Archiv für die Offiziere der Königlich Preußischen Artillerie- und Ingenieur-Korps [68]

Table of contents :
Front Cover
Inhalt des achtundsechszigsten Bandes
Vorschläge zur Verbesserung unserer Geschirre (Hierzu
Kurze Nachricht über die Verwendbarkeit der balliſtiſchen
Ueber das Stärkeverhältniß der Feldartillerie zu
Die Kriegslatrinen (Hierzu Taf I—III
Die Leistungen der französischen Festungs- und
Ueber die Ausrüstung der Belagerungs-Artillerie
35
77
222

Citation preview

BIBLIOTHEK M.S.

254

S INE ECT MAR IO N

K.K.K

ANZLE

TT

Archiv für 4ss2.

die

fiziere

W O L L

O F

der

Königlich

S

Preußischen

Artilleries

und

Ingenieur - Korps .

Redaktion : v. Neumann, General-Lieutenant z. Disp.

Vierunddreißigster Jahrgang.

v. Kirn, Oberst-Lieutenant a. D., früher im Ing.-Corps.

Achtundsechzigster Band.

Mit 6 Tafeln.

Eve

Berlin , 1870. Ernst Siegfried Mittler und Sohn Königliche Hofbuchhandlung. Kochstraße 69.

STANFORD UNIVERSITY LIBRARIES STACKS

JAN 19 1970

Zur Nachricht. Der Jahrgang dieser Zeitschrift, bestehend aus zwei Bänden , jeder zu 18 Druckbogen mit vielen Figuren -Tafeln, wird nach der Beſtim mung der Redaktion den Herren Offizieren und den Truppentheilen der Norddeutschen Bundes - Armee bei direkter Bestellung an die Un terzeichneten ( ohne Ausnahme nur auf diesem Wege ) in Ber lin selbst zu 2 Thaler, nach auswärts innerhalb des Norddeutschen Post bezirks unter Kreuzband frankirt zu 2 Thaler 7½ Silbergroschen prae numerando geliefert, während der Preis im Buchhandel 4 Thaler be trägt. Dagegen werden Briefe und Geldsendungen portofrei erbeten. E. S. Mittler und Sohn. Berlin, Kochstraße 69.

13



v.68

1870

EXDATE

Inhalt des achtundsechszigsten Bandes .

Seite 1. II.

1

Der taktische Werth der Revolverkanonen Vorschläge zur Verbesserung unserer Geschirre.

(Hierzu

Taf. IV.) III. Kurze Nachricht über die Verwendbarkeit der balliſtiſchen

IV.

Gleichung . . . . für größere Geschwindigkeiten der Ar • • tillerie-Geschoffe

35

Ueber das Stärkeverhältniß der Feldartillerie zu den • andern Waffengattungen

50

V. Die Kriegslatrinen. VI.

10

(Hierzu Taf. I —III.) .

Ausbildung der bespannten Fuß- Batterie (Fortsetzung und Schluß). (Hierzu Tafel V.) - .

77

97

VII. Die Leistungen der französischen Festungs- und Be lagerungs - Geschüße nach den auf der Insel Aix in den Jahren 1863 und 1864 ausgeführten Schießversuchen . 154 VIII. Ueber die Ausrüstung der Belagerungs- Artillerie . . . 171 IX. Literatur . . • 201 203 X. Ueber Küstenbatterien

XI. Masken-Laffeten und maskirte Geschüßstände XII.

XIII. XIV.

208

Ermittelung der Trefferprocente beim Schießen gegen eine beliebige Fläche unter Anwendung der Trefffähig keitstabellen in den allgemeinen Schußtafeln für ge zogene Geschüße (Berlin 1865). (Hierzu Taf. VI.) . • 222 Das Material der Geschosse der Handfeuerwaffen · • Bericht über Versuche mit Hinterladungswaffen in den Vereinigten Staaten Nord-Amerika's . .

240

248

XV.

Der bronzene gezogene 9pfündige Vorderlader der englisch 253 ostindischen Artillerie 268 XVI. Nachrichten über Mitrailleufen XVII. Beschreibung eines Sicherheits-Vorsteckers für Perkussions • • 274 geschütze gezogener Hinterlader · · · 277 VIII. Literatur

E

C

I.

Der taktische Werth der Revolverkanonen.

Obgleich bgleich die Detailkenntnisse über die Revolverkanonen noch ziemlich spärlich verbreitet sind, so ist über dieselben doch schon so viel in die Deffentlichkeit gedrungen, daß sich Untersuchungen über ihren taktischen Werth und ihre taktiſche Verwendbarkeit anstellen laffen.

Das 1. Heft

des 66. Bandes des Archivs bringt einen Aufsatz über Revolverkanonen, worin über die Einrichtungen der bekanntesten Modelle möglichster Auf schluß gegeben ist.

Wie es scheint ist das Modell von Feldl in Augs

burg das beste, oder wenigstens dasjenige, welches in der Folge sehr brauchbar zu werden verspricht.

Ich will daher über dasselbe jene mir

bekannten Angaben vorausschicken, welche für vorliegenden Zweck wich tig sind. Das Geschoß hat 11 Millim. Durchmeffer und 22 Grammes Ge wicht.

Die Pulverladung beträgt 4,3 Grammes.

Es entspricht also

die Patrone im Ganzen jener eines Infanterie- Gewehres neueren Systems. Sammt Laffete wiegt das ganze Geſchüß 963,3 bair. Pfd., im Ge gensahe zu 1320 Pfd . Totalgewicht des gezogenen Feld-4pfünders. Nach Versuchen kann die Feldl-Kanone in 1 Minute 350 Schuß aus ihren 4 Läufen abgeben, und ist die Schußzahl nur durch die nöthige Zeit beschränkt, welche das Hinabgleiten der Patrone in den Lauf, sowie das Auswerfen der verschoffenen Hülsen erfordert. Es soll daher vorliegender Betrachtung ein Geschüß zu Grunde ge legt werden, welches bei 9½ Ctr. Totalgewicht in der Minute 400 Schuß abgeben kann, dasselbe mag nun heißen wie es will. sphäre sei auf 1000 Schritt festgesetzt. Bierunddreißigster Jahrgang. LXVIII. Band.

Seine Wirkungs 1

2 Für ein so absolut bestes Geschüt frägt es sich nun : 1) In welchem Werthe?

Gefechtsverhältnisse ist dasselbe von besonderem

2) Wie soll dasselbe in die Schlachtordnung eingereiht werden, entweder a) als Begleiter anderer Waffengattungen, oder b) selbstständig als leichte Artillerie ? 3) Welche Bedingungen muß dieses Geschüß in technischer Beziehung erfüllen, um einen ausgiebigen Gebrauch und Erfolg zu verbürgen? Die Revolverkanone, Kugelsprige, Gatling Gun, der Mitrailleur, und wie diese Mordinstrumente alle heißen, kann die Wirkung des Voll und Hohlgeschoffes selbst der leichtesten Kaliber der Artillerie niemals erseßen. Hierfür gebricht es ihr einmal an der nöthigen Schußweite, dann an Perkussion um gegen widerstandsfähige Ziele von Wirkung zu sein, und vor Allem an jener Biegsamkeit der Flugbahn, welche es möglich macht verdeckte Ziele zu bewerfen. Sie ersetzt dagegen den Büchsenkartätschschuß vollkommen , und die bessern Modelle übertreffen sogar jede Art dieses Schuffes um ein Bedeutendes.

Denn die Revol

verkanone vermag nicht nur in der gleichen Zeit eine größere Anzahl

" von Geschossen zu schleudern, sondern es haben dieselben auch einzeln genommen eine größere Perkussion , rasantere Flugbahn und folglich größere Treffsicherheit, ſowie eine bedeutend größere Schußweite (1000 Schritt gegen höchstens 700).

Es soll auch angenommen werden, daß

die Breitenstreuung eine größere ist, da angegeben wird, daß das Flan kiren an und für ſich ſehr leicht ſei und ununterbrochen geschehen könne. Im Vergleich mit Infanterie ist anzunehmen, daß das Revolver geschütz, welches die ſupponirten Leiſtungen hat, in der Schußwirkung jener von 30 Mann entspricht (per Mann 13-14 Schuß in der Minute.) Ein gutes Revolvergeschütz kann daher die Feldartillerie mit Vor theil da ersetzen, wo dieselbe genöthigt ist, sich ihres Büchsenkartätſch schuffes zu bedienen, während daſſelbe an Stelle der Infanterie an jenen Punkten verwendet werden könnte, wo diese ein Maffen-Schnellfeuer abzugeben in der Lage ist. Gegen den ersten Theil dieses Satzes wird Nichts einzuwenden sein, da das Revolvergeschüß eine Maschine ist wie jedes andere Geschüß der

3 Artillerie und noch dazu eine vollkommnere, denn es ist leichter und handsamer und erfordert eine geringere Anzahl an Bedienungsmannschaft. Gegen den zweiten Theil obiger Schlußfolgerung jedoch müssen einige Bedenken rege werden. Wenn auch die technische Schußwirkung nicht geleugnet werden kann, so ist doch nicht abzusehen, wie bei dem besten Mechanismus die Maschine ihre Ziele so richtig wählen soll, als eine ihrer technischen Leistung entsprechende Menschenmasse.

Es ist nicht

möglich, daß sie den Bewegungen des Feindes mit gleicher Aufmerk samkeit folge, und sie wird in ihren Leistungen vollständig zurückſtehen müſſen, wenn die Nothwendigkeit eintritt gegen den Feind anders zu ' agiren, als blos mit der Schußwaffe. Von einem Manövriren gegen den nahenden Feind kann bei ihr im Vergleich zur Menschenmasse nicht im Entferntesten die Rede sein, und sie kann dennoch eine solche nur da ersetzen, wo deren Wirkung rein paſſiv, an die Stelle gebunden er scheint. Diese Fälle sind aber sehr selten und die Revolverkanone an den bezüglichen Stellen ſtatt einer gewiſſen Maſſe Infanterie verwenden zu wollen, hieße sich von vornherein jeder Möglichkeit eines aggressiven Vorgehens begeben. Sie kann auch hier nur als Begleiterin auftreten. Wenn man nun noch berücksichtigt, daß die Büchsenkartätſche der Ar tillerie in der heutigen Taktik viel an ihrer frühern ausgedehnten Anwen dung verloren hat, so muß der Schluß gerechtfertigt erscheinen : „ daß auch das Revolvergeschüß im Feldkriege nur eine sehr be schränkte Anwendung und eigentlich nur einen defensiven Werth hat". Es ist hierbei nicht zu übersehen, daß auch der Angreifer Gefechtsmomente durchzumachen hat, welche einen defensiven Charakter tragen, und daß ihm in ſolchen die Wirkung einiger oder eines Revol vergeschüßes von großem Werthe sein würde, allein da solche Momente ganz bestimmter Natur, nur vorübergehend, und schwer vorherzusehen find, so liegt die Befürchtung nahe, daß gerade der Angreifer bei seinem nothwendig rascheren Handeln und dem häufigeren Wechsel der Situa tion die Revolvergeschütze schwer zur rechten Zeit am haben wird.

rechten Platze

Es wird nicht nothwendig sein diese Behauptungen durch

Beispiele zu unterstüßen ; der oben erwähnte Aufsatz im Archiv hat sich zum Theil dieser Aufgabe schon unterzogen, und außerdem wird es Jebem leicht sein sich eine Reihe derartiger Fälle zu vergegenwärtigen, oder aus der Kriegsgeschichte herauszusuchen. 1*

4 Es handelt sich nun darum zu untersuchen, auf welche Weise am besten für die richtige Verwendung der Revolvergeschüße gesorgt wer den kann. Die moderne Feuertaktik, welche die Bataillone, ja selbst die Kom pagnien in ganz anderem Maße wie früher als selbstständige Körper auftreten läßt, und das koupirte Terrain, welches sich die heutige Taktik vorzugsweise zum Gefechtsterrain auswählt, haben bei der ersten An wendung vielfach die Schwierigkeiten erkennen lassen, welche der Artil lerie entgegenstehen, um der Thätigkeit der Infanterie überall hin zu folgen und sie wirksam zu unterstützen.

Man hat den Fehler mit der

Nothwendigkeit verwechselt, und in der ersten Aufregung geglaubt, die Artillerie sei mit ihren gezogenen Geschützen gezwungen , weite Distanzen möglichst lange einzuhalten.

Ruhige Ueberlegung und der gebieterische

Fingerzeig der Praxis haben jedoch nach und nach die Ueberzeugung befestigt, daß die gezogene Feldartillerie, wenn auch nicht in derselben Art und Weise wie die frühere glatte, so doch in ganz anderem Maße als bei ihrem ersten Debut befähigt und bemüßigt ist, dem Wirken der Infanterie vorzuarbeiten und unter die Arme zu greifen, und daß es hierfür nur einer andern und strengeren Schule bedarf.

So hat denn

auch jener Irrthum bei der Erkenntniß, daß die Infanterie der Unter ftüßung einer mächtigeren Waffe benöthigt ist, die Idee der Revolver geschüße wach gerufen, und man ist hierbei von dem Grundsaße ausge gangen, daß jedes Bataillon ein leichtes Geschütz mit imposanter Feuer wirkung als treuen Begleiter und integrirenden taktischen Bestandtheil erhalten sollte. Dieser Gedanke hat um so mehr seine Berechtigung, als leicht her auszufinden ist, daß bei weitem die größere Anzahl von Fällen, in wel chen ein Revolvergeschütz seine Kraft zu zeigen Gelegenheit findet, mit der Wirksamkeit der Jufanterie in Verbindung steht. Dennoch stehen einer derartigen Verwendung der Revolvergeschüße mancherlei Bedenken entgegen. Um der verheerenden Wirkung des heutigen Infanterie-Feuers aus zuweichen, muß sich die Infanterie so viel wie möglich gliedern, muß sie so viel wie möglich koupirtes Terrain aufsuchen, wodurch sie sich am besten vor den feindlichen Kugeln schüßen kann. muß so beweglich als möglich werden.

Mit einem Worte ſie

Das Revolvergeschütz von Feldt ·

5 wiegt 963 Pfd., der Mitrailleur von Montigny und Chrift 730 Pfd ., die 11/23öllige Gatling- Gun 687 Pfd. Jedes dieser Geschüße ist zu schwer, um auf längeren Strecken und schwer fahrbaren Wegen durch Menschenkräfte transportirt zu werden, es braucht Pferde zu seiner Be wegung. Um auf schlechten Wegen und steilen Abhängen so rasch vor wärts zu kommen, wie es der Zweck erfordert, sind selbst 7 Ctr. für 2 Pferde eine zu große Last.

Es braucht daher das bis jezt bekannte

beste System eine zu zahlreiche Bespannung , und jene Systeme, für welche eine geringere genügt, find nicht ausgiebig genug . Welche Vers legenheiten würde nun ein solches Geſchüß einem operirenden Bataillonę bieten, welches genöthigt ist eine Anhöhe zu erklimmen oder einen dich ten Wald rasch zu durchſchreiten 2c. ?

Es würde ihm ein kleiner Hemm

schuh an die Füße gebunden sein, und anstatt den Vortheil zu erreichen das Bataillon unabhängiger zu machen, hätte man den Nachtheil er langt, dasselbe schwerfälliger zu machen und gewissermaßen die ganze Infanterie zu der Rolle einer Geschüßbedienung verurtheilt.

Man mag

hier entgegnen, daß ich in meinen Behauptungen zu weit gehe und ich will mich deshalb nur auf ein Beispiel berufen, auf die Kriegführung der Franzosen in Algier.

Man lese darüber : „ Laure, la guerre etc.“

Freilich ist dies ein Beispiel des reinen Gebirgstrieges, aber unsere moderne Taktik nähert sich demselben immer mehr, und sie ist genöthigt . seine Lehren, wenn auch in verkleinertem Maßstabe in Rücksicht zu ziehen. Und so wird der Schluß nicht ungerechtfertigt erscheinen, daß die Re volverkanone sich nicht als selbstständiges Infanterie - Ge schütz in die Schlachtordnung einreihen läßt. Es bliebe nun der andere Weg, dasselbe als leichteste Sorte von Artillerie zu verwenden, und frägt es sich, wie dies geschehen soll. Bei den beschränkten Aufgaben, welche diesen Geschüßen im Allge meinen zufallen, können dieselben auch nur in verhältnißmäßig geringer Anzahl vorhanden sein, da sonst die Kosten und Unbequemlichkeiten, welche mit Pferden versehene Waffengattungen für die Kriegführung stets im Gefolge haben, in keinem Verhältnisse mit ihren Leistungen stehen. würde.

Man könnte nun entweder jeder oder einigen Batterien je ein

solches Geschütz beigeben, oder dieselben in eigene Batterien zusammen und in die Reſerve einstellen . Vor Allem muß für die Revolvergeschüße als deren Bestimmung festgehalten werben, einzeln an besonders bedrohten, hartnäckig zu be

6 behauptenden oder zu bekämpfenden Punkten verwendet zu werden. Sie find gewissermaßen eine Ergänzung der Feldgeschütze, deren ergiebige Wirkung fie an jenen Punkten zur Verwerthung bringen sollen, wo der Schuß unserer Feldkanonen entweder nicht mehr ausreichend ist, oder wo das schwere Ma terial fie verhindert zu erscheinen. Prinzipiell ist also nicht denkbar, daß ihr Auftreten im Vereine mit Artillerie möglich ist, oder wo dies ge= schähe, würden ſie ihre Beſtimmung entweder aus mangelhafter Einſicht oder wegen der Unmöglichkeit, zur Verwendung zu kommen, verfehlt haben. Als Bestandtheil einer Kanonen- Batterie würden sie entweder den Nachtheil haben, nicht zur richtigen Verwendung zu kommen, oder ein beständiges Detachiren zur Folge haben.

Allerdings hätten sie in

der Batterie den scheinbaren Vortheil, deren Kartätschwirkung zu erhöhen, somit dieselbe selbstständiger zu machen und die nothwendige Geschütz bedienung zu vermindern.

Gewiß nur ein scheinbarer Vortheil, denn

einmal ist selbst die mangelhaftere Kartätschwirkung der gezogenen Ge schütze keine so geringe, daß sie nicht für einen äußersten Fall Erfolg genug verspräche und dann ist gerade für das Verhältniß der Infan terie als Geschüßbedienung die Rechnung, daß ein Revolvergeschütz eine gewisse Anzahl Infanteristen (oben wurden 30 Mann angenommen) er ſeße, am allermeiſten falsch. Denn eine Infanterie, welche als Geſchüß bedienung ihre Aufgabe nur darin suchen würde, eine große Anzahl von Patronen im Maffen- Schnellfeuer zu verknallen, würde dieselbe wenig verstehen. Für sie handelt es sich darum, im vorkommenden Falle zu manövriren, dem angreifenden Feinde (und dieser Angriff wird meist in aufgelöster Ordnung geschehen) entgegenzugehen und die Batterie so zu degagiren, und derselben im schlimmsten Falle den Rückzug zu sichern. Außerdem bilden sie gewissermaßen die Wachmannschaft der Batterie, deren Position fie vor überraschenden Angriffen zu sichern haben. Eine solche Aufgabe kann aber eine Maschine, und sei es die beste, niemals erfüllen. Zudem würde das Einstellen der Revolvergeschüße in die Ka nonen-Batterien einen Nachtheil wieder hervorrufen, welchen die Artillerie seit Jahren bemüht war abzuschaffen, und deſſen gänzliche Betheiligung fie in dem Ideale eines Einheitsgeschüßes noch immer mehr zustrebt, den Nachtheil, in einem taktischen Körper zweierlei Kaliber zu haben. Es muß daher als weit besser erscheinen , die Revolvergeschütze selbstständig den Reserven der Diviſionen einzuverleiben.

Eine Anzahl

7 von vier, höchftens sechs Geſchüßen muß für die Diviſion als genügend erscheinen.

Die Zusammenfügung derselben in eine Batterie kann nur

aus Verwaltungsgründen geboten erscheinen, denn der bestimmte Zweck, welchen diese Geschüße verfolgen, macht ihre Einzeldetachirung zur Noth wendigkeit.

Aus diesem Grunde tft es auch nothwendig jedes einzelne

Geschütz von einem Offizier kommandiren zu laſſen, der neben den vor züglichsten persönlichen Eigenschaften eine außerordentliche taktische Ein ficht besigen muß, weil sonst die Fälle, in denen das Geschütz nicht am rechten Plaße erscheint und seine Kraft nicht gehörig ausbeutet, zur Re gel werden müssen. Aus allem bisher Gesagten erhellt, daß das Revolvergeſchüß unter jeder Bedingung ein kostbares Material bleibt, dessen taktischer Werth für den Feldkrieg ziemlich problematischer Natur ist. Am meisten ist es in der Defensive zu leisten im Stande, aber selbst ein Staat, welcher politisch die Rolle des Vertheidigers inne gehalten hat, wird sich nur gezwungen dazu entschließen, seine Armee auch strategisch dieselbe spielen zu laſſen. Als dritter zu erörternder Punkt wurde im Eingang dieſes Auf fates die Frage aufgestellt : Welche Bedingungen muß das Revolver geschütz in technischer Beziehung erfüllen, um einen ausgiebigen Gebrauch und Erfolg zu verbürgen." Es konnte mir hierbei nicht in den Sinn kommen, über die Detail 3 Konstruktion desselben urtheilen zu wollen, diese Aufgabe überlasse ich den Erfindern, zu welchen mich zu rechnen, ich leider nicht die Ehre habe.

Es springt jedoch in die Augen, daß

einige allgemeine Aenderungen in dieser Beziehung an das Gefchüß zu ftellen sind, und hierher zähle ich : 1. Das Revolvergeschüß muß dieselbe Patrone wie das bei der betreffenden Armee eingeführte Infanterie - Gewehr haben, damit der immerhin große Munitionsverbrauch leicht ersetzt werden könne. Daffelbe ist zunächst an entscheidenden Punkten poſtirt, auf denen sich ein ziemlich Heftiger Kampf entſpinnen wird. Es handelt sich nun nicht allein darum, daß die Munition aus den rückwärts befindlichen Munitions-Kolonnen ersetzt werden kann, sondern dieſer Erſaß muß auch aus den Patronta schen der zunächst befindlichen Infanterie, der Gefallenen und Verwun beten, während des Gefechtes selbst geschehen können.

Damit hängt

auch noch die Bedingung zusammen, daß die Patrone ziemlich leicht und

1

8 • wenig kompendiös sei, damit das Geschüß selbst einen möglichst großen Vorrath an Munition mit sich führen könne. Eine Bedingung, welche streng genommen in der ersten liegt, da auch die Infanterie dahin stre ben muß, ihre Patronen so leicht und klein als möglich zu machen, um den Anforderungen der heutigen Taftit, große Beweglichkeit und großer Munitionsaufwand wenigstens in dieser Beziehung , nicht hindernd im Wege zu stehen. Vorübergehend sei hier bemerkt, daß es sich empfehlen muß, für das Revolvergeschüß wie für das Infanteriegewehr eine Ein heitspatrone zu schaffen, da es denn leicht möglich wird, den Fortschritten der Technik zu folgen, und ohne großen Nachtheil die einzelnen Divi fionen verschieden bewaffnet sein können. 2.

Das Revolvergeschütz muß für den Feldkrieg eine sehr große

Beweglichkeit befizen.

Das Geschüß darf zu seiner Bewegung selbst auf

steilem Wege und schwer fahrbaren Böschungen nicht mehr als 2 Pferde für den Transport nöthig haben.

Ein Gewicht von 92 Ctr. erscheint

für diese Bedingung schon als zu groß.

Denn wenn es gilt steilere

Abhänge 2c. zu erklimmen, werden die Pferde den Dienst versagen, die geringe Bedienungsmannschaft wird nicht im Stande sein das Geschütz fortzubewegen, und es wird fraglich bleiben , ob gerade ſonſt disponible Hände in der Nähe find . 3. Eine sehr einfache und leichte Richtung.

Eine Höhenrichtung

im eigentlichen Sinne des Wortes darf das Geschüß kaum erfordern, und die geringen Veränderungen der Elevation , welche nothwendig sind, müssen mehr nach der Wirkung und dem Gefühle nach, als mittelst Visir und Korn genommen werden können. Ein gleiches gilt von der Seitenrichtung, und würde sich ein vielläufiges Geschütz die Breiten ftreuung am einfachsten durch divergirend gestellte Läufe verschaffen, wenn nicht andere technische Hindernisse in dem Wege ständen .

Da das Revolvergeschütz vornehmlich eine Defensivwaffe ift, so liegt der Gedanke nahe, daß es im Festungskriege eine bedeutende Rolle zu spielen im Stande ist. Ein Revolvergeschüß, welches den im vorliegenden Aufsaße gemach ten Angaben und Bedingungen entspricht, muß vor Allem ein ganz vor zügliches Flankengeschüß sein.

Es würde als solches jeden offenen Gra

9 benübergang unmöglich machen, und bei seiner verheerenden Kartätsch wirkung würden wenige Geschüße für diesen Zweck genügen.

Dadurch

wäre die Möglichkeit gegeben, die Flankirungswerke, wie Kaponnieren 2c. bedeutend kürzer zu machen oder dieselben durch Anlage von Revers Batterien ganz zu entbehren.

Der Graben würde dadurch schmäler

werden können, und die Eskarpen würden dem so gefürchteten indirekten Schuffe am einfachsten entgegen sein.

Bei der Leichtigkeit und großen

Beweglichkeit dieser Geschüße, welche an keinen festen, vorher geebneten Standort gebunden sind, wäre es leicht die Trümmer der Kaponnieren noch im letzten Momente damit zu bewaffnen, und der Zähigkeit und Tapferkeit des Vertheidigers würde in keinem anderen Falle eine bessere Aussicht auf Belohnung eröffnet sein. Allerdings haben die Revolver geschütze wenig Aussicht auf Erfolg, wenn es gilt einen förmlichen , ge= deckten Grabenübergang zu bekämpfen.

Aber für diesen Fall sind auch

die schwersten Kaliber der Kanonen nicht beffer daran, denn ein förm licher Grabenübergang kann von vornherein nicht unternommen werden, so lange die ihn bekämpfenden Flanken nicht zerstört sind, und wenn dies der Fall ist, so ist die Unwahrscheinlichkeit des Wiederaufstellens der Geschüße um so größer, je schwerer die Geschütze sind .

Gegen den

förmlichen Grabenübergang, wenn ein solcher bei einer guten und rich tigen Verwendung der heutigen Bertheidigungs- und Angriffsmittel überhaupt denkbar ist, wird das einzig ergiebige Mittel stets der Mineur bleiben. Im Festungskriege wird ferner das Revolvergeschüß in den Reduits der Waffenpläge zur Beftreichung des gedeckten Weges und zum Schuße der Ausfallrampen 2c. vorzügliche Dienste leisten, sowie es überhaupt den Vertheidigern von Reduits kleinerer Festungswerke eine höchft will kommene Unterstüßung sein wird. Der Vertheidiger kann es ferner mit großem Vortheile zur Armi rung seiner Kontreapprochen benußen, wie es dem Angreifer zur Armi rung der Trancheen und Flügelredouten gegen Ausfälle von besonderem Nußen sein wird. Diese Andeutungen mögen genügen, um den großen Werth darzu thun, welchen ein wirklich gutes Revolvergeschütz für den Festungskrieg hat, für den es ein wirklich willkommenes Hilfsmittel bietet, und in

10 dem sein taktischer Werth ungleich höher steht als im offenen Feld friege. Neu-Ulm , den 24. November 1869. Gf. Thürheim, Hauptmann.

4 II.

Vorschläge zur Verbesserung unserer Geschirre. (Hierzu Tafel IV.)

Nachbem unsere Geschilte auf eine dem heutigen Wiſſen und Können entsprechende Stufe gebracht sind, dürfte es an der Zeit sein die beffernde Hand auch an unsere Geschirre zu legen, da ihre Mängel wohl nicht verkannt werden. . Die nachfolgende Besprechung soll die vorhandenen Uebelstände auf führen und positive Vorschläge zur Verbesserung bieten, nicht jedoch um endgültig darüber abzusprechen, sondern um zur Widerlegung oder Zustimmung herauszufordern, da nur durch Austausch der Gedanken und Mittheilung der Erfahrungen ein ersprießliches Ergebniß zu er warten ist. Wer bei genügender praktischer Begabung Gelegenheit hätte alle Geschirr = Konstruktionen , sowohl die, welche militairischen , als die, welche bürgerlichen Zwecken dienen, mit eigenen Augen zu beur theilen oder mindestens nach guten Zeichnungen zu studiren, würde gewiß werthvolle Rathschläge ertheilen können. Neuere umfassende und vergleichende Studien der Art scheinen jedoch nicht zu existiren und doch sollte man sie nicht unterlassen, wenn man`ernstlich ans Werk gehen will : der Erfindungsgeist wird oft durch Kleinigkeiten angeregt und plöglich in neue Bahnen gelenkt. I. Sprechen wir zunächst vom Kumt, als dem wichtigsten Theile un seres Geschirres und fragen wir, welche Anforderungen man an ein gutes Kumt stellen muß.

11

1.

Der Sit.

a.

Ein gutes Kumt muß die Luftröhre frei laffen

und seine Hauptanlehnung nicht an der Spitze des Armbeins , sondern an dem darüber gelegenen Theile der Schulter finden. Um nämlich einen ruhigen Sitz zu erreichen und ein Scheuern zu vermeiden ist es nothwendig , daß man die Angriffspunkte der Laft nicht auf solche Theile des Pferdeförpers legt, denen von Natur eine sehr heftige Bewegung zukommt .

Dies ist aber bei der Spite des Armbeins und dem unter

ften Theile der Schulter vorzugsweise der Fall ; liegt das Kumt dort zu stark auf, so wird es heftig hin- und hergeworfen und muß schließlich scheuern.

Anders ist es mit dem mittleren Theile des Schulterblattes ,

welcher nur mäßige Bewegungen macht und überdies mit einer starken Muskelbekleidung versehen ist. Mit anderen Worten : das Kumt muß da, wo die Zugstränge befestigt sind , am stärksten anliegen und von dort nach unten sehr schnell an Polsterung verlieren oder nach vorn ausgeschweist sein. Die Befestigung der Zugstränge oder Blatthaken darf jedoch nicht zu tief erfolgen. Ein Blick auf das Pferdegerippe muß uns sagen, daß der günstigste Angriffspunkt für die Zugkraft nicht in der Höhe der Brust, sondern möglichst nahe an der Wirbelsäule liegen muß, weil in dieser sich die schiebende Wirkung der Hinterhand fortpflanzt und nur weil die Vor derfüße auch einigen Antheil am Vorwärtsschieben nehmen, wird man ihn etwas weiter nach unten wählen.

Während des ganzen Alterthums

zogen mit wenigen Ausnahmen alle Pferde in Jochen, welche vor dem Widerrüst lagen und ein Stück die Schulter hinabreichten , der Angriffs punkt der Last lag mithin ziemlich hoch, aber an einer Stelle, wo die Schulterbewegung gering ift.

An den sogenannten englischen Kumten,

wie sie vor herrschaftlichen Wagen vielfach gesehen werden, finden wir eine der beschriebenen ähnliche, sehr starke Ausschweifung, während unsere. Kumte zwar die Luftröhre ziemlich frei laffen, aber viel zu stark auf den unteren Theil der Schulter drücken, weil sie jene Ausschweifung nicht, oder nicht in gehörigem Maße haben und die Blatthafen bei ihnen sehr tief liegen. b.

Ein gutes Kumt soll ferner den Kamm am Widerrüßt nicht

beläftigen, daher an dieser Stelle ganz weich sein und Raum genug für die große Sehne bieten, welche bei den verschiedenen Bewegungen des Halses diesen oben bald breiter, bald schmaler formt. Spizzulaufende

12 Kumte können daher nichts taugen, da fie die beiden oberen Kanten des Kammes nothwendig klemmen müssen. Entweder muß also ein weiches Kiffen das Kumt an dieser Stelle stüßen, wie es im bürgerlichen Leben bei allen Pferden geschieht, welche nicht blos für kurze Zeit mit dem Wagen paradiren, sondern wirklich anhaltend arbeiten sollen, oder aber es muß eine Kammer vorhanden sein und das Kumt in diesem Falle von den mittleren und unteren Theilen des Halses getragen werden. Unsere Kumte laufen ganz spit zu und scheuern daher bei längerer An ftrengung in den meisten Fällen und namentlich bei Stangenpferden, Druckflecke auf der Mitte der Schulter werden dagegen fast niemals ge funden. Es kommt hinzu, daß unsere Kumte oben grade abgeschnitten sind, der Widerrüft sich aber bei den besseren Pferden nach dem Halse zu nochmals fenkt und daher dem Kumt eine ziemlich horizontale Un terlage bietet. Das Kumt muß diesem Umstande Rechnung tragen und daher schräge abgeschnitten d. h. hinten höher als vorn sein. Wo man keine Kammer hat, ist eine gewisse Größe der Tragefläche wesentlich. C. Ein gutes Kumt soll den Hals dicht vor den Schultern mäßig

fest umschließen.

Die Erfahrung lehrt ganz unzweideutig , daß die meisten Kumte zu weit, namentlich von vorn herein zu breit sind, durch den Gebrauch aber auch zu lang werden. Es ist aber klar, daß ein Kumt, da im Schritt und im Trabe die rechte und linke Schulter stets abwechselnd vorgestoßen wird, fortwährend von der einen auf die andere

Seite gleiten und um so mehr scheuern muß, je mehr Spielraum das Kumt hat, oder je loser es den Hals umschließt. Man kann unsere Kumte aber nicht schmaler wählen, weil man sie sonst nicht über den Kopf des Pferdes hinweg schieben kann. Bei der Einführung einer solchen Konstruktion muß man als ausgemacht angenommen haben, daß ein Kumt, welches den Pferdekopf durchläßt, niemals zu weit sein kann und also vorausgesetzt haben, daß bei den verschiedenen Pferdeschlägen die Breite des Kopfes in irgend einer konstanten Beziehung zur Breite der Schultern oder des Halses stehe. Dieser Satz ist aber ganz falsch. Abgesehen davon, daß es verschiedene selbst bei uns in der Artillerie vorkommende Racen mit sehr breiten Köpfen und verhältnißmäßig schmaler Brust und Schultern giebt , finden sich auch unter allen Schlägen viele Pferde mit ungewöhnlich dicken Köpfen, und obgleich die Kopflänge seit dem 16. Jahrhundert bei den Versuchen, die Proportionen

13 des Pferdekörpers festzustellen, mehrfach zum Modulus des Systems an genommen worden ist, so ist dies doch niemals mit der Breite versucht worden.

Es ist deshalb nicht zu verwundern, wenn die meisten Kumte

zu breit sind, sie können eben nicht schmaler gewählt werden, weil sie sonst den Pferdekopf nicht mehr durchlaffen. Bedenkt man nun noch, daß einzelne kopfscheue Thiere, wie sie sich überall, besonders bei Mo bilmachungen finden, sich diesen Modus des Schirrens überhaupt nicht gefallen laffen, oder wenigstens erst nach langem Zeitverlufte und nach dem das ganze Stallpersonal zur Verzweiflung gebracht ist, so wird man diese Konstruktion im Prinzip durchaus für fehlerhaft erklären müssen. Es liegt nahe, diesen Uebelständen durch Einführung solcher Kumte ab zuhelfen, welche unten geöffnet, über den Hals des Pferdes gelegt und in der passenden Breite wieder unten geschlossen werden können .

Daß

man einen solchen Verschluß nicht sollte haltbar genug machen können ift ein Vorwurf, den man der Technik des 19. Jahrhunderts wohl mit Unrecht macht, um so mehr, da alle Kumte der rheinischen schweren Karrenpferde seit Jahren einen solchen Verschluß bestgen, indem das in einen nach aufwärts gebogenen Haken auslaufende Ende der einen Feder in eine Deſe der anderen greift und einfach durch einen Splintriemen , höchstens durch einen eisernen Vorstecker gehalten wird.

Es wird später

ein praktisch erprobter und befferer Verschluß angeführt werden. d. Endlich müssen , wie dies schon beim Kammkissen gefordert wurde, alle Theile, welche mit dem Pferdekörper in Berührung kommen, ganz weich und elastisch sein .

Auch dieser Anforderung entsprechen unsere

Kumte gar nicht, da sie meistens schon steif und unbiegsam von der Geschirrkammer herunter in Gebrauch kommen und schließlich steinhart werden, besonders bei schlechtem Wetter, während größerer Uebungen und anhaltender Märsche, bei welchen ihnen nicht die gleiche Sorgfalt, wie in der Garnison zugewendet werden kann. 2. Das Anpassen . a. Ein gutes Kumt muß wenigstens einige

Beränderungen in der Länge und Breite zulassen, ein Normal - Kumt aber sich so viel in beiden Richtungen verändern lassen, daß es allen Pferden aller Schläge ohne Umstände passend gemacht werden kann. Daß unser jeßiges Kumt sehr weit davon entfernt ist, diesen Anforde rungen einigermaßen zu entsprechen, ist bekannt. Es kann oben etwas erweitert werden, dann rückt die Kammer näher auf den Kamm und

14 das Kumt wird gleichzeitig länger ; verengt kann es oben nur werden, wenn es vorher erweitert war. Es kann ferner die Kette verkürzt und dadurch die untere Breite verringert werden, dann wird das Kumt aber jedesmal zugleich länger, weil der Umfang des Kissens unveränderlich ist; durch Verlängern der Kette endlich kann es unten etwas breiter und natürlich entsprechend kürzer gemacht werden.

Die Grenzen dieser

Veränderungen sind aber sehr enge gezogen und haben andere Uebel= stände im Gefolge.

Alle Kumte sind in der Regel so steif, daß sie nur

schwer die neue Form annehmen und bilden dann im inneren Beleg Falten, außerdem wird der Angriffspunkt der Zugkraft immer mit den Federn zugleich verrückt , besonders oft kommt aber der Fall vor, daß das Kumt zwar enge genug, aber zugleich zu lang wird, nicht die rich tige innere Wölbung hat und nicht über den Kopf geht.

Reicht man

nun mit diesen Hülfen nicht aus, so bleibt nur entweder der Umtausch mit einer anderen Nummer übrig, deren wir drei von 20 bis 22 Zoll Länge und 9 bis 10½ Zoll Breite haben, oder eine Veränderung mit Hülfe der Handwerker.

Mit dem Verkürzen eines Kumtkissens oder

gar mit dem Verlängern hat ein Sattler mehrere Stunden zu thun, zum Strecken oder Biegen der Federn ist die Hülfe des Schmiedes er forderlich.

Daß man bei einer Mobilmachung weder Zeit noch Kräfte

hat, viele derartige Operationen vorzunehmen, wird sich wohl konstatiren laffen; es kann wenig oder nichts geschehen und bald hat man mit Druckschäden zu kämpfen, welche geheilt werden müssen und doch viel leichter ganz zu verhüten, als zu kuriren sind.

Man hat jedenfalls die

geringe Veränderlichkeit unserer Kumte von vornherein zugegeben und deshalb durch Konstruktion verschiedener Nummern eine Aushülfe zu schaffen gesucht. Wenn man solche in verschiedenen Prozenten vorräthig hielte ob dies geschieht und ob dabei Rücksicht auf die in einer Pro vinz zu erwartenden Pferdeschläge genommen ist, bleibe dahingestellt so glaubte man für jedes Pferd ein passendes Kumt finden zu können, in der That aber, da man gar keinen Vorrath hält, sondern nur für jedes Zugpferd ein Stück hat, muß man alle verpassen und es bekommt nicht jedes Pferd das ihm am besten passende, sondern höchstens, bei viel Zeit, das ihm am wenigsten schlecht passende.

Es müßte demnach

offenbar nichts erwünschter sein, als ein Normal-Kumt zu befizen, wel ches sich allen Pferden, egal ob großen oder kleinen, ohne viele Umstände

15 auflegen ließe und allen genau paßte.

Eine übergroße Leichtigkeit des

Berpaffens ist übrigens weniger nothwendig, als vollständig befriedigen der Sitz, da man für jedes Pferd eigentlich nur einmal dazu ſchreitet, dann aber, bei ciner Mobilmachung, gerade nicht Zeit hat, unter hundert oder mehr Pferden den Sit so auszugleichen, daß alle noch leidlich da von kommen. Diese Arbeit muß vielmehr berittweise oder in beliebig fleinen Abtheilungen vorgenommen werden können und kein Zuſammen wirken und Austauschen unter allen Geschützen oder Zügen nothwendig sein. Daß diese Anforderung zu erfüllen ist, hoffe ich später zu zeigen, fie ist jest viel wichtiger als früher, wo eine mobile Batterie erſt mo natelange Märsche machen mußte, ehe sie an den Feind kam, und dabei viel Zeit hatte, früher Versäumtes nachzuholen, ja ſogar die rohen Pferde so weit rittig und lenkbar zu machen, daß man überhaupt mit ihnen annähernd dahin fahren und reiten konnte, wohin man wollte, was jezt jehr zweifelhaft ist. 3. Der Gebrauch. a. Ein gutes Kumt muß auch bei seiner

Handhabung mit dem zugehörigen Geschirr möglichst fest verbunden ſein, oder ein kompaktes Ganze bilden, und sich leicht auch unruhigen Pfer den auflegen lassen. Bei unserer jezigen Einrichtung legt der Fahrer, wenigstens beim sogenannten Schnellschirren, die Taue, den Umlauf oder das Hinterzeug lose auf den Kumtdeckel, dreht das Ganze um, wobei einzelne Theile herabhängen und durcheinander gerathen, bringt das Ganze über den Kopf des Pferdes, dreht es abermals um und ordnet es dann, um das Hinterzeug in den Sattel zu schnallen. Bei einem Kumte, welches unten geöffnet wird, fällt das ganze Umdrehen fort, das Geschirr kann fest auf dem Kumtdeckel und zu beiden Seiten angeschnallt ſein, die Ordnung der Theile wird nicht gestört, der Fahrer kann, wenn die äußerste Schnelligkeit erforderlich ist, sogleich aus dem Stall ziehen und das Ordnen und Anschnallen des Hinterzeuges erst im Park vor nehmen, wo ihn die Bedienung dabei unterstüßen kann. Ja es erscheint mir durchaus nicht unmöglich ein Geschirr zu konstruiren, bei dem das Hinterzeug von vornherein mit dem Kumt verbunden , das Anschnallen an den Sattel nicht nöthig ist und vielleicht der sogenannte Schwanz riemen ganz wegfällt. b. Endlich aber gehört zu einem guten Kumt auch ein zweckmäßiges Geschirr, wenn nicht alle Mühe vergeblich sein soll. Vor allen Dingen

16 müffen die Zugtaue ftets genau egalisirt sein, selbst da, wo man beweg liche Ortscheite, wie bei den Stangenpferden hat, besonders aber bei den Mittel- und Vorderpferden , welche an einem gemeinschaftlichen Strange und überdies an einer ganz eigenthümlichen Bracke ziehen, deren geringste Bewegung alle Taulängen verändert. Es ist gewiß aus gemacht, daß ein Kumt und wenn es das beste ist, mit der Zeit drücken muß, wenn ein Zugtau länger ist, als das andere und das Pferd immer nur mit einer Schulter arbeitet.

Derselbe Fall tritt auch bei ganz gut

egalisirten Tauen dann ein, wenn beispielsweise das Handpferd sehr heftig vorwärts drängt, sich durch die Führung mit dem inwendigen Trensenzügel schräge stellt und nun immer mit der auswendigen Schul ter allein zieht.

Ueberhaupt ist die Geschicklichkeit im Fahren, der egale,

gleichmäßige Zug aller Pferde, die Aufmerksamkeit der drei Fahrer auf einander, das Temperament der zu einem Gespann vereinigten Pferde, ihre Leistungsfähigkeit und anderes nicht ohne Einfluß, wenn es sich darum handelt, die Pferde vor dem Durchziehen und Scheuern zu bewahren ; diesen Umständen ist natürlich durch Konstruktion nicht beizukommen. Ein Punkt wird jedoch immer noch auf diesem Wege seine Erledigung erwarten, nämlich die möglichst senkrechte Richtung der Zugkraft gegen die Fläche des Kumtes. Diese kann besonders bei unseren Vorderpferden sehr ungünstig sein, wenn die Mittelpferde sehr groß find.

Einmal

handelt es sich dabei um die Lage des Kumtes selbst und seine Neigung gegen die Horizontale, welche bei Pferden mit sehr langen und schrägen Schultern, also bei solchen, die sich besser zu Reitpferden eignen würden, wenn nicht andere Umstände ihre Verwendung als Zugpferde nöthig machten, oft eine sehr bedeutende ist. Bei solchen Pferden, besonders wenn sie sich zugleich sehr stark auf die Hinterhand setzen, hat das Kumt Neigung, sich nach oben zu schieben. Der Bauer, welcher ein Pferd, das sich sehr hoch trägt, in die Karre spannen muß, bindet ihm mit einem kurzen Sprungzügel die Nase ganz tief und verhütet auf diese Weise, daß das Kumt dem Pferde die Luftröhre zuschnürt.

Auch

uns bleibt in vielen Fällen nichts übrig, als von dieſem, hier am Rheine sehr verbreiteten und praktischen Mittel Gebrauch zu machen.

Sodann

kommt es auf die Richtung der Zugtaue gegen die Horizontale an, welche besonders bei Vorderpferden sehr ungünstig sein kann, sich jedoch durch die unter II. b. vorgeschlagene Zwischentaue bedeutend verbessern

17 läßt.

Das von dem Holländer van der Casteelen vorgeschlagene Kumt

hat angeblich die Eigenthümlichkeit, daß der Angriff der Zugkraft gegen die Fläche des Kumtes unter einem rechten Winkel erfolgt. Dies wird. dadurch bewirkt, daß die Zugtaue durch einen breiten Bauchriemen so weit nach unten gezogen werden, bis sie jene Richtung annehmen.

Die

Pferde ziehen also sowohl mit dem Kumt, als mit dem Bauchriemen und sollen sich nach Angabe des Erfinders sehr schnell an diesen Modus gewöhnen.

Es ist unzweifelhaft, daß das Kumt nicht nach oben gleiten

fann, fraglich dagegen ob es auch ruhiger liegt und sicher, daß der Zugwinkel rechts und links immer verschieden sein muß, da das Pferd im Gange die rechte und linke Seite des Kumtes immer abwechselnd vor- nnd zurückstößt und daß, wenn W auch das Kumt weniger scheueru sollte, dies der Bauchgurt, besonders auf kothigen Wegen, um so mehr thun wird.

Uebrigens würde bei unserer Bespannung beim geringsten

Zurückbleiben der Mittelpferde der Bauchriemen diesen dicht an die Borderfüße rücken und störend einwirken, für Stangenpferde aber gehört ein frei durchgehender Umlauf dazu, wie er später erwähnt werden wird. Wenn nun im Vorhergehenden die allgemeinen an ein gutes Kumt zu stellenden Anforderungen besprochen sind, so soll jezt ein Kumt vor geschlagen werden, welches diesen Anforderungen beffer, als das frühere, entspricht, wie die Beobachtung während eines halben Jahres , wo es bei meiner Batterie im täglichen Gebrauch war, zuversichtlich ergeben hat. Dieses Kumt (Fig. 1.) wird unten geöffnet, hat oben ein Charnier und besteht aus den Kumtfedern, den Charnierfedern, dem Kumtkiſſen, dem Kammkiſſen, dem Kumtdeckel und dem Zubehör, ist im Uebrigen aber unserem früheren Kumte sehr ähnlich. a. Die Kumtfedern find fast die früheren, nur sind sie oben etwas abgebogen und haben unten statt der Kumtfederkette zwei senkrecht nach vorn abgebogene Oefen und in diesen Desen nach unten zu korrespon dirende Ausschnitte für den Bart des Schlüssels. Dieser Schlüffel ist aus der Zeichnung (Fig. 2) zu erkennen ; er hat verschiedene Unter brechungen im Bart um dadurch die Federn enger und weiter ausein ander stellen zu können, so daß je nach der Länge dieses Schlüffels das Kumt unten um mehrere Zoll erweitert werden kann. b. Das Kumtkissen ist ebenfalls dem früheren ähnlich, jedoch hat es an der Stelle, welche unterhalb der Angriffspunkte, der Zugkraft liegt, 2 Bierunddreißigster Jahrgang. Band LXVIII.

18 eine viel stärkere Ausschweifung, so daß es von da an nur sehr wenig anliegt. Es ist ferner ganz weich gepolstert und reicht nach oben zu nicht bis zur Spitze des Kumtes, da diese nur von dem Kammkissen innerhalb bekleidet ist. Das Kumtkissen hat aber außerdem auf seiner ganzen oberen Häfte, innerhalb auf jeder Seite, Metallhülsen, in welchen die sogenannten Charnierfedern auf- und niedergeschoben werden können, durch welche Operation das Kumt verlängert und verkürzt wird.

Diese

Hülsen oder Futter sizen in der Wulst und im Untertheil weit genug nach außen, durch eine dicke Polsterschicht von der inneren Kumtfläche getrennt und treten an der Spiße zu Tage.

Es sind auf jeder Seite

zwei, weil die Naht der Wulst und die Heftriemchen dies bedingen. Nothwendig ist, daß das Kiſſen mit den Federn sehr fest verbunden wird und namentlich, daß bei einem starken Anziehen des Kumtfederriemens die Federn selbst nicht nach oben gleiten können, weil sonst der Schlüffel bei der engsten Stellung klemmen muß.

Zwei starke Heftriemchen über

den Anfäßen für die Blatthaken genügen um dies zu verhüten. C. Die Charnierfedern (Fig. 3) entſprechen der Form der Hülsen,

find oben durch ein starkes Gelenk geschlossen, etwa 212 Zoll breit und 1/4 Zoll dick, theilen sich 3 Zoll unter dem Charnier in zwei Arme, von denen der eine im Untertheil, der andere in der Wulst steckt, und find so lang, daß ihr Siß im Futter noch Haltbarkeit gewährt, wenn sie für große Pferde 4 Zoll herausgezogen sind, im Ganzen also 1 Fuß lang. Das Charnier läuft nicht senkrecht zur Längenrichtung der Federn, son dern etwas schräge, so daß die Federn also vorn etwas niedriger ſind, als hinten.

Um diese Charnierfedern im Kumtkiffen mit Leichtigkeit zu

dirigiren, läuft unter jeder derselben ein an dem Kissen festgenähter Nie men (a) hin, der außerhalb zu Tage tritt, über dem Kumtdeckel mit dem jenſeitigen zuſammengeschnallt wird und, angezogen, die Federn hebt, losgelassen aber das Zusammendrücken oder Verkürzen gestattet. Einen entgegengesetzten Druck übt der Kumtfeder -Niemen (b) aus , welcher ebenfalls über den Kumtdeckel geht ; durch beide Riemen, wenn sie an gezogen sind, wird die Festigkeit und die Länge des Kumtes bedingt. d.

Das Kammkiſſen liegt unter den Charnierfedern , an welchen es

leicht befestigt ist, ist sehr weich gepolstert, ziemlich dick und reicht nach unten bis einige Zoll über das obere Ende des Kumtkissens.

Es bildet

19 die Unterstützung für das Kumt auf dem Pferdekamme; die unteren En den sind mit kleinen Schnallriemchen über dem Kumtkissen festgeschnallt. e. Der Kumtdeckel ist dem früheren ähnlich, nur liegen sowohl

der Kumtfederriemen , welcher den Schnallstößel für die Kumtstrippe des Sattels hält, als der Charnierfederriemen über ihm , damit das Auge etwaige Mängel daran sofort bemerken kann. Die Wölbung des ganzen Kumtes ist von der früheren dadurch abweichend, daß sie sich viel mehr abstumpft, die spiße Kammer ganz fortfällt und das Kumt, wenn es auf seine kleinste Form gestellt ist, vorn nur 18 Zoll lang und 9 Zoll breit, hinten 19 Zoll lang und 8 Zoll breit ist. Kleinere Kumte werden niemals gebraucht, zieht man es dagegen oben 4 Zoll aus und stellt es unten 2 bis 3 Zoll weiter, so reicht es für die allergrößten Pferde hin, will man aber die Vorsicht noch weiter treiben, so mag man etwa noch ein halbes Dußend größere Charnierfedern beschaffen. Es würde nicht unrichtig sein, wenn man die Wölbung des Unter theiles in der Mitte noch weiter nach Innen zu vortreten ließe, da der Pferdehals vor den Schultern im Durchschnitt keine eiförmige, sondern eine birnförmige Gestalt zeigt (Fig. 4), man muß jedoch darin nicht zu weit gehen, um die Halsflächen nicht zu belästigen. Eine Kammer kann ein Kumt nur bekommen, wenn entweder die oberen Kammflächen oder die untersten breiten Halsflächen die Laft des Kumtes tragen sollen, beides scheint nicht empfehlenswerth, daher ein Kumt ohne Kammer, welches weich aufliegt, vorzuziehen. Es bleibt nun jedem Leser überlassen, sich die Konstruktion der ein zelnen Theile so vollkommen wie möglich vorzustellen, denn wer mit der Theorie einverstanden ist, wird zugeben müſſen, daß die Technik unseres Jahrhunderts gewiß im Stande sein wird, danach ein haltbares, nicht zu schweres und nicht zu theures Modell anzufertigen. Das hier ver suchte, welches der Artillerie-Prüfungs-Kommission als Ergebniß der Spezial-Kommission für Konstruktion eines neuen Kumtes eingesandt worden ist, wiegt 13 Pfd., hat in Betreff seiner Haltbarkeit oder Zwed mäßigkeit keine Ausstellungen hervorgerufen und ist während des Ge brauchs den stärksten Proben unterworfen gewesen. Man könnte jedoch den Anforderungen auch noch auf eine andere Art genügen. 2*

20 Das Kumt soll wieder unten zu öffnen sein (Fig. 4) Form und Größe ganz dieselbe bleiben, ebenso der untere Verschluß, nur die Char nierfedern und die Futter derselben und somit die Möglichkeit des Aus ziehens in der Länge sollen fortfallen.

Statt deffen sollen etwa 5 ver

schiedene Nummern von eisernen Bügeln konftruirt werden (Fig. 5), welche in der Weite um höchstens 1 3oll, in der Höhe aber um 4 Zoll verschieden sind und sich an die oberen Enden beider Kumtfedern an schrauben laſſen und zwar so , daß diese Schrauben die Drehpunkte für zwei Charniere abgeben. Dann bilden die zwei Kumtfedern mit dem eisernen Bügel ein festes Gerippe, welches sich unten öffnen läßt und an welches sich das Kumtkiſſen und das Kammkiſſen ganz in ähnlicher Weise wie bei der vorigen Konstruktion anschließen. Hat man dann in einer Batterie eine hinreichende Anzahl solcher verschiedener Bügel, so kann jeder Fahrer, mindestens aber der Berittführer leicht einen der. Größe des Pferdes entsprechenden aussuchen und in ſeine Kumtfedern einschrauben ; da diese Bügel sehr billig sind, so kann ohne große Kosten eine reiche Auswahl davon vorräthig gehalten werden. Vielleicht zieht man es auch vor, dem Bügel oben ein Charnier zu geben, ähnlich wie früher den Federn, dagegen die Verbindung mit den Federn durch doppelte Schrauben ohne Gelenk herzustellen (Fig. 6). Es kommt dabei auf einen Versuch an, der noch nicht gemacht ist, aber jedenfalls wünschenswerth wäre. Fester und billiger, als die Charnier federn, dürfte das System der festen Nummerbügel ſein.

Gegen diese bereits vor Jahresfrist von mir gemachten Vorschläge zur prinzipiellen Annahme der von unten zu öffnenden Kumte, entweder mit Charnierfedern oder mit Bügeln die letzteren sind noch nicht einmal versucht - sind einige Bedenken laut geworden, die hier kurz widerlegt werden sollen. Man sagt : 1. " Sie werden nicht halten“. Darüber haben ja aber die Proben entschieden ! Die Lehrbatterie hat nach langen Versuchen mit mehreren Exemplaren der ersteren Art, so viel ich gehört habe, teine Ausstellungen gegen die Haltbarkeit gemacht. 2. ",Sie mögen wohl halten, durch den Schlüssel leidet aber viel leicht die Stabilität d. h. das Kumt könnte mit der Zeit unten nach

geben und sich bei jedem Schritt des Pferdes etwas zusammenschieben und wieder öffnen, oder auch nach hinten etwas zusammenklappen“. -

21 Daß dies überhaupt nur geschehen könnte, wenn der Schlüssel sich stark abgeschliffen hätte, ist klar, im Laufe eines oder einiger Jahre, also eines Feldzuges, tritt dieser Fall aber selbst bei schlechtem Material nicht ein. Es ist aber noch sehr fraglich, ob dies überhaupt ein Uebelstand wäre. Ich erinnere nur daran, daß hier am Rhein kein Karrenführer ein an deres, als ein unten zu öffnendes Kumt hat und dabei ganz andere Lasten bewegt, als wir in der Feldartillerie beabsichtigen ; daß man im Hunsrück und im Hochwalde Langgeſpanne von vier Ochsen sieht, welche vollständige unten zu öffnende Kumte haben, daß dieſe aber wegen der herunterhängenden Wamme der Thiere unten ganz beweglich sind und dennoch durchaus nicht scheuern ; daß endlich die schwedischen einfachen. Kumtbretter von Birkenholz mit Polstern oben und unten nur durch Riemen geschlossen sind, sich nach allen Richtungen hin bewegen und ihren Zweck dennoch sehr gut erfüllen. Sielen klemmen ja noch weit " mehr und an einer viel ungünftigeren Stelle , als es Kumte, welche eine Wenigkeit nach hinten zusammenklappen, jemals thun können. Ich be freite zwar überhaupt, daß dieser Zustaud eintreten wird , glaube aber, wenn er einträte, würde er gar nicht schaden, wenn nur das Kumt über haupt gut paßt, und würde vorschlagen, ein Kumt unten versuchsweise einmal nur durch eine Kette zu schließen, um zu sehen, was von der für so unentbehrlich gehaltenen Stabilität zu halten ist. 3. ,,Die andere Art des oberen Verschlusses, die mit den festen Bügeln, würde allerdings noch fester sein, aber die Bügel würden brüden". - Wenn man den Bügeln oben dieselbe Form giebt, welche die Charnierfedern haben, so können sie auch nicht anders sich verstellen, als diese. Die Einführung würde enorme Kosten verursachen." ― Auch 4. dies ist nicht richtig, das neue Kumt kostet, einzeln angefertigt, nur 11/2 Thaler mehr, als das alte, wenn es mit Charnierfedern versehen ist, wenn es aber nur Bügel bekommt, so wird es nur ganz unbedeutend mehr kosten. Will man überhaupt ein anderes Kumt einführen, weil das alte in der That sehr wenig taugt, so wird es doch nur allmälig geschehen. Das vorgeschlagene kann aber sehr wohl neben den alten in derselben Batterie, ja in demselben Gespann ohne allen Nachtheil, felbft für das Auge, bestehen, und man wird wenigstens einigen Pferden eine Wohlthat damit erweisen. Mögen die Fälle, in denen sich die alten

22 Kumte nicht verpassen lassen, oder in denen man es mit kopfscheuen Thieren zu thun hat, auch je nach dem Pferdeschlage der verschiedenen Provinzen, sich auf eine möglichst geringe Zahl reduziren, so werden es doch in jeder Batterie und Kolonne immer einige sein.

Die betreffen

den Pferde werden sich jedenfalls durchziehen und sind daun fast ganz unbrauchbar. Der Staat hat das Geld für sie vorläufig ganz wegge= worfen, die Thiere sind nur eine Last für die Truppe.

Es handelt sich

gerade um diese Fälle, für welche selbst das theuerste Kumt noch eine große Ersparniß bedingt, wenn die Pferde gesund bleiben. Daß alle Kumte in unseren Batterien und Kolonnen noch im Laufe der Dienst zeit der jett lebenden Artilleristen sich erneuern sollen, wird wohl über haupt nicht zu hoffen sein. Ich empfehle daher das unten zu öffnende Kumt bei der großen Verschiedenheit unseres Bedarfs als die allein richtige Konstruktion prin zipiell anzunehmen, mit der Einführung aber allmälig in allen Batterien und Kolonnen gleichzeitig vorzugehen und mehr die ungünstigen Ver hältnisse der Mobilmachung, als die ganz unvergleichlich besseren des Friedens ins Auge zu faffen, um zu der Ueberzeugung zu kommen, daß ein jedem einzelnen Pferde einzeln ohne Hülfe von Sattlern und an deren Handwerkern schnell anzupassendes Kumt gleichbedeutend mit einer Vermehrung des Etats an brauchbaren Pferden ist. II. Die hier vorgeschlagenen Konstruktionen mögen nun selbst für brauch bar befunden werden, oder auch nur Veranlassung zur Erfindung eines vollkommen befriedigenden Kumtes bieten, so darf man doch, wenn ein mal reformirt wird, nicht beim Kumt allein stehen bleiben.

L

Es soll nun

noch eine Reihe anderer Vorschläge folgen, welche die wesentlichsten Theile der Geschirre betreffen, vielleicht wird dieses oder jenes davon einer weiteren Würdigung theilhaftig und praktisch versucht. 1. Wie schon angedeutet, soll das neue Kumt zugleich so eingerichtet werden, daß das ganze übrige Geschirr, also Taue, Umlauf, Hinterzeug auf dem Kumtdeckel und zu beiden Seiten der Federn festgeschnallt werden kann, so daß der Fahrer es bei der Handhabung nur mit einer kompakten und innerlich wohl geordneten Masse zu thun hat.

Ist dies

der Fall, so dürfte das Fertigmachen eines Sattel- oder Handpferdes

L

23 mit Geschirr nicht nennenswerth längere Zeit in Anspruch nehmen, als das eines Reitpferdes, da der Fahrer, nachdem das Pferd gesattelt und gezäumt ist, nur das Kumt über den Hals zu legen und vorn zu schlie ßen hat, um sofort auffigen und in jeder Gangart abreiten zu können. Dies kann von großem Vortheil für das schnelle Fertigwerden einer Batterie sein, wenn die Fahrer einzeln in Bürgerquartieren oder in finsteren Ställen liegen, wo sie zum Ordnen und Einschnallen des Hin terzeuges, viel mehr Zeit gebrauchen, als im Park, wo die ganze Be dienung zur Unterstützung bereit ist. Die Reiter und Fußmannschaften waren bisher immer viel früher fertig als die Fahrer, auf diese Weise wird sich das Verhältniß etwas ausgleichen. Mag auch das Aufschnallen des Geschirres auf das Kumt etwas langsam gehen, so thut dies nichts , da man dazu stets Zeit haben wird, das Abschnallen wird jedenfalls schnell gehen und das ist die Hauptsache. 2. Für die Stangenpferde muß die jeßige Einrichtung, wonach die Steuerketten in die sich auf dem Brustriemen bewegende kurze Koppel gehängt werden, dahin abgeändert werden, daß die Steuerketten, um das Maß der kurzen Koppel verlängert, mit einem dicken, etwa 4 Zoll im Durch messer großen Ringe endigen, welcher auf den beim unangespannten Pferde gerade herunterhängenden Brustriemen gestreift wird . Statt also, wie bis her, die Steuerketten in den Ring der kurzen Koppel zu hängen und das Schnallriemchen zu schließen, haft der Fahrer jezt nur das eine Ende des Brustriemens in den Bügel des Kumtes, nachdem der Endring der Steuerkette darauf geschoben ist.

Es ist dies offenbar schneller gemacht,

als das Zuschnallen des Schnallriemchens, besonders im Winter, wenn die Hände erstarrt find . Ein großer Vortheil ergiebt sich aber gelegent= lich noch außerdem, nämlich, daß nun ein Einhängen der Bracke in die Steuerkettenhaken absolut nicht mehr vorkommen kann, während man bisher, besonders während der Fahrperiode, fortwährend darunter zu leiden hatte. 3. Der Umlauf liegt bei unseren Stangenpferden viel zu tief, wenn er mit dem oberen Rande der hinteren Kniescheibe abschneidet und, wie die Vorschrift sagt, bei angespannten Tauen das Durchstecken der flachen Hand an den Backen gestattet, denn bei allen ausgreifenden Gängen, im starken Galopp und beim Springen muß das Pferd unbedingt da durch behindert werden.

An dieſer Stelle dehnt es sich im Galopp nicht

24 um zwei Zoll, sondern um zwei Fuß aus, Kumt und Umlauf zwängen es zusammen, es will nicht vorwärts und kann sogar leicht stürzen.

Die

Stangenpferde wollen nicht mit, man sieht es auf jedem Exerzirplaß, aber nur weil sie nicht können.

Führt man den Umlauf dagegen so, daß

er hinten dicht unter dem Sizbeine liegt, so genügt bereits eine viel geringere Weite, weil das Pferd sich dort viel weniger verlängert.

Man

ſehe nur`auf unsere Fuhrleute, kein einziger hat den Umlauf in der Höhe der Kniescheibe liegen, sondern stets viel höher.

Das häufige

Scheuern wird mindestens zur Hälfte durch die tiefe Lage und durch eine viel zu geringe Weite veranlaßt. Freilich kann das Pferd mit einem engen Umlauf beffer aufhalten, aber es soll vor allen Dingen auch da mit laufen können. Besser noch, als durch Höherlegen des Umlaufs würde durch die niederländische Konstruktion dem Pferde Platz geschafft werden (Fig. 7). Dort endet bekanntlich der Umlauf nicht in den Blatthaken, sondern bil det mit dem Brustriemen ein Ganzes und kann sich durch Ringe am Kumt frei nach vorwärts und rückwärts schieben. Das Pferd hat also zum Sprunge reichlich Platz, weil der ganze Umlauf sich dann nach hin ten schiebt, beim Aufhalten aber hat das Kumt gar nichts zu halten und bleibt ruhig in seiner Lage, denn der Umlauf zieht sich so weit nach vorn durch, bis er hinten an steht. Dabei scheint nur ein Uebelstand zu ſein, nämlich der, daß sich die Steuerketten mit dem Vorziehen des Umlaufs ebenfalls mit verlängern und so eine Wendung, welche das in wendige Pferd mit der Steuerkette allein zu machen hätte, nicht exact genug ausgeführt werden kann. Geht ein Pferd in der Gabel, oder ändert man die scharfen Wendungen ab, so findet man keine Schwierig feiten; es käme auf einen Versuch an, ob man den Uebelstand nicht allein schon dadurch beseitigen kann, daß man den Umlauf höher legt, wo er dann kürzer sein kann, oder nöthigen Falls einen besonderen Lenkriemen vom Kumt nach der Deichsel führt. Abgesehen von diesen Vorschlägen sind unsere Umläufe und nament lich die Blätter für große Pferde zu kurz, wenn die Rückriemen noch auf letzteren ſizen sollen, ebenso die Strangschlaufen, wenn der Umlauf nicht viel zu tief liegt.

Beide Stücke werden daher vielfach in anderen

Dimensionen beschafft, als sie die Zeichnung angiebt.

25 4.

Da unsere Stangenpferde nicht nur wie jedes andere Pferd mit

ziehen, sondern auch öfters pariren und bergab sogar das ganze Geſchüß allein halten, bei Wendungen fast allein arbeiten und dabei oft noch die Deichsel tragen müssen, so werden sie natürlich vorzugsweise angestrengt, ermüdet und in Folge dessen verbraucht.

Dabei wirken fie der Last der

Deichsel beim Wenden und Aufhalten nicht grade, ſondern schräg ent gegen, weil die an der Deichselspiße sich vereinigenden Steuerketten die Pferde stets nöthigen, eine schräge Stellung anzunehmen.

Es werden

daher nicht nur die Beine einseitig stark mitgenommen, sondern der Kumtdruck erfolgt ebenfalls einseitig ; die Pferde sind nicht im Stande ihre ganze Kraft zu gebrauchen, wie sie es könnten, wenn der Angriffs punkt der Last grade vor ihnen läge. Gäbe man daher der Deichsel vorn eine eiferne Querstange, welche, um nicht zu starr zu sein, sich um die zu ihr senkrechte Achse der Deichsel drehen könnte und machte diese so lang, daß ihre Enden grade vor der Mitte der Brust lägen, so würde jenem Uebelstande abgeholfen werden .

Indessen scheint diese Konstruktion

den Nachtheil zu haben, daß das Hochgehen der Deichſel die Stangen pferde möglicher Weise allzusehr belästigt. Die Möglichkeit dieser bei Civil-Fuhrwerken bereits angewandten Einrichtung für das Balancir System muß daher erst durch praktische Versuche erwiesen werden. Nicht allein aber beim Aufhalten müssen sich die Stangenpferde schräge stellen, sondern selbst ein grader Zug ist bei ihnen unmöglich, sobald man verlangt, daß der Stangenreiter mit dem Vorder- und Mittelreiter genau gedeckt sein, also genau Vordermann halten soll.

Da

nämlich die Mitte des Ortscheits fast 2 Fuß, die Mitte der Anspannung der Mittel- und Vorderpferde aber nur etwas über 1 Fuß von der Mitte des Fahrzeuges entfernt ist, so kann der Stangenreiter nicht an ders Vordermann halten, als wenn er sein Sattelpferd ungebührlich, nämlich fast 1 Fuß, nach rechts herüberdrückt und dadurch das inwen dige Tau bedeutend verlängert. Dadurch stellt er, wenn er allein zieht, die Deichsel zu viel rechts, eclatant zeigt sich dies beim sogenannten Einrücken in die Paradestellung, wobei in der Regel alle Deichseln rechts stehen und später die Laffeten rechts hinübergehoben werden müssen. Dies ist auch der Grund, weshalb das innere Ende des Ortscheits das Brackholz abscheuert und weshalb man das inwendige Tau bedeutend verkürzen muß, um einen egalen Zug bei genauem Vordermann zu haben.

26

5.

Es läßt sich jedoch in anderer Weise eine große Erleichterung

für die Stangenpferde bei länger audauerndem Aufhalten dadurch be wirken, daß man an jedem Geſchüß eine schnell in und außer Thätigkeit zu seßende Bremse anbringt. Da wir hoffentlich unsere Kriege stets in Feindes Land führen werden, so ist die Terraingestaltung im Voraus ganz unberechenbar, man kann alſo tagelang, ja während eines ganzen Feldzuges stets in der Lage sein, bergab und bergauf fahren zu müſſen und wird natürlich dabei die Stangenpferde ungemein angreifen. Hätte man aber eine Vorrichtung am Geſchüß, ſelbft am leichtesten, welche man ohne alle Umstände, selbst während die Bedienung aufgesessen ist, oder vom Sattel aus in Thätigkeit setzen und so den Stangenpferden die ganze Last abnehmen könnte, und wendete man dieselbe grundsäglich so oft, wie irgend möglich, an , so würde man die Kräfte der Pferde für andre Gelegenheiten aufsparen und diese selbst konserviren können. Selbst beim Einnehmen und Verlassen schwer zugänglicher Positionen und beim Paſſiren steiler Stellen während des Gefechtes, wo ein Unfall doppelt störend wäre , würde man vielfach davon Gebrauch machen können.

Daß man früher ohne Bremse, selbst ohne Hemmschuh, der, weil er nur während des Haltens an- und abgelegt werden kann, un praktisch ist, auskam, kann kein Grund gegen die Einführung sein, wenn man sie für zweckmäßig hält, da man eine Kriegsmaschine, wie unser Geschüß doch ist, auf jeder Weise und in jeder Richtung vervollkommnen muß, und wer wollte verkennen, daß eine Schonung der Pferde in vielen Fällen von ganz unberechenbarem Nußen auf die Bewegung und somit auf die Leistung der Artillerie sein kann , ganz abgesehen von der vermehrten Sicherheit beim Fahren *). Eine Maschine, welche so vollkom men wäre, daß sie ohne Bespannung und Bedienung alles allein thäte, was wir von einem Feldgeschüß verlangen, wäre doch offenbar das beste Geschütt. 6.

Die Mittel- und Vorderpferde ziehen bei uns an der Vorder

bracke, während sie bei einzelnen anderen Mächten an die Taue der Stangenpferde gespannt sind. Unser Balancirsystem nöthigt uns dazu nicht und unser Verfahren verdient unbedingt den Vorzug, weil es schon ein Uebelstand ist, daß die Vörderpferde an den Tauen der Mittel pferde ziehen.

Achtet man auf die Fälle, in denen ein Tau gerissen

*) Dieser Vorschlag scheint eine besondere Beachtung zu verdienen.

27 ift, so wird man finden, daß Mitteltaue viel häufiger reißen, als Vor dertaue, vorausgesetzt, daß beide gleich schlecht sind. Ganz natürlich, denn an jenen ziehen die Mittel- und Vorderpferde, fie müssen also der doppelten Kraft, wie die Taue der Vorderpferde widerstehen.

Dieser

Uebelstand, so störend er sein kann, wenn das zerriffene Tau ein äußeres ist, da dann alle Pferde vor der Deichsel außer Thätigkeit gesetzt wer= den, die Bracke dem einen Stangenpferde vor den Füßen hängt und das Geschütz über kurz oder lang jedenfalls liegen bleibt, ist noch nicht der bedeutendste ; schlimmer ist der, daß durch diesen Modus ein genaues Abpassen der Zugtaue oder gar des ganzen Zuges mehrerer Geschütze unter einander ganz unmöglich gemacht ist.

Unsere Hanftaue find den

Einflüssen der Witterung und des Gebrauchs so stark unterworfen, daß bekanntlich neue Taue, wenn sie in Gebrauch genommen werden, sich ganz beträchtlich verlängern, bei Regen sich aber zusammenziehen, beides weit mehr als ältere. Wir haben aber bei unseren Batterien stets neue, ältere und ganz alte Taue durcheinander, alle dehnen sich bis zum leßten Tage verschieden aus und ziehen sich anders zusammen. Waren also auch alle vor dem Exerziren genau regulirt, so sind sie es schon nachher nicht mehr und nach einigen Tagen ganz in Unordnung.

Man soll da

her, wie oft befohlen wird, alle Woche seine Zugtaue reguliren und dies ist auch durchaus nothwendig, denn bei unegalen Tauen ist kein guter Zug möglich und Durchziehen, geringe Leistung oder gänzliches Versagen des Zuges die unausbleibliche Folge . Man hilft sich nun dadurch, daß man neue Taue etwa 2 Zoll kürzer, als das Maaß, machen läßt, sie kommen dann gelegentlich auf die richtige Länge, werden zuletzt noch länger und können dann ziemlich auf das richtige Maaß verkürzt wer den, weil die Ausdehnung in immer geringerem Grade eintritt. Man hat dann aber eine Zeit lang zu kurze neue und jedenfalls auch zu lange Taue neben einander, da das Einspließen nicht beliebig oft wiederholt werden kann. Ich habe so oft Taue nachgemeffen und regulirt, daß ich bestimmt behaupten kann, daß zu Anfang der Exerzirperiode Unterschiede von einem halben Fuß, ja bedeutend darüber, gar nichts Seltenes find, und daß es eine ganz besondere Aufmerksamkeit im tiefsten Frieden er fordert, die Taue fortwährend leidlich egal zu erhalten. Da man nicht jedesmal umspließen kann, so hilft man sich also durch die Tauketten, von welchen die lange 8, die kurze 5 Schaken hat, jede von 12 3000 im Lichten ; dies ergiebt die Möglichkeit einer Verkürzung um 12 resp.

28 71/2 Zoll, was ausreichend erscheinen müßte, wenn nicht andere große Uebelstände mit diesem Verfahren verbunden wären . a. Es überträgt sich jede Verkürzung oder Verlängerung eines

Mitteltaues jedesmal naturgemäß auf das zugehörige Vordertau. Wenn die Mittelpferde in den kurzen Ketten ziehen und ich laffe zwei Schaken überhängen, so muß ich das Vordertan ebenfalls um zwei Schaken kür zer spannen, weil die lange Kette gleichzeitig mit der kurzen vorwärts rückt, oder mit anderen Worten, weil das um 3 Zoll zu lange Mittel tau auch den Anspannungspunkt für die Vorderpferde um 3 Zoll zu weit nach vorn hat. b. Ein zu kurzes Mitteltau erfordert das Verkürzen aller drei andern Mitteltaue, um einen egalen Zug zu geben, und, wie wir sahen, also auch von drei Vordertauen ; es überträgt sich also der Fehler eines Mitteltaues in diesem Falle auf 6 andere Taue. c. Ist außerdem, daß ein Mitteltau zu kurz ist, noch ein anderes zu lang, so kann man möglicher Weise mit den 5 Schaken, oder 71/2 " Zoll, nicht einmal ausreichen. d.

Sobald man ein Mitteltau verkürzt, wird der Angriffspunkt

der Zugkraft der Vorderpferde am Mitteltau zugleich höher und näher an das Kumt des Mittelpferdes gebracht und dies kann so weit gehen, daß die Vorderpferde fast direkt am Mittelkumt ziehen. Zug taugt natürlich nichts.

Ein solcher

Man hat den Punkt, wo Vorder- und

Mitteltaue sich vereinigen, also den Scheitelpunkt der kurzen und langen Kette, absichtlich ein Stück hinter das Kumt der Mittelpferde gelegt, um den Zug dieser durch den der Vorderpferde weniger zu stören. Dieser Vortheil geht in solchem Falle ganz verloren, da das Kumt auf einer Seite bei nur einigermaßen ungleichem Gang der Pferde bald fortge riffen, bald schief gestellt wird. e.

Zerreißt ein Mitteltau, so werden sämmtliche Pferde vor der

Deichsel außer Thätigkeit gesezt, besonders, wenn dieſes Tau ein äußeres ist, alle Pferde ziehen dann nur mit den inwendigen Tauen, die Bracke hängt dem einen Stangenpferde vor den Füßen und das Geschüß bleibt früher oder später liegen. f. Man kann kein Reservepferd mit seinem Geschirr, auch wenn die Taue ganz normal sind, in einen so künstlich abgepaßten Zug ein stellen, besonders kein Mittelpferd, weil die Länge seiner Taue sofort

29 auf die Länge aller andern von Einfluß wird und ein neues Reguliren bedingt.

Und leider müssen wir oft Gespanne von 6 und 8 Pferden,

sogar von verschiedenen Batterien zu irgend einem Dienst kombiniren, gerade wo schwere Lasten fortgeschafft werden sollen : die Fahrer spannen an, der Unteroffizier kommandirt Marsch und man kann jede Wette ein gehen, daß die Taue gar nicht paffen. Das Reguliren bei angespannten Pferden ist überdies eine sehr schwierige Sache. In einer Batterie, in welcher die Taue geschützweise ganz genau abgepaßt sind, so daß jeder Fahrer weiß, wie viele Schaken hier und wie viele dort bei jedem Taue überhängen müssen, dürfen Pferde, welche etwa umgespannt werden, nur ihre Kumte, nicht aber ihre Taue mitnehmen, wenn nicht alle Arbeit verloren sein soll. g. Das Verkürzen der Ketten, in welchen die Mittelpferde ziehen, also der kurzen, hat außerdem den Nachtheil, daß dadurch Bauchriemen, Rüd- und Schweberiemen ihre Stelle jedesmal mit verändern, und um eben so viel nach vorn rücken, als man die Kette vorn überhängen läßt. Bei den Vorderpferden, welche in den langen Ketten ziehen, muß aus diesem Grunde die Verkürzung stets an den langen Ketten der Mittelpferde vorgenommen werden, wenn man ohne unnüße Arbeit auf den guten Sig jener Riemen hält. Alle diese Uebelstände, welche zwar nicht immer fraß hervortreten, im Prinzip aber nicht geläugnet werden können, lassen sich theils ver mindern, theils ganz dadurch beseitigen, daß man den Mittelpferden doppelte Taue giebt : mit den einen ziehen sie selbst, in die andern werden die Vorderpferde gespannt ; doppelte Ketten sind dabei unnüß, wenn man die Strangschlaufen beibehält.

Diejenigen Mitteltaue, an

welche die Vordertaue gespannt werden, und welche ich zwischentaue nennen will, würden dann neben den andern Mitteltauen herlaufen, durch Ringe, Schnallriemchen oder Strangscheiden in ihrer Lage ge= halten, keine doppelte Laft auszuhalten haben, den Zug und die Länge der Vordertaue ganz von der der Mitteltaue unabhängig machen, und eine einfache Regulirung zulassen. Bei anderen Armeen besteht dieser Modus längst, und gewiß nicht ohne Grund . Gleichzeitig erreicht man dadurch noch einige wesentliche andere Vortheile.

Nimmt man nämlich zu diesen Zwischentauen Vordertaue

und giebt allen Vorderpferden ebenfalls Mitteltaue, wodurch die Ge

30 sammtzuglänge, wenn überall die langen Ketten der Mitteltaue und der Zwischentaue benutzt werden, für die Vorderpferde ganz dieselbe bleibt, so kann man jedes Vorderpferd sofort . als Mittelpferd einspannen . Allerdings wird dadurch der Zug der Mittelpferde um etwas über vier Zoll länger, dies ist jedoch kein sonderlicher Uebelstand. Vorzuziehen bleibt jedoch bei den Mittelpferden überall die kurzen, bei den Zwischen tauen aber die langen Ketten beizubehalten, wenn auch der Zug der Vorderpferde dadurch um 21½ Zoll kürzer wird , oder gerade deshalb, und zugleich in beiden Fällen das Kettenstück der Zwischentaue nach der Bracke zu zu legen. Will man also das Prinzip der Zwischentaue annehmen, so kann man den Mittel- und Vorderpferden ganz dieselben Taue, nämlich die früheren Mitteltaue geben. Ja, man kann sogar auch den Stangen pferden ganz dieselben Taue geben und dann erst ist Einförmigkeit vor handen. Bei der jetzt für Stangentaue festgesetten Länge von 6 Fuß 1 Zoll ist nämlich, wie jeder sich überzeugen kann, der Zug bei ganz großen und entsprechend breiten Pferden unbegreiflicher Weise so knapp bemessen, daß das Pferd zwischen Tauen und Steuerketten eingespannt (namentlich das Handpferd, deffen Steuerkette kürzer ist) vollständig so zu sagen im Geschirr steht und so gut wie gar keinen Spielraum hat, wenn es genau parallel zur Deichsel steht. Dies lehrt, wenn alle Ab messungen richtig sind, namentlich die kurze Koppel ganz kurz geschnallt ift, der Augenschein sowohl, als eine leicht anzustellende Berechnung. Bei letterer würde die Höhe der Blatthaken über dem Boden zu 4 Fuß 4 Zoll und die Länge der kurzen Koppel mit Zubehör in der Richtung der Steuerketten, also der Abstand des Steuerkettenhakens von der Mitte der Linie, welche beide Blatthaken verbindet, zu 1 Fuß 4 Zoll ange= nommen. Daß aber für die Freiheit der Bewegung der Stangenpferde in schwierigem Terrain, namentlich beim Springen, ein Spielraum von allermindestens 1/2 Fuß unbedingt nothwendig ist, wird schwerlich ge läugnet werden können ; es kann daher ganz gut das Mitteltau statt des Stangentaues verwendet werden, wodurch das Sattelpferd etwa 9, das Handpferd 7 Zoll Spielraum bekommt. Für kleinere Stangenpferde, bei denen der Blatthaken also etwa nur 4 Fuß überm Boden liegt, ist allerdings jetzt schon etwas Spielraum vorhanden, aber auch da laffen

31 sich die Mitteltaue sehr gut verwenden, wenn man einige Schaken über hängen läßt. Somit brauchte man nunmehr für alle Pferde nur noch ein einziges Tau und vielleicht könnte man noch einen Schritt weiter gehen und die Befestigung der Schwebe- und Bauchriemen so einrichten, daß man so fort ein rechtes und linkes Tau vertauschen könnte und dann ein Tau als etatsmäßiges Vorrathsstück bei jedem Geschütz mitführen, bei der reitenden Artillerie an den Hülfsgeschirren, welche leider in ihrer jeßigen Beschaffenheit ziemlich werthlos sind. Wenn irgendwo, so scheinen über die hier angeregten Punkte prak tische Versuche wünschenswerth, denn unsere Anspannung ist wahrlich nicht mustergültig. Es scheint mir vorläufig nicht gerathen, noch weitere Vorschläge auch für die Zwischentaue zu machen, ich glaube jedoch, daß man auch diese auf das Normalmaaß zurückführen könnte, wenn man die Zuglänge verkürzen und in Folge deffen vielleicht auch an der Fahr Instruktion (scharfe Wendungen) ändern wollte. Ein Punkt dürfte jedoch noch in Anregung gebracht werden müssen, nämlich eine Veränderung der Vorderbracke, die ich nur für den Fall beibehalten möchte, daß es nicht gelänge, eine solche mit beweglichen Ortscheiten herzustellen.

Gäbe man der Deichsel unten einen breiten,

tellerförmigen Beschlag, in dem die Vorderbracke, (vielleicht von Eisen), sich in horizontaler Richtung frei bewegen könnte und ähnliches den Ortscheiten derselben, so daß die Bracke gar nicht herunter hängen, sich aber in gewissen Grenzen horizontal bewegen könnte, so würde man der Güte des Zuges sehr aufhelfen. Ich halte eine solche Konstruktion für durchaus nicht unmöglich, gehe indessen hier nicht näher darauf ein, um nicht zu weitläufig zu werden ; vielleicht könnte man die Bracke dann mit den sub 4 erwähnten Stangen zum Aufhalten in Verbindung brin gen oder ganz zusammen fallen lassen. 7.

Sollte man sich nun einmal zu so weit greifenden, obwohl leicht

ausführbaren und nicht kostspieligen Aenderungen entschließen, so könnte man auch in Erwägung ziehen, ob man nicht den Mittelpferden ähnliche Umläufe wie den Stangenpferden geben will.

Bei den Sechsspännern

des königlichen Marstalles haben alle Mittelpferde Umläufe, durch welche das Kumt stets festgehalten wird, so daß es beim Zurückbleiben der Mittelpferde nicht fortgerissen und, wenn Kumtstrippe oder Bauchriemen

32 reißen, ganz vom Pferde losgetrennt werden kann.

Zugleich wird ein

widerspenstiges oder stugendes Mittelpferd in schwierigen Momenten mit Gewalt vorwärts geschleppt, was öfters, beispielsweise beim Gra benspringen wünschenswerth sein kann.

Für die Vorderpferde ist diese

Einrichtung nicht nothwendig, für die Mittelpferde können die Umläufe viel leichter und zierlicher als bei den Stangenpferden sein und auch bei diesen viel von der bisherigen Stärke nachgelaffen werden, wenn man an allen Fahrzeugen Bremsen hat. 8. Auch unser Tauhaken hat seine Uebelstände.

Wie oft kommt es

vor, daß es bei einem gestürzten Pferde, welches sich in die Taue ver wickelt hat, zumal bei einer rossigen Stute, die größte Mühe kostet, das betreffende Tau so viel zurück oder die Bracke so viel vorwärts zu brin gen, daß man den Tauhaken aushängen kann, obgleich dazu nur ein Spielraum von 2 Zollen erforderlich ist.

Ein Haken nach Art der

Schließhaken unserer Hemmschuhe, nur leichter, mit einem Ringe, der durch einen Schnallriemen festgehalten wird, würde diesen Uebelstand sofort beseitigen (Fig. 8).

Löst man dann den durch ein Loch im Haken

gezogenen Sperrriemen und drückt den beweglichen Schenkel des Hakens gegen den festen, so kann der Ring über die Spize weggleiten, das Gelenk öffnet sich und das Tau ist frei. Tau , oder auch an der Bracke ſißen.

Dieser Schließhaken könnte am

9. Wollte man nun auf alle diese Vorschläge eingehen und danach ein neues Geschirr konstruiren, so würde vom alten nur wenig und zwar gerade das übrig bleiben, was uns am wenigsten gefällt, nämlich daß die Verbindung des Kumtes und Hinterzeuges durch den Sattel oder das Packkissen vermittelt wird . Will man darin Unabhängigkeit erreichen, so wäre es vielleicht ein Weg zum Ziele, wenn man die Stelle des Hinterzeuges, auf welcher der Ring zum Einhaken der Taue ſigt, durch zwei längere Riemen mit den Blatthaken des Kumtes verbände. Diese Riemen würden dann etwa über die Eisentaschen und den Ober gurt fortlaufen. Der Fahrer würde sie ebenso, wie die Taue und den Umlauf, zwiſchen seinem Schenkel und dem Pferde haben. Hält man die Kumtstrippe nicht für entbehrlich, so müssen die Riemen nicht nach den Blatthaken, sondern oberhalb derselben nach dem Ende der Federn laufen.

Da hierbei das Gepäck zum Theil hinderlich ist, so können

weitere Vorschläge, ohne die Päckerei zu berühren und ohne praktische

33 Versuche weder entscheiden, noch überzeugen. Wenn man indessen allen Pferden, wie vorhin empfohlen, leichte Umläufe geben will, so kann man ohne Collision mit dem Gepäck sehr wohl zum Ziele kommen und sogar den sogenannten Schwanzriemen ganz entbehren , zumal wenn man die Packtaschen des Sattelpferdes auf den Bock des Handpferdes überträgt. 10.

Es erscheint zweckmäßig schließlich noch auf einen Punkt auf

merksam zu machen, der bei allem Lederzeug von Einfluß und auch bereits in einem früheren Aufſaße des Archivs zur Sprache gebracht ist. Es besteht nämlich bei allen Schnallen, besonders aber bei dickem oder altem Leder der täglich zu bemerkende Uebelstand, daß sich die Schnallen schwer öffnen laſſen, weil der Dorn im Loche klemmt. Man kann sich oft dadurch helfen, daß man das Leder rückwärts durch die Schnalle schiebt, es giebt indeffen ein erstaunlich einfaches Mittel diesen Uebel stand ganz zu beseitigen. Unsere Lochzange ift conisch, man bohrt dmit die Löcher von außen nach innen, sie sind also unten enger, als oben, der Dorn der Schnalle ist ebenfalls conisch, aber oben spiger, als unten, er muß daher jedenfalls klemmen, um so mehr, als das Leder sich in der Schnalle biegt. Schläge man aber die Löcher von innen nach außen ein, so würden die beiden Kegel, der des Loches und der des Schnall dorns, zusammen passen und führte man endlich statt der runden Löcher ovale ein, so daß der Schnalldorn in der Richtng der großen Achse des Ovals sich an das Leder anlegen könnte, so würde keine Schnalle mehr flemmen. Wie vorhin beim Kumt gesagt wurde, daß zu einem guten Kumt auch nothwendig ein gutes Geschirr gehöre, um alle Vorzüge zur Gel tung zu bringen, so muß vom ganzen Geschirr gesagt werden, daß ein zweckmäßig konstruirtes Fahrzeug sowohl, als gut geschulte Fahrer und dressirte Pferde dazu gehören. Man darf jedoch auf die legten beiden Punkte kein zu großes Vertrauen seßen, denn wir bekommen bei einer Mobilmachung zwar Fahrer, indeffen nicht lauter gute, mancher hat felbft früher nicht so viel geleistet, daß Ehre mit ihm einzulegen war, ganz abgesehen davon, daß in der Fahr- Instruktion seitdem vieles geän dert ist, außerdem werden aber eine solche Menge roher uud undressirter Pferde eingestellt und ihnen auch noch eine Kandare ins Maul gelegt, für die sie gewissermaßen eine fremde Sprache erst leruen müſſen, daß 3

34 man selbst mit den besten Leuten die scharfen und Haken-Wendungen nicht fertig bekommt und alle Uebelstände, welche sich im Frieden zeigen, treten dann erst recht hervor: unegale Taue, Uebertreten, Einhaken der Vorderbracke in die Steuerketten und in die Kandaren der Stangen pferde, Stußen und Prellen einzelner Vorder- und Mittelpferde und in Folge deffen Störung aller übrigen, Durchziehen, weil die Kumte und Geschirre nicht paſſen, oder weil schlecht gefahren wird und dergl. Wenn man daher durch Konstruktion anderer Geschirre dieſe Uebelſtände un möglich machen kann, so wird dies immer von Vortheil sein. Die Ar tillerie wird nun einmal so lange im Kriege ganz etwas anderes sein, als im Frieden, wie sie nicht, wie die Kavallerie, so viel dressirte Pferde im Frieden hat, als sie für die 6 Geschüße und die zugehörigen Reiter braucht. Die Kavallerie bekommt lauter vollkommen rittige und brauch bare Pferde die Artillerie ist froh, wenn sie bei jedem Fahrzeug ein rittiges Vordersattelpferd hat, die meisten Reitpferde laufen höchstens hinterm Ge schütz her ; an Evolutionen mit den Reitern einer reitenden Batterie ist im ersten Vierteljahr gar nicht zu denken, und die Geschüße fahren weder Hafen noch scharfe Wendungen, sondern nur Bogenwendungen. Ich weiß sehr wohl, daß man von einer Fahr-Instruktion im Frieden natürlich weit mehr verlangen muß, um die Leute und Pferde auszubilden und die Aufmerksamkeit zu üben, ob man aber in ein Exerzir- Reglement etwas aufnehmen soll, was man im Kriege in der Regel nicht ausführen kann, fönnte zweifelhaft sein. Sowie ich im Vorstehenden die Kumte und Geschirre durchmustert habe, ließe sich auch über Zäumung, Sättel, Päckerei und anderes Material allerlei sagen. Es handelt sich, glaube ich, zunächst darum, zu konstatiren , ob etwas mangelhaft ist, oder nicht, und erst wenn die Mehrzahl darüber einig ist, mag eine Verbesserung versucht werden Da ich mich nun nirgends nur verneinend verhalten, sondern überall dem Alten etwas Neues entgegengestellt habe, so will ich mich noch aus drüdlich dagegen verwahren, als ob ich alle meine Vorschläge für zwei sellose Verbesserungen hielte, welche keiner Vervollkommnung mehr bes dürften, ich glaube vielmehr nur, daß einiges darunter ist, was bei näherer Betrachtung zum Nußen der Waffe verwerthet werden könnte und hoffe hierin einige Glaubensgenossen zu finden.

Freilich wird es

auch an Andersdenkenden nicht fehlen, gerade aber das Für und Wider

35 ist anregend und förderlich und aus diesem Grunde habe ich mit meinen Ansichten nicht zurück gehalten.

Coblenz , den 25. Oktober 1866.

Schlieben, Hauptmann und Batterie- Chef im Rheinischen Feld Artillerie- Regi ment Nr. 8.

III.

Kurze Nachricht über

die Verwendbarkeit der bal 2 g x listischen Gleichung y = x tanga - 2 c² cos² a

3 g x 6 c² 2 3³ a k cos с

für größere Geſchwindigkeiten der Artillerie-Geschosse.

Mehr als zu irgend einer früheren Zeit drängt die Aufgabe, Klarheit zu schaffen über die Größe der Geschwindigkeiten und das Gesetz der Abnahme derselben bei den Geschossen der Artillerie. Den ersten Theil dieser Aufgabe hat experimentell in glänzendster Weise die belgische Ar tillerie durch die Apparate Navez-Leurs und le Boulengé gelöst , und dieſelben Apparate geben auch auf einige Entfernung hinaus Aufschluß über das Gesetz der aufeinanderfolgenden Endgeschwindigkeiten. Die Verwendung dieser Apparate steht aber in so innigem Zusammenhange mit der Trefffähigkeit der Geschüße gegen vertikale Ziele, daß es bei den gewaltigen Kosten der Versuche mit schweren Geschüßen ziemlich enge Grenzen für die Ausführbarkeit der Geschwindigkeitsmeſſungen giebt. Dennoch interessirt bei der sehr flachen Bahn des Geschosses aus einem Panzergeschüße die Kenntniß der Geschwindigkeit auf Entfernungen über 2000 und 3000 Schritt eben so sehr wie die für kleinere Schußweiten. 3*

36 Die vertheidigende Strandbatterie wird für die Schiffsbatterie immer ein leicht zu beschädigendes Ziel sein, andrerseits wird auch das Schiff dem sicheren Schuffe der Landartillerie auf jeder Entfernung für das bloße Treffen groß genug sein. Diese Frage ist längst unzweifel haft bejaht. Es handelt sich also nur noch um die Größe der Kraft, damit der Artillerist entscheiden könne, ob es wichtiger sei, einen Kampf auf große Entfernungen hinaus zu erwidern , oder ob es richtiger sei, seine theure Munition zu sparen. Für diesen Zweck hat le Boulenge seine Clepsidre konstruirt und hat in seiner Broschüre den geistreichen Gebrauch dieses Apparates ge= zeigt.

Durch diese kleine Schrift ist der geschickte Experimentator auf

das Gebiet gekommen , auf welchem auch die preußische Artillerie ein Urtheil hat , obgleich der Herr Referent der Militair - Literatur Zeitung bei Besprechung jeder nicht preußischen ballistischen Arbeit, welche mehr als die nach unserer Ansicht nöthigen Decimalstellen enthält , ein ver zweifelndes Bedauern über unsere Arbeiten ausruft, - obgleich er oft wiederholt ausspricht, daß aller wissenschaftliche Geist uns abhanden ge kommen sei ― allerdings ein trauriges Wunder in einer Artillerie, in welcher die Jünger der Wissenschaft sich stüßen auf die Arbeiten von Männern , deren Namen in allen Artillerien aller Zeiten von hoher Bedeutung sein werden , von denen wir aber auch gelernt haben , daß das Ziel der Rechnung nicht die Formel , sondern die Ausbildung der Waffe ist, und daß diese zunächst darin besteht, auf dem kürzesten Wege die ermittelten Wahrheiten zum Allgemeingute des Personals zu machen. Das Geheimniß der Art der heutigen Bearbeitung ballistischer Fra gen in Preußen liegt aus diesem Grunde darin , daß wir meinen , es sei an der Zeit, für die Praxis , welche so laut ruft , zu rechnen, nach tem jene Männer hinreichend für uns differenziirt und integrirt haben, um uns aufzufordern, dem praktiſchen Artilleristen zu zeigen , wie weit die Wissenschaft Herrin der Thatsachen geworden ist, und dadurch wieder den Werth der Wissenschaft für unsere Waffe darzuthun - ja ste zu befreien von dem Vorwurfe, außerhalb der Waffe zu stehen , sie zu be freien von dem Mißtrauen, welches sie oft dem zugezogen hat , welcher Kraft und Zeit ihr opferte neben den Obliegenheiten seines Dienstes. Daraus entspringt unser Urtheil in diesen Dingen , und da vor einigen Jahren mir die Ehre wurde , der Artillerie eine kleine Arbeit ,

37 ein neues System elementar brauchbarer Formeln für die Flugbahn gleichungen vorlegen zu dürfen , so möge man mir erlauben , auch jetzt diese kurze Nachricht der geneigten Beachtung. zu übergeben. Auf unsere Versuche, auf meine eigenen , unausgesetzten Arbeiten. gestützt, und unterstüßt durch die sehr werthvollen, persönlichen Mitthei lungen des britischen Artillerie -Oberst Maxwell glaube ich in der Lage zu sein, für einige Zeit, so weit das praktische Bedürfniß geht, die vor liegende Frage zum Abschluß zu bringen. Ich glaube, daß nach den eigenen Experimenten von le Boulengé die Clepsidre nicht dazu bestimmt ist, uns Gesetze zu ermitteln, sondern daß sie ihren Zweck hinreichend erfüllt, wenn sie die errechneten Zahlen kontrolirt ; dagegen wird es wohl nie ein Experiment geben können , welches sicherer in gewiffen Grenzen die Geschwindigkeiten messen wird , als es der Chronograph desselben Erfinders in Wirklichkeit thut. Aus den folgenden Zahlen wird sich ergeben, daß die Unterschiede in dem Verhalten verschiedener Geschosse bei verschiedenen Geschwindigkeiten so fein sind, daß es nicht hinreichend sein kann , durch irgend eine Interpolationsmethode allge meine Koeffizienten zu ermitteln, wenn man nicht gleichzeitig dem phy sikalischen Zusammenhange der Flugbahnelemente sich anzuschließen sucht, und daß es ein großer Irthum ist, wenn man meint, durch irgend welche mittleren Koeffizienten für alle Gefchoffe das Gesetz der Geschwin digkeitsabnahmen ausdrücken zu können. Es wird sich auch zeigen, daß es wohl nicht bald, vielleicht nie gelingen wird , für die einzelnen Ge schoffe, selbst wenn man mit geometrisch ähnlichen Körpern zu thun hat, a priori, also ohne Schießen zu rechnen Durch die Formeln', welche aus der abgekürzten Flugbahngleichung folgen, ist zugleich das glückliche Resultat erreicht worden, den ballistischen Rechnungen das Abschreckende zu nehmen, weil der ganze Vorrath von nothwendigem Wissen sich redu zirt auf die Kenntniß der trigonometrischen Funktionen und der Lösung der quadratischen Gleichung, und weil man im Beſiße einer Logarithmen tafel mit fünfftelligen Logarithmen nöthigenfalls im Stande ift, auf dem Versuchsfelde die ganzen Rechnungen auszuführen - offenbar ein neuer Begriff, die Feldballistik. Bevor ich die Rechnungen beginne , füge ich die Bemerkung ein, daß auch bei dem neuen Schießmittel, dem prismatischen Pulver , das

Gesez, nach welchem die Anfangsgeschwindigkeiten mit den 1,8. Wurzeln

38 der Ladungsgewichte wachsen , und daß das andere Gesetz , welches bei glatten Geschützen oft vermuthet , in seiner unbedingten Schärfe aber zuerst durch die preußische Waffe festgestellt wurde, daß die Geschwindig keiten sich umgekehrt wie die Quardratwurzeln aus den Gefchoßgewichten verhalten, also daß das Produkt Qv 2 an der Mündung eine konstante Größe ist, mit mathematischer Schärfe konstatirt ist. Hieraus folgt zu nächst, daß die Schußweiten für gleiche Elevationen in erlaubten Gren zen sich verhalten wie die Ladungen oder umgekehrt wie die Geschoß gewichte. Auf dieses lettere Gesetz ist durchaus zu rücksichtigen bei der Betrachtung der Bahnen sehr schwerer Geschoffe, weil es nicht immer möglich ist, für mehr als einen Tag die Versuchsgeschoffe auf ganz gleiches Gewicht zu bringen. So wurden für den 180 Zoll langen 72pfünder bei den Geschwin digkeits-Messungen Hartguß- Granaten verwendet, deren mittleres Gewicht 194,6 Pfd . betrug, während die Schußtafel auf 5000 Schritt mit solchen von 197,4 Pfd. erschossen wurde.

Während die Entfernung bei der ge

gebenen Elevation von 8 ° 53 ′ nun 5000 Schritt beträgt, so würde sie für die leichteren Granaten aus 194,6 197,4 = 5000 : x betragen haben 5072 Schritt. Dieſelbe Reduktion ist nöthig für 3500 Schritt, wo Granaten von 196,6 Pfd . verschoffen wurden. Wir erhalten dann 3535 und analog 4057 statt 4000 Schritt. Die folgenden Rechnungen werden nun das Resultat meiner Beob. achtungen und zugleich die außerordentliche Leichtigkeit der Handhabung der Rechnung zeigen, wobei ich mir noch die Bemerkung erlaube hinzu zusetzen, daß ich auf die Bildung der Geschwindigkeite sowohl als der Schußtafelreihen keinen wirksamen Einfluß gehabt habe. Die Formeln find dieselben, wie sie in meiner „ Ballistik der gezogenen Geschüße“ und im 55. Bande des Archivs mitgetheilt sind. Die Buchstaben haben folgende Bedeutung: e die Anfangsgeschwindigkeit in Fußen, v die Bahn- (End- )Geschwindigkeit,

a die Elevation resp. der Abgangswinkel, 9 der Tangenten- (Einfall-) Winkel, X u = k cos a x die Entfernung (Abscisse) in Schritten zu 2,4 Fuß,

39 k die Reciproke des Newton'schen Faktors 2b in seinem Luft widerstandsgesetze Rb v2 in Schritten, y die Ordinate. 1.

Ermittelung der Luftwiderstandskonstante k aus gemessenen

Bahngeschwindigkeiten mittelst der Gleichung c2 cos 2 α V2 = COS 2 9 (1 + u)

COS α oder für flache Bahnen, welche den Faktor, cos = 1 geben, c2

kc2

с

v2 =

-

=

k 1+ X

1 +u

k+x

woraus

XY 2 V

k = oder aus zwei Bahngeschwindigkeiten

k =

V12x12x ▼ 2 --- V1 2

Mittelst dieses k würde die Anfangsgeschwindigkeit sich ergeben aus

c2 =

(k + x) v 2 k

Der 180 Zoll lange 72pfünder ergab mit 34 Pfd. prismatischem Pulver folgende, durch reine Linealinterpolation zwischen Beobachtungs Mittelzahlen ausgeführte Geschwindigkeitsreihe der Hartgußgranate: 300 400 500 600 X = 0 100 200 v = 1345 1330 1316 1302 1289 1276 1264

X=

700

800

v = 1252 1240

900 1000 1100 1229

1218

Aus dieser Reihe ergiebt ſich für = 1264 V c = 1345 600

1207

1200 Schritt. 1196 Fuß.

= 1196 V 1200

im Mittel k = 4500 Schritt. Als Beispiel für die Leichtigkeit der Rechnung setze ich die Repro duktion der obigen Zahlen her :

V2 -

k+ x kc 2 (log c = 3,12872, log kc 2 = 9,91065)

40

x = 200

400

k + x = 4700

4900

log (k + x) = kc 2 log +x =

3,67210

3,69020

3,70757

6,23855

6,22045

6,20308

3,11022 1289

3,10154 1263

3,119273

log v =

600 5100

v = 1316

.

1000 1200 x = 800 5500 5700 k + x = 5300 3,75587 3,72428 3,74036 log (k + x) 6,18637 6,15478 log v 2 = 6,17029 9 3,0773 3,08514 3,09318 log v = 1217 1195. v = 1239 Es ist hier zu bemerken, daß die zusammengehörigen Logarithmen auf einer oder zwei Seiten stehen. 2. Berechnung von Schußweiten mittelst der eben gefundenen Kon stante k = 4500 Schritt und c = 1345 Fuß nach der Formel

6 c 2 sin a g k 2,4 (g - 31,25 Fuß, log 2,4 g = 1,87506).

x = k cos α

1,5 +

(

2,25 + V2

Mit Berücksichtigung der vorhin besprochenen Reduktion auf gleiches Geschoßgewicht giebt die Schußtafel 2500 3000 3535 5072 Schritt 4057 x = 2000

a =` 2 ° 45 ′

30 2112 ′

40 2112 ′

5 ° 18 ′

6 ° 22 ′

8 ° 53 ′, ·

während die Rechnung für dieselben Elevationen ergiebt : x = 2009 2497 2988 3526 4079 5273 Schritt 9 + 22 + 200 Differenz +9 - 3 - 12 Die große Abweichung der lezten Zahl erklärt sich aus dem Ein fluffe der Witterung und kommt zur Erscheinung durch die erweiternde Rechnung. Man möge darüber erst ein Urtheil fällen, nachdem die folgenden Rechnungen vorgetragen sein werden. Man wolle aber hierbei beachten, daß die mitgetheilten Geschwindigkeiten nicht etwa gleichzeitig mit den eben verwendeten Elevationen erschossen wurden, daß also die Formeln etwas

41 mehr als bloße Interpolations-Formen enthalten, denn die sicherste Me thode würde nicht so über die Grenzen der Beobachtung hinausgehen dürfen, wie auch andererseits kein ballistisches System bisher einer sol chen Kontrole sich unterworfen hat - die rein mathematischen Umkeh rungen sind keine Prüfungen durch den Versuch. 3. Berechnung von k bei bekannter Anfangsgeschwindigkeit aus einer Schußtafel. Die Flugbahngleichung dieses Systems ist aus der Vorstellung her vorgegangen, daß die wirkliche Bahn fortwährend um ein Stück der Parabelordinate unter dieser ideellen Flugbahn liegen muß, welches bei der wirklichen Ordinate Null als berechenbare Parabelordinate zum Aus drucke kommt, und welches sich darstellt als das dritte Glied des fol genden Werthes der wirklichen Ordinaten gx 2 gx yx tang α -- 2 c 2 COS 2 α' - 6 c 2 COS 3 ak worin die Größe k mit derselben Größe zusammenfällt, welche in den rein mathematischen Behandlungen des Problems von Euler an ange wendet wurde. Aus dieser Gleichung findet man

g x 2.2,4 k = 3 cos a (c 2 sin 2 a

g x) (Für je 100 Schritt ist g x = 7500 Fuß.) Die Schußtafel des Marine-24pfünder von 125 Zoll Länge giebt bei 12 Pfd. Ladung und 1320 Fuß Anfangsgeschwindigkeit für die 71 Pfð. schwere Hartgußgranate 2500 Kā 3000 3500 4000 x = 2000 4500 Schritt 60 a = 30 2' 30 56' 4 ° 54' 70 13' 90 54" Die obige Formel giebt k = 2933 3073

3156

3087

3002 2938 2948,

woraus im Mittel k = 3020 Schritt folgt. 4. Berechnung der Bahngeschwindigkeiten mittelst des aus den Schußweiten gefundenen Werthes von k nach der Formel kc 2 V2 = k+x

42 Wir erhalten folgende Reihe, welche der durch Interpolation gebil deten gegenübergestellt werde : X= 0 100 200

300

400

500

600

burch Rechnung

1299 v = 1320 durch Interpolation V= = 1320 1302 Dffrz. = X = 700

3 800

1278

1259

1240,5 1222,5 1205,5

1284 ―――― 6

1266 - 7

900

1000

1231 1214 1248 -- 7,5 - 8,5 -- 8,5 1100 1200 Schritt

durch Rechnung v = 1189,5 1173,5 1158,5 1144

1130

durch Interpolation 1149 1181 1165 v = 1197 – 7,5 6,5 -5 -7,5 = Dffrz.

1133 -3

1116,5 Fuß .1118 - 1,5

=

Es ist natürlich auch hier gar kein thatsächlicher Zusammenhang zwischen den Beobachtungen der Geschwindigkeiten und denen der Schuß weiten bis 5000 Schritt gewesen . 5. Ermittelung von k und Berechnung der Anfangsgeschwindigkeit c aus einer Schußtafel mittelst der Formel

c2 =

u (3 + u) 6 sin a g k . 2,4.

Die Schußtafel des 150 Zoll langen Marine- 72pfünder giebt für die oben schon genannte Hartguß- Granate bei 30 Pfd. Ladung : 3000 3500 4000 5000 Schritt 4500 x = 2500 60 71/2' 70 11' 8° 19' 9 ° 34'. 50 4' a = 40 71/2 Da diese Gleichung zwei Unbekannte enthält, so ist sie durch Pro biren zu lösen, während es übrigens eine überraschend leichte Methode der Ermittelung durch ein graphisches Bild giebt, welches ich vielleicht in einer schon im Gange befindlichen größeren Arbeit einmal mitzu theilen noch die Zeit finden werde.

k

Wählen wir den vorhin für c = 1345 Fuß gefundenen Werth 4500 Schritt, so finden wir c = 1244 1251 1249 1253 1256 1256,

woraus hervorgeht, daß k zu klein gewählt wurde. k = 4900, so wird

Sezen wir deshalb

43 c

1237

1241

1238

1241

1243 1240

und im Mittel c = 1240 Fuß, genau so wie die Notiz unter der Schuß tafel es aus Meffungen ergiebt. 6. Berechnung der Bahngeschwindigkeiten aus den eben gefundenen c = 1240 und k = 4900. Es ergiebt sich für 100 0 X=

300

400

500

600

1227,5 1215,5 1203,5 1192

1181

1170,5

1169

1158

200

durch R.

▼ = 1240 durch J. v = 1240 Dffrz. x = 700

1223 4,5 800

1208

1194

1181

7,5 9,5 +9 900 1000 1100

+ 12 + 12,5 1200 Schritt

burch R.

v = 1160

1140

1130

1120,5 1111 Fuß

1138,5 1130

1122

1114,5 1107,5 .

1150

durch J.

V = 1148 Dffra. +12

+11,510 +12

+6 +3,5

Hier bietet sich die Gelegenheit, einen Blick auf die verschiedenen Werthe von k zu lenken. Obgleich dieser Werth ja uuzweifelhaft von dem Gewichte und dem Durchmesser des Geschoffes abhängig ist, so zeigt er sich doch noch mehr bedingt durch die Geschwindigkeit, mit welcher das Geschoß die Mündung verläßt. Die Größe k, die Reciproke des Luftwiderstandsfaktors, wächst mit der Abnahme der Geschwindigkeit ; während wir bei demselben Geschosse fanden für c = 1345 Fuß, k = 4500 Schritt, · c = 1240 · k = 4900 1 so wird k = 5640 c = 1090 aus dem 135 Ctr. schweren 72pfünder mit 22 Pfd. prismatischem Pul ver. Ferner wird diese Zahl natürlich beeinflußt durch die Stärke und Richtung des Windes, während Thermo- und Barometerstand von ge ringer Bedeutung find. Es kommt vor, daß man bei sehr kleinen Geschwindigkeiten für solche Fälle, in welchen die Geschoßaze ohne sichtbare große Schwan fungen, wie wir sie früher bei der 24pfünder- Granate mit dickem Blei

44 mantel beobachtet haben , sich fortbewegt , von den Gefeßen der Pa rabel, also von k = ∞ , Gebrauch machen darf. Ist daraus zu schließen, daß das Newton'sche quadratische Luftwiderstandsgesetz falsch sei ? Ich glaube nicht, eben so wenig wie diejenigen Ballistiker ein Recht dazu haben dürften, welche aus dem Umſtande, daß sie bei Anwendung der Methode der kleinsten Quadrate als Interpolationsmittel zur Wahl dritter Potenzen gezwungen sind , auf die Nothwendigkeit zur Annahme eines kubischen Luftwiderstandsgesetzes schließen.

Daß der Werth von k

mit der Geschwindigkeit wechsele, hat Hutton schon sehr bestimmt ausge sprochen, und es scheint mir die Annahme nicht unbegründet, daß das Newton'sche Gesetz volle Gültigkeit habe, dabei aber zu rücksichtigen sei auf die Behinderung des Luftabflusses durch die mittelst Adhärenz mit geschleppte Luftschicht. 7.

Diese Sache wird sich bald entscheiden.

Berechnung von k aus der Geschwindigkeitsreihe der 96pfänders

Hartguß-Granate von 278 Pfd. mit 48 Pfd. Ladung : 100 300 400 X= 0 200 500

v = 1325 X = 700

v = 1235

600

1309

1294

1280

1268

1257

800 1225

900

1000

1100

1215

1206

1198

1200 Schritt 1191

1246

XV2 Die Formel ist k = с 2 - V 2 und ergiebt

K300 = 4193

600 = 4586

k900 = 4755

k1200 = 5070

Diese Zahlen gehen augenscheinlich so weit auseinander, daß man" eine Mittelzahl unmöglich nehmen darf, und da sie mit der Entfernung so stark wachsen, wie das bei den andern Geschossen entschieden nicht der Fall war, so ist die Vermuthung wohl nicht auszuschließen, daß durch irgend einen Umstand die Beurtheilung der Geschwindigkeitsab nahme bei diesem Geschoffe eine etwas zu günstige iſt . Machen wir dieselbe Rechnung für die 24pfünder- Granate, deren Geschwindigkeitsreihe unter Nr. 4 gegeben wurde, so finden wir ganz entgegengesezt die Werthe von k mit der Entfernung abnehmend , nämlich

K3000 = 3500 K600 = 3300

K900 = 3150

während die Schußtafel den Mittelwerth 3020 ergab.

1200 = 3040, *1200 Ich möchte hieraus

schließen, daß für die Ermittelung des Gesetzes der Geschwindigkeitsab

45 nahme über 1200 Schritt Schußweite hinaus die Schußtafel eine zuver lässigere Basis sei als die Geschwindigkeitsmeffungen, da überdies ja unleugbar keine Beobachtung so sicher ausgeführt werden kann wie die der Schußweiten, weil diese bleibend sichtbar sind. Aus diesem Grunde wage ich es , zwei neue Formeln herzusetzen, welche die Benußung guter Schießresultate unabhängig machen von der Geschicklichkeit des Rechners und deshalb, wenn spätere Prüfungen sie als richtig erweisen sollten, das Problem für eine elementare, dem prak tischen Bedürfnisse bis jest mehr als jede der vorhandenen genügende Lösung vollständig abschließen , jede Frage leicht und bestimmt beant wortend, welche der Artillerist nach dieser Richtung jemals an die Bal listik stellen wird. 8. Neue Formeln für die Berechnung von c und k aus zwei bekannten Elevationen a und a1, welche den Entfernungen x und x1 angehören. Unter Nr. 3 hatten wir

k =

g x 2 2,4 3 cos a (c 2 sin 2 a - g x)

sezen wir dazu k =

g x1 2.2,4 3 cos α1 (c 2 sin 2 α1 -

g x1)'

so können wir k eliminiren und finden dann



2,4 g x X1 (X1 cos α - x cos α1) X1 2 cos a sin 2α X 2 cos a1 sin 2 α1

Eliminiren wir c 2, so wird k =

X1 2 cos a sin 2 α ――― X 2 cos a1 sin 2 α1 3 cos a cos a1 (x sin 2 α1 - X1 sin 2 α)

Ist man ein Freund von Kombinationen, so kann man aus beiden Gleichungen ableiten 2,4 g x X1 (x1 cos a - x cos α1) c2 k = 3 cos a cos α1 (x sin 2 α1 — x1 sin 2 α)'

und da c 2k nach unserer Grundannahme für alle Entfernungen kon stant ist, so muß in einer nach diesen Anschauungen richtigen Schußtafel auch der rechts stehende Ausdruck für irgend zwei Entfernungen unver änderlich sein. Will man die Anfangsgeschwindigkeit als aus Messungen bekannt voraussehen , so folgt hieraus die Gleichung

46 k =

3 c 2 cos a cos α1 (x sin 2 α1 X1 sin 2 α) 2,4 g X X1 (X1 cos α -- x cos α1)

In der That wird bei Schußtafelversuchen in Zukunft die Anfang8 geschwindigkeit immer bekannt sein, außerdem wird durch die zugehörigen Schießversuche die für 1000 oder 1200 Schritt nöthige Elevation auf das Schärfste bestimmt sein. Dies berechtigt mich zu folgendem Schluffe: Erschiene die durch die Geschwindigkeitsformel erreichte Annäherung der Rechnung an die Beobachtung sebst noch nicht genügend , so ist mein Formelsystem doch hinreichend , aus der Elevation von 1200 Schritt , der von 5000 Schritt oder eine noch größere Schußweite und der gekannten An fangsgeschwindigkeit eine Schußtafel zu berechnen , welche dem praktischen Bedürfnisse so vollkommen genügt , daß sie einer wirklich zu erschießenden mit Vertrauen substituirt werden kann , um dadurch bei den jezt gebräuchlichen schwe ren Geschüßen eine erfleckliche Summe von Geld , Arbeit und Zeit zu ersparen. 9. Berechnung von k für die 278 Pfd. schwere Hartguß- Granate des 96pfünders aus

X=

1000

a = 10 1812′

X1 =

5000 Schritt

a1 = 80 47¹/2'

c = 1325 Fuß nach der Formel

k =

2,4 g x X1 (x1 cos a ―――― x cos α1) 3 c 2 cos a cos α1 (x sin 2 α1 --- X1 sin 2 α)

3,69897

log x1

log cos α = 9,99989 3,69886 X1 cos a

4998,7 Differenz log 4010,4

log x 3,00000 log cos a1 = 9,99487 2,99487

x cos α = 988,3 4010,4 3,60319

• log 2,4 . g 1,87506 log X X1 = 6,69897 log des Zählers = 12,17722

47 3,00000 log x1 = 3,69897 log x log sin 2 a1 = 9,48014 log sin 2 α = 8,65947 2,48014 2,25844 x sin 2 a1 = 302,1 X1 sin 2 α = 228,3 73,8

Differenz

log log

73,81,86806 3 = 0,47712 = 6,24444 log с 2

log cos a = 9,99939 log cos a1 = 9,99487 • log des Nenners = 8,58438 log k = 12,17722 ― 8,58438 k = 3916 Schritt.

3,59284

10. Berechnung einer Schußtafel für die 278 Pfd . schwere Hart guß-Granate des 96pfünders mit 48 Pfd. prismatischem Pulver mittelst c = 1325 Fuß, k = 3916 Schritt

nach der Formel : x = k cos α

6 c 2 sin a

2,25+

-1,5 +

g k 2,4 Ich wähle die Elevationen

α = 30 und finde die Entfernungen * 3191 2078

50

4170 Schritt,

während die Schußtafel giebt 140 2000 2 16 3200-50

2100

1/20 3 16

70

131/20 4100 --- 6 16 10 7 4200 16

Verbindet man diese Punkte mit denen für 1000 und 5000 Schritt durch das Kurvenlineal, so ist die Schußtafel fertig.

Die Seitenver

schiebung ist leicht aus dem Resultate für 5000 Schritt nach Analogien zu bestimmen, und die übrigen Angaben der Schußtafel sind Folgerun gen aus jener Kurve. Jene drei Zahlen repräsentiren ein Kapital von einigen Tausend Thalern, wenn die Schußtafel eines schweren Geſchüßes zu erschießen ist.

48 Die sämmtlichen mitgetheilten Rechnungen sind durchaus ohne jeglichen Zwang ausgeführt worden, weil ich es noch nicht an der Zeit halte, die Konsequenzen der Rechnung denen des Experimentes gegenüber ftrenge festzuhalten - es wird diese Zeit aber kommen , ` sobald Rechnung und Experiment neben einander gehen dürfen, nicht die eine dem andern sich behutsam anschließen muß - wenn sie das Recht haben wird, zu kon troliren, statt zu kombiniren : in keiner Wissenschaft ist nach Erkennung eines Gesetzes die Versuchszahl mehr unantastbar. Man wird dann daran denken dürfen, die allgemein gültigen Ge ſeße der Dynamik auch gegen die Aussprüche des Experimentes festzu halten. So muß bei geometrisch ähnlichen Geschossen der Luftwider stand wachsen mit der Größe des Aequatorialschnittes d . h. mit dem Quadrate des Radius, oder des Durchmessers und muß überwunden werden mit dem Verhältnisse der bewegten Masse.

Die Werthe von k,

welche die Fähigkeit, den Luftwiderstand zu überwinden , ausdrücken, müssen also die Umkehrung dieser Verhältnisse ergeben Q1 Q k : k1 = 2 r 1 r 2 d. h. wenn für den 96pfünder k = 3916 war, so muß bei derselben Geschwindigkeit und demselben Wetter für den 72pfünder werden 92 194,6 k = 3916 = 3473 72 82 278

und für den 24pfünder k 24

92 = 3916 • 5,82 2

Berechnet man für k72 mit c

71 2392 . 278 =

3473 die Schußweite des 72pfünders

1345 Fuß und a = 8 ° 53′ , so ergiebt sich x = 4965 Schritt,

welches noch innerhalb der für 5000 Schritt erprobten mittleren Ab weichungen liegt. Für den 24pfünder hatten wir bei dieser Geschwindigkeit k = 3020 gefunden, während jezt etwa 2400.

Es läßt sich hieraus erkennen, nach

welcher Richtung die rein wissenschaftliche Forschung uns drängt, während die praktische zunächst befriedigend gelöst sein dürfte.

Die Aufgabe wird

die sein, durch immer wiederholte Untersuchungen die Uebereinstimmung

49 zwischen den Geschwindigkeitsmessungen und ihren Berechnungen durch ftetige Kontrole des Experimentes während seiner Ausführung immer inniger zu machen, die daraus ermittelten Luftwiderstandskonstanten der Prüfung an dynamischen Gesetzen zu unterwerfen und durch die etwaigen Abweichungen sich auf den Einfluß der sonstigen Konstruktionsverhält nisse führen zu laffen allerdings eine Aufgabe, welche der ferneren Zukunft gehören wird , während wir für dieselben Material zu sammeln haben. Die Formel ist das verbindende Glied zwischen den Resultaten der Beobachtungen der verschiedenen Artillerieen, und die daraus errechneten Zahlen geben das Mittel, fie zu vergleichen, weil die direkten Versuchszahlen wegen der oft ganz verschiedenen Versuchsbasen nicht immer dazu ver wendbar sind. Aus diesem Grunde benutze ich hier die. Gelegenheit, um den Herren Rieffel, früherem Profeffor an den kaiserlichen Artillerie Schulen, und Oberst Maxwell der königlich brittischen Artillerie für die Uebertragung meiner Erstlingsarbeit, der Ballistik der gezogenen Ge schüße, in die französische Sprache durch Uebersetzung und in die eng lische Sprache durch Anwendung auf praktische Beispiele der britischen Geschüße, meinen Dank darzubringen. Diese kurze Arbeit hat nicht den Zweck, meine sämmtlichen ballisti schen Erfahrungen mitzutheilen ; aber eine eigenthümliche Erscheinung in der Literatur fordert mich auf, noch einige Worte hinzuzufügen, welche sich auf den sogenannten hebenden Luftwiderstand beziehen. Man hat gefunden, daß die Geschosse gezogener Geschüße für sehr flache Bahnen größere Schußweiten geben als die Parabel fie geben würde. Das ist falsch , weil die Schußtafeln , aus denen man das folgern will, nicht auf die Differenz zwischen Abgangswinkel und Richtungswinkel rücksichtigen. Diese, früher schon vermuthete Differenz geht bei einigen Röhren bis 30 Minuten; sie ist bei anderen viel kleiner. In den kontrolirten Schußtafeln wird dem Rechnung ge tragen werden , und dann wird es keinen hebenden Luftwiderstand mehr geben. Berlin, Februar 1870.

Prehn, Zeugfeuerwerks-Lieutenant. Vierunddreißigster Jahrgang.

Band LXVIII.

4

50

IV .

Ueber

das Stärkeverhältniß

der Feldartillerie

zu

den andern Waffengattungen .

chon in ziemlich früher Zeit erkannte man die Nothwendigkeit der Feststellung eines richtigen Verhältnisses zwischen der Zahl der einer Armee beigegebenen Feldgeschüße und der Größe und Zusammensetzung dieser Armee selbst. Glaubte man in früherer Zeit nie genug Geschütze mitführen zu können, so fühlte man später bei manchen Gelegenheiten daß ein 11Zuviel " in dieser Beziehung die traurigsten Nachtheile im Gefolge haben könne.

Wenn diese Frage in der frühesten Periode der

Anwendung der Artillerie im Feldkampfe nicht zur Sprache kam, so lag die Schuld theils daran, daß der Krieg • überhaupt gauz handwerksmäßig betrieben wurde und man von einer Kriegskunst, geschweige denn einer Kriegswissenschaft Nichts wußte, theils an den spärlichen Mitteln der Kriegführenden und an der Seltenheit der Geschüße überhaupt. Armeen von 30,000 Mann hatten 5 bis 6 Geschüße, welche obendrein eigentlich nur zu Belagerungen bestimmt waren . So zog Wenzel IV. mit 6000 Mann und einer Kanone gegen die aufständischen böhmischen und mäh rischen Edelleute zu Felde. Selbstverständlich wurde diese Kanone nur zur Bezwingung der festen Schlösser und Städte verwendet. Vor dem Karlstein hatten die Hussiten auf 24,000 Mann 4, nach andern Nachrichten 5 Geschütze, welche aber ebenfalls nur Belagerungs . geschüße der unbehilflichsten Art waren und, weil sie schon nach den ersten Schüssen zersprangen, durch Wurfmaschinen oder Bleyden ersezt wurden.

Auch die bei dieser Gelegenheit gebrauchten Doppelhaken schei

nen nicht zur Feldausrüstung der Armee gehört zu haben *). Dagegen scheinen die Brandenburger auf ihrem Zuge gegen Stettin im Jahre

*) Erst im Beginne des 15. Jahrhunderts laffen sich die Angaben über den Gebrauch der Feuerwaffen im Feldkriege nicht mehr bezweifeln. Die Angaben einiger Schriftsteller über den Gebrauch der Geschüße in den Schlachten bei Crecy und Agincourt ſind

51 1429 Feuerwaffen, welche auch im Felde zu verwenden waren, mit sich geführt zu haben, und merkwürdiger Weise findet sich schon hier eine gleichmäßige Vertheilung dieser Feuerwaffen an die Truppen.

Außer

den großen Büchsen führte das Heer auch Karrenbüchsen und es wurde jedem Karren oder Wagen ein Büchsenmeister und ein mit einer Hand büchse bewaffneter Trabant beigegeben. . Auf je 1000 Mann waren 50 Büchsen und 200 Armbrustschüßen eingetheilt , während hinter dem Heere ein Zug von 4 großen Steinbüchsen (auch das Wort ,,Haufeide"

E fommt vor) und 20 Hakenbüchsen folgte.

Die ( 1426) den Meißnern

von den Hussiten bei Ausfig abgenommenen 150 Geschüße (Donner büchsen und Bombarden) wurden während der Schlacht nicht gebraucht, und scheinen erst bei der Plünderung des Lagers erbeutet worden zu sein, auch mag ein großer Theil dieſes Artillerieparkes nur aus Dop pelhaken und Handbüchsen bestanden haben.

Auch von den Geschüßen

(200 Hakenbüchsen, 20 Handbüchsen, 4 Terraßzbüchsen, 1 Steinbüchse und 2 Bombarden), welche die Hussiten 1431 bei Wiesenburg eroberten, ist es zweifelhaft, ob sie in der Schlacht in Verwendung kommen sollten, oder vielmehr nicht wie bei Aussig erst durch die Wegnahme des Lagers in die Hände der Sieger fielen. Die Hussiten bedienten sich ebenfalls schon frühe der Feuerwaffen und führten dieselben nicht nur zu Belagerungen, sondern auch im Felde mit sich, und wenn es auch unwahrscheinlich ist, daß sich Ziska schon im Gefechte bei Horzic der Feuerwaffen gegen die Truppen der katholischen Partei bedient habe, so lassen doch die Instruktionen, welche dieser Heerführer und der große Prokop ihren Kriegern ertheilten, keinen Zweifel, daß sie die Feuerwaffen schon als einen unter allen Um ständen in Rechnung zu bringenden Faktor betrachteten. Namentlich spielten die Büchsen bei der Vertheidigung der Wagenburg eine wichtige. Rolle. Auf jeden Wagen kam mindestens ein Büchsenschüße, zwei bis vier Bogenschügen und eine bestimmte Anzahl von mit Dreschflegeln

längst als unbegründet erkannt worden. Es war schon ein Fort schritt, daß zu dieser Zeit (nach 1400) die Geschüße von den Truppen mitgeführt wurden, da man früher selbst bei Belagerun gen, erst nachdem man festen Fuß vor dem Plaße gefaßt hatte, als legtes unfehlbares Mittel sich die Artillerie nachbringen ließ oder wohl gar sie erst an Ort und Stelle erschuf. 4*

52 und Morgensternen bewaffneten Männern.

Im Gesechte ftand ein

Theil auf dem Wagen, der andere hinter demselben, um die Verwun deten und Ermüdeten abzulösen.

Die Wagen waren auf der einen

Seite mit einem starken eisenbeschlagenen Brett versehen, welches herab geschlagen werden konnte und das Durchfliegen der Bolzen und kleinen Kugeln verhindern sollte.

Die Zwischenräume zwischen den Wagen

wurden durch eigenthümlich geſtaltete ſpaniſche Reiter (tarus) geſchloffen, hinter denen etwas größere Büchsen, Doppelhaken - Tarasbüchsen standen.

Es scheint sonach, daß die in späterer Zeit viel genannten

Terraßbüchsen ihren Namen nicht davon, weil sie auf Terraffen oder Wällen gebraucht wurden, sondern von den Huſſiten erhalten hatten. Doch können alle diese Feuerwaffen, wenn sie auch auf eigenen Gestellen lagen, weniger zu den Geſchützen, als zu den Handfeuerwaffen gezählt werden. Der erste vollkommen festgestellte Fall der Anwendung von fahrbaren Geschüßen in offener Feldschlacht kommt 1467 in Italien vor. Der venetianische Feldherr Collroni ließ nämlich in der Schlacht bei Bologna oder Riccardina mehrere Geſchüße ins Gefecht bringen. Es wurden mehrere Spingarden, welche Kugeln in der Größe von Nüffen schoffen, auf kleine Karren gelegt und hinter der Reiterei aufgestellt. Bei dem Anrücken der estensischen Reiterei wurden die Geschüße demas kirt und in Thätigkeit geſeßt.

Die Chroniſten bemerken ausdrücklich,

daß bis zu dieser Zeit auch die kleinen Geſchüße nur im Festungskriege gebraucht worden waren.

Und der Herzog von Este ließ seinem Gegner

die bittersten Vorwürfe machen, weil er ,,als Barbar und Bube gehan delt und die Ehrenmänner, die mit Schwert und Lanze zu fechten ge wohnt wären, auf „ unerhörte Weise" durch Kugeln aus dem Wege zu räumen versucht habe". Ein Beweis für die Neuheit der Sache. Doc wurde das Beispiel, welches die Venetianer gegeben hatten, nicht nur in Italien, sondern bald auch in allen übrigen Ländern nachgeahmt und es spielten fast in allen folgenden Schlachten die Geschüße und Hand feuerwaffen eine Rolle, wenn auch der Schaden, welchen sie dem Gegner zufügten, selten ein beträchtlicher war.

Man suchte nun durch Vermeh

rung der Zahl und Vergrößerung des Kalibers die Wirkung zu ver=

So ging bei Granson die erste Salve der zu hoch gerichteten bur gundischen Geschüße über die Köpfe der Schweizer hinweg und es wur

2. # #

mehren, erreichte aber häufig das Entgegengesezte.

53 den die Geschüße, da sie wegen ihrer Größe nicht rasch genug geladen werden konnten, genommen, während die Schweizer mit ihren kleinen und gut bedienten Büchsen nicht unerheblichen Schaden anrichteten. Die Burgunder verloren hierbei 1200 Geschütze und Doppelhaken. Aehn liches geschah bei Murten und Nancy und in beiden Fällen ging die vielgerühmte, aber schwerfällige Artillerie der Burgunder verloren. In den Kriegen der Franzosen mit den Engländern und Deutschen sowie in Italien kommt von nun an der Gebrauch der Geschüße in den I

Schlachten häufig genug vor, wenn auch von einer Bewegung der Ar tillerie während des Kampfes noch keine Rede war. Weniger dagegen in Spanien, obgleich von dorther (seit den Belagerungen von Alicante und Algesiras) der Gebrauch der Feuerwaffen sich über Europa verbrei tet hatte.

Die Handfeuerwaffen wurden ebenfalls immer allgemeiner

und es kommen bereits die Benennungen „ Hakenſchüßen“ und „ Arke buſiere" vor. In der Schlacht bei Guinegate fochten 3000 deutsche Ar kebusiere und es werden in dieser Schlacht ausdrücklich „ Feldgeschüße" erwähnt. Karl VIII. hatte 1494 sogar schon reitende Arkebusiere. Die Artillerie dieses Königs wird als ebenso zahlreich als vortrefflich ge schildert, doch scheint dieselbe hauptsächlich nur für den Belagerungs trieg bestimmt geweſen zu ſein. Da man sich von der Unzweckmäßigkeit der großen Kaliber im Feld friege überzeugt hatte, kamen die kleineren Kaliber immer mehr in Aufnahme, und bald verschwanden auch bei den Belagerungen die über großen Geschüße , da eine eigentliche Belagerungs- und Feldartillerie eben noch nicht existirte. Aus diesem Grunde läßt sich aber auch dort, wo die Zahl der von einer Armee mitgeführten Geschüße genau ange geben wird, über das Verhältniß der letzteren zu den Truppen Nichts bestimmen, weil eben Alles mitgerechnet wurde. Wurde der Zug be schleunigt, so ließ man die schweren Geschüße, oft auch die ganze Ar tillerie zurück und ließ höchstens die Schüßen und einige Doppelhaken der Reiterei folgen: Erwartete man aber den Feind stehenden Fußes und in einer vorbereiteten Position, so wurden auch die schwersten Stücke in die Schlachtlinie gebracht, was übrigens auch in viel späterer Zeit vorkam. Doch kamen einzelne Fälle vor, in welchen die Artillerie zwar nicht während des Gefechtes ihren Standplag änderte, aber doch mit den

54 Truppen in die Schlachtlinie einrückte.

So rückte bei Fornuovo die

französische Artillerie in Schlachtordnung vor und an mehreren andern Treffen begannen die Geschüße, noch bevor alle Haufen ihre Pläge ein genommen hatten, ihr Feuer.

Ueberhaupt hatten die italienischen Kriege

jener Epoche auf die Ausbildung des Artilleriewesens, einen eben so großen Einfluß, als die schweizerischen und burgundischen Kriege auf die Entwicklung der Infanterie gehabt hatten.

So war schon bei Ravenna

die Artillerie in Batterien formirt und bewegte sich sogar während des Gefechtes, daher auch ihre Wirkung eine sehr erhebliche war. In England machte man trotz der langwierigen Kriege der weißen und rothen Rose durch geraume Zeit nur geringe Anwendung von den Feuerwaffen. Der Engländer wie der Schotte blieben mit Vorliebe bei dem Bogen und zur Anschaffung von Geschüßen fehlte es beiden Theilen gewöhnlich an Geld.

In der Schlacht bei Bosworth sollen zwar Ge

schüße gebraucht worden sein, doch wurde die Entscheidung der Schlacht hauptsächlich den sicher treffenden Logen der Yeomens zugeschrieben und 25 Jahre später, in der Schlacht bei Flowdenfield, war das ganze Schlachtfeld mit Pfeilen übersäet.

Erft mit dem Zunehmen der könig

lichen Macht gewann die Artillerie eine größere Bedeutung und schon Heinrich VIII. besaß eine gute und zahlreiche Artillerie. Der Um stand, daß die Franzosen troß ihrer Artillerie den Engländern gewöhn lich unterlegen waren, mochte die leßteren in ihrem Vorurtheile gegen die Feuerwaffen bestärkt haben. In Ungarn stieß die Anwendung der Feuerwaffen aus verschiedenen Ursachen auf große Hindernisse, welche selbst der kräftige König Mathias nicht vollständig überwinden konnte.

Uebrigens scheint dieser König

seine Aufmerksamkeit zumeist der Ausbildung der Infanterie zugewendet zu haben. Es widerfuhr ihm, daß er, als er in Schlesien das Bedürf niß einer Artillerie fühlte, sich selbe von den Breslauern ausborgen mußte. Das Wenige, was Mathias gleichwohl schuf, kam unter seinen Nachfolgern in gänzlichen Verfall, und an dem Verluste der Schlacht bei Mohacs trug der Mangel an Geschüßen auf Seiten der Ungarn einen wesentlichen Antheil Dagegen legten die Osmanen schon frühzeitig einen großen Werth auf eine zahlreiche Artillerie. Gewohnt, einen ungeheuren Troß mit sich

zu schleppen und über die erforderliche Menge von Zugthieren verfü

55 gend, konnten sie oft eine ungeheure Menge von großen und kleinen Geschützen ins Feld führen, von denen sie freilich nicht immer den rich tigen Gebrauch zu machen verstanden .

So führten sie in dem Perser

kriege 1470 einen Artillerietrain mit sich, zu deffen Fortbringung außer den, Zug- und Tragthieren 15000 Menschen erforderlich waren. Mochte auch die Mehrzahl dieser Geschütze zur Belagerung der Festungen be stimmt sein, so wurde doch schon ziemlich früh auch im Feldkriege von den Kanonen Gebrauch gemacht.

Die Zerstörung der Wagenburg, in

welcher sich die Refte der böhmischen Soldtruppen bei Koffowo zu ver theidigen versuchten, kann zwar nicht hierher gezählt werden, da der Sultan die Kanonen erst aus seinem Lager herbeischaffen ließ, aber schon in dem legten Drittel des 15. Jahrhunderts treten in mehreren Schlachten eine ansehnliche Anzahl türkischer Kanonen auf. Soliman that sehr viel für die Ausbildung seiner Artillerie, er hatte in späterer Zeit über 300 leichte Feldgeschüße bei ſeinem Heere und ließ, da er die Nachtheile eines schwerfälligen Trains erkannte, auf manchen Zügen die schwere Artillerie ganz zurück, wie es 1529 geschah. Obwohl in Rußland die Geschüße schon im 15. Jahrhundert be kannt waren und um 1487 sogar von Orgelgeschüßen erzählt wird, machte daselbst die Artillerie nur sehr geringe Fortschritte und wurde im Feldkriege wenig oder gar nicht gebraucht. Dagegen wurden die Hand feuerwaffen häufiger als in manchen andern Ländern und selbst von der Reiterei gebraucht. Die Polen, Litthauer und Livländer hatten eine verhältnißmäßig zahlreiche und gute Artillerie. In dem Kriegszuge gegen Volhynice (1499) hatten die Polen sehr viele Geschüße und die Schlacht bei Ober tin (1531) wurde nur durch die außerordentlichen Leiſtungen der polni schen Artillerie entschieden.

Daß in der Schlacht bei Tannenberg Ka

nonen mitgewirkt, ist festgestellt, wenn es auch nur ein schüchterner und total verunglückter Versuch war.

Dagegen gehören die Kanonen der

deutschen Ordensritter in der Schlacht bei Brzesc ( 1337) in das Reich der Mythe.

Immerhip aber muß man annehmen, daß die Anwendung

der Feldgeschütze in Preußen und dessen Nachbarländern mindestens gleichzeitig, wo nicht früher als in Italien und Frankreich_vorkam *). *) Die Angaben älterer Schriftsteller über den Gebrauch der Feuer waffen sind nicht nur überhaupt mit Vorsicht aufzunehmen, son

56 In den scandinavischen Reichen, woselbst im Beginne des 15. Jahrhun derts das Pulver kaum dem Namen nach bekannt war, kamen die Ge schüße zwar spät, dafür aber desto allgemeiner in Gebrauch, wiewohl die Finnländer und Darlekarlier noch lange an dem Bogen und der Armbrust festhielten.

Der Eisenreichthum Schwedens und Norwegens

erleichterte die Anschaffung zahlreicher und guter Geschüße. Mit dem Beginne des 16. Jahrhunderts trat, wie auf dem Gebiete der Künste und Wissenschaften, sowie der politischen, commerciellen und religiösen Entwicklung der Völker, auch im Kriegswesen und nament lich in der Artillerie ein entscheidender Wendepunkt ein. Der Krieg, bisher in der primitivsten Weise betrieben, wurde jegt bereits ganz handwerksmäßig behandelt.

Und unter den verschiedenen Zweigen des

Kriegswesens war es besonders die Artillerie, welche sich der besondern Aufmerksamkeit mehrerer der hervorragendsten Fürsten dieser Zeit, z. B. Karl V. zu erfreuen hatte und daher überall vermehrt und verbeffert wurde. Daß man dabei nicht überall nach gleichen Prinzipien vorging und daß daher kleine Armeen mit einer unverhältnißmäßig großen Menge von Kanonen, weit größere Heere aber mit 6 bis 10 Geschützen ins Feld rückten, war begreiflich.

Man verwendete Das, was man

hatte und hielt, wenn man über Vieles verfügen konnte, ein Zuviel nicht für möglich.

So sehen wir die kaiserliche Armee in Italien 1525

mit nur 6 Geschüßen ausgerüstet, während Cortey bei seinem Häuflein 25 Bronzegeschüße und eine Menge eiserner Kanonen mitführte. Wenn Jemand gegen die Mitführung eines übergroßen Artillerietrains auf. trat, so gehörte er gewiß zu Denjenigen, welche die Artillerie überhaupt aus den Heeren verbannt wiffen wollten.

So ließ Kazianer 1537,

als er zur Beschleunigung seines Rückzuges einen Theil seiner Bagage zu opfern sich entschloß, sofort alle Geschüße, welche er mit sich führte, zerstören, weil

ihm diese am meisten im Wege waren."

Das erste Beispiel der Feststellung der Geschützahl einer Armee liefert Fronsperger , doch beschäftigt sich dieser Schriftsteller mehr mit der Zahl der verschiedenen Kaliber in dem Artillerie

dern geben, auch wenn sie wichtig sind, noch Anlaß zu Verwechs lungen, da die Benennungen sehr willkürlich gebraucht und na mentlich unter „ Büchsen“ bald Handfeuerwaffen, bald Geschüße verstanden werden

57 parte, als mit der Ermittlung des Stärkeverhältnisses der Artillerie zu den andern Waffengattungen. Da jedoch in seinem Werke gewöhnlich von einer kaiserlichen oder Reichsarmee die Rede ist , so läßt sich annähernd das damals als passend angenommene Geschüßausmaß bestimmen.

Eine Armee, wie sie zu jener Zeit, wenn alle Reichs

flände ihrer Verpflichtung nachkamen , gegen einen äußeren Feind aufgebracht werden konnte, betrug im besten Falle 50-60,000 Mann. Da nun der Artilleriepark nebst den Karthaunen und Mörsern, 85 leichte Geschüße zählte, so entfielen auf 1000 Mann etwa 11/2 Geschüße. Dieses Verhältniß scheint auch bei den Armeen anderer Staaten ange nommen worden zu sein und wurde durch lange Zeit beibehalten. So führte die Armee des protestantischen Bundes 1546 auf 84,000 Mann 140 größere Geschüße ins Feld und 1555 hatte ein französiches Korps von 12000 Mann 18 und 1556 ein anderes von 9000 Mann 12 Ge schüße und einige Falkonette. Man schien mit den Fortschritten, welche die Artillerie in dem ersten Viertel des 15. Jahrhunderts gemacht hatte, sich zu begnügen und es trat nun ein fast hundertjähriger Stillstand ein. Namentlich blieb die Taktik vollkommen ungeändert , wobei natürlich die Entwicklung der Feldartillerie besonders leiden mußte.

Bemerkenswerth sind indeffen

die bei verschiedenen Gelegenheiten gemachten Versuche, wenigstens einige Geschüße der Kavallerie beizugeben. Doch wurden diese Anfänge einer reitenden, oder wenigstens fahrenden Artillerie nicht beachtet. Mit Un recht wurden die von dem Herzog Enghien bei Cerisolles verwendeten fahrenden Geschüße als das erste Beiſpiel dieser Art angeführt. Der venetianische Feldherr Alviano hatte um mehr als zwanzig Jahre früher das Gleiche mit besonderem Erfolge gegen die Kaiserlichen ver sucht. Und dennoch wurde es als etwas ganz Neues und leberraschendes angeftaunt, als die Engländer in der Schlacht bei Argues ( 1589) 2 größere Geschüße mit der Reiterei vorgehen ließen ! Im Allgemeinen blieb die Artillerie im wahren Sinne des Wortes eine stehende und bestand der Unterschied zwischen Belagerungs- und Feldartillerie nur in der Größe des Kalibers.

So lange aber Dieses der Fall war, so lange erſchien es

auch überflüssig, das richtige Verhältniß zwischen der Zahl der Geschütze und der Stärke der Truppen zu ermitteln. Es handelte sich nur darum, die nöthigen Mittel zur Anschaffung und Fortbringung der Geschütze

58 aufzutreiben. Wer dann die meiſten und bestbedienten Geschütze besaß, durfte auf den Sieg hoffen, bei welchem ihm auch die Artillerie des Gegners als der werthvollſte Beuteantheil in Ausſicht ſtand. Erst in den letzten Jahren des niederländischen Krieges begann man sich häufiger und mit größerem Eifer mit der Herstellung einer beweglicheren Feldartillerie und der entsprechenden Verwendung derselben zu befaffen. Heinrich IV. von Frankreich hatte mehrere ſeiner Erfolge nur ſeiner leichten und gutbedienten Artillerie zu verdanken . Spinola führte bei dem spanischen Heere sechsspännige erleichterte 6pfünder ein, von denen einem jedem Regimente zwei zugetheilt wurden, - das erste Beispiel einer Regimentsartillerie. Noch mehr that Moriß von Oranien, deffen Reformen als die Grundlagen , auf denen Gustav Adolf seine Schöpfungen aufbaute, angesehen werden müssen, während die Kaiser lichen und die meisten übrigen Armeen an dem ſpaniſchen Syſteme feft hielten, wie es die Geschichte des 30jährigen Krieges beweist. Das kaiserlich liguistische Heer unter Tilly hatte selten mehr als 1 Geschütz auf 1000 Mann und das 21000 Mann starke Heer des Winterkönigs hatte in der Schlacht bei Prag gar nur 10 Geschüße, Tilly bei Leipzig auf etwa 32000 Mann 36 und Wallenstein bei Lüßen auf 12000 oder (wenn man die im Verlaufe der Schlacht eintreffenden Truppen Pappenheims hinzurechnet) auf 22000 Mann 21 Geschütze. Dazu wurde dieſe geringe Artillerie in höchſt primitiver Weiſe verwen det, wie es namentlich der Verlauf der beiden letztgenannten Schlachten zeigt. Gustav Adolf dagegen, der schon in dem polnischen Kriege ſtets mit einer sehr zahlreichen Artillerie aufgetreten war, erschien auch in Deutschland, wiewohl er die ledernen Geſchüße wieder abgeschafft hatte, mit einer bedeutenden Zahl von Geschüßen, welche er zudem zu einer bisher nicht geahnten Leichtigkeit und Beweglichkeit brachte. Bei Brei tenfeld hatte er 30000 Mann und 100 Kanonen, bei Lüßen auf etwa 21000 Mann 60 Geſchüße, also mindestens 3 Geschüße auf 1000 Mann. Von dieser Zeit an führten auch die Kaiserlichen die Regimentsstücke ein, wenn auch das übrige Artilleriewesen durch längere Zeit in dem alten Zustande verblieb.

Während die schwedische Regimentsartillerie

aus 4pfündern bestand, führte jedes kaiserliche Regiment zwei 3

öder

6pfündige Kanonen. Bei der sogenannten schweren Artillerie oder „,großen Batterie", der unter dem unmittelbaren Befehle des Feldherrn stehenden

59 Artilleriereserve, befanden sich Haubitzen, Schlangen und halbe Kar thaunen. Bei Nördlingen trug bereits die zahlreiche und gut bediente kaiserliche Artillerie einen großen Antheil an dem Siege und die Armee des Gallas hatte 1636 schon 40000 Mann und 72 Geschüße und drei Jahre später das nach den Niederlanden entsendėte Korps 11000 Mann und 24 Geschüße. Also im Durchschnitt 2 Geschüße auf 1000 Mann. Die Franzosen und Spanier, welche die Regimentsartillerie noch nicht eingeführt hatten, führten auch zu dieser Zeit häufig eine auffallend geringe Anzahl von Geſchüßen ins Feld, so hatte z. B. die franzöſiſche Armee an der Maas 1636 auf 28000 Mann nur 21 Kanonen . Zu Ende des 30jährigen Krieges war aber auch bei der französischen Armee das Ver hältniß von 2 zu 1000 das übliche.

Troß der geringen Geldmittel,

über welche die Staaten damals verfügen konnten, erlaubte es die ge ringe Stärke der ins Feld rückenden Armeen, dieselben in dieser Weise oder noch reichlicher mit Geschüßen auszurüsten. Als aber Ludwig der XIV. seine Kriegsmacht nahezu verdoppelte und die andern Mächte nothgedrungen seinem Beispiele folgten, hielt die Vermehrung der Ar tillerie nicht gleichen Schritt mit jener der Truppen und wir sehen durch längere Zeit eine verhältnißmäßig geringere Geschützahl in den Schlachten auftreten, bis die Vermehrung der Bataillons- oder Regi mentsgeschütze das Verhältniß zu Gunsten der Artillerie stellte. Turenne , Condé , und Luxemburg hatten nicht selten kaum ſo viele Geschüße als Regimenter unter ihrem Befehle und eben so flagten Montecuccoli , Bournonville und andere kaiserliche Ge nerale wiederholt über den Mangel an Artillerie.

Uebrigens war Mon

tecuccoli der Erfte, welcher über das richtige Stärkeverhältniß der Artillerie zu den andern Waffengattungen gründlich nachdachte und schrieb. Er verlangte in seinen Schriften auf eine Armee von 40000 100 Geschütze verschiedenen Kalibers, also 21/2 auf 1000 Mann. Kleinere Armeen traten freilich mit einer verhältnißmäßig zahlreichen Artillerie auf, so vorzüglich die Churfachsen und Brandenburger. Leßtere hatten 1680 bei dem nach Ungarn gesendeten Hilfskorps von 8269 Mann 16 Kanonen nebst 4 Mörsern und Haubigen. Auch bei Fehrbellin war die Zahl der Geſchüße ( 13 auf 5200 Mann) beträchtlich, wenn man berücksichtigt, daß die Infanterie nicht nur nicht zum Schlagen kam, sondern daß vom Anfange an auf deren Mitwirkung verzichtet wurde.

60 Uebrigens ist diese Schlacht darum denkwürdig, weil in ihr eine reitende Artillerie im eigentlichen Sinne des Wortes gebraucht wurde.

Die in

früheren Schlachten vorgekommenen Fälle des Auftretens reitender Ge schüße find entweder zweifelhaft, oder es kam die Idee nnr unvollkommen und versuchsweise zur Ausführung. Bei Fehrbellin aber focht eine voll kommen ausgerüstete reitende Artillerie und es war die Wirkung der selben gewiß jener einer doppelten Zahl von gewöhnlichen Geschüßen gleich. Dennoch vergingen fast 70 Jahre, bis Friedrich der Große eine reitende Artillerie nicht nur wieder errichtete, sondern auch für den Fortbestand dieser Institution Sorge trug. Das bei Preßburg sich sammelnde kaiserliche Heer (im Frühjahr 1683) zählte auf 40000 Mann 72 Geſchüße, wovon auf das 19000 Mann starke Kontingent der Ungarn nur 16, alle übrigen auf die deutschen Truppen entfielen. Das 85000 Mann starke Entsagheer hatte 186 Ka nonen. Dabei muß aber berücksichtigt werden, daß dieses Heer aus den Kontingenten fast aller Staaten Mitteleuropas bestand und daß bei den meißten Hilfskorps die Artillerie, nicht aber die Infanterie und Reiterei in der zugesagten Stärke erschienen waren.

In den folgenden Felbzügen

gegen die Türken erreichte daher die Zahl der Geschüße diefe Höhe nur felten, obgleich die Truppenzahl noch stärker war. In den französischen Kriegen waren die Kaiserlichen und ihre Verbündeten gewöhnlich nur schwach mit Geschlitz versehen , obschon auch die Franzosen nur selten mehr als 2 Geschüße auf 1000 Mann aufbringen konnten.

So hatten

die Franzosen 1692 bei 96000 Mann 194 Geschüße, bei Hochstädt hatten fie 60000 Mann und 120 Geſchüße, bei Damilliers 50000 Mann und 88 Geschütze und es war nur eine Ausnahme, daß das 80000 Mann starke französische Heer bei Malplaquet nur 80 Geschüße ins Feuer brachte, während die ungefähr gleich starken Alliirten 120 Geschüße hatten. Der spanische Erbfolgekrieg, der große nordische Krieg und die Türkenkriege hatten durch ihren ungeheuren Menschenverbrauch zu einer Verschlechterung des lebenden Materials der Heere geführt, da man deren Stand nicht nur nicht zu vermindern , sondern fortwährend zu vergrößern strebte.

Man suchte, was auf diese Weise den Heeren an

Qualität abging, theils durch taktische Hilfsmittel, theils durch Verstär tung des Artilleriefeuers zu ersetzen.

Man gelangte dadurch zu der

ftrammsten Lineartaktik und zu einer Ueberlastung der Armee mit Ge

61 schützen. Zum Theile war aber diese Bermehrung der Artillerie auch ganz zufälligen Ursachen zuzuschreiben.

Im Laufe dieser langen Kriege 1

schmolzen die Regimenter außerordentlich zusammen und konnten fast nie auf den festgesetzten Stand gebracht werden.

Dagegen wurden neue

Regimenter errichtet und es ergab sich, wenn man auch jezt jedes Re giment mit einem oder zwei Geschützen betheilte von selbst eine absolute und relative Vermehrung der Geschüße.

An verschiedenen Orten machte

man Versuche zur Erleichterung der Geschüße, man führte die leichten Kammerstücke, die

Geschwindschießer", die Geschüße „a la suedoise" u.

a. m. ein, wozu in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts noch die Amüfetten - dieselben erinnern in mehr als einer Beziehung an die Mitrailleusen und Gatlingskanonen unserer Zeit — hinzukamen.

Durch

die Anwendung dieser Geschüße wurde die Artillerie mobiler gemacht und der Train verringert, man glaubte also um so leichter die Zahl der Geſchüße vermehren zu können, zumal da bei einigen dieser Geſchüße die Wirkung eine wesentlich geringere als bei andern Geschüßen von gleichem Kaliber aber anderer Konstruktion war. In den Schlachten der schlesischen Kriege verloren die besiegten Armeen gewöhnlich eine enorme Zahl von Geschüßen. Mit Aufbietung aller Mittel wurde dieser Berlust durch Neuerzeugung und aus den Zeughäusern in kürzester Zeit ergänzt, während der Sieger seine Artillerie durch die eroberten Geschüße ergänzte oder gar vermehrte. Troß der Unfälle bei Kollin und Breslau war die Artillerie aller preußischen Armeen Ende 1757 vollzählig, sowie die österreichische Armee sich in kürzester Zeit von dem Schlage bei 圈 Leuthen erholt und ihre Artillerie kompletirt hatte. Demungeachtet wurden viele bei Hochkirch eroberte Geschüße theils den Regimentern theils der Parkartillerie zugewiesen.

Auf diese Weise wurde ebenfalls,

wenn auch nur bei einzelnen Armeen und für einige Zeit das Stärke verhältniß der Artillerie in auffälliger Weise geändert. In den drei erſten Dezennien des 18. Jahrhunderts wurde das Verhältniß von 2 zu 1000 nur selten überschritten und nur bei dem Kriegszuge der Ruffen unter Münnich kamen in der Schlacht bei Sta wutschewo eine überraschend große Menge von Geschützen ins Feuer. Bon dem ersten schlesischen Kriege an aber nahm die Vermehrung der Feldgeschüße bei allen Armeen fortwährend zu. Bei Molwitz hatten die Preußen bereits 3 Geschütze auf je 1000 Mann, während die Oesterreicher

62 auf etwa 32000 Mann nur 54 Geschütze besaßen.

Aber schon bei Czas

lau kamen bei den Leßteren auf je 1000 Mann nahezu 3 und bei den Preußen gar 4 Geschüße in Verwendung.

Das gleiche Verhältniß dürfte

auch in den Schlachten von Hohenfriedberg, Soor und Keffelsdorf be standen haben.

In Italien, wo es im Anfange mit der österreichischen

Artillerie sehr schlecht aussah, wußte Fürst Liechtenstein , der hier als kommandirender General die erste Gelegenheit hatte, für ſeine Lieblings waffe zu wirken, bald einen gänzlichen Umschwung herbeizuführen. Die Franzosen, welche in den ersten Feldzügen dieses Krieges nur mit einer geringen Artillerie aufgetreten waren, begannen nunmehr dieselbe, haupt sächlich auf die Anregung des Marschalls von Sachsen , zu vermehren. Noch im Jahre 1745 zählte die französische Rheinarmee auf 70000 Mann nur 100 Geschüße, aber im folgenden Jahre hatte diese Armee bei uns gefähr gleicher Stärke eine Artillerie von 120 Geschüßen .

Schon bei

Lahmfeld und Rocour führten die meisten Infanterieregimenter 2 bis 3 Kanonen und 1757 wurde die Regiments artillerie bei der ganzen fran zösischen Armee eingeführt.

Später wurden den leichten Truppen auch

noch 1 bis 2 Amüſetten per Bataillon zugetheilt.

Die Ruffen vermehrten

ihre Artillerie ebenfalls in außerordentlicher Weise, welchem Beiſpiele nothgedrungen die Preußen, und dann wieder die Desterreicher und deren Verbündete nachfolgten.

Es zählten z . B. die Oesterreicher bei

Kolin 60000 Mann und 162 Geschüße, die Preußen 32000 Mann und 76 Geschüße, die Ruffen bei Gr.-Jägerndorf 90000 Mann und 300 Geschüße und bei Zorndorf 50000 Mann und 212 Geſchüße, die Preu ßen in derselben Schlacht 34000 Mann und 117 Geschüße, bei Leuthen aber 32000 Mann und 167 Geſchüße (unter welchen sich jedoch noch mehrere Festungsgeschüße befanden), die Oesterreicher hatten an diesem Tage 80000 Mann und 210 Geſchüße. In dem Feldzuge 1762 hatte die Armee des Königs 67000 Mann und 275 Geſchüße. Auch die Armee unter dem Herzoge von Braunschweig hatte eine Artillerie von 220-280 Stück, obgleich ihr Etat selten über 100000 Mann stieg. Das gleiche Verhältniß bestand von 1758 an bei der französischen Armee und selbst die Schweden, deren Artillerie im Beginne des Krieges in einem elenden Zustande gewesen war, hatten am Ende des Krieges bei ihrem kaum 17000 Mann starken Korps ohne Hinzurechnung der Regi mentsstücke 38, also im Ganzen gewiß 68-70 Geschütze.

63 Die Militairſchriftsteller dieser Zeit beschäftigten sich sehr angelegent lich mit der Feststellung des Verhältnisses der Zahl der Geschüße zu der Truppenstärke.

Die Meisten erklärten sich für das Verhältniß von

3 : 1000, hielten daffelbe jedoch für das unter allen Umständen anzu strebende Minimum und eine Ueberschreitung desselben als eine in allen Fällen vortheilhafte Sache. So wurde die Zahl der Feldgeschütze bei den Armeen fortwährend vermehrt, besonders nachdem in der französischen Armee und nach deren Beispiel auch bei den Truppen einiger deutschen Fürsten das Bewegen der Geschüße (natürlich nur der Amüsetten und anderer leichter Piecen) durch Menschen üblich geworden war. Bei den meisten Heeren theilte man nun jedem Bataillone 2 Geſchüße zu , wodurch bei der geringen Stärke der damaligen Bataillone das Verhältniß von 3 : 1000 mindestens erreicht, wo nicht überschritten wurde.

Dazu kam noch die Reserve

artillerie, von welcher in der Regel auch mindeſtens 1 Geſchüß auf je 1000 Mann gerechnet wurde. Selbst die nach Amerika gesendeten deut schen Truppen, deren Train theils wegen des weiten Seetransports, theils wegen der Unwegsamkeit vieler Gebiete des Kriegsschauplages möglichst restringirt worden war, scheinen in ähnlicher Weise mit Ar tillerie versehen gewesen zu sein, indem z . B. eine hessische Division, der noch einige braunschweigische Kompagnien zugetheilt waren, 30 Ge schüße ins Feuer brachte und die bei Yorktown gefangene deutsche Bri gade (2100 Mann) 8 Geschüße verlor. Die größte Höhe aber erreichte die Artillerievermehrung zur Zeit des baierischen Erbfolgekrieges. Die Oesterreicher, etwa 220000 Mann hatten nebst der Regimentsartillerie 458 Geschüße und die Preußen hatten bei jedem Bataillon 2. bis 3 Geſchüße zugetheilt. 6, bei Erſteren 5½ Geſchüß auf 1000 Mann.

Bei Letzteren kamen

Der langsame und troß verſchiedener taktischer Erfolge im Ganzen unglückliche Verlauf des Türkenkrieges mochte nicht allein im Ladigs Kordonssystem sondern auch in der Ueberbürdung der kaiserlichen Armee mit Artillerie seine Ursache haben.. Auch in den ersten Revolutionsfeldzügen traten die Verbündeten mit einer überaus zahlreichen Artillerie auf, und der dadurch ins Unge heure vermehrte Train hemmte in Verbindung mit der ungenügenden und zeitraubenden Magazinsverpflegung alle Bewegungen, besonders das

64 Vorrücken in der Champagne.

Die Franzosen, deren kleine Armee im

Anfange mit einer ziemlich zahlreichen aber schlecht ausgerüsteten Ar tillerie versehen war , verdreifachten bei der zunehmenden Gefahr ihre Truppenzahl, mit welcher Vermehrung jedoch jene ihrer Artillerie nicht gleichen Schritt hielt und es ist ein Irrthum, wenn man aus der maffen haften Geschüßfabrikation in Frankreich den Schluß zieht, daß die fran zösische Regierung ihre Stärke in einer überzahlreichen Artillerie und die Schaaren ihrer Konskribirten durch einen Wall von Kanonen zu schüßen suchte.

Allerdings wurde zu jener Zeit die Erzeugung des Ar

tilleriematerials in Frankreich mit beispiellosem Eifer und der größten Sorglosigkeit betrieben, so daß das Zerspringen der französischen Ge schüge etwas Alltägliches war ; aber es genügte diese Maffenfabrikation eben nur, um die so ungeheuer vermehrte Armee nothdürftig mit Ge schüß zu versehen und die zahlreichen Festungen zu armiren. Die Gegner Frankreichs, welche ebenfalls ihre Armeen vermehrten, sahen sich bald genöthigt, von ihren hohen Ansätzen bezüglich der Artillerie. ausrüstung herabzugehen, wozu sie übrigens nicht nur durch den Mangel an Geschützen, welcher zuweilen durch die in den Schlachten erlittenen Verluste empfindlich vergrößert wurde, sondern hauptsächlich durch die veränderte Kriegführung gezwungen wurden, da die erforderliche Schnellig keit der Bewegungen durch das Mitführen eines übergroßen Artillerie trains unmöglich gemacht wurde, und manche früher verwendete Ge schüßgattungen sich nicht mehr zum Feldgebrauche eigneten. Schon in den Feldzügen 1799 und 1800 erschienen die Desterreicher mit einer verhältnißmäßig schwachen Artillerie.

Sie hatten nicht nur

die Regimentsartillerie etwas reduzirt, sondern sie hatten in dem leßteren Feldzuge bei einer Armee von 140000 Mann auch an Reserveartillerie nur 120 Geſchüße.

Bei Jena hatten die Preußen auf 117000 Mann

280 Geschütze. Selbst Napoleon , welcher auf die Artilleriewirkung einen hohen Werth legte und diese seine Waffe so meisterhaft zu verwenden verstand und überdies in seinen Schriften mindestens 3 Geſchüße für 1000 Mann Infanterie als nothwendig erklärte, brachte in der Wirklichkeit die Ge schützahl bei seinen Armeen selten auf diese Stärke.. Am Ende der Felbzüge hatte sich freilich das Verhältniß oft bedeutend geändert. Selbft 1812 eröffnete Napoleon den Feldzug, zu welchem er alle

65 Kräfte aufgeboten hatte, mit einer Streitmacht von 608000 Mann und 1242 Feldgeschüßen. Hier kamen nur 2 Geschüße auf 1000 Mann aller Waffengattungen oder nicht ganz 21/2 Geschüße auf 1000 Mann In fanterie. Nur die Russen führten in allen Feldzügen eine außerordentlich zahlreiche Artillerie mit sich.

Im Jahre 1812 waren bei den drei West

armeen, welche zusammen 195000 Streitbare zählten , 938 Geschüße, also nahezu 5 auf je 1000 Mann eingetheilt ! In den Feldzügen von 1813 und 1814 war die Artillerie der fran zösischen Armee und der Verbündeten gewöhnlich sehr stark. Bei Lezz teren hatte die Truppen- nicht aber die Geschüßzahl abgenommen, während Napoleon , um für die numerische Schwäche seiner Truppen einen Ersaß zu schaffen und die Schaaren der Neuausgehobenen zu er muthigen, alle seine Arsenale leerte und aus eroberten oder nahezu un brauchbaren Geschüßen Batterien zusammenstellen ließ.

So hatten die

Verbündeten im Beginne des Feldzuges 1814 bei einer Truppenzahl von 405300 Mann 1414 bespannte Feldgeschüße, während die bei Bri enne fechtenden Truppen unter Ney etwa 35000 Mann und 128 Ge schüße zählten und die an der Schlacht bei Paris theilnehmenden fran zöſiſchen Truppen unter Marmont aus 35000 Mann Linientruppen und 154 Geschüßen bestanden. In der nun folgenden langen Friedenszeit wurde die Frage des Stärkeverhältnisses der Artillerie vielfach erörtert und je nach den An schauungen der maßgebenden Persönlichkeiten wurde die Zahl der für den Kriegsfall auszurüftenden Geschüße in den verschiedenen Staaten verschieden festgestellt, jedoch in den seltensten Fällen, wenn es zur Gel tung kommen sollte, auch vollständig durchgeführt. Während die Einen streng an dem Saze Napoleon's , nämlich 3 Geschütze auf jedes Tau send der Infanterie, festhielten, forderten Andere 3 Geschüße für jedes Tausend der Gesammtstärke der Armee, während noch Andere 3 Ge schüße für je tausend Jnfanteristen und 4 für tausend Reiter bestimmen wollten. Im Allgemeinen darf jedoch angenommen werden, daß das Verhältniß von 3 Geſchüßen auf tauſend Streitbare nicht nur als rich tig angenommen wurde, sondern auch bei den meisten in den letzten vier Jahrzehnten zur kriegerischen Thätigkeit gelangten Armeen wirklich bestand. Es war daher eine bemerkenswerthe Ausnahme, daß durch 5 Bierunddreißigster Jahrgang. Band LXVIII.

66 einen Bundesbeschluß vom Jahre 1830 nur 2 Feldgeschüße auf 1000 Mann bei dem deutschen Bundesheere kommen sollten. Die Einführung der gezogenen Geschüße schien auf die Zahl der einer Armee beizugebenden Feldgeschüße eben so geringen Einfluß nehmen zu wollen, als es bisher die Einführung der Präzisionsgewehre gethan hatte. Höchstens schien ein Streben nach Vermehrung der Artillerie fich bemerkbar zu machen und es rückten in der That die Ruffen im Krim kriege und namentlich die Desterreicher 1859 in Italien mit einer das gewöhnliche Verhältniß weit übersteigenden Artillerie ins Feld. Gegen über den weittragenden und sicher treffenden neuen Handfeuerwaffen mochte dieses Streben, so lange man auf die glatten Rohre beschränkt war, eine Berechtigung haben.

Durch die Einführung der gezogenen

Geschüße aber war der Artillerie ihre frühere Ueberlegenheit wiederge geben, wo nicht vermehrt, daher die Geschüßmenge, mit welcher die österreichische Nordarmee 1866 ausgerüstet war, übergroß erscheint. Die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht in fast allen europäischen Staaten hat die Stärke der Heere auf eine früher kaum für möglich gehaltene Höhe gebracht. War die Frage, ob bei der veränderten Bewaffnung der Kriegs heere das frühere Stärkeverhältniß der Artillerie beibehalten werden könne oder nicht, noch nicht endgültig entschieden, so tritt nun noch die Frage hinzu, ob bei der so sehr vermehrten Stärke der Armeen das bisher durchschnittlich übliche Verhältniß beibehalten werden dürfe , ja ob es überhaupt möglich sein werde, im Bejahungsfalle die dann erfor derliche Geschützahl fortzubringen, zu verwenden, ja überhaupt nur aufzubringen. Die Beantwortung dieser Frage ist schwierig und die Aufstellung einer für alle Fälle giltigen Regel erscheint geradezu unmöglich. Aus den vorangeschickten historischen Daten ist zu ersehen, daß jeder Vergrößerung der Kriegsheere wenigstens für einige Zeit eine relative Verminderung der Artillerie folgte. Zuerst zur Zeit des Königs Lud wigs XIV., dann obwohl minder bedeutend und allgemein -- um die Mitte des vorigen Jahrhunderts und endlich während des franzöſi schen Revolutionskrieges.

Nun sind abermals die Heere der meisten

europäischen Staaten nahezu auf das Doppelte ihrer früheren Stärke gebracht worden.

Es würde daher, wollte man wie in früherer Zeit

67 die Entwicklung der Artillerie ihren natürlichen Gang gehen laffen, höchft wahrscheinlich durch längere Zeit die Zahl der Geschüße bei den Ar meen eine verhältnißmäßig geringe sein und sich nur langsam je nach Zulässigkeit der Mittel und dem augenblicklichen Bedürfnisse vermeh ren. Ein solches Zuwarten ist aber gegenwärtig nicht räthlich und es ist überall das Bestreben bemerkbar , eine feste und bleibende Heeres= organisation zu schaffen. Die hohe Stufe, welche die Feldartillerie gegenwärtig erreicht hat, rechtfertigt vollkommen die Ansicht derjenigen, welche behaupten, daß die Artillerie in den Zukunftstriegen eine besonders hervorragende Rolle spielen werde. Dies ist jedoch kein Grund für die Vermehrung der Feldartillerie. Die Batterien werden durch die gesteigerte Wirkung ihres Feuers und durch die aus verschiedenen Ursachen ermöglichte´län gere Dauer deffelben die übrigen Truppen in so kräftiger Weise unter fügen, daß in manchen Fällen ohne Nachtheil sogar eine Verminderung der Geschützzahl wird eintreten können. *) Heere von 200,000 bis 220,000 Mann waren schon in den letzten Kriegen keine Seltenheit, noch größere Massen aber werden auch in den nächsten Kriegen nicht zur Verwendung gelangen , da die einheitliche Leitung so ungeheurer Armeen, noch mehr aber deren Verpflegung auf zu große Schwierigkeiten stoßen.

Eine Armee von der angeführten

Stärke pflegt aus 6-8 Armeekorps, der in Diviſionen oder kleine Korps formirten Reservekavallerie und der Artilleriereserve zusammengesezt zu sein.

Es ist schon günstig für eine Armee, wenn sie drei Parallelstraßen

bei ihren Bewegungen benußen kann, mehr als vier Straßen werden fich aber fast niemals finden.

Auf jeder Straße werden daher minde

ftens drei bis vier Divisionen marschiren müssen.

Zwei Armeekorps

von mäßiger Stärke nehmen bereits eine Länge von etwas mehr als

02

drei deutschen Meilen ein, wenn ste in der herkömmlichen Weise mit Artillerie versehen sind und der gesammte übrige Train zurückgelassen wird, was aber nur für kurze Zeit und in der gewissen Erwartung *) Wenn der Verfasser für eine unter gewissen Umständen nicht nur zulässige sondern nothwendige und als vortheilhaft erschei= nende Reduzirung der Geſchüßrüstung einer Armee spricht , so wird ihn wohl Niemand der Abgeneigtheit gegen eine Waffe, welcher er aus Beruf und mit Vorliebe angehörte, beschuldigen können. 5*

68 eines bevorstehenden Zusammenstoßes geschehen kann, wobei noch vor ausgesetzt wird, daß für die Herstellung von Kolonnenwegen gesorgt wurde.

Auch dann werden die an der Queue marschirenden Truppen erst gegen das Ende des ersten Schlachttages und natürlich sehr erschöpft auf dem Schlachtfelde anlangen, während die hinter den Armeekorps marschirende Geschützreserve an diesem Tage wahrscheinlich gar nicht mehr zur Thätigkeit gelangen wird. Wenn man den Gegner in einer Defensivstellung erwartet (wie es die Oesterreicher bei Königgräß thaten) oder in bereits konzentrirter Aufstellung von demselben angegriffen ward (Solferino), so ist es allerdings anders.

Solche Fälle sind aber selten

und es wird eine geniale Heeresleitung sich nur unter den günstigsten Umständen oder bei der ausgesprochensten Ueberlegenheit des Gegners auf die Defenſive verlegen . Und selbst bei Solferino hätten die öfter reichischen Geschüßreserven, auch wenn sie den Vorrückungsbefehl früher erhalten hätten, nicht rechtzeitig eintreffen und sich an dem Kampfe be theiligen können . Diese Reserven enthielten nahezu dieselbe Zahl von Geschügen, um welche das normale Verhältniß von 3 Geſchüßen auf je 1000 Streitbare bei der österreichischen Armee überschritten worden war und waren offenbar ein „ Zuviel.“ Es darf aber nie vergeffen werden, daß alle jene Geschüße, welche nicht zum Feuer kommen oder gar nicht kommen können, den Train in einer nachtheiligen Weise verlängern und sammt ihrer Bedienung und Bespannung ganz nuglos find, sowie daß , wenn auch alle Geschüße einer Armee ins Gefecht gelangen, die Vor theile einer überlegenen Artillerie sehr leicht durch die Nachtheile der Schwerfälligkeit der Bewegungen und einer erschwerten Verpflegung auf gewogen werden können. Bei so starken Armeen erscheint daher die Verminderung der Geschützahl auf das Verhältniß von 3 Geſchüßen auf 1000 Streitbare oder noch darunter schon darum geboten, um sich überhaupt bewegen zu können und weil der Ueberschuß an Geschüßen höchst wahrscheinlich gar keine Verwendung finden wird. Es ist unrichtig, wenn aus der Thatsache, daß bei Königgräß alle österreichischen Geschüße ins Feuer kamen , der Schluß gezogen wird' daß der österreichischen Armee eine noch zahlreichere Artillerie von Nußen gewesen sein würde, obschon es auch paradox klingt, wenn ein Mitar beiter der österreichischen Militärzeitung behauptet,

die österreichische

69 Armee habe bei Königgräß genau so viele Geschüße verloren, als sie zu viel hatte und sie dieselben nur darum verloren, weil sie überflüffig waren." Die Schlacht bei Königgrät war von Seiten der Oesterreicher eine Defensivschlacht in einer vorbereiteten Stellung. Hätte Benedek mehr Zeit gehabt, so hätte er leicht auch den ihm gemachten Vorschlag, die auf den dominirenden Anhöhen angelegten Schanzen mit Festungs geschützen aus Josefstadt und Königgräß zu armiren, ausführen können. Andererseits dürfte aber das in dieser Schlacht gegebene Beispiel, daß ein Theil der Geschüßreserve gleich im Beginne des Kampfes in Thä tigkeit gesezt wurde, schwerlich Nachahmung finden, da sich dadurch der Feldherr der Möglichkeit, den Gegner im Verlaufe der Schlacht durch des Auftreten frischer Kräfte zu überraschen und damit entscheidende Schläge zu führen, berauben würde. Es mußte auch wirklich eine Ab= theilung dieser Reserve, weil sie sich verschoffen hatte und auch sonst nicht mehr gefechtsfähig sein mochte, noch vor der Entscheidung der Schlacht aus dem Feuer gezogen werden. Würde man die Geschüße, welche man der Artilleriereserve zuzu theilen pflegt, ganz hinweg lassen, die Zahl der bei den Armeekorps eingetheilten Geschüße um ein Viertel oder selbst um ein Drittel ver mindern und aus diesen Geschüßen eine allgemeine Artilleriereserve bil den, so könnte bei sehr starken Armeen wenigstens der Nachtheil der zu großen Schwerfälligkeit des Ganzen und die Schwierigkeit, die Reserve artillerie heranzuziehen, beseitigt werden. Eine Armee in der angenommenen Stärke von 200,000 bis 230,000 Mann wird auf einem ebenen Schlachtfelde nach ihrem Aufmarsche eine Breite von ungefähr zwei deutschen Meilen haben.

Eine noch größere

Ausdehnung in die Breite wird man vermeiden, oft aber sich des Ter rains wegen zusammendrängen müssen.

Rechnet man bei einer Armee

von 200,000 Mann 3 Geschüße, bei einer noch stärkeren Streitmacht 212 Geschütze auf tausend Mann, so entfällt auf 34 Schritte der Fronts länge ein Geschüß, geht man im ersteren Falle auf 21/2, im letteren auf 2 Geschüße pro 1000 Mann herab, so entfällt noch auf je 40 Schritt der Frontlänge ein Geschüß, was selbst zur Zeit der glatten Rohre als ausreichend angenommen wurde. Ganz anders verhält es sich bei einer schwächeren Armee.

Man

nehme eine Armee von 6–9 Divisionen in einer Stärke von 70-75000

70

Mann an.

Da hier im schlechtesten Falle nur drei Divifionen hinter

einander marſchiren , so beträgt die Tiefe der Marschkolonnen höchstens 31 /2-4 Wegstuuden , daher eine hinter der Queue der Kolonnen befind liche Artilleriereserve immer noch rechtzeitig auf dem Kampfplate einzu treffen vermag und überhaupt das Bedenken wegen der Verlängerung der Kolonnen und der dadurch herbeigeführten Schwerfälligkeit der gan zen Heeresmaschine minder in die Wagschale fällt. Die Desterreicher hatten bei Solferino 102 Batterien , welche theils bei den Reserven, theils bei den Armeekorps eingetheilt waren, so daß sich im Durchschnitt 70 Geschüße bei jedem Armeekorps befanden. Die Franzosen hatten bei ihren weit stärkern Armeekorps nur 54 Geschüße. Hätte man von die ſen 102 Batterien 22 ganz abgezogen und die übrigen so vertheilt, daß 39 unmittelbar den Brigaden der sieben Armeekorps und beiden Kaval leriedivisionen und 21 den Chefs der Armeekorps zur unmittelbaren Verfügung zugewiesen worden wären , so wären immer noch 20 Batte rien für die allgemeine Reserve übrig geblieben und damit hätte man gewiß für alle Fälle ausreichen können. Bei einer kleineren Armee wäre eine berartige Verminderung schon darum unthunlich, weil die aus den von den Armeekorps abgetrennten Batterien zusammengezogene Ar tilleriereserve nicht die hinreichende Stärke zur Lösung der ihr zufallen den Aufgaben beſizen würde . Die 75,000 Mann starke Armee des Erzherzogs Albrecht bei Custozza, welche nur 172 Geſchüße ― also kaum 212 auf 1000 Mann hatte, hätte nicht nur eine ansehnliche Ar tilleriereserve (es hatten nur die einzelnen Korps ihre Reservebatterien) sondern auch eine größere Geschützzahl bei den Armeekorps selbst ver. wenden önnen . Nicht in dem gleichen Maße, in welchem sich mit der Stärke einer Armee deren Tiefe vermindert, nimmt auch deren Frontlänge ab. Es kann leicht vorkommen, daß eine Armee von 100,000 Mann sich auf einem Schlachtfelde, auf welchem eine Armee von doppelter Stärke Plaz zur Entwicklung fände, aufstellen und schlagen, oder daß sie, um von dem Gegner nicht umfaßt zu werden, ihre Stellung weiter auseinander ziehen muß . Sie wird dann eine um so größere Geschüßzahl benöthi gen, da sie durch die vermehrte Lebhaftigkeit ihres Artilleriefeuers das, was ihrer Stellung an Tiefe abgeht, zu ersetzen bemüht sein wird. Kleineren Armeen wird daher selbst eine Artillerieausrüstung von mehr

71 als 3 Geschüßen auf 1000 Mann keinen Nachtheil bringen. Eine Armee von 80,000 Mann, auf einem Schlachtfeld von 11/2 Meilen Breite auf gestellt, müßte 5 Geschüße auf 1000 Mann erhalten , damit auf 40 Schritt Frontlänge ein Geschüß entfällt. Das Schlachtfeld von Custozza hatte ungefähr 1½ Meilen Frontausdehnung. Obgleich der Erzherzog in richtiger Erkenntniß des Umstandes, daß bei dem vielfach durchſchnit tenen Terrain eine große Artilleriemasse nicht zur ungetheilten Verwen 2.

bung kommen konnte, die nicht bei den Brigaden eingetheilten Batterien

про

den einzelnen Armeekorps als Reserve beigegeben und auf die Zuſam

hr

menstellung einer Gesammt- Geschüßreserve verzichtet hatte, so gab es doch viele Punkte, auf welchen noch einige Batterien aufgeführt und mit Vortheil verwendet werden könnten. Auf einem andern Kriegsschauplate hätte diese Armee eine noch größere Geschüßzahl nicht nur ohne Nach theil mitführen können, sondern sie hätte derselben auch bedurft. Die gesteigerte Leistungsfähigkeit der gezogenen Geschüße macht jedoch eine weitere Reduzirung der einer Armee beizugebenen Geſchüß zahl möglich und sogar nothwendig. Die Batterien der glatten Rohre gingen viel näher an den Feind heran. Sie konnten es wegen der geringen Tragweite des feindlichen Infanteriefeuers und sie mußten es wegen der eigenen geringen Schuß weite. Dadurch entstand aber nicht nur ein größerer Munitionsver brauch, namentlich an Kartätschenmunition, sondern es wurden Mann schaft und Pferde, abgesehen von den Verlusten durch das feindliche Feuer, außerordentlich ermüdet, da die Batterien allen Bewegungen der eigenen Truppen folgen und ihre Aufstellungen beständig wechseln muß ten. Eine Batterie, die sich verschoffen hatte, war daher, auch wenn sie feine bedeutenden Berlufte erlitten hatte, gewöhnlich zugleich gefechtsun fähig und mußte aus der Schlachtlinie gezogen werden.

Die Batterien

der hintern Diviſionen und Korps konnten, so lange ihre Truppe nicht in die erste Linie rückte, nicht verwendet werden, da sie über die vorn stehenden Truppen nicht hinweg feuern konnten, oder, wenn dieſes unter · besondern Umständen möglich war, mit ihren Geschossen den Gegner doch nicht erreichen konnten. Auch konnte man die Batterien der zwei ten Linie oft schon darum nicht vornehmen, weil es an Raum zu ihrer Aufstellung mangelte. Wollte man ein konzentrisches Feuer auf irgend einen Punkt der feindlichen Schlachtlinie richten, so konnten hierzu höch

72 stens die nicht weiter als 800 Schritte seitwärts stehenden Batterien mitwirken, da der wirksame Ertrag des Sechspfünders auf nicht mehr als 1000 und jener des Zwölfpfünders auf 12—1400 Schritte gerechnet werden durfte.

Man mußte, um den Gegner mit einem vernichtenden

Maffenfeuer zu überschütten, nothwendig eine große Menge von Ge schüßen in erster Linie und auf einem Punkte versammeln, wodurch wie der ein bestimmter Theil der andern Truppen in seiner Thätigkeit ge Hemmt wurde. Die gezogenen Geschüße brauchen nicht nahe an den Gegner heran zugehn , da ihre Geschosse noch auf 4000 Schritte volle Treffsicherheit und Perkuſſionskraft befißen.

Sie können zudem über alle vorstehenden

Truppen hinwegfeuern. Daher haben die gezogenen Geschüße nur selten Ursache, ihre Aufstellung zu ändern , sie können von einem entfernten Punkte den Aufmarsch und alle Bewegungen der eigenen Truppen wirl sam unterstüßen und werden nur in den seltensten Fällen ihr Feuer un terbrechen müssen , um die vorſtehenden Truppen nicht zu treffen . Der Munitionsverbrauch wird wenigstens hinsichtlich der Kartätschenmunition ein geringerer sein. Die Mannschaft der gezogenen Batterien wird ge ringere Verluste haben, da sie wenigstens dem feindlichen Infanteriefeuer nicht ausgesetzt zu werden braucht und jedenfalls werden Pferde und Leute auch bei anhaltendem Kampfe minder erschöpft sein.

Die gezoge

nen Geschütze können also nicht nur länger als die glatten, sondern auch länger als alle übrigen Waffengattungen im Gefechte verbleiben. Eine Batterie, welche sich verschossen hat, braucht daher nicht aus dem Gefecht gezogen zu werden. Es entfallen mithin jene Batterien, welche bei den Reserven blos darum mitgeführt werden, um jene der Vortruppen ab zulösen.

Die Zugabe einiger Munitionswagen wird durch diese Erspa

rung reichlich aufgewogen.

Bei der Ablösung der gefechtsunfähig ge

wordenen Divisionen oder Korps werden in den meisten Fällen die Bat terien in ihrer Thätigkeit verbleiben können.

Ebenso können die Batte

rien der im zweiten Treffen stehenden Korps oder der im Anmarsche begriffenen Truppen das Feuer der ersten Linie unterstüßen. Um das Feuer auf einen Punkt der feindlichen Linie zu konzen triren, braucht man nicht erst eine große Menge von Geschüßen aus der Reserve heranzuziehen und in der ersten Linie auffahren zu laffen , da

73 hiezu die Geſchüße des dritten Theils, ja vielleicht der Hälfte der gan zen Schlachtlinie mitwirken können . Es ist kaum ein Zweifel, daß die Brigadebatterien in nicht ferner Zeit bei allen Armeen der Divisionsartillerie weichen werden , ebenso wie einst die Regimentsartillerie durch die Brigadebatterien verdrängt wurde. Man erkannte , daß die Geschüße , auf der ganzen Front ver zettelt, wenn auch der Verlust, den sie dem Gegner im Ganzen beibrach ten, ein bedeutender war, auf keinem Punkte etwas Entschiedendes leiste ten und zudem leichter verloren gingen, als es bei den in Batterien zu sammengezogenen Geschüßen der Fall war. Die Zahl der Geſchüße war nach Abschaffung der Regimentsartillerie eine verhältnißmäßig geringere als ehedem, gleichwohl machten sich die Leistungen der Artillerie weit mehr bemerkbar. Die Einführung der Divisionsartillerie muß daher als eine vortheilhafte Dekonomie der Kräfte betrachtet werden und es dürften die Leistungen der den Truppen unmittelbar beigegebenen Ge schüße dadurch nur gesteigert werden.

Es resultirt aber auch hieraus

eine weitere Verminderung des Bedarfes einer Armee an Artillerie. Selbstverständlich spielt bei der Bemessung der Geschützahl einer Armee die Beschaffenheit des Kriegsschauplazes eine wichtige Rolle.

In

ebenen mäßig kultivirten , so wie in mit dichter Kultur befeßten aber auch viele Kommunikationen befizenden Ländern wird man verhältniß mäßig weit mehr Artillerie als in gebirgigen oder in ebenen mit geringer Kultur und wenigen und schlechten Kommunikationen ver sehenen Ländern mitführen und verwenden können. Das mittlere und nördliche Deutschland, das nordöstliche Frankreich, das mittlere Ungarn· das weftliche Galizien und Posen find den Alpenländern, der Wallachei und den westlichen türkischen Provinzen entgegengesetzt, zwischen denen die oberitalienische Ebene, Südfrankreich und mehrere Gegenden des westlichen und südlichen Deutschlands in der Mitte liegen. Sehr zahlreiche Armeen dürften daher in ebenen, und mit guten Kommunikationen versehenen Ländern mit höchstens 3, in ebenen, aber mit schlechten Kommunikationen versehenen, sowie in stark koupirten oder gebirgigen Ländern mit 212 ja mit 2 Geſchüßen auf 1000 Streitbare vollkommen ausreichen . Alpenländer werden von solchen Armeen höch stens beim Durchzuge betreten und als Anlehnungsobjekte benußt. Die Bemessung der Geschüzzahl hat sich dann nach der Beschaffenheit der

74 am Fuße dieser Gebirge liegenden Länder zu richten. Kleinere Armeen in der Stärke von 50000-80000 Mann werden dagegen selbst in ge birgigem oder sehr koupirtem Terrain mindestens 21/2 bis 3, auf einem der Verwendung der Artillerie günstigen Kriegsschauplaße aber 31/2 bis 41/2, ja selbst 5 Geschüße auf 1000 Streitbare benöthigen.

Bei einer

ausschließlich für den Gebirgskrieg ausgerüsteten Armee, deren Stärke übrigens selten mehr als 30000 Mann betragen wird, dürften 2 bis 21/2 Geschüße auf 1000 Mann das Maximum der auszurüßtenden Ge chüßzahl sein.

Ganz kleine Armeen werden wieder eine geringere

Menge von Geschüßen erhalten, da die zur unmittelbaren Beschüßung der Artillerie nöthigen Detachements einen uuverhältnißmäßig großen Theil der Streitbaren absorbiren würden und der übergroße Train die Schnelligkeit der Bewegungen, worauf es bei so kleinen Armeen beson ders ankommt, hindern müßte. Solche Armeen werden mit 21/2 bis 312 Geschützen auf 1000 Streitbare auslangen können. Bei abgesonderten Korps ist deren Zweck und Zuſammenſeßung zu berücksichtigen. Sind dieselben dazu bestimmt, eine entferntere Provinz zu vertheidigen oder bilden sie den äußersten Flügel der Haupt-Armee, so werden sie eben so wie eine kleine Armee mit Geschütz betheilt wer den. Will man aber einen überraschenden Einfall in das feindliche Gebiet machen, oder die Flanke und den Rücken des Gegners beun ruhigen, so wird eine geringere Zahl und zwar meistens leichter Ge schüße genügen. Besteht ein großer Theil der verwendeten Truppen aus Kavallerie, so wird die Geschützzahl etwas größer sein müssen und es werden hauptsächlich reitende oder leichte fahrende Batterien ver wendet werden. Aehnliches gilt von den zum Schuße einer Küste aus gerüsteten Korps. Der Einwurf, daß man, wenn man freiwillig oder gezwungen den Krieg in rein defensiver Weise führt, eine größere Zahl von Geschützen mitführen müsse, um vorbereitete Defensivstellungen in ausreichender Weise armiren, Flußübergänge, Pässe u. dgl. vertheidigen zu können, ist leicht zu widerlegen. Solche Stellungen müffen eben erst vorbereitet werden und es ist dann nicht schwierig, aus den nächsten Feftungen oder aus einem Depot mittelst Eisenbahn die erforderlichen Positionsgeschüße mit ihrer der Festungs-Artillerie entnommenen Bedienung an Ort und Stelle zu bringen.

75 Vou den ungeheuren Streitmaſſen, welche seit Einführung der all gemeinen Wehrpflicht von den europäischen Staaten im Kriegsfalle auf gestellt werden können, ist gleichwohl nur ein Theil zum Offenſivkriege befähigt und bestimmt.

Preußen ist in dieser Beziehung am günstigsten

gestellt, da es ungefähr über zwei Drittheile ſeiner Geſammtßtreitmacht außer Landes verwenden kann.

Dagegen können Frankreich, Desterreich

und Italien wegen ihrer Heeresorganisation, sowie ihrer politischen und geographischen Verhältnisse nur wenig mehr als die Hälfte ihrer ganzen Armee außer Landes verwenden. England aber, welches seine ausge breiteten Kolonien beschüßen muß, und deffen Streitmacht nur aus ge worbenen Truppen, aus Milizen und Freiwilligen besteht, sowie Ruß land wegen seiner ungeheuren Ausdehnung können nicht einmal über die Hälfte ihrer Truppen bei einem Offenfivkriege verfügen. Für diese eigentlichen Feldarmeen, so gewaltig dieselben auch erschei nen, genügt allerdings in den meisten Armeen der derzeit festgestellte Kriegsetat der Feldartillerie, um den Truppen die geforderten 3 oder selbst 312 Geschüße per 1000 Mann zutheilen zu können. Es würde aber die Kräfte aller der genannten Staaten übersteigen oder sie wenigstens für längere Zeit gänzlich erschöpfen, wenn man die Gesammtstreitmacht in dieser Weise mit Feldartillerie versehen wollte. Würde z. B. die österreichische Feldarmee mobilifirt, so blieben für die cislithanischen und ungarischen Landwehren und die aus den Ergän zungstruppen formirten Korps kaum 10 Batterien übrig. Die Stärke der auf die allgemeine Wehrpflicht sich basirenden Ar meen liegt in der Defensive.

Diese Stärke würde aber illusorisch ge

macht, wenn die zur unmittelbaren Vertheidigung des Landes berufenen Heereskörper ohne Artillerie bleiben würden. Ein Krieg zwischen zwei Großmächten allein gehört gegenwärtig zu den Unwahrlichkeiten, sondern es wird immer der Krieg von zwei oder drei Verbündeten gegen einen allein stehenden Gegner oder gegen eine schwächere Allianz geführt werden oder es wird der eine Theil wenigstens einen paſſiven Alliirten zu gewinnen suchen, welcher allein durch seine drohende oder mindestens zweifelhafte Haltung den Gegner zur Reservirung eines guten Theiles seiner Streitkräfte zwingt. Für den schwächeren Theil wird dann die Aufstellung der Feldarmee allein nicht genügen und es werden, besonders wenn die feindlichen Angriffe

76 von verschiedenen Seiten her zu erwarten sind, mehrere Armeen erfor derlich sein, die entweder aus Feldtruppen und Landwehren zugleich oder blos aus letzteren gebildet werden können. Möglicher Weise tritt dann im Laufe des Krieges ein neuer Gegner auf, gegen welchen eine neue Armee aufgestellt werden muß, die dann voraussichtlich nur aus Land wehren und Ergänzungstruppen, vielleicht auch aus Nationalgarden und Landsturm bestehen wird. Soll diese Armee ohne Artillerie bleiben ober will man mitten im Kriege die nothwendigen Geschüße dafür den an dern Armeen entnehmen ? Dieses Auskunftsmittel wäre höchst gewagt und es wären nicht nur die durch die plötzliche Schwächung der Armee und den Zeitverlust bei der Hin- und Hersendung der Artillerietrains erwachsenden Nachtheile, sondern auch das moralische Element zu berück sichtigen. Es würde die Soldaten nicht beirren, wenn ihre Armée von Haus aus nur mit einer geringen Zahl von Geschüßen ausgerüstet werden würde, aber welchen nachtheiligen Eindruck würde es zumal bei einem glücklichen Verlaufe des Krieges auf die Truppen machen, wenn dieselben Batterie um Batterie abziehen sehen würden ? Mit Neuformi rungen würde es noch mißlicher aussehen. Da nach bewirkter vollstän diger Mobilifirung der Feldartillerie, deren Vorräthe ziemlich erschöpft sein würden, so müßten bei diesen Neuformirungen Material, Pferde und Mannschaft erst angeschafft und ausgehoben werden, so daß die Batterien erst marſchbereit sein würden, wenn die auf ſie wartende Ar mee bereits auseinandergesprengt und das Schicksal des Staates ent schieden sein würde. Es muß auch bemerkt werden, daß diese ganz oder größtentheils aus Reservetruppen und Landwehren, also aus jungen Soldaten oder wenigstens aus neuformirten Bataillonen und Regimen tern bestehenden Korps oder ganzen Armeen mindestens für die erste Zeit mit einem höheren Geschüßetat versehen werden sollten, da junge Soldaten und neu formirte Truppen der Unterſtüßung durch eine tüch tige Artillerie mehr als eingeschulte Linientruppen bedürftig sind. Es muß also, wo der Kriegsetat der Feldartillerie keiner bedeuten den Erhöhung fähig ist, mindestens bei einem Vertheidigungskriege bei der Bemessung der Geschüßanzahl der in erster Linie aufzustellenden Armeen von einem niederen Prozentſaße ausgegangen werden, als man bisher anzunehmen pflegte.

77 Die Einführung der Mitrailleusen, Revolvergeschüße oder Gatling kanonen dürfte in nicht ferner Zeit fast überall erfolgen. Damit wäre ein Auskunftsmittel gegeben. Diese Geschütze würden in erhöhtem Maße die Stelle ausfüllen , welche ihrer Zeit die Lederkanonen der Schweden, die Geschwindschießer und Amüsetten, und in neuester Zeit die dänischen Espingolen und die Requabatterien der Amerikaner ein nahmen. Sie müßten natürlich in die Zahl der Geschüße eingerechnet werden und es könnten dann bei der Divisions-Artillerie noch einige von den gewöhnlichen Geſchüßen erspart werden . Wenn auf die hier angegebene Weise bei einem und dem andern Heereskörper das Verhältniß der Geſchüßzahl zu jener der Truppenſtärke herabgesetzt werden müßte, so würde dadurch keineswegs eine Vermin derung des Gesammtetats der Feld- Artillerie bedingt, es wäre nur ein strengerer Haushalt mit den Mitteln und der Kraft der Artillerie. Diese Dekonomie aber würde nur zum Vortheile der Waffe gereichen, da die selbe dann unter allen Umständen zur Verwendung gelangen und ihre Leistungsfähigkeit in der ausgiebigsten Weise an den Tag legen würde. A. Dittrich .

V.

Die Kriegslatrinen . Erörterungen und Verbesserungsvorschläge. (Hierzu Tafel I—III.)

Unter Kriegslatrinen find solche zu verstehen, welche dieselbe Deckung und Widerstandsfähigkeit gegen feindliches Schuß- und Wurffeuer bes fißen und daher dieselbe Sicherheit denen gewähren, die sich darin befin den, wie die Kriegswohnräume. Sie müssen daher wie diese dem direk ten und indirekten Feuer entzogen und bombensicher sein, um während der ganzen Dauer einer Belagerung benutzbar zu bleiben.

Nur durch

die dem entsprechenden Einrichtungen unterscheiden ſie ſich von den

78 Friedenslatrinen. Wie bei diesen ist der Aufenthaltraum für die Mann schaften und der Verbleib der Excremente zu unterscheiden ; wir werden den ersteren zuletzt behandeln. Je nach dem Verbleib der Abgangsstoffe unterscheidet man drei Systeme. 1. Das Grubensystem , wobei die Excremente in Gruben fal len, und wenn diese gefüllt, entleert und abgefahren werden. 2. Tonnen- System. Die Abgänge fallen in Tonnen, welche

fahrbar eingerichtet sind und wenn sie gefüllt, etwa täglich, abgefahren werden. 3. Schwemm - System . Die Abgänge werden mittelst Wasser spülung durch Kanäle unmittelbar fortgeführt. Es unterliegt keinem Zweifel, daß dies lettere System, welches die Erzeugung von Miasmen zunächst der Wohnräume nicht wohl aufkom men läßt, und ohne menschliche Arbeit und Aufsicht von selbst funktio nirt, das gesundefte und bequemste ist, und daher in den seltenen Fäl len, wo die Lokalität es erlaubt, ohne die fortifikatorischen Waſſeranlagen zu infiziren, den Vorzug verdient. Das Tonnensystem hat zwar den Vortheil, die Excremente alsbald und ehe sie in Gährung übergegangen find, leicht und nach Bedürfniß zu beseitigen, dieſelben auch für die Landwirthschaft bequem zu verwer then und ihre Abfuhr vielleicht kostenfrei zu bewirken ; es hat aber den Nachtheil, daß es zweietagiger Gebäude - ein Erdgeschoß für Tonnen und Wagen, und ein Stockwerk für die Sitzpläge -

bedarf und daß

während einer Belagerung die Abfuhr leicht unausführbar wird.

€8

wird sich dies System daher im Allgemeinen nicht für Kriegslatrinen eignen, und für die bei weitem meisten Fälle nur das Grubensystem übrig bleiben ; dasselbe wurde deshalb den nachfolgenden Erörterungen überall zu Grund gelegt. Da es nachgewiesen ist, daß die meisten und tödlichsten epidemischen Krankheiten wie Typhus und Cholera ihre Verbreitung durch die von den Excrementen aufsteigenden Gase und staubförmigen Pilze und Spo ren oder durch die dem Trinkwasser beigemischte Abtrittsjauche finden, und da es nicht minder unbestritten ist, daß jene Krankheiten in einer belagerten Festung das Leben und den guten Muth der Mannschaften mehr als sonst, und somit auch die Erhaltung des Plages in hohem .

79 Grade gefährden, so ist die Sorge, den Kriegslatrinen eine solche Kon Atruktion zu geben, damit sie nicht selbst zu dem gefährlichsten Giftherde werden eine unabweisliche und dringende. Die Aufgabe des Ingenieurs , die Abtrittsjauche von dem Trink waffer und die Gaſe von den Wohnräumen fern zu halten, scheint eine ziemlich einfache - und ist, was die Abschließung der Abtrittsflüssigkeit von den Brunnen anlangt, zumal bei Neuanlagen, durch eine sorgfältige cifternenartige wasserdichte Ausführung der Abtrittsgrube nicht schwierig zu erfüllen, wenn die ungleiche Belastung und Sehung der Gruben wände ihre Beachtung gefunden hat. Anders aber ist es mit der Be schränkung der Gase. Es möge hier ein flüchtiger historischer Ueberblick gestattet sein. In dem, was sich von Kasernen der Römer, von der Prätorianer. Kaserne in Tivoli, dem Prätorianer-Lager in Rom und der Gladiatoren Kaserne in Pompeji erhalten hat, find die Latrinen nicht mehr aufzufin den gewesen, desto häufiger aber begegnen wir denselben in den bürger lichen Häusern jener verschütteten Stadt , und zwar immer entweder in den Küchen selbst oder doch wenigstens durch diese zugänglich oder durch Thüren verbunden ; es ist daher nur zu vermuthen, daß auch bei ihren Kasernen dieser Zusammenhang stattfand. Wir erkennen aus dieser Verbindung zwischen Küche und Abtritt wie bereits damals das Küchen feuer benutzt wurde, die Abtrittsgase aufzusaugen, auf dem kürzesten Weg fortzuschaffen und von einer Weiterverbreitung im Hause abzu halten.

Es mußte dies um so leichter gelingen, als die Wohnräume

kühl gehalten und nur in zwei Stockwerken vertheilt waren , und daher mit Korridor und Treppenhaus nicht wie bei uns selbst ziehende Ka mine bildeten. In mittelalterlichen Städten war bekanntlich die Unreinlichkeit und die Sterblichkeit bei Epidemien sehr groß. In enge Gäschen zwischen den mit den Giebeln der Straße zuge kehrten Häusern ragten die Abtritte aus und überließen es dem Regen, die Unreinigkeiten auf die Straße und weiter zu schaffen. Auch in den Burgen waren die Abtritte als Erker ausgebaut und konnten mit weni ger Gefahr die Abfuhr dem Wind und Wetter anheimstellen. Eine rationelle Behandlung erfuhr diese so wichtige Angelegenheit

erst durch die Klöster und durch den deutschen Orden, dazu genöthigt

80 durch Verhältnisse - durch die Anhäufung vieler Menschen auf einen beschränkten Raum ―― die denen unserer Kasernen ähnlich waren. Allerdings vermied man, wo irgend möglich, die Abtrittsgruben, wo diese aber nöthig waren, gab man den Latrinen die in einem alten franzöſiſchen Kloster ausgeführte und Fig. 1 dargestellte Einrichtung. Die Lokale der verschiedenen Stockwerke ſind ſo ſituirt, daß jedes ſeinen eigenen, weiten, bis in den Inhalt der Grube hinabreichenden Schlot hatte. Dadurch wurde die aufsteigende Luftströmung vermieden, welche sonst durch den Siß der unteren Etage eindringt, in dem der oberen aus tritt und sich verbreitet , es wurde ferner durch die senkrechte Richtung und die große Weite des Schlots verhindert, daß deſſen Wände durch Excremente verschmiert wurden, über welche hinstreichend sich die Luft mit Gestank beladen haben würde. Eine andere wohlüberlegte Anordnung finden wir auf dem aus dem Jahr 820 uns erhaltenen Bergamentsplan des Klosters St. Gallen (Fig. 2.) Die Abtritte ſind nicht in oder an die Wohngebäude gebaut, sondern in Entfernung von 15 bis 20 Fuß abgerückt, und durch einen schmalen Gang mit ihnen verbunden. Dieser Grundsaß, die Latrinen in besonderen Gebäuden oder Thür men von den Wohngebäuden zu trennen, ist in den deutschen Ordensbur gen zu einer schönen und großartigen Ausbildung gelangt und hat zur Erfüllung noch anderer Zwecke geführt. Diese Thürme, Danzke oder Danziger genannt, und vor allem in Marienwerder (Taf. III.) , dann aber auch in Marienburg und Thorn in schönen Beiſpielen erhalten, gehören zu den merkwürdigsten, theils wirthschaftlichen, theils fortifika torischen Anlagen der Bauweise des Ordens.

Viereckige, hundert und

mehr Fuß hohe Thürme sind hundert und selbst zweihundert Fuß vor dem gewöhnlich quadratischen Burgbering hinausgebaut , über einen Wasserlauf, in welchen der in der oberen Thurmetage beginnende Ab trittsschlot ausmündet. Verbunden sind dieſelben mit der Burg durch hohe Viadukte, gewissermaßen über das Angriffsterrain hinweg.

Durch

diese Lage halten sie jede schädliche Ausdünstung von der Burg fern, gewähren eine Aufstellung außerhalb derselben, von der man sie und den Abhang, auf dem sie steht, übersehen kann, und dienen von der eigentlichen Angriffsseite ab in der Niederung gelegen im äußersten Fall

T& E

81 als Reduit und endlich, wie dies mehrere Beispiele lehren, durch den Schlot als geheimen Ausgang zur Flucht. Uns dienen diese Danziger hier jedoch nur als Beispiele zweckmä ßiger Latrinen-Anlage, wegen ihrer abgesonderten durch einen luftigen Gang erreichbaren Lage, wegen ihrer immer wünschenswerthen Wasser spülung, und wegen ihres weiten, reinlichen Schlots. Wie in alter so war man auch in neuerer Zeit durch dieselben Mittel bemüht, das Eindringen schädlicher Gase in die Wohnräume zu verhindern. 1) indem man die Abtritte von den Kasernen trennte ; 2) indem man die Veranlassung aufhob, durch welche die schäd lichen Gase aus der Grube austraten ; 3) daß man die schädlichen Gase durch eine kräftigere Ventila. tion , als die erwärmten Wohnräume sie bewirken, fortschaffte; 4) daß man die Bildung schädlicher Gase in der Grube ver hinderte und 5) daß man deren Bildung in den Abtrittslokalen durch Rein lichkeit zuvoriam. Wir werden diese Maßregeln im einzelnen betrachten, bann 6) einige Beispiele von wirkichen Ausführungen geben, in welchen jene Mittel mit mehr oder weniger Glück zur Verwendung gekommen find; und endlich 7) sämmtliche Punkte zusammenstellen, die bei dem Entwurf und der Anlage von Kriegslatrinen zu beachten sind. 1) Die abgesonderte Lage der Latrine. In jedem bewohnten Raum wird schon durch die Bewohner und noch mehr durch die Ofenheizung eine Masse Luft erwärmt, welche nach der Höhe strebt und durch die Fenster und Kamine entweicht ; sie wird ersetzt durch die kältere Luft, welche durch die Thüren aus dem Flur eindringt ; steht dann der Flur und zumal das Treppenhaus, das bei seiner Höhe selbst als Kamin wirkt, mit dem Abtritt in Verbindung, so gelangen deffen übelriechende Gase in die Wohnräume und zumeist in die der oberen Stockwerke. Wir haben daher bei vielen Kasernen die Abtritte als besondere Bauwerke getrennt von denselben ausgeführt, indem wir sie in größerem oder geringerem Abstand von den Wohnräumen anlegten. 6 Bierunddreißigfter Jahrgang. Band LXVIII.

Es hatte

82 dies noch den Vortheil, daß die Salpeterfeuchtigkeit, welche sich aus den Abtrittsgruben und Urinanſtalten leicht dem Mauerwerk mittheilt, das der Wohngebäude nicht erreichen konnte.

Es traten jedoch zwei Uebel

stände hervor, daß wenn die Entfernung nicht an 100 und mehr Fuß betrug, je nach der Windrichtung die Abtrittsgaſe über den Hof doch durch Thüren und Fenster in die Wohnräume eindrangen -- und daß es zweitens für die Geſundheit einzelner Leute schädlich werden kann, wenn sie in kalten und stürmischen Nächten leicht bekleidet über den Hof nach den Latrinen zu gehen haben. Man hat daher in manchen Fällen und zwar bei Lazarethen immer die Abtritte wieder durch gedeckte Gänge mit den Wohnräumen in Verbindung gesett - dadurch aber gewissermaßen eine kommunizirende Röhre geschaffen, durch welche das hohe und warme Wohngebäude die Latrinengase aufsaugt. Nur in demselben Maaße wie dieser Gang lang ist, und von der Seite Luftzug erhält, vermindert sich dieser Uebelstand. Man pflegt diese Latrinenanlage wo möglich auf der Nordseite an zubringen und erreicht dadurch eben das, was man vermeiden will, weil der in dem warmen Wohngebäude aufsteigende Luftstrom sich nicht aus der vor der warmen Südseite gleichfalls aufsteigenden Luftsäule erſeßt, sondern von der kälteren Nordseite und von dem, nach Vorschrift hier angelegten Abtritt ergänzt. 2) Ein zweites. Mittel, die Verbreitung der Abtrittsgase zu hindern, besteht darin, daß man die Abtrittsgrube und die Schlote so schlüssig macht, daß sich durch dieselbe keine Luftströmung bilden kann, d. h., daß Grube und Schlote nur durch eine Deffnung - durch die, durch welche die Excremente dahin gelangen, mit der Außenluft in Verbindung gebracht werden. Es ist hierzu erforderlich, daß die Einsteigeöffnung, durch welche die Grube von Zeit zu Zeit entleert wird, vollkommen luftdicht ver schlossen wird ; am besten durch eine versenkte Stein- oder Eisenplatte, über welche jedesmal 6 bis 12 Zoll Boden

der Erdoberfläche gleich

angeschüttet wird. (Durchschnitt des Einsteigeschachts neben Fig. 10). Es ist ferner vortheilhaft, daß die Abtrittsschlote, wenn mehr als einer vorhanden, bis in den Koth der Grube hinabreichen und durch den Grubeninhalt selbst hermetisch geschlossen werden , und daß die

83 Schlote der verschiedenen Etagen nicht miteinander kommuniziren, weil sonst die kalte Luft des Erdgeschoffes zum Abtrittsfit hineindringt und zum Ersatz der warmen Luft der oberen Etage durch den Schlot aufge saugt wird und oben verpestet wieder austritt. Es ist, weil sich schon durch die Gährungswärme des Koths selbst in den nebeneinander befind lichen Sitzen eine aufsteigende Luftftrömung bildet, nöthig oder doch sehr wünschenswerth, daß diese Luftströmung nicht über Oberflächen hin streicht, die mit Koth beschmiert ihr ihre Miasmen mittheilen, man thut daher wohl, die Schlote nur senkrecht und möglichst weit zu machen ― auch mit Wassernasen zu versehen ― daß die Excremente ohne die Wandungen zu berühren frei hinabfallen können. 3) Da duf einen wirklichen Schluß der zu den Latrinen führenden Thüren, oder etwa von Deckeln der einzelnen Size, und überhaupt nicht, und am wenigsten bei Kasernen gezählt werden kann, so hat man die Verbreitung der schädlichen Gase in dem Wohngebäude dadurch zu verhindern gesucht, daß man dieselben durch eine künstliche Venti lation, durch einen Luftzug abzieht, der kräftiger ist, als der, den die erwärmten Wohnräume, Flure .und Treppenhäuser ausüben.

Es ge=

schieht dies durch erwärmte Kamine, welche ihren Luftersaß aus der Abtrittsgrube beziehen und über das Dach des Gebäudes fortführen. Man hat dies oft schon zu erreichen gehofft, wenn man ein Dunstrohr aus der Grube bis über das Dach führte. Es hängt hier alles von der Schweredifferenz zwischen der Luft, die in der Dunströhre aufsteigen foll, und der, welche aus dem Wohngebäude in die Abtrittssige hinab fallen und jene verdrängen soll, ab. Die Dunströhre wird funktioniren, wenn die Luft in ihr wärmer als im Wohngebäude ist. Man hat die Dunströhre deshalb fortwährend erwärmt, also immer aufs neue wär mere Luft in ihr geschaffen, indem man sie längs warmer Kamine hinaufführte, oder sie selbst in geheizte Kamine münden ließ. Nachdem Nachdem man seit undenklichen Zeiten Bergwerke durch Feuer in den Wetterschachten ventilirt und analoge Einrichtungen auch bei den Kriegs minen angewandt hatte, hat erst im Anfang unseres Jahrhunderts der Physiker D'Arcet diese Art der Ventilation zum System erhoben, und auf gewöhnliche Wohnungen, auf Fabriken, in welchen giftige Gase das Leben der Arbeiter gefährdeten und auf Hospitäler und Gefängnisfe angewandt. (Fig. 3.) Es bestand in der Anlage von Kaminen, in 6*

84 welchen die Luftfäule durch Erwärmung mittels Feuers oder auch nur mittels einer Del- oder Gasflamme verdünnt und zum Steigen gebracht wurde, während ihm die schädlichen Gase hier aus der Abtrittsgrube zugeführt und erseßt wurden durch Luft, welche durch die Abtrittsfiße eindrang. (Fig. 3.

Taf. I.)

Man verfiel hierbei leicht in zwei Fehler, daß man eine kleine Flamme für genügend hielt, die Luft zu erwärmen, ohne deren Abküh lung durch die Kaminwände zu berücksichtigen, und daß man mit zu geringen Querschnitten der Luftsäulen operiren wollte, denn es kommt, wie bei jeder Luftheizung darauf an, nicht in engen Kanälen heiße Luft mit großer Geschwindigkeit zu bewegen, sondern durch weite Kanäle viel Luft , wenn auch mit minder großer Geschwindigkeit von der Stelle zu bringen, da auch die Eindringungsöffnungen - die Size einen großen Querschnitt haben.

Daß dem Kamine keine fremde Luft

als auf diesem Wege zugeführt werden darf, ist hier besonders hervor zuheben und an den weiter unten folgenden Beispielen nachzuweisen. 4) Von der Wahrnehmung ausgehend , daß die übelriechenden Gase besonders durch die Gährung entstehen, welche eintritt, wenn die flüssi= gen und festen Excremente gemischt in der Grube lagern, während ge trennt die einen erst später in Fäulniß übergehen, die andern aber all mälig eintrocknen und fast geruchlos werden , hat man vielfach versucht, den Urin von den Fäces zu trennen ; und zwar a) entweder, indem man beide Bestandtheile in der Grube durch

ein ftehendes Sieb sich sondern ließ, welches die festen zurückhielt, die flüssigen aber allein in eine tiefere Grube abzufließen gestattete oder aber b) indem man jeden Bestandtheil unmittelbar am Ursprungsort an der Vermischung hinderte, die Flüssigkeit in eine Rinne auffing und vereint mit der der Piffoirs in eine besondere Grube oder ganz weg leitete, die festen aber in die Kothgrube fallen ließ. Das erstere System (Fig. 4) wurde zuerst von Dugléré in Paris eingeführt (Försters Bauzeitung 1859, Notizblatt p. 246). Die eine Seite der Kothgrube beſteht aus einer Scheidewand, dem Sieb oder Separator als liegender wenig gekrümmter Bogen, aus Portland cement aufgeführt, und mit zahlreichen trichterförmigen Löchern versehen, die mit ihren kleinsten 4 mm großen Oeffnungen dem Kothe zugekehrt sind und diesen zurückhalten, während die Flüssigkeit durch einen etwas tieferen Kanal

85 abzieht oder in einer tieferen Grube gesammelt wird.

Beide Gruben

haben wohlverschließbare Einsteigeöffnungen, die erstere zum Ausräumen der allmälig eintrocknenden festeren Bestandtheile, die andere zum Aus pumpen der Flüssigkeit. Es wird hierdurch allerdings nicht jeder üble Geruch verhindert, aber doch so vermindert, daß man mit der natürlichen Ventilation ohne Heizung ausreichen mag. Der Vortheil dieses Systems liegt besonders auch darin, daß die Räumung der festern Bestandtheile seltener, mit geringer Verbreitung von übelm Geruch und verhältnißmäßig reinlicher bewirkt werden und das Auspumpen des Flüssigen mit noch weniger Schwierigkeit und Unreinlichkeit erfolgen kann. In dem Munizipalgefängniß in Cöln wurde dies System (Erbkam Zeitschr. f. B. 1864, p. 523) mit gutem Erfolg vom Baumeister Rasch dorf zur Ausführung gebracht.

(Fig. 5.)

Nachdem die Kothgrube 23/4

Jahr während 36500 Verpflegstagen (Mann und Tag) benugt worden war, enthielt dieselbe nur 414 Kubikfuß, alſo per Mann und Tag 1/88 Kubikfuß, einer Masse, welche wie feuchte Erde mit der Schippe abge stochen und auf Schubkarren fortgefahren werden konnte, ohne daß sich hierbei ein übler Geruch verbreitete. Auch in der Frrenalstalt in Neustadt-Eberswalde (Erbkam Zeitschr. f. B. 1869 IV- VII.) ist man mit dem System zufrieden, obschon das selbe weder bleibend, noch während des Ausräumens der Grube den übeln Geruch ganz verhindert. In den Bairischen Kasernen-Abtritten (Vorschrift für die Anlage und Einrichtung der Abtritte in Militairgebäuden , München 1861, Fig. 6) ist die Anlage eines Separators und getrennte Gruben für die festen und flüssigen Bestandtheile reglementmäßig . In einem wo möglich mindestens 10′ von der Kaserne entfernten mehrstöckigen, mit dieser durch 10′ breite Gänge in jeder Etage verbundenen Gebäude ist eine 15" weite gußeiserne Röhre, die sich als Dunstrohr über das Dach ver längert aufgestellt, dieselbe erweitert sich in jeder Etage als ein großer Trichter für 6 Sigpläge und führt die Excremente senkrecht hinab zu der Kothgrube.

Diese ist durch einen aus harten Ziegeln als Trocken

mauer erbauten Separator von einem Schacht getrennt, durch welchen die flüssigen Bestandtheile in eine unter der ersten Grube angelegte Uringrube gelangen; eben dahin fließt auch der Urin von 6 um ein

86 ähnliches Rohr in jedem Stockwerk angeordneten Urinständen direkt. Beide Gruben verlängern sich so, daß ihre Einsteigeöffnungen vor die Umfassungswände des Abtrittsgebäudes reichen und hier durch Stein platten, die mit 12 Zoll Sand überschüttet werden, geschloffen find. (Siehe die unter Fig. 8b befindliche Zeichnung „ Einsteigeschacht" c.) Die Kothgruben sind so groß, daß sie nur halbjährlich entleert zu werden brauchen, weshalb man 5 Kubikfuß pro präsenten Mann oder 1/36 Kubikfuß pro Mann und Tag rechnet. 6) Die zweite Methode : den Urin und die festen Bestandtheile un mittelbar am Ursprungsort getrennt zu halten, ist gewissermaßen als Normal-Konstruktion bei mehreren Kasernen ausgeführt worden. (Fig. 7.) In einem uns näher bekannten Fall hat diese Methode, in Verbindung mit noch anderen neuern Einrichtungen, zu den größten Mißständen ge führt, indem sich bei der Besichtigung in sämmtlichen für die Auffan gung des Urins angebrachten Rinnen feste Excremente vorfanden, welche nicht nur die Ableitung des Urins verhinderten, sondern bis über die Sitöffnungen angehäuft, den Leuten die Benußung ganz unmöglich machten. In einer anderen Abtrittsanlage , die nach jenem Modell erbaut ist, haben sich zwar hierbei erhebliche den beabsichtigten Zweck in Frage stellende Mängel nicht gezeigt, wohl aber hat die angewandte zur Ver mehrung der Ventilation verengte Trichterform sich als in hohem Grade unzweckmäßig gezeigt, indem der Koth an den Wänden haften bleibt und im Winter zu hohen Bergen heranfriert. Hiervon wird der Grund sowohl in der Verengung des Trichters durch die Urinrinne als in dem Mangel an Flüssigkeit, welche die festen Bestandtheile hinabspült, zu suchen sein. 5) Nicht minder wie in den Gruben entstehen auch in den Abs trittslokalen schädliche Gase und zwar hier namentlich durch die Unreinlichkeit der Leute oder vielmehr durch die nicht ungerechtfertigte Scheu der Leute sich mit Unreinlichkeiten in Berührung zu bringen, welche sie zu der Unfitte veranlaßt, sich auf die Siße zu stellen, und diese nach beiden Richtungen zu beschmutzen.

Man hat durch verschie

dene Vorkehrungen dies zu verhindern gesucht, indem man die Sizbrille schräg stellte, oder sie durch einen abgerundeten Sitholm ersetzte, oder daß man einen Jochbalken, manchmal selbst wieder mit Stacheln beseßt,

87 über dem Sit anbrachte, der das Stellen unmöglich machen sollte ; da aber diese Mittel weder die Verunreinigung ganz verhindern, und noch viel weniger Jemanden zwingen konnten , sich in Unreinlichkeiten zn ſeßen, so änderten sie nichts an dem Schmuß dieser Lokale, welche jede Aufsichtsbehörde nur ungern und selten betritt, und dennoch ist es eine Barbarei den Leuten deren Benußung zuzumuthen, wie es eine Unver antwortlichkeit ist, zunächst der Wohnräume einen solchen Infektionsherd zu dulden. Sowohl die Sißbrillen wie die Sitholme haben den Uebelstand, daß sie in der Mitte vorn leicht beschmußt werden, und da die Leute eben hier am wenigsten lieben sich in unreine Berührung zu bringen, so helfen sie sich so gut sie können, rücksichtslos ob das Lokal dadurch noch mehr beschmußt wird oder nicht. Durch die Fig. 8 in der Seiten-, Fig. 8a in der obern und Fig. 8b in der vorderen Ansicht skizzirte Einrichtung ist zwar die Möglichkeit fich auf die Size zu stellen nicht ausgeschlossen, aber die Ursache, wes halb es gewöhnlich geschieht, ist beseitigt.

Der Siz besteht nämlich

weder aus einer gewöhnlichen Brille, noch aus einem einfachen Siß holm, sondern aus zwei Brettvorständen, welche zum Sizen vollkommen genügen und bequemer sind , als der abgerundete Holm; sie gestatten zwar auch, daß man sich auf sie stellt, da sie aber vorn nicht verbunden sind und die Auffangfläche für den Urin einige Zoll tiefer. liegt, so ift hier nichts vorhanden , was beschmußt werden kann, oder woran sich die Leute zu beschmußen fürchten müssen.

Die Veranlassung sich auf den

Sitz zu stellen fällt daher weg und mit ihr auch die Beschmußung. Eine zweite Veranlassung übelriechender Exhalationen bilden in den Abtrittslokalen die Piſſoirs ; durch die Anbringung einer über dem Bodeu erhabenen Rinne, die oft selbst von Holz ist, wird der üble Geruch vermehrt, die Leitung verlängert, der Raum vor der Rinne be schmußt und eine Reinigung mit Wasser und Besen erschwert.

Wir

find der Meinung, daß es am besten ist, nach dem Vorgang vieler Bahnhofspissoirs, die Rinne dem Boden gleich anzulegen, sie wie die Wand und den Fußboden mit Portlandcement, der dem Urin sehr gut widersteht, zu verpußen, damit man die Rinne wie das ganze Lokal mit Wasser und Besen fegen kann. Je mehr man durch die bauliche An lage durch Lüftung, Licht, hellen Anstrich, genügenden Raum bemüht

88 ift, diese Lokale zu einem Aufenthalt zu machen, in dem nicht jeder fich zu beschmugen fürchten muß, desto mehr kann man darauf zählen, daß auch seitens der Leute der Ort rein gehalten werden wird.

Es ist dies

eine bei den Berliner Kommunalschulen gemachte Wahrnehmung (Erbk 3. f. B. 1869, p. 505) und wird auch bei den Kasernen-Abtritten zu= treffen. 6) Beispiele ausgeführter Abtrittsanlagen. Von den uns vorliegenden Plänen stellt der erste ― als Normal zeichnung bezeichnet · die Abtrittsanlage einer im Uebrigen aufs Zwed mäßigste und Stattlichste ausgeführten Kaserne für 3 Bataillone, für jedes eine solche Latrine, dar, und hat dem zweiten Plan zur Anlage eines Kasernen-Abtritts in einem neuen Hafenplaß als Vorbild gedient. Die wesentliche Einrichtung ist in Fig. 9 skizzirt. In beiden seit mehreren Jahren ausgeführten und in Gebrauch befindlichen Bauwerken ist der Versuch gemacht, die schädlichen Gase aus der Kothgrube vermittels eines etwa 50 Schritt langen unterirdi schen Kanals nach dem Küchenkamin der nahegelegenen Kaserne zu leiten. Man hat zu dem Zweck die Einzelfiße mit Trichtern versehen, die sich auf etwa 8" verengen, so wie mit Brettbrillen und Klappdeckeln ; auch ist über der Urinriune eine verkehrte Rinne, rauchmantelartig zum Auf fangen und Weiterleiten der übelriechenden Exhalationen angebracht, um fie gleichfalls in die Kothgrube gelangen zu laffen.

Die Küche, in deren

Kamin jener Zugkanal mündet, wird nicht fortwährend benutzt

woher

der Uebelstand eintritt, daß die daneben liegende und stets im Gebrauch befindliche zweite Küche jene Dünste aus dem Kamin der andern an ihr Feuer zieht, und so ihren Raum mit Gestank erfüllt.

Nichtsdeſto

weniger ist, bei einem allerdings nur mangelhaften Verschluß der Koth grube, der Gestank im Abtritts- und Urin-Lokal sehr empfindlich. Bei dem Kasernen-Abtritt des Hafenplages zeigt sich die unterir disch weiter geführte Verbindung zwischen der Kothgrube und dem Ka min der im Kellergeschoß der nahen Kaserne gelegenen Küche, gleichfalls nicht in dem gehofften Maße wirksam , da der üble Geruch in der La trine ziemlich stark ist. Ueber die Anhäufung von Koth in der nur für Urin bestimmten Rinne unter den Sitzen, so wie in den engen Trichtern selbst ist bereits ad 4b berichtet. (S. 84.)

89 Durch eine schräge Rückwand über den Sißen hat man den Leuten das Stehen auf diesen unmöglich gemacht, und sie dadurch gezwungen, indem sie sich mit dem Nacken an jene Wand stüßen, ihr Geschäft im Stehen abzumachen und dadurch den Schmuß nur zu vergrößern . Es wird ferner geklagt, daß die allerdings in ganz entgegengesetter Absicht angelegte Treppe, auf welcher man in die Kothgrube gelangt, unbequem sei und das Ausräumen des Koths erschwere ― derselbe ist in beiden Anlagen dünnbreiig, in einem Fall, weil der Urin größten theils dazutritt, im andern , weil das Gebäude Sehungen erfahren, welche den Tagewässern den Zutritt in die Grube gestatten. So mißlungen nun beide Anlagen auch sind und so wünschens werth es bei der zweiten gewesen wäre, sich von dem thatsächlichen Ver halten der ersten zu vergewiffern, ehe man sie als Muster aufstellte, so wäre es doch sehr unrecht, deshalb auf Verbesserungen in jener Rich tung zu verzichten.

Die Trennung der festen und flüssigen Abgänge wo möglich schon am Ursprungsort - bleibt wünschenswerth ; sie ließe sich etwa in der Fig. 7 und 8 skizzirten Weise versuchen , um so Ab messungen und Wirkung zur Anschauung, Prüfung und Abänderung zu bringen. Auch bleibt die Benutzung des Küchenfeuers zum Abzug der schäd lichen Gase aus der Kothgrube wohl wünschenswerth, jedoch dem Miß lingen ausgesetzt, weil der Natur der Sache nach der Abschluß gegen äußere Luft bei Küchenfeuerung nicht ausführbar ist.

Auf den Abzug

des Uringeruches durch die verkehrte Rinne wird kaum zu rechnen, daher lieber zu verzichten sein. Drei andere Pläne betreffen die Ventilation von Abtritten durch eigens zu diesem Zweck unmittelbar bei der Grube erbaute Kamine. In einer östlichen Festung, für welche der letzte Plan entworfen, ist die Anlage noch im Bau begriffen . Die Feuerung befindet sich im Kellergeschoß des nicht bombensichern Lazareths, unmittelbar neben der Rothgrube, über welcher die Abtrittslokale in drei Etagen angebracht sind. Die Kloakenluft ist nicht unter den Rost der Feuerung gebracht. Man beabsichtigt durch eine Art Separator, jedoch erst wenn der Inhalt der Grube dieselbe fast ganz gefüllt hat, den oberen flüssigeren Theil abzuleiten und hofft die festen Theile als gallertartige Masse mit der Schippe ausstechen und fortbringen zu können.

90 In dem nicht bombensichern Garnisonlazareth einer Weichselfestung dient die in der Kelleretage angebrachte durch äußere Luft alimentirte Feuerung einen Kamin zu erwärmen, welcher aus einem kleinen Vor raum, in welchen auch die Abtrittsschlote münden, seine Luftzuftrömung empfängt. Dieser Vorraum ist anderseits durch Waſſerverschluß gegen einen Kanal abgesperrt, durch den die flüssigen und festen Bestandtheile zur Weichsel abgeführt werden . Mit zwei Feuerungen (eine Morgens und eine Abends) à 2 Meßen Kohlen wird eine kräftige durch die Abtrittsfiße absteigende Ventilation hervorgebracht, die das Gebäude von schädlichen Dünſten freihält. Bei einem Kasernement in einer östlichen Festung ist das Abtritts gebäude von den Wohngebäuden getrennt, und selbständig mit einer Feuerung und einem Kamin versehen ; nachdem man denselben einige Jahre mit einem Jahresaufwand von 300 Thlrn. mittelst einer eigens konstruirten Petroleumlampe ventilirt hat, geschieht dies jezt mit befferem Erfolg und weit billiger durch eine Steinkohlenfeuerung. Jedoch würden auch hier die Luftkanäle aus der Kothgrube nicht unter dem Rost, sondern in dem Kamin selbst angebracht werden müssen, was nicht vortheilhaft ist. Ein Theil der Abtrittstrichter ist durch eiserne Röhre bis auf 18 Zoll über dem Boden der Grube verlängert, so daß hier ein Wasserschluß besteht, wenn die Grube nicht tiefer entleert ist. Der obere flüssige Theil des Grubeninhalts wird, wenn er eine gewiffe Höhe erreicht hat. durch einen Wasserverschluß von einem Abzugskanal aufgenommen. In allen diesen Fällen wird schädlicher Weise das Feuer durch fremde Luft, die nicht aus der Grube bezogen wird, alimentirt ; es wird hierdurch eine große Maffe Luft, eben die , welche durch den Verbren nungsprozeß die größte Hiße und Steigkraft empfängt, nicht aus den zu ventilirenden Räumen bezogen.

Da die Grubenluft aber immerhin

reich genug an Sauerstoff ist, um das Feuer zu unterhalten, so würde es offenbar vortheilhaft sein, sie auch hierzu zu benußen, indem man dem Aschfall eine solche Höhe giebt, daß über der sich ablagernden Asche seitlich Oeffnungen angebracht würden, durch welche die Gruben luft unter den Rost gelangen kann ―――― und daß dagegen die Thür, durch welche die Asche von Zeit zu Zeit ausgeräumt wird, ebenso wie die Heizthür gut verschlossen gehalten wird.

Siehe Fig. 10 und die rechts

neben Fig. 9 irrthümlich mit ihr in Zusammenhang gebrachte Zeichnung.

91 Fassen wir das, was nach Obigem bei der Anlage von Kriegs latrinen zu beachten, auch wohl nach Umständen zu modifiziren sein wird, zusammen, so ergeben sich folgende Punkte : 1) Alle bombensichern Wohngebäude sind mit bombensichern Latri nen zu verschen. Dieselben find wenn irgend möglich in einem Ab ―――― stand von 12 Fuß je größer sie sind, desto entfernter anzulegen und zwar beffer auf der Süd- als auf der Nordseite. 2) Der Verbindungsweg zwischen den Wohngebäuden und den Abtritten muß bei Kriegslazarethen gleichfalls bombensicher, bei Kaser nements kann er unbedeckt, muß aber durch Wurffeuer nicht zerstör bar sein. 3) Nach den kriegsministeriellen Bestimmungen reichen für ein Ba taillon 12 Mannschaftssite aus . Bei einer Belegung von 66 bis 80 Mann würde also ein Mannschaftsfiß, dem noch für Offiziere ein , und erforderlichen Falls wegen der Friedensbenußung für Frauen ein Siß beizufügen ist, ausreichen. Bei einer Belegung von mehr als 80. Mann ift die Zahl der Mannschaftssige nach diesem Maßstab zu vermehren. Ueberhaupt ist eine Vermehrung über jene Normalzahl sehr wünschens werth.. 4) Wachen, Blockhäuser im gedeckten Weg und ähnliche nicht von denselben Leuten bleibend belegte Räume erhalten keine bombensichern sondern nur lagermäßige Abtritte. 5) Wenn die Latrine in ein fließendes Wasser münden oder durch ein solches gespült werden kann, so ist diese Art der Abführung jeder anderen vorzuziehen. Doch bleibt hierbei, außer der militairischen Sicher heit zu beachten, daß durch die Aufnahme von Koth das Wasser nicht in dem Maße verunreinigt werden darf, daß dadurch gesundheitswidrige Ausdünstungen entstehen .

Stehende Wässer dürfen nie zur Aufnahme

der Abtrittsstoffe benutzt werden. Durch Wafferschlüsse ist die Einſtrö mung schädlicher Gase in die Wohnräume aus jenen Ableitungskanälen zu verhindern. 6) Wo eine Ableitung zu fließendem Gewässer nicht möglich ist, müssen die Abgangsstoffe in Gruben gesammelt werden. 7) Es hat sich hierbei als vortheilhaft erwiesen, die festen und flüſ figen Bestandtheile zu trennen, sowohl deswegen, weil so ihre Gaserha

92 tion geringer ist, als wenn sie gemischt bleiben, als auch deshalb, weil die Räumung und Abfuhr jedes einzelnen leichter ist. 8) Man hat versucht, die Trennung gleich unter dem Siß vorzu nehmen, ohne jedoch bis jezt zu einer zweckmäßigen Konstruktion gelangt zu sein. Um eine solche zu finden, sind, wenn die Gelegenheit sich bie tet, Versuche - jedoch vorläufig immer nur an einem oder dem andern Sit zulässig und erwünscht, um über den thatsächlichen Erfolg nach einem etwa halbjährigen, in den Winter fallenden, Gebrauch ein Urtheil fällen, zu Abänderungen oder allgemeinere Einführung sich entschließen zu können, etwa nach Fig. 7-8. 9) Durch Erfahrung erprobt, ist die Trennung der festen und flüs figen Bestandtheile in der Grube mittelst eines stehenden Siebes, und es können hierbei als Anhalt die Einrichtungen dienen, welche in Erbkam Zeitschrift für Bauwesen 1864 und 1869 und hier in Fig. 4, 5 und 6 dargestellt sind. 10) Wie hier ausgeführt, so bleibt es überhaupt wünschenswerth, daß die flüssigen Bestandtheile nicht in einer Grube gesammelt, sondern für sich abgeleitet werden und ist hierbei zu beachten, daß dann durch dieselben Abzugsrinnen auch die Tagewäffer, der Ablauf der Brunnen und das in der Kaserne zum Waschen und Scheuern benüßte Waffer abgeführt, und so eine Spülung veranstaltet werde, welche die Entwick lung schädlicher Gase in jenen Kanälen verhindert. 11) Wo die Ableitung nach der Ferne nicht möglich und wo fir die Tage und Hauswäffer Senken angelegt find, in welchen diese in die Erde einsikern , da darf dieselbe Einrichtung durchaus nicht für die Abtrittsflüssigkeit benutzt werden, weil sonst der Untergrund bald dergestalt mit fauligen Maffen imprägnirt sein würde, daß sowohl das Wasser der benachbarten Brunnen als die Luft um die Kaserne verdor ben würde. 12) In diesem Fall sind auch die Abtrittsflüssigkeiten in eine ge sonderte Grube zu sammeln und von Zeit zu Zeit auszupumpen. Dieſe Gruben müssen selbstverständlich mit dem Scheitel ihres Gewölbes tiefer liegen, als der Boden der Kothgrube (Fig. 6 und 10.) 13) Ob sie unten , neben oder in einiger Entfernung von diesen angelegt werden sollen, entscheiden bauliche Rücksichten, dann aber noch die Rücksicht auf die Entleerung der einen und der andern Grube ;

93 denn es muß als Regel gelten, daß die entleerten Stoffe abgefahren werden, und es ist hierbei durchaus erforderlich, daß die Wagen unmit telbar über die Einsteige

oder Pumpenöffnung der Grube hervorges

bracht werden können, um die Verunreinigung und Verpestung der Um gebung zu vermeiden. Die Ausräumeöffnung darf daher nicht in einem Graben liegen, in welchen man nicht mit Fuhrwerk gelangen kann, son dern im Hofraum des Werkes oder auf der Contreescarpe an einem Ab fuhrweg. In manchen Fällen wird es möglich sein, die durch Pumpen gehos bene Flüssigkeit unterirdisch nach der Ferne abzuleiten. 14) Die Gruben find sorgfältig zu fundamentiren, ohne Belastung durch die darüber ausgeführten Gebäude zu beachten, damit keine ein seitige Setzungen vorkommen und ihre durchaus nothwendige Waſſer dichtigkeit nicht gefährdet werde, denn Reparaturen werden hier kaum anders als schlecht ausgeführt. 15) Bei der Berechnung des Inhalts, welche die Gruben haben müssen, ist zu beachten, daß es zu großen Mißständen führen könnte, wenn im Laufe einer Belagerung, z. B. aus einem detaschirten Fort, die Gruben entleert und ihr Inhalt mit Wagen fortgeschafft oder, wenn dies nicht ausführbar wäre, die Latrine, weil die Grube voll, geschlossen werden müßte. Diese Uebelstände sind so groß und gefährden so sehr das Wohl der Leute und des Plages, daß man wohl thut, sie beim Bau schon ins Auge zu fassen, indem man die Größe der Gruben auf einen min destens sechsmonatlichen Gebrauch berechnet und Sorge trägt, daß die Entleerung jedenfalls zur Zeit der Armirung ausgeführt wird. Bleiben beide Bestandtheile der Abgangsstoffe längere Zeit gemischt in der Grube, so verringern sie sich so, daß man bei der Räumung nur mehr 1/25 Kubikfuß pro Mann und Tag findet . Wurden sie durch einen Separator getrennt, so ist bei halbjähriger Räumung auf 1/36 Kubikfuß in der Kothgrube und 1/24 Kubikfuß in der Uringrube pro Mann und Tag zu rechnen.

Wird erstere erst nach einer zwei- bis

dreijährigen Lagerung gereinigt, so haben sich die festen Theile bis auf 1/88 Kubikfuß pro Mann und Tag vermindert. 16) Beide Gruben sind gegen äußere Luft, die1 etwa auf anderm Wege als durch die Schlote eindringen konnte, sorgfältig zu schließen,

94 ins Besondere find die Einſteige- und Pumpenöffnungen einen Fuß unter der Erdoberfläche zu legen, durch eine Stein- oder Eisenplatte zu schließen und mit Boden der Oberfläche gleich zu überschütten.

Ist der

Plas gepflastert, so schließt sich dies an ein Steingespunde an, welches über der Einsteigeöffnung liegt, und deren Deckplatte gleichwohl mit Erde zu überschütten erlaubt.

(Siehe die unter Fig. 8b befindliche

Zeichnung ,,Einsteigeschacht" 2c. )

Bei den Abfallröhren der Pissoirs ist

durch eine Krümmung des unteren Endes jedesmal ein Waſſerſchluß herzustellen. 17) Die aufsteigende Luftbewegung in den Schloten ist unschädlich zu machen, wenn man diese nicht schleift, sondern nur : senkrecht führt und so weit macht, daß ihre Wandungen nicht durch Koth oder Urin beschmugt werden. Bei gemauerten Schloten wird dies durch Verengung der unteren Mündung der Sißtrichter oder durch Waſſernaſen erreicht. 18) Damit die übeln Dünste sich aus den Sißen und dem Abtritts lokal nicht in die Wohnräume verbreiten, wenn diese von jenen Lokalen nicht getrennt oder zu nahe bei denselben stehen, ist eine Ventilation durch Erwärmung von Kaminen einzurichten.

Dieselbe hat die Luft

aus dem Abtrittslokal durch die Sitöffnungen und aus der Abtritts grube aufzusaugen und über dem Dach des Gebäudes abzuführen. 19) Man hat die Erwärmung der Kamine durch die Küchenheizung zu bewerkstelligen gesucht, allein manche mißlungenen Versuche der Art lassen es wünschenswerth erscheinen, dieſe Ventilation , unabhängig von der nicht immer unterhaltenen Küchenheizung zu machen, damit ihre Wirksamkeit selbständig nach ihrem eignen Bedürfniß geregelt werden fann. 20) Es ist dazu nöthig, daß die Feuerung und der Kamin möglichst nahe der Abtrittsgrube und so angelegt werde, daß die erwärmte Luft säule möglichst hoch, also der Heerd tief, der Kamin so hoch sei, als andere Rücksichten es gestatten, selbst eine Höhe, die es dem Angreifer möglich macht, den Kamin einzuschießen, dürfte wegen des Nußens, den sie wenigstens bis dies geschieht, hat, nicht zu scheuen sein. Je höher die Abtrittslokale in oberen Stockwerken gelegen sind und je größer die Anziehung ist, welche die hohen und erwärmten Räume ausüben, desto höher muß der Abzugskamin sein. Bei dieser Ventila tion darf selbstverständlich die untere Schlotöffnung nicht durch den

95 Grubeninhalt geschloffen werden, und dürfen keine anderen Dunströhren von der Grube oder aus dem Latrinenraum ausgehen, da die Luft nur durch die Abtrittsfiße in die Grube einströmen ſoll. Als Beiſpiel einer solchen Ventilationseinrichtung kann die Fig . 10 und die rechts neben Fig. 9 irrthümlich mit ihr in Zusammenhang gebrachte Zeichnung dienen. 21) Bei Kasernements für ein Bataillon oder mehr müſſen die Latrinen immer von denselben entfernt erbaut und mit einer ſelbſtändi gen Ventilation versehen werden. Bei kleinen Kasernements wie bei Kaponieren , Decharge - Kase matten, kleinen Reduits genügt die Trennung der Latrinen von den selben durch einen Hofraum; wo diese aber durchaus nicht angeordnet werden kann und der Abtritt in das Wohngebäude , die Kaponiere 2c. gelegt werden muß, muß immer neben den andern bereits genannten Maßregeln eine selbständige Ventilation durch eigenes Feuer und eignen Kamin angeordnet werden. 22) Das Abtrittslokal ist so einzurichten, daß der Boden und die Wände bis zu 4 Fuß Höhe durch Asphalt und Cement wasserdicht ge macht find, und mittels Wasser und Besen überall leicht abgeschwemmt und gefegt werden können. 23) Die einzelnen Size sind nicht unter 3 Fuß breit zu machen und ist ihnen die in Fig. 8 skizzirte Einrichtung versuchsweise zu geben. Zwangsvorkehrungen, welche das Stehen auf den Sizen verhindern sollen, werden nicht angebracht. Die Oeffnung zwischen Rutsche und Schlot muß so eng sein, etwa 7 Zoll, daß Niemand hindurch fallen fann. 24) Die Lokale sind durch Fenster und Anstrich möglichst hell zu halten; für den Delfarbeanstrich des Holzwerks empfiehlt sich Zinkweiß, da es nicht wie Bleiweiß schwarz wird. 25) Die Piffoirs in den Abtrittslokalen bestehen aus einer Rinne im Boden und einem glatten Verpuß der Wand auf 4 Fuß Höhe mit Portlandcement: 26) Aehnlich sind auch die auf den Höfen in der Nähe der Kaser nenausgänge anzulegenden Pissoirs einzurichten, und dafür zu sorgen, daß sie von selbst durch das vom Brunnen abfließende oder vor der Kaserne ausgeschüttete Waffer gespült werden.

96 27) Für die Mannschaften auf den Wällen, im gedeckten Weg und für solche kleine, nicht mit einer ständigen Belegung versehene Hohl. räume, welche keine bombensichern Latrinen erhalten 2c., werden an geeigneten Plägen in der Nähe lagermäßige Latrinen eingerichtet, deren Gruben von Zeit zu Zeit zugeworfen und gewechselt werden. Berlin, im März 1870. A. v. Cohausen.

Anliegend als Extrabeilage die Broschüre : Ernst Siegfried Mittler. Ein älterer Offizier der Artillerie, welcher durch seinen langjährigen Aufenthalt in verschiedenen Stellungen in Berlin nicht allein den litte rarischen Erscheinungen seit den Befreiungskriegen genau zu folgen, son dern auch in Berührung mit den betreffenden Persönlichkeiten zu bleiben in Stand gesezt war, hat dem jetzt dahingeſchiedenen Chef der Buch handlung E. S. Mittler und Sohn , wegen seiner großen Verdienste um die Förderung der Militär- Litteratur ein Denkmal in einer Bro ſchüre geſeßt, welche ein intereſſantes Lebensbild des ſo allgemein hoch geachteten Verblichenen aufrollt, woraus die geehrten Leser des Archivs , gütigst selbst entnehmen wollen, daß der Verlag dieser Zeitschrift bisher in den besten Händen war und schon seit längerer Zeit dafür gesorgt worden ist, daß dies auch in der Folge so sein wird. Die Redaktion des Archios für Artillerie und Ingenieur-Offiziere.

97

VI.

Ausbildung der bespannten Fuß-Batterie. Fortseßung und Schluß. (Hierzu Taf. V.)

In dem ersten und zweiten Theil unserer Arbeit haben wir die Aus bildung von Mann und Pferd einer Fuß-Batterie vom 1. Oktober, resp. vom Gestellungstermin des Ersages bis zum 1. April beschrieben und nachgewiesen, daß Anfang April der früheste Termin wäre, an welchem man zur Zusammenstellung von Mann und Pferd zur bespannten Bat terie übergehen könne, um nunmehr die eigentliche taktische Ausbildung der Batterie zu beginnen.

Wenn man bedenkt, daß die Frühjahrsbe=

fichtigungen spätestens Anfangs Mai beginnen, daß der Abmarsch zur Schießübung häufig schon Mitte Juni stattfindet, daß endlich nach been digter Schießübung, höchstens nach einer Pause von 14 Tagen, die Theilnahme der Batterie an den Herbst- Uebungen mit gemischten Trup pen resp. zunächst an den Exerzitien mit der Infanterie-Brigade ges fordert wird, so leuchtet ein, daß dem Chef einer solchen Batterie zur selbständigen, ruhigen Einübung derselben kaum mehr wie der Monat April verbleibt.

Es giebt Artillerie- Garnisonen, in welchen im Monat

April der Schnee noch Fuß hoch fällt, und wohl in allen rechtfertigt dieser Monat seinen bösen Ruf, dessen er sich in ganz Nord-Deutschland erfreut, die Sache hat also unter allen Umständen Eile ! Ein Tag der Woche geht durch das Exerziren der Abtheilung zu Fuß dem Bespann zuge verloren, und einen Tag werden wir wohl immer zum Reiten benutzen - bleiben also 4 Uebungstage per Woche, und somit aller höchstens, wenn die Ostertage in den März fielen, 20 Tage bis zur Frühjahrsbesichtigung, zu welcher man doch nothwendig einen gewiſſen Abschnitt erreicht haben muß. In dieser Zeit muß troß aller Ungunst des Wetters das Mögliche geleistet werden, und es wird das um so ficherer geschehen, je gründlicher die Zeit, welche dieser Sturmperiode boranging, ausgenugt worden ist. Am lückenhaftesten ist die Ausbildung der Fahrer geblieben, und wir werden erst jeden Uebungstag zunächst mit den Fahrübungen zu beginnen haben. 1 bis 11/2 Stunden Fahr übungen werden den zu Anfang nicht über 1 Stunde dauernden Be 7 Bierunddreißigster Jahrgang. Band LXVIII.

98 spanntererziren vorangehen müssen.

Ist der Exerzir- und Fahrplag

weit von allen andern Uebungspläßen entfernt, so wird es sich empfeh len, die Bedienungsmannschaften erst 1 Stunde nach der bespannten Batterie dorthin führen zu lassen.

Die Zeit vorher wird zur Detail

Dressur an dem 5. und 6. Geſchüß, zu Fuß, Turnen und Voltigiren, der Weg nach der Batterie zum Distanzeschäzen, Orientirung in der Umgegend (die so häufig vernachlässigt wird), Dauerlaufübungen u. dgl. benutzt. Der Batterie- Chef ' wird Gelegenheit nehmen, beiden Plägen seine Gegenwart zu schenken. Sind 3 Offiziere bei der Batterie, so wird er einen bei den Bedienungsmannschaften ganz belassen können, find dagegen nur 2, so beaufsichtigt dieselben ein Sergeant oder der Feld webel, der die Leute dann auch nachführt. Da nun 24 Mann bei den Geschützen eingetheilt werden können, so bleiben noch 12 mindestens übrig, um als Zielpunkte verwendet zu werden. Die spezielle Anord nung, wo, in welcher Formation, Anzug, wo einzelne berittene Mann schaften aufgestellt werden sollen, beſtimmt der Batterie- Chef an jedem Tage besonders genau.

Er kennt auf diese Weise die Entfernung an

jedem Punkte des Plates nach den verschiedenen Zielen, kann sich mit hin zunächst selbst im Distanzeschäßen üben und die Befähigung hierzu seitens seiner Untergebenen prüfen. Man wird nach einer Richtung ferne Granatziele, (nicht über 2000 Schritt) nach einer Flanke die näheren Granatziele (nicht über 1500) und nach der andern Flanke die Kar tätschziele sich markiren lassen. Nur die Distanze-Abschätzung nach sol chen Zielen, die man in der Wirklichkeit beschießen kann, ist nußenbrin gend und kann man es darin weiter bringen als man denkt.

Man

muß aber auch die Ziele sich bewegen lassen, d. h. sich die Flanke bie ten lassen ; denn sonst kommt man nicht zur Anschauung der verschie denen Merkmale, welche bei gewöhnlicher Beleuchtung einen Anhalt ge währen. Schon dies nöthigt, Avancirte oder auch einen Offizier bei den Leuten, die als Zielpunkte stehen, zu verwenden. Seitens dieser Leute, welche übrigens täglich wechseln müssen, ist am besten das Distanze schäßen nach Geschüßen zu üben, da wohl dies nur von besonderem In tereffe ist, wenn sie mit Kartätschen feuern, da man sonst durch die Pferde der Bespannungen zu einer Wiederholung des Diſtanzeſchäßens nach Kavallerie und Pferden geführt wird, das wir ja auch sehr bequem von der Batterie aus machen können.

99 Das Fahren im Viereck, also die Hakenwendung und alle Sorten Volten, sodann die scharfen Wendungen, zu denen wir durch das bereits eingeübte Fahren der Proßen nach dem Ab- und zum Aufprozen die beste Grundlage gelegt haben, werden in der ersten Stunde allein betrie ben werden, dann 1/2 Stunde die einfachen Bewegungen der Batterie und das Abschwenken mit Zügen, resp. Rechts- und Linksum, ohne Unteroffizier, die unter einem Offizier während dieser Zeit (wo sie nicht die Eckpunkte markiren ) ihr spezielles Verhalten vor dem Geschüße, namentlich bei der Kolonnenformation, und das Tempo in Front ein üben - endlich Batterie-Apell und die Batterie formirt. Wir deuteten schon im zweiten Theile an, daß die Leute am Ge schütz ein Ganzes bilden, so daß also ein Sechstel der Batterie am ersten Geschütz, das zweite Sechstel stets am zweiten Geschütz 2c. exer zirt. *) Hierdurch werden manche Vortheile erreicht, die beim Bespannt Exerziren gar sehr in Betracht kommen, wie wir das noch weiter sehen werden. Die Geschüßbedienungen müssen möglichst gleich gut sein, was nicht ausschließt, daß man auffallend große Leute dem ersten Geschütz zutheilen kann. Es wird das sehr oft übersehen und es kann dadurch allein kommen, daß der ganze Eindruck, den die Batterie macht, ein ungünstiger wird. Wenn wir auch gern den Paradegeſchüßen (dem 1 . und 3.) einige Blender als Mittel- und Stangenhandpferde geben wer den, so muß doch vorausgesetzt werden, daß die Bespannung bei allen Geschützen gleich gut ist ; denn sonst kann niemals Gleichmäßigkeit in den Bewegungen erzielt werden.

Auch hierauf wird dem Farben-Dä

mon zu Liebe sehr häufig nicht gesehen, und man verliert, was man durch schönes Aussehen gewann , an Leistungsfähigkeit des Ganzen. Hierauf aber sollte man doch unter allen Umständen sehen, wie es denn auch bei unserer gegenwärtigen Organiſation durchaus erforderlich iſt, die stärkeren Stangenpferde der 6pfündigen Batterie, die schwächeren der 4pfündigen Fuß- und die schwächsten, welche deshalb immer noch kräftig und namentlich gewandt sein können, den reitenden Batterien zu geben. - Die Last unseres 4pfünders, ohne aufgeseffene Bedienung ,

*) Bei der Friedensbatterie à 4 werden selbstredend die Bedienungs mannschaften des 5. und 6. Geſchüßes beim Bespanntexerziren ebenfalls verwendet, jedoch so, daß immer möglichst dieselben D. Verf. Leute bei demselben Geschüze bespannt exerziren. 7*

100 ift in der That für 6 ganz schwache Pferde eine reine Spielerei. Jede Begünstigung einzelner Batterien in ihrem Pferde - Material schädigt zunächst die Gleichmäßigkeit des Ganzen. Im Ernstfalle kann aber, wenn der Zufall es gerade fügt, daß den auffallend zurückßtehenden die schwierigste Aufgabe zuertheilt wird, geradezu Alles darunter leiden, und dann nußt es nichts, wenn einige ſtarke Batterien wohl vorhanden aber nicht da sind, wo man sie braucht. - Die 6pfündigen Batterien müssen auch bei einer Mobilmachung entschieden ganz in derselben Weise bei der Pferdevertheilung begünstigt werden, wie es früher bei den schweren 12pfündigen Fußbatterien (wir meinen die alten 8 spänner) geschah.

Denn sonst bleibt gar nicht die Batterie, wohl aber der ganze

Wagentroß zurück, da jeder Chef einer 6pfündigen Batterie sich nun durch die Verschlechterung der Wagenbespannung à Conto der Geschütz bespannung helfen könnte.

Dies Zurückbleiben der Wagen kann aber

bei der geringen Zahl von Schüssen, über welche eine 6pfündige Bat terie à 6 Geschüße nur zu verfügen hat, sehr unbequem und für ihr Auftreten ungemein peinlich werden . Die reglementarischen Bewegungen, welche eine Fußbatterie auszu führen hat, sind in dem Entwurf zum IV. Abſchnitt des Exerzir Reglements für die Artillerie der Königl. Preußischen Armee 1867 ent halten und darin so vollständig beschrieben, daß in Betreff derselben Nichts zuzusetzen ist.

Nur fehlt diesem Entwurf alles dasjenige, was

im VI. Abschnitt des Reglements vom Jahre 1812, deffen wir im 1. Theil unserer Arbeit erwähnten, unter der Ueberschrift „ Aufstellung einer Brigade" enthalten war.

Man liest die kurze Abhandlung der

Elementartaktik einer Brigade, welche damals aus 7 Bat. Infanterie, 12 Eskadrons, 1 Fuß-Batterie und 1 reit. Batterie, je à 8 Geſchüße, bestand, noch heute mit Intereffe und wir würden es nicht als so sehr überflüssig ansehen, wenn eine solche Darstellung bei der zu erwartenden vollständigen Redaktion des Reglements in dasselbe am Schluffe aufge nommen würde. ― Die Verwendung und also auch das Exercitium einer Batterie ist ohne die anderen ' Waffen eigentlich nicht denkbar, und wir werden daher im Nachstehenden lediglich die Einübung der Batterie darstellen , unter dem Gesichtspunkt, daß sie die Artillerie - entweder die einzige oder ein Theil der Artillerie - eine Infanterie-Brigade oder Division bildet.

Diesen Gesichtspunkt werden wir gleich am ersten

101 Tage festhalten und nicht damit anfangen, die Batterie ohne Ziel und Zweck auf dem Exerzirplate umherzujagen.

Die ausgestellten Ziele

deuten uns den Feind an, gegen den wir operiren, der Rückzug wird als frei angesehen, wenn möglich in der Richtung auf die Garniſon, und diese Seite ist daher ohne Zielpunkte.

Jedem Exerziren ist, und

sei es die einfachste taktische Idee, zum Grunde zu legen. Ohne eine solche Grundlage werden die Uebungen, die wir nur wenige Tage an stellen können, nicht ihrem Zwecke vollständig entsprechen. G Sehr zu beklagen ist es, daß die Artillerie die einzige Truppe ist, deren Friedens formation so spärlich bemessen ist, daß sie die Eintheilung der Batterie in die nächsten taktischen Unterabtheilungen in Züge nicht ihrer Kriegs formation entsprechend bewerkstelligen kann. Wir müssen uns bei den Friedensbatterien bei der Eintheilung in 2 Zügen begnügen und uns den dritten Zug denken. Wäre reglementsmäßig die Richtung nach einem Flügel, so würde dies weniger zu sagen haben, als jezt, wo ste naturgemäß nach der Mitte ist.

Man könnte sich vielleicht helfen, wenn

man immer mit Augen links in Front operirte ; denn bei einer Kriegs

* batterie à 6 haben nach § . 16. R. IV. die 3 ersten Geſchüße die Augen links nach dem 4. Geschütz, welches Richtungsgeschüß ist und geradeaus geht : indeß hiergegen läßt sich auch Manches einwenden.

Immerhin

wäre es das Beste, wenn auch im Frieden die 6 Geschütze bespannt . wären. Als im September 1866 die Demobilmachung der Batterien in der Weise angeordnet wurde, daß zunächst die Batterien à 6 bespannt blieben, gab man sich der Hoffnung hin, daß der Augenblick, wo der Pferdebestand ein so bedeutender war, benußt werden würde, um die Artillerie ihren Schwesterwaffen gleich zu stellen.

Die Enttäuschung

blieb nicht aus, und wir geben gern zu, daß ein nicht unerheblicher Mehraufwand für die Staatskaffe daraus erwachsen wäre. Erwägt man aber, wie günstig die Kavallerie gestellt ist, bei welcher sogar schon im Frieden ein Theil der Ersaß- Eskadrons vorhanden ist, so möchte es uns wirklich nicht als bloßer hohläugiger Neid auszulegen sein, wenn man den reichen Bruder bäte, Etwas abzugeben. *)

Ein einfaches Exempel

*) Der Mehrbedarf an Pferden für 12 Artillerie-Regimenter stellt fich in Summa auf circa 3600 Zug und Reitpferde, der an Leuten auf 450 Mann heraus . Bei 330 Eskadrons des Friedens standes der Armee (ohne die Oldenburgische und Braunschweigische

102 thut dar, mit wie geringen Opfern in Bezug auf die Schlagfertigkeit eines Kavallerie-Regiments, es zu ermöglichen sein dürfte, durch Abga ben von allen Kavallerie-Regimentern und Beschränkung ihres gegen wärtigen so hohen Friedensetats an Leuten und Pferden es zu ermög lichen sein würde, die Artillerie zu 6 zu bespannen.

Die Vortheile,

welche hieraus für die Waffe hervorgingen, sehen wir keineswegs blos darin, daß wir dann im Stande wären, die Zug-Kolonne à 3 Züge zu formiren, sondern in weit wichtigeren Dingen, die bei der Mobilmachung immer sehr störend zur Sprache kommen.

Wir verfolgen dieses Thema

nicht in der Ueberzeugung, daß leider der gegenwärtige Augenblick am wenigften der geeignetste sein dürfte, Etatsvermehrungen in Anregung zu bringen.

Auch hat es wohl etwas Gehäſſiges , wenn eine Waffe der

andern aushelfen muß.

Indessen immer wird es unser Streben ſein

müssen, die Bespannung zn 6 auch für den Frieden durchzusetzen ; denn nur dann wird man gerechter Weise an die Fuß- Artillerie -- überhaupt an die Feldartillerie -die Anforderungen stellen dürfen , welche man heute ohne Rücksicht auf ihre, gegen vor 50 Jahren sehr reiche, im Ganzen aber immerhin doch noch dürftige, Friedensformation an fie stellt. Je mehr den Batterien Gelegenheit gegeben werden kann, à 6 zu exerziren und namentlich à 6 mit den andern Waffen zu manövriren, um so mehr wird sich der Mangel in der gegenwärtigen Formation ausgleichen. Daß wir im Frieden nicht wenigstens einen Theil der Wagen be spannt haben, ist ebenso lebhaft zu beklagen. Bestände das Train-Ba taillon aus 2 Abtheilungen, von denen die erste den Stamm zu den Munitions-Kolonnen hätte, in derselben Weise , wie das Bataillon ihn jezt für die Verpflegungskolonne hat, so ließe sich die Betheiligung be spannter Munitions-Wagen bei größeren Uebungen ermöglichen, über haupt Manches sehr viel besser arrangiren. Das lästige Abgeben von Avancirten der Batterien an zu bildende Munitions-Kolonnen könnte Kavallerie) würde durch eine augenblickliche Abgabe von circa 10 Pferden pro Eskadron und eine Etatserniedrigung von circa 10 Nationen und circa 1 Mann es ermöglicht werden, ohne weiter wesentlichen Kostenaufwand die Friedensbespannung der sämmt lichen Fuß- und reitenden Batterien à 6 Geschüße herbeizuführen. D. Verf.

• 103 dann z. B. ganz und gar vermieden werden ; doch auch dieses Kapitel gehört zu den frommen Wünschen ! Wie die Sache gegenwärtig liegt, muß man sich also mit Suppo ſition und mit einem Zug einer freundnachbarlichen Batterie helfen. Auch könnte man zur Noth einmal mit den Pferden einer ganzen Ab theilung eine ganze Batterie bespannen, was freilich nicht ganz in der Ordnung wäre, da die Wagen nicht bespannt werden sollten, was aber gar nichts schaden könnte, da ein solches Bespannen die beste Revision des Materials ist. ---- Wir glauben, daß die betreffende hohe Verwal tungsbehörde Nichts dagegen haben würde, wenn alljährlich einmal die Fahrzeuge einer ganzen Batterie in dieser Weise an die Luft gebracht würden. Die einfachste taktische Idee, die man dem Exerziren mit einer Friedensbatterie à 4 Geschüßen zu Grunde legen kann, ist die Entwick lung aus der Rendez-vous-Stellung zum Gefecht gegen einen Feind, beffen Front gleichlaufend mit der unsrigen ist. In ein Rendez -vous können wir uns aber nicht eher versezt denken, als wir uns über die Truppenabtheilung Klarheit verschafft haben, welche unserer Batterie an gehören soll. Wir werden hier zur Ordre de bataille geführt, und wir halten es nicht für überflüssig, hierüber ausführlich unsere Meinung darzulegen. Mit dem ,,Wenn“ und „ Aber“ und dem ,,Je nach dem Terrain" kommt man nicht sehr weit, und wenn wir hier Muster der

i

Normal-speziellen Ordres de bataille eines selbständigen Armee-Korps und eine durch eine Kavallerie-Brigade mit reitender Artillerie verstärk ten Infanterie-Division aufstellen, so wollen wir gern und ruhig der Kritik entgegensehen, die an derselben von irgend einem höhern Stand punkte aus etwas auszusehen haben sollte. I.

Spezielle Ordre de bataille für ein preußisches Armee-Korps

zur Durchführung eines selbständigen Gefechts in jedem beliebigen Terrain.

Stärke: 24 Infanterie-Bataillone, 1 Jäger-Bataillon, 1 Pionier-Bataillon à 3 Kompagnien, 24 Eskadrons, 2 Brigaden à 3 Regimenter à 4 Eskad., 72 Fußgesch. à 3 Fuß- Abth. à 4 Batterien ) 12 6pfünd. à 6 Gesch., also 24 Geschütze 12 4pfünd.

104 24 reit. Gesch. und 1 reitende Abtheilung à 4 Batterien 24 4pfündige. å 6 Avantgarde: Infanterie-Brigade (6 Bataillone), 1 Pionier-Kompagnie, 4 Eskadrons,

1 6pfünd. Fuß Batterie der 1. Fuß- Abtheilung, 1 4pfünd. Fuß 1 reitende Batterie. Gros: 1 Infanterie- Division (12 Batoillone),

1 Jäger-Bataillon, 1 Pionier-Kompagnie, 4 Eskadrons, 2 6pfündige Batterien der 2. Fuß-Abtheilung. Reserve: a) Infanterie : 1 Brigade mit 1 6pfünd. 1 4pfünd. Batt. der 1. Fuß-Abtheilung, b) Kavallerie : 2 Brigaden à 8 = 16 Eskadrons mit 1 reit. Batterie, c) Artillerie : 2 4pfünd. Batt. der 2. Fuß-Abtheilung, 4 Batt. der 3. Fuß-Abtheilung, 2 reitende Batterien,

Munitions-Kolonne, d) Pioniere :

1 Kompagnie - Ponton-Kolonne.

Wir haben zu dieser Eintheilung der Truppen zu bemerken, daß wir die beiden 4pfündigen Batterien zweckmäßiger in der Reserve-Ar tillerie verwandt sehen möchten, als daß sie bei der Division des Gros verbleiben, da eine gemeinschaftliche Verwendung mit der Reserve-Ar tillerie in der Mehrzahl der Fälle vorauszusehen ist und es deshalb an gemessen erscheint, sie auf das Rendez-vous der Reserve- Artillerie zu disponiren. ― Die beiden 6pfündigen Batterien werden wir am zwed mäßigsten den beiden Infanterie-Brigaden für die Dauer des Gefechts zutheilen, aus Gründen, die wir sogleich erörtern werden. Es ist damit nicht gesagt, daß hiermit einer Zersplitterung der Artillerie Vorschub geleistet werden soll.

Die beiden Batterien der 1. Fuß-Abtheilung bei

der Infanterie-Brigade der Reserven find insofern nicht zur Reserve

105 Artillerie zu rechnen, als ihre Verwendung erst dann beabsichtigt wird, wenn die Infanterie-Brigade selbst ins Gefecht geht. - Wir weichen in dieser Auffassung von der Zutheilung der Fußartillerie von manchen Autoritäten ab, denen wir gern unsere Hochachtung bekunden wollen. Aber gerade die Gefechte in unsern letten Kriegen haben uns belehrt, wie nothwendig es ist , den Infanterie- Brigaden für den Tag der Schlacht dauernd Artillerie beizugeben. Wir glauben, daß 1 Fußbatterie ganz ungemein gut bei einer Brigade von 6000 Mann aufgehoben ist und auf eine sehr wirksame Weise das Gefecht eines solchen bedeuten den Truppentheils wird unterstützen können. Man überlasse das nur ganz ruhig dem Brigade-Kommandeur und seinem Batterie- Chef, zwischen welchen Persönlichkeiten sich schon im Frieden beim Brigade- Exerziren und den Manövern sehr häufig ein ganz außerordentlich hübsches Ver hältniß herausbildet. Wir vermögen aus eigener Erfahrung zu behaup ten, daß es gar keine glücklichere Situation für eine Fußbatterie giebt, als zu einer Infanterie-Brigade abkommandirt zu werden. ― Je mehr wir die ganze Feldartillerie isoliren und besondere Gefechtszwecke mit ihr verfolgen wollen, um so mehr hört das ganze taktiſche Band auf, ohne welches entschieden großartige Erfolge nicht errungen werden kön nen. Es entsteht sehr bald Mißtrauen zwischen Infanterie und Fuß artillerie, man überläßt sich gegenseitig seinem Schicksal, die Uebelstände werden immer größer, die stehenbleibende Fußartillerie mit ihrer der Infanterie niemals recht einleuchtenden Fernwirkung befindet sich schließ lich in der Höhe der Bagagen der Infanterie und bei der Abrechnung nach der Schlacht muß man sich nicht wundern, wenn die Lorbeeren nicht um die Geschüße gewunden, sondern auf den Lauf des Zündnadel gewehrs gepflanzt werden. Das hat sich in manchen Armee-Korps recht fühlbar gemacht und wir können das nur auf den Ilmſtand zurückfüh ren, daß man die Fuß - Artillerie von den Infanterie-Brigaden absichtlich entfernt hat.

Die Division ist viel zu groß, um ein Gefecht im Spe

ziellen allein zu führen.

Die Brigaden werden verwandt, bekommen

ihre Aufträge, gehen ins Gefecht und haben häufig große Selbständig teit. Im ersten Augenblick geht es mit der Verwendung der Divisions Artillerie ganz gut. Aber im weitern Verlauf, wo das ganze Intereſſe auf die Spezial-Gefechte der einzelnen Brigaden gerichtet ist, fängt das Interesse an der Artillerie an, sich zu verlieren .

Der Diviſions-Kom

106 mandeur ist häufig bei einer Brigade, seine Artillerie kommt ihm aus der Hand, weil sie eben eigentlich ein Gefecht für sich führt, und schließ lich fehlt sie da, wo sie gebraucht wird.

Anders ist das, wenn die Bri

gade ihre eigene Batterie hat und diese unter allen Umständen bei ihr bleibt.

Dieses Lezte möchten wir durch strengen Befehl vorgeschrieben

wissen ; denn mit dem von hinten her über Alles weg Schießen auf fabelhafte Entfernungen ist Niemanden gedient. Die Division des Gros führt immer nur ein Infanterie- Gefecht, wozu ihm 2 Batterien in der Nähe sehr nüßlich und nothwendig sind. Reicht das nicht aus, so tritt die Reserve-Artillerie mit ihren 48 Geschüßen auf, um das Loch zu bohren, durch welches entweder die Reserve-Kavallerie oder In fanterie in Begleitung ihrer Artillerie -- die dann wieder durchaus bei ihren Waffen verbleiben --- den Durchbruch machen soll. Von Zersplit terung unserer Waffen ist hierbei gar nicht die Rede; denn wir bewah ren uns 48 Geschüße als Reserve- Artillerie, die Hälfte aller Geschüße des Korps.

Wenn durch ältere Befehle ausdrücklich bestimmt ist, daß

die Divisions-Artillerie bei der Division verbleiben, noch im Ganzen und nicht bei den Brigaden verwandt werden soll, so wollen wir diesen Anordnungen in keiner Weise entgegen treten. Aber Umstände verän dern die Sache, und eine Division im Gros des Korps ist etwas ganz anders, als eine selbständige Division, zu welcher wir uns gleich wen den wollen, und bei der naturgemäß die Verwendung der Artillerie bei den Brigaden gar nicht erfolgen kann, da eine Brigade schon nothwendig getheilt werden muß.

24 gezogene Geschüße halten wir überhaupt für

die Infanterie-Division des Gros für zu viel, und wenn eine jede Division eine ganze Fuß- Abtheilung mit dieser Geschützzahl zugetheilt erhält, so ist damit nur gesagt, daß sie in der allgemeinen Ordre de bataille diese Stärke haben soll, bei welcher vielmehr adminiſtrative und Verpflegungs- als Gefechtsrücksichten vorwalten. Die spezielle Ordre de bataille ist überhaupt gar nicht beschränkt und hängt davon ab, wie man das Gefecht führen will. Für das preu ßische Armee-Korps ist eine spezielle Ordre de bataille, in der man am 1 besten angreift, die beste, und wir glauben, daß die unsrige den Angriff am schönsten im Auge hat.

Dadurch sind wir auch bestimmt worden,

der Avantgarde 18 Geschüße zuzutheilen, indem wir der Avantgarde unter allen Umständen die Rolle des Angreifers zutheilen wollen. Die

107 beiden Fuß-Batterien, welche der Infanterie der Avantgarde zur Unter ftüßung dienen sollen, werden hier noch mehr wie im Gros an die In fanterie gebunden sein und ein mehr selbständiges Artillerie-Gefecht der reitenden Batterie überlassen müssen. Da die Avantgarde aber über haupt nur immer durch Kavallerie verstärkte Infanterie-Brigade ist und sein kann, so kommen wir immer auf die Brigade-Artillerie zurück, wenngleich die Verwendung der Artillerie in der Avantgarden- Brigade eine ganz andere ist, als bei den Brigaden des Gros und der Reserve. Denken wir uns die Avantgarde des Korps weiter gegliedert in Vorhut . und Gros, so werden wir bei 2 Bataillonen (in 4 Halb-Bataillonen) der Vorhut 1 Fußbatterie, bei den 4 Bataillonen des Gros die 2. Fuß batterie haben, und wird dem entsprechend ihr Verhalten und ihre Ver wendung eintreten. *)

Die Frage, ob man die 6pfündige oder die

4pfündige zum Vortrab giebt, gestatten wir uns ein für alle Mal dahin zu beantworten , daß das Kaliber hierbei erst in zweiter Linie zur Sprache kommt. Batterie- Chefs.

In erster Linie steht nämlich die Persönlichkeit des Sie allein entscheidet, wem die schwierigere Aufgabe,

der Nächste am Feinde zu sein und zu bleiben , zuertheilt wird.

Der

richtige Mann wird uns hier bessere Dienste leisten, als das nach einer Unzahl von Abwägungen herauskalkulirte richtige Kaliber.

Ein lebhaf

ter, einfichtiger, junger, ehrgeiziger Batterie-Chef wird ganz gewiß die 6pfündige Batterie dahin bringen, wohin sie soll, und sich nicht darum kümmern, ob ſeine Pferde circa 5 Centner mehr zu ziehen haben, als die Bespannung der 4pfünder. **)

Er wird auch ganz gewiß dafür

*) Die Avantgarde des 5. Armee-Korps zum Gefecht von Nachod gliederte sich sehr richtig, indem die Vorhut aus 2 Bat. , 2 Jäg. Komp., 2 Est. und 1 4pfündige Batt., das Gros aus 3½ Bat., 2 Jäg.-Komp., 3 Est. und 1 4pfündige Batt. mit 1 Pionier Kompagnie bestand. Geringern Beifall können wir der Marsch ordnung des Gros dieses Korps in Bezug auf die Stelle, welche die Artillerie darin einnahm, spenden ; wie wir uns auch nicht versagen wollen, zu bemerken, daß die aus 4 gezogenen Batte rien bestehende 2. Fuß- Abtheilung beffer ihren Plaz im Gros als in der Reserve- Artillerie gefunden haben dürfte. **) Nach der Dienſtvorschrift von 1868, S. 184 wiegt ein kompletter · 4pfünder c/64 der Fuß- Artillerie ohne Mannschaft 3156 Pfd. , ein kompletter 6pfünder c/64 3670 Pfd. Die Differenz ist also 514 Pfd. Diese Differenz kann sich unter Umständen nach dem D. Verf. Auffißen der Bedienung nicht unerheblich ändern .

108 sorgen, daß er ein Paar Munitionswagen immer bei der Hand hat, so daß ihm der Athem nicht ausgeht. Sind beide Führer gleich begabt, so wird auch nicht allein das Terrain, sondern auch die Bespannung und endlich auch die Billigkeit entscheiden, welche es erheischt, daß einem Jeden Gelegenheit zur Auszeichnung gegeben werden muß. Leider wird noch immer, nach unserm Dafürhalten, den Persönlichkeiten zu wenig Rechnung getragen bei ähnlichen Aufträgen. Wenn die ganze Felbartil lerie erst in ihren Offizier-Korps von der Festungs- und technischen Artillerie getrennt sein wird, wird man ganz gewiß die höheren Avant garden-Artillerie-Führer und die Avantgarden-Batterieführer herausfin den, und wir werden dann ein ganz anderes Auftreten auch unserer Fußbatterien sehen, als solches bisher wahrgenommen wurde. II.

Spezielle Ordre de bataille für eine durch Kavallerie und

reitende Artillerie verstärkte Infanterie-Diviſion zur Durchführung eines selbständigen Gefechtes.

Stärke: 12 Infanterie-Bataillone, 1 Pionier-Kompagnie, 12 Eskadrons, 1 Fuß-Abtheilung à 2 6pfünd. und 2 4pfünd. Batt., 1 reitende Batterie ;

Avantgarde : 3 Bataillone, 1/2 Pionier-Kompagnie, 8 Eskadrons,

1 Fußbatterie, 1 reitende Batterie ;

Gros:

6 Bataillone, d. i. 1 Infanterie-Brigade. 1/2 Pionier-Kompagnie, 4 Eskadrons, 1 Batterie ;

Reserve: a) Infanterie, 3 Bataillone, b) Artillerie, 2 Fußbatterien. Wir würden uns wiederholen, wenn wir auch diese Gliederung

H

109 motiviren wollten.

Sie spricht recht für sich selbst. *)

Ist die Diviſion

nicht durch die Kavallerie-Brigade, die wir in die Avantgarde mit ihrer reitenden Batterie genommen (denn dahin gehört sie im Allgemeinen und nicht in die Reserve) verstärkt, so bilden statt ihrer 2 Eskadrons das Gros dazu. **) Im Allgemeinen können wir aber nur sagen, wie wir solches auch an anderer Stelle näher ausgeführt haben, daß eine solche Diviſion immer zu schwach an Artillerie ist und sie sich daher ohne Verstärkung durch Kavallerie und reitender Artillerie nicht recht, selbst mit einer solchen, nur unbeholfen zur Führung eines selbständi gen Gefechtes außerhalb des Korpsverbandes eignet. Wir möchten. überhaupt nur das Armee-Korps als selbständig ansehen und diesen großen und vollständig lebensfähigen Verband nie zerreißen. Giebt man (eine gewöhnliche Division in die Avantgarde) nur 1 Fuß-Batterie (und mehr kann man füglich nicht zutheilen), so kommt dieselbe in der Regel in sehr üble Gefechtslagen und hat Aufgaben zu lösen, die ihr allein beim besten Willen nicht möglich sind . Es bleibt schließlich denn nichts übrig, als gleich die beiden Batterien der Reserve hervorzuholen, nur um die Avantgarden-Batterie nicht vernichten zu lassen. Dadurch

*) Aehnlich gliederten sich die Truppen unter Führung des Generals Frhr. v. Manteuffel für die Gefechte von Friedrichshall, Hauſan und Waldaschach. Avantgarde: 3 Bat., 1 Est., 1 Fußbatterie (4pfündige), B Gros: 2 = 6 = 1 (6pfündige), Reserve : a) Infanterie, 4¾ Bataillone. b) Kavallerie, 5 Eskadrons, c) Artillerie, 3 Fuß-Batterien, 1 reitende Batterie. Die zahlreiche Kavallerie in der Reserve wurde recht durch das Terrain bedingt. **) Zum Gefecht von Soor gliederte sich die 1. Garde-Infanterie Division ziemlich nach diesen Grundsäßen in Bezug auf Infan terie und Artillerie, während die Kavallerie mit der Hällte (2 Est.) in der Reserve gehalten wurde, wohl auch des Terrains wegen. Avantgarde : 33/4 Inf.-Bat., 1 Komp. Jäger, 1 Est., 1 Fußbatterie, (4pfünd.), 2 Komp. Pioniere, Gros: 4 Inf.-Bat., 1 Komp. Jäger, 1 Est., 1 Fußbatt. (6pfünd .), Reserve: a) Infanterie, 3 Bataillone, b) Kavallerie, 2 Eskadrons, e) Artillerie, 2 Batt. (1 4pfünd.) 1 12pfünd. glatt). D. Verf.

110 wird abèr die ganze Führung des Gefechtes ungemein alterirt und das Gleichgewicht der taktischen Glieder verschoben. Wir halten diese ganzen Auseinanderseßungen für etwas Wesent liches bei unserer Ausbildung einer Fußbatterie, zu deren Detail wir nunmehr wieder zurückkehren. Wenn dem Chef deffelben dieſe Bilder vorſchweben, wird ihm klar sein, was man darunter verſtcht, wenn man von ihm verlangt, daß er immer unter Zugrundelegung taktischer Ideen exerziren soll.

Er wird einsehen, daß es sich da gar nicht um große

strategische Entwürfe handelt, um lange Schlachtdispositionen, sondern nur, auf dem Exerzirplage wenigstens zunächst um ſehr einfache Dinge. Er wird seine Uebungen damit beginnen, daß er seine Batterie als einzige Artillerie einer Infanterie-Brigade im Gros anſieht und dieser nun die allereinfachsten taktischen Aufgaben unter Berücksichtigung der Dertlichkeit stellt.. Aus diesen Aufgaben entfällt dann für seine Batterie eine ganze Reihe gar nicht unintereffanter Aufgaben, die alle mit Bezug auf jene gelöst werden müſſen, und welche keineswegs ein Brigade-Exer ziren mit supponirten Brigaden zu sein brauchen. Hat die Batterie solche Aufgaben in hinreichender Zahl gelöst, so kommt die Reihe au die, welche sich ergeben, wenn die Batterie in der Avantgarde einer Di vision oder der Vorhut einer Korps- Avantgarde gedacht wird. Demnächst sind die zu lösen, welche aus ihrem Verhältniß in der Arrièregarde erwachsen dürften und zum Schluß ihre Theilnahme an der Operation der Reserve-Artillerie. Wir werden es versuchen, dergleichen Aufgaben als Schemas zu stellen und zu lösen, um damit den Beweis zu führen, daß solches möglich ist, und daß man damit mindestens 30 Exerzirtage ausfüllen fann. Wir sprachen, ehe wir der Ordre de bataille erwähnten, von dem Rendez-vous und hielten daran fest, daß das Exerziren der Batterie von einem solchen immer ausgehen müsse.

Das zweckmäßigste Rendez

vous einer Fußbatterie ist hinter der Infanterie in Front, wenn irgend möglich mit Gefechtsintervallen, die höchstens bis auf 10 Schritt zu ſchließen ſind. Rendez-vous auf Wegen, in Kolonnen, in Zügen und gar zu einem find leider häufige Manöverbilder, die wir gern vermieden sehen möchten ; denn sie entsprechen nicht der Wirklichkeit.

Die Straßen müſ

sen nur von sich bewegenden Truppen betreten werden. Wer hält, muß seitwärts der Straße aufmarschiren.

Eine goldene Regel, die im Frie

16

111 den fast nie beobachtet werden kann wegen der bösen Flurentschädigun gen und im Kriege vielfältig aus Trägheit nicht beobachtet worden ist. Der Verstoß gegen diese wichtige Regel kann im Kriege die allergrößten Nachtheile herbeiführen, und nicht allein bei einem nöthigen Rückzuge, sondern auch beim Angriff, weil alles das, was von hinten her am schnellsten auf der Straße herbeigeholt werden soll, nicht vorbeikann, weil die Straße durch haltende Fahrzeuge gesperrt wird. sehr einfach so zu . Wagen.

Die Sache geht

Zuerst hält Alles gut eine Seite, Wagen hinter

Plötzlich fällt es dem Vordersten oder Einem in der Mitte

ein, einen Halt zu machen.

Er ist zu träge, die Straße zu verlassen,

die Sache läßt sich auch vielleicht nicht so einfach bewerkstelligen und dann denkt er, es wird so lange nicht dauern. Der Folgende mag nicht halten und marschirt, wie das ja gar nicht anders geht, links vorbei . Nun ist die Straße gesperrt.

Kommt da irgend ein Unglücksfall vor

(oft ein Motiv für das Halten einer solchen Kolonne), und geräth da= durch die nun vorbeimarschirende Abtheilung ins Halten, so kommt kein Mensch mehr vorbei . Wir haben das oft gesehen und können nicht genug die Errichtung einer tyrannischen Marschpolizei empfehlen.

Auch

Infanterie darf nie die Gewehre auf dem Wege zusammenseßen. Bis von hinten her allmählig Alles die Gewehre ergreift, um die Artillerie oder Kavallerie vorbeizulassen, geht eine schreckliche Menge Zeit ver loren. - Allgemeine Befehle helfen hierbei leider sehr wenig, wenn nicht unablässig ihre Befolgung beaufsichtigt und ein Uebertreten dersel= ben auf das Unerbittlichste bestraft wird. *)

Es ist gewiß für die In

fanterie sehr schwer, sich von ihren Bagagen zu trennen, aber das hilft alles nichts. So wie es zum Gefecht geht, darf sich kein Bagage-Wagen mehr auf der Straße blicken laſſen.

Siegen wir, so werden sie wohl

nachkommen, werden wir geschlagen, so haben wir wenigstens die Wege frei.

Aehnliches gilt für die Patronen-Wagen der Infanterie.

Auch

sie müssen so früh wie möglich die Straße verlassen und neben dersel ben fortzukommen suchen. Desgleichen die lange Ponton-Kolonne und

*) Trog der gemessensten Befehle von höchster Stelle sahen wir ein ganzes schweres Feldlazareth in einem Hohlweg am Fuße eines sehr sehenswürdigen Schlosses halten, um die Schaulust großer ästhetisch gebildeter Herren zu befriedigen. Der Krieg war gar noch nicht erklärt, aber es war am Vorabende desselben und die D. Verf. höchste Zeit, sich kriegsgemäß einzurichten !

112 die Munitions-Kolonne, die so oft, man möchte sagen wagehalsig mit der Batterie konkurrirten, um an den Feind zu kommen. Daß Proviant kolonnen 2c. ſchon 3 Meilen hinter den Avantgarden sich nicht auf der Straße mehr blicken laſſen dürfen, versteht sich von selbst.

Auch die

Lazarethe werden viel früher die Straße frei zu machen haben, so daß dieſe ausschließlich für die zum Gefechte beſtimmten Truppen frei bleibt. Dann wird es auch keine Tagereiſe mehr ſein, von der Spiße der Avantgarde bis zum leßten Mann der Reſerve, selbst wenn man immer auf einer Straße marschiren muß. *) - Leider sind diese Dinge im Frieden nicht zu üben, und wir müſſen daher Alle in wieder vorkom menden Fällen uns die Uebelstände aufs Ernsteste vergegenwärtigen, welche Nachtheile es für das Ganze nach sich ziehen muß, wenn nicht jeder Einzelne in Betreff der Marschordnung die Befehle beobachtet. Die im Laufe des letzten Feldzuges eingerichtete Armee- Gensd'armerie hatte nicht die genügende Autorität. ** )

Es fehlte ihr an Offizieren.

Rittmeister wäre wohl die niedrigste Charge, die lettere haben müßten. Unser Normal-Rendez-vous für die Batterie ist also neben der Straße und nur ausnahmsweise werden wir es auf derselben anzuneh men haben. Die Art und Weise ins Gefecht zu gehen, direkt aus der Marſch formation oder aus dem Bivouak auf den Ruf: „ An die Geſchüße“, wollen wir vorläufig noch gar nicht betrachten ; denn das ſind eigentlich Dinge, die nur so ausnahmsweise vorkommen können - namentlich in den ersten Stadien der Kriegjührung - daß es nicht lohnt, ihnen jetzt schon Beachtung zu schenken oder gar die Batterie darauf besonders ein zuüben.

Das gehört in die Kategorie des nach der Flanke Abproßens

auf Wegen ,,im Feuer Kehrt" 2c. 2c. und muß ab und zu einmal gemacht

*) Der Verfasser hat das Terrain in Europa studirt an den Knicks in Holstein bis zu den Berner Hochalpen und weiß sehr wohl, daß in vielen Fällen neben der Straße gar nicht fortzukommen ist. Diese Fälle bilden eben die Ausnahme von der Regel, deren Werth dadurch in keiner Weise beeinträchtigt wird. **) Wir übertreiben nicht, wenn wir behaupten, daß wir die Armee Gensd'armen mehr bei den Wirthshäusern am Wege als in der Kolonne getroffen haben. Unsere Leute freuten sich später schon, wenn sie einen solchen Reiter sahen, in der sicheren Ueberzeugung, daß das Wirthshaus, um einen Schluck en passant zu nehmen, D. Verf. dann nicht mehr weit sein könne.

113 werden, um zu zeigen, wie keine Lage so verzweifelt ist, daß man sich nicht helfen könnte.

Indeß das Alles kommt erst viel später, wenn wir

die Batterie für das gewöhnliche Gefecht eingeübt haben.

Denn erst

die Regel und später, wenn jene feftfißt, die Ausnahmen. In der beiliegenden Skizze stellt das Viereck a b c d unseren Exer zirplaß dar.

a b c d e f g h i find die Zielpunkte, welche wir uns

ausgestellt haben, und deren Entfernung von der Mitte der Stände des Plazes dem Batterie- Chef genau bekannt ist. Gegenüber der Seite a d sind keine Zielpunkte ausgestellt, weil dies die Richtung ist, von der die Batterie kommt, resp. wohin sie sich wieder zurückzieht.

Seite be ift

also die Front, ab ist die linke Flankę, cd die rechte Flanke der Bat terie ein für alle Mal bei allen Uebungen. a b c sind die nahen Gra natziele, def die unklaren und weiten, ghi die Kartätschziele. Die Be ziehung der Punkte ist so gewählt, daß mindestens ein Reiter unter je 3 Zielpunkten einer Seite des Plates gegenüber sich befindet.

Die an

deren Punkte find mindestens durch eine Rotte à 2 Mann, welche sich auf und niederbewegt, ohne die Entfernung zu ändern, markirt. Anzug für alle Ziele ist mit Helm. 1. Aufgabe. Die Fußbatterie ſteht dicht am Rande, ad mit geöffneter Intervalle in der Höhe des 2. Treffens einer Infanterie-Brigade auf deren rechten Flügel in der Rendez - vous - Stellung.

Die Verwendung der Batterie

auf diesem Flügel ift durch die allgemeine Gefechtslage geboten, weshalb fie nicht hinter dem 2. Treffen steht.

Die Brigade hat die Aufgabe,

einen auf den sanften Höhen d in Stellung befindlichen Gegner anzu greifen. Von diesem steht auf d selbst deutlich sichtbar eine Batterie, die Infanterie wird nördlich d hinter der Höhe (von uns ausgesehen) ver muthet. Es ist indeß nichts von ihr zu sehen. Auflösung. Der einzige Gegner, welcher zunächst zu bekämpfen ist, ist einfach die feindliche Batterie bei d . Sie befindet sich von dem Nande ad etwa 1600 + 800 Schritt = 2400 Schritt.

Es frägt sich nun, wie

weit geht unsere Batterie vor, um den Geſchüßkampf in der hierzu er forderlichen Zeit so weit zu führen, daß die Brigade nicht mehr wesent lich von der feindlichen Artillerie zu leiden hat.

Denn ſtehenbleiben,

abproßen und ein Granatfeuer auf 2400 Schritt eröffnen, würde gar 8 Bierunddreißigster Jahrgang. Band LXVIII.

114 keinen Zweck haben. Wir haben wenig Wahrscheinlichkeit auf dieser Entfernung, selbst wenn wir eine 6pfündige Batterie annehmen, das feindliche Geschüß zu demontiren, gar keine bei einer 4pfündigen. Es ist unzweifelhaft, daß die feindliche Artillerie bereits einige Granaten nach unserer Brigade geschoffen hat, so wie sie diese Masse gesehen hat. Das darf uns aber nicht bestimmen, dies Feuer zu erwidern . Ehe die Batterie antritt, wird in ihrer rechten Flanke 1 Kompagnie als Parti kular-Bedeckung angetreten sein, welcher wir die Weisung gegeben haben, mindestens 1000 Schritt vorzugehen , da wir beabsichtigen , bis auf 1600 Schritt an die feindliche Batterie herranzugehen, als diejenige Ent fernung, auf welcher wir hoffen dürfen, das feindliche Geschütz zu demon tiren, und auf der wir überhaupt noch ein Pferd in allen seinen Um rissen deutlich mit dem Auge erkennen ! Während also die Infanterie Brigade sich auseinanderzieht und zum Gefecht formirt, jene Infanterie Kompagnie so schnell wie möglich vorgeht, haben wir dem Richtungs unteroffizier die Richtung nach d angegeben. Dann Bedienung auf fiten. Signal Trab und über den ganzen Platz in dieser Richtung vorgetrabt. Signal Granatfeuer, Abprozen. Feind auf 1600 Schritt gegen Artillerie.

Legen wir diese Entfernung in 3 Minuten zurück und

kommen wir 1 Minute nach dem Abproßen zum Schuß, so ist während dieser Zeit das erste Treffen der Brigade bis auf die Mitte des Plages gekommen, in 4 Minuten ist es in unserer Höhe, zu den nächsten 1000 Schritt gegen den Feind braucht es noch 10 Minuten ; dann ist es nun 600 Schritt von der feindlichen Batterie, also in deren Kartätschbereich gekommen.

Man sieht, welch eine kurze Zeit unserer Batterie in sol

chem Falle bleibt, die feindliche Artillerie zu beschießen, wenn die In fanterie gleichzeitig mit der Batteric antritt und immer in Marsch bleibt. Schon aus diesem Grunde muß das Feuer, auch das Granatfeuer, so rasch wie irgend möglich abgegeben werden.

Da bei uns, und auch

vollständig mit Recht, Feuer von einem Flügel reglementsmäßig ist, so bleibt eben nichts über, als in der Schnelligkeit der Bedienung so weit zu gehen, daß das Feuer ununterbrochen fortgeht und Schuß auf Schuß fällt und unter allen Umständen, so wie das 6. Geschüß abgefeuert hat, das erste Geschüß schußbereit ist. Das ist das Maximum der Feuerge schwindigkeit für das Granatfeuer der Artillerie. Mehr kann sie eben nicht leisten, das muß sie aber auch leisten!

115 Was nun unsere Uebung selbst anbelangt, so ist vor allen Dingen bei dem einfachen Vorgehen, worauf sich die ganze Sache reduzirt, darauf zu halten, daß der Richtungsunteroffizier im richtigen Tempo das Ziel festhält, ohne sich irgendwie darum zu bekümmern, ob sein Geſchüß ihm nachkommt oder nicht. Denn davon kann ja nicht die Nede sein, daß auf dem ganz ebenen Exerzirplaß das Geschütz liegen bleibt. Die Fahrer des Richtungsgeschüßes fahren wie alle Fahrer nach vorne und lassen die Pferde sämmtlich ziehen. Dies gilt namentlich für den Stangenreiter, welcher in der Regel die ganze Sache dem Mittel- und Vorderreiter überläßt. Dies ist ein großer Fehler, für den der Bat terie-Chef das schärfste Auge und die schärffte Strafe haben muß. Las sen alle 3 Fahrer ziehen, und ist überhaupt die Fahrübung bis zu die sem Punkte richtig nach unsern Grundsägen betrieben, so kann es nicht vorkommen, daß der Vorderreiter mehr wie 4 Schritt vom Unteroffizier abbleibt. Unter allen Umständen darf dies nicht geduldet werden, und es ist besser, daß die ganze Bespannung sich am ersten Tage in Galopp fest, als daß sie zurückbleibt und den Unteroffizier schließlich nöthigt, das Tempo zu verkürzen.

Denn jede solche Berkürzung rächt sich durch

die ersten Verluste, die die Infanterie bei ihrem Avanciren erleidet, da fie, was wir uns wohl einprägen wollen, ganz allein beschoffen werden wird und unsere Batterie selbst beim Abproßen nicht zu befürchten haben wird, feindliches Feuer zu erhalten, weil der Feind gar keine Zeit hat, plöglich Aufſaß und Richtung in dieser einen Minute zu ändern und die Infanterie loszulassen, welche ihm das dankbarste Ziel fortwährend darbietet.

Das Beschießen der Artillerie durch die feindliche erfolgt

nur, wenn Artillerie ganz allein vorgeht oder wenn der Feind eine Batterie gegen die vorgehende Artillerie und eine gegen die Infanterie in Thätigkeit setzen kann, also das Stärkeverhältniß der beiderseitigen Artillerie wie 2 : 1 ist, ein Fall, der immer mißlich und in unserer Aufgabe nicht angenommen ist. Der Unteroffizier des 2. resp. 3. Geschüßes in einer Kriegsbatterie hat vor allen Dingen darauf zu achten, nicht näher an das Richtungsgeschütz zu kommen, als 20 Schritt. Im Uebrigen reitet er sein Tempo oder vielmehr das Tempo des Unterofft ziers des Richtungsgeschüßes.

Alle anderen Unteroffiziere sehen für

gewöhnlich gerade aus nach dem Feinde und achten nur darauf, daß fie an ihre Nachbaren nach der Mitte nicht zu nahe herankommen. Eine 8*

116 Korrektion der Richtung beobachten sie nur ganz oberflächlich, wenn sie im Tempo sehr zurückbleiben ; denn vorkommen werden sie sehr selten. Je weniger die Unteroffiziere rechts und links sehen, desto besser ist es. Die Hauptsache. ist Tempo. Ist das Ziel der Batterie bekannt und weiß jeder, wohin der Richtungsunteroffizier geht, so ist es viel leichter, für die anderen Unteroffiziere sich in Bezug auf den Feind den Punkt zu wählen, wohin sie kommen müssen. Man kann , um hierin den Unter offizieren klar zu werden, beim ersten Vorgehen ihnen 4 Punkte ausstellen, auf welche sie loszureiten haben, und wohin sie ununterbrochen zu sehen haben. Wenn dann Alles hübsch Tempo reitet, wird die Batterie in jedem Augenblick gerichtet sein.

Das Vorgehen einer Batterie in geöff

neter Intervalle ist ungemein schwer ; namentlich wenn man immer ge richtet sein will.

Am wenigsten erreicht man dieses, wenn die Unter

offiziere ununterbrochen die Augen nach der Mitte haben, weshalb hjer auf auch unser Reglement auf S. 19 und 20 besonders aufmerksam macht. Man tadele nie einen Unteroffizier, wenn er seine Richtung verlor, aber ernstlich, wenn er ein schlechtes Tempo ritt und er die In tervalle verengte.

Es sind ja nur elementar-mathematische Kenntniſſe

erforderlich, um einzusehen, wie sich die Richtungsfehler fortpflanzen, und welche Thorheit es wäre, wenn der 2. Unteroffizier 5 Schritt vor die Front geriethe (vielleicht durch ein paar Galoppsprünge seines Pfer bes) und der 1. sofort seine Richtung über ihn nähme. Je beffer die Reiterei in einer Fußbatterie, je sicherer das Tempo ist, was in den Reittouren eingeübt ist, um so besser wird sich das Vorgehen einer Bat terie in Front machen. Kommt eine Geschüßbespannung niemals nach, so muß man, wenn die Pferde wirklich im Zuge gehalten werden, die Bespannung verbessern, alſo ein kräftiges Reservepferd einspannen, d. h. vielleicht ein Reserve- Stangenpferd als Mittel- oder Vorderpferd ver wenden, und dadurch den Schwächling ersetzen. Vor Allem aber, wir wiederholen es nochmals, sehe man darauf, daß die Stangenpferde nicht gezogen werden müssen, sondern selbst ziehen und zwar in dem genauen Tempo der Vorderpferde, denn sowie sie ein schwächeres Tempo gehen, müssen sie geschleppt werden. Die Stangenpferde haben immer die Neigung zum Pariren, weshalb der Stangenreiter gar zu gern dieser Neigung nachgiebt, und sie, namentlich auf ebenem Boden aus den Tauen oder überhaupt aus dem Zuge läßt. Es ist das häufig sehr

117 schwer zu sehen; am sichersten überzeugt sich man davon, wenn der Vor derreiter viel Sporen giebt und peitscht. ---- Wir sagten oben, daß wir dem Vorderreiter im Trabe gestatten wollen 4 Schritt vom Unterofft zier abzubleiben, und wir führen aus, daß wir ihm im Galopp fogar 6 Schritt gestatten wollen. Das erfordert die Praxis und erleichtert das Halten der Batterie ungemein. Das Reglement fordert freilich auf S. 20, daß der Vorderreiter nie seinę 2 Schritt verläßt. Das ist aber eine ideale Leistung, der wir gern nachstreben wollen, welche wir aber am allerwenigften am ersten Tage des Bespannt-Exerzirens erreichen tönnen. Ist die Bedienung auf ein schnelles Abproßen schon beim frühern Exerziren auf der Stelle gut eingeübt, so wird der Unteroffizier ſehr schnell ſein müssen, um vom Pferde auf den Punkt zu gelangen, wo er die Richtung anzugeben hat, in welcher der Laffetenschwanz nie dergesetzt werden muß. Die. Abgabe des Unteroffizierpferdes an den Mittelreiter und das Folgen dieses Pferdes beim Kehrtmachen der Proße werden wir bei Gelegenheit der Fahrübungen sicher so geübt haben, daß das jetzt keine Schwierigkeit haben wird. Im Uebrigen ist dies immer eine üble Sache, namentlich wenn man als Mittelhandpferd ein Remontepferd einspannt, das gegen das Unteroffizierpferd ausschlägt. Das sonst so sehr üble Kleben unserer Pferde hat hierbei einen Vortheil, daß in der Regel das Unteroffizierpferd, selbst wenn es der Mittelreiter loslassen muß, bei der Batterie bleibt. Wir glauben, daß vielleicht das Abfizen des Unteroffiziers mit Links um Kehrt und Abgabe des Pfer des an den Mittelreiter auf deffen linke Seite, und Rechts um Kehrt wenden der Proze, sich besser machen möchte, als gegenwärtig. Auch möchte vielleicht der Unteroffizier den ersten Theil seiner Funktion am besten ausführen können, wenn er zu Pferde bliebe und so das Herun tersezzen des Laffetenschwanzes dirigirte. Er kommt dann eher immer sicher zur Zeit auf seinen Posten, indem er sein Pferd von da aus eher zeitgerecht los wird. Wir bekennen, hierüber keine Versuche gemacht zu haben, da hierzu in der Batterie niemals Zeit war, und es uns bei willigen Pferden an Veranlassung fehlte. Wenn wir an der Hand des Reglements von dem Gefchüßführer fordern, daß er die Augen wesentlich vorwärts nach dem Feinde zu haben soll, so wird diese Anforderung in noch viel höherem Maaße an den Zugführer gestellt werden müssen.

Es kann da gar nicht darauf

118 ankommen, ob er in der Mitte der Intervalle 2 oder 3 Schritt ver seinem Zuge reitet und mit den beiden andern Kameraden in einer Linie fich bewegt. Die Hauptsache bleibt der Blick nach dem Feinde. Der Batterie-Chef hat sich sobald als möglich in die Stellung, welche die Batterie einnehmen soll, begeben und benußt die Minute, welche ihm noch disponibel bleibt, um Entfernung zu schäßen, Ziel auszuwäh len, die Feuerordnung sich zu überlegen 2c.

Er muß die Batterie wäh

rend dieser Zeit durchaus seinen Zugführern überlaffen und müſſen dieſe dafür sorgen, daß die Batterie ohne Stußen in die Stellung überhaupt kommt und in ihr gleich zum ersten Schuß die Geſchüße sämmtlich gut ftehen. Der Zugführer, welcher die Augen nach dem Feind hat, hat nur daran zu denken, daß diese Zwecke erreicht werden : er sieht als de Vorderste am frühesten die Terrainhindernisse, die sich einem oder beiden Geschützen seines Zuges entgegenßtellen, er kann genau übersehen, ob er vielleicht noch einige Schritte nach dem Signal Halten vorrücken muß, damit die Geschüße gut stehen. Das Reglement hat deshalb mit großem Vorbedacht die Zugführer von der Funktion entbunden, wie sie sie bei der Kavallerie haben und diese in die Hand des Geſchüßführers gelegt, Es muß aber auch entschieden darauf gehalten und der Zugführer ver antwortlich gemacht werden, daß sein Zug nach dem Abproßen gut steht. Reiten die Zugführer überdies ein richtiges Tempo, so wird auch bei den Friedensübungen es nicht so leicht vorkommen, daß die Linie der Zugführer erheblich mit der Batteriefront konvergirt oder die Zugführer ganz getrennt von der Batterie reiten, wiewohl dies Unglück noch nicht so groß wäre ; denn wir müssen bei der Elementar-Taktik der Batterie eins nie vergessen : die Batterie kämpft nie in der Bewegung, ſondern ihre Bewegungen sind immer nur nothwendige Vorbereitungen zum Kampfe. Eine Tirailleurlinie, welche den Befehl bekommt, aus einer Stellung in die 200 Schritt vorwärts gelegene zu rücken, begiebt sich

ale

nicht gerichtet dahin, sondern jede Rotte oder jede Gruppe läuft so schnell ſie kann in die neue Stellung. Denn unterwegs will man nicht fämpfen : es bedarf daher auch für diese Zeit der Richtung nicht, welche beim geschlossenen Vorgehen sowohl der Infanterie als Kavallerie von der größten Wichtigkeit ist. - Stehen unsere Zielpunkte so, wie wir sie in der Skizze angedeutet haben, also ziemlich weit von den Rändern des Exerzirplages, so konvergiren die Linien der Geschüße, wenn alles selbst

727

119 auf einen Punkt zuginge, noch nicht so erheblich, daß man besorgen müßte, nicht abproßen zu können. Da nun aber der Feind nie ein Punkt ist, sondern eine Front darbietet, so ist solches um so weniger zu besorgen. Das ängstliche Sichrichten und auch das zu besorgte nach der Intervalle Sehen hat für Kriegszwecke keinen Sinn, und wenn wir auch nicht, wie eine Schüßenlinie gruppen- oder geschützweise uns in die neue Stellung begeben wollen, so werden wir doch nicht unsere be sondere Aufmerksamkeit auf Erhaltung der Richtung der Offiziere, Un teroffiziere und Geschützachsenlinie zu richten haben, sondern dies mehr dem Tempo überlassen können. Wir haben geglaubt, hierbei recht aus führlich sein zu müssen, weil man häufig die Anforderungen, welche man mit Recht an eine en parade vorbeimarschirende Batterie ftellen muß, auf eine avancirende Batterie ausgedehnt hat, und weil die Mit tel, welche junge Batterie- Chefs ergreifen, um diesen Anforderungen zu genügen, sehr häufig, statt sie ihrem Ziele zu nähern, immer weiter davon ab führten.

Nach unseren Andeutungen können sie ganz sicher

sein, den äußersten Anforderungen zu entsprechen und dabei auch ihre Batterie für alle Kriegszwecke recht hübsch auszubilden. Es ist unmöglich bei unserer Waffe, die nur auf ihre Fenerwir fung reducirt ist, beim Exerziren irgendwie ihren Erfolg zu martiren. 聊 Wollten wir nur annähernd so lange in der Stellung bleiben, bis wir uns selbst glauben machen könnten, daß wir einen Erfolg erreicht haben, so bliebe es bei jedem Exerziren bei einer, höchstens zwei Stellungen. Mehr wie drei Stellungen haben wohl wenige Batterien in der 12 Stunden dauernden Schlacht von Königgrätz auf unserer Seite einge nommen. Wir wollen aber beim Exerziren so oft wie möglich Stel lungen einnehmen ; denn das ist ja eben der Zweck unserer Uebung und daraus folgt, daß, wenn man nicht einfach dieselbe Aufgabe mehrere Male hintereinander wiederholen will, man in ſeinen Gefechtsvorausseßun gen einige Aenderungen herbeiführen muß und das Feuer sehr bald stopfen läßt. Durch folgende Suppofitionen, die der Batterie- Chef den Offi zieren und Unteroffizieren ganz kurz mittheilt, würden wir in ein neues Gefecht gelangen.

Unsere Infanterie-Brigade ist unter dem Schuß un

seres Feuers gegen die Höhe d vorgerückt und die südliche Batterie zum Verlaffen ihrer Stellung genöthigt. Dafür tritt plöglich eine feindliche Batterie in f auf. Also Richtung rechts nach f, dem Hauptziel für

120 diesen Augenblick auf 1200 Schritt.

Diese feindliche Batterie bereitet

aber nur das Erscheinen einer augreifenden feindlichen Infanterie-Maffe vor, welche nach einiger Zeit bei e auftritt. Sofort wird das Feuer nach der Batterie aufgegeben und Richtung geradeaus (wenn die nach d links genannt würde) 2000 Schritt auf die feindliche Infanterie ge nommen. Unsere Infanterie zieht sich treffenweise zurück. Die Batterie schließt sich diesem Rückzuge an und feuert nun wieder gegen die feind liche Batterie bei f, da die Distanze nach der Infanterie bei e (weil wir unsere Zielpunkte nicht auf uns zu kommen lassen können) zu groß wird.

Diese legte Annahme führt zu einem Stellungswechsel und zu

unserer zweiten Aufgabe. 2. Aufgabe. Rückzug der Batterie mit ihrer Infanterie-Brigade in der Richtung nach dem Rande des Plazes ad unter Feuerbereit schaft gegen eine feindliche Batterie bei f. Ausführung. Der Rückzug geschieht in Zug- Echellons von einem Flügel. Der erste Zug prott (bei einer 4pfündigen Batterie) zum Zurüd gehen auf und geht (bei einer 6pfündigen an der Kette) 200 Schritt zurück und feuert nun auf 1400 Schritt auf die feindliche Batterie. Dann proßt der zweite Zug auf und geht 400 Schritt, wie der erſte im Schritt zurück, feuert auf 1600 Schritt, endlich proßt der erste Zug auf und allignirt sich mit dem zweiten Zuge und verstärkt das Feuer des zweiten Zuges, wonächst dann die letzten 400 Schritt die ganze Batterie auf einmal zurückgeht und auf 2000 Schritt das Feuer aus -der letzten Stellung eröffnet. Wir glauben, daß ein solches zugweiſes Zurückgehen wesentliche Vortheile vor dem Zurückgehen der ganzen Batterie hat, so lange wir auf Entfernungen unter 1600 Schritt mit dem Feinde engagirt sind. Die zurückgehende Artillerie hat einem stehenbleibenden und feuernden Gegner gegenüber beiläufig den großen Vortheil, daß sie, wenn man nicht vergißt, die Schritte zählen zu lassen, die neue Entfernung genau kennt, während der Gegner sich erst einschie ßen muß*), was über 1600 Schritt immer einige Zeit erfordern wird. *) Aus der Nothwendigkeit, sich einschießen zu müssen, wird häufig von Unkundigen der gegenwärtigen gezogenen Artillerie ein Vor wurf gemacht der früheren glatten gegenüber ! Diese Legtern hät ten sich auch gern einschießen mögen. Das Unglück war nur,

121 Bei unserer Uebung werden wir aber gerade einen solchen zugweisen Rückzug anordnen, um den Zugführern Gelegenheit zu geben, sich in der Führung ihres Zuges nach einer Gefechtsidee zu üben. Es wird bei dieſem zugweiſen Abziehen zu beachten sein, daß der erste Zug sich gleich mit halb links oder kurz halb links so weit fort zieht, daß er später mit dem zweiten Geschüß etwa 40 Schritt beim dritten vorbeifeuert.

Bei einer Batterie à 6 würden wir empfehlen,

den Rückzug aus dem Feuer so auszuführen , daß das zweite abziehende Echellon aus 4 Geschützen besteht, da sonst doch wohl der dritte Zug zu lange in der Position bleiben und Aussicht haben würde, vernichtet zu werden.

Mit dem ersten Zug marschirt auch die erste Wagenstaffel

ab. Für die dritte und lehte Aufgabe für dieſen ersten Uebungstag würde folgende Gefechtsidee das Motiv geben . Die Infanterie-Brigade mit ihrer Batterie erhält den Befehl, die rechteFlanke des von ad nach be vorrückenden Korps durch eine Rechts= schwenkung zu decken. Die Batterie, schon auf dem rechten Flügel der Brigade stehend, befindet sich also am Pivot. Ausführung. Die Brigade tritt mit der Batterie gleichzeitig an. Diese letzte schwenkt um 90 Grad rechts und geht mit dem Rich tungsgeschüß auf den Zielpunkt i los. Der Batterie- Chef macht die Annahme, daß in diesem Augenblick Kavallerie-Maffen überraschend er scheinen und die Batterie die Schwenkung der Brigade also gegen diese Kavallerie decken muß.. Eine Infanterie-Kompagnie ist zur Deckung der rechten Flanke der Batterie bis an den Rand des Plates cd vorge schoben. Die Batterie proßt ab und chargirt mit Kartätschen 500 Schritt. Wir glauben, daß dieses die sachgemäßeßte Lösung der Aufgabe ist. Die Kavallerie vielleicht noch auf 1500 Schritt mit Granaten beschießen und dann zum Kartätschfeuer übergehen, würde nur dahin führen, daß wir beim Eintreffen der Kavallerie auf 500 Schritt sie nicht aus allen Ge ſchüßen mit Kartätschen beschießen könnten. Wir halten nämlich alle Granaten gegen eine in Attackengangarten vorgehende Kavallerie, nament lich, wenn sie ab und zu durch Terrain-Mulden verdeckt wird, für ver daß ihre Geschüße es nie dahin brachten und sich bei Resultaten begnügen mußten, die bei gezogenen Geschüßen überhaupt gar D. Verf. nicht mehr gerechnet werden.

122 lorene Munition, es sei denn, daß man nach §. 350 , S. 415 der Dienst vorschrift von 1868 Salvenfeuer mit Granaten gegen ſie abgeben könnte, wenn sie Punkte erreichte, deren Entfernung wir genau kennen oder

Grana

näher ermittelt haben.

Mr&

Es ist wirkich vorgekommen, daß der Auffag

für das Kartätschfeuer mit dem alten für das Granatfeuer verwechselt worden ist und der ganze Kartätschschuß über die attackirende Kavallerie hinweggegangen ist.

Geben wir den ersten Kartätschschuß zu früh ab,

etwa auf 6-700 Schritt, so wird dies bei günstigem Terrain, was immer angenommen werden muß, da sonst die ganze Attacke im Sumpf stecken bleiben würde, kein Fehler sein, und wir werden in der leßten Minute noch mindestens 12 Kartätschschuß anbringen können. - Die Kavallerie ist nicht unser schlimmster Feind. geht sie auch schnell.

Wie sie schnell kommt,

Mit dem Schnellfeuer der Infanterie-Kompagnie

in unserer rechten Flanke, dem das Bataillon des ersten Treffens in unserer linken, wird übrigens die Wirkung auf die erste Kavallerie-Linie so bedeutend sein, daß diese rechts abschwenken wird, um der Reserve das Weitere zu überlassen.

Gegen diese werden wir dann noch 2 bis

3 Kartätschlagen übrig haben. Die weitere Beschießung wird mit Gra naten eintreten müssen, da wir nur eine so kleine Anzahl Kartätſchen in den Prozen haben und eine Komplettirung dieser Schußart aus der ersten Wagenstaffel in diesem Augenblick nicht gedacht werden kann. Schon dieser Umstand wird uns bestimmen müssen, mit den Aufgaben, die das Kartätschfeuer im Auge haben, sparsam umzugehen. Ein Vor . an sich überhaupt gehen in starken Gangarten zum Kartätschfeuer nur denkbar, wenn man einen halbgeschlagenen Feind vor sich hat ftößt sich schon an den geringen Munitionsbestand an dieser Geschoßart in unsern Proten. Außerdem aber muß beim Kartätschfeuer das Ter rain auf mindestens 700 Schritt fest und als solches vorher erkannt sein, ein Umstand, dem bei dieser Offensive wohl in den seltensten Fäl len Rechnung getragen werden kann. Wir glauben, daß sich eine Aus rüstung unserer Progen und Laffeten mit Kartätschen mit in Summa 7-9 Kartätschen empfehlen würde.

Es ist kein Grund vorhanden, die

Zahl dieser Schüsse im Verhältniß zu der übrigen Proß-Ausrüstung mit Granaten so niedrig zu bemessen. Am wenigsten kommt wohl die ausgezeichnete Trefffähigkeit der Granaten hierbei in Betracht. Ein glatter 12pfünder der Fuß- resp. der reitenden Artillerie führte 6 resp.

123 8 Kartätschschuß neben 34 resp. 32 Granaten und Shrapnels in der Proge mit, also 1/7-1/5 des Ganzen. Unser 6pfünder hat 4 neben 27 Granaten = 1/8 und unser 4pfünder hat 5 neben 44 Granaten = 1/10 der Gesammt- Ausrüstung der Proße und Laffete. d Je besser die Gra natwirkung und je schlechter die Kartätschwirkung eines Geschüßes ift, um so reicher muß die Ausrüstung mit Kartätschen in unmittelbarer Nähe beim Geschütz nach unserer Meinung sein ; denn die Menge muß eben die geringere Wirkung ergänzen. Es ist dabei in keiner Weise gesagt, daß aus dieser reichen Ausrüstung mit Kartätschen in den Prozen zu folgern wäre, daß mir uns hauptsächlich auf diese Schußart legen sollten. Ganz im Gegentheil! -- Der Kartätschschuß ist und bleibt der Nothwehrschuß .

Aber für diesen äußersten Fall müffen wir eben avant

tout vorgesehen sein ; zumal ein Ersatz der verschossenen Munition, wie oben gezeigt,

nicht vorgenommen werden kann, während der an Gra

naten unter allen Verhältnissen sicher gestellt sein wird.

Für eine Ein

führung der Shrapnels mit Zeitzündern ist es uns noch nicht gelungen, uns begeistern zu können. Da wir aber überhaupt hier nicht über Or ganisation und Ausrüstung, sondern über Ausbildung schreiben und wir derzeit nur Kartätschen und Granaten zu verwenden haben, so ist von Shrapnels nichts zu sagen. Unseren ersten Uebungstag würden wir wie immer mit einem Parademarsch beschließen, und im Schritt, das 4. Geſchüß voran, unsern Rückmarsch in die Garnison antreten. Wenn wir nichts davon gesagt haben, daß schon am ersten Tage auf das allerstrengste auf Ruhe und Stille in der Batterie gehalten werden muß, so ist dies nur geschehen, weil diese Sache überhaupt die Grund lage aller militairischen Uebungen bildet.

Nur der Batterie- Chef kom

mandirt, spricht und korrigirt ,, alles Uebrige vom legten Rekruten bis zum Premier-Lieutenant paßt auf ihn auf und achtet vor allen Dingen darauf, daß ihm nicht selbst ein Fehler begegnet. Die Kommando's der Zugführer find so laut zu geben, daß sie von ihrem Zuge gehört wer den, weder lauter noch leiser. Winke sind erlaubt, aber auch das leiseste Geflüster ist ganz unstatthaft. Auf dem Marsch nach Hause wird der Batterie- Chef Gelegenheit nehmen, mit den Offizieren und Unteroffizieren die 3 kleinen Aufgaben, die die Batterie 1 bis 2 Mal gelöst hat, zu besprechen.

Er wird Jeden

nach seiner Meinung fragen und wird die Aufgaben, die er vielleicht

124 für den nächsten Tag schon überlegt hat, heute durchgehen. Das tann sehr ungenirt, und bei der großen Leidenschaft, mit welcher die Bevöl kerung der Norddeutschen Staaten dem Tabackrauchen ergeben ist, auch bei einer Cigarre geschehen.

Es ist das immer sehr viel zweckmäßiger,

als wenn der Batterie- Chef vielleicht bloß mit den Offizieren eine Un terhaltung pflegt, die mit sehr viel mehr Ruhe im Kaffeehause abgemacht werden könnte, oder wenn er in Entrüftung über die Fehler seiner Bat terie mit dem Feldwebel (der beiläufig bei jedem Exerziren der Batterie dabei sein muß) die Strafliste entwirft. - Wer im Ab- und Aufprogen träge und ungeſchickt war, übt Nachmittags am 5. und 6. Geſchüß nach; + das ist keine besondere Strafe, der Rekrut, welcher am ersten Tage am Geschütz sprach und wild wurde, den Säbel verlor u. dergl. bekommt eine Mahnung unter Androhung von Strafe u. s. w. Aber das wird nach dem Abspannen kurz angeordnet. Dazu bedarf es keiner Konferenz mit dem Feldwebel. Die Bewegung der Bedienung an dem fahrenden Geschütz wird auch geübt, das rasche Aufsißen derselben ebenfalls, nachdem selbstredend vorher gehalten ist, das Abfitzen der Mittelreiter in der Bewegung , das Abfizen aller Fahrer und Führer der Pferde, wird beim Marschiren in langen Kolonnen ganz zweckmäßig sein, das Vorbeimarschiren der hin teren Geschütze, wenn das vordere aus irgend einer Veranlassung steht - alles das sind Uebungen, die beim Nachhausemarsch so lange geübt werden, bis. Alles klappt. Hierzu gehört auch das Fahren mit der Kreuzleine. Die lange Peitsche macht sich der Stangenreiter durch An knüpfen eines Bindfadens, den er hierzu immer mit hat, an seine Peitsche. ― Das Abspannen geschieht natürlich mit Hülfe der Bedie nungsmannschaften, ebenso helfen diese beim Abschirren. Das Reinigen der Geschirre unmittelbar nach dem Abschirren darf mit Ausnahme des Abwischens der Eisentheile, nicht sofort angeordnet werden.

Es muß

vielmehr mit Strenge darauf gehalten werden, daß die Fahrer sämmtlich zeitgerecht zum Mittagessen marschiren.

So lange wie sie noch im

Stalle zum Abreiben der Pferde beschäftigt werden, können die Fuß mannſchaften zum Reinigen der Geſchüße benußt werden, so daß, wenn irgend möglich die ganze Batterie nach den Kasernements gleichzeitig rückt. Auf diesen Schluß der Uebung halte der Batterie- Chef ja, er wird für alle Zwecke sehr viel dabei gewinnen.

125 Für den Nachmittag ist selbstredend die Reinigung der zum Exer ziren benußten Geschüße 2c. das Erfte, was vorgenommen werden muß. Demnächst Revision der einzelnen Theile 2c. durch die Zugführer. Die Ungeschickten exerziren nach am 5. und 6. Geschütz, die Geschickten reini gen und führen Handhabungsarbeiten aus, die sich damit am besten vereinigen lassen.

Dieses Lettere geschieht am besten zugweise, da jeder

Zugführer für sein gesammtes Material dem Batterie- Chef gegenüber verantwortlich gemacht werden muß. Für die Instruktion am Abende werden die Uebungen des Tages, wenn diese in solcher Weise angestellt waren, die besten Thematas_ab geben. Auch wird für den folgenden Tag dadurch die beste Verbindung gewonnen werden können . Wir haben am ersten Tage nur diejenigen einfachen Bewegungen mit der Batterie gemacht, welche ohne sorgfältige Einübung der scharfen Wendung, mit der wir erst nun begonnen haben, ausführbar sind. Das Vorhalten des Pivotgeschüßes beim Schwenken der Batterie mit geöff neter Intervalle ist so ungemein einfach, daß man nur eben theoretisch etwas von der scharfen Wendung gehört zu haben braucht, um richtig zu verfahren.

Je mehr es nun gelingt, in der Fahrstunde von Beginn

des Bespanntexerzirens die scharfe, halbe und ganze Wendung einzuüben, um so mehr wird man in die kleinen Exerzir- Aufgaben diese Wendun gen verflechten. In Betreff ihrer selbst haben wir nur noch zu bemer ken, wie Zeichnungen, nach Art der von uns dem I. Theil beigefügten, sehr zum Verständniß der Sache führen werden. Der Hauptfehler wird fast immer vom Mittelreiter in der Art begangen, daß er, statt sofort die Wendung gleichzeitig mit dem Vorderreiter zu machen, erst abwar tet, bis´dieſer ihm bereits das Gesicht zukehrt.

Dann kann natürlich

von der ohnehin immer nur sehr schwer auszuführenden Unterstützung der Drehung der Deichsel durch den erforderlichen Anzug der Taue seines innern Pferdes (namentlich wenn dieses bei Rechtsum das Hand pferd ist), wie solches die Fahrinstruktion verlangt, die Rede sein.

Die

Sache wird aber ganz gewiß mißlingen, wenn man, was in der Regel leider noch immer geschieht, den einfältigsten Menschen zum Mittelreiter macht und ihm das schwierigste Pferd, vielleicht ein Remontepferd zur Hand giebt. Wir haben uns schon im I. Theil und an andern Orten darüber ausgesprochen, wie wenig die Stelle als Mittelhandpferd gerade

126 für ein neu an den Zug zu gewöhnendes Pferd - wenn es sich dabei um Ausführung von scharfen Wendungen handelt - geeignet ist, und können den §. 104 unserer Fahrinstruktion nur so auffaffen, daß es ſich dort zunächst überhaupt nur darum handelt, den Neuling an den Zug, also zunächst auf gerader Linie, zu gewöhnen. Die verhältnißmäßig fur zen Taue der Mittelpferde, die raschen Bewegungen der Vorderpferde, welchen es nicht sofort folgen kann oder soll, die Furcht vor den Stan genpferden, das Rasseln und Klappern des Geschüßes, das rüde Herum reißen mit dem Handzügel, müssen ja ein junges Pferd dahin bringen, daß es sich durch einen Sprung, der gar nicht hoch zu sein braucht, aus seiner Einengung befreit und nun zeigt, wie wenig wir es in un serer Gewalt hatten. Da nimmt denn das Ausschlagen und Herum rasen kein Ende, der einfältige Mittelreiter wird schließlich vom Pferde gerissen und die ganze Sache entwickelt sich zum Trauerspiel. Am besten lernt ein Pferd an der Deichsel ziehen, und da ist es auch am ruhigsten, nächſtdem würden wir es zum Vorderhandpferde machen und zulest in die Mitte nehmen . Um ein unbändiges Pferd im Zug in der Gewalt zu haben, giebt es aber nur ein Mittel, nämlich einen tüch tigen Reiter darauf zu setzen.

Ist es überhaupt geritten, so wird es

leichter sein, ihm seine Unbändigkeit im Zuge durch einige paſſende Reitlektionen zu legen, als wenn wir ihm mit dem Handzügel jene rohen Hülfen geben, auf die kaum ein gerittenes Pferd eingeht. Auch hier würden wir erst bei der Stange anfangen, dann nach vorn gehen. und zulegt in der Mitte endigen. Denn um die Bewegungen richtig auszuführen, welche von den Mittelpferden verlangt werden , gehört neben vorzüglicher Ausbildung in der Reiterei ein ruhiges bescheidenes Temperament, welches wir am wenigsten bei einem Remontepferd bean spruchen könnten. Daß man ein Remontepferd nicht todt zu fahren braucht, wenn man es selbst ohne Weiteres zum Vorderſattelpferd macht, dafür könnten wir ein Beispiel aus unserer eignen Erfahrung anführen. Durch sehr mißliche Verhältnisse wurden wir bei der Mobilmachung 1866 gezwungen, ein Remontepferd des Ersages Herbst 1865 als Vor dersattelpferd bei einem Wagen zu verwenden. Das Thier war kräftig und wohl gebaut, feurig und auch ein wenig kißlich. Der Reiter, wel cher es zugeritten hatte und nun auch im Zuge reiten sollte, war alter Fahrer, hatte also gerade 1 Jahr und 6 Monate geritten, wog 151

F

127 Pfund *) und war nichts weniger, als ein sicherer Reiter.

Namentlich

saß er nicht fest, was sein munteres Pferd oft benußt hatte, um ihn den Sand der Reitbahn küssen zu laffen. Reiter und Pferd verstanden sich aber, beide blieben die ganze Kampagne zusammen, und als wir nach 5 Monaten wieder einrückten, war das Remontepferd in dem aus gezeichnetsten Zustande in jeder Beziehung. Zu Anfange mochte es nicht gern ziehen, zog sich denn auch durch; schließlich aber zog es ganz vor züglich und leistete diesem ziemlich schlecht bespannten Wagen die besten Dienste. Unsere Fahrinstruktion verlangt S. 59 a 1, vom Vorder- und Mittelreiter, daß sie die ursprüngliche Verlängerung der Prozachse mit der halben Länge ihres inneren Pferdes überschreiten. Diese Instruk tion, so wörtlich den Fahrern erzählt, wird von ihnen nicht verstanden. Auf dem Worte

ursprünglich" liegt überhaupt der Accent und im nachVerlängerung" da hört schon längst das Verständniß auf! Wenn der Stangenreiter gleich nach der Wendung des Vorder- und Mittel

Wit

Art

1

reiters die Deichsel dreht, und das ist der Augenblick, wo diese Reiter etwas von der Prozachse sehen, geht die Verlängerung desselben natür lich ganz wo anders hin und hat für den Vorderreiter gar keine Be deutung mehr. Er hat aber für seinen Weg einen viel sicheren Anhalt an der Mitte der Proze, welche ihm zunächst ist, und welche während der Bewegung ziemlich fest steht ; mit einem Worte, die Front der Bat terie, durch die Verbindungslinie der Proßen markirt und für den Vor derreiter deutlich übersehbar, ist die Linie, welche er zu überschreiten hat 2c.

Das ist natürlich nur unter der Vorausseßung wahr, daß die

Batterie vor Ausführung einer scharfen Wendung gerichtet war : eine Bedingung, welche überhaupt für die gute Ausführung jeder Wendung gemacht werden muß. Das Festhalten des inneren Progrades ist namentlich bei Rechtsum für den Stangenreiter ungemein schwierig und kann nur, wie das ganze Fahren erreicht werden, wenn die Pferde ganz besonders gut geritten. find.

Alles Fahren und Wiederholen bringt die Sache nicht weiter,

*) Der schwerste Reiter in der Stammbatterie wog im Reitanzuge ohne Seitengewehr 169 Vfd., der leichteste 127 Pfd. Beide Ex treme waren Unteroffiziere. Der schwerste Kanonier (Stangen reiter) wog 168, der leichteste (Vorderreiter) 132 Pfd. Das Durch schnittsgewicht aller 20 fahrenden Artilleristen betrug 149 Pfd. D. Verf.

128 wenn wir die Reiterei nicht weiter bringen.

Deshalb wolle man mit

größter Konsequenz bei allen Uebungen zu Pferde auf den Siz der Reiter und die Führung der Pferde achten: eine jede Vernachlässigung hierin bringt Mann und Pferd zurück.

Die lange Pause, welche nach

dem Abproßen der Batterie für die Fahrer entsteht, ist mehr wie hin reichend, um von ihnen während der Ausführung der Bewegungen die größte Anspannung zu verlangen.

Daß die Fahrer diese Pauſe übri

gens benußen, um alles das in Ordnung zu bringen, was erforderlich ist, bemerken wir bei dieser Gelegenheit. Je rascher, je unbemerkter der Mann herunter und wieder heraufkommt, je weniger dabei geflüstert wird, um so beffer ist der Dienst und der Apell in der Batterie.

Daß

jeder Fahrer Bindfaden und Messer immer bei sich haben muß, ſceint uns kaum nöthig zu erwähnen. Das Verstärken des Tempos seitens des Vorderreiters im zweiten Moment der ganzen scharfen Wendung, S. 62, 2, ist auch etwas, was selten richtig gemacht wird. Die ganze Wendung wird, namentlich wenn der Mittelreiter nicht ungemein auspaßt, häufig für Vorder- und Mit telreiter zu einer Volte von 180 Grad, bei welcher der Vorderreiter den Mittelreiter mitunter noch schleppen muß. Auch der Stangenreiter be gnügt sich häufig mit einem Bogen, statt mit zwei scharfen Wendungen und überläßt das Anziehen ganz den vier Vorderpferden in der guten Absicht, seine Thiere zu schonen.

Das muß man auf das Ernstefte

rügen ; denn zuletzt müssen Vorder- und Mittelpferde noch den ganzen Stangenreiter mit seinen Pferden nachziehen.

Das Vorrücken von 4

Schritt, S. 63, bei welchem die Stangenpferde ganz allein das Geschüt ziehen müssen, muß sich ganz entschieden markiren und muß aber auch von dem Stangenreiter mit größter Sicherheit ausgeführt werden ; denn sonst verliert man Intervalle und das Geſchüß steht schief. Es wäre nicht praktisch abzuwarten, bis die scharfe Wendung tadel los geht, und wir werden nicht länger wie 8 Lektionen in der Weise betreiben, daß wir die Bespannung 1 Stunde vor dem Exerziren allein üben, mithin in der zweiten Hälfte der zweiten Woche mit der ganzen Batterie gleichzeitig ausrücken. Je mehr das Bespanntexerziren die Aus führung der scharfen Wendung verlangt, um so weniger Zeit wird man auf die besondere Einübung derselben verwenden.

129 Wir wollen nun noch einige Uebungen der Batterie durchnehmen innerhalb der ersten 10 Tage, während welcher also noch immer die erste Stunde zu den Fahrübungen benutzt wird. Immer uns in Verbindung mit einer Infanterie-Brigade denkend , kommen wir zu Aufgaben, welche daraus hervorgehen, wenn man sich die Batterie in der Rendez-vous Stellung hinter der Front der Brigade denkt und ihre Verwendung auf einem Flügel oder ausnahmsweise in der Mitte erst von den näheren Umständen des Gefechtes abhängig gemacht werden kann : endlich auch, wenn das Rendez-vous für die Batterie in Berücksichtigung des beschränk ten Raums in Kolonnenformation auf einer Straße angenommen wer den muß - das Ausnahme-Rendez-vous (Siehe oben). Unter allen diesen Voraussetzungen werden wir den Gegner nicht in Stellung vor, aussegen dürfen; denn sonst wäre ja über die Verwendung der Batterie auf dem einen oder andern Flügel ein Zweifel nicht denkbar.

Die all

gemeine Stellung des Gegners wird von uns nur vermuthet, unsere erften Bewegungen - Vor- oder Flankenmarsch — geschehen außerhalb der feindlichen Einwirkung, wenn auch nicht ohne Berücksichtigung der plöglichen Möglichkeit einer solchen, da wir auf unserm Exerzirplatz immer auf dem Schlachtfelde sind, und wir erhalten unsere Aufgabe immer schon in der Bewegung, die nur im Allgemeinen die Richtung auf den Feind hat. Diese Situation ist ein sehr sicheres Bild der Wirklichkeit, welche uns den Gegner fast immer verhüllt und ihn namentlich in seinen Stärkeverhältnissen - stets unübersehbar macht. Wir können daher in unsern Aufgaben nie von so und so vielen Ba taillonen oder Eskadrons Kavallerie sprechen, die der Gegner vor uns hat. Selbst seine Geschüße, die er in Position schon hat oder sofort dahin bringt, können in der Wirklichkeit gar nicht taxirt werden.

Wel

Hes Kaliber der Feind in Stellung hat, erfahren wir erst, wenn er die Güte hat, uns seine Geschosse zuzusenden.

So sind wir bei einem An

griff, den man immer zunächst zum Grunde legen muß, weil nur bei ihm die Initiative zu den Entwicklungsbewegungen auf unserer Seite ist, über das Wesentlichste im Unklaren, und darin liegt für die Fuß batterie immer eine Schwierigkeit, die sie nur durch die beste taktische Ausbildung auf dem Exerzirplaße überwinden kann. Wir kommen hier zum geschickten Manövriren mit Rücksicht auf die Infanterie, die wir weder umfahren noch umschießen dürfen, aber unter allen Umständen 9 Bierunddreißigster Jahrgang. Band LXVIII.

130 zeitgerecht unterstützen sollen. Sämmtliche Aufgaben, welche aus diesem Verhältnisse hervorgehen, können ebenfalls auf unserm Exerzirplay, deffen Größe beiläufig den gewöhnlichen Maaßen solcher Pläge entspricht, ohne alle weitere Supposition in Bezug auf das Terrain, zu deren prinzi piellen Gegnern wir uns deshalb rechnen, weil schließlich uns dabei im wahren Sinne des Wortes der Boden unter den Füßen schwindet, gelößt werden. *) Wir wollen Aufgaben und Löſung nur kurz andeuten.

Die Bat

terie steht hinter der Brigade mit geöffneter Intervalle mit dem Rücken an ad. Die Brigade tritt in der Richtung auf Zielpunkt e an. Die Batterie erhält, nachdem sie etwa 100 Schritt gerade vorgegangen ist, den Befehl, sich auf den linken Flügel der Brigade zu setzen, während diese sich nach rechts entwickelt und zum Gefecht formirt. Die Bewe gungen der Batterie hierzu geschehen mit aufgeseffener Bedienung, ent weder "Linksum " Trab und dann rechts Front und gerade aus Vor gehen bis etwa 50 Schritt vor das erste Treffen, oder geschloffen links abschwenken und geöffnet rechts einschwenken. Da wir noch keine Feuer wirkung des Gegners annehmen, sind beide Bewegungen gleich gut und kann diese Aufgabe also doppelt gelöst werden. Eine Variante dieser Aufgabe möchte sich auf folgende Weise ergeben.

Nachdem die Batterie

geschloffen links abgeschwenkt hat, erhält die Brigade Befehl eine Vier tel-Linksschwenkung zu machen gegen ein Gegner bei a - b - i. Die Batterie öffnet sofort links (nicht rechts, da hierdurch die Brigade zum Rechtsschieben genöthigt würde) und geht auf a angemessen weit vor. Was nach dem linken Flügel geübt wurde, kann nach Rückkehr in die ursprüngliche Stellung, zu welcher Bewegung auch ohne feindliche Ein wirkung das Motiv aus der allgemeinen Gefechtslage hergenommen werden kann, nach der rechten Flanke ganz in derselben Weise geübt werden. Bersetzen wir uns in die Lage einer mit ihrer Batterie isolirt vor gehenden Brigade, deren beide Flanken exponirt sind, so werden wir es

*) Manöver, bei welchen die Saatfelder als ungangbar angesehen werden müssen und die Artillerie daher ununterbrochen nöthigen, immer wieder auf die Wege zurückzukehren, sind kaum noch für unsere Waffe zu den belehrenden Uebungen zu rechnen. D. Verf.

131 zweckmäßig finden, wenn die Batterie in die Mitte genommen wird, so daß 1 Regiment rechts, 1 Regiment links derselben vorgeht. Der Ab stand beider Regimenter 140 Schritt *), in welcher Intervalle die Bat terie sich befindet. Wir glauben bei dieser Gelegenheit unsere Meinung in Betreff der Formation einer Infanterie-Brigade zum Angriff in Ver bindung mit Artillerie dahin präciſiren zu müffen, daß wir es dabei für zweckmäßiger halten, die Regimenter flügelweise zu formiren als treffenweise eines im ersten , das zweite im zweiten. Wir werden im ersten Treffen die beiden Musketierbataillone also in Summa 4 Batail lone in Halbbataillone uns formirt denken können, während die beiden Füsilier-Bataillone das 2. Treffen geschlossen bilden. Der Brigade-Kom mandeur in der Mitte der Batterie, welche für diesen Fall gar keine Partikular-Deckung bedarf, würde die Bewegung seiner Brigade von dort aus zweckmäßig leiten und seinen beiden Regiments-Kommandeuren eine wirkliche taktische Stellung anweisen können. Wir haben diese For mation in unserem Plänchen angedeutet, weil wir sie beiläufig für die Ntärkste taktische Form des Angriffs einer Brigade mit Artillerie ( wenn dieselbe nur aus einer Batterie besteht) halten. Die Batterie wird sich beim weitern Avanciren immer mindestens 50 Schritt vor der Front halten, resp. in der Höhe der Soutiens der Schüßenlinie, um ja nicht maskirt zu werden.

In dieser Lage ist die Batterie ungemein in ihren

Bewegungen beschränkt und es wird die ganze Aufmerksamkeit des weit vor befindlichen Batterie- Chefs erfordern, um Terrainhindernissen auszu weichen.

Als Exerzir-Uebung wird hier das Abbrechen in Zügen und

Wiederaufmarschiren sehr motivirt erscheinen, auch der Frontmarsch mit Augen rechts oder links, unter Abstand von 100 Schritt von dem näch ften Infanterie-Bataillon zu halten, und wird ein Gegenstand der Uebung sein müssen.

Denkt man sich mit einer so formirten Brigade in das

Gefecht gehend, so wird man mit der Fußbatterie dreist noch weiter vor ihrer Front vorgehen können, als 50 Schritt, um den eigentlichen In fanterie-Kampf vorzubereiten. Beim ursprünglichen Vorgehen ist die Bedienung nicht aufgeseffen, um das Passiren von Terrainhinderniſſen

*) Nach ausgeführtem Deployement der Bataillone des ersten Tref= fens, vom linken Flügelmann des 2. Bataillons 1. Regiments bis zum rechten Flügelmann des 1. Bataillons 2. Regiments ges D. Verf. rechnet. (Siehe im Uebrigen die Figur.) 9*

132 zu erleichtern, und weil man sich nur im Schritt bewegen kann. If aber der Feind sichtbar, dann Bedienung auffißen und Trab bis auf 1000 Schritt an den Feind heran, wenn er Artillerie bei sich hat. Kann man das nicht, ohne zu weit vor die Front zu kommen, so muß man keine Feuerstellung nehmen, sondern mitmarschiren.

Die Verluste wer

den nicht zu bedeutend werden. Hat man nur Infanterie als Gegner, so wird man auf 1200 Schritt möglichst bald heranzukommen suchen, um dann erforderlichen Falls die zweite Stellung auf 800 Schritt zu nehmen. Auf dieſe Entfernung wird dann für gewöhnlich die Entschei dung abgewartet. -- Daß Infanterie Kavallerie angreift, kann nicht vorausgesetzt werden, weshalb hiervon nicht gesprochen wird. Ein noch weiteres Vorgehen, etwa auf 500 Schritt an die feindliche Infanterie-Masse halten wir bei der Feuerwirkung der gesammten euros päischen Infanterie für zwecklos, da auf diesen Entfernungen schließlich die Infanterie durch ihr Schnellfeuer mehr leistet, als die Artillerie durch Kartätschfeuer, welches wir bei der geringen Dotirung unserer Progen immer nur auf die Nothwehrfälle zu beschränken haben werden. Es hieße die Zwecke der Artillerie verkennen, wenn wir sie in dieſer Weise verwenden wollten, zumal der Ausgang eines so forcirten Ge fechtes sehr zweifelhaft sein dürfte und leicht der dabei engagirten Bat terie sehr peinliche Verlegenheit zu bereiten im Stande wäre. Hier stehen wir eben am Wendepunkt des Zuviel. Das Zuwenig haben wir entschieden zu vermeiden, nämlich die Kanonade auf 2000 Schritt und darüber, aber näher, wie 800 Schritt, wo man schon sehr deutlich das Zischen der feindlichen Gewehrgeschosse hört, hat keinen Zweck mehr. Der russische Oberst Dragomirow sagt in seinen Skizzen des Defter reichisch-Preußischen Krieges auf S. 32 Folgendes : THA ,,Die preußische Artillerie schoß sicher und manövrirte gut, ihr ma terieller Theil befand sich in ausgezeichnetem Zustande ; man ist aber geneigt, dem Verluste der Geschüße eine zu hohe Bedeutung beizulegen, und hegt überdies die Ueberzeugung, daß bei der heutigen Schußweite und Wirksamkeit die Artillerie nicht nöthig habe, die andern Waffen gattungen beständig zu begleiten, sondern selbständig in rückwärts genom menen Positionen bleiben und von dort aus mit der Infanterie und Kavallerie zusammenwirken könne."

133 Es ist klar, daß jeder Zuschauer die allgemeinen Verhältniffe in einer Armee nach dem beurtheilt, was er selbst davon gesehen oder ge hört hat. Oberst Dragomirow ist zu gerecht und hat eine zu gute Mei nung von unserer Armee im Allgemeinen und der Artillerie im Spe ziellen, als daß sein Urtheil als ein irgendwie subjektiv getrübtes anzu sehen wäre.

Denn auf S. 161 wirft er sich selbst zu unserm Verthei=

diger auf, indem es dort wörtlich heißt: ,,Die Preußen waren mit ihrer Artillerie nicht ganz zufrieden. Sie sagten, dieselbe habe nicht so sicher geschossen, wie sie erwartet hätten. Allein 1 ) mußte sie gewöhnlich aus zu entfernten Positionen und 2) mußte sie ohne abgemessene Diſtancen schießen. Ein anderer Vor wurf hat vielleicht mehr Grund : die preußische Artillerie ist zu sehr um ihre Deckung besorgt und fürchtet in Gefangenschaft zu gerathen." Was unser russischer Autor unter den Preußen versteht, die mit ihrer Artillerie 1866 nicht ganz zufrieden waren, wollen wir nicht näher erörtern. Wenn wir aber erwägen, in welcher Fülle die Gnadenbezeu gungen unseres Allverehrten Königs und Herrn, unſeres heldenmüthigen Führers, gerade in diesem Kriege Seiner Artillerie zu Theil geworden find, und daß die Vorschläge hierzu in letter Instanz lediglich von den kommandirenden Generalen der Armee-Korps resp . Division, von wel chen Kommandeuren auch nicht ein einziger jemals der Artillerie ange hört hatte, ausgegangen sind : so werden wir ganz sicher sein, daß die jenigen Kameraden, welche ein solches Urtheil über unsere Waffe abge geben haben, nicht in den Sphären zu suchen sind , von denen aus man ein Urtheil über ihre Leistungen haben konnte. - Wir glauben in unserem Auffage " Ueber die Verwendung der Felbartillerie zum An griff" des Näheren dargethan zu haben, wie sehr befriedigt man auf die Leistungen der Artillerie von 1866 zurückblicken kann. Zu der Furcht, in Gefangenschaft zu gerathen, war wohl bei keiner Batterie der Armee irgendwie Veranlassung. Man muß nur nicht immer gleich ein augen blickliches Zurückgehen, um unter günstigen Verhältnissen und beffer komplettirt wieder zu erscheinen, für eine Flucht aus Furcht vor der Gefangenschaft ansehen.

Es gilt hier daffelbe, was von der Kaval

lerie gilt. Ein geordneter Nückzug dieser Waffe, um wieder Front zu machen, oder auch ein ungeordneter Rückzug derselben, um sich wieder zu ordnen und dann zur Attacke vorzugehen, beides ist ein Beweis für

134 Apell und höchste Tüchtigkeit dieser Waffe. So auch bei der Artillerie! Wir bilden uns etwas darauf ein, manövriren zu können ; und glauben darin der österreichischen Artillerie bedeutend überlegen zu sein." Denn nichts Leichteres, als bis zum letzten Augenblick zu feuern und dann vor der eindringenden feindlichen Infanterie Tornister abzulegen und um Schonung zu bitten. *) Wenn die österreichische Artillerie zu ihrer Entschuldigung, daß sie in einer einzigen Schlacht bei Königgrät 160 Geschüße (wohl über 1/4 der ganzen Artillerie, während das sächsische Armee-Korps ein einziges Geschütz einbüßte) verlor, sagt, daß fie die Geschütze wegen der schmalen Höhenkämme, die sie besetzt hielt, nicht aufproßen konnte, so liegt hierin zunächst das Eingeständniß, eine schlechte Stellung gewählt zu haben. Aber es ist ja aus allen Relationen hin länglich bekannt, wie österreichiſche Batterien auf breiten Poſitionen in guten Stellungen genommen sind, weil man entweder nicht manövriren fonnte oder wollte. Auch thut man der österreichischen Artillerie viel zu viel Ehre an, wenn man meint, daß sie durch ihre Aufopferung den Rückzug über die Elbe ermöglicht habe. An die Artillerie würden wir uns nie gekehrt haben, eben so wenig an die berühmte Kavallerie ! - Was die öster reichische Armee vor der Katastrophe, am 4. Juli die Waffen zu ftrecken, gerettet hat, wird die Geschichte späterer Zeit, wenn man nicht mehr Gefahr laufen wird, Persönlichkeiten , deren Verdienste nicht verkannt werden können, bei Lebzeiten zu verlegen, ganz sicher darthun! Instruktionen , wie die nachstehenden , welche nach der Schrift des Oberst Dragomirow vom Erzherzog Albrecht an die Artillerie der italie nischen Armee erlaffen worden sein soll und die wir hier noch so, wie fie auf S. 69 abgedruckt ist, wiedergeben, können im Allgemeinen nicht getadelt werden.

Sie sagen aber nichts Neues , und unseres Wissens

ist in der preußischen Artillerie in keinem Kriege anders verfahren worden ;

*) Als Kuriosum wurde uns von einem Kameraden der Infanterie erzählt, wie die Behendigkeit, mit welcher die österreichischen Ka noniere, nachdem die Batterie genommen war, ihre Tornister ab legten, auf ihn den Eindruck gemacht hätte, als müsse das Ver halten der Bedienungsmannschaften in solchem Falle im Frieden fleißig geübt worden sein. Wir glauben das nun zwar nicht indeß Nichts ist ganz unmöglich in der Welt. D. Verf.

135 weshalb für uns auch nicht ein solches Kapitel aus den Gebrauchsgrund. fäßen der Feld-Artillerie abgeschrieben zu werden brauchte. Jene Instruktion lautet auf S. 69 wie folgt : ,,Dank dem ansehnlichen Fernschuffe der neuen Geschüße und den Erfolgen, welche unsere Artillerie hinsichtlich der Beweglichkeit und der Fähigkeit, Hindernisse zu überwinden, erzielt hat, liegt die Möglichkeit vor, felbft auf dem durchschnittenen Terrain Italiens, dieselbe in größeren Maffen anzuwenden, als früher. *) Es muß aber die eingewurzelte Be sorgniß, das Geschütz zu verlieren, aufgegeben werden. Wenn die Ar tillerie ihre Schuldigkeit gethan hat und bis zum letzten Augenblicke, die Position behauptend, auf dem Plate geblieben ist ; wenn sie der Feind mehrmals durch Kartätschen zurückgetrieben und einige vernagelte, oder der Bedienung beraubte Geschüße verloren hat, so verdient der Kommandeur der Batterie **) Lob und Belohnung für seine Tapferkeit und Selbstverleugnung. Wenn er aber im Gegentheil, um seine Ge schütze zu sichern, die Position zu frühzeitig aufgegeben, und dadurch die Infanterie geschwächt hat, so muß er unter Gericht gestellt wer den. ***) Uebrigens wird eine gute Infanterie sicherlich ihr Geschüß bis aufs Aeußerste vertheidigen ; im schlimmsten Falle aber ist der Ver luft vollkommen ausgeglichen, wenn die vom Feinde genommenen Ge schüße demselben einen empfindlichen Verlust zugefügt, und zur bauern den (?) Behauptung der Poſition beigetragen haben.“ Wir haben hier absichtlich Gelegenheit genommen, Urtheilen über den Gebrauch unserer Artillerie, wie sie von verschiedenen Seiten gefällt werden, entgegenzutreten . Es führt uns dieses Eingehen auf historische Thatsachen und deren Kritik, nicht von unserem Thema ab , die Kriegs geschichte ist der Hauptlehrmeister , aus deffen Lektionen wir zu lernen *) Die große Beweglichkeit und die Fähigkeit, Hindernisse zu über winden, haben uns weder bei dem Manövriren der österreichischen Artillerie noch bei näherer Beleuchtung des sehr schwerfälligen Wurflaffeten-Materials einleuchten wollen ! - Gegen früher mag es aber wohl eben in der österreichischen Artiller besser geworden sein. Ihre Bespannung war jedenfalls beffer, als ihr Material. **) Der preußische Batterie - Kommandeur würde wohl eine solche Katastrophe kaum überleben, und auch von den österreichischen haben mehrere dieselbe mit dem Leben bezahlt. ***) Und was geschieht mit dem Infanterie- und Kavallerie-Komman D. Verf. deur, der zu früh abzieht?

136 haben.

Es giebt sie nur spärlich ; denn die Staaten und Völker können

nicht Krieg mit einander führen zur Belehrung ihrer wißbegierigen Of fiziere ; um so mehr sind wir aber verpflichtet, diesen kargen Lektionen mit sehr aufmerksamem Ohr zu lauschen. Wir bleiben dabei, daß wir nicht näher als 800 Schritt an die feindliche Infanterie-Maffe heranzugehen haben, um unsere vollste Waf fenwirkung zum Austrage zu bringen. Erlaubt die feindliche Infanterie ein noch näheres Herangehen, so kann man sie schließlich auch umfah ren. Das Terrain wird unter Umständen einen kleinen Einfluß aus üben. Wir verschanzen uns aber nicht gern hinter derselben, namentlich nicht in unserem Beiſpiel, bei welchem wir einen freien Exerzirplag, ſo wie er ist - voraussetzen. Nehmen wir den Angriff abgeschlagen an, so bleibt auf dem Rüc zug die Batterie zusammen (nicht etwa in Echellons wie früher, weil hierzu der Raum zu beengt ist) und geht nach Umständen aufgeprokt oder an der Kette (6pfünder) daun zurück, wenn die Soutiens der Schüßen des Treffens am Feinde Kehrt machen.

Dieser Rückzug ge

schieht immer im Schritt (die Geschütze stets mit Granaten geladen) bis etwa 50 Schritt vor dem stehenden Treffen.

Dann wird chargirt,

so daß das zurückgehende Treffen immer noch einige Zeit in dem Feuer der Batterie eine Stüße findet. Das Granatfeuer wird auf 1200 Schritt etwa gegen die feindlichen Infanterie- Maffen abgegeben. Unserer Exer zir-Uebung legen wir diese Situation unter , wobei das Abbrechen, Schließen, wenn wir aufgeproßt zurückgehen, wie beim Vorgehen beson ders zu üben ist. Ist das Rendez-vous unserer Brigade auf der Straße gewesen ein sehr mißlicher Fall — so muß die Batterie in der Kolonne zu Einem mit ihren sämmtlichen Wagen unmittelbar hinter dem 1. Bataillon ge dacht werden. So unumstößlich diese Regel auch ist, so ist doch auch im Kriege 1866 auf unserer Seite dagegen gefehlt worden, und erklärt fich hieraus in vielen Fällen der mangelhafte Gebrauch der Waffe. Da die Desterreicher fast immer in guten Defenstostellungen mit zahlreicher Artillerie standen, so mußte dieser Umstand besonders dazu anregen, die Angriffs- Artillerie so weit wie möglich nach vorn zu bringen .

Es sei

uns erlaubt, in dieser Beziehung einen Augenblick bei dem Gefecht von Skaliz am 28. Juni zu verweilen, weil dasselbe am Nächsten einem

137 Schulgefecht kommt, und weil man gerade hier, wo, wie wir gleich sehen werden, eine ganze Division mit der Reserve- Artillerie eines Armee Korps ihr Gefechts -Rendez-vous auf einer Dorfstraße zu nehmen ge zwungen war, am ehesten die Befolgung jener Grundsäße hätte erwar ten können. Wenn dieses nun nach unserer Ansicht nicht vollständig geschah, so schließt dies keineswegs die Belehrung aus, welche wir fikr uns daraus ableiten können. Wir folgen lediglich unserm Generalstabs werk und dem beigefügten Plan. Die Stellung des Gegners bei Skalit bafirte auf den guten Artillerie- Positionen östlich dieses Ortes und kön nen wir annehmen, daß dort nördlich der Chauffee 40, südlich derselben

20

F

24 Geschüße von Hause aus in Stellung waren oder doch jeden Augen blid in Stellung zu bringen waren. S. 178 wird von anscheinend 5 Bat terien 40 Geschüßen nördlich von Skaliz in Position gesprochen, welche unsere Artillerie (3 Batterien, 2 gezogene, 1 glatte 18 Ge schüße) auf dem Schafberge auf 3500 Schritt beschoffen und auf S. 180 wird einer ,,formidablen Artillerie" Erwähung gethan, die östlich und südlich Skaliz auf 2500 Schritt in zwei Etagen am Eisenbahndamm und auf der Höhe dahinter, gegen unsere beiden gezogenen Batterien, welche westlich Kleny Stellung nahmen, um 12 Uhr Mittags das Feuer eröffneten. Wir werden diese feindliche Artillerie anf mindestens 3 und höchstens 5 Batterien schäßen müſſen, da der Gegner überhaupt nur (S. 175) 88 Geschütze hatte.

Was lag näher, als gegen diese Artillerie

von den eigenen 102 Geschüßen, unter welchen 72 gezogene Geschüße waren, den ausgedehntesten Gebrauch zur Vorbereitung des Angriffs oder zur kräftigen Durchführung desselben zu machen ? Von Wisokow war laut S. 176 die feindliche Stellung einigermaßen zu übersehen. Sehen wir nun, wo sich die Artillerie in den verschiedenen Unterabtheilungen des Korps beim Vormarsch befand. 1) Das Seitenbetaschement (v. Loe wenfeld) 51/2 Bataillon, 1 Eskadron, 2 gezogene, 1 glatte Batterie mar scirte, wie S. 176 angegeben, um 7 Uhr Morgens folgendermaßen gegen Studniß vor : 2 Jäger-Kompagnien voran, dann links abmarschirt das ganze Regiment Nr. 37 - dann 2 Batterien ― - demnächst das Re giment Nr. 58 (mit 2 Bataillonen) und endlich die 3. Batterie.

Die

Eskadron war wahrscheinlich dem Detaſchement voran ; denn es heißt, daß sie das Terrain nach vorwärts und zur Rechten aufklärte.

138 2) Die Avantgarde (v. Voigts -Rheg) rückt entwickelt in 2 Treffen à 6 Kompagnien mit der Artillerie = 1 gezogenen und 1 reitenden glatten Batterie vor der Front, also wahrscheinlich, wie wir uns die Angriffsformation mit Artillerie in der Mitte denken, vor. Weit kam die Artillerie aber nicht so ; denn S. 180 heißt es : Die der Avantgarde eigends zugetheilten Batterien waren bei Wisokow zurückgeblieben. 3) Das Gros, die 10. Division, 12 Bataillone komplett mit 3 ge zogenen und einer glatten Batterie, ging auf der Skalizer Straße vor und machte in Wisokow halt. Bei ihrem späteren Vormarsch gegen den Schafberg entwickelte sich dasselbe. Wo hierbei die Artillerie ihren Plaz nahm, ist nirgends gesagt. Jedenfalls muß dieselbe später aus der näheren Verbindung mit der Division gekommen sein ; denn eine Bat terie deffelben (Batterie des Hauptmanns Aust) nimmt in der Folge in Vertretung der nicht zur Stelle befindlichen Avantgarden- Artillerie laut S. 187 einen sehr rühmlichen Antheil an dem Angriff der Avantgarde auf den Bahnhof, indem fie auf 1600 Schritt ihr Feuer gegen eine das Vorgehen der Infanterie genirende österreichische Batterie südlich Skalig richtet.*) 4) Reserve-Artillerie, 4 gezogene und 2 reitende Batterien mar schirten hinter dem 12 Bat., 4 Esk. und 4 Batterien ſtarken Gros (S. 177) hinter der 20. Brigade, und blieb bei dem Halten des Gros bis nach 11 Uhr (alſo circa 3 Stunden nach dem Abmarsch) in der Dorfstraße von Wisokow eingeschlossen.

Sie that ihren ersten Schuß

um 121/2 Uhr öftlich von Kleny auf 3000 Schritt auf die feindliche Ar tillerie mit ihren 4 gezogenen und den 2 gezogenen des Seiten- Deta chements Loewenfeld und der Batterie Auft der 10. Division, welche sich

*) Nach dem 3. Beiheft zum Militair-Wochenblatt für 1868, S. 41 blieb die 3. und 4. 4pfündige Batterie an dem steilen Rande nördlich von Wisokow in einer Aufnahmestellung zurück, während vermuthlich die 3. 6pfündige und 3. 12pfündige Batterie an der Queue des Gros auf der Straße in Wisokow hielt. S. 54 heißt es von diesen letteren beiden Batterien, daß sie auf den Höhen rücken zwischen Wisokow und Starkoc bei den Batterien der Avant garde hinter der 20. Brigade gestanden haben. Die spezielle Ordre de bataille in diesem Beiheft S. 39 und 40 stimmt übri gens in Betreff der Artillerie nicht mit der Anlage 16 unseres Generalstabswerks ; welche, wenn man den Druckfehler 1. reitende 6pfündige in 1. reitende überträgt, jedenfalls zuverlässig ist. D. Verf.

139 dorthin gezogen hatten, während die gezogene Avantgarden-Batterie mit einer Batterie des Detachements |Hoffmann weftlich Kleny auf 2500 Schritt feuert. Es ist nicht nöthig, über diese Arrangements, mit denen wir nicht übereinstimmen, etwas Näheres zu sagen ; denn daß schließlich, wie S. 180 hervorgehoben wird, das Halbbataillon v . d. Mülbe nördlich von Kleny im Granatfeuer auf freiem Felde halten bleiben mußte, um „ die nach Ueberwindung großer Terrain- Schwierigkeiten nach und nach ein treffenden Batterien dort zu decken ", ist aber die Folge davon, wenn man seine Artillerie, die man in Kleny gut gebrauchen konnte, bei Wisokow (3500 Schritt davon entfernt) zurückließ. Von Wisokow nach Kleny führt eine Chauffee! Bei unseren Uebungen werden wir also unsere Batterien gleich hinter dem 1. Bataillon und nicht hinter dem vierten der Brigade uns denken. *) Dann kommt sie sofort in Thätigkeit und kann den Auf marsch der Brigade decken. Marschirt die Brigade rechts auf, so operirt die Batterie, in ihrer linken Flanke durch ein Halbbataillon gedeckt, auf dem linken Flügel ; marschirt die Brigade links auf, auf deren rechten Flügel, so daß die aufmarschirenden Bataillone niemals hinter der Bat terie vorbeimarſchiren müſſen. Nehmen wir an, eine Brigade befände sich auf der Straße AB im Vormarsch gegen einen Feind in der Ge gend von e, das Terrain zu beiden Seiten.

Die Strecke Ad darf, als

zum Exerzirplaß nicht gehörig, nicht betreten werden, das Rendez-vous der Brigade ist mit der Tete bei d ; die Batterie unmittelbar hinter dem 1. Bataillon, also mit ihrem ersten Geschüße bei A ; hinter ihr die 5 übrigen Bataillone der Brigade. Der Aufmarsch dieser letzteren soll von d ab, wo das Terrain zu beiden Seiten der Straße frei wird, rechts erfolgen.

Die Batterie deckt denselben am besten durch einen

einfachen Linksaufmarsch, nachdem das Tetengeschütz von d aus auf den *) Musterwürdig bleibt in dieser Beziehung immer der Anmarsch der 4 Batterien der 11. Division zur Schlacht von Königgrät, welche sämmtlich hinter dem 1. Bataillon der 21. Infanterie- Bri gade (S. 307 des Generalstabswerks) folgten ; ebenso wie die Marschformation der linken Flügel-Kolonne der Avantgarde der 1. Garde-Division, bei der die 1. 6pfündige Batterie (Hauptmann Braun) hinter der vordersten Infanterie-Kompagnie folgte, am 3. Juli (S. Gesch. des 2. Garde-Regiment 1866, S. 76). D. Verf.

140 Platz links geschwenkt und dann sofort die Richtung nach e genommen hat, und Vorgehen im Trabe bis an die Grenze des Plazes, wo sie das Feuer auf 2000 Schritt gegen e in der Annahme eröffnet, daß hier eine feindliche Batterie das Debouchiren der Brigade belästigt. Ein Halbbataillon ist auf der Straße geblieben, während das zweite zur Deckung der linke Flanke soweit (circa 150 Schritt) herausgebogen ist, daß die Batterie zwischen der Straße und ihm Plaß hat. Für die Bat terie ist dieses ganze Manöver, die Aufklärung des Terrains nach vorn vorausgesetzt, ohne alle besondere Gefahr und leistet sie nur auf diese Art der Brigade überhaupt den Dienst, zu welchem sie berufen ist.

Ift

die Aufklärung des Terrains nach vorn nicht möglich, tritt man in ausgedehnte Wälder, wo die Verwendung unserer Batterie voraussichtlich nicht möglich ist, so sind wir doch der Meinung, die Batterie nicht hin ten marschiren zu lassen.

Man kann nie wissen, ob man sie nicht doch

brauchen wird, und dann ist sie sicher nicht mehr vorzubekommen. Wenn 1000 Mann vormarschiren und 5000 folgen, welche jeden Augenblick, schlimmsten Falls unmittelbar neben den Geschützen auf derselben Straße vorbeikommen können, so kann von Gefahr für die Batterie nie die Rede sein.

Das Kehrtmachen im Defilee ist nebenbei so einfach, daß

es auch für den Fall nichts auf sich hat, wenn die Kolonne Kehrt machen muß. Will man die Batterie besser decken, so bleiben 1 bis 2 Batail lone, die nun vorn sind, halten und lassen die Batterie bei sich vorbei. Näher auf diese Angelegenheit einzugehen, würde uns zu weit von un serem Thema, der Ausbildung unserer Fußbatterie in ihren ersten Sta dien abführen.

Wir wollen vielmehr noch einen Augenblick bei der

elementartaktischen Ausführung unseres Aufmarsches aus den Defileen in der angedeuteten Weise verweilen . Zunächst ist zu bemerken, daß es keinen Zweck haben würde, vor dem Aufmarsche und noch auf der Straße die Bedienung aufsitzen zu laffen. (Umgehungen hat die Batterie selbstredend, so wie der Marsch zum Gefecht überhaupt angetreten wurde) denn in der Mehrzahl der Fälle muß, abgesehen davon, daß so wie so hinter der Infanterie nur im Schritt marschirt werden kann, beim Verlassen der Straße ein Gra ben passirt werden, welcher uns zwingen wird, wenn wir das Material nicht zertrümmern wollen, die Bedienung wieder absißen zu laffen. In unserem Falle nehmen wir gar keinen Graben an, bleiben indeß zunächſt

141 ruhig im Schritt. Nachdem die Tete auf das Kommando Tete halb links schwenkt - Marsch“ halb links angetreten ist, reitet der Batterie Chef an den Führer des ersten Geschüßes und mit dem Säbel nach e zeigend, kommandirt er ,,Gerade aus." Nach dem Linksaufmarsch Halt Bedienung aufsitzen und Trab. Soll bei diesem Vorgehen nicht Zweifel über die Richtung sein, so muß der Batterie-Chef entweder den Rich tungs-Unteroffizier abermals informiren, oder, was sich in unserem Falle vielleicht am meisten empfehlen möchte, er kommandirt : ,, Augen rechts“ (§. 16. IV.) Dieses Kommando resp. „ Augen links " muß über haupt immer gegeben werden, wenn wir neben der Infanterie marſchi ren und von derselben einen bestimmten Abstand halten müssen. Fast immer wird das vergessen, und in Folge deffen fortwährend halb rechts und halb links kommandirt. Bei diesem Avanciren mit Augen rechts oder links, würde es nun auch ein großer Fehler sein, wenn sämmtliche 5 Geschützführer fortwährend die Augen nach dem Flügel hätten.

Sie

sehen vielmehr vorzugsweise Gerade aus und reiten Tempo. Das Kom mando ,,Augen rechts" sagt weiter nichts, als gegen den rechten Flügel hin darf die Intervalle unter keinen Umständen verengert werden.

Das

sichere Auffaffen der Richtung durch den dazu bestimmten Geſchüßführer ift übrigens nicht so leicht als es vielleicht aussieht und muß sehr fleißig geübt werden. So wie die anderen Unteroffiziere sehen, daß der Bat terie-Chef bei der Frontbewegung an den Richtungsunteroffizier heran reitet, muß ihre Aufmerksamkeit durchaus auf diesen gerichtet sein, um, so wie er die Richtung ändert, sofort sich in das richtige Verhältniß zu ihm zu sehen. Hat man die Batterie zu dieſer Aufmerksamkeit gebracht, so hat man eigentlich die Hauptschwierigkeit überwunden. Deshalb muß dies häufig geübt werden. Vor- und Zurückgehen mit Augen rechts und links und Direktionsveränderungen während des Marsches durch einfaches Avertissement des Richtungsunteroffiziers werden uns in diesen Lagen also besonders beschäftigen. In der beiliegenden Skizze ist der Positionswechsel von e nach d mit Augen rechts angedeutet. Um bei dieser Gelegenheit ein Wort über die Wagenstaffeln zu sagen, so bemerken wir, daß, so wie sich die Batterie in die Infanterie Kolonne eingeschoben hat, die beiden Wagenstaffeln nach S. 207 u. f. IV . formirt sein müssen, daß also der zweite Vorrathswagen hinter dem

142 dritten Munitionswagen marschirt.*) Den Linksaufmarsch der Batterie macht die erste Wagenstaffel mit, so daß dieselbe auf dem linken Flügel zu stehen kommt, aber sich nicht einrichtet, sondern etwa 20 Schritt dahinter bleibt als zweites Echellon. Die zweite Wagenstaffel marschirt in sich auf und geht, während die Batterie vortrabt, im Schritt mit kurz halb links so weit vor, bis sie, als drittes Echellon kinks rückwärts der Batterie und der 1. Wagenstaffel circa 500 Schritt hinter der Front angekommen hält und im Terrain Deckung sucht.

Diese lettere wird

überhaupt entscheiden, wie weit sie von der Feuerlinie der Batterie ab bleiben muß. Ein Aufmarsch der Wagen nach rechts, um sie besser zu decken, weil allerdings in unserem Beispiel die linke Flanke der Batterie mehr gefährdet ist als die rechte, würde entschieden fehlerhaft sein. Man würde dort mitten in die Infanterie gerathen und möglicher Weise zwei Wegegräben zu passiren haben, um von der zweiten zur ersten Staffel zu gelangen. Wenn die zweite Staffel aber links aufmarschiren muß, so muß es die erste auch thun ; denn sonst geht die Kommunikation zwischen beiden Staffeln hinter der Front der Batterie her. Man sieht aus diesem einfachen Beispiel, daß die Disposition über die Wagen nicht so ohne Weiteres und ohne Rücksicht auf die Truppen, mit denen wir fechten, erfolgen kann, und daß es sehr zweckmäßig wäre, bei den Friedensübungen ab und zu alle Wagen zu bespannen, was sich sehr gut machen läßt, wenn die Pferde von 3 Batterien einer Friedensab theilung die sämmtlichen Fahrzeuge der Kriegsbatterie der vierten Bat terie bespannte. Da der Kriegsetat an Pferden einer 6pfündigen Batterie excl. Reservepferde die Zahl 120 nicht übersteigt, so sieht man leicht, daß man mit der Friedensbespannung von 3 Batterien ausreicht und die vierte Batterie an solchen Tagen die etwaigen Arbeitsleistungen der Abtheilung übernehmen kann. Wir verfolgen diese Angelegenheit weiter nicht, da der Batterie-Chef hier höchstens auf den Vorschlag angewieſen sein kann, die Entscheidung und weitere Anordnung aber dem höheren Borgesetzten anheim gestellt bleiben muß.

Es würde sich diese Marschordnung überhaupt immer empfehlen, und eine andere Nummerirung der Vorrathswagen, nämlich gerade umgekehrt wie jest, aus der reglementsmäßigen Verwendung gerade dieses Vorrathswagens, welcher den Vorrathsverschluß ent D. Verf. hält, bei der ersten Staffel zu begründen sein.

143 Wenn innerhalb der ersten 14 Tage unseres Bespannt-Exerzirens die Lösung so einfacher taktischer Aufgaben vorgenommen wird, welche eben ihrer Einfachheit wegen dem Batterie- Chef gestatten, in allen Be ziehungen das Detail im Auge zu behalten, so wird hierdurch mehr für ihre taktische Ausbildung geleistet werden, als durch stundenlanges Ein drillen von Evolutionen ohne allen Zusammenhang und Rückſichtnahme auf die anderen Waffen. Wir verzichten darauf, die Zahl der Beispiele als Schema für die ersten Uebungen zu vermehren. Der Batterie- Chef, welchem die taktische Ausbildung seiner Batterie für den Kriegszweck am Herzen liegt, wird aus unseren Andeutungen genug entnommen haben, um Variation in sein Exerzirthema zu bringen.

Das Ausfallen

der Nummern in der Gefechtsposition und beim Anmarsch zu derselben, Kleinere Herstellungsarbeiten -- ohne das Material zu zerstören wer den angemessen zu üben sein.

An den Nachmittagen wird auch das

Stallaufschlagen zunächst ohne Pferde und, wenn der Plaß es nicht anders gestattet, im verkleinerten Maßstabe vorgenommen werden. Mitte April werden wir so weit sein, daß die Batterie gemein schaftlich zu den Uebungen ausrückt. Der Anzug wird nunmehr in der Mehrzahl der Uebungstage feldkriegsmäßig sein für Mann und Pferd, ebenso die Ausrüstung des Geschüges. Am Stalle wird geschüßweise umgehangen, die Fußmannschaften zum Martiren der Ziele marschiren 1/4 Stunde vor der Batterie ab.

Der Abmarsch der Batterie findet

von jezt ab stets wie zum Gefecht statt.

Es muß in diesen lezten

14 Tagen nun auch den Zugführern Gelegenheit gegeben werden, sich in komplizirten Fällen in der Führung ihres Zuges - namentlich ganz außerhalb des taktischen Verbandes mit der Batterie zu üben. Wir sind kein Freund der Detaschirungen einzelner Züge aus Gründen, die zu erörtern hier zu weit führen würde, dennoch können die Fälle vor kommen und sind auch im Feldzuge 1866 (Gefecht von Oswieczim) vorgekommen. Bei Arrièregarden-Gefechten wird es auch sehr vortheil haft sein, der letzten einigermaßen größeren Abtheilung (jedoch nicht unter 1 Bataillon stark) 1 Zug Artillerie beizugeben, um den nachdrin genden Gegner vorsichtig zu machen und zur immerhin zeitraubenden Entwicklung von Artillerie zu zwingen. Wir theilen deshalb jeden Morgen unsere Batterie so ein, daß ein Zug zur Avantgarde oder zum Vortrupp kommt, während der andere Zug beim Gros oder Haupttrupp

144 bleibt. Geben wir dem Vortrupp eine Stärke von 1 Bataillon, 1 Es kadron, während 2 Bataillone und 1 Eskadron beim Gros verbleiben, so kommen wir zu der Avantgarde einer Diviſion, die nicht durch Ka vallerie mit reitender Artillerie verstärkt ist und sich etwa in dieser Weise . zum Vormarsch gliedern würde, ohne daß letteres in Bezug auf die Vertheilung der Artillerie spezieller begründet werden soll.

Es ist ein

einfacher Vormarsch anf der Straße A B. Hinter der Avantgarde kommt die ganze Division.

Alle strategischen Rücksichten sind ausgeschlossen.

Das nächste Ziel ist der Exerzirplaß, der Feind östlich der Höhe fà cheval der Straße, auf welcher wir vorgehen, seine Stärke geringer als die unsrige. Der Batterie- Chef würde sich sachgemäß bei dem Vortrupp in der Nähe des Avantgarden-Kommandeurs befinden und also auch bei unserer Uebung mit dem ersten Zuge abmarschiren und durch Unterhal tung mit dem Führer desselben über die zu erwartenden Gefechtsvers hältnisse Zeit finden, dieselbe näher zu präzisiren.

Der zweite Zug er

hält den Befehl, 15 Minuten später abzumarſchiren und sodann in sei nem Verhältniß zur Tete zu bleiben.

Wir beginnen mit der einfachsten

Lage und führen den Zug in ein Rendez- vous an den Rand a d unſeres Plages, wo sich der Vortrupp sammelt, nachdem er die Nachricht erhal ten, daß der Feind mit seiner Spize bei B erscheint.

Der Batterie

Chef supponirt nun die Stellung des Zuges hinter der Infanterie und giebt ihm den Befehl zur Bekämpfung eines auf der Höhe f erscheinen den feindlichen Zuges Artillerie sich auf einen Flügel der vorgehenden Infanterie zu sehen 2c. Waren die Zugführer den bisherigen Uebungen der ganzen Batterie mit Aufmerksamkeit gefolgt, so werden sie sehr bald in die Gedanken ihres Chefs eingehen, und es würden sich unter seinen Augen die Bewegungen, welche unser IV. Abschnitt § . 9 bis 12 für einen Zug unter Hinweisung auf die entsprechenden Bewegungen einer Batterie und der Fahrinstruktion vorschreibt, taktisch motivirt ausführen laffen.

In Bezug auf unser Reglement machen wir noch darauf auf

merksam, daß nach demselben die Richtung beim ersten Zuge in geöff nieter Front stets links , beim zweiten einer Friedensbatterie stets rechts ist, und daß, wenn aus Gründen , die wir oben angedeutet haben, die Richtung eine andere sein soll, dies besonders kommandirt werden muß. Beim Zurückgehen des Zuges wird der Führer, ebenso wie der Batterie Chef auf der feindlichen Seite verbleiben müssen . Es

145 folgt dies aus §. 347, S. 412 der Diensvorschrift von 1860, auf welche überhaupt bei Führung eines Zuges zurückzugehen ist, und nach welcher genau die Führer zu verfahren haben werden.

So kurz das Reglement

über die Führung des Zuges hinweggeht, so ausführlich ist die Dienst vorschrift, und kann dieſes vorzügliche Buch nicht genug dem Studium der jüngeren Offiziere empfohlen werden. Hat der 1. Zug genügende Bewegungen gemacht, so wird der 2. Zug per Ordonnanz herbeibefoh len, sich in sein Verhältniß zum ersten zu setzen, und es würden nun die Bewegungen der Batterien entweder unter Weiterspinnung der ersten Gefechtsidee oder unter Zugrundelegung einer neuen beginnen können. Wir haben indeß zu bedenken, daß wir das Fahren nicht ganz aussehen dürfen, schon um dem Offizier, welcher diese Uebungen geleitet, Gelegen heit zu geben, sein Vorstellungstableau durchzunehmen ; und es empfiehlt sich daher, unmittelbar nach dem zugweisen Exerziren ein kurzes Fahren der ganzen Batterie, welches nicht länger als 20 Minuten dauern darf,

‫میں ہے او‬

einzuschalten. Während dieser Zeit üben die Fußmannschaften, in ihrer geschützweisen Eintheilung verbleibend, unter den disponiblen nicht bes rittenen Unteroffizieren das Distanze- Schätzen. Ein zu Fuß- Exerziren oder gar Griffe machen empfiehlt sich in keiner Weiſe.

Die Leute legen

gar nicht ihr Zubehör vorher ab , ebensowenig wie an den Geschüßen etwas geändert wird. Das Alles führt nur zu Zeitverlust und hat gar keinen Zweck. Ist das Fahren beendigt, so wird die Batterie formirt, und das Exerziren beginnt nun in ähnlicher Weise wie solches früher angedeutet worden ist. Der Batterie- Chef wird indeß in der Zugrunde legung der taktischen Idee weiter zu gehen haben und sich und seinen Uutergebenen mit jedem Lage schwierigere Aufgaben stellen müssen Hierzu werden wir aber, da wir ja auf unseren Exerzirplaß angewiesen find, nothwendig zu Annahmen im Terrain schreiten müſſen .

Zunächſt

werden wir bei unserem Zielpunkte einige Dertlichkeiten annehmen müſ sen, z. B. der Punkt f stellt ein Dorf dar, welches von Infanterie be segt ist, während die Vertheidigungs -Artillerie des Gegners bei d steht ; b und c find befeßte Wälder, bei a steht die feindliche Artillerie. Dem nächst werden wir uns Defileen mitten auf dem Plage markiren, die wir unter feindlichem Feuer passiren wollen, nachdem der jenseitige Ausgang durch unsere Infanterie besetzt worden ist, oder welche in unserm Rücken liegen und beim Rückzug fechtend passirt werden müſſen. 10 Bierunddreißigster Jahrgang. Band LXVIII.

146 Aufstellung gegen ein solches Defilee, um das Debouché des Gegners aus demselben zu verhüten. Um schließlich auch die Kolonnenformatio nen, das Ployiren und Deployiren zu üben, werden wir uns Exerzir aufgaben stellen, die bei der Einnahme von Rendez- vous - Aufstellungen zu Gefechtszwecken bei beschränktem Terrain allenfalls denkbar sind. Wir wollen ein Beispiel zu Aufgaben, die unter Terrainſuppoſition von einer Batterie auf ihrem Exerzirplatz in der zweiten Hälfte des April zu lösen sein werden , durchgehen. Nehmen wir also an, bei f sei ein Dorf, welches stark mit Infan terie besetzt ist zu beiden Seiten desselben und etwa 150 Schritt vor: geschoben Schüßen, bei d steht eine feindliche Batterie.

Aufgabe. Eine Infanterie-Brigade mit ihrer Batterie erhält den Befehl, das Dorf f wegzunehmen und sich dort festzusetzen. Das Rendez-vous der Brigade ist am Rande ad, die Batterie steht hinter dem zweiten Treffen. Auflösung.

Die Batterie seßt sich auf den linken Flügel der

Brigade, geht im Trabe über den ganzen Platz vor und proßt auf 1000 Schritt gegen die feindliche Artillerie bei d ab.

Das nähere Her

angehen verbietet nicht allein der Plaz, sondern auch darf f mit den vorgeschobenen Schüßen, in deren Bereich wir bei näherem Herangehen sehr bald kommen würden, namentlich wenn wir das Dorf mit seiner Lisière uns noch einige 100 Schritt weiter vorspringend denken wollten. (f ist etwa die Mitte des Dorfes, der weithin sichtbare Kirchthurm). Weiter ab zu bleiben wäre nach unseren früheren Andeutungen ein Fehler.

Den Angriff unserer Brigade denken wir uns in 2—3 Treffen

hintereinander und umfassend von allen Seiten gegen f gerichtet. Es ist klar, daß sehr bald die feindliche Artillerie, wenn ſie, wir wir anneh men, nur aus einer Batterie besteht, unser Feuer nicht mehr erwidert, sondern auf unsere Infanterie schießt. Wir müssen in dieser Pause unfer Feuer so lebhaft wie möglich gegen die feindliche Batterie fortsetzen, um ihre Geschüße zu demontiren und so die Uebermacht zu gewinnen. Demnächst aber werden wir, wo, wie in unserem Falle, das spätere Umgehen des Dorfes als ganz sicher angänglich erscheint, einige Brand granaten nach f werfen.

Es wird also noch einige Zeit die Richtung

rechts nach f genommen und mit Brandgranaten 1200 Schritt Hargirt . Das Inbrandstecken der Dertlichkeiten, wie Dörfer und namentlich auch

147 • Wälder, erscheint uns selbst für den Fall, daß die bequeme Passage durch dieselben führt, doch schließlich als das unblutigste Mittel, in den Besitz derselben zu gelangen und den Feind daraus zu vertreiben. Das Durchschreiten brennender Dörfer ist selbst für Artillerie nicht so schlimm, als es sich anhört.

Im Uebrigen kann man ja auch löschen, wenn man

mit der Infanterie eingedrungen ist.

Dorfgefechte, welche lediglich mit

Infanterie durchgefochten werden sollen, und deren Inbrandseßung ab sichtlich vermieden wird (welche also gar nicht unter Granatfeuer genom men werden) sind ungemein blutig und zeitraubend.

Der nächste Ge

Fechtszweck beim Angriff eines Dorfes ist doch nur der, den Gegner zum Berlassen desselben zu bringen, weil man sonst nicht vorbei kann. Hinter dem Dorfe treffen wir auf die Reſerven, und wir kämen beim rück sichtslosen Vorbeigehen schließlich zwischen zwei Feuer.

Das Mittel,

welches den Feind am raschesten aus dem Dorfe bringt, ist unbedingt das beste, und das ist nach unserer Meinung immer das Beschießen mit Brandgranaten und auch gewöhnlichen Granaten bis zum Inbrandstecken. Brennt das Dorf, so können wir getrost vorbeigehen ; denn der Feind muß heraus. Das Gefecht mit den Reserven hinter dem Dorfe ent scheidet über dieses selbst.

Ist es total niedergebrannt, so hat seine

Rolle überhaupt für beide Theile ausgespielt.

Sind die Brandmauern

stehen geblieben, so kann man sich dort ebenso gut und vielleicht noch beffer feftſeßen, als wenn man das im Einstürzen begriffene Dach fort während über sich hätte. Nehmen wir z. B. an , daß gar keine Artillerie zur Vertheidigung des Dorfes vorhanden ist, so werden wir unbedingt unserer Batterie den Auftrag geben, auf 1200 Schritt an das Dorf heranzugehen und es in Brand zu stecken.

Das Durch- und Vorbei

kommen wird sich schon finden, wenn der Vertheidiger heraus ist. In der Schlacht von Königgrät sahen wir selbst drei Dörfer gleichzeitig brennen. Kein einziges Dorf auf diesem großen Schlachtfelde hinderte übrigens die Umgehung und zwang uns, die Dorfstraße zu benußen. Am späten Nachmittage waren sämmtliche Brände, so viel wir uns er innern, gelöscht, und die Passage durch alle Dörfer frei. *) *) Auf S. 208 unseres Generalstabswerks lesen wir: Auch gegen Benatek wurden (von den beiden 4pfündigen Bat terien der 7. Division) einige Schüsse gethan, worauf die vorge schobenen Abtheilungen und die beiden Bataillone Großfürst Mi 10*

148 Für unsere Exerzir-Aufgabe läßt sich nun weiter nichts machen.. Auf einem Plage von 800 Schritt im Quadrat, und ein solcher gehört schon zu den größeren bei den gewöhnlichen Garnisonen befindlichen, ist mit einer Aufstellung die Aufgabe gelöst. Der Wechsel der Schußart und des Zieles ist das Instruktiveste. Die Brandgranaten gehen so wie so fast immer bei allen Exerzitien leer aus. Den Rückzug der Batterie können wir mit einer Gefechtsidee gegen die linke Flanke in Verbindung bringen und hier ein Waldgefecht eins schieben, gegen die Zielpunkte a b c.

Die Brigade schwenkt, nachdem

ste kehrt gemacht hat, links, die Batterie ist also auf dem schwenkenden Flügel.

Hier würde es sich empfehlen, als Ausnahmefall die Bedienung

aufſigen zu laſſen und die Schwenkung im Trabe auszuführen, um möglichst früh gegen a, den Rand d e im Rücken, abzuproßen. So wie man bei einer Rückwärtsbewegung die Bedienung auffigen läßt, dürfen die 4 Reserve-Nummern nicht hinter der Batterie hergehen , sondern müssen seitwärts, also in unserem Falle links hinter der Batterie fol gen, indem man annimmt, daß sie sich dem nächsten Infanterie-Batail lon angeschlossen haben. -- Nach ausgeführter Schwenkung Abproßen im Zurückgehen auf 1600 Schritt gegen die Artillerie bei a, um den Angriff gegen den Wald b c vorzubereiten. Da die Punkte bc nahe in einer Linie liegen, so würde hier ein Vorgehen bis auf 1200 Schritt im Trabe, um das Waldgefecht auf einer näheren Entfernung zu unter ftüßen und in Verbindung mit unserer Infanterie zu bleiben, sich mo tiviren lassen. Auch hier sind wir der Meinung, den Wald durch Ar tilleriefeuer in Brand zu stecken, namentlich, wenn wir die feindliche Artillerie im numerischen Uebergewicht uns gegenüber haben.

Der Ge

ſchügkampf führt unter solchen Umständen absolut zu gar keinem Re sultat, während das Inbrandstecken des Waldes möglicher Weise das ganze Gefecht sehr bald entscheiden kann, indem der Gegner gezwungen wird, das brennende Gehölz zu verlassen und es für ihn überhaupt jezt ganz in Frage kommt, ob er sich auf diesem Terrain- Abschnitt noch be haupten will.

Das gewaltige blutige Waldgefecht am Maslowed am

3. Juli 1866 ist in dieser Richtung sehr belehrend.

Nach S. 283

chael das sehr bald in Brand gerathene Dorf räumten, welches nun ohne weiteres Gefecht von der Avantgarde paſſirt wurde. D. Verf.

149 unseres Generalstabswerkes war dieser 2000 Schritt breite und 1200 Schritt tiefe Wald in seinem südöstlichen Theil bis zum Wege Cistowes-Benatek mit Eichenholzschonungen bestanden, in welchem Klafterholz aufgeschichtet lag. Gelang es nun durch die Batterien der 7. Division von ihrer ersten Aufstellung öftlich Benatek her, den Wald in Brand zu stecken, so war es möglich, hierdurch den ganzen von ihm eingenommenen Ter rain-Abschnitt für beide Theile zu isoliren.

Die 7. Divifion blieb zu

sammen und konnte ihre rein defensive • Aufgabe des Tages durch Fest halten von Benatek selbst und der nächsten Wald-Parzelle vielleicht mit geringern Opfern lösen, als es nun geschah, wo die Artillerie fich ledig. lich auf eine Kanonade mit überlegener Artillerie auf sehr große Ent fernung einließ.

In dem Generalstabswerk S. 284-285, heißt es

wörtlich : ,,Vergeblich bemühten sich die 18 preußischen (Geschüße) daf selbe (das Feuer von 40 österreichischen Geschützen) von der Infanterie abzuziehen ; bei einer Entfernung von circa 3500 Schritt und bei der trüben Witterung konnte nur nach dem Aufblißen der feindlichen Schüffe gezielt werden."

Der ganze Kampf fiel also mit der vollsten Schwere

der Infanterie anheim, und es blieb für unsere Divisions - Artillerie nur der immerhin große Ruhm, welcher keineswegs für die österreichische Artillerie und ihre Vorzüglichkeit spricht, daß, wie es auf S. 288 heißt: „Ebenso kämpften 18 preußische gezogene Geschütze gegen 96 feindliche"; unsere Artillerie sich überhaupt gegen solche Uebermacht zu behaupten im Stande war.

Ihr Totalverlust betrug 1 Offizier, 15 Mann und

27 Pferde, welcher an sich nicht unbedeutend, doch nicht so besonders zu Gunsten der Schießfertigkeit der österreichischen Artillerie auf ihre ziem lich bekannten Entfernungen spricht.

Selbstredend konnte das Inbrand

stecken des Waldes überhaupt nur auf höheren Befehl erfolgen, und es ist auch noch fraglich, ob daffelbe gelungen wäre. *) Daß die Defter

*) Es bedarf wohl kaum der ganz besonderen Erklärung, daß wir weder an dieser noch an einer anderen Stelle unsere kritischen Betrachtungen einzelner Maßregeln auf Seite unserer heldenmüthi gen Truppen dieselben irgendwie zu tadeln oder herabzusehen beabsichtigen. Im vorliegenden Falle namentlich gehört das Fest halten des Waldes von Maslowed zu den größten Leistungen in der Schlacht von Königgrät und während des ganzen Feldzuges von 1866. Wir wissen sehr wohl, daß die Motive des Augen blicks die den General bestimmenden sind. Diese sprachen aber D. Verf. entschieden für das blutige Waldgefecht!

150 reicher beim Gegenangriff, um die 7. Division aus dem Walde zu de ployiren, nun fich ebenfalls in dies verzweifelte Waldgefecht einließen, kann nur durch ihre große numerische Uebermacht, welche sie wirklich

28

durch den Wald führte, motivirt werden. Sie hätten auch sonst ihre gut postirten Batterien maskirt. Der verstorbene General v. Deder sagt in seiner Taktik der verbundenen Waffen Theil II. S. 247 in Be treff der Dorfgefechte : „ Der Angriff auf Dörfer erscheint häufig ungemein lockend ; man wähnt einen entscheidenden. Vorschritt im Gefecht gewonnen zu haben, wenn solch ein Dorf erobert ist, und man scheut sich -- und oft mit Recht ―

ein nicht genommenes Dorf zur Seite liegen zu lassen. Den

noch sagt die Regel, den Angriff der Dörfer, weil er so überaus blutig ist, nach Möglichkeit zu vermeiden, und die Kriegsgeschichte ftellt viele Beispiele von den Nachtheilen auf, die blos daraus entsprungen sind, daß diese Regel nicht freng befolgt wurde." Wir möchten diese Ansicht, deren Wahrheit wohl nicht zu bezweifeln ist, auch auf die Waldgefechte ausdehnen, die auch so ungemein vers lockend sind, und bei welchen so selten etwas Entscheidendes heraus tommt. Um unsere Fußbatterie auf Defileegefechte einzuererziren, sagten wir oben, bedürfe es des Absteckens eines solchen mitten auf unserem Exerzirplage. Häufig werden 4 Mann hierzu verwendet, die vielleicht einen 20 Schritt langen Engweg von Geleisebreite darstellen, auf wel chem die Batterie dann durchjagt. Das ist kein richtiges Bild der Wirklichkeit: wenigstens ein sehr seltenes, nämlich der Uebergang über eine Brücke oder einen Damm von ganz kleinen Dimensionen. Solche

tal**

Passagen im feindlichen Artilleriefeuer zu ſupponiren, zwingen zur An nahme einer sehr schlecht bedienten feindlichen Artillerie, die man nie nachen muß ; Wir stellen uns bei unseren Uebungen unter Defilee eine gehörig breite Straße, mehr wie doppeltes Geleiſe, vor, deren Ausgang zwar unter Feuer genommen werden kann, bei deren Ueberschreitung aber wir vor feindlichem direkten Feuer gesichert sind . 6-8 Mann werden uns einen Weg von 20 Fuß Breite und 100 Schritt Länge markiren, den wir vielleicht in der Mitte einmal im Winkel brechen und wodurch wir uns das Stück einer Landstraße, welche durch ein Dorf oder eine naffe Wiese 2c. führt, auf den Exerzirplaß verlegen.

27

151 Es können nun eine Menge Aufgaben, offensiver und defensiver Natur an ein solches Defilee geknüpft werden, die sämmtlich auf ver schiedene Weise gelöst werden können, je nachdem man sich den Feind in den verschiedenen Positionen dem Ausgange des Defilees gegenüber denkt. Unsere Uebung mit der Batterie wird sich beim Angriff in drei Momente zergliedern laffen. 1 1) Aufstellung der Batterie auf dem Terrain am diesseitigen Ein gange, um das Debouché unserer Avantgarden-Infanterie zu unter stüßen, in der Regel auf einem Flügel derselben, der feindlichen Artil lerie gegenüber. 2) Ueberschreiten des Defilees mit der Batterie, nachdem die In fanterie auf dem jenseitigen Terrain festen Fuß gefaßt hat, entweder gleichzeitig mit der ganzen Batterie oder zugweiſe. *) 3) Aufstellung der Batterie auf dem jenseitigen Terrain, um das Debouché der folgenden Abtheilungen zu sichern . Für den Rückzug werden sich ebenfalls 3 Momente ergeben, oder falls der 3. Moment des Angriffs als der 1. des Rückzugs angenommen wird 2, nämlich : 1 ) zugweiser Abzug, 2) Aufstellung der Batterie (in der Regel getheilt) zur Aufnahme der zurückgehenden dieffeitigen Truppen . Es würde uns zu weit führen, näher auf diese Verhältnisse einzu gehen, die dem Batterie-Chef ungemein viel Gelegenheit geben, das taktische Leben seiner Batterie zu fördern.

Er kann fast alle elementar

taktischen Bewegungen an diese Suppoſition knüpfen und großen Wechsel' in dieſelben bringen. Die Theilung der Batterie fordert die Zugführer auf, selbstständig zu handeln, und man wird dieselbe mit Rücksicht darauf öfter vornehmen, als sie sich in der Wirklichkeit ergeben möchte. Für die nächsten 14 Tage, also bis zum 1. Mai, wird die Batterie in dieser Weise zu üben sein, und der Batterie- Chef kann sicher sein, mit ihr jede Aufgabe lösen zu können, die ihm nach dieser Zeit gestellt werden möchte. Zum Schlusse unseres Exerzirens üben wir, wie immer einen Borbeimarsch und marschiren an jedem Tage mit dem Tetengeschütz wechselnd nach Hause. Es empfiehlt sich diesen Rückmarsch als einfachen

*) Hierbei wolle man auch strenge darauf halten, daß immer nur eine Seite des Defilees gehalten wird, wenn man, wie in der Regel in Kolonne zu Einem passirt, da sonst die ganze Kolonne D. Verf. stußt, wenn das vordere Geschüß halten muß.

152 Reisemarsch in der früher angedeuteten Weise auszuführen und nicht Uebungen, welche die Pferde aufs Neue erhißen könnten, vorzunehmen. Jeden Tag wechseln wir mit dem Avantgardenzug, so daß immer ein anderer Zug das zugweise Exerziren vorzugsweise betreibt und jeden Tag üben wir das Fahrtableau. Auf diesem Wege wird die Fußbatterie am 1. Mai dahin gelangt sein, ihre ersten Prüfungen vor den höheren Vorgesetzten bestehen zu können. Freilich wird, was die Präcision der Bewegungen anbelangt, noch manches zu wünschen übrig bleiben, und das in Kolonnesetzen in Zügen und Deployiren wird vielleicht noch sehr mangelhaft ausgeführt werden. Das liegt in der Kürze der Zeit, welche man hierauf immer nur verwenden können wird und können diese Dinge nicht zur Haupt sache gerechnet werden.

Das Wesentlichste ist aber Eigenthum der Bat

terie geworden, und das nun sicher eintretende Frühjahr findet die Bat terie auf eine Mobilmachung vorbereitet. In der nach Besichtigung der Batterie treffenden Zeit bis zum Abmarsche zur Schießübung, etwa 6 Wochen, entfällt mit jedem Tage mehr die Ausbildung der Batterie ihrem Chef.

Das Exerziren der ganzen Abtheilung mit ihren 4 Bat

terien, gemeinschaftliche Uebungsmärsche, Paraden vor höheren Vorge setzten beschränken nothwendiger Weise die Ausbildung der Batterie im mer mehr.

Je gründlicher im April geübt wurde, ie weniger werden

die Uebungen im größeren Verbande die stramme Zucht und die Ruhe in der Batterie bei den Evolutionen beeinträchtigen. Die wenigen Tage, welche dem Batterie-Chef zur ausschließlichen Disposition bleiben, werden ganz in ähnlicher Art verwendet werden, wie wir es bisher geschildert.

Stallaufschlagen, Felddienstübungen, Fahren

im schwierigen Terrain, Exerziren in der Batterie à 6, wenn möglich auch mit allen Wagen, Schießen mit Manöverkartuschen gehören in diesen Zeitabschnitt. Da das Reiten nunmehr, mit Ausnahme des Remontereitens, füglich ruhen kann, die Dressur der Unteroffizierpferde also nicht mehr so peinlich in den Vordergrund tritt, werden wir unsere Obergefreite, auch Freiwillige darauf sehen und uns Hülfsgeschüßführer ausbilden. Das ist ganz ungemein wichtig und für den Kriegsfall gar nicht zu umgehen. Selbst ohne im Reiten ausgebildet zu sein, muß der Obergefreite oder Gefreite am Geschüß sofort nach Ausfall des Unteroffiziers das Geschütz im Gefecht führen können, und zwar ohne

153 Reithofen und Sporen ; denn dazu ist keine Zeit, dem gefallenen oder schwer verwundeten Unteroffizier die Hosen auszuziehen. Nur den Ka vallerieſäbel wird sich der Obergefreite umschnallen können. Auf dem gut gerittenen Unteroffizierpferde wird sich die Sache machen lassen, wenn hierauf etwas im Friedeu bei der Ausbildung der Batterie gegeben wurde. Wir glauben nämlich, daß es kaum möglich sein wird, wie es in unserm IV. Abschnitt S. 208 verlangt wird, der 1. Wagen staffel 2 Unteroffiziere zuzutheilen, um diese zum sofortigen Ersatz des Geschütführers zu verwenden.

In jedem Falle wird es nichts schaden,

die Obergefreiten auf diesen Ersatz in der angedeuteten Weise einzu üben. Aber auch die Unteroffiziere müssen wir im Zugführen und die Batterie-Offiziere im Fahren der Batterie üben. Dies kostet oft große Selbstüberwindung. Noch geht so manches nicht nach Wunsch und der Batterie-Chef möchte keinen Augenblick das Heft aus der Hand geben. Dennoch muß er es thun. Die Ausbildung des Offiziers und Unter offiziers ist so unendlich wichtig für den Ernstfall , daß die persönlichen Rücksichten schweigen müssen, welche dem Batterie-Chef nahe liegen und ihn verleiten möchten, die Sache immer allein zu besorgen. Bei unserer gegenwärtigen Organisation unseres Offizier-Korps , an welches so un gemein große Anforderungen in Bezug auf Universalität gestellt werden, ist es unabweislich, dem Offizier Gelegenheit zu geben, sich im prak tischen Batterie- Dienst zu üben. Der junge Seconde- Lieutenant kann im Kriege sehr rasch zur Führung einer Batterie kommen, und der Bat terie-Chef trägt dann die volle Verantwortung, wenn diese Führung aus Mangel an Uebung eine ungeschickte wird. Wir schließen hiermit unsere Zeilen, die sich mehr ausgesponnen haben, als wir beabsichtigten, indem die weitere Ausbildung der Batterie während der Schießübung und des Manövers, wie wir solches am Schluſſe unseres II. Theils an deuteten, nicht mehr vollständig in der Hand ihres Chefs liegt.

Die

Direktiven, welche wir für die Friedensausbildung hingestellt haben, werden sich ohne Weiteres auf die Ausbildung neuformirter Friedens und Kriegsbatterien verwenden lassen. Die Verwendung der Batterie in der Schlacht bleibt immer die Hauptsache. Je kürzer die Zeit ist, welche wir zur Ausbildung unserer Batterie zu diesem Zweck haben, je mehr werden wir nur diejenigen Uebungen vornehmen, welche diesen Zweck unmittelbar erreichen sollen. Von einer konsequenten Ausbildung

154 im Fahren kann gar nicht die Rede sein.

So wie sich nur einiger

maßen Mann und Pferd geeinigt haben, gehen wir zum Bespanntexer ziren über und suchen bei demselben allmählig das Fahren zu kultivi ren. - Ausbildung einer zweiten Garnitur Unteroffiziere, der älteren Unteroffiziere im Zugführen und der Offiziere im Führen der Wa genstaffeln und der Batterie, das werden die wichtigsten Dinge sein, auf welche der Batterie- Chef sein Augenmerk zu richten hat. Bei guter Ge finnung, freudigem Willen, Patriotismus wird bald alles Uebrige fich finden, und die Batterie wird sicher am Tage der Schlacht ihre. Pflicht erfüllen.

Die Zeit, in welcher ein großer Theil der Artillerie-Offiziere

den Krieg gesehen hat, ist noch nicht lange verflossen. Was wir damals leisteten, war eine Folge der überlegten konsequenten Friedensausbildung, Viele Wege führen zu demselben Ziel. Wir halten den von uns in den vorstehenden Zeilen angedeuteten für einen der kürzeren und haben in der Absicht, unseren Kameraden nüglich zu sein, nicht unterlassen wollen, ihn anzugeben. - Gelingt es einem Batterie- Chef auf anderem Wege eben so rasch zum Ziele zu kommen, so wolle er ja auf demselben blei ben. Will es aber mit der Ausbildung nicht recht vorwärts, so mag er es nicht verschmähen, seinen Blick auf diese Blätter zu werfen. Biel leicht findet er in ihnen den Führer aus der Verlegenheit. Geschrieben im Winter 1868/69.

G.

VII.

Die Leistungen der französischen Festungs- und Be lagerungs- Geſchüße nach den auf der Insel Aix in den

Jahren 1863 und 1864

ausgeführten Schieß

versuchen.

Frankreich hat in seine Festungsartillerie gezogene 12 und 24pfünder eingestellt, welche durch Ziehen der früheren glatten Röhre dieses Ka

1

155

libers gewonnen worden sind und außerdem für seine Belagerungsartillerie gezogene 12 und 24pfünder neuer Konstruktion eingeführt.

Diese Ge

schüße sind im Verein mit dem gezogenen 50pfünder und dem 32 Cen timeter-Mörser in den Jahren 1863 und 1864 ausgedehnten Schießver suchen auf der Insel Aix unterworfen worden, über welche bisher nur sehr aphoristische Mittheilungen bekannt geworden sind.

Ausführlichere

Mittheilung über die Resultate der Versuche sind in dem kürzlich zu Grenoble (die Vorrede ist vom 1. Mai 1870 datirt) erschienenen Werke des Oberst Crouzat : Les canons rayés de l'armée de terre en 1870 et leurs effets en rase campagne et dans les sièges enthalten.

Die

selben erregen an und für sich schon ein hohes Intereffe, das sich unter den obwaltenden Zeitverhältnissen noch bedeutend steigert ; es dürfte daher nicht unwillkommen sein, wenn in dem Nachfolgenden eine Ueber ficht der in den Jahren 1863 und 1864 auf der Insel Aix angestellten Bersuche und deren Resultate gegeben wird und dieser Uebersicht eine Zusammenstellung der Leistungen der französischen Festungs- und Bela gerungsgeschüße und eine Angabe über die an den Festungen Frankreichs intendirten baulichen Modifikationen folgt. Eine von dem Kriegsminister ernannte und aus Artillerie- und Ingenieur-Offizieren gebildete Kommiſſion war mit der Ausführung der Bersuche auf der Insel Aix beauftragt. Die durch das Programm vorgeschriebenen Aufgaben waren die folgenden: 1) Brescheschießen auf größeren Entfernungen mit gezogenen 12 und 24pfündern, auf 1200 Meter gegen Escarpenmauern, welche auf der Hälfte ihrer Höhe sichtbar waren, auf 1200 Meter und 670 Meter gegen Escarpenmauern, welche nur auf ein Meter Höhe sichtbar, auf denselben Entfernungen gegen Escarpenmauern , welche dem Blicke des Angreifers vollständig entzogen waren. 2) Versuch, Erdbrustwehren mittelst der Explosion oblonger Geschosse auf den Entfernungen von 250 bis 670 Meter zu zerstören. 3) Schießen gegen Blindagen und Mauergewölbe, um die Wirkun gen der oblongen Geschoffe des 24pfünders und des 50pfünders

156 unter großen Elevationswinkeln mit denen der 32 Centimeter Bomben zu vergleichen. Auf den Bastionen erbaute gedeckte Geschüßstände sollten nicht nur diesem Wurffeuer, sondern auch dem Demontirſchuß der gezogenen 12 und 24pfünder ausgesetzt werden. Die Versuche fanden gegen das Fort Liédot statt, welches ein regel mäßiges bastionirtes Viereck bildet, deffen Escarpen von gutem Mauer werk erbaut sind, aber ein Parement von weichem Material befizen. Die Brustwehren bestehen aus widerstandsfähigem Erdreich, das zur Klumpenbildung neigt. Im Voraus mögen hier einige wesentliche Angaben, welche die französische Kommiſſion aus den Resultaten ihrer Versuche gefolgert hat, angeführt worden. Die Kommission hat als Grundsatz aufgestellt, daß das Treffen der Mitte der Höhe der Escarpe als Grenze betrachtet werden muß, wenn man beabsichtigt, Befestigungen ähnlich denen des Fort Liédot aus grö ßerer Ferne in Bresche zu legen. zu unterscheiden :

Hierbei sind zwei verschiedene Fälle

1) die zu beschießende Escarpe ist von der Batterie aus in ihrer halben Höhe zu übersehen, 2) die betreffende Escarpe ist gar nicht oder nur sehr wenig sichtbar. Im ersten Falle verwendet man naturgemäß den Demontirſchuß und ein gutes Fernrohr genügt, um von der Batterie aus die Geschoß abweichungen und die Unregelmäßigkeiten des Schießens zu beobachten. In dem zweiten Falle benußt man den indirekten Schuß (tir plon geant) unter einem solchen Winkel, daß die unmittelbar über die Kante der deckenden Brustwehr fortgehenden Geschoffe die Escarpe mindestens in der Mitte ihrer Höhe treffen. Dieser Einfallwinkel und demnach der größte zulässige Erhöhungswinkel hängen in jedem speziellen Falle ab von der Entfernung der deckenden Brustwehr von der zu beschießen den Escarpe und von dem Maße, um welches die Kante der Deckung die Mitte der Höhe der Escarpe überhöhet. Die Kenntniß dieser beiden Maße ist dringend erforderlich. Für den Fall, in welchem die Escarpe auf der Hälfte ihrer Höhe sichtbar ist und in welchem man den Demontirschuß verwendet, hat die Kommission die nachfolgende Methode des Breschirens empfohlen: Zuerst

157 gegen die Mitte der Höhe der Escarpe feuern, dann die Schüffe nach und nach höher legen und die Bresche in dem Maße vertiefen, als man sich der Magistrale nähert. Der Fall des Mauerwerks reißt den be treffenden Theil der Brustwehr mit sich, der bereits durch zu hoch ge= gangene Geschoffe erschüttert ist ; einige Schüsse gegen den Gipfel der Bresche werden dann genügen, um sie praktikabel zu gestalten. Für den Fall, daß die Escarpe auf dem größten Theile ihrer Höhe dem Blicke des Angreifers entzogen ist, so daß man nur höchstens einen schmalen Streifen Mauerwerk zu erkennen vermag, wird, wie erwähnt, die Anwendung des indirekten Schuffes nothwendig. Der Maximal Elevationswinkel, mittelst dessen es möglich ist, die Escarpe auf der Mitte ihrer Höhe zu treffen, wird beim Beginn des Brescheschießens verwendet und so lange benutt, bis es den Anschein gewinnt, daß der über der deckenden Brustwehr sichtbare Theil der Escarpe sich von dem übrigen Theile abzulösen anfängt ; von diesem Augenblicke ab gebraucht man die volle Ladung zum Feuern gegen den Gipfel der Escarpe und gegen die darüber befindliche Brustwehr. Wenn das Mauerwerk vollständig gedeckt ist, so kann man das Ab lösen des Gipfels der Escarpe nicht erkennen , man muß dann fast aus schließlich den Maximal- Erhöhungswinkel zum Schießen verwenden ; man kann jedoch einen kleineren Winkel und daher eine stärkere Ladung be nußen, wenn man in der Brustwehr tiefe Einsenkungen bemerkt, da diese ein ziemlich sicheres Zeichen des Zusammensturzes des Mauerwerks bilden.

Gegen Ende des Schießens werden die Natur der durch die

Explosion der Granaten herumgeschleuderten Materialien und der mehr oder weniger dumpfe Ton der Detonationen den Moment anzeigen, in welchem die Bresche durch einige Schüffe mit starker Ladung gegen den oberen Theil der Brustwehr beendigt werden kann. Diese Maßregeln der französischen Kommission haben genügt, um eine Bresche in einer vollständig gedeckten Escarpe zu erzeugen, ohne daß es nothwendig ge wesen wäre, den Fortschritt des Schießens an der Bresche selbst zu beobachten. Wenn das Mauerwerk sich in geringer Entfernung von der decken den Brustwehr befindet und den Blicken des Belagerers entzogen ist, kann die Größe des anzuwenden Elevationswinkels so hoch gesteigert werden, daß man auf eine ausreichende Breschwirkung verzichten muß.

158 Die Grenze dieses Winkels ist von der Natur des Mauerwerks und von der Entfernung der deckenden Brustwehr von der Escarpe abhängig. Die französische Kommission hat den Satz aufgestellt, daß gegenüber Escarpenmauern wie die des Forts Liédots, die Grenze dieses Winkels für den 12pfünder 100 und für den 24pfünder 120 für Entfernungen zwischen 670 und 1220 Meter betrage, wobei zu bemerken, daß der Ein fallwinkel sich etwa um 20 größer als der Elevationswinkel herausstellt. Schräger Schuß.

Die französische Kommission hat die Grenze

des Winkels zu ermitteln gesucht, unter dem die Schußrichtung der mit Perkussionszündern versehenen oblongen Granaten das Mauerwerk tref fen muß, um noch genügende Eindringungstiefe zu gewinnen. Nach den Versuchen gegen das Mauerwerk des Fort Liédot beträgt die Grenze für den schrägen Schuß für den gezogenen 12pfünder 24º, wenn die Escarpe rechts gelegen und 250, wenn sie links liegt, für den gezogenen kurzen 24pfünder 24º, wenn die Escarpe rechts gelegen und 280 wenn sie links liegt. Das Schießen im schrägen Schuß fand auf Entfernungen von 42 bis 98 Meter statt. Bei den verschiedenen Breſschversuchen waren die Granaten stets mit Perkussionszündern versehen und erklärt die Kommission, daß der ausschließliche Gebrauch dieser Zünder mächtig zur günstigen Wirkung beigetragen habe, da dem durch den Chok der Granaten hervorgerufenen Effekte sich noch die Explosionswirkung beigesellt habe. Brescheschuß auf größeren Entfernungen ; Gegen Escarpen , auf der Hälfte ihrer Höhe gedect, Entfernung 1217 Meter. Schießen aus dem gezogenen Belagerungs- 12pfünder. Die Escarpe hatte 2,50 Meter Stärke. Die Entfernung des Fußes der Escarpe von der deckenden Brustwehrkante betrug etwa 12 Meter. ― Sprengladung Ladung 1,2 Kilogramm ― Erhöhungswinkel 40.10'der Granate 500 Gramme. Nach 650 Schuß war die Bresche praktikabel, 370 Granaten hatten das Mauerwerk, 70 die Brustwehr getroffen . Schießen aus dem kurzen 24pfünder. Ladung 2,5 Kilo gramm - Sprengladung der Granate 1 kilogramm. Die Bresche

159 wurde durch 270 Schuß praktikabel gestaltet, davon hatten 175 Gra naten das Mauerwerk oder die Brustwehr getroffen. Die französische Kommission betrachtet die Ausführung einer Bresche mittelst des gezogenen kurzen 24pfünders bei einer auf ihrer halben Höhe sichtbaren Escarpenmauer bis auf 1500 Meter gesichert. Gegen eine Escarpe , nur auf 1,27 Meter Höhe sichtbar. Entfernung 1210 Meter. Die Escarpe hatte 7,60 Meter Höhe und 2,50 Meter Stärke. Die Entfernung der deckenden Krete von dem Revetement betrug 18,43 Meter. Schießen aus dem 12pfünder. Nach einigen Probeschüssen wurde der Erhöhungswinkel von 80 und die Ladung von 675 Gramme angewendet und beide so lange beibehalten, bis man die Bresche genit gend weit vorgeschritten erachtete, um die Ladung von 1,2 Kilogramm benußen zu können . Bei der Gesammtzahl von 967 Schuß, von denen 300 mit der legtgenannten Ladung, hatten 568 Granaten die Escarpe oder die Bruft wehr getroffen und war die Bresche auf einer Breite von 7,70 Meter praktikabel gestaltet. Schießen aus dem 24pfünder.

Inter fast denselben Bedin

gungen wurde eine Bresche mit dem langen und kurzen 24pfünder ge bildet. Das Schießen begann unter 7° 30′ und der Ladung von 1,43 Kilogramm aus dem kurzen 24pfünder, und der Ladung von 1,3 kilo gramm aus dem langen 24pfünder. Nach 300 Schuß war die Bresch legung so weit vorgerückt, daß man durch 94 Granaten mit der Ladung von 2,5 Kilogramm eine praktikabele Bresche auf einer Breite von 7,40 Meter gewann. Von der Gesammtzahl der geschehenen 394 Schuß hat ten 219 einen Nußeffekt geliefert.

Entfernung 670 Meter. Die Escarpe hatte dieselbe Höhe und Stärke wie die vorhergehende und wurde auf 1,28 Meter der Höhe von der Batterie aus gesehen. Die Entfernung der deckenden Krete von der Escarpe betrug 19,70 Meter. Schießen aus dem 12pfünder. Das mit der Ladung von 435 Gramme und dem Elevationswinkel von 80 begonnene und zum größten Theil ausgeführte Brescheschießen, während dessen man die Richtungs

160 punkte successive höher legte, wurde durch 56 Granaten bei der Ladung von 1,2 Kilogramme beendigt. Von 500 Schuß hatten 359 das Mauer werk oder die Brustwehr getroffen. Die Bresche war mit einer Neigung von etwa 34° auf einer Breite von 4 Meter praktikabel. Schießen aus dem kurzen 24pfünder.

Die Bresche wurde

durch 180 Schuß mit der Ladung von 835 Gramme und dem Eleva tionswinkel von 80 und durch 50 Schuß mit der Ladung von 2,5 Kilo gramme, im Ganzen durch 230 Granaten, von denen 190 das Mauer werk oder die Brustwehr getroffen , erzeugt.

Die Escarpe war in der Magistrale auf einer Länge von 13 Meter zerstört ; die Rampe hatte * ** einen Fall von 35º und eine ersteigbare Breite von 4,50 Meter; die Brustwehr war auf eine durchschnittliche Stärke von 1,70 Meter redus zir - 24 Kanoniere erstiegen in 25 Sekunden mit Leichtigkeit den Gipfel der Bresche.

Bemerkungen. Es ist auffallend, daß die auf 670 Meter erzeugte Bresche im Ver hältniß zu ihrer praktikabeln Breite eine größere Schußzahl erfordert hat, als die unter gleichen Bedingungen auf 1210 Meter gelegte Bresche. Dies ist das natürliche Resultat der Verringerung der Geschwindigkeiten und der Eindringungskraft der zwar unter demselben Elevationswinkel aber mit bedeutend geringeren Ladungen gefeuerten Geschosse. Die zur Erzeugung der Breschen verwendeten Gewichtsquantitäten Eisens sind für die unter gleichen Bedingungen erzeugten gleichen Bresch breiten fast gleich, gleichviel welches Kaliber zur Anwendung gekommen, verschieden aber für ein und daffelbe Kaliber, wenn sich die Ladungs verhältnisse und mithin die Geschwindigkeit ändern. Gegen vollständig gedeckte Escarpen. Entfernung 1220 Meter. Die Escarpe hatte 7,60 Meter Höhe, am Gipfel 1,20 und am Fuße 1,63 Meter Stärke. Die Entfernung der deckenden Krete vom Gipfel des Revetements betrug 20 Meter. Schießen aus dem 12pfünder.

Die deckende Brustwehr über

höhete, von der Batterie aus gesehen, die Magistrale um 0,21 Me ter ; unter diesen Umständen mußten die Geschoffe einen Fallwinkel von etwa 111/20 haben, um die Escarpe mindestens in der Mitte ihrer Höhe zu treffen.

Die Kommission benußte zuerst den Erhöhungswinkel

161

von 100 und verwendete dann nach dem Grade des Fortschreitens der Breschlegung successive kleinere Elevationswinkel. Die Bresche war beendigt nach 450 Schuß mit 570 Gramme Ladung und 100 Elevation, = 675 = 75 = 80 = 328 - 830 = 60 = s 1,20 Kilogramm Ladung. 165 Summa 1018 Schuß. Von diesen 1018 Schuß hatten 475 das Mauerwerk und die Brust wehr getroffen. Die aus den Trümmern gebildete Rampe erstreckte sich von der Sohle des Grabens bis zur Krone der Brustwehr unter einem Neigungswinkel von etwa 341/2º. Sie wurde durch 24 bewaffnete Ka noniere in weniger als einer halben Minute erstiegen. Schießen aus dem langen 24pfünder.

Der obere Theil

der Escarpe wurde von der Batterie aus nur in einer Höhe von 0,08 Meter gesehen. Nach 60 Schuß mit 1,3 Kilogramme Ladung und 80 Elevation und 240 = 1,06 = E · 100 war die Bresche genügend weit vorgeschritten, um sie durch 80 Schuß mit 2,5 Kilogramme beenden zu können . Von den 380 verfeuerten Granaten hatten 281 die Escarpe oder die Brustwehr getroffen.

Entfernung 670 Meter. Die Escarpe hatte 7,60 Meter Höhe und 2,20 Meter Stärke am Gipfel.

Die Entfernung der Krete der deckenden Brustwehr von der

Mauer betrug 20 Meter. Schießen aus dem 12pfünder.

Die Escarpe war durch die

vorliegende Brustwehr bis 0,23 Meter über die Magistrale, mit Rück ſicht auf das Niveau der Batterie, gedeckt. Die Verſuchskommiſſion be schloß, die erlangten Wirkungen nicht zu beobachten. Schuß, nämlich :

Es geschahen 866

160 Schuß mit d . Ladung von 355 Gramme und der Elevat. von 100, 665 s = = · 435 80 3 = s 560 = = = 41 = 6º, 866 Schuß. Von diesen hatten 467 Granaten die Bresche getroffen und eine Rampe von einer mittleren Neigung von 340 und einer Maximal breite von 3,80 Meter gebildet, welche sich bis zur Brustwehrkrone er 11 Vierunddreißigster Jahrgang. Band LXVIII.

162 streckte ; die Brustwehr war auf die Stärke von 1 Meter mit einer Maxi mal-Abkämmung von 0,65 Meter auf einer Länge von 4 Meter redu zirt. 24 Kanoniere im Arbeitsanzuge erftiegen die Bresche in 19 Se funden. Schießen aus dem kurzen 24pfünder.

Die Escarpe wurde

von der Batterie aus nur auf einer Höhe von 0,25 Meter gesehen. 339 Schuß genügten zur Ersteigbarkeit der Bresche. Es geschahen 120 Schuß mit der Ladung von 675 Gramme und 100 Elevation, = = 835 = = · • 80 211 = 8 = 2,5 Kilogramm - 100 Von den 339 Granaten hatten 258 die Brustwehr oder Escarpe getroffen. Zerstörung von Erdbrustwehren. Schießen aus dem 12pfänder.

Nach einem Demontirschießen

von 70 Schuß mit der Ladung von 1,2 Kilogramm auf 670 Meter gegen eine Erdbrustwehr von 6 Meter Stärke schloß die Versuchskommiſſion, daß man auf die Explosionswirkung der 12pfdgen oblongen Granate zur Zerstörung einer Erdbrustwehr eben so wenig rechnen könne, wie auf das Abfäm men der Krete eines Erdglacis, um den oberen, dem Blicke des An greifers entzogenen, Theil der Escarpe frei zu legen. Auf der Entfernung von 560 Meter drang die 12pfündige Granate 1,60 Meter und die 24pfündige 2,20 bis 2,30 Meter in die Erde ein. Der geringe Effekt, den diese Granaten in Brustwehren hervorbringen, ist daher nicht in dem Mangel an Eindringungsfähigkeit, sondern ledig. lich in ihrer ungenügenden Sprengwirkung zum Auseinanderwerfen der Erbe begründet. Schießen aus dem 24pfünder. Die betreffenden auf denselben Entfernungen angestellten Versuche haben die Versuchskommission zu der Schlußfolgerung geführt, daß man zwar mittelst des gezogenenen 24pfün ders eine 6 Meter starke Brustwehr zu zerstören vermag, aber nur mit einer außer allem Verhältniß zur erlangten Wirkung stehenden Muni tionsmenge. Den Versuch, die Krete eines Erdglacis mittelst des 24pfünders zur Freilegung der Escarpe abzukämmen, hat die Kommission auf so lange Zeit vertagt, bis es gelungen sein wird, den Granaten des 12 und 24pfünders eine größere Sprengwirkung zu verleihen.

163 Werfen gegen Erbwerke, Mauergewölbe und Blindagen. Schon beim Beginn dieser Versuchsserie erkannte die Kommiſſion, daß fie wegen der ungenügenden Wirkung des 24pfünders unter großen Elevationswinkeln gegen Gewölbe und Blindagen diesem Gebrauche ent sagen müsse und daß es nußlos sei, den gezogenen 12pfünder einem derartigen Versuche zu unterziehen. Man beschränkte sich daher auf das Werfen aus dem 32 Centimeter- Mörser und aus dem gezogenen 50pfün der. Dasselbe fand auf den Entfernungen von 1220 und 2635 Meter unter den Elevationswinkeln von 35 und 450 statt.

Da der 32 Centimeter-Mörser sich im französischen Belagerungspart befindet, so haben die wesentlichsten Ergebniſſe dieser Versuche Intereffe. Wirkung gegen Erdwerke. Auf der Entfernung von 1220 Meter drang die 32 Centimeter Bombe 1,27 Meter in die Erde und erzeugte einen Trichter von 2,05 Meter Durchmesser an der Oberfläche. Auf derselben Entfernung war die Wirkung der 50pfündigen Gra nate merklich schwächer.

Ihre Eindringungstiefe betrug im Durchschnitt

nur 0,80 Meter und war nur wenig verschieden von der der 24pfündi gen Granate (0,70 Meter). Auf der Distance von 2636 Meter drang die 50pfündige Granate zu tief ein, um durch ihre Explosion die Erde herausschleudern und einen Trichter bilden zu können. Die vertikale Eindringungstiefe betrug im Mittel 2,35 Meter. Auf derselben Distanz veranlaßten die 32 Centimeter-Bomben be

deutende Erdbewegungen, ihre Verwendung würde daher sehr vortheil haft sein, wenn ihre Präcision weniger unsicher wäre. Wirkung gegen Gewölbe. Die aus dem Werfen von 15 Bomben von 32 Centimeter und einer 50pfündigen Granate gegen Kasemattengewölbe auf 1220 Meter gewon nenen Ergebnisse haben die Versuchskommission zu den nachfolgenden Schlüffen geleitet : Gewölbe von 1 Meter Stärke mit einer Neigung von 20 bis 300 können einem lang andauernden Wurffeuer aus dem 32 Centimeter-Mörser und dem gezogenen 50pfünder unter großen Ele vationswinkeln (35 und 45º) selbst dann widerstehen, wenn das Gewölbe nur mit einer 0,30 Meter starken Erddecke versehen ist. Durch eine 11 *

164 2 Meter starke Erdbecke gewinnt man aber die vollständigste Sicherheit für die Vertheidiger, welche einen Schuß unter dem Gewölbe suchen. Wirkungen gegen Blindagen. Man schoß zunächst auf 1220 Meter gegen zwei horizontale Blin dagen, deren eine mit Eisenbahnschienen , deren andere mit Balken von Fichtenholz von 0,30 Meter im Gevierte bedeckt waren. Beide Blin dagen waren überdeckt mit einer doppelten Lage kreuzweise angeordneter Pallisaden und 1 Meter Dünger oder Meeresschlamm und Erde.

Keine

dieser beiden Blindagen zeigte sich widerständsfähig. Zwei Blindagen bei 2 Meter Höhe und 1 Meter Basis gegen eine Brustwehr geneigt und fast genau wie die vorgenannten bedeckt, leiſteten nur in sehr mittelmäßiger Weise Widerstand. Zwei andere horizontale Blindagen , deren eine mit drei Lagen Fichtenblöcken von 0,30 Meter im Quadrat und deren andere mit zwei Lagen unbehauenen Eichenblöcken von 0,40 Meter im Geviert , beide außerdem mit einer Düngerdecke von 0,30 Meter und einer Erddecke von 0,70 Meter Stärke belegt waren , widerstanden nur höchst mittel mäßig. Eine schräge Blindage , welche gegen eine Mauer gelehnt aus einer doppelten Lage unbehauener Ulmen- oder Eichenblöcken von 0,40 Meter Durchmesser gebildet und mit einer festgestampften Erddecke von 2 Meter Stärke geschützt war, leistete genügenden Widerstand. Die Commission hat sich hiernach zu dem Ausspruche berechtigt ge halten, daß horizontale Blindagen, welche aus drei Balkenlagen und schräge, welche aus zwei Balkenlagen gebildet sind, in gewissem Grade dem Schlage der 32- Centimeter Bomben auf 1220 Meter zu widerstehen vermögen. - Vorzugsweise wird aber die Sicherheit horizontaler Blin= dagen, welche dem direkten Schusse entzogen sind, durch die geringe Präcision des Bombenwurfs auf größeren Entfernungen gewährleistet. Zum Schluffe erklärt die Versuchs - Kommiſſion, daß die mit Erde bedeckten Mauergewölbe stets eine bedeutende Ueberlegenheit über Blin dagen von Holz besigen werden und spricht die Hoffnung aus, daß allen auf den Wallgängen nothwendig werdenden blindirten Batterien dieser überlegene Schuß zugewendet werde. Die zerstörenden Wirkungen der 32 - Centimeter Bombe sind un gleich beträchtlicher, als die der 50 pfdgen Granate ; die letztere hat aber

165 namentlich auf den größeren Entfernungen eine überlegene Präcision. Die Frage würde ihre günstigste Lösung durch die Konstruktion eines Ge schüges erhalten, welches die mächtige Wirkung der 32- Centimeter Bombe mit der Präcision des gezogenen 50- Pfdrs . verbände.

Bis dieses ge

schehen, hält die Kommission die Beibehaltung des 32 - Centimeter Mör sers und selbst die des 27- Centimeter Mörsers in dem Belagerungspart durchaus geboten. Direkter Schuß aus dem gezogenen 12 , und 24 - Pfdr. gegen blindirte Batterien. Die auf dem Wallgange etablirten blindirten Batterien haben dem direkten Schuffe aus gezogenen 12- und 24-Pfdrn . auf 670 und 1200 Meter nicht widerstanden. Die Scharten waren schnell verschüttet und zerstört, die Balken der Wände wurden gebrochen und lieferten sehr ge= fährliche Holzsplitter. Die Versuchs-Kommission gab ihr Urtheil daher dahin ab, daß es dem direkten Schuffe des Belagerers gegenüber vielleicht weniger gefahrvoll sei, auf offenem Walle über Bank zu feuern, als des Schußes einer blindirten Batterie zu genießen.

Wirkung gegen Eisenpanzerungen. Obgleich Eisenpanzerungen von Befestigungen bisher mehr noch als Projekt als in Wirklichkeit bestehen, so hat die Versuchs-Kommission der Insel Air doch zu wiederholten Malen Schießversuche gegen dergleichen Schuhmittel aus gezogenen Geschüßen der Marine- und Land -Artillerie angestellt. Im Jahre 1863 schoß man im Fort Enet aus 30- und 50pfdgen Marinegeschützen gegen einen Panzer, der aus 54 Eisenplatten bestand, von denen 19 Holzkohleneisen und 35 Coakseisen enthielten und welche 0,25 Meter Stärke, 0,10 Meter Höhe und 5,40 Meter Länge besaßen. Dieser Panzer wurde getroffen durch 1) 23 sphärische 50pfdge. mit der Ladung von 8,33 kilogramm auf den Entfernungen von 800 , 500 , 400 und 300 Meter verfeuerte Ge schoffe, 2) 75 Stahlgeschosse (boulets de choc , Panzergeschoffe) aus dem gezogenen 30-Pfdr. mit der Ladung von 7,5 Kilogramm auf den Diſtanzen von 800, 500, 400, 300 und 200 Meter verfeuert,

3) endlich durch 12 oblonge 30pfdge. Granaten auf den Entfernungen

166 von 800, 500 und 400 Meter mit der Ladung von 3,5 Kilogramm ver feuert. Bei den Versuchen ergab sich eine große Verschiedenheit des Ver haltens der Platten von Holzkohleneiſen und der von Coakseisen. Nach dem zweiten Schießtage zeigten 29 Platten von Coakseisen , welche 14 Mal getroffen waren, 20 äußere, 20 innere Spalten und 3 Spreng stücke, während die Platten von Holzkohleneisen, welche 18 Geschoß Die Kommission anschläge aufwiesen , keine Risse erkennen ließen. beachtete daher ferncr nur die Wirkungen auf die Platten von Holz tohleneisen. Auf diesen Platten zerschellten die 50pfdgen gußeisernen Geschoffe, indem sie nur Anschläge darauf zurückließen ; die 30pfdgen Granaten äußerten einen noch geringeren Effekt, ſo daß man vom fünften Schieß tage ab nur noch Panzergeschoffe von Stahl verfeuerte. Auf 800 Meter brachten diese nur Risse hervor , auf 400 und 300 Meter konstatirte man nach der Verwendung von 30 Panzergeschoffen 8 Spalten und einen Bruch der Platten ; auf 200 Meter waren nach 18 Schuß mit Panzergeschossen einige Platten zerbrochen und andere gekrümmt. Im Jahre 1869 wurden neue Versuche angestellt. Die Panzerung war aus Eisenplatten verschiedener Länge gebildet, die 0,35 Meter Breite und eine mittlere Stärke von 0,15 Meter besaßen und, schwalbenschwanz förmig zusammengefügt, an den Enden durch 2 Pfeiler gestützt wurden. Diese Panzerung hatte in ihrer Mitte eine Oeffnung, welche die Cafe mattenscharte des gepanzerten Werkes vorstellte. Die auf den Entfernungen von 1200 , 700 und 300 Meter ver. feuerten Granaten des 12- und 24 -Pfdrs. machten auf dieser Panzerung nur unbedeutende Eindrücke , deren Tiefe zwischen 3 und 5 Millimeter betrug. Man schoß demnächst aus dem langen gezogenen 24-Pfünder mit der Ladung von 2,65 Kilogramme Vollgeschoffe von 32 Kilogramme Gewicht. Es geschahen 60 Schuß auf 1200 Meter und 50 auf 700 Meter. Die Einbringungstiefe war auf beiden Distanzen annähernd die selbe und variirte zwischen 70 und 110 Millimeter. Hinter den tiefsten Eindrücken bemerkte man Auftreibungen , von denen aus Risse in der

167 Richtung der Länge der Platten ausgingen.

Das Ende einer Platte

war zunächst der Scharte zerbrochen und 5 Meter weit in die Casematte geschleudert. Die schwalbenschwanzförmigen Zusammenfügungen hatten schlecht gehalten. Als Resultat ergab sich die Ansicht , daß die Panzerung , in der konftruirten Art , einem andauernden Beschießen mit 24pfdgen . Voll geschoffen auf 1200 und 700 Meter nicht Widerstand zu leisten vermöge. Der lange gezogene 24- Pfünder hatte in der Belagerungs - Laffete das Schießen genügend gut ertragen. Dieselbe Panzerung widerstand dem Schuffe aus dem Marine 16-Centimeter gußeisernen , umringten Rohre, das bei der Ladung von 7,5 Kilogramme Vollgeschoffe von 45 Kilogramme Gewicht feuerte, auf den Entfernungen von 1200 und 700 Meter nicht, da mehrere Geschoffe dieselbe durchdrangen. Diese verschiedenen Versuche beweisen, daß für Frankreich die Frage der Eisenpanzerung von Befestigungen ihrer Lösung noch harret. Resumé. Aus den vorstehenden Resultaten der skizzirten Versuche und aus den sonst in Frankreich mit den gezogenen Festungs- und Belagerungs geschützen gewonnenen Erfahrungen, ergeben sich ihre Leistungen in fol gender Weise. 1) Die Belagerungsgeschüße haben eine Schußweite, welche sich für den 12-Pfünder auf über 4000 Meter und für den 24-Pfünder auf über 5000 Meter erstreckt. 2) Auf 3000 Meter haben diese Geschüße noch eine große Treff wahrscheinlichkeit, während ihre Geschosse noch eine bedeutende Geschwin digkeit befizen. 3) Sie sind hinlänglich leicht und handlich, um ohne zu große An ftrengungen durch die Trancheen in Batterie gebracht zu werden. 4) Die Möglichkeit , mittelft des direkten Schuffes Bresche in eine Escarpe, welche auf die Hälfte ihrer Höhe sichtbar ist, zu legen, ist für den 12-Pfänder bis auf 1200 Meter und für den 24-Pfünder bis auf 1500 Meter vorhanden. 5) Mittelst des indirekten Schusses in einer nicht sichtbaren Escarpe eine prakticabele Bresche zu erzeugen , besteht die Möglichkeit , bis auf 1200 Meter , wenn man dabei nicht genöthigt ist , für den 12-Pfünder

168 einen größeren Elevationswinkel als 100 und für den 24-Pfünder mehr als 120 zu gebrauchen. 6) Der kurze 24- Pfünder hat eine merkliche Ueberlegenheit über den 12-Pfünder, sowohl auf 1200 als auf 600 Meter Entfernung, auf welcher der 12 -Pfünder jedoch im indirekten Schuffe noch eine gute Treffwahr ſcheinlichkeit beſitzt. -- Die zur Breschlegung erforderliche Zeit ist für den 24-Pfünder fast halb so groß, als für den 12-Pfdr. - Beim nahen Brescheschuß verschwindet die Ueberlegenheit des 24- Pfünders und geht, wenn auch in schwachem Grade, auf den 12-Pfünder über. 7) Der Absturz der Erde der Brustwehr in den Graben längs der geschossenen Bresche trägt wesentlich dazu bei , die Bresche ersteigbar zu machen; Granaten wirken gegen Erdwerke um so weniger, je lehmhaltiger die letteren sind. 8) Escarpen mit Dechargen- Gewölben sind insofern vortheilhafter, als volle Mauern , da sie weniger Trümmer liefern , um die Bresche prakticabel zu gestalten. 9) Der 12-Pfünder reicht nicht aus, um eine Brustwehr von 6 Meter Stärke zu zerstören oder die Krete eines Erdglacis abzukämmen... Der 24-Psünder ist gleichfalls ungenügend, um die Krete eines Erdglacis in der Absicht abzukämmen, dadurch eine Escarpe frei zu legen. Mittelst des 24-Pfünders kann man zwar eine 6 Meter starke Brustwehr zer stören, aber nur um den Preis einer Munitionsmenge, die außer allem Verhältniß zu dem erreichten Resultate steht.

10) Die 12- und 24- Pfünder sind in Bezug auf ihre Wurfwirkungen gegen Mauergewölbe und selbst gegen Blindagen vollständig ungenügend; ihre Granaten dringen in Erde zwar tief ein , entbehren aber der er forderlichen Sprengwirkung, um die Erde hinlänglich umherzuwerfen. 11) Die auf den Wallgängen erbauten blindirten Batterien leisten gegen den Demontirſchuß des 12- und 24- Pfünders keinen Widerstand. 12) Gewölbe von 1 Meter Stärke und einer Neigung von 20-30°, die mit 2 Meter Erde bedeckt sind, garantiren eine vollkommene Sicher heit gegen den Schlag der 32- Centimeter Bombe. ―――― Blindagen , in ge wöhnlicher Weise erbaut, thun dies nicht. - Der schon auf 1200 Meter wenig sichere Wurf der 32- Centimeter Bomben ermangelt auf größeren Entfernungen aller Präcision. Die 50pfdge. Granate hat zwar bedeutend

169 mehr Treffwahrscheinlichkeit, als die 32-Centimeter Bombe, aber ihr fehlt die entsprechende Sprengwirkung. Einfluß der Leistungen der Belagerungsgeschüße auf den Festungsbau und Festungskrieg. Oberst Crouzat zieht aus den Leistungen der gezogenen Belagerungs geschütze folgende Folgerungen: Zunächst glaubt er, daß alle Festungen von geringerer Ausdehnung, deren Einwohnerschaft leicht von Außen erreicht werden kann und die daher durch ein Feuer von wenigen Stunden von Entfernungen von 2000 und selbst 3000 Meter aus , ruinirt werden können , sich nicht zu halten vermögen.

Frankreich besigt viele solcher Festungen.

Sie hatten

ihre Berechtigung, als die Kriege nur mit wenig zahlreichen Armeen, deren Waffen nur eine geringe Tragweite besaßen , geführt wurden und als nur wenige Wege, welche sie sperren konnten, existirten. Gegenwärtig treten im Kriege mächtige Armeen auf, welche ein kräftiges Material mit Leichtigkeit mit sich führen , anßerdem bestehen Wege überall . Nimmt man eine an der Grenze verlorene Schlacht an, da man, wie Oberst Crouzat meint, sich nicht schmeicheln könne, stets siegreich zu sein, so wird das Land vom Feinde überschwemmt und die kleinen Festungen, isolirt wie sie sind , werden von allen Seiten umhüllt und sich bald er geben, da sie wissen, daß sie von 2000-3000 Meter aus bis auf den lezten Schutthaufen zerstört werden können.

Die kleinen Pläße, die

vollständig unnüz sind , so lange die Grenze nicht bedroht ist, werden daher im Falle einer Invasion eine leichte Beute des Feindes werden und ihm einestheils Waffen, Material, Munition und Gefangene in die Hände führen, andererseits ihm eine Deckung seiner Kommunikationen gewähren und ihm als Mittel dienen , die weitere Umgebung im Ge horsam zu erhalten. Die kleinen Festungen erscheinen daher nicht nur unnöthig, sondern sogar schädlich. Die großen Pläge dagegen, welche ausgedehnte verschanzte Lager darstellen nnd weder blokirt uoch leichten Kaufes bezwungen werden können , die Sammelpläße für eine geschlagene Armee, aus denen sie zu geeigneter Stunde hervortreteu kann, um Revanche zu nehmen, die großen Festungen müffen wegen der neueren Geschüße Modifikationen erleiden . 1) Die Möglichkeit , auf größeren Entfernungen in eine Escarpe,

170 welche bis auf die Hälfte ihrer Höhe sichtbar ist, Bresche legen zu können, zwingt naturgemäß dazu, diese Escarpen durch Erhöhen der Krete des Glacis zu decken. Zwar wird eine große Festung nicht verloren ſein, wenn der Angreifer von Weitem ihre Escarpen an einigen Stellen zer stört hat , denn er muß zuvor den Grabenübergang zum Sturm aus führen, und ein Sturm auf 1000 , ja selbst auf 600 Meter ist nicht möglich ; aber diese Breschen beunruhigen die Garnison, schwächen ihr moralisches Element , zersplittern ihre Kräfte und ermüden sie durch die Nothwendigkeit, sie zu bewachen. Man muß dergleichen Breschen daher durch Deckung der Escarpen verhindern, wie dies von dem Fortifikations Komitee gefordert wird. 2) Die Möglichkeit , mittelst des indirekten Schufſes auf größeren Entfernungen in eine gedeckte Escarpe Bresche legen zu können , wenn der anzuwendende Elevationswinkel beim 12-Pfünder nicht 100 und beim 24-Pfünder nicht 120 übersteigt, läßt keinen Zweifel darüber, daß die Grabenbreite, nach dem Vorschlage des Fortifikations-Komitees dergestalt, verringert werden muß , daß der Einfallwinkel der Geschosse eine solche Größe erhält, daß die Geschoffe keine ernstliche Zerstörung der Escarpen hervorrufen können. In dem Falle , in welchem es vortheilhaft erachtet wird, zur Ver minderung der Grabenbreite die Escarpe vorzuschieben, würde dies nach den Versuchsergebnissen am günstigsten durch die Anlage von Escarpen mit Dechargen - Gewölben geschehen , indem man die Brustwehren mög lichst an ihrem jetzigen Plaze läßt, damit sie nicht in den Fall der Escarpe verwickelt werden, wenn diese in Bresche gelegt worden. In dem Falle aber , in welchem es vorgezogen wird , die Contre Escarpen nach Inneu zu verlegen, wird es nothwendig, neue Contre Escarpen aufzuführen, so hoch und solide als möglich, damit der An greifer , um den Grabenübergang zu bewerkstelligen , sich auf dem ge deckten Wege etabliren muß . In diesem Falle würde es sich empfehlen, die Wallbrustwehr um einige Meter zurückzuziehen. Diese beiden Modifikationen erscheinen unaufschieblich und dringend. Die französischen großen Festungen werden sie erhalten , zunächst auf ihren wahrscheinlichen Angriffsfronten . Werden diesen Modifikationen noch Traversen und Schußgewölbe in hinreichender Zahl hinzugefügt, so

171 werden die Festungen nach der Ansicht des Oberst Crouzat allen Angriffen -- bak

zu trogen vermögen. Den 30. Juli 1870.

VIII.

Weber die Ausrüßtung

der Belagerungs- Artillerie.

ie Militairliteratur hat in den letzten Jahren unstreitig einen außer ordentlichen Umfang erreicht und es wäre schwer zu entscheiden , ob auf dem Felde der allgemeinen Kriegswissenschaft, oder auf den Gebieten des Artillerie- , Genie- oder Marinewesens eine größere Thätigkeit entfaltet wurde. Um so merkwürdiger und auffallender erscheint daher die Lücke, wel de gerade in einem der wichtigsten Fächer wahrzunehmen ist , in einem Fache, welches einen Haupttheil der Berufspflichten des Artilleriften und Ingenieurs umfaßt und in früherer Zeit mit besonderer Vorliebe ge pflegt wurde.

Wir meinen die Leitung und die Wahl der Mittel des

Belagerungskrieges . Während die Werke, welche über die durch die ver änderte Bewaffnung der Truppen bedingte Reform der eigentlichen Tal tit, über die Wahl der Geschüzkaliber, sowie über die Gliederung, Aus rüstung und Verwendung der Felbartillerie geschrieben wurden , eine höchst ansehnliche Bibliothek füllen würden , liegt die Literatur über die Taktik des Belagerungskrieges nahezu ganz brach.

Die von vielen Offt

zieren der andern Waffengattungen, gewiß aber nur von wenigen Artille riften und Ingenieuren getheilte Ansicht, daß die Zeit des Festungstrie ges vorbei sei, dürfte hieran nur geringe Schuld tragen. Wohl aber scheint die Unklarheit, in welcher man sich hinsichtlich der noch zu erwartenden Veränderungen im Geschützwesen sowie das mit den bereits vorhandenen Mitteln zu Erreichenden befindet, lähmend

172 einzuwirken. Auch ist es nicht zu übersehen , daß seit der allgemeinen Einführung der gezogenen Geschüße keine regelmäßige Belagerung vor kam . Die Beispiele , welche die in dem leßten amerikaniſchen Kriege unternommenen Belagerungen , sowie die unter ganz außerordentlichen und wohl nie wiederkehrenden Umständen durchgeführte Belagerung Sebastopols darbieten , find geeigneter , die Begriffe zu verwirren , als eine feste Basis für das neu aufzustellende System zu liefern. Daß je doch ein solches System aufgestellt werden müſſe, dürfte nur von Weni gen bezweifelt werden. Hat man nun über die künftig zn befolgende Taktik des Festungs krieges und über den Vorgang bei einer regelmäßigen Belagerung nichts Bestimmtes festgesetzt , so ist man in Bezug der Auswahl der Mittel, nämlich der Zusammenstellung und Stärke des Belagerungsparkes noch im Ungewissen.

Die hierüber hin und wieder enthaltenen Andeutungen

find entweder veraltet oder höchst ungenügend.

Es ist viel darüber ge

ftritten worden, ob es zweckmäßig sei, im Voraus eine bestimmte Form über die Stärke und Gliederung eines Belagerungsparkes festzustellen und letzteren vielleicht schon im Frieden in den verschiedenen Depot pläßen in Bereitschaft zu halten, oder ob es nicht beffer fei, das Erfor derliche erst im Falle einer vorzunehmenden Belagerung ermitteln und dann demgemäß den Artilleriepark zusammenstellen zu laſſen. Wer die riesigen Arbeiten kennt , welche , wenn auch Alles bereits bis ins kleinste Detail vorgerichtet ist , noch bei der Mobilifirung eines solchen Artillerieparkes zu verrichten sind, wird, den im Kriege so schwer wiegenden Werth der Zeit erkennend, der leßteren Ansicht schwerlich bei pflichten. Die Sache hat viele Aehnlichkeit mit der Ordre de Bataille einer Armee.

Während Einige zur Beschleunigung einer eventuellen

Mobilisirung und zur beffern Gewöhnung der Truppen an ihre Zu sammengehörigkeit die Armee schon im Frieden in Armeekorps gegliedert wissen wollen

befürworten andere aus ökonomischen Rücksichten , ört

licher Verhältnisse wegen und angeblich zur besseren Fachausbildung der Truppen (?) die erst von Fall zu Fall zu bestimmende Organisation und Gliederung der zu mobilifirenden Armee. In der That haben auch einige Staaten den Korpsverband ihrer Streitkräfte schon im Frieden auf recht erhalten, während andere erst im Kriegsfalle Armeekorps zuſammen stellen, ja (England) erst Brigaden und Divisionen formiren müſſen.

173 Indessen richten sich selbst jene Staaten, bei welchen der Korpsverband im Frieden nicht besteht, nach gewissen Normen , nach welchen die Zu sammenstellung ihrer Truppen im Kriegsfalle durchgeführt wird. lich wurde es früher mit den Belagerungsparks gehalten.

Aehn

Die Militair

schriftsteller hatten ziemlich genaue Normen über die Zahl und Gattung der Geschüße festgestellt und in den meisten Artillerien hatte man die Zusammenstellung eines Belagerungsparkes ins Auge gefaßt. Ein schon im Frieden zusammengestellter Belagerungspark existirte allerdings nur in einigen Staaten und auch da bestand derselbe nur aus den in eini gen Festungen deponirten Geschüßrohren oder er bestand gar nur - - auf dem Papier. So wenig als die von verschiedenen Schriftstellern aufgestellten ide alen Armeeeintheilungen jemals zur vollen Anwendung gelangten , eben so wurden die in den verschiedenen Staaten bestehenden oder erst ge schaffenen Ordres de Bataille vollſtändig durchgeführt.

Die nicht voll,

ständig beendete Mobilifirung einzelner Truppenkörper , nicht vorherge= sehene, aber durch triftige Gründe gebotene Garnisonsänderungen und andere Umstände machten die strikte Durchführung der Ordre de Bataille vom Anbeginn illusorisch und lettere wurde im Laufe des Feldzuges durch Detaschirungen , Verluste und Zuzüge noch mehr geändert. In dessen blieb doch der Rahmen • in welchem das Ganze eingefügt war und man mußte sich damit begnügen, wenn auch da und dort fühlbare Lücken waren. Aehnlich , wenn auch etwas besser war es bei den Belagerungs trains.

Bei einigen Belagerungen wurde wirklich die von den Schrift

stellern begehrte oder den in den betreffenden Artillerien giltigen Nor men entsprechende Zahl von Geschützen vor den zu belagernden Plaz gebracht, doch kamen diese Geschüße nicht vollständig und in der erwar teten Weise zur Verwendung , oder es mußte später ein mehr oder min der bedeutender Nachschub erfolgen. Dieses fällt jedoch eben so wenig in die Wagschale, als der Umstand , daß die vorgeschriebene Zahl der Kaliber nicht eingehalten oder -- wie bei den Belagerungen der Desterreicher in Belgien und Italien eine gleiche Zahl fremdländischer Kaliber als Ersatz verwendet wurde. In den meisten Fällen wich man jedoch weit von der festgesetten Geschützahl ab . Man benöthigte ent weder nicht so viele Geschüße, oder man konnte keine größere Zahl auf

174 bringen , oder man war durch die Verhältnisse gezwungen , gleich im Anfange mit einer größeren Geschüßmaffe aufzutreten. In den meisten Fällen war es jedoch unverkennbar , daß man die als gültig anerkannte Norm zur Basis genommen und sich derselben thunlichst genähert hatte. Je nach dem Stande des Geſchüßweſens und den allgemeinen An schauungen über die Kriegsführung wichen auch die Angaben der Schrift steller über die zu einer Belagerung erforderliche Geſchüßzahl sehr von einander ab.

Doch ist zu bemerken, daß die Forderungen seit dem Be

ginn des vorigen Jahrhunderts sich zusehends steigerten . Cronsperger und andere Autoren des 16. Jahrhunderts begehrten zur Belagerung eines größeren Plates 100-140 Geschüße , welche Zahl in Wirklichkeit jedoch nie erreicht wurde.

Doch traten in den zahlreichen Belagerungen

des niederländischen Befreiungskrieges beide Theile sehr oft mit einer verhältnißmäßig zahlreichen Artillerie anf.

Im 30 jährigen Kriege da

gegen und namentlich in den lezten Jahren deffelben ſauk die Zahl der Ge schüße immer mehr herab und es erschienen sowohl die Kaiserlichen als auch die Schweden selten mit mehr als vierzig „ schweren Stücken“ vor den zu belagernden Plägen.

Nur die Franzosen machten eine Aus

nahme und es wurde die ungewöhnlich große Zahl und die Vortrefflich keit ihrer Belagerungs- Artillerie gerühmt, wogegen ihre Felvartillerie der schwedischen in jeder Beziehung nachstand und selbst die kaiserliche nicht übertraf.

Durch die der Praxis entnommenen Beispiele wurden auch

die Schriftsteller in ihren Anforderungen herabgestimmt und so kam es, daß Montecuccoli nur 24 Geschütze für die Breschbatterien forderte, und im Nothfalle mit dieser Geschüßzahl für die Belagerung auskommen zu können erklärte. Gleich bescheiden waren die Anforderungen anderer Autoren dieser Epoche. Vauban folgte nicht nur den Traditionen der französischen Ar tillerie , sondern suchte gleich bei den ersten von ihm geleiteteten Be lagerungen den Gegner durch ein überaus heftiges Geschüßfeuer zu er schüttern.

Die Erfindung des Rikoschetschusses vermehrte noch den Be

darf an Geschützen, sowie die nach Vauban's Methode befestigten und mit mehr Geschüßen armirten Plätze auch eine größere Geschützmasse zu ihrer Bewältigung bedurften.

Daher kam es , daß schon Baubau 158

Geschütze zur Belagerung einer Festung ersten Ranges beanspruchte. Gassendi und Vallière forderten die gleiche Zahl.

Le Blond,

175 Piobert und Gribeauval griffen noch höher und die Belagerung der nach der Schule von Mezières, Montalembert und Virgin angelegten und angegriffenen Festungen würden vielleicht 250 Geſchüße in Thätig keit gesetzt haben. Diese Zahlen wurden bei mehreren Belagerungen auch in der Wirklichkeit erreicht, ja vor Valenciennes standen sogar mehr als 300 Geschüße .

Nur die Engländer, welche dem Rikoschetschuß wenig

Werth beilegten und wiederholt schon auf ziemlich bedeutende Entfernungen Bresche legten, traten in Spanien gewöhnlich nur mit einer sehr schwachen Belagerungs-Artillerie auf. Bon den renommirtesten artilleristischen Schriftstellern des jeßigen Jahrhunderts wird die Zahl der zu einer regelmäßigen Belagerung er forderlichen Geschüße nicht unter 200 angeschlagen. So rechnet Smola (im Handbuch für österr. Artillerie- Offiziere) je nach der Größe des Plazes und der Dauer der Belagerung 196 bis 226 Geſchüße, unter welchen die Cöhorner Mörser und die Feldgeschüße nicht mitbegriffen sind.

Simon nimmt 232 und From 270 Feld- und

Belagerungsgeschüße an, während Rüftow 244 Stück verlangt. Die von den leitenden Behörden der Artillerieen der verschiedenen Staaten fest gefeßte Stärke des wirklich vorhandenen oder erst im Kriegsfalle aufzu ftellenden Belagerungsparkes kam diesen Ziffern ziemlich nahe.

In

Frankreich rechnete man 175-200 Piecen , je nachdem gegen die zu be lagernde Festung nur ein Hauptangriff oder neben demselben noch ein zweiter Angriff geführt werden sollte. Rußland besaß nach damaligen Angaben sogar zwei Belagerungstrains , jeden zu 180 Geschüßen.

Der

Belagerungspark des deutschen Bundes sollte aus 100 Kanonen, 30 Hau bißen und 70 Mörsern, zusammen aus 200 Geſchützen bestehen.

Die

gleiche Stärke nahm man vor der Einführung gezogener Geschüße auch in Preußen an , während man daselbst, nachdem bereits einige gezogene Kaliber eingereiht worden sind , eben so wenig als in andern Staaten (so weit bekannt) an die Festseßung einer endgiltigen Norm gegangen ist.

In Desterreich bestand bis 1848 der Belagerungspark aus 100 Ka

nonen, 20 Haubigen, 70 Bomben- und 10 Steinmörfern , und es wurde ſogar ein Theil der in Wien , Ollmüß , Theresienstadt und Komorn de ponirten Geschützrohre als zum Belagerungsparke gehörig aufgeführt. Auch in Lombardo- Venetien sollte eine bestimmte Geschützahl für diesen Zwed reservirt werden. Gleichwohl stieß die Zusammensetzung der gegen

176 die ungarischen und italienischen Festungen bestimmte Belagerungstrains auf außerordentliche Schwierigkeiten, und es verdient wohl als ein Ku riosum bemerkt zu werden, daß die Beſchießung der Festung Palmanuova zuerst mit - 2 Stück 30pfbgen. weittreibenden Mörsern, von denen sich obendrein einer als unbrauchbar erwies, begonnen wurde. Von den Staaten zweiten Ranges hatte nur Sardinien für die Aufstellung eines Belagerungsparkes vorgesorgt. Der verhältnißmäßig sehr starke Train (80 Geschütze des schwersten Kalibers) , welchen Karl Albert über den Ticino führte , fiel später in die Hände Nadeßky's und bildete dann einen Hauptbestandtheil der gegen Venedig in Thätig. teit gesetzten Geschützahl.

Bei den Artillerien aller Staaten besteht gegenwärtig das Be lagerungsgeschütz aus glatten Kanonen , Haubißen , Bombenkanonen und Mörsern, sowie aus gezogenen Kanonen des verschiedensten Kalibers und an einigen Orten auch aus gezogenen Mörsern. Es ist kein Zweifel, daß dieser Zustand nur eine Uebergangsperiode ist. Vorliebe für das Alte, mehr noch die technischen Schwierigkeiten, welche die Umwandlung oder Neubeschaffung eines so riesigen Materials in sich schließt,

das für die

Festungs- und Belagerungs-Artillerie scheinbar minder als für die Feld artillerie hervortretende Bedürfniß einer raschen Reform des Materials, Rücksichten auf die aufgehäuften ungeheuren Munitionsvorräthe und es muß offen ausgesprochen werden Unklarheit und Uneinigkeit über das zu Schaffende und die Erwartung einer möglichen noch größeren Vervollkommnung des Geschützwesens , alle diese Ursachen haben ihren Einfluß auf die langsame und nur theilweise durchgeführte Umgestaltung des Batterie- und Festungsgeschüßes ausgeübt. Die Betrachtung der Geschichte der Umwandlung der Feldgeschüß systeme giebt uns jedoch einen deutlichen Fingerzeig über die nächste Entwickelung der Festungs- Artillrrie. Außer in Stalien und besonders in Desterreich, wo das glatte Rohr der Feldartillerie mit einem Wurfe über Bord geschleudert wurde , haben die Artillerien aller andern be deutenden Staaten das gezogene Feldgeschüß nur successive eingeführt und neben demselben noch durch längere Zeit das glatte Rohr beibehalten

177 und sogar ins Feld geführt , schließlich aber die gezogene Kanone als alleiniges Feldgeschütz angenommen. Das naheliegende Auskunftsmittel , die noch brauchbaren glatten Rohre mit Zügen zu versehen , hat nicht sonderlich befriedigt , dürfte aber wenigstens bei den bronzenen Rohren wieder aufgenommen werden. Für den Belagerungsdienst wird man zunächst neue gezogene Rohre bei ziehen, die umgestalteten und die glatten Rohre aber werden ausschließ lich für die Festungen bestimmt und schließlich nach Maßgabe des Fort schrittes der Neuerzeugung auf den Aussterbeetat gesezt oder sofort aus rangirt werden. Man darf also nur mit gezogenen Geschüßen rechnen und die zur Verwendung kommenden glatten Rohre , wenigstens beim Belagerungs dienste, nur als Surrogat betrachten. Mörser machen.

Eine Ausnahme dürften etwa die

Der Bogenwurf der gezogenen Kanonen , selbst des

24-Pfünders, trägt nicht so weit als der Wurf der großen und der sog. weittreibenden Mörser und ist schon wegen der geringeren Sprengladung und des kleineren Geschoßgewichtes minder ergiebig. Aehnlich verhält es sich mit den schweren Bombenkanonen , daher auch diese und vielleicht auch die Haubizen schwersten Kalibers durch längere Zeit als normale Belagerungsgeschüße und zur Küstenvertheidigung verwendet werden dürften. Wie schon bemerkt, find die meisten den Belagerungskrieg behan delnden Werke bereits antiquirt, und selbst jene Autoren, welche den Gebrauch der gezogenen Kanonen ins Auge gefaßt haben, bringen über deren Verwendung und über die dadurch bedingte veränderte Aus rüstung und Stärke der Belagerungs-Artillerie nur höchst dürftige und rückhaltsvolle Notizen. Daß jedoch die Zusammenseßung eines Belagerungstrains eine ganz andere sein muß, ist klar, da eben die Belagerungs -Artillerie ganz an dere Geschützgattungen und Kaliber als ehedem besitt.

Man würde in

deffen einen gewaltigen Mißgriff begehen , wollte man die früheren Schablonen benutzen und an die Stelle der früher als nothwendig er achteten Geschützgattungen die gleiche Zahl der nach der Benennung oder dem Geschoßgewichte analogen Kaliber ſeßen , indem man z . B. statt 20 glatter 24-Pfünder ebenso viele 12- Pfünder oder gar 24-Pfünder mit gezogenen Rohren annehmen würde. 12 Vierunddreißigster Jahrgang. Band LXVIII.

176 die ungarischen und italienischen Festungen bestimmte Belagerungstrains auf außerordentliche Schwierigkeiten, und es verdient wohl als ein ku riosum bemerkt zu werden, daß die Beschießung der Festung Palmanuova zuerst mit ― - 2 Stück 30pfbgen. weittreibenden Mörseru, von denen sich obendrein einer als unbrauchbar erwies, begonnen wurde. Von den Staaten zweiten Ranges hatte nur Sardinien für die Aufstellung eines Belagerungsparkes vorgesorgt. Der verhältnißmäßig sehr starke Train (80 Geſchüße des schwersten Kalibers) , welchen Karl Albert über den Ticino führte, fiel später in die Hände Radesty's und bildete dann einen Hauptbestandtheil der gegen Venedig in Thätig. teit gesetzten Geschützahl.

Bei den Artillerien aller Staaten besteht gegenwärtig das Be lagerungsgeschüß aus glatten Kanonen , Haubißen , Bombenkanonen und Mörsern, sowie aus gezogenen Kanonen des verschiedensten Kalibers und an einigen Orten auch aus gezogenen Mörsern. Es ist kein Zweifel, daß dieser Zustand nur eine Uebergangsperiode ist. Vorliebe für das Alte, mehr noch die technischen Schwierigkeiten, welche die Umwandlung oder Neubeschaffung eines so riesigen Materials in sich schließt, das für die Festungs- und Belagerungs-Artillerie scheinbar minder als für die Felds artillerie hervortretende Bedürfniß einer raschen Reform des Materials, Rücksichten auf die aufgehäuften ungeheuren Munitionsvorräthe und — es muß offen ausgesprochen werden - Unklarheit und Uneinigkeit über das zu Schaffende und die Erwartung einer möglichen noch größeren Vervollkommnung des Geschützwesens , alle diese Ursachen haben ihren Einfluß auf die langsame und nur theilweise durchgeführte Umgestaltung des Batterie- und Festungsgeschüßes ausgeübt. Die Betrachtung der Geschichte der Umwandlung der Feldgeschüt systeme giebt uns jedoch einen deutlichen Fingerzeig über die nächste Entwickelung der Festungs- Artillerie. Außer in Italien und besonders in Desterreich , wo das glatte Rohr der Feldartillerie mit einem Wurfe über Bord geschleudert wurde , haben die Artillerien aller andern be deutenden Staaten das gezogene Feldgeschüß nur successive eingeführt und neben demselben noch durch längere Zeit das glatte Rohr beibehalten

14 M

4.

177 und sogar ins Feld geführt , schließlich aber die gezogene Kanone als alleiniges Feldgeschüß angenommen. Das naheliegende Auskunftsmittel, die noch brauchbaren glatten Rohre mit Zügen zu versehen , hat nicht sonderlich befriedigt , dürfte aber wenigstens bei den bronzenen Rohren wieder aufgenommen werden. Für den Belagerungsdienst wird man zunächst neue gezogene Rohre bei ziehen, die umgestalteten und die glatten Rohre aber werden ausschließ lich für die Festungen bestimmt und schließlich nach Maßgabe des Fort schrittes der Neuerzeugung auf den Aussterbeetat gesezt oder sofort aus rangirt werden. Man darf also nur mit gezogenen Geschützen rechnen und die zur Verwendung kommenden glatten Rohre , wenigstens beim Belagerungs dienste, nur als Surrogat betrachten . Eine Ausnahme dürften etwa die Mörser machen.

Der Bogenwurf der gezogenen Kanonen , selbst des

24-Pfünders, trägt nicht so weit als der Wurf der großen und der sog. weittreibenden Mörser und ist schon wegen der geringeren Sprenglabung und des kleineren Geschoßgewichtes minder ergiebig. Aehnlich verhält es sich mit den schweren Bombenkanonen , daher auch diese und vielleicht auch die Haubigen schwersten Kalibers durch längere Zeit als normale Belagerungsgeschüße und zur Küstenvertheidigung verwendet werden dürften. Wie schon bemerkt, find die meisten den Belagerungskrieg behan delnden Werke bereits antiquirt, und selbst jene Autoren, welche den Gebrauch der gezogenen Kanonen ins Auge gefaßt haben, bringen über deren Verwendung und über die dadurch bedingte veränderte Aus rüftung und Stärke der Belagerungs-Artillerie nur höchft dürftige und rückhaltsvolle Notizen. Daß jedoch die Zusammensetzung eines Belagerungstrains eine ganz andere sein muß, ist klar, da eben die Belagerungs- Artillerie ganz an dere Geschüßgattungen und Kaliber als ehedem besigt. Man würde in deffen einen gewaltigen Mißgriff begehen , wollte man die früheren Schablonen benußen und an die Stelle der früher als nothwendig er achteten Geschüßgattungen die gleiche Zahl der nach der Benennung oder dem Geschoßgewichte analogen Kaliber seßen , indem man z . B. statt 20 glatter 24-Pfünder ebenso viele 12-Pfünder oder gar 24-Pfänder mit gezogenen Rohren annehmen würde. 12 Vierunddreißigster Jahrgang. Band LXVIII.

178 So wie die Taktik der Feldartillerie wesentliche Reformen erfahren hat , so muß, und in noch höherem Grade, auch die Verwendung der Belagerungs-Artillerie eine andere werden. Während aber die Organi sation und Ausrüstung der Feldartillerie nur dahin eine Aenderung er fuhr, daß sie eben nur andere Geschüße erhielt, während die Zahl der einer Armee beigegebenen Batterien nahezu die gleiche wie ehedem blieb, dürfte sich bei der Belagerungs - Artillerie die Sache ganz anders ge stalten. Abgesehen von der größeren Tragweite, höheren Perkussionskraft und und der Treffsicherheit, welche das gezogene Rohr vor dem glatten voraus

hat, sowie von dem im Festungskriege sehr beachtenswerthen Umstande, daß das Geschoßgewicht einer gezogenen Kanone das Doppelte von jenem eines glatten Rohres des gleichnamigen Kalibers beträgt, bedingen die, beiden Geschützgattungen eigenthümlichen Schußarten eine andere Ber wendung und demnach eine andere Zuſammenſeßung der Belagerungs Artillerie. Der Bogenwurf und indirekte Schuß des gezogenen Rohres giebt dem gezogenen Rohre die Befähigung zu verschiedenen Verwen dungen , an welche bei dem glatten Rohre nicht zu denken war. Auch war das glatte Rohr bei der Anwendung einiger Schußarten an eine sehr beschränkte Distanz , ja an einen bestimmten Plaß gebunden, auf welchem lezteren es dann keine andere Verwendung finden konnte. Im Allgemeinen mußten, wenn man zwei verschiedene Objekte beschießen oder gegen ein Objekt zwei verschiedene Zwecke erreichen wollte, auch zwei vers schiedene Geschütze an verschiedenen Orten aufgestellt werden. Ein ge zogenes Geschütz kann aber im günstigen Falle mehrere verschiedene Objekte beschießen und bei jedem derselben Wirkungen der verschiedensten Art erzielen. Die Leistungsfähigkeit der gezogenen Kanonen und ihrer Geschosse darf aber nicht überschäßt werden. Es mangelt dem gezogenen Rohre der Rollschuß und , was weniger zu bedeuten hat , der Rikoschetschuß, auch ist die Sprengwirkung der gezogenen Granaten geringer, als die der aus glatten Kanonen geschoffenen Hohlkörper. Die Granate eines glatten 24-Pfünders wird ferner , nachdem sie eine Brustwehr beschä digt und vielleicht noch andere Verwüftungen durch ihr direktes Auf treffen verursacht hat, weiter rollen, auf dem Wallgange liegen bleiben und denselben durch ihr Zerspringen in weit höherem Grade unsicher

179 machen , als es eine gezogene Granate , wenn dieselbe ausnahmsweise, ohne in den Erdboden einzubringen, explodirt, thun wird.

Auch die

Shrapnels der glatten Rohre werden bei der Bestreichung der Wallgänge und des bedeckten Weges unter günſtigen Umständen wirksamer als die gezogenen Shrapnels sein.

Die Erfahrung, die beste Lehrmeisterin, wird auch in dieser Be ziehung das Richtige angeben.

Will man aber diese Lehren nicht ohne

übergroße Opfer an Menschenleben , Zeit und Geld und mit schwer wiegenden Mißerfolgen erkaufen , so muß unbedingt schon vorher mit Hilfe der Theorie eine Basis geschaffen werden . Das, was bisher im Belagerungskriege bezüglich der Verwendung der gezogenen Geschüße erlebt wurde, bietet gar keine oder höchstens ne gative Anhaltspunkte.

Dieses gilt vor Allem von den in dem letzten

amerikaniſchen Bürgerkriege vorgekommenen Belagerungen.

Man erging

fich in den wunderlichsten Experimenten, wie solche eben nur in Amerika und von oft ganz Unberufenen ausgeheckt werden konnten und selbst bei den Ingenieuren vom Fach war nur zu häufig ein bloßes Herum tappen zu bemerken. Kein anderes Volk wird es im Willen und in der Macht haben , solch' riesige Opfer an Geld und Menschenleben zu brin gen , wie es die Amerikaner thaten.

Und Lettere mögen es selbst er

kennen, daß sie bei einer rationelleren Verwendung ihrer Mittel ihr Ziel mit dem dritten Theile des Aufgewendeten erreicht haben würden. Die Belagerung von Gaeta, obschon ihre Leitung Vieles zu wünſchen ließ , zeigte wenigstens die Ueberlegenheit selbst mangelhafter gezogener Kanonen gegenüber den glatten Geschüßen , was sich auch bei der Be schießung des Brückenkopfes von Borgoforte recht deutlich zeigte. Denn die Oesterreicher hatten nur eine verschwindend kleine Anzahl gezogener 12- und 24-Pfünder zur Verfügung, und diesem Umstande, nicht aber der mangelhaften Anlage und dem unvollendeten Zustande der Werke war der schnelle Fall dieses Punktes beizumeffen. Auch die Beschießung der dänischen Schanzen, wiewohl sich die gezogenen preußischen Geſchüße bei dieser Gelegenheit vortrefflich bewährten , kann für den vorliegenden Zwed keine Anhaltspunkte bieten. 12

180 Bei Betrachtung der Treffsicherheit der gezogenen Geschütze , der Wirksamkeit der Schüffe felbft und vor Allem der mehrseitigen Ver wendbarkeit der gezogenen Kanonen wird die Annahme, daß der Be lagerungstrain eine wesentliche Vereinfachung und Verminderung er fahren könne, gewiß viele Anhänger finden. Man wird hier zuerst an die Rikoschetbatterien denken . Es ist gleich gültig , daß nur die französischen und deutschen Artilleristen den Ni koschetschuß für unentbehrlich halten, während Andere, namentlich die Engländer, dieser Schußart nur geringen Werth beimessen und sie bei vielen Belagerungen auch gar nicht angewendet haben. Wahrscheinlich würden in den meisten Fällen dieser Art auch die deutschen Artillerißten nicht rikoschetirt haben. Eine tüchtig rikoschetirte Linie wird jedenfalls dem Demontirfeuer früher als eine andere unterliegen und es wird die Vermehrung des Feuers der Mörserbatterien den durch das Rikoschetiren erzeugten Erfolg nur unvollkommen oder mit weit größereu Kosten er reichen. Der eigentliche Nikoschetschuß ist bei dem gezogenen Geschüß unmöglich. Indessen bemerkt schon Rüstow ganz richtig, daß es bei dem gegen gut traverſirte Linien gerichteten Rikoschetschuß eben nur auf einen Treffer ankommt und man vernünftiger Weise nicht auf mehrere Treffen rechnen könne.

Könnte dieser Treffer durch eine andere Schußart

erzielt werden, so würde man gewiß längst den Rikoschetschuß aufgegeben haben. Mit den gezogenen Geschüßen ist Solches möglich. Eine En filirbatterie von gezogenen Kanonen wird ohne Unterschied der Ent fernung alle in ihrem Schußertrage und in ihrer Richtung liegenden feindlichen Linien der Länge nach bestreichen und die Wallgänge durch ihre Treffer so unsicher machen, wie es nur die bestangelegten und be dienten Rikoschetbatterien hätten thun können. Aber auch eine von der Direktion der Batterie ziemlich abweichende Richtung der Linien der feindlichen Werke wird eine ausgiebige Bestreichung des Wallganges nicht hindern, ja selbst bei einer mit der Batterie parallel laufenden Face können die mit Bogenschuß über die Krete der Brustwehr gebrachten Geschosse einen Effekt erzielen , welcher dem Erfolge des Feuers einer Rikoschetbatterie gewiß nicht nachstehen wird. Mehrere parallel vor einander liegende Linien , z . B. die Face des Kavaliers , die vorliegende Bastionsface und der gedeckte Weg können alſo nunmehr aus einer ein zigen, ziemlich entfernt angelegten Batterie und zwar zu gleicher Zeit

181 rikoschetirt -

oder richtiger gesagt , bestrichen werden, während früher

gegen jede dieser Linien eine eigene Nikoschetbatterie (gegen den gedeckten Weg gewöhnlich eine Haubißbatterie) angelegt werden mußte. Gegen besonders wichtige und gut traversirte Linien wurden zuweilen noch Reversbatterien angelegt. Diese besonders bei den österreichischen Ar tilleristen beliebten Batterien entfallen nun gänzlich. Da die Batterien in beliebiger Entfernung angelegt werden können , so kann für selbe zu weilen ein für die Anlage einer andern, z. B. einer Demontirbatterie, ausgewählter Punkt benutzt werden , wodurch eine weitere Ersparung an Geschüßen erzielt werden kann. Daß die Geschüße einer andern Batterie nebenbei auch den Dienst der Geschüße einer Rikoschetbatterie versehen können , wird Jedem einleuchten , welcher das zeitraubende Richten beim Rikoschetiren kennt und sich daran erinnert, daß von den Nikoschetbatterien überhaupt nur ein langsam unterhaltenes Feuer verlangt wird .

Aller

dings würde das Richten nach den Picketpflöcken in den meisten Fällen entfallen und es müßten die Geschüße durch Scharten oder über Bank feuern. Jedenfalls wird ein beträchtliches Geſchüßquantum erspart wer den können , indem man selbst im ungünstigsten Falle nur den dritten oder vierten Theil der sonst für die Nikoſchet- und Reversbatterien beantragten Geschüße benöthigen wird. Die große Treffsicherheit der gezogenen Geschüße läßt vielleicht in manchen andern Fällen , wenn auch keine Verminderung der Zahl der Batterien, so doch eine Beschränkung der Zahl der in den Batterien ver wendeten Geschütze zu. Nach österreichischen Versuchen wurden z . B. zur vollständigen Demontirung einer gewöhnlichen , mit Faschinen oder Schanzkörben bekleideten Scharte mindestens 50-60 Schüffe mit 18 oder 24pfögen. Kugeln oder 25-30 Schüsse mit 18pfdgen Hohlkugeln und 7pfögen Granaten erfordert, wobei man die Hälfte Treffer erzielt hatte. Abgesehen von dem tieferen Eindringen der Geschosse wird die gleiche Wirkung mit einer geringeren Schußzahl erreicht werden und daher vielleicht die Zahl der Geschüße einer Demontirbatterie etwas ge ringer angenommen werden können . Selten war es den Artilleristen früherer Zeiten gegönnt, die Bresch batterien in weiterer Entfernung anlegen zu können.

Dennoch galt es

als Grundſaß , keine Gelegenheit zu versäumen , Escarpen und andere

182 Mauern, die durch keinen vorgelegten Erdaufwurf dem Blicke entzogen waren , schon von Weitem in Bresche zu schießen, und die Engländer versuchten es wiederholt und nicht ohne Erfolg, freistehende, jedoch durch das Glacis der vorliegenden Erdwälle gedeckte Mauern durch Schleuder schüsse aus schweren Haubißen niederzulegen.

Doch gelang wegen der

geringen Trefffähigkeit der glatten Rohre und wegen der geringeren Per kussionskraft der Rundkugeln das Breschelegen gegen weit entfernte Mauern nur selten und dann nur mit einem enormen Munitions aufwande , wie es z . B. die Belagerung von Ofen 1849 zeigte.

Unge

decktes Mauerwerk wird nunmehr auf alle Distanzen, auf welche über haupt mit gezogenen Geschützen gefeuert werden kann, in Bresche gelegt werden, und auch solche Mauern, welche früher erst nach der Krönung des Glacis entdeckt und beschoffen werden konnten, werden in vielen Fällen durch den indirekten Schuß zerstört werden können. Die Flanken der Ravelien und ihrer Reduits , sowie die Bastionsflanken der älteren Bastionärbefestigung, dann die Kaponnieren der modernen Befestigung werden daher schon in den ersten Perioden der Belagerung zerflört wer den können, wodurch die meisten Kontrebatterien und ein Theil der in den eigentlichen Breschbatterien verwendeten Geschüße entfallen werden. Die Zerstörungsfähigkeit des Langgeschoffes der gezogenen Kanone gegen Mauerwerk übertrifft jene der Rundkugel nahezu um das Dreifache. Hat der Vertheidiger seine Escarpen durch Erdaufschüttungen oder Eisen panzerungen nicht geschüßt, so werden die Breschen, selbst wenn die Batterien erst auf dem Glaciskamme oder im gedeckten Wege angelegt werden können, in weit kürzerer Zeit und mit einem weit geringeren Munitionsaufwande hergestellt werden können, woraus ebenfalls eine Geschüßverminderung resultiren dürfte. Auch die Haubitbatterien und von diesen namentlich jene, welche die Linien und Waffenpläße des gedeckten Weges zu beunruhigen haben, werden in den meisten Fällen durch gezogene Geschütze ersetzt werden können , und es werden die letteren diesen Zweck nicht nur ebenso gut und in kürzerer Zeit erreichen , sondern, was eben der vorzüglichste und niemals außer Acht zu lassende Vorzug der gezogenen Geschütze ift, gleichzeitig noch eine andere Verwendung finden können. Es ist kein Zweifel , daß auch die Mörserbatterien , besonders die mit kleineren Kalibern armirten , in manchen Fällen durch gezogene Ka

183 nonen ersetzt werden können. Das gänzliche Aufgeben der Mörserbatterien aber erscheint, wie schon angedeutet, durchaus nicht gerathen. Die Fall höhe und die Sprengwirkung der aus gezogenen Kanonen geworfenen Geschoffe steht jener der großen Bomben unbedingt nach , und es dürfte bei den letzteren auch das moralische Element nicht ohne Berücksichtigung bleiben. Auch das gegen den gedeckten Weg so wirksame Stein- und Granatfeuer der Mörser kann durch nichts Anderes erseßt werden, ſowie die troß vielfältiger Vorschläge und Versuche doch am Wirksamften nur durch das Werfen der Leuchtkugeln zu bewirkende Beleuchtung des Vor 0 terrains für die Beibehaltung der Mörser spricht. Gelingt es, gezogene Mörser von zweckentsprechenderer Konstruktion als die bisher versuchten zu ermitteln , so wird man dieselben jedenfalls allem Andern vorziehen. Bis dahin aber werden die bisherigen glatten Mörser beibehalten und verwendet werden müssen. -- Könnte übrigens mit den gezogenen Ka nonen der gleiche Erfolg wie mit den Mörsern erzielt werden , so wür den die letzteren schon wegen des geringeren Rohrgewichtes und des fleineren Raumes, den sie zu ihrer Aufstellung bedürfen, den Vorzug erhalten. Es ist gewiß nicht gleichgültig, ob man einen Mörser, der sammt seinem Blocke 15-30 Ctr. wiegt , oder eine Kanone , welche sammt ihrer Laffete ein Gewicht von 70 Ctrn. erreicht und für den ge gebenen Fall doch nicht die gleiche Leistungsfähigkeit befigt, viele Meilen weit aus einem Depotplage bis vor die zu belagernde Festung und aus dem Geschüßpark durch die Laufgräben bis in die Batterie führen muß, und ob man die Länge und den hinteren Raum einer unter dem wirk samen Kartätschfeuer des Plages zu erbauenden Batterie um so viele Fuße kürzer und schmäler beantragen darf oder nicht. Belagerungsbatterien, welche mit gezogenen Kanonen armirt werden, find weder hinsichtlich der Diſtanz noch in Bezug auf ihre Richtung ſo an den Plaß gebunden, wie es bei Batterien von Haubißen und glatten Kanonen der Fall ist. Wie schon erwähnt wurde , kann daher eine einzige Batterie genügen , wo früher vielleicht zwei oder drei neben und hinter einander liegende Batterien erbaut und armirt werden mußten, woraus unmittelbar eine Verminderung der erforderlichen Geschützzahl hervorgeht. Die bei der Anlage der Batterien gegebene größere Freiheit führt jedoch nicht allein zu einer Verminderung der Zahl der Batterien, son

184 dern auch zu einer größeren Entfernung der letzteren sowohl von dem Plage als von einander selbst. Die Batterien werden zerstreuter und nicht, wie bisher, in Gruppen zusammengebrängt liegen. Auch dieser Umstand nimmt - wenn auch nur mittelbar, Einfluß auf die Bestimmung der Geschützzahl.

Bekannt

lich lagen an manchen Punkten, besonders in der zweiten Parallele, drei bis vier Batterien nebeneinander, so daß die Kugeln der Belagerten selbst bei den größten Seitenabweichungen ein Ziel finden mußten, während die zu kurz oder zu weit gehenden Geschoffe die Batterien in der dritten oder ersten Parallele treffen konnten.

Ohne der Treffsicher

heit der gezogenen Kanonen zu nahe zu treten, wird man doch die Mög lichkeit vieler Fehlschüsse zugeben , wenn es sich darum handelt , ein so schwer zu nehmendes Ziel, wie z. B. eine auf einem unbebauten Acker aufgeführte, halb versenkte Batterie zu treffen. Alle Schüffe und Würfe, welche nicht unmittelbar in die Batterie, auf welche sie gerichtet waren, einschlagen, sind aber verloren, da man die Entfernung zwischen der einen und andern Batterie hinlänglich groß annehmen kann.

Da die

Excentrität des Feuers des Belagerten mit der Entfernung der Batterie zunimmt, so wird es auch selten möglich sein, eine größere Anzahl von Geschüßen gegen eine Batterie des Belagerers zu vereinigen und die selbe mit einem vernichtenden Feuer zu überschütten. Der Verlust des Belagerers wird daher ein geringerer sein , als er es bei einer andern Anlage der Batterien sein würde.

Ein Umstand , welcher zwar nicht auf

die Zahl der in den Batterien aufzustellenden Geschüße , wohl aber auf die Bemessung des nothwendigen Ersages einen günstigen Einfluß aus zuüben vermag.

Sprechen die angeführten Umstände für eine ansehnliche Verminde rung der Geschützahl des Angreifers, so müssen auch die eifrigsten An hänger der gezogenen Geschütze manche gewichtige Gründe anerkennen, welche diese Verminderung nicht so weit gehen lassen, als es gewünscht und erwartet werden könnte. Die Anlage der feindlichen Werke und die geringere Tragweite der glatten Kanonen, gestatteten es dem Belagerer nur selten, von den En filirbatterien Gebrauch zu machen. Bei der modernen Befestigung, deren

185 Fronten wegen ihrer langen Ausdehnung die Anwendung des Enfilir schuffes so sehr begünstigen, während die einzelnen Linien dem Rikoschet feuer wenig oder gar nicht ausgesezt sind , mußte das Hinderniß, welches die geringe Tragfähigkeit der glatten Geſchüße bildete, um so lebhafter empfunden werden.

Gewiß wird kein denkender Artillerist sich den durch

den Besitz der gezogenen Kanonen ihm gebotenen Vortheil entschlüpfen laffen, sondern, wo es nur irgend thunlich ist, die Anlage von Enfilir batterien, sei es gegen einzelne , oder mehrere in einer Linie liegende Fronten anstreben.

Man wird demnach eine gewiffe Zahl von schweren

Geschüßen zur Armirung dieser Batterien , deren Feuer zu den wirk ſamſten Bekämpfungsmitteln der Festungs- Artillerie gehört, beantragen müssen. Gilt es für den Feldartilleristen als Regel , sich mit der feindlichen Artillerie nur dann in einen Kampf einzulassen , wenn dieselbe den eigenen Truppen zu lästig wird , so ist die Bekämpfung der feindlichen Artillerie die Hauptaufgabe des Belagerungs- Artilleristen.

Nach den Mitteln ,

über welche der Gegner verfügt , wird sich die Artillerieausrüstung des Belagerers richten müssen. Besigt der Vertheidiger keine oder nur wenige gezogene Geschütze, so wird eine verhältnißmäßig unbedeutende Zahl gezogener Kanonen genügen, um die Artillerie des Plates in kürzester Frist kampfunfähig zu machen. Dieser Fall hat sich allerdings mehr mals ereignet, z . B. vor Gaeta, Ancona, Borgoforte und zuletzt in Paraguay, dürfte sich aber in dem nächsten Kriege kaum wiederholen, sondern es wird auch der Vertheidiger über eine hinreichende Menge von gezogenen Geschützen verfügen. Dadurch wird aber die Aufgabe des Angreifers wesentlich erschwert. Die Schußrichtigkeit der gezogenen Geschüße wird es dem Vertheidiger möglich machen , die Geschüße des Angreifers schneller und leichter zu demontiren , als es ehedem geschehen konnte.

Verstehen die Artilleristen

der Festung ihre Sache, so werden sie den Bau der Batterien beobachten und ihr Feuer auf dieselben zu der Zeit , in welcher der Angreifer mit dem Einführen der Geschüße begonnen hat, richten und letztere vielleicht wiederholt , ehe sie nur zum Schuß gekommen sind, demontiren. Der Bertheidiger , dem die Distanzen bekannt sind , wird überhaupt bei jeder Eröffnung des Feuers einen großen Vortheil für sich haben.

Die Ver

luste des Belagerers werden daher verhältnißmäßig größer sein , als ste

186 es ehedem waren.

Troß der außerordentlichen Aufmerksamkeit , womit

die Erzeugung der gezogenen Geschüße geleitet wird, muß bei anhalten

‫קוי‬

dem Feuer unter sonst gleichen Umständen ein gezogenes Geschüß früher als ein glattes Rohr aus demselben Metalle dienstunfähig werden. Diese frühere Außerdienstsetzung hat nicht allein ihren Grund in der größeren Kraftäußerung des Pulvers, welcher das gezogene Rohr ausgesezt ist, sondern auch einfach darin, daß eine ganz geringe Beschädigung hinreicht, das gezogene Rohr untauglich zu machen, während man selbst aus einer sehr stark mitgenommenen glatten Kanone noch immer ohne Anstand feuern kann. Es ist also der Verlust durch das feindliche Feuer und der eigene Verbrauch größer und es muß bei der Bemessung der Ersatz geschüße darauf Rücksicht genommen werden.

Dabei ist noch zu bedenken,

daß Beschädigungen der glatten Rohre in vielen Fällen von den dem Belagerungsparke beigegebenen Arbeitern hergestellt werden konnten, wäh rend ein schadhaftes gezogenes Rohr gewöhnlich nach den im eigenen Lande befindlichen Geschüßfabriken gesendet werden wird. Auf nahe Distanzen ist , besonders bei den schweren Geschüßen, die Schußrichtigkeit der gezogenen Rohre jener der glatten nur wenig über legen. In manchen Fällen , besonders wenn es sich um die rasche Be lämpfung der feindlichen Artillerie handelte , konnte durch die vermehrte Geschwindigkeit des Feuers der Effekt vergrößert werden.

Ebenso wurde

bei der Vorbereitung eines beabsichtigten Sturmes oder zur Abwehr feindlicher Ausfälle ein schnelleres Feuer erfordert , sowie mehrere rasch hintereinander abgegebene Schüffe den Vertheidiger an der zur Nachtzeit versuchten Ausbesserung der erlittenen Beschädigungen weit wirksamer hinderten, als ebenso viele , aber in längeren Pausen abgegebene, wenn auch noch richtiger treffende Schüffe. Bei dem einfachen Demontir- und Breschfeuer wird aber die Feuergeschwindigkeit der gezogenen Hinterlader selten derjenigen gleichkommen, welche im günftigen Falle bei glatten Rohren erreicht werden kann. Dazu kommt noch, daß der Kartätſchschuß der gezogenen Geſchüße minder ausgiebig als bei den glatten Rohren ift. Man wird demnach, um die gleiche Wirkung zu erzielen und für alle Fälle vorbereitet zu sein, einige Batterien mit einer größeren Zahl von Geschützen armiren müssen, als es bisher zu geschehen pflegte. In den Kriegen der Gegenwart haben kleine Festungen nur unter ganz besonderen Umständen noch einige Bedeutung. Solche Plätze werden

Ч

187 dann ebenso gut wie ehemals das Objekt eines Angriffs werden und man wird dann gut thun, sie mit allen zu Gebote stehenden Mitteln zu bekämpfen, um ihren Fall in möglichst kurzer Zeit zu erreichen. Außer dem wird man Festungen von geringem Umfange ganz liegen lassen oder, wenn ihr Befit wünschenswerth erscheint, ste mit einem verhält nißmäßig geringen Aufwande von Artillerie angreifen, wie z . B. 1866 Königgrät mit gewöhnlichen Feldgeschützen beschoffen und schon dadurch der Zweck einer nachhaltigen Beunruhigung des Plates erreicht wurde. Gewöhnlich aber wird man es nur mit Waffenplätzen ersten Ranges, mit sogenannten Armeefeftungen zu thun haben.

Der große Umfang

dieser Festungen an sich, der Umstand, daß in den meisten Fällen auf ben muthmaßlichen Angriffsseiten zwei und mehrere Fronten in nahezu geraber Linie liegen, und die der Festung vorgelegten Forts und deta Hirten Werke nöthigen zu einer größeren Ausdehnung des Angriffes und überhaupt zu einer ausgiebigeren Anwendung der Artillerie, als es früher bei den stärksten, aber kleineren Festungen nothwendig erschien. Die Bezwingung der vorliegenden Forts allein dürfte so viele Mittel beanspruchen, als ehedem erforderlich waren, wenn man zur Erleichte rung des Hauptangriffes noch einen zweiten Angriff ausführte. In einigen Staaten, z. B. in Frankreich, unterschied man einen kleineren und einen größeren Belagerungstrain, je nachdem man einen Hauptan griff oder neben diesem noch einen Nebenangriff zu unternehmen beab sichtigte. Zur Ermittelung der richtigen Stärke des modernen Belage rungsparkes müßte also der ehemalige ,,doppelte Angriff" zur Basis genommen werden, was eine bedeutende Vermehrung der Geschüßzzahl bedingen müßte. Gegen Objekte, wie sie in früherer Zeit der Belagerungs-Artillerie gegenüber ftanden, haben selbst die gezogenen Kanonen kleineren Kalibers eine enorme Zerstörungsfähigkeit. Aber die Fortschritte der Technik und namentlich die immer mehr in Aufnahme kommende Anwendung des Eisens sind auch der Vertheidigung zu Gute gekommen .

Eisenpanze

rungen der Eskarpen dürften allerdings nur in seltenen Fällen vorkom men, aber an widerstandsfähigen Eisenkonstruktionen anderer Art wird es nicht fehlen.

Die hölzernen Pallisaden des bedeckten Weges und der

Tambourirungen werden durch eiserne ersetzt werden, zu welchem Zwede man, wenn kein anderes Material vorhanden ist, gewöhnliche Eisenbahn

188 schienen verwenden kann .

Einige Geschüße auf besonders wichtigen

Punkten, z . B. auf den Saillants, auf den Bollwerksspißen und Boll werkspunkten, werden unter eisernen Kuppeln aufgestellt werden, und wenn der Vertheidiger auch gar nicht vorbereitet sein sollte, wird er doch im Laufe der Belagerung einige solide bedeckte, vielleicht auch ge panzerte Geschüßstände herzustellen vermögen. Gegen solche Objekte find glatte Geschütze nahezu völlig wirkungslos und selbst die gezogenen 24pfünder werden , nicht immer genügen. So lange aber diese Geschüß stände nicht zerstört und ihre Geschüße zum Schweigen gebracht sind, werden die Fortschritte des Angreifers in der empfindlichsten Weiſe ge hemmt. Es muß demnach für die Beschaffung einiger Geschüße von noch schwererem, als dem 24pfündigen Kaliber vorgesorgt werden. Na türlich dürfen diese Geſchüße nur zu dem angegebenen Zwecke verwen det werden und es braucht ihre Anzahl keine beträchtliche zu sein. Die 7zöllige Kanone wird unter allen Umständen genügen , da anzunehmen ist, daß der Vertheidiger keine Panzerungen von solcher Stärke haben wird, gegen welche man an der Küste und auf den Schiffen noch grö Bere Kaliber verwendet und , wie später gezeigt werden soll, auch gegen solche starke Panzerungen die 7zöllige Kanone genügen wird.

Die Bestimmung sowohl der gesammten Geschüßzahl eines Belage rungsparkes, als der Auswahl und Zahl der verschiedenen Kalibergat tungen erscheint um so schwieriger, je tiefer man in diesen Gegenstand eindringt.

Die Umstände, welche für die Vermehrung und für die Ver

minderung der Geschützahl sprechen, bedürfen der sorgfältigsten Erwä gung. Bei der Wahl der Kaliber muß man deren Leiſtungsfähigkeit dem zu erstrebenden Ziele entgegenhalten und es ist sehr erschwerend, daß die Erfahrungen, welche man hinsichtlich der Leistungsfähigkeit der gezo genen Belagerungsgeschütze gemacht hat, noch viele Lücken nachweisen. Wenn tros dieser Schwierigkeiten in dem Nachstehenden der Ent wurf dieser Zusammenstellung versucht wird, so ist es eben nur ein Entwurf und es möge nicht vergessen werden, daß selbst die in früherer Zeit als mustergiltig aufgestellten Schemas nach Orts- und Zeitverhält nissen und nach den verfügbaren Mitteln im Falle der Ausführung die mannigfaltigsten Veränderungen erführen. Vor Allem aber muß be

189 merkt werden, daß, um einen Anhaltspunkt zu finden, wiederholt auf dasjenige, was zur Zeit der glatten Geschüße angestrebt und mit densel ben erzielt wurde, hingewiesen werden wird. Dieses ist z . B. gleich bei. der Ermittlung der für die verschiedenen Fälle erforderlichen Kaliber nothwendig. In Bezug auf die Tragfähigkeit ist die Sache einfacher als früher. Man war oft zur Wahl großer Kaliber gezwungen, weil man mit den kleinen, die im Uebrigen vollkommen genügt hätten, nicht so weit schießen konnte.

Dieser Fall wird verhältnißmäßig selten ein

treten und es können, wo früher 18 oder kurze und lange 24pfündige Kanonen statt der t2pfündigen verwendet werden mußten, 12 oder viel leicht auch 6 und Spfündige Geschüße ohne Bedenken gebraucht werden. Anders verhält es sich mit der Leistungsfähigkeit.

Das Geschoß muß

nicht nur treffen, sondern es muß auch die in dem betreffenden Falle geforderte Wirkung ausüben.

Bei der Vergleichung der Kaliber kann

sowohl die Benennung nach dem Bohrungsdurchmesser als das Geschoß gewicht zur Basis genommen werden. Das Langgeschoß des 12pfünders übersteigt das Gewicht der 24pfündigen Vollkugel um ein Bedeutendes und wird in vielen Fällen auch kräftiger wirken.

Es wäre aber ein

großer Irrthum, wollte man in allen Fällen den glatten 12 und 24pfün der durch den gezogenen 6 und 12pfünder ersehen. Abgesehen davon, daß die verstärkten und durch verschiedene Vorkehrungen geschütten feinds lichen Objekte auch durch kräftiger wirkende Geschoffe angegriffen werden. müffen, wird in vielen Fällen die Wirkung der gezogenen Geschoffe jener der gleich schweren Hohlkugeln und Granaten nicht gleichkommen. Die Sprengladung ist allerdings nahezu gleich, so z. B. beträgt die volle Sprengladung der österreichischen 7pfündigen Granate 31 , jene des 12pfündigen Langgeschoffes 30 Loth.

Gleichwohl wird der Spreng

effekt des Lezteren von jenem der ersteren weit übertroffen, ja unter Umständen wird sogar die Wirkung der Granate des gezogenen 24pfün ders jener der gewöhnlichen 7pfündigen Granate nachstehen.

Man muß

sich daher von Anfang an mit dem Gedanken an die Nothwendigkeit des mindestens doppelten Gewichtes der erforderlichen Munitionsmenge vertraut machen. Das Tracee der Festung übt auf die Bemessung der Geschützahl einen geringeren Einfluß aus, als von Manchen angenommen werden mag. Sei der Plaß eine nach dem reinen Bastionärsystem erbaute

190 Festung, oder hat man es mit der modernen bastionirten, mit einer tenaillirten oder mit einer polygonalen Umfaffung, selbstverständlich in allen Fällen mit detachirten Werken zu thun, die Zahl der Batterien ist nach den Forderungen älterer und neuerer Schriftsteller nur wenig ver schieden.

Bei einer starken Festung älteren Systems rechnete man in der 1. Parallele 8 Rikoschetbatterien zu je 4 Geschützen gegen 4 Bastions- und 4 Ravelinsfacen, wovon in dem weiteren Verlaufe der Belagerung der größere Theil in die vorderen Parallelen verlegt wurde, sodann in der 2. Parallele 6 Rikoschetbatterien zu je 3 Geschützen gegen 6 Bastions und Ravelinsfacen, 6 Rikoschetbatterien zu je 2 Geschüßen gegen den bedeckten Weg, endlich an der 3. Parallele und den beiden Halbparalle len 12 Nikoschetbatterien zu je 2 Geschützen gegen die Facen und den gedeckten Weg, mithin zuſammen 87 Geschüße, wovon jedoch die nur im Beginne der Belagerung thätigen Geschüße von 6 Rikoschetbatterien der 1. Parallele abzurechnen sind, daher im Maximum nur 62 Geſchüße zu gleicher Zeit beim Rikoschetfeuer thätig sind. Rüstow, dessen Angaben übrigens nur mit großer Vorsicht anzu nehmen sind, fordert gegen einen nach dem modernen Tracee befestigten und mit starken Vorwerken umgebenen Plaß im Ganzen 70 Rikoſchet geschüße (allerdings von schwererem Kaliber), von denen jedoch ebenfalls nicht alle zu gleicher Zeit thätig sind.

Bei der älteren Befestigung find

6-8 Bastionsfaceen und 6 Linien des gedeckten Weges zu rikoschetiren, während bei der modernen Trace 4 Facen der vorgelegten Forts, 4-6 Facen der Hauptumfassung und eben so viele Zweige des gedeckten Weges rikoschetirt werden müssen. Bei der Tenaillenbefestigung wird man es mit der gleichen Zahl von Linien zu thun haben, wenn man die zu dem Hauptwalle parallel laufenden Linien der Enveloppe nicht berücksichtigt. Bei dem Polygonaltracee ist allerdings die Zahl der dem Nikoschetfeuer ausgesetzten Linien, wenn man dem Angriffe keine über große Ausdehnung geben will, etwas geringer, man wird aber dafür mehrere und stärker armirte Enfilirbatterien anlegen können und müssen. Die mit gezogenen Geſchüßen armirten Nikoschetbatterien werden eigentlich als Enfilirbatterien der einzelnen Linien wirken, daher ihre

3

191 Geschüße über Bant oder durch flache Scharten feuern werden, was eine Verwendung auch zu anderen Zwecken zuläßt.

Nach dem früher

Gesagten ist kein Grund vorhanden, weshalb nicht sämmtliche Nikoſchet-. batterien ſchon in der 1. Parallele oder vielleicht noch weiter rückwärts angelegt werden könnten. Diese Batterien können bis zur erfolgten Krönung des Glacis in Thätigkeit bleiben, da die Präcision der gezoge nen Kanonen solche Längenabweichungen, wie sie bei den glatten Ge, fchüßen und besonders bei den Haubigen vorkommen, ausschließt.

Es

bleiben aber nicht nur sämmtliche Geschüße länger in Thätigkeit, son dern man kann auch früher ein stärkeres Feuer gegen den Plaß richten und es werden alle Linien fortwährend mit gleicher Lebhaftigkeit beun ruhigt werden.

Dabei erspart man den Bau mehrerer Batterien, die

vorderen Parallelen werden nicht mit Batterien überfüllt, das Feuer des Plates wird noch mehr getheilt und es werden die eigenen Verluste bei dem Baue sowie bei der Bedienung der Batterie geringer werden. Die gegen die Facen der feindlichen Werke gerichteten Rikoschetbat terien würden selbst bei einer Armirung mit glatten Geſchüßen als Re versbatterien gegen die diesen Facen vorliegenden Linien des gedeckten Bei gezogenen Geschüßen, wo es sich nur um einen Treffer handelt, ist solches noch mehr der Fall. Man wird daher

Weges dienen können.

ohne Bedenken die Rikoschet- und Enfilirbatterien gegen die Zweige des gedeckten Weges auslassen und lettere , sowie die etwa vorhandenen Fauffebrayen, Enveloppen und Kontregarden gleichzeitig mit den Facen bestreichen können. Sollte der hierdurch erzielte Effekt kein hinreichender sein, so wird man jedenfalls durch die Mitwirkung der Geschütze anderer Batterien, hauptsächlich durch das Feuer der Mörser nachhelfen können, während andererseits die Geschütze der Rikoschetbatterien zu gewissen Zeitpunkten gegen andere Objekte gerichtet werden können. Es werden somit 8 Rikoschetbatterien genügen. Möglicherweise wird man aus einer Batterie nebst der Face, gegen welche sie gerichtet ift, noch eine zweite, weiter rdwärts gelegene Linie (z . B. die Face eines Vorwerkes und eine Face des Hauptwalles ) rikoſchetiren und da durch eine Batterie ersparen können. Die in früherer Zeit für die Rikoschetbatterien der 1. Parallele ge forderte Zahl von 4 Geſchüßen wird vollkommen genügen, um so mehr, als die in der 2. und 3. Parallele angelegten Batterien nur 3 und 2

192 Geſchüße enthielten. Die größere Zahl der Geſchüße, das durch längere Zeit unterhaltene Feuer derselben und die größere Präcision werden den ohnedem geringen Uebelstand, daß der gedeckte Weg nicht genau nach seiner Längenrichtung bestrichen wird, mehr als hinreichend ausgleichen. Zur Armirung der Rikoschetbatterien verwendete man ſonſt 12 und 18 oder kurze 24pfündige Kanonen , 7pfündige kurze und lange und 10pfün dige kurze Haubigen. Einige Schriftsteller verlangten schwerere Kaliber, namentlich Bombenkanonen, auch wurden Bombenmörser mittleren Ka libers zum Rikoschetiren anempfohlen.

Das Geschoß der 12pfündigen

gezogenen Kanone ift den Vollkugeln und Granaten der vorgenannten Geschüße überlegen oder wenigstens gleichkommend, daher die Verwen dung von 24pfündern nur eine Verschwendung wäre. Unter den 12pfün der sollte man aber nicht gehen und nur im Nothfalle 6 oder 8pfündige Rohre benußen. Die Armirung mit vier gezogenen 12pfündern kann mithin als die normale und beſte angenommen werden. Jenen beiden Batterien, welche die Facen des in der Mitte liegenden Vorwerkes oder die Facen der Angriffsfront zu bestreichen haben, werden zwei 25 oder 30pfündige Bombenkanonen beigegeben werden.

Dieselben haben Bom

ben mit voller Sprengladung und Bleibomben anzuwenden, um die Traversen auseinander zu werfen und die bedeckten Geſchüßstände zu durchschlagen. Die Tragfähigkeit und Treffsicherheit der Bombentanonen ist hinreichend groß, um sie mit den gezogenen 12pfündern in Batterien selbst gegen ein 1000-1200 Schritt entferntes Objekt zu vereinigen. Anstatt der Bombenkanonen können auch Haubißen von gleichem Kaliber verwendet werden, welche ihre Bomben theils durch den Wurf, theils durch den reinen Rikoschetschuß gegen das angegriffene Werk senden würden. Ensilirbatterien können gegen eine einzige Front (am ehesten bei dem Polygonaltracee), gegen mehrere in einer graden Linie liegende Fron. ten, gegen verschiedene zufällig in einer Linie liegende und dazu schlecht defilirte Werke und endlich gegen die gedeckten Kommunikationen, welche den Plaß mit den Außenforts verbinden, angelegt werden.

In den

zwei letzten Fällen wird es sich mehr um die bloße Beunruhigung der zu enfilirenden Strecke, in den ersten beiden auch um Zerstörung der verschiedenen Deckungen und Schußmittel handeln ; auch wird, da die Ausdehnung der zu enfilirenden Linie eine bedeutende sein kann- und

193 man, um von den feindlichen Werken nicht in der Flanke gefaßt werden zu können, die Batterie in sehr weiter Entfernung anzulegen gezwungen sein wird, eine große Tragfertigkeit und Treffsicherheit der hierfür ver wendeten Geschütze erforderlich sein. Demgemäß muß man Geschüße mittleren Kalibers, sehr schwere und weittragende Kaliber beantragen.

Die Zahl dieser Batterien ist

nicht bedeutend. Hat man eine oder zwei lange Linien vor sich , so wer den zwei etwas stärker armirte Batterien genügen, gegen mehrere kürzere Linien oder wenn es mit dem Enfiliren eines Theiles der Linie (bei den Kollateralfronten) gethan ist, wird man 3-4 kleinere Batterien an legen.

Es werden 12–16 Geſchüße vollkommen genügen und es wird

diese Armirung aus 12 und 24pfündigen gezogenen Kanonen und aus 25pfündigen Bombenkanonen zu gleichen Theilen zusammengesetzt wer den. Mit Ausnahme der Bombenkanonen können diese Geschüße, da die Enfilirbatterien ihr Feuer nicht durch die ganze Dauer der Belage rung fortseßen können, aus der für später zu armirende Batterien bean tragten Armirung entnommen werden. Gegen eine bastionirte Front nahmen ältere Schriftsteller 8 Demon tirbatterien gegen eben so viele Facen zu je 4 langen und 4 kurzen 24pfündigen oder statt letteren (bei den Oesterreichern) 18 oder (bei den Franzosen) 16pfündige Kanonen an. 12pfünder sollten nur im Nothfalle verwendet werden, auch wurden in späterer Zeit einige 7pfün dige Granatkanonen oder lange Haubißen beantragt. Gegen die moder nen Tracee's, sowie gegen eine Polygonalfront wurden 8-10 Batterien von gleicher Stärke als nöthig angenommen. Hiervon waren jedoch die gegen die Facen der Vorwerke gerichteten Batterien abzurechnen, daher die Geschützzahl ziemlich dieselbe blieb. Anch gegenwärtig wird man, wenn man nur die gewöhnliche und nach der herkömmlichen Weise aufgestellte Armirung der feindlichen Werke berücksichtigt, mit 8 Demontirbatterien auslangen. Die Geschütz zahl wird dieselbe bleiben und es werden 12 und 24pfündige gezogene Kanonen in gleicher Anzahl zu verwenden sein.

Eine Verminderung

der Zahl und der Armirung der Demontirbatterien würde nur zuweilen zulässig sein und es ist mithin auf eine Ersparniß in dieser Rubrik des Ausrüstungsentwurfes nicht zu rechnen. Dafür wird der Belagerer um 13 Vierunddreißigster Jahrgang. Band LXVIII.

194

so rascher und mit einem verhältnißmäßig geringeren Verluste sein Ziel erreichen. Zu den zweiten Batterien rechnete man 4 Breschbatterien zu je 6 24- Pfändern , dann 2 Batterien gegen die Flanken der Angriffsfront zu 6-8 Geschützen (kurze 24-, 16- oder 18pfdge. Kanonen) und zwei Batterien gegen die Bastionsschultern zu je 6 Geschüßen gleichen Ka libers. Die Arbeit der beiden lezten Batterien wird bei der Anwendung gezogener Geschüße in den meisten Fällen von den Geschüßen der gegen die Bastionsfacen gerichteten Demontirbatterien verrichtet werden können. Die verhältnißmäßig stärkere Armirung dieser Batterien wird den Um stand , daß die Direktion derselben nicht ganz senkrecht auf die Facen auftrifft , vollständig ausgleichen.

Unter günstigen Umständen kann der

selbe Fall bei den gegen die Hauptflanken bestimmten Batterien ein treten, gewiß aber können die die Facen rikoschetirenden Batterien gegen die Flanken wirken und dieselben so kräftig bearbeiten, daß die Noth wendigkeit der Erbauung eigener Batterien fortfällt oder wenigstens die Hälfte der in früherer Zeit geforderten Geschüße genügen wird. 24- Pfünder werden dann, wenn man zur Erbauung eigener Batterien schreiten muß, den Vorzug vor den kleineren Kalibern haben , zumal wenn der Ver theidiger seine Flanken und besonders die Kasemattenscharten derselben mit Eisenpanzerungen geschützt hat. Die Arbeit der Breschbatterien wird nur in seltenen Fällen durch die rückwärtigen Batterien verrichtet werden können und es müssen daher eigene Breschbatterien erbaut werden. Die Armirung dieser Batterien besteht aus 24-Pfündern , und man könnte nur in dem Falle einen Theil derselben durch kleinere Geschüße ersetzen, wenn der Vertheidiger es gänzlich unterlassen hätte, seine Escarpen durch Eisenpanzerungen oder Erdaufschüttungen zu decken. Gegen die Abschnitte wurden von den ältern Schriftstellern keine Geschütze beantragt und es ist auch gegenwärtig nicht nothwendig, die hierfür erforderlichen Breschbatterien in Rechnung zu bringen, da einfach eine der gegen die Facen etablirten Breschbatterien nach vorwärts ver legt wird. Der Vertheidiger wird, wie bereits angedeutet wurde , einige Ge schüße auf den Baſtions- und Ravelinsspitzen , auf den Saillants und sonstigen Vorsprüngen , vielleicht auch auf andern Punkten in eisernen Kuppeln und Thürmen oder mindestens in durch Eisenbahnschienen und

195 andere Vorkehrungen geschützten gedeckten Geschützständen aufgestellt haben. Gegen Objekte dieser Art werden selbst die gezogenen 24- Pfünder nicht ausreichen. Die Bleibomben der schweren Mörser und Bombenkanonen (aus lezteren können diese Geschosse mit verstärkter Ladung und auf kurze Distanzen auch geschoffen werden) werden allerdings diese Deckungen gewaltig erschüttern , aber sie keineswegs vollständig zerstören. Die 7zöllige gezogene Kanone dürfte für diesen Fall das paſſendſte Geſchüg sein. Schwerere Kaliber , wie solche bei der Küstenvertheidigung ge bräuchlich sind , werden nicht nothwendig sein , da nach den Versuchen. das 7zöllige Geschoß die stärksten Panzerungen auf sehr kurze Entfernun gen durchschlägt und auf weitere Entfernungen noch so tief eindringt, daß mehrere auf einen Punkt treffende Geschoffe die Platte zu durch schlagen vermögen. Gegen ein Panzerschiff können im günstigsten Falle 3-4 Schüsse aus jedem Geschütz abgegeben werden und es muß daher das vollständige Durchschlagen jedes Geschosses nothwendig erscheinen, da man auch die gegen das sich schnell bewegende Objekt leicht möglichen Fehlschüsse in Rechnung bringen muß.

Ein feststehendes Objekt, wel

ches durch längere Zeit ununterbrochen beschoffen werden kann, wird aber auch durch die 7zöllige Kanone zerstört werden, abgesehen davon, daß sich Geschüßstände mit so starken Panzerungen, wie selbe bei einigen Panzerschiffen vorkommen, kaum finden dürften. 8-12 Stück 7zöllige Kanonen werden für den vorliegenden Zweck jedenfalls genügen und es werden diese Geschüße am Besten in kleinen Batterien zu je 2 Stück an verschiedenen Stellen der 1. und 2. Parallele aufgestellt, um sowohl die Aufmerksamkeit und das Feuer des Feindes zu theilen, als auch die zu beschießenden Objekte von verschiedenen Seiten faffen zu können . Zur Armirung der an den Flügeln der 1. Parallele angelegten Redouten und anderer zum Schuße der Arbeiter und Laufgrabenbesaßung bestimmten Schanzen wurden in früherer Zeit Feldgeschütze bestimmt, welche nicht zu dem Belagerungsparke zählten, sondern den den Truppen des Belagerungskorps zugetheilten Batterien entnommen wurden. Es ist fraglich, ob gegenwärtig derartige Werke überhaupt noth wendig sind. Sollte man jedoch solche Schanzen erbauen, so würden ebenfalls Feldgeschüge zu ihrer Armirung verwendet werden können. Gezogene Kanonen würden allerdings das Feuer der nächstliegenden 13 *

196 Batterien sekundiren und gegen den Plaß wirken können, doch kann an der Mitwirkung dieser Geschüße nicht so viel gelegen sein.

Die Haupt

bestimmung dieser Geschüße ist die kräftige Beschießung der feindlichen Ausfalltruppen , und hierfür wird sich ein tüchtiges Kartätschgeschüß am besten eignen. In diesem Falle würden daher glatte Feldgeschüße (vor züglich leichte 12-Pfünder und Haubigen), so lange folche vorhanden find , eine sehr zweckmäßige Verwendung finden.

Noch vortheilhafter

aber werden Revolvergeschütze sein, welche einzeln an den hierfür geeigneten Punkten zu placiren wären, wie denn auch die Dänen ihre weit minder wirksamen Espingolen und die Amerikaner mit ziemlichem Erfolge ihre Reguabatterien zur Vertheidigung von Schanzen und Laufgräben ver wendet haben. An Mörserbatterien pflegte man früher für die 1. und 2. Parallele je 3 Batterien zu je zwei 25- oder 30pfdgen. und vier 50- oder 60pfögen. Bombenmörsern zu rechnen. Dieser Ansah kann auch jezt noch als der richtige betrachtet werden, und es werden darum auch die gleichen Kaliber verwendet werden, für welche man seiner Zeit gezogene Mörser von entsprechender Wirkungs fähigkeit substituiren kann. Für die Halbparallele und die 3. Parallele wurden 18-20 7- oder

10pfdge., dann 12 25- und 50pfdge., oder 30- und 60 pfdge. Bomben mörser, dann 12-16 Steinmörser beantragt. Es ist sehr zweifelhaft, ob diese Mörser gegenwärtig anders als mit großen Verlusten werden aufgestellt und in Thätigkeit gesezt werden können. Indeſſen giebt es kaum ein wirksameres Mittel, um den gedeckten Weg und deffen Waffen pläge, die feindlichen Logements in den Festungsgräben und die etwa vorhandenen Gegenapprochen fortwährend zu beunruhigen , als das un ausgesetzte Feuer der kleinen und die Stein- und Spiegelpranatwürfe der großen Mörser. Die Zahl der kleinen Mörser wäre daher ungeän dert beizubehalten. Dagegen wäre die Zahl der großen Bombenmörser deren Gebrauchsfähigkeit zu zu vermehren und die Steinmörser ― exklusiv ist, lieber ganz wegzulassen, wofern sie nicht, wie die neuartigen österreichischen, auch zum Bombenwerfen eingerichtet sind. Aus dem neueren österreichischen Batteriegeschützsystem ist übrigens auch der Stein mörser gänzlich ausgeschieden, und es können die 60- und 30pfbgen. Bombenmörser nicht nur zum Feuern mit Spiegelgranaten, sondern auch

197 zum Steinwerfen benutzt werden. Auch in diesem Falle, daß man nur bronzene Mörser zur Verfügung hätte, würde der Nachtheil der Be schädigung der Rohre durch das Werfen der Steine mehr als hin reichend durch die Unbehilflichkeit und einseitige Verwendbarkeit , welche man beim Gebrauche der Steinmörser in den Kauf nehmen müßte, aus geglichen. Faßt man das Gesagte zusammen, so ergiebt sich nachstehende Zahl von Geschützen : Für die 1. Parallele und an geeigneten weiter rückwärts liegenden Punkten : 8 Rikoschetbatterien, 2 große oder 3-4 kleine Enfilirbatterien und 3 Mörserbatterien mit 32 gezogenen 12- Pfündern, 6 gezogenen 24-Pfändern, 10 25 pfdgen. Bombenkanonen oder Haubißen, 6 25pfdgen. und 12 50psbgen. Bombenmörsern, demnach zusammen 66 Geschütze. Für die 2. oder im günstigen Falle theilweise noch für die 1. Pa rallele: 8 Demontirbatterien, die gegen die gepanzerten Geschützstände bestimmten Geschütze und 3 Mörserbatterien. Demnach an gezogenen Geschützen : 32 12- und 32 24-Pfünder, dann 10 7zöllige Kanonen, sowie 6 25pfdige. und 12 50 pfdge. Mörser,

zusammen 92 Geschütze.

Für die Halbparallelen, 3. Parallele und überhaupt bis zur Krönung des Glacis 20 7pfdge., 12 25pfdge. und 12 50 pfdge., zusammen 44 Mörser. Für die zweiten Batterien wären , da man die Kontrebatterien in den meisten Fällen wird entbehren können, blos die Breſchbatterien mit 24 gezogenen 24-Pfündern zu rechnen. Die Gesammtzahl der Geschüße betrüge also 226 Stück, und es findet im Vergleiche zu den Ansäßen früherer Zeit eine wesentliche Ver minderung nur bei den zweiten Batterien und der 2. Parallele statt, während der Bedarf für die 3. Parallele ungeändert geblieben ist , jener für die 1. Parallele aber sich wesentlich erhöht hat. Aber nicht sämmtliche Geschüße können zu gleicher Zeit im Feuer sein.

So wie früher, werden auch jetzt einige Batterien ihr Feuer ent

weder ganz einstellen , oder nach vorwärts verlegt werden müssen , wenn auch nicht in dem Maße, in welchem es bei der Verwendung glatter Kanonen geschehen mußte. Im Allgemeinen, besonders im Beginne und in der zweiten Periode der Belagerung , wird die Zahl der zugleich im Feuer stehenden Geschüße ebenso groß , ja noch größer als ehedem ſein.

198 Ein für den Belagerer gewiß sehr vortheilhafter Umstand.

Die Ri

foschetbatterien der 1. Parallele werden ihr Feuer fast bis zum Ende der Belagerung fortseßen können.

Die Enfilirbatterien dagegen werden

zur Zeit der Eröffnung der 3. Parallele , theils um diese und die wei teren Annäherungen nicht zu gefährden , theils weil sie bereits ihren Zweck erreicht haben werden , ihr Feuer einstellen müſſen , wofern sie es nicht gegen andere Objekte richten können , wodurch vielleicht die Anlage und Armirung anderer Batterien entbehrlich würde. Die Mörserbatterien der 1. Parallele würden vielleicht schon bei der Eröffnung der 3. Parallele, spätestens aber während der Ausführung der ersten Sappenarbeiten auf dem Glacis, die Mörserbatterien der 2. Parallele zu eben dieser Zeit oder längstens nach beendeter Krönung des Glacis ihre Thätigkeit einstellen müssen , da bei den blos auf die feindlichen Werke gerichteten Würfen bei den bekannten großen Längen streuungen der Bomben die eigenen Truppen nur zu sehr gefährdet werden. Das Rathsamste und Zweckmäßigste wird sein, wenn die Mörser batterien der 1. und 2. Parallele , sobald die 3. vollendet ist , zu feuern aufhören. Ihre Geschüße können dann zur Armirung der Batterien der 3. Parallele verwendet werden , mit Ausnahme jener Mörser , welche das Bombardement der Stadt fortzusehen haben. Für diesen Zwed wird der dritte Theil der in beiden Parallelen verwendeten Mörser ge nügen und es werden hierzu die großen Kaliber und sogenannte weit treibende Mörser, wenn solche vorhanden sind, ausgewählt werden. Die Demontirbatterien beginnen ihr Feuer in der zweiten Periode

der Belagerung und werden dasselbe spätestens nach beendeter Krönung des Glacis einstellen müssen und es auch thun können, da sie die ihnen zugewiesene Aufgabe gewiß schon ausgeführt haben werden. Eine Aus nahme hiervon werden nur jene Batterien machen, welche zugleich als Kontrebatterien wirken sollen. Die 24-Pfünder der übrigen Demontir batterien werden dann zur Armirung der Breschbatterien benußt werden. Die gegen die gepanzerten Geschüzstände des Feindes aufgeführten Kanonen hören zu feuern auf, sobald diese Deckungen unbranchbar ge worden sind , da es die heilloseste Munitionsverschwendung wäre , wenn man die kostbaren Projektile dieser Geſchüße gegen andere Objekte ge brauchen wollte.

199 Der lebhaftefte Artlleriekampf wird in der Zeit von der Eröffnung der 2. Parallele bis zur Krönung des Glacis ſtattfinden und es wird dann die größte Zahl von Geschützen gleichzeitig im Feuer stehen. Nach dem Gesagten ergäbe ſich daraus nachstehende Zahl von Ge schützen : 1. Parallele : Die Rifoschetbatterien mit 32 12 -Pfündern und 4 25pfdgen. Bomben kanonen oder Haubißen. Die Enfilirbatterien mit 6 24-Pfündern und 6 25pfdgen. Bomben fanonen. Die Mörserbatterie mit 6 25- und 12 50pfdgen. Mörsern . 2. Parallele: Die Demontirbatterie mit 32 12-Pfündern und 32 24- Pfündern dann 10 7zöllige Kanonen. Die Mörserbatterie sowie in der 1. Parallele. 3. Parallele : Da blos ein Drittheil der in der 1. und 2. Parallele verwendeten Mörfer (12 50pfdge.) zurückbleibt, die andern Mörser aber zur Armirung der Batterien der 3. Parallele herangezogen werden können, werden nur 20 7pfbge. Mörser benöthigt. Für die zweiten Batterien ist das Geschüß von den außer Thätigkeit gesezten Batterien der Parallelen zu entnehmen. Der gesammte Geschüßbedarf wäre also : 64 12- Pfünder , 38 24 Pfünder, 10 7zöllige Kanonen, 10 25pfdge. Bombenkanonen und Hau bißen, 20 7-, 12 25- und 24 50pfdge. Mörser , in Allem 178 Geschüße. Obgleich der Ersatz für demontirte und durch das eigene Feuer unbrauchbar gewordene Geschütze gegenwärtig durch Nachsendung aus den Depotplätzen des eigenen Landes weit schneller und leichter als ehedem bewirkt werden kann, so muß doch für den augenblicklichen Erſat Sorge getragen werden, wenn auch der Procentsaß ein bedeutend niederer sein kann. Für die schwereren Kaliber wird man Etwas mehr annehmen müssen, theils weil dieselben durch das eigene Feuer mehr leiden, theils weil die kleineren Kaliber auch durch Feldgeschüße ersezt werden können. Nahm man früher als Reserve 1/4, 1/3, ja 25 der beantragten Geschüße an, so wird man jezt mit 1/6-1/ 4 vollkommen ausreichen, zumal die

200

meisten Batterien vermöge der größeren Präcifion ihrer Geschüße ihren Zweck mit einer weit geringeren Schußanzahl erreichen weden. Demnach wären zu beantragen :

75 12pfdge. Kanonen ; 45 24pfbge. 12 73öllige 12 Bombenkanonen und Haubißen ; 24 7pfdge. Mörser ; 15 25pfdge. 30 50pfdge. in Allem 213 Geschüße. Dazu noch die erforderlichen Feld- und Revolvergeschütze.

Es ist

kein Zweifel, daß man in den meisten Fällen mit einer weit geringeren Geschützzahl auskommen wird . Jedenfalls aber wird man mit der an gegebenen Ausrüstung bei kleineren oder minder kräftig vertheidigten Pläßen weit rascher ans Ziel kommen , was bei einer rationellen Krieg . führung nicht hoch genug angeschlagen werden kann , und man wird da mit voraussichtlich auch gegen die größten und bestvertheidigten Festungen ausreichen. Noch ein Wort über die bisher in der 3. Parallele und den wei tern Vortreibungen angewendeten Hand- und Schaftmörser. So klein und leicht transportabel diese Geschüße auch sind, so nimmt ihre Auf stellung doch immer einen Platz und einen

wenn auch geringen Zeit

aufwand in Anspruch und es erfordert jeder derartige Miniaturmörser zwei Mann zu seiner Bedienung.

Man denke aber an die zu Ende des

17. Jahrhunderts wiederholt verſuchten Flintenhaubißen und Flinten und Pistolenmörfer von 2-3zölligem Kaliber.

Die Idee, damals allzu

primitiv und darum von äußerst geringen Erfolgen gekrönt , würde sich unter Anwendung gezogener Rohre ganz anders gestalten. Schon das 21/ 23öllige Geschoß würde das Gewicht der Granate eines sogenannten Cöhorners übersteigen, die Sprengwirkung würde mindestens die gleiche, die erreichbare Distanz aber eine weit größere sein.

Ein einziger Mann

könnte eine solche Schußwaffe bedienen und sich damit bei jedem Schuß an einem beliebigen Orte aufstellen.

In der Hand tüchtiger Schützen

würden solche tragbare Geschüße wahrscheinlich sehr vorzügliche Dienste Leisten.

201 Es ist die als erforderlich angegebene Geschützzahl allerdings von jener der früheren Belagerungsparke nicht bedeutend verschieden, wiewohl der Umstand, daß die 12-Pfdr. in größerem, die 24-Pfdr. in geringerem Maße, als ehedem vertreten sind, nicht unwichtig erscheint.

Es muß

aber bemerkt werden , daß absichtlich mehrere auf die Verminderung der Geschützahl Einfluß nehmende Ursachen unberücksichtigt gelaffen und eben das Maximum festgestellt wurde, um gegen einen großen, wohlverthei digten und mit starken Vorwerken umgebenen Platz auslangen zu können. Abgesehen davon , daß die Zahl der Batterien vermindert werden kann, würden in vielen Fällen Rikoschetbatterien zu 3 und Demontirbatterien zu 6 Geschützen genügen, sowie auch bei andern Batterien eine Re duktion stattfinden könnte.

Dadurch würde sich die Zahl der Geschüße

auf etwa 180 und vielleicht noch weniger verringern laſſen. Der Vor theil, daß die Geschüße einer Batterie verschiedene Zwecke erreichen kön nen, dürfte jedoch auf die Berechnung der Gesammtschüßzahl keinen Einfluß üben, da derselbe bei der Bestimmung der Reſervegeſchüß bereits ins Auge gefaßt wurde. Es wäre demnach, etwa wie bei den Franzosen ein gewöhnlicher und ein verstärkter Belagerungspark anzunehmen , wo dann der erstere 170-180, der lettere aber 213 Geſchüße zählen würde. A. Dittrich.

IX. Literatur. Studien über Truppen - Führung von J. v. Verby du Bernois, Oberstlieutenant à la suite des Generalstabs der Armee. 1. Heft (mit 4 Anlagen). Berlin 1870. E. S. Mittler u. Sohn. Preis 171/2 Sgr. Da im Kriegsfalle Artillerie- und Ingenieur-Offiziere dazu berufen find, im Hauptquartier anwesend zu sein, so darf es ihnen also auch nicht fern liegen , für alle Kriegshandlungen auch der übrigen Waffen fich das richtige Verständniß zu erwerben, um so eine würdige Ver

202 tretung ihrer eigenen Waffe darzustellen und allen Intentionen der Trup pen-Kommandeure schnell und sicher folgen zu können. Die vorliegende Studie aus der Feder eines anerkannt sehr tüchti gen Offiziers ist ganz dazu geeignet, hierauf vorzubereiten. Die zu er theilenden Lehren sind recht geschickt an die Situation von 1866 ange knüpft und regen in jeder Weise zum militairiſchen Nachdenken an. Welchen Einfluß selbst kleinliche Vorkommnisse ausüben können, welche Mancher ohne näheres Eingehen, wohl mit dem Titel : Kamaſchen, dienst ! abzufertigen versucht sein könnte, ist hier überzeugend dargestellt und wie auf Alles geachtet werden muß, um große Reſultate mit Sicher heit zu erreichen. Wenn diese Studien recht viele Leser , und wie Verf. anräth, auch Durcharbeiter finden, so kann es nur mit der höheren Durchbildung der Kriegsleitung gut bestellt sein. L'artillerie de campagne Belge par A. Nicaise , capitaine d'artillerie . Bruxelles, C. Muquardt. Paris, J. Dumaine. 85 S. mit 9 Figuren-Tafeln.

Preis 1 Thlr.

Der rühmlichst bekannte Verf. dieser Schrift, welcher die desfallfige Sache schon seit zehn Jahren zu der ſeinigen gemacht hat, liefert in der selben ein treues Bild der Leistungsfähigkeit der in Deutschland, Belgien, Rußland, der Schweiz 2c. zur Einführung gelangten gezogenen Gußstahl Feldgeschüße, und zwar in so weit, als dies Bild auf Grund sorgfältiger Versuche und Beobachtungen, die auf Belgischen Schießpläßen zur Aus führung gekommen sind , zu erlangen möglich gewesen ist. Eine Ver vollständigung desselben , sowie eine Bestätigung der Richtigkeit aller vom Herrn Verf. gemachten Angaben und ausgesprochenen Urtheile ge währt der gegenwärtig noch nicht beendete deutsch = französische Krieg. Gleichzeitig aber bleibt noch besonders hervorzuheben : daß die in dieſem Kriege gemachten artilleristischen Erfahrungen um so richtiger verstanden, und daher eine um so gründlichere Belehrung zur Folge haben werden, je näher man sich mit den in der vorliegenden Schrift dargelegten That fachen vertraut zu machen veranlaßt gewesen ist.

Berlin, gedruckt bei E. S. Mittler u. Sohn, Wilhelmstraße 122.

X. Ueber Küstenbatterieen.

Seit Einführung der mit schwersten Kalibern armirten Panzerschiffe iſt der Glaube an die unbedingte Ueberlegenheit der Küstenbatterieen im Ge fecht gegen Panzerschiffe wesentlich alterirt worden. Aus den Erfahrungen des amerikanischen Bürgerkrieges wurde allgemein der Satz abgeleitet, daß Küstenbatterieen allein, selbst mit der stärksten Armirung, einem energischen Angriffe von Panzerschiffen nicht zu widerstehen vermöchten. Um dieſes ungünstige Verhältniß wenigstens theilweise auszugleichen, wandte man in der Küstenbatterie stärkere Kaliber an und suchte sich auch wohl durch Hindernisse im Fahrwasser den gefährlichen Feind entfernter zu halten. Die Sperrungen , weil nur in bestimmten Fällen anwendbar , außer Betracht gelaffen , entſtand jetzt ein förmlicher Wettkampf zwischen Artille rie und Schiffsbaukunst Erhöhung der Geschützwirkung und Verstärkung der Deckungen. Nach den neuesten Versuchen scheint nun die Artillerie ihr altes Uebergewicht über die Schiffe wiedererrungen zu haben , indem auch die stärksten Ziele den modernen Monstre-Kanonen nicht widerstanden. Wollte man aus letzterem Ergebniſſe direkt Folgerungen ziehen , so würde man gewiß weit fehlgreifen : die Küstenartillerie wird selten in der Lage sein, ihre Ueberlegenheit gegen die Panzerschiffe genügend zur Geltung bringen zu können. Sie wird es nur dann können, wenn die Panzerschiffe zur Erreichung ihres Gefechtszweckes genöthigt sind , in den wirksamen Schußbereich der Batterie heranzugehen ; dies wird , außer wo es sich um 14 Vierunddreißigster Jahrgang. LXVIII Band.

204 Beschießung von Zielen hinter der Batterie handelt, nur dann der Fall sein, wenn die Küstengeschütze auch hinter Eisendeckungen stehen. Da man nun unmöglich alle wichtigen Punkte einer längeren Küste durch Panzerstände sichern kann , so wird man auch fernerhin die große Mehrzahl der Küstengeschütze hinter Erddeckungen aufstellen müſſen. Was zwingt dann aber die angreifenden Panzerschiffe auf 500-600 Schritt an die Erdwerke heranzugehen , wenn sie ihren Gefechtszweck auf Entfernungen , wo sie selbst wenig gefährdet sind , eben so gut erreichen können ? Die Wirkung der schwersten Kaliber gegen 6- bis 8zöllige Platten ist über 1500 Schritt sehr gering , während die Panzerschiffe die Erdwerke noch auf mindestens 2000 Schritte zuſammenschießen resp . die Batterie außer Gefecht zu setzen im Stande sind . Letztere Behauptung wird ohne Zweifel auf vielfachen Widerspruch treffen ; einmal hat man von der Trefffähigkeit von Schiffen aus eine sehr geringe Meinung , und dann findet sich oft ein ganz wunderbares Vertrauen auf die Widerſtandsfähigkeit der Erde. Was ersteren Punkt anlangt, so liegt allerdings etwas Wahres darin, die labile Stellung der Geschütze reduzirt die Trefffähigkeit gewiß; man darf hierbei aber nicht übersehen, daß die Schiffsartillerie an jedem Punkt mit numerischer Ueberlegenheit auftreten kann und so die Qualität ihres Feuers durch die Quantität deſſelben wesentlich verbessern wird . Es hat z. B. die italienische Flotte beim Angriff auf Liſſa reussirt; nach österrei chischen Berichten war schließlich nur noch eine Batterie im Stande , den Kampf fortzuführen. *) Was die Widerstandsfähigkeit der Erde anbetrifft , so ist diese aller dings scheinbar die Ursache davon , daß die Schiffsartillerie trotz ihrer Ueberlegenheit gegen Küstenbatterieen wenig Erfolge errungen hat; in Wahrheit lag es aber nicht daran , sondern an der mangelhaften Geschoß wirkung. Die Vollkugeln wirkten gegen Erde wenig, die Hohlgeschosse nicht viel besser , da sie selten zur rechten Zeit krepirten , beide Geschosse hatten aber gegen Holzschiffe sehr gute Wirkung und so erklärt sich die Entstehung des Sprichworts : ,,un canon de terre vaut un vaisseau de mer."

*) Mittheilungen des k. k. Artillerie-Komités, 1866.

205 Diese Verhältnisse haben sich jetzt beinahe umgekehrt ; von den Schiffs kanonen werden schwere Hohlgeschosse mit sicher funktionirendem Zünder und bedeutender Sprengladung (8zöller ca. 5 Pfd . , 9zöller ca. 10 Pfd .) geschoffen, während die Küstenbatterieen zum Durchbohren der Panzer auf. Vollgeschosse oder „ Panzer“-Granaten , d . h. mit schwacher Sprengladung, angewiesen sind . Wie sehr Erdwerke durch Hohlgeschoffe leiden , hat sich in neuester Zeit wiederholt gezeigt (Düppel, Borgoforte).

Bei Borgoforte

3. B. waren die Werke nach 1 tägiger Beschießung nicht mehr vertheidi gungsfähig ; das Fort Roschetta war aus ca. 30 Geſchützen (6-40 - pfdr., die übrigen 8 und 16pfündige Feldgeschüße) beschossen worden ; nachdem ca. 1600 Schuß gegen dasselbe gethan waren , war die Brustwehr an vielen Stellen bis auf das Niveau des Wallganges abgekämmt , „ das Werk bildete nur mehr einen unregelmäßigen Trümmerhaufen“ (nach dem österreichischen Bericht). *) Allerdings waren diese Werke ziemlich schwach profilirt, aber von schwereren Geschützen wird sich auch gegen starke Wälle ein ausgiebiger Erfolg erwarten lassen , wenn die hinter denselben pla cirten Geschütze das feindliche Feuer nicht mit Erfolg zu erwidern im Stande sind. In Berücksichtigung dieser Umstände scheint ein schon mehrfach ange= regter Vorschlag , die Küstenbatterieen auch mit schweren Mörsern zu ar miren , durchaus zweckentsprechend , zumal da bei dem Bau der jetzigen Panzerschiffe auf etwaiges Vertikalfeuer keine Rücksicht genommen wurde, eine nachträgliche Verstärkung der Decks aber aus vielen Gründen nicht gut thunlich ist. Wenn früher gegen Schiffe selten Vertikalfeuer angewendet wurde , ſo lag dies daran, daß die Trefffähigkeit aus glatten Mörsern zu gering war und man mit Kanonen und Bombenkanonen beſſere Wirkung erreichen konnte. In neuerer Zeit aber, wo die Einführung gezogener Mörser nahe bevorsteht, verdient diese Frage volle Aufmerksamkeit. Die Decks der jetzt existirenden Panzerschiffe sind außer durch Holz durch 1 , höchstens bis 3zöllige Platten geschützt.

Dieser Umstand giebt

die Möglichkeit, angreifende Panzerschiffe auf Entfernungen mit größter Wirkung bekämpfen zu können , wo das Durchschießen der Seitenwände längst unmöglich ist.

Es wird in Folgendem gezeigt werden , daß jeder

*) Mittheilungen des . k. Artillerie-Komités 1867. 14 *

206 Treffer durchschlägt, außerdem kann man die Wirkung des Geschosses durch größere Sprenlgadung beträchtlich erhöhen, ohne ein Zerschellen beim Auf schlag befürchten zu müssen.

Bei den Panzergranaten muß die Spreng ladung sehr schwach sein und kommt auch nur bei großem Kraftüberschuß des Geschosses gegen das Innere des Schiffes zur Geltung. Um nachzuweisen , daß die Bedingungen zum Durchbohren der Decks der heutigen Panzerschiffe leicht erfüllbar sind , hat Verfaſſer die Auftreff geschwindigkeiten berechnet, welche für verschiedene Kaliber zum Durchschla gen 2 und 33ölliger Platten nöthig sind. Zur Berechnung wurden die englischen Formeln (Kapitain Noble) benußt , weil diese der Wirklichkeit i. A. am nächsten kommen. Bedeutet in Folgendem

2r den Geschoßdurchmesser, P das Geschoßgewicht, b die Plattenstärke, g die Beschleunigung der Schwere, für England 32,1908' englisch, y der Auftreffwinkel, k ein vom Panzereisen , der Materie und Kopfform des Ge schosses abhängiger Koefficient , für Ogivalspitzen und bestem 4821480, Eisen V die gesuchte Auftreffgeschwindigkeit, so besteht die Gleichung b 4лrgk y= sin V P Nach dieser Gleichung erhält man gegen 2 und 3zöllige Platten für 8 , 9 und 11zöllige Geschoffe von resp . 200 , 300 und 450 Pfund Ge wicht bei Auftreffwinkeln von 60 und 45 ° folgende Reſultate :

2r

2" 3" 2" 3" 2" 3"

8" = 9"

P

200 Pfd . 300 Pfd. = 450 Pfd. =

Ф

V

❤.

60⁰ =

245' 368' 212 ' 318' 192' 288 '

450

⇓⇓⇓116

b

V.

299' 451' 260' 390' 235' 352'

207

Es ergeben sich also Geschwindigkeiten, welche zum größten Theil un ter 400 ' betragen ; dieselben scheinen bei dem gezogenen Mörser mit starken Ladungen und hohen Elevationen wohl erreichbar. Sollte aber die jetzige Nohrkonſtruktion dieſe Auftreffgeſchwindigkeiten nicht ergeben , so würde bei Neukonstruktionen hierauf mehr Bedacht zu nehmen sein. Nachdem die genügende Leistungsfähigkeit gezogener Mörser gegen Pan zerziele außer Frage gestellt ist, handelt es sich noch um die Präzision und die Bedienung. Erstere erscheint nach den bisherigen Versuchen als völlig genügend : *) auf 2000 Schritt eine mittlere Lägenabweichung von 8 Schritt, eine mitt lere Seitenabweichung von 2,5 Schritt. Es bleibt nunmehr noch die Art und Weise der Bedienung zu erör tern ; Verfasser gestattet sich , diese Frage vorläufig offen zu lassen ; erheb liche Schwierigkeiten dürften sich hierbei nicht herausstellen. Wenn somit die vollständige Brauchbarkeit schwerer Mörser gegen Panzerschiffe nachgewiesen ist , so wird man dennoch schwere Kanonen in Küstenbatterieen nicht entbehren können ; diese Geschütze sind für ein Ge fecht auf nähere Entfernungen nicht zu entbehren. Die Mehrzahl der Ges schüße einer Batterie wird allerdings in Mörsern beſtehen müſſen , ſchon um ein lebhafteres Feuer gegen einzelne sich vielleicht zu weit vorwagende Schiffe zu ermöglichen. Bei dem Gefecht der Mörser gegen bewegliche Ziele wird freilich ein starker Munitionsverbrauch eintreten , wenn aber dabei gehörige Wirkung erzielt wird, so ist dies kein Nachtheil. Zum Schluß sei noch erwähnt, daß für größere Deckung der Kanonen gesorgt werden muß ; Monkrieff-Laffeten würden dazu am besten entsprechen.

F19. *) Roerdanz, Hptm.,,,Ueber die Wirkung schwerer Geschütze“.

208 XI. Masken-Laffeten und maskirte Geſchüßßtände. (Bearbeitung im Auszuge der Schrift : ,,Counterpoise Gun-Carriages and Platforms , " by Capt. W. R. King. Washington : Government Prin ting Office. 1869.) Der 'er Kapitain (Brevet-Major) King vom Ingenieur-Korps der Vereinig ten Staaten von Nord - Amerika hat in den Jahren 1868 und 69 Zeich nungen und Beschreibungen einer Anzahl von Laffetenkonſtruktionen und anderen Einrichtungen gesammelt , welche den über Bank schießenden Ges schützen einen erhöhten Schutz gegen das feindliche Feuer gewähren sollen. Diese Sammlung ist auf Befehl des General Humphreys , Chef des In genieurkorps ,,, zum Gebrauch der Ingenieur - Offiziere " offiziell veröffent licht worden. Sie umfaßt 24 Laffeten, deren Erfindung sich auf einen Zeitraum von 127 Jahren vertheilt, doch gehört die relative Mehrzahl den Jahren 1868 und 1869 an, iſt alſo vermuthlich erst durch die Absicht einer Konkurrenz mit Moncrieffs System in's Leben gerufen worden.

1. Villard's Laffete (1806). Erfindung des Artilleriedepot-Vorstehers Villard zu Greenleaf's Point am Potomac.

Zeichnung fehlt.

Vier Mann heben oder senken (wie es

scheint, mittelst einer Schraubenvorrichtung) einen 24Pfdr. in 15 Sekunden um 2 Fuß. Das Geschütz feuert über eine 7 ' hohe Brustwehr hinweg. Eine nach diesem System in Greenleaf's Point angefertigte Laffete kostet 2340 Thaler. Ob mehrere derartige Geschütze beschafft worden sind, wird nicht gesagt. 2. Belagerungs - Laffete mit excentrischen Rädern . In der Feuerstellung liegen Achse und Nabe etwa auf 1/4 der Rad höhe von oben, während an dem tiefsten Theil der Felge ein Gegengewicht befestigt ist. Die durch den Rückstoß zurückrollenden Räder bewirken die Senkung des Rohrs und die Hebung des Gegengewichts. *) *) Dieser Gedanke ist bekanntlich nichts weniger als neu ; in seinen praktischen Konsequenzen führt er unvermeidlich zu Moncrieff's Laf fetensystem. c. Archiv f. A.- u. Ing.-Off. 66. Bd . S. 84.

209

3. General de Bussy's Laffete (1835). Auf einem horizontalen , mit zahnartigen Vorsprüngen versehenen Rahmen bewegen sich 2 große Räder , deren Fel genkranz eine Anzahl Vertiefungen , entsprechend den Zähnen des Rahmens , hat. Die Laffete ruht vorn auf der excentri ſchen Achse dieser Räder und läuft hinten mit Rollrädern auf 2 gekrümmten Schienen. Am vorderen Ende des Rahmens sind 2 senkrechte Ständer angebracht, welche Vorgelege tragen und zugleich als Stützpunkte für 2 einarmige Hebel dienen ; letztere üben durch ihr Gewicht einen bedeutenden Druck auf die Achse der Excenterräder aus und sollen so den Rücklauf der Laffete möglichst bremsen. Zu demselben Zweck sind die in der Feuerstellung des Geschüßes am tiefsten liegenden Speichen von Metall , die anderen dagegen von Holz ; erstere bilden also eine Art Gegengewicht. Zum Vorbringen und Heben der Laffete aus der Lade- in die Feuerstellung wirken außerdem die beiden Vorgelege mit, deren Windetaue mit der Achse der Excenterräder verbun den und zugleich durch je 2 an den Hebeln angebrachte Rollen so geführt ſind , daß sie angespannt , also während des Vorbringens , den Druck der Hebel auf die Achse aufheben , folglich die Bremsung beseitigen. Die Krümmung der Laufschienen für die hinteren Rollräder ist so angeordnet , daß die Lagen des Rohrs in der Feuer- und Lade stellung parallel sind. In dieser Laffete , deren Modell schon vor 34 Jahren zu Fort Mon roe in Virginia ausgeführt wurde, sind somit alle wesentlichen Grundzüge der Moncrieff'schen Konstruktion vereinigt , vor der sie überdies einige äußerst finnreiche Bewegungsmechanismen voraus hat. 4.

Major Hunt's Laffete (1861).

Ein ziemlich breiter Rahmen in Kreuzform, mit 4 Schwenkrädern und imaginärem Mittelpivot , trägt 2 seitliche und 1 mittlere Strebe , welche unten durch Drehbolzen mit dem Rahmen und oben durch Lagerpfannen, resp. Gelenke mit den Schildzapfen und dem Bodenstück des Nohrs dreh bar verbunden sind.

Zwischen den beiden seitlichen Streben , welche die

Schildzapfen tragen , ist ein horizontaler Bolzen angebracht , um den ein Drahtseil geschlungen wird ; an dieſem hängt das Gegengewicht in einer

210 unter dem Rahmen befindlichen Ausschachtung und möglichst nahe am Mittelpunkt der kreisförmigen Schwenkbahn (damit das Seitwärtsbringen des Rahmens nicht behindert werde). Um dies Gewicht für die Hemmung des Rücklaufs verwerthen zu können , ist in der Mittellinie des Geſchüßes zwischen Rohr und Rahmen eine gegen letzteren mehrfach abgesteifte ge bogene Schiene angeordnet ; unmittelbar vor dem senkrechten Schenkel die ser Schiene hängt in der Feuerstellung das Seil des Gegengewichts verti kal herab. Sobald nun das Rohr durch den Rückstoß in eine Bewegung nach rückwärts und unten versetzt wird , legt sich das Drahtseil gegen die Schiene, gleitet an dieser entlang und hebt gleichzeitig das Gegengewicht in die Höhe. Ein offenbarer Vortheil dieses Arrangements liegt darin, daß der Widerstand , welchen die Schwere des Gewichts und die Neibung des Seils der Bewegung des Rohrs entgegenseßen , anfänglich gleich Null iſt und sich allmälig , vermöge der gekrümmten Form der Schiene, bis zu seinem Maximum steigert. Ein Modell dieser Laffete wurde im Dezember 1861 zu Fort Taylor, Key West, in Florida erbaut und befindet sich gegenwärtig im Arsenal zu Washington. Nach einigen Jahren scheint indeß dem Erfinder, Major Hunt, bereits eine wesentlich veränderte Konstruktion vorgeschwebt zu haben, denn am 20. März 1863 schrieb er an das Ingenieur - Departement ,,, daß er schon längst die große Wichtigkeit einer befferen Sicherung der Bankgeschüße ge fühlt habe und deshalb um Ermächtigung bitte, ein Modell für etwa 100 Dollars bauen zu dürfen.“ Dies Schreiben wurde dem Artillerie Departement übergeben , welches erwiderte ,,, daß ihm für solche Zwecke keine Mittel zu Gebote ständen und es den Erfindern überlassen bleiben müsse, ihre Modelle selbst zu bezahlen.“ Was in dieser Angelegenheit weiter geschehen , hat sich nicht ermitteln laffen. Kapitain King fügt der obigen Beschreibung der Hunt'schen Laffete einige Verbesserungs-Vorschläge hinzu : Anbringung einiger Leitrollen , um die Reibung des Drahtseils an der Schiene zu verringern, oder Ersatz des Seils durch eine Kette ; ferner Anbringung einer Sperrklinke und Bremſe, um das Rohr in der Ladestellung festhalten und seine hebende Vorwärts bewegung mäßigen zu können ; endlich die Anordnung einer Hebevorrichtung an der hinteren mit dem Bodenstück des Rohrs verbundenen Strebe.

211

5. Obadiah Hopkins ' Laffete (1861). Beruht im Wesentlichen auf dem Prinzip der Schaukel, welche sich die Kinder aus einem Kloß mit darübergelegtem Brett herzustellen pflegen, und ist für den gleichzeitigen Gebrauch zweier Geſchüße beſtimmt, von denen sich immer das eine in der Feuer- und das andre in der Ladestellung befindet. Die Einrichtung ist folgende: Eine Drehscheibe mit Mittelpivot (ähn lich konstruirt, wie die Eisenbahndrehscheibe) trägt 2 starke aufrechte Backen, auf denen eine horizontale Welle drehbar gelagert ist.

An dieser Welle

schwingt in senkrechter Richtung ein aus 2 parallelen Rahmstücken bestehen der Balancier , dessen Enden mit horizontalen Drehbolzen versehen sind ; lettere tragen erst das eigentliche Geschütz, welches aus Rohr, Laffete und Rahmen besteht und , wie der Erfinder sehr einfach bemerkt , „ nach dem bestbewährten Laffetensystem für schwere Artillerie zu konstruiren ist.“ Um diese ungeheure Maschine in Thätigkeit zu setzen, ist auf den mittle ren Theil der Balancierwelle eine Kettentrommel und auf ihrem außerhalb der Lagerbacken liegenden Vierkant ein Handrad mit 6 Griffen aufgescho ben. Von der Kettentrommel gehen 4 Ketten aus und zwar je eine nach den beiden Enden beider Laffetenrahmen.

Eine einfache Drehung des

Handrades soll nun die verschiedenartigſte Arbeit leisten , nämlich abwech selnd das eine und andre Geschütz in die Feuerstellung heben oder in die Ladestellung senken und überdies auch die Laffeten auf ihren Rahmen aus und einrennen , zu welchem Ende letzteren mittelst des Windewerks eine solche Neigung gegen den Horizont gegeben wird , daß das Geschütz von selbst vor- oder zurückgleitet. Natürlich muß nach jedem Schuß auch die Drehscheibe um 1800 gedreht werden , damit das inzwischen geladene Ge schütz in die Schußlinie gelangt, eine Arbeit, die, wie Kapitain King hinzu fügt,,,im Vergleich mit der gewöhnlichen Geschützbedienung einen beträcht lichen Mehraufwand an Kraft und Zeit erfordern würde; auch beanspruche diese Maschine namentlich in der Tiefe viel mehr Raum, als andere Ge schitte." *) *) Dieſe mehr als abenteuerliche Konstruktion, welche weder im Modell, noch in wirklicher Größe bisher ausgeführt ist und die in der durch Zeichnung und Beschreibung angegebenen Weise von vornherein als völlig unbrauchbar bezeichnet werden kann , scheint in Amerika pa tentirt ( !) zu ſein; wenigstens sind , wie King bemerkt, Zeichnung und Beschreibung aus den Akten des Patent-Amtes entnommen.

212

6. James Hyde's Entwurf (1862) . Zum Gebrauch in Kasematten und Thürmen , um das Laden des Geschüßes mit Dampfkraft zu erleichtern. Die Einrichtung erstreckt sich nicht auf die Laffete , sondern nur auf die Pivotirung des Nahmens , der einen seitlichen Drehpunkt hat , während die Mittellinie des Geschützes tangential zu dem Kreisbogen der Schwenkbahn liegt. Durch den Rück stoß soll das Geschütz seitwärts von der Scharte fort und hinter die schüßende Panzerwand geschossen werden . Die von King gegebene kleine Skizze ist aus Holley's „ Artillerie und Panzer" entnommen .

7.

John Ridgway's rotirende Batterie.

Eine Drehscheibe mit Mittelpivot trägt 2 senkrechte Lagerböcke , auf denen eine hohle cylindrische Walze oder Trommel mittelſt einer ſtarken horizontalen Welle drehbar gelagert ist. In dieser Trommel find 2 Ka nonenröhre (,, oder auch mehr ", sagt King) so angebracht, daß ihre Ach sen im Zustande der Ruhe 2 parallele horizontale Sehnen zu den ſenk rechten Grundkreiſen der Trommel bilden und ihre Mündungen nach ent gegengesetzten Richtungen weisen. Die Scharten (nach der Zeichnung Mi nimalscharten) liegen dem entsprechend in der cylindrischen Mantelfläche der Trommel an 2 diametral entgegengesetzten Stellen der Peripherie. Die Brustwehrhöhe ist natürlich so bemessen, daß die gerade oben und vorn befindliche Scharte eben darüber hinwegsieht. Der Rückstoß des oberen Rohrs soll die Trommel um einen Halbkreis drehen und das un tere, inzwischen geladene, an seine Stelle setzen. Diese Konstruktion war vom Erfinder ursprünglich für die Marine als Ersatz des gewöhnlichen Drehthurms beſtimmt, ist aber vom Ingenieur Oberst Houston auch für Landbefeſtigungen in Vorschlag gebracht. Kapitain King nimmt sich die Mühe, zu berechnen, daß diese rotirende

Batterie mit 2-15 “ gen Kolumbiaden 1500 Ctr. wiegen , daß ferner die

Es wäre wohl interessant zu wissen , welchem Berufszweige eigent lich der geniale Mr. Obadiah Hopkins angehört; ein Artillerist kann er unmöglich sein, denn er hat offenbar von der Gewalt des Rück stoßes, von der erforderlichen Einfachheit einer Kriegswaffe und von mehreren anderen Dingen nur höchst unklare Vorstellungen. Es ist übrigens auffallend, daß die Zeichnung der Geschütze keine Kanonen röhre, sondern eine Art sehr kurze Karronaden oder Böller angiebt.

213 burch den Rückstoß des einen abgefeuerten Rohrs (bei 450 Pfd. engl. Geschoßgewicht und 100 Pfd. engl. Ladung) erzeugte Winkelgeschwindig keit der Trommel nur 5 ′ betragen und lettere daher (eine Welle von 10 " Durchmesser vorausgesetzt) nach 3/4 Umdrehung durch die Zapfen reibung von selbst zum Stillstand kommen würde, weßhalb es unzweifel haft gelingen müsse , die Umdrehung der Trommel durch Anwendung einer Bremse auf das erforderliche Maß von 180º zu beschränken. Auch bemerkt Kapitain King sehr richtig , daß die Trommelwelle außerordentlich stark auf Bruch beansprucht werde , indem sie den Stoß des Gesammtgewichts von 1500 Ctr. auszuhalten habe ; er schlägt des halb vor , der Welle einen gewiffen Spielraum zum Rücklauf zu geben und so die Gewalt des Stoßes zu brechen. Wie dieser Vorschlag aber praktisch ausgeführt werden soll, ist nicht gesagt. Ebensowenig wird an gegeben, ob vielleicht die Mannschaft auch in der Trommel untergebracht werden und deren Rotationen mitmachen soll ; wenigstens läßt sich aus der Skizze nicht entnehmen, wie andernfalls das Laden, Richten und Ab feuern der Geschütze gedacht ist. 8.

John Taggert's Vorschlag (1863).

Ein sehr starker , aus mehreren Gitterträgern zusammengefügter Rahmen befindet sich in ziemlicher Höhe über dem Boden und ist , um seine Längenachse in vertikaler Richtung drehbar , mit einer vorn und hinten gelagerten Welle verbunden. An dieſem Nahmen ſind 2 Geſchüße so angebracht, daß immer das eine auf ihm steht (Feuerstellung) , wäh rend das andere unter ihm hängt (Ladestellung) ; bei letterem be findet sich natürlich die Laffete über dem Rohr. Um nun nach jedem Schuß beide Geschüße in der Feuer- und Ladestellung abwechseln zu lassen , ist auf das hintere Ende der Rahmenwelle ein Schneckenrad aufgeschoben , welches durch eine Schnecke mit Kurbel in Bewegung gesetzt wird und durch eine halbe Umdrehung das unten am Rahmen hängende geladene Geschüß in die Feuerstellung heben, dagegen das auf dem Rahmen stehende abgefeuerte Rohr in die Ladestellung senken soll . Diese wunderbare Erfindung, die selbstverständlich auch patentirt ist und sich an Obadiah Hopkins' Laffete (Nr. 5) würdig anschließt, ist von der Art , daß es sich kaum der Mühe verlohnt, die übrigens ganz sach

214 gemäßen Verbesserungsvorschläge anzuführen, welche Kapitain King dazu macht (beide Röhre möglichst nahe am Rahmen anzubringen , um deffen Beanspruchung auf Bruch durch den Rückstoß zu verringern, und dem Rahmen eine Neigung nach vorn zu geben , um den Rücklauf zu hemmen und den Vorlauf zu befördern). 9.

Oberst Serrell's Laffete

(1865).

Das Geschüß ruht mit ſeinem Rahmen auf einer Plattform, welche durch hydraulischen Druck nach dem Laden um 3 ' gehoben wird und sich nach dem Abfeuern des Rohrs durch ihr eigenes Gewicht wieder um ebensoviel senkt. 10, 11 und 12. Vorschläge von A. Stevens in Hoboken , B. Eads in St. Louis und R. Mallet in England . Aehnlich der Serrell'schen Laffete, beruhen sie sämmtlich auf der An wendung von Dampf- und hydraulischen Maſchinen, um das schußfertig gemachte Rohr für den Augenblick des Abfeuerns über seine Dedung emporzuheben. Kapitain King findet gegen die Geeignetheit dieses Prinzips für Schiffsartillerie nichts einzuwenden , weil an Bord das erforderliche Dampfquantum fast immer von der Schiffmaschine ohne erhebliche Mehrkosten geliefert werden könne ; dagegen hält er derartige Mecha nismen in Landbefestigungen für viel zu kostspielig , indem das schnelle Manövriren schwerer Geschütze nach diesem Prinzip einen enormen Kraftaufwand bedinge. 13. Lieutenant Hogg's Zwillings - Balancier - Geschüß (1868). Ein Doppelrahmen , 26 ' lang , aus Faconeisen und Blechen zu sammengenietet , ruht in einer treppenartig ausgemauerten Vertiefung auf einem Mittelpivot. Er hat nach hinten eine Neigung von 30º gegen den Horizont , während sein vorderes Ende fast bis zur inneren Krete der deckenden Brustwehr emporreicht. Die beiden Enden des Rahmens stüßen sich auf 2 mit einer Anzahl Gleitrollen versehene bogenförmige Schwenkbahnen, die eine Seitenbewegung von im Ganzen 90 ° gestatten. Die obere Fläche dieses doppelten Unterrahmens trägt

215 4 parallele Laufschienen, auf denen die beiden eigentlichen Laffetenrahmen, deren Oberkanten horizontal sind , auf und niedergleiten. Sie werden durch ein starkes Drahtseil , welches am vorderen Ende des Unterrah mens um ein liegendes Rad von 3¾4 ′ Durchmesser läuft , derart mit einander verbunden , daß das eine Geschüß immer dem anderen das Gleichgewicht hält und daß , wenn sich das eine am hinteren Ende des Unterrahmens befindet , das andere an deſſen vorderem Ende angelangt sein muß.

Der mit sehr starken Bremsen ausgerüstete Laffetenrahmen

gestattet der Laffete einen Rücklauf von nur 2 Fuß , so daß die übrige Kraft des Rückstoßes verwerthet werden kann , um das obere Geſchüß bis zur Mitte des Unterrahmens , wo es von einer Sperrklinke aufge= fangen wird , hinabzuschieben , also gleichzeitig das untere eben so weit heraufzuziehen.

In dieser Mittelstellung wird das untere Rohr geladen

und dann mit Hülfe eines Windewerks in die Feuerstellung gehoben, während das andere die tiefste Stelle des Rahmens einnimmt. Das Windewerk dient auch zum Nehmen der Seitenrichtung. Eigenthümlich ist noch die Anordnung der Richtmaschine , die indeß mit dem Maskirungs-Mechanismus nicht in unmittelbarem Zusammen hange steht und daher einer besonderen Beschreibung nicht bedarf.

Die

oben angegebenen Maße beziehen sich auf eine für 2 gezogene 64pfder Vorderlader von je 64 Ctr. Nohrgewicht entworfene Konstruktion. 14.

Kapitain Moncrieff's Laffete (1868).

Der bekannten Zeichnung und Beschreibung ist nur die bereits oben gemachte Bemerkung hinzugefügt, daß diese Lassete im Wesentlichen die elbe sei, wie die Buffy'sche.

( S. 209.)

15. Kapitain King's Vorschläge zur Abänderung der ge wöhnlichen Rahmenlaffete (1868). Beziehen sich auf folgende Einrichtungen : Die hinteren Lagerböcke der Schwenkräder des Rahmens werden tiefer und die vordere Rahmen unterlage wird höher gelegt , um dem Rahmen nach hinten eine Nei gung von ungefähr 150 gegen den Horizont zu geben , so daß die Seelenachse des Rohrs bei ausgeranntem Geſchüß 3 ' höher liegt , als bei eingeranntem .

216 Ferner wird die Höhe der eigentlichen Laffete um so viel verringert, daß das Rohr in der Feuerstellung dieselbe Höhenlage zur inneren Brustwehrkrete behält , wie bisher.

Das Vorderpivot erhält einen grö

ßeren Durchmesser und ist mit einer senkrechten Durchbohrung versehen. Unter dem Pivot befindet sich ein Hohlraum , in welchem das Gegenge wicht an einem Drahtseil aufgehängt ist ; leßteres geht durch den hohlen Pivotbolzen und über eine mit dem Rahmen verbundene Rolle nach der Laffete.

Um das Ausrennen des Geschützes zu erleichtern , falls das

Gegengewicht hierfür nicht ausreichen sollte, befinden sich zu beiden Sei ten des Nahmens in deffen ganzer Länge 2 Ketten ohne Ende, die durch entsprechende Flansche mit den Laffetenwänden in Verbindung stehen und über 2 senkrechte am Rahmen angebrachte Rollen laufen ; um die Ketten „ in Bewegung zu setzen , find 2 Ratschen mit den hinteren Rollen ver, bunden.

16.

Oberst Houston's Vorschlag (1868).

Beruht ebenso , wie Laffete Nr . 6 , auf dem Prinzip , daß das Ge schütz durch den Rückstoß um einen seitlichen Drehpunkt auf bogenför miger Bahn hinter die Deckung zurückgeschoffen wird. Die Laffete von gewöhnlicher Konstruktion läuft mit 4 Flanschroll rädern auf einem halbkreisförmigen horizontalen Schienengeleise. Zwi schen den Schienen ist ein kleiner Graben mit gemauerten Böschungen ausgehoben , während zu beiden Seiten des Geleises Erdaufwürfe von ebenfalls halbrundem Grundriß das Geschüß vollkommen decken. Nur im vorderen Quadranten des Halbkreises ist die Höhe der dem Feinde zugewendeten Brustwehr so weit ermäßigt , daß das Rohr darüber hin wegfeuern kann. Das horizontale Gesichtsfeld des Geschüßes beträgt also 90 °, indem es seine Feuerstellung je nach der verlangten Seiten richtung an einem beliebigen Punkt des vorderen Geleiſequadranten ein nehmen kann. Die Ladestellung befindet sich im Endpunkt des hinteren Quadranten ; an letzteren schließt sich eine Hohltraverse an , welche als bombensicherer Unterkunftsraum für die Mannschaft , als Geschoßraum u. dergl. dienen kann. Selbstredend würde auch nichts im Wege stehen, das Geschüß selbst in der Ladestellung ebenfalls durch eine Bombendecke zu sichern.

217 Der Rücklauf der Laffete kann erfor

A

derlichen Falls durch Puffer, Bremsen oder dadurch begrenzt werden , daß man den hinteren Theil des Schienengeleises nach der Ladestellung zu ansteigen läßt. Nach dem das Geschütz geladen worden und

B

D

A B C Geleise. A- B Feuerstellung. C Ladestellung. D Hohltraverse.

die Höhenrichtung erhalten hat , wird es von Mannſchaften , die sich in dem zwi schen den Schienen liegenden Graben be bewegen und daher fortwährend völlig ge deckt sind, wieder ausgeranut. Diese unstreitig eben so einfache, wie sinnreiche Einrichtung hat namentlich im Vergleich mit allen Arten von Panzer

konstruktionen den Vorzug großer Wohlfeilheit und dürfte daher wohl einen Versuch lohnend erscheinen lassen. Ihre Verwerthung für die Küstenvertheidigung seht natürlich das Vorhandensein des erforder lichen, nicht unbedeutenden Raumes voraus. 17.

Oberst Barnard's Gegengewicht = Laffete (1868).

Eine Zeichnung fehlt und ohne diese ist die vom Erfinder selbst ge gebene Beschreibung nicht verſtändlich genug, um danach die Grundzüge der Konstruktion mit wenigen Worten darlegen zu können . 18. Oberstlieutenant Foster's Gegengewichts- Laffete ( 1869). Die Laffete, welche in der Hauptsache mit der Hunt'schen (Nr . 4) sehr viel Aehnlichkeit hat , ruht in der Feuerstellung auf 4 senkrechten Trägern , die oben mit den Laffetenwänden und unten mit dem Nah men durch Gelenke verbunden sind. Durch den Rückstoß wird die von den 4 Trägern geführte Laffete in eine rotirende Bewegung nach rück wärts und unten verseßt und drückt dabei zugleich mittelst eines Systems schräger Schienen einen vertikalen Kolben nieder , der durch das hohle Mittelpivot des Rahmens in einen unter dem Geschützstande angelegten Hohlraum hinabreicht. In letzterem sind 2 Gegengewichte an Draht seilen aufgehängt , welche über senkrechte Rollen laufen und sich dann am unteren Ende des Kolbens in einem Verbindungsstück vereinigen ;

218 der niedergehende Kolben wird also die Gegengewichte emporheben. So bald nun das in seiner tiefften Stellung durch eine Sperrklinke auf gefangene Geschüß wieder schußfertig gemacht und die Sperrklinke gelöſt ift, bewirkt der Druck der sinkenden Gegengewichte die Hebung des Kol bens und damit das Emporsteigen der Laffete in die Feuerstellung . "

19.

Clark's Thurm mit Gegengewicht.

Ein rundes Gehäuse, welches das Geschütz aufnimmt, soll durch hydraulischen Druck und mehrere Gegengewichte abwechselnd gehoben und gesenkt werden. King legt mit Recht sehr wenig Werth auf dies Projekt und meint, daß ohne besondere komplizirte Vorrichtungen schon die Veränderung der Schwerpunktslage bei dem Aus- und Einrennen des Geschüßes hin reichen werde, um die Plattform zum Kippen zu bringen und damit die hebende und senkende Wirkung des hydraulischen Apparats und der Gegengewichte wesentlich zu beeinträchtigen .

20. Oberstlieutenant Prospéri's Laffete (erfunden 1742, veröffentlicht 1868). Unter dem Titel : ,,La grande defense" wurde im Jahre 1744 zu Mexico ein Buch gedruckt und 1868 wieder veröffentlicht, worin der spanische Ingenieur =- Oberstlieutenant Prospéri ein neues Befestungs system in Vorschlag bringt und unter anderen Details auch eine Kaſe matten = Laffete von wesentlich derselben Konstruktion beschreibt , wie James Hyde's Entwurf (Nr. 6) sie angiebt.

Das Geschütz hat einen

seitlichen Drehpunkt , ruht in der Feuerstellung außerhalb der Kasematte auf einem feſten Unterbau und wird in Folge des Rückstoßes durch eine entsprechende Mauerlücke in das Innere der Kasematte zurückgeschoffen, um dort geladen zu werden. Prospéri erwähnt, daß ein spanischer Fre gattenkapitain, der die im Jahre 1742 gegen die englischen Kolonien ge richtete Unternehmung befehligte, in den eroberten Befestigungen der Engländer (wo ? ist nicht gesagt) ein Geschütz vorfand, dessen Kon struktion von der oben beschriebenen wenig abwich und das sehr hand lich war.

219

21.

B. Eads' Laffete Nr. 2. (1869).

Der Rahmen liegt auf einer Drehscheibe mit Mittelpivot.

Die

Verbindung der Laffete mit dem Rahmen ist ähnlich, wie bei der Hunt ſchen Laffete (Nr. 4) durch Gelenkparallelogramme bewirkt. Der Druck des nach dem Schuß sich senkenden Geschüßes komprimirt vermit telft eines Kolbens die in einem oscillirenden Hohl - Cylin der befindliche Luft. Zugleich öffnet sich , vermöge des auf der anderen Seite des Kolbens entstehenden luftverdünn ten Raumes , ein Bentil , durch welches Wasser einströmt und den Kolben ( da das Ventil nur nach innen öffnet ) in seiner tiefften Lage , also gleichzeitig auch das Geſchüß in der Ladestellung festhält.

Sobald geladen ist , öffnet man

einen Hahn , welcher das Wasser ausströmen läßt ; der Druck der komprimirten Luft hebt dann das Geschüß wieder in die Feuerstellung empor. Aus dieser Beschreibung (Zeichnung fehlt) , scheint hervorzugehen, daß in der Eads'schen Konstruktion alle Grundzüge der Grüson'sen pneumatischen Maskenlaffete für den gezoge = nen 8-3öller vertreten sind. Als eine Eigenthümlichkeit der Eads'schen Laffete ist noch die An ordnung der hinteren Rohrträger zu erwähnen, die dem Rohr in der Ladestellung stets eine horizontale Lage geben, gleichgültig, welchen Er höhungswinkel es in der Feuerstellung hatte. Ferner ist, um das Laden (bei glatten Vorderladern) zu erleichtern, vor der Mündung des in der Ladestellung befindlichen Rohres eine Art Teller angebracht, der die Kugel aufnimmt und durch Gegengewichte abbalancirt ist. Mittelft eines Getriebes wird er bis zur Mündung ge= hoben, kippt dann selbstthätig auf und läßt die Kugel in das Rohr rollen. 22.

John Haddan's Laffete (1869).

Eine horizontale , drehbar gelagerte Welle ist mit 2 parallelen Ge schüzröhren fest verbunden , so daß in Folge der jedesmaligen Drehung der Welle um 180º abwechselnd das eine und das andere Rohr sich oben befindet und über die deckende Brustwehr hinwegfeuern kann. 15 Bierunddreißigster Jahrgang. Band LXVIII.

218 der niedergehende Kolben wird also die Gegengewichte emporheben. So bald nun das in seiner tiefsten Stellung durch eine Sperrklinke auf gefangene Geschütz wieder schußfertig gemacht und die Sperrklinke gelöst ist, bewirkt der Druck der sinkenden Gegengewichte die Hebung des Kol bens und damit das Emporsteigen der Laffete in die Feuerstellung.

19. Clark's Thurm mit Gegengewicht. Ein rundes Gehäuse, welches das Geschütz aufnimmt, soll durch hydraulischen Druck und mehrere Gegengewichte abwechselnd gehoben und gesenkt werden. King legt mit Recht sehr wenig Werth auf dies Projekt und meint, daß ohne besondere komplizirte Vorrichtungen schon die Veränderung der Schwerpunktslage bei dem Aus- und Einrennen des Geschüßes hin reichen werde , um die Plattform zum Kippen zu bringen und damit die hebende und senkende Wirkung des hydraulischen Apparats und der Gegengewichte wesentlich zu beeinträchtigen.

20.

Oberstlieutenant Prospéri's Laffete (erfunden 1742, veröffentlicht 1868).

Unter dem Titel : ,,La grande defense" wurde im Jahre 1744 zu Mexico ein Buch gedruckt und 1868 wieder veröffentlicht, worin der spanische Ingenieur - Oberstlieutenant Prospéri ein neues Befestungs system in Vorschlag bringt und unter anderen Details auch eine Kase matten - Laffete von wesentlich derselben Konstruktion beschreibt , wie James Hyde's Entwurf (Nr. 6) sie angiebt.

Das Geschütz hat einen

seitlichen Drehpunkt, ruht in der Feuerstellung außerhalb der Kasematte auf einem festen Unterbau und wird in Folge des Rückstoßes durch eine entsprechende Mauerlücke in das Innere der Kasematte zurückgeschoffen, um dort geladen zu werden.

Prospéri erwähnt, daß ein spanischer Fre

gattenkapitain, der die im Jahre 1742 gegen die englischen Kolonien ge richtete Unternehmung befehligte, in den eroberten Befestigungen der Engländer (wo ? ist nicht gesagt) ein Geschütz vorfand, dessen Kon struktion von der oben beschriebenen wenig abwich und das sehr hand lich war.

219

21.

B. Eads' Laffete Nr. 2. (1869) .

Der Rahmen liegt auf einer Drehscheibe mit Mittelpivot.

Die

Verbindung der Laffete mit dem Rahmen ist ähnlich , wie bei der Hunt schen Laffete (Nr. 4) durch Gelenkparallelogramme bewirkt. Der Druck des nach dem Schuß sich senkenden Geschüßes komprimirt vermits telst eines Kolbens die in einem oscillirenden Hohl - Cylin· der befindliche Luft. Zugleich öffnet sich , vermöge des auf der anderen Seite des Kolbens entstehenden luftverdünn ten Raumes , ein Ventil , durch welches Wasser einströmt und den Kolben ( da das Ventil nur nach innen öffnet ) in seiner tiefsten Lage , also gleichzeitig auch das Geschüß in der Ladestellung festhält.

Sobald geladen ist , öffnet man

einen Hahn , welcher das Wasser ausströmen

läßt ;

der

Drud der komprimirten Luft hebt dann das Geschüß wieder in die Feuerstellung empor. Aus dieser Beschreibung (Zeichnung fehlt) , scheint hervorzugehen, daß in der Eads'schen Konstruktion alle Grundzüge der Grüson'schen pneumatischen Maskenlaffete für den gezoge nen 8-3öller vertreten sind. Als eine Eigenthümlichkeit der Eads'schen Laffete ist noch die An ordnung der hinteren Rohrträger zu erwähnen, die dem Rohr in der Ladestellung stets eine horizontale Lage geben, gleichgültig, welchen Er= höhungswinkel es in der Feuerstellung hatte. Ferner ist, um das Laden (bei glatten Vorderladern) zu erleichtern, vor der Müudung des in der Ladestellung befindlichen Rohres eine Art Teller angebracht, der die Kugel aufnimmt und durch Gegengewichte abbalancirt ist. Mittelst eines Getriebes wird er bis zur Mündung ge hoben , kippt dann selbstthätig auf und läßt die Kugel in das Rohr rollen. 22.

John Haddan's Laffete (1869).

Eine horizontale, drehbar gelagerte Welle ist mit 2 parallelen Ge schützröhren feft verbunden , so daß in Folge der jedesmaligen Drehung der Welle um 180 ° abwechselnd das eine und das andere Rohr sich oben befindet und über die deckende Brustwehr hinwegfeuern kann. 15 Vierunddreißigster Jahrgang. Band LXVIII.

220 Diese Maschine ist im Princip mit Taggert's Laffete (Nr. 8) iden tisch und natürlich auch patentirt.

Eine eingehendere Beschreibung ihrer

Details kann daher füglich unterbleiben.

23.

Die ,,Novelty " -Laffete.

Von Herrn Trowbridge, Vice-Präsidenten der Novelty- Eisenwerke, im Modell vorgelegt ; der eigentliche Erfinder ist unbekannt. Auf einer Drehscheibe sind nebeneinander an Lagerböcken von ent sprechender Höhe und Stärke 2 vollständige Geschüße ( Rohr, Laffete und Rahmen) mittelst eines Systems von 8 Krummzapfen so aufgehängt, das sich immer das eine Geschüß in der Feuer- und das andere in der Labestellung befindet und daß stets der Rüdstoß des oberen abgefeuerten Rohres den Stellungswechsel beider herbeiführen soll.

Um dieſe Be

wegung verlangsamen und regeln zu können, ist eine Bandbremse an geordnet, welche über 2 auf die beiden gemeinschaftlichen Achsen der 4 mittleren Krummzapfen aufgeschobene Scheiben läuft und mittelst eines Windewerkes angespannt wird. Diese großartige Erfindung scheint sonderbarer Weise nicht patentirt zu sein, hat aber unzweifelhaft einen ebenso gerechten Anspruch auf diese Ehre, wie Hopkin's, Taggert's und Haddan's Laffeten, denen fie sich in jeder Beziehung würdig anreiht. 24.

Rapitain King's Gegengewicht - Laffete.

Kapitain King hat nach den unter Nr. 15 dargelegten Grundzügen zu Fort Foote in Maryland eine Rahmenlaffete für 153öllige Kolum biaden zu einer Gegengewicht-Laffete abändern laffen .

Die Beschreibung

der höchst interessanten Konstruktions- Details ist sehr ausführlich gehalten und ihre Wiedergabe würde daher hier zu weit führen. Um einen An halt zur Beurtheilung der erforderlichen Mittel zu bieten, möge nur erwähnt werden, daß das in einem Hohlraum unter dem Vorderpivot angebrachte Gegengewicht allein 42,000 Pfd . engl. wiegt. Der Konstrukteur scheint mit manchen Einrichtungen seiner Laffete selbst noch nicht recht zufrieden zu sein, was indeß bei einem ersten Versuchs-Individuum , das überdies in großer Haft ausgeführt wurde, nicht eben auffallen kann.

221

Wenn wir schließlich die in obigen Zeilen stizzirten verschieden. artigen Konstruktionen noch einmal überblicken, so muß es zunächst auf fallen , daß die wenigsten bereits in wirklicher Größe ausgeführt sind, während die große Mehrzahl nur im Modell oder gar nur in Zeichnung und Beschreibung existirt. Wenn Kapitain Kings Auswahl sich auf die in Wirklichkeit ausgeführten Laffeten beschränkt hätte, so würde seine Sammlung allerdings nur 6 Nummern (Nr. 1 , 2, 11 , 14, 15 [resp. · 24] und 20) umfaßt, dafür aber auch einige abenteuerliche Projekte aus geschloffen haben, die eben nur auf dem allezeit geduldigen Papier aus führbar sind und den Stempel der völligen Unbrauchbarkeit so unzwei deutig an der Stirn tragen, daß die unbestreitbare Großartigkeit ihrer Kontouren lediglich das Auge des artilleristischen Laien zu bestechen ver mag. Zu dieser Klaffe zählen wir namentlich die Laffeten Nr. 5 , 8, 22 und 23, deren Verewigung in den Annalen des Patentamtes wohl auch genügt haben dürfte. Andrerseits aber scheinen die auch nicht wirklich ausgeführten Ent würfe Nr. 3 (de Ruffy) und Nr. 16 (Houston) auf besondere Beachtung Anspruch machen zu können , ersterer vermöge der geschickten Anordnung des Bewegungsmechanismus , letterer wegen der finnreichen Benutzung möglichst einfacher und wohlfeiler Hülfsmittel. Nach dem Prinzip, welches angewendet worden ist, um die Hebung des maskirten Geschüßes aus der Lade- in die Feuerstellung zu bewirken, können die in Rede stehenden 24 Laffeten in folgende 4 Kategorien ein getheilt werden: 1) Solche, die ein todtes Gegengewicht verwenden (Nr. 2, 3, 4, 14, 15 (24), 17 und 18.) 2) Solche, die ein arbeitendes Gegengewicht verwenden, d . h. bei denen 2 fongruente Geschüßröhre einander das Gleichgewicht halten (Nr. 5, 7, 8, 13, 22 und 23). 3) Solche , die sich des Waffer- , Luft- oder Dampfdrucs bedienen (Nr. 9, 10, 11 , 12, 19 und 21 ), und endlich 4) Solche , die den Rücklauf benußen , um eine seitliche Deckung zu erreichen (Nr. 6, 16 und 20). Bei den 3 ersten Kategorien liegt es in der Natur der Sache, die Arbeit oder die lebendige Kraft des Rückstoßes aufzuspeichern und dem. nächst für die Hebung des Geschüßes aus der Lade- in die Feuerstellung 15*

222 zu verwerthen. Es muß daher als eine wesentliche Kraftvergeudung, mithin als ein grober konstruktiver Fehler bezeichnet werden, wenn dies, wie z. B. bei der Serrell'schen Laffete, verabsäumt iſt. Die 4. Kategorie der Masken-Laffeten dagegen bedarf einer solchen Aufspeicherung des Rückstoßes nicht; hieraus resultirt für dies System der große Vortheil, daß es offenbar verhältnißmäßig viel einfacher, leichter und wohlfeiler ausfällt , als alle anderen , weshalb ihm vielleicht noch eine bedeutende Zukunft bevorstehen dürfte. Spandau, den 14. Dezember 1869.

Wille, Premier-Lieutenant.

XII. Ermittelung der Trefferprocente beim Schießen gegen eine beliebige Fläche unter Anwendung der Treff fähigkeitstabellen in

den Allgemeinen Schußtafeln

für gezogene Geschüße ( Berlin 1865) von

Kahl , Hauptmann und Kompagnie-Chef im Königlich Sächsischen Feftungs -Artillerie Regiment (Nr. 12). (Hierzu Taf. VI.)

Einleitung. Beim Durchlesen sowohl von Dibion's Calcul des probabilités ap pliqué au tir des projectiles , Paris 1858, als auch von späteren Be richten Anderer über den genannten Gegenstand fand ich nirgends einen einfachen Rechnungsmodus zur Bestimmung der beim Schießen gegen eine beliebige Fläche zu erwartenden Trefferprozente angegeben, wenn die Treffwahrscheinlichkeit in der Schußebene und senkrecht gegen dieselbe verschieden groß ist. Meine Bemühungen, den gesuchten Rechnungsmodus aufzufinden,

223 blieben allerdings erfolglos, jedoch gelang es mir, eine konstruktive Me thode aufzufinden, welche leicht zu dem gewünschten Ziele führt. Im Nachfolgenden gestattete ich mir: 1) die erwähnte Methode in leichtverständlicher Weise zu beschreiben und an Beispielen zu erläutern. 2) dieselbe streng wissenschaftlich zu begründen. In der Beschreibung unter 1 ) find Bezugnahmen auf die Theorie sorgfältig vermieden und wird daselbst nur die Kenntniß der Regel aus den ,,Allgemeinen Schußtafeln, Berlin 1865" zur Berechnung der Treffer prozente beim Schießen gegen Rechtecke vorausgeseßt, während die theore tische Begründung unter 2) die Kenntniß der Anfangsgründe der Wahr scheinlichkeitsrechnung , der Methode der kleinsten Quadrate und das Verständniß der Theorie der Wahrscheinlichkeit des Treffens (klar und kurz z . B. in Schirrmanns Versuch zu einem System der Artillerie wissenschaft, Berlin 1860, I. Bb., S. 167 abgehandelt) voraussetzt. 1.

Beschreibung der konstruktiven Methode zur Ermittelung

der beim Schießen gegen eine beliebige Fläche zu erwartenden Trefferprozente. a) Nachweis einer einfachen Auszählungsmethode der beim Schießen zu erwartenden Treffer an einem Beiſpiele. Fig. 1 stelle eine Giebelfront vor (264 der natürlichen Größe)

welche aus 3010 Schritt Entfernung aus dem gezogenen 6-Pfdr. be schoffen werden soll. Die Schußebene wird rechtwinklig gegen die Giebel ebene angenommen, der mittlere Treffpunkt liege in der Mittellinie des Giebels 3 Fuß von der Grundlinie entfernt. Um nun die zu erwartenden Trefferprozente zu ermitteln, muß man zuerst aus den Schußtafeln mit Hülfe der Trefferprozente für die freie Ebene und dem Einfallswinkel für 3010 Schritt

die Zielhöhe für 50 % Treffer, die Zielbreite für 50 % Treffer, auf die angegebene Entfernung ermitteln.

Man findet angenähert : Zielhöhe für 50 % Treffer : 15 Fuß, Zielbreite für 50 % Treffer : 11 Fuß.

224 Hierauf überdecke man Fig. 1 mit einem Neß von Rechtecken, in deren jedes 1 Prozent Treffer fällt und zähle aus, wieviel Prozent Treffer die Giebelfläche hierauf faßt. Die Konstruktion dieses Nezes , welche in Fig. 2. ausgeführt ist, hat keine Schwierigkeiten.

Die Zielhöhen für 20, 40, 60, 80 Prozent

Treffer , welche Zielhöhen behufs der Konſtruktion bekannt ſein müffen, berechnen sich mit Hülfe der Wahrscheinlichkeitsfaktoren für 20 Prozent = 0.38 = 0.78 "1 " 40

"1 60 11 80

#

= 1.25

"1

= 1.90

}

bekanntlich durch Multiplikation der Zielhöhe für 50 Prozent mit obigen Faktoren. Für die Abmessungen der Zeichnung erhält man daher nach 1 dem angenommenen Maßstabe von 264 folgende Werth - Zielhöhen der Zeichnung für:

20 Prozent Treffer

15 X 0.38 Fuß 264 180 X 0.38 Zoll = 0.26 Zoll, 264

40 Prozent Treffer

"

15 X 0.78 Fuß 264 180 X 0.78 Zoll = 0.53 300, 264

60 Prozent Treffer =

80 Prozent Treffer

=

15 X 1.25 Fuß 264 180 X 1.25 264

= 0.85 3oll,

15 X 1.90 Fuß 264 180 X1.90 264

= 1.295 Zoll.

Beim Eintragen der horizontalen Parallelen hat man, vom mittleren Treffpunkt aus, die Hälften der oben berechneten Zahlenwerthe nach oben und unten aufzutragen und durch die so erhaltenen Punkte Hori zontale zu ziehen , worauf dann zwischen zwei benachbarte Parallelen 10 Prozent Treffer kommen. Die Abstände der Parallelen von der durch den mittleren Treffpunkt gelegten Horizontale werden demnach sein : I

225 0.26 2 = 0.13 3oll.

0.53 2 = 0.265 3oll. 0.85 2 = 0.425 Zoll.

1.295 2 = 0.647 3oll. Um die der Schußebene parallelen Geraden auftragen zu können, muß man zuerst die Zielbreiten für 20, 40, 60, 80 Prozent Treffer be rechnen; wobei man mit Berücksichtigung des für die Figuren ange nommenen Maßstabes erhält : 11 X 0.38 20 Prozent Treffer Fuß 264 132 = 264 X0.38 Zoll = 0.19 3oll. 40 Prozent Treffer 0.39 Zoll. 60 " " 0.625 " 80 0.85 "1 "I " Man trage nun auf der durch den mittleren Treffpunkt gehender Hori zontalen die Hälften obiger Entfernungen nach links und rechts auf, nämlich : 0.095 Zoll, 0.195 " 0.312 0.475

" "

lege hierdurch Parallelen zur Schußebene , so werden hierauf zwischen je zwei benachbarten Parallelen 10 Prozent Treffer fallen. Nach Ausführung der vorbemerkten Konstruktionen wird man in der Zeichnungsebene ein System von kleinen Rechtecken mit je einem Prozent Treffer haben. Beim Auszählen der in die Fläche des Giebels Fig. 2 fallenden Treffer ist zu beachten, daß bei so kleinen Flächen, wie die Rechtecke zu 1 Prozent Treffer find, die Trefferprozente nahezu der Größe der Fläche proportional ſind. Hiernach würde z. B. ein halbes Rechteck zu 1 Prozent auch 1/2 Prozent Treffer erhalten . Berücksichtigt man dies beim Aus zählen der Treffer gehörig, so findet man für den als Beispiel gewählten Siebel in runder Zahl 25 Prozent Treffer.

226 b) Die unter a beschriebene Auszählungsmethode erfordert, wenn fie ohne große Mühewaltung im einzelnen Falle in kurzer Zeit für ein beliebiges Geschüß, beliebige Entfernung und Ladung ein Resultat geben soll , die Vorarbeitung einer großen Anzahl schematischer Unterlagen ; die genannte Methode wird demnach zu verlassen und durch eine geeignete einfachere Methode zu ersetzen sein. Wenn man ohne Zeitverlust nach der unter a beschriebenen Methode die Trefferprozente für eine beliebige Zielfläche ermitteln will , so muß für alle bei einem Beispiele möglichen verschiedenen Verhältniffe (ver schiedenes Geschüß, Ladung, Entfernung) das schematische Trefferbild, welches aus Rechtecken für ein 1 Prozent Treffer zuſammengesett ist, bereits vorhanden sein. Um alle Eventualitäten zu erschöpfen, brancht man aber unter der Voraussetzung, daß für jedes Geschüß und jede Ladung Treffbilder von 100 zu 100 Schritt genügen : beim 6-Pfdr. für vertikale Ziele, weil 20 Entfernungen

200 Treffbilder,

und 10 Ladungen vorhanden find beim bronzenen 12-Pfdr. für vertikale Ziele , weil 20

300

"

beim eisernen 12- Pfdr. für vertikale Ziele, weil 20 Ent 300 fernungen und 15 Ladungen vorhanden find

"

Entfernungen und 15 Ladungen vorhanden sind

beim 24-Pfbr. für vertikale Ziele, weil 20 Entfernungen und 13 Ladungen zu berechnen sind

260

"1

160

"

250

"

beim 4-Pfdr. für vertikale Ziele, weil 20 Entfernungen bei 8 Ladungen zu berechnen sind bei den vorigen 5 Geſchüßgattungen, 50 Entfernungen und alle Ladungen für horizontale Ziele

Die Anzahl aller nach dem Vorhergehenden im Voraus anzufertigen den Treffbilder beträgt in Summa 1470.

Es erscheint hiernach wün

schenswerth, eine Methode auszumitteln, welche gleichfalls zur Kenntniß der beim Schießen gegen eine beliebige Fläche zu erwartenden Treffer prozente führt , ohne jedoch soviel Vorbereitungen , als die unter a be schriebene Auszählungsmethode zu erfordern. c) Beschreibung einer Methode, bei welcher man die für eine beliebige Fläche zu erwartenden Trefferprozente findet , indem man die gegebene Fläche nach bestimmten Regeln projicirt und die Trefferprozente der

1

227 Projektion unter Anwendung eines schematischen von Geschüß - Ladung und Entfernung unabhängigen Treffbildes auszählt. Das in der Ueberschrift erwähnte schematische Treffbild bezieht sich auf den Spezialfall, in welchem die eine Zieldimension für 50 Prozente (die vertikale) der anderen (der horizontalen Zieldimension für 50 Pro zent Treffer) gleich ist und zwar der angenommenen Längeneinheit, z . B. 1½ Zoll rheinisch , gleichkommt. Fig. 3. zeigt ein solches schematisches Treffbild , bei deffen Konstruktion , wie unter a beschrieben , Horizontal= und Vertikalstreifen von unbegrenzter Ausdehnung gezeichnet worden find , welche 10 Prozent Treffer fassen , ihre Durchschnitte sind im All gemeinen Rechtecke von je einem Prozent Treffer. Die äußersten Recht ecke find in Wirklichkeit nach einer oder beiden Richtungen hin von un endlicher Ausdehnung , in Fig. 3. jedoch durch einen Kreis von will türlich gewähltem Durchmesser begrenzt worden , wobei als Mittelpunkt der mittlere Treffpunkt angenommen worden ist. Bei Ermittelung der Trefferprozente in dem unter a gewählten Bei spiele , einem Hausgiebel von dem in Fig. 1. eingeſchriebenen Dimen ſionen, der mittlere Treffpunkt 3 Fuß über der horizontalen Grundlinie liegend, hat man aus der angenommenen Zielhöhe für 50 Prozent = 15 Fuß rhein. Zielbreite 2 50 s = 11 = = vorerstzwei Verkürzungszahlen für die Projektion auffolgendeWeise zu finden. Die vertikale Dimension 15 Fuß = 180 Zoll rhein. , soll bei der Projektion auf die Zielhöhe der Fig. 3. d. i . 1½ Zoll gebracht werden, also im Verhältniß 360 : 1 verkürzt werden , ebenso soll die horizontale Dimension von 11 Fuß = 132 Zoll rhein. in 1/2 Zoll rhein. der Fig. 3. übergehen; demnach im Verhältniß 264 : 1 verkürzt werden. Die Regel besteht nun darin , daß man den Gegenstand so zeichnet, daß alle vertikalen und horizontalen Dimensionen nach den auf obigem Wege gefundenen Verkürzungszahlen reduzirt erscheinen. Der Giebel wird hiernach so zu zeichnen sein , daß die Höhe von 14 Fuß rhein. in 14 X 12 der Zeichnung in 360 0.465 Zoll, der Abstand des Treffpunktes von der Grundlinie in

linie in

3× 12 360 = 0.10 3oll rhein. , die halbe Grund

14.12 264 = 0.635 Zoll übergeht.

228 In Fig. 4. ist die nach der eben angegebenen Regel ausgeführte Projektion dargestellt , dieselbe wird zweckmäßig in durchsichtigem Papier ausgeschnitten und hierauf mit dem mittleren Treffpunkt so auf den mittleren Treffpunkt des Schemas Nr. 3. gelegt, daß die durch das Pa pier hindurch scheinenden Rechtecke zu 1 Prozent leicht gezählt werden können. Hierbei ist ebenfalls zu beachten, daß die Trefferprozente eines Thei les von einem solchen Rechtecke , dessen Flächengröße ungefähr propor tional sind. In dem mehrerwähnten Beispiele findet man wie unter a, ebenfalls 25 Prozent Treffer. Beim Auszählen der Treffer ist nur erforderlich , daß der mittlere Treffpunkt mit dem des Schemas zuſammenfällt ; welche Lage die Pro jektion außerdem einnimmt , ist gleichgültig , sie kann beliebig um den mittlern Treffpunkt gedreht werden , ohne daß dadurch das Resultat ge ändert wird. Man kann dieß zur Kontrolle anwenden , indem man das Resultat erst dann für richtig annimmt, wenn bei mehreren verschiede nen Lagen der Projektion auf dem schematischen Treffbilde die gleiche Prozentzahl an Treffern sich ergiebt. Kleine Differenzen beim Auszählen ergeben sich wegen der Unsicherheit im Schäßen der Flächen immer, man kann dem jedoch entgehen, wenn man sich Treffbilder mit 400, 1600 Tref fer konftruirt, worauf man mit Sicherheit die Trefferzahl in den ganzen Prozenten genau erhalten wird. Das an dem Beispiele so eben erläuterte Verfahren läßt sich in gleicher Weise auch auf Fälle anwenden , bei denen die Trefffähigkeits tabellen für horizontale Ziele zur Verwendung kommen müssen. Im Nächstfolgenden möge ein solcher Fall behandelt werden: Fig. 5. möge 1 etwa ein Bastionstracé in 5000 der natürlichen Größe vorstellen. Es wird angenommen , daß dasselbe von einem geeigneten Punkt in 5000 Schritt Entfernung eingesehen werden kann , von wo aus es sich in der Richtung SS von außen her beschießen läßt. Sobald nun angenommen wird , daß eine solche an und für sich unwahrscheinliche Beschießung wirklich eintreten sollte , so wird weiterhin gefragt , auf wieviel Prozent Treffer man unter normalen Verhältnissen rechnen dürfte, sobald T der mittlere Treffpunkt ist und die Beſchießung mit dem gezogenen 24- Pfder. ausgeführt würde, bei welchem Geschüß bei der genannten Entfernung

229 die Ziellänge für 50 Prozent Treffer 53.0 Schritt 7.4. die Zielbreite = 50

beträgt? Die Verkürzungszahlen sind : für die Richtung der Schußlinie

2 X 53 X2.4 X 12 für die dagegen senkrechte Richtung 2 × 7.4 × 2.4 × 12

3052.8 426.24.

Die Coordinaten der Edpunkte des Fünfedes in Fig. 5. find , in der Zeichnung selbst gemessen , wobei die positive x- Are, die durch T gehende Schußrichtung ist, die positiven Ordinaten sich aber auf der rechten Seite der Schußrichtung SS befinden :

X = 0.40 " rhein. X = 0.22 " =

für a b с d

x = +0.085 " x = +0.435 " x= +0.20 "

e

>

y = +0.19 "

y = -0.47 " y =-0.50 " y= + 0.27 " 0.495 "

y=

Behufs Zeichnung der zur Trefferauszählung nöthigen Projektion 5000 find die so eben angegebenen Abfciffen mit 3052.8 und die Ordinaten mit

5000 426.24

zu multipliziren. a b

C d e

Man erhält hierauf folgende Werthe:

X = - 0.65" X = - 0.36"

x = + 0.14" x = +0.71 " x = + 0.33"

y = 2.23" y = - 5.51" y = - 5.86"

y = +3.17" y = +5.81 "

In Fig. 6 ist die Projektion nach den obigen Maßen soweit ge zeichnet worden, als es die Vergleichung mit dem schematischen Treffbilde Fig. 3 überhaupt nothwendig macht. Hierbei ist in Fig. 6 der mittlere Treffpunkt mit T und die Schußrichtung mit ss , wie in Fig. 5 be zeichnet worden.

Schneidet man die Fig. 6 in Delpapier aus und legt

fie auf Fig. 3 , so daß sich die mittleren Treffpunkte decken, so erhält man durch direkte Auszählung etwa 86 Prozent Treffer. d) Anstatt des schematischen Treffbildes Fig. 3 kann man auch das Treffbild Fig. 7 bei der Auszählung der Treffer anwenden, deſſen Maße aus einem von mir später angegebenen Rechnungsmodus hervorgingen .

230 In diesem Schema find die Flächen für 1 Prozent Treffer Kreisring ftücke , die äußersten in Richtung des Radius unendlich ausgedehnte Sectoren.

Die Maße sind folgende : Radien der Kreiſe (vom Mittelpunkt d . i. dem mittleren Treffpunkt nach Außen gerechnet). 0.105 = 0.52 2 Zoll rhein.

0.303 2

=

= 1.51

0.509 2

= 0.25

0.725 2

= 0.36

0.990 2 1.330 2 1.936 2

= 0.49 = 0.66

= 0.97 လ

Den Mittelpunkt umgiebt zunächst ein Bollkreis für 1 Prozent Treffer, die Ringe sind getheilt : der 1ste in 7 gleiche Theile ፡ = 2te in 13 = 3te in 17

= 4te in 21

=

፡ 5te in 21

=

" 6te in 17

E

der sich daran schließende unendliche Raum in 3 gleich große Theile.

2. Wissenschaftliche Begründung der angewendeten kon ftructiven Methode zur Ermittelung der beim Schießen gegen eine beliebige Zielfläche zu erwartenden Trefferprozente. a) Aufstellung der zur Verwendung gelangenden Fundamentalfor meln über die Wahrscheinlichkeit des Treffens.

5

231

Die Ebene der Zielfläche wird immer rechtwinklich zu der durch die Mitte der Gefchüßmündung und den mittleren Treffpunkt gelegten Per pendikularebene angenommen, diese Ebene der Zielfläche ist selbstverständlich perpendikular bei vertikalen Zielflächen, horizontal bei horizontalen Ziel flächen. Die X- Are sei der Durchschnitt der durch Geschüßmündung und mittleren Treffpunkt gelegten perpendikularen Schußebene mit der Ebene der Zielfläche , rechtwinklich gegen die X - Axe und zwar in der Ebene der Zielfläche liegend angenommen erstreckt sich die Y-Axe, wobei als Coordinatenanfang überall der mittlere Treffpunkt betrachtet wird. Bezeichnet im Nachfolgenden e die Grundzahl des natürlichen Lo garithmensystemes , π die Ludolph'sche Zahl, h die Präciſion des Schief sens in Richtung der X - Axe , k die Präciſion des Schießens in Rich tung der Y-Axe, so sind die Ausdrücke für : die Wahrscheinlichkeit , einen unendlich langen Streifen zu treffen, der von zwei Parallelen begrenzt wird , die den Abstand x und x + dx von der Y- Are haben : - h2x2 dx

Iog Π

die Wahrscheinlichkeit , einen unendlich langen Streifen zu treffen , der von zwei Parallelen begrenzt wird, die den Abstand y und y + dy von der X- Axe haben

k2y2

k

dy

e

II., Π

Da alle Treffer in einer unendlich groß gedachten Zielfläche ent halten sein müſſen, ſo gelten folgende allgemeine Beziehungen :

~+ h2x2

h2x2

2 h dx =

e π

dx = 1

е π

S III.

+10

π S

2 k k2y2 dy =

k2y2 dy = 1

π

S

232 Indem die in Richtung der Schußlinie oder senkrecht dagegen ge messenen Abstände vom mittleren Treffpunkte als Beobachtungsfehler angesehen werden, lassen sich bekanntlich folgende Begriffe auf die bisher aufgestellten Formeln anwenden und dienen zur Bestimmung der Größen h und k, sowie zur Berechnung der in den Schußtafeln gegebenen Wahrscheinlichkeitsfaktoren der mittlere Fehler ist das arithmetische Mittel der absolut ge nommenen Fehler, der mittlere quadratische Fehler ist die Wurzel aus dem arithmetischen Mittel der Fehlerquadrate, der wahrscheinliche Fehler ist der Fehler, der ebenso gut nicht erreicht als überschritten werden kann. Nach diesen Definitionen ist der mittlere Fehler, aus den gegebenen Grundgleichungen abgeleitet :

h2x2

2 h e

x dx

Υπ

1

0 =

IV. M =

ᏂᏤ

လ h2x2

2 h e

dx

π √#S=

Berechnet man M aus einer sehr großen Anzahl von Beobachtungen, so kann mit Hülfe voriger Gleichung h aus M berechnet werden.

Die

Gleichung IV läßt sich in ähnlicher Weise zur Bestimmung von k be Ben. Der mittlere quadratische Fehler Q ist nach der Definition, da :



h2x2

2h

x2 dx

е π S

2222

1 = 2 h2

Q2 h2x2

2h е

Υπ

dx

233

V.

=

Q = h

1 2h

2

Auch die Gleichung V führt nach direkter Bestimmung von Q aus einer großen Anzahl von Beobachtungen zur Kenntniß von h resp. k. Endlich führt die Definition des wahrscheinlichen Fehlers zu fol= gender Gleichung, in welcher p die Zielhöhe für 50 Prozent Treffer bedeutet:

hp 14

dx = +

e

π

π

S

S

Die Größe

dt =

12

2

h2x2

2 h

, welche aus den Tabellen über das lchte Integral

durch Interpolation zu finden ist, wird gewöhnlich mit o bezeichnet. Ihr numerischer Werth ist bekanntlich :

g = 0.476 936. Die Gleichung: VI.

hp 2 = @

dient zur Bestimmung von h, wenn p , die Zielhöhe für 50 Prozent, bereits aus den Schußtafeln bekannt ist, denn man hat :

VII. h = 2 ୧ P und wenn q die Zielbreite für 50 Prozent ist VIII. k = 2 g q Die Wahrscheinlichkeit , einen zur Y - Axe parallelen unendlich brei ten Parallelstreifen von der Dicke x zu treffen , in deffen Mitte der mittlere Treffpunkt liegt, ist : hx X 2 2 h2x2 t2 2 h P 2 dx = dt = 100 π π 別

234 wenn P die Anzahl der in den Parallelftreifen fallenden Trefferprozente bezeichnet. Andererseits hatte man :

P 2

hp

2 h e



h2x2 1 2 dx = dt = --π



Sucht man nun in einer Tabelle des Werthes vom Integrale α t2 2 dt e

den Werth von a, welcher zu P gehört, so findet man hier auf 2 α X = h oder, indem man noch für h seinen Werth aus VII einſeßt: IX. X =

P ay ୧

Man erhält demnach die Zielhöhe für P Prozent, wenn man die α d. i. dem sogenann Zieldimension für 50 Prozent, mit der Größe ୧ ten Wahrscheinlichkeitsfaktor multiplizirte b) Ueber die Berechnung der Wahrscheinlichkeit, gegebene Zielflächen beim Schießen zu treffen mit Hülfe der vorangestellten Fundamental formeln. Die Gleichung I. ift der Ausdruck für die Wahrscheinlichkeit einen unendlich dünnen in der Entfernung x von der Ordinatenaxe befind lichen Elementarstreifen von der Dicke dx zu treffen , ebenso giebt die Gleichung II. den Ausdruck für die Wahrscheinlichkeit, einen der Ab sciffenaxe parallelen von ihr um y entfernten Elementarstreifen von der Dicke dy zu treffen. Die Wahrscheinlichkeit, ein Flächenelement (Coordi naten x, y und Seiten dx, dy), zu treffen, welches als Durchschnitt der beiden oben erwähnten Streifen zu betrachten ist , ist dem Produkte der Ausdrücke I. und II. gleich, nämlich :

235

k2y2 - h2x2

X. h ke π

dy dx

Die Integration dieses Ausdruces für eine gegebene Fläche , b. i. die Summation der Treffwahrscheinlichkeiten von allen unendlich kleinen Rechtecken, in welche man sich die Fläche getheilt denken kann, führt zur Kenntniß der Treffwahrscheinlichkeit der gesammten Fläche. Es ist aber in den meisten Fällen die Ausführung der Integration sehr um ſtändlich und zeitraubend, wovon nur zwei später näher bezeichnete Spe zialfälle eine Ausnahme machen . Da nämlich außer in den eben be rührten Spezialfällen die Integrationen nicht auf bekannte Formen zu rückzuführen resp. in geschlossener Form zu bewerkstelligen sind , so ist man genöthigt, entweder den Ausdruc h2x2 - k2y2 е in eine unendliche Reihe zu entwickeln , oder nach etwa gelungener Re duktion des Doppelintegrales auf ein einfaches , irgend eine Methode der näherungsweisen Quadratur anzuwenden. In beiden Fällen hat man aber eine sehr zeitraubende Rechnung auszuführen . Da es mir um deswillen und weil man mittelst der unter 1 beschriebenen Projektions methode alle möglichen Fälle ohne großen Zeitaufwand zur Entscheidung bringen kann, nicht wünschenswerth erscheint , mich spezieller über die Berechnung der Treffwahrscheinlichkeit beliebiger Flächen auszusprechen, so gestatte ich mir, sofort zu leicht zu behandelnden Spezialfällen über zugehen. a) Treffwahrscheinlichkeit von Rechtecken , deren Seiten den Coor dinatenaren parallel sind. Haben die Seiten die Abstände a und a' von der Ordinatenare, b und b' von der Abscissenaxe , so ist der Ausdruck

U für die Treffwahrscheinlichkeit : b' k2y2 .-

U=

h k π

h2x2

е

dy dx

S a

XI. b' h2x2

h =

е

k

Vierunddreißigster Jahrgang.

k2y2

e

dx X

π -AS S a

dy

S Band LXVIII.

16

236 Dieser Ausdruck ist der Beweis für die in den ,,Allgemeinen Schuß tafeln" gegebene Regel , daß die Treffwahrscheinlichkeit eines Rechteces gleich dem Produkte aus den Treffwahrscheinlichkeiten der beiden un endlich langen Parallelstreifen ist , als deren Durchschnitt man das in Frage kommende Rechteck ansehen kann.

"

p) Treffwahrscheinlichkeit von geschloffenen Figuren, bei welchen auf allen gleich großen Strecken des Umfanges die Treffwahrscheinlichkeit von gleicher Größe ift. Der Ausbruck X

k2y2 - h2x2

hke π

dy dx

giebt für alle diejenigen Flächenelemente denselben Werth, deren Coor dinaten der Gleichung

h²x² + k²y2 = c2 genügen, wobei c eine beliebige poſitive Conftante bedeutet. Gleichung läßt sich auf die Form bringen : 2 y

Die vorige

= 1 ( 言 1 )*-· )² + ( ( 1 d. h. die Punkte , in welchen die Treffwahrscheinlichkeit gleich groß ist, liegen in einer Ellipse , deren Mittelpunkt der mittlere Treffpunkt ist. Die Aren dieser Ellipsen sind mit Berücksichtigung der Gleichungen VII und VIII

014

a =

=

p.c 2g

XII.

b =

= q.c 2g

Die Axen der Ellipsen gleicher Wahrscheinlichkeit sind demnach den ihnen parallelen Zieldimenſionen für 50 Prozent Treffer proportional. Die Wahrscheinlichkeit, eine Fläche zu treffen, vie von der Ellipse h²x² + k²y2 = c2 eingeschlossen ist, in deren Mittelpunkt der mittlere Treffpunkt liegt, ist :

[

237 2

1

U =

4 hk Π

h2x2

k2y2

e

dy dx

$SO

Die Substitution

C X = 155588 = bedingt die Differenziale :

dx = 11 de

ferner für

dy =

dn,

die Grenzen o und V1— n² o und 1, "

" n "

worauf obiges Doppelintegral in das folgende übergeht:

U

1 V1 — n² c2 ( 2 + 4 c2 π S S

2) dn de

Führt man nun Polarcoordinaten ein, so ist s cos t 7s sin t

zu sehen, daher wird 52 +

2 = 82.

Das Flächenelement ist jetzt nicht mehr dx dy, sondern

s ds dt, 1 die Grenzen für t und s werden resp. o und

7, und o und 1, ſo

daß nun U folgende Form annimmt :

16*

o !!

238

U =

π

1

c2s2 4 c2 s dt ds π + SS= 1 c2

=

π 1 4 c² π X 2 X 2 c2 oder: c2

XIII.

U = 1 - e

= 1 -

k2b2 ―― h2a2 e = 1 .- ē

Für den Fall, daß die Treffwahrscheinlichkeit nach allen Richtungen gleich ist, wird hk, die Linien gleicher Wahrscheinlichkeit werden Kreise und es gilt dann folgender Werth von U h2r2 r2 = 1 - ē 44 0229 XIII1. U = 1 - e wenn mit r der Radius des Kreiſes bezeichnet wird. Es kann die Formel XIII1 auch zur Berechnung der Treffwahr scheinlichkeit von vollen Kreisringen dienen , sowie von Ringstücken, welche durch Abtheilung mittelst des Radius entstanden sind. Die Figur 7, deren Konſtruktion am Ende des 1. Abſchnittes beſchrieben wurde , iſt ebenfalls durch Berechnung aus Formel XIII1 hergeleitet worden. c) Nachweis der Richtigkeit des im 1. Abschnitt unter e. beschrie benen Projektionsverfahrens . Eine geschlossene Figur , deren Umfang aus Stücken von Geraden oder Curven zusammengesetzt ist , läßt sich jeder Zeit durch Parallelen zu den Aren in Flächenstücke zerlegen , welche durch zwei Abscissen, ein Stück Ordinatenage und einen darüber stehenden Curvenbogen be grenzt sind. Für einen solchen Theil einer geschlossenen Fläche, welcher durch den über der Ordinatenaxe stehenden Bogen x = 9 (y) begrenzt ist, ist die Treffwahrscheinlichkeit b1 (y) hk k2y2 - h2x2 U dy dx, π S s

239 wenn b und b' die Abstände von der Absciffenaxe bedeuten , in welchen die begrenzenden Abfciffen gezogen wurden. Seht man in obigen Aus druck statt h und k ihre aus VII und VIII entnommenen Werthe ein, nämlich : h=

20 P

q =

2g q

so verwandelt sich U in:

b'

❤ (y) 4

4 02 U= Р.q.π

y2 q2 ) dy dx 2 e² (~ 32 + x23)

SS b 0 y

Die Substitution von x = p.§

q.7 verwandelt

dx in p.de dy in p.dŋ und giebt die Grenzen 0 und

für §

b

p (97) (q n) 11/12/19 b'

und

für n q

q

so daß U schließlich folgende Form erlangt : b'

1 P P (q n) 4 p² (n² + §²)

q XIV.

U =

4 02 π SS b

dn de

q Zu demselben Ausdrucke für die Treffwahrscheinlichkeit gelangt man aber , wenn man den durch die Ordinatenaxe , zwei Abscissen und den Curvenbogen begrenzten Streifen erft derartig verändert , daß man alle Absciffen im Verhältniß p : 1 verkürzt , alle Ordinaten desgleichen qmal türzer nimmt und hierauf die Treffwahrscheinlichkeit des projicirten

240 Streifens für den Fall p = q = 1 berechnet.

Sind x , y die ur,

sprünglichen, §, n die Coordinaten nach erfolgter Verkürzung, ſo hat man :

x = p },

y = qn

die Gleichung der Grenzcurve wird : 1 } =

X = 10 (3) = 19 Ф (97) P

Den Ausbruck für die Treffwahrscheinlichkeit der projicirten Fläche im Spezialfalle, p = q = 1, demnach nach VII und VIII,

h = k = 2 g,

wird : b'

1

Ø (q n)

q

XV.

U =

4 p² (52 + n²)

4 02 π

dn de

q Die Identität der Gleichungen XIV und XV zeigt zunächst die Gültigkeit des im 1. Abschnitte beschriebenen Projektionsverfahrens für eine durch Ordinatenaxe, zwei Abſciſſen und einen über der Ordinatenare stehenden Curvenbogen begrenzte Fläche, da sich aber jede beliebige ge schlossene Fläche in dergleichen Flächenstücke zerlegen läßt, so muß das Projektionsverfahren für beliebige geschloffene Flächen zu richtigen Re sultaten führen.

XII.

Das Material der Geschosse der Handfeuerwaffen.

Während man je nach dem Stande der Waffentechnik , nach dem Be dürfnisse und den zu Gebot stehenden Mitteln die Geschoffe der Geſchüge

241 aus den verschiedensten Stoffen erzeugte und hierzu Stein , Blei , ge schmiedetes und gegoffenes Eisen , ja selbst Bronze , Kupfer und sogar Glas verwendete, sowie man auch in neuester Zeit nicht nur verschiedene Metalle als Geschoßmaterial für Geschüße benüßt , sondern auch beson dere Legirungen der Metalle , sowie verschiedene Gattungen derselben zu diesem Zwecke in Anwendung gebracht hat : sehen wir die Geschosse der Handfeuerwaffen seit der frühesten Zeit mit kaum nenneswerthen Ausnah men aus Blei erzeugt und auch gegenwärtig beſißt dieſes Metall das Monopol der ausschließlichen Verwendung zu den Geschoffen der Hand feuerwaffen aller Art. Und dennoch ist gerade in dem gegenwärtigen Zeitpunkte die Frage, ob unter gewiffen Umständen die Gewehrprojektile nicht mit Vortheil aus einem andern härteren , wenn auch leichteren Metalle erzeugt werden können , nicht überflüssig , sondern verdient im Gegentheile eine nähere Betrachtung. Die Eigenschaften, welche ein gutes Geschoßmaterial haben soll, find im Allgemeinen folgende : 1) Soll es nicht zu leicht sein , weil das Geschoß sonst durch den Luftdruck aus seiner Bahn gebracht werden würde. 2) Soll es weder zu weich, noch zu spröde sein, damit das Geschoß beim Auftreffen weder deformirt noch zersplittert werde , sondern in das Objekt auf die erforderliche Tiefe eindringe. 3) Soll es nicht nur wohlfeil, sondern auch überall vorfindlich und 4) leicht zu bearbeiten sein. Bis jetzt ist es noch nicht gelungen , einen Stoff aufzufinden , wel cher alle diese Eigenschaften in sich vereinigt, indeß ist ein solcher Stoff auch nicht nothwendig und er würde für manche Fälle gänzlich un brauchbar sein, da eben für die verschiedenen Gattungen der Geschoffe und für die verschiedenen Zwecke, welche mit selben erreicht werden sol len, nur eine und die andere dieser Eigenschaften zulässig ist.

Durch

die unter 1 und 2 aufgeführten Bedingungen sind alle Holzarten, Erden und gewöhnliche Steingattungen , durch 3 und 4 auch Erze und an dere Mineralien , welche eine größere Härte und Schwere besitzen , von der Verwendung als Geschoßmaterial ausgeschloffen. Wenn man gleich wohl eichene mit Eisenreifen beschlagene Blöcke, Kugeln aus gebranntem Thon und noch andere Dinge aus großen Mörsern geworfen hat , so ift

242 es gewiß nur in der äußersten Noth und unter ganz besonderen Ver hältnissen geschehen.

Es bleiben somit nur die sogenannten unedlen

Metalle übrig und von dieſen müssen wieder Spießglanz und Wismuth wegen ihrer Ungefügigkeit und Sprödigkeit, sowie ihrer verhältnißmäßi gen Seltenheit und das allen anderen Anforderungen in hohem Grade genügende Kupfer (und dessen Legirungen) wegen des hohen Preises ausgeschieden werden , so daß nur Zinn , Zink , Blei und Eiſen übrig bleiben. Auch Zinn und Zink werden , theils weil sie seltener vorkom men, theils aus anderen Ursachen nur als Zusatz oder unter besonderen Umständen verwendet.

Das Blei hat den Vortheil der Schwere und ist

äußerst leicht zu bearbeiten, dagegen ist der Preis dieses Metalls ein un gleich höherer als jener des Guß- und Schmiedeeisens.

Seine Weich

heit giebt ihm für gewisse Zwecke in eben dem Grade eine besondere Verwendbarkeit, als es dasselbe für andere Verwendungsarten untauglich macht, daher das Blei von jeher zu den Geschoffen der Handfeuerwaffen, jedoch nur ausnahmsweise für die Geschüßprojektile verwendet wurde. Das Eisen , als weiches und hartes Gußeisen , als Schmiedeeisen und als Gußstahl zur Anwendung gelangend, ist, wo es sich nicht um beson dere Weichheit handelt , für alle Zwecke verwendbar und wird , da bei größerem Gewichte der Projektile ſeine geringere ſpezifiſche Schwere und seine mühsamere Bearbeitung nicht in die Wagschaale fallen , wohl im mer das gewöhnliche Material der Geschüßprojektile bleiben , wozu es überdem (als Gußſtahl ausgenommen) sich durch seine besondere Wohl feilheit empfiehlt. So wie die Artillerie überhaupt während ihrer Kindheit nicht in

rationeller, sondern in ganz empirischer Weise behandelt wurde, so ver fuhr man insbesondere bei der Auswahl des Materials der Geschoffe ganz nach Willkür und dem von Andern ersehenen Gebrauche. Das erste aus Feuerwaffen geschleuderte Geschoß war ein etwa faustgroßer Kieselstein, wie er eben in die trichterförmige Deffnung der ,, Madfaa" paßte.

Auch später , als man die Feuerwaffen schon vergrößert und verbessert hatte, Ind man dieselben einfach mit Steinen. Der " Bum hard" wurde mit einem Stein , nicht aber mit einer Kugel geladen. Eingeschlagene Holzkeile und Wergklumpen mußten die Festhaltung dieses einfachen Geschoffes und die Beseitigung des Spielraums bewir fen. Mitunter mochte man schon damals durch Hammer oder Meißel

243 der allzu unregelmäßigen Gestalt irgend eines als Geschoß ausgewähl ten Steines nachgeholfen haben und so kam man zu dem Gebrauch re gelmäßig behauener steinerner Kugeln , deren Brauchbarkeit jedoch sehr von der Festigkeit der dazu verwendeten Steingattung abhing . Um das Zersplittern der Steinkugeln beim Auftreffen auf feste Ziele zu verhindern , umgab man schon frühe die Kugeln mit eisernen Bän dern , wie es schon in einem vor 1450 geschriebenen Manuskripte als eine ziemlich bekannte Sache angeführt wird. Da jedoch der Arbeits Lohn für die Erzeugung der steinernen Kugeln ein ziemlich beträchtlicher war , so schritt man sehr bald zur Anwendung eiserner Kugeln und es ist nicht unwahrscheinlich , daß Solches bereits um die Hälfte des vier zehnten Jahrhunderts geschah , wie es wenigstens aus den Berichten der Chronisten über die Belagerung von Tarifa zu entnehmen ist. Jedenfalls waren die ersten eisernen Kugeln gegossen , doch bediente man sich bald auch geschmiedeter Kugeln . Lettere werden um 1400 in den Rechnungen der Stadt Aarau , und noch um 1520 in jenen der Stadt Breslau er wähnt. Die Hohlgeschoffe , die ebenfalls in sehr früher Zeit gebraucht wurden , waren natürlich von Gußeisen. Dieselben wurden vielleicht schon um 1360 , jedenfalls aber um 1380 erzeugt und gebraucht. Die schlechte Beschaffenheit dieser Gefchoffe , eine bei der damaligen Unvoll kommenheit des Eisengußwesens natürliche Sache , mochte nicht nur von deren häufigeren Anwendung abhalten , sondern auch zu verschiede nen Versuchen führen , die ,,Springkugeln" aus anderen Stoffen herzu ftellen. So gebrauchten die Türken wiederholt (zuletzt bei der Belage rung von Rhodus) kupferne Bomben , die Ruffen und Italiener bron zene und die Dänen aus eiserne Reifen zusammengesette Sprengkugeln. Daß man nebenbei noch immer die Steinkugeln beibehielt, ja sogar wie beim sogenannten Igelschuß — gewöhnliche Feld- und Kieselsteine verwendete , geschah theils , weil man durch die Umstände dazu gezwun gen war , theils aus Liebe zum Hergebrachten. Die glühenden Kugeln kannte man schon um die Mitte des funfzehnten Jahrhunderts und es scheint ziemlich häufig von denselben Gebrauch gemacht worden zu sein. Auch kleinere Geschosse wurden aus Geschüßen verwendet, doch be schränkte man deren Gebrauch nur auf die Geschüße kleineren Kalibers und später für die Kartätschen der größeren Kanonen.

Die Kartätſchen

244 wurden keineswegs, wie es häufig angenommen wird, zuerst bei der Be lagerung von Oftende, sondern schon viel früher gebraucht und entstanden aus dem Hagel- und Igelschuß, welcher bei den Artilleriſten des funfzehnten Jahrhunderts in so großem Ansehen stand.

Man ersetzte die Steine

durch Eisenstücke, später durch geschmiedete oder gegossene eiserne Kugeln, womit man entweder einfach das Geschütz bis an die Mündung voll stopfte, oder welche man in geflochtene Körbe (bei den größten Kalibern) später in Säcke und endlich in Blechbüchsen einfüllte. Bleierne Kartät schen wurden lange vor der Belagerung von Oftende gebraucht und er hielten sich bis ins erste Drittel des vorigen Jahrhunderts , um welche Zeit auch die verschiedennamigen kleinen Geschüße , welche Bleikugeln von 12-24löthigem Kaliber schoffen, verschwanden. Es ist wahrscheinlich , daß schon die ersten Handfeuerwaffen bleierne Kugeln schossen.

Unter Handfeuerwaffen darf man jedoch nicht jene

kleine Feuerrohre verstehen , welche in der ersten Zeit des Pulverge. brauches zur Anwendung kamen. Die kleinen Handbüchsen , welche um 1364 in Perugia und Piſtoja fabrizirt wurden , wurden je nach Bedarf in eine Schießscharte oder auf ein Holzgestell gelegt oder an einem Stiele befestigt.

Diese Büchsen mögen eiserne und bleierne Kugeln,

auch wohl ungeformte Eisenstücke und Steine geschoffen haben und un terschieden sich nur durch die Größe von den übrigen Büchsen , Pum hardten oder Bombarden , deren Kaliber übrigens zu jener Zeit selten die Größe einer Mannsfaust überschritt. Erst mit der zunehmenden Vergrößerung des Kalibers dieser Büchsen und der dadurch bedingten Anwendung komplizirter und schwerfälliger Unterlagen trat das Bedürf niß der Verbesserung und Erleichterung der kleinen Büchsen und da mit von selbst die Trennung des Geschützes von den Handfeuerwaffen ein. Lettere werden im ersten Drittel des 15. Jahrhunderts genannt und schoffen gewöhnlich Bleikugeln in der Größe kleiner Nüsse.

Man

kannte bereits Hand- und Hakenbüchsen , Kolubrinen und Handbombar den.

Bald begnügte man sich nicht mehr mit der Wirkung des ein

fachen Feuerrohres und suchte durch verschiedene Künfteleien einen hö hern Effekt zu erzielen.

So wendete man 1440 kleine ,, Maschinen aus

Erz" an, in welche Pulver und 5-10 kleine Bleikugeln hinter einander gelegt wurden und in Basel hatte man 1445 eine Hagelbüchse, die auf

245 einer Achse 9 Feuerrohre nebeneinander führte. pingolen und Requabatterien !

Die erste Idee der Es

Von nun an wurden die Handfeuerwaffen fast ausschließlich mit Bleikugeln geladen.

Bei dem großen Bedarfe an Geschoffen , bei der

Schwierigkeit , welche die Erzeugung der letteren aus einem anderen Metalle verursacht hätte, und bei der Größe des Spielraumes konnte man auch kaum ein anderes Material wählen.

Dagegen gab man nach

wiederholten Versuchen die Idee , das Blei auch zu den Geschüßprojekti len zu verwenden wieder auf und sowie die bleierne Kartätschen schließ lich von den eisernen verdrängt wurden , so hat man auch in neuester Zeit die Bleikugeln der Shrapnels mit vielem Vortheil durch die eiserne, zinnerne und Zinkkugeln ersetzt. Die große Weichheit der Bleikugeln ist jedoch in vielen Fällen ein schwer wiegender Nachtheil und unter Umständen kann selbst die Schwere dieser Geschoffe ein Uebelstand sein. Man versuchte daher wiederholt für Fälle, wo es sich um das Eindringen in festere Objekte handelte , ftatt der Bleikugeln Geschoffe aus andern Metallen zu verwenden. Das äl teste Beispiel dieser Art ist nahezu so alt als der Gebrauch der Hand feuerwaffen selbst. Im Jahre 1430 wendeten die belagerten Lucchesen mit besonderem Erfolge gegen die großen Bombarden der Florentiner eine neuerfundene Waffe an , welche aus einem hölzernen Kolben mit einer anderthalb Ellen langen eisernen Röhre bestand ,,,in die man Schwefel und Salpeter geschüttet und mit Feuersgewalt eiserne Kugeln heraus geschoffen, die durch alle Harnische und Schilder, ja oft durch drei Mann durch gegangen." In späterer Zeit bediente man sich wiederholt eiserner oder aus Eisen und Blei bestehender Kugeln.

So wendete man um 1580

stählerne Kugeln mit Facetten, welche mit Blei übergoffen waren, gegen die Schuhwaffen der feindlichen Reiterei an.

Die Hugenotten schoffen

zu dem gleichen Zwecke stählerne Würfel aus Pistolen.

In späterer Zeit

hielt man das Einschmelzen von Stahlstiften für genügend.

Auch auf

der Jagd bediente man sich zuweilen eiserner oder gehärteter bleierner Kugeln.

So wendeten die Koloniſten am Kap nach Le Vaillant um

1790 auf der Löwen- und Büffeljagd eiserne Kugeln an. In Frankreich wurden im vorigen Jahrhundert die Küraffe bei der Uebernahme mit Kugeln, welche durch einen Beisatz von Zinn oder Zink gehärtet waren, beschoffen , während man in Defterreich zu gleichem Zwecke sich eiserner

246 Cylinder bediente.

Hie und da wurden auch die neuen Gewehrläufe

mit eisernen Kugeln beschossen, sowie die Tragfähigkeit neu einzuführender Handfeuerwaffen in Frankreich durch zehn Schüſſe mit Meſſingkugeln ermittelt wurde. - Man fühlte also zuweilen das Bedürfniß des Ge brauchs härterer oder leichterer Geſchoffe als der gewöhnlichen Blei kugeln.

Das in neuerer Zeit eingeführte Preffen der Kugeln verdient

hier ebenfalls Erwähnung , indem dadurch die Geschoffe nicht nur eine größere Schwere und Dichtigkeit , sondern auch eine größere Härte er langten. Es ist nicht zu bestreiten, daß in manchen Fällen eine größere Per kussionskraft der Geschoffe der heutigen Handfeuerwaffen , besonders der Hinterlader zu wünschen wäre. Diese höhere Perkussionskraft oder eine größere Eindringungsfähigkeit könnte aber einzig durch die Anwendung von Kugeln aus Eisen, Zink, Hartblei oder einer harten Bleilegirung erzielt werden.

Bei der Anwendung von harten Bleikugeln würde in

deffen eine verhältnißmäßig nur geringere Härte erzielt , während man alle Mängel des Bleies in Kauf nehmen müßte , das Zink aber dürfte wegen seiner Sprödigkeit und, da es nicht immer in genügender Menge zu erhalten ist, nur ausnahmsweise verwendbar sein. Material würde somit Guß- und Schmiedeisen sein.

Das paſſendſte Obwohl bei der

so sehr vervollkommneten Eisengußtechnik die Erzeugung so kleiner Pro jektile auf keine Schwierigkeiten stoßen würde, so würde die Herstellung schmiedeeiserner Geschosse sich dennoch im Großen noch leichter, genauer und auch minder kostspielig bewirken lassen. Natürlich müßten solche Geschosse mit einem feinem Bleimantel oder einer Staniolumhüllung oder mit einem passenden Triebspiegel versehen werden. Die größere Schwere des Bleies , welche ehedem ein Hauptargument für die Wahl dieses Metalles bildete, hat gegenwärtig den Langgeschossen gegenüber keine Bedeutung. Man erkannte, daß die kleineren Geschoffe eine weit rasantere Flugbahn haben und strebte eben darum überall eine Verkleinerung des Kalibers an. In jüngster Zeit sind auch an mehreren Orten Versuche mit eisernen sowie mit gehärteten bleiernen Kugeln gemacht worden.

Obgleich dieſe

Versuche nur in sehr beschränkter Ausdehnung ausgeführt und größten theils nach kurzer Dauer geschloffen wurden, so zeigten sie wenigstens, daß man überhaupt an die Möglichkeit der Verwendung anderer, als der

247 gewöhnlichen bleiernen Kugeln dachte, und es waren auch die erzielten Resultate mindestens nicht ungünstig zu nennen. Die Vortheile, welche für die Verwendung eiserner Geschosse bei den Handfeuerwaffen sprächen, wären in Kurzem folgende : a) Die Geschosse würden beim Auftreffen auf harte Objekte nicht deformirt und es würde daher ihre Perkussionskraft unbedingt eine größere sein, was namentlich bei der Beschießung von Artilleriekolonnen, Gebäuden und hinter leichten Deckungen stehender Truppen von großer Wichtigkeit wäre. Ein Versuch, bei welchem einige Schüsse mit einem gewöhnlichen Lefaucheur-Revolver größerer Gattung gegen einen Erdwall gemacht wurden , zeigte auf 25 Schritt ein um einen halben Fuß tieferes Eindringen der eisernen im Vergleiche zu den bleiernen Kugeln. b) Bei Zündgeschoffen könnte der Solidität des Materials wegen die Wand dünner gemacht und dadurch der Raum für die Aufnahme der Zündmasse, somit diese selbst ansehnlich vergrößert werden. c) Die Gefchoffe würden ein geringeres Gewicht haben und würde dadurch entweder bei gleicher Schußanzahl das Gewicht der von dem Manne zu tragenden Munition erleichtert oder die Schußanzahl bei gleich bleibendem Gewichte vergrößert werden. d) Da das Eisen ein besserer Wärmeleiter als das Blei ist , so würde die bei Zündgeschoffen eintretende Erhißung des Projektils eine ziemlich bedeutende sein , wodurch die Wirkung unter Umständen an sehnlich gesteigert werden könnte. e) Wegen der geringeren Schwere des Geschosses wird die Flugbahn. jedenfalls weit rasanter sein. Ein besonderer Vortheil! f) Endlich dürfte die kostspieligere Erzeugung der Geschosse durch die Wohlfeilheit des Materials mindestens ausgeglichen werden. Allerdings können auch einige Einwände gegen den Gebrauch eiserner Geschosse erhoben werden, worunter jene der schwierigen Erzeugung und der zu starken Abnüßung der Bohrung am nächsten liegen.

Doch dürfte

eben nur die versuchsweise Erzeugung ganz geringer Quantitäten auf Schwierigkeiten stoßen, während die fabrikmäßige Herstellung im Großen ohne Anstand vor sich gehen und wahrscheinlich fortwährend durch ver schiedene Verbesserungen auf eine höhere Stufe gelangen würde. Da das Geschoß jedenfalls mit einem Mantel oder mit einem Triebspiegel versehen werden würde, so kann auch von einer besondern Abnüßung

248 der Bohrung keine Rede sein.

Weit bedenklicher ist es dagegen, daß die

Geschosse bei mangelhafter Aufbewahrung in den Depots oder im Felde durch die Einflüsse der Witterung in mehr oder minder kurzer Zeit durch den Rost beschädigt oder ſelbſt gänzlich zerflört werden können.

Dieſem

Uebelstande ließe sich jedoch durch einen Anstrich , durch die Aezung mit einer Säure oder durch die Vergrößerung des Bleimantels abhelfen. Versuche und die durch längeren Gebrauch gemachten Erfahrungen wür den hierüber die besten Lehren an die Hand geben. Andere Einwendungen, welche möglicher Weise etwa noch gemacht werden können , muß ent gegengesezt werden, daß es sich eben nur um einen Theil der zur Aus rüstung der Truppen erforderlichen Munition handelt und daß für ge wöhnliche Fälle die bisherigen Geschoffe beibehalten werden können . Immerhin aber dürfte die Sache einer näheren Untersuchung wür dig erscheinen.

A. Dittrich.

XIV .

Bericht über Versuche mit Hinterladungswaffen

in

den Vereinigten Staaten Nord-Amerika's.

Die Infanterie der Armee der Vereinigten Staten ist mit zur Hinter ladung umgeänderten Springfield - Gewehren bewaffnet ; man hat diese Waffe jenseits des Oceans aber gleichwie das Snider- Gewehr in England oder das Wänzl - Gewehr in Oesterreich nur als ein Provisorium be trachtet und von Hause aus die Absicht gehegt, ein neues Modell für die tünftigen Neufertigungen zu adoptiren. Um diesem Ziele näher zu treten, wurde durch Befehl des Oberbefehlshabers der nordamerikaniſchen Armee, General Sherman, vom 6. Auguſt 1869 eine Kommiſſion unter Präsidium des Generalmajors Schofield in St. Louis zusammenberufen

249 mit dem Auftrage, die ihr in Folge einer öffentlichen Aufforderung von den Fabrikanten und Erfindern vorgelegten Hinterladungswaffen einer Prüfung zu unterziehen. Die ernannte Kommission bestand aus : Oberstlieutenant Potter vom 4. Infanterie-Regiment, Oberstlieutenant Merritt vom 9. Cavallerie-Regiment, Major von Voast vom 18. Infanterie-Regiment und Major Hamilton vom 1. Artillerie- Regiment, und hat den Bericht über ihre Arbeiten unterm 10. Juni 1870 erſtattet. Derselbe sowie die darauf erfolgten Entscheidungen werden von dem in New-York erscheinenden Army and Navy Journal , Gazette of the re gular and volunteer Forces , in ſeiner Nummer vom 23. Juli 1870 mitgetheilt und bieten in mehrfachen Richtungen so viel Intereffe dar, daß eine abgekürzte Bearbeitung an dieser Stelle nicht unwillkommen sein dürfte. Die Nachforschungen der Prüfungs-Kommission beschränkten sich auf die Ermittelung der relativen Vortheile der verschiedenen Hinterladungs waffen ohne Rücksicht auf die Frage des Kalibers , des Zugsystems , der Patronen u. s. w . Als Haupterfordernisse wurden betrachtet : Stärke, Haltbarkeit und Einfachheit des Hinterladungs -Mechanismus ; Leichtigkeit, Sicherheit und Schnelligkeit des Feuers und Sicherung gegen Be schädigungen und frühzeitiges Entladen beim Gebrauch durch die Truppen. Die Kommission wählte die folgenden sechs Infanterie- Gewehre und klassifizirte sie nach ihrer Vortrefflichkeit in nachstehender Weise : 1) das Remington-Gewehr, 2) das Springfield-Gewehr, 3) das Sharps- Gewehr, 4) das Morgenstern-Gewehr, 5) bas Martini-Henry- Gewehr,

6) das Ward-Burton-Gewehr. Für Kavallerie-Karabiner gilt nach dem Ausspruche der Kommission dieselbe Reihenfolge der Systeme, wie für Infanteriegewehre , nur er scheint es ihr dringend erforderlich, daß der Remington - Karabiner mit einer Mittelruh versehen werde. Nur die erstgenannten drei Systeme besigen der Kommission zufolge solche vorzügliche Eigenschaften , daß deren Einführung für Infanterie

"

250 und Kavallerie ohne weitere ausgedehnte Versuche bei den Truppen er folgen könnte.

Von diesen drei Systemen hält die Kommiſſion unter Berücksichtigung aller Details und der Beschaffungskosten das Remington System einstimmig als das für die Armee der Vereinigten Staaten Nord-Amerika's geeignetste . Von den Hinterladungspiſtolen und Revolvern wählte die Kom mission die folgenden sechs nach der Reihenfolge ihres Werthes : 1) die Remington einläufige Piſtole mit Sicherung und Centralfeuer, 2) den Smith-Weffon-Revolver, 3) den Remington-Revolver Nr. 2, " 5, 4) "1 " " 5) "1 " 3, " " 6) "I "/ 4. "I " Die Remington - Pistole war die einzige einläufige der Kommiſſion vorgelegte Pistole. Sie hat sich als eine vorzügliche Waffe bewährt, macht aber die Anbringung einer Mittelruh erforderlich. Der Smith-Wesson-Revolver zeigte sich allen zur Probe gestellten Revolvern überlegen , doch wäre er auf Centralfeuer einzurichten und sein Kaliber auf das normale zu verstärken. Die Kommission befürwortet, daß alle Handfeuerwaffen dasselbe Ka liber erhalten , meint aber , daß ein größeres Kaliber für Pistolen und Revolver von größerer Wichtigkeit ſei , als für Waffen von bedeutenderer Schußweite. Die Kommission ist der Ansicht , daß mit dem Säbel bewaffnete Kavallerie eine oder zwei einläufige Pistolen statt des Karabiners erhalten müsse und daß mit dem Karabiner bewaffnete Reiterei einen Revolver statt des Säbels bekommen müsse.

Wenn Zeit vorhanden , sollen die

Kavallerie-Eskadrons in dem Gebrauch aller dieser Waffen ausgebildet werden, die demnächst allen kleineren an den Grenzen vertheilten Ab theilungen zur Disposition zu stellen seien, weil hier die an die Kavallerie herantretenden Aufgaben der mannigfachsten Art sind; in größeren Ka vallerie - Korps soll dagegen ein Theil der Mannschaften mit dem Ka rabiner und Revolver , der Rest mit der Pistole und dem Säbel aus gerüstet werden . Leichte Artillerie soll statt des Säbels mit dem Revolver bewaffnet werden.

I

251 Alle Handfeuerwaffen sollen einen gleichmäßigeren Abzug als bisher erhalten , für Gewehre und Karabiner wird ein Abzug von 6-8 Pfd., für Pistolen ein solcher von 5 Pfd. empfohlen. Die Kommission befürwortet, daß die Läufe aller Handfeuerwaffen brünirt werden. Das vom Lieutenant Rice vorgelegte Kellen-Bajonet (trowel-bayonet) hat sich in Folge seiner Geeignetheit als Schanzzeugstück als ein werth voller Ersatz des gewöhnlichen Bajonets erwiesen. Die Kommission be fürwortet daher die Anfertigung von 500 Kellen-Bajonetten und Ueber gabe derselben an 20-25 Kompagnien , deren Mannschaften im Ba jonettiren wohl geübt sind.

Bestätigt der längere Gebrauch dieser

Kellen Bajonette ihre Vorzüge , dann würden sie mit Ausschluß jeden andern Bajonet-Modells vorzuziehen sein. Der Chef der Ordnance, General Dyer, machte zu dem Kommiſſions Berichte unterm 8. Juli 1870 die nachfolgenden Bemerkungen. Das Ordnance Büreau kann sich mit den von der Kommiſſion geäußerten Ansichten über die relativen Vorzüge der verschiedenen Hinter ladungssysteme für Handfeuerwaffen nicht vollständig einverstanden er klären ; dieselben werden auch keineswegs durch die den Bericht begleiten den Protokolle bestätigt , denn diese zeigen , daß an den Remington Waffen bedenkliche Mängel existiren, die an den Springfield- und Sharps Gewehren nicht beobachtet wurden , nämlich häufige Versager , Festsigen der langen Patronenhülse in der Kammer und Schwierigkeit des Be wegens des Hahns und der Schließfalle nach dem Feuern mit größeren Ladungen.

Die ersten beiden dieser Mängel , sowie der Vorwurf, daß

das Gewehr nur bei ganz gespanntem Hahne geladen werden kann, find von den Kommandeuren der Kompagnieen , welche diese Gewehre führen, mehrfach bei dem Ordnance-Büreau zur Sprache gebracht worden ; sie erfordern jedenfalls , daß die Remington - Gewehre einer gründlichen Prüfung unterworfen werden müssen , ehe sie definitiv zur Einführung gelangen.

Ich stimme der Kommission zu, daß das Remingtons, das Spring fteld- und das Sharps- System allen anderen zur Vorlage gekommenen Systemen vorzuziehen sei , und befürworte daher die Beschaffung von 1000 Gewehren und 300 Karabinern jedes dieser Systeme, um zu Ver 17 Bierunddreißigster Jahrgang. LXVIII Band.

252

gleichsversuchen benußt zu werden.

Einige Infanterie- und Artillerie

Kompagnien würden mit einer gleichen Zahl jeder dieser Gewehrsysteme und einige Kavallerie - Kompagnien mit einer gleichen Zahl von Kara binern dieser Systeme auszurüften seien. Die betreffenden Kompagnien hätten monatliche Berichte über die relativen Vorzüge der drei Syſteme nach einer bestimmten Form an das Ordnance-Büreau einzureichen und zwar mindestens während des Zeitraums von 12 Monaten nach Veraus gabung der Versuchswaffen. Sämmtliche Berichte wären dann einer von dem Kriegs - Departement ernannten Kommiſſion von Offizieren zur Auswahl einer Hinterladungswaffe für die Armee der Vereinigten Staaten vorzulegen. Ich befürworte ferner , daß das Ordnance- Büreau autorifirt werde, 1000 einläufige Remington- Pistolen von 0,50 Zoll Kaliber und 1000 Smith Wesson Revolver von demselben Kaliber wie die bisherigen in der Armee verwandten Revolver zu kaufen und 1000 Remington - Revolver nach dem Modell Nr. 2 umändern zu lassen. Diese Pistolen und Revolver wären in gleicher Weise wie die Gewehre zur Erprobung an die Truppen auszugeben.

Würde der Revolver beibehalten , wie es nach meiner

Meinung geschehen muß , so erachte ich es nicht für nothwendig , sein Kaliber auf 0,50 Zoll zu erhöhen , troßdem daß dieses Kaliber für Ge wehre und Karabiner reglementsmäßig beſteht. Der Vorschlag der Kommiſſion, daß die Läufe aller Handfeuerwaffen brünirt werden mögen , kann zur Zeit nicht befürwortet werden.

Das

Ordnance-Büreau glaubte im Jahre 1868 , daß die Stimme der Armee sich überwiegend zu Gunsten des Brünirens der Waffen ausgesprochen und traf demgemäß die erforderlichen Vorbereitungen , stieß aber auf widerstrebende Meinungen, die sich auf Kriegserfahrungen ftüßten. Neuer dings empfahl eine Kommission von Offizieren , daß Waffen mit Nickel plattirt und beim Truppengebrauch versucht werden möchten ; es find daher Maßregeln in dieser Richtung getroffen worden.

Nichts desto

weniger erscheint es angemessen , daß eine beschränkte Anzahl Läufe nach dem Vorschlage der Kommission von St. Louis brünirt und den Truppen zu Versuchen in die Hände gegeben werden. Ebenso erscheint die Anfertigung von 500 Kellen - Bajonetten nach dem Vorſchlage der Kommiſſion wünschenswerth.

253 Die sämmtlichen, vorstehend angegebenen , Anträge und Vorschläge des Chefs der Ordnance sind unterm 16. Juli 1870 Seitens des Kriegs Sekretairs der Vereinigten Staaten Nord- Amerika's genehmigt worden. L.

XV.

Der broncene gezogene 9pfündige Vorderlader der englisch-oßtindischen Artillerie.

Oberst Marwell, der für die Konstruktion des neuen gezogenen Vorder laders für die englisch- ostindische Artillerie besonders thätig ist, hielt am 14. März 1870 über diesen Gegenstand einen Vortrag in der Royal United Service Institution , der in dem neuesten Hefte des Journals des Instituts, dem 58. Hefte des 14. Bandes, abgedruckt worden. Da in diesem Vortrage manche bisher noch nicht bekannte Einzelheiten be sprochen worden sind , so dürfte es den Lesern des Archivs nicht un willkommen sein , die Hauptzüge deffelben hier in kurzer Bearbeitung wiedergegeben zu finden , wobei aber besonders hervorgehoben werden muß, daß die ausgesprochenen Ansichten dem Oberst Maxwell angehören und der Bearbeiter keineswegs gesonnen ist , sich mit sämmtlichen zu affimiliren. Bis zum Jahre 1862 bestand die Bewaffnung der ostindischen Feld Artillerie aus glatten 9- und 6pfündigen Kanonen und 24- und 12pfündigen Haubitzen.

Die Geschüße der Fuß-Artillerie waren leichter

als die in England gebräuchlichen und wogen nur etwa 10 Centner ; die der reitenden Artillerie waren mit den engliſchen Geſchüßen identisch. In dem genannten Jahre kam die erste gezogene Batterie Arm strong'scher Hinterlader nach Ostindien. Oberst Maxwell, der zur er wähnten Zeit die indische Geschützgießerei leitete, trat mit diesen Ge 17 *

254 schützen erst in Berührung , als ihm ein in dem Labungsraum ge=" sprungener 6- Pfdr. zur Reparatur gesendet wurde, den er jedoch mit der Mittheilung remittiren mußte, daß eine Reparatur seine Kräfte und die seiner Geschützgießerei übersteige.

Der Zufall führte ihm im Jahre

1865 eine Besprechung der französischen Feldgeschütze zu und gleichzeitig hörte er, daß dieselben zu Shoeburyneß Versuchen unterworfen worden und sich ihre Leistungen dabei denen der englischen 9pfündigen Hinter lader gleichgestellt hätten.

Weiter erfuhr er, daß die Holländer auf

Java das französische System adoptirt hätten und sowohl Geschütze als ihre gesammte Ausrüstung in der Kolonie anfertigten.

Diese Umſlände

führten Oberst Maxwell zu der Folgerung , daß das französische System sich für Ostindien , wo bedeutende Mengen von Bronce vorräthig, vor züglich eigene. Er wandte sich mit einem darauf gerichteten Vorschlage an die Behörden Ostindiens , derselbe wurde günstig aufgenommen und nach England zur Vorlage für das Ordnance Select Committee ge sendet; Letteres zeigte sich demselben nicht ungünstig gestimmt. Zu derselben Zeit wurde der Wettstreit zwischen Armstrong und Whitworth auf dem Sande von Shoeburyneß gefochten.

Die Vorder

lader begannen Freunde zu finden , namentlich die Marine trat gegen die Hinterlader auf. Dann folgte die Zusammenberufung einer Kom mission höherer Attillerie - Offiziere, welche sich einstimmig zu Gunsten der Vorderlader für die Feld-Artillerie aussprach. Demnächst fanden Versuche mit Geſchüßen von eisernen Coils mit innerem Stahlrohr und mit einem Broncerohr von derselben Form statt.

Die Versuche fielen in sofern ungünstig aus , als diese Geſchüße

bezüglich der Präcision von den reglementsmäßigen Hinterladern über troffen wurden. Das Broncerohr wurde unbrauchbar , nachdem man aus ihm einige Granaten mit gußeisernen Rippen verfeuert hatte, welche sich eigene Züge in der weichen Bronce bahnten. Endlich im Dezember 1868 wurde unter dem Präsidium des Ges nerals Eardley - Wilmot eine Spezial - Kommiſſion für die Ausrüftung der ostindischen Feld - Artillerie ernannt.

Nach ausgedehnten Versuchen

schlug diese Kommiſſion als einziges Geschütz für die ostindischen Fuß und reitenden Batterien einen 9pfündigen broncenen gezogenen Vorder lader von 8 Ctnr. Gewicht vor und ist dies Geschüß in soweit adoptirt worden, als die 9. Brigade Fuß-Artillerie mit demselben ausgerüstet ist.

255 Oberst Maxwell sucht in seinem Vortrage zunächst dem Einwurfe zu begegnen, daß ein Hinterlader besser schießen muß als ein Vorder lader und meint , daß , da die Vorderladungsgewehre in keiner Weise den Hinterladungsgewehren bezüglich der Präcision nachstehen, dieß auch bei Geschützen nicht der Fall sein könne.

Auch der Fortfall des Spiel

raumes bei den Hinterlädern ist für ihn kein Grund , daß sie noth wendiger Weise besser schießen müßten, als Geschüße mit Spielraum ; er behauptet , daß , wenn man ein Vorderladungsgeschoß centriren und es während des Durchgangs durch die Seele centrirt erhalten kann , es eben so viel Wahrscheinlichkeit guter Präcision besitzt , als das Geschoß eines Hinterladers. Außerdem haben nach Oberst Maxwell Vergleichs versuche bewiesen , daß bezüglich der Treffwahrscheinlichkeit und Gleich förmigkeit der Schußweite wenig Unterschied zwischen den beiden Systemen besteht. Die Franzosen erhielten beim Beginne ihrer Versuche höchst un günstige Resultate mit ihren broncenen Geschüßröhren. Da die Granate mit ihrer unteren Fläche auf dem Boden der Seele lag, so be fand sich das Gußeisen in Contact mit dem Geschüßmetall ; die Ailettes wurden nur zur Führung des Geschosses durch die Züge, nicht zum Schuße der Bronce der Seele gegen das Gußeisen des Geschoßkörpers benutt. Die Konsequenz war , daß, da sich der gesammte Spielraum über der oberen Fläche der Granate befand , bei der Explosion der Ladung die obere Ecke des Bodens der Granate gegen die obere Seelen wand gestoßen, während der vordere Theil der Granate gegen die untere Seelenwand gehämmert wurde.

Die Granate machte daher gleich dem

Rundgeschosse im glatten Rohre Anschläge und einige fünfzig Schuß ge • nügten, um das Geschüßrohr unbrauchbar werden zu lassen. Belehrt durch diese Erfahrungen , ließen die Franzosen die Ailettes weiter über die Oberfläche der Granate hervorstehen, so daß sich auch an der unteren Fläche der in der Seele liegenden Granate ein Zwischen, raum zwischen Bronce und Gußeisen bildete. Das Rohr ist somit nur der Reibung zwischen dem Zink der Ailettes und der Bronce der Führungskanten der Züge ausgesetzt und hält 2000-3000 Schuß ohne Verschlechterung der Präcision aus . Bei der Isolirung des Gußeisens des Geschosses von der Bronce der Seele ist daher eine ausreichende Haltbarkeit broncener Geschüßröhre vorhanden.

256 Da außerdem Bronce der Expanſivkraft der Pulvergase gut wider steht, da sie sich leichter gießen läßt , als man Schmiedeeisen zu Coils für Geschüßröhre bearbeiten • oder Gußstahl in Blöcken gießen und durch schmieden kann und da sie schließlich ökonomische Vortheile darbietet, ſo hat die englische Kommission sich für die Benutzung der Bronce zur Darstellung des neu zu konstruirenden Rohres ausgesprochen. Jn letterer Beziehung führt Oberst Maxwell an, daß der Werth eines neuen broncenen Geschüßes von 6—8 Ctnr. Gewicht sich zu dem Werthe eines alten wie 17 : 7 verhält, in anderen Worten, man erspart 7 Pfd . Ster ling für jede 17 Pfd . Sterling , die man ursprünglich verauslagt, troß der Bennzung des Geschüßes während einer langen Reihe von Jahren. Der Werth eines neuen Stahlrohres oder eines Geschützes aus schmiede eisernen Coils von ähnlichem Gewichte ist bedeutend größer als der eines correspondirenden Bronce- Geschüßes , wogegen ein altes Rohr der erstgenannten Art werthlos oder nahehin werthlos ist. Nachdem man sich für das Vorderladungssystem und für die Be nutzung der Bronce als Rohrmaterial entschieden , stellte man sich fol gende drei Fragen: 1) Welches Gewicht können die Gespanne in der beabsichtigten Gangart bewegen? 2) Welches ist das geringste Gewicht der Granate , wenn sie noch hinlängliche Sprengwirkung zu leisten vermag und welche Geschwindig feit muß sie besitzen ? 3) Welche Schußzahl muß die Proße aufnehmen, um dem Geſchüß die erforderliche Selbständigkeit zu verleihen? In Indien kann ein Gespann von 6 Pferden 30—32 Ctnr. in den für die reitende Artillerie nothwendigen Gangarten bewegen.

Ein wirkungsvolles Sprenggeschoß darf nicht unter 9 Pfd. wiegen. Bezüglich der Munitionsmenge erschien es trotz sehr divergirender Ansichten am günstigsten, dieselbe auf die Schußzahl zu normiren, welche der bestehende englische 9pfündige Hinterlader in der Proße und am Ge schütz führt, nämlich auf 34 Schuß. Die jeßigen englischen 12- und 9- Pfdr. feuerten bei den Versuchen zu Dartmoor mit Geschwindigkeiten von 1121 und 1058 Fuß pro Se kunde.

Diese Geschwindigkeiten sind im Vergleich zu denen der früheren

glatten Geschütze gering , denn der 9-Pfdr. ergab eine Geschwindigkeit

257 von 1614 Fuß und der 6-Pfdr. eine solche von 1484 Fuß, beide hatten daher von 700-800 Yards ab eine flachere Flugbahn als die heutigen gezogenen Hinterlader.

Es schien daher nothwendig , eine größere Ge

schwindigkeit für das neu zu konstruirende Geschütz zu gewinnen ; da man aber nicht darauf rechnen konnte , eine Geschwindigkeit von 1600 Fuß für ein 9pfündiges Geſchüß der reitenden Artillerie benutzen zu können, so entschied man sich für eine Geschwindigkeit von 1400 Fuß. Nach Feststellung dieser Grundbedingung suchte man die weiteren Konstruktions-Elemente zu normiren. Nach der heutigen Konſtruktion wiegt die leichteste Proße ohne Be ladung 10 Centner. Rechnet man dazu 30 Geschosse à 9 Pfd., ihre La dungen für 1400 Fuß Geschwindigkeit à 184 Pfd. , ihre Zünder , Kar tuschbeutel u. s. w. , so erhält man einen Gewichtszuschuß von 3 Ctr. , die beladene Proße wird daher mit Schanzzeug u. s. w. etwa 14 Ctr. wiegen , so daß bei Feststellung des Gewichtes von 30 Ctr. nur circa 16 Ctr. für Rohr und Laffete übrig bleiben. Vergleicht man die Geschwindigkeit des Rücklaufes eines solchen Geſchüßes mit seiner Laffete , das eine 9pfündige Granate mit der Ge schwindigkeit von 1400 Fuß feuert, mit der des bestehenden 12pfündigen Hinterladungsgeschützes, so ergiebt eine einfache Rechnung die Erstere zu 7 Fuß in der Sekunde, die letzte zu 6½ Fuß. *) Der Rücklauf des 12pfündigen Hinterladers von 6,2 Fuß in der Sekunde ist lebhaft und kann füglich mit Rücksicht auf die Bedienung und die Haltbarkeit der Laffete nicht größer zugelassen werden.

Das

Gewicht von 16 Ctr. ist daher bei einer Geschwindigkeit von 1400 Fuß der 9pfündigen Granate zu leicht. Nimmt man die Rücklaufgeſchwindig. teit von 6,2 Fuß als die äußerste zulässige Grenze, so erhält man durch

Fuß Ctr. Fuß Pfd. *) 9 pfündiger Vorderlader x × 16 × 112 = 1400 × 9 also x = 7 Fuß pro Sekunde. Ctr. Fuß Fuß Pfd. 12pfündiger Hinterlader x X 203/4 X 112 = 1239 × 11,75 also x 6,2 Fuß pro Sekunde. 1239 Fuß war die Geschwindigkeit des 12pfündigen Hinter laders mit schwach gepreßtem Pulver nach der Ausgabe des Handbook for Field Service vom Jahre 1867 , Seite 322. Die in diesem Auffage vorkommenden Angaben über Maße und Gewichte find sämmtlich englischen Ursprungs.

258 Berechnung für eine 9pfündige Granate mit 1400 Fuß Geschwindigkeit ein Gewicht von 18 Ctr. für Rohr und Laffete. *) Fügt man hierzu das Gewicht der beladenen Proße von 14 Ctr.,

so erhält man ein Gesammtgewicht von 32 Ctr. für das neue 9pfündige Geschütz. Bei dem Gewicht von 18 Ctr. für Rohr und Laffete kann man etwa 10 Ctr. auf die Laffete und 8 Centner auf das Rohr rechnen.

Die

Laffete muß stark genug sein, um den starken Stößen, welche sie beim Vorgehen des Geschüßes im Galopp bei nicht ganz ebenem Boden zu erleiden hat, zu widerstehen, sie kann aber gleichzeitig bei etwas schwerem Rohre leichter gestaltet werden, ohne durch das Feuern zu leiden. Schließlich war das Kaliber zu normiren.

Versuche haben be

wiesen, daß für die Präcision des Schießens eine Länge der Granate von 2-3 Kaliber am günstigsten ist und daß zur Gewinnung einer aus giebigen Wirkung beim Sprengen ein verhältnißmäßig großer innerer Raum zur Aufnahme von Kugeln , Segmenten und Pulver nothwendig ist. Nimmt man 3 Zoll Kaliber , so erhält man bei 9 Pfd . Gewicht fräftige Segmentgranaten und Shrapnels und genügend wirkungsvolle Granaten und Kartätschen. Nimmt man mehr als 3 Zoll Kaliber , so gewinnen die beiden letzten Geschoßarten zwar an Faſſungsraum , aber die Wahrscheinlichkeit des Treffens der Sprenggeschosse wird vermindert. Wählt man ein geringeres als das 3zöllige Kaliber, so wird der Raum inhalt der Sprenggeschoffe vermindert bei gleichzeitigem geringem Ge winne für das Schießen. Kleine Aenderungen über und unter 3 Zoll rufen nur geringe Unterschiede hervor , aber wollte man bis zu 3,5 oder 2,5 Zoll Kaliber für ein 9pfündiges Geschoß gehen, so würde man Nachtheile erfahren. Als Beispiel für diesen Punkt kann der französische 4-Pfdr. dienen, der bei einem Rohrgewicht von 6½ Ctr. ein Kaliber von 3,4 Zoll besitzt und eine 8,9 Pfd. schwere Granate mit einer Anfangs geschwindigkeit von nur 1066 Fuß feuert , so daß gerechte Klagen über seine hohe Flugbahn laut werden. Nach diesen Ideen hat die oben erwähnte britische Kommission für Ostindien ein 3 zölliges Rohr von 8 Ctr. Schwere mit 34-9pfündigen

Fuß Pfb. Fuß Ctr. *) 6,2 x x x 112 = 1400 × 9 also x = 18,1 Centner.

259 Geschoffen in Proße und an der Laffete im Gesammtgewicht von 32 bis 33 Ctrn. vorgeschlagen und zwar aus Rücksicht auf die Einheit und Ein fachheit der Ausrüftung als einziges Feldgeschütz. Um die Geschosse von der Bronce der Seelenwände entfernt zu halten, haben die Züge eine Tiefe von 0,11 Zoll erhalten , während die Ailettes um 0,13 Zoll über den Mantelumfang hervorragen ; es besteht daher ein Zwischenraum von 0,02 Zoll zwischen Gußeisen und Bronce, das Geschoß ist folglich genügend isolirt. Bei mehr als 2500 aus einem Rohre verfeuerten Granaten hat das indische Komitee niemals eine Spur davon beobachtet , daß eine Berührung des harten Gußeisens mit der weichen Bronce Statt gefunden. Wenn aber die Züge an dem Lager raum der Granate so bedeutend ausgebrannt sind , daß die Ailettes nicht mehr den Boden der Züge berühren können , ohne daß das Gußeisen der Geschoßmantelfläche die Seelenwände gleichfalls berührt , so ist das Rohr unbrauchbar geworden. Die einzelnen Konstruktionsdetails find die nachfolgenden : Das Rohr wiegt etwa 81/8 Ctr., hat eine Seelenlänge von 63,5 Zoll und ein Kaliber von 3 Zoll ; sein Hintergewicht beträgt etwa 8 Pfd. Das Zugsystem hat die französische Form mit einer geringfügigen Mo difikation. Die Geschoffe wiegen 9 Pfd. und find dreierlei Art : Shrapnels, Granaten und Kartätschen. Die Shrapnels enthalten 63 Kugeln , von denen 18 resp. 34 auf ein Pfd . gehen ; die Granaten haben 712 Unzen Sprenglabung, die Kartätschen zählen 113 Kugeln von Hartblei zu einer Unze Schwere.

Eine Segment - Granate von demselben Gewichte soll

eingeführt werden, sobald es gelungen sein wird, einen zuverlässigen Concussionszünder herzustellen. Diese Aufgabe ist so vortrefflichen Händen anvertraut, daß kein Zweifel obwalten kann, sie werde in nicht zu ferner Zeit gelöst werden durch ein Geschoß, das auf weiteren Entfernungen ebenso schnell gefeuert werden kann , wie der Kartätſchschuß auf den näheren. Die Geschüßladung beträgt 1 Pfd . 12 Unzen , die Art des Pulvers ist aber noch nicht definitiv festgestellt.

Bei dieser Ladung ergab sich mit

dem grobkörnigen Pulver für gezogene Geschütze (large grained rifle powder) eine Anfangsgeschwindigkeit der Granate von 1381 Fuß und mit einem in der Königlichen Pulverfabrik von Waltham Abbey ge fertigten Versuchspulver eine solche von etwa 1400 Fuß.

260 Die Präciſion des neuen Geſchüßes ist bemerkenswerth, wie aus den nachfolgenden Angaben erhellt :

Elevation.

23

Grad.

Mittlere

Mittlere

Mittlere

Schußweite. Längen-Abweichung. Yards. 14,2

2

Yards. 1176

3 7

1552

17,1

2665

18,9

Seiten-Abweichung. Yards. 0,5

0,9 0,8

Bei Ermittelung der Feuergeschwindigkeit geschahen 50 Schuß in 7 Minuten. Um die Präcision beim Schnellfeuer kennen zu lernen, wurden 50 Schuß in 13 Minuten gegen eine 9 Fuß hohe Scheibe auf 1000 Yards verfeuert , wobei man 27 Treffer erhielt.

Bei einem an

deren Versuche gab man 140 Schuß ohne Pauſe in dem Tempo von 3 Schuß in der Minute ab, wodurch das Metall des Nohres dergestalt erhigt wurde, daß es Waſſer zum Sieden brachte. Beim Shrapnelfeuer gegen eine Truppenkolonne, welche durch vier in Abständen von 20 Yards aufgestellte 54 Fuß breite und 9 Fuß hohe Scheiben dargestellt war, erhielt man auf 1200 Yards 48 Treffer durch 2 Zoll Holz, 40 " " " " "1 1600 " " 10 und " 2000 " " " " "1 11 pro Schuß.

Beim Kartätschfeuer gegen zwei ebensolche Scheiben , welche 50 Yards von einander abstanden , erhielt man auf 300 Yards im Ganzen 21,7 Treffer pro Schuß , von denen 6,5 durch 2 Zoll Holz gegangen , 11,9 ftecken geblieben waren und 3,3 blos angeschlagen hatten. Korn und Visir stehen auf der Mittellinie des Rohres ; das Visir kann Seitenverschiebung erhalten. Der Aufsaß hat eine Neigung von 1º 30 ' gegen die Vertikale, um die Derivation corrigiren zu können. Das Zündloch steht vertikal und mündet 0,6 Zoll vom Boden. Die Traube hat unten eine Aussparung zur Aufnahme des abgeflachten Kopfes der Richtschraube. Die Laffete ist aus Eisen konstruirt ; der Laffetenschwanz besteht aus zwei durch Winkeleisen verstärkte und durch Bolzen zusammengehaltene Eisenplatten und endigt in der Proßöse.

Die Achsschenkel sind nicht

261 verstählt, da sie in broncenen Nabenbuchsen laufen. Die Räder sind nach dem Madras - Modell konstruirt. Die Einrichtung der Munitions behältnisse ist sehr einfach und so angeordnet, daß, wenn der Deckel ge= schlossen ist, jede Granate durch einen am Deckel befindlichen hölzernen Kompressor fest in ihrer Lage gehalten wird. Rechts und links der Laffete befinden sich zwei Achskasten, deren Deckel als Size für zwei Kanoniere der Fußbatterie dienen können, während zwei andere Kanoniere auf der Proße und noch zwei auf den Handpferden ihren Plaß finden , so daß das Geschüß unabhängig von ſeinem Munitions-Wagen ins Gefecht gehen und die Bediennung ohne Ermüdung das Feuer beginnen kann. In dem Achskasten der Sattelseite befinden sich 3 Kartätschbüchsen mit ihren Ladungen , ferner die Kartuschnadel und die Schlagröhrtasche. In dem Achskasten der Handſeite ſoll ein Kartätſchſchuß und ein Diſtanzen messer untergebracht werden. Die Proze enthält der Regel nach 30 Schuß, kann aber nöthigenfalls 36 aufnehmen. Mit aufgeseffener Bedienung haben die Gespanne 331/2 Ctr. zu ziehen, demnach 1½ Ctr. mehr als die Bespannungen der englischen 9pfündigen reitenden Batterien mit Hinterladungsgeschüßen und un gefähr ebenso viel als die der glatten 6pfündigen Batterien der reiten den Artillerie in Ostindien. Wagenproße und Wagen enthalten 96 Schuß, können aber im Be

darfsfalle mit 128 Schuß verpackt werden ; die Wagenproze kann mit der Geschüßproze vertauscht werden. Das Gewicht des ausgerüsteten Wagens beträgt fast ebenso viel , wie das des Geschüßes , nämlich 33 Centner. Die Feldschmiede unterscheidet sich wenig von der bisher gebräuch lichen, doch ist bei ihrer Konstruktion , so weit als irgend möglich, Eisen ftatt des Holzes benutzt worden. Die Laffete hat eine große Haltbarkeit gegen das eigene Feuer bes währt , da ein Exemplar derselben gegen 4000 Schuß ausgehalten und, trotzdem davon 500 Schuß mit gehemmten Rädern geschehen , noch ebenso gut erscheint , als wäre sie neu. Die Annahme dieser Laffete wird die ostindische Artillerie von großen Verlegenheiten befreien. Zwar besitzt Ostindien vorzügliches Holz, dasselbe ist aber in Folge der Ver nachlässigung der Forstkultur und in Folge der Anlage von Eisenbahnen

262 äußerst knapp geworden. Die zur Fabrikation der Laffeten geeigneten Hölzer müssen vor ihrer Verarbeitung mehrere Jahre lang in bedeckten Räumen aufgeschichtet werden ; dabei reißt ein großer Theil der Vor räthe beim Austrocknen so stark, daß eine Benutzung zu den wichtigeren Fahrzeugtheilen , beispielsweise zu dem Block und zu den Naben , nicht möglich ist. Wenn daher ein großer Bedarf an Artillerie-Material ein tritt, wie dieß während und nach dem Seapoy- Aufſtande Statt fand, ſo liegt die Hauptschwierigkeit zur Ausrüstung der Batterien in dem Man gel an getrockneten Hölzern. Bei der neuen Laffete ist das größefte erforderliche Holzſtück das Achsfutter ; da dieses mehr als Polster wirkt, so ist seine Vortrefflichkeit teine Existenzfrage für die Brauchbarkeit der Laffete.

Die Speichen,

Felgen, die kleinen Holzstücke an der Proße werden in Ostindien in kei nem Falle Schwierigkeiten für die Beschaffung hervorrufen. Die Auseinanderstellung der eisernen Laffetenwände gestattet die Be nutzung der vorzüglichen Richtmaschine von Sir Joseph Whitworth. Bei der hölzernen Blocklaffete war man gezwungen, ein ziemlich bedeutendes ovales Loch gerade an einer Stelle anzubringen , an der der Block ſtar ken Angriffen ausgesetzt ist.

Rund um dieses Loch mußte man vier

kleinere Deffnungen für die Bolzen zur Befestigung der Schraubenmutter der Richtschraube anbringen. Dieser Konstruktionsmangel ist bei der eisernen Laffete vermieden. Ostindien leidet an der erschreckenden Plage der weißen Ameisen, gegen die das einzig sichere Vorbeugungsmittel darin besteht, alle Holzgegenstände möglichst zu beseitigen . Bei einer ausgerüsteten Batterie läßt sich die Plage durch gute Aufsicht wohl beherrschen , aber in den Arsenalen und Werkstätten wird die Schwierigkeit eine kaum zu bewältigende. Bei den neuen Laffeten und Fahrzeugen ist möglichst viel Eisen benußt, bie Beaufsichtigung der Vorräthe wird daher eine ungleich leichtere sein. Oberst Maxwell vergleicht am Schlusse seines Vortrages den 9pfündigen Vorderlader mit dem in England bestehenden Hinterlader. Er bezweifelt nicht die Möglichkeit der Konstruktion eines 9pfündigen Armstrong-Hinterladers von 8 Ctr. Gewicht, welcher mit 18/4 Pfd. Ladung dieselbe Präcision und Rasanz der Flugbahn ergiebt , wie der neue 9pfündige Borderlader, aber es unterliegt nach ihm keinem Zweifel, daß die bestehenden Hinterlader in beiden Punkten der neuen Konstruktion

263 nachstehen. Die Hinterlader von Armstrong führen außerdem folgende Komplikationen herbei : 1) Schlag- oder Friktionssätze in den Zündern , welche, abgesehen von besonderen Vorsichtsmaßregeln bei der Verpackung, durch klimatische Einflüsse und rohe Behandlung leiden over gefährlich werden. 2) Verschlußschraube mit Hebel und Reservestücken.

3) Verschlußstück mit Vorrath. 4) Schutzüberzüge . 5) Werkzeuge zur Beseitigung von Mängeln. 6) Schmiermittel in Zinnkapseln. 7) Bleimantel der Geschoffe , welcher Gummiplatten in den Mu nitionsbehältnissen nothwendig macht.

8) Brüniren und Fetten des Rohres. Oberst Maxwell will es dahingestellt sein lassen , ob diese Kom plikationen für Europa entschieden gegen das Armstrong-Hinterladungs geschüß sprechen , für Ostindien ist dieß seiner Meinung nach unzweifel haft der Fall. Dort herrscht eine Atmosphäre, welche in kurzen Zwischen räumen zwischen der Wärme eines überheizten Ofens und eines Dampf bades schwankt.

Ausdehnung, Zusammenziehung, Rost, Thau unter

werfen daselbst das Kriegsmaterial zehnmal härteren Angriffen, als dieß jemals in Europa geschieht. Außerdem ist für Ostindien die Quelle der Vorräthe so entfernt - für Hinterladungsgeschütze wäre man auf England angewiesen ―― daß , selbst wenn der Seeweg nicht gefährdet wäre, das Land verloren gegangen sein kann , ehe der Nachschub eingetroffen ist. Man könnte freilich bedeutende Material - Vorräthe in befestigten Ar senalen niederlegen , um allen erdenkbaren Bedürfnissen zu begegnen. Aber abgesehen von den klimatischen Einflüssen auf diese Vorräthe, zeigt die Erinnerung an Delhi im Jahre 1857, daß England auf diese Weise den einheimischen Gegnern leicht Waffen z Hände liefern kann, denn bei allen Rebellio

eigenen Vernichtung in die 1 wird der erste Zweck der

Insurgenten dahin gehen, sich in den Besit von Waffendepots zu setzen. Ostindien dürfte daher um so ruhiger bleiben, je weniger große Waffen vorräthe es in den gefährdeten Distrikten außer denen , welche zum un mittelbaren Gebrauche der Truppen dienen, besigt.

So erscheint also

die Fabrikation der Waffen auf eigenem Gebiete der Anhäufung von Borräthen vorzuziehen ; freilich müssen dann die Werkstätten dergestalt

264 organiſtrt sein, daß sie bei Tag- und Nachtarbeit den eintretenden Ver brauch in ununterbrochener Folge zu ersetzen vermögen. Und welche Vortheile würde dem gegenüber das Hinterladungs Geschüßsystem für Ostindien darbieten ? Oberst Maxwell meint den einzigen greifbaren Vortheil in der Gleichförmigkeit des Materials der englischen und der ostindischen Artillerie entdecken zu können und ſpricht seine Hoffnung aus , daß dieser Vortheil sich baldigst durch allgemeine Adoptirung des Vorderladungssystems realisiren werde. Dagegen nennt er als Vortheile des letteren Systems : 1) Einfachheit des Materials und der Ausrüstung , welche die Fa brikation in Ostindien gestattet. 2) Sicherheit der Vorräthe gegen die klimatiſchen Einflüffe Oft Indiens.

3) Deconomie. Um einen Vergleich mit den gezogenen Feldgeschüßen des kleineren Kalibers der verschiedenen Staaten zu gewähren, hatte Oberst Maxwell den Zuhörern eine Tabelle über die Einzelheiten der wichtigeren der artigen Geschütze vorgelegt, in welcher auch der preußische 4 - Pfdr. Beachtung gefunden hatte.

Die Tabelle besitzt ein unzweifelhaftes In

teresse, namentlich da aus ihr die Details des 9-Pfdrs. der ostindischen Artillerie ersichtlich sind, sie mögen daher hier zum Schluffe folgen, aber mit Weglassung der Angaben bezüglich des preußischen 4-Pfdrs. , weil diese nicht in allen Punkten vollständig genau , den Lesern dieser Zeits schrift dagegen vollständig bekannt sind. Bemerkt muß hierbei noch werden , daß alle Angaben in englischen Maaßen und Gewichten , wie dieß in dem vorstehenden Auffage durchgängig geschehen, erfolgen.

Breite der Züge

Züge der Zahl der Tiefe Züge

Drallwinkel Seelenlänge Rohrgewicht

Caliber

Spitze Granate der Länge · Granate der Cylinders des Länge

Durchmesser Granate der

. Munition

Theils gezogenen des Länge

·

Geschützrohr .

Zoll

Grad Kaliber . Ctr

Boll

Zoll

3,02 3,07

3,19 3,91

3,089

2,83 3,47

3,305

0,67

49,4 °53 '6 16 6,5

1,54

0,113

3,41

42,2 8º ' 30 15 5,177

6 0,175

3,17

0,148

6

scher -Pfdr .4

3,42

3,418 3,522 2,08 4,83

0,051 vorne 0,61 hinten 0,77 47 '40 35 17 6,43

12

Ostindischer

0,11

-Pfdr .9 . orderlader VHinterlader

3,13 4,8

2,94

63,5 °9 '5 21,2 8,1

0,8

3 3

Russischer

- fdr .P4 Desterreichi Französischer P.4 - fdr

Vorderlader

0,045

'4º 43 17,5 6,5

3 38

.Hinterlader 9. Bidr .

Englischer

leichteren der Details Feldgeschüße Artillerien verschiedener .gezogenen

265

11

"

"

Geleise .

mit " "1 Schußzahl ,n mitgeführt a Laffete

Proge . Raddurchmesser

"

Raddurchmesser

. Laffete

3oll 60

62 60 = Rohr ohne Laffete ausgerüsteten der .Gewicht Ctr 10,5 17

Boll

Berhältniß Ladung der Granatgewicht zum

Anfangsgeschwindigkeit

42

1,125

8,5 529

1 8 Secunde in Fuß 1058

Gewicht Granate geladenen der . Pfd Gewicht Granat S -der prengladung Unzen Kugelzahl Shrapnel im Gewicht Shrapnels des . Pfd Kugelzahl Kartätschen in Gewicht Kartätschen der . Bfd Geschüßladung

P9 -. fdr

43,2

56,3

56,3 56,29 8,42 13,88

59,7 52,5 8,6 13,78 3

4

8,9 7 85 9,72 41 9,73 1,21 1 7,4 1066

7,99 7 80 8,03 56 7,94 1,1 1 7,3 1093

-Pidr 4 .scher

48

58 48 8,39 14,07

1 9,3 ?

8,43 1,35

40

12,5 7,9

60

62 60 10,5 18,75 4

9 7,5 63 9,25 113 9 1,75 1 5,1 1381

Ostindischer Russischer 4Pfdr 9.Bfd . r . | Französischer DesterreichiHinterlader . . Vorderlader P4 -. fdr

Vorderlader

-

Englischer Hinterlader .

66

1

Bierunddreißigster Jahrgang.

dienung . ·

10

Band LXVIII.

-

3

.18 ist verpackt Schuß mit ausnahmsweise oder enthält Schuß 15

3

2

160

156

124

ein Wagen und Geschüß pro Schußzahl

Prozze Bedienungs auffißenden Zahl der { Laffete mannschaften ·

6,4

25,76

-

5,9

4

3

4

33

40

10,1

5,2

4

6

23,63

20

36

9,86

13

Bespannung Zahl Pferde der • Be aufgesessene ohne Pferd pro Gewicht . Ctr

6

11 31,5

18 10

6

34

15

4

6

8

18

130

6,1

4

8,95

24,4

1

. Ctr Geschüßes ausgerüsteten des Gewicht

Berschiedene Angaben .

Granate Brandgranate Munitionsverhältniß Shrapnel in Prote Segmentgranate Kartätsche .

Schußzahl in Proze

Ctr .

1

1

Gewicht verpackten der Proze

I

18

-B

5,7 *)124 148 2

33,5 )* 34,1 6

6

16

14,0 14,6 30 ) * 36 8

von Zahl ige die reglementsmäß nur skaften Munition jeder ,jan nachdem Verhältnisse geben Zahlen )D *eie

267

23

268

XVI .

Nachrichten über Mitrailleuſen.

Im m 68. Bande des Archivs für die Offiziere des Preußischen Artillerie und Ingenieur-Korps , 1. Heft , Seite 1 erschien ein im November 1869 geschriebener Aufsat : ,, Der taktische Werth der Revolver kanonen" betitelt , worin , angeregt durch die in München mit ver schiedenen Modellen dieser neuen Erfindung stattgehabten Schießversuche, gleichzeitig ein Versuch gemacht werden sollte , den taktischen Werth und die taktische Verwendbarkeit dieser neuen Geſchüße auch in theoretischer Beziehung näher zu betrachten und sich ein vorläufiges Urtheil darüber zu bilden. Niemand konnte damals ahnen, wie rasch den theoretisch aufgestellten Betrachtungen die Praxis folgen sollte.

Als Resultat jener

Münchener Schießversuche war von Baiern das sogenannte Feldle'sche Kartätschgeschütz adoptirt und eine Batterie unter dem Kommando des Verfassers jenes oben angezogenen Aufsatzes dem Korps v. d. Tann nach Frankreich nachgeschickt worden. Dieser Batterie ist bei den En gagements dieses Korps um Orleans eine thätige Rolle mitzuspielen, zu Theil geworden und es dürfte daher ein großes Intereffe haben , etwas Näheres und Zuverlässiges *) über die Thätigkeit dieser Batterie und welchen Einfluß die Praxis auf die im oben angeführten Auffaß ent wickelten theoretischen Ansichten des Verfassers gehabt hat, zu erfahren. Die Redaktion führt daher aus einem vom 30. Dezember 1870 vorliegenden Briefe, den Verfaffer selbstredend ein : Außer bei Artenay, wo es mir gelang , eines meiner 4 Geschütze, und dieß nur um wenigstens einmal zu einem Schuß gekommen zu ſein, ins Feuer zu bringen , konnte ich in dem Gefechte bei Culmiers am

*) Ein über die Leistungen dieser Batterie in der Schlacht bei Orleans am 11. Oktober aus der Abendzeitung in andere Blätter über gegangener Artikel entbehrt der Wahrheit. Gerade bei dieser Gelegenheit ist die Batterie nicht einmal zum Schuß gekommen.

269 9. November zum ersten Male einen passenden Wirkungskreis für meine Batterie finden.

Dieselbe war der Artillerie - Reserve - Abtheilung des

ersten bairischen Armee - Korps zugetheilt, und so sehr man natürlich dafür intereſſirt war , diese Neuerung praktisch zu erproben, konnte man doch weder in dem Gefecht von Artenay , noch in der Schlacht bei Or leans eine günstige Gelegeuheit für sie finden. Es waren dies reine Offensivgefechte, und da ſich bei denselben im coupirten Terrain die erſte Bedingung für derartige Geschüße : ,,dichte Ziele und freies Schußfeld" entweder gar nicht, oder nur äußerst selten fand, so geschah es, daß ent weder für die Batterie die Gelegenheit zur Wirkung mangelte, oder, wo dieß zufällig hätte zutreffen können , die Batterie nicht zur Hand war. Culmiers hingegen war ein Defensivgefecht , oder ist es wenigstens am Schlusse geworden, und so konnte endlich hier die Batterie zur Orts vertheidung verwendet werden. Diese Thatsachen haben allerdings die in meinem frühern Artikel : ,,Der taktische Werth der Revolverkanonen " ausgesprochene Ansicht, daß jebes derartige Geschütz seiner Natur nach nur ein Defensivgeschütz sei und sein könne, vollkommen bestätigt. Obgleich nun diese Ansicht in militairischen Kreisen bei weitem die

meisten Anhänger zählt, so fehlt es dennoch auch nicht an solchen, welche die Mitrailleuse als taktisches Universalmittel für alle Siege preisen, und denen zufolge eine Armee nie mit einer genügenden oder zu großen Anzahl solcher Geschüße ausgerüstet sein kann. Fast ebenso auseinander gehend wie diese Meinungen , sind auch die Urtheile über die wirkliche Leistung der französischen Mitrailleusen im gegenwärtigen Kriege. Auf der einen Seite eine vollständige Geringschätzung , auf der anderen die Betheuerung ihrer verheerenden Wirkung. Ein definitives Urtheil hierüber wird wohl die spätere ruhige Abwägung schaffen. Jedenfalls waren die französischen Mitrailleusen im gegenwärtigen Kriege in ihrer beften , der defensiven Wirkung , und sollte der Umstand, daß unsere Braven auch ohne und troß dieser Mordinstrumente gestegt haben, das Endurtheil auf Seite der Ersteren neigen, so steht zu erwarten , daß ihnen für immer der Stab gebrochen ist, und sie es sich gefallen lassen müssen , ihr junges Dasein in den Flankenkasematten der Festungen zu vertrauern. 18*

270 Als ich den oben angeführten Artikel im November vorigen Jahres schrieb, hatte ich mit so vielen Anderen keine Kenntniß vom Detail des Feldle'schen Geschüßes. Es wird daher eine kurze Beschreibung desselben nicht ohne Interesse sein. Das Feldle'sche Kartätſchgefchüß (wie es offiziell genannt wird) iſt so zu sagen ein 4faches Werdergewehr mit mechanischer Ladevorrichtung, oder kurz ein 4 faches Werder- Repetirgewehr.

Die Läufe sind der starken

Erhizung halber etwas ſtärker im Metalle als jene des Infanteriegewehres und liegen horizontal und parallel neben einander. Die Ladung geschieht mittelst senkrecht aufgestellter Patronenmagazine , von denen jeder Lauf je 2 mit 41 Stück Patronen besitzt.

Diese liegen horizontal in den

Magazinen und fallen durch ihr eigenes Gewicht nach und nach in einen Zubringer, der sie , sobald das Verschlußßtück , in welchem der Zündstift spielt, zurückgezogen wird , mit einer Drehung in den Laderaum bringt. Das Verschlußstück schiebt sich hierauf vor , ſeßt die Patrone feft in den Lauf und der Hahn schlägt auf den Zündstift.

Der Mechanismus ist so

eingerichtet , daß ein Lauf nach dem andern losgeschlagen wird, und bei jedem Lauf zuerst das rechte Patronenmagazin ausläuft, so daß dasselbe, während das linke arbeitet , wieder ersetzt werden kann.

Gleichzeitig

kann während des Schießens eine horizontale Streuung von im Ganzen 280 nach beiden Seiten gegeben werden , was eine Streuungsbreite er giebt, welche nahezu der halben Schußdistanz gleichkommt.

Die höchste

Leistung des Geschützes ist 400 Schuß in der Minute, welche jedoch nur ausnahmsweise erreicht werden kann , so daß man im Mittel eine Schußgeschwindigkeit von höchstens 300 Schuß per Minute annehmen darf. Der Mechanismus ist äußerst finnreich , und der große Vorzug des Feldle'schen Geschützes gegenüber der französischen Mitrailleuse liegt darin, daß, während hier stets 25 Schuß auf denselben Fleck gerichtet find, bei jenen eine große Breite gleichzeitig beunruhigt ist. Dagegen haben die französischen Mitrailleusen eine größere Schußweite , die nur durch Aufgabe der Einheitsmunition mit jener der Infanterie zu er reichen wäre. Für die größte Feuergeschwindigkeit bedarf das Geschütz zum Schießen nur 2 Mann Bedienung , dagegen sind immerhin noch 3 bis 6 Mann zum Beitragen der Munition und zum Nachfüllen der aus

271 geschoffenen Magazine nöthig. Es sind deßhalb vorläufig bei uns auch 8 Mann als Norm angenommen. Bei der Zusammenstellung, wie die baierischen Kartätschgeschütze heuer in das Feld zogen, wiegt : das Geschütz allein ..

437 kilo, 658 die Geschüßproße mit 6864 Schuß ausgerüstet Geschig und Proße zusammen mit 2 Mann 1250 Bedienung auf letterer • =

Der Munitionswagen , als welcher der abgeän derte französische 4-Pfdr.-Munitionswagen be nuzt wurde, mit im Ganzen 16,016 Schuß ausgerüstet, ohne Bedienungsmannschaft mit 5 Mann Bedienung •

·

· 1620

·

1995

=

Zu Geschütz und Wagen wurden je 4 Pferde als Bespannung ge nehmigt, so daß beim Geschüße auf das Pferd 312 , beim Wagen 497 Kilo Zuglast kommen , ein bedeutend größeres Gewicht, als in meinem früheren Auffage angenommen wurde. Im Gefechte am 9. November war ich erst gegen das Ende deffelben aus meiner Bereitschaftftellung vorgeholt worden und erhielt die Auf gabe, mit einem Bataillon Infanterie die Besatzung Culmiers zu unter K Als ich in das

stützen und die Behauptung des Dorfes zu versuchen.

Dorf kam, ließ ich den ersten Zug südwestlich desselben auf einem ziem lich freien Plaße auffahren , und den zweiten Zug eine mit Graben und Hecke umgebene Wiese beseßen , welche zwischen der Position des ersten Zuges und einem westlich vorspringenden Parke gelegen war ; letterer war von unserer Infanterie besetzt. Wir traten sogleich auf 700 bis 800 Schritt gegen feindliche Infanterie in Aktion , und beschoffen , nach dem dieselbe sich zurückgezogen hatte, eine Batterie, welche mit einer Geschützbatterie von uns kämpfte und ca. 1200 Schritte von uns ent fernt war.

Auch diese fand es nach kurzer Zeit für gut , sich zurück

zuziehen und eine weiter rückwärts gelegene Position einzunehmen. Ebenso gelang es der Batterie , drei Mal vorbrechende feindliche In fanteriekolonnen zur Umkehr zu zwingen.

Endlich mußte aber die

Stellung aufgegeben werden , einmal weil unsere Infanterie nicht län ger im Stande war , den Park , um dessen Besig schon den ganzen Tag

272 über gekämpft worden war , gegen die feindliche Uebermacht zu halten und dann , weil bei den Geſchüßen Störungen im Mechanismus ein traten und mehrere Läufe derselben den Dienst versagten. Der erste Zug war inzwischen auf Befehl des Höchſt-Kommandirenden aus dem Gefechte zurückgezogen worden, während es der zweite Zug noch versuchte, die leßten Häuser des Dorfes zu halten und wir bemüht waren , die Infanterie hierzu zu bewegen.

C

Es gelang dieß auch für

einige Zeit, und zur Unterstützung derselben wurde ein Geschüß, welches noch 2 brauchbare Läufe hatte, am südwestlichen Ausgange des Ortes gegen feindliche Infanterie in Aktion gebracht, welche bereits bis auf 300 Schritte vorgedrungen war.

Aber auch hier war unseres Bleibens

nicht lange, denn alsbald wurde abermals ein Lauf unbrauchbar, die Infanterie hatte sich zum großen Theile verschoffen und war , nachdem sie seit Mitternacht auf dem Marsche und seit Morgens 9 Uhr im Kampfe gewesen war , zu erschöpft, um länger der großen feindlichen Uebermacht erfolgreichen Widerstand zu leisten.

Außerdem waren fran

zösische Abtheilungen bereits von Norden her in das Dorf gedrungen, so daß wir unter Kreuzfeuer kamen , und uns genöthigt sahen , mit un seren nicht mehr kampffähigen Geſchüßen den Rückzug anzutreten, welcher ruhig und ohne jede Störung von Seite des Feindes bewerkstelligt wurde. Es war dieß Abends 41/2 Uhr. Unsere Verluste waren verhältnißmäßig gering : 1 Offizier und 1 Unteroffizier verwundet. Die Batterie war während ihres 1½ſtündigen Wirkens offenbar vom Glücke begünstigt. Die feindliche Infanterie schoß fast durchgängig zu hoch, und auch die niedriger gehenden Geschoffe hatten wenig Schaden gethan.

Es waren im Ganzen 36 Mann und 32 Pferde

im Feuer und außer den angegebenen schweren Verlegungen waren im Gefechte 8 Mann theils leicht gestreift, theils nur an Ausrüßungs- und Bekleidungsgegenständen beschädigt.

Von den Pferden waren gleichfalls

6 meist ganz leicht, keines aber schwer verwundet. Nach dem Gefechte hatte die Batterie von ihren 16 Läufen nur nochHom 3 gefechtsfähig. Diese allerdings auffallende Thatsache ist jedoch keineswegs eine Folge des Geschützsystems, sondern liegt nur in der bei der raschen Ausrüstung der Geschütze unmöglichen sorgfältigen Er probung nach allen Richtungen. Die Ursache liegt darin, daß die Pa tronen nur lose in den Magazinen liegen, und nach Herausnahme der

{

to

273 ſelben immer noch einige in den Scheiden liegen bleiben, in welche die Ma gazine eingesteckt werden.

Diese Patronen stellen sich beim Fahren auf

und fallen schief in die Zubringer, wodurch sie sich beim Funktioniren des Geschüßes in den Röhren , resp . den Verschlüssen derselben einklemmen. Diese Uebelstände werden späterhin technisch leicht zu überwinden ſein, aber momentan sind die Geschütze allerdings dazu verdammt, nach Ein nahme ihrer Position ruhig stehen zu bleiben . Die von mir gemachten Erfahrungen haben nun mein früheres Ur theil, daß die Revolvergeschüße nur von sehr beschränkter Anwendung und jedenfalls nur für die Defenſive von großem Werthe ſeien , nicht nur für meine Person bestätigt, sondern eher noch verschärft. Hier noch einige Begründung. Eine Kartätschgeſchüß -Batterie von 6 Geſchüßen kann bis 300 Schuß per Geſchüß und Minute in diesem Zeitraume 1800 Schuß abgeben. Das Werkergewehr ermöglicht für sehr geschickte Schüßen in der Mi nute bis zu 24 Schuß. Nehme ich eine Durchschnittsleistung von neun Schuß in der Minute an , so entspricht die Feuerwirkung der Batterie jener von 200 Mann Infanterie. Außer dem Apparat an Geschützen, Munitionswagen , Feldschmiede und Beiwagen bedarf die Batterie fünf Offiziere und vom 1. Unteroffizier abwärts mindestens 73 Mann Be dienung und 36 Mann Fahrmannschaft (die Bespannung durchgehends nur zu 4 Pferden gerechnet). Wir haben also 200 Mann Infanterie gegen 109 Mann Artillerie , zu welch letzterer noch 87 Pferde kommen. Hierbei muß zugestanden werden, daß die Rechnung so günstig als mög für die Infanterie gestellt ist.

Was können nun aber 200 Mann In

fanterie im Vergleiche zu dieser Artillerie leisten ? Jeder Busch , jede Terrainwelle ist ihnen eine Deckung ; sie können sich jedem Terrain an schmiegen und außer dem phyſiſchen ruht noch in jedem Einzelnen ein geistiger Faktor , der nicht genug zu schäßen ist.

Von den Anhängern

der Kartätschgeschütze wird nun allerdings eingeworfen, daß die Schuß wirkung der Maschine eine weit gleichmäßigere und richtigere , als jene des Mannes ist. Gleichmäßig ! gut, das muß zugestanden werden, aber wer will, wenn er nicht ganz dichte Ziele vor sich hat, die Wirkung der Infanteriegeschosse beobachten, und liegt nicht die Befürchtung nahe, daß die Gleichmäßigkeit ebenso im Fehler wie im Treffen liegt ? Kann ein Geschüß, welches die Distanz falsch geschätzt hat, dieselbe nicht trotz Allem

274 und Jedem stundenlang beibehalten ? Gewiß wird nicht nur die Mög lichkeit, sondern auch noch zugestanden werden müssen, daß ihr Vor kommen kein ganz seltenes sein wird. Nach meiner Ueberzeugung hat daher ein Revolvergeschüß nur da großen Werth, wo seine Wirkung jene einer größeren Anzahl Infanteristen erſeßen muß, zu deren Aufstellung es an Raum gebricht.

Also Defilees,

Festungsgräben 2c. Wenn man aber doch für die sehr wenigen Fälle, welche im Feldkriege zur Verwendung von Revolvergeschüßen sich dar bieten und die hauptsächlich in der Defensive liegen, es für nöthig hält, solche mitzuführen, so dürfte meiner Meinung nach keine eigene Batterie aus denselben zusammengestellt, sondern müßten sie vielmehr in die Mu nitionskolonne eingefügt werden, aus denen ſie dann, im Falle die Armee zur Defensive gezwungen wäre, hervorgeholt und in verschanzte Stellungen eingebracht werden müßten. Immer und immer aber steht die Wirkung einer 6pfündigen Feld batterie , deren Apparat nur um Weniges kostspieliger ist , als jener der Revolvergeschütz = Batterien , ungleich höher, denn ihre allgemeinere und meist ausgiebigere Verwendung wird den Mangel an Revolverbatterien in den ganz wenigen speziellen Fällen reichlich erseßen. So weit meine Ansicht und die Thatsachen, welche ich für dieselbe aufzuführen im Stande bin. Die vor Paris noch aufgestellte Kartätsch

batterie ist meines Wissens nach nicht zum Schuß gekommen, und hat vielleicht noch Gelegenheit, weitere praktische Belege für ein zu bildendes Urtheil zu liefern. Linas, 30. September 1870.

XVII.

Beschreibung eines Sicherheits-Vorsteckers für Per kussionsgeschütze gezogener Hinterlader.

Die nachfolgend von mir beschriebene Idee ist von einem baierischen Infanterie - Offizier , der gerade im Konstruktionsfache besondere Be

!

275 fähigung befitt , den aber auf der einen Seite zu große Bescheidenheit, auf der andern vielleicht nicht ganz genaue Kenntniß des gesammten Artillerie-Materials abhält, ſeine mannichfachen Arbeiten bekannt zu machen. Merkwürdiger Weise hat er jedoch gerade dies Projekt einer tech nischen Kommission in Vorlage gebracht, allein ohne Erfolg. Vor kurzer Zeit hatte ich das Vergnügen, die Bekanntschaft dieses Kameraden zu machen , und da er mich mit seinem Vertrauen beehrte, erbat ich mir die Erlaubniß, seine Idee veröffentlichen zu dürfen. Meine persönliche Ansicht ist, daß durch Ausführung des Projektes eine wesentliche Verbesserung unserer Gefchoffe erreicht würde. Gerne hätte ich mit der Idee auch den Namen des Urhebers be kannt gegeben , allein derselbe machte es mir zur ausdrücklichen Bedin gung, dies nicht zu thun , ――― dies führe ich an, um etwaigen Miß deutungen nicht ausgesetzt zu sein.

Jest zur Sache : Der projektirte Vorstecker soll einen doppelten Zweck erfüllen. 1) Vereinfachung der Zündvorrichtung. 2) Sicherung beim zufälligen Fallenlassen des Ge= schosses. Er besteht aus zwei Theilen , a ons ng ati htu Rot -Ric und b, welche durch eine Drahtſchlinge c zusammengehalten werden . Der längere Theil a , der voll ständig über den Nadelbolzen über greift, besigt einen keilförmigen Ansatz, welcher, in der Rotationsebene ge legen, die Wandung des Geschosses berührt. Der kürzere Theil b bildet , mit a vereint, den eigentlichen Schaft des Vorsteckers und haben beide zusammen eliptischen Querschnitt.

Am Ende des Schaftes besitzen a und b eine ringförmige Aus fehlung. In dieser liegt die Drahtschlinge e gerade so , wie bei den baierischen messingnen Reibzündröhrchen. Das Vorsteckerloch ist kreisrund.

276 Sind nun beide Theile des Vorsteckers verbunden , zuerst also a

Hieraus folgt, daß : 1) der Vorstecker nach dem Einseßen des Nadelbolzens eingesetzt werden kann , ohne daß die Möglichkeit vorhan . den ist, daß er herausfalle - in zweiter Linie , daß das Ge schoß schon beim Transport oder doch bei Gefechtsbereit , schaft mit der vollständigen Zündvorrichtung versehen wer den kann. 2) Da weiter die Zündschrauben nur eine Folge der bis herigen Anordnung waren , so ist ersichtlich , daß dieselben beim Gebrauche des projektirten Vorsteckers ganz hinwegfallen , die Zündpille aber in der nunmehr vollen Mundlochschraube angebracht werden könnten. Wird die Drahtſchlinge e gelöst , so kann der Theil b aus dem Vorsteckerloche entfernt werden und der Theil a gewinnt nun Spiel. raum, kann also mit ſeinem keilartigen Anſaße ebenfalls herausgenommen werden. Führt man demnach das Geschoß mit durchschnittener Schlinge e ein, so wird durch die Centrifugalkraft zuerst b nach dem Schusse heraus geschleudert werden, während a folgt. Es ist also: 3) das Geschoß ebenso explosionsfähig als jeßt. Zwickt man die Drahtschlinge e gerade an der gewürgten Stelle ab, so liegt der Messingdrahtring noch in der Auskehlung so fest, daß beim Herabfallen des Geschosses, geschehe dies durch Unvorsichtigkeit oder durch eine Verwundung des Trägers , der Theil b noch zurückgehalten wird, während der Ring dem Druck bei der Rotation nicht widerstehen wird. Sollte jedoch der Draht ganz abgezwickt sein , so ist es im höchsten Grade unwahrscheinlich , daß auch schon a das Vorsteckerloch verlaſſen habe, bevor das Geschoß am Boden angekommen ist. 4) Eine Explosion beim Laden ist demnach nicht leicht

möglich, wenn nicht ganz verhindert. Im Hinblick auf das Vorkommniß bei den baierischen Artillerie Schießübungen auf dem Lechfelde, wobei durch das Herabfallen einer

17 7

eingesteckt, sodann b und die Drahtschlinge angelegt, so findet der Anſag d im Vorsteckerloch nicht Raum zum Herausgleiten.

277 6pfündigen Granate beim Entladen durch deren Exploſion ein Offizier tödtlich, zwei Mann gefährlich verwundet wurden , wäre nach meiner Meinung 4 hinreichend, um das Projekt zur Einführung gelangen zu laſſen. Sicherheit, Vereinfachung bei gleicher Wirkung, ein so seltenes Zu sammentreffen, sprächen zu Gunsten. Der Geschüßkommandant wäre mit einer kleinen Drahtzange zu ver sehen und hätte vor dem Einführen die Drahtſchlinge c an der ge= wundenen Stelle abzuzwicken. Ein Vorwurf, der den gezogenen Hinterladern gemacht wird Komplizirtheit und Gefährlichkeit ihrer Munition wäre meines Erachtens damit beseitigt. Anmerkung: Das günstigste Material für den a und b verbinden

den Ring müßte durch Versuche gefunden werden, ich halte es nicht für unmöglich, daß ein elastischer , schon offener Ring angewendet werden kann , der durch den Druck während der Rotation des Geschosses er weitert, kein Hinderniß für a mehr bildet. Landau, im Januar 1870.

XVIII.

Literatur. Schießversuche in Belgien gegen Panzerziele und Erdbruftwehren. In's Deutsche übertragen und mit einigen Zusäßen von du Vignau, Königl. Preuß. Generalmajor a. D. Kaffel 1870. Theodor Kay, Hof-, Kunst- und Buchhandlung. Preis 1 Thlr. 25 Sgr. Diese für die Fragen der Gegenwart höchst wichtige Schrift erhält ihren hauptsächlichsten Werth von den ihr zum Grunde liegenden That sachen, und außerdem durch eine Darſtellnng , welche nicht allein aus einer unbedingt sachverständigen Feder geflossen , sondern auch noch von nicht minder sachverständiger Seite überwacht und gut geheißen wor den ist. Ihrem Wesen nach ist sie , und zwar wie man dies will , die ältere oder jüngere Schwester der in der Königl. Hofbuchhandlung

278

von E. S. Mittler und Sohn erschienenen Schrift des Kaiserlich Russi fchen Garde-Artillerie-Hauptmanns von Doppelmair: ,,Die Preußischen Hinterladungs- Geschütze großen Kalibers aus Gußstahl und das 9zöllige Woolwich- Geschütz 2c." Als eine Anerkennung ihres Werthes ist auch der Umstand zu be trachten, daß sie von einem alten , mit der Zeit stets fortgeschrittenen, Artilleristen übersetzt worden ist, dessen Kriegserfahrung in die Zeit des Ersten Napoleon zurück reicht und welcher in der Preußischen Artillerie längere Zeit hindurch eine sehr einflußreiche Thätigkeit an maßgebender Stelle ausgeübt hat. Auf das Erscheinen dieser Schrift ist in vorliegender Zeitschrift be reits durch die Mittheilung der darin enthaltenen allgemeinen Schluß folgerungen Band 66, Seite 197, hingedeutet.

Die Mitrailleuse. Für Militärs und Nichtmilitärs populair bear beitet von Hilder , Hauptmann und Batterie - Kommandeur_im_oft preußischen Feld Artillerie Regiment Nr. 1. Mit 1 Tafel. Zum Besten des Vaterländischen Frauenvereins zu Danzig. Danzig 1870. L. Saunier'sche Buchhandlung. Preis 71/2 Sgr. Das vorliegende Schriftchen soll dem großen Publikum bei der Besichtigung der jetzt an vielen Orten zum Besten verwundeter Krieger zur öffentlichen Ausstellung kommenden Mitrailleusen einen Cicerone ab geben, um alle neugierigen Fragen, welche dies so überraschend auf dem Kriegstheater aufgetretene neue Mordinstrument veranlassen kann , in gemeinfaßlicher Weise zu beantworten. Nach einer Einleitung über die Geheimhaltung vor dem Kriege, folgt eine Beschreibung der Einrichtung und Handhabung dieses neuen Geschüßes , ganz in populärster , Jedem verständlicher Weise abgefaßt, welche dem vorgesetzten Zwecke des Verfassers vollständig entspricht. Es folgt dann noch eine kurze Würdigung der Vor- und Nachtheile der Mitrailleuse, wobei sich aber leider ein Druckfehler ( S. 30) eingeschlichen hat, welcher aus der Behandlung und Reinhaltung im Bivouak, auf Märschen und im Gefecht statt unüberwindliche überwindliche Schwie rigkeiteu macht. Möge ein reichlicher Erfolg den dankenswerthen Bemühungen des Verfassers zu Theil werden .

Druckfehler (LXVIII . Band ) . S. 3, 3. 13 v . o. lies demnach statt ,,Dennoch“. S. 6, 3. 18 v. o. lies Geschüßbedeckung statt ,,Geſchüßbedienung“. S. 6, 3. 21 v. o. der gleiche Druckfehler. 3. 7 v. o. lies entzogen statt ,, entgegen".

Berlin, gedruckt bei E. S. Mittler u. Sohn, Wilhelmstraße 122.

T féré aus Promancement.

] Luger

na

Grundriss.

O

in Coln

aus Ziegeln

Grundriss.

Kuth . Grube w ww.

narator

ZZZZ

exituffar l ium ad nece

Gefängniss

Ableitung

W

egreffus 02

l Tafe GREENUSII.

Fig 7 ..

Fig. 10 Ventilation durch Feuerung.

дар канд

Vi

2.

E

he

äc

fl

ch

ts

Ru

ZZZZ

ZIL

Feuerung Sterry

2

Kothgrube O

IZD Uringrube

20

Ful III

1

Taf IV.

el. (4).