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Aufsätze zu Grundfragen der Kunstwissenschaft
 389166012X, 9783891660126

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Erwin Panofsky · Aufsätze zu Grundfragen der Kunstwissenschaft

Erwin Panofsky

Aufsätze zu Grundfragen der Kunstwissenschaft herausgegeben von Hariolf Oberer und Egon Verheyen

Wissenschaftsverlag Volker Spiess · Berlin

© 1985 Wissenschaftsverlag Volker Spiess GmbH, Berlin Druck: Color-Druck G. Baucke, Berlin ISBN 3-89166-012-X

INHALT

Seite V o r w a rt

V II

B ibliographie der Schriften E rw in Panofskys

1

D as P roblem des Stils in der bildenden K unst (Bibi. N r. 4)

19

D er B egriff des K unstw ollens (Bibi. N r. 8)

29

H einrich W ö lfflin (Bibi. N r. 25a)

45

Ü ber das V erhältnis der Kunstgeschichte zur Kunsttheorie. Ein Beitrag zu der Erörterung über die M öglichkeit „kunstwissenschaftlicher G ru n dbegriffe“ (Bibi. N r. 29)

49

Z u m P roblem der historischen Z eit (Bibi. N r. 38)

77

Zum Problem der Beschreibung und Inhaltsdeutung von Werken der bildenden Kunst (Bibi. Nr. 54)

85

D ie Perspektive als „sym bolische

99

F orm “ (Bibi. N r. 36)

D ie E ntw icklung der P roportion sleh re als A b b ild der Stilentwicklung (Bibi. N r. 14)

169

VORWORT

A ls w ir v o r langer Z eit m it der B itte an E rw in P a n ofsk y herantraten, seine v o r vielen Jahren in deutscher Sprache erschienenen A u fsä tze zu G rundfragen der Kunstw issen­ schaft als Buch herausgeben zu dürfen, gew ährte er sie, nicht oh n e dasselbe „cau tius“ hinzuzufügen, das er auch beim N eudruck seiner „I d e a “ 1 dem T e x t vorangesetzt hat — w aren doch 30 bis 40 Jahre vergangen, seit jene A ufsätze zum ersten M a le erschienen sind. Für diese G enehm igung und für vielerlei freundschaftliche H ilfe und Belehrung bleiben die H erausgeber Erw in P a n ofsk y im mer dankbar. A n die M öglichkeit einer zw e i­ ten A uflage hatte E rw in P a n ofsk y nie so recht glauben w ollen. Er hat sie nicht mehr erlebt. A m 14. 3. 1968 ist er in P rinceton gestorben. M öge die N euauflage dazu bei­ tragen, daß die kunsttheoretischen G edanken des großen Kunsthistorikers auch kü nftig in der kunsthistorischen Selbstbesinnung und in der kunstphilosophischen Begriffsbildung w eiterw irken. D ie h ier zusam m engestellten A u fsä tze w u rd en ausschließlich u n ter d em G esich tspu nkt d e r kunstw issenschaftlichen M e th o d e ausgew ählt. Es geh t in ih n en n ich t u m E in zel­ p ro b le m e kunstw issenschaftlicher Forschung, son d ern u m d ie Sicherung d er m e th o d i­ schen E igenart der K unstw issenschaft selbst. W issenschaftliche M e th o d e n sind n ich t austauschbar u n d v o n einem G egenstandsbereich au f den anderen ü bertragbar, sie m üssen vielm eh r im V o r g r iff nach dem jew eiligen G e ­ genstand b z w . G egenstandsbereich en tw ick elt w e rd e n , den n jed e W issenschaft ist in m eth od isch er R ücksicht durch ih ren b eson d eren G egenstand, durch die spezifische S tru k­ tu r des v o n ih r erforsch ten Gegenstandsbereiches b estim m t. D ie F ragestellung einer jed en W issenschaft rich tet sich also nicht n u r au f ih r O b je k t, son d ern sie m u ß im m er auch schon gem äß d er G ru n d verfa ssu n g dieses O b jek tes b estim m t sein, u m sich auf dieses richten zu k ön n en . W issenschaftliche M e th o d e b esteh t dem nach in einem G efü ge v o n G ru n d b e g riffen , deren E igen art es ist, B edin gu n gen nicht n u r d er E rforsch u n g ih rer G egenstände, son d ern zugleich auch B edin gu n gen d er G egenstände dieser E r fo r ­ schung selbst zu sein. A ls solch e G ru n d b eg riffe treten - aus d em B ereich d er T h e o rie v o n K u n st -

die Be­

griffe des Stils, des K u n stw ollen s, d ie A n tith esen v o n F ülle u n d F o rm , v o n sinnlicher M a n n ig fa ltig k eit u n d o rd n e n d e r G estaltung, d ie B egriffe d er D arstellun g, des A u s­ drucks, d er B edeutung, des W esenssinns, d er B egriff der historischen Z e it in G estalt des1

1 Bibi. N r. 136, S. 2 des V orw orts zur zweiten Auflage.

VII

kunsthistorischen D a tieru n gsprob lem s, sow ie schließlich - aus d em Bereich der T h e o rie fü r die K u n st - die spezielleren P rob lem e v o n P erspektive u n d P r o p o r tio n in den B lick­ kreis des K unstw issenschaftlers. A lle diese B egriffe u n d P rob lem e aber k on v ergieren in der zen tralen F rage: was ist das, ein K u n stw erk ? was ist das, die K unst? U n d n u r eine an den gen ann ten G ru n d b eg riffen orien tierte,

also m eth od olog isch legitim ierte E rforsch u n g v o n K u n stw erk en verm a g

ästhetische E rfa h ru n g u n d geschichtliche B estim m u ng zu v erb in d en . Sie allein w ird der E in zigk eit des K u n stw erks ebenso gerecht w ie seiner geschichtlichen B ezogen h eit. Sie erfa ß t das K u n stw erk in d er ganzen Fülle seiner geschichtlichen B estim m u ngen als das, was es in W a h rh eit ist: als „S elb stoffen b a ru n g eines gru ndsätzlichen V erhaltens zu r

Welt“*.

_________________________________________

D ru ck fe h le r d er E rstdrucke w u rd en stillschw eigend g etilgt; eckige K la m m ern [ ] bezeich ­ nen Z usätze d er H erau sgeber, au sgen om m en die []-S tellen in den A n m . 11, 18, 19 des A ufsatzes „ D ie P erspektive als s y m b o lis ch e F o rm * “ (u n ten S. 131, 137, 139). Im E in ­ vern eh m en m it dem V erfasser w u rd en fo lg e n d e T extä n d eru n gen v o r g e n o m m e n : 1.

In : „ Z u m P ro b le m d er B eschreibung u n d In haltsdeutung v o n W erk en der b ild en d en K u n st“ m u ß das Z ita t auf S. 117 (s. u. S. 94) lauten „. . . w h a t he parades“ statt . . w h a t he con fesses“ .

2.

D e r in „ D ie P erspektive als sy m b o lis ch e F orm *“ auf S. 330 gegebene N ach trag zu A n m e rk u n g 60 w u rd e als Schlußabschnitt der A n m e rk u n g 60 angefügt. Z u dem selben A u fsa tz ist fe rn er nachzutragen, daß d ie auf S. 317, A n m . 52 (s. u. S. 152) gegebene D a tieru n g v o n va n E ycks „M a d o n n a in der K irch e“ (1 4 3 3 /3 4 ) v o m V erfasser nicht m eh r aufrechterhalten w ird . In : „E a rly N eth erla n dish P a in tin g“ , 1958, Bd. I, S. 194 w u rd en statt dessen die Jahre 1425/27 als w ahrscheinliche E ntstehungszeit angegeben.

3.

D e r in „ D ie E n tw ick lu n g der P ro p o rtio n s le h re als A b b ild der S tilen tw ick lu n g“ auf S. 219 angegebene N ach trag zu A n m . 3, S. 206 w u rd e als Schlußabschnitt dieser A n ­ m erk u n g (in unserer A usgabe A n m . 54) angefügt.

4.

D er Beitrag „Z u m Problem der historischen Z e it“ erschien ursprünglich 1927 ohne eigenen T ite l als A nh an g zu dem A u fsa tz „U b er die R eih en folge der vier Meister v o n R eim s“ (B ibi. N r . 38).

In die zw eite A ufla ge w u rd e m it frd l. G en eh m igu n g v o n Frau G erd a P a n ofsk y die Skizze v o n 1924 ü b er H ein rich W ö lfflin (B ibi. N r . 25 a) neu a u fgen om m en , w eil sie zeitlich u n d inhaltlich zu m U m k reis der ausgew ählten A u fsä tze g eh ört u n d an ihrem ursprünglichen E rschein un gsort n u r schw er au ffindbar ist.

* Erwin Panofsky, Zum Problem der Beschreibung und Inhaltsdeutung von Werken der bilden­ den Kunst, Logos, XXI, 1932, S. 116 (s. u* $. 93). VIII

Durch das großzügige E ntgegenkom m en der H erausgeber der Festschrift „ D e A rtibus O p u scu la X L . Essays in H o n o r o f Erw in P a n ofsk y “ (N e w Y o r k 1961) k on nte die dort erschienene B ibliographie der Veröffentlichungen E rw in P anofskys in die erste A uflage der vorliegenden A ufsatzsam m lung übernom m en w erden. Sie w u rd e in der ersten A u f­ lage um die N um m ern 29 a, 5 1 a , 5 1 b , 52 a ergänzt und au f den Stand v o n 1964 ge­ bracht. Für die zw eite A uflage w u rd e die B ibliographie erneut durchgesehen, w eiter­ geführt und um die N um m ern 7 a (H in w eis v o n J. Bialostocki auf N r. 5689 der D ü rerB ib liogra p h ie v o n M . M en de, 1971), 162 a (H in w eis v o n Frau G erd a P a n ofsk y ) u nd 162 b ergänzt. D ie v o n R . H e id t im W a llra f-R ich a rtz-J a h rb u ch 30, 1968, S. 12 f. v o r ­ geschlagenen K orrek tu ren u n d E rgänzungen w u rd en u n ter stillschw eigender V erbesse­ ru ng v o n Fehlern berücksichtigt. A us ch ron ologisch en G rü n d en bekam die A usgabe 1955 v o n „M ea n in g in th e Visual A r t “ die N u m m e r 121 a. D ie B ib lio g ra p h ie -N u m ­ m erieru n g d er ersten A uflage w u rd e ab N r . 135 im Interesse einheitlicher Z ä h lu n g u n d Z itie ru n g durch die v o n R . H e id t ein gefü h rte ersetzt. A b N r . 177 w ird neu gezählt. D ie W e ite rfü h ru n g der B ib liogra p h ie v o n 1964 bis 1968 stü tzt sich im w esentlichen auf R . H e id t, die W eiterfü h ru n g v o n 1968 bis 1974 ist der freu n dlich en M ith ilfe v o n Frau G erd a P a n o fsk y zu danken. D a n k gilt auch dem V erla g B runo H essling, der sich in beiden A uflagen m it S orgfalt und Entgegenkom m en des A ufsatzbandes angenom m en hat.

B o n n u n d B altim ore, Januar 1974

H a r io lf O b e re r

E g o n V erh eyen

IX

Bibliographie

1.

D ie theoretische K u n stlehre A lb re ch t D ü rers (D ürers Ä sth etik ). B erlin 1914. (Inaug.-D iss. F reib u rg i. B r.) Siehe auch 2.

2.

D ü rers K u n stth eorie, v orn eh m lich in ih rem V erhältn is z u r K u n stth eorie der Italiener. B erlin 1915. Siehe auch 1.

3.

D as perspektivische V erfa h ren L eon e Battista A lb ertis. In : K u n stch ron ik , N . F. X X V I , 1915. S. 5 0 4 -5 1 6 .

4.

D as P ro b lem des Stils in d er b ild en d en K unst. In : Z eitsch rift fü r Ä sth etik u n d A llg e m e in e K unstw issenschaft, X , 1915. S. 4 6 0 -4 6 7 . Siehe auch 142, 157, 202, 206.

5.

R a ffa el u n d die Fresken in der D o m b ib lio th e k zu Siena. In : R e p e r to r iu m fü r Kunstw issenschaft, X X X V I I , 1915. S. 2 6 7 -2 9 1 .

6.

U b e r das Z eich n en m it fa rb ig er F ed er: B em erk u n gen zu einigen B lättern des V irgiliu s Solis u n d zu den R an d zeich n u n gen im G eb etb u ch M axim ilians I. In : M on a tsh efte fü r Kunstw issenschaft, V III, 1915. S. 1 6 6 -1 6 9 .

7.

D ie Scala R egia im V a tik a n u n d die K unstanschauungen Berninis. In : Jahrbuch d er Preußischen K un stsam m lu n gen, X L , 1919. S. 2 4 1 -2 7 8 .

7 a. D iskussionsbeitrag zum P a u m ga rtn er-A lta r/

V ortra g R öm er über »Dürers Andachtsbilder bis zum

In : Sitzungsberichte der Kunstgeschichtlichen Gesellschaft

Berlin, Jg. 8, 1919, S. 115. D er T e x t lautet: „H e rr

Panofsky

wies darau f hin, daß

die Schrift auf dem L on d on er G ottvater den Charakter v on 1515— 1520 trage.“ 8.

D e r B egriff des K u n stw ollen s. In : Z eitsch rift fü r Ä sth etik u n d A llg em ein e K u n st­ wissenschaft, X I V , 1920. S. 3 2 1 -3 3 9 . Siehe auch 142, 157, 202, 206.

9.

D ü rers D arstellun gen des A p o llo u n d ih r V erhältn is zu Barbari. In : Jahrbuch d er Preußischen K un stsam m lu n gen, X L I , 1920. S. 3 5 9 -3 7 7 .

10.

D er

Statuenschm uck der Piazza della Sign oria in seiner B ezieh un g zu m P alazzo

V e cch io . In : M on a tsh efte fü r B aukunst u n d Städtebau, IV , 1920. A rch iv , S. 7 -1 3 , 7 9 -8 2 . 11.

D e r W estbau des D o m s zu M in d en . In : R e p e rto riu m fü r K unstw issenschaft, X L I I, 1920. S. 5 1 -7 7 .

1

12.

D ie Sixtinische D ecke. L eip zig [1921]. (B ib lioth ek der K unstgeschichte, 8)

13.

B em erk u n gen zu D a g o b e rt F rey ’s ,M ichelangelostudien*. In : M on a tsh efte fü r B aukunst u n d Städtebau, V , 1921. A rch iv , S. 3 5 -4 5 .

14.

D ie E n tw ick lu n g der P ro p o rtio n s le h re als A b b ild d er Stilentw icklung. In : M o ­ natshefte fü r K unstw issenschaft, X I V , 1921. S. 1 8 8 -2 1 9 . Siehe auch 121a, 126, 145, 157, 184, 187, 206.

15.

D ü rers Stellung zu r A n tik e . W ien 1922. (K unstgeschichtliche E in zeldarstellu n ­ gen, 5) -

D ü rers Stellung zu r A n tik e. In : W ien er Jahrbuch fü r K unstgeschichte, I (X V ) ,

1922. S. 4 3 -9 2 . Siehe auch 121a, 126, 145, 184, 187. 16.

H a n d zeich n u n gen

M ichelangelos.

L eip zig

[1922].

(B ib lioth ek

der

K u n stge­

schichte, 34) 17.

D ie M ich ela n gelo-L itera tu r seit 1914. In : W ien er Jahrbuch fü r K unstgeschichte, I (X V ) , 1922. B uchbesprechungen, S. 1 -6 4 .

18.

D ie T re p p e der Libreria di S. L o r e n z o : B em erk u n gen zu einer u n veröffen tlich ten Sk izze M ichelangelos. In : M on a tsh efte fü r Kunstw issenschaft, X V , 1922. S. 262 bis 274.

19.

Z u H e rm a n n V oss: ,B ernini als A rch itek t an der Scala R egia u n d den K o lo n ­ naden v o n Sankt Peter* (eine E rgän zu n g). In : K u n stch ron ik , N . F. X X X I I L 1922. S.

20.

5 9 9 -6 0 2 .

D ü rers ,M elen colia Γ , eine q u ellen - u n d typengeschichtliche U n tersu ch u ng (z u ­ sam m en m it F ritz Saxl), L eip zig, B erlin 1923. (Studien d er B ib lioth ek W a rb u rg, 2) Siehe auch 74, 147, 169, 186, 193, 198, 199.

21.

Das B raunschw eiger D o m k r u z ifix u n d das ,V o lt o Santo* zu L u cca. In : Festschrift fü r A d o lp h G old sch m id t zu m 60. G ebu rtstag, L eip zig 1923. S. 3 7 -4 4 .

22.

R e ze n sio n v o n : A lo is Fuchs, D ie R este des A triu m s des karolingischen D om es zu

23.

D ie deutsche Plastik des elften bis dreizeh n ten Jahrhunderts. M ü nchen 1924.

24.

,Idea*: ein B eitrag zu r B egriffsgeschichte der älteren K u n stth eorie. L eipzig, B erlin

P a d erb orn . In : Jahrbuch fü r Kunstw issenschaft, 1923. S. 2 9 7 -2 9 8 .

1924. (Studien der B ib lioth ek W a rb u rg , 5) Siehe auch 110, 136, 175, 203. 25.

Das ,D iscord ia *-R elief im V ic to r ia - u n d A lb e rt-M u s e u m : ein In terp reta tion s­

25a.

H ein rich W ö lfflin . Z u seinem 60. G ebu rtstage am 21. Juni 1924. In : H a m b u rg e r

versuch. In : B elvedere, V , 1924. S. 1 8 9 -1 9 3 . F rem d en b la tt, 21. Juni 1924. 26.

Siehe auch 206. R eze n sio n v o n : H erm a n n B eenken, R om a n isch e S k u lp tu r in D eutschland. In : Jahrbuch fü r K unstw issenschaft, 1924/25. S. 2 4 4 -2 4 6 .

27.

R e ze n sio n v o n : A d o lp h G old sch m id t, D ie S kulptu ren v o n F reiberg u n d W ech ­ selburg. In : Jahrbuch fü r K unstw issenschaft, 1924/25. S. 2 4 6 -2 5 2 .

2

28.

R e ze n sio n v o n : E rw in R osen th a l, G io t t o in d er m ittelalterlich en G eistesentw ick­ lung. In : Jahrbuch fü r K unstw issenschaft, 1924/25. S. 2 5 4 -2 5 9 .

29.

U b e r das V erhältn is der K unstgeschichte z u r K u n stth eorie: ein B eitrag zu der E rö rte ru n g ü b er die M ög lich k eit ku nstw issensch aftlich er G ru n dbegriffe*. In : Z eitsch rift fü r Ä sth etik u n d A llgem ein e Kunstw issenschaft, X V II I, 1925. S. 129 bis 161. Siehe auch 142, 157, 202, 206.

29a.

D ie E rfin d u n g d er verschiedenen D ista n zk on stru k tion en in d er m alerischen P er­ spek tive. In : R e p e rto riu m fü r Kunstw issenschaft, X L V , 1925. S. 8 4 -8 6 .

30.

A lb re ch t D ü rers rh yth m isch e K unst. In : Jahrbuch fü r Kunstw issenschaft, 1926.

31.

A Late A n tiq u e R elig iou s S y m b o l in W o rk s b y H o lb e in and T itia n (zu sam m en

S. 136— 192. m it F ritz Saxl). In : B u rlin g ton M agazine, X L I X , 1926. S. 1 7 7 -1 8 1 . Siehe auch 45, 121a, 1 2 6 ,1 4 5 , 184, 187. 32.

R e ze n sio n

v o n : H an s Jantzen, D eutsche B ildh au er des 13. Jahrhunderts. In :

R e p e rto riu m fü r Kunstw issenschaft, X L V II, 1926. S. 5 4 -6 2 . 33.

B em erk u n gen zu der N euherausgabe d er H a a rlem er M ich ela n gelo-Z eich n u n gen durch Fr. K n a p p . In : R e p e rto riu m fü r Kunstw issenschaft, X L V III, 1927. S. 25 bis 58. -

E rkläru ng. In : R e p e rto riu m fü r Kunstw issenschaft, X L I X , 1928. S. 3 7 -3 8 .

34.

E in B ild e n tw u rf des J a co p in o dei C o n te . In : B elvedere, X I, 1927. S. 4 3 -5 0 .

35.

,Im a g o Pietatis*: ein B eitrag zu r T ypengeschichte des »Schmerzensmannes* u n d d er »Maria M ediatrix*. In : Festschrift fü r M a x J. F riedlän der zu m 60. G eb u rts­ tage. L eip zig 1927. S. 2 6 1 -3 0 8 . Siehe auch 194.

36.

D ie P erspektive als »sym bolische Form*. In : V o rträ g e der B ib lioth ek W a rb u rg, 1 9 24/25, L eip zig, B erlin 1927. S. 2 5 8 -3 3 0 . Siehe auch 142, 157, 201, 202, 206.

37.

D ie P ietä v o n U b ed a : ein k lein er B eitrag zu r L ösu n g der Sebastiano-Frage. In : Festschrift fü r Julius Schlosser zu m 60. G eburtstage. Z ü rich 1927. S. 1 5 0 -1 6 1 .

38.

U b e r die R eih e n fo lg e d er v ier M eister v o n R eim s. In : Jahrbuch fü r K u n stw is­ senschaft, 1927. S. 5 5 -8 2 . Siehe auch 157, 206.

39.

R eze n sio n v o n : G . J. K ern , D ie versch ollene K reu ztra gu n g des H u b e rt o d e r Jan van Eyck. In : K ritische B erichte z u r K unstgeschichtlichen L iteratur, I/II, 1927/28. S. 7 4 -8 3 .

40.

D ie A n tik e in der n ordisch en G o t ik [R esü m ee]. In : V erein D eutscher P h ilolog en u n d Schulm änner, V erh a n d lu n g en der 56. V ersa m m lu n g, G ö ttin g e n 1927. L eip zig 1928. S. 1 3 7 -1 3 9 .

41.

K o p ie o d e r Fälschung? E in B eitrag zu r K ritik einiger Z eich n un gen aus der W e r k ­ statt M ichelangelos. In : Z eitsch rift fü r B ilden de K unst, L X I,1 9 2 7 /2 8 .S . 2 2 1 — 244. Siehe auch 43.

3

42.

T w o ,Lost* D ra w in gs b y (and after) Sebastiano del P io m b o . In : O ld M aster D ra w in gs, II, 1928. S. 3 1 -3 4 .

43.

N o c h ein m a l: , K o p ie o d e r Fälschung?* In : Z eitsch rift fü r B ilden de K unst, L X II, 1 9 2 8 /2 9 . S. 1 7 9 -1 8 3 . Siehe auch 41.

44.

U b e r die R eliefs an den Seitenschiffportalen d er Sebalduskirche in N ü rn b e rg (zu Josef M üllers A u fsa tz). In : B elvedere, V III, 1929. S. 1 3 -1 8 .

44 a. A . W a rb u rg. N ach ru f in: H am burger Frem denblatt, 28. O k tob er 1929. Siehe auch 46. 45.

H e rcu le s am Scheidew ege u n d andere antike B ild stoffe in d er neueren K unst. L eip zig, B erlin 1930. (Studien d er B ib lioth ek W a rb u rg , 18) Siehe auch 31, 121a, 126, 145, 184, 187.

46.

A . W a rb u rg . In : R e p e rto riu m fü r K unstw issenschaft, LI, 1930. S. 1 -4 .

47.

D as erste B latt aus dem ,Libro* G io r g io Vasaris: eine Studie ü b er die B eurteilu n g

G e rin g v erä n d erter A b d ru ck v o n 44a d er G o t ik in der italienischen Renaissance, m it einem E xku rs ü b er zw ei Fassaden­ p r o je k te D o m e n ic o B eccafu m is. In : Städel-Jahrbuch, V I, 1930. S. 2 5 -7 2 . Siehe auch 121a, 126, 145, 184, 187. 48.

O rig in a l u n d Faksim ile. In : D e r Kreis, V II, 1930. S. 160.

49.

Z u r künstlerischen A b k u n ft des S traßbu rger ,Ecclesiam eisters*. In : O b e rrh e in i­

50.

G u sta v Pauli. In : H a m b u rg er F rem d en b la tt, 1. F ebruar 1931. S. 2.

51a.

S tellungnahm e zu : E. Cassirer, M yth isch er, ästhetischer u n d th eoretischer R a u m

sche K unst, IV , 1930. S. 1 2 4 -1 2 9 .

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Siehe auch 74, 142, 147, 157, 169, 186, 193, 194, 195, 198, 199, 202, 206. 55.

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58.

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S tyle and M ed iu m in th e M o v in g Pictures. In : D . L. D u rlin g , A P reface to

5

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-

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110.

Idea: c o n tr ib u to alia storia delPestetica, n u o v a p refa zion e dell’ au tore, presen -

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Siehe auch 20, 54, 56, 65, 68, 74, 147, 169, 186, 194, 195, 198, 199. graphie und einer Liste der N achrufe herausgegeben und übersetzt v on

Bialostocki. Warschau 1971. [enthält die polnische Übersetzung von: 14

Jan

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2 -3 -4 ,

1973.

S. 4 7 — 60. (Französische Ü b ersetzu n g v o n ‘ Style and M ed iu m in the M o tio n Pictures* durch D o m in iq u e N o g u e z ). Siehe auch 64, 67, 97, 171, 188, 194, 196, 197. 201.

La

Perspectiva

com o

F orm a

S im b olica .

Ü b ersetzt

von

V irgin ia

Careaga.

B arcelon a 1973 (C u a dern os M arginales 31) (Spanische Ü b ersetzu n g v o n ,D ie P erspek tive als „sy m b olisch e F o r m “ *). Siehe auch 36, 142, 157, 202, 206.

15

202.

La p rosp ettiv a

com e

„fo r m a

sim b olica “

e altri scritti.

A

cura

di Guido

D . N e ri c o n una n ota di Marisa D alai. M ailand 1973. Siehe auch 4, 8, 29, 36, 54, 142, 157, 201, 206. 203.

Idea. C o n t r ib u to

alia storia

delPestetica.

Ü b ersetzt v o n

E dm ondo

C ion e.

F lo re n z 1973. Siehe auch 24, 110, 136, 175. 204.

T h e H is to r y o f A r t as a H u m a n istic D isciplin e.

In : T h e M ean in g o f the

H u m an ities, ed. T h e o d o r e M . G reen e (P rin ceton 1938, 19402), A rabische A u s­ gabe P rin ceton 1973. Siehe auch 78, 121 a, 145, 184, 187. 205.

R e m b ra n d t u nd das Ju den tu m (1920), ed. G erda P a n ofsk y . In : Jahrbuch der H a m b u rg er K unstsam m lungen, X V II I, 1974. S. 7 5 — 108.

206.

A u fsä tze zu G ru n d fra g en der K unstw issenschaft. H erausgegeben v o n H a r io lf O b e re r u nd E gon V erh eyen . B erlin 1974 (Z w eite, erw eiterte u n d verbesserte A uflage). Siehe auch 4, 8, 14, 25 a, 29, 36, 38, 54, 142, 157, 201, 202.

16

V o n den zahlreichen V eröffen tlich u n gen , die sich anläßlich des T od es E rw in P a n o fsk y ’s m it seiner P ersön lich keit u n d seinem Schaffen b efa ß ten , seien hier die w ichtigsten gen ann t: E rw in P a n ofsk y , A C o m m e m o ra tiv e G atherin g fo r E rw in P a n ofsk y at the Institute o f Fine A r t s .N e w Y o r k U n iversity in A ssocia tion w ith the Institute f o r A d v a n ce d Study, N e w Y o r k , 1968. H e rb e rt v o n E inem , E rw in P a n o fsk y zu m G edächtnis, W a llra f-R ich a rtz-J a h rb u ch , B d. 30, 1968, p p . 7— 11; Rensselaer W . Lee, E rw in P a n ofsk y, A rt Journal, Bd. 27, 4, 1968, p p . 368— 370; D aniel W ildenstein u. a. H o m m a g e au Professeur P a n ofsk y, G azette des B eau x-A rts, Bd. L X X I , M ai-Juin 1968, pp. 2 5 7 — 2 68; E. H . G o m b rich , E rw in P a n ofsk y (30th M arch 1892 — 14th M arch 1968), B u rlin gton M agazine, 110, 1968, pp. 356— 360; Hans^ K au ffm an n , E rw in P a n ofsk y *)*, 30. M ärz 1892 — 14. M ärz 1968, K u n stch ron ik , 21, H e ft 8, 1968, p p . 2 6 0 — 2 6 6 ; B run o Snell, G e d e n k w o rt fü r E rw in P a n ofsk y, in : Jahrbuch 1968 der D eutschen A k a ­ dem ie fü r Sprache u n d D ich tu n g D arm stadt, H cid elb erg /D a rm sta d t, 1969, p p . 113— 116; W illiam S. H eckscher, E rw in P a n o fs k y : A C u rricu lu m V itae, R e c o r d o f the A r t M useum , P rin ce to n U n iversity , Bd. 28, 1, 1969, p p . 1— 2 6 ; H . W . Janson, E rw in P a n ofsk y, Y ear B o o k o f the A m erica n P h ilosop h ica l S ociety , 1969, pp. 151— 160; Lise L o tte M ö ller, E rw in P a n ofsk y

1892— 1968, Jahrbuch der H a m b u rg er K u n st­

sam m lungen, Bd. 14— 15, 1970, p p . 7— 2 0 ; Jan B ialostock i, E rw in P a n ofsk y (1 8 9 2 — 1968), T h in k e r, H istoria n , H u m a n Being, Sim iolus, Bd. 4, 1970, pp. 6 8 — 89, (V ollstä n d ige Fassung in : J. B.,

Studia z Historii Sztuki,

Erwin Panofsky,

W arschau, 1971, p p . 387— 4 2 0 );

H . van de W aal, in : M em oria m E rw in P a n ofsk y, M arch 30, 1892 — M a rd i M ededelingen

der

K on in k lijk e

N ederlandse

A ka d em ie

van

14, 1968,

W etenschappen,

A fd .

L etterk u n de, N ieu w e R eeks, D eel 35, n o. 6, 1972, pp. 227— 244;

17

„Das Problem des Stils in der bildenden Kunst”* A m 7. D e ze m b e r 1911 h ielt H ein rich W ö lfflin in der Preußischen A k a d em ie d er W is­ senschaften einen V o rtra g ü b er das P rob lem des Stils in d er b ild en d en K u n st; dieser V o r tr a g 1, in dem W ölfflin s G ed a n k en ü b er das allgem einste u n d grundsätzlichste P r o ­ b lem d er K unstw issenschaft in system atischer u n d - w enigstens solange die an gek ü n d igte ausführlichere V eröffen tlich u n g n och nicht v o rlie g t - in abschließender W eise fo rm u lie rt sind, ist v o n so h o h e r m eth od isch er B edeutung, daß es unerklärlich u n d u n gerech t­ fe rtig t erscheinen m u ß, w en n w ed er die Kunstgeschichte n och die K u n stp h ilosop h ie bis jetzt zu den darin ausgesprochenen A nsichten Stellung g e n om m en hat. Dieses n achzu ­ h olen soll im fo lg en d en versucht w erden .

I.

Jeder Stil - so b eg in n t W ö lfflin - habe zw eifellos einen b estim m ten A usdru cksgeh alt; im Stil der G o t ik o d e r im Stil der italienischen R enaissance spiegele sich eine Z eitstim ­ m u n g u n d eine Lebensauffassung, u n d in der L in ien fü h ru n g Raffaels k o m m e sein p e r ­ sönlicher C h a ra k ter zu r E rscheinung. A b e r alles das sei erst die eine Seite dessen, was das W esen eines Stiles ausm ache; nicht n u r was er sage, son d ern auch w ie er es sage, sei fü r ih n charakteristisch: die M ittel, deren er sich bedien e, u m die F u n k tio n des A u s ­ drucks zu erfü llen . D a ß R affa el seine L in ien so u n d so gestalte, sei bis zu ein em gewissen G ra d e aus seiner inneren V era n la gu n g zu erklären, daß aber jed er K ü n stler des 16. Jahr­ hunderts, heiße er nun R affael o d e r D ü rer, gerade die L inie, u n d nicht den m alerischen Fleck, als wesentliches A u sd ru ck sm ittel ben u tze, das hänge nicht m eh r zu sam m en m it dem , was m an G esinnung, G eist, T em p era m en t o d e r S tim m u n g nennen k ö n n te , son d ern w erde n u r aus einer allgem einen F o rm des Sehens u n d D arstellens verständlich, die m it irgen dw elch en nach „A u s d r u ck “ verlan gen den In n erlich keiten gar nichts zu tu n habe, und deren historische W a n d lu n gen , u n b eein flu ß t v o n den M u ta tion en des Seelischen, nur als Ä n d e ru n g en des A uges aufzufassen seien. - W ö lfflin unterscheidet also zw ei prin zip iell verschiedene W u rzeln des Stiles, näm lich eine psych ologisch bedeu tu ngslose A nsch au u ngsform u n d einen ausdrucksm äßig in terp retierb a ren Stim m ungsgehalt, u n d es ist daher o h n e weiteres einleuchtend, daß er auch die B egriffe, durch die m an das W esen eines Stils zu bestim m en versucht, in zw ei grundsätzlich verschiedene G ru p p en trennen m u ß : auf der einen Seite die rein form a len , die sich n ur auf die „S eh - u n d D arstellungsw eise“ einer E poch e bezieh en , au f der anderen die sozusagen gehaltlichen, die die E igenart dessen bezeichnen, was (inn erh alb jen er allgem einen darstellerischen M öglichk eiten ) in den H e rv o rb rin g u n g e n einer E poch e, eines V olk es o d e r einer P ersön ­ lichkeit zu m A usdru ck k o m m t. D em

p h ilosop h isch -progra m m a tisch en

Teil, in

dem

diese U n tersch eidu n g gem acht

w ird, läßt W ö lfflin einen praktisch-historischen folg en , in dem er sie an einem speziellen Beispiel erläu tert: er m acht das W esen u n d die A n w e n d u n g derjen igen B egriffe, die

* Verfasser legt Wert auf die Feststellung, daß das Manuskript seines Artikels sich schon Anfang Juli 1915 in den Händen der Redaktion befand.

19

Das Problem des Stils in der bildenden Kunst ih m als rein fo rm a le gelten, dadurch klar, daß er den E n tw ick lu n g sp rozeß v o m H ö h e ­ p u n k t d er cin qu ecen tistisch en K u n st bis zu m H ö h e p u n k t der seicentistischen durch fü n f B egriffspaare charakterisiert,

die ganz ausschließlich die optisch-darstellerischen

G ru n d la gen dieser b eiden Stilepochen bezeichnen sollen : „ D ie A u sb ild u n g der L in ie u n d die E n tw e rtu n g der L in ie zu gun sten des Flecks (lin ear-m alerisch ); die A u sb ild u n g d er Fläche u n d die E n tw ertu n g d er Fläche zu gun sten d er T ie fe ; die A u sb ild u n g der geschlossenen F o rm u n d die A u flö s u n g in die freie, offe n e F o r m ; die A u sb ild u n g eines einheitlichen G a n zen m it selbständigen T eilen u n d das Z u sa m m en zieh en der W irk u n g au f einen o d e r au f w en ige P u n k te (b ei unselbständigen T eile n ); die vollstä n d ige D a r­ stellung d er D in g e (K larh eit im Sinne des gegenständlichen Interesses) u n d die sachlich u n v ollstä n d ige D arstellun g (K larh eit der E rscheinung der D in g e ).“ D iese ze h n K a tegorien sollen - das m u ß besonders b e to n t w erd en - in n erh alb unsrer E rö rte ru n g , die eine rein b egriffsbestim m en de sein w ill, nicht in ih rer em p irisch -h isto­ rischen B erechtigung, son d ern n u r

in ih rer m eth od isch -p h ilosop h isch en B edeu tu n g

disk u tiert w erd en 2. W ir fra gen nicht, o b es gerech tfertigt ist, die E n tw ick lu n g v o m C in ­ q u e ce n to zu m

S eicen to als eine E n tw ick lu n g v o m L in earen zu m M alerischen, v o m

Flächenhaften zu m T iefen h a ften usw . aufzufassen, son d ern w ir fragen, o b es gerecht­ fe rtig t ist, die E n tw ick lu n g v o m Linearen zu m M alerischen, v o m Flächenhaften zu m T ie fe n h a fte n als eine b lo ß fo rm a le zu bezeich n en ; w ir fragen nicht, o b W ölfflin s Kate-· g o rie n - die hinsichtlich ih rer K la rh eit u n d ih rer heuristischen Z w eck m ä ß ig k eit ü b er L o b u n d Z w e ife l erhaben sind - die generellen S tilm om en te der R enaissance- u n d Ba­ rock k u n st z u tre ffen d bestim m en , son d ern w ir fragen , o b die S tilm om en te, die sie b e­ stim m en , w irk lich als b lo ß e D a rstellu n gsm od alitäten h in zu n eh m en sind, die als solche k ein en A u sd ru ck haben, son d ern „a n sich fa rb los, Farbe, G efü h lston erst gew in nen , w en n ein b estim m ter A usdru cksw ille sie in seinen D ien st n im m t“ .I. II. 1. „ A u g e “ u n d „G e sin n u n g “ . W en n W ö lfflin zu g ib t, daß die A r t, w ie R affael u n d D ü rer ih re L in ien fü h re n , aus ih rer in n eren „G e s in n u n g “ verständlich w erd en k an n u n d daher A usdrucks w e rt besitzt, dabei aber bestreitet, daß die Tatsache, daß R affael u n d D ü re r L in ien fü h re n (anstatt Flecken n ebenein ander zu setzen), auch v o n einer in n eren G e ­ sinnung b e d in g t sein k ö n n te (näm lich v o n der gesam ten E poch e), u n d dah er auch A u s ­ dru cksw ert besitzen w ü rd e - w en n er die A r t, w ie der K ü n stler des 16. Jahrhunderts die F läch en anordn u ng gestaltet, die K o m p o s itio n zu einer geschlossenen E in heit zusam ­ m e n n im m t, die B ildelem en te k o o r d in ie r t u n d die F o rm der O b je k te vollstä n d ig k la r­ legt, als ausdrucksbedeutsam betrachtet, dabei aber die Tatsache, daß dieser K ü n stler flächenhaft a n o rd n et statt tiefen m ä ß ig, d er G eschlossenheit zu streb t statt d er freien A u flö su n g , k o o r d in ie r t statt zu su b ord in ieren , u n d das V ollstä n d ige w ill statt des A n d e u te n d -U n v o llstä n d ig en , fü r v ö llig ausdrucksindifferent erk lä rt: so b eru h t diese eigen­ tüm lich strenge T ren n u n g v o n gehaltlichen A u sd ru ck sm om en ten u n d form a len D a r­ stellu n gsm om en ten letzten Endes auf der A nschauung, daß in dem allgem einen „ M o d u s “ der D arstellun g, in ihrer L inearität, ih rer Flächenhaftigkeit, ih rer G eschlossenheit n u r eine bestim m te „ O p t ik “ sich offen b a re, n u r ein bestim m tes „V erh ä ltn is des A uges zu r

20

Das Problem des Stils in der bildenden Kunst W e lt“ , das v o n der P sy ch olog ie einer Z e it vollstä n d ig u n a b h ä n gig w ä re3. Ist dem n un aber w irk lich so? D ü rfe n w ir w irk lich sagen, daß es n u r das A u g e ist, dessen verä n d erte E instellung ba ld einen m alerischen, bald einen linearen, b a ld einen su b ord in ieren d en , ba ld einen k o o rd in ie re n d e n Stil h e rv o rtre ib t? U n d w en n w ir uns dazu versteh en w ü r ­ den, uns so auszudrücken, d. h. die M öglich k eiten des L in earen usw . optische M ö g lich ­ keiten zu nennen, u n d das, was fü r die W ah l der einen o d e r der anderen b estim m en d ist, als eine b eson d ere V erhaltungsw eise des A u ges zu bezeichnen, d ü rften w ir dann w o h l dieses „ A u g e “ n och als ein so ganz organisches, so ganz u npsych ologisch es In ­ stru m en t betrachten, daß sein V erhältn is zu r W e lt v o m V erhältn is der Seele z u r W elt grundsätzlich unterschieden w erd en k ön n te? D iese Fragestellung deu tet bereits auf den P u n k t, w o eine K ritik d er W ölfflin sch en L ehre einzusetzen hat. - D ie B egriffe des „S ehens“ , des „A u g e s “ , des „O p tis ch e n “ haben kein en absolu t ein deu tigen Sinn, son d ern sie k ö n n e n im Sprachgebrauch d er E in zel­ wissenschaften in zw ei verschiedenen B edeu tu n gen v e rw a n d t w erd en , die in nerhalb einer m e th o d o lo gisch en U n tersu ch u ng natürlich streng geschieden w erd en m üssen: in einer eigentlichen u n d in einer ü bertragen en. In d er streng gefaßten B edeu tu n g des W o rte s ist das A u g e das O rg a n , das dem M enschen eine zunächst n u r su b jek tiv em p ­ fu n d en e, dann aber durch eine B ezieh un g des E m p fu n d en en au f die apriorische A n ­ schauung des abstrakten R aum es o b je k tiv ie rte „W irk lich k e it“ schenkt, deren W a h r­ n eh m u n g als optisches E rlebnis o d e r Sehen bezeich n et w erd en kann. W e r diesen, p h y sio lo g isch -o b je k tiv e n , B egriff des Sehens seiner B esinnung zu m G ru n d e legte, der w ü rd e in d er T a t m it v o lle m R ech t beh aupten d ü rfen , daß das Sehen einer „u n te r e n “ , diesseits alles A usdru cksh aften liegenden Sphäre der künstlerischen B etätigu n g an gehöre, u n d m it G e fü h l o d e r T em p era m en t nicht das m indeste zu tu n habe - d en n es geschieht nur

durch παθήματα τής φύσεως, durch

K u r z - o d e r W eitsich tigkeit, A stigm atism u s

o d e r Farbenschw äche, daß das G esichtsbild des einen v o n dem des anderen verschieden ist; aber ein solcher m ü ß te dan n auch zu geben, daß das Sehen in diesem Sinne bei der A u sb ild u n g eines Stiles ü b erh a u p t keine R o lle spielt: das A u g e als O rga n , das n u r fo r m a u fn ehm end, nicht fo rm b ild e n d w irk t, w eiß nichts v o n „m a lerisch “ , nichts v o n „fläch en ­ m ä ß ig “ , nichts v o n „gesch lossener“ o d e r „o ffe n e r “ A n sch au u n gsform . Das Sehen in des W o rte s u n ü b ertra gen er B edeu tu n g liegt diesseits allen A usdrucks, aber auch diesseits dessen, was W ö lfflin „ O p t ik “ n enn t. Es ist daher auch v ö llig zw eifellos, daß die B egriffe des Sehens, des A uges, o d e r des O p ­ tischen, w o sie bei W ö lfflin uns begegn en, in diesem ih rem eigentlichen Sinne n ich t v e r­ standen w e rd e n k ö n n e n ; er ist b estim m t unen dlich fe rn v o n der B ehauptung, daß die K ünstler des 17. Jahrhunderts du rch w eg eine anders k on stru ierte N etzh a u t o d e r eine anders g e fo rm te Linse besessen hätten , als die des 16., u n d er w ü rd e sicher n ich t bestrei­ ten, daß das rein ph ysiologisch W a h rg en om m en e - d er P h otog ra p h ie vergleichbar - v o n v o rn h e re in w e d e r linear n och m alerisch, w ed er flächenhaft n och tiefen m äß ig ist, son dern daß es, w ie er selbst sich ausdrückt, erst auf eine lineare o d e r m alerische, flächenhafte o d e r tiefen m ä ß ige „F o r m gebracht w ir d “ . W as aber h eiß t n u n das: ein Gesehenes auf eine F o rm b rin gen ? W e r ist im stande, die - im Sinne des Ä sthetischen - n och v ö llig u n g e fo rm te G egeb en h eit eines W ah rn eh m u n gsorgan s im Sinne eines diesem W a h rn eh -

21

Das Problem des Stils in der bildenden Kunst m u n gsorga n selbst ganz frem d en künstlerischen F orm schem as zu in terp retieren ? D ie A n t w o r t k an n n u r eine sein: die Seele. U n d d am it hat die in ih rer sprachlichen P rägnanz zunächst so ü b erzeu gen d e A n tith ese: hie G esinnung, d o r t O p tik , hie G efü h l, d o r t A u g e - a u fg eh ört, eine A n tith ese zu sein. So gew iß die W ah rn eh m u n gen des Gesichts n u r durch ein tätiges E in greifen des Geistes ihre lineare o d e r m alerische F o rm gew in n en k ö n n e n , so gew iß ist die „op tisch e E in stellu ng“ streng g en o m m e n eine geistige E instel­ lu n g zu m O ptisch en , so gew iß ist das „V erh ä ltn is des A uges zu r W e lt“ in W a h rh eit ein V erhältnis d er Seele zu r W elt des A uges. W en n aber s om it das, w o d u rch b estim m t w ird , o b eine E poch e linear o d e r m alerisch, flächenhaft o d e r tiefen h a ft, k o o rd in ie re n d o d e r su b ord in ieren d „s ie h t“ , de fa c to nicht ein bestim m tes V erh a lten des A uges, son d ern der Seele ist, dann m u ß schon in d er b lo ß e n Tatsache, daß ein Stil sich fü r die eine o d e r die andere dieser b eid en F orm u n gsm öglich k eiten entscheidet, das V erhalten der Seele (u n d was anders als ein V erhalten d er Seele ist es, was w ir m it T em p era m en t, G esin nu n g o d e r G e fü h l bezeichnen?) in die E rscheinung treten 4. So d a rf denn als erw iesen gelten, daß die fü r eine K u n step och e typische D arstellungsart, die L inearität o d e r die Fleckenh a ftigk eit, die flächen- o d e r tiefen m äßige K om p osition sw eise, u n d vollen d s gar die G e ­ schlossenheit o d e r die G elösth eit der G esa m ta n ord n u n g5, t r o t z ihrer in tersu b jektiven V e rb in d lich k e it nicht leere F o rm ist, son d ern einen bestim m ten eigenen A u sd ru ck sw ert besitzt. A ls generelles S tilm om en t unterscheidet sie sich v o n den in d ivid u ellen (d er H ä rte o d e r G eschm eidigkeit der L inie, der M assigkeit o d e r L ock erh eit d er F lecken­ system e usw .) zw a r dadurch, daß sie nicht das persön lich e G efü h l eines einzelnen In d i­ vidu u m s, so n d e rn n u r die ü b erpersönlich e G esin nu n g einer ganzen E poch e offen b a ren kann, aber dieser U nterschied ist n u r ein U n tersch ied des U m fan gs u n d des G rades, nicht des W esens: die D a rstellu n gsm od i sind der u n d ifferen zierte A usdru ck einer g roß en Pluralität, aber sie sind A usdru ck. D ie U n tersch eidu n g zwischen ausdrucksleeren u n d ausdrucksbedeutsam en S tilm om en ten erw eist sich also als eine dialektische: sie beru h t im G ru n d e auf einem u n b ew u ß ten Spiel m it zw e i verschiedenen B edeu tu n gen des B egriffes „S eh en “ . D ie übertragen e A u s ­ dru cksw eise: v o n einer K unst, die Gesehenes im Sinne des M alerischen o d e r L inearen ausdeutet, zu sagen, daß sie linear o d e r malerisch sieht, n im m t W ö lfflin sozusagen b eim W o rt, u n d hat - indem er nicht berücksichtigt, daß, so gebraucht, der B egriff gar nicht m eh r den eigentlich optischen, son d ern

einen seelischen V o rg a n g b ezeich n et -

dem

k ü n stlerisch -p rod u k tiven Sehen diejenige Stellung angew iesen, die dem n a tü rlich -rezep ­ tiven g e b ü h rt: die Stellung u nterhalb des A usdru cksverm ögen s. In W a h rh eit aber hat das Sehen en tw ed er m it den expressiven T en d en zen der K u n st w irklich nichts gem ein, w eil es die G egenstände des schöpferischen Prozesses nur gibt, nicht fo r m t - dann kann es aber aus dem selben G ru n d e ü b erh a u p t keinen E influß auf den Stil besitzen; o d e r es besitzt diesen E influß, w eil es die G egenstände des schöpferischen Prozesses n ur fo r m t, nicht gibt, dann ist es aber eine m eh r-als-optisch e Betätigung, deren E igenart in ih rem E rzeugnis n otw en d igerw eise zu m A u sd ru ck k o m m e n m u ß. 2. „ F o r m “ u n d

„In h a lt“ . M it der D istin k tio n zwischen ausdrucksbedeutsam en und

nicht ausdrucksbedeutsam en S tilm om en ten b ea n tw ortet sich fü r W ö lfflin auch die b e ­ rü hm te Frage nach der B egrenzu n g der B egriffe „ F o r m “ u nd „In h a lt“ . Inhalt ist ihm

22

Das Problem des Stils in der bildenden Kunst das, was selbst A u sd ru ck hat - F o rm das, was dem A u sd ru ck b lo ß d ien t; In h alt die G e ­ sam theit dessen, was durch die K ategorien der „op tisch en M ög lich k e ite n “ nicht g etroffen w ird , d. h. die „b eson d ere S ch ön h eitsem p fin d u n g“ , der „b eson d ere G ra d v o n N aturalis­ m u s“ u n d (w ie w ir h in zu fü g en d ü rfen , da ja die L in ien fü h ru n g, die F läch en disposition usw . in ih rer spezifischen E igenart auch v o n W ö lfflin als ausdrucksbedeutsam anerkannt w ird ) das beson d ere B ew egu ngs-, R a u m - o d e r F arbgefü h l eines K ünstlers o d e r einer E poch e - F o rm der allgem eine D arstellun gsm odu s, m it dessen H ilfe diese m eh r o d e r m in d e r in d ivid u ellen T atbestände gleichsam n ur m itteilb a r gem acht u n d dem B etrachter d a rgeb oten w erden . - Es ist o h n e weiteres klar, daß w ir, die w ir im v o rig e n die A u s ­ dru cksin differenz d er D arstellu n gsm od i nicht zu geb en k o n n te n , auch h ier E in w än de m achen m üssen u n d W ölfflin s U n tersch eidu n g zw ischen F o rm u n d Inhalt n ur m it b e ­ son deren V o rb e h a lten w erd en anerkennen d ü rfen . W e n n W ö lfflin sagt: „E s k ö n n e n ganz verschiedene Inhalte in einem gem einsam en M o ­ dus zu r Erscheinung k o m m e n : n u r die darstellerischen M öglich k eiten einer Z e it sollen dam it u m schrieben sein“ , so ist dieser Satz in seiner E inschränkung auf die K u n ster­ zeugnisse „e in e r Z e it “ durchaus berechtigt. A llein w en n W ölfflin s L ehre G eltu n g haben sollte, so d ü rfte er nicht n u r in dieser E inschränkung berech tigt sein: W äre es richtig, daß d er M o d u s der D arstellun g „a n sich fa rb los Farbe, G efü h lston erst g ew ön n e, w en n ein b estim m ter A usdru cksw ille ihn in seinen D ien st n ä h m e“ - m ü ß te es dann dem A u s­ drucksw illen nicht v ö llig gleich sein, w elchen M od u s er ergriffe? W äre es richtig, daß die allgem ein -cin quecen tistisch e D arstellu n gsform , m it deren linearen M itteln D ü re r u n d R affael ih rem A usdru cksstreben G en ü ge taten, eben so w ie die allgem ein-seicentistische, m it deren m alerischen M e th o d e n R u b en s u n d S alvator R osa das ih rige v erw irk lich ten , nichts anderes w äre, als ein leeres G efä ß , das einen seelischen G eh alt nicht eher b irgt, als bis m an ihn h in ein legt - m ü ß te m an sich dann nicht vorstellen k ö n n en , daß diese G efäße vertauschbar w ären? D aß dieser Fall in W a h rh eit nicht einm al d en kb a r ist8, g ib t uns ein R ech t zu d er Be­ h auptun g, daß sich die p ersön lich -expressive T en d en z eines B ildkünstlers zu den allge­ m einen F o rm e n des Linearen u n d des M alerischen nicht anders verhält, als die p ersön ­ lich-expressive T en d en z eines M usikers zu den allgem einen F orm en des P o ly p h o n M elodischen u n d des H o m o p h o n -H a r m o n is c h e n 7. W ie alle Fugen, m ag sich auch in ihrem them atischen, rh yth m isch en , h arm on isch en A u fb a u eine noch so g ro ß e V erschie­ d en heit des in d ivid u ellen G efüh les offen b a ren , d en n och n u r deshalb, w eil sie Fugen sind, in einer G leichheit ih rer elem entarsten A usdru cks-G este sich begegn en (so daß K ünstler, denen die F u g en form nicht m eh r selbstverständlich w ar, m it v o lle m B ew u ß t­ sein auf sie zu rückgriffen , u m diese A usdrucksgeste zu erreichen), - u n d w ie u m gek eh rt ein Sonatensatz, n u r w eil er ein Sonatensatz ist, m it einer Fuge auch dann, w en n es m öglich w äre, ih n in T hem a, T a k t u n d M o d u la tio n ih r aufs äußerste anzunähern, d en ­ n och niem als ausdrucksidentisch w erd en k a n n : so müssen auch in der B ildku n st zw ei in ihrer in d ivid u ellen W esensart so gru ndversch ieden e W erk e w ie D ürers H olzsch u h er u n d R affaels C a stiglion e n u r dadurch, daß beide v o n den gleichen allgem einen F o r m p r in ­ zipien beherrscht w erden , in ein em letzten Sinne ausdrucksverw andt erscheinen, u n d u m gek eh rt, w e n n H o lb e in 100 Jahre nach seinem T o d e als derselbe hätte w ied erk eh ren

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Das Problem des Stils in der bildenden Kunst u n d denselben G e o rg G isze, n u r in der neuen F o rm des 17. Jahrhunderts, n och einm al h ätte p orträ tie ren k ön n en , so h ätte er nie ein W e rk desselben A usdrucks h e rv o rg e ­ bracht. D a m it aber w ird es deutlich, w ie unendlich w eit w ir, w en n w ir m it W ö lfflin alles aus­ drucksm äßig Bedeutsam e u n ter den B egriff des „In h a ltlich en “ stellen w o lle n , in d er A n w e n d u n g dieses B egriffes gehen m üssen: so gew iß einerseits - w ie b eim H o lzsch u h er u n d b eim C astiglion e - die gleiche „ F o r m “ ausreicht, u m v ö llig verschiedenen In d iv id u a l-„In h a lte n “ gleichsam dieselbe Farbe zu verleihen, und so gew iß andererseits — in dem ausgedachten Fall des G e o rg G isze - auch die v o llk o m m e n s te Ü b erein stim m u n g aller „in h a ltlich “ -in d iv id u ellen M o m e n te nicht genügen w ü rd e, u m zw ei verschieden „ g e ­ fo r m t e n “ W e rk e n die A usdru cksgleichh eit zu garantieren, so gew iß g reift die „ F o r ­ m u n g “ (selbst die d en kb a r allgem einste) m it k on stitu tiv e r K ra ft auf die „In h a lts“ Sphäre ü b er, u n d so gew iß ist ih re stilistische B edeu tsam keit bereits den „in h a ltlich en “ W e rte n zu zurech n en . D a ß R affael u n d D ü re r ihre W erk e auf eine gem einsam e F o rm b rin g e n k o n n te n , b ed eu tet letzten Endes, daß sie gewisse in tersu b jektive, v o n ih rem In d ivid u a lb ew u ß tsein gleichsam ü berdeckte Inhalte gem einsam h a tten ; u n d daß, w ie W ö lfflin sagt, „d e r gleiche Inhalt zu verschiedenen Z eiten nicht in gleicher W eise aus­ ged rü ck t w erd en k ö n n t e “ h eiß t in W ah rh eit, daß ein gleicher Inhalt zu verschiedenen Z e ite n ü b erh a u p t nicht ausgedrückt w erd en kan n, w eil schon die F orm , die er in der einen E poch e a n nim m t, an seinem eigenen W esen solchen A n te il hat, daß er in der F orm einer andern gar nicht m eh r er selber w äre. D a diese Ü b erlegu n g uns b estim m en m u ß , die v o n W ö lfflin vorgeschlagene U n tersch ei­ du n g v o n F o rm u n d Inhalt fallen zu lassen, so w erd en w ir zu der h a n dw erklich eren , v o n d er K u n stp h ilosop h ie freilich keinesw egs im m er versch m äh ten 8 U n tersch eidu n g zw ischen F o rm u n d G egenstand zu rü ck zu k eh ren haben, die m it R ech t den B egriff der A usdru ck sbedeutsam keit ganz aus dem Spiele läßt, u n d m it „ F o r m “ einfach das ästhe­ tische M o m e n t dessen bezeichnet, was nicht G egen stan d ist, d. h ., was nicht durch einen o b je k tiv e n

E rfa h ru n gsb egriff ausgedrückt w erd e n kan n. D a n n w ü rd e nicht n u r die

m alerische o d e r lineare, flächenhafte o d e r tiefen hafte D arstellungsw eise im allgem einen, son d ern - im G egensatz zu r V orstellu n g des w iedergegebenen O b jek ts - auch die F ü h ­ rung der L inie, die A n o r d n u n g der Flecken, die K o m p o s itio n der Flächen- o d e r T ie fe n ­ elem ente in ih rer in d ivid u ellen B eson d erh eit u n ter dem B egriff der „ F o r m “ zu befassen sein; aber gerade auch dann w ü rd e sich die v o n W ö lfflin gestellte u n d erfü llte F o rd e ­ ru n g : jen e generellen F orm en v o n diesen speziellen a b zu son d ern u n d sie durch eigene k ategoriale B ezeichnungen v o r denselben auszuzeichnen, als durchaus b erech tigt er­ w eisen. W en n sich auch die allgem eine F o rm des L inearen o d e r des M alerischen v o n der b eson d eren F o rm der L in ien o d e r der Flecken nicht w esentlich unterscheidet - da ja auch ih r die A usdru cksbedeutsam keit n ich t abgeh t - , so unterscheidet sie sich d a v o n d och gra d u ell: daß ein K ü n stler die lineare statt der m alerischen D arstellungsw eise w äh lt, bed eu tet, daß er sich, m eist u n ter dem E influß eines allm ächtigen u n d ih m daher u n b e w u ß te n Z eitw illen s, auf gewisse M ög lich k eite n des Darstellens einschränkt; daß er die L in ien so u n d so fü h rt, die Flecken so u n d so setzt, b edeu tet, daß er aus der im m er n o ch unen dlich en M a n n igfa ltigk eit dieser M ög lich k eiten eine einzige herausgreift u n d

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Das Problem des Stils in der bildenden Kunst verw irk lich t. D ie b eson d ere (In d iv id u a l)-F orm

ist also sozusagen die A ktu a lisieru n g

u n d D ifferen zieru n g d er allgem einen, die daher als die p oten tielle F o rm fü r ein K u n st­ w e rk v o n d er aktuellen F o rm eines K unstw erks scharf unterscheidbar ist, u n d deren ein zeln e M o m e n te m it v o lle m R ech t in ein beson deres K a tegorien system ein g eord n et w erd en k ö n n e n . U n d auch darin w ird W ö lfflin beizu stim m en sein, daß es die erste A u f ­ gabe d er Kunstgeschichte sein m ü ß te, diese K a tegorien au fzudecken u n d auszubilden. W ie die M usikgeschichte - d en n auch fü r die gegenstandslose T on k u n st, die ganz F orm , dabei je d o ch ganz A u sd ru ck ist, gilt der U nterschied zw ischen allgem einer p oten tieller u n d b eson d rer aktueller F o rm - , n och ehe sie In d ivid u a litä ten charakterisiert, die m e lo ­ dische u n d h arm onische K u n s tfo rm als solche m it ihren verschiedenen U n tera rten (Fuge, O ra to riu m , Sonate, S y m p h on ie u sw .) in ih rem W esen u n d in ih rer E n tw ick lu n g zu b egreifen versuchen w ird , so w ird auch die G eschichte der b ild en d en K u n st allererst die allgem einen „darstellerischen M ög lich k eiten “ der verschiedenen S tilepochen festzustellen u n d au f im m e r klarere u n d feinere B egriffe zu b rin gen h a b en ; sie w ird dabei aber nie vergessen dü rfen , daß die K unst, in d em sie sich fü r die eine dieser M ög lich k eiten en t­ scheidet u n d dadurch auf die anderen verzich tet, sich n ich t n u r auf eine b estim m te A n ­ schauung der W elt, son d ern au f eine bestim m te W eltanschauung festlegt. Schluß D ie L ehre v o n einer d op p e lte n W u rzel des Stils k an n also - w en n w ir zu m Schluß unsre E rgebnisse zusam m enfassen - nicht w o h l aufrecht erhalten w erd en . D as in d iv i­ duelle A usdrucksstreben, das den ein zeln en K ü n stler zu einer n u r ih m eigentüm lichen F o rm g e b u n g u n d zu einer p ersön lich en A u ffassu n g o d e r B estim m u ng des G egenstandes fü h rt, äußert sich zw a r in allgem einen F orm en , aber diese selbst sind ihrerseits nicht w en iger aus einem A usdru cksstreben h erv org eg a n g en : aus einem der ganzen E poch e gew isserm aßen im m an enten G estaltu n gs-W illen , der in einer grundsätzlich gleichen V erhaltungsw eise der Seele, nicht des A uges, b egrü n d et ist. D e r Satz, daß die „ O p t ik “ des 17. Jahrhunderts eine m alerische, tiefen m äßige usw . w ar, k lin g t zw ar, als weise er in dieser „ O p t ik “ etwas nach, w orau s h erv org eh t, daß das 17. Jah rhu n dert m alerisch u n d tiefen m ä ß ig darstellen m u ß te ; in W a h rh eit aber besagt er nichts w eiter, als daß das 17. Jah rhu n dert m alerisch u n d tiefen m ä ß ig darstellte: er enthält die F orm u lieru n g, nicht die B egrün du ng der zu untersuchenden Tatsachen. M it anderen W o r te n : daß die eine E poch e linear, die andere m alerisch „sie h t“ , ist nicht S til-W u rzel o d e r Stil-U rsache, son d ern ein S til-P h än om en , das nicht E rkläru ng ist, son d ern der E rkläru ng bedarf. Es ist nun gew iß nicht zu leugnen, daß bei so allum fassenden K ulturerscheinungen eine w irk liche E rkläru ng, die in d er A u fz e ig u n g einer Kausalität bestehen m ü ß te, w o h l niemals m öglich ist; sie w ü rd e eine so tiefe zeitpsychologisch e Einsicht, u n d zugleich eine so g ro ß e innere U n b eteiligth eit voraussetzen, daß w ed er die H erb eizieh u n g u n d A usdeu tu n g kulturgeschichtlicher Parallelen, n och auch die m it dem G eist d er verschie­ denen E poch en sich gleichsam iden tifizierende „E in fü h lu n g “ jem als zu m Z iele fü h ren d ü rfte. A llein , w en n die wissenschaftliche E rken n tn is deshalb die

historischen u n d

psych ologisch en Ursachen der allgem einen künstlerischen D a rstellu n gsform en nicht auf­ zu zeigen verm ag, so m ü ß te es u m so m eh r ih re A u fg a b e sein, den m ethistorischen und

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Das Problem des Stils in der bildenden Kunst m etapsych ologisch en Sinn derselben zu erforschen, d. h. zu fragen, was es - v o n den m etaphysischen G ru n d b ed in g u n g en des Kunstschaffens aus betrachtet - bedeu te, daß eine E poch e linear o d e r m alerisch, flächenhaft o d e r tiefen h a ft darstellt; der M ög lich k eit aber, diese unendlich fru ch tbare Frage auch n ur zu stellen, w ü rd e sich die K u n stbetrach ­ tu n g selbst berau ben, w en n sie in den g roß en darstellerischen P hän om en en , anstatt sie als die ausdrucksvollen A u sw irk u n gen des Geistes aufzufassen, die sozusagen n atu rge­ setzlich d eterm in ierten u n d daher in kein er W eise m eh r deu tbaren M od a litä ten des Sehens erblick en w ollte. 1

1 Abgedruckt in den „Sitzungsberichten der Kgl. Preuß. Akad. der Wissenschaften“ Bd. XXXI (1912), S. 572 ff. Auch als Sonderdruck erhältlich. 2 Wir können daher auch nicht darauf eingehen, in welcher Weise Wölfflin die Subsumption der historischen Erscheinungen unter diese Begriffe vornimmt, es ist, was diese Frage angeht, auf den Vortrag selbst zu verweisen, sowie auf einen Aufsatz im „Logos“, 1913, S. 1 ff. „Uber den Begriff des Malerischen“, der auch im „Kunstwart“ XXVI, S. 104 ff. abgedruckt ist. 3 „. . . nicht, weil die Gefühlstemperatur sich geändert hat, sondern weil die Augen sich geändert haben“. „. . . die allgemeine optische Form . . . Diese Form hat ihre eigene Geschichte“. 4 So hat ja Wölfflin selber festgestellt (in dem zit. Logosaufsatz), daß sich in der malerischen Dar­ stellungsweise z. B. eine völlig andere Auffassung von der Objektivität der Außenwelt offenbart, als in der linearen, was doch sicher über das bloß Optische erheblich hinausgreift. 5 Es ist hier anzumerken, daß die Ausdrucksindifferenz der geschlossenen und frei-offenen Form von Wölfflin selbst nicht ohne Bedenklichkeit und Neigung zu einem Kompromiß behauptet wird: „Es ist nun freilich nicht zu leugnen, daß eine ,freie* Komposition von vornherein als anderen Geistes erscheint als eine strengere und geschlossenere und daß also hier der Verdacht naheliegt, es sei bei jeder derartigen Verschiebung ein Ausdruckswille im Spiel. Allein darauf kommt es ja nicht an, was für einen Eindruck wir rückschauend von der einen Darstellungsart im Gegensatz zur anderen empfangen: für das 17. Jahrhundert war die freie Art so sehr der allgemeine Darstellungsmodus geworden, daß er an sich keine bestimmte Farbe mehr hatte, d. h.

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Das Problem des Stils in der bildenden Kunst nicht im Sinne eines bestimmten Ausdrucks wirken konnte. Was natürlich nicht ausschließt, daß auch innerhalb dieses Stils möglich war, gewisse ganz freie Kompositionsformen ausdrucksmäßig zu verwenden.“ Wir möchten dazu noch folgendes sagen dürfen: daß die Epoche, die sich eines bestimmten Darstellungsmodus bediente, sich selbst der Ausdruckshaftigkeit desselben nicht bewußt war, beweist nichts dagegen, daß er ausdruckshaft ist; denn wir haben es nicht mit dem empirischen Subjekt, das eine Kunst machte oder für das sie gemacht wurde, zu tun, sondern mit der Kunst selbst, nicht mit dem, was die Hervorbringungen der Menschen beabsichtigen und im Augenblick erreichen, sondern - gleich dem Erkenntnistheoretiker - mit dem, was in ihnen liegt: eine unwillkürliche Geste kann ohne eine Spur von Ausdrucksabsicht eminent ausdrucksvoll sein, und wenn wir nur das, was ein Künstler und seine Zeitgenossen selbst als ausdrucksbedeut­ sam vorstellten, als ausdrucksbedeutsam anerkennen wollten, so müßten wir auch die individuelle Formgebung (Linienführung, Fleckanordnung usw.), deren expressiver Wert in früheren Zeiten sowohl dem Publikum als namentlich den Künstlern höchst selten zum Bewußtsein gekommen ist, in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle als ausdrucksindifferent betrachten. tt Was Wölfflin selbst keinen Augenblick verkannt hat; das beweist der Schlußpassus seines Auf­ satzes „Über den Begriff des Malerischen“. Allein er hat aus dem Satze: „mit jeder neuen Optik ist auch ein neues Schönheitsideal (scilicet: ein neuer Inhalt) verbunden“ nicht die - gleichwohl notwendige - Folgerung gezogen, daß dann eben diese „Optik“ streng genommen gar keine Optik mehr ist, sondern eine bestimmte Weltauffassung, die, über das „Formale“ weit hinaus­ gehend, die „Inhalte“ mit konstituiert. 7 Womit aber kein historischer Parallelismus behauptet, sondern nur ein begriffliches Analogie­ verhältnis konstruiert werden soll. 8 Etwa: Broder Christiansen, Philosophie der Kunst, 1908, S. 60 ff.

Der Begriff des Kunstwollens1 Es ist der Fluch und der Segen d er K unstw issenschaft, daß ihre O b je k te m it N o t w e n d ig ­ k eit den A n sp ru ch erheben, anders als n u r historisch v o n uns erfa ß t zu w erd en . E ine rein historische B etrachtung, gehe sie nun inhalts- o d e r form geschichtlich v o r , erklärt das P h ä n om en K u n stw erk stets n u r aus irgen dw elch en anderen P hän om en en , nicht aus einer E rken n tn isqu elle h öh e re r O r d n u n g : eine b estim m te D arstellun g ik on ogra p h isch zu rü ck v erfolg en , einen b estim m ten F o r m k o m p le x typengeschichtlich o d e r aus irg en d ­ w elchen b eson d eren Einflüssen ableiten, die künstlerische L eistung eines bestim m ten M eisters im R a h m en seiner E poch e o d e r sub specie seines in divid u ellen K unstcharakters erklären, h eiß t innerhalb des g roß en G esa m tk om p lexes d er zu erforsch en d en reälen E rscheinungen die eine auf die andere zu rückbeziehen , nicht v o n einem außerhalb des Seins-Kreises fixierten archim edischen P unkte aus ihre absolute Lage u n d B edeutsam keit bestim m en : auch die längsten „E n tw ick lu n gsreih en “ stellen im m er n u r L in ien dar, die ihre A n fa n g s- u n d E n d p u n k te innerhalb jenes rein h istorischen K om p lex es haben müssen. D ie politisch e Geschichte, als G eschichte des m enschlichen H an deln s gefaßt, w ird sich m it einer solchen Betrachtungsw eise zu fried en geben m üssen - u n d auch zu fried en geben k ö n n e n : das P h ä n om en d er H a n d lu n g m u ß seinem B egriffe nach, d. h. als b lo ß e V e r ­ schiebung, nicht fo rm e n d e B ew ältigu ng der W irklich keitsinh alte2, durch rein historische E rforsch u n g v o ll ersch öp fb a r sein, ja einer nicht historischen B etrachtung w iderstreben . D ie künstlerische T ätigkeit aber unterscheidet sich in sofern v o n dem allgem eingeschicht­ lichen Geschehen (u n d b erü h rt sich in sofern m it der E rkenntnis), als ih re L eistungen nicht Ä u ß eru n g en v o n S u bjekten darstellen, son d ern F orm u n g en v o n S toffen, nicht B e­ gebenheiten, son d ern Ergebnisse. U n d dam it erh eb t sich v o r der K u n stbetrachtun g die F ord eru n g - die auf p h ilosop h isch em G ebiete durch die E rken n tn isth eorie b efried ig t w ird - , ein E rk läru n gsp rin zip zu finden, auf G ru n d dessen das künstlerische P h ä n om en nicht n ur durch im m er w eitere V erw eisu n gen an andere P hän om en e in seiner E xistenz begriffen, son d ern auch durch eine u n ter die Sphäre des em pirischen Daseins h in a b ­ tauchende Besinnung in den B edin gu n gen seiner E xistenz erkan nt w erd en kann. Diese F ord eru n g bedeu tet, w ie gesagt, Fluch u n d Segen: Segen, w eil sie die K unstw issen­ schaft in einer dauernden Spannung erhält, ständig die m eth od ologisch e Ü b erleg u n g h er­ au sford ert u n d uns v o r allem im m er w ied er daran erin n ert, daß das K u n stw erk K u n st­ w erk ist, nicht ein beliebiges historisches O b je k t, - Fluch; w eil sie eine schw er erträgliche Unsicherheit u n d Z ersp litteru n g in die Forschung h ineintragen m u ßte, u n d w eil das Stre­ ben nach der A u fd eck u n g v o n G esetzm äßigkeiten vielfach zu R esultaten g efü h rt hat, die en tw eder m it dem Ernste einer wissenschaftlichen A nschauung nicht zu verein en sind o d e r aber dem E in zigkeitsw ert des in divid u ellen K unstw erkes zu nahe zu treten schei­ nen: zu einem puritanischen R ation alism u s im Sinne der n orm a tiv en Ä sth etik , zu einem v ö lk e r- o d e r einzelpsych ologisch en E m pirism us im Sinne der L eip ziger Schule u n d der zahlreichen T h e oretik er des „künstlerischen Schaffensprozesses“ , zu einer w illkü rlich k o n stru k tiv e n Spekulation im Sinne W orrin g ers o d e r zu unklarer B egriffsverschlingung im Sinne Burgers. K ein W u n d e r daher, w en n nicht die Schlechtesten u n ter den neueren

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Der Begriff des Kunstwollens M e th o d o lo g e n der K unstw issenschaft, skeptisch g ew ord en , en dgültig das einzige H e il in der rein historischen Betrachtungsw eise erblickten 3 - k ein W u n d er aber auch, w en n auf der anderen Seite F orscher auftraten, die sich m it G ew issen h aftigkeit, p h ilo s o p h i­ schem K ritizism u s u n d auf G ru n d um fassendster M aterialkenntnis der A u fg a b e u n ter­ z o g e n , tr o t z allem zu r m eh r-a ls-p h ä n om en a len E rfassung der K unsterscheinungen v o r ­ zu d rin gen . D e r bedeu ten dste V ertreter dieser ernsten K u n stp h ilosop h ie d ü rfte A lo is R ieg l sein. D u rch seine zeitliche Stellung sah dieser g roß e F orscher sich jed och g en ötig t, b e v o r er sich der E rken n tn is der dem künstlerischem Schaffen zu gru n d e liegenden G esetzm ä ß ig­ k eiten zu w en d en k on n te, zunächst die dabei vorau szusetzende, zu seiner Z e it aber durchaus nicht anerkannte A u t o n o m ie desselben gegen ü ber den vielfältigen A b h ä n g ig ­ keitsth eorien , v o r allem gegen ü ber der m aterialistisch-technologischen A u ffa ssu n g G o t t ­ fried Sem pers, sicherzustellen. Dieses tat er durch die E in fü h ru n g eines B egriffes, der im G egensatz zu der beständigen B eton u n g der das K u n stw erk d eterm in ieren den Fak­ to re n (des M aterialcharakters, der T echn ik, der Z w eck b estim m u n g , der historischen B e­ d in gu ngen ) die Sum m e o d e r E in heit der in dem selben zu m A usdru ck gelangenden, es fo rm a l w ie inhaltlich v o n in n en heraus organ isierenden schöpferischen K rä fte bezeich ­ nen sollte: des B egriffes „K u n s tw o lle n “ . D ieser B egriff,

vielleicht der aktuellste der m o d ern en kunstw issenschaftlichen F o r ­

schung, ist n un aber nicht ungefährlich w egen seiner Z u s p itzu n g auf das p sych ologisch W illensm äßige, - einer Z u sp itzu n g , die sich freilich aus dem P rotest gegen jene anderen T h e o rie n des späteren 19. Jahrhunderts (die m an als „T h e o rie n des M üssens“ bezeichnen k ö n n te ) historisch erklären lä ß t; u n d er b ed a rf daher, w ie w ir glauben, d er m e t h o d o ­ logischen E rö rte ru n g ebensosehr, w ie sein nicht m in d er geläufiger Parallelbegriff, der B egriff d er „künstlerischen A b s ich t“ , der sich n u r k o n v e n tio n e ll, näm lich nach dem U m fa n g seines A n w endu n gsgebietes, v o n ih m zu unterscheiden scheint, in d em m an den A u sd ru ck „K u n s tw o lle n “ v o rw ie g e n d auf künstlerische G esam terscheinungen, auf das Schaffen einer Z eit, eines V olk es o d e r einer ganzen P ersön lich keit zu bezieh en pflegt, w ä h ren d der A u sd ru ck : „künstlerische A b sich t“ m eist m eh r zu r C harakterisieru n g des E in zelk u nstw erk s V erw en d u n g findet. D en n , w en n w ir v o m „K u n s tw o lle n “ der R e ­ naissance, der spätantiken Plastik, des B ernini o d e r des C o r r e g g io reden, w en n w ir in nerhalb des E in zelku nstw erks in der A n o r d n u n g bestim m ter L in ien - o d e r Flächen­ k o m b in a tio n e n , in der W ah l b estim m ter Farbenzusam m enstellungen, in der D isp osition bestim m ter B auglieder eine „kü n stlerisch e A b sich t“ zu erken nen glauben, so sind w ir zw a r ein h ellig d a v o n ü b erzeu gt, d am it etwas O b jek tiv es u n d fü r das W esentliche der künstlerischen Erscheinungen Bezeichnendes auszusagen - aber keine E in igk eit hejrrscht ü b er die tatsächliche B edeu tu n g einer solchen K on statieru n g, d. h. darüber, in w elchem Sinne das „K u n s tw o lle n “ o d e r „d ie künstlerische A b sich t“ ein m öglich er G egenstand kunstw issenschaftlicher E rken n tn is sei.

I .

D ie v erb reitetsten A uffassu ngen d er genannten B egriffe (A u ffassu n gen übrigens, die v o n ih ren V e rtre tern durchaus nicht im m er ausdrücklich u n d b ew u ß t a k zep tiert zu sein

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Der Begriff des Kunstwollens brauchen, son d ern o ft n u r de fa c to v o n ihnen betä tigt w erd en ) sind psych ologistisch u nd lassen sich in fo lg e n d e drei U n terarten son d ern : 1. die in dividualhistorisch o rie n ­ tierte kü nstlerpsych ologisch e D eu tu n g, die die künstlerische A b sich t o d e r das K u n st­ w o lle n o h n e w eiteres m it der A b sich t o d e r dem W o lle n des K ünstlers iden tifiziert. 2. die k ollektivgesch ich tlich eingestellte zeitpsychologisch e D eu tu n g , die das in einer künstlerischen S ch öpfu n g w irksam e W ollen so b eu rteilen w ill, w ie es in den M enschen der gleichen E poch e leben dig w ar u nd, b ew u ß t o d e r u n b ew u ß t, v o n ih n en au fgefa ß t w u rd e - 3. die rein em pirisch verfah ren de ap p erzep tion sp sych ologisch e D eu tu n g , die v o n der A nalyse u n d E rkläru ng des „ästhetischen Erlebnisses“ , d. h. der in der Psyche des kunstgenießenden Beschauers sich abspielenden V org ä n g e ausgehend - die im K u n st­ w erk sich aussprechende T en d en z oh n e w eiteres aus der W irk u n g erschließen zu k ö n n e n glaubt, die es in uns B etrachtenden h e rv o rru ft. 1.

D ie durch die n orm a le B edeutung des W ortes „A b s ic h t“ , eben so wie die des W ortes

„ W o lle n “ am m eisten nahegelegte, aber den n och m ißverstän dlich e D eu tu n g ist die künstler-psych ologische, d. h. diejenige, die die künstlerische A bsich t, das künstlerische W o lle n , als den p sych ologisch en A k t des historisch greifbaren Subjektes „K ü n s tle r“ b e­ trachtet. Es b e d a rf kau m der E rörteru n g , daß eine solche A u ffassu ng - die also dem em pirischen In d iv id u u m G io t t o o d e r R em b ra n d t alles das als P ro d u k t einer p s y ch o lo ­ gisch faß b a ren W illen sregu ng zuschiebt, was uns in der giottesken o d e r rem brandtischen K unst als A usdru ck eines beson d eren k om p o sitio n e ile n o d e r expressiven Prinzips zutage zu treten scheint - u n m öglich zu treffen kann, w en n anders die B egriffe „künstlerische A b sich t“ o d e r „K u n s tw o lle n “ einen o b je k tiv e n u n d das W esentliche des durch die K unst A usgedrü ck ten treffen den Inhalt haben sollen. E n tw ed er sehen w ir uns -

denn die

Prozesse, die sich in der Seele des K ünstlers abspielen, sind ja der o b je k tiv e n E rforsch u n g n o tw e n d ig e n tzog en - ü b er seine w irklichen psych ologisch en A bsichten nicht anders als durch seine uns v orliegen d en W erk e (die aber ihrerseits doch erst w ied er aus diesen A bsichten erk lärt w erd en sollen) u n terrich tet: dann m üssen w ir den G em ütszustan d des Künstlers aus eben diesen W erk en erschließen, w o m it w ir nicht n u r U nbew eisbares b eh aupten, son d ern auch dem circu lu s vitiosus verfallen , das K u n stw erk auf G ru n d v o n E rkenntnissen zu in terpretieren , die w ir selbst erst einer In terp reta tion des K u n stw erks verdan ken - o d e r aber es sind uns in b estim m ten Fällen p ositive Aussagen reflektieren ­ der K ünstler ü b erliefert, denen die eigene künstlerische A bsich t b ew u ß t g ew ord en ist: dann n ü tzt uns diese K en n tn is auch nicht viel, denn es erw eist sich h ierbei m it N o t ­ w en digk eit, w ie w en ig das in tellektu ell g eform te, b ew u ß t g ew ord en e W o lle n des K ü n st­ lers dem entspricht, was sich uns als die w ah re T en d en z seines Schaffens a u fzu drängen scheint. D e r W ille kann sich - im G egensatz zu m T rieb - n ur auf Bekanntes richten, auf einen Inhalt, den w ir zu „b e s tim m e n “ , d. h. in seiner beson deren W esensart v o n anderen Inhalten zu unterscheiden verm ög en . D e r W illen sakt besitzt m it anderen W o r ­ ten stets den C h a ra k ter einer E ntscheidung: n u r da kann m an m it Sinn v o n einem „W o lle n “ reden, w o nicht ein einheitlicher T rieb unw eigerlich ein bestim m tes E rgebnis erzw in gt, son d ern w o im Su bjekte m indestens zw ei Z ielvorstellu n g en p oten tia l leben dig sind, zw ischen denen es zu w äh len hat. B ew u ß te B ejahung b estim m ter künstlerischer Ziele, u n d d am it eine b estim m te ku nstth eoretisch e Stellungnahm e, w ird also n u r solchen

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Der Begriff des Kunstwollens K ü n stlern (o d e r E poch en ) m öglich sein, in denen n eben ih rem eigentlichen sch öp fe­ rischen U rtrie b zu m m indesten n och eine zw eite, en tgegengesetzt gerichtete T en d en z latent ist, u n d durch ein „B ildu n gserleb n is“ (etw a durch die B erüh ru n g m it der A n tik e o d e r irgen d einem anderen künstlerischen P hän om en ) w a d ig eru fen w ird : erst w en n sich auf diese W eise verschiedene M öglich k eiten des Schaffens v o r dem B ew ußtsein w ech ­ selseitig erhellen k ön n en , sieht dieses sich b efäh igt u n d g en ötig t, zu unterscheiden, ab­ zu w ägen u n d sich zu entschließen. So hat D ü re r th eoretisiert, nicht G rü n ew a ld ; Poussin, n icht V ela sq u ez; M engs, nicht F ra gon a rd : erst die R enaissance k o n n te u n d m u ß te th eoretisieren im G egensatz zu m M ittelalter, erst die hellenistisch-röm ische Z e it im G e ­ gensatz zu r E poch e der Phidias u n d P o ly g n o t4. D a h er ist jede K ünstlerästhetik m it einer gewissen N o tw e n d ig k e it in sich antagonistisch, u n d zw a r m it der M aßgabe, daß gerade die nicht ursprüngliche, erst durch das B ildungserlebnis w ach geru fen e T en d en z, als die reflektierbarere, in ih r den schärferen, program m atisch eren A usdru ck

fin d et: w o h l

spiegelt sie eine U n einh eitlich keit, die auch in der K unst des b etreffen den M eisters zu ­ tage treten w ird , - aber sie spiegelt sie in dem Sinne, daß sie gerade diejenige T en d en z, die künstlerisch die m in d er schöpferische, sekundäre, ja retardierende genannt w erd en m u ß , theoretisch häufiger, grundsätzlicher u nd m it p ostu la tiver G eltu n g zu m A usdru ck b rin g t. Es zeigt sich also hier m it D eu tlich k eit, was solche A ussprüche th eoretisieren der K ü n stler fü r das V erständnis ih rer K unst bedeu ten k ö n n e n : es ist nicht so, daß sie als solche bereits das „K u n s tw o lle n “ des betreffen den K ünstlers u n m ittelb a r bezeichneten, son d ern sie d o k u m en tieren es nur. W o v o n einem K ü n stler reflektierte A ussprüche ü ber seine K unst o d e r ü b er die K u n st im allgem einen erhalten sind, bilden sie (gleich u n re­ flek tierten Ä u ß eru n g en , w ie sie etw a in den G edichten M ichelangelos o d e r in R affaels B riefstelle ü b e r die C erta idea v orlieg en ) in ihrer T ota litä t ein der D eu tu n g fähiges u n d b edü rftiges P arallelphän om en zu seinen künstlerischen S ch öpfun gen , nicht aber im ein ­ zeln en deren E rkläru ng - , O b je k te , nicht M ittel der sinngeschichtlichen In terp reta tion r\ A m w en igsten aber d a rf denjenigen K ü n stlern, die, m it sich u n d ih rer Z e it im E inklang stehend, eine bestim m te M ög lich k eit des künstlerischen Schaffens verw irk lich ten , und denen w ir theoretische R eflex ion en nicht nachw eisen k ön n en , ein bew u ßtes W o lle n im Sinne der intellektu ellen A b le h n u n g anderer M öglich k eiten im p u tiert w erden . Es ist historisch w ie ph ilosoph isch gleich u nhaltbar, w en n neuerlich b eh auptet w erd en k on n te : „ein e Frage des K ön n en s g ib t es in der K unstgeschichte nicht, son dern n u r die des W ollen s . . . P o ly k le t hätte einen borghesischen Fechter bilden, P o ly g n o t eine natura­ listische Landschaft m alen k ön n en , aber sie taten es nicht, w eil sie sie nicht schön ge­ fu n d en h ä tten 6.“ Ein solcher A usspruch ist deshalb unrichtig, w eil sich ein „ W o lle n “ eben n u r auf ein Bekanntes richten kann, u n d w eil es daher u m gek eh rt auch keinen Sinn hat, da v o n einem N ich t-W o lle n in der psychologischen B edeutung des A b leh n en s (des N o lle , nicht des N o n -v e lle ) zu reden, w o eine v o n dem „ G e w o llte n “ abw eichende M ög lich k eit dem betreffen den S u bjekt gar nicht vorstellb a r w a r: P o ly g n o t hat eine naturalistische Landschaft nicht deshalb nicht gem alt, w eil er sie als „ih m nicht schön erscheinend“ abgelehnt hätte, son d ern w eil er sie sich nie hätte vorstellen k ön n en , w eil er -

k ra ft einer sein psychologisches W ollen v orh erb estim m en d en N o tw e n d ig k e it -

nichts anderes als eine unnaturalistische Landschaft w o lle n k o n n te ; u n d eben deshalb

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Der Begriff des Kunstwollens hat es kein en Sinn, zu sagen, daß er eine andersartige gew isserm aßen freiw illig zu m alen unterlassen h ätte7. 2. A u s dieser Ü b erlegu n g ergeben sich nun zugleich die E in w en d u n gen gegen die z eit­ psych ologisch e A u ffassu n g der künstlerischen A bsich t. A u d i h ier erleben w ir en tw ed er u n b e w u ß t w irksam e, nicht in der F o rm irgen dein er dokum entarisch en Ü b erlieferu n g niedergeschlagene S tröm u n gen o d e r W ollu n g en , die n u r aus eben denselben kü n stle­ rischen P h än om en en erschließbar sind, die ihrerseits durch sie erklärt zu w erd en v e r ­ langen (so daß der „gotisch e M en sch “ o d e r der „P r im itiv e “ , aus dessen v erm ein tlich em W esen w ir ein bestim m tes K u n stp ro d u k t erklären w o lle n , in W a h rh eit n u r die H y p o ­ stasierung eines Eindrucks ist, den w ir v o n eben diesem K u n stp ro d u k t em pfin gen ) o d e r aber es h andelt sich u m die b e w u ß t gew ord en en A bsich ten o d e r W ertu n gen , w ie sie in der zeitgenössischen K u n stth eorie o d e r K u n stk ritik ihre F orm u lieru n g finden , dann k ö n n e n diese F orm u lieru n gen , ganz w ie die in d ivid u ellen theoretischen Ä u ß e ­ rungen d er schaffenden K ü n stler selbst, w ied eru m n u r ein P arallelphän om en zu den künstlerischen H e rv o rb rin g u n g e n der E poch e b ild en , nicht aber bereits ih re D eu tu n g enthalten. U n d auch h ier w ird dieses P arallelphän om en in seiner G a n zh eit zw a r ein außerordentlich interessantes O b je k t der geisteswissenschaftlichen Forschung darstellen, im einzelnen aber keinesw egs ein m eth od ologisch faßbares K u n stw ollen u n m ittelb a r zu bezeichnen v e rm ö g e n : eben so w ie die selbstanalytischen o d e r allgem eintheoretischen Aussprüche der einzelnen K ü n stler ih r eigenes K u n stw ollen , w ird auch eine die k ü n st­ lerische P ro d u k tio n einer Z e it im ganzen begleiten de K u n stbetrachtun g das K u n stw ollen dieser Z e it zw a r in sich zu m A u sd ru ck b rin gen , nicht aber es fü r uns m it N a m en n en ­ nen. Sie w ird , ihrerseits d er In terp reta tion ebenfalls erst b ed ü rftig, bei sinngem äßer D eu tu n g fü r die E rkenntnis der in der betreffen den Z eit herrschenden T en d en zen u n d dam it fü r die B eurteilung ihres K u n stw ollen s v o n em in en ter B edeutung sein k ön n en , aber niem als kann die E rkenntnis dessen, was, „im Sinn eines bestim m ten A u sd ru ck s“ 8 auf die Z eitgen ossen w irk en d , nach ih rer M ein u n g den Inhalt der künstlerischen A b ­ sichten auszum achen schien, bereits der Einsicht in das W esen des in den betreffen den W erk en o b je k tiv verw irk lich ten K u n stw ollen s gleichgeachtet w erden . A u ch die k u n st­ kritischen o d e r ku nstth eoretisch en Ä u ß eru n g en einer ganzen E poch e w erd en die in dieser E poch e h e rvorgeb ra ch ten K u n stw erk e nicht u n m ittelb a r deuten k ön n en , son d ern erst m it ihnen zusam m en v o n uns gedeutet w erd en müssen. 3. W as aber endlich die v o n d er m o d ern en .Ä s t h e t ik “ zum eist betätigte a p p erzep tion s­ psychologische A uffassu ng des K u n stw ollen s angeht, so m u ß gesagt w erden , daß U rteile, die auf dieser A uffassu ng fu ß en , d. h. sich m eh r o d e r m in d er eingestandenerm aßen nicht s o w o h l auf ein historisches O b je k t, als vielm eh r auf das E indruckserlebnis eines m od ern en Beschauers (o d e r einer V ielh eit m o d e rn e r Beschauer) beziehen, w en iger fü r die E rken n tn is der in dem beu rteilten K u n stw erk e verw irk lich ten künstlerischen A b ­ sichten, als fü r die P sych ologie des urteilen den Betrachters B edeutung haben w erden . B ezogen nicht auf eine historische G egeben h eit, son dern auf ihre Spiegelung in einem m o d ern en B ew ußtsein haben solche U rteile - m ö g e n sie im E inzelfalle auch n och so viel F ein gefü h l u n d Geist verraten - als ih r eigentliches O b je k t w ed er das K u n stw erk noch den K ünstler, son dern die Psyche eines heutigen Betrachters, in der sich die N e i­

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Der Begriff des Kunstwollens g u n gen des persön lich en Geschm acks m it den durch E rzieh u n g u nd Z eitströ m u n g b e­ din gten V o ru rte ilen , ja o f t genug m it den verm eintlich en A x io m e n der rationalistischen Ä sth e tik w erd en kreu zen m üssen9. II. D as G e fü h l fü r die U n zu lä n glich k eit der im v o rig e n angedeuteten A uffassu ngen hat denn auch bereits hier u n d da der psychologistischen A u sd eu tu n g des K u n stw ollen s bis zu einem gewissen G ra d e en tgegen gew irk t. D ie E rken n tn is brich t sich B ahn, daß die in einem K u n stw erk verw irk lich ten künstlerischen A b sich ten v o n den gem ü tszu stän dlichen A bsich ten des Künstlers ebenso streng geschieden w erd en müssen, w ie v o n der Spiegelung der K unsterscheinungen im Z eit-B ew u ß tsein o d e r gar v o n den Inhalten der Eindruckserlebnisse, die das K u n stw erk einem h eu tigen

Betrachter v e rm itte lt: daß,

k u rz gesagt, das K u n stw ollen als G egenstand m ög lich er kunstw issenschaftlicher E r­ kenntnisse kein e (psych ologische) W irk lich k eit ist. Es ist n un k ein W u n d er, w en n das K u n stw ollen in derjen igen kritischen U n tersuchung, die, w en n auch gleichsam n u r im V orb eig eh en , diese Tatsache zuerst b e to n t u n d dam it eine A b k e h r v o n der psych ologistisch en A u ffassu ng eingeleitet h a t10, zunächst als ein bloß es A b stra k tu m gedeutet w ir d : ist doch das A b stra k tu m die einfachste, sozusagen in geradlinigem G egensatz zu r W irk lich k eit

erfaßbare F o rm des N ich t-W irk lich en .

A lle in die D e fin itio n in diesem Sinne (K u n stw ollen ist die „S yn th ese aus den k ü n st­ lerischen A b sich ten einer Z e it “ ) scheint uns die m eth od olog isch e B edeutung dieses T e r ­ m inus n och nicht v o ll auszuschöpfen. E inm al desw egen, w eil eine b lo ß e diskursive Z usam m enfassung, w ie sie durch eine „S yn th ese“ geleistet w ird , lediglich die gleichsam v o n außen k on statierbaren Stilm erkm ale u nter einen gem einsam en O b e rb e g riff w ü rd e subsum ieren k ö n n en , also n u r zu einer p h ä n om en a len Klassifizierung der ein zeln en Stile zu fü h ren verm öch te, nicht aber zu r A u fd eck u n g v o n p rin zip iellen Stilgesetzen, die, allen diesen M erk m a len zu g ru n d e liegend, den form a len u n d gehaltlichen C h a ra k ter des Stils v o n u nten h er erklären w ü rd en - sodan n, w eil eine D efin ition des K u n st­ w ollen s im Sinne b egrifflicher Synthese der A n w en d u n g sm ög lich k eit dieses A usdrucks a u f die nicht epochal b egren zten K unsterscheinungen, in son d erh eit auf das E in zelk u n st­ w e rk , nicht gerecht w erd en kann. W en n R iegl nicht n u r v o n einem barocken , son d ern auch v o n ein em holländischen, A m sterd a m er, ja rem brandtischen „K u n s tw o lle n “ spricht, w en n w ir in der K o m p o s itio n eines ein zeln en G em äldes, B ildw erks o d e r B a u k om p lexes in genau dem gleichen Sinne eine „künstlerische A b s ich t“ k on statieren w ollen , so kann uns eine A u ffa ssu n g des K u n stw ollen s nicht b efried igen , die es rein diskursiv als die Synthese aus den Ä u ß eru n gen einer Z e it b egreifen w ill. V ielm eh r m u ß der Inhalt des K u n stw ollen s o d e r der künstlerischen A bsich t durch einen B egriff bezeichnet w erd en k ö n n e n , der aus jeder, w ie im m er begren zten , künstlerischen E rscheinung, sei es nun das G esam tschaffen einer Z eit, eines V olk es o d e r einer bestim m ten G egen d , sei es das CEuvre eines beson d eren M eisters o d e r sei es endlich ein beliebiges E in zelk u n stw erk , u n m itte lb a r h erausgew on nen w erd en k a n n : durch einen B egriff, d er nicht als ein durch A b s tra k tio n gefu n d en er G a ttu n gsb egriff die p h ä n om en a len

C harakteristika d er b e ­

treffen den Erscheinung bezeichnet, son d ern als ein die eigentlichste W u rzel ihres W e ­

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Der Begriff des Kunstwollens sens b lo ß le g e n d e r G ru n d b e g riff ihren im m an enten Sinn en th ü llt. D a m it ist die D e fin i­ tio n angedeutet, die unseres Erachtens das K u n stw ollen m e th od olog isch , d. h. sow eit es als m ög lich er G egen stan d der kunstw issenschaftlichen E rken n tn is in Frage k o m m t, einigerm aßen zu treffen d

bestim m en d ü rfte : das K u n stw ollen kan n -

dieser A u sd ru ck w ed er eine psych ologisch e W irk lich k eit, n och

w e n n anders

einen abstrahierten

G a ttu n gsb egriff soll bezeich n en d ü rfen - nichts anderes sein, als das, was (nicht fü r uns, son d ern o b je k tiv )

als en d gü ltiger letzter Sinn im

künstlerischen P h ä n om en e

„lie g t“ 11. V o n ih m aus k ö n n e n dann die form a len w ie gehaltlichen C harakteristika des K unstw erks nicht s o w o h l eine begriffliche Zusam m enfassung, als vielm eh r eine sinnge­ schichtliche E rkläru ng finden - die freilich nicht m it d er genetischen E rklä ru n g zu v e r­ wechseln ist, w ie sie uns die psychologistische A u ffa ssu n g des K u n stw ollen s trü glich erweise in A ussicht stellte. D e n n das Eine setzt ja d er G ebrauch w ie die B estim m u ng des B egriffes K u n stw ollen v ora u s: daß jedes künstlerische P h ä n om en fü r eine auf seine innere B edeutsam keit abzielende In terp reta tion als eine E in heit erfa ß b a r sei: daß „ f o r ­ m ale“ u n d „im ita tiv e “ E lem en te - entgegen d er W ölfflin sch en Lehre v o n einer „ d o p ­ pelten W u rze l des Stils“ -

nicht auf geson derte u n d ihrerseits

irred u zib le B egriffe

gebracht zu w erd en brauchen, son d ern als die verschiedenen Ä u ß eru n g en einer gem ein ­ samen G ru n d te n d en z begriffen w erd en k ön n en , einer T en d en z, die als solche zu er­ fassen eben die A u fg a b e w irk lich er „G ru n d b e g riffe der K u nstgeschichte“ ist12. Ein V ergleich aus der E rken n tn isth eorie m ag die B edeu tu n g dieser D efin itio n zunächst erläu tern : n eh m e ich irgen dein en U rteilssatz, z. B. den durch Kants P roleg om en a b e­ rü h m t g e w o rd e n e n : „d ie L u ft ist elastisch“ als gegeben an, so bieten sich m ir bei seiner Betrachtung die unterschiedlichsten M e th o d e n d a r: historisch kann ich die U m stä n d e feststellen, u n ter denen dieser Satz in unserem beson d eren Falle ausgesprochen o d e r niedergeschrieben w u rd e ; psych ologisch kann ich die su b jek tiven V oraussetzun gen ins A u ge fassen, u n ter denen er zustande g e k o m m e n ist o d e r zustande k o m m e n kann die F u n k tion en der W a h rn eh m u n g, den A b la u f des D en kprozesses, die A r t des G em ü ts­ zustandes, aus dem heraus ein solches U rteil fällbar w a r; gram m atikalisch-diskursiv kann ich seine N a tu r als A ussage o d e r Fragesatz, K o n d itio n a l- o d e r K o n s e k u tiv k o n ­ stru k tion b estim m en ; logisch -disk u rsiv kann ich ihn nach seinen form a len K riterien als p ositiven

o d e r n egativen,

allgem einen

o d e r spezialen, assertorischen o d e r a p o d ik ­

tischen ansprechen. U n d endlich kan n ich fragen, o b ein analytisches o d e r synthetisches, ein W a h rn eh m u n gs- o d e r ein E rfah run gsu rteil in ih m ausgesprochen sei. U n d in dem ich n un diese letzte, tra n szen d en ta l-p h ilosop h isch e Frage an ihn stelle, en th ü llt sich m ir etwas, was ich das erken ntnisth eoretische W esen des Satzes nennen k ö n n te : das, was abgesehen v o n seinem form a l-log isch en A u fb a u u n d abgesehen v o n seiner p s y ch o lo ­ gischen V orgeschichte, ja abgesehen v o n dem , was der U rteilen d e selbst „g e m e in t“ hat, an rein em E rken n tn isinh alt in ih m liegt. In d em ich feststelle, daß er, so w ie er dasteht, nur ein U rte il enthält, in w elch em die W a h rn eh m u n gen sich n u r gew öh n lich verb u n d en finden, d. h. n u r durch ih r gleichzeitiges L ebendig-S ein in einem in d ivid u ellen B ew u ß t­ sein, nicht aber durch den reinen V erstan desbegriff der K ausalität ,*,in einem B ew u ßtsein ü b erh a u p t“ v e rk n ü p ft erscheinen, erg ib t sich m ir die Einsicht, daß der Satz „d ie L u ft ist elastisch“ zunächst n och k ein E rfah ru n gs-, son d ern n u r ein W ah rneh m u n gsu rteil in

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Der Begriff des Kunstwollens sich schließt: seine G eltu n g ist die einer Aussage ü b er das tatsächliche V erk n ü p ftsein der V o rste llu n g e n L u ft u n d Elastizität in dem den ken den Selbst des U rteilen d en , nicht aber die eines o b je k tiv e n , allgem ein gü ltigen Gesetzes, nach w elchem die eine V o rs te l­ lu n g die andere m it N o tw e n d ig k e it b ed in gt. Eine G eltu n g dieser letzteren A r t w ü rd e dem Satz v ie lm e h r n u r dann z u g ek om m en sein, w en n w ir in ih m die b eiden V o rs te l­ lu n gen statt durch das Band d er psych ologisch en K oex isten z durch das B and des K ausa­ litätsbegriffes zu r E in heit einer E rfa h ru n g zusam m engeschm iedet gefu n d en hätten. In d em ich also n achprüfe, o b dies der Fall ist o d e r nicht (u n d w en n es der Fall gew esen w äre, h ätte unser Satz etw a lauten m üssen: „w e n n ich den D ru ck auf eine L u ftm en ge verän dere, so b ed in g t das auch eine V erä n d eru n g ih rer A u sd eh n u n g “ ), besitze ich ein M ittel, u m - o h n e im ü brigen den m ir gegebenen Satz m it außerhalb seiner liegenden D a ten vergleichen zu m üssen - das in ih m u n d durch ih n G ü ltig -G e w o rd e n e zu er­ k ennen. U n d zw a r haben m ich w ed er Ü b erlegu n gen h istorischer o d e r p sych ologisch er N a tu r, n och ein S u b su m ption sverfa h ren , durch das ich die form a len K riterien des in Frage stehenden Satzes m it denen anderer Sätze verglichen hätte, zu dieser E rken n tn is gefü h rt, son d ern einzig u n d allein die B etrachtung des gegebenen Satzes selbst - eine B etrachtung freilich, der, in G estalt des K ausalitätsbegriffes - ein das Ja o d e r N e in der E rfah run gsein h eit en tscheidender B estim m ungsm aßstab zu g ru n d e lag, gleichsam ein a p rio ri gegebenes Reagens, das das zu untersuchende O b je k t veranlaßt, durch sein positives o d e r negatives V erhalten zu ih m ü b er sein eigentlichstes W esen A u fsch lu ß zu geben. K eh ren w ir n un zu der Frage nach d er Erfassung der künstlerischen A b sich t o d e r des K u n stw ollen s zu rü ck ! G a n z w ie dem Satz „d ie L u ft ist elastisch“ ein bestim m tes er­ kenntnistheoretisches W esen z u k o m m t, das sich d er B etrachtung sub specie des Kausa­ litätsbegriffes (u n d n u r dieser B etrachtung) entschleierte, so kan n auch in den O b je k te n der Kunstw issenschaft, in den w eiter o d e r enger, epochal, region al o d e r in d iv id u ell b e­ g ren zten künstlerischen E rscheinungen, ein im m an enter Sinn - u n d dam it ein K u n st­ w o lle n in nicht m eh r psych ologisch er, son dern gleichsam auch tra n szen d en ta l-p h ilo­ sophischer B edeu tu n g - erschlossen w erd en , w en n sie nicht durch B ezieh un g auf etwas außerhalb ih rer Liegendes (historische U m stän de, psych ologisch e V orgeschichte, stilisti­ sche A n a lo g ie n ), son d ern ausschließlich in ih rem eigenen Sein betrachtet w e rd e n ; b e ­ trachtet jed och w ied eru m sub specie v o n B estim m ungsm aßstäben, die, m it der K ra ft apriorischer G ru n d b eg riffe, sich nicht auf das P h ä n om en selbst beziehen, son d ern auf die B edin gu n gen seines Daseins u n d So-Seins, u n d die sich daher zu allgem einen S u bsu m p tion sb egriffen , w ie „plastisch “ u n d „m a lerisch “ , u n d zu den b lo ß form a len Klassi­ fik a tion en v o n der A r t der W ölfflin sch en „D a rste llu n g sm o d i“ (fläch enh aft-tiefen m äßig usw .) u n gefä h r so verh alten m ü ß ten , w ie der B egriff der Kausalität zu dem B egriff des form a llogisch en H y p oth esis- o d e r des gram m atikalischen K on d ition a l-V erh ä ltn isses. So gew iß es fü r die K unstw issenschaft A u fg a b e ist, ü b er das historische V erständnis, die inhaltliche E rkläru ng u nd die fo rm a le A n alyse der künstlerischen Erscheinungen hinaus das in ihnen verw irk lich te und allen ihren stilistischen E igenschaften zu gru n d e liegende „K u n s tw o lle n “ zu begreifen, u n d so gew iß w ir feststellten, daß dieses K u n stw ollen n o t ­ w en digerw eise nur die B edeutung eines dem K u n stw erk im m an enten Sinnes haben

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Der Begriff des Kunstwollens kann - so gew iß m u ß es auch A u fg a b e der K unstw issenschaft sein, a p r io r i geltende K ategorien zu schaffen, die, w ie die der Kausalität an das sprachlich fo rm u lie rte U rteil als B estim m ungsm aßstab seines erken ntnisth eoretischen W esens, so an das zu u n ter­ suchende künstlerische P h ä n om en als B estim m ungsm aßstab seines im m an enten Sinnes gew isserm aßen angelegt w erd en k ön n en - K a tegorien n un aber, die nicht w ie jene die F o rm des erfahrungsschaffenden D en ken s, son d ern die F o rm der künstlerischen A n ­ schauung w ü rd e n bezeichnen müssen. - D e r gegenw ärtige Versuch, der keinesw egs die D e d u k tio n u n d System atik solcher, w en n m an so sagen d a rf tran szen dental-ku n stw is­ senschaftlicher, K a tegorien u n tern eh m en w ill, son d ern rein kritisch den B egriff , des K u n stw ollen s gegen irrige A uslegun gen sichern m öch te, u m die m eth od ologisch en V o r ­ aussetzungen einer auf seine Erfassung gerichteten T ä tigk eit klarzu stellen 13, kann nicht beabsichtigen, Inhalt u n d B edeu tu n g derartiger G ru n d b eg riffe des künstlerischen A n schauens ü b er diese A n d eu tu n g en hinaus zu v e r fo lg e n ; im m erh in w erd en dieselben die R ich tu n g bezeichnen k ö n n en , in der sich eine derartige system atische U n tersu ch u ng zu bew egen haben w ü rde. N u r das eine d a rf b em erk t w erd en , daß, sow eit w ir sehen, bisher (v o n den u n m ittelb a r durch ihn beein flu ßten F orschern abgesehen) w ied eru m A lo is R iegl derjen ige ist, der bei d er A u fstellu n g u n d A n w e n d u n g v o n G ru n d b eg riffen der vorb ezeich n eten B edeu tu n g am w eitesten g e k om m en sein d ü rfte : w ie der B egriff des K u n stw ollen s selbst v o n ih m geschaffen w u rd e, so hat er auch bereits K a tegorien en t­ deckt, die zu r Erfassung desselben in h o h e m M aße geeignet sin d14. Z ielen schon seine B egriffe „o p tis c h “ u n d „ta k tisch “ (in besserer F o r m : „h a p tisch “ ) tr o t z ih rer allerdings n och psych ologisch -em piristisch en F orm u lieru n g dem Sinne nach bereits durchaus nicht m eh r auf die G e w in n u n g genetischer E rkläru ngen o d e r p h ä n om en a ler S u b su m ption en , son dern auf die K larstellung eines den künstlerischen Erscheinungen im m an enten Sin­ nes, den er durch die B ezieh un g auf zw ei grundsätzliche M öglich k eiten des äußerlich anschauenden V erhaltens v o n Fall zu Fall charakterisieren zu k ö n n e n glaubte (W ö lfflin w ird daher den genannten B egriffspaaren nicht gerecht, w en n er sie, die d och die B e­ griffe „plastisch “ u n d „m a lerisch “ fu n d ieren w olle n , n u r als neue T erm in i fü r diese selben B egriffe bezeich n et15), so ist das später en tw ickelte Begriffspaar „ob jek tiv istisch “ u nd „su b jek tivistisch “ als A u sd ru ck fü r die m öglich e geistige E instellung des kü nstle­ rischen Ich dem künstlerischen G egenstand gegenüber, zw eifellos dasjenige, das einer k ategörialen G eltu n g in dem o b e n geken nzeichn eten Sinn bis jetzt w eitaus am nächsten zu k o m m e n scheint. D ie Schrift, in der R ieg l diese B egriffe des O b jek tivism u s u n d des Subjektivism us en tw ickelt u n d zuerst zu r A n w e n d u n g gebracht hat, die A rb e it ü b er das holländische G ru p p e n p o rträ t16, zeigt an d er B ehandlung eines ganz bestim m ten künstlerischen P rob lem s, m it w elcher E in drin glich keit u n d E lastizität schon m it H ilfe dieser B egriffe d er im m an ente Sinn d er K unsterscheinungen - v o n einem n ation al u n d epochal begren zten G esa m tp h ä n om en bis zu dem einzelnen K u n stw erk eines b estim m ten h olländischen M alers - a u fgefaßt u n d klargestellt w erd en k a n n 17. D a m it soll selbstver­ ständlich n ich t b eh auptet w erd en , daß nicht auch diese B egriffe einer w eiteren D e d u k ­ tio n fäh ig u n d b ed ü rftig w ären, u n d n och w en iger, daß sie bereits oh n e w eiteres alle künstlerischen Erscheinungen ersch öp fen d zu charakterisieren verm öch ten . D ie durch die b eiden P ole „O b je k tiv is m u s “ u nd „S u b jek tiv ism u s“ bezeichnete Linie b ild et v iel­

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Der Begriff des Kunstwollens m eh r n u r eine gleichsam ein dim ension ale Achse, auf d er durchaus nicht alle P un kte einer E bene liegen k ö n n e n ; die anderen lassen sich v o n dieser Achse aus n u r negativ bestim m en , in d em m an sie als außerhalb ih rer liegende an erkenn t u n d sich m it der bescheidenen Feststellung begn ü gt, an w elcher Stelle dieses „a u ß erh a lb “ v o n Fall zu Fall a n zun eh m en ist: die K unst des M ittelalters, R em b ra n dts, M ichelangelos w ird m an z. B. n u r dadurch k en nzeichn en k ö n n en , daß m an ihre - jew eils b eson d ere - Stellung außer­ h alb d er L in ie O b jek tivism u s-S u b jek tivism u s zu qu alifizieren sucht. Es ist o h n e w eiteres zu zu geben , daß eine derartige, sinngeschichtlich eingestellte K u n st­ w issenschaft die künstlerischen O b je k te „a u f b estim m te, v o n v orn h erein festgelegte B egriffe a b h ö re n “ m u ß ; aber es ist keineswegs n o tw e n d ig , daß sie desw egen, w ie m an b efü rch tet hat, dazu fü h ren m ü ß te, „d ie K unstgeschichte rein n u r als P roblem gesch ichte zu b e h a n d e ln “ 18. Eine M e th o d e , w ie R ie g l sie in auguriert hat, tritt - richtig verstan den - d er rein h istorischen, auf die E rken n tn is u n d A n alyse w e rtv o lle r E in zelp h ä n om en e u n d ih rer Z usam m en h änge gerichteten Kunstgeschichtsschreibung eb en sow en ig zu nahe, w ie etw a die E rken n tn isth eorie der P hilosoph iegesch ich te: d ie „ N o tw e n d ig k e it“ , die auch sie in ein em bestim m ten historischen Prozesse feststellt, besteh t ja - vorau sgesetzt,

daß der Begriff des Kunstwollens methodologisch berechtigt ist — nicht darin, daß zwi­ schen m eh reren zeitlich au fein an der folg en d en E inzelerscheinungen ein kausales A b ­ h ängigkeitsverhältnis k on sta tiert w ü rd e, son d ern

darin, daß innerhalb ihrer, als in

einem künstlerischen G esa m tp h ä n om en , ein einheitlicher Sinn erschlossen w ird . N ich t die genetische B egrü n du n g des Tatsachenablaufs als einer n otw en d ig en A u fe in a n d e r­ fo lg e so u n d so vieler ein zeln er B egebenheiten, son d ern die sinngeschichtliche D eu tu n g desselben als einer ideellen E in heit zu u nterneh m en , ist die A b sich t19. U n d w en n h ier einer derartigen „transzen den tal-ku n stw issen sch aftlich en “ Betrachtungsw eise das W o r t geredet w ird , so geschieht das keinesw egs, u m sie etw a an Stelle der rein historisch v o r ­ geh enden K unstgeschichtsschreibung anzupreisen, son d ern n u r u m ih r ein V orzu g srech t auf den Platz an ih rer Seite zu v in d izieren : es soll lediglich gezeigt w erd en , daß die „sinngeschichtliche“ M e th o d e -

w eit en tfern t, die rein historische A rb e it verd rä n gen

zu w o lle n - die ein zig beru fen e ist, sie zu ergänzen, beru fen er jedenfalls als die p sy ch ologisieren den Ü b erlegu n gen , die, das geschichtliche B ild n u r scheinbar v ertiefen d , in W a h rh eit K ü n stler u n d K unst, S u b jek t u n d O b je k t, W irk lich k eit u n d Idee m itein a n d er verm en gen . III. D as K u n stw o lle n , so w ie w ir es v o m W o lle n des K ünstlers w ie v o m W o lle n seiner Z e it unterscheiden m u ß ten , fin d et also in der das K u n stw erk literarisch (o d e r auch durch anschauliche W iedergabe) in terp retieren d en Ü b erlieferu n g keinesw egs seine oh n e w eite­ res an nehm bare, das P h än om en d irek t erklärende F orm u lieru n g, son dern kan n n u r v o n a priorischen K a tegorien aus durch eine A u sd eu tu n g der P h ä n om en e erfa ß t w e rd e n ; d en n och ist jen e Ü b erlieferu n g , w ie w ir sie u n ter dem N a m en d er „D o k u m e n t e “ z u ­ sam m enfassen k ön n e n , als heuristisches H ilfsm ittel bei einer derartigen Sin n deutun g v o n h öch stem W ert, ja oftm a ls u n en tb eh rlich : nicht zw a r als u n m ittelb a rer H in w eis auf den Sinn selbst, w o h l aber als Q u e lle derjen igen Einsichten, o h n e die die Erfassung desselben o f t gen ug u n m ög lich ist. -

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W en n das erken ntnisth eoretische W esen des in

Der Begriff des Kunstwollens ein em sprachlich form u lie rte n u n d textm ä ß ig ü b erlieferten Satze A usgesagten erm ittelt w erd en soll, so ist h ierfü r die erste V oraussetzun g, daß das in ih m A usgesagte selbst, d e r p o sitiv e Inhalt des Satzes, richtig verstanden w o r d e n sei. Dieses V erständnis kann aber durch m ancherlei U m stä n d e getrü b t o d e r v erh in d ert w erd en , die sich eben so als o b je k tiv e w ie als su b jek tive darstellen k ö n n e n : durch ein en D ru ck - o d e r S chreibfehler o d e r durch eine nachträgliche K o rre k tu r kann d er u rsprün glich e W o rtla u t des Satzes an u n d fü r sich entstellt w o r d e n sein; ein darin v o r k o m m e n d e r A u sd ru ck k an n (gerade, w en n es sich u m einen alten T e x t handelt) seine B edeu tu n g gewechselt h a b en ; u n d e n d ­ lich kan n ein Lese- o d e r G edäch tn isfeh ler des a u fn eh m en d en Subjektes die richtige E r­ fassung des Satzinhaltes u n m öglich m achen. G enau entsprechend m u ß auch das K u n st­ w erk , dessen im m an enten Sinn es zu erkennen gilt, zunächst in d er sachlichen u n d fo rm a le n B edeu tu n g seiner diesen Sinn in sich tragen den p h ä n om en a len Erscheinung verstan den w o rd e n sein, u n d genau entsprechend k ö n n e n sich auch h ier einem solchen V erständnis H indern isse in den W eg legen; ja die U m stän de, die solche H indern isse zu bild en v e rm ö g e n , sind sogar den v o rh in angedeuteten in sofern v ö llig analog, als die richtige A u ffa ssu n g des künstlerischen D en km als, genauso w ie die des sprachlichen T e x ­ tes, durch die gleiche D reih eit v o n Irrtü m ern o d e r T äuschungen gestört w erd en k a n n : durch Irrtü m e r ü ber die ursprüngliche B eschaffenheit des O b jek tes, w en n sachliche V e r ­ än derun gen desselben v o rg e k o m m e n sind, durch Irrtü m er ü b er die ursprün glich e W ir ­ ku ng des O b jek tes, w en n ein W echsel in der allgem einen K unstanschauung ein getreten ist, u n d endlich durch Irrtü m er ü b er die gegen w ärtige B eschaffenheit des O b jek tes, w en n

es durch Z u fa ll hinsichtlich seiner p ositiv en D a ten v erk a n n t w u rd e. W ie der

sprachliche T e x t durch feh lerh a fte W ied erga b e o d e r nachträgliche K o rre k tu r seines u r ­ sprünglichen Inhaltes verlustig gegangen sein kan n, so kann auch das K u n stw erk durch irgen dw elch e aus ihm selbst nicht m eh r erken nbare spätere V erä n d eru n gen (U m b a u , Ü b erm a lu n g, inadäquate E rgän zu n g) seine o b je k tiv e Erscheinung ein b ü ß en ; w ie eine b estim m te V o k a b e l durch eine W a n d lu n g des Sprachgebrauches ihre B edeu tu n g ge­ w echselt u nd dadurch den ganzen T e n o r des sprachlichen Satzes verän d ert haben kann, so kann auch innerhalb des künstlerischen G esam torganism us irgendeine E in zelh eit (m an den ke z. B. an ein plastisches M o n u m en t, das an einer b estim m ten Stelle u rsp rü n g ­ lich als d e k o ra tiv e S kulptu r m it einem G ebäu d e zu sa m m en b ezogen w u rd e, heute aber als selbständiges M al a u fgefaßt w ird ) in der G eg en w a rt v ö llig anders als in der V e r­ gangenheit gedeu tet w erd en u n d dadurch die form a le W irk u n g des G a n zen fü r uns m ißverstän dlich m achen; u n d w ie endlich das T extverstän dn is durch einen su bjek tiven Lese- o d e r G edäch tn isfeh ler u n m ög lich w erd en kann, so kann auch das V erständnis eines künstlerischen P hän om en s durch einen m ateriellen Irrtu m ü b er seine M aße, seine Farbe, seine stoffliche B edeu tu n g o d e r seine Z w eck b estim m u n g in Frage gestellt o d er gänzlich v e rh in d ert w erden . U n d h ier n un ist die Stelle, w o auch die auf E rken n tn is des im m an enten Sinnes ausgehende B em ü hu n g der H ilfe der „D o k u m e n t e “ b edarf, u m zunächst das rein p h ä n om en a le V erständnis d er gegebenen künstlerischen Erscheinung sicherzustellen: die D o k u m e n te , seien es nun u rk u n dlich e Belege, kunstkritische W ü r ­ d igu n gen, kunsttheoretische E rörteru n gen o d e r endlich b ild m ä ß ige W ied ergaben , v e r­ m ög en jene o b je k tiv en und su b jek tiven Täuschungen zu berichtigen, u nd zw a r ist diese

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Der Begriff des Kunstwollens ih re berich tigende F u n k tion , w ie oh n e w eiteres ersichtlich w ird , v o n dreierlei A r t : das D o k u m e n t berich tigt erstens rek on stru k tiv , w en n es durch u rkun dliche B eglau bigu ng o d e r b ild m ä ß ige Ü b erlieferu n g einen verloren en u rsprünglichen Z ustan d des zu b e ­ trachtenden K u n stw erks w ied er herzustellen erm öglich t - zw eitens exegetisch, w en n es durch K u n d gabe einer b estim m ten ästhetischen A u ffa ssu n g (äußere sie sich n un in irgen dw elch en kritischen o d e r theoretischen F orm en o d e r etw a in G estalt einer das O b je k t im Sinne eines bestim m ten künstlerischen E indrucks w ied ergeb en d en D a rstel­ lung) den Beweis dafü r erb rin gt, daß ein Bedeutungsw echsel d er F o rm k o m p o n e n te n die W irk u n g des K u n stw erks auf uns H eu tige v erä n d ert hat - u n d endlich k o rre k tiv , w en n es uns durch H in w eise irgen dw elch er A rt, die w ied eru m s o w o h l in schriftlichen B em erk u n gen als in bildlich er W ied erga b e bestehen k ö n n en , dazu veranlaßt, eine irrige A n sich t ü b e r die p ositiv en D a ten zu rektifizieren, die die Erscheinung des K u n stw erks als solche bestim m en . H in z u z u fü g e n w äre n ur das eine, daß die rek on stru k tiv e o d e r k o rre k tiv e B erichtigung einer künstlerischen V orstellu n g stets oh n e w eiteres auch deren exegetische B erichtigung in sich schließt, da die Beseitigung eines Irrtum s ü b er die tat­ sächliche B eschaffenheit des K u nstw erkes naturgem äß auch eine B erichtigung seines E in ­ drucks b ed in gen m u ß. In allen diesen Fällen aber sichern, u m es zu m Schluß n och einm al zu sagen, die D o k u ­ m en te, m ö g e n sie n un rek on stru k tiv , exegetisch o d e r k o r r e k tiv berich tigend w irk en , n u r die V oraussetzun g zu r E rken n tn is des K u n stw ollen s, näm lich das p h ä n om en a le V erständnis der künstlerischen E rscheinungen; sie ersparen uns nicht das B em ü hen u m die u n ter die Sphäre der E rscheinungen h in u n tergreifen d e E rkenntnis des K u n stw ollen s selbst, w ie es - in G estalt eines den P hän om en en im m an enten Sinnes - n ur v o n a p rio ri d ed u zierten G ru n d b eg riffen aus erfa ß t zu w erd en verm ag. D a ß aber die K unstw issen­ schaft - im G egensatz zu r Geschichte der H a n d lu n g en - nicht n u r die A u fg a b e, son d ern auch die M ö g lich k eit hat, zu solchen G ru n d b eg riffen vorzu schreiten , das d a rf (u n d da­ durch erscheint ih r V ergleich m it der E rken n tn isth eorie ex p ost gerech tfertigt) v o n vo rn h e re in als ausgemacht erscheinen: die K unst ist nicht, w ie eine den W iderspru ch gegen die Im ita tion sth eorie überspann en de A nsicht heute vielfach glauben m achen w ill, eine su b jek tive G efüh lsäußeru n g o d e r D aseinsbetätigung b estim m ter In d ivid u en , s on ­ dern die auf gü ltige E rgebnisse abzielende, verw irk lich en d e u n d ob jek tiv ieren d e A u s­ einandersetzung einer fo rm e n d e n K ra ft m it einem zu b ew ältigen den Stoff.

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Der Begriff des Kunstwollens 1 Diese Ausführungen bilden in gewisser Hinsicht die Fortsetzung zu dem in der Zeitschr. f. Ästhetik u. allg. Kunstwissenschaft, Jahrg. X, S. 460 ff. erschienenen Artikel des Verfassers über „Das Problem des Stils in der bildenden Kunst“, dessen Schlußabsatz in ihnen näher erläutert wird. 2 Vgl. Schopenhauers schöne Unterscheidung zwischen „Taten“ und „Werken“ (Aphor. zur Lebensweisheit, Kap. IV). 3 Hans Tietze, Die Methode der Kunstgeschichte, 1913. 4 Das oben Gesagte gilt natürlich nur für die Theorie über die Kunst. Eine Theorie für die Kunst (Proportions-, Perspektiv- oder Bewegungslehre) ist prinzipiell auch in einheitlich dispo­ nierten Epochen möglich. Eine Sonderstellung gegenüber anderen Künstler-Theoretikern nimmt Lionardo da Vinci insofern ein, als er weniger als theoretisierender Künstler, denn als ein künst­ lerisch tätiger Weltbegreifer aufzufassen ist. 5 Die Umkehrung, die die Bedeutung der das Schaffen eines Künstlers tatsächlich beherrschenden Prinzipien in seiner Theorie erfährt, erhellt besonders deutlich aus der Ästhetik Berninis, dessen theoretische Aussprüche mit ganz wenigen und minder programmatisch formulierten Ausnah­ men einen durchaus objektivistisch-idealistischen Standpunkt vertreten; vgl. hierzu einen Auf­ satz des Verfassers im Jahrbuch der Preuß. Kunstsammlungen, 1919, Heft IV, dem die obigen Sätze zum Teil entnommen sind. Ein weiteres ebensogutes Beispiel böte die Ästhetik Albrecht Dürers, die ebenfalls im allgemeinen mit der italienischen Renaissance-Anschauung mitgeht und nur an wenigen Stellen die subjektivistische und individualistische Richtung des großen deutschen Künstlers verrät. 0 G. Rodenwaldt in Zeitschr. f. Ästhetik u. allg. Kunstwissenschaft XI, S. 123. 7 Umgekehrt würde uns die Konstatierung eines bloßen Non-velle den Phänomenen um keinen Schritt näher bringen. 8 Wölfflin, Sitzungsberichte der Kgl. preuß. Akad. d. Wissensch. 1912, S. 576. Wir haben in un­ serem Aufsatz in der Zeitschr. f. Ästhetik usw. X, S. 463 Anm. bereits darauf hingewiesen, daß eine solche zeitgenössische Auffassung künstlerischer Absichten für ihre objektive Beurteilung nicht maßgebend sein kann. - Die Meinung, es sei bei der Beurteilung von Kunstwerken der „Eindruck der Zeitgenossen“, nicht der unsere, ausschlaggebend, ist neuerdings mit starker Über­ treibung von D. Henry verfochten worden (Die weißen Blätter 1919, S. 315 ff.) - in einem Auf­ satz, der auch durch die völlige Identifizierung Riegls mit Worringer zu Mißverständnissen An­ laß geben kann. Es kann nicht genug betont werden, daß Riegls Ansichten bei Worringer sehr stark, und nicht zum Besseren, verändert sind. Wenn Riegl sagt: „Jede Kunst will ihre Welt darstellen“ - so sagt Worringer: „Die· Kunst will entweder (als »organische*) die Welt darstellen, oder sie will sie (als ,abstrakte*) nicht darstellen.“ Riegl hat also den Begriff einer „Natur schlechthin“, die die Kunst entweder nachahmt oder nicht nachahmt, beseitigt, und hat es da­ durch erreicht, jeder Kunst eine eigene Weltvorstellung oder Vorstellungswelt zu vindizieren, d. h. den alten Gegensatz zwischen naturähnlicher und naturentstellender Kunst mit der Wurzel auszumerzen - Worringer verewigt im Grunde diesen alten Gegensatz, nur daß er die „Un­ natürlichkeit“ bestimmter Stile statt aus dem Nicht-Können aus dem „Nicht-Wollen“ herleitet und dadurch zu einer Vertauschung der Wertakzente gelangt. Gerade im Sinne Riegls darf man nicht mit Worringer sagen: dieser Stil abstrahiert von „der“ natürlichen Wirklichkeit, sondern es müßte heißen: „die Wirklichkeit dieses Stils entspricht nicht unserem Begriff vom Wesen des Natürlichen“. 9 Als ein Beispiel dieser Methode darf das in seiner Art gewiß bewundernswerte Werk von Theo­ dor Lipps (Ästhetik, 1903-1906) zitiert werden, das mit der apperzeptionspsychologischen Ein­ stellung durchaus klassizistische, ja puritanische Wertungen verbindet (Ablehnung z. B. der pla­ stischen Gruppen aus selbständigen Einzelgestalten, der realistischen Augendarstellung, wie sie das Altertum, zuerst in Ägypten, durch Einlassung von Halbedelsteinen oder Glaspasten durch­ geführt hat, der Karyatiden, insofern solche Figuren nicht, wie die des Erechtheion, als unmittel­ bare Stellvertreter der tektonischen Stützen auftreten usw.). Interessant ist die Begründung, mit der Lipps (I, S. 2 ff.) diese Verquickung der psychologistischen mit der normativen Ästhetik

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Der Begriff des Kunstwollens rechtfertigt: „Gesetzt, ich kenne die Bedingungen für die Erzeugung eines Schönheitsgefühles; . . . Dann kann ich ohne weiteres auch sagen, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, und was zu ver­ meiden ist, wenn das fragliche Schönheitsgefühl ins Dasein gerufen werden soll. D. h. die Einsicht in den tatsächlichen Sachverhalt ist zugleich eine Vorschrift.“ Das Trügerische dieser Begründung liegt nun darin, daß jener „tatsächliche Sachverhalt“ seinerseits ein durch tausend Umstände determiniertes subjektives Phänomen darstellt: das durch Geschmack, Erziehung, Milieu, Zeit­ strömungen bedingte Eindruckserlebnis eines empirischen Subjekts oder einer Mehrheit empiri­ scher Subjekte - das Erlebnis einiger Menschen, nicht die Erlebnisbedingung des Menschen schlechthin; und es bedarf keiner Erörterung, daß diese letztere, deren Erkenntnis allein die Grundlage für allgemeine normative Sätze bilden könnte, einer reinen Erfahrungswissenschaft, wie es die apperzeptionspsychologische Ästhetik ist und sein will, niemals zugänglich werden kann. 10 Tietze a. a. O. S. 13 f. 11 Um das Rodenwaldtsche Beispiel aufzunehmen, würden wir in dieser Terminologie sagen: Polygnot kann die Darstellung einer naturalistischen Landschaft weder gewollt noch gekonnt haben, weil eine solche Darstellung dem immanenten Sinn der griechischen Kunst des 5. Jahr­ hunderts widersprochen hätte. 12 Wenn Wölfflin (Kunstgesch. Grundbegriffe 1915, S. 18) hierauf erwidert, daß die formale Entwicklung ihre eigenen festen Gesetze habe (so daß die plastische Stufe der malerischen mit Notwendigkeit vorangehe und nicht etwa umgekehrt), so ist das ohne weiteres zuzugeben; allein es wurde ja nicht bestritten, daß die Entwicklung der „Darstellungsmodi“ eine gesetzliche sei, sondern daß die Gesetzlichkeit dieser formalen Entwicklung von der Gesetzlichkeit der in­ haltlichen unabhängig wäre: die Entwicklung des „Imitativen“ vollzieht sich ja mit ebendersel­ ben Notwendigkeit, wie die der „Darstellungsmodi“, und zwar in völlig paralleler Weise, so daß z. B. eine Epoche der Landschaftsdarstellung ebenso eine Epoche der reinen Menschendarstellung voraussetzt, wie die malerische Stufe die plastische; und eben dahin gilt es zu gelangen, daß diese beiden Gesetzmäßigkeiten als Ausdruck eines und desselben Prinzips erkannt werden. 13 Verfasser hofft jedoch, bei - vielleicht sehr viel - späterer Gelegenheit auf das hier ange­ schnittene Thema zurückzukommen. 14 Die Begriffsbildung August Schmarsows ist ebenso wie die des ihm nahestehenden Oskar Wulff trotz mannigfacher Berührung mit Rieglschen Gedankengängen im Grunde noch wesent­ lich psychologisch-ästhetisch orientiert. 15 Rep. XXXI, p. 356 f. Eine Fundierung der bisher wegen ihrer methodologischen Vieldeutig­ keit nur mit mancherlei Gefahren verwendbaren Begriffe des Plastischen und Malerischen ist neuerdings auch durch B. Schweitzer, Zeitschrift für Ästhetik usw. XIII, S. 259 ff. versucht wor­ den. 16 Jahrb. d. Kunstsamml. des Allerhöchsten Kaiserhauses XXIII, S. 71 ff. Die erwähnten Begriffe spielen auch in den posthumen Veröffentlichungen Rieglscher Kolleg-Notizen (Filippo Baldinuccis Vita des Gio. Lorenzo Bernini mit Übers, u. Komm, von Alois Riegl, ed. Burda und Pollak, 1912, und Die Entstehung der Barockkunst in Rom, 1908) eine bedeutende Rolle, während die frühere Arbeit über die spätrömische Kunstindustrie nur erst mit den Begriffen optisch und taktisch operiert. 17 Mit diesen Ausführungen will ich natürlich nicht bestreiten, daß sich die Kunstbetrachtung nicht auch ohne Deduktion und Gebrauch apriorischer oder wenigstens a priori fundierbarer Grundbegriffe, gewissermaßen ohne methodische Bewußtheit, mit Glück um die Erfassung eines dem Kunstwerk immanenten Sinnes habe bemühen können (wie umgekehrt auch die noch so methodisch auf Erforschung dieses Sinnes gerichtete Darstellung wohl nie der Gefahr entgeht, gelegentlich, mindestens in der Ausdrucksweise, ins Psychologische oder Historische abzugleiten): auch bevor Kant die kategoriale Bedeutung des Kausalitätsbegriffes erkannte, sind die tief­ gehenden Wesensunterschiede der Urteilsarten gefühlt und mehr oder minder deutlich ausge­ sprochen worden; nur wird solchen Untersuchungen stets die Sicherheit fehlen, mit der es das Phänomenale, historisch oder psychologisch Genetische vom Sinnhaften zu unterscheiden gilt.

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Der Begriff des Kunstwollens So bietet z. B. eines der schönsten Bücher in deutscher Sprache, Vöges „Anfänge des monumen­ talen Stils“, in dem der Wesensunterschied zwischen gotischem und romanischem Kunstwollen exemplarisch dargestellt wird, dadurch dem Angriff eine Blöße, daß der Verfasser, nicht geneigt, es bei der vorbildlichen Sinninterpretation seiner Beispiele bewenden zu lassen, zwischen ihnen zum Teil auch historisch-genetische Zusammenhänge konstruiert, die der Kritik nicht stand­ gehalten haben. 18 Ernst Heidrich, Beiträge zur Geschichte und Methode der Kunstgeschichte, 1917, S. 87. 19 Wo Riegl und seine Nachfolger ein Anderes, d. h. eine wirkliche kausale Begründung bestimm­ ter historischer Abläufe anzustreben scheinen, handelt es sich um eine terminologische Unvoll­ kommenheit, die damit zusammenhängt, daß Riegl - wie schon bemerkt - sowohl das Kunst­ wollen, als die von ihm zu seiner Erfassung geschaffenen Begriffe noch vielfach psychologistisch auffaßte (wie denn z. B. die von ihm eingeführten Begriffe „nahsichtig“ und „fernsichtig“, vor allem in bezug auf Rembrandts Kunst gebraucht, geradezu bedenklich sind): infolge seiner eige­ nen historischen Stellung konnte er selbst sozusagen noch nicht vollkommen erkennen, daß er eine die bisherige rein genetische Methode weit hinter sich lassende Transzendentalphilosophie der Kunst begründet hatte.

Heinrich Wölfflin (Z u seinem 60. G eburtstage am 21. Juni 1924)

„ . . . und hab* ich erst, wie jetzt Ichs tue, himmlische Musik gefordert, Zu wandeln ihre Sinne, wie die luftge Magie es soll: so brech* ich meinen Stab . . . “ „ Der Sturm“, V, 1. V ielleicht spricht die b eson d ere A bsicht, die H einrich W ölfflin s kunstw issenschaftlicher A rb e it v o n A n fa n g an ihre R ich tu n g gegeben hat, an keiner Stelle deutlicher sich aus als in dem T itel eines k u rzen A ufsatzes, den er im Jahre 1896/97 erscheinen ließ : „W ie m an S k ulpturen aufnehm en s o ll.“ D en n schon in dieser Fragestellung liegt die ganze E rkenntnis beschlossen, die v o rh e r niem and so klar u n d u n b ed in gt gew iß gewesen ist: die E rkenntnis, daß jegliches K u n stw erk v o n einer bestim m ten inneren F orm gesetzlich ­ keit beherrscht w erde, die sich dem Blicke nur dann erschließt, w en n er das W erk nicht anders sieht, als es „gesehen w erd en w ill“ . D ieser G edan k e, der der G egen w a rt so selbstverständlich ist, w ar der frü h eren K u n st­ geschichtsschreibung durchaus nicht in gleicher W eise geläufig, und am w enigsten der des 19. Jahrhunderts, als deren E rbe u nd Ü b e rw in d e r W ö lfflin

sich darstellt. Das

K u n stw erk hat seiner N a tu r nach die Eigenschaft, zugleich b ed in gt u n d u n b ed in gt zu sein. Es ist v o n den historischen B egebenheiten der Z eit, des O rts u nd der P ersön lich ­ keit abhängig, u nd den noch scheint es dem S trom des geschichtlichen W erden s, in dem es erzeu gt w ird , gew isserm aßen zu entwachsen, u m als die restlose u n d endgültige L ösu ng bestim m ter künstlerischer P rob lem e aus dem R eich des b ed in gten u nd b ed in ­ genden Entstehens und Daseins in das R eich des u n b ed in gten G eh en s em p orzu ra gen . M it dieser D op p elstellu n g des K unstw erks hat sich die K u n stbetrachtung des 19. Jahr­ hunderts (im allgem einen, denn selbstverständlich ist auch W ö lfflin nicht u n v o rb e re i­ tet erschienen) nur dadurch abzu fin den gew u ßt, daß sie en tw ed er die B edin gth eit der einzelnen K unsterscheinung aufzuw eisen b em ü h t w ar, —

dann w ar sie P h ilologie,

H isto rie o d e r G eschichtsphilosoph ie, auf künstlerische O b je k te angew andt — , o d er aber die U n b e d in g th eit der K unst als solche ins Licht zu stellen versuchte — dann w ar sie allgem eine Ä sth etik. W ö lfflin

dagegen en th üllt das U n b ed in g te am einzelnen P hän om en ,

am einzelnen

W erk , am W irk e n des ein zeln en K ünstlers, am Schaffen der einzelnen Stilperiode. Er m iß t die künstlerische Erscheinung nicht m it v o n außen an sie herangetragenen M a ß ­ stäben, in dem er sie etw a aus einer bürgerlichen o d er höfischen L eb en sform , aus reli­ giöser o d e r p ro fa n er B estim m u ng zu erklären o d er sie auf die m eh r o d e r m in d er gelungene N a ch ah m u n g einer W irk lich k eit (die es ja als „ d ie “ W irk lich k eit tatsächlich gar nicht gib t) zu p rü fen versuchen w ü rd e, — er m ü h t sich aber auch nicht, sie als die E rfü llu n g n orm a tiver, verm ein tlich

fü r die künstlerische T ätigkeit als solche m a ß ­

geben der P ostulate begreiflich zu m achen; son d ern er sucht die in ihr verw irk lich ten beson deren F o rm p rin zip ien aufzudecken, die A n o rd n u n g der Massen im R au m , die G lied eru n g der B ild fo r m in der Fläche, die A useinandersetzung zw ischen K ö rp e r und

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Heinrich Wölfflin L ich t: er w ill die D in ge sehen u nd zu sehen lehren, „w ie sie gesehen w erden w o lle n “ . So hat er (nicht zu fällig m it der E rforsch un g der Baukunst, bei der ja das im itative M o m e n t v o n v o rn h erein ausschaltet, b egin n en d) die E n tw icklun g der röm ischen T r i­ u m p h b ö g e n gezeichnet, den U nterschied zw ischen R enaissance- und B arockarchitektur zu erfassen versucht u nd — gegen über der noch „vork la ssisch en “ K unst des Q u a ttr o ­ ce n to — das W esen der „K lassischen K u n st“ , w ie sie sich in den W erk en L ion a rd os u n d Raffaels v erw irk lich te, charakterisiert: so hat er, ausgehend v o n einer festen V o r ­ stellung dessen, was M ichelangelos Stil als Stil bedeute (u n d nicht um der A ttrib u tio n als solcher, son d ern eben u m der Stilerkenntnis w illen auf das G eb iet der E chtheits­ fragen sich b egeb en d ), das W e rk dieses M eisters v o n vielen fälschlich zugeschriebenen Stücken b efreit, u n d so hat er uns endlich nicht einen „A lb re ch t D ü r e r “ , son d ern eine „K u n st A lb re ch t D ü rers“ geschenkt. A uch da, w o er S til-W a n d lu n gen v e r fo lg t (w ie etw a in dem Buch ü ber Renaissance und B arock, o d e r in dem A u fsa tz ü ber die T riu m p h b ö g e n ), ist er nicht eigentlich H is to rik e r: ihn fesselt nicht der P rozeß des W erdens, son d ern der G egensatz der E r­ gebnisse; die H era n zieh u n g zw eier od er m eh rerer P hän om en e dien t ihm w en iger zu r Veranschaulichung

einer B ezieh un g o d er E ntw icklun g,

als zu r E rm öglich u n g eines

Vergleichs. U n d w o er an Stelle eines Längsschnitts einen Q u ersch n itt legt u n d etw a das V erhältnis der deutschen zu r italienischen K unst betrachtet, k o m m t es ihm nicht so sehr auf die K on statieru n g der Beeinflussung als auf die K larstellung des Stil­ unterschiedes an. Diese G egen ü berstellu ngen , die jed em Leser W ölfflin sch er Schriften, u n d m eh r noch jedem H ö r e r W ölfflin sch er K ollegs, vielleicht allzu unvergeßlich sich einprägen, w e r­ den an K larh eit u n d Schlagkraft w o h l nie ü b erb oten w erden . U n d , ob z w a r sie v ie l­ fach nicht nur vergleichen, son d ern auch (zum al in den um die Jah rhu n dertw ende en t­ standenen A rb e iten ) im

Sinne einer, v orn eh m lich

von

den

G edan ken

A d o lf v o n

H ild ebran d s beein flu ßten, n orm a tiv en Ä sth etik b ew erten (ein K apitel der „Klassischen K u n st“ ist ü berschrieben: „D e r V e r fa ll“ , u nd die K en n zeich n un g der S pätgotik im D ü rerb u ch ist o f t genug h erbe veru rteilen d ), bezeichnen sie auch bei den nur als „ V o r ­ stu fen “ o d e r „N a ch k lä n g en “ h eran gezogen en Erscheinungen im m er das W esentliche — bis schließlich auch die gotische u n d barocke „U n k la rh e it“ gegenüber der cin q u ecentistischen „K la rh e it“ , od er (in der A usgabe der B am berger A p ok a ly p se) die m ittel­ alterliche N a tu rfern e gegenüber der idealen N a tü rlich k eit der Klassik als ein in seiner Eigenart berechtigtes F orm u n g sp rin zip anerkannt w ird . Zugleich verzich tet W ö lfflin im m er m eh r auf alle psych ologisch en E rklärungsversuche: w en n er in „R enaissance und B a rock “ die S tilw andlung noch aus einer „W a n d lu n g des K ö rp e rg e fü h ls“ zu begreifen versucht (die doch ihrerseits nur ein S y m p tom der Stil­ w an dlu n g ist), so ist sie ihm schon in der „Klassischen K u n st“ der A usdru ck eines nicht w eiter reduzierbaren, v o n eigenen G esetzen beherrschten Prozesses; ja, diese T en d en z zu r A u ton om isieru n g des stilistischen Entw icklungsganges fü h rt schließlich sogar dazu, noch innerhalb seiner zw ischen einer „E n tw ick lu n g des Inhaltlichen und A usdru ck sm äßigen “ und einer v o n dieser ganz unabhängigen „E n tw ick lu n g der A n ­ sch au un gsform en “ zu unterscheiden. W ir, die w ir die E ntstehung einer selbständigen

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Heinrich Wölfflin Landschaftsm alerei nicht v o n der A u sbildu n g eines spezifisch „m alerischen Stils“ ab­ trennen k ö n n e n und einen künstlerischen Inhalt, der das eine M al in eine flächenhafte, das andere M al in eine tiefen h a fte B ild fo rm eingegangen ist, nicht m eh r als „d e n ­

selben" künstlerischen Inhalt anzusehen vermögen, werden hier weniger zwei selb­ ständige „W u rz e ln des Stils“ , als zw ei Stäm m e aus einer W u rzel erkennen w o lle n — allein gerade diese W ölfflin sch e S tiltheorie ist der bezeich n en de und schöne A usdru ck einer Sehbegabung u n d Sehfreude, die dem

künstlerischen

„A u ge “

gleichsam

eine

eigene U n b e d in g th eit gesichert wissen m öch te1. Freilich, W ö lfflin ist zu sehr P h ilosop h , als daß er die D evise „Sehen u n d B eschreiben“ als eine zureichende m ethodische G ru n d legu n g der Kunstw issenschaft hätte ansehen k ö n n e n : er w eiß , daß jedes Sehen u n d Beschreiben stillschw eigend b estim m te Gesichts­ p u n k te o d e r L eitbegriffe voraussetzt, u nter denen (o d e r besser: auf die hin) gesehen und beschrieben w ird ; u n d er, der stets die K larheit, die er an der K unst im G ru n d e doch am m eisten liebt, auch v o n dem eigenen D en k en fo rd e rt, hat sich n otw e n d ig die A u fg a b e stellen müssen, die im p lizit vorausgesetzten L eitbegriffe der B eschreibung ex p lizit darzulegen u n d am k o n k reten M aterial zu bew äh ren . So entstehen, durch eine B erliner

A k a d em iered e

v orb ereitet,

die

„K unstgeschichtlichen

G ru n d b e g riffe “ ,

in

denen jene K ategorien aufgedeckt u n d an der E n tw ick lu n g v o m sechszehnten zu m siebzehnten Jahrhundert dargestellt w erd en : Flächenhaft —

T iefen h a ft, Linear —

M alerisch, K larheit — U n k la rh eit, geschlossene F orm — offen e F orm , K o o rd in a tio n — S u b ord in a tion . O b diese B egriffe w irkliche G ru n d b eg riffe sind, die die künstlerischen P roblem stellu n gen form u lieren , u n d nicht vielm eh r nur C harakterisierungsbegriffe, die die P rob lem lösu n gen kennzeichnen, u n d w iew eit ihre A n za h l sich verm eh ren o d e r v e rm in d e rn ließe: all* das bleibe dahingestellt. Es sind B egriffe, die sich auf kü nstle­ risch W esentliches bezieh en , u n d m it deren H ilfe künstlerisch W esentliches ausge­ drü ckt w erd en kann (eine so unendlich schwere A u fg a b e fü r jede D arstellung, die so ­ w o h l ü ber eine nüchterne Personalbeschreibung des K unstw erks, als ü ber eine quasi­ dichterische

Paraphrasierung desselben hinauszielt), u n d

es sind B egriffe,

die jene

A u to n o m ie der eigentlich kunstgeschichtlichen E rkenntnis b egrü nden helfen , w ie sie auch da (u n d gerade da), w o m an auf neuer Basis die künstlerischen E rscheinungen w ieder m it religiösen u nd ph ilosoph isch en zusam m enzusehen od er vielm eh r zu parallelisieren versucht, vorausgesetzt w erd en m uß. W en n W ö lfflin so der B egrün der od er jedenfalls der g röß te V erw irk lich er einer fo r m ­ analytischen K unstbetrachtung g ew ord en ist, so ist er selbst doch w eit d a v on en tfern t, v o llk o m m e n im F orm alen a u fzu geh en ; ja, w ie unter den Ä u ß eru n gen bedeu ten der N a tu ren gerade die, die etwas außerhalb des zielb ew u ß ten Strebens liegen u nd gleich­ sam als die selbstverständlichen A usstrahlungen des persönlichen C harakters sich dar­ stellen, o f t beinahe die anziehendsten sind, so ist auch W ö lfflin da vielleicht am u n ­ nachahm lichsten, w o die A nalyse der form a len Erscheinung sich gleichsam v o n selbst 1

1 Was diese Sehbegabung der Kunstgeschichte an rein tatsächlichen Ergebnissen eingetragen hat (wie etwa die völlig neue Einsicht in eine Entwicklung innerhalb der sixtinischen Deckenfresken), darauf kann hier natürlich nicht eingegangen werden.

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Heinrich Wölfflin in eine D e u tu n g des geistigen G ehalts verw an delt, w o ein paar W o rte die L ebens­ geschichte eines K ünstlers o d e r den Inhalt einer H eiligen legen d c u m reißen, und v o ll­ ends da, w o er, der S ohn des b edeu ten den P h ilologen u nd der Schüler des g roß en U n iversalh istorik ers, die ganze Sch önh eit seiner D ik tio n u nd den ganzen R eich tu m seiner echt hum anistischen B ildu n g an eine In terp reta tion des Ethischen w en d et: d em ­ selben G eist, dem unsere T e rm in o lo g ie W o r te w ie „M a s s e n ö k o n o m ie " o d e r „L in ie n ­ k a d e n z“ verd a n k t, v erd a n k t sie auch das W o r t „G e sin n u n g “ . — W en ige M o n a te v o r seinem 60. G ebu rtstag ist H einrich W ö lfflin v o n seinem L ehram t zu rück getreten . W ie P rosp ero hat er freiw illig den Zauberstab n iedergelegt (u n d das, was in der H a n d anderer L ehrer ein Z eigestock ist, w ar in der seinen in der T a t ein Z auberstab), u n d gleich jen em d a rf er es in dem B ew ußtsein tun, daß seine „M a g ie “ ihre A u fg a b e , „d ie Sinne der M enschen zu w a n d eln “ , erfü llt hat. Dieser V erzich t b e­ deutet e b e n so w o h l K ra ft als R esig n a tion : w er aus der öffentlich en W irksam keit zu sich selber zu rü ck k eh rt, zeigt, daß er an sich selber genug hat.

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Über das Verhältnis der Kunstgeschichte zur Kunsttheorie Ein B eitrag zu der E rörteru n g ü b er die M öglich k eit „kunstw issenschaftlicher G ru n d b e g riffe “ . In einer v o r m eh reren Jahren erschienenen A r b e it1 hat der V erfasser dieses A ufsatzes den V ersuch gem acht, den in der gegen w ärtigen K unstw issenschaft häufig v erw en d eten , aber n ich t im m er zu treffen d b estim m ten B egriff des „K u n s tw o lle n s “ (m it w elch em T erm in u s w ir seit A lo is R ieg l die Sum m e o d e r E in heit d er in irgen d einem kü nstle­ rischen P h ä n o m en 2 sich offen b a ren d en schöpferischen K rä fte zu b ezeich n en pflegen) ein igerm aßen zu klären. D ieser V ersuch hatte sich u m den N achw eis b em ü h t, daß jenes „K u n s tw o lle n “ , w en n anders die U n tersu ch u ng nicht einem circu lu s vitiosu s v e r­ fallen solle, nicht psychologistisch als W ille des K ünstlers (o d e r der E poch e usw .) ge­ d eu tet w erd en d ü rfe, vielm eh r n u r dann einen m öglich en G egenstand kunstw issenschaft­ licher E rken n tn is darstelle, w en n es nicht als p sych ologisch e „W irk lich k e it“ , son d ern als ein m etem pirischer G egen stan d betrachtet w erd e - als etwas, das als „im m a n en ter S in n “ im künstlerischen P h ä n om en e „ lie g t “ . In dieser Eigenschaft - u n d n u r in dieser Eigenschaft - erschien uns das „K u n s tw o lle n “ m it H ilfe a p rio ri gü ltiger „G r u n d b e ­ g riffe “ faßbar, d. h. also als ein D en kgegen stan d, der ü b erh a u p t nicht in einer W ir k ­ lichkeitssphäre (auch nicht in der Sphäre historischer W irk lich k eit) an zutreffen ist, s on ­ dern, m it H usserl zu reden „eid etisch en “ C harakter trägt. D e r kritische T eil dieser A u sfü h ru n g en scheint, sow eit uns bisher Ä u ß eru n g en zu dem genannten A u fsa tz b ek a n n t g e w o rd e n sind, kein em W iderspru ch e begegn et zu sein; gegen den p o sitiv en jed och - d. h. gegen die These v o n der M ög lich k eit u n d N o t w e n ­ d igk eit a p r io r i gü ltiger kunstw issenschaftlicher G ru n d b eg riffe - hat letzth in A lex a n d er D o r n e r eine R e ih e v o n E in w än den geltend gem acht3. D iese E in w än de haben unseren S ta n d p u n k t in nichts zu erschüttern v erm och t, da sie teils auf einem grundsätzlichen M ißverständn is unserer A n sich ten 4, teils auf einer, w ie w ir glauben, irrigen A u ffa ssu n g v o n dem V erhältnis zw ischen apriorischer u n d aposteriorisch er E rken n tn is beruhen. Im m erh in h aben sie die N o tw e n d ig k e it dargetan, die rein p rogram m atisch en A u s fü h ­ ru ngen jen er älteren A rb e it ein w en ig w eiter au szufüh ren u n d einm al das theoretische W esen, sodan n aber auch die pra k tisch -m eth od isch e B edeu tu n g der kunstw issenschaft­ lichen G ru n d b e g riffe, u n d dam it das V erhältnis zw ischen K u n stth eorie u n d K u n stge­ schichte etwas eingehender zu erörtern . A. I.

U n te r den kunstw issenschaftlichen „G ru n d b e g riffe n “ , v o n deren G eltu n g u n d G e ­

w in n u n g zunächst die R ed e sein soll, verstehen w ir Begriffspaare (daß u n d w a ru m es n u r B egriffspaare sein k ö n n en , w ird aus den n a ch folgen d en D arlegu n gen o h n e w eiteres klar w e rd en ), in deren A n tith e tik die a p rio ri gesetzten „ G r u n d p r o b le m e “ des k ü n st­ lerischen Schaffens ihren b egrifflichen A usdru de finden. M an p flegt bei der B etrachtung der K u n stw erk e v o n „künstlerischen P ro b le m e n “ zu sprechen, als deren „L ö s u n g “ m an das K u n stw erk auffassen zu d ü rfen glaubt. Solche

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Über das Verhältnis der Kunstgeschichte zur Kunsttheorie P ro b le m e (w ie etw a die P rob lem e „L on g itu d in a lten d en z u n d Z en tralisieru n gsten d en z“ , „Säule u n d W a n d “ , „E in zelfigu r u n d G esam tau fbau “ ) stellen sich nun stets in der F o rm eines G egensatzes dar, zw ischen dessen P olen das K u n stw erk in irgen d einer F o rm einen A usgleich schafft; u n d eben die beson d ere A r t u n d W eise dieses Ausgleichs ist es, w o r in die künstlerische E igenart eines bestim m ten K unstw erks o d e r einer bestim m ten G ru p p e v o n K u n stw erk en besteht, w od u rch das K u n stw erk sich „sein e“ , v o n d er em pirischen W irk lich k eit grundsätzlich unabh än gige W e lt k on stitu iert. A lle diese künstlerischen P ro b le m e n u n (u n d eben deshalb sind sie n u r als A n tith esen form u lierb a r) sind im p lizite beschlossen o d e r enthalten in ein em ein zigen g roß en U rp ro b le m , das seinerseits die F o rm einer A n tith ese besitzt u n d - in sofern es sich m it N o tw e n d ig k e it aus den B edin ­ gu ngen des künstlerischen Schaffens als solchen ergib t -

a p rio ri gesetzt ist: in dem

P ro b le m , das sich vielleicht am besten m it den W o rte n „F ü lle “ u n d „ F o r m “ um schreiben läßt5. K unst, w ie im m e r m an sie auch definiere, u n d welches ih rer G eb iete m an auch ins A u g e fasse, erfü llt ihre spezifische A u fg a b e in einer G estaltung der Sinnlichkeit. D a m it ist ausgedrückt, daß die H e rv o rb rin g u n g e n d er K unst zugleich die der sinnlichen W a h r­ n eh m u n g eign en de „F ü lle “ b ew ah ren , u n d d en noch diese Fülle einer gewissen O rd n u n g u n terw erfen u n d sie in sofern durch diese O rd n u n g beschränken w ollen , - daß, anders ausgedrückt, in jeglich em K u n stw erk ein w ie im m er gearteter Ausgleich zw ischen „F ü lle “ u n d „ F o r m “ , als den zw ei P olen jenes grundsätzlichen G egensatzes, sich v ollzieh en m u ß . D ieser n o tw e n d ig e A usgleich zw ischen zw ei entgegengesetzten P rin zipien kann n un n u r dadurch w irk lich w erd en , daß der apriorischen N o tw e n d ig k e it einer A ntith esis die ebenso apriorische M ög lich k eit einer Synthesis en tsprich t: „F ü lle “ u n d „ F o r m “ einander an u n d fü r sich als zw ei P rin zip ien gegen übertreten d, v o n denen gleichsam nicht einzusehen ist, auf w elche W eise sie Zusam m enw irken k ön n en - k ön n en u n d m üs­ sen näm lich in so fern eine Synthese eingehen, als der rein on tolog isch e G egensatz z w i­ schen „F ü lle “ u n d „ F o r m “ sein K orrela t b esitzt in (o d e r genauer gesagt: im letzten G ru n d e identisch ist m it) dem

m ethodologischen® G egensatz zw ischen

„ Z e it “ u n d

„R a u m “ - w o b e i das P rin zip d er „F ü lle “ der A n sch au u n gsform der „ Z e it “ , u n d das P rin zip der „ F o r m “ der A n sch a u u n gsform des „R a u m e s“ entspricht: ist der G egensatz zwischen „F ü lle “ u n d „ F o r m “ die apriorische V oraussetzun g fü r das Dasein der k ü n st­ lerischen P ro b le m e, so ist die W ech selw irk u n g zw ischen „ Z e it “ und „R a u m “ die a p rio ­ rische B edin gu n g fü r die M ög lich k eit ih rer L ösung. W en n also ü b erh a u p t eine D e fin itio n des K unstw erkes versucht w erden

d ü rfte, so

w ü rd e sie etw a so zu lauten h a b en : Das K u n stw erk , on tolog isch betrachtet, ist eine A u s­ einandersetzung zw ischen „ F o r m “ u n d „F ü lle “ - das K unstw erk m eth od ologisch b e­ trachtet7, ist eine A useinan dersetzu n g zw ischen „ Z e it “ und „R a u m “ ; und n u r aus d ie­ sem K orrela tion sverh ä ltn is w ird b egreiflich , daß auf der einen Seite „I ü lle“ u n d „ F o r m “ m itein an d er in leben dige W ech selw irk u n g treten, und daß auf der anderen Seite „ Z e it “ u n d „ R a u m “ in einem in d ivid u ell anschaulichen G eb ild e sich vereinigen k ön n en . D iese d o p p e lte P rob lem a tik (die in W irk lich k eit nur den zw iefachen A sp ek t einer ein ­ zigen darstellt) beherrscht, w ie gesagt, das künstlerische Schallen überhaupt, d. h. oh n e R ücksicht darauf, o b es sein sinnliches M aterial der visuellen od er der akustischen „ A n ­

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Uber das Verhältnis der Kunstgeschichte zur Kunsttheorie schauung“ en tn im m t. U n te r den beson deren B edin gu n gen der visuellen A nschauung, d. h. u n te r den jen igen B edin gu n gen , die fü r die b ild en d e K unst, das „K u n stg e w e rb e “ u n d die A rch ite k tu r verb in d lich sind, m u ß sich die gen ann te P rob lem a tik n atu rgem äß in spezifischeren G egensätzen ausdrücken, u nd diese spezifisch visuellen G egensätze, od er, genauer gesagt, diese G egensätze spezifisch visueller W erte n un sind es, die w ir als die G ru n d p ro b le m e des bildnerischen u n d architektonischen Schaffens bezeichnen d ü rfen , u n d deren begriffliche F orm u lieru n gen daher als „G ru n d b e g riffe der K unstw issenschaft“ zu gelten haben. D ie n a ch folgen d e T a fel m ö g e das G esagte verd eu tlich en 8.I.

A llg em ein e

Spezifische G egensätze in nerhalb der

A n tith e tik

ph ä n om en a len , u n d zw a r visuellen Sphäre

A llgem ein e A n tith e tik in nerhalb der

innerhalb der o n tologisch en

1. G egensatz

2. G egensatz

3. G egensatz

m e t h o d o lo ­

Sphäre

der E lem en tar­

der F igu ration s­

der K o m p o ­

gischen Sphäre

w erte

w erte

sitionsw erte

D ie „F ü lle “

D ie „o p tis ch e n “

D ie

D ie „W e rte des

D ie „ Z e it “

steht gegen über

W erte

„T ie fe n w e r te “

In ein a n d er“

steht gegenüber

der „ F o r m “

(F reiraum )

stehen

(V ersch m elzu n g)

dem „ R a u m “

stehen

gegen über den

stehen

gegenüber den

„F lächen­

gegen über den

„h a p tisch en “

w e rte n “

W erten (K ö rp e r)

„W e r t e n “ des N e b e n ­ ein a n d er“ (Z erteilu n g)

II. Es k an n h ier natürlich nicht d er Versuch gem acht w erd en , diese T afel d er kü nstle­ rischen G ru n d p ro b le m e , die nach dem v o rig e n zugleich eine T afel der kunstw issen­ schaftlichen G ru n d b eg riffe ist, m ethodisch abzuleiten, u n d ihre V ollstä n d ig k eit u n d B rauchbarkeit darzu tu n. N u r u m w eiteren M ißverständnissen vorzu b eu g en , sei fo lg e n ­ des h in zu gesetzt: 1. Das B egriffspaar der ersten K o lu m n e (optische u n d haptische W erte) b ezieh t sich auf eine R e g io n des Anschaulichen, die w ir die Schicht d er E lem entarw erte n ennen k ö n n e n : es b ezeich n et diejenigen W erte, durch deren A usgleich eine sichtbar gestaltete E inheit („ F ig u r “ ) allererst entstehen k a n n ; das Begriffspaar der zw eiten K olu m n e (Flächenw erte u n d T ie fe n w e rte ) bezieh t sich auf eine nächste R e g io n des A nschaulichen, die w ir die Schicht der F igu ration sw erte nenn en k ö n n e n : es bezeichnet diejenigen W erte, durch d eren A usgleich eine sichtbar gestaltete E inheit (Figur) tatsächlich en tsteh t; das B egriffs­ paar der d ritten K olu m n e endlich (W erte des In ein an der u nd W erte des N eben ein an der) bezieh t sich auf eine oberste R e g io n des Anschaulichen, die w ir die Schicht der K o m ­ p ositio n sw e rte nennen k ö n n e n : es bezeichnet diejenigen W erte, durch deren A usgleich

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Über das Verhältnis der Kunstgeschichte zur Kunsttheorie eine M eh rza h l v o n sichtbar gestalteten E inheiten (h an dle es sich nun u m die G lied er eines b estim m ten O rganism us, u m die Teile einer bestim m ten G ru p p e o d e r u m die K o m p o n e n te n einer b estim m ten künstlerischen G a n zh eit) zu einer E in heit h öh eren G rades v e rk n ü p ft w ird . 2. Das durch das erste B egriffspaar fo rm u lie rte G ru n d p ro b le m d er A useinan dersetzu n g zw ischen optischen u n d haptischen W erten läßt sich begreifen als die spezifisch visuelle E rschein un gsform des G egensatzes zw ischen „F ü lle“ u n d „ F o r m “ . D en n w en n die V e r ­ w irk lich u n g eines rein optischen W ertes zu einer A usschaltung jeglicher „ F o r m “ , d. h. zu einer v ö llig a m orp h en L ichterscheinung fü h ren m ü ß te, so w ü rd e u m gek eh rt die V e r ­ w irk lich u n g eines rein haptischen W ertes zu einer A usschaltung jeglicher sinnlichen „F ü lle “ , d. h. zu einem ganz abstrakten geom etrischen G eb ild e fü h ren 9. D em gegen ü b er läßt sich das durch das d ritte B egriffspaar fo rm u lie rte G ru n d p ro b le m der A u sein a n d er­ setzung zw ischen den W erten des In ein an der u n d den W erten des N eb en ein a n d er als die spezifisch visuelle E rschein un gsform des G egensatzes zw ischen „ Z e it “ u n d „ R a u m “ b eg reifen ; d en n w en n eine w irklich restlose V ersch m elzu n g m eh rerer E in heiten m it­ einander n u r im M ed iu m der jed er T eilu n g sp otten d en „ Z e it “ zu den ken ist, so ist u m ­ gek eh rt eine w irk lich strenge Isola tion m eh rerer E inheiten gegen ein ander n u r im M e ­ diu m des v o n k ein er B ew egu ng d u rch ström ten „R a u m e s“ vorzu stellen , so daß die durch das d ritte B egriffspaar ausgedrückte A n tith ese nicht m in d er passend durch das B egriffs­ paar „R u h e u n d B ew eg u n g “ (Sein u n d W erd en ) hätte geken nzeichn et w erd en k ön n en , w en n nicht bereits der B egriff der „B e w e g u n g “ beziehungsw eise des „W e rd e n s “ nicht so w o h l die V o rstellu n g eines rein zeitlichen, als v ielm eh r die V orstellu n g eines z e it­ räum lichen Ereignisses bei sich fü h rte. D as durch das m ittlere Begriffspaar form u lie rte G ru n d p ro b le m d er A useinan dersetzu n g zw ischen T iefen w erten u n d Flächenw erten en d ­ lich läßt sich s o w o h l aus dem G egensatz „F ü lle “ u n d „ F o r m “ , w ie aus dem G egensatz „ Z e it “ u n d „ R a u m “ b egreifen, in sofern ein bestim m tes V erhältnis zw ischen T ie fe und Fläche zugleich ein bestim m tes V erhältn is zw ischen optischen u n d haptischen W erten u nd ein bestim m tes V erhältnis zw ischen V erschm elzu ng u n d Z erteilu n g, B ew egu ng u nd R u h e voraussetzt. So besteht z. B. d er U n tersch ied zw ischen dem altägyptischen und klassisch-griechischen R eliefstil, in sow eit die Schicht der F igu ration sw erte ins A u g e ge­ fa ß t w ird , bek an ntlich darin, daß die altägyptische K u n st durch eine ganz flache, zu m Teil sogar versen kte R eliefieru n g u n d einen w eitgeh en den V erzich t auf V erk ü rzu n g en die T iefen w erte m öglich st vollstä n d ig zu gun sten der F lächenw erte zu rückdrän gt, w ä h ­ rend die klassisch-griechische K unst durch m a ß v olle V ertiefu n g des R eliefs10 u n d ebenso m a ß v o lle V e rk ü rzu n g en einen m ittleren A usgleich zw ischen T ie fe n - u n d F lächenw erten erreicht. A lle in es ist s o fo r t ersichtlich, daß eine solche L ösu ng des F lä ch en -T iefen p roblem s, sei sie n u n in dem einen o d e r anderen Sinn v o llz o g e n , unw eigerlich m it einer entsprechenden L ösu n g so w o h l des P rob lem s „op tisch e u n d haptische W e rte “ , als auch des P rob lem s „W e r te des In einander (V ersch m elzu n g, B ew eg u n g )“ u n d „W e rte des N eb en ein a n d er (Isola tion , R u h e )“ verb u n d en sein m u ß : D a die B ew egu ng einer E in zel­ fo r m , u n d in sofern auch die V erb in d u n g m eh rerer E in zelform en m itein an der, nur u nter der V orau ssetzu n g m öglich ist, daß dieser E in z e lfo rm der Ü b erga n g v o n der zw eiten in die d ritte D im en sion des R aum es freisteh t (denn nicht einm al eine parallel m it der

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Über das Verhältnis der Kunstgeschichte zur Kunsttheorie B ildebene verla u fen d e Schiebung, geschw eige den n eine

D reh u n g o d e r N eig u n g ist

den kbar, solange die F o rm sich nicht v o n der G ru n dfläch e „a b lö s e n “ kan n), so b ed eu tet eine E ntscheidung des F lä ch en -T iefen p rob lem s zu gun sten der Fläche n otw en d igerw eise zugleich eine E ntscheidung des P rob lem s „R u h e u n d B ew eg u n g “ , „Is o la tio n u n d V e r ­ sch m elzu n g“ zu gun sten d er R u h e u n d der Isola tion , u n d u m g ek eh rt; u n d da eine V e r­ w irk lich u n g optischer W erte ebenfalls n ur u n ter der B edin gu n g m öglich ist, daß die reine schattenlose E bene durch A u sladu n g u n d V ertiefu n g geb roch en w ird , so bedeu tet eine E ntscheidung des F lä ch en -T iefen p rob lem s zu gun sten d er Fläche n otw en d igerw eise zugleich auch eine E ntscheidung des P roblem s „op tisch e u n d haptische W e rte “ zugunsten der haptischen, u n d u m gek eh rt. Es lä ß t sich also, w ä h ren d die beiden anderen G ru n d ­ p ro b le m e en tw ed er auf die R a u m -Z e it-A n tith e s e o d e r auf die F ü lle-F orm -A n tith ese zu rü ck gefü h rt w erd en k ön n e n , das G ru n d p ro b le m

„T ie fe n w e rte u n d F läch en w erte“

tatsächlich v o n beiden Seiten h er begreifen, u n d n u r diese V e rm ittlerrolle des zw eiten G ru n d p ro b le m s m acht uns die Tatsache verständlich, daß in n erh alb eines b estim m ten „S tiles“ alle drei G ru n d p ro b le m e „in einem u n d dem selben Sinn g elöst“ w erd en k ö n n en u n d m üssen: es w äre - auch w en n m an erkan nt hat, daß alle drei G ru n d p ro b le m e n u r die spezifischen A u sfo rm u n g e n eines einzigen U rgegensatzes sind -

nicht leicht, eine

k o n k re te B eziehung zw ischen haptischen u nd optischen W erten einerseits u n d R u h e u n d B ew egu ng andererseits aufzuw eisen, w en n eben nicht eine bestim m te E ntscheidung des F lä ch en -T iefen p rob lem s zugleich m it einer bestim m ten E ntscheidung b eid er anderen P ro b le m e v erb u n d en wäre. 3.

Schon aus dem eben A n g e fü h rte n geh t h e rv o r, w ie irrig die fast überall vertreten e

A u ffa ssu n g ist, w on a ch die G ru n d b eg riffe der K unstw issenschaft den E hrgeiz o d e r die A u fg a b e hätten , die stilistische E igenart eines K u n stw erks o d e r einer K u n step och e u n ­ m ittelb a r u n d als solche „a u f eine F orm el zu b rin g e n “ . W as sie, in sow eit sie w irklich den N a m e n v o n G ru n d b eg riffen v erd ien en , au f eine F orm el zu b rin gen versuchen, das ist durchaus nicht die A r t u n d W eise, w ie die künstlerischen P rob lem e gelöst, son dern w ie sie gestellt sin d: richtig verstan den sind sie alles andere als E tiketten, die irgen d w ie auf die k o n k re te n G egenstände au fgek leb t w erd en k ö n n ten , son d ern ihre n otw en d ig e A n tith e tik bezeichnet, statt einer in n erh alb d er E rscheinungsw elt zw ischen zw ei b e o b ­ achtbaren P h ä n om en en zutage treten d en S tildifferenz, in W a h rh eit eine jenseits der E rscheinungsw elt zw ischen zw ei th eoretisch fixierbaren P rin zip ien bestehende P olarität. M a n k an n daher derartigen G ru n d b eg riffen niem als den V o r w u r f m achen, daß sie, als n o tw e n d ig antithetisch fo rm u lie rte , dem nicht auf D u alism en einschränkbaren R eich tu m der künstlerischen W irk lich k eit nicht gerecht w erd en k ö n n ten . D e n n alle die B egriffe, die w ir o b e n k u rz zusam m engestellt haben - die B egriffe der optischen u n d haptischen W erte, der T ie fe n - u n d Flächenw erte, der W erte des In ein an der u n d N eb en ein a n d er - , sie alle bezieh en sich gar nicht auf G egensätze, die innerhalb dieser künstlerischen W ir k ­ lich keit als solche an getroffen w erd en k ö n n te n , son d ern auf G egensätze, zw ischen denen die künstlerische W irk lich k eit allererst einen w ie im m er gearteten A usgleich schafft: ein rein haptischer W e rt w ü rd e ja, w ie w ir schon o b e n sagten, n u r in einer abstrakten g e o ­ m etrischen Figur, ein rein op tisch er n u r in einer am orp h en L ichterscheinung sich v e r­ w irk lich en k ö n n e n , u n d ein absolu t Flächenhaftes ist in c o n c r e to eben so u n m öglich w ie

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Uber das Verhältnis der Kunstgeschichte zur Kunsttheorie ein absolu t T iefen h a ftes; ein reines „In ein a n d er“ w äre rau m lose Z eit, ein reines „ N e b e n ­ ein a n d er“ zeitloser R a u m . So gew iß daher die kunstw issenschaftlichen G ru n d b eg riffe n ur in der F o rm absolu ter A n tith esen auftreten k ön n en , so gew iß liegt es ihnen fern , die K u n stw erk e selbst „ch arakterisieren “ zu w ollen - u n d so gew iß die kunstgeschicht­ lichen C harak terisieru n gsbegriffe sich n u r auf die K u n stw erk e selbst beziehen, so gew iß b ew egen sie sich nicht in absolu ten G egensätzen, son d ern gleichsam auf einer gleiten den Skala: jene bezeichnen die P ole einer a p rio ri gesetzten P olarität, die als solche in der E rscheinung nicht an zutreffen ist - diese einen a p o ste rio ri v o llz o g e n e n A usgleich jen er P olarität, fü r den es nicht zw ei, son d ern unendlich viele verschiedene M ög lich k eiten gibt. W e n n also die absolu t gegensätzlichen Begriffe „h a p tisch “ u n d „o p tis c h “ usw . n u r die Stellung u n d nicht die L ösu n g eines künstlerischen G ru n d p rob lem s zu m

Inhalt

haben, so setzen u m gek eh rt die auf die L ösu ng u n d nicht auf die Stellung der betr. G ru n d p ro b le m e b ezog en en B egriffe „m alerisch “ , „plastisch“ usw . statt eines absolu ten G egensatzes n u r einen graduellen U nterschied in dem Sinne, daß w ir m it dem T erm in u s „plastisch“ einen m ittleren A usgleich zw ischen optischen u n d haptischen W erten , dage­ gen m it dem T erm in u s „m a lerisch “ einen die haptischen W erte zugunsten der optischen zu rü ck drän gen den A usgleich bezeichnen, w äh ren d derjen ige A u sdru ck , m it dem w ir die extrem unm alerische K unst der alten Ä g y p te r charakterisieren k ö n n te n (etw a der A u s ­ druck „stereom etrisch-kristallin isch “ ) auf einen die optischen W erte zugunsten der h a p ­ tischen zu rü ck drän gen den A usgleich h in d eu tet. Es bezeich n en also die B egriffe „m a le ­ risch“ , „plastisch “ u n d „stereom etrisch-kristallin isch “ m it nichten absolute G egensätze, son d ern die verschiedenen P u n k te einer Skala, deren N u llp u n k t jew eils durch den T e r ­ m inus „plastisch “ bezeichnet w ird . „J ew eils“ , denn w en n die theoretischen E n d p u n k te jen er Skala, durch keine W irk lich k eit erreichbar, gew isserm aßen im U n en dlichen liegen, da fü r aber durch den G egensatz zw ischen „h a p tisch en “ u n d „o p tisch e n “ W erten ein fü r allem al festgelegt sind, so liegen ih re h istorischen E n d p u n k te gew isserm aßen im E n d ­ lichen u n d müssen sich dem gem äß, je nach d er B egrenzu n g des in Betracht gezogen en O b ­ jektkreises, verschieben, - so daß etw a ein K u n stw erk , das relativ auf den Stil des X V I . Jahrhunderts schon als „m alerisch “ b ezeich n et w erd en m ü ß te, relativ auf den Stil des X V I I . Jahrhunderts n och als „plastisch “ gelten k ön n te, w eil sich n u n m eh r die gesam te W ertskala nach der Seite des „o p tis ch e n “ Poles versch oben hat. K lar also, daß - schon rein theoretisch - zw ischen einer extrem unm alerischen L ösu n g im Sinne d er a ltä gyp ti­ schen K unst u n d einer extrem m alerischen im Sinne des m o d ern en Im pressionism us unendlich viele Z w ischen stu fen m öglich sind (w ie selbstverständlich auch jenseits des altägyptischen Stiles eine noch m eh r die optischen, u n d jenseits des m o d ern en Im p ressio­ nism us eine n och m eh r die haptischen W erte zu rü ck d rän gen de L ösu n g v orstellb a r b le ib t), u n d daß überdies die kunsthistorische Praxis, je nach dem a n gen om m en en Be­ zugssystem , s o w o h l dieselbe E rscheinung m it verschiedenen, als verschiedene E rscheinun­ gen m it gleichen T erm in i belegen k a n n 11. K lar aber auch, daß diese V ariabilität der Ska­ le n p u n k te nichts gegen die K on sta n z d er S kalen pole bew eist, u n d n u r das eine dartut, daß C harak terisieru n gsbegriffe keine G ru n d b eg riffe, u n d G ru n d b eg riffe keine C h a ra k ­ terisierungsbegriffe sind. W ie die A u sd rü ck e „stereom etrisch -kristallin isch “ , „plastisch “ , „m a lerisch “ (u n d alle sie

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Über das Verhältnis der Kunstgeschichte zur Kunsttheorie ergän zenden u n d d ifferen zieren d en )12 die unterschiedlichen L ösu n gen des ersten G r u n d ­ p rob lem s bezeichnen, so bezeich n en A usdrü cke w ie

„F lä ch en h a ftigk eit“ , „m ittle re r

A usgleich zw ischen Fläche u n d T ie fe “ , u n d „T ie fe n h a ftig k e it“ (im Sinn d er P erspektive) die unterschiedlichsten L ösu n gen des zw eiten , u n d so bezeich n en A usdrü cke w ie „u n b e ­ w egliche R u h e “ , „m ittle re r A usgleich

zw ischen R u h e u n d B ew eg u n g “

(orga n isch -

„e u rh y th m isch e “ A u ffassu n g) u n d „Ü b e rw in d u n g der R u h e durch die B ew eg u n g “ - in an derer A usdrucks w eise: Isola tion , V erb in d u n g , V erein h eitlich u n g -

die u ntersch ied­

lichen L ösu n gen des d ritten , w o b e i n aturgem äß v o n d er A n w e n d u n g dieser b eid en w e i­ teren B egriffsdreiheiten genau das G leiche gilt, was soeben m it B ezug auf d ie erste („stereom etrisch -k ristallin isch “ , „plastisch “ , „m a lerisch “ ) ausgeführt w u rd e. W ir haben bisher n u r v o n den jen igen B egriffen gesproch en, die die n ich tfarblich e E r­ scheinung der K u n stw erte ken nzeichn en . A llein auch die B egriffe, m it den en die K u n st­ geschichte den Farbstil derselben zu charakterisieren versucht, bezeichnen nichts anderes, als unterschiedliche L ösu ngen eben derselben künstlerischen G ru n d p ro b le m e , die (eben in sofern sie G r u n d p ro b le m e sind) v o llk o m m e n jenseits d er U n tersch eidu n g zw ischen „fa rb lich e n “ u n d „n ich tfa rb lich en “ Q u alitäten stehen, die aber in d er F arbgestaltung ganz ebenso ihre L ösu ng erfahren, w ie in der K ö r p e r - o d e r R a u m k o m p o s itio n : m it dem A usdru ck „P o ly c h r o m ie “ bezeichnen w ir diejenige H a n d h a b u n g der Farbe, durch die das P rob lem „W e rte des N eb en ein a n d er u n d W erte des In ein a n d er“ (Z erteilu n g u n d V e r ­ schm elzung) zu gun sten des N eb en ein a n d er, d. h. d er Z erteilu n g, das P ro b le m „F läch en ­ w erte u n d T ie fe n w e rte “ zu gun sten der F lächenw erte, u n d das P ro b le m „haptische u n d optische W e r te “ zu gun sten der haptischen W erte entschieden w ird - m it dem A u sd ru ck „K o lo r is m u s “ dagegen, dessen ex trem er Fall die „ T o n ig k e it “ ist13, bezeich n en w ir d em ­ gegen über diejenige H a n d h a b u n g der Farbe, durch die das P rob lem „W e rte des N e b e n ­ ein a n d er“ u n d „W e rte des In ein a n d er“ („Z e rte ilu n g u n d V ersch m elzu n g“ ) zu gun sten des Ineinander, d. h. der V erschm elzu ng, das P ro b le m „F lä ch en w erte“ u n d „T ie fe n ­ w e rte “ zu gun sten der T iefen w erte, u n d das P ro b le m „haptische W erte u n d optische W e rte “ zu gun sten der optischen W erte entschieden w ird . D ie streng „p o ly c h r o m e “ Farbgestaltung ist also, in sofern sie die G ru n d p ro b le m e in einem entsprechenden Sinne löst, das n o tw e n d ig e K orrela t zu einer isolieren den , flächenhaften u n d kristallinischen R a u m - u n d K ö r p e r k o m p o s itio n , w ä h ren d die „k o lo ristisch e “ , in son d erh eit „t o n ig e “ , sich eben so n o tw e n d ig m it ein er verein h eitlich en den, tiefen h aften u n d m alerischen R a u m - u n d K ö rp e r k o m p o s itio n v erb u n d en finden w ir d 14. 4.

D ie absolute A n tith etik d er - p r o b le m fo rm u lie re n d e n - G ru n d b eg riffe, die aufzustel­

len u n d zu en tw ickeln die A u fg a b e der K u n stth eorie ist, schließt also keinesw egs eine eben so absolu te A n tith e tik der - stilken nzeich nen den - C harakterisieru n gsbegriffe in sich, m it denen die Kunstgeschichte arbeitet: w eit en tfern t, die W elt der künstlerischen Erscheinungen in zw ei feindlich e L ager einzuteilen, zw ischen denen fü r zahllose P h ä n o­ m ene k ein R a u m b leiben w ü rd e, bezeichnen die G ru n d b eg riffe lediglich die P olarität zw eier jenseits jen er E rscheinungsw elt einander gegenüberstehenden W ertreg ion en , die sich im K u n stw erk in der m an n igfaltigsten W eise auseinandersetzen15; d en n nicht durch die G ru n d b e g riffe, son d ern n u r v o n den G ru n d b eg riffen aus w erd en die Inhalte der h istorischen W irk lich k eitsw elt erfa ß t; die G ru n d b eg riffe m aßen sich nicht an, als eine

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Uber das Verhältnis der Kunstgeschichte zur Kunsttheorie A r t „G ra m m a ire g£n£rale et raison n £e“ die Erscheinungen zu klassifizieren, son d ern ihre A u fg a b e besteht, w en n w ir uns selber w ied erh olen d ü rfen , lediglich darin, als ein a p rio ri legitim iertes „R ea g en s“ 16 die E rscheinungen zu m Sprechen zu b rin g en : in d em sie n u r die Stellung, n ich t aber die m öglich en L ösu n gen der künstlerischen P rob lem e auf F o r ­ m eln b rin gen , b estim m en sie gleichsam n u r die Fragen, die w ir an die O b je k te zu rich­ ten haben, nicht aber die in d ivid u ellen u n d niem als vorau szuseh en den A n tw o r te n , die diese O b je k te uns geben k ö n n e n 17. N u n w erd en diese an die kunstgeschichtlichen O b je k te zu rich ten den Fragen durch die im v o rig e n angedeuteten G ru n d b eg riffe n u r in sofern fo rm u lie rt, als sie im eigentlichsten Sinne allgem eine Fragen sin d: sie k ö n n e n an schlechthin jedes bildkünstlerische o d e r architektonische K u n stw erk gestellt w erd en , w eil sie in schlechthin jed em bild k ü n stleri­ schen o d e r architektonischen K u n stw erk ihre B ea n tw ortu n g finden. A llein es leidet k einen Z w e ife l, daß n eben den künstlerischen G ru n d p ro b le m e n , m it denen alle d er­ artigen K u n stw erk e sich auseinandersetzen müssen, auch künstlerische E in zelp rob lem e bestehen, die n u r in einer bestim m ten G ru p p e v o n K u n stw erk en , ja vielfach n u r in einem einzigen, ihre L ösu ng erfahren. A u ch diese „E in z e lp ro b le m e “ hat die K u n stth eo­ rie auf F o rm e ln zu b rin gen u n d zu den G ru n d p ro b le m e n in B ezieh un g zu setzen, in d em sie den kunstwissenschaftlichen

„G ru n d b e g riffe n “

kunstwissenschaftliche „S p ezia lb e­

g riffe “ zu r Seite stellt, u n d sie den ersteren in system atischer W eise z u - o d e r besser u n te ro rd n e t. D iese U n te ro rd n u n g der kunstw issenschaftlichen Spezialbegriffe u n ter die kunstw issenschaftlichen G ru n d b eg riffe, d. h. der A u fb a u eines in sich zu sam m en h ängen ­ den u n d gegliederten kunstwissenschaftlichen Begriffsystem s, ist aber desw egen m öglich , w eil die künstlerischen E in zelp rob lem e den G ru n d p ro b le m e n gegen über n u r als abge­ leitete P ro b le m e zu gelten haben, u n d w eil infolgedessen auch die ihnen entsprechenden „S p ezia lb eg riffe“ den „G ru n d b e g riffe n “ gegen über n u r die B edeu tu n g v o n abgeleiteten B egriffen b esitzen : Es bilden sich näm lich die künstlerischen E in zelp rob lem e nach einem beinahe H e g e lsd ien Schema dadurch heraus, daß die L ösu n gen d er allgem ein gü ltigen künstlerischen G ru n d p ro b le m e im V erla u f d er h istorischen E n tw ick lu n g ihrerseits zu P olen eines speziellen künstlerischen E in zelp rob lem s w erd en , daß sodan n die L ösu n gen dieses E in zelp rob lem s w ied eru m die P ole eines n och spezielleren E in zelp rob lem s „ z w e i­ ter O r d n u n g “ bild en , u n d so w eiter in in fin itu m . So stellt etw a, u m ein B eispiel aus dem

G e b ie t d er A rch itek tu r h eranzu ziehen , so w o h l dasjenige G eb ild e, das w ir als

„S äu le“ bezeich n en , als dasjenige G eb ild e, das w ir „ W a n d “ nennen, eine ganz b estim m te L ösu n g d er künstlerischen G ru n d p ro b le m e dar. T ritt n un u n ter b estim m ten h istorisd ien V oraussetzun gen (z. B. in der späteren A n tik e o d e r in der K u n st der Renaissance) der Fall ein, daß W a n d u n d Säule in ein - u n d dem selben B auw erk eine organische V e rb in ­ du n g eingehen, so entsteht ein „n eu es“ künstlerisches P rob lem , das den G r u n d p r o ­ b lem en gegen ü b er als E in zelp rob lem zu gelten h a t18, jed och aus sich heraus n och w eitere spezielle E in ze lp rob lem e erzeugen kann, in d em seine verschiedenartigen L ösu ngen (z. B. die „b a r o c k e “ u n d „klassizistische“ ) auch ihrerseits sich m itein a n d er auseinandersetzen k ö n n e n . In ganz entsprechender W eise u n d u n ter ganz entsprechenden V oraussetzun gen k ö n n e n z w e i verschiedenartige L ösu n gen der bildkünstlerischen G ru n d p ro b le m e , z. B. die L ösu n g im Sinn der R eliefschich tu ng, u n d die L ösu n g im Sinn der perspektivischen

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Über das Verhältnis der Kunstgeschichte zur Kunsttheorie Z erstreu u n g, als P ole eines neuen G egensatzes ein an der gegen übertreten , der sich dann seinerseits in zahllose U n te rp ro b le m e zerlegen kann. So k ö n n e n also - was h ier natürlich nicht im ein zeln en gezeigt w erd en kan n - alle künstlerischen E in zelp rob lem e in system atischer W eise m itein an d er verb u n d en u n d schließlich, m ö g e n sie an u n d fü r sich auch n och so spezieller, ja vielleicht geradezu sin­ gulärer N a tu r sein, auf die G ru n d p ro b le m e zu rü ck gefü h rt w erden , w o m it sich d en n aus der „T a fe l d er kunstw issenschaftlichen G ru n d b e g riffe “ jenes in sin n voller W eise zusam ­ m en h ängen de kunstw issenschaftliche Begriffssystem en tw ick elt hätte, das sich bis in die feinsten Spezialbegriffe h in ein verästeln kann. W ie dieses B egriffssystem in p ra xi auszugestalten u n d an zu w en den w äre - das darzu tu n, ist h ier nicht m öglich , aber auch n ich t n ö tig : W as an gefoch ten w u rd e, aber, w ie uns scheint, je tzt nachgew iesen ist, ist lediglich die M ög lich k eit, kunstw issenschaftliche Begriffe zu finden, die m it R ech t als „G ru n d b e g riffe “ angesprochen w erd en d ü rfen , w eil sie erstens apriorische G eltu n g besitzen u n d daher zu r E rken n tn is aller künstlerischen P h ä n om en e in gleicher W eise geeignet u n d erford erlich sind, zw eiten s nicht Unanschauliches, son d ern Anschauliches betreffen , u n d drittens m itein an der u n d m it den ihnen u n terg eord n eten S pezialbegriffen in syste­ m atischem Z u sam m en h ang stehen. D en n die drei künstlerischen G ru n d p ro b le m e , als deren F orm u lieru n g w ir die drei G ru n d b eg riffe aufzufassen hatten, stellen ja ihrerseits n u r die E rschein un gsform en jenes einen g roß en G egensatzes dar, der erstens ein G egensatz a p r io r i ist, zw eitens der anschaulichen Sphäre a n geh ört, u n d drittens in allen drei G ru n d p ro b le m e n in gleicher W eise w irksam ist19. 5.

W e n n so m it die kunstw issenschaftlichen G ru n d b eg riffe zw eifellos a p rio ri b egrü n d et

sind, u n d daher u nabhängig v o n aller E rfa h ru n g gelten, so ist da m it natürlich nicht gesagt, daß sie u nabhängig v o n aller E rfah run g, d. h. auf rein verstandesm äßigem W ege, gefu n d en w erd en k ö n n te n : so w en ig sie - erken ntnisth eoretisch gesprochen - in der E r­ fa h ru n g ih ren U rsp ru n g h aben, so w en ig k ö n n e n sie - praktisch -m eth odisch gesprochen -

abseits v o n der E rfa h ru n g en tdeckt u n d en tw ickelt w erden . D en n da die k ü nstle­

rischen G ru n d p ro b le m e , als deren F orm u lieru n g w ir die kunstw issenschaftlichen G r u n d ­ begriffe aufzufassen h aben, den a p r io r i gesetzen G egensatz zw ischen „F ü lle “ u n d „ F o r m “ , „ Z e it “ u n d „ R a u m “ bereits in einer spezifisch sinnlichen Sphäre zu r D arstellung b rin gen , so setzt schon die E rken n tn is dieser G ru n d p ro b le m e den E in druck der em ­ pirischen (visuellen) Erscheinung v ora u s; u n d was v o n der E rkenntnis der G r u n d p r o ­ b lem e gilt, gilt in w o m ö g lich n och h öh erem G rade v o n der E rkenntnis der E in z e lp ro ­ b le m e : die künstlerischen P rob lem e sind n ur aus ihren L ösu ngen , d. h. den K u n stw erken, erk en nbar, u n d w en n die diese P rob lem e form u lieren d en B egriffe den A nspru ch a p rio ri­ scher G eltu n g erheben, so besagt dieser A nspru ch nicht, daß sie a p rio ri gefu n den, son d ern nur, daß sie a p rio ri legitim iert w erd en k ön n en . U m g ek eh rt w äre es natürlich verfeh lt, die aposteriorische E ntdecku n g d er kunstw issenschaftlichen B egriffe gegen über ih rer apriorischen G eltu n g ins Feld fü h ren zu w ollen . So gew iß der Pythagoreische Lehrsatz, obgleich er zunächst in einer A nschauung a p osteriori entdeckt w u rd e, d en noch aus einer A nschauung a p rio ri b egrü n d et w erd en kann u n d m u ß - , so gew iß sind auch die

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Uber das Verhältnis der Kunstgeschichte zur Kunsttheorie kunstw issenschaftlichen G r u n d - u n d S pezialbegriffe, ob gleich sie v o n der E rfa h ru n g ihren A usgan g n ehm en, nich tsdestow en iger v o r o d e r ü ber aller E rfah run g gültig, u n d gerade v o n h ier aus w ird deutlich, daß, w en n die ku nsttheoretische B egriffsbildu n g auf der einen Seite nicht m öglich ist o h n e die kunsthistorische E rfah ru n g, die ständig neues Anschauungsm aterial an das D en k en heranträgt, sie auf der anderen Seite (ih re eigene innere F olgerich tigk eit vorausgesetzt) durch diese E rfah run g nie irgen dw ie erschüttert w erd en k a n n : daß, anders ausgedrückt, das kunstw issenschaftliche Begriffssystem , in ­ sofern es a p o ste rio ri entdeckt u n d en tw ickelt w ird , an die E rgebnisse der em pirischen Forschung a n k n ü p ft, daß es aber, in sofern es a p rio ri gilt, in seinem Bestände v o n diesen Ergebnissen u n abh än gig ist, u n d ü b erh a u p t nicht m it ihnen in K o n flik t geraten kann. E in n euer F un d o d e r eine neue B eobachtun g kann en tw ed er bew eisen, daß eines der bereits erk an nten u n d a p rio ri legitim ierten künstlerischen P rob lem e in einem b estim m ­ ten Falle anders als bisher a n gen om m en gelöst w o rd e n ist, daß also eine der bereits begrifflich fo rm u lie rte n Fragen (u n d m eh r als Fragen zu form u lieren ist ja gar nicht die A b sich t der K u n stth eorie) in diesem Falle falsch b ea n tw ortet w u rd e - dann m u ß, z. B. w en n w id e r E rw arten eine m alerische Landschaft aus dem 5. Jah rhu n dert v. C h r. en tdeckt w erd en sollte, eine B erich tigu n g d er kunsthistorischen A uffassu ng v o r g e n o m ­ m en w erd en , w o d u rch das k u nstth eoretisch gebildete Begriffssystem ü berhau pt nicht b e rü h rt w ird . O d e r aber der neue F und o d e r die neue B eobachtun g kann bew eisen, daß ein bestim m tes künstlerisches P rob lem bisher n och gar nicht als solches erkannt w o rd e n ist, daß also die bisher begrifflich form u lierten Fragen an einer w esentlichen E igen ­ tü m lich k eit b estim m ter O b je k te v orb eig in g en - dann m u ß, z. B. w en n ein B audenkm al v o n v ö llig u n g e w o h n te r G estalt zu m V orschein k o m m t, o d e r w en n ein bereits b e­ kanntes K u n stw erk dem Forscher bei der B etrachtung u n ter einem neuen A sp ek t ein neues P ro b le m zu m B ew ußtsein b rin g t, das betreffen de P ro b le m auf eine F orm el ge­ bracht u n d m it den schon b ekan nten P rob lem en in Zusam m en h ang gestellt w erden , w o m it zw a r eine E rw eiterun g, nicht aber eine E rschütterung des kunsttheoretisch ge­ b ildeten B egriffssystem s eintritt. B. Ist sonach klargestellt, daß die E ntw ick lu n g eines v o n G ru n d b eg riffen ausstrahlenden u n d bis in die feinsten Spezialbegriffe hin ein sich verästelnden kunstw issenschaftlichen B egriffssystem s in jed er B eziehung m öglich ist: so b leib t n och die Frage zu erörtern , o b sie n ö tig sei. Ist nicht, so k ö n n te m an fragen, die A u fstellu n g u n d A usgestaltung solcher „k u n s t­ theoretischer B egriffe“ ein m üßiges logisches Spiel, ein zw eckloses „D e n k e x e rz itiu m “ , das fü r die geschichtliche Betrachtung des w irklich Seienden v ö llig bedeutungslos ist? A u f diese Frage ist unseres Erachtens zu a n tw o rte n : nein. D en n kunsttheoretische B egriffsk on stru k tion u nd praktisch-historische T atsach en for­ schung stehen gerade deshalb, w eil sie die Sache v o n zw ei gänzlich verschiedenen Seiten, aber eben jew eils n ur v o n einer Seite, ins A u ge fassen, in einer eigentüm lichen u nd u n ­ zerreißbaren W echselbeziehung - in einer W echselbeziehung, die sich dahin bestim m en läßt, daß, wie die v o n der K u n sttheorie aufzustellenden B egriffe nur dann zu W e rk ­

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Über das Verhältnis der Kunstgeschichte zur Kunsttheorie zeugen einer eigentlich wissenschaftlichen E rkenntnis w erd en k ön n en , w en n ihre E r­ m ittlu n g v o n der anschaulichen B eobachtun g des durch die K unstgeschichte b ereitge­ stellten M aterials ihren A usgan g n im m t, so u m gek eh rt die der K unstgeschichte o b lie g e n ­ den Feststellungen erst dann zu Inhalten einer eigentlich wissenschaftlichen E rkenntnis w erd en k ö n n e n , w en n sie auf die durch die K u n stth eorie form u lierten künstlerischen P ro b le m e b e zo g e n w erd en , u n d daß die letzte A u fg a b e der K unstw issenschaft, näm lich die Erfassung des „K u n s tw o lle n s “ , n u r durch ein Z u sa m m en w irk en der h istorischen u n d theoretischen B etrachtungsw eise gelöst w erd en kann. A u f die eine Seite dieses R eziprozitätsverhältn isses ist bereits ob e n eingegangen w o r d e n ; allein auch die andere ist oh n e Schw ierigkeiten aufzuzeigen. I. A u ch die durchaus atheoretisch eingestellte Kunstgeschichte hat - das ist n och niemals bestritten w o rd e n - eine d o p p e lte A u fg a b e : in sofern sie K unstgeschichte ist, hat sie die D e n k m ä le r historisch, d. h. zeitlich u n d örtlich , ein zu ord n en u n d zu ein an der in Be­ zieh u n g zu b rin g en ; in sofern sie K unstgeschichte ist, hat sie den „S til“ der D en k m ä ler zu k ennzeichnen. D ie L ösu n g dieser zw eiten A u fg a b e (die aber in jed em Falle der L ö ­ sung der ersten n o tw e n d ig vora n geh en m u ß, da n aturgem äß die historische „S telle“ des K u n stw erk s erst dann bestim m t w erden kan n, w en n seine künstlerische E igenart b ek a n n t ist20) geschieht m it H ilfe v o n B egriffen, die die stilistischen E igen tü m lichkeiten d er betrachteten K u n stw erk e in m eh r o d e r m in d er allgem einer W eise charakterisieren; u n d selbst eine D arstellung, die sich so ganz b ew u ß t, u n d so durchaus m it R echt, als eine „h istorisch e“ gibt, w ie G e o rg D eh ios „G eschichte der deutschen K u n st“ 21, m u ß n o tw e n d ig m it A u sdrü cken arbeiten, w ie „m alerisch “ u n d „plastisch“ , „tie fe n h a ft“ u n d „flä ch en m ä ß ig“ , „r u h ig “ u n d „ b e w e g t“ , „R a u m s til“ u n d „K ö r p e r s til“ . A u ch der h isto­ rische E m pirism us verk en n t nicht, daß der G ebrauch derartiger stilken nzeich nen der B egriffe in der kunstgeschichtlichen A rb e it nicht s o w o h l üblich als vielm eh r n o tw e n d ig ist - n u r leh n t er es ab, sie ü b er ihre H e rk u n ft u n d L egitim a tion zu b efra gen : sie sind fü r ih n die „in der G egen w a rt vorh a n d en en B egriffe“ , m it deren H ilfe w ir „d ie sinn­ lichen E igenschaften der verschiedenen K u n stw erk e erfassen k ö n n e n “ 22. 1. G egen diese These lassen sich v o n beiden Seiten h er E in w än de geltend m achen. D en n auf der einen Seite bezeichnen diejenigen B egriffe, die w irklich den Stil des K unstw erks zu charakterisieren v erm ög en , etwas ganz anderes, als seine „sinnlichen E igenschaften“ , auf der anderen Seite v erm ö g e n diejenigen B egriffe, die w irklich die „sinnlichen E igen ­ schaften“ des K unstw erks bezeichnen, n och gar nicht seinen Stil zu charakterisieren, son d ern sie arbeiten einer solchen Stilcharakteristik n ur v o r. a) D ie „sinnlichen E igenschaften“ , die w ir an einem K u n stw erk feststellen k ön n en , k ö n ­ nen schlechterdings nichts anderes sein, als reine Q u alitäten der optischen W a h rn eh ­ m u n gen - Q ualitäten, die w ir gew oh n h eitsm ä ßig (den n selbst dies ist genau gen om m en bereits eine aus der sinnlichen P erzep tion als solcher nicht zu rechtfertigende V ora u s­ setzung) in „fa rb lich e“ u n d „n ich tfa rb lich e“ zu scheiden pflegen. U m diese reinen Q u a li­ täten sprachlich-begrifflich zu erfassen, stehen dem K u n sth istorik er zw ei M öglich k eiten o ffe n , die beide darin Ü berein kom m en , daß es sich n ur u m eine m ittelbare A r t der K en n zeich n un g handelt: zu m einen kann er die sinnlichen E igenschaften des zu beh an ­ d eln den K unstw erks dadurch kennzeichnen, daß er auf andere, als b ekan nt vorau sge­

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Uber das Verhältnis der Kunstgeschichte zur Kunsttheorie setzte Sin n esw ah rn ehm un gen zu rü ck verw eist (so, w en n er eine H a u t als „le d e ra rtig “ o d e r „te ig ig “ , eine Falte als „ö s e n fö r m ig “ , eine D ra p erie als „ra u sch en d “ , eine Farbe als „m a u sgra u “ o d e r „k a d m iu m g e lb “ bezeich n et) - zu m andern ka n n er die „sinn lich en E igenschaften“ des zu beh a n d eln d en K u n stw erks dadurch ken nzeichnen, daß er das durch dieselben ausgelöste G efüh lserlebn is zu schildern versucht (so, w en n er v o n „le i­ denschaftlich e rreg tem “ L inienspiel, v o n „e rn ste r“ o d e r „h e ite re r“ F arbgebun g spricht). D ie G re n ze n b e id er V erfah run gsw eisen sind unschw er einzusehen. W as den M od u s der K en n zeich n un g anlangt, so k ö n n e n die „sinn lich en E igenschaften“ des K unstw erks, n ie­ mals exak t u n d ausreichend b estim m t w erd en , da eine allgem eine, w eil sprachlich-be­ griffliche A ussage n ie einem in d ivid u ellen , rein q u alitativen

In h alt gerecht w erd en

k an n 23: auch die leben digste u n d sch w u n gvollste Schilderung eines Liniengebildes o d e r F a rb en k om plexes ist ja im G ru n d e n u r die niem als deckende A n w eisu n g auf einen T a t­ bestand, dessen letzte - u n d genau g e n om m en ein zige - W esenseigentüm lichkeit darin besteht, daß es eben „d ieser“ T atbestan d ist; in praxi pflegt den n auch die K u n stge­ schichte - m it R ech t v o r der U n au sdrü ckbarkeit dieses Tatbestandes k apitu lieren d - in der M eh rza h l d er Fälle auf jede Q u a lifizieru n g d er „sinn lich en E igenschaften“ zu v e r ­ zichten u n d sich m it A usdrü cken zu begn ügen , die in W a h rh eit n u r eine U m schreibu ng jenes „dieses“ darstellen: „d ie A r t, w ie die H ä n d e gezeichnet (o d e r die G ew a n d fa lten gefü h rt) sind, stim m t ü b erein “ , o d e r : „d ie H aa rb eh a n d lu n g ist versch ieden “ 24. W as aber - u n d dies ist m eth od olog isch n och w ich tiger -

den G egen stan d der K en n zeich n un g

angeht, so sind die „sinn lich en E igenschaften“ durchaus n och nicht identisch m it seinen „S tilk rite rie n “ : an u n d fü r sich hat eine n u r die „sinnlichen E igenschaften“ des K u n st­ w erks erfassende C harakteristik nicht das geringste R ech t, zw ischen den L inien, die die K ü n stlerhan d g ezog en hat, u n d den L in ien , die durch die R iß b ild u n g im F irniß en t­ standen sind, irgen d einen grundsätzlichen U n tersch ied zu m ach en ; u n d selbst, w en n ih r dies R e ch t versuchsweise zugestanden w ü rd e, selbst w en n sie also v o n sich aus aus d er Fülle d er bloß -sin n lich en Eigenschaften die künstlerisch bedeutsam en herauszulösen verm öch te, so w ü rd e doch die B eobach tu n g auch dieser Eigenschaften nicht eher zu r E rken n tn is v o n Stilkriterien fü h ren k ön n e n , als nicht vorau sgesetzt w erd en d ü rfte, daß erstens in b estim m ten

innerlich zu sa m m en geh örigen R eih en v o n „sinnlichen E igen ­

schaften“ (w ir w o lle n solche R eih en als „E rsch ein u n g sk om p lex e“ bezeich n en ) bestim m te künstlerische G estaltu n gsprin zipien sich v erw irk lich en , u n d daß zw eiten s innerhalb dieser G estaltu n gsprin zipien diejenige w iderspruchslose E inheit besteht, oh n e die w ir v o n „S til“ schlechterdings nicht reden k ön n en . U n ter dieser d op p elten V oraussetzun g zu handeln, ist nun aber eine Betrachtungsw eise, die lediglich die „sinnlichen E igen­ schaften“ der K u n stw erk e zu bezeichnen u n d zu registrieren hat, die also w ed er die M ög lich k eit besitzt, ihre B eobachtungen zu innerlich zu sam m en geh örigen R eih en u nd endlich zu einer E inheit zu ord n en , n och gar aus ihnen auf irgendw elche die E rscheinung regierende P rin zip ien zu schließen, offensichtlich w ed er b efu gt noch v erm ög en d . - D ie ­ jenigen B egriffe also, die tatsächlich nichts anderes bezw ecken u n d leisten, als „sinnliche E igenschaften“ der K u n stw erke festzustellcn, beziehen sich auf T atbestände, die erstens n u r durch gewisse H in w eise andeutbar, nicht aber ausreichend bestim m bar sind, u nd in denen zw eitens (v o n dieser m od a len E inschränkung ganz abgesehen) noch nicht die

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Über das Verhältnis der Kunstgeschichte zur Kunsttheorie S tilk riterien selbst, son d ern n ur die Substrate fü r eine m öglich e U m d eu tu n g zu Stil­ k riterien erfaßt w erd en k ö n n en . W äre die K unstgeschichte, die den Stil einer kü nstle­ rischen Erscheinung zu ken nzeichn en hat, allein auf solche, n u r die sinnlichen E igen­ schaften der K u n stw erk e erfassenden B egriffe angew iesen - auf B egriffe, die w ir v iel­ leicht zu m U nterschied v o n den eigentlich „ch arakterisieren den “ B egriffen als „h in ­ d e u te n d e “ o d e r „d e m o n s tra tiv e “ B egriffe bezeichnen d ü rfen - , so m ü ß te ih r B eginnen v o n v o rn h e re in als aussichtslos beu rteilt w erd en : sie stünde den künstlerischen Erschei­ nun gen n ich t anders gegen über, als irgen d w elchen N aturgegen stän den , d. h. sie w ü rd e, H u n d e rte u n d Tausende v o n E in zelb eob a ch tu n gen w ä h l- u n d zu sam m en h anglos an­ ein an derreih en d, zu m Schluß en tw ed er eine quasi-dichterische Paraphrase sinnlicher E r­ lebnisse, o d e r aber (w en n sie die einzelnen B eobachtun gen ex p ost nach irgen d einem v o n außen an die Sache h erangetragenen System , etw a in die R u b rik e n : M enschen, Tiere, Pflanzen, D in ge, geord n et hätte) eine A r t v o n Personalbeschreibung des K unstw erks, nie aber eine C harakteristik des künstlerischen Stils zustande brin gen , b ) In W a h rh eit stehen n u n d er K unstgeschichte glücklicherw eise neben jenen rein „ d e ­ m o n s tra tiv e n “ B egriffen, die zw a r - sow eit das sprachlich eben m öglich ist - die sinn­ lichen Eigenschaften der K u n stw erk e, nicht aber ihre S tilkriterien bezeichnen k ön n en , auch andere zu r V erfü g u n g , die (gerade u m gek eh rt) tatsächlich die S tilkriterien der K u n stw erk e zu erfassen v erm ög en , dabei aber ü ber die b lo ß e K en n zeich n un g ih rer sinn­ lichen Eigenschaften erheblich hinausgehen: B egriffe, w ie (u m zunächst n u r die allge­ m einsten ins A u g e zu fassen) „m a lerisch “ u n d „plastisch “ , „tie fe n m ä ß ig “ u n d „flä ch en ­ m ä ß ig “ , „ k ö r p e r h a ft“ u n d „ra u m h a ft“ , „Seinsstil“ u n d „W erd en sstil“ , „k o lo ris tis ch “ u n d „ p o ly c h r o m “ . Es b ed a rf kaum n och d er Feststellung, daß solche B egriffe eine gru ndsätz­ lich andere B edeu tu n g haben als die, die sinnlichen Eigenschaften der K u n stw erk e zu er­ fassen. D ie künstlerische D arstellun g eines L ö w e n o d e r einer G ebirgslandschaft hat ih rer rein sinnlichen Erscheinung nach genauso w en ig die „E igen sch aft“ , m alerisch, tiefen ­ m äßig, ra u m h a ft u n d k oloristisch zu sein, als der L ö w e o d e r die G ebirgslandschaft selbst: w en n w ir sie durch derartige B egriffe charakterisieren, so erfassen o d e r bezeich ­ nen w ir d am it nicht m eh r die sinnlichen E igenschaften, son d ern w ir deuten dieselben bereits - deu ten sie, in dem w ir die einzelnen, an u n d fü r sich rein q u alitativen u n d zu sam m en h anglosen W ah rn eh m u n gsin h alte zu innerlich zu sam m en geh örigen Erschei­ n u n g sk o m p le x e n ord n en u n d diesen E rschein un gskom plexen ihrerseits eine bestim m te F u n k tio n , eine W irk u n g „im S in n e“ des M alerischen, T iefen m äß igen usw . zuschreiben o d e r u n terlegen ; und erst, in dem w ir sie in dieser W eise als O ffen b a ru n gen b estim m ter künstlerischer G estaltu n gsprin zipien betrachten, die ihrerseits nicht zu fällig n eb en ein ­ anderstehen, vielm eh r durch ein einheitliches oberstes S tilp rin zip zu r E in heit verb u n d en sind, gew in n en w ir das R echt, v o n ihnen als v o n S tilkriterien zu reden. W as v o n den allgem einsten G estaltu n gsprin zipien gilt, w ie sie durch die B egriffe „plastisch “ , „m a le ­ risch“ usw . bezeichnet w erd en , gilt ganz genauso v o n den speziellen: w ir b eobach ten „F a lte n m o tiv e “ o d e r „K ö r p e r p r o p o r t io n e n “ - nicht, u m sie als „sinnliche E igenschaf­ te n “ des K u n stw erks zu r K en n tn is zu n ehm en u n d sie vielleicht ex p ost in einer N o t ­ ru b rik „K o stü m lich es“ o d e r „F igü rlich es“ zu verzeichnen, son d ern w eil w ir v ora u s­ setzen, daß in den b eobach teten E rscheinungen ein P rin zip der G ew a n d beh a n d lu n g

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Uber das Verhältnis der Kunstgeschichte zur Kunsttheorie o d e r ein P rin zip der Figurendarstellung sich verw irklich e, u n d daß in all diesen ein zel­ nen G estaltu n gsprin zipien ein einheitliches oberstes S tilprin zip w irksam sei. U n d in der Tat, w ie sollten w ir sonst, u m n u r ein Beispiel zu nennen, die fü r den K en ­ ner m eist ganz offensichtliche Z u sam m en arbeit zw eier verschiedener K ünstler an einem un d dem selben K u n stw erk begrifflich aufzeigen k ön n en , da d och d er K u n sth istorik er die aus einer solchen Z usam m en arbeit resultierende V erschiedenh eit zw eier „sinn lich er Eigenschaften“ (z. B. in den G esichtstypen) an u n d fü r sich als etwas ebenso S elbstver­ ständliches u n d U n verfän glich es h in zu n eh m en hätte, w ie etw a die Tatsache, daß das G ew a n d der einen F igur gelb, dasjenige der anderen aber r o t ist? N u r dann hat unsere W issenschaft ein R ech t, die V erschiedenheit zw eier „sinn lich er E igenschaften“ als „S til­ d iffe re n z“ zu betrachten, w en n sie jene d o p p e lte V oraussetzun g m acht, daß ein b e ­ stim m ter E rsch ein u n gsk om plex ein bestim m tes „G esta ltu n g sp rin zip “ offen b a rt, u n d daß all diese „G e sta ltu n g sp rin zip ien “ ihrerseits m itein an der zu einer w iderspruchslosen E inheit ve rb u n d en seien. U n d was v o n der E rken n tn is stilistischer U nterschiede gilt, gilt n aturgem äß auch v o n der E rkenntnis stilistischer E ntsprechu n gen: d er K u n sth istorik er, der innerhalb eines m eh r o d e r m in d er w eit gezogen en Kreises v o n K u n stw erken bestim m te stilistisch id en ­ tische o d e r verw a n d te Stücke herauszu son dern u n d auf stilistisch zu sam m en geh örige G ru p p e n zu verteilen hat, verm ag auch diese (nicht so w o h l tren n ende als vielm eh r v e r­ bin d en d e) O rd n u n gsa rb eit n u r u n ter der V oraussetzun g d u rch zu fü h ren , daß er in den verw a n d ten K u n stw erk en eine G leichheit o d e r Ä h n lich k eit der „G esta ltu n g sp rin zip ien “ , u n d dam it (da diese ihrerseits als zu w iderspruchsloser E in heit verb u n d en gedacht w e r­ den) eine G leich h eit o d e r Ä h n lich k eit des ob ersten „S tilp rin zip s“ feststellt. D e r Forscher, der seiner G ru p p e n b ild u n g die „sinn lich en E igenschaften" d er K u n stw erk e als solche u n d nicht als O ffen b a ru n gen bestim m ter, h in ter ih n en vorau sgesetzter P rin zip ien zu gru n d e legen w ü rd e, d ü rfte nie sicher sein, die w irklich stilgleichen o d e r stilverw a n d ­ ten K u n stw erk e zu sa m m en geord n et zu haben, u n d es k ö n n te ih m leichtlich begegnen, daß seine G ru p p en anstelle der stilistisch zu sa m m en geh örigen D en k m ä ler solche u m ­ schlössen, die n u r in der G rö ß e , dem M aterial, der F ärbun g o d e r n och ganz anderen sinnlichen E igenschaften einander entsprächen. 2. Es sind also, u m es n och einm al zu sagen, bereits in n erh alb der „g e w ö h n lich e n “ kunstgeschichtlichen B egriffsbildu n g zw ei Schichten zu untersch eiden : eine u ntere Schicht d er lediglich h in d eu ten d en o d e r d em on stra tiv en B egriffe, die n ur die sinnlichen E igen­ schaften der K u n stw erk e erfassen u n d bezeichnen, u n d eine ob e re Schicht der eigentlich stilcharakterisierenden B egriffe, die diese sinnlichen E igenschaften im Sinne v o n Stil­ k riterien ausdeuten, in d em sie bestim m te K o m p le x e solcher sinnlicher Eigenschaften als die V e rw irk lich u n g b estim m ter G estaltu n gsprin zipien, u n d diese G estaltu n gsprin ­ zip ien als D ifferen zieru n g eines einheitlichen S tilprinzips in terpretieren . W as aber g ib t d er K unstgeschichte n un das R ech t, in dieser W eise „d e u te n d “ v o r z u ­ gehen, da doch eine jegliche D eu tu n g, w en n anders sie nicht bare W illk ü r sein soll, das V orh a n d en sein fester u n d legitim er B estim m ungsm aßstäbe vorau ssetzt, auf w elche das zu D eu ten d e b e zog en w erden kann? D ie A n t w o r t ist nach allem V o rig e n fast selbst­ verstän dlich: es sind die in den kunstw issenschaftlichen G ru n d - u n d S pezialbegriffen

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Uber das Verhältnis der Kunstgeschichte zur Kunsttheorie fo rm u lie rte n künstlerischen P rob lem e, auf die die sinnlichen Eigenschaften der K u n st­ w e rk e b e zo g e n w erden . Sie stellen jene M aßstäbe dar, nach denen die B eobachtun g sich orien tieren kann, w en n sie die sinnlichen E igenschaften zu bestim m ten Erscheinungs­ k o m p le x e n zu sam m en faß t u n d diese im Sinne v o n S tilkriterien ausdeutet, u n d n u r die O rie n tie ru n g auf sie g ib t uns zu einer solchen Zusam m enfassung u n d A u sd eu tu n g die M öglich k eit. Das stilcharakterisierende U rte il: „in diesem K u n stw erk liegt eine m ale­ rische (o d e r etw a plastische) F orm en b eh a n d lu n g beziehungsw eise eine ton ig e (o d e r etw a p o ly ch ro m e ) F arbenbeh an dlu n g v o r “ , b edeu tet in W a h rh eit: „in diesem K u n stw erk ist eines der künstlerischen G ru n d p ro b le m e - o d e r sind alle künstlerischen G ru n d p ro b le m e - in diesem o d e r jen em Sinne g elöst“ , u n d es kann n u r dadurch zustande k o m m e n , daß erstens ein b estim m ter E rschein un gskom plex, z. B. die besonders „s to fflich e “ A r t der O berflächencharakteristik o d e r die besonders „v erein h eitlich en d e“ A r t der F arbgebun g m it H ilfe der dem on stra tiven B egriffe („T e ig ig k e it“ o d e r „G ra u b eim isch u n g in allen L o k a lfa rb e n “ ) erfaßt, u n d daß dann

zw eitens diese „S to fflich k e it“ beziehungsw eise

diese „V e re in h e itlich u n g “ sub specie d er G r u n d p ro b le m e gedeu tet w ird . Erst in d em die B eobach tu n g der sinnlichen E igenschaften, seien es n un farbliche o d e r nichtfarbliche, gleichsam durch die P rob lem sp h ä re h in du rch geh t o d e r besser v o n ih r zurückgespiegelt w ird , entstehen die B egriffe, die als die eigentlich stilcharakterisierenden zu gelten haben, u n d deren spezifische A u fg a b e darin besteht, die sinnlichen Eigenschaften d er K u n st­ w e rk e zu den künstlerischen P rob lem en in B ezieh un g zu setzen. U n d genau w ie das U rte il: „in diesem K u n stw erk liegt eine m alerische F orm b eh a n d lu n g v o r “ , seinem eigentlichen Inhalt nach besagt, daß in dem b etreffen den K u n stw erk das G ru n d p ro b le m „h aptische u n d optische W e r te “ zugunsten der optischen W erte gelöst sei, so besagt das U rte il: „in diesem K u n stw erk herrscht ein orn a m en ta ler F altenstil“ , seinem eigentlichen Inhalt nach, daß in dem betreffen den K u n stw erk das E in zelp rob lem , o d e r vielm eh r die E in ze lp ro b le m e , der G ew a n d beh a n d lu n g - z. B. „E ig e n fo rm der G ew a n d u n g u n d K ö r ­ p e r fo r m “ , „E igen b ew egu n g des G ew andes u n d K ö rp e rb e w e g u n g “ -

zu gun sten der

E ig e n fo rm u n d E igen bew egu ng des G ew andes, u n d daß w eiterh in (den n da alle k ü n st­ lerischen E in ze lp rob lem e im p lizit in den G ru n d p ro b le m e n enthalten sind, so ist m it der E ntscheidung eines E in zelp rob lem s auch die E ntscheidung des betreffen den G ru n d ­ p ro b le m s prä ju d iziert) das G ru n d p ro b le m „Fläche u n d T ie fe “ zugunsten der Fläche ge­ löst sei. Erst v o n h ier aus w ird klar, daß u n d w a ru m jene d o p p e lte V oraussetzun g der Stil­ charakteristik -

daß in b estim m ten sinnlich w a h rn eh m b a ren E rschein un gskom plexen

ein künstlerisches G estaltu n gsprin zip offen b a r w erd e, u n d daß die G estaltu n gsprin zipien ihrerseits v o n einem ein zigen ob ersten S tilp rin zip beherrscht seien - tatsächlich zu R ech t b esteh t; u n d n u r w en n w ir jen e E rschein un gskom plexe als L ösu ngen künstlerischer P ro b le m e betrachten d ü rfen , sind w ir b efu gt, sie als V erw irk lich u n gen solcher G estal­ tu n gsp rin zip ien , d. h. als Zeugnisse fü r eine b estim m te Stellungnahm e zu den k ü n st­ lerischen G r u n d - u n d E in zelp rob lem en aufzufassen, u n d n u r w en n w ir in diesen G ru n d u n d E in ze lp ro b lem en die A u s fo rm u n g e n eines ein zigen U rp rob lem s erblicken d ü rfen , sind w ir b e fu g t, innerhalb o d e r o b erh a lb säm tlicher G estaltu n gsprin zipien ein ein h eit­ liches S tilp rin zip , d. h. eine b estim m te Stellungnahm e zu jen em U rp ro b le m , w irksam

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Uber das Verhältnis der Kunstgeschichte zur Kunsttheorie zu sehen. U n d erst v o n hier aus w ird auch klar, w a ru m u n d w an n w ir tatsächlich das R ech t haben, aus einer V erschiedenh eit sinnlicher Eigenschaften auf eine Stildifferenz, u n d u m gek eh rt aus einer G leich h eit o d e r Ä h n lich k eit sinnlicher E igenschaften auf eine Stilidentität o d e r S tilverw an dtsch aft zu schließen: w ir d ü rfen jenes darum , w eil (u n d u n ter der V oraussetzun g, daß) die V erschiedenheit der sinnlichen Eigenschaften Z eugnis ablegt v o n einer verschiedenartigen Stellungnahm e zu einem u n d dem selben kü nstle­ rischen P ro b le m (zu dem doch ein einheitliches künstlerisches S u bjekt n u r in einem Sinne Stellung n ehm en k ö n n te ) - w ir d ü rfen dieses darum , w eil (u n d u n ter d er B edin ­ gung, daß) die G leich h eit o d e r Ä h n lich k eit der sinnlichen Eigenschaften Zeugn is ablegt v o n einer identischen o d e r v erw a n d ten Stellungnahm e zu einem u n d dem selben k ü n st­ lerischen P ro b le m (zu dem doch verschiedene, beziehungsw eise verschiedenartige, k ü n st­ lerische Subjekte n u r in verschiedenem Sinne Stellung n ehm en k ö n n te n ). So n im m t also jed e eigentliche Stilcharakteristik, o b sie es w ill o d e r nicht, u n d o b sie es w eiß o d e r nicht, s o w o h l in der A usw ah l u n d O rd n u n g ih rer B eobachtun gen , als auch ganz besonders in ih rer B egriffsbildu n g n otw en d igerw eise B ezug auf die Inhalte jen er P roblem sph äre, die w ir im ersten A b sch n itt unseres A ufsatzes zu kennzeichnen v e r­ suchten: eine Stilcharakteristik, die diese B ezugnahm e ableugnet, leu gn et sie en tw ed er zu U n rech t ab - o d e r sie bezeichnet sich zu U n rech t als eine Stilcharakteristik25. D iese P ro b le m e u n d ihren Z usam m en h ang aber - u n d dam it stehen w ir nun an dem P un k t, auf den unsere ganze B esinnung hinausläuft - verm ag der K u n sth istorik er v o n sich aus auf kein e W eise zu erk en n en : den n er, der es allein m it den em pirischen E r­ scheinungen zu tu n hat, befindet sich gew isserm aßen in der u m gek eh rten Lage w ie der K u n stth eoretik er, der kunstw issenschaftliche G ru n d b eg riffe zu en tw ickeln u nd in k u n st­ w issenschaftliche Spezialbegriffe zu d ifferen zieren versucht; kann dieser, w ie w ir v o rh in sagten, n u r die Stellung, nicht aber die L ösu ngen der künstlerischen P rob lem e bestim ­ m en, so sind u m gek eh rt jenem (in G estalt der k on k reten K u n stw erk e) n u r die L ösu n ­ gen der künstlerischen P rob lem e gegeben, o h n e daß er v o n sich aus ihre Stellung zu erken nen v e rm ö ch te ; die em pirisch-realen Erscheinungen, die die in strengem Sinne kunstgeschichtliche B etrachtung v o r sich hat, verraten an u n d fü r sich v o n irgendw elchen „P r o b le m e n “ nicht das m indeste - die P rob lem e sind nicht in den P h än om en en gegeben, son d ern sie w e rd en h in ter ihnen vorau sgesetzt, u n d sie sind daher erken n bar n u r fü r eine B etrachtungsw eise, die nicht K unstgeschichte ist, son d ern K u n stth eorie: n u r die „u n sin n lich e B egriffsspek u la tion “ dieser K u n stth eorie verm ag die Z iele festzusetzen, nach denen sich die T ätigk eit des em pirischen Forschers auf Schritt u nd T ritt orien tiert - n u r sie hat die M ög lich k eit und die A u fg a b e, die v o n d er kunstgeschichtlichen Praxis als bek a n n t vorau sgesetzten künstlerischen P rob lem e zu erken nen u n d ihnen in den kunstw issenschaftlichen G ru n d - u nd S pezialbegriffen eine begriffliche F orm u lieru n g zu geben. II. Schon die K unstgeschichte als reine D ingw issenschaft, in sofern sie den „S til“ der künstlerischen O b je k te erkennen w ill, setzt also, so stellten w ir fest, bei ihren Stil­ analysen, je selbst bei ihren scheinbar voraussetzungslosen B ildbeschreibungen die kü n st­ lerischen G ru n d - u n d E in zelp rob lem e als b ek a n n t u nd dam it die kunstw issenschaft­ lichen G ru n d - u nd Spezialbegriffe als gew on n en voraus - auch dann, w en n der aus­

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Uber das Verhältnis der Kunstgeschichte zur Kunsttheorie ü b en d e Forscher diese P rob lem e u n d B egriffe als solche n ich t k en n t, ja selbst, w en n er v o n ih rer E xisten z nichts w eiß . R ein e D ingw issenschaft ist n u n aber die K unstgeschichte n u r so lange, als sie die erw äh n te V oraussetzun g w irk lich n u r als „V o ra u sse tz u n g “ h in ­ n im m t, d. h. so lange, als sie sich zw a r nach den k u nstth eoretisch ergrü n d eten P r o ­ b lem en orie n tie rt, nicht aber auf dieselben reflektiert. D e n n in dem A u gen b lick e, da dies geschähe, da also die E rgebnisse der ku nstth eoretisch en B esinnung nicht v o n außen h er die B eobachtungsausw ahl u n d B egriffsbildu n g d er F orsch un g b estim m en , son d ern u n m ittelb a r u n d als solche in ih ren G ed an ken gang ein d rin gen w ü rd en , w äre die K u n st­ geschichte v o n der A u fw eisu n g u n d A u sd eu tu n g eines m ateriell gegeben en T atbestandes z u r A u fw e isu n g u n d A u sd eu tu n g eines ideellen V erhältnisses zw ischen P rob lem stellu n g u n d P ro b le m lö su n g ü bergegangen, d. h. sie hätte a u fg eh ört, eine reine D ingw issenschaft zu sein u n d sich aus einer im beschränkten Sinne historischen D iszip lin in diejenige B e­ trachtungsw eise verw a n d elt, die w ir als eine

„transzen den tal-ku n stw issen sch aftlich e“

o d e r, bescheidener u n d vielleicht zu treffen d er, als eine im eigentlichen Sinne „in te r p r e ­ tie re n d e “ bezeichnen d ü rfen . D ie F orsch un g kann auf diese U m w a n d lu n g verzich ten , solange sie sich m it der R o lle einer b lo ß e n S tilm o rp h o lo g ie b eg n ü g t - sie m u ß sich aber zu ih r in dem A u gen b lick e b ereitfin den , da sie v o n d er E rken n tn is der stilistischen S y m p to m e (des „Stils im äußeren S in n e“ ) zu r E rken n tn is des stilistischen W esens (des „Stils im in n eren Sinne“ o d e r „K u n s tw o lle n s “ ) vorsch reiten w ill. D e n n da die in einem K u n stw erk sich offen b a ren d en „G esta ltu n g sp rin zip ien “ nichts anderes sind als die in diesem o d e r jen em Sinne v o llz o g e n e Stellungnahm e des A u to rs zu den künstlerischen G r u n d - u n d E in zelp rob lem en , u n d da das „o b e rs te S tilp rin zip “ nichts anderes ist, als d ie in diesem o d e r jen em Sinne v o llz o g e n e S tellungnahm e des A u to rs zu m kü n stleri­ schen U rp ro b le m , so k ö n n e n die G estaltu n gsprin zipien als solche u n d kan n das ob erste S tilp rin zip als solches n u r dann erk a n n t w erd en , w en n die E rken n tn is sich auf eine aus­ drückliche K o n fr o n ta t io n der L ösu n gen m it den P rob lem en grü n det. D ie K u n stge­ schichte als reine D ingw issenschaft verm a g daher, da sie sich nach den künstlerischen P ro b le m e n n u r orien tiert, nicht aber auf sie reflektiert, n u r S tilkriterien u n d deren A gg reg a t, nicht aber G estaltu n gsprin zipien u n d deren E inheit zu erken nen . D ies ist v ie l­ m e h r n u r derjen igen Betrachtungsw eise m öglich , der die v o n der Kunstgeschichte im en geren Sinn n u r als b ek a n n t vorau sgesetzten künstlerischen P rob lem e w irk lich b ek a n n t sind, u n d die daher - m it H ilfe der k u nstth eoretisch geb ild eten G ru n d - u n d Spezial­ beg riffe auf sie reflektierend - das d o r t n u r su bin telligierte V erhältnis zw ischen P r o b le m ­ stellungen u n d P rob lem lösu n g en ausdrücklich u n d system atisch k larzu legen verm ag. W ä h re n d also die Kunstgeschichte als reine D ingw issenschaft sich dam it begn ü gen w ird (u n d m u ß ), den E rsch ein u n gsk om plex a m it einem stilcharakterisierenden E in zelterm i­ nus T , den E rschein un gskom plex b m it einem stilcharakterisierenden E in zelterm in us T i, u n d das K u n stw erk als G anzes durch eine Z usam m enfassung dieser T erm in i T + T i zu k en nzeichn en , w ird jene andere „in te rp re ta tiv e “ Betrachtungsw eise ausdrücklich a u fzu ­ w eisen h aben, daß erstens in dem E rsch ein u n gsk om p lex a das künstlerische P ro b le m x u n d in dem E rsch ein u n gsk om p lex b das künstlerische P rob lem y in einem b estim m ten Sinne gelöst sei (w o m it die Stellu ngn ah m en des A u to rs zu den künstlerischen G r u n d u n d E in ze lp ro b lem en , d. h. die G estaltu n gsprin zipien, erkan nt sind), u n d daß zw eitens

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Uber das Verhältnis der Kunstgeschichte zur Kunsttheorie all diese L ösu n gen „in einem u n d dem selben Sin n e“ v o llz o g e n seien, d. h., daß a sich zu x eben so verh alte w ie b zu y u n d c zu z (w o m it die S tellungnahm e des A u to rs zu m künstlerischen U r p r o b le m , d. h. das ob erste S tilprin zip, erkan nt ist)26. D a m it - u n d erst d am it - erfa ß t die wissenschaftliche B etrachtung den „S til im in n eren Sinne“ , o d e r das „K u n s tw o lle n “ , das w ed er als eine Sum m e sinnlicher Eigenschaften, n och als ein A g g r e ­ gat v o n S tilk riterien, son d ern ausschließlich als die E inheit in n erh alb o d e r ob erh a lb der G estaltu n gsprin zipien verstan den w erd en kann, u n d dessen E rken n tn is daher nicht n u r die stillschw eigende B ezugn ah m e auf die Ergebnisse der K u n stth eorie, son dern die u n ­ m ittelb a re Z u sa m m en a rb eit m it ih r voraussetzt. Ist n u n in diesem K u n stw ollen der „im m a n en te S in n “ der gegebenen Erscheinung er­ fa ß t, so steht nichts m eh r im W ege, diesen in den bildkünstlerischen P h ä n om en en sich b ek u n d en d en „S in n “ m it dem „S in n “ m usikalischer, dichterischer u n d

endlich auch

außerkünstlerischer P h ä n om en e in Parallele zu setzen. D e n n (u n d aus diesem G ru n d e k o m m e n alle G eistesw issenschaften ih rer S tru ktu r u n d in n eren P rob lem a tik nach m it d er K unstw issenschaft ü b erein )27 schlechthin alle geistigen F orm u n g en , ph ilosop h isch e u n d religiöse L eh ren eben so w ie rechtliche Satzungen o d e r Sprachsystem e, k ö n n e n u n d m üssen als L ösu n gen p h ilosoph isch er, religiöser, rechtlicher u n d sprachlicher „ P r o b le m e “ verstanden w e rd e n ; u n d w ie die K unstw issenschaft feststellt, daß in n erh alb einer b e ­ stim m ten künstlerischen Erscheinung alle künstlerischen P rob lem e „in einem u n d d em ­ selben S in n e“ gelöst sind, so k an n eine allgem eine G eistesw issenschaft den N achw eis versuchen, daß in n erh alb einer b estim m ten „K u ltu r “ (die ihrerseits w ied eru m epochal, region a l u n d schließlich auch p erson al b eg ren zt sein kan n) alle geistigen P rob lem e gegebenenfalls also m it E inschluß der künstlerischen - „in einem u n d dem selben S in n e“ gelöst seien. So w en ig die G efah ren zu verk en n en sind, die diesem , heute vielleicht etwas a llzu häufig geü bten , parallelisierenden V erfa h ren in der praktischen A n w e n d u n g d ro h e n (d en n der W ille zu r A u fd eck u n g v o n A n a log ien w ird leicht dazu fü h ren k ön n e n , die gegeben en E rscheinungen in w illkü rlich er o d e r gar gew altsam er W eise zu d eu ten )28, so w en ig d ü rfte sich bestreiten lassen, daß es, rein theoretisch, sehr w o h l m öglich u n d berech tigt ist. C. S o sind den n d ie p r o b le m fo rm u lie re n d e n G r u n d - u n d S pezialbegriffe d er K u n stth eorie zugleich die L eitb egriffe d er em pirisch beob a ch ten d en Kunstgeschichte u n d die A rb e its ­ b egriffe je n e r „in te rp re tie re n d e n “ Betrachtungsw eise, die sich auf die E rken n tn is des K u n stw ollen s richtet. D a ru m hat n ich t n u r die K u n stth eorie ein Interesse an dem im m er rü stigeren F ortsch reiten der T atsachenforschung, o h n e deren A nschauungen ih re B e­ griffe, kantisch zu reden, „le e r “ sind, son d ern es hat auch die T atsachenforschung ein Interesse an der im m er v oru rteilsfreieren u n d k on seq u en teren A usgestaltung der K u n st­ th e o rie , o h n e deren B egriffe ihre A nsch au u ngen „ b lin d “ w ä ren ; u n d letzten Endes m üssen sich b eid e (am besten in der gleichen P erson ) zu gem einsam er A rb e it zu sam m en ­ finden . D iese fu n k tio n a le W ech selbezieh u n g w ird schon durch einen Blick auf die E ntw ick lu n g unserer W issenschaft bestätigt: der Forscher, bei dem zu m ersten M ale eine b ew u ß t stil­ geschichtliche F ragestellung begegnet, Joh a n n Joachim W in ck elm a n n , hat sich (v o n seiner

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Über das Verhältnis der Kunstgeschichte zur Kunsttheorie B ezieh un g z u r deutschen u n d englischen Ä sth etik ganz abgesehen) g en ötig t gefu n d en , seine G eschichte d er alten K unst nach th eoretisch-system atischen G esich tspu nkten zu orien tieren , deren E rörteru n g den G an g seiner historischen D arstellun g, n u r scheinbar w illk ü rlich , beständig u n terb rich t, u n d es ist kein Z u fa ll, w e n n derselbe R u m o h r , in dem w ir m it R ech t den B egrü n d er der „K unstgeschichte als Fachw issenschaft“ vereh ren , z u ­ gleich als erster den V ersuch u n te rn o m m e n hat, sich ein System der künstlerischen P r o ­ blem e zurechtzulegen - in jen em m erk w ü rd ig en E inleitungsabschnitt d er Italienischen F orschungen, fü r den er nicht o h n e A b sich t den T itel „d e r H aushalt der K u n st“ w äh lte, u n d den w ir nicht als ein überflüssiges A nh än gsel, son d ern als ein n otw en d ig es K orrela t seiner geschichtlichen U n tersu ch u ng zu betrachten haben. D e r heutige K u n sth istorik er, der sich seine B egriffe n ich t im m er selbst zu erarbeiten braucht, w ird vielfach darauf verzich ten , in eigener P erson eine solche theoretische K o n s tru k tio n zu u n tern eh m en ; allein das schließt nicht aus, daß auch er - b ew u ß t o d e r u n b ew u ß t - auf ihre E rgebnisse B ezug n im m t, u n d daß auch in der G egen w a rt das V o rg e h e n u n d die B egriffsbildu n g selbst der em pirischsten Kunstgeschichte v o n ku nstth eoretisch en G edan ken gängen b e ­ stim m t w ird . Es w äre in gew issem Sinne sehr b eq u em u n d w ü rd e uns aller m e th od olog isch er E rö rte ­ ru n gen v o n v o rn h erein ü b erh eb en , w en n w irk lich K u n stth eorie u n d K unstgeschichte „n ich ts m itein a n d er zu tu n “ hätten. A lle in in W a h rh eit sind sie wechselseitig au fein an der angew iesen; u n d diese R e z ip r o z itä t ist m it n ich ten etwas Z ufälliges, son d ern die n o t ­ w en d ig e F olge der Tatsache, daß das K u n stw erk - w ie alle H e rv o rb rin g u n g e n des f o r ­ m en den Geistes - seiner N a tu r nach die d o p p e lte Eigenschaft hat, auf der einen Seite de fa c t o durch zeitliche u n d örtlich e V erhältnisse b ed in g t zu sein, u n d au f der anderen Seite d er Idee nach die zeitlose u n d gleichsam absolute L ösu n g a p rio ri gesetzter P r o ­ blem e zu bild en - im S trom des geschichtlichen W erd en s sich zu erzeugen, u n d d en n och in die Sphäre des übergeschichtlichen G eh en s hin ein zu ragen. D a h er erh eb t das k ü nst­ lerische P h ä n om en , w en n anders es w irk lich ganz u n d w irk lich in seiner E in ziga rtigkeit b egriffen w erd en soll, m it zw in gen d er N o tw e n d ig k e it den zw iefachen A n sp ru ch : auf der einen Seite in seiner B edin gtheit begriffen , d. h. in den historischen Z u sam m en h ang v o n Ursache u n d F olge hineingestellt zu w erd en - au f der anderen Seite aber in seiner U n ­ b ed in g th eit b egriffen , d. h. aus dem historischen Z usam m en h an g v o n Ursache u n d F olge hera u sgeh ob en u n d , ü b er alle geschichtliche R ela tiv itä t hinaus, als z e it- u n d ortlose L ösu n g z e it- u n d o rtloser P rob lem e verstanden zu w erden . D a rin besteht die eigen tü m ­ liche P ro b le m a tik alles geisteswissenschaftlichen Forschens, aber auch sein eigen tü m lich er R e iz : „z w e i Schw ächen“ , sagt L io n a rd o einm al m it B ezug auf den architektonischen B ogen , „b ild e n zusam m en eine S tärke“ .

Es sei erlaubt, unsere Ergebnisse zu m Schluß in fo lg e n d e T hesen zusam m enzufassen: 1.

D ie K u n stth eorie en tw ickelt ein System v o n G ru n d b eg riffen u n d ih n en u n te rg e o rd ­

n eten S pezialbegriffen, das kein e andere A u fg a b e hat als die, die künstlerischen P r o ­ b lem e zu fo rm u lie re n - P rob lem e, die ihrerseits in G ru n d - u n d E in zelp rob lem e zer­ fallen u n d säm tlich aus einem ein zigen U r p r o b le m sich herleiten.

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Uber das Verhältnis der Kunstgeschichte zur Kunsttheorie 2. D ie Kunstgeschichte als reine D ingw issenschaft bezeichnet durch h in d e u te n d -d e m o n strative B egriffe die sinnlichen E igenschaften der K u n stw erk e, u n d b estim m t durch d eu ten d-ch arakterisieren de B egriffe den „S til im äußeren S in n “ als ein A ggrega t v o n „S tilk rite rie n “ . Schon diese rein m o rp h o lo g isch v erfa h ren d e Stilcharakteristik m u ß sich aber, b e w u ß t o d e r u n b ew u ß t, nach jen en künstlerischen P rob lem en orien tieren , die zu erk en nen u n d auf B egriffe zu brin gen nicht sie selbst, son d ern n u r die K u n stth eorie in der Lage ist. 3. D ie auf die E rken n tn is des „K u n s tw o lle n s “ abzielende „K unstgeschichte als In terp re­ tationsw issenschaft“ , die in sofern die K u n stth eorie m it der rein em pirischen K u n stge­ schichte innigst v e rk n ü p ft u n d auf den Ergebnissen b eid er sich aufbaut, weist die v o n der Kunstgeschichte als reiner D ingw issenschaft n u r vorau sgesetzte B eziehung zw ischen den „sinn lich en E igenschaften“ der K u n stw erk e u n d den künstlerischen P rob lem en aus­ drücklich u n d system atisch auf, u n d richtet sich som it nicht m eh r auf eine historische W irk lich k eit, son d ern auf ein in dieser n u r seinen A u sd ru ck findendes V erhältnis z w i­ schen P rob lem stellu n g u nd P rob lem lösu n g. In

der B ezieh un g

b estim m ter

E rschein un gskom plexe

auf bestim m te

künstlerische

G ru n d - u n d E in zelp rob lem e erfa ß t sie b estim m te „G esta ltu n g sp rin zip ien “ - in der B e­ zieh u n g d er G esam th eit der E rschein un gskom plexe auf das künstlerische U rp ro b le m , d. h. in einem die einzelnen G estaltu n gsprin zipien ü bergreifen d en „ob e rste n S tilp rin ­ z ip “ , erfaßt sie das „K u n s tw o lle n “ .

E xk u rs: Z u A . D o r n e r „D ie E rken n tn is des K u n stw ollen s durch die K unstgeschichte“ (Zeitschr. f. Ä sth . u. allgem . Kunstw issenschaft X V I , 1920, S. 216 ff.). 1. D orners P olem ik gegen die These, daß das „K u n stw ollen “ mit

H ilfe a priori gültiger

G ru n d b e g riffe erfa ß t w erd en k ön n e, berücksichtigt nicht, daß ich dieses K u n stw ollen ausschließlich in m etem pirischem Sinne verstan den wissen w ill. D o r n e r legt also m einen A ussagen ü b er die G eltu n g u n d A n w e n d b a rk e it der „G r u n d b e g r iffe “ seine A uffassu ng v o m W esen des „K u n stw o lle n s“ zu g ru n d e; u n d es ist klar, daß er u n ter diesen U m stä n ­ den Sätze bestreiten m u ß , die ich nie aufgestellt habe, u n d Sätze aufstellt, die ich nie bestreiten w ü rd e. D e n n w äh ren d ich - u n d n u r u m dieses klarzustellen, diente der v o n D o r n e r arg m iß ­ verstandene V ergleich zw ischen den verschiedenen M öglich k eiten , ein U rteil zu betrach­ ten 29 - dieses „K u n s tw o lle n “ , das da m it H ilfe der p ostu lierten G ru n d b eg riffe erkan nt w erd en soll, als einen „im m a n en ten S in n “ definierte, betrachtet er es als einen Inhalt der d in gh aften W irklich keitssph äre30, die, was ich nie geleugnet habe, n u r einer ku n st­ geschichtlichen B etrachtung im engeren, d esk rip tiven Sinne zugänglich ist. D a ru m m u ß D o r n e r die A n w e n d u n g v o n G ru n d b eg riffen als einen Ü b e rg riff in die Gerechtsam e der G eschichte em p fin den , d er aber, w en n m an v o n m einer D efin ition des K u n stw ollen s aus­ geht, schon deshalb nicht stattfinden kann, w eil das, was m it H ilfe jen er G ru n d b eg riffe erfaßt w erd en soll, sich zu r d in gh aften R ea litä t verh ält w ie „S in n “ zu „E rsch ein u n g“ , u n d darum b in ich u m gek eh rt m it ih m v o llk o m m e n einverstanden, w en n er d er v o r ­ geschlagenen „B e g riffsk o n stru k tio n “ den C h a ra k ter einer W irk lich k eit abspricht - einen

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Uber das Verhältnis der Kunstgeschichte zur Kunsttheorie C h a ra k ter, den ich fü r sie niem als in A nspru ch g en o m m e n habe u n d auch niem als in A n ­ spruch n eh m en k on n te. II. A u s der gleichen V oraussetzun g, daß das, was m it H ilfe d er G ru n d b e g riffe erfa ß t w erd en soll (näm lich das „K u n s tw o lle n “ ), identisch sei m it dem , was die dingw issen­ schaftliche B etrachtung zu k en nzeichn en sucht (näm lich den K u n stw erk en ), erk lä rt sich n u n auch D o rn e rs zw eiter E in w u rf, der sich w en iger auf die th eoretische G eltu n g als auf die praktische A n w e n d u n g d er „G ru n d b e g riffe “ b e zieh t: daß sie n ich t den A n sp ru ch erh eben k ö n n te n , eine „ v o r h e r b estim m en d e N o t w e n d ig k e it“ aufzuw eisen, durch w elche das K u n stw erk gleichsam

zw angsläufig b ed in gt w erde. A u ch h ier b e k ä m p ft D o r n e r

eine B ehau ptu n g, die ich nie aufgestellt habe: auch ich b in der A nsicht, daß es in n erh alb des kunstgeschichtlichen Prozesses (in sofern es eben ein geschichtlicher P rozeß ist) keine „v o rh e rb e stim m en d en G esetze“ geben kann - allein die „ N o t w e n d ig k e it “ , w ie ich sie verstehe u n d m it H ilfe d er „G r u n d b e g r iffe “ erken nen zu k ö n n e n glaube, ist gar keine N o tw e n d ig k e it des zeitlichen A b la u fs, son d ern eine N o tw e n d ig k e it des sin n h aften Z u ­ sam m enhanges - nicht ein em pirisches G esetz, aus dem m eh rere künstlerische P h ä n o­ m en e als „n o tw e n d ig a u fein a n d erfolg en d “ begriffen w erd en k ö n n te n , son d ern ein P rin ­ z ip d er in n eren E inheit, aus w elch em die m an n igfaltigen E igen tü m lichkeiten eines u n d desselben künstlerischen P hän om en s als n o tw e n d ig zu ein a n dergeh örig verständlich w e r ­ den. D e r einzige Fall, in dem ich den A u sd ru ck „v o rh e rb e s tim m e n “ gebraucht habe bei G elegen h eit m eines E inspruchs gegen die B ehau ptu n g, daß P o ly g n o t, „w e n n er g e w o llt h ä tte “ , im stande gew esen w äre, eine naturalistische L andschaft zu m alen - v e r­ m ag vielleicht am deutlichsten die w ah re A b sich t m ein er A u sfü h ru n g en klarzu stellen : „ P o ly g n o t “ , so sagte ich, „h a t eine naturalistische L andschaft nicht deshalb nicht gem alt, w eil er sie als ih m nicht schön erscheinend abgelehnt hätte, son d ern w eil er sie sich nie h ätte v orstellen k ön n en , w eil er -

k ra ft einer sein psychologisches W o lle n „v o r h e r

b e stim m e n d e n “ N o tw e n d ig k e it - nichts anderes als eine unnaturalistische L andschaft w o lle n k o n n t e “ 31. W en n ich dann diese Ä u ß eru n g n och dahin präzisierte, daß P o ly g n o t die D arstellun g einer naturalistischen Landschaft w ed er g e w o llt n och g e k o n n t haben k ö n n e , w eil „e in e solche D arstellun g dem im m an enten Sinn d er griechischen K u n st des 5. Jahrhunderts w id ersp roch en h ä tte“ 32, so glaube ich, dam it deutlich genug b e to n t zu h aben, daß jenes V orh erb estim m tsein nicht im Sinne eines Sukzessionsgesetzes, son d ern im Sinne einer W esen sbestim m u n g zu verstehen ist - daß die (in diesem Falle n egative) N o tw e n d ig k e it nicht auf einem em pirischen G esetz der A b fo lg e , son d ern au f einem m etem pirischen P rin zip der stilistischen E in heit b eru h t33): das P h ä n om en P o ly g n o t b ild e t fü r m ich nicht das G lied einer „n ach ew igem V orh erb esch lu ß “ sich a b rollen den K ausalkette, w o h l aber kann es b egriffen w erd en als O ffen b a ru n g eines tieferen u n d es in so fe rn

m it anderen P h ä n om en en sub specie der in n eren E in heit v erb in d en d en

„S in n es“ 34. D a m it soll n u n aber - das sei ausdrücklich h in zu gesetzt, u m ein M ißverständn is nach der en tgegengesetzten Seite h in a b zu w eh ren - durchaus nicht etw a beh au ptet w erd en , daß die zeitliche A b fo lg e der künstlerischen Erscheinungen dem reinen Z u fa ll u n ter­ w o r fe n sei. D e n n w en n die b ed in gen d e W irk u n g der historischen U m stän de die Be­ rech en bark eit d er künstlerischen E ntw ick lu n g ausschließt, so in v o lv ie rt das G esetzt-Sein

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Über das Verhältnis der Kunstgeschichte zur Kunsttheorie apriorischer P ro b lem e ihre F olgerich tigk eit: w ir alle sind ja d arü ber einig, daß ein b e­ stim m ter „S til“ w ed er aus jed em beliebigen anderen h erv org eh en , n och u m gek eh rt durch jed en b eliebigen anderen abgelöst w erd en kan n, da jedes künstlerische P h ä n om en n u r ganz bestim m te E n tw ick lu n gs-M öglich k eiten in sich trägt. D as W irk lich -W erd en dieser M ö g lich k eiten w ird zw a r durch schlechthin u n vorh erseh b a re U m stän de bestim m t - so daß z. B. die G an dharakunst, die K u n st der Sassaniden, die K u n st v o n B yza n z u n d die K u n st des frü h e n n ordisch en M ittelalters zw a r säm tlich ihren gem einsam en U rsp ru n g aus der späten A n tik e zu erken nen geben, ih re beson d ere A u sp rä gu n g aber durchaus in d iv id u ellen u n d daher in k ein er W eise p rä ju d izierb a ren M o m e n te n verd a n ken - allein gleich w oh l v e rm ö g e n w ir die E ntw ick lu n g, die v o n der späten A n tik e zu jenen b eson ­ deren Stilen g e fü h rt hat, in sow eit als eine sin n volle einzusehen, als w ir zu m einen das künstlerische W esen d er späten A n tik e , zu m anderen jen e unen dlich e V ielh eit v o n A b ­ w a n d lu n g sfa k to ren erken nen k ö n n e n (die freilich stets n u r ex p o s t u n d niem als v o ll­ ständig erfa ß b a r sein w e rd e n ); w ir befin d en uns also bei d er U n tersu ch u ng v o n „E n t­ w ick lu n g en “ zw a r nicht in einer Sphäre d er „N o tw e n d ig k e it“ , w o h l aber in einer Sphäre d er „F o lg e rich tig k e it“ o d e r „S in n gem ä ß h eit“ : die A b fo lg e d er ein zeln en künstlerischen E rscheinungen k an n n ich t im Sinn einer kausalen o d e r teleologisch en R eih e d ed u ziert, w o h l aber im Sinne eines Z u sa m m en w irken s v o n allgem einen E n tw ick lu n gten d en zen u n d in d ivid u ellen A b w a n d lu n g sm om en ten begriffen w erden . 1

1 Zeitschr. f. Ästhetik u. allgem. Kunstwissensch. XIV, 1920, S. 320 ff. der Bezeichnung „künstlerisches Phänomen“ oder „künstlerische Erscheinung“ ver­ stehen wir hier und im folgenden jedes kunstwissenschaftliche Objekt, das unter dem Gesichts­ punkt der Stilkritik als eine Einheit betrachtet werden kann - sei diese Einheit nun regional (Volksstil), epochal (Zeitstil), oder personal (Individualstil) begrenzt, oder sei sie nur durch ein einzelnes Kunstwerk repräsentiert. * Zeitschr. f. Ästhetik u. allgem. Kunstwissensch. XVI, 1922, S. 216 ff. 4 Die Aufklärung dieser Mißverständnisse ist, um die gegenwärtige Darlegung nicht zu sehr zu belasten, einem Exkurse (s. o. S. 68 ff.) Vorbehalten geblieben. 5 Ich nehme hier, wie auch zum Teil im folgenden, auf eine Arbeit meines Freundes Edgar Wind

2 Unter

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Über das Verhältnis der Kunstgeschichte zur Kunsttheorie Bezug, die hoffentlich bald unter dem Titel „Ästhetischer und kunstwissenschaftlicher Gegen­ stand, ein Beitrag zur Methodologie der Kunstgeschichte“ veröffentlicht werden wird. 6 D. h. nicht die ο υ σ ί α zweier gegensätzlicher Prinzipien oder Substanzen, sondern die μ έ ­ θ ο δ ο ί ihrer Synthese betreffenden. 7 Wir vermeiden auch hier den an und für sich naheliegenden Ausdruck „genetisch“, da dieser nicht, wie es von einem genau dem Ausdrude „ontologisch“ entsprechenden Terminus verlangt werden muß, die transzendentalphilosophischen, sondern die empirischen (insonderheit histori­ schen) „Bedingungen“ des künstlerischen Schaffens bezeichnet. Daß es sich für uns nur um die ersteren, nicht aber um die letzteren handelt, sei hier zum Überfluß noch einmal ausgesprochen. 8 Wir bedienen uns hier der Rieglschen Termini, ohne uns aber die psychologische Ableitung dieser Termini zu eigen zu machen. e Vgl. hierzu wiederum Wind a. a. O. 10 Dieser realen Vertiefung des Reliefs entspricht die scheinbare der Malerei: die Modellierung der σ κ ι α γ ρ α φ ί α . 11 In einer Darstellung etwa, die nur den Ausschnitt der italienischen Trecentokunst behandelt, würde vielleicht Giotto als Verwirklicher eines „plastischen“ Stiles bezeichnet werden können, während eine Darstellung der gesamten Frührenaissance den Höhepunkt der „plastischen“ Ten­ denzen etwa erst in der Kunst Mantegnas erblicken würde, und umgekehrt eine Darstellung der karolingischen Buchmalerei schon die Trierer Adahandschrift dem Godeskalkevangelistar gegen­ über als relativ „plastisch“ charakterisieren müßte. - Es zeugt nur für die apriorische Geltung der künstlerischen Grundprobleme, wenn die Kunstgeschichte in ihrer oft beklagten Begriffs­ armut immer wieder mit den gleichen Ausdrücken arbeiten muß, die eben als Bezeichnungen für typische Lösungsmöglichkeiten jener Grundprobleme nicht zu entbehren sind, die aber, je nach dem angenommenen Bezugssystem, in ihrer praktischen Anwendung durchaus verschie­ denes bedeuten können. 12 Die hier angegebenen Begriffsdreiheiten bezeichnen ja immer nur die mittlere und die beiden (relativ) extremen Lösungen, wobei man - den Umfang der „historischen Skala“ möglichst groß bemessend - in allen Fällen etwa an den altägyptischen, den klassisch-griechischen und den mo­ dern-impressionistischen Stil denken mag. 13 Für eine mittlere Lösung zwischen „Polychromie“ und „Kolorismus“ (etwa „harmonische Ab­ stimmung ohne Brechung der Farben“) ist - wie auch für die mittlere Lösung zwischen „Flächenhaftigkeit“ upd „Tiefenhaftigkeit“. - bisher kein besonderer Ausdruck geprägt worden. 14 Daß die farbige Erscheinung des Kunstwerks - im Gegensatz zur nichtfarbigen - nur durch eine einzige Begriffsreihe und nicht durch deren drei gekennzeichnet wird, dürfte darin seinen Grund haben, daß wir - eine Voraussetzung der außerkünstlerischen Anschauung nicht ganz mit Recht in die Sphäre der künstlerischen übertragend - die „Farbe“ als etwas zu den „Kör­ pern“ Hinzutretendes, ihnen gleichsam nur Anhaftendes, zu betrachten pflegen, und sie demzu­ folge auch im Kunstwerk nicht als einen „elementaren“ und „figurativen“, sondern nur als einen „kompositionellen“ Faktor betrachten, der die an und für sich schon „fertige“ Welt des Nicht-Farbigen gleichsam nur illustriert. In der Tat dürften sich die, nur zur Bezeichnung einer „farbigen Gesamthaltung“ geprägten Ausdrücke „Polychromie“ und „Kolorismus“ beziehungs­ weise „Tonigkeit“ ihrem unmittelbaren Sinne nach nur auf die unterschiedlichen Lösungsmög­ lichkeiten des dritten Grundproblems beziehen („Werte des Nebeneinander“ und „Werte des Ineinander“, „Zerteilung“ und „Verschmelzung“), was aber natürlich nicht ausschließt, daß die durch sie bezeichneten Entscheidungen tatsächlich für alle drei Grundprobleme getroffen werden. 15 Zweifellos unterliegen dagegen die Kategorien Wölfflins in der Tat dem eben ausgesprochenen Einwand, denn sie, die nicht Problemstellungen, sondern Problemlösungen auf eine Formel brin­ gen wollen, tragen gewissermaßen die theoretische Antithetik metempirischer Werte in die em­ pirische Welt der geschichtlichen Wirklichkeit hinein, und begeben sich damit in eine von beiden Seiten her angreifbare Zwischenstellung: als kunstwissenschaftliche Grundbegriffe betrachtet, erfüllen sie nicht den Anspruch, a priori legitimiert werden zu können und ihren Gegenstand jenseits der Erscheinungswelt zu besitzen - als kunstgeschichtliche Charakterisierungsbegriffe

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Uber das Verhältnis der Kunstgeschichte zur Kunsttheorie betrachtet, erfüllen sie nicht den Anspruch, der Mannigfaltigkeit der konkreten künstlerischen Phänomene gerecht zu werden, da sie den Reichtum derselben auf ein - in sich selbst übrigens nicht widerspruchfreies - System von absoluten Gegensätzen einschränken. 16 Panofsky a. a. O. [s. o. S. 40]. 17 Damit ist der prinzipielle Unterschied zwischen der Kunsttheorie, wie wir sie auffassen, und der sogenannten Ästhetik und Kunstpsychologie bezeichnet: indem die Kunsttheorie nur die im vorigen bezeichneten Grundprobleme aufdeckt, stellt sie noch nicht die Frage der philosophischen Ästhetik, die die Voraussetzungen und Bedingungen feststellen will, unter denen das Kunstwerk a priori möglich ist, noch weniger die der normativen Ästhetik, die die Gesetze aufzustellen be­ hauptet, nach denen das Kunstwerk sich richten soll; die Kunstpsychologie aber fragt nach den Umständen, unter denen das Kunstwerk - beziehungsweise der Eindruck des Kunstwerks „wirklich“ wird. 18 Vgl. auch zu dieser gewissermaßen „dialektischen“ Entstehung der Einzelprobleme erster und zweiter Ordnung Wind a. a. O. 10 Dorner hat, um die angebliche Zusammenhangslosigkeit möglicher Grundbegriffe darzutun, die Begriffspaare „objektivistisch-subjektivistisch“, „realistisch-idealistisch“ und· „formal-inhalt­ lich“ zusammengestellt. Demgegenüber ist einzuwenden, daß das Begriffspaar „formal-inhaltlich“ den beiden anderen überhaupt nicht koordinierbar ist: das Begriffspaar „formal“ und „inhaltlich“ bezeichnet ja gar nicht, wie die beiden anderen, einen Gegensatz zweier Darstellungsprinzipien, durch die eine Stildifferenz zwischen mehreren künstlerischen Phänomenen bezeichnet wird, son­ dern die Grenze zweier Sphären, die (logisch) innerhalb eines und desselben künstlerischen Phä­ nomens unterschieden werden! Was aber den noch immer gebrauchten Gegensatz „formalistische Kunst“ (Part pour Part) und „Inhaltskunst“ betrifft, so ist zu sagen, daß diese Begriffe aus der Reihe der kunstwissenschaft­ lichen Begriffe gestrichen werden müßten. Denn das Verhältnis zwischen Form und Inhalt bildet gar kein künstlerisches Problem, das (wie etwa das Problem Fläche und Tiefe) in dem einen oder anderen Sinn entschieden werden könnte, sondern die Sache steht entweder so, daß ein bestimm­ ter „Inhalt“ in die „Form“ eingegangen ist (dann und nur dann ist er ein Inhalt des Kunstwerks, und man kann gar nicht mehr fragen, ob er wesentlicher oder unwesentlicher sei als die „Form“) - oder aber so, daß er nicht in die „Form“ eingegangen ist (dann ist er ein Inhalt neben dem Kunstwerk und kann den Stil desselben nicht beeinflussen). Im übrigen gibt es jedoch auch für die „Inhalts-Sphäre“ ein „Grundproblem“, dessen Pole auf seiten der „Form“ mit dem Aus­ druck „Definierbarkeit“ (Allgemeingültigkeit), auf seiten der Fülle mit dem Ausdruck „Undefinierbarkeit“ (Einmaligkeit) bezeichnet werden können. Die Lösungen (die notwendig mit denen der „formalen“ Grundprobleme im Einklang stehn), nähern sich entweder der reinen „Mit­ teilung“ oder aber dem reinen „Gefühlsausdruck“ an, wobei sie diese Extreme natürlich niemals ganz erreichen dürfen. 20 Die bloße Aufklärung des Datums und Entstehungsortes etwa durch Urkunden oder Fund­ umstände kann die historische Einordnung wohl erleichtern, aber für sich allein nicht ermög­ lichen. 21 1919 ff. Vgl. die programmatische Einleitung I, S. 5 ff. 22 Dorner a. a. O. 23 Auf den Einwand, daß theoretisch in allen Fällen, praktisch freilich nur in einigen, die nicht­ farblichen Eigenschaften exakt und ausreichend bestimmt werden könnten (nämlich durch ma­ thematische Bezeichnungen wie „kreisrund“ oder „ellipsenförmig“), ist zu erwidern, daß dabei entweder auf den konkreten Kreis oder die konkrete Ellipse als einen Gegenstand sinnlicher Wahrnehmung Bezug genommen wird - dann ist die Bestimmung „kreisrund“ usw. grundsätz­ lich nicht von Bestimmungen wie „ösenförmig“, „seidig“ usw. verschieden, oder aber auf den abstrakten Kreis und die abstrakte Ellipse als eine mathematische Figur (so daß man genau ge­ nommen statt „kreisrund“ etwa zu sagen hätte „in Form einer Kurve, deren sämtliche Punkte von einem bestimmten Punkt gleich weit entfernt sind“) - dann ist (genau wie bei zahlenmäßi­ gen Maßangaben) die zu beschreibende Erscheinung ihrer eigentlich qualitativen Natur entklei­

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Über das Verhältnis der Kunstgeschichte zur Kunsttheorie det, und es werden im Grunde nicht mehr reale „sinnliche Eigenschaften“, sondern die diesen „sinnlichen Eigenschaften“ der Idee nach zugrunde liegende Schemata bezeichnet. 24 Von hier aus leuchtet die Vergeblichkeit aller Bemühungen ein, für den Gebrauch der Kunst­ geschichte eine „Tabelle aller möglichen Farben“ aufzustellen, auf die bei Bildbeschreibungen Bezug genommen werden kann. Ein solcher Versuch - für technische Zwecke wohl durchführbar - würde auf unserem Gebiete genau so viel oder so wenig Erfolg versprechen, wie der Versuch, eine „Tabelle aller möglichen Formen“ zu schaffen. Denn jedes einzige Stück „Kadmiumgelb“ ist - insoweit es sich um ein Kunstwerk handelt - stets nur als „dieses“ Kadmiumgelb zu be­ stimmen, als das mit diesem Pinselstrich erzeugte, an dieser Stelle des Bildes befindliche, diesem Stüde Grau oder Blaugrün benachbarte; und diese seine einzigartige Qualität ist nicht leichter, aber auch nicht schwerer mit Worten zu kennzeichnen, als wenn es sich um die (ebenso einzig­ artige) Qualität eines bestimmten Linien- oder Flächengebildes handeln würde. Das ganze „Pro­ blem der Farbbezeichnung“ besteht letzten Endes nur insofern, als die mechanischen Reproduk­ tionsverfahren bisher der farblichen Erscheinung der Kunstwerke noch weniger gerecht werden als der nicht-farblichen: die Sprache kann die letzten Besonderheiten der einen genau so gut oder so schlecht bezeichnen, als die der anderen. 25 Man kann hiergegen nicht den Einwand machen, daß doch die künstlerischen Probleme den Denkern früherer Jahrzehnte oder Jahrhunderte nicht bekannt gewesen seien, beziehungsweise von den Denkern späterer Jahrzehnte oder Jahrhunderte desavouiert werden könnten: auch ein Vasari, insofern er wirklich den Stil eines Kunstwerks zu charakterisieren versucht (so etwa, wenn er das „rilievo“ eines bestimmten Gemäldes hervorhebt), nimmt dabei unbewußt Bezug auf eines jener künstlerischen Probleme, auf die eben jede Stilcharakteristik Bezug nehmen muß - in diesem Falle auf das Grundproblem „Fläche und Tiefe“. 26 Da ein konkretes Kunstwerk, wie oben gezeigt, das künstlerische „Urproblem“ niemals un­ mittelbar als solches behandeln kann, dasselbe vielmehr nur mittelbar insofern löst, als die (je­ weils dem besonderen Sinnesgebiet des betreffenden Kunstwerks entsprechenden) Grund- und Einzelprobleme sämtlich implizite im „Urproblem“ enthalten sind - so kann auch die wissen­ schaftliche Betrachtung eines konkreten Kunstwerks die Stellungnahme des Autors zum künst­ lerischen Urproblem, d. h. das oberste Stilprinzip, nicht unmittelbar und als solche aufweisen, sondern nur mittelbar dadurch, daß sie in den Lösungen der Grund- und Einzelprobleme ein einheitliches Lösungsverfahren feststellt, also z. B. den Nachweis erbringt, daß in einem bestimm­ ten Fall die gesamten Probleme sowohl in farblicher als in nicht-farblicher Beziehung im Sinne eines mittleren Ausgleichs zwischen den jeweiligen Problempolen gelöst seien - , womit dann mittelbar gezeigt ist, daß in diesem Falle auch das künstlerische Urproblem eine Lösung im Sinne des mittleren Ausgleichs erfahren hat. 27 Wie die Kunstgeschichte die ihr „gegebenen“ Objekte nur dann im Sinne ihrer stilistischen Be­ deutsamkeit interpretieren kann, wenn sie sie auf a priori gesetzte künstlerische Probleme bezieht, so müssen auch die anderen Geisteswissenschaften, besonders die Philosophie- und Reli­ gionsgeschichte, die empirisch beobachtbaren Erscheinungen, wenn anders sie ihre Wesenseigen­ tümlichkeiten und endlich ihren Sinn erfassen wollen, zu analogen philosophischen, religiösen usw. Problemen in Beziehung setzen - zu Problemen, die ebenfalls a priori gesetzt sind, und die aufzudecken hier wie dort nur einer systematisch-theoretischen Besinnung gelingen kann. Die Dreigliederung unserer Disziplin in Kunsttheorie, Kunstgeschichte als Dingwissenschaft und die (diese mit jener verbindende) interpretierende Betrachtungsweise hat also auf allen geisteswissen­ schaftlichen Gebieten ihr Analogon, wofür, als auf ein möglichst weit abgelegenes Beispiel, auf die Betrachtung rechtlicher Phänomene verwiesen werden darf: die „Rechtsgeschichte“ als reine Dingwissenschaft wird etwa eine bestimmte öffentlich-rechtliche Vorschrift zeitlich und örtlich festzulegen und ihrem materiellen Inhalt nach zu diskutieren haben, wobei sie die juristischen Grundprobleme (etwa das Problem Individuum und Gemeinschaft) bereits notwendig voraus­ setzt - sonst könnte sie gar nicht mit Begriffen wie „Staat“, „Bürger“, „Verpflichtung“ usw. arbeiten - , nicht aber auf sie reflektieren. Erst eine „interpretierende Rechtsgeschichte“ wird aufweisen müssen, in welcher besonderen Weise die betreffende Vorschrift zu jenen juristischen

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Uber das Verhältnis der Kunstgeschichte zur Kunsttheorie Grundbegriffen Stellung nimmt, und die „Rechtstheorie“ endlich, und nur die Rechtstheorie, ist in der Lage, diese Grundprobleme als solche zu erkennen und auf Formeln zu bringen. 28 Bei allem erscheint dieses (von Männern wie Schnaase, Riegl und Dvofäk geübte) parallelisierende Verfahren, das sich damit begnügt, mehrere Erscheinungen wie etwa „Gegenreformation“ und „Barockstil“ als analoge Lösungen ihrer besonderen Probleme, und damit als Ausdruck eines und desselben (wenn dieser Ausdruck erlaubt ist) „Kulturwollens“ darzustellen, noch weniger gefährlich als das aitiologische, das die eine aus der anderen ursächlich ableiten will, wobei es denn leicht dazu kommen kann, daß der eine Autor den Barockstil auf die Gegenreformation zurückführt, während der zweite die Gegenreformation aus dem Barockstil erklärt und der dritte jegliche Beziehung zwischen dem einen und dem anderen bestreitet. Vgl. die mir erst nach der Drucklegung bekannt gewordene Arbeit von K. Mannheim, Beiträge zur Theorie der Welt­ anschauungsinterpretation, Jahrb. f. Kunstgeschichte I (XV), 1923, S. 236. 29 Dorner macht mir den Vorwurf, die „rein formale Begriffszergliederung* des Satzes: „die Luft ist elastisch“ unbedenklich in Parallele gesetzt zu haben mit der „praktisch historischen Behandlung eines Kunstwerks“. In Wahrheit habe ich natürlich nicht die formale Begriffszer­ gliederung jenes Satzes mit der historischen Behandlung des Kunstwerks verglichen, sondern die verschiedenen Betrachtungsweisen, die jenem gegenüber möglich sind, mit den ebenso verschie­ denen, die diesem gegenüber stattfinden können: die historische mit der historischen (denn nie­ mand kann leugnen, daß auch der Satz: „die Luft ist elastisch“ historisch betrachtet werden kann, indem ich frage, wann, von wem, in welcher Formulierung, mit welchen Folgen und unter wel­ chen Voraussetzungen er aufgestellt wurde) - die formal-grammatikalische mit der formal-kom­ positionsanalytischen - und so auch endlich die transzendental-philosophische mit der auf eine Erkenntnis des Kunstwollens ausgehenden „transzendental-kunstwissenschaftlichen“, die ich je­ doch um deswillen nicht als eine „kunsttheoretische“ bezeichnen kann, weil die „Kunsttheorie“, wie sich aus den vorangehenden Darlegungen ergeben hat, nur den begriffskonstruktiven Unter­ bau dieser letztgenannten Betrachtungsweise darstellt. 80 Vgl. seine kaum der Widerlegung bedürftige Definition: „Das Kunstwollen, historisch gefaßt, ist die Reihe der Kunstwerke selbst, erfaßt mit den Begriffen der Gegenwart.“ 81 A. a. O. S. 326. [s. o. S. 36] 82 A. a. O. S. 330, Anm. 1. [s. o. S. 46, Anm. 11] 88 Wenn Dorner mir die Behauptung zuschreibt, daß „von einem archimedischen Punkte aus die Entstehungsursache eines jeden Kunstwerks erklärt werden könne“, so ist das schon rein text­ lich unzutreffend: in Wahrheit ging meine Behauptung dahin, daß von jenem archimedischen Punkte aus „die absolute Lage und Bedeutsamkeit der Erscheinungen“ bestimmbar sei - ein äußerst wesentlicher Unterschied, denn aus dem richtigen Wortlaut geht klärlich hervor, wie fern es mir lag, innerhalb der Kunstentwicklung eine mechanische Notwendigkeit der Abfolge anzunehmen. 84 In einer Formel ausgedrückt würde die von mir behauptete „Notwendigkeit“ nicht lauten: x (Gesetz) bedingt die Sukzession a, b, c, sondern: x (Sinn) erklärt die Zusammengehörigkeit a1, a2, a3. Wenn ich demgegenüber an einer Stelle meines Aufsatzes (S. 331, Anm.) [s. o. S. 46, Anm. 12] auf einen Einwand Wölfflins hin eingeräumt habe, daß der „plastischen“ Stilstufe die „malerische“ mit „Notwendigkeit“ beziehungsweise „gesetzmäßig“ nachfolge (ebenso wie ihr gewöhnlich eine linear-zeichnerische vorangeht), so hätte ich zwar zweifellos besser getan, statt dieser von Wölfflin übernommenen Termini den Ausdruck „Regelmäßigkeit“ zu gebrauchen, da jene Abfolge nur eine an zahlreichen Erscheinungen belegte, aber lediglich empirisch-psychologisch begründbare Er­ fahrungstatsache, und keineswegs ein a priori deduzierbares Gesetz ist; allein in diesem Fall, wo ich mir zweifellos eine sprachliche Ungenauigkeit habe zuschulderi kommen lassen, mußte der Zu­ sammenhang der Erörterung ohne weiteres klarstellen, daß es mir lediglich darauf ankam, die Wölfflinsche Lehre von den „zwei Wurzeln des Stils“ zurückzuweisen - jene Lehre, wonach die „optische“ (formale) Stilentwicklung von der imitativen (inhaltlichen) vollkommen unabhängig

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Uber das Verhältnis der Kunstgeschichte zur Kunsttheorie sei. Was ich behauptete und noch behaupte, ist, daß „Form“ und „Inhalt“ innerhalb jedes künst­ lerischen Phänomens, vom Zeit- oder Volksstil bis zu der Erscheinung des einzelnen Kunstwerks herab, nicht von einander abgesondert werden können, sondern daß auch sie als die „verschie­ denen Äußerungen einer gemeinsamen Grundtendenz“, eines gemeinsamen „Sinnes“, erfaßt werden müssen. Nur um diese Behauptung zu rechtfertigen, habe ich darzutun versucht, daß auch der formalen Entwicklung vom Plastischen zum Malerischen - gleichviel, ob sie nun eine „gesetzmäßige“ oder eine bloß „regelmäßige“ ist - eine analoge inhaltliche Entwicklung (etwa von der Historienmalerei zu Landschaft und Stilleben) parallelgehen müsse - daß wir, in meiner Terminologie ausgedrückt, die Tatsachen „malerisch“ und „Landschaftsdarstellung“ ebenso als Ausdruck eines gemeinsamen „Sinnes“ zu verstehen haben, wie die Tatsachen „plastisch“ und „Historienmalerei“.

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Zum Problem der historischen Zeit W e n n der V erfasser diesen vorlä u figen u n d sicher an vielen Stellen verbesserungsbe­ d ü rftig en E n tw u rf zu einer stilistischen u n d ch ron ologisch en G ru p p ieru n g d er w ich ­ tigsten R eim ser S kulptu ren v orzu le g e n w agt, so ist das n u r deshalb geschehen, w eil er m it dem V ersuch, die R e ih e n fo lg e d er A rch itek ten neu zu bestim m en , auch hinsichtlich d er S k ulptu renfrage eine gewisse V erpflichtun g zu r S tellungnahm e ü b ern om m en zu haben glau bt (w o b e i er es B erufeneren ü berläßt, das R ich tigzu stellen d e richtigzustellen u n d in sbeson dere das V erhältnis zw ischen R eim s u n d A m ien s u n d das m öglich erw eise rezi­ p r o k e V erhältnis zw ischen R eim s u n d C hartres des näheren zu untersuchen1), - nicht aber, w eil er sich der Schw ierigkeiten einer solchen A u fg a b e nicht b ew u ß t g ew o rd e n w ä re: w e n n irg e n d w o, erg ib t sich bei der B eobachtun g der R eim ser Plastik das B ild eines unen dlich vielfa rb igen G ew ebes, innerhalb dessen die verschiedensten Fäden sich bald ve rk n ü p fe n , bald nebenein ander u n d bald auseinanderlaufen; die ein zeln en Stilrich tu n ­ gen (v o n den zu m T eil beträchtlichen u n d schon an u n d fü r sich die A u fstellu n g einer einsinnigen E volu tion sreih e verb ieten d en Q ualitätsunterschieden ganz abgesehen) en t­ w ick eln sich n ich t nur, son d ern sie d u rchdringen sich auch, u n d sie du rch d rin gen sich nicht nur, son d ern sie peren nieren auch, aller Q u erv erb in d u n g en ungeachtet, n eb en ­ einander. D a m it rückt auch R eim s u n ter den G esichtsw inkel des „P ro b le m s der G en e­ ra tio n “ , o d e r vielm eh r - d en n das „P r o b le m der G e n e ra tio n “ ist ja n u r ein Spezialfall u n d nicht einm al der w ichtigste - u n ter den G esichtsw inkel dessen, was w ir als das „P r o b le m der historischen Z e it “ bezeichnen d ü rfen . Ja dies P rob lem erscheint gerade h ier so b ren n en d , daß w ir b erech tigt sind, nicht so w o h l R eim s sub specie des P rob lem s d er h istorischen Z eit, als vielm eh r das P rob lem der historischen Z e it sub specie v o n R eim s ins A u g e zu fassen: in dem begren zten Kreise einer einzigen B auhütte, u n ter der L eitu n g v o n M eistern, die, w ie w ir annehm en müssen, m it u nbeschränkter V ollm a ch t ausgestattet w aren, im Flusse einer relativ raschen u n d nie ganz u n terb roch en en Bau­ tä tigk eit u n d in m itten e in e i künstlerischen B ew egung, die ihre A n trieb e nicht etw a v o n außen em pfin g, son dern, w en n irgendeine, als spon tan zu gelten hat, entsteht im V e r ­ lau f v o n w en iger als drei M enschenaltern eine gew altige M en ge plastischer K u n stw erke. W en n , so k ö n n te m an fragen, selbst u n ter diesen V oraussetzun gen die ch ron ologisch gleichzeitigen Stücke stilistisch so verschiedenartig, ja verschiedenaltrig zu sein scheinen, hat es dann ü b erh a u p t n och einen Sinn, die kunstgeschichtliche B etrachtung u n ter den G esich tspu nk t zeitlichen Geschehens einzustellen? D en n das ist ja selbstverständlich (u n d m a h n t v o n v o rn h erein dazu, m it einem p rin zip iellen V erzich t auf den G leich zeitig­ k eitsb egriff nicht allzu schnell bei der H a n d zu sein), daß m it der V orstellu n g der h isto ­ rischen G leich zeitigkeit auch ihr k orrelatives G egenstück, d. h. die V orstellu n g der h isto ­ rischen V erschiedenzeitigkeit, preisgegeben w erd en m ü ßte, u n d daß sich dam it die Idee der historischen Z eitrela tion ü b erh a u p t als eine praktisch u n vollzieh b a re, ja logisch w idersin n ige herausstellen w ü rd e. N u n müssen w ir zunächst o h n e w eiteres die dem K u n sth istorik er in stin ktiv selbstver­ ständliche Tatsache zu geben, daß die historische (K u ltu r-)Z e it in kein er W eise m it der a stron om isch en (N a tu r-)Z e it identisch ist: w en n der H istorik er „u m

1500“ sagt, so

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Zum Problem der historischen Zeit m ein t er d am it nicht einen Z eitp u n k t, an dem seit einem k o n v e n tio n e ll fixierten A n ­ fan gsterm in 1500 E rdu m lä u fe u m die S on ne stattgefu n den haben, son dern er m ein t einen Z e itp u n k t, d er nicht n u r durch b estim m te k o n k rete „E reign isse“ , son dern auch durch bestim m te k o n k re te K u ltu reigen tü m lich k eiten sinnm äßig charakterisiert ist. U n d je d e r w eiß , daß „das sechste Jah rzehn t des 14. Jah rhu n derts“ (v o n dem b ekan nten U n ­ terschied zw ischen den Z w a n zig jä h rig en u n d Sechzig jährigen ganz abgesehen) fü r den historischen Sprach- u n d D en k geb ra u ch in B yza n z etwas ganz anderes „b e d e u te t“ als im A b e n d la n d , in Italien etwas ganz anderes als in D eutschland, u n d selbst in K ö ln n och etwas anderes als in Sch w äbisch -G m ü n d. D a m it erw eist sich die historische Z e it als jew eils abhängig v o n ein em bestim m ten historischen R a u m ; allein - u n d das ist h ierm it im p lizit bereits gesagt - dieser historische R a u m ist seinerseits eb en sow en ig dem g e o ­ graphischen gleichzusetzen, als die historische Z e it m it d er astron om isch en iden tifiziert w erd en d u rfte : w en n ein toskanischer M a ler nach einer w üsten Insel verschlagen w ird u n d w eiter m alt, so m alt er eben, w en n auch vielleicht in stofflich er u n d stim m u n gs­ m äßiger B ezieh un g durch seine neue U m g eb u n g beein dru ckt, dem Stil nach im m er n och „tosk a n isch “ : geh t er aber nach B rügge, so verä n d ert er dam it nicht n ur den geog ra p h i­ schen O rt, son d ern gerät auch in die E influßsphäre eines anderen K u ltu r- u n d in sbeson ­ dere eines andern K unstzusam m enhanges. M an sieht: so w o h l der B egriff der Z eit, als auch der B egriff des R aum es b edeu tet p rim ä r fü r den H is to rik e r im allgem einen nichts als eine Sinneinheit (u n d fü r den K u n sth istorik er im b eson d eren nichts als eine Stil­ einheit), die eine b estim m te G ru p p e v o n E inzelerscheinungen beherrscht u n d zu einem E rsch ein u n gsk om p lex v erb in d et (so daß auch eine Schule, eine W erk sta tt u n d letzten Endes eine künstlerische E in zelperson , ja selbst eine zu m T eil rein gattungsm äßig b e ­ stim m te E rscheinungsgruppe, z. B. „d ie N ü rn b e rg e r T o n p la s tik “ als kunsthistorischer „R a u m k o m p le x “ bezeich n et w erd en k an n ), - n u r daß diese Sinneinheit im einen Fall sub specie des N ach einan der, im anderen Fall sub specie des N eb en ein a n d er angeschaut w ird . U n d hat m an dies einm al erkan nt, so w ird ersichtlich, daß die W e lt des K u n st­ h istorik ers sich zunächst als eine unen dlich e M a n n igfa ltigk eit v o n ein zeln en B ezugssyste­ m en darstellt, in n erh alb deren R a u m u n d Z e it einander w echselseitig bestim m en , ja w echselseitig realisieren.

„D ie

gotische B asilika“ , „d ie schwäbische H o lz p la stik

des

15. Jah rhu n derts“ , „d ie byzan tin isch e M in iatu rm alerei nachikonoklastisch er Z e it “ , „d ie Sk ulptu ren des P a rth e n o n “ , „d ie K u n st A lb re ch t D ü rers“ ; all das sind solche „B ezu gs­ system e“ , in den en jew eils ein bestim m tes Stüde h istorischen R aum es im V erla u f einer bestim m ten Spanne historischer Z e it (o d e r u m g ek eh rt ausgedrückt: eine bestim m te Spanne historischer Z e it im R a h m en eines b estim m ten h istorischen R aum ausschnittes) betrachtet u n d analysiert w ird , u n d deren jedes ein raum zeitliches K o n tin u u m v o n ganz b estim m t b eg ren zter A u sd eh n u n g, aber v ö llig k o m p le x e r, die „rä u m lich e“ u n d „ze itlich e “ K o m p o n e n te zu einem w esensm äßig u nteilbaren u n d in d ivid u ell bestim m ten G a n zen verflechtender S tru ktu r bedeu tet. W ie sehr das der Fall ist, zeigt sich am d eu t­ lichsten darin, daß jed e „B estim m u n g “ eines K u nstw erkes einen U rteilsvorga n g dar­ stellt, in dem sich u n o actu, u n d o h n e daß dem einen eine P rioritä t v o r dem anderen zu k äm e, zugleich eine Z eitb estim m u n g u n d eine R a u m b estim m u n g v o llz ie h t: w en n der K en n er - u n d das U rteil des K unstkenners enthält ja im p lizit alles, was die A nalyse des

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Zum Problem der historischen Zeit K unstw issenschaftlers ex p lizit ausführen k an n 2 - eine S k u lp tu r in die „S p ä tg o tik “ v e r­ setzt, so kann er das n u r u n ter der V oraussetzun g, daß ih m ein K unstkreis b ek a n n t ist, in n erh alb dessen ihr Stil in der spätgotischen E poch e m öglich ist - u n d w en n er sie „n o rd d e u ts ch “ n enn t, so kann er das n u r u n ter der V oraussetzun g, daß er eine K u n st­ epoch e angeben kann, in n erh alb d erer ih r Stil in N ord d eu tsch la n d m öglich ist. N u n scheint diese unendliche M an n igfa ltigk eit v o n „B ezu gssystem en “ , als die die W elt des K u n sth istorikers sich p rim ä r darstellt, einem w irren u n d sozusagen u n form a lisierbaren C h a os gleich zu k om m en . W en n , so d ü rfen w ir fragen, die historische Z e it jew eils n u r innerhalb eines bestim m ten historischen R aum es „ g ilt “ , u n d u m gek eh rt der h isto ­ rische R a u m nichts anderes ist als diejenige Sphäre, in die w ir jew eils den V erla u f einer bestim m ten historischen Z eitm en g e h in ein verlegen : stehen w ir dann nicht v o r einem v ö llig in h o m o g e n e n N eb en ein a n d er solcher Bezugssystem e, die, m it Sim m el zu reden, in „selbstgen ügsam er“ Isola tion u n d irration aler B eson derh eit verh a rren ?3 M üssen w ir nicht in der T a t darauf verzich ten , in die G esam theit dieser Bezugssystem e, die ja ein ­ a nder als v ö llig in k om m en su ra b le G rö ß e n gegen überzu steh en scheinen, etwas w ie eine absolute zeitliche O rd n u n g h in ein zu b rin gen ? D en n w en n innerhalb dieser B ezugs­ system e jew eils beson dere historische Z e it- u n d R a u m w erte gelten, w en n also in n er­ halb ih rer s o w o h l die Z e it als auch der R a u m nicht als reines Q u a n tu m son d ern als Q u ale b etrach tet w erd en m u ß , so ist es unbestreitbar, daß die Schaffenszeit M asaccios eb en sow en ig den b lo ß e n „ T e il“ einer h o m o g e n e n Z eitm en g e darstellt, als der F lo re n ­ tin er o d e r V eron eser K unstkreis den b lo ß e n „A u ssch n itt“ eines h o m o g e n e n R a u m ge­ biets. - G le ich w o h l braucht diese Ü b erlegu n g uns nicht an d er M ög lich k eit verzw eifeln zu lassen, die historische G esam tw elt als eine h o m o g e n e u n d stetig geord n ete anzusehen, n u r w e rd e n w ir uns zu dem Z ugeständnis bereit finden müssen, daß diese O rd n u n g ge­ w isserm aßen eine sekundäre ist, daß sie, w en n m an so sagen darf, n u r ex p ost, näm lich durch eine W ied ervera n k eru n g d er historisch qu alifizierten Bezugssystem e im A b la u f d er h o m o g e n e n N a tu rzeit u n d in der A u sd eh n u n g des h o m o g e n e n N atu rrau m s v e r­ w irk lich t w e rd e n kann. U n m ittelb a r „g e g e b e n “ sind uns tatsächlich n u r die k ü nstle­ rischen O b je k te , u n d die p rim äre O rd n u n g, die w ir innerhalb ih rer unendlichen M a n n ig­ fa ltig k e it v o llzie h en k ön n en , ist tatsächlich n u r diejenige nach Sinnzusam m enhängen o d e r Bezugssystem en. A llein dan eben ist uns doch die Tatsache gew iß, daß diese k ü n st­ lerischen O b je k te irgen dw an n u n d irg e n d w o v o n realen P ersonen h erv org eb ra ch t w u r­ den, die zu bestim m ter Z e it u n d an b estim m ten O rte n gelebt haben, deren Schaffen durch das V orh a n d en sein einer realen künstlerischen U m w e lt u n d einer realen k ü nstle­ rischen V o r w e lt b ed in gt gew esen ist, u n d ü b er deren W irk en w ir durch „N a ch rich ten “ aller A r t u nterrich tet sin d: die R eim ser K athedrale ist „1 2 1 1 “ b eg on n en u n d „1 2 4 1 “ teilw eise gew eih t w o r d e n ; F ilip p in o L ip p i hat einen bestim m ten A b sch n itt des astro­ n om isch en Z eitverlau fs erlebt u n d an ganz bestim m ten Stellen des geographischen R a u ­ m es gearbeitet, er k o n n te die W e rk e M asaccios sehen, aber nicht M a sa ccio die seinen, usw . U n d dam it ergibt sich die M öglich k eit, ja die N o tw e n d ig k e it, die prim äre, aber da­ fü r in h o m o g e n e O rd n u n g nach ku ltu rzeitlich en und ku lturräum lichen „B ezugssyste­ m e n “ d och w ied er m it einer sekundären (d en n D aten, U rk u n d en u n d biograph isch e N ach richten bedeu ten den K u n stw erk en selbst gegenüber fü r uns tatsächlich sekundäre

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Zum Problem der historisdien Zeit Q u ellen ), aber d a fü r h o m o g e n e n O rd n u n g nach naturzeitlichen u n d naturräum lichen „Z u sa m m e n h ä n gen “ zu verk n ü p fen . Jene engeren o d e r w eiteren „S in n ein h eiten “ die w ir in die historischen E rscheinungen hineinschauen, bedeu ten zugleich auch W irk u n g s­ einheiten, die eben die E rscheinungen in c o n c r e to m itein an der v e rb in d e n : jene klein e­ ren o d e r g rö ß e re n 4 Bezugssystem e, in den en w ir eine sinnhafte u n d gleichsam rein sta­ tische Z u sa m m e n g eh örig k eit sich sym b olisieren sehen, sind zugleich Beziehungssystem e, innerhalb derer, u n d zw ischen denen, sich dynam ische Z usam m en h än ge nachw eisen lassen. Zusam m en h änge, die die politisch e H is to rie als „ Z w e c k “ u n d „F o lg e “ , „U rsa ch e“ u n d „W ir k u n g “ , „ A k t io n “ u n d „G e g e n a k tio n “ anzusprechen p flegt -

w ä h ren d die

K unstgeschichte sie m it A u sd rü ck en w ie „E in flu ß “ u n d „ R e z e p t io n “ , „A n r e g u n g “ u n d „S tellu n gn a h m e“ , „T r a d it io n “ u n d

„W e ite rb ild u n g “ bezeich n et - , u n d deren A u f ­

deckung n ich t zw a r das Z iel, w o h l aber das zw angsläufige E rgebnis jed er stilkritischen G ru p p ieru n gsa rb eit ist. D ie scheinbar gegen ein ander durchaus relativen, ja in k o m m e n ­ surablen Bezugssystem e sind also bei aller „S elbstgenü gsam keit“ d och einer absoluten, w en n auch m ittelb a ren , O rd n u n g fä h ig : N a tu rze it u n d N a tu rra u m sind gleichsam die K on stanten, auf die die unzäh ligen V ariablen im m er w ied er b e zo g e n w erd en k ö n n e n u n d b e zo g e n w e rd en m üssen (w ir „lok a lisieren “ sozusagen eine bestim m te Spanne h isto­ rischer Z e it in bestim m te A b sch n itte der natürlichen Z eit, nicht anders als ein b estim m ­ tes Stück historischen R aum es in eine bestim m te Stelle des geographischen), u n d gerade das b estim m t das W esen der „h istorisch en “ Erscheinung, daß sie sich zu m einen als ein dem G eltungsbereich der N a tu rzeit u n d des N aturrau m es en th obenes Sinngebilde dar­ stellt, zu m

anderen aber an einen ganz b estim m ten n aturzeitlichen A u gen b lick u n d

eine ganz b estim m te naturräum liche Stelle fix iert ist: der B litz, der an einem bestim m ­ ten Tage an einem b estim m ten O rte n iedergeh t, ist tr o t z seiner E in m aligkeit so lange k ein „h istorisch es“ E reignis, als er nicht etw a eine K athedrale in B rand setzt, o d e r einen bed eu ten den M enschen erschlägt, u n d dadurch in b estim m te Sinnzusam m enhänge ein ­ g re ift - eine A n z a h l v o n K unstgegenständen u n b ek a n n ter H e r k u n ft u n d E ntstehungs­ zeit, die irg e n d w o im H a n d el auftauchen w ü rd en , w ären tr o t z ih rer S in n haftigkeit so lange keine „h istorisch en “ D ok u m e n te , als sie sich nicht einem b estim m ten n a tu rzeit­ lichen u nd n aturräum lichen Zusam m en h ang ein ord n en ließen. A us dieser eigen tü m lich en P rob lem a tik der Geschichtswissenschaft, die gleichsam m it zw ei ganz verschiedenen Z e it- u n d R a u m b egriffen arbeitet u nd diese d en noch stets zu ein an der in B ezieh un g setzen m u ß, erklären sich all jen e P aradoxien , die uns zunächst zu einer A r t v o n Skeptizism us, w en n nicht gar N ih ilism u s, zu zw in gen schienen. Es liegt n u r an dieser B egriffsdu plizität, w en n das gleiche Q u a n tu m natürlichen „R a u m e s“ , historisch betrachtet, bald einen größ eren , bald einen geringeren „ U m fa n g “ zu besitzen scheint, und w enn das gleiche Q u a n tu m natürlicher Z eit, historisch betrachtet, bald einen g rö ß e ­ ren, bald einen gerin geren „In h a ltsreich tu m “ repräsentiert (so daß m an m it Sinn b e­ h aupten k ö n n te , daß der abendländische K unstkreis im Z eita lter des „in tern a tion a len “ Stils der Jahre u m 1400 „e n g e r“ gew esen sei als u m 1450, o d e r daß das 15. Jahrhundert in den N ied erla n d en eine „lä n g ere“ E n tw ick lu n g b edeu te als in B yzan z, u nd als das 14. Jah rhu n dert in den N ied erla n d en selbst)5. U n d es liegt n u r an ihr, w en n der B egriff d er „G le ich ze itig k eit“ als historisch u n v erw en d b a r dazustehen schien. A uch dieser Be­

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Zum Problem der historischen Zeit g riff k an n en tw ed er natu rzeitlich o d e r historisch a u fgefa ß t w erd en , u n d w ie der jew eilige historische „ U m fa n g “ eines b estim m ten geographischen R a u m gebiets u n d der jew eilige h istorische Inhalt einer b estim m ten astron om isch en Z eitsp a n n e durch die E nge o d e r W e ite d er S in n - u n d W irku n gszusam m en hän ge b estim m t w ird , die die in ih m (o d e r in ih r) „lo k a lisie rte n “ E rscheinungen m itein a n d er v erb in d en , so d ü rfen w ir sagen, daß die tatsächliche, natürliche G leich zeitigk eit sich in dem M aße einer h istorischen G leich zeitig­ k eit annähert, in dem d er zw ischen den betreffen den E rscheinungen besteh en de S in n u n d W irk u n gszu sa m m en h a n g sich verdich tet, d. h. in dem M aße, als d er h istorische R a u m , dem sie an gehören , sich v e re n g t: das eine E xtrem w ird durch zw ei d en k b a r nahe „zu sa m m en h ä n gen d e“ W erk e, d. h. durch zw ei H e rv o rb rin g u n g e n der gleichen K ü n st­ lerpersön lich k eit, repräsentiert, hinsichtlich d erer d er U n tersch ied zw ischen natürlicher u n d h istorisch er G leich zeitigk eit praktisch vernachlässigt w erd en k a n n -

das andere

durch zw e i d en k b a r „b ezieh u n g slose“ W erk e, w ie etw a eine u m 1530 entstandene N e ­ gerplastik u n d die M a d on n a M e d ici des M ich elangelo, hinsichtlich derer dieser U n te r ­ schied so g r o ß w ird , daß die die b eid en W erk e „v e rb in d e n d e “ n atürliche G leich zeitigk eit historisch irreleva n t w ird . In den dazw ischen liegenden Fällen aber b leib t d er B egriff d er historischen G leich zeitigk eit zw a r an w en dbar, aber er relativiert sich, in d em nicht m e h r das Z u sa m m en fa llen zw eier o d e r m eh rerer E inzelerscheinungen in einen n a tü r­ lichen Z e it-P u n k t, son d ern n u r n och das Z u sa m m en fa llen zw eier o d e r m eh rerer „B e ­ zu gssystem e“ in eine (je nach dem A u sm aß des G esam tzusam m enhanges6 m e h r o d e r m in d e r ausgedehnte) Z eit-S treck e etw as w ie eine „ R e g io n “ der historischen G leich zeitig­ k eit schafft. S o läßt sich d en n die A u fg a b e, ein gegebenes K u n stw erk jahreszahlenm äßig zu „d a tie re n “ , zerlegen in das P rob lem , p rim ä r das kleinste B ezugssystem aufzusuchen, dem w ir es rein sin n m äßig ein zu gliedern v e rm ö g e n , u n d sekundär dieses kleinste B ezugssystem n a tu r­ zeitlich zu fixieren. U n d da n un jed e historische E rscheinung n otw en d ig erw eise zugleich m eh reren B ezugssystem en a n g eh ört - d en n in d em die M enschen, die es erzeu gen, eine bestim m te A n za h l v o n Jahren erleben u n d w ä h ren d dieser Jahre s o w o h l eine R eih e älterer G en era tion en h in ter sich lassen, als eine R eih e jü n gerer n eben sich aufw achsen sehen, in d em sie durch eigene R eisen u n d durch B erü h ru n g m it w a n d ern d en K ü n stlern o d e r w a n d ern d en K u n stw erk en in neuartige E in flu ß-S ph ären geraten, stellt sich jede ih rer H e rv o rb rin g u n g e n gew isserm aßen in

den S ch n ittp u n kt m an n igfach er B ezugs­

system e, die einander e b en sow oh l als frem drä u m lich e w ie als frem dzeitlich e gegen ü b er­ treten, u n d deren W ech selw irk u n g in jed em E in zelfa ll zu einem in d ivid u ellen E rgebnis fü h r t7 - , so w ird m an diese F orm el dahin erw eitern m üssen, daß m an sagt: „D a tie r e n “ h e iß t A b stim m e n , d. h. (p rim ä r) A u fsu ch en aller kleinsten jew eils erk en n b a ren B ezugs­ system e, die in der zu b etrach ten den E rscheinung gleichsam zu m Schnitte gelangen, u n d (sek u n där) F ixieren dieses S ch nittpu n ktes im V erla u f der N a tu rzeit. V ielleich t w ird gerade v o n h ier aus deutlich, in w elch em U m fa n g u n d in w elch em Sinn tr o t z aller R assen-, G en era tion s- u n d Q u alitätsunterschiede eine k on tin u ierlich e Z e it­ o rd n u n g d er K unsterscheinungen m ög lich ist: je um fassender die A nsch au u ng d er F o r ­ schung w ird , u n d je m eh r sie in die V erästelu n gen u n d K o m p lik a tio n e n der Einzelsach­ verh alte ein d rin gt, u m so genauer w ird sie einerseits die verschiedene h istorische „ W e r ­

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Zum Problem der historischen Zeit tig k e it“ d er za h len m äßigen D a ten einzuschätzen u n d a bzu w ägen wissen (so daß ih r k la r w ird , was „1 2 3 0 “ in den verschiedenen S k u lp tu ren gru p p en einer u n d derselben K athedrale „b e d e u te t“ ), u n d u m so eher w ird sie andererseits in den „rü ck stän digsten “ , w ie in den „fo rtg esch ritten sten “ , in den „h e rv orra g en d sten “ w ie in den „m in d e rw e rtig ­ sten “ A rb e ite n die S puren dessen en tdecken k ö n n e n , was sie t r o t z ih rer R ü ck stä n d igk eit u n d M in d e rw e rtig k eit schon, u n d t r o t z ih rer F ortsch rittlichkeit u n d G ü te n och nicht „vo ra u sse tze n “ , - w o m it s o w o h l eine W ü rd ig u n g der historischen U n gleich zeitigkeit im o b je k tiv G leich zeitigen (u n d v ice versa), als u m gek eh rt eine E n tdeck u n g der o b je k tiv e n G leich zeitigk eit im

historisch U n gleich zeitigen

(u n d v ice versa) m öglich

w ird . So

haben sich die W etzla rer S kulptu ren, so altertü m lich-rom an isch sie an m u ten u n d in gew issem Sinne auch sind, d och als „n ach bam bergisch e“ u n d als - in n erh alb ihres K u n st­ kreises! - die M erk m a le d er Z e it „u m 1 260“ an sich tragende erw iesen ; u n d so d a rf auch die A u fg a b e einer R eim ser „C h r o n o lo g ie “ als eine w en n auch vielleicht n och lange nicht lösbare, geschw eige d en n gelöste, so d och in ganz präzisem Sinne stellbare b ezeich n et w erden .

1 Auch wäre vielleicht der an anderer Stelle schon einmal aufgeworfenen Frage näher zu treten, ob etwa im Stil der Straßburger Ecclesiawerkstatt neben den Chartreser Einflüssen auch Reimsische wirksam geworden sind. 2 Dem alten Streit zwischen „Kenner“ und „Kunstwissenschaftler“ liegt eine unrichtig gestellte Alternative zugrunde: wie der ärztliche Diagnostiker mit dem einen Worte „Krebs“ alles das sagt, was der ärztliche Theoretiker an diesem Krankheitsfall explizit aufweisen kann (denn auch wenn die bewußt gewordene Unterlage der Diagnose nur ein Symptom unter hundert Sym­ ptomen war, wird auch die Aufweisung der übrigen neunundneunzig, insofern sie eben Krebs­ symptome sind, durch den Vollzug der Diagnose vorweggenommen) - so enthält auch das Kennerurteil „Esaias van der Velde“ (das ja die weiteren Bestimmungen „nordniederländisch“ und „1. Viertel des 17. Jahrhunderts“ ohne weiteres mit einschließt) implizit, wenn auch größ­ tenteils unbewußtermaßen, alles das, was irgendeine kunstwissenschaftliche Analyse in bezug auf Raum-, Körper- und Lichtkomposition, Stellung zum Landschaftsproblem usw. usw. explizit darzulegen vermöchte. Woraus hervorgeht, daß „kennermäßige“ und „kunstwissenschaftliche“ Urteilsbildung einander weder ausschließen, noch auch ergänzen, sondern den zwiefachen Aspekt

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Zum Problem der historischen Zeit derselben Sache darstellcn; denn wenn der Kunstwissenschaftler nur expliziert, was der Kenner diagnostiziert, so ist doch diese künstlerische Diagnose, da sie trotz ihrer Entstehung in einer Sphäre subjektiver Intuition in vollem Umfang objektive Gültigkeit beansprucht, ihrerseits an die Möglichkeit kunstwissenschaftlicher Bewährung geknüpft: wie es im Wesen der kunstwissen­ schaftlichen Analyse liegt, im Kennerurteil potentiell enthalten zu sein, so liegt es im Wesen des Kennerurteils, in eine kunstwissenschaftliche Analyse transformiert werden zu können; und in der Tat kann daher das Kennerurteil nicht eigentlich „bewiesen“, sondern nur durch eine solche Umwandlung gewissermaßen logifiziert werden; denn eine Berufung auf einzelne Sym­ ptome, wie Faltenformen oder Fingernägel, bedeutet nur eine Zerlegung des Urteilstenors, wäh­ rend eine Heranziehung von Urkunden nur einer Bestätigung von ganz anderer Seite her gleichkommt, da ja die Urkunden auch ohne Kennerurteil zur Identifizierung des fraglichen Kunstwerks ausgereicht hätten. 3 Vgl. G. Simmel, Das Problem der historischen Zeit, Philosophische Vorträge, veröffentlicht von der Kantgesellschaft, Nr. 12, 1916. Unsere Auffassung berührt sich vielfach mit derjenigen Simmels, ohne sich aber mit ihr zu decken - schon deshalb nicht, weil Simmel das Problem der historischen Zeit nicht mit dem Problem des historischen Raumes verknüpft sieht. 4 Vgl. unten Anm. 6. 8 Dabei ist aber zu berücksichtigen, daß diese Einschätzung zum Teil auch von der reicheren oder spärlicheren Überlieferung der Zeugnisse und von der größeren oder geringeren Erforschtheit derselben abhängt. 6 Die Frage nach dem „größesten“ oder „kleinsten“ Bezugssystem ist eine reine Tatsachenfrage: das Ausmaß des (jeweils) kleinsten Bezugssystems bestimmt sich nach der Möglichkeit, Unter­ schiede aufzuweisen (so daß wir z. B. innerhalb des Komplexes „Rembrandt“ eine ganze Reihe kleinerer Bezugssysteme unterscheiden können und müssen) - das Ausmaß des größesten nach der Möglichkeit, Zusammenhänge festzustellen, so daß wir z. B. im 13. Jahrhundert wohl von einem „abendländischen Kunstgebiet“ oder von einer „Mittelmeerkunst“ sprechen können, aber noch kein Bezugssystem aufstellen können, das etwa die Fidschi-Inseln mit in sich begriffe. 7 Die Arbeiten des Bamberger Heimsuchungsmeisters z. B. gehören sowohl dem Bezugssystem „Bamberg“ als dem Bezugssystem „Reims“, sowohl dem Bezugssystem „Spätromanik“ als dem Bezugssystem „Hochgotik“ an, und von den Spätwerken des Bamberger Chorschrankenmeisters gilt, aber unter ganz anderen Voraussetzungen und mit ganz anderem Ergebnis, ein Gleiches.

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Zum Problem der Beschreibung und Inhaltsdeutung von Werken der bildenden Kunst * Im elften seiner A n tiq u a risch en B riefe beschäftigt sich Lessing m it einem Satz, der in L ukians Beschreibung d er „Z e n ta u ren fa m ilie“ des Z eu xis zu lesen steh t: „ " Α ν ω

δέ

τής

εΐκόνος οΐον ά π ό τίνος σκοπης Ίπ-ττοκένταυρός τις έτπκύτττει γ ελ ώ ν “ ;ά .1 ι.: „o b e n a u f dem B ilde b eu gt sich w ie v o n einer A r t W a rte ein Z en ta u r lächelnd h era b “ . - „D ieses »gleichsam w ie v o n einer Warte* “ , b em erk t Lessing, „scheinet m ir n ich t undeu tlich anzuzeigen, daß L uk ian selbst nicht gew iß gew esen, o b die Figur n u r rückw ärts o d e r auch zugleich h ö h e r gestanden. Ich glaube die A n o rd n u n g e n des alten Basreliefs zu erken nen , w o d ie h in ­ tersten F iguren im m er ü b er die v ord ersten w egsehn, nicht w eil sie w irk lich h ö h e r stehen, so n d e rn b lo ß , w eil sie w eiter h in ten zu stehen scheinen sollen .“ D iese B em erk u n g Lessings fü h r t uns m it einem Schlage in d ie P rob lem a tik eines V o r ­ gangs hin ein , den w ir im allgem einen als einen sehr einfachen u n d selbstverständlichen h in zu n eh m en pflegen (w ie er d en n in d er T a t die p rim itiv ste Stufe d er w issenschaft­ lichen A useinan dersetzu n g m it dem K u n stw erk bezeich n et): in die P rob lem a tik d er rein d esk rip tiven B ildbeschreibung. D e n n sie len k t unser A u g e n m e rk auf die Tatsache, daß ein M ensch des zw eiten nachchristlichen Jahrhunderts - ein M ensch, d er in der k ü n st­ lerischen U m w e lt eines h och en tw ick elten Illusionism us etw a in der A r t der p o m p e ja n ischen Fresken auf gewachsen w a r -

ein B ild aus dem 5. J ah rhu n dert v o r C h risto in

seinem rein en Sachbestand nicht o h n e w eiteres ein deu tig zu erken nen u n d zu beschrei­ b en verm ag, v ie lm eh r m it ein em sozusagen top ogra p h isch en H in w eis auf eine Stelle der B ild ta fel (άνω) u n d einem absichtlich unentschiedenen V ergleich (olov ά π ό τίνος σκοπης) sich begn ü gen m u ß , - es sei den n, daß er sich ü b er das ih m u n m ittelb a r „G e g e b e n e “ hinausgesetzt hätte, w ie es dann Lessing b ew u ß term a ß en getan h a t: n u r dann h ätte L uk ian zu einer eindeutigen S tellungnahm e gelangen k ön n e n , w en n er es u n te rn o m m e n h ätte, das alte K u n stw erk nicht v o m S ta n d p u n k t des zw eiten nachchristlichen, son d ern des fü n fte n vorch ristlich en Jahrhunderts zu erfassen, w en n er sich an identische o d e r vergleichbare Fälle erin n ert h ätte u n d sich dadurch eines W andels d er raum darstelle­ rischen M ö g lich k eiten b e w u ß t g e w o rd e n w ä re: k u rz, w en n er nicht n u r au f G ru n d der u n m ittelb a ren W ah rn eh m u n gen am E in zelob jek t, son d ern auch auf G ru n d eines W is­ sens u m allgem eine G estaltu n gsprin zipien beschrieben hätte, d. h. aus einer S tilerk en n t­ nis heraus, die ih m nach Lage d er D in g e n u r eine historische B esinnung hätte v e r­ m itteln k ö n n e n .

* Der vorliegende Artikel gibt - bis auf einige Veränderungen, die sich z. T. aus einer an­ schließenden Diskussion ergaben - den Gedankengang eines Vortrages wieder, der am 20. Mai 1931 vor der Kieler Ortsgruppe der Kantgesellschaft gehalten wurde und über diejenigen Grund­ sätze berichten sollte, die einen an ikonographischer Deutungsarbeit besonders interessierten Kunsthistoriker bei seiner praktischen Tätigkeit leiten. Die Aufgabe des Verfassers besteht daher nicht sowohl darin, die Probleme einer solchen Deutungsarbeit in ihrer Systematik zu begrün­ den, als vielmehr darin, sie in ihren methodischen Auswirkungen zu exemplifizieren. Und es möge ihm nicht als Unbescheidenheit ausgelegt werden, wenn er dabei, dem Wesen eines „Re­ chenschaftsberichtes“ entsprechend, so oft auf seine eigenen Versuche zurückverweist.

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Zum Problem der Beschreibung und Inhaltsdeutung von Werken der bildenden Kunst I. Sehen w ir uns - u m ein beliebiges Beispiel herauszugreifen - der A u fg a b e gegen ü b er­ gestellt, die b erü h m te A u fersteh u n g v o n G rü n ew a ld zu „b esch reib en “ , so finden w ir uns schon bei den ersten A n sätzen darü ber beleh rt, daß die so o f t gebrauchte U n te r­ scheidung zw ischen einer rein „ fo r m a le n “ u nd einer „gegen stä n d lich en “ Beschreibung bei näherer B etrachtung nicht in v o lle m U m fa n ge au frech tzu erhalten ist, zu m m in ­ desten nicht angesichts v o n W erk en der b ild en d en K ünste (ich m öch te aber in P aren­ these bem erk en , daß es sich m . E. m it d er A rch itek tu r m utatis m utandis nicht anders verh ält). E ine w irk lich rein form a le B eschreibung d ü rfte nicht einm al A u sd rü ck e w ie „S te in “ , „M e n sch “ o d e r „F elsen “ gebrauchen, son dern m ü ß te sich grundsätzlich darauf beschränken, die F arben, die sich in m an n igfach er N u a n cieru n g gegeneinander absetzen, m itein a n d er v e rb in d en u n d sich höchstens zu quasi orn a m en ta len o d e r quasi te k to n i­ schen F o rm k o m p le x e n zu sam m en bezieh en lassen, als v ö llig sinnleere u n d sogar räu m ­ lich m eh rd eu tige K om p osition s elem en te zu deskribieren. Schon w en n w ir die d u n k le Fläche da o b e n als „N a ch th im m e l“ o d e r die m erk w ü rd ig differen zierten H elligk eiten da in der M itte als einen „m ensch lich en K ö r p e r “ bezeichnen w ü rd en , u n d vollen d s w en n w ir sagen w ü rd en , daß dieser K ö r p e r „ v o r “ jen em N a ch th im m el stehe, w ü rd en w ir etwas D arstellendes auf etwas D argestelltes, eine räum lich m eh rd eu tige F orm g eg eb en ­ h e it auf einen präzis d reidim en sion alen V orstellu n gsin h a lt b ezog en haben. N u n b ed a rf es k ein er E rö rte ru n g , daß eine in diesem strengen Sinne fo rm a le Beschreibung praktisch ein D in g d er U n m ö g lich k e it ist: jed e D e s k rip tio n w ird - gew isserm aßen n och ehe sie ü b erh a u p t an fän gt - die rein fo rm a le n D a rstellu n gsfa k toren bereits zu S y m b olen v on etw as D argestelltem u m ged eu tet h aben m üssen; u n d d am it wächst sie bereits, sie m ag es m achen w ie sie w ill, aus einer rein fo rm a le n Sphäre schon in eine S in n region hin au f. A u ch in n erh alb dessen, was w ir in unserem g ew öh n lich en Sprachgebrauch als eine „ f o r ­ m a le“ Betrachtungsw eise (etw a im Sinne W ölfflin s) zu bezeichnen pflegen, b ild et also in W a h rh eit nicht n u r die F orm (deren A n a lyse uns h ier nicht w eiter beschäftigen kann), son d ern dan eben auch bereits der Sinn der F o rm den G egen stan d d er B ildbeschreibung, - n u r daß - u n d das ist das E ntscheidende - d er „S in n “ in diesem Falle in einer andern, w e n n m an w ill p rim äreren , Schicht liegt als derjen ige Sinn, u m den die sogen ann te „ ik o n ogra p h isch e“ B etrachtung b em ü h t ist. W en n ich jen en hellen F a rb k om p lex da in der M itte als einen „sch w eb en d en M enschen m it durchlöch erten H ä n d en u n d F ü ß en “ b e ­ zeichne, so überschreite ich zw a r dam it, w ie schon gesagt, die G ren zen einer b lo ß e n F orm b esch reib u n g, aber ich verbleibe n och in einer R e g io n v o n S in n vorstellun gen , die dem B etrachter auf G ru n d seiner optischen A nschauung, seiner T ast- o d e r B ew egu ngs­ w a h rn eh m u n g, k u rz auf G ru n d seiner u nm ittelb a ren D aseinserfahrung zugänglich u n d v ertra u t sind. B ezeichne ich dagegen jen en hellen F a rb k om p lex als einen „a u fsch w eb en ­ den C h ristu s“ , so setze ich dam it n och etwas b ildu n gsm äßig H in zu g ew u ß tes voraus, w ie denn z. B. ein M ensch, der nie etwas v o m Inhalt der E vangelien g eh ö rt hätte, das A b e n d m a h l L io n a rd os w ahrscheinlich als die D arstellun g ein er erregten Tischgesellschaft auffassen w ü rd e, die sich - dem Beutel nach zu schließen - w egen einer G eldan gelegen ­ h e it veru n ein igt hätte. - W ir w o lle n jen e „p r im ä r e “ Sinnschicht, in die w ir auf G ru n d unserer vitalen D aseinserfahrung ein d rin gen k ön n en , als die R e g io n des P h ä n om en ­

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Zum Problem der Beschreibung und Inhaltsdeutung von Werken der bildenden Kunst sinnes bezeichnen, den w ir, w en n w ir w ollen , in Sach-Sinn u n d A usdru cks-S in n aufteilen k ö n n e n (d en n es ist ja ein w ich tiger U nterschied, o b m ich das bildnerische Z eich en als die D arstellun g eines M enschen, o d e r aber als die D a rstellu n g eines „s ch ö n e n “ , „h ä ß ­ lich en “ , „tra u rig en “ o d e r „fr ö h lic h e n “ , „b e d e u te n d e n “ o d e r „stu m p fsin n ig en “ M enschen anspricht). Jene andere, sekundäre Sinnschicht dagegen, die sich uns erst auf G ru n d eines literarisch ü b erm ittelten W issens erschließt, m ö g e n w ir die R e g io n des Bedeutungssinns n enn en . W o b e i die B em erk u n g gestattet sei, daß der K u n sth istorik er k ein R ech t hat, in n erh alb dieses B edeutungssinns zw ischen solchen V orstellu n gen zu unterscheiden, die er fü r „k ü n stlerisch w esentlich “ hält (w ie etw a die Inhalte d er B ibel) u n d solchen, die er als „v e rz w ick te A lle g o r ie “ o d e r „abstruse S y m b o lik “ glau bt beiseite lassen zu d ü rfen . Es h andelt sich näm lich bei dieser so gern gem achten U n tersch eidu n g im G ru n d e gar n ich t u m einen U nterschied zw ischen dem , was künstlerisch w esentlich o d e r unw esentlich ist, so n d e rn u m einen U nterschied zw ischen dem , was zu fä llig (u n d w e r w eiß w ie lange n och ?) dem h eutigen B ew u ßtsein ein igerm aßen geläufig ist, u n d dem , was w ir uns erst durch das F reilegen heute versch ü tteter Q u ellen w ied er aneignen m üssen: es ist d u rch ­ aus nicht u n d en k b a r, daß den M enschen im Jahre 2500 die G eschichte v o n A d a m u n d E va genau so fre m d g e w o rd e n ist, w ie uns diejenigen V orstellu n g , aus den en etw a die religiösen A lle g o rie n der G e g e n re fo rm a tio n o d e r die hum anistischen A lle g o rie n

des

D ürerkreises h ervorgega n gen sin d ; u n d doch w ir d n iem an d leugnen, daß es fü r das V e r ­ ständnis der sixtinischen D ecke sehr w esentlich ist, daß M ich elangelo den S ü ndenfall dargestellt hat, u n d nicht ein „d ejeu n er sur l’h e rb e “ 1.I. II. K eh ren w ir nun nach dieser A b sch w eifu n g w ied er zu unserem G rü n ew a ld b ild e zu rü ck ! W as es sub specie des Bedeutungssinnes darstellt, k ö n n e n w ir, w ie gesagt, oh n e b e ­ stim m te literarische V ork en n tn isse n ich t wissen. Sub specie des b lo ß e n P hän om en sinn s aber k ö n n e n w ir es, ganz r o h u n d u n ter B eschränkung auf das A llerau gen fälligste, als die D arstellun g eines M enschen beschreiben, der in m itten einer L ichterscheinung m it ausgebreiteten A rm e n einem K asten entschw ebt, w ä h ren d andere, kriegsm äßig ausge­ rüstete M enschen teils w ie v e rs tö rt am B od en h ock en , teils m it G eb ä rd en des S ch rekkens o d e r des G eblendetseins zu B od en getau m elt sind. D iese rein p h ä n om en a le Be­ schreibung setzt n un w irk lich nichts w eiter vorau s, als daß w ir uns das B ild gu t ansehen u n d es auf V orstellu n gen bezieh en , die uns aus der E rfa h ru n g geläufig sind. U n d d en ­ n och ist selbst sie m it nichten u n p rob lem a tisch . G ew iß , w ir h aben das B ild v o r A u g e n u n d wissen alle aus E rfah run g, was ein M ensch ist, was Schrecken ist u n d was Schw eben ist. A lle in das P ro b le m liegt in dem A k t e des Z usam m en bezieh en s. W ir brauchen uns n u r an Stelle des Bildes v o n G rü n ew a ld ein B ild v o n Franz M a rc, den „M a n d r ill“ der H a m b u rg e r K unsthalle, v o r A u g e n zu stellen, u m zu erken nen , daß w ir zw a r alle V o r ­ stellungen b ereit haben k ön n en , die uns zu r A u fd eck u n g des P hänom ensinns b efäh igen , -

daß es aber durchaus nicht im m er o h n e w eiteres m öglich ist, sie auf das gegebene

K unststück a n zuw en den , banal g esp roch en : das im B ilde D argestellte zu „e rk e n n e n “ . W ir w issen alle, was ein M a n d rill ist; aber u m ihn in diesem Bilde zu „e rk e n n e n “ ,

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Zum Problem der Beschreibung und Inhaltsdeutung von Werken der bildenden Kunst m üssen w ir, w ie m an zu sagen pflegt, auf die expressionistischen D arstellu n gsprin zipien , die h ier die G estaltung beherrschen, „ein g estellt“ sein. U n d die E rfa h ru n g hat geleh rt, daß dieser uns h eute sehr h arm los erscheinende M a n d rill zu r Z e it seiner E rw erb u n g einfach n ich t erk an nt w u rd e (die L eute suchten v erzw eifelt nach d er Schnauze, u m sich v o n da aus ein igerm aßen zu rechtzufin den), w eil jene expressionistische F orm w eise v o r 15 Jahren n och zu neu w ar. W ir stehen h ier gleichsam v o r der U m k eh ru n g des Falles „L u k ia n “ , auf den w ir n u n ­ m eh r w ied er zu rü ck k o m m e n d ü rfe n : die H a m b u rg er k o n n te n im Jahre 1919 d en v o n F ranz M a rc gem alten G egenstand nicht iden tifizieren, w eil ih n en die darstellerischen P rin zip ien des E xpressionism us bish er n och nicht v o rg e k o m m e n w a ren ; L ukian k o n n te das v o n Z eu xis gem einte H in terein a n d er der Figuren nicht auffassen, w eil ih m die dar­ stellerischen P rin zip ien der frühgriechischen K u n st schon en tsch w u n den w aren. H ie r w ie d o r t stellt sich heraus, daß die M ög lich k eit der Z u sa m m en b ezieh u n g selbst der geläu­ figsten E rfa h ru n gsvorstellu n gen m it einer B ildgegeben h eit - u n d d am it die M ög lich k eit einer zu treffen d en B eschreibung - abhängig ist v o n einem V ertrau tsein m it den allge­ m ein en D arstellu n gsp rin zip ien , v o n den en die G estaltung des Bildes bestim m t w ird , d. h. v o n einer Stilerkenntnis, die h ier w ie d o r t n ur durch ein H inein w ach sen in die h istorische S itu ation e rw o rb e n w erd en k a n n : im Falle des M a rc durch eine u n b ew u ß te G e w ö h n u n g an das N eu e, im Fall des Z eu x is durch ein bew u ßtes S ich -Z u rü ck -W en d en auf das V ergan gen e. W o m it, so p a ra d ox es k lin gt, bew iesen ist, daß ein dem B eschreiber z e it- o d e r artfrem des K u n stw erk v o n ih m schon stilgeschichtlich ein g eord n et sein m u ß , n och ehe es beschrieben w erd en kann. Im Falle des G rü n ew a ld b ild es sehen w ir n un zw a r „o h n e w eiteres“ , daß die M enschen M enschen u n d die Felsen Felsen sind. A b e r w o ra n sehen w ir, daß C hristus „sch w eb t“ ? D ie u n b ed en k lich gegebene A n t w o r t lau tet: „w e il er sich im leeren R a u m befindet, oh n e eine Standfläche zu b esitzen “ . D iese A n t w o r t ist auch v o llk o m m e n z u treffen d (d en n auch o h n e die schräge K u rv e der K ö rp e rb e w e g u n g u n d o h n e das schraubenartige A u f ­ w ärtssteigen des Tuches, durch das die D y n a m ik des Sch w ebevorgan gs so m ächtig ge­ steigert w ird , w ü rd e die Tatsache d er Schw ebesituation n ich t im m indesten zw eifelh a ft b le ib e n ); n u r ist zu sagen, daß dieselbe Ü b erleg u n g , die in diesem Falle richtig ist, in andern Fällen gänzlich abw egig w äre. B etrachten w ir näm lich ein u m die W en d e des ersten Jahrtausends entstandenes K u n st­ w e rk w ie die „G e b u r t C h risti“ aus dem sogen ann ten E vangeliar O tto s III. in M ü n ch en 2, so sehen w ir, daß auch h ier verschiedene B ildgegenstände - die K rip p e m it dem C h rist­ k in d , O chs u n d Esel u n d v o r allem die M u tte r M aria - sich o h n e A n d eu tu n g einer Standfläche im leeren R a u m e befinden , h och ü b er den son d erb a r rundlichen F orm en , die den E rd b o d e n vorstellen . A ll diese B ildgegenstände sollen aber in diesem Falle keines­ wegs „sch w e b e n “ (w enn gleich ein ganz u n v o rg e b ild e te r B etrachter o d e r ein K in d es sicher so auffassen w ü rd e), - aus dem einfachen G ru n d e, w eil h ier eine N a tu r- u n d R aum gesetzlichk eit, die sich bei G rü n ew a ld auf w u n d erb a re W eise du rch broch en zeigt, gar nicht v o rh a n d en ist. In einer solchen M in ia tu r ist der d u n k le H in te rg ru n d nicht „ H im m e l“ , son d ern abstrakte F olie, u n d die M enschen u n d D in g e sind nicht als rau m ­ verd rä n gen d e u n d d er S ch w erkraft u n te rw o rfe n e N a tu rk ö rp e r a u fgefaßt und darge­

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Zum Problem der Beschreibung und Inhaltsdeutung von Werken der bildenden Kunst stellt, son d ern als gleichsam gew ichtslose G efä ß e eines geistigen Gehaltes o d e r einer sachlichen B edeutung. D e r C hristus G rü n ew alds schw ebt, w eil h ier die ganze D arstellun g v o n einem (b ei aller Irration alität) perspektivischen u n d (bei aller F orm a u flösu n g ) p la­ stischen N aturalism us beherrscht w ird , sub specie dessen die Suspension eines K örp ers im Leeren n u r als Schw eben gedeu tet w erd en kan n - die M aria der otton isch en M in ia tu r schw ebt nicht, w eil h ier die ganze D arstellun g durch einen aperspektivischen u n d u n ­ plastischen Spiritualism us b estim m t ist, sub specie dessen die Suspension eines K örp ers im L eeren ü b er seine tatsächliche R aum lage schlechterdings gar nichts besagt. Es ist tatsächlich s o : u m ein K u n stw erk , u n d sei es auch rein p h ä n om en a l, zu treffen d beschreiben zu k ö n n en , m üssen w ir es - w en n auch ganz u n b e w u ß t u n d in dem B ruch ­ teil einer Sekunde - bereits stilkritisch ein g eord n et haben, da w ir ja sonst auf keine W eise wissen k ö n n e n , o b w ir an jene „S u spension im L eeren “ den M aßstab des m o d e r ­ n en N aturalism us o d e r den M aßstab des m ittelalterlich en Spiritualism us anzulegen haben. U n d w ir sehen m it ein iger Ü berraschung, daß w ir m it dem scheinbar so einfachen S atz: „e in M ensch en tsch w ebt einem G ra b e“ bereits so schw ierige u n d allgem eine Fra­ gen entschieden haben, w ie die nach dem V erhältnis zw ischen Fläche u n d T iefe, K ö r p e r u n d R a u m , Statik u n d D y n a m ik - k u rz : daß w ir das K u n stw erk bereits sub specie jen er „k ü n stlerisch en G r u n d p r o b le m e “ betrachtet h aben, deren beson dere L ösu n gsm od a li­ täten w ir als den „S til“ desselben bezeich n en 8. III. A u s dem bisher E ntw ickelten fo lg t, daß schon die p rim itiv e D es k rip tion eines K u n st­ w erk s (u m unsern T erm in u s zu w ie d erh olen : die A u fd eck u n g des b lo ß e n P h ä n om en ­ sinns) in W a h rh eit eine gestaltungsgeschichtliche In terp reta tion ist, o d e r zu m m indesten im p liz it einschließt. U n d m eh r n och als die beschreibende A u fd eck u n g des P h ä n om en ­ sinns wächst n u n n atu rgem äß die ik on ogra p h isch e A u fd eck u n g des B edeutungssinns ü b er den B egriff einer einfachen K on sta tieru n g hinaus: auch sie ist, u n d vielleicht n och m eh r als jene, eine In terp reta tion . D en n n och w en iger als das erfah ru n gsm äßige W issen u m das, was „S ch w eb en “ ist, uns oh n e weiteres dazu berechtigte u n d befäh igte, die F igur eines K u n stw erk s als eine „sch w eb en d e“ anzusprechen (sahen w ir doch , daß die Z u sa m ­ m en b ezieh u n g der E rfa h ru n gsvorstellu n g m it der B ildgegeben h eit erst auf G ru n d einer Stilerkenntnis gesichert w erd en k o n n te ): n och w en iger d ü rfen w ir glauben, den B e­ deutungssinn eines K u n stw erks dadurch sicherstellen zu k ön n en , daß w ir eine literari­ sche Q u elle o h n e w eiteres an das gegebene D en k m a l „a n leg en “ o d e r es gar m it ein iger­ m aßen passenden Bestandteilen

unseres eigenen B ildungsbesitzes in Z u sam m en h ang

brin gen , - w ie w ir auch u m g ek eh rt durchaus nicht erw arten d ü rfen , in jed em Falle eine solche literarische Q u elle ü b erh a u p t finden zu k ön n en . V ielm eh r w ird , w ie bei der A u f­ deckung des P hänom ensinns, so auch bei der A u fd eck u n g des Bedeutungssinns gew isser­ m aßen eine O b erin sta n z v orh a n d en sein müssen, v o r deren F oru m sich die Z u sa m m en ­ bezieh u n g der außerkünstlerischen V orstellu n g (in diesem Falle also eines literarisch ü b erlieferten Inhalts) m it der gegebenen Bilderscheinung allererst rech tfertigt. D iese „O b e rin s ta n z “ , die bei der A u fd eck u n g des Phänom ensinns die Stilerkenntnis w ar, ist n un bei der A u fd eck u n g des Bedeutungssinns die T y p cn lch re , w ob ei ich u n ter „ T y p u s “

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Zum Problem der Beschreibung und Inhaltsdeutung von Werken der bildenden Kunst eine solche D arstellun g verstehe, in d er sich ein bestim m ter Sachsinn m it einem b e­ stim m ten B edeutungssinn so fest v e rk n ü p ft hat, daß sie als T rä ger dieses B edeutungs­ sinnes tra d ition ell g e w o rd e n ist, also z. B. „H ercu les m it L ö w e n fe ll u n d K eu le“ o d e r „ D e r K ru zifixu s zw ischen M aria u n d J oh ann es“ 4. In einer k ü rzlich erschienenen P u b lik a tion w u rd e ein B ild des V enezianischen B a rock ­ m alers F ra n cesco M affei v eröffen tlich t, das laut U n tersch rift eine „S a lom e m it dem H a u p t des J oh ann es“ vorstellen soll5. D iese B ezeichnung ist in sofern verständlich, als sich das abgeschlagene M än nerh au pt, ganz w ie es im M atthäusevangelium beschrieben steht, auf einer Schüssel b efin d et; n u r ist d er U m stan d überraschend u n d b efrem dlich , daß die „S a lo m e “ ein Schw ert in der H a n d trägt, das sie (die ja die E nthau ptu n g des Täufers n ich t eigen h än dig v o llzie h t) dem H en k ersk n ech t entrissen haben m ü ß te. D ies Schw ert legt daher die V erm u tu n g nahe, daß es sich nicht s o w o h l u m eine Salom e, als vielm eh r u m eine Ju dith handeln m öch te, fü r die ja gerade das Schw ert, als Zeich en ih rer B efreiungstat, gew isserm aßen w esensbedeutsam ist; n u r aber steht je tz t dieser V e rm u ­ tu n g das M o t iv d er Schüssel entgegen, d en n v o n der Judith h eiß t es ausdrücklich, daß sie das H a u p t des H o lo fe rn e s „ih re r M a gd gab u n d hieß es in einen Sack sto ß e n “ . W ir stehen also v o r d er eigentüm lichen Tatsache, daß w ir zu einem B ilde zw ei ganz v er­ schiedene B ibelstellen h aben, v o n denen die eine gerade so gu t u n d so schlecht pa ß t w ie die andere (d en n z u r „S a lo m e “ stim m t die Schüssel, aber n ich t das Schw ert - zu r „J u ­ d ith “ stim m t das Schw ert, aber nicht die Schüssel), u n d m angels w eiterer In dizien ist es an u n d fü r sich n ich t m öglich , eine E ntscheidung zu treffen. H ie r n un erhellt die Be­ d eu tu ng d er T ypen gesch ich te: sie k en n t k ein en Fall, in dem es einer Salom e gestattet w o r d e n w äre, sich das H eld en sch w ert d er Ju dith anzueignen, w ä h ren d sie u m gek eh rt, u n d gerade in n erh alb der oberitalienischen K unst, verh ältn ism äßig zahlreiche Fälle fest­ stellen kann, in d en en sich (au f dem W eg e jen er „A n a lo g ie b ild u n g “ , die in der älteren K u n st eine w e it w esentlichere R o lle gespielt hat als die u n m ittelb a r aus d er T ex tq u elle sch öp fen d e N eu erfin d u n g) eine Ü b ertra g u n g d er „Johannesschüssel“ auf die D arstellun g d er Ju dith v o llz o g e n h at (Beispiele, die durch die A n w esen h eit einer M a gd als J u d ith b il­ d er gesichert sind, sind etw a die G em älde R o m a n in o s 6 u n d B ern a rd o Strozzis im B erliner K aiser-F riedrich-M useu m ). D ie T ypengesch ich te — u n d n u r sie - g ib t uns m ith in das R e ch t u n d die M ög lich k eit, auch das B ild des M affei als eine „J u d ith m it dem H a u p t des H o lo fe r n e s “ anzusprechen; u n d u n ter ih rem A sp ek t entdecken w ir dann nachträglich, daß auch das abgeschlagene H a u p t als solches, w enngleich auf einer „Johannesschüssel“ ru hen d, d och seinem ph ysiogn om isch en H a b itu s nach w eit w en iger dem tra d ition ellen T y p u s des „T ä u fe rs “ als dem nicht m in d er tra d ition ellen T y p u s des „G ew a lth errsch ers“ entspricht. - D e r an u n d fü r sich sehr einfach gelagerte Fall (d er die B edeu tu n g der te x t­ unabh än gigen „A n a lo g ie b ild u n g “ m it sch ön er K larh eit h e rv o rtre te n läßt) zeigt zu m einen, daß selbst bei der D eu tu n g solcher Szenen, deren historische Q u ellen nicht zu den „e rst w ied er fre izu leg en d en “ geh ören son d ern im Z eitb ew u ß tsein n och leben dig sind, o h n e Beachtung d er Typengeschichte erhebliche Fehler begegn en k ö n n e n ; zu m anderen aber, w ie w esentlich das „Ik on og ra p h isch e“ d och auch fü r das V erständnis rein ästhe­ tischer W erte ist. D e n n w er das B ild des M affei als die D arstellun g eines w ollü stigen M ädchens m it dem H a u p t eines H eiligen a u ffaßt, w ird es auch rein ästhetisch sehr anders

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Zum Problem der Beschreibung und Inhaltsdeutung von Werken der bildenden Kunst beu rteilen müssen, als w e r darin eine g ottb egn a d ete H e ld in m it dem H a u p t eines F rev ­ lers erblickt. In diesem Falle erlaubt uns die Typengeschichte, u n ter zw ei „n a h eliegen d en “ u n d in gleicher W eise zu der B ilddarstellu n g „passen den “ T e x te n d en jen igen herauszufinden, der w irk lich den B edeutungssinn des Bildes trifft. In anderen Fällen k an n sie uns au f eine relativ abseitige u n d an u n d fü r sich kaum auf das B ild b ezieh bare T ex tq u elle allererst h in leiten , so w ie es dem V erfasser dieses bei seiner A r b e it an dem sogen ann ten „T ra u m des D o k t o r s “ v o n D ü re r (K u pferstich B. 76) ergangen ist, d er sich zunächst aus rein typengeschichtlichen G rü n d en in die R eih e d er im späteren M ittela lter u n gem ein v e r­ breiteten „T rä gh eitsd a rstellu n gen “ ein ord n ete, u n d sich sodan n, als die h ierdu rch ins B lick feld des B eobachters gerückte G ru p p e m oralistischer T ra k ta te b z w . D ich tu n gen d u rch forsch t w u rd e, m it dem entsprechenden K apitel des „N a rren sch iffs“ v o n Sebastian B rant in eine äußerst enge V e rb in d u n g brin gen ließ 7. U n d endlich g ib t es Fälle, in den en uns die T ypengesch ich te das Suchen nach einer lite­ rarischen Q u e lle v o n v orn h e re in zu ersparen o d e r uns, w en n w ir uns eine Z eitla n g v e r­ geblich b e m ü h t haben, das Fehlen einer solchen b egreiflich zu m achen verm ag. V o r R enoirs „Pfirsichen“ , die zum „ T y p u s “ des bedeutungsfreien Stillebens gehören, w er­ den w ir zu m Beispiel nicht erst nach einem T ex te fa h n d en , der uns eine allegorische B edeu tu n g der F rüchte en th üllen k ö n n te (w en n uns dagegen eine w eibliche F igu r v o m „ T y p u s “ der T ugendpersonifikationen ostentativ einen Pfirsich entgegenhält, so w erden w ir allerdings nach einem solchen T e x te U m schau halten, u n d in d er T at finden , daß der Pfirsich aus hier nicht zu erörternden G ründen ein A ttribu t der

„V erita s“

sein

k a n n )8. O d e r w ir finden in ein er jen er H a n d sch riften , in denen sich das M ittela lter die V o rste llu n g d er antiken G ö t te r leb en d ig zu m achen suchte, eine D arstellu n g des „M e r ­ k u r “ , die sich u. a. dadurch auszeichnet, daß dem G o t t ein A d le r zw ischen den Beinen h in d u rch fliegt; u n d w ir suchen o h n e E rfo lg nach einem m yth ogra p h isch en T ex t, in dem uns diese Seltsam keit bezeu gt u n d erklärt w äre, - bis uns ein Blick auf den antiken T y p u s des M e rk u r darü ber b eleh rt, daß w ir eines solchen Textes gar nicht b e d ü rfe n : das was uns befrem dete, erklärt sich oh n e w eiteres als ein M ißverständn is des Zeichners, d er die F ußflügel des G ö tte r b o te n zu einem k o m p le tte n V o g e l ergänzen zu müssen glau bte9. W as n un das G rü n ew a ld b ild b etrifft, so stellt es - das w o lle n w ir als A llg em ein g u t u n ­ serer B ild u n g als bekan n t vorau ssetzen - eine Szene dar, in deren M itte lp u n k t die P er­ son C h risti steht, u n d die sich nach seinem K reu zestod abspielt. W ir w erd en daher, u m eine literarische Q u elle zu en tdecken, die ch ron olog isch entsprechenden Stelle der E va n ­ gelien aufschlagen - u m nichts zu finden , was dem dargestellten V o rg a n g w irk lich gem äß w äre. D e n n in den E van gelien w ird n u r erzäh lt, w ie die dem E rlöser nahestehenden Frauen (d eren A n za h l bald auf eine, ba ld auf zw ei, bald au f drei, bald ü b erh a u p t nicht angegeben ist) das G rab g eöffn et u n d leer finden , u n d w ie sie v o n einem (o d e r zw ei) E ngeln d arü ber b eleh rt w erd en , daß der H e r r auferstanden sei; u n d w irk lich finden w ir den V o rg a n g des dem G rab-E n tsteigen s selbst erst seit dem 12. Jah rhu n dert d ar­ gestellt. Erst eine einläßliche U n tersu ch u ng, die w eitere T ex te h eranzieht, u n d außer­ dem (u n d dies v o r allem ) w ied eru m die T ypengesch ich te b efra gt, beleh rt uns darü ber,

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Zum Problem der Beschreibung und Inhaltsdeutung von Werken der bildenden Kunst daß das, was w ir „d ie A u fersteh u n g C h risti v o n G rü n ew a ld “ nenn en , in W a h rh eit eine h o ch k o m p liz ie rte V erb in d u n g v o n eigentlichem A u s-d em -G ra b e-S teig en , H im m e lfa h rt u n d sogen ann ter T ran sfigu ration bedeu tet. IV . In H eideggers K an tbu ch finden sich einige bem erken sw erte Sätze ü b er das W esen der In terp reta tion , - Sätze, die sich zunächst n u r auf die A u slegu n g p h ilosop h isch er Schrif­ ten bezieh en , die aber im G ru n d e das P ro b le m jeglicher In terp reta tion bezeich n en : „ G ib t nun eine In terp reta tion lediglich das w ieder, was K a n t ausdrücklich gesagt hat, dann ist sie v o n v o rn h e re in kein e A u slegu n g, sofern einer solchen die A u fg a b e gestellt b leib t, dasjenige eigens sichtbar zu m achen, was K an t ü b er die ausdrückliche F orm u lie­ ru n g hinaus in seiner G ru n d leg u n g ans L ich t gebracht h a t; dieses aber verm och te K an t nicht m eh r zu sagen, w ie d en n ü b erh a u p t in jed er p h ilosop h isch en E rken n tn is nicht das en tscheidend w e rd en m u ß , was sie in den ausgesprochenen Sätzen sagt, son d ern was sie als n och U ngesagtes du rch das G esagte v o r A u g e n legt . . . U m freilich dem , was die W o r te sagen, dasjenige a bzu rin gen, was sie sagen w olle n , m u ß jed e In terp reta tion n o t ­ w en d ig G ew a lt b ra u ch en “ 10. W ir w erd en einsehen müssen, daß auch unsere bescheidenen B ildbesch reibu n gen u n d In h altsdeu tu n gen, in sofe rn sie eben nicht einfache K on sta tie­ ru ngen , son d ern auch schon In terp reta tion en sind, durch diese Sätze g etroffen w erd en . A u ch sie, sogar das scheinbar u n p rob lem a tisch e A u fze ig e n eine b lo ß e n Phänom ensinns, legen im G ru n d e „U ngesagtes v o r A u g e n “ , auch sie brauchen daher, m it H eid egg er zu reden, „G e w a lt“ . U n d dam it erh eb t sich die schicksalsschwere F rage: w e r o d e r was setzt dieser G ew a lt eine G ren ze? Zunächst g ib t es natürlich eine äußere G ren ze, näm lich den rein em pirischen Sachverhalt: eine B ildbesch reibu n g o d e r In h altsdeu tu n g ist in dem A u g e n b lick e „fa lsch “ , in dem sie etw a einen Schlagschatten fü r eine F rucht, o d e r einen Elch fü r einen H irsch en ansieht (zw ei Fälle, die tatsächlich v o r g e k o m m e n sin d )11, genau w ie die In te rp re ta tion einer Platostelle feh lg reifen m u ß , w en n sie d a v o n ausgeht, daß das griechische W o r t άνήρ nicht m it der „ M a n n “ , son d ern m it d er „M en sch “ ü bersetzt w e rd e n dü rfe. A b e r ü b er diese äußere G ren ze hinaus m u ß es auch Schranken geben, die d er in terp reta tiven T ä tig k eit v o n in n en h er gesetzt sind, u n d H eid egg er selbst sagt etwas später: „S olch e G ew a lt aber k an n n ich t sch w eifen de W illk ü r sein, die K ra ft einer vorau sleu ch ten den Idee m u ß die A u slegu n g treib en u n d leiten .“ A lle in auch diese Idee k ann, ja sie m u ß in v ielen Fällen, in die Irre fü h ren , da sie derselben S u b jek tivitä t en t­ sprin gt, die die G ew a lta n w en d u n g als solche h e rv o rtre ib t. Ich w age es nicht, zu dem P ro b le m d er ph ilosop h isch en In terp reta tion Stellung zu n eh ­ m en . F ür unser G eb iet aber gilt das F olg en d e: D ie Q u elle d er In terp reta tion (zu der, u m es n och einm al zu sagen, auch die b lo ß e B eschreibung g eh ört) ist allem al das E r­ k e n n tn isv e rm ö g e n u n d der E rken n tn isbesitz des in terp retieren d en Subjekts, näm lich unsere vitale D aseinserfahrung, w en n n u r d er P h ä n om en sin n au fgedeckt w erd en soll, u n d unser literarisches W issen, w en n es sich u m den B edeutungssinn h andelt. U n d n u n m ö ch te ich glauben, daß das, was diesen su b jek tiv en E rken n tn isqu ellen als ob jek tiv es K o r r e k tiv g egen ü b ertritt, - u n d eben dadurch ih r E rgebnis „sich ert“ - nichts anderes ist als etwas, was w ir „U b erlieferu n gsgesch ich te“ nenn en k ö n n en , u n d was uns im Fall

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Zum Problem der Beschreibung und Inhaltsdeutung von Werken der bildenden Kunst des P hänom ensinns als „G estaltungsgeschichte“ , im Fall des Bedeutungssinns als „ T y ­ pengeschichte“ begegn et ist. D iese Ü berlieferungsgeschichte zeigt uns in d er T a t die G ren ze, bis zu der unsere G ew a lta n w en d u n g gehen d a rf; d en n w en n w ir berech tigt, ja geradezu g e n ö tig t sind, v o n uns aus das ans L icht zu zieh en , was in den D in g en selbst tatsächlich nicht gesagt w o r d e n ist, so zeigt uns die U berlieferungsgeschichte, was auch n ich t h ätte gesagt w erd en k ö n n en , w eil es im H in b lick auf Z e it u n d O r t en tw ed er nicht darstellungsm öglich o d e r nicht vorstellu n gsm öglich gew esen w äre. D ieser Sachverhalt (gegen den m an u. E. nicht ein w en d en d arf, daß die E rken n tn is des Stils u n d die K enntnis der B ild ty p en ja ihrerseits n u r aus der U n tersu ch u ng der E in zel­ w e rk e g e w o n n e n w erd en k ö n n e ; d en n in jed er W issenschaft verh ält es sich so, daß E rk e n n tn is-W e rk zeu g u n d E rken n tn is-G egen stan d ein an der wechselseitig b ed in gen u n d recht eigentlich „b e w a h rh e ite n “ , u n d selbst die In stru m en te des Physikers sind den N a tu rgesetzen u n te rw o rfe n , die sie erm itteln m öch ten , ja sie enthalten geradezu die T h e o rie , die m it ih rer H ilfe bestätigt o d e r w id erleg t w erd en s o ll)12: dieser Sachverhalt tritt n u n da am allerklarsten h e rv o r, w o sich die In terp reta tion , n och ü b er die Schicht des B edeutungssinnes heraus, in jene letzte u n d h öchste R e g io n erhebt, die w ir m it einem A u sd ru ck K arl M an nh eim s als die R e g io n des „D o k u m e n ts in n s “ 13 o d e r auch als die R e g io n des „W esen ssinn s“ bezeich n en k ön n en . W en n uns ein M ensch auf der Straße grü ß t, so ist d er B edeutungssinn dieser H a n d lu n g (d eren Sachsinn sich als ein A b n e h m e n des H u tes verb u n d en m it lächelnder K o p fn e ig u n g beschreiben läßt, u nd deren A u s ­ druckssinn zw ischen F reun dlich keit, D e v o t io n , G leich gü ltigkeit u n d Iron ie in m a n n ig ­ facher W eise variieren kan n) ganz oh n e Z w e ife l eine H öflich k eitsb ezeu gu n g. A b e r d arü ber hinaus w erd en w ir aus ih r den E indruck einer ganz bestim m ten W esensart er­ h alten k ö n n e n , die als ein ούτω ς ov n och h in ter allen diesen P hän om en en steht, - den E in druck einer inneren S tru ktu r, an deren A u fb a u G eist, C harakter, H e rk u n ft, U m g e ­ b u n g u n d Lebensschicksal in g le ich e rw e is e m itgea rb eitet haben, u n d die sich in der G r u ß ­ h a n d lu n g eben so klar u n d eben so unabh än gig v o m W illen u n d W issen des G rü ß en d en „d o k u m e n tie r t“ , w ie sie sich in jed er anderen Lebensäußerung des b etreffen den M enschen d o k u m e n tie re n w ü rde. So nun, n u r in viel tieferer u n d allgem einerer B edeutung, scheint uns auch den H e rv o rb rin g u n g e n der K unst ü b er ihren P hänom ensinn und ü b er ihren B edeutungssinn hinaus ein letzter w esensm äßiger G eh alt zu gru n d e zu liegen: die u nge­ w o llte u n d u n gew u ßte S elbstoffen baru ng eines grundsätzlichen Verhaltens zu r W elt, das fü r den in d ivid u ellen S ch öpfer, die in d ivid u elle E poch e, das in dividuelle V o lk , die in d ivid u elle K u ltu rgem ein sch aft in gleichem M aße bezeichnend ist; und w ie die G r ö ß e einer künstlerischen L eistung letzten Endes d a v on abhängig ist, welches Q u a n tu m v o n „W eltan schau u n gs-E n ergie“ in die gestaltete M aterie h in ein geleitet w o rd e n ist u n d aus ih r auf den B etrachter h in ü b erstra h lt (in diesem Sinne ist ein Stilleben v o n C ezan n e tatsächlich nicht n ur ebenso „ g u t “ , son dern auch ebenso „g e h a ltv o ll“ w ie eine M a d on n a v o n R a ffael), - so ist es auch die höchste A u fg a b e der In terpretation , in jene letzte Schicht des „W esenssinnes“ ein zu drin gen . Sie hat erst dann ih r eigentliches Z iel erreicht, w en n sie die G esam theit der W irk u n g sm om en te (also nicht n u r das G egenständliche u n d Ik on ogra p h isch e, son d ern auch die rein „ fo r m a le n “ F ak toren der L icht- u n d Schat­ ten verteilu n g, d er F lächengliederung, ja selbst der Pinsel-, M eiß el- od er Stichelführung)

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Zum Problem der Beschreibung und Inhaltsdeutung von Werken der bildenden Kunst als „D o k u m e n t e “ eines einheitlichen W eltanschauungssinns erfa ß t u n d aufgew iesen hat. Bei einem solchen U n terfa n g en aber - m it dem sich die A u slegu n g eines K unstw erks n u n w irk lich auf dieselbe E bene erh eb t w ie die A uslegun g eines p h ilosop h isch en Systems o d e r einer R eligionsanschauung - läßt uns auch das W issen u m literarische Q u ellen im Stich, - in so fe rn w enigstens, als es sich dabei u m Q u ellen h andelt, die u n m ittelb a r auf das gegebene K u n stw erk b ezog en w erd en k ö n n ten . W ir k ö n n e n w o h l T ex te finden , die uns u n m ittelb a r darü ber belehren, was D ü rers „M e la n ch o lie “ sub specie des B e­ deutungssinns vorstellt, nicht aber T ex te, die uns u n m ittelb a r darü ber belehren, was sie sub specie des D ok u m en tsin n s b ek u n d et. Ja, h ätte D ü re r selbst sich ü ber die letzte A b sich t seines W erkes expressis verbis geäußert (spätere K ü n stler h aben dergleichen ja öfters versucht), so w ü rd e sich alsbald herausstellen, daß diese Ä u ß e ru n g am w ahren W esenssinn des Blattes w eit v orü b erg in g e u n d , anstatt uns die In terp reta tion desselben o h n e w eiteres an die H a n d zu geben, ihrerseits d er In terp reta tion in h öchstem M aße b e d ü rftig w ä re14. D e n n w ie es zw a r im W illen u n d im B ew u ßtsein des G rü ß en d en steht, o b u n d m it w elchem G ra d v o n H ö flich k e it er seinen H u t zieh en w ill, n ich t aber, w elche Aufschlüsse er d a m it ü b er sein innerstes W esen gibt, so w eiß auch d er K ünstler (u m einen geistvollen A m erik a n er zu zitieren ) n u r „w h a t he parades“ , nicht aber „w h a t he b etra ys“ . D ie Q u elle derjen igen A uslegun g, die auf eine E rschließung des W esenssinns abzielt, ist vielm eh r das eigene w eltanschauliche U rv erh a lten des In terp reten , w ie es in der H e ideggerschen K a n t-In terp reta tion n ich t m in d er deutlich h e rv o rtritt, als etw a in den R e m b ra n d t-In te rp re ta tio n e n einerseits C a rl N eu m an n s, andererseits J a cob Burckhardts. U n d gerade aus dieser Tatsache erhellt, daß eine in so em in en tem M aße su bjektive, m an m ö ch te sagen: a bsolu t p ersön lich e E rken n tn isqu elle in w o m ö g lich n och h öh erem G rade eines o b je k tiv e n K o rre k tiv s bed a rf, als die vitale D aseinserfahrung, m it deren H ilfe w ir den P h än om en sin n erfassen, u n d das literarische W issen, das uns zu r A u fd eck u n g des B edeutungssinnes v erh ilft. U n d in der T a t: ein solches K o r r e k tiv ist v orh a n d en , u n d es liegt ebenfalls in einer Sphäre h istorisch er F aktizität, die uns auch h ier die G ren ze bezeichnet, die v o n der auslegenden „G e w a lt“ nicht ü bersch ritten w erd en darf, w en n diese nicht eben d och z u r „sch w eifen d en W illk ü r “ w erd en soll: es ist die allgem eine Geistesgeschichte, d ie uns darü ber au fklärt, was einer bestim m ten E poch e u n d einem bestim m ten K u ltu rkreis w eltanschauungsm äßig m öglich w a r - nicht anders, als uns die G estaltungsgeschichte den U m k reis des D a rstellun gsm öglich en u n d die Typengeschichte den U m k reis des V orstellu n gsm öglich en abzustecken schien. D ie G estaltungsgeschichte - so k ö n n e n w ir sagen - b eleh rt uns ü b er die M od a litä ten , u n ter denen sich im W a n d el der h istorischen E n tw ick lu n g die reine F o rm m it b estim m ten Sach- u n d A usdru cks­ sinnen v e rb in d e t; die T ypengeschichte b eleh rt uns ü b er die M od a litä ten , u nter denen sich im W a n d el d er historischen E n tw ick lu n g die Sach- u n d A usdruckssinne m it b e­ stim m ten B edeutungssinnen v e rk n ü p fe n ; die allgem eine Geistesgeschichte endlich b e­ le h rt uns ü b e r die M od a litä ten , u n ter den en sich im W a n d el der h istorischen E n tw ick ­ lu n g die B edeutungssinne (also z. B. auch die B egriffe der Sprache und die M elism en der M u sik ) m it bestim m ten w eltanschaulichen G eh alten erfüllen. So zeigen z. B. uns K u n sth istorik ern die geistesgeschichtlichen Zeugnisse der R enaissance

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Zum Problem der Beschreibung und Inhaltsdeutung von Werken der bildenden Kunst (d aru n ter selbstverständlich auch die Schriften D ü rers selbst), auf G ru n d w elch er w e lt­ anschaulicher V oraussetzun gen es ih m m öglich w ar, in seiner „M e la n ch o lie “ einen „ T y ­ pus A ce d ia e “ m it einem „T y p u s G e om etria e“ zu r E in heit zu brin gen u n d d am it ein kreatürliches L eiden zu m ersten M ale zu vergeistigen u n d u m gek eh rt ein schicksalloses geistiges W irk e n zu m ersten M ale zu pathetisieren15. A lle in sie zieh en eben dadurch eine G ren ze gegen über dem , was w ir vielleicht als einen m od ern en „W e ltsch m e rz “ zu in terp retieren geneigt w ären , - genau w ie der H is to rik e r der P h ilosop h ie sich durch die Geistesgeschichte des 18. Jahrhunderts ü ber die G ren zen beleh ren k ö n n te, die einer o n ­ tologisch en K a n t-A u slegu n g gesetzt sind, w o fe r n sie n ich t dem A n sp ru ch - u n d den Pflichten - einer „In te rp re ta tio n “ entsagen w ill16. Es sei erlaubt, die h ier beschriebene P rob lem a tik der kunsthistorischen D eu tu n gsarbeit in einer T abelle anschaulich zusam m enzufassen:

G egen stan d der

S u bjek tive Q u elle

O b jek tiv es K o r r e k tiv

In te rp re ta tion

der In terp reta tion

der In terp reta tion

G estaltungsgeschichte

1. P hän om en sinn (zu teilen in Sach- u n d

V itale D aseinserfahrung

(In b egriff des D arstellun gsm öglich en )

A usdruckssinn)

T ypengeschichte 2. Bedeutungssinn

Literarisches W issen

(In b eg riff des V orstellu n gsm öglich en ) A llgem ein e Geistes­

3. D o k u m e n tsin n

W eltanschauliches

geschichte (In b eg riff des

(W esenssinn)

U rverh a lten

weltanschaulich M öglich en )

Freilich, ein solches Schema - das sich zu m w irk lich en V o llz u g eines geistigen Prozesses n ich t viel anders verh ält als ein geographisches G ra d n etz zu r R ealität der italienischen Landschaft - ist im m er in G efa h r, im Sinne eines „leb en sfrem d en R a tion a lism u s“ m iß ­ d eu tet zu w erd en . U n d daru m sei zu m Schluß die Selbstverständlichkeit b e to n t, daß sich diejenigen V org ä n g e, die unsere A nalyse als scheinbar getrennte B ew egu ngen in drei getren n ten Sinnschichten u n d gleichsam als G ren zk ä m p fe zw ischen su b jek tiver G e ­ w a lta n w en d u n g u n d o b je k tiv e r G eschichtlichkeit darstellen m u ß te, in p ra xi zu einem v ö llig einheitlichen u n d in S pannung u n d L ösu n g organisch sich en tfalten den G esam t­ geschehnis verw eb en , das eben n u r ex p ost u n d th eoretisch in E inzelelem ente u n d S on ­ d era k tion en au flösbar ist.

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Zum Problem der Beschreibung und Inhaltsdeutung von Werken der bildenden Kunst 1 Vgl. Panofsky, Hercules am Scheidewege. (Studien der Bibi. Warburg 18), 1930, Einleitung (aus welcher einige Sätze ziemlich genau übernommen sind). 2 G. Leidinger, Miniaturen aus Handschriften d. Kgl. Hof- und Staatsbibi, in München, I, Tafel 17. 3 Vgl. Panofsky, Zeitschrift f. Ästh. und Allg. Kunstwiss. XVIII, 1925, [s. o. S. 49 ff.] und E. Wind, ebendort S. 438 ff. Im übrigen sei die Bemerkung gestattet, daß das, was von der Identifizierung des dargestellten Gegenstandes gilt, sogar auch für die Bestimmung der „Kunstgattung" zutrifft, der ein bestimmtes Kunstwerk angehört. Es wäre ein Irrtum zu glauben, daß sich die gattungs­ mäßige Zugehörigkeit eines Kunstwerks zur „Baukunst“, „Plastik“, „Handzeichnung“ oder „Malerei“ rein anschaulich oder gar rein vom Technischen aus in zureichender Weise bestimmen ließe: auch das System der Kunstgattungsbegriffe ist (wie sich gerade an den „Grenzfällen“ des „Denkmals“, des „Möbels“, der „Maschine“ usw. besonders einleuchtend dartun ließe) im Grunde ein System von „Stil-Begriffen“. 4 Vgl. Festschrift für Μ . I. Friedländer, 1927, S. 294 ff. 5 G. Fiocco, Die Venezian. Malerei d. 17. und 18. Jahrhunderts, 1929, Tafel 29. 6 In den Katalogen des K.-F.-M. bezeichnenderweise zuerst als „Salome“, später als „Salome oder Judith“ aufgeführt. - Die anscheinend um die Mitte des 16. Jahrhunderts erfolgte Motivübertra­ gung ist insofern leicht zu begreifen, als damals der Typus der „Johannesschüssel“ (sogar als selb­ ständiges „Andachtsbild“) durch eine so lange Überlieferung fixiert und in so vielen Beispielen verbreitet war, daß das bildnerische Bewußtsein die Vorstellungen „abgeschlagener Kopf“ und „Schüssel“ gewissermaßen automatisch verband: ein abgeschlagener Kopf „gehörte“ sozusagen auf eine Schüssel, mochte es nun der Kopf des Johannes oder der Kopf eines anderen sein. 7 Münchener Jahrb. d. bild. Kunst, N. F. VIII, 1931, Heft 1. 8 Hercules am Scheidewege a. a. O. Die Deutung des Pfirsichs als eines Wahrheits-Attributs u. a. bei Cesare Ripa, Iconologia (Rom 1593 u. ö.), s. v. „Veritä“. 9 So schon A. Goldschmidt, Vorträge d. Bibi. Warburg, 1923/24, S. 217 mit Abb. 10 M. Heidegger, Kant und das Problem der Metaphysik, 1929, S. 192 ff. 11 R. Wustmann, Grenzboten LXIII (1904), Bd. 2, S. 151 ff. und Zeitschr. f. bild. Kunst, N. F. XXII, 1910/11, S. 110 ff. 12 Vgl. E. Wind, Proceedings of the Sixth International Congress of Philosophy, 1926, S. 609 ff. und Experiment und Metaphysik (Hamburger Habilitationsschrift 1930). Wind führt den Nach­ weis, daß das, was auf den ersten Blick wie ein „circulus vitiosus“ aussieht, in Wahrheit ein „circulus methodicus“ ist, in dessen Verlauf sich „Werkzeug“ und „Objekt“ an- und durchein­ ander bewähren, - wie denn die schöne alte Geschichte von der Balancierstange („Vater, wieso fällt denn der Seiltänzer nicht runter? - Er hält sich doch an seiner Balancierstange! - Ja wieso fällt denn die Balancierstange nicht runter? - Dummer Junge, er hält sie doch feste!“) ihre eigentliche Pointe darin hat, daß der vermeintliche circulus vitiosus die praktische Möglichkeit des Seiltanzes tatsächlich nicht ausschließt, sondern begründet. Das gleiche, was von der Beziehung zwischen „Einzelwerk“ und „Typus“ gilt, gilt übrigens auch von der Beziehung zwischen Einzelwerk und „Entwicklungsreihe“, „Nationalstil“ usw. Das heißt: auch in diesen Fällen ergibt sich die eigentümliche Tatsache, daß die Einordnung des „Einzelwerks“ in den „Zusammenhang“ auf einem „zirkelhaften“ Wechselverhältnis zwischen der Untersuchung des Individualfalls und der Kenntnis der allgemeinen Entwicklung beruht. Angenommen, ein Kunsthistoriker finde im Archiv der Stadt N. einen Vertrag, laut dessen der ortsansässige Ma­ ler X. im Jahre 1471 mit der Anfertigung eines Altarbildes für die Jacobikirche, darstellend eine Kreuzabnahme und die Heiligen Philippus und Jacobus, beauftragt wird, [und] er stelle dortselbst einen mit diesen Angaben genau übereinstimmenden Altar fest. Dann wird er sehr geneigt sein, diesen Altar mit dem „urkundlich beglaubigten“ Werk zu identifizieren und sich eines „fest datierten und lokalisierten“ Einzelstückes zu freuen - aber es besteht durchaus die Möglichkeit, daß der ursprüngliche Altar im Bildersturm untergegangen und um 1540 durch einen aus weiter Ferne zugewanderten Maler ersetzt worden ist. Um seiner Identifizierung sicher zu sein, muß also der Kunsthistoriker beurteilen können, ob das erhaltene Werk um 1471 in der Gegend

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Zum Problem der Beschreibung und Inhaltsdeutung von Werken der bildenden Kunst von N. „überhaupt möglich“ ist, d. h. er muß über eine Vorstellung der entwicklungsgeschicht­ lichen und schulmäßigen „Zusammenhänge“ verfügen, die andererseits nur auf Grund „datier­ ter“ und „lokalisierter“ Denkmäler erkannt werden können! 13 Jahrbuch f. Kunstgeschichte I, 1922/23, S. 236 ff. 14 Vgl. Jahrb. d. Preuß. Kunstslgn. XL, 1919, S. 277 f. 15 Vgl. die in Vorbereitung befindliche zweite Aufl. der in Gemeinschaft mit F. Saxl verfaßten Studie „Melencolia I“ (Studien d. Bibi. Warburg 2, 1923). 16 Es läßt sich ja eine Betrachtungsweise denken, die sich von den historischen Korrektiven grundsätzlich unabhängig erklärt und nur die einzige Forderung anerkennt, daß das von ihr entworfene Bild der jeweils betrachteten Einzelerscheinung ein in sich einheitliches und sinn­ volles sei, gleichviel ob es in irgendwelche geschichtlichen Zusammenhänge hineinpaßt oder nicht. Eine solche Betrachtungsweise (die aus den Texten weder das herausholt, was sie „sagen“, noch was sie „sagen wollen“, sondern das, was sie im Hinblick auf jenes Einheitsprinzip „hätten sagen müssen“) ist aber nicht mehr „Interpretation“, sondern freischöpferische „Rekonstruk­ tion“, d. h. ihr Wert oder Unwert bestimmt sich nicht mehr nach dem Maßstab geschichtlicher Wahrheit, sondern nach dem Maßstab systematischer Originalität und Folgerichtigkeit. Sie ist solange unangreifbar, als sie sich ihrer überhistorischen oder besser außerhistorischen Zielsetzung bewußt bleibt, wird aber in dem Augenblick bekämpft werden müssen, in dem sie die Historie durch einen anders gearteten Anspruch in Notwehr versetzt.

Die Perspektive als „symbolische Form“ i. „Ite m P erspectiva ist ein lateinisch W o r t, b ed eu tt ein D u rch seh u n g.“ So hat D ü re r den B egriff der P erspektive zu um schreiben gesucht1. U n d obgleich dies „lateinisch W o r t “ , das schon bei B oethius v o r k o m m t 2, ursprünglich einen so prägnanten Sinn gar nicht b e ­ sessen zu haben scheint3, w o lle n w ir uns doch die D ü rerisd ie D e fin itio n im w esentlichen zu eigen m achen; w ir w o lle n da, u n d n u r da, v o n einer in v o lle m Sinne „p e rs p e k tiv i­ schen“ R aum anschauung reden, w o nicht nur einzelne O b je k te , w ie H äuser o d e r M ö b e l­ stücke, in einer „V e r k ü r z u n g “ dargestellt sind, son d ern w o sich das ganze B ild - u m den A u sd ru ck eines andern R enaissan ceth eoretikers zu zitieren 4 - gleichsam in ein „F en ster“ v erw a n d elt hat, durch das w ir in den R a u m h in d u rch zu b lick en glauben sollen - w o also die m aterielle M a l- o d e r R elieffläche, auf die die F orm en einzelner Figuren o d e r D in g e zeichnerisch aufgetragen o d e r plastisch a u fgeh eftet erscheinen, als solche n egiert ist u n d zu einer b lo ß e n „B ild eb en e“ u m ged eu tet w ird , auf die sich ein durch sie h in durch er­ b lick ter u n d alle E in zeldin ge in sich befassender G esam traum p ro jiz ie rt - w o b e i es nichts verschlägt, o b diese P r o je k tio n durch den u nm ittelb a ren sinnlichen E in druck o d e r durch eine m eh r o d e r m in d er „k o r r e k t e “ geom etrische K o n s tru k tio n bestim m t w ir d 5. D iese „k o r r e k t e “ geom etrische K o n s tru k tio n , die in der Renaissance gefu n d en w u rd e u n d später w o h l technische V e rv o llk o m m n u n g e n u n d E rleichterungen erfu h r, in ihren V o r ­ aussetzungen u n d Z ielen aber bis zu den T agen Desargues* u n verä n d ert blieb, läßt sich am einfachsten fo lg en d erm a ß en begreiflich m achen: ich stelle m ir - im E inklang m it jen er F ensterdefin ition - das B ild als einen planen D u rch sch n itt durch die sogen ann te „S eh ­ p y ra m id e “ v o r , die dadurch entsteht, daß ich das Seh zen tru m als einen P u n k t beh andle u n d diesen m it den einzelnen charakteristischen P un kten des darzustellenden R a u m ­ gebildes verb in d e. D a näm lich die relative Lage dieser „S eh strah len “ fü r die scheinbare Lage der b etreffen den P u n k te im Sehbilde m a ßgeben d ist, so brauche ich m ir das ganze System n u r im G ru n d riß u n d im A u fr iß aufzuzeichnen, u m die auf der Schnittfläche er­ scheinende F igu r zu bestim m en : d er G ru n d riß ergib t m ir die B reiten w erte, der A u fr iß die H ö h e n w e rte , u n d ich habe diese W erte n u r au f einer d ritten Z eich n u n g zu sam m en ­ zu zieh en , u m die gesuchte perspektivische P r o je k tio n zu erhalten (T extfig. 1). D a n n gel­ ten in dem so erzeugten B ilde -

d er „eb n en durchsichtigen A b sch n eyd u n g aller der

S treym lin ien , die auß d e m A u g fallen auf die D in g , die es sicht“ 6- e t w a folg en d e G esetze: alle O rth o g o n a le n o d e r T iefen lin ien treffen sich in dem sogenannten „A u g e n p u n k t“ , der durch das v o m A u g e auf die P rojek tion seb en e gefällte L o t b estim m t w ird . Parallelen, w ie sie auch im m er gerichtet sein m ög en , haben einen gem einsam en F lu ch tpun kt. L iegen sie in einer H o rizo n ta leb en e, so liegt dieser F lu ch tpun kt stets auf dem sogen ann ten „ H o r i­ z o n t “ , d. h. auf der durch den A u g e n p u n k t gelegten W aagerechten; u n d b ild en sie außer­ dem m it der B ildebene einen W in k el v o n 4 5 ° , so ist die E n tfern u n g zw ischen ih rem F lu ch tp u n k t u n d dem „A u g e n p u n k t“ gleich der „D is ta n z “ , d. h. gleich dem A b sta n d des A uges v o n der B ildeben e; endlich v erm in d ern sich gleiche G rö ß e n nach h in ten zu in einer P rogression , so daß - den O r t des A uges als b ek a n n t vorausgesetzt - jedes Stück aus dem vora n geh en d en o d e r n a ch folgen d en berechenbar ist (vgl. T extfig. 7).

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Textfig. 1. Moderne, „planper­ spektivische“ Konstruktion eines rechtwinkligen Innen­ raums („Raumkastens“). Oben: Grundriß. Mitte: Aufriß. Unten: perspektivisches Bild, gewonnen durch Kombination der auf der „Projektions­ geraden“ abgeschnittenen Strecken.

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Die Perspektive als „symbolische Form' D iese ganze „Z e n tra lp e rs p e k tiv e “ m acht, u m die G estaltu n g eines v ö llig rationalen , d. h. u nendlichen, stetigen u n d h o m o g e n e n R aum es gew ährleisten zu k ön n e n , stillschw eigend zw ei sehr w esentliche V ora u ssetzu n gen : zu m Einen, daß w ir m it einem ein zigen u n d u n ­ bew egten A u g e sehen w ü rd en , zu m A n d e rn , daß d er ebene D u rch sch n itt durch die Seh­ p y ra m id e als adäquate W ied erga b e unseres Sehbildes gelten d ü rfe. In W a h rh eit b edeu ten aber diese b eid en V oraussetzun gen eine überaus k ü h n e A b s tra k tio n v o n der W irk lich k eit (w en n w ir in diesem Falle als „W irk lich k e it“ den tatsächlichen, su b jek tiven Seheindruck bezeich n en d ü rfen ). D en n die S tru ktu r eines unendlichen, stetigen u n d h o m o g e n e n , k u rz rein m athem atischen R aum es ist derjen igen des psych op h ysiologisch en geradezu en t­ gegen gesetzt: „ D ie W a h rn eh m u n g k en n t den B egriff des U n en d lich en n ich t; sie ist v iel­ m eh r v o n v o rn h erein an bestim m te G ren zen der W a h rn eh m u n gsfä h igk eit u n d som it an ein b estim m t abgegrenztes G eb iet des R äu m lich en gebu nden . U n d so w en ig w ie v o n ein er U n en d lich k eit des W ah rnehm ungsraum es läßt sich v o n seiner H o m o g e n e itä t spre­ chen. D ie H o m o g e n e itä t des geom etrischen R aum es b eru h t letzten Endes darauf, daß alle seine E lem ente, daß die „P u n k te “ , die sich in ih m zusam m enschließen, nichts als ein ­ fache L agebestim m u ngen sind, die aber außerhalb dieser R ela tion , dieser „L a g e “ , in w elch er sie sich zu ein an der befinden , nicht n och einen eigenen selbständigen Inhalt b e ­ sitzen. Ih r Sein geht in ih rem w echselseitigen V erhältnis a u f: es ist ein rein fu n k tion a les, k ein substantielles Sein. W eil diese P u n k te im G ru n d e ü b erh a u p t v o n allem Inhalt leer, w eil sie zu b lo ß e n A usdrü cken ideeller B eziehungen g ew o rd e n sind, d aru m k o m m t fü r sie auch keinerlei V erschiedenheit des Inhalts in Frage. Ihre H o m o g e n e itä t besagt nichts anderes als jen e G leich artigkeit ih rer Stru ktu r, die in der G em ein sam keit ih rer logischen A u fg a b e , ih rer ideellen B estim m u ng u n d B edeutung gegrü n d et ist. D e r h o m o g e n e R a u m ist daher niem als der gegebene, son d ern der k o n stru k tiv -erzeu g te R a u m - w ie den n der geom etrisch e B egriff der H o m o g e n e itä t geradezu durch das P ostu lat ausgedrückt w erd en kan n, daß v o n jed em R a u m p u n k te aus nach allen O rte n u n d nach allen R ich tu n g en gleiche K o n stru k tion en v o llz o g e n w erd en k ön n en . Im R a u m der u n m ittelb a ren W a h r­ n eh m u n g ist dieses Postulat nirgends erfü llbar. H ie r g ib t es keine strenge G leich artigkeit der O r te u n d R ich tu n gen , son d ern jed er O r t h a t seine E igenart u n d seinen eigenen W ert. D e r Gesichtsraum w ie der Tastraum k o m m e n darin überein , daß sie im G egensatz zu m m etrischen R a u m der E uklidischen G eom etrie „a n is o t r o p “ u n d „ in h o m o g e n “ sin d: die H a u p trich tu n gen der O rg a n isa tion : v orn -h in te n , o b en -u n ten , rechts-links sind in beiden p h ysiologisch en R ä u m en ü b erein stim m en d u n gleich w ertig.“ 7 V o n dieser S tru k tu r des psych op h ysiologisch en R aum es abstrahiert die ex a k t-p ersp ek ti­ vische K o n s tru k tio n gru ndsätzlich : es ist nicht n u r ih r Ergebnis, son dern geradezu ihre B estim m u ng, jene H o m o g e n e itä t u n d U n en d lich k eit, v o n der das u n m ittelb a re Erlebnis des R aum es nichts w eiß, in d er D arstellun g desselben zu verw irk lich en - den p sy ch o­ p h ysiologisch en R a u m gleichsam in den m athem atischen u m zu w an d eln . Sie negiert also den U n tersch ied zwischen V o r n e u n d H in ten , R echts u n d Links, K ö rp e r u n d Z w isch en ­ m ed iu m („F re ira u m “ ), u m die G esam th eit der R a u m -T eile u n d R a u m -In h a lte in einem ein zigen „Q u a n tu m c o n tin u u m “ aufgehen zu lassen; sie sieht ab v o n der Tatsache, daß w ir nicht m it einem fixierten, son d ern m it zw ei beständig bew egten A u g en sehen, w o ­ durch das „G esich tsfeld “ eine sphäroi'de G estalt erh ält; sie berücksichtigt nicht den ge­

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Die Perspektive als „symbolische Form“ w altigen U nterschied zw ischen dem p sych ologisch bed in gten „S e h b ild “ , in dem die sicht­ bare W e lt uns zu m B ew ußtsein k o m m t, u n d dem mechanisch b ed in gten „N e tz h a u tb ild “ , das sich in unserem physischen A u g e m alt (den n eine eigentüm liche, durch die Z u sa m ­ m en arbeit des Gesichts m it dem G etast b e fö rd e rte „K o n s ta n zte n d e n z “ unseres B ew u ß t­ seins schreibt den gesehenen D in g en eine bestim m te, ihnen als solchen zu k o m m e n d e G r ö ß e u n d F o rm zu u n d ist daher geneigt, die scheinbaren V erä n d eru n gen , die diese D in g g rö ß e n u n d D in g fo r m e n im N e tzh a u tb ild erleiden, nicht, o d e r w enigstens nicht in v o lle m U m fa n g , zu r K enntnis zu n eh m en ); u n d sie geht endlich an dem sehr w ich tigen U m stan d v o rb e i, daß dieses N e tzh a u tb ild - ganz abgesehen v o n seiner psych ologisch en „A u s d e u tu n g “ , u n d abgesehen auch v o n d er Tatsache der B lickbew egun g, - schon seiner­ seits die F o rm e n nicht auf eine ebene, son d ern auf eine k o n k a v gek rü m m te Fläche p r o ­ jiziert zeigt, w o m it bereits in dieser untersten, n och vor-p sy ch olog isch en Tatsachenschicht eine grundsätzliche D isk rep a n z zw ischen der „W irk lich k e it“ u n d der K o n s tru k tio n (u n d selbstverständlich auch der dieser letzteren ganz analogen W irku n gsw eise des P h o to g ra ­ phieapparates) gegeben ist. W en n etw a, u m ein ganz einfaches B eispiel zu w ählen, eine Strecke durch zw ei P u n k te so geteilt ist, daß ihre drei Stücke a, b, c u n ter gleichem W in k el gesehen w erd en , so w e r­ den sich diese o b je k tiv ungleichen Stücke auf einer k o n k a v g ek rü m m ten Fläche, also auch auf der N e tzh a u t, in annähernd gleicher L änge - auf einer E bene dagegen in ih rer u r­ sprünglichen U n gleich h eit darstellen (T extfig. 2). D adu rch entstehen die sogen ann ten

Textfig. 2. Erklärung der „Randverzerrungen". „R a n d v e rz e rru n g e n “ , die jedem v o n uns aus p h otogra p h isch en A u fn a h m en bestens b e ­ k an n t sind, u n d die eben auch das plan perspektivisch kon stru ierte B ild v o m N e tz h a u t­ b ild unterscheiden. Sie lassen sich m athem atisch ausdrücken als der U nterschied zw ischen dem V erhältnis der Sehw inkel u nd dem V erhältnis der durch die P r o je k tio n auf eine

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Die Perspektive als „symbolische Form* E bene sich ergeben den Stücke, u n d sie treten daher u m so m erklich er h e rv o r, je w eiter der G esam tsehw inkel, o d er, was dasselbe besagt, je k lein er die „D is ta n z “ im V erhältn is zu r „B ild g r ö ß e “ ist8. N e b e n dieser rein qu an titativen D isk rep a n z zw ischen N e tzh a u tb ild u n d plan perspektivischer D arstellun g (einer D iskrepanz, die schon der Renaissance selber frü h ze itig auffiel) besteht dann n och eine form a le, die sich zu m einen aus der Tatsache d er B lick bew egun g, zu m andern aber ebenfalls aus der gek rü m m ten G estalt der N e t z ­ haut e rg ib t: w ä h ren d die P lan perspektive die G eraden als G erade p ro jiz ie rt, n im m t unser Sehorgan dieselben als (v o m B ild zen tru m aus b etrach tet k o n v e x g ek rü m m te) K u r­ ven w a h r: ein o b je k tiv geradliniges Schachbrettm uster scheint sich bei näherem H e ra n ­ treten w ie ein Schild v orzu b eu len - ein o b je k tiv k ru m m lin iges dagegen scheint sich gleich­ sam zu rechtzuziehen , u n d die F luchtlinien eines G ebäudes, die sich bei p la n p ersp ek tivi­ scher K o n s tru k tio n als G erade darstellen, w ü rd en , dem tatsächlichen N etzh a u tb ild e en t­ sprechend, als K u rv en gezeichnet w erd en müssen - w o b e i (im G egensatz zu d er in T e x t­ figur 3 w iedergegebenen Zeich n u n g G u id o H aucks) genau gen om m en auch die V ertik a len eine leichte A u sbiegu n g erleiden m ü ßten .

Textfig. 3. Pfeilerhalle, konstruiert gemäß der „subjektiven“ (Kurven-)Perspektive (links) und gemäß der schematischen (Plan-)Perspektive (rechts). Nach Guido Hauck. D iese K u rv ie ru n g des Sehbildes ist in d er neueren Z e it zw eim al b eob a ch tet w o r d e n : ein ­ m al durch die g roß en P sych ologen u n d P hysiker v o m E nde des 19. Jahrhunderts9, u n d einm al, was anscheinend unbeachtet geblieben ist, durch die g roß en A s tro n o m e n u n d M ath em a tik er v o m A n fa n g des 17. Jahrhunderts, u n ter denen v o r allem des h o ch m e rk ­ w ü rd ig e n W ilh e lm Schickhardt, eines V etters des bekan nten W ü rttem bergisch en Bau­ m eisters u n d Italienfahrers H ein rich Schickhardt, zu geden ken ist: „Ich sag, daß alle, auch die gerädeste L inien, so n it directe con tra p u pillam stracks v o r dem A u g stehen . . ., n o th w e n d ig u m b etwas geb og en erscheinen. Das glau bt gleichw oh l kein M ah ler, daru m b m ah len sie die gerade Seitten eines G ebäw s m it geraden L inien, w ie w o l es nach der w a h ­ ren P erspectiffk un st eigentlich zu reden n it recht ist . . . Das N üsslein beisset auf, Ih r K ü n stle r!“ 10 K ein G erin gerer als K ep ler hat ih m w enigstens in sow eit zu gestim m t, als er

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Die Perspektive als „symbolische Form' die M ö g lich k e it zu gab, daß ein o b je k tiv gerader K om eten sch w eif o d e r die o b je k tiv gerade F lu gbahn eines M eteors su b jek tiv als eine K u rv e w a h rg en om m en w erde, u n d das Interessanteste dabei ist, daß K ep ler sich v ö llig darü ber im klaren w ar, daß n u r die E rzie­ h u n g durch die P lan perspektive schuld daran sei, w en n er anfänglich diese Sch ein krüm ­ m u n gen übersehen o d e r sogar abgeleugnet h a b e: er habe sich bei d er B ehauptung, daß Gerades im m e r gerade gesehen w erd e, durch die V orsch riften d er m alerischen P erspek­ tiv e bestim m en lassen, o h n e daran zu den ken , daß das A u g e tatsächlich nicht auf eine „plana tabella“ , son d ern auf die Innenfläche einer Sehkugel p ro jiz ie re 11. U n d w en n v o n den heute leben den M enschen die w en igsten jem als diese K rü m m u n g en gesehen haben, so ist das sicher z. T . ebenfalls in dieser (durch die B etrachtung v o n P h otog ra p h ien n och verstärk ten ) G e w ö h n u n g an die planperspektivische K o n s tru k tio n b egrü n d et, - die fr e i­ lich ihrerseits n u r aus einem ganz bestim m ten u n d eben spezifisch neuzeitlichen R a u m ­ o d e r, w e n n m an so w ill, W eltg efü h l verständlich ist. W e n n sonach eine E poch e, deren A nsch au u ng durch eine in d er strengen P lan perspektive sich ausdrückende R a u m vors tellu n g b estim m t w u rd e, die K u rva tu ren unserer sozusagen sphäroi'den Sehw elt erst w iederentdecken m u ß te, so w aren diese K u rva tu ren einer Z eit, die zw a r perspektivisch, nicht aber planperspektivisch zu sehen g e w o h n t w ar, nicht m eh r als selbstverständlich: d er A n tik e. Bei den antiken O p tik e rn un d K u n stth eoretik ern (u n d, gleichnisweise ve rw en d et, auch bei den an tiken P h ilosop h en ) finden w ir im m er w ied er B eobachtungen ausgesprochen w ie die, daß das G erade k ru m m u n d das K ru m m e gerade erblickt w erde, daß die Säulen, just u m nicht geb ogen zu erscheinen, ihre (bekanntlich in klassischer Z e it m eist relativ schwache) Entasis erhalten m ü ß ten , daß E pistyl u n d S ty lo ­ bat, just u m den E in druck einer D u rch b iegu n g zu verm eiden , k u rv iert zu bauen seien; u n d die b erü h m ten K u rva tu ren , zu m al der dorischen T em p el, b ek u n d en die praktische A u sw irk u n g solcher E rkenntnisse12. D ie antike O p tik , die diese E rkenntnisse zeitigte, w ar also ih rer grundsätzlichen E instellung nach eine geradezu an ti-plan perspektivisch e; u n d w en n sie sich ü b er die sphärische F orm v erä n d eru n g d er gesehenen D in g e klar w ar, so findet diese Tatsache ihre B egrü n du n g - o d e r jedenfalls ihre E ntsprechung - in der n och w ich tigeren Tatsache, daß sie auch hinsichtlich der G röß en v erä n d eru n g derselben ih re T h e o rie w eit inniger, als die R enaissanceperspektive es tun d u rfte, d er tatsächlichen S tru k tu r des su b jek tiven Seheindrucks a n paßte: die G estalt des Gesichtsfeldes als eine k u g e lfö rm ig e v o rste lle n d 13, hat sie zu allen Z eiten u n d o h n e Zulassung irgendw elcher A usn ah m en an der V oraussetzun g festgehalten, daß die Seh größen (als P roje k tio n e n der D in g e auf jene S eh -K u gel) nicht etw a durch die E n tfern u n g der O b je k te v o m A u ge, son ­ dern ausschließlich durch das M aß der S eh -W in k el b estim m t w ü rd en (dah er ih r V erh ä lt­ nis, genau gen o m m en , n u r durch W in k elgra d e b z w . K reisb ögen , nicht aber durch ein­ fache L ängenm aße ausdrückbar ist)14. Das 8. T h e o re m E u klids15 v erw a h rt sich sogar ganz ausdrücklich gegen eine gegenteilige A nsicht, in d em es feststellt, daß d er scheinbare U nterschied zw eier gleicher, aber aus ungleicher E n tfern u n g erblickter G rö ß e n nicht etw a durch das V erhältn is dieser E n tfern u n gen , son d ern durch das (w eit w en iger diskrepante) V erhältnis der Seh w in kel b estim m t w erd e (T extfig. 4), - in diam etralem G egensatz zu der der m o d e rn en K on stru k tio n zu gru n d e liegenden L eh rm ein u n g, die Jean Ρ έ ΐε π η V ia to r auf die b ek a n n te F orm el gebracht hat „Les q u a n titez et les distances O n t c o n c o r -

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Die Perspektive als „symbolische Form' dables d iff^ ren ces“ 16. U n d vielleicht ist es m eh r als b lo ß e r Z u fa ll, w en n späterhin die Renaissance in ihren E uklidparaphrasen (ja selbst in ih ren E u k lid ü bersetzu n gen ) gerade dieses 8. T h e o re m teils gänzlich u nterdrü ck t, teils so w eit „e m e n d ie rt“ hat, daß es seinen ursprünglichen Sinn v e r lo r 17: es scheint, als habe m an den W iderspru ch g efü h lt zw ischen einer Lehre, die, als „p ersp ectiv a naturalis“ o d e r „c o m m u n is “ , n u r die G esetze des n a tü r­ lichen Sehens m athem atisch zu form u lieren suchte (u n d dabei die S eh größen an die Seh­ w in k el b an d ), u n d der inzw ischen entw ickelten „p ersp ectiv a a rtificialis“ , die gerade u m ­ gek eh rt eine praktisch verw en d b a re K o n s tru k tio n des künstlerischen Flächenbildes zu en tw ick eln b em ü h t w a r; u n d es ist klar, daß dieser W iderspru ch nicht anders als durch die Preisgabe jenes W in k ela x iom s beseitigt w erd en k on n te , bei dessen A n erk en n u n g die H erstellu n g eines perspektivischen Bildes eine exakterw eise ü berh au pt nicht lösbare A u f ­ gabe dargestellt hätte, da eine K ugelfläche bekanntlich n ich t auf eine E bene a b rollb a r ist.

Textfig. 4. Gegensatz zwischen „planperspektivischer“ und „winkelperspektivischer“ Auffassung: bei der „planperspektivischen“ (links) verhalten sich die Sehgrößen (H S und J S) umgekehrt proportional zu den Entfernungen (AB und A D ); bei der „winkelperspektivischen“ (rechts) verhalten sich die Sehgrößen (ß und α + ß) nicht umgekehrt proportional zu den Entfernungen (2 b und b).I. II. D a m it erh ebt sich nun aber die Frage, o b u n d in w elcher W eise die A n tik e selbst, die ja, soviel w ir wissen, nie v o n jen em G ru n dsatz abgew ichen ist, d e m zu fo lg e die S eh größen nicht durch die D istanzen, son d ern eben durch die W in k el bestim m t w ü rd en , ein g e o m e ­ trisch-perspektivisches V erfa h ren ausgebildet haben kann. D en n auf der einen Seite ist es deutlich, daß die antike M alerei bei den soeben dargelegten G ru n dsätzen eine P ro je k ­ tio n auf die E bene nicht w o h l ins A u g e fassen k o n n te, vielm eh r sich eine P ro je k tio n auf die K ugelfläche hätte zu m G esetz m achen m üssen - auf der andern Seite leidet es kein en Z w e ife l, daß sie n och w en iger als die der Renaissance daran den ken k on n te , in p ra xi m it einem „stereogra ph isch en “ P rojek tion sv erfa h ren im Sinne H ipparch s o d e r dergleichen zu arbeiten. So bliebe höchstens zu erw ägen, o b das A lte rtu m am E nde eine künstlerisch brauchbare N ä h e ru n g sk on stru k tion herausgebildet habe, die w ir uns etw a in d er W eise

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Die Perspektive als „symbolische Form“ vorstellen k ö n n te n , daß m an zw a r grundsätzlich v o n der V orstellu n g einer P ro je k tio n sK u gel - d. h. also, im G ru n d - u n d A u fr iß betrachtet, eines P rojek tion s-K reises - aus­ gegangen sei, dabei aber die K reisb ögen durch die K reissehnen ersetzt habe. D a m it w äre eine gewisse A n n ä h eru n g der B ild g röß en an die W in k e lg rö ß e n erzielt w o rd e n , oh n e daß das V erfa h ren an k o n stru k tiv er Schw ierigkeit das n euzeitliche ü b ertroffen hätte. U n d tatsächlich scheint - w ir w agen diese B ehau ptu n g nicht m it B estim m th eit auszusprechen - die M ö g lich k e it zu bestehen, daß die antike M alerei w enigstens in späthellenistisch­ röm ischer Z e it ein solches V erfa h ren besessen hat. V itru v ü b erliefert uns näm lich an einer viel diskutierten Stelle seiner „Z e h n Bücher ü b er A rch ite k tu r“ die m erk w ü rd ig e D e fin itio n : D ie „S cen og ra p h ia “ , d. h. die perspektivische D arstellun g eines d reidim en sion alen G ebildes auf einer Fläche18, b eru h e auf einem

„omnium linearum ad circini centrum responsus" .

M an hat in diesem „circin i centrum “

natürlich zunächst den „A u g e n p u n k t“ d er neuzeitlichen P erspektive erblicken w o lle n ; allein ganz abgesehen d a v on , daß u n ter den erhaltenen antiken G em äld en kein einziges nachw eisbar ist, das einen einheitlichen F lu ch tp u n k t besäße: der W o rtla u t selbst19 scheint sich dieser D e u tu n g in sofern zu w idersetzen , als der „A u g e n p u n k t“ der m o d ern en Z e n ­ tralperspek tive auf kein e W eise als „c ir c in i ce n tru m “ (eigentlich „Z irk e ls p itz e “ , u n ­ eigentlich „K re is m itte lp u n k t“ ) b ezeich n et w erd en k a n n ; k o m m t dieser doch , als b lo ß e r K o n v e rg e n z p u n k t der O rth o g o n a le n , fü r einen Z irkelein satz gar nicht in Frage. W en n also hier ü b erh a u p t v o n einem exakt-perspektivisch en V erfa h ren die R e d e ist - was ja durch die E rw äh n u n g des „c ir c in u s “ im m erh in nahegelegt w ird - , so w äre es m indestens m öglich , daß V itr u v m it dem A u sd ru ck „ c e n tr u m “ nicht so w o h l auf einen im Bilde lie­ genden F lu ch tp u n k t, als vielm eh r auf ein das betrach ten de A u g e vertretendes P ro je k ­ tion szen tru m abgezielt u n d sich dasselbe (was ja m it dem W in k e la x io m der antiken O p tik durchaus in Ü b erein stim m u n g stünde) als M ittelp u n k t eines Kreises vorgestellt hätte, d er in den v o rb e reiten d en Z eich n u n gen die Sehstrahlenlinien ebenso abschneiden w ü rd e, w ie es bei der m o d ern en perspektivischen K o n s tru k tio n die die B ildebene repräsentie­ rende G erade tut. U n d k on stru iert m an n un m it H ilfe eines solchen „P rojek tion sk reises“ (w o b e i, w ie gesagt, die Kreisabschnitte durch die entsprechenden Sehnen ersetzt w erd en m üssen), so erhält m an jedenfalls ein R esultat, das m it den erhaltenen D en k m ä lern in einer entscheidenden Tatsache ü b erein stim m t: die V erlän geru n gen der T iefen lin ien lau­ fe n nicht, streng k on k u rrieren d , in einem P u n k te zusam m en, son d ern sie treffen sich (da die S ek toren des Kreises bei seiner A b r o llu n g gew isserm aßen an der Spitze ausein­ a nderbrechen), n u r leise k on v ergieren d , paarw eis in m eh reren P un kten , die alle auf einer gem einsam en A chse liegen, so daß etw a d er E in druck einer Fischgräte entsteht (T e x t-

fig. 5). O b eine solche In terp reta tion der V itru vstelle h altbar ist o d e r nicht (zu bew eisen ist sie schon desw egen kau m , w eil die erhaltenen B ilder w o h l ausnahm slos ü b erh a u p t nicht streng k o n stru ie rt sin d ): jedenfalls ist fü r die antike R aum darstellun g, sow eit w ir sie k o n tro llie re n k ö n n e n , stets dieses F ischgräten- od er, ern sth after ausgedrückt, F lu ch t­ achsenprinzip m a ß geb en d gewesen, teils in der F orm m it leichter K on v erg en z, w ie w ir sie eben beschrieben haben, u n d w ie sie m it unserer h yp oth etisch en K reisk on stru k tion zusam m en geh t (A b b . 4), - teils in d er schem atischeren, aber handlicheren A r t einer m eh r

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Die Perspektive als „symbolische Form'

Textfig. 5. Antike, „winkelperspektivische' Konstruktion eines rechtwinkligen Innen­ raums („Raumkastens“). Oben: Grundriß. Mitte: Aufriß. Unten: perspektivisches Bild, gewonnen durch Kombination der auf dem „Projek­ tionskreis“ abgeschnittenen Strecken.

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Die Perspektive als „symbolische Form' o d e r w en iger reinen P arallelfü h run g schräger T iefen lin ien , w ie sie bereits auf den u n ­ teritalischen V asen des IV . vorch ristlich en Jahrhunderts b elegbar ist (A b b . 2 u n d 3 )20. D iese A r t u n d W eise der R au m darstellu n g ken nzeichn et sich n u n aber, an der m od ern en gem essen, durch eine ganz eigentüm liche U n festigk eit u n d in n ere In k on s eq u en z: w ä h ­ ren d die m o d e rn e F lu ch tp u n k t-K o n stru k tio n - u n d das ist eben der ungeheure V o rte il, u m dessentw illen m an sich m it solcher Leidenschaft u m sie b em ü h t hat - säm tliche B rei­ ten -, T ie fe n - u n d H ö h e n w e rte in einem v ö llig k on stan ten V erhältn is verän dert u n d da­ durch fü r jeden G egenstand die seinen eigenen A bm essu ngen u n d seiner Lage zu m A u g e entsprechende Sch ein größe ein deu tig festlegt, ist das sub specie des Fluchtachsenprinzips u n m öglich , da h ier der Strahlensatz kein e G eltu n g besitzt, - was sich sehr schlagend darin ausdrückt, daß dieses Fluchtachsenprinzip niemals zu r w iderspruch sfreien V e r ­ k ü rzu n g eines Schachbrettm usters fü h ren k a n n : die M ittelqu ad rate w erd en im V erh ä lt­ nis zu ihren N ach barqu adraten en tw ed er zu g ro ß o d er zu k lein, w orau s sich eine p ein ­ liche U n stim m ig k eit ergibt, die schon die A n tik e , v o r allem aber das spätere M ittelalter, das jene K o n s tru k tio n in w eiten K un stgebieten w ied er a u fg en om m en hat, durch ein Schildchen, eine G u irlan de, ein G ew an dstü ck o d e r ein anderes perspektivisches F eigen­ b la tt zu verdeck en gesucht h atte21; u n d die D ia gon alen eines so kon stru ierten Schach­ brettes k ö n n e n n u r dann geradlinig durchlaufen, w en n die T iefen abstän de der rück­ w ärtigen H ä lfte nach h in ten zu anwachsen, anstatt, w ie sie sollten, abzu neh m en , w ä h ­ ren d u m gek eh rt, w en n die T iefen abstän de sich stetig verm in d ern , die D ia gon alen g e b ro ­ chen erscheinen. D as scheint nun an u n d fü r sich eine rein m athem atische u n d kein e künstlerische A n ­ gelegenheit zu sein, den n m it R ech t d a rf m an sagen, daß die größ ere o d e r geringere F eh­ lerh a ftigk eit, ja selbst die v ö llig e A b w esen h eit einer perspektivischen K o n s tru k tio n nichts m it dem künstlerischen W e rt zu tu n hat (w ie freilich auch u m gek eh rt die strenge B eobachtun g der perspektivischen G esetze in kein er W eise die künstlerische „F re ih e it“ zu gefäh rden brau cht). A lle in w en n P erspektive kein W e rtm o m e n t ist, so ist sie doch ein S tilm om en t, ja, m eh r n o ch : sie darf, u m E rnst Cassirers glücklich geprägten T erm in u s auch fü r die K unstgeschichte n u tzb a r zu m achen, als eine jen er „sym b olisch en F o rm e n “ b ezeich n et w erd en , durch die „ein geistiger B edeutungsinhalt an ein k on kretes sinnliches Z eich en g e k n ü p ft u n d diesem Z eich en innerlich zu geeign et w ir d “ ; u n d es ist in diesem Sinne fü r die ein zeln en K u n stepoch en u n d K u nstgebiete w esensbedeutsam , nicht n ur o b sie P erspek tive haben, son d ern auch w elche P erspektive sie haben. D ie klassische an tike K u n st w ar eine reine K örp erk u n st gew esen, die n u r das nicht b lo ß Sicht-, son d ern auch G reifb a re als künstlerische W irk lich k eit anerkannte, u nd die s to ff­ lich d rei-dim en sion a le, fu n k tion a l u n d p r o p o rtio n s m ä ß ig fest bestim m te u n d dadurch stets irgen d w ie a n th rop om orp h isierte E in zelelem ente nicht malerisch zu r R a u m ein h eit verb a n d , son d ern tekton isch o d e r plastisch zu m G ru p p en g efü g e zu sam m en setzte; u n d auch als der H ellen ism us neben dem W e rt des v o n innen heraus b ew egten K örp ers auch die R e ize d er v o n außen betrachteten O berfläch e zu bejahen, u n d (was dam it aufs engste zu sam m en h ängt) neben der belebten N a tu r die u n b eleb te, neben dem Plastisch-Schönen das M alerisch -H äßlich e o d e r V ulgäre, n eben den festen K ö rp e rn die sie u m geb en d e u n d v e rb in d e n d e R ä u m lich k eit als darstellu ngsw ü rdig zu em p fin den b egin n t, h eftet sich die

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Die Perspektive als „symbolische Form' künstlerische V o rstellu n g im m er n och so w eit an die E in zeldin ge, daß d er R a u m nicht als etwas e m p fu n d en w ird , was den G egensatz zw ischen K ö r p e r u n d N ic h tk ö r p e r ü b er­ greifen u n d aufheben w ü rd e, son d ern gew isserm aßen n u r als das, was zw ischen den K ö rp e rn ü b rigb leib t. So w ird er künstlerisch teils durch ein bloß es Ü b erein a n d er, teils durch ein n och u n k on trollierb a res H in terein a n der zu r A nschauung gebracht, u n d selbst da, w o die hellenistische K u n st - auf röm ischem B od en - bis zu r D arstellun g des w ir k ­ lichen Interieurs o d e r der w irk lich en Landschaft vorsch reitet, ist diese bereicherte u n d erw eiterte W e lt noch keine v o llk o m m e n vereinheitlichte, d. h. keine solche, in nerhalb d erer die K ö rp e r u n d ihre freiräum lich en In tervalle n u r die D ifferen zieru n g en o d e r M o d ifik a tio n e n eines C on tin u u m s h öh erer O rd n u n g w ären. D ie T iefen abstän de w erd en fü h lb a r, aber sie sind nicht durch einen b estim m ten „m o d u lu s “ ausdrückbar; die v e r­ k ü rzte n O rth o g o n a le n k on v ergieren , aber sie k on v ergieren (w enngleich auf A rch ite k tu r­ darstellungen in der R egel das Steigen der B oden lin ien u n d das Fallen d er D ecken lin ien beob a ch tet w ird ) doch nie nach einem einheitlichen H o r iz o n t , geschw eige d en n nach einem einheitlichen Z e n tru m 22; die G rö ß e n n eh m en im allgem einen nach h in ten zu ab, aber diese A b n a h m e ist keinesw egs eine stetige, ja sie w ird im m er w ied er durch „aus dem M aßstab fa llen d e“ Figuren u n terb roch en ; die V erä n d eru n gen , die F o rm u n d Farbe der K ö r p e r durch die D istan z u n d das dazw ischenliegende M ed iu m erfah ren , w erd en m it einer so virtu osen K ü h n h eit zu r D arstellun g gebracht, daß d er Stil solcher G em ä ld e als V o rlä u fe r, ja als Parallelerscheinung des m od ern en Im pressionism us hat angesprochen w erd en k ö n n e n , allein es k o m m t nie zu einer einheitlichen „B eleu ch tu n g“ 23. So b leib t auch da, w o m it dem B egriff der P erspektive als „D u r d is e h u n g “ derm aßen Ernst gem acht w ird , daß w ir durch die In terk olu m n ien einer Pfeilerstellung in eine du rchlaufen de Landschaftsszenerie hinauszublicken glauben sollen (vgl. A b b . 5), der dargestellte R a u m ein A ggrega tra u m , - nicht w ird er zu dem , was die M od e rn e verlan gt u n d v e rw irk lich t: zu m S ystem raum 24. U n d gerade v o n h ier aus w ird deutlich, daß der antike „Im p ressio­ nism us“ doch n u r ein Q u asi-Im pressionism u s ist. D en n die m od ern e R ich tu n g, die w ir m it diesem N a m en bezeichnen, setzt stets jene h öh ere E in heit ü b er dem Freiraum u nd ü b er den K ö rp e rn voraus, so daß ihre B eobachtun gen v o n v orn h erein durch diese V o r ­ aussetzung ihre R ich tu n g u n d ihre E inheit erh alten ; u n d sie kan n daher auch durch eine n och so w eit getriebene E n tw ertu n g u n d A u flö s u n g d er festen F o rm die Stabilität des R a u m b ild es u n d die K o m p a k th e it d er ein zeln en D in g e niem als gefährden, son d ern n u r verschleiern - w äh ren d die A n tik e , m angels jen er ü bergreifen d en E inheit, jedes Plus an R ä u m lich k eit gleichsam durch ein M inus an K örp erlich k eit erkau fen m u ß , so daß der R a u m tatsächlich v o n u n d an den D in g en zu zeh ren scheint; u n d ebendies erklärt die beinahe p a ra d o x e E rscheinung, daß die W e lt der antiken K unst, solange m an auf die W ied erga b e des zw isch en körperlich en R aum es verzich tet, sich der m od ern en gegen über als eine festere u n d h arm on isch ere darstellt, sob a ld m an aber den R a u m in die D arstel­ lu n g m itein b ezieh t, am m eisten also in den Landschaftsbildern, zu einer son d erb a r u n ­ w irk lich en , w iderspru ch svollen , tra u m h a ft-k im m erisch en w ir d 25. So ist also die antike P erspektive d er A usdru ck einer bestim m ten, v o n der der M o d e rn e grundsätzlich abw eichenden R aum anschauung (die freilich, im G egensatz zu d er z. B. v o n Spengler vertretenen A u ffassu n g, nich tsdestow en iger durchaus als R aum anschauung

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Die Perspektive als „symbolische Form' b ezeich n et w e rd e n m u ß ), u n d d am it einer ebenso bestim m ten u n d v o n der der M o d e rn e ebenso abw eich enden W eltv orstellu n g . U n d erst v o n hier aus w ird es verständlich, w en n die antike W e lt sich stets m it einer, w ie G oe th e es ausdrückt, „s o schw ankenden, ja fa l­ schen“ W ied erga b e des R aum ein drucks begn ügen k o n n te 26; w a ru m hat nicht schon sie den scheinbar so kleinen Schritt getan, die S eh pyram ide plan zu durchschneiden u n d dadurch zu einer w a h rh a ft exakten u n d system atischen R a u m k o n s tru k tio n v o r z u d r in ­ gen? G e w iß , das k o n n te nicht geschehen, solange das W in k e la x io m d er T h eoretik er in G eltu n g stand; aber w a ru m hat m an sich nicht schon damals, w ie anderthalb Jahrtau­ sende später, ü b er dasselbe hin w eggesetzt? M an hat es deshalb nicht getan, w eil jenes R a u m gefü h l, das in der bild en d en K u n st seinen A usdru ck suchte, den System raum gar nicht verla n gte; u n d eb en sow en ig w ie dieser System raum den K ü n stlern der A n tik e v o r ­ stellbar w ar, ist er den P h ilosop h en der A n tik e den kbar gew esen (daher es als geradezu u n m eth od isch erscheinen m ü ß te, w en n m an die Frage „ o b die A n tik e eine P erspektive gehabt h a b e ?“ n och im m er, w ie in den T agen Perraults u n d Salliers, Lessings u n d K lo t ­ zens, m it der Frage iden tifizieren w o llt e : „ o b die A n tik e unsere P erspektive gehabt h a b e ?“ ). D e n n , so verschiedenartig die R a u m th e orien der A n tik e auch gewesen sind, k ein e v o n ihnen ist dazu gelangt, den R a u m als ein System v o n b lo ß e n R ela tion en z w i­ schen F löh e, B reite u n d T iefe zu definieren 27, so daß (sub specie eines „K o o r d in a te n ­ system s“ ) der U n tersch ied zw ischen „ v o r n “ u n d „h in te n “ , „ h ie r “ u n d „ d o r t “ , „ K ö r p e r “ u n d „ N ic h tk ö r p e r “ sich in dem h öh eren u n d abstrakteren B egriff der dreidim en sion alen A u sd eh n u n g o d e r gar, w ie A r n o ld G e u lin cx es ausdrückt, des „c o r p u s generaliter su m p ­ t u m “ au fgelöst h ä tte; son dern stets b leib t das G an ze der W e lt etwas v o n G ru n d aus D isk ontin u ierlich es - sei es, daß D e m o k r it die W e lt zunächst als eine rein körp erlich e aus kleinsten T eilen aufbaut, u n d dann (n u r u m denselben eine B ew egu n gsm öglich k eit zu sichern) das unen dlich e „L e e re “ als ein μή δν (w en n auch als K orrela t zu m ov E r fo r ­ derliches) h in zu p ostu liert, - sei es, daß P la to der W elt der auf geom etrisch gestaltete K ö r p e r fo r m e n zu rü ck fü h rb a ren E lem ente den R a u m als deren gestaltlose, ja gestalt­ feindliche υπ οδοχή gegen übertreten läßt, - sei es endlich, daß A ristoteles dem A llg e m e in ­ raum (τόπ ος κοινός) m it einer im G ru n d e ganz unm athem atischen H erü b ern a h m e des Q u a lita tiven in das G eb iet des Q u a n tita tiv en sechs D im en sion en (διαστάσεις, διαστήματα) zuschreibt (o b e n u n d unten, v o r n u n d h in ten , rechts u n d links), w ä h ren d er den E in zel­ k ö r p e r durch drei D im en sion en (H ö h e , B reite, T iefe) ausreichend bestim m t sein läßt, u n d dabei diesen „A llg e m e in ra u m “ seinerseits n u r als die letzte G ren ze eines a llerg röß ­ ten K örp ers, näm lich der äußersten H im m elssphäre, a u ffa ß t - genau w ie d er spezifische O r t der E in zeld in ge

(τόπ ος ίδιος) fü r ih n die G ren ze des E inen gegen das A n d ere ist28.

V ielleich t drü ck t diese aristotelische R a u m leh re m it b eson d erer D eu tlich k eit die T a t­ sache aus, daß das antike D en k en n och n ich t verm och te, die k o n k re t erlebbaren „E ig en ­ schaften“ des R aum es, u n d nam entlich den U n tersch ied zw ischen „ K ö r p e r “ u n d „N ic h t­ k ö r p e r “ auf den G en eralnen n er einer „su bstan ce 0ten du e“ zu b rin g en : die K ö rp e r gehen n ich t auf in einem h o m o g e n e n u n d u n b eg ren zten System v o n G röß en rela tion en , s on ­ d ern sie sind die anein an dergefügten Inhalte eines begren zten G efäßes. D en n w ie es fü r A ristoteles k ein „q u a n tu m co n tin u u m “ gib t, in dem das Sosein der E in zeldin ge sich a u flösen w ü rd e, so g ib t es fü r ih n auch k ein

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ένεργεί