Aristophanes Lysistrate: Text, Übersetzung und Kommentar 3110238918, 9783110238914

DieLysistratedes Aristophanes gehort zu den groen politischen Komodien der Weltliteratur. Aufgefuhrt wurde sie in Athen

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German Pages 284 [282] Year 2019

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Aristophanes Lysistrate: Text, Übersetzung und Kommentar
 3110238918, 9783110238914

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Aristophanes: Lysistrate

Griechische Dramen herausgegeben von Jens Holzhausen, Peter von Möllendorff und Bernd Seidensticker

De Gruyter

Aristophanes Lysistrate herausgegeben, übersetzt und kommentiert von

Manfred Landfester

De Gruyter

ISBN 978-3-11-023890-7 e-ISBN (PDF) 978-3-11-023891-4

Library of Congress Control Number: 2019939560 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2019 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Einbandentwurf: Martin Zech, Bremen Einbandabbildung: rotfiguriger Stamnos des Smikros (um 510 v. Chr.), Brüssel, Les Musées Royaux dʼArt et dʼHistoire, Inventar-Nr. A 717 Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com

Vorwort der Herausgeber Die Reihe Griechische Dramen möchte einen Wunsch all der Leser und Liebhaber der griechischen Tragödie und Komödie erfüllen, die über keine oder nur geringe Kenntnisse der griechischen Sprache verfügen: zu erfahren, was im griechischen Original steht. Deshalb sind die Übersetzungen anders als im Original nicht in Versmaßen gehalten, sondern – im Unterschied zu den gängigen deutschen Übersetzungen – in Prosa, um unabhängig von den Zwängen poetischer Rhythmisierung so genau wie möglich den Wortlaut wiedergeben zu können. Eine solche Übersetzung ist das Ergebnis einer gründlichen sprachlichen und inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem Originaltext, die in den Bänden der Reihe auf mehreren Ebenen dokumentiert wird: Der Übersetzung ist der zugrunde gelegte griechische Text an die Seite gestellt, der von einem kritischen Apparat und sprachlichen Erläuterungen begleitet wird. Hier kann derjenige, der über Griechischkenntnisse verfügt, die sprachliche Basis der Übersetzung nachvollziehen. Der Kommentar, mit detaillierten Erläuterungen zu sprachlichen, sachlichen, dramaturgischen und interpretatorischen Problemen, setzt dagegen keine Kenntnisse der griechischen Sprache voraus. Das Druckbild ist so gestaltet, dass der Leser alle Informationen auf einen Blick erfassen kann: Die Doppelseiten präsentieren auf der linken Seite zunächst – als Ausgangspunkt der Lektüre und zugleich als Endpunkt der hermeneutischen Arbeit der Kommentatoren – den deutschen Text und darunter den griechischen Text mit textkritischen und sprachlichen Erläuterungen. Der Stellenkommentar begleitet den Text auf der rechten Seite. Dass die auf einer Doppelseite behandelten Textstücke dadurch in der Regel kurz sind, ist unvermeidlich; der Vorteil, alle Informationen zu einem Vers bzw. einer Textpassage unmittelbar nebeneinander zu finden, mag dafür entschädigen. In den umfangreichen Einführungen ziehen die Übersetzer in zusammenhängender Erörterung thematischer Schwerpunkte die Quintessenz ihrer Interpretation des Stücks und informieren über den Autor und sein Werk, über Datierung und historischen Hintergrund des Stücks, über die Geschichte des Stoffs und die vom Autor gewählte Akzentuierung sowie über das Theater des 5. Jahrhunderts und die dramaturgische Realisierung des Stücks. Herausgeber und Autoren der Reihe Griechische Dramen hoffen, durch die Kombination von Einführung, Prosaübersetzung, Originaltext und Erläuterungen einem gräzistischen wie nichtgräzistischen Leserkreis den Zugang zum Theater des klassischen Athen und seinen großen Dramen zu erleichtern. Jens Holzhausen

Peter von Möllendorff

Bernd Seidensticker

Vorwort Die Lysistrate hat es schwer gehabt, einen festen Platz im literarischen Gedächtnis westeuropäisch geprägter Kulturen zu finden., denn sie wurde lange Zeit nicht ihrer ursprünglichen Funktion nach als politisch-soziale Komödie, sondern wegen ihrer dominanten erotisch-sexuellen Komik nur als frivole erotische Komödie wahrgenommen. Zwar waren auch die übrigen Komödien des Aristophanes wegen ihrer Derbheit und Obszönität schon seit der Antike verrufen, aber die Lysistrate stieß wegen des Ausmaßes und Direktheit des Erotisch-Sexuellen als Ausdruck von Komik in Sprache und in szenischer Darstellung noch verstärkt auf Ablehnung und wurde das besonders „ungezogne“ Kind aus der Familie der Komödie der klassischen Zeit Griechenlands. Sie hat daher über 2200 Jahre lang kaum Spuren im kulturellen Gedächtnis hinterlassen. Nach ihrem historischen Tiefschlaf setzte ihre Revitalisierung vor 200 Jahren ein, zunächst zögernd und durch Dämpfung der frivolen Sexualität, dann seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts beschleunigt und historisch angemessen, gefördert durch die Altertumswissenschaften und begünstigt durch den Prozess der Enttabuisierung der Sexualität in der Gegenwart, so dass die Komödie in ihren politisch sozialen Facetten rehabilitiert und inzwischen auch im Schulunterricht angekommen ist. Die neue kommentierte zweisprachige Ausgabe ist ein Mittel, den Prozess der Revitalisierung der Komödie zu fördern und ihre Stellung im kulturellen Gedächtnis zu sichern. Sie ist durch den griechischen Text einsetzbar in der fachspezifischen Lehre der Klassischen Philologie. Ihre Textkonstitution ist im wesentlichen der Textgestaltung der modernen Ausgaben verpflichtet. Die kommentierte Übersetzung soll aber auch unabhängig vom griechischen Text einen unkomplizierten Zugang zur Komödie fördern. Auf sprachlich-grammatische Erklärungen ist daher in der laufenden Kommentierung weitgehend verzichtet. Für sie sind die gängigen Kommentare zuständig, die bis hin zu elementaren Erläuterungen alles Notwendige bieten. Einzig der dorischlakonische Dialekt ist im Anhang systematisch erschlossen, um dem nur mit dem attischen Dialekt vertrauten Leser das Verständnis der Sprache der dorisch-lakonisch sprechenden Spartanerinnen und Spartaner zu erleichtern. Im Zentrum der Kommentierung stehen prägnante literarisch-systematische, literarisch-historische, kulturhistorische und historische Erklärungen. Verwertet werden dafür zwar die Erkenntnisse der klassischen Altertumswissenschaften, aber weder die Kompetenz der griechischen Sprache noch die Kenntnis der fachwissenschaftlichen Terminologie ist notwendige Voraussetzung, um diese Erkenntnisse zu nutzen. Die Übersetzung bietet einen Text, der in Verbindung

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Vorwort

mit den knappen Erläuterungen durch einen historisch analogen zeitgemäßen Stil ohne wesentliche Einbuße an Bedeutung und Komik das Original vermitteln soll. Um den Abbau an Gelehrsamkeit der Kommentierung und um die Sicherung eines zeitgemäßen Stils der Übersetzung haben sich Annemarie Haas und Tina Jerke verdient gemacht, Tina Jerke außerdem um die moderne Rezeption der Komödie. Die sorgfältige Betreuung durch Torben Behm, Elisabeth Horz und Florian Ruppenstein vom Verlag hat entscheidend zum Erscheinen des Werkes beigetragen. Gießen, März 2019

Manfred Landfester

Inhalt Vorwort der Herausgeber ................................................................................ V Vorwort .......................................................................................................... VII Einführung ....................................................................................................... 1 Aristophanes und die Komödie der klassischen Zeit Athens ................ 3 Die Biographie ............................................................................. 3 Aristophanes als Repräsentant der Komödie der klassischen Zeit Athens ................................................................................... 4 Die Komödie als politische Komödie zwischen Satire und Utopie ........................................................................................... 5 Die Lysistrate des Aristophanes............................................................ 10 Datierung und Titel ...................................................................... 10 Überlieferung des Textes.............................................................. 10 Aufbau und Inhalt......................................................................... 12 Die Lysistrate als politische Komödie .......................................... 17 Die Lysistrate als komisches Spiel ............................................... 19 Die Frauen der Lysistrate und die Frauen Athens ................................. 23 Die Frauen der Lysistrate ............................................................. 23 Die Frauen Athens ........................................................................ 26 Inszenierung der komischen Handlung ................................................. 30 Probleme der Rekonstruktion ....................................................... 30 Bühnenkonventionen .................................................................... 31 Aufführungskonventionen (Frauenrollen, Masken und Kostüme) ...................................................................................... 33 Zahl der Schauspieler ................................................................... 36 Requisiten ..................................................................................... 38 Musik und Tanz (Choreographie) ................................................ 39 Dramaturgie der komischen Handlung ................................................. 41 Probleme der Dramaturgie ........................................................... 41 Zeit der Handlung......................................................................... 41 Ort der Handlung .......................................................................... 42 Form und Entwicklung der Handlung .......................................... 43 Rezeption .............................................................................................. 46 Rezeption in der Antike und in der Frühen Neuzeit ..................... 46 Rezeption von 1800 bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts .......... 50

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Inhalt

Politisch-gesellschaftliche Aktualisierung in der Moderne .......... 53 Erotisch-sexuelle Aktualisierung in der Moderne ........................ 57 Text, Übersetzung, Kommentar ....................................................................... 61 Anhang ........................................................................................................... 249 Verskunst ............................................................................................ 251 Der dorisch-lakonische Dialekt in der Lysistrate ................................ 257 Die Sprachform der Komödie und ihre Übersetzung .......................... 260 Antike Einleitungen (Hypotheseis/Argumenta) zur Lysistrate ........... 264 Literaturverzeichnis ....................................................................................... 269

Aristophanes und die Komödie der klassischen Zeit Athens

Die Biographie Die Biographie des Aristophanes ist nur rudimentär und zudem nur vage rekonstruierbar. Die antiken biographischen Angaben sind nicht immer zuverlässig, häufig nur aus den Komödien selbst gewonnen.1 Geboren wurde Aristophanes in Athen um 445 v. Chr., gestorben ist er dort nach 388 v. Chr. Für sein privates Leben gibt es nur karge und keine besonders signifikanten Angaben. Politisch hat er sich im Rahmen der Demokratie nicht sonderlich profiliert. Als Mitglied des Rates der Stadt mit seinen 500 Mitgliedern, die jährlich wechselten, gehörte er turnusmäßig einmal zum geschäftsführenden Ausschuss des Rates (griech. prytaneía) für 35 oder 36 Tage. Als Bürger der Stadt wird er wohl wie selbstverständlich an den Versammlungen des Demos (griech. dḗmos „Volk“) teilgenommen haben, die in der direkten Demokratie Athens für alle politischen Entscheidungen zuständig waren. Statt auf die Teilhabe am politischen Leben in den Institutionen der Demokratie konzentrierte sich Aristophanes auf seine Tätigkeit als Komödiendichter, der er freilich politische Bedeutung beimaß. 44 Komödien wurden ihm in der Antike zugeschrieben, erhalten sind davon elf. Sie alle wurden aufgeführt an den jährlich stattfindenden Theateragonen der Dionysosfeste der Lenäen und Großen Dionysien in Athen. Er hat sich bereits in jungen Jahren erfolgreich um Aufführungen an diesen Agonen beworben und setzte sich sofort mit seinen Stücken gegen seine Konkurrenten durch. 427 v. Chr. errang er im Alter von etwa 19 Jahren einen zweiten Platz mit einer nicht erhaltenen Komödie, den Schmausbrüdern (Daitalḗs), ein Jahr später bereits den ersten Sieg an den Großen Dionysien mit einem ebenfalls nicht erhaltenen Stück, den Babyloniern (Babylṓnioi). Die erhaltenen Acharner (Acharnḗs) aus dem folgenden Jahr brachten ihm den Sieg an den Lenäen ein. Der schnelle Erfolg steigerte sein Selbstwertgefühl als Dichter und verführte ihn dazu, sich in den erhaltenen Rittern (Hippḗs), mit denen er an den Lenäen 424 v. Chr. siegte, auf Kosten seiner Konkurrenten zu profilieren (vv. 506–546). Wenn auch die Erfolgsgeschichte seiner Komödien nicht im Detail erfasst werden kann, da die Listen der Dramenaufführungen (Didaskalien) aus dem Archiv der Stadt nur lückenhaft überliefert sind, so ist doch gesichert, dass Aristophanes mit seinen Komödien annähernd 40 Jahre lang maßgeblich an den Agonen beteiligt war und die Entwicklung der Komödie bestimmte. Siege errang er mit dem Vorspiel zum Agon (Proagṓn, 422 v. Chr., Lenäen, –––––––––––– 1

Zimmermann (2011) 764–768.

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Einführung

nicht erhalten) und den Fröschen (Bátrachoi, 405 v. Chr., Lenäen, erhalten). Zweite Plätze sicherte er sich mit den Wespen (Sphḗkes, 422 v. Chr., Lenäen, erhalten), dem Frieden (Eirḗnē, 421 v. Chr., Dionysien, erhalten) und den Vögeln (Órnithes, 414 v. Chr., Dionysien, erhalten). Für die von dem Dichter so geschätzten Wolken (Nephélai, 423 v. Chr., Dionysien, erhalten) reichte es allerdings nur zum dritten und letzten Platz, was eine Niederlage bedeutete, die der Dichter im Bewusstsein seines Könnens natürlich nicht sich, sondern der Jury anlastete. Keine Angaben über den Erfolg gibt es für die restlichen erhaltenen Komödien, die Lysistrate (Lysistrā ́ tē, Eigenname, 411 v. Chr., wohl an den Lenäen), die Frauen am Thesmophorienfest (Thesmophoriázusai, 411 v. Chr., wohl an den Dionysien), die Frauen in der Volksversammlung (Ekklēsiázusai, 393–391 v. Chr.) und den Reichtum (Plū ́ tos, 388 v. Chr.). Aristophanes hatte zwar Erfolg mit seinen Komödien, aber die Konkurrenz blieb groß. Unangefochten wie Sophokles unter den klassischen Tragikern war Aristophanes unter den Komödiendichtern seiner Zeit nicht. So reichte es für den Frieden nur zum zweiten Platz, während Eupolis mit den Schmeichlern (Kólakes) gewann. Auch die später so geschätzten Vögel erreichten nach den Schwärmern (Kōmastaí) des Ameipsias nur den zweiten Platz. Und was für Aristophanes schon eine Beleidigung durch die Jury war: Seinen Wolken (3. Platz) wurde nicht nur der Konnos (Eigenname) des Ameipsias (2. Platz), sondern auch noch die Flasche (Pytínē) des Kratinos (1. Platz) vorgezogen, dem Aristophanes kurz vorher in der Parabase der Ritter bescheinigt hatte, dass seine Zeit als Komödiendichter abgelaufen sei. Im Unterschied zu seinen Kollegen und auch im Unterschied zu den Tragödiendichtern hat sich Aristophanes primär als Dichter verstanden und nicht auch als Regisseur (griech. chorodidáskalos „Chorinstruktor“). Daher hat er in vielen Fällen seit seinem Debüt die Inszenierung seiner Komödien anderen überlassen, was die Entwicklung des Berufs des Regisseurs begünstigte. Dem Namen nach bekannt sind Kallistratos (Schmausbrüder, Babylonier, Acharner, Vögel, Lysistrate) und Philonides (Vorspiel zum Agon, Wespen, Frösche). In eigener Verantwortung hat Aristophanes die Regie für die Ritter übernommen und auch Erfolg gehabt. Keinen Erfolg hatte er mit der Regie der Wolken. Möglicherweise hat er nach diesem Misserfolg erkannt, dass er für das Geschäft der Regie nicht tauge, und fortan die Regie anderen anvertraut.

Aristophanes als Repräsentant der Komödie der klassischen Zeit Athens Mit seiner Lebens- und Produktionszeit gehört Aristophanes in die klassische Zeit Griechenlands, insbesondere Athens, die annähernd identisch ist mit dem 5. Jahrhundert v. Chr. Dabei sind die Epochengrenzen primär politisch bestimmt, einmal durch die Perserkriege am Anfang mit den Siegen der Griechen unter herausragender Beteiligung der Athener über die persischen Invasoren (490–479 v. Chr.) und durch die Entwicklung Athens zu einer bedeutenden

Aristophanes und die Komödie der klassischen Zeit Athens

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politischen Macht, zum anderen durch den politischen Niedergang Athens am Ende des Jahrhunderts in der Folge des Peloponnesischen Krieges (431–404 v. Chr.). In diesem Jahrhundert kam es nicht nur zur Ausformung der demokratischen Staatsform, sondern es wurden auch bei der Entwicklung von Literatur, Architektur und Kunst außergewöhnliche Kräfte freigesetzt, die zu Werken führten, die den Rang der Klassizität erhielten. Gefördert wurde dieser Prozess nicht zuletzt durch staatlich gestützte Wettbewerbe, die immer neu zur Überbietung des Erreichten reizten. Der intensive Wettbewerbscharakter kam vor allem der Entwicklung des Dramas zugute. Als Teil der von der Polis getragenen Feste der Großen (Städtischen) Dionysien (März/April) und der Lenäen (Januar/Februar) zu Ehren des Gottes Dionysos wurden jedes Jahr neue Tragödien mit Satyrspielen (in drei Tetralogien seit Ende des 6. Jh.s an den Großen Dionysien und in zwei Einzelstücken seit 440/430 v. Chr. an den Lenäen) und neue Komödien (jeweils fünf Stücke seit 487/486 v. Chr. an den Großen Dionysien und seit 440/430 v. Chr. auch an den Lenäen) in Agonen aufgeführt. Nur ein Bruchteil dieser ganzen Produktion ist erhalten. Von drei Tragödiendichtern, die später zu Klassikern wurden, sind Stücke überliefert, von Aischylos sieben, von Sophokles ebenfalls nur sieben, von Euripides immerhin siebzehn. Noch geringer ist die Quote der erhaltenen Komödien mit elf Stücken, deren Verfasser ausschließlich Aristophanes ist. Dem Namen nach bekannt sind mindestens 45 Komödiendichter, die für insgesamt etwa 500 Komödien verantwortlich waren. Aber trotz der spärlichen Überlieferung gilt: Der Kunstcharakter der Tragödie und Komödie und ihre Geschichte sind hinreichend sicher zu bestimmen. Während die Tragödie auch über das Ende des 5. Jh.s v. Chr. hinaus ihren Kunstcharakter wesentlich beibehielt, ist die Komödie seit dem Beginn des 4. Jh.s neue Wege gegangen, durch die die Komödie des 5. Jh.s v. Chr. keine Klassizität erlangte, sondern unter der Bezeichnung „Alte Komödie“ oder „Archaia“ zu einer literarisch eher primitiven und daher überholten Komödienart (mit den Hauptvertretern Kratinos, Aristophanes und Eupolis) wurde und gegen eine „Neue Komödie“ oder „Nea“ (mit den Hauptvertretern Menander, Diphilos und Philemon) ausgespielt wurde.

Die Komödie als politische Komödie zwischen Satire und Utopie Die Komödien des Aristophanes sind ihrer spezifischen Eigenart nach politische Komödien im Sinne des griechischen Politik-Begriffs (zu griech. politikós „alles, was die Polis betrifft“, griech. pólis „Stadtstaat“). Nicht nur die Bereiche der Politik im engeren Sinne wie Innenpolitik und Außenpolitik lieferten die Themen der Komödien, sondern auch die Literatur, die Bildung, die Wissenschaft, die Gesellschaft und die Religion. Alle Bereiche des öffentlichen Lebens in Athen werden durch diesen Politikbegriff eingefangen. Ausgespart war damit die private Wirklichkeit von Familie und Individuum (mitsamt seiner Psychologie). Diese Konzentration auf das öffentliche Leben der Gegenwart war nicht auf die Komödien des Aristophanes begrenzt, sondern gemein-

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Einführung

sames Merkmal des größten Teils der gleichzeitigen Komödienproduktion. In der Fokussierung auf das öffentliche Leben der Gegenwart unterscheidet sich die Komödie von der gleichzeitigen Tragödie eines Aischylos, Sophokles und Euripides, deren Themen dem Mythos verpflichtet sind, der eine vergangene Zeit repräsentiert. Demgegenüber setzte die Komödie auf politische Aktualität. Alles, was im öffentlichen Leben durch Neuentwicklungen und aktuelle Veränderungen problematisch geworden war, konnte Thema der Komödie werden. Mit ihrer umfassenden politischen Thematik ist die Alte Komödie in der griechisch-römischen Antike nicht traditionsbildend geworden. Stattdessen hat sich mit der Neuen Komödie seit dem 4. Jh. v. Chr. eine unpolitische Komödie durchgesetzt, in der die Darstellung des Alltagslebens in den Familien des attischen Bürgertums im Zentrum stand. Die Alte Komödie gestaltete aber nicht nur Themen des öffentlichen Lebens, sondern sie war auch selbst Teil des öffentlichen Lebens, indem sie in die öffentliche Festkultur der Polis integriert war, die von einer großen Zahl an Polis-Angehörigen getragen und gestaltet wurde. So erforderte das fünftägige Dionysosfest der Großen Dionysien mit ihren musischen Agonen in Tragödie, Komödie und Chordarbietungen den Einsatz von bis zu 1.200 Akteuren und erreichte durch die Aufführung im Dionysos-Theater unterhalb der Akropolis mit einem Fassungsvermögen von ca. 6.000 bis 8.000 Zuschauern im 5. Jh. v. Chr. ein Massenpublikum (bei einer Bevölkerung von ca. 30.000 männlichen Bürgern in der Polis Athen). Am Dionysosfest der Lenäen war wegen eines eingeschränkten Programms die Zahl der Mitwirkenden geringer, aber auch hier nahm am selben Ort ein Massenpublikum an den Komödienaufführungen teil. Zwar dominierten im Theaterpublikum wohl die männlichen Bürger Athens, aber auch Frauen, fremde Bürger in Athen (Metöken), Gäste aus anderen Städten Griechenlands und sogar Sklaven gehörten dazu, über deren quantitativen Anteil freilich keine verlässlichen Angaben möglich sind. Da die männlichen Besucher auch die potentiellen Stimmbürger in der Volksversammlung waren, die in der direkten Demokratie Athens die Politik bestimmte, konnten die Komödiendichter mit ihrer Kunst die Entscheidungsträger der Demokratie unmittelbar erreichen. Im Rahmen der Feste wollte die Komödie mit ihren öffentlichen Themen wirken. Kritik in der Form der Verspottung, die keine Grenzen und Tabus kannte, gehörte zu ihrem Hauptmetier. Diese Komödie war daher eine satirische Komödie, die durch Verspottung politischer Missstände der Gegenwart und ihrer Urheber eine Verlachkomödie war. Auffällig war vor allem die namentliche Verspottung (griech. onomastí kōmōdeín) zeitgenössischer Athener. Verspottet wurden von Aristophanes v. a. die Mächtigen und Einflussreichen unter ihrem Namen, führende Politiker wie Perikles und Kleon, beliebte Tragödiendichter wie Euripides und Agathon, bekannte Philosophen wie Sokrates. Aber auch weniger bedeutende Zeitgenossen zogen den Spott auf sich. Diese namentliche Verspottung der verantwortlichen politischen Akteure war das ureigenste Geschäft der Komödie, das sie von der Spottdichtung des Iambos (Archilochos, Semonides, 7. Jh. v. Chr.) übernommen hatte. Es wurde zum berühmt-berüchtigten Markenzeichen der Alten

Aristophanes und die Komödie der klassischen Zeit Athens

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Komödie. Allerdings wird dieses Terrain der namentlichen Verspottung in der Lysistrate weniger gepflegt. In ihr dominiert v. a. die Verspottung des Kollektivs der Männer als des politischen Souveräns. Eine solche Art der Verspottung ist auch in anderen Komödien üblich. In den Rittern wird der Demos als Souverän verspottet, in den Wespen sind es die Bürger als Richter. Im aggressiven Tadeln (griech. nūtheteín) und Schmähen (griech. loidoreín/ loidoreísthai) zeigt sich der Grundantrieb der Komödie. Die Einbettung der Komödie in die politische Festkultur der Stadt zu Ehren des Gottes Dionysos schützte die Komödiendichter vor gerichtlicher Verfolgung selbst in den Fällen grober Verunglimpfung. Eine solche Verspottung gehörte aber nicht nur zur Festkultur der Dionysien und Lenäen, sondern auch in anderen kultischen Zusammenhängen war sie fest verankert. An den Ländlichen Dionysien, einem Dionysosfest in Athen von nur regionaler Bedeutung, war sie in phallische Prozessionen integriert und hatte auch einen Platz in den Eleusinischen Mysterien. Zumindest in Athen gab es eine institutionalisierte Spottkultur, zu der möglicherweise auch der Geschlechterspott mit der gegenseitigen Verspottung der Geschlechter als einer besonderen Form der Verspottung gehörte. Die Freiheit der Verspottung war unbegrenzt. Maßnahmen der Einschränkung hat es kaum oder überhaupt nicht gegeben. Der Politiker Kleon scheint einmal Aristophanes wegen Verunglimpfung des attischen Demos angeklagt zu haben, allerdings erfolglos.2 Möglicherweise hat es auch Versuche gegeben, durch ein eigenes Gesetz die Freiheit der Verspottung einzuschränken, ebenfalls ohne – zumindest dauernden – Erfolg.3 Die Verspottung konnte zwar grenzenlos sein, aber die Komödiendichter verstanden sie nicht als ziellos, sondern als Weg zu einer Überwindung der politischen Missstände oder zumindest als Mittel zur Einsicht in die Verkehrtheit politischer Zustände. So zeigen die Komödien in der Konstruktion der Handlung die Wege zur Überwindung der Missstände und den neuen politischen Zustand selbst. Diese Wege sind in der Regel phantastisch und der neue Zustand ist es ebenfalls. Unabhängig von der Frage, ob sie in ihrer Gesamtheit möglich und wünschenswert sind, enthalten sie im Einzelnen Elemente einer besseren Welt. Sie zeigen auf jeden Fall eine neue Welt, die in der Handlung als Umkehrung der sozialpolitischen Wirklichkeit und als Utopie konstruiert wird, in der aber die Wirklichkeit Athens immer präsent bleibt, explizit und implizit. Diese Konstruktion einer verkehrten und karnevalesken Welt ist konstitutiv für die Komik der Handlung. Wenn auch in der komischen Handlung in der Regel Normen einer besseren und vernünftigen Welt sichtbar werden, so werden diese doch immer wieder durch das hohe Maß an Spott und Komik verdeckt. Um dem Vorwurf zu entgehen, nur an der aggressiven Verspottung als einem Akt der Negation Interesse zu haben und einer interesselosen Komik und einem ästhetischen Genuss als Selbstweck zu dienen, haben die Komödiendichter zur Legitimie–––––––––––– 2 3

Aristophanes, Acharner 377–382. Zimmermann (2011) 701f.

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Einführung

rung ihrer Kunst ausdrücklich darauf verwiesen, dass ihre Kunst eine politischmoralische Funktion habe. Diesen Anspruch haben sie offensichtlich von der Tragödie übernommen. Wenn in den Fröschen (vv. 1009f.) des Aristophanes die Tragödiendichter wegen ihrer Fähigkeit gelobt werden, die Menschen in den Städten „besser“ (griech. beltíūs) zu machen, so sahen auch die Komödiendichter hierin ihre Aufgabe. Kratinos, der ältere Zeitgenosse und Konkurrent des Aristophanes, hoffte, dass der Dichter im Wettbewerb siege, der der Stadt „das Beste“ (griech. to lṓston) rät. So verstand sich auch Aristophanes als politisch-moralische Instanz. Auktorial verkündet er in den Acharnern selbstbewusst in der Rolle des Dikaiopolis, dass auch die Komödie „das Gerechte“ (griech. to díkaion) kenne (v. 500), was er in der Rolle des Chors wiederholt (v. 656). Und in der Rolle des Chors verweist er übertreibend auf die Erfolge, die er mit seinen Komödien bereits erreicht habe (vv. 633–642): Die Athener würden sich u. a. in ihren Entscheidungen und Beschlüssen nicht mehr durch Schmeicheleien der Politiker beeinflussen lassen. Unabhängig vom Erfolg der Kritik verstand sich die Komödie jedenfalls als ein bedeutendes Medium politischer Meinungs- und Urteilsbildung, das auch öffentlich wahrgenommen und anerkannt wurde. So wurde Aristophanes offensichtlich wegen seines Aufrufs zur Versöhnung der streitenden Parteien im Peloponnesischen Krieg in der Parabase der Frösche (vv. 674–737) von der Volksversammlung mit einem Kranz aus Zweigen des heiligen Ölbaums öffentlich geehrt.4 Und wegen dieses Versöhnungsappells erhielten die Frösche das beispiellose Privileg einer Wiederaufführung.5 Die politische Rezeption der Frösche in der Öffentlichkeit Athens zeigt, dass die Komödie als ein politisches Medium wahrgenommen wurde. Dass die Komödie mit ihrer Einmischung in das öffentliche Leben auch Folgen haben konnte, lässt Platon den wegen Religionsfrevels in Athen (399 v. Chr.) angeklagten und schließlich zum Tode verurteilten Sokrates in seiner fiktiven Apologie des Sokrates (18 d) vor dem Gerichtshof (mit 501 Geschworenen) sagen: Die Komödie, damit sind v. a. die Wolken des Aristophanes gemeint, hätte mit ihrem sophistisch-atheistischen SokratesBild mit dazu beigetragen, den Boden für diese religionspolitische Anklage vorzubereiten. Die Komödie beschränkte sich aber nicht nur auf Vermittlung von Normen durch Einsicht und Reflexion, sondern setzte auch auf die Leistung der Komik, um den Erfolg der Vermittlung zu garantieren oder zu erhöhen. Die Komik und das durch sie ausgelöste Lachen hatten keineswegs nur Bedeutung für den Moment der Aufführung, damit „der Zuschauer für die Dauer des komischen Spiels den Druck des Alltags in einem befreienden Lachen“ „vergisst“.6 Das Lachen sollte auch freimachen für ein neues Denken und damit für eine neue Zukunft. Es hatte einen Doppelcharakter, es war einmal ein satirisches Lachen, ––––––––––––

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Nach der antiken Biographie des Aristophanes, in: Aristophanes. Testimonia et fragmenta, in: Poetae Comici Graeci, Bd. 3,2, hrsg. von R. Kassel, Berlin 1984, Testimonium 1,35–39. Nach der antiken Einleitung III (Hypothesis III) der Frösche, in: Wilson-Edition (2007) 131. Zimmermann (2011) 783.

Aristophanes und die Komödie der klassischen Zeit Athens

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das als aggressives Verlachen den Verspotteten ausschließen und dem Verlachten seine Anerkennung und Geltung nehmen sollte, es war zum anderen ein sympathetisches und integrierendes Lachen, das über die Aggressionslust hinausging, zur Solidarität mit dem triumphierenden komischen Helden führte und die Positivität der Handlung vermittelte. Hat schon das Lachen als Verlachen eine subversive Kraft, so erst recht das Lachen in der Gemeinschaft, da es an Kraft in der „Gemeinschaft mit Mitlachenden“ gewinnt7 und mit deren Zahl wächst. So verstärkte dann das Theater mit seinen bis zu 8.000 Zuschauern durch das Lachen die Gruppenidentität und steigerte das Überlegenheitsgefühl und das Selbstbewusstsein der Zuschauer, die sich dabei „sauwohl“8 gefühlt haben dürften. Durch dieses Lachen erhielten die Zuschauer die Zuversicht, die Welt verändern und verbessern zu können. Dadurch wurde die Komödie die Verführerin zu einer neuen und besseren Welt. Ob das Lachen dann tatsächlich Folgen in der Wirklichkeit hatte, ist eine andere Frage.9 Die subversive und destabilisierende Macht des Verlachens und die Angst der Mächtigen vor dem Verlachen hat Umberto Eco in seinem Roman Il nome della rosa10 zum Thema einer Kriminalhandlung gemacht, die bestimmt ist von der Auseinandersetzung um den Nutzen und Nachteil des Lachens für das menschliche Leben: In einem mittelalterlichen Benediktinerkloster geht die Klosterleitung über Leichen, um das als verschollen geltende Buch des Aristoteles über die Komödie, das in diesem Kloster liegt, der Nachwelt vorzuenthalten. Die Klosterleitung befürchtet, dass dieses Buch die Menschen lehrt, sich durch Lachen von der Gottesfurcht zu befreien und damit die geltende Ordnung der Welt zu zerstören.

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Plessner (1982) 368. Für den Ausdruck „sauwohl“ ist G. W. F. Hegel verantwortlich, der ihn für die Wirkung der Komödien des Aristophanes eingeführt hat, in: Vorlesungen über die Ästhetik III, in: Werke in 20 Bänden, hrsg. v. Eva Moldenhauer und K. M. Michel, Frankfurt 1986, Bd. 15, 553: „Ohne ihn [= Aristophanes] gelesen zu haben, läßt sich kaum wissen, wie dem Menschen sauwohl sein kann.“ Holtermann (2004) 112. Landfester (1977) 286–293; Warning (1996) 904–906. Mailand 1980; dt. München 1982.

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Einführung

Die Lysistrate des Aristophanes

Datierung und Titel Die wenigen und kargen Angaben zur Aufführung der Komödie gehen auf die Listen der Dramenaufführungen (Didaskalien) aus dem Archiv der Stadt Athen zurück, die in der Antiken Einleitung I (Hypóthesis I) verwertet sind.11 Danach wurde die Komödie im Dionysostheater uraufgeführt, als Kallias der Archon eponymos der Stadt war. Damit ist das Jahr 411 v. Chr. als Aufführungsdatum gesichert. Außerdem wird der für ihre Inszenierung zuständige Regisseur Kallistratos genannt. Weitere in den Didaskalien übliche Angaben wie die Nennung des Festes (Lenäen oder Große Dionysien) und die Platzierung im Agon fehlen und sind auch anderweitig nicht überliefert. Aus der Handlung der Komödie wird als Zeitpunkt im Jahr das Fest der Lenäen (Januar/Februar) bevorzugt. Eine Wiederaufführung der Komödie ist weder im 5. Jahrhundert v. Chr. noch in der späteren Antike nachgewiesen und angesichts der Theaterpraxis in Athen auch unwahrscheinlich, da die Stücke ohnehin nicht für eine Wiederaufführung vorgesehen waren. Die Erstaufführung war zugleich die einzige Aufführung. Nur eine Wiederaufführung der Frösche wegen ihrer politischen Botschaft in der Parabase ist einigermaßen wahrscheinlich. Ausnahmen von der allgemeinen Praxis gab es im 5. Jh. v. Chr. nur für den Tragödiendichter Aischylos und seit dem 4. Jh. v. Chr. für die Klassiker der Tragödie. Die Benennung der Komödie nach der Protagonistin Lysistrate ist unstrittig. Konkurrierende Titel in der Antike, gebildet nach signifikanten Textstellen, waren: Adōniázousai „Frauen am Adonisfest“ (Scholion zu v. 389) und Diallagaí „Versöhnungen“ (Scholion zu v. 1114).

Überlieferung des Textes Hatten es die Komödien des Aristophanes und der klassischen Zeit insgesamt in der Antike ohnehin schon schwer, Teil einer lebendigen Tradition zu werden, da sie seit dem 4. Jh. v. Chr. weder ästhetisch noch moralisch den Ansprüchen der Literatur und der Bildung gerecht wurden, so fand die Lysistrate noch weniger Interesse, da die durchgehend drastische Erotisierung der komischen Handlung auf Ablehnung und Abneigung stieß. Daher ist sie sowohl in der Antike als auch im christlich-puritanischen byzantinischen Mittelalter wenig gelesen worden; im lateinischen Mittelalter ist sie sogar unbekannt gewesen. Die geringe Verbreitung der Komödie in der Antike ist dadurch dokumentiert, dass nur drei Papyri mit geringen Bruchstücken aus der Antike –––––––––––– 11

S. Anhang „Antike Einleitungen (Hypotheseis/Argumenta) zur Lysistrate“.

Die Lysistrate des Aristophanes

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erhalten sind.12 Dass die Komödie als Ganzes überhaupt erhalten ist, gehört zu den Zufällen der Überlieferungsgeschichte, die nicht erklärbar sind. Sie ist nur in einer einzigen Handschrift aus der Zeit des Byzantinischen Mittelalters um 950 erhalten, dem Ravennas 429 (mit der Sigle R),13 der dann in der Zeit der Wiederentdeckung der griechischen Literatur im 15. Jahrhundert noch einmal abgeschrieben wurde. Diese Abschrift ist der Monacensis graecus 492 (mit der Sigle Mu2). Bei dem Ravennas handelt es sich um einen leicht lesbaren Prachtkodex, allerdings mit zahlreichen elementaren, aber daher auch leicht verbesserbaren Fehlern, der als einziger Kodex alle elf Komödien enthält. Unabhängig von dem Ravennas entstanden lückenhafte Handschriften der Lysistrate, in denen vv. 62–131, 200–267, 820–889, 1098–1236 fehlen. Der ältesten und zuverlässigsten Handschrift aus dieser Gruppe, dem Leidensis Vossianus graecus F52 (mit der Sigle Γ), um 1325, fehlt außerdem der ganze Schluss von v. 1035 bis v. 1321. Weitere Vertreter der Familie sind der Parisinus Regius graecus 2715 (mit der Sigle B), Ende 14. Jh., und der Vaticanus Palatinus 67 (mit der Sigle Vp2), 15. Jh. Trotz der spärlichen Überlieferung liegt ein Text vor, der durch die Qualität der Handschriften eine hohe Authentizität hat. Philologischer Scharfsinn hat zahlreiche fehlerhafte Wortformen verbessern können. Zwei Schwachbereiche sind übriggeblieben und auch nicht zu bereinigen. Das sind einmal die dorisch-lakonischen Dialektpartien, die im Laufe der Überlieferung nicht selten ihre authentische Form eingebüßt haben, weil dorische Formen immer wieder durch attische und bisweilen auch durch äolisch-lesbische Dialektformen ersetzt wurden. Die Fehler sind im Einzelnen nicht immer zu heilen, weil die inschriftliche Textbasis als Gegenprobe dürftig ist und weil auch nicht gesichert ist, dass das Dorische-Lakonische, wie es Aristophanes geschrieben hat, immer dem historischen Dialekt entsprach.14 Zum anderen ist die Rollenverteilung in etlichen Fällen ein Problem. Eine durchgängige eindeutige Zuordnung der Personenreden zu den einzelnen Figuren ist im Falle der Frauen nur bei der Athenerin Lysistrate und der Spartanerin Lampito möglich, im Falle der Männer nur bei dem Probulen und Kinesias, weil nur diese hinreichend individuell dargestellt sind. Andere Zuordnungen bleiben unsicher und willkürlich, da junge Frauen wie Kalonike und Myrrhine (vv. 83–253) oder auch etliche namenlose alten Frauen keine eigene Individualität haben, sondern als komische Figuren unterschiedslos für Komik sorgen. Ein anderes Zuordnungsproblem betrifft den Chor. Eine Unterscheidung von Chor und Chorführer/Chorführerin ist durch die handschriftliche Überlieferung nicht möglich. Daher wird im griechischen Text üblicherweise nur der Chor als Kollektiv eingesetzt. Dagegen ist in den Übersetzungen in der Regel eine Verteilung der Chorpartien auf Chorführer/Chorführerin und Chor als Kollektiv üblich. Dabei wird recht schematisch verfahren: alle gesungenen ––––––––––––

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Henderson-Kommentar (1987) L-LI. Früher Ravennas 137; als Faksimile von Jan van Leeuwen publiziert, Leiden 1904. Henderson-Kommentar (1987) XLV.

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Partien gehören dem Chor oder Halbchor, alle rezitierten Partien dem Chorführer oder der Chorführerin.15 Die erste Druckausgabe aristophanischer Komödien, erschienen in Venedig 1498 bei Aldus Manutius, enthielt nur neun Komödien. Ihr fehlten die Lysistrate und die Frauen am Thesmophorienfest. Die Editio princeps der Lysistrate erschien (zusammen mit den Frauen am Thesmophorienfest) 1516 in Florenz bei Bernardo Giunta auf der Grundlage des Ravennas als Ergänzung der Ausgabe mit neun Komödien von 1515. Bereits 1532 folgte in Basel eine weitere Gesamtausgabe der Komödien, für die der Melanchthon-Schüler Simon Grynaeus verantwortlich zeichnete.16 Die – sprachlich allerdings recht sperrige – lateinische Übersetzung aller Komödien durch den RenaissanceGelehrten Andreas Divus (Venedig 1538; Basel 1542) sorgte dann endgültig dafür, dass Aristophanes ins kulturelle Gedächtnis der Frühen Neuzeit eingeschrieben wurde.

Aufbau und Inhalt Die Handlung der Lysistrate besteht aus zwei komplementären Handlungssträngen, die zwar auf ein gemeinsames Handlungsziel, den Friedensschluss zwischen Athen und Sparta, zulaufen, die jedoch dramatisch über weite Strecken autonom verlaufen und nur locker miteinander verknüpft sind. Der eine Handlungsstrang wird durch die Lysistrate-Handlung (vor allem in Sprechversen der iambischen Trimeter) mit der Durchsetzung des Liebesstreiks unter Führung der Lysistrate gebildet, während der zweite Handlungsstrang aus der Chor-Handlung (vor allem in lyrisch-gesungenen und rezitierten Versen) besteht, in der sich der Chor der alten Frauen, der sich die Staatskasse auf der Akropolis gesichert hat, um ihren Missbrauch als Kriegskasse zu verhindern, gegen den Chor der Männer erfolgreich zur Wehr setzt, der die Blockade der Akropolis auflösen will. Dieses zweisträngige Handlungsmodell ersetzt das sonst übliche einsträngige Handlungsmodell. Es ist die Folge der Teilung des Chors in zwei rivalisierende Halbchöre, in einen Chor der alten Frauen und in einen Chor der alten Männer, die durch ihren Streit eine eigene Handlung begründen. Mit dieser Zweisträngigkeit wird ein Alternativmodell zur üblichen Einsträngigkeit der Komödienhandlung gebildet. Als Alternativmodell ist die Lysistrate ein instruktives Beispiel für die Variationsmöglichkeiten der Handlungsform der Komödie, die zwar auf eine Grundform zurückgeführt werden kann,17 dabei sich aber nicht in einer stereotypen Wiederholung erschöpft, sondern auf Veränderungen als Voraussetzung von Komik setzt. Eine Struktur der Handlung in fünf Akten, wie sie sich im neuzeitlichen Drama ausgebildet hat, war sowohl der Komödie als auch der Tragödie der ––––––––––––

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Kaimio (1970). Grynaeus-Edition (1532). Zimmermann (2011) 683–690.

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griechischen Klassik fremd, wenn es auch seit der Renaissance immer wieder Versuche gegeben hat, eine solche Struktur der Handlung aufzuzwingen. Stattdessen hat man für die Tragödie in der Regel die Kategorien des Aufbaus und ihre Bezeichnungen übernommen, wie sie Aristoteles in seiner Poetik (Kap. 12, 1452 b 14–27) für die Tragödie eingeführt hat. Da sich aber die Bauformen der Komödie nicht unwesentlich von den Formen der gleichzeitigen Tragödie unterscheiden, ist das Analysemodell des Aristoteles nicht direkt auf die Komödie übertragbar. Allerdings gibt es Gemeinsamkeiten zwischen Tragödie und Komödie, da in der Komödie und in der Tragödie die Sinn- und Handlungsabschnitte durch die Abfolge von Schauspieler- und Chorpartien bestimmt sind, so dass es naheliegend ist, vergleichbare Strukturelemente auch gleich zu benennen. Vergleichbare Bauformen sind der Prolog (SchauspielerSzene in Sprechversen vor dem ersten Chorlied), dann die Parodos als erstes Chorlied (Einzugslied des Chors nach dem Prolog), das Epeisodion (Schauspieler-Szene in Sprechversen zwischen zwei Chorliedern), das Stasimon (Chorlied zwischen zwei Epeisodien) und die Exodos (Schlussteil nach dem letzten Stasimon). Daneben haben sich – ohne Parallele in der Tragödie – spezifische Bauformen der Komödie entwickelt, für deren Bezeichnungen eine eigene, meist aus der Antike stammende Terminologie üblich ist. Der Komödie eigen sind der Epirrhematische Agon, eine Sonderform eines Epeisodions (Konfliktszene zwischen Schauspielern unter Beteiligung/Beobachtung des Chors mit epirrhematischer Komposition) und die Parabase, eine zweiteilige Chorpartie mit der Parabase i.e.S., in der der Chor aus seiner Maske heraustritt und ohne Rücksicht auf die Handlung zu den Zuschauern spricht, direkt oder indirekt auktorial als Dichter, und mit anschließender epirrhematischer Komposition. Merkmal dieser komödienspezifischen Bauformen ist die epirrhematische Komposition, die vor allem formal-metrisch, aber in der Regel auch semantisch bestimmt ist. In der Lysistrate ist diese außerdem in der Parodos eingesetzt. Diese Komposition ist zweiteilig und besteht in der Abfolge einer lyrischen Gesangpartie des Chors (Ode/Strophe „Lied“) und einer rezitierten Sprechpartie in Tetrametern (Epirrhema „anschließende Rede/Rede, die auf eine gesungene Strophe folgt“) mit präziser metrischer Wiederholung der Teile (Antode/Gegenstrophe „Gegenlied“ und Antepirrhema „anschließende Gegenrede, die auf eine gesungene Gegenstrophe folgt“). Verbunden ist mit den beiden Teilen in der Regel eine Aufforderung zum Handeln, ein Katakeleusmos „Aufforderung“ und als Gegenstück ein Antikatakeleusmos „Gegenaufforderung“. Gegenüber der Tragödie sind die Bauformen der Komödie vielfältiger, in ihrer metrischen Struktur allerdings einfacher; als Handlungseinheiten sind sie an Umfang geringer. Die Expansion der Handlungseinheiten ist der Komik abträglich, da die Komik ein punktuelles Phänomen ist, dessen Wirkung schnell einsetzt, aber auch schnell vergeht. Aus Gründen der Komik ist der häufige Wechsel komischer Situationen erstrebt. Daher ist die Zahl der Handlungseinheiten (bestimmt durch Einheit von Zeit, Ort, Personen und Handlung) in der Komödie größer als in der Tragödie. Fünfzehn solcher Einheiten oder

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Szenen von großer dramatischer Autonomie konstituieren die Handlung der Lysistrate. 1. Szene: Prolog (vv. 1–253) (Lysistrate-Handlung: Schauspielerszene) Die Protagonistin Lysistrate, deren Name als „Heerauflöserin“ Programm ist, hat die jungen verheirateten Frauen Athens, Spartas und aller anderen kriegführenden Städte Griechenlands nach Athen gerufen, um sie für ihren Plan zu gewinnen, die Männer durch einen Liebesstreik zum Friedensschluss zu zwingen und auf diese Weise „Griechenland zu retten“ (v. 41). Gemeinsam mit der Spartanerin Lampito gelingt es Lysistrate, die zögernden und zweifelnden Frauen zum Mitmachen zu bringen und sich durch ein Gelöbnis ihre Gefolgschaft zu sichern. Flankiert wird der geplante Liebesstreik zur Erzwingung des Friedens durch die von Lysistrate initiierte gleichzeitige Besetzung der Akropolis durch die alten Frauen Athens, damit die dort untergebrachte Staatskasse nicht mehr für den Krieg genutzt werden kann (vv. 175–179). 2. Szene: Parodos (vv. 254–386) (Chor-Handlung: Einzugslieder der beiden streitenden Chöre in der metrischen Form einer epirrhematischen Komposition) Als Reaktion auf die Besetzung der Akropolis durch die alten Frauen erscheinen die bereits vom Alter gezeichneten alten Männer Athens (repräsentiert durch die eine Hälfte des Chors) mit Holzklötzen und brennenden Kohlebecken vor den Propyläen der Akropolis, um die alten Frauen „auf einem Scheiterhaufen zu verbrennen“ (v. 269). Die Auseinandersetzung ist von Gewaltandrohung geprägt. Die Frauen (repräsentiert durch die andere Hälfte des Chors) antworten erfolgreich mit Gegengewalt und löschen das Feuer. Die Frauen als die Schwächeren setzen sich durch. 3. Szene: Erstes Epeisodion (vv. 387–466) (Lysistrate-Handlung: Schauspielerszene) Zeitgleich mit dieser Auseinandersetzung tritt ahnungslos und ohne Kenntnis der Situation ein Probule (griech. próbulos „Staatsrat, Ratsherr“) als Repräsentant der Polis mit Polizisten auf, der aus der Staatskasse auf der Akropolis Geld für die Ausrüstung von Kriegsschiffen holen will und durch Gewaltanwendung das verbarrikadierte Tor zur Akropolis mit Brechstangen öffnen und Lysitrate in Fesseln abführen will. Ihre entschlossene Gegenwehr mit Unterstützung anderer Frauen verhindert die Verhaftung. Auch in diesem Fall behalten die Schwächeren die Oberhand. 4. Szene: Epirrhematischer Agon (vv. 467–613) (Lysistrate-Handlung: Schauspielerszene mit Choreinleitung und Chorbeteiligung in der metrischen Form einer epirrhematischen Komposition) Da das Gewaltmonopol des von Männern bestimmten Staates nicht durchsetzbar ist, kommt es unter Beobachtung der zwei streitenden Chöre zur argumentativen Auseinandersetzung der Lysistrate mit dem Probulen über das Recht der Frauen, das Schicksal des Staates zu bestimmen. In Umkehrung des traditionellen Verständnisses, dass der „Krieg Sache der Männer“ sei (v. 520) heißt es, dass der „Krieg Sache der Frauen“ sei (v. 538). Lysistrate beweist am Beispiel der Wollarbeit (Wollgleichnis: vv. 574–586), dass die Frauen die

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besseren Politiker sind und daher berechtigt, die Herrschaft im Staat zu übernehmen, freilich ohne den Probulen und den Chor der alten Männer zu überzeugen. In der Umkehrung der Geschlechterverhältnisse, die schon im Prolog vorbereitet ist, wird die phantastisch-karnevaleske Komödienwelt argumentativ vernünftig begründet. Zu guter Letzt verhöhnen die Frauen den Probulen, indem sie ihn wie eine Leiche und eine Frau ausstaffieren. Dieser begibt sich in diesem Aufzug zu den anderen Probulen, um ihnen die Art der Verspottung durch die Frauen zu zeigen. Seine Empörung bleibt folgenlos, denn weder er selbst noch seine Kollegen werden später tätig. 5. Szene: Parabase (vv. 614–705) (Chor-Handlung: Amoibaion der streitenden Chöre in der metrischen Form einer epirrhematischen Komposition) Entgegen der üblichen Komödienpraxis fehlt der Parabase das eigentliche und ursprüngliche Kernstück, die Parabase (im engeren Sinne), in der der Chor seine Rolle aufgibt und auktorial im Sinne des Dichters agiert. Die Parabase ist nur durch die epirrhematische Komposition vertreten und ist in die ChorHandlung integriert, so dass in ihr der Streit der Chöre fortgesetzt wird. Dabei verlagert sich die Auseinandersetzung zwischen den Chören von der Ebene des traditionellen Geschlechterspotts in der Parodos auf die politische Ebene, die schon im Epirrhematischen Agon erreicht wurde. Die alten Athener wittern in den Aktionen der Athenerinnen den Umsturz der politischen demokratischen Ordnung und argwöhnen die Errichtung einer Tyrannis (v. 619; 630) mit Hilfe der Spartaner. Mit Gewalt wollen sie den Aufruhr ersticken. Die Frauen drohen zwar mit Gegengewalt, aber sie setzen sich primär mit Argumenten zur Wehr. Unter Hinweis auf die Bedeutung von jungen Mädchen in Kulten der Polis beanspruchen sie das Recht, sich zum Nutzen der Polis einzusetzen, da die Männer versagt haben. Wenn die Männer auch nicht überzeugt werden können, so beugen sie sich doch der entschlossenen Gegenwehr der Frauen. 6. Szene: Zweites Epeisodion (vv. 706–780) (Lysistrate-Handlung: Schauspielerszene) Das Epeisodion setzt die Lysistrate-Handlung ohne Beziehung zur ChorHandlung fort. Gegen alle Erwartung wird nicht die Wirkung des Streiks auf die Männer dargestellt, sondern die Aufweichung der Streikfront bei den jungen Frauen. Sechs Tage nach Streikbeginn (v. 881) kommt Lysistrate zornig aus der Akropolis. Sie ist empört über das Verhalten ihrer Mitstreiterinnen auf der Akropolis, die es ohne Männer nicht mehr aushalten und ihrem Gelöbnis untreu werden. Einigen ist es bereits gelungen, die Burg zu verlassen, andere kann Lysistrate nur mit Mühe zurückhalten. Schließlich gelingt es ihr, unter Einsatz eines Orakels, das nur im Fall der Einigkeit Erfolg garantiert (vv. 770– 776), die Frauen auf der Burg zusammenzuhalten. 7. Szene: Erstes Stasimon (vv. 781–828) (Chor-Handlung: Amoibaion der streitenden Chöre in lyrischen Versmaßen) Der Streit zwischen den Männern und Frauen ist deeskaliert. Er hat die politische Dimension verlassen und ist in Geschlechterspott übergegangen. Die Männer erzählen in der Strophe die Geschichte (griech. mȳ ́ thos) von Melanion, der aus Hass gegen die Frauen die Zivilisation verließ und in die Wildnis ging,

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während die Frauen in einer korrespondierenden „Gegenerzählung“ der Gegenstrophe Timon preisen, der aus Hass gegen die Männer Ähnliches tat, während er den Frauen zugetan war. 8. Szene: Drittes Epeisodion (vv. 829–979) (Lysistrate-Handlung: Schauspielerszene, vv. 829–953, und Amoibaion, vv. 954–979) Der Liebesstreik zeigt seine Wirkung bei den Männern. Der Athener Kinesias erscheint mit erigiertem Phallos als Zeichen der Brunst vor dem Burgtor und möchte mit seiner Frau Myrrhine zusammenkommen, um von seiner sexuellen Not erlöst zu werden. Myrrhine reizt ihn vielfältig, entzieht sich ihm aber immer wieder. Schließlich kehrt sie auf die Burg zurück und lässt einen unglücklichen und ratlosen Kinesias zurück, der in einem lyrisch-tragischen Amoibaion sein Leiden beklagt und dabei von den alten Männern bemitleidet wird. 9. Szene: Viertes Epeisodion (vv. 980–1013) (Lysistrate-Handlung: Schauspielerszene) Als Gegenbild zu dem Athener Kinesias tritt nach der Klageszene ein spartanischer Herold auf, wie jener mit einem allerdings verdeckten, aber durch die Ausbuchtung des Obergewandes (griech. chlamýs) deutlich erkennbaren Phallos als Zeichen der Brunst, der das kollektive Leiden der spartanischen Männer schildert. Da begreift Kinesias, dass nur der Frieden zwischen Athen und Sparta das gemeinsame Leiden beenden kann. Bevollmächtigte Gesandte Spartas und Athens sollen in Athen den Frieden schließen. 10. Szene: Chorrezitativ (vv. 1014–1042) (Chor-Handlung: RezitativGespräch der streitenden Chöre) Die alten Männer scheinen zunächst noch in der Konfrontation zu verharren, indem sie mit der misogynen These beginnen, dass kein wildes Tier schwerer zu bezwingen sei als die Frau (v. 1014). Zwar reden sie noch in der Sprache der Geschlechterpolarität, aber sie erkennen: „Weder mit den Verruchten noch ohne die Verruchten geht es.“ (v. 1039). Daher sind sie zum Frieden mit den Frauen bereit. 11. Szene: Zweites Stasimon (vv. 1043–1071) (Chor-Handlung: Monologisches Lied der versöhnten Chöre) An die Zuschauer gerichtet verspricht der Chor, auf die Verspottung von Bürgern zu verzichten. Er will nur Gutes tun und sagen, denn Widrigkeiten gebe es genug. So kündigt er Wohltaten an, die den Bürgern das Leben erleichtern. Aber es ist ein leeres Versprechen. 12. Szene: Fünftes Epeisodion (vv. 1072–1188) (Lysistrate-Handlung: Schauspielerszene) Zum Frieden bereit, erscheinen mit den Zeichen der sexuellen Not durch Ausbuchtung der Mäntel bevollmächtigte Gesandte aus Sparta und Athen. Lysistrate empfängt die Gesandten (v. 1107). Sie empfiehlt sich als Konfliktlöserin, weil sie auch als Frau „Verstand“ (griech. nū ́ s) und „Einsicht“ (griech. gnṓmē) habe. In ihrer Begleitung ist die nackte Diallagḗ „Versöhnung“ als Personifikation des Friedens, vor der Lysistrate unter symbolischer Einbeziehung der Körperregionen den Kriegsparteien darlegt, wie sie in der Vergan-

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genheit einander geholfen haben und was sie an Frevel verübt haben. Sie lassen sich überzeugen und sind zur Versöhnung bereit. 13. Szene: Drittes Stasimon (vv. 1189–1215) (Chor-Handlung) Wie im zweiten Stasimon kündigt der Chor Wohltaten an, um sie gleich zu widerrufen. 14. Szene: Sechstes Epeisodion (Lysistrate-Handlung: Schauspielerszene, vv. 1216–1246, und lyrische Monodie mit Tanz, vv. 1247–1272) Hinterszenisch wird das Friedenssymposion gefeiert. Szenisch werden die Folgen dargestellt: Tanzende, musizierende und singende Gesandte kommen betrunken aus der Burg. Und ein athenischer Gesandter kommentiert: „Noch nie habe ich ein solches Symposion gesehen. / Die Spartaner waren wirklich liebenswürdig. / Und wir waren beim Wein geistreiche Zecher wie nie“ (vv. 1225–1227). 15. Szene: Exodos (vv. 1273–1321) (Chor-Handlung und SchauspielerHandlung mit zwei lyrischen Monodien als Aufforderung zum Tanz, vv. 1279–1290, und als Begleitung zum Tanz, vv. 1296–1315) Männer und Frauen feiern mit Gesang und dionysisch-ausgelassenem Tanz den Frieden.

Die Lysistrate als politische Komödie Ihrem Thema nach ist die Lysistrate eine genuin politische Komödie.18 Sie ist, aufgeführt im Jahr 411 v. Chr., den Üblichkeiten der Alten Komödie entsprechend der aktuellen politischen Situation in Griechenland verpflichtet, dem Peloponnesischen Krieg (431–404 v. Chr.), in dem der Delisch-Attische Seebund unter der Führung Athens und der Peloponnesische Bund unter Führung Spartas um die Vorherrschaft in Griechenland mit wachsender Intensität und Brutalisierung kämpften und der sich zu einem antiken Weltkrieg entwickelte, an dem alle führenden Mächte des Mittelmeerraumes beteiligt waren und in dem Persien eine bedeutende Rolle im Hintergrund spielte. Auf diesen Krieg hat Aristophanes bereits früh mit Komödien geantwortet, von denen die Acharner (426 v. Chr.) und der Frieden (421 v. Chr.) erhalten sind. In ihnen wurde der Frieden zum Sehnsuchtsziel der Athener, das dann auch 421 v. Chr. vorläufig durch den Nikias-Frieden erreicht wurde. Aber ein endgültiger Friede war dieser Friedensschluss nicht. Die Entscheidung Athens, die Hegemonie über die griechischen Städte Siziliens durch eine Expedition mit einem außergewöhnlich-großen militärischen Aufgebot zu erreichen (415 v. Chr.), führte zur Erneuerung des alten Konfliktes. Da durch die Expedition das militärische Potential in der Heimat reduziert war, ein schneller Erfolg in Sizilien aber ausblieb, errichteten die Spartaner im Frühjahr 413 v. Chr. nur 20 km von der Stadt Athen entfernt einen strategisch günstig gelegenen Stützpunkt beim attischen Demos Dekeleia, der zu einer Teilblockade Athens auf der Landseite –––––––––––– 18

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führte und die Versorgung der Stadt beeinträchtigte. Jetzt war der Krieg dauerhaft in Athen gegenwärtig, nachdem Attika seit 425 v. Chr. zwölf Jahre lang weitgehend verschont geblieben war. Als dann noch die Sizilische Expedition im Spätsommer 413 v. Chr. mit einer militärischen Katastrophe und einem Verlust eines großen Teils der waffenfähigen Männer endete, war Athen auch militärisch geschwächt, was schnell zum Abfall zahlreicher Bundesgenossen führte. Diese militärische Schwächung und Steigerung der äußeren Gefährdung Athens förderten aber in Athen nicht die Bereitschaft zu einem Friedenschluss, denn angesichts der Überlegenheit der Gegner wäre nur eine Unterwerfung unter den Willen der Sieger möglich gewesen, sondern die Lage löste neue militärische Anstrengungen aus, gegen die es kaum Widerstände gegeben hat. Einen Eindruck von der Stimmung in Athen vermittelt Thukydides (8,2– 4):19 „Kummer über Kummer schmerzte die Athener, und rings um sie erhoben sich nach dem Geschehenen nichts als Angst, Entsetzen und Bestürzung. Beraubt war jeder Bürger und die ganze Stadt so vieler Gewappneter und Reiter und einer Jugend, wie sie keine zweite mehr vorhanden wussten; dies drückte sie nieder, und dass sie nicht genug Schiffe in den Schiffshäusern sahen, kein Geld im Staatsschatz und keine Mannschaft für die Schiffe, so dass sie in ihrer Lage auf keine Rettung mehr hoffen konnten, wenn jetzt die Feinde aus Sizilien, wie sie meinten, ihnen sofort mit ihrer Flotte gegen den Piräus gefahren kämen, zumal bei ihrer großen Überlegenheit, und die hiesigen Feinde jetzt mit überall verdoppelter Macht sie kraftvoll zu Lande und von der See angriffen mitsamt den abfallenden Verbündeten. Dennoch waren sie entschlossen, nach dem, was ihnen noch geblieben, nicht nachzugeben, sondern für eine Flotte zu sorgen …, Geld aufzutreiben und alle Sicherungen bei den Verbündeten zu treffen …, sich in der Stadt zur Sparsamkeit zu mäßigen und eine Behörde von älteren Männern zu wählen, die jeweils nach dem Gebot der Stunde die Dinge vorberaten sollte.“ Zur Sicherung aller Maßnahmen war also die Volksversammlung als Souverän sogar zu einer Änderung der demokratischen Verfassung bereit und setzte ein Kollegium von zehn Probulen (griech. próbuloi „Staatsräte/Ratsherren“) ein, das eine Stabilisierung und Kontinuität der Beschlüsse der souveränen Volksversammlung erreichen sollte und für die Dauer von zwei Jahren bis Mai 411 v. Chr. tätig blieb. Die Einsetzung dieser Kommission war zwar keine radikale Verfassungsänderung, aber doch ein Zeichen dafür, dass die Volksversammlung als Souverän nicht mehr so recht auf ihre genuine Kompetenz vertraute. Angesichts der Schwächung Athens waren auch die Spartaner an keinem Frieden interessiert, sondern nur an der Vernichtung Athens. In dieser Situation, in der kein Wille zum Frieden erkennbar war, sondern nur die Bereitschaft, den Krieg zu verschärfen, schrieb Aristophanes gegen den politischen Mainstream seine neue Friedenskomödie Lysistrate mit einem Appell zur Versöhnung der Kriegsgegner für eine Aufführung im Jahre 411 ––––––––––––

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Übersetzung G. P. Landmann: Thukydides, Geschichte des Peloponnesischen Krieges, hrsg. und übertragen von G. P. Landmann, Zürich/München 21976.

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v. Chr. (wohl an den Lenäen). Das geschah zeitnah zu der Katastrophe in Sizilien und unter ihrem Eindruck. Aristophanes muss sehr bald mit der Arbeit an der Lysistrate begonnen haben, denn Bewerbungen für Aufführungen an den Agonen von 411 v. Chr. mussten entsprechend den Aufführungsbedingungen bis Juli 412 v. Chr. vorliegen. Als die Komödie schließlich aufgeführt wurde, begann sich die innenpolitische Situation in Athen dramatisch zu verändern, indem antidemokratische Kräfte wirksam wurden, die bald nach der Aufführung zu einem Putsch im Mai 411 v. Chr. führten, der für ein Jahr zu einem oligarchischen Willkürregiment führte. Diese Entwicklung hat allerdings keine Folgen für irgendwelche Friedensinitiativen gehabt, so dass auch unter dem Eindruck der neuen politischen Entwicklung die Lysistrate das blieb, als was sie geplant war: ein Plädoyer für den Frieden in diesem langen und immer heftiger werdenden Krieg. Auf das Leid, das dieser Krieg dabei verursachte, wird in der Lysistrate nicht ausführlich, aber doch wirkungsvoll in einer Aposiopese verwiesen. Auf die Aussage des Probulen, dass die Frauen nichts mit dem Krieg zu tun haben, antwortet Lysistrate (vv. 588–590) „Nichts? Du verfluchter Kerl, / wir tragen mehr als doppelt an ihm. Zu allererst, indem wir Söhne gebären / und sie dann in den Krieg schicken …“ Die Reaktion des Probulen „Schweige, erinnere nicht an das Schlimme!“ deutet in der Aposiopese das Leid an. Das Plädoyer ist zwar durch den Aufbau der Handlung gleichermaßen an Athener und Spartaner gerichtet, erreicht werden aber durch den Aufführungsort nur die Zuschauer in Athen. Da diese Zuschauer (bis zu 8.000) potentiell identisch waren mit den Mitgliedern der souveränen Volksversammlung (mit 6.000 bis 8.000 Teilnehmern), die in der direkten Demokratie über den Frieden beschloss, erreichte der Friedensappell also über die Bürger als Zuschauer direkt die Bürger als politische Entscheidungsträger. Aber das bedeutet natürlich nicht, dass der Bürger das, was er als Zuschauer genoss und für richtig hielt, auch als Entscheidungsträger in der Volksversammlung förderte, denn ein Rollenkonflikt oder eine Rollenkonkurrenz zwischen der Rolle als Zuschauer und der Rolle als Politiker ließ keine geradlinige Wirkung erwarten, ganz abgesehen davon, dass die Spartaner als die Gegner nicht erreicht wurden, geschweige denn die Perser, die ohne militärisches Eingreifen den Krieg gegen Athen förderten.

Die Lysistrate als komisches Spiel Die Welt der Lysistrate ist eine phantastische Welt, die konstitutiv für die Komik der Handlung ist. Phantastisch ist sie einmal durch die Protagonistin selbst, die die politisch-sozialen Verhältnisse der Zeit auf den Kopf stellt. Sie ignoriert das rechtlich fixierte politische Monopol der Männer und wird dadurch zu einer politischen Rebellin, die sich in die Domäne der Männer einmischt und das durchsetzen will, was die Männer nicht können und auch nicht wollen. Diese Einmischung ist ein komödienspezifisches utopisch-

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phantastisches Element, das auch in den anderen Komödien üblich ist. Phantastisch ist die Handlung dann durch den Sexstreik als Mittel der Politik. Auf der ungewohnten und überraschenden Verflechtung von Privatem, allzu Privatem, und Öffentlichem gründet in dieser Perspektive die Komik. Phantastisch ist die Handlung schließlich auch noch durch die zum Grotesken tendierende Darstellung von Nacktheit und Sexualität, vor allem die der Männer als priapeischer Naturen, die vom Auftritt des Kinesias im 3. Epeisodion bis zur Exodos die Handlung bestimmt und in der Darstellung des erigierten Phallos als drastischem Symbol des männlichen Sexualtriebs das dominierende Medium der Komik das Spiel mit Tabus ist. Zwar steht der männlich-priapeische Sexualtrieb im Vordergrund, aber im Prolog mit den zunächst streikunwilligen Frauen und im 2. Epeisodion mit den streikmüden Frauen zeigt sich auch die Macht des weiblichen Sexualtriebs. Der männliche und der weibliche Sexualtrieb finden dann zusammen in der Gestalt der Diallagḗ, der „Versöhnung“, die als Personifikation des Friedens durch ihre erotisch-stimulierende Nacktheit (vv. 1114–1187) den neuen Zustand des Friedens symbolisiert und neue Möglichkeiten der Komik schafft. Die Lysistrate liefert insgesamt ein neues, ungewohntes visualisiertes Beispiel für die Macht des Eros, die in Mythos, Literatur und Kunst seit dem 8. Jh. v. Chr. ein beliebtes Thema war. Erweitert wird diese sexuelle Komik, die als Spiel mit Tabus bzw. als Verstoß gegen Tabus vor allem die Lysistrate-Handlung bestimmt, um die Komik des Geschlechterspottes in den Streitgesängen der Chorhandlung, der auf der Polarität der Geschlechter beruht. Beide Felder der Komik erreichen in der Handlung jeweils eine hohe Autonomie und überwuchern dadurch das Politische, so dass es die Lysistrate auf Dauer schwer gehabt hat, überhaupt als politische Komödie wahrgenommen zu werden, und in den Ruf geriet, nur eine erotische Komödie zu sein, dazu noch eine von großer Derbheit und Frivolität. Die athenischen Zuschauer der Uraufführung hatten damit noch keine Schwierigkeiten, denn sie waren durch Tradition daran gewöhnt, die Komödie als Teil der Festkultur ihrer Zeit zu erleben, zu der die Darstellung des Phallos als eines sexuellen Symbols wie selbstverständlich gehörte. In der Öffentlichkeit des Alltagslebens im Athen des 5. Jh.s v. Chr. hatte freilich männliche Nacktheit keinen Platz, sondern war, wie in den meisten Gesellschaften, tabuisiert, außer in der eingeschränkten Öffentlichkeit des Sportes. Aber in der Komödie war der plakative Einsatz des Phallos ein bewährtes Mittel der Komik als Ausdrucksform des Obszönen. Dabei aktivierte die Komödie das obszöne Potential des Phallos, der in erheblichem Umfang als Fruchtbarkeitssymbol und Träger der Zeugungskraft in öffentlichen Kulten, vor allem im Dionysos-Kult, präsent war, so dass man von einem Phallos-Kult als einer spezifischen antik-paganen Kultform gesprochen hat.20 Wenn der Phallos auch durch stereotypen Gebrauch in kultischen Zusammenhängen um seine Obszönität gebracht werden konnte, so wurde bei bestimmten Anlässen die Obszönität des vor allem erigierten Phallos durchaus als ein Mittel der Komik ausgespielt. Am ––––––––––––

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Herter (1938b) 1709.

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Fest der Ländlichen Dionysien gab es etwa eine Prozession mit einem riesigen hölzernen Phallos21 und einem entsprechenden komischen Lied (Aristophanes, Acharner 241–276). Die Obszönität wurde dabei durch die Überdimensionierung des Phallos zur Groteske. Eine Phallophorie gehörte auch zu den Großen Dionysien. Sie war entweder Teil der einleitenden Prozession (griech. pompḗ) oder des ausgelassenen Umzugs (griech. kṓmos) am Ende des Festes. Solche Umzüge mit einschlägigen komischen Liedern waren nicht auf Athen beschränkt, sondern in vielen Städten der griechischen Welt traditionell.22 Zum Gefolge des Dionysos, der im Kult selbst nicht mit einem Phallos dargestellt wurde, gehörten die ithyphallischen Satyrn, die im Rahmen der Großen Dionysien als Chor des abschließenden Satyrspiels der tragischen Tetralogie (mit drei Tragödien und einem Satyrspiel) nackt und mit meistens erigiertem Phallos agierten und auch dadurch ein Element der Komik im Kontrast zu den Schauspielern des Satyrspiels mit ihren reichverzierten Gewändern nach Art der Tragödien-Schauspieler bildeten und erst recht im Kontrast zum Ernst der Handlung der vorausgehenden tragischen Trilogie. Im Unterschied zur Verwendung des Phallos bei Festen ist dagegen die Obszönität des Phallos bei den verbreiteten öffentlich aufgestellten und vor allem in Athen beliebten Kultobjekten der Hermen nicht oder kaum wahrgenommen worden. Bei diesen Hermen handelte es sich um vierkantige Pfeiler mit einem bärtigen Männerkopf und einem erigierten Phallos. Sie waren in Athen im öffentlichen Raum und auch vor privaten Häusern in großer Zahl platziert. Aus den Vasenbildern ist auch zu schließen, dass private Opferfeste an solchen Hermen üblich waren. Ihnen wurde eine fruchtbarkeitsspendende und zugleich übelabwehrende Kraft zugeschrieben. Ihre große Verbreitung in Verbindung mit der eher abstrakten Darstellung des Phallos führte aber dazu, dass sie kaum als obszön wahrgenommen wurden. Für die Darstellung des Phallos in der Komödie gilt generell: Da die Komödienaufführungen Teil des Dionysos-Kultes waren, der als ein karnevaleskes Ereignis – „je toller, je besser“23– die offene sexuelle Enthemmung und damit die Enttabuisierung förderte, wirkte die Darstellung des Sexuellen in der Form des Phallos enttabuisierend und konnte ein Medium der Komik werden. Das Spiel mit dem Tabu begründete die Komik. Sie wird in der Lysistrate voll ausgespielt, in der das Sexuelle einen Umfang wie in keiner anderen der Komödien des Aristophanes hat. Alle Register der entsprechenden Komik werden dabei gezogen. Daher gilt für diese Komödie erst recht das provokative Diktum von U. von Wilamowitz-Moellendorff „Wer den Phallus nicht ehrt, …ist die Komödie nicht wert.“24 Mit der Emanzipation der Komödie vom Kultus bei gleichzeitiger Literarisierung entfiel später eine entscheidende Voraussetzung zum Genuss dessen, was im Alltag verpönt war. Insgesamt emanzipierten ––––––––––––

21 22 23 24

Dierichs (1997) Abbildung 69a und 69b. Aristoteles, Poetik, Kap. 4, 1449 a 11–13; Herter (1938a). Seeger (1845) 21. Wilamowitz (1912) 92.

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Einführung

sich die Darstellungen von Sexualität und Nacktheit seit dem 5. Jh. v. Chr. zunehmend von ihrem kultischen Umfeld und wurden zu autonomen erotischen Symbolen, die vor allem in der privaten bildenden Kunst der Zeit zunahmen.25 Mit dem Geschlechterspott in den Streitgesängen der Chorhandlung aktualisierte Aristophanes die Tradition des kultischen und literarischen Geschlechterspottes. Zwar sind solche Streitgesänge zwischen den Geschlechtern nicht erhalten, aber hinreichend sicher zu erschließen. Es hat offensichtlich kultische Gelegenheiten gegeben, bei denen sich Frauen und Männer gegenseitig unter Einsatz geschlechtsbezogener Vorurteile verspotteten. In diesen Zusammenhängen ist der Iambos als Spottgedicht entstanden.26 Dass in solchen Gesängen auch um den Vorrang der Geschlechter gestritten wurde, dürfte sicher sein, ebenso dass es am Ende zu einer Versöhnung kam, möglicherweise im Sinne ihrer Komplementarität oder ihrer gegenseitigen Abhängigkeit. Ganz im Sinne der alten kultischen Streitgesänge hat Aristophanes auf jeden Fall das Potential des Geschlechterspotts vielfältig aktiviert. In zwei Chorliedern (vv. 781–796; 805–820) werden ein „Frauenhasser“ und ein „Männerhasser“ gegenübergestellt. Und das Ende der Auseinandersetzung der beiden Chöre bündelt in den Geschlechterspott in der Tradition der Misogynie, wenn die Männer das Friedensangebot der Frauen annehmen (vv. 1037–1042): „Zum Teufel mit euch! Denn ihr seid von Natur Schmeichelkatzen, und zu Recht und gar nicht übel heißt es: ‚Weder mit der Pest noch ohne die Pest kann man leben.‘ Doch jetzt schließe ich mit dir Frieden, und in Zukunft will ich euch nichts Böses mehr antun und von euch nichts abbekommen. Jetzt lasst uns zusammenkommen und unser gemeinsames Lied beginnen.“

Vor allem ist der Geschlechterspott politisch durchsetzt. Es „riecht“ (griech. ózein) in der Lysistrate nicht nur nach Art des Geschlechterspottes nach Mann (v. 663) und Frau (v. 687), sondern auch nach Politik, etwa nach Tyrannis (vv. 617/619). Ganz im Sinne dieser Koppelung argumentiert der Chor der alten Männer (vv. 672–681): „Wenn einer von uns diesen Frauen auch nur die geringste Gelegenheit zum Zupacken gibt, werden diese nichts mehr aus ihren eifrigen Händen geben, sondern sie bauen sogar Schiffe und versuchen, uns eine Seeschlacht zu liefern und uns zu rammen wie Artemisia. Wenn sie dann noch das Reiten erlernen, schreibe ich die Ritter ab. Denn eine Frau ist reitkundig und sattelfest, und beim Galopp wird sie nicht herunterfallen. Sieh nur die Amazonen an, die Mikon gemalt hat, wie sie auf Pferden gegen Männer kämpfen! Man müsste sie alle am Nacken packen und ihren Hals in den Block spannen.“

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Henderson (2001) 165–168; Obermayer (2001) 168–171. West (1974) 22–39.

Die Lysistrate des Aristophanes

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Der Kampf der Geschlechter durchzieht aber nicht nur die Chor-Handlung, sondern auch die Schauspieler-Handlung mit Lysistrate als Protagonistin. Die Frauen sind das überlegene Geschlecht; sie sind in komischer argumentativer Metaphorik durch ihre frauenspezifische Wollarbeit für eine bessere Politik qualifiziert (vv. 564–586). Aus der Tradition der Streitgesänge hat sich v. a. die Topik der Misogynie herausgelöst und unterschiedliche literarische Gattungen infiziert (Hesiod, 7. Jh. v. Chr., Werke und Tage; Semonides aus Amorgos, 7. Jh. v. Chr., Fragment 7, Weibersatire/Weibertadel), während die Topik der Misandrie literarisch nur schwach ausgebildet ist. Die misogyne Topik hat Euripides durch seine Frauendarstellungen befeuert, so dass er den Ruf des Frauenhassers erhalten hat.27 Aristophanes hat durch seine Frauen am Thesmophorienfest (im selben Jahr wie die Lysistrate 411 v. Chr. aufgeführt) diese Topik zur Grundlage einer Komödie gemacht. Möglicherweise hat sich aber auch im Rahmen von reinen Frauenfesten eine Männersatire entwickelt. Für das Fest der Thesmophorien ist das Spotten (griech. skṓptein) der Frauen bezeugt,28 bei dem es sich aus inneren Gründen auch um Spottlieder gegen Männer gehandelt haben wird. Zu einer eigenen stabilen Misandrie-Topik ist es aber offensichtlich nicht gekommen.

Die Frauen der Lysistrate und die Frauen Athens

Die Frauen der Lysistrate Die Lysistrate ist die erste Komödie nicht nur des Aristophanes, sondern auch der gesamten Komödie des 5. Jh.s v. Chr., in der eine Frau die Rolle der Protagonistin hat und schon durch ihren Namen Bedeutung und Funktion der komischen Handlung bestimmt. In der älteren Komödienproduktion treten Frauen in Nebenrollen, vor allem in stummen Nebenrollen, als Objekte von Sexualität und als Hetären auf. Dieser Befund ist auffällig, denn die gleichzeitige klassische Tragödie hatte schon lange die Frauen als Protagonistinnen entdeckt und vielfältig eingesetzt. Die tragische Protagonistin Antigone in der gleichnamigen Tragödie des Sophokles (aufgeführt um 442/440 v. Chr.) ist ein berühmtes Beispiel für die Rolle von Frauen als Protagonistinnen. Aber starke Frauen gehörten ohnehin schon seit Aischylos zur Tragödie. Diese boten auch den Männern durchaus Identifikationsmöglichkeiten, denn sie wurden auch zur Darstellung politischer Probleme (im engeren Sinne), der Domäne der Männer, –––––––––––– 27 28

S. v. 268 und 283 mit Anmerkungen. Deubner (1932) 57.

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eingesetzt, wie gerade die Antigone zeigt, die eine ausgesprochen politische Figur ist. Was also in der Tragödie üblich war, holte Aristophanes mit der Lysistrate nach und erweiterte es fast gleichzeitig mit den Frauen am Thesmophorienfest (aufgeführt 411 v. Chr. wohl an den Großen Dionysien). Mit der Frauenvolksversammlung (um 393–391 v. Chr.) schrieb er zwei Jahrzehnte später die Praxis fort. Die späte Entdeckung der Frau als Protagonistin in der Komödie hat zu unterschiedlichen Spekulationen geführt. So nahm man an, dass Frauen einem männerdominierten Theaterpublikum keine rechten Identifikationsmöglichkeiten hätten bieten können.29 Der Blick auf die Verhältnisse in der Tragödie zeigt aber die Schwäche des Arguments. Alternativ wird die These von „einer immens gesteigerten Präsenz und Sichtbarkeit der Frau im öffentlichen Raum“30 nach der Katastrophe der Sizilischen Expedition (413 v. Chr.) angeboten. Durch den Verlust einer großen Zahl an männlichen Bürgern hätten die Frauen Männeraufgaben übernehmen müssen, so dass ihre soziale Bedeutung zugenommen habe. Aber für einen solchen Wandel gibt es keine belastbaren Quellen. Der Grund wird eher banal sein: die Komödiendichter haben die Eignung und das Potential der Frau als Protagonistin für eine komische Handlung mit der Verspottung des politischen Lebens nicht erkannt. Aristophanes, schon seit den Wolken stolz darauf, immer „neue Ideen“ (griech. kainaí idéai) (v. 547) für seine Komödien zu haben, bewährt sich auch in dieser Komödie als Erfinder solcher Ideen. Als Protagonistin gleicht Lysistrate etwa dem männlichen Protagonisten Dikaiopolis der Acharner, der seine Aufgabe in der Handlung als einer, der „das für die Polis Gerechte“ kennt, bereits im Namen trägt. Sie zeichnet sich durch überlegene politische Einsicht aus, handelt souverän, selbstbestimmt und ist dabei alterslos und ohne geschlechtsspezifische Eigenschaften. Sie besitzt „Verstand“ (griech. nū ́ s) und „Einsicht“ (griech. gnṓmē) (vv. 1124f.) und damit Eigenschaften, die die Männer als Politiker eingebüßt haben (v. 432; 518) und die Lysistrate jetzt zur Retterin Griechenlands machen. Sie ist dem idealen männlichen Bürger gleichwertig, dem realen attischen Bürger aber überlegen. Mit ihren Eigenschaften ähnelt sie der Göttin Athena, die nicht nur Stadtgöttin Athens war, sondern panhellenisch als Stadtgöttin verehrt wurde. Dass ihr Name Lysistrate „Heerauflöserin“ den synonymen Namen Lysimache „Kriegsauflöserin“ der amtierenden Athenapriesterin trägt,31 dürfte kaum Zufall sein. Aber als komische Heldin handelt sie, wie eine Athenerin ihrer Zeit nicht handeln konnte. Mit ihrer Einmischung in die Domäne der Männer kommt das komödienspezifische utopisch-phantastische Element ins Spiel. Lysistrate macht das Unmögliche mit unmöglichen oder zumindest unwahrscheinlichen Mitteln möglich. Sie ist darin eine Verwandte anderer komischer Helden. Sie gleicht dem Dikaiopolis in den Acharnern, der sich einen durch Wein symboli––––––––––––

29 30 31

Zimmermann (2011) 708. Möllendorff (2007) 88; Kleinecke (2011) 80. Henderson-Kommentar (1987) XXXVIII–XL; Hall (2010) 32–36.

Die Frauen der Lysistrate und die Frauen Athens

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sierten Privatfrieden im Peloponnesischen Krieg verschafft, dem Bdelykleon in den Wespen, der seinen Vater von der als krankhafter Sucht diagnostizierten Teilnahme am öffentlichen Volksgericht abbringen will und ihm als Ersatz erfolgreich ein privates Gericht zur Ahndung von Vergehen der Haushunde einrichtet, außerdem auch dem Trygaios im Frieden, der auf einem riesigen Mistkäfer zum Olymp, dem Sitz der Götter, fliegt, um von dort den Frieden, symbolisiert durch eine Frau als Personifikation des Friedens, für die Griechen zu holen. Im Unterschied zu ihren männlichen Verwandten ist Lysistrate jedoch eine relativ geschlossen konzipierte und eindimensionale Figur, die fast ausschließlich durch ihre politische Vernunft charakterisiert ist und im Sinne dieser Eigenschaft psychologisch wahrscheinlich handelt. Geistig verwandt ist der Lysistrate noch die Spartanerin Lampito, die einen historischen Namen der spartanischen Oberschicht trägt. Der Lysistrate gegenüber sind die anderen bekannten Protagonisten offen konzipierte Figuren, die verschiedene gegeneinander isolierte Rollen verkörpern können und dadurch psychologisch unwahrscheinlich werden.32 So handelt und spricht Dikaiopolis in den Acharnern unter seinem Namen als Bürger Athens, auktorial als Dichter, dann satirisch als tragischer Held Telephos und als komische Figur im Sinne eines Harlekin der Commedia dell’Arte (griech. bōmolóchos), der für Situationskomik sorgt. Diese Mehrdimensionalität der Figuren kommt auf Kosten psychologischer Stimmigkeit der Komik zugute und ist ein wesentliches Charakteristikum der Figurenkonzeption der Komödie; dabei streitet vor allem die Situationskomik mit der psychologischen Kohärenz. Was jedoch Lysistrate und mit ihr Lampito an Mehrdimensionalität fehlt, wird teilweise nachgeholt durch die Konzeption ihrer Mitstreiterinnen vom Schlage der Kalonike und Myrrhine, die psychologisch wenig stimmig als komische Figuren in Übereinstimmung mit den Stereotypen einer misogynen männlichen Wahrnehmung und nach dem Muster von Hetären reden und handeln, indem sie sich zu ihrer Vorliebe für Schönheitspflege, Erotik und Wein bekennen. Seitenstücke zu den jungen Frauen sind die jungen Männer, namentlich Kinesias, und außerdem die Gesandten am Ende der Komödie, die als Personifikationen des unerfüllten Sextriebes ohne psychologische Stimmigkeit nur Mittel der Komik sind. Deutlich ist eine Zweidimensionalität auch in der Konzeption des Chors der alten Frauen festzustellen, die zwar ganz in der Art der Lysistrate als vernünftige athenische Bürgerinnen reden, dann aber auch vorwiegend im Geiste der Geschlechterpolarität als komische Figuren reden und handeln.

–––––––––––– 32

Zimmermann (2011) 707–710.

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Die Frauen Athens Aus der Gegenüberstellung von männlicher und weiblicher Welt erhält Lysistrate ihr Profil als Protagonistin. Obwohl sie eine Frau ist, verfügt sie über „Verstand“ (griech. nū ́ s, v. 1124). Sie beansprucht für sich als Frau dieselben geistigen Fähigkeiten, die den Männern zugesprochen werden. Sie ist aber den Männern Athens überlegen, da diese „ohne Verstand“ (griech. anöḗtōs, v. 518) Politik betreiben. Damit leugnet sie die Unterschiedlichkeit der Geschlechter und begründet als „neue“ Frau ihren Anspruch auf politische Führung. Die Frage ist, in welchem Verhältnis diese „neue“ Frau zu den Frauen Athens der Zeit steht. Man hat sich angewöhnt, besonders große Unterschiede anzunehmen, und dabei besonders die Rechtsunterschiede von Männern und Frauen zur Grundlage der Beurteilung zu machen. Generell gilt: Eine rechtliche Gleichheit der Geschlechter ist in keinem der griechischen Stadtstaaten erreicht oder auch nur erstrebt worden. Aber die Grade der Ungleichheit zeigen eine große Variationsbreite. Zwischen extremer Ungleichheit im demokratischen Athen und gemäßigter Ungleichheit im oligarchischen Sparta gab es wohl eine Fülle von Varianten, die allerdings meist wenig konkret zu erfassen sind. Für alle griechischen Stadtstaaten galt gleichermaßen, dass Frauen keine politischen Rechte (im engeren Sinne) hatten. In Athen hatten sie dementsprechend keinen Zugang zu den demokratischen Institutionen. Sie waren weder Mitglieder der gesetzgebenden Volksversammlung und der Volksgerichte noch der Ratsversammlung. So waren ihnen auch alle demokratischen Beamtenstellen verschlossen. Auch die privatrechtliche Stellung der Frau war nicht ebenbürtig. Wie ein Kind war sie ihr Leben lang abhängig von einem Vormund, in der Familie von ihrem Vater und nach dessen Tod von einem männlichen Familienmitglied, nach der Heirat von ihrem Ehemann. Geschäftsfähig war die Frau nur über ihren Vormund; auch vor Gericht war sie auf den Vormund angewiesen. Gegenüber Athen hatte die Frau in Sparta eine eigenständigere Stellung,33 die teilweise auch zur Gleichberechtigung im Privatrecht führte. Man hat diese eklatante Ungleichheit im politisch-demokratischen Recht und im Privatrecht zum Anlass genommen, die Frauen aus dem öffentlichen Alltagsleben Athens zu verbannen und ihnen ein Leben in „orientalischer Abgeschlossenheit“ zugewiesen. Nicht zuletzt der römische Schriftsteller Cornelius Nepos (1. Jh. v. Chr.)34 ist verantwortlich für diese Einschätzung gewesen, der im Abstand von 400 Jahren zu den Verhältnissen in Athen die unterschiedliche Lebensart der Frau in Rom und Griechenland plakativ zusammenfasste: Im Gegensatz zu der Bewegungsfreiheit der Römerin hätte die Griechin „nur im Inneren des Hauses“, der Gynaikonitis, gesessen, zu der „nur die nächsten Verwandten“ Zutritt gehabt hätten (sedet nisi in interiore aedium, quae gynaeconitis appelatur, quo nemo accidit nisi propinqua cognatione coniunctus). –––––––––––– 33 34

Aristoteles, Politik, Buch 2,9, 1269 b 22–1270 a 8. Cornelius Nepos, De viris illustribus „Das Leben berühmter Männer“, Praefatio 7.

Die Frauen der Lysistrate und die Frauen Athens

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Aber das Ausgeschlossen-Sein vom öffentlichen Alltagsleben ist eine Fiktion, die durch hermeneutische Fahrlässigkeit im Umgang mit den Quellen gewonnen wurde. Ein methodisch verbessertes Verständnis der Quellen zeigt jedoch, dass die alte Gegenüberstellung einer vom Alltagsleben abgeschlossenen Frauenwelt und einer öffentlichen Männerwelt der historischen Wirklichkeit nicht gerecht wird. Und es sind gerade die Komödien des Aristophanes, die eine Korrektur dieser holzschnittartigen Gegenüberstellung erfordern. Zwar waren die Frauen der Oberschicht in der Alltagsöffentlichkeit weniger präsent als die Frauen der mittleren und unteren Schicht. Von diesen wimmelte es aber geradezu im öffentlichen Erwerbsleben Athens.35 Das war keine plötzliche neue Entwicklung zur Zeit der Konzeption und Abfassung der Lysistrate infolge der hohen Verluste an Männern durch die Sizilische Expedition, sondern traditionelle soziale Wirklichkeit. Zwei Beispiele aus der Lysistrate zeigen, dass das öffentliche Marktgeschehen ganz in den Händen von Frauen lag. So ruft Lysistrate in der Auseinandersetzung mit dem Probulen alle Marktfrauen zu Hilfe gegen die Polizei, die Lysistrate verhaften will (vv. 456–461): Lysistrate: „Waffenschwestern, kommt heraus, ihr von der Marktweibersippe, ihr Brei- und Gemüsehändlerinnen, ihr Kneipenwirtinnen, ihr Knoblauch- und Brothändlerinnen, werft sie auf den Boden, prügelt sie, zerschmettert sie, beschimpft sie, setzt ihnen schamlos zu! Jetzt reicht es, zieht euch zurück, zieht ihnen nicht die Rüstung aus!“

Und wenig später (vv. 557–564) zeigt sich, dass auf dem Markt eine Menge von Frauen tätig ist, die mit ihren männlichen Kunden ihre Last haben: Lysistrate „Denn jetzt laufen sie auf dem Markt mit den Töpfer- und Gemüseständen in Waffen wie wildgewordene Korybanten herum.“ Probule „Ja, bei Zeus, das müssen tapfere Männer machen.“ Lysistrate „Und doch ist es lächerlich, wenn ein Mann mit einem Schild mit der Gorgo als Emblem Sardinen kauft.“ Erste alte Frau „Ja, bei Zeus, ich sah einen langhaarigen Mann zu Pferde, einen Oberst, wie er von einer alten Frau Erbsenbrei kaufte und in seinen bronzenen Hut schüttete. Ein anderer wieder, ein Thraker, der seinen Schild und seinen Wurfspieß wie Tereus schwang, jagte der Feigenverkäuferin Schrecken ein und verschlang die reifen Feigen.“

Die Präsenz der Frauen auf dem Markt ist Ausdruck der Tatsache, dass die Frauen einen wichtigen Beitrag im Erwerbsleben leisteten; dazu gehörten nicht nur Tätigkeiten im Haus mit der Herstellung von Produkten, sondern auch –––––––––––– 35

Schuller (1985) 45–48.

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deren Verkauf im öffentlichen Raum. Dadurch ist auch erklärt, dass die Frauen der Oberschicht in dieser Öffentlichkeit keine Bedeutung hatten. Aber von der Alltagsöffentlichkeit waren sie nicht ausgeschlossen, sie suchten sie nur nicht. „Wer hätte sie auch am Ausgehen hindern können?“ heißt es in einer rhetorischen Frage des Aristoteles,36 allerdings in diesem Fall auf die Frauen der unteren Schichten bezogen. Für die Frauen der Oberschicht war das „Ausgehen“ nicht üblich, da es sich nicht „schickte“ (griech. chreṓn).37 Aber das war nicht die Mehrzahl der Frauen Athens. Kennzeichnenderweise heißt dann in der Frauenvolksversammlung die Protagonistin, die für die Frauen Athens den Männern die politische Macht entreißt, Praxagora „die auf dem Markt (griech. agorá) Handelnde“. Korrigiert werden muss die Auffassung über die Stellung der Frau in Athen aber vor allem unter Berücksichtigung ihrer rechtlichen und sozialen Stellung und Geltung im öffentlichen Kult. Dieser Bereich war nicht nur ein bedeutender Bereich des öffentlichen Lebens, sondern er war auch ein eminent politischer Bereich, da die Religion „eingebettet“ war in die Polis und keinen Sonderbereich bildete. Trotz der demokratisch-rechtlichen und privatrechtlichen Ungleichheit waren im Kult die Frauen in Athen – wie auch in den anderen griechischen Stadtstaaten den Männern weitgehend ebenbürtig. Kultfunktionäre konnten Männer wie Frauen sein. Sie konnten ohne unterschiedliche Stellung an der Spitze von Tempeln das Priesteramt bekleiden. Das war nicht zuletzt eine Folge der Tatsache, dass zum Pantheon der Götter ohne Rangunterschiede weibliche wie männliche Gottheiten gehörten. Und die Göttin Athena, die schon im Namen auf die Stadt Athen verweist, war die zentrale Gottheit in Athen, die in ihren Beinamen Poliás und Poliū ́ chos die Beziehung zur Stadt ausdrückte und die als wehrhafte waffentragende Göttin dargestellt wurde. Für ihren Kult auf der Akropolis, insbesondere im Parthenon-Tempel, war eine Priesterin zuständig, die einem alten Geschlecht angehörte und lebenslang tätig war. Diese war an der Vorbereitung und Durchführung der Panathenäen, des Geburtstagsfestes der Stadt zu Ehren der Athena, maßgeblich beteiligt. Zur Zeit der Aufführung der Lysistrate war eine Lysimache als Priesterin tätig, deren Namensverwandtschaft mit Lysistrate auffällig ist.38 Sie hatte eine bemerkenswerte Vorgängerin, die dem spartanischen König Kleomenes 508/7 v. Chr. den Zutritt zum Tempel der Athena verwehren wollte, als dieser die Akropolis besetzt hatte (Herodot 5,72,3). Zum Personal der Athena-Priesterin gehörten natürlich auch Frauen. Überhaupt waren alle Kulte eine öffentliche Angelegenheit, an denen Männer wie Frauen – außer an den Frauen-Kulten wie z. B. am Fest der Thesmophorien zu Ehren der Demeter und ihrer Tochter – gleichermaßen teilnahmen. Prägender Ausdruck der Kulte waren die Feste, die den Jahresrhythmus gliederten und mit ihren Prozessionen, Opfern, Fest––––––––––––

36 37 38

Aristoteles, Politik, Buch 4,9, 1300 a 6. Euripides, fr. 521, in: Tragicorum Graecorum Fragmenta, Bd. 5, hrsg. von R. Kannicht, Göttingen 2004. Henderson-Kommentar (1987) XXXVIII–XXXIX.

Die Frauen der Lysistrate und die Frauen Athens

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mahlen, Chor- und Tanzdarbietungen sowie künstlerischen und sportlichen Agonen öffentlich zugänglich für Männer und Frauen waren. An dem zentralen rituellen Ereignis der Panathenäen, der Prozession, nahmen auch Frauen in unterschiedlicher Funktion teil, wie der Fries vom Parthenon-Tempel zeigt. Wie im Athena-Kult waren auch in anderen Kulten anderer weiblicher Gottheiten Frauen präsent: als Priesterinnen, als Kultpersonal, als Kultteilnehmerinnen und als Zuschauerinnen. Die selbstverständliche Teilhabe und Teilnahme der Frauen an Kulten sind auch sichere Indizien für die Möglichkeit der Teilnahme der Frauen an den Theateraufführungen im Rahmen der Dionysosfeste.39 Es gibt gute Gründe für die Vermutung, dass die Einschränkung der Präsenz in der Alltagsöffentlichkeit kompensiert wurde durch ihre Verstärkung in der Kultöffentlichkeit. Daher ist es durchaus möglich, dass die Zahl der Frauen im Theater nicht gerade gering gewesen ist. Allerdings ist jede Schätzung, in welchem Umfang sie daran allerdings teilgenommen haben, reine Spekulation. Das Ausmaß und die Bedeutung von Frauenrollen vor allem in der Tragödie schließen außerdem nicht nur ein rein männliches Publikum aus, sondern legen auch die selbstverständliche Teilnahme von Frauen an den Aufführungen nahe. Jedenfalls konnten die Frauen aus ihrer traditionellen Teilhabe am öffentlichen Kultwesen durchaus selbstbewusst ihre Stellung in der Polis bestimmen, wie die Frauen in der Lysistrate (vv. 638–647) zeigen: „Denn wir beginnen, ihr Bürger von Athen, mit Worten, die nützlich für die Stadt sind. Und das aus gutem Grund! Denn diese erzog mich in glänzendem Luxus. Als ich sieben Jahre alt war, war ich schon Arrhephore am Fest der Panathenäen. Dann mit zehn mahlte ich Opfermehl für Athena, war Bärin dann im Safrankleid für Artemis in Brauron, trug auch als schönes Mädchen den Festkorb und hatte aus Feigen eine Kette.“

Insgesamt gilt also: Eine strikte und rigorose Trennung von Männerwelt und Frauenwelt hat es im Athen des 5. Jh.s v. Chr. nicht gegeben. Auch die Unterscheidung von öffentlicher Männerwelt und hermetisch abgeschlossener Frauenwelt wird den realen Verhältnissen nicht gerecht. Und wenn man den Begriff des Politischen im Sinne der Griechen versteht, dann haben die Frauen auch gehörigen politischen Anteil am Leben der Polis. Der eingeschränkte Rechtsstatus der Frau determinierte also nicht ihren Sozialstatus. Und ihre soziale Anerkennung war durch die Männer selbst garantiert. Auf dem Hintergrund dieser offenen Frauenwelt agiert Lysistrate und konnte die Bedeutung und das Selbstwertgefühl der Frauen unter den Zuschauern steigern.

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39

Seidensticker (2010) 33; Schuller (1985) 52.

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Einführung

Inszenierung der komischen Handlung

Probleme der Rekonstruktion Die Inszenierung leistete einen wichtigen Beitrag zur Komik der Handlung. Für sie war entweder der Dichter selbst oder ein vom Dichter ausgewählter Regisseur (griech. chorodidáskalos „Chorinstruktor / Chormeister“) verantwortlich. Aristophanes hat diese Aufgabe schon seit den Anfängen seiner Karriere einem Regisseur anvertraut, so auch im Falle der Lysistrate. Im Unterschied zu neuzeitlichen Dramentexten gab es im griechischen Drama, der Komödie wie auch der Tragödie und dem Satyrspiel, keine Inszenierungsanweisungen als selbstständige Nebentexte. Weder werden die Bauformen in der Art von Akt und Szene benannt, noch gibt es Anweisungen für die Ausgestaltung der Spielstätte, den Einsatz von Requisiten und für die Ausstattung der Schauspieler mit Kostümen (einschließlich des Chors). Ebenso gab es keine Personenverzeichnisse. Auch die Bewegungsabläufe der Schauspieler (einschließlich ihrer Auf- und Abtritte) und die Choreographie des Chors werden nicht als Anweisungen formuliert. Alle notwendigen Anweisungen zur Realisierung der Inszenierung wurden vom Dichter indirekt in den Texten durch die Reden der Figuren geliefert. Dabei können sprachlichbedeutungsvolle Angaben häufig durch sprachlich-neutrale, aber gestisch eindeutige Angaben vom Typ „die Unverschämtheiten dieser hier“ für „die Unverschämtheiten der Frauen hier“ (v. 399) ersetzt werden (vv. 374; 429; 567; 602–604; 634; 637). Weitere Vorgaben waren außertextlich – zusätzlich oder ausschließlich – durch Bühnen- und Aufführungskonventionen bestimmt, die primär durch archäologische Zeugnisse hinreichend sicher erschlossen werden können. Insgesamt kann dadurch recht detailliert die Inszenierung der Uraufführung der Lysistrate rekonstruiert werden. Die modernen Übersetzungen40 zeigen ziemlich übereinstimmend die Ergebnisse, die durch Spezialuntersuchungen gelegentlich noch differenziert werden können.41 Strittig bleibt allerdings, ob und in welchem Ausmaße mit Inszenierungselementen unabhängig vom Text zu rechnen ist, ob also bei der Inszenierung Slapstick-Elemente der Komik eine Rolle gespielt haben. Verleitet durch Aussagen über die Praxis dieser Art der Komik in der Alten Komödie und angefeuert durch die Inszenierungspraxis des modernen Theaters hat man für einen hohen Anteil an Slapstick-Komik in den Komödien des Aristophanes plädiert. Das ist nicht mehr als eine unverbindliche Vermutung, da im konkreten Fall dieses komische Element nicht nachweisbar ist. Im Banne dieser These hat man versucht, die reine Sprachhandlung mit Slapstick-Komik anzureichern –––––––––––– 40 41

Sommerstein-Kommentar/Übersetzung (1998–2007); Henderson-Übersetzung (2000); Holzberg-Übersetzung (2009). Poe (1999).

Inszenierung der komischen Handlung

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und die Komik dadurch zu verstärken. So hält man es für „probably“, dass Lampito ihre Aussage (v. 83), dass sie Sport treibe und „im Springen die Hacken bis an den Hintern hochreißen“ könne, durch eine entsprechende Aktion bestätigte.42 Das ist reine Spekulation. Im Gegensatz zu dem modernen Trend, den Anteil nonverbaler Elemente der Komik zu erhöhen und zu einem besonderen Merkmal der Alten Komödie zu machen, sollte man diesen Anteil der Komik eher als gering, zumindest nicht als signifikant für die Alte Komödie ansehen. Diese Einschätzung wird nahegelegt durch das Selbstverständnis der Dichter der Alten Komödie, die sich ausdrücklich von dieser Komik, den „Megarischen Späßen“ (griech. Megariká skṓmmata), distanzierten, weil sie darin ein primitives Mittel der Komik sahen. Aristophanes zählt eine Reihe dieser Späße auf, u. a. Nüsse werfende Sklaven, Alte, die ihre Reden mit Prügeln begleiten, Fackeln schwingende Personen.43 In der Distanzierung zeigt sich, dass diese Mittel der Komik zur Tradition der Alten Komödie gehörten, dass jedoch diese den Ansprüchen an eine geistreiche Komik nicht genügten. Ob Aristophanes allerdings vollständig oder weitgehend auf sie verzichtet hat, ist nicht nachweisbar. In ironischer Distanzierung setzte er sie freilich ein, so in der Lysistrate (vv. 1216– 1220): Der athenische Gesandte torkelt betrunken mit einer brennenden Fackel aus der Akropolis heraus und stößt den Torhüter um: „Du hättest mir aus dem Weg gehen sollen. (Es folgen weitere Athener, ebenfalls betrunken, mit Kränzen auf dem Kopf und Fackeln in den Händen.) (Erblickt die spartanischen Sklaven) Was sitzt ihr da? Soll ich euch wohl mit meiner Fackel verbrennen? Das ist ein primitiver Scherz. Ich werde das nicht tun. Wenn es aber unbedingt nötig ist (wendet sich an die Zuschauer), dann wollen wir es euch zu Gefallen (vertreibt die Sklaven mit der Fackel) auf uns nehmen.“

All das sind Indizien, die nahelegen, die Suche nach Möglichkeiten von Slapstick-Komik nicht expansiv zu betreiben.

Bühnenkonventionen Die Inszenierung der komischen Handlung ist zu einem großen Teil durch die Architektur des Theaters,44 vor allem ihrer Spielstätte, bestimmt. Diese Architektur hat eine Reihe von Bühnenkonventionen begründet. Zentrum der Spielstätte war die Orchestra, die im 5. Jh. v. Chr. im Unterschied zur Orchestra des 4. Jh.s v. Chr. nicht kreisrund, sondern rechteckig oder – noch wahrscheinli––––––––––––

42 43 44

Compton-Engle (2015) 50. Aristophanes, Wolken 537–543; Wespen 57–60; Zimmermann (2011) 718. Gogos (2008) 49–68.

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Einführung

cher – trapezförmig war. Sie reichte in den Zuschauerraum hinein und war durch zwei gegenüberliegende Eingänge (griech. párodoi) vor dem Zuschauerraum zugänglich. Durch den vom Zuschauerraum aus gesehen rechtsliegenden Eingang zog der Chor in die Orchestra nach dem Prolog, also nach dem Beginn der Komödie, mit einem Einzugslied (benannt nach dem Eingang als Parodos) ein. Die Orchestra war der Aufenthaltsort für den Chor für die Dauer des Stücks, auch wenn er nicht an der Handlung beteiligt war. An die Orchestra schloss sich als Hintergrund ein Bühnengebäude an (griech. skēnḗ), das in der 2. Hälfte des 5. Jh.s v. Chr. temporär für die Festspielzeit errichtete wurde und das durch den Einsatz von kulissenartigen Versatzstücken den Erfordernissen der einzelnen Stücke angepasst werden konnte. Die Schauspieler agierten vor der Skene für die Dauer ihres Auftritts auf der rechteckigen Bühne (griech. proskḗnion), die gegenüber der sich anschließenden Orchestra in der Regel wohl leicht erhöht war. Das Bühnengebäude war so stabil, dass auch das flache Dach Spielfläche der Schauspieler sein konnte. Der Aktionsradius der Schauspieler war nicht auf die Bühne und das Bühnendach beschränkt, sondern konnte auch in die Orchestra erweitert werden. Die Exodos der Lysistrate bringt die zahlreichen, zahlenmäßig aber nicht bestimmbaren Schauspieler und den vereinigten Chor mit 24 Mitgliedern in der Orchestra zu Gesang und Tanz zusammen. Die Ausmaße von Bühne und Orchestra waren wohl nicht festgelegt, da die Aufbauten nur für die Dauer eines Festes errichtet wurden. Die trapezförmige Orchestra wird Seiten mit einer Breite von etwa 15 und 25 m bei einer Tiefe von etwa 25 m gehabt haben, die rechteckige Bühne vor der Skene hat in der Breite etwa 30–35 m erreicht, in der Tiefe etwa 5m. Für Chor und Schauspieler stand also einiger Raum zur Verfügung, der im Falle der Lysistrate auch gebraucht wurde, da die Zahl der Akteure groß und die Handlung u. a. durch das Gegeneinander von zwei Chören (mit jeweils zwölf Männern und Frauen) sehr bewegt ist. In der Lysistrate hatte das Bühnengebäude drei Türen, eine große Tür in der Mitte und zwei kleinere Türen beiderseits der großen Tür. Diese beiden kleineren Türen stellen im Prolog (vv. 1–253) die Häuser der Lysistrate und der Kalonike dar. Eine dieser Türen markiert später im dritten Epeisodion (v. 919) den Eingang zur Grotte des Pan. Die große Tür wird von der Parodos an aktiviert (v. 254 bis Ende) und repräsentiert das Eingangstor zur Akropolis, die Propyläen, vor dem das weitere Geschehen abläuft. Im dritten Epeisodion (vv. 829–979) wird außerdem das Dach des Bühnengebäudes als Spielstätte einbezogen und stellt die Brüstung des höher gelegenen Areals der Akropolis dar, von der aus Lysistrate und Myrrhine zunächst das Geschehen vor dem Tor der Propyläen beobachten können, bevor sie dann auf die Bühne hinabsteigen (v. 864; 884) und wieder vor dem Tor agieren. Die Skene mit ihren verschiedenen Türen unterstützt den für die Komödienhandlung so charakteristischen und die Komik verstärkenden Ortswechsel, der der Tragödie weitgehend unbekannt ist.

Inszenierung der komischen Handlung

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Aufführungskonventionen (Frauenrollen, Masken und Kostüme) Durch die Theatertradition war vorgegeben, dass Frauenrollen grundsätzlich von Männern gespielt wurden, auch stumme Frauenrollen. Wie das Problem der normalerweise unterschiedlichen Stimmhöhe der Geschlechter gelöst wurde, ist nicht bekannt. Die Annahme, dass ohne Rücksicht auf die unterschiedliche Stimmhöhe gesprochen wurde, ist nicht plausibel. Wahrscheinlich wurde durch gezielte Stimmbildung der Tonhöhenbereich der Männerstimmen erweitert, so dass ein Sprechen in unterschiedlichen Tonhöhen möglich wurde. Für eine solche Ausbildung der Männerstimmen spricht die Tatsache, dass es im 4. Jh. v. Chr. Spezialisten für Frauenrollen gegeben hat. Eine solche Spezialisierung kann nur im Bereich der Stimmbildung sinnvoll gewesen sein. Nacktheit wurde durch ein fleischfarbenes Trikot dargestellt, im Falle von weiblicher Nacktheit selbstverständlich durch ein die weibliche Körperform imitierendes Trikot. In dieser Theaternacktheit tritt Diallagé „Versöhnung“ als weibliche nackte Personifikation des Friedens in der Lysistrate auf (vv. 1114– 1187). Die Vermutung, dass weibliche Nacktheit von stummen Rollen durch physisch nackte Hetären dargestellt worden sei, ist ohne jegliche Plausibilität. Zur Tradition gehörte auch, dass die Schauspieler und die Mitglieder des Chors Masken trugen, die mehr oder weniger individuell auf ihre jeweilige Rolle bezogen waren. Der Mangel an Mimik wurde dabei durch ausdrucksstarke Masken, durch eine Steigerung der Gestik und durch eine ausdrucksorientierte Differenzierung der Bewegung der Darsteller nicht nur kompensiert, sondern förderte vielmehr die Visualität der Handlung. Ein besonderes und für die Komödie spezifisches Traditionsrelikt ist das Kostüm des männlichen Schauspielers, vor allem der Phallos als wesentlicher Teil seines Kostüms.45 Unstrittig ist der Einsatz des Phallos als eines Mittels der Komik in der Alten Komödie, unstrittig ist ebenfalls, dass es sich um ein fossiles Requisit des Kults handelt. Strittig ist dagegen, ob es sich um ein obligatorisches oder um ein fakultatives Relikt handelt und ob dieses mit anderen traditionellen Kostümelementen kombiniert wurde. Unter dem Eindruck der Vorstellung von der Macht und Präsens kultischer Elemente in der Literatur hat sich in die Gegenwart als Opinio communis festgesetzt, dass ein kultisch bedingtes Einheitskostüm für die männlichen Schauspielerrollen und weitgehend auch für die männlichen Chorrollen zumindest üblich, wenn nicht sogar obligatorisch war. Männliche Rollen trugen danach ein enganliegendes fleischfarbenes Trikot (griech. sōmátion), das einen ausgestopften Bauch und ein ebensolches Gesäß sowie einen – immer sichtbaren und übermäßig großen – hängenden oder erigierten Phallos“ hatte. Dieser „konnte zu komischen Zwecken in die Inszenierung einbezogen werden.“46 Analog zum Männerkostüm wird auch für die Frauenrollen ein frauenspezifisches Trikot, ebenfalls mit der ––––––––––––

45 46

Stone (1981); Compton-Engle (2015). Zimmermann (2011) 675.

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Einführung

Auspolsterung von Bauch und Gesäß, vorausgesetzt.47 Über dem Trikot, das ein Mittel der Darstellung von Nacktheit war, trugen die Schauspieler männlicher wie weiblicher Rollen die in Athen üblichen Kleidungsstücke (Amórgina chitṓnia, chitṓn/chitṓnion, chlaína, chlamýs, chlanís, exōmís, himátion, katōnákē, Kimberiká chitṓnia, krokōtós, péplos, phoinikís, tríbōn, xystís), insbesondere den Chiton als Untergewand und das Himation als Obergewand. Die Kleidungsstücke waren so kurz, dass „das Gesäß nicht völlig bedeckt war und der Phallus … gut sichtbar blieb.“48 Gelegentlich werden Ausnahmen von diesem grotesken Kostüm zugelassen: „In den Fröschen trugen Aischylos und Euripides vermutlich ein langes Tragödiengewand, Dionysos das ihm gemäße knöchellange Safrankleid.“49 Die Opinio communis ist jedoch in den für die Inszenierung zentralen Punkten, der Auspolsterung von Bauch und Gesäß sowie der permanenten Sichtbarkeit eines überdimensionalen Phallos, fragwürdig, weil sie das Ergebnis eines methodisch riskanten Verfahrens ist, das archäologische Zeugnisse (Vasenbilder und Terrakotten) auf die Komödie projiziert und notdürftig mit den Texten verbindet, obwohl es in den Texten der Komödien selbst keine Hinweise auf ein solch groteskes Einheitstrikot gibt. Keine der Bilddarstellungen kann als Darstellung einer Figur oder Szene der Alten Komödie gelten, sondern bei allen Darstellungen handelt es sich um komische Figuren anderer Provenienz, die durch Auspolsterung und Phallos grotesk erscheinen. Und es ist gerade diese Eigenschaft des Grotesken, die eine Analogie der Figuren der Bildquellen und der Figuren der Komödie verbietet, denn diese Figuren sind keine Verwandten der Figuren der Komödie. Zwar können einzelne Figuren der Komödie in einzelnen Handlungseinheiten grotesk-komisch handeln, aber – und das gilt vor allem für die Protagonisten – in ihrem Rollenprofil sind sie mehr als Witzfiguren, sie sind immer auch Bürger Athens und Träger politischer Aussagen. Was aber vor allem einer obligatorischen Ausrüstung entgegensteht, ist der Verlust an Komik der im Prinzip ausdrucksstarken Mittel der Inszenierung, denn vor allem ein stereotyp verwendeter Phallos ist für die Komik nutzlos. Das Paradoxe der Geschichte der Kostümfrage: Ihren Ursprung hat die Geschichte in dem Versuch, das Indezente durch stereotypen Gebrauch zu entschärfen und erträglich zu machen: „Ein so anstößiges Requisit ist überhaupt nur erträglich, wenn (es) durch allgemeinen Brauch von alters her geheiligt ist. Der Phallos war für den komischen Schauspieler … unerlässlich.“50 Diese Erklärung ist in der Moderne in ihr Gegenteil verkehrt worden, indem der Phallos zum Mittel der Groteske wurde, sein permanenter Gebrauch also nicht ein Mittel der Entschärfung des Indezenten, sondern im Gegenteil seiner Verschärfung durch Übersteigerung wurde. Aber hier irrt die moderne Forschung. –––––––––––– 47 48 49 50

Compton-Engle (2015) 28. Seidensticker (2010) 57. Blume (1978) 101. Körte (1893) 69.

Inszenierung der komischen Handlung

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Die Lösung der Kostümfrage: Da es zu den Üblichkeiten der Komödie gehört, dass die sichtbare Komödienhandlung auch verbalisiert wird, wird man guten Gewissens sagen können, dass nur dann der Phallos sichtbar ist, wenn es entsprechende eindeutige sprachliche Äußerungen oder eindeutige sprachlich indizierte gestische Signale gibt. Dadurch wird der Phallos zu einem nur punktuell und fakultativ aus Gründen drastischer und bizarrer Komik genutzten Requisit, das in die komische Handlung integriert ist. Wenn der Phallos aber in dieser Weise eingesetzt wird, dann ist eine Auspolsterung signifikanter Körperregionen als Teil des grotesken Kostüms unwahrscheinlich, da diese nicht punktuell möglich ist. Bei den Frauenrollen ist eine solche Auspolsterung ohnehin unwahrscheinlich, da diese Rollen keinerlei groteske Komponenten enthalten, wie besonders deutlich das Beispiel der Protagonistin Lysistrate zeigt. Wie das technische Problem der punktuellen Sichtbarkeit des Phallos in der Inszenierung gelöst wurde, ist nicht eindeutig zu klären. Hinreichend eindeutig ist, dass die über das Trikot getragenen Kleidungsstücke so lang waren, dass sie den Phallos bedecken konnten. Da ihre Länge durchaus variabel von kurz bis lang war, war mit geringem Aufwand durch Drapierung, Öffnen, Hochziehen oder Fallenlassen der Phallos sichtbar zu machen und als Mittel der Komik nutzbar. Die Bildquellen geben eine Anschauung von den Möglichkeiten der Drapierung. Die Lysistrate ist das beste Beispiel für die vielfältige Integration des Phallos in die komische Handlung. Dabei wird der Phallos entweder als ein direkt sichtbares oder ein durch Ausbuchtung der Kleidung erschließbares Requisit eingesetzt. Kombiniert wird mit ihm weibliche wie männliche Nacktheit. Keine andere Komödie des Aristophanes erreicht dieses Ausmaß in der Verwendung des Phallos, das Rezeptionsmöglichkeiten der Komödie seit der Antike massiv behindert hat. Im Einzelnen bedeutet dies für die Lysistrate: Bekleidet mit einem üblichen Obergewand (wohl himátion) tritt Kinesias mit einem sichtbaren erigierten Phallos Kinesias im dritten Epeisodion (vv. 829–979) auf und agiert auch mit diesem. Ob der Phallos dauernd sichtbar ist oder nur punktuell beziehungsreich eingesetzt wird, ist nicht zu entscheiden. Im unmittelbar folgenden vierten Epeisodion (vv. 980–1013) tritt als Variation in der Verwendung des Phallos ein spartanischer Herold mit einem verdeckten, aber durch die Ausbuchtung des Obergewandes deutlich erschließbaren erigierten Phallos auf. Da Kinesias seinen Spott mit dem Aussehen dieses Herolds treibt, wird sein eigener Phallos wohl wieder bedeckt sein, weil sonst die Komik des Epeisodions leidet. Im fünften Epeisodion (vv. 1072–1188) ist dann zur Variation der Wechsel zwischen indirekt und direkt sichtbarem Phallos Kennzeichen der spartanischen und athenischen Gesandten und ein wesentliches Element der Komik. In der Exodos wird der sichtbare Phallos nicht eingesetzt, auch nicht in der Handlung mit dem Probulen im Epirrhematischen Agon. Phallosfrei bewegen sich auch alle stummen männlichen Personen. Der Befund für die Lysistrate gilt auch für die anderen Komödien: Der sichtbare Phallos war kein obligatorisches, sondern ein fakultatives Relikt, das als drastisches komisches

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Mittel eingesetzt wird, dabei zwar auf die kultische Tradition verweist, aber gleichzeitig mit dieser Tradition spielt. Ganz ohne kultische Bindung und durchgängig erotisch-komisch aufgeladen ist die Darstellung vollständiger weiblicher Nacktheit im Falle der stummen Diallagḗ „Versöhnung“ als eines Symbols des Friedens (vv. 1114–1187). Sie ist das weibliche Gegenstück zum sichtbaren Phallos. Analog zum Kostüm der Schauspieler ist das Kostüm männlicher Chöre zu bestimmen. Mit einem dauernd sichtbaren Phallos ist also auch der Chor der alten Männer in der Lysistrate nicht ausgerüstet. Und es gibt auch keine eindeutigen Hinweise, dass er punktuell verwendet wird. Aber Nacktheit spielt eine Rolle. Von der Nacktheit ausgespart sind allerdings die männlichen und weiblichen Genitalregionen. Der Chor der alten Männer tritt in der Parodos in ärmlichen Mänteln (griech. himatídia, pejoratives Diminutivum zu griech. himátia „Mäntel“) auf (v. 401; 470). Der konkurrierende Chor der alten Frauen trägt analog Mäntel. Der Aufführungskonvention entsprechend legen die Chöre in der Parabase (vv. 614–705) diese Oberbekleidung ab. Der Männerchor beginnt damit (v. 615), ihm folgt der Frauenchor (v. 637). Sie agieren jetzt im Untergewand, der Männerchor in der exomís, dem Untergewand der Ärmeren (v. 662), der Frauenchor wohl im üblichen chiton. Wenig später ziehen sie auch die Unterkleider aus (griech. ekdýesthai). Wieder beginnt der Männerchor (v. 662), der Frauenchor tut es ihm nach (v. 686). Die Chöre sind aber nicht vollständig nackt, sondern lassen ihre Untergewänder nur bis zur Gürtung in Hüfthöhe fallen.51 Dass es nicht zur vollständigen Nacktheit kommt, ist aus dem ersten Stasimon (vv. 781–828) zu erschließen, denn die Schambehaarung der Chöre wird dort erst sichtbar, wenn sie ihre Beine hochheben (799f.; 823– 328). In dieser halbnackten Aufmachung bleibt der Männerchor, bis ihm der Frauenchor während des Chorrezitativs (vv. 1014–1042) wieder das Untergewand hochzieht (v.1021) und ihm wohl auch den Mantel zum Anziehen gibt, während der Frauenchor schon vorher wohl während des dritten Epeisodions (vv. 829–979) seinen Chiton hochgezogen hat und wohl auch den Mantel wieder angezogen hat. Den Rest der Handlung bestreiten die Chöre bekleidet.

Zahl der Schauspieler Weitere die Inszenierung wesentlich bestimmende Vorgaben sind nicht oder zumindest nicht eindeutig nachweisbar, sondern sind Produkte der wissenschaftlichen Phantasie. Dazu gehört die These von der Begrenzung der eingesetzten Zahl der Schauspieler auf drei Schauspieler in der Tragödie und analog dazu in der Komödie auf ebenfalls drei oder höchstens vier Schauspieler (mit einer Öffnungsklausel für einen fünften Schauspieler bei Nebenrollen). Dieses Schauspieler-Sparprogramm wird abgeleitet aus einer Formulierung der Poetik –––––––––––– 51

Wilamowitz-Kommentar (1927) Triere.

Inszenierung der komischen Handlung

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des Aristoteles,52 nach der die Leistung des Sophokles für die Entwicklung der Tragödie u. a. darin bestanden habe, dass er „drei Schauspieler eingeführt“ habe. Aus dieser kargen und eher kryptischen Formulierung hat man ein „DreiSchauspieler-Gesetz“ für die Tragödie erschlossen, nach dem die Zahl der eingesetzten Schauspieler auf drei Schauspieler begrenzt gewesen sei. Carl Friedrich Hermann hat im frühen 19. Jh. diese Interpretation maßgeblich bestimmt.53 Nach dem Analogieprinzip, dass der Komödie billig ist, was der Tragödie recht ist, war man zunächst bemüht, alle Rollen einer Komödie auf möglichst drei Schauspieler aufzuteilen. Was aber schon im Falle der Tragödie immer wieder zu Schwierigkeiten führt und in einigen Fällen den Einsatz eines vierten Schauspielers erfordert, ist im Falle der Komödie angesichts der größeren Zahl der Rollen unmöglich. So hat man für die Komödie eine Öffnungsklausel akzeptiert, nach der zwar mehr als drei Schauspieler einsetzbar waren, nach der aber die Zahl der Schauspieler immer soweit wie möglich zu begrenzen sei. Danach sind in der Lysitrate mindestens vier, für eine bessere Spielbarkeit sogar fünf Schauspieler nötig.54 Dazu kommen noch Schauspieler für die stummen Rollen, die jedoch nicht unter die Begrenzung fallen. Obwohl das „Drei-Schauspieler-Gesetz“ mit der Öffnungsklausel für die Komödie als Sachverhalt ziemlich unstrittig ist, haben wir es doch wohl eher mit einem Phantom-Gesetz oder einer Phantom-Regel zu tun. Die Gründe: Einmal steht die Interpretation der aristotelischen Formulierung auf einem fragilen Untergrund, denn der Drei-Schauspieler-Sachverhalt ist Teil der aristotelischen Charakterisierung, auf welche Weise die Tragödie „ihre eigentliche Natur gefunden hat“. Wie aber eine reine Inszenierungstechnik der Tragödie dieser zu ihrer „eigentlichen Natur“ verhelfen kann, bleibt schleierhaft. Zum andern gibt es keine plausible Erklärung für eine Beschränkung der Schauspielerzahl. Die Herstellung von „Chancengleichheit im dramatischen Agon“55 durch Dämpfung der Kosten für den vom Staat verpflichteten Sponsor (griech. chorēgós „Chorege“) der Aufführung ist keine hinreichende Begründung, da die Mehrkosten im Hinblick auf die ohnehin schon beträchtlichen Kosten für ein oder zwei zusätzliche Schauspieler unbedeutend sind und da sich wie in der Lysistrate ohnehin schon eine große Menge stummer Personen auf der Bühne tummelt. Das Problem der Begrenzung der Schauspieler wird zu einem Phantomproblem, wenn man die aristotelische Formulierung nicht auf die Zahl der eingesetzten Schauspieler in einem Stück bezieht, sondern, wie schon vor 100 Jahren vorgeschlagen,56 auf die Zahl der in einer dramatischen Situation an einem Dialog beteiligten Personen. Die Leistung des Sophokles besteht danach in der Einführung des Dreiergesprächs, durch die nach Aristoteles die Tragödie „ihre eigentliche Natur gefunden hat.“ Ein Dreiergespräch ist danach das Maximum und zugleich Optimum einer Gesprächsführung in der Tragödie, –––––––––––– 52 53 54 55 56

Aristoteles, Poetik, Kap. 4, 1449 a 18. Hermann (1840). Henderson-Kommentar (1987) XLI–XLIV. Blume (1998) 810. Rees (1908).

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die auf eine argumentativ-gedankliche Verdichtung und Konzentration zielt. Der Befund in der griechischen Tragödie bestätigt diese Leistung, die für die antike Poetik dann zur Obergrenze eines Mehrpersonengesprächs wurde. In Übereinstimmung damit warnte Horaz (Ars poetica, v. 192) die Dramendichter davor, eine vierte Person als Dialogpartner einzusetzen: nec quarta loqui persona laboret („und nicht versuche eine vierte Person zu sprechen“). Es gibt keinen plausiblen Grund, sich für die Inszenierung der komischen Handlung auf die Fessel einer möglichst geringen Schauspielerzahl zu berufen. Mag in der Tragödie die Begrenzung des Mehrpersonengesprächs auf ein Dreiergespräch den Einsatz von wenigen Schauspielern begünstigt haben, da sie die dramatische Verdichtung förderte, so entfällt dieser Zusammenhang in der Komödie. Aus Gründen der Steigerung und Verstärkung der Komik ist die Vermehrung von Rollen und damit von Schauspielern eher erwünscht. Daher sollte man für eine Handlungseinheit (Prolog, Epeisodion, Epirrhematischer Agon, Exodos) die Zahl der eingesetzten Schauspieler entsprechend der Rollenzahl bestimmen und vor allem vermeiden, innerhalb einer Handlungseinheit Rollenwechsel eines Schauspielers anzusetzen, zumal sich in der Lysistrate ohnehin schon eine Menge stummer Personen tummelt. Da liegt es nahe, dass eine dieser Personen auch eine kleine Sprechrolle übernimmt. Vier Schauspieler werden im Prolog (vv. 1–253) eingesetzt (Lysistrate, Kalonike, Myrrhine, Lampito), fünf im ersten Epeisodion (vv. 387–466: Probule, Lysistrate, drei namenlose Frauen), fünf im zweiten Epeisodion (vv. 706–780: Lysistrate, vier namenlose Frauen), vier im dritten Epeisodion (vv. 829–975: Lysistrate, Myrrhine, Kinesias, eine namenlose Frau), vier bzw. sechs im Epirrhematischen Agon (vv. 467–613: Lysistrate, Probule, zwei namenlose Frauen, außerdem der Chorführer und die Chorführerin).

Requisiten Während die Inszenierung einer Tragödie in der Regel nur wenige Requisiten erforderte, die dann aber von Bedeutung für die gesamte Handlung waren, gehörte zu einer Komödienaufführung eine Fülle von Requisiten,57 die als zusätztliche Mittel der Komik in der Regel die Komik der Sprachhandlung punktuell unterstützten und auch steigerten. Diese Requisiten hatten ihre Funktion nur innerhalb einer einzigen dramatischen Situation. Sie standen ohne Vorbereitung sofort zur Verfügung, wenn sie gebraucht wurden, weil sie nur dadurch ihre Komik entfalten konnten. Was mit ihnen geschah und wann mit ihnen etwas geschah, wenn sie ihre Funktion verloren hatten, wird sprachlich nicht ausgedrückt. Aus guten Gründen: Für die Komik hatte es keine Bedeutung. Wenn sie ihre Aufgabe erfüllt hatten, wurden sie von der Bühne entfernt. Dass sie auf der Bühne über die Dauer ihrer Aufgabe hinaus blieben, ist unwahrscheinlich, da die Bühne zur Rumpelkammer von Requisiten würde. ––––––––––––

57

Henderson-Kommentar (1987) XLV.

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Bemerkenswerte Requisiten in der Lysistrate sind die Gegenstände des Schwuropfers im Prolog, die Ausrüstung des Chors der alten Männer in der Parodos mit brennenden Fackeln, etlichen Holzklötzen (zum Aufschichten eines Scheiterhaufens) und Töpfen mit brennenden Kohlen) sowie die komplementäre Ausstattung des Chors der alten Frauen in der Parodos mit Wasserkrügen zum Löschen des Feuers, außerdem die Einrichtungsgegenstände für den Aufbau des Liebesnestes mit Liege, Matte, Kissen, Decke und Salbenfläschchen im dritten Epeisodion, der Kinesias-Myrrhine-Szene (vv. 829–979). All diese Gegenstände wurden am Ende der dramatischen Situation abgeräumt, weil sie angesichts neuer komischer Situationen nicht mehr wahrgenommen würden und auch nicht mehr wahrgenommen werden sollen. Das gilt auch für den Aufbau des Liebesnestes, das nach v. 953 bedeutungslos wird. Wer in ihm ein Symbol für die zentrale Bedeutung der Lysistrate sieht und daher für seinen weiteren Verbleib plädiert,58 argumentiert vom Requisitengebrauch der Tragödie aus – eine Argumentation, die der Komödie nicht gerecht wird.

Musik und Tanz (Choreographie) Die Alte Komödie war nicht nur Sprachkunstwerk, sondern sie erhielt – wie auch die gleichzeitige Tragödie – ihr spezifisches künstlerisches Gepräge auch durch die Darbietungsformen der Musik und des Tanzes, die in die komische Sprachhandlung integriert waren und damit die Komödie zu einem trimedialen Kunstwerk machten. Was im griechischen klassischen Drama realisiert war, wurde im 19. Jh. für Richard Wagner zur Herausforderung, der die Vereinigung der Dicht-, Ton- und Tanzkunst im Zeichen des griechischen Dramas zum Programm seines „Gesamtkunstwerks“ machte. Grundlage der musikalischen Darbietungsform59 war die metrische Gestaltung.60 Außer den Versen in iambischen Trimetern, die gesprochen wurden, wurden alle anderen Verse musikalisch dargeboten, entweder im Sprechgesang oder im gesungenen Lied. Die umfangreichen Sprechgesangpartien (griech. parakatalogḗ „Sprechgesangvortrag“) waren in iambischen, trochäischen und anapästischen katalektischen Tetrametern abgefasst und wurden von Schauspielern und vor allem vom Chor bzw. dem Chorführer unter Begleitung eines Flötenspielers vorgetragen. Sie galten in der Antike als „gefühlsbewegend“ (griech. pathētikón).61 Musikalisch anspruchsvoller konzipiert waren die gesungenen Partien, die als Chorlieder (Parodoi, Stasima) und als Einzellieder (Monodien/Arien) eines Schauspielers (Einzellieder in der Lysistrate: vv. 1247–1272; 1279–1290; 1296–1315) vorkommen und die ebenfalls von einem Flötenspieler begleitet wurden. Insgesamt wurde etwa die Hälfte der Verse der Lysistrate musikalisch ––––––––––––

58 59 60 61

Möllendorff (2002) 185. Zimmermann (1993); Zimmermann (2011) 683f. S. Anhang „Verskunst“. Neubecker (1977) 67.

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dargeboten. Wegen der Fülle solcher Partien kommt die Komödie eher einer Oper als einem Sprechstück nahe.62 Und zum festen Aufführungspersonal gehörte daher neben dem Chor und den Schauspielern in jedem Fall ein vielbeschäftigter Flötenspieler. Die Lieder, generell die Chorlieder, meist wohl auch die Einzellieder, wurden schließlich mimetisch durch Bewegung und Gebärden dargestellt. Aber auch unabhängig von der Sprachhandlung hat es offensichtlich slapstickartige Tanzeinlagen gegeben. Im Einzelnen ist die Choreographie durch den Text nur vage zu bestimmen. Gegenüber der Praxis der Tragödie zeichnen sich die getanzten Partien in der Komödie durch ein Mehr an Bewegung aus, das auch choreographisch gebändigt werden muss und ein Mittel der Komik sein kann. Vor allem in der Lysistrate ist die Bewegung des Chors durch seine Teilung in zwei Halbchöre mit jeweils zwölf Choreuten, die miteinander streiten, gesteigert. Nicht nur der ungestüme Einzug der Chöre in die Orchestra in der Parodos (vv. 254–386) mit hohem Aggressionspotential ist choreographisch zu gestalten, sondern auch die Streithandlung in der Parabase (vv. 614– 705) und im ersten Stasimon (vv. 781–828), die die aktionsreiche Konfrontation mit den Versuchen gegenseitiger körperlicher Gewaltanwendung fortsetzt. Die folgenden Chorlieder (vv. 1043–1071; 1189–1215) sind dann frei von diesem Aktionismus. Während die Chorpartien keine traditionellen Tanzformen gestalten, greifen die Einzellieder auf sie zurück. So begleitet der spartanische Gesandte in der Lysistrate seine Arie (vv. 1247–1272) mit dem – uns allerdings unbekannten – spartanischen Tanz dipodía „Zweier-Schritt-Tanz“ (v. 1243). Ganz im Zeichen des Tanzes steht die Exodos (vv. 1273–1321), in der die Mitglieder des Chors und alle Schauspieler den Frieden mit dionysischausgelassenem Tanz und Gesang nach Art der Mänaden (v. 1312) feiern und dabei die Orchestra verlassen. Wie die Exodos choreographisch gestaltet wurde, ist nirgends angedeutet. Dass die große Zahl der Tanzenden (24 Choreuten) und eine nicht quantifizierbare größere Menge an Schauspielern, redenden wie stummen, nicht ohne choreographische Eingriffe ungeordnet dionysisch agierten und die Orchestra verließen, ist selbstverständlich. Diese Choreographie wird auch zum Ausdruck der Komik genutzt worden sein.

–––––––––––– 62

Zimmermann (2011) 684.

Dramaturgie der komischen Handlung

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Dramaturgie der komischen Handlung

Probleme der Dramaturgie Im Rahmen der Festkultur Athens mit den Dionysos-Festen der Lenäen und Dionysien erhielten die literarischen Gattungen der Tragödie und Komödie im Athen des 5. Jahrhunderts v. Chr. eine je eigene Kunstform. Bestimmt war sie dabei wesentlich durch die Genese der Gattungen aus dem Kult und durch ihre Wirkung auf die Zuschauer, die primären und zunächst einzigen Rezipienten der Dramen. Diese Wirkung bestand in der unterschiedlichen und polaren elementaren Emotionalisierung der Zuschauer: die Tragödie zielte – nach der Poetik des Aristoteles – durch Tragik auf éleos „Jammer“ und phóbos „Schrecken/Schauder“, die Komödie durch Komik auf Lachen. Während des ganzen Jahrhunderts blieb der polare Kunstcharakter der beiden Gattungen erhalten. Die Komödiendichter haben die Kunstform der Komödie nicht durch Annäherung an die Tragödie entwickelt, sondern durch Variation ihrer eigenen Kunstmittel. Im 4. Jahrhundert v. Chr. kapitulierte aber die Komödie vor der Tragödie und gab ihren eigenen Kunstcharakter auf. Die Dramaturgie der Tragödie wurde nun zur Dramaturgie der Komödie. Unter dem Eindruck dieser Symbiose wurden dann die dramaturgischen Regeln der Tragödie auch als Maßstab zur Beurteilung der älteren Komödie eingesetzt und verhinderten auf diese Weise ein historisch angemessenes Verständnis der Alten Komödie. Vor allem die Entwicklung und Dogmatisierung der Drei-Einheiten-Lehre (Lehre von der Einheit der Handlung, der Zeit und des Ortes) von Aristoteles bis zur frühneuzeitlichen klassizistischen Regelpoetik stellten der Komödie ein schlechtes ästhetisches Zeugnis aus, das trotz entschiedener Versuche der Korrektur seit 200 Jahren immer noch wirkt. Ererbte Vorurteile leben länger. Im Hinblick auf die Drei-Einheiten-Lehre, als Grundlage der Dramaturgie, gilt jedoch anzuerkennen: Die drei Einheiten, meistens in der griechischen Tragödie realisiert, waren zwar probate Mittel durch Intensivierung und Konzentration der Handlung die tragische Emotionalisierung zu fördern, aber sie waren ungeeignet und nicht förderlich für die Ausbildung komischer Situationen, im Gegenteil, sie verhinderten oder behinderten sie sogar, waren also nicht nur bedeutungslos für sie.

Zeit der Handlung „Die Tragödie versucht möglichst innerhalb eines Sonnenumlaufs zu bleiben oder nur wenig darüber hinauszugehen.“63 Sie vermeidet daher hinterszenische Zeitsprünge, so dass sich die gespielte Zeit und die Spielzeit tendenziell annä–––––––––––– 63

Aristoteles, Poetik, Kap. 5, 1449 b 13f.

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hern. Die verdichtete zeitliche Entwicklung der Tragödienhandlung ist ein wesentliches Mittel der Emotionalisierung des Zuschauers durch „Jammer“ und „Schrecken“. Diese ist aber als Mittel der Komik ungeeignet, da diese ein punktuelles statisches Phänomen ist, das durch Herauslösen aus dem Vorher und Nachher als Gegenwart konstituiert wird.64 Lachen kann man nur über Gegenwärtiges, nicht über Zukünftiges und Vergangenes. Die Handlung als Entwicklung unter Berücksichtigung ihres Anfangs und Endes verhindert oder behindert die Komik. Daher hat die Zeit in der komischen Handlung keine Bedeutung, so dass die Einheit der Zeit keine sinnvolle Kategorie der komischen Handlung ist. Entsprechend diesen Voraussetzungen spielt der zeitliche Verlauf der Handlung in der Lysistrate keine Rolle. Die Gesamtdauer der Handlung bleibt vor allem durch hinterszenische Zeitsprünge vage. Es gibt nur eine prägnante Zeitangabe, die jedoch kein Mittel zur zeitlichen Strukturierung des Handlungsablaufs ist, sondern der Situationskomik zuzurechnen ist (v. 881): Der von sexuellen Entzugserscheinungen gezeichnete Kinesias versucht seine Frau zur Rückkehr nach Hause zu bewegen und setzt als Druckmittel den unversorgten Sohn in komischer Übertreibung ein: „Hast du kein Mitleid mit deinem Söhnchen, / das schon seit sechs Tagen ungewaschen und ungestillt ist?“ Von dieser Angabe aus kann rechnerisch die Gesamtdauer der Handlung ermittelt werden. Dabei kommt man zusammen mit der hinterszenischen Zeit auf mindestens 12 Tage: Vom Streikbeschluss der Frauen und ihrem Auszug bis zum Versuch der Rückholung nach sechs Tage im Dritten Epeisodion (vv. 829–979), danach von der Rückkehr der spartanischen Boten nach Sparta nach dem Vierten Epeisodion (vv. 980–1013) bis zur Ankunft der spartanischen Gesandten im Fünftes Epeisodion (vv. 1072–1188) auf mindestens sechs Tage (Zeit der Reise von Spartanern von Athen nach Sparta im Umfang von gut 200 km und zurück). Aber weder die Dauer der hinterszenischen Zeit noch die Dauer der szenischen Zeit wird als bedeutender Faktor der Handlung eingesetzt, da diese Handlung nur als Gegenwart dargestellt ist, die durch zeitlich selbständige Einheiten ohne Rücksicht auf ein Davor oder Danach bestimmt ist. Das Problem der Einheit der Zeit existiert für die Komödie nicht.

Ort der Handlung In der Tragödie unterstützt die Einheit des Ortes die Verdichtung der tragischen Handlung und damit die tragische Emotionalisierung der Zuschauer. Da eine Verdichtung der Handlung aber für die Komik kontraproduktiv ist, kann die Einheit des Ortes keinen dramaturgischen Sinn in der Komödie haben. Die Komödiendichter haben sich daher auch um sie nicht gekümmert, im Gegenteil: der Ortswechsel wird nicht selten als dramaturgisches Mittel zur Verstärkung der Komik eingesetzt und hat daher eine dem Requisitengebrauch ver–––––––––––– 64

Stierle (1976) 261.

Dramaturgie der komischen Handlung

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gleichbare Funktion. In der Lysistrate gibt es zwar keinen spektakulären Ortswechsel, aber immerhin gibt es einen Ortswechsel. Ort der Handlung ist im Prolog eine Straße in Athen, danach von der Parodos an bis zur Exodos der Eingang zur Akropolis mit unterschiedlichen Requisiten, durch die – wie in der Parodos und in der Kinesias-Myrrhine-Szene – der konkrete Ort der Handlung bedeutungslos wird. Für die Dramaturgie der Komödie ist jedoch entscheidend, dass der konkrete Ort der Handlung eingebettet ist in den historischen Raum des gleichzeitigen Athen und zu ihm geöffnet ist. Der Ort der Handlung ist ein offener Raum. Im Falle der Lysistrate ist es Athen im Winter oder Frühjahr 411 v. Chr. während des Peloponnesischen Krieges. Durch die Handlung wird keine eigene Komödien-Illusion ohne Beziehung zur historischen Wirklichkeit geschaffen, sondern der historische Raum Athen bleibt der Referenzort der komischphantastischen Welt und wird Teil einer umfassenden illusionistischen Komödienwelt. Da es keine geschlossene Bühnenwelt gibt, gibt es auch keine Illusionsdurchbrechung. Der Zuschauer wird in die utopisch-phantastische Welt der Komödie einbezogen, in der das Unmögliche möglich wird, und er wird damit Teil der Illusionsdarstellung. Dadurch wird die Direktheit der satirischen Funktion gesichert.

Form und Entwicklung der Handlung Der kohärenten und geschlossenen Handlung der Tragödie mit einer Beschränkung und Konzentration auf eine einzige Handlungslinie mit einer kausalen Verknüpfung der Handlungsteile und einem kontinuierlichen teleologischen Handlungsverlauf steht die offene Form der Komödie gegenüber, die weder auf die kausale Verknüpfung noch auf Kontinuität und Finalität der Handlung setzt, sondern die Autonomie der Handlungsteile ohne besondere Rücksicht auf das Ende favorisiert. An Stelle kausaler Verknüpfung der Handlungsteile dominiert ihre Reihung. Diese Autonomie ist die dramaturgische Voraussetzung für die Konstruktion komischer Situationen. Wichtiges Merkmal dieser Autonomie ist, dass die komischen Situationen überraschend ohne dramatische Vorbereitung und ohne Rücksicht auf die weitere Handlung aneinandergereiht werden65 und im Moment ihrer Darstellung in allen ihren Aspekten sichtbar werden, vor allem durch Aussehen und Art des Auftritts der Personen und durch Requisiten. Die Visualisierung der Handlung leitet ihre Verbalisierung ein. Im Unterschied zur Tragödie erhält in der Komödie die Visualisierung eine große Bedeutung, da sie Teil der Komik ist. Je unerwarteter und überraschender die komische Situation erscheint, desto entfesselnder wird das Lachen.66 Aber da die Wirkung schnell vergeht, bedarf es immer neuer komischer Situationen zum Auslösen des Lachens. ––––––––––––

65 66

Warning (1976) 285–295; Warning (1996) 910–913. Landfester (1977) 274.

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Einführung

Der dramaturgische Befund der Lysistrate bestätigt diese Handlungsform im Detail und im Ganzen. Dabei ist das Prinzip der Autonomie noch dadurch ausgedehnt und verstärkt, dass die Handlung nicht wie üblich einsträngig verläuft, sondern durch zwei parallel mit geringen Kontakten verlaufende und erst gegen Ende der Handlung im fünften Epeisodion (vv. 1072–1188) zusammengeführte Handlungsstränge bestimmt wird, durch die Lysistrate-Handlung mit der Vorbereitung und Durchführung des Liebesstreiks in den Schauspielerszenen (seit dem Prolog) und durch die Chorhandlung in den Chorliedern mit dem Streit und der gegenseitigen Verspottung der beiden Chorhälften, des Chors der alten Frauen und des Chors der alten Männer (seit der Parodos). Auch thematisch sind sie unterschieden. Die Lysistrate-Handlung steht vor allem im Zeichen des sexuellen Appetits der jungen Generation, sowohl seiner Steigerung als auch seiner Behinderung, während die Chorhandlung durch die Polarität der Geschlechter bestimmt ist. Beide Handlungsstränge haben darüber hinaus jeweils eine offene Handlungsstruktur. So ist die Probulen-Handlung des ersten Epeisodions (vv. 387– 466) und des Epirrhematischen Agons (vv. 467–613) weder kausal mit der vorangehenden Handlung verbunden noch hat sie Folgen für die weitere Handlung. Der Probule tritt ahnungslos und ohne Kenntnis der Revolution der Frauen auf und tritt unter folgenlosen Drohungen wieder ab. Die beiden Handlungsteile haben also keine Beziehung zum Verlauf der Handlung, obwohl sie fundamentale Bedeutung für das Verständnis der gesamten Komödie hat, da sie die Begründung für den Aufstand der Frauen liefern und den Frauen, namentlich der Protagonistin Lysistrate, eine den Männern überlegene politische Einsicht attestieren. Ihre dramatische Autonomie wird dabei durch die Form des Epirrhematischen Agons mit seiner differenzierten metrischen Struktur unterstützt und gefördert. Die offene Handlungsstruktur bestimmt auch die weitere LysistrateHandlung. In den drei folgenden Epeisodien wird in drei von einander unabhängigen Parallelhandlungen die Wirkung des Streikbeschlusses auf die Frauen Athens (Zweites Epeisodion, vv. 706–780), die Männer Athens (Drittes Epeisodion, vv. 829–979) und die Männer Spartas (Viertes Epeisodion, vv. 980–1013) dargestellt. Die Handlungen dieser Epeisodien sind die Folgen des Streikbeschlusses im Prolog und erhalten durch ihr Nebeneinander ihre je eigene komische Autonomie. Dabei wird gegen alle Erwartung als erstes die Wirkung des Streikbeschlusses auf die streikenden Frauen selbst, die den Streik nicht mehr aushalten, dargestellt, obwohl der Beschluss auf die Männer zielt, so dass keine Kontinuität der Handlung erreicht wird. Die Chorhandlung von der Parodos über die Parabase bis zu den Stasima hat erst recht diese offene Struktur mit der Autonomie der einzelnen Chorszenen, unterstützt durch die je eigene metrische Struktur. Insgesamt bringt es die Lysistrate mit ihren Schauspieler- und Chorszenen auf 15 komische Situationen, die nicht in „eine planmäßig voranschreitende Handlung eingegliedert“ sind67 und die nicht alle ––––––––––––

67

Holzberg-Übersetzung (2009) 159.

Dramaturgie der komischen Handlung

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„in klarem funktionalen Zusammenhang mit den Handlungszielen Lysistrates“68 stehen und nicht kausal untereinander verknüpft sind, sondern als Teile einer offenen Handlungsform durch Reihung, bisweilen im Sinne der Beliebigkeit, aufeinanderfolgen. Die Autonomie der Handlung ist aber nicht nur eine Erscheinung auf der Ebene der großen dramatischen Einheiten, der Schauspieler- sowie der Chorszenen, sondern auch innerhalb dieser Einheiten. Dazu gehört etwa das Schwuropfer (in der Form der Parodie) der Frauen zur Besiegelung des Streikbeschlusses (vv. 203–236), das Gebet der alten Frauen an Athena (in der Form einer Parodie) um Hilfe gegen die alten Männer (vv. 341–349), die anekdotische Kurzgeschichte über die Förderung von außerehelichen sexuellen Kontakten der Frauen durch ihre Männer (vv. 404–413), Lysistrates Einsatz eines Orakels (in der Form der Parodie), um die wankende Streitfront der Frauen zu stabilisieren (vv. 770–778), der Ausbau eines Liebesnestes durch Myrrhine zur Steigerung des sexuellen Hungers ihres Mannes (vv. 918–949), das Spiel mit dem unsichtbar-sichtbaren Phallos, das keine Bedeutung für die weitere Handlung hat (vv. 1072–1096), die Ironisierung nonverbaler Situationskomik (v. 1218). All diese Erscheinungen begründen eigene komische Situationen, die zur Atomisierung der Handlung beitragen. Eine Kurzform einer solch autonomen Komik ist das Verspotten (onomastí komodeín „namentlich in der Komödie verspotten“) historischer Personen vom Typ des Theogenes (v. 63) durch bloße Nennung des Namens. Die Autonomie der einzelnen Handlungssequenzen ist so groß, dass keine Rücksicht auf Widersprüche zwischen ihnen genommen wird, sondern dass diese aus Gründen punktueller Komik gesucht oder zugelassen sind. Die Komik hat Vorrang vor der Wahrscheinlichkeit der Handlung. So leisten zwar nach dem Prolog (vv. 99–106) alle Männer fern von Athen seit Langem Kriegsdienst, aber im zweiten Epeisodion wollen die Frauen den Streik schon nach wenigen Tagen abbrechen und nach Hause zurückkehren, weil sie ohne Sex nicht leben können. Und im dritten Epeisodion erscheint der von Liebesentzug geplagte Kinesias mit seinem kleinen Sohn, um seine Frau Myrrhine zum Streikabbruch und zur Rückkehr zu überreden, die im Prolog (vv. 102f.) geklagt hatte, dass ihr Mann schon seit fünf Monaten in Thrakien sei.

––––––––––––

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Schmitt (2008) 313.

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Einführung

Rezeption

Rezeption in der Antike und in der Frühen Neuzeit Die Lysistrate hat als Komödie weder in der Antike noch in der Frühen Neuzeit einen festen Platz im kulturellen Gedächtnis gefunden. Die Spurensuche bleibt ohne signifikante Ergebnisse. Wegen der manifesten sprachlich gesteuerten Visualisierung des Sexualtriebes waren die Berührungsängste mit dieser Komödie so groß, dass sie, der Pornographie zugerechnet, als politische Komödie nicht wahrgenommen wurde und ohne Wirkung blieb. Den anderen Komödien des Aristophanes ist dieses Schicksal in dieser Rigorosität erspart geblieben, wenn auch diese – und mit ihnen die gesamte literarische Gattung der Alten Komödie – für die weitere Geschichte der Komödie bedeutungslos blieben, da sie nicht nur wegen ihrer Derbheit und Obszönität (griech. aischrología „Sprechen über Unanständiges“) verachtet waren, sondern da sie schon seit dem 4. Jahrhundert v. Chr. auch als primitiv und daher nicht mehr als zeitgemäß galten69 und zudem als Personalsatiren moralisch diskreditiert waren. Nur die Wolken, die Frösche und der Plutos haben sich einigermaßen behaupten können, aber nicht wegen ihrer literarischen Eigenart als Komödien, sondern weil sie wegen ihrer Thematik gelesen wurden, die Wolken wegen des Umgangs mit dem Philosophen Sokrates, die Frösche wegen der literarischen und moralischen Wertungen der Tragödiendichter Aischylos und Euripides sowie der Plutos wegen der Behandlung des Reichtums als eines Problems der praktischen Philosophie. Dass bei diesem insgesamt geringen literarischen Interesse der Antike an den Komödien diese überhaupt überliefert sind, ist der antiken philologischen Wissenschaft zu danken, die sich nicht um diese Vorbehalte geschert hat, sondern sich intensiv von Aristophanes von Byzanz im 3. Jh. v. Chr. bis zu Didymos im 1./2. Jh. n. Chr. um die Textkonstitution und Texterklärung gekümmert und dafür gesorgt hat, dass diese Komödien überlieferungsfähig wurden. Als Lexikographie hat die Philologie dann seit dem 2. Jh. erreicht, dass der Wortschatz der Komödien zum Erlernen der zeitgenössischen Schriftsprache im Zeichen der klassischen Sprache Athens aktiviert wurde. Über die Grammatik wurden so jetzt die Komödien in den Schulunterricht integriert und waren auch als Ausgaben verfügbar, sie wurden aber als Darstellungen komischer Handlungen neutralisiert. Dieser lexikalische Zugriff hat wesentlich dazu beigetragen, dass die Komödien überhaupt erhalten sind, zumal diese klassizistische Sprachausbildung auch im byzantinischen Mittelalter im Bildungssystem erhalten blieb, so dass die Komödien trotz religiöser und moralischer Bedenken ediert und kommentiert wurden. ––––––––––––

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Aristoteles, Nikomachische Ethik, Buch 4, 14, 1128 a 26–b 2.

Rezeption

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Der insgesamt nicht sehr umfangreichen Präsenz der Komödien des Aristophanes im kulturellen Gedächtnis der Antike entspricht auch ihre eher bescheidene Rolle als Impulsgeber für die Produktion neuer Literatur. Die Komödiendichter konnten mit ihnen wenig anfangen, sie waren auf die Kunst der Neuen Komödie, namentlich Menanders, eingeschworen, die sich regelrecht im Kontrast zu den Kunstmitteln der Alten Komödie entwickelt hatte. Die übel beleumdeten Vulgaritäten und Obszönitäten hatten im lateinischen Iambus und Epigramm auch ohne die Alte Komödie ihren Platz gefunden und ausgebreitet, die Personalsatire in der lateinischen Satire und im lateinischem Iambus. Ein bekennender und produktiver Anhänger der Alten Komödie wurde in der Antike nur der griechische satirische Prosaschriftsteller Lukian (2. Jh. n. Chr.), der in seinen komödienähnlichen Dialogen die Darstellungsmittel der Alten Komödie einsetzte, so etwa die Verspottung des „Erhabenen“ (griech. ta semná) und „Wahren“ (griech. ta orthṓs échonta, Lukian, Dis kategorū ́ menos „Der doppelt Angeklagte“ 33) und die Darstellung phantastischer Handlungen im Himmel (Ikaroménippos „Menippos als Ikaros“) und in der Unterwelt (Nekrikoí diálogoi „Totengespräche“). Dagegen hat er die Erkennungszeichen der Alten Komödie, das Vulgäre und Obszöne, gemieden. Das plakativ Obszöne erscheint dagegen verwandelt ins anspielungsreiche dezent Erotische im Hetärenmilieu in der Art der Neuen Komödie (Hetairikoí diálogoi „Hetärengespräche“). Wenn auch einzelne Komödien immer wieder im kulturellen Gedächtnis der Antike Spuren hinterlassen haben, so ist die Lysistrate beinahe folgenlos geblieben. Die frühneuzeitliche Rezeption der Komödien des Aristophanes im Allgemeinen und der Lysistrate im Besonderen stand ganz unter dem Eindruck der Antike. Dadurch konnte sie nicht mit der griechischen Tragödie der klassischen Zeit mithalten, die mit ihrem unverwüstlichen Rezeptionspotential die Tragödie bis in die Gegenwart beeinflusste. Ohne Rücksicht auf antike Vorurteile erhielten die Komödien allerdings in der Wissenschaft seit der Editio princeps (1498/1516)70 einen festen Platz. Die lateinische Übersetzung des Andreas Divus (1538) erleichterte der lateinischsprachigen Welt den Zugang zu Aristophanes, aber die aus der Antike ererbten ästhetischen und moralischen Vorbehalte beeinträchtigten die Rezeptionsmöglichkeiten außerhalb der Wissenschaft. Das Dilemma der Rezeption als Schullektüre charakterisierte Simon Grynaeus in seiner Ausgabe von 1532,71 der als Melanchthon-Schüler die Möglichkeiten antiker heidnischer Texte in einem christlichen Umfeld durchaus positiv bewertete, aber ihre Gefahr für die Bildung durch Didaktik bannen wollte:72 Da „den herrlichsten Blüten“ (speciosissimi flores) das Obszöne (spurca) als tödliches Gift (exitiale maxime venenum) beigemischt sei, müsse seine Wirkung durch Beispiele christlicher Sittlichkeit verhindert werden. Gegen die Verführungen der Antike sollen die Schüler also eine christli–––––––––––– 70 71 72

S. o. Überlieferung des Textes. Grynaeus-Edition (1532) II–V. Holtermann (2004) 52.

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Einführung

che Schutzimpfung erhalten. So optimistisch war man bald nicht mehr. Vielmehr überwogen die moralischen Bedenken und setzten der Rezeption Grenzen. Immerhin kümmerte sich die Philologie nicht sonderlich um diese Bedenken. Bis zum Ende des 18. Jh.s erschienen zahlreiche Textausgaben aller elf Komödien, in der Regel mit lateinischen Übersetzungen. Dabei setzte man bei den Übersetzungen meist auf Bewährtes. Beliebt waren die sprachlich gelungenen metrischen lateinischen Übersetzungen von fünf am wenigsten vorbelasteten Komödien (Acharner, Ritter, Wolken, Frösche, Plutos, 1586) durch den deutschen Humanisten und Dichter Philipp Nicodemus Frischlin (1547–1590). Im Rahmen solcher Gesamtausgaben behauptete sich auch die metrische lateinische Übersetzung der Lysistrate durch den französischen Humanisten Florent Chrestien (Quintus Septimius Florens Christianus) bis ins 18. Jahrhundert hinein. Dieser hat offensichtlich unter dem Eindruck des lange dauernden politisch wie konfessionell bedingten Bürgerkriegs (Hugenottenkriege) in Frankreich (1562–1598) zwei der drei satirischen Friedenskomödien aus der Zeit des beinahe 30jährigen Krieges Athens mit Sparta, des Peloponnesischen Krieges, den Frieden (1589) und die Lysistrate (postum 1607 erschienen), in Versen übersetzt. Diese Übersetzungen gingen primär nicht auf ein philologische Interesse zurück, sondern waren Beispiele für satirisch-komische Darstellungen der Friedenssehnsucht in einer vergleichbaren historischen Kriegssituation. Sie waren historische Seitenstücke zu der von Florent Chrestien und anderen verfassten Satyre Menippée (1593), einer satirischen Polemik gegen den französischen Bürgerkrieg. Als Teil der monumentalen Ausgabe des Aristophanes (mit lateinischer Übersetzung, Scholien und Kommentar) durch Ludolph Küster73 blieb die Lysistrate-Übersetzung von Chrestien in der lateinischsprachigen Kulturwelt zwar verfügbar, blieb aber ungenutzt. Dazu hat nicht zuletzt die Übersetzung selbst beigetragen, denn in der frühneuzeitlichen Übersetzungstradition griechischer Literatur wurde das Obszöne häufig nicht entschärft durch Metonymien und dezente Metaphern, sondern durch das entsprechende lateinische obszöne Vokabular des Iambus und des Epigramms wiedergegeben, so dass die Übersetzung abschreckend wirkte. So wurde der für die Lysistrate kennzeichnende obszöne Leitterminus griech. péos „Schwanz“ etwa durch das gleichwertige lat. mentula oder penis übersetzt. Erst seit dem letzten Viertel des 18. Jahrhunderts gerieten die Komödien des Aristophanes zunehmend in den Blick der Erinnerungskultur, flankiert und gefördert zunächst durch nationalsprachliche Übersetzungen einzelner Stücke, darunter der ersten deutschen Übersetzung der Lysistrate durch August Christian Borheck (1806), dann auch bis zur Mitte des 19. Jh.s durch mehrere Übersetzungen aller elf erhaltenen Komödien in Deutschland und Frankreich.74 An die Stelle von Ablehnung und Empörung aus Gründen der Prüderie trat zunehmend eine verständnisvolle Duldung der Obszönitäten und Derbheiten als eine Eigenart der antiken Komödie. So konnte auch eine Frau wie die Herzo–––––––––––– 73 74

Küster-Edition (1710) 527–580. Giannopoulou (2007).

Rezeption

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gin Anna Amalia von Sachsen-Weimar-Eisenach „mit viel Vergnügen“ den Aristophanes zusammen mit Christoph Martin Wieland lesen, denn sein „beißender Witz ist unerschöpflich und mit alle dem hat er so viel Grazie, daß man ihm alles gern vergibt, selbst seine schmutzigen Sachen.“75 Aristophanes wurde sprichwörtlich „der ungezogne Liebling der Grazien.“76 Allerdings mied man in den nationalsprachlichen Übersetzungen die Obszönitäten und Derbheiten und ersetzte sie durch eine Redeweise, die den „Gebildeten“ zumutbar erschien. In diesem Sinne legitimierte Borheck seine Lysistrate-Übersetzung: „Der Dollmetscher des Aristophanes darf seine Worte nicht immer in Deutscher Sprache nachsprechen, sondern er muss, wo diese für unsre Sitten zu beleidigend seyn würden, nur ihren Sinn, diesen aber so ausdrücken, wie Aristophanes, schriebe er für eine gebildete Schaubühne unsrer Zeit, sich vielleicht ausgedrückt haben würde.“77 So wurde aus dem „Fernhalten müssen wir uns also vom Schwanz“ (v. 124) ein „Enthalten müssen wir uns vom Bettspiel.“ Die Theoretiker und Dichter der Romantik (Friedrich Schlegel; Ludwig Tieck) rehabilitierten schließlich die offene Form der Komödien als konstitutives Mittel der Komik, während die politischen Dichter des Vormärz Aristophanes als politischen Dichter entdeckten und für ihre eigenen Komödien verwerteten,78 ohne allerdings die Lysistrate produktiv zu benutzen, da die drastische Darstellung von Sexualität noch zu übermächtig war und den Zugang zum gesellschaftlich-politischen Potential der Komödie verhinderte. Die Karriere der Lysistrate als Objekt der Rezeption begann erst am Ende des 19. Jahrhunderts und hielt ohne wesentliche Einbrüche an bis in die Gegenwart, mit einer Fokussierung, die zwischen erotisch-sexuellem Interesse und gesellschaftlich-politischem Interesse schwankte. Dabei wurde das erotisch-sexuelle Interesse gefördert von dem neuen offenen Umgang mit Sexualität und Nacktheit in der Lebensreformbewegung der Jahrhundertwende, wenn auch die Derbheit und Obszönität der Darstellung dem neuen Ideal von der Natürlichkeit der Sexualität und Nacktheit nicht entsprachen und in den Adaptionen entsprechend gedämpft wurden. Diese wurden erst nach dem Zweiten Weltkrieg durchaus im Sinne der Antike aktiviert. Da aber seit der Jahrhundertwende immerhin die alte apotropäische Wirkung von Sexualität und Nacktheit in der Lysistrate verlorenging, konnte das gesellschaftlich-politische Potential unter dem Eindruck zeitgenössischer Entwicklungen der Frauenemanzipation und des Pazifismus neu wahrgenommen werden. Insbesondere die Friedensbewegung entdeckte in der Kette der Kriege (Erster Weltkrieg, Kalter Krieg, Vietnam-Krieg, Irak-Krieg) die Lysistrate für ihre Ziele. –––––––––––– 75 76

77 78

An Karl Ludwig von Knebel, 4.1.1784. J. W. von Goethe, Epilog zur Übersetzung der Vögel; dabei handelt es sich um eine Teilübersetzung mit dem Zusatz „Nach dem Aristophanes“, aufgeführt vor der Weimarer Hofgesellschaft 1780, gedruckt Leipzig 1787. Borheck-Übersetzung (1806) VI. Holtermann (2004).

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Einführung

Die Rezeption hat in ganz unterschiedlichen Medien deutliche Spuren hinterlassen79 und ihren Platz vor allem im Theater,80 sowohl im Musiktheater wie auch im Sprechtheater, gefunden, schließlich im Film,81 in der Illustration (Poster-/Plakat-Illustrationen zu den Aufführungen,82 Illustrationen zu Übersetzungen bzw. Situationen der Handlung83), dann eher randständig auch im Ballet,84 im Comic85 und in der fiktionalen Prosaliteratur (Roman86; Rede87). Keine Komödie des Aristophanes hat vom Beginn des 20. Jh.s bis in die Gegenwart eine vergleichbare Wirkung gehabt. Aufführungen in bewährten Übersetzungen, selten ohne aktualisierende Eingriffe, im öffentlichen Theater und freie Adaptionen „nach Aristophanes“ wurden ein bedeutender Faktor der modernen Theaterkultur. Selbst im Schüler- und Laientheater wurden sie beliebt. Allerdings hat keine der Adaptionen den Rang eines Klassikers mit neuer eigener Ausstrahlung erhalten.

Rezeption von 1800 bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts Am frühesten setzte die Rezeption im Musiktheater ein und etablierte sich nachhaltig durch freie Adaptionen in den verwandten komischen Gattungen des Vaudeville, der Oper, der Operette und des Musicals. Wenn auch der politische Aspekt (Krieg und Frieden) und die soziale Komponente (Gleichwertigkeit der Frau) in den frühen Musikstücken nicht völlig ausgeblendet waren, so wurde die politisch-soziale Dimension doch von der Erotik überlagert, so dass diese Adaptionen doch eher zu erotischen Stücken wurden. Was sich in der ersten Rezeptionsphase zeigte, blieb bis zu den Dreißigerjahren des 20. Jh.s üblich: Die Darstellung von Sexualität durch den Einsatz des Phallos und von weiblicher Nacktheit ist ersetzt durch Formen dezenter, bisweilen auch leicht frivol-lasziver Erotik im Stile der zeitgenössischen komischen Gattungen des Musiktheaters. Das Obszöne wurde dabei weichgespült. Das geschah in Übereinstimmung mit den auch philologisch orientierten Übersetzungen, die das sexuell Direkte milderten. Aus dem „Fernhalten müssen wir uns also vom Schwanz“ (v. 124) wurde ein „Dem Mann versagen“ (Droysen), ein „Der Männer enthalten“ (Seeger), ein „Des Manns enthalten“ (Schadewaldt) oder ein „Mit den Männern nicht ins Bett“ (Fried). Am Anfang der Rezeption steht die Lisistrata, ou Les Athéniennes von François-Benoît Hoffmann (Paris 1792; revidierte Fassung Paris 1802) als ––––––––––––

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Holtermann (2010) 107–120. Klein (2014); Kotzamani (2014); Beta (2016). Winkler (2016). Mitchell (2016). Beardsley; Picasso, Eggers, s. u. S. u.; Beta (2014) 837f. Winkler (2014) 931–935. Holtermann (2010) 113. Brückner-Adaption (1983), s. u.

Rezeption

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Vaudeville.88 Rezipiert wurden im Wesentlichen nur der Prolog und die Kinesias-Myrrhine-Szene, die ohne die aristophanische sexuelle Direktheit transformiert wurde. Die Männer sind nicht mehr durch den Streik erpressbar, sondern aus eigener Überzeugung friedensbereit. Eine neue Möglichkeit der Rezeption zeigt das Libretto Die Verschwornen von Ignaz Franz Castelli (1822– 1823), das die Handlung auf ein Schloss in Deutschland zur Zeit der Kreuzfahrerzüge verlegt und entsprechend ein neues Personal verlangt. Aus der Lysistrate ist jetzt eine Ludmilla geworden. Diese Art von äußerlich verdeckter Rezeption soll die Fremdheit der Antike ersetzen und wurde ein beliebtes Rezeptionsmodell bis in die Gegenwart. Auch in dieser Version sind die Männer nicht erpressbar, sondern antworten auf die Intrige der Frauen mit einer Gegenintrige und verweigern sich den Frauen, die nun ihrerseits nachgeben. Das Libretto wurde mehrfach vertont, u. a. von Franz Schubert – aus Gründen der Zensur – unter dem Titel Der häusliche Krieg (1823).89 Diese Vertonung wurde aber erst postum 1861 konzertant (Wien) und im selben Jahr szenisch (Frankfurt a. M.) aufgeführt.90 Erst eine spätere Auffrischung des Libretto durch Rolf Lauckner und eine musikalische Bearbeitung durch Fritz Busch und Donald F. Tovey machte das Singspiel unter dem Titel Die Weiberverschwörung oder Frauenlist und Männerklugheit seit 1922 erfolgreich, also zu einer Zeit, in der die Lysistrate regelrecht Mode geworden war. Traditionsbildend wurde die Lysistrata des Maurice Donnay mit der Musik von M. Dutacq (zuerst Paris 1892; danach in zahlreichen Übersetzungen), die erotisch aufgeladen ist einmal durch die Protagonistin selbst, die, bei Aristophanes asexuell, erotisch indifferent, ehelos und alterslos, jetzt einen Ehemann und zugleich einen Liebhaber erhält, zum anderen durch Hetären, die im Stile Lukians für ein raffiniertes erotisches Ambiente sorgen. Die Erotisierung der LysistrateGestalt ist für die Zukunft prägend geworden, die sich dann auch fast regelmäßig auf den Plakaten zu den Aufführungen findet. Verwandt ist dieser Lysistrate die Lysistrate der gleichnamigen Operette von Heinrich Bolten-Baeckers (Libretto) und Paul Lincke (Musik, zuerst Berlin 1902). Auch sie ist verheiratet. Zwar ist sie aktiv am Sexstreik beteiligt, lässt sich aber gleichzeitig von einem spartanischen Kriegsgefangenen verführen. Der in der antiken Fassung plakativ dargestellte männliche Sexualtrieb wird jetzt zur Sehnsucht von Mann und Frau nach dem „Glück“ der „Liebesseligkeit“: „Heiß der Blick und heiß der Kuss / und heiß die glühenden Wangen“, „wenn die Nacht sich niedersenkt“ (sog. Glühwürmchen-Idyll). Die Renaissance der Operette seit etwa 2000 ist dieser Lysistrate noch einmal zugutegekommen. Ganz im Sinne des Musiktheaters ist auch im gleichzeitigen Sprechtheater die drastische Darstellung der Sexualität gezähmt und auch das politischsoziale Potential reduziert, wie die Inszenierung der Lysistrata in der Bearbeitung von Leo Greiner durch Max Reinhardt in Berlin (zuerst 1912; danach bis –––––––––––– 88 89 90

Orfanos (2007); Holtermann (2010) 109. Schubert und Castelli-Adaption (1822/1823). Holtermann (2010) 109f.

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in die Zwanzigerjahre in zahlreichen Aufführungen) zeigt. Dass dadurch die Komödie des Aristophanes völlig ruiniert wurde, stellte der Philologe Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff91 sarkastisch fest: „Die Lysistrate ist jüngst auf die moderne Bühne gekommen: was hat unser wohlanständiges Jahrhundert gemacht? Die groben Worte gestrichen, und die Versöhnung und die Tänze auch; aber eine ekelhafte, lüsterne, kitzelnde Musik zugefügt (= die Musik von Humperdinck), die das Motiv der Kinesiasszene zu Ende führte und dem gekitzelten wohlanständigen Publikum die beruhigende und unausgesprochene Gewissheit gab, dass Myrrhine nun artig geworden war, und Kleonike (= Kalonike) auch, und Lysistrate, der Herr Ballhorn (= Greiner) einen Mann gegeben hatte, auch.“ Im Kontrast zur Entsexualisierung und zur mehr oder weniger dezenten zeitgemäßen Erotisierung des antiken Stücks steht die groteske Sexualisierung der acht Lysistrate-Zeichnungen des englischen Illustrators Aubrey Beardsley (1896),92 der sich durch Illustrationen zu Oskar Wildes Salome (1894) einen Namen gemacht hatte. Die Zeichnungen waren der ersten – anonym erschienenen – vollständigen englischen Übersetzung der Lysistrate von Samuel Smith (1896) als Illustrationen zur Komödie beigegeben, aber es handelt sich dabei weder um Illustrationen zur Komödie noch um solche zu der eher zeitgemäßen Übersetzung, sondern um assoziative autonome Darstellungen sexueller Phantasien, angeregt durch Momente der Handlung, aber ohne präzise Beziehung zu ihnen. Es sind Umrisszeichnungen, die an griechische Vasenbilder erinnern. In diesen Zeichnungen ist Nacktheit, weibliche wie männliche, in groteskfrivoler Art Trumpf. Die Sexualzonen sind besonders betont. Die Kleidung der Frauen, einschließlich der Lysistrate, ist kein Mittel der Bedeckung von Schamgegenden, sondern ein Rahmen zu ihrer Präsentation („Lysistrata haranguing the Athenian women“ / „Lysistrate, auf die Athenerinnen einredend“;93 „Cinesias entreating Myrrhina to coition“ / „Kinesias, Myrrhine zum Koitus bittend“.94 Anspielungen auf das Bordell-Milieu sind signifikant. Außerdem ist der Analbereich einbezogen, nicht nur als Bereich von Sexualität („The toilet of Lampito“ / „Die Morgentoilette der Lampito“),95 sondern auch als Mittel burlesk-derber Komik („Lysistrata defending the Acropolis“ / „Lysistrate, die Akropolis verteidigend“).96 Die männliche Nacktheit wird durch groteske Darstellungen des erigierten Phallos („The Lacedaemonian ambassadors“ / „Die spartanischen Gesandten“)97 bis zur halben Größe des Mannes („The examination of the Herald“ / „Die Untersuchung des Herolds“)98 markiert. Die Männer werden zu personifizierten Phalloi und umgekehrt der Phallos zur –––––––––––– 91 92 93 94 95 96 97 98

Flashar (2009) 385, Anm. 83. Walsh (2016) 231–238. Beardsley-Illustration (1896) 19. Beardsley-Illustration (1896) 63. Beardsley-Illustration (1896) 13. Beardsley-Illustration (1896) 19. Beardsley-Illustration (1896) 75. Beardsley-Illustration (1896) 69.

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‚Personifikation‘ des Mannes („Lysistrata shielding her coynte“ / „Lysistrate, ihren Schoß bedeckend“).99 Antike Satyrdarstellungen auf Vasen und antike Priapdarstellungen haben bei den Phallos-Darstellungen die Phantasie geleitet. Diese Zeichnungen waren eine Provokation im Viktorianischen Zeitalter, das auf Züchtigkeit getrimmt war.

Politisch-gesellschaftliche Aktualisierung in der Moderne Sehr bald erkannte man aber auch, dass die Lysistrate über das Erotische und Sexuelle hinaus ein politisch-gesellschaftliches Potential enthielt, das zu aktivieren man für lohnend hielt. Die Figur der Lysistrate bot sich an, über sie die Rolle und Bedeutung der Frau in der Politik, insbesondere in der Extremsituation eines Krieges, und in der Gesellschaft der Gegenwart darzustellen. Die Geschichte der Rezeption der Lysistrate ist integriert in die Geschichte der durchaus widersprüchlichen modernen Emanzipationsbewegung der Frau bzw. der Frauenbewegung, vereinzelt auch ihrer Skeptiker und Widersacher,100 und damit eng verbunden in die Antikriegs- und Pazifismus-Bewegung. Dadurch ist sie immer neu befeuert worden. Eine frühe gesellschaftliche Aktualisierung bot Laurence Housmann mit seiner Lysistrata, einer Paraphrase nach Aristophanes,101 die er als „a play of feminist propaganda“ im Zeichen der englischen Frauenbewegung der Jahrhundertwende einsetzte.102 Lysistrate wurde zur Ikone der Frauenemanzipation und mit ihr Praxagora aus der Frauenvolksversammlung. Weniger programmatisch, aber mit eindeutig politisch-gesellschaftlicher Perspektive bei gleichzeitiger Vermehrung komischer Elemente im Stil der Operette bzw. des Musicals hat Gilbert Seldes „a new version“ der Lysistrate verfasst (New York 1930; Neuausgabe mit Illustrationen von Pablo Picasso, New York 1934), die in der Inszenierung von Norman Bel Geddes 1930 in Philadelphia aufgeführt wurde und unmittelbar danach am Broadway in 256 Aufführungen eine außergewöhnliche Karriere machte.103 Sie war das erste Beispiel für die Rezeption einer antiken Komödie in den USA. Sie wurde in der Theaterpraxis bis in die Sechzigerjahre hinein zu einem Klassiker und bereitete dadurch den Boden für die weitere Rezeption der Lysistrate im Theater vor, auch über die USA hinaus.104 Die politische Dimension konzentriert sich dabei vor allem auf die Figur der Lysistrate, die um die Ursachen und Folgen des Krieges weiß und entschlossen ist, ihn zu beenden. Sie ähnelt damit der antiken Lysistrate, gewinnt ihr gegenüber aber durch Entschiedenheit und Beharrlichkeit an politisch–––––––––––– 99 100 101 102 103 104

Beardsley-Illustration (1896) Frontispiz. Holtermann (2010) 112f. Housman-Adaption (1910). Hall (2007) 87f. Kotzamani (2014). Beta (2014).

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moralischer Größe. Gegenüber dem antiken Stück ist zwar die drastische Sexualität gemieden, aber die Erotik im Sinne des frühen Musiktheaters ist vermehrt und garantiert als Gegengewicht zur ernsten Lysistrate-Gestalt der Adaption die Komik. So wird das Motiv des sexuellen Appetits des Mannes in der Kinesias-Myrrhine-Szene durch Einführung weiterer Paare expandiert. Und die Mitstreiterinnen der Lysistrate wollen von den Korintherinnen, die hier professionelle Kurtisanen sind, lernen, wie man mit Männern umgeht. Pablo Picassso hat diese Adaption 1934 mit sechs präzis gearbeiteten Radierungen und 34 skizzenartigen Zeichnungen illustriert.105 In Übereinstimmung mit der neuen Textfassung sind diese Illustrationen frei von der drastischen Sexualität des Originals. Insgesamt ist auch die Erotik nur sehr gedämpft dargestellt. In der Mehrzahl illustrieren diese Zeichnungen zwar die Handlung, aber in einzelnen Fällen bleibt diese Beziehung kryptisch. Im Zentrum der Radierungen steht die Gestalt der Lysistrate, die, konzipiert ohne erotische Konnotation im Sinne der Bearbeitung und auch des Aristophanes, als Führerin die Frauen auf den Streik einschwört, die waffenstarrenden Kriegsgegner zum Friedensschluss bewegt und am Ende dem ausgelassenen Friedensfest der versöhnten Männer und Frauen distanziert zuschaut. Die Lysistrate als Friedensstifterin in den Radierungen wird in den Zeichnungen flankiert von einer Lysistrate, die mit ihren Mitstreiterinnen in der Art von Mänaden oder Amazonen die Männer mit Waffengewalt besiegt und dadurch zum Symbol für die Überlegenheit der Frau wird. So richtig Fahrt nahm die politisch-gesellschaftlich orientierte Rezeption der Lysistrate aber erst in den späten Fünfzigerjahren im Theater und im Film auf, insbesondere als pazifistische Komödie auf dem Hintergrund des Kalten Krieges (Gefahr der atomaren Vernichtung durch Wettrüsten),106 bisweilen versetzt mit einer Portion Antiamerikanismus oder feministisch aufgerüstet durch das Ideologem „Krieg als Ausdruck und Folge des Patriarchats“. Zu den frühen Beispielen zählt Fritz Kortners Fernsehspiel Die Sendung der Lysistrata (1961),107 das durch eine Rahmenhandlung als pazifistische Komödie mit einer leichten antiamerikanischen Einfärbung aktualisiert wurde. Begleitet wurde die Aufführung von dem Streit der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, ob diese Komödie überhaupt gezeigt werden dürfe, da sie „das sittliche Empfinden“ der Zuschauer verletze und politisch einseitig sei. Bis auf den Bayerischen Rundfunk zeigten schließlich alle Rundfunkanstalten die Lysistrata. Eine bessere Werbung als dieser Streit konnte die Lysistrata Kortners nicht bekommen, die natürlich auch der antiken Komödie zugutekam und sie öffentlich bekannt machte. Selbst wenn die drastischen sexuellen Elemente des Originals entschärft waren, blieb doch noch genug aristophanische Komik übrig. Auch der von Kortner hinzugefügte neue Schluss (in Analogie zur Anrede der Praxagora an eine Lampe im Prolog der Frauen in der Volksversammlung ist ––––––––––––

105 Picasso-Illustration (1934). 106 Holtermann (2010) 114–116. 107 Winkler (2014) 915–922.

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gut aristophanisch: „Betttuch, hautnächster Zeuge und verschwiegener Dulder unseres nächtlichen Tuns, du Fahne des Lebens, sei gehisst!“ Mit Rolf Hochhuths Lysistrate und die Nato (1973)108 setzte sich der schon ältere Typus einer Adaption durch, der sich nicht mehr auf indirekte Aktualisierung im Rahmen der aristophanischen Handlung verließ oder wie im Falle Kortners durch eine Rahmenhandlung die Zuschauer auf die Tendenz der Aktualisierung vorbereitete, sondern durch mehr oder weniger massive Modernisierung die Fremdheit der antiken Komödie aufheben will. So trägt Hochhuths Lysistrate ihre politische Aktualisierung bereits im Titel. Ort, Zeit und Personennamen sind modernisiert, erinnern in ihrer Gräzisierung aber an die antike Komödie: Das Stück spielt vor dem Hintergrund der geplanten Errichtung eines US-Raketenstützpunktes auf einer ägäischen Insel der Gegenwart. Die Frauen fürchten, dass im Falle eines Krieges die Insel zum Ziel russischer Raketen wird. Da ihre Männer bereit sind, für die Errichtung des Stützpunktes ihr Land zu verkaufen, schließen sich die Frauen unter Führung der Parlamentsabgeordneten Dr. Lysistrate Lousidis zusammen und sind zum Sexstreik entschlossen, um den Verkauf zu verhindern. Die Männer geben schließlich nach. Damit endet aber die Komödie nicht: Nicht nur die eigenen Männer müssen gewonnenen werden, sondern auch die Mitglieder der staatlichen Kommission, die das Projekt durchsetzen will, müssen umgestimmt werden. Das geschieht nicht mit den Mitteln männlicher Vernünftigkeit, sondern im Geiste des Feminismus einer Germaine Greer und ihres geistigen Vorfahren und Verführers Johann Jakob Bachofen mit den weiblichen Stärken der Erotik und Sexualität, kurz: mit den Mitteln der „Freude“.109 Da werden die Seitensprünge feministisch geadelt, die in den älteren Adaptionen Mittel lasziver Komik sind. Diese Variante des Feminismus ist zwar selten direkt zur Aktualisierung der Lysistrate eingesetzt worden, hat sich aber punktuell mit der pazifistischen Protestbewegung Make love not war verbündet. Daneben hat sie vor allem Christine Brückner110 in der fiktiven Rede Du irrst, Lysistrate! Die Rede der Hetäre Megara an Lysistrate und die Frauen von Athen gegen Ziel und Sinn der Aktion der Lysistrate genutzt: Man muss den Männern die Lust am Kriege nehmen, indem man sie „wollüstig und geil wie Pan“ macht. „Lust ist ein Fieber, das ansteckt. Eine Epidemie wird sich in Athen ausbreiten“111 und Athen zu einem „Freudenhaus“112 machen. Auf dem Hintergrund pazifistischer und gesellschaftskritischer Bewegungen entwickelten sich zunächst die deutschsprachigen Usurpationen der Ly––––––––––––

108 Hochhuth-Adaption (1973); uraufgeführt 1974 in Essen, Wien und Hamburg; als Musical in starker Verkürzung unter dem Titel Inselkomödie 2010 in Berlin aufgeführt mit zusätzlich zehn erotischen Gedichten, mit der Musik von Florian Fries. 109 Hochhuth-Adaption (1973) 90. 110 Brückner-Adaption (1983). 111 Brückner-Adaption (1983) 70. 112 Brückner-Adaption (1983) 65.

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sistrate. Dazu gehören die Lysistrata von Erich Fried (1979),113 der Liebesstreik (1984) von Peter-Paul Zahl114 und die Friedensfrau von Walter Jens (1986).115 Hier meldeten sich entschiedene politische Moralisten. Dabei verlässt sich Fried, der Lyriker und Übersetzer, mehr auf die Aussagekraft der antiken Komödie, auf ihre Dramaturgie und auf ihre Komik und aktualisiert eher indirekt, während Jens, der geborene Altphilologe, den Aristophanes manifest einerseits durch Raffung der Handlung zu Gunsten von eindeutiger politischer Aussage und andererseits durch ihre Expansion zu Lasten der Komik modernisiert und ihn dabei zu einem Mittel aktiver Friedenspolitik macht. Daher kann Jens mit einem einfachen Appell an die Zuschauer das Stück beenden:116 „Ihr aber, liebe Freunde, / Wollt besorgt sein, / Dass der Wunschtraum dieses kecken Stücks, / Versöhnung, Frieden und Geselligkeit / – Und Freundschaft zwischen jedermann! – / Nicht nur Theatermärchen bleibt.“ Dagegen sichert Fried die Botschaft der Komödie für die Gegenwart durch einen eigenen Epilog:117 „Das Spiel ist aus. Noch nicht aus sind die Kriege. / … / Auch Aristophanes hat nicht geglaubt, / es sei so leicht, den Wahnsinn zu beenden, / nur: dass es Wahnsinn war, das wolltʼ er zeigen, / und dass es denkbar wäre, dass die Liebe / siegt über Vorurteil und altgewohnten Hass.“ Aber nicht nur durchgreifende Adaptionen, sondern auch leicht aktualisierte Übersetzungen wurden zum politischen Mittel. So wurde die antike Komödie selbst 2003 im Zusammenhang mit dem drohenden Irak-Krieg zu einem weltweiten Protest gegen Krieg eingesetzt, allerdings offensichtlich mit geringer Beteiligung der deutschsprachigen Länder.118 Auf Initiative der amerikanischen Schauspielerinnen Kathryn Blume und Sharron Bower wurden für den 3. März 2003 1.029 Lesungen der Komödie in 59 Ländern organisiert, die unmittelbar 225.000 Menschen erreichten und Lysistrate zur Ikone einer neubelebten Friedensbewegung machten. Ohne den Umweg über Aristophanes gab es immer wieder mehr oder weniger gut bezeugte, bisweilen auch skurril-komisch anmutende Initiativen, das Mittel des Sexstreiks zur Durchsetzung politischer und sozialer Ziele einzusetzen: 1908 Frauen gegen die Prügelstrafe in preußischen Zuchthäusern,119 2003 Frauen in Liberia gegen den Bürgerkrieg; 2003 Frauen in Neapel gegen die Böller an Silvester; 2012 Frauen in Togo gegen eine Wahlrechtsreform zugunsten des Präsidenten.

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113 Fried-Adaption (1979), Ruhrfestspiele Recklinghausen unter dem Patronat des Deutschen Gewerkschaftsbundes. 114 Zahl-Adaption (1984). 115 Jens-Adaption (1986), mit der Widmung: „Meinen Freunden von der Friedensgruppe GUSTAV HEINEMANN Tübingen“. 116 Jens-Adaption (1986) 78. 117 Fried-Adaption (1984) 74; Janka (2000). 118 Holtermann (2010) 118; Hardwick (2010) 82; Winkler (2014) 936f. 119 Weinreich (1953) LXIIIf.

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Erotisch-sexuelle Aktualisierung in der Moderne Die Darstellungen Beardleys sind zunächst folgenlos geblieben. Eine drastische Erotisierung und Sexualisierung ist sowohl in den Adaptionen als auch in ihren Inszenierungen bis zur Mitte des 20. Jh.s gemieden worden. Eine Konzentration auf eine allerdings eher gedämpfte Erotik in Fortsetzung des älteren Musiktheaters bieten zwei Ballette (Balletpantomimen) des Tanztheaters der Jahrhundertmitte,120 die Lysistrata (in elf Szenen mit von einem Chor gesprochenen Texten der Komödie zum Verständnis der Handlung) von Boris Blacher (1950; Uraufführung Berlin 1951; Zwölftontechnik) und der Weiberstreik von Athen (in fünf Szenen mit verbindenden Worten eines Conférenciers zum Verständnis der Handlung) von Richard Mohaupt (1955; Uraufführung Karlsruhe 1957). Dabei wurden durch die Choreographie alle Register der Erotik in der Auseinandersetzung der Geschlechter gezogen. Die drastische Sexualisierung setzte erst mit der Sexuellen Revolution in den Sechzigerjahren ein. Seitdem gehörte der Einsatz des Phallos – auch in der erigierten Form – zu den vor allem provokativen Inszenierungsüblichkeiten der Theaterpraxis,121 die bisweilen im Namen historischer Angemessenheit von der Klassischen Philologie sekundiert wurden. Dabei ging die politische Botschaft der Komödie als Friedenskomödie weitgehend verloren. Auch im Bereich der Kunst wurde das erotische Potential entdeckt. Von Wilhelm P. E. (Eggers stammt eine Sammlung von neun kolorierten surrealerotischen Radierungen, die unter der Bezeichnung Lysistrata mit erzählenden Untertiteln an Situationen und Figuren der antiken Komödie anknüpfen (1970) und an die Darstellungen Beardleys erinnern.122 Wenn auch der Titel auf die Figur der Protagonistin verweist, so haben die Darstellungen mit der antiken Figur selbst nichts zu tun, da die antike Lysistrate nicht erotisch konzipiert ist. Vor allem weibliche Nacktheit steht im Zentrum. Blatt 3 spielt auf die Schwurszene des Prologs an (vv. 217–224): „… zu Hause will ich sitzen, unberührt im gelben Schal, geschminkt und schön geputzt …“ Aber auch der erigierte Phallos kommt zu seinem Recht, der als autonome Figur dargestellt ist (Blatt 6): „… wie ertragen es die Lenden, wie erträgt es der Schweif, der begehrlich sich bäumt und am Morgen begehrlich sich umsieht …“ In zeitlichem Zusammenhang mit den Lysistrata-Radierungen konzipierte Eggers ein Plakat zu der Ausstellung Erotic Art der „Sammlung Kronhausen“ in der Galerie Ostentor in Dortmund (1970), das das Motiv des erigierten Phallos aus dem Lysistrata-Zyklus übernahm und eine nackte Frau zeigt, die sich in kauernder Stellung an einen riesigen Phallos lehnt. Die Stadt Dortmund ließ die Darstellung auf den 3000 Plakaten mit einem Silberstreifen überkleben, weil sie als „sittenwidrig“ und „unzüchtig“ eingeschätzt wurde, was auch einer zeitgemäßen Rechtsauffassung entsprach. Damit wurde eine Praxis erneuert, ––––––––––––

120 Beta (2010) 251f.; Beta (2014) 837f. 121 Holtermann (2010) 117. 122 Eggers-Illustration (1970).

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die in der Zeit der Gegenreformation (2. Hälfte des 16. Jh.s) vor allem durch den Einsatz des Feigenblattes zur Verdeckung der Genitalien in der Renaissancekunst (Malerei und Skulptur) üblich war. Wenn auch in der Moderne seit den Siebzigerjahren solche Darstellungen rechtlich unproblematisch waren und auch in der exklusiven Öffentlichkeit von Ausstellungen toleriert waren, wurden sie im öffentlichen Raum doch immer wieder als anstößig empfunden, so der Fries Friede sei mit dir von Peter Lenk (2009) mit einem sich über fünf Stockwerke erstreckenden erigierten Penis am taz-Gebäude in Berlin (Pimmel über Berlin) und die Skulpturen Geiler deutscher Adler und Lüstling mit erigierten Phalloi (nach Art von Hermendarstellungen) von Ulrich Tarlatt, die aus einer Ausstellung im Magdeburger Landtag (1991) vorübergehend entfernt wurden.123 Vor allem in der Literatur und im Film setzte sich immer mehr die erotisch-sexuelle Ausbeutung der Komödie durch. Das Handlungsmotiv des Sexstreiks, ursprünglich ein Mittel zum Zweck des Friedens, verselbstständigte sich häufig und beflügelte immer neu die erotisch-sexuellen Phantasien und ihre sprachliche Gestaltung. Ganz in diesem Sinne ist die Lysistrata von Rebekka Kricheldorf (Uraufführung Osnabrück 2013) konzipiert, die unter der Zusammenfassung „König Sex regiert die Welt“ gewürdigt wurde.124 Die Inszenierung sorgte dann ganz in Übereinstimmung mit der modernen Theaterpraxis für eine Steigerung der Erotik durch textunabhängige SlapstickElemente. Männer wie Frauen sind sexuell gesteuert. Am Ende wird eine Friedensorgie gefeiert, und Männer wie Frauen jubeln; und das waren ihre letzten Worte „Ficken, ficken, ficken!“. Die Entwicklung zum Typus der Geschlechterkomödie dominierte vor allem im Medium des Films und Musicals. In ihnen ist die Lysistrate meist nur noch incognito in einer neuen Welt untergetaucht, in der einige Figuren und Handlungsmotive bisweilen immerhin an Aristophanes erinnern oder aristophanesk geprägt sind. Das sind die Schleichwege der Rezeption. Da geht es nicht mehr um die Verhinderung oder Beendigung eines Krieges, sondern etwa um den Protest gegen eine Müllverwertungsanlage für Giftmüll in Schönstett.125 In Übereinstimmung mit der antiken Lysistrate haben auch ihre neuzeitlichen Nachfahren mit dem Sexstreik in der Regel Erfolg, wenn auch gelegentlich die Männer wie schon im Libretto Die Verschwornen von Ignaz Franz Castelli (1822–1823) nicht erpressbar sind, sondern sich auch ihrerseits den Frauen verweigern, die nun nachgeben. Das bedeutet eine Einbuße an Komik, die wesentlich von dem Sieg der gesellschaftlich und physisch schwächeren Frauen über die überlegenen Männer lebte.

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123 Spiegel-Online (Printausgabe) 45, 04.11.1991. 124 Die Welt, 7.2.2013. 125 Fernsehfilm Sexstreik!, Sat.1, 2.2.2010, 3,17 Millionen Zuschauer; Wiederholung 28.5.2016; Regie: Thomas Nennstiel; Drehbuch Bettina Bögerding und Iris Uhlenbruch.

Rezeption

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Eine neue Antwort auf die antike Lysistrate bietet die Comic-Version Lysistrata von Ralf König,126 eine Antwort freilich, die einen Gegenentwurf bedeutet. Die komische Handlung ist nicht bestimmt durch den Antagonismus der Geschlechter von Mann und Frau, sondern durch den der Formen der Sexualität von Heterosexualität und Homosexualität. Mit diesem Thema beteiligt sich die Comic-Version an den Diskursen über die unterschiedlichen Formen von Sexualität in einer Zeit, in der die Homosexualität unter Männern (nach § 175 StGB) noch (bis 1994) strafbar war. Sie schafft neue Möglichkeiten der Komik, nicht nur der verbalen Komik, sondern der Gattung entsprechend auch der nonverbalen visuellen Komik, die im Falle von Theateraufführungen die Inszenierung garantiert. Der fiktive Schauplatz der Handlung mitsamt seinen Figuren ist zwar wie in der antiken Lysistrate Athen während des Peloponnesischen Krieges, aber er ist durchgehend offen zur deutschen Gegenwart der 1980er Jahre. Diese Offenheit reicht von Haushaltsgeräten, Zigarettenmarken und bekannten Werbesprüchen über betont heterosexuelle Fernseh- und Kinohelden zu den Kultfiguren der Schwulenszene, deren Vertreter sich abends keine Episode des DenverClan entgehen lassen. Auf diese Weise rückt einerseits die Antike dem Leser näher, andererseits ist die anachronistische Kollision von Antike und Moderne eine besondere Form von Komik. Offen ist die fiktive Handlung aber nicht nur zur historischen Situation der Gegenwart, sondern auch zur Situation des modernen Lesers, der in der Rolle eines zeitgenössischen Zuschauers die Handlung wahrnimmt. Mit diesen Formen der Offenheit werden Möglichkeiten der Komik gewonnen, die unter der Bezeichnung der Illusionsdurchbrechung ihre Analogie in den Komödien des Aristophanes haben. Auch andere aristophaneske Formen der Komik wie die „sprechenden“ Namen – ohnehin bei den Comic-Klassikern üblich – sind beliebt. So erklärt Hepatitos, sein Name sei mit „Leberentzündung" zu übersetzen;127 andere Männer agieren als Gegner der Lysistrata unter den Namen wie Domestos, Ohropax, Kleenax, Sülzos, Hefklos, Schnüfnas und Ödipos. Ganz neue Formen der Komik werden dann durch die bildliche Darstellung gewonnen, die von der Karikatur bestimmt ist. In der Opposition von Heterosexualität und Homosexualität wird die Homosexualität zu einem zentralen Handlungselement, die im Konzept der antiken Lysistrate keine Rolle spielt und nur einmal als beiläufiges Motiv begegnet, als der athenische Gesandte (vv. 1090–1092) in seiner heterosexuellen Not an eine homoerotische Notlösung denkt, die die in Athen mit seiner gesellschaftlich akzeptierten Homosexualität ohnehin naheliegt: „Ja, bei Zeus, (durch den Streik) sind wir Athener ganz erledigt. / Und wenn uns nicht bald jemand den Frieden vermittelt, / werden wir mit Kleisthenes vögeln müssen.“ ––––––––––––

126 König-Adaption (1987); spanische Verfilmung unter dem Titel Lisístrata durch Francesc Bellmunt 2002; deutschsprachige Fassung 2004; Spiegel-Online (Printausgabe)51, 13.12.2004, mit Urteil Königs über den Film. 127 König-Adaption (1987) 110.

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Einführung

Auf dem Antagonismus von Heterosexualität (mit der Folge von Krieg) und Homosexualität (mit der Verheißung von Frieden) beruht die Entwicklung der Handlung: Der Beschluss der Frauen, die Männer durch einen Sexstreik dazu zu bringen, den Krieg zu beenden, wird durch die Gegenmaßnahme des Transvestiten Hepatitos unterlaufen, die Soldaten Athens durch „Zwangshomosexualität“ von ihrer heterosexuellen Not zu erlösen und die Männer aus eigenem Antrieb zum Friedensschluss zu bringen. Da auch die Spartaner von den Verlockungen der Homosexualität geleitet werden, lassen die Kontrahenten im sechstem Akt auf dem Schlachtfeld die Schwerter fallen und leiten im Sinne des Make love not war durch einen plakativen Männerkuss den Frieden ein.128 Aber es ist – anders als in der antiken Lysistrate – kein ewiger dauerhafter Friede, denn die Homosexualität ist auf Dauer nicht durchsetzbar, da die Frauen nicht zur Homosexualität bereit sind. „Diese Frauen werden ganz sicher nicht lesbisch. Die lieben ihre Kerle. Die sind sogar ganz wild darauf, diesen primitiven Barbaren wieder die Socken zu waschen. … Die Götter haben diese Welt nun mal überwiegend heterosexuell gestaltet. … Daran können wir nichts ändern."129 Und der Protagonistin Lysistrata, die sich im ersten Akt als Lesbe und damit als prinzipielle Kriegsgegnerin präsentiert, und ihrer politischen wie persönlichen Freundin Lampito will Zeus als Repräsentant einer heterosexuellen und patriarchalischen Gesellschaftsordnung im siebten Akt am Ende zeigen, was für ein echter „Kerl“ er sei.130 Neben den Adaptionen mit einseitiger Gewichtung sind immer wieder Bearbeitungen entstanden, die das antike Stück durch moderate Modernisierung und Aktualisierung ohne nachhaltige Kommentierung für die Gegenwart attraktiv machen wollten. Dazu gehört etwa die Lysistrata, or Loose Strife des Theaterregisseurs David Stuttard, der, sekundiert von Klassischen Philologen, „a modern version“ „after Aristophanes“ vorlegte.131 Mit ihr gestaltet er „a parallel world, the foundation of which is fifth-century Athens, but which is inhabited by characters with an experience of early twenty-first-century British history and mores.”132 Entsprechend erhalten die Personen der Komödie englische Namen: Lycy (= Lysistrata), Nikki (= Calonike) usw. Durch diese anachronistische Analogie von Antike und Gegenwart wird die Fremdheit des historischen griechischen Ambiente aufgelöst und gleichzeitig ein neues Mittel der Komik geschaffen. Je konkreter jedoch die Analogie ausfällt, umso schneller veraltet sie. Aber das ist das Dilemma aller Formen der Rezeption einschließlich einer historisch angemessenen Übersetzung: Die Aktualisierung ist eine stets neue und gleichzeitig schnell alternde Aufgabe.

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128 129 130 131 132

König-Adaption (1987) 96. König-Adaption (1987) 111. König-Adaption (1987) 125. Stuttard-Adaption (2010) 92–153. Stuttard (2010) 9.

Text, Übersetzung, Kommentar

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Prolog: 1–5

Ort der Handlung im Prolog (vv. 1–253): Straße in Athen vor den Häusern der Lysistrate und der Kalonike am frühen Morgen. Ort der Handlung von der Parodos bis zur Exodos (vv. 254–1321): Vor dem Eingang zur Akropolis in Athen. Zeit der Handlung: Während des Peloponnesischen Krieges im Jahre 411 v. Chr. Personen: Lysistrate, Kalonike und Myrrhine aus Athen, Lampito aus Sparta, Ratsherr/Probule aus Athen, einige namenlose alte und junge Frauen aus Athen, Kinesias aus Athen (Ehemann der Myrrhine), Kind des Kinesias und der Myrrhine, Herold der Spartaner, Gesandter der Spartaner, zwei Gesandte der Athener, Chor der alten Männer und Chor der alten Frauen aus Athen. Stumme Personen: Frauen aus Athen, Frauen aus Sparta, eine Frau aus Korinth, Ismenia (eine Frau aus Theben), eine skythische Frau (Sklavin der Lysistrate), Sklaven des Ratsherrn/Probulen, vier skythische Bogenschützen (als Polizisten), alte Frauen, Manes (Sklave des Kinesias), Gesandte der Spartaner, Sklaven der spartanischen Gesandten, Gesandte der Athener, Versöhnung (als Personifikation), Türhüter.

Prolog. Straße in Athen vor den Häusern der Lysistrate und der Kalonike am frühen Morgen. Die Häuser werden repräsentiert durch die zwei kleineren Türen des Bühnenhauses (skēnḗ), das über insgesamt drei Türen verfügt. Lysistrate kommt aus einer der kleinen Türen, unruhig um sich blickend. Lysistrate Ja, hätte man sie zum Fest des Dionysos gerufen Oder zum Fest des Pan oder zum Tempel der Geburtsgöttin Aphrodite in Kolias, da wäre vor lauter Tamburinen kein Durchkommen. Jetzt aber ist keine einzige Frau hier zu sehen. (Die Tür des Nachbarhauses öffnet sich. Kalonike tritt aus dem Haus.) 5 Außer meiner Nachbarin, die da herauskommt.

Λυσιστράτη ἀλλ᾽ εἴ τις εἰς Βακχεῖον αὐτὰς ἐκάλεσεν, ἢ ҆ς Πανὸς ἢ ҆πὶ Κωλιάδ᾽ εἰς Γενετυλλίδος, οὐδ᾽ ἂν διελθεῖν ἦν ἂν ὑπὸ τῶν τυμπάνων. νῦν δ᾽ οὐδεμία πάρεστιν ἐνταυθοῖ γυνήꞏ πλὴν ἥ γ᾽ ἐμὴ κωμῆτις ἥδ᾽ ἐξέρχεται.

5

Kommentar

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1–253 Prolog. Der Prolog umfasst als Bauteil der Komödie – wie auch als Bauteil der Tragödie – den Teil der Handlung vor dem Einzugslied des Chores, der Parodos. Er ist daher eine reine Schauspielerszene und hat, wie bei Aristophanes üblich, die Form des Dialogs. Die Protagonistin Lysistrate, deren Name als „Heerauflöserin“ Programm ist, hat die jungen verheirateten Frauen Athens, Spartas und aller anderen kriegführenden Städte Griechenlands nach Athen gerufen, um sie für ihren Plan zu gewinnen, die Männer durch einen Liebesstreik zum Friedensschluss zu zwingen und auf diese Weise „Griechenland zu retten“ (v. 41). Gemeinsam mit der Spartanerin Lampito gelingt es Lysistrate, die zögernden und zweifelnden Frauen zum Mitmachen zu bewegen und sich durch ein Gelöbnis ihre Gefolgschaft zu sichern. Flankiert wird der geplante Liebesstreik zur Erzwingung des Friedens durch die von Lysistrate initiierte gleichzeitige Besetzung der Akropolis durch die alten Frauen Athens, damit die dort untergebrachte Staatskasse nicht mehr für den Krieg genutzt werden kann (vv. 175–179). Der Prolog hat, wie alle Prologe des Aristophanes, eine doppelte Funktion, einmal die Exposition der Handlung, zum andern ihre schnelle Komifizierung ohne Rücksicht auf die weitere Handlung. Zur Exposition der Handlung zählen die Einführung der Protagonistin Lysistrate und ihrer Helferinnen (junge Frauen aus ganz Griechenland; alte Frauen aus Athen) sowie die Vorstellung ihrer Handlungsziele (Erzwingung des Friedens) und der Strategie (Sexstreik). Hierin ist auch die komische Grundstruktur der Handlung angelegt: die überraschende Koppelung des Heterogenen, des Öffentlich-Politischen mit dem Privat-Intimen. Diese strukturelle Komik wird in der weiteren Handlung immer wieder in neuen Situationen aktualisiert und dabei variiert. Mit der Exposition, die die Voraussetzungen und Ziele der Handlung entwickelt, sind Handlungsteile verbunden, die ohne Rücksicht auf die Entwicklung der Handlung autonome komische Situationen darstellen und den Primat der Komik über die Entwicklung der Handlung bedeuten und die Handlung als Entwicklung ‚unterbrechen‘. Solche komischen Einzelsituationen werden in der Regel nicht vorbereitet, sondern sie schließen unvermittelt an und begünstigen dadurch die Komik. Die für die Entwicklung der Handlung irrelevante Situationskomik ist eine spezifische Form der Komik der aristophanischen Komödien. Dazu gehören im Prolog der Lysistrate etwa die eindeutigen Zweideutigkeiten (vv. 21–31), die ganze Schwurszene (vv. 181–239), aber auch die Verspottung historischer Personen, die keine Funktion in der Handlung haben (v. 63; 103), das Wortspiel (v. 68) und Zitate (v. 139; 155f.; 158). 1–2 Dionysos, Pan, Aphrodite: Die Gottheiten werden genannt, weil zu ihrem Kult orgiastische Feiern gehörten, an denen bevorzugt Frauen teilnahmen. 2 „Geburtsgöttin“: Griech. Genetyllís, Kultname der Aphrodite im Tempel in Kolias, einem Kap an der Westküste von Attika. 3 „vor lauter Tamburinen“: Die Instrumente sind Ausdruck orgiastischer Feiern.

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Prolog: 6–21

Ly. Sei gegrüßt, Kalonike! Kalonike

Ly.

Ka. Ly. Ka.

Ly.

Auch du, Lysistrate! Was bedrückt dich so? Schau doch nicht so finster, meine Liebe! Es steht dir nicht, wenn du die Stirn runzelst. Ja, liebe Kalonike, mir kocht das Herz; 10 über uns Frauen ärgere ich mich sehr, weil wir in den Augen der Männer zu allem fähig sind … Und bei Zeus, das sind wir ja auch. Obwohl mit ihnen ausgemacht ist, sich hier zu treffen, um über eine wichtige Sache zu beraten, schlafen sie noch und kommen nicht. 15 Aber, meine Liebste, sie werden schon kommen. Es ist für uns Frauen doch schwierig, das Haus zu verlassen: Man muss den Mann versorgen, einen Sklaven aufwecken, das Kind ins Bett bringen, es waschen und füttern. 20 Aber es gäbe für sie Wichtigeres als so etwas.

χαῖρ᾽, ὦ Καλονίκη. Καλονίκη

Λυ.

Κα. Λυ. Κα.

Λυ.

καὶ σύ γ᾽, ὦ Λυσιστράτη. τί συντετάραξαι; μὴ σκυθρώπαζ᾽, ὦ τέκνον. οὐ γὰρ πρέπει σοι τοξοποιεῖν τὰς ὀφρῦς. ἀλλ᾽, ὦ Καλονίκη, κάομαι τὴν καρδίαν, καὶ πόλλ᾽ ὑπὲρ ἡμῶν τῶν γυναικῶν ἄχθομαι, ὁτιὴ παρὰ μὲν τοῖς ἀνδράσιν νενομίσμεθα εἶναι πανοῦργοι – καὶ γάρ ἐσμεν νὴ Δία. εἰρημένον δ᾽ αὐταῖς ἀπαντᾶν ἐνθάδε βουλευσομέναισιν οὐ περὶ φαύλου πράγματος, εὕδουσι κοὐχ ἥκουσιν. ἀλλ᾽, ὦ φιλτάτη, ἥξουσιꞏ χαλεπή τοι γυναικῶν ἔξοδος. ἡ μὲν γὰρ ἡμῶν περὶ τὸν ἄνδρ᾽ ἐκύπτασεν, ἡ δ᾽ οἰκέτην ἤγειρεν, ἡ δὲ παιδίον κατέκλινεν, ἡ δ᾽ ἔλουσεν, ἡ δ᾽ ἐψώμισεν. ἀλλ᾽ ἦν γὰρ ἕτερα τῶνδε προὐργιαίτερα αὐταῖς.

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Kommentar

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6 „Kalonike“: ein für die Handlung bedeutungsvoller Name („herrlicher/ schöner Sieg“), mit dem auf den Sieg der Frauen angespielt wird. Der „redende Name“ ist die feminisierte Form des männlichen Namens „Kalonikos“ bzw. „Kallinikos“. 6 „Lysistrate“: ein für die Handlung bedeutungsvoller Name, denn als „Auflöserin der Heere“ bezeichnet er die Funktion der Protagonistin in der Handlung. Explizit wird diese Beziehung in v. 1105 hergestellt, vorbereitet bereits in v. 554. Der Name ist als „redender Name“ wohl eine Erfindung des Aristophanes. Geläufig war in Athen dagegen das männliche Pendant „Lysistratos“. Die Figur der Lysistrate ist wohl an eine zeitgenössische Priesterin der Athena Polias mit dem Namen Lysimache angelehnt, die ihrem Namen nach als „Schlachtenauflöserin“ eine geistige Verwandte der Lysistrate war. Wie im Fall der neugebildeten Eigennamen „Lysistrate“ und „Kalonike“ werden auch die Namen „Myrrhine“ (v. 70ff.) und „Kinesias“ (v. 838ff.) bedeutungsvoll eingesetzt. Da es sich aber um gebräuchliche Namen handelt, sind sie nicht schon durch bloße Nennung bedeutungsvoll, sondern werden es erst im Kontext der Handlung. Da „Myrrhine“ die Bedeutung „Myrte“ hat, kann der weibliche Name wegen der Verwendung der Myrte im Kult der Aphrodite und in der Kosmetik erotisch-sexuell aufgeladen werden, gefördert noch durch den Gebrauch des Wortes als Metapher für die äußeren Geschlechtsorgane der Frau (Vulva). Auch erst durch die Handlung wird der Name „Kinesias“ bedeutungsvoll. Er erhält durch den Auftritt des Trägers dieses Namens wegen dessen erigierten Phallos eine sexuelle Konnotation, denn das umgangssprachliche griech. kineín „bewegen, rütteln“ steht als Metonymie für das vulgärsprachliche griech. bineín „vögeln“. Der Einsatz von Eigennamen als signalartiger ernster wie auch komischerAusdruck der Handlung ist keine Besonderheit der Lysistrate, sondern ein übliches sprachliches Mittel der Komödie. Dikaiopolis, der Protagonist der Acharner, handelt seinem Namen entsprechend als jemand, „der das Gerechte (griech. díkaion) für die Polis (griech. pólis) kennt und sagt“ (vv. 499–501). Bdelykleon, der „Kleonhasser“ und Philokleon, der „Kleonfreund“ zeigen in den Wespen durch ihre Namen die gegensätzlichen Einstellungen zum Politiker Kleon. Und Strepsiades in den Wolken hat den Wunsch, zum „Verdreher“ im Sinne des „Rechtsverdrehens“ (griech. strepsodikḗsai) zu werden (v. 434), während sein Sohn Pheidippides, der „Pferdesparer“, seinem Namen nicht gerecht wird und in den Ausgaben für Pferde (griech. híppoi) nicht sparsam (griech. pheídesthai) ist. 17–19 „Man muss den Mann versorgen“: Zwar war die soziale Stellung der Frauen wesentlich durch ihre Aufgaben in der Familie und Familienwirtschaft bestimmt, aber die Familie war nicht der einzige Ort in der Gesellschaft. Wenn die Frauen auch von der Teilhabe an den politischen Institutionen ausgeschlossen waren, so war ihre Präsenz in den öffentlichen Kulten und ihre Mitwirkung in ihnen doch selbstverständlich.

66 Ka. Ly. Ka. Ly. Ka. Ly.

Ka. Ly. Ka. Ly. Ka. Ly. Ka.

Κα. Λυ. Κα. Λυ. Κα. Λυ. Κα. Λυ. Κα. Λυ. Κα. Λυ. Κα.

Prolog: 21–36

Was ist es denn, liebe Lysistrate, wozu du uns Frauen zusammenrufst? Was ist das für eine Sache? Wie groß? Groß! Etwa auch dick? Ja, bei Zeus, auch dick! Und wieso kommen wir dann nicht hierher? Das meinte ich nicht! Denn dann wären wir schnell zusammengekommen. 25 Nein! Es ist eine Sache, die ich entdeckt und in vielen schlaflosen Nächten mit mir herumgewälzt habe. Etwas Glattes und Feines wohl, womit du dich herumgewälzt? So glatt und fein, dass die Rettung 30 ganz Griechenlands Sache der Frauen ist … Sache der Frauen? Dann stützt sie sich auf wenig. … ja, dass das Schicksal der Stadt in unseren Händen liegt: ob es noch Peloponnesier gibt … Bei Zeus, am besten wäre es, wenn es keine mehr gäbe. 35 … und alle Boioter umgebracht werden … Aber nicht alle, die Aale aus Boiotien nimm aus!

τί δ᾽ ἐστὶν, ὦ φίλη Λυσιστράτη, ἐφ᾽ ὅ τι ποθ᾽ ἡμᾶς τὰς γυναῖκας συγκαλεῖς; τί τὸ πρᾶγμα; πηλίκον τι; μέγα. μῶν καὶ παχύ; καὶ νὴ Δία παχύ. κᾆτα πῶς οὐχ ἥκομεν; οὐχ οὗτος ὁ τρόποςꞏ ταχὺ γὰρ ἂν ξυνήλθομεν. ἀλλ᾽ ἔστιν ὑπ᾽ ἐμοῦ πρᾶγμ᾽ ἀνεζητημένον πολλαῖσί τ᾽ ἀγρυπνίαισιν ἐρριπτασμένον. ἦ πού τι λεπτόν ἐστι τοὐρριπτασμένον. οὕτω γε λεπτὸν ὥσθ᾽ ὅλης τῆς Ἑλλάδος ἐν ταῖς γυναιξίν ἐστιν ἡ σωτηρία. ἐν ταῖς γυναιξίν; ἐπ᾽ ὀλίγου γ᾽ ἄρ᾽ εἴχετο. ὡς ἔστ᾽ ἐν ἡμῖν τῆς πόλεως τὰ πράγματα, ἢ μηκέτ᾽ εἶναι μήτε Πελοποννησίους – βέλτιστα τοίνυν μηκέτ᾽ εἶναι νὴ Δία. Βοιωτίους τε πάντας ἐξολωλέναι – μὴ δῆτα πάντας γ᾽, ἀλλ᾽ ἄφελε τὰς ἐγχέλεις.

––––––––––––

24 καὶ νὴ Δία παχύ Hss. : νὴ τὸν Δία καὶ παχύ Blaydes 29 ὥσθ᾽ Mu2 : ὥστ᾽ R 33 μήτε Γ : μὴ δὲ R

25

30

35

Kommentar

67

23 „Was ist das für eine Sache? Wie groß?…Etwa auch dick?“ (im Sinne von: „Doch nicht etwa auch dick?“): Kalonike lädt das Gespräch ohne Anlass gewaltsam sexuell auf, indem sie das Wort „Sache“ (griech. prā ́ gma) mit neutraler Bedeutung durch „dick“ (griech. pachý) erläutert. Lysistrate knüpft daran an, indem sie doppeldeutig die körperlichen Aktionen bei ihrem nächtlichen Nachdenken durch das Wort „herumwälzen“ beschreibt. Der Text erhält einen eindeutigen erotisch-sexuellen Subtext. Diese eindeutige Doppeldeutigkeit ist ein durchaus subtiles Mittel der Komik und ist kein verdecktes Sprechen aus Gründen der Tabuisierung des Sexuellen. 33 „Peloponnesier“: Gemeint sind die Städte auf der Peloponnes, die zum Peloponnesischen Bund gehörten, der im Peloponnesischen Krieg (431–404 v. Chr.) unter Führung Spartas gegen den Delisch-Attischen Seebund unter Führung Athens um die Vormachtstellung in Griechenland kämpfte. 33 „Boioter“: Dem Peloponnesischen Bund gehörten auch Städte und Städtebünde außerhalb der Peloponnes an, insbesondere Boiotien mit Theben als Hauport. Boiotien war für Athen ein besonders gefährlicher Gegner, weil es im Norden an Attika angrenzte und weil von ihm die Einfälle des Peloponnesischen Bundes nach Attika ausgingen, die bereits in der ersten Phase des Krieges, dem Archidamischen Krieg (431–421 v. Chr.), zu schweren Verwüstungen in Attika geführt hatten und in der zweiten Phase des Krieges, dem Dekeleisch-Ionischen Krieg (414–404 v. Chr.) noch verstärkt wurden, gestützt durch die Errichtung eines festen Lagers bei dem attischen Dorf Dekeleia. Boiotien sicherte die Blockade Attikas auf dem Landweg von Norden her, so dass der Warenhandel auf diesem wichtigen Weg unterbunden wurde. 36 „die Aale nimm aus“: Die Aale aus dem Kopais-See in Boiotien waren als Delikasse in Athen sehr begehrt. Ein der Gesprächssituation unangemessener salopper Einwurf Kalonikes bildet hier eine Form der Komik. Eine solche punktuelle Komik ohne Rücksicht auf den Kontext ist für Aristophanes typisch. Der Aal und sein Genuss werden geradezu zu einem komischen Symbol des Friedens, das v. 702 in seiner Komik durch die Personifikation des Aales als „eines Bürschleins (griech. país) aus Boiotion“ noch gesteigert wird. Bereits in den Acharnern aus dem Jahr 426 v. Chr. (vv. 880–896) ist der Aal zur komischen Friedenssymbolik genutzt: Der Protagonist Dikaiopolis begrüßt auf seinem privaten Friedensmarkt mitten im Krieg einen Boioter, der diesen Markt mit landestypischen Delikatessen beschickt, die in Athen schon lange vermisst werden. Dazu gehören die Aale, von denen der Boioter einen – im Griechischen ein Femininum - aus seinem Korb holt und in einer tragischparodischen Epiklese mit „O Königin der fünfzig Wassernymphen“ anredet, die Dikaiopolis im selben Stil fortsetzt, indem er den Aal wie einen lange sehnsüchtig erwarteten Freund begrüßt: „O Liebste du, schon lang sehnsüchtig erwartet, du kommst dem Komödiendichter ersehnt.“ Dass dieser Freund schließlich wie selbstverständlich gebraten und verspeist werden soll, verstärkt die Komik der kleinen Szene.

68 Ly.

Ka.

Ly. Ka. Ly. Ka. Ly. Ka. Ly. Ka.

Λυ.

Κα.

Λυ. Κα. Λυ. Κα. Λυ. Κα. Λυ. Κα.

Prolog: 37–53

So etwas Schlimmes will ich von Athen und den Athenern nicht sagen, sondern denke selbst nach, was ich damit sagen will. Wenn aber die Frauen hier zusammenkommen, 40 die aus Böotien, die von der Peloponnes und wir, dann werden wir gemeinsam Griechenland retten. Aber was können wir Frauen wohl Vernünftiges oder Großartiges tun, wenn wir nur zu Hause sitzen, blondiert, in safranfarbigen Kleidern, schön geschminkt, in kostbaren extravaganten Unterkleidern und mit feinen Schuhen? 45 Genau das ist es, wovon ich die Rettung Griechenlands erwarte: Die hübschen Safrankleider, die Salböle, die feinen Schuhe, die Schminke und die kurzen durchsichtigen Unterkleider. Wie denn das? So, dass unsere Männer 50 keinen Speer gegeneiander erheben … Ich werde mir dann, bei den beiden Göttinnen, ein Kleid safrangelb färben lassen. … auch keinen Schild ergreifen … Ich werde ein extravagantes Unterkleid anziehen. … und auch keinen Dolch. Ich werde mir feine Schuhe kaufen.

περὶ τῶν Ἀθηνῶν δ᾽ οὐκ ἐπιγλωττήσομαι τοιοῦτον οὐδέν, ἀλλ᾽ ὑπονόησον σύ μοι. ἢν δὲ ξυνέλθωσ᾽ αἱ γυναῖκες ἐνθάδε, αἵ τ᾽ ἐκ Βοιωτῶν αἵ τε Πελοποννησίων ἡμεῖς τε, κοινῇ σώσομεν τὴν Ἑλλάδα. τί δ᾽ ἂν γυναῖκες φρόνιμον ἐργασαίατο ἢ λαμπρόν, αἳ καθήμεθ᾽ ἐξηνθισμέναι, κροκωτοφοροῦσαι καὶ κεκαλλωπισμέναι καὶ Κιμμερίκ᾽ ὀρθοστάδια καὶ περιβαρίδας; ταῦτ᾽ αὐτὰ γάρ τοι κἄσθ᾽ ἃ σώσειν προσδοκῶ, τὰ κροκωτίδια καὶ τὰ μύρα χαἰ περιβαρίδες χἤγχουσα καὶ τὰ διαφανῆ χιτώνια. τίνα δὴ τρόπον ποθ᾽; ὥστε τῶν νῦν μηδένα ἀνδρῶν ἐπ᾽ ἀλλήλοισιν αἴρεσθαι δόρυ – κροκωτὸν ἄρα νὴ τὼ θεὼ ᾿γὼ βάψομαι. μηδ᾽ ἀσπίδα λαβεῖν – Κιμμερικὸν ἐνδύσομαι. μηδὲ ξιφίδιον. κτήσομαι περιβαρίδας.

40

45

50

Kommentar

69

40 „die aus Böotien, die von der Peloponnes“: Damit sind die Frauen aller Feinde Athens gemeint. 44–48 Frauenkleidung in Athen: Neben der üblichen Kleidung – dem Chiton als Untergewand und dem Peplos als Obergewand – wurden seit Ende des 5. Jahrhunderts v. Chr. Gewänder geschätzt, die sich durch Feinheit, Farbigkeit und Transparenz auszeichneten und vor allem aus Kos, Amorgos und Tarent importiert wurden. Sie galten als Luxusgewänder. In der Literatur und in den archäologischen Zeugnissen werden sie vor allem in erotischen Kontexten verwandt, insbesondere im Hetären-Milieu. Die genannten „feinen Schuhe (griech. peribatídes) sind unbekannt. Es handelt sich wohl um eine Art flachen Schuhs. Die Verwendung von Salböl als Parfum und Schminke ist ähnlich wie die Kleidung erotisch konnotiert. Wenn auch die besondere Kleidung und die Kosmetik in den Zeugnissen meist in erotischen Kontexten begegnet, waren sie nicht darauf beschränkt, sondern wurden von den Frauen auch ganz allgemein als Mittel der Schönheitspflege eingesetzt, und zwar natürlich nicht nur zur Attraktivitätssteigerung im privaten Bereich, sondern auch außerhalb der Familie etwa im Bereich öffentlicher Kulte und ihrer Feiern. Beispiel für die allgemeiene Schönheitspflege ist die Frau des Protagonisten Strepsiades in den Wolken (vv. 51f.), die als eine Frau der städtischen Oberschicht nach „Parfüm (griech. mýron) und safrangelbem Kleid“ „roch“, während er als Bauer vom Lande nach „Weinhefe/Most (griech. tryx) und Wollkleidung“ „roch“ (v. 50). 51 „bei den beiden Göttinnen“: Demeter und Persephone. Das Götterpaar (Mutter und Tochter) wird vor allem von Frauen angerufen. Die Göttinnen waren verbunden mit der Fruchtbarkeit der Erde und der Frauen. Ihre Feste waren häufig allein Frauen vorbehalten, so etwa die Thesmophorien in Athen und in vielen anderen Städten Griechenlands. Beide bilden in der Dualform griech. tō theṓ „die beiden Göttinnen“ ein festes Paar, das ohne Nennung ihrer Namen identifiziert werden konnte, obwohl die feminine Dualform identisch mit der maskulinen Dualform ist. Sprachlich parallel ist das männliche Zwillings-Götterpaar der Dioskuren Kastor und Polydeukes (v. 86) nur durch die dorisch-lakonische Dualform sō siṓ „die zwei Götter“ ohne Nennung ihrer Namen bezeichnet. Die Spartanerin Lampito ermöglicht durch den Gebrauch der dorisch-lakonischen Dualform die Identifikation, da das Götterpaar vor allem im Kult Spartas eine Rolle spielte. In beiden Fällen sind die Gottheiten Elemente einer kontextorientierten Beteuerungsformel. Dass Beteuerungsformeln kontextorient sind, gilt dagegen nicht für die gängigste Beteuerungsformel „bei Zeus“ in der Lysistrate (v. 55; 67; 87; u.v.a.), die keine spezifische Beziehung zu dem höchsten Gott der polytheistischen Religion der Griechen anzeigt, sondern Element der formelhaften Umgangssprache ist.

70 Ly. Ka. Ly.

Ka. Ly. Ka.

Ly. Ka.

Λυ. Κα. Λυ.

Κα. Λυ. Κα. Λυ. Κα.

Prolog: 54–67

Hätten die Frauen dann nicht kommen müssen? Nein, nicht kommen, bei Zeus, schon längst hätten sie herfliegen müssen.55 Aber meine Liebe, du wirst sie als echte Athenerinnen kennenlernen, die alles zu spät tun. Doch aus den Küstendörfern ist keine da, auch nicht von Salamis. Doch haben sie, 60 das weiß ich, schon in der Frühe mit dem Schiff übergesetzt. Auch die, die ich erwartet habe und mit denen ich als Ersten gerechnet habe, die Frauen aus dem Dorf Acharnai, sie kommen nicht. Wenigstens die Frau des Theogenes hat die Göttin Hekate befragt, um hierher zu kommen. 65 Doch sieh, da kommen einige deiner Frauen. (Mehrere Frauen betreten die Bühne, darunter Myrrhine.) Dort kommen auch noch andere. (schnüffelt und rümpft die Nase) Pfui, pfui, woher sind sie?

ἆρ᾽ οὐ παρεῖναι τὰς γυναῖκας δῆτ᾽ ἐχρῆν; οὐ γὰρ μὰ Δί᾽, ἀλλὰ πετομένας ἥκειν πάλαι. ἀλλ᾽, ὦ μέλ᾽, ὄψει τοι σφόδρ᾽ αὐτὰς Ἀττικάς, ἅπαντα δρώσας τοῦ δέοντος ὕστερον. ἀλλ᾽ οὐδὲ Παράλων οὐδεμία γυνὴ πάρα, οὐδ᾽ ἐκ Σαλαμῖνος. ἀλλ᾽ ἐκεῖναί γ᾽ οἶδ᾽ ὅτι ἐπὶ τῶν κελήτων διαβεβήκασ᾽ ὄρθριαι. οὐδ᾽ ἃς προσεδόκων κἀλογιζόμην ἐγὼ πρώτας παρέσεσθαι δεῦρο, τὰς Ἀχαρνέων γυναῖκας, οὐχ ἥκουσιν. ἡ γοῦν Θεογένους ὡς δεῦρ᾽ ἰοῦσα θοὐκάτειον ἤρετο. ἀτὰρ αἵδε καὶ δή σοι προσέρχονταί τινες. αἱδί θ᾽ ἕτεραι χωροῦσί τινες. ἰοὺ ἰού, πόθεν εἰσίν;

––––––––––––

64 θοὐκάτειον ἤρετο Bentley : τἀκάτειον ἤρετο R 66 αἱδί θ᾽ ἕτεραι Dobree : αἵδ҆ αὖθις ἕτεραι R

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60

65

Kommentar

71

58 „aus den Küstendörfern ist keine da“: wörtlich: „von den Küstenbewohnerinnen ist keine da“; der Begriff der Küstenbewohnerinnen (griech. páraloi) bezieht sich auf die Zugehörigkeit zur politisch-administrativ begründeten Region der Paralia (griech. paralía), die das Gebiet mit den Dörfern (griech. dḗmoi) an den Küsten Attikas umfasst. Neben der Paralia bestimmten zwei weitere geographisch zusammenhörige Regionen mit ihren Dörfern die politische Struktur Attikas, einmal das Binnenland (griech. mesógeia) zum anderen das Gebiet der Stadt (griech. ásty). Die Zahl der Dörfer in den drei Regionen belief sich auf mindestens 100 Dörfer von unterschiedlicher Größe. Der größte Demos war Acharnai in der Mesogeia. 59 „Salamis“: Name der attischen Insel und des gleichnamigen Dorfes (griech. dḗmos). Salamis war berühmt durch die Seeschlacht in den Perserkriegen (480 v. Chr.), in der die Griechen die Perser besiegten. 60 „mit dem Schiff übergesetzt“: Die Kommentartradition verwirft dieses nächstliegende Verständnis und wittert in diesem Vers eine Anspielung auf eine Sexstellung in der Art der ‚Reiterstellung‘ aufgrund der Doppelbedeutung des Substantivs kélēs (1. „Reitpferd“; 2. „kleines schnelles Schiff“), das durch den metaphorischen Gebrauch des Verbums kelētízein („reiten“) eine stabile sexuelle Konnotation hat, und des Verbums diabaínein (1. „übersetzen mit dem Schiff“: 2. „die Beine spreizen“). Die vordergründige Bedeutung „Schiffe besteigen“ verweist dann auf die hintergründige Bedeutung „Ruderer/Männer besteigen“. Diese Kombination ist zu fein- und hintersinnig und widerspricht der eindeutigen sexuellen Sprache des Aristophanes. Das Aufspüren von allzu subtiler Hintersinnigkeit, seit der antiken Kommentierung üblich, bleibt ein Holzweg. 62 „die Frauen aus dem Dorf Acharnai, sie kommen nicht“: Diese Frauen werden eigens genannt, weil ihr Dorf nur etwa 15 km entfernt von dem militärischen Stützpunkt des Peloponnesisches Bundes in Dekeleia lag und daher besonders gefährdet war; s. Anm. zu v. 33. 63 „Theogenes“: eine historisch nicht eindeutig identifizierbare attische Person. Ihre Nennung ohne nähere Charakterisierung setzt voraus, dass diese Person den Zuschauern bekannt war. Die Funktion der Erwähnung bedeutet ein Verspotten (griech. onomastí kōmōdeín „namentlich in der Komödie verspotten“), weil die Person in irgendeiner Weise öffentlich (moralisch, politisch oder beruflich) belastet ist. Es ist eine Kurzform autonomer Komik ohne Bezug zur Haupthandlung. 63f.: „die Frau des Theogenes hat die Göttin Hekate befragt“: Als Hüterin von Eingängen waren der ‚kleineren‘ Göttin Hekate vor den Häusern Schreine oder Statuetten aufgestellt. Dass die Frau des Theogenes die Göttin vor dem Verlassen des Hauses nach deren Willen befragt, wird als übertriebene Religiosität verspottet. In der polytheistischen Religion der Griechen war die Zahl der Götter nicht begrenzt. Neben der kleinen Gruppe der etwa 12 panhellenischen oder olympischen Götter unter Führung von Zeus gab es zahlreiche Gottheiten von regionaler und sozialer Begrenzung, zu denen auch Hekate gehörte.

72 Ly. Ka.

Prolog: 67–81

Aus Anagyrus, dem Stinkedorf.

Ja, bei Zeus, mir scheint, da hat sich hier der Gestank des Anagyros, des Stinkestrauchs, ausgebreitet. Myrrhine Wir sind doch nicht zu spät, Lysistrate? Was sagst du? Warum schweigst du? Ly. Ich kann dich nicht loben, Myrrhine, 70 die du bei einer so wichtigen Sache erst jetzt kommst. My. Nur mit Mühe fand ich meinen Gürtel in der Dunkelheit. Aber wenn es dringend ist, sprich zu uns, die wir schon da sind. Ly. Nein bei Zeus, lass uns noch ein wenig warten, 75 bis die Frauen aus Boiotien und der Peloponnes da sind. My. Das ist ein viel besserer Vorschlag. Da kommt auch schon Lampito. (Lampito tritt mit mehreren Frauen auf. Ihr Obergewand, nach spartanischer Sitte ein kurzer Peplos, ist an der Seite offen.) Ly. Lampito, meine allerliebste Spartanerin, willkommen! Wie schön du bist, meine Liebe! 80 Welch gesunde Hautfarbe du hast und wie du vor Kraft strotzt! Du könntest einen Stier erwürgen.

Λυ. Κα.

Ἀναγυρουντόθεν.

νὴ τὸν Δίαꞏ ὁ γοῦν ἀνάγυρός μοι κεκινῆσθαι δοκεῖ. Μυρρίνη μῶν ὕστεραι πάρεσμεν, ὦ Λυσιστράτη; τί φῄς; τί σιγᾷς; Λυ. οὔ ἐπαινῶ, Μυρρίνη, ἥκουσαν ἄρτι περὶ τοιούτου πράγματος. Μυ. μόλις γὰρ ηὗρον ἐν σκότῳ τὸ ζώνιον. ἀλλ᾽ εἴ τι πάνυ δεῖ, ταῖς παρούσαισιν λέγε. Λυ. μὰ Δί᾽, ἀλλ᾽ ἐπαναμείνωμεν ὀλίγου γ᾽ οὕνεκα τάς τ᾽ ἐκ Βοιωτῶν τάς τε Πελοποννησίων γυναῖκας ἐλθεῖν. Μυ. πολὺ σὺ κάλλιον λέγεις. ἡδὶ δὲ καὶ δὴ Λαμπιτὼ προσέρχεται. Λυ. ὦ φιλτάτη Λάκαινα, χαῖρε, Λαμπιτοῖ. οἷον τὸ κάλλος, γλυκυτάτη, σου φαίνεται. ὡς δ᾽ εὐχροεῖς, ὡς δὲ σφριγᾷ τὸ σῶμά σου. κἂν ταῦρον ἄγχοις.

70

75

80

Kommentar

73

68 „Anagyrus“ – „Anagyros“: Mit einem etymologischen Wortspiel wird der üble Geruch eines Strauches (botanischer Name: Anagyris foetida) auf die Bewohner des gleichnamigen attischen Dorfes der Mesogeia übertragen. Es handelt sich um eine für Aristophanes typische Form autonomer Komik ohne jegliche Beziehung zur Haupthandlung. Dass der Name des Dorfes (griech. dḗmos) für Situationskomik eingesetzt wird, hängt vor allem damit zusammen, weil die mehr als 100 Dörfer Attikas häufig ein eigenes soziales Profil hatten, das historisch gewachsen und stabil war. Vor allem die agrarisch geprägten Dörfer des Binnenlandes, der Mesogeia, unterschieden sich von den übrigen Dörfern durch ihre bäuerliche und konservative Lebensart, die in Gegenüberstellung zur Lebensart der Stadtbewohner komisch genutzt werden konnte. So „riechen“ die Bauern anders als die Städter, Strepsiades, der Bauer, in den Wolken (vv. 50f.) nach „Weinhefe“, während seine Frau aus der Stadt nach „Parfüm“ „riecht“. 69 Myrrhine: „Myrte“, gebräuchlicher Name in Athen und in der Komödie. Der Name wird in der Komödie bedeutungsvoll durch die Verwendung der Myrte in der Kosmetik und im Kult der Aphrodite. 69–253 Rollenverteilung: Mit dem Auftritt der Myrrhine wird die Rollenverteilung zwischen den athenischen Frauen Lysistrate, Kalonike und Myrrhine problematisch. Das Problem: Die Rollenverteilung der Überlieferung ergibt kein eindeutiges unterschiedliches Charakterprofil der drei Frauen. Im Hinblick auf Lysistrate ist das Problem hinreichend sinnvoll lösbar, wenn man vv. 107–110 mit ihrem lasziv-erotischen Inhalt, die ihr in den Handschriften zugeordnet sind, der Kalonike gibt, so dass Lysistrate ihren ernsthaften politisch bestimmten Charakter behält. Im Falle von Kalonike und Myrrhine gibt es keine überzeugende Lösung für eine Unterscheidung, da sie sich in ihrem politikfernen und konventionellen weiblichen Denken als Mittel der Komik ähneln. Einzelheiten: Sommerstein (1998/2008) 158f.; Addenda VIIf. 70 „Was sagst du? Warum schweigst du?“: Unauffälliges Tragödienzitat aus Sophokles, Philoktet, v. 805. Aristophanes nutzt die Tragödien seiner Zeit, insbesondere die Tragödien des Euripides, in vielfältigen Formen der Parodie als Mittel der Komik. Die einfachste Form ist der Gebrauch sprachlich-stilistischer Elemente wie etwa sprachlich elaborierter Wendungen und Wortbildungen sowie emphatisch aufgeladener Aussagen, die in Kombintion mit umgangssprachlichen und vulgäsprachlichen Elementen durch den Kontrast komisch wirken. Grundsätzliches zur Sprachform: s. Anhang, Die Sprachform der Komödie und ihre Übersetzung. 80 „Welch gesunde Hautfarbe du hast“: Anspielung auf die sonnengebräunte Haut der Spartanerinnen, durch die sie sich von den Athenerinnen unterschieden, die auf ihre weiße Gesichtsfarbe stolz waren, allerdings auch immer wieder Schminke zum Färben der Haut einsetzten.

74

Prolog: 81–90

Lampito (in dorisch-lakonischem Dialekt)

Ka. La. Ly. La. My. Ka. Ly.

Ja freilich, bei den Dioskuren, das glaube ich, denn ich treibe Sport und im Springen kann ich die Hacken bis an den Hintern hochreißen. (betastet die Brust der Lampito) Welch schöne Brüste du hast! Wie ein Opfertier betastet und prüft ihr mich. 85 Und diese andere junge Frau, woher kommt die? Sie kommt, bei den Dioskuren, als Gesandte der Boioterinnen zu euch. (blickt auf den an der Seite offenen Peplos) Ja, bei Zeus, eine Boioterin, daher hat sie ein schönes Unterland. Und, bei Zeus, aufs Sorgfältigste sind alle Haare ausgezupft. Und wer ist die andere junge Frau da?

Λαμπιτώ Κα. Λα. Λυ. Λα. Μυ. Κα. Λυ.

μάλα γ᾽, οἰῶ, ναὶ τὼ σιώꞏ γυμνάδδομαι γὰρ καὶ ποτὶ πυγὰν ἅλλομαι. ὡς δὴ καλὸν τὸ χρῆμα τιτθίων ἔχεις. ᾇπερ ἱαρεῖόν τοί μ᾽ ὑποψαλάσσετε. ἡδὶ δὲ ποδαπή ᾽σθ᾽ ἡ νεᾶνις ἡτέρα; πρέσβειρά τοι ναὶ τὼ σιὼ Βοιωτία ἵκει ποθ᾽ ὑμέ. νὴ Δί’ ὡς Βοιωτία, καλόν γ᾽ ἔχουσα τὸ πεδίον. καὶ νὴ Δία κομψότατα τὴν βληχώ γε παρατετιλμένη. τίς δ᾽ ἡτέρα παῖς;

––––––––––––

82 γὰρ Halbertsma : γε R 83 τιτθίων Bentley : τῶν τιτθίων R

85

Kommentar

75

81 „Lampito (in dorisch-lakonischem Dialekt)“: Alle Spartaner in der Lysistrate (Lampito, vv. 78–244; ein Herold, vv. 980–1013; ein Gesandter, vv. 1076–1188; 1242–1321) sprechen den historischen dorisch-lakonischen Dialekt, der aus Inschriften bekannt ist. Der Gebrauch des Dialekts hat keine komische Wirkung. Einzelheiten: s. Anhang, Der dorisch-lakonische Dialekt in der Lysistrate. Insgesamt gilt: die unterschiedlichen Dialekte (dorisch-lakonisch, aiolisch, ionisch-attisch, arkadisch-kyprisch) wurden im kleinräumigen Griechenland nicht als Fremdsprachen empfunden, sondern waren als Verkehrssprachen untereinander gebräuchlich, da ihre Gemeinsamkeiten groß waren. Für Attika mit dem Hauptort Athen galt dies besonders, weil es im Norden an Boiotien mit dem aiolischen Dialekt und im Süden an Städte mit dem dorischen Dialekt grenzte. Lampito trägt nach spartanischer Sitte als Obergewand einen kurzen Peplos, der an der Seite offen ist. 82 „ich treibe Sport“: Anspielung auf die Erziehung der spartanischen Mädchen, die gemeinsam mit den Jungen im Laufen und Ringen in der Öffentlichkeit erzogen worden. Nacktheit war bei diesen Übungen selbstverständlich. In Darstellungen agieren die Frauen auch in kurzen flatternden Röcken. In Athen war die sportliche Erziehung in den Gymnasien den Jungen vorbehalten. Die spartanische Mädchenerziehung war in Griechenland singulär und stimulierte die Phantasie der anderen Griechen. Mit der sportlichen Übung ist hier wohl eine Form des Tanzes gemeint; s. Anm. zu v. 1301 und vv. 1307f. Dass auch verheiratete Frauen wie Lampito noch sportlich tätig waren, ist offensichtlich eine Erfindung des Aristophanes. 86 „bei den Dioskuren“: Wörtlich: „ bei den beiden Göttern“. Damit sind Kastor und Polydeukes (Pollux) gemeint. In der dorisch-lakonischen Beteuerungsformel werden die Namen der Götter nicht genannt, da die Formel in Sparta eindeutig war. Ähnlich eindeutig ist die Beteuerungsformel „bei den beiden Göttinnen“ (v. 51) in Athen; sie kommt ohne Nennung der gemeinten Göttinnen Demeter und Persophone aus; s. Anm. zu v. 51. Kastor und Polydeukes; die Götterzwillinge hatten vor allem im Kult der Spartaner als Helfer in der Not eine große Bedeutung, die sich auch im Mythos widerspiegelt. Sie sind Brüder der Helena, der Frau des mythischen Königs Menelaos von Sparta sowie Geliebten des Paris, und der Klytaimestra, der Frau des Königs von Mykene Agamemnon. 87f. „eine Boioterin … daher hat sie ein schönes Unterland“: griech. pedíon „fruchtbare Ebene“, Kennzeichen von Boiotien, ist Metapher für „Schoß“. 89 „aufs Sorgfältigste sind alle Haare ausgezupft“: Die Enthaarung des Intimbereichs war eine gängige erotische Mode. Neben dem Absengen (vv. 825– 827) war das Auszupfen der Haare üblich, das im Hetärenmilieu üblich war und die erotische Attraktivität förderte.

76 La. Ka. La. Ly. La. Ka. Ly. Ka. Ly. Ka. My.

Λα. Κα. Λα. Λυ. Λα. Κα. Λυ. Κα. Λυ. Κα. Μυ.

Prolog: 90–104

Das ist, bei den Dioskuren, eine angesehene Korintherin. (zeichnet die Konturen des Körpers nach) Ja, man sieht es, hier vorne und hier hinten ansehnlich! Wer hat denn nun dieses Heer von Frauen zusammengerufen? Ich hier! Sage, was du von uns willst! Ja, bei Zeus, meine Liebe, nenne, was dir so wichtig ist! Ich will es euch jetzt sagen. Aber vorher will ich euch noch eine kleine Frage stellen. Frage, was du willst. Verlangt euch nicht nach den Vätern eurer Kinder, die weit von euch entfernt im Krieg stehen? Ich weiß sehr wohl, dass ihr alle einen Mann habt, der nicht zu Hause ist. Mein Mann jedenfalls, meine Liebe, ist schon seit fünf Monaten in Thrakien und bewacht seinen Feldherrn Eukrates. Und der Meine ist schon ganze sieben Monate in Pylos.

Κορινθία δ᾽ αὖ.

χαἵα ναὶ τὼ σιώ,

χαΐα νὴ τὸν Δία δήλη ᾽στὶν οὖσα ταυταγὶ κἀντευθενί. τίς δ᾽ αὖ συναλίαξε τόνδε τὸν στόλον τὸν τᾶν γυναικῶν; ἥδ᾽ ἐγώ. μύσιδδέ τοι ὅ τι λῇς ποθ᾽ ἁμέ. νὴ Δί᾽, ὦ φίλη γύναι, λέγε δῆτα τὸ σπουδαῖον ὅ τι τοῦτ᾽ ἐστί σοι. λέγοιμ᾽ ἂν ἤδη. πρὶν λέγειν δ᾽, ὑμᾶς τοδὶ ἐπερήσομαί τι μικρόν. ὅ τι βούλει γε σύ. τοὺς πατέρας οὐ ποθεῖτε τοὺς τῶν παιδίων ἐπὶ στρατιᾶς ἀπόντας; εὖ γὰρ οἶδ᾽ ὅτι πάσαισιν ὑμῖν ἐστιν ἀποδημῶν ἀνήρ. ὁ γοῦν ἐμὸς ἀνὴρ πέντε μῆνας, ὦ τάλαν, ἄπεστιν ἐπὶ Θρᾴκης φυλάττων Εὐκράτη. ὁ δ᾽ ἐμός γε τελέους ἑπτὰ μῆνας ἐν Πύλῳ.

90

95

100

90

95

100

Kommentar

77

99–110 „Väter, die weit von euch entfernt im Krieg stehen“: Der Peloponnesische Krieg (431–404 v. Chr.) bildet zwar die Grundlage der Handlung, ist aber in der Handlung selbst nur gelegentlich aktualisiert, wie z. B. in diesen Versen, in denen auf die militärische Situation des Delisch-Attischen Seebundes außerhalb Attikas zur Zeit der Konzeption und Aufführung der Lysistrate (412 bis Frühjahr 411 v. Chr.) angespielt wird, allerdings komisch transformiert. Zeitgleich mit der Sizilischen Expedition (415–413 v. Chr.) verstärkten die Athener ihr militärisches Engagement in Griechenland selbst, so dass sie an vielen Orten fern von Athen präsent waren. Allerdings führte das Scheitern der Expedition, die mit dem Untergang des Expedionsheeres 413 v. Chr. endete, seit 414 v. Chr. zur Verstärkung der militärischen Aktionen des Peloponnesischen Bundes gegen Athen und förderte den Abfall von Mitgliedern des Delisch-Attischen Seebundes. Damit setzte ein Prozess ein, der mit der Niederlage Athens 404 v. Chr. endete. Die Verse enthalten unterschiedliche Anspielungen auf diese historiscshe Situation im Jahr 412 v. Chr.: Mit dem Strategen Eukrates (v. 103) wird auf die Aktivitäten Athens im Gebiet der thrakischen Stämme im hohen Norden angespielt, während die Erwähnung von Pylos (v. 104) auf die militärische Präsenz im Herrrschaftsbereich Spartas auf der Peloponnes hinweist. Das sind Zeichen der Stärke. Dagegen ist der Abfalls Milets (v. 108) ein Indiz für die erste bedeutende Schwächung des Bundes, die bald durch den Abfall weiterer Bundesgenossen verstärkt wurde. 103 „Eukrates“: ein historisch nicht eindeutig identifizierbarer attischer Feldherr. Die Erwähnung ist eine Kurzform autonomer Komik; s. Anm. zu v. 63. Als Objekt des Verbums „bewachen“ – entweder im Sinne von „schützen“ oder im Sinne von „belagern“ – wird in diesem Zusammenhang eine Stadt erwartet. Statt dessen ist der Feldherr genannt, der in Thrakien das militärische Kommando hat. 104 „Pylos“: Stadt in Messenien an der Westküste der Peloponnes, seit 425 v. Chr. militärischer Stützpunkt der Athener im Peloponnesischen Krieg. Sparta hat sich mit der Errichtung dieses Stützpunktes in seinem Herrschaftsbereich niemals abfinden können, da sie das Ergebnis der schwersten Niederlage des Peloponnesischen Bundes in diesem Krieg bedeutete, bei der 120 Hopliten getötet und 300 Hopliten (darunter 120 Spartiaten) gefangengenommmen wurden. Die Rückeroberung gelang erst 410/409 v. Chr.). S. Anm. zu v. 1162.

78 La. Ka.

Ly. Ka. My. La. Ly.

Ka.

Λα. Κα.

Λυ. Κα. Μυ. Λα. Λυ.

Κα.

Prolog: 105–122

Und der Meine, wenn er schon einmal aus dem Krieg kommt, 105 nimmt schon sofort wieder seinen Schild und ist verschwunden. Ja, nicht die Andeutung eines Liebhabers ist übriggeblieben, denn seit die Milesier von uns abgefallen sind, habe ich keinen achtzölligen Lederphallos mehr gesehen, 110 der eine lederne Hilfe leisten könnte. Wollt ihr nun mit mir, wenn ich ein Mittel weiß, dem Krieg ein Ende machen? Ja, ich will, bei den beiden Göttinnen, auch wenn ich diesen meinen Mantel hier versetzen und den Erlös davon noch heute vertrinken müsste. 115 Ja, ich auch, ich würde mich in zwei Teile schneiden lassen, so dass ich wie eine Flunder aussehe, und eine Hälfte von mir hergeben. Und ich würde auf das Taÿgetos-Gebirge steigen, wenn ich von dort den Frieden sehen könnte. Ich will euch das Wichtige jetzt sagen, denn mein Plan muss bekannt werden. 120 Wir müssen uns, ihr Frauen, wenn wir unsere Männer zwingen wollen, Frieden zu machen, fernhalten … Wovon? Sprich!

ὁ δ᾽ ἐμός γα καἴ κ᾽ ἐκ τᾶς ταγᾶς ἔλσῃ ποκά, πορπακισάμενος φροῦδος ἀμπτάμενος ἔβα. ἀλλ᾽ οὐδὲ μοιχοῦ καταλέλειπται φεψάλυξ. ἐξ οὗ γὰρ ἡμᾶς προὔδοσαν Μιλήσιοι, οὐκ εἶδον οὐδ᾽ ὄλισβον ὀκτωδάκτυλον, ὃς ἦν ἂν ἡμῖν σκυτίνη ᾿πικουρία. ἐθέλοιτ᾽ ἂν οὖν, εἰ μηχανὴν εὕροιμ᾽ ἐγώ, μετ᾽ ἐμοῦ καταλῦσαι τὸν πόλεμον; νὴ τὼ θεώꞏ ἐγὼ μὲν ἂν, κἂν εἴ με χρείη τοὔγκυκλον τουτὶ καταθεῖσαν ἐκπιεῖν αὐθημερόν. ἐγὼ δέ γ᾽ ἂν κἂν ὡσπερεὶ ψῆτταν δοκῶ δοῦναι ἂν ἐμαυτῆς παρατεμοῦσα θἤμισυ. ἐγὼν δὲ καί κα ποττὸ Ταΰγετόν γ᾽ ἄνω ἔλσοιμ᾽ ὅπᾳ μέλλοιμί γ᾽ εἰράναν ἰδῆν. λέγοιμ᾽ ἄνꞏ οὐ δεῖ γὰρ κεκρύφθαι τὸν λόγον. ἡμῖν γὰρ, ὦ γυναῖκες, εἴπερ μέλλομεν ἀναγκάσειν τοὺς ἄνδρας εἰρήνην ἄγειν, ἀφεκτέ᾽ ἐστὶ – τοῦ; φράσον.

105

110

115

120

Kommentar

79

108 „seit die Milesier von uns abgefallen sind“: Im Sommer 412 v. Chr. löste sich Milet, eine bedeutende Hafenstadt im Westen Kleinasiens, aus dem Delisch-Attischen Seebund und wurde Operationsbasis der spartanischen Flotte. Damit fiel Milet, der Hauptlieferant von Dildos für den Erotik-Markt in Athen, als Lieferant aus. Das politisch brisante und heikle Ereignis des Abfalls Milets wird komisch aufgeladen und damit entschärft. Zum gleichen komischen Muster gehört die Aussaage über den Mangel an Aalen aus dem feindlichen Boiotien auf dem athenischen Markt als Kriegsfolge; s. Anm. zu v. 36. Ob Milet tatsächlich ein Monopol in diesem Bereich der Erotikmittel hatte, ist allerdings eher unwahrscheinlich. Da Milet wegen seiner Frauen und Hetären in der Literatur berühmt war, hat Aristophanes offensichtlich eine den sexuellen Motiven der Lysistrate angemessene Verbindung zwischen Krieg und Sexualtät aus Gründen der Komik hergestellt. Diese Verbindung wurde dann durch die antike Lysistrate-Kommentierung Ausgangspunkt für die Feststellung, dass Milet auf die Herstellung von Dildos spezialisiert gewesen sei. 109 „habe ich keinen achtzölligen Lederphallos mehr gesehen“: Wörtlich: „acht Finger breiten Lederphallos“; je nach Fingerbreite zwischen 16 und 20 cm lang. Der Lederphallos (Aristophanes: griech. ólisbos; Herondas: griech. baubṓn) als Mittel der weiblichen Autosexualität ist außer aus der alten attischen Komödie (Kratinos und Aristophanes) insbesondere aus dem sechsten Mimiambos (Philiázusai ē Idiázusai „Liebende Frauen oder Frauen unter sich“) des Herondas (1. Hälfte des 3. Jh. v. Chr.) bekannt, in dem sich zwei Frauen über die Vorzüge eines Dildo („wie von der Athena, der Göttin, eigenhändig“, vv. 65f.; „die Weichheit (griech. malakótēs) wie ein Traum, die Lederbändchen weich wie Wolle, nicht hart wie Riemen!“, vv. 71f.) unterhalten, den eine der beiden beim einheimischen Schuster gekauft hat. Weder in der Form noch in der Funktion sind mit diesen Olisboi die überdimensionierten Olisboi auf Vasenbildern in Zusammenhang mit der Darstellung nackter Hetären identisch. In diesen Darstellungen sind die Olisboi alsMittel „zur sinnlichen Aufreizung der Männer“ zu verstehen; s. Dierichs (1997) 99–102, bes.101. 112 „bei den beiden Göttinnen“: Demeter und Persephone. S. o. v. 51. 117 „Taÿgetos-Gebirge“: Gebirge im Staatsgebiet der Spartaner mit der höchsten Erhebung von 2.407 m.

80 Ly. Ka. Ly.

Ka. My. Ly. Ka.

My.

Λυ. Κα. Λυ.

Κα. Μυ. Λυ. Κα. Λυ. Μυ.

Prolog: 122–136

Werdet ihr es also tun? Wir werden es tun, auch wenn wir sterben müssen. Fernhalten müssen wir uns also vom Schwanz. 125 Warum dreht ihr euch um? Wohin geht ihr? Ihr da, warum verzieht ihr den Mund und schüttelt den Kopf? Warum erbleicht ihr? Warum rinnen euch die Tränen? Wollt ihr es nun tun oder wollt ihr es nicht? Was zögert ihr? Ich kann es nicht. Der Krieg soll denn weitergehen. 130 Nein, bei Zeus, ich auch nicht. Der Krieg soll dann weitergehen. Das sagst du, du Flunder? Und gerade hast du noch versprochen, eine Hälfte von dir abschneiden zu lassen. Alles, alles sonst, was du willst. Und wenn es sein muss, will ich durchs Feuer gehen. Lieber dies, als sich vom Schwanz fernhalten. 135 Denn nichts geht über ihn, liebe Lysistrate. Was sagst du denn? Auch ich will lieber durchs Feuer gehen.

ποιήσετ᾽ οὖν; ποιήσομεν, κἂν ἀποθανεῖν ἡμᾶς δέῃ. ἀφεκτέα τοίνυν ἐστὶν ἡμῖν τοῦ πέους. τί μοι μεταστρέφεσθε; ποῖ βαδίζετε; αὗται, τί μοιμυᾶτε κἀνανεύετε; τί χρὼς τέτραπται; τί δάκρυον κατείβεται; ποιήσετ᾽ ἢ οὐ ποιήσετ᾽; ἢ τί μέλλετε; οὐκ ἂν ποιήσαιμ᾽, ἀλλ᾽ ὁ πόλεμος ἑρπέτω. μὰ Δί᾽ οὐδ᾽ ἐγὼ γάρ, ἀλλ᾽ ὁ πόλεμος ἑρπέτω. ταυτὶ σὺ λέγεις, ὦ ψῆττα; καὶ μὴν ἄρτι γε ἔφησθα σαυτῆς κἂν παρατεμεῖν θἤμισυ. ἄλλ᾽ ἄλλ᾽ ὅ τι βούλει. κἄν με χρῇ, διὰ τοῦ πυρὸς ἐθέλω βαδίζειν. τοῦτο μᾶλλον τοῦ πέους. οὐδὲν γὰρ οἷον, ὦ φίλη Λυσιστράτη. τί δαὶ σύ; κἀγὼ βούλομαι διὰ τοῦ πυρός.

––––––––––––

124 ἐστὶν ἡμῖν Bentley : ἡμῖν ἐστὶν R 126 μοιμυᾶτε L. Dindorf : μοι μυᾶτε R 133 χρῇ Brunck : χρὴ R

125

130

135

Kommentar

81

124 „Fernhalten müssen wir uns also vom Schwanz“: „Schwanz“ ist die historisch angemessene und historisch analoge Bedeutung von griech. péos (v. 124; v. 134; v. 415; v. 928, v. 1012). Die Sexsprache der Komödien des Aristophanes ist orientiert an der vulgär-derben Umgangssprache mit ihrem Variantenreichtum, die sich in dieser Hinsicht nicht von der modernen Umgangssprache unterscheidet. Eine sachbezogene fachsprachliche Terminologie im Anschluss an die Fachsprachen von Medizin und Biologie ist nicht erstrebt. Die vulgär-derbe Konnotation ist ein Mittel der Komik. In Übereinstimmung mit der Handlung bildet die Sexsprache in der Lysistrate ein dominantes Sprachregister, das bereits in den antiken Kommentaren ausführlich behandelt wurde. Außer dem leitmotivischen griech. péos werden zahlreiche weitere Bezeichnungen mit vulgär-derber Konnotation eingesetzt, so für die männlichen Genitalien (griech. sáthē „geiler Schwanz“, v. 1119; hē psolḗ „der Steife“, v. 143; v. 153; v. 979; v. 1136; dazu das Verb griech. stýein „einen Steifen bekommen“, v. 214) und für die weiblichen Genitalien (griech. kýsthos „Muschi, Möse“, v. 1158), dann auch sexuelle Aktivitäten wie griech. binéin „vögeln“ (v. 934; v. 1092; v. 1180) und ebenso für das Gesäß (griech. prōktós und griech. pygḗ „Hintern, Arsch“). In den nationalsprachlichen Übersetzungstraditionen sind diese Derbheiten und Obszönitäten in der Regel bis in die Gegenwart durch dezente Metaphern, Metonymien und Umschreibungen entschärft und gemildert worden. Die Lexika wichen auf lateinische Fachtermini aus: griech. sáthē „geiler Schwanz“ und griech. péos „Schwanz“ wurden zum membrum virile und griech. kýsthos „Muschi, Möse“ ist mit pudenda muliebria übersetzt. Die Stilqualitäten des griechischen Originals sind dagegen in die lateinischen Übersetzungen der Frühen Neuzeit durch das entsprechende antike lateinische obszöne Vokabular des Iambus und des Epigramms wiedergegeben. So wurde der für die Lysistrate kennzeichnende obszöne Leitterminus griech. péos „Schwanz“ etwa durch das gleichwertige lat. mentula oder das lat. penis übersetzt (Küster 1710). Historisch analoge Stilqualitäten bieten erst die Übersetzungen von Henderson (2000), Holzberg (2009) und Rau (2017); s. Anhang „Die Sprachform der Komödie und ihre Übersetzung“. 125–128 Emphatische Fragen im Stil der Tragödiensprache. 129 „Der Krieg soll denn weitergehen“: Wohl stereotype Redewendung in Kriegszeiten; so auch Ritter, v. 673.

82 Ly.

La. Ly. My.

Λυ.

Λα. Λυ. Μυ.

Prolog: 137–148

Durch und durch lüstern ist unser ganzes Geschlecht. Kein Wunder, dass man Tragödien über uns schreibt. Denn nichts andere sind wir als „Poseidon und der Kahn“. 140 Doch, liebe Spartanerin, wenn nur du allein zu mir stehst, retten wir wohl noch alles. Stimme mir zu! Ja, bei den Dioskuren, es ist schon schwierig für die Frauen, ohne einen Steifen zu schlafen. Aber trotzdem: Frieden muss es wieder geben. 145 O du Liebste und Einzigartige der Frauen hier! Wenn wir uns aber möglichst fernhalten von dem, von dem du sprichst, was nicht geschehen möge, wird es deswegen eher Frieden geben?

ὦ παγκατάπυγον θἠμέτερον ἅπαν γένος. οὐκ ἐτὸς ἀφ᾽ ἡμῶν εἰσιν αἱ τραγῳδίαι. οὐδὲν γάρ ἐσμεν πλὴν Ποσειδῶν καὶ σκάφη. ἀλλ᾽, ὦ φίλη Λάκαινα, σὺ γὰρ ἐὰν γένῃ μόνη μετ᾽ ἐμοῦ, τὸ πρᾶγμ᾽ ἀνασωσαίμεσθ᾽ ἔτ᾽ , ξυμψήφισαί μοι. χαλεπὰ μὲν ναὶ τὼ σιὼ γυναῖκάς ἐσθ᾽ ὑπνῶν ἄνευ ψωλᾶς μόνας. ὅμως γα μάνꞏ δεῖ τᾶς γὰρ εἰράνας μάλ᾽ αὖ. ὦ φιλτάτη σὺ καὶ μόνη τούτων γυνή. εἰ δ᾽ ὡς μάλιστ᾽ ἀπεχοίμεθ᾽ οὗ σὺ δὴ λέγεις, ὃ μὴ γένοιτο, μᾶλλον ἂν διὰ τουτογὶ γένοιτ᾽ ἂν εἰρήνη;

––––––––––––

137 παγκατάπυγον Reiske : πᾶν κατάπυγον Hss. 141 Ergänzung durch Brunck

140

145

Kommentar

83

138 „Kein Wunder, dass man Tragödien über uns schreibt“: Die Begründung, weil das Geschlecht der Frauen „durch und durch lüstern“ sei, zielt vor allem auf die Darstellung von Frauen in den Tragödien des Euripides, die Aristophanes in den Thesmophoriazusen (aufgeführt wie die Lysistrate 411 v. Chr., wohl an den Großen Dionysien) durch eine selektive Auswahl karikierend entwirft (Übersetzung Ludwig Seeger). Eine Frau erhebt in einer Frauenvolksversammlung am Thesmophorienfest Anklage gegen Euripides (vv. 383– 400): „Ihr Fraun, es ist, bei Gott, nicht Eitelkeit, Warum ich aufstand, um zu reden! Nein, Das, das empört schon lang mein armes Herz, Dass ich euch seh mit Kot beworfen von Euripides, dem Sohn der [Marktfrau], Und hören muss, wie er euch schnöd verleumdet! Und welchen Schandfleck hängt er uns nicht an! Verlästert er uns nicht, sooft zusammen Sich finden Chor, Schauspieler und Zuschauer? Nennt läufig uns, mannstoll, ehbrecherisch, Schwatzhaft, versoffen, falsch, wortbrüchig, treulos, Verdorben durch und durch, die Pein der Männer! [… ] So hat er uns mit bösen Lehren Verdorben die Männer!“ Wie die Fortsetzung der Rede der Lysistrate zeigt, kommen natürlich auch Tragödien anderer Tragiker als Anspielungshorizont in Frage. Dazu gehört auch die Darstellung der Klytaimestra im Agamemnon des Aischylos, die an der Ermordung ihres Mannes Agamemnon beteiligt ist. 139 „Poseidon und der Kahn“: Anspielung auf die nur fragmentarisch erhaltene Tragödie Tyro des Sophokles (aufgeführt nach 420 v. Chr.), in der sich die schöne Tyro von Poseidon in der Gestalt des Flussgottes Enipeus verführen lässt und die Folgen der Verführung, die Knaben Neleus und Pelias, in einem Kahn aussetzt, die von Schäfern gefunden und aufgezogen werden. In der Formulierung des Aristophanes steht „Poseidon“ für die Lüsternheit der Tyro und der „Kahn“ für die verantwortungslose Aussetzung als tragisches Handlungsmotiv. „Poseidon und der Kahn“ ist also zu verstehen als „lüstern und verantwortungslos“. 142 „ohne einen Steifen“: Griech. hē psōlé ́ „der Steife“; s. Anm. zu v. 124. 145 „O du Liebste und Einzigartige der Frauen!“: Tragisierende Anrede.

84 Ly.

La. Ka. Ly. Ka. Ly. Ka.

Λυ.

Λα. Κα. Λυ. Κα. Λυ. Κα.

Prolog: 148–162

Ja, viel eher, bei den beiden Göttinnen. Denn wenn wir daheim geschminkt säßen 150 und in durchsichtigen Unterkleidern nackt herumliefen, die Schamhaare zum Dreieck gezupft, unsere Männer dann lüstern würden, einen Steifen bekämen und in uns eindringen möchten, wir sie aber nicht heranließen, sondern uns von ihnen fernhielten, dann würden sie schnell Frieden machen, das weiß ich sicher. 155 Ganz wie Menelaos; als er die Brüste der nackten Helena sah, fiel ihm, so glaube ich, das Schwert aus der Hand. Was aber, meine Liebe, wenn unsere Männer uns nicht beachten? Dann tu, was der Komödiendichter Pherekrates sagt: „schinde den geschundenen Hund!“ Solche Imitate taugen nichts. 160 Doch wenn sie uns packen und gewaltsam ins Schlafzimmer zerren? Dann halte dich an der Tür fest! Und wenn sie uns schlagen?

πολύ γε νὴ τὼ θεώ. εἰ γὰρ καθῄμεθ᾽ ἔνδον ἐντετριμμέναι, κἀν τοῖς χιτωνίοισι τοῖς Ἀμοργίνοις γυμναὶ παρίοιμεν δέλτα παρατετιλμέναι, στύοιντο δ᾽ ἅνδρες κἀπιθυμοῖεν σπλεκοῦν, ἡμεῖς δὲ μὴ προσιείμεθ’, ἀλλ᾽ ἀπεχοίμεθα, σπονδὰς ποιήσαιντ᾽ ἂν ταχέως, εὖ οἶδ᾽ ὅτι. ὁ γῶν Μενέλαος τᾶς Ἑλένας τὰ μᾶλά πᾳ γυμνᾶς παραυιδὼν ἐξέβαλ᾽, οἰῶ, τὸ ξίφος. τί δ᾽ ἢν ἀφιῶσ᾽ ἅνδρες ἡμᾶς, ὦ μέλε; τὸ τοῦ Φερεκράτους, κύνα δέρειν δεδαρμένην. φλυαρία ταῦτ᾽ ἐστὶ τὰ μεμιμημένα. ἐὰν λαβόντες δ᾽ εἰς τὸ δωμάτιον βίᾳ ἕλκωσιν ἡμᾶς; ἀντέχου σὺ τῶν θυρῶν. ἐὰν δὲ τύπτωσιν;

––––––––––––

150

155

160

153 προσιείμεθ’ Coulon nach Halbertsma : προίοιμεν Hss. 156 παραυιδὼν Bergk : παρευιδὼν Hss. : παραϜιδὼν Wilson (Digamma vielleicht in Sparta noch gesprochen)

Kommentar

85

150f. „in durchsichtigen Unterkleidern nackt“: Die durchsichtigen Unterkleider mit der Sichtbarkeit der Körperteile wurden in der Regel unter einem Oberkleid getragen. In kultischen Kontexten und im Hetärenmilieu waren sie auch ohne Oberkleid möglich, wie Darstellungen in der Vasenmalerei zeigen; Dierichs (1997) 21 (mit Abbildung); 111. Hergestellt wurden sie offensichtlich in einem besonderen Verfahren aus feinem Leinen. 151..„die Schamhaare zum Dreieck gezupft“: Modische kosmetische Form der Schambehaarung, die in der Vasenmalerei bei der Darstellung nackter Hetären sichtbar ist; Dierichs (1997) 59 (Abb. 98b und d); 63 (Abb. 105). 155f. „als [Menelaos] die Brüste der nackten Helena sah, fiel ihm … das Schwert aus der Hand“: Beispiel für die friedensstiftende Macht der Liebe aus dem Troia-Mythos: Anlässlich der Eroberung Troias durch die Griechen will Menelaos seine Frau Helena töten, die sich von Paris, dem Sohn des trojanischen Königs, hat entführen lassen und die Ursache des Trojanischen Krieges wurde. Als er sie aber sieht, ist er durch ihre Schönheit so beeindruckt, dass er das Schwert sinken lässt. Dieses Ereignis ist offensichtlich zum ersten Mal in der Kleinen Ilias (6. Jh. v. Chr.), einem verlorenen Epos des sog. Epischen Zyklus, erzählt (fr. 19, in: Epicorum Graecorum Fragmenta, hrsg. von Malcolm Davies, Göttingen 1988) und dann in der etwa gleichzeitigen archaischen Lyrik (Stesicheros, fr. 201; Ibykos, fr. 296, in: Poetae Melici Graeci/PMG, hrsg. von Denys L. Page, Oxford 1962) aktualisiert worden. Die dürftigen Zeugnisse begründen das Verhalten des Meneaos mit der Macht der „Schönheit“ (griech. kállos) und der „Liebe“ (griech. éros̄ ). Von irgendeiner Nacktheit ist hier nicht die Rede. Auch die frühen Darstellungen dieses Motivs in der Kunst der Vasenmalerei zeigen keine Spuren von Nacktheit. Während in den frühen Zeugnissen das Motiv offensichtlich als positives Beispiel für die Macht der Liebe und Schönheit eingesetzt wird, hat es Euripides in der Andromache (um 425 v. Chr.) um die Nackheit der Brust erweitert und als Beispiel für die Charakterlosigkeit des Menelaos gebraucht, der, statt seine ehebrecherische Frau zu töten, das Schwert fallen ließ, als er ihre „Brust“ (griech. mastós) sah, und sich von ihr küssen ließ, besiegt von der Liebe (vv. 628–631). Aristophanes spielt auf diese Darstellung des Euripides an, wendet das Motiv aber wieder ins Positive als Beispiel für die friedensstiftende Macht der Liebe. Die Kinesias-Myrrhine-Szene (vv. 829/889–953) zeigt dann in drastischer szenischer Darstellung die Macht und Wirkung der sexuellen Liebe. Die nackte Diallagḗ „Versöhnung“ (vv. 1114–1188) symbolisiert am Ende der Komödie die Segnungen des Friedens. 155 „Brüste“: griech. mā ́ la „Äpfel“ ist eine übliche Metapher für „Brüste“. 158 „Pherekrates“: attischer Komödiendichter; älterer Zeitgenosse des Aristophanes. 158 „schinde den geschundenen Hund“: metaphorische Redeweise für „benutze den häufig benutzten Hundelederphallos“; „Hund“ verweist auf die Herkunft des Leders; s. Anm. zu v. 109 zur weiblichen Autosexualität.

86 Ly.

Ka. La.

Ly. La. Ly.

Λυ.

Κα. Λα.

Λυ. Λα. Λυ.

Prolog: 162–179

Dann musst du es zulassen, aber mehr schlecht als recht. Denn wo Gewalt ist, fehlt die Lust. Auch sonst musst du ihn ärgern. Sei unbesorgt, sehr schnell werden sie aufgeben. Denn niemals findet der Mann Vergnügen, 165 wenn die Frau nicht mitmacht. Wenn ihr beide dafür seid, dann sind auch wir dafür. So werden auch wir unsere Männer dazu bringen, dass sie einen völlig gerechten und ehrlichen Frieden einhalten. 170 Aber euer Athener-Gesindel, wie wird man das davon abhalten können, sich wie Verrückte aufzuführen? Sei unbesorgt, bei uns werden wir das durchsetzen. Das bezweifle ich, solange eure Triëren einsatzbereit bleiben und solange Unmengen Silbergeld im Tempel der Athena liegen. 175 Aber auch dafür ist gut vorgesorgt. Denn wir werden heute noch die Akropolis besetzen. Denn die alten Frauen haben den Auftrag, dies zu tun, während wir uns hier verständigen: sie sollen unter dem Vorwand, zu opfern, die Akropolis besetzen.

παρέχειν χρὴ κακὰ κακῶς. οὐ γὰρ ἔνι τούτοις ἡδονὴ τοῖς πρὸς βίαν. κἄλλως ὀδυνᾶν χρήꞏ κἀμέλει ταχέως πάνυ ἀπεροῦσιν. οὐ γὰρ οὐδέποτ᾽ εὐφρανθήσεται ἀνήρ, ἐὰν μὴ τῇ γυναικὶ συμφέρῃ. εἴ τοι δοκεῖ σφῷν ταῦτα, χἠμῖν ξυνδοκεῖ. καὶ τὼς μὲν ἁμῶν ἄνδρας ἁμὲς πείσομες παντᾷ δικαίως ἄδολον εἰράναν ἄγηνꞏ τὸν τῶν Ἀσαναίων γα μὰν ῥυάχετον πᾷ κά τις ἀμπείσειεν αὖ μὴ πλαδδιῆν; ἡμεῖς ἀμέλει σοι τά γε παρ᾽ ἡμῖν πείσομεν. οὐχ ἇς πόδας κ᾽ ἔχωντι ταὶ τριήρεες, καὶ τὠργύριον τὤβυσσον ᾖ πὰρ τᾷ σιῷ. ἀλλ᾽ ἔστι καὶ τοῦτ᾽ εὖ παρεσκευασμένονꞏ καταληψόμεθα γὰρ τὴν ἀκρόπολιν τήμερον. ταῖς πρεσβυτάταις γὰρ προστέτακται τοῦτο δρᾶν, ἕως ἂν ἡμεῖς ταῦτα συντιθώμεθα, θύειν δοκούσαις καταλαβεῖν τὴν ἀκρόπολιν.

––––––––––––

169 παντᾷ Bergk : πάντα Hss. | ἄγην Ahrens : ἄγειν Hss. 173 ἔχωντι Scaliger : ἔχοντι Hss.

165

170

175

Kommentar

87

173 „solange eure Triëren einsatzbereit bleiben“: Wörtlich: „solange eure Triëren Füße („Füße“: Metapher für „Ruder“) haben.“ Zwar sind die „Füße“ von Schiffen auch als Metapher für „Segel“ überliefert, aber da die Ruder primär für die Fortbewegung der Triëren entscheidend waren und Segel nur unterstützend eingesetzt wurden, ist diese Metapher unwahrscheinlich. Die Triëre („Dreiruderer“) war seit den Perserkriegen das wichtigste und kampfstärkste Kriegsschiff in den Staaten und Städten des östlichen Mittelmeerraumes. Sie war etwa 35 bis 40 m lang und etwa 4,5 m breit. Sie hatte drei übereinanderliegende Ruderbänke an jeder Bordseite und erforderte eine Mannschaft von etwa 170 Ruderern. Die Ruder hatten eine Länge von etwa 4,2 m. Außer den Ruderern gehörten noch etwa 30 Hopliten und Bogenschützen zur Besatzung, so dass jede Triëre ein Personal von etwa 200 Männern benötigte. In Athen setzte erst Themistokles 483/482 v. Chr. den Bau von Triëren als Mittel der Verteidigung gegen die Perser durch. Etwa 200 Triëren wurden in kurzer Zeit gebaut. Mit diesem Flottenbauprogramm leitete Athen in den folgenden Jahrzehnten seine politische Expansion im östlichen Mittelmeergebiet ein. Im Peloponnesischen Krieg setzte es ganz auf die Stärke seiner Flotte, während sich der Gegner Sparta mit seinen Verbündeten vor allem auf den Landkrieg konzentrierte. Wegen der Bedeutung der Flotte für die Kriegsführung sind hier die Triëren genannt; s. Anm. zu v. 422. 174 „Unmengen Silbergeld im Tempel der Athena“: Im Opisthodom, dem Raum hinter der Cella des Parthenon, des repräsentativen Haupttempels der Athena, lagerte der Staatsschatz Athens. Gegenüber der Vermutung der Lampito, dass es sich um „Unmengen“ handelt, sind die Bestände im Laufe des Krieges bis 411 v. Chr. stark geschrumpft (Thukydides 7,28; 8,15), so dass man im Sommer 412 v. Chr. die letzte Notreserve von 1000 Silber-Talenten (zu je 26,196 kg) für den Bau und die Ausrüstung von Schiffen einsetzen musste. 175–179 Das Ende dieser gleichzeitigen Handlung wird am Ende des Prologs (vv. 240–242) erreicht: Die alten Frauen haben die Akropolis besetzt.

88 La. Ly. La. Ly.

Ka. Ly. Ka. Ly. Ka. Ly.

Λα. Λυ. Λα. Λυ. Κα. Λυ. Κα. Λυ. Κα. Λυ.

Prolog: 180–193

Das ist perfekt. Auch dies hast du gut vorbereitet. 180 Warum, Lampito, besiegeln wir dies nicht so schnell wie möglich mit einem Eid, damit es unverbrüchlich ist? Sprich du uns den Eid vor, mit dem wir schwören sollen. Das ist ein guter Vorschlag. (ruft ins Haus) Wo bleibt die skythische Sklavin? (Eine skythische Sklavin kommt mit einem Schild als Opferschale.) Was gaffst du so? 185 Leg den Schild auf dem Rücken vor uns hin, und man bringe mir die Opferstücke! Lysistrate, welchen Eid willst du uns schwören lassen? Welchen? Einen, den, so sagt man, einst Aischylos hat schwören lassen, und bei dem ein Schaf über einen Schild geschlachtet wurde. Nein, Lysistrate, nicht über einen Schild lass schwören, da es doch um Frieden geht. 190 Was für ein Eid soll es dann sein? Wie wäre es, wenn wir von irgendwoher einen weißen Hengst nähmen und Stücke von ihm opferten? Was denkst du dir denn da aus: einen weißen Hengst?

παντᾷ κ᾽ ἔχοι, καὶ τᾷδε γὰρ λέγεις καλῶς. τί δῆτα ταῦτ᾽ οὐχ ὡς τάχιστ᾽, ὦ Λαμπιτοῖ, ξυνωμόσαμεν, ὅπως ἂν ἀρρήκτως ἔχῃ; πάρφαινε μὰν τὸν ὅρκον, ὡς ὀμιόμεθα. καλῶς λέγεις. ποῦ ᾽σθ᾽ ἡ Σκύθαινα; ποῖ βλέπεις; θὲς εἰς τὸ πρόσθεν ὑπτίαν τὴν ἀσπίδα, καί μοι δότω τὰ τόμιά τις. Λυσιστράτη, τίν᾽ ὅρκον ὁρκώσεις ποθ᾽ ἡμᾶς; ὅντινα; εἰς ἀσπίδ᾽, ὥσπερ, φασίν, Αἰσχύλος ποτέ, μηλοσφαγούσας. μὴ σύ γ᾽, ὦ Λυσιστράτη, εἰς ἀσπίδ᾽ ὀμόσῃς μηδὲν εἰρήνης πέρι. τίς ἂν οὖν γένοιτ᾽ ἂν ὅρκος; εἰ λευκόν ποθεν ἵππον λαβοῦσαι τόμιον ἐντεμοίμεθα; ποῖ λευκὸν ἵππον;

––––––––––––

180 παντᾷ Koen : πάντα Hss. 183 ὀμιόμεθα Elmsley : ὀμιώμεθα Hss.

180

185

190

Kommentar

89

181–239 „Warum …besiegeln wir dies nicht…mit einem Eid?“: Die Frage leitet unvermittelt die Szene der Vorbereitung einer Schwurszene ein (vv. 181– 202) und geht dann über zur Schwurszene selbst (vv. 203–239). Diese Szenen enthalten nur wenige Impulse für die weitere Handlung, sondern sie sind dramatisch weitgehend autonom und ermöglichen daher vor allem die Situationskomik, die ohne Beziehung zur komischen Idee der Handlung steht. Der Eid als ein Mittel, die unbedingte Verbindlichkeit einer Aussage oder Willenserklärung zu bekräftigen sowie auch die Solidarisierung einer Gruppe zu stärken, hatte in der Antike eine ungleich größere Bedeutung als in der Gegenwart. Wie die literarischen Zeugnisse seit Homer zeigen, war er in seinen verschiedenen Formen immer stark ritualisiert. Die Vorbereitung der Schwurszene zeigt die Einbindung des Eides in die griechische Eidpraxis. Als Teil einer Opferhandlung hat der Eid wie in der Lysistrate Elemente des allgemeinen Tieropfers integriert. Ein Tieropfer war freilch nur in besonderen Fällen üblich, vor allem wohl beim Abschluss von Staatsverträgen. In der Regel reichte als eine Art Ersatz das Ausgießen einer Spende. In den besonderen Fällen wurde ein Opfertier über einer Opferschale geschlachtet und zerstückelt. Sein Blut fing man in einer Schale auf und tauchte darin die Hände. Die Komik der Vorbereitungsszene sowie der Schwurszene selbst wird vor allem durch die ausdrückliche Substitution des Opfertieres durch ein Fässchen Thasierwein begründet. Dabei entspricht die Farbe des Blutes des Opfertieres der Farbe des Weines in der Lysistrate. Die Vorbereitung des Schwuropfers und seine Durchführung lehnen sich insgesamt an das stark ritualisierte traditionelle Schwuropfer an und setzen sie in eine komische Handlung um. 188 „Aischylos hat schwören lassen“: Aischylos, Sieben gegen Theben, vv. 42–48. Es ist ein Eid in einer außergewöhnlichen Situation, der der traditionellen Praxis verpflichtet ist und auf den jetzt Lysistrate in einer außergewöhnlichen Situation anspielt: Sieben Heerführer schwören einen Eid als Vorbereitung zur Eroberung von Theben, den ein Augenzeuge schildert (vv. 42– 48; Übersetzung Wolfgang Schadewaldt): „Der Männer Sieben, ungestüme Heeresführer, Stierschlachtend in den schwarzgebundenen Schild Und mit den Händen in das Stierblut fassend, Taten bei Ares, bei Enyo und dem Daimon Des Schreckens, dem blutliebenden, den Schwur: Daß sie, wenn sie die Burg in Schrecken gelegt, Plündern die Stadt des Kadmos wollten mit Gewalt, Oder, gestorben, diese Erde hier Tränken mit ihrem Blut.“ 192 „weißen Hengst“: ein kostbares und exotisches Opfer. Im Rahnen der Handlung ist das ein absurder Vorschlag, der durch seine Übertreibung und Unmöglichkeit punktuell komisch ist.

90 Ka. Ly.

La. Ly.

My. Ka. Ly.

Ka. La. My. Ka.

Κα. Λυ.

Λα. Λυ. Μυ. Κα. Λυ. Κα. Λα. Μυ. Κα.

Prolog: 193–208

dann schwören?

Aber wie sollen wir

Ich kann es dir, bei Zeus, sagen, wenn du willst. 195 Wir nehmen eine große schwarze Trinkschale, drehen sie um, schlachten darüber ein Fässchen Thasierwein und schwören, kein Wasser in die Schale zu gießen. O, wie schön, ich kann kaum sagen, wie mir das gefällt. So hole jemand aus dem Haus eine Schale und ein Fässchen! (Die skythische Sklavin bringt den Schild ins Haus und kommt nicht mit einem Fässchen, sondern mit einem großen vollen Weinfass und einer Trinkschale zurück.) 200 O allerliebste Frauen, was für eine großartige Töpferarbeit! Die Trinkschale auch nur anzufassen ist schon eine wahre Lust. Stell sie auf die Erde und berühre mir das Opfertier. O Göttin der Überredung und Schale der Freundschaft, seid den Frauen gewogen und nehmt dieses Schlachtopfer an! (Sie öffnet das Fass und gießt Wein in die Schale.) 205 Das Blut hat eine schöne Farbe und sprudelt herrlich. Und es riecht auch angenehm, bei Kastor. Lasst mich, liebe Frauen, als Erste schwören! Nein, bei Aphrodite, wenn du kein Losglück hast.

ἡμεῖς;

ἀλλὰ πῶς ὀμούμεθα

ἐγώ σοι νὴ Δί᾽, ἢν βούλῃ, φράσω. θεῖσαι μέλαιναν κύλικα μεγάλην ὑπτίαν, μηλοσφαγοῦσαι Θάσιον οἴνου σταμνίον ὀμόσωμεν εἰς τὴν κύλικα μὴ ᾿πιχεῖν ὕδωρ. φεῦ δᾶ, τὸν ὅρκον ἄφατον ὡς ἐπαινίω. φερέτω κύλικά τις ἔνδοθεν καὶ σταμνίον. ὦ φίλταται γυναῖκες, ὁ κεραμὼν ὅσος. ταύτην μὲν ἄν τις εὐθὺς ἡσθείη λαβών. καταθεῖσα ταύτην προσλαβοῦ μοι τοῦ κάπρου. δέσποινα Πειθοῖ καὶ κύλιξ φιλοτησία, τὰ σφάγια δέξαι ταῖς γυναιξὶν εὐμενής. εὔχρων γε θαἶμα κἀποπυτίζει καλῶς. καὶ μὰν ποτόδδει γ᾽ ἁδὺ ναὶ τὸν Κάστορα. ἐᾶτε πρώτην μ᾽, ὦ γυναῖκες, ὀμνύναι. μὰ τὴν Ἀφροδίτην οὔκ, ἐάν γε μὴ λάχῃς.

––––––––––––

200 ὁ κεραμὼν Reiske : κεραμεὼν R

195

200

205

Kommentar

91

195 „Trinkschale“: griech. kýlix. Sie war das traditionelle Trinkgefäß (mit einem Durchmesser von höchsten 25 cm). 196 „schlachten…ein Fässchen Thasierwein“: „schlachten“ (griech. mēlosphageín) verweist terminologisch auf das blutige Tieropfer des traditionellen Schwuropfers; das Diminutiv griech. stamníon „Fässchen“ ist eine Art Euphemismus für griech. stámnos „Fass“; „Thasierwein“, von der Insel Thasos in der nördlichen Ägäis. Der Wein war berühmt wegen seiner „schwarzen“ Farbe und seines Apfel-Aromas; s. Henderson-Kommentar (1987) 93. 202 „berühre mir das Opfertier“: das Opfertier, griech. kápros „Eber“, ist das Fass Wein. Die Schwurhandlung der Komödie wird analog zur Kultpraxis eingeleitet durch das Berühren des „Opfertieres“. 203–236 Parodie eines Schwuropfers. Die Schwurszene enthält mit Äußerungen über das, was man im Umgang mit dem Sexhunger der Männer tun und lassen will, mögliche Handlungsimpulse für später, die aber nicht realisiert werden. Das entspricht der Komödienpraxis, in der prognostische Elemente keine Zukunftsbedeutung haben, sondern Mittel der Situationskomik sind. Was sich im Falle der Parodie des Schwuropfers zeigt, gilt im Allgemeinen für alle längeren Parodien in den Komödien des Aristophanes, seien es Kultparodien wie etwa Opfer-, Prozessions- und Gebetsparodien oder auch andere Parodien wie Tragödienparodien: sie generieren autonome komische Situationen, die nur locker mit der Entwicklung der Handlung verbunden sind. Ihr Mehrwert ist der Zuwachs an Komik. Die Parodie der Schwurszene ist an der traditionellen Kulthandlung orientiert. Einzelheiten: Kleinknecht (1937) 49–52. Mit der Berührung des „Opfertieres“ beginnt die Anrufung der Gottheiten als Zeugen (v. 203). Es sind aber nicht die üblichen Schwurgottheiten, zu denen in Athen vor allem Zeus, Athena, Demeter und Apollon gehörten, sondern der Handlung angepasste Gottheiten, einmal Peitho, die Personifikation der „Überredung“ (griech. peithṓ), die in Athen auch kultisch verehrt wurde, zum anderen die „Schale der Freundschaft“ (griech. kýlix philotēsía), eine ad hoc gebildete Personifikation oder Symbolisierung des Freundschaftstrankes. Dabei spielt die Göttin Peitho als Göttin der „Überredung“ auf das Versprechen der Frauen an, ihre Männer zum Frieden zu „überreden“: „wir werden [sie] überreden“ (griech.-attisch peísomen, v. 172; griech.-dorisch peísomes, v. 168). Am Ende wird die Überredung allerdings nur durch das nonverbale Mittel des Liebesstreiks erfolgreich. Der Freundschaftstrank ist als Mittel der Solidarisierung für die Handlung konsitutiv. 204 „nehmt dieses Schlachtopfer an“: Die Bitte ist terminus technicus im Opfergebet; der Form nach ist die Bitte durch einen Imperativ im Singular ausgedrückt: „nimm dieses Schlachtopfer an!“ Das Verbum steht im Singular, obwohl die Handlung in logischer Hinsicht den Bezug zu beiden „Gottheiten“ voraussetzt. Da aber im Folgenden die „Schale der Freundschaft“ mit ihrem Wein die komische Handlung bestimmt, ist der Imperativ im Singular nur auf die „Schale der Freundschaft“ bezogen. 207 „Lasst mich…als Erste schwören!“: im Sinne von „als Erste trinken“.

92 Ly.

Ka. Ly. Ka. Ly. Ka. Ly. Ka. Ly. Ka. Ly. Ka. Ly. Ka. Ly. Ka.

Λυ.

Κα. Λυ. Κα. Λυ. Κα. Λυ. Κα. Λυ. Κα. Λυ. Κα. Λυ. Κα. Λυ. Κα.

Prolog: 209–228

Berührt nun alle die Schale, auch du, Lampito! Eine soll für euch den Eid nachsprechen, den ich vorspreche. Ihr werdet ihn dann schwören und bekräftigen: Niemand, weder ein Liebhaber noch ein Ehemann, … Niemand, weder ein Liebhaber noch ein Ehemann, … … soll mir mit einem Steifen nahekommen. Sprich schon nach! … soll mir mit einem Steifen nahekommen. Oh weh! Mir werden die Knie weich, Lysistrate. Zu Hause will ich keusch und züchtig leben, … Zu Hause will ich keusch und züchtig leben, … … in einem safranfarbigen Kleid und schön geschminkt, … … in einem safranfarbigen Kleid und schön geschminkt, … … damit mein Mann heftig in Begierde zu mir entbrennt, … … damit mein Mann heftig in Begierde zu mir entbrennt, … … und niemals will ich mich freiwillig meinem Mann hingeben. … und niemals will ich mich freiwillig meinem Mann hingeben. Wenn er aber mich gegen meinen Willen zwingt, … Wenn er aber mich gegen meinen Willen zwingt, … … mache ich es nur schlecht und rühre mich nicht. … mache ich es nur schlecht und rühre mich nicht.

λάζυσθε πᾶσαι τῆς κύλικος, ὦ Λαμπιτοῖꞏ λεγέτω δ᾽ ὑπὲρ ὑμῶν μί᾽ ἅπερ ἂν κἀγὼ λέγωꞏ ὑμεῖς δ᾽ ἐπομεῖσθε ταὐτὰ κἀμπεδώσετε. οὐκ ἔστιν οὐδεὶς οὔτε μοιχὸς οὔτ᾽ ἀνήρ – οὐκ ἔστιν οὐδεὶς οὔτε μοιχὸς οὔτ᾽ ἀνήρ – ὅστις πρὸς ἐμὲ πρόσεισιν ἐστυκώς. λέγε. ὅστις πρὸς ἐμὲ πρόσεισιν ἐστυκώς. παπαῖ, ὑπολύεταί μου τὰ γόνατ᾽, ὦ Λυσιστράτη. οἴκοι δ᾽ ἀταυρώτη διάξω τὸν βίον – οἴκοι δ᾽ ἀταυρώτη διάξω τὸν βίον – κροκωτοφοροῦσα καὶ κεκαλλωπισμένη, – κροκωτοφοροῦσα καὶ κεκαλλωπισμένη, – ὅπως ἂν ἁνὴρ ἐπιτυφῇ μάλιστά μουꞏ ὅπως ἂν ἁνὴρ ἐπιτυφῇ μάλιστά μουꞏ κοὐδέποθ᾽ ἑκοῦσα τἀνδρὶ τὠμῷ πείσομαι. κοὐδέποθ᾽ ἑκοῦσα τἀνδρὶ τὠμῷ πείσομαι. ἐὰν δέ μ᾽ ἄκουσαν βιάζηται βίᾳ, – ἐὰν δέ μ᾽ ἄκουσαν βιάζηται βίᾳ, – κακῶς παρέξω κοὐχὶ προσκινήσομαι. κακῶς παρέξω κοὐχὶ προσκινήσομαι.

210

215

220

225

210

215

220

225

Kommentar

93

212f. „weder ein Liebhaber noch ein Ehemann soll mir mit einem Steifen nahekommen“: Die Kombination von Liebhaber (griech. moichós) und Ehemann (griech. anḗr) in dem Schwur der Ehefrauen ist psychologisch natürlich unmöglich, da die Frauen nur ihre Männer erpressen wollen. Der Liebhaber ist nur aus Gründen der Komik genannt und steht in der Tradition einer frauenskeptischen oder frauenfeindlichen Haltung, die literarisch bis in die archaische Zeit (Hesiod, Semonides; s. Anm. zu vv. 256–265 und zu v. 138) zurückreicht. Die Komik ensteht dadurch, dass diese Topik in der Handlung karikiert oder von den Frauen selbst übernommen wird, wodurch ihr der Boden für eine kritische Satire entzogen wird. Vor allem Trunklust und Ehebruch werden dadurch ohne Rücksicht auf psychologische Stimmigkeit zu Elementen der Komik. Die Figuren der Komödie sind im Unterschied zu den Figuren der klassischen Tragödie keine psychologisch geschlossennen und stimmigen Charaktere, sondern Figuren, die aus Gründen der Komik immer „aus der Rolle fallen“ können. In diesem Sinne ist auch die Aussage der Kalonike (v. 107) zu verstehen, wenn sie bedauert, dass in Athen „nicht die Andeutung eines Liebhabers/Ehebrechers (griech. moichós) […] übriggeblieben“ sei. Das Selbstverständnis der Frauen als notorischer Eherbrecherinnen erlaubt keine Rückschlüsse auf die soziale Wirklichkeit. Auch die häufige Darstellung ehebrecherischer Handlungen in der Tragödie und Komödie ist kein Indiz für ihre Häufigkeit in der Wirklichkeit. Ihr Vorkommen ist freilich unbestreitbar. Das unbefangene Selbstverständnis der Frauen als Ehebrecherinnen in der Literatur kontrastiert mit den rigorosen Formen der Bestrafung des Deliktes in der Wirklichkeit: Tötung des in flagranti entdeckten Ehebrechers und/oder Verstoß der Ehebrecherin durch Scheidung. In den Wolken des Aristophanes (vv. 1083f.) wird dem Ehebrecher ein Rettich in den Anus gedrückt. 216 „Mir werden die Knie weich“: Einknicken des Knies als Ausdruck für einen Schwächeanfall.

94 Ly. Ka. Ly. Ka. Ly. Ka. Ly. Ka. Ly. Alle Ly. Ka. La. Ly.

Prolog: 229–243

Ich werde meine Perserschuhe nicht zur Decke strecken. Ich werde meine Perserschuhe nicht zur Decke strecken. 230 Ich werde nicht die Stellung wie eine zum Sprung ansetzende Löwin auf der Käsereibe einnehmen. Ich werde nicht die Stellung wie eine zum Sprung ansetzende Löwin auf der Käsereibe einnehmen. Wenn ich dies halte, möchte ich aus dieser Schale trinken. Wenn ich dies halte, möchte ich aus dieser Schale trinken. 235 Doch wenn ich es breche, so fülle sich der Becher mit Wasser. Doch wenn ich es breche, so fülle sich der Becher mit Wasser. Schwört ihr alle dies gemeinsam? Ja, bei Zeus! So will ich das Opfer vollziehen. (Nimmt einen kräftigen Schluck.) Aber nur deinen Anteil trinke, meine Liebe, damit wir weiter Freundinnen bleiben. (Man hört lauten Jubel von Frauenstimmen.) Was ist das für ein Jubel? 240 Es ist gerade das, was ich sagte: Denn die Frauen haben jetzt den Burgberg der Göttin Athena besetzt. Doch du, liebe Lampito, gehe nun und bringe bei euch alles auf den Weg,

Λυ. οὐ πρὸς τὸν ὄροφον ἀνατενῶ τὼ Περσικά. Κα. οὐ πρὸς τὸν ὄροφον ἀνατενῶ τὼ Περσικά. Λυ. οὐ στήσομαι λέαιν᾽ ἐπὶ τυροκνήστιδος. Κα. οὐ στήσομαι λέαιν᾽ ἐπὶ τυροκνήστιδος. Λυ. ταῦτ᾽ ἐμπεδοῦσα μὲν πίοιμ᾽ ἐντευθενίꞏ Κα. ταῦτ᾽ ἐμπεδοῦσα μὲν πίοιμ᾽ ἐντευθενίꞏ Λυ. εἰ δὲ παραβαίην, ὕδατος ἐμπλῇθ᾽ ἡ κύλιξ. Κα. εἰ δὲ παραβαίην, ὕδατος ἐμπλῇθ᾽ ἡ κύλιξ. Λυ. συνεπόμνυθ᾽ ὑμεῖς ταῦτα πᾶσαι; Πᾶσαι νὴ Δία. Λυ. φέρ᾽ ἐγὼ καθαγίσω τήνδε. Κα. τὸ μέρος γ᾽, ὦ φίλη, ὅπως ἂν ὦμεν εὐθὺς ἀλλήλων φίλαι. Λα. τίς ὡλολυγά; Λυ. τοῦτ᾽ ἐκεῖν᾽ οὑγὼ ᾿λεγονꞏ αἱ γὰρ γυναῖκες τὴν ἀκρόπολιν τῆς θεοῦ ἤδη κατειλήφασιν. ἀλλ᾽, ὦ Λαμπιτοῖ, σὺ μὲν βάδιζε καὶ τὰ παρ᾽ ὑμῖν εὖ τίθει, ––––––––––––

243 ὑμῖν Reisig : ὑμῶν R

230

235

240

Kommentar

95

229 „Perserschuhe […] zur Decke strecken“: „Perserschuhe“ (griech. Persiká, Dual zu Persikaí): paradoxe Metonymie für griech. skélē „Beine; Schenkel“; Anspielung auf eine frontale Sexstellung (Figura Veneris), bei der die Frau auf dem Rücken liegt. Diese Figur ist vielfach in der Vasenmalerei dargestellt. Beispiele: Dierichs (1997) Abb. 141; 142a; 142b. Bei den „Perserschuhen“ handelt es sich um einen Halbschuh, der vor allem von Frauen außerhalb des Hauses getragen wurde. Ihre Bezeichnung nach dem Herkunftsland deutet auf ein Luxuskleidungstück hin. 231 „wie eine zum Sprung ansetzende Löwin auf der Käsereibe“: Anspielung auf eine dorsale Sexstellung (Figura Veneris), bei der die Frau eine Stellung einnimmt wie eine zum Sprung ansetzende Löwin, die den Handgriff einer Käsereibe bildet. Solche Löwen-Darsellungen sind aus der Vasenmalerei der archaischen Zeit bekannt: „die Tiere werden in der Stellung vor dem Losspringen dargestellt, also die Hinterbeine hoch, die Vorderbeine auf den Boden gedrückt.“ Nach: Wilamowitz-Moellendorff-Kommentar (1927) 137. Auch diese Art der Sexstellung in der Haltung einer zum Sprung ansetzenden Löwin ist häufig in der Vasenmalerei dargestellt: Dabei steht die Frau weit nach vorn gebeugt und stützt sich mit den Händen auf den Boden, ein Polster, einen Schemel oder eine Kline, während der Mann hinter ihr steht und sie am Oberkörper berührt. Beispiele: Dierichs (1997) Abb. 129; 130; 131; 132. 235 „Doch wenn ich es breche, so fülle sich der Becher mit Wasser“: Der Wunsch entspricht der rituellen Verfluchung am Ende eines traditionellen Eides. 238 „So will ich das Opfer vollziehen“: griech. kathagísō (Futur) zu griech. kathagízein (Infinitiv) bezeichnet das Verbrennen des Opfertieres oder allgemein das Verbrennen eines Opfers. Entsprechend dem „Opfertier“ bedeutet das Verbrennen das Trinken des Weines. 240..“Was ist das für ein Jubel?“: griech.-dorisch ololȳgā ́ (griech.-attisch ololȳgḗ) Ausruf der Freude, besonders von Frauen, und Ausruf des Triumphes.

96

Ka. Ly.

Ka.

Κα. Λυ.

Κα.

Prolog: 244–253

lass uns aber diese (zeigt auf die anderen Frauen) hier als Geiseln zurück! 245 Wir aber wollen zu den anderen Frauen auf der Akropolis gehen und mit ihnen die Tore verrammeln. Glaubst du nicht, dass die Männer sofort gegen uns anrücken werden? Die kümmern mich wenig. Denn mit ihren Drohungen und ihren Feuerbränden 250 werden sie es nicht schaffen, diese Tore zu öffnen, wenn sie nicht auf unsere Forderungen eingehen. Bei Aphrodite, nein, niemals, denn sonst hieße es, dass wir Frauen Feiglinge und Schufte seien. (Alle verlassen die Bühne durch die große Tür des Bühnenhauses.)

τασδὶ δ᾽ ὁμήρους κατάλιφ᾽ ἡμῖν ἐνθάδεꞏ ἡμεῖς δὲ ταῖς ἄλλαισι ταῖσιν ἐν πόλει ξυνεμβάλωμεν εἰσιοῦσαι τοὺς μοχλούς. οὔκουν ἐφ᾽ ἡμᾶς ξυμβοηθήσειν οἴει τοὺς ἄνδρας εὐθύς; ὀλίγον αὐτῶν μοι μέλει. οὐ γὰρ τοσαύτας οὔτ᾽ ἀπειλὰς οὔτε πῦρ ἥξουσ᾽ ἔχοντες ὥστ᾽ ἀνοῖξαι τὰς πύλας ταύτας, ἐὰν μὴ ᾽φ᾽ οἷσιν ἡμεῖς εἴπομεν. μὰ τὴν Ἀφροδίτην οὐδέποτέ γ᾽ꞏ ἄλλως γὰρ ἂν ἄμαχοι γυναῖκες καὶ μιαραὶ κεκλῄμεθ᾽ ἄν.

––––––––––––

244 κατάλιφ᾽ Biset : κατάλειφ᾽ R 249 οὔτ᾽…οὔτε Bekker : οὐδʼ…οὐδὲ R

245

250

Kommentar

97

244 „lass uns aber diese hier als Geiseln zurück!“: Damit sind die anderen Spartanerinnen, außerdem die Korintherinnen und Thebanerinnen, gemeint. Ihre Funktion als Geiseln hat für die weitere Handlung keine Bedeutung. 253 „Alle verlassen die Bühne durch die große Tür des Bühnenhauses“: Für die Lysistrate ist hinreichend gesichert, dass das Bühnenhaus (Skene/griech. skēnḗ), das den Hintergrund der Bühne bildete, drei Türen hatte, von denen eine, wohl die mittlere Tür, größer war. Während die kleineren Türen im Prolog die Eingänge zu den Häusern der Lysistrate und der Myrrhine repräsentieren, stellt die größere Tür den Eingang zur Akropolis dar, der nach dem Prolog zum Ort der Handlung bis zum Ende der Komödie wird. Dass diese Tür die beiden anderen Türen an Größe übertrifft, ist von innerer Wahrscheinlichkeit, da sie die monumentale Architektur der Propyläen, den Eingang zu der stadtbeherrschenden Akropolis, symbolisiert. Aus Gründen der Symmetrie wird sie zwischen den kleineren Türen angeordnet sein. Eine dieser kleineren Türen wird in der Kinesias-Myrrhine-Szene (nach v. 918) als Eingang zur Pansgrotte benötigt, die auch als Requisitenraum genutzt wird. Das größere Tor wird zu Beginn der Exodos (v. 1273) für den Auszug der Schauspieler/Personen der Handlung aus der Akropolis als Burgtor eingesetzt. Ob und in welcher Weise dieses Bühnenhaus-Tor architektonisch auf die nahegelegenen Propyläen der Akropolis anspielte, kann nicht geklärt werden. Da das Bühnenhaus jedoch nicht mit Rücksicht auf eine einzelne Komödie oder Tragödie errichtet wurde, sondern für alle Aufführungen eines Festes verwendet wurde, kann es keinen allzu konkreten Bezug zu einem einzelen Stück gehabt haben. Das Bühnenhaus selbst wird einstöckig gewesen sein. Sein Dach repräsentiert in der Kinesias-Myrrhine-Szene (vv. 829–888) die Akropolis von Athen, von der Lysistrate mit ihren Freundinnen zu Beginn der Szene das Geschehen vor dem tiefer gelegenen Eingang zur Akropolis beobachtet. Wenn diese vom Dach des Bühnenhauses wieder auf die Bühne kommen, werden sie dieses Tor benutzen. Die Architektur des Bühnenhauses und seine Verwendung für die Inszenierung sind nicht eindeutig zu bestimmen, da das Bühnenhaus im 5. Jh. für die beiden Theaterfeste jedes Jahr neu aus Holz aufgebaut wurde. Da jedoch die Theaterkultur in Athen konservativ war, wird man von dem weitgehend erhaltenen und gut rekonstruierbaren Steintheater des 4. Jh.s v. Chr. auf die Verhältnisse des 5. Jh.s schließen können, dessen Bühnenhaus über ein doppelflügeliges Zentraltor sowie zwei weitere Türen verfügte und auch einstöckig war. Die Annahme, dass auch die temporär errichtete hölzerne Skene des 5. Jh.s in der Regel bereits über drei Türen verfügte, wird dadurch bestätigt, dass außer der Lysistrate auch andere Komödien (Friede, Ekklesiazusen) durch diese Architektur leichter und überzeugender zu inszenieren sind.

98

Parodos: 254–265

Parodos. Die Handlung schließt zeitlich unmittelbar an. Ortswechsel: Vor den Propyläen der Akropolis in Athen. Als Reaktion auf die Besetzung der Akropolis durch die alten Frauen erscheinen keuchend vom Alter geschwächte und ärmlich gekleidete Männer Athens (repräsentiert durch die eine Hälfte des Chors mit zwölf Mitgliedern). Sie schleppen Holzklötze und Töpfe mit brennenden Kohlen vor die Propyläen der Akropolis, um die alten Frauen (repräsentiert durch die andere Hälfte des Chors mit ebenfalls zwölf Mitgliedern) „auf einem … Scheiterhaufen … zu verbrennen“ (v. 269). Chorführer Vorwärts, Drakes! Geh du voran, auch wenn die Schulter schmerzt 255 von dieser schweren Last der grünen Ölbaumklötze. Chor der Männer Ja, viel Unerwartetes gibt es in einem langen Leben, wehe; denn wer hätte, Strymodoros, jemals erwartet zu hören, dass unsere Frauen, die wir zuhause uns zur deutlichen Plage füttern, das heilige Bild der Athena erbeutet und unsere Akropolis besetzt haben und dazu noch die Propyläen mit Riegeln und Balken verbarrikadiert haben?

Χορὸς γερόντων χώρει, Δράκης, ἡγοῦ βάδην, εἰ καὶ τὸν ὦμον ἀλγεῖς κορμοῦ τοσουτονὶ βάρος χλωρᾶς φέρων ἐλάας. ἦ πόλλ᾽ ἄελπτ᾽ ἔνεστιν ἐν τῷ μακρῷ βίῳ, φεῦ, ἐπεὶ τίς ἄν ποτ᾽ ἤλπισ᾽, ὦ Στρυμόδωρ᾽, ἀκοῦσαι γυναῖκας, ἃς ἐβόσκομεν κατ᾽ οἶκον ἐμφανὲς κακόν, κατὰ μὲν ἅγιον ἔχειν βρέτας, κατὰ δ᾽ ἀκρόπολιν ἐμὴν λαβεῖν κλῄθροισί τ’αὖ καὶ μοχλοῖσι τὰ Προπύλαια πακτοῦν;

––––––––––––

256 ἔνεστιν Reisig : ἐστὶν R 263 ἐμὴν Meineke : ἐμὰν R

Strophe

260

265

255 [στρ. 260

Kommentar

99

254–386 Parodos. Der Chor tritt in der attischen Tragödie und Komödie erst nach dem Prolog in die Handlung ein. Sein Einzugslied, die Parodos, ist ein festes Strukturelement im Anschluss an den Prolog. Mit seinem Einzug antwortet der Chor auf ein im Prolog entwickeltes Handlungselement. Eine Besonderheit der Lysistrate ist die Teilung des Chors in zwei Hälften, in einen Halbchor von alten Männern und in einen Halbchor von alten Frauen. Diese Teilung führt zur Verdoppelung des Einzugslieds. Dabei ist die Parodos des Chors der alten Männer eine Reaktion auf die im Prolog erwähnte Besetzung der Akropolis durch die alten Frauen, während die Parodos der alten Frauen eine Reaktion auf die Aktion der alten Männer ist. Damit entsteht eine Streitszene zwischen den beiden Chören, die eine Eigendynamik der Chorhandlung entfaltet und eine zweite eigenständige Handlungslinie begründet, die mit der Lysistrate-Handlung aus dem Prolog nur locker verbunden ist. Erst am Ende der Komödie werden die beiden Handlungsstränge zusammengeführt. Als Reaktion auf die Besetzung der Akropolis durch die alten Frauen (vv. 240–242) erscheinen unmittelbar nach der Besetzung altersgeschwächte Männer Athens (repräsentiert durch die eine Hälfte des Chors mit zwölf Mitgliedern) vor den Propyläen der Akropolis. Die Schnelligkeit des Erscheinens widerspricht den Regeln der Wahrscheinlichkeit. Die Männer schleppen Holzklötze und Töpfe mit brennenden Kohlen, um die alten Frauen „auf einen … Scheiterhaufen … zu verbrennen“ (v. 269). Die Auseinandersetzung ist durch Gewaltandrohung geprägt. Die Frauen (repräsentiert durch die andere Hälfte des Chors mit ebenfalls zwölf Mitgliedern) antworten erfolgreich mit Gegengewalt und löschen das Feuer. Die Streitszene zwischen den Männern und Frauen ist nicht durch den Prolog vorbereitet. Sie markiert einen dramatischen Neueinsatz. Rollenverteilung Chor-Chorführer: Dem Chor sind die gesungenen Partien zugeordnet, dem Chorführer die rezitierten Partien; s. Anhang „Verskunst“. 254 „Drakes“: Name eines Choreuten; es ist keine historische Person gemeint. Die Individualisierung von Mitgliedern des Chors durch eine namentliche Anrede ist ein Mittel der Verlebendigung und wird in dieser Funktion in der Parodos der Lysistrate – wie auch in anderen Komödien – häufig eingesetzt (v. 259; 266; 304; 321). Es handelt sich um literarische Namen oder um Spontanbildungen, die auch sprechende Namen sein können, was im Falle des Namens Drakes allerdings nicht zutrifft. 256–265 Der Stil der Strophe ist mit Reminiszenzen an die Sprache der Tragödie poetisch-elaboriert durchsetzt. Die Metrik der Jamben folgt den Regeln der Tragödie. In Verbindung mit misogyner Topik – „Frauen, die wir zuhause uns zur deutlichen Plage füttern“ – wird der Stil ein Element der Komik. Die misogyne Topik wird im Laufe der Chorhandlung konstitutiv für die Auseinandersetzung zwischen dem Chor der alten Männer und dem Chor der alten Frauen. Vorbereitet ist sie im Prolog, in dem die jungen Frauen – außer Lysistrate und Lampito – dargestellt werden in Stereotypen einer frauenskeptischen männlichen Wahrnehmung, nach der die Frauen (wie die Hetären) nur Sinn für Schönheitspflege, Erotik und Wein haben.

100

Parodos: 266–282

Chorführer Doch stürmen wir, so schnell es geht, hinauf zur Akropolis, Philurgos, Epirrhema damit wir diese Klötze rings um die Frauen aufschichten und, wie wir einstimmig beschlossen haben, alle, die diese Sache begonnen und betrieben haben, auf einem einzigen Scheiterhaufen eigenhändig verbrennen, zuerst die Frau des Lykon, dieses Flittchen. 270 Nein, bei Demeter, ich lass mich nicht von ihnen verspotten, solang ich lebe, Gegenstrophe denn auch Kleomenes, der Spartanerkönig, der die Akropolis als Erster einnahm, 275 kam nicht ungeschoren wieder weg, sondern er musste trotz seines spartanischen Hochmuts ohne Waffen abziehen, in einem schäbigen Mantel, hungrig, schmutzig, unrasiert, 280 sechs Jahre ungewaschen.

Chor der Männer

Antepirrhema Chorführer So belagerte ich ihn erbarmungslos, bewachte ihn vor den Toren Tag und Nacht, tief gestaffelt in 17 Reihen.

ἀλλ᾽ ὡς τάχιστα πρὸς πόλιν σπεύσωμεν, ὦ Φιλοῦργε, ὅπως ἄν αὐταῖς ἐν κύκλῳ θέντες τὰ πρέμνα ταυτί, ὅσαι τὸ πρᾶγμα τοῦτ᾽ ἐνεστήσαντο καὶ μετῆλθον, μίαν πυρὰν νήσαντες ἐμπρήσωμεν αὐτόχειρες πάσας, ἀπὸ ψήφου μιᾶς, πρώτην δὲ τὴν Λύκωνος. οὐ γὰρ μὰ τὴν Δήμητρ᾽ ἐμοῦ ζῶντος ἐγχανοῦνταιꞏ ἐπεὶ οὐδὲ Κλεομένης, ὃς αὐτὴν κατέσχε πρῶτος, ἀπῆλθεν ἀψάλακτος, ἀλλ᾽ ὅμως Λακωνικὸν πνέων ᾤχετο θὤπλα παραδοὺς ἐμοί, σμικρὸν ἔχων πάνυ τριβώνιον, πεινῶν ῥυπῶν ἀπαράτιλτος, ἓξ ἐτῶν ἄλουτος. οὕτως ἐπολιόρκησ᾽ ἐγὼ τὸν ἄνδρ᾽ ἐκεῖνον ὠμῶς ἐφ᾽ ἑπτακαίδεκ᾽ ἀσπίδων πρὸς ταῖς πύλαις καθεύδων. ––––––––––––

270 ἀπὸ Meineke : ὑπὸ Hss. 279 πεινῶν Γ: πινῶν R 281 ὠμῶς Faber : ὅμως Hss.

270 [ἀντ. 275

280

Kommentar

101

Eine literarische misogyne Topik ist seit Hesiod (Werke und Tage, vv. 55– 105) nachweisbar. Der Jambograph Semonides (7. Jh. v. Chr.) wurde mit der sog. Weibersatire (fr. 7 mit 118 Versen, in: Iambi et Elegi Graeci ante Alexandrum cantati, hrsg. von M. L. West, Bd. 2, Oxford ²1992; Vergleich verschiedener Typen von Ehefrauen mit Tieren) der Klassiker der Misogynie. 259 „Strymodoros“: Name eines Choreuten; s. Anm. zu v. 254. 262 „das heilige Bild der Athena“: das alte geschnitzte Kultbild aus Olivenholz der Athena Polias (wohl aus dem 7. Jh. v. Chr.), der Stadtgöttin von Athen. Zur Zeit der Aufführung der Lysistrate war es wohl in dem teilweise fertiggestellten Erechtheion auf der Akropolis untergebracht, das für den Kult der Athena Polias bestimmt war. Ursprünglich hatte es seinen Platz in dem Alten Athena-Tempel auf der Akropolis (s. Anm. zu v. 317). Es stand in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts in kultischer Konkurrenz zur monumentalen ca. 12,7 m großen Goldelfenbein-Statue der Athena Parthenos, die Phidias um 440 v. Chr. für den Parthenon hergestellt hat. Da der Chor der alten Männer sein Selbstverständnis und sein Selbstbewusstsein aus der Zeit der frühen Demokratie und dem Triumph in den Perserkriegen (s. Anm. zu v. 285) herleitet, hat für ihn das jahrhundertalte Kultbild höheren Wert als die neue Kolossalstatue. 270 „die Frau des Lykon, dieses Flittchen“: Die Frau des Lykon, deren Name fälschlicherweise oft mit Rhodia angegeben wird, hatte nach Eupolis, dem Konkurrenten des Aristophanes, den Ruf einer Hetäre: „Jeder Mann fand seinen Weg (griech. érrhei) zu ihr.“ (Eupolis fr. 232, in: Poetae Comici Graeci, Bd. 5, hrsg. von R. Kassel und C. Austin, Berlin 1986). Ihr Mann war ein unbeschriebenes Blatt, wenn er nicht, was zweifelhaft ist, identisch ist mit dem Lykon, der zu den Anklägern des Sokrates im Jahre 399 v. Chr. gehörte. 273 „Kleomenes, der Spartanerkönig“: Die alten Männer von 411 v. Chr. schwadronieren über Ereignisse aus der Zeit um 510 v. Chr., als wenn sie selbst daran beteiligt gewesen wären. Die kollektive Erinnerung der Athener mutiert zur persönlichen Erinnerung der alten Männer. Dabei wird die Besetzung der Akropolis durch die Spartaner unter dem Spartanerkönig Kleomenes als feindlicher Akt der Spartaner dargestellt. In Wirklichkeit hatten sich die Spartaner nach dem Sturz der Tyrannis an innerathenischen Machtkämpfen im Jahre 508 v. Chr. beteiligt und zur Unterstützung der politischen Restauration durch Isagoras die Akropolis besetzt. Bereits nach zwei Jahren (und nicht nach sechs Jahren) wurden die Spartaner zusammen mit Isagoras von innerathenischen Gegnern vertrieben. Die Angabe der Teilnahme an einem Ereignis von 508 v. Chr. im Jahre der Aufführung der Lysistrate (411 v. Chr.), also vor 97 Jahren, gehört zur Nonsens-Komik.; dieser Typus der Nonsens-Komik wird vv. 664–665 erneuert; s. Anm. zu vv. 664–665. Dazu gehört auch die Bezeichnung „Marathonkämpfer“ für Patrioten in den Acharnern (425 v. Chr.) (v. 181), die als Teilnehmer der Schlacht von 490 v. Chr. ein Alter von etwa 85 Jahren haben müssten. Zu einem anderen Typus von Nonsens-Komik s. Anm. zu vv.1043–1071.

102

Parodos: 283–298

Und diese hier, dem Euripides und allen Göttern verhasst, soll ich nicht hindern an ihrem frechen Tun? Dann soll nicht mehr mein Siegesdenkmal in Marathon stehen bleiben! 285 Chor der Männer Doch die Akropolis habe ich bald erreicht. Es bleibt nur noch ein kurzes steiles Stück. Wie schaffen wir die Last nur ohne Esel hinauf? Wie mir die beiden Klötze Die Schulter zerquetschen! Doch trotzdem: Vorwärts! Facht das Feuer wieder an, damit es uns am Ziel des Weges nicht noch ausgeht. (Blasen auf die Kohlen.) Puh! Puh! Verdammt, dieser Rauch! Wie schrecklich, Herrscher Herakles, ist der Rauch, der mich aus dem Kohletopf anfällt und mir wie ein tollwütiger Hund in die Augen beißt.

Strophe

290

295 Gegenstrophe

τασδὶ δὲ τὰς Εὐριπίδῃ θεοῖς τε πᾶσιν ἐχθρὰς ἐγὼ οὐκ ἄρα σχήσω παρὼν τολμήματος τοσούτου; μή νυν ἔτ᾽ ἐν τῇ τετραπόλει τοὐμὸν τροπαῖον εἴη.

285

ἀλλ᾽ αὐτὸ γάρ μοι τῆς ὁδοῦ λοιπόν ἐστι χωρίον τὸ πρὸς πόλιν τὸ σιμόν, οἷ σπουδὴν ἔχωꞏ πῶς δή ποτ᾽ ἐξαμπρεύσομεν τοῦτ᾽ ἄνευ κανθηλίου; ὡς ἐμοῦ γε τὼ ξύλω τὸν ὦμον ἐξιπώκατονꞏ ἀλλ᾽ ὅμως βαδιστέον, καὶ τὸ πῦρ φυσητέον, μή μ᾽ ἀποσβεσθὲν λάθῃ πρὸς τῇ τελευτῇ τῆς ὁδοῦ. φῦ φῦ. ἰοὺ ἰοὺ τοῦ καπνοῦ.

[στρ.

ὡς δεινὸν, ὦναξ Ἡράκλεις, προσπεσόν μ᾽ ἐκ τῆς χύτρας ὥσπερ κύων λυττῶσα τὠφθαλμὼ δάκνειꞏ

[ἀντ.

––––––––––––

289 πῶς δή Fraenkel : χὤπως Hss.

291 ὡς ἐμοῦ γε Hss. : ὡς ἔμοιγε van Leeuwen

290

295

Kommentar

103

283 „dem Euripides und allen Göttern verhasst“: Wegen der affektgetriebenen Protagonisten euripideischer Tragödien, wie z. B. der Medea, Phaedra und Hekabe, hat Aristophanes den zeitgenössischen Tragödiendichter Euripides zum Frauenhasser gemacht. In den Thesmophoriazusen, im selben Jahr wie die Lysistrate aufgeführt, ist der Frauenhass des Euripides zentrales Handlungsmotiv. Durch Aristophanes ist Euripides in die literarische Geschichte der Misogynie geraten; s. auch Anm. zu v. 138 und vv. 256–265. 285 „Siegesdenkmal (griech. tropaíon) in Marathon“: Errichtet in Erinnerung an den historisch bedeutenden Sieg der Athener über die Perser in der Landschlacht im Jahre 490 v. Chr. Das ursprünglich einfache Tropaion aus einem Holzgestell mit erbeuteten Waffen wurde in den sechsiger Jahren durch ein Tropaion aus weißem Marmor ersetzt, auf das der Chor der Männer anspielt. Das Tropaion wurde repräsentiert durch den heute noch sichtbaren Grabhügel (Höhe 9 m) und durch Grabstelen mit den Namen der gefallenen Athener (Pausanias, Beschreibung Griechenlands, 1,32,3 und 5). Aristophanes gebraucht nicht den Namen Marathon, sondern nennt als Standort die „Tetrapolis“, einen Kultverbund von vier Dörfern (griech. dḗmoi) an der Ostküste von Attika mit Marathon als Hauptort. Der Ort Marathon gehört zusammen mit der Insel Salamis und dem Pass der Thermopylen zu den bedeutendsten Erinnerungsorten des antiken Griechenlands, die als Orte der erfolgreichen Kriege gegen die militärisch potentiell überlegenen Perser (Marathon 490 v. Chr.; Salamis 480 v. Chr.; Thermopylen 480 v. Chr.) zu Symbolen für das politisch-moralische Selbstverständnis der Griechen mit ihrem Freiheitsideal und für seine Überlegenheit über den Despotismus des persischen Reiches wurden. Begründet wurde dieses Selbstverständnis wesentlich schon durch den griechischen Historiker Herodot, der im Abstand von etwa 50 Jahren um 430 v. Chr. eine detaillierte Geschichte der Perserkriege verfasst hat. Auch die Komödien des Aristophanes zeigen durch vielfältige Anspielungen die Bedeutung der Perserkriege für das kollektive Bewusstsein vor allem der Athener. Marathon steht für den Sieg der zahlenmäßig unterlegenen Athener, die ohne Unterstützung anderer griechischer Städte im Jahr 490 v. Chr. in einer Landschlacht in der Ebene von Marathon (ca. 30 km von der Stadt Athen entfernt) den ersten Angriff der Perser während der Regierungszeit des Dareios I. (522–486 v. Chr.) auf Griechenland abwehrten und die Perser zum Rückzug zwangen. Salamis markiert das spektakuläre Ende der Eroberungskriege der Perser gegen Griechenland, die diese unter dem Großkönig Xerxes (486–465) wiederaufgenommen hatten: Die im Hellenenbund vereinigten griechischen Städte besiegten im September 480 v. Chr. in einer Seeschlacht vor der Insel Salamis durch geschicktes Manöverieren die zahlenmäßig überlegene persische Flotte in unmittelbarer Nähe von Athen, das von den Persern besetzt und verwüstet worden war. Mit dem Sieg über das persische Landheer bei Plataiai im folgenden Jahr war der Triumph der Griechen vollständig. Damit endeten die Versuche der Perser, ihr Reich nach Westen zu erweitern.

104

Parodos: 299–314

Er ist ganz wie das Vulkanfeuer auf Lemnos. Denn sonst krallte er sich nicht so in meine Augen, dass sie blutunterlaufen sind. 300 Vorwärts! Schnell zur Akropolis! Komm der Göttin Athena zur Hilfe! Oder wann können wir, o Laches, ihr besser als jetzt beistehen? (Blasen wieder auf die Kohlen.) Puh! Puh! 305 Verdammt, dieser Rauch! Chorführer Dies Feuer hier ist mit Gottes Hilfe aufgewacht und lebt. Jetzt legt die Klötze hier hin, und steckt die Rebholzfackel in den Kohletopf! Und wenn dann die Klötze brennen, rennen wir wie ein Rammbock gegen das Tor. 310 Und lösen die Frauen auf unser Rufen nicht die Riegel, müssen wir die Tore in Brand stecken und die Frauen ausräuchern. Jetzt wollen wir erst einmal die Last abladen. Puh, was für ein Rauch, verdammt! Kann denn nicht einer unserer Feldherrn auf Samos beim Holz-Abladen helfen? (Legen die Klötze ab.) Jetzt hat die Last aufgehört, den Rücken zu drücken.

κἄστιν γε Λήμνιον τὸ πῦρ τοῦτο πάσῃ μηχανῇ. οὐ γὰρ ἄν ποθ᾽ ὧδ᾽ ὀδὰξ ἔβρυκε τὰς λήμας ἐμοῦ. σπεῦδε πρόσθεν εἰς πόλιν καὶ βοήθει τῇ θεῷ. ἢ πότ᾽ αὐτῇ μᾶλλον ἢ νῦν, ὦ Λάχης, ἀρήξομεν; φῦ φῦ. ἰοὺ ἰοὺ τοῦ καπνοῦ. τουτὶ τὸ πῦρ ἐγρήγορεν θεῶν ἕκατι καὶ ζῇ. οὔκουν ἄν, εἰ τὼ μὲν ξύλω θείμεσθα πρῶτον αὐτοῦ, τῆς ἀμπέλου δ᾽ εἰς τὴν χύτραν τὸν φανὸν ἐγκαθέντες ἅψαντες εἶτ᾽ εἰς τὴν θύραν κριηδὸν ἐμπέσοιμεν – κἂν μὴ καλούντων τοὺς μοχλοὺς χαλῶσιν αἱ γυναῖκες, ἐμπιμπράναι χρὴ τὰς θύρας καὶ τῷ καπνῷ πιέζειν. θώμεσθα δὴ τὸ φορτίον. φεῦ τοῦ καπνοῦ, βαβαιάξ. τίς ξυλλάβοιτ᾽ ἂν τοῦ ξύλου τῶν ἐν Σάμῳ στρατηγῶν; ταυτὶ μὲν ἤδη τὴν ῥάχιν θλίβοντά μου πέπαυται.

300

305

310

Kommentar

105

Der dritte Erinnerungsort, die Thermopylen (griech. Thermopýlai), ist zwar der Ort einer militärischen Niederlage im Kampf gegen die Perser (August 480 v. Chr.), aber durch den heldenhaften Kampf mit großen Verlusten und durch den endgültigen Sieg der Griechen über die Perser in den anschließenden Kämpfen wurde er zum Symbol für den Selbstbehauptungswillen der Griechen und ihren Freiheitswillen ohne Rücksicht auf das eigene Leben: Die Thermopylen sind als Küstenpass zwischen dem Kallidromos-Gebirge und dem Malischen Golf der wichtigste Durchgang von Nordgriechenland nach dem südlichen Teil Griechenlands, so dass das persische Landheer mit etwa 100 000 Kämpfern bei seiner Invasion im Jahre 480 v. Chr. diese Route wählte, um Attika mit Athen und Griechenland zu erobern. Der an den Thermopylen eingerichtete Verteidigungsriegel der Griechen unter dem Kommando des spartanischen Königs Leonidas I. konnte nicht gehalten werden, sondern wurde aufgegeben. Eine Nachhut von 300 Spartanern und 700 Kämpfern aus der boiotischen Stadt Thespeia wurde in einem aussichtslosen Kampf vernichtet. Ihr Untergang, heldenhaft verklärt, wurde Teil der Siegesgeschichte der Griechen. 300 „Vulkanfeuer auf Lemnos“: Wörtlich: „das lemnische Feuer“. Es handelt sich um eine sprichwörtliche Redewendung. Eine solche aktive vulkanische Erscheinung ist auf der nordägäischen Insel Lemnos historisch nicht nachweisbar. Wahrscheinlich ist sie konstruiert aus dem Hephaistos-Mythos, nach dem Hephaistos, der Gott der Schmiedekunst und Technik, sein feuerabhängiges Handwerk auf dem Hügel Mosychlos auf Lemnos betrieben hat. 301 „meine Augen“: griech. lḗmai „(blutunterlaufene) Augen“ (Singular: „Augenbutter“). Das Wort ist offensichtlich wegen der lautlichen Nähe zu griech. Lḗmnion „lemnisch“ für ein eher unauffälliges sinnfreies Wortspiel in der Art eines Kalauers gewählt. 303 „Laches“: Name eines Choreuten; es ist keine historische Person gemeint; s. Anm. zu v. 254. 306 „ mit Gottes Hilfe“: poetischer Ausdruck, nicht umgangssprachlich im Sinne von „Gott sei Dank“. 313 „einer unserer Feldherrn auf Samos“: Seit 412 v. Chr. hatte Athen im Peloponnesischen Krieg einen Flottenstützpunkt auf Samos. Von den zehn Feldherrn (griech. stratēgoí), den Kommandeuren von Heer und Flotte in Athen, hielten sich daher die für die Flotte zuständigen Feldherrn in Samos auf. Da militärische Hilfe am schnellsten durch die Flotte möglich ist, soll einer der Flottenkommandeure eingreifen.

106

Parodos: 315–326

Nun ist es dein Werk, o Topf, die Kohle wieder aufzuwecken, 315 damit du mir zu allererst die Fackel zum Brennen bringst. O Herrin Nike, Siegesgöttin, hilf uns, über die Frechheit der Frauen hier auf der Akropolis zu triumphieren. Leichtfüßig treten die alten Frauen auf und stellen sich den Männern entgegen. Sie sind gut gekleidet und tragen Wasserkrüge auf den Köpfen. Chorführerin Ich glaube, ich sehe einen Lichtschein und Rauch, ihr Frauen, als ob ein Feuer brennt. 320 Wir müssen uns beeilen. Schneller! Chor der Frauen Strophe Fliege, fliege, Nikodike, bevor Kalyke und Kritylla in den Flammen verbrennen, umweht von schrecklichen Winden und 325 mordgierigen alten Männern. Doch eines fürchte ich: Komme ich schon zu spät, um zu helfen?

σὸν δ᾽ ἔργον ἐστὶν, ὦ χύτρα, τὸν ἄνθρακ᾽ ἐξεγείρειν, τὴν λαμπάδ᾽ ἡμμένην ὅπως πρώτιστ᾽ ἐμοὶ προσοίσεις. δέσποινα Νίκη, ξυγγενοῦ τῶν τ᾽ ἐν πόλει γυναικῶν τοῦ νῦν παρεστῶτος θράσους θέσθαι τροπαῖον ἡμᾶς. Χορὸς γραῶν ἢ γυναικῶν λιγνὺν δοκῶ μοι καθορᾶν καὶ καπνὸν, ὦ γυναῖκες, ὥσπερ πυρὸς καομένουꞏ σπευστέον ἐστὶ θᾶττον. πέτου πέτου Νικοδίκη, πρὶν ἐμπεπρῆσθαι Καλύκην τε καὶ Κρίτυλλαν περιφυσήτω ὑπό τ’ ἀνέμων ἀργαλέων ὑπό τε γερόντων ὀλέθρων. ἀλλὰ φοβοῦμαι τόδεꞏ μῶν ὑστερόπους βοηθῶ;

––––––––––––

315

320 [στρ.

325

316 πρώτιστ᾽ Blaydes : πρῶτον R 316 προσοίσεις Hss. : προσοίσει Wilamowitz 324 ὑπό τ’ ἀνέμων ἀργαλέων Oeri : ὑπό τε νότων ἀργαλέων Wilson : ὑπό τε νόμων ἀργαλέων Hss.

Kommentar

107

317 „O Herrin Nike“: Gemeint ist mit Nike (griech. níkē „Sieg“) nicht die Personifikation des Sieges als eigenständiger Göttin, sondern die Stadtgöttin Athena als Siegesgöttin, die in der verkürzten Form mit griech. Níkē angerufen wurde. Komisch wird der Anruf dadurch, dass sich der Chor der Männer nicht an die Stadtgöttin wie üblich im Kampf gegen einen auswärtigen Feind richtet, sondern die Göttin in der Auseiandersetzung mit den eigenen Frauen zu Hilfe ruft. Entsprechend ist als Mittel der Komik auch die Anrufung des Chors der Ritter in ihrem Gebet in den Rittern (vv. 581–594) eingesetzt: Der Chor ruft die Stadtbeschützerin (griech. poliū ́ chos) Athena als Nike (v. 589) mit der Bitte an, dem Dichter mit dieser Komödie den Sieg (v. 593) im aktuellen Wettbewerb der Komödienaufführungen im Jahr 424 v. Chr. zu sichern. Zu Ehren dieser Athena Nike war ein kleiner Tempel in ionischer Architektur mit einer hölzernen Statue der Göttin am Südrand der Akropolis auf dem Vorsprung des Burgfelsens vor den Propyläen gebaut Das Kultbild zeigte Nike entgegen der üblichen Darstellung der eigenständigen Nike in der bildenden Kunst „ungeflügelt“ (griech. ápteros), da es sich um eine Erscheinungform der Athena handelt. Athena ist als Nike selten dargestellt worden. Üblich wurde ihre Darstellung als Nikephóros „Siegträgerin“, die Phidias mit der Goldelfenbein-Statue im Parthenon auf der Akropolis begründet hat: Die Göttin ist stehend als wehrhafte Göttin dargestellt mit Prunkhelm und Schild sowie der geflügelten Siegesgöttin Nike auf der rechten Hand. Außer dem Nike Tempel waren der Athena, der zentralen Gottheit Athens, noch drei weitere Kultstätten auf der Akropolis gewidmet: einmal der prominente Parthenon in dorischer Monumentalarchitektur mit der kolossalen Goldelfenbein-Statue der Göttin (447–432 v. Chr. erbaut; s. Anm. zu v. 262; 344), dann der sog. Alte Athena-Tempel mit einem aus Olivenholz geschnitzten Athena-Kultbild. Allerdings bleibt die Geschichte dieses Tempels im 5. Jh. vage. Er ist von den Persern 480 v. Chr. zumindst teilweise zerstört worden, danach aber wohl wiederaufgebaut und war weiterhin Standort des alten Kultbildes. Dazu kam als weiterer Athena-Tempel das Erechtheion (begonnnen vor 431 v. Chr., beendet um 400 v. Chr.), das den Alten Athena-Tempel ersetzten sollte und in dem zur Zeit der Aufführung der Lysistrate im Jahre 411 v. Chr. wohl schon das alte Kultbild aufgestellt war (s. Anm. zu v. 262), obwohl der Alte Athena-Tempel noch stand, der offensichtlich 406 v. Chr. abbrannte (Xenophon, Hellenika 1,6,1). 321f. „Nikodike … Kaluke und Kritylla“: Frauennamen von Choreuten, die als historische Frauennamen nachweisbar sind; Namensträgerinnen als historische Personen sind jedoch nicht bekannt. Nikodike ist wie Kalonike ein „redender“ Name, der für „Sieg“ und „Recht“ der Frauen steht. Die Leichtfüßigkeit der alten Frauen wird in der Strophe und Gegenstrophe (vv. 321–349) unterstützt durch den lebhaften iambisch-choriambischen Rhythmus.

108

Parodos: 327–343

Jetzt komme ich gerade mit dem Wasserkrug vom Quellbrunnen. In der Morgendämmerung konnte ich ihn in dem Gedränge, dem Lärm und dem Gedröhne der Krüge kaum füllen, angerempelt von Sklavinnen

und tätowierten Sklaven. Hastig habe ich ihn ergriffen und bringe mit dem Wasser den Nachbarinnen Hilfe, die schon in Flammen stehen.

330

335

Gegenstrophe Denn ich habe gehört, dass verrückte alte Männer mit Stämmen, um die drei Talente schwer, unterwegs zur Akropolis sind, als wollten sie ein Bad heizen, und dabei die schlimmsten Drohungen ausstoßen, 340 dass man diese verhassten Frauen zu Kohle verbrennen muss. Diese möchte ich, Göttin Athena, niemals brennen sehen, sondern dass sie Griechenland und seine Bürger von Krieg und Wahnsinn erlösen!

νῦν δὴ γὰρ ἐμπλησαμένη τὴν ὑδρίαν κνεφαία μόλις ἀπὸ κρήνης ὑπ᾽ ὄχλου καὶ θορύβου καὶ πατάγου χυτρείου, δούλαισιν ὠστιζομένη

στιγματίαις θ᾽, ἁρπαλέως ἀραμένη ταῖσιν ἐμαῖς δημότισιν καομέναις φέρουσ᾽ ὕδωρ βοηθῶ. ἤκουσα γὰρ τυφογέροντας ἄνδρας ἔρρειν, στελέχη φέροντας ὥσπερ βαλανεύσοντας εἰς πόλιν ὡς τριτάλαντα βάρος, δεινότατ᾽ ἀπειλοῦντας ἐπῶν, ὡς πυρὶ χρὴ τὰς μυσαρὰς γυναῖκας ἀνθρακεύειν. ἃς, ὦ θεά, μή ποτ᾽ ἐγὼ πιμπραμένας ἴδοιμι, ἀλλὰ πολέμου καὶ μανιῶν ῥυσαμένας Ἑλλάδα καὶ πολίτας ––––––––––––

330 Die Responsion fordert einen Dimeter. 338 τριτάλαντα Herkenrath : τριτάλαντον Hss. 340 ἀνθρακεύειν Hss. : ἀνθρακίζειν Blaydes

330

[ἀντ. 336

340

Kommentar

109

327f. „Jetzt komme ich gerade mit dem Wasserkrug vom Quellbrunnen“: Die Wasserversorgung der Haushalte Athens wurde durch öffentlich zugängliche Quellen oder Brunnenhäuser gesichert, aus denen sich die Athener regelmäßig mit frischem Wasser versorgten. Über die Wasserversorgung Athens wissen wir zwar wenig, aber die Quelle Klepshydra mit ihrem Brunnenhaus am NW-Hang der Akropolis unterhalb des Nordflügels der Propyläen, auch unter dem Namen Enneakrounos bekannt, ist wegen ihrer Bedeutung im Kult berühmt gewesen (Thukydides 2,15,5) und ist möglicherweise hier gemeint. Für den Wassertransport zu den einzelnen Häusern waren nicht nur Sklavinnen und Sklaven zuständig, sondern auch ihre Herrinnen (vv. 327–331). Sie schöpften am frühen Morgen das Wasser in einen Wasserkrug (griech. hydría) und trugen diesen auf dem Kopf oder auf der Schulter nach Hause. Als regelmäßiger Treffpunkt bot er den Bürger-Frauen die Möglichhkeit, in der Öffentlichkeit präsent zu sein, was außer im kultischen Bereich nur eingeschränkt üblich war. Der Brunnen hatte daher eine große soziale Bedeutung. 331 „tätowierten Sklaven“: Entlaufenen Sklaven wurde ein Zeichen eingebrannt. 331–332 : Zwischen v. 330 und v. 331 ist ein Vers ausgefallen, der, da Strophe und Gegenstrophe metrisch gleich gebaut sind, metrisch dem Vers 345 der Responsion in der Gegenstrophe entspricht. Damit ist ein Vers ausgefallen, der aus einem iambischen Metron und einem Choriambus besteht. 338 „um die drei Talente schwer“: etwa 80 kg. „Talent“ war die größte griechische Gewichtseinheit und galt sowohl für das Münzwesen als auch für die Handelsgewichte; 1 Talent entsprach in Athen 26,196 kg. 341–349 Parodie eines privaten Gebets. Das Gebet der Frauen an Athena beginnt in poetisch-hymnischem Stil und endet mit der vertraulichen Bitte um Hilfe beim Wassertragen in einem komischen Kontrast (Kleinknecht 1937, 69f.). 341 „Göttin Athena“: Die Göttin wird ohne Nennung ihres Namens angerufen (griech. ō theá), da in Athen im kultische Bereich Athena ohne nähere Bestimmung „die Göttin“ (griech. hē theós) war. Da griech. hē theós aber keine feminine Vokativform hat, steht das Femininum griech. theá. Die Frauen wie auch die Männer rufen Athena um Hilfe an.

110

Parodos: 344–359

Deshalb, Stadtschützerin mit dem goldenen Helm, haben sie dein Heiligtum besetzt. 345 Und ich rufe dich, Tritogeneia, als Helferin an, mit uns Wasser zu holen, wenn ein Mann sie ansteckt. (Die Männer versuchen mit ihren brennenden Fackeln die Tore in Brand zu setzen.) Chorführerin (redet den Chor bzw. den Chorführer an) 350 Du da! Lass das sein! Was ist denn das? Ihr Schurken! Denn ehrenwerte und gottesfürchtige Männer würden das niemals tun. Chorführer Hier passiert etwas, was wir nicht erwartet haben. Ein Schwarm von Frauen kommt hier von außen zu Hilfe. Chorführerin Warum habt ihr Angst vor uns? Sind wir für euch schon zu viele? Dabei ist es noch nicht einmal ein Zehntausendstel von uns, das ihr seht. 355 Chorführer O Phaidrias, sollen wir es zulassen, dass sie soviel reden? Soll man denn nicht die Holzklötze auf ihnen zerschlagen? Chorführerin So wollen auch wir denn unsere Krüge auf den Boden stellen, damit uns nichts behindert, wenn einer handgreiflich wird.

ἐφ᾽ οἷσπερ, ὦ χρυσολόφα πολιοῦχε, σὰς ἔσχον ἕδρας. καί σε καλῶ ξύμμαχον, ὦ Τριτογένει᾽, εἴ τις ἐκείνας ὑποπίμπρησιν ἀνήρ, φέρειν ὕδωρ μεθ᾽ ἡμῶν. ἔασον, ὤ, τουτὶ τί ἦν; ὦνδρες πονωπόνηροιꞏ οὐ γάρ ποτ᾽ ἂν χρηστοί γ᾽ ἔδρων οὐδ᾽ εὐσεβεῖς τάδ᾽ ἄνδρες Χο.γε τουτὶ τὸ πρᾶγμ᾽ ἡμῖν ἰδεῖν ἀπροσδόκητον ἥκειꞏ ἑσμὸς γυναικῶν οὑτοσὶ θύρασιν αὖ βοηθεῖ. Χο.γρ τί βδύλλεθ᾽ ἡμᾶς; οὔ τί που πολλαὶ δοκοῦμεν εἶναι; καὶ μὴν μέρος γ᾽ ἡμῶν ὁρᾶτ᾽ οὔπω τὸ μυριοστόν. Χο.γε ὦ Φαιδρία, ταύτας λαλεῖν ἐάσομεν τοσαυτί; οὐ περικατᾶξαι τὸ ξύλον τύπτοντ᾽ ἐχρῆν τιν᾽ αὐταῖς; Χο.γρ θώμεσθα δὴ τὰς κάλπιδας χἠμεῖς χαμᾶζ᾽, ὅπως ἂν, ἢν προσφέρῃ τὴν χεῖρά τις, μὴ τοῦτό μ᾽ ἐμποδίζῃ. ––––––––––––

347 εἴ Reisig : ἤν Hss.

348 ὑποπίμπρησιν Hss.: ὑποπιμπρῇσιν Curtius

345

350

355

Kommentar

111

344 „Stadtschützerin mit dem goldenen Helm“: Als „Stadtschützerin“ (griech. poliū ́ chos) ist Athena eine wehrhafte Göttin, die mit Helm und Schild dargestellt ist. Das Attribut „golden“ verweist hier auf die berühmte kolossale 12,7 m hohe Goldelfenbein-Statue der Athena Parthenos des Phidias im Parthenon-Tempel auf der Akropolis (entstanden um 440 v. Chr.). Diese Statue ist zwar nicht erhalten, aber aus der Beschreibung des Pausanias (Beschreibung Griechenlands, 1,24,5–7), aus Nachbildungen auf Münzen und Gemmen sowie aus einer verkleinerten Kopie, der Varvakion-Statuette (Höhe der Figur ohne Basis 94 cm), ist sie einigermaßen sicher zu rekonstruieren. Die Beschreibung des Pausanias (Übersetzung Ernst Meyer), mit Ergänzungen aus anderen Quellen: „Das Kultbild (griech. ágalma) selbst ist aus Gold und Elfenbein gemacht. Mitten auf dem Helm sitzt die Figur einer Sphinx; … beiderseits an dem Helm aber sind Greifen angebracht. … Das Kultbild der Athena ist aufrechtstehend mit einem Chiton bis zu den Füßen, und an ihrer Brust ist das Medusenhaupt [auf der Ägis] aus Elfenbein angebracht. Und eine Siegesgöttin [mit einer Siegesbinde in den Händen; griech. tainía] gegen vier Ellen [ca. 2 m] hoch hat sie in der Hand und eine Lanze, und zu ihren Füßen [mit dem Relief einer Kentauromachie an den Sohlen der Sandalen] steht der Schild [mit einer gemalten Gigantomachie auf der Innenseite und einer Amazonenschlacht [im Relief] auf der Außenseite], und neben der Lanze befindet sich eine Schlange, und diese Schlange mag wohl Erichthonios darstellen. … An der Basis des Kultbildes ist die Geburt der Pandora [im Kreis der Götter] dargestellt. Hesiod und andere haben erzählt, wie diese Pandora die erste Frau wurde; vor der Geburt der Pandora gab es das Geschlecht der Frauen noch nicht.“ S. auch Anm. zu v. 262 und v. 317. 345 „dein Heiligtum“: Bezeichnung für die gesamte Akropolis. 341–349 Parodie eines Gebets. 347 „Tritogeneia“: Traditionelles Epitheton von Athena mit unklarer Bedeutung. Episch-poetische Epiklese. Da der Geburtsort der Athena häufig mit mythischen Gewässernamen (Triton, ein Fluss in Boiotien; Tritonis, eine Quelle in Libyen) in Verbindung gebracht wurde, wird in diesem Zusammenhang vielleicht auf Athenas Beziehung zum Wasser angespielt, für das sie hier sorgen soll. Es liegt hier eine sprachlich-etymologische Form der Komik vor. 350–386 Das Aufeinandertreffen der beiden Chöre führt im 4. Teil der Parodos konsequent zu einer Streitszene, die in der Form der Stichomythie mit regelmäßigem und schnellem Wechsel (2 Verse, 1 Vers, ½ Vers) der beiden Chöre oder Chorführer zur Gesprächsverdichtung führt. Als Dialogform hat die Stichomythie auch in der Tragödie einen festen Platz. Als Streitstichomythie ist sie ein verbaler Schlagabtausch mit Gewaltandrohung und Verhöhnung ohne das Ziel der Überredung oder Überzeugung. 356 Phaidrias: Name eines Choreuten; es ist keine historische Person gemeint; s. Anm. zu v. 254.

112

Parodos: 360–374

Chorführer Bei Zeus, wenn einer ihnen ein paar Schläge aufs Maul gäbe, 360 wie dem Bupalos, würden sie keinen Laut mehr von sich geben. Chorführerin Sieh her! Schlag nur zu! Hier steh ich und halte dir die Backe hin. Doch dann wird keine Hündin mehr nach deinen Hoden greifen können. Chorführer Wenn du nicht schweigst, werde ich dich schlagen, bis dir deine alte Haut abfällt. Chorführerin Komm mir, der Stratyllis, nur nahe und berühre mich nur mit einem Finger! 365 Chorführer Was, wenn ich dich mit Fäusten schlage? Was tust du mir dann Schreckliches? Chorführerin Ich werde dir deine Lunge und deine Eingeweide mit meinen Zähnen herausreißen. Chorführer Kein Dichter ist weiser als Euripides, wenn er sagt: Kein Geschöpf ist so unverschämt wie die Frau. Chorführerin Heben wir den Wasserkrug vom Boden auf, Rhodippe! 370 Chorführer Warum bist du, den Göttern Verhasste, mit Wasser hierhergekommen? Chorführerin Warum du mit Feuer, der du reif für das Grab bist? Um dich selbst zu rösten? Chorführer Ich bin hier, um einen Scheiterhaufen aufzuschichten und deine Freundinnen anzuzünden. Chorführerin Und ich, um den Scheiterhaufen mit diesem Wasser zu löschen.

Χο.γε εἰ νὴ Δί᾽ ἤδη τὰς γνάθους τούτων τις ἢ δὶς ἢ τρὶς ἔκοψεν ὥσπερ Βουπάλου, φωνὴν ἂν οὐκ ἂν εἶχον Χο.γρ καὶ μὴν ἰδοὺꞏ παταξάτω τιςꞏ στᾶσ᾽ ἐγὼ παρέξω, κοὐ μή ποτ᾽ ἄλλη σου κύων τῶν ὄρχεων λάβηται. Χο.γε εἰ μὴ σιωπήσει, θενών σου ᾽κκοκκιῶ τὸ γῆρας. Χο.γρ ἅψαι μόνον Στρατυλλίδος τῷ δακτύλῳ προσελθών. Χο.γε τί δ᾽ ἢν σποδῶ τοῖς κονδύλοις; τί μ᾽ ἐργάσει τὸ δεινόν; Χο.γρ βρύκουσά σου τοὺς πλεύμονας καὶ τἄντερ᾽ ἐξαμήσω. Χο.γε οὐκ ἔστ᾽ ἀνὴρ Εὐριπίδου σοφώτερος ποιητήςꞏ οὐδὲν γὰρ ὧδε θρέμμ᾽ ἀναιδές ἐστιν ὡς γυναῖκες. Χο.γρ αἰρώμεθ᾽ ἡμεῖς θοὔδατος τὴν κάλπιν, ὦ Ῥοδίππη. Χο.γε τί δ᾽, ὦ θεοῖς ἐχθρὰ, σὺ δεῦρ᾽ ὕδωρ ἔχουσ᾽ ἀφίκου; Χο.γρ τί δαὶ σὺ πῦρ, ὦ τύμβ᾽, ἔχων; ὡς σαυτὸν ἐμπυρεύσων; Χο.γε ἐγὼ μὲν ἵνα νήσας πυρὰν τὰς σὰς φίλας ὑφάψω. Χο.γρ ἐγὼ δέ γ᾽, ἵνα τὴν σὴν πυρὰν τούτῳ κατασβέσαιμι. ––––––––––––

366 κονδύλοις Γ : δακτύλοις R 369 θρέμμ᾽ ἀναιδές tragisch-poetisch

360

365

370

Kommentar

113

361 „Bupalos“: Bildhauer und Archtekt aus Chios (6. Jh. v. Chr.), der von dem Iambendichter Hipponax (6. Jh. v. Chr.) in seinen Invektiven häufig angegriffen wurde. Der Vergleich spielt offensichtlich auf eine in einer Invektive dargestellten Situation an, in der das iambische Ich dem Bupalos bei einer Rauferei androht, die Augen auszukratzen (fr. 120, in: Iambi et Elegi Graeci ante Alexandrum cantati, hrsg. von M. L. West, Bd. 1, Oxford ²1992): „Nehmt meinen Mantel, ich will dem Bupalos die Augen auskratzen/die Fresse einschlagen“ (griech. kópsō … ton ophthalmón). Drastische, vor allem metaphorische Drohungen sind in der Komödie ein beliebtes Mittel der Komik; vv. 694f. drohen die Frauen, den Männern, die Eier herauszunehmen (im Sinne von ordentlich verprügeln). Die Anspielung auf eine Invektive des Hipponax in einer Theateraufführung mit einem Massenpublikum setzt voraus, dass die Invektiven des Hipponax offensichtlich nicht nur schriftlich in der damals üblichen Buchform der Rolle vorlagen, sondern auch allgemein bekannt waren. Da Hipponax aber nicht zu den besonders prominenten Dichtern der archaischen Zeit wie Homer gehörte, wird man aus guten Gründen annehmen können, dass große Teile der archaischen Literatur, die primär für den mündlichen Vortrag bestimmt war, bereits im 5. Jahrhundert v. Chr. in der Buchform zugänglich waren. Was für die archaische Literatur gilt, trifft erst recht auf die zeitgenössische Literatur Athens zu, wie man aus der Verwendung von Zitaten und aus Parodien in den Komödien des Aristophanes schließen kann. Obwohl auch die dramatische Literatur, die Tragödie wie auch das Satyspiel und die Komödie, nur für eine einmalige Darbietung durch eine Aufführung vorgesehen war, wurde sie bereits seit Mitte des 5. Jahrhunderts v. Chr. Teil der sich schnell entwickelten Buchkultur. 363 „Hündin“: Metapher für Hetäre oder mannstolle Frau. 365 „Komm mir, der Stratyllis, nur nahe!“: Wörtlich „Komm der Stratyllis nur nahe“; die Sprecherin spricht von sich selbst in der 3. Person, um die Drohung zu verstärken. 368 „Euripides“: Euripides als notorischer Misogyn; s. Anm. zu v. 283. Ob die Sentenz ein Original-Zitat ist, bleibt unsicher. Sie ist auf jeden Fall eine Sentenz, die zu Euripides passt. 371 „den Göttern Verhasste“: Aufnahme des misogynen Motivs von v. 283. 372 „du …, der du reif für das Grab bist“: Wörtlich „du Grab“ (griech. ō týmbʼ); „Grab“ Metonymie für „reif für das Grab“; griech. týmbos „Grab“ ist verbreitetes derbes Epitheton zu griech. gérōn „Greis“ als Mittel der Beleidigung. 373 „deine Freundinnen“: die alten Frauen auf der Akropolis.

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Parodos: 375–384

Chorführer Du willst mein Feuer löschen? Chorführerin Das wird sich gleich zeigen. 375 Chorführer Ich will dich gleich mit dieser Fackel rösten. Chorführerin Wenn du Seife hast, bekommt du von mir ein Bad. Chorführer Ich von dir ein Bad, du morsches altes Weib? Chorführerin Ein Brautbad sogar. Chorführer (zu einem Choreuten) Hast du gehört, wie frech sie sind? Chorführerin Nimm zur Kenntnis: Ich bin eine freie Frau. Chorführer Ich werde dir das laute Maul stopfen: Chorführerin Du bist hier jetzt kein Richter. 380 Chorführer (zu einem Choreuten) Los! Zünde ihr die Haare an! Chorführerin Jetzt ans Werk, Acheloos! (Die Frauen gießen ihre Wasserkrüge über die Männer aus.) Chorführer Au, Verdammt! Chorführerin War das zu heiß? Chorführer Zu heiß? Im Gegenteil! Willst du nicht aufhören? Warum machst du das? Chorführerin Ich begieße dich, damit du wieder grünst.

Χο.γε Χο.γρ Χο.γε Χο.γρ Χο.γε Χο.γρ Χο.γε Χο.γρ Χο.γε Χο.γρ Χο.γε Χο.γρ Χο.γε Χο.γρ Χο.γε Χο.γρ

τοὐμὸν σὺ πῦρ κατασβέσεις;

τοὔργον τάχ᾽ αὐτὸ δείξει. οὐκ οἶδά σ᾽ εἰ τῇδ᾽ ὡς ἔχω τῇ λαμπάδι σταθεύσω. εἰ ῥύμμα τυγχάνεις ἔχων, λουτρόν γέ σοι παρέξω. ἐμοὶ σὺ λουτρὸν, ὦ σαπρά; καὶ ταῦτα νυμφικόν γε. ἤκουσας αὐτῆς τοῦ θράσους; ἐλευθέρα γάρ εἰμι. σχήσω σ᾽ ἐγὼ τῆς νῦν βοῆς. ἀλλ᾽ οὐκέθ᾽ ἡλιάζει. ἔμπρησον αὐτῆς τὰς κόμας. σὸν ἔργον, ὦχελῷε. οἴμοι τάλας. μῶν θερμὸν ἦν; ποῖ θερμόν; οὐ παύσει; τί δρᾷς; ἄρδω σ᾽ ὅπως ἀναβλαστανεῖς .

––––––––––––

384 ἀναβλαστανεῖς Dobree : ἀναβλαστάνῃς Hss.

375

380

Kommentar

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378 „Ein Brautbad sogar“: Metonymie für „eine besonders große Menge an Wasser“. Anspielung auf das Brautbad im Zusammenhang mit der Hochzeit: Braut und Bräutigam reinigten sich durch ein kultisches Bad insbesondere mit dem Wasser aus dem Enneakrounos-Brunnen (s. Anm. zu vv. 327f.). Transportiert wurde es vom Brunnen in Lutrophoren und in eine Wanne (griech. hē pȳ ́ elos; Aristophanes, Frieden, v. 843) geschüttet. Für ein solches Bad waren natürlich mehrere Lutrophoren-Wasserladungen nötig. Mit dem großen Wasserschwall aus einer solchen Wanne drohen die Frauen den Männern. 379 „Ich bin eine freie Frau“: Die Frauen protestieren dagegen, wie Sklaven behandelt zu werden. Lysistrate fragt (v. 463) im selben Sinne den Probulen höhnisch: „Hast du etwa geglaubt, gegen Sklavinnen zu ziehen?“ Indem sich die Frauen auf ihre Freiheit berufen, argumentieren sie wie die Männer und pochen auf Gleichberechtigung, obwohl ihre Freiheitsrechte als Frauen eingeschränkt sind. 380 „Du bist hier jetzt kein Richter“: Diese Aussage ist nur auf dem Hintergrund des attischen Rechtssystems verständlich, deren Grundlage die Identität von Bürger und Richter ist. Der Status des Bürgers schloss die Kompetenz des Richters ein. Daher war jeder Bürger potentiell Richter und konnte als solcher durch Losentscheid Mitglied der Geschworenengerichte der Heliaia werden. Für politische Prozesse wurden bis zu 2501 Geschworene eingesetzt. Da eine solche große Zahl an Geschworenen und damit wohl der größte Teil der Bürger im Laufe ihres Lebens als Richter tätig wurde, war das politische Selbstverständnis der Athener wesentlich durch diese Tätigkeit geprägt. Die Bürger fühlten sich daher auch im Alltag mit Leib und Seele als Richter, wie Aristophanes in den Wespen zeigt. So glauben sie dann auch in der Lysistrate, sich in der Auseinandersetzung mit den Frauen unabhängig von einer Gerichtsverhandlung als Richter aufspielen zu können, was die Frauen hier entschieden zurückweisen. Diese knappe Aussage ist ein instruktives Beispiel dafür, dass die soziale und politische Wirklichkeit Athens fest und selbstverständlich in die Handlung der Komödie integriert ist, so dass auf diese Wirklichkeit nur angespielt und verwiesen wird, ohne im Detail erklärt oder dargestellt zu werden. 381 „Acheloos“: Wasserreicher Fluss im Nordwesten Griechenlands; im Kult als Wassergott verehrt; tragische-poetische Metonymie für Wasser, vor allem in rituellen Zusammenhängen. Nachdem die Frauen das Feuer gelöscht haben, werden die zahlreichen Requisiten der angreifenden Männer und der sich verteidigenden Frauen nicht mehr gebraucht und bis zum Auftritt des Probulen (v. 387) vom anonymen Bühnenpersonal weggeräumt. Das ist übliche Praxis und gilt daher auch für die Requisiten des Prologs und der Kinesias-Myrrhine-Szene (s. Anm. zu vv. 916– 949).

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Parodos / Erstes Epeisodion: 385–397

Chorführer Aber vor lauter Zittern bin ich schon trocken. 385 Chorführerin Da du Feuer bei dir hast, kannst du dich nicht selbst wärmen? Erstes Epeisodion. Die Handlung schließt zeitlich unmittelbar an. Ort: Unverändert. Ein Probule („Staatsrat/Ratsherr“) tritt als Vertreter des Staates in Begleitung von sechs stummen Personen auf, von zwei Sklaven, die Brechstangen tragen, und von vier Polizisten, Staatssklaven skythischer Herkunft, die Fesseln mit sich führen. Der Probule trägt als Staatsbeamter Myrtenzweige im Haar, die Ordnungskräfte sind wohl mit dem Bogen ausgerüstet, der auf der Schulter hängt. Probule Ist da alles wieder aufgeflackert, die Ausschweifungen der Frauen, ihr Getrommel, das ständige „Sabazios!“-Rufen, die Adonisfeiern auf den flachen Dächern, 390 dies alles, was ich hörte, als ich in der Volksversammlung saß? Da stellte Demostratos – zum Henker mit ihm! – den Antrag, eine Flotte nach Sizilien zu schicken, während seine Frau tanzte und „O weh, Adonis!“ rief. Dann riet Demostratos noch, Fußsoldaten als Schwerbewaffnete in Zakynthos anzuwerben, 395 während seine Frau auf dem Dach betrunken „Klagt um Adonis!“ rief. Er aber setzte sich mit seinem Antrag durch, der Gottverhasste und Schurke aus der Familie der Verrückten.

Χο.γε ἀλλ᾽ αὖός εἰμ᾽ ἤδη τρέμων. Χο.γρ οὐκοῦν, ἐπειδὴ πῦρ ἔχεις, σὺ χλιανεῖς σεαυτόν; Πρόβουλος ἆρ᾽ ἐξέλαμψε τῶν γυναικῶν ἡ τρυφὴ χὠ τυμπανισμὸς χοἰ πυκνοὶ Σαβάζιοι, ὅ τ᾽ Ἀδωνιασμὸς οὗτος οὑπὶ τῶν τεγῶν, οὗ ᾽γώ ποτ᾽ ὢν ἤκουον ἐν τἠκκλησίᾳ; ἔλεγεν ὁ μὴ ὥρασι μὲν Δημόστρατος πλεῖν εἰς Σικελίαν, ἡ γυνὴ δ᾽ ὀρχουμένη ‘αἰαῖ Ἄδωνιν’ φησίν, ὁ δὲ Δημόστρατος ἔλεγεν ὁπλίτας καταλέγειν Ζακυνθίωνꞏ ἡ δ᾽ ὑποπεπωκυῖ᾽ ἡ γυνὴ ᾽πὶ τοῦ τέγους ‘κόπτεσθ᾽ Ἄδωνιν’ φησίνꞏ ὁ δ᾽ ἐβιάζετο ὁ θεοῖσιν ἐχθρὸς καὶ μιαρὸς Χολοζύγης.

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388 πυκνοὶ Bentley : ποικινοὶ R : πυκινοὶ übrige Hss.

385

390

395

Kommentar

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387–466 Erstes Epeisodion. Während der Auseinandersetzung der alten Männer und der alten Frauen tritt im ersten Epeisodion ein „Probule“ (griech. próbulos „Staatsrat, Ratsherr“) als Repräsentant der Polis mit Polizisten auf, der unter Nennung seines Status (v. 421) aus der Staatskasse auf der Akropolis Geld für die Ausrüstung von Kriegsschiffen holen will. Bei dem Amt des Probulen handelt es sich nicht um ein traditionelles Amt der attischen Demokratie, sondern um ein 413 v. Chr. neu geschaffenes kurzlebiges Amt, das als Kollektivbehörde in Analogie zum Kollegium der Archonten oder Strategen aus zehn Mitgliedern zusammengesetzt war und offensichtlich vor allem Funktionen der Prytanen übernommen hatte. Die Probulen waren daher zwar selbst keine Entscheidungsträger, aber als Leiter der Ratsversammlung und Volksversammlung bereiteten sie Entscheidungen vor. Entstanden war dieser Ausschuss nach der katastrophalen Niederlage Athens im Krieg gegen die sizilischen Städte während des Peloponnesischen Krieges (415–413 v. Chr.) durch Beschluss der Volksversammlung und war gedacht als stabilisierende politische Einrichtung zur Steuerung der traditionellen demokratischen Institutionen. Er bedeutete die Implementierung oligarchischer Elemente in die demokratische Verfassung Athens. Bald nach der Aufführung der Lysistrate im Winter oder Frühjahr 411 v. Chr. wurde diese Institution im Zuge des oligarchischen Umsturzes aufgelöst. Das erste Epeisodion schließt zusammen mit dem anschließenden Epirrhematischen Agon (vv. 467–613) thematisch an die Lysistrate-Handlung des Prologs an. Sie bilden eine dramatische Einheit von großer Eigenständigkeit, die weder Folge der vorangehenden Handlung ist noch Folgen für die anschließende Handlung hat und die durch die Person des Probulen einen Akteur erhält, auf den bisher nichts hinwies und der später nicht wieder benötigt wird. Der Probule erscheint nicht als Reaktion auf den Streit zur Unterstützung der alten Männer, sondern um Geld aus der Staatskasse zu holen. Er ist ahnungslos und ohne Kenntnis der Situation. Er vermutet in der Ansammlung der Frauen eine orgiastische Feier. Und seine in die Zukunft weisende, aber psychologisch nicht nachvollziehbare Aussage am Endes des Agons (v. 609f.), sich seinen Kollegen in der Ausstaffierung als Leiche zeigen zu wollen, bleibt folgenlos. Die beiden Szenen sind also nicht Teil einer zielgerichteten Ereigniskette, sondern episodenhafte Szenen, die eine eigenständige komische Situation begründen und dabei das Thema der Komödie „Frieden durch Frauen im Krieg der Männer“ verdichten. Ähnlich eigenständig bei thematischer Verdichtung sind u. a. die Polemos-Szene im Frieden (vv. 236–288), der Agon der Logoi in den Wolken (vv. 889–1104) und der Agon zwischen Euripides und Aischylos in den Fröschen (vv. 895–1098). Es handelt sich um ein Strukturprinzip der Komödien des Aristophanes. Im ersten Epeisodion verändert sich der Streit zwischen den alten Männern und alten Frauen zu einer Auseinandersetzung zwischen dem Probulen mit den alten Frauen unter Führung der Lysitrate. Dieser will durch eine staatlich sanktionierte Gewaltanwendung das verbarrikadierte Tor zur Akropolis mit Brechstangen öffnen und Lysitrate in Fesseln abführen. Seine Helfer, zwei Sklaven

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Erstes Epeisodion: 398–413

Das ist das zügellose Treiben der Frauen. Chorführer Was wirst du erst sagen, wenn du von den Unverschämtheiten der Frauen hier hörst? Alle möglichen Unverschämtheiten haben sie sich geleistet, und jetzt haben sie uns auch noch 400 aus ihren Krügen ein Bad verabreicht, so dass wir das Wasser aus unseren armseligen Mänteln ausschütteln mussten, als wenn wir in sie uriniert hätten. Pr. Ja, bei Poseidon, dem Gott des salzigen Meeres, das geschieht uns recht. Denn wenn wir selbst unsere Frauen bei ihren Schandtaten unterstützen 405 und sie anlernen, verschwenderisch zu leben, dann sprießen bei ihnen solche Ideen. Da sagen wir bei den Handwerkern: „Goldschmied! Bei dem Halsband, das du angefertigt hast, ist meiner Frau gestern Abend beim Tanzen 410 der Zapfen aus dem Loch des Schlosses herausgefallen. Ich muss jetzt mit dem Schiff nach Salamis. Wenn du aber Zeit hast, dann gehe du auf jeden Fall am Abend zu ihr und passe ihr den Zapfen ein!“

τοιαῦτ᾽ ἀπ᾽ αὐτῶν ἐστιν ἀκολαστάσματα. Χο. γε τί δῆτ᾽ ἂν, εἰ πύθοιο καὶ τὴν τῶνδ᾽ ὕβριν; αἳ τἄλλα θ᾽ ὑβρίκασι κἀκ τῶν καλπίδων ἔλουσαν ἡμᾶς, ὥστε θαἰματίδια σείειν πάρεστιν ὥσπερ ἐνεουρηκότας. Πρ. νὴ τὸν Ποσειδῶ τὸν ἁλυκὸν, δίκαιά γε. ὅταν γὰρ αὐτοὶ ξυμπονηρευώμεθα ταῖσιν γυναιξὶ καὶ διδάσκωμεν τρυφᾶν, τοιαῦτ᾽ ἀπ᾽ αὐτῶν βλαστάνει βουλεύματα. οἳ λέγομεν ἐν τῶν δημιουργῶν τοιαδίꞏ ‘ὦ χρυσοχόε, τὸν ὅρμον ὃν ἐπεσκεύασας, ὀρχουμένης μου τῆς γυναικὸς ἑσπέρας ἡ βάλανος ἐκπέπτωκεν ἐκ τοῦ τρήματος. ἐμοὶ μὲν οὖν ἔστ᾽ εἰς Σαλαμῖνα πλευστέαꞏ σὺ δ᾽ ἢν σχολάσῃς, πάσῃ τέχνῃ πρὸς ἑσπέραν ἐλθὼν ἐκείνῃ τὴν βάλανον ἐνάρμοσον.’

––––––––––––

398 ἀκολαστάσματα Dobree : ἀκόλαστ᾽ ᾄσματα Hss. : ἀκολαστήματα Photios, Bentley

400

405

410

Kommentar

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und vier Polizisten, führen wie selbstverständlich alle notwendigen Hilfsmittel für die neue Aufgabe, Brechstangen und Fesseln, mit sich, obwohl sie diese für ihre ursprüngliche Aufgabe nicht benötigt hätten. Aber auch die Gewaltandrohung des Probulen auf Grund des staatlichen Gewaltmonopols bleibt folgenlos, denn die entschlossene Gegenwehr Lysistrates und die Unterstützung anderer Frauen verhindern die rechtmäßige Verhaftung. 388–396 Sabazios – Adonis: Diese beiden Gottheiten gehörten nicht zum Pantheon der griechischen Götter, das sich unter dem Einfluss der homerischen Epen seit dem 8. Jahrhundert v. Chr. herausgebildet hat. Sie sind vielmehr erst in nachhomerischer Zeit aus Vorderasien „eingewandert“, Sabazios aus Phrygien in Kleinasien, Adonis aus dem semitischen Phönizien. Ihre Kulte breiteten sich in Athen erst im 5. Jahrhundert aus und entwickelten sich als Privatkulte ohne feste Termine zu reinen Frauenkulten. Ihre orgiastisch-ekstatischen Riten wurden nicht in die traditionelle Kultpraxis integriert und behielten dadurch den Charakter der Fremdartigkeit, so dass sie eine kultische Parallelwelt der Frauen begründeten. Dadurch konnten sie die Topik der Misogynie bereichern, die die ekstatischen Momente der Riten als „Exzesse“ der Frauen wertete und immer wieder mit dem Genuss von Wein in Verbindung brachte. 389 „Adonisfeiern“: Zentrum der Feiern, die als private Feiern auf den Flachdächern von Bürgerhäusern stattfanden, war die ekstatische Klage um den verstorbenen Gott Adonis. Als ungezügelter Gefühlsausbruch stand der Adoniskult in Antithese zu der traditionellen strengen Polisreligion. 391 „Demostratos“: Attischer Politiker, der offensichtlich die entscheidenden Anträge für die Ausweitung des Krieges nach Sizilien in der Volksversammlung eingebracht und nachdrücklich vertreten hat. Im Unterschied zur Komödienpraxis, Personen des öffentlichen Lebens ohne Rücksicht auf die Handlung oder das Thema der Komödie zu verspotten, ist im Falle des Demostratos die Beziehung zum Thema der Lysistrate eindeutig. Allerdings ist die Verbindung mit den Exzessen der Frauen, darunter seiner eigenen Frau, willkürlich, denn der Synchronismus zwischen der Adonisfeier und dem Antrag des Demostratos auf die Ausweitung des Krieges in der Volksversammlung ist historisch mehr als problematisch. Er ist als Verbindung des Gegensätzlichen vielmehr wohl ein Mittel der Komifizierung. 392 „eine Flotte nach Sizilien“: Auf Beschluss der Volksversammlung schickte Athen 415 v. Chr. eine Flotte von beispielloser Größe nach Sizilien, um die ganze Insel zu unterwerfen und um seine Hegemonialstellung in der griechischen Welt auszubauen. Der Feldzug endete jedoch 413 v. Chr. mit einer verheerenden Katastrophe, die schließlich zur Niederlage im Peloponnesischen Krieg gegen Sparta führte und den politischen Niedergang Athens in Griechenland einleitete. 394 „Zakynthos“: Zakynthos, die südlichste der Ionischen Inseln, war zuverlässiges Mitglied des Delisch-Attischen Seebundes während des Peloponnesischen Krieges.

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Erstes Epeisodion: 414–430

Ly.

Ein anderer sagt zu einem Schuster, einem jungen Burschen mit einem schon ausgewachsenen Schwanz: 415 „Schuster, am Fuß meiner Frau drückt der Riemen den kleinen Zeh, weil er zart ist. Komm am Mittag, und lockere den Riemen, damit alles weiter ist!“ 420 Solche Dinge führen dazu, dass ich, ein Staatsrat, der dafür gesorgt hat, dass es endlich wieder Holz für Ruder der Kriegsschiffe gibt, und der jetzt dafür Geld braucht, ausgesperrt von den Frauen, vor den Toren stehe. Aber es bringt nichts, nur herumzustehen. (Zu den beiden Sklaven.) Her mit den Brechstangen, 425 damit ich ihrem unverschämten Tun ein Ende mache! (Die Sklaven reagieren nicht.) Was gaffst du, du Dummkopf? Und du, wohin schaust du, spähst wohl nur nach einer Kneipe? Wollt ihr nicht endlich die Brechstangen unter die Tore schieben und diese von dort wegstemmen? Ich will von hier beim Stemmen mithelfen. (Ungerufen tritt Lysistrate aus dem Burgtor, das durch das große Tor des Bühnenhauses repräsentiert wird.) 430 Hier stemmt ihr nichts weg!

Λυ.

ἕτερος δέ τις πρὸς σκυτοτόμον ταδὶ λέγει νεανίαν καὶ πέος ἔχοντ᾽ οὐ παιδικόνꞏ ‘ὦ σκυτοτόμε, τῆς μου γυναικὸς τοῦ ποδὸς τὸ δακτυλίδιον πιέζει τὸ ζυγὸν, ἅθ᾽ ἁπαλὸν ὄνꞏ τοῦτ᾽ οὖν σὺ τῆς μεσημβρίας ἐλθὼν χάλασον, ὅπως ἂν εὐρυτέρως ἔχῃ.’ τοιαῦτ᾽ ἀπήντηκ᾽ ἐς τοιαυτὶ πράγματα, ὅτε γ᾽ ὢν ἐγὼ πρόβουλος, ἐκπορίσας ὅπως κωπῆς ἔσονται, τἀργυρίου νυνὶ δέον, ὑπὸ τῶν γυναικῶν ἀποκέκλῃμαι ταῖς πύλαις. ἀλλ᾽ οὐδὲν ἔργον ἑστάναι. φέρε τοὺς μοχλούς, ὅπως ἂν αὐτὰς τῆς ὕβρεως ἐγὼ σχέθω. τί κέχηνας, ὦ δύστηνε; ποῖ δ᾽ αὖ σὺ βλέπεις, οὐδὲν ποιῶν ἀλλ᾽ ἢ καπηλεῖον σκοπῶν; οὐχ ὑποβαλόντες τοὺς μοχλοὺς ὑπὸ τὰς πύλας ἐντεῦθεν ἐκμοχλεύσετ᾽; ἐνθενδὶ δ᾽ ἐγὼ ξυνεκμοχλεύσω. μηδὲν ἐκμοχλεύετε:

415

420

425

430

Kommentar

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397 „aus der Familie der Verrückten“: Griech. ho Cholozýgēs; Wortspiel mit dem Familiennamen Buzýgēs des Demostratos. Der erste Teil des Namens (Bu-) ist ersetzt durch Cholo- (zu cholḗ „Galle“, Metapher für „Wahnsinn“). 401 „aus unseren armseligen Mänteln“: Das Diminutivum himatídion (zu griech. himátion „Mantel“) hat leicht pejorative Bedeutung wie in v. 470. 403 „Poseidon … Gott des salzigen Meeres“: Das griech. Epitheton halyrós „salzig“ ist kein anderweitig belegter Beiname Poseidons, des Gottes des Meeres, der Erdbeben und der Pferde. Als kontextabhängige komische Neubildung kann es sich nur auf die Attacke der Frauen mit den Wasserkrügen beziehen, wenn auch die spezifische Bedeutung des Salzigen nicht signifikant ist. Diese mit dem vorangehenden Vergleich des Urinierens in Verbindung zu bringen, ist allerdings waghalsig. 407–413 Die kurze Geschichte mit anekdotischem Charakter ist ganz in der Art aristophanischer Komik eindeutig zweideutig. Der sexuelle Hintersinn ist ihr eigentlicher Zweck und wird im letzten Vers (v. 413) überraschend hergestellt (v. 413: „passe ihr den Zapfen ein!“). Er hängt ab von griech. hē bálanos, einem Wort zur Bezeichnung 1. der Eichel und vergleichbarer nussartiger Kerne (seit Homer), 2. des vorderen Teils des männlichen Gliedes (seit Aristoteles vor allem in der Fachliteratur), 3. eines längeren Zapfens als Teil eines Schlosses zu dessen Sicherung (seit dem 5. Jh. v. Chr.). Dieser dritte Anwendungsbereich ist hier anzusetzen; v. 413 wird der „Zapfen“ des Schlosses zur Metapher für das männliche Glied. 414–419 Auch diese Geschichte erhält am Ende durch griech. eurytérōs „weiter“ in „damit alles weiter ist“ überraschend einen sexuellen Hintersinn, der durch den Anfang vorbereitet ist. 422 „Holz für Ruder der Kriegsschiffe … und dafür Geld“: In der letzten Phase des Peloponnesischen Krieges war die Ausrüstung der für die Kriegsführung entscheidenden Kriegsschiffe (Triëren) mit Rudern schwierig geworden, da die für den Ruderbau notwendigen langen Stangen (etwa 4,2 m lang; s. Anm. zu v. 173) nicht ohne Schwierigkeiten nach Athen eingeführt werden konnten. Zur Bezahlung einer schließlich doch erreichten Holzlieferung will der Probule Geld aus der Staatskasse Athens holen, die im Opisthodom des Parthenon (s. Anm. zu v. 174) untergebracht war. Auf dieses Geld hat der Probule aber nach der Besetzung der Akropolis durch die Frauen keinen Zugriff mehr. Wie in den Komödien des Aristophanes üblich, wird auch hier die dargestellte Welt nicht als eine autonome künstlerische Welt dargestellt, so dass diese Welt nie aus sich heraus verstanden werden kann. Vielmehr ist ein Wissen des Zuschauers über die historische Wirklichkeit notwendig, um die Handlung voll zu verstehen. Ohne ein solches Wissen bleibt eine Aussage wie die des Probulen vage.

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Erstes Epeisodion: 431–444

Ich komme schon von selbst heraus. Wozu braucht ihr Brechstangen? Brechstangen braucht ihr hier nicht, vielmehr Vernunft und Verstand. Pr. Wirklich, du Verruchte? Wo ist ein Polizist? (zu einem der Polizisten) Pack sie und binde ihr die Hände auf den Rücken! 435 Ly. Ja, bei Artemis, wenn er mir auch nur eine Fingerspitze berührt, wird er es bereuen, auch wenn er ein Staatsdiener ist. Pr. Hast du Angst? (zu einem zweiten Polizisten) Du da, hilf ihm und pack sie an der Taille! Beide zusammen fesselt sie endlich! (Ungerufen stürmt eine erste alte Frau aus dem Burgtor.) Erste alte Frau Wenn du sie, bei der Heroine Pandrosos, auch nur 440 mit der Hand berührst, trete ich auf dir herum, bis du kackst. Pr. So, „bis du kackst“, sagst du. Wo ist ein anderer Polizist? (zu einem dritten Polizisten) Fessele diese zuerst, weil sie auch noch Unsinn redet! (Eine zweite alte Frau stürmt aus dem Burgtor.) Zweite alte Frau Wenn du sie, bei der Lichtbringerin Hekate, auch nur mit den Fingerspitzen berührst, wirst du bald um eine Kühlung für dein blaues Auge betteln. (Der Polizist zögert.)

ἐξέρχομαι γὰρ αὐτομάτη. τί δεῖ μοχλῶν; οὐ γὰρ μοχλῶν δεῖ μᾶλλον ἢ νοῦ καὶ φρενῶν. Πρ. ἄληθες, ὦ μιαρὰ σύ; ποῦ ʼστι τοξότης; ξυλλάμβαν᾽ αὐτὴν κὠπίσω τὼ χεῖρε δεῖ. Λυ. εἴ τἄρα νὴ τὴν Ἄρτεμιν τὴν χεῖρά μοι ἄκραν προσοίσει, δημόσιος ὤν, κλαύσεται. Πρ. ἔδεισας, οὗτος; οὐ ξυναρπάσει μέσην καὶ σὺ μετὰ τούτου κἀνύσαντε δήσετον; Γραῦς Α εἴ τἄρα νὴ τὴν Πάνδροσον ταύτῃ μόνον τὴν χεῖρ᾽ ἐπιβαλεῖς, ἐπιχεσεῖ πατούμενος. Πρ. ἰδού γ᾽ἐπιχεσεῖ. ποῦ ᾽στιν ἕτερος τοξότης; ταύτην προτέραν ξύνδησον, ὁτιὴ καὶ λαλεῖ. Γραῦς Β εἴ τἄρα νὴ τὴν Φωσφόρον τὴν χεῖρ᾽ ἄκραν ταύτῃ προσοίσεις, κύαθον αἰτήσεις τάχα. ––––––––––––

433 ποῦ ʼστι τοξότης van Leeuwen : ποῦ ʼστʼ ὁ τοξότης Hss. 435 χεῖρά μοι R : χεῖρ᾽ ἐμοὶ übrige Hss.

435

440

Kommentar

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431 „Ich komme schon von selbst heraus“: Lysistrate tritt selbstbewusst durch das Tor der Propyläen auf die Bühne. Ihr Auftritt wird nicht von Formen der Komik begleitet. Sie präsentiert sich wie schon am Anfang des Prologs als Frau, die sich für die Polis verantwortlich fühlt. Sie trägt als „Auflöserin der Heere/Heerauflöserin“ einen Namen, der seiner Bedeutung nach mit dem Namen der Priesterin Lysimache, der „Schlachtenauflöserin“, verwandt ist, die um 411 v. Chr., also zur Zeit der Aufführung der Lysistrate, für den Kult der Athena Polias auf der Akropolis zuständig war und auch dort residierte. Da das Bild der Lysistrate offensichtlich auf diese Lysimache verweist, ist es naheliegend, dass im Auftritt der aus der Akropolis tretenden Lysistrate das Prestige dieser auf der Akropolis residierenden Priesterin aktiviert wird. Dafür spricht auch, dass sie eine bemerkenswerte Vorgängerin hatte, die dem spartanischen König Kleomenes 508/7 v. Chr. den Zutritt zum Tempel der Athena verwehren wollte, als dieser die Akropolis besetzt hatte (Herodot 5,72,3). Mit der Autorität der Priesterin der Athena Polias, der Stadtgöttin von Atnen, handelt Lysistrate; s. Henderson-Kommentar (1987) XXXVIIIf. 433 „Wo ist ein Polizist?“: Griech. toxótēs, wörtlich: „Bogenschütze“; in Athen Bezeichnung für die Staatsklaven, die für Ordnungsdienste vor allem in der Versammlung des Volkes (griech. ekklēsía) und des Rates (griech. bulḗ) sowie dem Geschworenengericht der Heliaia zuständig waren und den Bogen als Ausdruck ihrer Befugnis trugen. Da sie aus Skythien stammten, werden sie auch häufig als Skýthai bezeichnet, so auch v. 455. Im Verhältnis zur Zahl der Privatsklaven war die Zahl der Staatssklaven in Athen gering. Unter ihnen war besonders auffällig die Gruppe der Polizisten, die im 5. und 4. Jh. v. Chr. in Athen für Ordnungsdienste eingesetzt wurden. Ihre Zahl wird auf 300–1000 geschätzt. Sklaven als Ordnungsskräfte im öffentlichen Leben sind nur aus Athen bekannt und widersprechen eigentlich dem System der antiken Sklaverei, das keine Eingriffe von Sklaven in das Leben der Bürger zuließ. Sie waren aber in Athen so selbstverständlich, dass niemand Anstoß an ihren Aufgaben nahm. Sie handelten freilich nicht aus eigener Initiative, sondern im Auftrag einer Amtsperson. Für Aristophanes waren sie wegen ihrer Dummheit und ihrer Unfähigkeit, richtig Griechisch zu sprechen, Objekte der Verspottung (Thesmophoriazusen, vv. 1001–1231). 439 „Pandrosos“: Attische Heroine, Tochter des mythischen ersten attischen Königs Kekrops. Sie war eng mit Athena verbunden und hatte auf der Akropolis ein Heiligtum. Verehrt wurde sie primär von Frauen. Zu ihrem frauenspezifischen Kult gehörte der Dienst von Mädchen, die beim Weben des Panthenäen-Peplos für Athena den Anfang machten; s. Anm. zu vv. 640–647. 442 „Lichtbringerin Hekate“: Die Göttin wird nicht mit ihrem Namen, sondern als Göttin der Nacht nur mit ihrem durch ihre Beziehung zum Mond üblichen Beinamen (griech. Phōsphóros) angerufen; s. v. 738. Hekate spielt im Kult der Frauen eine bedeutende Rolle; s. Anm. zu vv. 63f. und v. 700. 444 „Kühlung für dein blaues Auge“: Griech. kýathos „Schöpflöffel“ ist eine Metonymie für „Kühlung“. Der Schöpflöffel aus Metall wurde zur Kühlung von Wunden und Prellungen eingesetzt.

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Erstes Epeisodion: 445–458

Was soll das heißen? Wo ist ein weiterer Polizist? (zu einem vierten Polizisten) Halte diese fest! 445 Ich will dafür sorgen, dass keine von euch mehr aus der Akropolis herauskommt. (Eine dritte alte Frau stürmt aus dem Burgtor.) Dritte alte Frau Wenn du ihr, bei der Artemis Tauropolos, zu nahekommst, werde ich dir die Haare ausreißen, dass du stöhnst und jammerst. (Der Polizist zögert.) Pr. O weh, ich Armer! Die Polizisten sind mir ausgegangen. 450 Aber niemals lassen wir uns von den Frauen besiegen. Wir wollen gegen sie marschieren, ihr Skythen, in Reih und Glied aufgestellt. Ly. Ja, bei den beiden Göttinnen, bei Demeter und Persephone, ihr werdet sehen, dass auch wir drinnen vier Kompanien schwerbewaffneter und kampfbereiter Frauen haben. 455 Pr. Ihr Skythen, bindet ihnen die Hände auf dem Rücken! Ly. Waffenschwestern, kommt heraus, (Vier Kompanien von Frauen stürmen bewaffnet aus dem Burgtor.) ihr von der Marktweibersippe, ihr Brei- und Gemüsehändlerinnen, ihr Kneipenwirtinnen, ihr Knoblauch- und Brothändlerinnen, Pr.

τουτὶ τί ἦν; ποῦ τοξότης; ταύτης ἔχου. παύσω τιν᾽ ὑμῶν τῆσδ᾽ ἐγὼ τῆς ἐξόδου. Γραῦς Γ εἴ τἄρα νὴ τὴν Ταυροπόλον ταύτῃ πρόσει, ἐκκοκκιῶ σου τὰς στενοκωκύτους τρίχας. Πρ. οἴμοι κακοδαίμωνꞏ ἐπιλέλοιφ᾽ ὁ τοξότης. ἀτὰρ οὐ γυναικῶν οὐδέποτ᾽ ἔσθ᾽ ἡττητέα ἡμῖνꞏ ὁμόσε χωρῶμεν αὐταῖς, ὦ Σκύθαι ξυνταξάμενοι. Λυ. νὴ τὼ θεὼ, γνώσεσθ᾽ ἄρα ὅτι καὶ παρ᾽ ἡμῖν εἰσι τέτταρες λόχοι μαχίμων γυναικῶν ἔνδον ἐξωπλισμένων. Πρ. ἀποστρέφετε τὰς χεῖρας αὐτῶν, ὦ Σκύθαι. Λυ. ὦ ξύμμαχοι γυναῖκες, ἐκθεῖτ᾽ ἔνδοθεν, ὦ σπερμαγοραιολεκιθολαχανοπώλιδες, ὦ σκοροδοπανδοκευτριαρτοπώλιδες, Πρ.

––––––––––––

448 ἐκκοκκιῶ Hss. : ἐγὼ ᾽κποκιῶ Blaydes 449 ἐπιλέλοιφ᾽ Γ : ἐπιλέλοιπ᾽ R

445

450

455

Kommentar

125

447 „bei der Artemis Tauropolos“: Unter dem Beinamen „Tauropolos“ wurde Artemis im attischen Teil-Demos Brauron an der Ostküste von Attika und im benachbarten Demos Halai Araphenides verehrt. Sie hatte außerdem einen Kultort (griech. hierón) auf der Akropolis (Pausanias, Beschreibung Griechenlands, 1,23,7). Die Bedeutung des Beinamens ist ungeklärt. Da zum Kult dieser Artemis nächtliche orgiastische Feiern der Frauen gehörten und in Brauron der Kult eng mit der kultischen ‚Ausbildung‘ der attischen Mädchen verbunden war (s. Anm. zu vv. 640–647), steht sie den Frauen nahe und ist daher in die Beteuerungsformel der Frauen aufgenommen. Möglicherweise wird auch auf ein Ritual in Halai Araphenides angespielt, bei dem einem Mann der Hals mit einem Messer geritzt wurde (Euripides, Iphigenie bei den Taurern, vv. 1450–61): Das Ritzen der Haut eines Mannes ist dann verstanden als Ausdruck der Fähigkeit der Frauen, sich mit allen Mitteln gegen die Männer zu wehren und zu behaupten. 451 „ihr Skythen“: Die Polizisten waren Staatssklaven skythischer Herkunft. Daher werden sie mit der Herkunftsbezeichnung angeredet; s. Anm. zu v. 433. 452 „bei den beiden Göttinnen, bei Demeter und Persephone“: Die Namen der beiden Göttinnen werden nicht genannt, da diese durch die Dualform τὼ θεὼ (tō theṓ) eindeutig identifiziert werden konnten; s. Anm. zu v. 51. 454 „Kompanien schwerbewaffneter … Frauen“: Die Bewaffnung wird wohl mindestens der Bewaffnung der Athena Polias des Phidias im ParthenonTempel entsprechen, die dort traditionell als wehrhafte Göttin mit Helm, Schild und Lanze dargestellt ist. Denkbar ist auch ein Auftritt in der vollständigen Hopliten-Ausrüstung, zu der zusätzlich ein Brustpanzer sowie Arm- und Beinschienen gehörten. 457–458 Wörter mit mehr als zwei selbstängigen Lexemen sind ein beliebtes Mittel der Wortkomik, einmal, weil sie in den gängigen Sprachvarietäten selten sind, zum anderen weil sie – und dies schon bei zweiteiligen Komposita – durch die Kombination heterogener, insbesondere nominaler Lexeme ungewöhnliche Vorstellungen ermöglichen. In den Ekklesiazusen wird die Pastete durch ein Wortungetüm in 7 Versen (vv. 1169–1175) beschrieben. Und in den Wespen soll Philokleon auf sein „Morgenschlafverstörungsrechtsverhunzerhundeleben“ (v. 505; Übersetzung Ludwig Seeger) verzichten; s. Zimmermann (2011) 680. Die Komposita sind aber nicht nur als Mittel der Komik bemerkenswert, sondern auch als sozialgeschichtliche Dokumente: Die Berufsbezeichnungen zeigen, dass die Frauen in Athen nicht nur für die private Hauswirtschaft bedeutend waren, sondern auch das Handelsleben prägten und in der Öffentlichkeit präsent waren. Dabei handelte sich primär um die Frauen der Unterschichten. Aber auch in den Oberschichten waren solche Tätigkeiten möglich. So geht in den Fröschen des Aristophanes (vv. 1346–1351) eine Frau, die so reich ist, dass sie mehrere Sklavinnen hat, auf den Markt, um zu verkaufen, was sie – natürlich zusammen mit ihren Sklavinnen – gesponnen hat.

126

Pr. Ly. Pr.

Erstes Epeisodion / Epirrhematischer Agon: 459–472

werft sie auf den Boden, prügelt sie, zerschmettert sie, beschimpft sie, setzt ihnen schamlos zu! 460 (Die vier Polizisten fliehen.) Jetzt reicht es, zieht euch zurück, zieht ihnen nicht die Rüstung aus! (Die vier Kompanien von Frauen ziehen sich auf die Akropolis zurück.) O weh, meine Polizeitruppe ist übel zugerichtet! Aber was hast du erwartet? Hast du etwa geglaubt, gegen Sklavinnen zu ziehen? Oder glaubst du, dass Frauen nicht Gift und Galle spucken können? Ja, bei Apollon, 465 Reichlich, wenn eine Kneipe in der Nähe ist.

Epirrhematischer Agon. Die Handlung schließt zeitlich unmittelbar an. Ort: Unverändert. Am Agon sind beteiligt die beiden Chöre, Lysistrate und der Probule. Die stummen Personen bleiben auf der Bühne, sind aber nicht mehr in die Handlung integriert. Chorführer Verschwendet hast du genug Worte, du Staatsrat dieses Landes. Warum lässt du dich in lange Reden mit diesen Bestien ein? Weißt du nicht, welches Bad sie uns eben in unseren armseligen Kleidern verpassten, und das noch ohne Seife?470 Chorführerin Aber mein Lieber, vergreif dich nicht so unbedacht an deinen Nächsten. Wenn du es aber tust, wirst du blaue Augen bekommen.

Πρ. Λυ. Πρ.

οὐχ ἕλξετ᾽, οὐ παιήσετ᾽, οὐκ ἀράξετε; οὐ λοιδορήσετ᾽, οὐκ ἀναισχυντήσετε; παύσασθ᾽, ἐπαναχωρεῖτε, μὴ σκυλεύετε. οἴμ᾽, ὡς κακῶς πέπραγέ μου τὸ τοξικόν. ἀλλὰ τί γὰρ ᾤου; πότερον ἐπὶ δούλας τινὰς ἥκειν ἐνόμισας, ἢ γυναιξὶν οὐκ οἴει χολὴν ἐνεῖναι; νὴ τὸν Ἀπόλλω καὶ μάλα πολλήν γ᾽, ἐάνπερ πλησίον κάπηλος ᾖ.

Χο. γε ὦ πόλλ᾽ ἀναλώσας ἔπη πρόβουλε τῆσδε τῆς γῆς, τί τοῖσδε σαυτὸν εἰς λόγους τοῖς θηρίοις συνάπτεις; οὐκ οἶσθα λουτρὸν οἷον αἵδ᾽ ἡμᾶς ἔλουσαν ἄρτι ἐν τοῖσιν ἱματιδίοις, καὶ ταῦτ᾽ ἄνευ κονίας; Χο. γρ ἀλλ᾽, ὦ μέλ᾽, οὐ χρὴ προσφέρειν τοῖς πλησίοισιν εἰκῇ τὴν χεῖρ᾽ꞏ ἐὰν δὲ τοῦτο δρᾷς, κυλοιδιᾶν ἀνάγκη. ––––––––––––

459 ἀράξετε Wakefield : ἀρήξετε Hss.

460

465

470

Kommentar

127

461 „zieht ihnen nicht die Rüstung aus!“: Mit der Flucht der Polizisten haben die Frauen die ‚Schlacht‘ gewonnen. Nach den Regeln des Krieges hätten sie als Zeichen des Sieges den Besiegten die ‚Rüstung‘ abnehmen dürfen, im konkreten Fall vor allem den Bogen der Polizisten. 466 „wenn eine Kneipe in der Nähe ist“: Wörtlich: „ein Kneipenwirt/Weinverkäufer“ (griech. kápēlos)“. „Kneipenwirt/Weinverkäufer“ ist Metonymie für „Trinklust“. Die Trinklust der Frauen ist in der Komödie ein beliebtes Mittel der Komik; sie ist in der Opferszene des Prologs der Lysistrate als komisches Motiv handlungsbegleitend. Sozialgeschichtlich ist bemerkenswert, dass offensichtlich auch Frauen in einem öffentlich zugänglichen Laden von bisweilen zweifelhaftem Ruf (griech. kapēleíon) nicht nur Wein kaufen, sondern auch konsumieren konnten. In den Thesmophoriazusen (vv. 735–737) gelten die „trinklustigen“ (griech. potístatai) Frauen den „Kneipenwirten/Weinverkäufern“ (v. 665 kápēloi) als ein besonderes Gut (griech. agathón). Ansonsten war der öffentliche Weinkonsum für Frauen nur im Rahmen von religiösen Kulten möglich. 467–613 Epirrhematischer Agon. Spezifischer Bauteil der Komödie mit fester Form, der den Konflikt der Kontrahenten der Handlung regelt: Auf metrisch korrespondierende Lieder des Chors (Strophe/Ode und Gegenstrophe/Antode) folgen jeweils metrisch korrespondierende rezitativische Partien der Kontrahenten (Epirrhema und Antepirrhema) mit argumentativem Charakter, eingeleitet in der Lysistrate durch ebenfalls metrisch korrespondierende „Aufforderungen“ des Chors (Katakeleusmos und Antikatakeleusmos) an die Kontrahenten, den Konflikt auszutragen. S. Anhang „Verskunst. Metrische Analysen“. In der Lysistrate wird der emotional-polemisch ausgetragene Konflikt des ersten Epeisodions im Eprirrhematischen Agon mit einem dramatischen Neueinsatz zu einem primär argumentativen Konflikt zwischen Lysitrate und dem Probulen umgewandelt, in dem Lysistrate die argumentativ überlegene Figur ist, der der Probule argumentativ wenig entgegenzusetzen hat. Lysistrate erhält als Frau ein Format wie der Mann Dikaiopolis in den Acharnern. In diesem Agon ist das emanzipatorische Potential der Figur angelegt, das seit dem letzten Viertel des 20. Jahrhunderts fasziniert hat. 470 „in unseren armseligen Kleidern“: Das Diminutivum griech himatídion (zu griech. himátion „Mantel“) hat leicht pejorative Bedeutung wie in v. 401. 470 „und das noch ohne Seife“: Psychologisch ist dieser empörende Vorwurf aus dem Munde der Männer nicht stimmig, sondern als Mittel der Komik eingesetzt. Die Komik hat, wie häufig in den Komödien des Aristophanes, Vorrang vor psychologischer Stimmigkeit.

128

Epirrhematischer Agon: 473–489

Ich will ja gerne wie ein Mädchen brav zu Hause sitzen, niemanden hier kränken und kein Hälmchen bewegen, wenn man mich nicht wie einen Wespenschwarm reizt, dem man das Nest zerstört. 475 Chor der Männer O Zeus, was machen wir nur mit diesen Ungeheuern? Strophe Denn das ist nicht mehr zu ertragen. Du, Probule, musst mit mir diesen Vorfall untersuchen: 480 was sie nur wollten, als sie die Akropolis, die Festung des Kranaos, besetzt haben, die man nicht betreten darf, diesen geheiligten Bezirk auf einem riesigen Felsen. Chorführer So befrage Lysistrate denn, lass dich nicht überreden, prüfe im Katakeleusmos Kreuzverhör alles genau! Denn es wäre eine Schmach, eine solche Sache ungeprüft durchgehen zu lassen. 485 Pr. So will ich denn, bei Zeus, von ihnen zunächst dies erfahren Epirrhema (zu Lysitrate): Was wollt ihr, warum verrammelt ihr unsere Akropolis mit Balken? Ly. Damit wir das Geld in Sicherheit bringen und ihr dann wegen des Geldes nicht mehr Krieg führen könnt. Pr. Führen wir denn wegen des Geldes Krieg?

ἐπεὶ ᾽θέλω ᾽γὼ σωφρόνως ὥσπερ κόρη καθῆσθαι, λυποῦσα μηδέν᾽ ἐνθαδί, κινοῦσα μηδὲ κάρφος, ἢν μή τις ὥσπερ σφηκιὰν βλίττῃ με κἀρεθίζῃ. Χο.γε ὦ Ζεῦ, τί ποτε χρησόμεθα τοῖσδε τοῖς κνωδάλοις; οὐ γὰρ ἔτ᾽ ἀνεκτὰ τάδε γ᾽, ἀλλὰ βασανιστέον τόδε σοι τὸ πάθος μετ᾽ ἐμοῦ, ὅ τι βουλόμεναί ποτε τὴν Κραναὰν κατέλαβον, ἐφ᾽ ὅ τι τε μεγαλόπετρον ἄβατον ἀκρόπολιν, ἱερὸν τέμενος.

Πρ. Λυ. Πρ.

ἀλλ᾽ ἀνερώτα καὶ μὴ πείθου καὶ πρόσφερε πάντας ἐλέγχους, ὡς αἰσχρὸν ἀκωδώνιστον ἐᾶν τὸ τοιοῦτον πρᾶγμα μεθέντας. καὶ μὴν αὐτῶν τοῦτ᾽ ἐπιθυμῶ νὴ τὸν Δία πρῶτα πυθέσθαι, ὅ τι βουλόμεναι τὴν πόλιν ἡμῶν ἀπεκλῄσατε τοῖσι μοχλοῖσιν. ἵνα τἀργύριον σῶν παρέχοιμεν καὶ μὴ πολεμοῖτε δι᾽ αὐτό. διὰ τἀργύριον πολεμοῦμεν γάρ;

475 [στρ. 480

485

Kommentar

129

481 „die Festung des Kranaos“: Benennung der Akropolis nach Kranaos, einem mythischen König Athens, dem Nachfolger des mythischen Urkönigs Kekrops, die beide im Streit zwischen Athena und Poseidon um den Besitz der Stadt Athen als Schiedsrichter fungiert haben sollen (Pseudo-Apollodor, Bibliothḗkē 3,179) und damit die Benennung der Stadt Athen nach der Göttin Athena begründeten. Nach Atthis, einer Tochter des Kranaos, soll dann die Landschaft Attika (griech. Atthı̄ ́s gē) ihren Namen erhalten haben (PseudoApollodor, Bibliothḗkē 3,186). Kranaos gehört damit in die mythische Gründungsgeschichte der Stadt. Daher wurden die Stadt Athen, ihre Akropolis und ihre Bewohner nach Kranaos benannt: die Stadt und die Akropolis als griech. Kranaá, die Stadt auch als griech. Kranaaí (Plural nach griech. Athḗnai) und die Athener als griech. Kranaoí. Da das griech. Adjektiv kranaós „felsig“ bedeutet und seit Homer in der Literatur häufig im Zusammenhang mit Athen gebraucht wurde, ist der Eigenname Kranaos ursprünglich wohl als Metonymie oder auch als Personifikation für den „Fels“, auf dem die Akropolis steht, zu verstehen, die dann mythologisch aufgerüstet und Teil der Ur- oder Frühgeschichte Athens wurde. An dem Beispiel des Verweises auf Kranaos zeigt sich eine Eigenart der Komödie, die das Verständnis der Komödien ohne nähere Erklärung erschwert: die Komödie ist voll von Anspielungen auf die Gegenwart und Vergangenheit Athens, die Teile des kollektiven Gedächtnisses der Athener waren in all seinen Manifestationen, sei es der sozialen, politischen oder kultischen Gegenwart oder Vergangenheit, aber für die Handlung ohne Bedeutung sind. Die Komödie ist daher konkret und direkt in das kollektive Gedächtnis Athens eingebettet und unterscheidet sich dadurch von der gleichzeitigen Tragödie, deren Handlung durch den gesamtgriechischen Mythos bestimmt ist und daher nur indirekt die Wirklichkeit Athens aufnimmt und gestaltet. 482 „Akropolis, die man nicht betreten darf (griech. ábatos „unbetretbar“)“: Da Bezirke von Altären und Tempeln in der Regel nicht allgemein öffentlich zugänglich waren, sondern nur vom Kultpersonal und zu Zeiten von Kulthandlungen von Kultteilnehmern betreten werden durften, haben die Frauen der Lysistrate kein Zugangsrecht zur Akropolis. Allerdings ist zweifelhaft, ob der durch kultische Tradition eingeschränkte Zugang tatsächlich kontrolliert und eingehalten wurde. Ausdruck des eingeschränkten Zugangsrechtes waren die Propyläen, die als Toranlage zwar repräsentative Bedeutung hatten, aber durch Verriegelung auch den Zugang verhindern konnten.

130

Epirrhematischer Agon: 489–498

Ly.

Ja, und auch alles andere wird dadurch aufgerührt. Denn damit Peisandros und alle Stellenjäger etwas zu stehlen hatten, 490 schürten sie jede Art von Aufruhr. Sie können nun meinetwegen tun, was sie wollen: Es bringt nichts, denn dieses Geld hier können sie keineswegs mehr bekommen. Aber was willst du damit machen? Das fragst du mich? Wir werden es verwalten. Ihr werdet das Geld verwalten? Was erscheint dir daran so entsetzlich? 495 Verwalten wir nicht auch schon das Geld zuhause für euch? Aber das ist nicht dasselbe. Wieso nicht dasselbe? Krieg muss damit geführt werden. Krieg führen ist aber zu allererst nicht nötig. Wie sollen wir uns denn sonst retten? Wir werden euch retten. Ihr? Ja, wir. Frechheit!

Pr. Ly. Pr. Ly. Pr. Ly. Pr. Ly. Pr. Ly. Pr. Ly. Pr.

Λυ.

Πρ. Λυ. Πρ. Λυ. Πρ. Λυ. Πρ. Λυ. Πρ. Λυ. Πρ. Λυ. Πρ.

καὶ τἄλλα γε πάντ᾽ ἐκυκήθη. ἵνα γὰρ Πείσανδρος ἔχοι κλέπτειν χοἰ ταῖς ἀρχαῖς ἐπέχοντες ἀεί τινα κορκορυγὴν ἐκύκων. οἱ δ᾽ οὖν τοῦδ᾽ οὕνεκα δρώντων ὅ τι βούλονταιꞏ τὸ γὰρ ἀργύριον τοῦτ᾽ οὐκέτι μὴ καθέλωσιν. ἀλλὰ τί δράσεις; τοῦτό μ᾿ ἐρωτᾷς; ἡμεῖς ταμιεύσομεν αὐτό. ὑμεῖς ταμιεύσετε τἀργύριον; τί δὲ δεινὸν τοῦτο νομίζεις; οὐ καὶ τἄνδον χρήματα πάντως ἡμεῖς ταμιεύομεν ὑμῖν; ἀλλ᾽ οὐ ταὐτόν. πῶς οὐ ταὐτόν; πολεμητέον ἔστ᾽ ἀπὸ τούτου. ἀλλ᾽ οὐδὲν δεῖ πρῶτον πολεμεῖν. πῶς γὰρ σωθησόμεθ᾽ ἄλλως; ἡμεῖς ὑμᾶς σώσομεν. ὑμεῖς; ἡμεῖς μέντοι. σχέτλιόν γε.

––––––––––––

489 γε Γ : τε R

491 οὕνεκα Γ : ἕνεκα R

490

495

Kommentar

131

490 „damit Peisandros und alle Stellenjäger etwas zu stehlen hatten“: Peisandros war ein umtriebiger zeitgenössischer attischer Politiker, der von Aristophanes wegen Korruption (hier durch griech. kléptein „stehlen“ beschrieben) angegriffen wurde. Er wird in der Lysistrate in eine Reihe mit den „Stellenjägern“ gestellt. Die Korruption besteht ganz offensichtlich in der Fähigkeit, das Ämtersystem des demokratischen Staates mit seiner Vielzahl an höheren und niederen Ämtern auszunutzen, möglicherweise auch zur ungerechtfertigten eigenen Bereicherung. Der Vorwurf der Korruption ist insgesamt sehr diffus und wenig konkret. 495 „Verwalten wir (griech. tamieúomen) nicht auch schon das Geld zuhause für euch?“: Durch seine Antwort, dass dies nicht dasselbe sei, bestätigt der Probule die Frage der Lysistrate. Mit demselben Argument wie Lysistrate plädiert in den Ekklesiazusen die Protagonistin Praxagora, eine geistige Verwandte der Lysistrate, in der Rolle eines Mannes in der Volksversammlung dafür, den Frauen den Staat (griech. pólis) zu überlassen, da sie auch zuhause „Aufseher“ (griech. epítropoi) und „Verwalter“ (griech. tamíai) seien (vv. 210–212). Und in der Tat entspricht die Argumentation der sozialen Wirklichkeit in Athen (s. „Einführung. Die Frauen Athens“). Wenn auch die Frauen in Athen ihrer Rechtsstellung nach nicht gleichberechtigt waren, so hatten sie doch in der privaten Haushaltsführung eine starke Stellung und konnten in finanziellen Angelegenheiten Entscheidungen treffen, die nach der Rechtsstellung eigentlich nicht möglich waren. Die Frauen waren wesentlich an der Organisation des Haushalts zum Erhalt und zur Steigerung des Vermögens beteiligt. Da die Haushaltswirtschaft in der Antike die dominante Wirtschaftsform war, war die Frau ein bedeutender Faktor der antiken Wirtschaft. Das bestätigt insbesondere der Historiker Xenophon (1. Hälfte des 4. Jh. v. Chr.) in seinem Oikonomikós (3,15; Übersetzung Gert Audring und Kai Brodersen): „Ich glaube…, dass eine Frau, die eine gute Partnerin bei der Leitung des Haushalts ist, dem Mann gleichwertig ist im Streben nach dem Guten. Die Besitztümer kommen zwar meist durch die Tätigkeiten des Mannes in das Haus, ausgegeben werden sie aber größtenteils nach der haushälterischen Einteilung der Frau, und wenn diese gut ist, vergrößern sich die Häuser, wenn sie aber schlecht vorgenommen wird, nehmen die Häuser ab.“ Ein detaillierter Aufgabenkatalog zeigt dann den Umfang der Tätigkeiten der Frau (9,1–19). Wenn auch mit einiger Emphase in der Komödie die Leistungen der Frau in der Gesellschaft und für diese betont werden, so sind doch auch die Risiken durch sie nicht ausgespart, da sie in der Tradition der stereotypen frauenskeptischen Perspektive (s. Anm. zu v. 138 und zu vv. 256–265) reichlich Potential für Komik bieten. Prominentes Beispiel für die Gefährdung des Familienvermögens ist die Frau des Protagonisten Strepsiades in den Wolken, die durch ihren verschwenderischen Lebensstil und durch die Förderung der kostspieligen Pferdeleidenschaft ihres Sohnes die Familie in den finanziellen Ruin treibt (vv. 46–55) und damit die Handlung der Komödie bestimmt.

132

Epirrhematischer Agon: 499–506

Du wirst gerettet werden, auch wenn du es nicht willst. Fürchterliches sagst du. Ärgerst du dich? Aber getan werden muss es dennoch. Pr. Bei Demeter, das verstößt gegen das Recht. 500 Ly. Du musst gerettet werden, mein Lieber. Pr. Auch wenn ich nicht will? Ly. Deswegen um so mehr! Pr. Aber wie seid ihr darauf gekommen, euch um Krieg und Frieden zu kümmern? Ly. Das werden wir dir sagen. Pr. Sag es nun schnell, damit du nicht jammern musst! Ly. Höre nun zu, und versuche, die Hände still zu halten! Pr. Aber ich kann nicht, denn es ist vor Zorn schwierig, sie zurückzuhalten. Erste alte Frau Dann wirst du um so mehr jammern. 505 Pr. Das, Alte, möge dich selbst treffen, was du da krächzt! (zu Lysistrate) Du nun berichte mir! Ly. Pr. Ly.

Λυ. Πρ. Λυ. Πρ. Λυ. Πρ. Λυ. Πρ. Λυ. Πρ. Λυ. Πρ. Γρ.α Πρ.

ὡς σωθήσει, κἂν μὴ βούλῃ.

δεινόν λέγεις.

ἀλλὰ ποιητέα ταῦτ᾽ ἐστὶν ὅμως. σωστέον, ὦ τᾶν.

ἀγανακτεῖς;

νὴ τὴν Δήμητρ᾽ ἄδικόν γε.

κεἰ μὴ δέομαι; τοῦδ᾽ οὕνεκα καὶ πολὺ μᾶλλον. ὑμῖν δὲ πόθεν περὶ τοῦ πολέμου τῆς τ᾽ εἰρήνης ἐμέλησεν; ἡμεῖς φράσομεν. λέγε δὴ ταχέως, ἵνα μὴ κλάῃς. ἀκροῶ δή, καὶ τὰς χεῖρας πειρῶ κατέχειν. ἀλλ᾽ οὐ δύναμαιꞏ χαλεπὸν γὰρ ὑπὸ τῆς ὀργῆς αὐτὰς ἴσχειν. κλαύσει τοίνυν πολὺ μᾶλλον. τοῦτο μέν, ὦ γραῦ, σαυτῇ κρώξαις. σὺ δέ μοι λέγε.

––––––––––––

499 Ergänzung durch Ellebodius 501 οὕνεκα Brunck : εἵνεκα Hss.

500

505

Kommentar

133

500 „das verstößt gegen das Recht“: Der Einsatz der Frauen für den Frieden verstößt gegen das attische Recht, denn wie die Kriegserklärung Sache der Volksversammlung ist, die nur aus Männern besteht, ist entsprechend auch der Friedensschluss nur Sache der Männer. 503 „Sag es nun schnell, damit du nicht jammern musst!“: „jammern müssen“ (griech. klā ́ ein) umgangssprachliche komische Metonymie für „Prügel erhalten/beziehen“, im konkreten Falle „Prügel durch Faustschläge ins Gesicht erhalten (wohl nicht durch Ohrfeigen)“. Ähnlich sprachlich-ruppig wie der Probule mit Lysistrate umgeht, hat ihr eigener Mann ihr angedroht, dass sie „jammern“ werde (oimṓzein, v. 516), wenn sie als Frau nicht aufhöre, sich in die Politik einzumischen. In beiden Fällen bleibt die Drohung folgenlos, weil das Sprachregister der Drohungen primär burlesk-komische Sprachhandlung ist und nicht zwingend auf Verwirklichung zielt und damit keine Bedeutung für die Handlung hat.

134

Epirrhematischer Agon: 506–517

Das will ich tun. Wir haben es früher aus Bescheidenheit schweigend ertragen, was auch immer ihr Männer tatet. Denn wir durften uns nicht mucksen. Jedoch gefiel uns euer Tun nicht. Aber wir haben es genau wahrgenommen, und oft hörten wir zuhause, 510 dass ihr einen schlechten Beschluss in einer wichtigen Sache gefasst hattet. Dann fragten wir, im Herzen betrübt, doch mit Lächeln: „Was habt ihr heute in der Volksversammlung wegen des Friedens beschlossen, dass es öffentlich durch eine Inschrift auf einer Stele bekannt wird?“ „Was geht dich das an?“, sagte dann mein Mann. „Wirst du wohl schweigen?“ Und ich schwieg. Erste alte Frau Aber ich hätte niemals geschwiegen. 515 Pr. (zu Lysistrate) Du hättest was zu jammern gehabt, wenn du nicht geschwiegen hättest. Ly. Deswegen habe ich damals geschwiegen. Später hörten wir, dass ihr einen noch viel schlechteren Beschluss gefasst hattet. Ly.

Λυ.

Γρ.α Πρ. Λυ.

ταῦτα ποιήσω. ἡμεῖς τὸν μὲν πρότερόν γε χρόνον ἠνειχόμεθ’ ὑπὸ σωφροσύνης τῆς ἡμετέρας τῶν ἀνδρῶν ἅττ᾽ ἐποιεῖτεꞏ οὐ γὰρ γρύζειν εἰᾶθ᾽ ἡμᾶς. καίτοὐκ ἠρέσκετέ γ᾽ ἡμᾶς. 510 ἀλλ᾽ᾐσθανόμεσθα καλῶς ὑμῶν, καὶ πολλάκις ἔνδον ἂν οὖσαι ἠκούσαμεν ἄν τι κακῶς ὑμᾶς βουλευσαμένους μέγα πρᾶγμαꞏ εἶτ᾽ ἀλγοῦσαι τἄνδοθεν ὑμᾶς ἐπανηρόμεθ᾽ ἂν γελάσασαι, ‘τί βεβούλευται περὶ τῶν σπονδῶν ἐν τῇ στήλῃ παραγράψαι ἐν τῷ δήμῳ τήμερον ὑμῖν;’ ‘τί δὲ σοὶ ταῦτ᾽;’ ἦ δ᾽ ὃς ἂν ἁνήρ. ‘οὐ σιγήσει;’ κἀγὼ ἐσίγων. ἀλλ᾽ οὐκ ἂν ἐγώ ποτ᾽ ἐσίγων. 515 κἂν ᾤμωξάς γ᾽, εἰ μὴ ᾿σίγας. τοιγὰρ ἐγὼ μὲν τότ’ ἐσίγων. ἔτερόν τι πονηρότερον βούλευμ᾽ ἐπεπύσμεθ᾽ ἂν ὑμῶνꞏ

––––––––––––

507 Ergänzung durch van Herwerden : ἠνειχόμεθ’ Lentig : ἠνεσχόμεθα R. : Ergänzung durch Porson : alii aliter 516 μὲν τότ’ Ergänzung durch Wilamowitz 517 Ergänzung durch Blaydes : Ergänzung durch Dobree

Kommentar

135

507–520 Die Rede der Lysistrate mit der Wiedergabe eines Dialogs mit ihrem Mann ist eine vor allem kontrastive Anspielung auf den Dialog zwischen der Trojanerin Andromache und ihrem Mann Hektor in der Ilias, als dieser sich von seiner Frau verabschiedet, um gegen die Griechen zu kämpfen, weil der „Krieg Sache der Männer“ sei, eine Äußerung, die Lysistrates Ehemann übernimmt (Homer, Ilias 6,482–493; Übersetzung Wolfgang Schadewaldt): „So sprach Hektor und legte seiner Gattin in die Arme Seinen Sohn, und sie empfing ihn in dem duftenden Bausch des Gewandes, Unter Tränen lachend. Den Mann erbarmte es, als er es sah, und er streichelte sie mit der Hand, sprach das Wort und benannte es heraus: „Unbegreifliche! Quäle dich mir nicht gar zu sehr in deinem Mute! Denn über mein Teil hinaus wird mich kein Mann dem Hades vorwerfen! Aber dem Schicksal, sage ich, ist keiner entronnen von den Männern, Nicht gering noch edel, nachdem er einmal geboren.Doch du geh ins Haus und besorge deine eigenen Werke: Webstuhl und Spindel, und befiehl den Dienerinnen, An ihr Werk zu gehen. Der Krieg ist Sache der Männer, Aller, und zumeist die meine, die wir angestammt sind in Ilios.“ Im Unterschied zum Hektor der Ilias, der mit Empathie seiner Frau Andromache begegnet und aus Sorge um sie vom Krieg als einer Sache der Männer spricht, reagiert Lysistrates Mann aggressiv und bringt seine Frau mit dem Argument zum Schweigen. 514 „durch eine Inschrift auf einer Stele“: Beschlüsse (Gesetze und Verträge) der Volksversammlung wurden durch Inschriften auf Stelen veröffentlicht.

136

Pr. Ly.

Pr. Ly. Pr.

Πρ. Λυ.

Πρ. Λυ. Πρ.

Epirrhematischer Agon: 518–531

Dann fragten wir wohl: „Warum habt ihr Männer so unsinnige Politik betrieben?“ Und er blickte mich sofort unwirsch an und sagte, wenn ich nicht am Webstuhl bliebe, würde ich lange Kopfschmerzen haben: „Der Krieg ist Sache der Männer.“ 520 Zu Recht hat er das, bei Zeus, gesagt. Wieso zu Recht, du Gottverdammter, wenn ihr euch auch unsern Rat verbatet, wenn ihr einen schlechten Beschluss fasstet? Als wir nun aber euch schon auf der Straße offen sagen hörten: „Kein Mann ist mehr im Land!“ und – so ein anderer – „Nein, bei Zeus, kein einziger!“, 525 da beschlossen wir Frauen sofort, uns zu verbünden und gemeinsam Griechenland zu retten. Denn worauf hätten wir warten sollen? Wenn ihr nun zur Abwechslung schweigen und uns zuhören würdet, wenn wir einen nützlichen Rat geben, könnten wir euch wieder auf den richtigen Weg bringen. Ihr uns? Ungeheuerliches sagst du; das ist mir unerträglich! Schweige! Vor dir, Verfluchte, soll ich schweigen, die du ein Kopftuch trägst? 530 Lieber lebe ich nicht mehr.

εἶτ᾽ ἠρόμεθ᾽ ἄν ‘πῶς ταῦτ᾽, ὦνερ, διαπράττεσθ᾽ ὧδ᾽ ἀνοήτως;’ ὁ δέ μ᾽ εὐθὺς ὑποβλέψας ἂν ἔφασκ᾽, εἰ μὴ τὸν στήμονα νήσω, ὀτοτύξεσθαι μακρὰ τὴν κεφαλήνꞏ ‘πόλεμος δ᾽ ἄνδρεσσι μελήσει.’ 520 ὀρθῶς γε λέγων νὴ Δί᾽ ἐκεῖνος. πῶς ὀρθῶς, ὦ κακόδαιμον, εἰ μηδὲ κακῶς βουλευομένοις ἐξῆν ὑμῖν ὑποθέσθαι; ὅτε δὴ δ᾽ ὑμῶν ἐν ταῖσιν ὁδοῖς φανερῶς ἠκούομεν ἤδη ‘οὐκ ἔστιν ἀνὴρ ἐν τῇ χώρᾳ.’ – ‘μὰ Δί᾽ οὐ δῆτ᾽ ,’ ἕτερός τις, – 525 μετὰ ταῦθ᾽ ἡμῖν εὐθὺς ἔδοξεν σῶσαι τὴν Ἑλλάδα κοινῇ ταῖσι γυναιξὶν συλλεχθείσαις. ποῖ γὰρ καὶ χρῆν ἀναμεῖναι; ἢν οὖν ἡμῶν χρηστὰ λεγουσῶν ἐθελήσητ᾽ ἀντακροᾶσθαι κἀντισιωπᾶν ὥσπερ χἠμεῖς, ἐπανορθώσαιμεν ἂν ὑμᾶς. ὑμεῖς ἡμᾶς; δεινόν γε λέγεις κοὐ τλητὸν ἔμοιγε. σιώπα. 530 σοί γ᾽, ὦ κατάρατε, σιωπῶ ’γώ, καὶ ταῦτα κάλυμμα φορούσῃ περὶ τὴν κεφαλήν; μή νυν ζῴην.

––––––––––––

519 ἂν ἔφασκ᾽, εἰ Daubnuz : ἔφασκε κεἰ R 527 ἀντακροᾶσθαι] ἂν ἀκροᾶσθαι R

524 Ergänzung durch Brunck

Kommentar

137

519 „wenn ich nicht am Webstuhl bliebe“: Der Webstuhl ist Symbol für die Gesamtheit der Tätigkeiten der Frau im Haus. Es handelt sich um eine Motivübernahme aus der Hektor-Andromache-Szene (Ilias 6,519). Das Motiv des Webens als einer spezifischen Tätigkeit der Frauen wird in der Auseinandersetzung Lysistrates mit dem Probulen durch das WollGleichnis erweitert, das ausdrücklich politisch aufgeladen wird (vv. 567–586). Das Weben ist nur eine der vielen Tätigkeiten der Frauen im Haus, es ist aber dadurch hervorgehoben, dass es traditionell wohl die einzige erlernte Tätigkeit von Frauen vor ihrer Verheiratung war, zumindest in Athen (Xenophon, Oikonomikós 7,6). Alles weitere für die Führung des Haushalts Wichtige lernten die Frauen nach der Heirat durch die Praxis unter Anleitung ihres Ehemannes, wie Ischomachos im Oikonomikós Xenophons zeigt. Natürlich lernten sie primär nicht diese übrigen Tätigkeiten selbst, sondern vor allem die Leitung von Sklaven für diese Tätigkeiten und die Aufsicht über die Pflege der entsprechenden Haushaltsgeräte. Die umfangreichen Aufgaben der Frau in der Hauswirtschaft stellt Xenophon zusammen (Oikonomikós 9,1–19). Dass das Weben für die Mädchenbildung einen so hohen Stellenwert in Athen hatte, ist vor allem durch den Kult der Athena, der Beschützerin der Stadt Athen, bedingt. Für deren penteterisches Fest der Großen Panathenäen (griech. Panathḗnaia) wurde jeweils ein großes Festgewand, ein Peplos, mit dem traditionellen Bildmotiv des Gigantenkampfes, von Mädchen neu gewebt, das dann am Fest selbst als Abschluss einer großen Prozession der Göttin dargebracht wurde. Diese Peplos-Übergabe ist im Rahmen der Darstellung der Prozession im Zentrum des inneren Parthenon-Frieses gestaltet, wodurch die kultische Bedeutung des Peplos betont wird. Beteiligt an der Herstellung des anspruchsvollen Peplos, die eine lange Vorlaufzeit erforderte, waren mit Sicherheit die Arrhephoren genannten Mädchen, die an Kulthandlungen zu Ehren der Athena beteiligt waren (s. Anm. zu vv. 640–647), und auch weitere junge Mädchen wie etwa die Mädchen aus dem Kult zu Ehren der Heroine Pandrosos (s. Anm. zu v. 439), so dass sich durch die kultische Praxis die Ausbildung der Mädchen in der Webkunst erklärt. Da das Spinnen und Weben eine so prominente Bedeutung im Leben der Frauen hatte, wurde die Göttin Athena selbst zur Patronin dieser Arbeiten. Ihr Beiname Ergánē „Werkerin“ zeigt diesen Aspekt an. Sie ist aber nicht nur die Patronin dieser Arbeiten, sondern kennt sich auch selbst im Umgang mit der Spindel aus und wird zur göttlichen Weberin (Homer, Ilias 5,734f.). 530 „Kopftuch“: Griech. kálymma bezeichnet ein Kopftuch der Frau, das die Schultern bedeckte und mit dem sie in der Öffentlichkeit auch das Gesicht verhüllen konnte. Dieselbe Funktion konnte auch das hochgezogene Himation übernehmen. Lysistrate trägt dieses Kopftuch wohl nicht selbst, sondern nimmt es, wie im Folgenden den Korb mit Spindel und Wolle, von einer der anwesenden Frauen, die die nötigen Requisiten bereithalten. Die Requisiten stehen wie selbstverständlich zur Verfügung, wenn sie gebraucht werden.

138

Epirrhematischer Agon: 531–547

Aber wenn dich dieses stört, dann nimm von mir dieses Kopftuch, setz es auf, und dann schweige! 535 Erste alte Frau Und nimm auch diesen Korb mit Wolle! (Sie gibt dem Probulen einen Korb mit Wolle und mit Geräten für die Wollarbeit.) Ly. Und dann schürze dein Gewand, damit du die Wolle krempeln kannst, und kaue dabei Bohnen! Der Krieg ist Sache der Frauen. Ly.

Chorführerin Lasst, ihr Frauen, die Wasserkrüge stehen, damit auch wir 540 für unseren Teil den jungen Freudinnen helfen können! Chor der Frauen (nimmt tanzend wieder an der Handlung teil) Ich möchte nie vom Tanzen müde werden. Gegenstrophe Und nie soll eine lähmende Müdigkeit meine Knie befallen. Ich will alles zusammen mit diesen Frauen wegen ihrer Tapferkeit tun. 545 Sie haben Charakter, sie haben Charme, sie haben Mut, sie haben Klugheit, sie haben eine Liebe zur Stadt und dazu noch Einsicht.

Λυ.

Γρ.α Λυ.

ἀλλ᾽ εἰ τοῦτ᾽ ἐμπόδιόν σοι, παρ᾽ ἐμοῦ τουτὶ τὸ κάλυμμα λαβὼν ἔχε καὶ περίθου περὶ τὴν κεφαλήν, κᾆτα σιώπα. καὶ τουτονγὶ τὸν καλαθίσκον. κᾆτα ξαίνειν ξυζωσάμενος κυάμους τρώγωνꞏ πόλεμος δὲ γυναιξὶ μελήσει.

Χο.γρ ἀπαιρετ᾽, ὦ γυναῖκες, ἀπὸ τῶν καλπίδων, ὅπως ἂν ἐν τῷ μέρει χἠμεῖς τι ταῖς φίλαισι συλλάβωμεν. ἔγωγε γὰρ ἂν οὔποτε κάμοιμ᾽ ἂν ὀρχουμένη, οὐδὲ καματηρὸς ἂν ἕλοι γόνατά μου κόπος. ἐθέλω δ᾽ ἐπὶ πᾶν ἰέναι μετὰ τῶνδ᾽ ἀρετῆς ἕνεχ᾽, αἷς ἔνι φύσις, ἔνι χάρις, ἔνι θράσος, ἔνι δὲ τὸ σοφόν, ἔνι δὲ φιλόπολις ἀρετὴ φρόνιμος. ––––––––––––

535

540 [ἀντ.

545

542 καματηρὸς ἂν ἕλοι γόνατά μου κόπος Jackson : τὰ γόνατα κόπος ἕλοι μου καματηρὸς Hss.

Kommentar

139

534f. Lysistrate staffiert den Probulen mit traditionellen Attributen der Frauen aus, um ihn zu verhöhnen. Lysistrate präsentiert sich als die überlegene Protagonistin. 535 „Korb mit Wolle und Spindel“: Griech. kalathískos bezeichnet einen Korb mit Utensilien für die Wollarbeit. Er ist stereotypisches Attribut im frauenspezifischen Umfeld auf Vasendarstellungen. 536 „schürze dein Gewand“: Um die Arme frei zum Krempeln bewegen zu können, muss man das Gewand schürzen. 537 „kaue dabei Bohnen!“: Das Kauen von Bohnen begleitete monotone Arbeiten, das daher vor allem in den unteren Schichten üblich war und entsprechend als Ausdruck von Unbildung gewertet wurde. 538 „Der Krieg ist Sache der Frauen“: Lysistrate entmachtet die Männer provokativ durch die geschlechtsspezifische Umkehrung der Aussage der Männer „Der Krieg ist Sache der Männer“ (v. 520). 539 „Lasst, ihr Frauen, die Wasserkrüge stehen!“: Wörtlich: „Entfernt euch von den Wasserkrügen!“

140

Epirrhematischer Agon: 548–560

Chorführerin Nun, Tapferste aller Mütter und stacheligen Großmütter, Antikatakeleusmos

rückt, ihr Frauen, mutig voran und zaudert nicht, denn der Wind ist euch jetzt günstig. 550 Ly. Nun, wenn der herzenserfreuende Eros und die auf Kypros geborene Antepirrhema Aphrodite uns über Brüste und Schenkel erotische Anziehungskraft hauchen und dann bei den Männern lustvolle Spannung und Anfälle von Steiferitis hervorrufen, dann werden wir, glaube ich, einst Schlachtenauflöserinnen bei den Griechen genannt werden. Pr. Für welche Leistung? Ly. Wenn wir als Erstes die Männer davon abbringen, 555 mit Waffen auf dem Markt einzukaufen und auch sonst verrückt zu spielen. Erste alte Frau Ja, bei der Aphrodite von Paphos! Ly. Denn jetzt laufen sie auf dem Markt mit den Töpfer- und Gemüseständen in Waffen wie wildgewordene Korybanten herum. Pr. Ja, bei Zeus, das müssen tapfere Männer machen. Ly. Und doch ist es lächerlich, wenn ein Mann 560 mit einem Schild mit der Gorgo als Emblem Sardinen kauft.

Λυ.

Πρ. Λυ. Γρ.α Λυ. Πρ. Λυ.

ἀλλ᾽, ὦ τηθῶν ἀνδρειοτάτη καὶ μητριδίων ἀκαληφῶν, χωρεῖτ᾽ ὀργῇ καὶ μὴ τέγγεσθ᾽ꞏ ἔτι γὰρ νῦν οὔρια θεῖτε. ἀλλ᾽ ἤνπερ ὅ τε γλυκύθυμος Ἔρως χἠ Κυπρογένει᾽ Ἀφροδίτη ἵμερον ἡμῖν κατὰ τῶν κόλπων καὶ τῶν μηρῶν καταπνεύσῃ, κᾆτ᾽ ἐντέξῃ τέτανον τερπνὸν τοῖς ἀνδράσι καὶ ῥοπαλισμούς, οἶμαί ποτε Λυσιμάχας ἡμᾶς ἐν τοῖς Ἕλλησι καλεῖσθαι. τί ποιησάσας; ἢν παύσωμεν πρώτιστον μὲν ξὺν ὅπλοισιν ἀγοράζοντας καὶ μαινομένους. νὴ τὴν Παφίαν Ἀφροδίτην. νῦν μὲν γὰρ δὴ κἀν ταῖσι χύτραις καὶ τοῖς λαχάνοισιν ὁμοίως περιέρχονται κατὰ τὴν ἀγορὰν ξὺν ὅπλοις ὥσπερ Κορύβαντες. νὴ Δίαꞏ χρὴ γὰρ τοὺς ἀνδρείους. καὶ μὴν τό γε πρᾶγμα γέλοιον, ὅταν ἀσπίδ᾽ ἔχων καὶ Γοργόνα τις κᾆτ᾽ ὠνῆται κορακίνους.

––––––––––––

552 ἡμῖν Bentley : ἡμῶν Hss.

550

555

560

Kommentar

141

549 „Tapferste aller Mütter und stacheligen Großmütter“: Die Anrede an Lysistrate gibt keinen Hinweis auf deren Alter. Lysistrate ist alterslos; sie gehört im Prolog der jüngeren Generation an. 551–554 In der arbeitsteiligen Gesellschaft der griechischen Götter sind Eros und Aphrodite zuständig für Erotik und Sexualität. Auf ihre Hilfe bauen jetzt die Frauen. 551 „Eros…und die auf Kypros geborene Aprhrodite“: Eros als Personifikation der Liebe vor allem im Sinne der Sexualität ist im Mythos der Sohn und Helfer der Aphrodite und teilt sich mit dieser den Bereich der sexuellen Liebe. Beide werden gelegentlich zusammen kultisch verehrt, so in Athen auf dem Hang der Akropolis. Im Mythos und Kult stand Eros der Aphrodite nach, die im griechischen Pantheon zu den großen Gottheiten gehörte. In ihrem Beinamen „die auf Kypros Geborene“ (griech. Kyprogéneia) wird auf ihren Geburtsmythos angespielt. Wie viele Göttergeburten ist auch ihre Geburt phantastisch: Die Göttin wird geboren aus den ins Meer geworfenen abgeschnittenen Genitalien des Uranos. In deren Schaum wuchs ein Mädchen heran, das in Zypern als schöne Göttin ans Land stieg. Die Meeresgeburt ist in der Kunst häufig dargestellt, z. B. als Marmorrelief auf dem spätarchaischen ‚Ludovisischen Thron‘ (Nationalmuseum Rom). Der mythische Geburtsort hat dazu geführt, dass auf Zypern bedeutende Aphrodite-Kulte entstanden. In Paphos befand sich das berühmteste Aphrodite-Heiligtum der Antike, nach dem die Göttin den Beinamen „die von Paphos“ (griech. Paphía) erhielt (v. 556). 553 „Steiferitis“: Griech. rhopalismós spontan gebildeter komischer pseudomedizinischer Fachbegriff zu griech. rhópalon „Keule“, Metapher für „Penis“; s. Anm. zu v. 124. 554 „Schlachtenauflöserinnen (griech. Lysimáchas“): Griech. Akk. Plural Lysimáchas zu Nom. Plural Lysímachai; nimmt die Bedeutung des Namens der Lysistrate als „Heerauflöserin“ auf; s. Anm. zu v. 4. 556 „mit Waffen auf dem Markt einzukaufen“: Seitdem die Spartaner 413 v. Chr. beim attischen Dorf Dekeleia, 20 km von der Stadt Athen entfernt, ein festes Lager eingerichtet hatten, war Athen de facto eine belagerte Stadt geworden. Aus Furcht vor Überfällen trugen die wehrfähigen Athener im Alltag Waffen. 556 „Ja, bei der Aphrodite von Paphos!“: s. Anm. zu v. 551. 558 „wie wildgewordene Korybanten“: Die Anhänger der Göttin Kybele, der Großen Mutter, waren berüchtigt wegen ihrer ekstatischen Tänze. Der korybantische Wahnsinn wurde sprichwörtlich. 560 „Gorgo als Emblem“: Das fratzenhafte Gesicht der Gorgo Medusa wurde als Mittel der Abschreckung im Kampf vor allem auf Schilden dargestellt (mit aufgerissenem Mund, heraushängender Zunge, mächtigen Zähnen und Schlangen als Haar). Im Mythos schlägt Perseus der Medusa den Kopf ab und schenkt ihn der Göttin Athena, die damit ihren Schild ziert.

142

Epirrhematischer Agon: 561–572

Ja, bei Zeus, ich sah einen langhaarigen Mann zu Pferde, einen Oberst, wie er von einer alten Frau Erbsenbrei kaufte und in seine bronzene Kappe schüttete. Ein anderer wieder, ein Thraker, der seinen Rundschild und seinen Wurfspeer wie Tereus schwang, jagte der Feigenverkäuferin Schrecken ein und verschlang die reifen Feigen. 565 Wie wollt ihr es schaffen, dieses gewaltige Durcheinander in den Städten zu beenden und aufzulösen? Ganz einfach! Wie denn? Zeig es mir! (Sie nimmt dem Probulen den Wollkorb ab und benutzt den Inhalt zur Illustration ihrer Rede.) Wie wir das Garnknäuel, wenn es uns durcheinandergeraten ist, (nimmt das Knäuel) in dieser Weise nehmen und es mit unseren Spindeln entwirren, das eine hierhin, das andere dorthin, so werden wir auch diesen Krieg auflösen, wenn man uns lässt, indem wir durch Gesandte das eine hierhin, das andere dorthin entwirren. 570 Glaubt ihr, eure Art mit Wolle, Garnknäuel und Spindel umzugehen, kann die schreckliche Lage lösen? Wie wenig Verstand habt ihr!

Erste alte Frau

Pr. Ly. Pr. Ly.

Pr.

Γρ.α

Πρ. Λυ. Πρ. Λυ.

Πρ.

νὴ Δί᾽ ἐγὼ γοῦν ἄνδρα κομήτην φυλαρχοῦντ᾽ εἶδον ἐφ᾽ ἵππου εἰς τὸν χαλκοῦν ἐμβαλλόμενον πῖλον λέκιθον παρὰ γραόςꞏ ἕτερος δ᾽ αὖ Θρᾷξ πέλτην σείων κἀκόντιον ὥσπερ ὁ Τηρεύς, ἐδεδίσκετο τὴν ἰσχαδόπωλιν καὶ τὰς δρυπεπεῖς κατέπινεν. πῶς οὖν ὑμεῖς δυναταὶ παῦσαι τεταραγμένα πράγματα πολλὰ ἐν ταῖς χώραις καὶ διαλῦσαι; φαύλως πάνυ. πῶς; ἀπόδειξον. ὥσπερ κλωστῆρ᾽, ὅταν ἡμῖν ᾖ τεταραγμένος, ὧδε λαβοῦσαι, ὑπενεγκοῦσαι τοῖσιν ἀτράκτοις, τὸ μὲν ἐνταυθοῖ, τὸ δ᾽ ἐκεῖσε, οὕτως καὶ τὸν πόλεμον τοῦτον διαλύσομεν, ἤν τις ἐάσῃ, διενεγκοῦσαι διὰ πρεσβειῶν, τὸ μὲν ἐνταυθοῖ, τὸ δ᾽ ἐκεῖσε. ἐξ ἐρίων δὴ καὶ κλωστήρων καὶ ἀτράκτων πράγματα δεινὰ παύσειν οἴεσθ᾽; ὡς ἀνόητοι.

––––––––––––

564 ἐδεδίσκετο Hss. : ἐδεδίττετο Maltby 572 ὡς ἀνόητοι Dobree : ὦ ἀν- oder ὦν Hss.

565

570

Kommentar

143

561 „einen langhaarigen Mann zu Pferde, einen Oberst“: Träger des langen Haares ist ein Kommandeur (Oberst) des Reiterkontingentes von einer der zehn attischen Phylen (griech. phýlarchos). Er trägt lange Haare entgegen dem Modetrend der 2. Hälfte des 5. Jh. v. Chr. mit der Bevorzugung kurzer Haare. Lange Haare wurden in jener Zeit nur noch von Männern der Oberschicht als schichtenspezifisches Merkmal getragen, wie aus den Bildnissen zu schließen ist. Da ein Phylarch wegen der hohen Kosten für die Pferdehaltung vorzugsweise aus der Oberschicht stammte, ist hier die Langhaarigkeit als Status- oder Renommiersymbol zu verstehen. Sie wurde im demokratischen Athen als Ausdruck von Überheblichkeit gewertet. 562 „bronzene…Kappe“: Gemeint ist mit der „Kappe“ (griech. pı̄ ́los) ein „Helm“. Aus Gründen der Komik wird der Helm zur Kappe degradiert, die traditionell aus Filz gefertigt war. 563 „ein Thraker, der seinen Schild und seinen Wurfspieß…schwang“: Ein bewaffneter Thraker in Athen gehörte zur Gruppe der Söldner, die zur Zeit des Pelopnnesischen Krieges als „Leichtbewaffnete“ (griech. peltastaí), ausgerüstet vor allem mit einem kleinen und leichten Rundschild aus geflochtenem Leder (griech. péltē) sowie einem Wurfspieß (griech. akóntion), das militärische Potential der „schwerbewaffneten“ Bürgersoldaten (griech. hoplı̄ ́tai) verstärkten. Sie stammten vor allem aus Thrakien, einer politisch recht diffusen Landschaft der nördlichen Balkanhalbinsel. Da sie die griechische Sprache nicht beherrschten, galten sie von vornherein als Barbaren, so dass ihr Prestige gering war. 563 „Tereus“: Mythischer König der Thraker, Beispiel für Brutalität, die er im Mythos vor allem gegen seine Schwägerin Philomele ausübt, indem er sie vergewaltigt und ihr die Zunge herausreißt, damit diese die Tat nicht verraten kann. Die Fortsetzung der Mythos mit der Verwandlung aller Beteiligten in Vögel spielt hier keine Rolle. 567–586 Vergleich der Politik mit der Arbeit an der Wolle bis hin zum Weben eines Wollmantels (griech. chlaína, v. 586). Durch den Vergleich entwirft Lysitrste ein utopisches politisches Programm. Der Vergleich ist nicht bestimmt durch den Prokuktionsprozeß der Wollbearbeitung von der Bearbeitung der Rohwolle bis zum Weben eines Wollmantels, sondern durch einzelne Aspekte der Wollarbeit, durch die das politische Programm plausibel gemacht wird. Unterstützt wird der Vergleich durch die szenische Darstellung der Arbeit mit der Wolle. Dazu nimmt Lysistrate die notwendigen Objekte aus dem Wollkorb, den sie dem Probulen abnimmt. Der Vergleich beginnt bei dem Wollknäuel, das sich verheddert hat (vv. 567–570), setzt sich besonders ausführlich mit der Bearbeitung der Rohwolle fort (vv. 574–585) und endet mit dem Weben eines Wollmantels. Die Wollarbeit als Metaphernfeld ist gewählt, weil die Wollarbeit der Frauen im Kult der Stadtgöttin Athena eine besondere Bedeutung hatte, die sich im Weben eines Peplos für Athena zum Fest der Panathenäen zeigte (s. Anm. zu v. 519).

144

Epirrhematischer Agon: 572–584

Ly.

Wenn ihr nur etwas Verstand hättet, würdet ihr alle Angelegenheiten der Polis so behandeln wie wir die Wolle. Wie denn das? Lass sehen! Zuerst müsstet ihr wie bei der Rohwolle in einem Bad den Schafsdreck aus der Stadt herauswaschen, dann auf einer Bank 575 die Schurken ausklopfen und die Dornen absuchen und sowohl die, die sich zusammenrotten, als auch die, die sich verfilzen, um Ämter zu ergattern, durchkrempeln und ihre Führer auszupfen, dann die Wolle in den Korb der Einigkeit und Freundlichkeit krempeln und alle miteinander vermischen, und auch die Halbbürger und jeden Fremden, der euer Freund ist, 580 und jeden Schuldner des Staates hineinmischen. Und, bei Zeus, da sind noch die Städte, die ihr überall als Verbündete habt: Begreifen müsstet ihr, dass diese für euch wie kleine Wollflocken her umliegen, jede für sich allein. Ihr müsstet dann all diese Flocken nehmen, sie hier zusammenbringen

Pr. Ly.

Λυ. Πρ. Λυ.

κἂν ὑμῖν γ᾽ εἴ τις ἐνῆν νοῦς, ἐκ τῶν ἐρίων τῶν ἡμετέρων ἐπολιτεύεσθ᾽ ἂν ἅπαντα. πῶς δή; φέρ᾽ ἴδω. πρῶτον μὲν ἐχρῆν, ὥσπερ πόκον, ἐν βαλανείῳ ἐκπλύναντας τὴν οἰσπώτην ἐκ τῆς πόλεως, ἐπὶ κλίνης ἐκραβδίζειν τοὺς μοχθηροὺς καὶ τοὺς τριβόλους ἀπολέξαι, καὶ τούς γε συνισταμένους τούτους καὶ τοὺς πιλοῦντας ἑαυτοὺς ἐπὶ ταῖς ἀρχαῖσι διαξῆναι καὶ τὰς κεφαλὰς ἀποτῖλαιꞏ εἶτα ξαίνειν εἰς καλαθίσκον κοινὴν εὔνοιαν, ἅπαντας καταμειγνύντας τούς τε μετοίκους κεἴ τις ξένος ἢ φίλος ὑμῖν, κεἴ τις ὀφείλει τῷ δημοσίῳ, καὶ τούτους ἐγκαταμεῖξαιꞏ καὶ νὴ Δία τάς γε πόλεις, ὁπόσαι τῆς γῆς τῆσδ᾽ εἰσὶν ἄποικοι, διαγιγνώσκειν ὅτι ταῦθ᾽ ὑμῖν ὥσπερ τὰ κατάγματα κεῖται χωρὶς ἕκαστονꞏ κᾆτ᾽ ἀπὸ τούτων πάντων τὸ κάταγμα λαβόντας

––––––––––––

580 καταμειγνύντας van Leeuwen : καταμιγνύντας oder κᾆτα μιγνύντας Hss. 581 ἐγκαταμεῖξαι van Leeuwen : ἐγκαταμῖξαι Hss. 583 ὑμῖν B : ἡμῖν übrige Hss.

575

580

Kommentar

145

Platon hat die Metaphorik einige Jahrzehnte später frei adaptiert und den Staat als Gewebe beschrieben (Politikos 308c-d; 310e; 311b-e). Der erste Teil des politischen Programms (vv. 568–570) zielt auf die Herstellung des Friedens durch die Tätigkeit von Gesandtschften der kriegführenden Parteien. Der Friede wird hier als eine Sache von internationalen Verhandlungen gesehen. Der zweite Teil des Programms (vv. 575–579) enthält die innenpolitische Agenda, nach der nicht nur alle unerwünschten Individuen, sondern auch alle schädlichen sozialen und politischen Gruppen ausgeschaltet werden sollen. Allerdings bleiben deren Charakterisierungen vage und sind vor allem durch die Komik bestimmt., so dass die in dieser Weise Bezeichneten historisch nicht identifiziert werden können. Wer mit „Schafsdreck“, „Schurke“ oder „Dorn“ gemeint ist, bleibt unsicher., möglicherweise Sykophanten und Demagogen. Zu denen, „die sich zusammenrotten“ und „die sich verfilzen“, wird man die mehr oder weniger geschlossenen politischen Clubs oder ‚Parteien‘ (griech. hetairíai) in Athen rechnen, die entweder antidemokratisch eingestellt waren oder als politische Seilschaften um politische Ämter und politischen Einfluss kämpften. Aristophanes sieht hier die Gefahren des Parteiwesens für die Einheit der Polis in einer Weise, die an Thukydides erinnert, der (2,65,12) die Niederlage der Athener im Peloponnesischen Krieg auf die Parteikämpfe zurückführte. Als dritter Programmpunkt (vv. 580f.) ist die Integration aller Bewohner Athens ohne Bürgerrecht in die Bürgerschaft (griech. dḗmos) vorgesehen. Dabei handelt es sich um die „Halbbürger/Metöken“ (= Bewohner ausländischer Herkunft mit Dauerwohnsitz in Athen; griech. métoikoi), die „Fremden“ (= Ausländer mit nur vorrübergehendem Wohnsitz; griech. xénoi) und die „Schuldner des Staates“. Während die „Schuldner des Staates“ als Bürger von Athen nur für die Dauer ihrer nicht eingelösten Schulden ihre Bürgerrechte verloren, waren die Halbbürger und Fremden entweder teilweise – wie die Metöken – oder vollständig – wie die Fremden – ohne Bürgerrechte. Ausgeschlossen waren beide Gruppen grundsätzlich von der Teilhabe an den demokratischen Institutionen; die Metöken waren aber steuerpflichtig und kriegsdienstpflichtig. Beide Gruppen waren in Athen zahlenmäßig stark vertreten. Dabei betrug die Zahl der Metöken etwa die Hälfte der Zahl der Vollbürger, also etwa 12.000. Dagegen ist die Zahl der Fremden schwer abzuschätzen; auf jeden Fall wuchs sie stark während des Peloponnesischen Krieges durch politische Emigranten. Der 4. Vorschlag betrifft das Verhälnis Athens zu seinen „Verbündeten“ im Delisch-Attischen Seebund, das verbessert werden soll. Dieser Vorschlag ist auf dem Hintergrund der Erosion des Seebundes durch Abfall einzelner Mitglieder nach der Niederlage der Athener in der Sizilischen Expedition zu verstehen.

146

Pr. Ly.

Pr. Ly.

Pr. Ly.

Πρ. Λυ. Πρ. Λυ. Πρ. Λυ.

Epirrhematischer Agon: 585–595

und in eins zusammenfügen und sie schließlich zu einem großen Wollknäuel verbinden 585 und dann daraus dem Volk einen neuen Wollmantel weben. Ist das nicht schrecklich, dass diese Frauen von Ausklopfen und Krempeln reden, was überhaupt nichts mit Krieg zu tun hat? Nichts? Du verfluchter Kerl, wir tragen mehr als doppelt an ihm. Zu allererst, indem wir Söhne gebären und sie dann in den Krieg schicken … Schweige, erinnere nicht an das Schlimme! 590 Und dann: wenn wir uns am Leben erfreuen und die Jugend genießen sollten, liegen wir wegen des Krieges allein im Bett. Von uns will ich gar nicht reden, aber wegen der Mädchen, die in den Schlafzimmern alt werden, bin ich bekümmert. Altern denn nicht auch Männer? Bei Zeus, das ist nicht dasselbe. Denn wenn ein Mann auch als Graukopf nach Hause kommt, hat er bald ein junges Mädchen geheiratet. 595

δεῦρο ξυνάγειν καὶ συναθροίζειν εἰς ἕν, κἄπειτα ποιῆσαι τολύπην μεγάλην, κᾆτ᾽ ἐκ ταύτης τῷ δήμῳ χλαῖναν ὑφῆναι. οὔκουν δεινὸν ταυτὶ ταύτας ῥαβδίζειν καὶ τολυπεύειν, αἶς οὐδὲ μετῆν πάνυ τοῦ πολέμου; καὶ μὴν, ὦ παγκατάρατε, πλεῖν ἤ τὸ διπλοῦν αὐτοῦ φέρομεν, πρώτιστον μέν γε τεκοῦσαι κἀκπέμψασαι παῖδας ὁπλίτας – σίγα, μὴ μνησικακήσῃς. εἶθ᾽ ἡνίκα χρῆν εὐφρανθῆναι καὶ τῆς ἥβης ἀπολαῦσαι, μονοκοιτοῦμεν διὰ τὰς στρατιάς. καὶ θἠμέτερον μὲν ἐάσω, περὶ τῶν δὲ κορῶν ἐν τοῖς θαλάμοις γηρασκουσῶν ἀνιῶμαι. οὔκουν χἄνδρες γηράσκουσιν; μὰ Δί᾽ ἀλλ᾽ οὐκ εἶπας ὅμοιον. ὁ μὲν ἥκων γάρ, κἂν ᾖ πολιός, ταχὺ παῖδα κόρην γεγάμηκενꞏ

––––––––––––

592 ἐάσω Bergk : ἐᾶτε Hss.

585

590

595

Kommentar

147

Die „Verbündeten“ sind hier als ápoikoi bezeichnet, also mit einem Wort, das nicht nur die Städte als „Kolonien“ bezeichnen kann, die während der „großen Kolonisation“ (ca. 750–ca. 580 v. Chr.) durch Unterstützung bedeutender Städte im Mittelmeerraum gegründet wurden, sondern auch, wie hier in der Lysistrate, die Städte, die während der ersten Kolonisation seit dem 11. Jh. v. Chr. von Griechenland aus in der Ägäis und an der Küste Kleinasiens durch die Volksstämme der Ioner, Aioler und Dorer ohne erkennbare Initiativen einzelner Städte gegründet wurden. Im Zuge dieser ersten Kolonisation besiedelten die Ioner, offensichtlich ausgehend von Attika-Athen (Thukydides 1,12,4), viele Inseln in der Ägäis und Gebiete an der Küste Kleinasiens zwischen Smyrna und Milet und sicherten dort als gemeinsame Sprache den ionischen Dialekt und ein Gefühl kultureller Zusammengehörigkeit. Da diese Ionisch sprechenden Städte und Inseln zum größten Teil dem Delisch-Attischen Seebund angehörten, sind sie hier als Gründungen Athens verstanden. 588–597 Leid und Leiden der Frauen durch den Krieg in der Heimat: Die Unterstellung des Probulen, dass die Frauen nicht vom Krieg betroffen seien, entkräftet Lysistrate durch einen Katalog von Beispielen über das tatsächliche Ausmaß der Betroffenheit. Damit werden jetzt konkret und detailliert die vielfältigen Folgen des gegenwärtigen Krieges für die Frauen in der Heimat beschrieben. Diese Folgen sind nicht mehr komikfähig, so dass die Komödie hier gegen ihre gängige Praxis ernste Töne anschlägt. Bisher sind die Kriegsfolgen nur als Abwesenheit der Männer (vv 99–110) thematisiert: sie fehlen für die Liebe. Mit dem Blick auf die wirkliche Betroffenheit der Frauen in Athen wird ein Aspekt des Krieges sichtbar, der für Athen bisher keine Bedeutung hatte. Vor allem die hohen Verluste durch die Niederlage in der Sizilischen Expedition (415–413 v. Chr.) hatten in Athen dazu geführt, dass Männer aus beinahe jeder Familie umgekommen waren (Thukydides 8,1,2). Der Krieg war in der Stadt angekommen, und seine Folgen nicht mehr anonym. 589 „Söhne … in den Krieg schicken …“: Lysistrate kann den Satz nicht zu Ende führen, sondern wird vom Probulen unterbrochen, der die erwartete Fortsetzung nicht hören will: „um sie nie wieder zu sehen“. 593 „Mädchen, die in den Schlafzimmern alt werden“: Der Mangel an Männern verhindert eine Heirat. Damit sind sie vom sozialen Leben weitgehend ausgeschlossen. 595 „ein … Graukopf … hat … bald ein junges Mädchen geheiratet“: Was für einen Mann möglicherweise wünschenswert, aber nicht immer vorteilhaft ist, da sich das junge Mädchen zur „Herrin“ (griech. déspoina, Themophoriazusen, v. 413) entwickelt, ist für eine junge Frau eher ein Makel (griech. aischrón, Aristophanes, fr. 616, in: Poetae Comici Graeci, Bd. 3,2, hrsg. von R. Kassel, Berlin 1984). Die Verbindung eines Alten mit einer jungen Frau ist ein beliebtes Mittel einer pointierten Komik der Geschlechter-Polarität.

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Epirrhematischer Agon: 596–611

Für die Frau ist der richtige Zeitpunkt schnell vorbei, und wenn sie den nicht nutzen kann, dann will sie niemand mehr heiraten, sondern sie sitzt daheim und klammert sich an Vorzeichen. Pr. Aber jeder, der noch einen Steifen bekommen kann … Ly. Warum fällst du eigentlich nicht tot um? 600 Platz für ein Grab gibt es. Kauf dir einen Sarg! Den Honigkuchen rühre ich gleich an. (Nimmt den Blumenkranz von ihrem Kopf und gibt ihn dem Probulen.) Nimm diesen und bekränz dich damit! Erste alte Frau (gibt ihm Kopfbinden) Und die hier nimm von mir! Zweite alte Frau (setzt ihm einen weiteren Kranz auf) Nimm auch diesen Kranz! 605 Ly. Was fehlt noch? Was brauchst du noch? Geh zum Kahn! Charon ruft dich, aber du verzögerst die Abfahrt. Pr. Ist es nicht schrecklich, dass ich dieses mit mir machen lassen muss? Bei Zeus, ich gehe schnurstracks zu den anderen Probulen 610 und zeige mich ihnen, wie ich bin. (Tritt mit Gefolge ab.) Ly. (ruft hinter ihm her) Du willst dich wohl beschweren, dass wir dich nicht ordentlich aufgebahrt haben?

Πρ. Λυ.

Γρ.α Γρ.β Λυ. Πρ. Λυ.

τῆς δὲ γυναικὸς σμικρὸς ὁ καιρός, κἂν τούτου μὴ ᾿πιλάβηται, οὐδεὶς ἐθέλει γῆμαι ταύτην, ὀττευομένη δὲ κάθηται. ἀλλ᾽ ὅστις ἔτι στῦσαι δυνατὸς – σὺ δὲ δὴ τί μαθὼν οὐκ ἀποθνῄσκεις; χωρίον ἐστίꞏ σορὸν ὠνήσειꞏ μελιτοῦτταν ἐγὼ καὶ δὴ μάξω. λαβὲ ταυτὶ καὶ στεφάνωσαι. καὶ ταυτασὶ δέξαι παρ᾽ ἐμοῦ. καὶ τουτονγὶ λαβὲ τὸν στέφανον. τοῦ δεῖ; τί ποθεῖς; χώρει ᾽ς τὴν ναῦνꞏ ὁ Χάρων σε καλεῖ, σὺ δὲ κωλύεις ἀνάγεσθαι. εἶτ᾽ οὐχὶ δεινὸν ταῦτα πάσχειν ἔστ᾽ ἐμέ; νὴ τὸν Δί᾽ ἀλλὰ τοῖς προβούλοις ἄντικρυς ἐμαυτὸν ἐπιδείξω βαδίζων ὡς ἔχω. μῶν ἐγκαλεῖς ὅτι οὐχὶ προὐθέμεσθά σε;

––––––––––––

598 ἔτι Fl. Christianus : ἐστὶ Hss. 599 μαθὼν R : παθὼν Fl. Christianus 604 τουτονγὶ Elmsley : τουτονὶ Hss.

600

605

610

Kommentar

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598 „jeder, der noch einen Steifen bekommen kann …“: Der Probule kann den Satz nicht vollenden, da ihm Lysistrate das Wort abschneidet. Die Vollendung des Satzes ist aus der Gesprächsführung nicht zu erschließen. Denkbar ist eine Fortsetzung wie „kann doch eine Sitzengebliebene als Geliebte nehmen.“ 601–604 Am Ende steht die Verhöhnung des Probulen. Es ist ein abrupter Themenwechsel, wie er in der Komödie üblich ist. Der Probule wird rituell wie eine tote Frau behandelt: Lysistrate verspricht ihm einen rituellen Honigkuchen als Mitgift (zur Besänftigung des Kerberos im Hades). Außerdem wird der Probule wie ein Toter regelrecht mit rituellem Kopfschmuck überhäuft. So erhält er zwei im Ritus übliche Kränze aus Blumen (v. 602 und v. 604) und – ebenfalls rituell begründet – Kopfbinden (v. 603; nach dem Scholion griech. tainíai). Die Requisiten sind ohne weitere Erklärung wie selbstverständlich verfügbar; sie müssen nicht von den Frauen als Kopfschmuck benutzt worden sein. 605 „Charon ruft dich“: Mit dem Ritus wird der Mythos aufgerufen: Charon ist im Mythos der Totenfährmann, der die Seelen der Verstorbenen über den Unterweltfluss Acheron in die Unterwelt bringt und der in dieser Funktion in der Grabkunst präsent war. In den Fröschen (vv. 180–270) ist Charon als handelnde Person eingesetzt, der zwei Lebende, den Gott Dionysos und seinen Sklaven, für zwei Obolen in einem Ruderboot in die Unterwelt bringt und dadurch für Komik sorgt. 609f. Die Ankündigung, als Drohung gesprochen, bleibt folgenlos. Es handelt sich um ein blindes Spannungsmoment; s. Anm. zu v. 1012.

150

Epirrhematischer Agon / Parabase: 612–619

Aber übermorgen werden in aller Frühe von uns die für den dritten Tag üblichen Opfer, sorgfältig vorbereitet, kommen. (Lysistrate geht mit den alten Frauen durch das große Tor des Bühnengebäudes in die Akropolis.) Parabase. Die Handlung schließt zeitlich unmittelbar an. Ort: Unverändert. Die beiden Chöre werden wieder aktiv. Während der Parabase legen die beiden Chöre zunächst ihre Oberkleider (Mäntel) ab, bald darauf lassen sie ihre Untergewänder (Hemden) bis zur Gürtung in Hüfthöhe fallen. Der Chor der alten Männer beginnt (v. 615) mit den Oberkleidern, der Chor der alten Frauen folgt bald danach (v. 637). Ihre Untergewänder lassen die Männer v. 663 bis zur Gürtung fallen, die Frauen folgen ihnen v. 687. Beide Chöre agieren dann mit nacktem Oberkörper. Katakeleusmos Chorführer Kein freier Mann darf jetzt mehr schlafen. Werft die Mäntel ab, Männer, und rüstet euch für das, was jetzt zu tun ist! 615 (Die Männer legen die Mäntel ab.)

Chor der Männer Denn diese Aktion scheint mir nach weiteren und noch schlimmeren Dingen zu riechen, und besonders wittere ich die Tyrannis des Hippias.

Strophe

ἀλλ᾽ εἰς τρίτην γοῦν ἡμέραν σοὶ πρῲ πάνυ ἥξει παρ᾽ ἡμῶν τὰ τρίτ᾽ ἐπεσκευασμένα. Χο.γε οὐκέτ᾽ ἔργον ἐγκαθεύδειν ὅστις ἔστ᾽ ἐλεύθερος. ἀλλ᾽ ἐπαποδυώμεθ᾽, ἄνδρες, τουτῳὶ τῷ πράγματι. ἤδη γὰρ ὄζειν ταδὶ πλειόνων καὶ μειζόνων πραγμάτων μοι δοκεῖ, καὶ μάλιστ᾽ ὀσφραίνομαι τῆς Ἱππίου τυραννίδοςꞏ

––––––––––––

615 ἄνδρες Γ: ἄνθρωποι R

615 [στρ.

Kommentar

151

613 „die für den dritten Tag üblichen Opfer“: Dabei handelt es sich um Opfer am Grab, v. a. Trankopfer. 614–705 Parabase. Eine spezifische Bauform der Alten Komödie ist die Parabase. Sie bezeichnet einen Handlungsteil, in dem der Chor aus seiner Rolle heraustritt, vor allem symbolisiert durch das Ablegen der die Rolle bestimmenden Oberbekleidung, und unmittelbar „an das Publikum herantritt“ (griech. parabaínein), um auktorial im Namen bzw. im Sinne des Dichters oder Regisseurs zum Publikum zu sprechen. Sie hat ihren Platz nach einem dramatischen Einschnitt meist in der Mitte der Gesamthandlung. Sie emanzipiert sich mehr oder weniger stark von der vorangehenden Handlung und hat eine formal und metrisch differenzierte Grundform, deren Teile auch selektiv genutzt werden können. So aktiviert Aristophanes in der Lysistrate nicht die traditionelle Zweiteiligkeit mit einem astrophischen Teil, der Parabase im engeren Sinne (mit radikaler Emanzipation von der vorangehenden Handlung) und einer epirrhematischen Komposition (mit lockerer Anbindung an die Rolle des Chors), sondern nutzt nur die epirrhematische Komposition (mit einer gesungenen/lyrischen Strophe/Ode und einem rezitierten Epirrhema sowie mit ihren korrespondierenden Teilen, einer Gegenstrophe/Antode und einem Antepirrhema) und verdoppelt diese. Dabei macht er aus dem üblicherweise monologischen Teil durch die Teilung des Chors in zwei Hälften eine dialogische Partie mit dem Wechsel lyrischer und rezitierter Verse, die die Streithandlung der Parodos fortsetzt. Damit wird dieser Teil an eine frühere Stufe der Handlung angebunden. In ihr übernimmt der Chor der alten Frauen in der Gegenstrophe und im Antepirrhema (vv. 638–658) die Funktion der Parabase, indem er sich an die Zuschauer als Bürger wendet. Indem sowohl der Chor der alten Männer (v. 615) als auch der Chor der alten Frauen (v. 637) im ersten Teil der Parabase (vv. 614–658) ihre Obergewänder (Oberkleider der Männer: griech. himatídia, v. 470) ausziehen, legen sie entsprechend der Praxis der Parabase ihre Rolle als alte Männer und als alte Frauen ab und agieren als Bürger und Bürgerinnen Athens. Wenn sie dann aber im zweiten Teil (vv. 659–705) auch ihre Untergewänder (vv. 662f.; vv. 686f.) bis zur Gürtung fallen lassen, werden sie zu „nackten“ Männern und Frauen, die nach Mann und Frau „riechen“ (griech. ózein). Allerdings bedeutet diese Nacktheit keine vollständige Nacktheit, sondern nur die Nacktheit des Oberkörpers, die durch das Fallenlassen der Untergewänder bis zur Gürtung in Hüfthöhe erreicht wird. Diese Halbnacktheit ist für die Männer aus vv. 799– 800 zu erschließen, denn die Schambehaarung der Männer wird für die Frauen nur sichtbar, wenn die Männer ein Bein heben. Für die Frauen folgt aus vv. 823–828 deren entsprechende Halbnacktheit. Der Genitalbereich ist bei beiden Geschlechtern also nicht hüllenlos. Der Begriff der Nacktheit ist ohnehin nicht definiert durch einen Zustand ohne jegliche Bekleidung. Als „nackt“ werden in der Lysistrate auch Frauen bezeichnet, die spärlich bekleidet sind, die also z. B. „durchsichtige Kleider“ tragen (v. 151). Als „nackt“ kann auch jemand bezeichnet werden, der nur ein Untergewand trägt; s. Anm. zu v. 1019f.

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Parabase: 620–635

Ich fürchte auch sehr, dass sich Spartaner hier im Haus des Kleisthenes getroffen haben und die gottverhassten Frauen anstiften, unser Geld und unseren Lohn mit List zu rauben, von dem ich bisher lebte.

620

625

Chorführer Schrecklich ist es ja, dass diese schon die Bürger belehren Epirrhema und dass sie, obwohl Frauen, über Bronzeschilde schwatzen und uns mit den Spartanern versöhnen wollen, denen nicht mehr zu trauen ist als einem Wolf mit offenem Rachen. 630 Was sie gegen uns angezettelt haben, Männer, zielt auf Tyrannis. Aber mit mir wird es keine Tyrannis geben, denn ich werde von nun an wachsam sein und „ich werde im Myrtenzweig mein Schwert tragen“, und ich werde in Waffen auf den Markt zur Statue des Aristogeiton, des Tyrannenmörders, gehen und mich in dieser Haltung (nimmt die Haltung der Statue ein) daneben stellen. Dann bin ich gerüstet, dieser gottverhassten Alten den Kiefer zu zerschmettern. 635 (Der Chorführer macht eine drohende Gebärde.)

καὶ πάνυ δέδοικα μὴ τῶν Λακώνων τινὲς δεῦρο συνεληλυθότες ἄνδρες εἰς Κλεισθένους τὰς θεοῖς ἐχθρὰς γυναῖκας ἐξεπαίρουσιν δόλῳ καταλαβεῖν τὰ χρήμαθ᾽ ἡμῶν τόν τε μισθόν, ἔνθεν ἔζων ἐγώ. δεινὰ γάρ τοι τάσδε γ᾽ ἤδη τοὺς πολίτας νουθετεῖν, καὶ λαλεῖν γυναῖκας οὔσας ἀσπίδος χαλκῆς πέρι, καὶ διαλλάττειν πρὸς ἡμᾶς ἀνδράσιν Λακωνικοῖς, οἷσι πιστὸν οὐδὲν εἰ μή περ λύκῳ κεχηνότι. ἀλλὰ ταῦθ᾽ ὕφηναν ἡμῖν, ἄνδρες, ἐπὶ τυραννίδι. ἀλλ᾽ ἐμοῦ μὲν οὐ τυραννεύσουσ᾽, ἐπεὶ φυλάξομαι καὶ φορήσω τὸ ξίφος τὸ λοιπὸν ἐν μύρτου κλαδί, ἀγοράσω τ᾽ ἐν τοῖς ὅπλοις ἑξῆς Ἀριστογείτονι, ὧδέ θ᾽ ἑστήξω παρ᾽ αὐτόνꞏ αὐτὸ γάρ μοι γίγνεται τῆς θεοῖς ἐχθρᾶς πατάξαι τῆσδε γραὸς τὴν γνάθον. ––––––––––––

621 εἰς Γ : ἐκ R 622 ἐξεπαίρουσιν Sommerstein : ἐξεπαίρωσιν Hss. 634 αὐτὸ Scaliger : αὐτὸς Hss.

620

625

630

635

Kommentar

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619 „wittere … die Tyrannis des Hippias“: Mit der Vertreibung des Hippias, des ältesten Sohnes des Tyrannen Peisistratos, im Jahre 510 v. Chr. endete in Athen die Staatsform der Tyrannis, die Peisistratos um 546 v. Chr. begründet hatte, und wurde abgelöst durch die Demokratie, die in Athen zur anerkannten Staatsform im 5. Jh. v. Chr. wurde. Zu ihrer Sicherung beschworen die Träger der Demokratie im Kampf gegen innenpolitische Gegner die Gefahr der Rückkehr der Tyrannis. Auch Perikles, bedeutender Politiker des demokratischen Athen (seit Mitte des 5. Jh.s), geriet in den Verdacht, seine politisch einflussreiche Stellung zur Einführung der Tyrannis zu nutzen, und wurde auch schon als neuer Peisistratos bezeichnet. S. Anm. zu vv. 664–665. 621 „Spartaner“: Auch während des Peloponnesischen Krieges zwischen Sparta und Athen als Hauptgegnern gab es in Athen eine verdeckte demokratische Opposition, die auf die Einrichtung einer oligarchischen Verfassung setzte und dabei auf Unterstützung Spartas, des oligarchischen Gegenbildes zum demokratischen Athen, setzte. Kurz nach der Aufführung der Lysistrate kam es dann im Mai 411 v. Chr. auch zu einem oligarchischen Umsturz und zu einem oligarchischen Willkürregime, das aber zu Beginn des Jahres 410 v. Chr. zusammenbrach, da kein Ausgleich mit Sparta zustande kam und da sich militärische Misserfolge häuften. 621 „Haus des Kleisthenes“: Der Athener Kleisthenes wird in der Komödie als professioneller homosexueller erwachsener Mann verspottet Da er die Rolle des passiven Partners ausfüllte, wird er als effeminiert bezeichnet (Wolken, v. 355). Während in Athen die Homosexualität unter Erwachsenen im Unterschied zur Homosexualität zwischen einem Erwachsenen und einem Jugendlichen gesellschaftlich nicht akzeptiert wurde, war sie in Sparta offensichtlich verbreitet und kein Makel. Da sie in Athen als typisch für Sparta galt, argwöhnt der Chor der alten Männer ein gegen Athen gerichtetes konspiratives Treffen von Spartanern im Haus des Kleisthenes. 624 „unseren Lohn“: Die Bürger Athens hatten für ihre Tätigkeiten im Volksgericht (mit bis zu 2.501 Geschworenen), der Heliaia, möglicherweise auch für den Besuch der Theateraufführungen, Anspruch auf eine Besoldung (im Falle der Heliaia in Höhe eines Tagesverdienstes von drei Obolen), die aus der Staatskasse geleistet wurde. Sie machte einen Teil des Einkommens der unteren Bürgerklassen aus. Diese Besoldung wollten die Gegner der Demokratie abschaffen. So stellte dann auch der Politiker Peisandros kurz nach der Aufführung der Lysistrate in einer Volksversammlung vom Mai 411 v. Chr., die den Weg zur Oligarchie freimachte, den Antrag, diese Diäten abzuschaffen. Offensichtlich sind diese Diäten für die Dauer des oligarchischen Willkürregiments (bis Mitte 410 v. Chr.) auch tatsächlich eingestellt worden. 632 „ich werde im Myrtenzweig mein Schwert tragen“: Zitat des ersten Verses eines volkstümlichen Skolions auf Harmodios und Aristogeiton aus der Zeit um 510 v. Chr. (fr. 893 PMG Page; s. Anm. v. 153) in dem sie als Tyrannenmörder und Begründer der Demokratie in Athen bezeichnet werden. Sie hatten Hipparchos, einen der drei Söhne des Tyrannen Peisistratos, die gemeinsam das Erbe des Vaters übernommen hatten, im Jahr 514 v. Chr. mit dem

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Parabase: 636–653

Chorführerin Dann wird dich deine Mutter nicht wiedererkennen, wenn du nach Hause kommst. Antikatakeleusmos Legt jetzt zuerst die Mäntel, Frauen, auf den Boden! (Die Frauen richten sich an die Zuschauer als Bürger.) Chor der Frauen Denn wir beginnen, ihr Bürger von Athen, mit Worten, Gegenstrophe

die nützlich für die Stadt sind. 639 Und das aus gutem Grund! Denn sie erzog mich in glänzendem Luxus. Als ich sieben Jahre alt war, war ich schon Arrhephore am Fest der Panathenäen. Dann, mit zehn, mahlte ich Opfermehl für Athena, 645 war Bärin dann im Safrankleid für Artemis in Brauron, trug auch den Festkorb als schönes Mädchen und hatte aus Feigen eine Kette. Chorführerin Ist es da nicht meine Pflicht, der Stadt nützliche Ratschläge zu geben? Antepirrhema Wenn ich auch eine Frau bin, so nehmt es mir nicht übel, 650 wenn ich euch Besseres biete, als was jetzt passiert. Leiste ich doch einen Beitrag für die Stadt, denn ich liefere ihr Männer. Aber ihr leistet nichts, ihr elenden Alten, denn ihr habt das Geld, das eure Väter seit den Perserkriegen eingenommen haben,

Χο.γρ οὐκ ἄρ᾽ εἰσιόντα σ᾽ οἴκαδ᾽ ἡ τεκοῦσα γνώσεται. ἀλλὰ θώμεσθ᾽, ὦ φίλαι γρᾶες, ταδί πρῶτον χαμαί. ἡμεῖς γὰρ, ὦ πάντες ἀστοὶ, λόγων κατάρχομεν τῇ πόλει χρησίμωνꞏ εἰκότως, ἐπεὶ χλιδῶσαν ἀγλαῶς ἔθρεψέ με. ἑπτὰ μὲν ἔτη γεγῶσ᾽ εὐθὺς ἠρρηφόρουνꞏ εἶτ᾽ ἀλετρὶς ἦ δεκέτις οὖσα τἀρχηγέτιꞏ κᾆτ᾽ ἔχουσα τὸν κροκωτὸν ἄρκτος ἦ Βραυρωνίοιςꞏ κἀκανηφόρουν ποτ᾽ οὖσα παῖς καλὴ ᾿χουσ᾽ ἰσχάδων ὁρμαθόν. ἆρα προὐφείλω τι χρηστὸν τῇ πόλει παραινέσαι; εἰ δ᾽ ἐγὼ γυνὴ πέφυκα, τοῦτο μὴ φθονεῖτέ μοι, ἢν ἀμείνω γ᾽ εἰσενέγκω τῶν παρόντων πραγμάτων. τοὐράνου γάρ μοι μέτεστιꞏ καὶ γὰρ ἄνδρας εἰσφέρω. τοῖς δὲ δυστήνοις γέρουσιν οὐ μέτεσθ᾽ ὑμῖν, ἐπεὶ τὸν ἔρανον τὸν λεγόμενον παππῷον ἐκ τῶν Μηδικῶν

[ἀντ. 640 645

650

Kommentar

155

Schwert ermordet. Die Bedeutung des Myrtenzweiges in Verbindung mit dem Schwert bleibt unklar. 633 „Statue des Aristogeiton“: Als Gruppe der Künstler Kritios und Nesiotes waren die Bronzestatuen des Harmodios und Aristogeiton seit 477/6 v. Chr. auf der Agora in Athen aufgestellt; diese Gruppe ersetzte eine ältere und von den Persern 480 v. Chr. geraubte Gruppe des Antenor. Die Statuen sind in römischen Marmorkopien erhalten (Rom, Konservatorenpalast). Sie zeigen die nackten Tyrannenmörder bei der Tat. Harmodios, der jüngere, bartlose, holt zum Schlag mit einem über den Kopf erhobenen Schwert in der rechten Hand aus, während Aristogeiton, der ältere, bärtige, ihn von hinten oder der Seite deckt, mit einem zum Stoß gezogenen Schwert in der gesenkten rechten Hand. Wenn der Chorführer sagt, er wolle zu „Aristogeiton“ gehen, und diesen gestisch nachstellt, wird er wohl wegen seiner drohenden Haltung gegenüber der Chorführerin die Gebärde des Mörders Harmodios nachahmen. Mit „Aristogeiton“ ist also wohl die Gruppe der beiden Tyrannenmörder gemeint, wenn man nicht annehmen will, dass Aristophanes die beiden Statuen verwechselt. 640–647 Frauen im Kult: Zwar waren die Frauen ausgeschlossen von politischer Tätigkeit im engeren Sinne, aber sie hatten Anteil am religiösen Leben der Polis. Da Religion und Politik nicht trennbar waren, sondern die Religion eingebettet war in das Leben der Polis, war die Teilhabe an der Religion im Sinne des Selbstverständnisses der Griechen politisch. In Übereinstimmung mit diesem Selbstverständnis verstehen sich hier die Frauen als Teile der Polis. Da Grundlage der griechischen Religion nicht der Glaube, sondern der Kult war, konnten auch die Kinder durch Teilnahme an den Riten in diese Riten hineinwachsen und eine religiös-politische Bedeutung erhalten. In der Lysistrate heben die Frauen vor allem ihre Teilhabe an dem Fest der Panathenäen (griech. Panathḗnaia) hervor, dem Geburtstagsfest der Stadt zu Ehren der Stadtgöttin Athena, an dessen Vorbereitung zwei athenische Mädchen zwischen sieben und elf Jahren ein Jahr lang unter der traditionellen Bezeichnung Arrēphóroi – die Bedeutung der Bezeichnung ist unbekannt – beteiligt waren. Für dieses Fest mahlten einige Mädchen Mehl für den Opferkuchen und trugen bei der Festprozession Körbe mit rituellen Requisiten. Außerdem erinnern die Frauen an die Rolle der zwischen fünf und zehn Jahren alten Mädchen, die unter der Bezeichnung „Bärinnen“ (griech. árktoi) an dem penteterischen Fest zu Ehren der Artemis in Brauron an der Ostküste von Attika teilnahmen und an dem sie in safrangelben Gewändern Tänze aufführten. Das geschah offensichtlich am Ende einer wahrscheinlich vierjährigen kultischen ‚Ausbildung‘ – mit Tänzen, Wettläufen und Opfern – als einer Art Initiationsritus zur Vorbereitung auf die Welt der Erwachsenen. 653 „Geld … seit den Perserkriegen“: Durch die Gründung des DelischAttischen Seebundes unter Führung Athens im Jahre 478/77 v. Chr. nach Beendigung der Perserkriege (480/79 v. Chr.) erhielt Athen die Verfügungsgewalt über die stattlichen Beiträge der Bündner (12.000 kg Silber pro Jahr), zunächst eingeschränkt, solange sich die Bundeskasse in Delos befand, dann

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Parabase: 654–672

verschleudert und habt dagegen keine Steuern bezahlt, sondern durch euch droht noch der Bankrott. 655 Und da wollt ihr noch grunzen? Wenn du mich auch nur ein bisschen ärgerst, dann werde ich dir mit diesem Lederschuh den Kiefer zerschmettern. (Sie hebt drohend den Fuß gegen den Chorführer.) Strophe Chor der Männer Ist das keine arge Frechheit, was hier geschieht? 660 Und sie scheint mir noch zuzunehmen. Aber jeder muss sich dagegen wehren, der noch Hoden hat. Chorführer Los, zieht euer Hemd aus, denn der Mann soll gleich nach Mann riechen, nicht eingewickelt sein wie eine Kohlroulade! (Sie lassen ihre Hemden bis zur Gürtung in Hüfthöhe fallen.) Chor der Männer Los, ihr Weißfüße, 665 die wir gegen Leipshydrion auszogen, als wir noch richtige Männer waren. Jetzt, ja, jetzt müssen wir uns wieder verjüngen, jetzt müssen uns am ganzen Körper Flügel wachsen, und wir müssen dieses Alter abschütteln. 670

Chorführer Wenn einer von uns diesen Frauen auch nur die geringste Gelegenheit zum Zupacken gibt, Epirrhema werden diese nichts mehr aus ihren flinken Händen geben,

εἶτ᾽ ἀναλώσαντες οὐκ ἀντεισφέρετε τὰς εἰσφοράς, ἀλλ᾽ ὑφ᾽ ὑμῶν διαλυθῆναι προσέτι κινδυνεύομεν. ἆρα γρυκτόν ἐστιν ὑμῖν; εἰ δὲ λυπήσεις τί με, τῷδέ σ᾽ ἀψήκτῳ πατάξω τῷ κοθόρνῳ τὴν γνάθον. Χο.γε ταῦτ᾽ οὖν οὐχ ὕβρις τὰ πράγματ᾽ ἐστὶ πολλή; κἀπιδώσειν μοι δοκεῖ τὸ χρῆμα μᾶλλον. ἀλλ᾽ ἀμυντέον τὸ πρᾶγμ᾽, ὅστις γ᾽ ἐνόρχης ἔστ᾽ ἀνήρ. ἀλλὰ τὴν ἐξωμίδ᾽ ἐκδυώμεθ᾽, ὡς τὸν ἄνδρα δεῖ ἀνδρὸς ὄζειν εὐθύς, ἀλλ᾽ οὐν ἐντεθριῶσθαι πρέπει. ἀλλ᾽ ἄγετε, λευκόποδες, οἵπερ επὶ Λείψύδριον ἤλθομεν ὅτ᾽ ἦμεν ἔτι, νῦν δεῖ νῦν ἀνηβῆσαι πάλιν κἀναπτερῶσαι πᾶν τὸ σῶμα κἀποσείσασθαι τὸ γῆρας τόδε. εἰ γὰρ ἐνδώσει τις ἡμῶν ταῖσδε κἂν σμικρὰν λαβήν, οὐδὲν ἐλλείψουσιν αὗται λιπαροῦς χειρουργίας, ––––––––––––

672 αὗται Hss. : αὖθις van Herwerden

655

[στρ. 660

665 670

Kommentar

157

aber uneingeschränkt nach der Verlagerung der Kasse nach Athen auf die Akropolis (454 v. Chr.). Bis zum Beginn des Peloponnesischen Krieges (431 v. Chr.) waren die Bestände außerordentlich angewachsen, die jedoch durch den neuen Krieg bis 411 v. Chr. (Thukydides 7,28,4) zusammengeschmolzen waren. 654 „keine Steuern bezahlt“: Mit den Steuern ist eine direkte Vermögenssteuer (griech. Sg. eisphorā ́ / Pl. eisphoraí) gemeint, die von der Polis in finanziellen Notlagen, insbesondere in Kriegszeiten, auf Beschluß der Volksversammlung von den reichen Athernern erhoben werden konnte. Eine solche Steuer wurde 412 oder 413 v. Chr. erhoben. Der Vorwurf der alten Frauen erhält ihre Pointe dadurch, dass die Volksversammlung, die mehrheitlich den unteren und weniger vermögenden Schichten angehört und hier repräsentiert wird durch die alten Männer, die Vermögenssteuer beschließt, obwohl sie selbst nicht zu dieser Steuer herangezogen werden kann. 657 „mit diesem Lederschuh“: Griech. kóthornos; der Kothornos/Kothurn war ein flacher und hoher Schaftstiefel aus weichem Leder, mit Bändern umwickelt oder vorne am Schaft verschnürt. Er war der typische Schuh für Frauen. Von dem Kothurn der Frauen unterscheidet sich der Kothurn als Theaterschuh, der im Hellenismus üblich wurde und eine Besohlung erhielt, die immer höher wurde und schließlich eine hohe Holzsohle erhielt. 661 „der noch Hoden hat“: derb-komische umgangssprachliche Metonymie für „Manneskraft, Tapferkeit“. 662 „zieht euer Hemd aus“: Griech. exomís, ein kurzes Untergewand, das eine Schulter nackt ließ und vor allem von Ärmeren und Sklaven getragen wurde. „Ausziehen“ bedeutet nicht ein völliges Ablegen des Untergewandes, sondern ein Fallenlassen bis zur Gürtung in Hüfthöhe. Die alten Männer agieren mit nacktem Oberkörper, bis die alten Frauen ihnen in v. 1021 die Untergewänder wieder hochziehen und ihnen wohl auch die Mäntel anlegen. 664–665 „Weißfüße“ – „Leipshydrion“: „Weißfüße“ ist ein Spitzname unbekannter Bedeutung („jugendlich-kräftige Füße“?) zur Bezeichnung der jugendlichen Kämpfer gegen die Tyrannis der Peisistratiden in Athen bei dem Kampf um die Festung Leipshydrion am Parnes im attischen Demos Paionidai um 514 v. Chr. Die Erinnerung an die Teilnahme an ein Ereignis vor etwa 103 Jahren ist ein Mittel der Nonsens-Komik. S. Anm. zu v. 273 und zu vv. 1043– 1971. Das Motiv „Kämpfer gegen die Tyrannis“ nimmt vv. 614–635 auf. S. Anm. zu v. 619. Die Berichte über das Ereignis selbst und die Rolle der Tyrannenfeinde sind historisch vage und widersprüchlich. Während sich die alten Männer bei Aristophanes als heldenhafte Sieger gegen die Tyrannis verstehen, erscheinen die Tyrannenfeinde in einer anderen Quelle als Besiegte (Aristoteles, Der Staat der Athener 19,3), allerdings immerhin als „tüchtige/tapfere (griech. agathoí) Kämpfer von vornehmer Herkunft, / die damals zeigten, von welchen Vätern sie stammten.“

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Parabase: 673–690

sondern sie bauen sich sogar noch Schiffe und werden versuchen, uns eine Seeschlacht zu liefern und uns zu rammen wie Artemisia. 675 Wenn sie dann noch das Reiten erlernen, schreibe ich die Ritter ab. Denn eine Frau ist reitkundig und sattelfest, und beim Galopp wird sie nicht herunterfallen. Sieh nur die Amazonen an, die Mikon gemalt hat, wie sie auf Pferden gegen Männer kämpfen! 680 Man müsste sie alle am Nacken packen und ihren Hals in den Block spannen. (Er geht auf die Chorführerin los und berührt ihren Hals.) Chor der Frauen Wenn du mich, bei den beiden Göttinnen, in Wut bringst, Gegenstrophe

werde ich die Sau in mir rauslassen und dir die Haare ausreißen. 685 Dann kannst du noch heute deine Nachbarn zu Hilfe rufen. Chorführerin Los, ihr Frauen, zieht schnell euer Hemd aus, damit wir nach Frauen riechen, die zornig beißen. (Auch die Frauen lassen die Hemden bis zur Gürtung in Hüfthöhe fallen.) Chor der Frauen Jetzt soll mich nur einer angreifen: Niemals wird er noch Knoblauch essen und 690 schwarze Bohnen kauen.

ἀλλὰ καὶ ναῦς τεκτανοῦνται, κἀπιχειρήσουσ᾽ ἔτι ναυμαχεῖν καὶ πλεῖν ἐφ᾽ ἡμἁς, ὥσπερ Ἀρτεμισία. ἢν δ᾽ ἐφ᾽ ἱππικὴν τράπωνται, διαγράφω τοὺς ἱππέας. ἱππικώτατον γάρ ἐστι χρῆμα κἄποχον γυνή, κοὐκ ἂν ἀπολίσθοι τρέχοντοςꞏ τὰς γ᾽ Ἀμαζόνας σκόπει, ἃς Μίκων ἔγραψ᾽ ἐφ᾽ ἵππων μαχομένας τοῖς ἀνδράσιν. ἀλλὰ τούτων χρῆν ἁπασῶν ἐς τετρημένον ξύλον ἐγκαθαρμόσαι λαβόντας τουτονὶ τὸν αὐχένα. Χο.γρ εἰ νὴ τὼ θεώ με ζωπυρήσεις, λύσω τὴν ἐμαυτῆς ὗν ἐγὼ δή, καὶ ποιήσω τήμερον τοὺς δημότας βωστρεῖν σ᾽ ἐγὼ πεκτούμενον. ἀλλὰ χἠμεῖς, ὦ γυναῖκες, θᾶττον ἐκδυώμεθα, ὡς ἂν ὄζωμεν γυναικῶν αὐτοδὰξ ὠργισμένων. νῦν πρὸς ἔμ᾽ ἴτω τις, ἵνα μή ποτε φάγῃ σκόροδα, μηδὲ κυάμους μέλανας.

––––––––––––

678 γ᾽ Lenting : δ᾽ Hss.

675

680 [ἀντ. 685

690

Kommentar

159

675 „wie Artemisia“: Historisches Beispiel für die Gefahren, die Athen von Frauen drohten: Artemisia die Ältere nahm als Königin von Halikarnassos auf der Seite des Perserkönigs Xerxes mit fünf Schiffen an der kriegsentscheidenden Seeschlacht gegen die Griechen bei Salamis (480 v. Chr.) teil, die die Perser verloren. Herodot rühmt ihren Mut in der Schlacht (8,68–69). 676 „das Reiten erlernen“: Der Kunst des Reitens haben die Frauen Griechenlands nichts abgewinnen können oder dürfen. 677 „eine Frau ist reitkundig und sattelfest“: Anspielung auf die Figura Veneris der Reiterstellung. 678–679 „die Amazonen …, die Mikon gemalt hat, wie sie auf Pferden gegen Männer kämpfen!“: Mythisches Beispiel für die Gefahren, die Athen von Frauen drohten. Die alten Männer erinnern an den Einfall der Amazonen in Attika, der eine Anwort der Amazonen auf die Verschleppung der Amazonenkönigin Antiope als Beute durch den athenischen König Theseus war. Als Reaktion griffen die Amazonen in einem Rachefeldzug Athen an, wurden aber von Theseus geschlagen. Während die alten Männer in der Lysistrate im Rahmen der Handlung primär die Gefährlichkeit der kriegserprobten Amazonen als Frauen sehen, wie auch im Fall der Artemisia, wurde in der Kunst der Zeit die Auseinandersetzung mit den Amazonen vor allem unter dem Aspekt des Sieges der Athener als eines mythischen Paradigmas für den Sieg der Griechen (mit dem besonderen Anteil der Athener) über die Perser in den Perserkriegen dargstellt. Offensichtlich hat diese Parallelsierung der attische Maler Mikon um 460 v. Chr. besonders eindrucksvoll und möglicherweise zum ersten Mal in einem Wandgemälde in der Stoa Peisianakteios (später als Stoa Poikile bekannt) auf der Agora in Athen vorgenommen. Diese Deutung hat direkt und indirekt spätere Darstellungen der Amazonenschlacht (Amazonomachien) beeinflusst, so die Darstellung als Bronze-Relief auf dem Schild der Athena Parthenos im Parthenon-Tempel (um 440) und die Darstellung auf den West-Metopen am Parthenon-Tempel (um 440). S. Anm. zu v. 344. Der Hinweis auf die Reitfähigkeit der Amazonen ist durch den Kontext auch sexuell aufgeladen und spielt an auf die Figura Veneris der Reiterstellung (v. 677). 681 „Hals in den Block spannen“: Form der Bestrafung von Sklaven, bei der vor allem Hals und Hände des Delinquenten in einen Klotz mit Löchern eingeschlossen wurden. 686 „zieht schnell euer Hemd aus“: „Ausziehen“ bedeutet auch hier nicht ein völliges Ablegen des Untergewandes, sondern ein Fallenlassen der Hemden bis zur Gürtung in Hüfthöhe. Die Frauen haben wahrscheinlich ihre Kleider, Untergewänder wie Obergewänder, zu Beginn des dritten Epeisodions (vv. 829–979) wieder angezogen, nachdem sie als Akteure aus der Handlung ausgeschieden und ihre Stellung in der Mitte der Orchestra verlassen haben. Das Anziehen wird aber nicht verbal thematisiert. Mit ihrem Ausscheiden aus der Handlung werden die Frauen auch die Gewänder der Männer an sich genommen haben, die sie den Männern zur Wiedereinkleidung v. 1021 geben.

160

Parabase: 691–705

Denn auch wenn du nur schimpfst, läuft mir die Galle über, und ich nehme dir die Eier heraus und zerschmettere sie wie der Mistkäfer dem Adler beim Brüten. 695 Chorführerin (Sie geht auf den Chorführer los und streckt die Hand nach seinem Unterleib aus.) Ihr beunruhigt mich nicht, solange meine Lampito noch lebtAntepirrhema und meine Freundin aus Theben, die vornehme Ismenia. Du wirst keine Macht über uns haben, auch wenn du siebenmal einen Beschluss fasst. Elender, du bist bei allen verhasst, vor allem bei unseren Nachbarn. 700 Als ich Hekate zu Ehren für die Mädchen gestern ein Fest gab und meinen Freund von unseren Nachbarn kommen lassen wollte, ein gutes, liebes Bürschlein aus Boiotien, einen Aal, lehnten sie die Lieferung wegen deiner Volksbeschlüsse ab. Und mit diesen Volksbeschlüssen hört ihr erst auf, wenn euch jemand am Bein packt, euch abschleppt und euch den Hals bricht. 705

ὡς εἰ καὶ μόνον κακῶς ἐρεῖς, ὑπερχολῶ γάρ, αἰετὸν τίκτοντα κάνθαρός σε μαιεύσομαι. οὐ γὰρ ὑμῶν φροντίσαιμ᾽ ἄν, ἢν ἐμοὶ ζῇ Λαμπιτὼ ἥ τε Θηβαία φίλη παῖς εὐγενὴς Ἰσμηνία. οὐ γὰρ ἔσται δύναμις, οὐδ᾽ ἢν ἑπτάκις σὺ ψηφίσῃ, ὅστις, ὦ δύστην᾽, ἀπήχθου πᾶσι καὶ τοῖς γείτοσιν. ὥστε κἀχθὲς θἠκάτῃ ποιοῦσα παιγνίαν ἐγὼ ταῖσι παισὶ τὴν ἑταίραν ἐκάλεσ᾽ ἐκ τῶν γειτόνων, παῖδα χρηστὴν κἀγαπητὴν ἐκ Βοιωτῶν ἔγχελυνꞏ οἱ δὲ πέμψειν οὐκ ἔφασκον διὰ τὰ σὰ ψηφίσματα. κοὐχὶ μὴ παύσησθε τῶν ψηφισμάτων τούτων, πρὶν ἂν τοῦ σκέλους ὑμᾶς λαβών τις ἐκτραχηλίσῃ φέρων.

––––––––––––

696 ὑμῶν Γ : ἡμῶν R 700 θἠκάτῃ Dindorf : τῇ Ἑκάτῃ Hss. 702 κἀγαπητὴν Γ : καμπητὴν R

695

700

705

Kommentar

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695 „ich nehme dir die Eier heraus wie der Mistkäfer dem Adler beim Brüten“: Anspielung auf die durch Archilochos (7. Jh. v. Chr.) verbreitete Fabel Der Adler und der Mistkäfer (Aiëtós kai kántharos) aus der Sammlung der unter dem Namen des Aesop überlieferten Fabeln (Fabel Nr. 3 B. E. Perry; Fabel Nr. 4 A. Hausrath): Ein Mistkäfer, von einem Adler schlecht behandelt, wirft dessen Eier aus dem Nest, so dass sie zerbrechen. Durch das Herauswerfen wird der Käfer in der Metaphorik des Aristophanes „Hebamme“ des Adlers. 700 „Hekate“: Hekate ist in der Lysistrate als schützende Frauengöttin verstanden. Ihre vor allem literarisch dargestellte dunkle Seite als Göttin von Hexerei und Spuk ist nicht aktualisiert, so dass ihr die Aura des Unheimlichen fehlt, die Schrecken einjagen kann. Sie ist Hüterin der Hauseingänge (s. Anm. zu vv. 63f.), und als „Lichtbringerin“ verscheucht sie das Unheimliche der dunklen Nacht (s. Anm. zu v. 442; v.738). 702 „Bürschlein aus Boiotien, einen Aal“: s. Anm. zu v. 36.

162

Zweites Epeisodion: 706–719

Zweites Epeisodion. Einige Tage nach dem Streikbeschluss im Prolog sowie der Sezession der jungen Frauen aus ihren Familien und ihrem Einzug in die Akropolis. Ort: unverändert. Lysistrate kommt allein aus der Akropolis. Die beiden Chöre ziehen sich aus der Mitte der Orchestra zurück und stellen sich einander gegenüber am Rand der Orchestra auf; nur die Chorführerin bleibt in der Mitte und nimmt zu Beginn an der Handlung teil. Beide Chöre bleiben noch halbnackt. Lysistrate geht sorgenvoll auf und ab. Chorführerin O Herrin dieses klugen Unternehmens, warum kommst du mit finsterer Miene heraus? Ly. Das Tun niederträchtiger Frauen und ihr weibischer Sinn machen mich mutlos und lassen mich auf- und abgehen. 710 Chorführerin Was sagst du da? Was sagst du da? Ly. Die Wahrheit, die Wahrheit! Chorführerin Was gibt es Schlimmes? Sag es deinen Freundinnen! Ly. Aber schändlich zu sagen ist es, zu verschweigen schwer. Chorführerin Verbirg mir nichts! Was ist Schlimmes geschehen? 715 Ly. Wir wollen vögeln, um es mit einem Wort zu sagen. Chorführerin Oh Zeus! Ly. Was rufst du Zeus? So ist es nun einmal. Ich kann sie nicht mehr von ihren Männern fernhalten. Denn sie reißen mir aus.

Λυ. Χο.γρ Λυ. Χο.γρ Λυ. Χο.γρ Λυ. Χο.γρ Λυ.

ἄνασσα πράγους τοῦδε καὶ βουλεύματος, τί μοι σκυθρωπὸς ἐξελήλυθας δόμων; κακῶν γυναικῶν ἔργα καὶ θήλεια φρὴν ποιεῖ μ᾽ ἀθυμεῖν περιπατεῖν τ᾽ ἄνω κάτω. τί φῄς; τί φῄς; ἀληθῆ, ἀληθῆ. τί δ᾽ ἐστὶ δεινόν; φράζε ταῖς σαυτῆς φίλαις. ἀλλ᾽ αἰσχρὸν εἰπεῖν καὶ σιωπῆσαι βαρύ. μή νύν με κρύψῃς ὅ τι πεπόνθαμεν κακόν. βινητιῶμεν, ᾗ βράχιστον τοῦ λόγου. ἰὼ Ζεῦ. τί Ζῆν᾽ ἀυτεῖς; ταῦτα δ᾽ οὖν οὕτως ἔχει. ἐγὼ μὲν οὖν αὐτὰς ἀποσχεῖν οὐκέτι οἵα τ᾽ ἀπὸ τῶν ἀνδρῶνꞏ διαδιδράσκουσι γάρ.

––––––––––––

709 ποιεῖ Γ : ποιεῖν R 709 ἀθυμεῖν Porson : ἄθυμον Hss. 719 διαδιδράσκουσι Γ : ἀποδιδράσκουσι R

710

715

Kommentar

163

706–780 Zweites Epeisodion. Nach einem Zeitsprung von mehreren Tagen nach dem Auszug der jungen Frauen aus ihren Familien und ihrem Einzug in die Akropolis setzt die Handlung des zweiten Epeisodions ein. Die Dauer des Zeitsprungs wird nicht angegeben. Da die Handlung des folgenden dritten Epeisodions am sechsten Tag (v. 881) nach dem Auszug der Frauen spielt, diese Handlung aber nicht Folge der Handlung des zweiten Epeisodions ist, sondern logisch simultan zu ihr ist, hat der Zeitsprung rechnerisch eine Dauer von sechs oder auch weniger als sechs Tagen. Dabei wird die Zeit der verdeckten Handlung nur vage konkretisiert. Die zeitlich vage Anbindung dieses Epeisodions ist ein Beispiel für die Absage der Komödie an eine zeitliche Kohärenz der Handlung, da diese für eine Komik, die auf eine Veränderung der komischen Situation setzt, nicht nur bedeutungslos, sondern sogar hinderlich ist. Die Handlung des zweiten Epeisodions setzt thematisch die LysistrateHandlung fort. Sie schließt aber dramatisch nicht an die Lysistrate-Handlung des Epirrhematischen Agons an, denn die Aussage des Probulen, sich in der Ausstaffierung als Leiche seinen Kollegen zu zeigen, baut zwar eine unspezifische Spannung auf und lässt eine Reaktion der Träger der staatlichen Macht erwarten, bleibt aber folgenlos. Stattdessen wird die Wirkung des Streiks auf die Frauen dargestellt. Damit knüpft die Handlung an den Prolog an, erhält aber dadurch eine überraschende Wendung, dass nicht die Wirkung des Streiks auf die Männer Thema wird, sondern auf die Frauen selbst, so dass das Motiv der weiblichen Schwachheit angesichts der Herausforderung durch den Sexstreik aus dem Prolog in neuer Weise komisch dargestellt wird. Das Unternehmen der Frauen ist nicht durch Einsatz der staatlichen Gewalt gefährdet, sondern durch das Verhalten der Frauen selbst, da sie es ohne Männer nicht mehr aushalten. 706–717 Der Dialog in der Form der Frage-Antwort-Stichomythie zwischen Lysistrate und der Chorführerin ist voll von Reminiszenzen poetischtragischer Sprache als Ausdruck von Sorge und Angst. Er endet mit einem tragischen Klageruf „Was rufst du Zeus?“ Aber die tragische Emphase wird nicht durchgehalten, sondern durch das „wir wollen vögeln“ (v. 715) komisch aufgelöst. Einzelheiten: Rau (1967) 199f. 707 „Warum kommst du mit finsterer Miene heraus?“: Wörtlich: „Warum kommst du mit finsterer Miene aus dem Palast/Tempel (griech. dómoi)?“ Nach dem Scholion handelt es sich um ein Zitat aus der Tragödie Telephos des Euripides (fr. 699, in: Tragicorum Graecorum Fragmenta, Bd. 5, hrsg. von R. Kannicht, Göttingen 2004). Da das Zitat nicht in den neuen Kontext eingepasst ist, ist die Angabe „aus dem Palast/Tempel“ der Situation nicht angemessen. Lysistrate kommt aus der Akropolis.

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Zweites Epeisodion: 720–733

Die eine erwischte ich, als sie gerade das Loch 720 erweiterte, das in die Pansgrotte hinabführt, eine andere, als sie sich an einer Winde herabließ und so entkommen wollte; eine dritte, die gerade vorhatte, auf einem Sperling zum Haus des Orsilochos herab zu fliegen, 725 zog ich gestern an den Haaren zurück. Sie schleppen alle möglichen Ausreden herbei, um nach Hause zu entschwinden. (Eine Frau kommt eilig aus der Akropolis.) Sieh, da kommt eine von ihnen. Heda, du! Wohin rennst du? Erste junge Frau Ich muss nach Hause. Ich habe zu Hause kostbare Wolle aus Milet, die von den Motten aufgefressen wird. 730 Ly. Von welchen Motten? Komm zurück! Erste junge Frau Aber ich bin gleich wieder da, bei den beiden Göttinnen, bei Demeter und Persephone, ich will nur die Wolle auf dem Bett ausbreiten. Ly. Nichts breitest du aus, und nirgendwo gehst du hin.

τὴν μέν γε πρώτην διαλέγουσαν τὴν ὀπὴν κατέλαβον ᾗ τοῦ Πανός ἐστι ταὐλίον, τὴν δ᾽ ἐκ τροχιλείας αὖ κατειλυσπωμένην κἀπαυτομολοῦσαν, τὴν δ᾽ ἐπὶ στρούθου μίαν ἤδη πέτεσθαι διανοουμένην κάτω εἰς Ὀρσιλόχου χθὲς τῶν τριχῶν κατέσπασα. πάσας τε προφάσεις ὥστ᾽ ἀπελθεῖν οἴκαδε ἕλκουσιν. ἡδὶ γοῦν τις αὐτῶν ἔρχεται. αὕτη σὺ, ποῖ θεῖς; Γυνὴ Α οἴκαδ᾽ ἐλθεῖν βούλομαι. οἴκοι γάρ ἐστιν ἔριά μοι Μιλήσια ὑπὸ τῶν σέων κατακοπτόμενα. Λυ. ποίων σέων; οὐκ εἶ πάλιν; ἀλλ᾽ ἥξω ταχέως, νὴ τὼ θεὼ Γυ.α ὅσον διαπετάσασ᾽ ἐπὶ τῆς κλίνης μόνον. Λυ. μὴ διαπετάννυ, μηδ᾽ ἀπέλθῃς μηδαμῇ. ––––––––––––

723 κἀπαυτομολοῦσαν Sommerstein nach Jackson : τὴν δ̕ αὐτομολοῦσαν Hss. 727 ἡδὶ Elmsley : ἤδη Hss.

720

725

730

Kommentar

165

720–725 Die Fluchtversuche der Frauen erinnern in ihrer Komik an die erfolglosen Ausbruchsversuche des Protagonisten Philokleon in den Wespen, der in seinem Haus von seinem Sohn eingeschlossen ist (vv. 136–229). Philokleon versucht es durch den Rauchfang, durch das Dach, durch das Aufbrechen der Tür und in Nachahmung der Odysseus-List in der Höhle des Polyphem unter dem Bauch eines Esels hängend. 721 „Pansgrotte“: Sie lag am Nordhang der Akropolis unterhalb des Plateaus des Akropolis-Felsens. Sie wird v. 911 als Rückzugsort für das Liebesnest von Kinesias und Myrrhine vorgeschlagen. Der Bocksgott Pan, dargestellt mit Bocksfüßen und Ziegenhörnern, gehörte nicht zu den großen panhellenischen Göttern, sondern als Hirtengott hatte er sein Kultzentrum in Arkadien auf der Peloponnes. Allerdings blieb sein Kult nicht auf Arkadien beschränkt, sondern breitete sich im 5. Jh. v. Chr. in unterschiedlicher Dichte in Griechenland aus. Entsprechend seiner theriomorphen Gestalt lebte er in Grotten und Höhlen. Sein Wesen war bestimmt durch einen ungezügelten Sexualtrieb, der in der Kunst des 5. Jahrhunderts v. Chr. durch seine Verbindung mit Aphrodite, Dionysos und den Satyrn unterstützt wird. Dieses Wesen bildet den Anspielungshorizont in der Lysistrate. Möglich wurde diese Asssoziation durch die Pansgrotte am Hang der Akropolis, die seit der Schlacht von Marathon (490 v. Chr.) als Kultort bestand. Jährliche Opfer und ein Fackellauf gehörten zum Kult. Kultteilnehmer waren nach dem Prolog der Lysistrate auch oder sogar vor allem Frauen (v. 1–3), die dabei orgiastische Feste feierten. Möglicherweise wurde die Kultstätte auch außerhalb der offiziellen Kultzeit für spontane private Opfer genutzt. Das war möglich und üblich. Ein literarisches Beispiel liefert der Komödiendichter Menander im Dyskolos („Der Menschenfeind“) (317/6 v. Chr.): Ein spontanes Opfer in der Nymphengrotte im Demos Paiania, in der auch Pan verehrt wird, wird von einem ausgelassenen Fest mit einem üppigen Picknick und mit Musik begleitet (vv. 407– 434). 722 „als sie sich an einer Winde herabließ“: Vielleicht Anspielung auf ein Baugerät, das bei der Arbeit auf der Dauerbaustelle der Akropolis zur Beförderung von Material vom Fuß der Akropolis auf das Plateau der Akropolis (Höhenunterschied etwa 150m) eingesetzt wurde. 723 „auf einem Sperling … herabzufliegen“: Zu ergänzen: von der hochgelegenen Akropolis zu der am Fuße des Akropolis-Felsens liegenden Stadt. Der Flug auf einem kleinen flugfähigen Tier ist ein Mittel der Komik; vergleichbar ist der Flug des Trygaios auf einem Mistkäfer im Frieden (vv. 66– 179), der allerdings in den Himmel fliegt. Im Unterschied zur Lysistrate wird der Flug im Frieden spektakulär szenisch dargestellt. Der Sperling ist als ein in Griechenland übliches Symbol für Liebe, Liebesfreuden und Sexualität gewählt. Sperlinge ziehen bei der Lyrikerin Sappho den Wagen der Aphrodite (fr. 1,9–10, in: Poetarum Lesbiorum Fragmenta, hrsg. von Edgar Lobel und Denys L. Page, Oxford 1955).

166

Zweites Epeisodion: 734–744

Erste junge Frau Soll ich meine Wolle verkommen lassen? Ly. Ja, wenn es nötig ist. (Eine zweite Frau eilt aus der Akropolis.) Zweite junge Frau Ich Arme, ich Arme, mein feiner Flachs! Ich ließ ihn ungehechelt daheim. Ly. Schon wieder eine! Zum ungehechelten Flachs geht sie. Komm hierher zurück! Zweite junge Frau Aber, bei der Lichtbringerin Hekate, wenn ich ihn bearbeitet habe, komme ich sofort zurück. Ly. Nein, nein, bearbeite ihn nicht! Denn wenn du damit beginnst, will eine andere Frau es auch tun. (Eine dritte Frau kommt aus der Akropolis.) Dritte junge Frau O Herrin Eileithyia, halte die Geburt zurück, bis ich an einen Ort komme, der nicht heilig ist. Ly. Was schwatzt du da? Dritte junge Frau Ich komme jeden Augenblick nieder.

Γυ.α ἀλλ᾽ ἐῶ ᾽πολέσθαι τἄρι᾽; Λυ. ἢν τούτου δέῃ. Γυνὴ B τάλαιν᾽ ἐγώ, τάλαινα τῆς ἀμοργίδος, ἣν ἄλοπον οἴκοι καταλέλοιφ᾽. Λυ. αὕτη ’τέρα ἐπὶ τὴν ἄμοργιν τὴν ἄλοπον ἐξέρχεται. χώρει πάλιν δεῦρ᾽. ἀλλὰ νὴ τὴν Φωσφόρον Γυ.β ἔγωγ᾽ ἀποδείρασ᾽ αὐτίκα μάλ᾽ ἀνέρχομαι. Λυ. μή μἀποδείρῃς. ἢν γὰρ ἄρξῃς τουτουί, ἑτέρα γυνὴ ταὐτὸν ποιεῖν βουλήσεται. Γυνὴ Γ ὦ πότνι᾽ Εἰλείθυι᾽, ἐπίσχες τοῦ τόκου, ἕως ἂν εἰς ὅσιον μόλω ᾿γὼ χωρίον. Λυ. τί ταῦτα ληρεῖς; αὐτίκα μάλα τέξομαι. Γυ.γ

––––––––––––

740 ἄρξῃς Cobet : ἄρξῃ Hss. 740 τουτουί Bentley : τούτου σύ R : τοῦτο σύ übrige Hss. 742 Εἰλείθυι᾽ Hss. : Ἱλείθυι᾽ Coulon

735

740

735

740

Kommentar

167

724 „Haus des Orsilochos“: Orsilochos ist eine historisch unbekannte Person. Es handelt sich wohl um den Ehemann einer der jungen Frauen auf der Akropolis. Das Scholion ist wertlos, denn es macht die Person nur wegen des Kontextes zu einem Bordellwirt, Ehebrecher oder effeminierten Mann. 735. „Ich Arme, ich Arme, mein feiner Flachs!“: Poetisch-tragisierender Klageruf, der durch das Objekt der Klage komisch aufgeladen wird. Der „feine Flachs (griech. amorgís) wurde für durchsichtige Unterkleider verwendet, die ein Mittel der Erotik waren; s. Anm zu v. 150f. 738 „Lichtbringerin Hekate“: s. Anm. zu v. 443. 739 „wenn ich [den Flachs] bearbeitet habe“: Griech. apodérein „abschälen, enthäuten“ vielleicht mit sexueller Konnotation „die Vorhaut zurückziehen“. Ähnlich v. 953. 743 „O Herrin Eileithyia“: Hieratischer Kultruf als Ausdruck von Angst und Schmerz. Die Göttin wurde vor allem von Frauen im Zusammenhang von Schwangerschaft und Geburt verehrt und angerufen, häufig mit Artemis und Hera verbunden. Sie hatte viele Kultstätten, aber keinen Mythos. 744 „Ort …, der nicht heilig ist“: An heiligen Orten waren aus Gründen der kultischen Reinheit Geburten verboten. Da die Akropolis ausschließlich von Heiligtümern und Kultstätten besetzt war, galt das Verbot für das ganze Akropolis-Areal. Der griechische Ausdruck für „nicht heilig“ ist hósios in Gegenüberstellung zu hierós „heilig/geweiht“. Dass sich Euripides in seinen Tragödien nicht an dieses Verbot gehalten habe, macht ihm Aischylos in den Fröschen (v. 1080) zum Vorwurf: Zu allen Schändlichkeiten (griech. kaká), die er dargestellt habe, gehörten auch „Gebärende“ (griech. tíktusai) im Tempel. Da auch Sexualität Befleckung im kultischen Sinn bedeutete, war auch sie im Tempelbezirk verboten. Unter Hinweis auf diesesVerbot wehrt Myrrhine (v. 912) das sexuelle Drängen ihres Mannes ab; s: Anm: zu v. 912.

168

Zweites Epeisodion: 745–759

Ly. Aber gestern warst du noch nicht schwanger. Dritte junge Frau Aber heute. 745 Lass mich sofort nach Hause zur Hebamme, Lysistrate! Ly. Was erzählst du mir da? (Sie betastet den Bauch der Frau.) Was hast du da so Hartes? Dritte junge Frau Einen Jungen. Ly. (Sie klopft auf den Bauch der Frau.) Bei Aphrodite, nein, du hast da offenbar 750 etwas Hohles aus Metall. Ich werde es gleich wissen. (Sie zieht einen Helm heraus.) Das ist zum Lachen! Du hast den geweihten Helm der Athena und behauptest, schwanger zu sein. Dritte junge Frau Aber, bei Zeus, ich bin schwanger. Ly. Wozu hast du dann diesen Helm? Dritte junge Frau Damit ich, wenn ich auf der Burg 755 gebären sollte, in ihn hinein gebären könnte wie die Tauben. Ly. Was redest du da? Das sind nur Ausreden. Die Sache ist völlig klar. Du wirst bis zum Geburtstagsfest des Helmes hierbleiben. Dritte junge Frau Aber ich kann auf der Burg nicht schlafen, seitdem ich die Schlange sah, die die Burg bewacht. (Eine vierte Frau kommt aus der Akropolis.)

Λυ. Γυ.γ Λυ. Γυ.γ Λυ.

Γυ.γ Λυ. Γυ.γ Λυ. Γυ.γ

ἀλλ᾽ οὐκ ἐκύεις σύ γ᾽ ἐχθές.

ἀλλὰ τήμερον. ἀλλ᾽ οἴκαδέ μ᾽ ὡς τὴν μαῖαν, ὦ Λυσιστράτη, ἀπόπεμψον ὡς τάχιστα. τίνα λόγον λέγεις; τί τοῦτ᾽ ἔχεις τὸ σκληρόν; ἄρρεν παιδίον. μὰ τὴν Ἀφροδίτην οὐ σύ γ᾽, ἀλλ᾽ ἢ χαλκίον ἔχειν τι φαίνει κοῖλονꞏ εἴσομαι δ᾽ ἐγώ. ὦ καταγέλαστ᾽, ἔχουσα τὴν ἱερὰν κυνῆν κυεῖν ἔφασκες; καὶ κυῶ γε νὴ Δία. τί δῆτα ταύτην εἶχες; ἵνα μ᾽ εἰ καταλάβοι ὁ τόκος ἔτ᾽ ἐν πόλει, τέκοιμ᾽ ἐς τὴν κυνῆν εἰσβᾶσα ταύτην, ὥσπερ αἱ περιστεραί. τί λέγεις; προφασίζειꞏ περιφανῆ τὰ πράγματα. οὐ τἀμφιδρόμια τῆς κυνῆς αὐτοῦ μενεῖς; ἀλλ᾽ οὐ δύναμαι ҆γωγ᾽ οὐδὲ κοιμᾶσθ᾽ ἐν πόλει, ἐξ οὗ τὸν ὄφιν εἶδον τὸν οἰκουρόν ποτε.

745

750

755

Kommentar

169

751f. „Du hast den geweihten Helm der Athena / und behauptest, schwanger zu sein“: Lysistrate meint mit dem „geweihten Helm“ wohl nicht den mit einer Sphinx gekrönten Bronzehelm der Athena Parthenos des Phidias im Parthenon (s. Anm. zu v. 344), sondern den Bronzehelm der monumentalen Athena Promachos (mit einer Höhe von etwa 10 m) desselben Künstlers, die auf der Akropolis zwischen den Propyläen und dem Erechtheion im Freien stand und von weither sichtbar war. Angesichts der Größe der Statue von 10 m mit einem Helm von dazu passender Größe handelt es sich um einen unmöglichen Sachverhalt. Im Griechischen wird die Beziehung zwischen „Helm“ (griech. kynḗn, Akkusativ zu Nominativ kynḗ) und „schwanger sein“ (griech. kyeín) durch ein rein klangliches Wortspiel unterstützt, das v. 757 komisch genutzt wird, indem der Helm metonymisch für ein neugeborenes Kind eingesetzt wird. 757 „Geburtstagsfest“: Die komische Metonymie von Helm und Kind provoziert das Geburtstagsfest (griech. Amphidrómia), das traditionell am fünften Tag nach der Geburt gefeiert wurde, dessen Mittelpunkt ein reichhaltiges Mahl mit tradionell festgelegten Speisen war. Der Komödiendichter Ephippos (4. Jh. v. Chr.) zählt sie im Einzelnen auf (fr. 3, in: Poetae Comici Graeci, hrsg. von R. Kassel und C. Austin, 5, 1986,133; überliefert durch: Athenaios, Deipnosophistaí „Gastmahl der Sophisten“ 370 c-d): Der Eingang des Hauses war mit Girlanden geschmückt, und das Mahl bestand u.a. aus gebackenem Käse, gesottenem Rettich, Lamm, Tauben, Drosseln und Finken, dazu aus verschiedenen Meeresfrüchten. Viele Becher ungemischten Wein gehörten ebenfalls dazu. 759 „Schlange …, die die Burg bewacht“: Anspielung auf den traditionellen Glauben, dass eine Schlange die Akropolis in Athen bewacht und beschützt. Im Kult der Griechen galt die Schlange seit minoisch-mykenischer Zeit vor allem als Wächterin des Hauses. So wurde sie auch zur Wächterin der Akropolis in Athen und schon früh der Stadtschützerin Athena assoziiert. Daher nahm man auch an, dass sie im Alten Athena-Tempel wohnte, so dass sie von der Priesterin der Athena Polias mit Honigkuchen gefüttert wurde (Herodot 8,41,2). Sie hatte aber nicht nur die Eigenschaft des Schützens, sondern auch etwas Grauenerregendes, wie die Schlangengestalt von Ungeheuern (Echidna, Hydra, Chimaera, Tryphoeus) zeigt, das vor allem im Mythos und in der Dichtung aktiviert wurde. Diese Eigenschaft führte dazu, dass eine Schlange im Traum als ein Zeichen von zukünftigem Unheil, wie Krankheit und Feindschaft, gedeutet wurde (Artemidor, Traumbuch 2,13). Daher ist auch die junge Frau auf der Burg von dem Schlangentraum beunruhigt. Die kultische Fütterung der Schlange in der Akropolis war auch noch im 5. Jh. v. Chr. übllich, obwohl der Rationalismus der Zeit zum Zweifel an ihrer Existenz führte, wie die distanzierte Erzählung des Herodot zeigt.

170

Zweites Epeisodion: 760–773

Vierte junge Frau Und mich bringen die Steinkäuze noch um Schlaf und Leben 760 mit ihrem dauernden Huuh-Huuh-Geheule. Ly. Ihr Wunderlichen, hört mit euren Flunkereien auf! Gewiss, ihr sehnt euch nach euren Männern. Aber glaubt ihr, dass diese sich nicht auch nach euch sehnen? Ich weiß, dass für sie die Nächte schrecklich sind. Also haltet durch, ihr Guten, 765 und ertragt die Qualen noch kurze Zeit, denn ein Orakel sagt, wir siegen, wenn wir zusammenhalten. So lautet das Orakel: (zieht aus dem Bausch des Obergewandes eine Papyrusrolle hervor) Erste junge Frau Sag uns, wie es lautet! Ly. So seid still! „Aber wenn sich die Schwalben, auf der Flucht vor den Wiedehopfen, 770 an einem einzigen Ort verkriechen und sich von Phalloi fernhalten, dann wird die Not ein Ende haben, und der hochdonnernde Zeus wird das Obere zum Unteren machen …“ Erste junge Frau Wir werden dann oben liegen?

Γυνὴ Δ ἐγὼ δ᾽ ὑπὸ τῶν γλαυκῶν γε τάλαιν᾽ ἀπόλλυμαι ταῖς ἀγρυπνίαισι κικκαβιζουσῶν ἀεί. Λυ. ὦ δαιμόνιαι, παύσασθε τῶν τερατευμάτων. ποθεῖτ᾽ ἴσως τοὺς ἄνδραςꞏ ὑμᾶς δ᾽ οὐ ποθεῖν οἴεσθ᾽ ἐκείνους; ἀργαλέας γ᾽, εὖ οἶδ᾽ ὅτι ἄγουσι νύκτας. ἀλλ᾽ ἀνάσχεσθ᾽, ὦγαθαί, καὶ προσταλαιπωρήσατ᾽ ἔτ᾽ ὀλίγον χρόνονꞏ ὡς χρησμὸς ἡμῖν ἐστιν ἐπικρατεῖν, ἐὰν μὴ στασιάσωμενꞏ ἔστι δ᾽ ὁ χρησμὸς οὑτοσί. Γυ.α λέγ᾽ αὐτὸν ἡμῖν ὅ τι λέγει. Λυ. σιγᾶτε δή. ἀλλ᾽ ὁπόταν πτήξωσι χελιδόνες εἰς ἕνα χῶρον, τοὺς ἔποπας φεύγουσαι, ἀπόσχωνταί τε φαλήτων, παῦλα κακῶν ἔσται, τὰ δ᾽ ὑπέρτερα νέρτερα θήσει Ζεὺς ὑψιβρεμέτης – ἐπάνω κατακεισόμεθ᾽ ἡμεῖς; Γυ.α ––––––––––––

761 κικκαβιζουσῶν Dindorf nach Photios : κικκαβαζουσῶν Dobree : κακκα- Hss. 763 ὑμᾶς Sommerstein : ἡμᾶς Hss. 763f. οὐ ποθεῖν οἴεσθ᾽ Blaydes : οὐκ οἴει ποθεῖν Hss.

760

765

770

Kommentar

171

760 „mich bringen die Steinkäuze (Eulen) noch um Schlaf und Leben“: Als nachtaktiver Vogel war der Steinkauz (griech. Sg. glaux; Pl. glaúkes; zoologische Bezeichnung: Athene noctua) wegen seiner vielfältigen als klagend oder wimmernd gedeuteten Rufe in der nächtlichen Ruhe unüberhörbar. Sein Klangrepertoire ist nicht nur groß, sondern auch weithin hörbar. Aristophanes gibt den Ruf in den Vögeln mit griech, kikkabaú (v. 261) wieder. Da der Steinkauz als Lebensraum offenes und reich strukturiertes Gelände bevorzugt, waren in der Antike die felsigen bebauten Hügel als Siedlungsgebiete für ihn attraktiv, in Athen also die Akropolis. Ob die Steinkauzpopulation auf der Akropolis allerdings dichter als in anderen topographisch vergleichbaren Orten war, kann nicht bestimmt werden. Sie wurde jedoch in der Antike als außergewöhnlich wahrgenommen, weil der Steinkauz eine besondere kultische Beziehung zu Athen hatte: Der Steinkauz war seit archaischer Zeit Attribut der Stadtgöttin Athena und in dieser Verbindung Symbol der Klugheit. Seit dem 6. Jh. v. Chr. wurde er auf Münzen der Stadt dargestellt, die dann metonymisch als „Eulen“ (griech. glaúkes) bezeichnet wuden. Auf griechischen Münzen ist er seit dem 19. Jahrhundert präsent geblieben, so auch auf der Rückseite der griechischen 1–Euro-Münze der Gegenwart (stilisiert nach einer Vier-Drachmen-Münze in Silber aus der Antike). In der Antike sind Steinkauz und Athen eine feste Verbindung eingegangen. Daraus resultiert auch die sprichwörtlich gewordene Redeweise „Eulen nach Athen tragen“ im Sinne von „etwas Überflüssiges machen“, die aus einer Frage in den Vögeln (v. 301) „Wer hat eine Eule nach Athen gebracht?“ entstanden ist. 761 „mit ihrem dauernden Huuh-Huuh-Geheule“: Griech. kikkabízein „ein Eulen-Geheule erheben“ ist onomatopoetisch zu dem Eulen-Ruf griech. kikkabaú (s. Anm. zu v. 760) gebildet. 767 „ein Orakel sagt, wir siegen“: Lysistrate holt aus dem Bausch des Obergewandes ein schriftlich fixiertes Orakel auf einer Papyrusrolle (vv. 770– 778) hervor und liest es den Frauen zur Stärkung der Moral vor. Damit setzt sie auf ein traditionelles Mittel der Zukunftsdeutung und Entscheidungshilfe, das dann komisch deformiert wird. Wie in der Komödie üblich, steht die Papyrusrolle wie alle notwendigen Requisiten ohne weitere Erklärung und Vorbereitung zur Verfügung. In rabulistischer Interpretation sagt sie den Sieg der Frauen voraus. Semantisch ist das Orakel trotz der Versicherung einer Frau (v. 777), es sei „eindeutig“ (griech. saphḗs), in seinen einzelnen Aussagen weder eindeutig noch kohärent. Es ist ein reines Nonsense-Orakel zur Karikierung der gängigen Orakel-Praxis und gehört damit in die Rubrik der Nonsense-Komik. Abgefasst ist es nach Art der schriftlichen Orakel in daktylischen Hexametern.

172

Zweites Epeisodion: 774–780

„Wenn die Schwalben sich aber streiten und emporfliegen aus dem heiligen Tempel, dann wird man sagen, kein Vogel sei geiler.“ Erste junge Frau Bei Zeus, das Orakel ist eindeutig, ihr Götter alle! Ly. Wir wollen also in dieser argen Lage nicht aufgeben, sondern hineingehen. Es wäre ja auch schmachvoll, liebe Mitstreiterinnen, wenn wir das Orakel verrieten. (Alle Schauspieler gehen in die Akropolis.) Ly.

Λυ. Γυ.α Λυ.

ἢν δὲ διαστῶσιν καὶ ἀνάπτωνται πτερύγεσσιν ἐξ ἱεροῦ ναοῖο χελιδόνες, οὐκέτι δόξει ὄρνεον οὐδ᾽ ὁτιοῦν καταπυγωνέστερον εἶναι. σαφής γ᾽ ὁ χρησμὸς νὴ Δί᾽, ὢ πάντες θεοί, μή νυν ἀπείπωμεν ταλαιπωρούμεναι, ἀλλ᾽ εἰσίωμεν. καὶ γὰρ αἰσχρὸν τουτογί, ὦ φίλταται, τὸν χρησμὸν εἰ προδώσομεν.

–––––––––––– 774 774 776 779

διαστῶσιν Γ : ἀποστῶσιν R ἀνάπτωνται Cobet : ἀναπτῶνται Hss. καταπυγωνέστερον R : καταπυγωνίστερον Γ τουτογί Hss. : τοῦτό γε Wilson

775

780

775

780

Kommentar

173

In Übereinstimmung mit der Aussageweise von Orakeln werden Menschen durch Tiere symbolisiert. Die Schwalben repräsentieren die Frauen, die Wiedehopfe in Gegenüberstellung die Männer. Unspezifische Assoziationen lassen den Tereus-Mythos anklingen, nach dem die beiden Töchter des thrakischen Königs Tereus in Vögel verwandelt werden, Philomele in eine Schwalbe, Prokne in eine Nachtigall, um vor dem grausamen Vater geschützt zu werden, während der König selbst zu einem Wiedehopf wird. Durch den Mythos wird die Bedeutung des Orakels für die Situation der Frauen nicht erschlossen, sondern recht willkürlich durch den Konditionalsatz „Aber wenn sich die Schwalben … von Phalloi fernhalten“ (v. 771) hergestellt. Terminologisch ist „(sich) fernhalten von“ (griech. apéchein/apéchesthai mit sexueller Konnotation) ein Leitmotiv der Komödie (v. 124; 718). Die Zukunftsdeutung und Entscheidungshilfe durch Orakel hatte in Griechenland seit archaischer Zeit eine feste und zugleich vielfältige kultische Tradition. Berühmt war vor allem die Orakelstätte in Delphi, an der der Gott Apollon durch eine Seher-Priesterin, die Pythia, Weisungen erteilte, die dann von dem Orakel-Personal literarisch in Hexametern, zweideutig bzw. mehrdeutig oder kryptisch-änigmatisch, fixiert wurden. Wegen ihrer semantischen Unbestimmtheit waren sie interpretationsbedürftig. Unter dem Eindruck des Erfolges des delphischen Orakels wurde diese literarische Form kanonisch. Für die Zweideutigkeit bzw. für die semantische Offenheit, steht der berühmte delphische Orakelspruch, den der lydische König Kroisos erhielt, als er die Eroberung Persiens plante (Herodot, in indirekter Rede, 1,53,3; Aristoteles, in der originalen Form des Hexameters, Rhetorik 1407 a 39): „Wenn Kroisos den Grenzfluß Halys überschreitet, wird er ein großes Reich zerstören.“ Es war das eigene Reich. Beispiel für die kryptische Form ist neben dem LysistrateOrakel auch ein Orakel-Spruch (griech. chrēsmós) aus den Rittern (vv. 195– 210), der ausdrücklich als „änigmatisch“ (griech. ēnigménos) bezeichnet ist. Die Orakel-Praxis löste sich bereits seit dem 6. Jh. v. Chr. von den Kultstätten und begründete ein freies und zugleich diffuses Orakelgewerbe, das vor allem in der 2. Hälfte des 5. Jh. v. Chr. das Bedürfnis der Athener nach Kenntnis und Gestaltung der Zukunft befriedigte. Die Vertreter dieses neuen Gewerbes, die Chresmologen (griech. chrēsmológoi „Orakelsammler, Orakeldeuter“), sammelten und verkauften schriftlich fixierte Orakel, deuteten sie oder produzierten eigene Prophezeiungen. Auf dem Hintergrund dieser Praxis kann Lysistrate wie selbstverständlich ein schriftlich formuliertes Orakel aus ihrem Obergewand zaubern. Aristophanes hat dieses Gewerbe und seine Vertreter mit Spott und Häme überzogen und hat alles getan, dass sie ihr Prestige verloren (Ritter 61; 109– 110; 195–210; 960–972; 997–1089; Frieden 1063–1100; Vögel 962; 970). Ihren Kredit verspielten sie in Athen vor allem nach dem Desaster der Sizilischen Expedition, da sie diese durch ihre optimistische Prognose vorher gestützt hatten (Thukydides 8,1,1).

174

Erstes Stasimon: 781–799

Erstes Stasimon. Ort unverändert. Die beiden Chöre treten wieder in die Mitte der Orchestra. Beide Chöre sind weiterhin halbnackt. Chor der Männer Eine Geschichte will ich euch erzählen, die ich einst hörte, Strophe als ich noch ein Knabe war. 785 So gab es einmal einen Jüngling, Melanion hieß er, der zog in die Wildnis, um der Heirat zu entgehen, und lebte in den Bergen. 791 Und er hatte einen Hund, flocht sich Netze und fing damit Hasen. Und er kehrte nicht mehr nach Hause zurück wegen seines Hasses. So verabscheute er die Frauen. 795 Und wir tun das nicht weniger als Melanion, wir die Vernünftigen. Chorführer (tritt an die Chorführerin heran) Ich will dich küssen, Alte … Chorführerin (stößt ihn zurück) Dann solltest du keine Zwiebeln essen. Chorführer … und ein Bein heben und dich treten. (Hebt sein Bein, so dass der nackte Unterleib sichtbar wird.)

Χο.γε μῦθον βούλομαι λέξαι τιν᾽ ὑμῖν, ὅν ποτ᾽ ἤκουσ᾽ αὐτὸς ἔτι παῖς ὤν. οὕτως ἦν νεανίσκος Μελανίων τις, ὃς φεύγων γάμον ἀφίκετ᾽ ἐς ἐρημίαν, κἀν τοῖς ὄρεσιν ᾤκειꞏ καὶ κύνα τιν᾽ εἶχεν κᾆτ᾽ ἐλαγοθήρει πλεξάμενος ἄρκυς, κοὐκέτι κατῆλθε πάλιν οἴκαδ᾽ ὑπὸ μίσους. οὕτω τὰς γυναῖκας ἐβδελύχθη ҆κεῖνος, ἡμεῖς τ᾽ οὐδὲν ἧττον τοῦ Μελανίωνος, οἱ σώφρονες. βούλομαί σε, γραῦ, κύσαι – Χο.γρ κρόμμυόν γ’ ἄρ᾽ οὐκ ἔδει. Χο.γε κἀνατείνας λακτίσαι. ––––––––––––

798 γ’ ἄρ᾽ Bergler : γὰρ R

[στρ. 785 791 789 790 792 795

Kommentar

175

781–828 Erstes Stasimon (in der Form des Amoibaions). Das Amoibaion setzt die Chorhandlung der Parabase fort. Dabei hat der Streit zwischen den Männern und Frauen ohne jegliche Vorbereitung eine neue Stufe der Handlung erreicht. Er ist nicht mehr politisch orientiert, sondern geschlechtsspezifisch. Dadurch hat er an Heftigkeit verloren. Der Chor der Männer gibt mit „Ich will dich küssen, Alte“ (v. 797) sogar ein Signal der Annäherung, auf das die Frauen allerdings mit Ablehnung reagieren. So kommt es weiterhin zu gegenseitigen Drohungen (v. 799; 821; 823). Es sind eher neckende Drohungen des Geschlechterkampfes, der sich zwischen Anziehung und Abstoßung abspielt. Auf jeden Fall ist eine neue autonome komische Situation entstanden. Die dramatische Eigenständigkeit, die schon durch die Form des Chorliedes ihr Profil erhält, wird unterstützt durch die narrative Eigenständigkeit in der Form von zwei selbständigen Erzählungen bzw. Märchen (griech. mȳ ́ thos „Erzählung“), die als Erzählung und respondierende Gegenerzählung nach Art eines Wettgesangs kombiniert sind und thematisch durch die Motivgegenüberstellung von Frauenhass und Männerhass locker in die Handlung eingebunden sind. Stilistisch sind die Erzählungen entsprechend ihrer Nähe zum Märchen einfach gestaltet. Die Sätze sind mit ihren kurzen Gliedern daher parataktisch geformt. Mehrfach wiederholtes „und“ (griech. kai) zeigt diese Parataxe (vv. 788–792). Auch der Eingang der Erzählung mit griech. hū ́ tōs ēn … tis „So gab es einmal jemanden“, der einem „es war einmal“ entspricht, ist dem Märchen adäquat (Aristophanes, Wespen, v. 1182; Platon, Phaidros 273 b 2). 781–796 Erzählung von Melanion. Der Mythos von Melanion hat keine stabile Erzähltradition erhalten. Offensichtlich hat es konkurrierende Versionen gegeben. Aristophanes aktiviert die Version, nach der Melanion als Jäger tätig ist. Zum Jäger ausgebildet von dem Kentauren Chiron, jagte er in den Wäldern Arkadiens (Xenophon, Kynēgetikós 1,2,7). Er gehört in dieser Funktion zur Begleitung der Heroine und Jägerin Atalante. Entsprechend ihrer Männerfeindschaft bzw. Ehefeinschaft (= Absage an Sexualität) ist Melanion deren misogyner und ehehassender Anhänger. Das Verhältnis von Melanion zu Atalante entspricht also dem Verhältnis des Hippolytos zur Göttin Artemis. Zwar wird Atalante in der Erzählung nicht genannt, seine Tätigkeit als Jäger ist aber ein sicheres Indiz für diese Beziehung. Als Teilnehmer an der Kalydonischen Jagd ist er mit Atalante auf dem François-Krater (um 570 v. Chr.; Museo Archeologico Nazionale in Florenz) dargestellt. 796 „wir die Vernünftigen“: Griech. sṓphrones, im Sinne von „frei von sexuellem Drang“. 798 „Dann solltest du keine Zwiebeln mehr essen“: Begründung: Küsse vertragen sich nicht mit Zwiebeln.

176

Erstes Stasimon: 800–821

Chorführerin Das ist ein dichtes Gestrüpp, das du da hast. Chorführer Ja, denn auch Myronides war dort struppig und mit seinem schwarzhaarigen Hintern war er für alle Feinde stachelig. So auch Phormion!

800

Chor der Frauen Auch ich will euch eine Geschichte erzählen, Gegenstrophe 806 passend zur Melanion-Geschichte. Es war einmal ein ruheloser Wanderer, Timon hieß er, sein Gesicht war eingezäunt von undurchdringlichen Stacheln des Bartes, 810 ein Ableger der Erinnyen. Dieser Timon ging also aus Hass

815 und verfluchte heftig die niederträchtigen Männer. So hasste er dauernd euch niederträchtige Männer. 820 Den Frauen war er jedoch in Liebe zugetan. Chorführerin Willst du einen Schlag aufs Maul?

Χο.γρ τὴν λόχμην πολλὴν φορεῖς. Χο.γε καὶ Μυρωνίδης γὰρ ἦν τραχὺς ἐντεῦθεν μελάμπυγός τε τοῖς ἐχθροῖς ἅπασιν, ὥς δὲ καὶ Φορμίων. Χο.γρ κἀγὼ βούλομαι μῦθόν τιν᾽ ὑμῖν ἀντιλέξαι τῷ Μελανίωνι. Τίμων ἦν ἀίδρυτός τις ἀβάτοισιν ἐν σκώλοισι τὸ πρόσωπον περιειργμένος, Ἐρινύων ἀπορρώξ. οὗτος οὖν ὁ Τίμων ᾤχεθ᾽ ὑπὸ μίσους , πολλὰ καταρασάμενος ἀνδράσι πονηροῖς. οὕτω ᾽κεῖνος ὑμᾶς ἀντεμίσει τοὺς πονηροὺς ἄνδρας ἀεί, ταῖσι δὲ γυναιξὶν ἦν φίλτατος.

800

[ἀντ. 805 810

815 820

τὴν γνάθον βούλει θένω; ––––––––––––

813 Lücke nach 813 : Ergänzung Blaydes

816 ὑμᾶς Dobree : ὑμῶν Hss.

Kommentar

177

801 „Myronides“: Erfolgreicher attischer General nach den Perserkriegen, der für die Ausdehnung der Macht Athens bis 450 v. Chr. bedeutsam war (Thukydides 1,105; 108). 802f. „mit seinem schwarzhaarigen Hintern war er für alle Feinde stachelig“: „mit seinem schwarzhaarigen Hintern“ ist Metapher für griech. trachýs „rauh, zackig, struppig“ (bei Sachen) und von „stachelig, heftig, barsch“ (bei Personen). 804 „Phormion“: Erfolgreicher attischer Admiral in den ersten Jahren des Peloponnesischen Krieges (gestorben wohl 428 v. Chr.). Myronides und Phormion werden nicht kritisiert, sondern gelobt. Das Lob wird komisch aufgeladen durch die paradoxe Beziehung von Tapferkeit und Schambehaarung. 805–828 Gegenerzählung von Timon. Timon, seit dem 5. Jh. v. Chr. der archetypische „Menschenhasser“ (griech. misánthropos), der also Männer und Frauen gleichermaßen hasst und dazu noch ein „Götterhasser“ (griech. theomisḗs (Aristophanes, Vögel, v. 1548) ist, mutiert hier im Sinne der Geschlechterpolarität der Lysistrate zum reinen „Männerhasser“ (griech. mísandros), der paradoxerweise ein Frauenfreund ist, ohne dass aber erklärt wird, wie sich diese Eigenschaft äußert. Timon ist wohl keine historische Person gewesen, sondern eine legendäre Gestalt, die seit dem 4. Jh. v. Chr. zu einer historischen Person aus Athen umgewandelt wurde. Er erhielt einen Echekratidas als Vater und den Demos Kollytos als Geburtsort. Literarisch gestaltet hat die Figur der griechische Satiriker Lukian (2. Jh. n. Chr.) auf der Grundlage der Überlieferung in dem komischen Dialog Timon oder Der Menschenhasser. Danach wurde aus dem Menschenfreund, der seinen Reichtum zum Wohl seiner Mitmenschen eingesetzt hat, ein Menschenhasser und zugleich Götterhasser, weil er, nachdem er durch seine Großzügigkeit verarmt und auf Hilfe angewiesen war, keine Hilfe von den Beschenkten erhielt. Aus Verbitterung zog er sich in eine öde Bergregion in Attika zurück, bearbeitete selbst ohne Sklaven den kargen Boden mit der „Hacke“ (griech. díkella) und vertrieb mit ihr alle Ankömmlinge. Er ist stolz darauf, den Namen Misánthropos (44) zu führen. Der Typus des Misanthropen hat mit teilweise nur begrenzter Anbindung an die Timonlegende eine lange literarische Karriere von Menander (Dyskolos „Der Griesgram“, 316 v. Chr., mit Knemon als Widergänger Timons, vv. 99– 170) über William Shakespeare (mit der Tragödie Timon of Athens, um 1605) und Moliere (Le Misanthrope, 1666) bis zu Ferdinand Raimund (Der Alpenkönig und der Menschenfeind, 1828) und darüber hinaus. 810 „ein Ableger der Erinnyen“: Die Verwandtschaft mit den Erinnyen, den Rächerinnen von Freveln, ist nicht durch das Wesen, sondern nur durch die wilde oder verwilderte Haartracht Timons provoziert, denn diese erinnert an die Haartracht der Erinnyen, die – wohl unter dem Eindruck der Choephoren des Aischylos (vv. 1059f.) – in der Bildenden Kunst und in der Literatur durch löwenähnliche Haare mit Schlangen dargestellte wird. 813 Lücke nach v. 813 wegen fehlender Responsion zu v. 791.

178

Erstes Stasimon / Drittes Epeisodion: 822–832

Chorführer Nein, nein! Da jagst du mir einen Schrecken ein. Chorführerin Soll ich dir einen Tritt versetzen? Chorführer Dann wirst du dein Gestrüpp zeigen. 825 Chorführerin Da wirst du mich nicht behaart sehen, auch wenn ich eine alte Frau bin, sondern kahl gesengt vom Leuchter. (Die beiden Chöre treten einander gegenüber an den Rand der Orchestra.) Drittes Epeisodion mit Klageamoibaion. Einige Tage nach dem Streikbeschluss im Prolog sowie dem Auszug der jungen Frauen aus ihren Familien und ihrem Einzug in die Akropolis. Ort: unverändert. Der Chor der alten Frauen zieht das Untergewand wieder hoch und legt auch den Mantel wieder an. Der Chor der alten Männer ist weiterhin halbnackt. Lysistrate erscheint und tritt an die Brüstung der Akropolis, die durch das flache Dach des Bühnenhauses dargestellt wird. Von dort späht sie hinab auf die Zugänge zur Akropolis, die durch die beiden Eingänge zur Orchestra und Bühne repräsentiert werden. Sie erblickt einen Mann, dessen erigierter Phallos bei offenem oder gerafftem Mantel sichtbar ist. Hurra! Hurra! Ihr Frauen, Kommt her zu mir, aber schnell! (Mehrere junge Frauen erscheinen, darunter Myrrhine.) Eine der jungen Frauen Was gibt es? Sage mir, warum schreist du so? Ly. Einen Mann, einen Mann sehe ich herankommen, ganz verstört, gezeichnet von der Macht der Aphrodite. Ly.

830

Χο.γε Χο.γρ Χο.γε Χο.γρ

μηδαμῶςꞏ ἔδεισά γε. ἀλλὰ κρούσω τῷ σκέλει; τὸν σάκανδρον ἐκφανεῖς. ἀλλ᾽ ὅμως ἂν οὐκ ἴδοις καίπερ οὔσης γραὸς ὄντ᾽ αὐτὸν κομήτην, ἀλλ᾽ ἀπεψιλωμένον τῷ λύχνῳ.

825

Λυ.

ἰοὺ ἰοὺ γυναῖκες ἴτε δεῦρ᾽ ὡς ἐμὲ ταχέως. τί δ᾽ ἔστιν; εἰπέ μοι, τίς ἡ βοή; ἄνδρ᾽, ὁρῶ προσιόντα παραπεπληγμένον, τοῖς τῆς Ἀφροδίτης ὀργίοις εἰλημμένον.

830

Γυ. Λυ.

––––––––––––

831 Ergänzung durch Fl. Christianus

Kommentar

179

825–827 „Da wirst du mich nicht behaart sehen, … sondern kahl gesengt vom Leuchter“: Die Enthaarung des Intimbereichs, eine vor allem bei Hetären beliebte Praxis, wurde durch Sengen oder durch Auszupfen (vv. 87–89) erreicht. Dabei bleibt unklar, wie in der Praxis eine Enthaarung durch Sengen erreicht wurde. Ohne Torturen war sie wohl kaum möglich. Eine drastische Enthaarung durch Sengen, durch die ein Mann zu einer Frau werden soll, ist in den Thesmophoriazusen (vv. 236–248; Übersetzung Ludwig Seeger) szenisch dargestellt: Mnesilochos (M.) wird durch den Tragödiendichter Euripides (E.) auf das Sengen vorbereitet: „E.: Steh auf! – Nun geht’s ans Sengen; bücke dich! M.: O weh, nun soll ich gar Spanferkel werden? E. zum Theaterdiener: Du, bring’ mir doch ’ne Lampe oder Fackel! zu M.: So, bück dich; gib wohl acht auf deine Eichel! M.: Schon gut! – Der Henker auch! – Das brennt verteufelt! Weh, weh! – Ihr Nachbarn, Wasser, Wasser, eilt, Bevor der Brand mein Hinterhaus ergreift! E.: Mut! M.: Mut? – in dieser feuerbrünst’gen Lohe? E.: Du bist nun bald erlöst! Das Schlimmste hast du überstanden! M.: Puh! Was [für ein] Ruß und Rauch! Brandschwarz bin ich schon ganz ums Loch herum! E.: Sei ruhig! Wischen wird dich schon ein andrer! M.: Weh dem, der meinen Steiß zu säubern kriegt!“ 829–975 Drittes Epeisodion mit Schauspielerszene (829–953) und Amoibaion (954–979). Das dritte Epeisodion zeigt endlich die Wirkung des Streiks auf die Männer, auf die das Ziel der Handlung im Prolog ausgerichtet ist. Das Epeisodion gestaltet dabei eine Parallelhandlung zur Handlung des zweiten Epeisodions mit der Wirkung des Streiks auf die Frauen. Das zeitliche Verhältnis der beiden Epeisodien zueinander bleibt daher offen. Die dramatische Autonomie der einzelnen Szenen hat Vorrang vor einer kausalen und chronologischen Entwicklung der Handlung. Die Zeitangabe in v. 881, dass der Säugling der Myrrhine wegen ihres Auszugs „schon seit sechs Tagen ungewaschen und ungestillt ist“, ist für die Chronologie der Szenenfolge bedeutungslos; sie ist als unrealistische Übertreibung nur ein Mittel der Situationskomik. Das Amoibaion stellt die Reaktion des Kinesias und des Chors der alten Männer auf die provozierende Liebesverweigerung der Myrrhine dar, ist also Teil der Handlung des dritten Epeisodions, formal allerdings durch das Metrum tragischer lyrischer Klageanapäste und durch den paratragodischen Stil von den Sprechversen des Epeisodions abgesetzt. Dadurch wird eine neue komische Situation gebildet, die aus der Kombination poetisch-tragisierender Formelemente mit frivoler Erotik entsteht.

180

Drittes Epeisodion: 833–846

O Herrin, die du über Kypros, Kythera und Paphos herrschst, gehe immer aufrecht den Weg, den du eingeschlagen hast. Eine der jungen Frauen Wo ist er? Wer ist es? Ly. Beim Heiligtum der Chlöe ist er! 835 Eine der jungen Frauen Bei Zeus, da ist er ja. Und wer ist es? Ly. Seht hin! Erkennt ihn eine von euch? My. Ja, bei Zeus, ich. Das ist mein Mann Kinesias. Ly. Jetzt ist es an dir, ihn zu rösten und zu foltern, 840 zu lieben und nicht zu lieben, zum Narren zu halten und ihm alles zu geben, was er wünscht, außer, was der Schwur verbietet. My. Sei unbesorgt! Das will ich tun. Ly. Und ich will hierbleiben und dir dabei helfen, ihn zu foppen und zu rösten. Jetzt aber zieht euch zurück! (Außer Lysistrate gehen alle Frauen in die Burg. Kinesias erscheint mit seinem Sklaven Manes, der ein kleines Kind auf dem Arm trägt.) Kinesias (tritt auf und zeigt auf seine erigierten Phallos) 845 Weh mir, ich Armer! Welch ein Zucken, welch ein Spannen, als wäre ich aufs Rad geflochten!

ὦ πότνια, Κύπρου καὶ Κυθήρων καὶ Πάφου μεδέουσ᾽, ἴθ᾽ ὀρθὴν ἥνπερ ἔρχει τὴν ὁδόν. Γυ. ποῦ δ᾽ ἐστὶν, ὅστις ἐστί; Λυ. παρὰ τὸ τῆς Χλόης. Γυ. ὢ νὴ Δί᾽ ἔστι δῆτα. τίς κἀστίν ποτε; Λυ. ὁρᾶτεꞏ γιγνώσκει τις ὑμῶν; Μυ. νὴ Δία ἔγωγε: κἀστὶν οὑμὸς ἀνὴρ Κινησίας. Λυ. σὸν ἔργον ἤδη τοῦτον ὀπτᾶν καὶ στρέφειν κἀξηπεροπεύειν καὶ φιλεῖν καὶ μὴ φιλεῖν, καὶ πάνθ᾽ ὑπέχειν πλὴν ὧν σύνοιδεν ἡ κύλιξ. Μυ. ἀμέλει, ποιήσω ταῦτ᾽ ἐγώ. Λυ. καὶ μὴν ἐγὼ ξυνηπεροπεύσω σοι παραμένουσ᾽ ἐνθαδί, καὶ ξυσταθεύσω τοῦτον. ἀλλ᾽ ἀπέλθετε. Κινησίας οἴμοι κακοδαίμων, οἷος ὁ σπασμός μ᾽ ἔχει χὠ τέτανος ὥσπερ ἐπὶ τροχοῦ στρεβλούμενον.

835

840

845

Kommentar

181

833f. „O Herrin, die du über Kypros, Kythera und Paphos herrschst, gehe immer aufrecht den Weg“: Götteranruf in episch-poetischen Ton, der parodistisch umschlägt durch das sexuell konnotierte orthós „aufrecht, geradeaus“, das im Sinne von „erigiert“ verstanden werden soll. Die sexuelle Konnotation ist nur durch die Handlung der Lysistrate gegeben. Unabhängig von dieser Handlung würde die Bitte verstanden werden als „gehe immer den Weg geradeaus“. Noch markanter ist die sexuelle Konnotation in v. 995: „Ganz Sparta steht aufrecht (dorisch orsā ́ für attisch orthḗ“. Die Insel Kypros mit ihrer Stadt Paphos ist als Geburtsort der Aphrodite ein prominenter Kultort. Die im Meer vor Kypros geborene Aphrodite soll in Paphos aus dem Meer gestiegen sein. Dort befand sich das berühmteste Aphrodite-Heiligtum der Antike; s. Anm. zu v. 551. Teil der Geburtsgeschichte ist auch Kythera (Insel vor der SO-Spitze der Peloponnes) mit einem AphroditeHeiligtum: Bevor Aphrodite auf Kypros an Land ging, war sie „an das hochheilige Kythera“ getrieben worden (Hesiod, Theogonie, vv. 192f.). 835 „Heiligtum der Chlöe“: Griech. Chlö ́ ē „Die Grünende“ Beiname der Göttin Demeter. Diese hatte ein Heiligtum am Südabhang der Akropolis. 838 „Kinesias“: Der Name wird beim Erscheinen des Mannes wegen seines sexuellen Hungers zu einem „redenden Namen“ (zum umgangssprachlichen griech. kineín „bewegen, rütteln“, das als Metonymie für das vulgärsprachliche griech. bineín „vögeln“ steht). Der Name verweist auf keine historische Person, sondern ist nur wegen der spezifischen Handlung gewählt. Ein besonderes Problem ist die Frage des Kostüms des Kinesias. Es ist Opinio communis, dass Kinesias in dem grotesken Komödienkostüm mit einem riesigen und zugleich erigierten Phallos auftritt, der von einem kurzen Chiton und kurzen Himation nicht verdeckt wird, und dass er in dieser Aufmachung auch während der ganzen Szene agiert. Danach trägt also in der Lysistrate zumindest Kinesias das groteske Kostüm, das zur Normalausstattung des komischen Schauspielers gerechnet wird. Aber so wenig wie im Allgemeinen, so gilt auch in diesem speziellen Fall, dass von einem Agieren in diesem Einheitskostüm keine Rede sein kann. Es ist natürlich unzweifelhaft, dass die Kinesias-Myrrhine-Szene sexuell und vor allem phallisch aufgeladen ist. Deren Komik verliert aber an Kraft, wenn der Phallos als stereotypes und dauernd sichtbares Requisit verwendet wird. Wahrscheinlicher ist, dass Kinesias ein normales griechisches Obergewand trägt, durch dessen Drapierung (oder Raffung) sein erigierter Phallos für die Dauer der Szene oder – noch wahrscheinlicher – immer wieder punktuell als frivoles Mittel der Komik sichtbar wird (v. 831f.; 928; 947). Die Bildquellen zeigen eine Fülle unterschiedlicher Drapierungen von in Athen üblichen Mänteln vor allem im Zusammenhang mit erotischen Darstellungen. Ein groteskes Einheitskostüm als Ausstattung für Kinesias ist nicht anzunehmen. 841 „außer, was der Schwur verbietet“: wörtlich: „außer, was der Becher weiß“; Anspielung auf das Schwuropfer vv. 194–237. Der Becher steht metonymisch für Opfer und unterstreicht die Lust am Trinken als wesentlichen Anreiz zum Opfern.

182

Drittes Epeisodion: 847–861

Ly. Ki. Ly. Ki. Ly. Ki. Ly. Ki. Ly. Ki. Ly.

Wer ist da innerhalb unserer Postenketten? Ich! Ein Mann? (zeigt auf seinen Phallos) Ja, ein Mann! Dann verschwinde von hier! Wer bist du, die mich verjagt? Die Tagwache. 850 Dann, bei den Göttern, ruf mir Myrrhine heraus! Sieh an, Myrrhine soll ich dir rufen? Wer bist du denn? Ihr Mann, Kinesias aus dem Dorf Paionidai. Willkommen, mein Bester! Vielgerühmt und vielgenannt ist bei uns hier dein Name. 855 Denn ständig führt dich deine Frau im Mund, und wenn sie ein Ei oder einen Apfel isst, ruft sie: „Wenn Kinesias den haben könnte!“ Oh, bei den Göttern! Ja, bei Aphrodite! Und wenn die Rede auf Männer kommt, ist die spontane Antwort deiner Frau: 860 „Verglichen mit Kinesias ist der ganze Rest Abfall.“ Geh nun, und rufe sie! Was dann? Gibst du mir etwas dafür?

Ki. Ly. Ki. Ly.

Λυ. Κι. Λυ. Κι. Λυ. Κι. Λυ. Κι. Λυ. Κι. Λυ.

Κι. Λυ. Κι. Λυ.

τίς οὗτος οὑντὸς τῶν φυλάκων ἑστώς; ἐγώ. ἀνήρ; ἀνὴρ δῆτ᾽. οὐκ ἄπει δῆτ᾽ ἐκποδών; σὺ δ᾽ εἶ τίς ἡκβάλλουσά μ᾽; ἡμεροσκόπος. πρὸς τῶν θεῶν νυν ἐκκάλεσόν μοι Μυρρίνην. ἰδοὺ καλέσω ’γὼ Μυρρίνην σοι; σὺ δὲ τίς εἶ; ἁνὴρ ἐκείνης, Παιονίδης Κινησίας. ὦ χαῖρε φίλτατ᾽ꞏ οὐ γὰρ ἀκλεὲς τοὔνομα τὸ σὸν παρ᾽ ἡμῖν ἐστιν οὐδ᾽ ἀνώνυμον. ἀεὶ γὰρ ἡ γυνή σ᾽ ἔχει διὰ στόμα. κἂν ᾠὸν ἢ μῆλον λάβῃ, ‘Κινησίᾳ τουτὶ γένοιτο,’ φησίν. ὢ πρὸς τῶν θεῶν. νὴ τὴν Ἀφροδίτηνꞏ κἂν περὶ ἀνδρῶν γ᾽ ἐμπέσῃ λόγος τις, εἴρηκ᾽ εὐθέως ἡ σὴ γυνὴ ὅτι λῆρός ἐστι τἄλλα πρὸς Κινησίαν. ἴθι νυν κάλεσον αὐτήν. τί οὖν; δώσεις τί μοι;

850

855

860

Kommentar

183

847–849 Lysistrate erweckt den Eindruck, als wenn die Akropolis ein Tag und Nacht bewachtes Kastell sei. 852 „Kinesias aus dem Dorf Paionidai“: Attischer Demos am ParnesGebirge (im Grenzgebiet zwischen Attika und Boiotien). Der Demos wird genannt, weil der Demos-Name Teil des individuellen Namens ist, denn der vollständige Name bestand aus dem Eigennamen, dem Namen des Vaters und des Demos. Die modernen Kommentatoren argwöhnen in der Ortsbezeichnung eine sexuelle Konnotation durch lautliche Anklänge an das vor allem poetische paíein „schlagen, stoßen“, das als Metonymie für griech. bineín „vögeln“ nachweisbar ist. Anders als das umgangssprachliche griech. kineín (s. Anm. zu v. 838) ist paíein mit sexueller Konnotation allerdings wohl wenig gebräuchlich gewesen, so dass eine solche Assoziation kaum erstrebt ist. Die älteren Kommentatoren haben, im Anschluss an die Scholien, eine Assoziation zu péos „Schwanz, Penis“ postuliert, die allerdings wegen der geringen lautlichen Schnittmenge noch willkürlicher ist. Es ist ein bis in die Antike zurückreichender interpretatorischer Irrweg, allzu hintergründige sexuelle und dabei vor allem phallische Anspielungen zu suchen. Der Text der Komödien des Aristophanes hat keine hintergründige sexuelle Grundierung, er ist in dieser Hinsicht eindeutig und offen. 853f. Poetisch-tragisierende Anrede wie v. 145. 855 „ständig führt dich deine Frau im Mund“: wohl sexuelle Konnotation im Sine der Fellatio. 861–863 Lysistrate behandelt Kinesias als potentiellen Kunden in der Art einer Bordellwirtin oder Hetäre. Diese Praxis ist aus Vasendarstellungen (Geldbeutelwerbungen) bekannt, bei denen ein Freier als Zeichen seiner Zahlungsfähigkeit einen Geldbeutel in Händen hält und einer Hetäre überreicht; Dierichs (1997) 86 mit Abb. 159.

184

Drittes Epeisodion: 862–876

Ki.

(zeigt auf seinen Phallos) Das tue ich, bei Zeus, wenn du dies willst. (Lysistrate reagiert nicht.) Dann habe ich dieses (wirft ihr seinen Geldbeutel zu). Was ich habe, gebe ich dir. Gut! Ich gehe jetzt hinunter und rufe sie dir. Mach schnell! (Lysistrate tritt ab.) 865 Ich habe ja keine Freude am Leben mehr, seit sie das Haus verlassen hat, sondern ich bin betrübt, wenn ich nach Hause komme; öd und leer erscheint mir alles. Auch am Essen habe ich keine Freude mehr. Denn ich habe einen Steifen. (erscheint auf der Brüstung und spricht zur unsichtbaren Lysistrate) 870 Ich liebe, ja ich liebe ihn, aber er will nicht von mir geliebt werden. Ruf mich nicht zu ihm hinaus! O allersüßestes Myrrhinchen, warum tust du das? Komm herunter zu mir! Nein, bei Zeus, ich gehe da nicht hin. Wirst du herunterkommen, Myrrhine, wenn ich dich rufe? 875 Du rufst mich, aber du willst mich gar nicht. Ich dich nicht wollen? Ich bin ganz zermürbt.

Ly. Ki.

My. Ki. My. Ki. My. Ki.

Κι. Λυ. Κι.

Μυ. Κι. Μυ. Κι. Μυ. Κι.

ἔγωγέ νὴ τὸν Δί᾽, ἢν βούλῃ γε σύꞏ ἔχω δὲ τοῦθ᾽ꞏ ὅπερ οὖν ἔχω, δίδωμί σοι. φέρε νυν καλέσω καταβᾶσά σοι. ταχύ νυν πάνυ. ὡς οὐδεμίαν ἔχω γε τῷ βίῳ χάριν, ἐξ οὗπερ αὕτη ’ξῆλθεν ἐκ τῆς οἰκίαςꞏ ἀλλ᾽ ἄχθομαι μὲν εἰσιών, ἔρημα δὲ εἶναι δοκεῖ μοι πάντα, τοῖς δὲ σιτίοις χάριν οὐδεμίαν οἶδ᾽ ἐσθίωνꞏ ἔστυκα γάρ. φιλῶ φιλῶ ’γὼ τοῦτονꞏ ἀλλ᾽ οὐ βούλεται ὑπ᾽ ἐμοῦ φιλεῖσθαι. σὺ δ᾽ ἐμὲ τούτῳ μὴ κάλει. ὦ γλυκύτατον Μυρρινίδιον, τί ταῦτα δρᾷς; κατάβηθι δεῦρο. μὰ Δί᾽ ἐγὼ μὲν αὐτόσ᾽ οὔ. ἐμοῦ καλοῦντος οὐ καταβήσει, Μυρρίνη; οὐ γὰρ δεόμενος; οὐδὲν ἐκκαλεῖς ἐμέ. ἐγὼ οὐ δεόμενος; ἐπιτετριμμένος μὲν οὖν.

––––––––––––

862 Ergänzung durch Bentley 866 ’ξῆλθεν Grynaeus : ξυνῆλθεν R

865

870

875

Kommentar

185

865–869: Poetisch-tragisierende Klage in der Form des Monologs in freier Anlehnung an die Klage Admets über den Tod seiner Frau Alkestis in der Alkestis des Euripides (vv. 939–949), mit den Motiven Lebensüberdruss und Einsamkeit (Übersetzung Gustav Adolf Seeck; Einzelheiten: Rau (1967) 200; s. Anm. zu vv. 706–717): „Ich … werde ein trauriges Leben führen. Das wird mir jetzt klar. Wie soll ich es ertragen, ins Haus einzutreten? Wie soll ich mich freuen, wenn ich jemand begrüße und er mir antwortet beim Eintreten? Wohin soll ich mich wenden? Die Einsamkeit drinnen treibt mich heraus, wenn ich das leere Lager meiner Frau sehe und den Sessel, auf dem sie zu sitzen pflegte, und in den Zimmern den staubigen Boden, und die Kinder, die sich an meine Knie klammern und nach der Mutter rufen, und wenn die [Diener] beklagen, welch gute Hausherrin sie verloren haben.“ Die tragisierende Klage des Kinesias wird dann komisch durch das obszöne „ich habe einen Steifen“ aufgelöst. In der überraschenden Kopplung von tragisierender Emotionalität und Obszönität wird hier die Komik garantiert. 869 „ich habe einen Steifen“: s. Anm. zu v. 124. 872 „O allersüßestes Myrrhinchen“: Das Deminutivum „Myrrhinchen“ (griech. Myrrhinídion) zu dem Eigennamen Myrrhine ist als Kosename erotisch-schmeichelnd konnotiert; ähnlich „Myrrhilein“ (v.906).

186

Drittes Epeisodion: 877–890

My. Ki.

Ich gehe.

Μυ. Κι.

ἄπειμι.

Nein, nicht doch! Höre doch wenigstens auf dein Söhnchen! (zu dem Kind) Du, ruf die Mami! Kind des Kinesias und der Myrrhine Mammia! Mammia! Mammia! Ki. (zu Myrrhine) Du, was ist los mit dir? Hast du kein Mitleid mit deinem Söhnchen, 880 das schon den sechsten Tag ungewaschen und ungestillt ist? My. Ich habe Mitleid mit ihm. Aber sein Vater schert sich nicht um sein Söhnchen. Ki. Komm herunter zu deinem Söhnchen, du wunderliche Frau! My. Wie zwingend ist die Mutterpflicht! Ich muss hinuntergehen. Was Anderes soll ich tun? (Kommt herunter.) 885 Ki. (zu den Zuschauern) Mir scheint, sie sieht viel jünger aus und sie blickt viel reizender. Und dass sie so abweisend mir gegenüber ist und so hochmütig auftritt, gerade das macht es, dass ich vor Liebe vergehe. My. (kommt aus der Akropolis vor den Eingang und nimmt ihr Kind auf den Arm) Mein allersüßes und liebes Kind, dass du einen solch bösen Vater hast! 890 Lass dich küssen, Mamis allersüßester Liebling!

μὴ δῆτ᾽, ἀλλὰ τῷ γοῦν παιδίῳ ὑπάκουσον. οὗτος, οὐ καλεῖς τὴν μαμμίαν; Παῖς Κινησίου μαμμία, μαμμία, μαμμία. Κι. αὕτη, τί πάσχεις; οὐδ᾽ ἐλεεῖς τὸ παιδίον ἄλουτον ὂν κἄθηλον ἕκτην ἡμέραν; Μυ. ἔγωγ᾽ ἐλεῶ δῆτ᾽ꞏ ἀλλ᾽ ἀμελὴς αὐτῷ πατὴρ ἔστιν. Κι. κατάβηθ᾽, ὦ δαιμονία, τῷ παιδίῳ. Μυ. οἷον τὸ τεκεῖνꞏ καταβατέον. τί γὰρ πάθω; Ki. ἐμοὶ μὲν αὕτη καὶ νεωτέρα δοκεῖ πολλῷ γεγενῆσθαι κἀγανώτερον βλέπεινꞏ χἂ δυσκολαίνει πρὸς ἐμὲ καὶ βρενθύεται, ταῦτ᾽ αὐτὰ δή ᾽σθ᾽ ἃ καί μ᾽ ἐπιτρίβει τῷ πόθῳ. Μυ. ὦ γλυκύτατον σὺ τεκνίδιον κακοῦ πατρός, φέρε σε φιλήσω, γλυκύτατον τῇ μαμμίᾳ. ––––––––––––

885 μέν Brunck : γάρ R, γάρ verlangt die Ergänzung eines Verses

880

885

890

Kommentar

187

877 „Höre doch wenigstens auf dein Söhnchen!“: Säugling als Teil der Handlung und sein Jammern als Mittel der Mitleidserregung. Als Begleiter des Kinesias ist v.845 ein Sklave mit einem Säugling (wohl als Puppe) auf dem Arm aufgetreten, der bisher keine Bedeutung gehabt hat. Die szenische Darstellung des Auftritts wird nicht im Text angezeigt. Auf den Sklaven kommt es dabei nicht an, denn dieser ist als ‚normale‘ Begleitung eines Bürgers unauffällig. Anders verhält es sich mit dem Säugling. Entsprechend der szenischen Praxis der Komödie, nach der ‚Requisiten‘ erst sichtbar werden, wenn sie gebraucht werden, wird man davon ausgehen können, dass der Säugling nicht beim Auftritt des Sklaven bereits sichtbar war, sondern verdeckt auf dem Arm des Sklaven hereingetragen wurde und erst jetzt aufgedeckt wird. Mit einem dreimaligen „mammia“ wird er plötzlich Teil der Handlung und Mittel der Komik. Dabei ist der Einsatz eines Säuglings sicherlich ein ungewohntes Mittel, aber in Verbindung mit einer Pseudo-Hochschwangeren (vv. 742–757) eine analoge Erweiterung des Komik-Repertoires. Mag auch der Säugling als Teil der Handlung ungewohnt sein, so sind Kinder doch immer wieder als Figuren der Handlung üblich, so in den Acharnern (vv. 729–835), in den Wespen (vv. 248–315) und im Frieden (vv. 114– 149). In den Acharnen sollen zwei als Ferkel zurechtgemachte Mädchen aus Megara auf dem Markt in Athen verkauft werden, die ihre neue Identität durch wiederholtes Grunzen (griech. koḯ koḯ) äußern. Und im Frieden sind es zwei Mädchen, die sich über den Flug ihres Vaters auf einem Mistkäfer wundern und von ihm erfahren, dass er auf dem Weg zu den Göttern ist, um mit deren Hilfe für Frieden in Griechenland zu sorgen. Dass die Kinderrollen auch von Kindern übernommen wurden, kann als sicher gelten. Das Jammern des Säuglings als Mittel der Mitleidserregung spielt an auf die Praxis bei Gerichtsprozessen, in denen die Anwesenheit von jammernden Kindern der Angeklagten die Richter zu milden Urteilen bewegen soll. Auf diese Üblichkeit verweist Sokrates in der Apologie Platons (34c-d). Er erwähnt dort die Angeklagten, die nicht nur Verwandte und Freunde, sondern auch ihre Kinder ins Gericht mitgebracht hätten, „um möglichst viel Mitleid zu erregen“. Als Parodie hat Aristophanes dieses Phänomen in den Wespen szenisch dargestellt: Der Protagonist Philokleon hat als Kompensation für seine unerbittliche Tätigkeit als Richter im attischen Volksgericht ein Privatgericht für seine Hunde erhalten, wo er seine Richterlust ausleben kann. Natürlich möchte er auch dort mit unerbittlicher Strenge urteilen. Da greift sein Sohn ein und ruft nach den „Kindern“ des angeklagten Hundes (vv. 976–978; Übersetzung Ludwig Seeger): „Wo sind die Kinder? Kommt her, ihr armen Würmer, heult und winselt, Schreit, leckt die Hand ihm und zerfließt in Tränen.“

188

Drittes Epeisodion: 891–904

Ki.

Warum, du Schlimme, tust du das und machst gemeinsame Sache mit den anderen Frauen, so dass du mich peinigst und dich auch selbst grämst? (Streckt die Hand nach Myrrhine aus.) Nimm die Hand weg! Was im Hause ist, meine und deine Sachen, lässt du verkommen. 895 Das kümmert mich wenig. Kümmert es dich auch wenig, dass die Hähne das Wollgarn wegschleppen? Nicht ein bisschen! Die heiligen Riten der Aphrodite hast du so lange nicht gefeiert. Willst du nicht nach Hause zurückkommen? Nein bei Zeus, ich auf keinen Fall, solange ihr Männer nicht für Frieden sorgt 900 und den Krieg beendet. Gut, wenn es uns richtig erscheint, werden wir es auch tun. Gut, wenn es mir richtig erscheint, werde ich auch nach Hause gehen. Aber jetzt habe ich der Rückkehr abgeschworen. Aber leg dich wenigstens mit mir nach so langer Zeit hier hin!

My. Ki. My. Ki. My. Ki. My. Ki. My. Ki.

Κι. Μυ. Κι. Μυ. Κι. Μυ. Κι. Μυ. Κι. Μυ. Κι.

τί, ὦ πονήρα, ταῦτα ποιεῖς χἀτέραις πείθει γυναιξί, κἀμέ τ᾽ ἄχθεσθαι ποιεῖς αὐτή τε λυπεῖ; μὴ πρόσαγε τὴν χεῖρά μοι. τὰ δ᾽ ἔνδον ὄντα τἀμὰ καὶ σὰ χρήματα χεῖρον διατίθης. ὀλίγον αὐτῶν μοι μέλει. ὀλίγον μέλει σοι τῆς κρόκης φορουμένης ὑπὸ τῶν ἀλεκτρυόνων; ἔμοιγε νὴ Δία. τὰ δὲ τῆς Ἀφροδίτης ἱέρ᾽ ἀνοργίαστά σοι χρόνον τοσοῦτόν ἐστιν. οὐ βαδιεῖ πάλιν; μὰ Δί᾽ οὐκ ἔγωγ᾽, ἢν μὴ διαλλαχθῆτέ γε καὶ τοῦ πολέμου παύσησθε. τοιγάρ, ἢν δοκῇ, ποιήσομεν καὶ ταῦτα. τοιγάρ, ἢν δοκῇ, κἄγωγ᾽ ἄπειμ᾽ ἐκεῖσεꞏ νῦν δ᾽ ἀπομώμοκα. σὺ δ᾽ ἀλλὰ κατακλίνηθι μετ᾽ ἐμοῦ διὰ χρόνου.

895

900

Kommentar

189

881 „schon den sechsten Tag ungewaschen und ungestillt“: Zeitangaben sind in den Komödien des Aristophanes kein Mittel, die Handlung als Entwicklung darzustellen oder sie nach den Regeln der Wahrscheinlichkeit im Sinne des Realitätsbezugs einzurichten, sondern ein Mittel der Komik, die in diesem Fall durch Übertreibung erreicht wird und der Nonsens-Komik zuzurechnen ist. Eine Stillunterbrechung von sechs Tagen ist für Mutter und Kind gleichermaßen wenig bekömmlich. 889–953 Myrrhines provozierendes Liebesspiel mit ihrem Mann: Das Liebesspiel ist durchsetzt mit Elementen des Hetärenmilieus, das in der Vasenmalere der Zeit reich dokumentiert ist; Dierichs (1997) 56–92 mit Abbildungen. Myrrhine bewährt sich sich als Verführungskünstlerin, allerdings nicht mit dem Ziel der Lusterfüllung, sondern der Vernichtung der angestachelten Liebeslust. Dieses Liebesspiel zwischen den Ehepartnern Myrrhine und Kinesias lässt sein Urbild in der Ilias (14,153–15,146; Übersetzung Wolfgang Schadewaldt) Homers anklingen: Ähnlich wie Myrrhine ihre Verführungskünste für ihre Ziele einsetzt, greift Hera gegenüber ihrem Mann Zeus zu demselben Mittel. In beiden Fällen sind die Ehemänner die Düpierten. Das Liebesspiel ist ein Mittel der Täuschung. Zwar ist das Liebesspiel in der Lysistrate eine konzentrierte und geschlossene Szene, aber auch in der Ilias hat die Handlung bei aller Offenheit zum Kampfgeschehen um Troia eine prominente erotische Prägung: Hera verführt Zeus, um gegen dessen Willen den bedrängten Achaiern durch Poseidon helfen zu können. Dazu bedarf sie der Unterstützung der Aphrodite, die ihr alle dazu nötigen „Bezauberungen“ verleiht (14,215): „Liebeskraft“, „Verlangen“, „Liebesgeflüster“ und „Verführung, die auch den verständig Denkenden den Sinn raubt“ (14,216f.). Die Wirkung bleibt nicht aus (14, 294f.): Als Zeus Hera erblickt, „umhüllte ihm Verlangen die dichten Sinne, so wie damals, als sie zum erstenmal sich vereinten in Liebe, / zum Lager eilend, verborgen vor den eigenen Eltern.“ Dem ungestümen Drängen des Zeus „auf den Gipfeln des Ida“ gibt Hera aber nicht sofort nach, denn dort sei „doch alles offen sichbar“ (14,327). Sie schlägt als Ort einen Raum „mit dichten Türen“ (14,339) vor. Ihren Vorschlag beantwort Zeus mit einem Gegenvorschlag, den Hera auch akzeptiert. Er sorgt für eine blickdichte Wolke und lässt ein „dichtes und weiches“ (14,349) Lager aus „frisch sprossendem Gras“, aus Lotos, Krokos und Hyakinthos wachsen. „Von Liebe und Schlaf bezwungen“, hält er seine Frau in „den Armen“. Jetzt kann Poseidon seine Hilfsaktion für die Achaier starten. 894 „Was im Hause ist, meine und deine Sachen“: Die rechtlich getrennten Vermögen der Eheleute werden durch die Heirat gemeinsam genutzt. 898f. „Die heiligen Riten der Aphrodite hast du so lange nicht gefeiert“: Zum Wirkungsbereich der Göttin Aphrodite, der Liebesgöttin, gehört die sexuelle Praxis. Daher können ihre „heiligen Riten“ zur poetisch-religiösen Metonymie für den Geschlechtsverkehr werden, durch die der Geschlechtsverkehr als eine kultische Handlung geadelt wird.

190

Drittes Epeisodion: 905–918

My.

Nein, auf keinen Fall! Und doch kann ich nicht sagen, dass ich dich nicht liebe. 905 Du liebst mich? Warum legst du dich dann nicht mit mir hin, Myrrhilein? Du Komischer! Vor dem Kind? Natürlich nicht, bei Zeus! Manes, bring das Kind nach Hause! (Der Sklave Manes verlässt mit dem Kind die Bühne.) Siehst du, das Kind hindert dich nicht mehr. Willst du dich jetzt nicht mit mir hinlegen? 910 Wo, mein Lieber, könnte man es denn tun? Wo? Die Pansgrotte ist ein guter Ort. Und wie könnte ich dann noch rein in die Burg zurückkehren? Sehr leicht sogar, wenn du dich in der Klepshydra-Quelle wäschst. Dann soll ich also, mein Lieber, den Eid brechen, den ich geschworen habe? 915 Dafür stehe ich gerade. Um den Eid mach dir keine Sorge! Ich hole jetzt für uns beide eine Liege. Nicht doch! Der Boden reicht für uns. Nein, bei Apollon, einen Mann wie dich will ich nicht auf dem Boden liegen haben. (Läuft fort.)

Ki. My. Ki.

My. Ki. My. Ki. My. Ki. My. Ki. My.

Μυ Κι. Μυ. Κι. Μυ. Κι. Μυ. Κι. Μυ. Κι. Μυ. Κι. Μυ.

οὐ δῆταꞏ καίτοι σ᾽ οὐκ ἐρῶ γ᾽ ὡς οὐ φιλῶ. φιλεῖς; τί οὖν οὐ κατεκλίνης, ὦ Μύρριον; ὦ καταγέλαστ᾽, ἐναντίον τοῦ παιδίου; μὰ Δί᾽ ἀλλὰ τοῦτό γ᾽ οἴκαδ᾽, ὦ Μανῆ, φέρε. ἰδοὺ, τὸ μέν σοι παιδίον καὶ δὴ ᾿κποδώνꞏ σὺ δ᾽ οὐ κατακλίνει; ποῦ γὰρ ἄν τις καὶ, τάλαν δράσειε τοῦθ᾽; ὅπου; τὸ τοῦ Πανὸς καλόν. καὶ πῶς ἔτ᾽ ἂν ἁγνὴ δῆτ᾽ ἀνέλθοιμ᾽ εὶς πόλιν; κάλλιστα δήπου, λουσαμένη τῇ Κλεψύδρᾳ. ἔπειτ᾽ ὀμόσασα δῆτ᾽ ἐπιορκήσω, τάλαν; εἰς ἐμὲ τράποιτοꞏ μηδὲν ὅρκου φροντίσῃς. φέρε νυν ἐνέγκω κλινίδιον νῷν. μηδαμῶς. ἀρκεῖ χαμαὶ νῷν. μὰ τὸν Ἀπόλλω, μή σ᾽ ἐγὼ καίπερ τοιοῦτον ὄντα κατακλινῶ χαμαί.

905

910

915

Kommentar

191

906 „Myrrhilein“: Griech. Mýrrhion; Deminutivum zu der Abkürzung Myrrh- des Eigennamens Myrrhine; erotisch-schmeichelnder Kosenamen wie Myrrhinídion „Myrrhinchen“ (v. 872). 908 „Manes“: Verbreiteter Eigenname von Sklaven kleinasiatischer Herkunft in Attika. In Verbindung mit dem Artikel kann der Eigenname zum Gattungsnamen „Sklave“ werden, so v. 1211; s. Anm. zu v. 1211. Dass ein Sklave des Kinesias den Säugling auf die Bühne gebracht hat, entspricht natürlich nicht dem üblichen Aufgabenfeld männlicher Sklaven in der Familie. Für Säuglinge waren Sklavinnen zuständig. Aber im Rahmen der Handlung mit der strikten Opposition Mann-Frau hätte die Szene mit einer Sklavin an Komik verloren. Möglicherweise ist auch diese Opposition dafür verantwortlich, dass der Säugling männlich (in der Anrede griech. hū ́ tos, v. 978) ist. 911 „Pansgrotte“: Repräsentiert wird der Eingang zur Grotte durch eine der beiden kleineren Seitentüren des Bühnenhauses; damit wechselt der Spielort von dem zentralen großen Mitteltor, das die Propyläen darstellt, bis v. 958 zu einer Nebentür; zu Pan s. Anm. zu v. 721 und vv. 1–2. 912 „rein (im Sinne von „unbefleckt“, griech. hagnós) in die Burg (griech. pólis) zurückkehren“: Nach dem Geschlechtsverkehr war es verboten, ein Heiligtum ohne Reinigung durch fließendes Wasser zu betreten. Wie die Geburt (s. Anm. zu v. 744) galt auch Sexualität als Befleckung im religiösen Sinn. 913 „Klepshydra-Quelle“: Quelle (mit bis heute existierendem Quellhaus) unterhalb der Pansgrotte am Hang der Akropolis; s. Anm. v. 327f. 916–949 Einsatz von Requisiten für das Liebesnest: Die verbale Komik wird an vielen Stellen durch den Einsatz von Requisiten gesteigert. Diese Requisiten stehen ohne große Vorbereitung sofort zur Verfügung, wenn sie gebraucht werden. Das geschieht auch hier beim Aufbau des Liebesnestes. Liege, Matte, Kissen, Decke und Salbenfläschchen – alle diese Gegenstände werden während der Sprechdauer eines Verses von Myrrhine auf die Bühne geholt. Es ist kontrovers, was mit diesen Requisiten geschieht, wenn sie als Mittel der Komik ihre Aufgabe verloren haben. Der Text selbst bleibt sprachlos. Über das Wegräumen der Requisiten gibt es aus guten Gründen keine Hinweise, da es kein Mittel der Komik sein kann. Das Nächstliegende ist, dass diese Requisiten am Ende des Handlungsabschnitts abgeräumt werden, im Falle der KinesiasMyrrhine-Szene also nach v. 953. Das wird auch für die Requisiten des Trankopfers im Prolog und für die Ausrüstung der alten Männer mit Kohlebecken und Holzteilen in der Parodos gelten. Demgegenüber hat man für den Verbleib der Ausrüstung des Liebesnestes der Kinesias-Myrrhine-Szene als eines Symbols für die zentrale Bedeutung der Lysistrate plädiert (Möllendorff 2002, 185). Das ist aber eher unwahrscheinlich, weil diese Requisiten angesichts neuer komischer Situationen nicht mehr wahrgenommen werden und auch nicht mehr wahrgenommen werden sollen.

192

Drittes Epeisodion: 919–932

Ki. My.

Die Frau liebt mich; das zeigt sie ganz klar. (kommt mit der Liege zurück) Hier leg dich schnell hin! Ich ziehe mich aus. 920 Doch halt, es fehlt noch – wie heißt es doch noch? – ja, eine Matte muss noch her. Warum eine Matte? Für mich nicht! O ja, bei Artemis! Denn angenehm ist es nicht auf den harten Gurten. Gib mir einen Kuss! Da! (Küsst ihn und läuft wieder fort.) Donnerwetter! Komm ganz schnell zurück! (kommt mit der Matte zurück) Hier ist die Matte! Leg dich hin, 925 und ich ziehe mich aus. Doch halt, es fehlt noch – wie heißt es doch noch? – ja, du hast kein Kissen. Aber ich brauche keines. Bei Zeus, aber ich! (läuft wieder fort) (zeigt auf seinen Phallos) Wird mein Schwanz hier so schlecht versorgt wie Herakles? (kommt mit dem Kissen zurück) Steh auf, spring auf! Habe ich jetzt alles? 930 Wirklich alles! Komm jetzt, du Goldstück! Schon mache ich mein Busenband auf. Aber denke daran: Brich nicht dein Versprechen, für Frieden zu sorgen!

Ki. My. Ki. My. Ki. My.

Ki. My. Ki. My. Ki. My.

Κι. Μυ. Κι. Μυ. Κι. Μυ. Κι. Μυ. Κι. Μυ. Κι. Μυ. Κι. Μυ.

ἥ τοι γυνὴ φιλεῖ με, δήλη ҆στὶν καλῶς. ἰδοὺ, κατάκεισ᾽ ἀνύσας τι, κἀγὼ ҆κδύομαι. καίτοι, τὸ δεῖνα, ψίαθός ἐστ᾽ ἐξοιστέα. ποία ψίαθος; μὴ μοί γε. νὴ τὴν Ἄρτεμιν, αἰσχρὸν γὰρ ἐπὶ τόνου γε. δός μοί νυν κύσαι. ἰδού. παπαιάξꞏ ἧκέ νυν ταχέως πάνυ. ἰδοὺ ψίαθος. κατάκεισο, καὶ δὴ ҆κδύομαι. καίτοι, τὸ δεῖνα, προσκεφάλαιον οὐκ ἔχεις. ἀλλ᾽ οὐδὲ δέομ᾽ ἔγωγε. νὴ Δί᾽ ἀλλ᾽ ἐγώ. ἀλλ᾽ ἦ τὸ πέος τόδ᾽ Ἡρακλῆς ξενίζεται; ἀνίστασ᾽, ἀναπήδησον. ἤδη πάντ᾽ ἔχω; ἅπαντα δῆτα. δεῦρό νυν, ὦ χρύσιον. τὸ στρόφιον ἤδη λύομαι. μέμνησό νυνꞏ μή μ᾽ ἐξαπατήσῃς τὰ περὶ τῶν διαλλαγῶν.

920

925

930

Kommentar

193

924 „Donnerwetter!“: Griech. papaiáx; Ausdruck des Entzückens im erotischen Kontext; ähnlich griech. papapapaí (Thesmophoriazusen, v. 1191) und griech. attataí (Acharner, v. 1198). 928 „schlecht versorgt wie Herakles“: Herakles, in Kult und Mythos ohne feste Konturen, ist einmal durch seine erfolgreichen Kämpfe mit wilden und gefährlichen Tieren an vielen kleinen Kultstätten als „Übelabwehrer“ (griech. alexíkakos) und „Siegbringer“ (griech. kallínikos) verehrt worden, zum andern ist er auch, vor allem in der Komödie, aber auch in der Tragödie, wegen seiner Teilnahme an Mahlzeiten von Kultverbänden zum Vielfraß mit gargantueskem Appetit und zumTrinker geworden. So berichtet ein Diener vom Verhalten des Herakles im Trauerhaus des Admet (Euripides, Alkestis, 747–761; Übersetzung Gustav Adolf Seeck): „Vielen aus den verschiedenen Weltgegenden […] habe ich schon Essen aufgetragen, aber ich habe noch keinen schlimmeren Gast an unserm Herd empfangen. […] [Er nahm] nicht bescheiden an, was man ihm gastlich bot, […] sondern forderte mehr, wenn wir nicht genug brachten. Den Efeubecher in den Händen Trinkt er ungemischten dunklen [Wein], bis ihn das Feuer des Weines erwärmend umhüllte. Er bekränzt sich den Kopf mit Myrtenzweigen und grölt mißtönend herum.“ In diesem Zusammenhang ist offensichtlich ein spezifisches Komödienmotiv mit einem Herakles entstanden, der mit seinem großen Hunger und Durst erwartungsvoll an Mahlzeiten teilnehmen will, aber von den Gastgebern wegen seiner Unmäßigkeit nicht zugelassen oder nur unzureichend versorgt wird. Dieses Motiv ist zwar nicht in einer szenischen Darstellung erhalten, aber aus den Wespen (v. 60; 67) zu erschließen. Dort distanziert sich Aristophanes von konventionellen Komödienmotiven, so auch von einem Herakles, der um „sein Essen geprellt ist“ (griech. to deípnon exapatṓmenos). Ein solches Motiv ist seiner Komödie nicht würdig, sondern ist Zeichen der von ihm verachteten „primitiven Komödie“ (griech. phortikḗ kōmōdía); s. Anm. zu v.1218. Dieses Motiv vom schlecht versorgten Herakles überträgt Aristophanes auf den Penis des Kinesias, der durch die Liebeskünste der Myrrhine erwartungsvoll gereizt wird, dann aber nicht tätig werden kann. 930 „du Goldstück!“: Griech. ō chrýsion; Kosename der Umgangssprache; so auch im Dual griech. ō chrysíō „ihr beiden Goldstücke“ (Acharner, v. 1200). 931 „Schon mache ich mein Busenband auf“: Das Versprechen, das „Busenband“ zu lösen, bedeutet die Steigerung der Erotisierung. Das Busenband selbst (mit oder ohne Träger) (griech. stróphion) ist ein obligatorisches Kleidungsstück (Thesmophoriazusen, vv. 253–256). Auf Vasenbildern ist es gelegentlich als Erotikum eingesetzt; s. Dierichs (1997) 90 mit Abb. 163.

194 Ki. My. Ki. My. Ki. My. Ki. My. Ki. My. Ki. My. Ki. My. Ki. My.

Κι. Μυ. Κι. Μυ. Κι. Μυ. Κι. Μυ. Κι. Μυ. Κι. Μυ. Κι. Μυ. Κι. Μυ.

Drittes Epeisodion: 933–945

Bei Zeus, ich will sterben, wenn ich es tue.

Du hast keine Decke. Bei Zeus, ich brauche keine, sondern ich will vögeln. Keine Sorge! Das sollst du auch. Ich komme ja schnell wieder. (läuft 935 wieder fort) Dieses Frauenzimmer bringt mich um mit seinem Bettzeug. (kommt mit der Decke zurück) Erhebe dich! Aber der hier (zeigt auf seinen Phallos) hat sich schon erhoben. Willst du, dass ich dich mit Salböl einreibe? Nein, bei Apollo, das will ich nicht! Doch, bei Aphrodite, ich tue es, ob du es willst oder nicht. (läuft wieder fort) 940 Wenn sie doch das Salböl verschütten würde, Herrscher Zeus! (kommt mit einem Fläschchen Salböl zurück) Halte jetzt die Hand auf und reibe dich ein! Nein, bei Apollon, dieses Salböl riecht nicht angenehm. Es riecht nur nach Verzögerung und nicht nach Ehe. O, ich dummes Ding! Ich habe dir das falsche Salböl gebracht. Es ist gut. Lass es hier, du Wunderliche! Du redest immer nur Unsinn. 945 (läuft wieder fort)

νὴ Δί᾽ ἀπολοίμην ἆρα.

σισύραν οὐκ ἔχεις. μὰ Δί᾽ οὐδὲ δέομαί γ᾽, ἀλλὰ βινεῖν βούλομαι. ἀμέλει ποιήσεις τοῦτοꞏ ταχὺ γὰρ ἔρχομαι. ἅνθρωπος ἐπιτρίψει με διὰ τὰ στρώματα. ἔπαιρε σαυτόν. ἀλλ᾽ ἐπῆρται τουτογί. βούλει μυρίσω σε; μὰ τὸν Ἀπόλλω μὴ μέ γε. νὴ τὴν Ἀφροδίτην, ἤν τε βούλῃ γ᾽ ἤν τε μή. εἴθ᾽ ἐκχυθείη τὸ μύρον, ὦ Ζεῦ δέσποτα. πρότεινέ νυν τὴν χεῖρα κἀλείφου λαβών. οὐχ ἡδὺ τὸ μύρον μὰ τὸν Ἀπόλλω τουτογί, εἰ μὴ διατριπτικόν γε κοὐκ ὄζον γάμων. τάλαιν᾽ ἐγὼ, τὸ ῥόδινον ἤνεγκον μύρον. ἀγαθόνꞏ ἔα αὔτ᾽, ὦ δαιμονία. ληρεῖς ἔχων.

––––––––––––

937 τουτογί van Herwerden : τοῦτό γε Hss.

941 νυν Γ : δὴ R

935

940

945 944 ῥόδινον Bergk : Ῥόδιον R

Kommentar

195

934 „ich will vögeln“: ähnlich v. 715. 936 „Dieses Frauenzimmer“: Griech. hā ́ nthrōpos (syntrahiert aus hē ánthrōpos): die maskuline Form des Substantivs (griech. ánthrōpos „Mensch“) bezeichnet durch den Artikel eine männliche oder weibliche Person. Sie ist mit dem femininen Artikel Ausdruck einer Verärgerung oder Unwillens. Dieser Gebrauch ist in der attischen Prosa verbreitet. 938 „Salböl“: Mit griech. myrtízein „mit Salböl einreiben“ (v. 938) und griech. mýron „Salböl“ (v. 940; 942) bringt Myrrhine ihren Namen in die Handlung ein; s. Anm. zu v. 6. Salböl als Parfum ist ein wesentliches Erotikum. Die Protagonistin Praxagora „vögelt“ nie ohne Salböl (Ekklesiazusen, vv. 524–526). 944 „das falsche Salböl“: Wörtlich: „das Rosen-Salböl“ (griech. ródinon mýron); Myrrine hält das Rosenöl, ein beliebtes Parfüm, aus taktischen Gründen für falsch: sie braucht einen Vorwand, um wieder verschwinden und so Kinesias noch mehr reizen zu können. Überliefert ist griech. Rhódion mýron „Salböl aus Rhodos“. Da aber ein spezifisches Salböl aus Rhodos unbekannt ist, ist die naheliegende Verbesserung in griech. ródinon mýron „Rosen-Salböl“ eine sinnvolle Lösung.

196

Drittes Epeisodion: 946–958

Ki. My.

Zum Teufel mit dem, der als Erster Salböl kochte! (kommt mit einem schlanken Fläschchen zurück) Nimm dieses Röhrenfläschchen! (zeigt auf seinen Phallos) Aber ich habe doch schon eines. Aber lege dich endlich hin, du Hexe, und bringe mir nichts mehr! Das will ich tun, bei Artemis. 950 Ich ziehe jetzt meine Schuhe aus. Aber mein Liebster, dass du mir ja für den Frieden stimmst! Ich will darüber nachdenken. (Myrrhine läuft in die Akropolis.) Völlig vernichtet und umgebracht hat mich diese Frau. Erst hat sie alles enthäutet und steifgemacht, dann ist sie fortgerannt. (Die Chöre treten in die Mitte der Orchestra. Während der Chor der Frauen wieder bekleidet ist, bleibt der Chor der Männer noch halbnackt.)

Ki. My. Ki.

Ki.

Weh mir, was soll ich tun? Wen soll ich jetzt vögeln, Klageamoibaion 955 betrogen um die Schönste aller Frauen? Wie soll ich diesen meinen Kleinen (zeigt auf seinen Phallos) ernähren? Wo ist ein Bordellwirt wie der Kynalopex? Vermiete mir jetzt eine Amme!

Κι. Μυ. Κι.

κάκιστ᾽ ἀπόλοιθ᾽ ὁ πρῶτος ἑψήσας μύρον. λαβὲ τόνδε τὸν ἀλάβαστον. ἀλλ᾽ ἕτερον ἔχω. ἀλλ᾽ ᾠζυρὰ, κατάκεισο καὶ μή μοι φέρε μηδέν. ποιήσω ταῦτα νὴ τὴν Ἄρτεμιν. ὑπολύομαι γοῦν. ἀλλ᾽ ὅπως, ὦ φίλτατε, σπονδὰς ποιεῖσθαι ψηφιεῖ. βουλεύσομαι. ἀπολώλεκέν με κἀπιτέτριφεν ἡ γυνὴ τά τ᾽ ἄλλα πάντα κἀποδείρασ᾽ οἴχεται.

Μυ. Κι.

οἴμοι τί πάθω; τίνα βινήσω τῆς καλλίστης πασῶν ψευσθείς; πῶς ταυτηνὶ παιδοτροφήσω; ποῦ Κυναλώπηξ; μίσθωσόν μοι τὴν τίτθην. ––––––––––––

946 πρῶτος Γ : πρῶτον R 956 ταυτηνὶ Reisig : ταύτην Hss.

950

955

Kommentar

197

946 „der als Erster Salböl kochte“: Komische Verwünschung in Anlehnung an poetisch-emphatische Verwünschungen in verschiedenen Literaturgattungen. Sie ist eine Sonderform des Topos des „Ersten Erfinders“ (griech. prṓtos heuretḗs; lat. primus inventor). So wird in der Tragödie Aias des Sophokles (vv. 1192–1198) der „Erfinder“ des Krieges verwünscht. Und in einer Komödie des Menander (fr.142, in: Poetae Comici Graeci, Bd. 7, hrsg. von R. Kassel und C. Austin, Berlin 1989) verwünscht ein erzürnter Ehemann den Mann, der als „erster heiratete“ (griech. prṓtos ēn gḗmas), dann auch den, der es als zweiter, dritter und vierter tat und jeder „Nachgeborene“ (griech. metagenḗs). 947 „Röhrenfläschchen“: Griech. alábastos (= alábastron), ein schlankes, zylindrisches fußloses Parfumgefäß ohne Griffe (von etwa 10 cm bis 20 cm Länge); wegen seiner Form hier als Metapher für Penis gewählt. 949 „Das will ich tun, bei Artemis“: Beteuerung Myrrhines bei einer Göttin, die für Keuschheit steht; es ist eine signifikante Beteuerung angesichts eines sexuell aufgeladenen Mannes, der immer wieder hingehalten wird. 950 „Ich ziehe jetzt meine Schuhe aus“: Griech. hypolýomai (absolut ohne Objekt). 951 Myrrhine verlässt die Bühne durch das große Tor des Bühnenhauses, das die Propyläen repräsentiert. 953 „Erst hat sie alles enthäutet und steifgemacht“: Griech. apodérein „abschälen, enthäuten“ mit sexueller Konnotation „die Vorhaut zurückziehen“ (~Erst hat sie bewirkt, dass die Vorhaut zurückging). Ähnlich v. 953; s. Anm. zu v. 739. 954–979 Klageamoibaion (im Metrum klagespezifischer Anapäste): Mischung aus tragisch-poetischer und komischer Sprache; Einzelheiten: Rau, (1967) 200. Vergleichbar ist die Klage des Strepsiades in den Wolken (vv. 711– 715/722; Übersetzung Ludwig Seeger), als er mit den intellektuellen Anforderungen des Sokrates nicht zurechtkommt: „Was ich hatt[e], ist dahin, meine Börse, mein Teint Meine Seele ist dahin, meine Schuhe dahin, Und zu all der Not muß ich Armer mich noch Wachsingen, bis daß Auch dahin mein erlöschendes Leben.“ 956 „Wie soll ich diesen meinen Kleinen (zeigt auf seinen Phallos) ernähren?“ In kühner komischer Metaphorik spricht Kinesias von seinem Penis, als wenn er seine Mutter verloren hat. 957 „Bordellwirt wie der Kynalopex“: Kynalopex „Hundfuchs“ ist wohl ein Spitzname für einen Bordellwirt oder Zuhälter, der historisch nicht identifizierbar ist. 958 „Vermiete mir jetzt eine Amme!“: Kinesias redet den „Bordellwirt“ an, als wenn er unter den Zuschauern wäre. Er setzt die kühne Metaphorik von v. 956 fort: Er sucht eine „Amme“ als Ersatzmutter für seinen Penis.

198

Drittes Epeisodion: 959–976

Chorführer Du armer Betrogener, in schrecklichem Unglück zerreibst du deine Seele. Ach, ich leide mit dir. Denn welche Niere hielte es aus, welche Seele und welche Hoden, welche Lende und welche Leiste, so unter Spannung zu stehen und am Morgen nicht zu vögeln? Ki. O Zeus, wie schrecklich sind die Zuckungen! Chorführer Das hat dir jetzt angetan die Abscheuliche und Verruchte. Ki. Nein, bei Zeus, sie ist die Liebste und Süßeste. Chorführer Wie denn das? Süß? Nein, verrucht, verrucht! Ki. Ja, verrucht, verrucht! Zeus, o Zeus, wenn du sie doch wie einen Haufen von Spreu in einem gewaltigen Wirbelsturm mit Blitz und Donner herumdrehend und herumwirbelnd forttragen würdest und sie dann losließest,

Χο.γε ἐν δεινῷ γ᾽, ὦ δύστηνε, κακῷ τείρει ψυχὴν ἐξαπατηθείς. κἄγωγ᾽ οἰκτίρω σ᾽. αἰαῖ. ποῖος γὰρ νέφρος ἂν ἀντίσχοι, ποία ψυχή, ποῖοι δ᾽ ὄρχεις, ποία δ᾽ ὀσφῦς, ποῖος δ᾽ ὄρρος κατατεινόμενος καὶ μὴ βινῶν τοὺς ὄρθρους; Κι. ὦ Ζεῦ, δεινῶν ἀντισπασμῶν. Χο.γε ταυτὶ μέντοι νυνί σ᾽ ἐποίησ᾽ ἡ παμβδελυρὰ καὶ παμμυσαρά. Κι. μὰ Δί᾽, ἀλλὰ φίλη καὶ παγγλυκερά. Χο.γε ποία γλυκερά; μιαρὰ μιαρά. Κι. δῆτ᾽, ὦ Ζεῦ Ζεῦꞏ εἴθ᾽ αὐτὴν ὥσπερ τοὺς θωμοὺς μεγάλῳ τυφῷ καὶ πρηστῆρι ξυστρέψας καὶ ξυγγογγύλας οἴχοιο φέρων, εἶτα μεθείης, ––––––––––––

959 962 966 972

ἐν Hss. : ἦ Cobet νέφρος ἂν Bergk : ἂν νέφρος Meineke βινῶν Hss. außer R : κινῶν R Ergänzung durch Beer

960

965

970

975

960

965

970

975

Kommentar

199

962–966 „welche (griech. poíos)…welche…welche…welche…welche“: Die anaphorische Wiederholung eines Wortes lehnt sich an die pathetisch aufgeladene tragische Sprache an. 972–979 Die Klage geht über in ein Gebet mit tragisierenden Sprachelementen, das mit einer hyperbolischen Verwünschung beginnt und am Ende durch eine paradoxe Wendung in den sexuellen Bereich in einen hyperbolischen Wunsch umschlägt. Myrrhine, die Verwünschte, soll also vom Wirbelsturm nicht endgültig in einen entfernten Winkel der Erde weggetragen werden, sondern zu Kinesias zur Erfüllung seiner alten Wünsche zurückgebracht werden. Einen ähnlichen paradoxen Verlauf nimmt die Klagemonodie Philokleons in den Wespen (vv. 316/323–333). Die Monodie beginnt mit einer Selbstverwünschung und endet in einen paradoxen Wunsch. Einzelheiten: Rau (1967) 150–152. Der Protagonist Philokleon ist zu Hause von seinem Sohn eingesperrt, damit er an seiner Sucht und Lust des Richtens gehindert wird. In seiner Not wendet er sich an Zeus und in einer Art Selbstverfluchung schlägt er ihm verschiedene Metamorphosen vor, um von seinem Leiden des Eingesperrtseins erlöst zu werden. Am Ende wünscht er sich dann doch eine Verwendung als Zähl-Stein im Gericht (Übersetzung Ludwig Seeger): „Zeus, du mächtiger Donnerer, Ach mach mich doch entweder zu Rauch, […] Oder nimm deinen Blitz, So sengend und heiß, und röste mich schnell [zu Asche]! Und hebe mich auf und wirf mich dann In heiße Soße, als wär ich ein Fisch! Oder mach aus mir doch einen Stein, Auf dem sie die Stimmen [aus]zählen!“

200

Drittes Epeisodion / Viertes Epeisodion: 977–988

so dass sie zur Erde zurückkäme und dann auf meinem Ständer ritte. Viertes Epeisodion. Die Handlung schließt zeitlich unmittelbar an. Ort: unverändert. Ein Herold der Spartaner tritt auf. Herold der Spartaner (in dorisch-lakonischem Dialekt) 980 Wo ist die Gerusie von Athen, oder wo sind die Prytanen? Ich will etwas Neues berichten. Ki. Was bist du? Ein Mensch oder ein ithyphallischer Dämon? Herold der Spartaner Ein Herold bin ich, junger Mann, bei den beiden Göttern Kastor und Polydeukes, ich komme aus Sparta wegen eines Friedensvertrags. Ki. (zeigt auf die Wölbung des Mantels) 985 Und dann verbirgst du einen Speer unter deinem Mantel? Herold der Spartaner Nein, bei Zeus, das habe ich nicht. Ki. Warum wendest du dich von mir ab? Warum ziehst du den Mantel nach vorne? Hast du Schwellungen in der Leiste wegen des langen Marsches?

ἡ δὲ φέροιτ᾽ αὖ πάλιν ἐς τὴν γῆν, κᾆτ᾽ ἐξαίφνης περὶ τὴν ψωλὴν περιβαίη. Κῆρυξ Λακεδαιμονίων πᾷ τᾶν Ἀσανᾶν ἐστιν ἁ γερωχία ἢ τοὶ πρυτάνιες; λῶ τι μυσίξαι νέον. Κι. σὺ δ᾽ εἶ τί; πότερ’ ἄνθρωπος ἢ κονίσαλος; Κη. κάρυξ ἐγὼν, ὦ κυρσάνιε, ναὶ τὼ σιὼ ἔμολον ἀπὸ Σπάρτας περὶ τᾶν διαλλαγᾶν. Κι. κἄπειτα δόρυ δῆθ᾽ ὑπὸ μάλης ἥκεις ἔχων; Κη. οὐ τὸν Δί᾽ οὐκ ἐγών γα. Κι. ποῖ μεταστρέφει; τί δὴ προβάλλει τὴν χλαμύδ᾽; ἦ βουβωνιᾷς ὑπὸ τῆς ὁδοῦ;

––––––––––––

980 ἁ γερωχία R : ἁ γερωσία B : ἁγερωχία (ἁ ἀγερωχία) Beer 982 εἶ τί; πότερ’ Bentley : εἶ τίς πότερον R 983 κάρυξ Γ : κῆρυξ R

980

985

Kommentar

201

980–1013 Viertes Epeisodion. Die Handlung schließt zwar zeitlich unmittelbar an die Handlung des dritten Epeisodions mit dem zugehörigen Amoibaion an, sie setzt diese Handlung allerdings nicht voraus. Die Handlung dieses Epeisodions ist als Teil der Entwicklung der Gesamthandlung eine Parallelhandlung zur Handlung des zweiten und ebenso zur Handlung des dritten Epeisodions. Es werden jeweils die Folgen des Streikbeschlusses aus dem Prolog in einer autonomen komischen Situation dargestellt. In direkter komplementärer Parallelität zur Wirkung auf die Athener in der KinesiasMyrrhine-Szene wird jetzt die Reaktion bei den Spartanern dargestellt, präsentiert in der Form des Botenberichts, so dass die Simultanität im Nachhinein hergestellt wird. Kleidung des Herolds: Der spartanische Herold trägt einen Mantel, dessen Ausbuchtung auf den erigierten Phallos verweist. In dieser Art ist später häufig Priapos, der Gott der Fruchtbarkeit und Sexualität, dargestellt. Nicht selten wird bei Priap-Darstellungen das Gewand über den Phallos hinausgezogen. 980–981 „die Gerusie von Athen … die Prytanen“: Der spartanische Herold sucht als Ansprechpartner Träger der Amtsgewalt in Athen. Aber er ist nicht vertraut mit den politischen Institutionen Athens und fragt zunächst in Analogie zu den Institutionen Spartas nach der Gerusie, dem „Ältestenrat“, den es in Athen nicht gab, um dann im zweiten Teil nach den Prytanen zu fragen, die traditionell zwar selbst ohne direkte Machbefugnisse waren, aber als Leiter der souveränen Volksversammlung deren politische Entscheidungen vorbereiteten. Daher erscheinen sie als geeignete Ansprechpartner. Allerdings waren ihre Aufgaben zur Zeit der Aufführung der Lysistrate nicht aktuell, da diese von dem Kollegium der Probulen (s. zu v. 387) übernommen worden waren, so dass historisch richtig die Probulen die Adressaten gewesen wären, was der spartanische Herold erst recht nicht weiß. Aber auf all das kommt es hier nicht an, da für die weitere Handlung keine politischen Instanzen nötig sind, die Fragen also folgenlos bleiben. 982–1013 Rollenverteilung. Während sich der Spartaner als kāryx (dorisch-lakonisch) „Herold“ (v. 983) vorstellt, bleiben Funktion und Name seines athenischen Gegenübers ungenannt. In den Handschriften wird als Sprechername der Probule des ersten Epeisodions eingesetzt, was aber unwahrscheinlich ist, da der Text keinerlei Indizien liefert. Weil jegliche Indizien für eine frühere oder neue Person fehlen, ist das Nächstliegende, dass eine Person der unmittelbar vorangehenden Handlung den Athener darstellt, also Kinesias. Richard Bentley hat diese Zuweisung zu Recht vorgenommen. 982 „ithyphallischer Dämon“: Im Griechischen steht nur der Eigenname „Konisalos“; Konisalos war ein ithyphallischer Dämon bzw. Gott aus dem kultischen Umfeld des Priapos, eines Gottes der Sexualität und Fruchtbarkeit. Bildquellen fehlen; Schriftquellen sind dürftig. 987 „Mantel“: Griech. chlamýs); Bezeichnung für einen Mantel, der von Soldaten getragen wurde.

202

Viertes Epeisodion: 988–1001

Herold der Spartaner Bei Kastor, der Mann ist verrückt. (Öffnet durch eine unbedachte Handbewegung den Mantel, so dass sein erigierter Phallos sichtbar wird.) Ki. Aber du hast ja einen Steifen, du verdammter Spitzbube. Herold der Spartaner Nein, bei Zeus, den habe ich nicht. Rede keinen Unsinn! 990 Ki. Aber was ist es, was du da hast? Herold der Spartaner Einen spartanischen Nachrichtenstock. Ki. Wenn das ein spartanischer Nachrichtenstock ist, ist dieser (zeigt auf seinen eigenen Phallos) es auch. Aber ich weiß alles; sprich offen mit mir! Wie steht es bei euch in Sparta? Herold der Spartaner Ganz Sparta steht aufrecht, und alle Bundesgenossen 995 haben einen Steifen. Es fehlt uns Vaginien. Ki. Wer hat euch dieses Übel geschickt? Etwa Pan? Herold der Spartaner Nein! Begonnen hat damit, glaube ich, Lampito, 1000 dann haben die anderen Frauen in Sparta alle zusammen wie auf ein Kommando die Männer von ihrer Muschi ausgesperrt.

Κη. Κι. Κη. Κι. Κη. Κι. Κη. Κι. Κη.

ἀλεός γα ναὶ τὸν Κάστορα ὥνθρωπος. ἀλλ᾽ ἔστυκας, ὦ μιαρώτατε. οὐ τὸν Δί᾽ οὐκ ἐγώνγαꞏ μηδ᾽ αὖ πλαδδίη. τί δ᾽ ἐστί σοι τοδί; σκυτάλα Λακωνικά. εἴπερ γε, χαὔτη ᾿στὶ σκυτάλη Λακωνική. ἀλλ᾽ ὡς πρὸς εἰδότα με σὺ τἀληθῆ λέγε. τί τὰ πράγμαθ᾽ ὑμῖν ἐστι τἀν Λακεδαίμονι; ὀρσὰ Λακεδαίμων πᾶἁ καὶ τοὶ σύμμαχοι ἅπαντες ἐστύκαντιꞏ Πελλάνας δὲ δεῖ. ἀπὸ τοῦ δὲ τουτὶ τὸ κακὸν ὑμῖν ἐνέπεσεν; ἀπὸ Πανός; οὔκ, ἀλλ᾽ ἆρχεν, οἰῶ, Λαμπιτώ, ἔπειτα τἄλλαι ταὶ κατὰ Σπάρταν ἅμα γυναῖκες ᾇπερ ἀπὸ μιᾶς ὑσπλαγίδος ἀπήλαἁν τὼς ἄνδρας ἀπὸ τῶν ὑσσάκων.

––––––––––––

988 989 996 998

990

995

1000

ἀλεός van Leeuwen : Ϝαλεός Wilson (Digamma vielleicht in Sparta noch gesprochen) : παλεός Γ ὥνθρωπος Toup : ἄνθρωπος Hss. 995 πᾶἁ Ausgaben : πᾶα oder πάα Hss. Πελλάνας Ausgaben : πελλάνας Hss. ἆρχεν μέν Elmsley : ἆρξε μέν Sommerstein : ἀρχὰ μέν Hss.

Kommentar

203

991 „spartanischer Nachrichtenstock“: Der Ausdruck (dorisch-lakonisch skytála, attisch skytálē) bezeichnet einen Stab mit einem beschriebenen Lederriemen, der zur Ausrüstung staatlicher Boten gehörte und der Übermittlung von Nachrichten diente. Er konnte dabei wohl auch die Funktion eines Wanderstocks übernehmen. Die Antwort des spartanischen Herolds, dass es sich um einen „Nachrichtenstock“ handele, soll signalisieren, dass der Herold eine Nachricht aus Sparta bringt. Aber zu dieser Nachricht bedarf es keines Nachrichtenstocks: „Ganz Sparta steht aufrecht, und alle Bundesgenosen haben einen Steifen.“ Der Nachrichtenstock ist nicht aus sachlichen Gründen, sondern wegen eines hyperbolischen Vergleichs mit dem erigierten Phallos genannt. In vergleichbarer Funktion ist v. 947 das „Röhrenfläschchen“ (s. Anm. zu v. 947) als Requisit erwähnt. Zur Steigerung der erotischen Drastik setzt Aristophanes vielfältige neue szenische und sprachliche Mittel ein. 995 „Ganz Sparta steht aufrecht“: Das dorisch-lakonische orsá, attisch orthḗ, mit den Grundbedeutungen „aufrecht, aufgerichtet“ und „gerade“ hat in der griechischen Sprache keine sexuelle Nebenbedeutung. In der Expansion von „aufrecht, aufgerichtet“ hat es die Bedeutung „(an)gepannt, aufgeregt, in Aufregung versetzt“ erhalten. In dieser Bedeutung gebrauchen es die Redner des 4. Jahrhunderts v. Chr., um die emotionale Verfassung von Städten in kritischen Situationen zu beschreiben. So war die ganze Stadt Athen nach der Niederlage der Griechen gegen die Makedonen in der Schlacht von Chaironeia im Jahr 336 v. Chr. „in Aufregung versetzt (griech. orthḗ)“ (Lykurg, Rede gegen Leokrates, Kap. 39). An diese Redeweise knüpft Aristophanes an, lädt sie dann aber im Nachhinein durch die Fortsetzung „und alle Bundesgenossen haben einen Steifen“ sexuell auf. 996 „Es fehlt uns Vaginien“: Wörtlich: „Es fehlt uns Pellana“. Warum die mit Sparta verbündete Stadt Pellane in der nördlichen Peloponnes genannt ist, bleibt dunkel. Im Kontext wird ein Ort erwartet, der auf die Vagina anspielt; ein solcher Ort ist allerdings unbekannt; möglicherweise spielt der Ortsname auch auf ein – allerdings nicht belegtes – Wort an, das die Vagina bezeichnet. Eine Übersetzung wie „Vaginien“, „Muschenheim“ oder „Mösien“ (Holzberg) ist dem Kontext nach angemessen. 998 „Pan“: Der bocksgestaltige Gott der Wildnis und Natur symbolisiert die ungezügelte Sexualität und ist daher häufig ithyphallisch dargestellt. Sein Wesen bestimmt auch seine Wirkung. Pan ist im Hintergrund der Handlung von Anfang an präsent; s. Anm. zu v. 1–2; 721; 911. 1001 „Muschi“: Griech. hýssax oder hýssakos ist zwar unerklärt, aber durch den Kontext auf die weiblichen Genitalien zu beziehen.

204

Viertes Epeisodion: 1002–1013

Ki. Wie geht es euch jetzt? Herold der Spartaner Wir leiden. Wir gehen in der Stadt gebückt umher wie die Laternenträger. Denn die Frauen lassen uns nicht ihre Myrtenbeere berühren, 1005 bevor wir nicht alle einmütig Frieden in Griechenland geschlossen haben. Ki. Das hier ist eine landesweite Verschwörung aller Frauen. Jetzt begreife ich es endlich. Also sage, so schnell es geht, deinen Spartanern, sie sollen wegen der Versöhnung 1010 Gesandte mit allen Vollmachten hierhin schicken. Ich aber werde der Ratsversammlung sagen, sie soll ihrerseits von hier Gesandte wählen. Dabei werde ich meinen Schwanz hier zeigen. Herold der Spartaner Ich fliege schon. Denn dein Vorschlag ist wirklich famos. (Der Herold und Kinesias verlassen die Bühne in verschiedene Richtungen.)

Κι. Κη.

Κι.

Κη.

πῶς οὖν ἔχετε;

μογίομεςꞏ ἂν γὰρ τὰν πόλιν ᾇπερ λυχνοφορίοντες ἐπικεκύφαμες. ταὶ γὰρ γυναῖκες οὐδὲ τῶ μύρτω σιγῆν ἐῶντι, πρίν χ᾽ ἅπαντες ἐξ ἑνὸς λόγω σπονδὰς ποιηὥμεσθα ποττὰν Ἑλλάδα. τουτὶ τὸ πρᾶγμα πανταχόθεν ξυνομώμοται ὑπὸ τῶν γυναικῶνꞏ ἄρτι νυνὶ μανθάνω. ἀλλ᾽ ὡς τάχιστα φράζε περὶ διαλλαγῶν πρέσβεις ἀποπέμπειν αὐτοκράτορας ἐνθαδί. ἐγὼ δ᾽ ἑτέρους ἐνθένδε τῇ βουλῇ φράσω πρέσβεις ἑλέσθαι τὸ πέος ἐπιδείξας τοδί. ποτάὁμαιꞏ κράτιστα γὰρ παντᾷ λέγεις.

––––––––––––

1003 1004 1006 1010 1013 1013

ἐπικεκύφαμες Reisske : ποκεκύφαμες Hss. οὐδὲ R : οὔτε übrige Hss. ποιηὥμεσθα Blaydes : ποιησόμε(σ)θα Hss. ἀποπέμπειν Γ : πέμπειν R ποτάὁμαι Γ : πωτάομαι R παντᾷ Biset : πάνται R : πάντα übrige Hss.

1005

1010

Kommentar

205

1003 „gebückt … wie die Laternenträger“: Zum Schutz der Flamme vor dem Wind. 1004 „Myrtenbeere“: Wegen der Formähnlichkeit Metapher für die Klitoris. 1010 „Gesandte mit allen Vollmachten“: Im vierten Epeisodion (vv. 980– 1013) sind die Spartaner durch einen „Herold“ (griech. kḗryx) vertreten. Er hat in dieser Funktion den staatlichen Auftrag, Sondierungen über einen möglichen Friedensschluss (v. 984) vorzunehmen. Weitergehende Komptenzen hat er nicht, denn ein „Herold“ ist in zwischenstaatlichen Beziehungen nur eine Art Botschafter im Auftrag der Polis mit informellen Aufgaben. Diese Funktion wird im Fall des spartanischen Herolds in der Lysistrate überwuchert von dem Bericht und der szenischen Darstellung der drastischen Sexualisierung der Spartaner. Immerhin hat die Sondierung ein Ergebnis: „Gesandte“ (griech. présbeis) der Spartaner und entsprechend der Athener sollen „mit allen Vollmachten“ tätig werden, um den Frieden herzustellen. Damit kommen Politiker ins Spiel, die als Gesandte im Unterschied zu den Herolden Handlungsvollmachten haben, die zu rechtsverbindlichen Regelungen führen. Entsprechend dieser Vereinbarung treten dann im fünften Epeisodion (vv. 1072–1188) Gesandte beider Staaten als ihre Repräsentanten auf, um für einen rechtsverbindlichen Frieden zwischen Sparta und Athen zu sorgen. Was im komischen Spiel selbstverständlich ist, ist staatsrechtlich allerdings nicht üblich, denn eine spartanische Gesandtschaft in Athen hatte es nicht mit einer Gesandtschaft aus Athen, sondern mit den Institutionen der Demokratie in Athen, der Ratsversammlung und der Volksversammlung, zu tun. Aber um eine staatsrechtlich korrekte Darstellung der Wirklichkeit schert sich die Komödie nicht, wenn diese sich nicht für die Komik eignet. 1011 „Ich aber werde der Ratsversammlung sagen“: Antragsberechtigt für die Einrichtung einer Gesandtschaft war jeder Bürger. Der Antrag musste der Ratsversammlung schriftlich vorgelegt werden. Kinesias will als Ersatz für die Schriftlichkeit seinen erigierten Penis als Dokument zeigen.

206

Chorrezitativ: 1014–1029

Chorrezitativ. Die Chöre treten wieder in die Mitte der Orchestra. Der Chor der Männer ist noch halbnackt.) Chorführer Kein wildes Tier ist schwerer zu bezwingen als die Frau, 1015 auch kein Feuer, und kein Leopard ist so unbändig wie sie. Chorführerin Obwohl du das weißt und du mich, du Dummkopf, zur sicheren Freundin haben kannst, warum führst du dann gegen mich Krieg? Chorführer Weil ich nie aufhören werde, euch Frauen zu hassen. Chorführerin Gut, tu das nur, wenn du es willst. Aber jetzt kann ich es nicht mit ansehen, 1020 dass du so nackt bist. Denn schau, wie lächerlich du aussiehst! Ich komme jetzt zu dir und ziehe dir das Hemd wieder hoch. (Die Frauen ziehen den Männern die bis auf die Hüften herabgelassenen Hemden hoch und legen ihnen wieder die Mäntel an. Die Chöre stehen sich nicht mehr konfrontativ gegenüber, sondern treten zusammen.) Chorführer Nein, bei Zeus, ihr habt nichts Gemeines gemacht, sondern es war von mir gemein, im Zorn mein Hemd auszuziehen. Chorführerin Jetzt siehst du aus wie ein Mann und bist nicht mehr lächerlich. Wenn du mich nicht so geärgert hättest, hätte ich dir das wilde Tier 1025 in deinem Auge herausgeholt, das jetzt noch drinnen ist. Chorführer Das war es also, was mich quälte. (zieht einen Ring vom Finger) Nimm diesen Ring hier! Kratze das Tier heraus und zeige es mir, wenn du es herausgeholt hast! Denn es beißt schon lange, bei Zeus, ins Auge.

Χο.γε οὐδέν ἐστι θηρίον γυναικὸς ἀμαχώτερον, οὐδὲ πῦρ, οὐδ᾽ ὧδ᾽ ἀναιδὴς οὐδεμία πάρδαλις. Χο.γρ ταῦτα μέντοι σὺ ξυνιεὶς εἶτα πολεμεῖς ἐμοί, ἐξὸν, ὦ πόνηρέ, σοι τβέβαιον ἔμ᾽ ἔχειν φίλην; Χο.γε ὡς ἐγὼ μισῶν γυναῖκας οὐδέποτε παύσομαι. Χο.γρ ἀλλ᾽ ὅταν βούλῃ σύ. νῦν δ᾽ οὖν οὔ σε περιόψομαι γυμνὸν ὄνθ᾽ οὕτως. ὁρῶ γὰρ ὡς καταγέλαστος εἶ. ἀλλὰ τὴν ἐξωμίδ᾽ ἐνδύσω σε προσιοῦσ᾽ ἐγώ. Χο.γε τοῦτο μὲν μὰ τὸν Δί᾽ οὐ πονηρὸν ἐποιήσατεꞏ ἀλλ᾽ ὑπ᾽ ὀργῆς γὰρ πονηρᾶς καὶ τότ᾽ ἀπέδυν ἐγώ. Χο.γρ πρῶτα μὲν φαίνει γ᾽ ἀνήρ, εἶτ᾽ οὐ καταγέλαστος εἶ. κεἴ με μὴ ᾿λύπεις, ἐγώ σου κἂν τόδε τὸ θηρίον τοὐπὶ τὠφθαλμῷ λαβοῦσ᾽ ἐξεῖλον ἂν, ὃ νῦν ἔνι. Χο.γε τοῦτ᾿ ἄρ᾽ ἦν με τοὐπιτρῖβον, δακτύλιος οὑτοσίꞏ ἐκσκάλευσον αὐτό, κᾆτα δεῖξον ἀφελοῦσά μοιꞏ ὡς τὸν ὀφθαλμόν γέ μου νὴ τὸν Δία πάλαι δάκνει.

1015

1020

1025

Kommentar

207

1014–1042 Chorrezitativ. Das Chorrezitativ folgt als Handlung zwar ohne erkennbaren Zeitsprung unmittelbar auf das vierte Epeisodion, nimmt aber keinen Bezug darauf, sondern schließt an die Handlung des ersten Stasimons an und führt damit den Strang der Chorhandlung fort. Ohne weitere Begründung schlägt die Konfrontation der Chöre in ihre Versöhnung um. Damit hat die Chorhandlung denselben Stand der Entwicklung wie die LysistrateHandlung: In beiden Handlungssträngen stehen unabhängig voneinander die Zeichen auf Versöhnung und Frieden. 1015 „kein Leopard (griech. párdalis; zoologische Bezeichnung: Panthera pardus) ist so unbändig (griech. anaidḗs) wie [eine Frau]“: Der Vergleich verweist auf die Ilias Homers, in der im Vergleich die Raubtiernatur des Leoparden dargestellt ist. Dabei wird die „Angriffslust“ (griech. ménos) des Leoparden (zusammen mit der des Löwen und Ebers) mit der Angriffslust von TroiaKämpfern verglichen (13, 20f.): „Nicht die Angriffslust des Leoparden oder des Löwen oder Ebers ist so groß wie die Angriffslust der Söhne (unter ihnen Euphorbos) des [Trojaners] Panthoos.“ Und im 23. Gesang (vv.573–575) wird der Trojaner Agenor, der darauf wartet, gegen Achilleus zu kämpfen, mit einem Leoparden verglichen (Übersetzung Wolfgang Schadewaldt): „So wie ein [Leopard] aus dem tiefen Gehölz einem Mann, Einem Jäger, entgegengeht und nicht in dem Mute Zittert und sich nicht fürchtet, wenn er Hundegebell hört.“ Durch die Übertragung des Vergleichs auf Frauen gewinnt Aristophanes ein Mehr an Komik. Während die relativ spärliche literarische Überlieferung die Raubtiernatur des Leoparden im Anschluss an Homer darstellt, ist der Leopard in der bildlichen Überlieferung vor allem der attischen Vasenmalerei in Verbindung mit Gestalten im Umkreis des Gottes Dionysos präsent und in die dionysische Welt integriert. So reitet etwa Dionysos auf einem Leoparden. Dadurch verliert der Leopard seine Raubtiernatur. 1019f. „Aber jetzt kann ich es nicht mit ansehen, dass du so nackt bist“: Griech. gymnós „nackt“ bezeichnet im Griechischen nicht nur die völlige Hüllenlosigkeit eines Körpers, sondern kann auch einen Körper bezeichnen, der ohne Obergewand nur mit einem Untergewand bedeckt ist (Platon, Politeia 474 a). Im Kontext der Handlung bedeutet „nackt“ einen Zustand, bei dem die Männer mit bis zur Gürtung in Hüfthöhe herabgelassenen Untergewändern und daher mit nacktem Oberkörper agieren; s. Anm. zu vv. 614–705. 1021 „ziehe dir das Hemd wieder an“: „Hemd“ (griech. exomís) war ein Untergewand der Ärmeren und Sklaven; s. Anm. zu v. 662. Die Frauen ziehen den Männern nicht nur die Untergewänder wieder hoch, sondern helfen ihnen auch beim Anlegen der Mäntel. 1025 „das wilde Tier“: Griech. thēríon; hyperbolisch-komische Bezeichnung für eine Schnake; nimmt die Bezeichnung für den Leoparden (v. 1014) auf.

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Chorrezitativ: 1030–1042

Chorführerin Gut, ich will es tun; und doch bist du ein Griesgram. 1030 (sieht ihm ins Auge) Da ist, o Zeus, eine riesige Schnake in deinem Auge zu sehen. (holt die Schnake heraus) Siehst du sie? Ist es nicht eine Schnake aus den Sümpfen des Demos Trikorythos? Chorführer Da hast du mir sehr geholfen, denn schon seit Langem gräbt sie mir einen Brunnen im Auge. Daher fließen mir nun reichlich die Tränen, nachdem du sie herausgezogen hast. Chorführerin Dann will ich sie dir abwischen – doch du bist ein garstiges Ekel – 1035 und dich küssen. Chorführer Küss mich nicht! Chorführerin Doch, ob du willst oder nicht. Chorführer Zum Teufel mit euch! Denn ihr seid von Natur Schmeichelkatzen, und zu Recht und gar nicht übel heißt es: „Weder mit den Verruchten noch ohne die Verruchten geht es.“ 1040 Doch jetzt schließe ich mit dir Frieden, und in Zukunft will ich euch nichts Böses mehr antun und von euch nichts abbekommen. Jetzt lasst uns zusammenkommen und unser gemeinsames Lied beginnen. (Die beiden Chöre formieren sich jetzt zu einem einzigen Chor.)

Χο.γρ ἀλλὰ δράσω ταῦταꞏ καίτοι δύσκολος ἔφυς ἀνήρ. ἦ μέγ᾽, ὦ Ζεῦ, χρῆμ᾽ ἰδεῖν τῆς ἐμπίδος ἔνεστί σοι. οὐχ ὁρᾷς; οὐκ ἐμπίς ἐστιν ἥδε Τρικορυσία; Χο.γε νὴ Δί᾽ ὤνησάς γέ μ᾽, ὡς πάλαι γέ μ᾽ ἐφρεωρύχει, ὥστ᾽, ἐπειδὴ ᾿ξῃρέθη, ῥεῖ μοι τὸ δάκρυον πολύ. Χο.γρ ἀλλ᾽ ἀποψήσω σ᾽ ἐγώ, καίτοι πάνυ πονηρὸς εἶ, καὶ φιλήσω. μὴ φιλήσῃς. Χο.γε ἤν τε βούλῃ γ᾽ ἤν τε μή. Χο.γρ Χο.γε ἀλλὰ μὴ ὥρασ᾽ ἵκοισθ᾽ꞏ ὡς ἐστὲ θωπικαὶ φύσει, κἄστ᾽ ἐκεῖνο τοὔπος ὀρθῶς κοὐ κακῶς εἰρημένον, ‘οὔτε σὺν πανωλέθροισιν οὔτ᾽ ἄνευ πανωλέθρων’. ἀλλὰ νυνὶ σπένδομαί σοι, καὶ τὸ λοιπὸν οὐκέτι οὔτε δράσω φλαῦρον οὐδὲν οὔθ᾽ ὑφ᾽ ὑμῶν πείσομαι. ἀλλὰ κοινῇ συσταλέντες τοῦ μέλους ἀρξώμεθα.

––––––––––––

1030 ἔφυς Fl. Christianus : γ᾽ ἔφυς Hss. 1034 μοι Blaydes : μου Hss. 1037 ὥρασ᾽ Bothe : ὥρας Hss. 1041 οὔθ᾽ B : οὐδ᾿übrige Hss.

1030

1035

1040

Kommentar

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1032 „Demos Trikorythos“: Demos in Attika mit Feuchtgebieten in der Nähe von Marathon mit besonders großen und zahlreichen Schnaken. 1039 „Weder mit den Verruchten noch ohne die Verruchten geht es.“ Diese Feststellung knüpft an die misogyynen Motive der Handlung an (s. Anm. zu vv. 256–265; 283; 368; 388–396; 781–796) und beschließt sie in einer sprichwortartigen Sentenz. Sie ist kein Zitat, sondern geht auf das Konto des Aristophanes und ist metrisch eingebunden in die trochäischen Tetrameter des Kontextes. Sie steht in der Tradition des misogynen Ehe-Paradoxons, das bereits Hesiod in der Theogonie (vv. 600–607/612; Übersetzung Walter Marg) formuliert hat: „Ganz so hat Zeus, der hochdonnernde, Den sterblichen Männern als Übel die Frauen bestimmt, Die verschworen sind zu schlimmem Tun. Ein weiteres Übel setzte er fest, Ein Übel gegen ein Gut: Wenn einer die Ehe flieht Und das schlimme Tun der Frauen Und nicht heiraten möchte, Zu einem schlimmen Alter kommt der, Entbehrt der Alterspflege.“ Möglicherweise vor Aristophanes hat der attische Komödiendichter Susarion das Paradoxon im Metrum des iambischen Trimeters gnomisch zugespitzt formuliert (fr. 1, in: PCG/Poetae Comici Graeci, Bd. 7, hrsg. von R. Kassel und C. Austin, Berlin 1989, 664): „Ein Übel (griech. kakón) sind die Frauen (griech. gynaíkes)! Doch ihr wisst, Mitbürger, / ohne ein Übel kann man im Haus (griech. oikían) nicht hausen (griech. oikeín), / denn das Heiraten (griech. to gḗmai) wie auch das nicht Heiraten (griech. to mē gḗmai) ist ein Übel.“ Menander setzte diese Tradition fort: „Ohne Übel ist ein bewohntes Haus (griech. Akkusativ oikían oikuménēn zu Nominativ oikía oikuménē) nicht zu finden“ (fr. 846, in: PCG 7, 1989, 402). Und ähnlich: „Das Heiraten (griech. gameín) ist ein Übel, aber ein notwendiges Übel“ (fr. 801, in: PCG 7, 1989, 382). Eine Antwort auf das Paradoxon gibt der Chor der Frauen den Männern in den Thesmophoriazusen (vv. 785–845) durch die Frage (v. 789): „Wenn wir ein Übel (griech. kakón) sind, warum heiratet ihr uns, wenn wir wirklich ein Übel sind?“

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Zweites Stasimon: 1043–1057

Zweites Stasimon Vereinigter Chor (zum Publikum) Wir haben nicht vor, Strophe Männer von Athen, etwas Schlechtes 1045 über einen Bürger zu sagen, sondern ganz im Gegenteil nur Gutes zu sagen und zu tun, denn Schlimmes gibt es schon genug. 1050 So soll jeder Mann und jede Frau uns melden, ob sie ein bisschen Geld brauchen, zwei oder drei Minen, denn es liegt bei uns zu Hause, und wir haben auch einen Beutel dafür. 1055 Wenn nun der Frieden kommt, braucht niemand, der jetzt etwas von uns geliehen hat, es uns mehr zurückgeben, wenn er überhaupt etwas bekommen hat.

Χορός τῶν γερόντων καὶ τῶν γραῶν οὐ παρασκευαζόμεσθα τῶν πολιτῶν οὐδέν᾽, ὦνδρες, φλαῦρον εἰπεῖν οὐδὲ ἕν, ἀλλὰ πολὺ τοὔμπαλιν πάντ᾽ ἀγαθὰ καὶ λέγειν καὶ δρᾶνꞏ ἱκανὰ γὰρ τὰ κακὰ καὶ τὰ παρακείμενα. ἀλλ᾽ ἐπαγγελλέτω πᾶς ἀνὴρ καὶ γυνή, εἴ τις ἀργυρίδιον δεῖται λαβεῖν, μνᾶς ἢ δύ᾽ ἢ τρεῖς, ὡς ἔσω ᾽στὶν κἄχομεν βαλλάντια. κἄν ποτ᾽ εἰρήνη φανῇ, ὅστις ἂν νυνὶ δανείσηται παρ᾽ ἡμῶν, ἂν λάβῃ μηκέτ᾽ ἀποδῷ.

––––––––––––

1053 ἔσω Coulon : πόλλ᾽ ἔσω Hss. 1053 κἄχομεν Hss. : ἅχομεν Burges 1057 ἂν Hss. : ἢν Willems : ἃν Sophianus

[στρ. 1045

1050

1055

Kommentar

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1043–1071 Zweites Stasimon. Das zweite Stasimon entspricht funktional und metrisch (s. u. S. 256) dem dritten Stasimon (vv. 1189–1215). Beide Chorlieder, jeweils mit Strophe und Gegenstrophe, haben keinen Bezug zur Handlung der Komödie, sondern verweisen auf ein Danach. Es sind autonome komische Lieder, die jeweils in der Form der Nonsense-Komik mit der Erwartung des Publikums spielen. Die Versgliederung ist kontrovers. An die Zuschauer gerichtet verspricht der Chor, auf die Verspottung von Bürgern zu verzichten. Er will nur Gutes tun und sagen, denn Widrigkeiten gebe es genug. So verspricht er Wohltaten, die den Bürgern das Leben erleichtern, vor allem, wenn es Frieden gibt. Damit will er die Gunst des Publikums erreichen. In beiden Strophen und Gegenstrophen stellt der Chor den Zuschauern großzügige Geschenke außerhalb der Handlung in Aussicht, um dann im letzten Vers kurz und bündig zu erklären, dass daraus nichts wird. Das in Aussicht gestellte großzügige Darlehen wird nicht ausgezahlt (vv. 1043–1057), die Einladung zum üppigen Mahl bleibt folgenlos, da die Türen verschlossen sind (vv. 1058–1071), die versprochenen schönen Kleider gibt es nicht, da die Truhen leer sind (vv. 1188–1202) und die kostenlose Ausgabe von Weizen verhindert der Haushund (vv. 1203–1215). Diese Strophen sind Beispiele für Nonsens-Komik. Vergleichbar in der Autonomie sind die Lieder in den Vögeln (vv. 1470– 1493; vv. 1553–1564; vv. 1694–1705). Dort enden die merkwürdigen Beobachtungen der Vögel in fernen Ländern auch mit einem überraschenden Schluss. Das zweite Stasimon korrespondiert metrisch in Strophe und Gegenstrophe mit dem dritten Stasimon in Strophe (vv. 1189–1202) und Gegenstrophe (vv. 1203–1215). 1043–1045 „Wir haben nicht vor, […] etwas Schlechtes (griech. phlaúron) über einen Bürger zu sagen“: Der Chor spricht im Folgenden nicht als Chor der alten Männer und Frauen der Handlung, sondern vor allem auktorial als der Dichter Aristophanes. Damit hat dieses Stasimon Elemente einer Parabase übernommen. Mit dem „nichts Schlechtes über einen Bürger sagen“ zeigt der Chor den Verzicht auf das „namentliche Verspotten“ (griech. onomastí kōmōdeín), das Markenzeichen der Alten Komödie, an. 1048f. „Schlimmes (griech. kaká) gibt es schon genug“: Es ist nicht etwas „Schlimmes“ in der Handlung der Komödie für den Chor, sondern entsprechendt dem parabasenartigen Charakter des Liedes der „schlimme“ Zustand der Stadt Athen vor allem nach der Katastrophe der Sizilischen Expedition, den Thukydides (8,1,2) lapidar und zugleich eindrucksvoll als eine Art Schockstarre wegen des Verlustes vieler Bürger beschrieben hat. 1050 „jeder Mann und jede Frau (unter den Zuschauern)“: Indiz für die Anwesenheit von Frauen bei Theateraufführungen. Sie wird auch von Platon bezeugt (Gorgias 502 b–d; Gesetze 658 a–d); s. o. S. 29. 1052 „zwei oder drei Minen“: eine beachtliche Summe (200–300 Drachmen), ausreichend zum Unterhalt einer Familie für beinahe ein Jahr.

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Zweites Stasimon / Fünftes Epeisodion: 1058–1075

Ein paar Gäste aus Karystos wollen wir heute bewirten, tüchtige und gebildete Männer. Es gibt Erbsenbrei und von mir ein Spanferkel. Ich habe es schon geschlachtet, so dass für zartes und leckeres Fleisch gesorgt ist. Kommt morgen zu mir, aber schon frühmorgens und gewaschen, ihr und eure Kinder. Tretet mutig ein, ohne zu fragen und ohne zu zögern, wie in euer eigenes Haus, denn unsere Tür wird verschlossen sein.

Gegenstrophe 1060

1065

1070

Fünftes Epeisodion. Die Handlung schließt zeitlich unmittelbar an. Ort: unverändert. Spartanische Gesandte treten auf, begleitet von mehreren Sklaven. Chorführer Sieh, da kommen Gesandte von Sparta, mit langen Bärten und mit einem Korb vor dem Bauch. Männer aus Sparta, seid zunächst einmal gegrüßt! Und dann sagt uns, wie es euch geht.

ἑστιᾶν δὲ μέλλομεν ξένους τινὰς Καρυστίους, ἄνδρας καλούς τε κἀγαθούς. κἄστιν ἔτνος τιꞏ καὶ δελφάκιον ἦν τί μοι, καὶ τοῦτο τέθυχ᾽, ὥστε γίγνεσθ’ ἁπαλὰ καὶ καλά. ἥκετ᾽ οὖν εἰς ἐμοῦ τήμερονꞏ πρῲ δὲ χρὴ τοῦτο δρᾶν λελουμένους αὔτούς τε καὶ τὰ παιδί᾽, εἶτ᾽ εἴσω βαδίζειν, μηδ᾽ ἐρέσθαι μηδένα, ἀλλὰ χωρεῖν ἄντικρυς ὥσπερ οἴκαδ᾽ εἰς ἑαυτῶν γεννικῶς, ὡς ἡ θύρα κεκλῄσεται. καὶ μὴν ἀπὸ τῆς Σπάρτης οἱδὶ πρέσβεις ἕλκοντες ὑπήνας χωροῦσ᾽, ὥσπερ χοιροκομεῖον περὶ τοῖς μηροῖσιν ἔχοντες. ἄνδρες Λάκωνες, πρῶτα μέν μοι χαίρετε, εἶτ᾽ εἴπαθ᾽ ἡμῖν πῶς ἔχοντες ἥκετε. ––––––––––––

1075

[ἀντ. 1060

1065

1070

1075

1063f. γίγνεσθ’ Sommerstein : γενέσθ’ Scholion : γεύσεσθ’ Palmer 1070 ἑαυτῶν R : ἑαυτὸν übrige Hss. 1072 οἱδὶ R : οἵδε übrige Hss. 1073 ἔχοντες B : ἔχοντaς R

Kommentar

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1058 „Gäste aus Karystos“: Warum gerade sie erwähnt werden, ist nicht geklärt. Gesichert ist nur, dass die Stadt Karystos auf der benachbarten Insel Euböa als Mitglied des Delisch-Attischen Seebundes Truppen nach Athen geschickt hat. Sie werden noch einmal in v. 1181 als Beispiel für die Bundesgenossen genannt, die wegen ihres sexuellen Appetits zum Frieden bereit sind. 1072–1188 Fünftes Epeisodion. Die Handlung schließt mit einem Zeitsprung von vager und nicht genannter Dauer an. Rechnerisch ist es ein Zeitsprung von mindestens sechs Tagen zwischen dem Ende des vierten Epeisodions (v. 1013) und dem Beginn des fünften Epeisodions (v. 1072). Er umfasst die Reise von Spartanern von Athen nach Sparta im Umfang von gut 200 km und zurück. Aber dieser rechnerische Zeitsprung wird nicht explizit thematisiert, da er für die komische Handlung keine Bedeutung hat. Ähnlich ist die Situation in den Acharnern: Der Athener Amphitheos macht sich vv. 130–132 auf den Weg nach Sparta, um einen Privatfrieden abszuschließen und kommt bereits v.175 erfolgreich zurück. In diesem Fall ist die Zeit der Handlung nicht einmal durch ein Chorlied suspendiert. War in den vorhergehenden drei Epeisodien in drei voneinander unabhängigen Parallelhandlungen die Wirkung des Streikbeschlusses auf die Frauen, die Athener und Spartaner dargestellt worden, so werden die Parallelhandlungen im fünften Epeisodion zusammengeführt und leiten durch Entwicklung der Handlung die Lösung des Konfliktes auf der Ebene der Lysistrate-Handlung ein, komplementär zur schon erreichten Lösung des Konfliktes auf der Ebene der Chorhandlung, aber ohne dramatische Verflechtung mit ihr. Das fünfte Epeisodion ist auf der neuen Stufe der Entwicklung der Handlung die Fortsetzung des Epirrhematischen Agons und zeigt Lysistrate als Konfliktlöserin, die auch als Frau mehr „Verstand“ (griech. nū ́ s) und „Einsicht“ (griech. gnṓmē) als die Männer hat. In ihrer Begleitung ist Diallagḗ „Versöhnung“, die als nackte Personifikation für die Sexualisierung des politischen Diskurses sorgt. 1072–1096 Der Eingang des Epeisodions ist wie die Schwurszene des Prologs ein gutes Beispiel für die Autonomie von Handlungsteilen aus Gründen der Komik auf der Stufe einer neuen Situation der Handlung. Das Spiel mit dem unsichtbar-sichtbaren Phallos generiert eine eigene komische Situation, die keine Bedeutung für die weitere Handlung hat. Das Spiel mit dem unsichtbar-sichtbaren erigierten Phallos des 4. Epeisodions (vv. 980–1013) wird dabei zu einem Spiel mit dem sichtbaren Phallos. 1072 „Gesandte von Sparta, mit langen Bärten (griech. hypḗnē)“: Die in v. 1110 angeforderten „Gesandten mit allen Vollmachten“ Spartas (s. Anm. zu v. 1110) tragen „lange Bärte“ und entsprechen damit der Barttracht der Spartaner. Diese trugen im Unterschied zu den Athenern, die einen kurz geschnittenen Bart bevorzugten (Typus: Strategen-Bart), einen „langen ungetrimmten Bart“ (Typus: Philosophen-Bart; griech. hypḗnē ákuros, Wespen, v. 476).

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Fünftes Epeisodion: 1076–1088

Spartanischer Gesandter (in dorisch-lakonischem Dialekt) Wozu bedarf es euch gegenüber vieler Worte? Denn ihr könnt deutlich sehen, wie es uns geht. (Die Spartaner öffnen die Mäntel, so dass ihr erigierter Phallos sichtbar wird, und lassen wohl die Mäntel fallen.) Chorführer Donnerwetter! Euer Unglück zeigt sich in einer gewaltigen Anspannung und wird offenbar noch schlimmer angeheizt. Spartanischer Gesandter Unsäglich! Was kann man dazu sagen? Es muss um jeden Preis 1080 jemand kommen und Frieden mit uns schließen, ganz wie er will. (Athenische Gesandte treten auf.) Chorführer Und da sehe ich schon unsere Eingeborenen, die wie die Ringkämpfer ihre Mäntel von ihren Bäuchen fernhalten, so dass es aussieht als wenn sie die Athleten-Krankheit mit geschwollenen Bäuchen hätten. 1085 Athenischer Gesandter Wer kann mir sagen, wo Lysistrate ist? Denn wir Männer befinden uns auch in diesem Zustand. (Die Athener öffnen ebenfalls die Mäntel, so dass der erigierte Phallos sichtbar wird, und lassen wohl die Mäntel fallen.) Chorführer (beiseite) Diese Krankheit stimmt mit der Krankheit hier zu Lande überein.

Λακεδαιμονίων Πρεσβευτής τί δεῖ ποθ᾽ ὑμὲ πολλὰ μυσίδδην ἔπη; ὁρῆν γὰρ ἔξεσθ᾽ ὡς ἔχοντες ἵκομες. Χο. βαβαίꞏ νενεύρωται μὲν ἥδ᾽ συμφορὰ δεινῶς τεθερμῶσθαί τε χεῖρον φαίνεται. Λα. ἄφατα. τί κα λέγοι τις; ἀλλ᾽ ὁπᾷ σέλει παντᾷ τις ἐλσὼν ἁμὶν εἰράναν σέτω. Χo. καὶ μὴν ὁρῶ καὶ τούσδε τοὺς αὐτόχθονας ὥσπερ παλαιστὰς ἄνδρας ἀπὸ τῶν γαστέρων θαἰμάτι᾽ ἀποστέλλονταςꞏ ὥστε φαίνεται ἀσκητικὸν τὸ χρῆμα τοῦ νοσήματος. Ἀθηναίων Πρεσβευτής τίς ἂν φράσειε ποῦ ᾽στιν ἡ Λυσιστράτη; ὡς ἄνδρες ἡμεῖς οὑτοιὶ τοιουτοιί. Χο. χαὔτη ξυνᾴδει θἠτέρᾳ ταύτῃ νόσος. ––––––––––––

1078 ἥδ᾽ Dobree : ἥδε Hss. 1088 χαὔτη Hss. : αὕτη Dobree 1088 θἠτέρᾳ Henderson nach Dobree : χἀτέρα R

1080

1085

Kommentar

215

1073 „Korb vor dem Bauch“: Komische Deutung des Obergewandes, das durch den erigierten Phallos ausgewölbt ist. Der griechische Ausdruck für „Korb“ choirokomeíon („Schweinekorb“) bezeichnet einen Korb, der zum Transport von Ferkeln verwendet wurde. 1078–1099 Die szenische Darstellung der Nacktheit ist nicht ganz eindeutig. Sicher ist, dass die Spartaner ihre Mäntel öffnen, so dass ihr erigierter Phallos sichtbar wird. Ebenso verfahren auch die Athener (v. 1087). Möglicherweise legen beide, Spartaner wie Athener, aber die Mäntel vollständig ab, wie aus der Aufforderung des Chors, die Mäntel „anzuziehen“ (griech. lambánesthai „sich etwas nehmen“, v. 1093; griech. anabállesthai „sich etwas umwerfen“, v. 1096), geschlossen werden kann. Wenn die Mäntel vollständig abgelegt werden, dann agieren Spartaner wie Athener für kurze Zeit von v. 1078 bis v. 1099 nackt, wobei „nackt“ (s. Anm. zu v. 1019f.) bedeutet, dass sie nur in einem kurzen Hemd agieren. 1078 „Euer Unglück zeigt sich in einer gewaltigen Anspannung“: Wörtlich: „Euer Unglück ist gewaltig angespannt (griech. neneúrōtai).“ Anspielung auf den Zustand der Erektion und auf griech. neúron „Sehne, Stengel“ als Metapher für den Penis. 1082 „unsere Eingeborenen“: Griech. autóchthōn (Singular), autóchthones (Plural) „eingeboren“ ist die Selbstbezeichnung der Athener, die damit ausdrücken, dass sie nicht in ihre jetzigen Siedlungsgebiete eingewandert sind, sondern immer in Attika ansässig waren. Die Athener haben diese Selbstbezeichnung als einen besonderen Ruhmestitel angesehen, den sie zum Ausdruck ihres Selbstwertgefühls einsetzten. Aristophanes benutzt diese Bezeichnung hier als Mittel eines beiläufigen harmlosen Spottes, das keine Bedeutung für die Handlung der Komödie hat. Es ist ein von Aristophanes häufig angewandtes Verfahren und begründet eine Kurzform autonomer Komik. 1083f. Warum die Ringkämpfer ihre „Mäntel“ (griech. himátia) von ihren Bäuchen fernhalten, ist nicht hinreichend geklärt. 1085 „Athleten-Krankheit“: Welche Krankheit sich hinter der AthletenKrankheit (griech. askētikón nósēma) verbirgt, bleibt unsicher. Ihr entscheidendes Symptom ist die Schwellung des Bauches. Dass die Bauchwassersucht (Aszites; griech. askítēs) wegen eines Wortspiels gemeint ist, ist möglich. 1086 „Wer kann mir sagen, wo Lysistrate ist?“: Diese Frage kommt unvermittelt, denn Lysistrate war in der Handlung nicht als Streitschlichterin vorgesehen und war auf Grund der politischen Praxis in Athen und Sparta auch nicht als solche zu erwarten. „Bevollmächtigte Gesandte“ (vv. 1010–1012) hätten ohne Schiedsrichter entscheiden können. Die Handlung erhält damit eine überraschende Neuorientierung, die nicht in der Handlung angelegt ist. Eine solche dramatische Neuorientierung generiert eine neue komische Situation. Die athenische Gesandten nehmen bei ihrem Auftritt v. 1086 die spartanischen Gesandten zunächst nicht wahr. Erst v. 1097 begrüßen sie diese.

216

Fünftes Epeisodion: 1089–1102

(zu dem athenischen Gesandten) Euch packt am frühen Morgen wohl ein Krampf? 1090 Athenischer Gesandter Ja, bei Zeus, dadurch sind wir ganz erledigt. Und wenn uns nicht bald jemand den Frieden vermittelt, werden wir mit Kleisthenes vögeln müssen. Chorführer Wenn ihr vernünftig seid, dann zieht wieder die Mäntel an, damit euch nicht einer der Hermenverstümmler sieht. (Ziehen die Mäntel wieder an.) Athenischer Gesandter Ja, bei Zeus, das ist ein guter Rat! Spartanischer Gesandter Ja, bei den Dioskuren, 1095 das ist er auf jeden Fall. Wir wollen also wieder die Mäntel anziehen! (Ziehen die Mäntel auch wieder an.) Athenischer Gesandter (wendet sich jetzt an die Spartaner) Seid gegrüßt, Spartaner! Schlimmes haben wir erlitten. Spartanischer Gesandter Guter Freund, Schreckliches hätten wir erlitten, wenn uns die Hermenverstümmler mit steifem Penis gesehen hätten. Athenischer Gesandter Nun denn, Spartaner, kommen wir zur Sache: 1100 Weshalb seid ihr hierhergekommen? Spartanischer Gesandter Wegen der Versöhnung als Gesandte.

ἦ που πρὸς ὄρθρον σπασμὸς ὑμᾶς λαμβάνει; μὰ Δί᾽ ἀλλὰ ταυτὶ δρῶντες ἐπιτετρίμμεθα. ὥστ᾽ εἴ τις ἡμᾶς μὴ διαλλάξει ταχύ, οὐκ ἔσθ᾽ ὅπως οὐ Κλεισθένη βινήσομεν. Χο. εἰ σωφρονεῖτε, θαἰμάτια λήψεσθ᾽, ὅπως τῶν Ἑρμοκοπιδῶν μή τις ὑμᾶς ὄψεται. Αθ. νὴ τὸν Δί᾽ εὖ μέντοι λέγεις. Λα. ναὶ τὼ σιὼ παντᾷ γα. φέρε τὸ ἔσθος ἀμβαλώμεθα. Αθ. ὢ χαίρετ᾽, ὦ Λάκωνεςꞏ αἰσχρά γ᾽ ἐπάθομεν. Λα. ὦ πολυχαρείδα, δεινά γ᾽ αὖ πεπόνθαμες, αἰκ εἶδον ἁμὲ τὤνδρες ἀμπεφλασμένως. Αθ. ἄγε δὴ, Λάκωνες, αὔθ᾽ ἕκαστα χρὴ λέγειν. ἐπὶ τί πάρεστε δεῦρο; Λα. περὶ διαλλαγᾶν πρέσβης. –––––––––––– Αθ.

1090

1095

1100

1096 ἔσθος Hss. : Ϝέσθος van Leeuwen (Digamma vielleicht in Sparta noch gesprochen) 1096 ἀμβαλώμεθα Ellebodius : ἐμβαλώμεθα Hss. 1099 αἰκ εἶδον Brunck : αἰκ ἔϊδον Sommerstein : ἐϜίδον Wilson (Digamma vielleicht in Sparta noch gesprochen) : αἴ κ᾽ ἴδον R 1099 ἁμὲ Brunck : τὤνδρες Elmsley : ἁμὲς ἄνδρες R 1099 ἀμπεφλασμένως Meineke : ἀναπεφασμένως R

Kommentar

217

1092 „mit Kleisthenes vögeln“: s. Anm. zu v. 621; der Athener Kleisthenes ist in der Komödie der Prototyp des professionellen homosexuellen Prostituierten (Acharner, vv. 117–121; Vögel, vv. 829–831; Frösche, vv, 426–427). Außer seiner Homosexualität ist keine Eigenschaft überliefert. Seine Homosexualität als Ventil für die Heterosexualität ist auf dem Boden der Handlung der Lysistrate keine Alternative. Alle Männer der Lysistrate–wie auch alle Frauen– sind unterschiedslos heterosexuell orientiert, sowohl die Athener als auch die Spartaner; die Homosexualität als notdürftiges Ventil ist ein Element der Komik, die auf die Verspottunng des Kleisthenes zielt. Wenn auch die Heterosexualität in der gesellschaftlichen Wirklichkeit nicht so selbstverständlich war wie in der Lysistrate, so war sie doch zumindest in Athen die dominante Form der Sexualität. Sie stand dort nicht in wirklicher Konkurrenz zur Homosexualität, denn diese war nur begrenzt sozial akzeptiert. Als Sexualität zwischen erwachsenen Männern war sie anrüchig, als gewerbsmäßige Homosexualität sogar verrufen, wie aus dem Spott der Komödie auf Homosexuelle zu schließen ist. Auch war es Prostituierten in Athen verboten, Ämter zu übernehmen, sowie im Rat und in der Volksversammlung zu sprechen (Aischines, Gegen Timokrates, 19f.). Allein in der Form der Päderastie war die Homosexualität – vor allem in der Oberschicht – in Grenzen respektiert. Dabei wurde diese Form unter dem Aspekt der Erziehung des Jugendlichen durch einen Erwachsenen veredelt. Platon hat im Symposion diese Veredelung noch verstärkt, indem er die Beziehung zwischen Liebhaber und Geliebten unter dem Aspekt des Strebens nach Schönheit (178c–179b) anerkannte. In der Vasenmalerei ist die Päderastie als Werbung eines Erwachsenen um einen Jugendlichen ein beliebtes Bildthema. Aber nicht nur die Komödie zeigt in ihrem Spott die Distanz zur Praxis der Homosexualität, sondern auch Platon hat in seinem Spätwerk der Nomoi (636c; 835b–842a) die männliche – wie auch die weibliche – Homosexualität kritisch mit Verweis auf die Natur und das Verhalten der Tiere als „wider die Natur“ (griech. pará phýsin) beurteilt, weil sie „wegen der Unbeherrschtheit gegenüber der Lust“ eine Gefahr für die sittlichen Grundlagen des Staates sind. Platons Beurteilung der Homosexualität als Unnatürlichkeit ist kein Einzelfall, sondern ist bis in die Spätantike literarisch aktuell geblieben. Beispiel: Lukian (2. Jh. n. Chr.), Erotes („Gespräch über die Liebe“), Kap. 19–22. Öffentlich anerkannt war dagegen die Homosexualität in Sparta; sie war vor allem fest integriert in die Erziehung der Jungen. 1094 „Hermenverstümmler“: Griech. hermokopídai (Plural), Neubildung des Aristophanes. Anspielung auf den sog. Hermokopidenfrevel in Athen aus dem Jahr 415 v. Chr., bei dem „den meisten“ der in Athen zahlreich aufgestellten Hermen, den Darstellungen des Gottes Hermes in der Form eines Pfeilers mit einem bärtigen Kopf und einem – häufig erigierten – Phallos, die Köpfe und Phalloi verstümmelt wurden. Der Hermokopidenfrevel verursachte ein innenpolitisches Erdbeben, das den Verlauf des Peloponnesischen Krieges beeinflusste (Thukydides 6,27–29; 53; 60f.). Das brisante Ereignis eignet sich wegen des „Attentats“ auf die Phalloi der Hermen für beziehungsreiche Situationskomik.

218

Fünftes Epeisodion: 1102–1114

Athenischer Gesandter Gut! Deswegen wir auch wir hier. Warum rufen wir nicht Lysistrate, die allein uns versöhnen kann? Spartanischer Gesandter (nimmt den Frauennamen als Männernamen wahr) Ja, bei den Dioskuren, rufen wir den Lysistratos, wenn ihr wollt. 1105 (Lysistrate tritt ungerufen aus der Akropolis.) Athenischer Gesandter Aber wir müssen sie gar nicht rufen, wie es scheint, denn dort kommt sie schon, da sie uns gehört hat. Chorführer Sei gegrüßt, du Tapferste aller Frauen! Jetzt zeige dich entschlossen und freundlich, vornehm und einfach, erhaben und sanft, reich an Erfahrungen. 1110 Denn die Ersten der Griechen, gefangen von deinem Charme, kamen zusammen und überlassen dir gemeinsam alle Streitigkeiten zur Entscheidung. Ly. Nun, das ist nicht schwer, wenn man sie nur packt, solange sie so wild auf Liebe und Frieden sind und sich nicht einander auszutricksen versuchen. Gleich werde ich es wissen. Wo ist die „Versöhnung“? (Die „Versöhnung“, personifiziert durch eine junge nackte Frau, kommt aus der Akropolis.)

Αθ. Λα. Αθ. Χο.

Λυ.

καλῶς δὴ λέγετεꞏ χἠμεῖς τουτογί. τί οὐ καλοῦμεν δῆτα τὴν Λυσιστράτην, ἥπερ διαλλάξειεν ἡμᾶς ἂν μόνη; ναὶ τὼ σιὼ, καἰ λῆτε, τὸν Λυσίστρατον. ἀλλ᾽ οὐδὲν ἡμᾶς, ὡς ἔοικε, δεῖ καλεῖνꞏ αὐτὴ γάρ, ὡς ἤκουσεν, ἥδ᾽ ἐξέρχεται. χαῖρ᾽, ὦ πασῶν ἀνδρειοτάτηꞏ δεῖ δὴ νυνί σε γενέσθαι δεινὴν , ἀγαθὴν φαύλην, σεμνὴν ἀγανὴν πολύπειρονꞏ ὡς οἱ πρῶτοι τῶν Ἑλλήνων τῇ σῇ ληφθέντες ἴυγγι συνεχώρησάν καί σοι κοινῇ τἀγκλήματα πάντ᾽ ἐπέτρεψαν. ἀλλ᾽ οὐχὶ χαλεπὸν τοὔργον, εἰ λάβοι γέ τις ὀργῶντας ἀλλήλων τε μὴ ʼκπειρωμένους. τάχα δ᾽ εἴσομαι ʼγώ. ποῦ ʼστιν ἡ Διαλλαγή;

––––––––––––

1105 καἰ λῆτε Ahrens : κἂν λῆτε R 1109 Ergänzung durch Wilamowitz 1111 καί σοι Blaydes : σοι καὶ R

1105

1110

Kommentar

219

1105 „rufen wir den Lysistratos“: Da der Spartaner sich nicht vorstellen kann, dass eine Frau die Schlichtung übernimmt, macht er aus der weiblichen Namensform einen Männernamen. 1108 „du Tapferste (griech. andreiotátē) aller Frauen“: wiederholt v. 549 „Tapferste (griech. andreiotátē) aller Mütter“. 1109 „vornehm (griech. agathḗ) und einfach (griech. phaúlos)“: Carakteristika der oberen und unteren Schichten der Bevölkerung. 1112–1156 Die Unterbrechungen der langen Rede der Lysistrate durch die Gesandten haben keinerlei argumentative, sondern nur eine komische Funktion; sie stehen in Kontrast zum Ernst der Rede der Lysistrate. 1114 „Versöhnung“: Griech. Diallagḗ; die „Versöhnung“ ist die–stumme– Personifikation der Segnungen des Friedens. Als nackte Frau symbolisiert sie mit ihren sexuellen Körperregionen Erotik und Sexualität als primären Inhalt des Friedens. Die Personifikation der Versöhnung wird nicht von einer Frau, etwa einer Hetäre, dargestellt, sondern von einem Mann mit einem die weibliche Nacktheit imitierenden Trikot, ganz in Analogie zur Darstellung männlicher Nacktheit. Als Personifikation des Friedens wird die „Versöhnung“ auch schon am Ende der Acharner (vv. 989–999), der ältesten Friedenskomödie (425 v. Chr.), eingeführt. Allerdings geschieht dies nur im Sinne einer Zukunftsvision ohne szenische Darstellung. Zwar weckt die „Versöhnung“ auch hier sexuelle Wünsche des Protagonisten, aber im Mittelpunkt stehen als Segnungen des Friedens Tätigkeiten in der Landwirtschaft (teilweise mit sexueller Konnotation), die in der Zeit des Krieges nicht möglich waren. Wenn auch die „Versöhnung“ nicht selbst auftritt, so symbolisieren doch zwei Hetären als Begleiterinnen des weinseligen Protagonisten mit ihren körperlichen Reizen und ihren Liebesspielen am Ende der Komödie (vv. 1198–1234) das Glück des Friedens. Im Frieden (vv. 842–909; 1305–1359), einer weiteren Friedenskomödie (421 v. Chr.), werden schließlich die Segnungen des Friedens szenisch durch Personifikationen entsprechender Begriffe dargestellt, einmal durch die Personifikation der Eirḗnē „Frieden“ selbst, dann durch Personikationen ihrer Haupteigenschaften, durch Theōría „(öffentliches) Fest“ und Opṓra „(Zeit der) Ernte“. Während Eirḗnē wohl durch eine Art weiblicher Statue oder Puppe dargestellt ist, treten Theoria und Opora als stumme weibliche Personen, szenisch dargestellt von Männern mit weiblichem Trikot, auf, die die Verheißungen des Friedens symbolisieren. Es sind vor allem Verheißungen der Sexualität und Erotik, die nicht ohne Nacktheit der Frauen und nicht ohne den erigierten Phallos der Männer auskommen und ihren Ausdruck u. a. in einem Katalog von Liebesspielen (vv. 888–905) finden. Weibliche Nacktheit und Sexualität sind auch unabhängig von der Friedenssymbolik Gegenstand szenischer Darstellung in den Komödien. Sie sind wie der Phallos Mittel drastischer Situationskomik und nur oberflächlich in die Handlung eingebunden. Szenen mit solcher Komik sind dabei häufig angelehnt

220

Fünftes Epeisodion: 1115–1132

Bringe, Göttin, zuerst die Spartaner zu mir, 1115 aber nicht mit harter und überheblicher Hand, auch nicht so ungehobelt, wie unsere Männer es taten, sondern wie es sich für Frauen gehört, ganz sanft, und wenn man dir nicht die Hand gibt, bringe sie am geilen Schwanz hierher. (Die „Versöhnung“ bringt die spartanische Gesandten zu Lysistrate.) 1120 Geh nun, und bringe auch diese Athener! Was sie dir geben, nimm, und bringe sie her zu mir! (Die „Versöhnung“ bringt auch die athenischen Gesandten zu Lysistrate.) Ihr Männer aus Sparta, stellt euch zu mir, und ihr aus Athen, stellt euch dort hin! Und nun hört auf meine Worte! Zwar bin ich eine Frau, aber ich habe Verstand. 1125 Ich verfüge selbst über Einsicht, und weil ich viel von meinem Vater und den Älteren gehört habe, bin ich nicht schlecht gebildet. Da ich nun euch bei mir habe, will ich euch beide tadeln, wie ihr es verdient. Ihr beide besprengt Altäre mit Weihwasser 1130 aus demselben Becken wie Verwandte, in Olympia, an den Thermopylen, in Delphi – wie viele andere Orte könnte ich nennen, wenn ich alle nennen müsste? –

πρόσαγε λαβοῦσα πρῶτα τοὺς Λακωνικούς, καὶ μὴ χαλεπῇ τῇ χειρὶ μηδ᾽ αὐθαδικῇ, μηδ᾽ ὥσπερ ἡμῶν ἅνδρες ἀμαθῶς τοῦτ᾽ ἔδρων, ἀλλ᾽ ὡς γυναῖκας εἰκός, οἰκείως πάνυ, ἢν μὴ διδῷ τὴν χεῖρα, τῆς σάθης ἄγε. ἴθι καὶ σὺ τούτους τοὺς Ἀθηναίους ἄγε, οὗ δ᾽ ἂν διδῶσι, πρόσαγε τούτου λαβομένη. ἄνδρες Λάκωνες, στῆτε παρ᾽ ἐμὲ πλησίον, ἐνθένδε δ᾽ ὑμεῖς, καὶ λόγων ἀκούσατε. ἐγὼ γυνὴ μέν εἰμι, νοῦς δ᾽ ἔνεστί μοι. αὐτὴ δ᾽ ἐμαυτῆς οὐ κακῶς γνώμης ἔχω, τοὺς δ᾽ ἐκ πατρός τε καὶ γεραιτέρων λόγους πολλοὺς ἀκούσασ᾽ οὐ μεμούσωμαι κακῶς. λαβοῦσα δ᾽ ὑμᾶς λοιδορῆσαι βούλομαι κοινῇ δικαίως, οἳ μιᾶς γ’ ἐκ χέρνιβος βωμοὺς περιρραίνοντες ὥσπερ ξυγγενεῖς Ὀλυμπίασιν, ἐν Πύλαις, Πυθοῖ – πόσους εἴποιμ᾽ ἂν ἄλλους, εἴ με μηκύνειν δέοι; – ––––––––––––

1117 ἅνδρες Brunck : ἄνδρες R

1121 τούτου Dobree : τούτους R

1115

1120

1125

1130

1123 δ᾽ Bergk : τʼ R

Kommentar

221

an die männlich bestimmte Symposionskultur, zu der Flötenspielerinnen und Tänzerinnen gehörten. Diese sorgten nach den Phasen des Essens und Trinkens nicht nur für künstlerische Unterhaltung, sondern vergnügten sich auf vielfältige Weise (einschließlich erotischer Spiele) auch mit den Teilnehmern des Symposions. Die Vasenmalerei zeigt diese doppelte Funktion der Hetären, die tanzend und flötenspielend, sowohl nackt als auch bekleidet, agieren; Dierichs (1997) 56–66 mit Abb. In den Wespen (vv. 1342–1387) ist vor allem das Danach eines Symposions dargestellt, das ohnehin schon turbulent war: Der betrunkene Protagonist Philokleon kommt tanzend und singend mit einer nackten Flötenspielerin (griech. aulētrís, v. 1369) am Arm vom Symposion und ermuntert sie zu sexuellen Spielen mit der Begründung, dass sie ohnehin gerade zu sexuellen Spielen mit den Mitzechern bereit gewesen sei. In den Vögeln (vv. 667–675/684) ist die in eine Nachtigall verwandelte Prokne als Flötenspielerin nackt mit Vogelmaske und Schnabel als Doppelflöte dargestellt. Als Tänzerin agiert eine Hetäre in den Thesmophoriazusen (vv. 1172– 1214). Sie entkleidet sich wie eine Hetäre auf einem Symposion, um dadurcheinen Polizisten (Skythen) von seiner Aufgabe abzulenken, den Verwandten des Euripides zu bewachen. 1124 „Zwar bin ich eine Frau, aber ich habe Verstand (griech. nū ́ s)“: Zitat aus der verlorenen Tragödie Die kluge (griech. sophḗ) Melanippe des Euripides (fr. 483, in: Tragicorum Graecorum Fragmenta, Bd. 5, hrsg. von R. Kannicht, Göttingen 2004). Das ist die provozierende Gegenthese nicht nur der literarischen Lysistrate, sondern möglicherweise auch der modernen Athenerin aus der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts v. Chr. gegen traditionelle misogyne Stereotypen der Männer. Der Lysistrate vergleichbar ist Praxagora, die Protagonistin der Ekklesiazusen), die die politische Entmachtung der Männer Athens zugunsten der Frauen durchsetzt. Sie gilt in der Beurteilung ihrer Mitstreiterinnen (v 245) als „redegewandt“ (griech. deinḗ) und „klug“ (griech. sophḗ). Das Selbstverständnis vor allem euripideischer Frauen ist der Selbstcharakterisierung Lysistrates vergleichbar (Andromache, vv. 364f; Medea, vv. 298ff.; 1081–1089; Orestes, v. 1204). Ähnlich schon Aischylos, Agamemnon, v. 351 (K. J. Dover, Greek Popular Morality in the Time of Plato and Aristotle, Oxford 1974, 99). 1131 „in Olympia (griech. Olympíasin, Dativ als Lokativ), an den Thermopylen (griech Pýlais, Dativ als Lokativ, zu Nominativ Pýlai), in Delphi (griech. Pythoí, Dativ als Lokativ, zu Nominativ Pythṓ)”: drei wichtige panhellenische Kultorte. Olympia auf der Peloponnes, prominent durch die penteterischen Wettspiele in Verbindung mit dem Zeus-Kult; die Thermopylen, ein Pass in Mittelgriechenland, patriotisch-panhellenisch aufgeladen durch den

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Fünftes Epeisodion: 1133–1148

Ihr aber vernichtet griechische Männer und Städte, obwohl Barbaren-Feinde mit ihrem Heer im Lande sind. 1135 Damit endet der erste Teil meiner Rede. Athenischer Gesandter Ich aber gehe zugrunde an meinem steifen Schwanz. Ly. Weiter nun! Spartaner, denn an euch will ich mich zuerst wenden, Habt ihr vergessen, wie euer Gesandter Perikleides hier am Altar als Bittflehender der Athener saß, 1140 bleich in seiner roten Uniform, und um Truppen bettelte? Damals setzte euch Messenien zu und zugleich der Gott Poseidon mit einem Erdbeben. Und mit viertausend Schwerbewaffneten kam Kimon und rettete ganz Sparta. 1145 Obwohl euch die Athener so geholfen haben, verwüstet ihr ein Land, das euch geholfen hat? Athenischer Gesandter Ja, bei Zeus, sie tun uns Unrecht, Lysistrate. Spartanischer Gesandter Ja, wir tun Unrecht. (blickt zur „Versöhnung“) Aber was ist das für ein unsagbar schöner Hintern!

Αθ. Λυ.

Αθ. Λα.

ἐχθρῶν παρόντων βαρβάρῳ στρατεύματι Ἕλληνας ἄνδρας καὶ πόλεις ἀπόλλυτε. εἷς μὲν λόγος μοι δεῦρ᾽ ἀεὶ περαίνεται. ἐγὼ δ᾽ ἀπόλλυμαί γ᾽ ἀπεψωλημένος. εἶτ᾽, ὦ Λάκωνες, πρὸς γὰρ ὑμᾶς τρέψομαι, οὐκ ἴσθ᾽ ὅτ᾽ ἐλθὼν δεῦρο Περικλείδας ποτὲ ὁ Λάκων Ἀθηναίων ἱκέτης καθέζετο ἐπὶ τοῖσι βωμοῖς ὠχρὸς ἐν φοινικίδι στρατιὰν προσαιτῶν; ἡ δὲ Μεσσήνη τότε ὑμῖν ἐπέκειτο χὠ θεὸς σείων ἅμα. ἐλθὼν δὲ σὺν ὁπλίταισι τετρακισχιλίοις Κίμων ὅλην ἔσωσε τὴν Λακεδαίμονα. ταυτὶ παθόντες τῶν Ἀθηναίων ὕπο δῃοῦτε χώραν, ἧς ὑπ᾽ εὖ πεπόνθατε; ἀδικοῦσιν οὗτοι νὴ Δί᾽, ὦ Λυσιστράτη. ἀδικίομεςꞏ ἀλλ᾽ ὁ πρωκτὸς ἄφατον ὡς καλός.

––––––––––––

1133 βαρβάρῳ Blaydes : βαρβάρων R 1144 ἔσωσε Mu2 : ἔσωσεν R 1146 πεπόνθατε Mu2 : πεπονθότες R

1135

1140

1145

Kommentar

223

Widerstand der Griechen gegen die Invasion der Perser und politisch bedeutsam durch die regelmäßigen Versammlungen der delphischen Amphiktyonie, einer Eidgenossenschaft mit zwölf politisch bedeutenden Städten, im Tempel der Demeter bei den Thermopylen; Delphi in Mittelgriechenland am ParnassGebirge, berühmt durch den panhellenischen Apollon-Kult (mit Orakel) und die penteterischen pythischen Wettspiele. 1134 „Barbaren-Feinde“: Damit sind die Perser gemeint, die seit den Perserkriegen Anfang des 5. Jahrhunderts v. Chr. als die Barbaren schlechthin galten. Es drohten zwar in der Gegenwart keine militärischen Konfrontationen, aber die Perser suchten – besonders durch die Satrapen Tissaphernes und Pharnabazos in Kleinasien – ihren Einfluss in der griechischen Welt auszudehnen und nutzten dabei die Situation des Peloponnesischen Krieges durch Zahlung umfangreicher Subsidien an Sparta, so dass die Perser in Athen durch die Politik der Spartaner als Gegner wahrgenommen wurden. Die komplexe politische Situation wird in der Argumentation der Lysistrate nicht sichtbar. 1135 „Damit endet der erste Teil meiner Rede“: Lysistrate beherrscht die formalen Redestrategien. Zitat aus der verlorenen Tragödie Erechtheus des Euripides (fr. 363, in: Tragicorum Graecorum Fragmenta, Bd. 5, hrsg. von R. Kannicht, Göttingen 2004). 1137–1146 Unterstützung Spartas durch Athen: Lysistrate verweist auf die Unterstützung Spartas durch Athen im 3. Messenischen Krieg (464–460 v. Chr.). Ursache des Krieges war der Aufstand der von den Spartanern unterdrückten Bevölkerung Messeniens (Heloten), der ausgelöst wurde durch ein Erdbeben in Sparta (464 v. Chr.), das offensichtlich zu größeren Verlusten unter der spartanischen Bevölkerung geführt hatte. Als Sparta den Aufstand aus eigener Kraft nicht niederschlagen konnte, ersuchte es Hilfe von Athen, das gegen starke Widerstände auf Initiative von Kimon ein Kontingent von viertausend Schwerbewaffneten nach Sparta schickte. Allerdings – und diese Fortsetzung verschweigt Lysistrate, weil sie nicht zu ihrer Argumentationsstrategie passt – kam das Kontingent nicht zum Einsatz, da es von Sparta wegen eines politischen Meinungsumschwungs zurückgeschickt wurde. Die Zurücksendung wurde in Athen als Brüskierung empfunden und gab der antispartanischen Politik starke Auftriebe. Die Hilfe der Athener war also nicht komplikationslos. 1139 „am Altar als Bittflehender der Athener“: Natürlich ist der Spartaner nicht als Bittflehender gekommen, sondern als Bündnispartner, der Unterstützung verlangte.

224

Fünftes Epeisodion: 1149–1163

Glaubst du, dass ich die Athener ungeschoren lasse? Erinnert ihr Athener euch nicht mehr, wie wiederum die Spartaner, 1150 als ihr Sklavenkleider trugt, bewaffnet kamen und viele Thessalier töteten, dazu viele Anhänger und Verbündete des Hippias, und wie sie allein euch damals halfen, ihn zu vertreiben, und euch so befreiten und euer Volk anstelle des Sklavenkleides 1155 wieder mit dem Mantel des freien Bürgers bekleideten? Spartanischer Gesandter Ich habe noch nie eine edlere Frau als diese Lysistrate gesehen. Athenischer Gesandter (blickt zur „Versöhnung“) Ich habe noch nie eine schönere Muschi gesehen. Ly. Warum führt ihr dann, nachdem so viel Gutes geschehen ist, gegeneinander Krieg und hört nicht auf mit dem schlechten Benehmen? 1160 Warum versöhnt ihr euch nicht? Sagt schon, was steht im Wege? Spartanischer Gesandter Wir wollen schon, wenn man uns dieses Runde (zeigt dabei auf die Vagina der „Versöhnung“) zurückgeben will. Ly.

Λυ.

Λα. Αθ. Λυ. Λα.

ὑμᾶς δ᾽ ἀφήσειν τοὺς Ἀθηναίους οἴει; οὐκ ἴσθ᾽ ὅθ᾽ ὑμᾶς οἱ Λάκωνες αὖθις αὖ κατωνάκας φοροῦντας ἐλθόντες δορὶ πολλοὺς μὲν ἄνδρας Θετταλῶν ἀπώλεσαν, πολλοὺς δ᾽ ἑταίρους Ἱππίου καὶ ξυμμάχους, ξυνεκβαλόντες τῇ τόθ᾽ ἡμέρᾳ μόνοι κἠλευθέρωσαν, κἀντὶ τῆς κατωνάκης τὸν δῆμον ὑμῶν χλαῖναν ἠμπέσχον πάλιν; οὔπα γυναῖκ᾽ ὄπωπα χαἱωτέραν. ἐγὼ δὲ κύσθον γ᾽ οὐδέπω καλλίονα. τί δῆθ᾽ ὑπηργμένων γε πολλῶν κἀγαθῶν μάχεσθε κοὐ παύεσθε τῆς μοχθηρίας; τί δ᾽ οὐ διηλλάγητε; φέρε, τί τοὐμποδών; ἁμές γα λῶμες, αἴ τις ἁμὶν τὤγκυκλον λῇ τοῦτ᾽ ἀποδόμεν.

––––––––––––

1149 Ergänzung durch Dobree 1154 ξυνεκβαλόντες van Herwerden : ξυνεκμαχοῦντες R 1156 ἠμπέσχον Blaydes : ἤμπισχον R

1150

1155

1160

Kommentar

225

1150–1156 Unterstützung Athens durch Sparta: Am Sturz der Tyrannis in Athen, der mit der Vertreibung des Hippias im Jahre 510 v. Chr. erreicht wurde, war Sparta maßgeblich durch seine massive militärische Unterstützung unter dem spartanischen König Kleomenes I. beteiligt. Als sich allerdings Sparta – und diese Fortsetzung verschweigt Lysistrate – in die innerathenischen Machtkämpfe einmischte und die Einrichtung demokratischer Herrschaftsformen zu verhindern suchte, wurden 508 v. Chr. die spartanischen Garnisonstruppen des Kleomenes aus Athen vertrieben. Auch die Unterstützung der Spartaner war nicht ohne Komplikationen.; s. vv. 274–280 und Anm. zu v. 273. 1151 „Sklavenkleider“: Die griech. katōnákē, ein nur unten mit Pelz besetzter Mantel, galt wie die griech. diphthéra („Lederwams“) als Sklavenkleid. 1156 „Mantel des freien Bürgers“: Griech. chlaína. 1162–1187 Der Dialog zwischen Lysistrate und den Gesandten Athens und Spartas hat durchgehend eine eindeutige erotisch-sexuelle Konnotation und ist ein Musterbeispiel für die Eindeutigkeit von aristophanischer Zweideutigkeit, vorbereitet durch erotisch-sexuelle Unterbrechungen der politischen Rede der Lysistrate (vv. 1112–1156) durch die Gesandten (v. 1136; 1148; 1158). Die bereits sprachlich eindeutige Zweideutigkeit wird durch die Gegenwart der nackten „Versöhnung“ auch visuell sichtbar gemacht und deiktisch unterstützt. Dabei werden die geographisch-politischen Regionen Griechenland symbolisiert durch die Körperregionen der „Versöhnung“, vor allem deren Genitalien, was im Einzelnen recht willkürlich und kalauerhaft wirkt. 1162 „dieses Runde“: Griech.-attisch to énkyklon „das Runde“ (griech.dorisch kontrahiert tṓnkyklon) doppeldeutig durch die szenische Darstellung der nackten „Versöhnung“: 1. geographisch-politisch: Pylos (Festung mit einem Mauerring = „das Runde“), Ort auf der Peloponnes im Herrschaftsbereich Spartas, seit 425 v. Chr. von Athen besetzt; ein Stachel im Fleisch Spartas; die Rückeroberung gelang erst 410/409 v. Chr.; 2. körperlich-sexuell: Anus oder Vagina (= „das Runde“); deiktisch unterstützt durch eine entsprechende Handbewegung. Das Besondere der Komik liegt darin, dass nicht die geographischpolitischen Regionen einen sexuellen Nebensinn erhalten, sondern dass umgekehrt die Körperregionen der „Versöhnung“ einen geographischen Nebensinn bekommen.

226

Fünftes Epeisodion: 1163–1177

Ly. Welches Ding meinst du denn, mein Lieber? Spartanischer Gesandter Pylos, nach dem wir schon lange verlangen und die Hände ausstrecken. Athenischer Gesandter Nein, bei Zeus, das werdet ihr nicht bekommen. 1165 Ly. Gebt es ihnen, mein Lieber! Athenischer Gesandter Und wen können wir dann schikanieren? Ly. Verlangt doch stattdessen einen anderen Ort! Athenischer Gesandter Also dann das Dings da (zeigt auf das Schamhaar), ja, Echinos, den Stachelort, meine ich, gebt uns den hier zuerst und die Bucht von Malea dahinter und die Schenkel von Megara. 1170 Spartanischer Gesandter Nein, bei den Dioskuren, nicht alles, mein Bester. Ly. Lasst das, und zankt euch nicht um ein Paar Schenkel! Athenischer Gesandter Ich will mich jetzt nackt ausziehen und Ackerbau betreiben. Spartanischer Gesandter Und ich in der Frühe Mist fahren. 1175 Ly. Ja, das könnt ihr machen, wenn ihr euch versöhnt habt. Aber überlegt, ob ihr das tun wollt, und geht dann zu den Bundesgenossen und teilt es ihnen mit!

Λυ. Λα. Αθ. Λυ. Αθ. Λυ. Αθ. Λα. Λυ. Αθ. Λα. Λυ.

ποῖον, ὦ τᾶν;

τὰν Πύλον, τᾶσπερ πάλαι δεόμεθα καὶ βλιμάδδομες. μὰ τὸν Ποσειδῶ τοῦτο μέν γ᾽ οὐ δράσετε. ἄφετ᾽, ὦγάθ᾽, αὐτοῖς. κᾆτα τίνα κινήσομεν; ἕτερόν γ᾽ ἀπαιτεῖτ᾽ ἀντὶ τούτου χωρίον. τὸ δεῖνα τοίνυν, παράδοθ᾽ ἡμῖν τουτονὶ πρώτιστα τὸν Ἐχινοῦντα καὶ τὸν Μηλιᾶ κόλπον τὸν ὄπισθεν καὶ τὰ Μεγαρικὰ σκέλη. οὐ τὼ σιὼ οὐχὶ πάντα γ᾽, ὦ λισσάνιε. ἔα αὐτά, μηδὲν διαφέρου περὶ σκελοῖν. ἤδη γεωργεῖν γυμνὸς ἀποδὺς βούλομαι. ἐγὼν δὲ κοπραγωγῆν γα πρῴ, ναὶ τὼ σιώ. ἐπὴν διαλλαγῆτε, ταῦτα δράσετε. ἀλλ᾽ εἰ δοκεῖ δρᾶν ταῦτα, βουλεύσασθε καὶ τοῖς ξυμμάχοις ἐλθόντες ἀνακοινώσατε.

––––––––––––

1164 τᾶσπερ Elmsley : ὥσπερ R 1164 βλιμάδδομες Brunck : βλιμάττομες R 1172 ἔα αὐτά Blaydes : ἐᾶτε R

1165

1170

1175

Kommentar

227

1169 „Echinos“: 1. Geographisch-politisch: Stadt in Südthessalien am Malischen Golf; seit 426 v. Chr. unter spartanischer Kontrolle. 2. Körperlichsexuell: die Stadt ist nur ausgewählt wegen ihres Namens, der identisch ist mit griech. echínos „Seeigel“ und daher auf das Schamhaar der „Versöhnung“ anspielt; die Anspielung wird deiktisch durch eine entsprechende Handbewegung unterstützt. 1170 „Bucht von Malea dahinter“: 1. Geographisch: die Meeresbucht bei Echinos. Die Lagebeschreibung der Bucht ist geographisch inkorrekt, denn diese liegt vor dem Küstenstreifen, auf dem Echinos liegt. 2. Körperlichsexuell: Die Bucht von Malea ist wegen des Begriffs „Bucht“ (griech. kólpos) gewählt, da dieser die anatomische Bezeichnung für „Vagina“ ist. Damit ist im körperlich-sexuellen Sinn auch die Lage des kólpos „hinter“ Echinos im Sinne von Schamhaar korrekt. 1170 „die Schenkel von Megara“: 1. Geographisch-politisch: Megara in unmittelbarer Nachbarschaft zu Athen war Mitglied des Peloponnesischen Bundes und wegen seiner Lage Ziel der Eroberungspolitik Athens im Peloponnesischen Krieg; es konnte sich mit allerdings begrenztem Erfolg gegen Athen behaupten. 2. Körperlich-sexuell: Megara ist wegen seiner „langen Mauern“ gewählt, die, als Doppelmauer (Schenkelmauer) gebaut, den Verkehr von der Stadt zu ihrem Haupthafen Nisaia schützten. Zur Bezeichnung dieser Doppelmauer verwendet Aristophanes den anatomischen Begriff „Schenkel“ und verweist damit auf die Schenkel der nackten „Versöhnung“. 1173 „Ich will mich jetzt nackt ausziehen und Ackerbau betreiben“: Angesichts der Nacktheit der „Versöhnung“ ist der Vorsatz des Atheners, sich nackt auszuziehen, primär sexuell-erotisch konnotiert und infiziert auf unbestimmte Weise auch den zweiten Teil des Vorsatzes, Ackerbau zu betreiben, was dadurch gefördert wird, dass „Ackerbau betreiben“ auch als Metapher für sexuelle Aktivität genutzt werden kann; Sommerstein (1998/2007) zu v. 1173. Der unmittelbar folgende komplementäre Vorsatz des Spartaners, „Mist zu fahren“ (v. 1174), verlässt allerdings den sexuellen Anspielungshorizont und weist auf die tatsächliche Arbeit des Bauern hin, die als Tätigkeit im Frieden gegen den Zustand des Krieges gesetzt ist. Mit der Arbeit des Bauern ist auch eine gewisse Nacktheit verbunden, weil sie die Arbeit erleichtert (Hesiod, Werke und Tage, vv. 391f.: „Nackt säen die Saat, nackt lenken die Rinder, nackt abschneiden das Korn“). Die Nacktheit des Bauern bedeutet natürlich nicht eine völlige Nacktheit des Körpers, sondern eine Bekleidung ohne Obergewand; s. Anm. zu v. 1019f.

228

Fünftes Epeisodion: 1178–1188

Athenischer Gesandter Zu welchen Verbündeten, meine Liebe? Das geht nicht mit unserem Steifen. Werden nicht alle unsere Verbündeten dasselbe beschließen wie wir, nämlich zu vögeln? 1180 Spartanischer Gesandter Unsere mit Sicherheit, bei den Dioskuren. Athenischer Gesandter Ja, bei uns auch die Karystier, bei Zeus. Ly. So ist es gut. Jetzt sorgt dafür, dass ihr euch reinigt, damit wir Frauen euch auf der Akropolis mit dem bewirten können, was wir in unseren Körben haben. 1185 Dort schwört einander die Treue! Und dann wird jeder von euch seine Frau nehmen und nach Hause gehen. Athenischer Gesandter Gut, lasst uns schnell gehen! Spartanischer Gesandter (zu Lysistrate) Du führ uns, wohin du willst! Athenischer Gesandter Ja, bei Zeus, führe uns, so schnell es geht. (Alle Schauspieler treten ab. Nur die Sklaven der Spartaner bleiben als stumme Personen auf der Bühne.)

Αθ. Λα. Αθ. Λυ.

Αθ. Λα. Αθ.

ποίοισιν, ὦ τᾶν, ξυμμάχοις; ἐστύκαμεν. οὐ ταὐτὰ δόξει τοῖσι συμμάχοισι νῷν βινεῖν, ἅπασιν; τοῖσι γῶν ναὶ τὼ σιὼ ἁμοῖσι. καὶ γὰρ ναὶ μὰ Δία Καρυστίοις. καλῶς λέγετε. νῦν οὖν ὅπως ἁγνεύσετε, ὅπως ἂν αἱ γυναῖκες ὑμᾶς ἐν πόλει ξενίσωμεν ὧν ἐν ταῖσι κίσταις εἴχομεν. ὅρκους δ᾽ ἐκεῖ καὶ πίστιν ἀλλήλοις δότε. κἄπειτα τὴν αὑτοῦ γυναῖχ᾽ ὑμῶν λαβὼν ἄπεισ᾽ ἕκαστος. ἀλλ᾽ ἴωμεν ὡς τάχος. ἄγ᾽ ὁπᾷ τυ λῇς. νὴ τὸν Δί᾽ ὡς τάχιστ᾽ ἄγε.

––––––––––––

1178 1180 1188 1188

ἐστύκαμεν Zanetti : ἐστύκαμες R γῶν Ahrens : γοῦν R ὁπᾷ Henderson : ὅπᾳ R τάχιστ᾽ ἄγε Beer : τάχιστά γε R

1180

1185

Kommentar

229

1181 „die Karystier“: s. zu v. 1058. 1182 „sorgt dafür, dass ihr euch reinigt“: Gemeint ist die kultische Reinigung, die dem Treueschwur (v. 1185) als heiliger Handlung vorausgeht. 1183f. „auf der Akropolis mit dem bewirten…, was wir in unseren Körben haben“: Der übliche Ort für Feiern mit auswärtigen Gesandtschaften nach Abschluss von Verträgen war das Prytaneion, das Amtsgebäude der Prytanen, des geschäftsführenden Ausschusses der Ratsversammlung. Als Standort des Staatsherdes war das Prytaneion sakrales Zentrum der Polis. In besonderen Fällen war auch die Akropolis als Ort von Feiern möglich, so wie auch Feiern in anderen Heiligtümern griechenlandweit möglich und üblich waren (s. Anm. zu v. 721). Eine Ehreninschrift aus Athen (Mitte des 3. Jh. v. Chr.; Inscriptiones Graecae II² 776, 10ff.) lobt z. B. die Priesterin der Athena Polias auf der Akropolis für ein glänzendes Fest, das sie „nach altem Ritus“ (griech. katá ta pátria) vorbereitet hat. Im Falle von Feiern ohne feste kultische Bindung waren für die nötigen Waren die Festteilnehmer verantwortlich, in diesem Fall die athenischen Frauen, die auch schon wie selbstverständlich vorgesorgt haben und in „Körben“ (griech. kístai, Plural zu kístē, wohl mit Anspielung auf griech. kýsthos „Vagina“) alles für ein Fest Notwendige mitgebracht haben. 1186 „Und dann wird jeder von euch seine Frau nehmen“: Auch die Frauen der Spartaner sind wie selbstverständlich in Athen. Personen und Requisiten werden dramaturgisch gleichbehandelt. Wenn sie gebraucht werden, stehen sie zur Verfügung. Wenn sie keine Funktion mehr haben, können sie ohne weitere Erklärung verschwinden. So wird auch nichts über den Verbleib der Geiseln gesagt, die sich Lysistrate v. 244 als Druckmittel ausbedingt, während Lampito den Streik in Sparta organisiert. Logisch kohärente und wahrscheinliche Handlungen werden nicht erstrebt, wenn sie nicht der Komik dienen.

230

Drittes Stasimon: 1189–1202

Drittes Stasimon Vereinigter Chor Strophe Bunte Decken, feine Wollkleider, safrangelbe Mäntel 1190 und Goldschmuck – alles, was ich habe, biete ich ohne Neid allen an, dass sie es ihren Söhnen bringen oder ihrer Tochter, wenn sie in der Prozession den Festkorb trägt. 1195 Ich lade euch alle ein, von meinen Sachen zu nehmen, die ich jetzt im Hause habe. Nichts ist so gut versiegelt, dass man nicht das Wachs entfernen 1200 und, was im Hause ist, mitnehmen kann. Aber niemand von euch wird, auch wenn er genau schaut, etwas entdecken, wenn er nicht schärfer sieht als ich.

Χο.

στρωμάτων δὲ ποικίλων καὶ χλανιδίων καὶ ξυστίδων καὶ χρυσίων, ὅσ᾽ ἐστί μοι, οὐ φθόνος ἔνεστί μοι πᾶσι παρέχειν φέρειν τοῖς παισίν, ὁπόταν τε θυγάτηρ τινὶ κανηφορῇ. πᾶσιν ὑμῖν λέγω λαμβάνειν τῶν ἐμῶν χρημάτων νῦν ἔνδοθεν, καὶ μηδὲν οὕτως εὖ σεσημάνθαι τὸ μὴ οὐχὶ τοὺς ῥύπους ἀνασπάσαι, χἄττ᾽ ἔνδον ᾖ φορεῖν. ὄψεται δ᾽ οὐδὲν σκοπῶν, εἰ μή τις ὑμῶν ὀξύτερον ἐμοῦ βλέπει.

––––––––––––

1190 ἐστί μοι Daubuz : ἐστὶν ἐμοὶ R 1193 παισίν Zanetti : πᾶσιν R 1194 κανηφορῇ Bergler : κανηφορεῖ R 1200 χἄττ᾽ Reisig : χ᾽ ἅτ᾿ R 1200 Ergänzung durch Bothe

[στρ. 1190

1195

1200

Kommentar

231

1189–1215 Drittes Stasimon. Das dritte Stasimon entspricht funktional und metrisch (s. u. S. 256) dem zweiten Stasimon (vv. 1189–1215). Das Chorlied mit Strophe (vv. 1189–1202) und Gegenstrophe (vv. 1203–1215) hat keinen Bezug zur Handlung der Komödie. Es besteht aus zwei autonomen komischen Liedern, die jeweils nach großzügigen Versprechungen mit der Erwartung des Publikums spielen. Sie haben die Funktion der Szenentrennung; sie sind Beispiele für Nonsens-Komik; s. Anm. zu vv. 1043–1071. Die Versgliederung ist kontrovers. 1188 „Bunte Decken“: Griech. strṓmata poíkila; damit sind wohl farbig verzierte Decken (Schabracken) gemeint, die bei festlichen Gelegenheiten über den Pferderücken gelegt wurden. 1189 „feine Wollkleider“: Griech. chlanídia, Plural zu Singular chlanídion; diese Kleider wurden vor allem an Festen getragen. 1189 „safrangelbe Mäntel“: Griech. xystídes, Plural zu Singular xystís; sie wurden vor allem von Wagenlenkern an Prozessionen und von Königen in der Tragödie getragen. So träumt die vornehme Frau des einfachen Bauern Strepsiades in den Wolken davon, dass ihr Sohn einst, bekleidet mit einer xystis, in die Stadt Athen fährt (v. 70). 1193 „wenn sie in der Prozession den Festkorb trägt“: Wörtlich „wenn sie Kanephore/Korbträgerin ist“. Mit Kanephoren sind Mädchen gemeint, die bei Opferprozessionen den Opferkorb (griech. kanū ́ n) mit den zur Opferhandlung notwendigen Utensilien – vor allem auf dem Kopf – trugen. Besonders herausgehoben waren die Kanephoren bei der Prozession der Panathenäen zu Ehren der Athena in Athen; auf dem Parthenon-Fries sind sie als Teil der Prozession dargestellt; s. Anm. zu vv. 640–647. 1197f. „Nichts ist so gut versiegelt, dass man nicht das Wachs entfernen…kann“: Sicherung von Wertgegenständen war nicht nur durch Riegel und Schlösser, sondern auch durch Versiegelung üblich.

232

Drittes Stasimon: 1203–1215

Wenn jemand von euch kein Brot hat, aber Sklaven und viele kleine Kinder füttern muss, kann er von mir feine Weizenkörner bekommen, ein Brotlaib aus zwei Pfund Weizen ist wahrhaft stattlich anzusehen. Jeder Arme, der will, soll mit Säcken und Beuteln zu mir kommen, um Weizen zu bekommen. Mein Sklave macht sie voll. Aber ich warne ihn: Geh nicht bis zur Tür, sondern hüte dich vor dem Hund!

Χο.

εἰ δέ τῳ μὴ σῖτος ὑμῶν ἔστι, βόσκει δ᾽ οἰκέτας καὶ σμικρὰ πολλὰ παιδία, ἔστι παρ᾽ ἐμοῦ λαβεῖν πυρίδια λεπτὰ μέν, ὁ δ᾽ ἄρτος ἀπὸ χοίνικος ἰδεῖν μάλα νεανίας. ὅστις οὖν βούλεται τῶν πενήτων ἴτω εἰς ἐμοῦ σάκους ἔχων καὶ κωρύκουςꞏ ὡς λήψεται πυρούς. ὁ Μανῆς δ᾽ οὑμὸς αὐτοῖς ἐμβαλεῖ. πρός γε μέντοι τὴν θύραν προαγορεύω μὴ βαδίζειν τὴν ἐμήν, ἀλλ᾽ εὐλαβεῖσθαι τὴν κύνα.

––––––––––––

1212 οὑμὸς αὐτοῖς Bentley : αὐτοῖς οὑμὸς R 1214 προαγορεύω Biset : προσαγορεύω R

Gegenstrophe

1205

1210

1215

[ἀντ. 1205

1210

1215

Kommentar

233

1203 „Brot“: Griech. sı̄ ́tos „Getreide für Brot“ oder „Brot“: Gerste und Weizen. Während Gerste als verbreitete einheimische Getreideart die Getreidegrundversorgung in Athen garantierte, musste Weizen importiert werden, weil die Böden und das Klima in Griechenland für den Weizenanbau nicht günstig waren. Daher war der Weizen das Getreide der Reichen, während Gerste als das Getreide der Armen galt. Als Merkmal des Reichtums wird der Weizen in dieser Gegenstrophe thematisiert. 1204 „füttern“: Griech. bóskein, häufig auf die Versorgung von Tieren bezogen. Diese Konnotation ist geblieben, so auch v. 260. 1206 „feine Weizenkörner“: Griech. pyrídia leptá; nicht als Mehl oder Gries, sondern vor allem als Körner wurde das Getreide gehandelt. Verarbeitet wurde es in der Regel zu Hause. 1207 „Brotlaib aus zwei Pfund (~1 Choinix) Weizen“: griech. choínix ist die Bezeichnung für ein Trockenmaß, das vor allem für Getreide verwandt wurde. In Attika entsprach es 1,01 Liter. 1 Choinix Getreide galt als ausreichend für die tägliche Ernährung pro Person. 1209 „wahrhaft stattlich (griech. neānías) anzusehen“: metaphorischer Gebrauch von neānías „junger Mann“; hier zum ersten Mal belegt. 1211 „mein Sklave“: Griech. Mánes … hūmós (kontrahiert aus ho emós); wörtlich „mein Manes“; der in Attika verbreitete Eigenname „Manes“ (analog zu „mein Johann“ im Deutschen) ist zum Gattungsnamen geworden. Als Eigenname wird „Manes“ v. 908 für den Sklaven des Kinesias gebraucht.

234

Sechstes Epeisodion: 1216–1224

Sechstes Epeisodion. Die Sklaven der Spartaner sind noch auf der Bühne; sie sind weiterhin stumm. Zunächst treten mehrere athenische Gesandte auf, die bis auf zwei stumm bleiben. Dann folgen mehrere spartanische Gesandte, die bis auf einen stumm bleiben. Erster athenischer Gesandter (noch in der Akropolis, zum Torhüter) Mach das Tor auf! (Torkelt betrunken mit einer brennenden Fackel heraus und stößt den Torhüter um.) Du hättest mir aus dem Weg gehen sollen. (Es folgen weitere Athener, ebenfalls betrunken, mit Kränzen auf dem Kopf und Fackeln in den Händen.) (Erblickt die spartanischen Sklaven.) Was sitzt ihr da? Soll ich euch wohl mit meiner Fackel verbrennen? Das ist ein primitiver Scherz. Ich werde das nicht tun. Wenn es aber unbedingt nötig ist, (wendet sich an die Zuschauer) dann wollen wir es euch zu Gefallen (vertreiben die Sklaven mit der 1220 Fackel) auf uns nehmen. Zweiter athenischer Gesandter (kommt mit weiteren Athenern aus der Burg) Wir wollen das zusammen mit euch auf uns nehmen. Wollt ihr nicht verschwinden? Sonst werden ihr laut um eure Haare jammern. Erster athenischer Gesandter Wollt ihr nicht verschwinden, damit die Spartaner nach dem Fest ungehindert herauskommen können?

Ἀθηναίων Πρεσβευτής A ἄνοιγε τὴν θύραν σύꞏ παραχωρεῖν σ᾽ ἔδει. ὑμεῖς, τί κάθησθε; μῶν ἐγὼ τῇ λαμπάδι ὑμᾶς κατακαύσω; φορτικὸν τὸ χωρίον. οὐκ ἂν ποιήσαιμ᾽. εἰ δὲ πάνυ δεῖ τοῦτο δρᾶν, ὑμῖν χαρίζεσθαι, προσταλαιπωρήσομεν. Ἀθηναίων Πρεσβευτής B χἠμεῖς γε μετὰ σοῦ ξυνταλαιπωρήσομεν. οὐκ ἄπιτε; κωκύσεσθε τὰς τρίχας μακρά. Αθ.α οὐκ ἄπιθ᾽, ὅπως ἂν οἱ Λάκωνες ἔνδοθεν καθ᾽ ἡσυχίαν ἀπίωσιν εὐωχημένοι; –––––––––––– 1216 1216 1220 1220 1222

σύꞏBentley : οὐ R σ᾽ Kähler ἔδει, Dindorf : θέλεις R χαρίζεσθαι R : χαρίσασθαι Bentley προσταλαιπωρήσομεν Bentley : προσταλαιπωρήσαιμεν R μακρά alle Editionen : ἀμακρά R

1220

Kommentar

235

1216–1272 Sechstes Epeisodion mit Schauspielerszene (1216–1246) und Schauspielermonodie (1047–1272). Die Handlung schließt mit einem Zeitsprung von der Dauer des Symposions an. Nicht das Friedenssymposion selbst wird dargestellt, sondern sein Ende und seine Folgen. Die Gesandten der Athener und Spartaner kommen betrunken aus der Burg. Der Frieden ist durch das Symposion endgültig besiegelt und soll auf Dauer durch Artemis garantiert werden. Das Ziel der Handlung ist erreicht. 1218 „Das ist ein primitiver Scherz“: Griech. phortikón to chōríon; wörtlich: „ein primitiver Topos (Topos im Sinne der Rhetorik)“; Sklaven als Objekte von Gewaltandrohung oder Gewaltanwendung ohne Beziehung zur Intention der Handlung sind ein traditionelles Mittel der Komik und gehören in den Bereich Slapstick-Komik, einer Form nonverbaler Situationskomik. Dieses Motiv der Schikanierung von Sklaven begleitet die Handlung des Epeisodions, ohne in sie integriert zu sein. Aber Aristophanes verwendet es nicht naivurteilslos, sondern ironisch-gebrochen, indem er sich von diesem „primitiven“ Scherz distanziert und die Verantwortung für den Einsatz auf die Vorliebe und Erwartung der Zuschauer für solche Scherze abwälzt. Durch diese ironische Distanzierung erreicht Aristophanes eine Veränderung traditioneller Komik. Eine solche Veränderung ist Teil der komischen Strategie des Aristophanes, auf nonverbale handlungsunabhängige Situationskomik (SlapstickKomik) zu verzichten. Von ihr distanziert sich Aristophanes ausdrücklich in den Wolken (vv. 537–544). Die Drohung, den Sklaven mit der Fackel zu verbrennen (vv. 1217f.), verweist auf das in den Wolken (v. 543) erwähnte Slapstick-Motiv der Bühnenfigur, die mit einer brennenden Fackel auf die Bühne stürmt. Allerdings bedeutet dies nicht, dass Aristophanes grundsätzlich auf Splapstick-Motive verzichtet, sondern dass er diese Motive in die Handlung integriert. Beispiel dafür ist die Dramatisierung des Slapstick-Prügel-Motivs in den Wolken (vv. 1321–1446): Nachdem Pheidippides durch den Unterricht des Philosophen-Sophisten Sokrates die Kunst der modernen Rhetorik gelernt hat, durch deren Einsatz das Unrecht zum Recht werden kann, setzt er diese Kunst schließlich ein, allerdings nicht wie vom Vater erwartet, um die Schulden der Famillie loszuwerden, sondern um ihm zu beweisen, dass es gerecht sei (v. 1332), ihn zu verprügeln (griech. týptein „verprügeln mit der Faust an Kopf und Kinn“, v. 1324). Aber er verprügelt nicht nur den Vater ausgiebig, sondern will schließlich auch die Mutter nicht davor verschonen (v. 1446).

236

Sechstes Epeisodion: 1225–1241

Zweiter athenischer Gesandter Noch nie habe ich ein solches Symposion erlebt. 1225 Geradezu liebenswürdig waren die Spartaner. Und wir waren beim Wein geistreiche Zecher wie noch nie. Erster athenischer Gesandter Aus gutem Grund! Denn wenn wir nüchtern sind, verlieren wir den Verstand. Wenn die Athener meinem Rat folgen, werden unsere Gesandten in Zukunft überall nur noch betrunken tätig werden. 1230 Denn wenn wir jetzt nüchtern nach Sparta gehen, dann suchen wir gleich etwas, womit wir Verwirrung stiften können. Deswegen hören wir auch nicht an, was sie sagen; Was sie aber nicht sagen, das unterstellen wir ihnen und berichten Widersprüchliches über dieselben Verhandlungen. 1235 Aber heute gefiel uns alles, so dass wir, wenn einer das Kriegslied auf Telamon sang, obwohl er das Friedenslied auf Kleitagora hätte singen müssen, das lobten und sogar noch einen Meineid darauf schworen, dass … (Die Sklaven kommen zurück.) Aber da kommen diese Sklaven wieder hierher zurück. Wollt ihr nicht verschwinden, ihr Galgenstricke? 1240 (Die Sklaven werden wieder fortgejagt.) Zweiter athenischer Gesandter Ja, bei Zeus, die Spartaner kommen heraus. (Die spartanischen Gesandten kommen aus der Burg. Ihr Führer bringt einen Dudelsack mit.)

Αθ.β οὔπω τοιοῦτον συμπόσιον ὄπωπ᾽ ἐγώ. ἦ καὶ χαρίεντες ἦσαν οἱ Λακωνικοίꞏ ἡμεῖς δ᾽ ἐν οἴνῳ συμπόται σοφώτατοι. Αθ.α ὀρθῶς γ, ὁτιὴ νήφοντες οὐχ ὑγιαίνομεν∙ ἢν τοὺς Ἀθηναίους ἐγὼ πείσω λέγων, μεθύοντες ἀεὶ πανταχοῖ πρεσβεύσομεν. νῦν μὲν γὰρ ὅταν ἔλθωμεν εἰς Λακεδαίμονα νήφοντες, εὐθὺς βλέπομεν ὅ τι ταράξομενꞏ ὥσθ᾽ ὅ τι μὲν ἂν λέγωσιν οὐκ ἀκούομεν, ἃ δ᾽ οὐ λέγουσι, ταῦθ᾽ ὑπονενοήκαμεν, ἀγγέλλομεν δ᾽ οὐ ταὐτὰ τῶν αὐτῶν πέρι. νυνὶ δ᾽ ἅπαντ᾽ ἤρεσκενꞏ ὥστ᾽ εἰ μέν γέ τις ᾄδοι Τελαμῶνος, Κλειταγόρας ᾄδειν δέον, ἐπῃνέσαμεν ἂν καὶ προσεπιωρκήσαμεν. ἀλλ᾽ οὑτοιὶ γὰρ αὖθις ἔρχονται πάλιν εἰς ταὐτόν. οὐκ ἐρρήσετ᾽, ὦ μαστιγίαι; Αθ.β νὴ τὸν Δί᾽∙ ὡς ἤδη γε χωροῦσ᾽ ἔνδοθεν.

1225

1230

1235

1240

Kommentar

237

1228 „wenn wir nüchtern sind, verlieren wir den Verstand“: Komischpointierte Umkehrung der sprichwörtlich in den Wespen (v.1253) formulierten Einsicht: „Ein Übel ist das Trinken“ (griech. kakón to pı̄ ́nein). Diese Einsicht spiegelt auch die Aussage eines Sklaven in den Rittern (v. 88): „Wie kannn ein Betrunkener etwas Nützliches (griech. chrēstón) raten?“ Dass es mit dieser Einsicht nicht getan ist, zeigt schon der Protagonist Philokleon selbst in den Wespen, der dieses Sprichwort anführt und auch die Folgen des Trinkens wie Randalieren und Prügeln (v. 1254) kennt, aber sich am Ende (vv. 1292–1449) dann doch betrinkt und in seinem Rausch randaliert. Das Thema der Opposition von Rausch und Nüchternheit ist zu vielfältigen Paradoxien und Pointen verarbeitet worden. Im Sinne der Lysistrate wird in den Ekklesiazusen (vv. 132–144) das Thema politisch expandiert: In der Frauenvolksversammlung verlangt eine Rednerin vor ihrer Rede Wein und begründet diese Forderung mit dem Hinweis auf die Praxis der Männer in der Volksversammlung, denn diese müssten doch Wein getrunken haben, da ihre „Beschlüsse“ (griech. buleúmata) so „verrückt“ (griech. parapeplēgména, v. 139) seien wie von Betrunkenen. Dem Kontrollverlust durch Wein steht gegenüber die pointierte These von der Steigerung der geistigen Leistungsfähigkei durch Wein: „Der Betrunkene sieht schärfer“ (griech. methÿ ́ ōn oxýteron blépei, Plutos, v. 1048). Damit wurde die berauschende Wirkung zum Lob des Weines genutzt. Berühmt wurde das Diktum des Komödiendichters Kratinos, eines Konkurrenten des Aristophanes, der zur Verteidigung seiner Trinklust sagte, dass niemand etwas „Kluges“ (griech. sophón) hervorbringen könne, der nur „Wasser“ trinke (fr. 203, in: Poetae Comici Graeci, Bd. 4, hrsg. von R. Kassel und C. Austin, Berlin 1983). 1237 „Kriegslied auf Telamon“ und „Friedenslied auf Kleitagora“: Anspielung auf zwei Trinklieder (griech skólia), die beim Symposion gesungen wurden. Während das Lied auf Telamon, einen Sohn des Aiakos und Bruder des Peleus, wohl vom Krieg handelte (fr. 898–899, PMG Page; s. Anm. zu v. 153f.), hatte das Lied auf Kleitagora, möglicherweise eine Hetäre, vielleicht den Frieden zum Thema (fr. 912 PMG Page; s. Anm. zu v. 153f.).

238

Sechstes Epeisodion: 1242–1256

Spartanischer Gesandter (zu dem Flötenspieler auf der Bühne, der bisher den Chor musikalisch begleitet hat) Guter Freund, nimm den Dudelsack, damit ich im Zweier-Schritt tanzen und ein schönes Lied singen kann, auf die Athener und auch auf uns! Erster athenischer Gesandter Ja, bei den Göttern, nimm den Dudelsack!1245 Wie ich mich freue, euch Spartaner tanzen zu sehen! Spartanischer Gesandter (singt und tanzt) Mnemosyne, schicke mir, dem Jüngling ohne Wissen, deine Tochter, die Muse, die von uns und den Athenern alles weiß, wie die Athener, göttergleich, bei Artemision die Schiffe der Perser angegriffen und die Perser besiegt haben, während uns Leonidas, ja, wie wilde Eber führte, die ihre Hauer wetzten.

Λακεδαιμονίων Πρεσβευτής ὦ πολυχαρείδα, λαβὲ τὰ φυἁτήρια, ἵν᾽ ἐγὼν διποδιάξω τε κἀείὡ καλὸν εἰς τὼς Ἀσαναίως τε χἄμ᾽ ἄεισμ᾽ ἁμᾶ. Αθ.α λαβὲ δῆτα τὰς φυσαλλίδας πρὸς τῶν θεῶν, ὡς ἥδομαί γ᾽ ὑμᾶς ὁρῶν ὀρχουμένους. Λα.

ὅρμαὁν τῷ κυρσανίῳ, Μναμόνα, τάν τεὰν Μῶἁν, ἅτις οἶδεν ἁμὲ τώς τ᾽ Ἀσαναίως, ὅκα τοὶ μὲν ἐπ᾽ Ἀρταμιτίῳ πρώκροον σιείκελοι ποττὰ κᾶλα τὼς Μήδως τ᾽ ἐνίκων∙ ἁμὲ δ᾽ αὖ Λεωνίδας ἆγεν ᾇπερ τὼς κάπρως σάγοντας, οἰῶ, τὸν ὀδόντα∙ πολὺς δ᾽

––––––––––––

1244 1244 1247 1251 1256

Monodie 1250

1255

1245

1250

1255

χἄμ᾽ ἄεισμ᾽ Meineke : καὶ ἡμᾶς R ἁμᾶ Bergk : ἅμα Hss. τῷ κυρσανίῳ Bergler : τὼς κυρσανίως Hss. πρώκροον Ahrens : πρὠκρόϜον Wilson (Digamma vielleicht in Sparta noch gesprochen) σάγοντας Blaydes : θάγοντας Hss.

Kommentar

239

1242 „Guter Freund, nimm den Dudelsack (griech.-dorisch phȳhātḗria, Plural-Begriff)“: Die Identifizierung des Blasinstrumentes ist nicht eindeutig. Wenn die in Athen übliche Flöte gemeint wäre, wäre der Ausdruck griech. aulós naheliegend. Offensichtlich handelt es sich um ein Blasinstrument, das in Sparta beliebt war und wegen der Etymologie der Bezeichnung wohl dem Dudelsack ähnlich war. Der Athener verwendet dafür den Plural-Begriff physallídes (v. 1245). Die Aufforderung ist an den Flötenspieler gerichtet, der als Mitglied des Bühnenpersonals bisher den Chor musikalisch mit der Flöte (griech. aulós) begleitet hat und zuletzt während des dritten Stasimons (vv. 1189–1215) tätig war. Er steht jetzt wie selbstverständlich für eine neue Aufgabe zur Verfügung. 1247–1272. Die Monodie – in der Form und Funktion eines Gebets – ist in Sprache und Form wohl dorischer Lyrik verpflichtet. Der Spartaner begleitet sein Lied mit Tanz. Damit verliert das Wort zugunsten des Tanzes an Bedeutung für die Handlung und die Komik zugunsten der tänzerischen Darstellung. Die Exodos (vv. 1273–1321) zeigt dann endgültig die Dominanz des Tanzes in der Handlung. Die Monodie ist nicht wie die Chorlieder strophisch in Strophe und Gegenstrophe gegliedert. Die Versgliederung ist kontrovers; s. zur Metrik u. S. 256. 1248 „Mnemosyne“: Göttin der Erinnerung, Mutter der neun Musen, die den Menschen durch die Erinnerung zusammen mit Tanz Freude und Unbeschwertheit bringen. 1251 „Artemision“: Erinnerung an die Leistung der Athener in der Seeschlacht am Kap Artemision (an der Nordspitze von Euböa) zwischen den Griechen des Hellenenbundes und den Persern (480 v. Chr.). Zwar waren an dieser Schlacht auch andere Städte Griechenlands mit Schiffskontingenten beteiligt, aber Athen stellte mit 200 Schiffen (von insgesamt 333 Schiffen) den größten Anteil. Diese Flotte konnte sich gegen die Übermacht der Perser behaupten und begründete damit den bald darauffolgenden Sieg gegen die Perser bei Salamis, der das Ende der persischen Invasion einleitete; s. Anm. zu v. 285. 1254 „Leonidas“: Erinnerung an die Leistung der Spartaner in der Landschlacht bei den Thermopylen zwischen den Griechen des Hellenenbundes und den Persern, die gleichzeitig mit der Seeschlacht am Kap Artemision stattfand. In dieser Schlacht leisteten die Griechen des Hellenenbundes unter Führung des spartanischen Königs Leonidas und unter maßgeblicher Beteiligung der Spartaner erbitterten Widerstand gegen die anrückenden Perser. Zwar endete die Schlacht mit der Niederlage der Griechen und mit der Vernichtung der spartanischen Kerntruppe von 300 Spartanern, aber sie wurde zum Symbol für den Selbstbehauptungswillen der Griechen, der durch den Sieg über die Perser in der Seeschlacht von Salamis bestätigt wurde; s. Anm. zu v. 285.

240

Sechstes Epeisodion: 1257–1272

Viel Schaum sammelte sich am Kinn und floss auch bis zu den Schenkeln. 1260 Die Gegner, diese Perser, waren zahlreicher als der Sand am Meer. Artemis, Göttin der Jagd und der wilden Tiere, Wildtöterin, komm hierher, göttliche Jungfrau, und hilf uns beim Friedensschluss! 1265 Sorge dafür, dass wir lange zusammenbleiben! Jetzt soll für alle Zeit gesegnete Freundschaft durch den Friedensvertrag entstehen. Und wir wollen uns lösen von den Verführungen 1270 der verschlagenen Politiker. O komm hierher, hierher, jungfräuliche Jägerin!

ἀμφὶ τὰς γένυας ἀφρὸς ἤνσεεν, πολὺς δ᾽ ἁμᾶ καττῶν σκελῶν ἀφρὸς ἵετο. ἦν γὰρ τὤνδρες οὐκ ἐλάσσως τᾶς ψάμμας τοὶ Πέρσαι. ἀγροτέρα σηροκτόνε, μόλε δεῦρο, παρσένε σιά, ποττὰς σπονδάς, ὡς συνέχῃς πολὺν ἁμὲ χρόνον. νῦν δ᾽ αὖ φιλία τ᾽ ἀὲς εὔπορος εἴη ταῖσι συνθήκαισι, καὶ τᾶν αἱμυλᾶν ἀλωπέκων παυἁίμεθα. ὢ, δεῦρ᾽ ἴθι, δεῦρο ὦ κυναγὲ παρσένε.

––––––––––––

1257 1259 1259 1262 1266 1266 1270

ἤνσεεν Wilamowitz : ἤνσει Hss. : ἄνση Sommerstein ἁμᾶ Bergk : ἅμα Hss. καττῶν Reisig : καὶ κατῶν B ἀγροτέρα Dindorf : ἀγροτέρ᾿ Ἄρτεμι τ᾽ Schaefer : δ᾽ Hss. ἀὲς Burges : αἰὲς Hss. παυἁίμεθα van Leeuwen : παυσαίμεθ᾽ Hss.

1260

1265 1270

Kommentar

241

1255–1258 „wie wilde Eber…, die ihre Hauer wetzten. Viel Schaum (griech. aphrós) sammelte sich am Kinn“: Der Vergleich ist angelehnt an Eber-Vergleiche in der Ilias Homers (11,416; 13,474; 20,168f.) und an den im Kampf verletzten Achilleus (20,168f.) oder den kampfbereiten Hektor (15,607): Die Eber „wetzen ihre Zähne“, und „Schaum (wohl Blut und Schweiß) tritt um die Zähne bzw. den Mund“. 1262 „Artemis, Göttin der Jagd und der wilden Tiere“: Griech. agrotéra, Kultname der in Athen und Sparta gleichermaßen verehrten Artemis; in dieser Funktion steht sie auch in Beziehung zum Krieg. Durch diese Beziehung ist sie auch als Friedensstifterin geeignet. Weil sie in Athen und Sparta gleichermaßen verehrt wurde, wird sie hier prominent angerufen. Als Helferin im Kriege gegen die Perser lebt sie in der Erinnerung der Athener. Da die Athener vor der Schlacht bei Marathon der Artemis gelobt hatten, ihr im Falle eines Sieges fünfhundert Ziegen zu opfern, veranstalteten sie am 6. Boëdromion (Ende September) in Erinnerung an den Sieg ein Fest mit dem Ziegenopfer (Xenophon, Anábasis 3,2,12). Die Spartaner versicherten sich ihrer Hilfe, indem sie vor jeder Schlacht eine Ziege opferten (Xenophon, Hellēniká 4,2,20; Lakedaimoníōn politeía 13,8). 1269f. „Verführungen der verschlagenen Politiker“: Die „verschlagenen Politiker“ sind als „Füchse“ (griech. alṓpekes; hier in dorisch-lakonischer Lautung) bezeichnet. „Fuchs“ als Metapher für verschlagene Politiker ist seit Solon (fr. 11,5–8) üblich.

242

Exodos: 1273–

Exodos. Lysistrate kommt mit Athenerinnen und Spartanerinnen aus der Burg zu den athenischen und spartanischen Gesandten. Eine quantitativ nicht bestimmbare Menge formiert sich jetzt paarweise in der Orchestra. Dasselbe tut der Chor. Ly.

(an alle Anwesenden) Nun ist es an euch! Da alles Übrige gut gelungen ist, führt, ihr Spartaner, eure Frauen hier heim, und, ihr Athener, 1275 eure da! Es trete der Mann zu seiner Frau und die Frau zu ihrem Mann! Und dann wollen wir die Götter mit Tänzen ehren für das große Glück und uns in Zukunft davor hüten, dieselben Fehler wieder zu machen! (Lysistrate singt. Alle beginnen zu tanzen.) Monodie Beginnt den Tanz und zeigt dabei Anmut, 1280 ruft Artemis herbei, auch ihren Zwillingsbruder Apollon, den gütigen Heilkundigen, und Dionysos, den am Berg Nysa Geborenen, dessen Augen im Kreis der Mänaden ekstatisch blitzen,

Λυ.

ἄγε νυν ἐπειδὴ τἄλλα πεποίηται καλῶς, ἀπάγεσθε ταύτας, ὦ Λάκωνες, τασδεδὶ ὑμεῖς∙ ἀνὴρ δὲ παρὰ γυναῖκα καὶ γυνὴ στήτω παρ᾽ ἄνδρα, κᾆτ᾽ ἐπ᾽ ἀγαθαῖς συμφοραῖς ὀρχησάμενοι θεοῖσιν εὐλαβώμεθα τὸ λοιπὸν αὖθις μὴ ᾿ξαμαρτάνειν ἔτι. πρόσαγε χορόν, ἔπαγε δὲ Χάριτας, ἐπὶ δὲ κάλεσον Ἄρτεμιν, ἐπὶ δὲ δίδυμον ἁγέχορον Ἰήιον εὔφρον᾽, ἐπὶ δὲ Νύσιον, ὃς μετὰ μαινάσι βάκχιος ὄμμασι δαίεται,

––––––––––––

1274 τασδεδὶ Dindorf : τασδεὶ Hss. 1284 μαινάσι βάκχιος Burges : μαινάσι βάκχειος R

1275

1280

Kommentar

243

1273–1321 Exodos. Die Exodos stellt ohne Anbindung an die vorangehende Handlung eine autonome festliche Situation mit einem dionysischekstatischen Tanz zu Ehren der Götter als Zentrum und zwei begleitenden Monodien mit der Anrufung der zu ehrenden Götter dar und endet mit dem gemeinsamen Tanzauszug von Schauspielern und Chor. Zwar ist das Fest Ausdruck des Friedens, aber der Friede wird in den Monodien nur beiläufig thematisiert (v. 1289f.). Der Tanz wird zum Selbstzweck, und die Komödie endet im Tanz. Was bereits mit dem Lied des Spartaners im sechsten Epeisodion (vv. 1247–1272) einsetzte, kommt in der Exodos endgültig zum Durchbruch: die Dominanz des Tanzes in der Handlung. Für die Wirkung der Exodos auf den Zuschauer bedeutet dies, dass nicht mehr die Komik des Wortes, sondern die dionysisch-ekstatische Ausgelassenheit der tänzerischen Darstellung entscheidend ist. Nicht die Entgrenzung durch Lachen, sondern die Entgrenzung durch die Freude am dioysisch-ekstatischen Tanz steht am Ende der Handlung der Komödie. Eine ähnlich dionysisch-ekstatische Tanzszene beschließt u. a. die Wespen (vv. 1516–1537) und den Frieden (vv. 1316–1557). Im ersten Lied (vv. 1279–1290), dem Lied der Lysistrate, der Form und Funktion nach einem hymnischen Gebet, werden panhellenische Gottheiten angerufen (Zeus, Hera, Artemis, Apollon, Dionysos, Aphrodite), während im zweiten Lied (vv. 1296–1315), dem Lied des Spartaners, der Form und Funktion nach ebenfalls einem hymnischen Gebet, bevorzugt göttliche Mächte der Spartaner (Apollon von Amyklai, Athena Chalkioikos, die Dioskuren Kastor und Polydeukes (Söhne des Tyndareos) und Helena aufgeboten werden. Beide Lieder stehen sprachlich, metrisch und formal in der Tradition der Hymnendichtung, die auch Teil der Kultpraxis sein konnte. Im Falle der Monodie des Spartaners gibt es Anspielungen auf die dorische Lyrik Alkmans. Beide Lieder sind frei von Komik. In Kombination mit dem auch kultisch fundierten Tanz sind sie Ausdruck der Festesfreude. Ähnlich sind das Phallikon an den Ländlichen Dionysien in den Acharnern (vv. 263–279), die Hymenäen im Frieden (vv. 1329–1357) und der Hochzeitszug in den Vögeln (vv. 1731–1765). Die Exodos hat die philologische Spekulationslust vielfältig beflügelt. Sie wurde verdächtigt, weder in sich noch als Abschluss der gesamten Handlung stimmig zu sein. Die Verdächtigungen sind freilich nicht durchschlagend, da sie durch die dramaturgische und komische Praxis anderer aristophanischer Komödien entkräftet werden können. Übrig bleibt als Anstoß nur, dass die Komödie kaum mit dem letzten Satz geendet haben kann. Offensichtlich ist am Ende etwas in der Überlieferung verlorengegangen, aber viel wird es nicht gewesen sein. Man kann guten philologischen Gewissens die Exodos in der überlieferten Form als authentisch ansehen. Vgl. Henderson (1987) 213f.; Sommerstein (1998/2007), XVII. Ein spezifisches Problem ist die Personenverteilung. Kontrovers ist vor allem die im Ravennas überlieferte Zuweisung der ersten Monodie mit ihrer Einleitung (vv. 1273–1290) an Lysistrate. Die Gründe aber, diese Partien einer anderen Person oder im Fall der Monodie dem Chor zuzuweisen, sind wenig plausibel. Vgl. Sommerstein (1998/2007) 221f.

244

Exodos: 1285–1301

und Zeus, vom Feuerblitz umflammt, auch die Herrin Hera, seine erhabene segenbringende Gattin, dann die Götter, die als Zeugen es nie vergessen, uns an den Frieden, der die Menschen freundlich macht, zu erinnern, den die göttliche Aphrodite, die Kypris, gebracht hat.

1285

1290

Chor und Schauspieler alalaí! iḗ, paiṓn! Hebt die Beine, iaí, für den Sieg, iaí! euoí, euoí, euaí, euaí! Ly.

Auf, Spartaner, singe nun auch du ein neues Lied!

1295

Spartanischer Gesandter (singt. Alle anderen tanzen weiter.) Monodie Verlasse das liebliche Taÿgetos-Gebirge, Komm, Muse von Sparta, komm und preise, wie es uns angemessen ist, Apollon, den Gott von Amyklai, und Athena im bronzenen Haus, auch Kastor und Polydeukes, die Dioskuren, die edlen Söhne des Tyndareos, 1300 die am Eurotas Sport treiben.

Δία τε πυρὶ φλεγόμενον, ἐπί δε πότνιαν ἄλοχον ὀλβίαν∙ εἶτα δὲ δαίμονας, οἷς ἐπιμάρτυσι χρησόμεθ᾽ οὐκ ἐπιλήσμοσιν ἡσυχίας πέρι τῆς ἀγανόφρονος, ἣν ἐποίησε θεὰ Κύπρις. Πάντες ἀλαλαὶ, ἰὴ παιών. αἴρεσθ᾽ ἄνω, ἰαί, ὡς ἐπὶ νίκῃ, ἰαί. εὐοῖ εὐοῖ, εὐαί εὐαί. Λυ.

πρόφαινε δὴ σὺ Μοῦσαν ἐπὶ νέᾳ νέαν.

Λα.

Ταΰγετον αὖτ᾽ ἐραννὸν ἐκλιπῶἁ Μῶἁ, μόλε Λάκαινα, πρεπτὸν ἁμὶν κλέωἁ τὸν Ἀμύκλαις σιὸν καὶ χαλκίοικον Ἀσάναν Τυνδαρίδας τ᾽ ἀγασώς, τοὶ δὴ πὰρ Εὐρώταν ψιάδδοντι.

1285

1290

1295

1300

Kommentar

245

1279–1290 Monodie, Lied der Lysistrate: Metrische Form: s. u. S. 256f. 1281 „Apollon, den gütigen Heilkundigen“: Der Beiname Apollons als Heilgott zeigt einen wesentlichen Zug seiner Verehrung. Im Griechischen wird der Name des Gottes nicht genannt, sondern nur sein Beiname. 1282 „Dionysos, den am Berg Nysa Geborenen“: Mythischer Ort der Geburt und Kindheit des Dionysos, benannt nach seiner Amma Nysa. Im Griechischen wird der Name des Gottes nicht genannt, sondern nur sein Beiname. 1285 „Zeus, vom Feuerblitz umbrandet“: Epiphanie des Zeus als Blitz. 1287 „Götter, die als Zeugen es nie vergessen“: Diese Schwurzeugen bleiben namenlos. 1290 „Aphrodite, die Kypris“: „Kypris“ ist seit Homer die geläufigste poetische Bezeichnung der Aphrodite und zeigt ihre spezifische Verbindung zu Zypern. Im Griechischen wird der Name der Göttin nicht genannt, sondern nur ihr Beiname. 1291–1294 „alalaí! iḗ, paiṓn! / … iaí / … iaí! / euoí, euoí, euaí, euaí!“: Kultische oder kultisch affine literarische Freudenrufe und Jubelrufe. Ähnlich sind die Jubelrufe in den Ekklesiazusen (vv.1180–1184), mit denen die Komödie endet: iaí euaí /… euoí euaí, / euaí … / euaí, euaí, euaí, euaí. 1295 „singe nun auch du ein neues Lied“: Wörtlich: „Singe du ein neues Lied nach meinem neuen Lied“. 1296–1315 Monodie, Lied des Spartaners; Metrische Form: s. u. S. 256f. 1298 „Apollon … von Amyklai“: Bedeutender Kultort des Apollon in der Nähe Spartas am Eurotas (Pausanias, Beschreibung Griechenlands, 3,18,9– 19,6). Der Kultort war ein offener Bezirk ohne Tempel. Berühmt war der „Thron“ des Apollon mit einer ca. 13 m hohen Kultstatue des Apollon in der Form eines Bronzepfeilers, an dem nur die Füße, die Arme mit Lanze und Bogen sowie der Kopf mit Helm ausgebildet waren. 1299 „Athena im bronzenen Haus“: Athena wurde in Sparta als Stadtgöttin („Poliuchos“) verehrt und hatte dieselbe Funktion wie die Athena „Polias“ in Athen. Der Beiname geht auf ihren Tempel auf dem Akropolis-Hügel über dem Theater in Sparta zurück, der mit berühmten Bronzereliefs verkleidet und mit einem Kultbild der Athena aus Bronze ausgestattet war (Pausanias, Beschreibung Griechenlands, 3,17, 1–3; Übersetzung Ernst Meyer). Der Tempel selbst war als Bauwerk ein eher schlichter Bau. In den Bronzereliefs waren dargestellt „viele Taten des Herakles, aber auch vieles von dem, was er freiwillig leistete, und von den Taten der Söhne des Tyndareos unter anderem der Raub der Töchter des Leukippos, und Hephaistos, wie er seine Mutter von den Fesseln befreit.“ 1300 „Kastor und Polydeukes, die Dioskuren, die edlen Söhne des Tyndareos“: Im Griechischen werden die Namen der Götter nicht genannt. Ihr Kult war kennzeichnend für Sparta und auch in der Peloponnes verbreitet, darüber hinaus aber auch panhellenisch üblich. Im Mythos sind die Dioskuren, die Brüder der Helena, primär mit Sparta verbunden.

246

Exodos: 1302–1321

Eia, spring! Eia, dreh dich behende, damit wir Sparta verherrlichen können, das sich an Tänzen zu Ehren der Götter und am Stampfen der Füße erfreut, und wo die Mädchen wie Fohlen am Fluss Eurotas herumspringen, dichten Staub aufwirbelnd, und wo ihre Haare fliegen wie bei den Mänaden, die den Thyrsos schwingen und springen. Helena, die Tochter der Leda, führt sie, die reine und schöne Chorführerin.

1305

1310

1315

(zum Chor) Auf nun, binde das Haar zusammen, springe wie ein Hirsch und klatsche mit den Händen, um den Takt zu halten! Und preise Athena, die stärkste Göttin, die im bronzenen Haus wohnt, 1320 die Allbezwingerin … (Alle verlassen tanzend die Orchestra.)

εἶα μάλ᾽ ἔμβη, ὢ εἶα, κοῦφα πᾶλον, ὡς Σπάρταν ὑμνίωμες, τᾷ σιῶν χοροὶ μέλοντι καὶ ποδῶν κτύπος, χἆτε πῶλοι ταὶ κόραι πὰρ τὸν Εὐρώταν ἀμπάλλοντι πυκνὰ ποδοῖν ἀγκονίωαἱ, ταὶ δὲ κόμαι σείονται ἇπερ Βακχᾶν θυρσαδδωἇν καὶ παιδδωἇν. ἁγῆται δ᾽ ἁ Λήδας παῖς ἁγνὰ χοραγὸς εὐπρεπής. ἀλλ᾽ ἄγε, κόμαν παραμπύκιδδε χερί, ποδοῖν τε πάδη ἇ τις ἔλαφος∙ κρότον δ᾽ ἁμᾶ ποίη χορωφελήταν. καὶ τὰν σιὰν δ᾽ αὖ τὰν κρατίσταν Χαλκίοικον ὕμνη, τὰν παμμάχον… ––––––––––––

1305

1310

1315

1320

1304 πᾶλον Bergk : πάλλων Hss. 1305 ὑμνίωμες C; ὑμνείωμες übrige Hss. 1320 ὕμνη Burges, van Leeuwen : ὕμνει Hss. 1320f. τὰν κρατίσταν Χαλκίοικον…τὰν παμμάχον Hss. : alii aliter

Kommentar

247

1301 „die am Eurotas Sport treiben“: Sparta liegt am Fluss Eurotas. Wohl Anspielung auf das berühmte Sportgelände in Sparta (griech. drómos „Laufbahn“ mit zwei Gymnasien). Auf ihm haben offensichtlich auch die Mädchen Spartas ihre Tänze eingeübt und vorgeführt (vv. 1307f.). 1305f. „Sparta…, das sich an Tänzen zu Ehren der Götter…erfreut“: Anspielung auf die Tradition des Chorgesangs der Mädchen in Sparta, der durch Tanz unterstützt war. Am Anfang dieser Tradition stand Alkman (2. Hälfte des 7. Jahrhunderts v. Chr.). Dass diese Tradition noch am Ende des 5. Jahrhunderts v. Chr., also zur Zeit der Aufführung der Lysitrate bestand, ist eher unwahscheinlich, da die künstlerische Produktivität Spartas zugunsten seiner Militarisierung seit der 2. Hälfte des 6. Jahrhunderts v. Chr. bedeutungslos geworden war. 1307–1309 „wo die Mädchen wie Fohlen…herumspringen“: Zum Chorgesang der Mädchen gehörte die tänzerische Darbietung. Der Vergleich der Mädchen mit Fohlen ist traditionell. 1311–1213 „wo ihre Haare fliegen wie bei den Mänaden, die den Thyrsos schwingen und springen“: „ihre Haare fliegen“: wörtlich: „ihre Haare werden geschüttelt/hin und her bewegt“. Der Vergleich mit den Mänaden verweist auf den dionysischen Charaker des Tanzes. Die Mänaden (griech. Bákchai oder Mainádes) als Begleiter und Verehrer des Dionysos verehrten den Gott durch Tanzrituale. Sie werden in der bildenden Kunst und Literatur als „Rasende“ dargestellt, die wie im Trance ausgelassen tanzen, den Kopf mit fliegenden Haaren häufig weit in den Nacken geworfen und ausgrüstet mit dem Thyrsosstab, einem federnden Stab mit einem Efeubüschel am oberen Ende. Der Vergleich der „fliegenden“ Haare der tanzenden Mädchenchöre mit dem Tanz der Mänaden ist historisch wohl angemessen, wie Alkman in seinen Mädchenchorliedern zeigt: Die Mädchen haben nicht nur eine „Mähne“ (att. chaítē; dorisch-lakonisch chaíta) wie Pferde (fr. 1,51, PMG Page; s. Anm. zu v. 153f.), sondern „schütteln“ (griech. tinássein) diese auch (fr. 3,9, PMG Page). 1314 „Helena, die Tochter der Leda“: Helena wurde in Sparta – im Gegensatz zu ihrer Rolle im Mythos als verführerische Frau – als Ideal spartanischer Weiblichkeit – verehrt. 1320 „Göttin, die im bronzenen Haus wohnt“: Athena; s. Anm. zu v. 1299. 1321 „die Allbezwingerin …“: Die Überlieferung endet mit einem unvollständigen Vers, ist also fragmentarisch. Wie viel an Text verloren ist, lässt sich nicht erschließen. Viel ist es wohl nicht gewesen. S. Anm. zu v. 1273–1321.

Anhang

Verskunst Die griechische Metrik war nicht auf der Abfolge von betonten und unbetonten Silben, sondern auf der Abfolge von langen und kurzen Silben begründet, d. h. die griechische Metrik war nicht akzentuierend, sondern quantitierend. Zeichen für die lange Silbe ist –, Zeichen für die kurze Silbe ⏑, Zeichen für eine lange oder kurze Silbe x. Die Versmaße werden nach Fuß und Metron (Metrum) analysiert. Bei den meisten Versmaßen sind Fuß und Metron identisch (Daktylus, Spondeus usw.); beim Iambus, Trochäus und Anapäst bilden zwei Füße ein Metron.

Metrische Einheiten Anapästisches Metron (= zwei Anapäste/anapästische Versfüße) ⏑ ⏑ – ⏑ ⏑ – ⏑–– Baccheus –⏑⏑– Choriambus –⏑⏑ Daktylus/Daktylisches Metron ×–⏑– Iambisches Metron (= zwei Iamben/iambische Versfüße) –⏑– Kretikus/Creticus ⏑ ⏑ ⏑ – oder – ⏑ ⏑ ⏑ Päon –– Spondeus –⏑–× Trochäisches Metron (= zwei Trochäen/trochäische Versfüße) In den meisten Metren kann eine Doppelkürze durch eine Länge und umgekehrt eine Länge durch eine Doppelkürze ersetzt werden. Die anapästischen, iambischen und trochäischen Tetrameter (Langverse) und Dimeter (Kurzverse) sind in ihrem letzten Metron in der Regel um das letzte Element verkürzt (katalektisch).

Metrische Formen und ihre Vortragsarten Der Rhythmus der komischen Sprache wird durch eine große Vielfalt an metrischen Formen bestimmt. Schauspielerszenen und Chorszenen sind dabei durch ein unterschiedliches metrisches Profil geprägt. Gemischte Szenen mit Schau-

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Anhang

spieler- und Chorbeteiligung sind insgesamt selten. Die metrischen Einheiten sind das Medium der Musikalität der Komödie und dabei in großer Konstanz den verschiedenen Vortragsarten in den Szenen, dem Sprechen, dem Singen und der Rezitation, zugeordnet. Gesprochen werden die reinen Schauspielerszenen. In ihnen ist der Iambus in der Form des Trimeters wie in der Tragödie der übliche Sprechvers. Er steht dem Rhythmus der gesprochenen Sprache nahe (Aristoteles, Poetik, 1449 a 21–28). Während in der Tragödie Grundform nur begrenzt variiert wird, können in der Komödie fast alle Elemente durch eine Doppelkürze ersetzt werden. Dadurch erhält der Rhythmus eine größere Nähe zur gesprochenen Sprache. Die Chorszenen erhalten ihre rhythmische Prägung durch gesungene und rezitierte Versmaße. Gesungen werden die lyrischen Verse primär in der Form von Strophe/Ode und metrisch korrespondierender Gegenstrophe/Antode. Sie haben einmal wie in der Tragödie ihren Platz in der Parodos und in den Stasima, zum anderen in den spezifischen Bauformen der Komödie, im Epirrhematischen Agon und in der Parabase. Gesungen werden außerdem Monodien/Arien der Schauspieler, diese allerdings in der Regel nicht in der Form von respondierender Strophe und Gegenstrophe. Eingesetzt werden in den gesungenen Partien nicht versweise/stichisch wiederholte Metren, sondern strophisch gestaltete metrische Formen. Dabei handelt es sich in der Regel um einfache klar strukturierte Metren, die nur im Falle der Tragödienparodie die komplexe metrische Struktur von Chorliedern der Tragödie zeigen können. Die Musikalität der gesungenen Partie wird unterstützt durch die Begleitung der Flöte. Rezitiert werden in der Komödie stichisch wiederholte anapästische, iambische und trochäische Metren in der Form des katalektischen Tetrameters (bisweilen kombiniert mit entsprechenden Dimetern und Monometern). Die Rezitationsverse wurden in der Regel wohl vom Chorführer vorgetragen und wie die gesungenen Verse von der Flöte begleitet. In dem hohen Anteil an Rezitationsversen unterscheidet sich die Komödie von der gleichzeitigen Tragödie des Sophokles und Euripides, steht darin aber in Nähe zur Tragödie des Aischylos. In der Lysistrate werden Rezitationsverse in monologischen Chorreden und in Dialogen (zwischen zwei Chören/Chorhälften oder zwischen Chor und Schauspieler) eingesetzt. Solche Sprechgesang-Partien sind bevorzugt Teile der epirrhematischen Komposition, die als eine komödienspezifische Bauform für den Epirrhematischen Agon und für die Parabase kennzeichnend ist, bei der auf eine Gesangpartien des Chors mit Ode/Strophe und Antode/Gegenstrophe jeweils eine Sprechgesangpartie v. a. in Tetrametern im Epirrhema („anschließende Rede/Rede, die auf eine gesungene Strophe folgt“) und mit präziser metrischer Wiederholung im Antepirrhema („anschließende Gegenrede/Rede, die auf eine gesungene Gegenstrophe folgt“). Eine epirrhematische Komposition ist also eine strophische Komposition mit der Abfolge von gesungenen und rezitierten Partien. Einführung: Zimmermann (2011) 683–694; Zimmermann (1993) 23–35.

253

Verskunst

Metrische Analysen Prolog (1–253) (Schauspielerszene) Iambische Trimeter als Sprechverse Parodos mit anschließender Streitstichomythie (254–386) (Chorszene) Die Parodos umfasst durch die Teilung des Chors in zwei miteinander streitende Hälften zwei Parodoi, eine zweigeteilte Männer-Parodos (vv. 254–318) und eine Frauen-Parodos (vv. 320–349). Sie endet in einem Streitamoibaion (vv. 350–386) zwischen den beiden Chorhälften. Diese Struktur der Parodos erfordert eine metrisch differenzierte Form. Der erste Teil der Männer-Parodos besteht aus einer epirrhematischen Komposition und wird bestimmt durch lyrische Iamben in der Strophe und Gegenstrophe sowie durch rezitierte iambische Tetrameter im Epirrhema und Antepirrhema, der zweite Teil der MännerParodos durch lyrische Iamben und Trochäen in Strophe und Gegenstrophe sowie durch abschließende rezitierte iambische Tetrameter. Die FrauenParodos hat lyrische iambische und choriambische Metren in der Strophe und Gegenstrophe. Das anschließende Streitamoibaion ist bestimmt durch rezitierte iambische Tetrameter mit entsprechenden abschließenden rezitierten iambischen Dimetern. 1. Teil der Männer-Parodos mit epirrhematischer Komposition (254–285): Halbchor der alten Männer mit 254–255 Katakeleusmos („Aufforderung zur Beteiligung an der Handlung“) in iambischen Tetrametern 256–265 Strophe/Ode in lyrischen iambischen Metren 266–270 Epirrhema in katalektischen iambischen Tetrametern 271–280 Antistrophe/Antode in lyrischen iambischen Metren 281–285 Antepirrhema in iambischen Tetrametern 2. Teil der Männer-Parodos (286–318): Halbchor der alten Männer 286–295 Strophe/Ode in lyrischen iambischen (283–290) und trochäischen (291–294) Metren 296–305 Antistrophe/Antode in lyrischen iambischen (296–300) und trochäischen (301–304) Metren 306–318 Langverspartie in iambischen Tetrametern Frauen-Parodos (319–349): Halbchor der alten Frauen 319–320 Katakeleusmos („Aufforderung zur Beteiligung an der Handlung“) in iambisch-choriambischen Metren 321–334 Strophe/Ode in lyrischen iambisch-choriambischen Metren 335–349 Antistrophe/Antode in lyrischen iambischen und choriambischen Metren

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Anhang

Streitamoibaion (350–386): Streitszene der Halbchöre 350–381 in katalektischen iambischen Tetrametern 382–386 in iambischen Dimetern Einzelheiten: Zimmermann (1985–1987) Bd. 1, 42–53; Bd. 2, 43–48; 97–103; 133f., 187f.; Bd. 3, 59–68; Henderson-Kommentar (1987) 100f.; 108. Erstes Epeisodion (387–466) (Schauspielerszene) Iambische Trimeter als Sprechverse Epirrhematischer Agon mit epirrhematischer Komposition (467–613) (Szene mit Chor und Schauspieler) Auf metrisch korrespondierende Lieder des Chors (Strophe/Ode und Gegenstrophe/Antode) folgen jeweils metrisch korrespondierende rezitierte Partien der Schauspieler-Kontrahenten (Epirrhema und Antepirrhema) mit argumentativem Charakter, eingeleitet durch ebenfalls metrisch korrespondierende „Aufforderungen“ des Chors (Katakeleusmos und Antikatakeleusmos) an die Kontrahenten, den Konflikt auszutragen. 467–475 Einleitung des ersten Teils des Agons in iambischen Tetrametern (Chor) 476–483 Strophe in Iamben, Kretikern (auch in der aufgelösten Form von Päonen) und in fast ganz aufgelösten Anapästen (Chor) 484–485 Katakeleusmos in anapästischen Tetrametern (Chor) 486–538 Epirrhema in anapästischen Tetrametern (486–531) und übergehend am Schluss (Pnigos) in akatalektische anapästische Dimeter (532–538) (Schauspieler) 539–540 Einleitung des 2. Teils des Agons in iambischen Tetrametern (Chor) 541–548 Gegenstrophe/Antode in Iamben, Kretikern (auch in der aufgelösten Form von Päonen) und in fast ganz aufgelösten Anapästen (Chor) 549–550 Antikatakeleusmos in anapästischen Tetrametern (Chor) 551–607 Antepirrhema in anapästischen Tetrametern (551–597) und am Schluss (Antipnigos) übergehend in akatalektischen anapästischen Kurzversen (598–607) (Schauspieler) 608–613 Abschluss des Agons in iambischen Trimetern (Schauspieler) Einzelheiten: Zimmermann (1985–1987) Bd. 2, 133f.; Bd. 3, 61f.; HendersonKommentar (1987) 130. Parabase mit epirrhematischer Komposition (614–705) (Chor) 1. Teil der Parabase (614–657) 614–615 Katakeleusmos in trochäischen Tetrametern 616–625 Strophe/Ode v. a. in Trochäen, außerdem in Iamben und Kretikern (diese auch in der Form der Päone) 626–635 Epirrhema in trochäischen Tetrametern 636–637 Antikatakeleusmos in trochäischen Tetrametern

Verskunst

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638–647 Gegenstrophe/Antode v. a. in Trochäen, außerdem in Iamben und Kretikern (diese auch in der Form der Päone) 648–657 Antepirrhema in trochäischen Tetrametern 2. Teil der Parabase (658–705) 658–671 Strophe/Ode in Trochäen und Kretikern (diese auch in der Form der Päone) 672–681 Epirrhema in trochäischen Tetrametern 682–695 Gegenstrophe/Antode in Trochäen und Kretikern (diese auch in der Form der Päone) 696–705 Antepirrhema in trochäischen Tetrametern Einzelheiten: Zimmermann (1985–1987) Bd. 2, 97–99.; Bd. 3, 62–64; Henderson-Kommentar (1987) 149f. Zweites Epeisodion (706–780) (Schauspielerszene) Iambische Trimeter mit iambischen Kurzversen in v. 710 (iambischer Monometer) sowie in v. 711 und v. 716 (jeweils synkopierte Iamben bzw. Bakcheen) und mit daktylischen Hexametern (770–773a) Erstes Stasimon (Amoibaion der streitenden Chöre in lyrischen Versmaßen) (781–828) 781–804 Strophe/Antode 805–828 Antistrophe/Antode Die Bestimmung der metrischen Einheiten ist kontrovers. Metrisch dominant sind Trochäen zusammen mit rhythmisch verwandten Spondeen und Kretikern. Einzelheiten: Zimmermann (1985–1987) Bd. 2, 100–103; Bd. 3, 64; Henderson-Kommentar (1987) 169f.; Sommerstein-Kommentar (1998–2007) 197. Drittes Epeisodion mit Schauspielerszene und Klageamoibaion (829–979) (Schauspielerszene mit Beteiligung des Chors) 829–953 iambische Trimeter als Sprechverse (Schauspielerszene) 954–979 Klageamoibaion mit anapästischen Dimetern und Monometern. Viertes Epeisodion (980–1013) Iambische Trimeter als Sprechverse (Schauspielerszene) Chorrezitativ (Dialog-Rezitativ der streitenden Chöre) (1014–1042) (Chor) 1014–1035 trochäische Tetrameter mit Verkürzung des dritten Metron zu einem Päon; 1036–1042 trochäische Tetrameter Zweites Stasimon (Monologisches Lied der versöhnten Chöre (1043–1071) (Chor) 1043–1057 Strophe/Ode I 1058–1071 Gegenstrophe/Antode I

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Anhang

Das zweite Stasimon korrespondiert metrisch in Strophe und Gegenstrophe mit dem dritten Stasimon in Strophe (1189–1202) und Gegenstrophe (1203–1215). Dominant sind Trochäen, immer wieder in der Sonderform von Päonen und verkürzt zu Kretikern. Die Versgliederung ist im Einzelnen unterschiedlich. Einzelheiten: Zimmermann (1985–1987) Bd. 2, 186f.; Henderson-Kommentar (1987) 190; Sommerstein-Kommentar (1998–2007) 208. Fünftes Epeisodion (1072–1188) (Schauspielerszene mit Beteiligung des Chors) 1072–1075 anapästische Tetrameter 1076–1107 iambische Trimeter als Sprechverse 1108–1111 anapästische Tetrameter 1112–1188 iambische Trimeter als Sprechverse Drittes Stasimon (1189–1215) (Chor) 1189–1202 Strophe/Ode II 1203–1215 Antistrophe/Antode II Das dritte Stasimon korrespondiert metrisch mit dem zweiten Stasimon in Strophe (1043–1057) und Gegenstrophe (1058–1071) Sechstes Epeisodion mit Schauspielerszene (1216–1246) und Schauspielermonodie (1047–1272) 1216–1246 Iambische Trimeter als Sprechverse 1047–1272 Monodie Die Monodie (in der Art dorischer Lyrik) ist nicht strophisch mit Strophe und Gegenstrophe gebaut, sondern nach Art der späten Tragödien des Sophokles und des Euripides astrophisch. Dadurch ist eine größere rhythmische Vielfalt möglich. Versmaße: überwiegend lyrische trochäische Kurzverse und Daktylen mit gleitenden Übergängen zu rhythmisch verwandten Versmaßen. Einzelheiten: Zimmermann (1985–1987) Bd. 2, 43f.; Bd. 3, 66f.; HendersonKommentar (1987) 210f. Exodos/Auszugspartie (1273–1321) (Schauspieler und Chor) 1273–1278 iambische Trimeter als Sprechverse (Schauspieler) 1279–1290 erste Schauspieler-Monodie 1291–1294 Jubel- und Freudenrufe (Schauspieler und Chor) 1295–1315 zweite Schauspieler-Monodie 1316–1320 iambische Tetrameter (Schauspieler) Die beiden Monodien sind, wie die Monodie am Ende des sechsten Epeisodions, astrophisch gebaut. Während die erste Monodie, die Monodie der Lysistrate, rhythmisch der Monodie des sechsten Epeisodions verwandt ist, ist die zweite Monodie, die Monodie des Spartaners, durch Auflösung fester Rhythmen gekennzeichnet, die metrisch häufig nicht eindeutig bestimmbar sind. Auch die Jubel- und Freudenrufe entziehen sich einer festen Klassifizierung.

Der dorisch-lakonische Dialekt in der Lysistrate

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Einzelheiten: Zimmermann (1985–1987) Bd. 2, 45–49; Bd. 3, 67f.; Henderson-Kommentar (1987) 215f; 219f.; Sommerstein-Kommentar (1998–2007) 222f.

Der dorisch-lakonische Dialekt in der Lysistrate In der Lysistrate wird neben dem attischen Dialekt auch der dorisch-lakonische Dialekt für die Rollen der Spartanerin Lampito im Prolog sowie des spartanischen Herolds und des spartanischen Gesandten in den Epeisodien des Schlussteils der Komödie eingesetzt. Dieser Dialekt ist in den Sprechversen keine „caricatured version of Laconian … dialect“,133 also kein Mittel der Komik, sondern repräsentiert die Umgangssprache der Spartaner, deren Eigenart vor allem aus Inschriften bekannt ist.134 Im Laufe der Überlieferung haben die dorisch-lakonischen Dialektpartien vielfach ihre authentische Form eingebüßt, weil neben Schreibfehlern dorische Formen immer wieder durch attische und bisweilen auch durch äolischlesbische Dialektformen ersetzt wurden. Die Fehler sind im Einzelnen nicht immer zu heilen, weil die inschriftliche Textbasis als Gegenprobe dürftig ist. Immerhin sind die wichtigsten Formen gesichert.135 Die wichtigsten Dialektformen: Ebene der Laute Vokale: dorisch α für attisch η: μάν (144); τᾶς εἰράνας (144); τᾶς Ἑλένας (155); πᾳ „igendwie“ (enklitische Partikel) (155); παντᾷ „in jeder Beziehung“ (mit Veränderung des Akzentes statt παντῇ) (169; 180); ᾇ „wie“ (1320) usw. dorisch α für attisch ε: γα (105;170); ἱαρεῖόν (84) usw. Konsonanten: dorisch δδ für attisch ζ: γυμνάδδομαι (82); μυσίδδην (1076) dorisch σ für attisch θ: ἔλσῃ (105); ἔλσοιμ᾽ (118); μυσίδδην (1076); σέλει (1080); σιγῆν (1004) Digamma (Ϝ) vielleicht im Dorisch-Lakonischen noch erhalten; daher wird es in einigen Editionen geschrieben: παραϜιδὼν (156) : attisch παριδὼν; Ϝαλεός ––––––––––––

133 Henderson-Übersetzung (2000) 279 Anm. 12. 134 Colvin (1999); Zimmermann (2011) 682. 135 Henderson-Kommentar (1987) XLV–L.

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(988): ionisch ἠλεός; Ϝέσθος (1096): attisch τὸ ἔσθος; ἐϜίδον (1099): attisch εἶδον Kontraktion von Vokalen: dorisch η aus ε + ε; statt attisch ει: μυσίδδην (Infinitiv) (1076); ἰδῆν (Infinitiv) (118); ἄγην (Infinitiv) (169), πρέσβης (Nom. Pl.) (1002): attisch πρέσβεις dorisch η aus α + ε; statt attisch α: πλαδδιῆν (Infinitiv) (171); πλαδδίη (990) (2. Pers. Sg. Imperativ Präs.); ὁρῆν (Infinitiv) (1077) dorisch α aus α +ο/ω; statt attisch ω: τᾶν (Artikel) (93) dorisch ω aus ο +ο/ου; statt attisch ου: ὑπνῶν (Infinitiv) (143); γῶν (Partikel) (155); τῶ (Artikel); τῶς (Artikel) Ebene der Morpheme Verbalsuffixe: 1. Pers. Plural Aktiv: -μες statt attisch -μεν (πείσομες, 168: attisch πείσομεν) 3. Pers. Plural Aktiv: -ντι statt attisch -σι 2. Pers. Singular Medium: -ει statt -ῃ (βούλει, 133: attisch βούλῃ) Infinitiv athematischer Verben: -μεν statt -ναι (ἀποδόμεν, 1163: attisch ἀποδοῦναι) 3. Pers. Plural Imperf.: ἦν (1260) statt attisch ἦσαν Nominalsuffixe πρυτάν-ιες (981) Nominativ Plural Artikel τῶ: attisch τοῦ τοί: attisch οἱ τοῖσι: attisch τοῖς τῶς: attisch τούς τᾶς: attisch τῆς ταί: attisch αἱ τᾶν: attisch τῶν ταῖσι: attisch ταῖς Personalpronomina ἐγών (983): attisch ἐγώ τύ (1188): attisch σύ ἁμές (168; 1162): attisch ἡμεῖς ἁμῶν (168): attisch ἡμῶν ἁμῖν (1081): attisch ἡμῖν ἁμέ (95; 1099): attisch ἡμᾶς

Der dorisch-lakonische Dialekt in der Lysistrate

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ὑμέ (87): attisch ὑμᾶς Relativpronomina (wie Artikel): τᾶσ-περ (1164): attisch ἧσ-περ; τᾷ (1305): attisch ᾗ; τοί (1301): attisch οἵ Possesivpronomina: τεὰν (1248): attisch σὴν; ἁμοῖσι (1181): attisch ἡμετέροις) Pronominaladverbien: ὅκα (1251): attisch ὅτε (Relativum) „als“ ποκά (105): attisch ποτέ (Indefinitum) „irgendwann, irgendeinmal“ Ebene der Lexeme ἀγασώς (1300): attisch ἀγανούς ἀὲς (1266): attisch ἀεὶ ἀμ-: attisch ἀναἀμ-βαλώμεθα (1096): attisch ἀνα-βαλώμεθα) usw. ἀπήλαἁν: attisch ἀπήλασαν Ἀσαν- : attisch Ἀθην(τᾶν) Ἀσανᾶν (980): attisch (τῶν) Ἀθηνῶν (dorisch σ für attisch θ; dorisch α für attisch η; dorisch ᾶ für attisch ῶ) (τῶν) Ἀσαναίων (170): attisch (τῶν) Ἀθηναίων; τώς…Ἀσαναίως (1250) (dorisch σ für attisch θ; dorisch α für attisch η; dorisch ω für attisch ου) ἐκλιπῶἁ (1296): attisch ἐκλιποῦσα ἤνσεεν (1257) : attisch ἤνθησεν (zu attisch ἀνθέω) θυρσαδδωἇν (1312 Part. Praes. Gen. Pl. Fem.: attisch θυρσαζουσῶν) κα (117) (Modalpartikel): attisch ἄν καττῶν (1259): attisch κατὰ τῶν κλέωἁ (1298): attisch κλέουσα λῶ (81): attisch θέλω; λῇς (95): attisch θέλεις; λῇ (1163): attisch θέλει; λῶμες (1162): attisch θέλομεν; λῇτε (Konjunktiv) (1105): attisch θέλητε Μναμόνα: (1249): attisch Μνημοσύνη Μῶἁν (1250; 1297): attisch Μοῦσαν μογίομες: attisch μογοῦμεν μυσίδδην (1076) (Gutturalstamm): attisch μυθίζειν (dorisch σ für attisch θ; dorisch δδ für attisch ζ; ε + ε > dorisch η statt > attisch ει; μυσίξαι (981), Gutturalstamm Infinitiv Aorist) oἰῶ (81; 156; 1256), 1. Pers. Präs. Aktiv: attisch οἴομαι / οἶμαι (Medium) ὀρσὰ (995): attisch ὀρθὴ πᾶἁ (995): attisch πᾶσα παιδδωἇν (1313) Part. Praes. Gen. Pl. Fem.: attisch παιζουσῶν παρ-αμ-πύκιδδε (1316) 2. Sg. Imp. Praes.: attisch παρ-αμ-πύκιζε παραυιδὼν (156): παριδὼν παρσένε Vokativ (1263; 1272): attisch παρθένε

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πλαδδιάω (990) „albern reden“: dorisch-lakonisches Wort (Hapax legomenon) ποθ᾽ (ὑμέ) (1076): attisch πρὸς (ὑμᾶς) ποκά (105): attisch ποτέ ποτί (82): attisch πρός ποτόδδει (206): attisch προσόζει ποττὰ (1253): attisch πρὸς τὰ ποττὰν (1006): attisch πρὸς τὴν ποττὰς (1264): attisch πρὸς τὰς ποττό (117): πρὸς τό σέλει / σέτω (1080/1081): attisch θέλει / θέτω σηροκτόνε (1262): attisch θηροκτόνε σιγῆν (1004), Inf. Aorist II: attisch ϑιγεῖν (zu θιγγάνειν) σιείκελοι (1251): ionisch-episch θεοείκελοι σιόν (1298): θεόν; σιάν (1321): θεάν; σιώ (Dual) (81): θεώ συναλίαξε (93); zu συναλιάζω (Gutturalstamm): attisch ξυναλίζω (Dentalstamm) τώς (168): οὕτως ψιάδδοντι (1301) dorisches Wort: ~ attisch παίζουσι

Die Sprachform der Komödie und ihre Übersetzung Die attische Verkehrssprache/Standardsprache des 5. Jahrhunderts v. Chr. ist das Substrat der Sprache der Komödie. Diese Verkehrssprache ist eine sachverhaltsbezogene Kommunikationssprache, die ihrer Funktion nach Eindeutigkeit zum Ziele hat und daher sprachlich stark reguliert ist. Diese attische Verkehrssprache ist einigermaßen sicher aus Inschriften und aus stilistisch nichtelaborierten Prosatexten zu erschließen. Auf der Basis dieser Standardsprache hat sich die Sprache der Komödie als Literatursprache entwickelt durch Usurpation und Integration von spezifischen Elementen in Lexik und Stil unterschiedlicher Varietäten der attischen Sprache,136 so der (mündlichen) Umgangssprache, der Vulgärsprache (v. a. der Sexsprache als obszöner Sprache und der Skatologie), der elaborierten poetischen Sprachen (Epos, Lyrik, Dithyrambos, insbesondere Tragödie), aber auch einfacher literarischer Sprachen (Märchen), außerdem der Sprachen des Kultus (Ritus, Gebet, Orakel, Hymnos), von Fachsprachen und in ganz besonderer Weise von Formen der Sprachkomik (Neologismen, insbesondere Komposita-Neologismen, Metaphern, Vergleiche und Wortspiele, darunter bevorzugt etymologische Wortspiele und Doppeldeutigkeiten. Entstanden ist so eine Kunstsprache mit einem –––––––––––– 136 Zimmermann (2011) 678–683.

Die Sprachform der Komödie und ihre Übersetzung

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unverwechselbaren Profil, das in seinen Einzelteilen heterogen sowie widersprüchlich ist und eingesetzt ist als ein Medium der Komik, autonomer wie parodistisch-heteronomer Komik (Gebetsparodie, Tragödienparodie). Es ist für alle Übersetzer eine Herausforderung, dieses Konglomerat von Sprachvarietäten ohne wesentliche Sinn- und Pointenverluste sprachlich zeitgemäß zu transformieren. Nur spärlich werden in der Lysistrate Varietäten als Ausdruck ihrer ursprünglichen Funktion eingesetzt. Dazu gehören die Monodien des Spartaners (vv. 1247–1272; 1296–1325) und der Lysistrate (vv. 1279–1290), die als kultisch affine hymnische Gebete in Verbindung mit Tanzen ausgelassene Festesfreude vermitteln und damit die Funktion entsprechender kultischer Gebete übernehmen sollen. Sie sind komikfrei und damit kultischen Gebeten gleichwertig. Die Sexsprache ist in Übereinstimmung mit der Handlung das dominante Sprachregister der Lysistrate. Manifest ist sie direkt in dem einschlägigen nicht-fachsprachlichen vulgär-derben Wortschatz und im schillernden metaphorischen Sexvokabular, indirekt durch die sexuelle Konnotation nicht vorbelasteter sprachlicher Elemente, die eine eindeutige Doppelsinnigkeit dieser Elemente begründet. Das sachbezogene fachsprachliche Vokabular der Medizin ist dabei kaum benutzt worden. In der Übersetzung sollte die genuine Stilqualität der einzelnen Wörter gewahrt werden, was in der Regel in den Übersetzungen bis zum Ende des 20. Jahrhunderts nicht geschehen ist, die entweder die fachsprachliche Terminologie benutzten oder die direkten Bezeichnungen durch vage Bezeichnungen und Beschreibungen ersetzten, um die moderne Tabuisierung zu unterlaufen. Historisch analoge Stilqualitäten bieten die Übersetzungen von Henderson (2000) und Holzberg (2009). Zum sexuellen Wortschatz gehören etwa vulgär-derbe Bezeichnungen für die männlichen und weiblichen Genitalien wie πέος „Schwanz“ (124; 134; 415; 928; 1012), σάθη „geiler Schwanz“ (1119), κύσθος „Muschi, Möse“ (1158), für die Regionen des Unterleibes wie πρωκτός (1148) und πυγή (82) „Hintern, Arsch“, für sexuelle Tätigkeiten wie βινεῖν „vögeln“ (934; 1092; 1180), für sexuelle Erscheinungsformen wie ἡ ψωλή „der Steife“ (143; 153; 979; 1136), στύειν „einen Steifen bekommen“ (214). Metaphern wie z. B. πεδίον „fruchtbare Ebene“ für den Schoß (87) und ἱππικώτατον „reitkundig“ (677) als Verweis auf die Figura Veneris der Reiterstellung erweitern die sexuelle Sprache. Solche Metaphern sind keine Euphemismen als Mittel der Verhüllung, sondern Mittel der Komik. Verbreitet ist die Konstruktion sexueller Konnotation der Sprachhandlung. Bemerkenswert sind die Beispiele 21–30; 407–413; 414–419; 1162–1187, in denen die eindeutige sexuelle Konnotation als Mittel der Komik eingesetzt wird. Seit der antiken Kommentierung der Scholien hat man bisweilen zu viel Spürsinn aufgewandt, um eine solche sexuelle Grundierung der Sprache nachzuweisen, so dass der Text an vielen Stellen einen kryptischen sexuellen Subtext erhielt. Aber all zu viel Hintergründigkeit (s. Komm. zu v. 60 und 852) entspricht nicht der plakativen Offenheit der aristophanischen Komik.

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In Kontrast zu der vulgär-derben sexuellen Sprache steht der Einsatz von Elementen einer poetisch elaborierten Sprache vor allem aus Epos und Tragödie sowie von kultischen Texten, die durch Verwendung in einem neuen Kontext Mittel der Komik werden. Dazu gehören u. a. das Chorlied der alten Frauen aus der Parodos (321–349) in zahlreichen Einzelheiten (324: ὑπό τ’ ἀνέμων ἀργαλέων „von schrecklichen Winden“ episch-elegisch; 326: ὑστερόπους „zu spät kommend“, tragisch-poetisch; 327: κνεφαία „in der Dunkelheit, früh am Morgen“, poetisch; 328: πατάγου „Gedröhne“; 332: ἁρπαλέως, „hastig“, episch-elegisch; 344f.: χρυσολόφα πολιοῦχε „Stadtschützerin mit dem goldenen Helm“, hymnisch-poetische Epiklese; 346: Τριτογένει᾽, episch-poetische Epiklese), die Frage-Antwort-Stichomythie in tragisch-poetischem Stil (706– 717), durch v. 715 ins Komische transformiert,137 das Klageamoibaion (954– 979) in tragisch-poetischem Stil mit parodischer Tendenz,138 und der tragische Klageruf τάλαιν᾽ ἐγώ, τάλαινα τῆς ἀμοργίδος „Ich Arme, ich Arme, mein feiner Flachs!“ (735). Parodisch transformierte religiös-ernste Sprache bestimmt die Schwuropferszene (203–236) des Prologs,139 u. a. mit einem tragisch-poetischen μηλοσφαγούσας „Schaf(opfer) schlachtend“ (189). Die episch-poetisch bestimmte Orakelsprache (770–776) mit einem φαλήτων (Gen. Plur. zu dem poetischen φάλης „Phallos“, v. 771) statt φάλλων ist mit parodischer Tendenz an die Orakelsprache angelehnt. Das Reden in verdeckten oder offenen Zitaten oder Zitat-Anleihen greift auf unterschiedliche Varietäten zurück. Das verdeckte Zitat ἐγὼ γυνὴ μέν εἰμι, νοῦς δ᾽ ἔνεστί μοι. „Zwar bin ich eine Frau, aber ich habe Verstand“ mit entsprechendem Umfeld (1124–1127, aus der verlorenen Tragödie Euripides, Die weise Melanippe des Euripides, fr 484),140 ist poetisch aufgeladen. Der Fachsprache der Rhetorik ist die Äußerung Lysistrates über ihre formale Redestrategie „Damit endet der erste Teil meiner Rede“ (1135) verpflichtet (verdecktes Zitat aus der verlorenen Tragödie Erechtheus des Euripides, fr. 363).141 Das komische geflügelte Wort „Schinde den geschundenen Hund“ (metaphorische Redeweise für „Benutze den häufig benutzten Lederphallos“) (158) liefert der Komödiendichter Pherekrates. Der Umgangssprache nahe steht dem gegenüber der parataktische Stil der Chorliederzählungen in 781–796 und 805–820. Die Sprachkomik ist ein genuiner Teil der Sprache der Komödie; ihre Formen sind vielfältig. Hier können Neologismen einen Beitrag zur Komik leisten. Ein hervorragendes Beispiel sind Neologismen mit gehäufter Aneinanderreihung von Lexemen: ὦ σπερμ-αγοραιο-λεκιθο-λαχανο-πώλιδες (457), Neologismus nach den Regeln der Wortbildung, komisch durch gehäufte Aneinanderreihung von Lexemen, die semantisch eindeutig sind: σπερμ-αγοραιο –––––––––––– 137 138 139 140 141

Rau (1967) 199f. Rau (1967) 200. Kleinknecht (1937) 49–52. Tragicorum Graecorum Fragmenta, Bd. 5, hrsg. von R. Kannicht, Göttingen 2004. Tragicorum Graecorum Fragmenta, Bd. 5, hrsg. von R. Kannicht, Göttingen 2004.

Die Sprachform der Komödie und ihre Übersetzung

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„Sippe der Marktweiber“ λεκιθο-λαχανο-πώλιδες „Brei-, Gemüsehändlerinnen“; außerdem unmittelbar folgend: ὦ σκοροδο-πανδοκευτρι-αρτο-πώλιδες (458), ebenfalls Neologismus nach den Regeln der Wortbildung, komisch wieder durch gehäufte Aneinanderreihung von Lexemen, die semantisch eindeutig sind: σκοροδο(-πώλιδες)-πανδοκευτρι-αρτο-πώλιδες „Knoblauch (-händlerinnen), Kneipenwirtinnen, Brothändlerinnen“. Eine komisch-parodische Wortbildung in Nachahmung tragischer Wortbildung ist στενοκωκύτους (448) „die wehgeschreiumstöhnten (Haare ausreißen)“142 im Sinne von „(die Haare ausreißen) dass du stöhnst und jammerst“. Komische Neubildung ist der pseudomedizinische Fachbegriff ῥοπαλισμός „Steiferitis“ (553) zu ῥόπαλον „Keule, Penis“. Wortspiele, darunter etymologische Wortspiele, werden immer wieder eingesetzt. So wird der Name des attischen Dorfes „Anagyrus“ durch den gleichnamigen stinkenden Strauch „Anagyros“ etymologisiert, so dass die Bewohner des Dorfes selbst stinken. Das ist reine Situationskomik, die keine Bedeutung für die Haupthandlung hat. Bedeutungsvoll im Rahmen der Handlung sind dagegen die Namen der meisten Personen der Komödie, die dadurch zu „redenden“ Namen werden: Lysistrate „Heerauflöserin“ (nach 554); Myrrhine (als Verführerin) „Myrte“ (69), bedeutungsvoll durch die Verwendung der Myrte in der Kosmetik und im Kult der Aphrodite; Kinesias (als geiler Mann) (838), bedeutungsvoll durch das umgangssprachliche kineín „bewegen, rütteln“, das als Metonymie für das vulgärsprachliche bineín „vögeln“ steht. Komisches Sprechen zeigt sich auch als metaphorisches Sprechen. Je kühner und ungewohnter die Metaphorik ist, desto wirkungsvoller ist sie. Die Analogisierung von Politik und Wollarbeit (564–586) ist ein Paradebeispiel. Die Kombination von Elementen heterogener Sprachvarietäten begründet eine hybride Sprachform, die den Vorrang der Komik vor jeder individuellen Charakterisierung zeigt. Daher ist diese Sprachform auch sprecherunabhängig für alle Personen gleich. Bürger aller Schichten, junge wie alte, Frauen, ebenfalls junge wie alte, und Sklaven, sie alle sprechen in der Lysistrate ohne Rücksicht auf psychologische Wahrscheinlichkeit dieselbe Sprachform, auch die Spartaner in ihrem Dialekt. Daher darf in der Übersetzung die Derbheit der Sprache der Spartaner gegenüber der Übersetzung des Dialektes der Athener nicht gesteigert werden. Auch in den Monodien des spartanischen Gesandten in den Schlussszenen (1247–1272; 1296–1315) leistet der Dialekt keinen Beitrag zur Komik, sondern steht in der literarischen Tradition spartanischer hymnischer Dichtung. Während in der Lysistrate keine Person eine eigene charakteristische Sprache spricht, gibt es in anderen Komödien des Aristophanes gelegentlich ein solches charakteristisch-individuelles Sprechen. Es handelt sich dabei um die Sprache von Personen, die in der Sprache ihres Berufes reden. Dazu gehören die Tragiker Agathon (in den Thesmophoriazusen), Aischylos und Euripi––––––––––––

142 Holzberg-Übersetzung (2009).

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des (in den Fröschen), der Dithyrambiker Kinesias (in den Vögeln), die Diener der Tragiker Euripides (in den Acharner) und Agathon (in den Thesmophoriazusen) und der Sophist Sokrates (in den Wolken). Hier wird die individuelle Sprache als Mittel der Karikatur für die Komik genutzt. Da der Dialekt kein Mittel der Komik ist, wurde in der Übersetzung auch keine dialektale Varietät des Deutschen für die Übersetzung des Dorischen gewählt. Da die bisher vor allem eingesetzten Dialekte (J. G. Droysen: „Gemisch“ verschiedener Mundarten, „das wenigstens fremdartig und zum Theil schroff klingen sollte“; L. Seeger: Berndeutsch [Berner Dütsch]; W. Schadewaldt: Züricher Dialekt; Holzberg: Altbairisch) zu mehr oder weniger starken komischen Effekten führen, verfälschen sie die zeitgenössische Rezeption in Athen. Diese Übersetzungen berücksichtigen nicht, dass das Verhältnis des Dorischen zum Attischen nicht das Verhältnis eines Dialektes zur Hochsprache spiegelt, sondern das Verhältnis zwischen zwei Dialekten betrifft. Die außerdeutschen Übersetzungen verzichten in der Regel auf den Einsatz eines Dialektes zur Übersetzung des Dorischen.

Antike Einleitungen (Hypotheseis/Argumenta) zur Lysistrate Hypothesis (griech. hypóthesis, Plural: hypothéseis; lat. argumentum, Plural: argumenta) ist ein Terminus zur Bezeichnung einer Form von Fachliteratur in Prosa oder in Versen, die als Einleitung zur Ausgabe eines literarischen Werkes eine Inhaltsangabe enthält, meistens zusammen mit einschlägigen literaturhistorischen und literaturästhetischen Notizen. Wenn sie auch mit solchen Notizen Ergebnisse der philologischen Wissenschaft vermittelt, ist sie doch keine Form wissenschaftlicher Literatur. Die Zeit der Abfassung der überlieferten Hypotheseis zu den Komödien des Aristophanes ist nicht zu bestimmen (wahrscheinlich 1. oder 2. Jh. n. Chr.), ihre Inhalte gehen wohl auf den alexandrinischen Philologen Aristophanes von Byzanz (3./2. Jh. v. Chr.) zurück, der sich u. a. um die Sicherung der Informationen zu den Aufführungen der Komödien verdient gemacht hat und sie als Teil der Hypotheseis festgeschrieben hat, so insbesondere das Aufführungsjahr, den Dichter oder verantwortlichen Regisseur (griech. chorodidáskalos), den Titel, das Fest, die Platzierung im Agon und die Konkurrenten. Diese Informationen sind v. a. in die Prosafassungen eingegangen. Sie machen den Wert dieser Hypotheseis aus und garantieren eine relativ sichere Grundlage für die Chronologie der Komödien des Aristophanes. Wenn auch nicht immer alle Informationen in die überlieferten Hypotheseis eingegangen sind, so sind im Falle der Lysistrate am Ende der Hypothesis I doch

Antike Einleitungen

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wenigstens das Aufführungsjahr 411 v. Chr. durch Angabe des obersten Archon Kallias für das Amtsjahr 412/11 v. Chr., nach dem das Jahr benannt ist (griech. árchōn epónymos), der verantwortliche Regisseur Kallistratos und der Titel Lysistrate genannt. Neben den Prosafassungen sind Versfassungen überliefert, jeweils in zehn iambischen Trimetern. Sie sind wohl wie die Prosafassungen im 1. oder 2. Jh. n. Chr. geschrieben, möglicherweise auch schon früher von Aristophanes von Byzanz, dem sie in der Antike zugeschrieben wurden. Es handelt sich dabei um kurze Inhaltsangaben ohne weitere Informationen. Die Prosafassungen sind wegen ihrer Angaben zu den Aufführungen wohl als Einleitungen zu Ausgaben konzipiert worden. Daraus kann man schließen, dass die Komödien des Aristophanes auch noch im zweisprachigen Imperium Romanum der frühen Kaiserzeit zur literarischen Kultur gehörten. Bestimmt waren sie aber wohl nicht als Orientierung für ein gebildetes Lesepublikum, sondern als Einführung für den griechischen Sprachunterricht der Schule, dessen Ziel das Erlernen der klassischen Sprache Athens des 5. und 4. Jahrhunderts v. Chr. war. Und da galten die Komödien vor allem wegen ihrer Lexik als unverzichtbar. Als Komödiendichter wurde Aristophanes nicht wahrgenommen. Ob die Versfassungen als Einleitungen zu Ausgaben verwendet wurden, ist unsicher. Aus dem Fehlen von Angaben zu den Aufführungen kann man schließen, dass sie wie die Hypotheseis der Tragödien des Euripides als Ersatz für die Texte gedacht waren und unabhängig von einer Ausgabe veröffentlicht wurden. Überliefert sind die Hypotheseis zur Lysistrate im Ravennas (R) 429.

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Lysistrate hat in Athen die Bürgerinnen von Athen, die Peloponnesierinnen und dazu noch Frauen aus Boiotien zu einer Versammlung einberufen, weil sie für die Griechen Frieden erreichen wollte. Nachdem sie diese überredet hatte zu schwören, nicht mit ihren Männern zu verkehren, bevor diese nicht aufgehört hätten, gegeneinander Krieg zu führen, schickt sie die Auswärtigen zurück, die einige Geiseln am Tor zur Akropolis zurücklassen müssen, während sie selbst und ihre Freundinnen sich mit den Frauen verbünden, die die Akropolis besetzt haben. Als die alten Bürger mit Fackeln und Feuer gegen den Eingang zur Akropolis anstürmen, kommt sie aus der Akropolis und wehrt den Angriff ab. Als danach wenig später ein Probule mit Polizisten gewaltsam gegen sie vorgehen will, aber zurückgestoßen wird und wissen will, was die Frauen mit ihrem Tun wollen, sagt sie zunächst, dass sie über das Geld verfügen und so die Männer daran hindern wollen, damit Krieg zu führen, dann als Zweites, dass sie viel besser das Geld verwalten und den gegenwärtigen Krieg schnellstens beenden würden. Während der Probule erschrocken über die Frechheit zu den anderen Probulen geht, ohne diese Frechheit abzustellen, widersetzen sich die alten Männer den Frauen und schmähen sie. Als danach einige von den Frauen es ohne die Männer nicht aushalten können und aus der Akropolis auf recht lächerliche Weise weglaufen wollen, werden sie zurückgehalten und beherrschen sich auf Bitten Lysistrates. Dann erscheint Kinesias, einer von den athenischen Bürgern, versessen auf seine Frau. Diese aber verspottet und verlacht ihn und setzt sich dabei für den Frieden ein. Es kommen auch wegen des Friedens Boten aus Sparta und zeigen dabei ihren von den Frauen verursachten Zustand. Sie verbünden sich mit diesen und schicken bevollmächtigte Gesandte. Die alten Männer vereinigen sich ebenso mit den Frauen und bilden aus zwei Halbchören einen einzigen Chor. Dann nimmt sich Lysistrate die Gesandten vor, die zu ihr aus Sparta gekommen sind, und die brünstigen Athener, um sie miteinander zu versöhnen. Sie erinnert beide Parteien an ihre alte gegenseitige Freundschaft und söhnt sie dadurch öffentlich aus. Sie bewirtet sie alle zusammen und vertraut die Frauen ihren Männern zur Rückkehr nach Hause an. Aufgeführt wurde die Komödie, als Kallias erster Archon war im Jahr nach dem Archontat des Kleokritos. Die Regie führte Kallistratos. Die Komödie heißt Lysistrate wegen des Auflösens des Heeres.

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Λυσιστράτη τις Ἀθήνησιν τῶν πολιτίδων καὶ τῶν Πελοποννησίων ἔτι δὲ καὶ Βοιοτίων γυναικῶν σύλλογον ἐποιήσατο, διαλλαγὰς μηχανομένη τοῖς Ἕλλησιν ὀμόσαι δὲ ἀναπείσασα μὴ πρότερον τοῖς ἀνδάσι συνουσιάσειν, πρὶν ἂν πολεμοῦντες ἀλλήλοις παύσωνται, τὰς μὲν ἐξωτικοὺς ἐν πύλαις ὁμήρους καταλιπούσας ἀποπέμπει ὀπίσω, αὐτὴ δὲ πρὸς τὰς κατειληφυίας τὴν ἀκρόπολιν μετὰ τῶν οἰκείων ἀπαντᾷ. Συνδραμόντων δὲ πρεσβυτῶν πολιτῶν μετὰ λαμπάδων καὶ πυρὸς πρὸς τὰς πύλας, τὴν ἀναστολὴν ποιεῖται ἐξελθοῦσα, καὶὸ προβούλου τινὸς μετ’ ὀλίγον παραβιάσαθαι μετὰ τοξοτῶν ὁρμήσαντο, εἶτα δὲ ἀποκρουσθέντος καὶ διαπυνθανομένου τι βουλόμεναι ταῦτα δεδράκασι, τὸ μὲν πρῶτόν φησιν ὅτι ἐγκρατεῖς γενόμεναι τοῦ ἀργυρίου μὴ ἐπιτρέψουσι τοῖς ἀνδράσιν ἀπὸ τούτου πολεμεῖν, δεύτερον δὲ ὅτι πολὺ ἄμεινον ταμιεύσονται καὶ τὸν παρόντα πόλεμον τάχιστα καταπαύσουσιν. οὗτος μὲν οὖν καταπλαγεὶς τὸ θράσος ὡς τοὺς συμπροβούλούλους οἴχεται, ταῦτα μὴ παύσας, οἱ δὲ γέροντες ὑπομένοντες ταῖς γυναιξὶ λοιδοροῦται. μετὰ ταῦτα αὐτῶν τινες αὐτομoλοῦσαι μάλα γελοίως δι᾿ ἀκρασίαν ὡς τοὺς ἄνδρας ἁλίσκονται, ἐγκαρτεροῦ δὲ Λυσιστράτης ἱκετευούσης. Κινησίας ‹δέ› τις τῶν πολιτῶν, ἀκρατῶς ἔχων τῆς γυναικὸς παραγίνται ἡ δὲ κερτομοῦσα αὐτὸν ἐπεγγελᾷ μέν, τὰ περὶ τῶν διαλλαγῶν δὲ σπουδάζει. ἀφικοῦνται δὲ καὶ παρὰ Λακεδαιμονίων περὶ σπνδῶν κήρυκες, ἐμφανίζοντες ἅμα καὶ τὰ περί τὰς σφετέρας γυναῖκας. συνταχθέντες δὲ σφίσιν ‹οἱ Ἀθηναῖοι› πρέσβεις αὐτοκράτορας ἀποστέλλουσιν. οἱ μὲν ‹οὖν› γέροντες εἰς ταὐτὸν ταῖς γυναιξὶν ἀποκατστάντες ἕνα χορὸν ἐκ τῆς διχορίας συστέλλουσι. καὶ Λυσιστράτη τοὺς παραγενομένους πρὸς αὐτὴν ἐκ Λακεδαίμονος πρέσβεις καὶ ‹τοὺς Ἀθηναίους› ὀργῶντας διαλλάττεσθαι προσέλκει, καὶ ἑκατέρους ἀναμνήσασα ‹τῆς› παλαιᾶς εἰς ἀλλήλους γενομένης ‹εὐνοίας› διαλλάττει ἐν φανερῷ καὶ ξενίσασα κοινῇ παραδίδωσι τὰς γυναῖκας ἑκάστοις ἄγεσθαι. ἐδιδάχθη ἐπὶ Καλλίου ἄρχοντος τοῦ μετὰ Κλεόκριτον [ἄρξαντος]. εἰσῆκται δὲ διὰ Καλλιστράτου. ἐκλήθη Λυσιστράτη παρὰ τὸ λῦσαι τὸ στρατόν.

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4 ἐξωτικοὺς ἐν πύλαις coniecit Bothe : alii alia : ἐξωπίους ἐμπριλὰς R 4 ὁμήρους addidit G. Stein 16 δέ supplevit van Leeuwen 20 οἱ Ἀθηναῖοι supplevit Kuster 21 οὖν supplevit Wilamowitz 23 τοὺς Ἀθηναίους addidit Wilamowitz 24 τῆς supplevit Kuster 25 εὐνοίας supplevit Kuster 27 ἄρξαντος delevit Wilamowitz

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Anhang

Hypothesis II Lysistrate ruft die Bürgerinnen zusammen und rät ihnen, die Männer zu meiden und sich nicht mit ihnen in Liebe zu vereinigen, um wegen der laufenden inneren Unruhen in Athen den Krieg gegen die Spartaner durch Reden zu beenden 5 und damit alle zu Hause bleiben können. Auf ihren Rat hin besetzten einige der Frauen die Akropolis, andere versuchten aber auszureißen. Die Frauen Spartas rieten dasselbe. Ein Bote kommt und berichtet davon. Nachdem man sich geeinigt hat, 10 schließt man einen Friedensvertrag und beendet den Krieg.

ΥΠΟΘΕΣΙΣ II Λυσιτράτη καλέσασα τὰς πολίτιδας ὑπέθετο φεύγειν μηδὲ μίγνυσθ’ ἄρρεσιν, ὅπως, γενομένης νῦν στάσεως ἐμφυλίου, τὸν πρὸς Λάκωνας πόλεμον αἴρωσιν λόγῳ μένωσί τ’ οἴκοι πάντες. ὡς δὲ συνέθετο, τινὲς μὲν αὐτῶν τὴν ἀκρόπολιν διεκράτουν, τινὲς δ’ ἀπεχώρουν. αἵ τ’ ἀπὸ Σπάρτης πάλιν ταὐτὸν διεβουλεύοντο. κῆρυξ ἔρχεται λέγων περὶ τούτων. τῆς δ’ ὁμονοίας γενομέης, σπονδὰς τιθέμενοι τὸν πόλεμον ἐξήρασαν.

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7 ἀπεχώρουν correxit G. Stein : ἀπεκράτουν R 10 ἐξήρασαν correxit Montanari : ἐξέρρησαν R

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