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German Pages [348] Year 1961
J. H E M P E L • A P O X Y S M A T A
JOHANNES
HEMPEL
APOXYSMATA V O R A R B E I T E N ZU E I N E R R E L I G I O N S G E S C H I C H T E UND T H E O L O G I E DES ALTEN TESTAMENTS
F E S T G A B E ZUM 30. J U L I 1961
1961
VERLAG
ALFRED
TÖPELMANN
BERLIN
BEIHEFTE ZUR ZEITSCHRIFT FÜR DIE ALTTESTAMENTLICHE WISSENSCHAFT HERAUSGEGEBEN
VON
GEORG
FOHRER
8l
Alle Rechte, einschl. der Herstellung von Photokopien und Mikrofilmen von der Verlagshandlung vorbehalten
Printed in Germany Satz und Druck: Walter de Gruyter & Co., Berlin W 30
Sehr verehrter, lieber Herr Hempel! Sowohl der Herausgeber der ,,Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft" und die ihm zur Seite stehenden Mitherausgeber als auch der Inhaber des Verlages Alfred Töpelmann betrachten Ihren 70. Geburtstag als einen willkommenen Anlaß, Ihnen für die großen Dienste, die Sie unserer Zeitschrift mehr als drei Jahrzehnte hindurch geleistet haben und noch leisten, von Herzen Dank zu sagen. Sie verbinden damit den Wunsch, daß es Ihnen vergönnt sein möge, durch Ihre ganze Arbeit unsere Wissenschaft noch während vieler weiterer Jahre kräftig zu fördern und sich an ihrer weiteren Entwicklung zu freuen. Es ist nicht mehr als angemessen, wenn die „Zeitschrift für die alttestamentliche Wissenschaft" ihrem dankbaren Gedenken an Ihren 70. Geburtstag durch ein sichtbares Symbol Ausdruck verleiht, das zugleich ein Denkmal für Ihre dauernde Verbundenheit mit ihr bedeutet. So bringt sie Ihnen als Beiheft den Neudruck einiger Ihrer kleinen Schriften dar, die unsere Wissenschaft auch in Zukunft so bereichern und anregen mögen, wie sie ihr beim ersten Erscheinen wertvolle Anregungen gegeben haben.
W A L T E R BAUMGARTNER —
H E R B E R T CRAM —
OTTO EISSFELDT
GEORG FOHRER — P A U L HUMBERT — W . D . MCHARDY H E R B E R T G. MAY — THEODORE H . ROBINSON — LEONHARD ROST HAROLD H . R O W L E Y — WILHELM RUDOLPH — JOSEPH ZIEGLER WALTHER ZIMMERLI
INHALTSVERZEICHNIS Seite
Jahwegleichnisse der israelitischen Propheten Die israelitischen Anschauungen von Segen und Fluch im Lichte altorientalischer Parallelen
1
30
Das theologische Problem des Hiob
114
Vom irrenden Glauben
174
Gott, Mensch und Tier im Alten Testament
198
Das reformatorische Evangelium und das Alte Testament
230
Sünde und Offenbarung nach alt- und neutestamentlicher Anschauung
258
Prophet und Dichter
287
Wort Gottes und Schicksal
308
Das Alte Testament im Religionsunterricht
319
ABKÜRZUNGEN AbhGWG
Abhandlungen Göttingen
der
Gesellschaft
der
Wissenschaften
AbhSG(A)W
Abhandlungen der Sächsischen Gesellschaft (Akademie) der Wissenschaften
AfO
Archiv für Orientforschung
AJSL
American Journal of Semitic Languages and
AMZ
Allgemeine Missionszeitschrift
Anal Bibl
Analecta Biblica
zu
Literatures
APAW
Abhandlungen der Preußischen Akademie der Wissenschaften
ARW
Archiv für Religionswissenschaft
BASOR
Bulletin of the American Schools of Oriental Research
BoghSt
Boghazkoi-Studien
BVSGW
Berichte über die Verhandlungen der Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften
BWA(N)T
Beiträge zur Wissenschaft vom Alten (und Neuen) Testament
CIG(L,S)
Corpus Inscriptionum Graecarum (Latinarum, Semiticarum)
DAW
Deutsche Akademie der Wissenschaften, Berlin
DLZ
Deutsche Literaturzeitung
ERE
Encyclopedia of Religion and Ethics
FFC
Finnish Folklore Communications
FL
Folk-Lore
FRLANT
Forschungen zur Religion und Literatur Neuen Testaments
HUC(A)
Hebrew Union College Annual
JAOS
Journal of the American Oriental Society
JJS
Journal of Jewish Studies
JSS
Journal of Semitic Studies
des Alten
KAT(3)
Keilinschriften und das A T (Schräder, 3. Aufl.)
KB
Keilinschriftliche Bibliothek
und
LSS
Leipziger Semitistische Studien
MAOG
Mitteilungen der Altorientalischen Gesellschaft
MDOG
Mitteilungen der Deutschen Orientgesellschaft
MGWJ
Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judentums
MV(Ä)G
Mitteilungen der Vorderorientalischen (VorderorientalischÄgyptischen) Gesellschaft
NGAW(NGWG)
Nachrichten der Wissenschaften
Göttinger
Akademie
(Gesellschaft)
NJKA
Neue Jahrbücher für das klassische Altertum
OLZ
Orientalistische Literaturzeitung
Or(ient)
Orientalia
der
PE(F)Q P J (B) ProcSocBiblArch QDAP RA RB RGG RhM RVV StudBiblOr TU VAB VT WVDOG ZA ZDMG ZDPV
Palestine Exploration (Fund) Quarterly Palästina-Jahrbuch Proceedings of the Society for Biblical Archaeology Quarterly of the Department of Antiquities in Palestine Revue Assyriologique Revue Biblique Religion in Geschichte und Gegenwart Rheinisches Museum Religionsgeschichtliche Versuche und Vorarbeiten Studia Biblica and Orientalia Texte und Untersuchungen zur Geschichte der altchristlichen Literatur Vorderasiatische Bibliothek Vetus Testamentum Wissenschaftliche Veröffentlichungen der Deutschen Orientgesellschaft Zeitschrift für Assyriologie Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft Zeitschrift des Deutschen Palästinavereins
Die Qumrantexte werden nach Höhle (1 Q, 20 usw.) und Nummer zitiert.
QUELLEN VERZEICHNIS Jahwegleichnisse der israelitischen Propheten, aus: ZAW, Bd. 42, 1924 Die israelitischen Anschauungen von Segen und Fluch im, Lichte altorientalischer Parallelen, aus: Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft, Bd. 79, 1925 Das theologische Problem des Hiob, aus: Zeitschrift für systematische Theologie, Bd. VI, 1929 Vom irrenden Glauben, aus: Zeitschrift für systematische Theologie, Bd. VII, 4, 1930 (Festheft, dem Herausgeber Carl Stange dargebracht von seinen Mitarbeitern) Gott, Mensch und Tier im AT mit besonderer Berücksichtigung von Gen 1—3, aus: Zeitschrift für systematische Theologie, Bd. IX, 2, 1931 (Festheft für Ferdinand Kattenbusch) Das reformatorische Evangelium und das AT, aus: Luther-Jahrbuch, Bd. XIV, 1932 Sünde und Offenbarung nach alt- und neutestamentlicher Anschauung, aus: Zeitschrift für systematische Theologie, Bd. X, 1933 Prophet und Dichter, aus: Journal of Theological Studies, Bd. 40, 1939 Wort Gottes und Schicksal, aus: Festschrift für Alfred Bertholet, Mohr, Tübingen, 1952 Das A T im Religionsunterricht, aus: Der Weg zur Seele, Bd. IV, 1952
JAHWEGLEICHNISSE DER ISRAELITISCHEN PROPHETEN Die erste Vorbedingung für Arbeiten, die die Frömmigkeit eines Volkes zu erfassen suchen, muß es sein, neben den von der Tradition geheiligten »kanonischen« Texten der »Kirche« auch unmittelbare Zeugnisse des religiösen Lebens zu Rate zu ziehen und neben das geschriebene Wort das religiöse Bild zu stellen, wie wir ja überhaupt durch LAMPRECHT es gelernt haben oder doch gelernt haben sollten, die bildende Kunst einer Zeit — und die intime Kleinkunst mindestens ebenso wie die größeren Zwecken dienende Monumentalkunst — der Erforschung ihrer sozialpsychischen Gesamthaltung und Struktur dienstbar zu machen. Nirgends aber sind wir dabei so schlimm daran wie bei dem alten Israel; bei keiner Religion des Altertums sind wir so ausschließlich auf das literarische Überlieferungsgut angewiesen wie hier. Grabsteine, die dem Wunsch nach ungestörter letzter Ruhe oft so flehentlich, so ganz unmittelbar Ausdruck geben1, sind nicht auf uns gekommen, und Stücke wie die | Denksteine der Armen aus der Nekropole von Theben2 sprechen nicht zu uns. Aber bedeutsamer als das Fehlen steingehauener Worte ist, daß auch das steingehauene oder erzgegossene Bild fehlt. Wohl sind auf dem Boden Palästinas Funde von Gottesbildern zu verzeichnen, etwa eine Statue des Ptah in der spät-kananäischen Schicht von Lakis oder die je nach dem Fundort stärker ägyptisch oder kyprisch oder babylonisch stilisierten Figürchen der Astart3, aber ein Bild des Jahwe fehlt ebenso wie das seines alten Rivalen, des Baal. Denn die Basaltstatue von Kefr el-mä für ein Baalbild4 zu erklären, ist bei der in den näheren Umständen des 1 Cf. für Ägypten: SOTTAS, La préservation de la propr. funéraire à l'Ane. Eg. (Bibl. de l'École d. Hautes Ét. CCV) Paris 1913; für Syrien: L I D Z B A R S K I , Handb. d. nordsem. Epigr. I , Weimar 1898, S. 137 ff. ; für Assur : die Urkunde K 2814 (cf. K O H L E R U N G N A D , Ass. Rechtsurk., Leipzig 1913, Nr. 19) und die von T H U R E A U - D A N G I N [Orient. Lit.-Ztg. IV (1901) S. 5ff.] und D E L I T Z S C H (Mitt. Dtsch. Or.-Ges. X I S. löff.) veröffentlichten Sargbeigaben u. s. u. S. 47 Anm. 90. 2 Cf. jetzt E R M A N , Lit. d. Äg., Leipzig 1923, S. 383. 3 Cf. K I T T E L , Geschichte des Volkes Israel I 4 , Gotha 1921, S. 186ff. * Zeitschr. Dtsch. Pal.-Ver. I X (1886) S. 336, die Abb. auch bei G R E S S M A N N , Altorient. Texte u. Bilder zum AT, Tübingen 1909 (abgek. ATB) II Abb. 171. [Das Material an Gottesbildern in Palästina-Syrien hat sich seit 1924 so bedeutend vermehrt (XJgarit, bësan, Megiddo), daß hier eine Übersicht nicht gegeben werden kann. Das Wesentlichste bis 1954 bietet — neben der 2. Aufl. von G R E S S M A N N , ATB I I 2 , Berlin 1927 — J . B. P R I T C H A R D , The ancient Near East in Pictures, Princeton 1954 Abb. 464ff., ihre Auswertung mein Heft: Das Bild in Bibel und Gottesdienst, Tübingen, 1957, S. 6'. Am
Apoxysmata
1
2
Jahwegleichnisse der israelitischen Propheten
Fundes begründeten Ungenauigkeit der Angaben mindestens voreilig 5 . Bei dieser Sachlage müssen wir versuchen, dem literarisch auf uns Gekommenen auch Dinge zu entnehmen, die sonst die Steine uns liefern. Wo die Steine schweigen, muß das Buch auch für sie mitsprechen. »Wem wollt ihr mich nachbilden, daß ich ihm gleiche«, so fragt wohl Deuterojesaja im Namen seines Gottes (Jes 40 25), und ein Hosea hat wider das »Kalb vom Bet-'awaen« (10 5; cf. 81 ff. 13 2) am schärfsten angekämpft, aber die mündliche Rede ist gerade bei den Propheten voll von Bildern und Gleichnissen, die sie unbefangen von ihrem Gott gebrauchen. Diesen soll hier nachgegangen sein, und zwar ist es ein doppeltes Problem, das mich dabei beschäftigt. Einmal kommt es mir darauf an, zu untersuchen, wieweit die Gleichnisse der Propheten in ihrem religiösen Erleben wurzeln und wieweit daneben andere Momente, etwa ästhetische, künstlerische Rücksichten sich geltend machen; mit anderen Worten, ob der Prophet oder der Dichter sie geformt haben. Gewiß ist das, wie jeder weiß, der nur etwas von der schöpferischen, auch formschaffenden Kraft tiefsten religiösen Erlebens ahnt, kein Gegensatz, vielmehr gehören beide aufs engste 76 zusammen und sind in der Psyche | dieser Männer unlösbar verbunden. Aber das ist für mich die Frage, wieweit das Dichterische aus dem Religiösen geboren ist und das Religiöse ausformt, und wieweit es dem Religiösen gegenüber selbständige Bedeutung beanspruchen kann. Das andere Problem aber ist dies, welches denn genauer die religiösen Stimmungen und Inhalte sind, die in den Gleichnissen von Jahwe sich Ausdrucksformen schufen. — Eigene Formen der Gleichnisrede haben die Propheten, das ist das Erste und sofort Bemerkenswerte, sich nicht geschaffen. Häufig begegnet bei ihnen der kurze Wie-Vergleich. Durch eine jedem Hörer bekannte Erscheinung aus dem Leben der Menschen und Tiere, gelegentlich auch der unbelebten Natur, suchen sie — vor allem gerade Hosea und Deuterojesaja 6 — ein Ereignis der Zukunft zu malen oder ihr Urteil über einen gegenwärtigen, sittlich-religiösen Zustand des Volkes eindrücklich zu machen. ehesten käme als einheimisches Ba'al-Bild wohl die Blattgoldstatuette ausMegiddo in Frage: PRITCHARD Nr. 497; auch bei G. E . WRIGHT, Bibl. Archäologie, Göttingen 1958 Abb. 62 (S. 102).] 5
Anders JIRKU, Altorient. Komm, zum AT, Leipzig 1923, S. 115.
6
Eine Wiedergewinnung der Umwelt Hoseas aus seinen Bildern bietet HÖLSCHER,
Die Propheten, Leipzig 1 9 1 4 , S. 2 0 7 F . ; zu Deuterojes. cf. KÖHLER, Beih. Z A W 37 (1923)
S.
127
ff.
3
Jahwegleichnisse der israelitischen Propheten
,
oder
»Wie eine Bande von Räubern ist die Bande der Priester. 3+2 An der Sichem-Straße morden sie, tun Schändliches«7 (Hos 6 9). 3+2 »Wie flatternde Vögel, ein aufgestört Nest, 3+2 sind die Töchter Moab« (Jes 16 2).
oder
3
»Alles Fleisch ist wie Gras, all sein Glanz wie Wiesenblumen. 3+3 Es verdorrt das Gras, die Blüte welkt, denn der Jahwegeist bläst darein« (Jes 406f.).
4+4
Gelegentlich ist solch Vergleich dann weiter fortgeführt, etwa in Hos 7 11 ff., einer Stelle, die uns noch beschäftigen wird: »Es ward Ephraim der Taube gleich, einfältig, hirnlos, 3+2 Rief Ägypten 'zur Hilfe' herbei, flatterte gen Assur. (3) + 2 Flattern sie 'gen Assur', werf ich das Netz über sie, (3) + 2 hol sie herab wie Himmelsvögel.... «8 3
Man sieht ohne weiteres, wie in diesem letzten Bilde oder etwa dem Vergleiche des mannigfachen Götzendienstes mit dem Umher|laufen einer brünstigen Kamelstute (Jer224), man sieht, wie auch da, wo das Bild sich auf innere Zustände bezieht, deren konkrete, sichtbare Wirkungen durch dasselbe noch anschaulicher, aber nicht sie selbst und damit Unsichtbares durch das Bild sichtbar gemacht werden sollen. Darin gleichen die prophetischen den altgriechischen Gleichnissen9. Zu den ausgeführten Gattungen des Vergleichs, der Fabel und Parabel dagegen greifen die Propheten nur selten. Daß sie es gelegentlich taten, lehrt die dem Nathan in den Mund gelegte Parabel vom armen und reichen Manne (II Sam 12 iff.). Zeigt sich aber schon hier in der allzugroßen Zärtlichkeit des Armen gegen sein einziges Schaf, wie die beabsichtigte Deutung das Bild selbst beeinflußt, so tritt das noch stärker hervor in dem Lied vom unfruchtbaren Weinberg, das Jesaja anstimmt (5 1 ff.): ' Für "On? lies mit DUHM, ZAW X X X I (1911) S. 24 8 Hinter D'HXÖ füge mit G R E S S M A N N (TI^V, hinter füge mit S E L L I N , Komm, z. St. ein. [Andere Konjekturen zu den sicherlich verderbten Texten in 69 7 11 ff. siehe in den neueren Kommentaren.] 9 Zu dieser Eigenheit der altgriechischen Gleichnisse cf. G E R H A R D , Schiller und die griechische Tragödie (Forsch, z. neueren Literaturgesch. LIV), Weimar 1919, S. 41 ff. und dazu S T E M P L I N G E R , Dtsche Lit.-Ztg. X X X X I V (1923) S . 240f. 1*
"
4
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Jahwegleichnisse der israelitischen Propheten »Will ein Liedlein singen meines Freundes, Freundes 'Streit' mit seinem Weinberg 10 . Einen Weinberg hatt' mein Freund, Guten Bodens, sonnbeschienen; Grub ihn um, entsteinte ihn, Pflanzte Edelreben drein, Krönte ihn mit einem Turm, Hieb die Kelter in den Felsen, Und er wartet', daß er sollte Edeltrauben ihm bescheren. Männer Judas, richtet nun Zwischen mir und meinem Weinberg. Was soll ich noch tun, das ich Ungetan wohl ließ bisher ? Warum noch auf Trauben wart ich, Herlinge nur bringt er mir! Und nun sag' ich euch,was ich Machen will mit meinem Weinberg: Reiß die Hecke weg, die Tiere Brechen ein, ihn abzuweiden; Lege Bresche in die Mauer, Mag der Wandrer ihn zertreten. Mag ihn nimmer! Nicht beschnitten Wird er ferner noch behackt. Dorn und Distel mögen wuchern. Auch die Wolken weis' ich an, Daß sie fürder ihn nicht tränken.«
Durch die letzten Zeilen ist der Übergang zur Deutung: »Der Weinberg des Jahwe Zebaoth ist das Haus Israel«
bereits im Bilde selbst gewonnen. Die innere Spannung, in der der Prophet lebt, ist eben zu groß — zumal wenn er von Jahwes Tun zu reden hat — als daß er das Bild ruhig durchführen könnte. Die Gefühlsbetonung des Inhalts sprengt die Regeln der literarischen Kunst. Nur eine Gattung ist reicher entwickelt, die Allegorie. Auch das hängt mit den Besonderheiten des prophetischen Erlebens zusammen. In 1 0 Für H l l lies mit G U N K E L , Märchen im AT (Relgeschtl. Volksb. I I 23/26), Tübingen 1917, S. 27 G U N K E L S Auffassung der Parabel als ursprüngliches Pflanzenmärchen erscheint mir durch die beigebrachten Tierprozeßmärchen nicht hinreichend gestützt, da j a der Tierprozeß eine wirklich vorhandene Rechtsinstitution auch im alten Israel war [cf. VON A M I R A , Mitt. Inst. Österreich. Geschichte X I I (1891) S . 545ff., vor allem S. 574], aber nicht der Pflanzenprozeß. Zum Unterschied von Pflanzen- und Tierfabel cf. auch W Ü N S C H E , Die Pflanzenfabel in der Weltliteratur, Leipzig 1905, Kap. 1. — Die Übersetzung ist frei, die Rhythmen wechseln; vgl. S I E V E R S , Metr. Studien I 2 (Abh. Sachs. Ges. d. Wiss. X X I 2 [1901] S. 434f.). [Zu Jes 5 lff. vgl. jetzt vor allem H. J U N K E R , Analecta Gregoriana 10 (1959) S. 125ff. ( = Biblica 40 [1969] S. 259 ff.)]
5
Jahwegleichnisse der israelitischen Propheten
seinen Visionen schaut der Prophet oft ganz alltägliche Dinge, Arnos etwa eine auskriechende Heuschreckenbrut (7 1 ff.) oder Jeremia einen Mandelzweig (1 n ) oder einen überlaufenden Kochtopf (113). Ihre weissagende Bedeutung gewinnen sie durch das Bewußtsein des Propheten, daß Jahwe ihm durch dieselben etwas kundmachen wolle. Sie werden gedeutet. H E R M . G U N K E L hat bereits darauf hingewiesen, daß solche Deutungen nach der gleichen Methode vorgenommen werden wie die Traumdeutungen 11 . Bei diesen aber läßt eine Analyse der Traumschlüssel — ich habe den Artemidor 12 , den leider nur sehr mangelhaft 13 edierten Achmet 14 und den indischen des Jagaddeva 15 zu Rate gezogen — eine doppelte Methodik erkennen : An erster Stelle nenne ich kurz die — wie wir sehen werden, nicht zufälligerweise — seltenere und für die Gleichnisbildung unfruchtbare 1. k o n k r e t - r e a l i s t i s c h e D e u t u n g . Ich gebe als Beispiele :
Sè S O K E Ï V
£lv
T
y â À a ?X °'S liocÇoïs T O I Ç ISiois y u v a i x l pèv véa cruXAaßäv oTjuaivEi Kai TeÀeaxpopfjcroa Kai ÔTTOTEKETV (Art. 1 1 6 Herch. S. 20) oder è à v Tis ï S q à y a ô ô ç cov EÎCTepxôpievov | ê a u r ô v âv Tco irapaSEÎCTcp, O Ô T Ô Ç è a r i CTECTCOCTUÉVOS S I Ô T I ÔEÔÔEV aCrrco T O O T O EÛoryyéÀiov, IÇ cov e i p y à c j a T o à y a ô c o v . Et 8â Kal KOKOÛpyôç ècnri UEravo-qaEi TÔ
Kai aco0r)CTETai (Achm. 8 Rig. S. 10).
Die einfachsten Visionen der israelitischen Propheten werden nach eben dieser Methodik gedeutet, oder besser: eine Deutung dieser Art wird bei ihnen als so selbstverständlich vorausgesetzt, daß sie gar nicht gegeben zu werden braucht, um so weniger, als auch die Subjekts- und die Objektsbeziehung der Vision dem Propheten durch sein Berufsbewußtsein von vornherein gegeben ist. Wie für Achmet bei dem Paradiestraum — im Gegensatz etwa zur Skepsis eines Aristoteles 16 — das S I Ô T I 0E60EV OÜTCJS T O Ü T O EÛayyéÀiov feststeht, so ist es dem israelitischen Propheten ganz gewiß, daß Jahwe ihm die Vision gesandt 17 , und zwar daß sie Unheil für Israel bedeutet. Strafe für das Volk zu künden, wissen sie sich von Jahwe gesandt. So fallen 11 Rel. in Gesch. u. Gegenw. I S. 354f. [Klassifizierung der Visionen jetzt auch F. HORST, Evgl. Theol. 1960, S. 193ff.] 12 Artemidori Daldiani Onirocriticon libri V ed. HERCHER, Leipzig 1864. 13 Cf. DREXL, Achmets Traumbuch, Diss. München 1909. 14 Art. Dald. et Achmetis Sereimi F. Oneirocritica ed. RIGAI/TIUS, Paris 1603. 16 VON NEGELEIN, Traumschlüssel der Jagaddeva (Relgesch. Versuche u. Vorarb. X I 4) Gießen 1912. [Zur Traumdeutung vgl. jetzt A. L. OPPENHEIM, The interprétation of dreams in the ancient Near East, Transactions Amer. Philos. Soc. New Ser. 46 S (1956) und die Materialsammlung Les songes et leur interprétation, Sources Orientales II, Paris 1959.] " Flepl Tfj; KCCÔ' ÙTTVOV uavriKfjs ed. B E K K E R I S. 462ff. " Cf. Am 7 l ni.T n*TX ¡13.
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Jahwegleichnisse der israelitischen Propheten
denn Bild und Sache für sie zusammen, etwa wenn Arnos die Heuschreckenbrut 18 schaut oder den Sintbrand, der den Ozean drunten schon gefressen hat und nun das Ackerland zu verzehren beginnt. Er weiß: die Heuschrecken wird Jahwe senden und den Gerichtstag herbeiführen, an dem die Erde zu Staub und Asche zerfällt, und er bittet um Gnade für das arme, kleine Volk (7 iff.). So wenig wie er selbst, bedarf das Volk, dem er es verkündet, einer Deutung des Gesichtes. Von entscheidender Bedeutung ist diese Methode der Visionsdeutung nun für die ganze Reihe der Gesichte, in denen Jahwe als König und Kriegsmann geschaut wird. Wenn Jesaja im Tempel auf dem Zion auf hohem und erhabenem Throne eine Gestalt sitzen sieht, umschwebt und umjubelt von Gestalten der anderen Welt, so ist's ihm unmittelbar gewiß und er bedarf nicht, wie Gudea für seinen Traum, der Erklärung 1 9 : »Den König Jahwe Zebaoth schauten meine Augen« (Jes 65).
Was die Gemeinde im Neujahrsritual in jedem Jahre besingt und in der Endzeit einst in noch größerem Jubel anstimmen wird: »Jahwe ward König 20 «
so das darf er in weihevoller Stunde erblicken. Ein anderer schaut einen Kriegsmann, blutbespritzt wie der Kelterer vom Saft der roten Traube, und trotz der verhüllenden Antwort, die er auf seine Frage erhält, ist es ihm deutlich, wen er vor sich hat: Jahwe ist's, der Recke im Streite. Der Prophet kennt den Gott, der ihm erscheint, und er erkennt ihn in der ihm gewordenen Erscheinung wieder. Wie er einst zur Deboraschlacht über die Höhen hingeschritten war, seinem Volke zur Seite zu stehen, so hat er jetzt mit eigener Faust die Feinde gefällt. Gewiß ist der Glaube an Jahwe den Kriegsmann nicht zu allen Zeiten gleich lebendig gewesen — Höhepunkte sind die älteste Zeit und die Jahre des Heldenkampfes der Makkabäer gewesen — gewiß ist die Erwäh18 Lies statt "1?* (LXX). [Vgl. auch meine Worte der Profeten, Berlin 1949, S. 30ff.] 19 Vorderas. Bibl. I, 94. [Zum Traum Gudeas auch M. L A M B E R T - R . T O U R N A Y , Rev. Bibl. 55 (1948), S . 410; Übersetzung der beiden Zylinder bei A. F A L K E N S T E I N — W. V O N S O D E N , Sumerische und Akkadische Hymnen und Gebete, Zürich/Stuttgart 1953 S . 137 ff.] 20 Zum Neujahrsfest cf. M O W I N C K E L , Psalmenstud. II (Videnskapsselskap. Skrift. II Hist.-Fil. Kl. 1921/6) Christ. 1922, dessen Gleichung Neujahrstag—Thronbesteigungstagich [wenigstens in der Zeit um 600] für gesichert halte [RGG III 2 1708]. In dem von Z I M M E R N (Sitz.-Ber. Sachs. Ges. d. Wiss. 1917/5) behandelten Ritual wird Zeile 54 ausdrücklich Enuma eliS als am Neujahrstag rezitiert erwähnt, d. h. das Epos, das in dem Götterruf: Marduk ist König (IV 28) gipfelt. Ist damit für Bab. die eben erwähnte Gleichung festgelegt, so dürfen wir für Israel [in der Zeit der Auseinandersetzung mit dem neu-babyl. Reich] das Gleiche vermuten.
Jahwegleichnisse der israelitischen Propheten
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nung des persönlichen Eingriffes Jahwes in die Kämpfe gelegentlich reine Stilform (so etwa in der Chronik), und gewiß ist es bildlich zu verstehen, wenn in den Psalmen auch der einzelne von Jahwes Schild und Tartsche spricht, die ihn decken und schützen. Aber darüber darf nicht vergessen werden, daß das Primäre eben der Glaube war, daß Jahwe König und Recke ist. Es ist vielleicht einer der charakteristischsten Unterschiede zwischen dem AT und dem im NT wie in den Midraschen sich spiegelnden Spätjudentum, daß das AT kein Königsgleichnis Jahwes kennt 21 . Jahwe ist König und als solcher Recke und Richter, und er wird in seiner himmlischen Majestät geschaut, aber nicht mit solchen menschlichen Gestalten verglichen. Sie haben daher für unser Thema auszuscheiden, es sei denn, daß Stücke der Waffenrüstung, wie es etwa Jes 59 17 geschieht, selbst wieder allegorisch gedeutet werden: »Den Panzer des Heils legt er an, Stülpt auf's Haupt den Helm der Hilfe, Legt an als Gewand die Rache, Hüllt sich ein in den Mantel des Zorns« 22 .
Gerade solche Ausdeutungen aber bestätigen das eben Gesagte und führen zugleich weiter. So wenig die konkret-realistische Deutung übersehen werden darf, so ist sie ihrem Wesen nach doch eben auf einen verhältnismäßig kleinen Teil der Vision beschränkt und wirkt da, wo sie ohne weiteres anwendbar ist, der Gleichnisbildung geradezu entgegen. Ganz anders steht es bei der zweiten, der 2. s y m b o l i s c h - a l l e g o r i s c h e n D e u t u n g , bei der bald das Ganze des Traumes 23 , bald einzelne Züge 24 gedeutet werden. Ich gebe wieder einige Beispiele: TTXeiovas TroSas £ ) ( £ I V d y a ö ö v epiröpcp Kai vauKÄripco Kai i r a v T i TCÖ LIUTÖCOTOUS TpEcpovrrCTCOIAATCOVyäp TTAEIÖVCOV äp^ouai. KUߣpvt|TI^ S E I S Ö V T I £ T 6 ö v a p yaAr)vriv OT)paivsr irAeioai y c t p TTOCTI xpr)°" Tca Tfjs VECOS EpEacropivris- ö c y a ö ö v S E Kai TTEVTITI • KTf)cr£Tai yäp oiKEraj. TrAoucricp 6e vöaov armaivEi, i v a |IF) T O I S a O r o ö TTOCTI IJLÖVOV, äAAä Kai TOTS TGOV ß a c r r a £ 6 V T G 0 V X P C B P S V O S TrAsiovas EXEIV BOKE! (Art. I 48 Herch. S. 44). 21 Reiches Material bei Z I E G L E R , Die Königsgleichnisse des Midrasch beleuchtet durch die römische Kaiserzeit, Breslau 1903. Auch für die Rabbinen aber ist Jahwe auch noch König; cf. L E I P O L D T , War Jesus Jude? (NT u. Religionsgesch. I), Leipzig 1923, S . 31 u. ( S T R A C K ) — B I L L E R B E C K I 172 ff., [auch z. B. die Bezeichnung Jahwes als mlk hkbwd in 1QM X I X 1. (Sukenik, Ozar, Taf. 34)]. 22 Zum Text cf. D E L I T Z S C H , Lese- und Schreibf. § 160 c, zum Bild Sap 5 17 ff. 23 F R E U D , der die konkret-realistische Deutung völlig übersieht, spricht in solchen Fällen von »symbolischer Methode« (Traumdeutung 1 , Leipzig 1914, S. 73ff.). 24 F R E U D S »Chiffriermethode«, ebenda S . 7 4 .
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Jahwegleichnisse der israelitischen Propheten
Die vielen Füße werden also durchgängig als Füße der Sklaven gedeutet, die der Träumende haben oder brauchen wird, und je nach seiner sozialen und beruflichen Stellung 25 ist das Omen günstig oder ungünstig. In anderen Fällen ist es eine Eigenschaft des im Traum gesehenen Gegenstandes, der die Deutung veranlaßt; so lesen wir bei Artemidor: £A£q>as e£co 'kaAias Kai MvSias opcopsvos KivSuvov Kai «pößov