Arzneiverordnungs-Report 2019 [1. Aufl. 2019] 978-3-662-59045-4, 978-3-662-59046-1

Im Arzneiverordnungs-Report werden seit 1985 Daten, Kosten und Analysen zur Verordnung von Arzneimitteln für die Patient

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Arzneiverordnungs-Report 2019 [1. Aufl. 2019]
 978-3-662-59045-4, 978-3-662-59046-1

Table of contents :
Front Matter ....Pages I-XV
Front Matter ....Pages 1-2
Arzneiverordnungen 2018 im Überblick (Ulrich Schwabe, Wolf-Dieter Ludwig, Dieter Paffrath, Jürgen Klauber)....Pages 3-30
Zulassungsverfahren für neue Arzneimittel in Europa (Wolf-Dieter Ludwig)....Pages 31-60
Neue Arzneimittel 2018 (Uwe Fricke, Lutz Hein, Ulrich Schwabe)....Pages 61-175
Biologika und Biosimilars (Stanislava Dicheva-Radev, Wolf-Dieter Ludwig)....Pages 177-212
Orphan-Arzneimittel (Wolf-Dieter Ludwig, Ulrich Schwabe)....Pages 213-247
Der GKV-Arzneimittelmarkt 2018: Trends und Marktsegmente (Jonas Lohmüller, Melanie Schröder, Carsten Telschow)....Pages 249-299
Ergebnisse des AMNOG-Erstattungsbetragsverfahrens (Antje Haas, Anja Tebinka-Olbrich, Annette Zentner, Anne Geier, Kerstin Pietsch, Daniel Erdmann et al.)....Pages 301-320
Biosimilars in Deutschland und im europäischen Vergleich – Entwicklungen und Potenziale (Sabine Vogler, Peter Schneider, Dimitra Panteli, Reinhard Busse)....Pages 321-353
Front Matter ....Pages 355-358
Hemmstoffe des Renin-Angiotensin-Systems (Franz Weber, Manfred Anlauf)....Pages 359-388
Analgetika (Rainer H. Böger, Gerhard Schmidt)....Pages 389-405
Antiallergika (Anette Zawinell, Ulrich Schwabe)....Pages 407-424
Antianämika (Jan Matthes, Klaus Mengel)....Pages 425-433
Antibiotika und antibakterielle Chemotherapeutika (Winfried V. Kern)....Pages 435-459
Antidementiva (Ulrich Schwabe)....Pages 461-469
Antidiabetika (Marc Freichel, Klaus Mengel)....Pages 471-490
Antiemetika und Antivertiginosa (Karl-Friedrich Hamann)....Pages 491-496
Antiepileptika (Ulrich Schwabe)....Pages 497-511
Antihypertonika (Manfred Anlauf, Franz Weber)....Pages 513-529
Antithrombotika und Antihämorrhagika (Lutz Hein, Hans Wille)....Pages 531-555
Antirheumatika und Antiphlogistika (Rainer H. Böger, Gerhard Schmidt)....Pages 557-572
Antitussiva und Expektorantien (Björn Lemmer)....Pages 573-583
Betarezeptorenblocker (Björn Lemmer)....Pages 585-593
Bronchospasmolytika und Antiasthmatika (Björn Lemmer)....Pages 595-611
Calciumantagonisten (Thomas Eschenhagen)....Pages 613-621
Corticosteroide (Ulrich Schwabe)....Pages 623-630
Dermatika (Judith Günther, Uwe Fricke)....Pages 631-681
Diuretika (Hartmut Oßwald, Bernd Mühlbauer)....Pages 683-694
Gichtmittel (Bernd Mühlbauer, Gerhard Schmidt)....Pages 695-700
Herztherapeutika (Thomas Eschenhagen)....Pages 701-717
Hypnotika und Sedativa (Martin J. Lohse, Bruno Müller-Oerlinghausen)....Pages 719-730
Hypophysen- und Hypothalamushormone (Ulrich Schwabe)....Pages 731-740
Immunglobuline und Immunsuppressiva (Ulrich Schwabe, W. Jens Zeller)....Pages 741-748
Lipidsenkende Mittel (Gerald Klose, Ulrich Schwabe)....Pages 749-760
Magen-Darm-Mittel und Lebertherapeutika (Ansgar W. Lohse, Joachim Mössner)....Pages 761-788
Migränemittel (Judith Günther, Jan Matthes)....Pages 789-798
Pharmakologische Behandlung der multiplen Sklerose (Roland Seifert, Judith Günther, Peter Berlit)....Pages 799-816
Onkologika (Wolf-Dieter Ludwig, Ulrich Schwabe)....Pages 817-875
Ophthalmika (Martin J. Lohse)....Pages 877-902
Osteoporosemittel (Hans Christian Kasperk, Reinhard Ziegler)....Pages 903-914
Parkinsonmittel (Ulrich Schwabe, Roland Seifert)....Pages 915-925
Psychopharmaka (Martin J. Lohse, Bruno Müller-Oerlinghausen)....Pages 927-959
Rhinologika und Otologika (Karl-Friedrich Hamann)....Pages 961-970
Schilddrüsentherapeutika (Reinhard Ziegler, Hans Christian Kasperk)....Pages 971-978
Sexualhormone (Thomas Strowitzki)....Pages 979-996
Urologika (Bernd Mühlbauer, Hartmut Oßwald)....Pages 997-1007
Vitamine und Mineralstoffpräparate (Klaus Mengel, Katja Niepraschk-von Dollen)....Pages 1009-1019
Zahnärztliche Arzneiverordnungen (Frank Halling)....Pages 1021-1033
Front Matter ....Pages 1035-1035
Ergänzende statistische Übersicht (Birol Knecht, Jonas Lohmüller, Carsten Telschow)....Pages 1037-1102
Back Matter ....Pages 1103-1134

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Ulrich Schwabe · Dieter Paffrath Wolf-Dieter Ludwig · Jürgen Klauber Hrsg.

ArzneiverordnungsReport 2019

Arzneiverordnungs-Report 2019

Ulrich Schwabe Dieter Paffrath Wolf-Dieter Ludwig Jürgen Klauber (Hrsg.)

ArzneiverordnungsReport 2019 Aktuelle Daten, Kosten, Trends und Kommentare

Herausgeber Prof. em. Dr. med. Ulrich Schwabe Pharmakologisches Institut der Universität Heidelberg Im Neuenheimer Feld 366 69120 Heidelberg Dr. Dieter Paffrath Bachstraße 29 50858 Köln

ISBN 978-3-662-59045-4 https://doi.org/10.1007/978-3-662-59046-1

Prof. Dr. med. Wolf-Dieter Ludwig Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) Herbert-Lewin-Platz 1 10623 Berlin Jürgen Klauber Wissenschaftliches Institut der AOK Rosenthaler Straße 31 10178 Berlin

ISBN 978-3-662-59046-1 (eBook)

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Wichtiger Hinweis: Die Erkenntnisse in der Medizin unterliegen laufendem Wandel durch Forschung und klinische Erfahrungen. Sie sind darüber hinaus vom wissenschaftlichen Standpunkt der Beteiligten als Ausdruck wertenden Dafürhaltens geprägt. Wegen der großen Datenfülle sind Unrichtigkeiten gleichwohl nicht immer auszuschließen. Alle Angaben erfolgen insoweit nach bestem Wissen aber ohne Gewähr. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Umschlaggestaltung: deblik Berlin Fotonachweis Umschlag: © nikesidoroff/fotolia.com Springer ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer-Verlag GmbH, DE und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Heidelberger Platz 3, 14197 Berlin, Germany

V

Vorwort der Herausgeber Die Arzneimittelausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) haben 2018 mit 41,2 Mrd. € (+3,2 %) einen neuen Höchststand erreicht. Hauptursache des Kostenanstiegs sind erneut die patentgeschützten Arzneimittel mit einem hohen Anteil von Biologika (43 %). Aus diesem Grunde werden die Biologika zusammen mit den Biosimilars in einem separaten Kapitel dargestellt. Infolge des Patentablaufs umsatzstarker Biologika gibt es viele neue Biosimilars mit hohen Einsparpotenzialen, die aber bisher nur wenig realisiert wurden. Ein besonders stark wachsender Bereich des Patentmarktes sind die Orphan-Arzneimittel für seltene Krankheiten mit einem Kostenanstieg von 15 % gegenüber dem Vorjahr. Das hat uns veranlasst, auch die Orphan-Arzneimittel mit Blick auf Evidenz, Zulassung und Verordnungsprofile in einem eigenen Kapitel zu analysieren. Als Gegensteuerung gegen die hohen Arzneimittelkosten gibt es mehrere gesetzliche Regelungen. Besonders erfolgreich waren 2018 die Einsparungen durch Arzneimittelfestbeträge (8,2 Mrd. €), AMNOG-Erstattungsbeträge (2,7 Mrd. €) und kassenspezifische Rabattverträge (4,5 Mrd. €). Weitere hohe Wirtschaftlichkeitsreserven wurden bereits früher durch europäische Preisvergleiche bei den Patentarzneimitteln (1,5 Mrd. €) und aktuell im Biosimilarmarkt (1,2 Mrd. €) berechnet. Die Analysen im ArzneiverordnungsReport basieren auf den Verordnungsdaten des GKV-Arzneimittelindex für ambulante Patienten, der in der Trägerschaft des AOK-Bundesverbandes in bewährter Weise vom Wissenschaftlichen Institut der AOK (WIdO) erstellt wird. Unser besonderer Dank gilt unseren Autoren aus Pharmakologie, Klinik, Praxis, Gesundheitsökonomie und Krankenversicherung für ihre engagierte Mitarbeit. Unseren erfahrenen Herausgeberberatern verdanken wir zahlreiche Anregungen. Wir danken allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des WIdO, die an der Erstellung des statistischen Teils und der Datenkontrolle des Gesamtwerks mitgewirkt haben. Schließlich gilt unser Dank dem Springer-Verlag für die professionelle Organisation der Publikation des Arzneiverordnungs-Reports trotz enger zeitlicher Vorgaben.

Heidelberg, Köln, Berlin, 21. August 2019

Ulrich Schwabe Dieter Paffrath Wolf-Dieter Ludwig Jürgen Klauber

VII

Inhaltsverzeichnis I

Allgemeine Verordnungs- und Marktentwicklung

1

Arzneiverordnungen 2018 im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3

Ulrich Schwabe, Wolf-Dieter Ludwig, Dieter Paffrath und Jürgen Klauber 2

Zulassungsverfahren für neue Arzneimittel in Europa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

31

Wolf-Dieter Ludwig 3

Neue Arzneimittel 2018 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

61

Uwe Fricke, Lutz Hein und Ulrich Schwabe 4

Biologika und Biosimilars . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 Stanislava Dicheva-Radev und Wolf-Dieter Ludwig

5

Orphan-Arzneimittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 Wolf-Dieter Ludwig und Ulrich Schwabe

6

Der GKV-Arzneimittelmarkt 2018: Trends und Marktsegmente . . . . . . . . . . 249 Jonas Lohmüller, Melanie Schröder und Carsten Telschow

7

Ergebnisse des AMNOG-Erstattungsbetragsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 Antje Haas, Anja Tebinka-Olbrich, Annette Zentner, Anne Geier, Kerstin Pietsch, Daniel Erdmann und Susanne Henck

8

Biosimilars in Deutschland und im europäischen Vergleich – Entwicklungen und Potenziale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 Sabine Vogler, Peter Schneider, Dimitra Panteli und Reinhard Busse

II

Indikationsgruppen

9

Hemmstoffe des Renin-Angiotensin-Systems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 Franz Weber und Manfred Anlauf

10

Analgetika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 Rainer H. Böger und Gerhard Schmidt

11

Antiallergika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 407 Anette Zawinell und Ulrich Schwabe

12

Antianämika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 425 Jan Matthes und Klaus Mengel

VIII

13

Inhaltsverzeichnis

Antibiotika und antibakterielle Chemotherapeutika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 435 Winfried V. Kern

14

Antidementiva . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 461 Ulrich Schwabe

15

Antidiabetika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 471 Marc Freichel und Klaus Mengel

16

Antiemetika und Antivertiginosa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 491 Karl-Friedrich Hamann

17

Antiepileptika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 497 Ulrich Schwabe

18

Antihypertonika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 513 Manfred Anlauf und Franz Weber

19

Antithrombotika und Antihämorrhagika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 531 Lutz Hein und Hans Wille

20

Antirheumatika und Antiphlogistika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 557 Rainer H. Böger und Gerhard Schmidt

21

Antitussiva und Expektorantien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 573 Björn Lemmer

22

Betarezeptorenblocker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 585 Björn Lemmer

23

Bronchospasmolytika und Antiasthmatika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 595 Björn Lemmer

24

Calciumantagonisten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 613 Thomas Eschenhagen

25

Corticosteroide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 623 Ulrich Schwabe

26

Dermatika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 631 Judith Günther und Uwe Fricke

27

Diuretika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 683 Hartmut Oßwald und Bernd Mühlbauer

28

Gichtmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 695 Bernd Mühlbauer und Gerhard Schmidt

IX Inhaltsverzeichnis

29

Herztherapeutika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 701 Thomas Eschenhagen

30

Hypnotika und Sedativa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 719 Martin J. Lohse und Bruno Müller-Oerlinghausen

31

Hypophysen- und Hypothalamushormone . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 731 Ulrich Schwabe

32

Immunglobuline und Immunsuppressiva . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 741 Ulrich Schwabe und W. Jens Zeller

33

Lipidsenkende Mittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 749 Gerald Klose und Ulrich Schwabe

34

Magen-Darm-Mittel und Lebertherapeutika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 761 Ansgar W. Lohse und Joachim Mössner

35

Migränemittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 789 Judith Günther und Jan Matthes

36

Pharmakologische Behandlung der multiplen Sklerose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 799 Roland Seifert, Judith Günther und Peter Berlit

37

Onkologika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 817 Wolf-Dieter Ludwig und Ulrich Schwabe

38

Ophthalmika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 877 Martin J. Lohse

39

Osteoporosemittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 903 Hans Christian Kasperk und Reinhard Ziegler

40

Parkinsonmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 915 Ulrich Schwabe und Roland Seifert

41

Psychopharmaka . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 927 Martin J. Lohse und Bruno Müller-Oerlinghausen

42

Rhinologika und Otologika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 961 Karl-Friedrich Hamann

43

Schilddrüsentherapeutika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 971 Reinhard Ziegler und Hans Christian Kasperk

44

Sexualhormone . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 979 Thomas Strowitzki

X

Inhaltsverzeichnis

45

Urologika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 997 Bernd Mühlbauer und Hartmut Oßwald

46

Vitamine und Mineralstoffpräparate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1009 Klaus Mengel und Katja Niepraschk-von Dollen

47

Zahnärztliche Arzneiverordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1021 Frank Halling

III

Anhang

48

Ergänzende statistische Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1037 Birol Knecht, Jonas Lohmüller und Carsten Telschow

Serviceteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1103 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1104

XI

Verzeichnis der Autoren und Berater der Herausgeber Autorenverzeichnis Anlauf, Manfred, Prof. Dr. med.

Eschenhagen, Thomas, Prof. Dr. med.

Friedrich-Plettke-Weg 12 27570 Bremerhaven [email protected]

Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie Universitäts-Krankenhaus Eppendorf Martinistraße 52 20246 Hamburg [email protected]

Berlit, Peter, Prof. Dr. med. Klinik für Neurologie im Alfried Krupp Krankenhaus Rüttenscheid Alfried-Krupp-Straße 21 45131 Essen [email protected]

Böger, Rainer H., Prof. Dr. med. Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie Universitäts-Krankenhaus Eppendorf Martinistraße 52 20246 Hamburg [email protected]

Busse, Reinhard, Prof. Dr. med. Fakultät Wirtschaft und Management Technische Universität Berlin Straße des 17. Juni 135 (H80) 10623 Berlin [email protected]

Freichel, Marc, Prof. Dr. med. Pharmakologisches Institut der Universität Heidelberg Im Neuenheimer Feld 366 69120 Heidelberg [email protected]

Fricke, Uwe, Prof. Dr. rer. nat. Institut für Pharmakologie der Universität zu Köln Gleueler Straße 24 50924 Köln [email protected]

Geier, Anne GKV-Spitzenverband Reinhardtstraße 28 10117 Berlin [email protected]

Dicheva-Radev, Stanislava, Dr. P.H. Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) Herbert-Lewin-Platz 1 10623 Berlin [email protected]

Erdmann, Daniel, Dr. GKV-Spitzenverband Reinhardtstraße 28 10117 Berlin [email protected]

Günther, Judith, Dr. rer. nat. Gesellschaft zur Forschung und Beratung im Bereich Arzneimittelversorgung mbH PharmaFacts Wilhelmstraße 1e 79098 Freiburg [email protected]

XII

Verzeichnis der Autoren und Berater der Herausgeber

Haas, Antje, Dr. med.

Klauber, Jürgen

GKV-Spitzenverband Reinhardtstraße 28 10117 Berlin [email protected]

Wissenschaftliches Institut der AOK Rosenthaler Straße 31 10178 Berlin [email protected]

Halling, Frank, Dr. med. Dr. med. dent.

Klose, Gerald, Prof. Dr. med.

Gesundheitszentrum Fulda Gerloser Weg 23a 36039 Fulda [email protected]

Gemeinschaftspraxis Dres. Thomas Beckenbauer und Stefan Maierhof Am Markt 11 28195 Bremen [email protected]

Hamann, Karl-Friedrich, Prof. Dr. med. Grillparzerstraße 51 81675 München [email protected]

Hein, Lutz, Prof. Dr. med. Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie und Toxikologie Albert-Ludwig-Universität Albertstraße 25 79104 Freiburg [email protected]

Henck, Susanne GKV-Spitzenverband Reinhardtstraße 28 10117 Berlin [email protected]

Kasperk, Hans Christian, Prof. Dr. med. Dr. med. dent. Dr. h.c. Sektion Osteologie an der Medizinischen Klinik (Krehl-Klinik) Abt. Innere Medizin I und Klinische Chemie des Universitätsklinikums Heidelberg Im Neuenheimer Feld 410 69120 Heidelberg [email protected]

Kern, Winfried V., Prof. Dr. med. Innere Medizin II/Infektiologie Universitätsklinikum Freiburg Hugstetter Straße 55 79106 Freiburg [email protected]

Knecht, Birol Wissenschaftliches Institut der AOK Rosenthaler Straße 31 10178 Berlin [email protected]

Lemmer, Björn, Prof. Dr. med. Dr. h.c. Institut für Pharmakologie und Toxikologie Fakultät für Klinische Medizin Mannheim der Universität Heidelberg Maybachstraße 14–16 68169 Mannheim [email protected]

Lohmüller, Jonas Wissenschaftliches Institut der AOK Rosenthaler Straße 31 10178 Berlin [email protected]

Lohse, Ansgar W., Prof. Dr. med. Zentrum für Innere Medizin I. Medizinische Klinik und Poliklinik (Gastroenterologie mit Sektionen Infektiologie und Tropenmedizin) Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf Martinistraße 52 20246 Hamburg [email protected]

Lohse, Martin J., Prof. Dr. med. Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin Robert-Rössle-Straße 10 13125 Berlin-Buch [email protected]

XIII Verzeichnis der Autoren und Berater der Herausgeber

Ludwig, Wolf-Dieter, Prof. Dr. med. Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) Herbert-Lewin-Platz 1 10623 Berlin [email protected]

79312 Emmendingen [email protected]

Paffrath, Dieter, Dr. Bachstraße 29 50858 Köln [email protected]

Matthes, Jan, Priv. Doz. Dr. med. Institut für Pharmakologie der Universität zu Köln Gleueler Straße 24 50924 Köln [email protected]

Panteli, Dimitra, MD, MScPH, DrPH Fachgebiet Management im Gesundheitswesen Technische Universität Berlin Straße des 17. Juni 135 (H80) 10623 Berlin [email protected]

Mengel, Klaus, Dr. med. Höferstraße 15 68199 Mannheim [email protected]

Mössner, Joachim, Prof. Dr. med. Universitätsklinikum Leipzig Medizinische Klinik und Poliklinik für Gastroenterologie und Rheumatologie Liebigstraße 20 04103 Leipzig [email protected]

Pietsch, Kerstin GKV-Spitzenverband Reinhardtstraße 28 10117 Berlin [email protected]

Schmidt, Gerhard, Prof. Dr. med. Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Universität Göttingen Robert-Koch-Straße 40 37075 Göttingen [email protected]

Mühlbauer, Bernd, Prof. Dr. med. Institut für Klinische Pharmakologie Zentralkrankenhaus Sankt-Jürgen-Straße 28205 Bremen [email protected]

Müller-Oerlinghausen, Bruno, Prof. Dr. med. Bartningallee 11–13 10555 Berlin [email protected]

Schneider, Peter, Mag. M.A. Gesundheit Österreich GmbH Stubenring 6 1010 Wien, Österreich [email protected]

Schröder, Melanie, Dr. rer. pol. Wissenschaftliches Institut der AOK Rosenthaler Straße 31 10178 Berlin [email protected]

Niepraschk-von Dollen, Katja, Dr. rer. nat. Wissenschaftliches Institut der AOK Rosenthaler Straße 31 10178 Berlin [email protected]

Oßwald, Hartmut, Prof. Dr. med. Händelstraße 10

Schwabe, Ulrich, Prof. em. Dr. med. Pharmakologisches Institut der Universität Heidelberg Im Neuenheimer Feld 366 69120 Heidelberg [email protected]

XIV

Verzeichnis der Autoren und Berater der Herausgeber

Seifert, Roland, Prof. Dr. med.

Weber, Franz, Prof. Dr. med.

Medizinische Hochschule Hannover Institut für Pharmakologie Carl-Neuberg-Straße 1 30625 Hannover [email protected]

Thiemannstraße 18 45219 Essen [email protected]

Wille, Hans, Dr. med. Gesundheit Nord gGmbH, Institut

Strowitzki, Thomas, Prof. Dr. med. Dr. h.c. für Klinische Pharmakologie Gynäkologische Endokrinologie und Fertilitätsstörungen Universitäts-Frauenklinik Im Neuenheimer Feld 440 69120 Heidelberg [email protected]

Tebinka-Olbrich, Anja, Dr. GKV-Spitzenverband Reinhardtstraße 28 10117 Berlin [email protected]

Telschow, Carsten, Dr. rer. nat. Wissenschaftliches Institut der AOK Rosenthaler Straße 31 10178 Berlin [email protected]

Vogler, Sabine, Dr. rer. soc. Gesundheit Österreich GmbH Stubenring 6 1010 Wien, Österreich [email protected]

Klinikum Bremen-Mitte St. Jürgenstraße 1 28177 Bremen [email protected]

Zawinell, Anette, Dr. rer. nat. Wissenschaftliches Institut der AOK Rosenthaler Straße 31 10178 Berlin [email protected]

Zeller, W. Jens, Prof. Dr. med. Deutsches Krebsforschungszentrum Im Neuenheimer Feld 280 69120 Heidelberg [email protected]

Zentner, Annette, Dr. GKV-Spitzenverband Reinhardtstraße 28 10117 Berlin [email protected]

Ziegler, Reinhard, Prof. Dr. med. h.c. Mozartstraße 20 69121 Heidelberg

Berater der Herausgeber Alten, Rieke, Dr. med.

Bachert, Claus, Prof. Dr. Dr. h.c. mult.

Abteilung Innere Medizin II, Rheumatologie, Klinische Immunologie, Osteologie, Physikalische Therapie und Sportmedizin, Klinisch osteologisches Schmerzzentrum Schlosspark-Klinik Heubnerweg 2 14059 Berlin

Chief of Clinics ENT-Department Head Upper Airways Research Laboratory (URL) University Hospital Ghent C. Heymanslaan 10 9000 Ghent, Belgien

Bausch, Jürgen, Dr. med. Bad Sodener Straße 19 63628 Bad Soden-Salmünster

XV Verzeichnis der Autoren und Berater der Herausgeber

Diener, Hans-Christoph, Prof. Dr. med.

Harjung, Hans, Dr. med.

Neurologische Universitäts-Klinik Hufelandstraße 55 45122 Essen

Bessunger Straße 101 64347 Griesheim

Kaesbach, Wolfgang Dreikorn, Kurt, Prof. Dr. med. Stadtländerstraße 58 28355 Bremen

Saturnstraße 2B 45277 Essen

Niebling, Wilhelm, Prof. Dr. med. Erdmann, Erland, Prof. Dr. med. Klinik III für Innere Medizin der Universität zu Köln Joseph-Stelzmann-Straße 9 50924 Köln

Scheuerlenstraße 2 79822 Titisee-Neustadt

Rostalski, Birger Reihe Bäume 16 56218 Mülheim-Kärlich

Flockerzi, Veit, Prof. Dr. med. Institut für Pharmakologie und Toxikologie Universität des Saarlandes 66421 Homburg

Hansen, Leonhard, Dr. med. Bahnhofstraße 12 52477 Alsdorf

Schönhöfer, Peter, Prof. Dr. med. Rütenhöfe 7 b 28355 Bremen

1

Allgemeine Verordnungs- und Marktentwicklung Inhaltsverzeichnis Kapitel 1

Arzneiverordnungen 2018 im Überblick – 3 Ulrich Schwabe, Wolf-Dieter Ludwig, Dieter Paffrath und Jürgen Klauber

Kapitel 2

Zulassungsverfahren für neue Arzneimittel in Europa – 31 Wolf-Dieter Ludwig

Kapitel 3

Neue Arzneimittel 2018 – 61 Uwe Fricke, Lutz Hein und Ulrich Schwabe

Kapitel 4

Biologika und Biosimilars – 177 Stanislava Dicheva-Radev und Wolf-Dieter Ludwig

Kapitel 5

Orphan-Arzneimittel – 213 Wolf-Dieter Ludwig und Ulrich Schwabe

Kapitel 6

Der GKV-Arzneimittelmarkt 2018: Trends und Marktsegmente – 249 Jonas Lohmüller, Melanie Schröder und Carsten Telschow

Kapitel 7

Ergebnisse des AMNOG-Erstattungsbetragsverfahrens – 301 Antje Haas, Anja Tebinka-Olbrich, Annette Zentner, Anne Geier, Kerstin Pietsch, Daniel Erdmann und Susanne Henck

I

Kapitel 8

Biosimilars in Deutschland und im europäischen Vergleich – Entwicklungen und Potenziale – 321 Sabine Vogler, Peter Schneider, Dimitra Panteli und Reinhard Busse

3

Arzneiverordnungen 2018 im Überblick Ulrich Schwabe, Wolf-Dieter Ludwig, Dieter Paffrath und Jürgen Klauber

1.1

Segmente des Arzneimittelmarktes – 4

1.2

Verordnungsschwerpunkte nach Indikationen – 8

1.3

Verordnung führender Arzneimittel – 13

1.4

Patentgeschützte Arzneimittel – 15

1.4.1 1.4.2

Internationale Preisvergleiche – 16 Kosten neuer Patentarzneimittel – 17

1.5

Generika – 21

1.6

Biosimilars – 23

1.7

Orphan-Arzneimittel – 24

1.8

Umstrittene Arzneimittel – 24

1.9

Wirtschaftlichkeitsreserven von Arzneimitteln – 27 Literatur – 29

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 U. Schwabe et al. (Hrsg.), Arzneiverordnungs-Report 2019, https://doi.org/10.1007/978-3-662-59046-1_1

1

4

1

Kapitel 1  Arzneiverordnungen 2018 im Überblick

im Vergleich zu den patentfreien Arzneimitteln 12,5-fach höher. Eine weitere wichtige Differenzierung des Ausgabenprofil Die ArzneimittelausgaArzneimittelmarktes ist die Klassifikation in ben der Gesetzlichen Krankenversicherung Nicht-Biologika und Biologika, die sich in ers(GKV) mit Zuzahlungen der Versicherten (V) ter Linie nach dem Herstellungsverfahren unsind nach der vorjährigen Zunahme auch terscheiden. Nicht-Biologika sind kleinmole2018 erneut um 3,2 % auf 41,153 Mrd. € kulare Wirkstoffe, die überwiegend chemisch (+1,218 Mrd. €, Konto 04399V) gegenüber synthetisiert werden und biologisch relativ stadem Vorjahr angestiegen und liegen damit bil sind. Eine spezielle Untergruppe sind komweiterhin bei 17,2 % der Leistungsausgaben plexe Nicht-Biologika, die keine homo-moder GKV (Bundesministerium für Gesundheit lekulare Struktur aufweisen und aus mehre2019). Die GKV-Gesamtausgaben stiegen um ren Elementen bestehen (liposomale Arznei3,9 % auf 239,369 Mrd. €. Den größten Block mittel, Eisen-Zucker-Komplexe, Glatiramoide) in den GKV-Ausgaben bilden weiterhin mit (Übersicht bei Schellekens et al. 2014). Biogroßem Abstand die Kosten für Krankenlogika sind hochmolekulare Wirkstoffe, die hausbehandlung mit 77,899 Mrd. € (+3,1 %, von einem biologischen Organismus hergeKonto 04699V). Danach folgen die Ausgaben stellt werden und vorwiegend aus Polypepfür die vertragsärztliche Versorgung mit tiden (Antikörper, Zytokine, Hormone) be43,922 Mrd. € (+3,0 %, Konto 04099V), die bestehen (7 Kap. 4, 7 Abschn. 4.1). Biologika sind reits genannten Arzneimittelausgaben und keine grundsätzlich neue Arzneimittelgrupdie Ausgaben für zahnärztliche Behandlung pe, sondern werden als Impfstoffe schon seit mit 14,456 Mrd. € (+2,4 %, Konto 04299Z). Die mehr als 200 Jahren angewendet (Übersicht bei Gesamtzahl der GKV-Versicherten hat sich Freissmuth 2016). Die unterschiedlichen Movon Juli 2017 bis Juli 2018 auf 72,997 Mio. leküleigenschaften und Herstellungsverfahren (Vorjahr 72,737 Mio. +0,8 %, Konto 09996) der beiden Arzneimittelgruppen bestimmen erhöht, so dass die Veränderungswerte auch ganz wesentlich den Status nach Ablauf je Versicherten entsprechend geringere des Patentschutzes. Patentfreie chemische ArzAusgabenanstiege ergeben. neimittel werden als Generika oder generikafähige Erstanmelderpräparate bezeichnet und weisen eine identische molekulare Struktur wie 1.1 Segmente des der ursprünglich patentgeschützte Wirkstoff Arzneimittelmarktes auf. Patentfreie biologische Arzneimittel sind entweder biosimilarfähige ErstanbieterpräpaDie Marktsegmente des GKV-Arzneimittel- rate oder Biosimilars, die in Bezug auf Struktur, marktes gliedern sich in die beiden Hauptberei- Funktion, Qualität sowie klinische Wirksamche der Patentarzneimittel mit einem Umsatz keit und Sicherheit einem zugelassenen biovon 19,779 Mrd. € (46,2 %) und den größe- logischen Originalprodukt sehr ähnlich, aber ren Bereich der patentfreien Arzneimittel mit nicht identisch sind (Ausnahme Bioidenticals) 21,962 Mrd. € (51,3 %) (. Tab. 1.1). Wesentlich (Declerck et al. 2016). Bei den generikafähigen stärker unterscheidet sich die therapeutische und biosimilarfähigen Erstanbieterpräparaten Anwendung der beiden Marktbereiche nach handelt es sich um ehemals patentgeschützte Verordnungen und verordneten definierten Ta- Arzneimittel, die trotz generischer Alternativen gesdosen (DDD). Hier dominieren die patent- oder Biosimilars weiterhin in Form der teufreien Arzneimittel, währen die Patentarznei- ren Originalpräparate verordnet werden. Änmittel nur einen Anteil von 6,6 % am DDD- derungen gegenüber den im Vorjahr publiGesamtvolumen haben. Dementsprechend lie- zierten Zahlen ergeben sich zum größten Teil gen die Therapiekosten der Patentarzneimittel daraus, dass bisher unklassifizierte ArzneimitAuf einen Blick

5 1.1  Segmente des Arzneimittelmarktes

tel den einzelnen Marktsegmenten zugeordnet wurden. Im Patentmarkt haben die Biologika mit 8,640 Mrd. € inzwischen 44 % des Umsatzes erreicht. Im Nicht-Patentmarkt dominieren dagegen die Nicht-Biologika mit 16,770 Mrd. € (76 %), die überwiegend in Form von Generika (12,573 Mrd. €) und zu einem geringeren Anteil als generikafähige Erstanbieterpräparate (4,197 Mrd. €) verordnet werden. Bei den patentfreien Biologika entfällt jedoch weiterhin der größte Teil des Umsatzes auf die biosimilarfähigen Erstanbieterpräparate (80 %) und nur ein kleiner Anteil auf die Gruppe der preisgünstigeren Biosimilars (20 %). Wie im vergangenen Jahr sind wiederum die Rezepturarzneimittel in allen Arzneimittelgruppen enthalten, auf die ein Umsatzvolumen von 4,456 Mrd. € und damit 10 % des gesamten GKV-Arzneimittelmarktes entfallen. Lange Zeit wurde im Arzneiverordnungs-Report ausschließlich der GKV-Fertigarzneimittelmarkt dargestellt, obwohl bekannt war, dass vor allem im Bereich der Onkologie der überwiegende Teil der Verordnungen auf Rezepturarzneimittel in Form von parenteralen Infusionslösungen entfällt, während onkologische Fertigarzneimittel einen kleineren Verordnungsanteil haben. Nach der 2010 eingeführten gesetzlichen Auskunftspflicht für die Herstellung von Rezepturarzneimitteln war es möglich, auch den Bereich der Rezepturarzneimittel im Arzneiverordnungs-Report genauer zu analysieren, was in erster Linie bei den Onkologika von Bedeutung ist (7 Kap. 37). Die pharmakologischtherapeutischen Analysen werden im Arzneiverordnungs-Report generell auf der Basis der Arzneimittelnettokosten (Bruttoumsatz minus gesetzliche Hersteller- und Apothekenabschläge) durchgeführt. Im Jahre 2018 betrugen sie 40,068 Mrd. € nach Abzug der gesetzlichen Abschläge (2,768 Mrd. €). Dagegen sind die von den Krankenkassen ausgehandelten Herstellerrabatte (4,503 Mrd. €) nicht öffentlich zugänglich und erscheinen nur als Gesamtsumme, die in der Statistik des Bundesministeriums für Gesundheit publiziert wird (. Tab. 1.1).

1

Im GKV-Arzneimittelmarkt ist der Umsatz seit 2003 von 24,1 Mrd. € um 78 % auf 42,8 Mrd. € im Jahre 2018 gestiegen, wobei allerdings seit 2012 zusätzlich zu den Fertigarzneimitteln auch die Umsätze der Rezepturarzneimittel einbezogen wurden (. Abb. 1.1). Seit 2010 werden neben dem Umsatz auch die Nettokosten des GKV-Arzneimittelmarktes (Umsatz abzüglich gesetzlicher Rabatte) dargestellt. In den letzten 15 Jahren gab es drei Gesetze (GKV-Modernisierungsgesetz, GMG 2003; Gesetz zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit in der Arzneimittelversorgung, AVWG 2006; GKV-Änderungsgesetz, GKV-Ä 2010), um die überproportional steigenden Arzneimittelausgaben zu reduzieren. Die gesetzlichen Maßnahmen haben sichtbare Spuren bei den Arzneimittelkosten hinterlassen, aber die grundsätzlichen Kostenprobleme nie längerfristig in den Griff bekommen. Das GKVÄnderungsgesetz war zugleich eine flankierende Maßnahme im Vorgriff auf das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG, Inkrafttreten 01.01.2011), mit dem jährliche Einsparungen von 2,0 Mrd. € erzielt werden sollten. Der weitere Verlauf der GKV-Arzneimittelumsätze zeigt allerdings, dass dieses Ziel bis 2018 nie erreicht wurde. Denn seit 2012 trat leider genau das Gegenteil ein, nämlich ein Anstieg der Arzneimittelnettokosten um insgesamt 13,1 Mrd. €, also etwa 2,2 Mrd. € pro Jahr (. Abb. 1.1). Der scheinbar ungebremste Umsatzanstieg hat mehrere Ursachen. Hauptursache war über viele Jahre das überproportionale Umsatzwachstum der Patentarzneimittel (siehe 7 Abschn. 1.4). Die ursprüngliche Intention des Gesetzgebers war gewesen, mit dem AMNOG nicht nur den Zusatznutzen von neuen patentgeschützten Arzneimitteln, sondern auch von versorgungsrelevanten Patentarzneimitteln des Bestandsmarkts zu bewerten. Drei Jahre nach Inkrafttreten des AMNOG wurden 2013 statt der angestrebten 2,0 Mrd. € jedoch nur 150 Mio. € Einsparungen durch Erstattungsbeträge erzielt (. Tab. 1.6). Trotzdem wurde die Nutzenbewertung des Bestandsmarkts 2014

Kapitel 1  Arzneiverordnungen 2018 im Überblick

6

1

. Tabelle 1.1 Marktsegmente des GKV-Arzneimittelmarktes 2018. Angegeben sind Umsatz (Fertigarzneimittel plus Rezepturarzneimittel), Nettokosten (Umsatz abzüglich gesetzliche Hersteller- und Apothekenabschläge ohne vertragliche Rabatte nach § 130a Abs. 8 SGB V), definierte Tagesdosen (DDD), die jeweiligen Veränderungsraten (in %) und DDD-Kosten Marktsegmente

Umsatz ÄndeMrd. € rung %

Nettokosten Mrd. €

Änderung %

DDD Mrd.

Änderung %

DDDKosten €

Arzneimittel (Fertigarzneimittel und Rezepturen) Patentarzneimittel

19,779

3,5

18,801

4,0

2,730

1,6

6,89

Nicht-Biologika

11,139

4,2

10,653

4,7

2,193

0,2

4,86

8,640

2,6

8,148

3,1

0,537

7,0

15,17

Nicht-Patentarzneimittel

21,962

3,5

20,280

3,7

36,785

0,5

0,55

Generika

12,573

0,7

11,568

0,8

33,304

0,7

0,35

Generikafähige Erstanbieterpräparate

4,197

6,1

3,867

6,0

2,503

5,5

1,54

Biosimilars

1,034

77,0

0,989

78,6

0,065

82,1

15,30

Biosimilarfähige Erstanbieterpräparatea

4,158

12,6

3,857

13,0

0,913

9,5

4,22

Unklassifizierte Arzneimittelb

1,095

3,2

0,987

3,4

1,872

1,4

0,53

42,836

3,3

40,068

3,7

41,386

0,3

0,97

Biologika

Rezepturen und Fertigarzneimittel abzgl. gesetzliche Abschläge

2,768

abzgl. Herstellerrabatte (KJ1)

4,503

4,503

35,565

35,565

Rezepturen und Fertigarzneimittel nach Abzug von Abschlägen und Rabatten Nicht-Fertigarzneimittelc Rezepturend

4,456

In-vitro-Diagnostika

0,625

Sonstige Apothekenprodukte

1,242

Nicht-Fertigarzneimittel ohne

1,867

Rezepturen Gesamtmarkt a

44,703

Einschließlich weiterer Biologika, die weder Referenzarzneimittel noch Biosimilar sind. Arzneimittel ohne Informationen zu Patent- bzw. Schutzfristen, die weder dem geschützten noch dem generikafähigen Markt zugeordnet werden können. Dazu gehören beispielsweise Mineralstoffe und homöopathische Arzneimittel. c Neben den Rezepturen und In-vitro-Diagnostika sind unter anderem Pflaster und Verbandsstoffe oder Hilfsmittel enthalten (vgl. . Tab. 48.3). d Individuell hergestellte parenterale Lösungen, Zytostatikazubereitungen, Auseinzelungen und aus Fertigarzneimitteln entnommene, patientenindividuelle Teilmengen gemäß . Tab. 48.3, die in allen Arzneimittelgruppen (Rezepturen und Fertigarzneimittel) enthalten sind. b

1

7 1.1  Segmente des Arzneimittelmarktes

2000

50

41,5

Umsatz 38,8

40

1600

28,5

30 25,3

24,1

23,6

29,7

34,6

38,7 37,3 Nettokosten

29,7

32,8

23,7

27,2

27,0

26,3

28,1

20 594

608 626

626

570

664

665

653

625

660

641 591

1200

31,0

26,7

21,7

749

40,1

800 661

Verordnungen in Mio.

Umsatz in Mrd. Euro

40,1

36,8 33,2

42,8

668

Verordnungen

574

400

10

0

0 2003

2004

2005

2006

2007

2008

2009

2010

2011

2012

2013

2014

2015

2016

2017

2018

. Abb. 1.1 Verordnungen und Umsatz 2003 bis 2018 im GKV-Arzneimittelmarkt (seit 2012 Fertigarzneimittel und Rezepturarzneimittel)

mit dem 14. SGB V-Änderungsgesetz durch Streichung des § 35a Absatz 6 SGB V wieder aufgehoben. Der immense Kostenanstieg ist umso erstaunlicher, als sich die Zahl der ärztlichen Verordnungen seit 2004 nie wieder von dem Schock des GMG erholt hat und seitdem bis 2018 insgesamt nur um 16,0 % auf 661 Mio. Verordnungen angestiegen ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass in diesem Zeitraum auch die Zahl der GKV-Versicherten von 70,422 Mio. auf 72,997 Mio. im Jahre 2018 zunahm (+3,7 %). Ganz anders als die Verordnungen hat sich das DDD-Volumen in den einzelnen Gruppen des GKV-Arzneimittelmarktes entwickelt. Hier stehen Generika (einschließlich generikafähige Erstanbieterpräparate) mit 35,8 Mrd. DDD weit an der Spitze und haben damit einen Verordnungsanteil von 87 % (. Tab. 1.1). Den Rest teilen sich Patentarzneimittel, Biosimilarmarkt und unklassifizierte Arzneimittel mit erheblich kleineren DDD-Volumina. Die verordnungsmäßige Dominanz der Generika besteht schon

seit über 20 Jahren, hat sich aber in der derzeitigen Ausprägung erst seit 2004 entwickelt (. Abb. 1.2). Seitdem ist das Verordnungsvolumen der Generika auf mehr als das Doppelte angestiegen und liegt jetzt 13-fach höher als das der patentgeschützten Arzneimittel, das in diesem Zeitraum fast um die Hälfte abnahm. Aus der gegenläufigen Entwicklung der Verordnungsvolumina resultiert 2018 erneut ein enormer Unterschied der mittleren DDD-Nettokosten der patentgeschützten Arzneimittel mit 6,89 € im Vergleich zu den DDD-Kosten der Generika, die mit 0,35 € gegenüber dem Vorjahr sogar leicht gesunken sind (. Tab. 1.1). Auch die generikafähigen Erstanbieterpräparate sind mit DDD-Kosten von 1,54 € vierfach teurer als Generika, so dass durch eine schnellere Umstellung generikafähiger Erstanbieterpräparate auf Generika ein rechnerisches Einsparpotenzial von 2,979 Mrd. € realisiert werden könnte. Der Vergleich der Tagestherapiekosten offenbart zugleich das wesentliche Problem der

Kapitel 1  Arzneiverordnungen 2018 im Überblick

8

45

1

Gesamtmarkt Generikamarkt 40

37,5

Patentgeschützte Arzneimittel 34,1

Definierte Tagesdosen in Mrd.

35

30

35,3

38,3

28,2

30,0

31,0

31,7

30,5

27,9

27,7

29,1

28,5

40,2

36,1

32,3 29,4

39,6

41,1

41,3

41,4

36,3

36,2

35,8

2,8

2,8

2,7

32,8

30,3

27,4 26,0

25,8

24,7

25

22,7 20,4

20

15

17,8

12,1

12,7

4,1

4,4

13,9

14,8

15,9

15,9 14,1

10

5

5,3

5,6

5,2

4,5

4,7

4,7

4,7

4,6

4,5

4,2

3,8

2,9

2,9

2,9

2,7

2012

2013

2014

2015

0 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011

2016 2017

2018

. Abb. 1.2 Verordnungsvolumen nach definierten Tagesdosen für Gesamtmarkt, den Generikamarkt und patentgeschützte Arzneimittel von 1999 bis 2018

gesamten Kostenentwicklung der Arzneimittel. Bei den patentgeschützten Arzneimitteln liegen sie inzwischen im Durchschnitt 12,5-mal so hoch wie bei den Nicht-Patentarzneimitteln. Trotz steigender Kosten nahm das DDDVolumen der patentgeschützten Arzneimittel auch 2018 weiter ab (1,6 %) und hat damit im Verhältnis zu den Generika einen nur noch geringen Anteil an der Arzneimittelversorgung (. Tab. 1.1). Generika gewinnen jedes Jahr weitere Marktanteile hinzu und decken in erster Linie den Mehrbedarf an Arzneimitteln, während patentgeschützte Arzneimittel mit ihren hohen Kosten immer seltener verordnet werden. Im Generikamarkt scheint der Wettbewerb zumindest teilweise zu funktionieren, während im Patentmarkt die sinkenden Marktanteile früher über Preiserhöhungen kompensiert wurden. Seit dem Inkrafttreten des Preismoratoriums von 2010, das zuletzt im Mai 2017 durch das GKV-Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz (AMVSG) bis zum 31. Dezember 2022 verlängert wurde, sind Umsatzsteigerungen nur noch durch entsprechend höhere Preise für neu eingeführte Produkte möglich. Allerdings hat sich der Umsatzanstieg der patentgeschützten

Arzneimittel seit 2017 sichtbar abgeschwächt (. Abb. 1.3). Eine Ursache für die geringeren Kosten der Patentarzneimittel ist der erneute Rückgangbeiden Hepatitis-C-Therapeutika um 148 Mio. € im Vergleich zu 2017 (. Tab. 34.3). 1.2

Verordnungsschwerpunkte nach Indikationen

Die wichtigsten Entwicklungen in der Verordnung der 40 führenden Arzneimittelgruppen 2018 finden sich in der unten dargestellten Übersicht (. Tab. 1.2). Aufgrund der stetig steigenden Kostendynamik der Arzneitherapie werden die therapeutischen Schwerpunkte seit 2016 auf der Basis von Verordnungskosten analysiert. Dadurch sind die Arzneimittelgruppen mit neuen, teuren Patentarzneimitteln und sehr kleinen Verordnungsvolumina besser erkennbar. Die geänderte kostenorientierte Systematik ermöglicht mit den 40 führenden Arzneimittelgruppen eine weitgehende Erfassung des Gesamtmarkts nach Nettokosten (96 %), Verordnungen (93 %) und DDD-Volumen (95 %). Eine vollständige Übersicht über alle Arznei-

1

9 1.2  Verordnungsschwerpunkte nach Indikationen

400 19,8 19,1

20

18,3

Verordnungen in Mio.

14,5 Umsatz 12,4 200

10,0

10,4 9,6

9,0

10,1

10,7

12,9

15

13,3 12,3 12,3

11,1 10

8,8

Umsatz in Mrd. Euro

15,8

300

7,5 6,7 100 94 98

102 104

97

68 82

84

76

67

5 61

72 Verordnungen

42 55

47

49

46

43

45

45 0

0 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018

. Abb. 1.3 Verordnungen und Umsatz patentgeschützter Arzneimittel 1999 bis 2018 im GKV-Fertigarzneimittelmarkt (ab 2001 mit neuem Warenkorb und ab 2016 ergänzt um Zubereitungen)

mittelgruppen findet sich im Kapitel mit der ergänzenden statistischen Übersicht (7 Kap. 48, . Tab. 48.5). An der Spitze der umsatzstärksten Arzneimittelgruppen stehen mit weitem Abstand die Onkologika, die seit 2017 neben den Fertigarzneimitteln einen größeren Anteil in Form von Rezepturarzneimitteln enthalten (. Tab. 1.2). Die Nettokosten sind 2018 erneut um 537 Mio. € (+8,3 %) auf 7,007 Mrd. € gestiegen. Damit haben die Onkologika jetzt ihren Kostenanteil am GKV-Arzneimittelmarkt nochmals auf 17,5 % (Vorjahr 16,8 %) erhöht. Der größte Anteil entfällt auf monoklonale Antikörper (2,637 Mrd. €) und Proteinkinaseinhibitoren (1,710 Mrd. €), die beide hohe Zuwachsraten (13,3 % bzw. 9,5 %) hatten (7 Kap. 37, . Tab. 37.1). Die höchste Kostensteigerungsrate hatten spezielle Arzneimittel zur Behandlung des multiplen Myeloms (687 Mio. €, +16,1 %) durch hochpreisige Kombinationstherapien über lange Zeiträume. Das größte DDD-Verordnungsvolumen mit einem Anteil

von fast 70 % entfällt weiterhin auf die Gruppe der Hormonantagonisten, die zur Behandlung des Mammakarzinoms und des Prostatakarzinoms eingesetzt werden. Auf dem zweiten Rang stehen die Immunsuppressiva, die ihre Position durch stark erhöhte Nettokosten (+11,3 %) und einen hohen Anstieg des DDD-Volumens (6,9 %) weiter ausgebaut haben (. Tab. 1.2). Zu dieser Gruppe gehören gemäß der ATC-Kodierung nicht nur die bekannten zytotoxischen Immunsuppressiva (Azathioprin, Mycophenolsäure) und Calcineurininhibitoren, die in der Transplantationsmedizin unentbehrlich sind (7 Kap. 32, Immunglobuline und Immunsuppressiva), sondern vor allem zahlreiche Biologika aus den Gruppen der TNF’-Inhibitoren, der Interleukin-Inhibitoren und weiterer selektiv wirkender Immunsuppressiva, die in der Rheumatologie (7 Kap. 20, Antirheumatika und Antiphlogistika), Gastroenterologie (7 Kap. 34, MagenDarmmittel und Lebertherapeutika) und Neurologie (7 Kap. 36, Pharmakologische Behand-

Kapitel 1  Arzneiverordnungen 2018 im Überblick

10

1

. Tabelle 1.2 Umsatzstärkste Arzneimittelgruppen 2018 Rang Arzneimittelgruppe

Nettokosten

Verordnungen

DDD

Mio.

Mio.

Mio.

% Änd.

% Änd.

% Änd.

1

Onkologika

7.006,6

8,3

7,1

1,6

231,9

1,1

2

Immunsuppressiva

4.869,9

11,3

3,0

2,7

145,3

6,9

3

Antidiabetika

2.399,8

2,1

29,3

0,3

2.211,2

0,4

4

Antithrombotika

2.321,5

10,9

22,9

1,1

1.771,1

2,1

5

Antiasthmatika

1.750,3

3,5

25,2

0,6

1.313,4

0,4

6

Psychopharmaka

1.663,0

0,3

46,8

0,7

2.241,2

0,7

7

Analgetika

1.634,5

1,4

47,8

2,0

676,2

0,5

8

Angiotensinhemmstoffe

1.490,3

1,4

59,6

1,3

9.161,1

1,9

9

Dermatika

1.340,3

18,3

23,7

0,1

702,6

1,0

10

Virostatika

1.324,8 13,5

1,7

1,3

46,8

1,0

11

Ophthalmika

1.162,5

3,5

17,6

0,1

791,5

0,6

12

Immunstimulanzien

1.017,0

6,4

0,6

3,8

13

Lipidsenker

708,8

5,3

23,0

2,8

2.436,9

5,7

14

Antiepileptika

687,8

6,7

11,7

2,1

435,1

2,4

15

Antibiotika

651,8

4,3

34,7

5,3

310,3 5,6

16

Ulkustherapeutika

628,6

4,3

30,8

3,0

3.639,7 2,3

17

Antiphlogistika und Antirheumatika

598,2

5,5

38,3

1,9

1.040,6 2,3

18

Betarezeptorenblocker

568,3

2,0

40,9

1,1

2.132,2 2,8

19

Enzymersatzmittel

551,0

11,0

0,1

6,5

1,5

6,6

20

Immunsera und Immunglobuline

456,4

9,2

0,3

3,6

4,3

7,1

21

Antiparkinsonmittel

449,9

1,0

6,0

0,5

154,1 0,8

22

Diuretika

415,4

1,9

22,3

0,2

1.803,4 1,8

23

Hypophysen- und Hypothalamushormone

388,8

0,4

0,4

1,5

24

Schilddrüsentherapeutika

372,7

0,0

28,1

0,2

25

Antihämorrhagika

368,0

2,9

0,3

5,0

26

Allergene

349,6

1,7

0,8

4,4

141,8 3,3

27

Osteoporosemittel

345,4

0,5

2,6

2,6

210,2 1,2

28

Antihypertonika

342,2

7,4

5,0

0,4

349,6 1,1

29

Sexualhormone

330,7

5,8

9,6

3,0

818,7 2,3

30

Urologika

329,2

3,3

8,0

1,2

690,6

1,8

31

Antianämika

317,6

4,8

4,5

1,9

314,8

2,6

20,1 5,1

14,7

0,2

1.805,7 0,4 3,2

3,7

1

11 1.2  Verordnungsschwerpunkte nach Indikationen

. Tabelle 1.2 (Fortsetzung) Rang Arzneimittelgruppe

Nettokosten

Verordnungen

DDD

Mio.

Mio.

Mio.

% Änd.

% Änd.

% Änd.

32

Blutersatzmittel

303,1

1,7

2,7

2,2

33

Calciumantagonisten

251,5

0,1

20,1

1,0

34

Herztherapeutika

248,7

4,3

6,0

5,9

350,4 7,7

35

Antidiarrhoika

232,5

3,1

3,2

0,8

100,8 0,5

36

Muskelrelaxanzien

174,8

6,0

3,2

5,9

152,6

37

Corticosteroide (systemisch)

169,6

0,1

9,2

0,1

437,0 0,4

38

Gichtmittel

145,0

2,3

7,1

1,2

378,8 1,7

39

Calciumhomöostase

111,9

13,4

0,3

2,4

40

Husten- und Erkältungsmittel

111,4

0,9

10,0

2,3

Summe Rang 1–40

38.589,5

3,6

614,7

0,4

39.408,9

0,4

GKV-Gesamtarzneimittelmarkt

40.067,7

3,7

661,2

0,4

41.385,6

0,3

lung der multiplen Sklerose) ihren festen Platz haben. Mit einem weiteren deutlichen Abstand folgen an dritter Stelle die Antidiabetika, die mit einem geringfügig gestiegenen Verordnungsvolumen erneut höhere Nettokosten aufweisen, ein Zeichen für das weitere Vordringen teurer Patentarzneimittel. Zu dem Kostenanstieg haben vor allem die SGLT2-Inhibitoren (Gliflozine) und die GLP-1-Agonisten beigetragen, die in den neuen Leitlinien aufgrund positiver kardiovaskulärer Endpunktstudien als Erstlinientherapie nach Metformin bei Typ-2Diabetespatienten mit kardiovaskulären Risiken empfohlen werden (7 Kap. 15). Nicht berücksichtigt sind bei dieser Auswertung die Kosten der Glucoseteststreifen mit einem Umsatz von 590 Mio. € (7 Kap. 48, Ergänzende statistische Übersicht, . Tab. 48.3), so dass sich die Gesamtkosten der Antidiabetika und der zugehörigen Diagnostika auf 2.990 Mio. € belaufen. Wie in den vergangenen Jahren zeigen die Antithrombotika einem nochmaligen hohen Kostenanstieg (+10,9 %). Er ist durch die weiter steigende Verordnung der neuen direkten oralen Antikoagulantien (Thrombinantagonisten,

29,7 0,1 2.238,9

7,0

1,1

5,4

6,0

94,1 3,8

Faktor-Xa-Antagonisten) bedingt und hat dazu geführt, dass sie nun schon deutlich mehr als die traditionellen Vitamin-K-Antagonisten verordnet wurden (7 Kap. 19, Antithrombotika und Antihämorrhagika, . Abb. 19.1). Das hat in den letzten sieben Jahren Mehrkosten von 1,7 Mrd. € verursacht, obwohl die VitaminK-Antagonisten nach der Bewertung in anerkannten Leitlinien weiterhin einen höheren Evidenzgrad als die neuen oralen Antikoagulantien haben. Die Antiasthmatika haben trotz eines kaum veränderten DDD-Volumens (+0,4 %) weiter steigende Nettokosten (+3,5 %). Das ist vor allem durch häufigere Verordnungen von langwirkenden Muscarinrezeptorantagonisten (LAMA) bedingt, die inzwischen Verordnungskosten von 556 Mio. € erreicht haben. Der größte Teil der Mehrkosten ist durch Neueinführung von weiteren Wirkstoffkombinationen bedingt, wodurch ihre zunehmende Bedeutung für die COPD-Therapie unterstrichen wird (7 Kap. 23, Bronchospasmolytika und Antiasthmatika, . Tab. 23.6). Die Psychopharmaka zeigen erneut etwas geringere Verordnungskosten, obwohl das

12

1

Kapitel 1  Arzneiverordnungen 2018 im Überblick

DDD-Volumen leicht angestiegen ist (+0,7 %), was vor allem durch gestiegene Verordnungen der Antidepressiva bedingt war. Der Kostenrückgang beruht auf einer weiteren Zunahme von preisgünstigen Generika bei den Antidepressiva aus den Gruppen der Serotonin-Rückaufnahme-Inhibitoren (SSRI) und der Serotonin- und Noradrenalin-Rückaufnahme-Inhibitoren (SNRI) (7 Kap. 41, Psychopharmaka, . Tab. 41.3 und 41.4). Auch bei den Analgetika geht ein leicht erhöhtes Verordnungsvolumen (+0,5 %) erstmals seit vielen Jahren mit einem Kostenrückgang (1,4 %) einher. Das beruht vor allem auf der Einführung von Generika für eine überteuerte Oxycodon-Naloxon-Kombination (Targin) aus der Gruppe der stark wirksamen Opioidanalgetika. Die Oxycodonkombination hatte keinen gesicherten Zusatznutzen gezeigt und wurde daher nicht für die Verordnung empfohlen. Diese lobenswerte Kostensenkung ist aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein, denn mit den neuen Generika wurden nur 27 Mio. € eingespart (7 Kap. 10, Analgetika, 7 Abschn. 10.2.4). Wesentlich höhere Einsparungen in Höhe von 435 Mio. € könnten bei den stark wirksamen Opioidanalgetika (166,1 Mio. DDD, DDD-Kosten 4,87 €/DDD, Verordnungskosten 809 Mio. €) durch eine Leitlinien-basierte Schmerztherapie mit dem Goldstandard Morphin (günstigste DDD-Kosten 2,25 €) erzielt werden (7 Kap. 10, Analgetika, . Tab. 10.1). Die Angiotensinhemmstoffe sind mit einem kleinen Kostenanstieg (+1,4 %) auf Rang 8 der führenden Indikationsgruppen vorgerückt. Darüber hinaus sind sie seit vielen Jahren die verordnungshäufigste Arzneimittelgruppe mit dem höchsten DDD-Volumen, auf das über 20 % aller verordneten Tagesdosen entfällt. Sie gehören zu den erfolgreichsten Arzneimitteln zur Behandlung der Hypertonie sowie von Herz- und Nierenkrankheiten (7 Kap. 9). Als Angiotensinhemmstoffe werden ACE-Hemmer, Angiotensinrezeptorantagonisten und Renininhibitoren zusammengefasst. Die größten Verordnungsanteile haben ACE-Hemmer (62 %) und Angiotensinrezeptorantagonisten

(38 %), während Renininhibitoren nur sehr geringe Bedeutung haben. Die Dermatika werden erstmals als komplette Indikationsgruppe in der Tabelle der umsatzstärksten Arzneimittelgruppen zusammengefasst, während bisher nur einzelne ATC-Subgruppen dieser Indikation (z. B. Corticoidexterna) verfügbar waren. Das therapeutische Spektrum dieser Indikationsgruppe wurde bisher durch preisgünstige Lokaltherapeutika geprägt. Das hat sich 2018 rasant geändert, weil die Dermatika den höchsten prozentualen Kostenanstieg (18,3 %) aller Indikationsgruppen bei nur geringfügig gestiegenem DDD-Volumen (+1,0 %) zeigen. Hauptgrund sind die beträchtlichen Kosten von drei neuen monoklonalen Antikörpern zur systemischen Behandlung der Psoriasis (Ustekinumab, Secukinumab) und der atopischen Dermatitis (Dupilumab), die 2018 zusammen auf 667 Mio. € (+40,0 %) gestiegen sind und damit 50 % aller Dermatikakosten ausmachen (7 Kap. 26 Dermatika, . Tab. 26.10 und 26.14). Die Virostatika sind 2018 nach einem erneuten starken Kostenrückgang (13,5 %) auf Rang 10 zurückgefallen, was vor allem durch weiter gesunkene Verordnungskosten der Hepatitis-C-Therapeutika auf 345 Mio. € (2017: 493 Mio. €) bedingt ist (7 Kap. 34, Magen-Darmmittel und Lebertherapeutika, . Tab. 34.3). Die zweite Teilgruppe der Virostatika betrifft die antiretroviralen Mittel zur Behandlung der HIV-Infektion, die jetzt höhere Kosten (592 Mio. €) als die HepatitisC-Therapeutika verursacht haben, aber insgesamt ebenfalls leicht rückläufig (4,4 %) waren (7 Kap. 13, Antibiotika und Chemotherapeutika, . Tab. 13.10). Bei den Ophthalmika hat sich der massive Kostenzuwachs der letzten Jahre weitgehend normalisiert (+3,5 %). In dieser traditionell preisgünstigen Indikationsgruppe mit vielen Generika konzentrieren sich die Kosten auf zwei Arzneimittel zur Behandlung der altersbedingten neovaskulären Makuladegeneration (Aflibercept, Ranibizumab). Die Verordnungskosten dieser beiden Präparate betrugen 2018 schon 662 Mio. € und kamen damit

13 1.3  Verordnung führender Arzneimittel

auf 55 % aller Ophthalmikakosten (7 Kap. 38, . Tab. 38.9). Bei den Immunstimulanzien waren die Verordnungskosten ähnlich wie in den letzten fünf Jahren weiter rückläufig (6,4 %). Zu dieser Gruppe gehören gemäß der ATC-Kodierung koloniestimulierende Faktoren (Filgrastim, Lenograstim), Interferone, Glatirameracetat und BCG-Impfstoff sowie weitere Immunstimulanzien (bakterielle, pflanzliche, homöopathische) ohne spezifische pharmakologische Eigenschaften. Der größte Kostenanteil der Immunstimulanzien entfällt auf Betainterferone (499 Mio. €) und Glatirameracetat (245 Mio. €), die beide als parenterale Präparate zur Behandlung der Multiplen Sklerose eingesetzt werden. Seit 2014 haben ihre Verordnungen kontinuierlich abgenommen, weil in zunehmendem Maße orale Präparate mit alternativen Wirkmechanismen bevorzugt werden (7 Kap. 36, . Tab. 36.1). Schließlich sind noch die Lipidsenker erwähnenswert, weil sie nach den Angiotensinrezeptorantagonisten und den Ulkustherapeutika auf das drittgrößte Verordnungsvolumen (2.437 Mio. DDD) kommen. Die Verordnungskosten sind erneut angestiegen (+5,3 %), was vor allem durch eine parallele Zunahme des DDD-Volumens (+5,7 %) bedingt ist. Dominierende Hauptgruppe sind die Statine (Verordnungsanteil 92 %) zur Senkung des LDLCholesterins, mit denen in zahlreichen Studien das Risiko für kardiovaskuläre und zerebrovaskuläre Ereignisse gesenkt wurde (7 Kap. 33, . Tab. 33.1). Auffällig ist der erneute massive Verordnungszuwachs der PCSK9-Inhibitoren (+68 %) trotz der bestehenden Verordnungseinschränkungen und unzureichender Evidenz bei kardiovaskulären Endpunkten (. Tab. 33.2). Insgesamt summieren sich die Mehrkosten der 40 führenden Indikationsgruppen mit gestiegenen Kosten auf 1.430 Mio. € (. Tab. 1.2). In den 15 Indikationsgruppen mit rückläufigen Verordnungskosten wurden insgesamt 532 Mio. € eingespart. Der größte Anteil des Kostenrückgangs entfällt auf die erneute Abnahme bei den Virostatika mit 207 Mio. € (siehe oben). In einigen Indikationsgruppen beruhen

1

die gesunkenen Arzneimittelkosten aber nicht auf einer Abnahme des Verordnungsvolumens, sondern gehen im Gegenteil sogar mit einem erhöhten DDD-Volumen einher. Diese gegenläufige Entwicklung findet sich bei Psychopharmaka, Analgetika, Virostatika und Antiepileptika, die aufgrund weiter zunehmender Generikaverordnungen deutliche Abnahmen der Nettokosten zeigen (. Tab. 1.2).

1.3

Verordnung führender Arzneimittel

Die aktuelle Entwicklung der 30 führenden Arzneimittel nach Nettokosten verdeutlicht weitere Schwerpunkte der Ausgabendynamik des Arzneimittelmarktes. Die Kosten dieser Arzneimittel sind wiederum stärker angestiegen (+9,3 %) als die Kosten des Gesamtmarkts (+3,7 %) und haben damit Mehrausgaben von 848 Mio. € verursacht (. Tab. 1.3). Das bedeutet, dass 2018 fast 60 % des gesamten Kostenanstiegs des GKV-Arzneimittelmarkts durch die 30 führenden Arzneimittel (darunter auch 12 AMNOG-bewertete Produkte) verursacht wurde. Die größte Arzneimittelgruppe der 30 führenden Arzneimittel sind die Onkologika mit zehn Präparaten und Nettokosten von 3.220 Mio. €. Neu hinzugekommen sind drei Onkologika (Keytruda, Imbruvica, Jakavi) mit besonders hohen prozentualen Anstiegen. Nicht mehr vertreten ist Rituximab (MabThera) nach einem starken Verordnungsrückgang um mehr als 50 % infolge des Patentablaufs und der Einführung von mehreren Biosimilars (7 Kap. 37, . Tab. 37.9). Die zweite große Gruppe bilden die TNF’-Inhibitoren, die überwiegend zur Behandlung anderweitig therapierefraktärer Patienten mit rheumatoider Arthritis, aber zunehmend auch bei weiteren Indikationen (ankylosierende Spondylitis, Psoriasisarthritis, Psoriasis, Morbus Crohn, Colitis ulcerosa) eingesetzt werden. Die Präparate Adalimumab (Humira) und Golimumab (Simponi) zeigen

Kapitel 1  Arzneiverordnungen 2018 im Überblick

14

1

. Tabelle 1.3 Führende 30 Arzneimittel 2018 nach Nettokosten. Angegeben sind die Nettokosten im Jahr 2018 mit der prozentualen Änderung und der Änderung in Mio. Euro im Vergleich zu 2017 Rang Präparat

Wirkstoff

Nettokosten Änderung Änderung Mio. € % Mio. €

1

Humira

Adalimumab

1.015,1

4,1

40,0

2

Xarelto

Rivaroxaban

700,5

5,1

33,9

3

Eliquis

Apixaban

660,2

30,8

155,5

4

Revlimid

Lenalidomid

475,3

34,1

120,7

5

Avastin

Bevacizumab

466,4

6,3

31,3

6

Opdivo

Nivolumab

388,7

21,7

69,3

7

Lucentis

Ranibizumab

349,5

2,0

6,8

8

Herceptin

Trastuzumab

338,7

23,6

104,5

9

Eylea

Aflibercept

312,9

5,3

15,8

10

Cosentyx

Secukinumab

308,0

24,9

61,4

11

Stelara

Ustekinumab

307,9

33,3

76,9

12

Enbrel

Etanercept

305,9

21,6

84,3

13

Zytiga

Abirateron

302,3

25,2

60,9

14

Keytruda

Pembrolizumab

301,5

77,7

131,8

15

Gilenya

Fingolimod

273,2

6,1

15,8

16

Novaminsulfon Lichtenstein

Metamizol-Natrium

271,5

3,8

9,9

17

Ibrance

Palbociclib

271,5

25,3

54,8

18

Soliris

Eculizumab

265,7

10,0

24,1

19

Xtandi

Enzalutamid

258,0

2,0

5,1

20

Tecfidera

Dimethylfumarat

245,2

0,4

0,9

21

Copaxone

Glatirameracetat

243,0

6,4

16,7

22

Lantus

Insulin glargin

231,9

5,4

13,2

23

Benepali

Etanercept

229,9

43,5

69,7

24

Imbruvica

Ibrutinib

218,5

26,7

46,0

25

Ibuflam/-Lysin

Ibuprofen

217,3

1,5

3,1

26

Lixiana

Edoxaban

214,9

60,7

81,1

27

Simponi

Golimumab

214,8

3,8

7,8

28

Foster

Formoterol und Beclometason

201,6

10,2

18,6

29

Clexane

Enoxaparin

201,0

16,7

40,2

30

Jakavi

Ruxolitinib

199,0

17,8

30,0

9.989,9

9,3

847,9

3,7

1.427,9

Summe Rang 1–30 Anteil am Gesamtmarkt Gesamtmarkt

24,9 % 40.067,7

15 1.4  Patentgeschützte Arzneimittel

nur noch geringe Zunahmen der Verordnungskosten, während mit Benepali (Etanercept) nach einer hohen prozentualen Zunahme erstmals ein Biosimilar in die Gruppe der führenden Arzneimittel gelangt ist (. Tab. 1.3). Die führenden TNF’-Inhibitoren haben inzwischen Nettokosten von 1.750 Mio. € erreicht. Alle TNF’-Inhibitoren sind vor Inkrafttreten des AMNOG ohne Nutzenbewertung und Erstattungspreisverhandlungen in Deutschland auf den Markt gekommen, so dass mit der Markteinführung von weiteren Biosimilars deutliche Kostensenkungen zu erwarten sind (7 Kap. 4, Biosimilars). Die nächste umsatzstarke Gruppe sind die Präparate der neuen direkten oralen Antikoagulantien, bei denen zusätzlich zu Rivaroxaban (Xarelto) und Apixaban (Eliquis) als weiteres Präparat Edoxaban (Lixiana) nach einem massiven prozentualen Zuwachs in die Gruppe der umsatzstärksten Arzneimittel aufgerückt ist. Die Nettokosten dieser drei Präparate betragen jetzt 1.576 Mio. €. Zur Behandlung der Multiplen Sklerose sind in diesem Sektor drei Präparate vertreten, die zusammen auf Nettokosten von 761 Mio. € kommen. Bemerkenswert ist bei den oralen Präparaten die erneute Zunahme von Fingolimod (Gilenya), während das bisher erfolgreiche Dimethylfumarat (Tecfidera) stagniert. Parenterale Präparate waren rückläufig (Copaxone) oder sind nach erneuter Verordnungsabnahme (Rebif ) nicht mehr in der Spitzengruppe vertreten (7 Kap. 36, Pharmakologische Behandlung der multiplen Sklerose, . Tab. 36.1). Weitere teure Arzneimittel sind die zwei VEGF-Antikörper (Lucentis, Eylea) zur Behandlung der neovaskulären altersabhängigen Makuladegeneration, die trotz des weltweiten Off-Label-Einsatzes des erheblich preiswerteren VEGF-Antikörpers Bevacizumab (Avastin) weiter leicht steigende Verordnungskosten aufweisen (7 Kap. 38, Ophthalmika, . Tab. 38.9). Die Nettokosten dieser beiden Präparate betragen jetzt 662 Mio. €. Schließlich ist zu erwähnen, dass zwei besonders verordnungsintensive Generika (Novaminsulfon Lichtenstein, Ibuflam) mit nur gerin-

1

gen Zuwächsen ihren Platz in der Spitzengruppe der 30 kostenstärksten Arzneimittel behalten haben. Daneben sind unter den 30 führenden Arzneimitteln noch sieben weitere patentfreie Arzneimittel aus der Gruppe der Biologika (Humira, Herceptin, Enbrel, Lantus, Benepali, Clexane) und der Nicht-Biologika (Copaxone) vertreten. Fünf führende Präparate des Vorjahres (MabThera, Remicade, Spiriva, Symbicort, Rebif ) sind nach ausgeprägten Verordnungsrückgängen nicht mehr unter den 30 umsatzstärksten Arzneimitteln vertreten, weil sie Verordnungen an neu eingeführte Biosimilars oder Generika verloren haben.

1.4

Patentgeschützte Arzneimittel

Patentgeschützte Arzneimittel waren über viele Jahre Hauptursache der steigenden GKVArzneimittelausgaben. In den letzten 20 Jahren sind die Umsätze patentgeschützter Arzneimittel von 6,7 Mrd. € im Jahre 1999 mit zwei Unterbrechungen auf 19,8 Mrd. € im Jahre 2018 gestiegen und erhöhten damit gleichzeitig ihren Umsatzanteil am Gesamtmarkt von 35,6 % auf 46,2 % (. Abb. 1.3). In den letzten beiden Jahren hat sich die Wachstumsdynamik der Patentarzneimittel jedoch abgeschwächt, so dass sie 2018 einen etwas geringeren Anteil (669 Mio. €) als die Nicht-Patentarzneimittel (734 Mio. €) an dem gestiegenen Arzneimittelumsatz im Gesamtmarkt (1,365 Mrd. €) hatten (. Tab. 1.1). Ob das eine zufällige Entwicklung oder ein Zeichen der zunehmend greifenden Effekte der Nutzenbewertung und der vereinbarten Erstattungsbeträge ist, wird sich erst an der Entwicklung in den nächsten Jahren zeigen. Eine rückläufige Bedeutung der teuren Patentarzneimittel für die Kostenentwicklung deutet sich 2018 vor allem im Bereich der Biologika an, da Patentarzneimittel in diesem Sektor nur einen relativ moderaten Umsatzanstieg (2,6 %) hatten, während patentfreie Biologika vor allem bei den Biosimilars (+77,0 %) aber auch bei den biosimilarfähigen Erstanbieterpräparaten (+12,6 %) kräftig zunahmen (. Tab. 1.1).

1

16

Kapitel 1  Arzneiverordnungen 2018 im Überblick

1.4.1

Internationale Preisvergleiche

Seit vielen Jahren ist bekannt, dass die Arzneimittelpreise für Patentarzneimittel in Deutschland höher liegen als in anderen Ländern (Simoens 2007; Garattini et al. 2008; Jönsson et al. 2008; Europäisches Parlament 2011; Kanavos et al. 2011; Vogler et al. 2014). Hauptgrund für die großen Preisunterschiede ist die Tatsache, dass Deutschland bis zum Inkrafttreten des AMNOG keinerlei Preiskontrollen bei der Markteinführung patentgeschützter Arzneimittel durchführte. Die Hersteller patentgeschützter Arzneimittel konnten den Arzneimittelpreis bis Ende 2010 generell frei festlegen. Das hat sich mit Inkrafttreten des AMNOG zu Beginn des Jahres 2011 grundsätzlich geändert. Für Arzneimittel mit einem Zusatznutzen werden gemäß AMNOG (§ 130b Absatz 1 SGB V) Erstattungsbeträge in zentralen Verhandlungen des GKV-Spitzenverbands mit den pharmazeutischen Unternehmern vereinbart. Das gleiche gilt für Arzneimittel ohne Zusatznutzen, die keiner Festbetragsgruppe zugeordnet werden. Bei der Festlegung von Erstattungsbeträgen soll auch die Höhe des tatsächlichen Abgabepreises in anderen europäischen Ländern berücksichtigt werden (§ 130b, Absatz 9, SGB V). Allein schon dafür sind internationale Preisvergleiche erforderlich. Die methodischen Probleme internationaler Preisvergleiche sind keineswegs gelöst, zumal solche Untersuchungen aus ganz unterschiedlichen Motiven durchgeführt werden (Wagner und McCarthy 2004; Machado et al. 2011). Eine zuverlässige Methode für aussagefähige Preisvergleiche besteht darin, identische Arzneimittelpackungen zu vergleichen, auch wenn damit nur ein begrenztes Segment des Arzneimittelmarktes untersucht werden kann, weil Packungsgrößen und Dosisstärken in einigen Ländern verfügbar sind, in anderen aber nicht (Wagner und McCarthy 2004). Aus diesem Grunde wurde im ArzneiverordnungsReport die Methode des Preisvergleichs mit den jeweils umsatzstärksten Arzneimittelpa-

ckungen für Schweden, Großbritannien, Niederlande und Frankreich angewendet. Mit dieser Methode wurden erhebliche Einsparpotenziale für den deutschen Patent- und Generikamarkt berechnet. Auch der Vergleich mit Bruttoinlandsprodukt-adjustierten Herstellerabgabepreisen aus 8 europäischen Ländern ergab im deutschen Markt für Patentarzneimittel nach Berücksichtigung des gesetzlichen Herstellerabschlags und der Einsparungen durch Erstattungsbeträge für AMNOG-Arzneimittel ein theoretisches Einsparpotenzial, das für die Jahre 2015 und 2016 1,44 Mrd. € bzw. 1,50 Mrd. € und damit 13 % des Herstellerumsatzes betrug (Arzneiverordnungs-Report 2016 und 2017, Kap. 7, Europäischer Preisvergleich für patentgeschützte Arzneimittel). Die Erstattung von Arzneimitteln in Deutschland unterscheidet sich aber weiterhin in zentralen Punkten von anderen europäischen Ländern. In Deutschland kann der pharmazeutische Unternehmer ein neues patentgeschütztes Arzneimittel weiterhin zu einem frei festgelegten Listenpreis auf dem Markt bringen, der bereits ab dem ersten Tag der Markteinführung von den Krankenkassen erstattet werden muss. Aber erst ein Jahr nach der Markteinführung gilt der vom GKVSpitzenverband und dem pharmazeutischen Unternehmer vereinbarte Erstattungsbetrag für neue Arzneimittel. Um übermäßige Preisforderungen der pharmazeutischen Unternehmer im ersten Jahr nach der Markteinführung zu limitieren, müsste der spätere Erstattungspreis rückwirkend ab erstem Tag des Marktzugangs gelten. Aber selbst der nur begrenzte Ansatz im Referentenentwurf des GKV-Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetzes (AM-VSG) von 2016, wonach der Erstattungsbetrag rückwirkend nur für die wenigen Produkte mit einen Umsatz von 250 Mio. € im ersten Jahr gelten sollte, wurde in der Endfassung des Gesetzes noch gestrichen. Da die Erstattungsbeträge nicht schon bei der Markteinführung gültig sind, belaufen sich die Mehrkosten der freien Preisbildung im ersten Jahr einschließlich Preisänderungen nach Neubewertungen seit 2011 auf 1.521 Mio. €, davon 201 Mio. € im Jahre 2018

17 1.4  Patentgeschützte Arzneimittel

(7 Kap. 6, Der GKV-Arzneimittelmarkt 2018: Trends und Marktsegmente, 7 Abschn. 6.4.4). Die Erstattung frei festgelegter Arzneimittelpreise während des ersten Jahres nach der Markteinführung eines neuen Arzneimittels wird in keinem anderen europäischen Land in dieser Form praktiziert. Mit wenigen Ausnahmen entscheiden in den anderen europäischen Ländern die zuständigen Institutionen zunächst über die Erstattungsfähigkeit und den Erstattungspreis eines Arzneimittels. Zentraler Ansatz der Preisregulierung stellt in den meisten europäischen Ländern die internationale Preisreferenzierung dar, die allerdings bei hochpreisigen Medikamenten meist nur als erster Schritt angewandt wird. In der Folge werden mit den pharmazeutischen Unternehmern die Erstattungspreise verhandelt und diese in vertraulichen Rabattverträgen vereinbart. Vertragliche Rabattabkommen sind in anderen Ländern vor allem ein Instrument zur Steuerung des Marktzugangs für hochpreisige Patentarzneimittel, während in Deutschland die Rabattverträge überwiegend den generikafähigen Markt betreffen (7 Kap. 6, 7 Abschn. 6.4.2). Die mangelhafte Transparenz von Arzneimittelpreisen wird seit vielen Jahren kritisiert (z. B. Vogler und Paterson 2017). Kürzlich hat die Weltgesundheitsorganisation eine Resolution zur Verbesserung der Transparenz der Märkte für Arzneimittel, Impfstoffe und andere Gesundheitsprodukte verabschiedet, die von 20 Mitgliedsstaaten (darunter die EU-Staaten Griechenland, Italien, Luxemburg, Malta, Portugal, Slowenien, Spanien) eingebracht wurde. In der Resolution werden die Mitgliedstaaten aufgefordert, durch wirksame gesetzliche Maßnahmen für mehr Transparenz von Forschungskosten und Preisen für Arzneimittel und Impfstoffe zu sorgen, um den Zugang zu Gesundheitsprodukten weltweit zu verbessern (World Health Organization 2019). Deutschland, Ungarn und das Vereinigte Königreich distanzierten sich förmlich von der angenommenen Resolution, da die Debatte nicht alle möglichen Auswirkungen vollständig berücksichtigt habe. Nach Auffassung des Bundesministeriums für Gesundheit sind die Arzneimittelprei-

1

se in Deutschland transparent, wenn auch die Arzneimittelrabatte als Geschäftsgeheimnisse anerkannt werden, die zwischen Industrie und Krankenkassen ausgehandelt werden. Die Position der Bundesregierung hat für heftigen Streit mit verschiedenen Hilfsorganisationen (Ärzte ohne Grenzen, Brot für die Welt) sowie Vertretern der Grünen und der Linken gesorgt (Deutsche Ärzteblatt 2019a).

1.4.2

Kosten neuer Patentarzneimittel

Die enorme Kostendynamik der patentgeschützten Arzneimittel zeigt sich nicht nur am gesamten Umsatzvolumen der Gruppe sondern auch an den Jahrestherapiekosten der neueingeführten Arzneimittel. Im Jahre 2018 wurden in Deutschland 37 Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen auf den Markt gebracht (7 Kap. 3, . Tab. 3.1). Davon kosteten 24 Patentarzneimittel mehr als 20.000 € pro Jahr (. Tab. 1.4). Die Jahrestherapiekosten lassen keinerlei Relation zu dem therapeutischen Nutzen erkennen, denn nach der frühen Nutzenbewertung des G-BA war bei 18 dieser besonders teuren Arzneimittel ein Zusatznutzen nicht quantifizierbar oder nicht belegt. Neben den Jahrestherapiekosten pro Patient wird im Rahmen der Nutzenbewertung auch die Anzahl der für die Behandlung infrage kommenden Patienten für das neue Arzneimittel ermittelt. Für die Kostenträger sind nicht nur die Jahrestherapiekosten pro Patient, sondern vor allem die absoluten jährlichen Gesamtkosten eines neuen Arzneimittels von Bedeutung. Dazu werden im Rahmen der Nutzenbewertung keine Feststellungen getroffen, obwohl die dafür notwendigen Zahlen mit der Nutzenbewertung publiziert werden. Die Gesamtkosten eines neuen Arzneimittels, die mit der indikationsbezogenen Erstattung auf für die GKV zukommen, ergeben sich aus der Multiplikation der Jahrestherapiekosten mit der Anzahl der für die Behandlung infrage kommenden Patienten, was in der Gesundheitsökono-

18

1

Kapitel 1  Arzneiverordnungen 2018 im Überblick

. Tabelle 1.4 Jahrestherapiekosten neuer Arzneimittel 2018 und Zahl der zu behandelnden Patienten gemäß Angaben in den Nutzenbewertungen des G-BA sowie GKV-Gesamtkosten. Jahrestherapiekosten bei Arzneimitteln ohne Bewertung nach Daten im 7 Kap. 3 (Neue Arzneimittel 2018) Wirkstoff

Handelsname

Jahrestherapiekosten €

Zahl der Patienten

Abemaciclib

GKVZusatznutzen Gesamtkosten Mio. €

Verzenios

41.009

85.155

3.492,1

Allogene T-Zellen, genetisch modifiziert

Zalmoxis

473.687

120

56,8

Benralizumab

Fasenra

21.113

43.400

916,3

Gering

Bezlotoxumab

Zinplava

3.465

22.200

76,9

Gering

Bictegravir + Emtricitabin + Tenofoviralafenamid

Biktarvy

11.193

33.350

373,3

Nicht belegt

Binimetinib

Mektovi

86.175

695

59,9

Nicht belegt

Burosumab

Crysvita

356.852

350

124,9

Nicht quantifizierbar

Caplacizumab

Cablivi

264.583

150

39,7

Nicht quantifizierbar

Cariprazin

Reagila

3.374

261.500

882,4

Desfesoterodin

Tovedeso

Durvalumab

Imfinzi

122.696

1.700

208,6

Emicizumab

Hemlibra

741.648

100

74,2

Encorafenib

Braftovi

87.663

1.390

121,8

Nicht belegt

Erenumab

Aimovig

12.435

2.434.500

30.273,0

Beträchtlich

Ertugliflozin + Sitagliptin

Steglujan

1.146

333.600

382,3

Nicht belegt

Gemtuzumab Ozogamicin

Mylotarg

36.675

855

31,4

Nicht quantifizierbar

Glycerolphenylbutyrat

Ravicti

78.322

175

13,7

Nicht quantifizierbar

Inotersen

Tegsedi

486.983

350

170,4

Nicht quantifizierbar

Letermovir

Prevymis

37.814

1.400

52,9

Nicht quantifizierbar

Methacetin

LiMAXetin

Metreleptin

Myalepta

949.794

135

128,2

Ocrelizumab

Ocrevus

31.426

173.750

5.460,3

Padeliporfin

Tookad

Patiromer

Veltassa

Patisiran

240

Nicht belegt Nicht quantifizierbar

Gering Ohne G-BA-Bewertung

240

Beträchtlich Nicht quantifizierbar

Ohne G-BA-Bewertung Nicht quantifizierbar Gering Ohne G-BA-Bewertung

8.943

61.700

551,8

Nicht belegt

Onpattro

503.155

350

176,1

Beträchtlich

Rurioctocog alfa pegol

Adynovi

579.197

3.015

1.746,3

Nicht belegt

Semaglutid

Ozempic

2.158

1.526.600

3.293,9

Nicht belegt

Sonidegib

Odomzo

82.757

240

19,9

Nicht belegt

19 1.4  Patentgeschützte Arzneimittel

1

. Tabelle 1.4 (Fortsetzung) Wirkstoff

Handelsname

Jahrestherapiekosten €

Zahl der Patienten

GKVZusatznutzen Gesamtkosten Mio. €

Streptozocin

Zanosar

Tezacaftor + Ivacaftor

Symkevi

213.968

2.650

567,0

Beträchtlich

Tildrakizumab

Ilumetri

20.888

159.300

3.327,5

Nicht belegt

Tilmanocept

Lymphoseek

Tisagenlecleucel

Kymriah

320.000

Trientin

Cuprior

153.381

Ohne G-BA-Bewertung

Varicella-Zoster-Virus1 -Glykoprotein-E-Antigen

Shingrix

227

Ohne G-BA-Bewertung

Velmanase alfa

Lamzede

419.368

105

44,0

Nicht quantifizierbar

Vestronidase alfa

Mepsevii

1.075.998

2–7

4,8

Nicht quantifizierbar

Ohne G-BA-Bewertung

1.607

Summe

mie als sogenannte Budget-Impact-Analyse bezeichnet wird. Mit dieser Methode wurden die GKV-Gesamtkosten für die 37 neuen Arzneimittel des Jahres 2018 berechnet (. Tab. 1.4). Daraus resultieren zwei auffällige Ergebnisse. Erstens verursachen extrem teure Arzneimittel nicht in allen Fällen sehr hohe GKV-Gesamtkosten, wie das Beispiel der Vestronidase alfa (Mepsevii) für die Enzymersatztherapie von Patienten mit Mucopolysaccharidose VII zeigt. Trotz der höchsten Jahrestherapiekosten (1,076 Mio. €) hat es die geringsten GKV-Gesamtkosten von 4,8 Mio. €, weil es nur wenige Patienten mit dieser seltenen Krankheit gibt (. Tab. 1.4). Noch auffälliger ist das zweite Ergebnis, dass mehrere neue Arzneimittel auf rechnerische Milliardenkosten kommen, die jedoch jenseits aller Realitäten des deutschen GKVArzneimittelmarktes liegen. Die Summe der berechneten GKV-Gesamtkosten der 37 neuen Arzneimittel des Jahres 2018 beträgt 52,9 Mrd. € und ist in dieser Höhe absolut unrealistisch, da sie sogar noch über den jährlichen Gesamtnettokosten des GKV-Arzneimittelmarktes von 40,1 Mrd. € liegt (. Tab. 1.1). Die-

Ohne G-BA-Bewertung 628

201,0

Nicht quantifizierbar

52.871,4

se riesige Milliardensumme verdeutlicht aber die Preispolitik und potenzielle Umsatzziele der pharmazeutischen Unternehmer. Denn die Preisforderungen haben durchaus einen realen Hintergrund, weil nicht nur die Preise neuer Arzneimittel, sondern auch die Anzahl der für die Behandlung infrage kommenden Patienten im Dossier für die Nutzenbewertung angegeben werden müssen. Um solche potenziell hohen Milliardenkosten abzuwenden, gibt es lediglich allgemeine Empfehlungen, aber keine gesetzlichen Regelungen. So wird empfohlen, neue Arzneimittel bis zur Nutzenbewertung und der Festlegung des Erstattungsbetrags äußerst zurückhaltend zu verordnen, weil Krankenkassen die Verordnung eines Arzneimittels ohne Zusatznutzen, dessen Preis über dem vergleichbarer Medikamente liegt, als unwirtschaftlich ansehen (Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg 2019). Geplante gesetzliche Regelungen zur Beschränkung der Umsätze infolge überhöhter Arzneimittelpreise im ersten Jahr nach der Markteinführung wurden im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens für das AMVSG wieder gestrichen (7 Abschn. 1.4.1).

20

1

Kapitel 1  Arzneiverordnungen 2018 im Überblick

Der krasseste Fall von potenziellen Milliardenkosten für die GKV durch neue Patentarzneimittel des Jahres 2018 ist das Biologikum Erenumab (Aimovig) zur Migräneprophylaxe, das uneingeschränkt für alle Patienten mit mindestens 4 Migränetagen pro Monat zugelassen ist. Gemäß Nutzenbewertung beträgt die Anzahl der für die Behandlung infrage kommenden Patienten insgesamt 2,435 Mio. Patienten. Bei Jahrestherapiekosten von 12.435 € und der Verschreibung an alle Patienten ergeben sich für Erenumab theoretisch GKV-Gesamtkosten von 30,3 Mrd. € (. Tab. 1.4). So hohe Milliardenkosten sind weit weg von der praktischen Realität. Denn amerikanische Analysten erwarten zwar, dass Erenumab einen Blockbusterstatus erreichen wird, die Umsatzprognose liegt jedoch nur bei 1,6 Mrd. $ für 2024 (Mullard 2019). Auch aus anderen Gründen sind so hohe Milliardenkosten unwahrscheinlich. So empfehlen Kassenärztliche Vereinigungen eine äußerst zurückhaltende Verordnung neuer Arzneimittel bis zur Nutzenbewertung. Inzwischen liegt jedoch das Ergebnis der Nutzenbewertung von Erenumab vor. Bei Patienten mit unzureichendem Ansprechen oder Unverträglichkeit auf mindestens eine prophylaktische Medikation (Anzahl 2.409.500 Patienten) und mehrere medikamentöse Therapien (Anzahl 10.500 Patienten) war ein Zusatznutzen nicht belegt. Nur bei Patienten, die auf keine der bisher verfügbaren medikamentösen Therapien ansprechen oder sie nicht vertragen, hat die Nutzenbewertung einen Anhaltspunkt für einen beträchtlichen Zusatznutzen ergeben. Die Zahl der für diese Subgruppe infrage kommenden Patienten wurde mit 14.000 bis 15.000 angegeben, so dass GKV-Gesamtkosten von 198 Mio. € resultieren, wenn alle diese Patienten mit dem neuen Migräneprophylaktikum behandelt würden. Bei den beiden Patientengruppen ohne Zusatznutzen würde aber die Behandlung immer noch riesige Kosten verursachen, selbst wenn nur 5 % dieser Patienten tatsächlich behandelt würden. Für die Lösung des Kostenproblems kommen mehrere Möglichkeiten in Betracht. Der G-BA kann ein Arzneimittel ohne Zusatznut-

zen von der Verordnung für bestimmte Patientengruppen ausschließen, wie das für die PCSK9-Inhibitoren geschehen ist. Bisher wurde ein solcher Verordnungsausschluss von Erenumab nicht beschlossen, obwohl er von dem pharmazeutischen Unternehmer für die beiden Patientengruppen ohne Zusatznutzen vorgeschlagen wurde (Gemeinsamer Bundesausschuss 2019). Eine weitere Möglichkeit der Kostensenkung ist die Vereinbarung eines Erstattungsbetrages in Form eines Mischpreises durch den GKV-Spitzenverband, da der G-BA für die drei Patientensubgruppen verschiedene zweckmäßige Vergleichstherapien festgelegt und den Zusatznutzen unterschiedlich bewertet hat. Die Berechnung eines solchen Mischpreises wird jedoch auf große praktische Schwierigkeiten stoßen, da die zweckmäßige Vergleichstherapie von Erenumab ausschließlich aus Generika besteht und bei 99,4 % der für die Behandlung infrage kommenden Patienten kein Zusatznutzen belegt ist. Schließlich besteht noch die Möglichkeit, dass Kassenärztliche Vereinigungen und Krankenkassen Strukturverträge nach § 73a SGB V abschließen, um die Versorgungsqualität und die Wirtschaftlichkeit besonders teurer Arzneimittel zu erhöhen, wie das für die Therapie der Hepatitis C in einem Vertrag der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein und der AOK Rheinland/Hamburg (2016) geschehen ist. Dieser Strukturvertrag hat zum Ziel, die Versorgung der Patienten durch qualitätsgesicherte Behandlung (zulassungskonforme Verordnung der HCV-Therapie, verbindlich orientiert an die Praxisempfehlungen des Berufsverbandes niedergelassener Gastroenterologen, Bewertung des Zusatznutzens berücksichtigend) zusätzlich kosteneffektiv zu gestalten, während im Gegenzug die AOK Nordrhein/Hamburg auf die Durchführung regelhafter Regresse verzichtet (Simon et al. 2015). In den aktuellen Empfehlungen zur Therapie der chronischen Hepatitis C wird bei fehlendem Zusatznutzen durch den G-BA eine Weiterverordnung im Falle höherer Kosten gegenüber der Vergleichstherapie nicht mehr als wirtschaftlich eingestuft (Berufsverband niedergelassener Gastroente-

1

21 1.5  Generika

rologen 2018). In der Realität bewirkt ein solcher Strukturvertrag den Verordnungsverzicht von neuen Arzneimitteln ohne belegten Zusatznutzen auf regionaler Ebene. Man darf also gespannt sein, wie die Kostenprobleme eines so teuren Arzneimittels wie Erenumab mit seinen beträchtlichen Jahrestherapiekosten und GKVGesamtkosten gelöst werden. 1.5

Generika

Der Verordnungsanteil der Generika ohne patentfreie generikafähige Erstanbieterpräparate am Gesamtmarkt ist seit 1999 von 47,1 % auf 76,2 % im Jahre 2018 angestiegen (. Abb. 1.4). Im Vergleich zu den im Vorjahr publizierten Daten ergeben sich für 2018 Abweichungen, weil sich die aktuelle Zahl von 496 generikafähigen Wirkstoffen gegenüber dem Vorjahr (482) erneut erhöht hat. Einen vollständigen Überblick über den prozentualen Anteil der Generikaverordnungen von generikafähigen Wirkstoffen gibt die ergänzende statistische Übersicht (7 Kap. 48, . Tab. 48.9). Darun-

ter sind vier generikafähige Arzneimittel mit Nettokosten von über 30 Mio. €: Simvastatin/Ezetimib (93,9 Mio. €), Ezetimib (66,7 Mio. €), Olmesartan/Amlodipin (52,5 Mio. €) und Calcipotriol/Betamethason (37,3 Mio. €) (7 Kap. 6, . Tab. 6.4). Ein wesentliches Hemmnis für eine zügige Bildung von Festbetragsgruppen ist die relativ lange Dauer des Verfahrens und die gesetzliche Vorgabe, dass mindestens ein Fünftel aller Verordnungen und mindestens ein Fünftel aller Packungen zum Festbetrag verfügbar sein müssen (§ 35 Absatz 5 SGB V). So hatten von den 33 Wirkstoffen, die 2017 patentfrei wurden, 13 Wirkstoffe 2018 immer noch einen Verordnungsanteil von weniger als 20 % (7 Kap. 6, . Tab. 6.4) und konnten daher nicht unter Festbetrag genommen werden. Wie groß der Preisunterschied von generikafähigen Erstanbieterpräparaten zu Generika ist, zeigt das Beispiel des 2018 patentfrei gewordenen Ezetimib, das mit dem aktuellen Packungspreis als Originalpräparat (Ezetrol 100 Tbl. 100 mg 178,48 €) vierfach teurer als das preisgünstigste Generikum (Ezetimib beta 100 Tbl. 10 mg 45,33 €) ist. In den Nieder-

80 Verordnungen

Umsatz

72,9 68,6

70

70,1

74,6

75,2

75,7

76,4

76,1

76,4 76,2

71,1

65,3 60,0 60

57,3

Anteil in %

54,3

55,2

52,3 49,0

50

50,2

47,1 40

31,4 30

34,3

35,9

36,4

36,8

35,9

34,7

35,3

36,7

37,0

36,2

35,6 32,5

31,9 30,0

20 1999

34,6

2000 2001

29,9

30,4

2002

2003

31,5 29,4

2004 2005 2006 2007

2008 2009 2010

2011

2012

2013

2014

2015

2016

2017 2018

. Abb. 1.4 Anteil der Generika am Gesamtmarkt 1999 bis 2018 (ab 2001 mit neuem Warenkorb und ab 2016 mit Zubereitungen)

22

1

Kapitel 1  Arzneiverordnungen 2018 im Überblick

landen ist derzeit das preisgünstigste Generikum (Ezetimib Medical Valley 100 Tbl. 10 mg 5,55 €) sogar 30-fach billiger als das deutsche Originalpräparat. Da in Deutschland 2018 die Ezetimibpräparate mit Nettokosten von insgesamt 66,7 Mio. € verordnet wurden und die definierte Tagesdosis (DDD) im Durchschnitt 1,27 € kostete (7 Kap. 33, . Tab. 33.2), könnten wir mit einem niederländischen Ezetimibpreis 60,7 Mio. € der Verordnungskosten einsparen. Das Beispiel zeigt in überzeugender Weise, dass bei der Festsetzung von Festbeträgen nicht nur deutsche sondern auch europäische Preise von Generika einbezogen werden sollten, in ähnlicher Weise wie bei der Vereinbarung von Erstattungsbeträgen von neuen Arzneimitteln auch die Preise in anderen europäischen Ländern zu berücksichtigen sind. Ebenso zeigen Berechnungen zum internationalen Biosimilarmarkt, dass ein Festbetragsmodell mit deutschen Arzneimittelpreisen eine Einsparung von 18 % erzielen würde, während das gleiche Festbetragsmodell mit den Preisen in mehreren europäischen Ländern sogar eine Einsparung von 44 % erreichen könnte (7 Kap. 8, . Tab. 8.6). Die größte prozentuale Zunahme der Generikaverordnungen gab es nach Inkrafttreten des Arzneimittelversorgungs-Wirtschaftlichkeitsgesetzes (AVWG) im Jahre 2007 (. Abb. 1.4). Im Jahre 2004 ist der Umsatzanteil der Generika als Folge der geänderten Arzneimittelpreisverordnung kräftig angestiegen. Dieser hohe Zuwachs beruhte speziell auf der Verteuerung preiswerter Generika durch einen einheitlichen Festzuschlag von 8,10 € pro verschreibungspflichtiges Fertigarzneimittel und war kein Zeichen einer erhöhten Verordnung von Generika. Nach einem neuen Maximum mit einem Umsatzanteil von 37,0 % im Jahre 2013 war das anteilige Umsatzvolumen der Generika am Gesamtmarkt in den letzten fünf Jahren wieder rückläufig und hat 2018 nur noch einen Anteil von 29,4 % (. Abb. 1.4). Die Verordnung von Generika trägt seit 30 Jahren zur Dämpfung der Arzneimittelausgaben bei. Daher wurde im Arzneiverordnungs-Report regelmäßig das Einsparpotenzial

von Generika auf der Basis der preisgünstigsten deutschen Generika berechnet. Die erste Berechnung wurde für die Verordnungsdaten des Jahres 1987 durchgeführt und ergab ein Einsparpotenzial vom 818 Mio. € (1,6 Mrd. DM) für den damaligen Generikamarkt von 3.597 Mio. € (7.035 Mio. DM) (Arzneiverordnungs-Report 1988, Überblick über die Arzneiverordnungen im Jahre 1987). Die berechneten Einsparpotenziale der Generika stiegen bis 2010 auf 1.584 Mio. € (. Abb. 1.5). Seit 2003 haben die Krankenkassen die Möglichkeit, mit Arzneimittelherstellern Rabattverträge abzuschließen, die 2007 mit der Verpflichtung der Apotheker zur Abgabe rabattierter Arzneimittel wesentlich effektiver wurden. Bereits vier Jahre später erreichten die Rabatterlöse der Krankenkassen 1.721 Mio. €. Damit wurden die berechneten Einsparpotenziale der Generika auf Ebene der Listenpreise schon nach wenigen Jahren durch die Rabattverträge abgeschöpft. Inzwischen sind die Rabatterlöse im Jahre 2018 weiter auf 4.503 Mio. € (Vorjahr 4.033 Mio. €) angestiegen (. Abb. 1.5), so dass rabattierte Generika meistens deutlich kostengünstiger sind, als es die niedrigsten Listenpreise ausweisen (7 Kap. 6, 7 Abschn. 6.4.2 Arzneimittel-Rabattverträge). Wie bereits mehrfach dargestellt, sind die Generikapreise in Deutschland deutlich höher als in vielen europäischen Nachbarländern. Teilweise sind die hohen deutschen Generikapreise durch unsere gesetzlichen Regelungen (Apothekenfestzuschlag von derzeit 8,51 € pro Packung, voller Mehrwertsteuersatz von 19 %) bedingt, wodurch gerade preisgünstige Generika überproportional verteuert werden. Aber auch ein Preisvergleich der Generika auf der Basis der Herstellerabgabepreise hat gezeigt, dass Deutschland zusammen mit Frankreich und den Niederlanden das höchste Preisniveau hatte (Simoens 2007). Das wurde in den vorangegangenen Jahren durch exemplarische Preisvergleiche der umsatzstärksten deutschen Generika und generikafähigen Wirkstoffe mit entsprechenden schwedischen, britischen und niederländischen Arzneimitteln auf der Basis der jeweils umsatzstärksten Packungsgrößen be-

1

23 1.6  Biosimilars

5.000 Generikaeinsparpotenziale Rabatterlöse

4.503

3.888

4.000

4.033

3.655 3.186 2.972

Mio. Euro

3.000 2.375

2.000

1.721

1.584 1.412

1.334

1.552 1.000

846

1.116

1.455

1.309

310 0 2007

2008

2009

2010

2011

2012

2013

2014

2015

2016

2017

2018

. Abb. 1.5 Einsparpotenziale von Generika mit jeweils preisgünstigen deutschen Präparaten und Rabatterlöse der Krankenkassen gemäß § 130a Abs. 8 SGB V von 2007 bis 2018

stätigt (Arzneiverordnungs-Report 2010, 2011, Trends und Marktsegmente, . Abb. 6.10). Sie 2012 und 2015, jeweils Tab. 1.6). haben sich 2018 fast verdoppelt und betragen jetzt schon 538 Mio. € (Vorjahr: 279 Mio. €), sind aber im Vergleich zu den Einsparpotenzia1.6 Biosimilars len bei den Generika noch sehr gering, da die Verkaufspreise der Biosimilars immer noch reDer Markt der Biosimilars ist seit 2010 sprung- lativ hoch liegen. Bei der Berechnung der Einsparpotenziahaft gewachsen, erkennbar an einer 13-fachen Zunahme der Nettokosten von 75 Mio. € auf le ist allerdings zu berücksichtigen, dass bis989 Mio. € im Jahre 2018 (7 Kap. 4, Biosi- her alle biosimilarfähigen Biologika vor Inmilars, . Abb. 4.1). Allerdings ist der pro- krafttreten des AMNOG ohne Nutzenbewerzentuale Anteil der Biosimilars am biosimi- tung und ohne Verhandlung eines Erstattungslarfähigen Gesamtmarkt mit 24,6 % weiter- preises auf den Markt kamen. Aufgrund der hin nicht viel höher als im Jahre 2010 (da- freien Preisbildung waren die deutschen Preimals 20,5 %). Beim DDD-Volumen liegt der se von Patentarzneimitteln und insbesondere Anteil der Biosimilars sogar noch niedriger von Biologika schon immer teurer als in andeund beträgt mit 65 Mio. DDD nur 6,6 % an ren europäischen Ländern. Das zeigt das Beiden 978 Mio. DDD des biosimilarfähigen Ge- spiel des umsatzstärksten deutschen Arzneisamtmarktes (. Tab. 1.1). Die Einsparpotenzia- mittels Humira (Wirkstoff Adalimumab), das le durch Umstellung auf das jeweils preisgüns- 2018 mit Nettokosten von 1.015 Mio. € an der tigste Biosimilar sind 2018 ebenfalls gestiegen Spitze der umsatzstärksten Arzneimittel steht (7 Kap. 6, Der GKV-Arzneimittelmarkt 2018: (. Tab. 1.3). Schon 2012 haben wir durch ei-

24

1

Kapitel 1  Arzneiverordnungen 2018 im Überblick

nen internationalen Preisvergleich nachgewiesen, dass Humira 16,5 % teurer war als in den Niederlanden, wenn die deutschen Nettokosten nach Abzug der gesetzlichen Abschläge und die unterschiedlichen deutschen und niederländischen Mehrwertsteuersätze berücksichtigt wurden (Arzneiverordnungs-Report 2012, Kap. 1, Tab. 1.4). Die bisher mit deutschen Preisen berechneten Einsparpotenziale durch Biosimilars sind etwa doppelt so hoch, wenn als Vergleich europäische Biosimilarpreise herangezogen werden (7 Kap. 8, . Tab. 8.6). Um diese höheren Einsparpotenziale zu realisieren, sollte ein Erstattungspreis für Biosimilars auf der Basis eines Preisvergleichs mit anderen europäischen Länden wie bei den patentgeschützten Biologika gesetzlich verankert werden. Mit einer solchen Preisverhandlung könnten Kosteneinsparungen in dem schnell wachsenden Sektor der biosimilarfähigen Biologika wesentlich effektiver und möglicherweise auch schneller als derzeit erzielt werden. Der Nettokostenanteil der Biosimilars und biosimilarfähigen Biologika (4,846 Mrd. €) am Gesamtmarkt der Biologika (12,994 Mrd. €) beträgt derzeit 37,3 % und liegt damit deutlich niedriger als der Kostenanteil von allen generikafähigen Arzneimitteln (15,435 Mrd. €) am Gesamtmarkt der NichtBiologika (26,088 Mrd. €) 59,2 % (. Tab. 1.1). In Anbetracht der in Zukunft zunehmenden Bedeutung der Biosimilars werden Eigenschaften, Zulassung, Austauschbarkeit und Verordnung dieser Untergruppe der biologischen Arzneimittel in einem eigenen Kapitel dargestellt (7 Kap. 4, Biologika und Biosimilars).

1.7

Orphan-Arzneimittel

Orphan-Arzneimittel sind Medikamente zur Behandlung seltener Krankheiten. Trotzdem haben sie seit vielen Jahren einen hohen Anteil an den neu zugelassenen Arzneimitteln. Im Jahre 2018 sind unter den 37 Neueinführungen 13 Orphan-Arzneimittel entsprechend einem Anteil von 35 % vertreten (7 Kap. 3,

. Tab. 3.1). Orphan-Arzneimittel haben na-

turgemäß nur kleine Verordnungsvolumina und erreichten 2018 in Deutschland insgesamt nur 20,6 Mio. DDD (7 Kap. 5, . Abb. 5.2). Das sind gerade einmal 0,05 % des gesamten DDD-Volumens von 41,386 Mrd. DDD (. Tab. 1.1). Trotz des geringen Verordnungsvolumens haben Orphan-Arzneimittel 2018 ein Umsatzvolumen von 3.870 Mio. € erreicht. Der Umsatz von Orphan-Arzneimitteln ist seit 2007 aufgrund eines besonders dynamischen Wachstums sechsfach angestiegen (7 Kap. 5, . Abb. 5.2) und umfasste 2018 9,0 % des Bruttoumsatzes des gesamten GKV-Arzneimittelmarktes von 42,836 Mrd. € (. Tab. 1.1). Wegen hoher DDD-Kosten (177,45 €) sind OrphanArzneimittel 26-fach teurer als alle patentgeschützten Arzneimittel (. Tab. 1.1, . Tab. 5.2). In Anbetracht der zunehmenden Bedeutung der Orphan-Arzneimittel werden Eigenschaften, Zulassung, Nutzenbewertung und Verordnung die Arzneimittel für seltene Krankheiten in einem eigenen Kapitel dargestellt (7 Kap. 5, Orphan-Arzneimittel). 1.8

Umstrittene Arzneimittel

Arzneimittel mit umstrittener Wirksamkeit sind dadurch definiert, dass ihre therapeutische Wirksamkeit nicht in ausreichendem Maße durch kontrollierte klinische Studien nachgewiesen wurde. Die erste Aufstellung im Arzneiverordnungs-Report umfasste 1986 elf Arzneimittelgruppen mit einem Verordnungsvolumen von 1,7 Mrd. € (3,4 Mrd. DM) (Arzneiverordnungs-Report 1986). Die rückläufige Entwicklung der umstrittenen Arzneimittel hat sich 2018 mit einer Abnahme auf 23,76 Mio. Verordnungen (3,3 %) und Nettokosten von 490 Mio. € (1,1 %) fortgesetzt (. Tab. 1.5). Viele umstrittene Arzneimittel sind in den USA, Großbritannien und den skandinavischen Ländern nicht erhältlich oder nur als Nahrungsergänzungsmittel im Handel. Daher wurde schon vor 30 Jahren gefolgert, dass wir ohne Nachteil für unsere Patienten auf diese umstrittenen Arzneimittel verzichten können

1

25 1.8  Umstrittene Arzneimittel

. Tabelle 1.5 Arzneimittel mit umstrittener Wirksamkeit 2018 Arzneimittelgruppen

Antacidakombinationen

Verordnungen

Nettokosten

in Tsd.

in Mio. €

Änderung %

Änderung %

669

5,7

17,8

5,7

Antiarthrotika u. Antiphlogistika

49

2,0

1,0

2,1

Antibiotika (pflanzliche)

77

4,7

0,7

2,1

Antidementiva

238

7,1

10,6

5,8

Antihypotonika

14

13,0

0,4

11,0

Antipruriginosa

415

1,5

3,7

4,4

25

34,1

0,3

34,9

Antivertiginosa

996

4,2

16,1

3,6

Carminativa

408

6,5

3,9

1,7

97

34,1

1,7

33,9

Cromoglicinsäurekombinationen

222

5,0

14,7

5,3

Darmfloramittel

536

1,1

6,9

3,0

2.616

1,3

64,0

2,3

Dermatika (Bäder)

113

0,2

1,4

0,5

Dermatika (Keratolytika)

504

0,8

10,7

0,4

25

14,4

2,5

0,1

Dimenhydrinatkombinationen

677

5,5

22,3

5,0

Durchblutungsfördende Mittel

175

11,7

7,1

11,1

5.341

4,6

35,0

2,8

2

88,2

0,0

88,2

Grippemittel

91

15,0

1,0

14,0

Hämorrhoidenmittel

86

16,8

2,4

10,9

106

9,3

0,9

3,1

Immunstimulantien

95

5,9

1,1

1,1

Immunstimulantien (Zytostatika)

67

8,8

6,9

7,7

Koronarmittel

182

1,2

2,2

4,6

Laxantien

105

1,5

8,3

2,1

Lipidsenker (andere)

186

0,2

2,9

1,8

Magnesiumpräparate

12

21,2

0,3

23,2

Migränemittelkombinationen

722

4,1

5,2

2,4

Mund- und Rachentherapeutika

329

4,3

1,9

5,7

Antitussivakombinationen

Clenbuterolkombinationen

Dermatika (Antimykotika-Kortikoidkombinationen)

Dermatika (sonstige)

Expektorantien Expektorantien-Antibiotika-Kombinationen

Hypnotika (pflanzliche)

26

1

Kapitel 1  Arzneiverordnungen 2018 im Überblick

. Tabelle 1.5 (Fortsetzung) Arzneimittelgruppen

Verordnungen in Tsd.

Nettokosten

Änderung % in Mio. €

Änderung %

124

12,7

0,9

20,6

2.997

1,5

41,8

1,6

41

45,0

0,6

44,8

Otologikakombinationen (Antibiotika)

165

4,4

2,3

4,7

Otologikakombinationen (Corticoide)

157

9,9

1,7

9,6

Pankreasmittel (pflanzliche)

332

5,2

22,9

9,6

Prokinetika (pflanzliche)

279

3,6

12,4

1,6

Psychopharmaka (pflanzliche)

119

14,7

1,1

15,1

1.028

1,2

8,3

1,5

Rhinologikakombinationen

259

7,0

7,2

4,4

Spasmolytika (sonstige)

134

5,9

7,1

6,6

Tiaprid

143

9,9

5,0

8,2

1.970

4,6

101,6

2,9

Urologika (Spasmolytika)

263

4,6

1,7

5,3

Weitere Einzelpräparate

99

5,7

2,6

3,3

407

4,6

17,1

28,2

64

11,1

1,7

12,8

23.760

3,3

490,0

1,1

Muskelrelaxantien (Tolperison etc.) Ophthalmika (sonstige) Ophthalmikakombinationen (Antibiotika)

Rheumamittel (Externa)

Urologika (Antiinfektiva + pflanzliche)

Wundbehandlungsmittel (Dexpanthenol etc.) Wundbehandlungsmittel (sonstige) Summe

(Gysling und Kochen 1987). Die Verordnungsentwicklung hat diese Prognose eindrucksvoll bestätigt. Gegenüber dem Spitzenwert von 5,1 Mrd. € im Jahre 1992 (hier dargestellt ab 1999) sind die Umsätze in dem Bereich jetzt auf 0,5 Mrd. € zurückgegangen (. Abb. 1.6). Das noch verbleibende Umsatzvolumen der umstrittenen Arzneimittel ist nicht in vollem Umfang für Einsparungen verfügbar, weil nur ein Teil durch wirksame Arzneimittel ersetzt werden kann. In einigen Arzneimittelgruppen werden nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel zur Substitution vorgeschlagen, die nicht mehr erstattungsfähig sind und daher nicht mehr bei den Substitutionskosten berücksichtigt werden. Bei weiteren Indikationsgruppen können keine anderen Arzneimittel emp-

fohlen werden, weil ein Leistungsausschluss festgelegt wurde. Häufig handelt es sich um die Behandlung geringfügiger Gesundheitsstörungen, die eine hohe Selbstheilungstendenz haben und den leistungsrechtlichen Verordnungsausschlüssen nach § 34 Abs. 1 SGB V unterliegen. Zu den Arzneimitteln mit umstrittener Wirksamkeit gehören auch die Homöopathika, die bisher nicht als eigene Arzneimittelgruppe erfasst wurden. Aus Anlass der aktuellen Diskussion über die Aufhebung der Erstattungsfähigkeit von homöopathischen Mitteln in Frankreich (Deutsches Ärzteblatt 2019b) haben wir die Verordnungen von Homöopathika und anthroposophischen Arzneimitteln des Jahres 2018 zusammengestellt, die in mehre-

1

27 1.9  Wirtschaftlichkeitsreserven von Arzneimitteln

250

3,0 Verordnungen

Umsatz

2,7

2,5 200

192

2,2

2,2 2,0 1,8

162 152 142

1,5 123 100 0,9 0,9 0,8

0,8

1,0 0,8

0,8

0,8

0,7

0,7

0,7

0,7

0,7 0,6

50

54

Umsatz (Mrd. Euro)

Verordnungen (Mio.)

2,0 150

0,6

0,5

52

0,5 44

43

41

39

35

32

30

29

28

27

26

25

24

0

0,0 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018

. Abb. 1.6 Verordnungen und Umsatz umstrittener Arzneimittel von 1999 bis 2018

ren Tabellen (. Tab. 13.8, 20.5, 21.3, 21.4, 29.4, 30.3, 34.4, 38.9, 42.3) gelistet sind. Es handelt sich insgesamt um 15 Präparate mit Nettokosten von 6,5 Mio. €. Schon vor 15 Jahren wurde das Ende der Homöopathie prophezeit, als die Schweizer Regierung die Versicherungsleistungen für Homöopathie und weitere komplementäre Behandlungsmethoden eingestellt hatte, weil sie die geforderten Wirksamkeitskriterien nicht erfüllt hatten (Editorial 2005). Genau wie damals vermittelt die erneute Diskussion jedoch den Eindruck, dass die Popularität der Homöopathie umso größer zu sein scheint, je verdünnter die Evidenz ist.

1.9

Wirtschaftlichkeitsreserven von Arzneimitteln

Seit 1998 werden im Arzneiverordnungs-Report Wirtschaftlichkeitsreserven von Arzneimitteln dargestellt, die bis 2009 im Bereich Generika, Analogpräparate und umstrittene Arz-

neimittel ermittelt wurden. Ein erster großer Erfolg bei der Mobilisierung von Wirtschaftlichkeitsreserven war der erwähnte Verordnungsrückgang der umstrittenen Arzneimittel mit einer Einsparung von insgesamt 4,6 Mrd. €, der seit 1992 durch eigenständige Sparanstrengungen der Ärzteschaft ohne Unterstützung durch gesetzliche Regelungen erreicht wurde (Kassenärztliche Bundesvereinigung 2000). Das wichtigste Instrument zur Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven ist die Neubildung und Aktualisierung von Festbetragsgruppen für Arzneimittel (§ 35 SGB V). Seit 1989 hat sich das mit dem Gesundheitsreformgesetz (GRG) eingeführte Festbetragssystem mit Erstattungshöchstgrenzen für Arzneimittel als erfolgreiche Maßnahme zur Kostenstabilisierung etabliert. Der G-BA bestimmt die einzelnen Arzneimittelgruppen, für die Festbeträge festgesetzt werden können. Festbeträge stellen dabei eine indirekte Form der Preissteuerung dar, da sie nicht direkt in die Preisfestlegung eingreifen, sondern Erstattungshöchstgrenzen setzen. Referenzpreis-

Kapitel 1  Arzneiverordnungen 2018 im Überblick

28

1

. Tabelle 1.6 Bruttoumsatz für Arzneimittel mit Erstattungsbeträgen und Einsparung durch Erstattungsbeträge im Fertigarzneimittelmarkt gemäß §130b SGB V. Angaben nach Arzneiverordnungs-Report 2012 bis 2018. Ab 2015 mit Einsparungen aus individuellen parenteralen Zubereitungen Jahr

Bruttoumsatz Mio. €

Einsparung durch Erstat- Quelle tungsbeträge Mio. €

2012

670

25

2013

833

150

AVR 2014, Tabelle 4.4

2014

1.979

443

AVR 2015, Seite 225

2015

4.339

925

AVR 2016, Seite 160

2016

5.094

1.350

AVR 2017, Kapitel 5.1.2

2017

6.713

1.750

AVR 2018, Kapitel 6

2018

8.736

2.650

AVR 2019, Kapitel 7

Summe

systeme werden dabei allgemein als weniger restriktiv angesehen als direkte Preiskontrollen, weil mit diesem Instrument ein wirksamer Preiswettbewerb gefördert wird, ohne dass die therapeutisch notwendige Arzneimittelauswahl und die Versorgungsqualität eingeschränkt werden. Deutschland gehört im internationalen Vergleich zu den Pionieren bei der Etablierung von Referenzpreissystemen. Die Preisstabilität für Arzneimittel im deutschen Arzneimittelmarkt ist seit 1989 im Wesentlichen ein Erfolg der Festbeträge (Kanavos und Reinhardt 2003). Arzneimittel für alle drei Festbetragsgruppen haben zum Juni 2019 insgesamt Einsparungen von 8,2 Mrd. € pro Jahr erreicht (GKV-Spitzenverband 2019). Ein weiterer Erfolg war 2006 das Gesetz zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit in der Arzneimittelversorgung (AVWG), mit dem bestehende Defizite bei der Steuerung der Arzneimittelausgaben beseitigt wurden. Schon bald nach Inkrafttreten des Gesetzes gingen die Einsparpotenziale vor allem von Analogpräparaten zurück (vgl. Arzneiverordnungs-Report 2007, Kap. 1, Tab. 1.8). Hauptgründe waren die Anpassung von Festbeträgen, aber auch die Mehrverordnung preiswerter Generika von teuren Analogpräparaten. Wesentlichen Anteil hatte eine Initiative der Kassenärztlichen Verei-

AVR 2013, Seite 179

7.292

nigung Nordrhein mit einer Liste von Analogpräparaten (Me-too-Liste), die trotz heftiger juristischer Gegenwehr zahlreicher Arzneimittelhersteller vom Landessozialgericht NordrheinWestfalen und anderen Sozialgerichten bestätigt wurde (Grill 2007). Sie wurde von mehreren Kassenärztlichen Vereinigungen übernommen und ist auch nach 12 Jahren ein Instrument für eine wirtschaftliche Arzneiverordnung von Bestandsmarktarzneimitteln. Mit dem Patentablauf vieler Analogpräparate stehen inzwischen allerdings nur noch 21 Arzneimittel (Vorjahr 29) auf der aktuellen Me-tooListe (Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein 2019). Eine entscheidende Rolle zur Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven haben die Krankenkassen mit der Möglichkeit, mit Herstellern kassenspezifische Arzneimittelrabattverträge abzuschließen (§ 130a Abs. 8 SGB V). Seit die Apotheken im April 2007 verpflichtet wurden, die kassenspezifischen Rabattverträge bei der Arzneimittelabgabe vorrangig zu bedienen, wurde eine umfangreiche und jährlich wachsende Senkung der Arzneimittelausgaben erreicht. Nach 12 Jahren einer erfolgreichen Umsetzung ist der GKV-Rabattbetrag 2018 auf 4,503 Mrd. € gestiegen und entspricht damit 11,2 % der Arzneimittelausgaben (. Tab. 1.1).

29 Literatur

Mit dem Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz (AMNOG) wurde ein grundlegender Durchbruch bei der Mobilisierung von Wirtschaftlichkeitsreserven patentgeschützter Arzneimittel erzielt. Mit dem Inkrafttreten des AMNOG wurde erstmals eine verpflichtende Bewertung des Zusatznutzens von Arzneimitteln in Deutschland eingeführt und eine jahrzehntelange Sonderstellung des deutschen Arzneimittelmarktes beendet. Die maßgebende Grundlage für die angestrebten Einsparungen waren internationale Preisvergleiche von patentgeschützten Arzneimitteln, mit denen eine Gesamtentlastung von rund 2 Mrd. € pro Jahr für die GKV geschätzt wurde (Deutscher Bundestag 2010). In den ersten Jahren lagen die Sparerfolge allerdings noch weit unter den ursprünglichen Erwartungen, weil es mehrere nachträgliche Beschränkungen der Nutzenbewertung durch gesetzliche Änderungen gegeben hat. Im Jahre 2018 wurden jedoch 2,65 Mrd. € durch Erstattungsbeträge eingespart, womit erstmals die ursprünglich anvisierten jährlichen Einsparungen übertroffen wurden (. Tab. 1.6). Die Summe aller AMNOG-Einsparungen in der Zeit von 2012 bis 2018 beträgt insgesamt 7,292 Mrd. €.

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1

setzes zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes in der gesetzlichen Krankenversicherung (Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz – AMNOG). Drucksache 17/2413, 17. Wahlperiode, 6. Juli 2010 Deutsches Ärzteblatt (2019a) Streit um WHO-Resolution für mehr Transparenz bei Arzneimittelkosten. https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/ 103372/Streit-um-WHO-Resolution-fuer-mehrTransparenz-bei-Arzneimittelkosten Deutsches Ärzteblatt (2019b) Homöopathische Mittel werden in Frankreich künftig nicht mehr erstattet. https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/104537/ Homoeopathische-Mittel-werden-in-Frankreichkuenftig-nicht-mehr-erstattet Editorial (2005) The end of homoeopathy. Lancet 366:690 Europäisches Parlament (2011) Arzneimittel in der EU – Unterschiede bei Kosten und Zugänglichkeit. http://www.europarl.europa.eu/committees/en/ studiesdownload.html?languageDocument=DE& file=66237 (Die Studie wurde vom Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit des Europäischen Parlaments angefordert und von der Generaldirektion interne Politikbereiche, Fachabteilung Wirtschafts- und Wissenschaftspolitik herausgegeben) Freissmuth M (2016) Biologika. In: Pharmakologie und Toxikologie. Springer-Lehrbuch. Springer, Berlin, Heidelberg Garattini L, Motterlini N, Cornago D (2008) Prices and distribution margins of in-patent drugs in pharmacology: A comparison in seven European countries. Health Policy (New York) 85:305–313 Gemeinsamer Bundesauschuss (2019) Mündliche Anhörung gemäß 5. Kapitel § 19 Abs. 2 Verfahrensordnung des Gemeinsamen Bundesausschusses. Hier: Wirkstoff Erenumab. https://www.g-ba.de/ bewertungsverfahren/nutzenbewertung/411/#tab/ stellungnahmen GKV-Spitzenverband (2019) Pressemitteilung. Erfolgsmodell: Seit 30 Jahren sichern ArzneimittelFestbeträge bezahlbare und hochwertige Versorgung. https://www.gkv-spitzenverband.de/gkv_ spitzenverband/presse/pressemitteilungen_und_ statements/pressemitteilung_864192.jsp Grill M (2007) Vorsicht, Pharma – Wie die Industrie Ärzte manipuliert und Patienten täuscht. http:// www.stern.de/wirtschaft/news/pharmaindustrievorsicht--pharma---wie-die-industrie-aerztemanipuliert-und-patienten-taeuscht-3262192.html Gysling E, Kochen M (1987) Beschränkung als Prinzip rationaler Pharmakotherapie. Pharma-Kritik 9:1–4 Jönsson B, Kobelt G, Smolen J (2008) The burden of rheumatoid arthritis and access to treatment: uptake of new therapies. Eur J Health Econ 8(Suppl 2):61–86 Kanavos P, Reinhardt U (2003) Reference pricing for drugs: is it compatible with U.S. health care? Health Aff 22:16–30

30

1

Kapitel 1  Arzneiverordnungen 2018 im Überblick

Kanavos P, Schurer W, Vogler S (2011) The pharmaceutical distribution chain in the European Union: Structure and impact on pharmaceutical prices. Internet. http://ec.europa.eu/enterprise/sectors/healthcare/ files/docs/structimpact_pharmaprices_032011_en. pdf Kassenärztliche Bundesvereinigung (2000) Aktionsprogramm 2000. Rationale Arzneimitteltherapie unter Bedingungen der Rationierung. http://www. aerzteblatt.de/download/files/2004/07/x0000778. pdf Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg (2019) Frühe Nutzenbewertung. https://www.kvbawue. de/praxis/verordnungen/arzneimittel/fruehenutzenbewertung/ Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein, AOK Rheinland/Hamburg (2016) Strukturvertrag nach § 73a SGB V zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein in Düsseldorf – vertreten durch den Vorstand – (nachstehend KV Nordrhein genannt) und der AOK Rheinland/Hamburg. https:// www.kvno.de/10praxis/25vertraeg/hepatitis_c_ strukturvertrag/index.html (Die Gesundheitskasse, Düsseldorf (nachstehend AOK genannt) zur Erhöhung der Versorgungsqualität von chronisch Hepatitis C (HCV)-Infizierten) Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein (2019) Patentgeschützte Analogpräparate, Me-too-Liste 2019 in der modifizierten Fassung von 2011. https://www.kvno. de/downloads/verordnungen/7532_me_too.pdf Machado M, O’Brodovich R, Krahn M, Einarson TR (2011) International drug price comparisons: quality assessment. Rev Panam Salud Publica 29:46–51

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31

2

Zulassungsverfahren für neue Arzneimittel in Europa Wolf-Dieter Ludwig

2.1

Zulassungsverfahren für neue Arzneimittel in Europa – 33

2.2

Beschleunigte Zulassungsverfahren – 36

2.2.1 2.2.2 2.2.3 2.2.4

Bedingte Zulassung – 43 Zulassung unter außergewöhnlichen Umständen – 45 Beschleunigte Beurteilung – 45 PRIORITY MEDICINES (PRIME) – 46

2.3

Zulassung von neuen Arzneimitteln durch die EMA: begrenzte Kenntnisse über Wirksamkeit und Sicherheit – 47

2.4

Reformvorschläge der EMA hinsichtlich der regulatorischen Anforderungen an die Zulassung – 51

2.4.1

Wissenschaftliche Beratung vor Einreichung eines Zulassungsantrags – 53

2.5

Unterschiede der Zulassungsverfahren in Europa, USA und Japan – 54 Literatur – 56

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 U. Schwabe et al. (Hrsg.), Arzneiverordnungs-Report 2019, https://doi.org/10.1007/978-3-662-59046-1_2

32

Kapitel 2  Zulassungsverfahren für neue Arzneimittel in Europa

Auf einen Blick

2

Die Zulassung neuer Humanarzneimittel wird in Europa durch die Richtlinie 2001/83/EC sowie verschiedene Verordnungen der Europäischen Gemeinschaft geregelt. Das zentralisierte Verfahren ermöglicht auf der Grundlage von einem Zulassungsantrag bei der Europäischen Arzneimittel-Agentur die Zulassung in allen Mitgliedsstaaten des europäischen Wirtschaftsraumes. Daneben existieren nationale und zwei gemeinschaftliche Zulassungsverfahren. In den letzten beiden Jahrzehnten wurden sowohl in Europa als auch in den USA verschiedene Prozeduren eingeführt, die eine beschleunigte Zulassung neuer Arzneimittel ermöglichen und dadurch Patienten mit schwerwiegenden Erkrankungen bzw. ohne geeignete arzneitherapeutische Alternativen einen raschen Zugang zu neuen Wirkstoffen ermöglichen sollen. Im Rahmen beschleunigter Verfahren müssen nach Zulassung das Nutzen-Risiko-Verhältnis regelmäßig – in der Regel jährlich – überprüft und die mit der Zulassung verbundenen Auflagen erfüllt werden. Ein Sonderweg betrifft Arzneimittel, die zur Behandlung für seltene Leiden (OrphanArzneimittel) zugelassen werden. Sie werden grundsätzlich im zentralisierten Verfahren zugelassen und können zusätzlich eine bedingte Zulassung bzw. eine Zulassung unter außergewöhnlichen Umständen beantragen, falls umfangreiche Daten zu Wirksamkeit und Sicherheit aus klinischen Studien noch nicht vorliegen. Auswertungen der in den letzten beiden Jahrzehnten in den USA und Europa abgeschlossenen beschleunigten Zulassungsverfahren belegen, dass bei Markteintritt neuer Arzneimittel die Erkenntnisse zu Wirksamkeit und Sicherheit häufig noch unvollständig sind. Diese

Aussage wird auch gestützt durch die Beschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses in der frühen Nutzenbewertung von neuen, beschleunigt zugelassenen Arzneimitteln, die häufig einen nicht quantifizierbaren oder nicht belegten Zusatznutzen ergeben. Daraus resultiert die Notwendigkeit, nach Zulassung in kontrollierten klinischen Prüfungen bzw. Beobachtungsstudien weitere Evidenz für den klinischen Nutzen und die Sicherheit neuer Arzneimittel zu generieren. Sowohl in Europa („Regulatory Science to 2025“) als auch in den USA („21st Century Cures Act“) werden Reformvorschläge diskutiert hinsichtlich der künftigen regulatorischen Anforderungen an die Zulassung. Während ein umfangreiches Konzeptpapier der EMA zur „Regulatory Science to 2025“ im Rahmen einer öffentlichen Konsultation im ersten Halbjahr 2019 kommentiert werden konnte und derzeit eine finale Version des Konzeptpapiers vorbereitet wird, wurde der „21st Century Cures Act“ bereits Ende 2016 in den USA verabschiedet. Er ist deutlich kritisiert worden aufgrund der in diesem Gesetz vorgesehenen weiteren Lockerung der methodischen Anforderungen an die Zulassung neuer Arzneimittel und Akzeptanz von Surrogatendpunkten als Beleg für den Nutzen in zulassungsrelevanten Studien. Trotz intensiver Bemühungen, die Anforderungen für Zulassungsverfahren weltweit zu harmonisieren, existieren weiterhin erhebliche Unterschiede zwischen den in Europa, USA und Japan erteilten Zulassungen für Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen, beispielsweise hinsichtlich der Art des Zulassungsverfahrens, der Dauer der Begutachtung des vom pharmazeutischen Unternehmer eingereichten Antrags und der zugelassenen Indikationen.

33 2.1  Zulassungsverfahren für neue Arzneimittel in Europa

2.1

Zulassungsverfahren für neue Arzneimittel in Europa

In der Europäischen Union (EU) existieren heute vier unterschiedliche Verfahren, um Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen („new active substances“) zuzulassen: das zentralisierte Verfahren, das auf Basis von nur einem Zulassungsantrag bei der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) die Zulassung in allen Mitgliedsstaaten des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR; EU-Mitglieder plus Island, Lichtenstein, Norwegen) ermöglicht; die nationalen Zulassungsverfahren, die zur Zulassung in den jeweiligen Staaten führen, und zwei gemeinschaftliche Verfahren, die zur Zulassung in zwei oder mehreren EU-Staaten führen (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte o. J.). Das Verfahren zur zentralisierten Zulassung und Überwachung neuer Humanarzneimittel wird in Europa durch das Arzneimittelrecht der EU geregelt (Richtlinie 2001/83/EC; Verordnung 726/2004; zuletzt geändert durch Verordnung 1394/2007). Ferner ist diese Verordnung die Rechtsgrundlage für die Errichtung und Arbeit der EMA. Da inzwischen die überwiegende Zahl an neuen Arzneimitteln über das zentralisierte Verfahren zugelassen wird, hat diese Verordnung entscheidende Bedeutung für das europäische Arzneimittelrecht. Als EG-Verordnung des Europäischen Parlaments und Rats ist sie in allen Mitgliedsstaaten der EU unmittelbar verbindlich. Die im Zulassungsverfahren bewertete Evidenz sowie bestimmte Informationen zu einer Arzneimittelzulassung sind anschließend in einem europäischen öffentlichen Beurteilungsbericht (European Public Assessment Report, EPAR) zu veröffentlichen. Dieser Beurteilungsbericht wird von der EMA auf ihrer Webseite veröffentlicht (EMA: European public assessment reports). Die EMA berichtet auf ihrer Homepage monatlich zusätzlich über die bei ihr eingegangenen Anträge auf Zulassung, die Art der Wirkstoffe und das Ergebnis der Bewertung.

2

Das zentralisierte Zulassungsverfahren wurde im Jahr 1993 in die europäische Gesetzgebung eingeführt und ist 1995 in Kraft getreten. Dieses Verfahren ist heute obligatorisch für alle Arzneimittel, die für folgende therapeutische Anwendungsgebiete vorgesehen sind: Krebserkrankungen, neurodegenerative Erkrankungen, Diabetes mellitus, erworbenes ImmundefizienzSyndrom (AIDS), Virus- und Autoimmunerkrankungen sowie andere Immundefekte. Grundsätzlich im zentralisierten Verfahren zuzulassen sind ebenfalls Arzneimittel, die für die Behandlung von seltenen Leiden (OrphanArzneimittel) entwickelt wurden sowie alle Biologika und Arzneimittel für neuartige Therapien (Advanced Therapy Medicinal Products, AMTP), wie beispielsweise somatische Zelltherapeutika und Gentherapeutika (EMA 2019b). Das zentralisierte Verfahren ist optional für Arzneimittel, die einen bisher in der EU noch nicht zugelassenen, neuen Wirkstoff enthalten und nicht für die o. g. Anwendungsgebiete vorgesehen sind, oder für Arzneimittel, für die eine bedeutende therapeutische, wissenschaftliche oder technische Innovation nachgewiesen werden kann (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte o. J.). Die wissenschaftliche Bewertung dieser Arzneimittel wird vom Ausschuss für Humanarzneimittel (Committee for Medicinal Products for Human Use, CHMP) vorgenommen, der anhand der vom pharmazeutischen Unternehmer vorgelegten Antragsunterlagen die pharmazeutische Qualität, die Wirksamkeit und die Sicherheit bzw. die Unbedenklichkeit, einschließlich der Umweltverträglichkeit, bewertet (EMA und Committee for Medicinal Products for Human Use 2005). Über das CHMP sind wissenschaftliche Mitarbeiter aus den nationalen Zulassungsbehörden in Europa an der Bearbeitung und Bewertung der Anträge beteiligt. Zwei Mitgliedsländer der EU übernehmen bei jedem Antrag als Rapporteur bzw. Co-Rapporteur die Federführung und erstellen einen Bewertungsbericht, der von den anderen Mitgliedsländern der EU kommentiert und anschlie-

34

2

Kapitel 2  Zulassungsverfahren für neue Arzneimittel in Europa

ßend im CHMP diskutiert sowie verabschiedet wird. Das CHMP erstellt am Ende des Zulassungsverfahrens ein wissenschaftliches Gutachten und gibt eine positive oder eine negative Empfehlung zur Zulassung. Hierfür stehen dem CHMP im Rahmen des regulären Verfahrens 210 Werktage zur Verfügung sowie zusätzlich ein Zeitraum, in dem der pharmazeutische Unternehmer zusätzliche Informationen bereitstellen bzw. Fragen des CHMP beantworten muss. Diese Zulassungsempfehlung bildet die Grundlage für die Entscheidung der Europäischen Kommission (EC), die alleine über die Zulassung entscheidet und die Zulassung ausspricht. Eine erneute Bewertung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses erfolgt bei regulären Zulassungsverfahren alle 5 Jahre und berücksichtigt die nach Zulassung generierte Evidenz zu Wirksamkeit und Sicherheit. Infolge dieser Bewertung kann die Kennzeichnung des Arzneimittels verändert, beispielsweise das Anwendungsgebiet auf spezielle Subgruppen beschränkt werden, oder das Arzneimittel bei negativem Nutzen-Risiko-Verhältnis vom Markt genommen werden. Neben dem zentralisierten Verfahren gibt es zwei weitere Verfahren, mit denen innerhalb der EU nationale Zulassungen in mehreren Mitgliedsstaaten erworben werden können (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte o. J.): das dezentralisierte Verfahren und das Verfahren der gegenseitigen Anerkennung. Im Rahmen dieser beiden Verfahren wird ein Mitgliedsstaat der EU als das für das Verfahren verantwortliche Land bestimmt. Neben der administrativen Durchführung des Verfahrens auf der Basis des vom pharmazeutischen Unternehmer vorgelegten Arzneimitteldossiers erstellt das verantwortliche Land einen Bewertungsbericht, der den Wirkstoff in Bezug auf seine Wirksamkeit, Sicherheit und Qualität beschreibt und kritisch bewertet. Dieser Bewertungsbericht wird zusammen mit einem für alle Länder der EU identischen Dossier und weiteren Unterlagen den anderen beteiligten Staaten durch das verantwortliche Land zur Verfügung gestellt. In dem sich anschließenden 90-tägigen Verfahren haben dann die

anderen beteiligten Staaten die Möglichkeit, offene Fragen bzw. Kritikpunkte mit dem verantwortlichen Land und dem pharmazeutischen Unternehmer zu klären. Das Verfahren der gegenseitigen Anerkennung („mutual recognition“) betrifft Wirkstoffe, für die bereits in einem EU-Mitgliedsstaat eine nationale Zulassung vorliegt, und die auch in anderen EU-Staaten in den Verkehr gebracht werden sollen. Dabei erstellt der Mitgliedsstaat, in dem die Zulassung bereits vorliegt, innerhalb von 90 Tagen den Beurteilungsbericht auf der Basis der bereits erteilten Zulassung. Auf der Grundlage dieses Bewertungsberichtes sowie des Dossiers stimmen die anderen beteiligten EU-Staaten der Zulassung innerhalb von 90 Tagen zu, es sei denn, ein Mitgliedsstaat erkennt bei dem jeweiligen Wirkstoff eine „ernsthafte Gefahr für die öffentlichen Gesundheit“. In diesem Fall muss eine Klärung durch die Koordinierungsgruppe für das dezentralisierte Verfahren und das Verfahren der gegenseitigen Anerkennung („Coordination Group for Mutual Recognition Procedures and Decentralised Procedures“, CMDh) vorgenommen werden, die innerhalb von 60 Tagen eine Entscheidung herbeiführen soll. Gelingt dies nicht, folgt ein Schiedsverfahren durch das CHMP der EMA. Beide Verfahren – das dezentralisierte Verfahren und das Verfahren der gegenseitigen Anerkennung – sind für alle Zulassungsanträge offen, die nicht aufgrund einer biotechnologischen Herstellung oder bestimmter Anwendungsgebiete bei neuen Arzneimitteln (siehe oben) obligatorisch dem zentralisierten Verfahren unterliegen. Die Anzahl der jährlich durchgeführten dezentralisierten Verfahren bzw. Verfahren der gegenseitigen Anerkennung übersteigt bei weitem die Zahl der zentralisierten Zulassungsverfahren (Ebbers et al. 2015). Die Gründe, weshalb im Rahmen dieser Verfahren die Zulassung verwehrt wurde, sind weitgehend intransparent (Ebbers et al. 2015). Demgegenüber zeigen Untersuchungen zu dem zentralisierten Verfahren, dass verschiedene Faktoren mit einer positiven Entscheidung des CHMP bei der Zulassung neuer Arzneimittel assoziiert sind. Hierzu zählen

35 2.1  Zulassungsverfahren für neue Arzneimittel in Europa

neben der Größe des pharmazeutischen Unternehmers und seinen Erfahrungen in der Entwicklung neuer Wirkstoffe vor allem das Vorliegen eines strukturierten Entwicklungsplans, die frühzeitig vom pharmazeutischen Unternehmer eingeholte wissenschaftliche Beratung durch die EMA sowie ein positives klinisches Ergebnis und überzeugender klinischer Bedarf des Arzneimittels (Eichler et al. 2010a; Regnstrom et al. 2010; Putzeist et al. 2012). Ökonomische Aspekte spielen bei den Zulassungsentscheidungen keine Rolle und auch die Identifizierung von Patientenuntergruppen (z. B. anhand von Biomarkern in der Onkologie), die von einem neuen Wirkstoff tatsächlich profitieren, ist nicht zwingende Voraussetzung für die Zulassung. Bei Vorliegen eines positiven Nutzen- (oder präzise: Wirksamkeit)-RisikoVerhältnisses wird die Zulassung erteilt. Der therapeutische Stellenwert eines neuen Arzneimittels und seine Effizienz zeigen sich jedoch häufig erst nach der Zulassung bei der Verwendung im klinischen Alltag. Deshalb wird im englischen Sprachgebrauch auch unterschieden zwischen der Wirksamkeit, die in klinischen Studien zum Zeitpunkt der Zulassung nachgewiesen wurde („efficacy“), der Wirksamkeit im therapeutischen Alltag nach der Zulassung („effectiveness“) und der Effizienz („efficiency“) – dem Einsatz des neuen Arzneimittels im Alltag auch unter Berücksichtigung seiner Wirtschaftlichkeit. „Die proaktive Ermittlung, Bewertung, Minimierung und Kommunikation von Nebenwirkungen, unter gebührender Berücksichtigung des therapeutischen Nutzens des Humanarzneimittels“ (Verordnung (EG) Nr. 726/2004; geändert durch Verordnung (EU) Nr. 1235/2010), ist eine zentrale Aufgabe des mit dem neuen Pharma-Paket der EU 2012 eingerichteten Ausschusses für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz (Pharmacovigilance Risk Assessment Committee, PRAC) bei der EMA (Farzan 2011; Huber und Keller-Stanislawski 2013). Mit dem Pharma-Paket wurde ebenfalls die Einführung eines Risikomanagement-Systems für neu zugelassene

2

Arzneimittel verbindlich. Risiko-ManagementPläne (RMP) enthalten u. a. das detaillierte Sicherheitsprofil eines Arzneimittels sowie Informationen dazu, wie bekannte Risiken des Arzneimittels minimiert und potenzielle Risiken weiter erforscht werden sollen. Während des „Lebenszyklus“ eines Arzneimittels wird der RMP kontinuierlich angepasst. Erfahrungen aus einer Untersuchung von 48 zwischen 2006 und 2009 neu zugelassenen Arzneimitteln unterstreichen die Notwendigkeit einer optimierten proaktiven Pharmakovigilanz. In dieser Studie waren nach 5 Jahren nur etwa 20 % der bei Zulassung bestehenden Unsicherheiten hinsichtlich potenzieller Risiken bei neuen Arzneimittel beseitigt worden, gleichzeitig aber neue Sicherheitsbedenken in die RMPs in ähnlichem Umfang aufgenommen worden (Vermeer et al. 2014). Durch die Verordnung im Rahmen des Pharma-Pakets wurden auch neue Bestimmungen zu nicht interventionellen Unbedenklichkeitsstudien nach der Zulassung verabschiedet. Protokolle für derartige Studien müssen künftig vor Studienbeginn dem PRAC angezeigt werden, soweit sie in mehreren Mitgliedsstaaten der EU durchgeführt werden. Ihre Durchführung wird untersagt, wenn durch sie die Anwendung eines Arzneimittels gefördert werden soll. Insgesamt nimmt der PRAC heute in Europa eine zentrale Stellung in der Pharmakovigilanz für neu zugelassene Arzneimittel ein, ist aber auch beteiligt an der Überwachung seit langem eingeführter Arzneimittel. Inwieweit durch die Arbeit des PRAC Erkenntnislücken, insbesondere zu den Risiken neu zugelassener Arzneimittel, schneller behoben werden, kann noch nicht endgültig beurteilt werden. Die bisherigen Erfahrungen sind jedoch positiv und sprechen dafür, dass die neue Gesetzgebung die Zahl und Qualität der im Rahmen der Spontanerfassung gemeldeten Nebenwirkungen erhöht und dadurch wichtige Informationen zur frühzeitigen Erkennung von Risiken bei neuen Arzneimitteln zur Verfügung stehen und entsprechende Studien initiiert werden können (Arlett et al. 2014).

36

2.2

2

Kapitel 2  Zulassungsverfahren für neue Arzneimittel in Europa

Beschleunigte Zulassungsverfahren

Die Zulassungsbehörden haben in den letzten 25 Jahren verschiedene Verfahren eingeführt, die eine Beschleunigung der Zulassung neuer Arzneimittel ermöglichen und somit Patienten mit schweren Erkrankungen einen rechtzeitigen Zugang zu neuen Arzneimitteln ermöglichen sollen (Sherman et al. 2013; Baird et al. 2014; Kesselheim et al. 2015). Bereits im Jahr 1992 wurde mit dem Prescription Drug User Act (PDUFA) ein zweistufiges Verfahren für die Begutachtung neuer Arzneimittel durch die FDA eingeführt: eine reguläre („Standard Review“) bzw. prioritäre Begutachtung („Priority Review“). Die Vorreiterrolle der FDA bei der Etablierung beschleunigter Zulassungsverfahren war im Wesentlichen verursacht durch den Druck von Interessengruppen, neue Wirkstoffe zur Behandlung von AIDS rasch den Patienten zur Verfügung zu stellen (Eichler et al. 2013; Kesselheim et al. 2015; Gonsalves und Zuckerman 2015; Farrell et al. 2017). Dabei sollten jedoch ausreichende klinische Evidenz für die Wirksamkeit eines neuen Arzneimittels – in der Regel aus mehr als einer kontrollierten klinischen Prüfung vor der Zulassung – vorliegen und angesichts des schnelleren Markteintritts vielversprechender Wirkstoffe zur Behandlung schwerer Erkrankungen eine kontinuierliche Überwachung nach Zulassung erfolgen (Pease et al. 2017). Untersuchungen haben verdeutlicht, dass von pharmazeutischen Unternehmern die in den USA von der FDA angebotenen Möglichkeiten für beschleunigte Zulassungen in den letzten Jahren zunehmend genutzt werden. So haben beispielsweise 2013 bereits 15 von 27 neu zugelassenen Arzneimitteln eines und 12 sogar mehrere dieser Verfahren für eine beschleunigte Marktzulassung verwendet (Kesselheim et al. 2015). Dieser Trend zu beschleunigten Zulassungen hat sich in den letzten Jahren nochmals deutlich verstärkt. Im Jahr 2015 wurden in den USA 45 neue Arzneimittel von der FDA zugelassen, darunter 14 für onkologische An-

wendungsgebiete und 11 Orphan-Arzneimittel (Mullard 2016). Fast alle in den USA zugelassenen onkologischen Arzneimittel (11 von 14) hatten ein beschleunigtes Verfahren durchlaufen, das von der FDA für neue Wirkstoffe zur Behandlung von schwerwiegenden Erkrankungen vorgesehen ist. Es ist verbunden mit einer verkürzten Begutachtung – sechs anstelle von 10 Monaten bei normalen Verfahren („Priority-Review Designation“) (FDA 2018a) –, intensiver Beratung durch die FDA („BreakthroughTherapy Designation“) und der Akzeptanz von Surrogatendpunkten als Beleg für den Nutzen der Arzneimittel („Accelerated-Approval Pathway“) (Sherman et al. 2013; FDA 2018b). Im Jahr 2016 wurden in den USA 22 neue Arzneimittel von der FDA zugelassen, davon jedoch nur 7 in Standardverfahren (Mullard 2017). Von den insgesamt 15 beschleunigt zugelassenen Arzneimitteln waren 7 Orphan-Arzneimittel und 5 wurden für die Behandlung bzw. ein radioaktiv markiertes Somatostatin-Analogon (DOTATOC) für Diagnostik und Therapie onkologischer Erkrankungen zugelassen. Im Jahr 2017 wurden in den USA 46 neue Arzneimittel zugelassen, darunter jedoch nur 15 – knapp ein Drittel – im Standardverfahren (Mullard 2018). Von den insgesamt 31 beschleunigt zugelassenen Arzneimitteln waren 15 Orphan-Arzneimittel und 12 neue Wirkstoffe für die Behandlung onkologischer Erkrankungen, darunter 9 als Orphan-Arzneimittel. Nur 3 Orphan-Arzneimittel wurden im Standardverfahren zugelassen. Diese Zahlen verdeutlichen eindrucksvoll die derzeitigen Trends in der Entwicklung neuer Wirkstoffe (IQVIA Institute for Human Data Science 2018): Es dominieren OrphanArzneimittel, häufig für die Behandlung onkologischer Erkrankungen, die fast immer nach beschleunigten Zulassungsverfahren auf den Markt kommen. Arzneimittel, die als erste in einer neuen Wirkstoffgruppe („first-in-class“) die Zulassung anstreben, machen inzwischen nur noch knapp ein Drittel der neu zugelassenen Arzneimittel aus. Im Jahr 2018 wurde mit 59 von der FDA neu zugelassenen Arzneimitteln der bisherige Rekord aus dem Jahr 1996 (53 neu zugelassene Arzneimittel) über-

37 2.2  Beschleunigte Zulassungsverfahren

troffen. Darunter befanden 34 Orphan-Arzneimittel (58 % aller neuen Arzneimittel) und 21 Arzneimittel für die Behandlung onkologischer bzw. hämatologischer Krankheiten (Mullard 2019). Zum Vergleich: Von der EMA wurden im Jahr 2018 42 Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen zugelassen, darunter 18 OrphanArzneimittel, und 5 Anträge auf Zulassung neuer Wirkstoffe wurden vom CHMP abgelehnt (EMA 2019a). Ähnlich wie bei der FDA wurden zahlreiche neue Arzneimittel zur Behandlung onkologischer (N = 11) bzw. hämatologischer oder hämostaseologischer Erkrankungen zugelassen (N = 6), von denen insgesamt 9 Orphan-Arzneimittel sind (. Tab. 2.1). Nicht aufgeführt in . Tab. 2.1 sind die beiden 2018 als Arzneimittel für neuartige Therapien zugelassenen CAR-T Zellen Tisagenlecleucel (Kymriah) und Axicabtagene (Yescarta), die als Orphan-Arzneimittel über das PRIME (PRIORITY MEDICINES) Verfahren (7 Kap. 3, 7 Abschn. 3.1; vgl. 7 Abschn. 2.2.4) beschleunigt zugelassen wurden und gleichzeitig eine bedingte Zulassung erhielten (EMA 2019a). Insbesondere die 2012 in den USA eingeführte „Breakthrough-Therapy Designation“ wurde kritisiert, da sie die Anforderungen an den Nachweis von Wirksamkeit und Sicherheit absenkt, vorschnell Erwartungen an besonders gute therapeutische Wirksamkeit weckt und für Patienten zahlreiche Risiken in sich birgt (Darrow et al. 2014). Außerdem haben Wissenschaftler aus den USA auf die Gefahren hingewiesen, die aus der Kombination verschiedener Verfahren zur beschleunigten Zulassung resultiert (Carpenter 2014). Diese in den USA initiierten Programme zur Förderung der Arzneimittelentwicklung und beschleunigten Zulassung wurden nicht nur für („first-in-class“) Arzneimittel beansprucht, sondern häufig auch von weniger innovativen Arzneimitteln mit fraglichem therapeutischen Stellenwert (Kesselheim et al. 2015). Da die FDA ihre Anforderungen an die Zulassung neuer Arzneimittel im Rahmen der beschleunigten Zulassungen abgesenkt hat und inzwischen häufig sehr begrenzte Erkenntnisse

2

zu Wirksamkeit bzw. Sicherheit neuer Arzneimittel und somit erhebliche Unsicherheit hinsichtlich ihrer Risiken akzeptiert, wird in den USA von kritischen Wissenschaftlern gefordert, dass Ärzte und Patienten rechtzeitig hierüber informiert werden (Naci et al. 2017a). Außerdem sollte verstärkt darauf geachtet werden, dass nach einer beschleunigten Zulassung prospektive Studien oder zumindest kontrollierte Beobachtungsstudien zu Nutzen und Risiken rechtzeitig begonnen und auch abgeschlossen werden (Carpenter 2014; Avorn und Kesselheim 2015, Gyawali et al. 2019). Aktuelle Untersuchungen zu den zwischen 2000 und 2013 in beschleunigten Verfahren zugelassenen Arzneimitteln belegen jedoch eindrucksvoll, dass eine gute Evidenz für den Nutzen dieser Arzneimittel mitunter auch Jahre nach Zulassung nicht vorliegt, obwohl sie bereits häufig als Standardtherapie verwendet und in Leitlinien empfohlen werden (Naci et al. 2017a, 2017b). Über die nach beschleunigter Zulassung häufig erforderlichen Sicherheitswarnungen und mitunter auch Marktrücknahmen wurde inzwischen in verschiedenen Untersuchungen berichtet (Lexchin 2015; Frank et al. 2014; Downing et al. 2017a). Für ein Drittel der von der FDA zwischen 2001 und 2010 neu zugelassenen Arzneimittel wurden Sicherheitswarnungen ausgesprochen, darunter befanden sich besonders häufig beschleunigt zugelassene Arzneimittel, aber auch Biologika und Wirkstoffe zur Behandlung psychiatrischer Erkrankungen (Downing et al. 2017a). Auch in Europa fordern bereits seit einigen Jahren pharmazeutische Unternehmer bzw. ihr europäischer Dachverband (European Federation of Pharmaceutical Industries, EPFIA), die Zulassungsverfahren besser an neue wissenschaftliche Entwicklungen und die Bedürfnisse der Patienten anzupassen, vor allem bei schweren Erkrankungen mit nur wenigen medikamentösen Therapieoptionen. Vorschläge, die in diesem Zusammenhang unterbreitet wurden, beziehen sich vor allem auf eine stärkere Orientierung der regulatorischen Verfahren am wissenschaftlichen Fortschritt, beispielsweise die Verfügbarkeit von Biomarkern zur genau-

38

Kapitel 2  Zulassungsverfahren für neue Arzneimittel in Europa

. Tabelle 2.1 Übersicht über die seit 2011 in beschleunigten Verfahren zugelassenen neuen Arzneimittel Wirkstoff

Handelsname

Indikation

2

Zulassung Jahr

Art

Zusatznutzen

Afamelanotid

Scenesse

Prävention von Phototoxizität bei Erythropoetischer Protoporphyrie

2014

EC, O

Nicht quantifizierbar

Alipogentiparvoveca

Glybera (außer Handel)

Lipoproteinlipasedefizienz (LPLD)

2012

EC, O

Nicht quantifizierbar

Allogene, gene- Zalmoxis tisch modifizierte T-Zellen

Haploidentische hämatopoetische Stammzelltransplantation (HSCT)

2016

CMA, O

Nicht quantifizierbar

Asfotase alfa

Strensiq

Hypophosphatasie

2015

EC, O

Nicht quantifizierbar

Ataluren

Translarna (außer Handel)

Duchenne-Muskeldystro- 2014 phie

CMA, O

Gering (Neubewertung nach Fristablauf)

Avelumab

Bavencio

Merkelzellkarzinom

2017

CMA, O

Nicht quantifizierbar

Bedaquilin

Sirturo

Teil einer Kombinationstherapie bei multiresistenter pulmonaler Tuberkulose

2014

CMA, O

Verfahren eingestellt (stationärer Einsatz)

Blinatumomabb

Blincyto

Akute lymphatische Leukämie (ALL)

2015

CMA, O

Beträchtlich (Neubewertung nach Fristablauf)

Bosutinib

Bosulif

Chronische myeloische Leukämie

2013

CMA

Nicht quantifizierbar

Burosumab

Crysvita

X-chromosomale Hy2018 pophosphatämie mit röntgenologischem Nachweis einer Knochenerkrankung

CMA, O

Nicht quantifizierbar

Brentuximab Vedotin

Adcetris

CD30+ Hodgkin-Lymphom, systemisches anaplastisches großzelliges Lymphom, CD30+ kutanes T-Zell-Lymphom

2012

CMA, O

Nicht quantifizierbar

Cabozantinib

Cometriq

Schilddrüsenkarzinom

2014

CMA, O

Gering

Cabozantinib

Cabometyx

Nierenzellkarzinom

2016

AA

Gering (Neubewertung nach Fristablauf)

Carfilzomib

Kyprolis

Multiples Myelom

2015

AA, O

Nicht quantifizierbar; Überschreitung der 50 Mio. €-Grenze: beträchtlich (2017)

Cenegermin

Oxervate

Neurotrophe Keratitis

2017

AA, O

Nicht quantifizierbar

Zykadia

Nicht-kleinzelliges Lungenkarzinom

2015

CMA

Beträchtlich (Neubewertung nach Fristablauf)

Ceritinib

b

39 2.2  Beschleunigte Zulassungsverfahren

. Tabelle 2.1 (Fortsetzung) Wirkstoff

Handelsname

Indikation

Zulassung Jahr

Art

Zusatznutzen

Cerliponase alfa

Brineura

Neuronale Ceroid-Lipofuszinose Typ 2

2017

EC, O

Nicht quantifizierbar

Chenodesoxycholsäure

Chenodesoxycholsäure Leadiant

Angeborene Störungen der primären Gallensäuresynthese

2017

EC, O

Keine G-BA-Bewertung

Cholsäure

Kolbam (außer Handel)

Angeborene Störungen der primären Gallensäuresynthese

2015

EC, O

Keine G-BA-Bewertung

Cholsäure

Orphacol

Angeborene Störungen der primären Gallensäuresynthese

2013

EC, O

Nicht quantifizierbar

Crizotinibb

Xalkori

ALK-positives nicht-klein- 2012 zelliges Lungenkarzinom

CMA

Beträchtlich (Neubewertung nach Fristablauf)

Daclatasvir

Daklinza (außer Handel)

Chronische HepatitisC-Virusinfektion

2014

AA

Beträchtlich

Daratumumabb

Darzalex

Multiples Myelom (Monotherapie)

2016

CMA, AA, Nicht quantifizierbar O

Dasabuvir

Exviera (außer Handel)

Chronische Hepatitis C

2015

AA

Beträchtlich

Defibrotid

Defitelio

(Schwere) LebervenenVerschlusskrankheit

2013

EC, O

Freigestellt (Antrag auf Freistellung von der NB wegen Geringfügigkeit)

Delamanid

Deltyba

Multiresistente Tuberkulose

2014

CMA, O

Freigestellt (zu erwartende Ausgaben geringfügig)

Dinutuximab beta

Qarziba (vorher: Dinutuximab beta EUSA, Dinutuximab beta Apeiron)

Neuroblastom

2017

EC, O

Freigestellt (zu erwartende Ausgaben geringfügig)

Elbasvir/Grazoprevir

Zepatier

Chronische Hepatitis C

2016

AA

Nicht belegt

Elotuzumab

Empliciti

Multiples Myelom

2016

AA

Gering

Emicizumab

Hemlibra

Hämophilie A mit Faktor VIII-Hemmkörpern und schwere Hämophilie A (Faktor VIII 6 Monate), untersucht. Die ICH-E1-Leitlinie empfiehlt für neue Arzneimittel, die länger als sechs Monate angewendet werden, dass mindestens 1.000 bis 1.500 Patienten die Prüfsubstanz erhalten sollten. Von diesen sollten 300 den Wirkstoff über sechs Monate und 100 über zwölf Monate erhalten. Zur Identifikation der Neuzulassungen wurde das öffentlich zugängliche „Community Register of Medicinal Products“ der EC herangezogen. In Europa wurden neue Arzneimittel im Zeitraum 2000–2010 vor ihrer Zulassung an durchschnittlich 1.708 Patienten geprüft und Orphan-Arzneimittel an 438 Patienten. Etwa ein Viertel der neu zugelassenen Wirkstoffe wurde an weniger als 1.000 Patienten geprüft. Nur 80 % der neuen Arzneimittel, die für einen chronischen Gebrauch vorgesehen sind, wurden bei mindestens 300 Patienten länger als sechs Monate untersucht. Diese Abweichungen von den Standards der ICE-E1-Leitlinie für die Zulassung neuer Arzneimittel führen dazu, dass viele Risiken vor der Zulassung übersehen werden und Aussagen zur langfristigen Wirksamkeit meist nicht möglich sind. Seltene Nebenwirkungen sind aus statistischen Gründen prospektiv nicht zu erkennen. Auch detaillierte Analysen zum Stand der Erkenntnisse zu neuen Arzneimitteln bei Zulassung in den USA belegen, dass die Qualität der Evidenz in klinischen Studien, die der FDA als Basis für die Zulassung neuer Wirkstoffe dienten, sehr unterschiedlich war und wesentlich vom untersuchten Wirkstoff und der Indikation abhing (Downing et al. 2014). Ausgewertet wurden in dieser Untersuchung alle FDA-Dokumente zu insgesamt 188 neuen, zwischen 2005 und 2012 zugelassene Wirkstoffen, darunter 154 „Standard-Arzneimittel“ und 34 Biologika. Von diesen Wirkstoffen hatten 31 einen Orphan Drug-Status, und 22 wurden in beschleunigten Verfahren zugelassen. Knapp die Hälfte dieser Arzneimittel waren zugelassen worden für die Behandlung von Krebser-

krankungen, Infektionen, kardiovaskulären Erkrankungen, Diabetes mellitus oder Fettstoffwechselstörungen. Besonderes Augenmerk legte diese Analyse auf die Patientenzahl, das Design, die Dauer und die Endpunkte in den für die Zulassung relevanten („pivotal“) klinischen Studien. Von insgesamt 448 zulassungsrelevanten Studien waren 400 randomisiert und 356 doppelblind durchgeführt wurden. Mehr als die Hälfte aller Studien (55,1 %) verglich den neuen Wirkstoff mit einem Placebo. Nur 143 Studien verglichen das neue Arzneimittel mit einem aktiven Wirkstoff und in 58 Studien fehlte eine Kontrollgruppe. Aufgrund der Defizite in diesen Studien – vor allem in Hinsicht auf die Zahl der untersuchten Patienten, die ausgewählten Endpunkte sowie das Design und die Dauer – bleiben viele Fragen unbeantwortet, die wichtig sind für eine rationale und sichere Pharmakotherapie nach der Zulassung. Die Autoren schlagen deshalb vor, dass die FDA auch die Qualität der Evidenz der klinischen Studien bewertet, die zur Zulassung geführt haben, und eventuell sogar benotet, um solche mit robuster von solchen mit schwächerer Evidenz unterscheiden zu können. Beim Vergleich neuer mit bereits vorhandenen Arzneimitteln im Rahmen der Zulassungsstudien wird sowohl von der EMA als auch der FDA weiterhin sehr häufig eine Gleichwertigkeit (Äquivalenz) des neuen Wirkstoffs als ausreichender Beleg für die Wirksamkeit akzeptiert – mitunter sogar nur der Nachweis einer nicht vorhandenen Unterlegenheit (Eichler et al. 2010b; Ujeyl et al. 2012; Downing et al. 2014; Naci et al. 2015). Folgende Merkmale, die inzwischen in zahlreichen Untersuchungen der für die Zulassung relevanten Studien analysiert wurden, schränken die Übertragbarkeit der Ergebnisse zu neuen Arzneimitteln auf die Behandlung von Patienten unter Alltagsbedingungen in Klinik oder Praxis (externe Validität) ein: die häufig strikten Ein- und Ausschlusskriterien, die Verwendung von Surrogat- bzw. kombinierten Endpunkten als primäre Endpunkte, die unzureichende Berücksichtigung patientenrelevanter Parameter (z. B. gesundheitsbezogene Lebensqualität) und die in Zu-

49 2.3  Zulassung von neuen Arzneimitteln durch die EMA

lassungsstudien häufig sehr kurzen Zeiträume der Behandlung bzw. Nachbeobachtung (Ludwig 2015). Der Status quo der Zulassungen bei onkologischen Arzneimitteln wurde im Arzneiverordnungs-Report 2016 unter dem Motto „Mehr Unsicherheit als gute Evidenz“ ausführlich dargestellt (Ludwig 2017b). Anhand einer systematischen Literatursuche hatten Onkologen und Mitarbeiter des National Cancer Institute 2015 alle onkologischen Wirkstoffe analysiert, deren Zulassung durch die FDA im Zeitraum von Januar 2008 bis Dezember 2012 auf Surrogatendpunkten wie Ansprechrate und progressionsfreies Überleben basierte. Dies war bei etwa zwei Drittel der in diesem Zeitraum von der FDA zugelassenen onkologischen Wirkstoffe der Fall. Nach einer Nachbeobachtung von im Median 4,4 Jahren konnte nur bei fünf der insgesamt 36 onkologischen Arzneimittel eine Verlängerung des Gesamtüberlebens gezeigt werden. Darüber hinaus basierte die Zulassung bei allen beschleunigt zugelassenen (N = 15) und bei 21 von 39 regulär zugelassenen Onkologika (54 %) auf einem Surrogatendpunkt (Prasad et al. 2015). Zu ähnlichen Ergebnissen kam eine Untersuchung zu den von der EMA im Zeitraum 2009 bis 2013 zugelassenen Onkologika: 48 Arzneimittel für 68 Indikationen (Davis et al. 2017). Zum Zeitpunkt der Marktzulassung konnte nur bei 24 der 68 Arzneimittel (35 %) eine signifikante Verlängerung des Überlebens von 1 bis maximal 5,8 Monaten (Median: 2,7 Monate) gezeigt werden. Eine Verbesserung der Lebensqualität war sogar nur für 7 Indikationen belegt. Auch in klinischen Studien nach der Zulassung konnte ein patientenrelevanter Nutzen anhand einer Verlängerung des Überlebens oder einer Verbesserung der Lebensqualität nur selten gezeigt werden. Von den Autoren dieser Studie und in einem Editorial wurden deshalb die eher laxe Zulassungspraxis in der Onkologie kritisiert und auf mögliche Konsequenzen dieser, meist auf geringer Evidenz basierenden Zulassungen hingewiesen: Schaden für individuelle Patienten, Verschwendung wichtiger Ressourcen in solidarisch finanzierten Gesundheitssystemen

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infolge Verordnung neuer, sehr teurer Onkologika und Beeinträchtigung der Verabreichung notwendiger, erschwinglicher medikamentöser Behandlungen (Davis et al. 2017; Cohen 2017). Die Probleme, die derzeit im Rahmen der frühen Nutzenbewertung infolge der häufig beschleunigten Zulassungsverfahren bei neuen Arzneimitteln zu beobachten sind, werden durch eine aktuelle Untersuchung des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) verdeutlicht (Wieseler et al. 2019). Analysiert wurde der Zusatznutzen der in den Jahren 2011 bis 2017 neu auf den deutschen Markt gekommenen 216 Arzneimittel, darunter 152 mit neuen Wirkstoffen und 64 Arzneimittel, die für eine neue Indikation zugelassen wurden. Nur für 54 der 216 Arzneimittel (25 %) wurde ein erheblicher oder beträchtlicher Zusatznutzen konstatiert, wohingegen bei 125 Arzneimitteln die zum Zeitpunkt der Zulassung vorliegende Evidenz keinen Zusatznutzen gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie hinsichtlich Mortalität, Morbidität oder gesundheitsbezogener Lebensqualität ergab (Gemeinsamer Bundesausschuss 2016). Dieser fehlende Zusatznutzen wurde besonders häufig bei neuen Arzneimitteln zur Behandlung von Diabetes oder neurologischen bzw. psychiatrischen Krankheiten beobachtet. Ein Grund hierfür könnte sein, dass im Rahmen der Zulassungsstudien bei diesen Indikationen häufig weiterhin Placebo als Vergleichsarm akzeptiert wird. Die Fokussierung der pharmazeutischen Unternehmer auf die Entwicklung onkologischer Arzneimittel an der Zahl der für onkologische Indikationen zugelassenen Arzneimittel: 82 der insgesamt 216 Arzneimittel. Die Bewertung des Zusatznutzens dieser Arzneimittel fiel deutlich positiver aus und 59 % dieser Arzneimittel wurde ein Zusatznutzen bescheinigt – vermutlich, da diese Arzneimittel häufig für Zweitlinientherapien nach Versagen der primären Therapie zugelassen wurden, für die auch heute nicht immer gut wirksame medikamentöse Alternativen zur Verfügung stehen. Angesichts dieser ernüchternden Ergebnisse bei der frühen Nutzenbewertung neuer Arzneimittel fordern die

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Kapitel 2  Zulassungsverfahren für neue Arzneimittel in Europa

Autoren ein Umdenken bei der Zulassung. Es sollten wieder vermehrt aktiv-kontrollierte – sofern möglich im Vergleich mit etablierten Therapien – Phase III Studien durchgeführt werden mit Endpunkten, die für Patienten relevant sind. Innovative Arzneimittel, die zur Behandlung bisher nicht oder nur unzureichend therapierbarer Krankheiten entwickelt wurden und die besser wirksam bzw. verträglich sind als verfügbare Wirkstoffe oder aber Vorteile für Patienten bei der Applikation bzw. Einnahme bieten (OECD 2018), sollten im Rahmen der Erstattung bzw. Preisfestsetzung auch durch höhere Preise belohnt werden. Dies erfordert aber Änderungen sowohl auf Ebene der EU – beispielsweise durch sinnvolle Anpassung der regulatorischen Anforderungen an offensichtliche Mängel im derzeitigen Zulassungsverfahren – als auch auf der politischen Ebene durch klare Benennung der Lücken in den Therapiemöglichkeiten und stärkere Ausrichtung der Forschung und Entwicklung an Indikationen, für die derzeit gut wirksame und sichere Arzneimittel nicht zur Verfügung stehen. Auch auf die bekannte Tatsache, dass generell, aber vor allem nach beschleunigten Zulassungsverfahren, viel zu selten weitere Evidenz nach der Zulassung generiert wird, weist diese Analyse des IQWiG hin. Ärzte und Patienten benötigen aber dringend diese Informationen, um neue Arzneimittel gezielt und sicher einsetzen zu können. Aus Sicht der EMA würde die in diesem Zusammenhang wiederholt geäußerte Forderung, nur Arzneimittel mit einem gesicherten Zusatznutzen zuzulassen, den derzeit geltenden Anforderungen an die Zulassung – Nutzen eines neuen Arzneimittels überwiegt dessen Risiken – widersprechen und die wissenschaftlich gerechtfertigte Flexibilität hinsichtlich Entwicklung und Zulassung beeinträchtigen (Eichler et al. 2019a). Stattdessen wird ein als „evidence by design“ bezeichnetes Vorgehen empfohlen, das eine Quantifizierung des nachzuweisenden Zusatznutzens vor Beginn der für die Zulassung relevanten Studie vorsieht. Aussagen zur Sicherheit bzw. zu den unerwünschten Ereignissen neuer Wirkstoffe sind

in Zulassungsstudien nur sehr eingeschränkt möglich, da aufgrund der mitunter kleinen Patientenzahlen – vor allem bei beschleunigten Zulassungsverfahren – und in der Regel kurzen Studiendauer bzw. Nachbeobachtung fast ausschließlich (sehr) häufige bzw. akut auftretende Nebenwirkungen erfasst werden. Dies verdeutlicht auch ein genauer Vergleich zwischen den 2008 im regulären Verfahren in den USA zugelassenen 12 neuen Arzneimitteln mit 8 Arzneimitteln, die beschleunigt bewertet und zugelassen wurden (Moore und Furberg 2014; Carpenter 2014). Bei den beschleunigt bewerteten Arzneimitteln wurden deutlich weniger Patienten vor der Zulassung untersucht und zahlreiche Fragen zur Sicherheit dieser Wirkstoffe blieben unbeantwortet. Zu ähnlichen Ergebnisse kamen auch Untersuchungen aus Kanada (Lexchin 2015). Leider werden diese offenen Fragen bei beschleunigt zugelassenen Arzneimitteln häufig auch nicht durch Studien nach der Zulassung in den USA beantwortet (Pease et al. 2017). Aktuelle Auswertungen einer Überwachungsorganisation der US-amerikanischen Kongresses ergaben kürzlich, dass die Ergebnisse der FDA hinsichtlich Überwachung von Sicherheitsaspekten und Studien nach der Zulassung unvollständig, ungenau und veraltet waren (U.S. Government Accountability Office 2016; Dyer 2016). Systematische Analysen zur Sicherheit neuer Arzneimittel werden dadurch erschwert, und mehr als die Hälfte der von der FDA verlangten Studien nach der Zulassung waren 2015 nicht abgeschlossen und viele noch nicht einmal begonnen worden (Dyer 2016). Von der neuen Gesetzgebung zur Pharmakovigilanz in Europa und dem 2012 in diesem Zusammenhang etablierten neuen Ausschuss für Risikobewertung (PRAC) der EMA werden erwartet, dass hierdurch die Voraussetzungen für eine sichere und wirksame Anwendung neuer Arzneimittel verbessert werden (Arlett et al. 2014; vgl. 7 Abschn. 2.1). Analysen, die sich allerdings auf den Zeitpunkt vor der neuen Pharmakovigilanz-Gesetzgebung beziehen, ergaben keine eindeutigen Hinweise für erhöhte Sicherheitsrisiken oder vermehrte Warnhinweise bei Arzneimitteln mit bedingter Zu-

51 2.4  Reformvorschläge der EMA hinsichtlich der regulatorischen Anforderungen

lassung oder Zulassung unter außergewöhnlichen Umständen (Boon et al. 2010; Arnadottir et al. 2011). Systematische Untersuchungen, die sich mit Sicherheitsaspekten der in beschleunigten Verfahren zugelassenen Arzneimittel und Durchführung entsprechender Studien beschäftigen, liegen für Europa bisher nur vereinzelt vor.

2.4

Reformvorschläge der EMA hinsichtlich der regulatorischen Anforderungen an die Zulassung

Unter „Regulatory Science“ im Zusammenhang mit der Entwicklung und Zulassung neuer Arzneimittel wird eine Wissenschaft verstanden, die mit Hilfe von etablierten Standards bzw. neuen Verfahren die Wirksamkeit, Sicherheit und Qualität von Arzneimitteln im Rahmen der vom pharmazeutischen Unternehmer beantragten Zulassung bewertet und eine fundierte sowie transparente Entscheidungsfindung ermöglicht (Medicines Evaluation Board 2019). Benötigt werden hierfür Kenntnisse verschiedener Grundlagen- und angewandter Naturwissenschaften, aber auch der Sozialwissenschaften, um Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit neuer Arzneimittel zu bewerten und regulatorische Entscheidungen während des gesamten „Lebenszyklus“ eines Arzneimittels zu treffen (EMA 2018d). Verschiedene Entwicklungen stellen die im Bereich der Zulassungsbehörden tätigen Wissenschaftler vor große Herausforderungen, auf die internationale Zulassungsbehörden wie die EMA und FDA mit Veränderungen hinsichtlich der Anforderungen an klinischen Studien und an die Zulassung neuer Arzneimittel reagieren sollten (Hines et al. 2019). Hierzu zählen vor allem: Fortschritte auf dem Gebiet der meist Biomarker-basierten Präzisionsmedizin, neu entwickelte zell- (z. B. CAR-T Zellen) bzw. genbasierte (z. B. allogene genetisch

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modifizierte T-Zellen, 7 Kap. 3, 7 Abschn. 3.1.2) Therapiestrategien, neue Designs für klinische Studien sowie die zunehmende Generierung bzw. Verwendung von „real-world“ Evidenz (RWE), „Big Data“ und Künstlicher Intelligenz. Pharmazeutische Unternehmer haben deshalb bereits 2015 – während eines Symposiums zum 20-jährigen Bestehens der EMA – ihre Erwartungen an die künftigen Anforderungen in Zulassungsverfahren unter dem Motto „Science drives innovation: EMA needs to be prepared to receive the pass!“ unmissverständlich artikuliert (Zerhouni 2015). Anlässlich eines Workshops im Oktober 2018 haben jetzt Experten der EMA und eingeladene Wissenschaftler fünf strategische Ziele definiert, die aus ihrer Sicht für eine Weiterentwicklung der „Regulatory Science to 2025“ wesentlich sind (EMA 2018d; Hines et al. 2019). Sie beinhalten vor allem: 4 die Berücksichtigung aktueller wissenschaftlicher und technologischer Fortschritte bei der Entwicklung und Zulassung neuer Arzneimittel 4 die Beschleunigung der gemeinschaftlichen Generierung von Evidenz und dadurch Verbesserung der wissenschaftlichen Qualität von Arzneimittelbewertungen 4 die partnerschaftliche Zusammenarbeit mit den nationalen Gesundheitssystemen in Europa, um Fortschritte im patientenzentrierten Zugang zu Arzneimitteln zu erreichen 4 die verstärkte Beachtung von gesundheitlichen Bedrohungen (z. B. Lieferengpässe bei bzw. ungleicher Zugang zu versorgungsrelevanten Arzneimitteln) und therapeutischen Herausforderungen (z. B. Entwicklung neuer Antibiotika gegen multiresistente Bakterien bzw. neuer Impfstoffe) 4 die verstärkte Zusammenarbeit, u. a. mit akademischen Institutionen, um die Forschung auf dem Gebiet der „regulatory science“ effektiver weiterzuentwickeln und aktuelle Fragen zu geeigneten Verfahren im Rahmen der „regulatory science“ zu beantworten.

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Kapitel 2  Zulassungsverfahren für neue Arzneimittel in Europa

In einem umfangreichen Konzeptpapier (EMA 2018d) wurden konkrete Vorschläge zur Umsetzung dieser Ziele vorgestellt, die während einer öffentlichen Konsultation im ersten Halbjahr 2019 kommentiert, ergänzt, aber auch kritisiert werden konnten. Ziel dieser Konsultation war es, anhand der eingegangenen Kommentare eine finale Version des Konzeptpapiers im 4. Quartal 2019 zu erstellen. Die strategischen Pläne und Vorschläge der EMA, insbesondere hinsichtlich der künftigen Anforderungen an die Zulassung neuer Arzneimittel, haben ein sehr geteiltes Echo gefunden – ähnlich wie in den USA der Ende 2016 verabschiedete „21st Century Cures Act“ (Avorn und Kesselheim 2015; Kesselheim und Avorn 2017; Kaplan 2019), in dem methodische Anforderungen an die Zulassung gelockert und auch Surrrogatendpunkte als relevante Parameter für den Nachweis der Wirksamkeit in klinischen Studien akzeptiert werden. So begrüßte beispielsweise der Dachverband der nationalen Verbände forschender pharmazeutischer Unternehmer in Europa (EPFIA 2019) ausdrücklich die fünf strategischen Ziele des Konzeptpapiers, da sie wichtige Prioritäten in der Entwicklung „innovativer“ Arzneimittel setzen und die medikamentöse Versorgung der Patienten verbessern. Als wichtigste Ziele einer Reform wurden von EPFIA genannt: „Innovationen“ zu fördern, regulatorische Beratung während des gesamten Entwicklungsprozesses eines neuen Arzneimittels anzubieten und „real-world data“ (RWD) hoher Qualität in Zulassungsentscheidungen stärker zu berücksichtigen. Demgegenüber äußerten deutliche Kritik an den strategischen Plänen der EMA unabhängige Arzneimittelbulletins (Prescrire 2019), der Ständige Ausschuss der europäischen Ärzte (CPME 2019), Verbraucherverbände (BEUC 2019) sowie die europäische Allianz der nationalen Sozialversicherungssysteme (ESIP 2019), aber auch gemeinnützige Organisationen, die im Bereich der öffentlichen Gesundheit tätig sind (EPHA 2019). Aus ihrer Sicht sind RCTs mit geeignetem Design (z. B. Nachweis der Überlegenheit neuer Arzneimittel anstelle der Nicht-Unterlegenheit) weiter-

hin der Goldstandard im Rahmen der Zulassung neuer Arzneimittel. Informationen zu patientenrelevanten Endpunkten wie Verlängerung des Überlebens und Verbesserung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität seien unverzichtbar, um Ärzte und Patienten sachgerecht zu informieren, aber auch als wesentliche Grundlage für fundierte Entscheidungen der HTA-Institutionen zur Nutzenbewertung, Preisbildung und Erstattung. Der deutlich erkennbare Trend zu beschleunigten Zulassungen sei deshalb problematisch und sollte bei zulassungsrelevanten klinischen Studien eher die Ausnahme als – wie heute häufig – die Regel sein. Bevor Informationen neuer Technologien wie beispielsweise „Big Data“ und „Künstliche Intelligenz“ im Rahmen der Zulassungsverfahren berücksichtigt werden, sollte ihre Aussagekraft für regulatorische Entscheidungen gründlich überprüft werden. Sehr viel mehr Aufmerksamkeit sollte demgegenüber klinischen Studien gewidmet werden, die nach der Zulassung den Nutzen und die Nebenwirkungen neuer Arzneimittel unter Alltagsbedingungen untersuchen. Sie müssten deshalb von der EMA häufiger beauflagt und ihre zeitgerechte Durchführung auch überprüft werden. Besonders große Hoffnungen werden derzeit verbunden mit der verstärkten Generierung und Nutzung von RWD bzw. RWE – sowohl von Vertretern der EMA (EMA 2018d) bzw. nationaler Zulassungsbehörden als auch von pharmazeutischen Unternehmern (EPFIA 2019), da hierdurch Fortschritte nicht nur im Rahmen der Forschung und Entwicklung neuer Wirkstoffe, sondern auch bei regulatorischen Entscheidungsprozessen, HTA-Bewertungen, Preisbildung und Erstattung erzielt werden können. Insbesondere RWD und elektronische Patientenakten werden als eine wichtige, aber heute noch zu selten genutzte Informationsquelle angesehen (Eichler et al. 2018). Ein lernendes Gesundheitssystem, basierend auf elektronischen Patientenakten und anderen, routinemäßig gesammelten Daten, sei deshalb erforderlich, um das gesamte Potenzial der RWD zu nutzen und dadurch die in

53 2.4  Reformvorschläge der EMA hinsichtlich der regulatorischen Anforderungen

RCTs generierte Evidenz sinnvoll zu ergänzen (Eichler et al. 2018). Gleichzeitig wurde auf die deutlichen Unterschiede in der Infrastruktur bezüglich Sammlung und Auswertung von Gesundheitsdaten in Europa hingewiesen, ebenso wie auf andere Datenquellen (z. B. Omics-Technologien, „wearable sensors“, klinische Studien, Register). Andere Wissenschaftler beurteilen das Potenzial von RWD bzw. RWE sehr viel kritischer und betonen Vorzüge, aber auch Limitationen der heute aus unterschiedlichen Quellen (wie z. B. Daten zur Erstattung medizinischer Leistungen bzw. Medikamenten durch Krankenkassen („administrative claims“), elektronischen Gesundheitsakten, Registern, Beobachungsstudien und sozialen Medien) zur Verfügung stehenden RWD (Korzilius 2018; Nabhan et al. 2019). Weitere Forschung zur Bedeutung von RWD bzw. RWE anhand standardisierter Methoden sei dringend erforderlich, bevor diese außerhalb von RCTs gewonnenen Erkenntnisse Auswirkungen auf regulatorische Entscheidungen haben sollten (Nabhan et al. 2019). Die Bedeutung von RWD für Versorgungsforschung und Qualitätssicherung in der Anwendung neuer Arzneimittel wird häufig betont, gleichzeitig aber der Stellenwert der RWD für die Beurteilung der Wirksamkeit bzw. des Nutzens von Arzneimitteln bezweifelt (Korzilius 2018). In den USA („21st Century Cures Act“) wird bereits untersucht, inwieweit RWD und RWE die heute weiterhin als Goldstandard geltenden, allerdings weitaus teureren und zeitaufwendigen RCTs ersetzen können (Avorn und Kesselheim 2015; Hudson und Collins 2017). Eine kürzlich publizierte Untersuchung, die versuchte mittels RWD die Ergebnisse einer Phase-IV-Studie zur Beeinflussung kardiovaskulärer Ergebnisse durch zwei orale Antidiabetika (Linagliptin und Glimepirid) vorauszusagen (Patorno et al. 2019), wurde von Experten sehr unterschiedlich bewertet (Herper 2019). Ob sich die Idealvorstellung – RWE ergänzt RCTs und liefert Informationen nicht nur zur Wirksamkeit und Sicherheit, sondern auch zu den Therapiekosten im Alltag, Verbrauch von Hilfsmitteln bzw. anderen Ressourcen und „patient-re-

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ported outcomes“ – bewahrheiten wird, bleibt abzuwarten.

2.4.1

Wissenschaftliche Beratung vor Einreichung eines Zulassungsantrags

Eine wissenschaftliche Beratung („scientific advice“) durch die EMA wurde 1996 initiiert, um eine intensive Kommunikation zwischen pharmazeutischen Unternehmern und der Zulassungsbehörde während der Entwicklung und Prüfung neuer Arzneimittel zu ermöglichen. Wesentliches Ziel dieser freiwilligen, unverbindlichen Beratung durch die EMA ist es, pharmazeutische Unternehmer darüber zu informieren, welche Ergebnisse für die Bewertung von Nutzen und Risiken im Antrag auf Marktzulassung ihrer neuen Arzneimittel vorzulegen sind (Hofer et al. 2015). Inhalte der Beratung betreffen vor allem die in den Studien verwendeten primären Endpunkte für den Nachweis der Wirksamkeit, die Wahl des Arzneimittels im Vergleichsarm und die Aussagekraft der gewählten statistischen Methodik. Eine Analyse der zwischen 2008 und 2012 eingereichten Anträge auf Marktzulassung ergab eine gute Korrelation zwischen Einhaltung der von der EMA in der Beratung gemachten Empfehlungen hinsichtlich des Designs der klinischen Zulassungsstudie und einer positiven Entscheidung über die Zulassung (Hofer et al. 2015). Seit 2017 erfolgt darüber hinaus eine parallele Beratung der pharmazeutischen Unternehmer durch EMA und HTA-Institutionen, die 2018 von pharmazeutischen Unternehmern vor allem in Anspruch genommen wurden für onkologische bzw. immunmodulatorische Wirkstoffe, Antiinfektiva sowie Arzneimittel zur Behandlung metabolischer Erkrankungen sowie von Erkrankungen des ZNS und der Verdauungsorgane (EMA 2018a). Angesichts der teilweise unterschiedlichen Anforderungen an die Zulassung und den Nachweis eines therapeutischen Zusatznutzens ist diese

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Kapitel 2  Zulassungsverfahren für neue Arzneimittel in Europa

gemeinsame Beratung von besonderer Bedeutung. In einer vom Europäischen Ombudsmann veranlassten öffentlichen Konsultation wurde kürzlich die Transparenz und Art der unterschiedlichen Interaktionen zwischen EMA und pharmazeutischen Unternehmern vor der Zulassung analysiert (European Ombudsman 2019). Hierzu wurden im Oktober 2018 insgesamt 8 Fragen an unterschiedliche Akteure bzw. Institutionen im europäischen Gesundheitssystem versendet. Im Juli 2019 wurde nach Auswertung der Konsultation durch den Europäischen Ombudsmann gefordert, dass soweit wie möglich eine personelle Trennung sicherzustellen sei zwischen den bei der wissenschaftlichen Beratung und den im anschließenden Zulassungsverfahren zu demselben Arzneimittel involvierten Personen (Rapporteure). Darüber hinaus sollte der nach Zulassung erstellte EPAR eine detaillierte Aufzeichnung aller relevanten Aktivitäten vor Antragstellung – einschließlich der involvierten Experten – enthalten. Von Seiten der EMA wurden die Ergebnisse dieser Konsultation begrüßt und zugesagt, die Empfehlungen gründlich zu prüfen und gegebenenfalls weitere Maßnahmen zu ergreifen, die eine Umsetzung der Forderungen garantieren (EMA 2019c).

2.5

Unterschiede der Zulassungsverfahren in Europa, USA und Japan

Seit langem gibt es Bemühungen, die Anforderungen für Zulassungsverfahren auch über den europäischen Raum hinaus anzugleichen. Bereits 1990 wurde die International Conference on Harmonization of Technical Requirements for Registration of Pharmaceuticals for Human Use (ICH) gegründet (International Council for Harmonisation 1994). Ihr gehören Vertreter der Zulassungsbehörden der EU, der USA und Japans sowie Vertreter der jeweiligen Pharmaindustrieverbände an, die gemeinsam beraten,

wie die wissenschaftlichen und technischen Anforderungen an die Arzneimittelzulassung einander angepasst werden können (Deutscher Bundestag 2014). Das 2003 in Europa, in Japan und in den USA verbindlich eingeführte gemeinsame Dossier (International Council for Harmonisation 2000) zur Beantragung einer Zulassung, war ein erster wichtiger Schritt auf dem Weg zur Harmonisierung. Wie wesentlich eine derartige Harmonisierung der Anforderungen in den Zulassungsverfahren bzw. die engere Zusammenarbeit der Zulassungsbehörden sind, zeigen Untersuchungen, die von 2001 bis 2015 sowohl den Zeitraum verglichen haben, den regulatorische Behörden benötigten für die Überprüfung und Bewertung der vom pharmazeutischen Unternehmer eingereichten Dossiers zu neuen Arzneimitteln, als auch die Art der Zulassungsverfahren und die zugelassenen Indikationen. Vergleiche der zwischen 2001 und 2010 der FDA, EMA und kanadischen Zulassungsbehörde (Health Canada) vorgelegten Zulassungsanträge – insgesamt 510 – ergaben, dass die erste Bewertung der Dossiers im Median 303 Tage bei der FDA, 366 Tage bei der EMA und 352 Tage bei Health Canada beanspruchte und auch der gesamte Zeitraum für die Bewertung der Unterlagen kürzer war bei der FDA im Vergleich zur EMA und Health Canada. Fast zwei Drittel (63,7 %) der neuen Arzneimittel wurden zunächst in den USA zugelassen (Downing et al. 2012). Eine 2017 von denselben Wissenschaftlern publizierte Analyse für den Zeitraum 2011 bis 2015 bestätigte diese Ergebnisse und ergab erneut signifikante Unterschiede hinsichtlich der Zeitspanne der Bewertung (Downing et al. 2017b). In diesem Zeitraum wurden von der FDA 170 und von der EMA 144 neue Arzneimittel für vergleichbare Indikationen zugelassen, darunter 43,5 % als Orphan-Arzneimittel in den USA und 25 % in Europa. Die Dauer für die gesamte Bewertung der Dossiers betrug im Median bei der FDA 306 Tage und bei der EMA 383 Tage. Bemerkenswert ist, dass diese Unterschiede vor allem auf der schnelleren Bewertung der FDA

55 2.5  Unterschiede der Zulassungsverfahren in Europa, USA und Japan

von neuen Arzneimitteln für die Indikationen Krebs und hämatologische Erkrankungen beruhen, signifikante Unterschiede bei anderen Indikationen bzw. Orphan-Arzneimitteln jedoch nicht festgestellt wurden. Über eine ähnliche Zeitdauer für die Bewertung von Anträgen für neue Arzneimittel berichtete auch die japanische Zulassungsbehörde (Pharmaceutical and Medical Advice Agency, PMDA). Die Bewertung der im Zeitraum 2011 bis 2015 von der PMDA insgesamt neu zugelassenen 213 Arzneimittel dauerte 322 Tage (Median). Orphan-Arzneimittel und beschleunigt zugelassene Arzneimittel benötigten im Median nur etwa 270 Tage, die regulär zugelassenen Arzneimittel demgegenüber 358 Tage. Da aber nur 5 % der neuen Arzneimittel zunächst von der PMDA – vor FDA und/oder EMA – bewertet wurden, konnte die PMDA vermutlich auf die Erkenntnisse anderer regulatorischer Behörden zurückgreifen und dadurch die Bewertung rascher durchführen (Fujiwara und Ono 2017; Downing et al. 2017b). Auch der kürzlich publizierte Vergleich der von der FDA, EMA und der schweizerischen Zulassungsbehörde (Swissmedic) im Zeitraum 2007 bis 2016 zugelassenen neuen Arzneimittel ergab deutliche Unterschiede – sowohl hinsichtlich Zeitdauer der Bewertung als auch in Bezug auf Indikationen, Dosierung und Applikationsform der neu zugelassenen Wirkstoffe (Zeukeng et al. 2018). Insgesamt wurden 134 neue Arzneimittel von FDA, EMA und Swissmedic gemeinsam zugelassen, davon zwei Drittel (66,4 %) zunächst von der FDA, 30,6 % zuerst von der EMA und nur 3 % zuerst von Swissmedic. Nur bei 23,1 % aller 134 Arzneimittel stimmten die Indikationen überein, wobei signifikante Unterschiede bestanden zwischen FDA und EMA bzw. FDA und Swissmedic, nicht aber zwischen EMA und Swissmedic. Analysen von 100 neuen Wirkstoffen, die sowohl von der FDA im Zeitraum 1999–2011 im Rahmen des „Priority Review“ als auch von der EMA zugelassen wurden, verdeutlichten ebenfalls, dass die Mehrzahl dieser Arzneimittel zunächst von der FDA (87 %) zugelassen wurden, die Begutachtung der Anträ-

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ge deutlich kürzer war bei der FDA (9,2 versus 14,6 Monate) und von der FDA diese Wirkstoffe häufiger eine Ausweisung als OrphanArzneimittel erhielten als von der EMA (43 versus 32 %). Auch hinsichtlich Applikationsform, Dosierung, Indikationen und Anwendungsbeschränkungen unterschieden sich die Empfehlungen der beiden Zulassungsbehörden (Alqahtani et al. 2015; Seoane-Vazquez et al. 2016). Insbesondere bei genauerer Analyse der Zulassung von onkologischen Arzneimitteln durch die EMA, FDA, Health Canada und PMDA wurden erhebliche Unterschiede deutlich – sowohl hinsichtlich formaler Faktoren (z. B. Interpretation von Endpunkten in klinischen Studien) als auch der Interaktion zwischen regulatorischen Behörden, pharmazeutischen Unternehmern und Patientenvertretern (Trotta et al. 2011; Tafuri et al. 2014; Nagai und Ozawa 2016; Oye et al. 2016; Zhang et al. 2017). Dabei war der unterschiedliche Umgang mit Unsicherheit der für die Zulassung vorgelegten Ergebnisse zu Wirksamkeit und Sicherheit neuer Arzneimittel besonders auffallend: Anders als bei der EMA ist die vorherrschende Grundhaltung der FDA, Unsicherheit bzw. Risiken bei neuen Arzneimitteln in Kauf zu nehmen, um einen schnellen Zugang zu neuen Arzneimitteln zu garantieren (Tafuri et al. 2014). Dies trifft auch für Arzneimittel zu, deren Zulassung nicht auf RCTs basieren. Zwischen Januar 1999 und Mai 2014 wurden von der EMA und FDA neue Arzneimittel für insgesamt 76 Anwendungsgebiete – ganz überwiegend für hämatologische Neoplasien bzw. solide Tumoren – zugelassen, obwohl keine RCTs durchgeführt wurden. Für die meisten dieser neuen Arzneimittel wurde vom pharmazeutischen Unternehmer zunächst bei der FDA eine Zulassung beantragt und in der Regel auch rascher von der FDA als von der EMA erteilt. Klare Vorgaben, wie mit derartigen Anträgen auf Zulassung neuer Arzneimittel ohne RCTs umgegangen und welche Ergebnisse aus klinischen Studien nach Zulassung rasch vorgelegt werden sollten, sind deshalb dringend erforderlich (Hatswell et al. 2016).

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Kapitel 2  Zulassungsverfahren für neue Arzneimittel in Europa

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Kapitel 2  Zulassungsverfahren für neue Arzneimittel in Europa

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Kapitel 2  Zulassungsverfahren für neue Arzneimittel in Europa

Arzneimittel-Agentur. Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 136 S. 1; zuletzt geändert durch Art. 1 ÄndVO (EU) 1027/2012 vom 25. Oktober 2012, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 316 S. 38 Verordnung (EG) Nr. 507/2006 der Kommission vom 29. März 2006 über die bedingte Zulassung von Humanarzneimitteln, die unter den Geltungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates fallen. Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 92 S. 6 Verordnung (EG) Nr. 1394/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 über Arzneimittel für neuartige Therapien und zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG und der Verordnung (EG) Nr. 726/2004. Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 324 S. 121, ber. Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 2009 Nr. L 87 S. 174; zuletzt geändert durch Art. 2 ÄndVO (EU) 1235/2010 vom 15. Dezember 2010, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 348 S. 1 Verordnung (EG) Nr. 1235/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 2010 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 zur Fest-

legung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Errichtung einer Europäischen Arzneimittel-Agentur hinsichtlich der Pharmakovigilanz von Humanarzneimitteln und der Verordnung (EG) Nr. 1394/2007 über Arzneimittel für neuartige Therapien Wieseler B, McGauran N, Kaiser T (2019) New drugs: where did we go wrong and what can we do better? BMJ 366:l4340. https://doi.org/10.1136/bmj.l4340 Zerhouni E (2015) EMA: the next 5 years – the innovator’s perspective. https://www.ema.europa.eu/en/ documents/presentation/presentation-europeanmedicines-agency-next-5-years-innovatorsperspective-elias-zerhouni_en.pdf Zeukeng M-J, Seoane-Vazquez E, Bonnabry P (2018) A comparison of new drugs approved by the FDA, the EMA, and Swissmedic: an assessment of the international harmonization of drugs. Eur J Clin Pharmacol 74:811–818 Zhang Y, Hueser HC, Hernandez I (2017) Comparing the approval and coverage decisions of new oncology drugs in the United States and other selected countries. J Manag Care Spec Pharm 23:247–254

61

Neue Arzneimittel 2018 Uwe Fricke, Lutz Hein und Ulrich Schwabe

3.1

Neue Wirkstoffe des Jahres 2018 – 64

3.1.1 3.1.2 3.1.3 3.1.4 3.1.5 3.1.6 3.1.7 3.1.8 3.1.9 3.1.10 3.1.11 3.1.12 3.1.13 3.1.14 3.1.15 3.1.16 3.1.17 3.1.18 3.1.19 3.1.20 3.1.21 3.1.22 3.1.23 3.1.24 3.1.25 3.1.26 3.1.27 3.1.28

Abemaciclib (C) – 69 Allogene, genetisch modifizierte T-Zellen (A) – 72 Benralizumab (B) – 73 Bezlotoxumab (A) – 76 Bictegravir/Emtricitabin/Tenofoviralafenamid (C) – 77 Binimetinib (C) – 78 Burosumab (A) – 81 Caplacizumab (A) – 83 Cariprazin (C) – 84 Desfesoterodin (C) – 86 Durvalumab (B) – 88 Emicizumab (A) – 90 Encorafenib (C) – 92 Erenumab (A) – 93 Ertugliflozin + Sitagliptin (C) – 95 Gemtuzumab Ozogamicin (A) – 96 Glycerolphenylbutyrat (C) – 99 Inotersen (A) – 100 Letermovir (A) – 102 Methacetin (A) – 103 Metreleptin (A) – 105 Ocrelizumab (A) – 106 Padeliporfin (A) – 109 Patiromer (C) – 110 Patisiran (A) – 111 Rurioctocog alfa pegol (C) – 112 Semaglutid (C) – 113 Sonidegib (C) – 115

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2019 U. Schwabe et al. (Hrsg.), Arzneiverordnungs-Report 2019, https://doi.org/10.1007/978-3-662-59046-1_3

3

3.1.29 3.1.30 3.1.31 3.1.32 3.1.33 3.1.34 3.1.35 3.1.36 3.1.37

Streptozocin (C) – 116 Tezacaftor + Ivacaftor (C) – 117 Tilmanocept (A) – 118 Tildrakizumab (C) – 120 Tisagenlecleucel (A) – 121 Trientin (C) – 125 Varicella-Zoster-Virus-Glykoprotein-E-Antigen (C) – 126 Velmanase alfa (A) – 127 Vestronidase alfa (A) – 128

3.2

Bekannte Wirkstoffe mit neuen Indikationen – 129

3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.2.4 3.2.5 3.2.6 3.2.7 3.2.8 3.2.9 3.2.10 3.2.11 3.2.12 3.2.13 3.2.14 3.2.15 3.2.16 3.2.17 3.2.18 3.2.19 3.2.20 3.2.21 3.2.22 3.2.23 3.2.24

Alectinib – 129 Bosutinib – 132 Brentuximab Vedotin – 133 Brivaracetam – 134 Budesonid – 135 Cabozantinib – 136 Dabrafenib – 137 Daratumumab – 138 Elvitegravir/Cobicistat/Emtricitabin/Tenofoviralafenamid – 139 Enzalutamid – 140 Fluticasonfuroat/Umeclidiniumbromid/Vilanterol – 141 Glycopyrroniumbromid – 142 Ipilimumab – 143 Ixekizumab – 144 Lenvatinib – 145 Lidocain – 146 Lidocain/Prilocain – 146 Mepolizumab – 147 Nivolumab – 148 Osimertinib – 149 Pembrolizumab – 150 Pertuzumab – 150 Tofacitinib – 152 Venetoclax – 153

63

3.3

Bekannte Wirkstoffe in neuen Kombinationen – 154

3.3.1 3.3.2 3.3.3 3.3.4 3.3.5 3.3.6 3.3.7 3.3.8 3.3.9 3.3.10

Daunorubicin/Cytarabin – 154 Dolutegravir/Rilpivirin – 156 Ibuprofen/Coffein – 157 Macrogol-Kombination – 157 Naltrexon/Bupropion – 158 Paracetamol/Ibuprofen – 158 Perindopril/Amlodipin/Indapamid – 159 Polymyxin B/Bacitracin/Hydrocortison – 159 Multvitaminkombination – 160 Rosuvastatin/Ezetimib – 160

Literatur – 161

3

64

Kapitel 3  Neue Arzneimittel 2018

Auf einen Blick

3

Trend Im Jahr 2018 wurden 37 neue Wirkstoffe in Deutschland auf den Markt gebracht und damit etwas mehr als im Vorjahr (34 Arzneimittel). Davon wurden 13 neue Wirkstoffe als Orphan-Arzneimittel zugelassen. Weitere Neueinführungen betrafen patentgeschützte Arzneimittel mit neuen Indikationen bereits bekannter Wirkstoffe (24 Präparate) sowie neue Kombinationen bekannter Wirkstoffe (11 Präparate). Bewertung Auf Innovationen entfielen 2018 insgesamt 18 Wirkstoffe mit einem neuartigen Wirkmechanismus. Besondere Beachtung hat ein gentherapeutisches Arzneimittel (Tisagenlecleucel) mit patienteneigenen CAR-T-Zellen zur einmaligen Behandlung der refraktären oder rezidivierten lymphatischen B-Zell-Leukämie (ALL) bei Kindern, Jugendlichen und jungen erwachsenen Patienten gefunden, das die Gesamtüberlebensrate deutlich erhöhte und bei einzelnen Patienten ein Langzeitüberleben bis zu sechs Jahren erreichte. Zwei Wirkstoffe wiesen verbesserte pharmakodynamische oder pharmakokinetische Eigenschaften bereits bekannter Wirkprinzipien auf. Die Gruppe der Analogpräparate war 2018 mit 17 Wirkstoffen vertreten. Die frühe Nutzenbewertung neuer Arzneimittel zeigte bei 21 der 37 neuen Wirkstoffe einen Zusatznutzen in mindestens einer bewerteten Teilindikation gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie. Bei neun neuen Arzneimitteln ergab die frühe Nutzenbewertung keinen Zusatznutzen. Sieben weitere neue Wirkstoffe wurden nicht bewertet, weil es sich um patentfreie Wirkstoffe oder andere formale Ausschlussgründe handelte.

geführten Arzneimittel zeigte seit 2010 zunächst einen leicht rückläufigen Trend, hatte sich aber 2014 gegenüber dem Vorjahr mit 46 Neueinführungen fast verdoppelt und damit die höchste Zahl seit 15 Jahren erreicht (. Abb. 3.1). Die Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen werden seit 1987 im Arzneiverordnungs-Report mit den pharmakologischtherapeutischen Bewertungen nach der Methode von Fricke und Klaus (siehe Fricke 2000) tabellarisch dargestellt. Seit dem Jahr 2000 werden zusätzlich kurze Charakterisierungen der einzelnen neuen Wirkstoffe gegeben. Nach Inkrafttreten des Arzneimittelmarktneuordnungsgesetzes (AMNOG) im Jahr 2011 werden auch die Ergebnisse der frühen Nutzenbewertungen durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) einbezogen. Darüber hinaus werden seit 2011 neue Arzneimittel mit neuen Indikationen oder neuen Kombinationen bekannter Wirkstoffe analysiert.

3.1

Neue Wirkstoffe des Jahres 2018

Fast alle 37 neuen Arzneimittel des Jahres 2018 mit bisher nicht allgemein bekannten Wirkstoffen wurden zentral durch die European Medicines Agency (EMA) zugelassen. Lediglich drei Wirkstoffe (Desfesoterodin, Methacetin, Streptozocin), erhielten eine nationale Zulassung durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Nationale Zulassungen haben damit nur noch eine geringe Bedeutung für den Marktzugang neuer Wirkstoffe. Seit 1998 besteht die Verpflichtung für das zentrale europäische Zulassungsverfahren für gentechnisch hergestellte Arzneimittel. Das EU-Zulassungsverfahren ist optional, wenn neue oder in der EU bisher noch nicht zugelassene Wirkstoffe in mehr als einem Mitgliedstaat der EU in den Verkehr gebracht werden sollen. Daneben gibt es das nationale Im Jahr 2018 wurden in Deutschland 37 neu- Zulassungsverfahren durch das BfArM sowie artige Arzneistoffe in den Markt eingeführt das dezentrale Zulassungsverfahren als gegen(. Tab. 3.1). Die Zahl der jährlich neu ein- seitiges Anerkennungsverfahren innerhalb von

3

65 3.1  Neue Wirkstoffe des Jahres 2018

50 46

Gesamtzahl Innovation Verbesserung

40

Zahl der Arzneistoffe

37

36 31

31 29

28

30

37

34

33

33

27

27 23

21

23

22 20

20

17

17

17

17 15

15

15

14

14

18

15

12 10

10

10

5

0 2001

13

9

8

9

5

5

7

7

2002

8

8

7 5

4

3

3

2

2003

2004

2005

2006

2007

4 2008

2009

2010

2011

2012

2013

6

5

2014

4 2015

2016

2017

2 2018

Jahr der Markteinführung . Abb. 3.1 Markteinführung neuer Arzneistoffe mit der Anzahl innovativer und verbesserter Wirkstoffe in den Jahren 2001 bis 2018

90 Tagen, wenn eine Zulassung bereits in einem anderen Mitgliedsstaat der EU besteht. Der Schwerpunkt des nationalen Zulassungsverfahrens liegt im Bereich neuer Arzneimittel mit bekannten Wirkstoffen in neuen Kombinationen (siehe 7 Abschn. 3.3). Bei den neuen Indikationen bekannter Arzneimittel gab es 2018 nur Zulassungen durch die EMA. Die pharmakologisch-therapeutische Bewertung der 37 neuen Wirkstoffe zeigt, dass 18 Substanzen als innovativ (Kategorie A) klassifiziert wurden (. Tab. 3.1). Darunter befindet sich Tisagenlecleucel (Kymriah) als erster Vertreter der patienteneigenen, gentechnologisch veränderten CAR-T-Zellen mit synthetischen antigenspezifischen Rezeptoren zur einmaligen Behandlung der refraktären oder rezidivierten lymphatischen B-Zell-Leukämie (ALL) und des rezidivierten oder refraktären diffus großzelligen B-Zell-Lymphoms (DLBCL). Zwei weitere Wirkstoffe weisen gegenüber bereits verfügbaren Arzneistoffen mit gleicher Indikation Verbesserungen auf, die sowohl pharmakodynamische als auch pharmakokinetische Eigen-

schaften betreffen (B). In die Gruppe der Analogpräparate (C) wurden 17 Wirkstoffe eingestuft, da sie keine oder nur marginale pharmakologische Unterschiede gegenüber vergleichbaren Arzneimitteln haben. Die Nutzenbewertung hat bei den meisten Analogpräparaten keinen Zusatznutzen ergeben, ein Präparat erreichte aber einen beträchtlichen Zusatznutzen (Tezacaftor + Ivacaftor). Die Bewertung des frühen Zusatznutzens durch den G-BA nach der Arzneimittelnutzenbewertungsverordnung des Bundesministers für Gesundheit (2010) hat insgesamt für 21 der 37 neuen Wirkstoffe einen Zusatznutzen ergeben (. Tab. 3.1). Vier neue Wirkstoffe hatten einen beträchtlichen Zusatznutzen (Durvalumab, Erenumab, Patisiran, Tezacaftor + Ivacaftor) in mindestens einer Teilindikation. Fünf neue Wirkstoffe hatten in mindestens einer Teilindikation einen geringen Zusatznutzen.Schließlich erreichten 12 weitere Wirkstoffe einen nicht quantifizierbaren Zusatznutzen. Auffälligerweise gehören elf dieser Wirkstoffe (Ausnahme ist Emicizumab) zur Gruppe der Orphan-Arz-

66

3

Kapitel 3  Neue Arzneimittel 2018

. Tabelle 3.1 Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen 2018. Zusatznutzen gemäß Nutzenbewertung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) bei mehreren Indikationssubgruppen mit der jeweils höchsten Nutzenbewertung. Die pharmakologisch-therapeutische Bewertung wurde von Fricke (2000) übernommen: A Innovative Struktur bzw. neuartiges Wirkprinzip mit therapeutischer Relevanz, B Verbesserung pharmakodynamischer oder pharmakokinetischer Eigenschaften bereits bekannter Wirkprinzipien, C Analogpräparat mit keinen oder nur marginalen Unterschieden zu bereits eingeführten Präparaten, D Nicht ausreichend gesichertes Wirkprinzip oder unklarer therapeutischer Stellenwert. Zulassungsstatus: O = Orphan-Arzneimittel, C = Zulassung mit Auflagen (conditional approval), E = Zulassung unter außergewöhnlichen Umständen (exceptional circumstances) Wirkstoff

Handelsname ZulassungsEinführung inhaber

Indikation

Bewertung Zusatznutzen

Abemaciclib

Verzenios 01.11.2018

Hormonrezeptor-positiver, HER2-negativer lokal fortgeschrittener oder metastasierter Brustkrebs

C

Nicht belegt

Allogene T-Zellen, Zalmoxis (O, C) MolMed genetisch 15.01.2018 modifiziert

Begleittherapie bei haploidentischer hämatopoetischer Stammzelltransplantation

A

Nicht quantifizierbar

Benralizumab

Fasenra 15.02.2018

AstraZeneca

Schweres eosinophiles Asthma

B

Gering

Bezlotoxumab

Zinplava 01.04.2018

MSD

Prävention der Rekurrenz einer Clostridium difficile Infektion

A

Gering

Bictegravir + Emtricitabin + Tenofoviralafenamid

Biktarvy 15.07.2018

Gilead

HIV-Infektion

C

Nicht belegt

Binimetinib

Mektovi 15.10.2018

Pierre Fabre

Melanom mit BRAF-V600Mutation

C

Nicht belegt

Burosumab

Crysvita (O, C) 15.04.2018

Kyowa Kirin

X-chromosomale HypoA phosphatämie mit röntgenologischem Nachweis einer Knochenerkrankung

Nicht quantifizierbar

Caplacizumab

Cablivi (O) 01.10.2018

Ablynx

Erworbene thrombotischthrombozytopenische Purpura

A

Nicht quantifizierbar

Cariprazin

Reagila 15.04.2018

Gideon Richter

Schizophrenie

C

Gering

Desfesoterodin

Tovedeso 01.03.2018

ratiopharm

Erhöhte Harnfrequenz, C imperativer Harndrang und Dranginkontinenz

Keine Bewertung

Durvalumab

Imfinzi 15.10.2018

AstraZeneca

Nicht-kleinzelliges Lungen- B karzinom mit PD-L1-Expression

Beträchtlich

Emicizumab

Hemlibra 01.04.2018

Roche

Hämophilie A mit Faktor VIII-Hemmkörpern

Nicht quantifizierbar

Eli Lilly

A

3

67 3.1  Neue Wirkstoffe des Jahres 2018

. Tabelle 3.1 (Fortsetzung) Wirkstoff

Handelsname ZulassungsEinführung inhaber

Indikation

Bewertung Zusatznutzen

Encorafenib

Braftovi 15.10.2018

Pierre Fabre

Melanom mit BRAF-V600Mutation

C

Nicht belegt

Erenumab

Aimovig 01.11.2018

Novartis

Migräneprophylaxe

A

Beträchtlich

Ertugliflozin + Sitagliptin

Steglujan 15.05.2018

MSD

Typ-2-Diabetes mellitus

C

Nicht belegt

Gemtuzumab Ozogamicin

Mylotarg (O) 01.09.2018

Pfizer

CD33-positive akute myeloische Leukämie

A

Nicht quantifizierbar

Glycerolphenylbutyrat

Ravicti (O) 01.03.2018

Horizon Pharma

Harnstoffzyklusstörungen

C

Nicht quantifizierbar

Inotersen

Tegsedi (O) 01.10.2018

Akcea Thera- Polyneuropathie bei herpeutics editärer TransthyretinAmyloidose

A

Nicht quantifizierbar

Letermovir

Prevymis (O) 15.02.2018

MSD

Prophylaxe einer Cytome- A galievirusreaktivierung bei CMV-seropositiven Empfängern einer allogenen hämatopoetischen Stammzelltransplantation

Nicht quantifizierbar

Methacetin

LiMAXetin 01.06.2018

Humedics

Quantifizierung der Leberfunktionskapazität bei Erwachsenen vor einer Leberoperation

A

Keine Bewertung

Metreleptin

Myalepta (O,E) Aegerion 01.10.2018 Pharmaceuticals

Leptinmangel bei Patienten mit Lipodystrophie

A

Nicht quantifizierbar

Ocrelizumab

Ocrevus 01.02.2018

Roche

Schubförmige multiple Sklerose

A

Gering

Padeliporfin

Tookad 01.04.2018

Steba Biotech

Unbehandeltes, einseitiges A Niedrigrisiko-Adenokarzinom der Prostata

Keine Bewertung

Patiromer

Veltassa 01.04.2018

Vifor Fresenius

Hyperkaliämie

C

Nicht belegt

Patisiran

Onpattro (O) 01.10.2018

Alnylam

Polyneuropathie bei hereditärer TransthyretinAmyloidose

A

Beträchtlich

Rurioctocog alfa pegol

Adynovi 15.02.2018

Baxalta

Hämophilie A

C

Nicht belegt

Semaglutid

Ozempic Novo Nordisk Unzureichend kontrollier01.11.2018 ter Diabetes mellitus Typ 2 Außer Vertrieb 15.11.2019

C

Gering

68

Kapitel 3  Neue Arzneimittel 2018

. Tabelle 3.1 (Fortsetzung) Wirkstoff

Handelsname ZulassungsEinführung inhaber

Indikation

Bewertung Zusatznutzen

Sonidegib

Odomzo 15.02.2018

Sun

Lokal fortgeschrittenes Basalzellkarzinom

C

Nicht belegt

Streptozocin

Zanosar 01.11.2018

Keocyt

Inoperable, metastasierte, gut differenzierte, neuroendokrine Pankreastumoren

C

Keine Bewertung

Tezacaftor + Ivacaftor

Symkevi (O) 01.12.2018

Vertex Pharmaceuticals

Zystische Fibrose

C

Beträchtlich

Tilmanocept

Lymphoseek 15.09.2018

Norgine

Diagnostikum zur Bildgebung und intraoperativen Detektion von Wächterlymphknoten

A

Keine Bewertung

Tildrakizumab

Ilumetri 15.11.2018

Almirall Hermal

Plaque-Psoriasis

C

Nicht belegt

Tisagenlecleucel

Kymriah (O) 15.09.2018

Novartis

Akute lymphatische B-ZellLeukämie, großzelliges B-Zell-Lymphom

A

Nicht quantifizierbar

Trientin

Cuprior 01.10.2018

gmp-orphan SA

Morbus Wilson

C

Keine Bewertung

Zoster Virus, gereinigtes Antigen

Shingrix 01.05.2018

GSK

Vorbeugung von Herpes Zoster und postzosterischer Neuralgie

C

Keine Bewertung

Velmanase alfa

Lamzede (O,E) Chiesi Far01.07.2018 maceutici

Nicht-neurologische Manifestationen bei leichter bis mittelschwerer AlphaMannosidose

A

Nicht quantifizierbar

Vestronidase alfa

Mepsevii (O,E) 01.10.2018

Mucopolysaccharidose VII (Sly-Syndrom)

A

Nicht quantifizierbar

3

Ultragenyx Germany

neimittel, deren medizinischer Zusatznutzen allein schon durch die EMA-Zulassung als belegt gilt. Neun Arzneimittel hatten in keiner der bewerteten Teilindikationen einen Zusatznutzen. Schließlich wurden bei sieben neu eingeführten Arzneimitteln aus verschiedenen Gründen keine frühen Nutzenbewertungen vom G-BA durchgeführt. Von den 37 neuen Arzneimitteln des Jahres 2018 haben acht Arzneimittel im Jahr ihrer Einführung mehr als 5.000 Verordnungen erreicht (. Tab. 3.2). Die pharmakologisch-therapeutischen Eigenschaften und der Zusatznutzen der neuen

Wirkstoffe werden im Folgenden unter Berücksichtigung der wichtigsten klinischen Studien dargestellt. Darüber hinaus werden entsprechend den Anforderungen im Fünften Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB V, § 73, Abs. 8) rechnerisch mittlere Tagesbehandlungskosten mit den Preisen des Jahres 2019 (Stand 1. April 2019) angegeben. Sie werden in der Regel anhand der größten therapierelevanten Packungsgröße auf der Basis der von der WHO (WHO Collaborating Centre for Drug Statistics Methodology 2019) bzw. in der amtlichen Fassung des ATC-Index mit DDD-Angaben für

3

69 3.1  Neue Wirkstoffe des Jahres 2018

. Tabelle 3.2 Verordnungen von Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen und neuen Wirkstoffkombinationen bekannter Wirkstoffe 2018. Angegeben sind definierte Tagesdosen (DDD), Verordnungen und Nettokosten der Präparate mit mindestens 5.000 Verordnungen im Jahr 2018 Präparat

Wirkstoff

DDD Mio.

Verordnungen Tsd.

Nettokosten Mio. €

Tovedeso

Desfesoterodin

2,0

20,4

1,1

Ocrevus

Ocrelizumab

1,0

11,3

87,3

Fasenra

Benralizumab

0,3

5,4

17,5

3,4

37,1

105,9

Neue Wirkstoffe

Neue Wirkstoffkombinationen Trelegy Ellipta

Vilanterol Umeclidiniumbromid Fluticasonfuroat

2,2

34,6

6,1

Elebrato Ellipta

Vilanterol Umeclidiniumbromid Fluticasonfuroat

0,7

11,4

1,9

Antilia

Rosuvastatin Ezetimib

0,5

5,9

0,9

Biktarvy

Emtricitabin Tenofoviralafenamid Bictegravir

0,7

11,5

22,0

Steglujan

Sitagliptin Ertugliflozin

0,5

6,8

1,6

4,5

70,1

32,4

7,9

107,3

138,3

Summe

Deutschland im Jahr 2019 festgelegten definierten Tagesdosen (DDD) berechnet (Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information 2019). Sind keine entsprechenden Angaben verfügbar, wird die DDD nach der Herstellerempfehlung aus der Fachinformation ermittelt. Die DDD-Angaben sind eine rechtssichere Grundlage für die Bestimmung von Tagestherapiekosten, durch die dem Arzt der Vergleich von Arzneimittelkosten erleichtert werden soll. Sie gewährleisten für alle Präparate einen einheitlichen Bezug für die Angabe von Tagestherapiekosten. Die Preisangaben neuer Arzneimittel beziehen sich auf die Apothekenverkaufspreise bei der Markteinführung sowie auf die Erstattungsbeträge, sofern die Preis-

verhandlungen des GKV-Spitzenverbandes mit den Herstellern oder die Entscheidungen der Schiedsstelle abgeschlossen sind. Die aktuellen Bruttokosten (Apothekenverkaufspreise ohne GKV-Rabatte) der vom G-BA bewerteten neuen Arzneimittel wurden der Lauertaxe entnommen. 3.1.1

Abemaciclib (C)

Abemaciclib (Verzenios) ist nach Palbociclib (Ibrance) und Ribociclib (Kisqali) der dritte Inhibitor der Cyclin-abhängigen Kinasen 4 und 6 (CDK4, CDK6) zur Behandlung von postmenopausalen Frauen mit einem hormon-

70

3

Kapitel 3  Neue Arzneimittel 2018

rezeptorpositiven, HER2-negativen, lokal fortgeschrittenen oder metastasierten Brustkrebs in Kombination mit einem Aromatasehemmer oder Fulvestrant als initiale endokrinbasierte Therapie oder bei Frauen mit vorangegangener endokriner Therapie. Er wurde am 27. September 2018 von der EMA zugelassen und kam am 11. November 2018 in Deutschland auf den Markt. Brustkrebs ist der häufigste maligne Tumor der Frau. In Deutschland traten 2013 insgesamt 71.640 Neuerkrankungen und 17.853 Todesfälle auf (Robert Koch-Institut 2016). Die absolute Fünfjahresüberlebensrate hat in den letzten 15 Jahren durch Fortschritte der Früherkennung und der Therapie stetig zugenommen und beträgt derzeit 88 %. Der häufigste Subtyp ist das östrogenrezeptorpositive, HER2-negative Mammakarzinom mit einem Anteil von 70 %. Für diese Patientinnen wird wegen der erheblich besseren Verträglichkeit grundsätzlich eine endokrine Therapie bevorzugt. Mittel der ersten Wahl ist bei prämenopausalen Patientinnen der Östrogenrezeptorantagonist Tamoxifen als Monotherapie oder in Kombination mit Gonadorelinanaloga zur Ovarialsuppression. Für postmenopausale Patientinnen werden Aromatasehemmer (Anastrozol, Letrozol, Exemestan) bevorzugt, insbesondere wenn ein erhöhtes Rezidivrisiko besteht. Die adjuvante endokrine Therapie reduziert das relative Rezidivrisiko um etwa 40 %. Das bedeutet aber auch, dass sich trotz initial erfolgreicher endokriner Therapie bei vielen Patientinnen im weiteren Verlauf eine Resistenz mit Rezidiv und metastasiertem Mammakarzinom entwickelt. Wesentlich für eine Resistenzentwicklung beim Mammakarzinom ist neben onkogenen Mutationen des Östrogenrezeptors eine Dysregulation des Zellzyklus mit verstärkter Aktivierung der Cyclin-abhängigen Kinasen CDK4 und CDK6. Cycline sind zelluläre Proteine, die 1983 bei Studien über die Zellteilung von Seeigeleiern beschrieben wurden und zusammen mit Cyclin-abhängigen Kinasen (CDK) eine Schlüsselrolle für die Steuerung des Zellzyklus spielen. Für diese Entdeckungen wurden Hartwell, Hunt und Nurse 2001

mit dem Nobelpreis ausgezeichnet. Der Name der Cycline leitet sich davon ab, dass sie im Rhythmus des Zellzyklus phasenspezifisch exprimiert werden und damit zyklische Konzentrationsänderungen durchlaufen. In der frühen G1-Phase binden sie an Cyclin-abhängige Kinasen und aktivieren dadurch den CDKKomplex, der das Retinoblastom-Tumorsuppressorprotein durch Phosphorylierung inaktiviert, so dass Transkriptionsfaktoren freigesetzt werden und damit die Zellteilung gestartet wird. Beim östrogenrezeptorpositiven Mammakarzinom ist Cyclin D1 häufig überexprimiert, so dass es zu einer verstärkten Aktivierung Cyclin-abhängiger Kinasen, einer unkontrollierten Proliferation und zu einer Resistenzentwicklung gegen die endokrine Therapie des Mammakarzinoms kommt (Übersicht bei Turner et al. 2017). Zur Hemmung Cyclin-abhängiger Kinasen wurden zunächst sogenannte Pan-CDKInhibitoren mit einem breiten Wirkungsspektrum entwickelt, die zwar an zellulären Tumormodellen hoch wirksam waren, aber in klinischen Studien ähnlich wie die klassischen Zytostatika eine erhebliche Toxizität aufwiesen. Abemaciclib ist der dritte hochselektive Inhibitor von CDK4 und CDK6 mit niedriger Hemmkonzentration (IC50 2–10 nmol/l). Dadurch wird die CDK-abhängige Phosphorylierung des Retinoblastom-Tumorsuppressorprotein blockiert und der Zellzyklus in der G1Phase arretiert. Außerdem wurde ein synergistischer Effekt in Kombination mit Tamoxifen und eine erhöhte Empfindlichkeit Tamoxifen-resistenter Zellen beobachtet. Abemaciclib erreicht eine maximale Serumkonzentration nach acht Stunden, wird primär in der Leber über CYP3A metabolisiert und überwiegend über die Fäzes mit einer medianen Eliminationshalbwertszeit von 18 h ausgeschieden (Übersicht bei Palumbo et al. 2018). Abemaciclib (2-mal 150 mg/Tag oral) oder Placebo wurden in Kombination mit einem nichtsteroidalen Aromatasehemmer (Anastrozol 1 mg/Tag oral oder Letrozol 2,5 mg/Tag oral) bei 493 postmenopausalen Frauen mit HR-positivem, HER2-negativem fortgeschrit-

3

71 3.1  Neue Wirkstoffe des Jahres 2018

. Tabelle 3.3 Arzneimittel zur Behandlung des östrogenrezeptorpositiven, HER2-negativen fortgeschrittenen Mammakarzinoms. Angegeben sind Wirkstoffe, Präparate, Jahr der Zulassung, Halbwertszeit (HWZ), Dosierung und Bruttotherapiekosten pro Jahr Wirkstoffe

Präparate (Auswahl)

Zulassung

HWZ

Dosierung

Kosten/Jahr (€)

Antiöstrogene Tamoxifen

Tamoxifen AL

1984

7d

20 mg/d

77

Fulvestrant

Faslodex

2004

50 d

500 mg/30 d

10.806

Fulvestrant-ratiopharm

2016

50 d

500 mg/30 d

10.192

Arimidex

1996

40–50 h

1 mg/d

2.161

Anastrozol Denk

2010

40–50 h

1 mg/d

178

Letrozol

Letrozol Bluefish

1997

2–4 d

2,5 mg/d

151

Exemestan

Aromasin

1999

24 h

25 mg/d

2.373

Exemestan Devatis

2011

24 h

25 mg/d

376

Aromatasehemmer Anastrozol

CDK-Inhibitoren Palbociclib

Ibrance

2016

29 h

125 mg/d 21d, 7 d Pause 35.763

Ribociclib

Kisqali

2017

30–55 h

600 mg/d 21d, 7 d Pause 31.590

Abemaciclib

Verzenios

2018

25 h

2 mal 150 mg/d

tenem Brustkrebs als Erstlinientherapie in einer Phase-3-Studie untersucht (Goetz et al. 2017, MONARCH 3). Abemaciclib verlängerte das mediane progressionsfreie Überleben (primärer Endpunkt) im Vergleich zu Placebo (28,2 versus 14,7 Monate). Weiterhin erhöhte Abemaciclib die objektive Ansprechrate bei Patienten mit messbarer Krankheit (59 % versus 44 %). Häufigste unerwünschte Ereignisse waren Diarrhö (81,3 % versus 29,8 %), Neutropenie (41,3 % versus 1,9 %), Müdigkeit (40,6 % versus 31,7 %), Übelkeit (38,5 % versus 19,9 %), Infektionen (39,1 % versus 28,6 %), Anämie (28,4 % versus 5,0 %), Alopezie (26,6 % versus 10,6 %) und Leukopenie (20,8 % versus 2,5 %). Ähnliche Ergebnisse zeigte Abemaciclib (2 mal 150 mg/Tag oral) in einer weiteren Phase-3-Studie in Kombination mit Fulvestrant (500 mg/Tag i. m. an Tag 1 und 15 im ersten Therapiezyklus, danach an Tag 1 der folgenden Therapiezyklen alle 28 Tage) oder Placebo plus Fulvestrant an 669 Frauen mit hormonre-

43.472

zeptorpositivem, HER2-negativem, rezidiviertem oder metastasiertem Brustkrebs mit einer Progression während einer neoadjuvanten oder adjuvanten endokrinen Therapie sowie einer Progression während einer Erstlinientherapie bei metastasiertem Brustkrebs (Sledge et al. 2017, MONARCH 2). Die Nutzenbewertung durch den G-BA ergab keinen Zusatznutzen von Abemaciclib (Bundesministerium für Gesundheit 2019a). Entscheidend für die Gesamtbewertung war die Tatsache, dass kein statistisch signifikanter Unterschied für das Gesamtüberleben zwischen den Studienarmen besteht. Die Bruttokosten von Verzenios (56 Filmtbl. 150 mg, Listenpreis 3.334,84 €, bisher kein Erstattungsbetrag, Dosis 2-mal 150 mg/Tag oral) betragen 119,10 € pro Tag und 43.472 € pro Jahr (. Tab. 3.3). Sie sind damit höher als die Kosten des ersten CDK-Inhibitors Palbociclib (Ibrance), bei dem allerdings bereits ein Erstattungsbetrag verhandelt wurde.

72

3

Kapitel 3  Neue Arzneimittel 2018

Fazit: Abemaciclib (Verzenios) ist der dritte CDK4/6-Inhibitor zur Erstlinienbehandlung des östrogenrezeptorpositiven, HER2-negativen fortgeschrittenen Mammakarzinoms. In Kombination mit Letrozol verlängerte Abemaciclib das progressionsfreie Überleben um 14 Monate im Vergleich zur Monotherapie mit Aromatasehemmern. Die frühe Nutzenbewertung durch den G-BA ergab trotz eines verlängerten progressionsfreien Überlebens keinen Unterschied im Gesamtüberleben und damit keinen Beleg für einen Zusatznutzen im Verhältnis zur zweckmäßigen Vergleichstherapie.

3.1.2

Allogene, genetisch modifizierte T-Zellen (A)

Allogene, genetisch modifizierte T-Zellen (Zalmoxis) wurden als Begleittherapie bei haploidentischer hämatopoetischer Stammzelltransplantation bei Erwachsenen mit einem hohen Risiko für hämatologische Malignitäten am 18. August 2016 von der EMA unter Auflagen zugelassen. Daher muss das pharmazeutische Unternehmen weitere Nachweise für das Arzneimittel bereitstellen, die von der EMA jedes Jahr geprüft werden. Am 15. Januar 2018 erfolgte die Markteinführung in Deutschland. Da es nur wenige Patienten gibt, die sich einer haploidentischen hämatopoetischen Stammzelltransplantation unterziehen, wurde Zalmoxis am 20. Oktober 2003 als Arzneimittel für seltene Leiden (Orphan-Arzneimittel) ausgewiesen. Die allogene hämatopoetische Stammzelltransplantation ist für viele Patienten mit hämatologischen Neoplasien die einzige potenziell kurative Therapie. Allerdings gibt es nur für 30–40 % der Patienten einen Familienspender mit identischem Humanen-Leukozyten-Antigen (HLA). Für die übrigen Patienten können in etwa 75 % der Fälle HLA-kompatible Fremdspender in großen internationalen Spenderdatenbanken gefunden werden. Fehlt ein passender Spender, kommt als Alternative ein haploidentischer Familienspender infrage, bei dem

die HLA-Merkmale nur zur Hälfte mit denen des Empfängers übereinstimmen. Vorteile des haploidentischen Transplantationsverfahrens sind die sofortige Verfügbarkeit der Spender und die Auswahl mehrerer Familienmitglieder nach klinischen Kriterien. Nachteil ist das höhere Risiko einer lebensgefährlichen Graft-versus-Host-Krankheit (GvHD). Die wirksamste Maßnahme gegen eine Graft-versus-HostKrankheit ist die T-Zell-Depletion des Stammzelltransplantats. Leider ist die vollständige Entfernung von T-Zellen aus dem Transplantat mit einem erhöhten Risiko eines Transplantatversagens, einer verzögerten immunologischen Rekonstitution und einer erhöhten Rezidivrate von Neoplasien verbunden. Um diese Schwierigkeiten zu umgehen, wurden mehrere Transplantationstechniken entwickelt, mit denen die Immunrekonstitution und die Graft-versusLeukämie-Aktivität verbessert werden sowie das Auftreten einer Graft-versus-Host-Krankheit verhindert wird. Eines dieser Verfahren sind genetisch modifizierte T-Zellen, die bei Auftreten einer Graft-versus-Host-Krankheit über sogenannte Suizidgene eliminiert werden können (Übersicht bei Ciurea et al. 2019). Genetisch modifizierte T-Zellen (Zalmoxis) werden zunächst von den T-Zellen des Stammzellspenders durch Lymphapherese abgetrennt und mittels eines retroviralen Vektors mit dem Gen für eine mutierte Thymidinkinase des Herpes-simplex-Virus 1 transfiziert. Nach Gabe von Ganciclovir wird dieses durch das mutierte Enzym in den transfizierten Zellen zum Triphosphat-Ganciclovir phosphoryliert, das dann die physiologische Aufnahme von Desoxyguanosintriphosphat hemmt. Damit fehlt ein essentieller Baustein der DNA-Synthese für die Zellproliferation, was zum Zelltod der genetisch modifizierten T-Zellen führt. Wenn also bei einem Patienten mit einem haploidentischem Familienspender eine schwere Graftversus-Host-Krankheit auftritt, wird Ganciclovir gegeben und damit die genmodifizierten proliferierenden T-Zellen des Spenders abgetötet (Übersicht bei Greco et al. 2015). Basis der Zulassung von genetisch modifizierten T-Zellen war eine nicht randomisierte

73 3.1  Neue Wirkstoffe des Jahres 2018

Phase-1–2-Studie an 50 Patienten (Alter 51 Jahre) mit einer Hochrisikoleukämie, die eine haploidentische Stammzelltransplantation erhielten (Ciceri et al. 2009). Nach myeloablativer Konditionierung erhielten 28 Patienten 28 Tage nach der Transplantation die Infusion der genetisch modifizierten Spender-T-Lymphozyten, die das Herpes-Simplex-Thymidinkinase-Suizidgen exprimierten. Weitere 22 transplantierte Patienten erhielten aus mehreren Gründen keine genetisch modifizierten T-Zellen (Transplantatabstoßung, fehlende Einschlusskriterien, Tod vor der T-Zellinfusion). Von den infundierten Patienten hatten 22 Patienten 23 Tage nach Infusion eine Immunrekonstitution, 11 Patienten entwickelten eine Graft-versusHost-Krankheit und benötigten zur Induktion des Suizidgens eine Behandlung mit Ganciclovir. Nach massiver Absenkung der genetisch modifizierten T-Zellen wurde bei allen Patienten die Graft-versus-Host-Krankheit erfolgreich kontrolliert. Die Gesamtüberlebensrate der 28 behandelten Patienten betrug nach drei Jahren 39 %. Häufigste Todesursachen waren Rezidive (10 Patienten), Infektionen (3) und Multiorganversagen (3). Mit dem Gentransferverfahren waren keine akuten oder chronischen Nebenwirkungen verbunden. Das Ausmaß des Zusatznutzens wurde vom G-BA als nicht quantifizierbar eingestuft, weil die Ergebnisse der einarmigen, nichtkontrollierten Studie keinen validen Vergleich gegenüber anderen Therapien ermöglichen. Da das Arzneimittel von der EMA unter Auflagen zugelassen wurde und noch die Ergebnisse einer laufenden kontrollierten Phase-3Studie erwartet werden, wurde der Beschluss bis zum 1. April 2021 befristet (Bundesministerium für Gesundheit 2018a). Die Bruttokosten von Zalmoxis (1 Beutel gefrorene Infusionsdispersion 10–100 ml mit 5–20 Mio. humane Zellen/ml, die mit einem replikationsdefektiven ”-retroviralen HSV-TK- und LNGFR-Gene kodierenden Vektor genetisch modifiziert sind, Listenpreis 200.949,55 €, bisher noch kein Erstattungsbetrag) betragen bei einer Dosis von 1 ˙ 0,2  107 Zellen/kg als i.v. Infusion und ggf. vier weitere Infusionen 200.950 bis 801.978 €.

3

Fazit: Allogene, genetisch modifizierte TZellen (Zalmoxis) wurden als Begleittherapie bei haploidentischer hämatopoetischer Stammzelltransplantation bei Erwachsenen mit einem hohen Risiko für hämatologische Malignitäten unter Auflagen zugelassen. Die Gesamtüberlebensrate von 28 behandelten Patienten betrug nach drei Jahren 39 %. Die Bruttokosten der Therapie belaufen sich nach Anzahl der benötigten Infusionen auf ca. 200.000–800.000 €.

3.1.3

Benralizumab (B)

Benralizumab (Fasenra) ist ein humanisierter monoklonaler Interleukin-5-Rezeptor-Antikörper für die Add-on-Erhaltungstherapie bei erwachsenen Patienten mit schwerem eosinophilem Asthma, das trotz hochdosierter inhalativer Corticosteroide plus lang wirksamer Betarezeptoragonisten unzureichend kontrolliert ist. Die Zulassung durch die EMA erfolgte am 8. Januar 2018, die Markteinführung am 15. Februar 2018. Weitere monoklonale Interleukin5-Antikörper sind Mepolizumab (Nucala) und Reslizumab (Cinqaero) (. Tab. 3.4). Das Asthma bronchiale umfasst eine heterogene Gruppe von Krankheiten mit reversibler Bronchialobstruktion, die in den meisten Fällen bereits in der Kindheit beginnen und etwa 10 % der Kinder und 5 % der Erwachsenen betreffen. Trotz ähnlicher Symptomatik hat das Asthma keineswegs eine einheitliche Pathophysiologie, sondern beschreibt zunächst eine breit gefächerte Gruppierung von Patienten und Phänotypen. Entzündungshemmende und bronchodilatatorische Arzneimittel haben eine zentrale Bedeutung für die Asthmatherapie und werden in einem Stufenschema eingesetzt. Wichtigstes Therapieziel ist die Symptomkontrolle unter Berücksichtigung von Risikofaktoren, Komorbiditäten, Nebenwirkungen und Patientenzufriedenheit. Leichte und mäßige Schweregrade werden seit 40 Jahren erfolgreich mit inhalativen Glucocorticoiden behandelt, die wesentlich dazu beigetragen ha-

Kapitel 3  Neue Arzneimittel 2018

74

. Tabelle 3.4 Arzneimittel zur Behandlung des Asthmas bronchiale und der chronisch obstruktiven Lungenkrankheit (COPD). Angegeben sind Wirkstoffe, Präparate, Jahr der Zulassung, Halbwertszeit (HWZ), definierte Tagesdosis (DDD) und DDD-Bruttokosten Wirkstoffe

3

Präparate (Beispiele)

Zulassung

HWZ

DDD

DDD-Bruttokosten (€)

Sanasthmax

1976

3h

800 μg

0,59

Beclomethasonratiopharm

2002

3h

800 μg

0,46

Pulmicort

1993

3h

800 μg

0,58

Novopulmon

2002

3h

800 μg

0,48

Flutide

1997

3h

600 μg

0,65

Serevent

1995

5h

100 μg

1,86

Salmeterol HEXAL

1995

5h

100 μg

1,15

Oxis

1997

2–5 h

24 μg

1,18

Formoterol STADA

2010

2–5 h

24 μg

0,69

Indacaterol

Onbrez

2010

40–52 h

150 μg

1,60

Olodaterol

Striverdi

2014

45 h

5 μg

3,00

Spirivaa

2002

5–6 d

10 μg

1,88

a

2016

5–6 d

10 μg

1,60

Inhalative Glucocorticoide Beclometason

Budesonid

Fluticason

Langwirkende Beta2-Rezeptoragonisten Salmeterol

Formoterol

Muscarinrezeptorantagonisten Tiotropiumbromid

Braltus

a

Aclidiniumbromid

Bretaris

2012

2–3 h

644 μg

1,39

Glycopyrroniumbromid

Seebria

2012

33–57 h

44 μg

1,85

Umeclidiniumbromid

Incruse

2016

19 h

55 μg

1,31

Xolairb

2005

26 d

16 mg

51,63

2015

16–22 d

3,6 mg

44,68

2016

24 d

7,5 mg

44,69

2018

16 d

0,54 mg

57,24

Monoklonale Antikörper Omalizumab Mepolizumab Reslizumab Benralizumab a

c

Nucala

Cinqaero c

Fasenra

c

Nur für COPD zugelassen für IgE-vermitteltes Asthma zugelassen c nur für schweres, eosinophiles Asthma zugelassen b

75 3.1  Neue Wirkstoffe des Jahres 2018

ben, dass Hospitalisierungen selten geworden sind und die Asthmamortalität gesenkt wurde. Bei den Bronchodilatatoren haben langwirkende Beta2 -Rezeptoragonisten und Muscarinrezeptoragonisten (Anticholinergika) die Wirksamkeit und die Compliance der Asthmatherapie wesentlich verbessert. Daneben gibt es eine Subgruppe von etwa 5–10 % Patienten mit schwerem Asthma, die mit der Standardtherapie nicht ausreichend kontrolliert werden. Diese relativ kleine Patientengruppe gewinnt zunehmend an Bedeutung, da auf sie fast die Hälfte der Therapiekosten entfällt. Nach der gemeinsamen Leitlinie der europäischen und amerikanischen Fachgesellschaften (European Respiratory Society, American Thoracic Society) ist schweres Asthma dadurch definiert, dass trotz Therapie mit hochdosierten inhalierten oder oralen Glucocorticoiden in Kombination mit langwirkenden Beta2 -Rezeptoragonisten (LABA) häufige oder schwere Exazerbationen auftreten und die Lungenfunktion eingeschränkt ist. Auch mit dieser therapiebezogenen Definition erfasst das schwere Asthma keine einheitliche Patientengruppe, sondern beschreibt Patienten mit hohem therapeutischem Bedarf aber unterschiedlichen pathophysiologischen und klinischen Merkmalen. Um diese Heterogenität besser zu verstehen, entstand das Konzept einzelner Asthmaphänotypen mit unterschiedlichen molekularen und patientenbezogenen Merkmalen. Mit der Identifizierung von entzündungsbedingten Phänotypen wurden dann gezielte biologische Therapien gegen einzelne Entzündungsmediatoren entwickelt, die eine individuelle Therapie ermöglichen. Erster monoklonaler Anti-IgE-Antikörper zur Behandlung von Patienten mit schwerem allergischem Asthma war 2005 Omalizumab, das die Mastzelldegranulation verhindert und Asthmaexazerbationen deutlich reduziert. Weiterhin zeigen etwa 50 % der Asthmapatienten eine Zunahme von Eosinophilen im Blut und Gewebe, die überwiegend durch das proeosinophile Zytokin Interleukin-5 aktiviert werden. Darauf basiert die Entwicklung von Interleukin-5-Antikörpern und Interleukin-5-Rezeptorantikörpern zur Behandlung

3

des schweren eosinophilen Asthmas (Übersicht bei Papi et al. 2018). Benralizumab ist ein monoklonaler Antikörper gegen den Interleukin-5-Rezeptor, der das Zytokin mit hoher Affinität (IC50 36 pmol/l) bindet. Durch die Blockade des Interleukin-5-Rezeptors wird die antikörperabhängige zellvermittelte Zytotoxizität gegen Eosinophile und Basophile induziert und dementsprechend die Zahl der Eosinophilen in Blut und Lunge von Asthmapatienten teilweise unter die Nachweisgrenze gesenkt. Daher könnte mit Benralizumab eine fast vollständige Elimination der Eosinophilen und eine stärkere Reduktion von Asthmaexazerbationen erreicht werden. Nach subkutaner Gabe beträgt die mittlere Halbwertszeit 24 Tage. Obwohl die genaue Elimination von Benralizumab nicht bekannt ist, wird angenommen, dass der Abbau durch unspezifische proteolytische Enzyme erfolgt (Übersicht bei Markham 2018a). Die Zulassung von Benralizumab basiert auf zwei placebokontrollierten klinischen Studien an Patienten mit schwerem, unkontrolliertem Asthma und mindestens zwei Exazerbationen im vorangehenden Jahr. In der ersten Studie an 1.205 Patienten senkte Benralizumab (30 mg s.c. alle 4 Wochen oder alle 8 Wochen) die Häufigkeit von Asthmaexazerbationen in der Patientengruppe mit über 300 Eosinophilen/μl nach 48 Wochen um 45 % bzw. 51 % im Vergleich zu Placebo (Bleecker et al. 2016, SIROCCO). Bei Patienten mit weniger als 300 Eosinophilen/μl wurde die Exazerbationsrate weniger deutlich gesenkt (um 30 % bzw. 17 %). Auch die Lungenfunktion (FEV1 ) wurde durch beide BenralizumabdosierungenimVergleichzuPlaceboverbessert, Asthmasymptome jedoch nur durch die 8-Wochendosierung von Benralizumab. Unerwünschte Ereignisse waren unter Benralizumab vergleichbar mit Placebo. Die häufigsten Nebenwirkungen unter den beiden Benralizumabdosierungen und Placebo waren Verschlechterung der Asthmasymptome (15 %, 11 % versus 19 %), Nasopharyngitis (12 %, 12 % versus 12 %) und Atemwegsinfektionen (11 %, 8 % versus 9 %). Ähnliche Ergebnisse wurden in der zweiten Studie an 1.306 Patienten erzielt (Fitz-

76

3

Kapitel 3  Neue Arzneimittel 2018

Clostridium-difficile-Toxin B zur Prävention der Rekurrenz einer Clostridium-difficile-Infektion bei Erwachsenen mit einem hohen Rekurrenzrisiko. Er wurde am 18. Januar 2017 von der EMA zugelassen und kam am 1. April 2018 auf den Markt. Clostridium difficile-Infektionen sind die häufigste Ursache einer nosokomialen Diarrhö. Wichtigstes Risiko ist die Schädigung der Darmflora durch systemische Antibiotikatherapie. Weitere Ursachen für die steigende Inzidenz sind ungenügende Infektionskontrollen, hohes Lebensalter, Komorbiditäten und vorangehende Hospitalisierungen. Die Infektion entsteht in der Regel durch fäkal-orale Übertragung von Clostridium difficile, das den Dickdarm bei anfälligen Patienten nach antibiotikabedingter Zerstörung der intestinalen Mikroflora besiedelt. Pathogene Clostridium-difficile-Stämme bilden Enterotoxin A und Zytotoxin B, die an das Darmepithel binden und lokale Entzündungsreaktionen auslösen. Klinische Manifestationen sind wässrige Diarrhö und pseudomembranöse Kolitis, bei komplizierten Verläufen toxisches Megakolon, Darmperforation und Peritonitis. Die infektionsbedingte Mortalität beträgt 3–14 %, die Gesamtmortalität 15–20 %. Nach der initialen Therapie erleiden etwa 20 % der Patienten ein oder mehrere Rezidive, die mit einer erhöhten Gesamtsterblichkeit assoziiert sind. Mittel der Wahl für die Erstbehandlung ist derzeit Vancomycin, bei Rezidiven Fidaxomicin (Übersichten bei Leffler und Lamont 2015; von Braun und Lübbert 2018). Grundlage der Entwicklung von Bezlotoxumab war die Beobachtung, dass Antikörper gegen das Clostridium-difficile-Toxin eine Schutzwirkung haben, da hohe Antitoxin-Antikörpertiter mit niedrigen Primär- und Rezidivraten bei Clostridium-difficile-Infektionen korrelieren. Das antikörpergebundene Toxin wird am Eindringen in das Darmendothel gehindert, damit wird auch seine zellschädigen3.1.4 Bezlotoxumab (A) de Wirkung verhindert. Bezlotoxumab ist ein IgG1-Immunglobulin, das mit hoher Affinität Bezlotoxumab (Zinplava) ist ein humaner, mo- (Kd 19 pmol/l) an Zytotoxin B bindet und danoklonaler Antitoxin-Antikörper gegen das mit die toxinvermittelten Wirkungen neutrali-

Geraldetal.2016,CALIMA).EinindirekterVergleich von Benralizumab und Mepolizumab bei verschiedenen klinischen Studien hat eine ähnlicheWirksamkeitergeben (Bourdin etal.2018). Die Nutzenbewertung durch den G-BA ergab für Patienten mit schwerem refraktärem eosinophilem Asthma, die trotz hochdosierter inhalativer Glucocorticosteroide plus langwirksamer Betaagonisten unzureichend kontrolliert sind und für die die weiteren Möglichkeiten der Therapieeskalation noch nicht ausgeschöpft sind, keinen Beleg für einen Zusatznutzen im Vergleich zur zweckmäßigen Vergleichstherapie. Bei Patienten, die trotz hochdosierter inhalativer Glucocorticosteroide plus langwirksamer Betaagonisten unzureichend kontrolliert ist und für die die weiteren Möglichkeiten der Therapieeskalation bereits ausgeschöpft sind, bestand ein Anhaltspunkt für einen geringen Zusatznutzen (Bundesministerium für Gesundheit 2018b). Die Bruttokosten von Fasenra (1 Fertigspritze 30 mg/1 ml 3.443,31 €, Erstattungsbetrag 2.605,92 €, Dosierung 30 mg s.c. für die ersten drei Dosen alle 4 Wochen und anschließend alle 8 Wochen) betragen 57,24 € pro Tag und 20.894 € im ersten Jahr (. Tab. 3.4). Fasenra gehört zu den wenigen neuen Arzneimitteln, die bereits im Jahr ihrer Einführung mehr als 5.000 Verordnungen erreicht haben (. Tab. 3.2). Fazit: Der Interleukin-5-Rezeptor-Antikörper Benralizumab (Fasenra) ist nach Mepolizumab (Nucala) und Reslizumab (Cinqaero) der dritte Interleukin-5-Inhibitor für die Zusatztherapie bei Patienten mit schwerem refraktärem eosinophilem Asthma. Die Exazerbationsrate wird ähnlich wie mit den bisher verfügbaren Interleukin-5-Inhibitoren um etwa 50 % gesenkt. Die Therapie ist jedoch mit 20.893 € im ersten Jahr deutlich teurer als mit Mepolizumab und Reslizumab.

77 3.1  Neue Wirkstoffe des Jahres 2018

siert. Nach intravenöser Infusion wird Bezlotoxumab überwiegend durch Proteinabbau eliminiert, die mittlere Eliminationshalbwertszeit beträgt 19 Tage (Übersicht bei Kufel et al. 2017). Wirksamkeit und Sicherheit von Bezlotoxumab (10 mg/kg i.v.) wurden in zwei placebokontrollierten Phase-3-Studien an 2.655 Patienten mit primären oder rezidivierenden Clostridium-difficile-Infektionen untersucht, die mit oralen Standardantibiotika behandelt wurden (Wilcox et al. 2017, MODIFY I, MODIFY II). In beiden Studien waren rezidivierende Clostridium-difficile-Infektionen unter Bezlotoxumab signifikant niedriger als mit Placebo (17 % versus 28 %, 16 % versus 26 %). Die initialen klinischen Heilungsraten der beiden Gruppen zeigten dagegen keinen Unterschied (80 % versus 80 %). Die zusätzliche Gabe eines Antikörpers gegen Clostridium-difficileToxin A (Actoxumab) verbesserte die Wirksamkeit nicht. Häufigste Nebenwirkungen waren Übelkeit, Durchfall und Bauchschmerzen, jedoch ohne Unterschiede zwischen Bezlotoxumab und Placebo. Die Nutzenbewertung von Bezlotoxumab durch den G-BA ergab bei Erwachsenen mit einem hohen Rekurrenzrisiko einer Clostridium-difficile-Infektion einen Hinweis auf einen geringen Zusatznutzen (Bundesministerium für Gesundheit 2018c). Die Bruttokosten von Zinplava (1 Durchstechflasche 1.000 mg/40 ml 3.673,14 €, Erstattungsbetrag 2.950,22 €, Dosierung 10 mg/kg als i.v. Einmalinfusion) betragen bei einem Standardkörpergewicht von 70 kg 1.744,00 € pro Einmalinfusion. Sie liegen damit etwas niedriger als die Kosten von Fidaxomicin (Dificlir 20 Tbl. 200 mg 1.841,48 €, Tagesdosis 400 mg/Tag), das bei einem Rezidiv einer Clostridium-difficile-Infektion als Standardtherapie mit einem 10-tägigen Therapiezyklus (1.841,48 € pro Therapiezyklus) eingesetzt wird. Fazit: Bezlotoxumab (Zinplava) ist ein monoklonaler Antitoxin-Antikörper gegen das Clostridium-difficile-Toxin B zur Prävention der Rekurrenz einer Clostridium-difficile-Infektion mit einem hohen Rekurrenzrisiko. Der Antikörper reduzierte die Häufigkeit von Clos-

3

tridium-difficile-Infektionen, die klinischen Heilungsraten zeigten jedoch keinen Unterschied.

3.1.5

Bictegravir/Emtricitabin/ Tenofoviralafenamid (C)

Bictegravir ist ein neuer Integraseinhibitor, der in Kombination mit den beiden bekannten Nukleosid-Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NRTI) Emtricitabin und Tenofoviralafenamid (Biktarvy) zur Behandlung von Erwachsenen angewendet wird, die mit dem humanen Immundefizienzvirus 1 (HIV-1) infiziert sind. Das Präparat wurde am 21. Juni 2018 von der EMA zugelassen und kam am 15. Juli 2018 in Deutschland auf den Markt. Seit der Einführung von Zidovudin (Retrovir) im Jahr 1987 und der breiten Anwendung einer effektiven antiretroviralen Kombinationstherapie hat sich die Prognose von HIVinfizierten Patienten dramatisch verbessert. Wesentlicher Grund war die Entwicklung von über 30 antiretroviralen Arzneimitteln mit verbesserter Wirksamkeit und Verträglichkeit. Ein weiterer wichtiger Schritt war die Einführung von langwirkenden Substanzen und Kombinationspräparaten, wodurch es gelang, die Zahl der täglich einzunehmenden Tabletten zu senken und die Compliance zu verbessern. Als Initialtherapie wird derzeit eine Kombination aus zwei Nukleosid-/Nukleotid-ReverseTranskriptase-Inhibitoren (NRTI) und einem dritten Kombinationspartner aus einer der folgenden Gruppen empfohlen: Nicht-NukleosidReverse-Transkriptase-Inhibitoren (NNRTI), Integraseinhibitoren oder geboosterte Proteaseinhibitoren (Deutsche AIDS-Gesellschaft 2017). Am häufigsten verordnet werden inzwischen die Integraseinhibitoren vor allem in fixen Kombinationen (. Tab. 13.10). Die antiretrovirale Kombinationstherapie hat die Ergebnisse für HIV-Patienten ganz erheblich verbessert, sodass die meisten Patienten mit den verfügbaren antiretroviralen Wirkstoffen aufgrund ihrer hohen Wirkungsstärke, guten

78

3

Kapitel 3  Neue Arzneimittel 2018

Verträglichkeit und erleichterten Anwendung heute eine virologische Suppression erreichen können. Bictegravir ist der vierte Integraseinhibitor mit einer hohen genetischen Barriere für die Entwicklung einer HIV-1-Resistenz, der bereits in niedrigen Konzentrationen (EC50 0,02–6,6 nmol/l) wirkt und damit wirksamer als Elvitegravir und Raltegravir ist. Nach oraler Gabe erreicht Bictegravir maximale Plasmaspiegel nach 2–4 h, wird überwiegend durch CYP3A metabolisiert und mit einer terminalen Plasmahalbwertszeit von 17 h primär über die Fäzes ausgeschieden (Übersicht bei Deeks 2018). Wirksamkeit und Sicherheit der neuen Dreifachkombination (Bictegravir 50 mg, Emtricitabin 200 mg, Tenofoviralafenamid 25 mg, 1-mal täglich oral) wurden in einer Phase-3Studie an 631 nicht vorbehandelten HIV-1-Patienten über 48 Wochen im Vergleich mit einer weiteren Dreifachkombination (Dolutegravir 50 mg, Abacavir 600 mg, Lamivudin 300 mg, 1-mal täglich oral, entspricht Triumeq) untersucht (Gallant et al. 2017). Nach 48 Wochen erreichten 92,4 % der Patienten mit der Bictegravirkombination eine Viruslast von weniger als 50 Kopien HIV-1-RNA/ml (primärer Endpunkt) und 93,0 % der Patienten mit der Dolutegravirkombination, womit eine Nichtunterlegenheit nachgewiesen war. Unerwünschte Ereignisse waren mit der Bictegravirkombination seltener als mit der Dolutegravirkombination (26 % versus 40 %), was vor allem auf der unterschiedlichen Inzidenz von Übelkeit (5 % versus 17 %) beruhte. Ähnliche Ergebnisse zeigte eine zweite Nichtunterlegenheitsstudie im Vergleich mit einer weiteren Dolutegravirkombination (Sax et al. 2017). Die frühe Nutzenbewertung durch den GBA ergab keinen Zusatznutzen im Verhältnis zur zweckmäßigen Vergleichstherapie, bei vorbehandelten Frauen wurde ein Hinweis auf einen geringeren Nutzen (vermehrt Harnwegsinfektionen) festgestellt (Bundesministerium für Gesundheit 2018d). Die Bruttokosten von Biktarvy (90 Filmtbl. Listenpreis 2.925,46 €, Erstattungsbetrag 2.792,16 €, Dosis 1 Tbl. tgl.) betragen 31,02 € pro Tag und 11.324 € pro

Jahr. Sie sind damit kostengünstiger als andere Kombinationspräparate der Integraseinhibitoren (. Tab. 3.5). Biktarvy gehört zu den neuen Kombinationspräparaten, die bereits im Jahr ihrer Einführung mehr als 5.000 Verordnungen erreicht haben (. Tab. 3.2). Fazit: Das neue antiretrovirale Kombinationspräparat Bictegravir/Emtricitabin/Tenofoviralafenamid (Biktarvy) ist eine weitere fixe Dreifachkombination zur Behandlung der HIV-1-Infektion. Eine Vergleichsstudie zeigte eine Nichtunterlegenheit gegenüber zwei Dolutegravirkombinationen. Die frühe Nutzenbewertung durch den G-BA ergab keinen Zusatznutzen. Biktarvy ist etwas kostengünstiger als andere Kombinationspräparate der Integraseinhibitoren. 3.1.6

Binimetinib (C)

Binimetinib (Mektovi) ist der dritte MEK-Inhibitor, der in Kombination mit dem BRAF-Inhibitor Encorafenib (Braftovi) zur Behandlung von Patienten mit nicht resezierbarem oder metastasiertem Melanom mit einer BRAFV600-Mutation am 20. September 2018 von der EMA zugelassen wurde und am 15. Oktober 2018 in Deutschland auf den Markt kam. Das Melanom ist ein maligner Tumor, der sich überwiegend an der Haut manifestiert und früh Metastasen bildet. Die Häufigkeit nimmt infolge erhöhter Sonnenexposition weltweit zu. In Deutschland gab es 2013 21.410 Neuerkrankungen und 3.042 Sterbefälle (Robert-KochInstitut 2016). In frühen Stadien ist das Melanom in den meisten Fällen durch chirurgische Exzision heilbar, da die Mehrzahl der Patienten zum Zeitpunkt der Diagnose einen lokalisierten Tumor mit geringer Tumordicke und einem hohen Fünfjahresüberleben (ca. 85 %) hat. Die Biopsie von Schildwächterlymphknoten ermöglicht eine präzise Stadieneinteilung, hat aber bisher keinen Effekt auf das Überleben. Im Stadium des metastasierten Melanoms beträgt die mittlere Überlebenszeit jedoch nur 6–9 Monate und das Dreijahresüberleben 15 %. Lange Zeit war eine pallia-

3

79 3.1  Neue Wirkstoffe des Jahres 2018

. Tabelle 3.5 Antiretrovirale Arzneimittel zur Behandlung der HIV-Infektion. Angegeben sind Wirkstoffe, Präparate, Jahr der Zulassung, Halbwertszeit (HWZ), Dosierung nach definierten Tagesdosen (DDD) und Bruttotherapiekosten pro DDD Wirkstoffe

Präparate (Auswahl)

Zulassung

HWZ

DDD

DDD-Kosten (€)

Nukleosid-Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NRTI) Zidovudin

Retrovir

1990

1,1 h

600 mg

14,98

Stavudin

Zerit

1996

1,3–2,3 h

80 mg

9,70

Lamivudin

Epivir

1996

5–7 h

300 mg

9,94

Abacavir

Ziagen

1999

1,5 h

600 mg

16,18

Didanosin

Videx

2000

1,4 h

400 mg

8,81

Tenofovirdisoproxil

Viread

2002

12–18 h

245 mg

17,38

Emtricitabin

Emtriva

2003

10 h

200 mg

10,08

Lamivudin + Abacavir

Kivexa

2004

1 Tbl.

24,17

Emtricitabin + Tenofovirdisoproxil

Truvada

2005

1 Tbl.

27,28

Emtricitabin + Tenofoviralafenamid

Descovy

2016

1 Tbl.

21,43

Nichtnukleosid-Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NNRTI) Nevirapin

Viramune

1998

25–45 h

400 mg

14,53

Efavirenz

Sustiva

1999

40–55 h

600 mg

14,05

Efavirenz + Emtricitabin + Tenofovirdisoproxil

Atripla

2007

1 Tbl.

41,72

Etravirin

Intelence

2008

30–40 h

400 mg

21,14

Rilpivirin

Edurant

2011

45 h

25 mg

12,47

Emtricitabin + Rilpivirin + Tenofovirdisoproxil

Eviplera

2011

1 Tbl.

40,10

Emtricitabin + Rilpivirin + Tenofoviralafenamid

Odefsey

2016

1 Tbl.

40,10

Saquinavir

Invirase

1996

7h

1.800 mg

19,22

Indinavir

Crixivan

1996

1,8 h

2.400 mg

12,14

Ritonavir

Norvir

1996

3–5 h

1.200 mg

22,66

Lopinavir + Ritonavir

Kaletra

2001

5–6 h

800 mg

28,12

Fosamprenavir

Telzir

2004

7,7 h

1.400 mg

23,64

Atazanavir

Reyataz

2004

12 h

300 mg

27,90

Tipranavir

Aptivus

2005

4,8–6 h

1.000 mg

31,53

Darunavir

Prezista

2007

15 h

1.200 mg

31,03

Darunavir + Cobicistat + Emtricitabin + Tenofovirdisoproxil

Symtuza

2017

1 Tbl.

44,72

Proteasehemmer

80

Kapitel 3  Neue Arzneimittel 2018

. Tabelle 3.5 (Fortsetzung) Wirkstoffe

Präparate (Auswahl)

Zulassung

HWZ

DDD

DDD-Kosten (€)

Raltegravir

Isentress

2007

9h

800 mg

28,82

Elvitegravir + Cobicistat + Emtricitabin + Tenofovirdisoproxil

Stribild

2013

1 Tbl.

38,22

Dolutegravir

Tivicay

2014

50 mg

23,72

Dolutegravir + Abacavir + Lamivudin

Triumeq

2014

1 Tbl.

39,25

Dolutegravir + Rilpivirin

Juluca

2018

1 Tbl.

37,62

Elvitegravir + Cobicistat + Emtricitabin + Tenofoviralafenamid

Genvoya

2015

1 Tbl.

32,51

Bictegravir + Emtricitabin + Tenofoviralafenamid

Biktarvy

2018

1 Tbl.

31,02

Integraseinhibitoren

3

tive Behandlung mit Dacarbazin und Interferon alfa die einzige Therapieoption, obwohl nie ein eindeutiger Überlebensvorteil in klinischen Studien nachgewiesen wurde. In den letzten Jahren sind vier neue Arzneimittelgruppen entwickelt worden, die eine entscheidende Verbesserung der Prognose des metastasierten Melanoms ermöglicht haben. Dazu gehören die spezifischen Immuntherapeutika der CTLA4-Antikörper und der PD-1-Rezeptor-Antikörper sowie selektive Proteinkinaseinhibitoren aus der Gruppe der BRAF-Inhibitoren und MEK-Inhibitoren. Der 2011 eingeführte CTLA4-Antikörper Ipilimumab (Yervoy) ermöglichte erstmals eine Verlängerung des Gesamtüberlebens um einige Monate und bei einigen Patienten (20–26 %) auch ein beachtliches Langzeitüberleben. Ein weiterer immuntherapeutischer Mechanismus ist die Blockade des inhibitorischen PD-1-Rezeptors durch PD-1hemmende Antikörper (Nivolumab, Pembrolizumab), welche die Interaktion des von Tumorzellen überexprimierten Rezeptorliganden PD-L1 unterbrechen und dadurch die immunsuppressive T-Zell-Aktivität gegen den Tumor reaktivieren. Ein weiterer Therapieansatz ist auf onkogene BRAF-V600-Mutationen gerichtet, die bei etwa 50 % der Patienten mit metastasier-

14 h

tem Melanom vorkommen und die Melanomprogression durch konstitutive Aktivierung der Mitogen-aktivierten-Proteinkinase-Signalkaskade (RAS-RAF-MEK-ERK-MAP) fördern. BRAF-Inhibitoren (Vemurafenib, Dabrafenib) zeigen ein rasches Therapieansprechen, aber schon 6–7 Monate später eine Resistenzentwicklung mit erneutem Tumorprogress. Durch die Einführung der MEK-Inhibitoren (Trametinib, Cobimetinib) wurde die Resistenzentwicklung gegen BRAF-Inhibitoren erfolgreich verzögert, sodass eine Kombinationstherapie in der Regel vorzuziehen ist (Übersicht bei Winkler et al. 2017; Pasquali et al. 2018). Binimetinib ist ein reversibler, hochselektiver Proteinkinaseinhibitor von MEK1 und MEK2, der als nichtkompetitiver ATP-Inhibitor die BRAF-abhängige MEK-Phosphorylierung in einer halbmaximalen Hemmkonzentration von 12–46 nmol/l verhindert. In Kombination mit dem BRAF-Inhibitor Encorafenib wurde die Hemmung des Tumorwachstums durch Binimetinib verstärkt und die Resistenzentwicklung von humanen BRAFV-600E-Mutanten in tierexperimentellen Modellen verzögert. Die absolute orale Bioverfügbarkeit beträgt mindestens 50 %. Der Abbau erfolgt vorwiegend durch Glucuronidierung, zum Teil

81 3.1  Neue Wirkstoffe des Jahres 2018

auch durch N-Dealkylierung und Amidhydrolyse. Binimetinibmetabolite werden überwiegend über die Fäzes mit einer terminalen Halbwertszeit von 3,5 h eliminiert (Übersicht bei Shirley 2018). Die Kombinationstherapie von Binimetinib (2-mal 45 mg/Tag oral) mit Encorafenib (1mal 300 mg/Tag oral) oder Vemurafenib (2-mal 960 mg/Tag oral) wurde im Vergleich zur Monotherapie mit Encorafenib (1-mal 300 mg/Tag oral) oder Vemurafenib (2-mal 960 mg/Tag oral) in einer Phase-3-Studie an 577 Patienten mit lokal fortgeschrittenem, nicht resezierbarem oder metastasiertem Melanom mit V600-BRAF-Mutation untersucht, die entweder unbehandelt waren oder nach einer Erstlinienimmuntherapie eine Progression entwickelt hatten (Dummer et al. 2018). Die Binimetinib-Encorafenib-Kombination verlängerte das mediane Gesamtüberleben im Vergleich zur Monotherapie mit Vemurafenib (33,6 versus 16,9 Monate) aber nicht im Vergleich zur Monotherapie mit Encorafenib. Die häufigsten Nebenwirkungen der Binimetinib-Encorafenib-Kombination waren im Vergleich zu den beiden Monotherapien mit Encorafenib und Vemurafenib Nausea (44 % versus 38 % und 35 %), Diarrhö (38 % versus 15 % und 34 %), Erbrechen (32 % versus 29 % und 16 %), Müdigkeit (29 % versus 26 % und 30 %), Arthralgie (28 % versus 44 % und 46 %) und erhöhte Kreatinkinase (26 % versus 1 % und 2 %). In der Kombinationstherapiegruppe war ein Todesfall von insgesamt 23 Todesfällen möglicherweise behandlungsbedingt. Die Nutzenbewertung durch den G-BA ergab für die Binimetinib-Encorafenib-Kombination gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie keinen Beleg für einen Zusatznutzen (Bundesministerium für Gesundheit 2019b). Die Bruttokosten von Mektovi (84 Filmtbl. 15 mg Listenpreis 3.503,97 €, noch kein Erstattungsbetrag, Dosis 2-mal 45 mg/Tag oral) betragen 250,28 € pro Tag und 91.354 € pro Jahr. Hinzukommen die Kosten der Kombinationstherapie mit Encorafenib (Braftovi) (42 Kps. 75 mg 1.780,63 €, Tagesdosis 450 mg) 254,38 € pro Tag und 92.847 € pro Jahr, so dass

3

die Gesamtkosten der Kombinationstherapie auf 184.201 € pro Jahr kommen. Sie liegen damit etwas niedriger als die anderen Kombinationstherapien von BRAF- und MEK-Inhibitoren, aber etwa doppelt so hoch wie die Jahrestherapiekosten der systemischen Immuntherapien (. Tab. 3.6). Fazit: Binimetinib (Mektovi) wurde als dritter MEK-Inhibitor in Kombination mit dem BRAF-Inhibitor Encorafenib (Braftovi) zur Behandlung von Patienten mit nicht resezierbarem oder metastasiertem Melanom mit einer BRAF-V600-Mutation zugelassen. Die Kombinationstherapie verbessert die Gesamtüberlebensrate im Vergleich zur Monotherapie mit Vemurafenib, aber nicht im Vergleich zur Monotherapie mit Encorafenib. 3.1.7

Burosumab (A)

Burosumab (Crysvita) ist der erste monoklonale Antikörper gegen den Fibroblastenwachstumsfaktor 23 (FGF23), der zur Behandlung von Kindern ab einem Jahr und Jugendlichen in der Skelettwachstumsphase mit X-chromosomaler Hypophosphatämie (XLH) und röntgenologischem Nachweis einer Knochenerkrankung am 19. Februar 2018 von der EMA zugelassen wurde und am 15. April 2018 in Deutschland auf den Markt kam. Da es nur wenige Patienten mit X-chromosomaler Hypophosphatämie gibt, wurde Crysvita als Arzneimittel für seltene Leiden (Orphan-Arzneimittel) ausgewiesen. Die X-chromosomale Hypophosphatämie ist eine seltene Knochenkrankheit mit einer Inzidenz von 1:20.000–25.000 Neugeborene, trotzdem aber die häufigste angeborene Rachitis. Ursache ist eine genetisch bedingte Überproduktion des Fibroblasten-Wachstumsfaktors 23 (FGH23) in den Knochenzellen. Daraus resultiert eine Hemmung der renalen Phosphatrückresorption, eine überproportional hohe renale Phosphatausscheidung, eine Hypophosphatämie, ein Phosphatmangel im Knochen und schließlich eine Mineralisationsstörung des Knochens. Die hypophosphatämische

82

Kapitel 3  Neue Arzneimittel 2018

. Tabelle 3.6 Arzneimittel zur Behandlung des metastasierten Melanoms. Angegeben sind Wirkstoffe, Präparate, Jahr der Zulassung, Dosierung, Halbwertszeit (HWZ) und Bruttotherapiekosten pro Jahr Wirkstoffe

3

Präparate

Zulassung

Dosierung

HWZ

Bruttokosten pro Jahr (€)

Yervoy

2011

3 mg/kg i.v. alle 3 Wochen, 4 mal

15,4 d

65.768

Vemurafenib

Zelboraf

2012

1920 mg/Tag oral

52 h

98.654

Dabrafenib

Tafinlar

2013

300 mg/Tag oral

8h

75.261

Encorafenib

Braftovi

2018

450 mg/Tag oral

6h

92.847

Trametinib

Mekinist

2015

2 mg/Tag oral

5,3 d

56.551

Cobimetinib

Cotellic

2015

60 mg/Tag oral 21 Tage, 7 Tage Pause

44 h

93.400

Binimetinib

Mektovi

2018

2 mal 45 mg/Tag oral

9h

91.354

Nivolumab

Opdivo

2015

3 mg/kg i.v. alle 14 Tage

27 d

72.692

Pembrolizumab

Keytruda

2015

2 mg/kg i.v. alle 21 Tage

26 d

101.975

2016

0,1–4 ml intraläsional alle 14 Tage

CTLA-4-Antikörper Ipilimumab BRAF-Inhibitoren

MEK-Inhibitoren

PD-1-Rezeptorantikörper

Onkolytisches Immuntherapeutikum Talimogen laherparepvec

Imlygic

Rachitis manifestiert sich meistens schon in der frühen Kindheit und besteht in einer Erweichung und schmerzhaften Verformung des Knochens vor allem in den Beinen. Die bisherige Therapie basiert auf einer oralen Phosphatsubstitution kombiniert mit aktivem Vitamin D (Alfacalcidol, Calcitriol), um den Phosphatmangel auszugleichen. Auch bei guter Therapiekontrolle ist die Verträglichkeit der Phosphattherapie durch zahlreiche Nebenwirkungen limitiert (gastrointestinale Symptome, Nephrokalzinose, ektopische Verkalkungen, Hyperparathyreoidismus) (Übersicht bei Imel und White 2018). Burosumab ist ein humaner monoklonaler Antikörper, der mit hoher Affinität (KD 0,01 nmol/l) an den Fibroblastenwachstumsfaktor 23 bindet und durch Blockade der Wir-

192.275

kung die renale Phosphatrückresorption wieder erhöht. Nach subkutaner Gabe wird Burosumab langsam resorbiert und erreicht erst nach 5–10 Tagen maximale Plasmaspiegel. Der Antikörper wird wie andere Immunglobuline zu kleinen Peptiden und einzelnen Aminosäuren abgebaut und mit einer terminalen Halbwertszeit von 19 Tagen eliminiert (Übersicht bei Lamb 2018). Basis der Zulassung war eine unkontrollierte Phase-2-Studie an 52 Kindern mit X-gebundener Hypophosphatämie, die Burosumab alle 2 Wochen (0,2 oder 0,3 mg/kg s.c.) oder alle 4 Wochen (0,4 oder 0,6 mg/kg s.c.) erhielten (Carpenter et al. 2018). Nach 40 Wochen wurde die Rachitissymptomatik gemäß Thacher Rachitis-Severity-Score (primärer Endpunkt) bei 2-wöchentlicher Gabe im Vergleich

83 3.1  Neue Wirkstoffe des Jahres 2018

zum Ausgangswert deutlich gesenkt (0,8 versus 1,9), bei 4-wöchentlicher Gabe etwas geringer (1,1 versus 1,7). Die Verbesserungen waren auch nach 64 Wochen nachweisbar. Der Serumphosphatspiegel stieg bei 2-wöchentlicher Gabe von Burosumab nach 40 Wochen kontinuierlich im Vergleich zum Ausgangswert an (3,15 versus 2,4 mg/dl), während die 4-wöchentliche Gabe deutliche Schwankungen zeigte. Die renale tubuläre Phosphatrückresorption wurde in beiden Dosisgruppen im Vergleich zum Ausgangswert ebenfalls erhöht (3,1 versus 2,1 mg/dl). Die körperliche Leistungsfähigkeit wurde verbessert und die Schmerzen verringert. Nebenwirkungen waren meistens mild oder mittelschwer. Die Nutzenbewertung durch den G-BA ergab für Burosumab lediglich einen nicht quantifizierbaren Zusatznutzen, da überwiegend nur Daten aus unkontrollierten Zulassungsstudien vorgelegt wurden (Bundesministerium für Gesundheit 2019c). Die Jahrestherapiekosten von Crysvita (1 Durchstechfl. 30 mg Listenpreis 12.466,92 €, Erstattungsbetrag 9.386,73 €, Dosis 0,8 mg/kg s.c. alle 2 Wochen) betragen in Abhängigkeit vom Körpergewicht von Kindern und Jugendlichen 76.807 bis 460.187 €. Fazit: Burosumab (Crysvita) ist der erste monoklonale Antikörper gegen den Fibroblastenwachstumsfaktor 23, der zur Behandlung der X-chromosomalen Hypophosphatämie (hypophosphatämische Rachitis) bei Kindern und Jugendlichen als Orphan-Arzneimittel zugelassen wurde. Hypophosphatämie und Rachitissymptomatik werden deutlich gebessert. Die Jahrestherapiekosten sind sehr hoch.

3.1.8

Caplacizumab (A)

Caplacizumab (Cablivi) ist ein monoklonaler Antikörper gegen den von-Willebrand-Faktor zur Behandlung von Erwachsenen, die an einer Episode von erworbener thrombotischthrombozytopenischer Purpura leiden, in Verbindung mit Plasmapherese und Immunsup-

3

pression. Die Zulassung durch die EMA erfolgte am 31. August 2018, die Markteinführung in Deutschland am 1. Oktober 2018. Da es nur wenige Patienten mit erworbener thrombotisch-thrombozytopenischer Purpura gibt, wurde Crysvita als Arzneimittel für seltene Leiden (Orphan-Arzneimittel) ausgewiesen. Eine erworbene thrombotisch-thrombozytopenische Purpura ist eine seltene, aber potenziell lebensbedrohliche Mikroangiopathie aufgrund einer systemischen mikrovaskulären Thrombose, die zu massiver Thrombozytopenie, hämolytischer Anämie und unterschiedlich ausgeprägtem Organversagen führen kann. Ursache ist eine autoimmunologische Depletion der von-Willebrand-Metalloproteinase ADAMTS-13 (a disintegrin and metalloproteinase with thrombospondin type motif, member 13) durch Anti-ADAMTS13Autoantikörper. Infolge der verminderten Enzymaktivität werden übergroße von-Willebrand-Faktor-Polymere nicht gespalten, die sich dann an Thrombozyten binden, wodurch es in kleinen Gefäßen von Gehirn, Herz und Nieren zur Bildung von thrombozytenreichen Mikrothromben kommt. Standardtherapie ist bisher die Plasmapherese mit einem extrakorporalen Austausch des patienteneigenen Plasmas gegen Fremdplasma, bis sich die Thrombozytenzahl normalisiert hat. Durch die Plasmapherese werden ADAMTS-13-Autoantikörper zusammen mit ultralangen vonWillebrand-Faktor-Polymeren aus dem Körper entfernt und gleichzeitig ADAMTS-13 substituiert. Zusätzlich wird in den meisten Fällen eine Immunsuppression mit Glucocorticoiden und gegebenenfalls mit Rituximab durchgeführt, um die Bildung von Autoantikörpern zu verhindern (Übersicht bei Duggan 2018). Caplacizumab ist ein monoklonaler Einzeldomänen-Antikörper mit zwei identischen humanisierten Bausteinen, die über durch einen 3-Alanin-Linker verbunden sind und gentechnologisch in Escherichia coli hergestellt werden. Der Antikörper bindet mit hoher Affinität an die A1-Domäne des von-Willebrand-Faktors und verhindert dadurch bei thrombotischthrombozytopenischer Purpura die durch den

84

3

Kapitel 3  Neue Arzneimittel 2018

ultralangen von-Willebrand-Faktor vermittelte Thrombozytenadhäsion (IC50 0,26 nmol/l). Die Eliminationshalbwertszeit ist variabel und wurde nicht genau bestimmt, da sie von der Plasmakonzentration des von-Willebrand-Faktors abhängt. Das faktorgebundene Caplacizumab wird vermutlich hepatisch metabolisiert, das freie Caplacizumab aber renal ausgeschieden (Übersicht bei Duggan 2018). Die Wirksamkeit von Caplacizumab (10 mg i.v. vor Beginn der Plasmapherese, danach 10 mg/Tag s.c.) wurde in zwei placebokontrollierten Studien an Patienten mit thrombotischthrombozytopenischer Purpura (150.000/μl) im Vergleich zu Placebo insgesamt um 39 % (Peyvandi et al. 2016b, TITAN). Bei 69 Patienten ohne eine vorausgegangene Plasmapherese wurde die Ansprechzeit von 4,9 auf 3,0 Tage gesenkt, bei 6 Patienten mit vorausgegangener Plasmapherese von 4,3 auf 2,4 Tage. Häufigste Nebenwirkungen waren Blutungen (Caplacizumab 54 % versus Placebo 38 %), während andere Nebenwirkungen in beiden Gruppen ähnlich waren. In der Placebogruppe starben zwei Patienten, in der Caplacizumabgruppe kein Patient. Ähnliche Ergebnisse zeigte eine Phase-3-Studie mit 145 Patienten (Scully et al. 2019, HERCULES). Die Nutzenbewertung durch den G-BA ergab für Caplacizumab einen nicht quantifizierbaren Zusatznutzen (Bundesministerium für Gesundheit 2019d). Die Therapiekosten von Cablivi (7 Durchstechfl. 10 mg Listenpreis 39.279,72 €, noch kein Erstattungsbetrag) betragen bei einer Einmaldosis 10 mg i.v. vor der Plasmapherese sowie 10 mg/Tag s.c. während der Plasmapheresebehandlung (durchschnittlich 7,7 Tage) und 30 Tage nach Beendigung der täglichen Plasmapheresebehandlung (insgesamt 38,7 10-mg-Dosen) 217.160,74 €. Hinzu kommen die Kosten von durchschnittlich 8 Plasmapheresen (Zusatzentgeltschlüssel 76ZE3608, Preis 10.165 €). Bei ca. 800 Patien-

ten, die für die Behandlung infrage kommen, ergeben sich für Cablivi jährliche Gesamtkosten von 170 Mio. €. Fazit: Caplacizumab (Cablivi) ist der erste monoklonale Antikörper gegen den vonWillebrand-Faktor, der als Orphan-Arzneimittel zur Behandlung der erworbenen thrombotisch-thrombozytopenischen Purpura zugelassen wurde. In Verbindung mit Plasmapherese wurde die Zeit bis zur Normalisierung der Thrombozytenzahl im Vergleich zu Placebo deutlich gesenkt. Die Kosten von Cablivi für einen Therapiezyklus von durchschnittlich 38 Tagen betragen 217.161 €.

3.1.9

Cariprazin (C)

Cariprazin (Reagila) ist ein partieller D2 /D3 Dopaminrezeptoragonist zur Behandlung der Schizophrenie, der am 13. Juli 2017 von der EMA zugelassen wurde und am 15. April 2018 in Deutschland auf den Markt kam. Die Schizophrenie ist eine schwere psychische Krankheit, an der etwa 1 % der Bevölkerung erkrankt, insbesondere junge Erwachsene im Alter von 25 bis 35 Jahren. Das klinische Bild wird durch positive psychotische Symptome (Wahnvorstellungen, Halluzinationen), negative Symptome (beeinträchtigte Motivation, sozialer Rückzug) und kognitive Beeinträchtigungen geprägt. Charakteristisch sind häufige Rückfälle, körperliche und geistige Komorbidität sowie soziale und berufliche Ausgrenzung. Als wesentliche Ursache wird eine Störung der Hirnentwicklung durch genetische und Umweltfaktoren angenommen. Seit langem gibt es pharmakologische Belege für eine Dysfunktion der dopaminergen Neurotransmission bei der Entstehung psychotischer Wahnvorstellungen und Halluzinationen. Neuere Hinweise zeigen eine zusätzliche Beteiligung glutamaterger Funktionen, vor allem bei kognitiven Störungen. Mit dem Neuroleptikum Chlorpromazin gelang es 1952 erstmals, akute psychotische Symptome wirksam zu behandeln und das Rückfallrisiko zu senken. Gegenwärtig be-

85 3.1  Neue Wirkstoffe des Jahres 2018

steht die Behandlung hauptsächlich aus Antipsychotika in Kombination mit Psychotherapie, sozialer Unterstützung und Rehabilitation. Damit kann bei 80 % der Patienten eine Remission zu erreicht werden, insbesondere wenn die Patienten in der ersten Episode früh behandelt werden. Antipsychotika haben aber viele störende Nebenwirkungen und lindern die negativen und kognitiven Symptome der Schizophrenie nur wenig oder gar nicht. Das hat sich trotz zahlreicher neuer Substanzen nicht grundsätzlich geändert, da alle derzeit angewendeten Arzneimittel Dopaminrezeptorantagonisten sind und damit den gleichen Wirkungsmechanismus wie die ursprünglich eingeführten Neuroleptika haben. Die Tatsache, dass alle antipsychotisch wirksamen Neuroleptika über eine Blockade von D2 /D3 -Dopaminrezeptoren wirken, war die Basis der ursprünglichen Dopaminhypothese der Schizophrenie. Neuere bildgebende Verfahren haben diese Hypothese grundsätzlich bestätigt. Die gemeinsamen pharmakologischen Grundlagen der Neuroleptika haben auch Berücksichtigung in aktuellen Leitlinien für die Behandlung der Schizophrenie gefunden. Aufgrund neuer Evidenz ist die frühere Präferenz für atypische Neuroleptika verlassen worden, so dass ältere Präparate bei der Behandlung positiver Symptome der Schizophrenie als weitgehend gleichwertig angesehen werden. Eine volle Evidenz aus mindestens zwei placebokontrollierten Studien und ein gutes Nutzen-Risikoprofil zeigten die atypischen Neuroleptika Olanzapin, Quetiapin und Risperidon, während das Nutzen-Risiko-Profil von Clozapin und Haloperidol aufgrund ihrer Nebenwirkungen nur moderat ist (Hasan et al. 2017). Cariprazin ist ein weiterer Vertreter der atypischen Neuroleptika und wirkt als partieller Agonist mit hoher Bindungsaffinität an Dopamin-D2 - und D3 -Rezeptoren (Ki 0,49 und 0,085 nmol/l) und 5-HT1A -Rezeptoren (Ki 2,6 nmol/l). Nach präklinischen Daten kann der Dopamin-D3 -Rezeptor für die Behandlung von Negativsymptomen, Dysphorie und kognitiver Beeinträchtigung bei der Schizophrenie von Nutzen sein. Betont wird auch die ho-

3

he antagonistische Aktivität am 5-HT2B -Rezeptor (0,58 nmol/l). Dagegen hat Cariprazin nur eine geringe Affinität für Histamin-H1Rezeptoren (23,2 nmol/l) und adrenerge ’1A Rezeptoren (155 nmol/l) im Vergleich zu anderen Atypika. Maximale Plasmaspiegel werden 3–6 h nach oraler Gabe erreicht. Der Wirkstoff wird hauptsächlich in der Leber über CYP3A4 zu den beiden Hauptmetaboliten Desmethylcariprazin und Didesmethylcariprazin metabolisiert, die ähnliche Bindungsprofile wie Cariprazin haben. Die Elimination erfolgt überwiegend gastrointestinal mit einer terminalen Halbwertszeit von 32–68 h (Übersicht bei Garnock-Jones 2018). Wirksamkeit und Sicherheit von Cariprazin wurden in mehreren kontrollierten Studien untersucht (Übersicht bei Garnock-Jones 2018). In einer Phase-3-Studie an 461 Patienten mit dominant negativen Symptomen einer chronischen Schizophrenie wurde Cariprazin (3–6 mg/Tag oral) mit Risperidon (3–6 mg/Tag oral) verglichen (Németh et al. 2017). Nach 26 Wochen senkte Cariprazin den PANSSFSNS-Score (Positive and Negative Syndrome Scale Factor for negative Symptoms, primärer Endpunkt, Ausgangswert 27,6 Punkte) stärker als Risperidon (8,90 versus 7,44 Punkte). Häufigste Nebenwirkungen waren Schlaflosigkeit (9 % versus 10 %), Akathisie (8 % versus 5 %), Schizophrenierezidiv (7 % versus 4 %), Kopfschmerzen (6 % versus 10 %) und Angstzustände (6 % versus 5 %). In der Risperidongruppe starb ein Patient ohne erkennbare Relation zur Therapie. Die frühe Nutzenbewertung durch den GBA ergab nur bei der Langzeittherapie von Patienten mit überwiegender Negativsymptomatik einen Hinweis auf einen geringen Zusatznutzen von Cariprazin, aber keinen Zusatznutzen bei der Akutbehandlung und der Langzeittherapie von Patienten ohne überwiegende Negativsymptomatik (Bundesministerium für Gesundheit 2018e). Die Bruttokosten von Reagila (98 Kps. 3 mg, Listenpreis 838,78 €, DDD 3 mg) betragen 8,56 € pro Tag und 3.124 € pro Jahr und liegen damit 20-fach höher als die DDD-Kosten von Risperidon (. Tab. 3.7).

86

Kapitel 3  Neue Arzneimittel 2018

. Tabelle 3.7 Arzneimittel zur Behandlung der Schizophrenie. Angegeben sind Wirkstoffe, Präparate, Jahr der Zulassung, definierte Tagesdosis (DDD), Halbwertszeit (HWZ) und Bruttotherapiekosten pro Jahr Wirkstoffe

3

Präparate

Zulassung

DDD

HWZ

Bruttokosten pro Jahr (€)

Typische Neuroleptika Flupentixol

Fluanxol

2004

6 mg oral

22–36 h

258

Fluphenazin

Fluphenazin-neuraxpharm

2002

1 mg i. m.

15–16 h

188

Haloperidol

Haloperidol-neuraxpharm

1986

8 mg oral

24 h

114

Perazin

Perazin-neuraxpharm

2004

100 mg oral

8–16 h

115

Benperidol

Benperidol-neuraxpharm

2004

10 mg oral

8h

413

Atypische Neuroleptika Amisulprid

Amisulprid-neuraxpharm

2005

400 mg oral

12 h

348

Aripiprazol

Arpoya

2015

15 mg oral

75 h

719

Clozapin

Clozapin AbZ

2006

300 mg oral

6–26 h

440

Olanzapin

Olanzapin Heumann

2011

10 mg oral

34–52 h

291

Paliperidon

Xeplion

2011

2,5 mg i. m.

25–49 d

6.096

Quetiapin

Quetiapin-ratiopharm

2009

400 mg oral

7–12 h

399

Risperidon

Risperidon Atid

2011

5 mg oral

3–24 h

157

Ziprasidon

Ziprasidon Aurobindo

2013

80 mg oral

7h

821

Cariprazin

Reagila

2017

3 mg oral

32–68 h

Fazit: Cariprazin (Reagila) ist ein partieller D2 /D3 -Dopaminrezeptoragonist zur Behandlung der Schizophrenie. Die Nutzenbewertung durch den G-BA ergab bei der Langzeittherapie von Patienten mit überwiegender Negativsymptomatik einen Hinweis auf einen geringen Zusatznutzen. Allerdings ist Reagila 4–20-fach teurer als andere orale atypische Neuroleptika.

3.124

dem Syndrom der überaktiven Blase vorkommen können. Das Präparat wurde am 11. Oktober 2017 vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zugelassen und kam am 1. März 2018 in Deutschland auf den Markt. Die überaktive Blase ist ein häufiges Leiden mit einer Prävalenz von 10–15 % bei Frauen. Hauptsymptome sind erhöhter Harndrang, Dranginkontinenz, erhöhte Harnfrequenz und Nykturie. Nach Stellung der Diagnose werden 3.1.10 Desfesoterodin (C) in erster Linie konservative, nichtmedikamentöse Behandlungsformen empfohlen. Dazu geDesfesoterodin (Tovedeso) ist ein weiterer Ver- hören Lebensstiländerungen (Einschränkung treter der urologischen Spasmolytika aus der von Coffein, Modifizierung der Trinkmengen, Gruppe der nichtselektiven Muscarinrezeptor- Reduktion von Übergewicht), Blasentraining antagonisten zur symptomatischen Behand- und Beckenbodenübungen. Die verhaltensthelung von erhöhter Harnfrequenz, imperativem rapeutischen Therapien sind nebenwirkungsHarndrang oder Dranginkontinenz, wie sie bei arm und auch im Langzeitverlauf effektiv, die

3

87 3.1  Neue Wirkstoffe des Jahres 2018

. Tabelle 3.8 Urologische Spasmolytika zur symptomatischen Behandlung von erhöhter Harnfrequenz, imperativem Harndrang oder Dranginkontinenz. Angegeben sind Wirkstoffe, Präparate, Jahr der Zulassung, Halbwertszeit (HWZ), definierte Tagesdosis (DDD) und Bruttokosten pro Jahr Wirkstoffe

Präparate (Auswahl)

Zulassung

HWZ

DDD

Bruttokosten pro Jahr (€)

Nicht-selektive Muscarinrezeptorantagonisten Oxybutynin

Oxybutynin STADA

1987

2–3 h

15 mg

217

Trospiumchlorid

Spasmex

1989

10–20 h

40 mg

269

Propiverin

Mictonorm

2005

15 h

30 mg

291

Tolterodin

Detrusitol

1998

2–3 h

4 mg

712

Fesoterodin

Toviaz

2008

8h

4 mg

619

Desfesoterodin

Tovedeso

2017

8h

3,5 mg

240

M3 -Muscarinrezeptorantagonisten Solifenacin

Vesikur

2004

45–68 h

5 mg

261

Darifenacin

Emselex

2005

3h

7,5 mg

255

2015

8–17 h

80 mg

627

2014

50 h

50 mg

375

Serotonin-Noradrenalin-Rückaufnahme-Inhibitoren (SNRI) Duloxetin

Duloxetin Glenmark

Beta3 -Adrenozeptoragonisten Betamigron

Betmiga

Patienten müssen jedoch ausreichend motiviert sein und die nötigen motorischen Fähigkeiten haben. Erst wenn diese Maßnahmen keinen Erfolg haben, kommt eine medikamentöse Behandlung in Betracht. Inzwischen sind zahlreiche Arzneimittel zur Behandlung der überaktiven Blase am Markt (. Tab. 3.8). Am häufigsten werden Muscarinrezeptorantagonisten (Anticholinergika) zur Suppression der Blasenkontraktion eingesetzt. Obwohl einige dieser Mittel in kontrollierten Studien gute Ergebnisse gezeigt haben, führen anticholinerge Nebenwirkungen (z. B. Mundtrockenheit, Obstipation) häufig zum Therapieabbruch. In den meisten Studien hatte die Verhaltenstherapie eine ähnliche Wirksamkeit wie Arzneimittel. Nach einem Cochrane-Review über 23 Studien mit 3.685 Teilnehmern wurde die Blasenfunktion durch Muscarinrezeptorantagonisten stärker gebessert als durch Blasentraining allein (Rai et al. 2012). Eine neuere medikamentöse

Therapieoption ist der Beta3 -Adrenorezeptoragonist Mirabegron, der 2014 in Deutschland auf den Markt kam und in klinischen Studien eine ähnliche Wirksamkeit wie Tolterodin aber weniger anticholinerge Nebenwirkungen zeigte (Übersicht bei Brown et al. 2015; Pannek 2017). Das Präparat war längere Zeit in Deutschland nicht verfügbar, weil die Nutzenbewertung durch den GBA keinen Beleg für einen Zusatznutzen ergeben hatte und der Vertrieb vom Hersteller nach dem Scheitern der Erstattungsbetragsverhandlungen in Deutschland von Juni 2015 bis August 2017 eingestellt worden war (Pharmazeutische Zeitung 2017). Desfesoterodin (5-Hydroxymethyltolterodin) ist ein weiterer nichtselektiver Muscarinrezeptorantagonist, der bereits als aktiver Metabolit von Fesoterodin und Tolterodin bekannt ist. Das Prodrug Fesoterodin wird durch unspezifische Esterasen schnell zu seinem aktiven Metaboliten 5-Hydroxymethyltolterodin

88

3

Kapitel 3  Neue Arzneimittel 2018

(5-HMT) hydrolysiert, so dass Fesoterodin nicht im Blut nachweisbar ist. 5-Hydroxymethyltolterodin ist auch identisch mit dem in der Leber durch CYP2D6 gebildeten aktiven Metaboliten von Tolterodin. Desfesoterodin erreicht 5 h nach oraler Gabe maximale Plasmaspiegel, wird überwiegend hepatisch über CYP2D6 und CYP3A4 zu inaktiven Metaboliten abgebaut und renal eliminiert, ein kleiner Teil auch in unveränderter Form als aktives Desfesoterodin. Die terminale Halbwertszeit von Desfesoterodin beträgt 7 h (Übersicht bei Michel 2008). Eine Besonderheit der Zulassung von Desfesoterodin ist die Tatsache, dass der Nachweis von Wirksamkeit und Sicherheit nur mit Bezug auf zwei klinische Studien mit Fesoterodin erfolgte, das 2008 in Deutschland auf den Markt kam (vgl. Arzneiverordnungs-Report 2009, Kap. 2). Daten klinischer Studien mit Desfesoterodin werden in der Fachinformation nicht angegeben (Ratiopharm GmbH 2017). Seinerzeit wurde die klinische Wirksamkeit von Fesoterodin an Patienten mit überaktiver Blase (76 % Frauen) im Vergleich zu Placebo und Tolterodin untersucht (Chapple et al. 2007). Nach 12 Wochen wurde die Häufigkeit der Inkontinenzepisoden (Ausgangswert 3,8 pro Tag) durch Fesoterodin (4 mg/Tag) um 1,95 Inkontinenzepisoden und durch Placebo um 1,14 Inkontinenzepisoden gesenkt. Häufigste Nebenwirkungen waren Mundtrockenheit (22–34 %) und Obstipation (3–5 %). Ähnliche Ergebnisse hatte eine weitere, in den USA durchgeführte Studie (Nitti et al. 2007). Für Desfesoterodin wurde auch keine frühe Nutzenbewertung durchgeführt. Die Bruttokosten von Tovedeso (98 Kps. 3,5 mg, Listenpreis 64,34 €, Festbetrag 67,00 €, DDD 3,5 mg) betragen 0,66 € pro Tag und 240 € pro Jahr und liegen damit im unteren Bereich der meisten urologischen Spasmolytika (. Tab. 3.8). Tovedeso gehört zu den wenigen neuen Arzneimitteln, die bereits im Jahr ihrer Einführung mehr als 5.000 Verordnungen erreicht haben (. Tab. 3.2). Fazit: Desfesoterodin (Tovedeso) ist ein weiterer Vertreter der urologischen Spasmolytika aus der Gruppe der nichtselektiven Muscarin-

rezeptorantagonisten zur symptomatischen Behandlung der überaktiven Blase. Der Wirkstoff ist der aktive Metabolit (5-Hydroxymethyltolterodin) von Fesoterodin und Tolterodin. Eigene klinische Studien über Desfesoterodin sind nicht verfügbar. Die Zulassung erfolgte ausschließlich mit Bezug auf klinische Studien von Fesoterodin.

3.1.11

Durvalumab (B)

Durvalumab (Imfinzi) ist ein weiterer monoklonaler Antikörper gegen den Liganden des Programmed-Death-1-Rezeptors (PD-L1) für die Monotherapie des lokal fortgeschrittenen, inoperablen nicht-kleinzelligen Lungenkarzinoms (NSCLC) mit einer PD-L1-Expression von über 1 %, wenn die Krankheit nach einer platinbasierten Radiochemotherapie nicht fortgeschritten ist. Das Präparat wurde am 21. September 2018 von der EMA zugelassen und kam am 15. Oktober 2018 in Deutschland auf den Markt. Das Lungenkarzinom war 2013 mit 53.500 Neuerkrankungen (34.690 Männer, 18.810 Frauen) und 44.848 Todesfällen (29.708 Männer, 15.140 Frauen) weiterhin der häufigste letale Tumor in Deutschland (Robert-KochInstitut 2016). Bei Männern ist seit Ende der 1980er Jahre ein rückläufiger Trend erkennbar, während die Inzidenz bei Frauen weiter ansteigt. Häufigster Risikofaktor ist das Zigarettenrauchen, aber ein Viertel aller Lungenkarzinome tritt auch bei Nichtrauchern auf. Nach Beendigung des Rauchens nähert sich das Krebsrisiko nach 15 Jahren dem der Nichtraucher an, erreicht dieses aber nicht. Passivrauchen erhöht das Risiko ungefähr 1,5fach. Das nicht-kleinzellige Lungenkarzinom hat mit 85 % den größten Anteil. Seine wichtigsten histologische Untergruppen sind das deutlich angestiegene Adenokarzinom (50 %), das Plattenepithelkarzinom (25 %) und das großzellige Lungenkarzinom (10 %). Für die weitere Klassifikation haben molekularpathologische Subtypen durch onkogene Mutationen

89 3.1  Neue Wirkstoffe des Jahres 2018

eine zunehmende therapeutische Bedeutung gewonnen. Wichtigste diagnostische Maßnahme ist die Gewebebiopsie, um onkogene Mutationen des epidermalen Wachstumsfaktorrezeptors (EGFR) und BRAF V600E sowie die Suche nach onkogenen Translokationen im Gen der anaplastische Lymphomkinase (ALK) und im Protoonkogen ROS1 zu erfassen. Neu hinzugekommen ist die Testung der Expression des Programmed Death-1-liganden (PD-L1). Bei lokaler Begrenzung des Tumors ist die Lungenresektion die Therapie der Wahl. Das stadienabhängige 5-Jahresüberleben beträgt nach kurativer Lobektomie im Stadium I 68–92 % und im Stadium II 53–60 %. Zum Zeitpunkt der Diagnose sind jedoch 60 % der Patienten bereits inoperabel (Stadium IIIB und IV), so dass die relativen 5-Jahres-Überlebensraten dann insgesamt nur noch 16–21 % betragen. Traditionelle Erstlinientherapie beim fortgeschrittenen nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom ohne behandelbare Mutationen sind weiterhin platinhaltige Zweifachkombinationen (z. B. Carboplatin plus Paclitaxel). Damit werden Ansprechraten von 25–35 % der Patienten und ein Gesamtüberleben von 8–12 Monaten erreicht. Die Kombination mit monoklonalen Antikörpern gegen den vaskulären endothelialen Wachstumsfaktor (VEGF) wie Bevacizumab und Ramucirumab hatte nur begrenzte Erfolge, häufig aber zusätzliche toxische Nebenwirkungen. Die gezielte Behandlung onkogener Veränderungen des Lungenkarzinoms begann mit den Mutationen des epidermalen Wachstumsfaktorrezeptors (EGFR), die bei 10–20 % der nichtasiatischen Bevölkerung vorkommen. Die Tyrosinkinaseinhibitoren Erlotinib (Tarceva), Gefitinib (Iressa) und Afatinib (Giotrif ) werden als Erstlinientherapie eingesetzt. Bisher wurde allerdings nur eine Verlängerung des progressionsfreien Überlebens im Vergleich zur platinbasierten Standardtherapie nachgewiesen. In einer weiteren genetisch identifizierbaren Patientengruppe wurden Translokationen der onkogenen anaplastischen Lymphomkinase (ALK) als therapeutisches Zielprotein identifiziert, die mit einer Prävalenz von 2–7 %

3

an der Entstehung des nicht-kleinzelligen Lungenkarzinoms beteiligt ist. BRAF-Mutationen wurden bei 2 % der Patienten mit nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom identifiziert, von denen die Hälfte eine BRAF-V600EMutation aufweist. Die häufigsten onkogenen Mutationen beim nicht-kleinzelligem Lungenkarzinom sind KRAS-Mutationen, die bei 30 % der Adenokarzinome vorkommen, aber bisher nicht erfolgreich behandelbar sind. Als Erstlinientherapie kommen abhängig vom molekularpathologischen Subtyp Chemotherapie, gezielte Therapien und die neuen immuntherapeutischen Therapieoptionen mit Pembrolizumab bei ausreichender PD-L1-Expression in Frage. Pembrolizumab ist außerdem als Zweitlinientherapie des nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom nach vorheriger Chemotherapie zugelassen, ebenso die beiden anderen PD-L1/PD-1-Inhibitoren Nivolumab und Atezolizumab (Übersicht bei Reck und Rabe 2017). Durvalumab ist ein monoklonaler Antikörper mit hoher Affinität für den PD-1-Liganden, der die Bindung des Liganden in niedrigen Konzentrationen (IC50 0,1 nmol/l) hemmt, wodurch die Wirkung auf den PD-1-Rezeptor von T-Zellen blockiert wird und die immunsuppressive T-Zell-Aktivität gegen den Tumor reaktiviert wird. Durvalumab wird initial mit einer Dosis von 10 mg/kg als einstündige intravenöse Infusion alle zwei Wochen appliziert. Die Halbwertszeit beträgt 17 Tage (Übersicht bei Syed 2017). Die Zulassung von Durvalumab basiert auf einer placebokontrollierten Phase-3-Studie an 713 Patienten mit nichtkleinzelligem Lungenkarzinom im Stadium III ohne Krankheitsprogression nach mindestens zwei Zyklen einer platinbasierten Radiochemotherapie (Antonia et al. 2018, PACIFIC). Nach 24 Monaten verbesserte Durvalumab die Gesamtüberlebensrate (koprimärer Endpunkt) im Vergleich zu Placebo (66,3 % versus 55,6 %). Ebenso wurde die mediane Zeit bis zum Tod oder Fernmetastasen verlängert (28,3 versus 16,2 Monate). Häufigste Nebenwirkungen waren Husten (35,4 % versus 25,2 %), Pneumonitis (33,9 % versus 24,8 %), Müdigkeit (23,8 % versus 24,5 %) und Dyspnoe

90

3

Kapitel 3  Neue Arzneimittel 2018

(22,3 % versus 23,9 %). Tod infolge von unerwünschten Ereignissen trat unter Durvalumab bei 4,4 % und unter Placebo bei 5,6 % der Patienten ein. Die Nutzenbewertung durch den G-BA hat ergeben, dass ein Anhaltspunkt für einen beträchtlichen Zusatznutzen von Durvalumab bei Patienten mit vorbehandeltem fortgeschrittenem nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom belegt ist (Bundesministerium für Gesundheit 2019e). Entscheidend für die Gesamtbewertung war die Tatsache, dass trotz des fehlenden Zusatznutzens für das Gesamtüberleben bei einzelnen Symptomen die positiven Effekte überwogen und dass bei den schweren Nebenwirkungen ein positiver Effekt von Durvalumab im Vergleich zu Docetaxel oder Pemetrexed vorhanden war. Die Bruttokosten von Imfinzi (10 ml Durchstechflasche 500 mg Listenpreis 2.876,43 €, bisher kein Erstattungsbetrag, Dosis 10 mg/kg i.v. alle 14 Tage, entspricht 700 mg/14 Tage bei einem WHO-Standardkörpergewicht von 70 kg) betragen 287,64 € pro Tag bzw. 104.990 € pro Jahr (. Tab. 3.9). Sie liegen damit ähnlich hoch wie die Kosten von Pembrolizumab (Keytruda) und Atezolizumab (Tecentriq). Fazit: Durvalumab (Imfinzi) ist ein weiterer monoklonaler Antikörper gegen den Liganden des Programmed-Death-1-Rezeptors (PDL1) für die Zweitlinientherapie des lokal fortgeschrittenen, inoperablen nicht-kleinzelligen Lungenkarzinoms (NSCLC). In einer placebokontrollierten Studie wurde das Gesamtüberleben um 12 Monate verlängert.

3.1.12

Emicizumab (A)

Emicizumab (Hemlibra) ist ein humanisierter monoklonaler Antikörper, der zur Prophylaxe von Blutungsereignissen bei Patienten mit Hämophilie A und Faktor VIII-Hemmkörpern am 23.03.2018 von der EMA durch eine beschleunigte Beurteilung zugelassen wurde und am 01.04.2018 in Deutschland auf den Markt kam. Da es nur wenige Patienten mit Hämophi-

lie A und Hemmkörpern gibt wurde Hemlibra 2014 als Arzneimittel für seltene Leiden (Orphan-Arzneimittel) ausgewiesen. Seit Februar 2019 ist Emicizumab zusätzlich auch zur Behandlung von Hämophilie A-Patienten ohne Hemmkörper zugelassen. Bei der Hämophilie A liegt ein genetischer Defekt des Faktor-VIII-Gens auf dem X-Chromosom vor, sodass insbesondere bei betroffenen männlichen Neugeborenen ein Mangel des Gerinnungsfaktors VIII besteht (7 Abschn. 3.1.26 – Rurioctocog alfa pegol), der in Abhängigkeit vom Schweregrad zu bedrohlichen Blutungen führen kann (Peyvandi et al. 2016a). Die Therapie erfolgt entweder prophylaktisch oder im Falle von Blutungsereignissen mit aus humanem Plasma gereinigtem Faktor VIII, mit rekombinantem Faktor VIII oder mit modifizierten rekombinanten Faktor-VIII-Präparaten mit verlängerter Halbwertszeit (Srivastava et al. 2013; Peters und Harris 2018). 20–30 % der Patienten mit Hämophilie A entwickeln neutralisierende Antikörper (Hemmkörper) gegen die applizierten Faktor-A-Präparate (Nogami und Shima 2019). Durch diese Hemmkörper verlieren die substituierten Faktoren an Wirksamkeit und die Patienten müssen mit anderen Präparaten, die den Faktor VIII umgehen (Bypassing-Präparate: z. B. rekombinanter Faktor VIIa, aktiviertes Prothrombin Komplex-Konzentrat aPCC) behandelt werden. Eine weitere Alternative besteht in dem Versuch, eine Immuntoleranz gegen Faktor VIII zu induzieren (Nogami und Shima 2019). Emicizumab ist ein chimärer, bispezifischer humanisierter monoklonaler Antikörper, der sich mit seinen zwei verschiedenen Domänen an den aktivierten Gerinnungsfaktor IX und den Gerinnungsfaktor X bindet, dadurch beide Faktoren in räumliche Nähe bringt und den fehlenden Faktor VIII imitieren kann (Kitazawa et al. 2017). Die Emicizumab-Therapie wird mit einer Dosis von 3 mg/kg s.c. pro Woche begonnen und mit einer wöchentlichen Erhaltungsdosis von 1,5 mg/kg fortgesetzt. Die Zulassung von Emicizumab beruht auf einer kontrollierten Phase-3-Studie, in der

3

91 3.1  Neue Wirkstoffe des Jahres 2018

. Tabelle 3.9 Arzneimittel zur Behandlung des fortgeschrittenen nicht-kleinzelligen Lungenkarzinoms. Angegeben sind Wirkstoffe, Präparate, Jahr der Zulassung, empfohlene Dosierung, Halbwertszeit (HWZ) und Therapiekosten pro Jahr Wirkstoffe

Präparate (Auswahl)

Zulassung Dosierung

HWZ

Bruttokosten pro Jahr (€)

Chemotherapeutika Carboplatin

Carboplatin GRY 1988

400 mg/m2 i.v. Tag 1 alle 28 d

3–6 h

4.521

Paclitaxel

Paclitaxel GRY

175 mg/m2 i.v. Tag 1 alle 21 d

2–20 h

19.076

Pemetrexed

Alimta

1994

2

2004

500 mg/m i.v. Tag 1 alle 21 d

3,5 h

79.254

Tyrosinkinaseinhibitoren Erlotinib

Tarceva

2006

800 mg/d oral

25–48 h

35.133

Gefitinib

Iressa

2006

250 mg/d oral

40–60 h

42.080

Afatinib

Giotrif

2013

40 mg/d oral

36 h

32.784

Nintedanib

Vargatef

2015

400 mg/d oral

13–19 h

33.592

Osimertinib

Tagrissoa

2016

80 mg/d oral

14 Tage

86.650

VEGF-Inhibitoren Bevacizumab

Avastin

2005

7,5–15 mg/kg i.v. alle 21 d

5,3 Tage

38.395–76.790

Ramucirumab

Cyramza

2016

10 mg/kg i.v. alle 21 d

6 Tage

52.098

Crizotinib

Xalkori

2012

500 mg/d oral

42 h

66.968

Ceritinib

Zykadia

2015

450 mg/d oral

42 h

66.968

Alectinib

Alecensa

2017

2  600 mg/d oral

33 h

77.859

2016

800 mg i.v. Tag 1 + 8 alle 21 d

48 h

20.166

ALK-Inhibitoren

EGFR-Inhibitoren Necitumumab

Portrazzab

PD-L1/PD-1-Inhibitoren Nivolumab

Opdivo

2015

3 mg/kg i.v. alle 14 d

27 d

70.692

Pembrolizumab

Keytruda

2016

200 mg i.v. alle 21 d

25 d

112.453

Atezolizumab

Tecentriq

2017

1200 mg i.v. alle 21 d

27 d

110.378

Durvalumab

Imfinzi

2018

10 mg/kg i.v. alle 14 d

17 d

104.990

BRAF- und MEK-Inhibitoren Dabrafenib

Tafinlar

2017

300 mg/d oral

8h

75.261

Trametinib

Mekinist

2017

2 mg/d oral

5,3 d

56.531

a Vertriebseinstellung 11/2016 (neue Nutzenbewertung durch G-BA, Beschluss Okt 2017), Wiedereinführung 01.11.2017 b Vertriebseinstellung 2/2017, Wiedereinführung 01.08.2017

92

3

Kapitel 3  Neue Arzneimittel 2018

109 männliche Patienten im Alter von 12 bis 75 Jahren mit Hämophilie A und Faktor-VIIIHemmkörpern behandelt wurden (Oldenburg et al. 2017, HAVEN 1). 53 dieser Patienten, die zuvor bei Bedarf behandelt wurden, erhielten entweder einmal wöchentlich Emicizumab prophylaktisch (Arm A) oder keine Prophylaxe (Arm B). 49 zuvor prophylaktisch mit FaktorVIII-Bypassingpräparaten behandelte Patienten erhielten prophylaktisch Emicizumab einmal pro Woche (Arm C). Die mediane annualisierte Blutungsrate betrug bei wöchentlicher Emicizumab-Prophylaxe 2,9 (Arm A) bzw. 5,1 (Arm C) im Vergleich mit 23,3 (Arm B) bei Patienten ohne Prophylaxe. Bei keinem Studienpatienten konnten Antikörper gegen Emicizumab direkt nachgewiesen werden (Oldenburg et al. 2017). Die wichtigsten häufigen Nebenwirkungen, die während einer Behandlung mit Emicizumab beobachtet wurden, waren Reaktionen an der Injektionsstelle, Kopfschmerzen, Fieber, Diarrhö, Muskel- und Gelenkschmerzen. Bei zwei Patienten, die gleichzeitig mit Faktor-VIII-Bypassing-Präparaten (aktiviertes Prothrombin-KomplexKonzentrat, aPCC/FEIBA) behandelt wurden, traten thrombotische Mikroangiopathien und Thromboembolien mit Sinus-cavernosusThrombose bzw. Hautnekrose auf (Oldenburg et al. 2017). Beide Ereignisse besserten sich nach Absetzen des Bypassing-Präparates. Die gleichzeitige Applikation von Emicizumab mit aPCC/FEIBA sollte daher vermieden werden. Kürzlich wurde das Ergebnis der Behandlung mit Emicizumab im Rahmen einer klinischen Studie bei 152 Patienten mit Hämophilie A ohne Hemmkörper veröffentlicht (Mahlangu et al. 2018). Diese Patienten waren zuvor bei Bedarf mit Faktor VIII behandelt worden und wurden in drei Gruppen eingeteilt, um entweder 1,5 mg/kg (Arm A) oder 3 mg/kg Körpergewicht Emicizumab pro Woche subkutan (Arm B) oder keine Prophylaxe zu erhalten (Arm C, Mahlangu et al. 2018). Die mediane annualisierte Blutungsrate betrug bei wöchentlicher Emicizumab-Prophylaxe 1,5 (Arm A) bzw. 1,3 (Arm B) im Vergleich mit 38,2 (Arm C)

bei Patienten ohne Prophylaxe (Mahlangu et al. 2018). In dieser Studie wurden keine thromboembolischen Ereignisse beobachtet. Die Nutzenbewertung durch den G-BA ergab einen Anhaltspunkt für einen nicht quantifizierbaren Zusatznutzen bei Patienten mit Hämophilie A und Faktor VIII-Hemmkörpern, für die eine alleinige Bedarfsbehandlung mit Bypassing-Präparaten eine patientenindividuelle Therapie darstellt (Bundesministerium für Gesundheit 2018f). Das Nutzenbewertungsverfahren für die Emicizumab-Behandlung bei Hämophilie A ohne Hemmkörper wurde am 14.03.2019 eingeleitet. Die Jahrestherapiekosten von Hemlibra liegen zwischen 150.640,36 bis 298.392,64 € bei Kindern