Asketische Schriften: Florilegium Und Drei Traktate: Monch Markos S. XIII 9782503533964, 2503533965

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Asketische Schriften: Florilegium Und Drei Traktate: Monch Markos S. XIII
 9782503533964, 2503533965

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MÖNCH MARKOS (S. XIII) ASKETISCHE SCHRIFTEN

CORPVS CHRISTIANORVM IN TRANSLATION

15

CORPVS CHRISTIANORVM Series Graeca 72

Marci Monachi Opera ascetica FlorilegiVm et sermones tres

EDIDIT

Philipp ROELLI

TURNHOUT

FHG

Mönch Markos (S. XIII) Asketische Schriften FLORILEGIUM UND DREI TRAKTATE

Einleitung, Übersetzung und Anmerkungen von Philipp ROELLI

H

F

Academic Overview Peter Van Deun Institute for Early Christian and Byzantine Studies Katholieke Universiteit Leuven

©2013, Brepols Publishers n.v., Turnhout, Belgium All rights reserved. No part of this publication may be reproduced, stored in a retrieval system, or transmitted, in any form or by any means, electronic, mechanical, photocopying, recording, or otherwise, without the prior permission of the publisher. Printed on acid-free paper.

D/2013/0095/143 ISBN 978–2–503–53396–4

Inhaltsverzeichnis

Einleitung Der Autor Markos und Irene Palaiologína Zur Überlieferung Florilegien Der Hesychasmus Zur Bedeutung der Werke des Markos Zum Inhalt Zusammenfassung des Inhalts Vorgehensweise

7 8 10 13 15 23 24 28 34

Bibliographie Abkürzungen Quellen (Texte und Übersetzungen) Ausgewählte Literatur

35 35 36 45

Corrigenda

50

Florilegium für Irene Palaiologína I‒III Einführendes: Weltflucht Eigentliches Florilegium: Väterstellen zur Illustration IV‒VIII Hesychia und Mönchsstand IX‒XI Barmherzigkeit und Nächstenliebe XII‒XV  Das (ununterbrochene) Gebet XVI‒XIX Die Beichte XX‒XXVI Das Fasten XXVII‒XXX Verschiedene Ermahnungen und Gebote XXXI‒XXXIV Sünden der Zunge, Reue XXXV‒XXXVI Das Vater Unser XXXVII Zusammenfassung

53 54

5

64 73 76 81 86 99 111 117 121

Inhaltsverzeichnis

XXXVIII‒XXXIX Verse zum Abschluss XL‒XLII Vanitas vanitatum

124 128

Widmungsbrief zum Florilegium

137

Traktat an Irene Palaiologína

143

Traktat an einen Laien

169

Typikon für Mönche und Nonnen

187

Epilog der Haupthandschrift

205

Anhang: Abschliessende Kapitel, die in der Handschrift P am Ende angefügt wurden

209

Indices Bibelstellen Stellenregister Personen- und Sachregister

215 217 222 227

6

Einleitung

In diesem Band werden ein asketisches Florilegium, zusam­ mengestellt von einem Mönch des ausgehenden 13. Jh. namens Markos, sowie drei asketische Traktate und ein Brief desselben Autors übersetzt; der griechische Text dieser Werke ist in CCSG 72 ediert. Fast nichts ist über den Autor bekannt, der zwei Väterflorilegien zur Erbauung der Prinzessin Irene Eulogía Palaiologína, der Schwester des Kaisers Michael VIII. Palaiológos, zusammenstellte. Das erste, sehr umfangreiche, harrt weiterhin der Erschließung, das zweite, das hier in Übersetzung vorliegt, hat eine gewisse Verbreitung gefunden, wie der Bestand von drei Handschriften belegt. In einem Widmungsbrief erfahren wir einige Details über die Entstehung dieses Werkes. In der Haupthandschrift folgen im Anschluss an die Florilegien und den Brief die drei kurzen eigenen Traktate des Markos, die hier auch übersetzt sind. Die Werke in diesem Band tragen folgende Titel: (i) Florilegium: Asketischer Traktat für Männer und Frauen, die der Welt entsagen und in der Ruhe (hêsychía) Gott gefallen wollen. [...] Zusammengefasste Worte aus den göttlichen Schriften ausgewählt und zusammengestellt zu verschiedenen Themen [im Folgen­den: ‘F’]. (ii) Widmungsbrief an die Empfängerin Irene Palaiologína [‘E’]. (iii) Drei Traktate: An Irene Palaiologína: Schrift an eine sehr edle Seele [‘A’]. An einen Laien: Kurzgefasste Anordnung als Directorium des gesamten Jahres für einen Laien, der gerettet werden will [‘B’].

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Einleitung

An eine Nonne: Traktat aus unseren Göttliches kündenden Vätern zusammengestellt als Directorium für Mönche und Nonnen, die sich bemühen, gerettet zu werden [‘C’]. (iv) Epilog der Haupthandschrift, eigenhändig von Markos.

Der Autor Markos und Irene Palaiologína Über Markos, den Autor der vorliegenden Traktate, ist prak­tisch nichts bekannt.1 Selbst sein Name kommt in unseren Handschriften nur an einer einzigen Stelle (B, XIII) vor. Er war in den 1260er Jahren tätig, ist aber zu dieser Zeit bereits zu schwach, um eigenhändig zu schreiben – man kann also vermuten, dass er zu diesem Zeitpunkt bereits ein alter Mann war. Aus unseren Texten geht seine Beziehung zur Palaiologen­familie und seine streng-orthodoxe Position hervor (allerdings ohne den Katholizismus oder die geplante Kirchenunion jemals auch nur anzudeuten). Über seine eigene Person macht er selber keinerlei Angaben. Dieses Wenige würde zu einem bei Pachymérês2 erwähnten Hieromónachos Márkos von Hierá passen, der kurz als “alter Freund” des Patriarchen Arsénios3 Erwähnung findet, da er von der Gemahlin des Kaisers Michael VIII. Palaiológos Ende August 1265 in einer Delegation zu jenem gesandt wurde, um ihm finanzielle Unterstützung zu überbringen. Wenn es sich um unseren Markos handelt, wäre dieser also Priestermönch gewesen.4 Failler bemerkt in einer Fußnote, dass Markos nicht anderweitig 1   Nebst einer kurzen Notiz bei Beck (H.-G. Beck. Kirche und theologische Literatur im Byzantinischen Reich. Handbuch der Altertums­wissenschaften XII, 2, 1. München 1959, p. 692f.), ein Eintrag im PLP (17083); darüber hinaus existiert eine kurze Beschreibung seiner Florilegien von Richard (M. Richard. Les florilèges spirituels grecs in: DSAM, v, p. 435‒512). 2   Georgios Pachymérês, Relationes historicae 6, 4, 16 – Ed. Failler. 3   Autoreianós, Patriarch 1255–1264. Er wurde 1264 von Kaiser Michael VIII. Palaiológos, den er zuvor wegen dessen Blendung des legitimen Thronfolgers exkommuniziert hatte, abgesetzt und verbannt. Daraus entstand das Schisma der Arseniten, das bis 1310 andauern sollte. 4   Davon scheint Richard stillschweigend auszugehen. Selbst das große, noch unedierte Florilegium ist anonym überliefert. Dass der Autor Mönch war, wird

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Einleitung

bekannt sei, und vermutet, dass mit Hierá nicht seine Heimat, sondern sein Kloster gemeint sei. Es könnte sich um die kleine Halbinsel Hierá südlich der Halbinsel Chalkêdôn (heute Fenerbahçe) unweit von Konstantinopel auf der asiatischen Seite handeln. Kein Kloster ist auf dieser Halbinsel bekannt, doch weiß man von verschiedenen Kirchen.5 Nebst dem Namen und der Beziehung zu den Palaiologen und zum konservativen Arsénios würde auch der zeitliche Rahmen zu unserem Markos passen, der in den 60er Jahren schrieb. Die meisten seiner Werke sind zur spirituellen Belehrung an eine Person gerichtet: Irene, die Schwester des Kaisers Michael VIII. Palaiológos, über die wir recht gut unterrichtet sind. Für sie hat er offenbar der Reihe nach einen Traktat (A), ein Väter­ florilegium (F) und ein zweites, gewaltiges, alphabetisch geordnetes asketisches Florilegium verfasst. Die beiden ersten dieser Texte liegen hier in Übersetzung vor. Irene Palaiologína6 wurde um 12187 als Tochter des Andrónikos Palaiológos geboren und heiratete zu unbekannter Zeit Johannes Kanta­kouzênós Komnênós. Aus dieser Ehe gingen mindestens vier Töchter hervor, darunter Maria, die später den bulgarischen Zaren Konstantin Tich heiratete. Johannes verstarb wohl kurz vor 1257. Zwischen dieser Zeit und 1261 trat Irene als Eulogía ins Kloster ein. In diesem Jahr gelingt es nämlich ihrem Bruder, beinahe zufällig ohne dabei selber anwesend zu sein, Konstantinopel von den Kreuzfahrern zurückzuerobern; bei dieser Episode erwähnt Pachymérês Irene beiläufig als Nonne (Rel. hist. II, 29). Obwohl Irene ihren Bruder, allerdings aus dem Text verschiedentlich klar (z.B. gegen Ende von F, I: “... uns Mönche …”). 5   Vgl. Janin, Raymond. Les églises et les monastères des grands centres Byzantins (Bithynie, Hellespont, Latros, Galèsios, Trébizonde, Athènes, Thessalonique). Paris 1975, p.  35f. und 227. Üblicherweise wird das Kloster, nicht der Geburtsort eines Mönchs genannt. Auf den vorgelagerten Prinzeninseln gab es Klöster – ob sie gemeint sind? In einem solchen hat knapp 200 Jahre früher Johannes IV. (V.) Oxeítês, Patriarch von Antiochia, nach seiner Abdankung zwei Florilegien geschrieben (vgl. unten p. 14). 6   Man vergleiche zum folgenden PLP (21360). 7   Vgl. A. Th. Papadopoulos. Versuch einer Genealogie der Palaiologen, 1259– 1453. München 1938, nr. 29.

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Einleitung

nun Kaiser, Michael dazu bewogen hatte sich des legitimen Thronfolgers durch Blendung zu entledigen (Rel. hist. II, 23) und seine Lieblingsschwester war (Rel. hist. II, 29), entwickelte sich durch seine Unionspolitik mit der katholischen Kirche eine Feindschaft zwischen den beiden, die bis an ihr Lebensende andauern sollte. Dies obgleich Michael gegenüber der orthodoxen Kirche immer wieder betonte, diese Allianz sei ein rein politisches Strategem, um zu verhindern, dass die westlichen Mächte Konstantinopel zurückzuerobern versu­chen (z.B. Rel. hist. V, 18). Nach seinem Tod (1282) bewog Irene seinen Nachfolger, ihren Neffen Andrónikos II., die Union aufzugeben. Da sich die militärische Bedrohung aus dem Westen verflüchtigt hatte, nachdem Michaels Hauptgegner, der sizilianische König Charles von Anjou, durch den Aufstand der Sizilianischen Vesper stark geschwächt worden war, fiel ihm dies viel leichter. Irene starb im Jahre 1284 als Nonne.8 Geôrgios Metôchítes, der sie offensichtlich nicht besonders mochte, beschreibt ihren aktiven Charakter wie folgt: auf Grund natürlicher Veranlagung besaß sie einen tatkräftigen und unnachgiebigen Charakter, auf Grund ihrer edlen Erziehung und Ausbildung aber tobte sie fürchterlich, wenn nicht alles sich ihrem Willen fügte: als Schwester des Herrschers alle weltlichen Dinge und diejenigen des Königreiches, und als Nonne alle kirchlichen und geistlichen.9

Zur Überlieferung Die Texte, die hier übersetzt sind, basieren auf vier Hand­schriften. Darunter ist eine Handschrift (C), die Markos gemäß ihrem Epilog selber diktierte, und die zugleich die einzige vollständige 8   So V. Laurent. Notes de chronologie et d' histoire byzantine de la fin du XIIIe siècle in: Revue des Etudes Byzantines 27 (1969), p. 209–228. Man verwechsle unsere Irene nicht mit der gleichnamigen Irene Eulogía Choumnaína Palaiologína, die etwa ein halbes Jahrhundert später lebte und einen spirituellen Briefwechsel hinterlassen hat (A. Hero-Constantinidis. A woman’s quest for spiritual guidance, the correspondence of Princess Irene Eulogía Choumnaina Palaiologína. Brookline 1986). 9   Georgios Metochítês, Historia dogmatica 27 – Ed. Cozza-Luzi, p. 37f.

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Einleitung

ist. Die drei anderen sind als Abschriften dieser Handschrift in erster Linie bei Textverlust durch Beschneiden der Handschrift C, in Löchern und bei unleserlichen oder verblassten Stellen von Bedeutung, sie dürften alle direkt von C abstammen:10 C  Vaticano, BAV, Chisianus gr. 27 (13. Jh.)11 P  Paris, BnF, Suppl. gr. 1277 (13. Jh.)12 V  Roma, Biblioteca Vallicelliana, gr. 67 (= E 21) (14. Jh.)13 R  Vaticano, BAV, Reginensis gr. 48 (14. Jh.) Die Haupthandschrift C enthält ausschließlich Werke des Markos. Nebst dem gewaltigen, noch unedierten ersten Flori­legium (ff. 1r–306v) das kleinere (F, ff. 307r–331r) mitsamt Widmungsbrief an Irene (E, 331v–332v), drei Traktate an verschiedene Adressaten (A, B, C, 333r–346r), ein Paschalion (346v), mit dessen Hilfe man die Niederschrift auf kurz vor 1267 datieren kann, und einen Epilog, offenbar vom greisen Autor eigenhändig niedergeschrieben (347v, vgl. Bild in CCSG, p. XLIII). V enthält neben dem kleineren Väterflorilegium auch den Traktat B an einen Laien; Handschrift P hingegen enthält nur das Florilegium (wobei der Schluss fehlt, bzw. durch eigenen Text – der hier im Anhang übersetzt ist – ersetzt wurde). R enthält einen großen Teil von Traktat C, der an Nonnen gerichtet ist und in der Haupthandschrift einige Lücken aufweist. Alle diese drei Abschriften enthalten die Texte ohne Nennung eines Autorennamens. Wie angedeutet lässt sich die diktierte Haupthandschrift mittels des Paschalion auf kurz vor 1267 datieren, womit allerdings erst ein terminus ante quem für die Verfassung der Texte gegeben ist, da Markos offenbar in dieser Handschrift auch ältere Werke versammelte. Für das Florilegium F haben wir einen terminus Ausführlicher zu den Handschriften, vgl. CCSG 72, p. XXXII–XXXVI. Vgl. P. F. De’ Cavalieri. Codices graeci Chisiani et Borgiani. Roma 1927, p. 44–65. 12   Vgl. Ch. Astruc et M.-L. Concasty. Catalogue des manuscrits grecs, Bibliothèque Nationale, Département des manuscrits. Partie 3: Le supplément grec. Paris 1960, p. 523–525. 13   Vgl. E. Martini. Catalogo dei manoscritti greci esistenti nelle biblioteche Italiane. ii. Catalogus codicum graecorum qui in Bibliotheca Vallicelliana Romae adservantur. Milano 1902, p. 106–107. 10   11  

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Einleitung

post quem mit der Krönung Michaels VIII. (1259), der als Kaiser in seinem Titel genannt wird. Traktat A ist allerdings noch vor 1257 geschrieben, da dort der Mann Irenes als noch am Leben vorausgesetzt wird (vgl. A, XIII). Man kann sich vorstellen, dass Markos die Traktate zuerst einzeln schrieb und später die Florilegien. Schließlich hätte er alle diese Werke in einer Sammelhandschrift (nämlich Hs. C) vereinigt. Naheliegend wäre wohl, dass er zuerst das kleinere (eventuell zu Irenes Klostereintritt vor 126114) geschrieben hat, dann kurz vor der Anfertigung der Handschrift C das große; die (verlorenen) Originale wird er den Adressaten geschickt haben.15 Eventuell vom selben Autor stammt ein Typikonkommentar,16 der Unklarheiten im Typikon des hl. Sabas bespricht. Sein Aufbau folgt strikte den hundert Kapiteln des Typikon. Das Werk ist in mehreren Handschriften überliefert, teilweise zusammen mit dem kommentierten Text. Es lässt sich gemäß PLP (Nr. 17084) auf “vor 1297” datieren. Unser Text C ist auch ein Typikon und zeigt das Interesse unseres Markos für Typika, wodurch die Identität der beiden Autoren nahegelegt wird. Im Typikonkommentar selber finden sich leider keinerlei Information zum Autor außer im Titel: “Zusammenstellung des Priestermönches Markos erarbeitet zu den Unklarheiten des Typikon” (Μάρκου Ἱερομονάχου σύνταγμα πονηθὲν εἰς τὰ ἀπορρούμενα τοῦ τυπικοῦ). Außerdem mögen einige Kapitel des großen, noch nicht edierten Florilegiums sich als eigene Opuscula des Markos entpuppen, so z.B. der aus zwei älteren Kommentaren kompilierte Kommentar zur Johannes­offenbarung.

In F, I mahnt Markos, dass man das Kloster nicht mehr verlassen soll, wenn man einmal eingetreten ist. 15   Die mäßige Qualität des Papiercodex C lässt es unwahrscheinlich scheinen, dass er für die Herrscherfamilie bestimmt war. Allerdings wissen wir nichts über die Geschichte des Codex vor seiner Ankunft in der Vaticana. 16   Ein typikón, lat. directorium, ist ein Buch, das den liturgischen Jahresablauf regelt. 14  

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Einleitung

Florilegien Ein Florilegium ist eine ‘Blütenlese’ mehr oder weniger wört­licher Auszüge aus anderen Werken – der griechische Ausdruck für solche Sammlungen verwendet dieselbe Metaphorik: anthológion.17 Solche Werke werden meist zur einfachen und übersichtlichen Handhabung kompiliert und gehören so zur Gebrauchsliteratur. Florilegien können bloße Aneinander­reihungen der einzelnen Texte sein, und sind dann oft anonym überliefert, oder die zitierten Texte können nach Themen geordnet, kommentiert und besprochen werden, wie Markos es tut. Sein großes (noch unediertes) Florilegium ist alphabetisch geordnet, das kleine (F) mehr oder weniger thematisch (vgl. mein Einteilungsversuch im Inhaltsverzeichnis, p. 5–6.). Ein kurzer Überblick über wichtige Formen christlicher spiritueller Florilegien mit dem Hauptaugenmerk auf Texte, die Markos verwendete, muss hier genügen. Ein berühmter antiker Vertreter der Gattung ist die Philokalía von Basilius und Gregor von Nazianz aus Stellen des der Häresie verdächtigten Origenes (von Markos nicht zitiert). Die Sacra parallela des Johannes Damascenus und die Capita theologica, traditioneller­weise Maximus dem Bekenner zugeschrieben, kommentieren die Bibel mit Väterexzerpten. Umgekehrt hat ein Mönch Antí­ochos im Kloster des hl. Sabas im 7. Jh. eine Art Bibel­florilegium verfasst: Zu verschiedenen christlichen Themen – angefangen mit dem Glauben – versammelte er Bibelstellen (dieses Florilegium ist in PG 89 gedruckt, Markos scheint es nicht zu kennen). Ein anderes bedeutendes geistliches Flori­legium mit sehr komplizierter Überlieferung wird Anastásios dem Sinaiten (7. Jh.) zugeschrieben und heißt Quaestiones, da es Väterstellen zu zwölf Fragen bietet. Es stammt wohl erst aus dem 9. Jh. und ist in sehr unterschiedlichen Rezensionen erhalten. Die Rezension, die in der PG 89 gedruckt ist, wurde von Jacob Gretser im 17. Jh. ediert. Richard (1967/8) hat nachgewiesen, dass sie nicht älter als das 11. Jh. sein kann; Markos hat diese Bereits die Suda verwendet die Bezeichnung anthológion öfter. Auch Markos nennt seine Exzerpte ánthê (im Epil., p. 204). 17  

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Rezension gekannt und zitiert aus ihr. Die kritische Edition von Richard und Munitiz (CCSG 59) – ein ganz anderer Text – versucht die Rekonstruktion des Originals und geht handschriftlich bis ins 9. Jh. zurück. Dieser Fall zeigt gut, wie Florilegien als Gebrauchsliteratur die Tendenz haben über die Jahrhunderte zu wachsen und sich stark zu verändern. In hoch- und spätbyzantinischer Zeit wurden besonders viele Florilegien verschiedenen Inhalts, ganz besonders aber geist­ liche, kompiliert.18 Zwischen 1048 und 1055 hat der Mönch Paûlos Euergetinós seine monumentale Synagogê verfasst. Sie wurde im 18.  Jh. von einem Anonymus in Venedig herausgegeben und mehrmals in Griechenland nachgedruckt. Paûlos zitiert ähnliche Autoritäten wie Markos,19 aber auch viele Heiligenviten. Wenige Jahrzehnte später hat Níkôn vom Schwarzen Berg sein Florilegium, genannt Pandéktês, unter dem Titel “Interpretation der Gebote unseres Herrn Jesus Christus” verfasst.20 Um 1100 hat Johannes IV. Oxeítês, Patriarch von Antiochia, seine beiden Florilegien verfasst, eines speziell über die Eucharistie.21 Markos führt diese Tradition gegen Ende des 13. Jh. weiter. Aus drei Handschriften des 14.  Jh. ist uns sodann ein anonymes Florilegium bekannt, das dem großen, alphabetischen Florilegium des Markos ähnelt. Der Zusam­menhang zwischen den beiden muss noch studiert werden.22 Einige weitere, kürzere, geistliche Florilegien sind bei 18   Vgl. P. Van Deun und C. Macé (eds). Encyclopedic trends in Byzantium? Proceedings of the international conference held in Leuven, 6–8 May 2009. Leuven 2011. 19   U.a. Barsanoúphios und die beiden Syrer Isaak v. Ninive und Ephraem – eine vollständige Liste findet sich bei M. Richard, Les florilèges spirituels grecs in: DSAM, v, p. 435–512, hier p. 502. Edition: Anonymus bei Antonio Bortoli. ­Συναγωγὴ τῶν θεοφθόγγων ῥημάτων καὶ διδασκαλιῶν τῶν θεοφόρων καὶ ἁγίων πατέρων, Παύλου τοῦ ὁσιοτάτου μοναχοῦ καὶ κτήτορος Μονῆς τῆς Ὑπεραγίας Θεοτόκου τῆς Εὐεργέτιδος καὶ Εὐεργετινοῦ ἐπικαλούμενος. Venezia 1783 [Reprint Athen 1983 u.a.]. 20   Das Inhaltsverzeichnis ist in PG  106, 1360–1381 gedruckt, der Prolog in PG 127, 513–516, der Rest ist noch nicht ediert. 21   Beide ebenfalls noch unediert. Vgl. M. Richard, Les florilèges spirituels grecs in: DSAM, v, p. 435–512, cap. 3, no. 4 (v, p. 480–481). 22   Das Florilegium patristicum secundum alphabeti litteras dispositum, vgl. M. Richard, Les florilèges spirituels grecs in: DSAM, v, p. 435–512, cap. 3, no. 7 (v, 482–483).

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Einleitung

Richard23 erwähnt. Die meisten dieser Florilegien sind noch unediert und entsprechend kaum erforscht. Besonders wichtig für das orthodoxe Mönchtum der Neuzeit ist die Philokalía, ein hesychastisches Florilegium, das im 18. Jh. von Nikódêmos vom Hl. Berg und Makários von Korinth aus 36 Autoren (zwischen 4. und 15. Jh.) kompiliert und 1782, während der “Tourkokratía”, in Venedig in fünf Bänden gedruckt wurde. Sie zeigt, dass der Hesychasmus in der Orthodoxie auch nach dem Fall Konstantinopels sehr wichtig geblieben ist.

Der Hesychasmus Markos schreibt rund ein halbes Jahrhundert vor dem großen Hesychasmusstreit in der Ostkirche. Hesychasmus24 als Suche nach geistiger hêsychía – Ruhe, Ruhe in Gott oder Seelenfrieden – ist aber etwas allgemein Christliches, ja allgemein Mensch­liches. Schon viel früher haben sich Mönche, die nach spiritueller Ruhe suchten, als Hesychasten und ihr Streben als hêsychía bezeichnet. Johannes Klímakos definiert: “Die Ruhe ist das Aussetzen der Denkaktivität und die Verweigerung der rationalen Gedanken.”25 Solch eine sehr allgemeine Definition zielt auf einen spirituellen Ruhe-Zustand jenseits allen Verstehens, wie er in den Paulinen angedeutet wird (vgl. Phil. 4, 7).26 Eine moderne Definition verEbendort, vgl. darüber hinaus Ph. Roelli. Teaching Hesychasm by Means of Florilegia. Spiritual guidance for the sister of Michael VIII Palaiológos in: P. Van Deun und C. Macé (eds). Encyclopedic trends in Byzantium? Proceedings of the international conference held in Leuven, 6–8 May 2009. Leuven 2011. 24   Zur Einführung sei der Artikel P. Adnès. Hésychasme in: DSAM, vii, p.  381‒398 empfohlen. Vor allem die zahlreichen Studien von Hausherr, Meyendorff und neueren Datums von Rigo verdienen hervorgehoben zu werden. 25   Himmelsleiter, Stufe 27 (PG 88, 1112A). Diese Stelle zitiert auch Gregorios vom Sinai (PG 150, 1334B). Der Gedanke stammt von Evagrius vom Pontus, De oratione 120 (= PG 79, 1181C), der aber das Gebet damit definiert! 26   Ein ähnlicher Wortgebrauch lässt sich schon vorchristlich nachweisen: Von Parmenides wird gesagt, dass er “durch Ameinias, nicht durch Xenophanes, zur Ruhe gewandt wurde” (Diogenes Laertios, Vitae philosophorum 9, 21  –  Ed. Long = Diels-Kranz 28A1). 23  

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sucht Adnès: “Un système spirituel d’orientation essentiellement contem­plative, qui place la perfection de l’homme dans l’union à Dieu par la prière ou l’oraison perpétuelle”.27 Diese Definition tendiert allerdings, im Gegensatz zu der sehr allgemeinen des Klímakos, bereits zum speziellen, umstrittenen Hesychasmus mit dem ununter­brochenen Gebet, der im 14.  Jh. seine Blüte hatte. Wir können diesen zur Unterscheidung als den ‘Atho­nitischen’ bezeichnen, da sein Zentrum der hl. Berg Athos war und ist. Dieser technisch-systematische Hesychasmus ist eine methodi­sierte Weiterentwicklung der “noetischen” Spiritualität der Wüsten­ väter und speziell des Evagrius – deutliche Ansätze dieser Art finden sich auch schon bei Barsanoúphios am Anfang des 6. Jh.28

Historischer Abriss Im frühen Christentum29 bedeutete hêsychasmós noch einfach ‘Eremitentum’ im Gegensatz zum zönobitischen Klosterleben. Die wichtigsten frühen Vertreter dieses ‘Hesychasmus’ sind die Wüstenväter in Ägypten (Hauptquellen: Apophtheg­mata Patrum, und Pseudo-Makários) sowie Evagrius (4.  Jh.), der ein platoni­ sches gedankliches Fundament schuf. Seine Rechtgläubigkeit, zusammen mit der seines Lehrers Origenes, wurde allerdings angezweifelt, weshalb seine Werke meist unter dem Namen des Nilus von Ankyra überliefert sind (Markos zitiert ihn immer so). Seine Gedanken sind für das Verständnis des späteren Athoni­tischen Hesychasmus von grundlegender Bedeutung. Die nächste wichtige Stufe der Entwicklung zum Athonitischen Hesychasmus des 14. Jh. ist auf dem Sinai zu finden: Johannes Klímakos (ca. 575–650), dessen Himmelsleiter bald eines der einflussreichsten monastischen Werke wurde und ihre Populari­ tät unter orthodoxen Mönchen bis heute behielt, und Hêsýchios P. Adnès. Hésychasme in: DSAM, vii, p. 381‒398, hier p. 384. Vgl. z.B. seinen Brief 175 (in L. Regnault. Correspondance Barsanuphe et Jean de Gaza.SC 427. Paris 1998). 29   Meyendorff (J. Meyendorff. L’ hésychasme, problèmes de sémantique in: Mélanges d’Histoire des Religions offerts à H.-Ch. Puech. Paris 1974, p.  543–547) unterscheidet sogar vier Grundbedeutungen des Wortes. 27  

28  

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vom Sinai (fl. wohl kurz nach diesem). Um das Jahr 1000 trat schließlich der kontroverse Mystiker Symeon der Neue Theologe auf, dessen Einfluss auf die späteren Hesychasten beträchtlich ist, der aber erstaunlich selten zitiert wird. Markos zitiert lediglich an einigen Stellen wörtlich aus seiner 26. Katechese – ohne Symeon beim Namen zu nennen –, doch seine Themen und sein Vokabular ähneln dem Text des Markos oft. Kurz danach scheint der sonst nicht weiter bekannte Mönch Johannes30 seinen Brief an einen Abt geschrieben zu haben. Dieser wurde als Brief an die Mönche überarbeitet und zirkulierte weithin als hesychastisches Chrysostomuswerk. Auch Markos zitiert ihn wiederholt an zentraler Stelle, und zwar bereits (zum ersten Mal?) als vermeintliches Chrysosto­muswerk.31 Dieser Brief, der größten­teils aus Väterstellen zusammen­gesetzt ist, empfiehlt dem Leser eine Art Atem-Gebetsübung, die zum Schweigen und zur Gottesschau führen soll. Im 13. Jh. werden diese Methoden schließlich körperlich-mechanischer, besonders in der anonymen Methode des hl. Gebets und der Aufmerksamkeit (Μέθοδος τῆς ἱερᾶς προσευχῆς καὶ προσοχῆς). Aber erst beim Mönch Nikêphóros, dem Autor des Traktats Über den Schutz des Herzens (Περὶ φυλακῆς καρδίας),32 werden sie in der Deutlichkeit formuliert, in der sie schließlich zu dem Streit über So nennt ihn der Codex Paris, BnF, gr. 1188: “Mönch und Einsiedler Johannes” (A. Rigo. L’epistola ai monaci di un Pseudo-Crisostomo. Studi e ricerche d’Oriente Cristiano. Roma 1983 und A. Rigo. Mistici bizantini. Torino 2008). 31   Vgl. Titel von A, XIV. Jugie (M. Jugie, Les origines de la méthode d’oraison des Hesychastes in: Échos d’Orient 30 (1931), p. 179‒185, p. 182f.; M. Jugie, Palamite (Controverse) in: M. Vacant et al. (eds). Dictionnaire de théologie catholique. Paris 1932. XI/2, cols 1777‒1818) datiert den Brief anhand des datierbaren Codex Vaticano, BAV, 658 in die erste Hälfte des 12. Jhs., Rigo (A. Rigo. L’epistola ai monaci di un Pseudo-Crisostomo. Studi e ricerche d’Oriente Cristiano. Roma 1983) weist aber nach, dass er auf den Brief an einen Abt zurück­geht, welcher ein ähnliches Versatzstück aus Väterstellen ist und mindestens ins 11. Jh. zurückgeht. Beide Briefe vertreten bereits Gebetstechniken, wie sie im Hesychasmus des 14. Jhs. typisch sind, obgleich sie noch keine körperlichen Methoden wie die ‘Nabelschau’ kennen (vgl. unten, p. 21–22). 32   Der Mönch Nikêphóros (Hagiorites oder Athonites) starb zwischen 1295 und 1300. Er stammte, gemäß Palamâs (Pro Hesychastis, II, 2, 2–3 – Ed. Meyendorff, t. 1, p. 321–325) aus Italien, konvertierte zur Orthodoxie und ging auf den Athos, wo er zum berühmten Lehrer wurde. Auch er war ein entschiedener Gegner der Kirchenunion. 30  

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die Orthodoxie solcher Methoden führten, den Gregor Palamâs – innerhalb der Ostkirche – auf der Synode von Konstantinopel (1341) gegen den kalabresischen orthodoxen Mönch Barlaam für sich entscheiden konnte. Die Anfänge dieses Athonitischen Hesychasmus des 14. Jh. liegen weitgehend im Dunkeln. In Gregor vom Sinai33 erblicken wir ihn bereits voll entwickelt. Kurz nach der Zeit des Markos – um 1300 – sind uns Werke des Theólêptos von Philadelphia bekannt, in denen aber auch noch ein “traditio­neller” (d.h. untechnischer) Hesychasmus herrscht.34 Ganz ähnlich verhält es sich bei Markos, bei dem das ununterbrochene Gebet zwar die Hauptrolle spielt, der aber über den Brief an die Mönche hinaus keine technische Anweisungen gibt.

Sprachgebrauch bei Markos Markos verwendet häufig hesychastische termini technici. Dabei fällt aber auf, dass er bisweilen solche Wörter, wie hêsycházô (das Verb ‘ruhen’) und anápausis (‘Ruhe’ oder ‘Müßigkeit’), auch in normalsprachlicher, sogar eindeutig negativer, Bedeutung gebraucht. So ruht der Teufel in F, III nicht mehr, sobald ihm der Mensch ein klein wenig nachgegeben hat. Der Leser muss jeweils aus dem Kontext entscheiden, ob das Wort hesychastisch-positiv oder weltlich-negativ zu verstehen ist.

Das hesychastische Gebet Das Jesusgebet (εὐχὴ Ἰησοῦ) besteht in der pausenlosen Wie­ derholung einer kurzen, rhythmischen Gebetsformel, wie z.B. Κύριε Ἰησοῦ Χριστὲ ἐλέησόν με ἁμαρτωλόν (sprich: Kírie Isú Christé eléisón-me amàrtolón “Herr Jesus Christus hab Erbarmen mit mir Sünder!”). So verwenden es sowohl Markos als auch spätere Aktiv in den ersten Jahrzehnten des 14. Jhs., † etwa 1347. Ed. R. Sinkewicz. Theólêptos of Philadelphia, the Monastic Discourses. Critical edition, translation and study. Toronto 1992 und A. Hero-Constantinidis. The Life and  Letters of Theoleptos of Philadelphia. The Archbishop Iakovos Library of Ecclesiastical and Historical Sources 20. Brookline, Mass. 1994. 33  

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Hesychasten, z.B. Gregor vom Sinai (PG 150, 1330B). Aber schon viel früher hören wir von diesem ununter­brochenen Gebet auf dem Sinai sowohl bei Barsanoúphios und Johannes35 als auch bei Dôrótheos aus Gaza.36 Solche repetitiven Gebetsformeln sind also keineswegs eine Erfindung byzantini­scher Hesychasten, sondern können bis zu den Wüstenvätern zurückverfolgt werden. Sie sind natürlich auch außerhalb des Christentums anzutreffen: Man denke z.B. an indische Mantras37 – im Ṣūfismus werden solche Gebete unter dem Namen ḏikr (wörtl. ‘Erinnerung [an Gott]’) zusammen­gefasst. Auf die schwierige Frage, ob (und wie weit) eine genetische Verwandt­schaft zwischen diesen Techniken in den verschiedenen Weltreligionen vorliegt, kann hier aber nicht eingegangen werden. Christliche Hesychasten verwendeten (und verwenden) ganz unterschiedliche Gebetsformeln in ihrem ununterbrochenen Gebet.38 Einige davon sind in der Edition (p. XXI–XXII) aufge­ zählt. Das oben genannte Gebet ist aber zweifellos das verbrei­ tetste, wobei der Schluss (“mit mir Sünder”) variieren kann. Die beiden häufigsten Bezeichnungen für diese Gebete, “das aus nur einem Gedanken bestehende Gebet” (μονολόγιστος προσευχή) und eben “Jesusgebet”, scheinen auf dem Sinai bei Klímakos und Hêsýchios entstanden zu sein.39 Jener betont, dass der Inhalt Vgl. z. B. Frage 176 – Ed. Regnault (SC 426). Vgl. Vita Dorothei, cap. 10 – Ed. Regnault (SC 92). 37   Der heute von orthodoxer Seite oft betonte Unterschied zwischen dem hesychastischen Gebet und indischen Mantras, nämlich, dass bei ersterem der Inhalt des Gebets zentral sei, bei zweiteren die bloße Wiederholung zum Ziel führe (bzw. eben nicht!), ist i.A. unrichtig (ein Shivaist, der den ganzen Tag betet śivo ’ ham ‘ich bin Shiva’, wird nicht zustimmen, dass der Inhalt seines Mantras ohne Bedeutung sei) und es mag bezweifelt werden, ob die psycho­logischen Auswirkungen der pausenlosen Wiederholung tatsächlich signifikant vom Inhalt des Mantras abhängen, der nach genügend vielen Wiederholungen ganz im Geiste zurücktritt – viel wichtiger scheint der Rhythmus desselben. 38   Moderne katholische Hesychasten im Gefolge des Benediktiners John Main verwenden gern das aramäische Wort maranatha (aus I Kor. 16, 22, die genaue Bedeutung ist umstritten, da das Wort nur in griechischer Schrift überliefert ist, wohl eher ‘Herr, komm’ als ‘der Herr kommt’). 39   Vgl. z.B. Hêsýchios Sinaita, Centuria I, 7 (PG 93, 1484B) und II, 72 (PG 93, 1536B) – Johannes Klímakos, Scala Paradisi, Gradus 15 (PG 88, 889D). 35  

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der kurzen Gebete nicht sprachlich raffiniert sein soll, sondern demütig schlicht40 – es geht um die Repetition und die Kürze –, dazu kommt richtiges Atmen.41 Nebst diesen Namen für solche Gebetsformeln gibt es viele andere, von denen Markos einige erwähnt (A, V), besonders das “ununterbrochene Gebet” (­ἀδιάλειπτος προσευχή).42

Herzmystik Im Athonitischen Hesychasmus hat das Herz als Ort der Kommunion zwischen Gott und Mensch zentrale Bedeutung;43 so beschreibt Nikêphóros den Erfolg seiner Atemtechnik als: “Hier geht der (göttliche) Geist in das Herz ein.”44 Ein Vorläufer davon findet sich im genannten Brief an die Mönche an einer Stelle, die Markos öfter zitiert: “(...), damit das Herz den Herrn verschlinge und der Herr das Herz, und die beiden eins werden” (F, XIII u.ö.). Eine Art theoretisches Fundament zu diesen Techniken und insbesondere zu den dadurch entstehen­den lichterfüllten Seelenzuständen hat Gregor Palamâs – ein knappes Jahrhundert nach Markos – mit seiner umstrittenen Lehre der ungeschaffenen göttlichen Energie und des göttlichen Lichtes geliefert.45 Der He“Rufe den, der retten kann, an, und zwar nicht in ausgefeilten Worten sondern in bescheidener Rede” (PG 88, 900CD: Βόησον πρὸς τὸν δυνάμενον σῶσαι, μὴ ἐν σεσοφισμένοις ῥήμασιν, ἀλλὰ ἐν ταπεινοῖς φθέγμασιν). 41   Z.B. Hêsýchios: “Im Atem der Nase vereinige die Nüchternheit und Jesu Namen, sowie das nicht zu vergessende Andenken an den Tod [und] die Bescheidenheit. Beide können sehr nützlich sein” (PG 93, 1540D: Εἰς πνοὴν τῆς ῥηνὸς νῆψιν ἕνωσον καὶ Ἰησοῦ ὄνομα, καὶ μελέτην θανάτου ἀλάθητον καὶ [add. Philokalia] ταπείνωσιν. Ὠφελεῖν γὰρ λίαν οἴδασι τὰ ἀμφότερα). 42   Ausführlicher zu diesen kurzen Gebeten: P. Adnès. Jésus (Prière de) in: DSAM, viii, p. 1126‒1150; I. Hausherr. Noms du Christ et voies d’oraison. Orientalia Christiana Analecta 157. Roma 1960; A. Rigo. Mistici bizantini. Torino 2008, introduzione. 43   Vgl. J. Gouillard. Kleine Philokalie zum Gebet des Herzens. Deutsche Einführung: Gebhard Frei. Zürich 1957. 44   ἔνθα τὸ πνεῦμα εἰς τὴν καρδίαν εἰσέρχεται (PG 147, 963B). Vgl. auch Gregor Palamâs, Triades 1, 2, 3 – Ed. Meyendorff. 45   Als Einführung dazu sei J. Meyendorff. Palamas (Grégoire) in: DSAM, xii, p.  81‒107 und H.-G. Beck. Kirche und theologische Literatur im Byzantinischen Reich. Handbuch der Altertums­wissenschaften XII, 2, 1. München 1959, 40  

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sychasmus, als Bewegung des ununterbrochenen Gebetes, lebt bis heute weiter, ein instruktives Beispiel sind die russischen Erzählungen eines Pilgers aus dem 19. Jh.46

Mechanische Gebetstechniken47 Diese kurz nach Markos zum Streitobjekt werdenden Techniken basieren gemäß der oben erwähnten Methode auf (i): einer “Unbesorgtheit gegenüber allen nicht-rationalen und rationalen Dingen”, (ii) einem “reinen Gewissen” und (iii) einer “Leidenschaftslosigkeit gegenüber weltlichen Dingen”.48 Es folgen einige äußere Bedingungen: eine ruhige Zelle, eine gewisse Körperhaltung (man soll den Bart an die Brust lehnen und das körperliche Auge mitsamt der ganzen Aufmerksamkeit auf die Mitte des Bauches, d.h. den Nabel, richten).49 Danach verlangsamt man den Atem50 und sucht den “Ort des Herzens”, wo “alle Seelenkräfte gern verweilen”. Dieses Detail kennt Nikêphóros nicht, bei ihm genügt es, in den “Ort des Herzens” einzudringen (εἰσελθεῖν, PG  147, 964B). Nachdem man dies eine Weile praktiziert hat, öffnet sich einem der Eingang des Herzens (ἡ καρδιακὴ εἴσοδος, PG 147, 966B). Erst p. 322–332 empfohlen. Dieses göttlich Licht wurde schon öfter von Symeon dem Neuen Theologen beschrieben (z.B. Katechese 2, p. 270 [SC 96]). 46   Откровенные рассказы странника духовному своему отцу. Z.B. in der Ausgabe C. Сидоров. Откровенные рассказы странника духовному своему отцу. Moskau 2002. Es gibt Übersetzungen in viele Sprachen. 47   Ich folge der Zusammenfassung von Hausherr (I. Hausherr. La méthode d’oraison hésychaste. Orientalia Christiana IX, 2. Roma 1927, p. 99–209), wo die Méthodos auch ediert ist. Insbesondere ab p. 163f. 48   Die griechischen Bezeichnungen: (i) ἀμεριμνία ἀλόγων καὶ εὐλόγων πραγμάτων, (ii) συνείδησις καθαρά, (iii) ἀπροσπάθεια τοῦ αἰῶνος τούτου. 49   Hausherr (I. Hausherr. La méthode d’oraison hésychaste. Orientalia Christiana IX, 2. Roma 1927, p. 99–209): ἐρείσας τῷ στήθει σὸν πώγωνα κινῶν τὸν αἰσθητὸν ὀφθαλμὸν σὺν ὅλῳ τῷ νοῒ ἐν μέσῃ κοιλίᾳ ἤγουν ἐν τῷ ὀμφαλῷ. Palamâs (Triades 1, 2, 10) führt diese Körperhaltung auf diejenige des Elias in I Reg. 18, 42 zurück. 50   Hausherr (I. Hausherr. La méthode d’oraison hésychaste. Orientalia Christiana IX, 2. Roma 1927, p. 99–209): ἄγξον οὖν καὶ τὴν τῆς ῥινὸς τοῦ πνεύματος ὁλκὴν τοῦ μὴ ἀδεῶς ἀναπνεῖν. Gregor vom Sinai zitiert diese Stelle, Praecepta ad Hesychastas (PG 150, 1316B–D). Damit ziehe man den Geist (noûs) ins Herz zurück, wo man ihn festhalten soll (PG 150, 1346A–B).

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jetzt folgt die andauernde inbrünstige Anrufung des Namens Jesu mit der üblichen Formel “Κύριε ᾿Ιησοῦ Χριστέ, υἱὲ τοῦ θεοῦ, ἐλέησόν με”, welche die Méthodos nicht nennt (dort wird nur eine “Anrufung” (ἐπίκλησις) Jesu Christi gefordert). Dies soll man nun ununterbrochen tun (so Nikêphóros, PG 147, 964B). Gregor vom Sinai präzisiert, dass “einige dies laut, andere nur im Geist vorschreiben”.51 Auch Markos betont dies (F, XV in einem nicht nachweisbaren Barsanoúphios-Zitat). Der Hesychasmusgegner Geôrgios von Pelagonía beschreibt am Anfang des 14. Jh. eine solche Gebetstechnik aus polemischer Sicht in seinem Werk Gegen Palamâs.52 Er wurde selber von praktizierenden Hesychasten in ihre Technik eingeführt, die ihm aber gar nicht zusagte, da sie mechanisch funktionieren soll: Sie [die Anhänger des neuen “wunderlichen Weges” (θαυμασία ὁδός)] aber schrieben ihm zuallererst vor, alles wegzuräumen, was er in der Zelle an notwendigen Dingen benutzte, nachdem er versprochen hatte, alles, was sie ihm vorschrieben, zu tun. Als zweites Gebot erlegten sie ihm auf, sich möglichst schnell in einem völlig dunklen Raum, in den überhaupt kein Außenlicht von irgendwoher eindringen konnte, einzuschließen, um dort in die unsagbaren Dinge eingeweiht zu werden. Und auch, was er da drinnen sitzend tun sollte, erklärten sie auf folgende Weise: “Du sollst, sagten sie, in einer solchen Zelle auf einer weichen Sitzgelegenheit sitzend” (sie erklärten hier die Form, Größe und Beschaffenheit des Lagers und das Material, aus dem es gemacht sein sollte) “ein Gebet konzentriert meditieren [d.h. im Geist oder laut vor-sich-hinsagend], das dich zu einem Schauer unsagbarer Dinge machen wird. Und das sollst du nicht einfach wie es sich ergibt oder aufs Geratewohl tun, sondern dabei den Bart auf die Brust lehnen, den Blick auf den Nabel richten, und gemäß der Ruhe (hêsychía) zu dir selbst kommend das Gebet dem Geist (noûs) unterbreiten, um auf ihm [dem Gebet] ohne abzuweichen zu dem erstrebten Ziel getragen zu werden, und dieses Gebet dem durch die Nase eingeatmeten Geist-Atem (pneûma) aufzuladen. Du sollst aber immer bemüht sein, den Geist-Atem einzuatmen und ihn so wenig wie möglich auszuatmen, damit nicht beim Praecepta ad Hesychastas (PG 150, 1329D): οἱ μὲν διὰ στόματος, οἱ δὲ διὰ νοΐ. Κατὰ τοῦ Παλαμᾶ; im unedierten Codex Milano, Ambrosianus D 28, f. 110r.

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Ausatmen, wenn der Geist-Atem austritt, das Gebet zusammen mit ihm hinauswehe, und mit ihm der Geist (noûs) zerstreut werde und verloren gehe. Wenn dies alles aber geschehen ist, wirst Du das Größere erblicken, nachdem du zuvor in das Niederere eingeweiht wurdest.”53

Zur Bedeutung der Werke des Markos Markos hat also zu jener Zeit geschrieben, in der mutmaßlich solche hesychastischen Gebetstechniken aufgekommen sind. Das ununterbrochene Gebet ist eines seiner Hauptthemen, wenn auch ohne technische Angaben. Die Gebetstechniken waren offenbar noch um das Jahr 1310, als Gregor vom Sinai gemäß seinem Biographen auf den Athos kam, wenig bekannt. Er hatte solche von einem greisen Mönch namens Arsénios auf Zypern gelernt, konnte aber auf dem Athos nicht mehr als drei Mönche finden, die so etwas praktizierten.54 Schriftlich können wir solche Techniken Οἱ δ’ ἀποσκευάσασθαι πρῶτον πάντων προέταττον, ὁπόσοις κατὰ τὸ δ­ ωμάτιον ἀναγκαίοις οὖσιν ἐχρῆτο, τοῦδ’ ἐπαγγειλαμένου ποιήσειν ὅσα προτάττοιεν· δεύτερον ἐπῆγον ἐπίταγμα· ἐν οἴκῳ τινὶ ζοφώδει παντάπασι μηδαμόθεν δεχομένῳ φῶς εἰσιὸν ἔξωθεν (110v) ὅτι τάχιστα ἑαυτὸν καθεῖρξαι ὡς ἐνταῦθα μυησόμενον τὰ ἀπόρρητα. Καὶ ὅτι χρὴ δρᾶν ἔνδον καθήμενον ὑφηγοῦντο τὸν τρόπον τοῦτον· “δεῖ σε, φησίν, ἐν τοιούτῳ δωματίῳ ἐπὶ μαλακῆς καθέδρας καθήμενον” – ὑπεδείκνυον δὲ καὶ σχῆμα καὶ μέγεθος καὶ διάθεσιν τοῦ σκίμποδος καὶ τὴν ὕλην ἐξ᾿ ἦς ἔδει παρασκευάσθαι – “εὐχήν τινα συντόνως ἐκμελετᾶν ἥ σε θεωρὸν ἀποδείξει τῶν ἀπορρήτων· καὶ ταύτην οὐχ ὡς ἔτυχεν οὐδ᾿ ἀπραγμόνως ποιεῖσθαι, ἀλλ᾿ ἐρείσαντα πρὸς τῷ στήθει τὸν πώγωνα, τὴν ὄψιν τείνειν ἐπὶ τὸν ὀμφαλὸν καὶ καθ᾿ ἡσυχίαν ἑαυτῷ συγγινόμενον τὴν εὐχὴν ὑποκατακλίνειν τῷ νῷ, ὥστ᾿ ἐπ᾿ αὐτῆς ἀκλινῶς ὀχεῖσθαι πρὸς ὅπερ δεῖ τέλος φερόμενον, τῴ δ᾿ εἰσπνεομένῳ διὰ τοῦ ῥινὸς πνεύματι τὴν εὐχὴν ταύτην ἐπιβιβάζειν· τὸ δὲ πνεῦμα ἕλκειν μὲν ἀεὶ σπεύδειν ἐπὶ τὰ ἔνδον, ὡς ἥκιστα δὲ ἐκπνεῖν, ὅπως μὴ κατὰ τὴν ἐκπνοὴν ἐξιόντος τοῦ πνεύματος ἥ τε εὐχὴ συνεξέλθῃ καὶ μετ᾿ αυτῆς ὁ νοῦς σκεδασθεὶς οἴχηται. Τούτου δὲ γεγονότος, ὄψει τὰ μείζω, προτελεσθεὶς τοῖς ταπεινοτέροις.” Den Hinweis auf diese Schrift verdanke ich Carlo-Maria Mazzucchi. 54   Angaben zum Leben des Gregor finden sich in seiner Vita, verfasst von seinem Schüler Kállistos, dem Patriarchen von Konstantinopel (Ed. И. Помяловский, Записки Историко-Филологического Факультета С. Петербурского Университета 35. St Petersburg 1896, p. 1–46). Eine Zusammenfassung bei Hisamatsu (E. Hisamatsu. Gregorios Sinaites als Lehrer des Gebets. Altenberge 1994, p. 21–45). 53  

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erst in der erwähnten Méthodos fassen.55 Interessant zu bemerken ist auch, dass in Indien wenig später das körper­betonte HaṭhaYoga fassbar wird. Das älteste bekannte Hand­buch ist die HaṭhaYoga-Pradīpikā eines Yogi Svātmārāma, wohl aus dem 15. Jh. Markos’ Texte sind auch unter anderen Gesichtspunkten auffällig: Er schreibt spirituelle Lebensanweisungen für eine Frau, was in der byzantinischen spirituellen Literatur eine große Seltenheit ist. Außergewöhnlich ist ferner, dass Markos sich auch um Laien gekümmert hat (vgl. Traktat B). Diese beiden Dinge werden spätere Hesychasten, allen voran Gregor vom Sinai, ebenso tun. Weiter bekommen wir durch Markos’ Schriften einen Einblick in die monastische Frömmig­keit des 13. Jhs. Wir erfahren insbesondere viel über den Jahresablauf der Gläubigen, ganz speziell über die Fastenvor­ schriften, bei denen sich zeigt, dass sich seither in der Orthodoxie kaum etwas geändert hat.56 Die Bedeutung der spirituellen Florilegien, einer Tradition, die Markos nach fast zwei Jahrhunderten wieder aufgriff, wurde schon oben behandelt (ab p. 13).

Zum Inhalt Anliegen des Markos ist, seiner Leserin und schließlich auch einem weiteren Publikum seine – d.h. für ihn die traditionelle – Sicht des vollkommenen christlichen Lebens mitzuteilen. Er richtet sich zwar in erster Linie an ein monastisches Publikum, doch wie schon der Titel von Traktat B zeigt, kümmerte er sich durchaus auch um Laien, die nach christlicher Vollkommenheit streben. Markos wurde offenbar von Irene sowohl mündlich als auch schriftlich gebeten, ihr “seelenerbauende Kapitel” (F, III, 1s.) zusammenzustellen. Der schmale Weg des Christen beginnt für Markos mit der Taufe und dem Glaubensbekenntnis als dem rechten Glauben Vgl. oben p. 17. Man findet Anleitungen zum heutigen orthodoxen Fasten leicht auf dem Netz, z.B. http://en.wikipedia.org/wiki/Fasting#Eastern_Orthodoxy_and_GreekCatholicism (Jan. 2013). 55  

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(vgl. A, I; B, I). Dieser Glaube zeugt die Gottesfurcht in der Seele (C, I), diese wiederum führt zu guten Taten. Die Haupttugen­den sind Fasten, Wachen und Beten (C, I.). Durch Andenken an den Tod und ununterbrochenes Gebet wird die Seele rein und fähig, in das Himmelreich einzugehen. Dieser Weg ist grundsätzlich derselbe für alle Christen: Nicht nur die Mönche sollen sich mühen, christlich zu leben (A, VII; B, VII), sie unterscheiden sich von den Laien lediglich durch Ehelosigkeit, Weltflucht und Fleischabstinenz (A, VII; B, VII). Das Christentum ist auch für Adlige, Bischöfe und Kaiser ernst zu nehmen und bein­haltet für alle dieselben Grundgedanken (A, XII). Der Mensch muss nämlich, um gerettet zu werden, den irdischen Menschen ausziehen (d.h. “die Leidenschaften, die bösen und fleischlichen Gedanken”, C, I, vgl. Kol. 3, 9) und dafür den himmlischen, der das Abbild Gottes (vgl. Gen. 1, 26) ist, anziehen. Alles im Leben (auch das Unangenehme) soll man als Entscheidung Gottes hinnehmen und ihm dafür dankbar sein (A, XII; B, VII). In den drei eigenen Traktaten gibt es vielfache Wiederholungen (vgl. die Tabelle auf p.  XXXf. in CCSG  72), da der Autor ver­schiedenen Adressaten dasselbe christliche Leben beschreibt. Den meisten Raum nehmen die Bestimmungen für das Fasten sowie für das ununter­brochene Gebet ein. Im Folgenden seien die wichtigsten orthodoxen Fastenvorschriften zusammen­gefasst, um dem Leser das Verständnis zu erleichtern.

Das orthodoxe Fasten Die von Markos beschriebenen Fastengebote werden größten­teils in der heutigen Orthodoxie ebenso gehandhabt (soweit sie noch eingehalten werden). Grund­sätzlich wird am Mittwoch und am Freitag gefastet, da an diesem Judas den Herrn verkauft hat und an jenem die Kreuzigung war.57 An diesen Tagen darf erst nach

So z.B. Historia monachorum in Aegypto 8, 364  –  Ed. Festugière. Es mag auch ein mehr oder weniger bewusster Kontrast zu den jüdischen Fastentagen Montag und Donnerstag vorliegen. 57  

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der Neunten Stunde trocken58 die einzige Mahlzeit des Tages gegessen werden (denn Jesu Tod war zur neunten Stunde, Mt.  15, 34); dass auch am Montag die Neunte Stunde einzuhalten sei, geht nicht aus den Vätern hervor: Die Apostolischen Konstitutionen (7, 23) sprechen sogar deutlich gegen das Fasten am Montag, das mit den jüdischen Fasttagen Donnerstag und Sabbat zusammen ablehnend erwähnt wird. Markos empfiehlt es aber, ebenso wie auch gewisse spätere Hesychasten.59 Besondere Vorschriften zur Aufhebung des Fastens gibt es für Feiertage, insbesondere an den Herren­festen.60 Wie in konkreten Fällen vorzugehen ist, bespricht Markos passim in den Traktaten, am ausführlichsten in B, III. Dann gibt es Fastenzeiten, am wichtigsten die vierzigtägige vor Ostern. Sie heißt die große und heilige Fastenzeit und hat ihre Wurzeln in apostolischer Zeit (vgl. Mt. 9, 15). Doch wohl erst im frühen 4.  Jh. setzte sie sich als vierzigtägige durch, erstmals im 5. Kanon der ökumenischen Synode von Nicaea (AD 325) fixiert. Als Vorbild dazu diente das vierzigtägige Fasten von Mose (Ex. 34, 28), Elias (I Reg. 19, 8) und Christus (Mt. 4, 2). Diesen 40 Tagen folgt als speziell heilig die Karwoche, in ihr sind die Fastenvorschriften besonders streng. Später wurden zwei weitere Fastenzeiten eingeführt, eine vor Peter-und-Paul (29. Juni) und eine vor Weihnachten. Diese Fastenzeiten mögen auf das syrische Mönchtum des 6. Jh. zurückgehen, der erste sichere Beleg findet sich allerdings erst bei Athanásios Athônítês (10. Jh., der Gründer des ältesten Athosklosters). Dazu kam schließlich noch eine vier58   ‘Xerophag’, d.h. keine tierische Nahrung und kein Öl, erlaubt sind Brot, Salz und Gemüse. Dazu soll man ‘Wasser trinken’, d.h. sich des Weines enthalten. 59   Z.B. die Xanthopouloi, Μέθοδος καὶ κανὼν ἀκριβῆς 31 (in ΕΠΕ 21, 296). 60   In den Listen der Herrenfeste gibt es kleine Unterschiede. So rechnet Markos, in C, III, die Feste des Johannes des Täufers auch dazu. Die auch heute noch gültige Liste umfasst: Geburt der Gottesgebärerin: 8.  September – Kreuzerhöhung: 14. September – Tempelgang der Gottesgebärerin: 21. Dezember – Geburt Christi: 25. Dezember – Epiphanie: 6. Januar – Darstellung Christi (katholisch: Mariä Lichtmess): 2. Februar – Mariä Verkündigung: 25. März – Christi Einzug in Jerusalem: Palmsonntag – Auffahrt Christi: 40 Tage nach Ostern – Pfingsten: 50 Tage nach Ostern – Verklärung Christi: 6. August – Mariä Himmelfahrt: 15. August.

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te Fastenzeit im August, vor Mariä Himmelfahrt, welche heute zwei Wochen dauert.61 Für eine Zusammenstellung der Namen der einzelnen Wochen und Sonntage der Fastenzeit, die Markos gelegentlich verwendet, sei auf die Edition p. XXXI–XXXII verwiesen.

Das Gebet Das Ziel für Markos ist möglichst ununterbrochenes Wieder­ holen der oben erwähnten hesychastischen Formel “Κύριε Ἰησοῦ Χριστέ, υἱὲ τοῦ θεοῦ, ἐλέησόν με”, was aber nicht unbedingt immer laut geschehen muss, sondern auch mental geschehen kann (F, XV, 21f.). Dies lehrt Markos anhand des oben (p. 17) erwähnten Briefes an die Mönche. Das Ziel ist die Vereinigung des Geistes (noûs) mit Gott, wobei alle die Meditation störenden Gedanken als teuflisch betrachtet werden.62 Das ständige Wiederholen führt zur Nüchternheit (nêpsis), die zusammen mit dem ‘Andenken an den Tod’ zur Erlösung führt. Die meditative, ununterbrochene Art des Gebetes ist für Markos die zentrale, doch sind ihm auch Kniebeugungen und gegenseitige Fürbitten (gemäß Jak.  5, 16) wichtig. Wiederholt drückt Markos zum Abschluss Wünsche für die Empfänger seiner Schriften in Gebetsform aus. Immer handelt es sich dabei um Variationen aus den Paulusbriefen, insbesondere I Tim. 2, 4 und Eph. 6, 14. Die Stellen sind: F, XLII (an Irene); E (Brief an Irene); A, IX (an Irene); A, XVIII (an Irene); B, X (an den Laien); B, XIII (an den Laien); C, XVII (an die Nonne); C, XXII (an die Nonne); C, XXV (an die Nonne).

61   Vgl. zu den Fastenzeiten V. Grumel. Traité d’Études Byzantines. i. La Chronologie. Paris 1958 und H.-G. Beck. Kirche und theologische Literatur im Byzantinischen Reich. Handbuch der Altertums­wissenschaften XII, 2, 1. München 1959, p. 253–262. 62   F, XIII, Zitat vom Anfang des Briefes (Z. 2–4): “Denn jeder Gedanke, der den Geist (noûs) von Gott trennt, auch wenn er gut zu sein scheint, ist ganz teuflisch, um nicht zu sagen, er ist des Teufels” (Πᾶς γὰρ λογισμὸς χωρίζων νοῦν ἀπὸ τοῦ θεοῦ, εἰ καὶ δοκεῖ ἀγαθὸς εἶναι, ἀλλ᾿ ὅλος διάβολός ἐστιν, ἵνα μὴ εἴπω τοῦ διαβόλου ἐστίν).

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Zitate Markos will auch in seinen “eigenen” Werken nicht sein Eigenes schreiben, folglich besteht ein Großteil des Textes aus Zitaten. Aus der Bibel werden folgende Bücher am meisten zitiert: Psalmen und Sprichwörter aus dem Alten Testament, die auch in der Liturgie besonders wichtig sind. Ebenfalls häufig kommen Zitate aus dem Deuteronomium vor, in dem viele Gebote und Ermahnungen an das Volk Israel enthalten sind. Von den Evangelien ist jenes von Matthäus bei weitem das meistzitierte. Auch häufig werden die Paulinischen Briefe erwähnt (in diesen findet sich ja auch die hesychastische Anweisung par excellence “betet ununterbrochen”, I Thess. 5, 17). Von den Vätern werden die Apophthegmata, Basilius, Gregor von Nazianz, ‘Nilus’, Maximus und Johannes Klímakos am meisten zitiert, dazu auch oft die Constitutio Apostolorum. Viel Platz bekommen auch die syrischen Väter Ephraem und insbeson­dere Isaak von Ninive.63 Spätere Autoren werden nur selten namentlich zitiert: Nikólaos von Kerkyra, Nikólaos Mystikós und Níkon vom Schwarzen Berg (der Florilegienverfasser von oben). Sehr ähnliche Autoritäten werden auch die Xanthó­pouloi in ihrem Hesychasmus-Handbuch anderthalb Jahrhun­derte später zitieren.64

Zusammenfassung des Inhalts Das Florilegium Der Titel zeigt den Anlass der Niederschrift des Werkes auf: Die spirituelle Erbauung Irenes, der Schwester des Kaisers Michael VIII. Palaiológos. Eventuell hat Markos ihr das Manuskript bei

63   Wenig später empfiehlt Gregor vom Sinai ganz ähnlich wie Markos speziell die Lektüre von Klímakos, Maximus, Symeon dem Neuen Theologen und Isaak von Ninive (De quietudine et duobus modis orationis 11 [PG 150, 1324D]). 64   Vgl. die Übersetzung mit Zitatnachweis von Amann.

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ihrem Klostereintritt übergeben.65 Der Prolog besteht aus einer Mahnung, dass Mönche oder Nonnen nicht ins Weltleben zurückkehren sollen und enthält zwei Verse aus Elías Ékdikos (fl. um 1100), die auch als Maximusverse bekannt waren. Der Epilog des Florilegiums besteht aus Maximus-Versatzstücken. Mit ihm will Markos in erster Linie seine Unwürdigkeit für die hohe Aufgabe, die Schwester des Kaisers spirituell zu belehren, unterstreichen, darüber hinaus betont er seine Abhängigkeit von der orthodoxen Tradition. Markos beginnt sein Florilegium mit den Zielen des geistlichen Lebens: Er erklärt Absicht und Vorgehensweise der Weltflucht, untermauert mit vielen Bibelzitaten. Er schließt aus den zitierten Stellen, dass das Wesen des Mönchsstandes voll­kommene Weltflucht und ‑tötung ist (F, I, 105f.). Genauer sieht Markos drei Stufen: Flucht, Erlangung der Tugenden und wachsames Standhalten in der Leidenschaftslosigkeit und Tugend (F, I, 105f.). Etwas später beim Kommentieren einer Isaak­stelle nennt Markos die “Werke des Mönchsstands”: Freiheit von weltlichen Dingen, die Mühen des Gebets und das ununter­brochene Andenken an Gott im Herzen zu tragen (vgl. F, II, 35–37). Es folgt ein kurzes Kapitel, das die Entstehung der Schriften von Markos erklärt: Er erhielt sowohl eine mündliche Aufforderung von Irene als auch eine schriftliche Bitte, ihr “seelenerbauende” Aussprüche zusammenzustellen (F, III, 1–4). Markos erfüllt die Bitte, da Irene sich ernsthaft um das christliche Leben bemühe, und schreibt für sie dieses Florilegium (und offenbar später auch noch das größere). Ab Kapitel IV beginnt das eigentlich Florilegium, um mit Väterstellen das Gelehrte genauer auszuführen, zu illustrieren und einzuschärfen. Markos baut die Stellen­sammlung nach Themen auf, wobei er sich jedoch manchmal verleiten lässt abzuschweifen. Die Hauptthemen sind im detaillierten Inhaltsverzeichnis aufgeführt (p. 5–6). 65   Die Schrift richtet sich nämlich an Leute, die der Welt entsagen (ἀποταξά­ μενοι), also Mönche und Nonnen; Eulogía wird im Titel als “Nonne” bezeichnet. Der anschließende Widmungsbrief (E) hingegen geht aber noch davon aus, dass Irene noch nicht definitiv im Kloster ist (vgl. Zeile 20f.).

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Markos’ Zitierweise reicht von wörtlich über stark kürzend bis zu bloßer Paraphrase. Häufig fügt er auch seine eigenen Kommentare hinzu, diese sind aber meistens am Ende eines Paragraphen zu finden und mehr oder weniger deutlich als Kommentare erkennbar. Sie sind normalerweise verständnis­fördernd, allerdings sind seine Satzperioden manch­mal etwas kompliziert – “byzantinisch” – und somit oft auch stilistisch zu erkennen. Leider gibt es von den wenigsten zitierten Texten kritische Ausgaben, und wir wissen meist nicht aus welcher Texttradition Markos zitiert. Folglich ist es oft nicht mit Sicherheit eruierbar, wie genau er seiner Quelle folgt. Zweimal kompiliert Markos auch selber Kommentare, einmal zum Vaterunser und einmal zum Predigerbuch. In einigen Fällen, insbesondere zum Fasten, scheint Markos die Dinge in eigenen Worten zusammen­zufassen.

Widmungsbrief E an Irene Dieser Brief, der als Begleitschreiben dem Florilegium beige­fügt ist (er folgt in der einzigen Handschrift direkt auf dieses, auf dessen letzter Seite beginnend und von derselben Hand), enthält vor allem Anweisungen, wie mit diesem nun umzugehen sei. Markos betont, dass darin der Weg des Lebens (Ex.  24, 16) skizziert sei, dazu folgt eine Aufforderung, man solle sich von den Geboten Bücher machen und diese immer bei sich tragen, was dann begründet wird. Furcht (vgl. l. 25–34) vor den weltlichen Verwandten Irenes scheint dabei mitzu­spielen (welche den Einfluss der Kirche auf die Schwester des Kaisers bestimmt nicht gerne sahen). Danach erinnert Markos an Arsénios als Vorbild für den wahren Asketen und Weltflieher, den er schon im Florilegium als Vorbild besprochen hatte (F, III, 47–95). Wichtiges Schrift­zeugnis zur Weltflucht ist die Geschichte vom reichen Jüngling (Mt. 19, 21). Zum Schluss wünscht Markos Irene Erfolg in ihrem (künftigen?) geistlichen Stand66 und mahnt noch einmal zur wichtigsten Mönchstugend: der Demut.

66  

Diesen hat sie offenbar gehabt: Sie starb als Nonne.

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Traktat A an Irene Diese Schrift ist eine Zusammenfassung des christlichen Weges, wieder an Irene gerichtet. Die Überschrift nennt zunächst das Ziel der Askese: jene im ersten Korintherbrief (2, 9) erwähnten überweltlichen Freuden.67 Der Prolog besteht aus einer Anein­ anderreihung von Psalmstellen. Es folgt die Betrachtung des rechten Glaubens mit dem Glaubensbekenntnis des Damasceners. Auf die Taufe folgen Pflichten: Die christlichen Gebote, zuerst Fastengebote §3–4, dann Betrachtungen zum Gebet, wobei vor allem betont wird, dass es ununterbrochen sein soll. Auch wichtig seien Kniebeugungen beim Rezitieren eines kurzen hesychastischen Gebets (dasjenige des Zöllners in Lk. 18, 13).68 Dann werden die Gebetsstunden kurz behandelt. Ab §7 bringt Markos Belegstellen für das Gelehrte und nimmt so die Idee, eigentliche Florilegien zu verfassen, vorweg. Dazwischen wird auf den Einwand, diese Gebote gälten nur für Mönche, eingegangen (u.a. mit dem 69. Kanon der Apostel). Die Schwierigkeit des christlichen Weges zur Rettung wird betont.69 Nach einer Wiederaufnahme des Themas Fasten betont Markos allerdings, dass Gottesverehrung wichtiger als alle Taten ist. Als Ende des Traktats fügt Markos eine Zusammenfassung der Gebote an (§10–17), wobei er weitgehend dem Vorbild der Constitutiones Apostolorum (bzw. genauer Pseudo-Anastásios vom Sinai, der dies auch schon tat) folgt. Viele Bibelstellen belegen und betonen besonders die Barmherzigkeit und das Ausharren. Dann folgt eine Aufforderung, mit dem Satan zu brechen, bei welcher Gelegenheit ein Sündenkatalog, beides Nikólaos Mystikós folgend, aufgezählt wird. Nach einer Ermahnung zur Unter­ordnung 67   Die Paulus offenbar in seiner Entrückung in den “dritten Himmel” erfuhr (II Kor. 12, 2 und Apg. 9). 68   Laien sollen mind. 30 pro Tag machen (so A, V und B, V) – Mönche hingegen mehr: 12 oder 15 pro Gebetsstunde in C, XI (je nachdem ob Fastenzeit ist oder nicht), gar 300 pro Tag in F, XXVI. Die Anzahl scheint nicht kanonisch fixiert zu sein, doch findet man die Zahl 15 für Mönche und Nonnen in einigen Typika. Heute sind auf dem Athos mind. 100 pro Tag Pflicht (A. Amand de Mendieta. Le Mont-Athos. Paris 1955, p. 155–157). 69   Wobei konziliantere Stellen wie Mt. 19, 26 keinerlei Erwähnung finden.

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der Frau unter ihren Ehemann (nach dem Apostel Paulus) betont Markos zum Schluss noch einmal die Wichtigkeit des ununterbrochenen Gebets und diejenige des Einhaltens der Gebote. Die mortificatio und Askese soll dabei nicht von der Sündhaftigkeit eines Menschen abhängen, sondern ist für alle gleichermaßen nötig. Im abschließenden Gebet bittet Markos die Engel des Herrn um Hilfe für Irene. Markos scheint diesen Traktat noch vor dem Klostereintritt Irenes geschrieben zu haben, denn ihr Mann wird als am Leben vorausgesetzt, da sie sich ihm wie dem Herrn unterordnen soll (A, XIV). Den etwas kürzeren und deshalb eher vorher ge­schriebenen Traktat B mag der Autor hier erweitert und, Irene gewidmet, wiederverwendet und ihn schließlich, nach Abfassen der Florilegien, in der Handschrift C angehängt haben.

Traktat B an einen Laien Markos schreibt an einen Laien, der sich für die wahrhaft christliche Lebensweise interessiert. Im Prolog werden die wichtigsten Punkte genannt: “Tugendvolles Leben, rechter Glaube und Lebensführung das ganze Jahr über”. §2 behandelt wieder das Glaubensbekenntnis des Damasceners, also den rechten Glauben. Danach bespricht Markos das Fasten, das seine Rechtfertigung durch die gierige Tat Adams erfährt und mit einem kernigen Wort des Basilius eingeleitet wird. Es folgen Einzelheiten §3–4. Im fünften Paragraphen geht Markos dann auf das rechte Beten ein: Wichtig dabei ist vor allem, dass es ununterbrochen ist. Danach folgen (§6–8) diverse asketische Gebote, insbesondere über Keuschheit, gute Taten und Barmherzigkeit, sowie eine Ermahnung zum Ausharren (§9) und ein Epilog mit Mahnungen zum ernsthaften Ausführen des Gesagten. In §13 beschließen eine Aufforderung um Fürbitten für den Autor sowie ein Ausblick auf den seligen Zustand das Werk. Dieser Traktat ist dem vorigen [A], der in einigen Punkten aber ausführlicher ist, sehr ähnlich. Man mag also vermuten, dass B älter ist als Markos’ Werke an Irene. Dazu würde gut passen,

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dass die Texte des Markos so von B über A zu F70 immer weiter anwachsen.

Traktat C, Typikon für Nonnen Bei diesem Traktat handelt es sich um eine Art Nonnenregel, die sich von den anderen Werken deutlich dadurch unter­scheidet, dass längere Zitate selten sind. Im Gegensatz zu den beiden vorigen ist er an ein monastisches Publikum gerichtet (und zwar Nonnen, wie die Flexions­endungen zeigen). Die Vorschriften sind aber nicht wesentlich anders, da Markos überzeugt ist, dass die Gebote des Christentums für alle Getauften gelten, die Mönche und Nonnen darüber hinaus lediglich noch auf Fleisch, Ehe und die “Welt” verzichten. Diese Schrift ist in kurze Kapitel zu den wichtigsten Punkten des christlichen Lebens eingeteilt. Zunächst behandelt sie das Fasten (§2–5), dann die Nüchternheit, das Schweigen und das ununterbrochene Gebet (§6–8). Es folgen Anweisungen, wessen Gesellschaft die Nonne meiden soll, über die genaue Beichte und über die Kniebeugungen. Danach kommt Markos in §12–16 ausführlicher auf die Fastenvorschriften zu sprechen. §17 ist eine Art Schluss, doch kommt Markos schließlich noch einmal auf das Ausharren im Glauben, das Gebet und die Völlerei zurück, wobei eine längere Mahnrede des Nazianzeners zitiert wird. Es folgen ein kurzes Gebet, eine kurze Zusammenfassung sowie noch ein Gebet. Man könnte versucht sein zu vermuten, dass diese Schrift an die Nonne Irene Eulogía gerichtet war, doch wären wohl stan­ desgemäße Anreden und dergleichen zu erwarten. Falls sie es doch wäre, müsste sie nach ca. 1257–1261 – als Irene ins Kloster eintrat – geschrieben sein. Sonst können wir leider nichts über die Abfassungsumstände dieses interessanten Dokuments sagen.

Epilog des Codex C Im Epilog, der offenbar Autograph des Autors ist, erfahren wir einiges über ihn: Er scheint in fortgeschrittenem Alter zu stehen 70  

Und dann wohl noch weiter zum großen Florilegium.

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und gesundheitliche Probleme zu haben, so dass er die Handschrift nicht mehr eigenhändig schreiben konnte. Er lebte offenbar “bis vor kurzem” zurückgezogen (Zeile 1), hat aber Irene schon länger geistlich beraten (F, III, 4f.), und ist dann zur Überzeugung gekommen, dass er auch für Andere nützlich sein kann, indem er diese Handschrift zusammenstellt. Zum Schluss bittet Markos um Fürbitten für sich, der Anweisung des Herrenbruders (Jak. 5, 16) folgend. Man vergleiche das Facsimile dieser Seite auf p. XLIII in der Edition.

Vorgehensweise Die Übersetzung versucht in akzeptablem Deutsch nahe beim griechischen Original zu bleiben, erläuternde Zusätze stehen in eckigen Klammern. Zitierte Bibelstellen sind im Text, sonstige Zitate in Fußnoten nachgewiesen, wo sich auch die nötigsten Erklärungen zum Inhalt finden. Gemäß den Vorgaben der Reihe sind einzelne griechische Wörter im Text und in allgemeinverständlichen Fußnoten transkribiert, wobei der Zirkumflex für die ehemals langen Vokale Eta und Omega (die in byzantinischer Zeit aber wie normales i und o gesprochen werden) und für die griechische perispoménê steht. Die Seitenzahlen des griechischen Texts in CCSG sind am Seitenrand gedruckt. Der Band wird durch ein Bibelstellen-, ein sonstiges Quellen- und ein Sach- und Personenregister erschlossen. Kirchenväter werden in ihrer gebräuchlichen lateinischen Namensform genannt, byzantinische Autoren hingegen in Transkription ihres griechischen Namens (mit Ausnahme der eingebürgerten Johannes, Michael und Irene; bei Márkos wird auf den Akzent verzichtet). Der Autor möchte dem anonymen Lektor des Verlages herzlich für seine Verbesserungsvorschläge danken.

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Abkürzungen C V P R

Vaticano, BAV, Chisianus gr. 27 – wohl AD 1266 (vom Autor selbst diktiert) Roma, Bib. Vallicelliana, gr. 67 (= E21) – 14. Jh. Paris, BnF, suppl. gr. 1277 – 13. Jh. Vaticano, BAV, Reginensis gr. 48 – 14. Jh.

A-F

Die Texte des Markos (Details in der Einleitung)

LXX zentriert

Septuaginta (das griechische Alte Testament) Rubriken der Haupthandschrift C

Abgekürzte Reihen und Nachschlagewerke CCSG CPG

DSAM

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Corrigenda

Folgende Fehler in CCSG 72 sind zutage getreten: – Seite 3, F, I, 5 ἀποδραμόντα ist zu verstehen – Seite 5, F, I, 33 Ἃ fehlt am Anfang der Zeile – Seite 47, F, XXII, 48 μεγάλη nicht με γάλη – Seite 92, F, XXVIII, 29 Ἢ der Handschriften sollte zu Ἣ korrigiert werden – Seite 94, F, XXXIX, 28 Ἢ fehlt am Anfang der Zeile – Seite 123, A, IX, 25 βαρυνθῶσιν der Hs. ist zu korrigieren in βαρηθῶσιν – Seite 128, A, XIII, 13f. statt αἰσχροκαρδία eher αἰσχροκερδία zu lesen – Seite 164, C, X, 5 ἤ τινα nicht ἤτινα – Seite 168, C, XIII, 9 λῦσον nicht λῦσε – Seite 172, C, XVIII, 10 καρδία nicht καρία. Die Zeilenzählung der neuen Isaak von Ninive Edition von Marcel Pirard, die zur Zeit der Publikation von CCSG 72 noch nicht gedruckt war, hat sich beim Druck noch geringfügig geändert, die neuen, richtigen Zahlen sind in diesem Band angegeben.

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Florilegium für Irene Palaiologína

Florilegium für Irene Palaiologína,

Asketischer Traktat für Männer und Frauen, die der Welt entsagen und in der Ruhea Gott gefallen wollen Ichb wurde für die Nonne Herrin Eulogía – die leibliche Schwester des ehrwürdigsten Herrn Kaisers Michael Palaiológos – angefertigt Verse Eine Quelle verströmend das Labsal ethischer Worte wirst du hier finden, wenn du ihm ernsthaft nachgehst:c

Ich gebe den Terminus technicus hêsychía und das zugehörige Verbum hêsycházô mit Ruhe und ruhen wieder. Näheres dazu findet man in der Einleitung, p. 18. b   Das Florilegium spricht hier in der ersten Person von sich selber. Es könnte sich aber auch einfach um eine Fehlschreibung handeln, die erste und dritte Person unterscheiden sich in diesem Fall nur durch ein auslautendes -n. c   Elías Ékdikos, Anthológion, im Titel, PG  90, 1401–1462 (ed. Combefis – fälschlich unter dem Namen des Maximus) und PG 127, 1127–1176 (aus der Philokalía des Nikódêmos Hagioreítês, Venedig, 1782, p. 529–548; Athen, 1893, t. 1, p. 375–390). Das wenige, das zu diesem Autor bekannt ist, bei Rigo (A. Rigo. Mistici bizantini. Torino 2008), ab p. 187. a  

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Asketische schriften des Mönchs Markos

zusammengefasste Worte aus den göttlichen Schriften ausge­ wählt und zusammengestellt zu verschiedenen Themen.

4

{F, I} Über die Entsagunga der Welt Prolog Es ist zu wissen, dass Männer oder Frauen, die der Welt entsagt haben und zum Leben – oder vielmehr der Kampfbahnb – der Mönche übergelaufen sind,c zumindest wenn sie wegen Gott entsagt haben,d nicht wieder in die Welt zurückkehren dürfen, um sich um weltliche Dinge zu kümmern oder sich ihrer Verwandten anzunehmen. Aus dem Matthäusevangeliume Denn der Herr spricht: Wer seine Hand an den Pflug legt und sich zurückwendet, ist nicht tauglich für das Himmelreich (Lk. 9, 62); und: Wenn einer zu mir kommt und nicht seinen Vater und die Mutter und die Frau und die Kinder und die Brüder und die Schwestern hasst, sogar auch seine eigene Seele, kann er nicht mein Damit beginnt auch die Scala paradisi des Johannes Klímakos. Solche Wettkampfmetaphorik findet sich bei Asketen häufig; schon Paulus bezeichnete seine Bemühungen oft als Wettkampf (ἀγών). c   Der Autor übernimmt versehentlich den Nominativ (ἀποδραμὼν) aus Symeon statt Akkusativ (ἀποδραμόντα), wie seine Konstruktion erfordern würde. Hs. P korrigiert richtig (fälschlich mit Omega), was ich in CCSG übersehen hatte. d   Bis hier Zitat, dann Paraphrase aus Symeon dem Neuen Theologen, Catecheses 26, l. 6–13 (SC 113): “Brüder und Väter, jeder Mensch, der eben der Welt und allem in ihr entsagt hat und zu diesem Leben und der Kampfbahn der Mönche übergelaufen ist, zumindest wenn er wegen Gott entsagt hat und sich entscheidet, die Kunst der Künste zu erlernen, und nicht will, dass sein Rückzug von der Welt eitel wird, muss von Anfang an mit gänzlicher Bereitwilligkeit und glühendem Vorsatz alles zur Tugend gehörige eifrig tun.” (Ἀδελφοὶ καὶ πατέρες, πᾶς ἄνθρωπος ὁ ἄρτι τῷ κόσμῳ καὶ τοῖς ἐν κόσμῳ πᾶσιν ἀποταξάμενος, ἐπὶ δὲ τὸν βίον τοῦτον καὶ τὸ στάδιον τῶν μοναχῶν ἀποδραμών, εἴ γε διὰ Θεὸν ἀπετάξατο καὶ τὴν τέχνην τῶν τεχνῶν ταύτην μαθεῖν αἱρεῖται καὶ μὴ εἰς κενὸν βούλεται γενέσθαι τὴν ἀπὸ τοῦ κόσμου αὐτοῦ ἀναχώρησιν, ἐξ αὐτῆς ἀρχῆς μετὰ προθυμίας πάσης καὶ θερμοτάτης προθέσεως τὰ τῆς ἀρετῆς σπουδαίως ὀφείλει ποιεῖν.) e   Eigenartigerweise folgen v.a. Lukaszitate in diesem Abschnitt. a  

b  

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Florilegium (F), I

Jünger werden (Lk. 14, 26); und: Wer nicht sein Kreuz ergreift und mir nachfolgt, kann nicht mein Jünger werden (Lk.  14, 27); und abermals sagt er: Keiner unter euch, der nicht all seinem Besitz entsagt, kann mein Jünger werden (Lk. 14, 33). Jeder also, der das Himmelreich erben will, soll sich Gewalt antun mit den Geboten des Herrn – wie er wiederum sagt: Das Himmelreich leidet Gewalt und die Gewalt tun reißen es an sich (Mt. 11, 12); und: Gehet ein durch die enge Pforte, denn weit ist die Pforte und breit der Weg, der ins Verderben führt, und viele sind es, die durch sie eingehen. Wie eng die Pforte und betrüblich der Weg, der zum Leben führt, und nur wenige finden ihn! (Mt. 7, 13) Aus dem Johannesevangelium Daher sagt er und bestätigt damit alle Worte, die er im Evangelium sprach: Wer mich verwirft und meine Worte nicht annimmt, hat seinen Richter gefunden: Das Wort, das ich gesprochen habe, es wird ihn richten am Jüngsten Tag; denn ich habe nicht aus mir selbst gesprochen, sondern der Vater, der mich gesandt hat, der hat mir geboten, was ich sagen und was ich sprechen soll; und ich weiß, dass sein Gebot ewiges Leben ist. Wasa ich rede, rede ich also, wie mir der Vater gesagt hat (Joh. 12, 48–50). Du siehst, dass wir alle durch das Evangelium beziehungsweise die Gebote des Herrn gerichtet werden müssen. Als er nämlich seine Jünger zur Verkündigung aussandte, sprach er: Gehet nun hin und machet alle Völker zu Jüngern, indem ihr sie tauft auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und sie lehrt alles einzuhalten, was ich euch geboten habe! (Mt. 28, 19) Vom hl. Jakobus dem Herrenbruder Wir werden alle erschaudern, wenn wir bedenken, dass, falls uns [auch nur] ein Einziges fehlt,b wir nicht vollkommene Sklaven Christi sind; alles einzuhalten wird nämlich von uns gefordert! Deshalb sagt der hl. Jakobus der Herrenbruder: Was nützt Druckfehler. Bei der Formatierung des Textes ist hier ein Ἃ verschwunden. Bis hier vgl. Basilius, Sermones de moribus, Predigt  7: Über die Sünde (PG 32, 1213B) gleich nach der Stelle, die Markos unten (A, XVII) zitiert. a  

b  

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Asketische schriften des Mönchs Markos

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es, meine Brüder, wenn jemand sagt, er habe den Glauben, aber keine Werke [vorzuweisen]? Kann etwa sein Glaube ihn retten? (Jak. 2, 14) Und er fährt fort: Seid also Gott untertänig; widersteht aber dem Teufel, so flieht er von euch; nähert euch Gott, so wird er sich euch nähern. Habt reine Hände, ihr Sünder, und die Herzen keusch, ihr Wankelmütigen! Fühlt euer Elend und trauert und weint; euer Lachen kehre sich in Traurigkeit und eure Freude in Niedergeschlagenheit. Demütigt euch vor dem Herrn, damit er euch erhöhe (Jak. 4, 7–10). Dann sagt er vorwurfsvoller: Ihr Ehebrecher und Ehebrecher­innen, wisst ihr nicht, dass die Freundschaft der Welt Feindschaft gegen Gott ist? Wer ein Freund der Welt sein will, erweist sich als Feind Gottes (Jak. 4, 4). Vom hl. Gregor dem Theologen Denn nicht nur die mit dem Körper begangene Sünde wird als Hurerei und Ehebruch bezeichnet, sondern vielmehr noch [jegliche] Überschreitung der Gebote Gottes und des Herrn; es steht nämlich geschrieben: Sie hurten in ihrer Lebensweise (Ps. 105, 29).a

7

Rede und Lehre des hl. Apostels Petrus Auch der hl. Apostel Petrus sagt: Geliebte, ich fordere euch als Heimatlose und Fremdlinge auf, euch der fleischlichen Begierden zu ent­halten, die gegen die Seele zu Felde ziehen (I Petr. 2, 11). Und er fährt fort: Demütigt euch unter die mächtige Hand Gottes, dass er euch erhöhe zur rechten Zeit; werft alle eure Sorgen auf ihn, denn er ist besorgt um uns! Seid nüchtern, wachet! Denn unser Widersacher, der Teufel, geht um wie ein brüllender Löwe, auf der Suche, wen er verschlingen kann – ihm widersteht standhaft im Glauben! (I Petr. 5, 6–8) Vom hl. Apostel und Evangelisten Johannes dem Theologen Ebenso sagt auch der [vom Herrn] geliebte Johannes der Theologe: Wer sagt: “Ich liebeb Gott”, und seine Gebote nicht hält, ist ein Lügner und in ihm ist die Wahrheit nicht (I Joh. 2, 4). Wer da sagt, Gregor von Nazianz, Oratio 37, 19, 1–5 (entspricht PG 36, 304C). Im Johannesbrief steht: Wer sagt: “Ich habe ihn erkannt (ἔγνωκα), ...”.

a  

b  

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Florilegium (F), I

dass er in ihm [sc. Christus] bleibe, muss selbst auch so wandeln, wie er gewandelt ist (I Joh. 2, 6). Und er fährt fort: Liebt nicht die Welt, noch was in der Welt ist! Wenn einer die Welt liebt, ist die Liebe zum Vater nicht in ihm; denn alles, was in der Welt ist – des Fleisches Begierde, der Augen Begierde und die Hoffart des Lebens – ist nicht vom Vater, sondern aus der Welt. Und die Welt vergeht mit ihrer Begierde; wer aber den Willen Gottes tut, bleibt in Ewigkeit! (I Joh. 2, 15–17). Vom Apostel Paulus Ähnlich sagt auch der hl. Apostel Paulus: So sind wir, Brüder, nicht dem Fleisch verpflichtet, um nach dem Fleisch zu leben; denn wenn ihr nach dem Fleisch lebt, werdet ihr sterben; wenn ihr aber durch den Geist die Taten des Leibes tötet, werdet ihr leben! Denn diejenigen, die durch den Geist Gottes geleitet werden, die sind die Söhne Gottes (Rom.  8, 12). Und abermals sagt er: Niemand, der Kriegs­dienst leistet, verwickelt sich in die Angelegenheiten des Lebens, um dem zu gefallen, der ihn angeworben hat (II Tim. 2, 4); und: Wer wetteifert, ist in allem enthaltsam; (I Kor. 9, 25); und er fährt fort: Durch viel Trübsal müssen wir ins Himmelreich eingehen! (Apg. 14, 22) Und überhaupt die gesamte [heilige] Schrift lehrt jeden Getauften die Welt zu hassen, aber viel mehr noch uns Mönche;a denn von uns wird bezüglich der göttlichen Gebote größere Genauigkeit gefordert, wie Besitzlosigkeit, Jungfräu­lich­keit, Enthaltsamkeit (nicht nur der sündigen Taten sondern auch der Leidenschaften selbst, d.h. der verborgenen Begierden der Seele), die Sinne zu zügeln und nichts Böses zu Tun, die Gedanken (logismoí) zu reinigen, ohne Unterbruch zu beten (I Thess. 5, 17) und alle uns widerfahrende Drangsal dankbar zu ertragen.b Zu verleumden aber oder zu lästern, oder zu fluchen, oder zu ver­urteilen oder

a   Bei den ‘Mönchen’ (μοναχοί) sind Nonnen, wie die Adressatin Irene, natürlich immer mitgemeint. b   Schon Markos der Eremit (frühes 5. Jh.) gibt eine ähnliche Liste von Mönchs­ pflichten (De paenitentia VII, 2–4, p. 234), doch ohne dass eine direkte Abhängig­ keit unseres Markos nachweisbar wäre.

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Asketische schriften des Mönchs Markos

9

(F), I–II einen Getauften ‘Dummkopf ’ zu nennen, ist jedem Getauften verboten, wie viel mehr also den Mönchen! Soviel dazu: Wie es unsere Bildungsfernea erlaubte, so haben wir es umrissen. Freilich muss man zu solchen [Worten] auch aus den Worten der hl. Väter die Belege hinzufügen, damit wir, so Gott will, aufzeigen können, dass der Mönchsstand nichts anderes ist als die vollendete Weltflucht und -abtötung. Denn so besteht unser erster Wettkampf darin, aus der Welt zu fliehen und nach Kräften die Leidenschaften zu besiegen, der zweite Kampf die Tugenden zu erlangen, das dritte Wettrennen unseres Väterweges ist nüchtern und wachsam zu bewahren, was wir zusammen­getragen haben. {F, II} Zuerst nun verkündet der gemeinsame Lehrer aller, der mit göttlicher Weisheit erfüllte Johannes (ich meine den der Leiterb), Folgendes: Wer wahrhaftig den Herrn zu lieben lernte, wer wahrhaftig das kommende Reich zu erreichen suchte, wer wahrhaftig Schmerz ob seiner Sünden bekam, der liebt nicht mehr, denkt nicht mehr an oder kümmert sich weder um Geld, noch Ehre, noch Freunde, noch Kinder, noch Brüder, überhaupt um nichts Irdisches. Sondern, nachdem er seine ganze Geisteshaltung und alle seine Gedanken – sogar auch sein eigenes Fleisch (cf. Lk. 14, 26) – von sich gestoßen und zu hassen begonnen hat, folgt er Christus ohne Bedenken und ohne zu zögern, gemäß dem heiligen [Psalmisten], der sagte: Meine Seele hängt an dir (Ps. 62, 9), und dem anderen Unvergessenen, der sagte: Ich aber bin nicht müde geworden, dir zu folgen, und habe den Tagc – d.h. die Muße – des Menschen nicht herbei­gewünscht, Herr!d (Jer. 17, 16) Diese Bildungsferne (ἀμαθία, oft auch als ἰδιωτεία) wird oft als Vorzug des Mönchtums genannt, da sie zur Demut führen soll, z.B. Johannes Klímakos, Scala paradisi, Stufe 24 (PG 984C). b   “Klímakos” wie wir ihn auch nennen, wegen seiner Himmelsleiter. c   Die LXX übersetzt ‫ ים אנוש‬mit dem unverständlichen ‘Tag des Menschen’, statt mit dem gemeinten ‘Tag des Unheils’, d.h. des Gerichts über das sündige Volk. Der Unterschied im hebr. Text liegt nur in der Vokalisierung. d   Johannes Klímakos, Scala paradisi, Stufe 2, 1 (PG  88, 653B–D). Ich zitiere Johannes Klímakos nach wie vor nach der Ausgabe Rader (abgedruckt in PG 88). Allerdings mit den Kapitelnummern der Ausgabe des Archimandriten Iga  

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Florilegium (F), I–II

Und derselbe [Klímakos] sagt weiter: Die größte Schande ist es, nachdem wir alles eben Erwähnte zurückgelassen haben – nach unserer Berufung, die der Herr und nicht ein Mensch an uns ergehen ließ –, uns um etwas zu kümmern, das uns in der Stunde unserer Not, d.h. des Hinscheidens, nichts nützen kann. Dies meinte der Herr nämlich mit dem Sich-Zurückwenden und Nicht-tauglich-befunden-Werden für das Himmelreich (cf. Lk. 9, 62).a Und abermals: Der Herr, der das leichte Ausgleiten von uns Anfängern kennt, und wie einfach wir, solange wir mit Welt­menschen verkehren oder zusammen sind, uns wieder zur Welt hin wenden, sagte dem, der ihn bat, lass mich meinen Vater begraben gehen: Lass die Toten ihre Toten begraben!b (Mt. 8, 21f.) Und an anderer Stelle: Geht hinaus aus ihrer Mitte und grenzt euch ab, und rührt die Unreinheit der Welt nicht an (Jes. 52, 11), sagt der Herr.c Und abermals: Wer der Welt zum Fremdling geworden ist, soll die Welt nicht mehr anrühren; denn die Leidenschaften sind rekrudeszent.d Auch der hl. Isaak sagt: Diejenigen, welche die Nächstenliebe im Körperlichen aus­ führen und erfüllen, deren gibt es viele in der Welt; solche aber, welche die schöne Ruhe und die mönchische Lebensweise praktizieren und mit Gott beschäftigt sind, findet man kaum und sie sind selten.e

natios. Dessen eklektische, unkritische Ausgabe basiert auf den älteren gedruckten Ausgaben und einer Handschrift aus dem 14. Jh. Unser Text stimmt im Zweifelsfalle meistens besser mit der Ausgabe von Rader überein. a   Johannes Klímakos, Scala paradisi, Stufe 2, 2 (PG 88, 653D). b   Johannes Klímakos, Scala paradisi, Stufe 2, 3 (PG 88, 653D). c   Johannes Klímakos, Scala paradisi, Stufe 2, 15 (PG 88, 657A). Die zweite Hälfte der Jesajastelle ist lediglich paraphrasiert. d   Johannes Klímakos, Scala paradisi, Stufe 3, 8 (PG 88, 664D). ‘Rekrudeszent’ (φιλεπίστροφος) ist ein medizinischer Ausdruck für Krankheiten, die gerne zurückkehren. e   Isaak von Ninive, Oratio 18, 218–221, p. 385 (früher 79, 3).

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Asketische schriften des Mönchs Markos

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(F), II–III Die Werke der mönchischen Lebensweise sind nämlich diese: (i) Freiheit von den weltlichen Angelegenheiten, (ii) die körper­liche Anstrengung beim Gebeta und (iii) die ununter­brochene Erinnerung an Gott im Herzen.b {F, III} Diese Dinge habe ich dir angeführt, meine gott­gegebene Herrin, weil ich sowohl durch dein Schreiben wie auch münd­lich durch unseren Bruder den Überbringer des Schreibens dazu angehalten wurde, dir seelenerbauende Aussprüche aufzuschreiben, die zur Rettung der Seele führen;c dies im Wissen um die Liebe zu Gott, die du dir schon vor langer Zeit erworben hattest, und wie sehr du bis jetzt eifrig entflammt bist für dein Heil. Es umgarnt dich aber der Feind in seiner List, unter dem Vorwand des Guten, weil er den Vorsatzd deines Herzens kennt, und er müht sich ab, bis er ihn zerstreut hat und [dich] abgebracht hat von deiner [alle anderen] umfassenden Tugend – der Weltflucht meine ich. Und dazu auserkoren, habe ich mich daran gemacht, dir Gottes­ freundin zu schreiben, was von den Heiligen gesagt und für alle kanonisch festgesetzt wurde. Und ich sammelte einige Worte, die auch auf deine göttliche Absicht [nämlich die Weltflucht] abzielen, und führte sie wagemutig an – vor allem aber habe ich [d]ein Geheiß erfüllt. Dies bezeugt ja die gesamte heilige Schrift, dass, wenn der Mensch die Ehren und die Schmähungen dieser Welt, den Ruhm und die Schmach, den Gewinn und den Verlust nicht verachtet, und nicht für die Tugend – oder vielmehr für die Liebe Gottes – Schande, Nasenrümpfen und Strafe über sich ergehen lässt, bis hin sogar zu Schlägen, und nicht Gelächter sich häuft, und er nicht für einen Dummkopf und Irrsinnigen gehalten wird von seinen Mitmenschen, er nicht bei [seinem] guten Ziel der Tugend verbleiben kann. Deswegen, sobald der Mensch einmal die Pforte Körperlich anstrengende Gebetsformen wie Exercitien, Psalmodien, Knie­ beugungen scheinen intendiert zu sein. b   Isaak von Ninive, Oratio 18, 228–230, p. 385 (früher 79, 4). c   Mit diesem Zusatz scheint Markos sicherstellen zu wollen, dass seine Leserin ‘seelenerbauend’ (ψυχωφελής) versteht. d   Nämlich als Nonne ein hesychastisches Leben zu führen. a  

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Florilegium (F), II–III

für die Vergehen geöffnet hat, kommt der Teufel nicht mehr zur Ruhea und führt Vorwände an, scheinbar fromme und ganz zwingende, mit fortwährenden, ungezählten Einwänden, bis dass er seinen guten Vorsatz, den er sich durch die gute Absicht zur Weltflucht erworben hatte, und die Inbrunst des Herzens, die Gott ihm geschenkt hatte, zerstreut und vernichtet hat. Deshalb, falls du wahrhaftig die Tugend der Einsamkeit liebst, in der die alten Väter glänzten und den Feind besiegten, so wirst du die Erfüllung deiner lobenswerten Begierde finden, sobald du den Spuren der hl. Väter zu folgen strebst und die Offenbarung ihres Lebens in deinem Verstand (diánoia) aufnimmst. Sie liebten die Tugend der Einsamkeit und sorgten sich nicht um die Liebe von ihres­gleichen oder suchten sich zu ihrer Müßig­keit auszustrecken, und scheuten sich auch nicht, aus der Gegenwart der vermeintlich Würdigenb zu fliehen. Und als sie so wandelten, wurden sie von den Weisen und Wissenden nicht als solche, die ihre Brüder verachten, oder als Hochmütige oder Hartherzigec oder defizient in der Unterscheidungsfähigkeit verurteilt, wie einer von ihnen in seiner Apologie für diejenigen sagte, die Ruhe und das Sich-Zurückziehen mehr als die Gegenwart der Menschen schätzen.d Ein Mensch, heißt es, welcher die Süße der Ruhe in seiner Zelle durch Eigenerfahrung kennen lernt, flieht nicht weil er seinen Nächsten verachtet dessen Gegenwart, sondern wegen der Frucht, die er aus der Ruhe pflückt.e

hêsycházei, dasselbe Wort, das positiv von den “Hesychasten” gebraucht wird. Vgl. Einleitung p. 18. b   Offenbar eine Anspielung auf die königliche Familie Irenes. Der gleich folgen­de Arsénios († wohl um 445), der ein oft genanntes Vorbild der byzantinischen Hesychasten war (z.B. Symeon der Neue Theologe, Catecheses 6 oder – nach Markos – Theólêptos v. Philadelphia, Epistulae ad Irenem βασίλισσα I, 104), dient als Beispiel hierfür. Er zog in die ägyptische Wüste, nachdem er einige Jahrzehnte am Hofe des Theodosius gelebt hatte. c   Genauer ‘solche, die [die Sorge um ihre Mitmenschen] vernachlässigen’ (­ἀμελοῦντες). d   Diese Anspielung auf Arsénios leitet zu seiner gleich folgenden Geschichte über. e   Ein ähnlicher Ausspruch des Abtes Theodor findet sich in den Apophthegmata, Collectio alphabetica, Theódôros 14 (PG 65, 189D). a  

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(F), III

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Beachte Arsénios und Makários! Auch der große Arsénios war dauernd auf der Flucht und hätte nicht innegehalten um jemanden zu treffen, so dass der hl. Makáriosa ihn mit liebevollem Tadel tadelte und sprach: “Wa­ rum fliehst du vor uns?” b Und der Greis rechtfertigte sich mit einer wunderbaren und lobenswerten Rechtfertigung und sprach: “Gott weiß, dass ich euch liebe! Aber ich kann nicht [zugleich] bei Gott und bei den Menschen sein.” Und diese wunderbare und lobenswerte Erkenntnis lernte er nirgendwo anders als von der göttlichen Stimme, die sprach: “Arsénios, fliehe die Menschen und du wirst gerettet werden!” Und damit wir nun nicht auf die Idee kommen, dies wäre ihm nur für das Fliehen und Hinausgehen aus der Welt gesagt worden, sondern ebenso auch für das Fliehen vor den [Kloster-]Brüdern, bat er Gott, als er jene Welt schon verlassen hatte und ins Kloster gegangen war und da wohnte, erneut, wie er gut leben könne. “Herr, sprach er, führe mich, damit ich gerettet werde,” und er erwartete [dieses Mal] etwas anderes zu hören, aber er hörte die Stimme des Herrn wiederum zum zweiten Mal dasselbe [sagen], und sie fügte hinzu und sprach: “Flieh, schweig, komm zur Ruhe!” Als der selige Arsénios dies in der göttlichen Antwort erfuhr, als er noch in der Welt war, wandte er sich zur Flucht – als er zu den Mönchen gekommen war, und ihm dasselbe noch einmal gesagt wurde, wurde es ihm klar und er erkannte, dass es ihm zur Erlangung des guten Lebens nicht genügen würde, nur vor den Weltmenschen die Flucht zu ergreifen, sondern ebenso vor allen. Denn niemand kann der göttlichen Stimme widerstehen und ihr widersprechen! Ebenso wurde auch dem hl. Antonius in einer Offenbarung gesagt: “Wenn du zur Ruhe kommen willst, geh nicht in die Thebaïs hinaus, sondern in die innere Wüste.”c Wenn Gott uns nun Markos scheint den Tadler, einen gewissen Márkos, mit dem großen Asketen Makários dem Ägypter zu verwechseln (vgl. PG 65, 92A). b   Apophthegmata, Collectio systematica 2, 3–5 (SC 387); Collectio alphabetica, Arsénios 1–13 (PG 65, 88B–92A). c   Athanasius, Vita Antonii 49, 17, p. 268 (= PG 26, 913D). In der Thebaïs – d.h. der Felswüste um das ägyptische Theben – waren viele Mönche und Einsiedler versammelt. a  

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Florilegium (F), III

erlaubt, vor allen zu fliehen, und wenn er diejenigen, die zur Ruhe gekommen sind, so sehr liebt, dass die ihn lieben immer in ihr verharren sollen, wer kann [dann] Vorwände vorbringen, um in der Gemeinschaft und der scheinbaren Wertschätzung und dem Helfen der leidenden Menschen zu verharren? Wenn aber dem hl. Antônios und dem großen Arsénios das Einhalten nützte und die Flucht half, wie viel mehr dann uns Schwachen? Und wenn Gott es vorzog, dass diejenigen, deren die ganze Welt bedurfte (sowohl durch ihr Wort wie ihre Gemeinschaft und ihre Hilfe), in Ruhe lebten, als dass sie sich der ganzen Menschheit annähmen, wie viel mehr [dann] bei einem, der kaum auf sich selbst aufpassen kann?a Denn das Herrengebot der Liebe, das besagt: Du sollst den Herrn deinen Gott aus deiner ganzen Seele und aus deinem ganzem Herzen lieben (Mt. 22, 37), mehr als die ganze Welt und die Natur und was in ihr ist, erfüllt man, indem man im Hass gegen die Welt verharrt, d.h. in der Ruhe seiner Zelle. Denn je mehr einer sich mit Einsicht von den Menschen entfernt, desto mehr wird er Gott zum Freund.b Willst du aber auch die Liebe zum Nächsten (Mt. 22, 39) gemäß dem Gebot des Evangeliums in deiner Seele erwerben? Erwerbe sie, indem du dich von ihnen entfernst. Dann beginnt in dir die Feuersbrunst der Liebe zu allen zu brennen und du wirst dich über ihren Anblick freuen. Willst du andererseits, dass diejenigen, die dich lieben, sich nach dir sehnen? Empfange ihren Anblick [nur] an festgesetzten Ta-

Man mag gegen diese Argumentation einwenden, dass man erst nach Erreichen einer gewissen Reife zur Ruhe übergehen soll; so z.B. Johannes Klímakos, Scala paradisi, Stufe 27 (PG 88, 1097C): “Wer an seelischen Leidenschaften krankt und versucht zur Ruhe zu kommen, gleicht einem der auf hoher See vom Schiff springt und glaubt auf einem Brett gefahrlos zum Ufer gelangen zu können” (Ὁ ψυχικὸν πάθος νοσῶν, καὶ ἡσυχίαν ἐπιχειρῶν ὅμοιός ἐστι τῷ ἐν πελάγει ἐκ τῆς νηὸς ἐκπηδήσαντι καὶ ἐν σανίδι ἐπὶ τὴν γῆν ἀκινδύνως φθάνειν δοκοῦντι). b   Ähnlich schreibt wenig später Theólêptos von Philadelphia (Orationes monasticae 1, 40 – Ed. Sinkewicz): “Die Flucht vor der Welt erfreut sich an der Zuflucht bei Christus; Welt nenne ich aber das Lieben der sinnesmäßigen Dinge und des Fleisches. Wer sich wissentlich diesen entfremdet, wird Christus zum Freund” (Ἤ τοῦ κόσμου φυγὴ τὴν πρὸς Χριστὸν καταφυγὴν χαρίζεται· κόσμον δὲ λέγω τὴν φιλίαν τῶν αἰσθητῶν πραγμάτων καὶ τῆς σαρκός. ὁ ἐκ τούτων ἀλλοτριούμενος ἐν ­ἐπιγνώσει τῆς ἀληθείας οἰκειοῦται Χριστῷ). a  

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(F), III–V gen, wie wahrlich die Erfahrung die Lehrmeisterin aller [Dinge] ist!a

{F, IV} Ich will aber auch andere zusammengefasste Aus­sprüche heiliger Väter, die auf die gleiche Absichtb abzielen, hinzufügen zur besseren Unterweisung deiner Scharfsinnigkeit. Es sagt nämlich unser göttlicher Vater Nilus, der größte unter den Asketen Die Ruhe hat zunächst und besonders den Vorteil, dass das Schädliche von ihr nicht gesehen wird, was aber nicht sichtbar ist, nimmt der Verstand (diánoia) nicht auf; was nicht in diesen kommt, erregt nicht in der Vorstellungskraft die Erinnerung; was aber nicht die Erinnerung erregt, reizt nicht die Leiden­schaft; wenn die Leidenschaft aber nicht in Erregung ist, haben Geist (noûs) und Verstand (diánoia) tiefe Stillec und Frieden.d Und abermals spricht er und mahnt, vor jedem, der die Rettung behindern könnte, zu fliehen Sag nicht: Ich kann Gottes Gebot nicht einhalten oder erfüllen, sei es wegen Vater oder Mutter oder Kindern oder [Kloster-]Brüdern oder sonst jemandem, denn nicht jene werden dich vor dem drohenden Zorn und dem unermüd­lichen Wurme retten! Jeder, Sprichwörtlich: Makários Chrysokephalos, Paroemiae, Centurie 4, 52, 1 – Ed. Von Leutsch. b   Nämlich, wie wir oben (im Titel) gesehen haben, das monastische, hesychastische Leben aufzuzeigen. c   Wörtlich die ‘Windstille auf dem Meer’ (γαλήνη). d   Nilus von Ankyra, De praestantia monachorum 11 (PG 79, 1073B–C). e   Der ‘unermüdliche (ἀτελεύτητος) Wurm’, eine Metapher für Satan, wird oft auch ‘schlaflos’ (ἀκοίμητος) genannt. Er gehört zum Standardrepertoire der Höllenstrafen, vgl. z.B. Apophthegmata, Collectio systematica (SC 387, 3, 5, 7): “... alle die (Höllen-)Strafen, (nämlich) das ewige Feuer, der unermüdliche Wurm, der Tataros, die Finsternis und zu all diesen das Zähneknirschen, die Ängste und die a  

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Florilegium (F), III–V

der sich [dir] im Hinblick auf die Umsetzung der Gebote Gottes und der Tugenden entgegenstellt, sei dir abscheulich und verhasst: Mit so einem ist es nicht einmal gut gemeinsam zu essen!a

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Vom hl. Maximus – dass der Glaube allein nichts nützt ohne die Werke, gemäß dem Herrenbruder Jakobus Sag nicht: Der bloße Glaube an unseren Herrn Jesus Christus kann mich retten. Denn dies ist unmöglich, wenn du dir nicht auch die Liebe zu ihm durch die Werke erwirbst. Denn was den bloßen Glauben betrifft – auch die Dämonen glaubenb und zittern! (Jak. 2, 19)c {F, V} Beachte: Je mehr jemand die Welt flieht, desto mehr wird Gott sein Freund, und umgekehrt – es sagt auch der hl. Isaak Je mehr jemand die Welt flieht und in den Wettkampf Gottes eintritt, desto freimütiger spricht sein Herz im Gebet. Und abermals: Je mehr man sich zu der Müßigkeit der Welt verleiten lässt, desto mehr verliert man die Hilfe Gottes.d Der Frieden kommt nämlich aus der [monastischen] Disziplin, und das Licht wird in der Seele aus dem Frieden geboren, und Gott offenbart sich im Frieden. Wie nämlich geschrieben steht: Sein Ort ward Frieden (Ps. 75, 3).e Und abermals derselbe: Der Geist ist nicht geeignet für zwei Gespräche,f d.h. das Gespräch mit Gott und dasjenige mit der Welt; ihr könnt nicht, heißt es nämlich, Gott und dem Mammon dienen (Mt. 6, 24). Qualen” (... τά τε κολαστήρια πάντα, πῦρ τὸ αἰώνιον, σκώληκα ἀτελεύτητον, τὸν Τάρταρον, τὸ σκότος, ἐπὶ πᾶσι τούτοις τὸν τῶν ὀδόντων βρυγμόν, τοὺς φόβους καὶ τὰς βασάνους). a   Evagrius vom Pontus, Paraenesis ad monachos (PG 79, 1240B). Die Stelle stammt von Evagrius, lief aber, wie Vieles des der Häresie verdächtigten Asketen, unter dem Namen von Nilus. b   So der Jakobusbrief, der offenbar die paulinische Theologie vom Glauben (pístis) missversteht. c   Maximus Confessor, Capita de caritate 1, 39. d   Isaak von Ninive, Oratio 38, 98–100, p. 565 (früher 73, 70). e   Isaak von Ninive, Oratio 37, 200f., p. 559–560 (früher 73, 49). f   Isaak von Ninive, Oratio 38, 21, p. 562 (früher 73, 54).

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(F), V Und abermals sagt er: Eine Seele, welche Gott liebt, findet nur in Gott Ruhe.a Wer mit Einsicht die Ehre flieht, hat in seiner Seele das künftige Zeitalter gespürt. Wer die Müßigkeit des gegen­wärtigen Lebens flieht, dessen Geist (noûs) hat jenes künftige Zeitalter erspäht; wer aber der Habsucht anhängt, wird zum Sklaven der Leidenschaften, auch gegen seinen Willen.b Vergleiche nicht diejenigen, die in der Welt Zeichen und Wunder tun, mit denen, die mit Einsicht die Welt fliehen. Liebe die Untätigkeit der Ruhe in der Zelle mehr als das Sättigen der Hungernden der Welt und das Bekehren vieler Völker zur Anbetung Gottes! Besser ist es für dich in deiner Seele Frieden zu finden in Eintracht der Dreifaltigkeit in dir, ich meine Körper, Seele und Geist, als durch dein Belehren alle Streitenden zum Frieden zu führen. Denn der nach der Theologie benannte, göttliche Gregor,c sagt: Es ist gut über Gott zu theologisieren, besser aber ist es, sich selbst für Gott rein zu machen.d Entferne dich vom Anblick der Welt und zerschneide die Gemeinschaft mit der Welt. Und fürchte die Verwirrunge der Seele, die sich gegen unseren Willen in Bewegung zu setzen pflegt durch die Unordnung f der Gemeinschaft [mit der Welt]. Denn je mehr das Herz Frieden findet von den äußeren Dingen, desto mehr vermag der Geist (noûs) im Gebet!g Schau, der Ratschlag ist gut; vermeintliches Wissen verhindert nämlich [wirkliches] Wissen.h Isaak von Ninive, Oratio 4, 1f., p. 260 (früher 23, 1). Isaak von Ninive, Oratio 4, 29f. und 36–38, p. 261 (früher 23, 3). c   Gregor von Nazianz, genannt ‘der Theologe’. Es folgt eine Paraphrase aus seiner Oratio 32, 12. d   Isaak von Ninive, Oratio 4, 132–143, p. 266 (früher 23, 9). e   Wörtlich das ‘Vermischen, Kneten’ (φύρσις), und so auch ‘Konfusion, Verwirrung’ – das Gegenteil der Ruhe. f   Diese ataxía kommt bei Markos und anderen Asketen oft vor zur Bezeichnung des undisziplinierten Weltlebens: die fehlende táxis, wird mit der militärischen Schlachtordnung verglichen. Das Leben des Asketen ist also Wettkampf und Schlacht (unten – F, XXI – wird Christus als “unser Heerführer” bezeichnet). g   Isaak von Ninive, Oratio 4, 281–291, p. 273 (früher 23, 18). h   Evagrius vom Pontus, Sententia 29. Dieses Evagrius-Diktum wird hoch­ byzantinisch beinahe sprichwörtlich, vgl. z.B. bei Nikêphóros Grêgorás, Historia Romana 3, p. 25 – Ed. Schopen. a  

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Florilegium (F), V

Vom Selben – über die Ruhe, Enthaltsamkeit und [geistliche] Lektüre und dass – wer diese Dreifaltigkeit liebt – von der lebensspendenden und heiligen Dreifaltigkeit geliebt werden wird Nichts anderes gefällt Gott mehr, als wenn wir ruhen von den weltlichen Sorgen und uns an einem Ort in Enthaltung des Magens weise und überlegt in un­bewegtem Sitz und ununterbrochener Hingabe und Sorge um Gott sammeln.a Daraus [entsteht] die Unterwerfung der Sinne, daraus die Reinheit der Gedanken (logismós), daraus die reine Keuschheit, daraus die Inbrunst, die jede Begierde des Lebens niedertritt, und, kurz gesagt, die Freiheit des wahren Menschen, die Freude in der Seele, die Auferstehung zusammen mit Christus in seinem Königreich.b

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Über das Wachen und die [geistliche] Lektüre – vom Selben Ehre das Werk des Wachens, damit du [göttlichen] Beistand in deiner Seele sich nähern findest.c Widme dich der Lektüre der Schriften, die den Weg zu Gott aufzeigt. Und beachte, was du liest!d Beachte: Leidenschaftslosigkeit und Weltflucht und -tötung sind gut Wenn du nämlich nicht wetteiferst, wirst du nicht finden; und wenn du nicht mit Inbrunst klopfst (vgl. Mt. 7, 8), wirst du nicht erhört.e

Isaak von Ninive, Oratio 29, 8–11, p. 495 (früher 26, 1). Isaak von Ninive, Oratio 29, 12–32, p. 495–496 (früher 26, 2), zusammengefasst. c   Isaak von Ninive, Oratio 4, 81f., p. 264 (früher 23, 6). d   Isaak von Ninive, Oratio 4, 295f., p. 274 (früher 23, 18). Der letzte Satz stammt schon aus der nächsten Isaakstelle. Markos hat dies eventuell als “bete zu ihnen (als Heilige)” verstanden – die Haupthandschrift C schreibt πρόσευχε nicht πρόσεχε. e   Isaak von Ninive, Oratio 4, 419f., p. 280 (früher 23, 17). a  

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Asketische schriften des Mönchs Markos

(F), V–VI Wer das Gespräch mit Christus liebt, liebt es Mönch zu werden; wer es aber liebt, bei der Menge zu bleiben, der ist ein Freund der Welt.a Wer sich seiner Sünden bewusst ist, ist besser als einer, der Tote durch sein Gebet auferweckt, wenn dieser seine Wohnstätte inmitten der Menge hat.b

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{F, VI} Aus der siebtenc Rede des hl. Gregor des Theologen Ihr Menschenkinder, wie lange bleiben eure Herzen noch verstockt? (Ps. 4, 3) – um meine Rede zu euch mit dem wortgewaltigen David zu beginnen – warum liebt ihr die Nichtigkeit und sucht ihr die Lüge (Ps. 4, 3), indem ihr viel vom diesseitigen Leben und der Schwelgerei und dem bisschen Ansehen und der bescheidenen Macht und dem trügerischen Glück haltet, die wie Staub vom Wirbelwind bald hierhin, bald dorthin geschleudert werden? Wollen wir nicht den Blick zum Himmel emporrichten? Wollen wir uns nicht ausnüchtern? Wollen wir nicht der Augen Augenbutterd ablegen? Wollen wir nicht wissen, was wahrer Reichtum ist und was wirkliche Pracht, und wo die unvergängliche Würde [liegt]? Wollen wir diese [Güter] nicht durch viel Schweiß und Leid erwerben? Wir sollen nicht länger hienieden schwelgen, sondern in der Hoffnung!e Denn zur Arbeit ist die gegenwärtige Zeit [bestimmt], die Zukunft aber zur Belohnung! Wachet, lasst uns von hierf aufbrechen (Joh. 14, 31), haben wir den Heiland sagen gehört, der nicht nur die damaligen Jünger, sondern auch alle Späteren von hier auf­ brechen lässt, und sie zu sich, als Erhöhtem, zieht. Lasst uns dem guten Gebieter folgen! Fliehen wir die weltlichen Begier­den! Fliehen wir die unstete Welt und den Weltenherrn!g Ehren wir das Isaak von Ninive, Oratio 54, 219–221, p. 688 (früher 34, 22). Isaak von Ninive, Oratio 54, 259–263, p. 690 (früher 34, 25). c   Markos war eine andere Zählung der Gregorreden geläufig als uns heute; die heutige stammt erst aus den ersten Drucken. d   Wir würden sagen: “das Brett vor dem Kopf ”. e   Auf das kommende Himmelreich. f   ‘von hier’ (ἐντεῦθεν), auch im Sinne von ‘ins Jenseits, weg von der Welt’. g   Der Ausdruck (κοσμοκράτωρ) geht auf Paulus zurück (Eph. 6, 12) und meint den Teufel. a  

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Florilegium (F), V–VI

Urbild [in uns (vgl. Gen. 1, 26)]! Achten wir auf unsere Berufung! Warum erniedrigen wir uns [durch die Sünde], die wir [doch] erhöht wurden?a Vom Selben – Über die Jungfräulichkeit und die Keuschheit Du hast der Engel Lebensweiseb gewählt? Und dich unter die Ehelosen eingereiht? Dann lass dich nicht ins Fleisch herabziehen, lass dich nicht durch die Materie beschmutzen, auch wenn du sonst jungfräulich bleibst! Ein hurendes Auge hält die Jungfräulichkeit nicht ein; eine hurende Zunge vereinigt sich mit dem Bösen; unordentlich gehende Füße rufen Krankheit hervor. Auch dein Verstand (diánoia) sei jungfräulich; er soll nicht umher vagabundieren, nicht in die Irre gehen, keine Bilder böser Dinge in sich tragen. Auch das Bild ist Teil der Hurerei: Das Verhasste soll sich nicht in der Seele abbilden. Das Fleisch bindet [uns] mit der Welt zusammen, doch das Denken (logismós) führt zu Gott empor. Das Fleisch beschwert, doch das Denken verleiht Flügel. Das Fleisch bindet, doch das göttliche Verlangen löst. Man richte den ganzen Verstand (diánoia) auf Gott. Nichts von den anderen Dingen, um die sich die Menge so sehr bemüht, soll dir schöner erscheinen als Gott: Nicht Abstammung, nicht Reichtum, nicht Thron, nicht Macht, nicht die vermeintliche Schönheit des Teint und der Proportion der Glieder – Spielzeuge von Zeit und Krankheit. Leere die gesamte Kraft des Liebestrankes Gottes – dein Verlangen kenne nicht zweierlei: Das Vergängliche und das Bleibende, das Sichtbare und das Unsichtbare – damit du vom auserwählten Liebespfeilc (Jes. 49, 2) des wahrlich schönen Bräutigams verwun­det werdest und seine Schönheit ganz erfahrest und mit der Braut des Hohenliedes saGregor von Nazianz, Oratio 19, 4–6. Nämlich das Mönchtum. Gregor spricht hier auch zu einer (hypothetischen) Nonne. c   Das Bild des göttlichen Liebespfeil kommt bei Hesychasten oft vor. Man vergleiche z.B: Theólêptos von Philadelphia, Monastische Diskurse 6, 4 – Ed. Sinkewicz, p. 194: “Denn eine Seele, die den Liebespfeil eingelassen hat, lässt ihren Geist nicht mehr von der unaussprechlichen und göttlichen Freude abkommen” (ψυχὴ γὰρ ἡ τὸ βέλος τῆς ἀγάπης εἰσδεξαμένη οὐκ ἀφίησι τὸν νοῦν τῆς ἀρρήτου καὶ θείας ἡδονῆς ἀποστῆναι). a  

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(F), VI–VIII gen kannst: Du bist gänzlich Süße und gänzlich Begierde (Hld. 5, 16). Halte dich unzugänglich durch Tat und Wort und in Leben und Gedanken und Bewegung. Denn von allen Seiten her paktiert der Böse gegen dich, alles prüft er [darauf], wo er ver­wunden könnte – finde er ja keine [Stelle], die bloß ist an dir und schutzlos gegen seine Schläge! Denn je reiner die Seele, die er erblickt, um so mehr eifert er, sie zu beschmutzen. Denn die Flecken an einem leuchtenden Gewand stechen am meisten hervor! Das Auge hänge nicht am Auge, das Lachen nicht am Lachen,a gewähre in nichts Freimütigkeit. Denn der Schaden des nach und nach sich Einschleichenden und Einstehlenden ist im Augenblick nicht zu bemerken, doch nähert er sich dem Gipfel des Lasters!b {F, VII} Aus der Schrift über die Bußec des großen Basilius Der heilige Geist ist zwar in allen [Menschen] vorhanden, aber [nur] denen, die ihre Leidenschaften bereinigt haben, zeigt er seine wirkliche Kraft, denen aber, die die Vernunftd vermischt haben, nicht mehr.e Unmöglich ist es nämlich, wenn der Geist (noûs) auf verschiedene Sorgen ( frontís) verteilt ist, dass das Angestrebte gelingt – wie der Herr darlegte, indem er sagte: Keiner kann zwei Herren dienen, (Mt. 6, 24) und abermals: Ihr könnt nicht Gott und dem Mammon dienen! (Mt. 6, 24) Weder die Einhaltung irgendeines anderen Gebotes, noch gar die Liebe gegen­über Gott oder diejenige gegenüber den Nächsten kann uns gelingen, wenn wir mit

Gregor setzt diese Reihe fort: Aus dem Lachen folgt Vertrautheit, aus dieser die “Nacht” und daraus das Verderben. b   Gregor von Nazianz, Oratio 37, 10–12. c   Es ist ein (unechtes) Werk des Basilius über die ‘Buße’ überliefert. Aber keiner der folgenden Texte stammt aus diesem. d   Das hêgemonikón, ‘das führende Prinzip (der Seele)’, der höchste Seelenteil bei den Stoikern (z.B. Zenon, fr. 143 – Ed. Von Arnim), auch bei Platon ist es der höchste der drei Seelenteile (z.B. Respublica X, 611b–612a, Timaeus 69c). Basilius identifiziert es im selben Werk (1, 26) mit dem noûs. e   Basilius, Enarratio in Isaia 3, 4. a  

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Florilegium (F), VI–VIII

dem Verstand (diánoia) abwesend über anderes [sinnend] herum vagabundieren.a Die asketische Übung, gemäß Christi Evangelium Gott wohlzugefallen, gelingt nämlich durch den Rückzug von den Sorgen der Welt und die gänzliche Entfremdung von den Zerstreuungen.b Es ist zu wissen, dass, wenn wir uns nicht sowohl von der fleischlichen Gesellschaft als auch von der Teilnahme am [weltlichen] Leben entfremden, und durch diese Geisteshaltung wie in eine andere Welt hinübergehen, es uns nicht möglich ist, zum Ziel des Wohlgefallens Gottes zu gelangen.c Kostet und seht, dass der Herr gut ist!d (Ps. 33, 9) Wie soll ich die Süße des Honigs denen, die sie nicht kennen, berichten? Kostet und seht! (Ps. 33, 9) Die Wahrnehmung führt zu deutlicherer Erfahrung als alle Worte!e {F, VIII} Aus der Rede unseres unter den Heiligen [weilenden] Vaters Johannes Chrysostomusf über: Nur vergeblich gerät der Mensch in Aufruhrg (Ps. 38, 7) Wahrlich nur vergeblich gerät jeder Mensch in Aufruhr! (Ps. 38, 7) Er gerät in Aufruhr und geht weg, ohne etwas von den Dingen, wegen denen er in Aufruhr war, behalten zu können. Oft hat er Basilius, Sermones de moribus, Predigt 1: Über Tugend und Laster (PG 32, 1124D). b   Basilius, Asceticon magnum, Frage 5 (PG 31, 920C). c   Basilius, Sermones de moribus, Predigt 1: Über Tugend und Laster (PG 32, 1125B). d   Markos hat wohl schon an das nächste Exzerpt gedacht, wo diese Stelle steht. e   Basilius, Homilia 13 (PG 31, 425D). f   Das Werk wurde von Haidacher (S. Haidacher, Zu den Homilien des heiligen Chrysostomus in: Zeitschrift für katholische Theologie 25, 1901, p. 365‒367, p. 366) als unecht erwiesen. Es wird oft in Florilegien als Chrysostomus-Werk zitiert. Markos scheint eine gekürzte Rezension vorgelegen zu haben oder er hat selber gekürzt; dabei ist der Kontext durch die Auslassungen manchmal verstümmelt. Ich habe diese durch [...] gekennzeichnet. g   Das Verb tarássomai (mit dem Nomen tarachê) bedeutet ‘verwirrt, aufgerührt, bestürzt, unruhig werden’ und findet oft zur Beschreibung der Leidenschaften Verwendung. Das Gegenteil davon ist die Gemütsruhe (ataraxía), das Lebens­ ideal bei Epikur, das der Leidenschaftslosigkeit (apátheia) der Stoiker entspricht. Beide Wörter bezeichnen auch bei den Kirchenvätern ähnlich Ideale. a  

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nämlich die Aufruhr und andere die Schwelgerei [daraus], [...] er hat die Drangsal und die Sorgen, andere den Genuss; er hat die Gewalt, [...] andere den Segen; [...] er selbst wird in der Hölle bestraft, und andere frohlocken schwelgend in seinen [Gütern]. Nur vergeblich gerät jeder lebende Mensch in Aufruhr (Ps. 38, 7). Der Mensch ist des Lebens vergängliche Leihgabe, des Todes unaufschiebbare Schuld, [...] die selbsterlernte Bosheit, [...] das Geschick zur Missetat, die Bereitwilligkeit zur Habsucht und der unersättliche Hang zur Maßlosigkeit, [...] das leicht ver­trocknende Gras. [...] Wer heute droht, ist morgen tot;a [...] wer heute Diademe trägt, liegt morgen im Grab; [...] wer heute in Schätzen [lebt], ist morgen in der Urne; [...] wer eben noch umherstampft, wird morgen beklagt; wer im Glück unerträglich ist, ist im Unglück untröstlich; wer sich selbst nicht kennt, macht viel Aufhebens über Dinge, die über ihm sind; wer der Natur nach sterblich ist, und meint durch die Erhöhung un­sterblich zu sein; [er ist] die jeder Drangsal und Krankheit unterworfene Nebensache; das Gefäß, welches alles Leid leicht aufnimmt! Oh, wie groß ist die Tragödie unserer [gefallenen] Natur! [...] Schau: gleichen die menschlichen Dinge nicht einer fürchterlich stürmischen See? [...] Diesen schmerzt die Armut, jenen bringt der Reichtum durcheinander. Wer hat, dem wird nachgestellt – wer nicht hat, ist neidisch – wer beherrscht, wird belauert – wer anführt, wird beargwöhnt – wer Macht hat, wird gehasst – wer Herrschaft hat, gegen den wird intrigiert. Die Kriege sind beständig, ein Mord folgt auf den anderen, die Unersättlichkeit ist ein Tyrann, die Habsucht ist an der Macht, die Lüge ist im Übermaß vorhanden, das gegenseitige Vertrauen ist geflohen, die Wahrheit hat die Erde verlassen, die Freundschaft geht bis zur Bank,b die Gespräche sind voller Argwohn, die Erde kann schließlich das Böse nicht mehr tragen, die Luft wird bis hinauf zum Ätherc

Dieser wie auch die folgenden Sprüche reimen sich im Griechischen. Wie unser Volksmund sagt: “Bei Geld hört die Freundschaft auf ”. c   Der Aether wird in der Antike als leuchtendes Element über der Luft gedacht (so z.B. Platon, Timaios 58d). a  

b  

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Florilegium (F), VIII–IX

(F), VIII–IX verschmutzt; [...] denn wie in des Meeres Dunkel wird das Menschengeschlecht hierhin und dorthin gerissen!a

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{F, IX} Vom hl. Gregor dem Theologen Glückselig also, wer, wenn er dies erkennt und unterscheidet durch die Schärfe der Vernunft (lógos), die das Bessere vom Schlechteren trennt, zum [geistigen] Aufstieg in seinem Herzen gestimmt ist, das Obere sucht, und zusammen mit Christus der Welt gekreuzigt (vgl. Gal. 6, 14) mit Christus aufersteht, und mit Christus zusammen zum nicht-me hr-veränderlichen Leben aufsteigt! Und dies hat vielleicht auch der selige Micha im Sinn, wenn er sich gegen die an der Erde verhafteten, scheinbaren Güter stellt und sagt: Geht zu den ewigen Bergen. Steh auf und wandle, damit du diese Müßigkeit nicht habest (Mi. 2, 9f.).b Der Anfang der Weisheit (vgl. Ps. 110, 10), sagt Salomon, um die Weisheit zu erlangen – was nennt er so den Anfang der Weisheit? Die Furcht (Ps. 110, 10). Denn wo die Gottesfurcht ist, da ist auch Beachtung der Gebote; wo aber Beachtung der Gebote, Reinigung des Fleisches; wo aber Reinigung, Erleuchtung; Erleuchtung aber ist die Erfüllung der Sehnsucht.c Über nichts freut sich Gott nämlich so sehr wie über des Menschen Bekehrung und Rettung, worüber die gesamte [heilige] Schrift und jedes göttliche Wort handelt.d Keiner der Verächter oder der Leichtfertigen wird im Himmel­ reich zur Ruhe gelegt, auch keiner der schmutzig, sondern [nur] die hochzeitlich Gekleideten!e Bemühen wir uns also von jetzt an, des Himmelreiches in Jesus Christus unserem Herrn würdig zu werden! Denn ihm zusammen mit seinem anfangslosen Vater Ps.-Johannes Chrysostomus, Ad Ps. 38, 12 (PG 55, 559B), vgl. auch Johannes von Damaskus, Sacra parallela (PG 95, 1132B). b   Gregor von Nazianz, Oratio 14, 21. c   Gregor von Nazianz, Oratio 39, 8. Der Text ist stark gekürzt. d   Gregor von Nazianz, Oratio 39, 20. e   Dabei ist der Körper als Hochzeits-Kleid vorgestellt. a  

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und dem gänzlich heiligen Geist gebührt die Herrlichkeit, jetzt und in den endlosen Ewigkeiten der Ewigkeiten, Amen.a

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Vom Selben – aus der [Rede] über die Liebe zu den Armen Beachte all dies über die Barmherzigkeit! Durch gar nichts wird Gott so sehr gehuldigt wie durch Mit­leid. Durch nichts Geringeres als durch Menschen­freundlichkeit wird Menschenfreundlichkeit [von ihm] zurückgeschenkt!b Wenn nämlich, wer den Armen verachtet, dessen Schöpfer erzürnt (Prov. 17, 5), ehrt der, welcher sich des Geschöpfes annimmt, den Schöpfer ganz und gar.c Wer sich des Bettlers erbarmt, leiht Gott (Prov. 19, 17), steht geschrieben. Wer würde nicht solch einen Schuldner annehmen, der das Darlehen zur Zeit mitsamt Zins zurückgibt? Durch Barmherzigkeit und Treue werden die Sünden gereinigt (Prov. 15, 27).d Lasst uns also gereinigt werden, indem wir Mitleid zeigen – lasst uns weiß werden, die einen wie Wolle, die anderen wie Schnee (Jes. 1, 18),e gemäß dem Verhältnis der Mildtätigkeit!f Selig die Barmherzigen, steht geschrieben, denn sie werden Erbarmen finden (Mt. 5, 7); und: Selig, wer acht gibt auf den Bettler und Armen (Ps. 40, 2); und: Gut der Mann, der Mitleid hat und leiht (Ps. 111, 5); und: Den ganzen Tag erbarmt sich der Gerechte und leiht aus (Ps. 36, 26). Sag nicht: Geh hin, und komm wieder, morgen will ich dir geben (Prov. 3, 28); die Menschenfreundlichkeit duldet keinen Aufschub! Brich dem Hungrigen dein Brot und arme Obdachlose führe in dein Haus (Jes. 58, 7), und zwar mit Bereitwilligkeit; denn wer sich erbarmt, steht geschrieben, [tue es] in Freude (Rom. 12, 8).g Gregor von Nazianz, Oratio 40, 46. Gregor von Nazianz, Oratio 14, 5. c   Auffällige p-Alliteration im Griechischen. d   Gregor von Nazianz, Oratio, 14, 36. e   Dieser Unterschied ist bei Jesaja rhetorisch als Hendiadyoin zu verstehen. Gregor hat aber offenbar eine Abstufung im Sinn: Dabei scheint der Schnee als weißer als die Wolle gedacht zu sein. f   Gregor von Nazianz, Oratio, 14, 37. Auch diese Exzerpte sind stark gekürzt. g   Gregor von Nazianz, Oratio 14, 38. a  

b  

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Florilegium (F), IX–XI

(F), IX–XI

{F, X} Vom großen Basilius Du sagst vielleicht, Mensch, dass du deinen Nächsten liebst wie dich selbst (Mt. 19, 19). Dieses Wort des Herrn aber mahnt dich, was dir zur wahrhaftigen Liebe fehlt: Wenn du nämlich jedem so viel gegeben hast wie dir selbst, woher hast du dann solch ein Übermaß an Geld? So viel Übermaß du nämlich an Reichtum hast, so viel fehlt dir an Liebe! Wie viel Dank müsstest du dem Wohltäter [d.h. Gott] erweisen, dass nicht du die Türen anderer belästigst, sondern andere die deine belagern! Dem Hungrigen [gehört] das Brot, welches du lagerst; dem Nackten das Kleid, welches du im Speicher aufbewahrst; dem Barfüßigen die Sandale, die bei dir verrottet; dem Bedürftigen das Geld, das du besitzt! Deshalb tust du denen Unrecht, denen du [etwas] hättest geben können.a Wenn du nämlich hortest, besitzt du nicht – wenn du aber ausstreust, wirst du es nicht verlieren!b {F, XI} Vom heiligen Isaak – über die wahrnehmbare und die geistige Barmherzigkeitc Halte denjenigen für einen Mann Gottes, der durch [seine] große Mildtätigkeit an sich selbst die lebensnotwendigen Bedürfnisse abtötet. Denn wer mit dem Bettler Mitleid hat (Prov. 19, 17), hat Gott als seinen Fürsorger, und wer um seinetwillen arm ist, findet nicht-versiegende Schätze (Mk. 12, 33).d Wenn du also geben kannst, freue dich – wenn du aber nichts zu geben hast, dann freue dich noch mehr und sprich: Ich danke dir, Gott, dass du mir solche Ehre gegeben hast, um deines Namens willen zu verarmen!e

Basilius, Sermones de moribus, Predigt 3: Über die Nächstenliebe (PG 32, 1157B–D), gekürzt. b   Basilius, Homilia in divites 2, 13. c   Diese Unterscheidung ist bei Isaak nicht zu finden. Markos illustriert sie lediglich mit Isaakstellen. d   Isaak von Ninive, Oratio 5, 185–188, p. 291 (früher 5, 18). e   Isaak von Ninive, Oratio 5, 201–205, p. 292 (früher 5, 19). a  

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(F), XI–XIII Beachte die vollendete Liebe, und wie es sich mit der unaufhörlichen Tränea verhält Es ist aber auch dies zu wissen, dass, wenn jemand gemäß seinen Möglich­keiten sichtbar die Barmherzigkeit erfüllt, er dann von Gott die Gnadengabe der geistigen Barmherzigkeit und der vollendeten Liebe erhält, und in ihm eine Feuersbrunst des Herzens für die gesamte Schöpfung entsteht: Für die Menschen, die Vögel, die Tiere und für jedes Geschöpf, ja sogar die Dämonen.b Denn mit allen hat der wahrhaft Barmherzige Erbarmen, und durch die Erinnerung an sie vergießen seine Augen unaufhörliche Tränen aus der großen und heftigen Barmherzigkeit, die sein Herz beherrscht. Und aus der großen Standhaftigkeit wird sein Herz empfindlichc und kann es nicht mehr ertragen, irgendwelchen kleinen Schaden zu hören oder zu sehen oder ein kleines Leid, das sich in der Schöpfung zuträgt. Deshalb bringt er auch für die Feinde der Wahrheit und für diejenigen, die ihm oft Schaden zufügen – für alle, zu jeder Stunde –, ein Gebet in Tränen vor, dass sie beschützt werden und Vergebung finden mögen, aufgrund seiner großen Barmherzigkeit, die über alle Maßen in seinem Herzen in Gang gesetzt wird in Angleichung an Gott.d

{F, XII} Der Anfang alles Guten ist die Gottesfurcht, das Ende aber die Sehnsucht nach ihme – Verse über das Gebet Die Seele, die von hochzeitlicher Liebe verwundet ist, Zu dieser ‘Tränengabe’, bei der der Mensch durch einen Tränenausbruch gereinigt und wie neu geboren wird, vergleiche man die Scala paradisi von Johannes Klímakos, Stufe 7 (PG 88, 804B) und für einen Überblick P. Adnès. Larmes in: DSAM, ix, p. 287‒303. Isaak von Ninive misst ihr besonders Bedeutung bei. b   Die Liebe sogar zu den Dämonen erinnert an die als häretisch verdammte Ansicht des Origenes, dass Christus sich zur Rettung der Dämonen noch einmal inkarnieren und bei ihnen kreuzigen lassen werde (vgl. Anathema 7, im Justinianischen Edikt gegen Origenes – Ed. Amelotti und Zingale, p. 116, 29–30). c   Wörtlich ‘klein’. d   Ab der 4. Zeile: Isaak von Ninive, Oratio 62, 13–25, p. 736 (früher 81, 7). e   Elías Ékdikos, Anthológion (PG 127, 1129A = PG 90, 1401B). a  

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Florilegium (F), XI–XIII



vermag das Gebet so zu vereinigen mit dem Bräutigam.a

Nicht kann Liebe zum Gebet haben wer nicht alle andere Materie aufgibt, außer Nahrung und Atem. Außerhalb aller anderen [Dinge] sei im Gebet, wer allein mit dem Geist (noûs) sein will.b Nicht so sehr losgelöst wandelt einer, der lange in Kriegsge­ fangenschaft war, wie ein Geist (noûs), der von der materiellen Bindung befreit wurde, zum Himmel, gleich einem, der erfreuten Fußes zu seiner eigentlichen [Wohnstätte] wandelt.c {F, XIII} Von unserem unter den Heiligen [weilenden] Vater Johannes Chrysostomus über die Aufmerksamkeit und das Gebet und die Nüchternheitd Unser Kampf ist nicht gegen Fleisch und Blut, gemäß dem göttlichen Apostel, sondern gegen die Gewalten, gegen die Mächte, gegen die Geister der Bosheit (Eph. 6, 12).e

a   Elías Ékdikos, Anthológion (PG 127, 1141D = PG 90, 1417B). Den beiden jambischen Trimetern folgen verstümmelte Verse. b   Die Stelle wie sie bei Markos steht, ist unverständlich. Sie stammt auch aus Elías Ékdikos, Anthológion (PG  127, 1145A = PG  90, 1421A [Varianten aus PG 90 in Klammern]): 92 [91] Φιλίαν πρὸς τὴν εὐχὴν ἔχειν οὐ δύναται [statt ἔχειν, hier κτήσασθαι], | ὁ μὴ πᾶσαν ἀπαρνησάμενος ὕλην [ὕλην ἀπαρνη­σάμενος], πλὴν ζωῆς [τροφῆς] καὶ πνοῆς [σκέπης]. Ἔξω τῶν ἄλλων γενοῦ ἐν εὐχῇ εἰ θέλεις [ὁ θέλων] μετὰ μόνου γενέσθαι τοῦ νοῦ. Ich rekon­struiere die ersten beiden Verse bei Markos also: Φιλίαν πρὸς τὴν εὐχὴν οὐ δύναται ἔχειν | ὁ μὴ πᾶσαν ἀπαρνησάμενος ὕλην, und übersetze so. c   Vgl. Elías Ékdikos, Anthológion (PG 127, 1169C = PG 90, 1452C), wobei PG 90 verständlicher τῶν ὑλικῶν σχέσεων ἐλευθερωθείς schreibt, was ich übersetze. d   Eine Definition dieser nêpsis findet sich bei Hesýchius vom Sinai (Centuria I, 1 [PG 93, 1480D]): “Die Nüchternheit ist eine spirituelle Methode, die den Menschen mit Gottes Hilfe gänzlich der leidenschaftlichen Gedanken und Worten und der bösen Taten entledigt (...). Sie ist in erster Linie die Reinheit des Herzens” (Νῆψίς ἐστι μέθοδος πνευματική, ἐμπαθῶν νοημάτων καὶ λόγων καὶ πονηρῶν ἔργων πάμπαν τὸν ἄνθρωπον σὺν θεῷ ἀπαλλάττουσα, (...). Αὕτη δὲ κυρίως ἐστὶν ἡ τῆς καρδίας καθαρότης). e   Johannes der Mönch, Epistola ad Monachos 57–62. Ob in einer anderen Fassung? Johannes zitiert dieselbe Paulusstelle, die hier folgt, einfach etwas später. Dieser Brief von einem Mönch Johannes (vgl. A. Rigo. L’epistola ai monaci di un Pseudo-Crisostomo. Studi e ricerche d’Oriente Cristiano. Roma 1983) wird hier bereits als vermeintliches Chrysostomus-Werk zitiert.

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Deshalb muss jeder, der gerettet werden will, stets nüchtern sein und auf sich acht geben und ohne Unterbruch Christus anrufen, dass er sich erbarme und unsichtbar die unsichtbare Seele vor ihren unsichtbaren Feinden rette. Denn die Feinde hören nicht auf, stets gegen denjenigen, der gerettet werden will, Krieg zu führen; deshalb soll auch dieser stets gegen sie Krieg führen und den, der ihn retten kann, rufen und bei ihm Zuflucht nehmen, und auch wenn er isst oder trinkt oder geht oder sitzt oder steht oder sonst etwas tut (cf. I Kor. 10, 31) ohne Unterbruch rufen “Herr Jesus Christus erbarme dich – Sohn Gottes hilf mir”,a damit diese Erinnerung an den Namen unseres Herrn Jesus Christus den Feind zum Kriegb anstachle. Denn alles wird die Seele, die sich Gewalt antut (cf. Mt. 11, 12), durch die Erinnerung [des Namens Christi] finden, sei es Böses, sei es Gutes; zuerst aber wird sie das Hässliche in sich sehen und dann das Schöne. Diese Erinnerung wird nämlich gegen die Schlange [d.h. den Teufel] zur Tat schreiten und die Erinnerung wird die uns innewohnende Sünde offenlegen und die Erinnerung wird für sie gerade stehen. Und die Erinnerung wird gegen die gesamte Kraft des Feindes im Herzen zur Tat schreiten, und die Erinnerung wird sie besiegen und nach und nach entwurzeln, damit der Name unseres Herrn Jesus Christus in die Tiefen des Herzens hinabsteige und einerseits die Schlange demütige, die diese Weidegründe besetzt hält, und andererseits die Seele rette und zum Leben führe. Ohne Unterbruch soll jeder, der gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen will (I Tim. 2, 4), ausharren und den Namen des Herrn Jesus Christus ohne Unterbruch anrufen, damit das Herz den Herrn verschlinge und der Herr das Herz, und die beiden eins werden.c Der ganze Kampf des Teufels besteht nämlich darin, unseren Geist (noûs) von Gott zu trennen und in die Irre zu leiten und ihn in die Welt herabzuführen; und der ganze Kampf der Seele Diese Fassung des hesychastischen Gebets verbindet die verbreitetste Variante “κύριε Ἰησοῦ Χριστέ, υἱὲ τοῦ θεοῦ, ἐλέησόν με” mit dem Anruf um Hilfe. b   So Markos, bei Johannes ist “zum Krieg gegen die Feinde anstachle” überliefert. c   Johannes der Mönch, Epistola ad Monachos 41–57. Dies ist die Vergottung (θέωσις): der Hesychast hat zum Ziel mit Christus, bzw. Gott, eins zu werden. a  

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Florilegium (F), XIII–XIV

(F), XIII–XIV andererseits besteht darin, den Geist (noûs) nicht von Gott zu trennen, und nicht darauf zu achten, was der alles nach­ahmende alte Maler,a der Teufel, drinnen im Herzen abbildet.b Schau den Willen Gottes, den guten und wohlgefälligen und vollkommenen!c Der Wille Gottes nämlich, der gute und wohlgefällige und vollkommene, ist dies: ohne Unterbruch zu beten (I Thess. 5, 17) und beständig auf den Geist (noûs) zu achten; denn jeder Gedanke, der den Geist von Gott trennt, auch wenn er gut zu sein scheint,d ist doch ganz teuflisch, indem er versucht, unseren Geist von Gott abirren zu lassen und [dies] am meisten, wenn wir uns im Gebet oder der Psalmodie [zu Gott] erheben!e {F, XIV} Vom heiligen Nilus – über das Gebet Ein Gebet,f das das Gebet sucht, wird das Gebet finden; denn das Gebet, und ebenso anderes, folgt dem Gebet, in dem man sich üben soll.g Werfen wir die ganze Abneigung und das ganze Zögern, die Antriebslosigkeit und Verachtung ab, und widmen wir uns dem großen Werk des Gebets nüchtern und inbrünstig!h Der Teufel wird nur selten mit einem Maler verglichen, z.B. bei Nilus (PG 79, 261A). b   Johannes der Mönch, Epistola ad Monachos 4–13. Vgl. schon oben F, VI, wo Gregor von Nazianz mahnt, man solle sich “keine Bilder des Verhassten machen” (μὴ εἰδωλοποιείτω τῇ ψυχῇ τὰ μισούμενα). Dort sind Abbilder sündiger Dinge gemeint, die einen von Gott trennen. Hier handelt es sich aber um alle Gedanken. c   An dieser Rubrik sieht man, wie sehr das ununterbrochene Gebet Markos am Herzen liegt. d   Der Hesychast soll alle Vorstellungen, die während seiner Versenkung aufkommen, unterdrücken. Diese Entleerung suchen auch indische Yogis (z.B. Patañ­jali, Yoga-Sūtras 1, 2: yogaś citta-vr ̣tti-nirodhah ̣ “Yoga is to still the patterning of consciousness” – Ed. Hartranft). e   Teilweise Zitat aus Johannes der Mönch, Epistola ad Monachos 1–4. f   Bei Evagrius (“Nilus”) steht ‘die Aufmerksamkeit’ (προσοχή nicht ­προσευχή). Das Zitat wird dadurch entstellt. g   Evagrius vom Pontus, De oratione 149 (PG 79, 1200A). h   Nilus von Ankyra, Epistola 3, 283 (PG 79, 524C), der zusätzlich schreibt: “… welches die Wurzel der Unsterblichkeit ist”. a  

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(F), XIV–XVI Der Herr schenkt die göttliche Gnade nicht einfach jedem Beliebigen, sondern denen, die Tag und Nacht mit Schmerz und Mühe und Schweiß bitten. Denn es heißt: Wachet und betet! (Mt.  26, 41) Und: Bittet, und es wird euch gegeben werden! (Mt. 7, 7) Lasst uns das Beten und Psalmensingen und Meditieren (meletân)a aller Lehren des heiligen und verehrungswürdigen Geistes weder vernachlässigen noch verachten! Denn in den Worten der gott-eingegebenen Schrift liegt das Himmelreich verborgen; denen, die in Gebeten und Ruhe ausdauernd sind, wird es beim Lesen der Schriften offenbart. Nichts anderes macht den Geist (noûs) für die Dämonen so furchterregend wie fortwährendes, richtiges Gebet, das ihn der Nähe Gottes wür­digt – nahe, heißt es, ist der Herr jenen, die ihn rufen (Ps. 144, 18) – den Feinden macht er sich schwer greifbar. Einen umher vagabundierendenb Geist (noûs) bringt Lesen und Wachen und Gebet mit Fasten und Ruhe zum Stehen. Eine große Qual und Betrübnis und Angst ist das Gebet der Gläubigen für die bösen Dämonen. {F, XV} Vom heiligen Barsanoúphios – über das Gebet Bruder, wenn du, während du [noch] im Körper bist, Gott auf unkörperliche Weise dienen willst, dann verbirg ein ununter­ brochenes Gebet in deinem Herzen, und deine Seele wird [noch] vor dem Tod engelgleich.c Wer nüchtern betet, quält die Dämonen – wer aber überheblich wird, wird von ihnen gequält. Abermals heißt es: Das andauernde Beten führt den Geist (noûs) schnell zum Erfolg.d Vgl. J. Wortley. How the Desert Fathers “Meditated” in: Greek, Roman and Byzantine Studies 46 (2006), p. 315–328. b   Dieser muss wieder zusammengezogen werden, vgl. Ps.-Johannes Chrysostomus, De patientia et de consummatione huius saeculi (PG 63, 939D): “Denn die Lesung der hl. Schriften zieht den umher vagabundierenden Geist wieder zusammen und schenkt Gotteserkenntnis” (Συστέλλει γὰρ ἡ ἀνάγνωσις τῶν θείων γραφῶν τὸν νοῦν πλανώμενον, καὶ δωρεῖται γνῶσιν εἰς θεόν). c   Ebenso schon Evagrius vom Pontus, De oratione (PG 79, 1192C): “Engelgleich wird ein Mönch durch das wahre Gebet” (Ἰσάγγελος γίνεται μοναχὸς διὰ τῆς ἀληθοῦς προσευχῆς). Der ganze Absatz ist nicht als Zitat auffindbar. d   Apophthegmata, Dialogus de contemplatione 17, 13. a  

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Florilegium (F), XIV–XVI

Vom hl. Barsanoúphios – was ist das ununterbrochene Gebet, das auch Nüchternheit und Aufmerksamkeit des Geistes (noûs) ist und genannt wird? Ununterbrochenes Gebet ist, den Namen des Herrn anzurufen und so zu sprechen: “Herr Jesus Christus, unser Gott, erbarme dich meiner – Sohn Gottes, hilf mir!”,a und dies stets und beständig zu sagen; ob man [gerade] sitzt oder geht oder arbeitet oder sonst etwas tut oder sogar bei der Notdurftb des Leibes, lasse man nicht ab vom Beten – besonders dann soll man nüchtern sein, damit sich nicht ein unguter Gedanke ein­schleiche! Wenn man mit jemandem unterwegs oder zusammen ist, dann ist es nicht nötig, laut zu rufen, sondern nur im Herzen; denn allzeit und an jedem Ort muss der Mensch den Namen des Herrgottes anrufen zum unsichtbaren und ununterbrochenen Krieg des Herzens. Und so lässt durch die Gnade Gottes die Versuchung des Feindes nach und der Mensch wird mit Gottes Hilfe gerettet: Wie wenn man einer Pflanze Herzc verwundet hat, sie ganz vertrocknet, so denke auch über das [menschliche] Herz. Jeden Augenblick muss man aufpassen, denn die Diebe sind nicht müßig!d

{F, XVI} Vom heiligen Ephraem – schau die Zeichen des wahrhaftig Bußfertigen! Dies sind die Kennzeichen des wahrhaftig Bußfertigen: Ein bescheidenes Wesen, eine nicht-prahlende Zunge, ruhige und nichtüberhebliche Augen, ein Verstand (diánoia), der sich nur darum kümmert, was ihn etwas angeht, und wie er in jener fürchterlia   Wie schon oben (F, XIII) werden hier die beiden häufigsten hesychastischen Kurzgebete zusammen verwendet. b   χρεία in dieser speziellen Bedeutung z.B. bei Johannes Klímakos, Scala paradisi, Stufe 15 (PG 88, 901A). c   Das Mark von Pflanzen und das Kernholz heißen auf griechisch ‘Herz’ (vgl. Theophrastos, Historia plantarum, 3, 14, 1 – Ed. Hort). d   Ähnlich Barsanoúphios, Brief 441. Offenbar haben wir hier eine andere Version oder gar einen Brief, der in der üblichen Sammlung fehlt.

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(F), XVI–XVIII chen Stunde seines Hinscheidens verteidigt werden kann, [und] der wie es sich gehört einem zerknirschten und bescheidenen Herzen (Ps. 50, 19) folgt. Diejenigen, die [solch ein Herz] erlangt haben, erhalten für alles bis anhin Gemachte Vergebung.a

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{F, XVII} Über die genaue Beichte Auch um dies muss sich jede Seele, die gerettet werden will, kümmern, dass sie jeden Abend Gott wie einem Menschen alles, was ihr den ganzen Tag widerfahren ist, beichtet – was davon kleine und leicht zu heilende [Verfehlungen] sind, versuche sie durch wieder gut machende Buße [selber] zu versöhnen, alle schwerwiegenderen aber und schwerer zu beurteilenden sich zu notieren und alles ihrem geistlichen Vater zu unterbreiten, wenn sie sie beim Hinscheiden nicht wieder­finden möchte; auch wenn sie klein scheinen mögen, sind sie doch ein großes Hindernis! Denn, ebenso wie jeder orthodoxeb Mensch einen heiligen Engel hat, der ihm hilft und alles Gute, das er tut, aufschreibt, so folgt ihm auch ein böser Dämon, der jede Sünde aufschreibt, die er begehen mag. Und er geht zu jedem Zollhausc in der Luft und hinterlegt die ent­sprechende Sünde des Menschen, damit sie [d.h. die Dämonen] beim Aufstieg seiner Seele zum Himmel (von dem jene sich [einst] abwendeten und niederstürzten) etwas haben, womit sie sie [d.h. die Seele] beim Aufstieg werden hindern können und sie zum Abgrund hinunterführen – freilich nur, wenn sie [d.h. die Seele] nicht möglichst viele gute und spirituelle Taten durch den a   Vgl. Ephraem der Syrer, Ad Ioh. 16, 33, 396, 12–397, 5 (=Ass. III, 307D). Das genaue Zitat lässt sich nicht identifizieren, aber diese Ephraemstelle spricht ähnliches mit ähnlichen Worten an. Der Kaiser Manuel II Palaiológos (Dialogi cum Mahometano 25, 287 – Ed. Trapp) beschreibt das Leben der Jünger ähnlich. b   Nur die Orthodoxen haben einen Schutzengel und einen Strafdämon. Alle anderen sind wohl von vorne herein als verdammt gedacht. Interessant auch, dass die himmlischen Wesen schreiben. c   Der Gedanke von Aufstiegsinstanzen und die einige Zeilen später folgenden Archonten (‘Zollhausherren’), welche die einzelnen aiônes bewachen, erinnern an die Gnostik (vgl. z.B. Apocalypsis Pauli, NH V, 2 20, 15  –  Ed. Robinson et al.). Doch auch Cyrillus von Alexandria malte den Seelenaufstieg ähnlich aus (PG 77, 1073–1076). Genaueres dazu bei M. Jugie, ‘De teloniis’. Theologia dogmatica christianorum orientalium ab ecclesia catholica dissidentium. Paris 1931, iv, p. 22–31.

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Florilegium (F), XVI–XVIII

sie beschützenden guten Engel vorweisen kann, durch welche ihre Vergehen weggeschnitten werden können. Alles aber, was jemand tut und es dann einem geistlichen Manna und Lehrer beichtet und vom ihm Gebote empfängt und dadurchb die Absolution erhält, wird sofort vom heiligen Geist von dem dort [Aufgeschriebenen] weggewaschen. Und in ihm [d.h. dem hl. Geist] erkennen die Zollhausherren, dass [die Vergehen] durch die Beichte abgenommenc wurden, und sie prüfen mit ihm. Sie [d.h. die Dämonen] bemühen sich aber, solange der Mensch noch am Leben ist, dem die Sünden durch Beichte abgenommen wurden, ihm wieder neue aufschreiben zu können. Deshalb bekriegen sie ihn nach der Beichte auch heftiger. Wahrhaftig etwas Großes und Erlösendes und zur Rettung besser Geeignetes als irgend etwas anderes ist die reine Beichte (d.h. keine vorgetäuschte oder gefälschte): Sie rettet den Menschen leicht aus den Händen der wilden Dämonen. Und seine Seele geht ungehindert durch alle Luftzollhäuser hindurch und gelangt unter Verwendung der Wirkung ihrer guten Taten heil zu ihrem Gebieter. {F, XVIII} Vom großen Basilius Aber auch der große Basilius sagt: Nicht nur die sündigen Menschen, sondern auch die wahrhaftigen Athleten Christi, wenn sie ans Ende ihres Lebens gelangt sind, werden nämlich vom Herrn der Lüfte (Eph. 2, 2) erforscht, damit diejenigen, die für befleckt oder durch die Sünde beschmutzt befunden werden, zurückgehalten werden; wenn sie aber für unverletzt und unbe­fleckt befunden werden, kommen sie als [von der Sünde] Ungebändigte und Freie durch Christus zur Ruhe. Und dies kannst du daraus lernen, was der Herr selber zu seiner Stunde des Leidens sagte: Jetzt kommt der Herr dieser Welt und wird nichts an mir haben (Joh. 14, 30). Der keine Sünde beging, sagte also, er [der Herr dieser Welt] habe nichts [an ihm]; dem Menschen aber sei es Wagnis genug zu a   Wir würden eher ‘geistlichen Vater’ erwarten, was die junge Handschrift P auch schreibt. b   D.h. durch das Ausführen der Gebote zur Buße. c   Eventuell ist ‘abgewaschen’ (ἀπηλήφεσαν) statt ἀπειλήφεσαν intendiert.

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(F), XVIII–XIX sagen: Der Herr der Welt (Joh. 14, 30) kommt, und findet an mir wenig und Kleines!a Deshalb ist es gut, nicht zu sündigen und nicht am nächsten Tag wieder denselben [Sünden] zu verfallen. Dies aber geschieht, wenn wir selber unsere [Taten] in unserem Gewissen am Ende des Tages vor Gott analysieren – worin und in welchem Maße wir uns vergangen haben – und es beichten und uns wiederherstellen. Denn diese täglichen Ratiociniab erleuchten unsere Stundengebete und sind das allerbeste Maß.c Dies sagt auch David, der Vorfahre Gottes:d Was ihr in euren Herzen sprecht, bereut auf euren Lagern! (Ps.  4, 5) Und der Apostel Paulus: Wenn wir uns selbst verurteilten, so würden wir nicht verurteilt (I Kor. 11, 31). Und der Geliebte:e Beichtet einander (Jak. 5, 16); und: Wenn wir unsere Sünden bekennen, ist er [Gott] treu und gerecht, so dass er uns vergibt und uns reinigt von jeder Sünde (I Joh. 1, 9). {F, XIX} Von Johannes Klímakos Es sagt aber auch der göttliche Johannes Klímakos: Eine Seele, welche die Beichte im Sinn hat, wird dadurch wie durch Zügel vom Sündigen zurückgehalten; was aber nicht in der Beichte ausgesprochen wird, tun wir dann furchtlos wie im [Schutz] der Dunkelheit.f

Basilius, Sermones de moribus, Predigt 14: Über das künftige Gericht (PG 32, 1300A). b   D.i. die regelmäßige Selbsterforschung als christliche Praxis. Schon Johannes Chrysosto­mus (Expositio in Psalmos, Ps 4, cap. 8 [= PG 55, 52A]) empfiehlt diese: “Fordere am Abend Rechtfertigung (ratiocinium) von der Seele, und verurteile den sün­digen Gedanken, binde ihn wie an einen Holzpfahl und foltere ihn und befehle ihm dasselbe nicht mehr zu versuchen” (Ἐν ἑσπέρᾳ λογοθέσιον ἀπαίτει τὴν ψυχήν, καὶ καταδίκαζε τὸν ἡμαρτηκότα λογισμόν, ἀνάρτησον ὡς ἐπὶ ξύλου καὶ βασάνισον καὶ παράγγελλε μηκέτι τοῖς αὐτοῖς ἐπιχειρεῖν). c   Des spirituellen Fortschrittes. Markos zitiert diese unauffindbare Stelle unten noch einmal ausdrücklich als Basilius (auf p. 192, Anm. d). d   Da Christus aus seiner Nachkommenschaft stammen soll (Mt. 1, 1). e   Johannes bezeichnet sich oft als den ‘geliebten Jünger’. Der Name bezieht sich also auf das übernächste Zitat. f   Johannes Klímakos, Scala paradisi, Stufe 4, 46 (PG 88, 705C). a  

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Florilegium (F), XVIII–XIX

Vom hl. Antônios dem Großen Auch der große Antônios sagt, dass, wer gerettet werden will, nicht nur jeden schändlichen Gedanken und jede sündige Tat, sondern auch das scheinbar Gute und Spirituelle und selbst die Wasserschalen, wie viele er austrinkt, all [dies] seinem geist­lichen Vater unterbreiten soll, damit er nicht dabei strauchle!a Glückselig, wer dies weiß und einhält! Denn in Kürze wird er Erleuchtung der Seele und wahre Demut finden und bei seinem Hinscheiden ungehindert zu jener ewigen Ruhe weggehen; dort ist aller Frohlockenden Wohnstätte und Ruhe! Vom hl. Symeonb – wie man das Kreuz ergreift und dem Herrn folgt (Lk. 14, 27) Das Kreuz ergreifen (Lk.  14, 27) heißt, all seinen Willensäußerungen zu entsagen; und nachfolgen (Lk. 14, 27) in allen Geboten Gottes, alles im Leben, das Betrübliche und das Heitere, zu verachten, da alles wie ein Schatten vorüberzieht (Sap. 5, 9) und wie ein Rad sich dreht.c Was ist der schmale und betrübliche Weg? (Mt. 7, 13) Vom heiligen Johannes Klímakos Passen wir auf uns auf, dass wir nicht behaupten, auf dem schmalen und betrüblichen Weg zu wandern, obwohl wir den weiten und breiten (Mt. 7, 13) einschlagend abgeirrt sind. Den schmalen Weg wird dir zeigen: die Drangsal des Bauches, ganznächtliches Stehen, bemessenes Wasser, Brotmangel, der reinigende Trank der Schmach, Nasenrümpfen, Verhöhnung, Hohn, Unterbinden der eigenen Willensregungen, Geduld bei Beleidigungen, Nichtmurren bei Verachtung, Stärke gegenüber Beschimpfung­en, bei a   In etwas anderen Worten in den Apophthegmata, Collectio alphabetica, Antônios 38 (PG 65, 88B). b   Diese Autorenbezeugung steht nur in der Handschrift P und die Passage lässt sich nicht nachweisen, doch klingt der Text durchaus nach Symeon dem Neuen Theologen. Bei ihm gibt es ähnliche Stellen, z.B. in den Capita theologica – Ed. Darrouzès (SC 51bis, 1, 61). c   Vgl. Jak. 3, 6 das ‘Rad des Werdens’, und unten F, XXVII, 108 (Zitat von Hêsýchios): “du siehst ja, wie sein [des gegenwärtigen Lebens] Rad sich unordentlich dreht”.

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(F), XIX–XXI Ungerechtigkeit stark ausharren, bei Verleumdung sich nicht ärgern, bei Bestrafung nicht auf Rache sinnen, bei Verachtung nicht zürnen, bei Verurteilung Demut zeigen. Glückselig, die diesen Weg gehen, denn ihrer ist das Himmelreich! (Mt. 5, 10)a

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{F, XX} Rekapitulation über das Kreuz und Belegstellen Auf viele Arten und Weisen (Hebr. 1, 1), durch die Evangelien, die Apostel und die Väter, werden wir belehrt, dass der Weg Gottes durch Kreuz und Tod führt, und wer auf dem Weg der Geretteten gehen will, auf ihm wandeln muss. Der Weg Gottes ist nämlich ein tägliches Kreuz: Noch keiner wurde durch Müßigkeit gerettet;b denn diejenigen, die in Müßigkeit und Vergnügen wandeln wollen, befinden sich auf dem breiten Weg, der ins Verderben führt! Und schau, was der Apostel Paulus über die alten Heiligen erzählt – wörtlich sagt er: Sie erfuhren Spott und Geißeln, auch Fesseln und Gefängnis, sie wurden gesteinigt, zerhackt, versucht, durchs Schwert getötet, gingen umher in Schafspelzen, in Ziegenhäuten, erlitten Mangel, Drangsal, Ungemach; sie, deren die Welt nicht würdig war, sie irrten umher in Wüsten und Gebirgen und Höhlen und den Klüften der Erde. (Hebr.  11, 36–38) Sie hatten kein Dach, keinen Speicher, kein Bett, keinen Tisch, ihre Bekleidung ein Schaffell und Haare, knapp die tägliche Nahrung und auf die morgige verschwendeten sie keinen Gedanken: Sie nahmen durch ihre frei gewählte Askese (philosophía)c die spätere Mahnung des Herrn im Evangelium (cf. Mt. 6, 26) vorweg. Wir aber haben das Kreuz des Herrn vor Augen und hören ihn täglich durch das Evangelium rufen: Wenn einer mir nachfolgen will, nehme er sein Kreuz und folge mir (Mt. 16, 24); und: Was nützt es Johannes Klímakos, Scala paradisi, Stufe 2, 13 (PG 88, 656D). Diesen Satz aus Isaak von Ninive (Oratio 49, 71f., p. 654; früher 4, 5) wird Markos noch mehrmals anführen (B, VII und C, XXII). c   Ebenso bedeutet philósophos bei den Mönchen normalerweise ‘Asket’. a  

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Florilegium (F), XIX–XXI

einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewänne, aber seine Seele verlöre? (Mt.  16, 26) Ähnlich ruft auch der Apostel: Durch viel Drangsal müssen wir ins Himmelreich eingehen (Apg. 14, 22), und überhaupt die gesamte göttliche Schrift lehrt dasselbe! Vom hl. Nilus Wir aber, die wir uns der Welt kreuzigten (vgl. Gal.  6, 14) und dem Leben entsagten und uns mühten, durch die Leidenschafts­ losigkeit zur Natur der unkörperlichen Mächtea überzusiedeln,b wendeten uns vielleicht zurück, indem wir uns wieder dem Leben und der Welt zukehrten und uns durch unsere weltliche Lebensführung verrieten. Den Griff des Pfluges halten wir zwar – und behalten einen erhabenen Anschein bei –, aber wir sind durch unser Zurückwenden untauglich für das Himmelreich (cf. Lk. 9, 62) geworden und halten uns mit viel Eifer an den Dingen, die wir vergessen sollen.c {F, XXI} Über das Fastend und die Ernährung das ganze Jahr über und wie, wer gerettet werden will, fasten und sich in allem enthalten muss Wohlan, lass uns auch über das Fasten reden! Es ist das älteste und erste Gebot: Falls nämlich der ersterschaffene Adam es eingehalten hätte, wäre nicht die gesamte Menschheit in diese Misere gefallen! Deshalb sind auch alle Gebote des Herrn so schlicht geschrieben, die Gebote über das Fasten aber haben die gottverkündenden Apostel mit Sicherheit und Verbindlich­keit im verehrten Buch ihrer göttlichen Kanonese festgesetzt. Sie kannten jenen ersten Sündenfall, über den geschrieben steht: Schön war sie anzusehen und gut zu essen, (Gen. 2, 9) die Frucht, die mir den Tod a   Die dynámeis sind hier offenbar nicht eine bestimmte Klasse überweltlicher Wesen (wie bei Ps.-Dionysius Areopagita, De caelesti hierarchia [z.B. SC 58bis, VI, 2, p. 105]), sondern das himmlische Gefolge Gottes im Allgemeinen. b   D.h. “wir Mönche”. c   Nilus von Ankyra, De monastica exercitatione 6 (PG 79, 724D). d   Für einen knappen Überblick über die orthodoxen Fastentage und -vorschriften vgl. die Einleitung ab p. 25. e   Dieses stammt aber erst aus dem 3. oder 4. Jh. Aphraates zitiert die syrische Version zum ersten Mal um 350.

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einbrachte! Als nun unser Herr kam und diesen ersten Sündenfall heilen und unseren Anstifter (pternistês),a den Teufel, umstürzen wollte, ging er nach der heiligen Taufe in die Wüste hinaus und fastete vierzig Tage und vierzig Nächte und besiegte so unseren Feind und heilte jene erste Wunde. Wenn nun derjenige, der das Gesetz festsetzte, fastet, wer von denen, die das Gesetz halten, braucht [dann] nicht zu fasten? Er verbrachte die ganze Nacht, heißt es, immer im Gebet zu Gott (Lk. 6, 12); und wenn jener inbrünstig und un­unter­brochen betete, der kein Erbarmen brauchte, wie können also wir (die wir vieler Sünden schuldig sind) es auch nur für kurze Zeit vernachlässigen, um Erbarmen bei Gott zu bitten? Dies tat er nämlich zu unserer Zurechtweisung, indem er durch die Tat lehrte, wie wir unseren Feind besiegen und Rettung finden können. Deshalb erkannte das Menschengeschlecht bis zu jener Zeit nicht den Sieg über den Feind, und der Teufel erfuhr auch nicht seine Niederlage aus unserer Natur. Von Anfang an war er durch diese Waffe besiegt, und unser Herr war der Anführer und Erst­ geborene des Sieges, indem er uns diesen Siegeskranz, nämlich das Fasten, auf den Kopf unserer Natur drückte. Und immer wenn der Teufel diese Waffe bei einem der Menschen erblickt, erschrickt der Widersacher und Tyrann sogleich und er erinnert sich an seine Niederlage und er wird gequält durch die Waffe, die uns von unserem Feldherrn, unserem Herrn und Gott, gegeben wurde, der das Menschen­geschlecht errettete.b Da die heiligen Apostel dies genau wussten, setzten sie [die Fastenvorschriften] mit Strafen und Verbindlichkeit für die Sklaven des Magens und die Verächter der Gebote des Herrn fest – diejenigen, die der göttliche Paulus sowohl beklagt als auch Feinde des Herrenkreuzes nennt. Den Philippern schreibt und sagt er wörtlich dies: Viele wandeln umher, die ich oft erwähnte, jetzt aber auch weinend die Feinde des Kreuzes Christi nenne, deren Ende a   Von ‘(ein Pferd) anspornen’ (πτερνίζω), das in Gen.  27, 36 ‫‘( עקב‬hintergehen’) übersetzt, wo es den Namen Jakob etymologisiert, und zwar als ‘Überlister’ (τεχνίτης erklärt eine neutestament­liche Catena). b   Isaak von Ninive, Oratio 27, 261–271, p. 451 (früher 85, 12).

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Florilegium (F), XXI–XXII

(F), XXI–XXII Verderben, deren Gott der Bauch und deren Ehre in ihrer Schande ist – die auf das Irdische sinnen (Phil. 3, 18). {F, XXII} Kanon 69 der hl. Apostel Deshalb sagt der 69. Kanon der heiligen Apostel ausdrücklich dies: Falls ein Bischof oder ein Priester oder ein Diakon oder ein Lektor oder ein Psalmensänger während der heiligen Fastenzeit zu Ostern und jeden Mittwoch und Freitag nicht fastet, so soll er abgesetzt werden, falls er nicht durch körperliche Krankheit verhindert ist – ein Laie aber [der nicht fastet], soll ausge­schlossen werden.a Beachte, dass der Kanon der heiligen Apostel das Fasten zur heiligen Fastenzeit und jeden Mittwoch und Freitag allen Getauften gleichermaßen vorschrieb! D.h. fasten bis zur Neunten Stunde, dann sich eine leichte Mahlzeit ohne Öl und Wein gestatten.b Ebenso sagt der 19. Kanon der heiligen Synode in Gangra: Falls einer der spirituell Übenden ohne körperliche Not arrogant wird und die allgemein tradierten und von der Kirche eingehaltenen Fasten auflöst, sei er mit dem Bann belegt!c Dies haben die heiligen Apostel zum Teil festgesetzt, als die Verkündigung noch in ihren Anfängen stand; als aber unsere heiligen und gottbegeisterten Väter auftraten und sahen, wie sich der Glaube durch die Gnade Christi bis zu den Enden der Erde (Ps. 18, 5) ausbreitete, sahen sie aber auch, dass die Menschen durch ihren luxuriösen Lebensstil in gänzliche Verachtung und Leichtnehmen der Gebote Gottes verfielen, doch sie [d.h. die Väter] hatten den Herrn sagen gehört: Falls eure Gerechtigkeit diejenige der Schriftgelehrten und Pharisäer nicht weit übertrifft, werdet ihr nicht in das Himmelreich eingehen! (Mt. 5, 20) Diese [d.h. die Apostolische Konstitutionen, Canones 8, 47, 69. Wörtlich ‘(auf)lösen’ ([κατα]λύω). Der Fachterminus für ‘das Fasten aufheben (mit), sich (ein Nahrungsmittel) gestatten’. c   Synodalbeschluss von Gangra, heute Çankırı, (19, ed. Joannou I, 2, p. 94). Die Synode fand um 340 statt (gemäß CPG) und war gegen Eustathius (von Sebaste?) und seine Schule gerichtet, der die kirchliche Tradition und insbeson­dere die Heirat verworfen haben soll. Beide Kanones werden auch nacheinander von Níkôn in seinem noch unedierten Florilegium Pandectes, z.B. in der Handschrift Firenze, Laur. Plut. VI.4, f. 361v, zitiert. a  

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Pharisäer] zahlten aber von allem, was sie hatten, den Zehnten, ihr ganzes Leben lang, ohne die Erstlinge und die Opfer und die übrigen Almosengaben, die sie täglich tätigten, [dazuzurechnen],a sie fasteten auch jede Woche zwei Tage, sie hatten aber auch jedes Jahr vier Vierzigtägige d.h. Fastenzeiten.

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Über den Montag und die drei Fastenzeiten: Warum und von welchen der hl. Väter sie festgesetzt wurden Als die heiligen Väter dies bemerkten, schrieben auch sie kanonisch die dreib Fastenzeiten vor: die vor Weihnachten, meine ich, diejenige der heiligen Apostel und die der Gottes­gebärerin; dazu jede Woche den Montag, damit jeder Gläubige den Wochenlauf mit Fasten gerade so gottgefällig beginne, wie er ihn auch vollenden möge. Und so muss jeder, der gerettet werden will, [dies] einhalten, damit er nicht dem ‘Wehe’ verfalle: Wehe, heißt es nämlich, dem, der die Vorschriften der Väter auflöst!c (Dtn. 27, 17) Diese [Dinge] bin ich für dich Gottesfreundin durchgegangen, damit du genau erfährst, wie und warum die Fastenzeiten festgesetzt wurden und von wem. Aus dem Traktat über das Fasten des hl. Níkôn Es sagt aber auch der hl. Níkôn in seiner Schrift über das Fasten: Dies sind die allgemeinen Fastenzeiten der Christen: Montag, Mittwoch und Freitag des ganzen Jahres, außer bei guten Gegengründen (nämlich ein Herrenfest oder große Krankheit), weiter die Großed Fastenzeit, die Woche der Passion des Herrn und die drei [andern] Fastenzeiten, diejenige vor Weihnachten, diejenige

a   Dies hat Johannes Chrysostomus eruiert, vgl. seinen Matthäuskommentar (PG 58, 615C). b   D.h. außer der Großen vor Ostern. Somit hatten die Christen nun auch vier Fastenzeiten wie die Pharisäer. c   Diese Deuteronomiumstelle bedeutet im hebräischen Urtext “Verflucht sei, wer die Grenz(steine) (hebr. ‫גבור‬, ὄρια wie die LXX richtig übersetzt) seines Nächsten versetzt”. Hier (und öfter bei den Vätern) ist aber ὄρια als etwas Abstraktes, wie ‘Vorschriften’, verstanden worden. d   μεγάλη sollte im Text stehen, nicht das sinnlose με γάλη.

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Florilegium (F), XXII–XXIII

(F), XXII–XXIII vor Peter-und-Paul und diejenige vor Mariä Himmelfahrt, d.h. diejenige im August.a Die göttlichen Apostel und die göttlichen Väter pflegten das Fasten ohne Unterbruch, sowohl was die tatsächliche Durchführung als auch ihre Lehre betrifft, außer an den vorge­schriebenen [Nicht-Fasttagen]. Wir aber, die wir nicht so wandeln können – oder viel mehr nicht wollen –, wenn wir uns bemühen der Gefahr zu entfliehen, sollen [zumindest] die überkommenen Fasten nach Kräften einhalten!b {F, XXIII} Über die große Fastenzeit und wie das Fasten in ihr vollbracht werden muss In der ersten Woche wollen wir, wie gewohnt, am Mittwoch und am Freitag mit leichter Kost fasten (falls jemand wegen Krankheit dies nicht kann, soll er jeden Abend etwas Brot mit Wasser essen)c – samstags und sonntags in dieser ganzen heiligen Fastenzeit ist es aber erlaubt, sich Öl und Wein zu gestatten, Fische hingegen nur am Fest Mariä Verkündi­g ung.d Wir wollen jeden Montag, Mittwoch und Freitag dieser heiligen Fastenzeit mit trockener Nahrunge und Wasser trinkenf verbringen; donnerstags und dienstags ist es denen, die möchten, erlaubt, aus Schwäche etwas Wein zu sich zu nehmen. Die ganze göttliche Woche des ehrwürdigen Leidens des Herrn (außer den hl. Gründonnerstag) wollen wir mit trockener Nahrung und Wasser verbringen. Am Gründonnerstag wollen wir uns den Wein wegen der Kommunion und der Ermattung vom vorherigen [Fasten] gestatten; aber vom Gründonnerstag bis zur dritten Stunde der Nacht des Karsamstags gehört es sich für alle zu fasten, wie auch die göttlichen Väter es festlegen. Níkôn vom Schwarzen Berg, De ieiuniis (PG 127, 525D). Níkôn vom Schwarzen Berg, Pandectes, Firenze, Laur. Plut. VI.4, f. 286va (noch unediert). c   Also soll man mit monophagía fasten, d.h. nur eine (karge) Mahlzeit am Tag nach der Neunten Stunde einnehmen. d   Annuntiatio, am 25. März. Diese Sonderregelung ist schon alt, vgl. z.B. Anastasiana, Doctrina de temporibus – Ed. Pitra, 2, 280 (6. Jh.?). e   ‘Xerophag’, erlaubt sind Brot, Salz und Gemüse (vgl. z.B. Epiphanius, Panárion 3, 1 – Ed. Holl (= PG 42, 365A)). f   ‘Wasser trinken’ bedeutet insbesondere, keinen Wein zu trinken. a  

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Wie das Fasten vor Weihnachten vollbracht werden muss Während der göttlichen Fastenzeit vor Weihnachten ist es nur am Samstag und Sonntag erlaubt, sich Fische zu gestatten; dienstags und donnerstags aber Öl und Wein; montags, mittwochs und freitags trockene Nahrung essen und Wasser trinken. Man muss aber mehr und ausgedehntere Enthaltung üben nach dem Gedenktag des hl. Nikolaus,a weil das göttliche Fest und die Teilhabe an den göttlichen Mysterien näher rücken. Und wir sollen Gott mit inbrünstigerer Übung und Kasteiung anflehen, denn so ist der gefeierte Gott erfreut und nimmt das Gebet derer, die ihn so feiern, wie ein Rauchopfer (wie Wohlgeruch (Gen. 8, 21)) an. Über die beiden übrigen Fastenzeiten der hl. Apostel und der Gottesgebärerin Es gelte auch in den anderen beiden Fastenzeiten – derjenigen vor dem Gedenktag an Peter-und-Paul und derjenigen der Gottesgebärerin, d.h. die im August – das gleiche Vorgehen. Falls jemand manchmal wegen der Hitze des Wetters nicht vermag, es bis zur Neunten Stunde auszuhalten, soll man nicht einfach vielfältige [Speisen] essen, sondern karges Mahl halten, und dies in Enthaltung. Schau, was Fasten und was Enthaltung ist Fasten bedeutet fasten bis zur Neunten Stunde. Enthaltung aber bedeutet, zur sechsten oder auch zur siebten Stunde enthaltsam Speise einzunehmen. Auch der Verzicht auf die Hauptmahlzeit (deîpnos) heißt Enthaltung. Es sagt auch der große Athanasius: Die Mittwochs- und Freitagsfast ist bis zur Neunten Stunde vorgeschrieben.b Gleichermaßen sagt auch der hl. Epiphanius: Das ganze Jahr hindurch wird in der heiligen und allgemeinen Kirche Fasten eingehalten – ich meine am Mittwoch und am Freitag bis zur Neunten Stunde.c Am 6. Dezember. Ps.-Athanasius, Syntagma ad monachos 2, 14, 2. c   Epiphanius, Panárion 3, 523. a   b 

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Florilegium (F), XXIII–XXIV

(F), XXIII–XXIV Soviel zu den Fasttagen. Über die Nicht-Fasttage sagt der große Athanasius wiederum: Es betrüge dich keiner [indem er dich anhält], am Sonntag zu fasten oder Kniebeugungen zu machen, und auch nicht in der Pfingstzeit!a Auch der hl. Johannes der Faster, der Patriarch von Konstan­ tinopel, sagt, dass es an allen Wochenenden und allen Herren­festen, auf welchen [Wochen-]Tag sie auch immer zu stehen kommen, und die ganze Pfingstzeit und die zwölf Tageb nicht erlaubt ist zu fasten oder Kniebeugungen zu machen, sondern nur Verbeugungen.cd Also enthaltsam essen, aber nicht fasten – beten, aber nicht Kniebeugungen machen. Denn es soll der orthodoxe Christ den Trauertag in Trauer halten und den Festtag in Freuden! Vom hl. Basilius dem Großen – warum es ‘Festtag’ heißt, und was die Kniebeugungen bedeuten Festtag (heortê)e heißt es deshalb, weil man den Geist an jenen fest bestimmten Tag festbindet (an-artáô). Die Kniebeugungen (gony-klisía) bedeuten hingegen dies: Die Beugung (katá-klisis) zur Erde hin, dass wir durch Sündigen zur Erde niedergefallen sind, die Beugung (aná-klisis) von der Erde hinauf, dass wir aus dem Fall durch Christi Gnade zurückgerufen (aneklêthêmen) wurden.f {F, XXIV} Aus dem Werk über das Fasten unseres seligen Vaters Dôrótheos Bruder, glückselig, wer sich gut bewähren wird während der heiligen Tage der großen Fastenzeit! Denn sollte es auch vorgekommen sein, dass er als Mensch sich versündigte, sei es aus Schwäche, sei Ps.-Athanasius, Syntagma ad monachos 2, 17, 2. Diese Bestimmung wurde in Nicaea kanonisiert (Canon 20 – Ed. Alberigo et al.). Mehr dazu in E. Bertaud. Génuflexions et Métanies in: DSAM, vi, p. 213‒226. b   dôdekaêmeron, die 12 Tage zwischen Weihnachten und Epiphanie. c   Unten (F, XXVI) wird genauer auf diesen Unterschied eingegangen. d   Johannes der Faster, Paenitentiale (PG  88, 1916D). Patriarch von Konstantino­pel von 582 bis 595. e   Ich gebe die ‘Etymologien’, d.h. die ähnlich klingenden Wörter, in Klammern wieder. f   Ähnliche Ansichten zu den Kniebeugungen vertritt Basilius in De spiritu sancto, cap. 27, 66, 88 – ed. Pruche (SC 17bis = PG 32, 192C). a  

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(F), XXIV es aus Achtlosigkeit, siehe, Gott hat diese Tage gegeben, damit jemand, der an ihnen in Nüchternheit und Demut aus ganzer Seele Buße zu tun bestrebt ist, von den Sünden des ganzen Jahres gereinigt wird, und dann kommt seine Seele zur Ruhe von der Last, wenn er bereitwillig und freudig fastet, und so kommt er rein zum reinen Tag der allgemeinen Auferstehunga – des heiligen Lazarus,b wie ich meine: Dann begegnet sie dem Herrn mit Palmwedeln und Zweigen;c dann wiederum kämpft sie so in der Woche des heiligen Leidens, und so wird sie würdig, Ostern und die Auferstehung des Herrn zu feiern – indem sie unverurteilt an den göttlichen Mysterien teilhat, und ein neuer Mensch geworden ist durch die wahre Buße, und sie feiert mit Freude und Frohsinn die ganze hl. Pfingstzeit Gottes. Pfingsten bedeutet aber die Auferstehung der Seele. Dies wird symbolisch [ausgedrückt dadurch], dass während der ganzen Pfingstzeit keine Kniebeugungen gemacht werden.d Jeder, der sich von den Sünden des ganzen Jahres reinigen will, soll sich also zuerst vor dem Durcheinanderessen der Speisen hüten, denn der Überfluss an Speisen zeugt alles Übel.e Ähnlich wird man das Nicht-Aufheben des Fastens (außer in großer Not) halten, und weder die schmackhaften Speisen heraus­suchen, noch wiederum sich durch Überfluss an Speisen beschweren. Denn es gibt zwei verschiedene Arten der Völlerei: Nämlich, dass jemand mit der Schmackhaftigkeit kämpft und nicht viel, sondern

a   Die Auferstehung wird manchmal zur Verdeutlichung ‘allgemein’ genannt, insbesondere gegen Irrlehren, die nur eine Auferstehung der Gerechten predigten (so z.B. Johannes Chrysostomus, Homiliae in Joh. [PG 59, 263E]). Der folgende Einschub stammt von Markos. b   Der Lazarussamstag ist in der Woche nach dem Sonntag der Maria von Ägypten in der Fastenzeit am Vortag des Palmsonntags, dem die Karwoche folgt. Markos interpretiert die Passage also als ‘bis zum Ende der Fastenzeit’, Dôrótheos hat aber das Jüngste Gericht im Sinn (die koinê anástasis; koinê fehlt in der kritischen Dôrótheosausgabe, scheint aber in Markos’ Text gestanden zu haben). c   Am Palmsonntag. d   Die ein Symbol für den Sündenfall und die Rettung sind (wie wir eben in F, XXIII gesehen haben). e   Vgl. Apophthegmata, Collectio systematica (SC 387, 4, 90).

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Florilegium (F), XXIV

Schmackhaftes essen will. Dies nennt man Verschlecktheit.a Ein anderer kämpft mit dem Vielessen, und der Geschmack ist ihm egal. ‹Dies nennt man Völlerei [im engeren Sinne].›b Diese [Laster] soll derjenige, der sich reinigen will, in Nüchternheit fliehen. Sie sind nämlich nicht zum Nutzen des Körpers, sondern sie sind sündige Leidenschaften. Zum Nutzen da ist aber [lediglich] dies: Täglich zu essen und sich nicht zu mästen, aber andererseits auch nicht über die Maßen zu fasten und den Körper niederzuringen. Wir sollen uns nicht nur in Speis und Trank enthalten, sondern auch jeder anderen sündigen Tätigkeit, damit wir, so wie wir mit dem Bauch fasten, auch mit der Zunge fasten werden, indem wir uns der Verleumdung, der Lüge, der Schmähung, der Wut, der Beschimpfung, des Selbstgesprächs (monología)c und jeder anderen Sünde, die durch die Zunge entsteht, enthalten. Ähnlich auch mit den Augen fasten und nicht eitle [Dinge] anschauen, nicht schamlos in fremde Angesichter blicken, sondern das Auge stets gesenkt halten und uns des Todes erinnern, da wir alle in Kürze zur Erde zurückkehren werden, aus der wir genommen wurden. Ebenso die Hände und die Füße von jeder bösen und sündigen Tätigkeit abhalten. Ähnlich auch die Ohren bewahren vor jedem üblen Hören und musikalischen und allen im Theater [aufgeführten] und eitlen Liedern.d Schau das geistige (noêtós) Fasten und die wahre Enthaltsamkeit! Aber nicht nur auf die körperlichen Glieder muss der [spirituelle] Athlet aufpassen, sondern noch viel mehr auf die ungeordneten Regungen der Seele und die bösen Eingebungen des Geistes a   laimargía, normalerweise Synonym von gastrimargía (‘Völlerei’), doch das Etymo­logicum Gudianum – Ed. Sturz, s.v. übernimmt dieselbe Unterscheidung, eventuell aus unserer Dôrótheos-Stelle. b   Den letzten Satz hat Markos weggelassen. Eventuell hat es ihn gestört, dass es eine Völlerei im weiteren und eine im engeren Sinne geben soll. c   Das Wort hat bei Klimakos (passim), im Gegensatz zu hier, eine positive Bedeutung, als Gegensatz zur ‘Geschwätzigkeit’ (πολυλογία). d   Dôrótheos, Doctrinae diversae 15.

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(F), XXIV–XXVI (noûs), um das Denken zu reinigen und jeden Gedanken in die Kriegsgefangen­schaft des Gehorsams Christi zu führen (II Kor. 10, 5). Wer dies also echt in großer Demut befolgt, der fastet das wahre und vollkommenste Fasten – des Körpers, der Seele und des Geistes, meine ich!a {F, XXV} Über die Große Wocheb Über die Große Woche sagt der göttliche Chrysostomus: Wir haben die Seefahrt des Fastens vollendet und sind nun mit der Gnade Gottes in den Hafen gelangt. Doch lasst uns deshalb nicht leichtfertig werden, sondern lasst uns vielmehr eifrig sein und den Weg der Tugenden intensivieren! Denn deshalb heißt sie auch die Große Woche, d.h. als die erste und das Haupt der anderen Wochen der Fastenzeit. Und abermals: Wie diese das Haupt der anderen Wochen ist, so steht wiederum ihr Haupt am Karsamstag. Deshalb intensivieren viele an ihm ihr Bemühen, einige verstärken das Fasten, andere das heilige Wachen, wieder andere wirken reichlichere Barmherzigkeit, so feiern sie bemüht um gute Taten und mit dem Leben angemessener Vorsicht in dieser hl. Woche die verehrten und heilbringenden Leiden [Christi] in Wort und Tat.c Und abermals anderswo sagt er: Diese drei Tage, Donnerstag, Freitag und Samstag [der Karwoche] sollen wir besonders einhalten. Wer es vermag, faste an beiden zusammen (am Freitag und am Samstag), falls man aber aus Krankheit oder Minderjährigkeit dies nicht vermag, soll man sich bis zum Abend zwingen. Am heiligen und großen Samstag aber, als ehrwürdigem und höchstem und dem Haupt der anderen Tage, faste man bis zur vierten Stunde der Nacht,d außer bei großer Ermattung oder Krankheit. Ebenso auch die Kinder, aber nicht alle, sondern nur diejenigen,

a   Die Betonung ‘Schau’ lässt vermuten, dass es sich hierbei nicht um Kommentar des Markos sondern um ein unidentifizierbares Zitat handelt. b   D.h. die Karwoche. c   Johannes Chrysostomus, Ad Ps. 145, Cap. 1 (PG 55, 519). d   D.h. bis Mitternacht vor dem Ostersonntag.

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Florilegium (F), XXIV–XXVI

die es vermögen, die aber, die es nicht vermögen, sollen nur Brot und Wasser zu sich nehmen.a {F, XXVI} Über die Stunden und den übrigen Gottesdienst Über das ununterbrochene Gebet wurde schon oben gespro­chen – wohlan, lass uns also wie in einem Erinnerungs­büchlein [noch] etwas über den täglichen Gottesdienst anführen. Gott siebenmal am Tag zu loben (Ps. 118, 164), werden wir vom Gottesvorfahren David aufgefordert; mit Verstand nach­zählend, wirst du finden, wie ich meine: Matutin, Erste Stunde, Dritte, Sechste, Neunte, Vesper, Complet und auch Nocturn.b Die von den Vätern kanonisch vorgeschriebene Prostrationenc 300mal pro Tag ausführen, außer natürlich an den Festtagen, doch an diesen wird von uns verlangt [stattdessen] Verbeu­g ungend zu machen, zu denen wir sagen: “Gott, erbarme dich meiner!” (Lk. 18, 13), in derselben Anzahl wie sonst die Prostrationen. Nicht nur an den Festtagen sollen wir dies tun, sondern auch sonst, wenn wir durch eine Not oder Krankheit vom Kniebeugungen machen abgehalten werden: in

Diese Stelle lässt sich nicht nachweisen. Dies sind eigentlich acht Zeiten. Man war sich des Problems bewusst, deshalb fasst Markos andernorts Matutin und Nocturn (C, XI) oder Complet und Nocturn zusammen (B, V). Z.B. Benedikt von Nursia (Regula 16, 1–3) hat dasselbe Problem. Details zur Tradition des Stundengebets findet man z.B. bei Holzherr (G. Holzherr. Die Benediktsregel: Anleitung zum christlichen Leben. Einsiedeln 1980, p. 150–153). c   metánoiai:  “Inclination ou prosternation faite en signe d’humilité et d’adoration. Elle est toujours accompagnée d’un signe de croix et d’une courte prière qui varie suivant les circonstances. – mikrà metánoia, petite inclination. Pour le faire, on s’incline profondément en portant la main droite jusqu’à terre. = génuflexion à un genou – megálê metánoia, grande prosternation. Pour l’exécuter on ploie les genoux de façon à pouvoir poser les deux mains à terre, ou bien on s’agenouille et on baise le sol. = génuflexion à deux genoux” (L. Clugnet. Dictionnaire grecfrançais des noms liturgiques. Paris 1895, s.v. 2°). Hier ist die megálê metánoia, also die Kniebeugung gemeint. Zur Anzahl Kniebeugen oder Prostrationen pro Tag, vgl. Einleitung Anm. 68, p. 31. d   proskynêseis: “Mouvement qui consiste à incliner la tête et les épaules, quand on passe devant une croix, une sainte image, ou l’autel. (...) = Inclinatio, inclination, salue, révérence” (L. Clugnet. Dictionnaire grec-français des noms liturgiques. Paris 1895, s.v.). a  

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der Anzahl der Prostrationen Verbeugungen machen, zu denen wir das “Gott, erbarme dich!” (Lk. 18, 13) aufsagen.

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Rekapitulation über das Gebet Die göttlichen Väter, von der göttlichen Liebe besessen, verschlossen gleichsam die Sinne vor allem Sichtbaren und waren der Welt und allem in ihr [schon] vor dem Tod abgestorben, sie verharrten stets im Gebet, und lebten auf der Erde gleichsam ein immaterielles und fremdes Leben, [denn] sie hatten gehört, wie der Herr sagte: Wachet und betet, damit ihr nicht in Versuchung kommt (Mt. 26, 41); und abermals: Wachet und betet alle Zeit, damit ihr würdig geachtet werdet, allem, was geschehen wird, zu entfliehen und vor dem Menschensohn zu stehen (Lk. 21, 36); und wieder: Bittet, und ihr werdet empfangen (Joh. 16, 24); und: Sucht zunächst das Reich Gottes (Lk.  12, 31) und all dies wird euch dazu gegeben werden (Mt. 6, 33); und der Apostel: Betet ohne Unterbruch! (I Thess. 5, 17) Als jene dies vernommen und in die Tat umgesetzt hatten, wurden sie des Himmelreiches gewürdigt. Wir aber wollen ihnen nicht in ihren Fußstapfen folgen, auch wenn wir die kanonischen Gebete und Gottes­dienste niemals gering schätzen sollen, sondern sie mit zer­knirschtem und aufmerksamem Verstand (diánoia) in göttlicher Furcht und nieder­geschlagener Gesinnung (phrónêma) ausführen sollen, und uns dabei sogar zu leben unwürdig achten und uns für sündiger als alle Menschen halten. Wir sind voller Vertrauen auf die maßlose Güte des liebbarmherzigen Gottes, dass er auch diesea gütig aufnehmen werde und unsere Erbärmlichkeit seines unaussprechlichen Mitleids würdige – der Ozean seiner Güte anerkennt nämlich und akzeptiert die Pflanzung des Paulus (cf. I Kor. 3, 4) als des Paulus, auch wenn sie von Apollos bewässert wurde, und weder die zwei Batzen der Witwe (cf. Mk. 12, 42) verachtet er, noch weist er die Tränen der Hure zurück oder das Stöhnen des Zöllners! (Mt. 21, 31)

Unsere Gebete und Gottesdienste, obwohl sie den Leistungen der Alten weit nachstehen. a  

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Florilegium (F), XXVI–XXVII

(F), XXVI–XXVII

{F, XXVII} Übersichtliche, sehr nützliche Kapitel unseres seligen Vaters Nilusa Freue dich an der Tugendtat, wenn du eine vollbringst; doch überhebe dich nicht, damit der Schiffbruch nicht im Hafen geschehe. Mit Furcht und Liebe diene Gott; einerseits dem Gebieter und Richter, andererseits dem Menschenfreund und Ernährer.b Strenge dich an, Gott immer vor Augen zu haben, und denke bei allem, was du jemals tust, dass er daneben steht.c Nachts und am Tag blicke auf den letzten [Tag]; und kein Begehren nach dem Leben zieht dich zur Erde nieder. Passen wir auf uns auf, dass wir nicht andere verurteilen! Denn wir straucheln selber in vielen Dingen, die wir an den anderen verurteilen. Strengen wir uns an, mit Furcht und Nüchternheit zu beten, damit wir nicht oft Gott um Dinge bitten, die ihm missfallen! Erinnere dich immer an Gott, und dein Verstand (diánoia) wird zum Himmel werden! Ein Psalm sei dauernd in dir, denn der angerufene Gott schlägt die Dämonen in die Flucht. Halte dein Auge in Zügeln, wenn du die Ackerfurchen der Keuschheit gerade ziehen willst. Hüte die Zunge; denn beim Schwatzen wird die Sünde nicht fern bleiben, und in der Hand der Zunge liegt Leben und Tod.d Meditiere (meletáô)e stets nüchternen Herzens den Namen Jesu! Er reißt nämlich die bösen Gedanken aus, wenn er dauernd meditiert wird. a   Markos scheint eine andere Version dieser Capita vorzuliegen als PG  79, einige der Aussprüche sind uns noch nirgendwoher bekannt. Dieses Werk des Hêsýchios wird öfter als Nilus zitiert (zur Autorschaft, vgl. J. Kirchmeyer. Hésychius de Jérusalem in: DSAM, vii, p. 399‒407, hier p. 403). b   Evagrius vom Pontus, Tractatus ad Eulogium (PG 79, 1105D–1108A). c   Diese Sentenz ist nicht nachweisbar. d   Diese Sentenz ist nicht nachweisbar. e   Vgl. J. Wortley. How the Desert Fathers “Meditated” in: Greek, Roman and Byzantine Studies 46 (2006), p. 315–328.

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(F), XXVII Wende dich ab von der Freude des [irdischen] Lebens; liebe stattdessen den engen und betrüblichen Weg (cf. Mt. 7, 14), damit du dich in alle Ewigkeit erfreuen kannst. Wenn du Reichtum besitzt, so zerstreue ihn – wenn du keinen hast, häufe keinen an! Halte das Fasten für eine Waffe und das Gebet für einen Schutzwall und die Tränen für ein Reinigungsbad! Eile zur Beichte der Vergehen, damit du bei deinem Hinscheiden freudig zum Herrn gelangen kannst.a Unterstütze die Bettler; denn sie versöhnen den Richter mit uns. Betrete die Kirche wie den Himmel, und denke oder sage in ihr nichts Irdisches. Trinke möglichst wenig Wein; umso mehr er nämlich verdünnt wird, desto besser tut er den Trinkenden. Der Verstand (diánoia) hört nie auf, üble Gedanken zu zeugen; hänge diesen nicht nach, [sondern] brenne und geißle sie mit Jesu Namen! Freue dich an der Demut; was nämlich aus ihr [kommt], ist sehr erhaben und kann nicht fallen. Bedenke stets die Schönheit der himmlischen Güter, und kein Verlangen nach der Erde oder nach den [Dingen] aus ihr kann dich gefangen nehmen. Wisse, dass die Lesung [der hl. Schriften] eine Gesetzestat ist, denn in ihr wird der Wille des Herrn erkannt. Wenn immer du die Hand zur Tat führst, soll die Zunge Psalmen singen und der Geist (noûs) beten; denn Gott fordert von uns stetige Erinnerung [an ihn]. Übe Unschuld im Herzen und Keuschheit im Körper; diese beiden machen den Menschen zum wahren Tempel Gottes! Die Gespräche mit den Weltmenschen trennen das Denken (logismós) von Gott; deshalb rede nicht mit ihnen, sondern gehe ihnen, auch wenn sie nicht reden, aus dem Weg.b Diese Sentenz ist nicht nachweisbar. Hêsýchios scheint dies etwas anders gemeint zu haben: “sondern gehe den Redenden aus dem Weg” (τοὺς λαλοῦντας nicht ἀλαλοῦντας). Dem Schreiber der a  

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Florilegium (F), XXVII

Sei standhaft in der Drangsal; denn in ihr wachsen die Tugenden und strecken sich aus zu Schönheit und Größe, wie eine Rose [aus Dornena]! Halte die Leichtfertigkeit für die Mutter aller Übel; denn was du Gutes hast, raubt sie – was du nicht hast, lässt sie dich nicht erwerben. Wann immer du leichtfertig wirst, bedenke, wie viel Gutes den Gerechten bereitet ist und wie viele unsterbliche Strafen den Sündern. Der Gläubige muss mit allen demütig sein; denn [nur] mit einigen demütig zu sein, ist ein Zeichen für geheuchelte und unechte Demut. Zögere nie um der Nächstenliebe willen,b außer wenn ihret­ wegen die Liebe zu Gott Schaden nimmt. Hänge niemandem an außer dem Gesetz Gottes, und habe keine andere Leidenschaften; denn er erachtet den seiner unwürdig, der jemand anderen ihm vorzieht. Weise den Sünder zurecht, verurteile aber den, der strauchelt, nicht; denn das zweite tut der Schmäher, das erste aber ist [Zeichen] des Mitgefühls und der Frömmigkeit. Bemühe dich stets, die [Worte] der Heiligen zu hören und zu sprechen; denn sie reizen die Seele zu gutem Eifer. Renne so, dass du [den Teufelc] niederringst, das heißt ohne Unterbruch; denn der Athlet wird nicht gekrönt, wenn er sich nicht beständig ertüchtigt. Wende mit viel Eifer das Auge vom [Welt]leben ab; denn der Rauch aus ihm ist böse, beschmutzt lässt er die Seele zurück.d Wenn du ein Tempel Gottes sein willst, bringe ihm als Opfer der Beharrlichkeit das ständige Gebet dar. sonst unzuverlässigen Handschrift P scheint eine Hêsýchios-Handschrift vorgelegen zu haben, er verbessert hier dem Original entsprechend zwei Stellen. a   So Hêsýchios, Markos lässt dies (versehentlich?) aus. b   Dieser etwas verunglückte Satz heißt bei Hêsýchios: “Ziehe der Nächstenliebe nichts vor”. c   Ähnlich formuliert oben F, XXI, 14 (dort durch die Taufe). Der Teufel ist der Herr dieser Welt, den man niederringen [wörtlich ‘niederwerfen’] muss. d   Wohl verschrieben, Hêsýchios schreibt: “Er lässt die Seele schmutzig zurück” (Markos schreibt θολῶν statt θολὴν).

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Beratschlage dich nicht mit einem, der nachlässig lebt; denn wie könnte der, der auf dem breiten Weg wandelt, anderen den schmalen (cf. Mt. 7, 14) raten? Enthalte dich jeder Verderbnis und nimm am Abendmahl möglichst oft teil; denn so wird Christi Leib zu unserem. Schmähe oder verurteile nie jemanden, denn so findest du den Richter leicht versöhnlich.a Wer das Unvergängliche begehrt, muss das Vergängliche für nichts wert halten. Wenn Du das [ewige] Leben begehrst, erwarte stets den menschlichen Tod. Hasse das gegenwärtige Leben; du siehst ja, wie sein Radb sich unordentlich dreht. Ziehe [dein] Seele[nheil] allem vor, und der Weg der Tugend vollendet sich mühelos. Suche bei Gott nicht das Angenehme, sondern nur das [zur Erlösung] Nützliche; wenn er um jenes gebeten wird, wird er es nicht geben, wenn du es aber doch bekämest, geht es [schließlich] zugrunde. Unweit ist die Ernte;c lasst uns also den Acker der Seele von den Dornen befreien. Nah ist das Ende; der Leichtfertige mache sich auf Schläge gefasst. Für eine Strafe erachte Muße und Ausruhen; und mühe dich etwas von dem zu tun, das uns abverlangt werden wird. Bedenke stets des Lebens Unbeständigkeit, und nichts in ihm wird dich zerstreuen können. Ein gutes Reinigungsbad für die Seele sind die Tränen des Gebets, doch erinnere dich nach dem Gebet, für wen du geweint hast. Wehe dem Leichtfertigen! Denn er wird die Zeit suchen und nicht finden, die er schlecht verwendet hat. a   Bis hier: Hêsýchios von Jerusalem, Capita 28, 39, 44, 51–53, 55, 57, 60, 70f., 74, 79, 96, 88, 92, 95, 97–100, 102f., 115, 118–120, 125 (PG 79, 1249C–1261A). b   Das ‘Rad des Werdens’, also der Zeitlichkeit und dieser Welt, stammt aus Jak. 3, 6. Zur ‘Unordentlichkeit’ vgl. oben, p. 85, Anm. c (F, V). c   Vgl. das Gleichnis vom Sämann in Mt. 4.

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Florilegium (F), XXVII

Wehe dem Schwelger! Denn kurz ist die Zeit als [Mast]Kalb,a und schon wird er zur Nahrung der Würmer werden. Wehe dem Heuchler! Denn der Hirte wird ihn verwerfen. Glückselig, wer den engen Weg (cf. Mt.  7, 14) begeht! Denn bekränzt wird er [im Tod] weggehen. Glückselig, wer die Freuden zertritt! Denn die Dämonen zittern vor dem Ringkampf mit ihm. Glückselig, wer an Tugend rein ist und an der Seele ohne Heuchelei! Denn er wird die Welt richten, und nicht mit der Welt gerichtet werden. Glückselig, wer das Leben hoch hält, aber die Gesinnung demütig. Glückselig, bei wem das Gesetz nie von der Zunge fern ist! Denn von seinem [Bundes-]Zelt wird Gott sich nicht trennen. Suchen wir zuerst angestrengt die eingeborene Angst, und dann finden wir im Inneren die erfahrene Vernunft,b die [alle] menschenmögliche Erkenntnis lehrt. Wer nämlich dem Andenken an den Tod Sorge trägt, wird auch zur Angst vor dem [Jüngsten] Gericht gelangen.c Erinnere sowohl dich selbst als auch deine Nächsten stets des fürchterlichen Gerichtes des Richters! Wenn du dies tust, werden beider Wunden geheilt: Gemeinsamen Nutzen hat das Heilmittel dieses Rates. Die Hauptsache dieser Rede: Vernachlässigen wir unsere Seele nicht! Denn wir werden das Joch des fürchterlichen Gerichtes des wahren Richters und unseres Gottes in Kürze erleben, sein ist die Herrlichkeit in alle Ewigkeit, Amen.d

a   Etwas anders in der überlieferten Sentenz des Hêsýchios: “Wie ein Kalb, das auf die Schlachtung vorbereitet wird, wird er gemästet.” Das Wort ‘gemästet’, hat Markos weggelassen, Hs. P restituiert es. b   Der émphytos phóbos und der émpeiros lógos stehen in Assonanz zueinander. c   Diese beiden Sentenzen sind nicht nachweisbar. d   Hêsýchios von Jerusalem, Sententia 2–4, 8, 10, 14, 13, 18f., 58, 82, 86–92, 70, 98 (PG 79, 1249B). Diese beiden Sentenzensammlungen gehören zusammen (gemäß CPG), sind aber bei Migne getrennt gedruckt.

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(F), XXVIII–XXIX {F, XXVIII} Aus den apostolischen Konstitutionen Der Getaufte soll der Unfrömmigkeit zum Fremdling werden, zur Sünde unfähig, keusch, rein, heilig, gottbefreundet,a Gottes Sohn durch Angleichung (kathomoiótês)b seiner Taten, so dass er im Gebet freimütig wie ein Sohn dem Vater sagen kann: Vater unser, der du bist im Himmel (Mt. 6, 9).c Und etwas später heißt es abermals: Sei nicht überheblich im Denken; denn jeder, der sich selbst überhebt, wird gedemütigt werden (Lk. 14, 11). Werde nicht hartherzig und zornig; sondern vielmehr langmütig und mild, da der Langmütige reich an Verständnis ist (Prov. 14, 29) und die Mildtätigen die Erde erben werden (Mt. 5, 5). Werde nicht anmaßend; denn es steht geschrieben, dass der anmaßende König ins Unglück fallen wird (Prov. 13, 17). Du sollst nicht denjenigen, der bedürftiger ist als du, mit bitterem Herzen versetzen; damit er nicht gegen dich wehklage und der Herr wütend auf dich werde; es heißt nämlich: Gib dem Menschen keinen Raum, dich zu verfluchen, denn sein Schöpfer wird den erhören, der dich mit bitterem Herzen verflucht! (Sir. 4, 5f.) Raube auch nicht den Lohn dem Tagelöhner (Mal. 3, 5). Alle betrüblichen Dinge, die dir zustossen, nehme wohlgesinnt an und die Umstände unbetrübt im Wissen, dass dir dafür von Gott Lohn gegeben wird wie dem Hiob und dem Lazarus und den anderen Heiligen. Wer dir das Wort Gottes verkündet, den sollst du in Ehren halten, dich an ihn Tag und Nacht erinnern, ihn schätzen als Vermittler des Wohls, das dir geschah; denn wo Gottes Lehre [sich findet], da ist auch Gott zugegen. Solche Komposita (θεοφιλής, ebenso φιλόθεος) können aktivisch und passivisch verstanden werden, also ‘gottliebend’ und ‘gottgeliebt’, die Übersetzung versucht beides zu vereinen. b   Das Wort ist sonst nicht bezeugt. Ob Markos es aus dem Isaakzitat F, XI, 32f. “gemäss der Ähnlichkeit” (καθ᾽ ὁμοιότητα) gebildet hat? c   Apostolische Konstitutionen 3, 18, 1. Markos kürzt die Stelle stark. Er folgt weitgehend Anastásios vom Sinai (Quaestiones 15 [PG 89, 473D]), der eine ähnliche Liste von Geboten aus den Konstitutionen und der Bibel zusammenstellte. Markos zitiert diese Listen ausführlicher in seinen eigenen Werken (vgl. unten A, X und B, VIII–IX). a  

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Florilegium (F), XXVIII–XXIX

Suche täglich das Antlitz der Heiligen, auf dass du durch ihre Worte Ruhe findest.a Dies ist der betrachtete Weg Gottes – glückselig, wer ihn begeht, weil dadurch das ewige Leben bereitgestellt ist.b {F, XXIX} Aus dem Werk in Versenc des überaus heiligen Herrn Patriarchen von Konstantinopel Nikólaosd – die Gebote des Alten Testamentes Ein Fundament muss jeder Christ besitzen. Was ist nun das Fundament, das man haben soll? Der Glaube, der unverfälschte aus reinem Herzen, Und die Liebe zu Gott aus ganzer Kraft, Aus ganzem Verstand und ‹deiner› ganzen Seele (Mt. 22, 37), Ebenso auch zum Nächsten: Wie sich selbst ihn halten. An diesen Geboten, wie der Gebieter sprach, Hängt das gesamte Gesetz und die Propheten alle (Mt. 22, 39f.). Du sollst nicht töten, ehebrechen, falsches Zeugnis geben, Aber auch nicht Meineid leisten, wahr sollst du schwören, Und deine Schwüre dem Herrn deinem Gott anheim geben, Stehle aber auch gar nicht und hure überhaupt nicht. Dies legt fest und schreibt das alte Gesetz.e Die Gebote des Neuen Testamentes Christus, der Herr und Gebieter des Alls, der Herr des Alten und Neuen Testamentes, lehrt uns aber größere Genauigkeit einzuhalten: Wer zu seinem Bruder sagt “ du Dummkopf!”, wird der ewigen Gehenna verfallen (Mt. 5, 22);f ganz und gar nicht zu schwören (Mt.  5, 34) oder einen Eid zu sagen. Es soll bei uns lediglich das Apostolische Konstitutionen 7, 7f. Apostolische Konstitutionen 7, 17, 3. c   Es handelt sich um byzantinische Fünfzehnsilbler. d   Patriarch von 901–907 und 912–925. e   Nikólaos Mystikós, De vita monastica 2 (PG 111, 393A). f   Dies ist ein Einschub von Markos, dem diese Matthäusstelle offenkundig wichtig ist: vgl. unten F, XXXIII das Symeonzitat, welches das häufige Beschimpfen unter den Christen erklären soll. a  

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‘Ja’ und das ‘Nein’ geben, was über diese hinausgeht, ist des Teufels! (Mt. 5, 37) Das [alttestamentliche] Gesetz bestrafte nämlich die Vollendung der Taten, aber unser Heiland Christus vielmehr ihren Anfang: Denn wer eine Frau lüstern anschaut, hat mit ihr in seinem Herzen schon die Ehe gebrochen (Mt. 5, 28); überhaupt einem Übeltäter sich nicht zu widersetzen, lehrt er, sondern mit dem, der einen nötigt eine Meile zu gehen, zwei mit ihm zu gehen (Mt.  5, 41); gar nicht zu widersprechen; dem, der deine rechte Wange zornig schlägt, dem halte ruhig und mild auch die andere hin (Mt. 5, 39); und überhaupt ein jeder, der etwas durch seinen Nächsten erleidet, Beschimpfungen ebenso wie auch Schläge, soll es edel ertragen. Dem, der vor Gericht gehen und [dir] das Unterkleid nehmen will, auch den Mantel zu geben (cf. Mt.  5, 40), befiehlt der Gebieter. Auch wenn einer sonst etwas durch den Nächsten erleidet und dann auf ihn wütend wird, ist er leichtfertig auf ihn wütend geworden. Dem Bittenden heißt er freigebig geben; und den, der borgen will, nicht mit leeren Händen abweisen (Mt. 5, 42); unsere Feinde gebietet er uns wie Freunde zu lieben und für alle Beleidiger zu beten; die verfluchen, zu segnen; denen, die hassen, Gutes zu tun (Lk. 6, 27f.); niemanden zu verurteilen, sagte er, auf dass wir nicht auch verurteilt werden (Mt. 7, 1); aber auch nicht wie die Heuchler beten, und auch nicht heuchlerisch das Fasten einhalten und ein leidendes Gesicht aufsetzen (Mt.  6, 16). Weiter lehrt er den nach Voll­kommenheit Strebenden, all seinen Besitz zu verkaufen und [den Erlös] mit ganzer Bereit­willigkeit den Bettlern zu geben (Mt. 19, 21); und so das Kreuz auf sich zu nehmen und ihm zu folgen (Mt. 16, 24). Soweit der Herr in den Evangelien.a Vom heiligen Apostel Paulus – über die Früchte des Geistes Der göttliche Apostel und große Verkünder Paulus aber belehrte den wahren Christen und in allem Gläubigen, der vom hochheiligen Geist bewohnt wird, indem er wahrheits­gemäß solches sagt: Frucht des Geistes ist zuerst Liebe, Freude, Friede, mit diesen die Großherzigkeit, die Milde, der wahre Glaube und die Enthaltung Nikólaos Mystikós, De vita monastica 3 (PG 111, 393B).

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Florilegium (F), XXIX

(F), XXIX in allem (Gal. 5, 22). Und anderswo sagt er wiederum: Brüder, lasst euch nicht in die Irre führen: Weder Ehebrecher, noch Hurer, noch Mannsbeschlafer, noch Räuber, noch Lästerer, noch Weichlinge,a noch Diebe, noch Trunk­süchtige, noch Ungerechte, und auch nicht Habsüchtige werden das Reich Gottes erben (I Kor 6, 9f.)!b Gelübde bei der hl. Taufe Aber vor all diesen [Dingen] und allen anderen [kommt] das furchterregende Bekenntnis der heiligen Taufe, welches von uns im kommenden Zeitalter eingefordert werden wird: “Wir alle schwören dem Teufel und all seinen Taten und all seiner Verehrung und all seinem Pompc ab”, bekannten wir dreimal.d Schau die seelischen Leidenschaften Die seelischen Leidenschaften werden so aufgezählt: zuerst Hochmut, Neid zugleich und Hass, Zorn, unbegründete Wut, und mit diesen der Groll, absurde Begierden und schändliche Gedanken, Verleumdung, Verurteilung, Eifersucht, Habsucht. Diese sind die seelischen Werke des Teufels.

malakoí, im 13. Jh. – wie heute – wird dies als ‘Selbstbefriediger’ verstanden. Diese Bedeutung ist schon bei Ps.-Makários (PG 34, 448A) wahrscheinlich, doch noch nicht bei Paulus, von dem der zitierte Katalog stammt, hier haben wir noch die ältere Bedeutung als ‘Homosexuelle’ (LSJ “übersetzt” mit παθητικός). Immer noch so im Lexikon des Hêsýchios (Ende 5. Jh.  –  Ed. Latte): κυπάται· ­κίναιδοι, μαλακοί, die beiden letzteren also synonym. Eine genauere Bestimmung der alten Bedeutung ergibt sich aus Dionysius von Halikarnassos (Antiquitates Romanae 7, 2, 4 – Ed. Jacoby): Aristodemos wird ‘Malakós’ genannt, weil er “Dinge, die sich für Frauen gehören, über sich ergehen ließ” (τὰ γυναιξὶν ἁρμόττοντα ἔπασχεν). b   Nikólaos Mystikós, De vita monastica 4 (PG 111, 396A). c   pompê, eig. ‘Zug, Umzug’, gemeint sind, wie im Folgenden ersichtlich werden wird, “Zeitvertreib” wie Spiele, Tänze, Theater etc. d   Taufformel, z.B. Johannes Chrysostomus, Ad illuminandos catecheses (PG 49, 240A). Traditionell katholisch wird bei der Erwachsenentaufe diese dialo­g ische Formel verwendet: Abrenuntias Satanae? (Antwort: Abrenuntio), Et omnibus operibus eius? (Antwort: Abrenuntio), Et omnibus pompis eius? (Antwort: Abrenuntio), gefolgt von einem dialogischen Credo (vgl. Rituale Romanum, z.B. Gregorii XIII jussu editum, Romae 1584, p. 27). Dreimal: also in drei sukzessiven Fragen. a  

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Schau auch die körperlichen Sündena Ebenso werden die körperlichen Leidenschaften so aufgezählt: Selbstbefriedigung,b Hurerei und Ehebruch, mitsamt diesen: Diebstahl, Trunksucht, Raffgier und jede Ungerechtigkeit, Männerwahnc und Knabenschändung, und ganz besondersd die Unzucht mit Vieh und diejenige mit Hühnern, und die anderen Ausübungen sämtlicher Art von Unreinheit. Was ist die Verehrung des Satans? Teufelsverehrung, wie man es nennt, ist aber dies: an Orakel glauben und Magiern nachrennen, Talismane und Amulette annehmen, Zauberpraktiken billigen, sowie Gersten-Wahrsager,e die Dämonen besitzen, und Vogelspäher und anderes Geschäft der Heiden und Ungläubigen. All dies ist Verehrung des Teufels. Es bleibt zu sagen, was der Pomp ist.

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Was ist der Pomp des Satans? Eitle Lieder und alle anderen Instrumente; Brettspiele (tauliá),f Würfelspiele und Ähnliches. Diesen [Dingen] haben wir im göttlichen Badg abgeschworen und mit ihnen dem Teufel als ihrem Lehrer; und wir haben Gott Allianz geschworen,h auf die richtige Arti an ihn zu glauben, die Gebote Gottes und des Heilands einzuhalten, die er lehrte, als er mit seinen Aposteln zusammen war, uns des Bösen zu enthalten als Werk des Teufels, zum Guten aber Vgl. die ähnliche Liste bei Ephraem, De virtutibus et passionibus 396, 5 und Johannes von Damaskus, De virtutibus et vitiis (PG 95, 88C). b   Vgl. oben, p. 107, Anm. a. c   D.h. Homosexualität. d   Wörtlich ‘dreifach’. e   Eine Form der Geomantie, bei der aus den Mustern hingeworfener Gerstenkörner gewahrsagt wird, schon bei Clemens von Alexandria (Protreptikos 2, 11) erwähnt. Die antike Geomantie ist wohl über den arabischen Raum (dort als ‛ilm al-raml, die ‘Wissenschaft des Sandes’, da man Sandkörner verwendete) nach Byzanz zurückgekehrt. f   Insbesondere das Spiel, das wir heute Backgammon nennen. g   Der Taufe. h   Der Parallelismus ἀποτάσσομαι – συντάσσομαι spricht für Markos’ Lesart (gegenüber ἀπεύχομαι in Migne). i   orthôs, d.h. wie die Orthodoxen es tun. a  

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Florilegium (F), XXIX–XXX

(F), XXIX–XXX zu halten als Gebot des Herrn. Diese göttliche Allianz wird uns also, wie gesagt, abgefordert werden, den Kleinen wie den Großen, Bischöfen und Kaisern, Mönchen und Laien, Herrschern und Armen und dem ganzen Volk der Gläubigen.a Und warum soll ich die Zeit mit Gelehrsamkeit verschwen­ den? Wenn du das Himmelreich erlangen willst, enthalte dich alles Schlechten und halte zum Guten! Denn unmöglich ist es und ganz schwierig für einen,b der der Lust oder der eitlen Ruhmsucht ergeben ist, das wahre, ewige Leben gänzlich zu erlangen. Deshalb tadle mich nicht als Pedantenc und sprichd nicht den Tadel und die Worte der Menge, sondern mache dich bereit für das künftige Gericht, bei dem es keine Ausflucht und keine Rechtfertigung mit Worten gibt. Ich will nun aber die Rede über diese [Dinge] beenden.e Dieses Wenige schrieb ich dir also aus Vielem [ausgewählt], doch ich bezeuge und versichere dir dies: Wenn du dich als Hüter dieser [Dinge] erweist, dies bekräftige ich dir, wirst du den Platz zur Rechten des Heilandsf erlangen können und mit ihm und allen Heiligen das Himmelreich und das alterslose Leben erben!g {F, XXX} Aus den Briefen des hl. Isídôros von Pelusion Auch wenn Christus Besitzlosigkeit und Jungfräulichkeit nicht als Gebot befohlen, sondern unserem Ermessen überlassen hat, als er sagte: Wenn du vollkommen sein willst, verkaufe deine Habe (Mt. 19, 21); und: Wer es erfassen kann, der erfasse es (Mt. 19, 12) und so weiter;h aber er wollte durchaus, dass wir diese [beiden Dinge] Nikólaos Mystikós, De vita monastica 5 (PG 111, 396B). εἰς + Akk., wie im Neugriechischen als Dativersatz. c   Wörtlich ‘einer der ganz genaue Angaben macht’ (ἀκριβολογῶν). d   Die Form φθέγγεσαι scheint anstelle eines Optativs oder Imperativs zu stehen. e   Kommentareinschub des Markos, offenbar um seine Strenge zu rechtfertigen. f   Ein Versprechen, das Christus den Zebaiden nicht geben konnte (Mt. 20, 23)! g   Nikólaos Mystikós, De vita monastica 15 (PG 111, 404D). h   Es gibt Verschnittene, die sich selbst verschnitten haben um des Himmel­reiches willen, sagt Matthäus gleich zuvor. a  

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zustande bringen, weswegen er sagt: Strengt euch an, durch die enge Pforte einzugehen (Mt. 19, 13), und: Wenn eure Gerechtigkeit nicht [diejenige der Pharisäer] bei weitem übertrifft (Mt. 5, 20) und so weiter.a Es sagt aber auch der Prophet: Wegen der Worte deiner Lippen habe ich harte Wege gehütet (Ps. 16, 4).b

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Aus den Aussprüchen unseres seligen Vaters Maximus Wende dich vom Bösen ab und tue Gutes (Ps.  33, 15), das heißt: Bekämpfe die Feinde,c um die Leidenschaften zu verringern – dann aber sei wachsam, damit sie nicht [wieder] anwachsen! Und abermals: Kämpfe, um die Tugenden zu erlangen – und sei dann wachsam, um sie zu bewahren. Das wäre das Bebauen und Bewahren (Gen. 2, 15d).e Nicht nur die Enthaltung von [bösen] Taten rechtfertigt den Menschen, sondernf auch die Einhaltung der Gebote mit Hinzufügung,g gemäß dem Wort: Und ich werde zu all deinem Lob [noch welches] hinzufügen (Ps. 70, 14), daher sagt auch Jeremias:h Da euer Verstand (diánoia) euch dazu gebracht hat von Gott abzuirren, wendet euch [ihm nun] zehnmal mehr zu und sucht ihn! (Bar. 4, 28) Es sagt aber auch der Weise: Knecht, du hast gesündigt, setze nicht [Weiteres] hinzu und bete für deine vorherigen [Sünden], und wie vom Angesicht der Schlangei fliehe vor jeder Sünde! (Sir. 21, 1f.) Vom heiligen Maximus Sag nicht: “Der bloße Glaube an unseren Herrn Jesus Christus kann mich retten.” Denn dies ist unmöglich, wenn du dir nicht ... werdet ihr nicht in das Himmelreich eingehen. Vgl. Isídôros von Pelusion, Brief IV, 24. Markos oder seine Vorlage kürzt und ändert diesen Brief Isidors stark. c   D.h. die Dämonen, die für die Leidenschaften zuständig sind. d   In diesen Worten bestand der Auftrag Gottes an Adam im Paradies. e   Maximus Confessor, Capita de caritate 2, 11. f   Vgl. Ps.-Maximus, Loci communes 52, 10. Es handelt sich um ein Florilegium. Dieser Satz scheint auf Clemens von Alexandria (Fr. 305 Holl, = Fr. 65 Stählin-Früchtel) zurückzugehen. g   ‘Zusatz’ und ‘Zins’ (προσθήκη): Wortspiel mit dem folgenden ‘hinzufügen’. h   Bei Baruch, dem Schreiber von Jeremias, steht dies. i   D.h. des Teufels. a  

b  

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Florilegium (F), XXX–XXXI

(F), XXX–XXXI auch die Liebe zu ihm durch die Werke erwirbst. Denn auch die Dämonen glauben und zittern! (Jak. 2, 19) Denn wer mich liebt, heißt es, soll meine Gebote einhalten.a (vgl. Joh. 14, 15) Vom Selben – dass die Beichte sehr heilbringend ist Weswegen wurden Kain und Lamech, die je einen Mord begingen, nicht gleich bestraft? Der eine wurde nämlich zur Rechenschaft gezogen,b der andere fand Verzeihung,c weil der eine, ohne überführt worden zu sein, beichtete, der andere auch nach der Überführung [die Tat] abstritt. Denn auch wenn die Sünden gleich waren, waren doch [die Taten] nach der Sünde nicht gleich – deshalb heißt es: Sprich du zuerst deine Sünden aus, damit du gerichtet wirst (Jes. 43, 26). Lasst uns also am meisten danach streben, uns nicht zu vergehen; wenn wir uns aber doch vergehen, sollen wir uns nicht durch das Verbergen der Leidenschaft die Strafe noch schwerer machen!d

{F, XXXI} Vom Selben – dass Verleumdung der Tod der Seele ist Wenn, wer seinen Bruder verleumdet und ihn verurteilt, das Gesetz verleumdet und verurteilt (Jak. 4, 11) – das Gesetz Christi aber ist die Liebe –, wie sollte dann der Verleumder nicht aus der Liebe Christi fallen und sich ewiger Strafe schuldig machen? Liebe nicht, heißt es, die Verleumdung, damit du nicht ausgerottet werdest; du sollst deinen Bruder aber zurechtweisen und wirst um seinetwillen keine Sünde auf dich nehmen (Prov. 20, 13).e

Maximus Confessor, Capita de caritate 1, 39 – Schon oben F, IV zitiert. Kain, Gen. 4, 8. c   Lamech, Gen. 4, 23. d   Diese Maximusstelle lässt sich nicht auffinden. Johannes Chrysostomus, In epistulam ad Romanos (PG 60, 673A–B) begründet das unterschiedliche Schicksal von Kain und Lamech ebenso. e   Maximus Confessor, Capita de caritate 1, 57. a  

b  

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Vom hl. Dôrótheos – was ist Verleumdung und was Verurteilung? Die Verleumdung erfolgt bei verborgenen, das Verurteilen bei offenkundigen Sünden. Jedes Wort, das man in Anwesenheit seines [zu verleumdenden] Bruders nicht sagen könnte, ist Verleumdung. Wie wenn einer sagt: “Dieser gewisse Bruder ist schön und gut, aber er ist streng oder ruhmsüchtig”, ist dies Verleumdung. Wenn du aber sagst: “Jener Bruder ist ein Hurer oder ein Geldgieriger”, ist das Verurteilen; denn man verurteilt seine Taten und sein gesamtes Leben. Deshalb muss man also nicht nur die Zunge hüten, sondern auch die Ohren – denn wen der Teufel nicht durch die Zunge töten kann, d.h. durch das Verleumden, den tötet er durch das Ohr, wenn jener gern Verleumdern zuhört.a Vom hl. Isaak Wenn du die Reinheit liebst, in welcher der Gebieter des Alls geschaut wird,b verleumde nie­manden, und höre auch keinem zu, der seinen Bruder verleumdet. Und wenn welche in deiner Nähe streiten und du Worte des Zorns vernimmst, verschließe deine Ohren und fliehe von dannen, damit nicht deine Seele aus dem Leben getötet werde!c Vom Selben Deshalb ist die Anachorese gut, weil ebenso, wie derjenige, der Feuer in seiner Brust hält, auch gegen seinen Willen brennt (vgl. Prov. 6, 27), so auch derjenige, der sich inmitten [der Menschen]d aufhält und Gemeinschaft mit der Menge hält, nicht der Verleumdung zu entfliehen vermag. Eine Gemein­schaft genügt, nämlich Diese Stelle lässt sich nicht nachweisen. Wortspiel im Griechischen (καθαρότης und καθοράω). c   Johannes Dalyatha, Homiliae I–XV, p. 98. Früher ediert als Isaak von Ninive, Oratio 43, 1. Der entsprechende syrische Text ist bei Khayyat ediert und übersetzt: “Ô toi qui désire la pureté par laquelle apparaît le Seigneur de toutes choses, ne médis pas, n’écoute même pas des paroles de médisance au sujet de tes frères ; et si une dispute se produit près de toi, ou si tu entends des paroles de colère, bouche tes oreilles et enfuis-toi de là, afin que ton âme ne meure pas à la Vie.” d   ἐν μέσῳ (gemeint: πολλῶν, so F, V, 63), ähnlich auch unten, F, XXXVII, 17. a  

b  

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Florilegium (F), XXXI–XXXII

(F), XXXI–XXXII die spirituelle [d.h. mit Gott], das Schweigen ist aber besser als alle anderen!a Wenn du alle Taten des mönchischen Lebenswandels in die eine Waagschale legst, das Schweigen in die andere, findest du das Schweigen an Gewicht überwiegen!b Solange deine Sinne lebendig sind zur Aufnahme des Vorfallenden, erachte dich als tot; denn so wird dich der Brand der Sünde in allen deinen Gliedern nicht verlassen und du wirst dir nicht Rettung erlangen können, ohne sehr auf der Hut zu sein!c {F, XXXII} Über die Krankheit der Zunge – von unserem seligen Vater Ephraem Moses, der so viele Zeichen und Wunder wirkte, aber sich kurz mit der Zunge verging, wurde aus dem gelobten Land ausgeschlossen. Das große und furchterregende Meer vermochte ihm nicht den Weg zu versperren, aber als er sich mit der Zunge leicht verging, entstand ihm eine unüberwind­liche Mauer. Wenn ein Wortd den Moses, der zum Gott wurde,e vom gelobten Land fern hielt, wie viel eher wird also unsere spitzef und herausgestreckte Zunge, uns vom Reich abhalten?g Bei diesem ganz nahen Gericht wird das künftige Urteil gemäß dem Wort des Heilands bestätigt werden, der sprach, dass a   Nicht auffindbar, die Betonung des Schweigens ist aber typisch für Isaak. Er ist häufig auf Ikonen dargestellt mit dem Satz: “Mehr als alles liebe das Schweigen” (ὑπὲρ πάντα τὴν σιωπὴν ἀγάπησον, aus Oratio 54, 110, früher 34, 11). Die Feuersbrunst ist in Oratio 2, 93–95 (früher 30, 15), erwähnt. b   Isaak von Ninive, Oratio 54, 132–134, p. 684 (früher 34, 13). c   Isaak von Ninive, Oratio 20, 53–56, p. 404 (früher 42, 9). d   Vgl. Num. 20, 12 (vgl. auch Dtn. 32, 51), wobei aber das Vergehen von Moses (und Aaron) nicht recht zu Tage tritt. e   Die Vergöttlichung Moses kommt zwar nicht direkt in der Bibel vor, taucht aber schon bei Philon (De vita Mosis 2, 290–291, De virtutibus 73–75 – Ed. Cohn) und Flavius Josephus (Antiquitates Judaicae IV, 320 – Ed. Niese) auf. Die Tradition geht auf Ex. 7, 1 zurück. f   ἠκονημένη: die Ausdrucksweise ist biblisch (Ps. 63, 4). Die Handschriften schreiben allerdings κεκονημένη, wohl versehentlich für das fast gleich klingende καὶ ἠκονημένη. g   Ephraem der Syrer, De morbo linguae et pravis affectibus 369, 1–6 (= Ass. II, 282B).

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uns sogar für jedes müßige Wort (lógos) (Mt. 12, 36), Rechenschaft (lógos) abverlangt werden wird; und es heißt: Beim Schwatzen wird die Sünde nicht ausbleiben, wer aber seine Lippen zügelt, ist klug (Prov. 10, 19). Wer seinen Mund hütet, bewahrt seine Seele, wer aber übereilt ist, wird sich selbst peinigen (Prov. 13, 3). Wer seinen Mund nicht hütet, verliert seine ganze Ernte.a Worin wird man in seinem Wandeln vor Gott Erfolg haben? Indem man die Worte des Herrn einhält, sein ist alle Herrlichkeit in Ewigkeit, Amen.b Über eitles Hören – vom Selben Wodurch erhielt der Tod Eingang [in die Welt]?

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Antwort Durch die Schlange, die Eva ansprach; also vermag der Böse [d.h. der Teufel] einen Schweigenden durch einen Redenden zu vernichten. Und denjenigen, den er nicht durch den Mund schlachten kann, vernichtet er durch das Ohr, und den wiederum, der im Tun unschuldig ist – wenn er nicht nüchtern ist – tötet er mit Gedanken!c Gib den Mund dem Lügner oder Verleumder zum [Bruder-] Kuss und schenk ihm kein Gehör; besser aber handelst du, wenn du auch den verderblichen Geruch und Geschmack fliehst. Vor Rauch fliehen wir oft jäh, vor den Lügnern und Schmähern aber fliehen wir nicht: Wehe uns, dass wir unseren Fall nicht sehen! Jedes der Glieder sollen wir angemessen vor Schaden behüten. Der Mund, der nicht Ehebruch begehen kann, kann Meineide leisten, schmähen. Und wenn ein Glied des Menschen unschuldig ist und das andere schuldig, dann wird der ganze [Mensch] für verdammt befunden!d (vgl. Mt. 5, 29)

Wörtlich: ‘Frucht’. Das Vokabular stammt aus Joh. 12, 24, dem Senfkorn­ gleichnis. b   Unauffindbare Ephraemstelle oder Kommentar von Markos? c   Ephraem der Syrer, De morbo linguae et pravis affectibus 371, 5–10 (= Ass. II, 284A). d   Ephraem der Syrer, De morbo linguae et pravis affectibus 373, 5–374, 1 (= Ass. II, 282B). a  

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Florilegium (F), XXXII–XXXIII

(F), XXXII–XXXIII Beispiel – vom Selben Nimm dir ein Beispiel an einem General, dessen gesamter Leib durch einen eisernen Brustpanzer geschützt wird. Es kommt nun [trotzdem] vor, dass er wegen der auseinanderklaffenden Rüstung verwundet wird – wie viel eher passiert dasselbea einem durch die offenen Pforten der Ohren? Denn so groß ist die Pforte der Ohren, dass etwas so Großes wie der Tod durch sie in die Welt kommen konnte, der, nachdem er alle [vergangenen] Generationen verschlungen hat, unersättlich bleibt! Man muss also die Ohren mit Bollwerken und Bolzen verschließen, damit keine üble Nachrede eindringe. Verachte die Verleumdung nicht als eine Kleinigkeit, sondern fliehe vor ihr, wie vor dem Angesicht der Schlange!b Wer nicht mit Verleumdern Gemeinschaft hält, wird sich unter Engeln aufhalten. Wer seinen Mund oder seine Ohren nicht mit Verleumdungen beschmutzt, dessen Geist (noûs) wird zur Wohnstätte des heiligen Geistes.c Wer wird mir Schutz für den Mund und ein tüchtiges Siegel für die Lippen geben, damit ich nicht durch diese [beiden] strauchle, und meine Zunge mich ins Verderben führt?d

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{F, XXXIII} Vom heiligen Symeon – schau das fürchterliche Urteil und sag zu niemandem ‘du Dummkopf!’ Wer zu seinem Bruder sagt ‘ du Dummkopf!’, sagt der Herr, ist dem Feuer der Gehenna verfallen (Mt. 5, 22). Siehe, wer so sagt, dem passiert dies auf der Stelle! Frage Kann dieses Urteil aufgehoben werden?

a   Unser ἶσον stützt den Text von Assemani (bei dem τις πάθῃ nachher fälsch­ licherweise fehlt), den Phrantzolas (durch Konjektur?) zu εἰσιόν geändert hat. b   Der ersten Verleumderin, vgl. oben, und mir ihr dem Teufel, den sie repräsen­ tiert. Ephraem der Syrer, De morbo linguae et pravis affectibus 374, 1–10 (= Ass. II, 284C). c   Ephraem der Syrer, Sermo de virtutibus et vitiis 20, 10f. und 13f. gekürzt (= Ass. I, 14E). d   Ephraem der Syrer, Ad imitationem proverbiorum 234, 4f. (= Ass. I, 91A).

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Antwort Es kann aufgehoben werden, aber nur durch Buße und Tränen und dadurch, dass man nie wieder zu einem Bruder ‘du Dummkopf!’ sagt, selbst wenn es einem den Tod einbringen sollte. Denn besser ist es zu sterben, als dass ein Christ zu einem Christen ‘ du Dummkopf!’ sagt! Frage Und wenn dieses Urteil gilt, welcher böse Dämon hat es dann unter den Christen veranlasst, dass viele dies bedenkenlos sagen? Antwort Der Sohn des Verderbens, der Lehrer der Hagariten,a durch den Teufel zu seinem eigenen Verderben und dem seiner Anhänger angetrieben, lehrte dies zu sagen zur Aufhebung der Worte des Herrn, ebenso wie auch viele andere Dinge, die in die Gehenna führen. Als nun die Christen mit den Hagariten in Kontakt kamen, übernahmen sie es unter Mitwirkung des Feindes, der nach aller Verderben dürstet.b

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{F, XXXIV} Aus den Kapiteln des hl. Diádochos – über Buße und Beichte Wenn wir nicht gebührend bußfertig sind und alle unsere Sünden beichten, werden wir im Moment unseres Hinschei­dens eine gewisse verborgene Verzagtheitc in uns finden. Wir, die wir den Herrn lieben, müssen aber beten, dass wir dann ohne jede Furcht sein werden. Denn wer sich dann in Furcht befindet, wird allerdings zu den Herren des Tartaros hingehen;d die Seele aber, die in Nachkommen Hagars (Gen. 16) sind die Araber. Ihr ‘Lehrer’ ist Muh. ammad, der Prophet des Islam. b   Diese phantasievolle Erklärung lässt sich bei keinem “hl. Symeon” nachweisen. Da der Islam genannt ist, kann dieser Autor frühestens aus dem 7/8. Jh. stammen. Bei Symeon dem Neuen Theologen ist nichts Derartiges zu finden. Ein weiterer Kandidat wäre Symeon, Patriarch von Jerusalem (1084–1099), in dessen einzig edierter Schrift über die Azyma (Ed. Leib) diese Stelle aber auch nicht vorkommt. c   Wortspiel im Griechischen (ἄδηλος δειλία). d   Hier ist Einiges durcheinander geraten im Text. Bei Diádochos steht: “Denn wer sich dann in Furcht befindet, wird nicht frei an den Herren des Tartaros vora  

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Florilegium (F), XXXIII–XXXV

(F), XXXIII–XXXV Liebe zu Gott frohlockt, wird in der Stunde der Auflösung über allen dunkeln Schlacht­ordnungen [der Dämonen] zu den Engeln des Friedens voller Freude hinauf drängen und eilen. Deshalb werden die, welche in solch einer Freimütigkeit aus dem Leben scheiden, mit allen Heiligen in die Gegenwart des Herrn entrückt werden; diejenigen aber, die im Moment des Todes, sei es auch nur kurz, verzagen, werden in der Menge aller Menschen als Angeklagte zurückgehalten,a damit sie, wenn sie durch das Feuer des Gerichtes geprüft sein werden, gemäß ihren Taten das ihnen entsprechende Los genießen – die Taten eines jeden, sagt nämlich der Apostel, welcher Art sie sind, wird das Feuer prüfen(I Kor. 3, 13).bc

{F, XXXV} Erklärung zum Vater Unser Vater unser im Himmel (Mt. 6, 9) d Dass er ‘Vater’ sagt, zeigt dir, was für eines Gutes du gewürdigt wurdest: Du bist Sohn Gottes geworden! Indem er sagte ‘im Himmel’, zeigte er dir deine Heimat und das Vaterhaus. Wenn du beigehen. Diese haben nämlich gleichsam einen Verbündeten in der Verzagtheit der Seele aus ihrer Schlechtigkeit.” a   Bei Diádochos steht ‘werden zurückgelassen’ (καταλειφθήσονται nicht ­κ αταληφθήσονται). b   Wer also keine Furcht hat, steigt ohne, bzw. schon vor dem Jüngsten Gericht zum Herrn auf. Dieser Gedanke ist in den Ostkirchen relativ verbreitet (vgl. M. Jugie. Theologia dogmatica christianorum orientalium ab ecclesia catholica dissidentium. Paris 1926–1935. Band 4, p. 16–22 ‘De judicio particulari’). Oft wird Lk. 23, 43 zur Verteidigung angeführt. Folglich muss nur wer Furcht hat, geläutert werden. Dass die Furcht den Seelenaufstieg erschwert, ist auch aus anderen Kulturen bekannt, vgl. z.B. das tibetanische Totenbuch: Der Tote soll diese Worte nicht vergessen: “May I not fear the bands of Peaceful and Wrathful [Deities], mine own thought-forms” (ed. Evans-Wentz, Teil II, p. 103). c   Diádochos von Photike, De perfectione spirituali 100. Unser Text stimmt meist mit der älteren, auf weniger Handschriften basierenden, Edition von J. E. Weis-Liebersdorf. De perfectione spiritu capita centum. Leipzig 1912 überein – E. des Places. Diadoque de Photicé. Œuvres spirituelles. SC 5bis. Paris 1966 erwähnt diese Abweichungen meist gar nicht. d   Christus, der uns das Vaterunser lehrt.

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also Gott zum Vater haben willst, blicke immer zum Himmel und nicht zur Erde. Wiederum sagst du nicht ‘Vater mein’, sondern ‘Vater unser’, wie wenn alle Geschwister eines einzigen Vaters wären. Da du ihn Vater nennst, verhalte dich wie sein Kind, damit du deinem Vater im Himmel wohlgefällig werdest!a

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Geheiligt werde dein Name Das heißt: mach mich untadelig und deiner Adoption würdig, damit auch du [d.h. Gott] durch mich geheiligt und verherrlicht werdest; denn so wie Gott durch mich gelästert wird, wenn ich etwas Böses tue, so wird er, wenn ich mich ganz tugendhaft verhalte, durch mich geheiligt (das heißt verherrlicht).b Dein Reich komme Das heißt die Wiederkunft [Christi]; denn wer ein freimütiges Gewissen hat, kann es kaum erwarten und wünscht sich, dass die Auferstehung und das Gericht kommen,c damit er mit Christus und allen Heiligen mitverherrlicht werde. Wer aber den König zu sich kommen ruft, muss ganz spirituell sein, ganz heilig, damit er [d.h. der König], wenn er kommt und ihn [d.h. den Anrufer] nicht solcherart vorfindet, ihn nicht als nicht bereit und unwürdig verwerfe. Von Gregor von Nyssa – dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden Wie wenn man sagen würde: So, wie bei den Thronen, den Herrschaften, den Mächtend und im ganzen überweltlichen Machtbereich Dein Wille geschieht (wo keine Schlechtigkeit Germanós I, Patriarch von Konstantinopel, Historia mystica ecclesiae catholicae 42, 1–9. Vgl. auch Ps.-Johannes Chrysostomus, De angusta porta et in orationem dominicam (PG 51, 45A). b   Germanós I, Patriarch von Konstantinopel, Historia mystica ecclesiae catholicae 42, 10–12. c   Germanós I, Patriarch von Konstantinopel, Historia mystica ecclesiae catholicae 42, 13–15. Der Rest des Abschnittes lässt sich nicht nachweisen. d   Drei, hier repräsentativ gewählte, Stufen der neunstufigen Himmelshierarchie zwischen Gott und den Engeln bei Ps.-Dionysius Areopagita, De hierarchia caelesti, passim. Vgl. zu diesen aber auch schon Kol. 1, 16 und Eph. 1, 21. a  

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Florilegium (F), XXXV

(F), XXXV [nicht einmal] der Spur nach die Wirkung des Guten hindert), ebenso soll sich auch in uns der gute Wille vollenden, damit, nachdem jede Schlechtigkeit aus dem Weg geräumt ist, dein Wille beständig in unseren Seelen ganz und gar gedeihe!a

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Unser wesenhaftes Brot gib uns heute Wesenhaft (epioúsion) nennt er das für (epí) unser Wesen (ousía) und unsere Beschaffenheit genügende,b es hebt somit die Sorge um das Morgen (cf. Mt. 6, 34) auf. Betreffs Christus Aber auch der Leib Christic wird wesenhaftes Brot genannt, dessen wir unverurteilt teilhaftig zu werden erbeten.d Für den Tag ausreichendes und genügendes Brot wurde dir vorgeschrieben zu suchen, nicht aber Gold und Geld, welche die Habsucht und jede andere Sünde zeugen! Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern Da wir auch nach der Taufe sündigen, flehen wir ihn an, dass er uns vergebe; dass er uns aber so vergebe, wie auch wir [es tun]. Schau die Weisheit der Barmherzigkeit Gottes! Er hat nämlich das ganze Gericht auf uns abgewälzt und Gott nimmt sich mich als Vorbild: Was ich anderen antue, dies wird er auch mir antun!e Und führe uns nicht in Versuchung Schwach sind wir Menschen, deshalb sollen wir uns nicht auf die Versuchungen stürzen, sondern, wenn wir in sie geraten, beten, nicht von der Versuchung verschlungen zu werden. Wer nämlich verschlungen und besiegt wird, der wurde in den Abgrund der Gregor von Nyssa, De oratione dominica, p. 50, 15 (= PG 44, 1168C). Also sozusagen das Existenzminimum. Das Vokabular stammt aus Prov. 30, 8. c   D.h. die Hostie. d   Germanós I, Patriarch von Konstantinopel, Historia mystica ecclesiae catholicae 42, 20–23. e   Germanós I, Patriarch von Konstantinopel, Historia mystica ecclesiae catholicae 42, 26–28. a  

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Asketische schriften des Mönchs Markos

Versuchung gerissen,a aber nicht wer zwar in sie geriet, sie aber besiegte, gerettet durch die göttliche Kraft!b Sondern rette uns vor dem Bösen Er sagte nicht “vor den bösen Menschen”, denn nicht jene tun uns Unrecht, sondern der Böse,c der in dieser Welt die Macht hat,d vor dem wir durch die Gnade und Menschen­freund­lichkeit unseres Herrn Jesus Christus gerettet werden mögen! Ihm sei die Herrlichkeit mit dem Vater und dem hl. Geist in Ewigkeit.

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{F, XXXVI} Inwiefern der Mensch gemäß dem Ebenbild und der Ähnlichkeit Gottes genannt wird Das vernunftbegabte und intelligente Lebewesen, der Mensch, allein ist gemäß dem Ebenbild und der Ähnlichkeit Gottes (Gen. 1, 26) [geschaffen worden]. Gemäß dem Ebenbild heißt der Mensch wegen der Würde seiner Seele, nämlich der unbegreiflichen, der unsichtbaren, der unsterblichen, der mit freiem Willen ausgestatteten, ja und auch der herrschenden.e Gemäß der Ähnlichkeit aber auf Grund der Fähigkeit (lógos) zur Tugend und dieser nach Gott benannten, gottnachahmenden Taten: nämlich unseresgleichen gegenüber menschenfreundlich gestimmt zu sein und mit dem Mitsklaven Mitleid zu haben und sich seiner zu erbarmen und ihn zu lieben und ganz Mildtätigkeit und Mitgefühl an den Tag zu legen. Werdet nämlich, heißt es, barmherzig, wie unser himmlischer Vater barmherzig ist! (Lk. 6, 36) Das dem Ebenbild Gemäße besitzt jeder Mensch: Unwiderruflich sind die Gnadengaben Gottes. Das der Ähnlichkeit Gemäße aber [nur] wenige, allein die Tugendhaften und Heiligen, die die Güte Gottes (soweit [wir] Menschen es vermögen) nachahmen; mögen auch wir Ob Markos ‘wurde geführt’ (εἰσηνέχθη) statt ‘gerissen’ (εἰσήχθη) meint? Germanós I, Patriarch von Konstantinopel, Historia mystica ecclesiae catholicae 42, 30–34. c   Germanós I, Patriarch von Konstantinopel, Historia mystica ecclesiae catholicae 42, 35–37. d   Dass der Teufel die Welt regiert, behauptet Eph. 6, 12. e   Diese Beschreibung passt besser auf den noûs (wie Ephraem auch schreibt) als auf die Seele. – Da wir nach seinem Ebenbild geschaffen sind, treffen alle diese Adjektive also auch auf Gott zu. a  

b  

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Florilegium (F), XXXV–XXXVII

(F), XXXV–XXXVII dieser [Ähnlichkeit] gewürdigt werden, wenn wir ihm durch gute Taten wohlgefallen und Nachahmer derer werden, die seit Anbeginn (aiôn) Christus unserem Gott wohlgefallen. Ihm gebührt alle Herrlichkeit, Ehre, Anbetung und Pracht zusammen mit seinem anfangslosen Vater und dem gänzlich heiligen und lebensspendenden Geiste, jetzt und immer und in alle Ewigkeit, Amen.a

{F, XXXVII} Vom heiligen Johannes Klímakos – Rekapitulation all seiner Worteb Fester Glaube ist die Mutter der Entsagung; die Umkehrung aber ist offensichtlich.c Unverrückbare Hoffnung ist das Tor zur Leidenschaftslosigkeit; die Umkehrung aber ist offen­sichtlich. Liebe zu Gott ist die Grundlage der Weltfremde; die Umkehrung aber ist offensichtlich. Die Verurteilung des eigenen Selbst und das Verlangen nach Gesundung erzeugten die Unterordnung.d Der Enthaltsamkeit Mutter ist der Gedanke an den Tod und die beständige Erinnerung an die Galle und den Essig (Mt.  27, 34) des Gebieters und Gottes. Gehilfe der Keuschheit ist die Ruhe; das Löschen des Feuerbrandes ist das Fasten. Die Zerknirschung des Verstandes ist der Widersacher der bösen und schändlichen Gedanken. Glaube und Weltfremde ist der Tod der Geldgier. Mitgefühl und Liebe lieferten sogar den [eigenen] Leib aus. Anhaltendes Gebet ist der Untergang der Antriebslosigkeit. Andenken an das [jüngste] Gericht verhilft uns zur Bereitwilligkeit, zur Heilung des Zorns, zur Liebe zur Schmach. Besitzlosigkeit erstickt die Traurigkeit. Leidenschaftslosigkeit gegenüber dem Sinnlichen bringt die Schau des Geistigen. SchweiEphraem der Syrer, De virtutibus et passionibus 409, 3–410, 6 (= Ass. III, 433A). b   Diese Zusammenfassung besteht aus kurzen oft rhythmisch angeordneten Merksätzen. c   Nämlich, dass Entsagung nicht ohne festen Glauben möglich ist. d   Im Kloster, unter den spirituellen Vater. a  

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Asketische schriften des Mönchs Markos

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(F), XXXVII gen und Ruhe sind die Feinde der eitlen Ruhmsucht. Befindest du dich aber inmitten [der Menge],a strebe nach der Schmach! Wie es einer [sich häutenden] Schlange unmöglich ist, das eigene alte [Selbst] auszuziehen, ohne durch eine enge Öffnung zu kriechen,b so können auch wir nicht die alten Vorurteile und den Mantel des alten Menschen abwerfen, außer wir gehen bereitwillig durch den schmalen und betrüblichen Weg (cf. Mt.  7, 13) der Schmach und des Fastens!c Der Geist (noûs) eines Fastenden wird nüchtern beten, derjenige eines Unbeherrschten hingegen füllt sich mit unreinen Bildern an. Die Sattheit des Bauches trocknet die [Gnaden-]Quellen aus, wenn dieser aber trockengelegt wird, gebiert er Wasser.d Dem “Breiten”e bleiben die Tränen aus, sie quellen aber aus dem Liebhaber des engen Weges hervor! Wenn der Bauch bedrängt wird, wird das Herz demütig; wenn dieser aber verwöhnt wird, wird das Denken stolz. Bedränge den Bauch, und du wirst auch den Mund gänzlich verschließen; denn die [böse] Zunge wird gestärkt durch der Speisen Fülle.

μέσος, wie schon oben F, XXXI, 31, p. 112, Anm. d. Diese naturkundliche Behauptung lässt sich mindestens auf die dritte Rezension des Physiologos zurückverfolgen (Redactio tertia quae vocatur pseudo-Basiliana 9, 27  –  Ed. Sbordone): “Wenn die Schlange alt wird und nicht mehr gut sieht, dann geht sie in ihren Unterschlupf und fastet 40 Tage und engt den Körper ein durch die Enthaltsamkeit, ihre Haut aber wird lose und dann sucht sie einen Spalt, Stein oder verschlossenen Ort und, indem sie sich reibt, häutet sie sich und verjüngt sich” (ὅταν ὁ ὄφις γηράσῃ, ἀμβλυωπεῖ τοὺς ὀφθαλμούς, καὶ τότε εἰσέρχεται εἰς τὸν φωλεὸν αὑτοῦ καὶ νηστεύει ἡμέρας μʹ καὶ σφίγγει τὸ σῶμα τῇ ἐγκρατείᾳ· τὸ δὲ δέρμα αὐτοῦ χαυνοῦται καὶ τότε ζητεῖ ῥαγάδας πέτρας ἢ τόπον σφικτόν, καὶ συντριβόμενος ἀποδερματοῦται καὶ ἀνανεοῦται). Naturwissenschaftlicher zu diesem Thema: Aristoteles, De historia animalium 600b28. – Der enge Spalt (ὀπή) erinnert an Ex. 33, 22, als Moses sich im Felsspalt (ὀπή) verkriechen muss, um den vorüberziehenden Gott aushalten zu können. c   Johannes Klímakos, Scala paradisi, Stufe 26tris 1, 2, 3, 46 (PG 88, 1084C). d   Und die “Quellen” der Tränen sprudeln. Die Erwähnung der Tränen fehlt im Migne-Text, passt aber gut in den Zusammenhang. e   D.h. dem, der auf den breiten Weg geht – und durch zuviel Essen “breit” wurde. a  

b  

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Florilegium (F), XXXVII

Wenn du Christus versprochen hast, den engen und betrüblichen Weg zu gehen, dann beenge den Bauch; wenn er aber ausgeweitet und verwöhnt wird, brichst du dein Bündnis! Schau hin und du wirst hören, wie er sagt: Breit und geräumig ist der Weg des Bauches, der zum Verderben der Hurerei führt, und viele sind es, die darauf wandeln (cf. Mt. 7, 13).a Wie eng die Pforte und betrüblich der Weg des Fastens, der ins keusche Leben führt, und wenige sind es, die durch sie hineingehen. Der Herrscher der Dämonen ist der gefallene Luzifer – der Herrscher der Leidenschaften ist die Gier des Bauches. Täusche dich nicht: Du wirst nicht vom Pharaob befreit, noch das himmlische Osterfest schauen, wenn du nicht beständig Bitterkraut und ungesäuertes Brot isst! (Ex. 12, 8 & Num. 9, 11) Das Bitterkraut bedeutet die Gewalt und die Strapazen des Fastens, ungesäuertes Brot aber die nicht aufgeblasene Gesinnung. Deinem Atem hänge das Wort dessen an, der da sagt: Ich aber, als ich von Dämonen belästigt wurde, kleidete mich in Sacktuch, und ich demütigte mit Fasten meine Seele, und mein Gebet wurde in meiner Seele Schoß (Ps. 34, 13) festgeklebt.cd Wie es heißt, dass Krebse leicht zu fangen sind, weil sie bald vorwärts, bald rückwärts gehen, ebenso vermag auch die Seele, die einmal lacht, dann schwelgt, dann aber trauert,e keinen Nutzen daraus zu ziehen.

Klímakos verändert sein Matthäuszitat: Die Worte ‘Bauch’ und ‘Hurerei’ stehen nicht bei Matthäus. Das ‘Schau hin’ soll diese Interpretation andeuten. b   Vgl. Ex. 12. Klímakos vergleicht die Rettung der Seele mit dem Auszug aus Ägypten (wie schon Philo von Alexandria in De vita Mosis). c   Diese und ähnliche Stellen werden den athonitischen Hesychasten zu Beleg­ stellen für ununterbrochenes Aufsagen kurzer Gebete im Atemrhythmus. Gre­gor Palamâs (Triades 2, 2, 25, 15) setzt diese Stelle mit Klímakos PG 88, 1112C zusammen: “Die Erinnerung an Jesus klebe an deinem Atem, dann wirst du den Nutzen der Ruhe erfahren” (Ἤ Ἰησοῦ μνημή κολλήθητω (statt ἐνωθήτω) τῇ πνοῇ σου καὶ τότε γνώσῃ ἡσυχίας ὠφέλειαν). – Markos ist die Stelle offenbar auch wichtig: Er hebt sie mit einer Randglosse ‘Schau!’ hervor. d   Johannes Klímakos, Scala paradisi, Stufe 14, 16f., 19, 25–27, 29f. (PG 88, 865–869). e   Die bei Klímakos überlieferte Reihenfolge ist logischer: “Die einmal lacht, dann aber trauert, dann [wieder] schwelgt.” a  

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(F), XXXVII–XXXVIII Wie Feuer nicht Schnee hervorbringt, so wird, wer die diesseitige Ehre sucht, niemals die jenseitige genießen. Wie einer, der keinen Führer hat, leicht vom Weg abirrt, auch wenn er sehr klug veranlagt ist, so wird auch, wer den monastischen Weg eigenmächtig begeht, leicht in Verderben geraten, auch wenn er die gesamte Weisheit der Welt kennt. Wie die Träumenden leicht zu bestehlen sind, so auch die, welche nahe der Welt ‹der Tugend› nachgehen. Der Anfang der Buße ist der Anfang des Heils – der Anfang des Heils ist aber die Gottesfurcht. Die Furcht zeugt aber die Einhaltung der Gebote, der himmlischen, meine ich, und der irdischen; das Einhalten der Gebote ist ein Zeichen der Liebe; der Anfang der Liebe ist die Fülle an Demut. Die Fülle an Demut ist aber eine Tochter der Leidenschafts­ losigkeit. Deren Erwerb ist die Erfüllung der Liebe; die vollkommene Einwohnung Gottes gehört dann denen, die durch die Leidenschaftslosigkeit rein im Herzen [geworden] sind, denn sie werden Gott sehen (Mt. 5, 8) – ihm sei die Herrlichkeit in Ewigkeit.a

{F, XXXVIII} Verseb Wer diese Worte nicht leichtfertig liest, wird wohl keine weiteren Worte benötigen; denn ein Wortc ist das stärkste zum Heil!d

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Verse gleichsam aus [der Perspektive] dieses Buches Klein bin ich an sichtbarer Gestalt, viel Reichtum aber gebe ich meinen Freunden, den ich drinnen in meiner Brust trage. Johannes Klímakos, Scala paradisi, Stufe 26tris, 30, 25, 45, 31 & 55 (PG 88, 1088C). b   Es folgen jambische Trimeter aus byzantinischer Zeit, mit einigen metrischen Unstimmigkeiten, da die Quantitäten längst zusammengefallen waren. c   Christus, der Logos (das ‘Wort’). d   Diese Verse scheint Markos selber auf sein Buch gedichtet zu haben. a  

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Florilegium (F), XXXVII–XXXVIII

Aus den Versen des Nikólaos von Kerkyraa O Seele, die du des Lebens Unstete genau erkannt hast, dass Lüge wie eine Perücke all dieser Unsinn ist: Ehre, Reichtum und haufenweise Geld, verdächtig sind sie alle: Macht, Ruhm, Beifall. Denn eben dies ist glaubhaft, dies allein: Das ganz Unglaubwürdige als Seiend zu betrachten. Im Bösen verharrt die ganze Welt (I Joh. 5, 19), sagt ein Weiser göttlich inspiriert und all-weise. Nackt kam ich in des Wehklagens Feld, und nackt werde ich aus ihm wieder weggehen, deshalb: Was müh ich mich ab und gerate vergeblich in Aufruhr (Ekkl. 2, 18 & Ps. 38, 7), da ich das nackte Ende des Lebens erkannt? Schneller wird dir gelehrt drinnen die Bosheit, als dass du die drinnen Tugend lehren wirst. Zu mir aber, dem Erbärmlichsten aller, passt es zu fliehen, schweigen, ruhen.b Wer also verständig ist in bösen Tagen, wird schweigen, wie dies Wort ihn heißt, und soll teilhaben am lieben Nicht-Handeln, dessenc Natur der Gemütsruhe Gastfreund ist. Die Wüste mög’ ich finden zur Wohnstätte, wo Verwirrung nicht, Schlachtenlärm nicht drin ist, wo du, hingegangen, der Engel Leben führen wirst, wo du in Muße Gott am besten findest. Der größte Ruhm ist, allen Ruhm unten zurückzulassen, Nikólaos von Kerkyra (fl. Anfang 12. Jh, vgl. H.-G. Beck. Kirche und theologische Literatur im Byzantinischen Reich. Handbuch der Altertums­wissenschaften XII, 2, 1. München 1959, p. 643) war Metropolit von Kerkyra unter Kaiser Aléxios Komnênós I. Seine moralischen Jamben sind von Lampros kritisch ediert worden. Mustoxidi, hatte zuvor die Handschrift Firenze, Laur. Plut. V, cod. XI ediert – dieser Text ist öfter unmetrisch, stimmt aber häufig mit dem des Markos überein. Markos kürzt das Gedicht stark, was manchmal zu syntaktischen Unebenheiten führt. b   Antônios wurde von der göttlichen Stimme geheißen dies zu tun. Vgl. oben F, III, 70–76, p. 62. c   Das Ἢ der Handschriften (und Mustoxidi) sollte in Ἣ korrigiert werden. a  

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(F), XXXVIII–XXXIX den Schriften sich zu widmen ist der Nahrungsmittel bestes; das trefflichste Schwelgen ist, mit dem Gebieter zu reden: Mit diesem Schwelgen, Christus, erfüll mich einzig, ‹der› du lehrst nicht von Brot allein zu leben (Mt. 4, 4), sondern vielmehr im Wort des Herzens der Gläubigen; der du keine Gabe des Menschen so sehr begehrst, wie ein einfach, überflusslos und bescheiden Leben, wie [du] auch durch die Tat und all-weise lehrtest: einen Ort dein Haupt niederzulegen, sagtest du, nicht zu haben (Mt. 8, 20). Dem Himmel kommt zuvor, wer hienieden lebt ein Leben rein von Wirren und an Speisen. Ich habe dich erkannt, Welt, und mit Müh bin ich dich geflohen! Nimm, nimm [mich] an der Hand, mein Schöpfer, denn nah kriecht die Schlange, aber halt ihr entgegen, du siehst, wie ich alles gegen dich eingetauscht, so werde mir nun zu allem, Wort [d.h. Christus], dessentwillen ich nun all dies zusammen verachte: Erfolg und Gewinn, Versammlungen, die Welt.a {F, XXXIX} Andere Verse Ein in seiner Unstete fixes Rad ist dies kleine und viel-gewandte (polýtropos)b Leben. Bald bewegt’s sich nach oben, bald wird’s hinabgezogen; denn es steht nicht, auch wenn es fix erscheint. Wer es flieht, wird festgehalten, wer bleiben will, dem läuft’s davon! Oft springt’s umher doch entfliehen kann man ihm nicht. Es zieht, zieht herab durch seine Bewegungc die Stabilität. Als nichts anderes beschreib’ ich das Leben, ‹denn› als Rauch und Traum und [ephemere] Wiesenblume.d Nikólaos von Kerkyra, De se ipso, Verse 1, 3–7, 34f., 54–57, 65f., 61f., 69–72, 212–215, 217–226, 254f. und 299–315. b   Das Standard-Epithet des umherirrenden Odysseus. c   Herab: von der Stabilität Gottes in das unstete Diesseits. d   Gregor von Nazianz, Carmen I, 2, 19 ‘Über das menschliche Leben’ (PG 37, 787A). a  

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Florilegium (F), XXXVIII–XXXIX

Erwäge nicht des besten Lebens Mäntel, denn absehbar ist des schlechtesten [Lebens] Irrweg.a Aus den jambischen Gedichten unseres unter den Heiligen [weilenden] Vaters Gregor des Theologen Dass bei einem schönen Anfang das Ende noch schöner ist, legen die Grundfeste der Dinge zurecht fest. Der Anfang, der das gute Ziel für uns Sterbliche zeugt, ist des Lebens Reinigung (kátharsis) in gotterfüllter Übung. Speichere als Schatz die Ewigkeit (aiôn), die kein Ende hat; denn das Diesseits (hoûtos ho aiôn) erlischt schon vor dem Ende. Und liebe nicht den Reichtum, den die Zeit auflöst. Eine Tür [ins Verderben]b ist den Sterblichen das Gold wie den Vögeln die Schlinge. Bemühe dich stets um die ewige Herrlichkeit, denn die gegenwärtige belügt [dich] jeden Tag! Wasser ist das beste Getränk, es hält das Gemüt enthaltsam, der packende Rausch trübt hingegen den Geist (noûs). Besser ist maßvoll ermangelndec Nahrung alsd ein glänzend Mahl, das der Wunschtraum sich erschafft. Was immer du vom Anderen gar nicht erleiden willst, solches wolle auch du ihm nicht antun! (cf. Mt. 7, 12) Lager, Bett, Tränen, Tod, Gericht wasche, bewässere, vergieße, erwarte, fürchte.ef

Gregor von Nazianz, Carmen I, 2, 32 (PG 37, 920A). Diese beiden Verse sind arg entstellt und deshalb kaum verständlich. Das byzantinische Wort μαντίον hat sich für τἀναντία eingeschlichen, und der Dativ in der zweiten Zeile wurde zu einem Genitiv. Bei Gregor heißen sie: “Erwäge nichts das dem besten Leben entgegengesetzt ist, / denn absehbar ist die Strafe für die Schlechtesten.” b   Gregor (in der unkritischen Migne-Edition!) und P schreiben besser ‘Jagd’ (θῆρα nicht θῦρα) im Sinne von: “Eine Falle ist den Sterblichen das Gold [...]”. c   ‘Leicht zu beschaffend’ steht bei Gregor. d   Im Text von CCSG 72 fehlt versehentlich am Anfang des Verses das Wort  Ἤ. e   Man soll also: Auf dem Lager weinen, das Bett mit Tränen benetzen, Tränen vergießen, den Tod erwarten und das Gericht fürchten. – Diese zwei Zeilen stehen nur im Codex Vaticano, BAV, Reginensis 1277, deshalb verbannt sie die MigneEdition in eine Fußnote. f   Gregor von Nazianz, Carmen I, 2, 32 (PG 37, 916A–927A). a  

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(F), XL

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{F, XL} Wir werden noch (wie ein goldenes Siegela) einige Salomonische Worte aus dem Predigerbuch hinzufügen, die das Nichtige und Unstete des nichtigen Lebens ganz klar aufzeigen Und so werden wir aufhören zu reden, denn die Überfülle der Rede ist der Ohren Feindb – aus dem Predigerc Nichtigkeit der Nichtigkeiten, sprach der Prediger, alles ist Nichtigkeit! (Ekkl. 1, 2) Ich, der Prediger, wurde König in Jerusalem; und ich gab mein Herz, alles, was unter der Sonne geschieht, zu suchen und in Weisheit zu erkunden: Denn eine üble Zerstreuung hat Gott da den Menschenkindern gegeben, sich darin zu zerstreuen! (Ekkl. 1, 12f.) ‘Zerstreuung’ (perispasmós) bedeutet gemäß dem hl. Nilusd das Genießen der Nichtigkeit und das Gerne-Sich-Abquälen um irdische [Dinge], das den Verstand (logismós) zerstreut (perispáô) und ihn untätig für bessere Werke macht; das ‘hat gegeben’ aber fasse als ‘hat zugelassen’e auf. Denn in der Fülle der Weisheit liegt Ausdruck aus Ps.‑Johannes von Damaskus, De virtutibus et vitiis (PG 95, 97A). b   Zitat aus Gregor von Nazianz, Oratio 40, 1 – Ed. Moreschini (= PG 36, 360B). c   Diesen Kurzkommentar hat Lucà analysiert: S. Lucà. Gli scolii sull’Ecclesiaste del Vallicelliano greco E 21 in: Augustinianum 19 (1979), p. 287–296; S. Lucà. Nilo d’Ancira sull’Ecclesiaste, dieci scolii sconosciuti in: Biblica, commentarii periodici Pontificii Instituti Biblici 60 (1979), p. 237–246; S. Lucà. Anonymus in Ecclesiasten commentarius qui dicitur catena trium patrum. CCSG 11. Turnhout 1983. d   Dies ist wahrscheinlich eine Stelle aus den Predigerscholien des Evagrius (die meisten seiner Werke liefen ja unter dem Namen des Nilus). Die bekannten Fragmente wurden von Paul Géhin (P. Géhin. Évagre le Pontique. Scholies à l’Ecclésiaste. SC 397. Paris 1933) herausgegeben, wo unser Text allerdings nicht enthalten ist. e   Der Mensch hat die ‘Zerstreuung’ (oder ‘Mühsal’) also nicht von Gott erhalten, sondern selber gewählt, ohne dass Gott eingeschritten wäre. Im großen Florilegium kommen diese Stellen auch vor (Handschrift C, f. 200r). Dort folgt noch dieser weitere Kommentar: “Und Gott gab Adam Zerstreuung nur in Bezug auf die lebensnotwendigen Bedürfnisse, wir aber haben diesen Beschaffenheit durch die Habsucht böse gemacht, indem wir uns zur Leidenschaft abwandten: Wo aber Zerstreuung zur Unzeit ist, dort ist auch ein Wählen des bösen Geistes und die Entfernung von der Gotteserkenntnis” (Καὶ ἔδωκεν μὲν ὁ θεὸς περισπασμὸν τῷ Ἀδὰμ τῆς ἀναγκαίας χρείας καὶ μόνης ἕνεκεν, ἡμεῖς δὲ πονηρὰν αὐτὴν ἐποιήσαμεν διὰ a  

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Florilegium (F), XL

die Fülle der Erkenntnis, und wer Erkenntnis mehrt, mehrt den Kummer (Ekkl. 1, 18). Wer sich nämlich in Askese abquält, mehrt Erkenntnis und Kummer, d.h. Qual des Herzens zur Erlangung der Tugenden; wer aber zu den Lüsten neigt, blendet die Erkenntnis und stürzt sich auf Nichtigkeiten. Und ich sprach zu meinem Herzen: Wohlan denn, ich werde es mit der Freude probieren und ich will das Gute sehen! Aber siehe, auch dies ist Nichtigkeit (Ekkl. 2, 1). Ich unternahm große Werke: (Ekkl. 2, 4) Ich häufte Silber und Gold und Schätze von Königen und Ländern; ich beschaffte Sänger und Sängerinnen, Mundschenke und Mundschenkinnen; und ich wurde größer und reicher als alle, die vor mir in Jerusalem [König] waren; und meine Weisheit kam mir zum Stehen.a (Ekkl.  2, 8f.) Schau die Sorge um das [diesseitige] Leben, dass sie nicht nur die einfachen Leute schädigt und ihren Geist (noûs) von Gott entfernt, sondern auch jene Allzuweisen, wie Salomon! Und ich schaute auf all meine Werke, die meine Hände gemacht, und auf die Mühe, mit der ich mich abgemüht hatte: Und siehe, das alles war Nichtigkeit und ein Wählen des Windes (pneûma) (Ekkl. 2, 11). Und ich hasste all mein Mühen, mit dem ich mich abmühe unter der Sonne, denn ich werde es dem Menschen hinterlassen, der nach mir sein wird, und wer weiß, ob der weise oder töricht sein wird? Und ob er Macht haben wirdb über all mein Mühen, mit dem ich mich abmühte und wodurch ich weise wurde? – Auch das ist Nichtigkeit (Ekkl. 2, 18). Und dem guten Menschen gibt Gott Weisheit und Erkenntnis und Freude, dem Sünder aber gibt er böse Zerstreuung (perispasmós) anzuhäufen und einzu­sammeln (Ekkl.  2, 26), denn alle seine Tage gehören Kummer und Zorn; selbst nachts findet sein Herz keine Ruhe. Auch das ist Nichtigkeit und ein Wählen des Windes (pneûma). (Ekkl. 2, 23) Wer sich Gott nicht unterordnen und sich um die Rettung seiner Seele bemühen will, ordnet sich dem Weltenherrscherc unter und bemüht sich eifrig τῆς πλεονεξίας τὴν χρῆσιν εἰς τὸ ἐμπαθὲς παρατρέψαντες· ἔνθα δὲ περισπασμὸς ἄκαιρος ἐκεῖ καὶ πονηροῦ προαίρησις πνεύματος καὶ μακρυσμὸς τῆς γνώσεως τοῦ θεοῦ). a   So scheint Markos zu verstehen wie die Fortsetzung zeigt. Der LXX Text bedeutet aber: “und meine Weisheit blieb mir”. So auch der hebr. Grundtext. b   Ohne ‘ob’ (εἰ) in der LXX: “und doch wird er Macht haben etc.”. c   Der Teufel, der unsere Welt beherrscht (Eph. 6, 12).

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Asketische schriften des Mönchs Markos

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um sein Verderben! Diesen ruft der Herr zu: Kommt her zu mir, alle ihr Mühseligen und Beladenen (Mt. 11, 28) usw.a Vom großen Basilius Durch eine unaussprechliche Kraft stellen sich diejenigen den Geist (noûs) um,b die ihn unzerstreut vor der Unstete (peripéteia) der Welt bewahren; das Wort Gottes [haben sie] stets, gleichsam mitschwingend, in sich.c Besser ein armerd Weiser als ein alter, törichter König (Ekkl. 4, 13). Sei nicht voreilig mit deinem Mund, und dein Herz eile nicht, ein Wort vor dem Angesicht Gottes vorzubringen, denn Gott ist im Himmel und du bist auf der Erde; darum seien deine Worte wenige (Ekkl. 5, 1): Wenn du Gott ein Gelübde ablegst, zögere nicht, es zu erfüllen! (Dtn.  23, 22) Besser ist es für dich, nicht zu geloben, als zu geloben und nicht einzuhalten! (Ekkl. 5, 4) Und sag nicht vor dem Angesicht Gottes, dass es aus Unwissen geschah, damit Gott ob deiner Stimme nicht wütend werde und die Taten deiner Hände verderbe! (Ekkl. 5, 5)

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Was heißt Gelübde (euchê) und was Gebet (proseuchê)? – von Maximus Ein Gelübde ist ein Versprechen an Gott, wie wenn jemand Jungfräulichkeit verspricht oder Enthaltsamkeit vom Wein oder von sonst etwas. Gebet aber ist ein Bitten nach Gütern.ef Nämlich: ... und ich werde euch Ruhe geben. φαντασιόω: ‘be informed by images’ (Lampe, für diese Stelle). Bei Markos wohl mit Vorsilbe μετα- gemeint (hapax, so in P überliefert – V’s μετὰ ἀφαντασιούμενοι macht keinen Sinn, lässt sich aber leicht als Verhörer beim Diktat verstehen). Aus dem Zusammenhang wird klar, dass es sich um eine Art Umkondizionierung des noûs zum Guten handelt. c   Basilius, Enarratio in Isaia 6. d   Markos lässt ‘Junge’ (παῖς) aus, womit der ‘alte’ König unverständlich wird. e   Diese Definition passt nicht besonders gut zur Verwendung von ‘Gebet’ bei den Hesychasten, bei denen es eben nicht um das ‘Bittgebet’, sondern um ‘Anbetung; Meditation’ geht. Die beiden Termini euchê und proseuchê gehen allerdings schon seit dem Neuen Testament (vgl. I Tim. 2, 1: Synonyme oder eine Klassifikation?) durcheinander. Als erster wollte Origenes in De oratione Klärung schaffen. f   Vgl. Maximus Confessor, Explanatio orationis dominicae l.  200. Zur Quellenfrage vgl. Van Deun (P. Van Deun. Εὐχή distinguée de προσευχή – Un essai a  

b  

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Florilegium (F), XL–XLI

(F), XL–XLI Schließlich ist einer, der sich vorgenommen hat, Gott gemäß zu leben und für das diesseitige Leben nicht völlig tot wird, ein Lügner und Meineidiger, da er Gott zwar den untadeligen Weg in den göttlichen Wettkämpfen zu vollenden versprach, ihn aber nicht erfüllte.a Gib den Sieben Anteil, ja gar den Acht (Ekkl. 11, 2). Das Siebte nennt er [d.h. der Prediger] das gegenwärtige Zeitalter, das Achte aber das künftige; und da er die Nichtigkeit des gegenwärtigen genau kennt, erteilt er allen den Rat, dass wir alle Anstrengung und Hoffnung auf jenes kommende und endlose Zeitalter richten sollen!b Höre das Endergebnis des Werkes: Fürchte Gott und halte seine Gebote, denn dies ist der ganze Mensch; denn die Gesamtheit der Taten wird Gott im Gericht beurteilen, wobei bei jeder betrachtet wird, ob sie gut oder böse ist! (Ekkl. 12, 13f.)c {F, XLI} Verse des Rats von Johannes Chrysostomus Wer immer jenes Licht will schauen, muss im Herzen dessen sich enthalten: Der fleischlichen Leidenschaften und törichten Gedanken, jedes Schwures, des Zorns und der Aufruhr aber, und der Zerstreuungen und des Nachtragens; und des die Menschen im Ganzend nicht Verurteilen. Sein Denken aber und sein Gemüt (phrénes) seien ganz rein der fleischlichen Beschmutzungen, de précision terminologique chez les Pères grecs et les écrivains byzantins in: The impact of scripture in early Christianity, ed. by J. den Boeft and M. L. van Poll-van de Lisdonk. Supplements to Vigiliae Christianae 44. Leiden 1999), der aus verschiedenen Catenen und Florilegien ähnliche Stellen zitiert. Am ähnlichsten ist diejenige im Matthäuskommentar des Theophýlaktos, Erzbischof von Bulgarien († um 1108), vgl. PG 123, 204C zu Mt. 6, 9. a   Maximus Confessor, Quaestiones ad Thalassium 62, 339. b   Ähnlich erklärt diese dunkle Stelle schon Maximus, Scholia in Ecclesiasten, Fragmente 11, 10 (CCSG 11). Bei den Athonitischen Hesychasten ist die Bedeutung der Acht als das künftige Zeitalter Gemeingut, vgl. z.B. Theólêptos von Philadelphia, Epistola 5, 48 – Ed. Hero-Constantinides. c   In der Handschrift P folgen hier einige eigene Kapitel, die als Anhang übersetzt sind, da sie nicht von Markos stammen. d   Schreibfehler? Der Ps.-Johannes Chrysostomustext hat, verständlicher ‘anhaltend, immer’ (σύνοχον statt σύνολον).

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Asketische schriften des Mönchs Markos

(F), XLI–XLII sanft, demütig, ruhig verbleibend, beichtend und ein Kind des Friedens, enthaltsam in Speis und Trank, und dem Gebet sich widmend unablässig. In all diesem habe als Anfang und Ende das Haupt der Tugenden: die Liebe!a Eine dankbare Stimme bring ich dir dar, Wort [d.h. Christus], da ich das Ziel der gewünschten aneinandergereihten [Worte] erblicke.b

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{F, XLII} Epilog Siehe, ich habe deine Bitte erfüllt, meine gott­gegebene Herrin, [und schicke dir das Werk,c] das wohl deinen Erwartungen nicht entsprechen wird, aber es ist nicht weniger, als meine Fähigkeiten vermögen – wobei dies nicht die Feldfrüchte (cf. I Kor. 3, 9) meines eigenen Denkens (diánoia) sind, sondern ich habe sie aus den Worten des göttlichen Evangeliums, der heiligen Apostel und der ehrwürdigen Väter geschöpft und diese hier einfach so und unfachmännisch zusammengesetzt, meistens zusammengefasst, um gut über­blickbar, [aber trotzdem] umfassend und gut erinnerbar zu sein, und schickte es deiner Seligkeit mit der Bitte, es wohlwollend zu lesen und einzig dem Nützlichen, das sich darin findet, nachzugehen; alles Unschöne aber oder Tadelnswerte, falls du welches findest, zu übersehen und nicht zu meinen, es sei zu deinem Ärgernis gesagt. Ich habe nämlich einen Auftrag erfüllt. Ich sage dies, weil wir heutzutage viele sind, die mit Worten belästigen, diejenigen aber, Ps.-Johannes Chrysostomus, Stichoi 1–14. Hs. C ist der früheste bekannte Zeuge für dieses Werk. In einigen anderen Hss. wird es fälschlich Symeon dem Neuen Theologen zugeschrieben. Es wird im 12. oder 13. Jh. entstanden sein (Antonio Rigo mündlich). b   Diese beiden Verse fehlen in der Ausgabe von Pitra, sind aber auch aus anderen Handschriften bekannt, vgl. I. Hardt. Catalogus codicum manuscriptorum Graecorum Bibliothecae Regiae Bavaricae. München 1806–1812, V, 30 (481) und H. Hunger, et al. Katalog der griechischen Handschriften der Österreichischen Nationalbibliothek. Wien 1992, III, p. 308 (289/40v). c   Markos lässt dies aus, wodurch ἄξιον kein Bezugswort mehr hat; man könnte auch zu ἄξιος korrigieren, dann wäre der Autor ‘nicht würdig’. a  

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Florilegium (F), XLI–XLII

die mittels Taten belehren oder belehrt werden, sind gar wenige. Angestrengt sollst du bei jedem der Aussprüche ausharren; denn ich glaube, dass nicht alle davon für alle leicht zu begreifen sind, sondern dass viele für viele [Leute] viel Übung brauchen, auch wenn es so ziemlich schlicht von den Vätern gesagt worden zu sein scheint. Und es mag sich dir Gottesfreundin (theophilía)a vielleicht etwas Nützliches daraus enthüllen, dann bemühe dich, es in der Tat zu vollenden! Es wird aber auf alle Fälle durch die Gnade Gottes demjenigen erscheinen, der mit einfachem Gemüt (aperíergos), Gottesfurcht und Liebe liest. Gib, heißt es nämlich, dem Weisen einen Anstoß, so wird er [noch] weiser sein (Prov. 9, 9).b Ich bete also zum Herrn unserem Gott, dass er dir seinen Engel vor dein Angesicht entsende, und er wird dich nach seinem Willen führen, er schicke dir aber Hilfe aus dem Heiligtum und von Zion aus unterstütze er dich (Ps. 19, 3); er ziehe dir den Brustpanzer der Gerechtigkeit an und setze dir den Helm des Heils auf (Eph. 6, 14 & 17); und er soll die Gerechtigkeit deiner Taten wie die Mittagssonne scheinen lassen! (cf. Ps. 36, 6)

Diese Anrede wird für verschiedene höher gestellte Persönlichkeiten gebraucht: Kaiser, Bischöfe, Priester, Mönche, eine Priorin (Lampe, s.v.). b   Maximus Confessor, Capita de caritate Prolog. a  

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Eigene Werke des Markos

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Widmungsbrief zum Florilegium

{E} Briefa Vor langer Zeit erhielt der Gottschauer Moses durch Fasten das Gesetz von Gott (cf. Ex.  34, 18),b meine gottgegebene Herrin, dieses hat er die Söhne Israels wörtlich gelehrt; dann sprach er und hieß sie: Siehe, ich habe vor euer Angesicht den Weg des Lebens gegeben (Dtn.  30, 15); macht euch nun kleine Bücher, in denen diese göttlichen Gebote aufgeschrieben stehen sollen, und hängt sie an eure Hände und befestigt sie um eure Hälse, damit ihr sie Tag und Nacht, wenn ihr sitzt und wenn ihr aufsteht und wenn ihr herumgeht, vor euren Augen habt, und auf sie sollt ihr wie in einem reinen Spiegel hinsehen und [sie] meditieren (meletân), damit ihr die Gebote Gottes beständig in dauerndem Gedächtnis behaltet! Soweit jener Großec zu den undankbaren und verstockten und oft von Gott abgefallenen [Israeliten]. Ich aber, einfältig und klein, magst du sagen – sowohl was Einsicht betrifft als auch a   An Irene Eulogía Palaiologína gerichtet – als Begleitschreiben zum Florilegium (vgl. die Erwähnung von Arsénios in l. 59 des Originaltextes). Markos schreibt diesen Brief offenbar zu einem Zeitpunkt als Irene noch nicht definitiv im Kloster war, vgl. l. 20 und vor allem l. 68–74. b   Vgl. A, VIII, wo das Fasten auf den “Festsetzer des Gesetzes”, dort aber Christus, zurückgeführt wird. c   Markos lässt hier Moses zu den Israeliten sprechen, nachdem er die Gebote erhielt. Die Stelle könnte durch Gregor von Nyssa, De imagine (PG  44, 237D), inspiriert sein: “Pass auf dich selbst auf (Dtn. 4, 9), sagt Moses, und du wirst die

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Asketische schriften des Mönchs Markos

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Wortgewandtheit (lógos) als auch Tugend – wage es, dieses kleine vorliegende Buch gemäß deiner Weisung dir anzu­fertigen, obwohl ich genau weiß, dass deine Gottes­freundschaft ganz gefestigt ist im Herrn und ganz dem Göttlichen anhängt. Sie müht sich zwar stark, wird jedoch durch des hiesigena Lebens Unstete etwas davon abgebracht, nur dadurch: durch das immer noch in der Welt Leben und mit den Weltmenschen Verkehren. Daher kommt auch, wie ich meine, dass du den Geist (noûs) nicht vollkommen unverletzt vor den Nichtigkeiten [der Welt] bewahren kannst – dies kenne ich aus praktischer Eigen­erfahrung. Wenn es aber vielleicht sogar uns, die wir außerhalb der Welt leben, passiert, dass der Geist (noûs) beschmutzt wird, wie viel mehr dann denjenigen, die in ihr wandeln! Deshalb sammelte ich aus dem heiligen Evangelium und den heiligen Aposteln und Propheten und den heiligen Vätern nützliche Worte, die ich in diesem vorliegenden kleinen Buch niederschrieb und dir schickte. Das Buch ist aber aus folgenden [Gründen] klein: (i) Einerseits wollte ich es nicht groß machen wegen [der Gefahr] des Überdrusses und der Übersättigung an Worten, (ii) andererseits aber bin auch ich selbst klein und gering und alle meine [Erzeugnisse] sind klein und ganz gering, oder (iii) andererseits auch, da es kleinen Umfangs ist,b lockt es zu seiner und seines Inhalts wiederholten Betrachtung. Indem es lockt, wird es wohl zu häufigem Nachschlagen einladen, woraus eine Gewohnheit entstehen wird; aus der Gewohnheit aber ein guter Habitus und dauerndes Andenken an die Äußerungen Gottes. Und wenn so das kleine [Buch] in kleinen [Portionen] wieder und wieder betrachtet wird, dürfte es wohl nicht einen kleinen, sondern einen großen Reichtum an Nutzen anhäufen können!

Geschichte der Taten deiner Seele wie in einem Buch lesen” (πρόσεχε σεαυτῷ, φησὶ Μωσῆς, καὶ ἀναγνώσῃ καθάπερ ἐν βιβλίῳ τῶν τῆς ψυχῆς ἔργων τὴν ἱστορίαν). a   Das weltliche, politische Leben Irenes. b   ὀλιγαλκές schreibt Markos. Wörtlich hieße dieses Hapax ‘mit wenig Kraft versehen’, doch das poetische Wort ἀλκή ist byz. kaum mehr gebräuchlich. Gemeint wird wohl ὀλιγαρκές ‘mit wenig (Raum) zufrieden → von kleinem Umfang’ sein.

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Widmungsbrief (E)

Ich fordere dich aber dazu auf, dass du es immer an der Brust trägst (en-kólpion),a einerseits (wie wir vorher schon geschrieben haben), damit du, ob du es nun [gerade] liest oder auch nicht, vom dauernden an der Brust Herumtragen dich ununter­brochen an alles von mir Geschriebene erinnerst. Andererseits damit nicht, dadurch dass man es mal hier mal dort hinwirft, einer der Mächtigen, aber Schwachen es finde und lese [und] gegen meine Nichtigkeit aufgebracht werde,b weil ich dir rate die Welt zu verlassen, was keiner deiner Liebsten auch nur hören will, und [so] gegen mich aufgebracht werden könnte, und anstatt Gutes zu erleiden, bekämen wir einen schlechten Ruf. Dies ist uns [zwar] gleichgültig, doch der Versuchung zu entfliehen ist gut und sehr förderlich für unsere Schwäche gemäß der Aufforderung des Herrn.c So zeige auch du selbst dieses [Buch] keinem, der die Kraft des Geschriebenen nicht zu würdigen weiß! Die Menschen, die begierig nach den eitlen [Dingen] des gegenwärtigen Zeitalters sind, sind sich nämlich gewohnt, die Dinge, die sie versäumt haben zu lernen, nicht einmal mit den Ohrspitzen hören zu wollend – ich meine den Hass und die völlige Ablehnung aller Freuden dieses Lebens um des Himmelreiches willen (cf. Lk.  18, 29). Deshalb bitte ich [dich], dass du dieses [Buch] verborgen hältst; und indem du auf die Kraft der Worte achtest, streng dich an und mit Glück zieh aus (Ps. 44, 5) in allen gottgemäßen Ratschlüssen! Ich habe deiner Wohlgeboren über den großen Arséniose geschrieben. Dieser wurde nämlich, als er im Palast lebte und Gott Das Wort bedeutet auch ‘Gebetbüchlein’ (vgl. L. Clugnet. Dictionnaire grec-français des noms liturgiques. Paris 1895, s.v. ἐγκόλπιον). b   Irenes Bruder Kaiser Michael VIII. hatte verschiedentlich Probleme mit der Kirche, insbesondere wegen seiner geplanten Union mit der katholischen Kirche. In seinen Kreisen sah man den Einfluss der Kirche auf die eigene Familie also sicher nicht gern. Solche Warnungen finden sich allerdings auch sonst häufig in der mystisch-asketischen Literatur. c   “Führe uns nicht in Versuchung”, im Vaterunser: Mt.  6, 13. Vgl. oben F, XXXV, 47–52 den Kommentar von Markos – er rät, sich “nicht auf die Versuchungen zu stürzen”. d   Der Ausdruck wörtlich ‘nicht einmal mit spitzen Ohren annehmen’ (μηδ’ ἄκροις ὠσὶ ... δέξασθαι) ist ein Lieblingsausdruck von Nikêtas Choniátês. e   Vgl. oben, F, III, 48–69: Arsénios hat den kaiserlichen Hof verlassen um Mönch und dann Einsiedler zu werden. a  

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Asketische schriften des Mönchs Markos

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inständig anflehte, wie er gerettet werden könne, einer göttlichen Stimme gewürdigt, die sprach: Fliehe die Menschen, und du wirst gerettet;a er tat dies nicht auf der Stelle, sondern bat wiederum, dass sie [d.h. die Stimme] ihm auch eine Anweisung gebe, wie er [die Welt] verlassen könne, und Gott fand eine Vorgehensweise, und er verließ die Eitelkeit des Lebens; obwohl auch er [sc. wie du] in allem schon dort [in der Welt] dem göttlichen Willen anhing, doch da er sich nach der Vollkommenheit mühte, von welcher der Herr im Evangelium dem fragenden [Jüngling] erzählte,b vermochte er nicht zu ruhen. Deshalb sollst auch du nicht auf der Stelle etwas Unüberlegtes tun, sondern harre noch eine Weile aus und bitte den Herrn eindringlich, und prüfe dich in Hinblick auf dein Streben. Und falls du es schaffst, mit Gott [aus der Welt] hinauszugehen, dann schicke ihm die Herrlichkeit und die Verehrung empor; falls du es aber nicht schaffst – wogegen ich bete! – dann wirst du, solange du deinen Mangel erkennst, [wenigstens] eine demütige Gesinnung haben, da du nicht endgültig entsagen konntest.c Falls es geschehen sollte, dass der Herr dich nicht erhört und nicht alle deine Bitten erfüllt, denke und sprich so: Da ich nicht den höchsten Wunsch Gottes erfüllt habe, erfüllt auch er nicht alle meine Bitten! Gehorsam wird nämlich mit Gehorsam vergolten, wie einer der heiligen Väterd sagt, denn so wie der Mensch den Willen Gottes erfüllt und ihm gehorcht, so erfüllt auch Gott seine Bitten und gehorcht ihm, ebenso auch umgekehrt. Gebet Unser Herr Jesus Christus aber, der alles Gute will und erfüllt, der alle retten und in Kenntnis der Wahrheit bringen will (I Tim 2, 4), Vgl. Apophthegmata, Collectio alphabetica, Arsénios 1 (PG 65, 88B). Vgl. die Geschichte vom reichen Jüngling in Mt. 19, 21. c   Offenbar hatte sich Irene also zu diesem Zeitpunkt nicht definitiv von der Welt zurückgezogen. Später treffen wir sie zwar als Nonne, aber bis kurz vor ihrem Tod hören wir immer wieder von ihren politischen Taten, wenn auch in der Regierungszeit des Andrónikos, der sich nicht mir der Kirche anlegte, weniger. d   Der Abt Mios, in den Apophthegmata, Collectio alphabetica, Miôs 1 (PG 65, 301B). a  

b  

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Widmungsbrief (E)

der uns durch das Kreuz erlöst hat und uns mit seinem eigenen Blut von der Macht der Dunkelheit zurückgekauft hat, er erfülle diese Bitten, festige und erhalte dein königliches und gottbefreundetes Geschlecht in Frieden und Gerechtigkeit und er schicke Generationen von Generationen [von Nachkommen] und er setze euch zum irdischen Ruhm auch die Freuden des Himmelreichs hinzu!

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(a), I

Traktat an Irene Palaiologína

Traktat (lógos) an eine hochwohlgeborene Seele,a ‹die gerettet werden will›b und begehrt, Erbin des Himmelreiches (Jak. 2, 5) sowie jener ewigen und reinen und unsterblichen Freuden zu werden: Was kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat und in ‹keines Menschen› Herz ‹gekommen ist› – Gott hat es denen bereitet, die ihn lieben! (I Kor. 2, 9) {A, I} Prolog Da wir Psalmen singend Gott Gefolgschaft schwören,c werde ich über dein gerechtes Tun nachsinnen, deine Worte nicht vergessen (Ps. 118, 16), und ich freute mich auf dem Weg deiner Zeugnisse wie über großen Reichtum (Ps. 118, 14), und du hast die Gerechtigkeit zu deinen Zeugen geheißen (Ps.  118, 138),d unterweise mich, und ich werde leben (Ps. 118, 144), und ich liebte deine Gebote mehr als Gold und Topas (Ps. 118, 27), und ich werde mich über deine Gebote erfreuen, wie einer, der viel Beute macht (Ps. 118, 162). Wenn ich a   Irene Eulogía, die Schwester von Michael VIII. Palaiológos. Markos scheint diesen Traktat vor seinen Florilegien und dem Brief geschrieben zu haben, vgl. die Einleitung, p. 32. b   Die Worte in spitzigen Klammern sind in der Handschrift C, die allein diesen Traktat überliefert, verblasst und unleserlich, scheinen aber wahrscheinlich. c   Markos nimmt das gottesdienstliche Psalmensingen zum Anlass, seinen Prolog aus Psalmstellen zusammenzufügen. d   Die Gerechtigkeit und die Wahrheit (hier nicht genannt) werden in der LXX als die Zeugen genannt, die deshalb im Plural stehen.

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Asketische schriften des Mönchs Markos

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Böses mit Bösem vergolten habe, so möge ich nutzlos durch meine Feinde fallen,a so verfolge der Feind meine Seele und erhasche und zertrete  mein Lebenb auf dem Boden! (Ps. 7, 5) Und verflucht seien diejenigen, die von deinen Geboten abirren (Ps. 118, 21), und ich sah die Unverständigen, und es verzehrte mich, dass sie deine Worte ‹nicht›c einhielten (Ps. 118, 158), und ich hatte geschworen und hielt aufrecht, die Bestimmungen deiner Gerechtigkeit einzuhalten (Ps. 118, 106). Du leihst also diesen und ähnlichen [Bibelworten] gut dein Ohr, meine gottgegebene Herrin, wenn du zusammen mit dem heiligen Psalmisten David dies fortwährend zum Herrn singst und erkennst, dass – da dies alles Gebote und Verheißungen Gottes sind – sie vom heiligen Geiste eingegeben sind, wie auch anderswo steht: Meiner Füße Leuchte ist dein Gesetz und Licht für meine Pfade (Ps. 118, 105). Und da du dich fürchtest, dass du dich etwa gegen eines der Gebote des Herrn vergehen könntest und schuldig werdest, mehr aber da du dich darum bemühst, ‹dass› du dich unter den Seligen befinden werdest – selig, heißt es nämlich, wer den Herrn fürchtet, überaus willig wird er seinen Geboten folgen (Ps.  111, 1) –, deshalb hast du meine Nichtigkeit gebeten, dir einen übersichtlichen Traktat (lógos) anzufertigen, durch den du lernen kannst, was du tun sollst und wie du dein Leben gut führen kannst bis zum Ende, damit du dich auch auf der rechten Seite der Geretteten vorfinden wirst.d Und da du dich mit ganzer Seele um dein Heil bemühst und voller Glauben bittest, fürchte auch ich selbst die Strafe des Ungehorsams, und schreibe, wie du mir aufgetragen hast! Höre also nun verständig hin und achte auf das Gesagte. Denn ich schreibe dir nicht mein Eigenes, sondern nachdem ich die a   ἀποπέσοιν ist eine seltene Nebenform zu -οιμι, vgl. E. Schwyzer. Griechische Grammatik: auf der Grundlage von Karl Brugmanns griechischer Grammatik. München 1968‒2005, i, p. 660. b   ‘Seele’ und ‘Leben’ sind hier synonym. Beide entsprechen dem hebräischen ‫נפש‬. c   Das ‘nicht’ scheint bei der Niederschrift vergessen gegangen zu sein. d   Diese Zeilen kommen ähnlich bei Nikólaos Mystikós, De vita monastica 1 (PG 111, 392C) vor. Beim Gericht werden die ‘Schafe’ zur Rechten Christi stehen und die ‘Böcke’ (die Verdammten) zu seiner Linken (Mt. 25, 34).

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Traktat an Irene Palaiologína (a), I–II

(a), I–II heiligen Sprüche des Alten und des Neuen Testaments, die heiligen Kanones der göttlichen Apostelfürsten und der heiligen und gottbegeisterten Väter durchforstet habe (wie ich im Folgenden umreissen werde), schreibe ich dir hier das in der göttlichen Schrift Gesagte wie in einer Kurzfassung zur vollkommeneren Unterweisung. {A, II} Es muss also jede gottbefreundete Seele, die begehrt, das Himmelreich zu erreichen, sich ganz besonders um den rechten Glauben kümmern, dann Gottes Gebote genau einhalten. Solch ein Gespann wird nämlich von Gott geschätzt, und er nimmt es gern [zusammen] an, da das Eine das Andere stützt, und wenn das Eine fehlt, auch das Andere kränkelt und kraftlos wird; denn der Glaube ohne Werke – diejenigen gemäß der Gebote Gottes – ist tot (Jak. 2, 26); ähnlich auch umgekehrt. Da aber der Glaube den Werken vorangeht,a müssen auch wir zunächst über jenen kurz handeln, und schöpfen dabei das Vorwort des Traktats aus den mit göttlicher Weisheit erfüllten Dogmen des Göttliches kündenden Johannes von Damaskus, der irgendwo in seinen dogmatischen Schriften sagt: So soll jede gottbefreundete Seele bekennen und bekräftigen und sagen, einerseits von der heiligen und wesensgleichen (homooúsion) Dreifaltigkeit: Ich bekenne eine Natur, einen Willen, eine Aktivität, eine Kraft und Macht und Herrschaft, da sie eine Gottheit ist, aber drei Hypostasen und drei Personen ihrer Eigenheit.b Von der fleischgewordenen Heils­ökonomiec des Einen der heiligen Dreifaltigkeitd bekenne ich andererseits zwei Naturen und zwei Willen, wie auch Aktivitäten,e aber eine Hypostase oder eine Ein Kernstück der Lehre des Paulus (z.B. Rom. 9, 31), der aber mit den ‘Werken’ das für den Christen nicht mehr gültige jüdischen Gesetzeswerke meint – später vergleiche man z.B. Hermas, Pastor, lib. 1 vis. 3: Die Vision der sieben Frauen, deren erste Pistis ist. b   Im Paralleltext (B, II) und bei Johannes steht vollständiger: “wobei jede Person ihre Eigenheit bewahrt”. c   Das Wort bedeutet die ‘Aufgabenteilung’ innerhalb der dreieinigen Gottheit. d   Des Sohnes, Jesus Christus. In der Parallelstelle in Traktat B hat Markos dies (ebenso wie auch Johannes) explizit geschrieben. e   Nämlich jeweils eine göttliche und eine menschliche; im Gegensatz zu verschiedenen Häresien. a  

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Asketische schriften des Mönchs Markos

(a), Ii–IIi Person, da es ein und derselbe ist, der vor aller Zeit aus dem Vater auf unzeitlichea und unkörperliche Weise gezeugt wurde und in der letzten (éschatos)b Zeit von der heiligen und ewigjungfräulichen Maria der Gottesgebärerin auf unsagbare und unbefleckte Art empfangen wurde; derselbe wird ganz als Mensch und als Gott in einer Hypostase erkannt – nicht dem Leiden unterworfen durch [seine] Göttlichkeit und das Leiden kennend aufgrund der Hinzufügung.c Er bewahrte nach der Geburt die Zeichen der Jungfräulichkeit unversehrt. Soweit unser Vater Johannes.d Wir sollen nun mit diesen [Worten] auch das Bekenntnis des heiligen Glaubensbekenntnisses unverändert bekräftigen, dann uns um die göttlichen Gebote kümmern. Bei der Taufe wurden wir nämlich gereinigt, als Gereinigte erhielten wir die Gebote: Wer das Zweite nicht einhält, entweiht so das Erstere. Also ist es zuerst nötig, an das Fasten und die Ernährung des ganzen Jahres zu erinnern als ältestes und erstes Gebot: Falls nämlich der ersterschaffene Adam es eingehalten hätte, wäre nicht die gesamte Menschheit in diese Misere gefallen! Wenn nun die Unbeherrschtheit den Menschen aus dem Paradiese verstieß, so müssen diejenigen, die dorthin zurückkehren wollen, sich durch Fasten und Enthaltung ansiedeln. Falls du deinen Bauch beherrschst, sagt der göttliche Basilius, wirst du das Paradies bewohnen, falls du ihn nicht beherrschst, wirst du ein unnützes Opfer des Todes.e {A, III} Über das Mittwochs- und Freitagsfasten des ganzen Jahres Jeder, der gerettet werden will, soll das ganze Jahr über besonders jeden Mittwoch und Freitag mit trockener Nahrung und Wasser

Wörtlich ‘ohne Fluss’ (ἀρρεύστως), d.h. Veränderung. Das Wort kommt praktisch ausschließlich mit dem göttlichen Logos zusammen vor. b   Das Wort wird normalerweise vom jüngsten Tag gebraucht, hier aber einfach im Gegensatz zu ‘vor aller Zeit’. c   Nämlich der menschlichen, körperlichen Natur. d   Johannes von Damaskus, De sancta trinitate (PG 95, 9A). e   Basilius, Oratio 1 (PG 31, 641B). a  

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Traktat an Irene Palaiologína (a), Ii–IIi

trinkena verbringen. Falls jemand nicht Wasser trinken kann, so gestatte er sich nur Wein, enthalte sich aber des Fisches und des Öles. Falls er sich aber auch des Weines enthalten kann, ist klar, dass er, da er das Gebot erfüllt hat, auch mehr Lohn finden wird. Wenn nun aber auf diese Tage – das heißt am Mittwoch oder Freitag – ein Herrenfestb fallen sollte, so gestatte dir auch [d.h. zusätzlich zum Wein] Öl und Fisch. An den Festen der heiligen Apostel und des Vorläufers [Johannes des Täufers] gestatte dir nur Öl und Wein. An den Gedenktagen der anderen Heiligen darf man sich gar nur Wein gestatten. Über Montage Am Montag sich nur des Fleischesc enthalten, falls jemand aber mehr vermag, bleibt es in seinem Ermessen. Über die große Fastenzeit In der heiligen, großen Fastenzeitd ist es eines jeden Christen Schuldigkeit sich zu zwingen und große Genauigkeit walten zu lassen – als Zahlung des Zehnten für die [restlichen] Tage und zur Versöhnung seiner Sünden des ganzen Jahres. Über die erste Woche In der ersten Woche ist es Gewohnheit für alle, die sich um ihre Rettung bekümmern, am Mittwoch und am Freitag mit kargem Mahle zu fasten. Falls jemand wegen Krankheit dies nicht tun kann, soll er jeden Abend dieser ersten Woche ein wenig Brot essen mit Wasser, vielleicht auch rohes Gemüse oder eingelegtes – aber zurückhaltend und mit Furcht und zerknirschtem Herzen. Falls er sich am Mittwoch und am Freitag auch Brühe ohne Öl wegen Krankheit macht, sei auch dies ungescholten.

Vgl. zu den Fastenpraktiken, oben die Kommentare zu F, XXIII. Unten C, III gibt Markos eine Liste dieser Feste. c   Dies ist offenbar für Laien gesagt, denn Mönche essen kein Fleisch. Irene ist zur Zeit der Niederschrift dieses Traktats noch nicht Nonne. d   Nämlich die vierzig Tage vor Ostern. a  

b  

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Asketische schriften des Mönchs Markos

Über die Wochenenden während der heiligen Fastenzeit Samstags aber und sonntags während dieser gesamten heiligen Fastenzeit sind Öl und Wein gestattet; Fisch aber nur am Fest von Mariä Verkündigung.a Nach der ersten Woche montags, mittwochs und freitags trockene Nahrung essen und Wasser trinken, dienstags und donnerstags ist aber Wein gestattet.

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Über die Karwoche Die göttliche Karwoche, da sie das rettungsbringende Leiden des Erlösers bringt, muss man einhalten wie keine andere: Der Wein (nur dieser!) ist nur am Gründonnerstag wegen der Ermattungb und bei der göttlichen Liturgie gestattet. Am Karfreitag hingegen zwingen sich alle Gottesfreunde nach Kräften und bleiben nüchtern, bis schließlich der heilige Gottesdienst [am Abend] des Ostersamstags empfangen wird. Falls aber jemand wegen Krankheit dies nicht vermag, soll er sich am Abend des Karfreitags etwas Brot mit etwas Wasser gestatten. Soviel zur heiligen und großen Fastenzeit. {A, IV} Über die Fastenzeit vor Weihnachten Wir sollen aber auch an die anderen drei Fastenzeiten erinnern – und zuerst müssen wir die göttliche Fastenzeit vor Weihnachten behandeln. Während der göttlichen Fastenzeit vor Weihnachten ist es nur samstags und sonntags erlaubt, sich Fische zu gestatten; dienstags und donnerstags Öl; montags, mittwochs und freitags fasten bis zur Neunten Stundec und Wasser trinken, falls jemand wegen Krankheit am Montag nicht Wasser zu trinken vermag, gestatte er sich etwas Wein. Der Mittwoch und der Freitag ist aber nach Kräften einzuhalten, das heißt ohne große und schwere Krankheit.

a   Annuntiatio, am 25. März. Diese Sonderregelung ist schon alt, vgl. z.B. Anastasiana, Doctrina de temporibus – Ed. Pitra, 2, 280 (6. Jh.?). b   In B, III verdeutlicht Markos die Ermattung als ‘des Wachens’. c   D.h. eine einzige Mahlzeit (monophagía) nach dem Stundengebet der Non.

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Traktat an Irene Palaiologína (a), Iii–V

(a), Iii–V Über das Fasten vor Peter-und-Paul Gehe an den anderen beiden Fastenzeiten – in derjenigen vor dem Gedenktag an Peter-und-Paula und derjenigen im Augustb – gleich vor. Falls jemand oft wegen des heißen Wetters die Neunte Stunde nicht erfüllen kann, so hält man die Mittwochs- und Freitagsfast auch ein, indem man nicht einfach vielfältige Speisen isst, sondern karges Mahl hält. Über Mittwoche und Freitage in der Fleischabstinenz- und Käsewochec Diese Mittwoche und Freitage wie auch Montage esse jeder ungehindert Öl und Fisch, denn die göttlichen Väter haben festgesetzt, so das Fasten aufzuheben, nicht aber Käse oder Fleisch – außer in der Nachosterwoche; ebenso in der Käsewoched gemäß einigen Gruppierungen, aber nur für diejenigen, die auch in dieser [Woche] bis zur Neunten Stunde fasten. Denjenigen, die sich nicht vornehmen, die Neunte Stunde einzuhalten, sei nur Fisch und Öl gestattet.e Soviel zum Fasten des ganzen Jahres. {A, V} Das Gebet Nebst dem Fasten und allen anderen guten Taten sollen wir uns auch im Hinblick auf das Gebet bemühen. Das Gebet trägt nämlich die gute Tat eines Menschen zu Gott hinauf und fleht ihn an und stimmt ihn gnädig gegenüber unseren Sünden. Es sagt nämlich einer der Heiligen:

a   Vom Dreifaltigkeitssonntag (eine Woche nach dem Pfingstsonntag) bis vor Peter-und-Paul (29. Jun.). b   Eig. “das Fasten der Gottesgebärerin”, die zwei Wochen bis zu Mariä Himmelfahrt (15. Aug.) dauert. c   Die dritte (unsere Karnevalwoche) und vierte Woche der Vorfastenzeit. Eine Übersicht der Bezeichnungen der Wochen in der Fastenzeit findet man in der Einleitung zu CCSG 72 (p. XIX–XXI). d   Die Woche direkt vor der Fastenzeit, in der Käse, Eier, Fisch und Milchprodukte, aber nicht Fleisch, erlaubt sind. e   Also: Entweder man hält die Neunte Stunde ein und kann dafür sonst in dieser Woche Käse (als Mönch) oder Fleisch (als Weltlicher) essen oder man hält sie nicht ein und darf aber auch nicht Käse oder Fleisch essen.

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Asketische schriften des Mönchs Markos



Wenn du Gott nicht reine Gebetea vorbringst, unvollendete Mühen verschaffst du dir dann: denn wie willst du ohne sie Gott gnädig stimmen?b

Am wichtigsten ist einerseits das ununterbrochene Gebet, das auch ‘Nüchternheit’ oder ‘Schutz des Geistes (noûs)’c genannt wird, das von jeder gottbefreundeten Seele allzeit gefordert ist, an das wir noch unbeholfen erinnern werden, doch darüber später.

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Über die Kniebeugungen das ganze Jahr Andererseits gibt es auch die sogenannten intensiveren Gebete: Kniebeugungen, bei denen wir zusätzlich das “Herr, sei mir Sünder gnädig” (Lk. 18, 13) aufsagen. Sprechen wir also hier über diese! Jede Seele, die sich um ihre Rettung bemüht, muss das ganze Jahrd über Kniebeugungen machen, d.h. außer sonntags, der ganzen Pfingstzeit und den Herrenfesten. Jeder soll dies seinen Kräften gemäß machen, [aber] mindestens dreißig pro Tag.e Man soll sie zu folgendem Zweck machen: Zuerst zur Vergebung der vergangenen Sünden; dann für den gegenwärtigen Tag, worin wir uns an ihm verfehlt haben; dann so für den kommenden, dass wir vor unerwarteten Ver­suchungen geschützt werden mögen. In den Fastenzeiten aber diese [Anzahl] verdoppeln.f Über die Stunden und den übrigen Gottesdienst Man muss Gott, wie der göttliche David lehrt, siebenmal am Tage loben (Ps.  118, 164): Zur Nocturn, meine ich, beim a   Hier (wie oft) wird euchê synonym zu proseuchê als ‘Gebet’, nicht wie im oben (F, XL) als ‘Gelübde’, verstanden. b   Das Zitat lässt sich nicht auffinden, doch ein ähnlicher Gedanke kommt schon bei (Ps.‑)Clemens von Rom, II Kor., cap. 2 vor. Es handelt sind um byzantinische Zwölfsilbler. c   Zu diesen Namen und dem hesychastischen Gebet vergleiche man die Einleitung zu CCSG 72 (p. XXI–XXIII). d   χρόνος, wie neugriechisch ‘Jahr’ – in der Parallelstelle A, V, 26 steht ἐνιαυτόν. e   Mönche machen mehr: 15 pro Gebetsstunde (so in C, XI) oder gar 300 pro Tag (in F, XXVI). Mehr dazu in der Einleitung, Anm. 68. f   B, V setzt noch hinzu “in der Karwoche verdreifachen”. Die Anzahl dreißig setzt sich also offenbar aus je zehn pro “Zeitstufe” zusammen.

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Traktat an Irene Palaiologína (a), V–VII

(a), V–VII Morgen­anbruch, zur Ersten Stunde, zur Dritten, zur Sechsten, zur Neunten, bei der Vesper und der Complet.a Falls jemand dies nicht kann, sei es wegen einer privaten Verpflichtung oder eines anderen Umstandes, so soll er [zumindest] dreimal am Tag mit Hymnus, Beichte und Eucharistie [seine Pflicht] gegenüber Gott erfüllen, für den Abend, Morgen und Mittag.b Dies muss nämlich notwendigerweise von allen gefordert werden, die der göttlichen Taufe gewürdigt und Christen genannt worden sind! Ich schrieb zwar, was die Traditionen der heiligen Väter und die göttlichen Kanones der ehrwürdigen Apostel jedem, der gerettet werden will, bestimmen auszuführen – falls aber jemand vorzieht, sich nicht so zu verhalten, wisse er, dass er, da er sich auf dem engen und schmalen Weg Gottes nicht Gewalt antun will um [ins Himmelreich] hineinzugehen (Mt. 7, 13f.), folglich auch nicht mit denen, die Gewalt anwenden (Mt. 11, 12), das Himmel­reich erben wird! Der Herr sagt nämlich: Strengt euch an, durch das enge Tor hineinzugehen (Mt. 7, 13f.), und abermals: Das Himmelreich leidet Gewalt, und die Gewalt anwenden, reißen es an sich (Mt. 11, 12). {A, VI} Ich will dir nun aber die Zeugnisse aus den göttlichen Schriften breiter vorlegen, damit du die kanonischen Fastenzeiten und Gebete bereitwillig einhältst, und gemäß dem Ausspruch Blut gibst, damit du Heiligen Geist empfangest.c Denn wie ein Mensch den Willen Gottes erfüllt, so erfüllt auch Gott seine Bitten und hört auf ihn. Er spricht nämlich durch den Propheten: Die mich verherrlichen, werde ich verherrlichen, die mich aber verachten, werden vernichtet werden (I Sam. 2, 30); und im Evangelium [steht]: Wer mich liebt, wird meine Gebote halten (Joh. 14, 21). {A, VII} Zeugnisse zur Bestätigung des Gesagten Auf viele Arten und auf viele Weisen (Hebr. 1, 1), durch die Evangelien, die Apostel und die Väter, werden wir belehrt, dass der Weg a   Markos fasst Matutin und Nocturn zusammen – sonst wären es acht Zeiten. Vgl. oben p. 97, Anm. b. b   Der Tag beginnt im Kloster bei Sonnenuntergang. λόγῳ ‘for’, cf. Lampe, s.v. C, 5. c   Apophthegmata, Collectio alphabetica, Longînos 5 (PG 65, 257B).

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zum Himmelreich durch Kreuz und Tod führt, das heißt durch dauernde Gewalt und Abtötung der Welt, und alle, die auf dem Weg der Geretteten wandeln wollen, tun sich immerfort Gewalt an (vgl. Mt. 11, 12); denn [noch] keiner wurde durch Müßigkeit gerettet.a Diejenigen nämlich, die in Müßigkeit und Vergnügen wandeln wollen, gehen auf dem breiten Weg (Mt. 7, 13), der ins Verderben führt. Denn der Herr sagt: Wenn einer mir nachfolgen will, nehme er sein Kreuz und folge mir (Mt. 16, 24); und: Was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewänne, aber seine Seele verlöre? (Mt. 16, 26) Und abermals: Wer seine Seele findet, wird sie verlieren – wer die Seele aber meinetwegen verliert, (Mt. 10, 39, Mt. 16, 25) der wird sie retten! Ähnlich ruft auch der Apostel:b Durch viel Trübsal hindurch müssen wir ins Himmelreich eingehen! (Apg. 14, 22) Und überhaupt die ganze [heilige] Schrift lehrt dasselbe. Und man sage nicht, dass diese [Dinge] [nur] für die Mönche gesagt wurden. Wo waren damals der Mönchsstand und die monastische Lebensweise, als dies gesagt wurde?c Und unser Herr, wenn er kommt an jenem fürchterlichen Tag des Gerichts, wird nicht sagen: “Die Mönche zu mir!”, sondern was? “Die Seligen zu mir!” (Mt. 25, 34). Das heißt: Diejenigen, die meine Verordnungen erfüllten. Er sagt aber auch durch den Propheten: Auf wen werde ich [gütig] schauen, wenn nicht auf den Sanftmütigen und den Ruhigen und denjenigen, der vor meinen Worten erzittert (Jes. 66, 2), welchem Stand auch immer er angehöre. Der Apostelfürst Petrus sagt aber auch: Wahrlich begreife ich, dass Gott nicht auf die Person schaut, sondern bei allen Völkern wird derjenige, der ihn fürchtet und Gerechtigkeit wirkt, von ihm angenommen (Apg. 10, 34f.). Diejenigen, die sagen, dass nur die Mönche sich Gewalt antun müssen und nicht jeder Getaufte, sollen sich also nicht selber betrügen; die Mönche haben nämlich nur dies besonders (was sie Gott wie ein Geschenk darreichen): die Jungfräulichkeit, meine ich, die Weltflucht und die Enthaltung vom Fleischgenuss, alle anderen Vorschriften sind aber für alle Getauften gleich festgesetzt. Denn Dieser Satz: Isaak von Ninive, Oratio 49, 71f., p. 654 (früher 4, 5). In der Apostelgeschichte steht, dass ‘Paulus und Barnabas’ dies sagten. c   In apostolischer Zeit gab es noch keine Mönche. Das Mönchtum kam erst im 3. Jh. in Ägypten auf. a  

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Traktat an Irene Palaiologína (a), VII–viiI

(a), VII–viiI als der Herr seine Jünger zur Verkündigung aussandte, sprach er: Gehet hin und machet alle Völker zu Jüngern, indem ihr sie tauft auf den Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes und sie lehrt alles einzuhalten, was ich euch geboten habe!a (Mt. 28, 19) {A, VIII} Wir werden alle erschaudern, wenn wir bedenken, dass, falls uns [auch nur] ein Einziges fehlt,b wir nicht vollkommene Sklaven Christi sind. Er sagt nämlich wiederum im Johannes­ evangelium: Wer mich verwirft und meine Worte nicht annimmt, hat den, der ihn richtet: Das Wort, das ich gesprochen, wird ihn richten am Jüngsten Tage; denn ich habe nicht aus mir selbst gesprochen, sondern der Vater, der mich gesandt, er selbst hat mir ein Gebot gegeben, was ich sagen und sprechen soll, und ich weiß, dass sein Gebot ewiges Leben ist! (Joh. 12, 48–50) Du siehst, dass wir alle mit dem heiligen Evangelium, das heißt mit den Geboten des Herrn, gerichtet werden müssen. Es ist aber auch zu wissen, dass zwar alle Gebote des Herrn ganz schlicht im Evangelium aufgeführt sind, dass aber die gott­verkündenden Apostel die Gebote zum Fasten mit Sicherheit und Verbindlichkeit im verehrten Buchec ihrer göttlichen Kanones festgesetzt haben. Sie wussten nämlich, dass der erste Fehltritt [der Menschheit] durch Maßlosigkeit geschah, wie geschrieben steht: Schön war sie anzusehen und gut zu essen (Gen. 2, 9) – die Frucht, die mir den Tod einbrachte! Als nun unser Herr kam und diesen ersten Fall heilen und unseren Anstifter (pternistês), den Teufel, mit der heiligen Taufe umstürzen wollte, ging er in die Wüste hinaus und besiegte unseren Feind mit äußerstem Fasten und heilte so jene erste Wunde. Und wenn der Gesetzgeber fastet, kann es dann einer von denen, die das Gesetz halten sollen, nicht nötig haben zu fasten? Und er verbrachte die Nacht (Lk. 6, 12) immer in denselben Gebeten, wie es weiter im Evangelium nach Lukas heißt. Jener betete, der Das Kapitel enthält viele volkssprachliche Verbformen und Ausdrücke. Vgl. Basilius, Sermones de moribus, Predigt  7: Über die Sünde (PG  32, 1213B), gleich nach der Stelle, die Markos unten (A, XVII) zitiert. c   In den Apostolischen Konstitutionen, die allerdings erst aus dem 3. oder 4. Jh. stammen. Aphraates zitiert die syrische Version zum ersten Mal um 350. a  

b  

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kein Erbarmen nötig hatte – wie können also wir, die wir in vielem schuldig sind, es auch nur für kurze Zeit versäumen, durch das Gebet Gott um Erbarmen zu bitten? Deshalb lehrte er auch und sagte: Passt auf, dass eure Herzen nicht schwer werden durch Rausch und Trunksucht und alltägliche Sorgen (Lk.  21, 34); und abermals: Wachet und betet (Eph. 16, 14); und abermals: Diese Art [Dämon] kann nicht ausgetrieben werden, außer durch Gebet und Fasten (Mt. 17, 21, vgl. Mk. 9, 29). Deshalb setzten auch die gottverkündenden Apostel mit Verbindlichkeit und Strafandrohung die Fastengebote für die Sklaven des Bauches und Verächter der göttlichen Vorschriften fest. Der göttliche Apostel Paulus beschwor einige [solche] und klagt über sie und nennt sie die Feinde des Herrenkreuzes, indem er so spricht: Viele wandeln umher, die ich oft erwähnte, jetzt aber auch mit Weinen die Feinde des Kreuzes Christi nenne, deren Ende Verderben, deren Gott der Bauch und deren Ehre in ihrer Schande ist – die auf das Irdische sinnen (Phil. 3, 18–19). Der 69. Kanon der hl. Apostel Deshalb heißt es im Kanon der heiligen Apostel auch ausdrücklich so: Falls ein Bischof oder ein Priester oder ein Diakon oder ein Lektor oder ein Psalmensänger während der heiligen Fastenzeit zu Ostern und jeden Mittwoch und Freitag nicht fastet, so soll er abgesetzt werden, falls er nicht durch körperliche Krankheit verhindert ist – ein Laie [der nicht fastet], soll ausgeschlossen werden.a Beachte, dass der Kanon der heiligen Apostel das Fasten zur heiligen Fastenzeit und jeden Mittwoch und Freitag auf die gleiche Weise vorschrieb für alle Getauften: Nämlich fasten bis zur Neunten Stunde, dann sich eine leichten Mahlzeit ohne Öl und Wein gestatten. Dies haben nun teilweise die heiligen Apostel festgesetzt, als die Verkündigung noch am Anfang war. Als aber unsere gottbegeisterten Väter und Lehrer kamen und erblickten, wie sich durch Apostolische Konstitutionen, Canones 8, 47, 69.

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Traktat an Irene Palaiologína (a), VII–viiI

die Gnade Christi der Glaube bis zu den Enden der Erde ausgebreitet hatte, sahen sie, dass die Menschen durch ihren luxuriösen Lebensstil in Verachtung und Leichtnehmen der Gebote Gottes verfielen, sie hörten aber den Herrn durch das Evangelium sagen: Falls eure Gerechtigkeit diejenige der Schriftgelehrten und Pharisäer nicht weit übertrifft, werdet ihr nicht ins Himmelreich eingehen! (Mt. 5, 20) Diese zahlten aber, nebst all ihren Almosen, die sie darbrachten, einen Drittel des Jahres während ihres ganzen Lebens als Zehnten, ohne die Erstlinge und die Almosengaben, die sie darbrachten [dazu zu rechnen], wie der göttliche Chrysostomusa sagt. Sie hatten auch vier Fastenzeiten jedes Jahr; und sie fasteten jede Woche zwei Tage. Dies bemerkten die gottbegeisterten Väter und so fügten auch sie die drei [weiteren] kanonischen Fastenzeiten hinzu – die vor Weihnachten, meine ich, diejenige vor Peter-und-Paul und die im August –, [und] jede Woche [zusätzlich] den Montag, so dass jeder Gläubige, den Wochenlauf mit Fasten beginnend, diese auch gottgefällig vollenden möge. Und auch diese [Fasten] muss jede Seele, die gerettet werden will, einhalten ohne sie zu übertreten; wehe, steht nämlich geschrieben, dem der die Vorschriften der Väter auflöst! (Dtn. 27, 17) Und dies bin ich für dich Gottesfreundin durchgegangen, damit du genau erfährst, wie und warum die Fastenzeiten festgesetzt wurden und von wem. Aus dem Traktat über das Fasten des hl. Níkôn Dies sind die allgemeinen Fastenzeiten der Christen: Montag, Mittwoch und Freitag des ganzen Jahres, außer bei guten Gegengründen, nämlich ein Herrenfest [zu dieser Zeit] oder schwere Krankheit; weiter die große Fastenzeit, die Woche der Passion des Herrn und die drei Fastenzeiten vor Weihnachten, vor Peter-undPaul und die der Gottesgebärerin, d.h. im August.b

a   Vgl. Johannes Chrysostomus, In Matthaeum (PG 58, 615C), Chrysostomus hat tatsächlich dieses Herrenwortes willen die Gebräuche der Pharisäer eruiert. b   Níkôn vom Schwarzen Berg, De ieiuniis (PG 127, 525D–528A).

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Asketische schriften des Mönchs Markos

Vom Selben Die heiligen Apostel und die göttlichen Väter pflegten zwar das Fasten ohne Unterbruch, sowohl was die tatsächliche Durchführung als auch was ihre wörtliche Lehre betrifft, außer an den vorgeschriebenen [Nicht-Fasttagen].a Wir aber, die wir nicht so wandeln können – oder viel mehr nicht wollen –, wenn wir uns anstrengen der Gefahr [der Verdammung] zu entfliehen, sollen die überkommenen Fasten nach Kräften einhalten!b Soviel zum Fasten.

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{A, IX} Wenn sich dadurch das Werk nicht zu sehr in die Länge zöge, wäre es nötig, auch die übrigen Gebote des Herrn, und vor allem diejenigen über Barmherzigkeit und Nächstenliebe, breiter und mit Belegen auszuführen. Da sich das Werk aber bereits in die Breite zieht, sollen wir kürzer gefasst vorgehen – denn die Überfülle der Worte ist der Ohren Feindc – und dir das Nötigste zusammengefasst in Erinnerung rufen. Wir sollen vor allem unseren Geist stets zur Frömmigkeit trainieren. Die heiligen Väter sagen nämlich, wenn der Geist (noûs) das Ziel der Gottverehrung vergisst, wird auch die offenbare Tugendtat nutzlos. Was nämlich unbewusst und ziellos geschieht, nützt nicht nur nichts – auch wenn es gut scheint –, sondern schadet sogar, wie auch umgekehrt bei dem scheinbar Gegenteiligen, was aber mit dem Ziele der Gottverehrung und gottgemäß geschieht.d a   Sonntage, Herrenfeste, Pfingstzeit und ähnliche Tage, an denen man nicht fasten darf. b   Níkôn vom Schwarzen Berg. Pandectes, noch unediert, z.B. in der Handschrift Firenze, Laur. Plut. VI.4, f. 286va. c   Zitat aus Gregor von Nazianz, Oratio 40, 1 – Ed. Moreschini (= PG 36, 360B). d   Ephraem der Syrer, De virtutibus et passionibus 405, 14–406, 4 (= Ass. III, 431D), der selber aber auch zitiert, nämlich aus Markos dem Einsiedler, De his qui putant se ex operibus iustificare 48. Ephraem führt folgenden Nebensatz als Erklärung an: “Wie wer ins Bordell geht [= scheinbar unfromme Tat], um eine Hure aus dem Verderben herauszureißen [um sie von der Prostitution zu befreien]” (ὡς τοῦ εἰς χαμαιτυπεῖον εἰσελθόντος τὴν πόρνην τε τῆς ἀπωλείας ἐκσπάσαντος). Der tiefere Sinn ist also, dass man die Tugendhaftigkeit einer Tat nicht so leicht sieht,

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Traktat an Irene Palaiologína (a), VIIi–X

(a), VIIi–X Wenn nun für jede gottbefreundete Seele, wie der Prophet sagte, die geistigen (noêtós) Feinde mehr als die Haare auf dem Haupt werden (Ps. 68, 5), [dann] lasst uns bedenken, gegen wie viele wir Krieg führen! Und lasst uns nüchtern sein und uns nicht nur in der Enthaltsamkeit der Speisen üben, sondern vielmehr auch des Schwatzens, des müßigen Redens, des Herumalberns, des Gelächters (wodurch sowohl Verachtung als auch Furcht­losigkeit vor Gott entsteht), des Anhörens heuchlerischer oder [dem Christentum gegenüber] gleichgültiger Menschen, der Verleumdung, des Zorns, der Missgunst, der Selbstüberhebung und der weiteren Abscheulichkeiten. Wer sich um seine Rettung bemüht, enthält sich all dieser [Laster]. Der Herr sagt nämlich: Passt auf, dass eure Herzen nicht schwer werdena durch Rausch und Trunksucht und alltägliche Sorgen (Lk. 21, 34); und der Apostel: Wer kämpft, zügelt sich in allem (I Kor. 9, 25). Derjenige aber, der alle retten und zur Erkenntnis der Wahrheit bringen will, er selbst wird uns zur ganzen Wahrheit führen (I Tim. 2, 4), und er wird uns mit all seinen [ihm] wohlgefälligen Heiligen des Himmelreiches würdigen, Amen. {A, X} Rekapitulation alles vorher Ausgeführten oder vielmehr: ‹Was ist›b jedes Herrengebot des Alten und Neuen Testaments? Der Gesetzgeber Moses sprach zu den Israeliten: Siehe, ich habe den Weg des Lebens und den Weg des Todes vor euer Angesicht gelegt (Dtn. 30, 15),c und er fährt fort: Wähle das Leben, auf dass du lebest (Dtn. 30, 19).d Du sollst den Herrn deinen Gott aus ganzer Seele lieben (Mt. 22, 37) und deinen Nächsten wie dich selbst (Mt. 22, 39), ehre deinen Vater und deine Mutter, da es immer auf die zugrundeliegende Absicht (deren Güte aus der Frömmigkeit stammen soll) ankommt. a   Das verschriebene βαρυνθῶσιν der Hss. ist zu korrigieren in βαρηθῶσιν. b   Unsichere Ergänzung der verblassten Stelle in der einzigen Handschrift. c   Vgl. zu diesen Wegen auch Didache XII Apostolorum 1, 1 und Dtn. 30, 15–20. d   Es folgt eine Liste von Geboten, die den Weg des Lebens charakterisieren sollen. Der Übersichtlichkeit halber sind sie tabellarisch dargestellt.

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du sollst nicht töten, du sollst nicht ehebrechen, du sollst nicht huren, du sollst nicht stehlen, du sollst nicht das Gut deines Nächsten begehren, du sollst nicht Meineid leisten (vgl. Dtn.  5, 16ff. und Ex.  2, 12ff.) – ist nämlich [im AT] gesagt worden, es heißt [aber] auch:a Schwöre überhaupt nicht! (Mt. 5, 34), du sollst nicht heucheln, du sollst nicht verleumden – liebe nicht, steht nämlich geschrieben, das Verleumden, damit du nicht vertilgt wirst (Prov. 20, 13), du sollst nicht nachtragend sein – denn die Wege der Nachtragenden [führen] in den Tod (Prov. 12, 28), übe dich darin, nicht viel zu reden – denn der geschwätzige Mann gedeiht nicht (Ps. 139, 12), und die eigenen Lippen sind eine Falle für den Menschen (vgl. Prov. 6, 2), und für [jedes] müßige Wort (lógos) wirst du Rechenschaft (lógos) ablegen müssen (vgl. Mt. 12, 36), du sollst nicht lügen – denn du [d.h. Gott] wirst alle, die Lügen sprechen, zu Grunde richten (Ps. 5, 7), du sollst nicht habgierig sein – wehe dem, der seinem Nächsten gegenüber habgierig ist (Hab. 2, 9), aber auch der Herr sagt: Seht zu und hütet euch vor aller Habsucht, denn auch wenn jemand Überfluss hat, besteht sein Leben nicht aus seinem Besitz (Lk. 12, 15), du sollst kein Heuchler sein – damit er [d.h. Gott] dir nicht deinen Teil unter den Heuchlern zuweise (Mt. 24, 51), werde nicht überheblich – denn den Überheblichen, steht geschrieben, stellt sich der Herr entgegen (Jak.  4, 6 und I Ptr. 5, 5), du sollst nicht deinen Bruder hassen – doch du sollst deinen Bruder mit Tadel zurechtweisen, steht geschrieben, und du wirst seinetwegen nicht Schuld auf dich laden (Lev. 19, 17),

So verschärft Christus das alttestamentliche Gebot.

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Traktat an Irene Palaiologína (a), x–Xi

(a), x–Xi führe keine unzüchtigen Reden und werfe keine lüsternen Blicke,a werde nicht trunksüchtig (vgl. Prov. 23, 31), werde nicht geldgierig – damit du nicht anstatt Gott dem Mammon Untertan bist (vgl. Mt. 6, 24), sei nicht überheblich im Denken – denn jeder, der sich überhebt, wird gedemütigt werden (Mt. 23, 12), werde nicht hartherzig und zornig, sondern vielmehr langmütig und mild – da der Langmütige reich an Verständnis ist (Prov. 14, 29), die Milden aber die Erde erben werden (Mt. 5, 5), werde nicht anmaßend – denn jeder sich Anmaßende, heißt es, wird ins Unglück fallen (Prov. 13, 17), sag zu niemandem “Du Dummkopf” – denn es sagt der Herr: Wer zu seinem Bruder sagt “ du Dummkopf!”, wird dem Feuer der Gehenna verfallen (Mt. 5, 22), schau nicht schamlos Gesichter lüstern an – denn wer lüstern schaut, hat in seinem Herzen schon Ehebruch begangen!b (Mt. 5, 28) {A, XI} Barmherzigkeit Liebe sehr die Barmherzigkeit; denn es steht geschrieben: Selig die Barmherzigen, denn sie werden Erbarmen finden (Mt. 5, 7); und: Öffne deine Hände dem Bettler (Dtn. 15, 11), damit er nicht zum Herrn gegen dich aufschreie (Dtn. 15, 9); und: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst (Lev. 19, 18); und: Führe arme Obdachlose in dein Haus, und wenn du einen Nackten erblickst, wirf [ihm ein Gewand] um, und du sollst dich deinen Verwandten nicht hochmütig entziehen. Dann rufe [Gott an] und Gott wird dich erhören – noch während du sprichst, wird er dir sagen: Siehe, du bist bei mir!c (Jes. 58, Vgl. Didache XII Apostolorum 3, 3. Zusammenfassung der Apostolischen Konstitutionen 7, 1–17 (wo der Weg des Lebens beschrieben wird, in Cap. 18 folgt der Weg des Todes, auf den Markos nicht eingeht). Diese beiden Kapitel werden auch leicht abgeändert von Anastásios dem Sinaiten in seinen Quaestiones wiedergegeben (in Quaestio 15), dem Markos genauer folgt, vgl. zu diesem Werk, die Einleitung p. 13. c   Bei Jesaja steht das homophone “ich bin da!” (vgl. aber Ps. 138, 8). a  

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(a), Xi–XiII 7–9) Der barmherzige Mann tut seiner Seele Gutes, der Unbarmherzige richtet sie zugrunde (Prov. 11, 17). Lösegeld für die Seele eines Menschen ist sein Reichtum (Prov. 13, 8). Es steht geschrieben: Er streute aus und gab den Armen – seine Gerechtigkeit bleibt in alle Ewigkeit (Ps. 111, 9). Und wende nicht dein Gesicht von dem Bettler ab, und den betrübt Flehenden weise nicht zurück (Sir. 4, 4). Und versetze denjenigen, der bedürftiger ist als du, nicht mit bitterem Herzen, denn es steht geschrieben: Gib keinem Menschen Raum dich zu verfluchen, wer nämlich mit bitterem Herzen verflucht, den erhört er [d.h. Gott]! (Sir. 4, 4f.) Wenn nämlich jemand, sagt der Herr, einem dieser Kleinen, die auf mich vertrauen, ein Ärgernis gibt, für den wäre es besser, wenn ein Eselsmühlsteina an seinen Hals gehängt und er in die Tiefe des Meeres versenkt würde (Mt. 18, 6). Der Prophet sagt aber auch im Namen Gottes: Du sollst nicht deinen Tagelöhner um den Lohn bringen, sondern noch gleichentags sollst du ihn bezahlen (Dtn. 24, 15, cf. Sir. 34, 22), und die Sonne soll nicht darüber unter­gehen (denn er ist arm und hofft darauf), damit er nicht gegen dich zum Herrn rufe und es dir zur großen Sünde werde (Dtn. 15, 9). {A, XII} Über das Ausharren Nimm alles Leidvolle, das dir widerfährt, bereitwillig an, denn ohne Entscheidung des Herrn ereilt uns keine der Unannehm­ lichkeiten. Du züchtigst den Menschen, steht nämlich geschrieben, wegen seiner Gesetzlosigkeit mit Strafen, und wie eine Motteb zersetzt du seine Seele (Ps.  38, 12). Für alles Betrübliche, das uns ereilt, ist Folgendes sehr nützlich: Gott, dem Fürsorger des menschlichen Lebens, zu danken. Denn der Arzt,c auch wenn er dem Kranken Schmerzen zufügt, auch wenn er brennt oder sonst etwas [Derartiges] tut, tut alles aus Fürsorge. Es sagt nämlich der göttliche Herrenbruder Jakobus: Achtet es für lauter Freude, meine Brüder, wenn ihr in vielfältige Versuchungen geratet (Jak. 1, 2); und: Glückselig der Mann, der der Versuchung widersteht, denn da a   Der obere Mühlstein, der von einem Esel gedreht wurde, und ein Loch hat, in das ein Kopf passen würde. b   eig. ‘Spinne’ (ἀράχνη). ‫ עש‬im Urtext bedeutet aber ‘Kleidermotte; Fäulnis’. c   Zu Christus als Arzt, vgl. Mt. 9, 12.

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Traktat an Irene Palaiologína (a), Xi–XiII

er nun bewährt ist, wird er den Kranz des [ewigen] Lebens erhalten (Jak. 1, 12). Und unser Herr sagt: Derjenige, der bis zum Schluss ausharrt, der wird gerettet werden! (Mt. 10, 22, Mt. 24, 33, Mk. 13, 13) Und abermals: In eurem Ausharrena ... (Lk. 21, 19), sein ist die Herrlichkeit, in alle Ewigkeit, Amen.b {A, XIII} Gelübde bei der hl. Taufe Aber mit allem vorher Gesagten, ja vielmehr noch vor allem,c sollen wir voller Angst aufpassen und das furchterregende Bekenntnis der heiligen Taufe genau einhalten, das von allen in Christo Getauften am Tag des Gerichts von unserem furchterregenden Richter Jesus Christus eingefordert werden wird: “Wir schwören dem Teufel und all seinen Taten und all seiner Verehrung und all seinem Pomp ab”, dies bekannten wir dreimal.d Die körperlichen Werke des Satans Die Werke des Satans sind diese offenkundigen (phanerós),e körperlichen Sünden: Selbstbefriedigung, Hurerei, Ehebruch, Männerwahn, Unzucht mit Vieh, Diebstahl, Trunksucht, Völlerei, Raffgier, Ungerechtigkeit, schmutzige Gewinnsuchtf und überhaupt alle körperlichen und offenkundigen Sünden. Schau auch die seelischen Werke des Satans Ebenso sind die seelischen diese: eitle Ruhmsucht, Hochmut, Unversöhnlichkeit, Neid, un­begründete Wut, absurde Begierden, “... werdet ihr eure Seelen gewinnen.” Vgl. Anastásios vom Sinai, Quaestiones 15 und Constitutiones Apostolorum 7, 1–17, und oben p. 104 mit Anm. c. c   Dieselbe Redewendung verwendet Nikêphóros Grêgorás (Historia Romana 3, 541, 19f. – Ed. Schopen), bei Markos auch in B, X, 5 und C, VIII, 2. d   Taufformel, z.B. bei Johannes Chrysostomus, Ad illuminandos catecheses (PG 49, 240D). Vgl. oben F, XXIX, 62–64, p. 107. e   Paulus, im ähnlichen Sündenkatalog Gal. 5, 19, nennt diese auch ‘offenkundig’. f   Die schwerleserliche Abkürzung in der einzigen Handschrift sollte besser so gelesen werden (αἰσχροκερδία) als wie in CCSG (αἰσχροκαρδία ‘schänd­liches Herz’). Letzteres wäre eine seelische Sünde, zudem ist das Wort sonst nicht nachweisbar. a  

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(a), XIIi–xiv schändliche Gedanken, Verleumdung, Verurteilung und überhaupt alle Vergehen der Seele. Was ist die Verehrung des Satans? Satans Verehrung ist: an Orakel glauben und Magiern, Astrologen, Zauberern und Gersten-Wahrsagern nachrennen und überhaupt alles Ähnliche: All dies nennt man Teufels­verehrung.

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Was ist der Pomp des Satans? Sein Pomp sind die eitlen Lieder und alle volkstümlich-heidnischen (thymelikós) Instrumente, Brettspiele, Würfelspiele und Ähnliches. All diesem haben wir in der heiligen Taufe abgeschworen und vor allem dem Satan, dem Lehrer dieser [Dinge]; und wir haben [Gott] Allianz geschworen, auf die richtige Art an die heilige und wesensgleiche (homooúsios) Dreifaltigkeit zu glauben, und, was unser Herr Jesus Christus in den Evangelien anordnete, einzuhalten. Dieses göttliche Gelübde wird uns also abgefordert werden, den Kleinen wie den Großen, d.h. allen, die der göttlichen Taufe gewürdigt worden sind: Bischöfen, Kaisern, Mönchen, Herrschern und Armen, Knechten und Freien und dem ganzen Volk der Gläubigen. Dieses Wenige schrieb ich dir also aus Vielem [ausgewählt], doch ich bezeuge und versichere dir dies: Wenn du diese gesagten [Dinge] genau einhältst, wirst du den Platz zur Rechten des Erlösers erlangen und mit ihm und allen Heiligen das Himmelreich und das endlose Leben erben!a {A, XIV} Über die nötige Unterordnung, die von jeder Frau gegenüber ihrem Mann gefordert ist Es ist aber wert, hier auch dies deiner edelsten Seele in Erinnerung zu rufen, da es wahrhaft notwendig ist und (wie ich meine) ihr auch nicht entgeht, da es sich ja nicht um irgendetwas Beliebiges handelt, sondern um etwas sehr Großes und Nützliches. Solcherlei Dinge erscheinen den Liebhabern des Schönen und denen, die dem Schönen nacheifern, ganz klar und offensichtlich. Worum Nikólaos Mystikós, De vita monastica 5 (PG 111, 396B–D).

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Traktat an Irene Palaiologína (a), XIIi–xiv

handelt es sich? Mit Bescheidenheit und großer Sorge dich deinem Haupt, das heißt deinem ehrwürdigen Mann,a dessen Leib du bist, unterzuordnen, so wie der Leib des Menschen sich notwendig in allem dem Haupt fügt. Jeder Mann verkörpert nämlich den Typus des wahren Christus unseres Gottes, die Frau aber den Typus der Kirche, und ebenso wie sich die Kirche Christus unterordnet, so soll auch jede Frau sich ihrem Mann unterordnen (Eph. 5, 24), und nicht ihm in einer [Sache] gehorsam sein, in einer anderen aber ungehorsam und selbstherrlich, sondern in allem und stets; und kurz gesagt ihn als Gesetz und Kanon und Herrscher halten, und alles, was ihm gefällt, ausführen und nicht zanken und den eigenen Willen durchsetzen. Dies schreibe aber nicht ich aus mir selbst heraus dir vor, sondern Paulus der Apostel, das Mundstück des Herrn – oder vielmehr: Der Herr selber sprach es durch Paulus, der ausdrücklich so ruft: Ihr Frauen, ordnet euch euren Männern unter wie dem Herrn (Eph. 5, 24). Schau die Kraft des Wortes: In der Absicht die Höchstform der Unterordnung zu betonen, sagt er, die Frauen sollen ihre Männer wie den Herrn (Eph. 5, 24) halten, also wie Gott, den Schöpfer des Alls! Gott ordnen wir uns nämlich unter, ob wir wollen oder nicht; ebenso sei es mit den Frauen gegenüber den Männern, auch wenn es ihrem Willen missfällt. Sie sollen sich also zwingen und sich ihnen in allem unterordnen. Wenn sie [dies] so tun, wird auch Gott ihnen in ihren Bitten ganz gehorchen. Auch möchte ich nicht, dass dies deiner Wohlgeboren verborgen bleibe, dass Gott deshalb eine Rippe (das ist ein gebogener Knochen) Adams genommen und damit die Frau geschaffen hat (vgl. Gen. 2, 22) – deshalb nahm er nicht einen geraden Knochen, damit sie sich dem Manne immer unterordne und sich vor ihm verbeuge.b Und sie soll niemals das Haupt nach oben heben, sondern immer mit der Gesinnung und den Augen, mit den geistigen und den körperlichen meine ich, nach unten blicken. Ja wahrlich wegen dieses Ausspruches, den siec von Gott a   Der Traktat wurde also noch zu Lebzeiten ihres Mannes Johannes Kanta­ kouzênós geschrieben, also vor etwa 1257. b   Etwas erzwungenes Wortspiel mit ὑποκύπτω ‘sich verbeugen; biegen’. c   Eva stellvertretend für alle Frauen.

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(a), XIV–XVI erhielt: Zu deinem Manne, steht geschrieben, wird deine Hinwendung sein, und er wird über dich herrschen! (Gen. 3, 16) {A, XV} Ununterbrochenes Gebet und Nüchternheita Ich fordere jeden, der gerettet werden will, auf, die Regel des Gebetes und der Nüchternheit niemals zu verachten, sondern man soll, ob man [gerade] isst (vgl. I Kor. 10, 31) oder geht oder steht oder sitzt oder sonst etwas tut, ohne Unterbruch rufen:b “Herr Jesus Christus, Sohn Gottes, erbarme dich meiner!”, damit der Name unseres Herrn Jesus Christus in die Tiefe der Seele herabsinke und die Schlange, die diese Gefilde beherrscht, demütige, die Seele aber rette und zum Leben führe. Ohne Unterbruch soll jeder, der gerettet werden will, beim Namen unseres Herrn Jesus Christus verbleiben, damit das Herz den Herrn verschlinge und der Herr das Herz, und die beiden werdenc eins.d Lasst uns also, solange wir noch Zeit haben, wahrhaftig Buße tun, und darum kämpfen, den Gott des Alls mittels aller Tugenden und ununterbrochenem Gebet und Andenken an den Tod uns gnädig und wohlgesonnen gegenüber dem wissentlich und unwissentlich von uns Getanen zu stimmen, damit er uns von den unerträglichen Strafen erlöse und uns den Genuss des ewigen Gutes schenke, durch seine Güte, Gnade und Menschenfreundlichkeit – unseres Herrn Jesus Christus, denn sein ist die Herrlichkeit und die Herrschaft zusammen mit seinem anfangslosen Vater und dem hochheiligen Geist, jetzt und in alle Ewigkeit, Amen.

Die teilweise abgeschnittene Marginalrubrik besagte in etwa (mit vielen Konjekturen): “Setzen wir noch das Treffendste aus den Vätern über das ununterbrochene Gebet und das Wachen dem vorliegenden Traktat wie ein goldenes Siegel hinzu, und ich beschließe diesen Traktat mit Chrysostomus: Jener Traktat ist voll sehr nützlicher ethischer Worte für die Seele”. b   Offenbar im Geiste und nicht unbedingt laut (wie wollte man sonst essen?). Bei Johannes steht dies ausdrücklich: “Auch wenn man die Lippen nicht bewegt, sondern im Geiste ruft: Gott hört nämlich auch die Schweigenden” (εἰ καὶ μὴ κινῶν τὰ χείλη, ἀλλὰ τῇ διανοίᾳ βοῶν· καὶ σιωπώντων γὰρ ἀκούει ὁ θεός – l. 90). c   Wohl versehentlich Aorist (in C, VIII steht γένηται, wie auch in der Vorlage). d   Johannes der Mönch, Epistola ad Monachos l. 40–57. a  

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Traktat an Irene Palaiologína (a), XIV–XVI

{A, XVI} Siehe, du Alleredelste und Gebildetste und Gottes­ freundin, wie du siehst, habe ich diesen kleinen Traktat auf deine Bitte hin verfasst. Ich habe meinen [Teil] getan, und bin der fürchterlichen Last des Ungehorsams entronnen, dein [Teil] besteht nun darin, dich gemäß dieser kleinen Erinnerung zu verhalten. Wisse aber genau, dass, falls du dich nicht mit deiner ganzen Kraft anstrengst, dich gemäß den Geboten Gottes recht zu verhalten,a die Strafe für die Verachtung [dieser] gänzlich von dir eingefordert werden wird; denn wer den Willen seines Herrn kennt und ihn nicht tut, steht geschrieben, wird viel geschlagen werden (Lk. 12, 47). Ich schrieb nun nicht, wie deine Wohlgeboren erwartet haben wird oder es deiner Bitte würdig gewesen wäre, nach meinem [eigenen] Herzen,b sondern ich habe aus den gotterfüllten Worten der göttlichen Schrift, aus dem göttlichen Evangelium und den hochverehrten Aposteln und den ruhmreichen Propheten und ehrwürdigen Vätern schöpfend das Treffendste so in eine Kurzfassung zusammengefügt – wie ich eben vermochte, kunstlos und unfachmännisch. Ich habe meistens zusammenfassend geredet, damit es gut überblickbar, gut erinnerbar und [doch] umfassend sei.c Wähne nicht, dass dies zu deinem Ärgernis geschah! Einen Auftrag habe ich nämlich erfüllt, und dies muss dir in Erinnerung gerufen werden, was keiner nicht wissen soll, dass die Gebote für alle Gläubigen von Gott wie ein Kanon festgesetzt sind, und am meisten die des Fastens und des Gebets. Also wird er wie ein steuerpflichtiger Bauer (vgl. Mk. 12, 1), falls er nicht vollständig und brav seinen gebührenden Kanond (das heißt die Steuer) zahlt, ins Gefängnis geworfen und aufgehängt und geschlagen, bis dass er seine ganze Schuld gezahlt hat. Ebenso wird jeder Gea   Markos verwendet hier gleich nacheinander einen passiven Infinitiv und einen medialen von πολιτεύομαι offenbar in gleicher Bedeutung. Das Neugriechische unterscheidet diese beiden Diathesen nicht mehr. b   Ob also Irene ihn um einen Traktat “aus seinem Herzen” gebeten hat? c   In diesem Traktat A hat Markos in der Tat seine Quellen weitgehend zusammengefasst und gekürzt, im Gegensatz zu den später geschriebenen Florilegien, wo er vollständiger zitiert. d   kánon bedeutet auch ‘Steuer’.

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Asketische schriften des Mönchs Markos

(a), XVI–XVIII taufte, wenn er gegenüber den Geboten gleichgültig eingestellt ist, sofort von der Gnade verlassen und seinen Feinden übergeben und fällt unter ihre Füße. Und es stürzen sich viel Drangsal und unerwartete Versuchungen auf ihn, bis er aus Beengung aufschreit: Herr, warum sind meine Bedränger so zahlreich geworden? (Ps. 3, 2). Wer aber die Gebote Gottes wahrt, wird von Gott bewahrt: So wie er Gott gehor­sam ist, so ist auch Gott ihm gehorsam und erfüllt alle seine Bitten!a

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{A, XVII} Man wähne nun aber nicht, dass nicht solche Not und Genauigkeit zur Einhaltung der göttlichen Gebote bei denjenigen, die nicht viel gesündigt haben, sein müsse, im Gegensatz zu denjenigen, die in vielfältige Sünden gefallen sind. Solch einer höre, was die Heiligenb sagen, dass es drei Klassen von Christen gibt: Sklaven, Tagelöhner und Söhne. Sklave ist derjenige, der von der Sünde versklavt ist. Deshalb muss ein solcher immer kämpfen und alle Gebote des Herrn einhalten und erfüllt von Angst und Verlangen sein ganzes Leben lang arbeiten, wenn er Freiheit erreichen will. Derjenige aber, der nicht der Sünde verfällt, ist ein Tagelöhner. Er muss sich ohne Zögern um alle Gebote Gottes bemühen, damit auch er seinen vollständigen Lohn bekommt. Wenn du aber ein Sohn bist, soll manc ebenso den Vater ehren – ein Sohn darf nämlich nicht manchmal [den Vater] ehren und ihn manchmal verachten. Ein zögerlicher Sklave wird der Freiheit nicht gewürdigt, ein fauler Tagelöhner hat den Lohn vertan, ein ungehorsamer Sohn wird den Vater nicht beerben. Mehr schreibe ich deiner Scharfsinnigkeit nicht: Gib nämlich dem Weisen einen Anstoß, so wird er noch weiser (Prov. 9, 9).

Markos verwendet in diesem Kapitel verschiedentlich Verssatzstücke aus Maximus’ Prolog zu seinen Capita de caritate, und am Schluss eins aus den Apophthegmata (Collectio alphabetica, Zênôn 7 [PG 65, 177C]). b   Basilius, Sermones de moribus, Predigt 7: Über die Sünde (PG 32, 1212D– 1213B) hat diese Dreiteilung aufgestellt, die aber letztlich auf Paulus (I Kor. 15, 44 u.a.), der körperliche, seelisch und geistige Christen unterschied, zurückgeht. c   Uneinheitlich 2./3. Person singular. a  

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Traktat an Irene Palaiologína (a), XVI–XVIII

{A, XVIII} Ich bete nun zum Herrn, unserem Gott, dass er dir seinen Engel vor dein Angesicht schicke, und er wird dich nach seinem Willen führen: Er schicke dir Hilfe aus dem Heiligtum und von Zion aus unterstütze er dich (Ps. 19, 3); er ziehe dir den Brustpanzer der Gerechtigkeit an und setze dir den Helm des Heils auf (Eph. 6, 14 & 19), und er lasse die Gerechtigkeit deiner Taten wie die Mittagssonne scheinen (vgl. Ps.  36, 6). Deine königliche und gottbefreundete Familie aber stärke und erhalte er in Frieden und Gerechtigkeit, und er schicke ihr Generationen von Generationen [von Nachkommen], und er möge dem irdischen Ruhm den Genuss des Himmelreichs hinzusetzen!

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Traktat an einen Laien

Kurzgefasste Anordnung als Directoriuma des gesamten Jahres für einen Laien, der gerettet werden will {B, I} Prolog Da ich dir ja dasjenige, was Gott meinem Stumpfsinn ermöglichte, auf Grund deines Glaubens [schon] mündlich auseinandersetzteb über das tugendhafte Leben, den rechten Glauben und die Lebensführung das ganze Jahr über, wodurch sich die Gott erkennende und gemäß seinen göttlichen Geboten lebende Seele auszeichnet; du mich aber batest, dir dies auch schriftlich zu deinem größeren Nutzen und unauslöschbarer Erinnerung anzuvertrauen, und da du dich mit deiner ganzen Seele um deine Rettung bemühst und mit viel Glauben und wahrhafter Demut bittest – und die Erde deines gottbefreundeten Herzens ist gut zur Aufnahme des göttlichen Samens –, werde auch ich nicht zögern, das bei mir liegende ungenutzte Talent (cf. Mt. 25, 20ff.) umzusetzen, denn ich erahne die Schwere des Ungehorsams und fürchte die [göttliche] Strafe für Zaghaftigkeit! Höre also nun verständig hin und achte auf das Gesagte; denn ich schreibe dir nicht mein Eigenes, sondern nachdem ich die a   Das directorium (gr. τύπικον) ist ein Buch, welches den (liturgischen) Jahres­ ablauf regelt. Dieser Traktat hat nicht nur einen anderen Adressaten, sondern wurde auch von einer anderen Hand niedergeschrieben. Da er in vielem Traktat A sehr ähnelt, sei aus Platzgründen auf die Kommentare dort verwiesen. b   Offenbar hat Markos den Laien also auch mündlich belehrt.

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Asketische schriften des Mönchs Markos

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heiligen Worte des Alten und des Neuen Testamentes, die heiligen Kanones der göttlichen Apostelfürsten und der heiligen, gottbegeisterten Väter durchforstet habe, schreibe ich dir hier wie in einer Kurzfassung. {B, II} Rechter Glaube Es muss also jede gottbefreundete Seele, die gerettet werden will und begehrt, das Himmelreich zu erreichen, sich ganz besonders um den rechten Glauben kümmern, dann Gottes Gebote genau einhalten. Solch ein Gespann wird nämlich von Gott geschätzt, und er nimmt es gerne [zusammen] an, da das Eine das Andere stützt, und wenn das Eine fehlt, auch das Andere kränkelt und kraftlos wird; denn der Glaube ohne Werke – diejenigen gemäß der Gebote Gottes – ist tot (Jak. 2, 26); ähnlich auch umgekehrt. Da aber der Glaube den Werken vorangeht, müssen auch wir zunächst über jenen kurz handeln, und schöpfen das Vorwort des Traktats aus den mit göttlicher Weisheit erfüllten Dogmen des Göttliches kündenden Johannes von Damaskus, der irgendwo in seinen dogmatischen Schriften [sagt]:

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Glaubensbekenntnis des hl. Johannes Damascenus So soll jede gottbefreundete Seele bekennen und bekräftigen und sagen, einerseits von der heiligen und wesensgleichen (homooúsios) Dreifaltigkeit: Ich bekenne eine Natur, einen Willen, eine Aktivität, eine Kraft und Macht und Herrschaft, da sie eine Gottheit ist, aber drei Hypostasen, d.h. auch drei Personen, wobei jede Person ihre Eigenheit bewahrt; von der fleisch­gewordenen Heilsökonomie des Einen der heiligen Dreifaltig­keit andererseits, nämlich unseres Herrn Jesus Christus, [bekenne ich] zwei Naturen und zwei Willen, wie auch Aktivitäten, aber eine Hypostase oder eine Person, da ein und derselbe vor aller Zeit aus dem Vater auf unzeitliche und unkörperliche Weise gezeugt und in der letzten Zeit von der heiligen und ewigjungfräulichen Maria der Gottesgebärerin auf unsagbare und unbefleckte Art empfangen wurde; derselbe wird ganz als Mensch und als Gott in einer einzigen Hypostase erkannt – nicht dem Leiden unterworfen durch [seine]

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Traktat an einen Laien (B), I–III

(B), I–III Göttlichkeit, und leidend durch Hinzufügung. Er bewahrte nach der Geburt die Zeichen der Jungfräulichkeit unversehrt. Soweit der göttliche Johannes.a Wir sollen nun mit diesen [Worten] auch das heilige Glaubensbekenntnis unverändert bekräftigen und bekennen, dann uns um die göttlichen Gebote kümmern. Bei der Taufe wurden wir nämlich gereinigt, als Gereinigte erhielten wir die Gebote: Wer das Zweite nicht einhält, entweiht so das Erstere. Also ist es zuerst nötig, an das Fasten und die Lebens­f ührung des ganzen Jahres zu erinnern als ältestes und erstes Gebot. Falls nämlich der ersterschaffene Adam es eingehalten hätte, wäre nicht die gesamte Menschheit in diese Misere gefallen! Wenn nun die Unbeherrschtheit den Menschen aus dem Para­diese verstieß, so müssen diejenigen, die zu ihm zurückkehren wollen, sich durch Fasten und Demut ansiedeln. So sagt nämlich der große Basilius: Falls du deinen Bauch beherrschst, wirst du das Paradies bewohnen, falls du ihn nicht beherrschst, wirst du unnützes Opfer des Todes.b {B, III} ‹Über das Mittwochs- und Freitagsfasten›c des ganzen Jahres Besonders soll jeder, der gerettet werden will, das ganze Jahr über jeden Mittwoch und Freitag, gemäß dem 69. Kanon der göttlichen Apostel,d mit trockener Nahrung und Wasser trinken verbringen. Falls jemand wegen körperlicher Krankheit nicht Wasser trinken kann, so gestatte er sich nur Wein, dies aber mit zerknirschtem Herzen, er enthalte sich [aber] des Fisches und des Öles gänzlich. Falls er aber auch den Wein einhalten könnte, ist klar, dass er, da er das Gebot erfüllt hat, auch mehr Lohn finden wird.

Johannes von Damaskus, De sancta trinitate (PG 95, 9A–12A). Basilius, Oratio 1 (PG 31, 641B). c   Bei diesen Überschriften, die nur in der Haupthandschrift stehen, sind einige Worte ganz verblasst und mussten ergänzt werden. d   Vgl. Apostolische Konstitutionen, Canones 8, 47, 69. a 

b  

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Über Herren- und andere Feste, ‹falls sie› auf einen Mittwoch oder Freitag zu fallen kommen Wenn nun aber auf diese Tage – das heißt am Mittwoch oder Freitag – ein Herrenfesta zu stehen kommt, so gestatte dir Fische und Öl,b falls es aber das Fest Peter-und-Paul oder eines [einzelnen] der zwölf Apostel ist, gestatte dir Öl und Wein. An den anderen Gedenktagen der Heiligen darf man sich hingegen nur den Wein gestatten. An Montagen sich nur des Fleisches enthalten, ebenso an Dienstagen. Die Montage sind aus den Väternc ersichtlich, die Dienstage sind aber freiwillig, denn da wir nicht gemäß der Tradition der apostolischen Kanones jeden Mittwoch und Freitag Wasser zu trinken und zu fasten vermögen bis zur Neunten Stunde, sondern öfter, sei es durch Krankheit oder durch irgendeinen anderen Umstand, an einigen davon das Fasten aufheben, soll sich ein jeder von uns am Dienstag nach seinen Kräften enthalten: Die Mönche des Käses, die Laien des Fleisches, so dass jener [d.h. der Käse] dieses [d.h. das Fleisch] [für die Mönche] ersetzt, auf dass wir in der Zeit unseres Hinscheidens Entschuldigung finden mögen durch Fürbitten unserer völlig reinen Herrin der Gottesgebärerin und des würdigen Vorläufers. Dieser Tag ist nämlich auf mystische Weise von den heiligen Vätern für diese [beiden] festgelegt worden.d Am Donnerstag und am Wochenende isst ein jeder von uns ungehindert alles Gewohnte zur Ehre Gottes. Über die große Fastenzeit – über die Karwoche In der großen Fastenzeite ist es eines jeden Christen Schuldigkeit sich zu zwingen und große Genauigkeit walten zu lassen – als Zahlung des Zehnten für das [restliche] Jahr zur Versöhnung für seine Sünden. In der ersten Woche ist es Gewohnheit für alle, die Genauigkeit halten wollen, sich nur am Mittwoch und am Freitag des Markos gibt unten (C, III) eine Liste der Herrenfeste. Wein sicherlich auch, der hier wohl vergessen ging (vgl. C, III). c   Ich konnte keine Väterstelle dazu finden, vgl. die Einleitung, p. 16. d   Es ließ sich keine Stelle dazu finden. e   Während der vierzig Tage vor der Karwoche. a  

b  

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Traktat an einen Laien (B), III–IV

(B), III–IV Essens zu enthalten. Falls jemand wegen Krankheit dies nicht tun kann, soll er jeden Abend dieser ersten Woche etwas Brot essen – mit Furcht und zerknirschtem Herzen. Falls er am Mittwoch und am Freitag auch Brühe ohne Öl wegen Krankheit braucht, sei auch dies ungescholten. Über die Wochenenden des ganzen Jahres Samstags aber und sonntags während dieser gesamten heiligen Fastenzeit sind Öl und Wein gestattet; Fisch aber nur am Fest von Mariä Verkündigung.a Nach der ersten Woche montags, mittwochs und freitags trockene Nahrung essen und Wasser trinken, dienstags und donnerstags ist aber Wein gestatten. Über die Karwoche Die göttliche Karwoche, da sie das erlösende Leiden des Herrn bringt, muss man einhalten wie keine andere: Der Wein ist nur zum Gottesdienst und gegen die Ermattung des Wachens gestattet und nur am Gründonnerstag. Am Karfreitag zwingen sich nach Kräften alle und bleiben nüchtern,b bis schließlich der heilige Gottesdienst des Ostersamstags empfangen wird. Falls aber jemand wegen schwerer Krankheit dies nicht vermag, soll er sich am Abend des Karfreitags etwas Brot mit etwas Wasser gestatten. Soviel zur heiligen und großen Fastenzeit. {B, IV} Wir sollen auch an die anderen drei Fastenzeiten erinnern – und zuerst müssen wir die göttliche Fastenzeit der Weihnacht behandeln. Während der göttlichen Fastenzeit vor Weihnachten ist es nur samstags und sonntags erlaubt, sich Fische zu gestatten; dienstags und donnerstags Öl; montags, mittwochs und freitags fasten bis zur Neunten Stunde und Wasser trinken; falls jemand wegen Krankheit am Montag nicht Wasser zu trinken vermag, gestatte er sich etwas Wein. Der Mittwoch und der Freitag ist

Annuntiatio, am 25. März. Ebenso schon die Apostolischen Konstitutionen (5, 18, 2), mit Begründung dieses Vorgehens in Mk. 2, 20 (= Lk. 5, 35). a  

b  

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Asketische schriften des Mönchs Markos

(B), IV–V aber nach Kräften einzuhalten, das heißt ohne große und schwere Krankheit.

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Über die Fastenzeiten vor Peter-und-Paul und der Gottesgebärerin Gehe an den anderen beiden Fastenzeiten – in derjenigen vor dem Gedenktag vor Peter-und-Paula und derjenigen im Augustb – gleich vor. Falls jemand oft wegen des heißen Wetters die Neunte Stunde nicht erfüllen kann, so hält man die Mittwochs- und Freitagsfast auch ein, indem man nicht einfach vielfältige Speisen isst, sondern karges Mahl hält. Über Mittwoche und Freitage während der Fastenzeit und sonst Am Mittwoch und Freitag der Nachosterwoche ist das Fasten gänzlich aufgehoben – an den anderen Mittwochen und Freitagen der ganzen Pfingstzeit gestatten sich die Mönche Öl, die Laien Fische; ebenso am Mittwoch und Freitag der [Woche] vor der Karnevalwochec (oder des ‘Artziboures’d) dasselbe. Am Mittwoch und Freitag der Käsewochee nach der Neunten Stunde und nach der Vesperf essen wir Käse und Eier. Falls es jemand nicht bis zur Neunten Stunde aushält, esse er Öl und Fische. Soviel zum Fasten des ganzen Jahres.g {B, V} Wir sollen uns nebst dem Fasten und allen anderen guten Taten auch in Hinblick auf das Gebet bemühen. Das Gebet trägt a   Vom Dreifaltigkeitssonntag (eine Woche nach dem Pfingstsonntag) bis zum 29. Juni. b   Eig. ‘das Fasten der Gottesgebärerin’, die zwei Wochen bis zu Mariä Himmelfahrt (15. August) dauert. c   D.h. der Sonntag und die zweitletzte Woche vor der großen Fastenzeit. d   Dieses Wort bezeichnet eine armenische Fastenpraxis in der ersten der drei fleischlosen Wochen, die von den Orthodoxen abgelehnt wird. Deshalb sind die Fastenbestimmungen in dieser Woche für die Orthodoxen gelockert (cf. p. XIX in CCSG 72). e   Die Woche vor der Fastenzeit, in der Käse, Eier, Fisch und Milchprodukte, aber kein Fleisch mehr erlaubt ist. f   Also zur Zeit der Abendmahlzeit. Zu ἑσπερινός verstehe man ὕμνος. g   χρόνος ‘Jahr’ wie neugriechisch – in der Parallelstelle A, IV, 26 steht ἐνιαυτόν.

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Traktat an einen Laien (B), IV–V

nämlich die gute Tat des Menschen zu Gott hinauf und fleht für die Sünden. Wie einer der Heiligen sagt: Wenn du Gott nicht reine Gebete vorbringst, unvollendete Mühen verschaffst du dir dann: denn wie willst du ohne sie Gott gnädig stimmen?a Am wichtigsten ist einerseits das ununterbrochene Gebet – der Apostel sagt nämlich: Betet ununterbrochen (I. Thess. 5, 17), und unser Herr: Wachet und betet alle Zeit (Lk. 21, 36) –, das die heiligen Väter ‘Andenken an Gott’ und ‘Nüchtern­heit’ nannten; der göttliche Chrysostomus sagt Folgendes in seinen moralischen [Werken]:

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Regel des Gebets von unserem unter den Heiligen [weilenden] Vater Johannes Chrysostomus Ich fordere jeden Gläubigen, der gerettet werden will, auf, niemals die Regel des Gebets zu verachten, sondern man soll, auch wenn man isst oder trinkt oder arbeitet oder geht oder steht oder sitzt oder sonst etwas tut (vgl. I.  Kor.  10, 31), ununterbrochen rufen: “Herr Jesus Christus, Sohn Gottes, erbarme dich meiner”.b Über die Kniebeugungen Andererseits gibt es auch die sogenannten intensiveren Gebete: Kniebeugungen, bei denen wir zusätzlich das “Herr sei mir Sünder gnädig” (Lk. 18, 13) aufsagen. Höre also auch über diese. Jede Seele, die gerettet werden will, muss das ganze Jahr über Kniebeugungen machen, das heißt außer an Sonntagen und der ganzen Pfingstzeit und den Herrenfesten, [und zwar] mindestens dreißig pro Tag – falls keine große Sündenlast ansteht; zuerst zur Vergebung der früheren Sünden; dann für die Vergehen des heutigen Tages; dann für den kommenden und dass man vor unerwarteten Versuchungen geschützt werde. In den Fastenzeiten aber diese [Anzahl] verdoppeln, in der Karwoche verdreifachen.c a   Die Quelle dieser Verse ist nicht auffindbar. Zum Gedanken vgl. aber (Ps.‑) Clemens von Rom, II Kor., cap. 2. b   Johannes der Mönch, Epistola ad Monachos 41–45. c   Diese letzte Vorschrift hat die Handschrift R weggelassen.

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Asketische schriften des Mönchs Markos

Über die Stundengebete und den übrigen Gottesdienst Man muss Gott, wie David lehrt, siebenmal am Tage loben (Ps. 118, 164): zur Ersten Stunde, zur Dritten, zur Sechsten, zur Neunten, zur Vesper, bei Complet und Nocturn bei Morgen­anbruch. Ich schrieb zwar, was die Traditionen der heiligen Väter und die göttlichen Kanones der ehrwürdigen Apostel jedem, der gerettet werden will, bestimmen auszuführen – falls aber einer es vorzieht, sich nicht so zu verhalten, wisse er, dass er, da nicht auch er sich auf dem engen und schmalen Weg (Mt. 7, 13f.) etwas Gewalt antun will, um [ins Himmelreich] hineinzugehen, folglich auch nicht mit denen, die Gewalt brauchen, das Him­melreich erben wird. Der Herr sagt nämlich: Bemüht euch durch das enge Tor hineinzugehen, und abermals: Das Himmelreich leidet Gewalt, und die Gewalt anwenden reißen es an sich! (Mt. 11, 12)

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{B, VI} Über die wichtigsten Herrengebote des alten und neuen Testaments Ich will dir nun aber zusammengefasst die wichtigsten Gebote des Herrn im Alten und Neuen Testament vorlegen. Und übe dich nach Kräften in der Einhaltung dieser [Gebote], und gib Blut, damit du – gemäß dem Spruch – heiligen Geist empfangest.a {B, VII} Auf viele Arten und auf viele Weisen (Hebr. 1, 1), durch die Evangelien, die Apostel und die Väter werden wir belehrt, dass der Weg ins Himmelreich durch Kreuz und Tod führt, das heißt durch dauernde Gewalt und Abtötung der Welt, und alle, die auf dem Weg der Geretteten wandeln wollen, tun sich immerfort Gewalt an (Mt.  7, 13), denn [noch] keiner wurde durch Müßigkeit gerettet.b Diejenigen nämlich, die in Müßigkeit und Vergnügen wandeln wollen, gehen auf dem breiten Wege (Mt. 7, 13), der ins Verderben führt! Der Herr sagt nämlich: Wenn einer mir nachfolgen will, nehme er sein Kreuz und folge mir! (Mt. 16, 24) Und: Was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewänne, Ausspruch des Abtes Longinos (Apophthegmata, Collectio alphabetica, Longînos 5 [PG 65, 257B]). b   Dieser Satz: Isaak von Ninive, Oratio 49, 71f., p. 654 (früher 4, 5). a  

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Traktat an einen Laien (B), V–VIII

(B), V–VIII aber seine Seele verlöre? (Mt. 16, 26) Und abermals: Wer seine Seele findet, wird sie verlieren, wer aber die Seele meinetwegen verliert, der wird sie retten (Mt. 10, 39 & 16, 25). Ähnlich sagt der Apostel:a Durch viel Trübsal hindurch müssen wir ins Himmelreich eingehen (Apg. 14, 22). Und überhaupt die ganze [heilige] Schrift lehrt dasselbe! Und man sage nicht, dass diese [Dinge] für die Mönche gesagt wurden. Wo waren damals der Mönchsstand und die monastische Lebensweise, als dies gesagt wurde? Und unser Herr, wenn er kommt an jenem fürchterlichen Tag des Gerichts, wird nicht sagen: “Die Mönche zu mir!”, sondern was? “Die Seeligen zu mir!” (Mt. 25, 34) Das heißt: Diejenigen, die meine Verordnungen erfüllten. Diejenigen, die sagen, dass nur die Mönche sich zwingen müssen und nicht jeder Getaufte, sollen sich also nicht selber betrügen; die Mönche haben nämlich [nur] dies besonders: die Jungfräu­lichkeit, die Weltflucht und die Enthaltung vom Fleischgenuss, alle anderen Vorschriften sind aber für alle Getauften gleich festgesetzt! {B, VIII} Deshalb sagte auch der Gesetzgeber Moses zu den Israeliten: Siehe, ich habe den Weg des Lebens vor euer Angesicht gelegt, ähnlich auch den des Todes (cf. Dtn. 30, 15), d.h. des ewigen [Lebens und Todes], und er fährt fort: Wähle das Leben, damit du lebest (Dtn. 30, 19).b Du sollst den Herrn deinen Gott aus ganzem Herzen lieben (Mt. 22, 37) und deinen Nächsten wie dich selbst (Mt. 22, 39), du sollst nicht töten, du sollst nicht ehebrechen, du sollst nicht huren, du sollst nicht stehlen, du sollst nicht das Gut deines Nächsten begehren, du sollst nicht Meineid leisten, du sollst nicht heucheln,

In der Apostelgeschichte steht, dass ‘Paulus und Barnabas’ dies sagten. In den folgenden Geboten, wird dieser Weg des Lebens nun beschrieben.

a  

b  

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Asketische schriften des Mönchs Markos

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du sollst nicht verleumden (cf. Dtn. 5, 16ff. & Ex. 20, 12ff.) – liebe nicht, steht nämlich geschrieben, das Verleumden, damit du nicht vertilgt wirst (Prov. 20, 13), du sollst nicht nachtragend sein – denn die Wege der Nachtragenden [führen] in den Tod (Prov. 12, 28), übe dich darin, nicht viel zu reden – denn der geschwätzige Mann gedeiht nicht (Ps.  139, 12), und die eigenen Lippen sind eine Falle für den Menschen (Prov. 6, 2), und für [jedes] müßige Wort (lógos) wirst du Rechenschaft (lógos) ablegen müssen (cf. Mt. 12, 36), du sollst nicht lügen – denn du [Gott] wirst alle, die Lügen sprechen, zu Grunde richten (Ps. 5, 7), du sollst nicht habgierig sein – wehe dem, der seinem Nächsten gegenüber habgierig ist (Hab. 2, 9), kein Heuchler sein – damit dein Teil nicht unter die Heuchler falle (Mt. 24, 51), werde nicht überheblich – denn den Überheblichen stellt sich Gott entgegen (Jak. 4, 6 ; I Ptr. 5, 5), du sollst nicht deinen Bruder hassen (I  Joh.  3, 15) – denn wer seinen Bruder hasst, ist [wie] ein Menschenmörder; du sollst ihn aber ernstlich zurechtweisen, wenn er strauchelt, und du wirst dadurcha keine Sünde begehen (Lev. 19, 17), führe keine unzüchtigen Reden und werfe keine lüsternen Blicke,b werde nicht trunksüchtig (Prov. 23, 31), werde nicht geldgierig – damit du nicht anstatt Gott dem Mammon Untertan bist (cf. Mt. 6, 24), sei nicht überheblich im Denken; – denn jeder, der sich überhebt, wird gedemütigt werden, werde nicht hartherzig und zornig, sondern vielmehr langmütig und mild – da der Langmütige reich an Verständnis ist, und die Milden die Erde erben werden (Lk. 14, 11),

So versteht offenbar Markos hier, im Gegensatz zu A, X wo er richtig zitiert. In der Bibel steht: “Damit du nicht seinetwegen Schuld trägst”. b   Vgl. Didache XII Apostolorum 3, 3. a  

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Traktat an einen Laien (B), VIII

(B), VIII werde nicht anmaßend – denn der Anmaßende wird ins Unglück fallen (Prov. 13, 19), sag zu keinem Christen “Du Dummkopf” – denn es sagt der Herr: Wer zu seinem Bruder sagt “ du Dummkopf!”, ist dem Feuer der Gehenna verfallen (Mt. 5, 22), schau nicht schamlos Gesichter lüstern an – denn wer lüstern schaut, steht geschrieben, hat in seinem Herzen schon Ehebruch betrieben (cf. Mt. 5, 28). Das Gesetz bestrafte nämlich die Vollendung der Taten, unser Herr aber vielmehr ihren Anfang!a Überhaupt Bösen sich nicht zu widersetzen, lehrt er, sondern mit dem, der dich zwingt, eine Meile zu gehen, zwei zu gehen (Mt. 5, 41); wer deine rechte Wange schlägt, dem halte auch die andere hin (Mt. 5, 39f.); und überhaupt jeder, der durch seinen Nächsten etwas erleidet – Belästigungen oder Schläge –, soll sie edel ertragen; dem, der mit dir vor Gericht gehen will und dein Unterkleid nehmen will, dem gib auch den Mantel (Mt. 5, 40), befiehlt der Herr, dem Bittenden heißt er freigebig geben (Mt. 5, 42); den, der borgen will, weise nicht mit leeren Händen ab (Mt.  5, 44); unsere Feinde heißt er uns wie Freunde lieben (Lk. 6, 28), und für alle, die euch beleidigen, beten und segnen, die euch verfluchen, denen, die euch hassen, Gutes tun, und niemanden verurteilen, auf dass wir auch nicht verurteilt werden (vgl. Mt.  7, 1). Weiter lehrt [der Herr], dass derjenige, der Vollkommenheit erreichen will, seinen Besitz verkaufen soll und [den Erlös] den Bettlern geben, daraus wird er einen Schatz im Himmel erlangen (vgl. Mt. 19, 21) und Herrlichkeit, und so sein Kreuz nehmen und ihm nachfolgen (vgl. Mt. 16, 24) – soweit der Herr in den Evangelien. Der göttliche Apostel aber sagte Folgendes über die Früchte des Heiligen Geistes, durch die der wahre Christ sich auszeichnet: Die Frucht des Geistes ist Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Güte, Milde, Glaube, Enthaltsamkeit (Gal.  5, 2f.); und abermals sagt er: Brüder, irrt euch nicht: Denn weder Ehebrecher noch Hurer noch Mannsbeschlafer noch Räuber noch Lästerer noch Sentenz aus Nikólaos Mystikós, De vita monastica 3 (PG 111, 393B).

a  

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Asketische schriften des Mönchs Markos

Selbstbefriedigera noch Diebe noch Trunksüchtige noch Ungerechte noch Habsüchtige werden das Reich Gottes erben! (I Kor. 6, 9) Soviel hierzu.b

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{B, IX} Über die B‹armherzigkeit› Weil aber die menschliche Schwäche – ja vielmehr die Leichtfertigkeit – das Erfüllen aller Gebote nicht zulässt, gemäß dem Wort: Werdet vollkommen,c wie euer himmlischer Vater vollkommen ist (Mt. 5, 48); sprach er [Christus] nach allen Geboten auch über Wohltätigkeit und Barmherzigkeit, damit einer, der sich bemüht in diesen [beiden] – auch wenn er einige der anderen Gebote aus Schwäche bricht –, durch diese Erbarmen finden kann, wie geschrieben steht: Erbarme dich, damit du Erbarmen findest (vgl. Rom. 11, 31), und: Vergebt und euch wird vergeben werden (vgl. Mk. 11, 25). Zu diesen [beiden Tugenden] muss man einiges Weniges aus dem Evangelium und den Propheten zitieren: Selig die Barmherzigen, denn sie werden Erbarmen finden (Mt. 5, 7), und: So wie ihr wollt, dass die Menschen euch behandeln, sollt ihr auch sie behandeln – dies ist das Gesetz und die Propheten! (Mt. 7, 12) So wie du handeltest, geschehe dir. Und: Öffne deine Hände dem Armen, damit er nicht zum Herrn gegen dich aufschreie und dir eine große Sünde entsteht (Dtn. 15, 11 & 9); und: Obdachlose Bettler führe in dein Haus (Jes.  58, 7  & 9, cf. Ps.  138, 7); und wenn du einen Nackten erblickst, wirf [ihm ein Gewand] um (Prov. 11, 17); und du sollst dich deinen Verwandten nicht entziehen (Prov. 13, 8); dann rufe [Gott an], und Gott wird dich erhören – noch während du sprichst, wird er sagen: Siehe, du bist bei mir! (Ps. 111, 9) Der barmherzige Mann tut seiner Seele Gutes, der Unbarmherzige richtet sie zugrunde; Lösegeld für die Seele eines Menschen ist sein eigener Reichtum (Dtn. 24, 15, cf. Mal. 3, 5 & Sir. 34, 22). Es heißt: Er streute aus und gab den Armen: Seine Gerechtigkeit bleibt in alle Ewigkeit (Ps. 111, 9). Du sollst nicht deinen Tagelöhner um den Vgl. oben p. 107, Anm. b. Kapitel VIII und IX sind eine Zusammenfassung der Constitutiones Apostolorum 7, 1–17, bzw. des Anastásios vom Sinai, Quaestio 15 (PG 89, 473C–476B). c   ‘Erfüllen’ und ‘vollkommen’ kommen im Griechischen vom gleichen Wort (τέλειος). a  

b  

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Traktat an einen Laien (B), VIII–X

(B), VIII–X Lohn bringen, sondern noch gleichentags sollst du ihm seinen Lohn bezahlen; und wende nicht dein Gesicht von dem Bettler ab; und den betrübt Flehenden weise nicht zurück (Sir. 4, 4). Und versetze denjenigen, der bedürftiger ist als du, nicht mit bitterem Herzen, damit er nicht gegen dich klage und der Herr wütend auf dich wird; es heißt nämlich: Gib dem Menschen keinen Raum dich zu verfluchen, denn sein Schöpfer wird den, der mit bitterem Herzen verflucht, erhören! (Sir.  4, 5f.) Soviel zu der Wohltätigkeit und Barmherzigkeit. {B, X} Über das Ausharren Nun werden wir aber noch einiges Weniges über das Ausharren wie ein goldenes Siegela dazusetzen, ‹dann› werde ich die Rede beenden, denn der Rede Überfülle ist der Ohren Feind.b Es soll also ein jeder, der gerettet werden will, vor allem und in allem sich darin üben, bei allem, was ihm zustößt, dankbar auszuharren, und zu glauben, dass uns keine Unannehmlichkeit ohne Entscheidung des Herrn zustößt – denn es heißt: Du züchtigtest den Menschen wegen seiner Gesetzlosigkeit mit Strafen; und wie eine Motte zersetzt du seine Seele (Ps. 38, 12). Für alles Betrübliche, das uns ereilt, ist Folgendes sehr nützlich: Dem vorherdenkenden und des Menschen Leben richtenden Gott zu danken. Denn der Arzt,c auch wenn er dem Kranken Schmerzen zufügt, auch wenn er brennt oder sonst etwas tut, tut alles aus Fürsorge und gemäß der [ärztlichen] Wissenschaft. Der Herrenbruder sagt nämlich: Achtet es für lauter Freude, wenn ihr in vielfältige Versuchungen geratet, (Jak. 1, 2) und abermals sagt er: Glückselig der Mann, der der Versuchung widersteht, denn da er nun bewährt ist, wird er den Kranz des [ewigen] Lebens erhalten (Jak. 1, 12); und unser Herr sagt, dass derjenige, der bis zum Ende ausharrt, gerettet werden wird (Mt. 10, 22, Mt. 24, 13, Mk. 13, 13). Und abermals: Gewinnt eure Seelen durch euer Ausharren! (Lk. 21, 19) a   Ausdruck aus Ps.‑Johannes von Damaskus, De virtutibus et vitiis (PG 95, 97A), wie schon oben, F, XL im Titel. b   Aphorismus von Gregor von Nazianz, Oratio 40, 1 (= PG 36, 360B). c   Zu Christus als Arzt, vgl. Mt. 9, 12.

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Asketische schriften des Mönchs Markos

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Lasst uns also, solange wir noch Zeit haben, wahrhaftig Buße tun und darum kämpfen, den Gott des Alls mittels echter Reue, ununterbrochenem Gebet, Wohltätigkeit und Barmherzigkeit, allen anderen Tugenden und dem Andenken an den Tod uns gnädig und wohlgesonnen gegenüber dem wissentlich und unwissentlich von uns Menschen Getanen zu stimmen, damit er uns von den unerträglichen Strafen erlöse, und uns den Genuss des ewigen Gutes schenke, durch seine Güte, durch Gnade und Menschenfreundlichkeit – unseres Herrn Jesus Christus, denn sein ist die Herrlichkeit und die Kraft zusammen mit seinem anfangslosen Vater und dem lebensspendenden und heiligen Geiste, jetzt und in alle Ewigkeit, Amen. Dieses Wenige schrieb ich dir aus Vielem [ausgewählt]: Denn gib dem Weisen einen Anstoß, und er wird noch weiser! (Prov. 9, 9) Aber nun bezeuge und versichere ich dir dies, wenn du dich als Hüter dieser Dinge erweist, so verspreche ich dir dies: Du wirst den Platz zur Rechten des Erlösersa erlangen und mit ihm und allen Heiligen das Himmelreich und das alterslose Leben erben!b Gebet Der Herr und Gott und Gebieter des Alls, der wegen seiner Menschenfreundlichkeit alle retten will, er möge auch dich in guten Taten unterstützen und [dich] zu einem Erben des Himmelreiches machen durch unseren Herrn Jesus Christus, denn sein ist die Herrlichkeit und die Kraft, jetzt und in alle Ewigkeit, Amen. {B, XI} Epilog Siehe, du Freund Christi, wie du siehst, habe ich diesen kleinen Traktat auf deine Bitte hin geschrieben, allein es ist (wie ich schon gesagt habe) kein Geschöpf meines Verstandes, sondern ich habe aus den gotterfüllten Worten der göttlichen Evangelien, der hochverehrten Apostel, der ruhmreichen Propheten und ehrwürdigen Väter schöpfend das Wichtigste so zusammengefasst aneinDort werden nämlich die Geretteten sein, vgl. Mt. 25, 34. Vgl. Nikólaos Mystikós, De vita monastica 15 (PG  111, 404D); zitiert schon oben F, XXIX, 106–110. a  

b  

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Traktat an einen Laien (B), X–XII

(B), X–XII andergefügt – wie ich eben vermochte, kunstlos und unfachmännisch. Ich habe nun meinen [Teil] getan und bin der gewaltigen Last des Ungehorsams entronnen, dein [Teil] besteht aber darin, dich gemäß dieser kleinen Erinnerung zu verhalten. Wisse aber genau: Falls du dich nicht mit deiner ganzen Kraft anstrengst, dich recht nach den Geboten zu verhalten, wird von dir die Strafe für die Verachtung [dieser] gänzlich eingefordert werden, denn wer den Willen seines Herrn kennt und ihn nicht tut, heißt es, wird viel geschlagen werden! (vgl. Lk. 12, 47) Auch dies muss dir in Erinnerung gerufen werden, obwohl es keiner nicht weiß, dass die Gebote für alle Gläubigen von Gott als Kanon festgesetzt wurden, vor allem diejenigen des Fastens und des Gebetes. Also wird er wie ein steuerpflichtiger Bauer (vgl. Mk. 12, 1), falls er nicht vollständig und brav seinen gebührenden Kanon (das heißt die Steuer) zahlt, ins Gefängnis geworfen und aufgehängt und geschlagen, bis dass er seine ganze Schuld gezahlt hat; ebenso wird jeder Getaufte, wenn er gegenüber den Geboten gleichgültig eingestellt ist, sofort von der Gnade verlassen und den schändlichen Dämonen über­geben und fällt unter ihre Füße, und es stürzen sich auf ihn viel Drangsal und unerwartete Versuchungen, bis er aus Beengung aufschreit: Herr, warum sind meine Bedränger so zahlreich geworden? (Ps. 3, 2) Derjenige aber, der die Gebote Gottes wahrt, wird von Gott bewahrt: So, wie er Gott gehorsam ist, so ist auch Gott ihm gehorsam und erfüllt alle seine Bitten!a {B, XII} Man wähne nun aber nicht, dass nicht solche Not und Genauigkeit zur Einhaltung der göttlichen Gebote bei denjenigen, die nicht viel gesündigt haben, sein müsse, im Gegensatz zu denjenigen, die in vielfältige Sünden gefallen sind. Solch einer höre, was die Heiligenb sagen: Drei Klassen, sagen sie, gibt es im Geschlecht der Christen: Sklaven, Tagelöhner und Söhne. Sklave ist derjenige, der von der Sünde versklavt ist. Deshalb muss ein a   Ausspruchs des Abtes Zenon in den Apophthegmata, Collectio alphabetica, Zênôn 7 (PG 65, 177C). b   Basilius, Sermones de moribus, Predigt 7: Über die Sünde (PG 32, 1212D– 1213B), macht die folgende Unterscheidung.

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(B), XII–XIII solcher immer kämpfen und alle Gebote des Herrn einhalten – erfüllt von Verlangen und Angst sein ganzes Leben lang willig arbeiten, wenn er Freiheit erreichen will. Derjenige aber, der nicht der Sünde verfällt, ist ein Tagelöhner. Auch er muss sich ohne Zögern um alle Gebote des Herrn bemühen, damit auch er seinen vollständigen Lohn bekommt. Wenn du aber ein Sohn bist, muss man ebenso den Vater ehren – ein Sohn darf nämlich nicht manchmal [den Vater] ehren und manchmal verachten. Ein zögerlicher Sklave wird der Freiheit nicht gewürdigt, ein fauler Tagelöhner hat den Lohn vertan, ein ungehorsamer Sohn wird den Vater nicht beerben! Strengen wir uns deshalb mit ganzer Kraft an, solange wir [noch] Zeit haben, die wir den Herrn lieben und begehren, mit ihm zusammen König zu sein, um durch genaue Beichte, inbrünstige Buße, Liebe, Barmherzigkeit und alle anderen Geboten des Herrn ihn gnädig und wohlwollend zu stimmen, damit wir bei der Auferstehung als Leuchtende leuchtend dem Bräutigam selbst begegnen und mit ihm zusammen im Himmelreich wandeln und jene ewigen Güter genießen. So geschehe es! So geschehe es! (Ps. 40, 14) {B, XIII} Bete nun bitte, Freund (ein jeder, der dies liest), für mich Bedauernswerten wegen diesem kleinen Traktat und für meine Unwürdigkeit, denn obwohl ich keinen Rest an Tugend habe, schreibe und belehre [ich Leute], die durch die Gnade Gottes aller Tugenden voll sind; [bete] dass er auch mich bestärke zur Erfüllung seines heiligen Willens, gemäß dem Gebot, das da heißt: Betet füreinander, damit ihr geheilt werdet (Jak. 5, 16). Dich aber soll der Herrgott vor allem sichtbaren und unsichtbaren Übel behüten, und er schicke seinen Engel vor dein Angesicht, und er wird dich nach seinem Willen führen: Er schicke dir Hilfe aus dem Heiligtum und von Zion aus unterstütze er dich (Ps. 19, 3), er ziehe dir den Brustpanzer der Gerechtigkeit an und setze dir den Helm des Heils auf (Eph. 6, 14f.) und er lasse die Gerechtigkeit deiner Taten wie die Mittagssonne scheinen! (vgl. Ps. 36, 6)

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Traktat an einen Laien (B), XII–XIII

Freund, genieße dieses Bankett, das ich – Markosa – dir vorbereitet, voll verschiedener Speisen (vgl. Num. 11, 22):b Wie ein zum Gastmahl Geladener bitte [für mich] um Vergebung, Bete du aber zu Gott für meine Erlösung!c

Die einzige Stellen in unseren Texten, wo Markos seinen Namen nennt! Der letzte Absatz ist von anderer Hand, vermutlich von der selben wie der Epilog der Handschrift, als wohl derjenigen des Markos. b   In dieser rubrizierten Zeile hat Markos dem Empfänger eine Art persönliche Widmung geschrieben. Der nähere Zusammenhang entgeht uns leider. c   Zwei Zwölfsilbler schließen den Traktat ab. Der zweite ist in der einzigen Handschrift durchstrichen. a  

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Typikon für Mönche und Nonnen,

Traktata aus unseren Göttliches kündenden Vätern zusammengestellt als Directoriumb für Mönche und Nonnen, die sich bemühen gerettet zu werden {C, I} Es ist zu wissen, dass die Seelen, die gerettet werden wollen und den irdischen Menschen ausziehen (vgl. Kol. 3, 9) (das heißt, wie ich meine, die Leidenschaften, die schlechten Gedanken und die fleischliche Gesinnung) und den himm­lischen (das heißt denjenigen gemäß Abbild und Ähnlichkeit Gottes (Gen.  1, 26))c mit Hilfe der göttlichen Tugenden anziehen, zunächst glauben sollen, dass es Gott gibt und dass er denjenigen, die ihn suchen, zum Lohngeber wird (Hebr. 11, 6), und dass diejenigen, die Gutes getan, in der Auferstehung zum Leben auferstehen werden, diejenigen aber, die Böses getan haben (Joh. 5, 29), zur ewigen Strafe; und wenn dieser Glaube in der Seele Wurzeln geschlagen hat (vgl. Eph. 3, 16), zeugt er sofort die Gottesfurcht. Die göttliche Furcht aber bewirkt beim Menschen jede gute Tat und das Andenken an den Tod und das ununterbrochene Gebet, und ermuntert zunächst die Seele zu of‘zusammengestellt’ (συντεθείς) bezieht sich auf ein nicht genanntes ‘Traktat’ (λόγος). b   Das directorium (gr. τυπικόν) ist ein Buch, welches den (liturgischen) Jahres­ ablauf regelt. c   Bis hier vgl. Symeon der Neue Theologe, Catecheses 26, l. 20–22 (SC 113). a  

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fenbaren und körperlichena Tugenden. Die wichtigsten aller Tugenden sind: Fasten, Wachen und Gebet.b {C, II} Über das Fasten Jede gottbefreundete Seele, die bemüht ist durch Enthaltsam­keit und Fasten ins Paradies Gottes einzugehen, aus dem der ersterschaffene Adam wegen Völlerei hinausgeworfen wurde, soll eine einzige Stunde der vierundzwanzig des Tages der Nahrung widmen, wie der große Basilius lehrt, und nur diese eine für den Leib verschwenden.c Die Nahrung sei eintönig und auf diese Weise nicht maßlos; denn es heißt: Menschensohn, du wirst dein Brot abgemessen essen und dein Wasser mit Maß trinken (Ez. 4, 16).d Wein ist samstags und sonntags einzunehmen; falls eine körperliche Krankheit ansteht, ist aber auch dienstags und donnerstags oder auch montags – falls nicht Fastenzeit ist – Wein einzunehmen, mit zerknirschtem Herzen und Dankbar­keit gegenüber Gott; wobei die beiden Fasttagee nach Kräften einzuhalten sind, außer bei einer schweren Krankheit und natürlich nicht während der Herrenfeste und der gesamten Pfingstzeit. {C, III} Über die Herrenfeste Die Herrenfeste, an denen alle regulär das Fasten aufheben, sind folgende: die Geburt der überheiligen Gottesgebärerin,f ebenso

Diese körperlichen Tugenden bekämpfen die ihnen entgegengesetzten körperlichen Laster (vgl. oben F, XXIX). Den Gegensatz dazu bilden die seelischen Tugenden/Laster. Vgl. z.B. das Fragment eines Ps.-Johannes von Damaskus, De virtutibus et vitiis (PG 95, 85A), ein Werk, das Markos kannte (vgl. p. 128, Anm. a). b   Diese werden im folgenden behandelt: Fasten § II–V, Wachen § VI und Gebet § VII–XI. Diese drei Dinge als Stützen des Mönchslebens sind Allgemeingut, z.B. auch Hildegard von Bingen (Liber divinorum operum  –  Ed. Derolez/ Dronke, pars 2, visio 1, cap. 39, p. 320, 3–9 = PL 197, 947B). c   Vgl. Basilius, Sermones de moribus, Predigt 16 (PG 32, 1317A–B), und seiner Epistola 2, 6, 25–40. d   Der ‘Menschensohn’ ist Ezechiel. Gott spricht zu ihm von dem über Jerusalem drohenden Strafgericht. e   Nämlich Mittwoch und Freitag. f   Am 8. September. a  

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Typikon (C), I–V

(C), I–V ihr Eintritt in den Tempel des Herrn,a die Geburt unseres Herrn Jesus Christus, ebenso seine Taufe, die auch Photab heißt, die Hypapante,c die Verklärung [Christi]d und das ruhmreiche Entschlafen der Gottesgebärerin,e ähnlich die beiden Feste des Vorläufersf (die Enthauptung und die Geburt), sowie dasjenige der Apostelfürsten Petrus und Paulus.g An diesen Festen, falls sie auf einen Mittwoch oder auf einen Freitag fallen, gestatte dir Wein und Öl sowie Fisch, wenn du willst. {C, IV} Über die mittlerenh Feste An den anderen Feste (der heiligen zwölf Apostel,i meine ich, und ebenso jedes einzelnen der Zwölf, der heiligen, großen Märtyrer und der großen Hierarchenj), falls sie auf einen Mittwoch oder Freitag fallen, gestatte dir Wein, und wenn du willst auch Öl bei Krankheit – am Gedenktag der heiligen Apostel, meine ich, an denjenigen der anderen Heiligen genüge nur der Wein. {C, V} Über die Mittwoche und Freitage, an denen kein Gedenkfest ist Die anderen Mittwoche und Freitage des Jahres halte sicher nach Kräften ein, denn der große Athanasius sagt: Wer Mittwoch und Freitag (außer den Herrenfesten und den zwölf Tagenk und

Am 21. November. D.h. die Epiphanie, bei uns das ‘Dreikönigsfest’, am 6. Januar. c   Das Fest entspricht unserem Festum purificationis (am 26. Januar) – man feiert den Tag, an dem Symeon den Herrn im Tempel traf (Lk. 2, 25). d   Diese wird am 6. August gefeiert, vgl. Mk. 9, 2–10. e   Also Mariä Himmelfahrt. Am 15. August. f   Johannes der Täufer. Die Feste sind am 29. August und am 24. Juni. g   Am 29. Juni. Christi Himmelfahrt fehlt in dieser Liste, doch fällt dieses Fest unter die Pfingstbestimmungen. h   Mittelwichtige Feste sind gemeint, das Wort μεσαῖος ist volkssprachlich und kommt auch bei Níkôn so vor, der auch große, mittlere und kleine Feste unterschiedet (Canonarium vel Typicon, cap. 1, p. 61, l. 22 – Ed. Бенешевич). i   Am 29. Juni. j   Dies bedeutet meist Bischöfe oder andere hohe Würdenträger, hier sind Kirchenväter, denen ein Festtag gewidmet ist, gemeint. k   Das dôdekaêmeron, von Weihnachten bis Epiphanie. a  

b  

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Pfingsten) nicht einhält, hilft mit, den Herrn zu kreuzigen und verrät ihn mit!a Soviel dazu. {C, VI} Über das Wachenb Du sollst dich auch im Wachen üben und [schon] vor der Matutin mitten in der Nacht aufwachen, das vorgeschriebene Gebet beten, und danach beim Gloriac mit allen anderen wachen; den Geist (noûs) während der Psalmenrezitation aufmerksam auf das Gesungene, nämlich die Hexapsalmen,d richten; während den Lesungen die Hände ohne Zaudern verschränkte halten, die Füße eben aufgestützt auf der Erde, den Kopf nicht hin und herf bewegen und nach unteng neigen, mit dem Geist (noûs) nicht abschweifen und [nicht] die weniger Ernsthaften nachahmen, die miteinander schwatzen und flüstern,h sondern aufpassen auf die Kraft des Gesanges und reuig sein und klagen, damit du zu Demut und Markos paraphrasiert einen Ps.-Athanasius, Didache Patrum Nicaenorum (PG 28, 1640B–1641A), vgl. auch Palladius, Historia Lausiaca (PG 34, 1148B). Der Vergleich des ‘Mitkreuzigen Christi’ (aus Hebr. 6, 5) kommt auch sonst für besonders schlimme Vergehen vor, z.B. Nilus (Epistola 1, 204 [PG 79, 160A]) verwendet ihn für diejenigen, die wiedertaufen, und diejenigen, die behaupten, Christus werde sich für die Dämonen noch einmal kreuzigen lassen (also Origenisten). b   Man vergleiche zum Wachen bei den Vätern vor allem Ps.-Makários (Hom. 10, 4 = PG 34, 544A), Nilus (Epistola 1, 26 = PG 79, 93A) und Johannes Klímakos (Scala paradisi, Stufe 20 [PG 88, 940ff.]). c   doxología: “Dans les livres liturgiques il [ce nom] désigne toujours l’hymne ‘gloria in excelsis’. Cette hymne appartient principalement à l’office de l’aurore, órthros” (L. Clugnet. Dictionnaire grec-français des noms liturgiques. Paris 1895, s.v.). Symeons Mönche sollen also schon vor dem gemeinsamen Morgengottesdienst in ihrer Zelle ein Gebet beten. d   D.h. die sechs Psalmen, die zur Matutin gesungen werden (Ps. 3, 37, 42, 87, 102 und 142). e   Nämlich zum Gebet. Gemäß Johannes Klímakos (Scala paradisi, Stufe 3 [PG 88, 684A]) hinter dem Rücken. f   Dieser Ausdruck (πρὸς τὰ ὧδε καὶ ἐκεῖ) wird manchmal für eine Hin- und Herbewegung gebraucht (z.B. Hermas, Pastor 61, 6 von Schafen, die hin- und herspringen). g   ‘nach unten’ kommt nur im Textzweig D bei Symeon vor, der den Text seines Biographen Nikêtas Stêthatos enthält, von dem Markos also abhängt. h   Diese Worte stehen in der Handschrift versehentlich im falschen Fall. Markos wechselt in diesem Kapitel auch einige Male aus Unachtsamkeit zwischen maskulinen und femininen Partizipien, da einige Versatzstücke aus Symeon stammen, der an einen Mann schrieb. a  

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Typikon (C), V–VII

(C), V–VII Erleuchtung kommst und dir die Seele zu einer Wohnstätte des heiligen Geistes (vgl. I Kor. 3, 16) machst. Setze dir auch dies als Gesetz fest, dass du niemals ohne große Not vor der Entlassunga aus der Kirche gehst; denn wer bis zum Schluss ausharrt, der wird gerettet werden (Mt. 10, 22 = Mt. 24, 13 = Mk. 13, 13).bc

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{C, VII} Sei aufmerksam auf dich selbst und fliehe müßiges Reden Wenn nun das morgendliche Gloria zu Ende ist, eile sogleich in deine Zelle und bete das vorgeschriebene Gebet, dann verrichte deine Handarbeit; wolle aber gar nie untätig in deiner Zelle sitzen, damit dich die Untätigkeit nicht alle Übel lehrt (vgl. Sir. 33, 28), aber geh auch nicht zwischen den Zellen herum ohne deine Mutter in Gott.d Falls du aber, während du vorbeigehst, eine Andere häufig sitzen und müßig reden siehst, dann verbeuge dich und gehe in Schweigen vorbei. Lass dich selbst also nicht bei ihr nieder, sondern erinnere dich an den Psalmisten, der sagt: Glückselig, wer nicht in dem Rate der Gottlosen verkehrt und nicht bei der Pestilenz (loimós)e sitzt (Ps. 1, 1) – die Pestilenz sind nämlich eben solche, wie Paulus ruft: Böser Verkehr verdirbt gute Sitten! (I Kor. 15, 33) Lass dich also niemals bei den müßig Redenden nieder, sondern verbeuge dich und geh in Schweigen vorbei. Wahre das Schweigenf und die Enthaltsamkeit von allem und halte dir deine Sünden stets vor Augen und demütige dich immer und schilt dich und verurteile dich, damit Gott, der deine Demut sieht, sich deiner erbarme.

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apólysis, liturgisch: am Ende eines Gottesdienstes. Aus diesem (und den folgenden) Abschnitten wird klar, dass Markos primär an Nonnen schreibt: Die meisten Partizipien, die sich auf die Leserin beziehen sind nämlich feminin. c   Leicht gekürztes Zitat aus Symeon dem Neuen Theologen, Catecheses 26, l. 23–64 (SC 113). d   Kaum mehr zu entziffern. Die ‘Mutter in Gott’ entspricht offenbar dem ‘spirituellen Vater’, der in C, X erwähnt ist. e   Die LXX übersetzt ‫ לצ‬eigenartig. Es bedeutet ‘spotten; Spötter, frivoler Verächter der Religion und Sittlichkeit, Freigeist; Dolmetscher’ (Gesenius), Hieronymus übersetzt genauer ‘derisores’. f   Bis hier gekürztes Zitat aus Symeon dem Neuen Theologen, Catecheses 26, l. 67–95 (SC 113). a  

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{C, VIII} Über das ununterbrochene Gebet Du sollst dich vor allem und bei allem um das ununterbrochene Gebet bemühen, denn der göttliche Chrysostomus sagt: Jede Seele, die gerettet werden will, unterbricht niemals die Regel des Gebets, sondern auch wenn sie isst oder trinkt (vgl. I Kor. 10, 31) oder [bei Tisch] dient oder etwas arbeitet, ruft sie ohne Unterbruch “Herr Jesus Christus, Sohn Gottes, erbarme dich meiner!”, damit der Name unseres Herrn Jesus Christus in die Tiefe des Herzens hinabsteige, die Schlange, die diese Weiden beherrscht, demütige und die Seele rette und zum Leben führe. Ohne Unterbruch soll jede Seele, die gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen will (I Tim. 2, 4), harren und den Namen unseres Herrn Jesus Christus anrufen, damit das Herz den Herrn verschlinge (vgl. II Kor. 5, 4) und der Herr das Herz, und die beiden eins werden!a {C, IX} Über Gesellschaft oder müßiges Reden mit Männern Es sei dir gänzlich verboten, mit männlichen Personen zusammen zu essen oder zu schwatzen;b mit den geistlichen Vätern und Greisen zuweilen zu reden, wenn der Augenblick dazu ruft oder Not drängt, ist vielleicht nicht unpassend, aber das Zusammenessen oder die Freimütigkeit und das Schwatzen ist sowohl sehr gefährlich als auch schädlich. So passiert es nämlich leicht, dass durch die Freimütigkeit oder durch Weintrinken der Geist (noûs) verwirrt die Wachsamkeit verlässt und der Süßec der Lust nachgibt, und [man] zwar der äußerlichen Erscheinung nach würdig dasitzt, aber die Seele, die der Bräutigams-Logos [Christus] liebt, beschmutzt durch leidenschaftserfülltes Schauen; und als Besonnene [gelten solche] bei den Menschen, werden aber als Ehebrecher von Gott gerichtet (vgl. Hebr.  13, 4). Wer nämlich, sagt der Herr, lüstern schaut, hat schon die Ehe gebrochen (vgl. Mt. 5, 28).

Johannes der Mönch, Epistola ad monachos 40–57. Verstummen des Vielredens (πολυλογεῖν) ist ein Kennzeichen des spirituellen Fortschritts bei Johannes Klímakos, Scala paradisi, Stufe 27 (PG 88, 1108B). Auch hier sehen wir, dass der Traktat an Nonnen gerichtet sein muss. c   Wörtlich ‘die Glätte der Lust’ (τὸ λεῖον τῆς ἡδονῆς). Dies ist eine feste Wendung, die u.a. bei Athanasius und Cyrillus vorkommt. a  

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Typikon (C), VIII–X

(C), VIII–X Hüte dich also vor solchem Umgang, und du wirst großem Schaden entgehen! Noch einmal unterweise ich dich darüber: Hüte dich vor den Reden der Jungen und [gegenüber der Religion] Gleichgültigen! Falls du öfters aus Notwendigkeit oder auf dem Wege mit einem Mann ins Gespräch kommst, bemühe dich, die Rede kurz zu halten und entferne dich, damit du dir nicht folgendes Urteil anhören musst: Das viele Reden führte sie in die Irre; es sagt aber auch der Apostelfürst Petrus: Seid nüchtern, wachet, denn unser Widersacher, der Teufel, geht um wie ein brüllender Löwe, auf der Suche, wen er verschlingen könnte – ihm widersteht standhaft im Glauben! (I Petr. 5, 8f.) Schau, dass nicht die Schwäche des Leibes und das Abtöten der Glieder und das Fernhalten der schmutzigen Gedanken [dich] beschwatzen, diesen Ratschlag in den Wind zu schlagen. Denn die Feinde weichen tückisch eine Zeitlang zurück und beschwatzen die Seele, dass [diese Dinge] nicht unvereinbar mit der Leidenschaftslosigkeit seien; dann greifen sie in Scharen an, wenn sie nämlich sowohl Raum als auch Personen, die mit ihren Übeltaten kollaborieren, gefunden haben – sie ringen sie [d.h. die Seele] leicht nieder, die da sorglos ist und auf ihre Leidenschaftslosigkeit vertraut. Halte [dies] nun sicher ein und fürchte und fliehe das viele Reden, denn beim Schwatzen wird die Sünde nicht ausbleiben (Prov. 10, 19), damit du nicht in den Abgrund der Fallen des Feindes hineinfällst und es [dich] zuletzt umsonst reut (Prov. 5, 11). {C, X} Über die genaue Beichtea Halte genaue Beichte: Die Gedanken deines Herzens und alle Vergehen eines jeden Tages, wie viele und welcher Art sie sind, nämlich ob du geschworen oder einen Meineid geleistet hast (was schlimmer ist) oder jemandenb Dummkopf genanntc oder beleidigt oder gelogen oder jemanden betrübt oder witzelnde und Vgl. Symeon der Neue Theologe, Catecheses 26, l. 299–308 (SC 113). ἤ τινα, im Text versehentlich ein Wort. c   Angesichts der Wichtigkeit, die Markos dem Gebot niemanden Dummkopf zu nennen (Mt. 5, 22) beimisst, wird dies hier die Bedeutung von μωρολογέω sein, das sonst meistens intransitiv ‘dumm reden’ bedeutet. a  

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Lachen erzeugende Worte gesagt oder dein Fasten gebrochen und zur falschen Zeit gegessen oder irre gelacht hast oder in der Kirche dich einfandest, während [schon] der Gottesdienst gesungen wurde, oder eitle Schönheit bestaunt und dadurch Schaden erlittest oder jemanden verleumdet oder einem Untergebenen zugehört und [ihn] verurteilt oder dein Gebet vernachlässigt oder sonst etwas Böses getan hast; nachdem du all dies jeden Abend geprüft hast, beichte alles deinem spirituellen Vater oder der Priorin, und nimm seine Lehre und Strafen freudig an, und achte darauf, nichts vor ihm zu verbergen. Wenn dich immer wieder ein böser Gedanke belästigt, dann verberge ihn nicht vor ihm [d.h. dem spirituellen Vater], sondern lege den Lauernden offen dar und besiege ihn, damit er dich nicht schlage und durch seine Ausführung töte. Wehe, steht nämlich geschrieben, dem Einzelnen, der fällt, keiner wird ihn wieder aufrichten; und denen ohne Führer: Sie fallen wie Laub; Heil aber besteht in vielen Ratgebern (Ekkl. 4, 10). Aber auch der hl. Johannes Klímakos sagt: Die Seele, welche vor hat zu beichten, wird dadurch wie durch Zügel vom Sündigen zurückgehalten. Was nämlich nicht in der Beichte ausgesprochen werden wird, tun wir folglich furchtlos wie im Schutz der Dunkelheit.a Er sagt abermals: Der beste Bankier zählt jeden Abend vollständig den Gewinn oder Verlust des Tages.b Aber auch unser großer Vater Basilius sagt: Ein großes Gut ist es, nicht zu sündigen und nicht am nächsten Tag denselben [Sünden] zu verfallen. Dies gelingt aber, wenn wir uns selbst am Ende des Tages im eigenen Gewissen nach unseren [Taten] prüfen: Was haben wir falsch gemacht? Was haben wir Gerechtes getan? Diese täglichen Ratiociniac erleuchten nämlich unsere Stunden[gebete] und sind das allerbeste Maß.d Johannes Klímakos, Scala paradisi, Stufe 4, 46 (PG 88, 705C–D). Johannes Klímakos, Scala paradisi, Stufe 4, 116 (PG 88, 724D). c   D.i. die regelmäßige Selbsterforschung als christliche Praxis. Schon Chrysostomus empfiehlt sie (Expositio in Ps. 4, 8 [PG 55, 52A]). d   Unseres spirituellen Fortschritts. Der letzte Satz stammt aus Johannes Klímakos, Scala paradisi, Stufe 4, 117 (PG 88, 724D). Der Rest der Stelle, der nicht auffindbar ist, wurde schon oben p. 84, Anm. c zitiert. a  

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Typikon (C), X–XII

(C), X–XII Indem Du dies zur Kenntnis nimmst, bemühe dich, es so zu tun: Beichte also zuerst jeden Abend Gott mit reinem Gewissen wie einem Menschen, wenn dir während des ganzen Tages etwas [solches] passiert ist; dann sammle es alles und setze es deinem spirituellen Vater vor. Wenn du [dies] so tust, wirst du bald Erleuchtung der Seele und wahre Demut finden! {C, XI} Über die Kniebeugungen Du sollst gemäß der Tradition unserer hl. Väter das ganze Jahr über Kniebeugungen machen, wenn kein Herrenfest ist. Das ganze Jahr über mache zwölf jede Stunde, d.h. außer am Wochenende und in der ganzen Pfingstzeit; in den drei Fastenzeiten – ich meine die vor Weihnachten, die vor Peter-und-Paul und diejenige im August – mache fünfzehn; in der großen Fastenzeit mache mehr, falls es dir möglich ist. Doch nicht nur einmal oder zweimal [am Tag], sondern wie David lehrt: Gott siebenmal am Tage loben (Ps. 118, 164), nämlich zur Matutin, zur Ersten Stunde, zur Dritten, zur Sechsten und zur Neunten, zur Vesper, bei Complet zusammen mit der Nocturn. Bei jedem Gottesdienst tue dies – also entweder zwölf oder fünfzehn.a {C, XII} Über die Fastenzeiten Da wir die Fastenzeiten angesprochen haben, sollst du auch über sie Genaues erfahren. Sprechen wir zuerst über diejenige vor Weihnachten. Die Tradition, welche auch alle Klöster einhalten, erhielten wir von den heiligen Vätern: In jeder Woche drei Tage (Montag, Mittwoch und Freitag) die Neunte Stunde einzuhalten und sich des Weines und des Öles zu enthalten. Dienstags und donnerstags Öl und Wein einnehmen und essen, samstags aber und sonntags zweimal auch Fische einnehmen. [In der Fastenzeit] vor Peter-und-Paul und derjenigen im August, da das Wetter dann heiß ist, halten viele am Montag die Neunte Stunde nicht ein – doch wir sollen weder auf die a   Also 7×12=84 im Tag, wenn nicht Fastenzeit ist. In A und B sind es nur “mindestens dreißig pro Tag”. Mönche und Nonnen machen mehr als Laien: Markos schreibt B an einen Laien und A an Irene, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht Nonne war. Vgl. die Einleitung, Anm. 68.

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Gewohnheit achten, noch Wie und Warum für unser Tun finden, sondern die Väterworte und Kanones der heiligen Apostel erforschen und anhand dieser unser Leben regulieren. Diejenigen, die die Tradition der Väter einhalten wollen, müssen auch diese [Montage] fasten und sie einhalten wie in der Fastenzeit vor Weihnachten.

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{C, XIII} Über die große Fastenzeit In der großen Fastenzeit fasten alle so: In der ersten Woche bis am Mittwoch und am Mittwoch gestattet man sich Brühea und Brot, dann hält man wieder bis am Freitag ein, und am Freitag gestattet man sich ebenso ein karges Mahl, am Wochenende gestattet man sich Öl und Wein. Wenn du nicht bis zum Mittwoch [zu fasten] vermagst, gestatte dir am Dienstag nach der Vesper etwas Brot, am Mittwoch aber brecheb das Fasten gemäß der Gewohnheit, ebenso auch am Wochenende, mit Öl und Wein. Fische gestatte dir aber nicht während der ganzen Fastenzeit, außer am Fest Mariä Verkündigung.c In den anderen Wochen dieser Fastenzeit faste wie folgt: An den fünf [Wochen]tagen halte die Neunte Stunde ein, an den drei (nämlich Montag, Mittwoch und Freitag) iss trocken, am Dienstag und Donnerstag koche ölfreies Essen, am Wochen­ende hebe das Fasten zweimal auf, nimm aber auch Öl und Wein zu dir. An den fünf [Wochen]tagen wirst du den Wein nicht anrühren, außer bei schwerer Krankheit. Die Karwoche – da in ihr das Leiden Christi war – musst du so [strikt] wie keine andere einhalten. Nur in einem einzigen Fall darf man in dieser Woche das Fasten aufheben: Wenn an einem ihrer Tage das Fest Mariä Verkündigung sein sollte, aber nicht Fische, a   opôrikó-zoumon (überliefert ist allerdings das unverständliche hyporikózoumon) wäre eine ‘Obstbrühe’. Gabriel Nikos Pentzikis (brieflich) denkt an eine Art ‘jus de légumes’ mit gekochtem Gemüse. Die Speise, die man heute an diesen Tagen isst, heißt chosáphi (vgl. für ein Rezept: Ψαρρού, p. 224). Alternativ könnte man an eine Rübensuppe denken (hyporrizó-zoumon schlägt Carlo-Maria Mazzucchi brieflich vor). b   λῦσον, nicht λῦσε ist zu lesen (in C kaum zu entziffern, in R aber eindeutig κατάλυσον). c   Annuntiatio, am 25. März.

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Typikon (C), XII–XV

(C), XII–XV wie einige [es tun], sondern Öl und Wein. An den drei Tagen halte ein karges Mahl, in Enthaltung und ohne Wein; am Gründonnerstag gestatte dir gekochtes Essen und Wein, dann halte bis zum Gottesdienst am Ostersamstag ein, dann breche,a und siehe: Der leuchtende [Oster]sonntag, die Freude und Wonne aller Gläubigen! {C, XIV} Über den Ostersonntag und die ganze Pfingstzeit Stoße nun auch du das Quälende und die Gewalt [des Fastens] zurück und beende das Fasten; denn nicht Fasten, sondern Freude und Wonne passt zu Mönchen! Indes hat der göttliche Chrysostomusb sich dazu auch schon geäußert: Auch wenn die Zeit des hochwürdigen Fastens vorüber ist, sei ihr Nutzen doch immer in uns.c Deshalb sollst auch du – auch wenn du das Fasten beendet haben wirst – immer enthaltsam sein. Und halte die ganze Nachosterwoche wie den Ostersonntag, während den anderen Wochen der Pfingstzeit halte aber den Mittwoch und den Freitag ernstlich ein, ohne Käse und Fisch, iss aber Öl und Wein; denn kein [weiteres] Fasten steht für diese Zeit festgeschrieben, auch keine Kniebeugungen. Diese fünfzig Tage [der Pfingstzeit] haben nämlich die heiligen Väter wiederholt als einen einzigen Tag bezeichnet.d Halte dieselbe Regel an den Zwölf Tagen.e {C, XV} Über die Artziboures-Woche In der ersten Woche der Vorfastenzeit, die wir diejenige des Artziboures nennen, heben viele der Schwelgerischen furchtlos das Fasten am Mittwoch und Freitag auf, dabei denken sie wahrlich schlecht und handeln ebenso. Wenn einige der Armenier dazu zurückkehren und dies tun und allen Argwohn beiseite lassen, so tun sie wohl daran; diejenigen aber, die von alters her orthodox sind, sollen nur teilweise das Fasten aufheben, nämlich den Wein oder auch das Öl, mehr aber nicht anrühren. ‘zerbrechen’ (διακλάω) steht hier versehentlich im Passiv. Die Stelle stammt von Nikólaos Mystikós. c   Nikólaos Mystikós, De vita monastica 10 (PG 111, 401A). d   Nämlich als “verlängerten” Ostersonntag, vgl. z.B. Basilius, De spiritu sancto 27, 66, l. 81 (= PG 32, 192B4). e   Das dôdekaêmeron, die 12 Tage zwischen Weihnachten und Epiphanie. a  

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{C, XVI} Über die Käsewochea In der Käsewoche ist [das Fasten] kanonisch aufgehoben. Die Jakobitenb und die Tetraditenc halten sie nämlich sehr heilig, deshalb hat der hl. Nikêphóros aus Konstantinopeld in ihr das Fasten kanonisch aufzuheben verordnet; daher ist es in den Klöstern Brauch, die Neunte Stunde mit der Vesper zu erfüllen,e am Mittwoch und ebenso auch am Freitag kommt man [dann] zu Tisch und nimmt Käse, Fisch und Wein ein. {C, XVII} Siehe, ich habe dir die Lebensführung während des ganzen Jahres gleichsam im Überblick dargelegt: das Fasten, das Beten wie auch die Reue,f so wie die göttlichen Apostel und die heiligen Väter es kanonisch überliefert haben. Halte und beachte all dies genau, wenn du gerettet werden möchtest;g und mach dich stets bereit für das kommende Gericht, in dem kein Vorwand und keine Antwort in Worten möglich sind wird. Dieses Wenige schrieben wir dir also aus Vielem [ausgewählt], doch ich bezeuge und versichere dir dies: Wenn du dich als Hüter dieser [Dinge] erweist, wirst du den Platz zur Rechten des Erlösers

Die Woche direkt vor der Fastenzeit, in der man noch Käse essen darf. Die monophysitische, syrisch-orthodoxe Kirche, die bis heute Bestand hat. Ihr Gründervater war Jakob der Syrer (oder Baradäus, † 578). c   Name verschiedener Häresien. Nikêphóros hatte bestimmt die monophy­ sitische Sekte im Visier, die neben der Trinität noch einen autótheos anerkannte und deren Anhänger deshalb abschätzig als ‘Tetraditen’ bezeichnet wurden. Ihr Gründer war der monophysitische Patriarch von Alexandria Damianós († 605). d   Vgl. Nikêphóros Mystikós, Canones (PG  100, 851A), Patriarch von Konstan­tinopel (805–816). Viele “seiner” zahlreichen Kanones und Dekrete scheinen unecht zu sein. Man vergleiche zu ihm H.-G. Beck. Kirche und theologische Literatur im Byzantinischen Reich. Handbuch der Altertums­wissenschaften XII, 2, 1. München 1959, p. 489f. e   Also darf man nach der Vesper noch einmal essen – entgegen der sonst üblichen monophagía (eine Mahlzeit pro Tag). f   Vgl. zum Fasten: II–V & XI–XVI, Beten: VII–VIII, Reue: IX–X. metánoia ‘Reue’ bedeutet auch ‘Kniebeugung’, die auch behandelt wurden (XI). g   ‘Lieben’ (ἀγαπάω) für ‘wollen’ kommt schon in der Antike manchmal vor (z.B. Ps. 33, 13), im Neugriechischen ist es recht verbreitet (Μβαμβινιώτης, s.v. 6). a  

b  

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Typikon (C), XVI–XVIII

(C), XVI–XVIII erlangen und mit ihm und allen Heiligen das Himmelreich und das alterslose Leben erben!a Gott, der in seiner Menschenfreundlichkeit alle retten will, er möge auch dich in den guten Taten unterstützen und dich zum Erfüller seiner Gebote machen und am Himmelreich teilhaben lassen durch unseren Herrn Jesus Christus, denn sein ist die Herrlichkeit und die Kraft, jetzt und in alle Ewigkeit, Amen.

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{C, XVIII} Über das Ausharren – aus den Ermahnungen [der heiligen Schriften] Jede Seele, die dem Herrn zu folgen begehrt, soll ihr Kreuz mit Freude auf sich nehmen (vgl. Mt. 16, 24), wie geschrieben steht, das heißt bereit sein, für den Herrn jede ihr begegnende Versuchung auszuhalten – sei sie versteckt oder offen – und die Hoffnung stets an den Herrn hängen, denn sein ist die Macht, sowohl sie [d.h. die Seele] zu ihrem Nutzen zu betrüben wie auch wiederum sie von der Drangsal zu erlösen durch seine Menschen­freundlichkeit. Die Schrift sagt nämlich: Knecht, wenn du kommst, um dem Herrn zu dienen, dann mache deine Seele zur Versuchung bereit, richte dein Herzb gerade und sei standhaft (Sir.  2, 1). Und der Apostel sagt: Wenn ihr ohne Züchtigung seid, deren alle teilhaftig geworden sind, dann seid ihr Bastarde, keine Söhne (Hebr. 12, 8); und wiederum heißt es: Nimm alles, was dir passiert, als gut an, im Wissen, dass nichts ohne Gott geschieht,c und der Herr: Gewinnt durch euer Ausharren eure Seelen (Lk. 21, 19), und: Selig die Verfolgten usw. (Mt. 5, 10),d und: Wer bis zum Schluss ausharrt, der wird gerettet werden (Mt. 10, 22 = Mt. 24, 13 = Mc. 13, 13).

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Nikólaos Mystikós, De vita monastica 15 (PG 111, 404D); vgl. schon oben

a  

p. 88.

b   Druckfehler in der griechischen Ausgabe: statt dem sinnlosen καρία müsste καρδία stehen. c   Vgl. Didache 3, 10 & Ps.‑Makários, Homilia 53, 2, 5. d   “... um der Gerechtigkeit willen, denn ihrer ist das Himmelreich”.

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Asketische schriften des Mönchs Markos

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{C, XIX} Über das Gebet Wenn du also das Himmelreich an dich reißen (vgl. Mt.  16, 24) willst, so tue dir stets Gewalt an und sei nüchtern im Gebet und streng dich in ihm an. Und zuerst bete um die Erlangung der Tränen,a dann darum, von den Leidenschaften gereinigt, und vom Leichtsinn, der Unwissenheit, dem Vergessen, aller Versuchung und Gottferne (egkatáleipsis) gerettet zu werden.b Stehec nun nicht wie ein Verächter vor dem Herrn; denn verflucht, sagt die Schrift, ist, wer die Dinge des Herrn lässig betreibt (Jer. 31, 10). Fliehe jedes müßige Reden und antworte nicht jedem Schwätzer mit Vorträgen. Hüte deine Ohren vor weltlichen Geschichten, damit du nicht ungute Gedanken anhäufst. Sei nicht neugierig und begehre nicht, alles zu sehen. In nützlichem Maße sieh, in nützlichem Maße höre, in nützlichem Maße sprich, antworte in nützlichem Maße, damit du den Leiden­schaften in deinem Verstand (diánoia) keinen Platz gewährst.d Wenn du gefragt wirst, so antworte mit gebührender und demütiger Stimme, wenn du nicht gefragt wirst, sei still und flieh die Unbesonnenheit, so sehr du nur kannst! {C, XX} Über die Völlereie Schau, dass du dem Dämon der Völlerei keinen Platz in dir gewährst! Es zeigt sich nämlich nicht nur durch die Menge des Essens, dass wir in seiner Gewalt sind, sondern auch im Verlangen D.h. die Tränengabe, vgl. oben p. 76, Anm. a. Scholion 49­ zu Johannes Klímakos, Scala paradisi, Stufe 15. c   Im Text Indikativ, aber ein verneinter Imperativ ist offenbar intendiert. d   Vgl. Basilius, Oratio 11 (PG  31, 640B–641B). Bei Basilius steht: “Damit du nicht deinem Verstand den Eiter (ἰχώρας statt χώρας) der Leidenschaften darbringst”. e   Klímakos definiert (Scala paradisi, Stufe 14 [PG 88, 864C]): “Völlerei ist die Heuchelei des Magens, der – obwohl voll – schreit er sei leer, und zum Bersten voll, Hunger schreit” (γαστριμαργία ἐστὶν κοιλίας ὑπόκρισις κεκορισμένη γὰρ οὖσα ἔνδειαν ἀναβοᾷ, καὶ πεφορημένη καὶ ῥηγνυμένη πεινᾶν ἀνακράζει). Ein weiteres Kennzeichen des spirituellen Fortschritts (Scala paradisi, Stufe 14 [PG 88, 1108B]) ist das Aufhören des Bedürfnisses zur Völlerei. a  

b  

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Typikon (C), XIX–XXI

(C), XIX–XXI nach einer kleinen Nascherei zur Unzeit. Falls er es schafft dich zu unterwerfen, wird er dich dem rastlosen Tode übergeben. Und wenn er den Stoff der Schlechtigkeit in dir pflanzt,a wird er deine Seele zur Wohnstätte wilder Tiere machen. Falls du also deinen Bauch beherrschst, wirst du das Paradies bewohnen, falls du ihn nicht beherrschst, wirst du des Todes nutzloses Opfer!b {C, XXI} Über die genau zu nehmende Jungfräulichkeit und Keuschheit Du hast der Engel Lebensweisec gewählt? Und hast dich unter die Ehelosen eingereiht? Dann lass dich nicht ins Fleisch herabziehen, lass dich nicht durch die Materie beschmutzen, auch wenn du sonst keusch bleibst! Wer mit den Augen hurt hält die Keuschheit nicht ein, eine hurende Zunge vereinigt sich mit dem Bösen; nicht im Takt gehende Füße rufen Krankheit hervor. Auch dein Verstand sei jungfräulich, er soll nicht umher vagabundieren, nicht in die Irre gehen, keine Bilder böser Dinge in sich tragen. Auch das Bild ist Teil der Hurerei: Das Verhasste soll sich nicht in der Seele abbilden. Das Fleisch bindet [uns] mit der Welt zusammen, doch das Denken (logismós) führt zu Gott empor. Das Fleisch beschwert, doch das göttliche Verlangen löst. Man richte den ganzen Verstand (diánoia) auf Gott. Nichts von den anderen Dingen, um die sich die Menge so sehr bemüht, soll dir schön erscheinen: nicht Abstammung, nicht Reichtum, nicht die vermeintliche Schönheit des Äußeren und der Proportion [der Glieder] – Spielzeuge von Zeit und Krankheit. Leered die gesamte Kraft des Liebestrankes Gottes, damit du vom auserwählten Liebespfeile (vgl. Jes. 49, 2) verwundet werdest und die Schönheit des [himmlischen]

Gemeint ist (auch bei Basilius) die Völlerei. Markos lässt das Bezugswort (­πάθος) bei Basilius weg, womit die Konstruktion in der Luft hängt. b   Vgl. Basilius, Oratio 11 (PG 31, 640B–641B). c   Nämlich das Mönchtum. Gregor spricht hier zu einer (hypothetischen) Nonne. d   So Gregor. Markos schreibt ‘erneuere’, die beiden Formen werden identisch ausgesprochen, doch schreibt er in F, VI auch ‘leere’. a  

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Asketische schriften des Mönchs Markos

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Bräutigams ganz erfährst und mit dem Hohenlied sagen kannst: Du bist Süße und gänzlich Verlangen (Hld. 5, 16). Halte dich unzugänglich durch Tat und Wort, in Leben und Gedanken und Bewegung. Denn von allen Seiten her paktiert unser Gegner und Feind, alles prüft er, wo er verwunden könnte, wo töten – finde er ja keine [Stelle], die bloß ist und für seine Schläge bereit! Denn je reiner die Seele, die er erblickt, umso mehr eifert er, sie zu beschmutzen; Schmutz sticht nämlich mehr hervor auf leuchtenden und reinen Gewändern. Das Auge hänge nicht am Auge, das Lachen nicht am Lachen,a gewähre in nichts Freimütigkeit, denn der Schaden des nach und nach sich Einschleichenden und Einstehlenden ist im Augenblick nicht zu bemerken, doch nähert man sich dem Gipfel des Lasters!b Breche also nicht die Ehec in der Seele, obwohl du körperlich keusch bist, sondern werde rein und keusch sowohl in der Seele als auch im Körper gemäß dem Herrenwort: Werdet vollkommen, wie euer himmlischer Vater vollkommen ist! (Mt. 5, 48) {C, XXII} Gebet Unser Herr selbst, Jesus Christus, wird seinen Engel vor dein Angesicht entsenden und er wird dich nach seinem Willen führen, er möge dir Hilfe aus dem Heiligtum senden und von Zion aus unterstützte er dich (Ps. 19, 3), er ziehe dir den Brustpanzer der Gerechtigkeit an und den Helm der Rettung werfe er dir um (Eph. 6, 14 & I Thess. 5, 8), und er wird die Gerechtigkeit deiner Taten wie die Mittagssonne scheinen lassen (vgl. Ps. 36, 6), Amen. {C, XXIII} Rekapitulation alles vorher Ausgeführten ‹Durch die Evangelien, die Apostel und die Väter wurden wir belehrt, dass durch Kreuz und Tod›d der Weg geht, der zum Gregor setzt diese Reihe fort: Aus dem Lachen folgt Vertrautheit, aus dieser die “Nacht” und daraus das Verderben. b   Gregor von Nazianz, Oratio 37, 10. c   Die Nonne ist mit Christus verheiratet. d   Eine Zeile fehlt im einzigen Manuskript, das den Schluss dieses Traktats enthält. Die Ergänzung stammt aus dem ähnlichen A, VII; sie stimmt kaum im Detail, wird aber den Sinn in etwa treffen. a  

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Typikon (C), XXI–XXIV

(C), XXI–XXIV Himmelreich führt, und wer sich auf dem Weg der Geretteten vorfinden will, wandelt auf ihm. Der Weg Gottes ist nämlich ein tägliches Kreuz: Noch keiner wurde durch Müßigkeit gerettet.a Denn wer in Müßigkeit und Vergnügen wandeln will, befindet sich auf dem breiten Weg (vgl. Mt. 7, 13), welcher ins Verderben führt. Der Herr sagt nämlich: Wenn einer hinter mir nachfolgen will, nehme er sein Kreuz und folge mir (Mt. 16, 24) – das heißt alle Drangsal und Ungemach (sowohl die freiwillige als auch die unfreiwillige) dankbar zu ertragen. Er sagt abermals: Das Himmelreich leidet Gewalt, und die Gewalt anwenden, reißen es an sich (Mt. 11, 12); und: Wie eng das Tor und betrüblich der Weg, der zum Leben führt, und wenige finden ihn. Breit und geräumig aber ist derjenige Weg, der ins Verderben führt, und viele wandern auf ihm (Mt. 7, 14). Ähnlich ruft auch der Apostel: Durch viel Drangsal müssen wir ins Himmelreich eingehen! (Apg.  14, 22) Und überhaupt die ganze Schrift lehrt dasselbe. Mehr schreibe ich deiner Scharfsinnigkeit nicht [dazu]: Denn gib dem Weisen einen Anstoß, und er wird [noch] weiser! (Prov. 9, 9) Diese [Dinge] schrieben wir, wie wir sie in den [heiligen] Schriften vorfanden – wenn sie aber jemand nicht annehmbar findet und nicht glaubt, so wandle er, wie er wolle und wünsche. {C, XXIV} Epilog Siehe, ich habe deine Bitte erfüllt, du seligster Anteil [Gottes], [und schicke dir das Werkb], das wohl deinen Erwartungen nicht entsprechen wird, aber es ist nicht weniger, als meine Fähigkeiten vermögen – doch sind dies nicht die Feldfrüchte meiner eigenen Gedanken, sondern ich habe aus den gotteingegebenen Worten der heiligen Schrift gemäß der Tradition der heiligen Apostel und der gottbegeisterten Väter kunstlos geschöpft und unfachmännisch zusammengefügt, meistens zusammenfassend, um gut überblickbar, umfassend und gut erinnerbar zu sein, und schickte es deiner Seligkeit. Angestrengt sollst du aber bei jedem Dieser Satz aus: Isaak von Ninive, Oratio 49, 71f., p. 654 (früher 4, 5). Einige Formulierungen dieses Epilogs stammen aus Maximus’ Prolog zu den Capita de Caritate. Markos lässt einen Teil aus, wodurch der folgende Relativsatz sein Bezugswort verliert. a  

b  

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Punkt ausharren, denn nicht alle davon sind, wie ich meine, für alle leicht zu begreifen. Ich habe meinen [Teil] getan und bin der gewaltigen Last des Ungehorsams entronnen, dein [Teil] besteht nun darin, dich gemäß dieser kleinen Erinnerung zu verhalten – doch ist es notwendig, dir in Erinnerung zu rufen (obwohl keiner dies nicht weiß), dass die Gebote von Gott allen Gläubigen kanonisch [verbindlich] gegeben wurden, und am meisten diejenigen des Fastens und des Gebets. Wie ein steuerpflichtiger Bauer (vgl. I Kor. 3, 9), falls er nicht vollständig und brav seinen gebührenden Kanon (das heißt die Steuer) zahlt, ins Gefängnis geworfen und aufgehängt und geschlagen wird, bis dass er seine ganze Schuld zurückgezahlt hat, ebenso wird jeder Getaufte, wenn er gegenüber den Geboten gleichgültig eingestellt ist, sofort von der Gnade verlassen und seinen Feinden übergeben, und er fällt unter ihre Füße, und es stürzen sich auf ihn viel Drangsal und unerwartete Versuchungen, bis er aus Beengung aufschreit: Herr, warum sind meine Bedränger so zahlreich geworden? (Ps.  3, 2) Derjenige aber, der die Gebote Gottes wahrt, wird von Gott bewahrt. So wie er Gott gehorsam ist, so ist auch Gott ihm gehorsama und erfüllt alle seine Bitten. Soviel zu diesen Dingen. {C, XXV} Gebet Der Herr und Gott und Gebieter des Alls, der in seiner Menschenfreundlichkeit alle retten will, er möge auch dich in den guten Taten unterstützen, so dass du zum Erfüller seiner Gebote werdest, und [dich] das Himmelreich erben lassen in Jesus Christus unserem Herrn, denn sein ist die Herrlichkeit und die Kraft, jetzt und in alle Ewigkeit, Amen.

Vgl. den Ausspruchs Zenons in den Apophthegmata, Collectio alphabetica, Zênôn 7 (PG 65, 177C). a  

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Epilog der Haupthandschrift

{Epil.} Epiloga Bis vor kurzem hat mich das Nur-auf-mich-selbst-aufmerksamSein brennend beschäftigt und es wurde, soweit es in meinen Kräften stand, größter Sorgfalt gewürdigt. Da mir aber ein Gedanke im Geist (noûs) auftauchte, auch den Nutzen der anderen zu bedenken, widmete ich mich gänzlich mit göttlicher Liebe der Niederschrift dieses Buches (déltos). Und indem ich aus den meisten überaus weisen, gotteingegebenen Schriften alles Schön­ ste und, was mehr als das Übrige zum Nutzen der Seele beiträgt, sammelte, begann ich diese Niederschrift. Und mir entstand ein unaussprechliches Verlangen, die ganze [Schrift] eigenhändig zusammenzufügen, doch da sich mir eine Erschlaffung und Krankheit in den Weg stellte und es ein für allemal verhinderte, machte ich den Nachteil meiner kraftlosen Hand mit den Händen anderer wett. Und so, mit Gotte[es Hilfe], wurde sie durch mich vollendet und erfüllt – ganz angefüllt mit Aussprüchen des Geistes und geistlicher Gnadengaben ganz voll, ganz angefüllt

a   Der ganzen Handschrift C, die das große Florilegium sowie die hier übersetzten Texte enthält. Diese Manuskriptseite scheint der greise Autor eigenhändig niedergeschrieben zu haben. Vermutlich bezieht sich der Autor im Folgenden auf das große Florilegium, zu dem er seine wohl früheren anderen Werk noch hinzufügen ließ.

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Asketische schriften des Mönchs Markos

mit unsterblichen Blüten.a Weshalb ein jeder, der aus diesen seelische Erlösung pflückt (trygáô),b

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auch für mich um Lösung von Verfehlungen (vgl. Jak. 5, 16) und Anteil am ewigen Leben beten möge –,c

damit wir gegenseitig durch das Band der Liebe Verzeihung finden und gerettet werden durch die Gnade und Menschen­ freundlichkeit Christi unseres wahren Gottes, dem alles Lob, alle Herrlichkeit, Größe und Majestät gebührt, zusammen mit seinem anfangslosen Vater und seinem ganz heiligen, guten und lebensspendenden Geist, jetzt und immer und in alle Ewigkeit, Amen.

Markos schrieb also eine Anthologie, “Blütenlese”. Wörtlich ‘[Trauben] lesen’. Markos vergleicht seine Schrift also mit einem Weinberg, in dem Trauben der Erlösung wachsen. c   Wie schon am Ende von Traktat B dichtet Markos hier zwei Zwölfsilbler. a  

b  

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Anhang (nicht von Markos)

(f), XLIII

Anhang: AbschlieSSende Kapitel, die in der Handschrift P am Ende angefügt wurdena

{F, XLIII} Die Sünden des verstandesmäßigen Seelenteils (logistikón) sind diese: Ungläubigkeit, Häresie, Unbesonnenheit, Mangel an Unterscheidungskraft, Blasphemie, die Einwilligung zu den Sünden, die aus dem passiven [Seelen‑]Teilb [kommen]. Ihre Heilung Zweifelsfreier Glaube an Gott, wahre Dogmen, häufiges Studium der Schriften, reines Gebet und Gott ununterbrochen zu danken. Die Sünden des emotionalen Seelenteils (thymikón) Brutalität, Hass, Mitleidlosigkeit, Unversöhnlichkeit, Neid und solchen Dingen dauernd nachzusinnen. Ihre Behandlung Menschenfreundlichkeit, Liebe, Bruderliebe, Mitleid, Langmut, Güte.

a   Die also – im Gegensatz zum Rest dieser Texte – nicht von Markos diktiert wurden. Florilegien sind eine Textgattung, die gern wuchert. b   Als pathêtikaì dynámeis der Seele werden die folgenden thymikón und epithymêtikón zusammengefasst (vgl. z.B. Maximus Confessor, Capita de Caritate 3, 35).

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Asketische schriften des Mönchs Markos

Die Sünden des begehrenden Seelenteils (epithymêtikón) Völlerei, Hurerei, Ehebruch, Unreinheit, Ausschweifung, Geldgier und das Verlangen nach eitlem Ruhm.

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Ihre Behandlung Enthaltung, Fasten, Strapazen, Besitzlosigkeit, Streben nach dem Reich Gottes und Verlangen nach der [Gottes-]Sohn­schaft.a Das Verlangen bewegt sich auf drei [Ziele hin]: Entweder zur Begierde des Fleisches oder zum eitlen Ruhm oder zur Illusion des Geldes. Durch diese widersinnige Begierde verachtet man Gott und die göttlichen [Dinge], und vergisst den eigenen Adel und wird zur Bestie für den Nächsten und verdunkelt das Denken (logismós) und gestattet sich nicht, zur Wahrheit aufzublicken!b Acht sind alle umfassendenc Gedanken (logismós) [der Bosheitd], d.h. Völlerei, Hurerei, Geldgier, Zorn, Traurigkeit, Antriebs­losigkeit, eitle Ruhmsucht und Überheblichkeit. Ob wir von diesen belästigt werden oder nicht, unterliegt nicht unserer Macht – ob wir aber in ihnen verbleiben oder nicht, oder ob wir ihnen nachgeben oder nicht, unterliegt unserer Macht! Eine [Sache] ist die Anfechtunge [durch einen sündigen Gedanken], eine andere das Grübeln, eine andere die Leidenschaft, eine andere das Ringen, eine andere die Einwilligung, wieder eine andere die Umsetzung.

Ephraem der Syrer, De virtutibus et passionibus  399, 15 (= Ass. III, 428D). Die Seele wird also nach platonischem Vorbild in logistikón, thymós und epithymêtikón eingeteilt. b   Ephraem der Syrer, De virtutibus et passionibus 404, 7–12 (= Ass. III, 430F). c   Diese acht “Todsünden” heißen umfassend, weil sie die Grundbausteine aller anderen Sünden sind und sie somit umfassen. Vgl. zu ihnen schon Evagrios, De octo spiritibus malitiae (PG 79, 1145–1164). d   Fügt Ephraem hinzu. Dies scheint der Schreiber von P vergessen zu haben, denn es gibt ja offensichtlich auch “gute” Gedanken. e   Genaue Definitionen dieser Ausdrücke folgen gleich im Anschluss. Bei den Vätern gibt es verschiedene solche Listen der Einzelstufen im Vorgang der Versuchung – sehr ähnlich ist diejenige bei Klímakos (Scala paradisi, Stufe 15 [PG 88, 896C]). a  

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����������������������������� (f), XLIII

Die Anfechtunga ist das einfache In-Erinnerung-Rufen eines Gedankens durch den Feind, z.B. “tu doch dies oder jenes”, wie bei Christus unserem Gott [als der Teufel sagte]: “Sprich, dass diese Steine zu Brot werden mögen” (Mt.  4, 3). Dies unterliegt, wie gesagt, nicht unserer Macht. Das Grübeln ist das Annehmen des untergejubelten Gedankens und gleichsam ein Herum-Studieren und ein Streitgespräch mit ihm gegen unseren Vorsatz. Die Leidenschaft ist der aus dem Grübeln über den vom Feind unter­ gejubelten Gedanken entstehende Habitus, gleichsam ein dauerndes Herum-Studieren und Sich-Vorstellen desselben. Das Ringen ist der Widerstand gegen den Gedanken, [der] entweder zu seiner Vernichtung oder zum Einverständnis [mit ihm führt], wie der Apostel sagt: Der Geist (pneûma) begehrt gegen das Fleisch auf und das Fleisch gegen den Geist, denn diese sind einander gegensätzlich (Gal. 5, 17). Die Einwilligung ist die Bejahung des Gedankens hin zur Leidenschaft. Die Umsetzung aber ist die [sündige] Handlung selbst. Durch die Enthaltung wird der Gedanke der Völlerei vernichtet; durch das göttliche Verlangen und das Streben nach den künftigen [Gütern] und die Erinnerung an das unauslösch­bare Feuer, derjenige der Hurerei; durch das Mitgefühl mit den Armen, derjenige der Geldgier; durch die Güte und die Liebe zu Allen, derjenige des Zornes. – Gott züchtigt uns, die wir gegenüber dem Wort seiner Milde sündigen, sowohl mit törichten Gedanken (vgl. II Tim. 2, 23) als auch mit unzeitigen Begierden (nicht aber mit widernatür­lichen!) und gibt uns die bisher gesuchten [Dinge] nicht: Freuen wir uns deshalb im Voraus geistlich über die fürsorgliche Züchtigung des Herrn!b – Durch die spirituelle Freude, derjenige der weltlichen Traurigkeit; durch das Ausharren und die Hartnäckigkeit und das Gott Danken, derjenige der Antriebslosigkeit; durch das verborgene [Ausüben der Tugendtaten und des

a   Eine Definition gibt Markos der Eremit (De lege spirituali 141 – Ed. de Durand [SC 445]): “Die Anfechtung ist eine Bewegung des Herzens, die nicht durch Bilder ausgelöst ist” (Προσβολή ἐστιν ἀνείδωλον κίνημα καρδίας). b   Diese Heimsuchungsthese steht nicht im überlieferten Ephraemtext. Unser Schreiber hat sie mitten in einen Satz gesetzt.

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Asketische schriften des Mönchs Markos

(F), XLIII–XLVI ununter­brochenen Gebets mit zerknirschtem Herzen],a derjenige des eitlen Ruhmes; durch niemanden Richten oder Geringschätzen wie die Pharisäer, sondern sich selbst als den Letzen von allen Halten, derjenige der Überheblichkeit.b

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{F, XLIV} Die Unterteilung der Leidenschaften Die einen sind körperlich, die anderen seelisch. Körperlich nennen wir: Völlerei, Hurerei, Trunksucht, Ausschweifung – seelisch aber: Hass des Nächsten, Neid, Streit, eitle Ruhmsucht, Über­ heblichkeit. Diese wirken inc unserer Seele, wenn Liebe und Enthaltung fehlen; wenn diese aber da sind, werden jene alle vernichtet, die einen durch spirituelle Liebe,d die anderen durch Fasten und Enthaltung. Dann bekommt der Geist (noûs) auch sein eigenes Licht und ‹sieht› Gott ungehin‹dert›!e {F, XLV} Die Tugenden der Seele sind diese: Liebe, Bescheidenheit, Milde, Langmut, Zornlosigkeit, Neidlosigkeit,f NichtRichten, Abwesenheit eitler Ruhmsucht, Mitgefühl, Erbarmen, Großzügigkeit, Unaufgeblähtheit, Fehlen von Hochmut, Zerknirschung und Besonnenheit. Diese sind fünfzehn.g Die Tugenden des Körpers sind folgende Fasten, Auf-dem-Boden-Schlafen, Wachen, Enthaltung, Besitz­ losigkeit, Besonnenheit des Körpers, d.h. Keuschheit, und das nicht von Ort zu Ort Hetzen. Zusammen sind es acht.h

Dies hat unser Schreiber aus Ephraem vergessen. Ephraem der Syrer, De virtutibus et passionibus V, 401, 1–403, 4 (= Ass. III, 429B). c   εἰς statt ἐν – ein Fehler, der für eine späte Abfassungszeit dieses Werks spricht. d   Dieser Teilsatz fehlt in der Migne-Ausgabe, die so keinen Sinn macht. e   Diese Worte hat unser Schreiber vergessen. Ps.-Johannes von Damaskus, De octo spiritibus nequitiae (Fragment). f   So der Ps.-Damascener. Unser Schreiber schreibt das sinnlose ‘Neid auf sich selbst’. g   Maximus Confessor, Quaestiones et dubia 1, 1, 2. h   Maximus Confessor, Quaestiones et dubia 1, 1, 2. Wenn man die Keuschheit doch einzeln zählt, sonst sind es sieben. a  

b  

212

����������������������������� (F), XLIII–XLVI

{F, XLVI} Drei Töchter hatte der Blutegel, sehr geliebt von der Sünde – den Neid, die Hurerei und den Götzendienst – die vierte aber vermochte nicht zu sagen: “Genug!”a (Vgl. Prov. 30, 15), d.h. das böse Verlangen. Es gibt drei Typen des Gesprächs mit Gott: Ich meine das Psalmensingen, das Gebet, und die Einwohnung (énteuxis).b Psalmen­ singen sage ich, wenn wir uneingeweiht noch in der Kirche stehen und dem Praecentorc zuhören, frohlocken wir, erfreut lediglich durch das Zuhören, und es scheint, dass der König dasitze oder daherkomme und von den Untertanend will­kommen geheißen werde. Gebet aber, wenn sich jemand von den äußeren Gedanken wegzieht und allein mit dem alleinigen Gott redet; dies ist ein Zeichen derer, die in der Tugend fortschreiten. Es gleicht dies vertrauten Freunden, die den König für jemanden um etwas bitten. Die Einwohnung aber ist ein Gespräch mit Gott, bei dem der Geist (noûs) nirgendwo anders hinsieht, sondern gänzlich am ganzen Gott klebt und ihm einwohnt für die [der Seele] nützlichen [Dinge].e a   Dieses Rätsel aus dem Buch der Sprüche ist in der LXX recht entstellt. Im hebr. Text heißt es (in der Elberfelder-Übersetzung): Der Blutegel hat zwei Töchter: Gib her, gib her! Drei sind es, die nicht satt werden, vier, die nicht sagen: Genug! Vers 16 gibt die Antworten: Der Sheol und der verschlossene Mutterleib, die Erde, die an Wasser nie satt wird, und das Feuer, das nie sagt: Genug! Unser Autor gibt seine eigenen Antworten. b   Das Wort stammt aus I  Tim  2, 1. Schon Origenes teilt Gebetsarten nach diesem Pastoralwort ein (De oratione 14, 5), Symeon der Neue Theologe schrieb einen Hymnus auf die Énteuxis eis theón (Hymnus 7 – Ed. A. Kambylis). Oft heißt das Wort einfach ‘Gebet’, bzw. ‘Fürbitte’ (z.B. Ps.-Zonaras, Lexicon – Ed. Tittmann, s.v.). c   Der ‘Praecentor’ (κανονάρχης) ist der Anführer des monastischen Chores. d   Wörtlich diejenige ‘unter der Hand (des Herrschers)’ (οἱ ὑπὸ χεῖρα). e   Also die Unio mystica des Hesychasten.

213

188

Indices

Bibelstellen

Psalmen 1, 1 3, 2 4, 3 4, 5 5, 7 7, 5 16, 4 18, 5 19, 3 33, 9 33, 15 34, 13 36, 6 36, 26 38, 7 38, 12 40, 2 40, 14 44, 5 50, 19 62, 9 68, 5 70, 14 75, 3 105, 29 110, 10 111, 1 111, 5 111, 9

Genesis 1, 26 2, 9 2, 15 2, 22 3, 16 8, 21

120, 187 87, 153 110 163 164 92

Exodus 20, 12ff. Levitikus 15, 11 19, 17 19, 18 Deuteronomium 5, 16ff. 15, 9 15, 11 23, 22 24, 15 27, 17 30, 15 30, 19 1. Samuel 2, 30

178

180 158, 178 159

178 159, 160 159 130 160, 180 90, 155 137, 157, 177 157, 177

151

217

191 166, 183, 204 68 84 158, 178 144 110 89 133, 167, 184, 202 71 110 123 133, 167, 184, 202 74 71, 72, 125 160, 181 74 184 139 82 58 157 110 65 56 73 144 74 160, 180

Bibelstellen

118, 14 118, 16 118, 21 118, 27 118, 105 118, 106 118, 138 118, 144 118, 158 118, 162 118, 164 139, 12 144, 18

2, 26 4, 10 4, 13 5, 1 5, 4 5, 5 11, 2 12, 13f.

143 143 144 143 144 144 143 143 144 143 150, 176, 195 158, 178 80

Sprichwörter 3, 28 5, 11 6, 2 9, 9 10, 19 11, 17 12, 28 13, 3 13, 8 13, 17 13, 19 14, 29 15, 27 17, 5 19, 17 20, 13 23, 31

74 193 158, 178 166, 182, 203 114, 193 160, 180 158, 178 114 160, 180 104, 159 179 104, 159 74 74 74, 75 111, 158, 178 159, 178

Prediger 1, 2 1, 12f. 1, 18 2, 1 2, 4 2, 8f. 2, 11 2, 18 2, 23

128 128 129 129 129 129 129 125, 129 129

Hoheslied 5, 16 Weisheit 5, 9

129 194 130 130 130 130 131 131

70, 202

85

Sirach 2, 1 4, 4 4, 4f. 4, 5f. 21, 1f. 33, 28 34, 22

199 160, 181 160 104, 181 110 191 160

Jesaja 1, 18 43, 26 49, 2 52, 11 58, 7 58, 7 & 9 58, 7–9 66, 2

74 111 69, 201 59 74 180 159 152

Jeremia 17, 16 31, 10

58 200

Ezechiel 4, 16

188

Micha 2, 9f.

218

73

Bibelstellen

Habakuk 2, 9

158, 178

Maleachi 3, 5

104

Matthäus 4, 4 5, 5 5, 7 5, 8 5, 10 5, 20 5, 22 5, 28 5, 34 5, 37 5, 39 5, 39f. 5, 40 5, 41 5, 42 5, 44 5, 48 6, 16 6, 24 6, 33 7, 1 7, 7 7, 8 7, 12 7, 13 7, 13f. 7, 14 8, 21f. 10, 22 10, 39 11, 12 11, 28 12, 36 16, 24

16, 25 16, 26 17, 21 18, 6 19, 12 19, 13 19, 19 19, 21 22, 37 22, 39 22, 39f. 23, 12 24, 13 24, 33 24, 51 25, 20ff. 25, 34 26, 41 28, 19

126 104, 159 74, 159, 180 124 86, 199 89, 110, 155 105, 115, 159, 179 106, 159, 179, 192 105, 158 106 106 179 106, 179 106, 179 106, 179 179 180, 202 106 65, 70, 159, 178 98 106, 179 80 67 180 55, 85, 176 151, 176 102, 203 59 161, 181, 191, 199 177 55, 78, 151, 152, 176, 203 130 114, 158, 178 86, 106, 152, 177, 179, 199, 200, 203

177 87, 152, 177 154 160 109 110 75 106, 109, 179 63, 105, 157, 177 63, 157, 177 105 159 181, 191, 199 161 158, 178 169 152, 177 80, 98 55, 153

Markus 11, 25 12, 1 13, 13

180 165 161, 181, 191, 199

Lukas 6, 12 6, 27f. 6, 28 6, 36 9, 62 12, 15 12, 31 12, 33 12, 47 14, 11 14, 26 14, 27 14, 33 18, 13 18, 29 21, 19

219

88, 153 106 179 120 54, 59, 87 158 98 75 165, 183 178 55 55, 85 55 150, 175 139 161, 181, 199

Bibelstellen

21, 34 21, 36 Johannes 5, 29 12, 48–50 14, 15 14, 21 14, 30 14, 31 16, 24 Apostelgeschichte 10, 34f. 14, 22

5, 24 6, 12 6, 14 6, 14 & 17 6, 14 & 19 6, 14f. 16, 14

154, 157 98, 175

187 55, 153 111 151 83, 84 68 98

152 57, 87, 152, 177, 203

8, 12 11, 31 12, 8

57 180 74

1. Korinther 2, 9 3, 9 3, 16 6, 9 6, 9f. 9, 25 10, 31 11, 31 15, 33

143 204 191 180 107 57, 157 78, 164, 175, 192 84 191

2. Korinther 5, 4

2, 2 3, 16

83 187

Kolosser 3, 9

187

Epheser

220

202 57, 79, 98, 175

1. Timotheus 2, 4

78, 140, 157, 192

2. Timotheus 2, 4

57

Jakobusbrief 1, 2 1, 12 2, 5 2, 14 2, 19 2, 26 4, 4 4, 6 4, 7–10

Galater 179 73, 87

89 154

Hebräer 1, 1 11, 6 11, 36–38 12, 8 13, 4

192

5, 2f. 6, 14

Philipper 3, 18 3, 18f.

1. Thessalonicher 5, 8 5, 17

Römer

163 77 202 133 167 184 154

86, 151, 176 187 86 199 192

160, 181 161, 181 143 56 65, 111 145, 170 56 158, 178 56

Bibelstellen

4, 11 5, 16 1. Petrus 2, 11 5, 5 5, 6–8 5, 8f.

1. Johannes 1, 9 2, 4 2, 6 2, 15–17 3, 15 5, 19

111 84, 184

56 158, 178 56 193

221

84 56 57 57 178 125

Stellenregister

Anastásios vom Sinai Quaestiones 15 104, 161

Athanasius Vita Antonii 49, 17

62

Apophthegmata Collectio alphabetica Antônios 38 85 Arsénios 1–13 62 Arsénios 1 140 Longînos 5 151, 176 Miôs 1 140 Theódôros 14 61 Zênôn 7 166, 183, 204 Collectio systematica 2, 3–5 62 Dialogus de contemplatione 17, 13 80

Barsanoúphios Briefe 441

81

Basilius Asceticon magnum Frage 5, PG 31, 920C 71 Enarratio in Isaia 3, 4 70 6 130 Homiliae 13, PG 31, 425D 71 Homilia in divites 2, 13 75 Orationes 1, PG 31, 641B 146, 171 11, PG 31, 640B–641B 200, 201 Sermones de moribus Predigt 1, PG 32, 1124D 71 Predigt 1, PG 32, 1125B 71 Predigt 3, PG 32, 1157B–D 75 Predigt 7, PG 32, 1212D–1213B 166, 183 Predigt 7, PG 32, 1213B 55, 153 Predigt 14, PG 32, 1300A 84

Apostolische Konstitutionen 3, 18, 1 104 7, 1–17 159, 180 7, 7f. 105 7, 17, 3 105 Canones 8, 47, 69 89, 154, 171 Athanasius (Pseudo-) Syntagma ad monachos 2, 14, 2 2, 17, 2

92 93

222

Stellenregister

Diádochos von Photike De perfectione spirituali 100 Dôrótheos Doctrinae diversae 15 Elías Ékdikos Anthológion im Titel, PG 90, 1401–62 = PG 127, 1127–76 PG 127, 1129A = PG 91, 1401B PG 127, 1141D = PG 90, 1417B PG 127, 1145A = PG 90, 1421A

Sententia 29 Tractatus ad Eulogium PG 79, 1105D–1108A

117

Evagrius vom Pontus De oratione 149 Paraenesis ad monachos PG 79, 1240B

99

Germanós I, Patriarch von Konstantinopel Historia mystica ecclesiae catholicae 42, 1–9 118 42, 10–12 118 42, 13–15 118 42, 20–23 119 42, 26–28 119 42, 30–34 120 42, 35–37 120

95

53 76 77

Gregor von Nazianz Carmina I, 2, 19, PG 37, 787A 126 I, 2, 32, PG 37, 916A–927A 127 I, 2, 32, PG 37, 920A 127 Orationes 14, 5 74 14, 21 73 14, 36 74 14, 37 74 14, 38 74 19, 4–6 69 32, 12 66 37, 10 202 37, 10–12 70 37, 19 56 39, 08 73 39, 20 73 40, 1 128, 181 40, 46 74

77

Ephraem der Syrer Ad imitationem proverbiorum 234, 3 115 De morbo linguae et pravis affectibus 369, 3 113 371, 6 114 373, 5 114 374, 1 115 De virtutibus et passionibus 404, 7–12 210 405f. 156 409, 8 121 Sermo de virtutibus et vitiis 20, 11 115 Epiphanius Panárion 3, 523

66

92 Gregor von Nyssa De oratione dominica p. 50, 15 79 65

223

119

Stellenregister

37, 200f., p. 559–560 (früher 73, 49) 65 38, 21, p. 562 (früher 73, 54) 65 38, 98–100, p. 565 (früher 73, 70) 65 49, 71–72, p. 654 (früher 4, 5) 86 49, 71f., p. 654 (früher 4, 5) 152, 176, 203 54, 132–134, p. 684 (früher 34, 13) 113 54, 219–221, p. 688 (früher 34, 22) 68 54, 259–263, p. 690 (früher 34, 25) 68 62, 13–25, p. 736 (früher 81, 7) 76

Hêsýchios aus Jerusalem Capita 28, 39, 44, 51–53, 55, 57, 60, 70f., 74, 79, 96, 88, 92, 95, 97–100, 102f., 115, 118–120, 125 102 Senteniae 2–4, 8, 10, 14, 13, 18f., 58, 82, 86–92, 70, 98 103 Isaak von Ninive Orationes 4, 1f., p. 260 (früher 23, 1) 4, 29f. & 36–38, p. 261 (früher 23, 3) 4, 81f., p. 264 (früher 23, 6) 4, 132–143, p. 266 (früher 23, 9) 4, 281–291, p. 273 (früher 23, 18) 4, 295f., p. 274 (früher 23, 18) 4, 419f., p. 280 (früher 23, 17) 5, 185–188, p. 291 (früher 5, 18) 5, 201–205, p. 292 (früher 5, 19) 18, 218–221, p. 385 (früher 79, 3) 18, 228–230, p. 385 (früher 79, 4) 20, 53–56, p. 404 (früher 42, 9) 27, 261–271, p. 451 (früher 85, 12) 29, 8–11, p. 495 (früher 26, 1) 29, 12–32, p. 495f. (früher 26, 2)

66 66 67

Johannes Chrysostomus Ad Ps. 145 Cap. 1, PG 55, 519 In Matthaeum PG 58, 615C

66 66 67 67 75 75

96 155

Johannes Chrysostomus (Pseudo-) Ad Ps. 38, 12 PG 55, 559B Stichoi 1–14

132

Johannes Dalyatha Homiliae I–XV p. 98

112

Johannes der Faster Paenitentiale PG 88, 1916D

93

73

59 60 113 88 67 67

224

Stellenregister

Johannes von Damaskus (Pseudo-) De virtutibus et vitiis PG 95, 97A 128, 181

Johannes der Mönch (Ps.-Chrysostomus) Epistola ad Monachos 1–4 79 4–13 79 40–57 164, 192 41–45 175 41–57 78 57–62 77

Maximus Confessor Capita de caritate Prolog 133, 166, 203 1, 39 65, 111 1, 57 111 2, 11 110 Explanatio orationis dominicae l. 200 130

Johannes Klímakos Scala paradisi Stufe 2, 1, PG 88, 653B–D 58 Stufe 2, 2, PG 88, 653D 59 Stufe 2, 3, PG 88, 653D 59 Stufe 2, 13, PG 88, 656D 86 Stufe 2, 15, PG 88, 657A 59 Stufe 3, 8, PG 88, 664D 59 Stufe 4, 46, PG 88, 705C 84 Stufe 4, 46, PG 88, 705C–D 194 Stufe 4, 116, PG 88, 724D 194 Stufe 14, 16f., 19, 25–27, 29f., PG 88, 865–869 123 Stufe 15, Scholion 49 200 Stufe 26tris, 1, 2, 3 & 46, PG 88, 1084C 122 Stufe 26tris, 30, 25, 45, 31 & 55, PG 88, 1088C 124 Johannes von Damaskus De sancta trinitate PG 95, 9A PG 95, 9A–12A

Maximus Confessor (Pseudo-) Loci communes 52, 10 110 Maximus Confessor Quaestiones ad Thalassium 62, 339 Quaestiones et dubia 1, 1, 2 Nikólaos Mystikós De vita monastica 1, PG 111, 392C 2, PG 111, 393A 3, PG 111, 393B 4, PG 111, 396A 5, PG 111, 396B 5, PG 111, 396B–D 10, PG 111, 401A 15, PG 111, 404D

131 212

144 105 106, 179 107 109 162 197 109, 182, 199

Nikólaos von Kerkyra De se ipso Verse 1, 3–7, 34f., 54–57, 65f., 61f., 69–72, 212–215, 217–226, 254f. und 299–315 126

146 171

225

Stellenregister

Epistolae 3, 283, PG 79, 529C

Níkôn vom Schwarzen Berg De ieiuniis PG 127, 525D 91 PG 127, 525D–528A 155 Pandectes f. 286va 91, 156 f. 361v 89 Nilus von Ankyra De monastica exercitatione 6, PG 79, 724D De praestantia monachorum 11, PG 79, 1073B–C

87

Symeon der Neue Theologe Catecheses 26, l. 6–13 54 26, l. 20–22 187 26, l. 23–64 191 26, l. 67–95 191 26, l. 299–308 193

87 Synoda Gangrensis 19

64

89

Zitierte Stellen des Anhangs, der nicht von Markos stammt, sind nicht im Register enthalten.

226

Personen- und Sachregister

Fastenzeiten, 26, 90, 92, 148, 149, 150, 151, 155, 173, 174, 176, 195 Festtag (Etymologie), 93 Fleischabstinenzwoche, 149 Florilegien, 13 Freitag, 89, 90, 91, 92, 146, 147, 148, 149, 154, 155, 171, 172, 173, 174, 189, 195, 196, 197, 198 Fünfzehnsilbler (Versmaß), 105

Absolution, 83 Anachorese, 112 Andenken an den Tod, 25, 27, 103, 121, 164, 182, 187 Antônius (Asket), 62 Arsénios (Asket), 62 Arsénios (Patriarch), 8, 9 Artziboures, 174, 197 Atemtechnik, 20 Athos, 16 Aufmerksamkeit, 77, 81 Ausharren, 160, 181, 199

Gebet, 77, 79, 80, 98, 100, 149, 175, 200 Gebetstechniken, 21 Gebet, Unterschied zu Gelübde, 130 Gebote, 146, 176 Glaube, 170 Glaubensbekenntnis, 146, 170, 171 Gottesfurcht, 73, 98, 99, 116, 124, 147, 173, 187 große Fastenzeit, 91, 147, 155, 172, 196 großes Florilegium (von Markos), 7, 9, 11, 12, 33, 128 Gründonnerstag, 91, 148, 173, 197

Barmherzigkeit, 74, 75, 76, 96, 119, 156, 159, 180, 181, 182, 184 Beichte, 82, 100, 111, 116, 193 Besitzlosigkeit, 57, 109, 121 Buch, über dieses, 138, 205 Buße, 70, 81, 82, 94, 116 Demut, 30, 85, 86, 94, 96, 100, 101, 124, 169, 171, 190, 191, 195 Directorium, 12, 196, 187 Dodekaemeron, 93, 189, 197

Habsucht, 66, 72, 107, 119, 158 Handschriften Athos, Codex Stauroniketensis 895.30, 41 Firenze, Laur. Plut. VI.4, 44, 89, 91 Milano, Ambrosianus D 28, 22 Paris, BnF, gr. 1188, 17

Enthaltsamkeit, 67, 95 Enthaltung, 87, 92 Eva, 114 Evagrius, 16 Fasten, 25, 87, 89, 91, 92, 93, 100, 155, 171, 188 Fasten, geistiges, 95

227

Personen- und Sachregister

Mariä Verkündigung, 91, 148, 173, 196 Markos (Autor), 8, 185 Michael VIII. Palaiológos, 7, 8, 9, 53 Mittwoch, 89, 90, 91, 92, 146, 147, 148, 149, 154, 155, 171, 172, 173, 174, 189, 195, 196, 197 mönchische Lebensweise, 60 Montag, 26, 90, 91, 147, 148, 149, 155, 172, 174, 195, 196 Moses, 137 Muh.ammad, 116

Paris, BnF, Suppl. gr. 1277, 11 Roma, Biblioteca Vallicelliana gr. 67 (= E 21), 11 Vaticano, BAV, 658, 17 Vaticano, BAV, Chisianus gr. 27, 11 Vaticano, BAV, Reginensis gr. 48, 11 Hat.ha-Yoga, 24 Herrenfeste, 188 Herzmystik, 20 Hesychasmus, 15, 16, 20 Hêsýchios vom Sinai, 16 Hölle, 72, 105, 115, 116, 159, 179 Hören, eitles, 114

Nächstenliebe, 59, 101, 156 Namen Jesu, 78, 99, 100, 164, 192 Nicht-Fasttage, 93 Nikêphóros aus Konstantinopel, 198 Nikêtas Stêthatos, 190 Níkôn vom Schwarzen Berg, 14 Nilus (Deckname von Evagrius), 16 Nüchternheit, 77, 81, 95, 99, 150, 164, 175

Irene Eulogía Choumnaína Palaiologína, 10 Irene Eulogía Palaiologína, 7, 8, 9, 53, 137, 143 Jakobiten, 198 Jesusgebet, 18 Johannes IV. Oxeítês, 9, 14 Johannes Kantakouzênós Komnênós, 9, 163 Johannes Klímakos, 16

Ostersonntag, 197 Palamâs, Gregor, 18 Paûlos Euergetinós, 14 Pfingstzeit, 93, 94, 150, 174, 175, 188, 195, 197 Predigerbuch, Kommentar, 128

Karwoche, 96, 148, 172, 173 Käsewoche, 149, 174, 198 Keuschheit, 67, 69, 99, 100, 109, 121, 201 Kirchenunion, 10, 139 Kniebeugungen, 93, 94, 97, 150, 175, 195, 197 körperliche Sünden, 108, 161

Ratiocinia, 84, 194 Reden, müßiges, 191 Ruhe, 53, 59, 61, 62, 63, 64, 66, 67, 80, 121, 122 Schlange (aus Gen. 1), 78, 110, 114, 115, 126 Schlange (Tier), 122 Schutzengel, 82 seelische Leidenschaften, 107, 161 Selbstbefriedigung, 107 Stundengebet, 97, 150, 176, 194 Sufismus, 19 Symeon der Neue Theologe, 17, 21

Laien, 109, 169, 172, 174 Leichtfertigkeit, 101, 180 Leidenschaftslosigkeit, 21, 29, 67, 87, 121, 124, 193 Lektüre (geistliche), 67, 80 Luftzollhäuser, 83 malakoí, 107 Männer, Gesellschaft mit, 192

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Personen- und Sachregister

Verse, 124, 125, 126, 127, 131, 150, 185, 206 Verurteilung, 112 Völlerei, 94, 146, 200

Taufgelübde, 107, 161 Tetraditen, 198 Teufel, 60, 61, 68, 69, 70, 78, 79, 81, 83, 88, 106, 108, 110, 112, 114, 116, 153, 164, 192, 202 Thebaïs, 62 Theólêptos von Philadelphia, 18 Tränengabe, 76, 200 Trimeter (Versmaß), 124

Wachen, 25, 67, 80, 96, 188, 190 Wasser trinken, 91, 92, 146, 148, 171, 173, 174 Wein, 91, 100, 192, 197 Wochenenden (Fasten), 93, 148, 173

Unterordnung der Frau, 162 ununterbrochenes Gebet, 19, 20, 81, 97, 150, 164, 175, 187, 192

Xerophagie, 91, 92, 146, 148, 171, 173 Zitate, 28 Zollhausherren, 82 Zunge, Sünden der, 113 Zwölfsilbler (Versmaß), 150, 185, 206

Vaterunser, 117 Verehrung des Satans, 108, 162 Verleumdung, 95, 107, 111, 112, 115, 157, 162

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