

wissen

sie ihnen begegnen, sie wissen n i c h t ,

fürchterlin i c h t , daTs

dafs und

wel-

che Folgen sie haben w e r d e n , sie wissen nicht ihnen zu entiliehn.

Nicht durch ihr Z u t h u n ,

wie

liein-

r o t h sagt, nicht durch ihre Einwilligung, nicht durch ihr

eigenes

ihnen

Begehren

heimgesucht.

e n t s t e h e n T gleich Alle

und W o l l e n Wie

anderen

wahrnehmbare

der geübteste A r z t ,

manche

sie

von

Seelenslörungen

Nervenkrankheiten,

Veranlassungen,

ohne

ohne dafs

obgleich i h m Alles daran liegt,

sich über die U r s a c h e n L i c h t möchte.

werden

zu verschaffen

ver-



59

W e n n daher H e i n r o t h

— behauptet,

nur

durch

seine Schuld werde der M e n s c h s e i n e r V e r n u n f t r a u b t , — so ist dies eine A r t von S c h u l d , mand

e n t d e c k t , Niemand

die

Nie-

ahndet und am wenigsten

der Criininalrichter, w e l c h e r a u f o b j e k t i v e nehmungen

be-

angewiesen i s t ,

zu

constatiren

"Wahrvermag.

Häufig findet sich k e i n e S p u r v o n L e i d e n s c h a f t ,

von

L a s t e r , viel häufiger entstehen iui graden Gegensatze diese K r a n k h e i t e n bei den reinsten, besten, biedersten Mensrhen, denen k e i n O p f e r

zu

grofs gewesen

»ein

w ü r d e , einem solchen Unglück für sie selbst und für ihre Familie zuvorzukommen, w e n n sie das v e r m o c h t hätten.

Halten wir dennoch

zuzurufen: Euer

w o h l das R e c h t ,

ihnen

das Unglück, w a s E u c h trifft, k a m

durch

Zuthun ,

durch

Eure

Einwilligung;

s e l b s t habt es begehrt, h a b t e s

Ihr

gewollt?

Aufserdem sind noch folgende W i d e r s p r ü c h e und Inconsequenzen zu bemerken , die hauptungen H e i n r o t h s

sich aus den B e -

ergeben:

1 ) behauptet derselbe: , , A e u f s e r e E i n w i r k u n g e n , sie mögen nun

als zunächst iin organischen

selbst erzeugte Abnormitäten

Leben

in das psychische

ben eindringen, w i e E p i l e p s i e , A p o p l e x i e ,

Le-

Hirnent-

zündung u. s. w . , oder sie mögen ganz eigentlich von •ufsen,

und als mechanische

oder dynamische

oder

psychische Schädlichkeiten a u f den Menschen e i n w i r ken,

z. B .

mechanische

Verletzungen ,

beigebrachte

Gifte, S c h r e c k u . d g l . , A l l e s dies k a n n w o h l den M e n schen seines B e w u ß t s e i n s berauben, uud dadurch die Bedingung der Yeruuuftersclieiuuug

überhaupt auflie-



60



ben, als welche ja an d a s B e w u ß t s e i n

geknüpft

¡st;

aber hierdurch wird auch zugleich die Bedingung alles H a n d e l n s a u f g e h o b e n ; denn dieses ist an

den

Willen g e b u n d e n , der W i l l e aber an die Tersünlichkeit oder Ichheit, die ja eben ohne S e l b s t b e w u ß t s e i n nicht

denkbar

ist."

— Die

alltäglichste

lehrt aber, dafs durch diese aufseren die

Fähigkeit zum

Erfahrung

Schädlichkeiten

Handeln überhaupt

häuGg

nicht

aufgehoben wird, sondern nur die Fälligkeit zuin vernünftigen Handeln. D e r Epileptische, der in der Hirnentzündung R a sende,

der durch narkotische Gifte B e r a u s c h t e ,

der

durch Schreck aufser F a s s u n g gebrachte, vermag allerdings zu h a n d e l n , begeht nicht selten

gesetzwidrige

Handlungen in seinem Zustande, aber er handelt nach innerem

blinden

Drange,

denn

seine V e r n u n f t

überwältigt uud vermag nicht, ihn z u leiten. Fähigkeit zu haudeln setzt a b e r ,

ist

Diese

w i e auch

Hein-

r o t h angiebt, das Vorhandensein, des S e l b s t b e w u f s t seins voraus, und es ist daher falsch , wenn

derselbe

behauptet, durch solche äufsere Einwirkungen der Mensch der Vernunft nur dadurch

könne

verlustig

hen, dafs deren nothwendige Bedingung das b e w u ß t s e i n , aufgehoben w ü r d e , die Vernunft

ge-

Selbstallein

aber, und g r a d e z u , bei fortdauerndem S e l b s t b e w u ß t sein, ( w i e es bei den Seelenslörungen der Fall

sei,)

k ö n n e der Mensch nur durch seine Schuld, durch freiwillige

Trennung

von

derselben

verlieren.

Wenn

aber, w i e aus dem Gesagten erhellt, der Mensch durch mancherlei andere rein organische Krankheiten seines



61



Vernunftgebrauches verlustig gehen k a n n , w a r u m sollen ähnliche Verhältnisse nicht auch bei den Seelenstörungen Statt Notwendigkeit, gene

Schuld

finden können ? dafs

er

verloren,

"Woraus folgt die

sie hier durch seine e i dafs er sie freiwillig v e r -

trieben ? 2)

Trunkenheit kann

bekannter Maafsen auch

ohne Schuld des Menschen entstehen, w a s auch H e i n r o t h zugiebt, denn er sagt:

,, den Betrunkenen b e -

freiet die in der T r u n k e n h e i t begangene Frevelthat nicht einmal von der S t r a f e ,

geschweige denn

von

der Schuld, v o r a u s g e s e t z t , dafs er die Schuld der Trunkenheit trägt, w a s allezeit der Fall ist,

wenn

der Mensch weifs w a s er t r i n k t . " — W e n n

er es

nun aber nicht w e i f s , so k a n n er die Schuld n a t ü r lich nicht tragen, und es wird hier also derselbe v e r nunftberaubte Zustand, das eine Mal durch die Schuld des Menschen, das andre Mal nicht durch seine Schuld, hervorgebracht. — Nun aber soll

der

Mensch dia

Vernunft allein bei fortdauerndem Selbstbewufstsein und hierauf sich gründender Fähigkeit zu ( w i e sie H e i n r o t h

handeln,

bei der Trunkenheit natürlich

annimmt, da er von in derselben begangenen F r e v e l thaten spricht) nur durch seine eigene Schuld verlieren k ö n n e n , w o r a u s denn folgen w ü r d e , dafs, w e n a er n i c h t

durch seine Schuld betrunken

geworden

wäre, er dann die Vernunft entweder überhaupt nicht verlieren w ü r d e , da er sie nur durch seine Schuld soll verlieren k ö n n e n , als welches bekanntlich falsch ist, oder dafs er sie n u r dadurch verlieren

würde,



dafs die Bedingung

G2



der Vernunfterscheinung

haupt, das Selbstbewufstsein, und

über-

damit denn aucli

die Bedingung alles Handelns, mithin die Fähigkeit h i e r z u , aufgehoben w ü r d e , — als welches ebenfalls falsch ist. 3 ) Hat H e i n r o t h selbst die Frage aufgeworfen: „Wenn

das berauschende Getränk

im

Stande

ist,

dem Menschen die Vernunft zu rauben, w a r u m sollten dies andere äufsere Schädlichkeiten oder innere organische

Abnormitäten

nicht

auch

vermögen?"

Diese Frage aber ist von ihm unbeantwortet

gelas-

sen, w a s um so auffallender ist, da er unmöglich den Grund d a v o n , und

dafs andere äufsere

organische Abnormitäten

den

Schädlichkeiten Menschen

nicht

tollen seiner Vernunft berauben können, darin suchen k a n n , dafs das berauschende Geträuk durch die eigene Schuld des Trinkers auf diesen einwirkt, denn er selbst hat auf derselben Seite zugegeben,

dafs es

auch eine n i c h t v e r s c h u l d e t e Trunkenheit giebt. W e n n aber zugegeben wird , dafs berauschende tränke

Ge-

den Menschen auch ohne seine Schuld der

Vernunft berauben k ö n n e n , und dieser Zustand der Vernunftberaubtheit den Seelenstörungen

gleich ge-

stellt wird, — w i e es H e i n r o t h selbst gethan hat, und

w i e es

auch

wirklich geschehen

m u f s , — so

folgt daraus, dafs andere äufsere Schädlichkeiten und organische Abnormitäten, bei denen ebeufalls keine Schuld des Menschen Statt findet, ebensowohl Vernunft müssen auflieben k ö n n e n ,

die

und mithin —

was eben zu beweisen w a r , — dafs eine Schuld des



63



Menschen zum Hervorbringen einer solchen Vernunft, beraubtheit nicht erforderlich ist. H e i n r o t h verlangt ferner, dafs der Geisteskranke, der während seiner Krankheit eine gesetzwidrige Handlung beging, bestraft werde, sobald er von s e i n e r Seelenstörung geheilt sei. „ W i e seineThat nicht ungeschehen gemacht werden könne, heifst es pag. 53, so könne auch die Strafe für die Verschuldung nicht ausbleiben , die den Zustand herbeiführte, in welchem die That geschah. Einen solchen Menschen freisprechen würde heifsen: ihm die Schuld nicht anrechnen. Dies könne wohl der ewige Richter, der alle Schuld vergeben k a n n , aber nicht der menschliche, der k e i n e v e r g e b e n d a r f ! Das I n dividuum quaest. dürfe also nicht auf freien Fufs gesetzt werden; es müsse, so lange es lebe, entweder im Irrenhause bleiben, oder an einem anderen Ver*> wahrungsorte. — Der Richter könne aber erst strafen, wenn die Schuldigen straffähig w ä r e n , und sie wären es nach ihrer völligen Genesung. Ihr Nichtzurücktreten in die bürgerliche Gesellschaft sei ihre gerechte Strafe." — Eine solche Grausamkeit üben, hat kein Gerichtshof bisher gewollt, und der Himmel möge ihn vor solchen Verirrungen bewahren. W e r würde ihm das Recht geben, einen Unschuldigen zu strafen, und unschuldig ist der Wahnsinnige, Tobsüchtige, Epileptische, der in einem Anfalle von W u l h , mag die Manie als occulte oder manifeste sich charakterisiren, sein Weib, sein Kind, seinen Freund erschlägt. Das



64



freie Selbstbewußtsein war ihm entzogen, er hatte das Vermögen verloren, die Folgen seiuer Handlungen zu würdigen, und darum ist das Criminalgesetz auf seine im Zustande der Unfreiheit begangene That nicht anwendbar. W e n n der Staat einen solchen Unglücklichen in eine

Irrenanstalt

oder an einen andern sichernden

Verwahrungsort bringen läfst, so geschieht dies nicht, um ihn nach erlangter Genesung noch hinterher zu strafen, und nicht nach H e i n r o t h „weil der menschliche Richter ihm seine Schuld ( ? ) nicht vergeben darf," sondern, weil auch nach scheinbar völliger Genesung die Unmöglichkeit der Rückkehr eines plötzlichen Recidivs im Zustande der Freiheit hier nicht mit Gewifsheit verheifsen werden k a n n , mithin Erneuerung unglückbringender gesetzwidriger

eine

Hand-

lungen l e i c h t möglich ist.

Erweisen

sich

nach

dieser

Beleuchtung

vom

Standpunkte der Erfahrung aus die Grundsätze von H e i n r o t h s Lehren als falsch und nichtig,

so müs-

sen es auch alle die Folgerungen sein, die aus ihnen hergeleitet sind. Es müssen daher dasselbe Gepräge auch die Revisionen aller der Gutachten über bereits gerichtlich entschiedene und abgemachte Criminalfälle tragen, die der Verf. in dieser Schrift, im 2ten Abschnitte, unter Titel 1 , 2 und 3 pag. 56 seq. bekannt gemacht hat.

— hat.

Wir würden

65



daher in materieller Hinsicht die

oben gemachten Ausstellungen nur wiederholen m ü s sen, um tlie leerin Behauptungen und Anmafsungen im Einzelnen nachzuweisen,

und narh Verdienst zu

rügen, welche die formellen E i g e n t ü m l i c h k e i t e n jener Arbeit ausmachen. Unmöglich kann eine solche L e h r e , welche mit den documentirten Resultaten

der Erfahrung

aller

übrigen Aerzte im graden W i d e r s p r u c h e s t e h t , und f ü r sich nur hypothetisch i s t , auch wenn sie nach den Grundsätzen des Strafrechls, — wie w i r jedoch in bescheidenen

Zweifel

z i e h e n , — praktisch

wendbar w ä r e , den G e r i c h t s h ö f e n

an-

Vertrauen

einilöfsen. Der Verf., dem dies nicht entgangen, läfst sich jedoch dadurch nicht irre machet).

Er selbst sagt in sei-

nem System der psychisch-gerichtlichen Medicin.

Leip-

zig 182'i p. 20, 2 1 . : „ E s ist dermalen über die organische Natur der Geisteszerrüttungen nur Eine Stimme! Englische, Französische, Deutsche Aerzte und Nicbta r z l e , Alje behaupten: Der W a h n s i n n ist organische Krankheit!

Nui

der

Verfasser des Lehrbuchs der

Störungen des Seelenlebens steht mit dein

Schwerte

des psychischen Frincips ihnen Allen ganz allein geg e n ü b e r ! " — W e n n der Verfasser dies selbst zugiebt und dennoch verlangt,

dafs man seiner

Hypothese

Glauben schenken, und seiner W e i s e die Natur der Seelenstürungen zu deuten, und die Mittel zu ihrer Beseitigung festzustellen, vertrauen, sogar aus derselben A n w e n d u n g auf die Ausübung der Slrafreclitspflege machen — und künftig nicht blofs die T h a t Klug » Auswahl, I.

^



66



— sondern auch die geheimnisvolle Quelle und V e r anlassung derselben, die S ü n d e , lich ihm gleich g i l t ,

oder was

die S e e l e n s t ö r u n g

wesentstra-

f e n s o l l ; so dürfen wir wohl fragen: Ob j e ein B e i spiel ähnlichen Selbstvertrauens

unter

Aerzten und

Königl. Wissenschaftliche

Deputation

Naturforschern vorgekommen ist? Berlin, den 31sten Mai 1828.

f ü r das

Medicinal-Wesen.

II. G u t a c h t e n über

den Gemüthszustand eines wegen Veruntreuung i m Dienst zur Untersuchung gezogenen Beamten.

5 *

Geschichtserzählung.

• D e r ehemalige Hospit.il - Verwalte? und Advnknl * * , zurZeit der gegen ihn eröffneten Untersuchung 49 J.ilir alt, war der Sohn eines früher verstorbenen Superintendenten. Er wurde in seinem ällerlichen Hause erzogen, bezog dann die Fürstenschule X . , und später die Universität Z. Nachdem er seine akademische Laufbahn vollendet hatte, wurde er in X . immatriculirter Advokat, und im Jahre 1791 Verwalter des bei seinem Wohnorte gelegenen Hospitals * * Nachdem er seine erste Frau durch den Tod verloren hatte, verheirathete er sich zuin zweitenmal. Er hatte aus der ersten Ehe ein Kind, aus der zweiten drei am Leben. Nicht ganz ohne Vermögen, ist er namentlich Eigenthiimer mehrerer Grundstücke in —. Nachdem eine geraume Zeit hindurch wiederholt Klagen über eigenmächtiges willkührliches Verfahren bei Verwaltung des Hospitals, so wie über Verun-

i r e u u n g e n und Betrügereien des * * erhoben worden, •wurde auf V e r f ü g u n g der vorgesetzten Behörde eine K r i m i n a l - Untersuchung und nach beendigter

g**gen

denselben

Untersuchung w u r d e

nem Erkenntnil's des Kriminal - S e n a t s des

eröffnet, nach

ei-

Königli-

chen K a m m e r g e r i c h t s vom October 1 8 1 6 für

Hecht

e r k a n n t , dals der * * wegen V e r l e t z u n g seiner A m t s pflichten grober nen

bei

der

V e r w a l t u n g des

Veruntreuung

Kasse,

der

Anfertigung

Hospitals * *

i h m anvertraut falscher

gewese-

Privat-Schriften,

Insubordination gegen das Consistoriutn zu W . ,

Wi-

derspenstigkeit gegen die Abgeordneten des letzteren, grober V e r b a l - I n j u r i e n gegen die Inspectoren des Hospitals und

wegen

Hospitaliten,

(junlificirten B e t r u g e s gegen

die

als H o s p i t n l v e r w a l t e r und Advokat zu

c a s s i r e n , und zu allen ferneren öffentlichen A ein lern f ü r unfähig zu e r k l ä r e n , aufserdem mit einer v i e r j ä h rigen Festungs - A r r e s t - S i r a f e zu

b e l e g e n , und

den

durch sein Verbrechen dein Hospital und den Hospit a n t e n verursachten Schaden zu erstatten, i m Fall s e i nes Unvermögens aber den e r s t e m iu einer öffentlichen A n s t a l t abzuarbeiten g e h a l t e n , endlich auch die K o s t e n der Untersuchung zu tragen verbunden sei. Als

dem

Inculpaten

das Erkenntnifs

publicirt

•worden, e r k l ä r t e er sich d a h i n , dafs er g e s t e h e , sich vergangen zu haben, allein seine Gesundheitsuinstände und seine übrige körperliche Beschaffenheit habe ihn dazu veranlafst.

Er bereue sein V e r g e h e n , doch hoffe

er, dafs durch e i n e a n d e r w e i t i g e V e r t e i d i g u n g dieses E r k e n n l n i f s w e r d e gemindert w e r d e n .

In einer von

i h m selbst verfafsten neuen V e r l h e i d i g u n g s - Schrift



71



führte derselbe am Schlüsse a n : Er hoffe, dafs sein sehr schwächlicher Gesundheitszustand eine Milderung des ihm zuerkannten Festungsarrestes, und zwar nach siichsisclien Gesetzen: tanquam persona miserabilis et inorbo chronico laborans, zu Statten kommen werde. Ein von dem ehemaligen Professor Dr. K . in W . vom April 1802 an den Inculpaten gerichtetes Schreiben bekundet, dais Letzterer damals sich der ärztlichen Hülfe desselben bedient, und dafs er früher am Bluthusten und Verdauungsbeschwerden gelitten habe. Unmittelbar nach Publicirung des Erkenntnisses überreichte die Ehefrau des Inculpaten mit den Schwestern, Brüdern und Kindern desselben eine Bittschrift init dem Antrage: den Verurtheillen der Allerhöchsten Gnade Sr. Majestät des Königs zu empfehlen, ¡•dem derselbe an L e i b und S e e l e krank, gröfstentlieils in düstere Schwermuth versunken, und dafs die fixe Idee bei ihm sich zeige, dafs das, was er sich in seiner Hospital-Verwaltung zu Nutzen gemacht, als ein erlaubtes Accidens um deswillen betrachtet und gerechtfertigt werden müsse, weil er aufserdem nicht vermögend gewesen sei, von seinem übrigen geringen Diensteinkommen seine unentbehrlichsten Lebensbedürfnisse zu bestreiten. Schon über ein Jahr lang sei er einer jeden Gesellschaft ausgewichen, in welcher er die Untersuchungs-Commissarien anzutreffen vermuthet, weil ihm die Vorstellung vorgeschwebt, er könne bei solchen Gelegenheiten von denselben ums Leben gebracht werden | ja er habe sogar die Idee geäufsert, dafs die Untersuchungs-Commissarien beabsichtigten, ihn durch ein bekanntes Haupt einer Spitz-

bubenbande, zu lassen.

der dort gefangen Diefs veranlasse

gesessen,

sie,

darauf

umbringen anzutragen:

den L e i b e s - und G e m ü l h s z u s t a n d des I n c u l p a t e n durch den A m t s - T h y s i k u s D r . H. oder einen a n d e n . approb i r t e n A r z t untersuchen zu lassen. Der A m t s - P h y s i k u s Dr.

H. bezeugte darauf u n -

t e r dein 5ten N o v e m b e r 1 8 1 6 in einem k u r z e n A t t e s t e : dafs d e r * * 6eit l a n g e n J a h r e n mit e i n e m chronischen Brustleiden

behaftet,

seine R e s p i r a t i o n

g e w e s e n s e i , dafs e r häufig

an

sehr

beengt

einem t r o c k n e n ,

oft

a n e i n e m m i t v i e l e m blutigen E i t e r a u s w u r f v e r b u n d e n e n Husten l e i d e , und sein gegenwärtig s e h r abgemagerter

Ivürper alle

entwickelnden wahren

Zeichen

eines

siecher

sich

mehr

Lungenschwindsüchtigen

Zu-

s t a n d e s offenbare, m i t w e l c h e m L e i d e n sich ein buchst hypochondrischer,

p e r i o d e n w e i s e durch eigene

sich v e r r a t h e n d e r ,

s e h r in die A u g e n

Ideen

fallender

Zu-

stand, zufolge d e m i h m m a n c h e D i o g e in e i n e m ganz andern

als dein

wahren

Lichte

erscheinen,

verge-

sellschaftete. H i e r a u f w u r d e von dem K ö n i g l i c h e n

Kammeige-

rxcht unter d e m 2 5 s t e n N o v e m b e r 1 8 1 6 v e r f ü g t , dafs v o n S e i l e n des G e r i c h t s e i n e müthszustandes

Untersuchung

des A n g e s c h u l d i g t e n

s t ä n d i g e Yeraulafst w e r d e n

sollte,

mit

durch

des

Ge-

Sachver-

welchem

Ge-

s c h ä f t d e r A m t s - i ' h y s l k u s D r . H . und der D r . K . in B . beauftragt w u r d e n . Diesem Aerzte,

Auftrage

geinäfs

verfugten

der D r . K . am 1 2 t e n D e c e m b e r ,

sich

beide

der A i n t s -

p h y s i k u s Dr. H . am lOten desselben, zu dem in der d o r tigen A u i t s f r o l i u v e s t e i m A r r e s t s i t z e n d e n

und u n -



73



terbielten sich mit demselben jeder eiDzeln, um seinen Gemiitliszustand zu prüfen.

Jeder gab sodana

ein besonderes Gutachten hierüber ab, deren w e s e n t licher Inhalt folgender ist.

Der A m t s - P h y s i k u s

Dr.

H. versichert in seinem Gutachten, dafs er den I n culpaten seit 14 Jahren kenne.

Er habe einen langen,

hagern, sehr abgezehrten Körper, einen engen flachen Brustbau, gelbfahle

Gesichtsfarbe,

und habe früher

öfters krampfhafte Zufälle,

Bluthusten

krampf gehabt.

habe derselbe öfters an

Außerdem

und Magen-

Verdauungsschwache, Obstructionen und solchen Z u fällen gelitten, welche eine widernatürliche Reizbarkeit seines Nervensystems bekundeten. Freunde, ja

Gegen seine

gegen seine nächsten Verwandten habe

er immer ein Mifslrauen gezeigt, und bei zu fassen« deu Entschlüssen eine ängstliche offenbaret.

Unentschlossenheit

In grüiseren Gesellschaften

habe er i m -

mer eine eigene Schüchternheit verrathen, seine B e hauptungen habe er immer mit vieler Halsstarrigkeit zu vertheidigen gemacht,

gesucht.

Er habe häufig Diätfehler

viel K a l l e getrunken und immerwährend

Tabr.ck. geraucht.

In Hinsicht seines geistigen

Ver-

mögens sei Inculpat von der Natur etvras stiefmütterlich ausgestattet.

E r sei ein schlaffer D e n k e r ,

fälle

immer schlaffe Urtheile, sein Memorium hingegen habe sich stets als gut bewährt.

Seit der gegen ihn ge-

führten Untersuchung habe er oft geklagt, wie unschuldig er leiden müsse, und habe über die HospitalInspectoren ihn

als seine schrecklichsten Verfolger, die

unschuldiger W e i s e

an den Bettelstab bringen

wollten, laut geklagt, indem er sich unschuldig fühle,



74



und die V o r t h e i l e , die er b e n u t z t , w o h l hatte lich verlangen k ü n n e n , indem er von stimmt Familie des

gewesenen kleinen sonst nicht

ärztlichen

habe

dem

Dienstgelialle

ihm

mit

leben k ö n n e n .

Besuchs hustete

rechtbe-

seiner

Während

der Inculpat

häufig,

respirirte sehr bewegt, sein A u g e zeigte einige A e n g s t lichkeit und U n r u h e , und a u f die Frage, w i e er sich jetzt b e f ä n d e ? ten

äufserte er sich d a h i n :

Brustbeschwerden

fortdauerten,

dafs sie

disch s c h w ä c h e r und stärker w ü r d e n , terung dafs

er

auf

seinen K ö r p e r

Wit-

mächtigen Einflufs

habe,

kein

h a b e , sein Appetit erträglich s e i , gesunder

perio-

dafs die

seit einigen T a g e n

w e r k z e u g e jetzt

dafs seine a l -

Blut

ausgeworfen

seine

Verdauungs-

schienen,

tionen seltener wie sonst einträten,

seine

Obstruc-

dafs das i m m e r -

w ä h r e n d e S i t z e n ibm nicht b e k o m m e ,

dafs e r

die

K r ä n k u n g , die ihn betroffen, nicht verdiene, und dafs e r unschuldig leiden müsse.

Aus allem diesen schliefst

der V e r f a s s e r , dafs der Inculpat an einer t i e f w u r z e l t e n Hypochondrie, verbunden nicht völlig ausgebildeten

noch

Lungenschwindsucht

leide.

W a s se'nen Seelenzustand betreffe, so sei

besonders

der Umstand w i c h t i g , dnfs der Inculpat gegen letzte Inspection

einge-

init einer

ein halsstarriges

Benehmen

seine bewie-

sen h a b e , und dafs er sich reines Gewissens

fühle,

obgleich

geübt,

er

überwiesen

der V e r u n t r e u u n g e n , worden:

dafs

er

welche

glaube,

er

unverdiente

K r ä n k u n g e n zu erleiden, und dafs er m i t Geduld s e i n e m S c h i c k s a l entgegen s e h e .

Man solle n i c h t g l a u -

b e n , dafs hier irgend eine Verstellung obwalte.

Man

m ü s s e die Nachsicht e r w ä g e n , die i h m seiner K r ä n k -

_

75



lichkeit wegen von Seiten seiner Eltern zu Theil geworden. Hiezu käme seine Hypochondrie, deren Ursachen auf seine groise Sensibilität mächtig einwirkten. Bei diesen Umständen könnte der Inculpat leicht zu falschen Ansichten und Begriffen gelangen, die cur nachtheiligsten Reife für ihn gedeihend, irrige und strafbare Handlungen erzeugen. Der Amts-Physihus Dr. H. erklärt sich nach allem diesen dahin, dafs der * * n i c h t b e i v o l l k o m m e n e m V e r s t ä n d e gewesen sei, um das Moralische seiner Handlungsweise zu erkennen. Er sei unter diejenigen zu zählen, die, indem sie sich ihrer gegenwärtigen Verhältnisse bewufst, sich der Vergangenheit erinnern könnten, daher als v e r n ü n f t i g anzusehen seien, aber in Rücksicht eines gewissen Gegenstandes (bei ihm der Handlungsweise im Officio) verrückte Begriffe hegen. Der Dr. K . äufserte sich in seinem Gutachten über das Befinden des * * auf folgende W e i s e : Sein Ansehen sei etwas verstört, sein Blick scheu. Die schwindsüchtige Anlage sei nicht zu verkennen, er huste immerfort und werfe viel eiterartigen Schleim aus. Sein Nervensystem sei überaus reizbar. Er klage übrigens gegenwärtig nicht, esse mit Appetit, und schlafe besser als sonst. Sein Geisteszustand schiene ruhig, und er versichere: dafs er sich über sein Schicksal nicht kränke. Trennung müsse einmal in diesem Leben statt finden, und daher werde er auch wissen sich von seiner Familie zu trennen. Seine Frau müsse denken: er sei gestorben. Ueber den Tod seines vor Kurzem gestorbenen Kindes



76



schiene er sich nicht zu betrüben.

Der Dr. K . fügt

hinzu, der Inculpat sei sehr mifstrauisch, indem er die Idee hege: seine Familie wolle ihn verrückt inachen.

Er habe mehr Zutrauen gewonnen als er ihm

gesagt, seine ganze Sendung gehe darauf hinaus, seinen Gesundheitszustand zu untersuchen:

ob er auch

werde die Festungsstrafe ertragen können , worauf er geäufsert, dafs das stete Sitzen ihm äufserst nachtheilig sein werde.

Er versichere, in seiner ganzen A m t s -

führung

Pflichten

seine

redlich

erfüllt

h a b e n , sein Dienst sei allerdings von der A r t

zu

gewe-

sen, dafs er nicht davon habe leben können, wenn er nicht anderweit sich was zu verschaffen gesucht, und da er als Hausvater seine Familie habe ernähren m ü s sen , so habe er auch zugleich mit für sich gesorget, wobei er jedoch die Vorlheile des Hospitals nicht aus den Augen gelassen habe.

Er begreife nicht, w i e m a n

so streng mit ihm verjähren könne.

W e n n er dem

Hospitale Subjekte z u f ü h r e , so erlaube i h m die O b servanz , dafs er für seine Bemühuugen sich ordentlich lionoriren lasse, und hätte er das nicht gethan, wovon hätte er mit seiner Familie leben sollen? A n seinen

Vorgesetzten

habe

er sich allerdings durch

"Worte vergangen, allein er sei auch genug gereizt worden.

Der Dr. K . betrachtet als das Resultat seiner

Untersuchung: dafs die stete Kränklichkeit deslnculpa« ten dieAusbildung seines Geistes vermindert, und seine Hypochondrie endlich sein Gehirn und Nervensystem angegriffen habe.

Seine Sensibilität sei am Ende so

hoch gesteigert worden, dafs selbst i m Gehirn falsche Vorstellungen

hervorgegangen.

W e u n - man in den

Akten seine Vergebungen lese, und namentlich sehe, w i e schlau er oft zu W e r k e gegangen, um seine V e r untreuungen zu bemänteln , sc» sollte man wohl g l a u ben, er habe alles mit Bedacht gethan und das Unrecht davon wohl eingesehen. W e n n man aber a l l e s im Zusammenhange betrachte, so sehe man bald w i e der den plumpen, unwitzigen Menschen, der, von f a l schen Grundsätzen irre g e f ü h r t , sich selbst am m e i sten hinterging. Der Verstand sei dem Inculpaten z w a r nicht abzusprechen, da er sich seines Zustande» bewufst s e i , auch alles Vergangenen sich erinnern k ö n n e ; allein w e n n man seine Handlungsweise und sein ganzes Betragen in Erwägung z i e h e , so könne man nicht umhin , i h m in g e w i s s e r Rücksicht richtigen Verstand wegzuleugnen. B e i seiner K r ä n k l i c h k e i t , welche die Ausbildung seines Verstandes v e r hindert, bei seiner Reizbarkeit, seinem Mifs trauen bildeten sich nach und nach i r r i g e Grundsätze, w e l c h e er für Recht e r k a n n t e , und deren Unrichtigkeit er nicht mehr einsehen konnte. Ein V e r n ü n f tiger w ü r d e nicht auf den Gedanken gerathen sein, den er w i r k l i c h oft geäufsert h a b e , dafs die beiden jetzigen Inspectoren i h m nach dein Leben trachteten, und nur eine k r a n k e Phantasie könne ihm vorspiegeln, sie verbänden sich mit dem damals im Arrest befindlichen Spitzbuben-Oberhaupte, um ihn u m b r i n g e n zu lassen. Da Inculpat nun übrigens w o h l bei Verstände s e i ; in Rücksicht seiner Vergehungen aber sich vom begangenen Unrechte nicht überzeugen könne, auch durch k e i n e Belehrung dahin zu bringen sei, dies einzusehen, Verstellung aber sich durchaus Dicht

darlhun lasse, so könne rann wohl nicht in Abreda stehen, dafs er eigentlich unter diejenigen Menschen gehöre, welche die M o r a l i t h t ihrer Handlungen, rücksichtlich gewisser Gegenstände e i n z u s e h e n u n f ä h i g seien. Sein Urtheil lallt daher dahin a u s : dafs Inculpat n i c h t m i t g e h ö r i g e m V e r s t ä n d e begabt gewesen sei, um die Moralität seiner Handlungen einsehen zu können. Der Verfasser fügt hinzu : Es sei allerdings schwierig, über den psychischen Zustand eines Menschen ein Urtheil zu fällen, zumal wenn dieses Urtheil auf die mehrere oder mindere Bestrafung seiner Handlungen Einflufs haben soll. Einmal wolle man sein Gewissen rein erhallen, und •einer rflicht aufs möglichste nachkommen; auf der andern Seite wolle man aber auch dem Inculpnten keinen Schaden zufügen. Er schliefst mit den Worten : Ich gestehe meine Schwäche in Untersuchungen der Art, dafs ich keine Uebung darin habe, und vielleicht getäuscht werden kann. Ich unterwerfe mich daher gerne der Beurtheilung sachverständiger Männer, wenn man mein Gutachten nicht gewichtig genug finden sollte, und werde mich gern belehren und zurechtweisen lassen.

G u t a c h t e n . Nach einer sorgfälligen Vergleicliung der in den Untersuchung?- Akten enthaltenen Thatsaclien mit den



79



Ansichten und Behauptungen des Kreis-Fhysikus Dr. H. und des Dr. K . in B., hält sich die w. D. für überzeugt, dafs es jenen nicht gelungen sei, es wahrscheinlich zu machen, viel weniger zu beweisen, dafs der * * nicht bei vollkommenem Verstände gewesen , um das Moralische seiner Handlungsweise zu erkennen. Beide Sachverständige sind zuerst bemüht gewesen, darzuthun : dafs der Inculpât als ein Kandidat der Schwindsucht zu betrachten sei. Nach den erzählten Merkmalen, und namentlich nach der Bemerkung über den engen Bau seiner Brust, seiner gelblichen Gesichtsfarbe, oft wiederkehrendem Husten mit Blutspeien und beengter Respiration, mit sogenanntem eiterartigen Auswurf entsteht allerdings der Verdacht, d a b die Organisation der Lungen bereits verletzt sei, und der erste Grad einer knotigen Lungensucht sich entwickelt habe. Aber die Beschreibung dieser Z u fälle ist auf der andern Seite bei weitem nicht vollständig genug, um hierüber so viel Licht, wie leicht zu erhalten gewesen wäre, su verbreiten, indem u. a. nicht bemerkt wurde, ob die äufsere Wärme der Haut von Zeit zu Zeit sich vermehre, um wie viel die Zahl der Inspirationen und der Pulsschläge in einer gegebenen Zeit von der normalen Frequenz ab* weiche, wie der Krankheitszustand des * * zur Morgenzeit sich zu der des Abends verhalte u. s. w . Sodann haben sie gesucht, durch Angabe einer Reihe von Phänomenen nachzuweisen, dafs diese Brustkrankheit mit Hypochondrie verbanden sei. Hierher sind zu rechnen : die Verdauungsschwäche des



80



K r a n k e n , seine Neigung zu Obstruclionen, die w i d e r natürlich erhöhte R e i z b a r k e i t seines seine ängstliche Unentschlossenheit,

Nervensystems, sein

unnölhiges

Sorgen, seine Schüchternheit, Mifctrauen und Neigung zur E i n s a m k e i t ,

seine

Unordnung in Genüssen etc.

Man k a n n diese Meinung und den Scliluf» i m m e r h i n gelten l a s s e n , dafs die T h ä l i g k e i t des Nervensystems und der Umlauf der S ä f t e in den E i n g e w e i d e n

des

Unterleibes des * * andauernde und w i c h t i g e S t ö r u n gen erlitten h a b e ,

aber diese K r a n k h e i t , w e n n

sie

auch auf den Namen der Hypochondrie Anspruch! m a chen sollte, verdient w e n i g Beachtung f ü r den R i c h ter, w e n n die R e d e davon ist, ob der Angeschuldigte a n einer solchen

Krankheit leide,

die i h n

m a c h e , die Folgen seiner Handlungen zu

unfähig

überlegen,

und namentlich sich seines Verhältnisses als Mensch, a l s Staatsbürger und als B e a m t e r , werden.

klar

bewufst zu

Die Hypochondrie, d. h. die chronische Ner-

venkrankheit

mit

Verletzung der V e r d a u u n g s k r ä f t e

und mit Verstimmung des G e m e i n g e f ü h l s , bei cher der K r a n k e

wel-

unbedeutende Z u f ä l l e für w i c h t i g

hält, seiner nicht gefährlichen K r a n k h e i t stets zu u n terliegen fürchtet und von mannigfaltigen schungen und Einbildungen, eignes Befinden beziehen, Nervenkrankheit,

Sinnestäu-

die sich stets auf

sein

geplagt w i r d , e i n e solche

so lange sie

nicht

zugleich

mit

W a h n s i n n verbunden ist, rauht Niemanden das V e r mögen, die Moralität würdigen.

seiner

Handlungen

d e m er, als A d v o k a t , den üblen A u s g a n g ihn

richtig

Auch a n g e n o m m e n , dafs der * * ,

eröffneten

Untersuchung,

iin

Laufe

zu

nach-

der gegen derselben vor-

— vorhergesehen,

81

wirklich



gefürchtet

hätte, dafs die

mit dieser Untersuchung beauftragten Iospectoren des Hospitals, deren persönliche Berührung er ängstlich vermied,

seinem Lehen gefährlich werden,

durch den damals gar umbringen

verhafteten

ja

Dieljesanführer

ihn wohl

lassen würden : so läfst sich l)ieraus

keinesweges s c h l i e f e n ,

dafs derselbe überhaupt

während er jene strafbaren Handlungen

und

begiug, am

Verstände krank und daher unfähig gewesen sei, die moralische Bedeutung der M i e h l e n seines Amtes gehörig zu würdigen.

W e n n man

daher auch anneh-

men wollte, es sei dem Inculpaten mit jener Besorgnifs voller Erust gewesen ; so liefse sich dieselbe unbedenklich als eine Aeufj-erung seiner damaligen h y pochondrischen Verstimmung ansehen, und mit lichen Sinnestäuschungen

und Einbildungen

Hypochondristen, wonach sie ohne allen

ähn-

anderer

objektiven

Grund, jeden Augenblick zu sterben, von jedem

Ge-

witter getroffen, nach jedem Genufs gewisser Speisen durch Schlngflufs getödtet zu werden fürchten,

recht

wohl vergleichen. Endlich sind die Sachverständigen bemüht gewesen , aufser diesen Krankheiten eine wirkliche V e r s t a u d es s c h w ä c h e

des

Inculpaten

anzunehmen,

und zwar von solcher A r t , die auf dem

Vorhanden-

sein einer fixen Idee beruhe, weshalb derselbe nicht bei vollkommenem Verstände

gewesen sein könne,

um das Moralische seiner Handlungsweise zu erkennen. Geist,

Sie

behaupten:

Der

Inculpat

sei ein schlalTer Denker,

falle stets

Urlheile, seine Defensionsschreiben Khii»*» Auswahl. I.

besitze seien für ^

wenig scblaile keine





besondere Geistesprodukte zu halten etc.

Diesen B e -

hauptungen dari' man immerhin beitreten,

doch -wird

h i e r a u s nicht gefolgert w e r d e n können : dafs der I n culpat an einer k r a n k h a f t e n

Verstnndesschwäche

ge-

litten habe, dafs er sich seines w a h r e n L e h e n s v e r h ä l t nisses nicht k l a r bewirfst g e w e s e n s e i , dafs er seine subjektiven Ueberzeugungen

mit der Objektivität der

Aufsenverliiillnisse verwechselt habe.

Ein Individuum

von w e n i g Geist und von beschränktem

l'itheilsver-

lmigen kann z w a r , unter hefiig einwirkenden c h e n , eben so leicht in w i e ein anderes von

Geisteszerrüttung

Ursa-

verfallen,

höheren Geisteskräften.

Aber

niemand w i r d behaupten können , dafs jenes geistige Naturell als solches schon für k r a n k h a f t zu

halten,

oder dafs gar jene Hypochondrie hinreichend sei, eine solche Beschränktheit des Geistes zu einem p a r t i e l len W a h n s i n n zu steigern.

Diefs in abstracto zu be-

h a u p t e n , ist aller Erfahrung vorliegende k o n k r e t e

Fall

e n t g e g e n , und dafs der eine

solche

Behauptung

nicht r e c h t f e r t i g e , beweist der Inhalt der A k t e n , i n d e m dafür nichts spricht,

w i e die ganz

unerwiesene

Behauptung der eignen unglücklichen Familie des

v

und die von allen faktischen Gründen entblüfste H y pothese der A e r z i e . Der A m t s - T h y s i k u s

Dr. H. v e r s i c h e r t , der

sei unter diejenigen zu z ä h l e n , d i e ,

**

indem sie sich

ihrer g e g e n w ä r t i g e n Verhältnisse b e w u f s t ,

sicli

der

V e r g a n g e n h e i t erinnern können, daher nls V e r n ü n f t i g e anzusehen s i n d ; die aber in Rücksicht eines g e wissen Gegenstandes,

als

bei i h m der H a n d l u n g s -

weise in officio, v e r r ü c k t e Begriffe hegen.

Abge-



83



seben von dem Widerspruche, der hierin zu liegen s c h e i n t : so spricht diese Ansicht zugleich den Irrt h u m a u s , aui' welchem das Resultat jener Gutachten sich gründet. Der meinen jene A e r z t e , müsse p a r t i e l l v e r r ü c k t sein, weil er nicht begreife, dafs er m e h r e r e "Verbrechen begangen h a b e , weil er sich f ü r unschuldig h a l t e , obgleich er nach dem E r k e n n t nifs 1'ür sehr strafbar erklärt wurde. W e n n aber das Vorgeben einer subjektiven Ueljerzeugnng dieser Art einen partiellen Wahnsinn bekunden k ö n n t e , so würden die meisten Verbrecher für gemülhskrnnk erklärt werden müssen, indem es bekanntlich wenige giebt, die das Maas ihrer Schuld selbst a n e r k e n n e n , und namentlich wenig Fülle von überwiesenen V e r u n t r e u u n g e n , Entwendungen elc. v o r k o m m e n , welche die Verurlheilten nicht mit der N o l h , Nahrungssorgen e t c . , welche die That unvermeidlich zur Folge gehabt, entschuldigt, und sich daher für straflos gehalten hatten. fllit Gewifsheit anzunehmen, dafs der * * die i n nere feste Ueberzeiisung von seiner Unschuld gehabt habe, bleibt übertliel's sehr gewagt, und in den A k t e n befinden sich wichtige Tliatsachen, welche gegründete Zweifel dagegen veranlassen. Seine zum Theil ausweichenden, zum Theil entschuldigenden E r w i e d e r u n gen bei mehreren Vernehmungen, sein Benehmen bei der eigenmächtigen A n n a h m e der Hospitaliten, sein kleimnüthiger Zustand nach Eingang des Erkenntnisses , seine nachträglichen Eingaben, in denen er sich selbst für schuldig erklärt; f e r n e r : nachdem er sich ü b e r z e u g t , dafs seine eigene juristischen Deductionen vor der gesetzlichen Bestrafung ihn nicht schützen w ü r d e n , sein ruhiges Unterwerfen der S t r a f e , dann seine Bereitwilligkeit, den Festungsarrest anzutreten; seine Bilten um Erleichterung und angemessene Ver«i pflegung während dieser .Zeit; alles dies setzt es aufser Z w e i f e l , dafs jene Idee von seiner Schuldlosigkeit gewifs nicht für die Aeufserung eines partiellen W a h n s i n n s gehalten werden könne. Hätte die innere feste Ueberzeugung von seiner Schuldlosigkeit in Hinsicht des wichtigsten Verbrechens, der V e r u n treuungen im A m t e als f i x e r W a h n wirklich statt 0 #



84



g e f u n d e n ; so •würde er diesen ohne Aufhören in der T h a t geltend gemacht, und ohne G e w a l t z u m Antritt des Arrestes sich nicht bequemt, v i e l w e n i g e r zur Abhüfsung der Festungsstrafe so schnell bereitwillig erk l ä r t haben. Der * * läfst es bei d e m V e r s i c h e r n seiner Schuldlosigkeit bewenden , und sein sogenannter tixer W a h n geht n i c h t , w i e bei w i r k l i c h e n Geis t e s k r a n k e n , ins Leben über. Endlich hat das frühere Leben des Inculpaten und sein Benehmen vor der Untersuchung nirgend e i n e Spur von Geisteszerriiltung an den T a g gelegt, v i e l m e h r erhellet aus den Untersuchungsakten, dafs er bediichtlich genug zu verfahren wuTste, uin überall s e i n e n F r i v n t - V o r t h e i 1, der gerade von Geisteskranken so oft unbeachtet bleibt, zu befordern und e i n e M e n g e von Pflicht Widrigkeiten zu begehen, w i e sie in dieser Dauer und Konsequenz nicht von Individuen von k r a n k e m V e r s t ä n d e , sondern von g e m e i nen Gesinnungen , die den höheren S i n n f ü r Rechtlichkeit ausscbliefsen, zu erwarten sind. Diese Erörterungen w ö g e n h i n r e i c h e n , um das Urtheil zu rechtfertigen: dafs der Geinüthszustand des ehemaligen Hospit a l v e r w a l t e r s und Advokaten * * , so w e n i g auch sein körperliches Uebel v e r k a n n t w e r d e n kann, von der Beschaffenheit nicht g e w e s e n ist, dafs er dadurch aufser S t a n d gesetzt w u r d e , die Moralität seiner Handlungen zu w ü r d i g e n . B e r l i n , den 30sten September 1827.

Königl. Wissenschaftliche Deputation f ü r das M e d i c i n a l - W e s e n .

III. G u t a c h t e n über

den Gemiithszustand und die Zarechnungsfäliigkeit einer jungen Brandstifterinn, wobei die Frage aufgeworfen worden: ob und in wie weit, besonders bei dem Mangel aller äußeren Motive zur That, bei der Inculpatin ein solcher körperlicher oder Seelenzustand anzunehmen sei, der ihre Zurechnungsfähigkeit in Casu concreto ganz oder zum Theil ausschliefst?

GeschicTitserzühlung.

D i e unverehelichte A. S. B . , Tochter de» Häuslers .i. G. B. zu N i e d e r - P . , w u r d e daselbst am 19ten J u lius 1S04 gehören, hat also jetzt ihr 17tes Jalir rückgelegt.

zu-

Von ihrem siebenten Jahre an besuchte

sie die evangelische Schule zu G., in welcher sie L e sen, Schreiben und etwas Rechneu lernte, und che sie erst

wel-

in ihrem 14ten J a h r e wieder verliefs,

nachdem sie von dein dortigeD Prediger den nöthigen Religionsunterricht erhalten hatte und confirmirt w o r den war. "Während ihrer ganzen Schulzeit belrugsie sich nicht nur immer gesittet, got und ileilsig, sondern

machte

sich auch hauptsächlich w ä h r e n d der Zeit des

Con-

lirinanden-Unterrichts des Beifalls und der Liebe i h res Lehrers würdig. Nachdem sie die Schule verlassen halte, sie

von

ihren

wurde

liltern bei dem Bauer R . zu L . als

K u h m a g d vermiethet, in welchem Dienste s i e ,

der

V e r a b r e d u n g g e m ä f s , 32 W o c h e n , Iiis um "Weihnachten 1818 verblieb.

H i e n u f k e h r t e sie zu

tern z u r ü c k , u u d v e r w e i l t e hei diesen vor O s t e r n 1 8 t 9 . um w e l c h e Zeit Bauer

G . B. in

Termiethele.

Grofs-R.,

sie sich

abermals

als

H i e r w u r d e i h r zugleich

des jüngsten K i n d e s ü b e r t r a g e n ,

ihren

bis 14

ElTage

bei

dem

Kuhmagd

die "Wartung

und da s o w o h l

D i e n s t h e r r s c h a f t m i t i h r zufrieden w a r ,

ihre

als auch

sie

nicht die m i n d e s t e V e r a n l a s s u n g h a t t e , ü b e r jene

zu

K l a g e n , so w u r d e i h r e Dienslzeit nach Ablauf derselb e n , gegen "Weihnachten 1 8 1 9 , auf u n b e s t i m m t e Z e i t verlängert.

Ungeachtet

dieses

guten

Verhältnisses,

w e l c h e s ihr k e i n e n Grund gab, sich zu beklagen, g e s c h w e i g e irgend

eine F e i n d s e l i g k e i t oder R o c h e

gen ihre Dieustberrschal't

auszuüben,

legte sie

geden-

noch a m 14ten D e c e i n b e r 1819 in der S c h e u n e ihres D i e u s t h e r r n vorsätzlich F e u e r a n ,

und gab

dadurch

V e r a n l a s s u n g zu d e m A b b r e n n e n nicht n u r des diesem z u g e h ü r e n d e n G e h ü f t e s , s o n d e r n a u c h desjenigen des b e n a c h b a r t e n B a u e r s C. B.

D a s Geständnifs

rer in der Folgezeit von ihr begangenen

und

mehreweiter-

h i n noch besonders zu e r w ä h n e n d e n Diebstähle h a t t e endlich auch das i h r e r B r a n d s t i f t u n g zur F o l g e ,

und

l a u t e n i h r e eignen A u s s a g e n über den dabei statt g e fundenen Vorgang,

so

dazu, folgendermaßen. — ,,dein

unglücklichen

w i e über die „Obngefähr

Brande

erwachte

Veranlassung 14 T a g e ich

vor

einmal

,,plötzlich in der N a c h t , u n d es k a m inir vor, als ob „ m i r j e m a n d z u r i e f e ; trage Feuer in den B a n s e n . — „ I c h e r s c h r a r k d a r ü b e r h e f t i g , und gab mir alle M ü h e , ,, diese E r s c h e i n u n g zu vergessen, u n d den e r s c h r e c k -



89



„ l i e h e n Gedanken in mir zu unterdrücken.

AHeia

„ s e i t dieser Nacht erwachte e r , so oft ich durch das „ m e i n e r W a r t u n g anvertraute Kind aus dem Schlafe „geweckt

w u r d e , mit mir zugleich immer

wieder,

„ u n d es w a r stets, als ob diese Stimme mir

immer

,,nufs neue zurief, Feuer in den Bansen zu

legen.

„ A u dein unglücklichen Tage, an welchem jener Ge„ d a n k e in mir zur T h a t reifte" ( w o Inquisitinn sich unwohl

befunden, und die seit vorerwähnter Nacht

iimnc-r zunehmende essen

deu

Angst ihr auch

Appetit benommen

beim Mittags-

hatte)

„hatten

wir

,, eben zu Mittag gegessen, als ich eine W e i l e nachher ,, Stroh fürs Rindvieh aus dem niederen Bansen h o ,, len mufste.

Ich hatte eben einige Schütten

zuin

„ K u h s t a l l e getragen, als die Magd A . M. B . mir z u „rief:

ich solle die Töpfe aus der Küche zum A u f -

„ waschen in den Hausflur herbeiholen.

Als ich in

, , d i e K ü c h e t r a t , w a r es wieder, als ob die Stimme, ,,die mich schon seit 14 Tagen gequält h a t t e ,

inir

„ z u r i e f : Nimm eine K o h l e und trage sie in den Bao„sen.

Ich griff daher mit der blofsen Hand in

den

„ O f e n , in weichein noch Kohlenfeuer w a r , nahm eine „glühende Kohle,

kaum von der Länge eines Fio->

„ gers , und steckte sie in ineinen Schubsack,

Hier-

,, auf n a h m ich die Töpfe, die ich der Magd bringen „ sollte, und trug sie derselben hin, ging sodann aber „schnell wieder in den niederen Bansen, n a h m „Kohle,

die schon gröl'sleniheils verglommen

die war,

„ h e r a u s , und steckte sie, m e h r nach der E r d e zu, „ a l s oberwiirls, in das in einem grofsen Haufen lie-. „ gejjde Stroh. " -— Spiiterhiu ,

iu dem

arlikulirlen



90



V e r h ö r , liat die Inrjuisitinn z w a r eiumal vorgegeben, dal's sie das Teuer o h n e V o r s a t z dadurch verschuldet h a b e , dal's sie den iin Bansen befindlichen S c h w e i n e n F u t t e r in einem T o p f e h i n g e t r a g e n , den sie eben erst und au w e l c h e m

sich defs-

halb eine glühende K o h l e b e f u n d e n h a b e ,

die in das

vom Feuer genommen,

Stroh gefallen sei, jedoch ist sie gleich darauf zu i h rer f r ü h e r e n Aussage z u r ü c k g e k e h r t ,

indem

sie ge-

s t a n d e n , dal's einer i h r e r Mitgefangenen ihr geratheu, i b r f r ü h e r e s Bekenntnil's zu w i e d e r r u f e n , w e i l sie alsd a u n besser w e g k o m m e n , d. h . eine gelindere Strafe erhalten würde.

,, Das Stroh, w e l c h e s ich f ü r s V i e h

„holen

lautet

sollte,"

„ h a t t e ich

mir

dann

schon vorher

i h r e Aussage n a c h der

weiter,

Baiisenthür

„ z u gelegt, und schon w o l l t e ich luit diesem h e r a u s „ g e h e n , als es mich u n w i l l k ü h r l i c h w i e d e r u m z u r ü c k trieb,

uin die K o h l e noch e i n m a l a n z u b l a s e n .

Ich

„ s a h sie bald im S t r o h liegen, b ü c k t e mich, u m mich „ i h r m i t d e m M u n d e zu n ä h e r n ,

und bliel's sie auf.

„ D a v o n fing nun das S t r o h an zu r a u c h e n , und h i e r „ w u r d e mir mit einmal g e w a l t i g bange. „daher

in der grüfsten A n g s t

I c h schlug

mit den H ä n d e n auf

„ d a s r a u c h e n d e S t r o h , allein es half n i c h t s , „ e i l t e d a h e r mit den Schütten

Stroh

und ich

fürs Vieh

„höchster Angst zum Kuhstallc, entschlossen,

in

nach

„ H i n w e r f u n g desselben, im H a u s e L ä r m zu m a c h e n . " I m Specialverhör h a t Intjuisitinn späterhin behauptet, nicht w i e d e r nach der K o h l e g e s e h e n ,

u n d nicht

in

gröfster A n g s t auf das r a u c h e n d e S t r o h mit den H ä n den geschlagen zu haben. — i , K h e ich jedoch

dazu

„ k o m m e n k o n n t e , " fahrt sie dann fort, „ r a n n t e schon



91



„ m e i n Dienstherr von der oberen Scheunentenue laut „aufschreiend nach

dem niederen Bansen,

,,demselben Augenblicke, „öffnete,

und

in

als er die T h ü r desselben

w a r auch schon die Flamme da.

„Dienstherrschaft schien keinen Argwohn

3Ieine

auf mich

„ g e w o r f e n zu h a b e n , und als ich befragt w u r d e , ob „ i c h nichts vom Feuer bemerkt h ä t t e , da ich doch „ u n m i t t e l b a r vorher in dem Bansen gewesen

wäre,

„ s o gab ich vor, dafs ich bei meiner Anwesenheit i m „ B a u s e n etwas rascheln g e h ö r t , und geglaubt „ dafs Hühner darin wären.

hätte,

Ich that dies deswegen,

„ u m den Verdacht der Brandsliftung von mir a b z u lenken.

Seitdem ich dieses Verbrechen

begangen,

,, habe ich weder Tag noch Nacht R u h e g e h a b t , und „ immer hat mich das böse Gewissen verfolgt. „ sen ungeachtet habe

ich mich späterhin

Des-

verleiten

„ l a s s e n , meiner Dienstherrschaft Geld zu entwenden. ,,Dns

erstemal geschah

diefs im zeitigen F r ü h j a h r .

„ I c h sollte für das Kind Seininel aus d e m L ä d e l her-» ,, ausnehmen, benutzte hierbei die Abwesenheit mei,, ner Dienstfrau, um das Beiladet zu öffnen, und n a h m „ m i r , als ich in diesem Geld liegen s a h , ein Achl„groschen-, ein Viergroschen- und ein Zweigroschen„ s t ü c k davon heraus.

Diese Geldstücke steckte ich

,,noch an demselben Tage im Garten an verschiede„ nen Orten unter den Bäumen in die Erde, und gab „ v o r , dafs ich sie daselbst gefunden.

Zuerst brachte

„ i c h das Zweigroschenstück zum Vorschein, und u m „ die Sache recht glaublich zu machen, nahm ich das „ z w ö l f j ä h r i g e Mädchen meiner Dienstfrau mit in den „ G a r t e n , um mir weiter nach Gelde suchen xu h e i -

— „fen.

: Unruhe, es war, als wenn ich das auf dem Tische liegende Messer nehmen mufste, ich wollte herunter gehen, konnte aber nicht; ich habe wohl bemerkt, dafs beide Kinder wachten, ich bin so zugefahren, und habe erst nach vollbrach» ter That bemerkt, dafs beide Kinder am Halse bluteten. Sie wisse nicht, antwortete s i e , ob das andere Kind geschrieen, nachdem sie das erste verwundet ; übrigens wufste sie sehr w o h l , dafs sie nach vollbrachter That zuerst die Frau B. gesehen. Sie sagte, dafs sie mit ihrem Ehemann in Unfrieden gelebt ; dafs er sie einmal geschlagen, warum ? wisse sie aber nicht; dafs er auf ihre Klagen über Aengstlichkeit geantwortet: du grober Sünder. — Die That sei ihr leid, doch könne sie nicht w e i n e n ; lange vorher habe sie einmal auf dem Bette ihrer Kinder gesessen, das kleinste habe einen Stock gebracht, sie habe den Stock angefafst und er sei zerbrochen. Es



153



sei ihr der Gedanke eingefallen, sie müsse sterben und nach diesem Vorfalle habe sie keine Nacht Rahe gehabt. In einem späteren Verhör erinnert sie sich dieses Umstandes nicht mehr, auch nicht einmal mehr dieser Erzählung. W e n n ich die Zettel las, welche mein Mann mitbrachte, setzte sie hinzu, wovon der eine rothe, der andre grüne Streifen h a t t e , so pafste das immer so schnakisch, als wenn ich so etwas thun sollte, und je mehr ich las, je bunter wurde alles« In den spätem Verhören sagte sie, es sei ihr vorgekommen, als ob ihr Mann diese Papiere aus Verachtung gegen sie mitgebracht habe. Sonst hat sich über diese Papiere weiter nichts ergeben , als dafs es zwei Blätter aus dem Magdeburgischen Gesangbuche mit Musiknoten zum Singen gewesen, welche der T. sich erinnerte, ohngefähr acht Tage vor der That zu Hause gebracht zu haben. Sie äufserte ferner, dafs sie ein Gebetbuch besitze, und als dieses herbei gebracht w u r d e , schlug sie eine Stelle auf und setzte hinza: W e n n ich die Worte las: „ I c h wache und bin wie ein Vogel auf dem D a c h e " fiel mir immer ein, dafs ich nichts werth sei; las ich weiter die W o r t e „und mische meinen Trank mit Wein, so freuete ich mich wieder. Am Morgen der That habe sie aber in jenem Buche nicht gelesen. Auch dieser Umstände, so wie der ganzen Erzählung erinnert sie sich in einem spätem Verhör nicht wieder. Anfänglich, nemlich in dem Zustande nach dem Aufenthalte zu S., konnte sie nach ihrer Aussage vor Mitternacht nicht schlafen, nachher aber nach Mitternacht nicht. Sie erinnert sich, dafs ihr Mann am Morgen der That ganz früh

— weggegangen

sei

154

Als ihr

— das todte K i n d

gezeigt

•wurde, fiel sie über die L e i c h e her, k ü f s t e diese und inufsie zulelzl noch

mit

G e w a l t davon

losgerissen

•werden, doch w u r d e n k e i n e T h r ä n e n in ihren A u g e n sichtbar, obgleich alle Z e i c h e n des W e i n e n s in i h r e m Gesichte zu s e h e n w a r e n .

Sie

e r k a n n t e das Messer,

w o m i t sie das K i n d getödtet, w u f s l e a h e r nicht zugehen, wozu

sie den S t r i c k in der

Hand

an-

gehabt

h a b e , es m ü s s e d e n n aus A n g s t geschehen sein, l e u g nete aber auf B e f r a g e n , dafs ihr ein Selbstmord eingefallen sei.

Gedanke

von

Sie e r i n n e r t e sich auch iu

einem s p ä t e m V e r h ö r des U m s t a n d e s mit dem S t r i c k e nicht.

A u c h gegen die a l l e r e h e r b e i g e f ü h r t e T o c h t e r

b e n a h m sie sich zärtlich.

S i e f ü h r t e noch

nn,

dal's

sie angstliche T r ä u m e gehabt, dafs sie i m T r a u m i m m e r Ungeziefer uin sich g e s e h e n ,

und in e i n e m s p ä -

t e r e n V e r h ö r setzte sie h i n z u , w o r a u f d i e Besorgnifs bei mir öfter e n t s t a n d e n , als ob die K i n d e r der s c h l e c h ten N a h r u n g w e g e n u m g e k o m m e n w ä r e n .

Doch h a b e

sio iin T r a u m den K i n d e r n n i e nach dein L e b e n g e trachtet.

Sie h a b e vor m e h r e r e n J a h r e n in d e n W o -

chen eine a h n l i c h e B e ä n g s t i g u n g der D r . C. geheilt. setzte h i n z u , habe.

sie

D e r D r . C. erinnerte sich dieses

Umstandes nicht s o g l e i c h , stesverwirrung

gehabt, wovon

nachher

dafs er sie von durch

aber w o h l ,

einer w i r k l i c h e n

zweckdienliche

Der Ehemann T.

sagte a u s ,

n a c h i h r e r R ü c k k e h r von S . ,

31ittel

und Gei-

geheilt

dafs seine

w o sie schlechte

Frau Be-

h a n d l u n g erlitten, über k r a m p f h a f t e Z u s a m m e n z i e h u u g in der Brust u n d Aengstlichkeit geklagt h a b e , b e s o n -

ders sei sie nach dein ersten s e h r starken G e w i t i e r

— sehr

ängstlich gewesen

155



und

Tag im Bette geblieben.

den folgenden

ganzen

Er gab ihr damals W e i n

zu t r i n k e n , worin glühender Sia'il abgelüscht

war,

welches ihm eine Frau J . gernthen, worauf sie auch am andern Tage wieder aufgestanden, doch aber niedergeschlagen geblieben sei. w e r d e sich schon geben. schon

um 3 U h r

Er habe geglaubt, dieses

E r sei ain Morgen der T h a t

seioen Geschäften

nachgegangen,

habe bemerkt, dafs seine Frau wachte, aber nicht mit ihr gesprochen.

Der Sohn seines Hauswirthes C. ß .

sei g e k o m m e n , uin i h m die T h a t zu berichten, und ihn zu rufen, da er aber bei seiner A n k u n f t zu Hause noch keiuen Arzt gefunden, sei er sogleich fortgeeilt, um einen solchen

zu suchen.

Er g e s t e h e , dai's er

einmal seine Frau geschlagen, aber dieses habe sich wieder zugezogen und er vtisse sich keiner ten

Behandlung

derselben schuldig.

schlech-

Iii der letzten

Zeit, sagte er, und während meine Frau über Aengstlichkeiten klagte, war ihr Benehineu

etwas sonder-

b a r ; wenn ich von meiner Arbeit Mittags oder Abends zu Hause k a m , so k a m sie oft an mich h e r a n , armte mich, uin vielleicht Trost bei ihrer Angst

umzu

suchen, und ich k a n n nicht läugnen, dafs ich dieses Betragen mitunter falsch verstanden , und sie zurückgewiesen habe.

Ueber dieses Zurückweisen

beklagt

sich auch die Inculpatiun später, doch gesteht sie ein anderes Mal, dafs sie während dieser Zeit, da sie mit ihrem Ehemann in einem Bette geschlafen, den B e i schlaf m i t ihm vollzogen habe.

Der T . setzt h i n z u :

Gänzliche Verslandesabwesenheit habe ich bei dem letztern Zustande meiner E h e f r a u nicht bemerkt, wohl

156



aber war sie in den Wochen mit unserm ersten Sohn lünf Wochen lang ganz wirrig, und hat sie damals der Dr. C. wieder hergestellt.

Er gesteht endlich,

dafs seine Ehefrau mehr auf die kleinsten Kinder gehalten, als er selbst, dafs er daher der Schreckenspost nicht glauben wollen, und dafs er sich die That nur in einem Anfalle

Ton Wahnsinn

geschehen

mög-

lich denke. Der Dr. C. ging noch am Tage der That in das Haus, wo diese geschehen war, fand aber nur den T., indem dessen Ehefrau schon in Verhaft gebracht war, wo er sie aber noch an demselben Tage besuchte. Sein Gutachten behielt er sich vor, mufste auch durch Execution es zu liefern angehalten werden, und da eine Verrenkung der Hand ihn hinderte, es selbst zu schreiben, so gab er es erst am lOten December zu Protokoll. Der Dr. C. sprach zuerst mit dem T . , und dieser äufserte, dafs seine Frau seit dem ersten Gewitter, wie inan zu sagen pflegt, ganz durch weg gekommen sei, auch sei es ihm auffallend gewesen, dafs sie so viel über alten Käse geschwatzt, den er zu Hause gebracht, und zwar wie er nochmals angab, ain Abend vor der That, um ihn in Bier eingeweicht zu essen. Die Reden der T . , welche der Dr. C. nachher besuchte, drehten sich unzusammenhängend um den alten Käse, welchen sie, obgleich mietig und in Prummeln, wie sie sich ausdrückt, mit den Kindern essen sollen, so wie um das Gewitter.

Ihr äufseres Anse-

hen war blafs und uiager, die Zunge trocken und mit gelblichen Stoffen Lelegt, der Puls klein, gespannt



157



und rasch, der Blick stier und schüchtern, sie hatte Durst und sagte, sie habe seit einiger Zeit keinen Appetit gehabt.

Wenn ich zuweilen so zu

Muthe

w a r , als ob ich essen möchte, setzte sie hinzu, so war ich doch gleich wieder satt, wenn ich kaum angefangen hatte zu essen.

Auf ferneres Befragen, ol>

sie guten Schlaf gehabt, antwortete s i e : Mein, oft gar nicht, immer unruhig und seltsam.

Des Morgens

sei sie duselig und matt gewesen, mit Sausen und Brausen im Kopfe,

sie möge wohl immer liegen,

aber die Angst, die Angst.

Der Dr. C. gab ihr küh-

lende, auflösende, gelinde eröffnende, krampfslillende Mittel, Tartarus depuratus und Spiritus nitrico-aetherius, während der Tage, welche sie noch zu G. im Gefangnifs zubrachte. Am 27sten Juni wurde die T . nach St. transporlirt, um dort vor das Königl. Inquisitoriat gestellt zu werden.

Die Inculpatinn

beantwortete alle Fragen

passend und ohne Verwirrung des Verstandes, jedoch war

sie dabei sehr ängstlich und niedergeschlagen.

Betreffend ihr äufseres Ansehen, wird dabei bemerkt, so ; st sie von kleiner Statur, ihre Gesichtsfarbe blafs, und dem Ansehen nach zu urtheilen leidet sie an Auszehrung oder Schwindsucht, wobei jedoch zu bemerken, dafs der Dr. R., welcher sonst den Verhören beiwohnte, noch nicht eingetreten war.

Sie hat,

wird ferner bemerkt, eine ungewöhnlich leise und zarte Stimme, und hielt, während der Vernehmung, ihre Hände beständig gefalten. kommen noch

Ueber die That selbst

folgende Aufklärungen vor.

Die T .

erklärte wiederholt, dafs ihr die That leid sei, dafs



158



sie ihr mich gleich im ersten Augenblicke leid gewesen, dafs sie sich aber dessen nicht bewufst s e i , was sie in der Angst gethnn, sonst würde es nicht geschehen sein, auch vergofs sie dabei Tliranen.

Von

ih-

rer Angst und Beklemmung seit dem Aulenthalt zu S. sprach sie oft.

Ueber den mietigen lväse, welchen

der Mann zu Hause gebracht, und welchen sie nebst den Kindern essen sollen, beklagte sie sich wiederholt.

Die T . erzählt ferner, dafs sie am Morgen kurz

vor der That vor Angst in der Bibel gelesen und zwar das 14le Capitel des Evangelii Mathaei, wo von der Enthauptung Johannis die llede ist; auch habe sie Gott auf den Knieen gebeten, dafs er sie von dieser Angst befreien mochte.

Sie erinnerte sich des Mes-

sers, womit sie die That verrichtet, als eines solchen, welches sie gewöhnlich beim Essen und in der Haushaltung gebraucht, aber nicht, ob die Kinder noch geschlafen.

Sie

erinnerte sich, dafs sie das

jüngste

Kind zuerst geschnitten, darauf das ältere, aber nicht warum sie das erstere stärker geschnitten, wohl aber, dafs sie das ältere nachher aus dem Bette heben wollen, doch nicht ob es geschehen sei.

Sie betheuert

wiederholt, dafs sie ihr Bewufstsein nicht gehabt; von dem Geschrei, welches die B — sehen Eheleute gehört und von dem w a s sie selbst gesagt

wisse sie nichts.

Sie schiebt die Schuld auf das Betragen des Mannes, seinen Trunk und seine schlechte Lebensart.

Die äl-

teste Tochter erzählt,

jüngere

wie die Mutter ihre

Schwester und sie mit dem Kohlscherber geschnitten; sie habe sich gewehrt, und sei dabei an den Fingern der rechten Hand verwundet, und die Mutter habe



159



gesagt, der Teufel wollte e s , weil er den

Schmier-

käse nicht gewollt, worauf die Mutter ärgerlich war. Die Mutter habe die Wunde nach dem Schnitte sogleich init einein Tuche verbunden.

Die Mutter selbst

sagte über diesen Umstand, das jüngste Kind

habe

sie nicht verbunden, sie erinnere sich dessen nicht deutlich, aber als sie das älteste geschnitten, und das Blut laufen sehen, sei es ihr leid gewesen, und sie habe die Wunde

verbunden.

Der

fünfzehnjährige

Sohn des T . , ein Schuhinacherlelirling, Abend vor der That die Mutter,

besuchte am

und fand sie still

und seufzend, so dafs er fragte, wefshalb sie so still wäre, worauf sie erwiederte, ich bin ja nicht still. Auch liefs sie ihn in der Bibel und dem Gesangbuche lesen, um zu w i s s e n , ob er noch lesen könne.

Der

nächste Nachbar C. S . kam sogleich nach der That herbei.

E r hörte kein Gebrüll der T . , fand sie aber mit-

ten in der Stube stehen mit wilden Blicken, und auf die Frage, was hat sie gethan? ich inufs es thun.

rief s i e : ich tnufs,

Der Schneidermeister M. lief eben-

falls sogleich herbei, und fand die T . in der

Stube

in leinenen Aermeln, und blofs mit einem Brusttuch und Unterrock bekleidet.

Sie sah ganz verzerrt und

verrückt im Gesichte a u s , sagte e r , und ihr Benehmen war ganz verwirrt, indem sie mit ihren Händen hin und her schlug, und zu den Umsiehenden

noch-

mals die Worte nufserte: Kinder fürchtet euch nicht, ich thue keinem Menschen etwas , diese Angst habe ich schon lange an mir gehabt, und solche auch meinem Manne geklagt, er will aber nichts dafür gebrauchen.

Auf Befragen warum sie ihr K i n d getödtet,



160



sagte sie: ich mufste es ja thun, denn ich habe solches immer an mir gehabt, und zeigte dabei auf einem nebenstehenden Topf, worin Schmierkäse befindlich w a r , mit den W o r t e n : Hier, verlangte mein Mann, soll ich Bier darauf giefsen, und meinen Kindern davon zu essen geben, wovon sie doch hätten sterben müssen. Der M. sagt, dafs nach seiner Ueberzeugung die T. zu der Zeit ganz verrückt gewesen. Er sah das Messer liegen, womit sie die That verrichtet, gab solches einer Nebenstehenden, damit kein Unglück geschehe, worauf die T. äufserte, sie tliue keinem was. Der Frau des Maurers M., welche ebenfalls herbeigekommen war, erwiederte sie, indem sie mit den Händen hin und her rifs: so rifs es mir immer, und ob ich gleich nach der Scheune gegangen bin und Gott auf meinen Knicen gebeten habe, mich ron dieser Angst zu befreien, so wollte es doch nicht helfen und mufste es doch thun, Hiebei wiefs sie •inen Topf, worin alter Käse w a r , und wobei sie sagte: Mein Mann verlangt, dafs ich solches mit meinen Kindern essen sollte, welches ich doch nicht kann. Sie zeigte übrigens keine Reue über die Tbat. Fast ebendasselbe antwortete sie der Frau des Tagelöhner S., nur war von Schmierkäse keine Rede, und statt dessen sagte sie: Bei dem starken Gewitter und dem starken Schlag, so dabei gewesen, hätte sie es bekommen, ohne cu sagen was sie bekommen. Die T. selbst erinnerte sich dieser Umstände nicht, leugnete, dals sie in der Scheune an dem Morgen gewesen sei, und wufste nicht, dafs sie solches gesagt. A m umständlichsten äufserte sie sich gegen die Mover-



161



verehelichte Chr. B., der sie auf Befragen, warum sie die That gelhan, sagte: Ich weifs es selbst nicht, warum ich es gelhan habe, es war so als wenn ein Mann mich durch Schütteln dazu aufgefordert und es verlangt halte, weshalb ich auch nach der Scheune gegangen bin, und Gott auf meinen Knieen gebeten habe, mich auf andere Gedanken zu bringen, diefs hat aber nichts geholfen, denn als ich wieder zurück kam und wieder in ein Buch las, so war es noch so, als wenn ich von einem drillen zu dieser Handlung angetrieben wurde. — Sie erinnerte sich auch, dafs die T. dein Bürgermeister B. einen Topf mit allem Käse gezeigt, den sie aus dem Schranke herbeigeholt, und dabei gesagt habe, dafs ihr Mann verlangt habe, dafs sie mit ihren Kindern diesen alten Käse essen sollte, welches doch gar nicht möglich wäre, wobei sie noch hinzugefügt, dafs dieser alte Käse an ihrer Handlang Schuld wäre. Der Vater der Inculpatinn war Tagelöhner zu S . , aber zur Zeit der That lange todt; die Mutter lebte noch und war mit einem Altsitzer zn S., welcher wie der Vater hiefs, seit geraumer Zeit wieder verheirathet. Die Inculpatinn hatte bei einem Küster in S. lesen und beten, aber nicht schreiben gelernt, und war im 13ten Jahre von dem Prediger zu B. wovon S. ein Filial ist, in der evangelischen Religion conürmirt worden. Sie wurde dann ein Jahr Hausmädchen zu G., hierauf diente sie 4 Jahre bei einem Ackermann in S . , und kehrte nun zu ihrer Mutter zurück, wo sie ihren Mann T. kennen lernte. Drei Jahre vor der Ehe bekam sie ein uneheliches Klng'i Auswahl. I.

11



162



Kind ton einem Ackersmann in S., einen Sohn, welcher zur Zeit der That noch lebte und 20 Jahr alt war. Sie hatte auch einen Procefs mit dein Yater desselben wegen der Alimentation des Kindes. Alle, welche sie in den früheren Zeiten bannten, gestehen, dafs sie wohl bei Verstände gewesen. Kur erzählt die Frau des * * J., sie habe ihr bei einem Federverkauf etwas tuddelig geschienen, indem sie sich gar nicht aus dein Gewicht der Federn vernehmen können, so dafs der Handel 6 Tage gedauert. Auch will der Schneidermeister M. zwar keine Verwirrung des Verstandes , doch nur einen schwachen Verstand an ihr bemerkt haben, denn als sie einst Bücklinge zum Verkauf gebracht, hätten ihr einige umstehende junge Mädchen Bücklinge heimlich aus dem Korbe gezogen, welches sie recht gut hätte merken können. Mit ihrem Manne hatte sie fünf Kinder gehabt. Der älteste Sohn, 15 Jahr alt, lebte noch zur Zeit der That, die beiden folgenden Söhne waren bereits vor mehreren Jahren an der Brustkrankheit gestorben, ohne dafs ärztliche Hülfe dabei gebraucht worden, weil, wie sie sagte, ihr Ehemann nicht die Kosten daran wenden wollen. Die beiden jüngsten waren die Töchter, woran die That geschehen. Mit ihrem Ehemann lebte sie nicht in gutem Verhältnisse, doch ist es schwer auszumitteln gewesen, auf wessen Seite die Schuld war. Der Ehemann gesteht, dafs er init ihr in den ersten Jahren der Ehe zufrieden gelebt, dann aber bemerkt habe, dafs sie das Geld, welches sie mit MüIzenmachen verdient, so wie seinen eigenen Verdienst nicht ordentlich verwandt, worüber er sie geschimpft



163



habe. Einmal habe er sie auf eine nicht anständige W e i s e , nemlich vor dem blofsen Hintern mit einem Stock geschlagen, weil sie ihn dazu angetrieben, ihre K u h von F., wo das Viehsterben war, nach G., wohin sie damals wieder hineinzogen, heimlich mitzunehmen, worüber e r , als es doch ausgekommen, die K u h verloren und noch Strafe geben müssen. Er gesteht ferner, dafs er zuweilen betrunken gewesen sei, sich aber niemals in der Trunkenheit an ihr thätlich vergriffen, auch dafs er im Anfang der Ehe wohl einmal Karten, aber ein unbedeutendes Spiel und seit 14 Jahren nicht mehr gespielt habe. Dagegen wirft er ihr vor, dafs sie sich heimlich einen Schlüssel machen lassen zu einem Koffer, worin er seine Ersparnisse aufgehoben, und ihm von dem Gelde nach und nach 9 Thaler entwandt, dafs sie für sich allein gut gegessen und getrunken, ihm aber, wenn er des Mittags von der Arbeit zu Hause gekommen, schlechtes Essen gegeben habe, dafs sie nach S M wohin sie der Stiefvater, angeblich um die Mutter zu pflegen, geholt, viel Geld mitgenommen, was sie theils von ihm bekommen, theils vom Handgelde für sein verkauftes Haus zurück behalten, theils für ein verkauftes Schwein erhalten, theils von dem ältesten Sohn in Verwahrung genommen, theils auch für heimlich verkaufte zwei Scheffel Roggen und einen kleinen Kessel eingenommen, dafs sie diese ganze Summe, bestehend in 34 Thlr. 16 Gr. pr. Cour., und 10 Thlr. Gold dort verbraucht, und noch 5 Thlr. 21 Gr., so wie 1 Thlr. 6 Gr. Schulden gemacht habe. Endlich habe sie in S. viele Streitigkeiten und Händel gehabt. 11 *

Der älteste Sohn des T. erzählt allerdings, dafs sie den Kindern in Abwesenheit des Vaters etwas besseres zu essen und zu trinken gegeben. Die T. selbst gesteht, dafs sie das gedachte Geld gröfstentlieils aufgenommen, auch in S. verwandt und die Schulden gemacht, so auch , dafs sie sich einen Schlüssel zu dem Koffer habe machen lassen, und Geld daraus genommen habe. Auch der uneheliche Sohn erzählt, dafs sie seinen Lohn in Verwahrung genommen, und nicht wieder herausgegeben habe. Sie läugnet indessen , geäufsert zu haben, wie ihr vorgeworfen, sie müsse sich schämen, dafs sie das Geld durchgebracht, denn sie habe solches für ihre Mutter und für ihren Mann aufgewandt, welcher oft dort gewesen. Dagegen macht sie dem Manne Vorwürfe, dafs er getrunken und gespielt, auch sie in der Trunkenheit geschlagen, dafs er ihr nicht das üölhige Geld zur Hauswirthschaft gegeben, weshalb sie sich den Schlüssel zum Koffer machen lassen, dafs er nichts verdient, cjafs er betrunken mit dem Säbel zu Hause gekommen, und ihr gedroht, dafs er betrunken mit dem Messer in der Hand geäufsert habe, wie er seines Lebens müde sei. Sie erzählt, dafs sie ihm einmal ausweichen, und mit ihrer jüngsten Tochter allein schlafen müssen, wobei diese so hungrig gewesen, dafs sie sich an der Brust zu sättigen gesucht. Er habe in der Trunkenheit die Kinder oft mifshandelt, sie mit einem Kantschuh aus dem Hause geprügelt, und das Versprechen, mit ihr zum Abendmahle zu gehen, nicht gehalten. Er habe nichts rechts gearbeitet und verdient, und i h r , als sie ihm Vorwürfe



165



darüber gemacht, plötzlich 'entgegengesetzt, dafs er einen Bruch habe.

Allein die meisten dieser Beschul-

digungen wurden von den selbst von ihr aufgerufenen Zeugen nicht bestätigt, und die Inculpatinn inufste bei der Zusammenstellung nachgeben.

mit denselben

meistens

Sie sagte ferner, ihr Ehemann habe mit

der geschiedenen Ehefrau des S. längst einen vertrauten Umgang gehabt, auch sie mit derselben im Gelangnifs besucht, und als sie noch länger mit ihm reden w o l l e n , sie weggestofsen.

Das letztere Factum

wird zwar bezeugt, aber die Bekanntschaft mit der S. entstand nach der Aussage des T. sowohl, als der S. erst nach der Verhaftnebjnung der T . , auch wird geläugnet, dafs sie unrechtlicli gewesen.

Ueberbaupt

fallen die Zeugnisse günstiger für den T. aus.

Das

Haus, welches die T — srhen Eheleute in G. besessen, hatten sie für 3 5 0 Thlr. v e r k a u f t , weil sie es nicht mehr repariren konnten , 1 5 0 Tlilr. zur Abtragung der Schulden verwandt, noch vorhanden.

und 2 0 0 Thlr. waren

Eben so verwickelt sind die V e r -

hältnisse während des Aufenthalts der T. zu S . bei der Slutter, wohin sie sich , w i e sie selbst gesteht, aus Unzufriedenheit in der Ehe begeben.

Der Stief-

bruder wollte sie nicht auf dem Hof leiden, mifshandelte sie uüd jagte sie weg, worüber ein Trocefs entstand. Der Stiefbruder wirft ihr vor, sie habe heimlich Sachen entwandt und verkauft, auch sei sie einst des Nachts auf dem Hofe mit einer leuchtenden Laterne getroffen, und deswegen dem Schulzen angezeigt worden,

der

sie ain andern Morgen aus der Stube geworfen und thätlich behandelt habe, er selbst habe sie aber

we-



106



der geschlagen noch mit W a s s e r geklagt.

wie

sie

D i e T . l ä u g n e t e d u r c h a u s d e n V o r w u r f der

Entwendung Laterne.

begossen,

Sie

und

entschuldigt

wohnte

den

nachher

V o r f a l l init

bei

dem

der

Kossäten

H . , mit dessen E h e f r a u sie sich z a n k t e , u n d von d e r selben angeblich e i n e n Stöfs auf die Brust u n d einen T r i t t mit d e m F u f s e e r h i e l t .

Die H. wirft ihr

dars sie i h r e n M a n n zu g e w i n n e n

vor,

gesucht u n d

setzt

h i n z u , dafs sie sich d e s w e g e n mit i h r g e z a n k t ,

ge-

s t e h t a u c h , dafs sie die T . mit der H a n d

die

vor

B r u s t , s o , dafs diese h i n t e n ü b e r f i e l , und u n t e r das K i n n geslofsen, a u c h mit d e m F u f s e nach ihr g e t r e t e n habe. nicht

D i e S l i f s h a n d l u n g e n des Dorfschulzen k o n n t e n gehörig

constatirt

werden.

Nachdem

v o n der H. a u s d e m H a n s e g e w i e s e n ,

hielt

die T . sie

sich

bei dem P a c h t e r G. zu S . , w i e es scheint, r u h i g a u f , i n d e m sie sich v o n nährte.

i h r e m Oelde und

Miilzeninachen

D a f s sie bis zu i h r e m A u f e n t h a l t in S. m u n -

t e r u n d p l n u d e r h n f t g e w e s e n , erhellt a u s den A k t e n ; auch w a r sie es noch zu S., u n d nach dein A u f e n t h a l t zu S. trat erst die V e r ä n d e r u n g ein.

Uebrigens w a r

ihr

Atireise in S.,

Ehemann

noch

kurz

vor ihrer

u n d n a h m sie bei i h r e r R ü c k k e h r nach G. gut auf. V o n ihren G e s u i i d b e i t s u i n s t ä n d e n ist w e i t e r nichts b e k a n n t , als die vorhin e r w ä h n t e W o c h e n mit d e m ältesten hitzige B r u s t k r n n k l i e i t .

Krankheit

ehelichen

Ihre

Sohn

in

und

P e r i o d e , sagte sie d e m

Dr. C . , h a b e sie seil d e m letzten W o c h e n b e t t e 3 J a h r e n unordentlich g e h a b t ,

den eine

und seit e i n e m

habe sie sich fast gnr nicht gezeigt.

Während

vor Jahre mei-

n e s A u f e n t h a l t s in S . , s a g t e sie im ersten V e r h ö r zu



167



S t . , habe ich zuletzt meine monatliche Reinigung gehabt,

und seit der Zeit

nicht wieder,

solche schon mehrere Monate hindurch

mithin

ist

ausgeblieben,

ohne da Ts ich glaube schwanger zu sein. In dem Gefängnisse zu S t . zeigte sie nach dem Ermessen des Dr. 11. keine Spuren von Verrückung. Nach

dem

Gutachten

des D r . C- führen

alle

Symptome dahin, dafs der Inculpatinn Geist durch die Einflüsse des kranken körperlichen Zustandes an Klarlieit der Vorstellungen

verloren und in eine Melan-

cholie gerathen, worin sie dann durch einen

unwi-

derstehlichen Hang zur That getrieben wurde.

Nach

dein umständlichen Gutachten des Dr. II. litt die I n culputinn au Melancholie und ermordete ihr Kind in einem raptu i'uribuudo.

G u t a c h t e n . Es inufs aulfallen, wenn in der Reihe der zweckmäßigen Handlungen

eines Menschen

ganz zwecklos erscheint.

plötzlich eine

Die Zweckmäßigkeit

IInndlungeu , mit Bewußtsein

derselben

der

als solcher,

ist die Bedingung, unter welcher wir einen Menschen verständig nennen, und unler welcher derselbe allein als ein Mitglied des Staates

zu betrachten ist.

Die

Zvreckinäfsigkeit der Handlungen hingegen ohne B e wusls(*in, da!s sie als zweckmäfsig zu einein Zwecke dienen, ist der I n s t i n k t , welchen Thieren antreffen.

wir auch bei den

Durch jene Zweckmäßigkeit tritt

der Meuscli in eine moralische Weltorduuug,

ist der



168

moralischen Beweggründe fähig, welche theils ihn zu einer Handlung antreiben, theils ihn davon entfernnn. Eine ganz zwecklose Handlung,

wenn

sie

zugleich

als ganz unbedeutend und ohne alle Wichtigkeit erscheint,

pflegen wir w o h l eine kindische Handlung

zu n e n n e n , uud das Unvermögen zu Handlungen ist Blödsinn,

zweckmäßigen

welcher in dein völligen

Cretinismus so weit g e h t , dafs sogar ein Unvermögen zu instinktmäfsigen Handlungen eintritt.

Es be-

darf wohl nicht erinnert zu werden, dnfs in dem vorliegenden Falle nicht von einem

Blödsinn,

welcher

sich von Jugend auf zeigt, die Rede sein k a n n , da der Inculpatinn vor Allem ein guter Verstand zugeschrieben w i r d .

Denn die beiden in den Akten a n -

geführten Fälle, dafs sie sich in dem Gewichte der Federn nicht zu finden g e w u ß t , und sich Bücklinge stehlen lassen, sind unbedeutend, und deulen nur auf eine Ungeschicklichkeit

in einzelnen

Verhältnissen,

wie sie oft vorkömmt. Allein

jede

Handlung

hat

einen

Gegenstand,

worauf sie gerichtet ist, uud so bedarf es nicht allein einer Zweckmäßigkeit in der Handlung selbst, sondern auch dafs der Gegenstand derselben richtig e r kannt werde.

W i r nennen es Verriickung, wenn ein

Mensch einen Gegenstand ganz anders auffaßt, als er von der Menschheil überhaupt aufgefaßt w i r d , w e n n er sich z. B. für einen K ö n i g h ä l t , da er es doch nicht i s t , und

von IVieinanden dafür erkannt

wird.

Er begielit sich dndurrh aus dem Staate ganz hinaus, dessen Strafen daher auf ihn nicht inehr anwendbar sind, da er die Gegenstände nicht als solche a n e r -



169



kennt, wie die Barger des Staates tbun, und der Staat kann ihn nur aus seiner Mitte entfernen. Mit einer solchen Verrückung ist, wie sich aus der eben gegebenen Erklärung ergiebt, oft die gröfste Zweckmäßigkeit der Handlungen und eine solche Folgerichtigkeil verbunden, dafs sie bei Unerfahrnen grofses Erstaunen erregt, welches sogleich wegfallt, wenn man bedenkt, dafs der Fehler nur in dem Auffasita der Gegenstände, nicht in der zweckmäßigen Bestimmung der Handlungen liegt. Eine solche Verrückung kann entweder auf sogenannten fixen Ideen beruhen, oder mit einem Heruinschwärmen der Gedanken verbunden sein, immer ist sie Verrückung der Gegenstände von ihrer wahren Stelle. Oer Zustand der Inculpatinn war nicht völlige Verrückung, näherte sich doch aber diesem Zustande. Sie erkannte noch alle Gegenstände, und ihre Verhältnisse zu denselben, wie sie gewöhnlich in den Lagen, worin sie sich befand, erkannt werden, aber es herrschte doch eine Uebertreibung in ihren Vorstellungen, welche zeigt wie nahe sie jenem Zustande gewesen. Die Vorstellung, dafs ihr Mann sie verachte, ging so weit, dafs sie glaubte, die Tapfere mit Musiknoten habe derselbe mitgebracht, um ihr seine Verachtung zu beweisen. Sie redete von grünen und rolhen Streifen, und setzte gar treffend hinzu, je mehr sie gelesen, je mehr sei ihr alles bunt vor den Au^en geworden. Die Erzählung von dem Stocke, welchen ihr das jüngste Kind gebracht, und welcher zerbrochen, welcher Erzählung sie sich nachher nicht einmal erinnert, so wie die Erzählung von der Wir-



170 —

k u n g , welche die Stelle im Gebelhnche auf sie macht :

ge-

Ich w a c h e und bin wie ein Vogel auf dem

Dache u. s. w . ,

deren sie sich gleichfalls nachher

nicht m e h r erinnerte, zeigen, wie geschäftig ihre P h a n tasie

w a r , alles verkehrt zu deuten.

Es ist nicht

wahrscheinlich, dafs sie die Erzählungen,

w i e ihr

Mann mit einein Säbel zu Hause gekommen und ihr gedroht, ein anderes Mal ein Messer g e w e t z t , d;ibei verdächtige

W o r t e geredet,

w i e das

uud

jüngste

K i n d ihr aus Hunger die Brust blutig gesogen,

wie

der Mann die Kinder inifshandelt, und sie mit einem Kantschuh aus dem Hause geprügelt, blofse Erdichtungen w a r e n , sonst in

um ihren Mann zu beschuldigen,

den Akten

von

dergleichen

keine Spuren v o r k o m m e n , sondern

da

Kunstgrillen

es ist vielmehr

sehr wahrscheinlich, dafs sie Vebertreibungen ihrer Phantasie gewesen.

Z w e i Zeugen

sagen a u s ,

dafs

sie gleich nach der T h a t gesagt, sie sei an demselben Morgen in der Scheune gewesen,

und habe Gott auf

den K n i e e n gebeten, ihr die Angst zu nehmen. selbst läugnete dieses und erinnerte sich der

Sie

Erzäh-

lung nicht m e h r , sagte dagegen, dafs sie in der K a m m e r Gott auf den Knieen gebeten, sie von ihrer Angst zu befreien.

Es scheint also auch hier die Phantasie

verwirrt gewesen zu sein.

Selbst

dafs sie das

Mit-

bringen von allein K ä s e so tief f ü h l t e , gebort zu dieser nahe an V e i r ü c k u n g gränzenden Ueberlreibung. Wenn

aber auch ihr Zustand

n a h e an

Verrü-

ckung gränzte, so war sie doch nicht völlig verrückt, denn sie k a n n t e die Kinder als solche, sie kannte das Messer w ; e d e r , w o m i t sie die T h a l

vollbracht,

und



171



da Ts sie das jüngste K i n d eher geschnitten als das allere,

doch die Zwecklosigkeit der Handlung Hegt

am T a g e .

Man sieht Dicht ein, welchen Vortheil die

Inculpatinn

Ton der T h a t haben oder sich

denken

konnte, auch geschah sie nicht aus Befriedigung

ir-

gend einer Leidenschaff, etwa der Rache gegen ihren E h e m a n n , da dieser selbst gesieht, dafs sie die jüngsten K i n d e r lieber gehabt als er.

S i e benahm

sich

auch nach der Tliat gegen das todte sowohl als noch lebende

Kind

sehr zärtlich.

Es

zeigen die A k t e n

nicht die geringste Spur von einem Versuch zu entfliehen.

Auch Ueberdrufs des L e b e n s ,

der an und

für sich schon Verrückung oder Wahnsinn sein kann, fand hier nicht Statt, denn sie erwähnt dieses lieberdrusses gar nicht, und erklärt selbst, dafs sie daran gedacht sich das Leben zu nehmen.

nicht

W e n n das

Unvermögen zu zweckmäßigen Handlungen Blödsinn i s t , so darf man den positiven Hang zu

zwecklosen

Handlungen Wahnsinn nennen, der entweder init Heiterkeit und Wohlwollen ( f a t u i t a s ) erscheint, Menschenhais,

als

verbunden

als

Albernheit

oder mit Insichgekehrtsein

und

melancholischer Wahnsinn.

Die

zwecklose Handlung entzieht sich AIS solche dem G e biete des Moralisten ganz und g a r , und da sie doch in etwas gegründet sein mufs , so gehört sie ganz in das Gebiet des Physischen und folglich Aerzllichen. E s kann oft schwer sein zu bestimmen, ob eine Handlung von physischen Gründen herrührt, in dem -vorliegenden Fall ist es so schwer nicht.

Die Incul-

patinn spricht den physische» Zwang nach vollbrach' ter Thnt so treffend aus, dafs man ihn selten so leb-

— faafl aasgedruckt

findet.

172 — Ich m u h ,

ich mufs,

ich

inufste es ja thun — so rifs es mir immer — es w a r s o , als w e n n mich ein Mann geschüttelt und dazu aufgefordert hätte, sind ihre W o r t e nach der That. Die Schilderung ihrer A n g s t ,

welche ihr alle ver-

nünftige Besinnung nahm, ist höchst innig dargestellt, und immer k o m m t sie auf diese Angst z u r ü c k , durch ihr

die Besinnung genommen wurde.

woNach

den Schilderungen, welche Alle von ihr machen, w a r ihr Betragen kurz nach der T h a t das einer wahnsinnigen Person, und Alle sprechen ihre Meinung dahin aus, dafs sie müsse zu der Zeit wahnsinnig gewesen sein, selbst der E h e m a n n k a n n sich keine andere Ursache ihrer T h a t denken als W a h n s i n n .

Der Dr. C.

faud ihre Rede noch am Tage der T h a t , aber viele Stunden nachher unzusammenhängend.

Nicht ein ein-

ziger Zeuge tritt a u f , der die T h a t einem boshaften Charakter zugeschrieben hätte. Dieses wird noch m e h r dadurch bestätigt, dafs ein wirklich melancholischer Zustand der T h a t anging.

vor-

Seit dem Aufenthalte zu S. bemerkte man

an der T . eine V e r ä n d e r u n g , sagte die Frau B . , bei welcher die T. im Hause wohnte, indem sie still und in sich gekehrt nur kurze Antworten g a b , und sich nicht

wie

vorher

in ein

langes Gespräch einliefs.

Der B. sagte gerade z u , dafs er eine stille Melancholie an der T. nach dem Aufenthalte zu S. bemerkt habe.

Gegen ihren

Mann beklagte sich

die

T . nach dem Aufenthalt zu S. über k r a m p f h a f t e Z u sammenziehung der Brust und Aengstlichkeit, w e g e n er ihr auch ein Hausmittel gab.

wes-

Sie selbst



173



beklagte sich oft über ihre Angst und Beklemmung seit dem Aufenthalte zu S . , über ihre zum Theil schlaflosen Nachte und ängstlichen Träume. In einem solchen Zustande machte auch das starke Gewitter einen starken Eindruck auf sie. Der Sohn fragte die Mutter am Abend vor der T h a t , warum sie so stille sei. Der Ehemann T. sagt, das Benehmen der Frau sei ihm in der letzten Zeit sonderbar vorgekommen. K u r z , es erhellt deutlich aus den Akten, dafs ein melancholisches Insichgekehrtsein die T. seit dem Aufenthalt zu S. ergriffen hatte. Die medicinischen Gründe dieses Zustandes sind nicht schwer zu finden. Die T. hatte zum letzten Mal ihre monatliche Reinigung zu S. und seitdem nicht wieder „mithin ist dieselbe mehrere Monate ausgeblieben", sagte sie in dem Verhör zu St , wo sie sich mehr beruhigt hatte, und mehr als bei dem Besuch des Dr. C., auf diese Umstände sich erinnern konnte. Aber auch gegen den Dr. C. äufserte sie, seit dem letzten Wochenbette habe sie ihre Periode unordentlich gehabt, und seit einem Jahre habe sie sich fast gar nicht gezeigt. Die Aengstlichkeit, die krampfhafte Zusammenziehung der Brust, die schlaflosen Nächte, die schweren T r ä u m e , der Mangel an Appetit , das Sausen und Brausen ¡in Kopfe sind Zufälle, welche nach einem solchen Ausbleiben der monatlichen Reinigung nicht selten sind. Das ungewohnte Benehmen gegen den Mann, den sie oft umarmen und küssen wollte, deutet ebenfalls auf einen kranken Zustand aus dieser Ursache. W i e sehr das Nervensystem durch das Ausbleiben der monatlichen

— ReiuiguDg Sache; den

174

oft angegriffen



wird,

ist eine

bekannte

ängstliche B i l d e r und P h a n t a s i e n g e h ö r e n zu

gewöhnlichen

Erfahrungen,

Zufällen,

das diese

gesteigert w e r d e n .

und

bis z u m

es fehlt

nicht

an

Wahnsinn

völligen

A u c h ist es nicht u n w a h r s c h e i n l i c h ,

dafs die B e s c h u l d i g u n g e n , w e l c h e die T . gegen ihren M a n n a u s s p r a c h , und w e l c h e sich

als

Uebertreibun-

gen a u s w e i s e n , schon in d e m durch die unordentlich erscheinende

Periode

verursachten

stande ihren Grund h a t t e n . gen

ihres

zarten

kränklichen

Zu-

Die Inculpatinn war w e -

Körperbaues

den

Einwirkungen

schädlicher E i n f l ü s s e a u f das N e r v e n s y s t e m m e h r ausgesetzt als a n d e r e , und der U m s t a n d ,

dafs sie schon

früher i m W o c h e n b e t t e i r r e g e w e s e n w a r , zeigte ihre A n l a g e zu diesem Z u s t a n d e .

A u f den Z u s t a n d ,

wo-

rin s i e der D r . C . nach der T h a t antraf, würden w i r n i c h t viel r e c h n e n , da die E r s c h ü t t e r u n g des G e i n ü t h s nach

jedem. V e r b r e c h e n

bringen

kann.

die T . zu S .

Ob

die

hatte,

an

sundheitszustande

solche

Wirkungen

hervor-

Verdrüfslichkeiten, ihrem

welche

verschlimmerten

Ge-

wenigstens zum T h e i l Schuld

r e n , läfst sich nicht m i t G e w i f s h e i t b e s t i m m e n ,

wa-

wahr-

s c h e i n l i c h ist es allerdings. N o c h w a h r s c h e i n l i c h e r ist es a b e r , m u t h über i h r e n M a n n ,

vorzüglich

nen,

schlechten

mit

den

Kindern

daTs der U n -

über Käse

das

Ansin-

zu

essen,

w e n n auch nicht der G r u n d , doch m i t die V e r a n l a s sung

zu

war.

S i e w i e f s den

dem

Ausbruche

einer wahnsinnigen

Ankommenden

den T o p f mit K ä s e , und i h r e

nach

Phantasie

der

drehte

That That sich

in den R e d e n g e g e n den D r . C. g a n z u m diesen G e -

175 — genstand.

Dafs ihr M a n n sie schlecht hälfe ODd sie

verachte, war ein herrschender Gedanke bei ihr, welcher durch dieses Ansinnen erhielt.

noch mehr Lebendigkeit

A b e r er w a r nur Veranlassung, denn ohne

die körperliche Beschaffenheit der Inculpatinn konnte er nicht zu dem Ausbruche von "Wulh leiten, cher ihr alle Herrschaft über sich nnhin.

wel-

Auch

ist

es sehr möglich, dafs der Zufall, welcher ihr das K a pitel

aus

dein

Evangelio

Matthaei in

die

Hände

spielte, w o von der Ermordung Johannes des Täufers die Rede ist, ihrer Phantasie eine Richtung nach Blut und Mord gegeben habe. Es kann nicht eingeworfen w e r d e n , dafs die I n culpatinn nach der T h a l im Gefängnisse immer lig bei

Verstände w a r .

Anfälle von

völ-

wahnsinniger

W u l h können oft sehr kurz und vorübergehend sein. Aber die Inculpatinn sagte selbst, dafs sie bei Ermordung des ersten Kindes ihr Bewußtsein nicht

hatte,

und dafs es ihr sogleich leid w a r , als sie auch das älteste K i n d

geschnitten.

Vielleicht führte sie das

Abwehren dieses stärkeren Kindes zum Bewufstsein zurück.

Die T h a t und das Schreckliche, was sie an

sich selbst h a t t e , f ü h r t e auch die Thäterinn zur B e sinnung z u r ü c k , und w a r gleichsam selbst die Krise. In einem krampfhaften Zustande befand sie sich noch lange nachher.

Sie stürzte sich voll Zärtlichkeit auf

den Leichnam des K i n d e s , ohne doch eine

Thräna

zu vergiefsen, und erst im Gefängnifs zu St. vergofs sie Thränen.

Die Anwendung der Arzneimittel, so

wie die R u h e im Gefängnisse und Entfernung von



176



den gewohnten Gegenständen können zu ihrer Herstellung viel beigetragen haben. Nach allen diesen Gründen beantwortet die W i s senschaftliche Deputation für dns M e d i c i n a l - W e s e n die ihr von dem Criminalsenat des Königlichen OberLandes-Gerichts zu M. vorgelegte Frage d a h i n : dafs allerdings nach den durch die Untersuchung festgesetzten Factis über den geistigen und k ö r perlichen Zustand der C. M. gebornen G., verehelichten T. anzunehmen i s t , dafs dieselbe zur Zeit der Verwundung ihrer Töchter sich in einem Anfalle von melancholischem Wahnsinn befunden habe. B e r l i n , den 9ten November 1824.

Königl. Wissenschaftliche Deputation für das Medicinal-Wesen.

VI.

VI

G u t a c h t e n «Iber

die Ursachen und die Tödtlichkeit verschiedener in einem rücksichtlich Statt gefundener Tödtung eweifelhaften Falle vorgefundener Verletzungen.

Kluft's Auswahl. ).

12

ALin Hohes Ministerium der Geistlichen-Unterrichtsund Medicinal-Angelegenheilen

hat nach dem

An-

trage des König]. Hocbpreifsliclien Kammergerichts in der Untersuchungssache wider den N. N. wegen V e r dachts der Tinltung der unverehelichten B. U. init Zuferti* gung von 2 Vol. Untersuchungsakten der Künigl. W i s senschaftlichen Deputation f ü r das Medicinal - W e s e n aufgegeben, i h r Gutachten darüber zu erstatten: 1 ) Ob die an der U. vorgefundenen Verletzungen äufserer Gewalt zuzuschreiben s i n d , oder nicht, und ob sie namentlich durch Faustschläge in den Nacken hervorgebracht w e r d e n konnten? 2 ) Ob die erwähnten Verletzungen an und f ü r sich selbst unbedingt

tödtlich

waren,

oder ob

nur

durch die Individualität der Getödteten nnd durch den Hinzutritt einer andern physischen

Ursache

der Tod herbeigeführt w e r d e n k o n n t e ? Die Deputation genügt hiemit dem erhaltenen B e fehl unter Vorausschickung einer aus den anbei lückerfolgenden A k t e n gezogenen

12 *

zu-



1«)



Geschichtserzählung.

B. U. im Dienst des Brandweinbrenner M., m i t t leren A l t e r s , obschon von. starkein A n s e h e n ,

doch

k r ä n k l i c h , namentlich zu K r ä m p f e n geneigt, zugleich bös und zanksüchtig, die stets über Unwohlsein klagte, an Fufsschäden litt, und schon m e h r m a l s geboren hatte, •wurde am 26slen Juli Nachmittags nach zwei Uhr in einem von ihr angestifteten W o r t w e c h s e l von dem Brennerknecht N . N. mit der geballten Faust der rechten I i a n d , nachdem er sie mit der linken am

Arm

umgedreht h a t t e , zwei oder dreimal in den Nacken geschlagen.

Sie ergriff nachher einen Kessel, um da-

m i t nach dem N. N. zu werfen , und als dieser ihr den Kessel aus der Hand genommen h a t t e , und die K ü c h e , w o der Streit sich ereignete, verliefs, rief sie i h m noch die W o r t e n a c h : „ R a c k e r , ich werde dich verklagen."

Die bald nachher hinzugekommene C. M.

hat nach ihrer Aussage die U. am

Küchenschrank,

die Hand am Kopf haltend, stehen sehen. tretenden ist sie ohne ein W o r t

D e r Ein-

zu sagen in

ihrem

gewöhnlichen Gange e n t g e g e n g e k o m m e n , und als sie etwa drei Schritte gethan, auf die K n i e und die linke Seite gesunken.

Sie hat die Augen auf und

schlagen, eiu grüner Geifer ist ihr aus dem

zugeMunde

g e k o m m e n und es hat geschienen, als ob sie K r ä m p f e habe.

Sie starb hierauf, und blieb ungeachtet der a n -

gestellten Belebungsversuche todt. beigerufener

Wundarzt

Ein sogleich her-

besichtigte s i e ,

fand offene



181



Wunden an den Fiifsen, einen auffallend aufgetriebenen Unterleib, von den angeblich erlittenen

Schlägen

aber weder a m K o p f noch an andern Theilen M e r k male.

Die a m

Obduclion g a b

andern T a g e angestellte folgende

Resultate.

gerichtliche

Der

Leichnam

hatte 4 | Fufs L ä n g e , w a r von ungewöhnlich starkem Knochenbau, und wohl beleibt, der K o p f mit kurzen schwarzen Haaren b e d e c k t , das Gesicht bleich,

Au-

gen und Mund geschlossen, und aus der N a s e flofs stinkende Feuchtigkeit.

A m Halse und auf dem N a -

cken waren keine V e r ä n d e r u n g e n , und eben so w e nig dergleichen an der B r u s t und auf dem

Rücken

wahrzunehmen.

an sich

schon sehr

Allein

stark und

der

Unterleib w a r

noch besonders in der regio

mesogastrica in die H ö h e getrieben. iheilen

war

keine

Abweichung.

A n den GeburtsA u f dem

linken

Oberarm sah man Narben von scrophulösen G e s c h w ü ren, und an beiden A r m e n die Medianvenen geöffnet. An beiden Füfsen fanden sich sowohl viele

Narben,

als auch noch viele kleine offene Geschwüre. Fäulnifs hatte schon einen hohen Grad erreicht. Hals -

und Nackenwirbel wurden von ihren

Die Die Bede-

ckungen entblöfst, und es zeigte sich über dem dritten und vierten Halswirbel ein Blutextravasat.

Die Hais-

und Nackenwirbel .waren aber weder verrenkt noch zerbrochen.

S i e wurden geöffnet, um

spinalis in Augenschein zu nehmen.

die

medulla

D i e dura

ma~

•er w a r zart und weifs, als sie aber geöffnet worden, zeigte sich ebenfalls unter dem dritten und Halswirbel coagulirtes und

flüssiges

schwarzes

vierten Blut.

Nach Eröifuuiig des Schädels sahen Obducenten z w a r





alle Gefafse der harten Hirnhaut u n d

des

Gehirns

m e h r w i e gewöhnlich mit Blut g e f ü l l t , jedoch die der linken Hemisphäre strotzender, selbst in ihren kleineren V e r z w e i g u n g e j , als die der rechten.

Die

Gehirnmasse w a r sehr w e i c h , die Gehirnhühlen e n t hielten blutige Feuchtigkeit, und der plexus choroideus der linken Seite w a r stark geröthet.

Auf der

basis cranii waren die sinus ein wenig mit Blut a n gefüllt.

Nach Entfernung des tentorii und

n a h m e des kleinen

Heraus-

Gehirns aber t a h m a n

deutlich

auf der Basis des letzteren und z w a r auf der linken Seite coagulirtes und extravasales Blut.

In der B r u s t -

h ö h l e waren die Lungen w e i c h , vollkommen gesund und n o r m a l ,

und enthielten in ihrer Substanz nur

w e n i g Blut.

Der Herzbeutel und das Herz

aufserordeutlich mit Fett b e w a c h s e n , Feuchtigkeit.

ersterer

I n beiden H e r z k a m m e r n w a r

zes flüssiges Blut, linken.

waren

in der rechten

mehr

ohne

schwar-

als in der

Im Unierleibe waren die Eingeweide

von

Fäulnifs stark aufgetrieben , der Magen enthielt viel Speisebrei.

Die L e b e r hatte ein bleiches

Ansehen,

enthielt in ihrer Substanz wenig Blut, uud w a r ohne Abweichung.

Dasselbe galt von der Dlilz.

Die G a l -

lenblase w a r ungefärbt, ganz bleich und enthielt eine unzählige Menge kleiner S t e i n e , der Gröfse weifser Erbsen gleich.

Der tractus intestinoruin und die H a r n -

organe boten nichts b e m e r k e n s w e r t e s dar.

Die Ge-

bärmutter war leer , Gröfse und Gestalt zeugten aber von bereits statt gefundener Schwangerschaft. Die Obducenten hielten die Extravasate, die u n ter dein kleinen Gehirn und auf der Dledulla spinalis



183 —

gefunden worden, für die Todesursache, nahmen den Grad der Lethalität als absolut a n , behielten sich aber eine weitere Bestimmung und Ausführung in einem besonders einzureichenden Visum repertuin vor. In diesem, welches sie unter dem 3ten August abgaben, nehmen sie ebenfalls die Anhäufung und E x t r a v a s a l e n des Blutes i m Rückenmark and auf der B a sis des kleinen Gehirns als eine anter allen Umständen zureichende Ursache des Todes, und diese Congestion als veranlafst sowohl durch die Gemüthsbewegung, als durch die erlittenen Nackenschläge an, ohne jedoch den Antheil, welchen jede dieser Veranlassungen an der eigentlichen und nächsten Todesursache gehabt, genauer bestimmen zu wollen. — Ein Gutachten des Königl. Medicinal-Collegii zu Königsberg setzt als nächste Ursache des Todes die Blutergiel'suug am verlängerten Mark und dem kleinen Gehirn lest, betrachtet dieselbe aber nicht als nothwendige Folge der Hirnerschütterung durch die init der Faust in den Nacken geführten Schläge» vielmehr als h e r beigeführt unter möglicher Mitwirkung der Schläge durch die Gemüthsbewegung, Kränklichkeit und individuelle Beschaffenheit der Denata.

Gutachten. Ein Königl. Hochpreifsl. Kammergericht hat zueibl zur Beantwortung die Frage gestellt:



184



Ob die an der U. vorgefundenen Verletzungen äufserer Gewalt

zuzuschreiben sind oder nicht,

und ob sie namentlich durch Faustschläge in den Nacken hervorgebracht werden konnten? I m Obductions-Protokoll geschieht überhaupt nur verschiedener Extravasate Erwähnung, welche in Rücksicht auf die aufgestellte Frage in Betracht gezogen werden können. ten

Zuerst zeigte sich über dem drit-

und vierten Halswirbel ein Blutextravasat.

Es

ist dieses indefs nicht genau beschrieben, und dessen Erheblichkeit

in keiner

Beziehung

zu

erkennen.

Blutextravasate im Zellgewebe unter der Haut oder im Zellstoff, welcher die Muskeln verbindet, entstehen indefs in der R e g e l , und ausgenommen einige Fälle nicht gewöhnlicher Krankheiten, nicht anders als durch äufsere Einwirkung.

An und für sich

ist

es daher wahrscheinlich, dafs das erwähnte Extravasat durch äufsere Gewalt entstanden ist.

Noch mehr ge-

winnt diese Ansicht, wenn wir den Inhalt der Akten berücksichtigen und erfahren, dafs die U. kurz vor ihrem Tode in den Nacken geschlagen worden ist, und mit grofser Wahrscheinlichkeit müssen wir den Ursprung de» Extravasats der Einwirkung jener äußern Gewalt zuschreiben. E s wurden von den Obducenten nachher die Halswirbel geöffnet, um die medulla spinalis in Augenschein zu nehmen, die dura mater erschien dabei zart und w e i f s , als sie aber geöffnet worden, zeigte sich unter dem dritten und vierten Halswirbel tes und flüssiges schwarzes Blut. hätten billig diesen Gegenstand

Die

coagulir-

Obducenten

mit gröfserer Auf-

— lnerksaüikei't

185 —

behandeln

schwierig seiu,

sollen.

die Menge

Es

eines

mag

zuweilen

Extravasais

nach

Maafs und Gewicht genau zu bestimmen, aber ein Coaguluin nach seinem Umfange und seiner Stärke durch Vergleichung mit andern bekannten Gegenstanden deutlich zu machen, oder die Menge eines d ü n n flüssigen

Blutes auf

ähnliche W e i s e zu

sind so wenig schwierige Aufgaben,

schätzen,

dafs sie viel-

mehr überall in guten und genauen Obductionsberichten gelöset angetroffen werden, und scbon der

Voll-

ständigkeit wegen hätte solches auch hier geschehen müssen.

A u s dem Umstände, dafs nach Eröffnung

der W i r b e l die dura mater

zart und weifs geschie-

nen, möchte fast hervorgehen, dafs das darunter gefundene Extravasat von keiner grofsen Erheblichkeit gewesen ist, weil bedeutende Extravasate, besonders wenn sie in einem schwarzen Coaguluin bestehen, die reine weifse Farbe der dura mater gen.

zu ändern pfle-

Es waren auch die Halswirbel unverletzt,

der verrenkt noch zerbrochen.

we-

W e n n wir zugeben

müssen, dafs eine äufsere Gewalt, und ewar dieselbe, welche das Extravasat aufserhalb bewirkte, auch diesem Extravasat höchst wahrscheinlich seine Entstehung gegeben h a t t e , so können

wir jedoch selbst

nach ihrer Einwirkung auf die Wirbelbeine dieselbe nur unsicher schätzen.

Eine wirkliche Beschädigung,

ein Bruch in irgend einem ihrer Theile wäre immer nur durch harte oder feste Körper möglich gewesen. Die höchste K r a f t eines weichen und nachgebenden Körpers hätte eher eine Verrenkung der W i r b e l zur Folge haben k ö n n e n , und sehr wahrscheinlich

dann



186



ein beträchtliches Extravasat verursacht. W i r haben hier, wo die Spuren einer solchen Gewalt fehlen, keinen Grund, eine bedeutende Ausdehnung des gefundenen Extravasats anzunehmen. Ein drittes Extravasat fand sich in dem Leichnam der U. nach Entfernung des tentorii und Herausnahme des kleinen Gehirns auf der basis des letzteren auf der linken Seite. Es bestand in coagulirtem Blute, dessen eigentliche Lage und Ausdehnung jedoch ebenfalls weiter nicht beschrieben sind. Die Obducenten sahen aufserdem nach Abnahme des Schädels alle Gefäfse der harten Hirnhaut und des Gehirns mehr w i e gewöhnlich mit Blut gefüllt, namentlich die der linken Hemisphäre strotzend selbst in ihren kleinsten Verzweigungen, die Gehirnmasse sehr weich, in den Gehirnhühlen blutige Feuchtigkeit und den plexus choroideus der linken Seite stark geröthet. Blutextravasate können tiberall auf dem Gehirn aus innern Ursachen, sie können aber auch, und namentlich in der basis cranii durch äufsere Gewalt entstehen, und sind dort in Fällen, wo diese bedeutend auf irgend einen Theil des Schädels gewirkt hatte, in der That gefunden worden. Schon wegen der gänzlichen Abwesenheit von Zeichen, welche beweisen, dafs im vorliegenden Fall eine äufsere Gewalt so heftig, um in der basis ein Extravasat hervorzubringen, auf den Schädel eingewirkt hatte, würde die Annahme einer solchen Entstehungsweise nicht zu rechtfertigen sein. B e rücksichtigen w i r aber aufserdem den Inhalt der Untersuchungsnkten, so finden wir auch hier keine sichere Nachricht von einer liehandluug der Denata, woraus uiue Ersthütleruiia des Gehirns bis zu dem Grade nach-

— gewiesen

werden

187

könnte.



Die U. ist z w a r mit der

Faust zwei oder dreimal geschlagen worden, aber nach den A k t e n nicht auf den K o p f , cken.

Auch ist von

Merkmal gefunden.

sondern in den N a -

Schlägen auf den Kopf

kein

Vielleicht, dafs selbst nach einem

Schlage mit der Faust kein Zeichen geblieben

wäre.

Aber ein solcher Schlag konnte immer in dein Alter der Verletzten in gewöhnlichen F ä l l e n , und bei fehlerfreier Körperbeschaffenheit kein Extravasat in der hasis rranii b e w i r k e n , und Schläge in den

Nacken,

welche statt gefunden haben, vermochten solches aller Wahrscheinlichkeit nach eben so wenig.

Besonders

aber ist zu berücksichtigen, dafs, sobald wir das E x travasat mit dem übrigen Befunde der Schädelhöhle im Zusammenhange betrachten, die Entstehung

des-

selben , so wie der Blutüberiullung der Gefäl'se des Gehirns, der blutigen Feuchtigkeit in den len

und

der andern vorgefundenen

Hirnhöh-

Veränderungen

deutlich werden als gewöhnliche Folgen und E r s c h e i nungen des blutigen

Schlagilusses.

H i e r , w o es an

inneren Ursachen uud Einflüssen, welche den SchlagHufs begünstigen konnten, nicht fehlte, k o n n t e er aus einer solchen Veranlassung eben s o , w i e unter ä h n lichen Umständen oft geschieht, entstanden sein. werden Gelegenheit

finden,

Wir

diesen Gegenstand noch

einmal und näher zu beleuchten, und begnügen

uns

f ü r jetzt, in Beziehung auf das schon Gesagte zu v e r sichern, dafs von den an der U. vorgefundenen V e r letzungen nur die Extravasate in der Gegend der H a l s wirbel mit Wahrscheinlichkeit äufserer Gewalt z u z u schreiben sind, und namentlich durch Fauslscliläge in



188



den Nacken hervorgebracht werden konnten, und wir glauben hiermit die erste Frage Eines Königl. Hochpreiisl. Raiumergfirichts beantwortet zu haben. Die zweite Frage heifst: Ob die erwähnten Verletzungen an und für sich selbst unbedingt tödllich waren, oder ob nur durch die Individualität der Getödteten und durch deu Zutritt einer andern physischen Ursache der Tod herbeigeführt werden konnte ? Als Verletzungen können auch hier nur die verschiedenen Extravasate, welche am Leichnam der U. sowohl in der Gegend der Halswirbel, als in der Schädelhöhle unter dem kleinen Gehirn gefunden worden sind, Gegenstände der Beurtbeilung sein. Die Frage hat sie vereinigt, in Rücksicht auf ihre Bedeutung und Beziehung zu dem Tode scheinen aber unter ihnen wesentliche Unterschiede statt zu finden. V e r gleicht man sie nach ihrer L a g e und daraus hervorgehendem Einflufs auf Gesundheit und Leben, so konnte jenes Extravasat in der Gegend der Halswirbel nach längerer Zeit der Gesundheit Dachtheilig und selbst dem Leben gefährlich werden. Und wenn uns gleich zu einer genaueren Würdigung desselben manche Data fehlen, so läfst sich doch annehmen, dafs durch dasselbe der Tod so schnell w i e im vorliegenden Fall nicht hat herbeigeführt werden können. Hier, wo nur von der Würdigung der Verletzungen nach dem Grade ihrer Tödtlichkeit die Rede sein soll, mithin nur von tödlliclien Verletzuugen die Rede sein k a n n , ist das vorerwähnte Extravasat darum, w e i l es nicht tödllich geworden ist, kein Gegenstand

weiterer

Betrachtang.

Anders

verhält

es sich

dein Extravasat unter dein kleinen Gehirn.

mit

Der T o d

verbreitete sich in dem Fall, der uns zur Beurtheilung vorliegt, vom Gehirn aus.

Die Leichenöffnung

bat dies hinreichend dargethan.

Sie hat aufser dem

Extravasat

auch Ueberiullung der

Hirngefäfse, m i t

blutiger Feuchtigkeit gefüllte Hirnhöhlen geröthete plexus nachgewiesen.

und

stark

Die Geschichte der

k u r z e n Krankheit, welche nach den Akten dem T o d e der U. vorhergegangen, erläutert die Entstehung dieser Erscheinungen,

und giebt in

Uebereinstiimnung

mit dem Obductions-Bericht Aufsclilufs Uber die Art des Todes.

Die genannten Erscheinungen hallen mit

A u s n a h m e des Extravasats unter dem kleinen Gehirn den Tod nicht zur n o t w e n d i g e n

und

ren

Gesundheit

Folge

und

Herstellung

schleunige A n w e n d u n g

der

eines passenden

unabwendbadurch

Heilverfah-

rens lieis sich bei Ueberfiillung der Hirngefäfse und selbst blutiger Färbung der Feuchtigkeit in den Hirnh ü h l e n , indem solche Hindernisse einer fähig sind, als möglich denken.

Beseitigung

Nur das Extravasat

oder Blutcoagulum unter dem kleinen Gehirn k o n n t e seiner Lage nach bei keinem Menschen durch irgend eine Kunsthiilfe beseitigt, oder so schnell und vollkommen, als cur Rettung nöthig gewesen wäre, durch die Kraft und Thätigkeit der eignen Natur in seinen Fortschritten aufgehalten und das schon

ausgetretene

aufgelöset und zurückgenommen werden.

Es mufsle

diese Austretung den Tod zur n o t w e n d i g e n und u n abwendbaren Folge h a b e n , und ist hiernach die g a l i t ä t dieser Verletzung

zu beurtheilen,

Le-

und die



1 ( K)



zweite Frage Eines Hochpreifsl. Kammergerichts zu beantworten. W a s ferner die Gefährlichkeit der Handlung des Inculpaten , und den Einflufs, welchen diese auf den Tod der U. gehabt haben konnte, betrifft, so wird es hierbei zunächst auf eine Bestimmung der eigentlichen Todesart der U. und auf die Entwickelung der Gründe ankommen, nach welchen der erfolgte Tod als Schlagflufs aus inneru Ursachen und die

Hand-

lung des N. N. als eine solche betrachtet werden inufs, welche keinen oder nur einen genügen und zufälligen Antheil an dem Tode der U. gehabt hat. W a s über den Vorfall selbst, die körperliche und Gemüthsbeschaflenheit der Denata, die Erscheinungen der Krankheit, und die Umstände, unter welchen der Tod erfolgte, die Untersuchungsakten Näheres enthalt e n , ist schon in der dem Gutachten

vorausgeschick-

ten Geschiditserzählung uitgetbeilt worden.

Dalier,

ohne solches ausführlich zu wiederholen, wir nur auf einige Tunkte wieder zurückkommen wollen.

Wir

haben hinsichtlich der Person der U. erfahren ,

dafs

sie schon mehrmals geboren hatte, initiieren

Allers,

von starkem Ansehen, doch kränklich und zu Krämpfen geneigt, mit Fufsgeschwüren behaftet, und sehr heftiger Gemüthsart war. Wortwechsel,

Auch wissen wir, daTs der

welchem die Behandlung mit Faust-

schlägen folgte, und der einen so unglücklichen Ausgang nahm, Nachmittags nach zwei Uhr statt fand. Berücksichtigen wir im vorliegenden Fall, um danach die zum Schlagflufs vorhandene Anlage zu beurlheilen, zuerst die körperliche Constitution der Verstorbenen,



191



so fehlen uns hier manche Data, welche zu erfahren wünschenswerth

gewesen

wäre.

Jedoch

wird

da-

nach, dafs sie von starkem A n s e h e n , aber kränklich, zu K r ä m p f e n geneigt, von sehr heftiger Gemiithsart gewesen ist, auch öfters über Unwohlsein geklagt hat, eine Disposition zum Sclilagflufs nicht unwahrscheinlich.

Vor allem aber hat der E r f o l g , der

wirkliche

Eintritt des Schlagilusses, so wie nur Schädlichkeiten, welche seiner Ausbildung günstig sein k o n n t e n , h i n zukamen , die f r ü h e r vorhandene Disposition chend nachgewiesen.

hinrei-

Als nachtheilige Einflüsse, durch

welche bei schon vorhandener Anlage die Entstehung des Schlagflusses möglich w u r d e , betrachten wir zuerst die im Obductionspvotokoll selbst nachgewiesene Anfüllung des Magens, die bei vielleicht gestörter Verdauung um so nachtheiliger wirken

roufste;

und

dann den heftigen Zorn, in welchen durch den Streit die U. gerathen w a r ,

und

Seiten des N. N. geleisteten

welcher durch den von Widerstand,

durch

die

Ueberwältigung und die Faustschläge zur W u l h gesteigert

wurde.

Nicht mit Unrecht w i r d schon

gemeinen Leben heftiger Aerger nach der

im

Mahlzeit,

w e n n der Magen mit Speisen gefüllt i s t , f ü r schädlich und gefährlich gehalten.

Ueber die Anfüllung

des Magens heifst es im Obductionsprotokoll: „der Magen enthielt viel Speisebrei." Die gestörte Verdauung w i r d wahrscheinlich aus der iin

Obductionsprotokoll

angegebenen Beschaffenheit der L e b e r und blase.

Gallen-

Auch ist die ungemeine Auftreibung des U n -

terleibes und die so f r ü h eingetretene faulichte A u s dehnung der Eingeweide, w o r u n t e r n u r die Gedärine



19'.?



(intestina) verstanden sein können nicht ganz zu übersehen.

Die Schläge in den Nacken haben, als solche,

-wahrscheinlich höchst wenig zum Ausbruch der K r a n k heit beigetragen, und es k a n n ihnen eine 3[itwirkung z u m Tode mit Wahrscheinlichkeit nur in so lern beigelegt werden, als sie zur Steigerung des Zornes mitgewirkt

haben

können.

Sie haben

und f ü r sich durch Erschütterung

namentlich

des

an

Kückenmarks

und durch L a h m u n g nicht getödtet, d e n n , sollte sich auch durch zwei oder drei einem erwachsenen Menschen mit

geballter Faust in den

Nacken

geführte

Schläge unter gewissen Umständen eine Erschütterung des Rückenmarks bis zur möglich denken l a s s e n ,

tödtlichen

Lähmung

so w ü r d e immer der

als Tod,

dieser Ansicht entsprechend, schnell und fast augenblicklich erfolgen müssen.

Erscheinungen vor

Tode,

F a l l , ein

w i e im gegebenen

scheinbarer

Gesundheit,

wo

noch

dein

Zwischenraum Bewegung

und

Sprache frei bleiben , sind mit solcher A n n a h m e u n verträglich.

Die Art und W e i s e , wie die U. starb,

die Umstände und Zufälle, welche dem Tode vorhergingen und ihn begleiteten, sprechen nicht f ü r Nervenlähmung oder Rückenmarkserschütterung, sondern allein für Extravasat

und Schlagilufs.

Nachdem

U. die Schläge in den Nacken erhalten h a t t e ,

die

ergriff

sie einen Kessel, um mit demselben nach dem N. N. zu w e r f e n .

Der Kessel w u r d e ihr aus der Hand ge-

n o m m e n , und sie äufserte ihren Zorn durch pfen.

Schim-

Sie rief dem N. N. die W o r t e nach: „ R a c k e r

ich w e r d e dich v e r k l a g e n . "

E s k o n n t e daher durch

die Schläge in den Nacken keine L ä h m u n g

erfolgt sein.

— sein.

193



Die Erscheinungen des Schlagflusses, der B l u t -

congestion mit deren Folgen, der Blutergiefsung, t r a ten erst nachher ein, und machten dann dem Leben bald ein Ende.

Man hat gesehen, wie die U. den

K o p f mit der Hand hielt.

Nach der Erzählung -von

Augenzeugen stand sie erst still am Kiichenschrank, t h a t dann einige Schritte nach der T h ü r den K o m menden entgegen, sank in die K n i e , darauf auf die l i n k e S e i t e , schlug die Augen auf und z u , aus dem M u n d e trat ein grüner Geifer, und sie schien w i e K r ä m p f e zu haben.

Diese Erscheinungen stehen aber

mit dem Inhalt des Obductionsprotokolls, in so fern er den Befund der Schädelhöhle betrifft, in

so natürli-

chem Z u s a m m e n h a n g e , sprechen gemeinschaftlich so dringend für Schlagilufs als Krankheitsausgang, lassen ihn, als hei vorhandener Disposition ans inneren U r sachen entstanden, so vollständig und

ungezwungen

erklären, dnis damit die erlittenen Mißhandlungen und äufsere Gewalt mit einiger Wahrscheinlichkeit in Verbindung gesetzt werden können.

Wie

nicht nun

endlich Faustscliläge in den N a c k e n , w e n n sie auch mit bedeutender K r a f t geführt w e r d e n , eine Z e r r e i ß u n g von Blutgefiifsen im Gehirn, zugleich mit B l u t iiberfülluug der linken Hemisphäre und blutiger F ä r bung der wässerichten Feuchtigkeit der Hirnhöhlen nicht leicht zur Folge haben k ö n n e n , haben wir f r ü her schon bei Erörterung der ersten Frage bemerkt. W e n n nun aber nachgewiesen ist, dafs Schlagflufs aus innern Ursachen unter den vorhandenen

Umständen

hat entstehen können, w e n n die Erscheinungen, w e l che den Tod der U. theils begleitet haben, theils ihm Kluß'* A u s w a h l . I.

13

— vorhergegangen sind, flusses

m



als E r s c h e i n u n g e n des

a n e r k a n n t -worden s i n d , w e n n

Schlag-

auch aus

I n h a l t des Obductionsprotokolls der

dem

T o d d u r c h diese

K r a n k h e i t deutlich h e r v o r g e g a n g e n ist, so ist w o h l a u f s e r Z w e i f e l , dafs w i r k l i c h

die U. an e i n e m

Schlag-

flufs gestorben, nicht aber g e w a l t s a m g e t ö d t e t w o r d e n ist, u n d w i r k ö n n e n d a h e r ,

n a c h d e m w i r alles, w a s

d e n vorliegenden Fall betreifend uns w i c h t i g e r s c h i e n e n , beizubringen b e m ü h t g e w e s e n s i n d , als das R e sultat g e m e i n s c h a f t l i c h e r B e r a t h u n g u n s e r e , den T o d d e r U . , den Eioflufs und die G e f ä h r l i c h k e i t der H a n d l u n g des N. N. und die E n t s t e h u n g d e r V e r l e t z u n g e n in B e z i e h u n g

und T o d t l i c h k e i t

auf die von

Einem

K ö n i g l . K a i n m e r g e r i c h t a u f g e w o r f e n e n Fragen b e t r e f f e n d e Meinung in der K ü r z e dahin w i e d e r h o l e n : 1)

dafs von den an der U. v o r g e f u n d e n e n

Verle-

t z u n g e n die E x t r a v a s a t e in der Gegend der Halsw i r b e l äufserer G e w a l t zuzuschreiben durch Faustschläge in den Nacken

sind,

und

hervorgebracht

w e r d e n k o n n t e n , der B e f u n d in der S c h a d e l h ö h l e aber als Folge einer K r a n k h e i t , n a m e n t l i c h e i n e s Schlagflusses m i t

Wahrscheinlichkeit

betrachtet

w e r d e n mufs. 2 ) dafs von den e r w ä h n t e n V e r l e t z u n g e n das E x t r a v a sat unter dem kleinen G e h i r n an und lur sich u n b e dingt tödllich, die V e r l e t z u n g e n in der Gegend der Halswirbel aber im vorliegenden F a l l nicht t ö d t licli w a r e n . B e r l i n , den 14len J a n u a r 1S21.

Königl. Wissenschaftliche Deputation f ü r das M e d i c i n a l - W e s e n .

VII. G u t a c h t e n über Tödtlichkeit

einer

Kopfverletzung.

13 *

i i i i n Hobes Ministerium der Geistlichen-Unterrichts und Medicinal-Angelegenheiten hat uns 3 Bände Akten in Sachen wider den Lieutenant J. und Couaorten zugesandt, um dein Verlangen des Herrn General-Majors und Divisions-Cominandeurs v. II. geinäfs, nach Vorschrift des 169. der Criminal-Ordnung in dieser Sache ein Gutachten zu geben, weil der gedachte Herr General-Major in den ärztlichen Attesten zu viele W i dersprüche und Undeutlichkeiten findet, als dafs auf den Grund derselben eine richterliche Entscheidung gebaut werden könnte. Dein Hohen Befehl geniigen zu k ö n n e n , senden wir die Species Facti voraus. Der Lieutenant J. und der Lieutenant G . , w e l che in Streitigkeiten gerathen waren, beschlossen ihre Sache durch ein Cuell auf Pistolen auszumachen, und begaben sich mit ihren Secundanten, den Lieutenants L. und Q., ain24sten September 1819 Morgens von C . , wo sie sämintlich in Garnison lagen, nach dein benachbarten Gehölz von K . , in dessen Nähe der Schießplatz der Infanterie befindlich ist.



198



W i e die gedachten Tier Personen im Holze versammelt waren, -wählten die Secundanten die kleineren Pistolen des J . , luden sie gemeinschaftlich, nachd e m sie das Pflaster von den K u g e l n entfernt hatten, wodurch diese für grüfsere Pistolen eingerichtet r e n , und der. G . ,

ein grofser M a n n ,

wa-

gegen 12 Zoll

haltend, schritt 2 0 Schritte ab, die w o h l 21 g e w ö h n liche betrugen.

Der J . ,

welcher den ersten

h a t t e , trat heran und ohne zu z i e l e n ,

Schufs

auch als

schlechter Schütze b e k a n n t , worüber bei den mehrere Z e u g n i s s e befindlich s i n d , und w e g e n m u n g des

rechten A r m s die Pistole

ein

Akten Läh-

in der

linken

Hand haltend, drückte er los, w o r a u f der G. sogleich, von dem S c h u s s e g e t r o f f e n , niederstürzte. Der Lieutenant Q . lief sogleich zum G. hin, und fand, dafs der Schufs mitten in die Stirne durch den Schirm war. zu,

einer

überzogenen

Czakotmiitze

E r hielt das L o c h mit seinem

gedrungen

Taschentuche

allein er sah schon , dafs der G . nach

einigen

A t h e m z ü g e n im Verscheiden w a r . Der Lieutenant L . war inzwischen nach dem benachbarten Schiefsplatz g e l a u f e n , w o Uebungen

statt

gefunden, und holte den Compaguiechirurgua S .

Die-

ser fand den G . von einem Schufs getroffen

liegen,

der durch den Schirm der M ü t z e gegangen w a r , noch auf dem K o p f e safs.

die

E s athmete derselbe noch

2 — 3 S e c u n d e n , allein ohne S p u r von BewufstseiD, und er verschied unter des Chirurgus H ä n d e n ,

der

e t w a s Charpie in die W u n d e gesteckt halte, ganz r u hig und ohne Zuckungen.



199 —

Andere Personen waren bei dem Duell nicht zugegen gewesen. J . sowohl als die beiden Secundanten entfernten sich. Der Chirurgus blieb bei dein Todten zurück, bis ein Unterofficier kam, worauf der Chirurgus wegging. Er kain aber wieder h i n , und überzeugte sich noch einmal von dem Tode des G., worauf ein W a g e n von der Artillerie eintraf, auf, den sie den Todlen legten, und der Chirurgus ging dem W a g e n n a c h , welcher den Leiclinam nach dem L a horatorium brachte, in dem zu der Zeit weder F a i r e r noch andere brennbare Stoffe vorhanden waren. Tags darauf am 25sten Septbr. Morgens um 11 Uhr ward zur Sectioo geschritten. Die obducirenden Aerzte waren die der Artillerie in C. cugetheilten Aerzte, der Garnison-Staabsarzt W . und der Compagnie Chirurgus B., wovon ersterer, als Arzt der K.Önigl. Cominandantur, alle medicinisrli gerichtlichen Actus vorzunehmen, welche zu dem König). Commandantur-Gericht gehören, verpflichtet war. Nach geschehener Recognition des Leichnams ward derselbe überall besichtigt, und aufserder S c h u ß wunde an der Stirn keine Verletzung an demselben gefunden. Zu beiden Seiten des Halses and der Brust fanden sich die gewöhnlichen Todfenilecke, eben so an den Unterschenkeln, und der Rücken vom Nacken bis zu dem Hintern war fast ganz blaurolh, eben so auch die hintere Seite aller vier Extremitäten. Der Leichengeruch war nur in sehr geringem Grade wahrzunehmen. Bei genauer Besichtigung der Stirnwunde, die sich fast genau in der Mille der Stirn , jedoch eiuige



2(X)



Linien mehr links b e f a n d , w u r d e nach menem

Verbände

eine

den

weggenom-

Knochen

penetrirende

W u n d e von fast ganz regelmäfsiger ruuder

Gestalt

h e m e r k t , die inan für eine von einer F i s t o l e n - oder Musketeukugel gemachte Scliufswunde halten mufste. Nachdem die äufsern Bedeckungen des Schädels und die galea capitis kreuzweise durchschnitten und zurückgelegt

waren,

w a r d an keiner Stelle weiter

eine Spur von Q u e t s c h u n g , Zerreifsuug oder E x t r a vasat

gefunden.

In

der

von

der

Haut

befreiten

K n o c h e n w u n d e fanden sich mit der zugleich eingedrungenen Gehirnsubstanz mehrere kleine Knochenchensplilter v e r m i s c h t , auch w u r d e hier ein

kleines,

einen halben Zoll langes, den achten Theil eines Zolls breites und eine L i n i e dickes Fragment von der K u gel

angetroffen.

Bei Lostrennung der

Hirnschaale,

die ohne Schwierigkeit bewirkt ward, fand sich z w i schen derselben a n d der (Iura inater kein

Extravasat,

aber eine blaue Farbe schimmerte durch die letztere, die ein solches veruiuthen liefs.

Zwei

mige Einschnitte von vorne nach nung des unverletzten dem über das ganze

halbzirkeliür-

hinten mit Scho-

processus falciformis machten Gehirn verbreiteten

Extravasat

R a u m und es mochte dasselbe wohl 2 Unzen gen.

betra-

Bei der genauen Betrachtung der mit der K n o -

c h e n w u n d e correspondirenden Stelle des Gehirns fand sich, dafs es die Spitze des vorderen lobi der linken Hemisphäre w a r , die den Anfang des in der Gehirnsubstanz bildete.

SchuCskanals

Diesen zu verfolgen,

wurden in die Substanz des Gehirns mit Vorsicht h o rizontale

Einschnitte gemacht,

und nach und nach



201



mehrere dünne Scheiben des Gehirns weggenommen. Aller Behutsamkeit ungeachtet war es nicht möglich, den Lnuf der Kugel mit vollkommener Deutlichk«it zu verfolgen, da vom Eingang derselben bis zu dem Ort wo sie gefunden wurde, derselbe durch kein Extravasat oder Zerreifsung der Substanz bezeichnet war. Nach fortgesetztem Suchen fand sich die K u gel im unteren und hinteren Theii des lobi posterioris der linken Hälfte des grofsen Gehirns und zwar noch innerhalb der harten Hirnhaut, auf dem tentoriutn cerebelli liegend. An diesem so wie am cerebellum selbst war nur ein sehr geringer Grad von Entzündung wahrzunehmen. In den Seitenhöhlen war das Adergeilecht etwas blutreicher als gewöhnlich, sonst aber fand sich bei der genauesten Nachforschung nichts Widernatürliches. Die Obducenten hielten diese Gehirnverletzung für absolut tödtlich, und da der Tod des Denati nach dem erhaltenen Schufs unmittelbar erfolgt w a r , die Todesursache für hinlänglich ausgeinitteli, daher aber auch die OeiToung der beiden andern Höhlen des K ö r pers für überflüssig. Der Richter trat dieser Meinung um so mehr bei, als der Verstorbene vor der That ganz gesund gewesen, und die Tödtung im Duell durch den Lieutenant J. festgestellt war. Gegen diese Obduction werden von dem Defensor mehrere Ausstellungen gemacht. Erstlich tadelt er, dafs der Garnisonstaabsarzt W . bei der Obduction den Compagniecliirurgus B. zugezogen habe, der als dessen blofser Gehülfe anzusehen



202



sei, stall dessen halle ein anderer vereidigter Militairoder Civil-Arzt zugezogen werden müssen. Zweitens

sei

die

Untersuchung

selbst

fehler-

haft , denn : 1 ) Die Oeffnung, welche die Kugel in dem Kopfe veranlafst h a t , hätle genauer angegeben

werden

sullen, um daraus zu beurtheilen, ob die letztere im Steigen oder Fallen den K o p f getroffen. 2 ) Sei die Stelle, wo die Kugel eingedrungen, nicht genau angegeben, ob über den Stirnhöhlen, oder durch diese, in weichein letzteren Fall die

Ku-

gel leichter hätte gelheilt, und einen Verlust au Kraft erleiden können. 3)

"Wenn die Obducenten

den Schufskanal nicht

im Gehirn hätten finden k ö n n e n , so hätten

sie

wohl bei gehöriger Untersuchung der pia inater und arachnoidea die Ausgangsstelle finden müssen. 4 ) Hätte angegeben werden müssen, ob das corpus collosum verletzt

gewesen

sei oder nicht;

denn wenn das corpus callosum und der obere T h e i l der Yentriculorum cerebri, auch der obere Theil des pons Varolii unverletzt geblieben w ä r e n , so sei die im Obductionsbericht aufgestellte absolute Tüdllichkeit der Verletzung keinesweges als erwiesen anzusehen. 5)

Sei ein

wesentlicher

Mangel

der

Obduclion,

dafs nur der K o p f und nicht die andern Höhlen geöffnet worden.

E r hätte vomicae in den L u n -

gen, eine Herzkrankheit u. s. w. haben

können,

und zählt der Defensor eine grofse Reihe K r a n k heilen auf ; von denen duclionS[>rotokoll

gust 1 8 1 5 gar nirlU e r w ä h n t . veranlafst,

Uutersuchungsakvom

14ten

das K ü n i g l . M e d i c i n a l - C o l l e g i m n

Herzoglhümer

J.,

C. und

Au-

S i e l a n d e n sich daher

B.

um

sachverständiges Gutarhlen über

ein

für

die

anderweitiges

d i e Leiden

im

Ein-

g a n g e b e r e i t s a u s g e h o b e n « « F r a g e n zu e r s u c h e n .

Die

M i t g l i e d e r des M e d i c i n a l - C o l l e g i i reiclilen darauf j e d e r ein b e s o n d e r e s G u t a c h t e n e i n , w o denn in dein l e t z tern

die F r a g e n

der K ö n i g l .

O b e r - Landesgerichts -

Comraission dahin b e a n t w o r t e t

wurden:

1 ) dafs nach der L a g e der A k t e n , und bei den in dem Obdnctionsprotokoll

angeliibrten

Umständen

d i e L e b e n s f ä h i g k e i t des von der G. H. zur W e l t gebrachten

Kindes

als g e w i f s

anzunehmen,

w i r k l i c h e L e b e n desselben nach der G e b u r t blofs h ö c h s t w a h r s c h e i n l i c h

das aber

sei.

2 ) dafs u n g e a c h t e t e i n e u n b e d i n g t e affirmative E n t scheidung

der

ersten F r a g e

nur theilweise statt

finde, d e n n o c h die v e r m u t l i c h e U r s a c h e des T o des des K i n d e s und

ein

von

eine

Erschütterung

ausgetretenem

D r u c k desselben s e i ; lichen Handlung

Blut

des

Gehimr.

herrührender

und d i e s e in e i n e r a b s i c h t -

der I m j u i s i t i n n ,

e i n e m blofsen Z u f a l l i h r e n

nicht

aber

verinuthlichen

in

Grund

haben. D e r R e g i e r u n g s r n t h D . w a r ebenfalls der M e i n u n g , dafs das

wirkliche

Leben

des

Kindes

der H .

der G e b u r t sich z w a r als w a h r s c h e i n l i c h ,

nicht

nach aber



'29b



a l s g e w i f s a n n e h m e n l a s s e , der T o d des K i n d e s d u r c h die K o p f v e r l e t z u n g veranlafst liclie T ö d t u n g aber zu e r w e i s e n

worden,

aus dein Inhalt

eine

absieht

der Akten

nicht

sei.

G u t a c h t e n .

Nach dem ausdrücklichen Verlangen n a l s e n a t s der K ö n i g ! .

gedachtem

Senat

d i e D a t a des d i e i n den menen aber

auch

wir

aufgeworfenen

Obductionshericht

i m voraus

Umstände rügen,

der C r i i n i n a l -

zur E r ö r t e r u n g beiden

Obductionsprotokolls,

mehreren

Crhni-

Ober-Landesgerichls-Cornmis-

sion und gestützt a u f die Vorschriften Ordnnng werden

des

Fragen

keineswegs

nachträglich benutzen.

dafs

die

der

von nur aber

aufgenom-

Wir

müssen

A e r z l e G . und N . ,

w e n n gleich von i h n e n g e s a g t w i r d , d a f s s i e m i t deu F u n c t i o n e n des K r e i s - P h y s i k a i s h ö h e r e n O r t s tragt

worden,

und

zu

der vorzunehmenden

t i o n in j e d e r H i n s i c h t f ü r cjualificirt tu

beaufObduc-

achten

gewe-

s e n , d o r h i m v o r l i e g e n d e n F a l l e m i t s o grofser N a c h l ä s s i g k e i t und

Unkunde

verfahren

haben,

dafs

d u r c h allein der h i n r e i c h e n d s t e B e w e i s i h r e r l i g k e i t zu

jedem

forensischen

D e n Obductionshericht

Geschäft

hier-

Untüch-

gegeben

h a b e n sie a l l e r d i n g s b e i

r e r e r Blufse und i m B e s i t z

mehrerer

meinschaftlich

können;

ausarbeiten

Hülfsmittel doch

ist

ist. mehge-

dieser,

w e n n g l e i c h weitliiiii'tiger utid s c h e i n b a r v o l l s t ä n d i g e r ,



296

sowohl mit dein Protokoll als mit sich in Betreff der wichtigsten

Punkte

so sehr

in Verlegenheit

w i r sogar w i r neben

im

Widerspruch,

gerathen

dem Protokoll auch ihn

zum Grunde legen sollte». chenden Angaben gehört

Zu

würden, uuserin

solchen

namentlich

und

dafs wenn

Urlheil

widersprebesonders,

w a s L a g e , V e r h ä l t n i f s , Farbe und Beschaffenheit der Lungen leuchtung

betrifft, G e g e n s l ä n d e , und

zuverlässige

rechten Orte zur

deren genauere

Auseinandersetzung

Entscheidung der T r a g e :

ob

Beam das

K i n d der H . nach der Geburt gelebt habe, so a u g e n scheinlich wichtig gewesen wäre. W i r wenden uns zur Beantwortung worfenen Fragen.

Was

der

aufge-

zuerst den T u n k t betrifft,

ob das K i n d der II. ein reifes und lebensfähiges K i n d gewesen sei, so dienen zur Erörterung dieses G e g e n standes theils und vorzüglich

die A n g a b e n ,

hierüber das Obductionsprotokoll

welche

enthalt, theils

der

Inhalt der A k t e n , in so weit dieser den Zeitpunkt der Euipfängnifs, der ersten Lebensaufserungen der Frucht und der Geburt angeht. D a s Gewicht des K i n d e s betrug z w a r nicht m e h r als fünf Pfuud (bürgerlich G e w i c h t ) ,

es hatte

dieses K i n d ein L ä n g e n m a a f s von zwanzig

aber

rheinlän-

dischen Zollen, die Schädelknoclien waren nicht leicht verschiebbar, die kleinere Fontanelle beinah ganz v e r wachsen, die Ohren w a r e n knorplicht, die Haut derb und glatt, die Glieder ziemlich

fleischigt

und rund,

lie Nägel h a r t , bis über die Spitzen der Finger und Zehen reichend.

Wenn

gleich die Kennzeichen

der

— 297 — Reife hier nicht säinintlich genannt sind, so läfst sich doch schon nach den angegebenen mit Grund daran nicht z w e i f e l n , dafs das Kind dar H. e i n , wo nicht ganz, doch bis auf sehr kurze Zeit ausgetragenes, •wenigstens lebensfähiges Kind gewesen sei. W e n n w i r daneben die Angaben der Ioquisitinn über das Ausbleiben der Reinigung und die ersten Bewegungen der Frucht, obgleich ihnen an und für sich ein hoher W e r t h nicht beigelegt werden kann, berücksichtigen, so ergiebt sich leicht aus ihnen, verglichen mit dem Zeitpunkt der Niederkunft, ein mit dem des Obductionsprotokolls ziemlich übereinstimmendes R e sultat. Es erfolgte die Wiederkunft in der Nacht vom lOten auf den I l t e n August 1815. Zur Zeit der Essender Herbst-Kirchmefs (gegen den 21sten October) 1814 war die Inculpatinn von dem Knecht W . beschwängert worden, und drei Wochen nachher w a r ihre monatliche Reinigung ausgeblieben, auch von dieser Zeit an ihr Unterleib stärker geworden. Es ist wohl nicht ein eigentlicher Widerspruch zu nennen, wenn die Inculpatinn früher angegeben h a t t e , von dem letzten mit dem W . am Ende des October oder im Anfang des November vollzogenen Beischlaf schwanger geworden zu sein, und seit dieser Zeit ihre Reinigung verloren zu haben. Kurz vor Frohnleichnam ( d e n 25sten M a i ) 1815, späterhin aber nicht weiter, versicherte Inquisitinn, das Leben der Frucht gespürt zu haben. Es wäre aber letzteres, wenn w i r annehmen, dafs die Schwangerschaft Ende Octobers oder in den ersten Tagen des November begonnen hatte, gegen das Ende des sechsten Monats gewesen,



298



vor Ablauf oder vielmehr in der Mitte des

neunten

Monats aber die Entbindung erfolgt. Der zweite Theil der ersten uns z u r Beantwortung vorgelegten Frage ist von besonderer Wichtigkeit. W e n n sonst darüber, ob ein K i n d nach der Geburt wirklich gelebt h a b e ,

der Erfolg der Lungenprobe

entweder

genügende oder doch wichtige und wesentliche

Auf-

schlüsse g i e b t , so k ü u n e n wir vorliegend darauf nur wenig Rücksicht n e h m e n , weil die hauptsächlichsten zur Lungenprobe gehörenden Versuche gar nicht a n gestellt worden sind. ist nicht gedacht.

Der

Ueber

der Brust müssen

uns

aufseren den

die

Erscheinungen

Befund im

Innern

Versicherung, dafs

Al-

les in seiner natürlichen Lage gewesen sei, und die Angaben,

dafs die

Lungen

der glandula tbyraus 5 j

init

Loth,

dein

Herzen

Skrupel gewogen , und sowohl in erstgedachter bindung

als f ü r

sich

und

in

und

für sich 3 Lotli Stücken

2

Ver-

zerschnitten

auf der Oberfläche des Wassers ceschwoininen hätten , genügen.

Kiclit

einmal

die Ausdehnung

L u n g e n , ihre F a r b e , ihr Aussehen, der Grad Dichtigkeit, ihr V e r h ä l t n i s zu

andern

der ihrer

Eingeweiden

der B r u s t h ö h l e , ist berücksichtigt, nicht ist die W ö l bung des Z w e r g f e l l s beachtet, nicht erforscht den,

ob die L u f t , als blulgemischter S c h a u m ,

wormit

Zischen aus den gemachten Einschnitten hervordrang, und Blut auch in die w a r , nicht nachgesehen,

feinsten Gelafse

eingegangen

ob etwa Luflbläsrhen

am

S a u m e der Lungenlappen am S c h w i m m e n der L u n gen Schuld waren u. s. w .



299



Die Lungen wogen, vom Herzen und der glandula ihyiniis getrennt drei L o l h

und zwei Skrupel.

Ihr au sich geringes Gewicht stund also iin Verhältn i s zu dein des Körpers wie 1 zu 5 3 oder 2 zu 106. W i r finden aber hierin, wo nicht einen Beweis der

Unsicherheit

doch eine

der

Ploucquelschen

Veranlassung

von

Lungenprobe,

anzunehmen,

wenn

daTs,

nicht vielleicht beim Wiegen die uöthige Genauigkeit nicht beobachtet irgend

einem

worden i s t , das Kind

Grunde

der H. aus

nur unvollkommen

geathinet

haben inufste, so dafs schon diese Annahme mit dein vollkommenen

Schwimmen der Lungen im

spruch zu stehen

scheint.

So

Wider-

viel ist gewifs, dafs

ein zuverlässiger Schlufs sich aus diesen Angaben nicht ziehen läfst. Dafs die Lungen, sowohl iu Verbindung init dem Herzen

und

zerschnitten

der thyinus, auf der

als für s i c h ,

sich

hielten, deutet darauf hin , dafs L u f t in ihnen

ent-

Ein

des

ganz und

Wassere

halten gewesen sei.

Oberfläche

uiehreres läfst sich indefs

hieraus nicht schliefsen, und über die Art, w i e die L u f t in die Lungen g e k o m m e n , ob durch

Athembo-

len oder n i c h t , wegen mangelnder weiterer Beobachtungen und unterlassener besonderen Versuche ein b e stimmter Ausspruch

nicht

wagen.

Möglich

dafs die L u f t , welche die Lungen zum

ist

es,

Schwimmen

brachte, sich durch angehende Fäulnifs in ihnen e n t wickelt hatte, denn es traf s i c h , das die Inculpatinn mitten im Sommer ( i n

der Nacht vom lOten

zum

I l t e n August) entbunden wurde, und es bis zuin 14ten August,

wo das Kind obducirt wurde, wenn

gleich



300



zufällig nicht sehr h e i i s , doch bei Tage

sowohl als

in der Nacht warin genug war, u m das Fortschreiten der Fäulnifs zu begünstigen.

Der höchste Stand des

Thermometers w a r in hiesiger Gegend ain I l t e n A u gust

63 Fahrenh.

(14 +

76Fahrenh. (19|-j-lleaum.)

Reaum.)

und

am

13len

Hiebei ist zu berücksichti-

gen, Jafs das Kind mehrentheils an einem warmen Ort, in dem Stall, dessen Boden mit Stroh bedeckt war, z u erst unter dem Stroh leicht versteckt, nachher tiefer unter dem

fllist

verscharrt gelegen hatte.

E s sind

aber im Obductionsprotokoll eben so die Zeichen vorhandener Fäulnifs, als d i e , aus welchen das vorhandensein derselben hervorgegangen mit Stillschweigen übergangen. gern zugeben wollen,

Nicht-

sein w ü r d e ,

Und wenn w i r gleich

dafs die

im

Obductionspro-

t o k o l l , obgleich zu gane anderin Z w e c k , angeführten W o r t e „ d i e Haut w a r derb und glatt", dem, dafs der kleine Leichnam von merklicher Fnulnifs ergriffen gewesen, einigermafseti widersprechen, auf der andern S e i t e e s sich auch nicht wohl denken läfst, dafs ü b e r einen Grad der Fäulnifs, der in den Lungen sich geäufsert

und diese

schwiminfahig

gemacht

die Obducenten so gauz sollten geschwiegen

halte, haben,

so müssen wir doch bemerken, dafs sowohl jene W o r t e als dieses Stillschweigen f ü r sich allein nicht hinreichend sind, uin jeden E i n w u r f , welcher aus dem laulichten Zustand der L u n g e n gegen die llichtigkeit der Schwiminprobe hergenommen werden kann, iin V o r aus w i e es billig Italic sein sollen, zu. entkräften. Es

konnte

aber

auch auf eine andere W e i s e ,

neinlich durch Einblusen, die L u f t in die Luugen ge-

— langt sein. dafs die

301



Und w e n n gleich nicht Mutter

selbst

dieses sollte

zu glauben ist« versucht

und

nachher darüber geschwiegen, ja sogar es geleugnet haben, so läfst sich doch der E i n w u r f , dafs es m ö g licherweise durch einen Unbekannten

hat

geschehen

k ö n n e n , nicht gänzlich beseitigen. W i r reden hier absichtlich weiter nicht von dein Athemholen des noch nicht

gebornen Kindes,

und

mögen diese sonst beobachtete Erscheinung auf den vorliegenden Fall nicht in A n w e n d u n g bringen, weil, w e n n ein solches Athuien vor der Geburt auch ü b e r haupt nicht zu läugnen i s t , es doch in dein Fall einer so schnellen und ganz durch die K r ä f t e der N a tur vollendeten Entbindung sich durchaus nicht

an-

nehmen läfst. W e n n nun aber aus dem Resultat der Schwiminprobe vorliegend

Lungen-

mit hinreichender

Zuver-

läfsigkeit und Sicherheit nicht hervorgeht, dafs das K i n d der H. nach der Geburt gelebt habe, so mögen w i r es doch nicht v e r h e h l e n , dafs in den A k t e n und namentlich im Obductionsprotokoll andere Thatsachen aufgezeichnet s i n d , welche allerdings dafür zu

spre-

chen scheinen, dafs das K i n d d e r H . ,

auch

wenn

nicht mit deutlichen Lebensäufserungen, doch lebend, vielleicht

scheintodt,

zur W e l t

gekommen sei.



V o n geringerem Gewicht, doch der E r w ä h n u n g w e r t b , ist die Aussage der I n q u i s i t i n n ,

d a f s , als sie gleich

nach der Entbindung das K i n d angefafst h a b e , dieses nafs und laulicht w a r m gewesen sei.

Von

besonde-

rer Wichtigkeit und wesentlich der F r a g e , ob das K i n d der H. lebend geboren worden s e i ,

gehörend,



302



ist abvr das atn K o p f des K i n d e s deutende Extravasat

Torgefundene be-

in V e r b i n d u n g init den

i h m angetroffenen V e r l e t z u n g e n :

unter

,, Nachdem die all-

g e m e i n e n Decken zurückgeschlagen, „ a u f der ganzen rechten S e i t e des

b e m e r k t e man Seitenwaudbeins

„ u n d des ganzen H i n t e r h a u p t b e i n s , schwarzes geronn e n e s Blut, dessen M e n g e über einen Efslöflel voll „betrug.

A m o b e m R a n d e des rechten S e i t e n w . m d -

, , b e i n s fand sich ein beinah z w e i Zoll langer Bruch, „ d e r von der s u t u r a coronaria l j Zoll, von der h i n ,, lern Fontanelle z w e i Zoll entfernt w a r , ,, nach dein Mittelpunkt

hin

ausbreitete.

und sich Ein

zwei-

„ ter kleiner Bruch von der L ä n g e eines halben Zolls ,, befand sich ebenfalls an diesem K n o c h e n , von dem „ v o r i g e n w i e auch von der hinteren Fontanelle „Zoll,

v o n der P f e i l n a i h einen

Zoll e n t f e r n t ,

t| das

„ H i n t e r h a u p t b e i n h a ' l e drei verschiedene Brüche, w o „ von der gröfsere einen Zoll betrug, „ n a c h dem M i t t e l p u n k t „ t e t war. „eines

und

von

oben

dieses K n o c h e n s hin gerirh-

Die z w e i kleineren Brüche von der Gröfse

Vierteizolls befanden sich an beiden

„ E c k e n . " — i>Der grofse Blutbehälter ( s i n u s

untern longi-

„ t u d i n a l i s superior) w a r durch den ¡jrofsen Bruch des „ Seitenwandbeins, welcher bis an die rfeiln;;th rcichte, „ v e r l e t z t , und das Blut quoll beim gelindesten Druck „ i n Menge hervor. „ Knochen zeigte

Nach der A b n a h m e der Scliädel-

sich

das

Gehirn z w a r von

,, C o n s i s t e n z , alle Gefäfse des

grolsen Gehirns

guter aber

„ strotzten von Blut und die Oberfläche desselben w a r „ m i t e x t r a v a s a l e m Blute bedeckt, dessen Menge w e „gen

w e i c h e r Beschaffenheit der Hirnsubstanz

sich

— „ nicht genau

303



bestimmen liefs.

In den

„ befand sich das gewöhnliche S e r u m .

HSrnhShlen Die Gefafse

„ d e s kleinen Gehirns waren ebenfalls init Blut über„ f ü l l t , und in basi cranii befand sich ungefähr ein „ F f s l ö f f e l voll extravasales B l u t . " S o vollständig und in den Angaben genau

und

bestimmt, als es nicht allein wünschenswert!), sondern auch möglich gewesen w ä r e , ist freilich die so eben ausgehobeue

Beschreibung

dem Obductionsprotokoll

der Kopfverletzungen nicht.

E s herrschen

in

sogar

W i d e r s p r ü c h e darin, theils da, w o gesagt w i r d , dafs wegen weicher Beschaffenheit des Gehirns sich die Menge des über dasselbe ergossenen Blutes nicht genau habe bestimmen lassen, da doch nach einer f r ü heren Angabe das Gehirn von guter Consistenz wesen;

ge-

theils da w o der grofse Bruch des Seiieh-

wandbeins erst einen und einen halben Zoll von der sutura coronaria e n t f e r n t und dann bis an die Pfeilnath reichend angegeben wird.

Der

gels an

nöthiger

Genauigkeit

triirt aber vorzüglich von dem über das

und

"Vorwurf des ManAusführlichkeit

die Stellen des Protokoll*,

wo

Gehirn verbreiteten

und in basi

cranii extravasalen Blute die Rede ist.

Endlich aber

drücken sich die Obducenten

unbestimmt

und

un-

deutlich namentlich da a u s , w o sie s a g e n , dafs der grofse Bruch im Seitenwandbein sich nach dem Mittelpunkt hin ausgebreitet habe. rügten Mängel ist dennoch tionsprotokolls werlli,

einer

vorzüglichen

und w i r benutzen,

schauung

Ungeachtet der ge-

dieser Theil des Obduc-

dargeboteuen

Berücksichtigung

w a s von dem der

zum gegenwärtigen

An-

Zweck



304



dienlich die Obducenten aufgefafst und berichtet haben.

unzweideutig

Hierher gehört vor allem der

fund , nachdem die allgemeinen Kopfdecken geschlagen worden.

Unter ibuen bemerkten

Be-

zurück neinlich

die Obducenten auf dem ganzen rechten Seitenwandbein und Hioterhauptsbein schwarzes geronnenes Blut, dessen Menge über einen Efslüffel voll betrug,

lieber

die Entstehungsart dieses Extravasais überhaupt kann wohl nicht leicht ein Zweifel obwalten.

Denn kaum

lafst es sich denken, dafs dieses so ausgedehnte den inneren Verletzungen so angepafste einseitige

Extra-

vasat, Folge des Hergangs der Geburt gewesen mit den Extravasaten zu vergleichen s e i ,

und

welche auf

diese W e i s e entstanden nicht selten sonst bei neugebornen K i n d e r n , besonders Erstgebärender, fen werden.

angetrof-

V i e l wahrscheinlicher ist e s , dafs

die

nemliche Gewalt, welche die Knochenbrüche, namentlich die Brüche des Seitenwandbeins und die V e r l e tzung des sinus longitudinalis b e w i r k t , auch das E x travasat hervorgebracht hatte. E s kömmt aber hier darauf a n , zu bestimmen, ob erstlich, da wir das Extravasat für sich als Folge des Geburtsakts nicht füglich betrachten können, wir nicht

die Verletzungen sammt dem

Extravasat

durch den Hergang der Geburt selbst bewirkt

als

anse-

hen dürfen? oder ob zweitens, es als möglich angenommen werden kann, dafs dem bereits todten Kinde solche Beschädigungen

zugefügt worden sind,

Folge das in der angegebenen

deren

Art vorgefundene E x -

travasat gewesen ist. In



305



In der ersten Rücksicht fehlt es freilich, wie bekannt , nicht

an Beobachtungen

von

Sugilialionen,

Knocheneindrücken und Knochenbrüchen, welche w ä h rend der Geburtsarbeit da entstanden sind, wo dem Austreten des Kindeskopfs aus den Geburtstheilen der Mutter

sehr beträchtliche

Hindernisse

in den

Weg

traten, und die Entbindung lang dauernd und schwierig

machten.

Aber

so

bedeutende

und

mehrfache

Knochenbrüche, vergesellschaftet mit einem so ansehnlichen blutigen Extravasat,

sind überhaupt auf diese

W e i s e wohl nie entstanden sten da entstehen k ö n n e n ,

und haben am wenigwo die Entbindung, wie

hier, mit ungewöhnlicher Schnelligkeit und, nach allen begleitenden Umständen zu urtheilen, ungemein leicht vor sich gegangen i s t Sollte es sich aber nicht um so eher lassen,

da Ts säinmtliche Verletzungen

Kinde durch irgend eine zufällig heftige

annehmen

dem

todten

Einwirkung

von aufsen, Schlag, Stöfs, T r i t t , oder wie man sich denken will, zugefügt worden sind? U H

sie

sollte

vielleicht bei dieser Gelegenheit Rücksicht verdienen, was die W i t l w e L . behauptet:

es habe die Inquisi-

tinn H. ain Abend des 12ten August im Stalle „ d e r Stelle,

,,an

w o sie vorher etwas vergraben

hatte,

,, etwas, ohne Zweifel das neugehorne todte

Kind,

,, aufgenommen, sei auf einen andern Bebälter in dem „Schweinestall

hingegangen,

und habe

dieses vor

,, sich her weit weggeworfen" und konnten nicht sogar aus

dieser

Handlung die vorbeschriebenen

Be-

schädigungen entsprungen sein ? Dafs Beschädigungen jeder Art dem todten, wie dem lebenden Körper zuKlng's Auswahl. I .

20



306



gefügt w e r d e n k ö n n e n , •wird n i e m a n d l e i c h t in A b r e d e s t e l l e n , d o c h ist n i c h t zu ü h e r s e h e n , dafs die

beglei-

tenden

Spuren

Erscheinungen

und

hinterbliebenen

u n t e r b e i d e r l e i V e r h ä l t n i s s e n v e r s c h i e d e n sind.

Kaum

dürften w i r im v o r l i e g e n d e n F a l l e e i n r ä u m e n , dafs aus d e m v e r l e t z t e n sinus tongitudinalis, o b g l e i c h aus i h m w ä h r e n d d e r O b d u c t i o n das B l u t b e i d e m gelindesten D r u c k in M e n g e h e r v o r q u o l l , das B l u t so

weit

sich ergossen,

über

die

a u c h nach dein T o d e

Oberfläche

und in so b e t r ä c h t l i c h e r

des

hasis crnuii sich a n g e h ä u f t h a b e n sollte. dem,

dafs dieses

möglich

gewesen,

Gehirns

Menge

in d e r

I n d e s s e n ist

oder

dafs

viel-

m e h r bei der mit der n ö t b i g e n B e h u t s a m k e i t nicht a n gestellten

Obduction

dazu

den

aus

Inhalt

sei,

dem

G e l e g e n h e i t gegeben des

n i c h t s e n t g e g e n zu s e t z e n ,

weil

wor-

Obductionsprotokolls nemlich

die

Obdu-

c e n l e n ü b e r die B e s c h a f f e n h e i t des e x t r a v a s i r t e n B l u t e s sich w e i t e r n i c h t a u s g e l a s s e n h a b e n . verhält

es

sicli m i t

dem

Extravasat,

Anders aber welches

nach

z u r ü c k g e s c h l a g e n e n K o p f d e c k e n a u f dem rechten S e i tenwandbein

und

s i c h t b a r wurde.

n e m B l u t e , flössen helrug.

dem

Hinterhauptsbein

E s bestand Menge

in

aufliegend

schwarzem

über

eiueu

geronne-

Elsltiflel

A u c h dieses E x t r a v a s a t stand allerdings

voll wohl

in V e r b i n d u n g m i t dein v e r l e t z t e n sinus.

A b e r theils

konnte

sinus

liier

d;is

Blut

n a c h aufsen über das

nicht

aus

S c h e i t e l - und

dein

sich

Hinterhauptsbein

ergossen h a b e n , t h e i l s k o n n t e es ü b e r h a u p t nicht nach dem T o d e

erst

iu:.«gelreleii

sein,

denn

es

hätte

in

s o l c h e m !~;d!e ais lodies B i u t und geschieden von der atmosphärischen

Luit,

gleich

dem

B l u t e in dem

si-

— 307



nus, wenn auch von Farbe schwarz oder dunkel, doch flüssig

bleiben müssen, und nicht geronnen, w i e es

w a r , erscheinen können.

Alle Gefäfse des grofsen

Gehirns strotzten -von B l u t , so waren auch die Gefäfse

des

kleinen Gehirns

mit Blut überfüllt.

An

und für sich betrachtet konnte eine solche UeberfiiU lung der Gefäfse theils durch mechanische

Einsen-

kung des Bluts nach den Gesetzen der Schwere im todten Körper vor sich gegangen sein, theils konnte sie als Zeichen eines apoplectischen Todes des K i n des während der Geburt gelten.

Aber in Verbindung

mit den vorgefundenen Verletzungen und dem Extravasat unter der Kopfbaut scheint diese Erscheinung mehr auf einen apoplectischen Tod nach der Geburt durch Gehirnerschütterung zu deuten und es zu bestätigen, was das Extravasat dargethan hat, dafs nemlicli die gefundenen Beschädigungen im

Zusammen-

hange dem lebenden, entweder durch wirkliche

Le-

bensäufserungen sich verrathenden oder scheintodten K i n d e , welches beides sich nach dem

Vorgefunde-

nen nicht entscheiden läfst, zugefügt worden sind. Sehen wir uns in den Akten um, so stofsen wir auch hier auf einen Umstand, welcher zur Erläuterung des Gesagten

nicht ganz aus der Acht gelassen

werden darf, und wonach hervorzugehen scheint, dafs Anfangs schon und sogleich nach dem vermuthlichen Absterben des Kindes das Extravasat deutlich vorhanden, und dessen Spur sichtbar gewesen sei. die Inquisitinn hatte am Morgens, mithin

Denn

12ten August um 4 Uhr

wenige Stunden nach der Geburt

des K i n d e s , und a b sie dasselbe zuerst beim Lichte 20 *

— des anbrechenden Ta-ges

30cin zeigte sich Quentchen

schwarzes und

Zoll Länge.

nach dem

coajjulirtos

auf der nemlichen

Schlal'bein

Blut von Stelle 2

chen Gehirn, welches durch die voiLin

etwa \ QUPUI-

beschriebene Knn-



353



Knochen wunde gedrungen war. Es bedarf keines ausführlichen Beweises, dafs Verletzungen, weichein mehrfachen Frakturen des Scheitelbeins mit Zerreißungen der dura mater verbunden bestanden, an sich als lethal anzunehmen sind. Nun erst können wir die Frage erörtern, ob der Obduclionsbefund ,, mit hinlänglicher Gewifsheit ergebe, dafs die „ genannten Verletzungen bei Lebzeiten des quaest. „Kindes oder erst nach dessen Tode entstanden." Es fand diese Frage im vorliegenden Fall, aufser der Beschaffenheit der Verletzungen eine besondere Veranlassung in der Art, wie nach dein Inhalt der Akten das Kind nach der Geburt behandelt worden war. Die Schachtel nemlich, welche es enthielt, fand sich in einem Loch von mehr als 40 Fufs Tiefe, und war an der einen Seite dicht am Boden so aufgesprungen, dafs man darin das todte Kind sehen konnte, der Boden der Schachtel war in drei Stücke zerbrochen, und die eine Seitenwand zersplittert. Das Kind lag auf dem Rücken und der rechten Seite des Kopfes, das Gesicht von der zersplitterten Steife abgewendet. Die Schachtel war übrigens verhältnifsinäfsig sehr klein, nur eilf rheinländische Zoll lang, sechs Zoll breit und vier Zoll tief. Das Kind, dessen Länge 1 6 J Zoll betrug, fand sich eingedrückt. Die Mutter gab an, bei der Enthindung ohnmächtig geworden zu sein, und beim Erwachen auf dein todten Kinde gelegen zu haben. So konnte daher der Leichnam am Kopfe beschädigt worden sein, sowohl durch Einpressen in den im Verhältnifs sehr engen Raum der Klug's Auswahl. I.

23



354



Schachtel, als durch den Fall beim E i n s e n k e n in das tiefe L o c h , und endlich durch das Aufliegen der Mutter. Hier kommt es daher vornehmlich auf eine h e r e Betrachtung der Verletzungen a n ,

nä-

und die

Su-

gillationen werden zuerst in Erwägung zu ziehen sein. Niehl immer sind Blutunterlaufungen sichere Zeichen des statt gefundenen L e h e n s .

Nach den Gesetzen der

S c h w e r e senkt sich auch im todten K ö r p e r das B l u t nach den am tiefsten

gelegenen

da» Z e l l g e w e b e der Haut.

Gegenden

zwischen

D e r Anfang fauligter Z e r -

setzung begünstigt solche Blutunterlaufungen. liegenden Fall w a r der K ö r p e r

denn es wird dies im Obductionsprotokoll lich versichert, doch hatte das K i n d in tel bis zur Oliduction

I m vor-

zwar o h n e

überhaupt

Fäulnils, ausdrück-

der

sieben

Schach-

Tage,

fünf

T a g e im Schachtloch, w o es kühl wie in einem K e l und der rechten

ler g e w e s e n , auf dem R ü c k e n des K o p f s

gelegen.

Der

Flecken

das verschwollene und blau

auf dem

gefärbte

rechte

Seile

Backen, Augen-

lied, der blaue S t r e i f vom A u g e bis zur Lippe können als Folgen der Blutinfiltration sehen werden.

nach dem T o d e a n g e -

E i n e nähere Untersuchung dieser a n -

geblichen Sugillationen hat jedoch den. die

M e h r als Entstehung

nicht

statt

gefun-

tie Vermuthung zu geben, und über dieser

Flecke

mit

Sicherheit

urtheilen, fühlen wir uns daher aufser Stande.

zu Wel-

ches die Entstehungsweise des unter dein Halse vorn Brustbein an bis über das Zungenbein b e m e r k t e n , aus mehreren

in

Form

und Grüfte verschiedenen

ten zusammengesetzten

Zoll

cken gewesen sei, läfst sich eben

breiten

grauen

PunkFle-

so wenig e n l s c h e i -

— den.

355

Der L e i c h n a m



w a r , als er gefunden

mit Blut, Schmutz und Häckerling bedeckt. befand

sich

wurde,

I m Munde

Schmutz und auf der Z u n g e

Hechsei.

Die Mutler wurde von ihrer Frucht auf dem Futterboden, wohin sie, um Futter für die Pferde zu machen, gegangen war, entbunden. ihr auf den L e h m b o d e n .

Dort schofs das K i n d von S i e will sogleich nach der

Entbindung in einen Zustand von then

sein und

mit

Ohnmacht gera-

dem L e i b e auf dem

todten K i n d e gelegen haben.

angeblich

Diese Umstände k ö n n -

ten die Entstehung jener räthselhaften Flecke germafsen erklären helfen.

eini-

E i n e das Leben des K i n -

des gefährdende Handlung scheint dadurch nicht a n gedeutet zu w e r d e n , wenn auch damals das wahrscheinlich a m L e b e n gewesen ist.

Kind

Von gröfse-

rer Bedeutung ist wahrscheinlich das coagulum von ungefähr § Quentchen schwarzem B l u t ,

welches

die

Obducenten, nachdem sie die äufseren Kopfbedeckungen, die sie als geschwollen bezeichnen,

weggenom-

men hatten, auf dem rechten Scheitelbein,

so

jenes, welches sie an der Vereinigung beider telbeine getroffen haben. sammlungen bei

dein

im

E s können

wie

Schei-

diese

Blutan-

Verhältnifs sehr

kleinen

Kinde nicht w o h l während der G e b u r t , die so leicht von Statten gegangen w a r , entstanden sein.

Wahr-

scheinlich sind sie nachher entstanden, und hier linden wir die natürlichste Veranlassung in dein auf den L e h m b o d e n ,

Sturz

indem die Mutler im Stehen

geboren hat und nur, als das K i n d aus dem Schoofse fallen wollen, ihrer A u s s a g e nach im Begriff sich zu bücken gewesen ist.

Ob

beide coagula 23 *

durch

die-



35G



selbe äufsere V e r a n l a s s u n g entstanden s i n d , läfst sich nicht bestimmen, da das z w e i t e nicht so genau das erste seiner L a g e und M e n g e nach

wie

beschrieben,

auch der Ort, w o die 31. geboren h a t t e , nicht untersucht, noch angegeben worden ist, ob der Boden glatt oder uneben, ob mit Steinen belegt oder ob sonst K ö r per vorhanden w a r e n ,

durch w e l c h e der Kopf des

K i n d e s beim F a l l e n hätte beschädigt w e r d e n k ö n n e n . In der Gegend der Blutansammlungen Knochenbrüche gefunden.

wurden

noch

Es ist wahrscheinlich, dafs

e i n i g e von i h n e n , aber nirht alle gleichzeitig mit j e nen Blutaustretungen und durch dieselbe Gewalt e n t standen , die bedeutenden Bi-iiche a b e r , ß u n g e n der dura m a t e r , das Austreten

die Z e r r e i des

Gehirns,

erst narh dem T o d e , durch den Fall von einer

be-

deutenden Höhe bewerkstelligt worden sind, denn die B l u t u n t e r l a u f u n g e n w a r e n von verhältnifsmäfsig ringem

Umfang und unter dem

Schädel k e i n

geBlut

a u s g e t r e t e n , da d i e B e m e r k u n g der Obducenten, dafs das k l e i n e Gehirn an seiner Oberfläche blutig g e w e s e n , k e i n e B l u l a u s t r e t u n g unter dem Schädel zu

be-

zeichnen scheint. Ein Königliches Kammergericht unsere

gutachtliche

Aeufserung

verlangt endlich

darüber,

inwiefern

das K i n d der In(|uisitinn l e b e n s f ä h i g , und w i e alt es g e w e s e n ? Die Data der Obduction, w e l c h e hiebei in E r w ä g u n g zu ziehen s i n d ,

betreffen die L ä n g e

das G e w i c h t , in g e w i s s e r Hinsicht die

und

körperliche

Beschaffenheit des Kindes und die Beschaffenheit der Kachgeburt.

Das

Obductionsprotokoll ist i n

dieser

Hinsicht sehr unvollständig geblieben, denn w i r

iln-

den nichts über die Beschaffenheit der

Fontanellen,

der H a a r e , der O h r e n k n o r p e l und der Oberfläche, u n d eigentlich aul'ser der LäDge und Kindes

nur

Gewicht

des

d i e BeschaiFenheit der Nachgeburt

zur

B e u r l h e i l u n g gestellt. w e i c h t das K i n d

dem

A b e r schon in diesen S t u c k e n

der Incjuisitinn sehr von den bei

reifen und ausgetragenen K i n d e r n sonst g e w ö h n l i c h e n V e r h ä l t n i s s e n ab.

S e i n e L ä n g e betrug 1 6 | Zoll R h e i n -

ländisclj, das G e w i c h t 4 f Pfund.

Ein

ausgetragenes

reifes K i n d inifst 19 bis 2 2 r h e i n l ä n d i s c h e Zoll w i e g t g e w ö h n l i c h 6 bis 7 P f u n d .

und

Es k ö m m t i m v o r -

liegenden Fall besonders das G e w i c h t des K i n d e s i n Betracht, da K i n d e r in den letzten an L ä n g e als i m men.

Das

U m f a n g e u n d an

Kind

der Inquisitinn

Monaten w e n i g e r Gewicht konnte

zunehhiernach

durchaus nicht als ein reifes und a u s g e t r a g e n e s gelten.

Es w a r e n auch

Kind

w e d e r an Händen noch

an

Füfsen die Nagel gehörig ausgebildet, v i e l m e h r w e i c h , w i e bei K i n d e r n , w e l c h e die gehörige R e i f e nicht e r langt haben.

Der Blutverlust

aus der

Nabelschnur

hat das Gewicht des K i n d e s nicht so bedeutend v e r « ändern k ö n n e n ,

dais w i r i n R ü c k s i c h t d a r a u f ü b e r

die R e i f e des K i n d e s anders furtheilen sollten.

Das

Gewicht der Nachgeburt betrug

Ge-

Pfund.

Das

w i c h t dieses T h e i l s ändert indefs zu sehr ab, als dafs dieser U m s t a n d bei B e u r t h e i l u n g der R e i f e e i n e s K i n des von besonderem W e r t h w ä r e .

Selten wiegt

Nachgeburt e i n e s ausgetragenen K i n d e s ü b e r

die

Pfund.

Das K i n d der Inquisitinn ist nach M a a f s und G e w i c h t wahrscheinlich

eine

Frucht z w i s c h e n d e m

sechsten

und s i e b e n t e n M o n a t g e w e s e n , so dafs es auch bei der



358



sorgsamsten Pflege sein L e b e n aufserhalb der Gebärmutter fortzusetzen nicht i m S t a n d e gewesen w ä r e . "Wir fassen nach diesem den Inhalt unters achtens in der K ü r z e

zusammen,

d i e TOD Einem etc. K a m u e r g e r i c h t

und

Gut-

beantworten

uns vorgelegten

Fragen dabin , dafs : 1 ) der Obductionshefund mit hinlänglicher G e w i ß heit nicht e r g e b e , dafs der Tod des K i n d e s der Inquisitinn allein und a u i s e r Verbindung init den a m Kopfe vorgefundenen Frakturen

durch

blutung

Nabelschnur

aus

der

ununterbundenen

Ver-

erfolgt sei, 2 ) die F r a k t u r e n des Scheitelbeins an sich als l e thal a n z u n e h m e n , 3 ) der Obductionshefund init hinlänglicher G e w i f s heit nicht e r g e b e , dais d i e genannten V e r l e t z u n gen bei L e b z e i t e n des quaest. Kindes entstanden und solches nur in R ü c k s i c h t einiger w a h r s c h e i n lich, von andern dagegen zu vermuthen sei, dafs sie erst nach d e m Tode e n t s t a n d e n , endlich 4 ) das K i n d der Inquisitinn w e d e r mit Gewifsheit noch mit W a h r s c h e i n l i c h k e i t für lebensfähig

zu

erklären, und ungefähr sechs 3Ionat alt g e w e s e n sei. B e r l i n , den 21sten M ä r z 1821.

Königl. wissenschaftliche Deputation f ü r das Medicinal-Wesen.

XIV. G u t a c h t e n dber

das bei der Geburt statt gefundene Leben heimlich gebornen

Kindes.

il^io Hohes Ministerium der Geistlichen- Unterrichlsund Medicinal-Angelegenheiten hat unter dem 20sten September d. J. in der Untersuchongs-Sache wider die unverehelichte D. Seh. zu M. wegen verheimlichter Schwangerschaft und Niederkunft dem Antrage Eines Königlichen Hochpreifslichen Kammergerichts vom lOten September d. J . gemäfs und unter Zufertigung eines Bandes Untersuchungsakten uns aufgegeben, ein Gutachten darüber zu entwerfen: 1 ) ob nach dem Obductionsbefund anzunehmen ¡st, dafs das Kind der unverehelichten S. bei der G e burt gelebt habe, 2) welcher Einflute auf die Beantwortung dieser Frage dem Umstände beizumessen, dafs sich bei dem Zerschneiden der Lungen des Kindes kein zischender Laut gezeigt hat, und 3 ) in wie weit sich die Abwesenheit dieses L a u tes durch die bereits eingetretene Fäulnils des Leichnams erklären läfst. W i r genügen jetzt, unter Rücksendung der uns mitgetheilten Akten dem erhaltenen Befehl.



362



Geschichtserzählung.

Die unverehelichte 22jährige D. S. L . S c b . , teste Tochter der W i t t w e Seh. in JH., wurde nach Pfingsten d verdächtig,

J. der verheimlichten

älbald

Niederkunft

w e i l oian sie nach ihrem A n s e h e n

noch

kurz vor Plingsten für schwanger gehalten hatte.

Eine

auf den Grund dieses Verdachts am 19teii Juni d. J. durch die Dorfhehaimne vorgenommene Untersuchung hatte zwar zu

keiner Entdeckung geführt,

dennoch

wurde die Sch. verhaftet, und legte sehr bald ein Geständnis

folgenden Inhalts ab:

Sie habe

ungefähr

zur Zeit der Erbsenerndte v. J. mit dem S o h n e Bauers S. den Beischlaf vollzogen, schwanger geworden.

und sei

des

hiervon

Sie habe solches daraa bemerkt,

Jafs ihre monatliche Reinigung ihr ausgeblieben, auch ihr Leib stärker geworden wäre, und späterhin geringe B e w e g u n g

der Leibesfrucht, die jedoch

letzt wieder aufgehürt, heiligen

Abend

vor Pfingsten

wirklich erfolgt. habe

sich eingestellt hätte. sei

die

zuAm

Niederkunft

A m Abend dieses Tages um 8 L'lir

sie sich nemlich im Kuhslftll allein

und sei eben

eine

befunden

damit beschäftigt g e w e s e n , Stroh auf

den Boden zu s t r e u e n , welcher dort mit L e h m

be-

deckt und so hart, w i e die Tenne einer Scheune sei. Sie habe Schmerzen in

den Seiten und im

e m p f u n d e n , und an einer

Rücken

von Stroh nicht bedeckten

Stelle sei die Frucht von ibr und mit dem Kopf auf die Erde gestürzt,

auch gleich darauf die Nachgeburt

— gefolgt.

363

Diefs alles sei im

— Stehen geschehen.

Sie

habe hierauf das K i n d vom Doden aufgehoben

und

besehen.

Es

habe jedoch k e i n e n L a u t noch sonst

ein L e b e n s z e i c h e n von sieb g e g e b e n , w e s h a l b sie es sainmt

der

noch daran

befindlichen Nachgeburt in

leinene L a p p e n gewickelt und, nachdem sie noch e i n e k l e i n e W e i l e sich i m S t a l l e niedergesetzt, mit

sich

genommen und zu den Füfsen i h r e s Bettes unter das dort

befindliche

Stroh

versteckt habe.

Uin 4 Uhr

ain andern Morgen, dein ersten Piingsltage habe sie die Frucht in dem K e l l e r in ein L o c h ,

w e l c h e s sie

selbst mit d e m Spaten gemacht, gelegt, mit Erde b e deckt und m i t Erdlöffeln beschüttet. w u r d e das Kind

A i n 20sten J u n i

hier wieder ausgescharrt,

Kirche aufbewahrt,

und am

iu

folgenden T a g e

der

durch

den K r e i s p h y s i k u s Dr. H. und K r e i s c h i r u r g u s K . g e richtlich

obducirt.

Dabei

Protokoll g e g e b e n :

wurde

nachstehendes

Das K i n d w a r weiblichen

zu Ge-

schlechts, von 19 Zoll L ä n g e , circa 7 Pfund G e w i c h t , dichten K o p f h a a r e n ,

Nägeln,

die über das Fleisch

g i n g e n , und ausgestopfter glatter körperlicher Es befand sich a m L e i c h n a m

Haut.

noch eine ganz voll-

k o m m e n e Nachgeburt, die mit d e m K i n d e durch eine mit Blut angefüllte 1 J Fufs lange Nabelschnur bunden w a r .

Aeufserlich a m K ö r p e r fanden sich auch

bei der sorgfältigsten Untersuchung k e i n e gen.

ver-

Verletzun-

Hingegen w a r der K ö r p e r schon dermalen

in

Fäulnifs übergegangen, dafs sich die Oberhaut a l l e n t halben ablöste, und in dein Tuch, w e l c h e s den L e i c h nam e n t h i e l t , sich eine Menge abgegangenes pech

befand.

Als

nun

die

Section

Kinds-

vorgenommen



304



w u r d e , fand 6ich bei Eröffnung der Höhle des Kopfs, dafs durch die kleine hintere Fontanelle eine Menge geronnenes Blut ausgetreten w a r , welches bei n ä h e rer Untersuchung theils aus den von Blut

strotzen-

den Blutgefäfsen des G e h i r n s , theils vorzüglich

aus

dem grofsen Blutbehälter der harten Hirnhaut geflosDas Cranium w a r übrigens in alleu seinen

sen w a r .

Theilen unverletzt, das Gehirn lullte letzteres

ganz

aus, und war in 6einen Substanzen natürlich, jedoch mit viel wässrigter Feuchtigkeit

in 6einen

Höhlen.

Nach Oeffnung der Brusthöhle fanden sich v o l l k o m men den Brustkasten ausfüllende Lungen und starke

Brustdrüse.

Die

Lungen

wurden

eine

nunmehr

saiumt dem Herzen mit grofser Behutsamkeit h e r a u s g e n o m m e n , dio L u f t - und Blutgefafse sorgfältig v e r bunden , und macht :

sodann folgende Versuche damit ge-

In eine tiefe mit W a s s e r angefüllte Schüssel

warf man die Lungen mit d e m Herzen

verbunden

und fand, dafs nicht nur die L u n g e n oben auf s c h w a m men, sondern auch das ex post mit vielem Blut angefüllt gefundene Herz nicht zu Boden sinken liefsen. Man lösete sodann das Herz a b ,

that die

Lungen

nochmals in das W a s s e r , w o solche natürlich noch m e h r oben auf schwammen.

Iiben diese Probe v e r -

suchte man sodann mit einzeln abgeschnittenen

Stü-

cken, zuerst des rechten und darauf des linken L u n genflügels. dern

Auch diese Versuche ergaben keine

Resultate.

Beim

Zerschneiden

w u r d e kein zischender Ton bemerkt. Vorkammern

und

grofsen

der

Lungen

Das Herz nebst

Gefäfsen w a r

beträchtlichen Menge Blut angefüllt.

an-

mit

einer

In der geöiTne-



3l>5



teil Bauchhöhle fand man eine ziemlich grofse Leber, die innerhalb schwarzes Blut enthielt, den Magen zum Theil, die dicken Gedärme aber stark mit Kindspech angehäuft, die Urinblase leer. Diesem Befund der Sache gemäfs glauben die Sachverständigen, ohnerachlel die Leiche in Fäulnifs übergegangen war, schliefen zu dürfen, dafs das Kind zwar lebendig zur Welt gekommen, jedoch durch einen Stöfs auf den Kopf, der zuerst eine Ohnmacht und ex post einen Schlag- und Stickflufs verursacht, sein Leben eingebüßt habe, welches sie in einem besondern Obductionsbericht näher auseinander zu setzen sich vorbehielten. Dieser unter dem 30sten Juni ausgestellte Obductionsbericht enthält zuförderst einige im Protokoll fehlende Angaben, nemlich: dafs wegen des starken Geruchs der Leiche die Obduction auf dem freien Kirchhofe habe vorgenommen werden müssen, dafs der Mund des Kindes offen und init etwas Schleim angefüllt, die kleine Fontanelle aber zerrissen g e w e sen sei. Obducenten wiederholen übrigens ihre schon geäufserte Meinung, dafs das Kind bei dem Ausgange aus der vagina gelebt, durch den Fall auf den Kopf bei der Geburt aber, durch welchen wahrscheinlich die Blutgefäfse geplatzt waren und ein Extravasat erzeugt hatten, sein Leben apoplectisch geendigt habe. Zum Beweise dafür, dafs das Kind bei der Geburt gelebt habe, führen sie a n : a ) die vollkommene Reife desselben, b ) die mangelnden Zeichen, dafs dasselbe schon im Uterus todt gewesen,

c ) den Abgang des

raecooii,

d ) die L u n g e n p r o b e , bei welcher, obgleich nicht zu läugnen sei, dafs w ä h rend dem

unbeerdigten

Zustande

L u f t in den offen stehenden

und der

Fäulnifs

Mund gedrungen

k ö n n e , dennoch die Lungen zu sehr mit L u f t

sein ange-

füllt gewesen, als dafs man an dem Leben desselben bei der Geburt zweifeln dürfte. Dafs ein blutiges E x travasat im cranio den Tod bewirken k ö n n e , bedürfe keines Beweises.

Sie müfsten also nach ihrer besten

Einsicht, Pflicht und Gewissen erklären, dafs besagtes Kind der unverehelichten S. per accidens

gestorben,

indem der ihnen zuvor bekannt gewordene Fall

auf

den Kopf ihm den Tod zugezogen, welches bei E r s t gebärenden wegen Mangel an Erfahrung sich m a n c h mal zutrage.

G u t a c h t e n .

Die in neueren der A t h e m p r o b e

Zeiten

gegen

die Beweiskraft

vielfach erhobenen Zweifel

haben

fast allgemein ein vorsichtigeres Benehmen der g e richtlichen Aerzte bei diesem wirbligen

Versuch zur

Folge gehabt, sie mit dem Verfahren dabei vertrauter gemacht, und sie belehrt, wie auch da noch ein folg zu gewinnen sei, wo Umstände die mung m e h r oder weniger erschwerten.

Er-

Wahrneh-

— Im vorliegenden schwieriger,

weil

307 Fall



w u r d e die Untersucbung

wahrscheinlich

die

Leichnam bereits ergriffen h;ilte.

Fäulnifs den

Im

Obductionsbe-

richt sind freilich innnclie Zeichen derselben, e n t n o m men

von

der

Consistenz

der

festen

und

flüssigen

Tlieile, der Farbe und Beschaffenheit der Iutegumente u. s. w. nicht angegeben.

Indefs kann deren

handensein nicht wohl in Z w e i f e l gezogen nach der Angabe der allenthalben

Vor-

werden,

abgelösten

Ober-

h a u t , wenn wir dieselbe in Verltindung setzen

mit

dein (freilich nur im Sectionshericht bemerkten) starken Geruch, so dafs die Obduction Kirchhofe hat vorgenommen

auf dem

freien

werden müssen.

Auch

spricht dafür, dafs vom Tage der Entbindung am Pfingstheiligen Abend den 9ten Juni bis zum Tage der O b duction,

dem 21sten J u n i ,

verflossen Kind

im Keller

Umstand bei mäß

waren,

und

verscharrt

mufsten

der

der

von

probe verfahren.

die

hatte.

Tage

Zeit

das

Diesen

Sachverständigen

berücksichtigen

ihnen

zwölf

dieser

gelegen

besonders

Untersuchung

bei

überhaupt

während

und demge-

anzustellenden

Lungen-

Bekanntlich schwimmen faule und

aufgeblasene Lungen gleich denen, welche durch A t h e m holen ausgedehnt worden sind.

Indefs eben so be-

kannt ist es, worin beiderlei Lungen sich unterscheid e n , und für den gegenwärtigen Fall inufste zu allererst festgestellt w e r d e n , ob hier die L u n g e n ,

wie

der übrige Körper, von Fäulnifs ergriffen waren , da solches schieh!.

hinsichtlich

ihrer

in der Regel später

ge-

Dann aber w a r auf die bekannten Eigenhei-

ten der Lungen, die durch FäulniTs z u m Schwimmen



368



gebracht worden, im Gegensatz derer, die durch Athemholen mit Luft gefüllt werden, geiiau zu achten. Ob solches von den Obducenten geschehen sei, -wird der Verfolg ergeben. Die Lungen konnten im vorliegenden Fall von der Fäulnifs mit ergriffen sein, w e n n gleich dieses nicht nothwendig der Fall sein mufste. Ob das eine oder das andere statt gefunden habe, und ob daher die folgenden Versuche mit faulen oder frischen Lungen angestellt worden sind, bleibt unentschieden, und Dunkelheit nnd Ungewißheit verbreiten sich zuerst von hier aus über die ganze Untersuchung. W i r fragen aber weiter, welche Beobachtungen über die Verhältnisse der Brust, welche Versuche mit den Brusteingeweiden sind von den Obducenten angestellt w o r d e n , und was hätte dagegen uin ihrem Versuch e i n e , w e n n auch nur gewöhnliche Vollständigkeit zo geben, von ihnen geschehen sollen. I n der T h a t haben sie die LuDgen in ihrer Lage beobachtet, aus der Brusthöhle genommen, L u f t - und Blutgefäfse unterbunden, sie mit dem Herzen in eine tiefe mit W a s s e r angefüllte Schüssel geworfen, dann für sich in das W a s s e r gethan und die Frobe mit den in S t ü cken zerschnittenen Lungen wiederholt. Ungleich m e h r aber und wichtigeres ist von ihnen unterlassen worden. Sie haben z. B . versäumt, den U m fang der Brust zu beobachten und die wahrgenommenen Dimensionen zu beschreiben, die W ü l b u n g des Zwerchfells, die Farbe und Beschaffenheit der Lungen so w i e ihr Verhällnifs zum Herzen anzugeben, die Lungen und das K i n d , (denn ein Gewicht von circa 7 F f u n d ist unbestimmt), genau zu wiegen, nach-

— 369 — nachzusehen, ob Luftbläschen an den Rändern der Lungenlappen sich zeigten, beim behutsamen Einschneiden darauf zu merken, ob ein Knistern der entweichenden Luft hörbar s e i , nachzusehen, ob Blut in den feinsten Gefäfsen sich finde und mit der L u f t als gerölheter Schaum austrete, unter dem W a s s e r einzuschneiden und auf die sich verbreitenden L u f t bläschen zu achten, den Schwimmversuch mit ausgedrückten Lungenstücken zu wiederholen, das Herz genauer zu untersuchen und von der Beschaffenheit des ductus Bolalli Nachricht zu geben, endlich auch Stücken des Herzens, der Leber oder der Milz in Hinsicht auf ihre durch die l a u l n i f s etwa erlangte Schwimmfähigkeit zu prüfen. W e n n aber die Atlieinprobe von den Obducenten so unvollständig angestellt worden ist, so hat auch dadurch die Dunkelheit, welche die Ungewißheit über die Beschaffenheit der Lungen gleich Anfangs herbeigeführt hatte, nicht aufgeklärt und überhaupt nicbls einleuchtend gemacht und entschieden werden können. Daraus, dafs die Obducenten nach Eröffnung der Brusthöhle vollkommene , den Brustkasten ausfüllende Lungen gefunden und dafs diese sammt dem Herzen, so w i e für sich und in Stücken zerschnitten auf dem Wasser geschwommen haben, folgt immer nur höchst wenig. Der Ausdruck „vollkommene L u n g e n " , ist unverständlich. Doch hat wohl durch ihn nichts erhebliches angedeutet werden sollen. Bei der A n g a b e , dafs die Lungen die Brusthöhle ausgefüllt haben, wäre aber wichtig und nöthig g e w e s e n , den inneren Raum der Brusthöhle, w i e den ihm entsprechenden äufsern U m Klug'i Aul wähl. I.

24



370



fang, ferner die Ausdehnung der Lungen im Verhältnifs zum Herzen zunächst anzumerken.

So fehlt die-

ser Beobachtung die erforderliche Bestimmtheit und es w ä r e voreilig, daraus irgend etwas Wichtiges folgern zu wollen.

L u n g e n , die w e d e r geathinet h a -

ben, noch aufgehlasen worden

sind, liegen zwar in

der Regel nach hinten zurückgezogen in der Brusthöhle und füllen sie bei weitem nicht aus. auch nicht nachzuweisen,

Es ist

dafs die F a u l n i f s , so sehr

sie auch andere Theile des K ö r p e r s aufzutreiben vermag , das Volumen der

Lungen bedeutend und in

dem Grade verändern k ö n n e , dafs sie die Brusthöhle ausfüllten.

D e r Fall emphysematischer

Ausdehnung

der Lungen ist selten und k a u m einmal beobachtet.

Ausgenommen

unleugbar

das A t h e m h o l e n ,

sind

k a u m a n d e r s , als durchs Einblasen die Lungen

so

a u s z u d e h n e n , dafs sie die Brusthöhle ganz ausfüllten und es ist nicht wahrscheinlich, dafs im vorliegenden Fall

ein Einblasen

von L u f t statt gefunden

habe,

daher die gedachte W a h r n e h m u n g wohl verdient hätte, n ä h e r bestimmt, weiter verfolgt und durch anderweitige W a h r n e h m u n g e n

unterstützt zu werden.

IVur

ist als solche Stütze die Beobachtung über die Schwimmfähigkeit der L u n g e n ,

wodurch höchstens bewiesen

wird, dafs auf irgend eine W e i s e L u f t in die Lungen gerathen w a r , nicht zu betrachten. das

Unwahrscheinlichere

W o l l e n wir auch

nicht gelten

nemlich jemand dem todten Kinde L u f t

lassen,

dafs

eingeblasen

I t a t i e , und müssen wir selbst die Meinung der d u c e n t e n , dafs w ä h r e n d dein unbeerdigten

Ob-

Zustande

L u f t in den offen siebenden Mund gedrungen

sein



371



könne, in Beziehung anf die Schwimmfähigkeit der Lungen gestellt, als lächerliche Aeufserung und Folge grober Unwissenheit v e r w e r f e n , so läfst sich doch dem nichts entgegnen, dafs durch die Fäulnifs sich Luft entwickelt haben und die speciiische Leichtigkeit der Luugen daher entstanden sein könne. Das Gewicht der L u n g e n , vorgefundenes Blut und blutiger Schaum, überhaupt die Summe dessen, worin die Lungen und Atheraprobe besteht, konnten allein hier entscheiden unn m e i n e Arbeit, und eine geraume Zeit nachher erschien

ein

Polizei - Coinmissarius , erkundigte

sich

und so w u r d e d a s , was ich gethnn h a t t e , entdeckt. A u f die i h r vorgelegte F r a g e , einem

schneidenden

ob sie nicht mit

Iostruinente etwas dem Kinde

gethan h a b e ? antwortete s i e : N e i n , das ist nicht ges c h e h e n ; ich habe aber mit dem Nagel des Daumens die Gurgel des K i n d e s ganz durchgedrückt, so dafs es geblutet h a t , welches letzlere ich jedoch erst am Nachmittage, als das Kind aus dem Kanale

hervor-

gezogen wurde, bemerkt habe. I n der Folge behauptete jedoch Inculpalinn, gar keine deutliche Erinnerung von dem Vorgange der Geburt, und dem, w a s sie darauf mit dem K i n d e vorgenommen , gehabt zu haben , und versicherte, ihre erste, eben mitgelheille Aussage nur so gemacht zu h a b e n , w i e sie sich vorgestellt h a b e , dafs der Hergang gewesen sei. A m 14ten J u n i wurde sodann zur Section des Kindes

geschritten.

Gommissarius Ol.:

Hierbei bemerkte der

Polizei-

„ I c h k e n n e diese Leiche vorzüg-

lich daran, dafs der vordere Theil des Halses a b g e rissen ment

oder

mit

einem

stumpfen

a b g e s c h n i t t e n zu sein s c h e i n t . "

InstruEben so

äufserteo sich der Dienstknecht II. und das Dienst-

— 381 — roädchen B. dahin, da Ts sie das Kind daran wieder erkannten, dafs der Hals desselben a b g e r i s s e n o d e r a b g e s c h n i t t e n zu sein schiene. Dagegen waren der Dr. IV. und der Stadlwundarzt H . , als sie den Leichnam des Kindes betrachteten, der Meinung, dafs derselbe eine so bedeutende Verletzung am Halse habe, w i e sie n u r mit irgend einem schneidenden W e r k z e u g hervorgebracht werden k ö n n e . Auch schien es schon bei der vorläufigen Besichtigung, dafs wirkliche Schnitte in die Halsknochen gescheheo und dafs die Luftröhre und der Schlund gerades W e ges abgeschnitten wären. Der Dr. N. bemühete sich, d e r L . deutlich zu machen, dafs die grobe Verletzung am Halse des Kindes nicht mit blofsen Hnnden vor sich gegangen sein könne. Er besichtigte den Nagel des linken Daumens der Arrestatinn, welcher e t w a s eingerissen war. Die L . blieb dagegen stets dabei, dafs sie kein scharfes Instrument gebraucht habe. Hierauf wurde denn 1.

zur äufsern

Besichtigung

d e s L e i c h n a m s geschritten, und hierbei Folgendes zu Protokoll gegeben: Der weibliche Leichnam lag entkleidet auf einem Tische, bei gehörigem Lichte, und w a r derselbe noch gar nicht in Fäulnifs übergegangen. An dem behaarten Theile des Kopfes und dem Rücken w a r er mit erdigem Schmutz überzogen, in der Schaamgegend und an den Gelenken der unteren Extremitäten aber mit einer weifsen käsigen Masse. A m After fand sich Meconium vor, und waren in demselben so vre-

— iig als in den Nasenhöhle,

382

-

Gesclilechtstheilen,

fremde Körper

der M u n d -

enthalten.

Der

und Kopf

hatte eine dem Körper angemessene Gröfse, und mafs in seinem Breitendurchmesser 3 Zoll Längendurchmesser 4 | Zoll.

und in

seinem

Auch das Gesicht

war

mit erdigem Schmutz besudelt, Hals, Schultern, Brust und Arme aber init Blut befleckt.

Die Brust

war

gewölbt, und die 15 Zoll lange Nabelschnur war nicht schlaff, sondern war dieselbe

saftreich und ziemlich s t a r k ,

nicht

abgerissen,

gleichmäßig an ihrem Ende begräuzt, befand sich noch einiges Blut.

auch

sondern scharf und in derselben

Die Farbe des ganzen

Körpers war ungemein blafs und fanden sich aulser der unten näher zu

beschreibenden Verletzung

am

Halse durchaus keine Spuren von Verletzungen vor. Die Fontanellen waren eingefallen stiche,

auch das Rückgrath

tzung. —

Es

und fand

sich

wurde

und ohne Nadel-

war ohne alle

nun der Leichnam

derselbe

Verle-

gemessen

Rheinland. Zoll lang,

das Gewicht betrug 6 Pfund 9 J L o t h .

Die Haut am

Körper war nicht geschrumpft, die Gliedmaßen rund, die Oberhaut fest und glatt,

die Nägel an Händen

und Füfsen hart und vollständig gebildet, das bräunliche Haupthaar ziemlich

stark aber k u r z ,

in den

äufseren Ohren fanden sich die Knoipelscheiben fest und hatten die Gliedmafsen

die gehörige

Festigkeit,

Länge, Gröfse, Dicke und Rundung, auch waren dieselben regelmäfsig gebildet und es fanden keine A b weichungen statt.

von

dem

regelmäfsi^en

Naturzustande

A n den äufseren Bedeckungen de9 Kopfs w u r -

den äufserlich keine Sugillationen bemerkt,

das

Ge-



383



sieht war blak, so wie der übrige Körper, als er abgewaschen war.

Eine Unierbindung der Nabelschnur

fand sich nicht vor, der Mutterkuchen war nicht mit zur Stelle gebracht.

Hiernach wurde also bei der äu-

fseren Besichtigung keine Leichnam bemerkt,

andre Verletzung an dem

als die vorerwähnte atn

Halse.

Hier aber fand sich Folgendes: Der K o p f war durch eiue grofse queerlaufende Verletzung, einen Zoll unter der pars petrosa rechter Seite beginnend und sich queer über den Vorderhals bis gegen den Gelenkkopf des linken

Oberarmbeins

erstreckend, von dein Rumpfe, bis auf die Verbindung, welche die Halswirbelbeine machen,

getrennt.

Haut der Brust hatte sich zurückgezogen bis an oberen T h e i l des Brustbeins,

Mitte derselben, entstand.

dea

so w i e die Haut des

Halses bis dicht unter das K i n n zurückgezogen woraus eine breite W u n d e ,

Die

war,

von voll 1 J Zoll in der In der W u n d e selbst fand

sich nichts, als die durchschnittenen Muskelfasern der vorderen Halsmuskeln vor. mit der glandula

K e h l k o p f und Speiseröhre

thyreoidea hatten sich

dergestalt

zurückgezogen, dafs die Halswirbel ganz blofs lagen, und waren an diesen vier gleich lange Queerschnitte der ganzen Breite der Wirbelkörper nach in der R i c h tung vom rechten Ohrzipfel gegen den des linken Oberarms zu bemerken.

Gelenkkopf

Z w e i derselben,

nemlich: 1 ) der obere, welcher den Körper des dritten Halswirbels queer durchschnitt, drang £ Zoll in denselben ein,



^



2 ) der dritte aber, einen halben Zoll tiefer als der erste, und den vierten Halswirbel treffend, drang über 5 Zoll in den Körper des Halswirbels ein, •wogegeu 3 ) der in der Milte zwischen beiden liegende zweile, und 4 ) der einen Viertel Zoll tiefer als der erste nach dein Rumpf zu liegende vierte, nur eine geringe Tiefe hatten und nur die Knochenhaut durchschnitten. Es liefen diese vier Schnittwunden, — denn als solche mufsten die Sachversläudigeu dieselben wegen der Schärfe der Wundränder anerkennen, — ganz parallel neben einander fort. An dein rechten Ende der W u n d e w a r dieselbe durch zweimaliges Ansetzen geschnitten; einmal w a r an der schon vorher bezeichneten Stelle der Schnitt vorhanden, ein zweites DIal aber § Zoll höher und | Zoll mehr nach vorn. Dafs die Sclinitte auf der rechten Seite begonnen, schliefsen Obducenten aus der hier vorhandenen grülseren Zerstörung der Weichgebilde des Halses, und dem schnelleren Eindringen des tödtenden Instruments, indem mit dem Beginnen der W u n d e euch ihre Tiefe, welche an dieser Stelle -g- Zoll beträgt, beginnt. Z w i schen den beiden äufsersten Enden der W u u d e rechter Seite findet sich ein dreieckiges Hautstück, w e l ches circa Zoll gegen die Mitte des Halses hin sich erstreckt und durch dessen Existenz sich besonders die Führung z w e i e r Schnitte offenbart. Die W u n d räuder sind säinmtlich scharf. An dem linken Ende der W u n d e verliert sie sich wiederum in zwei verschiedene



385



schiedene A r m e , welche fast eiuen halben Zoll von einander, parallel mit einander, der eine gegen den vorderen Theil des A n n s , der andere gegen den oberen Theil des Gelenkkopfs des Oberarms hinlaufen, und, einen Hautstreifen von dreieckiger Forin zwischen sich behaltend, gegen das Ende hin ganz flache und simple Hautwunden darstellen.

Der obere Theil der

W u n d e , in welchen sich der Kehlkopf und sechs Knorpelringe der L u f t r ö h r e , so wie die Speiseröhre zurückgezogen hatten, bildete einen förmlichen S a c k , so

dafs hier aufser

Schnitt

noch

eine

der Gewaltthätigkeit mit dem andere obgewaltet

haben muis,

welche aber init einem stumpfen Instrument, vielleicht mit dem Daumen der Hand hervorgebracht ist,

in-

dem die Oberhaut und das Zellgewebe der Muskeln, so wie die Adhäsionen des Kehlkopfs und der Speiseröhre sämmtlich von einander getrennt sich vorfanden.

Die ganze L ä n g e der W u n d e betrug vier Zoll,

von denen y Zoll auf der linken' Seite die vorbeschriebene geringe Hautverletzung bildeten, so daf» also die eigentlich eindringende Wunde nur 3 | Zoll beträgt.

Gleich

bei der äufseren Besichtigung der

Wunde zeigte sich der untere Brustlheil des sternocleidomastoideus § Zoll in die Wunde

hineinragend;

er war hier durchschnitten, und oberhalb dieses Theils noch dreimal durch die vorgenannten Parallelschnitte eingeschnitten. Nach dieser Beschreibung der W u n d e wurde nun zur genauen Untersuchung und Auffindung der bedeutenderen Organe, welche durch die Verwundung Klug » A u s w i h t i.





verletzt worden, geschritten, und fand sich unier der Haut des Halses, da w o sie auf d e m K e h l k o p f e liegt, eine Sugillalion von der G r ü i s s eines Q u a d r a t - Z o l l s , unler dem Kehlkopfe aber hinter der Speiseröhre eine Blutunlerlaul'ung von

Zoll Breite und | Zoll L a n g e .

Die vena jugularis und

arteria carotis externa r e c h -

ter S e i l e waren beide vollständig durchschnitten, w i e die Hrleria thyreoidea inferior rechter Seite.

so Auf

der linken S e i t e dagegen w a r e n nur die oberen H a u l m u s k e l n des Halses durchschnitten, so w i e der nocleidoinastoideus,

dagegen

ster-

aber alle Gefäl'se und

Nerven unverletzt und w a r unter »lein vorbeschriebenen dreieckigen Hantlappen ebenfalls eine bedeutende Blutunterlaufu-ng Quadrat-Zoll

vorhauden,

grofs,

welche sich,

w i e ein

in den »in Halse befindlichen

Hautlappen hinein erstreckte.

In der Umgegend der

W u n d e fanden sich einige Hautverletzungen von geringerem B e l a n g e , und z w a r rechterseits e i n e ,

wel-

che sich in schräger Richtung von d e m iuneren Ohrw i n k e l gegen das Brustbein hin erstreckte und einen Zoll lang w a r ,

eine andere i n derselben

Richtung

sich e t w a s nach vorn k r ü m m e n d , £ Zoll nach

vorn

gegen den Kehlkopf z u , von 1 J Zoll L ä n g e ;

ihre

Ränder dafs

tfaren

scharf und mit Blut u n t e r l a u f e n , so

sie im L e b e n entstanden

sein müssen.

Eine

ähnliche ganz unbedeutende H a u t v e r l e t z u n g , ^ Zoll l a n g , befand sich auf der l i n k e n Schulter. — Dafs die vorhin beschriebene grofse W u n d e schon i m L e ben

bestanden

habe,

beweist

das

Zurückgezogen-

sein der durchschnittenen Gefäfse des K e h l k o p f s , w i e die Sugillationen in der W u n d e selbs'.

so

— 2.

Innere

387



Besichtigung.

a ) O e f f n u n g d e s K o p f e s . — Wach Hinwegnahme der Kopfhaut fand sich selbige, s o w i e s ä t n m t liche Kopfknochen unverletzt.

An den letzteren, und

zwar ain rechten Seilenbein, fand sich eine Rölhung der Knochenhaut, welche über die ganze rechte Seite des Hinterhauptbeins,

und von der Lambdanath

ei-

nen Zoll nach vorn auf dem rechten Seitenbeine sich erstreckte.

An der über dieser Stelle liegenden K o p f -

haut war ebenfalls eine leichte Blutunterlaufung von schwarzrother Farbe zu bemerken, nirgend aber w a ren Verletzungen der Knochen zu und -weiche Hirnhaut zeigten

finden.

Die harte

sich unverletzt,

ihre

Gefäfse, so wie die sinus an der basis cerebri waren blutarm, die Masse des Cehirns weich und weifslich; auch diese, so wie das kleine Gehirn waren in hohem Grade blutarm.

In den grofsen Hirnhöhlen war kein

W a s s e r enthalten, so wie überhaupt in dieser Höhle keine weitere Abnormität vorhanden war. b ) E r ö f f n u n g d e r B a u c h h ö h l e . — In dieser fanden sich alle Eingeweide in ihrer ßen L a g e ,

naturgemä-

die Leber normal von Farbe und S u b -

stanz, die dicken Eingeweide mit Meconium gefüllt, die dünnen normal; die Nieren, die Milz, das Pancreas, der Uterus normal ;

die Harnblase leer;

die

Gallenblase mit einer geringen Portion, grüner Galle augefüllt.

Der

Magen

war von Luft

aufgetrieben,

nicht entzündet, und fand sich blutige Flüssigkeit in demselben.

Durch den Nabelstrang konnte man init

der Sonde noch bis gegen die Lober vorgehen.

25 *

Alle



3fiS



Eingeweide des Unteileibes waren in hohem

Grade

blutarm. c ) E r ö i f ' n u n g d e r B r u s t h ö h l e. — Der Brustkasten fand sich gewölbt, und das Zwerchfell

mit

seiner oberen Wölbung zwischen der '7ten und 8ten Rippe.

Die

Lungen

lagen

über dein Herzen

füllten die ganze Brusthöhle aus. tes

war

in

Etwas

der Brusthöhle nicht zu

und

Krankhaffinden.

Das

Herz, die glandula tliymus lagen an ihrer gewöhnlichen Stelle

und war nichts

merken.

Abnormes an ihnen zu be-

E s wurden nun die Lungen,

welche von

rosenrotlier Farbe waren , gesaiumt dein Herzen

und

der glandula thyrnus und sogar noch mit einem Theile des Zwerchfells exentrirt, in einen hölzernen,

mit

reinem Bruuneuvvasser einen Fufs hoch gefüllten E i mer,• behutsam gelegt und schwammen dieselben ganz vollständig in dieser Verbindung.

Das Wasser hatte

eine Temperatur von circa 12° Reaum. sonstige

krankhafte

Zustände

Knoten oder

zeigten sich in

Lungen nicht; sie waren vollkommen

den

elastisch, uud

in ihrer ganzen Ausbildung von rosenrother

Farbe;

Luftbläschen waren nirgend auf denselben zu finden, tind überhaupt waren sie noch nicht im Mindesten in Fäulnifs übergegangen.

Das ins Wasser gelegte

ConVolut wurde hierauf heraus genommen, die glandula thyrnus und der kleine Theii des Zwerchfells, welcher daran geblieben war, hinweggenommen, und nun das Herz mit dem Herzbeutel gewogen und wogen diese 5-J Loth.

Es ward nun das Herz von den

Lungen getrennt und wog dasselbe i\ Loth , so dafs also die Lungen an sich

Loth wogen.

Die Lun-



389



gen aufser ihrer Verbindung schwammen ebenso wie in ihrer Verbindung mit dein Herzen. nun die Lungen

der Länge

Es •wurdet»

nach mit deui Messer

eingeschnitten, und gaben dieselben bei dein Einschneiden einen zischenden Ton von sich, durch das Entweichen

der

in

ihnen

vorhandenen

Die ganzen Lungen waren

durch L u f t

Luflbläschen. ausgedehnt.

Sie wurden nun in einzelne kleine Theile geschnitten, von denen eine jede sechs gab, und alle schwammen auch in diesem zerschnittenen Zustande.

In den

grofsen Gefafsen des Herzens fand sich wenig Blut und beide Herzkammern waren durchaus leer.

Die

Rippen, so wie säuiuitliche Wirt.elbeine des Halses, des Rückens und der Lenden waren unverletzt, >o wie auch das Brustbein. Das von den Obducenten Iiiernächst zu den A k ten gegebene G u t a c h t e n fiel dahin a u s :

dal» das

von der L . geborne Kind ein ausgetragenes, reife» und glie:lm!i^iges gewesen sei, welches ein vollkommenes s e l b s t ä n d i g e s Leben nach der Geburt geführt habe, und dnfs dieses Kind eines gewaltsamen Todes durch Verblutung, zufolge Durchschueidung des K e h l kopfes , der Speiserühre und mehrerer gefäße ain Ilalse, gestorben sei.

grofser Blut-

Durch eine kieh-

none Stange und zwei gebogene Hacken, welche bei dein Herausnehmen des Kindes aus dem K a n a l , in welrlien es die L . geworfen hatte, gebraucht worden, könne die vorgefundene Verwundung nicht entstanden sein, indem sowohl das Kind die Wunden

im

Leben erhallen hülle, als auch die Instrumente sämmtlicli stumpf und dergleichen grofse und in die K n o -



yjo



chensubstanz eindringende Verletzungen hervorzubringen nicht geeignet wären.

Die ()!>ducenten

halten

die Verletzung für eine solche, welche unbedingt und unter allen Umständen in dein Alter des Kindes für sich allein

den

T o d zur Folge haben

müssen.

Hinsicht der Angabe der L . a b e r , dafs sie die w u n d u n g des Kindes mit dein Dauinen ihrer Hand und dessen Nagel, bewerkstelligt

In

Verlinken

der sich eingerissen fand,

h a b e , erklären

die

Sachverständigen

dieses, dafs neinlich die Verletzung init dein scharfen Nagel des Daumens hervorgebracht sein könne, f ü r ganz unmöglich

und b e h a u p t e n ,

dafs nicht ein

e i n z i g e r , sondern m e h r e r e Schnitte geführt

worden.

Sie halten dafür, dafs augenscheinlich W u n d e n , w e l che i Zoll tief in die Knochensubstanz

der Körper

der Halswirbel eingedrungen, nicht mit dein

Nagel

des Daumen hervorgebracht

gehen

werden k ö n n e n ,

aber gern zu, dafs die I/. nach dein vollführten Schnitte den Daumen

gebraucht haben k ö n n e ,

indem L u f t -

und Speiseröhre nicht nur nach oben geschoben, sondern auch aus ihrer Verbindung mit einander mit den Wirbelbeiuen getrennt

und

vorgefuuden worden.

G u t a c h t e n . Die von der Ciiminal - Deputation des Königl. Stadtgerichts aufgeworfenen Fragen setzen das Leben des K i n d e s

der L . nach

der Geburt als erwiesen

— 391 — voraus.

Ohne diese A n n a h m e , iiir w e l c h e allerdings

ü b e r w i e g e n d e Gründe s p r e c h e n , in Z w e i f e l

zu

zie-

hen, glauben w i r dennoch nicht unbemerkt lassen zu dürfen, dnfs die Ohdiiceiiten überhaupt in ihren A u s drücken uicht genau genug g e w e s e n bind,

besonders

aber unterlassen h a b e n , bei der L u n g e n p r o b e auf die Erscheinung, w e l c h e , w i e allgemein angenommen w e r den inuf«, vorzüglich das nnch der Geburt Atheunholen

bekundet,

begonnene

neinlich den B l u t g e h a l t

der

L u n g e n zu achten, so dafs a l l e an der Brust und i h ren Organen aufserdein beobachteten

Veränderungen

zusammengenommen,

Wölbung

netnlicli:

die

der

Brust, so w i e die A u s d e h n u n g , Farbe und S c h w i m m f ä h i g k e i t der L u n g e n , ebenso bei einem

todtgebor*

nen K i n d e , bei w e i c h e i n ein Versuch, L u f t einzubinden,

vollkommen

können.

geglückt

war,

sich hätten finden

Im vorliegenden Fall w ü r d e jedoch die letz-

tere A n n a h m e aul'ser einem hohen Grade innerer U n w a h r s c h e i n l i c h k e i t noch durch

die Sugillationen

wi-

derlegt w e r d e n , w e l c h e in der verletzten Gegend des Halses in einer solcheu Bedeutung nur w ä h r e n d

des

Lebens entstehen k ö n n e n , obgleich auch die S u g i l l a tionen durch Hinschnitte g e n a u e r hatten

uutersucht

und n a c h g e w i e s e n w e r d e n sollen. Dieses vorausgeschickt müssen w i r , w a s die B e antwortung der von der CriininAl-Deputation

aufge-

worfenen Fragen betriift, z w a r erinnern, dafs die B e schreibung, w e l c h e die Obducenten von der

Verle-

tzung gegeben haben, ebenfalls nicht vollkommen bef r i e d i g t , indem sie nicht überall klang zu bringen ist ;

unter sich in

da es jedoch nur darauf

Einan-



392



g e k o m m e n , von dieser Verletzung ü b e r h a u p t , Umfange,

üirem

Eindringen und ihrer lieschaffenheit ein

B i l d zu e r h a l t e n , so möge immerhin M a n c h e s , die R i c h t u n g und den V e r l a u f der einzelnen

was Wun-

den und deren gegenseitiges V e r h ä l t n i s betrifft, u n enträlliselt bleiben,

ohne dafs deshalb eine B e a n t -

w o r t u n g der schon gedachten Fragen unmöglich w i r d . "Wir können zuvörderst nicht in A b r e d e

stellen,

dafs die gefundeneu Verletzungen höchst w a h r s c h e i n lich dein lebenden K i n d e zugefügt

worden.

Dafür

sprechen 1 ) verschiedeue

Sugillalionen in der Gegend

der

Verletzung, in der Grüfse eines Zolls und darüb e r , die ungeachtet dessen , w a s vorhin in H i n sicht ihrer erinnert w o r d e n ,

nicht

wohl

anders

als dafür augesehen werden k ö n n e n . 2 ) die mit Blut unterlaufenen R ä n d e r einiger in dem Umfange der eigentlichen V e r w u n d u n g a n getroffenen geringeren oberflächlichen V e r l e t z u n gen.

( W i r erinnern h i e r b e i , dal's die Obducen-

ten die Beschaffenheit der Händer der H a u p t v e r vvundting in Beziehung auf Blutunlcrlaufung oder Entzündung anzugeben

init Unrecht

unterlassen

haben.) 3 ) die blutige Flüssigkeit im W a g e n , w e l c h e nicht leicht anders, als durch Schlingen iin A u g e n b l i c k e der V e r w u n d u n g dort hin hat gelangen

können.

4 ) die ansehnliche Breite der W u n d e , dadurch ents t a n d e n , dafs Haut und M u s k e l n , s a m m t

Kehl«

köpf und Speiseröhre sich stärker, als solches i m L e i c h n a m in der Kegel anzunehmen ist, zurück-



393



gezogen hatten, die H m t der Brust nemlich l>is an den oberen Theil des Brustbeins, die des Halses bis dicht unter das Kinn. Endlich sprechen, wenn auch die Kennzeichen der Verblutung nicht vollständig im Obductionsprotokoll nachgewiesen 'worden, doch die in dieser Hinsicht erheblichen W a h r n e h m u n g e n : der ungemein blassen Farbe des Körpers und des Gesichts, der weifsen Farbe des Gehirns, verbunden mit dem Blutmangel in den Gefäfsen und sinus der harten Hirnhaut, der ßlutannuth der Eingeweide des Unterleibes und der Blutleere der Gefafse des Herzens und beider Herzkammern , so w i e endlich des im Verhällnifs geringen Gewichts der Lunken, ungefähr w i e 1 zu 50 für eine Verblutung aus den verletzten Gefafsen des Halses, iudem bei der beträchtlichen Länge der Nabelschnur von 15 Zollen eine Verblutung aus derselben nicht wohl anzunehmen ist. Das relative Gewicht der Lungen bei reffend, ist nicht zu übersehen, dafs der Leichnam überhaupt in ähnlichem Verhällnifs durch Olulentciehung hat verlieren müssen. Auch haben die Olxlucenten nicht angegeben, in welchem Zustande sie die Blutgefäfse im Unterleibe getroffen, und ob am Leichnam die eigentliche Wachsfarbe, welche das charakteristische Kennzeichen der Verblutung ist, zugegen gewesen sei, wonach die Verblutung als Todesursache nicht vollkommen erwiesen scheint. W i r wenden uns nun zur Beantwortung der sten Frage:

er-

ob die an dem Kinde der L . gefundenen Einschnitte am Halse, nach der in den Akten be-

— findlichen

394



Beschreibung ihrer Beschaffenheit, n o t -

wendig

iuit

einem

scharfen

Metall

oder

sonst

einer

Instruinente

härteren

von

Masse

als

der Nagel eines F i n g e r s i s t , hervorgebracht sein müssen ? D i e Verletzungen

.im

Hülse des K i n d e s

der

L.

sind von den Sachverständigen theils als Trennungen des Zusammenhanges der weichen Eingriffe in K n o r p e l ben worden.

Theile,

theils als

und Knochensubstauz

beschrie-

Aufserdein

haben

auch andere

Perso-

nen, die beim Auffinden des L e i c h n a m s zugegen g e w e s e n , über die Beschaffenheit

dieser

Verletzungen

im Allgemeinen sieb g e ä u f s e r t , letztere in einer der Meinung der Obducenten einigerinafsen widersprechenden A r t .

D e r P o l i z e i - C o m m i s s a r i u s M . , der Dienst-

k n e c h t R . und das Dienstmädchen

B . erkannten am

T a g e der Obduction den L e i c h n a m des K i n d e s an der V e r l e t e u n g am H a l s e ,

und hielt Ersterer den v o r d e -

ren T h e i l des Halses für abgerissen , oder mit einem stumpfen Instrument abgeschnitten, L e t z t e r e aber drüc k e n sich so aus, dafs ihuen der Hals des Kindes abgerissen oder abgeschnitten geschienen.

Nach

diesen

allgemeinen Aeufserungen m ö c h t e es scheinen, als sei iui vorliegenden F a l l e die Trennung des

Zusammen-

h a n g s nicht so g e w e s e n , dafs sie n o t w e n d i g e r W e i s e m i t e i n e m scharfen I n s t r u m e n t von Metall oder soust e i n e r härteren Masse g e s c h e h e n müssen. auch nicht überhaupt ein

Instrument

Aber w e n n

härterer

Masse

als der Nagel eines F i n g e r s i s t , zu einer so a n s e h n lichen Verletzung der W e i c h ^ e b i l d e des H a l s e s ,

wie



395

sogleich am Kinde der L .

— aufgefallen, nothwendig

möchte erforderlich gewesen sein, so ist es doch, bei aller Berücksichtigung der Zartheit der Tlieile eines neugebornen K i n d e s , schon an und f ü r sich höchst unwahrscheinlich, dafs die Verletzung i n .einer solchen Ausdehnung mit einem Instrument, ganz i n d e r BeschaiTenheit, Gestalt und Gröfse eines Nagels am Finger, oder nach der L . Behauptung uiit dem

Na-

gel des Daumens, auf irgend eine Art hat gescheiten können.

Nachdem aber diese Verletzung durch Sach-

verständige in Augenschein genommen w o r d e n ,

er-

klären diese im Allgemeinen sich dahin, dafs sie von der Bedeutung sei, w i e sie nur mit einein schneidenden

W e r k z e u g hervorgebracht werden

könne,

und

es schien ihnen schon bei der vorläufigen Besichtigung, dafs wirkliche Schnitte in die Halsknochen geschehen,

und dafs die L u f t r ö h r e und der Schlund

geradeswegs abgeschnitten worden.

Bei näherer U n -

tersuchung fand sich die Verletzung des Halses queer von der pars petrosa rechter Seits, bis gegen den G e lenkkopf des linket. Oberarms fortgesetzt, Kopf vom R u m p f e bis auf die V e r b i n d u n g , die Halswirbelheine m a c h e n , getrennt;

und

der

welche

dabei w a r e n

Speiseröhre und L u f t r ö h r e durchschnitten, und hatten sich

dergestalt

zurückgezogen,

dafs die Halswirbel

ganz blofs lagen, an diesen aber f.inden sich vii r gleich lange Queerschnitte

der ganzen Breite der

Wirbel-

körper nach, zuin Theil in der Tiefe von ¿ Z o l l und darüber, z u m Theil nur durch die Knochenhaut drungen.

ge-

Es ist, wie schon gesagt, an und liir sich

nicht glaublich, dafs auch nur eine

so

ansehnliche



396



V e r l e t z u n g w e i c h e r T l i e i l a d u r c h das ' w i e d e r h o l t e A n d r ü c k e n und H i n - und H ^ r b e w e g e n e i n e s R a g e l s scliehen k ö n n e n , in

Hinsiebt

a b e r nocli u n g l a u b l i c h e r ist

einer

Durchschneidung

der

D i e L u f t r ü h r e u n d der S c h l u n d w a r e n , Obducenten a u s d r ü c k e n , Bei

genauerer

Luftröhre.

w i e sich d i e

geradeswegs

Untersuchung

dieses

abgeschnitten.

fanden

sich m i t

dem

K e h l k o p f noch sechs K n o r p e l n n g e der L u f t r ü h r e Verbindung.

Die vena jugul.uis,

in

a r t e r i a carotis

ex-

t e r n a und a r t e r i a t h y r e o d e a i n f e r i o r r e c h t e r S e i t e w a ren v o l l s t ä n d i g d u r c h s c h n i t t e n .

Und w e n » gleich die

O b d u c e n t e n nicht a n g e g e b e n h a b e n , ob die Z e r s r h n e i d u n g der L u f t r ö h r e iu den Z w i s c h e n r ä u m e n der H i n g e S t a t t g e f u n d e n o d e r n i c h t , o c e r ob R i n g e sonst gedrückt oder verletzt g e w e s e n , leicht

eine

wenig

eine vollständige

Trennung

so k a n n

der L u f t r ö h r e , Trennung

ein-

doch

nicht

und e b e n

oder,

nach

«o dem

A u s d r u c k d e r Obducenten, D u r c h s c h n e i d u n g b e d e u t e n der B i l l i g t f ä f s e m i t d e m ¡Nagel e i n e s F i n g e r s o d e r e i nem

Instrument

von eben

Hiirte v o l l b r a c h t

werden.

so g e r i n g e r S c h ä r f e Die

Blutgefäfse

und

nament-

lich h ä t t e n d a n n nicht a n d e r s a l s a b g e r i s s e n und m e h r o d e r w e n i g e r h e r v o r g e z o g e n e r s c h e i n e n k ö n n e n , statt dafs sie s i c h n a c h rückgezogen

der A n g a b e

hatten.

Im

der

vorliegenden

a b e r aufseirdem n o c h d i e K ö r p e r der geschnitten.

Obducenten Frille

zu-

waren

Halswirbel

ein-

Z w e i m a l w a r n u r die K n o c h e n h a u t d u r c h -

g e s c h n i t t e n , z w e i a n d e r e S c h n i t t e drangen 5 Z o l l tief in

die

Körper

der

Wirbel.

Stumpfe

Instrumente

von e i n e m M a t e r i a l nicht h ä r t e r a l s der N a g e l Fingers, haben nach uuserem Dafürhalten

weder

eines die



397



tieferen noch selbst die oberflächliche!) bewirken können, wenigstens wahrscheinlich.

un-

J e länger der Nagel i s t , u m so w e -

niger inüchte er den Widerstand zarten

Verletzungen

ist dieses höchst

Knochen

überwältigen

eines,

wenn

auch

und in die Substanz,

tief eindringen k ö n n e n .

Wenn

nehmen ,

Eindringen eines Nagels in

dafs bei dem

w i r aber selbst an-

einen lockeren K n o c h e n letzlerer einigermaßen

zu-

sammengedrückt werden k a n n , so dafs zu einem Eiuschnitt von der T i e f e eines Viertel Zolls der

Nagel

nicht ganz so tief h a t eindringen d ü r f e u , s o

würde

dieses doch immer nur ein geringer Unterschied sein, und hätte der Nagel i m vorliegenden

Fall

Zoll lang frei hervorstehen m ü s s e n ,

welches

schon

E i n so langer Nagel

hätte

ganz ungewöhnlich

ist.

heinah ~

aber eher einbrechen oder sich umlegen müssen , als einen Schnitt von der T i e f e eines Viertel Zolls z w e i mal vollführen können.

Und w ä r e im äufsersten Fall

ein solcher Schnitt g e l u n g e n , so hätte es

nicht

eiu

fortgesetzter Schnitt sein k ö n n e n , sondern nur eine durch mehrfaches Zudrücken uugleiche und gequetschte Knochenverletzung.

Wai

aber die Einschnitte be-

trifft, durch welche nur die Knochenhaut scharf getrennt,

oder w i e die Obducenten

durchschnitten

worden,

so

sich

dürfte auch

ausdrücken, hierzu

schärferes und härteres Instrument, als ein Nagel sein pflegt, erforderlich gewesen sein.

zu

Uebrigens h ä t -

ten die Sachverständigen den Nagel der mit welchem

eiu

Ioculpatiun,

ie die T h a l vollbracht zu haben ange-

geben, genauer seiner Stärke und L ä n g e nach untersuchen und beschreiben,

nicht mit der blofsen

An-



398



g a b t , dafs er eingerissen gewesen sei, sich und selbst in

versuchen

den Halswirbeln

sollen,

ihn

anzupassen

den

begnügen

Einschnitten

oder ähnliche

schnitte w i e die gefundenen w a r e n ,

Ein-

damit hervorzu-

bringen. Die z w e i t e F r a g e : ob die gedachte Verletzung durch die von

der L .

möglicherweise auch

ihrem

Kinde

geständlich

zugefügte Behandlung namentlich durch Einschneiden m i t dem

Nagel des Daumens

bewirkt

sein

findet zum T h e i l schon in dem Vorhergehenden

ihre

könne ? Erledigung.

E s ist klar, dafs einige der V e r l e t z u n g e n

der weichen T h e i l e mit stumpfen

Werkzeugen,

mentlich auch m i t dem

und dessen

b e w i r k t sein k ö n n e n .

Daumen Wir

na-

Nagel

glauben jedoch k a u m in

Z w e i f e l ziehen zu k ö n n e n , dafs andere V e r l e t z u n g e n und namentlich die Verletzungen der Gefäfse, der L u f t röhre

und

Weise,

der K ö r p e r

als

die von

der Halswirbel

der Inculpatinn

Behandlung ihres K i n d e s , kömmt,

dafs

schon

auf

andere

eingestandene

bewirkt worden.

die Hauptverletzung

Hierzu der

chen T h e i l e eine bestimmte Richtung h a t t e , derselben R i c h t u n g auch die

Halswirbel

ten waren, dafs vier Trennungen der

wei-

und

in

eingeschnit-

letzteren gleich

lang und gleichlaufend, sämintlich s c h a r f , zum T h e i l beträchtlich tief vorhanden waren, dafs auch die w e i chen

Theile

doppelt w i e

durchschnitten

hier die W u o d r ä n d e r nach den centen scharf w a r e n , nem flachen

und

Angabt.i der

auch Obdu-

die Verletzungen selbst init e i -

Hautschnitt

anfingen, an

Tiefe

zunah-



399



inen a n d wieder Aach sich endigten,

dais

ee-zwei

nahe, doch nicht überall gleichlaufende Schnitten ähnliche Trennungen g e w e s e n , welche d a , w o sie a n den Enden sich berührten, ein dreieckiges Hautstück zwischen sich liefsen.

Die W a h r n e h m u n g e n

centen scheinen überhaupt nur dadurch

der Obdu-

zu

erklären,

dafs aufser dem Einilufs stumpfer W e r k z e u g e ,

wo-

durch die kleineren H a u t v e r l e t z u n g e n , die Sugillation e n , vielleicht auch die sackl'ürmige Vertiefung im oberen T h e i l e der W u n d e und die in

dem

Obduc-

tionsprotokoll bemerkte L ö s u n g der A d h ä t i o n e n

des

K e h l k o p f s und der Speiseröhre bewirkt worden, auch die E i n w i r k u n g eiues härteren und s c h ä r f e r e n , überhaupt anderen Instruments als des Nagels eines Fingers, angenommen w i r d , welchem geinäis w i r glauben, die von der K ö n i g l .

Criminal- Deputation

uns

vorgeleg-

ten Fragen nur dahin beantworten zu k ö n n e n : 1 ) dafs nach der in den A k t e n nicht durchaus genügenden Beschreibung der Beschaffenheit der an dein K i n d e der L . gefundenen Trennungen sogenannten E i n s c h n i t t e ,

wir

z w a r ein so

oder be-

stimmtes Urtheil, als verlangt wird, zu fällen uns nicht im Stande finden, dafs jedoch höchst w a h r scheinlich die mehrsten angegebenen

und

Verletzungen

bedeutendsten

mit

der

einem scharfen

Instrumente von M e t a l l , oder sonst einer härteren M a s s e , als der Nagel eines Fingers i s t , hervorgebracht worden sind. 2 ) dafs, da hier von dem blols Möglichen nicht wohl die Rede sein kann, wir es dennoch für höchst u n -



400



wahrscheinlich halten , dais die gedachten Verletzungen durch die von der L . ihrem Kinde geständlicli zugefügte Behandlung, namentlich durch Einschneiden mit dem Nagel des Daumens, bewirkt sein können. Berlin, den 25sten Februar 1824. Königl. wissenschaftliche Deputation f ü r das Medicinal-Wesen.

XVI.

XVI. G u t a c h t

en

über

die Todesarl

eines neugebornen

Kindes

und

die Tödtlichkeit der vorgefundenen Verletzungen.

King's Auswahl. I.

26

I n der Untersuchungs-Sache

wider die des K i n d e r -

mordes beschuldigte W . C. G. aus B. hat unter dem 19len Juli d. J. das Koni gl. Ober -Lande?gericht zu H. sich ein Gutacht?n der wissenschaftlichen

Depu-

tation für das Medicinal-Wesen und namentlich nicht allein die Beantwortung folgender von dem

Inquisi-

toriat zu H. dein König], Bledicinal-CoIIegio zu M. vorgelegten Fragen : 1 ) Sind durch das von der Infjuisitinn eingestandene Abreifsen der Kabelschnur, o h n e deren U n terbindung und durch den Druck mit dem

Dau-

men auf den Hals des Kindes, Verletzungen von der Beschaffenheit entstanden, dai's sie unbedingt und

unter allen Umständen in dein

Alter

des

Kindes für sich allein den Tod zur Folge haben inufsten ? 2 ) Mufsten die Verletzungen in dem Alter des K i n des nach dessen individueller Beschaffenheit f ü r sich allein den Tod zur Folge habeu ? 3 ) Haben dieselben in dem Alter des Kindes entweder aas dem Maogel eines zur Heilung erfor26 *



404



d e r l i c b e n U m » t a n d e s o d e r d u r c h Zutritt e i n e r äufseren Schädlichkeit

d e n T o d zur F o l g e g e h a b t ?

4 ) Ist die an d e i n L e i c h n a m d e s K i n d e s v o r g e f u n dene Kopfverletzung demselben

im

Leben

oder

nach d e m T o d e beigebracht ? 5 ) Ist e r s t e r e s der F a l l , w i e v e r h a l t sich d a n n d i e n o t h w e n d i g e oder b e r e i t s e r f o l g t e W i r k u n g selben

der-

z u s a m m e n g e h a l t e n m i t den , von der I n -

quisitinn

tiem

Kinde

gestnndlich

beigebrachten

V e r l e t z u n g e n zu d e m T o d e d e s s e l b e n ? 6 ) Ist es m ö g l i c h oder w a h r s c h e i n l i c h ,

dafs

diese

K o p f v e r l e l z u n g bei d e r G e b u r t durch das N i e d e r fallen auf den

Boden

oder d u r c h d e n

von

der

Inquisitinn angegebenen Druck gegen einen P f o sten e n t s t a n d e n ? 7 ) S o l l t e d i e K o p f v e r l e t z u n g erst n a c h

dem

Tode

d e s K i n d e s e n t s t a n d e n s e i n , ist es d a n n m ö g l i c h oder w a h r s c h e i n l i c h , d a f s d i e s e l b e auf die v o n der Inquisitinn

angegebene

Art,

durch

Schlage

mit

e i n e r S c h a u f e l a u f den m i t E r d e b e d e c k t e n K o p f des K i n d e s entstanden ? sondern auch aufserdem eine Begutachtung über nachstehende Tunkte erbeten: 1)

ob und i n w i e f e r n a u s dein s o n s t i g e n I n h a l t d e s Obductionsbefundes U m s t a n d , dafs d i e

es

mit

Lungen

Blut angefüllt g e w e s e n , geschlossen werden zur W e l t gekommen

mit

könne,

auf

den

nicht b e s o n d e r s

Rücksicht

mit

Wahrscheinlichkeit dafs das K i n d

todt

sei?

2 ) ob der a m H a l s e b e f u n d e n e F l e c k e n n u r f ü r e i nen T o d t e n f l e c k e n a n g e s e h e n w e r d e n k ö o n e ?



405



3 ) ob es wirklich auch gegen die Aussagen der Inquisitinn wahrscheinlich w ä r e , dnfs die Nabelschnur nicht abgerissen , sondern nur in der Geburt unwillkührlich abgebrochen sei? und 4 ) ob in der als möglich nicht ausgeschlossenen Voraussetzung, dafs dein Kinde durch den Sturz aus den Geburtstheilen auf den. Dielenboden der Scliädelkoochen zerschmettert w o r d e n , dasselbe noch wohl bei dem eingestandenen Versuche der Inquisitinn, seinen Hals zuzudrücken, die Glieder habe bewegen können ? Diesem Verlangen zu genügen, lassen wir zunächst eine aus den uns initgetheilten, anbei zurückgehenden Untersuchungsakten entnommene

Geschichtsercählung hier folgen. Die unverehelichte W . C. G., zur Zeit der gegen sie eingeleiteten Untersuchung 27 Jahr a l t , war die älteste Tochter eines noch lebenden Tagelöhners io B. Ihre Mutier hatte s i e , als sie erst acht Jahr alt w a r , verloren, ihre Stiefmutter aber w a r noch am Leben. Sie wurde, als sie 15 Jahr alt w a r , conGrinirt, und trat bald nachher als Viehmagd, zuerst bei dein Ackerwirth I\T. zu B . , dann bei dem Ackerwirth H. zu Ober-M. in Dienst, von dessen angenommenen Sohn sie ein Jahr später geschwängert und im Jahre 1818 von einem Mädchen entbunden wurde. Sie zog drei Wochen nach ihrer Niederkunft zu ihren Eltern, blieb bei diesen ein J a h r , diente



4ü(j

d a n n Frieder e i n J a h r bei sechs J a h r e bei dem



d e m Ackervvirlh L . ,

Ackerwirth

und

dessen

B. zu B . ,

H o f zu d e r Z e i t die E h e l e u t e Sch. b e w i r t s c h a f t e t e n , w ä h r e n d B. dort auf L e i b z u c h t w o h n t e . tarn

hin

und

wieder

ein

etwa

eine

Z u diesem Viertelstunde

entfernt wohnender v e r h e i r a t e t e r Tagelöhner N.

D e r s e l b e trat n a m e n t l i c h eines

Abends

H.W.

ungefähr

acht T n g e vor W e i h n a c h t e n 1 8 2 5 , als es schon du-ik e l u n d d i e G. in dein L e i b z u c h t s t a l l nilein und mit dein M e l k e n der K u h beschäftigt w a r , und

vollzog m i t i h r liegend den

acht T a g e s p ä t e r w i e d e r h o l t e n Stehen,

derselben

Beischlaf.

im

bei e i n e m zufälligen Z u s a m m e n t r e f f e n

auf

dein

ersten

beide

Etwa

und ? w a r

d e m H o f e , den Beischlaf. nach

zu

D i e G. w i l l

Beischlafe i h r e

einige

monatliche

Tnge Reini-

g u n g z u m l e t z t e n m a l gehabt h a b e n , doch sei dieselbe v o r ü b e r g e w e s e n , als sie den N. z u m z w e i t e n m a l z u gelassen.

Sie

glaubt

indefs

vorn

ersten

Beischlaf

s c h w a n g e r g e w o r d e n zu sein. D i e G. r ä u m t e i n , sogleich nach d e m Ausbleiben i h r e r F e r i o d e eine v o r h a n d e n e S c h w a n g e r s c h a f t

ver»

i n u t h e t , jedoch die völlige U e b e r z e u g u n g d a v o n nicht g e h a b t zu h a b e n .

Sie theilte auch i h r e m S c h w ä n g e -

r e r IV. i h r e V e r m u t h u n g m i t , l e u g n e t e jedoch s o w o h l d a m a l s als später gegen jeden A n d e r n , auch den B . , welcher

gegen

w i e seine Frau V e r d a c h t g e s c h ö p f t

und d i e G. ü b e r ihren Z u s t a n d Schwangerschaft, versicherte,

befragt hatten ,

ihre

dafs sie nicht s c h w a n -

ger sei und dafs das D i c k w e r d e n i h r e s L e i b e s n u r v o n dein A u s b l e i b e n ihrer R e i u i g u u g h e r r ü h r e .



407

-

Obsohon die Dienstzeit der G. dem 8 t e n

Mai abgelaufen

war,

bei

dem

B.

so w o l l t e

mit

letzlerer

j e n e doch nicht eher entlassen , als bis e r »ich darüber, o b sie s c h w a n g e r sei oder nicht, Gewifsbeit v e r schafft hatte.

E r ging daher mit i h r nach U. zu dem

Chiiurgus D . , w e l c h e r sie sie bereits die B e w e g u n g

untersuchte und,

obgleich

ihrr;

eine von

da ging ein röthlicher Streifen queer über die

Luft-

röhre zur rechten Seite des Halses,

einen

ungefähr

halben Z o l l lang. Die

— 417 — Di« Nabelschnur war im Nabelringe abgerissen, so dafs nur einige rothe Fasern herausstanden; der NabelriDg w a r etwas hervorgezogen. Man bemerkte sonst, aufser den gewöhnlichen Todlenflecken, äuiserlich keine Verletzungen mehr; nuch in den äulserlithen Höhlen, als Obren, Nase, Mund, offen stehendem After, auch unter den Achseln, längs dem Rückgralh u. «. w . wurde nicht« Normwidriges oder Spuren von Verletzungen bemerkt. Es wurde nun zur S e c t i o n geschritten, und A. Mit E r ö f f n u n g d e r K o p f h ö h l e angefangen. Es wurde die Kopfhaut mittelst eines Kreuzschnittes auf gewöhnliche Weise aufgeschnitten und losgetrennt. Es fand sich unter der Haut ein sehr bedeutendes Extravasat, welches in der Mitte des Stirnbeins anfing und sich bis über die dreieckige Fontanelle erstreckte, und beide Seitenwandbeine, bis zu dem Felsenbeine bedeckte. Das Blut war schwarz, dick und geronnen. Nach Wegnahme des Extravasats und des Pericraninras zeigte sich das rechte Seilenwandbein in vier grofse Stücke gebrochen, welche durch diesen Bruch getrennt waren. Die einzelnen Knochenstück® waren wieder in mehrere kleine, noch zusammenhängende Stücke gebrochen. Nach Abnahme der Schädelknochen fand man in den langen und Queer-Blulleilern viel Blut. Untec Klug'i Aurwahl. I.

27

_ der harten

4U5



Hirnhaut IV.nd sich wieder ausgetretenes

geronnenes B l u t , womit das ganze Gelilrn umkleidet war.

Die Geliirnwasse war von gewöhnlicher Farbe,

aber sehr breiicht; die Gehirnliöhlen waren leer, der plexus choroideus

von gewöhnlicher

Beschaffenheit,

in der basis cranii fand sich etwa.' schwarzes, flüssiges Blut.

Sonst wurde nichis

dick-

Bewerkenswer-

thes in der Schädelhöhte vorgefunden. B.

wurde der an der linken

Seite des Halses

befindliche brännlichrothe Fleck untersucht: die Haut wurde durchschnitten die Haut

etwas

und abgelöst.

wenig

gerölhet,

Ks

fand sich

aber unter

der-

selben wurde kein extravasales Blut gefunden.

Zu-

gleich wurde die Mundhöhle und

Luftröhre

eröff-

net, worin nichis Bemerkenswerthes gefunden wurde. E s fanden sich weder geröthele oder in ¡¿»farbige S t e l len, noch schaumigter Schleiin vor. Hierauf wurde C. net.

die

Brusthöhle auf gewöhnliche A r t geöff-

Die glandula

tbymus

Gröfs* und Beschaffenheit.

war

gedehnt, nicht zusammengefallen, rother Farbe.

von

gewöhnlicher

Dia Lungen waren von etwas

Es wurden nun die Lungen mit dem

Her2en und der glandula thymus, fsen Blutgefafse unterbunden

nachdem die grn-

waren,

men und in ein sehr grofses

herausgenom-

Gefäfs mit gewöhnli-

chem kalten Brunnenwasser in hinreichender

Menge

gelegt, wo denn die Lungen mit dem Herzen der

Drüse

aushell-

oben

schwimmend

den mehrmals auf den

blieben.

Sie

und wur-

Boden des Gefäfses nieder-

— gedruckt, fläche

erhoben

419



sich aber wieder auf die Ober-

des W a s s e r s , w e n n der Druck nachlieft.

wurde d a r a u f die glandula t h y w o s von

den

Es

Lungen

getrennt, und die Lungen mit dem Herzen ins W a l ser gelegt , w o sie ebenfalls oben s c h w a m m e n ; wurde

ferner das Herz

utad letzter«

von den

getrennt,

allein in das W a s s e r g e l e g t ,

denn ebenfalls schwammen. Wasser

Lungen

die Lungen

es

wo

sie

Es wurden unter dem

eingeschnitten

und

es

zeigten

sich kleinere und gröbere Luftblasen nuf der Ober« Sache

des

Wassers.

Auch

als die L n n g e n

nufser

dem W a s s e r in Stücke geschnitten und diese Stücke in das W a s s e r ben.

Bei

gelegt

dem

wurden t

schwammen

Durchschneiden

der L u n g e n

dem W a s s e r hörte man ein leises Knistern. men zugleich

etwas

von

Knoten

noch

Krankhaftes;

gesundem

ka-

Die

Lungen

waren

Ansehen,

hatten

weder

sonst

etwas

Verhärtungen , sie

auber Es

w e n i g e s Blut und kleine Blut-

bläschen dabei zum Vorschein. übrigens

diesel-

waren

mit

noch Blat

nicht

besonders

angefüllt. I m Herzbeutel fand sich e t w a s W a s s e r , das Herz war von gewöhnlicher Bildung, die linke s o w o h l als die rechte Herzkammer waren blutleer. E s wurde übrigens nichts

Bemerkenswerthes

in

der Brusthöhle vorgefunden. Endlich wurde D. die BauchhShle gleichfalls auf gewöhnliche W e i s e geöffnet.

27 *



4-'„>0



Dar Magen und der Darmkanal zeigten sich von gewöhnlicher F a r b e , waren von Luft e t w a s ausgedehnt, und der Magen enthielt blofs eine geringe Menge schleimiger Br-ilie. Der Darmkanal enthielt etwas meconium, besonders w a r das colon descendens damit angefüllt. Die Leber war von gesunder brauner Farbe und Consislenz und nichts Normwidriges an ihr zu entdecken. Die Gallenblase enthielt etwas weniges Galle. Die Milz w a r etwas mürbe, übrigens von gewöhplicher Beschaffenheit. Die Harnblase w a r ganz leer, die Mieren waren ebenfalls von ganz gesunder B e schaffenheit und wurde sonst nichts Beinerkenswerthes vorgefunden. Die Obducenten gaben ihr vorläufiges Gutachten dahin a b : 1 ) dafs das obducirte Kind vollständig oder ausgetragen zur W e l t gekommen sei, 2 ) dafs dasselbe lebendig zur W e l t gekommen sei, 3 ) dafs die vorgefundene Zerschmetterung der Hirnknochen an und f ü r sich als absolut tüdtlicb betrachtet werden müsse, 4 ) dafs das Kind eioen Druck am Halse erlitten habe, und z w a r wahrscheinlich mit der Hand und insbesondere neben der Kehle mit dem Daumen, 5 ) dafs dieser Druck bei der Tödtuog des Kindes vielleicht mitwirkend gewesen sei, dafs aber der Tod durch die ad 3 ) erwähnte Kopfverletzung nothwendiger W e i s e habe erfolgen müssen, 6 ) dafs die ad 3) bemerkte absolut tödtlicbe Kopfverletzung durch den Gebäbrungsakt nicht habe

411 — entstehen können, vorausgesetzt, dafs die Geburt so erfolgt eei, da Ts die Mutter dabei auf den Knieen gelegen und das Kind mit dein Kopfe auf eine blofse hölzerne Diele gefallen sei, 7 ) dafs übrigens die ad 3) gedachte tödtliche Kopfverletzung dem Kinde während des Lebens beigebracht worden. Die Gründe ihres Gutachtens stellten die Obdwcenten in dein unterm 21steo September von ihnen eingereichten Obductionsberichte, welcher, was die Data der Obduction betrifft, Dur den im Protokoll nicht befindlichen erläuternden Zusatz enthält, d i ü die Zunge sich nicht vorn zwischen den Lippen, soudern in ihrer gewöhnlichen Lage in der Mundhöhle befunden habe, zusammen. Am Schlüsse gedachten Obductionsberichts bemerkt auberdein der Kreiswundarzt O., dafs nach seinem Dafürhalten möglicherweise auch Folgendes der Fall sein könne: a ) da Ts der Tod des Kindes nur durch Erdrosselung erfolgt sei, b ) dafs die Blutergiefsung auf dem Stirnbein Folge des Aul'sciiiefsens des Kindes aus den Geburtstheilen auf den Boden sein konnte, und dafs, wenn sich auch der Fall denken läfst, dafs den Knochenbrüchen und den Sugillationen verschiedene Ursachen zum Grunde lagen, c ) die Brüche nach dem Tode des Kindes, durch irgend eine heftig einwirkende, durch den Befund nicht ausgemittelte Gewalt yeranlafst sein konnten.



4T1



Das K ö a i g l . Inquisitoriat zu H. erachtete hierauf die Einholung eines höhern Gutachtens f ü r nothig, Übersandte deshalb unter dem 8len December die A k ten an d?s Königl. M e d i c i n a l - C o l l e g i u i n zu 91., nnd erbat sich dessen Gutachten, namentlich über die b e reits Yorhin im Eingange ausgeworfenen sieben Frag e n , wobei dasselbe jedoch bemerkte, dafs e s , der Vollständigkeit w e g e n , alle auf die S a c h e Einflufs habenden Fragen aufgestellt habe, es aber in der Natur der Sache liege, dafs einige als unerhebli-h w e g f a l l e n , je nachdem die Beantwortung der übrigen a u s f a l l e , es jedenfalls aber die drei ersten Fragen, geeigneten Falls auch in Beziehung auf die Kopfverletzung, beantwortet zu sehen wünsche. Genanntes Medicinal - Collegium schickte unter dem 30sten J a n u a r 1S27 das verlangte Gutachten ein, bestritt in demselben die Richtigkeit der sammllichen Behauptungen der Gerichtsärzle, namentlich auch in Hinsicht nicht sowohl der R e i f e , als der L e b e n s f ä higkeit des K i n d e s und seines Lebens nach der Geburt, glaubte sich hierdurch der Beantwortung der fünf ersten von dem Königl. Inquisitoriat a u f g e w o r fenen Fragen überhoben, und beantwortete die sechste und siebente d a h i n , dafs es gar nicht wahrscheinlich sei, dafs die Kopfverletzung und namentlich die Z e r schmetterung des rechten Seitenwandbeins durch den Sturz des K i n d e s aus den Geburtswegen habe entstehen k ö n n e n , dafs es noch weit unwahrscheinlicher sei, dafs solche durch einen Druck des Kopfes gegen einen Pfosten entstanden sein s o l l t e n , mithin durch« aus nichts übrig b l e i b e , als die Angabe der I n q u i s i -



423



tion, dais die bemeldeten Kopfverletzungen bei dem Verscharren des todten Kindes durch d«s FestscLlagen der Erde mit einer Schaufel entstanden, für wahr anzunehmen, Weil jedoch, wie nicht zu verkennen, dieses Gutechten des Medicinal - Collegii in seinen Aufstellungen zum Theil mit den Aussagen der Inquisition in ofienbiirem Widerspruche stand, so hat das Königl. Ober-Landesgericht zu H. es für unumgänglich erachtet, dnfs die Ansichten des Medicinal-Collegii einer höheren wissenschaftlichen Beurtheilung unterworfen würden, und deshalb das Gutachten der wissenschaftlichen Deputation über die im Anfange ausgeworfenen Fragepunkte sich erbeten.

G u t a c h t e n .

Wenn die von dem Konig!. Iuquuitoriat zu H. dem Königl. Medicinal - Collegio zu M. zur Beantwortung vorgelegten sieben Fragen theils den Grad der Tödtlichkeit der von der Inquisitinn ihrem nengebornen Kinde geständlich zugefügten Verletzungen, theils die Enlstehungsart der an gedachtem Kinde vorgefundenen Kopfbeschädigungen zum Gegenstande haben, so beziehen sich dagegen diejenigen vier Fragen, welche ein Königl. Ober-Landesgericht zu H. an uns besonders noch gerichtet hat, auf einige ?rst durch das Gutachten des Königl. Medicinal-Collegii

zweifelhaft gewordene Punkte, namentlich aber auf das Leben jenes Kindes nach der Gebart. Konnten wir, denen säramtlicbe jene Fragen mr Beantwortung vorgelegt w o r d r n , die Zweifel theilen, welche, in Rücksicht nuf das Leben des Kindes nacli der Geburt, das Königl. Medicinal-Colleginin

ausge-

sprochen, so kälten, w i e die Fragen sich auch folgen mögen, wir den eben erwähnten wichtigen Gegenstand zunächst erörtern und feststellen, dagegen der Beantwortung der erst gestellten sieben, oder wenigstens der ersten sechs Fragen, überhoben sein können.

W e i l wir hierin jedoch mehr den Ansichten

der Obducenten

beitreten und die Dehnuplung des

Königl. Medicinal-Collegii: „dafs mit gröfsler Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dafs das Kind der I n culpatinn todt geboren worden," für gehölig motivirt und richtig nicht halten können, so findet auch keine weitere Veranlassung Statt, in der Ordnung der Fragen irgend eine Aenderung zu treffen. Die Beantwortung der ersten Frage betreffend, so bestand die Art und W e i s e ,

wie Inquisitinn ihr

Kind gelödtet haben will, aufserdem, dafs sie die Nabelschnur

mit

den

Fingern dicht über dem Nabel

fafsta and so abrifs, oder vielmehr mit dem Nagel des Daumens der linken Hand abkniff,

dafs nur ein

kurzes Stück am Nabel sitzen blieb, darin, dafs sie mit der rechten Hand den Hals des Kindes umfafste, so zwar, dafs der Daumen auf der Kehle, das I n n e n der Hand an der linken Seite des Halses, die andern vier Finger an dem Genick des Kindes ruhten, dals sie nun, indem sie die Spitze ihres Daumens auf den

— 425 — Kehlkopf des Kindes setzte, die Hand zudrückte und