Anthroposophie in Deutschland. Bd. 2. 9783525554524

Waldorfschulen, Demeter-Tomaten, Weleda-Heilsalbe, dm-Drogeriemärkte - was verbindet sie mit Otto Schily und Christian M

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Anthroposophie in Deutschland. Bd. 2.
 9783525554524

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Anthroposophie in Deutschland Band

2

Meiner Frau, Verena Kessel

Helmut Zander

Anthroposophie in Deutschland Theosophische Weltanschauung und gesellschaftliche Praxis 1884-1945

Band 2

Vandenhoeck & Ruprecht

Die Umschlagabbildung zeigt das Westtreppenhaus des Goetheanums. Architekten: Rex Raab und Arne Klingborg, 1920er Jahre. Foto © by Thomas Dix.

Mit 33 Abbildungen und 3 Tabellen

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-525-36753-7 Kartonierte Sonderausgabe © 2008, 2007, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen. Internet: www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Hinweis zu § 52a UrhG: Weder das Werk noch seine Teile dürfen ohne vorherige schriftliche Einwilligung des Verlages öffentlich zugänglich gemacht werden. Dies gilt auch bei einer entsprechenden Nutzung für Lehr- und Unterrichtszwecke. Printed in Germany. Satz: Daniela Weiland, Göttingen. Druck und Bindung: ® Hubert & Co, Göttingen. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.

Inhaltsübersicht Band 1 1. Die Gegenwart einer unerforschten Vergangenheit

1

Kontexte 11

2. Historiographie Geschichte 3. Theosophische Gesellschaften im deutschsprachigen Raum 4. Sozialstruktur und Vereinsleben der deutschen Adyar-Theosophie

75 347

Die Grundlegung der Weltanschauung Rudolf Steiners vor 1900 5. Steiner und Goethe 6. Philosophische Positionen in den 1890er Jahren

435 502

Steiners Theosophie 545 781 859

7. Theosophie B. Christologie 9. Wissenschaft

Band 2 Ästhetik 10. Freimaurerei 11. Mysterientheater 12. Architektur 13. Eurythmie

961 1016 1063 1181

Praxis 14. Politik 15. Waldorfpädagogik 16. Medizin 17. Landwirtschaft

1239 1357 1455 1579

VI

Inhaltsübersicht

Neuer Kult 18. Die Christengemeinschaft

1611

Von der Vergangenheit zur Zukunft 19. Pluralisierung und Minderheitenkultur

1679

Nachwort

1717

Anhang Bibliographie Abkürzungen Bildnachweis Register

1723 1839 1841 1843

Inhalt Ästhetik 10. Freimaurerei 10.1 Disposition, Quellen und Literatur 10.2 Steiners Einstieg in die Freimaurerei 1904 / 05 10.3 Das freimaurerische Umfeld 10.3.1 Die ägyptischen Hochgrade 10.3.2 Theosophische Freimaurerei und die Frauen: Yarker, Blavatsky, Besant 10.3.3 Theodor Reuß, der »Ordo Templi Orientis« (O. T. O.) und die »Sexual-Magie« 10.4 Die institutionelle Geschichte von Steiners Maurerei 10.4.1 Die aktiven Jahre zwischen 1906 und 1914 a. Organisationsgeschichte b. Praxis c. Das Ende der maurerischen Aktivitäten 10.4.2 Nach dem Ersten Weltkrieg: vierfacher Epilog 10.5 Steiners Rituale 10.5.1 Räume, Kleidung, Einrichtungsgegenstände 10.5.2 Grade a. Gradeinteilung und Ritualteile für alle Grade b. Aufnahme in den ersten Grad c. Beförderung in den zweiten Grad d. Erhebung in den dritten Grad e. Beförderungen in höhere Grade f. Berichte über Steiners Rituale 10.5.3 Historische Kontexte 10.6 Die maurerischen Zeremonien als Initiationsrituale 11. Mysterientheater 11.1 Disposition, Quellen und Literatur 11.2 Die Entstehung der anthroposophischen Dramentradition vor dem Ersten Weltkrieg 11.2.1 Edouard Schuré und seine Begegnungen mit Marie von Sivers und Rudolf Steiner 11.2.2 Die Aufführungen der Mysteriendramen Schurés in München 11.2.3 Exemplarische Analyse: Schurés »Kinder des Lucifer« 11.3 Steiners Mysteriendramen

961 961 963 966 966 970 975 981 981 981 989 991 992 995 995 1000 1000 1001 1003 1004 1005 1006 1009 1013 1016 1016 1019 1019 1024 1026 1028

VIII

Inhalt

11.3.1 Entstehung 11.3.2 Inhaltswiedergabe: »Die Pforte der Einweihung« (nebst einem Überblick über die weiteren Mysteriendramen) . 11.3.3 Exemplarische Analyse: »Die Pforte der Einweihung« 11.3.4 Biographische Elemente in den Mysteriendramen 11.3.5 Aufführungspraxis: Spielstätten, Zuschauer, Proben, Ausstattung, Rezeption 11.4 Theaterhistorische Kontexte 11.4.1 Idealistisches Theater in Deutschland a. Wagner und die Wagnerianer b. Max Reinhardt c. Geistliche Spiele 11.4.2 Die antinaturalistische Internationale a. Okkultistisches und theosophisches Theater b. Symbolismus c. Maurice Maeterlinck 11.5 Steiners Mysteriendramen im Rahmen des theosophischen Symbolismus 11.6 Sehr kurzer Ausblick

1028 1030 1032 1037 1040 1046 1046 1047 1049 1051 1052 1052 1053 1057 1060 1061

1063 12. Architektur 1063 12.1 Disposition, Quellen und Literatur 1066 12.2 Vorläufer der Dornacher Bauten 1066 12.2.1 Private Räume und Zweiglokale 12.2.2 Die Saalgestaltung für den Münchener Kongreß (1907) 1067 1076 12.2.3 Der Modellbau in Malsch (1908 / 09) 1078 12.2.4 Das Stuttgarter Logenhaus (1911 / 12) 1081 12.3 Die Planungen zum Johannesbau in München 1081 12.3.1 Der Johannesbau-Verein und die Baufinanzierung 1084 12.3.2 Bauplanung 1092 12.3.3 Nutzungsoptionen 1094 12.4 Der Johannesbau in Dornach 12.4.1 Planungen, Landkauf, Grundsteinlegung 1094 und Bauverlauf 1101 12.4.2 Architektur und Ausstattung des Johannesbaus 1101 a. Der Baukörper 1103 Säulen und Kapitelle b. 1105 c. Kuppelausmalung 1108 d. Glasfenster e. Steiners Holzplastik und seine Zusammenarbeit 1111 mit Edith Maryon 1116 12.4.3 Kunsttheorie a. Bautheorien und Baudeutungen aus 1116 anthroposophischem Geist 1126 b. Kunsthistorische Kontexte I: Zeitgeist 1131 c. Kunsthistorische Kontexte II: Theosophie

Inhalt

IX

12.4.4 Baunutzung 12.4.5 Die letzten Jahre a. Umbenennung b. Brand 12.5 Die anthroposophische Kolonie 12.6 Das Goetheanum 12.6.1 Der Neubau 12.6.2 Weltanschauliche Konzeption und Nutzung 12.6.3 Beton als Baumaterial 12.6.4 Architektur ohne rechte Winkel und der kunsthistorische Kontext des Goetheanum 12.7 Eigenheiten einer Weltanschauungsarchitektur

1140 1150 1150 1151 1153 1160 1160 1163 1165

13. Eurythmie 13.1 Disposition, Quellen und Literatur 13.2 Geschichte der Eurythmie 13.2.1 Entwicklungen von 1911 bis 1925 13.2.2 Der Begriff »Eurythmie« 13.3 Konzeption und Praxis 13.3.1 Tanz a. Geist und Körper b. Spracheurythmie 13.3.2 Deklamation 13.3.3 Praxis der Eurythmie a. Bewegungsformen b. Kleidung c. Schminke - Requisiten - Lichtregie d. Probenarbeit e. Aufführungsorte f. Zeitgenössische Urteile 13.4 Historische Kontexte 13.4.1 Steiners historische Selbstverortung 13.4.2 Kulturhistorische Kontexte der Eurythmie a. Tanzgeschichte zwischen 1900 und 1925 b. Loïe Fuller c. Isadora Duncan d. Emil Jaques-Dalcroze e. Rudolf von Laban f. Die Ballets russes g. Die zweite Generation: Mary Wigman und Suzanne Perrottet h. Josef Matthias Hauer i. Tanzliteratur 13.5 Die anthroposophische Eurythmie und die Geschichte des Ausdruckstanzes

1181 1181 1183 1183 1188 1191 1191 1191 1194 1197 1200 1200 1201 1202 1204 1205 1206 1207 1207 1210 1211 1214 1215 1218 1220 1222

1168 1174

1223 1225 1227 1229

Inhalt

X

Praxis

14. Politik

1239

1239 14.1 Disposition, Quellen, Literatur 1242 14.2 Steiners Beschäftigung mit politischen Themen bis 1917 1242 14.2.1 Die vortheosophische Phase 1242 a. Wien (1888) b. Anarchismus und Arbeiterbildungsschulen 1245 (1898-1905) 1246 14.2.2 Theosophie und Politik 14.2.3 Die Theosophische (Anthroposophische) Gesellschaft 1250 am Vorabend des Krieges 1253 14.3 Die Politisierung Steiners im Ersten Weltkrieg 1253 14.3.1 Kriegsdeutung 1253 a. Völkerpsychologie 1255 b. Esoterische Kriegsdeutung 1261 c. Politische Kriegsdeutung d. Die »Kriegsschuldfrage«, Steiners Selbstkritiken nach Kriegsende und sein Abschied von der politischen 1265 Beschäftigung mit dem Ersten Weltkrieg e. Steiners Position im Kontext theosophischer 1271 Deutungen des Krieges 1273 14.3.2 Steiners Steiners Wege in die politische Praxis a. Annäherungen an die Politik in den ersten 1273 Kriegsjahren (1914-1916) 1275 b. Die Anti-Wilson-»Memoranden« (1917) 1284 c. Begegnung mit Max von Baden (Januar 1918) d. Kurzer Rückblick: Wege von der Esoterik in die 1285 Politik 1286 14.4 Die Genese der Dreigliederung 14.4.1 Die Wurzeln in den Anti-Wilson-»Memoranden« 1287 (Juli 1917) 14.4.2 Die Ausgestaltung der Dreigliederung während der revolutionären Monate in Deutschland 1290 (November 1918 bis Februar 1919) a. Die revolutionären Monate der Weimarer Republik 1290 als Kontext der Dreigliederung b. Die Genese der Dreigliederung bis zum Februar 1919 1294 1301 14.5 Steiners Dreigliederungstheorie 14.5.1 Die Konzeption der Dreigliederung in Steiners 1301 »Kernpunkten der sozialen Frage« (April 1919) 1302 a. Triadische und organologische Grundstruktur 1304 b. Wirtschaft 1308 c. Öffentliches Recht 1309 d. Geistiges Leben

Inhalt

e. Räte f. Funktionale Differenzierung und gesellschaftliche Kooperation in der Dreigliederung g. Geistesaristokratie und Demokratie h. Erlösung der Politik 14.5.2 Ideengeschichtliche Kontexte a. Organologisches Denken b. Debatten in der Revolutionszeit 1918 / 19 14.5.3 Genese und Kontexte der Dreigliederung ein kurzer Rückblick 14.6 Gesellschaftliche Aktivitäten 14.6.1 Steiners Württemberger Ministerambitionen (1918/19) 14.6.2 »Dreigliederungszeit« in Württemberg (1919) 14.6.3 Engagement im Rahmen der Volksabstimmung in Oberschlesien (1920 / 21) 14.6.4 Wirtschaftsunternehmen (1920-1924) 14.6.5 Auslaufen und Entpolitisierung der Dreigliederung 14.7 Die Dreigliederung zwischen Autorität und Selbstverwaltung 14.7.1 Eine historische Situierung 14.7.2 Aktuelle Reminiszenzen

XI 1309 1313 1314 1321 1322 1322 1326 1331 1332 1332 1336 1341 1343 1345 1349 1349 1355

1357 15. Waldorfpädagogik 1357 15.1 Disposition, Quellen und Literatur 15.2 Steiners Berührungen mit pädagogischen Fragen bis 1364 zum Ersten Weltkrieg 1366 15.3 Die Schulgründung 1919 15.3.1 Die ersten organisatorischen Schritte zur Schulgründung 1366 15.3.2 Konzeptionelle Suchbewegungen zwischen 1369 österreichischer Realschule und Reformpädagogik 1373 15.3.3 Realisierung 1380 15.3.4 Entwicklungen nach Steiners Tod 1383 15.4 Das pädagogische Umfeld 15.4.1 Reformpädagogik und klassische (österreichische) 1383 Schulpädagogik 1390 15.4.2 Herbartianismus 1393 15.4.3 Goetheanismus 1395 15.4.4 Theosophie 1398 15.5 Pädagogische Konzeption der Waldorfschule 15.5.1 Schulverfassung: Schulstruktur, 1398 Lehrer - Schüler - Eltern 1403 15.5.2 Pädagogische Anthropologie 1403 a. Anthroposophische Entwicklungspsychologie 1406 b. Karma 1408 c. Temperamentenlehre 1410 Kulturstufen d.

XII

Inhalt 1414 15.5.3 Erziehungsgrundsätze 1414 a. Der Lehrer als priesterliche Autorität b. Exemplarische Prinzipien: Gesinnung, Schule als Mikrokosmos, Erziehung als Kunst, Natur und Ästhetik, Unterricht als religiöse Praxis, Demokratie 1419 15.5.4 Elemente der Unterrichtskonzeption: Lehrplan, Pädagogik, Klassenlehrer, Koedukation, Zeugnisse 1423 und Versetzung 15.5.5 Exemplarische Lehrinhalte: Eurythmie, Handarbeit, 1427 Religionsunterricht, Sexualerziehung 1432 15.5.6 Feste und kultische Feiern 1436 15.5.7 Steiner als praktischer Pädagoge 1438 15.5.8 Architektur 1439 15.5.9 Die Waldorfschule - eine Weltanschauungsschule? 1443 15.6 Pädagogische Einrichtungen neben der Waldorfschule 1443 15.6.1 Kindergarten 1444 15.6.2 Heilpädagogik 1447 15.6.3 Hochschule 15.7 Waldorfpädagogik - Rückblick und Anmerkungen zur 1448 aktuellen Situation aus historischer Perspektive

16. Medizin 16.1 Disposition, Quellen und Literatur 16.2 Historische Kontexte im 19. und frühen 20. Jahrhundert 16.2.1 Empirische Medizin 16.2.2 Alternativmedizin 16.3 Empirie und Clairvoyance - Steiners Wissenschaftstheorie zwischen universitärer und alternativer Medizin 16.4 Medizinische Praktiken bis 1920 16.4.1 Felix Peipers und die Farbentherapie 16.4.2 Marie Ritter und ihre »photodynamischen Pflanzenpräparate« 16.5 Medizinische Theorie in den zwanziger Jahren 16.5.1 Die medizinischen Kurse 16.5.2 Konzeptionelle Elemente der anthroposophischen Medizin a. Geistige Medizin versus Materialismus b. Theosophische und andere Anthropologien c. Gesundheit und Krankheit d. Mythologische Krankheitsbegründung e. Analogiedenken f. Individualisierte Diagnostik und Therapie g. Alternativmedizinische Therapieformen h. Religiöse Medizin i. Karma j. Astrologie und Alchemie

1455 1455 1459 1459 1461 1467 1472 1474 1481 1489 1489 1494 1494 1495 1497 1499 1499 1501 1501 1503 1504 1505

Inhalt

16.6

16.7

16.8

16.9

16.10

XIII

1506 16.5.3 Die Anthropologie körperlicher »Systeme« a. Die Konzeption der Körpersysteme im Sommer 1924 1507 b. Die Genese der Vorstellung von »Körpersystemen« 1508 in Steiners OEuvre 1512 c. Medizingeschichtliche Kontexte 1514 16.5.4 Homöopathie und anthroposophische Medizin 1514 a. Die Homöopathie um 1900 1517 b. Steiner, Emil Schlegel und die Homöopathie 1521 c. Homöopathische Ärzte in Steiners Umkreis 16.5.5 Wirkstoffe in anthroposophischer Deutung (Beispiele) 1523 1523 a. Blei 1524 b. Die Mistel 1531 Ita Wegman und Rudolf Steiner 16.6.1 Ita Wegman. Biographische Stationen bis in 1531 die zwanziger Jahre 16.6.2 Das Verhältnis zwischen Wegman und Steiner 1533 seit 1923 16.6.3 Wegmans und Steiners gemeinsames Buch 1538 »Grundlegendes für eine Erweiterung der Heilkunst« 1539 16.6.4 Wegmans Leben nach Steiners Tod 1540 Medizinische Praxis in den zwanziger Jahren 1540 16.7.1 Die Genese der Heilmittelherstellung 1545 16.7.2 Medizinische Institutionen a. Das »Klinisch-Therapeutische Institut« in Arlesheim 1547 b. Das »Klinisch-Therapeutische Institut« in Stuttgart . 1550 c. Die »Internationale Laboratorien AG« und 1553 die Ursprünge der »Weleda« 1554 16.7.3 Steiners Wirken als Arzt Historiographische Situierung der anthroposophischen Medizin 1560 16.8.1 Medizin der Frühen Neuzeit und des 19. Jahrhunderts . 1560 1563 16.8.2 Romantische Medizin 1566 16.8.3 Die Medizin des 19. Jahrhunderts Kulturhistorische Kontexte der anthroposophischen 1567 »Heilkunst« 1567 16.9.1 Zwischen Universitäts- und Alternativmedizin 1570 16.9.2 Psychosomatik 16.9.3 Sozialhistorische Bedingungen 1571 der anthroposophischen Medizin Anthroposophische Medizin heute. Ansichten außer 1573 Konkurrenz

17. Landwirtschaft 17.1 Disposition, Quellen und Literatur 17.2 Geschichte der anthroposophischen Landwirtschaft 17.2.1 Ansätze zu einer anthroposophischen Landwirtschaft vor 1924

1579 1579 1580 1580

XIV

Inhalt

17.2.2 Die Tagung in Koberwitz im Juni 1924 17.3 Die landwirtschaftliche Konzeption Steiners 17.4 Kontexte 17.4.1 Zur Lage der deutschen Landwirtschaft im ersten Viertel des 20. Jahrhunderts 17.4.2 Steiners Koberwitzer Vorträge als Spiegel von Agrarentwicklungen in der Weimarer Republik 17.5 Entwicklungen nach Steiners Tod 17.6 Aphoristische Bemerkungen zur aktuellen Situation der anthroposophischen Landwirtschaft

1582 1586 1590 1590 1595 1598 1604

Neuer Kult 18. Die Christengemeinschaft 18.1 Disposition, Quellen und Literatur 18.2 Die Entstehung der Christengemeinschaft 18.2.1 Anthroposophische Kulte im Umfeld der Christengemeinschaft 18.2.2 Der erste Theologenkurs (12. bis 16. Juni 1921) 18.2.3 Der zweite Theologenkurs (26. September bis 10. Oktober 1921) 18.2.4 Der Weg zur Gründung der Christengemeinschaft (Herbst 1921 bis Sommer 1922) 18.2.5 Der dritte Theologenkurs und die Gründung der Christengemeinschaft (6. bis 22. September 1922) 18.2.6 Biographische Wege zur Christengemeinschaft und von ihr weg 18.3 Institutionalisierung 18.3.1 Die Gründung von Gemeinden und Institutionen 18.3.2 Christengemeinschaft und Anthroposophische Gesellschaft (1922/ 1923) 18.3.3 Die Einsetzung des ersten Erzoberlenkers (1925) 18.3.4 Kurzer Ausblick: die Jahre nach Steiners Tod 18.4 Theologie in der Christengemeinschaft 18.4.1 Theologische Methodologie 18.4.2 Kultisches Handeln 18.4.3 Die Ekklesiologie und das Verhältnis zu den christlichen Kirchen 18.5 Historische Kontexte: alte Riten, junge Kirchen und neue Kulte 18.6 Reformation im Zeichen der Anthroposophie - ein Rückblick auf die Genese der Christengemeinschaft 18.7 Epilog: Aktuelle Schlaglichter

1611 1611 1614 1614 1617 1621 1625 1628 1631 1642 1642 1643 1650 1650 1652 1653 1654 1659 1664 1669 1671

Inhalt

XV

Von der Vergangenheit zur Zukunft 19. Pluralisierung und Minderheitenkultur

1679

19.1 Zusammenfassung, neue Ergebnisse, Forschungsperspektiven 1679 19.1.1 Vereinsgeschichte 1679 a. Internationalität 1679 b. Vereinsstrukturen 1681 1685 19.1.2 Weltanschauungsproduktion a. Indien oder Europa? 1685 1687 b. Historismus und Naturwissenschaft 1690 c. Tradition und Innovation 1693 19.1.3 Gesellschaftliche Praxis 1693 a. Politisierung 1695 b. Demokratie und Theosophie 19.2 Eine Minderheit als gesellschaftlicher Faktor: Theosophische Wirkungsgeschichten 1697 19.2.1 Devianz und Normalität 1697 1700 19.2.2 Gesellschaftliche Wirkungen der Theosophie 1700 a. Biographien 1706 b. Ideengeschichte 1709 c. Praxis 1717

Nachwort Anhang Bibliographie 1.Allgemeine Bibliographie 2. Benutzte Auflagen der Gesamtsausgabe der Werke Steiners

1723

Abkürzungen

1839

Bildnachweis

1841

Register

1843

Personenregister Sachregister

1723 1835

1843 1863

Verzeichnis der Tabellen und Chronologien Chronologie: Freimauerei Chronologie: Mysterientheater Chronologie: Eurythmie Tab. 15.1: Schüler der Stuttgarter Schule 1919-1924 Tab. 15.2: Anzahl der Waldorfschulen Tab. 16.1: Chronologie der medizinischen Institutionen Chronologie: Christengemeinschaft

962 1018 1182 1377 1382 1546 1612

Ästhetik

Die Theosophie entwickelte unter Steiners Ägide Strategien, ihre Weltanschauung ästhetisch zu plausibilisieren: die Freimaurerei, die Theaterpraxis (»Mysterientheater«), die Architekturen des Johannesbaus und des Goetheanum sowie die Tanzform der Eurythmie. Diese sinnlichen Manifestationen fungierten als Gegengewicht zur kopflastigen Vermittlung der theosophischen Inhalte'. Zugleich reduzierten die ästhetischen Ausdrucksformen Komplexität: Die »monistische« Einheit der Welt, die die Theosophie zu integrieren beanspruchte, bestand aus höchst komplexen Teilwelten, deren adäquate Explikation die Theosophen häufig überforderte. Hier leisteten ästhetische Repräsentationen Mittlerdienste. Vor diesem Problem standen die Theosophen nicht als erste, hier gab es auch einen langen Vorlauf einer didaktischen Ästhetik: Die Popularisierung naturwissenschaftlichen Wissens lief schon seit der frühen Neuzeit über Bilder, die neben der Aufgabe, die Natur abzubilden, immer stärker die Funktion erhielten, »unaussprechlichen« (etwa mathematisierten oder nur mikroskopisch oder teleskopisch erfaßbaren) Gegenständen eine optisch erfahrbare Gestalt zu geben2. Aber Bilder und Metaphern bieten zugleich mehr als einen reduktiven Zugriff. Sie besitzen gegenüber einer sprachlichen Explikation einen inhaltlichen, »unsagbaren« Mehrwert'. Dies machte sich auch Steiner in den verbildlichten Ausdrucksformen der Theosophie zu Nutze. In diesem Komplex von Gründen liegen Motive der weitreichenden Akzeptanz der ästhetischen Expressionen, die bis heute die Anthroposophie prägen. Unter Steiners unmittelbaren Vorgängern hatten Leadbeater und Besant der Ästhetisierung der Theosophie vorgearbeitet, etwa mit ihren Aurenbildern oder den »hellseherischen« Wahrnehmungen molekularer Strukturen der Chemie. Auch Steiner kam mit seinem Goetheanismus aus einer stark ästhetisch ausgerichteten Weltwahrnehmung, die sich mit den theosophischen Pendants verbinden ließ. Man kann weite Teile von Steiners Theosophie als Versuch deuten, neben den philosoDaneben bildeten noch die Meditationen in der Esoterischen Schule und die rituelle Performanz in einigen Bereichen der ästhetischen Dimensionen (Freimaurerei, Mysterientheater, Eurythmie) funktional vergleichbare, aber kategorial differente Kompensationen der kognitiven Überlast. 2 Kemp: Bilderwissen. 3 Blumenberg: Paradigmen zu einer Metaphorologie.

phischen und anderen kognitiven Vermittlungen ästhetische Wege zur Theosophie zu eröffnen. Daß auch bei der Annäherung an diese Ausdrucksformen Spannungen zwischen seinem Ideal »objektiver« Erkenntnis und ihrer Vermittlung auftraten, ist Steiner nicht über Gebühr anzulasten, dieser Inkongruenz ist nicht auszuweichen. Kritischer kann man Steiners begrenzte Einsicht in die hermeneutischen Bindungen von Metaphern und Bildern sehen, die bei allem epistemologischen Mehrwert auch kulturell konstruierte Vereinfachungen einer überkomplexen Realität sind.

10. Freimaurerei 10.1 Disposition, Quellen und Literatur Theosophen und Theosophinnen, die ihre Unterrichtung in der ersten Abteilung der Esoterischen Schule absolviert hatten, konnten in die zweite und dritte Abteilung mit den maurerischen Aktivitäten eintreten (s. u. 10.5.2a). Steiners Freimaurerei gehört mithin strenggenommen in den Bereich der Esoterischen Schule (s. 7.10.1). Die maurerischen Zeremonien haben jedoch aus mehreren Gründen ein Eigenleben geführt: Aufgrund ihrer Eingangsschwellen versammelten sie nur die überzeugtesten Mitglieder der deutschen Adyar-Theosophie, für die diese Zeremonien einen qualitativen Sprung in der emotionalen Bindung bedeutet haben dürfte. Zudem war das Außeninteresse besonders hoch, da der Schleier des Geheimnisses vor den Toren der Maurerei besonders dicht gewebt war und voyeuristische Vermutungen über sexualmagische Praktiken nährte. Schließlich spielten die maurerischen Dimensionen in der NS-Zeit eine besondere Rolle, weil die Diffamierung und Verfolgung der Anthroposophie nicht zuletzt im Vorwurf des maurerischen Internationalismus gründete. Der Aufbau dieses Kapitels folgt einem anderem Schema als die vorhergehenden: Die historische Kontextrealisierung ist, nach einer Skizze seiner allerersten Kontakte zur Freimaurerei, der Rekonstruktion von Steiners Ausgestaltung der Freimaurerei vorgeschaltet. Erst solche Vorabinformationen machen seine Schritte in die Maurerei und die rituelle Ausgestaltung verständlich. Eine historisch-kritische Darstellung von Steiners maurerischen Aktivitäten fehlt'. Immerhin hat Hella Wiesberger in einer Pionierarbeit wichtige Quellen aus Steiners Nachlaß veröffentlicht; dabei soll es sich um das gesamte Material handeln (GA 265,6)2. Allerdings bleiben offene Fragen, etwa nach den fehlenden Die Skizzen bei Frick: Die Erleuchteten, II / 2, 525-528, und Wehr: Rudolf Steiner, 203-210, besaßen in der Sichtung des zugänglichen Materials vor der Publikation von GA 265 (erschienen 1987, siehe die folgende Anm.) eine Pilotfunktion. Die Passage bei Lindenberg: Steiner (Biographie), I, 397-400, der 1997 bereits auf die GA 265 hätte zurückgreifen können, kommt in ihrer Kürze einer Verdrängung nahe. 2 1987 in GA 265 unter dem Titel »Zur Geschichte und aus den Inhalten der erkenntniskultischen Abteilung der Esoterischen Schule 1904-1914«. Nach einer schriftlichen Auskunft von Vera Kopehel vom 1.12.2004, die wiederum Hella Wiesberger befragt hatte, besitzt die Nachlaßverwaltung keine Materialien außer den in GA 264 / 265 publizierten. Walter Kugler zufolge sind außer einem »Schäufelchen« auch keine Realien im Dornacher Archiv vorhanden (Gespräch am 17.3.2002). Allerdings ist ein Weihrauchfaß von 1911 in GA 265,313 abgebildet. Der Weg der Materialien ins Dornacher Archiv ist aber unklar, ebensowenig gibt es Informationen über mögliche Bestände außerhalb Dornachs. So wüßte man gerne, was aus »den unter einem schwarzen Tuch in einem Aktenkörbchen liegenden M. E. [Mystica Aeterna] -Erinnerungen« (Steiners? von Mitgliedern?), »von denen nie etwas verschüttet gehen durfte« (GA 262,208), wie Marie Steiner beim Aufräumen der Berliner Wohnung 1923 ihrem Mann schrieb, geworden ist. Zu weiteren Fragezeichen vgl. exemplarisch die Anm. 14.15. 125. 144. 201. 204.

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10. Freimaurerei

Chronologie: Freimauerei 1805 1814

Charles Lechangeur kreiert das Misraim-Ritual. Das Memphis-Ritual von Samuel Honis in Frankreich eingeführt. 1815 Misraim-Ritus der Brüder Bédarride. 1862 Memphis-Ritus in der Obödienz des Grand Orient. 1871 John Yarker Mitglied des Misraim-Ordens. 1876 Reuß wird in die »Pilgerloge Nr. 238« in London aufgenommen. 1877 24. Nov. Blavatsky wird in Yarkers Memphis-Misraim-Ritus in den höchsten Grad aufgenommen. 1885 Reuß tritt der Theosophischen Gesellschaft bei. 1902 Annie Besant wird in die Freimaurerei aufgenommen. 24. Sept. Reuß erhält für einen Schottischen Ritus und für einen Memphis- und Misraim-Ritus Patente Yarkers. 1904 9. Dez. Steiners erster Vortrag mit freimaurerischer Thematik. Sept. / Dez. erste Begegnung Steiners mit Reuß. 1905 24. Nov. Steiner und Marie von Sivers werden in Reuß' Misraim-Ritus aufgenommen. 1905 / 1906 Möglicherweise erste Gründung einer (Vorläufer-?) Organisation des O. T. O. 1906 3. Jan. Steiner erhält von Reuß die Leitung der »Mystica Aeterna« im Rahmen des Memphis- und Misraim-Ritus. Sommer Steiner relativiert die Bedeutung von Reuß. Sommer Reuß trennt den Schottischen, Memphis- und Misraim-Maurerei; Steiner erhält den Memphis- und Misraim-Ritus. 1907 15. Juni Reuß ernennt Steiner zum Großmeister. 1910/1912 Felkin und andere englische Okkultisten sind möglicherweise aus Interesse an den O. T. 0.-Ritualen bei Steiner. 1911 16. Dez. Steiner benennt den Misraim-Ritus in »Misraim-Dienst« um. 1912 Reuß' Begegnung mit Aleister Crowley (?). Reuß bezeichnet in der »Oriflamme« sexualmagische Riten als das innere »Geheimnis« des O. T. O. 1913 Steiner benennt die maurerische Einrichtung nochmals um; sie heißt nun »Michael-Dienst«. 1914 28. Juli Letzte (?) maurerische Zeremonie Steiners. 1923 / 1925 Die geplante erneute Etablierung ritueller Zeremonien kommt aufgrund von Steiners Tod nicht zustande.

10.2 Steiners Einstieg in die Freimaurerei

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Ritualbüchern, die normalerweise das Rückgrat der praktischen Arbeit bilden. Falls es keine schriftlichen Vorlagen für die Rituale gab, muß man annehmen, daß sie ohne Vorlage zelebriert wurden, und das würde wiederum bedeuten, daß der Ritus komplett an Steiner hing. Es ist allerdings unwahrscheinlich, daß man die langen Zeremonien ohne Vorlagen feierte, und zumindest für Teilbereiche existierten Formulare'. Wichtiges Material außerhalb der Rudolf Steiner-Nachlaßverwaltung fehlt in der Gesamtausgabe ebenfalls". Die Kommentierung des einschlägigen Bandes 265 ist, bei guter Kenntnis der Steinerschen Materialen, hinsichtlich des kulturellen Umfeldes unzureichend und durch die Bindung an Steiners esoterische Deutungen für viele Kontexte blind'. Steiners autobiographische Anmerkungen zum Freimaurer-Komplex, die zweite wichtige Quelle innerhalb der Gesamtausgabe, sind vornehmlich ein Problem und erst in zweiter Linie eine zusätzliche Quelle, denn in ihren Auslassungen und Falschinformationen sind sie als Irreführung noch milde beurteilt'. Ein großes Problem bilden die Veränderungen der Riten bis 1914. Nur an einigen Stellen ist deutlich, daß Steiner die Texte überarbeitet hat; das ganze Ausmaß der Umgestaltungen ist derzeit nicht überschaubar. Das maurerische Umfeld ist insbesondere in den Hochgradsystemen des späten 19. Jahrhunderts für Deutschland kaum erforscht (dazu unten 10.3), die wissenschaftliche Literatur konzentriert sich im wesentlichen auf die Johannismaurerei und namentlich die des 18. Jahrhunderts. Damit war eine Unterscheidung in »reguläre« und »irreguläre« Maurerei verbunden, die innermaurerischen Normierungen entstammt und die ich im folgenden nicht übernehme. Viel Literatur gibt es nur zu Steiners Verhältnis zum O. T. O. (Ordo Templi Orientis) (s. u. 10.4.1). Die wissenschaftliche Belastbarkeit dieses Kapitels verdankt sich der kollegialen Hilfe von Jan Snoek, der großzügig sein reiches Wissen zur Verfügung gestellt hat. Ohne seine intime Kenntnis der maurerischen Geschichte und insbesondere der Rituale wäre die historische Kontextualisierung problematisch geblieben und eine Einordnung von Steiners Zeremonien in die Ritualtraditionen unmöglich gewesen.

10.2 Steiners Einstieg in die Freimaurerei 1904 / 05 Vor seinem Eintritt in die Theosophie hat Steiner keine Kontakte zur Freimaurerei und vermutlich auch fast keine Kenntnisse besessen. Er wußte zwar um die Freimaurerloge in Neudörfl, wo er als Kind von 1869 bis 1879 wohnte, aber er habe »kein Verhältnis zu dieser Loge gewinnen« können (GA 28,20), wie sich der

Vgl. die Leerstellen für persönliche Ansprachen in den Aufnahmetexten (s. u. 10.5.2b). Vgl. etwa den höchst wichtigen Erlebnisbericht von Heinrich Goesch (s. u. 10.5.2f). 5 Dazu nur ein Beispiel: Wiesberger teilt etwa Steiners Theorie der Verbindung der Maurerei zu antiken Traditionen, etwa zu Ägypten und den Mysterienkulten, vgl. GA 265,46 u. o. 6 Einschlägig ist vor allem das 36. Kapitel (GA 28,335-339). Vgl. zu irreführenden oder falschen Aussagen s. besonders 10.2 (Schlußpassage) und 10.4.2.

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10. Freimaurerei

63jährige als Teenager altklug sprechen ließ. Erst im Rahmen der Theosophie hat er sich mit der Freimaurerei beschäftigt, und auch erst nachdem er 1904 in die Leitungsfunktion der Esoterischen Schule hineingewachsen war': Am 10. Mai hatte Besant ihn zu deren »Arch-Warden« ernannt, im Juni begann er mit der Publikation seines Schulungsweges, am 9. Juli 1904 hielt er seine erste esoterische Stunde (s. 7.10.1c). Vom 30. September 1904 datiert ein erster, unspezifischer Hinweis auf die Freimaurerei, die ein »schwaches Abbild« der Druidentradition sei (GA 93,46). Schon hier stellte Steiner die Maurerei in die Tradition alter Mysterienkulte. Am 4. November erzählte er dann die Tempellegende (GA 93,59), im Rückgriff auf Charles William Heckethorns Buch »Geheime Gesellschaften«, das 1900 frisch übersetzt worden warb. Am 2., 9. und 16. Dezember 1904 hielt Steiner einen kleinen dreiteiligen Zyklus über freimaurerische Themen (GA 93,80-115). Seine Aussagen waren nun schon recht konkret, etwa in der Behauptung, die Inhaber des 96. Grades seien außerhalb der maurerischen Schulung graduiert (ebd., 97). Informationen zu diesem Themenfeld dürfte Steiner von dem Hamburger Theosophen Albrecht Wilhelm Sellin erhalten haben, der, aus der Parapsychologie kommend, zur Theosophie gestoßen war und dem Cerneau-Ritus angehört haben soll9, einer amerikanischen Variante des »Alten und Angenommenen Schottischen Ritus«'°. Vermutlich hatte Steiner ihn erst im September 1904 kennengelernt" und griff wohl ohne intensive Gegenprüfungen auf Sellins Informationen zu. Vom 12. und 14. Dezember 1904 datieren zwei Briefe Sellins (GA 265,72-77), in denen er Steiner Basisinformationen über die ägyptische Hochgradmaurerei (übrigens jeder Rückverlagerung in die Antike abhold) lieferte und ihm über die ' Wiesberger spricht unter Berufung auf eine mündliche Mitteilung Marie von Sivers' von einem »Angebot« an Steiner 1903/04 seitens eines »Tschechen« (GA 265,50). Ob sich dahinter mehr als eine vage Anregung verbarg, sich mit der Maurerei zu beschäftigen, ist völlig unklar. Wilke: Rezension zu Rudolf Steiner: Die Tempellegende, 61, sieht in dem kleinem Kreis, dem Steiner bereits 1903 Unterweisungen gab, eine »okkulte Loge« als Vorläuferin. Für diese Traditionslinie gibt es außer strukturellen Ähnlichkeiten aber keine Belege. Auch allen weiteren Behauptungen einer früheren maurerischen Beschäftigung fehlen Quellenbelege, so bei Caillet: La franc-maçonnerie égyptienne, 144, mit Berufung auf sekundäre Literatur, nämlich auf King: Magie rituelle (1972), 299f. (Übersetzung von: Ritual magic in England, 1970). Caillets Kapitel über Steiners Beziehung zum O. T. O. und dem Memphis-Misraim-Ritus (S. 143-146) ist ohne Benutzung der zentralen Quellenbestände geschrieben und falsch oder unzuverlässig. s Heckethorn: Geheime Gesellschaften; vgl. den Kommentar in GA 265,497. Steiners Notizen zu diesen Erklärungen ebd., 365-370. Dieses Buch wie vermutlich auch dasjenige von Schauberg (s. u. Anm. 15) dürfte Steiner durch die Vermittlung von Maurern erhalten haben. Im Prinzip waren diese Bücher über Buchhandlungen zugänglich, doch wurden sie meist über maurerische Vertriebskanäle angezeigt oder auch vermittelt. 9 GA 265,77; biographische Angaben nach GA 2642,490. Möglicherweise war Sellin, der lange in Brasilien gelebt hatte, im Ausland beigetreten. ° Lennhoff/ Posner: Freimaurerlexikon, 263 f. " Nach GA 2642,490 (Kommentar) sei Sellin »sofort Mitglied der deutschen Sektion und esoterischer Schüler Rudolf Steiners« geworden, als er ihn in Hamburg vortragen hörte. Steiner hat, soweit nachweisbar, 1904 nur am 15. September in Hamburg gesprochen (Schmidt: Vortragswerk, 65), allerdings ist dort nur von einer »Wiedergabe eines öffentlichen Vortrags« von Besant die Rede, nicht aber von einem Vortrag Steiners. Steiner kann theoretisch dann noch auf der Hin- und Rückreise nach London (7. bis 14. Mai [Lindenberg: Steiner (Chronik), 218]) in Hamburg Station gemacht haben, aber dafür gibt es keine Belege.

10.2 Steiners Einstieg in die Freimaurerei

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Ordensgründungen von Theodor Reuß berichtete, einem Vermittler maurerischer Rituale und eine zentrale Figur für Steiners weitere maurerische Unternehmungen (s. u. 10.3.3). Diese Briefe setzen einen Adressaten voraus, der von Tuten und Blasen keine Ahnung hat, aber der zweite Brief macht deutlich, daß auch Sellin sich über Reuß erst kundig machen mußte12. Diese Informationsbeschaffung dokumentiert, wie beschränkt Steiners Kenntnisse über die Freimaurerei zu diesem Zeitpunkt waren und daß er mutmaßlich unter dem Druck einer schnellen Anbindung an die Freimaurerei nach Informationen und Kontakten suchte. Sellin hat Steiner auch Reuß' Zeitschrift »Oriflamme« geschickt (GA 265,76)13, aus der Steiner am 9. Dezember 1904 zitierte (GA 932,98; GA 265, 50). Am 16. Dezember fiel ein weiterer wichtiger Name, John Yarker, ebenfalls ein umtriebiger Akteur in der maurerischen Szene der Jahrhundertwende (s. u. 10.3.2). Der sei, so Steiner, ein »ausgezeichneter Maurer« (GA 933,110), während Steiner »einen gewissen Reuß« und Carl Kellner, der mit Reuß zusammenarbeite, nicht bewerten wolle (ebd., 111). Auch die Äußerung, »die eigentliche schriftstellerische Arbeit liegt wohl in der Hand des Dr. Franz Hartmann, der mit der Feder diesem Misraim-Ritus am allermeisten dient« (ebd.), bestätigt Steiners geringe Kenntnisse dieses Milieus. Dem in 96 Grade ausdifferenzierten Misraim-Ritus wies er vor seinen Zuhörern an diesem Tag schon »eine gewisse Berechtigung« zu und sah das »souveräne Sanktuarium« im »Besitz der eigentlichen okkulten Erkenntnisse« (ebd., 109). Dies sollte er später als gravierenden Irrtum revidieren. Irgendwann in diesen Monaten ist Steiner erstmals Reuß persönlich begegnet; Wiesberger datiert das erste Treffen plausibel zwischen den 15. September und den 9. Dezember 190414. Weitere Suchbewegungen Steiners sind, von Lektüren masonischer Schriften abgesehen15, kaum zu präzisieren. Fest steht, daß Steiner und Marie von Sivers am 24. November 1905 der Reußschen Freimaurerei beigetreten sind (GA 265,79). Diese belegbar tastende Annäherung Steiners an die Freimaurerei ist in etwa das Gegenteil der Darstellung, die er Anfang 1925 in seiner Autobiographie gab: »Einige Jahre nach dem Beginne der Tätigkeit in der Theosophischen Gesellschaft trug man von einer gewissen Seite her Marie von Sivers und mir die Leitung einer Gesell-

12 Es liegen nur die Briefe Sellins vor, Steiners Gegenbriefe fehlen. Sollte Steiner der Nachhilfeunterricht im ersten Brief mißfallen haben, hätte er Sellin wohl nicht dazu angeregt, Erkundungen über Reuß einzuziehen. Dies und Sellins eigenes Unwissen setzt der Eingangsatz des zweiten Briefes (»Zunächst habe ich noch folgendes über die bewußte Großloge ermittelt«, GA 265,75) voraus. Der erste Brief ist im übrigen ohne Anrede und Einleitung veröffentlicht und daher stellt sich die Frage, ob er redaktionell gekürzt ist; an anderer Stelle sind redaktionelle Kürzungen bei Briefen angegeben (GA 265,88). 13 Dabei dürfte es sich um die sogenannte »historische Ausgabe« der »Oriflamme« von 1904 gehandelte haben. " GA 265,50. Wiesberger macht die Zeitangaben u. a. an Steiners oben genannter öffentlicher Bezugnahme auf die »Oriflamme« am 9. Dezember 1904 fest, während Sellin noch am 20. Dezember (GA 265,78) Steiner ein Heft der »Oriflamme« als Neuigkeit beilegte. 15 Neben Heckethorn (s. o. Anm. 8) spielte Schauberg: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei (1861), das sich in Steiners Bibliothek befindet (GA 265,501), eine wichtige Rolle; vgl. zu den Belegen Anm. 135 und 245 sowie GA 265,138. 501, und GA 2843,187 f.

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10. Freimaurerei

Schaft von der Art an, wie sie sich erhalten haben mit Bewahrung der alten Symbolik und kultischen Veranstaltungen, in welchen die >alte Weisheit< verkörpert war.« (GA 28,335)

Aber Steiners Darstellung ist falsch: Nicht Reuß (denn er ist die namenlose »gewisse Seite«16 ) war an ihn herangetreten und hatte ihm den Memphis-MisraimRitus (denn der verbirgt sich hinter »einer Gesellschaft« mit »alter Symbolik und kultischen Veranstaltungen«) sozusagen aufgedrängt, vielmehr hatte er selbst die Initiative ergriffen und war zu Reuß gegangen, wie er 1906 Sellin in einem Brief eröffnete (GA 265, 68).

10.3 Das freimaurerische Umfeld Mit seinem Schritt in die Freimaurerei betrat Steiner also ein ihm fremdes Gelände, in dem sich andere Okkultisten längst maurerische Rituale angeeignet hatten. Er stand einem hart umkämpften Feld mit vielfältigen Konkurrenzen gegenüber. Die Akteure waren dabei weniger die älteren, aus dem 18. Jahrhundert stammenden Logen und Logenverbände, sondern die von diesen als »Winkelmaurerei« oder »irreguläre Maurerei« ausgegrenzten Akteure des 19. Jahrhunderts". Neben den etablierten Logen war um 1900 ein großes, international organisiertes und beim augenblicklichen Stand der Forschung nur schwer überschaubares Angebot für die Organisation von Logen und Ritualen entstanden, das ich nur mit wenigen, für Steiner einschlägigen Segmenten hier vorstelle.

10.3.1 Die ägyptischen Hochgrade Das Hochgradsystem des Misraim-Ritus, in das Steiner einzusteigen suchte, beruhte auf Entwicklungen des 18. Jahrhunderts. Die vier Logen, die 1717 die erste Großloge in London bildeten und sich 1723 die »Alten Pflichten« als Konstitutionen gaben, kannten nur einen oder zwei, kurz nach 1725 drei »symbolische« Grade: Lehrling, Geselle, Meister'. In den 1740er Jahren jedoch entstanden in Frankreich Systeme mit weiter vermehrter Gradzahl und angereichert mit hermetischen, gold- und rosenkreuzerischen oder christlichen Vorstellungen sowie durch fiktionale Elemente (etwa einer Tradition des Templerordens). Aus der

16 Den kenntnisreichen Zeitgenossen ist dieser Zusammenhang aber immer bekannt gewesen. Möller / Howe: Merlin Peregrinus, 164, lesen Steiners Aussagen nicht zuletzt wegen dieser gezierten Verdrängung als »Statement, bei dem man nicht nur den Stil als gewunden empfindet«. " Vgl. zur deutschen Freimaurerei im 19. Jahrhundert Hoffmann: Die Politik der Geselligkeit; Peters: Geschichte der Freimaurerei im Deutschen Reich. Beide Arbeiten konzentrieren sich jedoch auf die »reguläre« Maurerei. 18 Snoek: On the Creation of Masonic Degrees, beschreibt die Entstehung von drei und mehr Graden zwischen 1730 und 1760 in verschiedenen Logen als Antwort auf unterschiedliche Notwendigkeiten, den Ritus zu erweitern. Vgl. auch ders.: The earliest development of masonic degrees and rituals, 15f. Die Datierung nach 1725 bei dems.: Drei Entwicklungsstufen des Meistergrads, 21f.

10.3 Das freimaurerische Umfeld

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Vielfalt rivalisierender Hochgradsysteme des 18. Jahrhunderts19 entstand der »Alte und Angenommene Schottische Ritus« mit 33 Graden als klassischer »Perfektionsritus«, ohne jedoch ein einheitliches Lehrgebäude erhalten zu haben. Das Durchlaufen dieser Stufen konnte, und hier mag ein Moment der Attraktivität von Hochgradriten für Steiner gelegen haben, als Prozeß der Persönlichkeitsbildung und in der explizit religiös orientierten Maurerei als Initiationsprozeß zur Selbst- oder Gotteserkenntnis verstanden werden. In die »Bearbeitung« der Hochgrade sind mehrere legendarische Erzählungen eingeflossen, vor allem die Geschichte von Hiram sowie die Kreuzes- und die Tempellegende20. Die Hiramlegende ist eine in vielen Variationen existierende und unter Einarbeitung biblischer Stoffe (vgl. 1 Kön 5,15-7,51) zwischen 1730 und 1760 entstandene Erzählung21. In ihrer maurerischen Fassung enthält sie die Geschichte von Hiram, dem Baumeister des Salomonischen Tempels, dem drei Gesellen das »Meisterwort« abpressen wollen und der aufgrund seines Schweigens von ihnen erschlagen wird - mit symbolisch wichtigen Gegenständen (Maßstab, Winkelmaß, Hammer) und an symbolisch herausgehobenen Körperstellen (Hals, linke Brust, Kopf). Die Mörder werden aber entdeckt und hingerichtet. Bei der Auffindung von Hirams Leichnam habe einer der Umstehenden »Herr, Gott!« (Adonai Elohim) ausgerufen, und diesen Ausspruch habe Salomon als Meisterwort angenommen22. In der Templererzählung hingegen wurde eine esoterische Tradition des Templerordens konstruiert, wonach schottische Maurer die geheimen Lehren der Templer tradiert hätten, nachdem 1314 deren letzter Großmeister, Jacques de Molay, in einem Autodafé verbrannt worden war23. Seit dem 18. Jahrhundert war daraus ein weit verbreiteter Vorstellungskomplex geworden24, der um 1900 mit einem gigantischen Syndrom von Gerüchten verbunden war25. Angesichts der Probleme dieser Traditionskonstruktion, wie sie unter Freimaurern spätestens seit dem Wilhelmsbader Konvent von 1782 offen diskutiert wurde, gab es am Ende des 19. Jahrhunderts explizite Distanzierungen von der Templertradition; so hatte die »Große Landesloge der Freimauer von Deutschland in Berlin« 1888 nach kontroversen Debatten die Templergenealogie abgelehnt26. Im 19. Jahrhundert kam es zur Entwicklung von Hochgradsystemen mit neunzig und mehr Graden, darunter der Memphis- und Misraim-Riten als Formen der »ägyptischen Maurerei«. Sie gehörten in die stark projektive Beschäftigung des aufklärerischen Europa mit Ägypten, das positiv wie negativ als GegenVgl. Lennhoff/ Posner: Freimaurerlexikon, 703 f. Die Kreuzeslegende spielte bei Steiner eine weniger wichtige Rolle, vgl. Anm. 225. 21 Snoek: The Evolution oft the Hiramic Legend. 22 Diese Fassung nach Frick: Die Erleuchteten, I, 171-173. 23 Lennhoff/Posner: Freimaurerlexikon, 1521. 24 Le Forestier: Die templerische und okkultistische Freimaurerei. 25 Die um 1900 umlaufenden Unterstellungen umfaßten das Abschwören des »Fetisch« Kruzifix, die Verehrung eines Idols, des »Baphomet«, die Umgürtung mit einem »Johannisgürtel«, der magische Kräfte besessen habe, den Kuß auf den entblößten Hintern als klassische Unterwerfungsgeste unter den Satan und ein dualistisches Weltbild; vgl. Schuster: Die geheimen Gesellschaften, II, 350-352. Dazu kamen die Behauptungen praktizierter Homosexualität. 26 Peters: Geschichte der Freimaurerei im Deutschen Reich, 91-93. 20

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10. Freimaurerei

bild zur abendländischen Tradition aufgebaut werden konnte. So fungierte der »ägyptische Weise« vielfach als kritisches Ideal gegenüber den Autoritäten der okzidentalen Geschichte, und die ägyptische Chronologie ließ sich als empirische Kritik gegen die biblizistische Datierung der Weltgeschichte einsetzen27. Napoleons ägyptische Expedition zwischen 1798 und 1801 setzte eine mode égyptienne frei und führte nicht zuletzt zur Begründung der Ägyptologie. In diesen Zusammenhang gehört auch die Begeisterung für die ägyptische Maurerei, die wiederum nur einen Strang der europäischen Orientfaszination im 19. Jahrhundert bildete. Damit konnte der Freimaurerei eine esoterische Tradition über das Mittelalter hinaus bis in die Antike unterlegt werden, die aber alle historisch belegbaren Fakten hinter sich ließ28. Die Erzählung von den ägyptischen Wurzeln der Freimaurerei, die in Andersons historischem Kapitel in den Constitutions von 1723 eine autoritative Quelle besaß29, gehörte neben seiner Anbindung der Freimaurerei an die antiken Mysterienkulte im 19. Jahrhundert zu den folgenreichen Traditionserfindungen". So hatte Cagliostro am Ende des 18. Jahrhunderts ägyptisierende Zeremonien popularisiert3 ' und ihre Herkunft aus antiken Kulten postuliert (s. 7.10e). Den für Steiner einschlägigen Ritus von Misraim (dem semitischen Namen für Ägypten) mit 90 Graden soll 1805 der mailändische Freimaurer Charles Lechangeur entwickelt haben, der sich nach verweigerten Weihen selbst zum »Supérieur Grand Conservateur de l'Ordre de Misraim« gemacht und die Grade gewinnbringend verkauft habe; von den 90 Graden dürften jedoch nur etwa sieben praktisch bearbeitet worden sein, die restlichen wurden »historisch« (also mündlich) mitgeteilt, sofern sie überhaupt ausgearbeitet waren32. Die drei letzten Grade blieben »unbekannten Oberen« vorbehalten33, damit ein Element der »Strikten Observanz« von der Mitte des 18. Jahrhunderts aufnehmend, die sich in der Templertradition sah und die Existenz von »Superiores Incogniti« gelehrt hatte. In den »Meistern« der Theosophischen Gesellschaft (s. 3.2.4) fand sich am Ende des 19. Jahrhunderts ein verwandtes Motiv. 1815 wurde der Misraim-Ritus von den Brüdern Marc, Michael und Joseph Bédarride in Frankreich geschäftstüchtig popularisiert34. Die Ordenlegende ließ Menes nach Ägypten ziehen. Er 2' Vgl. Hazard: Die Krise des europäischen Geistes, 40f. 69-72. 28

Schon die Ableitung der Freimaurerei aus den mittelalterlichen Bauhütten ist ein komplexer Prozeß. Zu den belegbaren Transformationen der operativen in die symbolische Maurerei in Schottland während der frühen Neuzeit vgl. Stevenson: The Origins of Freemasonry; ders.: The first Freemasons. Zu den abweichenden Positionen von John Hamill vgl. Snoek: The earliest development of masonic degrees. 29 Zu dieser Traditionskonstruktion vgl. 7.10.1e. 30 Hornung: Das esoterische Ägypten, 122 f. Die ägyptische Religion wurde schon von den Griechen als Raum des geschützten Geheimnisses, insbesondere im Osiris-Kult, interpretiert; Assmann: Weisheit und Mysterium, 35-38. 31 Hornung: Das esoterische Ägypten, 125-127; Galtier: Maçonnerie égyptienne, 26-38. Vgl. dazu Goethes bissige Kritik in seinem »Großkophtha«. 32 Beyer: Die Rituale des Misraim-Ritus, 177 f. Zum Misraim-Ritus vgl. auch die Ausführungen von Adriànyi: Irreguläre und betrügerische Riten, IV. Steiner hatte 1906 in Kontakt mit Adriànyi gestanden. 33 Adriânyi, ebd. 34 Galtier: Maçonnerie égyptienne, 74-85.

10.3 Das freimaurerische Umfeld

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sei der Namensgeber für Misraim und von seiner Familiengeschichte der in Chaldäa erzogene Sohn Hams und Enkel Noahs. Menes habe dort einen Vorläufer der Mysterien von Isis und Osiris gegründet, der überhaupt die Wurzel aller Geheimlehren bilde. Obwohl der französische Großorient 1817 dem Ritus die Anerkennung verweigerte, blühte er Mitte des 19. Jahrhunderts, verlor aber gegen Ende des Jahrhunderts an Zulauf35. Den Memphis-Ritus", den Steiner ebenfalls beerben wollte, soll 1814 Samuel Honis aus Kairo in Frankreich eingeführt haben. Im Zentrum der Ordenslegende stand ein ägyptischer Weiser namens Ormus oder Ormuzd, der in Memphis, der Königsstadt von Menes, gelebt habe und im Jahr 46 vom Evangelisten Markus zum Christentum bekehrt worden sei. Ormus' Name ist wohl von Ahura Mazda, der zarathustrischen Hochgottheit, abzuleiten, und findet sich in dieser Funktion schon in rosenkreuzerischen Schriften des 17. Jahrhunderts". Darüber hinaus postulierte man eine Kontinuität zu den dionysischen Mysterien, außerdem sollen Essener sich mit der Schule von Ormus vereinigt und Templer den Ritus nach Europa gebracht haben. Die Ordenslegende endete in der damaligen Gegenwart mit der Behauptung, Napoleon und sein General Kléber seien während des Ägyptenfeldzuges in die Mysterien eingeweiht worden. Jacques Etienne Marconis, ein aus dem Misraim-Ritus ausgestoßener Maurer, soll den Memphis-Ritus geschaffen, ihn auf 95 Grade aufgestockt und das Ritual an Interessenten verkauft haben". Der Orden war pompös ausgestaltet: So bestand die Ordensleitung aus drei »Suprêmes Conseils«: den neun »Großwürdenträgern«, dem siebenköpfigen »Souverain Grand Conseil Général« und den neun »erleuchteten« Mitgliedern des »Collège liturgique«. Die weitere Entwicklung verlief in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit Höhen und Tiefen: Der Zahl der Grade des Ritus wurde mehrfach erhöht und erniedrigt, der Orden wurde verboten, eingeschläfert und wieder etabliert. 1862 nahm der Grand Orient in Frankreich den Memphis-Ritus unter seine Obödienz, so daß er in den drei symbolischen Graden nach seinem eigenem Ritus arbeiten konnte. Doch weitere Reorganisationen, immer neue Aufteilungen in rituell bearbeitete, historisch mitgeteilte und administrativ verwaltete Grade und die Nutzung des Materials als Steinbruch zur Schaffung von weiteren Hochgradsystemen hörten bis zum Ende des 19. Jahrhunderts nicht auf. Vermutlich war der Memphis- und Misraim-Ritus selbst in Frankreich am Ende des 19. Jahrhunderts fast ausgestorben und hätte möglicherweise nicht überlebt, wenn nicht John Yarker - von dem im Bezug auf Steiner noch zu sprechen sein wird - kein Patent von Henry Seymour erhalten und die Fortexistenz des Ordens gesichert hätte39 " Frick: Die Erleuchteten, II / 2, 170-173. 36 Zum folgenden ebd., II / 2, 189-199. 37 Ebd., II / 1, 370f. 38 Lennhoff/ Posner: Freimaurerlexikon, 1022 f.; vgl. auch Frick: Die Erleuchteten, II / 2, 149-152. 39 Mollier: Rites égyptiens, 747. Caillet: La franc-maçonnerie égyptienne, 128-133, beschreibt allerdings eine Wiederbelebung und Vereinigung verschiedener Memphis-Misraim-Riten in den 1880er Jahren. Zur Wiederbelebung durch Reuß s. u. 10.3.3; zur Geschichte im 20. Jahrhundert, die offenbar nach 1914 ohne Berührungen mit der Anthroposophie erfolgte, siehe Caillet, ebd., passim, und Amadou: Préface. Zu Yarker siehe Howe: The Rite of Memphis in France and England, 11.

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Derartige Hochgradsysteme, die noch mehr Grade als der Alte und Angenommene Schottische Ritus anboten und kurz vor 1800 in Frankreich entstanden, etablierten sich nach 1816, dem Ende der napoleonischen Ära. In Deutschland scheinen zumindest die 90-Grad-Riten weniger präsent gewesen sein, und selbst die Riten des »Alten und Angenommenen Schottischen Ritus« besaßen bis in die zwanziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts aufgrund des Widerstands der in drei Graden arbeitenden Maurerei keine institutionalisierte Präsenz im Verband der Großlogen". Die Debatten über diese Hochgrade wurden allerdings auch in Deutschland geführt. Ob Steiner eine politische Pointe zumindest der schottischen Hochgrade, ihre stärker internationalistische und politisch ausgerichtete Haltung41, realisierte, ist angesichts seiner geringen Vorkenntnisse zu bezweifeln. Wahrscheinlich waren es eher die Traditionskonstruktionen, die gerade in der ägyptischen Maurerei bis in das antike Ägypten und in die antiken Mysterienkulte zurückgeführt wurden, die Steiner an der ägyptischen Maurerei reizten, vielleicht auch die Auslegung als initiatisches System, die sich für die Esoterische Schule gut verwenden ließ. Allerdings läßt sich auch nicht ausschließen, daß Steiner zufällig an die ägyptisierenden Riten geriet.

10.3.2 Theosophische Freimaurerei und die Frauen: Yarker, Blavatsky, Besant Steiner betrat 1904 nicht nur in das weite Feld der ägyptophiler Hochgradsysteme, sondern traf auch auf intensive theosophische Bemühungen, kultische Zeremonien auszubilden und sich dabei die Maurerei einzuverleiben42. Eine Schlüsselfigur der Produktion und Vermittlung von Hochgradriten um 1900 im Umfeld der Theosophie war John Yarker (1833-1913)43. Er begann 1854 in der symbolischen Maurerei und kam 1856 zu den Hochgraden des »Jerusalem-Konklave« der britischen Templermaurerei44. Yarker wurde in vielen weiteren Orden, Riten und maurerischen Vereinigungen Mitglied: in nationalen Abteilungen der ägyptischen Maurerei, im »Ordre Martiniste« des französischen Okkultisten Papus (i. e. Gérard Encausse), in der »Societas Rosicruciana in Anglia« und im stark christlichen geprägten Swedenborgischen Hochgradsystem45. 1871 war er, auf Vermittlung des Gründers der »Societas Rosicruciana in Anglia«, Robert Wentworth Little, Mitglied des Misraim-Ordens geworden. Im Jahr darauf erhielt er von Harry J. Seymour ein Patent für den von Joseph Cerneau zu Beginn des 19. Jahrhunderts entwickelten Cerneau-Ritus, ein weiteres für den »Alten 4o Zu dieser Situation zwischen den beiden Weltkriegen Melzer: Konflikt und Anpassung, 26f. 41 Ebd., 26. 42 Eine zusammenfassende wissenschaftliche Bearbeitung dieser Dimension der Theosophie ist mir nicht bekannt. Die einschlägigen Informationen finden sich sehr verstreut, und auch in der theosophischen Literatur sind die Hinweise, möglicherweise wegen des Arkanvorbehalts, dünn gesät. Ein Überblick über kultische Praktiken bei Tingay: The Ritual Dimension of Theosophy. 43 Zur Biographie Hamill: John Yarker. Masonic Charlatan?, und ders.: The Seeker of the Truth. John Yarker. Yarker war zwar ein agiler, nachgerade obsessiver Agent maurerischer Riten, scheint aber persönlich integer gewesen zu sein; vgl. King: The Secret Rituals of the O. T. 0, 23. 44 Hamill: John Yarker. Masonic Charlatan?, 193. 45 Frick: Die Erleuchteten, II / 2, 205. 207.

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und Primitiven Ritus der Maurerei« sowie eines für die Disciples of Memphis46, wobei die »ägyptischen« Logen in England zu diesem Zeitpunkt möglicherweise alle erloschen waren47. Auch sexualmagischen Praktiken im Umfeld der Maurerei stand er offenbar nahe48. In seinem Hauptwerk, den »Arcane Schools«, bot er eine freimaurerische Geschichte, die bis in in »the Mysteries« reichte, die durch »the uninterrupted transmission of Freemasonry from century to century« in die Gegenwart überkommen seien49. Das war (oder wurde) auch Steiners Position. Yarker bearbeitete zudem die ägyptische Maurerei, indem er die 90 Grade des Misraim-Ritus und die 95 Grade des Memphis-Ritus jeweils in vier Gruppen aufteilte (wohl in Anlehnung an Untergliederungen im alten und Angenommenen Schottischen Ritus), wobei die Misraim-Grade nur »historisch« den Trägern erteilt wurden". Die ägyptischen Riten, und dies ist im Blick auf Steiner von besonderer Bedeutung, öffnete er auch für Frauen und ermöglichte damit Blavatsky (s. u.) den Weg in die Maurerei. Steiners Einbeziehung von Frauen, die der deutschen Maurerei des frühen 20. Jahrhunderts revolutionär erscheint, besitzt hier wichtige Wurzeln. Ein solcher Schritt war in der als Männerbund konstituierten Freimaurerei umstritten und nach den »Alten Pflichten« nicht zugelassen. In den 1740er Jahren waren jedoch, in einer noch schwer überschaubaren Nachfolge androgyner Gesellschaften des 17. Jahrhunderts, viele Adoptionslogen entstanden, die nicht nur separate, nichtmaurerische Veranstaltungen für Frauen boten, sondern auch rituell arbeitetens'. Nicht alle kann man der Freimaurerei zurechnen, es gab auch nichtmaurerische Assoziationen mit oft ordens- oder logenähnlichem Charakter. Die Formen waren vielfältig: Neben gemischten Logen gab es reine Frauenlogen, die wiederum teilweise Männern das Besuchsrecht einräumten, oder andere, die einer männlichen Loge affiliert waren und in der Brüder der patronisierenden Loge jedes Amt zusätzlich besetzten. Neben der Akzeptanz weiblicher oder gemischter Logen gab es auch Kritik, die sich meist am Frauenbild (Bindung der Frau an Haus und Familie, Bestreitung intellektueller Kompetenz) oder an einer befürchteten Sexualisierung des Logenlebens festmachte. Mit den Verdächtigungen, geheime sexuelle Riten zu praktizieren, mußte sich auch Steiner noch auseinandersetzen. Im 19. Jahrhundert kam erneut Bewegung in die weibliche Maurerei. Seit den fünfziger Jahren bot der Orden »Eastern Star« in den Vereinigten Staaten weiblichen Angehörigen von Maurern ein Betätigungsfeld, 1854 hob der Brüsseler Grand Orient das Verbot der Diskussion über die Mitgliedschaft von Frauen in der Maurerei auf. Am Ende des 19. Jahrhunderts stieg die Feministin und Freidenkerin Maria Deraismes 46 Hamill: John Yarker. Masonic Charlatan?, 193 f. Leicht abweichend Frick: Die Erleuchteten, II/ 2, 203f. 47 Adrianyi: Irreguläre und betrügerische Riten, V,14. 48 Zur Kooperation mit der Brotherhood of Eulis (s. 3.2.2) siehe Deveney: Paschal Beverly Randolph, 341. 49 Yarker: The Arcane Schools, 2. 64. so Lennhoff/ Posner: Freimaurerlexikon, 73. 1024. 51 Hivert-Messica: Comment la Franc-Maçonnerie vint aux femmes. Viele Detailinformationen zu den Adoptionslogen beziehe ich aus den Vorträgen auf dem Symposium »Masonic Rituals in Mixed and Female Orders« im Rahmen des Sonderforschungsbereichs Ritualdynamik, Heidelberg, 11.-12.10.2004 (die Publikation der Vorträge ist im Druck).

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(1828-1894) zu einer zentralen Figur der weiblichen Maurerei auf. Am 14. Januar 1882 wurde sie von der Loge »Les Libres Penseurs« in Le Pecq (bei Paris), die sich von der »Grande Loge Symbolique Ecossaise de France« getrennt hatte, eingeweiht52. 1894 gründete Deraismes mit Georges Martin und 13 weiteren Freimaurerinnen die gemischte Obödienz »Le Droit Humain«, 1901 erklärte sich diese Loge nach internen Auseinandersetzungen als Großloge zum »Suprême Conseil universelle mixte« des 33. Grades im Alten und Angenommenen Schottischen Ritus53. Für die Durchsetzung der Teilnahme von Frauen seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert besaß darüber hinaus möglicherweise der Golden Dawn eine hohe Bedeutung54. Auf dem Hintergrund der Forderung nach Ausweitung des maurerischen Egalitätsanspruchs auf Frauen ist auch Yarkers Öffnung seiner Freimaurerei zu lesen. Yarker, der schon zur Gründung der Theosophischen Gesellschaft 1875 geladen gewesen sein soll55, erhob Blavatsky nach der Veröffentlichung der »Isis Unveiled«, wo sie ihn als gelehrten Maurer gelobt hatte56, am 24. November 1877 zur »Gekrönten Prinzessin«, dem höchsten Grad für weibliche Mitglieder in der Adoptionsmaurerei des Memphis-Misraim-Ritus57. 1879 oder 1880 wurde Yarker zum Ehrenmitglied der Theosophischen Gesellschaft ernannt58. Er soll 1878 mit Blavatsky auch über die Einrichtung eines Rituals verhandelt haben, offenbar ohne Ergebnis". Dynamisch wurde das Verhältnis von Freimaurerei und Theosophie aber erst durch Annie Besant. Sie kannte die Freimaurerei aus ihrer Zusammenarbeit mit dem ehemaligen Freimaurer Charles Bradlaugh60. Die Geschichte ihres Beitritts im Jahr 1902 ist aber noch nicht ganz durchschaubar. Sie dürfte sich schon 1893 / 94 um einen Zugang zur Maurerei in Frankreich, wo ja die Adoptionsmaurerei eine lange Tradition besaß, bemüht haben, wollte aber offenbar nicht mit der atheistischen Position des Grand Orient identifiziert werden61. Zudem gibt es hartnäckige Gerüchte, daß sie bei Yarker um ein Entrée nachsuchte, doch 52 Hivert-Messica: Comment la Franc-Maçonnerie vint aux femmes, 221-253. Vgl. auch Lennhoff/ Posner: Freimaurerlexikon, 335. 385. Zu weiteren Frauen ebd., 519. 53 Vgl. zu den Details dieser außerordentlich komplexen Geschichte Hivert-Messica, ebd., 302-305. 54 Bogdan: From Darkness to Light, 200. 55 Ohne Belege bei Schmidt-Brabant: Rudolf Steiner und der Maurer-Impuls, 282. 56 Blavatsky: Isis entschleiert, II, 376. 57 Frick: Die Erleuchteten, II / 2, 207; Miers: Lexikon des Geheimwissens (71993), 669. Datierung nach GA 265,51. Godwin: Theosophical Enlightenment, 288f., berichtet von der Vergabe von »Diplomen« im Jahr 1879. Ein Patent Yarkers für Blavatsky existiert (vgl. Blavatsky: Collected Writings, Bd., I, S. 304, nach: www.members.aol.com/dilloo; besucht am 2.6.2004). Ob mit dieser Ernennung auch eine rituelle Praxis bei Blavatsky verbunden war, ist eine offene Frage. 58 Hamill: John Yarker. Masonic Charlatan?, 192 (1879). 59 Ransom: A Short History, 103. Blavatsky hatte jedenfalls schon 1877 Masonica von Yarker erhalten (ebd., 100). Ob Steiner Yarker begegnet ist, ist unklar, aber nicht belegt und eher unwahrscheinlich. Indirekte Schlüsse darauf (King: Ritual Magic, 104) bedürften der Bestätigung. 6o Prescott: Annie Besant and Freemasonry. Bradlaugh war Mitglied in der Loge »Philadelphia«, die zum Memphis-Ritus gehörte. 61 Ebd., Informationen über eine Mitgliedschaft in der Freimaurerei 1897/98 (s. u. Anm. 183) könnten auf unzureichender Sachkenntnis beruhen. Hivert-Messica: Comment la Franc-Maçonnerie vint aux femmes, 257, berichten von Planungen seit 1891.

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habe dieser abgelehnt62. Sie wurde schließlich - so die auf ihrer eigenen Darstellung beruhende Version - 1902 in Paris durch die Vermittlung der Theosophin Francesca Arundale, die in Paris möglicherweise 1895 in den »Droit Humain« eingetreten war63, in diese Loge eingeführt". Besant, die den 33. Grad erhielt, eröffnete die Mutterloge »Human Duty No. 6« und leitete die »Britisch Federation« des »Order of Universal Co-Masonry«65. Sie bearbeitete intensiv Riten, gründete vor allem in England und Indien Logen und nahm bis in den Ersten Weltkrieg hinein sehr viele Aufnahmen vor, darunter diejenige Leadbeaters (der seinerseits eine wichtige Rolle bei der Überarbeitung von Ritualen spielte)66. Seit 1897 bis zum Ersten Weltkrieg, also in der für Steiners Maurerei entscheidenden Phase, wuchs der »Droit Humain« kontinuierlich67. 1917 wurde sie als »Vice-Présidente Grande Maitresse représentante pour la Grand-Bretagne et ses dépendances« geführt68. Die Motive für diese Aktivitäten dürften vielfältig gewesen sein. Die Maurerei sollte nicht nur den kognitiven Ansatz der Theosophie durch ästhetische Erfahrungen kompensieren, sondern war auch ein Faktor ihrer machtpolitischen Positionierung beim Kampf um die Nachfolge des alternden Präsidenten Olcott. Schließlich dürfte auch der Wunsch eine Rolle gespielt haben, den Bruderschaftsgedanken der Theosophie mit einer Organisation zu unterstützen, in der ausdrücklich nicht nur Theosophen Mitglied sein sollten69 (und dies war und ist in der theosophischen Co-Maurerei bis heute der Fall). Unter ihrer Ägide verbreitete sich die Maurerei unter Theosophen. Schon 1904, als sie Steiner zum Arch-Warden kürte, gründete sie in den Niederlanden die Loge »Cazotte«. Konflikte folgten diesen Aktivitäten auf dem Fuß. 1905, also während Steiners Eintritt in die Maurerei, mußte sich Olcott mit Beschwerden auseinandersetzen, daß »some of our best members have taken a great interest« in der Freimaurerei. Auf Kritik stieß insbesondere, daß dazu »Branch Rooms« in Adyar zur Verfügung gestellt worden seien. Olcott, dessen freimaurerische Aktivitäten nach der Übersiedlung nach Indien schwer durchschaubar sind, 62 Steiner ist diese Ablehnung offenbar von mehreren Seiten zugetragen worden. Theodor Reuß hat ihm davon im Februar 1906 berichtet (Wiesberger: Rudolf Steiners Beziehung zu Theodor Reuß, 280), Emil Adriânyi wohl im September 1906 (GA 265,497; zur Datierung ebd., 88-90). Vgl. als weiteren Mosaikstein Möller / Howe: Merlin Peregrinus, 313f., Anm. 19. 63 French: The Theosophical Masters, 296, berichtet vom Eintritt in die »Loge Les Libres Penseurs«. Dies kann aber aus chronologischen Gründen nicht stimmen, da diese erst 1897 Frauen aufnahm (Mitteilung von Jan Snoek). 64 Ebd., 298, und kursorisch Dixon: Divine Feminine, 80. 65 French: The Theosophical Masters, 298 f. Vgl. auch Lennhof/ Posner: Freimaurerlexikon, 289. 385. Davon abweichende Information mündlich von Jan Snoek. Offenbar ist auch Krishnamurti aufgenommen worden; Lennhoff/ Posner, ebd., 385, und Nethercot: The Last Four Lives, 76. 66 French: The Theosophical Masters, 300-308. 67 Hivert-Messica: Comment la Franc-Maçonnerie vint aux femmes, 255-315; Gründungswelle seit 1897: S. 260. 68 1917: Bulletin Mensuel de la Maçonnerie Mixte (Juli 1917), S. 16, zit. nach Kully: Die Wahrheit über die Theo-Anthroposophie, 264. Diese Funktion ist identisch mit der zweiten Stelle des »Suprême Conseil« des »Droit Humain« für 1932 bei Frick: Die Erleuchteten, II / 2, 248. Die Einweihung des englischen Königs Edward VII. in einen Memphis-Misraim-Ritus in der Zeit Besants (Heise: Okkultes Logentum, 202) gehört ziemlich sicher in die Legendenbildung. 69 So die zentrale These von Prescott: Annie Besant and Freemasonry.

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stützte einerseits Besant und sah in Doppelmitgliedschaften demonstrativ kein

Problem. Anderseits beschwerte er sich über die Vermischung beider Organisationen" und ließ in Adyar im neuen Bibliotheksgebäude (zum Ausgleich?) einen Raum für die Esoterische Schule einrichten". Hier artikulierte sich möglicherweise die Konkurrenz zwischen unterschiedlichen Arkandisziplinen in der Theosophischen Gesellschaft. Das Raumproblem wurde in Adyar durch die Errichtung eines eigenen Tempelbaus oder -raums für die Maurerei gelöst72. Auch in anderen Städten dürften eigene Räume zur Verfügung gestanden haben, etwa in London, wo Besant 1911 mit einer öffentlichen maurerischen Zeremonie den Grundstein zum neuen theosophischen Logengebäude legte73. Im Blick auf Steiner ist entscheidend, daß in den Jahren, als er sich Ämter und Würden in der deutschen Sektion sicherte, Besant in der Theosophischen Gesellschaft das Feld der Maurerei besetzte. Sie artikulierte im Gegensatz zu Steiner explizit, daß die Freimaurerei eine Reaktion auf die Defizite des (protestantischen) Christentums war, demgegenüber ihre Maurerei »an emotional and mystical satisfaction and a physical training« versprach74. Die Verbindung der großen Frauen der Theosophie mit der Freimaurerei war nur die Spitze des Eisbergs von personellen und ideellen Überschneidungen zwischen Theosophie und Freimaurerei. Auch Franz Hartmann, Theodor Reuß und mit Einschränkungen John Yarker wirkten in beiden Strömungen75. Steiner dürf-

70 Zur Beschwerde Olcotts vgl. Nethercot: The Last Four Lives, 76; eine Mitgliedschaft Olcotts verneint Nethercot (ebd.). Dagegen soll nach Miers: Lexikon des Geheimwissens (61986), 439, Olcott Vertreter des Memphis-Misraim-Ritus für Bombay gewesen sein; diese Aussage fehlt aber in der folgenden Auflage (71993), S. 669. Sicher ist nur, daß er in Amerika Freimaurer gewesen war, vgl. Campbell: Ancient Wisdom Revived, B. Zur Frage der Doppelmitgliedschaften und der Vermischung von Organisationen vgl. den General Report, Dezember 1905, S. 23 (separat paginierte Anlage in: The Theosophist 27 / 1906). 71 General Report, ebd. 72 Spätestens 1925 muß der Bau gestanden haben. Im Dezember 1925 fand bei der Jubiläumsfeier der Theosophischen Gesellschaft in Adyar »im Maurertempel eine Versammlung von Mitgliedern der Co-Freimaurerei« statt; Theosophisches Streben 12/ 1926, 3. 73 Prescott: Annie Besant and Freemasonry. 74 Besant (anonym): On the Watch-Tower (1916/ 17), 5. 75 Ob Katherine Tingley auch Maurerin war, ist nicht klar. Zumindest kannte und schätzte sie die Freimaurerei; aus ihrer Biographie zitiert eine entsprechende Stelle Miers: Lexikon des Geheimwissens (71993), 625. Der genannte Sellin ist ein weiteres Beispiel. Ein anderes ist die Mutter Eugen Grosches, der später Mitglied im O. T. O. war, die »Hausdame in der Theosophischen Gesellschaft« gewesen sein soll; vgl. König: Das OTO-Phänomen, Teil 8, 4. Auch in anderen Segmenten der (Adyar-)Theosophie hat man vor dem Ersten Weltkrieg über maurerische Riten nachgedacht, möglicherweise aber schon in Kenntnis von Steiners Aktivitäten. Vgl. die Überlegung im Oktober 1911, eine Zeremonie beim Eintritt in die Theosophische Gesellschaft einzurichten, bei der geheime »Zeichen und Losungsworte« übergeben würden, um eine von Blavatsky und Olcott begründete Tradition wieder aufzunehmen; Theosophie 2 / 1911-12, 277 f. Steiner hat 1911 den Schritt in die Räume einer Freimaurerloge gemacht, als er am B. und 9. Januar Vorträge über Goethes Märchen »im Saal einer Freimaurerloge« hielt; Heyer: Aus meinem Leben, 42. Auch sonst scheint er nur geringe Berührungsängste gehabt zu haben. Der Waldorflehrer Johannes Geyer war in »Rücksprache« mit Steiner auch Freimaurer; Michaela Bachem, in: Der Lehrerkreis um Rudolf Steiner, 18. Andererseits wurde einer »Loge zum heiligen Gral«, die sich in Berlin im gleichen Haus wie seine Theosophische Gesellschaft niedergelassen hatte, auf Steiners Geheiß gekündigt; Samweber: Aus meinem Leben (31982), 23f.

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te von dieser Verknüpfung seit seinem Eintritt in die Theosophische Gesellschaft gewußt haben; spätestens im Dezember 1904 hat er davon nachweislich erfahren, als ihn Sellin über Besants maurerische Karriere aufklärte (GA 265,78). 1923 meinte er rückblickend, daß in der deutschen Landesgesellschaft »eine Anzahl gerade der ältesten und wertvollsten Mitglieder Freimaurer sind« (ebd., 61). Auf diese Konstellation mußte Steiner reagieren, wenn er seinen Führungsanspruch in der deutschen Adyar-Theosophie wahren wollte. Die Machtfrage, namentlich um die deutsche Sektion der Esoterischen Schule, stand damit auf der Tagesordnung. Als Steiner im Mai 1907 auf dem Münchener Kongreß für die europäischen Theosophen im Veranstaltungsraum zwei als Jachin und Boas bezeichnete Säulen aufstellte (s. 12.2.2), dürfte allen klar gewesen sein, daß auch Steiner maurerische Ansprüche erhob.

10.3.3 Theodor Reuß, der »Ordo Templi Orientis« (O. T O.) und die »Sexual-Magie« Zur Schlüsselfigur für Steiners Freimaurerei wurde Theodor Reuß (1855-1923)76 . Der aus Augsburg stammende Drogist wurde mit 21 Jahren in die »reguläre« englische, aber deutschsprachige »Pilgrim's Lodge«, die »Pilgerloge Nr. 238« in London aufgenommen, schrieb sich 1885 als Mitglied der Socialist Labour Party ein (während sich hartnäckige Gerüchte hielten, er sei preußischer Spion), ließ sich nach einem Treffen mit Richard Wagner stimmlich ausbilden, praktizierte als Opernsänger und arbeitete Ende der achtziger Jahre als Journalist. Nachdem

Darüber hinaus belegen einige Publikationen aus den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts die Virulenz des Verhältnisses von Freimaurerei und Theosophie; etwa Reichel: Freimaurerei, Christentum, Theosophie (Theosophischer Verlag Paul Frömsdorf; These der Konvergenz der drei genannten Strömungen); Stoss: Die theosophischen Gesellschaften und ihr Verhältnis zur Freimaurerei (Verlag Kriebel) 1907 (ebenfalls mit einer Konvergenzthese). 76 Zur Biographie die Pionierarbeit von Helmut Möller und Ellic Howe: Merlin Peregrinus. Hier ist Frick: Die Erleuchteten, II / 2, 461-532, der in wichtigen Passagen zu der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg wiederum auf Eberhardt: Von den Winkellogen, zurückgreift, weitgehend eingearbeitet. Einiges neuere Material findet sich bei Marchev: Wahrheitssucher und Schwindler, und bei Wiesberger: Rudolf Steiners Beziehung zu Theodor Reuß. Seit 1993 hat Peter-R. König eine Vielzahl von Veröffentlichungen zu Reuß und zum O. T. O. vorgelegt, die einerseits ein Fundgrube von Materialien bilden, andererseits aber in den hier interessierenden Fragen, insbesondere hinsichtlich der Geschichte des O. T. O., der Beziehungen zu Steiner oder der »sexualmagischen« Praktiken, keine grundlegend neuen Erkenntnisse gegenüber der Veröffentlichung von Möller und Howe bieten. Die Benutzung von Königs Materialien ist schwierig, weil er in seinen neueren Büchern immer wieder Texte aus älteren abgedruckt, durch Faksimiles von Dokumenten und Zeitschriften, durch eigene Interviews und Darstellungen von dritter Hand ergänzt hat, aber auf eine Saldierung seiner wilden Materialsammlung verzichtet. Die Publikation vieler Materialien gegen den Willen der Besitzer ist ein eigenes ethisches Problem. Einschlägig für Reuß sind vor allem: Der kleine Theodor-Reuss-Reader, und: Der große Theodor-Reuss-Reader. Viele Dokumente sind wiederabgedruckt in: Der O. T. O. Phänomen REMIX. Darüber hinaus sind für den O. T. O. drei weitere Bücher hilfreich: Das OTO-Phänomen, Materialien zum OTO, und: Noch mehr Materialien zum OTO.

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er möglicherweise schon 1880 aus der Pilgerloge wieder ausgeschlossen worden war", trat er 1885 / 86 der Theosophischen Gesellschaft bei (s. 3.3.1). Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts war er, ähnlich wie Yarker, hauptberuflich als Gründer und Vermittler von maurerischen und esoterischen Einrichtungen tätig". In den neunziger Jahren ließ er den Illuminatenorden wieder aufleben und beschloß 1901 mit Gesinnungsgenossen wie Leopold Engel, eine neue Loge in Deutschland ins Leben zu rufen, und vom 24. Juni 1901 datiert seine Ernennung zum »Inspecteur Spécial« des »Ordre Martinist«. Schon um die Jahrhundertwende war er auch Mitglied der »Societas Rosicruciana in Anglia« geworden, und er nutzte diese Beziehung, um im Februar 1902 von ihrem Leiter, William Wynn Westcott, ein Konstitutionspatent für einen »Tempel des SwedenborgRitus der Freimaurerei in Deutschland« zu erhalten. Die »Große Mutterloge Ludwig« (für Logen, die sich Reuß anschlossen) wurde daraufhin in die Loge »Zum Heiligen Gral Nr. 15« umgewandelt und das vor kaum einem Jahr errichtete Illuiminatensystem wieder aufgelöst. Ein gutes halbes Jahr später, am 24. September 1902, datierte Yarker ein Patent zur »Gründung eines >Großorients des Schottischen Ritus der Alten und Angenommenen Freimaurer< in Deutschland und zur Errichtung eines >Souveränen Sanktuariums des Alten und Primitiven Ritus von Memphis und des Ägyptischen Ritus von MisraimMeisterMenschenpflicht«Anknüpfung< berichtete er nun, daß er das »Diplom« aus der »angedeuteten Gesellschaft« genommen habe, »die in der von Yarker vertretenen Strömung lag« (GA 28,335); er habe mithin »an die historische Yarker-Einrichtung« angeknüpft (ebd., 337). Die zentralen Begriffe »Memphis- und MisraimRitus« oder »Mystica aeterna« fallen weder hier noch an irgendeiner Stelle seiner Autobiographie. Auch der Name Reuß taucht nicht ein einziges Mal auf. Die Herausgeber sind diesem Versteckspiel lange gefolgt und hatten beispielsweise Reuß' Namen in Steiners Briefen an Marie von Sivers durch ein »X« ersetzt181. Die Verleugnung von Reuß und die Nennung Yarkers in seiner Autobiographie mag man zwar als formal korrekt rechtfertigen, da Reuß als von Yarker diplomierter Maurer verstanden werden kann182. Aber der immense Kraftaufwand zur damnatio memoriae von Reuß korrespondiert wohl mit dem Maß an Diskreditierung, das Steiner befürchtete, wenn er erneut mit Reuß' Logen-Betrieb und seinen »sexualmagischen« Praktiken in Zusammenhang gebracht würde183. Im übrigen hatte sich Steiner mit Yarker auch nicht gerade die seriöseste Autorität für Hochgrad-Riten ausgesucht184, aber Yarker dürfte gegenüber Reuß das kleinere Übel gewesen sein. Doch an einer Stelle des 36. Kapitels seiner Autobiographie wurde Steiner ehrlich und gestand, daß er sich in Reuß getäuscht hatte: »Aber ich möchte, in aller Bescheidenheit, bemerken, daß ich in dem Lebensalter, das hier in Betracht kommt, noch zu den Leuten gehörte, die bei andern, mit denen sie zu tun hatten, 181 Etwa in GA 262,80 (1967); im GA 2622,131 (2002) ist Reuß' Name genannt. 182 So etwa Wiesberger in GA 265,50f. In der Tat hat Yarker Garibaldi nach seinem Tod im Jahr 1882 als Leiter einer Memphis-Misraim-Ritus beerbt; Mollier: Rites égyptiens, 747. 183 Der Höhepunkt dieser Traditionsverweigerung sind in der Autobiographie Steiners Kommentare zu seiner und Marie von Sivers' Unterzeichnung des Beitrittes zum Reußschen Ordensverband: »Unsere Unterschriften waren unter >Formeln< gegeben. Das Übliche war eingehalten worden. Und während wir unsere Unterschriften gaben, sagte ich mit aller Deutlichkeit: das ist alles Formalität, und die Einrichtung, die ich veranlasse, wird nichts herübernehmen von der Yarker-Einrichtung.« (GA 28,337) Es ist allerdings nicht deutlich, ob sich diese Äußerungen - wenn es sie wirklich gab auf die Unterschrift unter das Gelöbnis, den Vertrag oder ein anderes Dokument beziehen. Möller und Howe haben Steiners Ausführungen mit der Bemerkung kommentiert, Steiner wolle »in einer peinlichen Apologese« und »in der besten Manier alpenländischer Bauerntheater die Konsequenzen seines Handelns neutralisieren« (Möller / Howe: Merlin Peregrinus, 165). Anthroposophen hingegen sind Steiners Verdrängung gefolgt, etwa Balastèr: Problem: Wahrhaftigkeit im Okkultismus, 471, für den mit dem Vertrag vom 3. Januar 1906 Steiners maurerische »Kontaktnahme« »abgeschlossen« war und alles weitere ein Ausdruck von »Loyalität« gewesen sei. 184 Die Einsicht in die Probleme mit Yarker deuten sich auch in anthroposophischen Kreisen an: Hatte Hella Wiesberger in der Gesamtausgabe Yarker noch als den »maßgeblichen Repräsentanten der ägyptischen Maurerei« bezeichnet und Steiners lobende Äußerungen von 1904 (»bedeutsamer Charakter«) zitiert (GA 265,51), war er für sie im gleichen Jahr in einer Zeitschriftenäußerung ein »trüber Okkultist«; Wiesberger: Interview, 9.

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Geradheit und nicht Krummheit in den Wegen voraussetzten.« (GA 28,337) Steiner konnte sogar zugeben, daß auch das »geistige Schauen« vor »diesem Glauben an die Menschen« versage (ebd.). Wenn er auch Reuß' Namen verschwieg: Soviel Selbstkritik hätte man sich öfter gewünscht. 3. Den dritten Epilog schrieben die Nationalsozialisten. Am Tag nach Hitlers Ernennung zum Reichskanzler brachen wilde Polemiken über die Anthroposophie herein, die sich zuerst an Steiners Beziehung zu Helmuth von Moltke festmachten. Im Lauf der nächsten Wochen zogen Nationalsozialisten alle Register der Verleumdung. Sie nahmen ihren Ausgangspunkt von der Feststellung, Steiner sei Freimaurer gewesen und ein Agent von Theodor Reuß185 Diese NS-Schriften scheinen keine neuen Informationen zu Steiners Freimaurertätigkeit zu enthalten, bieten aber Unterstellungen ohne Ende. So wurde Steiner 1934 von Engelbert Huber vorgehalten, im Auftrag von Reuß ein MemphisMisraim-Ritual ausgearbeitet und natürlich dem O. T. O. angehört zu haben186 eine Sammlung von Halbwissen und unzutreffenden Folgerungen. Marie Steiner trat daraufhin die Flucht nach vorne an und konzedierte die Existenz der »Mystica Aeterna« und Beziehungen im Rahmen einer »äußeren ... Formalität«187, um dann zu der überraschenden Schlußfolgerung zu kommen: »Rudolf Steiner hat tatsächlich nie eine Beziehung zu Freimaurer-Orden gehabt.«18 a Angesichts der Bedrohung für Leib und Leben unter der Herrschaft der Nationalsozialisten kann man ihre Aussage als Notlüge - allerdings nicht als sehr geschickte - verstehen. 4. Letzter Epilog: Gerüchte, daß man unter Anthroposophen an die erneute Einrichtung maurerischer Riten denke oder sie zumindest herbeisehne, findet man leicht1 ». Die Behauptungen, daß man auch heute noch Steiners Ritual praktiziere, sind schon seltener190, aber Belege für eine aktuelle Praxis nach Geist und Buchstaben der Steinerschen Rituale fehlen.

las

Uwe: Anthroposophen in der Zeit des Nationalsozialismus, 24f. Engelbert Huber: Freimaurerei, 126. Ebenfalls 1934 erschien von Hans Huber: Die Lüge der Anthroposophen Rudolf Steiners. 187 Marie Steiner: War Rudolf Steiner Freimaurer (zuerst in: Die Drei 16 / 1933-34), in: GA 265,111-115, S. 114. Daß Engelbert Hubers Buch ein Auslöser für Marie Steiner war, geht aus Die Drei, S. 280 / GA 265,104, hervor. 1a8 Marie Steiner: War Rudolf Steiner Freimaurer, in GA 265,114. 189 Z. B. Dictionnaire des sociétés secretes, hg. v. P. Mariel, 415; Ravignant: Les maîtres spirituels contemporains, 109. Möglicherweise beziehen sich auch die Andeutungen in: Anthroposophische Gesellschaft an der Jahrtausendschwelle, hg. v. J. Wittich / Th. Stöckli, 166, darauf. 190 Behauptet in einer anonymen Kommentierung zu Schmidt-Brabant: Zukunft der Freimaurerei, 27. Eric Dillo-Heidger schreibt, es habe »zwischen 1970 und 1990 Bestrebungen, die Steiner-Freimaurerei wiederzubeleben« gegeben. Diese Gruppe sei aber »von der >offiziellen Bewegung< geächtet [worden]. Und mehr als ein provokativer Versuch ist nie daraus geworden.« (www.members.aol. com / dilloo; besucht am 2.6.2004). 186

10.5 Steiners Rituale

995

10.5 Steiners Rituale Angesichts der Tatsache, daß Hunderte von Menschen in Steiners Freimaurerei eingeweiht wurden und er über Jahre Rituale praktizierte, ist es überraschend, wie wenig Material darüber vorhanden ist. In GA 265 dürften, wenn man Steiners ausufernde Erläuterungen aus den »Instruktionsstunden« abzieht, vielleicht drei Dutzend großzügig bedruckte Textseiten zur Organisation der Rituale und zu den benutzten Gegenständen übrigbleiben. Die (Teil-) Übersetzungen der Rituale ins Englische und Französische (GA 265,137) fehlen allerdings. Auch Berichte von Teilnehmern über den Ablauf dieser Veranstaltungen findet man dort nicht. Die Mitfeiernden waren zumindest in den veröffentlichten Memoiren ausgesprochen verschwiegen, und auch Aussteigerberichte sind selten, doch zumindest einer, derjenige Heinrich Goeschs (s. u. 10.5.2f), gehört zu den wenigen Dokumenten, die auch das Flair dieser Veranstaltungen einfangen.

10.5.1 Räume, Kleidung, Einrichtungsgegenstände Steiners maurerische Zeremonien fanden nur dort statt, wo besondere Räume zu Verfügung standen (GA 265,137). In einigen Fällen könnte es sich um drapierte und für die Zeremonien ummöblierte Zimmer gehandelt haben (s. 4.2.1)191, aber es gab auch eigene Bauten, etwa in Malch, Stuttgart und namentlich in Dornach. Während in Stuttgart der Ritualraum für Feiern im kleinen Kreis benutzt wurde, muß man für den Dornacher Bau vermuten, daß er für eine Zeremonie konzipiert war, in der eine große Zahl von Zuschauern einem kleinen Kreis von Handelnden bei ihrer »Demonstration« zusah (s. 12.4.4). Zur Bekleidung der Teilnehmer gibt es nur wenige Informationen. Die Gesamtausgabe nennt für die einfachen Mitglieder nur summarisch »das Schurzfell (Maurerschurz, Lammfell)« (GA 265,135), doch soll Steiner für die Frauen Gewänder in Kreuzform entworfen haben192 . Die Kleidung war für jeden Grad unterschiedlich, zumindest bei den aktiven Teilnehmern; außerdem sind Hinweise auf um den Hals getragene Bijoux mit Kelle und Dreieck überliefert193, die Steiner »geweiht« babe194. Die Steiner assistierenden Personen trugen meßgewandartige Umhänge (Tuniken?), auch von einem Sternenbesatz ist die Rede195 . Steiner besaß »eine Alba (das lange weiße Priestergewand), über das ihm beim Wechsel der Raumfarbe von schwarz in rot ein roter Mantel umgelegt wurde« (GA 265,135).

191 Zeremonien lassen sich für Berlin, Düsseldorf, Dresden und Stuttgart nachweisen (GA 262z, 197.228.224.206); in GA 265,137 werden noch Hannover, Köln und München genannt. 192 Klatt: Theosophie und Anthroposophie, 50. 193 Loyzeau de Grandmaison: La nouvelle Théosophie, 152. Zur gradspezifischen Kleidung s. u. 10.5.1c. 194 Klatt: Theosophie und Anthroposophie, 50. 195 Loyzeau de Grandmaison: La nouvelle Théosophie, 152. In der gemischten Maurerei sind die Frauen meist schwarz gekleidet, im »Droit Humain« haben Frauen auch weiße Mäntel (Jan Snoek).

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10. Freimaurerei

Dies war ein scharlachroter Seidenmante1196, der in der maurerischen Deutung auf den Mantel Jesu, den er bei der Dornenkrönung trug, bezogen wird197 und zum rosenkreuzerischen Ritus gehören könnte. Wesentlich informativer ist die generalisierende Beschreibung einer Logeneinrichtung in der Gesamtausgabe: »1 Die Einrichtung der Loge oder des Tempels ist nur für die beiden ersten Grade genau überliefert, dürfte aber auch, mindestens für den dritten Grad, in der Hauptsache gleich gewesen sein: 2 schwarz verhangene Wände, die in der Schlußhandlung, beim rosenkreuzerischen Schluß, in leuchtend rote verwandelt wurden. 3 Auf der Ostwand fand sich in einem blauen Stoffviereck eine strahlende Sonne mit einem Dreieck in der Mitte.' An der Decke war eine Lampe, an der sich im zweiten Grad ein aus vergoldetem Karton oder Blech gefertigter Buchstabe >G< befand. 5 Den Boden bedeckte ein Teppich in schwarzweißem Schachbrettmuster. 6 An den Grenzen des großen Teppichs standen drei Altäre: im Osten der Altar der Weisheit (Meister), im Süden der Altar der Schönheit (2. Aufseher), im Westen der Altar der Stärke (1. Aufseher). ' Jeder Altardiener trug einen Heroldstab, vermutlich wie in den Mysteriendramen. 8 Neben jedem Altar stand ein großer Leuchter. Auf der Vorderseite eines jeden Altares war ein Senkblei aus vergoldetem Blech angebracht. Ferner gehörte zu jedem Altar ein Kerzenlicht, eine Lichtschere, ein Kerzenlöscher, sowie ein Hammer und eine Kelle. 9 Zum Altar des Ostens gehörte ein Kelch, das sogenannte >Allerheiligstekleiner Teppich< bezeichnete Symboltafel, wie sie auch in den allgemeinen Freimaurerlogen (sog. Tapis, Tableau) gebraucht wird. 20 Die Teilnehmer hatten ihren Platz auf der Nord- und der Südseite des Logenraums. 21 Im dritten Grad figurierte ebenso wie in bestimmten Tempelszenen in den Mysteriendramen - ein vierter Altar im Norden; ferner ein Sarg.« (GA 265,134 f.)

Bei dieser Beschreibung handelt es sich um einen Text Hella Wiesbergers auf der Grundlage von Notizen der Anthroposophin Elisabeth Vreede. Er ist trotz der redaktionellen Bearbeitung ein wichtiges Dokument, da es keine vergleichbar dichten Beschreibungen gibt und er viele, teilweise höchst wichtige Hinweise auf die historischen Kontexte von Steiners Freimaurerei enthält. Ich kommentiere deshalb diese Beschreibung anhand der durchnumerierten Sätze, wobei fast alle Informationen von Jan Snoek und nur noch mögliche Fehler von mir stammen.

196 Loyzeau de Grandmaison ebd., beschrieb die Farbe als »scharlachrot«. Kully: Die Geheimnisse des Tempels von Dornach, II, 128, sprach von einem roten »Seidenmantel«. 197 Vgl. Mt 27,28; Mt 15,17-20; Joh 19,2-5.

10.5 Steiners Rituale

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1 Eine in allen drei Graden gleiche Logeneinrichtung ist in der Freimaurerei unüblich. Möglicherweise trügt hier Vreedes Erinnerung. 2 Diese Verwandlung ist eine Eigenheit des Rosenkreuzer-Rituals. Hier stehen üblicherweise drei farblich unterschiedene Räume zur Verfügung. Der schwarze Raum steht dabei für den Welt des Leidens (das Leiden und Sterben Jesu), ein Übergangsraum für die Hölle (Höllenfahrt Christi), ein roter Raum für den Himmel (Himmelfahrt Christi). Im letzten Raum findet, am Ende des Rituals, eine abendmahlsähnliche Handlung statt. Im 18. Jahrhundert gab es für diese Abendmahlshandlung einen separaten weißen Raum. 3 Die Sonne, die oft recht groß sein und einen Meter im Durchmesser haben konnte, gehört zur spezifisch deutschen Tradition des Rosenkreuzer-Grades. Das Dreieck gilt als Symbol der Trinität. 4 Das >G< soll bei Steiner verschiedene Bedeutungen, Gnosis oder Geometrie, gehabt haben (GA 265,134). Die Auflösung mit Geometrie oder auch Gott war üblich, die Auflösung mit Gnosis hat ihre Wurzeln im Okkultismus des 19. Jahrhunderts. 5 Der geschachte Teppich ist in der Maurerei üblich und besitzt symbolische Bedeutungen (er verweist beispielsweise auf den Antagonismus von hell und dunkel, Gut und Böse, Freude und Trauer). Manchmal bedeckt er den ganzen Boden, manchmal ist er auf die Mitte des Bodens beschränkt, manchmal kommt er nur auf der Symboltafel (siehe Satz 19) vor. 6 Üblicherweise gibt es in der Freimaurerei einen »Altar« genannten Tisch oder einen etwas größeren Tisch und zusätzlich einen kleineren »Altar« für den Meister und zwei (nicht Altar genannte) Tische für die Aufseher. Die Rede von drei Altären findet sich aber auch in anderen Quellen aus dem Umfeld Steiners (vgl. GA 2843,163). In der Aufstellung der Personen nutzte Steiner die angelsächsische Tradition; in der kontinentalen stehen beide Aufseher im Westen. Die Zuordnung des Stuhlmeisters zur Weisheit gehört in die deutsche Tradition, die den Meister mit Salomon identifiziert. In England hat sich hingegen die ursprüngliche Identifizierung des Meisters mit Hiram als eigentlichem Baumeister in manchen Systemen erhalten. Ursprünglich gehörte die Weisheit zum zweiten Aufseher (Salomo), dem Meister (Hiram Abiff) war die Schönheit zugewiesen. Möglicherweise hat Steiners Wahl der Zuweisung der Weisheit an den Meister (Salomo) Hintergründe im Selbstverständnis der Theosophie als »Weisheitsreligion« oder in den geheimen Meistern der Theosophie, denen auch die Weisheit zugewiesen werden konnte. 7 Die »Heroldsstäbe« können von den Stäben der »deacons« in der englischen Tradition abgeleitet sein. Die deacons sind dort nicht mit den Aufsehern identisch. Vielmehr hat der senior deacon die Funktion, Aufträge vom Meister an den ersten Aufseher zu übergeben, der junior deakon erfüllt diese Funktion vom ersten zum zweiten Aufseher. 8 Der Hammer und das Kerzenlicht sind üblich, bei den Leuchtern kennt die deutsche Tradition drei Exemplare für jeden Hammerführenden. Die Kelle ist in diesem Zusammenhang allerdings unüblich und kam ursprünglich in Adoptionslogen vor. Das Senkblei ist das Emblem des zweiten Aufsehers und

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10. Freimaurerei

findet sich daher normalerweise nur an seinem Tisch. Das Emblem des Meisters ist der Winkel, das des ersten Aufsehers die Winkelwaage. 9 Der Kelch verweist eindeutig auf den Rosenkreuzergrad, an dessen Ende ein Ritual mit Brot und Wein gefeiert wird. 10 Der Winkel ist hier im ersten Grad unüblich: Im dritten Grad wird Hiram mit dem Winkel geschlagen, der hier den Raum (im Gegensatz zur Zeit) symbolisiert. Unüblich ist ebenfalls Weihrauch, das aber später im O. T. O. verwendet wurde. Ein etwa 11 cm hohes Rauchfaß ist in GA 265,313 abgebildet. 11 Die Gegenstände auf dem westlichen Altar sind ganz unüblich, zumindest als generelle Ausstattung. An Stelle der beiden Zirkel wären in der angelsächsischen Tradition im ersten Grad ein Dolch, im dritten Grad ein Zirkel (welcher auf die entblößte linke Brust des Kandidats gestellt wird, wenn er die Loge betritt) zu erwarten. Über diese Tradition hinaus wäre der 24zöllige Maßstock (als Symbol für die Zeit), mit denen dann Hiram (symbolisch) geschlagen wird, üblich. Auch der Totenkopf wird (als Eigenheit der deutschen Tradition) im dritten Grad verwandt. 12 Hier sind Elemente aus den ersten drei Graden mit dem 18. (Rosenkreuzer-)Grad vermischt. Ein Kreuz mit Dornenkrone findet sich im letzteren manchmal in dem schwarzen Raum des ersten Ritualteils (Leiden und Sterben Jesu), das Rosenkreuz gehört in den dritten, den roten Raum (siehe Satz 2). 13 In Joh 13 finden sich Fußwaschung, Abendmahl und eine der sogenannten Abschiedsreden Jesu. Hier steht auch das »neue Gebot«: »Liebet einander, wie ich euch geliebt habe« (V. 13,34f.). Angesichts der rosenkreuzerischen Ausrichtung könnte dieser Vers gelesen worden sein, aber dies ist im Rosenkreuzergrad nicht üblich. Normalerweise wird bei der Eröffnung der Loge für die ersten Grade ein Vers des Johannesprologs vorgetragen: »Das Licht scheint in der Finsternis, und die Finsternis hat's nicht ergriffen« (Joh 1,5). Im Rosenkreuzgrad liegt die Bibel normalerweise beim 13. Kapitel des ersten Korintherbriefs (dem Hohenlied der Liebe) aufgeschlagen. Möglicherweise ist der Verweis auf das Kapitel 13 des Johannesevangeliums falsch. 14 Das normalerweise nur vom dritten Grad an vorkommende goldene Dreieck trug üblicherweise das Tetragramm mit den vier Radikalen (JHVH) des hebräischen Gottesnamens, das aber nicht auf der Bibel lag. Die ins Dreieck gesteckte Kelle ist unüblich; man müßte dann davon ausgehen, daß das Dreieck aus drei Balken bestand und es kein Tetragramm getragen hätte. 15 Solche Schwüre waren in der Freimaurerei traditionell üblich. Angesichts der Vorwürfe kirchlicher Seiten (etwa von römisch-katholischer Seite 1738), damit gegen das biblische Schwurverbot zu verstoßen (Mt 5,34.37; Ex 20,7), wurde der Verfluchungsteil des traditionellen Eides im Laufe der Zeit in den meisten Ländern gestrichen (so in den Niederlanden schon 1770, in England 1986); in den Vereinigten Staaten hingegen wird die Fluchformel bis heute verwendet. 16 Die Säulen stehen üblicherweise nicht im Norden, sondern im Westen. Eine Identifikation mit den Säulen des Herkules findet sich sonst in der Freimaurerei nicht. Verwandte Vorstellungen gibt es im Asträa-Kult des 16. und 17. Jahrhunderts und finden sich auch in der freimaurerischen Literatur des 18. Jahrhunderts, doch wäre eine Aufnahme dieser Vorstellungen durch Steiner erst nachzuweisen.

10.5 Steiners Rituale

999

17 / 18 Die hier angegebenen Formen und Farben sind unüblich, allerdings ist diese Verwendung von Farben charakteristisch für den Golden Dawn. 19 Die Lage des Tapis im Norden ist unüblich. In der angelsächsischen Maurerei steht er im Süden gegen dem Tisch des zweiten Aufsehers gelehnt, in den der kontinentalen liegt er in der Mitte der Loge. 20 Die Plätze für die schon aufgenommen Maurer entsprechen der üblichen Anordnung. 21 Einen vierten Altar gibt es in keinen anderen Freimaurerritualen, allerdings könnte mit »Altar« der kleine, vom Tisch des Meisters getrennte Tisch gemeint sein. Der Sarg gehört zum Ritual für den dritten Grad; er ist seit dem 19. Jahrhundert im deutschen Bereich real, in England ist er bis heute nur als Symbol (zweidimensional) vorhanden. - Zu weiteren benutzten Geräten vgl. die Erläuterungen und das Bildmaterial in GA 265,299 ff. Steiner erwähnte am 12. Dezember 1906 auch Tarotkarten; sie sind in der Freimaurerei unüblich, wurden jedoch im Golden Dawn benutzt. Daß sie in einem Ritual Steiners verwendet wurden, wie der Kommentar in der Gesamtausgabe nahelegt, ist den veröffentlichten Äußerungen nicht zu entnehmen (ebd., 361). Diese Analyse einer Logeneinrichtung macht klar, daß die Beschreibung möglicherweise Fehler enthält (vgl. Satz 1) oder Elemente von Riten für unterschiedliche Grade vermischt (siehe die Sätze 11 und 12). Bei vielen Unüblichkeiten ist unsicher, wieweit sie auf Erinnerungsfehler Vreedes zurückzuführen sind oder in den Arrangements wirklich vorhanden waren. Wenn sie ein Teil des Rituals waren, bleibt fraglich, ob die Abweichungen gegenüber dem mainstream der maurerischen Tradition von Reuß oder Steiner stammen. Angesichts der Arbeit, die Steiner nachweislich in die Gestaltung der Rituale investiert hat (etwa bei der Gestaltung der Dialoge), kann man aber vermuten, daß viele Veränderungen auf ihn zurückgehen. Wer immer das Ritual gestaltete: Viele Elemente verweisen auf die kontinentale und nicht auf die englische Tradition (vgl. die Sätze 3, 6, 19 und 21), aber es gibt eben auch spezifisch englische Details (Sätze 6, 7). Da Reuß in England als Maurer aktiv war, kann man bei angelsächsischen Details vermuten, daß sie aus seinem Fundus stammten. Die größten Erklärungsschwierigkeiten bereiten naturgemäß die ganz unüblichen Elemente in Steiners Ritual. Manches ist okkultistisches Sondergut des 19. Jahrhunderts (Sätze 4, 17, 18), anderes findet sich dann später auch im O. T. O. (Satz 10), so daß man auch hier an Reuß als Vermittler denken kann. Aber vielleicht ging Steiner aufgrund seiner fehlenden Ritualerfahrung auch nur locker mit den maurerischen Traditionen um. Per saldo liegt hier ein eklektisch überarbeiteter Ritus vor, der Elemente aus unterschiedlichen maurerischen und auch okkultistischen Traditionen zusammenzieht. Dabei sind die rosenkreuzerischen Elemente massiv eingetragen, hier lag zweifelsohne ein Schwerpunkt in Steiners Überarbeitung. Wahrscheinlich ist Steiner die entscheidende Rolle bei der Gestaltung des praktizierten Rituals zuzuweisen, doch bedürfte es für eine belastbare Antwort der Kenntnisse von Steiners Vorlagen (also mutmaßlich des Memphis-Misraim-Rituals) oder zumindest von anderen Ritualen von Reuß.

1000

10. Freimaurerei 10.5.2 Grade

a. Gradeinteilung und Ritualteile für alle Grade Die Freimaurerei als zweite und dritte Abteilung der »Esoterischen Schule« umfaßte neun Grade, drei in der zweiten Abteilung, sechs in der dritten: »In den drei ersten Graden lag das Schwergewicht auf den kultischen Handlungen, in den sechs folgenden Graden, denen laut Überlieferung nur wenige angehörten, soll hauptsächlich gelehrt worden sein.« (GA 264,132)198 Es seien jedoch nicht alle Grade bearbeitet worden, da, so Steiner, »die Menschheit noch nicht so weit sei«'99 Diese gegenüber dem Hochgrad-System des Memphis- und Misraim-Ritus reduzierte Stufenleiter ist das Ergebnis der Ernüchterung Steiners. Noch 1904 hatte er die drei Grade der Johannis-Maurerei dem vorokkulten Bereich zugeordnet (GA 932,83) und die 90- und 96-Grad-Systeme als die Kernbereiche eines maurerischen Okkultismus ausgewiesen: Die Bedeutung dieser Riten liege in den höheren Graden (ebd., 90.109), die sich gerade im Memphis- und MisraimRitus »mit ziemlicher Vollständigkeit« erhalten hätten (ebd., 96), und »etwa vom 87. Grad« an begännen überhaupt erst die »eigentlichen okkulten Grade« (ebd., 103)200. Diese Begeisterung dürfte sich mit dem Beitritt in Reuß' Ordenssystem gelegt haben. 1916 jedenfalls hatte Steiner für eine derartige Euphorie nur noch Spott übrig: »Nun denken sie sich einmal, was das heißt: man trägt einen so hohen Ordensgrad [von 90 oder mehr Graden] an sich!« (GA 1672, 76) Selbst die Schottische Maurerei mit ihren 33 Graden hielt er für eine Art okkulten Lesefehler: 33 sei in »3 mal 3 = 9« aufzulösen, so das Ergebnis der »okkulten Wissenschaften« (ebd., 96f.). Von den Ritualen sind in der Gesamtausgabe die Texte für die Logenöffnung und -schließung sowie für die Aufnahme in die ersten drei Grade abgedruckt, für Handlungen des vierten und fünften Grades gibt es kurze Fragmente. Von weiteren Ritualen (z. B. für Trauungen) soll es nur marginale oder keine Dokumente geben (GA 265,136)201. Die genaue Datierung der ab-

198 Hinter der »Überlieferung« verbirgt sich einmal mehr eine nicht genauer benannte Quelle. Harry Dörfel, der zu den polemischen, aber oft richtig informierten Autoren der NS-Zeit zählt, nannte »drei Stufen: Geheimschulungsklasse, Rosenkreuzer-Klasse (Mysterien des >Kleinen Hüters der SchwelleGroßen Hüters der SchwelleRitter vom Adler und Pelikan«< (GA 265,217) oder auch »Royal Arch« (ebd., 218). Er muß als Äquivalent zu höheren Graden anderer Systeme gegolten haben, da Marie von Sivers ihn als »18. Grad« bezeichnete (ebd.)227. Möglicherweise drückt sich darin auch von Sivers' mangelnde Kenntnis der maurerischen Riten aus. »Ritter vom Pelikan« heißen in älteren Rosenkreuzerritualen die Mitglieder von Rosenkreuzerkapiteln228. Der Royal Arch-Grad hingegen ist eigenständig229. Ihn gibt es im Memphis-Misraim Ritus nicht, hingegen in der englischen Maurerei. Dabei steigt der Maurer in ein unterirdisches Gewölbe (oder mehrere) ab, um das verlorene Wort und die Pläne für den Neubau des salomonischen Tempels zu finden. Wieweit dieser Ritus in Steiners Zeremonien nur symbolisch praktiziert wurde, ist unklar. Im fünften Grad wurden im Gespräch zwischen dem »Großmeister« und »Michael« zudem alchemistische Symbole vermittelt (GA 265,219), außerdem das »heilige Wort« (»Ich bin der Ich bin. Jahv[e]«), das »Kapitelpaßwort« »Resurrecturus« sowie eine in alchemistischer Semantik verschlüsselte Bestimmung des Adepten weitergegeben: »Im reinen Salz durch das läuternde Schwefelfeuer die Mercurialseele bilden.« (ebd., 220) Über Einführungen in noch höhere Grade liegen keine Informationen vor.

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Möglicherweise wurde hier nicht oder kaum praktisch gearbeitet (vgl. GA 264,132). 225 Bis auf »Adonai« finden sich die hier genannten Begriffe und Zeichen üblicherweise nicht in der Freimaurerei. Steiner dürfte sich hier im Okkultismus um 1900 und in esoterischem, namentlich alchemistischem Denken bedient haben. 226 Ob die von Gahr: Die Anthroposophie Steiners, 49, vermutete Existenz eines »fünften Kreises« mit diesem Grad identisch ist, ist unklar. 227 Die Identifizierung des fünften und des 18. Grades hat auch Reuß vorgenommen; König: Der kleine Theodor-Reuss-Reader, 48. Derartige Synchronisierungen waren aber weit verbreitet. 228 Lennhoff/ Posner: Freimaurerlexikon, 1191. 228 Vgl. ebd., 1344f. Alle weiteren Informationen von Jan Snoek.

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10. Freimaurerei

f Berichte über Steiners Rituale Aus dem anthroposophischen Umfeld sind keine Beschreibungen des Ablaufs der maurerischen Zeremonien überliefert230. Um so größere Bedeutung besitzt deshalb ein Bericht von Heinrich Goesch (1880-1930), der zu den interessantesten Aussteigern aus dem anthroposophischen Milieu gehört. Der Rostocker »machte mit sechzehn Jahren sein Abiturexamen, war mit zwanzig Jahren Referendar, Dr. jur. und Dr. phil. und begann sein Leben, wie es nur zu jener Zeit so frei und allein vom geistig Sinnvollen bestimmt bei uns möglich war«, so Paul Fechter231. 1909 war er Professor an der Dresdner Akademie für Kunstgewerbe232 Im gleichen Jahr erhielt er eine psychoanalytische Behandlung durch Otto Gross233, durch die sich Goeschs Interesse an der Psychoanalyse entwickelte oder verstärkte und die ihn zu einer polygamen Praxis mit sexualmagischen Zügen führte234. Seit 1909 lebte er zeitweilig in Ascona, zu Kriegsbeginn soll er in Dornach gewohnt haben235. 1915 gehörte er mit seiner Frau Gertrud zu denjenigen, die über die Thematisierung von Steiners Verhältnissen zu Frauen die »Dornacher Krise« mit auslösten (s. 3.8.1). Seine Wiedergabe, die ungefähr aus dem Jahr 1911 stammen soll236 und auf Goeschs eigene Teilnahme zurückgeht (das jedenfalls legt der Text nahe), vermittelt einen Eindruck von der ästhetischen Stimmung und dem Erlebnis dieser Zeremonien, dokumentiert aber auch die dominierende Rolle Steiners. »' Die Freimaurermitglieder sind versammelt. 2 Ein schwarzverhängter, spärlich durch Kerzenlicht erhellter Raum. 3 Auf dem schwarz-weiß-karierten Fußboden drei Altäre: im Osten der Altar der Weisheit, den stets Rudolf Steiner innehat, im Süden der 230 Neben den im folgenden wiedergegebenen Berichten von Goesch und Leisegang gibt es noch den praktisch unbekannten Bericht des französischen Jesuiten Loyzeau de Grandmaison: La nouvelle Théosophie, 151-154, der sich in seiner Geschichte der Theosophie als gut informiert zeigt und dessen Informationen über das maurerische Ritual durchweg von GA 265 gedeckt sind. Er berichtet einige ansonsten unbekannte Details, die an den jeweiligen Stellen eingearbeitet sind. Der Bericht bei Kully: Die Geheimnisse des Tempels von Dornach, II, 127f., dürfte von Goesch abhängig sein. 231 Fechter, Menschen und Zeiten, 248. Seine Göttinger juristische Dissertation »Das Ausscheiden eines Gesellschafters aus der Gesellschaft nach dem Bürgerlichen Gesetzbuche « erschien 1900, seine Erlanger Dissertation »Untersuchungen über das Wesen der Geschichte. Ein Beitrag zur Methodenlehre« 1904. 232 Vgl. in diesem Jahr seinen Aufsatz »Die Stellung der Architekturgeschichte zum Schaffen des Architekten« in der »Deutschen Bauhütte«, dem »Zentralblatt« der deutschen Bauwirtschaft. 233 Nach Dehmlow: Der Fall Wertheimer. 234 »Er machte Experimente auf allen Gebieten, auch auf dem der Ehe, alles unter dem Gesichtspunkt bestimmter Ideen.« Seine Frau Gertrud (die Cousine von Käthe Kollwitz) »mußte sich als Trägerin dieser Ideen ihren Möglichkeiten unterwerfen. Doch waren ihre Nerven solchen Erschütterungen wohl schlecht gewachsen. ... Der geschlechtliche Vorgang war das, um was Schöpfung und All sich drehten. Keine noch so unwillkürliche Bewegung, die nicht als heimlich vom Geschlechtstrieb diktiert angesehen wurde; mochte nun jemand den Fuß in einen Schuh stecken oder seinen Hut auf einen dazu hergerichteten Haken werfen.« Bonus-Jeep, Sechzig Jahre Freundschaft mit Käthe Kollwitz, 94f., zit. nach Dehmlow, ebd., Dahinter standen vermutlich theosophische Vorstellungen, Goesch suchte seine Reinkarnationserinnerungen in einer Verbindung mit Hannah Tillich (s. o. Anm. 114). Dazu Kollwitz: Die Tagebücher, 584. 648. Heinrich Goesch war der Bruder des heute weit berühmteren schizophrenen Malers Paul (1885-1940). 235 Hurwitz: Otto Gross, 107. 236 Goesch: Ordensgroßmeister Rudolf Steiner, berichtete 1921, die Aufnahmezeremonie habe »vor etwa einem Jahrzehnt« stattgefunden.

10.5 Steiners Rituale

1007

Altar der Schönheit, im Westen der Altar der Kraft. 4 Zu den dreimaligen rhythmischen Hammerschlägen ertönen Sprüche aus dem Munde dieser Priester. 5 Ein Neueinzuweihender klopft am Außentor, um Aufnahme bittend. 6 Darauf ein Frage- und Antwortspiel zwischen drinnen und draußen. 'Dem Eintretenden werden [zuvor] die Augen verbunden und ein Strick um den Hals geworfen. 'Dann wird er, um den Gang durch das Labyrinth zu erleben, durch die Stuhlreihen hin und her geführt, darauf drei Stufen hinaufgeleitet, wozu Marie Steiner einige Sprüche hersagt. 9 Auf der obersten Stufe erhält er einen Stoß zum Fall in den Abgrund und wird von einem männlichen Mitglied aufgefangen. 10 Rudolf Steiner legt ein Buch auf, welches das Johannes-Evangelium genannt wird. " Der Neuling muß auf dieses Buch das Schweigegelöbnis ablegen. 12 Als Strafe für das Brechen des Schweigegebotes wird ihm Ausreißen der Zunge angedroht. 13 Noch andere Neulinge sind in der gleichen Weise aufgenommen worden. "Nun werden sie alle zu ihren Sitzen geführt und Rudolf Steiner spricht mit verschiedener Stimmennuancierung einerseits als Fürst der Hölle, der mit Ketten und Torschlüssel rasselt, andererseits als ein diesem entgegentretender Geist, der die Seelen im Geiste in die Vorinkarnationen zurückführt. 15 Jetzt fällt die Augenbinde des Neulings. 16 Rudolf Steiner hält ihm einen Totenkopf und ein Kerzenlicht vors Gesicht und weist ihn auf das Ende des Lebens hin. "Dann operiert Rudolf Steiner als >Generalgroßmeister< mit Salz, Asche und Wasser und spricht dabei sehr schnell lateinische Zauberformeln. 18 Er geht zu schönklingenden Anrufungen und Rosenkreuzersprüchen über. 19 Plötzlich wird es im Saale hell, die schwarzen Wandbehänge sind weggezogen. 20 Der Saal leuchtet im feuerroten Behange, und dem Meister wird über sein langes weißes Priestergewand ein roter Seidenmantel geworfen und seine rote Stirnbinde mit einer weißen vertauscht.«237

Auch diesen wichtigen Text kommentiere ich en détail, wobei sich die meisten Informationen wiederum Jan Snoek verdanken. 2 Es ist nicht ganz klar, für welchen Grad Goeschs Text letztlich gilt. Die meisten Elemente weisen auf den ersten Grad. Der schwarze Wandbehang deutet aber auf den dritten Grad, wie auch andere Elemente (s. u. zu Satz 16). Die rosenkreuzerischen Elemente (Satz 18, 20) gehören üblicherweise nicht in den ersten Grad. 3 Diese Darstellung paßt gut zur Beschreibung des Raumes durch Vreede. Diese und andere Übereinstimmungen sprechen für Goeschs persönliche Teilnahme. 4 Die Terminologie »Priester« ist unüblich und könnte von Goesch polemisch gemeint gewesen sein (paßt allerdings zu der Benennung der Tische als »Altäre« in Satz 3). Der dreimalige Hammerschlag ist hingegen gebräuchlich. 6 Das Wechselspiel von Fragen und Antworten erfolgt auch im dritten Grad und muß also nicht zwingend auf den ersten Grad deuten. 7 Das Verbinden der Augen und das Umlegen des Stricks weist auf die englische Praxis im ersten Grad. 8 Der Gang durch das Labyrinth war im 18. Jahrhundert verbreitet, verschwand jedoch in den meisten Freimaurerritualen unter dem Einfluß der Theosophie zu Beginn des 20. Jahrhunderts. 9 Reale Stufen waren seit dem späten 18. Jahrhundert unüblich, der Aufstieg wurde vielmehr durch drei Schritte symbolisiert. Ob Steiner mit dieser Reifizie237

Ebd.

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10. Freimaurerei

rung auf Vorbilder des 18. Jahrhunderts zurückgriff, ist unklar. Diese Veränderung paßt allerdings in seine Tendenz, möglichst realistische Elemente (Weihrauch, Sarg) zu verwenden. 12 Offenbar enthielt das Gelöbnis zu diesem Zeitpunkt sowohl ein Versprechen als auch eine Fluchformel, wie es damals in der Freimaurerei noch in vielen Ländern üblich war. Auch nach Kully: Die Geheimnisse des Tempels von Dornach. Teil II, 127, sei mit dem Ausreißen der Zunge gedroht worden. Möglicherweise ist Kully aber von Goesch abhängig. 13 Eine Aufnahme mehrerer Mitglieder hintereinander in der gleichen Zeremonie ist nicht unüblich, jedenfalls für den ersten Teil des Rituals. 14 Der Gang durch die Hölle ist am ehesten dem Geschehen im Übergangsraum des Rosenkreuzergrades zuzuordnen, allerdings findet sich ein Gang in die Unterwelt auch in anderen Riten (vgl. Schikaneders / Mozarts Zauberflöte). 15 Normalerweise fällt die Augenbinde nach dem Ablegen des Eides. 16 Das Agieren mit einem Totenkopf paßt in die deutsche Tradition des dritten Grades. Ob es sich hier um Elemente aus dem englischen Tempelrittergrad handelt, bei dem das Ausblasen einer Kerze vorkommt, ist ebenso zu überprüfen wie die Existenz solcher Elemente im Memphis-Misraim-Ritus. Der Verweis auf das Ende des Lebens gehört wieder üblicherweise zum dritten Grad. 17 Die Verwendung von Salz, Asche und Wasser ist in der Maurerei unüblich. Die Vorlage bildete Eliphas Lévis »Dogme et Rituel de la haute Magie«, wie schon Steiners Zeitgenossen realisiert batten238. Diese Elemente könnten aber auch im siebten, achten und neunten Grad des Golden Dawn Verwendung gefunden haben. 20 Die Farbänderung von schwarz nach rot gehört eindeutig zum Rosenkreuzergrad. Der rote Christus-Mantel wird auch im englischen Orden des »Red Cross of Constantine« verwendet. Ein weiterer Bericht, in der Gesamtausgabe ebenfalls unerwähnt, findet sich 1922 bei dem Jenenser Philosophieprofessor Hans Leisegang (1890-1951). Er beschrieb die Aufnahmen in die ersten drei Grade: »Im 1. Grad gab es eine Wasser- und Feuertaufe. Bei jener sagte Steiner: >Ich taufe dich mit dem am Altare des Ostens konsekrierten WasserErkenne dich selbst. Gleichwohl hat er seine Theaterstücke besonders vor dem Ersten Weltkrieg und in den zwanziger Jahren vielfach erläutertTheater der Seele< nennen könnte«20. An seinem Lebensende kehrte er zum lutherischen Protestantismus zurück21. Im europäischen Literaturkanon spielt Schuré heute nurmehr eine marginale Rolle, die esoterische Szene hat allerdings sein Andenken bewahrt und verlegt weiterhin seine Werke. Schurés Wendung zur Theosophie hatte sich in den 1880er Jahren angebahnt. Seit 1884 bewegte er sich im Pariser theosophischen Milieu und wirkte mit seinem Mysterienkonzept offenbar auf Annie Besant22. Seine Kontakte nach Deutschland gingen auf Marie von Sivers zurück. Sie hatte 1898 ein Werk Schurés, mutmaßlich »Les grands initiés«, entdeckt und übersetzt23. 1900 las sie Schneider: Edouard Schuré, 22. Zu seiner Konstruktion keltischer Wurzeln ebd., 36-50. Robichez: Le symbolisme au théatre, 35. 17 Schuré: Les grands initiés (1889). 18 Mercier: Edouard Schuré, 25. 19 Nach Mercier, ebd., 556. Möglicherweise beruhte das Stück auf Schurés mir nicht zugänglichem Drama »Léonard de Vinci. Taormina« (1905). Der »Rêve éleusinien« wurde 1907 auf deutsch aufgeführt. 2° Schuré: Vorrede (in: Die Kinder des Lucifer), 8. 2i Mercier: Schuré (in: Dictionnaire critique de l'ésoterisme), 1164. 22 Kontakt zur Theosophie in Paris; Mercier: Edouard Schuré, 372; Wirkung auf Besant nach Steinberger: Esoteriker des Westens, 144f. 23 Brief an Maria von Strauch-Spettini vom 20. Juni 1898, zit. nach Wiesberger: Marie Steiner-von Sivers, 58; vgl. 50818. Von Sivers' Übersetzung war in Steiners Zeitschrift »Lucifer Gnosis« seit Oktober 1904 (Heft 17) in Fortsetzungen erschienen. Die Buchhandelsausgabe kam 1907 auf den Markt. Schurés Buch ist hier benutzt nach der Ausgabe: Schuré: Die großen Eingeweihten (1976). 14

15 16

11.2 Die Entstehung der anthroposophischen Dramentradition

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die ersten beiden im Frühjahr erschienen Stücke des »Théâtre de l'âme« (»Les Enfants de Lucifer« und »La soeur gardienne«), die sie nach eigenen Aussagen »wie ein Hammerschlag« trafen24. Auch diese beiden Stücke übersetzte sie, später nahm sie noch Schurés »Sanctuaires d'Orient« in Angriff, hat die Übersetzung jedoch nicht vollendet25. Die »Kinder des Lucifer« erschienen 1904 in Steiners Zeitschrift »Lucifer Gnosis«, ein Jahr später als Buch26. Schuré hat ihre Übersetzung durchgesehen und marginal korrigiert27. Vermutlich besaß er für Marie von Sivers' Wendung zur Theosophie eine entscheidende Bedeutung. Er hatte sie zudem bei einer Anfrage an die Theosophische Gesellschaft verwiesen28, woraufhin sie in Berlin zum Zweig des Grafen Brockdorff stieß, in dem sie auch Rudolf Steiner kennenlernte29. Als Steiner 1906 erstmalig Schuré begegnete, hatte auch er mit ihm eine längere und tiefe, wenngleich nur literarische Begegnung hinter sich: Schuré war für ihn vermutlich seit 1902 eine Schlüsselfigur für den Eintritt in den theosophischen Kosmos gewesen (s. 7.2), Steiner hat insbesondere die »Großen Eingeweihten« hoch geschätzt und dem Werk bei den Buchveröffentlichungen in den Jahren 1909, 1911 und 1916 Vorworte mitgegeben30. Von dieser Bedeutung profitierte auch der Dramatiker Schuré, den Steiner 1905 angesichts der »Kinder des Lucifer« »als Künstler Mystiker« betrachtete31. Als Steiner 1906 zum Kongreß der europäischen Sektionen der Adyar-Theosophie nach Paris reiste, wo er Vorträge hielt, die Schuré dann übersetzte und herausgab32, besuchte er den Dichter zuvor am 24. Mai in dessen Haus im elsässischen Barr33. Diese Begegnung hat Schuré später als eine Art Offenbarungs- und Bekehrungserlebnis geschildert: »Als er dann in der Türe stand und mich ansah mit den Augen, die ein Wissen von unendlichen Tiefen und Höhen der spirituellen Entwicklung verrieten, mit seinem fast asketischen Gesicht, das zugleich Güte und unbegrenztes Vertrauen ausdrückte und einflößte, da machte er mir einen erschütternden Eindruck [une impression foudroyante) .... Zum allerersten Male war ich gewiß, einen Eingeweihten vor mir zu haben. ... Ich war gewiß, daß dieser Mensch, der da vor mir stand, eine große Rolle in meinem Leben spielen würde.«34

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Zit. nach Wiesberger: Marie Steiner-von Sivers, 72. »La soeur gardienne« wurde von Marie von Sivers übersetzt, aber nicht veröffentlicht; so Schneider: Edouard Schuré, 230. Angaben zu den »Sanctuaires d'Orient« bei Wiesberger: Marie Steiner-von Sivers, 394. 26 In Fortsetzungen gedruckt in: Lucifer Gnosis, 1904, Heft 9 bis Heft 16. Buchausgabe als: Schuré: Die Kinder des Lucifer. Schauspiel in fünf Aufzügen. Autorisierte Übersetzung von Marie von Sivers (1905). 27 Vgl. die Briefe Schurés an von Sivers bei Wiesberger: Marie Steiner-von Sivers, 85. 89. 28 Schuré, zit. nach Wiesberger, ebd., 78. An der angegebenen Fundstelle habe ich dieses Zitat nicht gefunden. 29 Steiner, Marie: Über Edouard Schuré, 42 3° Schuré: Die großen Eingeweihten (1976), 11. i1 Steiner: Vorrede zur deutschen Ausgabe (von Schurés Kindern des Lucifer), S. XI. 32 Vgl. zu den Vorträgen die Erinnerungen Schurés bei Schneider: Edouard Schuré, 115f.; zur Edition ebd., 117. " Ebd., 122f. 34 Ebd., 116f. 25

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11. Mysterientheater

Die Initiierten, deren literarische Darstellung in den »Grands initiés« für Steiner eine Brücke zur Theosophie gewesen war, glaubte Schuré nun in einer realen Person, in Steiner, vor sich zu sehen. Schuré unterfütterte die Bedeutung mit einer reinkarnatorischen Beziehung, meinte, »daß er in einem früheren Leben mit Rudolf Steiner in enger Zusammenarbeit gestanden habe und daß vielleicht von da manches in die >Großen Eingeweihten< herübergerettet worden war«3>. So wurde eine Folge der »Grands initiés«, ihr Anteil an Steiners theosophischer Konversion, durch einen präexistenten Steiner zu ihrer Bedingung erklärt. Jahre später hat Schuré seine Konversion in einer retrospektiven Deutung dann noch christologisch überformt: »Zum ersten Male erkannte ich da, und ich wurde in meinem eigenen Suchen und Erkennen bestärkt, das dasjenige, was Rudolf Steiner in der Anthroposophie gegeben hat, als Zentrum den Christus hat«36.

Schurés Spiritualität erhielt mit dieser christologischen Wendung eine Dimension, die sie in den »Großen Eingeweihten«, wo es im letzten Kapitel nur um Jesus ging, noch nicht besaß (ein Vorgang, der sich parallel auch bei Steiner und in seinem Umfeld häufiger vollzog37). Diese Wendung war für Schuré so bedeutungsvoll, daß er in der Debatte um Krishnamurti wie Steiner aus der Theosophischen Gesellschaft austrat38, obwohl er noch 1907 zu deren Ehrenmitglied ernannt worden war39. Steiner war und blieb für Schuré eine Autoritätsperson ersten Ranges: ein gotterfahrener »Mystiker« und wissenschaftlich beschlagener »Okkultist«", an dem Schuré »die Qualitäten seines Denkens: Klarheit, Solidität und Tiefe« lebenslang bewunderte". Steiner sprach seinerseits nach der ersten Begegnung (wie schon zuvor) mit großer Hochachtung von Schuré. Im Vorwort zur Edition der »Großen Eingeweihten« schrieb er 1909: »Unter den schaffenden Künstlern der Gegenwart ist Edouard Schuré einer, dessen ganze Art auf der Einsicht ruht, was der Seher in der geistigen Entwicklung der Menschheit ist. Alles menschliche Schaffen führt ihn zuletzt auf die Kraft der Seher zurück.«92

Aber Schuré hatte in Steiners Augen nicht nur über Seher geschrieben, sondern galt ihm 1905 als Esoteriker eigenen Rechts: »Der Inhalt des Buches >Les grands Initiés< von Edouard Schuré hätte im Astrallicht nicht gefunden werden können. Solche Eindrücke sind nur im Äther aufgeschrieben.« (GA 93a,79) So der Bericht von Schneider, ebd., 117. Zit. nach Schneider, ebd., 119. Die Christologisierung Schourés durch Steiner bestätigt Laurant: Schuré, 1045. 37 Vgl. zu Steiner Kap. 8, zur Christologisierung der Jesusfrömmigkeit Rittelmeyers durch Steiner Zander: Friedrich Rittelmeyer, 273-279. 38 Schneider: Edouard Schuré, 179. 39 Ebd. 174. 40 Schuré: Einleitung zu der französischen Übersetzung von Rudolf Steiners >Das Christentum als mystische TatsacheWahnsinnsanfall< Schurés so schwer getroffen, daß sie >drei Tage regungslos lag< und ihre späteren bei Schocks auftretenden Lähmungserscheinungen, die bewirkten, daß sie teilweise im Rollstuhl gefahren werden mußte, darauf zurückführte«'. Schuré hat die Vorgänge nach dem Krieg bedauert, sich als Opfer von falscher Propaganda gesehen und war 1921 und 1922 in Dornachs'. Dabei traf er sich mit Rudolf Steiner und hat sich mit ihm versöhnt, nicht jedoch mit Marie Steiner, die sich weigerte, Schuré zu empfangen". An seinem Lebensende hatte sich Schuré von der Theosophie abgekehrt und sich seinem lutherischen Glauben wieder zugewandt55

11.2.2 Die Aufführungen der Mysteriendramen Schurés in München Schon 1904 hatte von Sivers erwogen, Schurés »Kinder des Lucifer«, die sie gerade übersetzt hatte, aufzuführen, auf einer Aufführungsstätte »wie ein Oberammergau«56. Zwischen 1907 und 1912 kamen im Rahmen des Kongresses der Föderation europäischer Landesgesellschaften der Adyar-Theosophie 1907 respektive der alljährlichen Münchener sommerlichen Theaterveranstaltungen der deutschen Sektion dann zwei Stücke zur Aufführung: »Das Heilige Drama von Eleusis« (1907, 1911, 1912) und die »Kinder des Lucifer« (1909, 1910). Der Veranstaltungskalender wurde seit 1910 durch Stücke Steiners erweitert, die Schurés Dramen 1913 ersetzten (s.u. 11.3.1). Die Zusammenarbeit zwischen Schuré, Steiner und von Sivers sowie die Aufführungspraxis lassen sich an Hand des Briefwechsels zwischen von Sivers und Schuré detailliert nachverfolgen. Von Sivers übersetzte und veränderte (S. 248') den Text des eleusinischen Dramas, und Steiner übertrug ihre Prosa in »freie Rhythmen« (S. 253. 277), in denen das Stück bis heute anthroposophischerseits verlegt wird". Schuré hat Steiners Bearbeitung gutgeheißen, ja geradezu gefeiert: »Diese großartigen Verse sind der originalen Prosa weit überlegen.« (S. 265) Schuré machte Vorschläge für die Musik (S. 249-251), die Bernhard Stavenhagen59 zu komponieren begann, aber aus Zeitmangel nicht fertigstellen konnte sz

So ihre Biographin Hella Wiesberger unter Rückgriff auf einen Brief Marie von Sivers an Simone Rihouët-Coroze, zit. nach ebd., 468. 53 Schneider: Edouard Schuré, 193. 196. 54 Ebd., 196 (Treffen mit Steiner) und 197 (kein Treffen mit von Sivers). In den dreißiger Jahren soll von Sivers gesagt haben: »Ich hätte ihn doch empfangen sollen!« (ebd.). ss Laurant: Schuré. 56 Brief von Sivers an Schuré vom 27.8.1904, zit. nach Wiesberger: Marie Steiner-von Sivers, 242. Vergleichbare frühe Absichten Steiners sind nicht nachweisbar, vgl. ebd., 242. Von Sivers ergriff 1906 auch die Initiative für die Aufführung von 1907 (GA 2843,22). 57 Die Nachweise für Wiesberger: Marie Steiner-von Sivers, sind mit Seitenzahl im Text genannt. se Steiner / Schuré: Lucifer. Die Kinder des Lucifer. sv Stavenhagen war wohl Theosoph; zur Biographie Kap. 12, Anm. 23.

11.2 Die Entstehung der anthroposophischen Dramentradition

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(S. 252. 268). Die Musik entfernte sich wohl weit von Schurés Vorstellungen. Für einige Teilnehmer habe sie »wie Sphärenharmonie« und »ätherisch« geklungen (S. 271). Aber Steiner hielt, insbesondere in der Inszenierung, offenbar alle Fäden in der Hand. Er »dichtete einzelne Strophen um, verteilte die Rollen, führte Regie; die Kulissen und Kostüme wurden nach seinen Angaben hergestellt und der Saal ebenfalls nach seinen Entwürfen und Angaben zu einem Mysterienraum umgestaltet« (S. 253). Bis auf den ein oder anderen ausgebildeten Schauspieler waren alle Akteure Laien aus der Theosophischen Gesellschaft, etwa der Berufsschauspieler und Theosoph Richard Jürgas (in der Rolle des Triptolem) mitgespielt (S. 270. 275)60. Eine Ausnahme bildete auch Marie von Sivers, die eine Schauspielausbildung besaß und die Rolle der Demeter erhielt (S. 248). Ansonsten waren die Probleme mit der Laientruppe offenbar beträchtlich61. Die erste Aufführung des »Heiligen Drama von Eleusis« fand am Pfingstsonntag, dem 19. Mai 1907, um 17 Uhr im umgestalteten Kaimsaal (s. 12.2.2) während des Münchener Kongresses statt (MTG 5,6). Schuré war in diesem Jahr nicht anwesend (S. 262), wohl aber zwei Jahre später (S. 288). 1909 suchte man nach einer größeren Aufführungsstätte, und da weder das Prinzregenten- noch das Residenz-Theater zur Verfügung standen, wanderte man ins Schauspielhaus (heute Kammerspiele) aus (S. 287). Die »Kinder des Lucifer« kamen hier erstmalig 1909 zur Aufführung (MTG 9,1), und zwar im Rahmen des Münchener Vortragszyklus »Der Orient im Lichte des Okzident. Die Kinder des Lucifer und die Brüder Christi« (GA 11362), den Steiner im Prinzensaal des Café Luitpold hielt63. Die Ausstattung dürfte recht realistisch gewesen sein. Gümbel-Seiling erinnert sich an eine »weiße und schwarze Sphinx vor dem Tempeleingang«, und »der fünfzackige Stern des Lucifer erschien am Schlusse durchstrahlt vom Rosenkreuz« als ein »transparentes Symbol«64. Bis 1913 fanden alle Aufführungen in München statt, 1914 sollten sie dann im Dornacher Johannesbau ihr Domizil finden (GA 153,181), wozu es jedoch zu Steiners Lebzeiten nicht mehr kam.

Jürgas war Mitglied der Kölner »Loge« (MTG 5,7). Nach Kader-Bock: Die Mysteriendramen, 15, gab es drei Berufsschauspieler. Neben Jürgas (der den Romanus gespielt habe) nennt sie Otto Doser und Max Gümbel-Seiling. 61 Vgl. etwa die Klage über die Schauspielerin der Persephone, wo man »erst in der letzten Woche ... sicher sein [konnte], daß man sie verstehen würde«; zit. nach Wiesberger: Marie Steiner-von Sivers, 270. Marie von Sivers hatte auch Bedenken gegenüber einer Polin, deren Akzent »uns zusammenfahren ließ« und die die »Schlußapotheose ... in Gefahr« gebracht habe; Sivers: Brief an Edouard Schuré vom 26.5.1907, in: Marie Steiner. Ihr Weg zur Erneuerung der Bühnenkunst, 50. 62 Der Zyklus 9 findet sich in einer von Steiner überarbeiteten Version heute in GA 113, in der beispielsweise die Einleitung in den ersten Vortrag fehlt; Steiner: Der Orient im Lichte des Okzident (Manuskriptdruck), 1. Vgl. auch Gümbel-Seiling: Mit Rudolf Steiner in München ('1946), 23-26; Sellin: Erinnerungen aus dem Berufs- und Seelenleben, 156f. 63 Lindenberg: Steiner (Chronik), 284. 64 Gümbel-Seiling: Mit Rudolf Steiner in München ('1946), 25.26.

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11. Mysterientheater

11.2.3 Exemplarische Analyse: Schurés »Kinder des Lucifer« Eine literatur- und religionswissenschaftliche Interpretation der Mysterienstücke Schurés fehlt. Ich analysiere exemplarisch Schurés »Kinder des Lucifer«, in dem seine Intentionen besonders deutlich zu Tage treten65. Das Stück ist in Aufbau und Sprache dem klassischen Theater verpflichtet. Es gibt einen ausgeprägten Handlungsfaden, profilierte Charaktere und eine Prosasprache, die einen gebildeten und routinierten Autor zeigt. Den Inhalt fokussierte Schuré auf den inneren, gottgleichen Menschen, näherhin auf dessen Erkenntnisweg und Inthronistation als Leitbild religiösen Lebens. Man kann Schurés Drama als Mystagogie sehen, diesem göttlichen und freien Ich gegen alle Mächte institutionalisierter Religion zum Durchbruch zu verhelfen. Das Drama spielt in der Spätantike und handelt von Theokles, einem Bürger des kleinasiatischen Dionysia. Er erkennt sich im Lauf des Stücks als Lichtträger, als Phosphoros (lateinisch Luzifer), und wird so zum »Kind« Luzifers. Diese Selbsterkenntnis ruht auf der Identifizierung des göttlichen Selbst, auf dem Menschen als »ein Gott im Werden« (I, 666), und mündet in eine Metaphysik der Selbstverwirklichung: »Theokles: Was muß ich tun? Lucifer: An dich selbst glauben und mit dem Ewigen ringen in der vollen Entfaltung deines Wesens. Theokles: Wirst du mir helfen? Lucifer: Ja, so lange dein Glaube an dich selbst dauert.« (II, 1)

Schuré unterschied für Theokles / Phosphoros zwei Funktionen, die für seine Religionsphilosophie einen zentralen Stellenwert besitzen: Zum einen war er als Messias67 einer der Vermittler der Wahrheit, wie er sie in den »Großen Eingeweihten« beschrieben hatte, zum anderen galt er wie Luzifer als gefallener Engel, der sich seiner Göttlichkeit bewußt wird und durch die Welt hindurch zur Erlösung will und muß. Die Dynamik des Stück wird von zwei Strängen getragen: Von einer politischen Geschichte, in der Theokles / Phosphoros versucht, die staatstragenden Religionen, nämlich sowohl die antike Polisreligion als auch das Christentum, als korrupt zu entlarven und eine eigene Religion des »Letztgeborenen der Götter« (III, 4) zu installieren. In einem zweiten Erzählstrang verliebt er sich in die Christin Kleonis, für Schuré ein Bild des Synkretismus von Heidentum und Christentum. Die »neue Religion« sei die Verbindung von »hellenischem Geist«, verkörpert durch Phosphoros, und »christlicher Seele« in der Gestalt der Kle-

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Ich greife dabei auf eine schon veröffentlichte Studie zurück; Zander: Ästhetische Erfahrung, 203-209; ausführliche Inhaltsangabe S. 204-206, eine kulturhistorische Situierung S. 206-209. Zu dem von Sivers übersetzen Text s. o. Anm. 26. 66 Nachweis mit Aufzug und Bild; zu den Publikationsorten der benutzten Textvorlage siehe Anm. 26. 6' Vgl. das Referat des Theokles über die »Gesandten des Ewigen« (I, 7), das durch seine unmittelbar darauf folgende Selbsterkenntnis als göttlicher Mensch auch auf ihn selbst bezogen werden kann (III, 6).

11.2 Die Entstehung der anthroposophischen Dramentradition

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onis68. Kleonis, die als »Jungfrau« und »Weib«, die »sieben Ehrenstrahlen über dem Haupt« hat und ergo marianische Epitheta trägt (II / 1, 2), ist die Korredemtrix. Sie verspricht - in gnostischer Diktion -, den Erlöser, Phosphoros, zu »erlösen« (III, 2). Aber letztlich scheitert Phosphoros, weil er für die Entweihung des kaiserlichen Altars auf Betreiben des heidnischen Pontifex und des christlichen Bischofs zum Tode verurteilt wird. Auf einem »Altar des unbekannten Gottes« (wohl in Anspielung auf Apg 17,23) sterben Phosphoros und Kleonis, die ihren Geliebten als »Messias« erkannt hat, den Freitod. In der Regieanweisung des Schlusses aber verheißt Schuré ein glückliches Ende: Es »erscheint der funkelnde Stern über den Liebenden. Ein feuriges Kreuz blitzt in seiner Mitte«. Der Ternpelpriester deutet sie als »das Zeichen der neuen Zeiten - das Kreuz Christi auf dem Stern Lucifers« (V,6). Der historische Gehalt von Schurés Drama ist sekundär. Vielmehr bezog er im Medium des antikisierenden Dramas Stellung zu Problemen der Selbstsituierung alternativreligiöser Dissenter um 1900: 1. Säkularisierung. Die Kritik an der hegemonialen Religion ist eingebettet in eine Theorie des religiösen Niedergangs: »Ueberall sind die Tempel stumm«, aber die »Seele« sucht »die ewig verschleierte Wahrheit« (I, 4). 2. Institutionenkritik. Sie konzentrierte sich auf die institutionalisierte Religion, der antikisierende Gegenstand zielt auf die in vielen europäischen Ländern damals noch staatskirchlich verankerten christlichen Kirchen. Davon unterschied Schuré einen inneren Gehalt, wie er in seinen Überlegungen zum »Theâtre de l'âme« schrieb: Luzifer sei »der unversöhnliche Gegner der Kirche in ihrer äußeren Form; er ist aber nicht der Gegner Christi, sondern hält in seiner Entwickelung als der Gegenpol diesem das Gleichgewicht«". 3. Autonomie. Die Neubegründung von Religion verlegte Schuré ins Individuum, das er im Rahmen der luziferischen Religion göttlicher Selbsterkenntnis zu einem autonomen Subjekt mit geradezu prometheischen Zügen stilisierte: Ein pantheistisch gedachtes göttliches Selbst, das sich in eine Praxis der Selbstverwirklichung auslegt. 4. Synkretismus. In seiner gottgleichen Freiheit mache das Individuum einen synkretistischen Gebrauch der Religionsgeschichte. Allerdings blieb die europäische Religionstradition, ohne daß dies eigens thematisiert würde, prägend. Damit wurde die religiöse Pluralisierung wieder eurozentrisch, wie in der Theosophie oft (und oft wider Willen) üblich, aufgehoben. In diesen Dimensionen waren sowohl Schurés Probleme als auch seine Lösungsangebote mit Steiners Weltanschauungsfragen und -antworten strukturidentisch: Ein degressives Geschichtsbild, Institutionenkritik versus innere Religion und eurozentrischer Synkretismus. Vermutlich haben Steiner und Schuré die Problemansätze und Lösungskomplexe unabhängig voneinander formuliert, dies waren weitverbreitete mentale Dispositive im alternativreligiösen, namentlich theosophischen Vorstellungskosmos. Wenn es inhaltliche Abhängigkeiten 68 69

Schuré: Das Theater der Seele, 32. Ebd. Eine ähnliche polare Luzifer-Konzeption findet sich bei Steiner (s. 8.3.2c).

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11. Mysterientheater

gibt, dann ist Steiner in seinen Weltanschauungswurzeln von Schuré beeinflußt. Schurés »Große Eingeweihte« spielen in Steiners Biographie eine zentrale Rolle, und die Dramen besitzen eine kaum überschätzbare Bedeutung als Brücke für Steiner zur Dramatisierung theosophischer Inhalte. Während Schuré in den »Heiligtümern des Orients« »mit genialischem Sinn das heilige Drama von Eleusis wieder hergestellt« habe, sah Steiner sah in den »Kindern des Lucifer« das Erlösungsdrama par excellence, wie er in fast gnostisierender Terminologie 1905 kommentierte: »Der in die Materie hinabsteigende, leidende und im Menschenwerk seine Erlösung findende Gott ist der Held dieses Dramas«". Zugleich sei das Stück ein Ausdruck des »>Theaters der SeeleNachbildung< einer »geistigen Wirklichkeit« auf die Bühne bringen (GA 14b, 136). In Steiners Selbstverständnis handelte es sich mithin nicht um ein Schauspiel, also um Spiel, sondern um eine Form der Dokumentation, bei der die erlebte Realität wie ein »Gemälde« wiedergegeben sei (vgl. GA 145,403). Deshalb konnte er auch 1910 zugestehen, daß die Rollen aus dem »Leben« und nicht (nur) aus seiner Einbildungskraft kamen: »Diese Personen sind lebendige Personen, keine Personen, die erdacht sind. Sie sind mir zum Beispiel sehr wohl bekannt. Ich meine mit bekannt nicht ausgedacht, sondern stehend und lebend. Sie sind real, und besonders auch die mir so sehr ans Herz gewachsene Figur des Professor Capesius ist eine aus dem Leben gegriffene Figur.« (GA 1252,129)

Durch diese autobiographische Verschränkung (s. u. 11.3.4) wurde das Realitätsverhältnis der Mysteriendramen nochmals komplexer, weil die Absicherung des Objektivitätsanspruchs nicht nur über Steiners Anspruch auf einen Zugang zur geistigen Welt erfolgte, sondern mit seiner Biographie unterzeichnet war. Sozialhistorisch besitzen die Mysteriendramen zwei Dimensionen. Zum einen waren sie für die Mitglieder der Theosophischen Gesellschaft als ästhetische Anleitung zur »Erkenntnis höherer Welten« bestimmt: Initiationsmysterien im Verständnis Steiners, in der soziologischen Außenperspektive Ort theosophischer

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GA 88,8; Vorwort von 1910. GA 88,15; Ergänzung aus dem Jahr 1910. Ebd., 8; Vorwort von 1910.

11.3 Steiners Mysteriendramen

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Identitätsfindung und -vermittlung. Die Dramen sollten die Dominanz der kognitiven Vermittlung des theosophischen Lehrgebäudes durch eine ästhetische Anschauung relativieren. Im Gegensatz zu den freimaurerischen Riten waren die Mysterienspiele eine Arkandisziplin mit ein wenig mehr innertheosophischer Öffentlichkeit`°°, aber in ihrer »initiatorischen« Funktion jenen durchaus vergleichbar. Auch inhaltlich sind die Übereinstimmungen zu den maurerischen Riten unübersehbar: Szenen, die im »Sonnentempel«, im unterirdischen Felsentempel«, im »Schloß der Tempelritter« oder in der »Altägyptischen Einweihungsszene« spielen, lassen sich Motiven der (Hochgrad-) Maurerei zuweisen'''. Zum anderen lassen sich die Dramen, wie einleitend angedeutet, als Medium der Auseinandersetzung um Steiners Führungsrolle in der Theosophischen Gesellschaft lesen. »Die Pforte der Einweihung« hieß dezidiert ein »Rosenkreuzermysterium« »durch« Rudolf Steiner. Das passivische »durch« wies Steiner in der Sprache des Mediumismus als Offenbarungsträger aus und untermauerte seinen hellseherischen Anspruch. Mit der Beanspruchung der Rosenkreuzertradition, unterstrichen durch den »Rosenkreuzerspruch« auf dem zugehörigen Siegel'" oder den »Rosenkreuzeraltar« im ersten Bild, grenzte sich Steiner in der gerade laufenden Auseinandersetzung mit Annie Besant um die Ausrichtung der Adyar-Theosophie von ihr ab und suchte die christlich-europäische Tradition für sich zu reservieren. Gleichzeitig hielt er in den Dramen jedoch an den religionssynkretistischen Ambitionen fest, wie die Einbindung des buddhistischen Mantras »Om mani padme hum« belegt".

11.3.4 Biographische Elemente in den Mysteriendramen In den Mysteriendramen hat Steiner sein eigenes Leben mitverarbeitet, wie er selbst eingestand. Aber er entzog sich Festlegungen - wie in jeder poetischen Bearbeitung einer Biographie zwischen »Dichtung und Wahrheit«. Bei manchen »äußeren« Bezügen, wie der Verschränkung von realen und fiktiven Personen, liegen die biographischen Wurzeln noch relativ offen, aber die psychologischen Tiefendimensionen lassen sich wohl erst nach Vorliegen einer kritischen Biographie Steiners genauer bestimmen'°' Nur an wenigen Stellen hat er diese untergründigen, unbewußten Ebenen thematisiert, etwa einen Monat nach der Uraufführung der »Pforte der Einweihung«, als er seinen Zuhörern gestand: »Die Bilder wuchsen so aus sich heraus wie die Blätter einer Pflanze« (GA 1252,103). Diese Metaphorik deutet auf Elemente eines unterbewußten Produktionspro100 Vgl. den Kommentar von Hella Wiesberger in GA 265,55. 101 So auch Bolliger: Der Einbezug der Freimaurerei in die Anthroposophie Rudolf Steiners (Vortragsmanuskript), 6. Vgl. auch die kursorischen Hinweise bei Gädeke: Anthroposophie und die Fortbildung der Religion, 135. 102 S. u. Anm. 165. 1o3 S. u. Anm. 159. 104 So griff Steiner die Formulierung einer »Prüfung der Seele« in seiner Autobiographie (GA 28,272) wieder als Metapher für seine atheistischen Jahre auf. Wieweit dieses zweite Drama als Ganzes autobiographisch zu lesen ist, bedürfte einer eigenen Prüfung.

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11. Mysterientheater

zesses, und dies ist bei den teilweise zwischen Tür und Angel verfertigten Texten (s. u. 11.3.5) nicht einmal eine psychoanalytisch tiefe Ebene. Die »äußeren« Bezüge hingegen werden zum einen tagesaktuell in der Probenarbeit sichtbar. So brachte Steiner Schauspielern Photographien mit, um Szenen zu verdeutlichen und zeigte das Bild einer bettlägerigen Frau, die er besucht hatte105, um seine Vorstellung der Umsetzung einer Situation zu illustrieren. Oder: Eine Szene mit Gnomen, Sylphen und Undinen hat Steiner offenbar mit einer Tirolreise in Verbindung gebracht10». Einige Vorbilder benannte er auch namentlich. So eröffnete er 1924, daß »einige Züge von Schröer« auf Capesius »übergegangen« seien (GA 2386,163), also vom spiritus rector aus Steiners Wiener Studentenzeit (s. 5.3). Capesius solle auch einen Vollbart wie sein »Urbild« tragen und aus Siebenbürgen stammen107 - allesamt Kennzeichen Schröers'°" Auch die »Gestalt Straders ist ... in einem gewissen Sinn nach dem Leben gezeichnet« (GA 2386,108), betonte Steiner, sein »Urbild« sei Gideon Spicker (1840-1912) gewesen (GA 2366,164; GA 239,8). Details lassen an diesem Bezug keinen Zweifel: Strader sei bei den »Kapuzinern« eingetreten, der es aber »innerhalb der Kirche nicht aushalten konnte und den Weg dann fand zum Professorenamt« (GA 2386,109)109. Dies stimmt mit Spickers Lebensweg in wichtigen Teilen überein, der nach dem Austritt aus dem Kloster eine atheistische Phase hatte, ehe er eine Professur für Philosophie in Münster bekleidete, wo er stark religionsphilosophischen Interessen nachging. Spickers Bedeutung für Steiners Biographie läßt sich nicht leicht fassen. Er hatte ihm 1886 ein Exemplar der »Grundlinien einer Erkenntnistheorie der Goetheschen Weltanschauung« mit Bitte um Rezension geschickt (GA 38,135 f.), doch hatte Spicker abgelehnt, da er Steiners Position nicht teile (ebd., 155 f.). Spickers Buch »Vom Kloster ins akademische Lehramt« hat Steiner erwähnt (z. B. GA 72,422). Steiner postulierte eine Übereinstimmung mit Spicker in der »Notwendigkeit des Denkens«, die dieser als Basis jeglicher Philosophie postuliert habe (GA 21,137); Steiner wies damit Spicker eine Auffassung zu, die er in seiner eigenen »Philosophie der Freiheit« formuliert sah. Vielleicht reizte Steiner auch Spickers Versuch, Religionsphilosophie und naturwissenschaftliche Entwicklungen zu verbinden, der Einfluß muß os Gümbel-Seiling: Mit Rudolf Steiner in München, 184; Bezug: S. 14. Bild des Dramas »Der Seele Erwachen«. 106 Fels: Studien zur Einführung in die Mysteriendramen, 188. 07 Schmiedel: Erinnerungen an die Proben, 150f. os Als Victor Capesius firmierte der Verfasser einer Schrift »Zur Lage der Siebenbürger Sachsen«, die als zweites der »Flugblätter des Deutschen Vereines in Wien« 1877 erschienen war; Schröers »Die Deutschen in Oesterreich-Ungarn« (s. Kap. 5, Anm. 25) waren das dritte Flugblatt dieser Reihe gewesen; Capesius argumentierte ähnlich deutsch-national wie Schröer. Ein weiteres Werk erschien von Capesius 1900 in Wien im Selbstverlag unter dem Titel »Die Auflösung des Vereins evangelischer Glaubensgenossen A[ugsburgischen] B[ekenntnisses] in Wien vor dem K. K. Reichsgerichte«. Damit ist Capesius aufgrund des Veröffentlichungsdatums als selbstgewähltes Pseudonym Schröers nicht sehr wahrscheinlich, da Schröer 1900 starb - falls es sich nicht um eine postume Schrift handelt. Trotzdem könnte diese Publikationsgeschichte einen Hinweis auf den Hintergrund von Steiners Verbindung von Capesius und Schröer geben. 109 Vgl. auch die affirmative Bezugnahme auf Strader in GA 239,87 und GA 2405,123. Steiner selbst sagte, er habe »für die Lebensäußerungen der betreffenden Persönlichkeit [Straders] ... ein außerordentliches Interesse [gehabt], während sie lebte« (GA 2366,166).

11.3 Steiners Mysteriendramen

1039

jedenfalls beträchtlich gewesen sein, sonst hätte ihm Steiner kaum diese zentrale Rolle in den Mysteriendramen zugewiesen"°. Ein klarer biographischer Bezug liegt auch in der Rolle des Felix Balde verborgen, in der Steiner seine Erlebnisse mit dem Kräutersammler Felix Kogutzki 1881 oder 18821" verarbeitet hatte (GA 28,47)1 Z. Steiner griff mithin auf gerne auf Personen zurück, die in seinem dritten Lebensjahrzehnt, in der Phase seiner Adoleszenz in den ersten Studentenjahren, eine Rolle gespielt und eine idealistische Position vertreten hatten und die Steiner, nachdem seine nietzscheanischen »Wirren« ausgestanden waren, nun als »richtige« Wegmarken betrachten konnte. Bezüge auf Theosophen fehlen offenbar, sie wären vielleicht zu leicht dechiffrierbar gewesen, hätten aber vielleicht auch seinem Bestreben nach Eigenständigkeit nicht gedient. Eine eindimensionale Zuweisung von Rollen und realen Personen gibt es gleichwohl nicht, weil Steiner Mehrfachbezüge in seine Dramenfiguren eingearbeitet hat. So finden sich zum einen karmische Verknüpfungen, in denen etwa Strader zur Reinkarnation von Novalis' Heinrich von Ofterdingen wird"3; dieser Ansatz ermöglichte im Prinzip fast unbegrenzt viele Überlagerungen von Figuren in eine fiktionale Welt. Zum anderen legte Steiner reale Personen übereinander. Strader etwa sei mit dem »Urbild« (GA 2366,166) Jakob Frohschammers >zusammengewachsen< (ebd., 165), des reformkatholischen Philosophen, der wie Spicker Priester gewesen war und dem Steiner in seinem idealistischen Ansatz nahestand"". Diese Überlagerungen werden besonders spannend hinsichtlich Steiners Person in den Rollen seiner Dramen. Bringt man die Maria über die Namensgleichheit mit Marie von Sivers in Zusammenhang, hätte man Thomasius als Projektionsfläche von Steiners eigener Vita zu lesen. Ein solcher Zusammenhang liegt nahe, insofern Maria die maieutische Funktion für Johannes Thomasius besitzt, die Marie von Sivers um 1900 für Steiner innehatte. Noch spekulativer könnte man Johannes auf Johannes den Täufer beziehen und Steiner in einer ähnlichen Rolle als Verkünder Christi lesen, oder Thomasius als Bezug auf Thomas von Aquin deuten, als dessen Reinkarnation Steiner galt1>. Mit einer anderen Option lassen sich Benedictus und Strader als gegenläufige Projektionsflächen von Steiners Selbstbildern lesen16. Die Benutzung des relativ seltenen »ich« bei der Erläuterung des historischen Hintergrundes von Strader läßt daran denken (GA 236,166). Bei Benediktus wiederum kann man eine Abgrenzung von Felix Balde 10 Andererseits hat sich Steiner für Spickers Nachlaß nicht interessiert; Meffert: Mathilde Scholl, 243 f. I " Lindenberg: Steiner (Chronik), 58. 12 Vgl. auch Friedenthal: Zu der »autobiographischen Skizze« [von Barr]; Bock: Rudolf Steiner, 19. 13 GA 2386,118; genereller Verweis auf die Bedeutung der karmischen Zusammenhänge in GA 1252,129 f. "" Vgl. GA 236,163.307; GA 2386,102. 15 Gegen eine solche Identifizierung spricht, daß Johannes Thomasius / Steiner zum Mittler von Felix Balde (i. e. Felix Kogutzki) in die geistige Welt wird (GA 14a,115), in Umkehrung der Realität; aber damit könnte auch eine Umdeutung der Abhängigkeit Steiners von Kogutzki ausgesagt sein. 16 Es ist kurzschlüssig, in Benedictus »offensichtlich Steiner selbst« zu sehen und in den »meisten anderen Charakteren ... seine Schüler«; so Wilson: Rudolf Steiner, 154.

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11. Mysterientheater

(i. e. Felix Kogutzki) als Bezug auf Steiner verstehen, wenn man sie folgendermaßen liest: Steiner »wünschte«, so Max Gümbel-Seiling, »daß der Mystiker Felix Balde einen Bart tragen solle, während Benedictus als moderner Eingeweihter bartlos sein müsse«"'. Der bartlose Mystiker könnte Steiner selbst sein, der sich damit von seinem »Vorbild« und »Meister« Kogutzki unterschied und evolutiv (»modern«) abhob. Aber auch in Capesius dürfte Steiner Elemente seiner Person eingearbeitet haben. »Eines Tages aber war an Capesius etwas von der Literatur des Haeckelismus herangetreten. Er hatte sich mit dieser ganzen Weltanschauung, mit der er sich früher ein wenig befaßt hatte, bekanntgemacht«, meinte Steiner 1913 (GA 147,85); dies ist ohne Abstriche auf den Steiner der 1880 und 1890er Jahre übertragbar, aber nur schwer auf Schröder. Und wenn Capesius dem Felix Balde/Kogutzki »seine Qualen vor[trug]« (ebd.), meint man, den erkenntnissuchenden Steiner zu hören, der in Kogutzki einen Menschen fand, mit dem er endlich »über die geistige Welt sprechen [konnte] wie mit jemand, der Erfahrung darin hatte« (GA 28,45). Diese Optionen bedürften einer sorgfältigen Studie, vielleicht wie sie Kurt R. Eissler für Goethe vorgelegt hat18. Sowohl eine polyvalente (positiv gesagt) als auch eine schizoide19 Selbstauslegung Steiners (negativ gedeutet) scheint für die Mysteriendramen möglich. Ob die Verteilung und Beurteilung verschiedener Persönlichkeitsmerkmale Steiners in verschiedenen Rollen als Bearbeitung einer hybriden Vielfalt zu deuten ist oder als nur mühsam integrierte Züge von Steiners Persönlichkeit, ist noch kaum diskutiert.

11.3.5 Aufführungspraxis: Spielstätten, Zuschauer, Proben, Ausstattung, Rezeption Als Aufführungsorte dienten gemietete Theatersäle in München: 1910 das Schauspielhaus (seit 1926: Kammerspiele), in den beiden folgenden Jahren das Theater am Gärtnerplatz, 1913 schließlich wegen gestiegener Zuschauerzahlen das Volkstheater120. Als Probenräume fungierten die Turnhalle des »Männer-Turnvereins« im Münchener Norden nahe der Elisabeth-Kirche oder ein Schwabinger Gasthaussaal12'. Der Wunsch nach einem eigenen Theater führte aber schon 1911 mit zu den Plänen für den Johannesbau. Nach dem Krieg beabsichtigte Steiner, die vier Dramen im Sommer 1923 in Dornach erneut aufzuführen (GA 259,858), doch zerschlugen sich die Pläne aufgrund des Goetheanum-Brandes, so daß man erst 1928, fünf Jahre nach seinem Tod, die Stücke erneut spielen konnte'. "' Gümbel-Seiling: Einige Erinnerungen, 172. "$ Eissler: Goethe. 19 Diese Überlegung hat Treher: Hitler, Steiner, Schreiber, angestellt. Auf diese Arbeit gibt es anthroposophischerseits allerdings bislang nur polemische Entgegnungen. 120 Gümbel-Seiling: Mit Rudolf Steiner in München ('1946), 55. Das Volkstheater befand sich damals in der Josefspitalstraße 10a (MAG 2,19). 121 Strakosch: Lebenswege mit Rudolf Steiner (1994), 113 (Turnhalle); Fels: Studien zur Einführung in die Mysteriendramen, 188 (Gasthaus). 122 Editorische Notiz in GA 14a,5.

11.3 Steiners Mysteriendramen

1041

Die Dramen wurden vom und für den arkanen Zirkel der Theosophischen Gesellschaft aufgeführt, sowohl Schauspieler als auch Zuschauer waren Mitglieder, darunter etwa Christian Morgenstern123. Mißliebige Theosophen wie HübbeSchleiden lud man aus124. Die Rolle der Maria etwa übernahm Steiners spätere Frau, Marie von Sivers, ihre Schwester Olga spielte die Frau Balde, und auch die anderen Schauspieler sind großenteils noch namentlich bekannt125. Die Zuschauerzahl dürfte seit 1907 angestiegen sein (ob kontinuierlich, ließ sich nicht prüfen), wie die Mehrfachaufführungen in den Folgejahren belegen. 1909 waren bei den »Kindern des Luzifer« 600 »Freunde der Theosophischen Gesellschaft« anwesend126, für 1911 und 1912 werden 800 Personen genannt127, im letzten Aufführungsjahr 1913 wird eine Zahl von »über 1.200 Teilnehmern« angegeben128. Die lange Spieldauer von sechs bis acht Stunden129 machte aus den Aufführungen dichte Erlebnisse und Höhepunkte der Vorkriegstheosophie130. Möglicherweise gab es kaum Nicht-Theosophen in den Aufführungen; über die Anwesenheit Kandinskys wird aber spekuliert131 Sowohl vom zeitlichen wie vom finanziellen Aufwand her konnte sich nur eine ökonomisch gutgestellte Klientel diese Spiele leisten, schon das Eintrittsgeld von 12 Reichsmark entsprach etwa zehn bis zwanzig Prozent eines durchschnittlichen monatlichen Arbeiterlohns132. Die Beschreibungen der Zuschauerschaft bestätigen, daß sich hier ein großbürgerliches Milieu traf: »Die Münchner Bürger schienen verwundert, bereits am Vormittag so schöne Kleider, Shawls und Hüte zu erblicken ... Die Damen legte die Sommermantillen ab und ordneten ihren Haarschmuck.«133 »Zu den Ungewöhnlichkeiten gehörten übrigens auch

123 Morgenstern: Brief an Karl Kayßler vom 24.8.1913; ders.: Brief an Marie von Sivers vom 24.11.1913. 124 Vgl. Klatt: Theosophie und Anthroposophie, 217f. 125 Vgl. die Namenlisten bei Schmiedel: Erinnerungen an die Proben, 147, Kricheldorff: Erinnerungen, 1, und bei Schmidt: Glossar, 1033. 126 Steiner: Report of the T. S. in Germany (1909 [Adyar 19101), 44. 127 Ohlenschläger: Rudolf Steiner, 76. 128 Sixel: Zur Einführung, 127. Bei dieser Zahl könnte es sich auch um die Sitzplätze des Volkstheaters handeln, vgl. die editorische Anmerkung in GA 262,306. Ohlenschläger: Rudolf Steiner, 76, nennt 1.000 Besucher. 129 Schwankende Zahlenangaben bei Kricheldorff: Erinnerungen, 157, und Strakosch: Lebenswege, I, 187. 130 In der Wahrnehmung von Schmiedel: Erinnerungen an die Proben, 148, war Steiner zu keiner Zeit so hoch gestimmt wie zu diesen Aufführungen. 13 ' Nach Hahl-Koch: Kandinsky, 40718, habe Emy Dresler, eine ehemalige Schülerin Kandinskys, die Bühnengestaltung für »Die Pforte der Einweihung« am 15.8.1910 »übernommen«, aber damit ist ihre Rolle wohl zu hoch angesetzt. Diese Auffassung hat Emmert: Bühnenkomposition und Gedichte von Wassily Kandinsky, 85, übernommen. Sie hält darüber hinaus die Teilnahme Kandinskys an dieser Aufführung für »sehr gut möglich«, weil er die Arbeit seiner Schülerin habe ansehen wollen. Zweifelsfreie Belege führt sie nicht an. Dresler hatte aber Kandinsky und Gabriele Munter Vortragsmitschriften Steiners besorgt (Emmert, ebd.) und war Anthroposophin (noch 1923 war sie »Vertrauenspersönlichkeit« in der Anthroposophischen Gesellschaft [GA 259,466]). 132 Eintrittspreis nach Klatt: Theosophie und Anthroposophie, 218. Zu den Arbeiterlöhnen vgl. Nipperdey: Deutsche Geschichte 1866-1918, I, 304. 133 Steffen: Erinnerungen an die Aufführungen von Rudolf Steiners Mysteriendramen, 26.

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11. Mysterientheater

die mit Schleifchen gekennzeichneten ordnenden Damen (genannt >LächelfräuleinsDie Farben des oberen Bildes strömen hinaus in den Raum, kreuzen sich dort, strömen dann zurück nach unten und erzeugen da den Kegel mit dem Farbkreis. Gleichzeitig ertönen sie geistig in den Worten: >Om mani padme hum.< Es ist dies ein Zeichen für den Zusammenhang des orientalischen und abendländischen Okkultismus.«Die große Babylonbestimmten Punkt< im Innern fällt«. Die Wände sollten rot bemalt werden, die Kuppeln blau, mit einem Tierkreis im Hauptgewölbe, einsetzend mit den Fischen über der Saturnsäule47. 44 Steiner erinnerte sich in seiner Autobiographie 1925, daß »ein großer Teil der alten Mitglieder ... aus England, Frankreich, namentlich aus Holland« »innerlich unzufrieden« gewesen sei (GA 28,349), Marie Steiner berichtete 1935 von einem »fast wie göttlichen Zorn«; Marie Steiner, 73. 45 Zimmer: Der Modellbau, 9. Zu anderen Aspiranten siehe Anm. 15. 46 Plato: Stockmeyer, 799. 4' Stockmeyer: Von Vorläufern, 28f., Zit. 29. Der »bestimmte Punkt« ist nicht präzisiert.

12.2 Vorläufer der Dornacher Bauten

1077

Abb. 12.8: Der Modellbau von Maisch, Ansicht nach Osten, 1908/09, restauriert und fertiggestellt 1958/1965.

Um den Bau begehbar zu machen (Säulenhöhe 87 cm), wurde der Fußboden unter der Kuppel tiefergelegt, so daß man den Raum (ursprüngliche Kuppelhöhe 1,74 m) betreten konnte und er mit seiner Fläche von 2,5 m x 3,5 m einer kleineren Personengruppe Raum bot48. Die von Steiner gewünschte Versenkung des Baus in den Fels unterblieb49. In der Nacht vom 5. auf den 6. April 1909, zu Beginn der Karwoche und »beim Aufgehen des Frühlingsvollmondes«50, vollzog Steiner die rituelle Grundsteinlegung mit 41 Personen51. Obwohl der Bau vor dem Ersten Weltkrieg unfertig blieb, wurde er von der Malscher Loge »Franz-von-Assisi« zu »symbolisch-kultischen Betätigungen«52, also zu freimaurerischen Zeremonien benutzt und »zu gewissen Zeiten« (wohl vor 1914) »der Tempel« genannt53. In diesem Kontext war möglicherweise eine Mensa aufgestellt oder konzipiert". 48 Höhenangaben nach Zimmer: Der Modellbau, 12. Tiefergelegt betrug die Höhe 2,60 m. In der Länge maß der Bau 4,45 m, in der Breite 3,90 m. 49 S. u. Anm. 55. so Wiesberger, in: GA 2843,111. Steiners Ansprache bei Ohlenschläger: Steiner. Das architektonische Werk, 234 f. (ohne Quellenangabe); gedruckt in GA 2843,112 f. 51 Angabe nach GA 2843,180. Unzutreffend ist wohl die Angabe von 24 Personen bei GümbelSeiling: Mit Rudolf Steiner in München, 21. Er berichtet weiter, daß Steiner in der Einweihungsrede von »alten Zeiten« gesprochen habe, als sich Priester bei solchen Gelegenheiten freiwillig hätten einmauern lassen. 52 Stockmeyer: Von Vorläufern, 30. Ohlenschläger: Steiner. Das architektonische Werk, 65, vermutet, Steiner sei mit einer monumentalen Ausführung »nicht einverstanden« gewesen, weil der Bau keine Möglichkeiten szenischer Aufführungen geboten habe. Dieses Argument trägt nur, wenn man die freimaurerische Verwendungsoption nicht in Betracht zieht. 53 Zimmer: Der Modellbau, 16. 54 Ohlenschläger: Steiner. Das architektonische Werk, 66, hat dieses interessante Detail, eine »Mensa« mit einem von »zahlreichen Rosen umrankten Kreuz«, auf einem nicht zur Veröffentlichung freigegebenen Plan des Malscher Baus gesehen, allerdings sei keine Datierung angegeben. Als Bezug bietet sich, unbeschadet einer chronologischen Einordnung, weniger ein diffuser »Rosenkreuzertempel« (ebd.) als vielmehr eine maurerische Zeremonie an.

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12. Architektur

Steiner soll den Malscher Bau den »ersten Rosenkreuzertempel« genannt haben", im Zuge der zu diesem Zeitpunkt laufenden »rosenkreuzerischen« Umprägung seiner Weltanschauung und im Kontext der maurerischen Zeremonien. Das Gebäude wurde 1958, die Ausgestaltung bis 1965 fertiggestellt".

12.2.4 Das Stuttgarter Logenhaus (1911 / 12) Am 3. Januar 1911 legte der Stuttgarter Zweig den Grundstein zu einem neuen Logenhaus in der Landhausstraße 70, das bereits am 15. Oktober des gleichen Jahres eingeweiht wurde57. Damit »überholten« die Stuttgarter in der Ausgestaltung ihres Zweiges die Berliner, die am 5. Mai 1909 ein neues Zweiglokal eingeweiht hatten58. Man könne ein »spirituelles Leben« nicht in den »Formen einer untergehenden Kultur« führen (GA 2843,140), hatte Steiner bei der Einweihung diese Bauanstrengung in apokalyptischem Ton begründet. Finanzier des etwa 60.000 Reichsmark teuren Baus war mit 30.000 Reichsmark allen voran der Berner Apotheker Karl Heim59. In dem zweistöckigen, villenartigen »Theosophenheim« (MTG 12,6), entworfen von dem Architekten Carl Schmid-Curtius, befand sich im ersten Stockwerk ein großer »Veranstaltungsraum«, auch »Vortragssaal« genannt, mit einer Grundfläche von 10 x 10 m und einer Höhe von sieben Metern60. (Abb. 12.9) ss

Gädeke u. a.: Anthroposophie und die Fortbildung der Religion, 154; vgl. oben Anm. 34. - Viele Deutungen bei Ohlenschläger: Steiner. Das architektonische Werk, 68, scheinen mir weit hergeholt. Daß Bezüge zum christlichen Theosophen Friedrich Schwab bestehen, ist angesichts von Steiners mangelnder Kenntnis dieser Tradition (s. 9.4) unwahrscheinlich. Ihre im Prinzip interessante Deutung des Baus als »Höhlenarchitektur« scheint mir eine überzogene Konsequenz aus den Zwängen des Modellbaus zu sein: Das am Hang gebaute Tempelchen steht durchaus frei, und der tieferliegende Eingang erklärt sich ausreichend aus der geringen Deckenhöhe. Ganz fern standen Steiner solche Gedanken allerdings nicht, vgl. Anm. 172. Steiner soll den Bau gegenüber (Kurt Theodor ?) Willmann eine konsequente Weiterentwicklung der Romanik genannt haben; mündliche Mitteilung von Herrn Genzmer, Malch, 3.10.1999. s6 Zimmer: Der Modellbau, 9.56. Die rechte Säulenreihe wurde nach dem Zweiten Weltkrieg durch französische Soldaten, die in dem Bau Feuer gemacht hatten, zerstört und nachgeschnitzt; mündliche Mitteilung von Herrn Genzmer, 3.10.1999. Kully: Die Geheimnisse des Tempels von Dornach, II, 18; Lindenberg: Steiner (Chronik), 302. 309. Die Ansprache Steiners ist möglicherweise verloren, vgl. Arenson: Eine wichtige Ansprache von Rudolf Steiner gesucht. Vgl. auch GA 2843,182, Anm. zu S. 140. Wichtige Materialien in GA 2843,139-162. Ein Innenraummodell, das Stockmeyer auf der Grundlage der Malscher Konzeption erstellt hatte, ist im Zweiten Weltkrieg zerstört worden; Köllner: Beschreibung und kritische Betrachtung, 23. Baupläne sind erstmals abgedruckt bei Ohlenschläger: Steiner. Das architektonische Werk, 70f. Planungen dürfte es seit Sommer 1910 gegeben haben, ein erster Plan datiert vom 5. September 1910 (ebd., 70). Einwände der Stuttgarter Bauverwaltung gab es nicht (ebd., 71). 58 Materialien dazu in GA 2843,123-137. Dieser Raum in der Geisbergstraße 2 gehört allerdings nicht in die Reihe der frühen Architekturen, da man offenbar nur einen vorhandenen Innenraum umgestaltete (s. 4.2.1). sv Löscher: Rudolf Steiner und die Gründung der WELEDA, 54; so auch Lindenberg: Steiner (Chronik), 302. Nach del Monte: José del Monte, 128, hatte Heim 30.000 Reichsmark gespendet, unter der Bedingung, daß die übrigen Mitglieder den gleichen Betrag beibrächten. Es seien aber nur 25.000 RM zusammengekommen. so Vortragssaal: Biesantz: Auf dem Wege zu einem neuen Baustil, 20. Maße: Ohlenschläger: Steiner. Das architektonische Werk, 71.

12.2 Vorläufer der Dornacher Bauten

1079

Abb. 12.9: Logenhaus in Stuttgart, »Veranstaltungsraum«, 1911 / 12, demoliert wohl 1935.

Dessen Stuhlreihen standen vor einem höhergelegenen Podium61, das mit einem Vorhang verdeckt werden konnte und hinter dem sich eine Apsis ausbuchtete. An der rückwärtigen Saalseite des mit Holzpanelen und Parkettboden ausgestatteten Raumes befand sich eine mit sieben »Planetensiegeln« geschmückte Empore, deren Zugang seit einem Umbau im Jahr 1921 / 2262 mit Säulen und Kapitellen in der von München und Malsch bekannten Machart versehen war. Darauf stand zumindest bei der Einweihung »ein orgelartig klingendes Harmonium«63, darüber hinaus hingen hier zwei Bilder von Stockmeyer zum »Sieg des Geistes über die Materie«64. Der Raum dürfte der normalen Zweigarbeit, vornehmlich für Vorträge, gedient haben; 1922 erhielt er eine Bühne65. Auch die Bibliothek" und »das ganz in rot gehaltene Vorstandszimmer« (MTG 12,6) gehörten zur Ausstattung für die Vereinsarbeit. Im Keller lag ein von Stockmeyer und Schmid-Curtius konzipierter ellipsoider Saal, der wohl im Winter 1911 / 12 fertiggestellt wurde67 und die beträchtlichen Ausmaße von 16,5 x 16,5 m bei einer Deckenhöhe von 3,80 Metern besaß68. (Abb. 12.10) Man hatte ihn, »um im Einklang mit den Himmelrichtungen zu bleiben« 61 Die Verzierung der Brüstung (sechs Tondi mit jeweils einem Rosenkreuz? und einem Hexagramm?) war anhand der mir vorliegenden Photographien nicht zu entschlüsseln. 62 Hella Wiesberger, in: GA 2842,139. 63 Anonym: Bericht über die Einweihung des Stuttgarter Hauses; in: GA 2842,161. 64 Unbekannter Autor, in: GA 2843,160. 65 Wiesberger, in: GA 2842,139. Nach del Monte: José del Monte, 130, sei die Bühne für Eurythmiezwecke vorgesehen gewesen. 66 Anonym: Bericht über die Einweihung des Stuttgarter Hauses; in: GA 2842,161. 6' Stockmeyer: Von Vorläufern, 33. In dem Raum sehe ich keine Konzeption von SchmidtCurtius, wie Ohlenschläger: Steiner. Das architektonische Werk, 70, meint, da der Malscher Bau, der zentrale Elemente wie den elliptoiden Raumgrundriß mit Säulen schon besaß, in der mutmaßlichen Planungsphase des Stuttgarter Baus längst im Bau war. 68 Ohlenschläger: Steiner. Das architektonische Werk, 74.

1080

12. Architektur

Abb. 12.10: Logenhaus in Stuttgart, Tempelraum, Südseite, 1911 / 12, demoliert wohl 1935.

(also wegen der Ostung), quer in den Kellerraum eingefügt und den Boden aufgrund der gedrückten Raumverhältnisse tiefergelegt69. Die 14 Säulen stellten, wie schon in München 1907 und in Maisch, »Planetensäulen« dar', die eine flache Kuppel trugen"; in seinem Aufriß stimmte dieser Bau also mit dem Malscher Tempelchen überein. Im Programm der Deckenmalerei, die 1913 Imme von Eckhardtstein ausführte" und bei der wohl erstmals eigens hergestellte Pflanzenfarben verwandt wurden", lassen bei einem geflügelten Stier und einem Adler an die Evangelistensymbole denken, während ein geflügeltes Pentagramm, ebenso wie kosmische Symbole, wohl auf okkultistische Vorstellungen zu beziehen sind. Dieser »Tempel« war für »symbolisch-kultische Veranstaltungen« errichtet worden", also als Logenraum für die Zeremonien von Steiners Freimaurerei. Diese Riten wurden auch gefeiert75. Nach der Einstellung der freimaurerischen Arbeit im Jahr 1914 wurde der Raum überflüssig und verkam zur Abstellkammer; in den dreißiger Jahren wurde er zu einer Gedenkstätte für Rudolf Steiner umgearbeitet, 1935 mußte das Haus aufgrund der Aufhebung der Anthroposophischen Gesellschaft durch die Nationalsozialisten verkauft werden76. Mit die69 Stockmeyer: Von Vorläufern, 32. 7D Photographien bei Ohlenschläger: Steiner. Das architektonische Werk, 74f,, " Stockmeyer: Von Vorläufern, 32f. 72 Abbildung bei Zimmer: Der Modellbau, 17. Beschreibung ohne Quellennachweis bei Ohlenschläger: Steiner. Das architektonische Werk, 74. Schmiedel: Aufzeichnungen, 416f. Stockmeyer: Von Vorläufern, 32. Schmiedel: Aufzeichnungen, 417, sprach von dem »für intimere Zwecke benützten Raum des Stuttgarter Zweighauses«. 75 S. U. 12.4.4. 76 Stockmeyer: Von Vorläufern, 33. Das Haus ging in den Besitz der Landesbildstelle über, die dort noch heute sitzt. Der Säulensaal wurde demoliert, die Säulen befinden sich heute im Park der Klinik Wiesneck in Buchenbach bei Freiburg (Breisgau).

12.3 Die Planungen zum Johannesbau in München

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sem Haus hatte die deutsche Adyar-Theosophie erstmals eine eigene Architektur realisiert und dokumentiert, welche finanziellen Potenzen in der Gesellschaft steckten. Die weitgehende Bedeutung dieses Raumes liegt in seiner Vorbildfunktion für den Johannesbau in München: War das Tempelprojekt in Malsch unvollendet liegengeblieben, so wurde hier ein Raum fertiggestellt, der zentrale architektonische Elemente, insbesondere den kuppelgestützten Säulenraum, als Architektur für die maurerischen Zeremonien einsetzte, die im Johannesbau in vergrößerten Dimensionen zur Anwendung kamen.

12.3 Die Planungen zum Johannesbau in München 12.3.1 Der Johannesbau-Verein und die Baufinanzierung Am 26. August 1910, anderthalb Wochen nach der Uraufführung von Steiners erstem Mysterientheaterstück, gründeten vier Mitglieder der Theosophischen Gesellschaft den »Theosophisch-Künstlerischen-Fonds«, um diese Veranstaltungen finanziell abzusichern". Von Anfang an sollte der Fonds auch zur Finanzierung eines eigenen Gebäudes dienen78, das Steiner am 30. Oktober 1910 als »Zentralbau in München« (MTG 11,8)79 den Mitgliedern in der Generalversammlung ankündigte. Wer auf die Feinheiten seiner Rede hörte, konnte verstehen, daß dieser Bau in Konkurrenz zur offiziellen Theosophischen Gesellschaft entstand: »Es handelt sich nämlich nicht um eine Unternehmung der Theosophischen Gesellschaft, sondern um eine theosophische Sache, die privat von einer Anzahl Theosophen offiziell unternommen wird.« (ebd.)80 Dabei bildeten Geld und weltanschaulicher Einfluß für Steiner eine untrennbare Mélange: »Nur diejenigen bauen diesen Zentralbau, die eben das Geld dafür hergeben« (ebd., 9). Am 9. Mai 1911 erfolgte die Eintragung des Johannesbau-Vereins in das Münchener Vereinsregister81. Die Vereinstruktur war auf einen elitären Kreis von Entscheidungsträgern zugeschnitten: Rudolf Steiner in München, 33. Gründungsdatum nach Ohlenschläger: Steiner. Das architektonische Werk, 76. Nach Uwe Werner: Rahmendaten zu Aufgaben, Tätigkeit, Form und Persönlichkeiten des Vereins des Goethenaum der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft, Manuskript (Vorarbeiten zu GA 251), 13 Seiten, bestand der Fonds bis 1916, verwaltet von Marie von Sivers und Sophie Stinde. - Herrn Uwe Werner danke ich herzlich für die Einsicht in seine Vorarbeiten und für die zur Verfügung gestellten Materialien aus dem Archiv der Anthroposophischen Gesellschaft. '8 Werner: Rahmendaten, ebd., und: Verwaltungsrat des Johannesbau-Vereins: An die Mitglieder der Theosophischen Gesellschaft (Deutsche Sektion) und deren Freunde den Johannesbau in München betreffend, in: Strakosch: Lebenswege mit Rudolf Steiner, I, 348. 79 1924 blickte Steiner auf den Dornacher Bau als »Zentralstätte für das Anthroposophische« (GA 36,327) zurück. Falls man diesen Begriffsgebrauch auch auf die Situation im Jahr 1910 beziehen kann, hätte Steiner möglicherweise den Begriff Zentralbau im Sinn einer zentralen Versammlungsstätte benutzt, und nicht an einen Zentralbau im kunsthistorischen Sinn gedacht. 8° Ob die Konkurrenz bis in die Bauformen ging - Flachdächer sollen im theosophischen Kontext als Begegnungsstätte mit den »Meistern« gebaut und als solche von Anthroposophen vermieden worden sein (Birkner: Hütten und Tempel, 122) - ist zu prüfen. 81 C. W. E.: ohne Titel, 238. Gegründet wurde der Verein im April 1911 (Strakosch: Lebenswege, I, 229). Lindenberg: Steiner (Biographie), I, 533, vermutet (ohne Belege), daß es erst im Mai »genauere

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12. Architektur

»Die Zahl der ordentlichen Mitglieder sind nur 7 und gehören der deutschen Sektion an. ... Die 7 ordentl. Mitglieder wählen den fünfgliedrigen Verwaltungsrat, der, um der äusseren Form zu genügen, den Vorsitzenden, Schriftführer und Kassierer aus seiner Mitte wählt. Beschlussfähig sind nur die 7 ordentl. Mitglieder, deshalb ist der Vorstand ihr Werkzeug und er hat die Arbeit zu leisten.«82

Diese Konstruktion ist zu verstehen angesichts des in diesen Monaten und Jahren sich verschärfenden Ablösungsprozesses von der theosophischen Muttergesellschaft (s. 3.4.3 / 3.4.5). Faktisch war der Johannesbauverein eine Parallelorganisation zum deutschen Adyar-Zweig83. Steiner selbst gehörte dem Gremium vermutlich nur deshalb nicht an, um den Bau formal außerhalb der Theosophischen Gesellschaft zu halten84. Die Baufinanzierung als eine zentrale Aufgabe des Johannesbau-Vereins hat Steiner pragmatisch gesehen. In einem Gespräch mit Jakob Feldner, der mit ihm die Bauvisionen von Fidus besprochen hatte, habe Steiner hinsichtlich Fidus' Tempelbauplänen bemerkt: »Und ganz nüchtern betrachtet, sei dies [ein derartiger Bau] in erster Linie zu erreichen, wenn es uns gelingt, die finanziellen Schwierigkeiten aus dem Wege zu räumen. Auf

Hinweise« zur Baugestaltung durch Steiner gegeben habe; das ist möglich, aber angesichts des Vorlaufs seit 1910 nicht zwingend. Die Materialien zum Johannesbauverein (etwa Satzungen und Protokolle) sind in der Gesamtausgabe noch nicht veröffentlicht. Einige Vorträge Steiners sind genannt bei Picht, Lebenswerk, 240 f. 82 C. W. E.: ohne Titel, 238. Kassierer war Otto Graf Lerchenfeld, Schriftführer waren Pauline Gräfin Kalckreuth und Felix Peipers (Kully: Die Wahrheit über die Theo-Anthroposophie, 42f.). Die sieben ordentlichen Mitglieder werden bestätigt in: Johannesbauverein, Satzungen vom 9.5.1911, Heft, 8 Seiten, § 5 (Arch AG). In den Satzungen vom September 1913 wurde die Zahl der ordentlichen Mitglieder auf zwölf erhöht (Johannesbauverein, Satzungen vom 22.9.1913, Heftchen, 8 Seiten, § 5). 1920 wurde die zahlenmäßig Beschränkung aufgehoben: »Die ordentliche Mitgliedschaft wird erworben durch Berufung seitens des Vorstandes.« (Verein des Goetheanum. Satzung vom 25.4.1920, Heft, 4 Seiten, 4 5 [Arch AG]) 83 Vor diesem Hintergrund weist die generalisierte Aussage über die »Passivität Steiners« bei Ohlenschläger: Steiner. Das architektonische Werk, 76, in die falsche Richtung. Richtig scheint, daß wichtige Anregungen von Mitgliedern kamen und Steiner in der Frühphase nur knappe Hinweise gab. Aber letztlich bleibt unklar, wo die Grenze zwischen offizieller Zurückhaltung und interner Einflußnahme verlief. Die von Ohlenschläger im weiteren als Dokumente der persönlichen Zurückhaltung Steiners gedeuteten Texte sind wohl auch in der Perspektive einer institutionellen Rücksichtnahme gegenüber der Theosophischen Gesellschaft zu lesen. Schon im Oktober 1910 soll die Vereinigung 2.000 Mitglieder gezählt haben; so ohne Quellenangabe Ohlenschläger, ebd., 76. Nach den Quellen, die Werner: Rahmendaten (Anm. 77), zusammengestellt hat, ist die Zahl weit überzogen. Wenn diese Zahl dennoch stimmen sollte, hätten dem Johannesbau in etwa so viele Mitglieder angehört, wie die deutsche Sektion zu diesem Zeitpunkt Mitglieder hatte (vgl. Kap. 4, Tab. 4.2). Da nicht von einer größeren Zahl von Nichttheosophen auszugehen ist, wären die Mitglieder fast komplett in beiden Vereinigungen identisch gewesen. Darin würde sich die Brisanz der organisatorischen Verselbständigung durch eine Parallelorganisation zeigen. Ein Modell des Johannesbaus stand in München »im Vorraum des Vortragssaales«; Gümbel-Seiling: Mit Rudolf Steiner in München, 64. 84 Koerner: Steiners »Mysterientheater«, 218, behauptet, 1912 sei der Johannesbau-Verein in »Michael-Bau-Verein» umbenannt worden. Dies liegt zeitlich nahe bei der 1913 vorgenommenen Umbenennung der Freimaurerei Steiners von »Misraim-Dienst« in »Michael-Dienst« (s. 10.4.1) und wäre insoweit nicht unwahrscheinlich, doch bietet Koerner keinen Nachweis. Die von ihm angegebene Stelle bei Bock: Rudolf Steiner, 106, belegt seine Behauptung nicht.

12.3 Die Planungen zum Johannesbau in München

1083

welche Weise dies geschehe, sei ziemlich gleichgültig, da spreche nur der Erfolg für sich«85

Entsprechend klar fielen Steiners Erwartungen an die Zahlungen der Mitglieder aus: »Die jährlichen Beiträge der ausserordentlichen Mitglieder dürfen nicht unter 100 Mk. sein, die der Mitglieder III. Grades [der Esoterischen Schule, d. h. der maurerischen Zeremonien] nicht unter 50 Mk.«86 Auch in Spendenaufrufen hielt Steiner mit seinen Finanzwünschen nicht hinter dem Berg zurück: »Hoffentlich werden alle, die in der Lage dazu sind, ihr Scherflein von 10 Pfennig bis zu einer Million dazu beitragen.« (MTG 9,8.) Derartige Summen waren auch nötig, kalkulierte man im Johannisbauverein doch im Oktober 1911 mit folgenden Kosten: Grundstück 400.000 Reichsmark, Wohnungen 600.000 RM, Hochschule 600.000 RM, insgesamt 1.600.000 RMS7. Geld kam dann in der Tat in Form beträchtlicher Einzelspenden ein: Otto von Lerchenfeld etwa soll »ein großes Vermögen«88 gespendet haben, spendabel waren auch der Schweizer Nationalrat Johann Daniel Hirter und seine Frau89. Größere »Geldgaben, Vermächtnisse und Stiftungen« kamen insbesondere von Frauen90. Einer Fama zufolge soll »eine Schweizerdame auf einer silbernen Platte Dr. Steiner 100 Tausender-Noten überreicht haben«91. Auch die mit Steiner eng vertraute Helene Röchling (1866-1945), geborene Lanz, die jahrelang mit Steiner zu Vorträgen mitreiste92, unterstützte den Bau generös. Ihrer Familie gehörte eine Fahrzeugfabrik (»Lanz Bulldog«-Traktoren). Sie unterstützte die Einrichtung sowohl des Johannesbaus wie des Goetheanum93 und hatte schon dem Mannheimer Zweig ein Haus verschafft94. »Sie las gewiß Herrn und Frau Dr. Steiner jeden Wunsch an den Augen ab«95, erinnerte sich Ilona Schubert. So konnte man am 11. Mai 1911 (GA 260a1,721) ein 8.150 m2 großes Grundstück in exzellenter, innenstadtnaher Lage bei der heutigen Münchener Freiheit erwerben96, nachdem man ein noch prominenter gelegenes Areal in der Nähe des Karolinenplatzes abgelehnt hatte - weil es ungünstig geschnitten war und dort die Villa der Tänzerin Lola Montes, der Favoritin Ludwig I., 85 Brief Jakob Feldners an das Fidushaus vom 7.1.1912, mit einem Nachtrag vom 14.1.1912; zit. bei Frecot u. a.: Fidus, 139. 86 C. W E. [ohne Titel], 238. Die gleichen Zahlen auch bei Kully: Die Wahrheit über die Theo-Anthroposophie, 42. 87 An die Mitglieder der Theosophischen Gesellschaft (Deutsche Sektion) und deren Freunde, den Johannesbau in München betreffend, München, Ende Oktober 1911, Heft, 16 Seiten, S. 15 (Arch AG). 88 Woloschin: Die grüne Schlange, 237. 89 Wehr: Rudolf Steiner, 243. 9° So Kully: Das Geheimnis des Tempels von Dornach, I, 26f., Zit. 27. 91 Ebd., I, 27. 92 Schubert: Selbsterlebtes ('1970), 47. 93 Anonym: Helene Röchling - Biographisches, 32. Marie Steiner: Briefe und Dokumente, 293 f. Thomas Meyer berichtet in: Helmuth von Moltke 1848-1916, hg. v Th. Meyer, II, 357, ohne die »großzügige finanzielle Hilfe« Helene Röchlings habe das erste Goetheanum nicht errichtet werden können. 94 Das Wirken Rudolf Steiners, III, hg. v. H. H. Schöffler, 96. 95 Schubert: Selbsterlebtes ('1970), 47. 96 Nach Ohlenschläger: Steiner. Das architektonische Werk, 78, erfolgte der Erwerb am 8.7.1911; von ihr auch die übrigen Informationen.

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12. Architektur

stand97. Weitere Kosten wollte man mit den Mieteinnahmen aus den Häusern für Theosophen decken, die um den Johannesbau herum entstehen sollten98. Vermutlich gab es von Anfang an keine realistische Baukostenrechnung, die Größe von 1,6 Millionen war kaum mehr als ein Überschlag. Die gut 500 Mitglieder des Johannesbauvereins hatten 1914 immerhin über eine Million Schweizer Franken beigebracht99. Doch im Laufe der Jahre gab es selbst in dem finanziell potenten theosophischen Milieu Probleme. Belyj sprach für die nach Dornach transferierten Planungen von einem »sich immer mehr verteuernden Bau« und den sich erschöpfenden Spenden'". Die drei Millionen, 1917 im Gespräch, stellten sich ebenso als zu niedrig heraus wie die 1918 ventilierte Zahl von fünf Millionen oder die sieben Millionen, die 1926 im Gespräch waren'°'. Alle diese Zahlen, die von Kritikern stammen, dürften unter den realen Kosten gelegen haben. Steiner meinte jedenfalls 1923, die projektierte Bausumme von »weit unter einer Million deutscher Reichsmark« sei um das »sieben- bis achtfache« überschritten worden (GA 2863,115).

12.3.2 Bauplanung München war vermutlich wegen der Tradition seiner Mysterienspiele als Bauplatz ausgewählt worden, allerdings gegen große Konkurrenz. Zu den Mitbewerberinnen zählte ein theosophisches Zentrum wie Stuttgart, das gerne zur Hauptstadt der Steinerschen Theosophie aufgestiegen wäre102, aber auch Kassel, wo Ludwig Noll vielleicht schon 1908 im westlich gelegenen Habichtswald oder auf einem anderen Hügel ein »theosophisches Bayreuth« angeregt hatte103. Eine ernsthafte Konkurrenz bildeten möglicherweise auch die Berliner, schon aufgrund der Größe des Zweiges. Steiner warf sie 1911 mit einem Lob über ihre »Solidarität« mit München aus dem Rennen", nachdem er ihnen schon 1910 gesteckt hatte, daß sie mit der Sektionsleitung ausgelastet seien. Auch die Weimarer Bewerbung vom Oktober 1910, die Horst von Henning in die Debatte geworfen hatte, war ausgeschlagen worden, allerdings mit einer anderen Begründung: In München 97 Strakosch: Lebenswege, I, 224. va Ohlenschläger: Steiner. Das architektonische Werk, 79f. 9v Die Mitgliederzahl stieg stetig: 1913 waren es ca. 280 Mitglieder, am 30.6.1914 zählte man 508 Mitglieder, Ende 1923 dann 1.175 Mitglieder. Die Spenden beliefen sich bis zum 30.6.1914 auf 1.050.440 Franken, investiert waren 1.763.739, Franken, verfügbar waren noch 1.061.254 Franken. Nach Werner: Rahmendaten (Anm. 77). 00 Belyj: Verwandeln des Lebens, 49. 101 Drei Millionen bei: Bamler: Dr. Steiners Geheimschulung, 130. Fünf Millionen bei: Seiling: Die anthroposophische Bewegung und ihr Prophet, 52. Sieben Millionen bei: Kully: Die Wahrheit über die Theo-Anthroposophie, 66. Auch andere theosophische Gesellschaften verfügten über beträchtliche Einnahmen. Das Ensemble in Point Loma war sicherlich auch sehr kostenaufwendig, hier liegen mir allerdings keine Zahlen vor. Das »neue Hauptquartier« der Theosophischen Gesellschaft Adyar in Wheaton habe aber »über eine Viertelmillion Dollar« gekostet; Theosophisches Streben 14/ 1928, 59. 102 Wilson: Steiner, 60. 103 Kleeberg: Wege und Worte (21961), 201. 104 Verwaltungsrat des Johannesbau-Vereins: An die Mitglieder, 351.

12.3 Die Planungen zum Johannesbau in München

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gebe es die meisten theosophischen Künstler. Bei dieser Gelegenheit fügte Steiner noch ein »okkultes Gesetz« hinzu: Weimar habe seine »Blüte hinter sich«, dort könne sich nur eine »Archivtätigkeit« entwickeln (MTG 11,8); da kamen wohl seine schlechten Erinnerungen an seine einsame Zeit im Goethe- und SchillerArchiv wieder hoch. Angesichts dieser Konkurrenzen ist es wahrscheinlich, daß Steiners Votum den Ausschlag gaben, den Bau in München zu plazieren. Am 3. März 1911 wurde mit Carl Schmidt-Curtius, dem Architekten des Stuttgarter Zweigbaus, »ein Vertrag abgeschlossen und ihm die Bearbeitung der Pläne nach den Angaben Rudolf Steiners übertragen ... Ich [Strakosch] übergab ihm die bisher von mir ausgeführten Vorarbeiten.«105 Alexander Strakosch, aber auch Carl Schmid-Curtius berichten in ihren Memoiren, daß Steiner den Hinweis auf zwei ineinander verschobene Kreise als Grundriß gegeben, aber die Entwicklung des Konzeptes, nicht zuletzt die Eintragung der komplexen Maßverhältnisse, in ihren Händen gelegen habe106 Ansonsten galt das Interesse wohl vor allem der Innengestaltung, da man das Äußere mit Rücksicht auf Gegner des Baus - Steiner sprach verklausuliert von »der äußeren profanen Welt« - »unscheinbar« zu konzipieren hatte'". Alle am Dornacher Bau beteiligten Ideengeber oder Architekten - Stockmeyer, Strakosch, Schmid-Curtius (der zusammen mit dem Stuttgarter Architekten Georg Martz eine Partnerschaft eingegangen war'°in welchen sich das Weltenkarma offenbart Zumindest kurz war auch von einer »Hochschule für Geisteswissenschaft« die Rede. Sie solle helfen, »alle Gebiete des Lebens zu befruchten« und »das entwicklungsfähige Wissen der Akademien dort aufnehmen, wo seine offiziellen Vertreter es heute im Materialismus erstarren lassen«156 Daneben sind andere Bestimmungen dieser »Weihestätte« nur zu erschließen. »Dass der >unterirdische Tempel< zum >Sonnentempel< erhoben werde«157 , ist möglicherweise nicht nur eine Anspielung auf die Mysterien in Steiners Version der Kulturgeschichte, sondern vielleicht auch ein Hinweis auf die beabsichtigte Verwendung des Johannesbaus für die maurerische Arbeit. Eine solche Funktion wurde in den offiziellen Dokumenten aber nicht genannt. Gleichwohl gibt es Indizien, daß auch eine Verwendung für diese Arkandisziplin geplant war. Ein Hinweis sind die maurerischen Elemente in den Vorgängerbauten seit 1907. Waren im Münchener Kaimsaal die Bezüge etwa über die Raumverkleidung oder die beiden Säulen Jachin und Boas symbolische Indizien, so ist sowohl für den Malscher Modellbau als auch für den Stuttgarter Kellerraum eine Verwendung als Tempel für die maurerischen Riten belegt. Daß die Münchener Planung von 1911 / 13 in der Kontinuität dieser Bauten steht, wird zumindest baugeschichtlich auch von Anthroposophen nicht bestritten. Hinweise auf die geplante maurerische Nutzung sind aber die besondere Beitragsklasse für die Mitglieder des »III. Grades«, womit doch wohl die maurerische Disziplin in der Esoterischen Schule, konkret der Meistergrad der Mystica aeterna gemeint war, oder die möglicherweise vorgenommene Umbenennung des Johannesbau-Vereins in MichaelBau-Verein158 , der ja auch Veränderungen in der Steinerschen Maurerei spiegelt. Ein wichtiges Indiz könnte der Annexraum im Norden des kleinen Kuppelraums sein, der im ersten Entwurf vom 9. August 1911 (und nur hier) für die Verwahrung von »Demonstrationsgegenständen« ausgewiesen wurde; dies könnten die Ritualgegenstände für die maurerischen Zeremonien gewesen sein159. Schließlich

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Verwaltungsrat des Johannesbau-Vereins: An die Mitglieder, 346 f. Ebd., 345. 156 Ebd., 348. 157 Ebd., 351. Steiner selbst sprach 1911 von der »Tempelkunst der Zukunft« (GA 2863, 25). 15e S. o. Anm. 84. 159 Der Terminus des »Demonstrierens« taucht im Kontext kultischer Zeremonien bei Steiner auch an anderer Stelle auf, etwa bei der Begründung der Christengemeinschaft (GA 344,13; s. 18.2.5). Damit ist eine Nutzung für Theaterrequisiten nicht ausgeschlossen, aber angesichts der Terminologie I"

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12. Architektur

paßt die Benennung als Tempel160 nur schwer zu einer ausschließlichen Nutzung als Theater oder Hochschule.

12.4 Der Johannesbau in Dornach 12.4.1 Planungen, Landkauf Grundsteinlegung und Bauverlauf Nachdem das bayerische Innenministerium den Bauplan im Januar 1913 abgelehnt hatte, setzte, ohne das Ergebnis der Petition abzuwarten161, die Suche nach einem neuen Bauplatz ein. Als Retter bot sich in dieser mißlichen Lage am 7. August 1913 der Dichter und Okkultist Alexander von Bernus an: »Sollten andere Möglichkeiten noch offen sein, so mache ich Ihnen hiermit das Anerbieten, Ihnen soviel Gelände in der (nicht ganz nahen) Nachbarschaft von Stift Neuburg abzutreten (natürlich geschenkweise), als für die Bauarbeiten benötigt werden. Nach Ihrer eigenen Aussage ist ja die Aura von Heidelberg und Umgebung eine gute Außerdem würde ich von mir aus das jetzt brachliegende Erdgeschoß der Kirche von Stift Neuburg für intime Logenvorträge - Mysterienspiele - und als Convent herrichten lassen«162

Aber zu diesem Zeitpunkt war die Bauplanung schon nicht mehr offen. Am 19. September 1913 beschied Steiner von Bernus, in Dornach bauen zu wollen: »Das Karma hat so deutlich auf diesen Punkt gewiesen, daß ich in dieser Zeit nicht mehr wagen würde, dem Johannes-Bau-Verein einen anderen Rat zu geben«; »spirituelle Gründe« wiesen auf »den uns gewissermaßen aufgedrängten Punkt«1fi3. Aber es war ohnehin schon alles zu spät. Bereits im Mai 1913 hatte man die Bauverträge für Dornach unterschrieben]>', und am Tag nach der Antwort an Bernus, am 20. September 1913, fand dort die Grundsteinlegung statt. Die Gründe für Dornach waren allerdings um einiges pragmatischer gewesen, als es Steiners »okkulte« Begründung durchblicken läßt. Auch in Dornach hatte es eine Schenkung gegeben, durch den Zahnarzt und Theosophen Emil Grosheintz

unwahrscheinlich. Für Ohlenschläger: Steiner. Das architektonische Werk, 79, bleibt diese Bezeichnung »geheimnisvoll«, weil sie eine maurerische Nutzung der Bauten nicht in Erwägung zieht. Auch der östliche Kuppelraum trug 1911 und 1912 den Namen »Demonstrations-Bühne«. 1911: Martz und Curtius, Plan vom 9.8.1911 (Arch AG); kaum lesbar in: Ohlenschläger: Steiner. Das architektonische Werk, 77, Abb. 42; 1912: Ohlenschläger, ebd., 84, Abb. 51. Dies kann man auf Theatervorführungen, aber eben auch auf Freimaurerrituale beziehen. 1' »Einen Tempel sollen wir bauen, der zugleich eine Lehrstätte ist«; Steiner am 11.12.1911, zit. nach Kully: Die Geheimnisse, II, 19. 16 ` Nach Linde: Das Goetheanum in seiner Entstehung (Anm. 145), 1, wurde zwar ein Plan bei der Stadtbaukommission in München eingereicht, aber die Baumaßnahmen in Dornach begannen, ohne das Ergebnis von München abzuwarten. 162 Zit. nach Sladek: Alexander von Bernus, 71. 163 Steiner: Brief an von Bernus vom 19. September 1913, 110. Auszugsweise bei Sladek: von Bernus, 71f., und bei Schmitt: Alexander von Bernus, 108f. 164 Jülich: Wie das Goetheanum nach Dornach kam, 105.

12.4 Der Johannesbau in Dornach

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und seine Frau Nelly Grosheintz-Laval165 Sie besaßen auf dem Dornacher »Bluthügel« zwei Hektar Land, wo Frau Grosheintz-Laval ein »Landerziehungsheim« und ein Sommerhaus bauen wollte166 . Hier hatte der von den Auseinandersetzungen in der Theosophischen Gesellschaft körperliche angeschlagene Steiner auf einer Erholungsreise nach Italien am 2. Oktober 1912 Station gemacht, und dabei hatte Grosheintz ihm das Land angeboten167 . Das Bernus gegenüber ins Spiel gebrachte »Karma« bestand aber nicht nur aus dem angebotenen Land, sondern nicht zuletzt aus den - wie Emil Grosheintz Steiner erläuterte - fehlenden Dornacher Baugesetzen16 S, dem »jungfräulichen Rechtsboden«, von dem Steiner 1921 verklausuliert sprach (GA 339,70). Die finanziellen Probleme beim Erwerb weiterer Geländeteile behoben Alfred Gysi, Mitbegründer des zahnärztlichen Instituts an der Universität Zürich, die Bernerin Marie Hirter-Weber, deren Mann Johannes Hirter Nationalrat war, und Maria Schieb-Schwenter, die in Montreux mit ihrem Mann ein Nobelhotel betrieb169 . Der Kauf des Baulandes wurde dann in einer Under-cover-Aktion durchgezogen. Im Mai 1913 warnte der Johannesbauverein, »dass ein zu frühes Bekanntwerden unserer Projekte zu einer ungeheuren Steigerung des Bodenpreises führen würde«170. Deshalb bitte er, so Steiner am 18. Mai 1913, »vorläufig absolut nichts über die bestehenden Projekte ausserhalb der anthroposophischen Gesellschaft verlauten zu lassen, am wenigsten in Dornach oder Basel selbst. Wir machen darauf aufmerksam, dass wir eine >Hochschule für Geisteswissenschaften< zu errichten gedenken und bitten dringend, alle anderen Bezeichnungen, die die öffentliche Meinung irreführen und gegen uns einnehmen könnten, zu vermeiden.«171 Nach dem Münchener Debakel war man offenbar bereit, im Graubereich der fehlenden Bauordnung und ohne Rücksprache mit der Dornacher Gemeinde seine Ziele durchzusetzen.

6> Biographische Daten bei Held: Grosheintz, Emil / Grosheintz-Laval, Nelly. Ein Oskar Grosheintz, Pfarrer der »Eglise libre«, war Leiter der theosophischen Loge in Bern und Schüler Steiners; Treich1er: Wege und Umwege, 32. 166 Grosheintz-Laval: Die Feier der Grundsteinlegung, 143. 67 Marie von Sivers: Brief an Johanna Mücke, 3.10.1912. Das Schenkungsangebot nach GrosheintzLaval: Die Feier der Grundsteinlegung, 143. Steiner wohnte damals auf dem Dornacher Hügel im Haus Brodbeck, das Grosheintz zu diesem Zeitpunkt gemietet hatte und dem später die Eurythmieschule angebaut wurde; Zimmer: Rudolf Steiner als Architekt, 190. Steiner soll in Begleitung von Marie von Sivers, ihrer Schwester und einer »jungen Holländerin« gewesen sein und habe Schuré im Elsaß und Morgenstern in Graubünden besuchen wollen; Jülich: Wie das Goetheanum nach Dornach kam, 104. 168 Grosheintz-Laval: Die Feier der Grundsteinlegung, 143. Marie Steiner fügte - vermutlich erst nach dem Zweiten Weltkrieg - »merkwürdige« nächtliche Erlebnisse Steiners ihren Erinnerungen an diesen Aufenthalt bei; Marie Steiner: Briefe und Dokumente, 294. 169 Namen nach Grosheintz-Laval: Die Feier der Grundsteinlegung, 144. Zu Gysi s. 16.5.1, zu Schieb-Schwenter siehe Vögele: Schieb-Schwenter, Maria. 170 An die Mitglieder der Anthroposophischen Gesellschaft, den Johannesbau betreffend, München, 22.5.1913, Heft 15 Seiten, S. 14 (Arch AG). 171 Steiner, Rudolf: Vortrag vom 18. Mai 1913 (datiert: 22. Mai 1913, »Der Verwaltungsrat des Johannesbau-Vereins«), 14f.

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12. Architektur

Zu diesem Zeitpunkt waren allerdings die Planungen schon weit gediehen12, in denen sich der Weg von der Münchener zur Dornacher Konzeption nachvollziehen läßt. Der Münchener Entwurf wurde auf Dornach übertragen, indem man Anfang 1913 in einem ersten Schritt den Doppelkuppelbau seiner unmittelbaren Umgebungsbauten weitgehend entkleidete, insbesondere auf die den Bau umkreisenden Mietshäuser verzichtete, und ihn als Solitär auf die Hügelmitte projizierte. Einige Annexbauten behielt man jedoch bei, die man auf die Eckpunkte eines imaginären Fünfecks um den Johannesbau herum verteilte13: Im Osten sollte ein Haus für Steiner entstehen, im Süden ein Kulissenatelier, das größer als der Johannesbau gewesen wäre, im Nordwesten das Sanatorium für »Dr. Peipers, mit evtl. Vergrößerungen«, im Südwesten das Haus für die Familie Grosheintz und ein »Kinderasyl«, im Süden ein »Stinde-K.«, möglicherweise ein Gebäude für die Anthroposophische Gesellschaft, da Sophie Stinde Zweigleiterin in München war. Die weitere Planung erfolgte in München, aber wohl ohne ausreichende Kenntnis und Berücksichtigung der Geländeverhältnisse in Dornach" und offenbar mit einem beträchtlichen Gestaltungsspielraum. Auf den 26. März 1913 ist ein Entwurf für Dornach datiert, in dem der Zentralbau kreisförmig umbaut ist15. Dieser Ring war durch drei speichenartige Bauten mit dem Umgang der Ostkuppel verbunden, und mit zwei weiteren Einbauten im Ring ergaben sich wiederum fünf Funktionsbauten. In einer weiteren Skizze vom 2. April16 reduzierte man den Ringbau auf einen Halbkreis im Osten, bei der weiteren Planung fiel auch dieser weg. Seit März 1913 war eine Zugangsallee von Westen vorgesehen, die schließlich auch gebaut wurde und die dokumentiert, daß man sich langsam von einer Stadtplanung zu einer Landschaftsplanung bewegte, die zum Konzept der »Kolonie« führte. 12 Einen Überblick über die Schritte vom Münchener zum Dornacher Modell bei Raab: Die Bebauung des Goetheanum-Geländes. Leider bietet Raab nur Umzeichnungen der Originale. Die Auflistung einiger, wohl nicht aller, Grundrißzeichnungen in: Mötteli u. a.: Übersichtsbände, II, 182. Modelle und Zeichnungen ebd., I, 182-186. Photos beider Baumodelle sind abgebildet bei Oberhuber: Rudolf Steiner - Das Erste Goetheanum, 734, oder bei Ohlenschläger: Steiner. Das architektonische Werk, 90. Es ist unklar, ob Steiners Idee, eine reine »Innen-Architektur« mit höhlenartigen Zügen zu verwirklichen, jemals realistisch war. 1917 äußerte er, auch für den Dornacher Bau sei es ihm »am sympathischstenReligion< [dies war für ihn die Theosophie] neue Tempel schenken wird. Wir werden wieder eine Gemeinde-beseligende Tempelkunst haben!«416

Programmatisch war damit ein wesentlicher Teil auch der späteren Steinerschen Baukonzeption abgesteckt: Gesamtkunstwerk, Tempelbau, die religiöse (bei Steiner: initiatische) Dimension. Schon 1908 will Fidus, wie er in einem mehr als zwanzig Jahre später verfaßten Brief an Gottfried von Purucker, dem Leiter der Theosophischen Gesellschaft Point Loma, behauptete, Steiner zum Tempelbau animiert und ihm eine Publikation über seine Tempelentwürfe, das »Fiduswerk«, gezeigt zu haben' - dies ist immerhin präzise das Jahr, in dem auch Steiner behauptete, erstmals über einen Zweikuppelbau nachgedacht zu haben (s. o. 12.2.1). Zwischen 1909 und 1912 war Fidus ständiger Gast in Vorträgen Steiners und setzte sich mit dessen Gedanken intensiv auseinander91B. Fidus dürfte im Umfeld der Münchener Planungen der deutschen Theosophen versucht haben, seine Tempelbauideen mit Steiners Plänen zu verbinden. 1911 plante Fidus zur Realisation seiner Tempelentwürfe die Errichtung eines »Tempelbundes«, zu dem er auch Steiner hinzuzuziehen dachte419; nach Jakob Feldner, einem Bekannten von Fidus, glaubte er geradezu, in Steiner einen

416 Höppener: Theosophie und Kunst, 367. 417 Brief von Fidus an Gottfried von Purucker vom 6. September 1931, in: Archiv der Berlinischen Galerie, Nachlaß Fidus, FA 1165: »Deshalb drängte ich 1908 etwa den deutschen Generalsekretär Steiner ... >auch endlich unsererseits< Tempelkultur zu verwirklichen ... Ich unterbreitete ihm dazu das erste (vergriffene) >Fiduswerk< von 1902, worin meine Tempelideen in Wort und Bild veranschaulicht waren.« 41s Gastrolle nach Frecot u. a.: Fidus, 132. Auseinandersetzung mit Steiner in den Tagebuchaufzeichnungen vom Beginn des Jahres 1912, abgedruckt ebd., 142-144. 419 Fidus: Teilnehmer zum Tempelbunde (Faksimile, ebd., 138).

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12. Architektur

wichtigen Hebel zur Realisierung eines Tempelbaus zu besitzen920. Am 6. Januar 1912 versicherte Fidus Steiner in einem Brief, »wie stark« sein eigenes »Erleben und Streben« von Steiners »Wirken berührt und befruchtet« werde421. Doch ein Gespräch Feldners mit Steiner zwischen dem 7. und dem 14. Januar 1912 - als die Planungen in Steiners engerem Umfeld schon fortgeschritten waren - fiel enttäuschend aus: Steiner hielt den Tempelbund für »eine ideale Schwärmerei« und forderte auf, die ökonomische Basis solcher Konzepte zu klären422. Aber erst 1912, als er zu den Mysteriendramen Steiners nach München »gepilgert« sei, will Fidus, wie er 1931 schrieb, Näheres über die laufenden Bauplanungen erfahren haben. Er habe Steiner zur Rede gestellt, sei aber mit dem Hinweis Steiners, er habe mehr als einen »rein notdürftigen Zweckbau« errichten wollen, zurückgewiesen worden423. Ob Fidus mehr als Gerüchte über die anthroposophischen Planungen für den Münchener Johannesbau mitbekommen hat, ist unklar. Seine Aktivitäten in den Jahren 1911 und 1912 lassen aber vermuten, daß er sich in den Bauprozeß einschalten wollte. Fidus saß jedenfalls zu diesem Zeitpunkt auf einer Vielzahl von Tempelentwürfen, deren erster, der »Tempel des Lucifer«, aus dem Jahr 1892 datierte424; bis in seine letzten Lebensjahre hinein hat er an solchen Projekten gearbeitet. Bis 1912 lassen sich eine Vielzahl von Tempelentwürfen nachweisen, die häufig durch theosophisches Gedankengut geprägt sind425. Die Möglichkeit, daß Steiner sie gekannt hat, ist nicht nur über Fidus' theosophische Interessen und seine Annäherungen an Steiner gegeben, sondern auch durch deren öffentliche Präsentation seit 1900426. 1902 hatte Wilhelm Spohr die ersten Entwürfe von »Fidus' Tempelkunst« veröffentlicht und über dieses Thema »mit farbigen Lichtbildern des Künstlers« 1903 Vorträge gehalten427. Zwischen 1906 und 1916 nutzten er und seine Freunde jährlich zwischen zwei und sieben Vorträge dieser Art, um Fidus' Tempelentwürfe vorzustellen428. Allerdings ist das Verhältnis zwischen Fidus' Entwürfen und den Konzepten im Umfeld Steiners augenblicklich nicht präzise zu klären. Rainer Y verweist auf die Gemeinsamkeit der Plazierung auf einer Anhöhe (was zumindest für die Dornacher Planungen zutrifft) und auf die Ähnlichkeit der Dornacher Kolonie mit der »Tempelsiedlung«, die Fidus im Schweizer Amden mit Hilfe der 420 Feldner: Erlebtes mit und um Fidus, 27, zit. nach Y: Fidus, I, 403. 421 Brief von Fidus an Steiner vom 6. Januar 1912, Rudolf Steiner-Nachlaßverwaltung; zit. nach Y: Fidus, I, 291. 422 Brief Jakob Feldners an das Fidushaus vom 7.1.1912, mit einem Nachtrag vom 14.1.1912; zit. bei Frecot u. a.: Fidus, 139. Das Gespräch muß demnach zwischen dem 7. und 14. Januar 1912 stattgefunden haben. 923 Brief von Fidus an Purucker, Anm. 417. 924 Y: Fidus, I, 44. 425 Die Entwürfe waren u. a. betitelt mit: »Lotos-Tempel«, »Tempel für die Statuen >Zu Gott< und >Von GottJohannesbauGoetheanumJohannesbau< sagen würden: na, das ist halt - so was ... - wo die sich wenigstens schämen, nicht sich zu Goethe zu bekennen; denn - nicht wahr - sie dürften ja in ihrem Herzen ebensogut das >Goetheanum< als >so etwas< betrachten, aber sie genieren sich da ein bißchen, nicht wahr? Und auch solche Impulse unserer verehrten Zeitgenossen muß man durchaus bewerten, nicht wahr?«485

Aber 1923 dominierten bei Steiner weltanschauliche Begründungen für den Bezug auf Goethe: Der Bau und die Tätigkeiten in ihm ruhten auf »Goethes Weltanschauung« (GA 36,337). Daß aber Akzeptanzgründe in der nicht-anthroposophischen Öffentlichkeit das entscheidende Motiv für die Umbenennung waren,

48o Johannesbauverein Dornach. Protokoll zur 5. ordentlichen Generalversammlung (Anm. 469), 20. 4s1 Ebd., 21. 482 Ebd., 24. 483 Nach außen gerichtet kommunizierte Steiner den Akt mit der Bemerkung, der Name sei »von Freunden der anthroposophischen Sache diesem Bau gegeben« worden (GA 84,9). 484 Das Wirken Rudolf Steiners, III, hg. v. G. Hartmann, 62. 485 Zit. nach Seiling: Die anthroposophische Bewegung und ihr Prophet, 53 f. Dieses Zitat war nur in der kritischen Steiner-Literatur zu finden, so auch bei Kully: Die Wahrheit über die Theo-Anthroposophie, 134.

12.4 Der Johannesbau in Dornach

1151

ist nicht sehr wahrscheinlich, Steiner ließ sich in einer so symbolträchtigen Frage kaum von außen bestimmen. Die Einsetzung Goethes als Garant bürgerlicher Bildung in den Monaten des zusammenbrechenden Kaiserreichs ist eine nachvollziehbare Konzeption, doch muß man in Erwägung ziehen, ob nicht auch die Distanzierung von der Maurerei das Bildungsprogramm im Namen Goethes mit vorangetrieben hat. b. Brand Am 31. Dezember 1922 ereignete sich ein Unglück, das, wie immer man den Johannesbau bewerten mag, nur als tragisch zu bezeichnen ist: In der Nacht zum 1. Januar wurde er ein Raub der Flammen. Lichterloh muß das Holzgebäude gebrannt haben, bis in die Rheinebene und das Elsaß hinein sah man die Flammen in den Himmel schlagen. Die Fenster zersprangen krachend, die Orgelpfeifen zerglühten in leuchtenden Farben. Um Mitternacht, mit dem Läuten der Neujahrsglocken, durchschlug das Feuer eine Kuppel. Die Säulen hielten länger stand, und »neigte sich dann eine nach der anderen, so lösten sich im Fallen die Kapitäle los und donnerten aus der Höhe auf die widerhallende Betondecke«486 Am Morgen des neuen Jahres stand nur noch der Unterbau aus Beton. Die zentrale Kultstätte der »Anthroposophischen Gesellschaft«, die jahrelange Knochenarbeit einer Gemeinschaft, das Lebenswerk eines Mannes und eine millionschwere Investition war dem Feuer zum Opfer gefallen. Nur wenige Gegenstände überstanden das Inferno: Bücher, einige Teile im Unterbau (wie der Treppenpfosten des Aufgangs) oder Holzskulpturen467 . Steiners Haltung in der Brandnacht wird von Zeitzeugen als gefaßt, nachgerade heroisch beschrieben: Er half, die Löscharbeiten zu organisieren und Inventar zu bergen. Als nichts mehr zu retten war, stand er »bis zum Morgen ... vor dem zerstörten Werk, still, nur besorgt, daß kein Mensch gefährdet werde. Seine Größe, seine Güte gab uns allen in dieser Nacht die Kraft des Ertragens«488. Sein gefaßtes Schweigen wird in vielen Erinnerungen beschrieben, selten kommt die Aufregung zur Sprache, die es auch bei Steiner gab, allerdings abgeschirmt von der Öffentlichkeit. Mit Ita Wegman zog er sich zeitweise in ein kleines Häuschen zurück, wo man von außen ihn »heftig mit seinen Armen gestikulieren [sah], als wehre er physisch einen unsichtbaren Feind von sich ab«489 Schnell entspann sich eine Diskussion um die Brandursache. »Brandstiftung« gab Steiner schon am nächsten Morgen einem Journalisten zu den Akten490 . Schnell wurden gegnerische Gruppen unter die Schuldverdächtigen gerechnet: Jesuiten, Theosophen, Katholiken491. Möglicherweise handelte es sich aber um 486 Es gibt eine Reihe von Beschreibungen dieses Infernos, nachgewiesen bei Lindenberg: Steiner (Chronik), 503. Ich folge Strakosch: Lebenswege, II, 142. 487 Bücher: Wehr: Rudolf Steiner, 333; der Treppenpfosten ist heute im Goetheanum aufgestellt; die Rettung der Holzskulptur beschreibt Raab: Edith Maryon, 350 f. 488 Wachsmuth: Rudolf Steiners Erdenleben, 512. 489 Lehrs: Gelebte Erwartung, 177. Möglicherweise war Steiner einem Zusammenbruch nahe. 490 Was in dieser Nacht oberhalb Basel geschah, 42. 49. Vorwürfe gegen Theosophen kennt Guenon: Le Théosophisme, 334. Die antikatholischen Bezichtigungen bei Kully: Die Wahrheit über die Theo-Anthroposophie, 63. 67, oder bei Dörfel:

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12. Architektur

Brandstiftung durch einen Anthroposophen, den Arlesheimer Uhrmacher Jakob Ott, der seit Sommer 1924 Mitglied der »Anthroposophischen Gesellschaft« war (GA 259,751)492. Völlig unklar bleiben allerdings in den publizierten Materialen die möglichen Motive Otts; eine interne Opposition zu Steiner kann man nur vermuten. Zumindest finanziell wurde der Brand nicht zur totalen Katastrophe. Durch die Versicherungszahlungen dürften dem Bauverein knapp 3,2 Millionen Franken zugeflossen sein (ebd., 768 f.)493. Der Brand hatte direkte Folgen für Steiners Ansehen als Esoteriker. Warum hatten »die guten geistigen Mächte« den Bau »nicht geschützt« (GA 259,148)? Weshalb hatte Steiner als Hellseher diesen Brand nicht vorausgesehen?494 Dies war etwa für Walter Beck eine ernste Anfrage, insbesondere da der Münchner »Oberbaurat Haase«, dem Steiner die Bauleitung angeboten habe, gesagt hatte, daß alle Holzbauten in der Geschichte abgebrannt seien495. Überhaupt hatte es Geheime Weltmächte, 35. Gegenstandslos ist die Vermutung, Nationalsozialisten könnten den Brand gelegt habe; bei Brengues: La Franc-Maçonnerie du bois, 142, oder bei Bannach: Anthroposophie und Christentum, 125293, der die These vertritt, es seien »wahrscheinlich erste nationalsozialistische Horden« für den Brand verantwortlich gewesen. 492 Diese Lösung legen die in der Gesamtausgabe veröffentlichten Materialien, darunter auch Dokumente staatlicher Stellen, nahe. Ott wurde am Brandtag im Jobannesbau gesehen und wurde seitdem vermißt (GA 259,751). Im abgebrannten Bau fanden sich dann Leichenteile, die mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit von Ott stammten (ebd., 759. 761 f. 768). Es gibt auch Aussagen, daß Ott noch zeitweise beim Löschen geholfen habe (ebd., 754.757) und Vermutungen über eine mögliche Flucht (ebd., 756). Turgenieff: Erinnerungen, 107, behauptete, daß man Ott aufgrund der »verunstalteten Wirbelsäule« mit den Leichenteile identifiziert und seinen Tod im Johannesbau offiziell als »Unglücksfall« deklariert habe (ähnliche Argumente in: Das Wirken Rudolf Steiners, III, 39, und bei Wehr: Rudolf Steiner, 334). Angesichts der Tatsache, daß der Brand an versteckter Stelle zwischen den beiden Kuppeln ausbrach, hat man immer schon vermutet, daß nur ein Insider einen Brand gelegt haben könne (Kully: Die Wahrheit über die Theo-Anthroposophie, 63f.). Nach der sehr polemischen Veröffentlichung von Schwartz-Bostunitsch: Doktor Steiner - ein Schwindler wie keiner, 23, soll Steiner Ott der Flucht ins Ausland bezichtigt haben. Kully, ebd., 63, sah Ott allerdings rehabilitiert. Möglicherweise war Ott doch nur ein Opfer, das beim Helfen ums Leben kam. Wie der Brand gelegt worden sein könnte, wird aus den Dokumenten nicht klar. Ein »Petrolkochapparat« jedenfalls dürfte von einer Anthroposophin nachträglich an der Unglücksstelle hingelegt worden sein (GA 259,758 f.). Die schon früh ins Gespräch gebrachte Möglichkeit eines Kurzschlusses wurde unmittelbar nach dem Brand von Anthroposophen mit dem Argument bestritten, daß das Licht im Johannesbau noch während des Brandes geleuchtet hatte (ebd., 750. 752) und die Leitungen vorschriftsmäßig verlegt gewesen seien (ebd., 752). Vermutungen über Fahrlässigkeit beim Gebrauch von Bügeleisen, pyrotechnischen Materialien oder Rauchwaren (Kully, ebd., 63) haben sich nicht erhärtet. 493 Die Entschädigungssummen wurden bald bekannt. Von mehr als drei Millionen war die Rede in einer polemischen Flugschrift von Rubischum: Vierter Offener Brief an Dr. Rudolf Steiner (10. August 1924); die Summe wurde von Steiner bestätigt, vgl. 12.6.1. Auch um den Versicherungsfall rankt sich eine beträchtliche Polemik, etwa ob der Johannesbau wissentlich in eine falsche Gefahrenklasse eingeordnet worden war und ob die Sicherheitsvorkehrungen ausreichend waren. Offenbar hat man auch diskutiert, die Summe für einen karitativen Zweck zu verschenken; ohne Quellenangabe bei Bachmann: Die Architekturvorstellungen, 70. 494 Zur Debatte um die Vorhersehbarkeit der Brandkatastrophe s. 14.2.3. 495 Das Wirken Rudolf Steiners, III, hg. v. G. Hartmann, 38f. Auch Gegner haben dies maliziös vermerkt: Der Johannesbau »brannte bekanntlich im vorigen Jahre ab und zwar in schnöder Weise ohne daß der hellsehende Oberpriester, der wenige Räume vom Brandherd seine Gläubigen um sich versammelt hatte, eher etwas davon merkte als bis sozusagen die Wand vor ihm zu warm wurde«; Hummel: Eine geistige Revolte, 62.

12.5 Die anthroposophische Kolonie

1153

viele Prophezeiungen gegeben, daß dieser Bau brennen werde496. Steiner selbst wollte »es auch nicht abweisen, wenn gesagt würde: War denn diese Katastrophe nicht vorauszusehen? Allein das sind Fragen, die in das tiefste Gebiet der Esoterik hineinführen« (GA 257,14). Wenn Steiner 1924 schließlich behauptete, er habe schon vor dem Ersten Weltkrieg vor dem »Idealismus« des Bauens mit Holz gewarnt (GA 36,327), ist dies angesichts seines Engagements für das Holz und der hohen weltanschaulichen Aufladung dieses Materials vor allem als Versuch zu werten, seine Stellung als Hellseher zu sichern. Als Ausflucht boten sich auch mythologische Begründungen des Brandes an: Für Walter Beck war es der »Neid luziferisch-ahrimanischer Götter«, für Erich Lehrs unterlag der Bau, »okkult verletzbar«, »einem Angriff von entsprechender Seite«497. Mit dem Brand wurde auch eine weitere Prophezeiung, die von Steiner stammen soll, hinfällig: Daß der Bau bis etwa 1986 bestehen bleiben werde, wobei dann etwa 50 Bauten seiner Art entstanden sein sollten498. Am Tag nach dem Brand ging das Leben für Steiner äußerlich so weiter, wie geplant: Das vorgesehene Dreikönigsspiel fand um 17.00 Uhr statt, auch der angekündigte naturwissenschaftliche Abendvortrag fiel nicht aus; Pflichtbewußtsein und fehlende Trauerarbeit standen nahe beieinander. Aber Steiner war psychisch und physisch angeschlagen. Am 1. Januar drohte er nach dem Abendvortrag zusammenzubrechen und mußte gestützt werden499. Und Natalie Turgenieff-Pozzo berichtete, daß er sich seit dem Brand beim Gehen auf einen Stock gestützt habe, ihre Tante, Assja Turgenieff, erinnerte sich an eine psychosomatische Veränderung: »Das jugendlich heitere Lachen, ... seine raschen leichten Bewegungen, seinen rhythmischen Gang ..., das alles erlebten wir seit der Brandnacht nicht mehr«500 Steiner schien ein gebrochener Mann zu sein.

12.5 Die anthroposophische Kolonie Um den Johannesbau herum sollte, wie schon in München (s. o. 12.3.2), eine »Kolonie« (GA 2863-t6,71 [19141) für Anthroposophen entstehen501. Das Innenstadtcarrée verwandelte sich in Dornach in eine lockere Landschaftsbebauung. Steiner plante die Gartenlandschaft mit Sitzbänken und Wegsteinen am Zugang zum Johannesbau, eine Brombeerhecke verlief um das Gelände herum (oder nur um den Johannesbau?), im Westen des Johannesbaus standen Obstbäume, und

496 Sie kamen von Gegnern wie von Anhängern. So soll die Anthroposophin Anna Samweber den Brand vorausgesehen haben; Lissau: Rudolf Steiner, 46f. Die Ankündigungen von gegnerischer Seite gehören wohl in die Rubrik der Drohungen, vgl. Heyer: Wie man gegen Rudolf Steiner kämpft, 59. 497 Beck nach: Das Wirken Rudolf Steiners, III, hg. v G. Hartmann, 39; Lehrs: Gelebte Erwartung, 184. 498 Nach Kully: Die Geheimnisse, II, 24. 499 Leinhas: Aus der Arbeit mit Rudolf Steiner, 156. 500 Turgenieff-Pozzo: Zwölf Jahre der Arbeit, 51; Turgenieff: Erinnerungen an Rudolf Steiner, 107. 501 Dokumentiert bei Zimmer: Rudolf Steiner als Architekt. Zum Gelände Boos-Egli: Das Goetheanum in Dornach. Einen knappen Überblick mit Bildern bieten Ruedi / Clerc: Das Goetheanum und seine Umgebung.

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12. Architektur

Steiner gestaltete den kleinen Naturfelsen im Westen, im Osten war noch eine Terassierung vorgesehen502. Statt der Häuserzeilen waren seit 1913 »Villen« als Solitäre vorgesehen, in denen man »dauernd zu wohnen« beabsichtigen könne oder die als »Sommersitz« nutzbar seien503. Die Absicht, ein quasi-sakrales Ensemble zu schaffen, blieb allerdings bestehen und schlug sich besonders in einem frühen Entwurf von 1913 nieder, in dem die Privatbauten den Johannesbau wie kleine Edelsteine in einem »monstranzartigen Layout«504 umstehen sollten. Die Hierarchie der Gebäude drückte sich in der architektonischen Gestaltung aus, die insbesondere nach dem Brand des Johannesbaus deutlich wurde. So blieb die freie plastische Gestaltung von Fassaden, die vor dem Brand noch das Haus Duldeck (s. u.) ausgezeichnet hatte, dem Goetheanum vorbehalten505, und für die Privathäuser sollten sich die Grundstückspreise nach ihrer Entfernung vom Johannesbau bemessen506 »Dem Wunschbild der expressionistischen Architekten«, meinte Wolfgang Pehnt, »der sakral überhöhten Wohnstatt des Menschen, kam die Realität nie so nahe wie hier im Baseler Land.«507 In diesem Arrangement zogen die Anthroposophen unterschiedliche Traditionen des sakralen und kommunitären Bauens um 1900 zusammen. Konzeptionell war der Festspielhügel ebenso präsent wie die Gartenstadt, die Siedlungsbewegung ebenso wie die Künstlerkolonie500. Konkret kannte Steiner das 1872 bis 1876 erbaute Festspielhaus auf dem Grünen Hügel in Bayreuth und die zwischen 1900 und 1904 in Schlachtensee lebende »Neue Gemeinschaft«509 - hatte Steiner dort 1903 doch selbst gewohnt (GA 39,426-432). Seit 1901 machte der Monte Verita in Ascona Karriere als Inbegriff einer alternativen, auch alternativreligösen Siedlungswelt, in der auch Theosophen wohnten, die möglicherweise auf die Dornacher Planungen Einfluß hatten (s. u.). Ob er die berühmte Künstlerkolonie in Worpswede (gegründet 1889) gekannt hat, ist nicht nachweisbar, ebensowenig besitze ich Hinweise, daß er die seit 1899 entstehende Siedlung auf der Darmstädter Mathildenhöhe, in der mit Peter Behrens oder Joseph Maria Olbrich Exponenten des deutschen Jugendstils arbeiteten, kannte oder besucht hat. Er hat allerdings in Darmstadt im Juli 1921 Vorträge gehalten510. Aber vor dem Ersten Weltkrieg waren diese Siedlungen reichsweit bekannt. Darüber hinaus entstanden in unmittelbarer zeitlicher Nähe weitere Anlagen. Die Siedlung Hellerau bei 502 Als Überblick Ohlenschläger: Steiner. Das architektonische Werk, 125-128, und Erichsen: Die Architektur des Goetheanumhügels, 3-14. Obstbebauung nach Paula Restle, zit. bei Raab: Die Bebauung des Goetheanum-Geländes, S. 37. Gestaltung im Westen und Terrasse im Osten nach Ranzenberger: Rudolf Steiner als Geländegestalter, 5. Zu den Wegsteinen Ohlenschläger: Steiner. Das architektonische Werk, 22430. 5o3 An die Mitglieder der Anthroposophischen Gesellschaft, den Johannesbau betreffend, München, 22.5.1913, Heft 15 S., S. 14 (Arch AG). 504 Pehnt: Architektur des Expressionismus (11973), 143. s° Ebd. ('1998), 210. 506 Ebd. ('1998), 208. 50 Ebd. ('1973), 141. 558 Zur Gartenstadtbewegung Hartmann: Deutsche Gartenstadtbewegung; Schollmeier: Gartenstädte in Deutschland. Zur Siedlungsbewegung Linse: Zurück o Mensch. Zur Künstlerkolonie: Künstlerkolonien in Europa (Ausstellungskat. Nürnberg 2001 / 2002). 509 Bruns: Die neue Gemeinschaft; Hartmann: Deutsche Gartenstadtbewegung, 27f. 510 Mötteli u. a.: Übersichtsbände, I, 386.

12.5 Die anthroposophische Kolonie

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Dresden, die mit ihrem zentralen Bau und der Tanzschule von Jacques Dalcroze zwischen 1906 bis 1908 einschließlich ihres Zentralbaus projektiert und seit 1909 gebaut wurde, lief dem Dornacher Bauprojekt unmittelbar voraus, ohne daß auch hier ein unmittelbarer Einfluß nachweisbar wäre. Last but not least entstand zwischen 1908 und 1914 in Deutschland eine Vielzahl von Gartenstädten, die sich gerade um 1910 / 11 besonders publikumswirksam präsentiert zu haben scheinen und auch öffentlich wahrgenommen wurden511 Konzeptionell nur entfernt verwandt waren städtebauliche Visionen, von denen Steiner 1922 allerdings die Kenntnis der »Raumstadt« Walter Schwagenscheidts dokumentierte512 In welcher Intensität Steiner und seine Anhänger diese Siedlungen, Projekte und Diskussionen wahrgenommen haben, ist momentan unklar. Deutlich sind jedoch die vielen strukturellen Berührungspunkte. In vielen Siedlungsprojekten fungierte, wie in Dornach, ein »Gemeinschaftshaus« für kulturelle Aktivitäten wie Tanz, Theater oder Konzerte513 als ideeller Mittelpunkt des Siedlungsensembles. Auch die Verbindung einer neuen Kunst in allen klassischen Gattungen mit einer neuen Form des Zusammenlebens kennzeichnete viele Gründungen. Im Johannesbau wie in den Künstlerhäusern - in München war das Atelier für Margarete Woloschin vorgesehen, in Dornach entstand das Haus de Jaager (s. u.) - fanden diese Vorstellungen auch in Dornach ihren Niederschlag. Der ideelle Zentralbau, die Organisation des Siedlungsbaus durch die Autorität einer Bauleitung oder die Distanzierung vom eklektischen Baustil um 1900 gehörten zu einer Matrix, die sich in alternativkulturellen Siedlungsprojekten dieser Jahre häufig findet. Man kann dabei in Dornach in der Individualisierung der Häuser eher Reminiszenzen an die Künstlerkolonie und weniger an die Gartenstadt mit ihrem Konzept des Reihenhauses sehen, während der Zentralbau mit seiner weltanschaulichen Überhöhung eher in der Tradition kommunitärer Bauten mancher Gartenstadtprojekte steht. Andererseits waren die Anthroposophen im Gegensatz zum mainstream der Siedlungsbewegungen ursprünglich keine Stadtflüchtlinge gewesen. Als Steiner 1913 an die Gestaltung seines Siedlungskonzeptes ging, sah er sich mit zwei Problemen konfrontiert: Zum einen fürchtete er eine Unterwanderung seiner Siedlung. Deshalb sollten »Mittel und Wege« gesucht werden, die Häuser

51 Bereits 1909 war der populäre Überblick »Die Gartenstadtbewegung« mit vielen Bildern von Hans Kampffmeyer bei Teubner in Leipzig erschienen. München-Perlach hatte sich 1910 mit Zeichnungen und Bildern dargestellt (Berlepsch-Valendàs: Die Garten-Stadt München-Perlach), Hellerau im Herbst 1911 mit einem opulenten Band nachgezogen (Gartenstadt Hellerau. Ein Bericht). Eine Synopse war ebenfalls 1911 erschienen: »Die deutsche Gartenstadtbewegung«. Die breite Debatte spiegelt sich auch in den Publikationen des Eugen Diederich-Verlags; Viehöfer: Der Verleger als Organisator, 126. 129f. Die Dornacher Siedlung unterscheidet sich allerdings durch ihre lockere Bebauung des Geländes signifikant von den meist mit Reihenhäusern oder von den mit modulartigen Elementen bei Einzelhäusern konzipierten Siedlungen. In Dornach waren betuchte Mitglieder des Bürgertums in der Lage, sich »Villen« zu bauen, der sozialpolitische Aspekt entfiel. Auch Module gab es in Dornach nicht, allerdings eine dogmatisierte Formensprache. 512 Steiner: Brief an Schwagenscheidt vom 18. Juli 1922, 409. 513 So der Architekt (und Münchener Gegner Steiners) Theodor Fischer, vgl. Hartmann: Deutsche Gartenstadtbewegung, 39.

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12. Architektur

nicht auf dem Erbschaftswege in die Hände von Menschen geraten zu lassen, »die nicht Mitglieder der Anthroposophischen Gesellschaft sind«, namentlich nicht in die Hände von Theosophen (GA 2863-5b,73). Aus diesem Grund waren in München noch Miethäuser vorgesehen gewesen. Möglicherweise war dieses Konzept aus finanziellen Gründen nicht zu realisieren. Im Januar 1914 wurde deshalb der Verein »Anthroposophen-Kolonie Dornach« begründet, der 1923 in den »Verein des Goetheanum« überführt wurde (GA 260a',722). Allerdings hat sich die Angst vor »fremden« Besitzern bis heute als unbegründet erwiesen. Vielmehr gibt es heute im näheren Umfeld des Goetheanum kaum noch nichtanthroposophische Eigentümer. Zum anderen suchte Steiner, alle Gebäude einem einheitlichen »Stil« (GA 2863-6,67 [ 1914]) zu unterwerfen. Zwar verkündete er, er werde sich nicht »auch nur im Geringsten hineinmischen ... in das, was von diesen Kolonisten um unsern Johannesbau in Dornach herum unternommen wird« (ebd., 64), aber letztlich höhlte Steiner seine liberale Rhetorik durch seinen Planungsanspruch aus. Die einzelnen Häuser sollten »ein Ganzes geben können mit dem Plane des Johannesbaues« (ebd., 65) und deshalb sich »wenigstens in einem weiteren Sinne« an die Planung für den Johannesbau »anschließen« (ebd., 67). Den einheitlichen Baustil als »Abdruck« innerer Harmonie sollte eine »Kommission« (ebd., 75) für Bau- und Kunstfragen durchsetzen, möglicherweise nach dem Vorbild von Hellerau51. So müsse ein Mitglied der maurerischen Klasse, wenn es im Umfeld des Goetheanum Land kaufen oder dort bauen wolle, sich mit dem Vorstand der »Anthroposophischen Gesellschaft« verständigen, sonst könne »der Betreffende nicht in der Schule sein« (GA 260a',481 [26.4.24]). Steiner setzte sich stilistisch dabei grosso modo gegen Interessenten durch, die (so Steiners spitzzüngige Kritik) historistische Bauten mit »Zuckerwerk« (GA 2863-[b,70) planten - wenngleich »der Eine oder Andere sein Häuschen nach seiner Spezialidee und seinen Spezialbedürfnissen gebaut« hat515 Mit seinem »Stil« hat sich Steiner letztlich gegenüber den individuellen Bauwünschen durchgesetzt. Heute ist die anthroposophische Bebauung des Dornacher Hügels von Steiners Handschrift geprägt. Als erstes entstanden um den Johannesbau herum einige Zweckbauten, die Steiner in Zusammenarbeit mit anderen Anthroposophen und dem Baubüro auf dem Dornacher Hügel errichten ließ516. Das »Glashaus«, ein Fachwerkbau, in dem die Glasfenster des Johannesbaus radiert wurden, entstand 1914. In seinen Formen, zwei auseinandertretenden Kuppeln, die durch einen Steg verbunden waren, und den in Triptychen gegliederten Fenstern variierte es Elemente der Doppelkuppelkonstruktion des Johannesbaus51. Im gleichen Jahr wurde das Heizhaus erstellt, das in seinem Unterbau mit zwei auseinandergeschobenen Kuppelräumen ebenfalls die Vorgabe des Johannesbaus aufnahm. Mit seinem 514 So Pehnt: Architektur des Expressionismus (31998), 208; bei ihm auch das Zitat vom »Abdruck«. 515 Steiner: Brief an Schwagenscheidt, 409. 516 Alle nicht nachgewiesenen Detailangaben aus den entsprechenden Kapiteln bei Zimmer: Rudolf Steiner als Architekt. 517 Man kann zwar auch eine Analogie zu mittelalterlichen Torbauten herstellen (ebd., 38f.), aber näher liegt die Verwandtschaft mit dem Johannesbau.

12.5 Die anthroposophische Kolonie

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Kamin imitierte es in sprechender »Baugebärde«51S Flammen und griff damit die expressionistische Ausdrucksarchitektur anthroposophisch auf. Wohl aufgrund der Feuergefahr für den Holzbau wurde es in einiger Entfernung vom Johannesbau und aus Beton errichtet und war mit ihm durch einen begehbaren Heizkanal verbunden. Zugleich erhielt das Heizhaus auch eine mythologische Ätiologie als das vom Hauptgebäude abgesonderte »Ahrimanische«519. 1921 kam im Westen, am Fuß des Hügels, ein gemauertes Transformatorenhäuschen hinzu, das in seinen kubischen Formen als Ausdruck des »ahrimanischen Bereichs« der Elektrotechnik gedeutet wird520. Seit diesem Jahr besaß man auch das Haus Brodbeck unmittelbar unter dem Johannesbau, für das Steiner den Umbau zu einem Eurythmeum plante521. 1924 entstand ein Verlagshaus für den PhilosophischAnthroposophischen Verlag, das nun schon in den expressionistischen Formen des Goetheanum gehalten war. Andere Bauten, die in der Frühphase geplant waren, wurden nicht gebaut: ein Kulissenatelier, das Sanatorium für Peipers, das Kinderheim im Umfeld des Hauses für Grosheintz-Laval und möglicherweise ein Gebäude für die »Anthroposophische Gesellschaft«, ebensowenig das nach 1922 geplante Krankenhaus für Wegman im Osten des Goetheanum522. Noch im Ersten Weltkrieg begann man, auch Wohnhäuser für Privatpersonen zu errichten523. Für diese Bauten ist im Zusammenhang mit der Gestaltung des Goetheanum die Frage der Urheberschaft - dazu gleich mehr - von besonderer Bedeutung. Als entscheidender Impulsgeber und Architekt galt der älteren Literatur Steiner - und mit Abstrichen wird dies auch heute noch so gesehen. Immerhin hat Pehnt die Fixierung auf Steiner aufgebrochen, indem er immer wieder auf das Dornacher Baubüro verwiesen hat524. Gleichwohl ist die Rolle der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen immer noch unzureichend ausgeleuchtet, und ihre Bedeutung ist, wie im folgenden deutlich werden wird, für die Wohnhäuser und damit zusammenhängend für das Goetheanum hoch anzusetzen. Das erste und ambitionierteste Bauprojekt war eine Villa für Emil Grosheintz525, der die entscheidende Rolle bei der Realisierung des Dornacher Bauprojektes und der Beschaffung des Baugeländes gespielt hatte (s.o. 12.4.1). Sein »Haus Duldeck« (Abb. 12.26) wurde 1915 / 16 unter Federführung des Baubüros und Hermann Ranzenbergers errichtet526. Gegen Widerstände von Anthroposophen, 516 Diese Terminologie ist in der anthroposophischen Literatur beliebt; vgl. Biesantz: Das erste Goetheanum, 34. 519 Zimmer: Steiner als Architekt, 49. 520 Ebd., 163. Ohlenschläger: Steiner. Das architektonische Werk, 124, behauptet, diese Form habe Steiner auch dazu gedient, die darin »waltenden ahrimanisch-dämonischen Kräfte unschädlich zu machen«; allerdings führt sie keine Belege an. 521 Zimmer: Rudolf Steiner als Architekt, 192. Aus Zimmers Darstellung geht allerdings nicht genau hervor, ob die expressionistische Gestaltung mit Säulen schon vor dem Brand vom 31.12.1922 oder - was wahrscheinlicher ist - erst danach konzipiert wurde. 522 Zu den Bauten der frühen Planungsphase siehe Anm. 173, zu späteren Überlegungen einer Klinik Kap. 16, Anm. 371. 523 Dazu Zimmer: Rudolf Steiner als Architekt. 5z4 Raab: Edith Maryon, 317, hat eine Liste von Steiners »Mitarbeitern« bei einzelnen Häusern zusammengestellt. Über deren Rolle ist damit noch wenig gesagt. 525 Zimmer: Rudolf Steiner als Architekt, 74-104, Datierung S. 78. 106. 526 Raab: Edith Maryon, 317.

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12. Architektur

Abb. 12.26: Dornach, Haus Duldeck, 1915 / 16.

die offenbar die sakrale Atmosphäre des Johannesbaus gefährdet sahen527, wurde es zwar in der exponierten Lage auf dem Plateau des Johannesbaus genehmigt (vermutlich wegen Grosheintz' herausragender Rolle), aber gegenüber dem Kultbau aus der Zentralachse gerückt und nur noch »geduldet«, wie der Name des Hauses möglicherweise sagt528. In den beiden turmartigen Ecken nahm man auch in diesem Bau die zwei Zylinder des Johannesbaus wieder auf, aber im Vergleich mit dem Glashaus sind die Gemeinsamkeiten schwächer artikuliert. Architekturhistorisch ist dieses Haus für die Dornacher Bautradition von großer Bedeutung, da hier erstmals Beton nicht nur als funktionaler Baustoff, sondern im Betonüberzug der Außenfront als Gestaltungsmedium benutzt wurde. Damit war ein Weg beschritten, der im Goetheanum zum zentralen künstlerischen Mittel mit dem massiven Betonbau führte. In der schwer lastenden, wellenbewegten Dachformation, einem »leicht attrappenhaften Dachgebirge«529, in das offenbar auf Bitten von Grosheintz Fenster eingeschnitten wurden530, haben Steiner und seine Mitarbeiter vermutlich in der Auslotung der Verarbeitungsmöglichkeiten des Beton bautechnisches Neuland betreten531. Die wogende Dachhaube war in Steiners Deutung eine Form, die das Haus dem Kosmos öffnen sollte: »Es wächst und wächst und hört eigentlich nur beim Firmament zu wachsen auf ... Die Formen hindern sie nicht, sie beliebig zum Ausfüllen des Makrokosmos, zum 5Z7 Die »Künstler und Holzschnitzer« sollen gegen Privatbauten protestiert haben; Belyj: Verwandeln des Lebens, 397, paraphrasiert: »Wir können nicht dulden, daß rund um den Kulturtempel die Wäsche an der Leine trocknet!« 528 Der Name stammt von Steiner selbst nach Zimmer: Rudolf Steiner als Architekt, 75. Zur Namensinterpretation vgl. Pehnt: Architektur des Expressionismus (3l998), 208. 5Z9 Ebd. ('1973), 143. 53a Grosheintz (bei Ohlenschläger falsch geschrieben) soll im Dach eine Mietwohnung geplant haben; ohne Nachweis bei Ohlenschläger: Steiner. Das architektonische Werk, 129. 531 Vgl. Zimmer: Rudolf Steiner als Architekt, 81.

12.5 Die anthroposophische Kolonie

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Ausfüllen des Weltenalls zu benützen.«532 Kunsthistorisch besitzt die gemuggelte, schwingende Dachfront frappierende Ähnlichkeiten mit der steinernen Fassade von Antoni Gaudis 1905 bis 1910 entstandener Casa Milà in Barcelona533. Mit Gaud{ verbinden Steiner auch architekturtheoretische Gemeinsamkeiten, etwa das Konzept einer »Metamorphose der Natur«534 und esoterisch anmutende Vorstellungen535, doch ist nicht sicher, ob Steiner überhaupt Kenntnis von Gaudis Denken und Bauten besaß. Nach dem Ersten Weltkrieg entstanden weitere Wohnhäuser unter der Ägide oder Mitarbeit Steiners: 1920 / 21 das Haus Vreede und davon inspiriert 1920 das Haus van Blommestein536 Allerdings dürften die geistigen Rechte für das Haus Vreede bei Edith Maryon liegen, wie der Anthroposoph Ernst Bindel 1954 berichtete: »Miß Maryon plastizierte für ihre Freundin und deren Eltern ... ein Modell. Als dieses Rudolf Steiner vorgelegt wurde, erklärte er, es selber machen zu wollen. So erstand [sic] jenes schlichte Haus in Arlesheim«53'. Diese Erinnerung ist ein Indiz, in welchem Ausmaß die Fixierung auf den Architekten oder zumindest Impulsgeber Steiner fehlleiten kann. Rex Raab hat plausibel gemacht, daß Binders Hinweis den Konstruktionsprozeß dieses Entwurf zutreffend beschreibt und somit Entwurf und Modell von Maryon stammen - bis hin zu den ausgebuchteten »bay-windows«, einer spezifisch englischen Tradition538. Hinsichtlich der in den folgenden Jahren von Steiner »konzipierten« Häuser ist in gleicher Weise die Frage nach der Bedeutung seiner Mitarbeiter zu stellen, etwa für die seit 1920 entstandenen drei Häuser für Eurythmistinnen, die in ihrer grazilen Zuordnung nicht-rechtwinkliger Flächen zu den schönsten des Dornacher Hügels gehören (s. u. 12.6.4). 1921 entstand ein »Atelierhaus« für Jacques de Jaager respektive für die Witwe des 1916 verstorbenen Künstlers, das Steiner neben den seitlichen Aufgangsweg zum Johannesbau plazierte539. Der Aufgang im Inneren besitzt Ähnlichkeiten mit demjenigen der Casa Anatta von 1904 auf dem Monte Verita, die über de Jaager vermittelt sein könnten, doch fehlen dafür Belege540. Neben drei weiteren Häusern, für die Steiner noch Anweisungen geben konnte, kamen andere Wohnprojekte nicht zur Ausführung, insbesondere das Privathaus für Steiner in der Ostachse des Goetheanum541. Je weiter die Bautätig532 Steiner, Vortrag vom 21.10.17, zit. nach Zimmer, ebd., 78. 33 Vgl. Pehnt: Architektur des Expressionismus (11973), 145, Abb. 347 / 348. 534 So Köllner: Beschreibung und kritische Betrachtung, 200. 535 »Die Ecken werden verschwinden, und die Materie wird sich reinlich in ihren astralen Rundungen offenbaren«; Gaudi, zit. bei Ree: Organische Architektur, 33. 536 Zu den Datierungen Zimmer: Rudolf Steiner als Architekt, 105. 117. 537 Bindel: Über Leben und Werk von Elisabeth Vreede, 119. Maryon wohnte anfangs, seit April 1914, in Dornach mit Vreede zusammen (ebd.). 538 Raab: Edith Maryon, 290-293. 539 Zimmer: Rudolf Steiner als Architekt, 145. 540 Birkner-Gossen: Zur Baugeschichte von Monte Verita, 122 f. 541 Die noch zu Steiners Lebzeiten gebauten Häuser waren das Haus Waller (1923), das Haus Wegman (1924) und das Haus Schuurmann (1924 / 25); dazu Zimmer: Rudolf Steiner als Architekt, 105. Daß Steiner im Osten noch weitere Häuser 1921 vorgesehen hatte, berichtete Paula Restle, zit. bei Raab: Die Bebauung des Goetheanum-Geländes, 37. Ob der Plan, für Steiner ein eigenes Haus im Osten zu errichten, auf Dauer verfolgt wurde, ist unklar. In den zwanziger Jahren gab es jedenfalls Pläne, für Steiner das Haus Brodbeck herzurichten (Zimmer, ebd., 190f.).

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12. Architektur

keit im Umkreis des Johannesbaus voranschritt, desto stärker verlor sich die ursprüngliche Absicht aus dem Jahr 1913, die Nachbarbauten auf einem pentagonalen Grundrißschema zu situieren; möglicherweise war dies auf dem hügeligen Gelände nicht realisierbar. Zugleich setzten sich die stereometrischen Formen in den Bauten durch. Die kugeligen Formen des Johannesbaus waren bei Steiners Tod Relikte einer vergangenen Bauphase. 12.6 Das Goetheanum 12.6.1 Der Neubau Der Brand des Johannesbaus war eine Katastrophe, an der viele Menschen ihren Lebensmut verloren hätten. Auch Steiner war angeschlagen, aber in einer respektheischenden Anstrengung fand er die Kraft, neu anzufangen. Er hatte »ein tragisch gebautes Goetheanum« (also den Johannesbau) verloren, und sollte man neu bauen, sei es »fast notwendig, daß man das unter Tränen beginnt«542, gestand er den Mitgliedern des Bauvereins auf der Generalversammlung im Juli 1923. Einige hatten wohl resigniert und wollten das Goetheanum nurmehr »in unseren Herzen aufbauen«, andere jedoch verwiesen sofort auf die Versicherung543, deren Höhe Emil Grosheintz auf 3.183.000 Schweizer Franken bezifferte544. Darüber hinaus sollten auch die anthroposophischen Aktiengesellschaften (s. 14.6.4) ihren Beitrag zum neuen Bau leisten. Schon im März 1924 schuf Steiner eine Maquette, die die zentralen Elemente des neuen Baus formulierte545: ein Bau aus stereometrischen Formen, der in seiner kristallinen Struktur die organischen Rundformen des Johannesbaus hinter sich ließ. Reminiszenzen an den Vorgängerbau - zeitweilig war geplant, den Betonunterbau als Eingangstrakt für das Goetheanum zu nutzen546 - stieß man sukzessive ab. Am 20. Mai 1924 wurde das erste Baugesuch eingereicht, ein revidiertes folgte am 11. November desselben Jahres547. Erneut kochte eine heftige Auseinandersetzung hoch, ob das »Götzlianum« genehmigt werden solle548, und Steiner hatte für den s42 Rudolf Steiner: Vortrag auf der zehnten ordentlichen Generalversammlung des Vereins des Goetheanum, 17.6.1923, in: Bericht über die zehnte ordentliche Generalversammlung des Vereins des Goetheanum der freien Hochschule für Geisteswissenschaft in Dornach am 17. Juni 1923, Heft, 24 Seiten, 8-20, S. 17 (Arch AG). 543 Ebd., 19. s44 Emil Grosheintz: Rechenschaftsbericht, in: Bericht über die zehnte ordentliche Generalversammlung des Vereins des Goetheanum (Anm. 542), 3-8. 545 Raab u. a.: Sprechender Beton, 47. 546 Kully: Die Wahrheit über die Theo-Anthroposophie, Abb. nach S. 232; Raab u. a.: Sprechender Beton, 53, Abb. 30. 54' Biesantz: Das zweite Goetheanum, 57. Von Anthroposophen wird auch gerne ein Zusammenhang zur Neugründung der Anthroposophischen Gesellschaft hergestellt, da am 25. Dezember 1923 der »Grundstein« zur »Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft« gelegt wurde (vgl. Zeylmans: Grundstein, 69). Aber dies scheint in der Koinzidenz der Ereignisse eher ein Mitnahmeeffekt gewesen zu sein. 548 Zit. bei Rubischum: Fünfter offener Brief an Dr. Rudolf Steiner. Debatte aus der Sicht der Gegner bei Kully: Die Wahrheit über die Theo-Anthroposophie, 71-83. Vgl. auch Ohlenschläger: Steiner. Das architektonische Werk, 111f. und 220295r..

12.6 Das Goetheanum

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Notfall am 11. April 1923 bereits das Schloßgut Warth nahe Winterthur besichtigt, das ihm ein »Ober-Divisionär« namens Gertsch zum Kauf angeboten hatte (GA 259,500.924). Aber letztlich stimmten der Dornacher Gemeinderat und die Solothurner Kantonsregierung dem Bau des Goetheanum am alten Platz zu. Steiner hat seine neue Bauidee nur noch in Umrissen formulieren können, detaillierte Aussagen, sowohl zum Äußeren wie zum Innenausbau, fehlen549. Denn seit dem 28. September 1924 hatte Steiner seine Vortragstätigkeit aufgegeben, um sie bis zu seinem Tod nicht wieder aufzunehmen. Vom 29. September 1924 datieren zwar noch Skizzen zum Haus Schuurmann, doch Steiner blieb während der letzten Monate bettlägerig und war in seiner Arbeitsfähigkeit eingeschränkt. Am 1. Oktober ließ er sich in die »Schreinerei« unmittelbar neben der Baustelle verlegen, wo er, wohl auch um »seinem« Bau nahe sein zu können, im März 1925 gestorben ist550 Aufgrund der nur in Umrissen bekannten Gestaltungspläne Steiners konnte bei der Umsetzung angesichts der Pietät der Nachfolger etwa die Frage auftauchen, »ob bestimmte Details seines Entwurfes für das zweites Goetheanum beabsichtigt oder nur durch den zufälligen Fingerdruck beim Kneten des Plastilinmodells entstanden waren«"'. Die eigentliche Bauausführung hat das Dornacher Baubüro übernommen552, das auch die örtlichen Bauauflagen, etwa die Höhenreduzierung des Gesamtbaus553, einarbeitete und die Fundamentierung und Innenarchitekturen realisierte. Das heutige Goetheanum entstand im wesentlichen zwischen 1924 und 1928, also weitenteils nach Steiners Tod, und wurde am 29. September 1928 (auf »Michaeli«) in Benutzung genommen". Mit 110.000 m3 umbautem Raum fiel es wesentlich größer aus als sein Vorgängerbau (66.000 m3)555 Auf einem nur grob

549 Die Debatten um die Ausgestaltung des Baus können hier nicht nachgezeichnet werden. Offenbar hat man noch zu Lebzeiten Steiners Varianten erwogen, in denen die seitlichen Fenster viel größer ausgefallen wären, so daß die blockhafte Gestalt zurückgenommen worden wäre und die Oberfläche über den Westbereich hinaus tiefere Konturen erhalten hätte; vgl. die Abb. bei Turgenieff: Was ist mit dem Goetheanumbau geschehen?, Tafel IV (Beilage: Zeichnung nach dem Modell, von H. Ranzenberger). Zum Innenausbau vgl. Ferger: Rudolf Steiner, Text zu den Abb. 71-74. 550 Alle Daten nach Lindenberg: Steiner (Chronik), 606. 551 Pehnt: Architektur des Expressionismus ('1973), 137. Andererseits hat es wohl heftige Auseinandersetzungen um die Bauausführung gegeben. Karl Kemper etwa habe dafür gekämpft (und sei letztlich an diesem Streit gestorben), »dass der Ausbau nach den Aussagen Rudolf Steiners ... sich orientiere«; so Turgenieff: Carl Kemper, 366. Andererseits wurden manche Details, die Steiner ins Auge gefaßt haben soll, etwa eine aus Flächen zusammengesetzte Decke im Zuschauerraum, wie sie in diesen Jahren en vogue war (vgl. das Restaurant Scala, in Pehnt: Architektur des Expressionismus, '1973, 39, Abb. 66), nicht realisiert. 552 Pehnt: Architektur des Expressionismus (' 1973), 2175. Wie beim Johannesbau wurden auch hier eine Reihe außergewöhnlicher konstruktiver Probleme gelöst, etwa die Verschalung der komplizierten Winkel; vgl. Köllner: Beschreibung und kritische Betrachtung, 81, und unten Anm. 579. Oberhaupt war die »organische« Bauform Steinerscher Bauten oft nur mit beträchtlichen technischen Mittel zu realisieren, unter anderem weil, so Köllner, ebd., 222, die Verletzung statischer Grundprinzipien aufgefangen werden mußte. 553 Kemper: Der Bau, 17-19. Schon Steiner hatte die Höhenreduktion seitens der Solothurner Regierung im Prinzip akzeptiert (GA 260a1,556) und sogar zugestanden, den Bau mit so hohen Anpflanzungen zu umgeben, daß man ihn nicht würde sehen können (ebd., 557). 554 Raab u. a.: Sprechender Beton, 74. 555 Pehnt: Architektur des Expressionismus (31998), 211.

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12. Architektur

gegliederten Unterbau (von Anthroposophen manchmal despektierlich »die Garage« genannt) erhebt sich der eigentliche Bau auf gut 40 m Scheitelhöhe. Im Osten weitgehend ungegliedert, entfaltet er auf seiner Schauseite im Westen, in Richtung Dornachs und des Tals, eine reiche Modellierung des Betons. Konkave und konvexe Ausformungen, die bei trübem Wetter die Fassade in ein diffuses Bunkergrau tauchen, geben dem Bau im Licht eine tief strukturierte Oberfläche, die insbesondere im Wechsel des Sonnenstandes immer wieder neue Ansichten hervorbringt. Diese lichtabhängige Ästhetik überspielt zugleich das Lasten und Tragen der konstruktiven Bauteile. So haben die Luftwurzeln, die an den beiden Seiten der Westfront den Bau zu tragen scheinen, keine bautechnische Funktion, da die Kräfte des Daches über Stützen in den Saalwänden abgetragen werden; die Außensäulen sind deshalb durch Dehnungsfugen vom Dach getrennt556 Die ästhetischen Wertungen zu diesem Bau liegen denkbar weit auseinander und dies oft mit unerwarteten Fronten. Für Hagen Biesantz, Anthroposoph und Mitverfasser einer quasi-offiziösen Publikation im Philosophisch-Anthroposophischen Verlag in Dornach, handelt es sich um einen »festungsartigen Betonbau«557, für Wolfgang Pehnt, ausgewiesener nichtanthroposophischer Kenner der Architektur des 20. Jahrhunderts, ist dieser Bau »eine der eigenartigsten architekturplastischen Erfindungen, die das 20. Jahrhundert aufzuweisen hat«556. Der Innenausbau dauerte noch Jahrzehnte und unterwarf den Bau den ästhetischen Vorlieben des 20. Jahrhunderts. In den frühen Betongestaltungen, die etwa im frühen Westbau »dramatisch die Mühen der Konstruktion vorführen«, sieht Pehnt den Geist des funktionalen »Brutalismus« walten, wohingegen die zitatartige Anbringung von kubistischen Formen, die 1983 / 84 in der Wandelhalle des Parterre angebracht wurden, postmodernen Zeitgeist aufgreifen 559 Insbesondere die Gestaltung des großen Saales zog sich lange hin und wurde zu einem unendlichen Streitfall. 1956 / 57 hatte Johannes Schöpfer ihn erstmalig ausgebaut56° aber die Lösung blieb höchst umstritten: Ästhetisch galt der Raum als kahl, und zudem betrachteten diejenigen Anthroposophen, die eine kultische Praxis beibehalten wollten, diese Gestaltung als Verrat an Steiners Intentionen56'. Seit 1996 wurde der Saal eingreifend umgebaut und erhielt als Reminiszenz gegenüber dem Johannesbau zwei seitliche Säulenreihen und Deckengemälde562. Allerdings blieb auch dieser historisierende, 1998 fertiggestellte Umbau, der die anthropo-

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Kühne: Studie über die Geschichte des Eisenbetons, 26. Biesantz: Das zweite Goetheanum, 76. Der Festungsbegriff geht wohl auf Steiner selbst zurück, vgl. Zeylmans: Grundstein, 21. 558 Pehnt: Architektur des Expressionismus (31998), 212; in der ersten Auflage hatte Pehnt die Architektur noch zu den »großartigsten« architekturplastischen Erfindungen gezählt (ebd., '1973, 148), 1991 sie als eine »großartige bauplastische Erfindung eigenen Rechts« bezeichnet (ders.: Steiner. Goetheanum, 22). ssv Pehnt: Steiner. Goetheanum, 24. 560 Ebd. Zu den konkurrierenden Modellen vgl. etwa Ranzenberger: Der Ausbau des GoetheanumSaales. 561 Vgl. dazu Stocktueyer: Um die Goetheanum-Bauidee, und Anm. 464. 562 Hasler / Buess: Der grosse Saal im Goetheanum. 557

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sophische Tradition gegenüber ihrer innovativen Fortschreibung bevorzugte5b3> umstritten. Inzwischen ist der Gesamtbau bis auf wenige Zonen fertiggestellt, allerdings machen sich inzwischen Schäden an der Außenhaut bemerkbar. Sie sind durch zu dünne Betonschichten und die Korrosion der Armierungen verursacht und wurden in den letzten Jahren mit hohen Aufwand behoben".

12.6.2 Weltanschauliche Konzeption und Nutzung Der neue Bau war »für die Freunde und Gegner der Anthroposophie errichtet«565 »eine Art Schutz für den, der Geistiges in diesem Goetheanum sucht« (GA 260,258). In derartigen Äußerungen sind die Nachwirkungen der Brandkatastrophe und der polemischen Auseinandersetzungen um den Bau mit Händen zu greifen. Das Goetheanum sollte nicht nur ein Geheimnis hüten, sondern auch als weltanschauliche Wehrarchitektur dienen. Aber viele programmatische Bezüge, die der Johannesbau getragen hatte, waren nolens volens im Goetheanum nicht mehr zu realisieren: Die scheinbar unerschöpflichen Proportionserwägungen und die pythagoräisch anmutenden mathematischen Konstruktionsüberlegungen wurden nicht mehr durchgeführt; der Formenapparat mußte aufgrund der dominanten Verwendung von Beton fast ganz ausgetauscht werden; das organische Holz mit seinen Symbolbezügen in den unterschiedlichen Holzarten stand nicht mehr zur Disposition; der neue Bau war nicht mehr als kommunitäre Anstrengung einer Gesinnungsgemeinschaft unter Einbeziehung vieler Laien zu erstellen; schließlich fehlte Steiners eigenhändige Arbeit. Steiner sah diese »völlige Umorientierung« (GA 2863,119) leidlich illusionslos: Das Goetheanum werde »viel primitiver« werden (ebd., 117). »Die alten Goetheanum-Formen [d. h. des Johannesbaus] ... werden schon der Geschichte angehören müssen«, statt dessen habe man mit dem »spröden Betonmaterial« zu arbeiten (ebd., 118). Anthroposophen legen gleichwohl hohen Wert auf die ideelle Kontinuität. Das Grundkonzept der Erscheinung des Geistigen in der Form (GA 2863,117) konnte auch auf den neuen Bau appliziert werden, und in dieser Umsetzung wies man die diaphane Deutung der Wände nicht mehr nur den Fenstern, sondern auch dem durchsichtig scheinenden, lasierten Farbauftrag der Wände zu566 Einen besondern Wert messen Anthroposophen den Versuchen bei, im neuen Bau Metamorphose von Elementen des alten zu identifizieren, etwa im Motiv der »Schwinge« (s. o. 12.4.2a), die, strukturgleich konzipiert, statt der runden Formen nun stereometische besitzt567. Doch die Kontinuitäten liegen vor allem auf der weltanschaulichen Metaebene, denn die konkrete Bauausführung war 563 Vergleichbar historisierende Pläne liegen für Mannheim vor; Wolf: Sieben Säulen für Mannheim. 56a Ohlenschläger: Steiner. Das architektonische Werk, 112. Oellers: Farbe und Stuck für einen bröckelnden Tempel. 565 Steiner paraphrasiert bei Biesantz: Das zweite Goetheanum, 76. 566 Pehnt: Steiner. Goetheanum, 24. 567 Abb. bei Biesantz: Das erste Goetheanum, 54, oder bei Pehnt: Steiner. Goetheanum, 22, Abb. 15. Lichtenstern: Die Wirkungsgeschichte der Metamorphosenlehre Goethes, I, 76f., interpretiert

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infolge des neuen Baumaterials wesentlich zu modifizieren. Die eckigen Formen des Goetheanum, die die Rundungen des Johannesbaus beerbten, waren letztlich nicht mit den Notwendigkeiten, mit dem Steiner die Formen des Johannesbaus geheiligt hatte, zu vereinbaren - jedenfalls hatte Steiner abgewandelte oder gar beliebige Bauformen als Ausdruck des anthroposophischen Geistigen nicht vorgesehen. Die neue »Nußschale« hatte mit der alten nicht mehr viel gemein, so daß in der Logik dieser Metapher ein wesentlich anderer Inhalt zu erwarten gewesen wäre. Aber die ökonomischen Zwänge und die Furcht vor einem weiteren brennbaren Bau haben eine größere Kontinuität verhindert. Die Fortgeltung des ideellen Programms soll hier nicht mit einem Federstrich dementiert werden, aber bei den Formen mußte man sich weitenteils auf die Kontinuität von formalisierten Strukturen und Konzepten zurückziehen, unter Verzicht auf einen anthroposophischen »Stil«, der im Johannesbau ausgebildet worden war. Seit 1924 entstand ein neuer Bau mit neuen Bauformen. Aber man muß diesen Neubeginn nicht nur als Traditionsbruch lesen, wie es viele Anthroposophen auf der Suche nach Kontinuität offenbar fürchten, wenn sie die Brüche zwischen beiden Baukonzepten marginalisieren. Denn damit verdeckt sie die Leistung Steiners, der einen zweiten, eigenständigen Bauentwurf für das Goetheanum geliefert hatte. Auch in der Baunutzung schlug sich die veränderte Zeitlage nieder. Den Funktionen eines Theaters wurde nun deutlicher Rechnung getragen, das Goetheanum erhielt eine klassische Guckkastenbühne einschließlich der notwendigen Theatermaschinerie mit einem Schnürboden für Soffitten und (zumindest der Möglichkeit nach) für Kulissen. Bibliothek und Verwaltungsräume bekamen einen Platz im Zentrum des neuen Baus, außerdem entstanden Sektionsräume für die Arbeit der Anthroposophischen Gesellschaft, die in diesem Bau ihr zentrales Domizil erhielt568 Schließlich wurde das Goetheanum auch Sitz von Steiners »Freier Hochschule« (s. 15.6.3). Welche Rolle dem neuen Bau hinsichtlich der rituellen Zeremonien maurerischer Tradition zugedacht war, ist eine schwebende Frage. Steiner hat ihn durchaus in die Tradition der »Tempel-Architektur« gestellt und ihn etwa für die »Erziehung zum karmischen Schauen« vorgesehen (GA 2366,93 f.96). Darüber hinaus soll er, so die Norwegerin Helga Geelmuyden, die Steiner 1924 auserkoren hatte, die Inhalte der Ersten Klasse der Esoterischen Schule den norwegischen Klassenmitgliedern mitzuteilen569, während einer esoterischen Stunde in Norwegen im Mai 1923 gesagt haben, daß es »im Anschluß an die Tempellegende ... notwendig wäre, das Goetheanum wieder aufzubauen. ... der Tempel Salomos wäre nie physisch materiell dagewesen. Er müßte aber einmal auf der Erde da sein« (GA 265,452). Am 31. Dezember 1923 sprach Steiner von »einer Bühne ..., die ein Rundbau sein wird« (GA 260,217), und konkret berichtete Fred Poeppig, ihm habe Alexander Strakosch erzählt, »daß ihm Dr. Steiner gesagt habe, daß bei der Bühne des neuen Goetheanum eine Versenkung einzubauen das Portalmotiv des Johannesbaus als Grundmotiv, das durch Metamorphose in die entsprechende Form des Goetheanum übergegangen sei. 568 Biesantz: Das zweite Goetheanum, 68. 569 Christensen: Geelmuyden, 206.

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sei für kultische Zwecke, wie sie bei der Aufnahme in den 3. Grad üblich sind.«57o Offenkundlich hat Steiner an der maurerischen Tradition festgehalten, wie er ja auch am Ausbau der Esoterischen Schule nur durch seinen Tod gehindert wurde. Wie dann mit der Holzskulptur umgegangen worden wäre, ist nicht ganz deutlich. 1924 habe Steiner Anweisungen gegeben, ihr den einzigen holzgetäfelten Raum im Goetheanum zu geben57 ; unter Steiners Nachfolgern kam die Plastik dann nicht mehr in die nun zum reinen Theater ausgebaute Bühne, sondern in einen eigenen Raum im Südwesten des Goetheanum572. Helga Geelmuyden hat diesen Funktionsverlust der Skulptur kritisiert: Ihr sei es »schmerzlich, die Christusgruppe ganz und gar isoliert zu sehen« (GA 265,453), was in diesem Kontext heißen dürfte: nicht mehr als Mittelpunkt einer zeremoniellen Praxis573. Nach Steiners Tod jedenfalls wurde die kultische Option nicht mehr realisiert>".

12.6.3 Beton als Baumaterial Das Material, das beim Johannesbau gerade einmal für den Unterbau und die Treppen ins Obergeschoß dienen durfte, wurde im Goetheanum auf Geheiß Steiners (GA 2605,215) zum entscheidenden funktionalen und gestaltenden Faktor. Die Gründe für diese Revolution und den Bruch mit den Materialdogmen des Vorgängerbaus waren vermutlich banal: Beton brennt nicht. Die Wächter am Goetheanum575, die man nach der Feuersbrunst 1923 / 24 auf dem Gelände patrouillieren ließ, hatten unliebsame Besucher fernzuhalten, aber keinen Brandanschlag mehr zu verhindern. Vermutlich wählte man den Beton auch, um die Kosten niedrig halten und den Bau möglichst schnell errichten zu können (GA 2863,115). Steiner hatte im Sommer 1924 geglaubt, in dem Neubau zu Weihnachten bereits tagen zu können576. Die »3 bis 31/2 Millionen Franken«57, die durch die Brandversicherung bereitstanden, sollten den schnellen Neubau ermöglichen. Auf die Mitarbeit der anthroposophischen Gemeinschaft mußte deshalb verzichtet werden, aber auch die technisierte Bauausführung machte eine kollektive Arbeit wie beim Johannesbau unmöglich. Weil Steiner auf Fragen der Realisierbarkeit seiner Bauideen offenbar kaum Rücksicht nahm und davon wohl auch

57o Poeppig: Rückblick auf Erlebnisse, zit. nach Wiesberger, Rudolf Steiners esoterische Lehrtätigkeit, 306. 57> Raab u. a.: Sprechender Beton, 63. 572 Biesantz: Das zweite Goetheanum, 70f. 57J Belyj: Verwandeln des Lebens, 492, meinte in seinen Erinnerungen, »daß in Dornach die esoterische Tradition zu Ende ging und der >Johannesbau< zum >Goetheanum< wurde«. Wohl vornehmlich auf die allgemeinen Schwierigkeiten Steiners mit seiner Anthroposophischen Gesellschaft bezieht sich eine darauf folgende Äußerung Belyjs: »Gebe Gott, daß das zweite Goetheanum wenigstens ein Goetheanum und nicht ein ... >Petrianum< wird«. (ebd., 493) 574 Vgl. zu den Auseinandersetzungen Anm. 464. 575 Vgl. die Erinnerungen des Wächters Lang: Erinnerungen an Frau Dr. Ita Wegman, 311, und Pickert: Aus einem Vortrag vom 13. Oktober 1976, 316. 576 Nach Pehnt: Steiner. Goetheanum, 24. 577 GA 260,215. Dies entspricht in etwa der Höhe der Versicherungsleistung, vgl. Raab u. a.: Sprechender Beton, 41, und Anm. 493.

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keine belastbaren Kenntnisse besaß, waren schwierige konstruktive Aufgaben zu bewältigen, wie die Photographien von den faszinierenden Verschalungen dokumentieren578. Aber vermutlich war gerade Steiners laienhafter Glaube an die Umsetzbarkeit seiner Entwürfe ein entscheidender Grund, die ungewöhnlichen Bauaufgaben überhaupt anzugehen. Gegenüber den Betonelementen in den älteren Bauten auf dem Dornacher Hügel bedeutete der Bau des Goetheanum eine radikalisierte Auseinandersetzung mit dem neuen Material. Hatte der Beton im Unterbau des Johannesbaus579 noch jugendstiligen Motiven Ausdruck verliehen, so reflektierte Steiner schon im Dezember 1921 angesichts der Verwendung des Betons an Haus Duldeck in den Jahren 1915 / 16 über das »Ringen nach einem Baustil ... aus einem künstlerischen Material heraus«580 und über die Nutzung des Beton als »plastisches Material« mit seinen »Konvexitäten« und »Konkavitäten«5A1 Mit dieser Legitimation leitete Steiner dann seit 1923 die architekturgeschichtlich bedeutende Lösung im Westbereich des Goetheanum mit seiner kubistischen Architekturplastik in die Wege. Die strebepfeilerartigen »Luftwurzeln« gehen möglicherweise auf Steiner zurück, wohingegen etwa die komplizierte Gestaltung des Westtreppenhauses von Karl Kemper realisiert wurde582. Die Möglichkeiten dieser ambitionierten Verwendung des Betons hat Steiner allerdings nicht erfunden. Daß vor Steiner »der entscheidende Schritt in der Richtung einer dem Material gemäßen Architektur nicht getan« worden sei583, wie es unter Anthroposophen oft heißt, ist unzutreffend - ohne damit Steiners und seiner Mitarbeiter Rolle bei der Umsetzung innovativer Verarbeitungen des Betons marginalisieren zu wollen. Seit dem 19. Jahrhundert war der Betonbau mit Stahlarmierung etabliert und die Möglichkeit der technischen Umsetzung beschrieben. Das vierzehnbändige »Handbuch für Eisenbetonbau«584 war in der dritten Auflage noch vor dem Brand des Johannesbaus erschienen, hier gab es Einzelbände von der Geschichte über den Baustoff und die Verarbeitung bis zu den Bauaufgaben, und die Zeitschrift »Beton und Eisen« dokumentierte seit 1902 die Debatten über die Anwendung. Nach der Erfindung des Portlandzements im Jahr 1824 waren die revolutionären Anwendungsmöglichkeiten zuerst in Funktionsbauten, vor allem in Brücken, erprobt worden", doch noch vor dem Ersten 578 Raab u. a.: Sprechender Beton, 76f. So mußten die Schalhölzer mit Hilfe eines Wasserbades biegsam gemacht werden und auf ein Baugerüst genagelt werden; Ohlenschläger: Steiner. Das architektonische Werk, 111. Dies habe eine norddeutsche Schiffsbaufirma gemacht, da man im süddeutschschweizerischen Raum kein entsprechendes Fachwissen gefunden habe (mündliche Mitteilung). 579 Raab u. a.: Sprechender Beton, 33-44. sao Steiner: Stilformen des Organischen, zit. nach Köliner: Beschreibung und kritische Betrachtung, 61 f. 58' Steiner, zit. nach Zimmer: Steiner als Architekt, 78. 582 Die Luftwurzeln sind schon im zweiten Modell des Goetheanum aus dem Jahr 1924 zu sehen; Pehnt: Architektur des Expressionismus (31998), 211, Abb. 355. Ob die Idee allerdings von Steiner oder von seinen Mitarbeitern stammt, ist unklar. Zum Westtreppenhaus Pehnt: Steiner. Goetheanum, 24. 583 Kühne: Studie über die Geschichte des Eisenbetons, 15. 584 Handbuch für Eisenbetonbau, 31921 ff. 585 Zur Geschichte Foerster: Entwicklungsgeschichte und Theorie des Eisenbetons.

12.6 Das Goetheanum

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Weltkrieg war der Eisenbetonbau als künstlerisches Medium etabliert. Neben der Beton-»Fachwerkbau« gab es künstlerisch ambitionierte Ausführungen in Binderhallen und in Gewölbekonstruktionen586. Dutzende von Betonbauten waren bis zum Ersten Weltkrieg entstanden. Vom neuen Baseler Stadttheater (abgebrannt 1904) über die Garnisonskirche in Ulm, die der Architekt der Münchener Erlöserkirche, Theodor Fischer zwischen 1906 und 1911 gebaut hatte (und in der erstmals in Deutschland Sichtbeton im einem Sakralbau verwandt war)587 über den Dresdener Gasspeicher des dortigen Stadtbaumeisters Erlwein (1908), die 1910 vollendete Synagoge in Lausanne, Max Bergs Breslauer Jahrhunderthalle (1911 / 13), den Langwieserviadukt der Chur-Arosabahn (1913 / 14) und die Bunkerbauten des Krieges bis hin zu Erich Mendelsohns Einsteinturm (1920 / 24) - der ebenfalls den Weg von floralen zu stereometrischen Formen gegangen war588 - zieht sich die lange Reihe anspruchsvoller Betonobjekte. In Frankreich war man den Weg zum Beton schon früher gegangen, Anatole de Baudots mit Stahlbeton gebaute Kirche St. Jean de Montmartre in Paris stammt von 1894. Ohne dieses Bauwissen und seine künstlerischen Umsetzungen ist das Goetheanum nicht denkbar". Kurz vor Steiners Neubauprojekt hatte Walter Gropius 1920 / 21 mit seinem Weimarer Denkmal für die Märzgefallenen dokumentiert, welche plastischen Gestaltungsmöglichkeiten im Beton auch für stereometrische Formen steckten590. (Abb. 12.27) Die bei Gropius zum künstlerischen Element erhobene nicht-rechtwinklige Konstruktion greift dabei ein traditionelles Element des Eisenbetonbaus auf. Aufgrund der Notwendigkeit, Stützen abzusichern, finden sich Betonkeile in dem Winkel zwischen Betonstütze und -träger häufig, so daß der rechte Winkel in zwei weite Winkel gebrochen wird und eine nichtrechtwink-

s86 Mecenseffy: Die künstlerische Gestaltung der Eisenbetonbauten. Vgl. auch das eindrückliche, wenige Jahre später publizierte, aber nicht datierte Bildmaterial in Vischer / Hilberseimer: Beton als Gestalter, sowie die Hinweise bei Kühne: Studie über die Geschichte des Eisenbetons, 6-18. Zu den Binderhallen vgl. die Wandelhalle in Bad Kissingen, Mecenseffy, ebd., 151, Abb. 100, oder die Haupthalle des Leipziger Bahnhofs (ebd., 167, Abb. 112), zu den Gewölben etwa den Präpariersaal in der Anatomie der Münchener Universität (ebd., 195, Abb. 133) oder die Schalterhalle des Hauptbahnhofs in Karlsruhe (ebd., 203, Abb. 138). 587 Nerdinger: Theodor Fischer, 103-109. Daneben Kerkhoff: Eine Abkehr vom Historismus, 65. 185. 588 Diese Entwicklung ist an der Möblierung, die zwischen Dezember 1921 und Juli 1922 entstand, ablesbar, bei der Mendelsohn im Gegensatz zu den runden / floralen Formen des Außenbaus kristalline Motiven nutzte und also einen vergleichbaren Weg wie Steiner ging; eine Abb. der Möbel in: Erich Mendelsohn. Gebaute Welten, hg. v. R. Stephan, 39. 589 Pehnt: Steiner. Goetheanum, 341, vertritt die Auffassung, daß gegenüber den Gliedertragewerken der Vorgängerbauten ein »monolither Stahlbetonbau« ein Novum gewesen sei. Wieweit in diesem Bereich jedoch andere Erfahrungen zur Verfügung standen, nicht zuletzt aus dem Bunkerbau im Krieg, bleibt zu prüfen. 590 Fuhrmeister: Beton, Klinker, Granit, hat Gropius' Kunstwerk eingehend analysiert und behauptet, hier sei erstmals Beton materialsichtig (S. 105 f.) und mit einer politischen Bedeutung verwandt worden. - Ein in der Formgebung vergleichbares Werk ist Bernhard Hoetgers »Niedersachsenstein«, im Erstentwurf von 1915, ausgeführt ebenfalls 1922. Auch Hoetger verwandte für sein Kriegerdenkmal kubische Formen, allerdings nutzte er dazu Backstein; vgl. Golücke: Bernhard Hoetger, 222-228. Hoetger schuf 1948 auch eine Steiner-Büste (ebd., 78).

1168

12. Architektur

Abb. 12.27: Walter Gropius, Denkmal für die Märzgefallenen, Weimar, 1920/21.

lige Architektur aus funktionalen Gründen entsteht591. Die funktionalen Anforderungen des Betonbaus und - soviel im Vergriff auf das nächste Kapital - die Ästhetik des Kubismus hatten damit eine technische Vorgabe gemacht, die für die weltanschauliche Prägung der anthroposophischen Architektur zum Dogma wurde.

12.6.4 Architektur ohne rechte Winkel und der kunsthistorische Kontext des Goetheanum Die Ersetzung der naturwüchsigen Ornamentik des Johannesbaus durch kristalline Formen, die stilistische Wasserscheide zwischen Johannesbau und Goetheanum, fiel nicht aus heiterem Himmel. In den Mitgliedskarten aus der Vorkriegszeit592, im Rhombendodekaeder als Plausibilisierung der vierten Dimension (GA 324a,69 [7.6.05]), im Krankenhaus in der Münchener Planung, im doppelten »Dodekaeder« und den darin liegenden Pyriten des Grundsteins des Johannesbaus, in dessen fünfeckigen Säulen und den »polyedrischen« Kapitellen oder in den sogenannten Wegmarken, die den Zugang zum Johannesbau säumten, besaßen die stereometrischen Formen des Goetheanum ihre Vorboten auch in der deutschen Adyar-Theosophie593 Vereinzelt gab es vor dem Ersten Weltkrieg aber auch die Stigmatisierung des Kristallinen in Steiners Umfeld: etwa bei der Aufführung des Mysteriendramas »Der Hüter der Schwelle« im Jahr 1913, wo

5s1 Vgl. exemplarisch Mecenseffy: Die künstlerische Gestaltung der Eisenbetonbauten, 35-45, Abb. 16-22. 592 Steiner: Wesen und Bedeutung der illustrativen Kunst, Abb. 26: Zeichnung einer Mitgliedskarte von Steiner, gold auf violett, darin ein »G« in kristallinen Motiven; diese Abbildung in Schwarz-weiß, aber mit Text, in: Rudolf Steiner als illustrierender Künstler, hg. v E. Schweigler, Abb. 24. 593 Zu diesen vorlaufenden Kontexten zählt auch ein Selbstbildnis von Margarita Woloschin, das aus dem Jahr 1905 stammen soll und im Hintergrund ein kristallines Gebilde zeigt, das an das Goetheanum erinnere; Abb. in: Das Wirken Rudolf Steiners, IV, hg. v H. H. Schöffler, 340.

12.6 Das Goetheanum

1169

die Szene »Ahrimans Reich« von Hans Kühn-Honegger in kristallinen, mineralischen Formen gezeichnet worden war594 Andererseits ist klar, daß mit dem Goetheanum im anthroposophischen Raum etwas Neues entstand, und diese Innovation läßt sich nicht mit den versprengten stereometrischen Motiven aus den Vorkriegsjahren erklären. Diese Wendung zu einem neuen Stil hat sicher Steiner mit seiner Autorität auf dem Dornacher Hügel durchgesetzt, aber über den Prozeß der Implantierung gibt es bislang keine plausiblen Thesen. Ich schlage vor, unter Steiners Mitarbeitern die entscheidenden Impulse zu suchen und Steiner nur die Ausgestaltung und Durchsetzung der stilistischen Neujustierung zuzuschreiben. Entscheidend war meines Erachtens Steiners Vertraute, die Engländerin Edith Maryon', von deren wichtiger Rolle schon im Zusammenhang mit der Arbeit am »Menschheitsrepräsentanten« die Rede war596. Sie hatte vor ihrer Dornacher Zeit nicht nur Skulpturen (GA 263a,22), sondern möglicherweise auch Häuser geschaffen597 und ging 1919, als die Wohnungsnot nach dem Krieg auch die Anthroposophinnen traf, an die Konzeption von preiswertem Wohnraum auf dem Dornacher Hügel (GA 263a,33). Der am 9. April 1920 gegründete »Verein Goetheanismus« hatte offenbar hauptsächlich der Zweck, »Häuser für hier [am Johannesbau] Arbeitende« zu errichten598. Auch hier gibt es, wie für das Haus Vreede (s. o. 12.5), sekundäre Quellen, nach denen Maryon und nicht Steiner für die Konzeption verantwortlich war: »Die Häuser, bekannt unter der Bezeichnung >Eurythmie-HäuserNaivität< und die >reine Form Vgl. auch Gümbel-Seiling: Mit Rudolf Steiner in München, 59. 19 Fels: Vom Werden der Eurythmie, 16. 20 Im zweiten Kurs sehen Anthroposophen das »apollinische Element« realisiert (GA 277a2, 62-99); s. o. Anm. 16. 2' Vgl. zur Kriegszeit die einzige und fast nichtssagende Ansprache zur Eurythmie in den Jahren 1916 / 17 vom 15.1.1916 in GA 277,564. Daß die Eurythmie praktisch aufgehört hatte, zu existieren, wird nicht nur an fehlenden Räumen gelegen haben, wie es im der Kommentar von Hella Wiesberger und Julius Zoll in GA 2622,290 heißt. 22 Oskar Schmiedel hat sich ebenfalls eine konstitutive Rolle zugeschrieben oder sie gesucht. Er sei 1912 bei den Proben zum Hüter der Schwelle »als erster >Eurythmielehrerübersinnliche Imaginationen< in irdische Worte hineingeströmt«53, in ihr »drückt der Mensch eigentlich dasjenige aus, was die Götter aus ihm machen wollten«'. »Die Eurythmie ist das irdische Abbild der Erzengelsprache«», und »was ins Übersinnliche hinaufweist, wird in Eurythmie dargestellt und von Frau Dr. Steiner deklamiert« (GA 277,290 [1922]). Per Saldo: »Damit geht die Eurythmie hervor aus einer übersinnlichen Vertiefung unseres Zeitalters« (ebd., 386 [1923]). In diesem Zusammenhang könne der Eurythmie treibende Mensch als »Mikrokosmos« gelesen werden (ebd., 289.453 [1922/ 1924]), und Steiner konnte vice versa Eurythmie in kosmologischer Perspektive als »naturgemäße weltgesetzliche Bewegungen« interpretieren (GA 277a2,54 [1914] )56

Konsequenterweise versah Steiner die Eurythmie mit einem zentralen Legitimationsbegriff der clairvoyanten Erkenntnis, er bezeichnete sie - explizit und an

5' Steiner: Eurythmie, 97 (10.6.1923). Ähnlich: die Eurythmie solle »unmittelbaren Eindruck machen« (GA 277,287 [18.8.1922]). 52 Steiner: Eurythmie, 144 (23.12.1923). 53 Deventer: Erinnerungen, 33. 5' Steiner: Eurythmie, 103 (10.6.1923). ss Ebd., 124 (9.7.1923). 56 Ähnlich 1920 (GA 277,154), doch dürfte diese Diktion mit ihrer stark juridisch und naturwissenschaftlich geprägten Diktion in den zwanziger Jahren seltener geworden sein.

1192

13. Eurythmie

vielen Stellen - als Offenbarung57. Mit dieser religiösen Deutung wurde sie zum Agens für die »Erlösung der Menschheit« (GA 277a2,54 [1914]). Wie hoch Steiner den Stellenwert dieser geistigen Welt und wie niedrig er - bei aller Bedeutung des »Willens« (z. B. GA 277,147) - die Stellenwert der tanzenden Subjekte als Vermittlerinnen der Offenbarung einschätzte, illustriert ein eindrückliches Zitat, mit dem er die Bewegungen einer Eurythmistin kommentierte: »Ja, diesen Eindruck habe ich gewollt. Von hier aus wirkt es ganz unpersönlich, so sollte es sein!«58 Über die allgemeinen Verweise auf geistige Dimensionen hinaus hat Steiner auch konkretere Verbindungen zum theosophischen Weltbild hergestellt, insbesondere vor dem Ersten Weltkrieg. Anfangs dürfte Steiner auf Leadbeaters »Thought-Forms« Bezug genommen haben, schrieb er doch im August 1912 Lory Smits, daß einige Bewegungen »Gedankenformen« entsprechen sollten (GA 277a2,16). Die Akasha-Chronik als Referenz findet sich möglicherweise ausschließlich vor dem Krieg und diente dem Anciennitätsnachweis der Eurythmie, deren Wurzeln in alte Bewußtseinsepochen verlagert wurden59. Ein anderer Bezugspunkt war die theosophische Anthropologie, namentlich der Ätherleib: Eurythmie könne, so Steiner 1914, den »Glauben an das Nicht-Dasein des Ätherleibes« widerlegen (ebd., 54). Im selben Jahr beschrieb er die Eurythmie als »Erfüllung desjenigen, was nach seinen natürlichen Gesetzen der menschliche Ätherleib vom Menschen verlangt« (ebd., 61); noch 1923 hielt Steiner die Eurythmie für die Sprache des Ätherleibes (GA 279,32). Dieser Konnex muß so populär gewesen sein, daß Marie Savitch bei Erschöpfung der Eurythmistinnen von deren »Ätherfalten« sprach60 Eurythmie war als ästhetische Erfahrung ein komplementäres, aber auch antagonistisches Programm zur ansonsten beanspruchten Intellektualität der Anthroposophie, wie Steiner zwanziger Jahren gestand: Es verstehe nämlich »derjenige am besten die Eurythmie ..., der nicht erst nachdenkt, sondern einfach sein künstlerisches Auge der Eurythmie exponiert«61. Schärfer noch: Der »Intellekt« »zerstört das Künstlerische. Er läßt das Anschauliche in die Unanschaubarkeit des inneren Seelenlebens verschwinden.« (GA 250a3,389) Dies sind angesichts der an anderen Stellen formulierten Hochschätzung des denkerischen Zugangs zur Theosophie bemerkenswerte Relativierungen. Steiner konnte allerdings gegenläufig die Eurythmie auch zum Instrument der Intellektualität machen, wenn er forderte, sie solle »das menschliche Denken, den menschlichen Gedanken aus seiner gegenwärtigen Erstarrung, aus seinem Eingefrorensein in Bewegung ... bringen« (GA 277a2,53 [1914]). Aber nach dem Weltkrieg rückte ein anderer Gestaltungskontext zunehmend in den Mittelpunkt: die Visualisierung von Unsichtbarem als tänzerische Darstellung von Sprache. Steiners Äußerung zu diesem Komplex sind Legion und seien hier durch wenige charakteristische Äußerungen dokumentiert:

" Exemplarisch Steiner in: Steiner: Der künstlerische Impuls, 173 (3.5.1924). 58 Dubach-Donath: Aus der eurythmischen Arbeit mit Rudolf Steiner, 179. 59 Z. B. GA 277a2,9 mit Verweis auf GA 11,68f., oder GA 277a2,154 f. mit Verweis auf GA 11,67f. 6° Groot: Marie Savitch, 53. 61 Steiner: Eurythmie, 97 (10.6.1923).

13.3 Konzeption und Praxis

1193

»Eurythmie« sei »eine Art Sprache durch Bewegung, eine solche Sprache, welche in einem gewissen sehr schönen Verhältnis stehen kann zu den Vorgängen, welche in der geistigen Welt sich abspielen« (GA 277a2,50 [1913]), oder schlicht: Eurythmie sei »sichtbare Sprache« (GA 277,287 [1922]), oder, in religiöser Semantik, »die Offenbarung der sprechenden Seele«62.

Dabei griff er auch die »Metaphysik« des Kehlkopfes (s. 12.4.2d) auf. Der Mensch sei Ausdruck der »unsichtbaren Kräfte des Kehlkopfs« (GA 277,32 [1918]), er »soll gewissermaßen sichtbarer Kehlkopf und Sprachorganismus werden und in seelengetragener Bewegung das menschliche Innenleben offenbaren«63. Aber gegenüber der Deutungspolyphonie der Sprache sah Steiner an einigen Stellen den Vorteil der Eurythmie in ihrer Univozität, wie sich an seiner Kritik von Mauthners Sprachphilosophie und dessen Auffassung einer Äquivozität der Sprache ablesen läßt. Weil Mauthners Sprachverständnis eindeutige Erkenntnisse im Sinn Steiners unmöglich machte, sah Steiner bei ihm »die ganze Verzweiflung an dem geistigen Gehalt unserer Zeit ausgedrückt« (GA 277a2,53 [1914D und stellte dagegen seine eurythmische Alternative. Tanzbildern gestand er mithin ein hohes Maß an Deutlichkeit zu, während man metapherntheoretisch gerade in der Uneindeutigkeit von Bildern ihren Mehrwert sehen kann. (Abb. 13.1) Dieser »geistige« Tanz lebte und lebt von der Distanz zum Körper. Auf der Bühne erscheinen Gewandmassen, aus denen Hände herausschauen und die vom Kopf dirigiert werden, aber der darunterliegende Körper als Zentrum und eigentlicher Akteur der Bewegungen bleibt für den Betrachter unsichtbar. Der Geist sollte nicht durch die Sinnlichkeit des Leibes abgelenkt werden. Diese Körperdistanz geht auf direkte Weisungen Steiners zurück. Tatiana Kisseleff erinnerte sich, wie bereits zitiert, an Steiners Aufforderung, daß »ein Untergewand ... die Konturen der Beine der Eurythmistinnen möglichst undeutlich machen« mußte64. Die Konsequenzen dieser Entkörperlichung finden sich in allen Elementen der Eurythmie: Nicht nur die Beine, auch die Füße wurden, wie im klassischen Ballett (und anders als im Ausdruckstanz), in Ballettschuhen verhüllt. Die Ästhetik der scheinbar abgehobenen, »ätherischen« Bewegung, die im Formalismus des klassischen Balletts erstarrt und vom Ausdrucktanz mit »unmittelbarer« Körperlichkeit reformiert worden war, hat Steiner wieder aufgegriffen und die körperliche Präsenz des Ausdruckstanzes zurückgenommen, und die fliegenden Gewänder imaginierten wieder das schwerelose Schweben. Schließlich blieb der Kontakt zwischen den Tänzerinnen »geistig«: Im Ensembleauftritt gibt es »keinen interpersonellen Körperkontakt«". Die Befreiung des Frauenkörpers aus dem Korsett mündete in ein neues, nunmehr »ätherisches« Korsett", Eurythmie gehe, wie Thomas Parr meint, »oft 62 Steiner: Der künstlerische Impuls, 173 (3.5.1924). 63 Programmzettel 1919, abgedruckt in Steiner: Eurythmie, 33. Die Kehlkopfäußerungen finden sich schon 1914 (GA 277a2,54) und auch noch 1920 (GA 277,155). 64 S. o. Anm. 116. 65 Parr: Steiners Bühnenkunst, 367626. 66 Vgl. zu einem möglichen strukturellen Kontext auch Anm. 194. — Wenn die Gewänder zusätzlich die in Steiners Laientruppe nur begrenzt entwickelte Körperbeherrschung kaschierten, war dies wohl zumindest ein willkommener Nebeneffekt.

1194

13. Eurythmie

Abb. 13.1: Eurythmistinnen in Oxford, 1922.

an der Körperlichkeit vorbei«67. All dies fügt sich in das Selbstverständnis der Anthroposophie, die das »Geistige« als Angelpunkt ihres Selbstverständnisses definierte. In der Eurythmie war damit der Körper zum Antipoden des Geistes geworden. Ob Steiner diese Konsequenz gewollt hat, ist unklar, aber faktisch führte sein spiritualistischer Ansatz zu einem Verlust des Körpers als eigenständigem Ausdrucksmedium des Tanzes. b. Spracheurythmie Schon sehr früh, im September 1912 (GA 277a2,19 ff.), konkretisierte Steiner die Eurythmie als sprachlichen Ausdruck durch die Darstellung von Buchstaben, zuerst von Vokalen und Diphthongen, später auch von Konsonanten. Buchstaben sollten durch eine eurythmische Gebärde ausgedrückt werden und darin geistige Haltungen wiedergeben. Steiner hat häufig Zuordnungen vorgenommen, von denen ich hier frühe und relativ späte Varianten exemplarisch dokumentiere: A 1912: »Abwehr«; 1923: »Gefühl, als ob ein Geistiges in uns eindringe«. E 1912: kreise um den Begriff des »Staunens«; 1923: »Gefühl, daß dieses Geistige wie in unseren eigenen Leib eingeht und uns durchsetzt«. I 1912: (ohne inhaltliche Interpretation); 1923: »Befestigung unseres Geistigen in uns selbst«. 0 1912: »Rundung der Glieder, verbunden mit der Empfindung eines liebevollen Umfangens«; 1923: »Sprechen wir ein O, dann stehen wir einem Geistigen gegenüber«. Parr: Steiners Bühnenkunst, 235. Angaben für 1912 in GA 277419 f., für 1923 in Steiner: Eurythmie, 134. U-Deutung des Jahres 1923 ebd., 131; U-Deutung von 1924: GA 260a3,386 (14.9.24). Zusammenfassende Darstellung in: Jenaro: Rudolf Steiners eurythmische Lautlehre. 67 68

13.3 Konzeption und Praxis

1195

U 1912: »jedes nach oben wenden«;

1923: Nähe zum Geistigen; 1924: »Die Offenbarung des Furcht-Erlebnisses der Seele«. Ob Steiner die Zuordnungen erfunden oder aus zeitgenössischer Literatur entnommen hat, ließ sich nicht ermitteln. Die Kriterien für seine Korrelationen legte Steiner, wie bei vielen Erkenntnissen aus »höheren Welten«, nicht offen. Konsequenterweise gibt es auch keine Hermeneutik für den Umgang mit Spannungen oder Widersprüchen zwischen den Deutungen aus unterschiedlichen Jahren. Historisch gehören Steiners Zuordnungen in den Kontext der Theorien geschichtstranszendenter Ursprachen, deren Kenntnis Steiner bereits in seinem Schulungsweg hatte vermitteln wollen, sowie von Theorien der Identität von Sprache und Denken, die am Ende des 19. Jahrhunderts längst nicht ausgestorben waren. Konkret nachweisbar ist allerdings die Auseinandersetzung mit Sprachtheorien des späten 19. Jahrhunderts. Steiner hat die Sprachgenese nach einer »BimBam-Theorie« und einer »Wau-Wau-Theorie« unterschieden, in Anlehnung an Max Müller, wie er sagte. Die »Wau-Wau-Theorie« (oder »Muh-Muh-Theorie«) leite Sprache aus einer Weiterentwicklung von kopierten Tierlauten ab, in der »Bim-Bam-Theorie« seien sie ein äußerer Ausdruck innerer Vorgänge (GA 277,391). Zur zweiten Option signalisierte Steiner eine gewisse Nähe, denn er parallelisierte die Innen-Außen-Differenz mit der theosophischen Anthropologie von Ich und Astralleib69. Damit deutete er die Sprache als »universelles Ausdrucksmittel der menschlichen Seele« (GA 279,25) und ermöglichte eine Universalisierung der Eurythmie als deren Ausdruck. Aber in diesem abstrakten Modell blieben die Probleme einer Konkretisierung offen. Mit welcher Tradition Steiner seine Universaltheorie der Sprache deutete, ist noch zu klären. Wenn Marie Savitch seine Hinweise zur Umsetzung griechischer Gedichte als »Angaben« »für das Erleben des inneren Griechentums« interpretierte", wird man an die intuitionistische Hermeneutik des frühen Dilthey und seiner Begründung des Verstehens im kongenialen Erleben erinnert. Angesichts seiner geringen Diltheykenntnisse wird Steiner nicht unmittelbar an Dilthey angeknüpft haben, aber ein vergleichbares Modell der Deutung ist anzunehmen. Steiners zentrales Problem war der Lautstand der realen Sprache. Formuliert man nämlich, so Steiner, den Satz »>Es naht GefahrBattement< der Beine oder furiose Sprünge fremd«; die »üblichen Positionen in fünf Fußstellungen« werden jedoch praktiziert103 Die »sogenannten >Fixpunkte«bunte< Bühnenbeleuchtung, die den Raum in der Regel vorne und in seiner ganzen Breite und Tiefe ausleuchtet - der im Ballett übliche >Spot< findet in der Eurythmic keine Anwendung. Das Licht wird nicht, wie auf Theaterbühnen sonst üblich, durch Scheinwerfer in konzentrierter Form auf die Bühne gerichtet, sondern es wird - mittels sechs verschiedener Farben - möglichst gleichmäßig die ganze Bühne beleuchtet und damit ein Licht-Raum gebildet, in den die eurythmischen Bewegungsvorgänge >eingehüllt< sind.« Dabei wurden die Scheinwerfer »entgegen der damals üblichen Theaterpraxis mit konvexen statt konkaven Reflektoren versehen und zudem mit einer matten, weißen Kreideschicht bestrichen, um einen größtmöglichen Streueffekt zu erzielen«129.

Die Lichtregie und die Kleidung haben zur Folge, daß Flächen und deren Bewegungen einen wesentlich stärkeren Eindruck hinterlassen als Linien. In vielen zeichnerischen Wiedergaben gehen die bewegten Farben deshalb in einen diffu-

122

Woloschin: Die grüne Schlange, 371. Vom Wortlaut her läßt sich diese Stelle so lesen, daß Steiner persönlich die Schminke auftrug. Auch eine Äußerung von Turgenieff-Pozzo: Zwölf Jahre der Arbeit am Goetheanum, 34, die sich auf die Zeit im Ersten Weltkrieg bezieht, legt nahe, daß Steiner selbst schminkte. 123 Fels: Vom Werden der Eurythmie, 18. 124 Siehe oben Abb. 13.1 und vgl. die Abb. in Groot: Marie Savitch, 48f. (für das Jahr 1932). 125 Parr: Steiners Bühnenkunst, 178. 126 Fels: Vom Werden der Eurythmie, 18. 127 Steiner: Der künstlerische Impuls, 172 (3.5.1924). 12' Keller: DuMont's Handbuch der Bühnenbeleuchtung, 31. 129 Parr: Steiners Bühnenkunst, 44. 171.

1204

13. Eurythmic

sen Farbraum auf". Technisch war all dies nicht immer leicht zu realisieren. Im kleinen Kuppelraum des Johannesbaus etwa (s. u. 13.3.3e) mußten Lampen auf fahrbaren Holzbühnen zwischen den Säulen installiert werden"'. Die Farbangaben sollen, so Max Keller, sich aus »den Gesetzen der Goetheschen Farbenlehre« herleiten132. Goethe ist zwar ein potentieller Generalschlüssel für Steiner, aber ob die Zuschreibung in diesem Fall zutrifft, ist zweifelhaft. Steiner hat eine variantenreiche Farbpsychologie entwickelt, deren Herkunft noch der Aufklärung bedarf; vermutlich liegen auch hier die Vorbilder in der Zeit der Jahrhundertwende133. Steiner bediente sich außerdem in seinen maurerischen Riten. Wenn in einer Eurythmieaufführung der »Osternacht« aus Goethes Faust die schwarze Farbe der Szenerie in eine rote gewandelt wird", entspricht das dem Arrangement im Rosenkreuzergrad (s. 10.5.2f). d. Probenarbeit Steiner war in seiner Selbstwahrnehmung ein liberaler Probenleiter: »Da werden Sie bemerkt haben, daß ich eigentlich niemals korrigiere«. Dies entsprach möglicherweise seinem Anspruch, kaum jedoch der Realität, wie schon die zweite Hälfte dieser Aussagen offenlegt: »Und zum Schluß haben die Leute es doch so gemacht, wie ich wollte« (GA 277a2,44). In der Anfangszeit dekretierte Steiner offenbar ohne Erläuterung die Bewegungsformen, wie Maier-Smits sich erinnerte135, deutete dies aber immerhin als Indiz für den »keimhaften«, härter gesagt: unausgereiften Status der Eurythmie. Einige Bewegungsformen demonstrierte Steiner selbst. 1912 oder 1913 führte er etwa hüpfend einen »Gnomentanz« im Rahmen der Mysteriendramen vor16 und ein Schüler »erinnert sich noch, wie Dr. Steiner nach der Vorführung sein R korrigiert habe und mit fliegenden Rockschößen durch den Logenraum lief, um zu zeigen, daß das R eben >wie vom Winde verweht sein müsseThroneneine Frau in Amerika< verwies, also eindeutig, wie die SerpentinTerminologie belegt, Loïe Fuller im Hinterkopf hatte204. Steiner aber bog diesen Bezug >lachend< ab und meinte, die von ihm gemeinten »uralten« SerpentinTänze stammten »ursprünglich aus den griechischen Tempeln und Mysterien« oder aus »noch älteren Tempeln« und seien »sakrale Tänze« (GA 277a2,41)2°5 Dieser Gesprächsfetzen ist für die historische Situierung Steiners vor großer Bedeutung. Er dokumentiert, daß Steiner gerade dabei war, sich über den Bereich des neueren Tanzes zu informieren und vom Begriff der »Serpentinen«, den Fuller besetzt und auch patentiert hatte206, keine Kenntnis besaß, im Gegensatz zu seinem Umfeld. Seine Reaktion war bezeichnend: Er kaschierte sein Unwissen mit der Konstruktion einer esoterischen Tradition und der Behauptung übersinnlicher Einsicht, mit der er Fullers Tanzfigur zu überbieten trachtete. Augenblicklich ist unklar, wie viel Steiner und die ersten Eurythmistinnen von Fuller wußten. Ob Steiner, um Ähnlichkeiten wissend oder sie ahnend, den Begriff der Serpentinen mit einem »griechischen« Überbau neu besetzte, bleibt Spekulation. Von der Lichtregie und den Gewandformen her hätte er jedenfalls allen Grund zu einer Abgrenzung gehabt. Diese Übereinstimmungen bleiben frappierend, ohne daß sich augenblicklich verläßliche Aussagen über nähere Beziehungen machen ließen. c. Isadora Duncan Isadora Duncan (1878-1927) war die unumstrittene Leitfigur des frühen freien Tanzes und zu dem Zeitpunkt, als Steiner zur Eurythmie kam, bereits eine etablierte Tänzerin207. Auch sie brach, wie Fuller, zu der sie zeitweise eine sehr enge

201

Sommer: Von der Wildwestshow zur Pariser Avantgarde, 127. Brandstetter: Tanz und Literatur, I, 15. 2o3 Zit. ebd., II, 44. 204 GA 277a2,41; im Kommentar ist der Name ist nicht aufgelöst. 205 Vgl. van Deventer: Erinnerungen, 41. 206 Birnie-Danzker: La Divine Loïe, 12. 207 »Man kann den Augenblick, wo es zum ersten Mal möglich wurde von modernem Tanz oder gar moderner Tanzkunst zu reden, nur bezeichnen, indem man den Namen der Isadora Duncan 2°2

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13. Eurythmie

Beziehung unterhielt208, mit den Bewegungsstereotypen des klassischen Balletts, löste sich aber noch stärker von seinen Kleidungskonventionen und der Bindung an die Ballettmusik. Dem entsprach ein unkonventionelles Leben, gemessen an den Normen des frühen 20. Jahrhunderts: ihre vielen Liebesbeziehungen, die Exposition des Körpers beim Tanz bis zur Nacktheit, die Sympathien für die junge Sowjetunion. Sie machte, aus den Vereinigten Staaten kommend, in den frühen Jahren des 20. Jahrhunderts eine rasante Karriere. 1899 trat sie in London auf, 1900 in Paris, 1902 debütierte sie in Berlin und Wien und war seitdem bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs ununterbrochen in Europa auf Tournee. In München wurde sie um 1905 herum von den Mitgliedern des »Künstlerhauses«, etwa von Lenbach, Stuck und Kaulbach, bewundert und gezeichnet, in Berlin füllte sie Abend für Abend die Kroll-Oper, in Bayreuth war sie bei Cosima Wagner zu Gast209. Zwar kam eine lebensgroße Statue für ein Berliner Theater nicht zur Ausführung210, aber sie selbst hielt sich, nicht gerade bescheiden, während dieser Berliner Zeit für eine stadtbekannte Heilsbringerin: »Damals hatte meine Popularität in Berlin märchenhafte Dimensionen angenommen, man nannte mich die >göttliche IsadoraBewegungskunstWortkunstTonkunst< und >Formkunstspontane Gebärden< (ebd., 31). Aber mit dieser Abgrenzung näherte er sich den Intentionen des Ausdruckstanzes gleichwohl bis zum Grenzübertritt an, denn auch hier ging es vielfach um den Tanz als nichtbeliebigem Ausdruck von Inhalten, der sich gerade darin von der austauschbaren Gestik des klassischen Tanzes unterscheiden sollte. Zugleich durfte die Eurythmie aber auch nicht »überschäumend« sein, und damit ist wohl die Extatik des Ausdruckstanzes gemeint. Hier lag nun allerdings ein wichtiger Unterschied gegenüber vielen Formen des Ausdrucktanzes. Eurythmie war von ihrem Anspruch her hoch kontrolliert, die Freiheit, sich von dem »Gegenstand« des getanzten Ausdrucks ergreifen zu lassen, wie es Isadora Duncan vehement gefordert und praktiziert hat, blieb für Steiner undenkbar. Die Eurythmie war, wie Steiner vor Kindern in unfreiwilliger Komik gemeint

302 Vgl. Husemann: Von der Aufrechtbewegung, 11, demzufolge die »Eurythmie leicht mit dem Ausdruckstanz u. a. verwechselt« werde, ohne die »großen Unterschiede« zu erfassen. 303 Vgl. auch: »Alles Mimische oder Pantomimische, alles Symbolisieren von Seelischem durch Bewegungen ist ausgeschlossen« (zit. nach Steiner, Eurythmieprogramm für den 24.2.1919, in: Steiner: Eurythmie, 25). Oder: »nicht Tanzkunst, nicht mimische Kunst, nichts Pantomimisches und dergleichen«, »nicht Gebärden« (GA 277,285 [1922]). 04 Parr: Steiners Bühnenkunst, 129, meint im Blick auf »Mimik und Tanz«, daß sie »einerseits die Gebärden ästhetisch überformen und andererseits Zeichen für etwas setzen«. In der Außenperspektive muß man die Eurythmie nicht, wie Parr meint, »zwischen diesen beiden« Kriterien ansiedeln, sie hat Elemente beider Formen.

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13. Eurythmie

hat, »geistiges Turnen« (GA 277,292 [19221)i05; sie wurde konsequent »verkopft« und gegenüber extatischen Öffnungen strikt ritualisiert. Die damit in Frage gestellte Freiheit der tänzerischen Expression scheint Steiner als einen ausgesprochen wunden Punkt der Abgrenzung gegenüber dem Ausdrucktanz betrachtet zu haben, denn an keiner anderen Stelle hat er die Eurythmie so emotional und polemisch verteidigt. Die »Bestrebungen der letzten Jahre, die mehr eine emotionelle Tanzkunst ... pflegten«, waren für ihn krankhaft: »Man spottet schon längst über Psychosen, die zu den anderen Psychosen getreten sind, indem man sich in der verschiedensten Weise tanzend letzten Jahren produziert hat« (GA 277a2,113 [19181)306 Gegen das Emotionale (und Subjektive) stellte er schon 1913 den Anspruch der Eurythmie, »etwas innerlich Gesetzmäßiges zu geben, nicht das was von vorneherein zur Subjektivität ... spricht« (ebd., 113). Es war die Leidenschaftlichkeit des freien Tanzes, die ihn verunsicherte: »Man kann mit dem Tanzen sozusagen das Alleralltäglichste haben, das, was menschlichen Trieben und Leidenschaften am nächsten liegt« (ebd., 51 [1913]), meinte er durchaus pejorativ. Steiner fügte die Eurythmie stattdessen in die Objektivitätstheorie seiner Weltanschauung als »geisteswissenschaftlicher« Darstellung des Übersinnlichen ein. »Der Tanz muß sozusagen abgestreift das haben, was aus dem Menschen kommt« und der »Anschauung des objektiven Rhythmus in der Schwunglinie« Platz machen307. Die Einwände, die Freiheit werde in der Eurythmie beeinträchtigt, »entstammen durchaus der Einsichtslosigkeit« (GA 279,31) - meinte Steiner 1923. Im programmatischen Antiindividualismus ist keine Variante des Ausdruckstanzes so weit gegangen wie die Eurythmie. Die Protagonisten des freien Tanzes haben als Individuen und Solotänzer neue Maßstäbe gesetzt. Erst der Ensembletanz hat, etwa in Dalcrozes chorischer Rhythmik, diese Individualisierungen wieder zurückgenommen. Bei Steiner ist allerdings jedwede Individualisierung schon in der konzeptionellen Wurzel beschnitten: Die Tänzer haben sich nicht nur im Ensemble einzuordnen, sondern auch die solo auftretende Eurythmistin ist an Steiners Bewegungsmuster gebunden, die sie ausführt, nicht kreiert. Die äußerste Manifestation dieser antisubjektiven Vergeistigung und damit die weiteste Distanzierung von Ausdrucktanz lag in der Körperverdrängung der Eurythmie. Die Tänzerin wurde zur Gewandfigur, deren Botschaft nicht der Körper, sondern die Kleidung trug. Bei allen anderen Ausdruckstänzerinnen spielte neben der Beherrschung auch die Demonstration ihres Körpers als Mittel der Visualisierung eine zentrale Rolle, an kaum einer Stelle wird die Differenz zu anderen Formen des Ausdruckstanzes so augenfällig wie in der Körperarbeit. Selbst Loïe Fuller konnte unter allen Hüllen den Körper mit Lichteffekten präsent machen, und Isadora Duncan setzte ihren Körper gezielt erotisch ein. Zwar verschob sich bei einigen, schon bei Dalcroze, der Schwerpunkt des Tanzes auf

305 Ähnlich am 16.11.1923: »Eurythmie ist etwas wie ein geistiges Turnen, das aber zur Kunst gesteigert werden kann« (GA 319,131). 3o6 Vgl. auch: »Die Tanzkunst ... wurde mehr und mehr ein Ausdruck des Subjektiven, des Persönlichen im Menschen, des Emotionellen.« (GA 277a2,111). 307 Steiner, Vortrag vom 10.6.1923, 101.

13.5 Die anthroposophische Eurythmie und der Ausdruckstanz

1233

die Metrisierung der Bewegung, aber von einer tendenziellen Auslöschung des Körpers wie in der Eurythmie war er noch Meilen entfernt. Die Unterstellung, die Eurythmie bedeute eine Sexualisierung des Tanzesi08, verfehlt ihren Gegenstand so weit wie kaum eine Polemik. Eurythmie ist, pointiert gesagt, ein Gewandtanz, der den Körper als Träger des Ausdrucks verdrängt. Von der Lust am sinnlichen Leib, gar an erotischer Verführung, ist die eurythmische Prüderie unerreichbar weit weg. Positiv kann man die Eurythmie allenfalls als eine Tanzform verstehen, die die Frauen dem voyeuristischen Blick der Männer entzog309. Konsequenterweise war die Überlegung, ob es eine geschlechtsspezifische Tanzweise gibt, ob Frauen anders tanzen als Männer, für Steiner nie eine Frage. Steiners Antisubjektivismus im Dienst einer »objektiven« Übersinnlichkeit hat noch zu einer weiteren Differenz gegenüber dem Ausdruckstanz geführt. Die Eurythmie ist in den streng koordinierten Bewegungen nicht dem freien Tanz verwandt, sondern griff die in Regeln festgelegten klassischen Tanzformen auf, von der sich Steiner eigentlich geschieden sehen wollte. Die Zuordnung ist in diesem Punkt kompliziert: Steiner wollte tänzerische Bewegungsformen an spezifische, nicht an beliebige Inhalte knüpfen, und teilte damit die Intentionen des Ausdruckstanzes; andererseits formulierte er die neuen Zuordnungen aber so fest, daß ein neuer Kanon der Verknüpfung von Bewegungen und Inhalten entstand, der sich in seiner Funktion dann doch wieder weitgehend mit dem Regelwerk des klassischen Balletts deckte. Hier war er allerdings den chorischen Traditionen des Ausdruckstanzes verwandt. Sein Versuch, eine vermeintlich objektive übersinnliche Welt in objektivierbaren Tanzformen zu fixieren, hat die Eurythmie konzeptionell in ein grosso modo enges Korsett gepreßt, das die Frauen als reales Kleidungsstück auch in der Eurythmie abgelegt hatten. Die Teilhabe an der Weiterentwicklung des freien Tanzes bis heute blieb der Eurythmie aufgrund dieser Fixierungen weitgehend versperrt. In diesem Rahmen aber entstand eine Form des spirituellen Tanzes, die heute kaum Parallelen kennt und ihren eigenen Reiz besitzt. Die Tänzer und Tänzerinnen, eingehüllt in wehende Schleiern und diffuse Farben, stellen eine »andere« Welt dar: Die anthroposophische Form des Ausdruckstanzes, so die Außenperspektive, ist in der Binnenperspektive die Repräsentation einer übersinnlichen Welt. Hier mag sich für den nichtanthroposophischen Beobachter eine märchenhafte Szenerie öffnen, für den Anthroposophen mag sich die geistige Welt auftun, jedenfalls wird beiden klar, daß sie anthroposophische Eurythmie es geschafft hat, ihrem Anliegen eine Bühne zu verschaffen, die sie von allen anderen Tanzformen heute unterscheidet. Steiner hinterließ den tanzenden Anthroposophen ein Erbe, dessen Existenz auf absehbare Zeit gesichert ist - im Gegensatz zu vielen anderen Varianten des Ausdruckstanzes. Die Ausgangsfrage nach dem Kontext der Eurythmie erhält nach diesem Gang durch die Fragen der anthroposophischen Abgrenzung und Identitätsfin308 »Ob der Eurythmie feinere, verschleierte Erotik beigemischt ist?«, vergleichbar den »NacktTänzen bei der antiken Einweihung« frug 1926 Kully: Die Wahrheit über die Theo-Anthroposophie, 252. 309 Vgl. Weickmann: Der dressierte Leib, z. B. 336.

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13. Eurythmie

dung in der Außenperspektive eine vielleicht wenig überraschende Antwort. Die Eurythmie gehört zum Ausdruckstanz des frühen 20. Jahrhunderts, wie Steiner ja in frühen Äußerungen selbst zugestanden hatte310. Seine Abgrenzung war wohl kalkuliert, ihm ging es um die Eigenständigkeit der Eurythmie. Gleichwohl hatte er nicht in toto Unrecht, weil er wichtige Ziele der zeitgenössischen Tanzreform nicht teilte. Denn der Ausdruckstanz heißt in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts auch »freier Tanz«, weil die Sprengung von Konventionen die im Prinzip ungeregelte und der kreativen Freiheit der dem einzelnen überlassenen Neukonzeption von Tanzformen ermöglichte. Letztendlich erlaubte es der Ausdruckstanz auch, sich selbst auszudrücken, wohingegen die Tänzerin bei Steiner ausschließlich Mediatorin war, um etwas ihr Fremdes (wenngleich in Steiners Augen Großes) zum Ausdruck zu bringen. Durch diese Aufwertung zu einer Art »priesterlichem« Dienst erhielt die Eurythmie aber ein weltanschauliches Prokrustesbett, in dem vermeintlich objektive, de facto dem 19. Jahrhundert verpflichtete Vorstellungen über Ausdruck, Bewegung, Kleidung und Körperhaltung dogmatisiert wurden. Allerdings lud Steiner seinen Tanz stärker als andere Tänzerinnen mit einer spirituellen Deutung auf und nahm den Körper, der im Ausdruckstanz den Widerstand gegen Spitzenrock und Korsage bis zur Nacktheit zeigen konnte, hinter wehende Schleier zurück. Gleichwohl liegt im Ausdruckstanz der entscheidende historische Kontext der Eurythmie. Die Entwicklung der Eurythmie nach Steiners Tod ist nicht Thema dieser Arbeit, auch nicht ihre Rezeptionsgeschichte außerhalb der Anthroposophie. Diese Geschichte ist noch nicht geschrieben, aber zumindest einige wenige, sicher subjektive Bemerkungen möchte ich anfügen. Für die Eurythmie sind die Zeiten der Polemik wohl vorbei, wo man »tanzende Anthroposophen« als »eine Species des neuen Mittelalters in Europa« bezeichnete31. Stattdessen ist die Eurythmie offenbar freundlich isoliert, mit der Tanzszene scheint sie nicht vernetzt zu sein. Bezeichnend ist dafür die Berichterstattung in der Zeitschrift »Ballett-Journal«, die regelmäßig über Eurythmieaufführungen berichtet, aber seit den neunziger Jahren fast nur durch einen Kommentator, Bertram Konrad, und immer ohne Kritik. Die Eurythmie ist, befördert vielleicht durch eine Tendenz zur Selbstgettoisierung312, ein vornehmlich inneranthroposophisches Phänomen geblieben. Die innere Entwicklung ist schwer zu durchschauen, allemal von außen. Nach Steiners Tod wuchs die Eurythmiepraxis in bescheidenen Ausmaßen, aber recht kontinuierlich und auch international, so daß man 1992 39 Eurythmie-Einrichtungen zählen konnte313. In anthroposophischen Kreisen ist sie fest verankert und bei feierlichen Anlässen gerne gesehen. Die Rückseite dieser etablierten Existenz sah Thomas Parr 1992 allerdings kritisch: Er hielt die Eurythmie für teilweise statisch und erstarrt und »das Fehlen einer theoretisch-praktischen Weiterentwicklung« für einen »Mangel«. Er beklagte, daß die »Eurythmie nicht

S. o. 13.4.2, Einleitung. Dh.: Tanzende Anthroposophen, in: Hamburger Anzeiger vom 20.10.1953. 312 Vgl. die Kritik bei Parr: Steiners Bühnenkunst, 196f. 233-237, der u. a. die Öffentlichkeitsscheu und die Selbstgenügsamkeit bis zur Abschottung von anderen Tanzrichtungen kritisiert. 33 Zur heutigen Lage Parr, ebd., 195-230; Zahlenangabe ebd., 169. 310

31

13.5 Die anthroposophische Eurythmie und der Ausdruckstanz

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die Auseinandersetzung mit >SchwesterkünstenWas Sie da über die Juden schreiben, kann gar nicht in freundlichem Sinn gedeutet werden; aber das ist es nicht, was mich erfüllt, sondern daß Sie bei dem nahen Verhältnis zu uns und unseren Freunden die Erfahrungen, die Sie veranlassen, so zu schreiben, nur an uns gemacht haben können.«< (ebd., 144f.)

Eine familiäre Nähe zu Juden und antisemitische Tendenzen gingen bei Steiner Hand in Hand, er unterrichtete in einer jüdischen Familie und pflegte Umgang mit Antisemiten - »Freunde« mit »antisemitischer Nuance«, wie er sie rückblickend nannte (ebd., 145). Eine Reflexion auf die politische Situation in Wien mit ihrem wachsenden und sich zunehmend militant gerierenden Antisemitismus fehlte, und noch als 63jähriger Autobiograph zeigte sich Steiner uneinsich-

22

Hamann: Hitlers Wien, 169-193. Zur Kontextualisierung Sonnenberg: »Keine Berechtigung innerhalb des modernen Völkerlebens«, 187-193. 23

14.2 Steiners Beschäftigung mit politischen Themen bis 1917

1245

tig hinsichtlich seines antisemitischen faux pas24. In Alter von 27 Jahren wird es nicht anders gewesen sein25. Steiner schrieb in der »Deutschen Wochenschrift« also, dies kann man jedenfalls mit guten Gründen vermuten, keine chauvinistischen Kolumnen unter dem Druck des Profils dieser Zeitschrift, sondern brachte eigene Überzeugungen ein. Die Reflexe auf die habsburgischen Verhältnisse haben seine politischen Denkfiguren lebenslang bestimmt und spielten im Vorfeld der Dreigliederungsdebatte, in den Memoranden des Jahres 1917 (s. u. 14.3.2b), erneut eine wichtige Rolle. b. Anarchismus und Arbeiterbildungsschulen (1898-1905) Nach Steiners Ausstieg aus der Goethephilologie finden sich in seinen »wilden« Berliner Jahren kurz vor 1900 konfessorische Aussagen zum Anarchismus (s. 6.5.1). Dabei kritisierte er 1898 »den Staat«, der dem »völlig freien Konkurrenzkampfe« der »Individuen« im Wege stehe, distanzierte sich aber von der gewaltsamen Durchsetzung der Anarchie (GA 39,371; vgl. auch 193). Steiners anarchistische Phase blieb eine literarische Übung, die aber einmal mehr sein Unverhältnis gegenüber politischen Institution durchblicken läßt. In manchen Schärfen war sie jedoch auch Ausdruck seiner midlife-crisis. Seit 1899 war Steiner als Lehrer an von der von Karl Liebknecht gegründeten Arbeiterbildungsschule in Berlin sowie an derjenigen in Spandau tätig26. Er hielt dort Vorträge zur »Kultur- und Kunstgeschichte im neunzehnten Jahrhundert«, zur »Kulturgeschichte in grossen Zügen von den Anfängen der menschlichen Kultur bis zur Gegenwart« und eine »Redeuebung«, dazu kamen die Themen Nationalökonomie und »Naturerkenntnis«". Dabei glaubte er zwar, sein »Proletarier-Bewußtsein bewiesen« zu haben28, stellte sich aber gegen die marxistische Fraktion und bestritt den historischen Materialismus29. Vermutlich wurde er deshalb 1905 aus der Arbeiterbildungsschule herausgedrängt30. In dieser Lehrerzeit kam Steiner zwar mit Themen der Arbeiterbewegung und mit prominen-

" Steiner kommentierte diese Erinnerung mit der Bemerkung: »Der Mann«, also Ladislaus Specht, der in der Autobiographie nicht ein einziges Mal mit Namen genannt wird, »irrte; denn ich hatte ganz aus der geistig-historischen Überschau heraus geurteilt« (GA 28,145). 25 Steiner Haltung zum Judentum wechselte allerdings chamäleonhaft. Um 1900 schrieb er in den »Mittheilungen aus dem Verein zum Abwehr des Antisemitismus« (Kugler: Feindbild Steiner, 17f.) und mußte sich hinsichtlich des von ihm redigierten »Magazins für Litteratur« eine zu hohe Präzenz jüdischer Fragen und Autoren vorwerfen lassen (ebd., 8). In seiner theosophischen Theorie tauchte der Antisemitismus strukturell als Antijudaismus allerdings wieder auf; vgl. Zander: Anthroposophische Rassentheorie, 318-320. 26 Wichtige Informationen jetzt in den Beiträgen zur Rudolf Steiner Gesamtausgabe, Heft 111, Dornach 1993; insbesondere Kugler: »Wissen ist Macht - Macht ist Wissen«. 27 Verzeichnis der Vorträge in: Kugler: Kurse und Vorträge Rudolf Steiners [in den Arbeiterbildungsschulenl; vgl. auch in den »Beiträgen zur Rudolf Steiner Gesamtausgabe«, Heft 111, S. B. 16f. 28 Faksimile seines Notizbuchs, ebd., 27. 29 Die in GA 51,17-65 dokumentierten Vorträge zwischen Januar und März 1901, die eindeutig aus der vortheosophischen Zeit stammen, bestätigen die Abwesenheit marxistischer Vorstellungen. Dies bestätigen auch ein Artikel aus dem »Berliner Volksblatt« vom 22. Oktober 1904, in: Beiträge zur Rudolf Steiner Gesamtausgabe, Heft 111, Dornach 1993, 30, und Mücke: Erinnerungen an Rudolf Steiner, 14. 3° Kugler: »Wissen ist Macht - Macht ist Wissen«, 28f.

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14. Politik

ten Repräsentanten (wie Rosa Luxemburg) in Kontakt", doch erwuchs daraus kein politisches Engagement; es ist nicht einmal klar, in welchem Ausmaß er sich überhaupt mit politischen Fragen beschäftigt hat. Als politische Lehrjahre fallen die Jahre an der Arbeiterbildungsschule im Großen und Ganzen aus. 1919 hat Steiner seine Zeit an der Arbeiterbildungsschule allerdings in eine prägende Phase überhöht: »Ich weiß, wie die Arbeiter mich verstanden haben, immer besser verstanden haben, wenn ich zu ihnen aus einem freien Geistesleben heraus gesprochen habe, das für alle Menschen da ist, nicht für eine bevorzugte Klasse.« (GA 333,15) »Ich habe gelernt, den Proletarier dadurch zu verstehen, daß ich selbst mit ihnen, mit den Proletariern gelebt habe, daß ich herausgewachsen bin aus dem Proletariat, mit dem Proletariat auch hungern lernte und mußte. Aus diesen Untergründen heraus spürte man schon dazumal, daß ich nicht aus der Theorie, sondern aus einer ganz gehörigen Praxis heraus zu sprechen in der Lage bin.« (GA 331,167)

Aber dies waren Rückprojektionen in der Hochphase der »Dreigliederungszeit«.

14.2.2 Theosophie und Politik Mit dem 1902 erfolgten Eintritt in die Theosophische Gesellschaft tendierten Steiners politische Aktivitäten gegen Null, seine gesellschaftsbezogenen Interessen waren marginal. Außerhalb Deutschlands waren Theosophen allerdings in der Politik aktiv, immerhin war Annie Besant 1919 etwa Präsidentin des Indischen Nationalkongresses gewesen, aber auch für konservative Auffassungen finden sich leicht Beispiele32. In diesem Umfeld erweist sich Annie Besant als Ausnahme von den Status quo-orientierten Positionen vieler Theosophen: Sie

31 Rosa Luxemburg sprach bei der Eröffnung der neuen Arbeiterbildungsschule in Spandau am 12.1.1902 über »Die Wissenschaft und der Arbeiterkampf« (GA 328,194). Steiner stand mit ihr »gemeinsam an einem Vortragstisch« (ebd.). Nach Schmidt: Das Vortragswerk, 25, soll Steiner den »Vortrag (zusammen mit Rosa Luxemburg)« gehalten haben; dies ist vielleicht ein Mißverständnis von Steiners Äußerung. 32 Hobsbawm: The Age of Empire, 288, sieht eine »apparently non-political ideology of theosophy« bei Annie Besant. Tollenaere: The Politics of Divine Wisdom, hat die These einer generellen politischen Abstinenz der Theosophie von der Politik zurückgewiesen. Im gleichen Atemzug wendet er sich allerdings auch gegen die Zuordnung der Theosophie zu einer »linken« im Sinne von fortschrittlicher Politik. Bei Blavatsky beispielsweise läßt sich 1877 die Verteidigung des Zarenregimes nachlesen (ebd., 58), und in ihrem letzten Telegramm an Annie Besant wiederholte sie ihr Verdikt gegenüber der sozialistischen Bewegung: »Their [the masters'] blessing, my love. Beware socialism.« (The Theosophist, Mai 1932, 232, zit. nach Tollenaere, ebd., 143; weitere Belege für Blavatskys Distanz gegenüber der politischen Dimension der sozialen Frage ebd., 142f.) Von Sinnett und anderen Theosophen sowie teilweise auch von Olcott lassen sich scharfe Abgrenzungen gegenüber der sozialen Frage und Kritik an sozialistischen Parteien beibringen (ebd., 138-147). De Tollenaere sieht deshalb im allgemeinen eine Bestätigung konservativer Positionen durch Theosophen (ebd., 4-6). Umgekehrt erwähnte Karl Marx die Theosophen nie. Friedrich Engels kam ein einziges Mal, bei Eintritt Besants in die Theosophische Gesellschaft, auf die Theosophie zu sprechen: despektierlich und ohne Bezug auf soziale Fragen (Brief Engels an Kautsky, 30.4.1891, in: Marx/ Engels: Werke, Bd. 38, 88).

14.2 Steiners Beschäftigung mit politischen Themen bis 1917

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war vor ihrer Zeit als Theosophin Mitglied des English socialist labour movement und der Fabian Society gewesen, hatte Bildungseinrichtungen gegründet, die indische Unabhängigkeit unterstützt und die aktuelle Politik bis in die Gründung einer Tageszeitung hinein zu beeinflussen gesucht (New India, gegründet 191433). Ihre Rolle in der englischen Frauenbewegung ist hoch einzuschätzen". Allerdings veränderte sie ihre Positionen im Laufe der Jahre. Die Propagierung der Geburtenkontrolle, die pazifistische Kritik des Krieges und die Mißbilligung des Zarenregimes und der britischen Monarchie nahm sie bis in die erste Zeit des Krieges hinein (um 1915 herum) zunehmend zurück, um danach wieder teilweise wieder »linkere« Positionen einzunehmen35. Auch demokratischen Reglements stand sie, wie sich mit zwei heterogenen Beispielen belegen läßt, letztlich distanziert gegenüber: Die Theosophische Gesellschaft führte sie mit Hilfe des Zentrums der »Esoterischen Schule« autokratisch, und der Kastenordnung der indischen Gesellschaft stand sie zumindest zu Beginn so unkritisch gegenüber, daß sie mit den reformerischen Kräften in Adyar in Konflikt geriet36 Die Vorbildfunktion konkreter theosophischer Sozialprojekte scheint für Steiner aber nur schwach gewesen zu sein. Er dürfte sie zwar gekannt haben, beispielsweise liegen sie als Anregung für die Waldorfschule nahe, aber eine intensivere Beschäftigung Steiners mit diesen Traditionen der Theosophie läßt sich zwischen 1900 und 1918 nicht nachweisen. Andere Aktivitäten, wie Besants Aufruf vom August 1910, im »Bund für theosophische Arbeit« (dem »Order of Service«) Theosophie in die soziale Praxis umzusetzen, etwa in der Erziehung oder in der Krankenpflege37, fanden offenbar in Deutschland keine Resonanz aber man befand sich zu diesem Zeitpunkt auch gerade auf dem Weg zur Trennung. Hierin bestätigt sich, daß die Adyar-Theosophie in Deutschland bis in die Kriegszeit weitgehend apolitisch war. Signifikanterweise liegen sowohl bei Besant wie bei Steiner wichtige Zeiten des sozialen Engagements (Besant) oder zumindest der Bildungsarbeit im Arbeitermilieu (Steiner) vor dem Schwenk zur Theosophie und der damit verbundenen Konzentration auf »geistige« Fragen". Gleichwohl wiegt die Bedeutung der Theosophie auch für Steiners gesellschaftspolitisches Denken schwer, allerdings für die spiritualisierenden Strukturen seines politischen Denkens, wie sie immer wieder, etwa bei der Deutung des Krieges oder der Konzeption der Dreigliederung deutlich werden wird. Damit befand sich Steiner unter deutschen Theosophen in breiter Gesellschaft, wie einige Beispiele illustrieren. Daß »ein Quentchen Theosophie ... mehr als eine ganze Wagenladung sozialen Reformwerks« wiege, konnte man 1906 im »Vâhan« lesen39, es sei nicht »Zweck der theosophischen Gesellschaft ... , sozial33 Tollenaere: The Politics of Divine Wisdom, 142. 34 Dixon: Divine Feminine, 121-151; zur spirituellen Einbindung dieses Politikteils und zum Einfluß auf der Theosophie fernstehende Frauen ebd., 177-205. 35 Ebd., 141-160, besonders die Graphik 458. 36 Vgl. ebd., die Belege 73f. 37 Besant: Der »Bund für theosophische Arbeit«. 38 Vgl. Tollenaere: The Politics of Divine Wisdom, 143; vgl. 150. 331. 39 R. B.: Was sagt die Theosophie zur sozialen Frage?, 193.

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14. Politik

organisatorische Experimente von zweifelhaftem Wert anzustellen«", meinte Paul Stoß 1907, und Paul Ettig wollte 1905 die »sozialen Übel« durch theosophische Erkenntnis überwunden sehen: »Die sozialen Übel beruhen auf der Nichterkenntnis der Einheit des gesamten Menschengeschlechts. Ein Theosoph ist derjenige, in dem das Rückertsche Wort: >Die Menschheit ist das Selbst, das soll im Menschen leben!< Kraft gewonnen hat.«"` 1906 sah Hermann Rudolph von der Internationalen Theosophischen Verbrüde-

rung (I. T. V.) in der theosophischen Erziehung den Generalschlüssel zur »Förderung des Guten (der Tugend) in jeder Nation, die Erfüllung der Staatsgesetze als Ausdruck des göttlichen Karmagesetzes, dem Schutz der Armen, Schwachen und ungerecht Verfolgten, sowie der Mitarbeit an der Verbesserung der sozialen Zustände. Die theosophische Verbrüderung ist die Bestätigung der Individualität«42. Für Johannes Balzli (ebenfalls I. T. V.) lag um 1918 herum »die durchschlagende

und tragende Kraft des Theosophischen Denkens in der Sozialen Frage« darin, »daß die Theosophische Schulung den Geist erst in das Lichtmeer des Übersinnlichen führt, gerade dadurch schöpft und schärft sie das Verständnis für die soziale Forderung«43. Schließlich gehört zum Allgemeingut der Theosophie der elitäre Anspruch, daß eine Gruppen der Weisen und Eingeweihten auch in sozialwissenschaftlichen Fragen über ein Surplus an Wissen verfüge, das sie über die Ebene der politischen und ökonomischen Analyse in die Sphären des arkanen Überwissens erhebe. Balzli forderte aus dieser Position heraus nach dem Ersten Weltkrieg ganz selbstverständlich eine heilige Ordnung: »Ein Sozialismus, den man hierarchisch nennen könnte, ist das Ideal der Zukunft. Die ganze Menschheit ist eine einzige Familie, in der - vom Gesichtspunkte der Reinkarnation, nicht von dem des Standesamtes - Ältere und Jüngere vertreten sind.««

Und auch Wilhelm Hübbe-Schleiden, Steiners früher Mentor und späterer Gegner, hatte 1911 in der Aristokratie der Wissenden die Antwort auf den Sozialismus gesehen: »Dem demokratischen Sozialismus soll positiv entgegen gewirkt werden; es soll Opferwilligkeit und Dienst des Einzelnen für das Ganze und die Hingabe an die Autorität der Weiseren und geistig Mächtigeren angeregt werden.«45

Für Annie Besant war es schließlich im August 1910 ganz selbstverständlich, daß »versucht werden« »muss«, »in der zukünftigen Kultur autokratische und demokratische Ideen zu verbinden«46. 4°

Stoß: Die Theosophischen Gesellschaften, 65. Ettig: »Die sozialen Übel und ihre Überwindung durch Theosophie«, 54. Rudolph: Theosophische Erziehung, 53f. 93 Balzli: Die Soziale Frage und die Theosophische Anschauung, 41.42. 44 Ebd., 387. 43 Brief von Hübbe-Schleiden an Steiner, 4.7.1911; vgl. den Briefentwurf bei Klatt: Theosophie und Anthroposophie, 183, und den Auszug aus dem abgesandten Brief in MTG 3,10 (Juli 1913). 46 Besant: Der »Bund für theosophische Arbeit«, 208. 91 42

14.2 Steiners Beschäftigung mit politischen Themen bis 1917

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Steiner hat diese Positionen, von der spirituellen Deutung der Politik im allgemeinen bis zur nicht demokratisierbaren Einsicht der Eingeweihten im besonderen, in ihren Grundzügen übernommen, wie sich im folgenden zeigen wird. Steiners demokratiekritische Haltung, die hierokratische Substruktion seiner Gesellschaftstheorie, ist theosophisches Erbe. Es hat sich vor allem nach 1918 praktisch ausgeprägt, aber schon an einigen Äußerungen aus den Jahren bis 1914 lassen sich die politischen Implikate dieser ansonsten beschaulichen Vorkriegsesoterik dokumentieren. (1.) In der Auslaufphase der Tätigkeit an der Arbeiterbildungsschule hielt Steiner im Oktober 1905 einen Vortrag über »die soziale Frage und die Theosophie«. Seine Antwort auf die Soziale Frage individualisierte den gesamten Problemkomplex: »Kein Theosoph ... wird ihnen sagen: ich habe dieses Programm, in der sozialen Frage, sondern er wird ihnen sagen: bringe Menschen, die Theosophen sind, in alle diese Fragen betreffenden Institutionen hinein«".

Die politische Dimension der Arbeiterfrage war verschwunden. Im gleichen Aufsatz formulierte Steiner die Forderung nach Trennung von Lohn und Arbeit48, das »soziale Hauptgesetz« des »Okkultismus« (GA 34,213), das später von Anthroposophen rezipiert wurde. In einem wenig später gedruckten Aufsatz in »Lucifer Gnosis« führte er diese Überlegungen weiter, indem er den Unterschied zwischen Unternehmern und kleinen Handwerkern egalisierte: beide beuten Steiner zufolge aus (ebd., 205 f.). Was als ethische Fundamentalreflexion Sinn macht, war allerdings angesichts ungleicher Folgen und Armutskonsequenzen für Handwerker (und Arbeiter) keine Antwort auf die Soziale Frage. (2.) Die bestehenden Verhältnisse hat er karmisch gerechtfertigt, Politik wurde spiritualisiert49. 1912 beschrieb er etwa das Verhältnis von Lohn und Arbeit folgendermaßen: »Selbstverständlich muß die bestehende Lebensordnung zunächst so bleiben, denn gerade der Anthroposoph muß einsehen, daß das, was besteht, wiederum durch die Karmaordnung hervorgerufen worden ist und daß es in dieser Beziehung zu Recht und mit Notwendigkeit besteht« (GA 35,88).

Wenn also ein Arbeiter an Lungentuberkulose erkranke, so Steiner 1907, habe man dies primär als Folge von »Klassen- und Standeshaß« des »Industrieproletariats« (GA 99,60) zu deuten. Hilfe gebe es dann nicht im gesellschaftlichen Engagement, sondern im Karmakonzept: »Den einzelnen unter solchem Gesamtkarma Stehenden können wir oftmals nicht helfen. Nur indem wir das Gesamtkarma verbessern, kann auch dem einzelnen geholfen werden.« (ebd., 60) Die Verlagerung von Problemen ins theosophische Jenseits band dem sozialen Engagement die Hände. 4' Steiner: Die soziale Frage und die Theosophie, 14. Eine offenbar zum Druck erweiterte Fassung in GA 34,191-221. 48 Steiner: Die soziale Frage, 22. av Vgl. auch die Vorstellung einer spirituellen Umwandlung einer Ökonomie im vierten Mysteriendrama.

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14. Politik

(3.) Zur Freiheit als Voraussetzung politischen Handelns hatte Steiner ein gebrochenes Verhältnis, weil es in der diesseitigen Welt keinen freien Willen gebe: »Das Wort >freier Wille< ist schon falsch; denn man muß sagen: Frei wird der Mensch erst durch seine sich immer steigernde Erkenntnis und dadurch, daß er immer höher steigt und immer mehr hineinwächst in die geistige Welt.« (GA 120,221 [1910])

Eine zutreffende Deutung der gesellschaftlichen Realität lag für Steiner jenseits der exoterischen Welt, der Scheinwelt des »äußeren Maja« (GA 174b,63 [1915]). Frei zur Gesellschaftsgestaltung war in diesem Verständnis nur, wer seinen Grund außerhalb der realen Gesellschaft und der aktuellen Zeit besaß. Die damit implizierte Aufwertung des Esoterikers zum »eigentlichen« Subjekt politischer Gestaltung durchzog Steiners Denken bis zu seinem Tod (vgl. etwa 14.5.1g) (4.) In das Umfeld von Steiners politischen Vorstellungen gehören seine Völkerpsychologie (s. u. 14.3.1a) und seine rassentheoretischen Vorstellungen (s. 7.5.4), die aber in der Auseinandersetzung um die Dreigliederung kaum eine Rolle spielten.

14.2.3 Die Theosophische (Anthroposophische) Gesellschaft am Vorabend des Krieges Mit dem Beginn des Jahres 1914 lag die Trennung von der Theosophischen Gesellschaft ein Jahr zurück, für Steiner hatte sich das (nun anthroposophische) Leben wieder normalisiert. Das bedeutete auch: Konzentration auf esoterische Themen, ungestört von nervenden Vereinsquerelen50. Zur Jahreswende entwickelte er seine Christologie fort (GA 149), die letzten Vorträge eines 1913 begonnenen Zyklus »Aus der Akasha-Chronik« unter dem Titel »Das Fünfte Evangelium«, in denen Steiner unter anderem über die unbekannten Lebensphase Jesu zwischen dem zwölften und dreißigsten Jahr informierte, hielt er bis zum Februar 1914 (GA 148). Ins Zentrum der Aufmerksamkeit Steiners rückte aber die Fertigstellung des Johannesbaus: Er war in der ersten Jahreshälfte immer wieder in Dornach', wo die Arbeiten zügig voranschritten und der Außenbau mit der Ausführung der Kuppeln abgeschlossen werden konnte. Steiner war also im Sommer 1914 mit politikfernen Themen beschäftigt, als sich die Lage in Europa erst atmosphärisch und politisch zuspitzte. In diesen Monaten deutete nichts auf ein ausgeprägtes Krisengefühl Steiners, das in kulturkritischen Äußerungen über das hinausgegangen wäre, was man bei ihm immer hören konnte. Aufgrund dieser fehlenden Kriegserwartung hatte Steiner es mit der Fertigstellung des Dornacher Baus im April 1914 nicht eilig, wie er

" Die Probleme auf der zweiten Generalversammlung der Anthroposophischen Gesellschaft vom 18. bis 23. Januar 1914 - es ging um Fragen der (verdrängten) Sexualität - waren in ihrer Sprengkraft nicht mit den Auseinandersetzungen in der theosophischen Phase zu vergleichen; vgl. MTG 7 (Juni 1914). 51 Vgl. das Kalendarium bei Lindenberg: Steiner (Chronik), 346-353.

14.2 Steiners Beschäftigung mit politischen Themen bis 1917

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ausdrücklich und im Gegensatz zu früheren Äußerungen feststellte52. Den Eröffnungszeitpunkt verschob er am 14. April 1914 vom Sommer auf das Jahresende (GA 153,181). Offenbar schärfte sich erst nach dem Mord von Sarajewo am 28. Juni, zumindest den Memoiren von Anthroposophinnen zufolge, Steiners Wahrnehmung der prekär gewordenen Situation53. Vom Kriegsbeginn wurde Steiner überrascht. Zwar suggerierte er nach Ausbruch der Kämpfe immer wieder, er habe den Krieg »lange voraussehen können«, etwa am 13. September (GA 174a,12)54, doch dies waren vaticinia ex eventu und nachträgliche Legitimationen seiner »hellseherischen« Fähigkeiten. Denn es mußte für einen »Hellseher« peinlich scheinen, den Jahrhundertkrieg nicht vorhergesehen zu haben. Aber am 13. September 1914 gestand er offen, daß der Krieg für ihn »überraschend ... hereingebrochen« sei (ebd.)55. Und Steiner rechnete, wie wohl die meisten, mit einem relativ baldigen Kriegsende. »Im Jahr 1916 werde der Krieg im wesentlichen abgeschlossen sein«, gibt Rittelmeyer eine Einschätzung Steiners »aus den Anfangszeiten des Krieges« wieder". Der Tag des Kriegsausbruchs traf Steiner mitten in unpolitischen Tätigkeiten: Zum einen saß er an der Überarbeitung seiner 1900/ 1901 publizierten »Weltund Lebensanschauungen im neunzehnten Jahrhundert«, die er gerade in diesen Tagen in theosophischer Neuinterpretation veröffentlichte und deren zweiter Band »bis Seite 206« gedruckt war, »als der Krieg ausbrach« (GA 174a,14). Von nachgerade symbolischer Koinzidenz zwischen Steiners Politikferne und der Realpolitik war aber sein Aufenthaltsort bei Kriegsausbruch: Er reiste am ersten August nach Bayreuth auf dem Grünen Hügel, wo er auch Eliza von Moltke, die Frau des deutschen Generalstabschefs, getroffen haben dürfte57. Auf dem Nürnberger Bahnhof, berichtete Marie von Sivers, machte der mit Soldaten gefüllte Bahnhof klar, daß die Mobilmachung im Gange war. Gleichwohl besuchte man am Abend Wagners »Bühnenweihfestspiel« Parsifal, um sich aber noch in der Nacht in einem »großen offenen Auto«, das Steiners Gastgeberin Helene Röchling beschafft hatte, nach Dornach abzusetzen58. Damit war Steiner zwar aus einem kriegführenden Land entwichen, zugleich aber in Frontnähe geraten, denn in Dornach war »der Widerhall der Kanonen, die in unmittelbarer Nähe auf den Elsäßer Schlachtfeldern donnerten« (GA 174a,15), zu hören. 52

Ebd., 350; ders.: Steiner (Biographie), I, 548. Boos-Hamburger: Aus Gesprächen mit Rudolf Steiner, 7, schreibt: »Ungeheurer Schrecken und Trauer lagen in den weit geöffneten Augen, als er die Wort aussprach: >Nun ist die Katastrophe hereingebrochen!Obrigkeit< durch undurchdringliche Schleier verhüllt worden sind« (ebd., 389). Von der Verlagerung der Schuld auf die Militärs, die mit der besonders von alliierter Seite vertretenen These vom deutschen Militarismus als Grund für den Ausbruch des Krieges korrespondierte105 nahm er allerdings Moltke aus, dessen militärische Entscheidungen einschließlich der Ausführung des Schlieffenplans Steiner zu verteidigen nicht aufhörte (ebd., 402).

102 Rittelmeyer: Meine Lebensbegegnung, 109. 103 Gegenüber Rittelmeyer (ebd., 107) habe Steiner sich kritisch über den Schlieffenplan geäußert. Aber noch 1921 hat er, allerdings in einem apologetischen Artikel zu seinen eigenen Äußerungen über den Krieg, zumindest Moltkes Durchführung dieses Schlachtplans verteidigt (GA 24,409). '°n Über Wilson hat sich Steiner in einer Vielzahl von Äußerungen negativ ausgelassen. Bereits am 27. Oktober 1917 kritisierte er seine »Weltschulmeisterei«; zu seinen Plänen hätten »Geister der Finsternis« die Zustimmung hervorgerufen (GA 177,226). Nach dem Ende seiner politischen Tätigkeit hat Steiner Wilson mit pejorativen Reinkarnationsfiliationen stigmatisiert. 1924 sah er Wilson als Reinkarnation von Muavija (um 605 bis 680), dem Kalifen und Begründer der Omajaden-Dynastie, der - und hier liegt für Steiner wohl der Vergleichspunkt zu Wilson (GA 235,180) - die Expansion des Islam betrieb. Muawija sei in Wilson mit seiner »abstrakt-stierhaften Art der Vierzehn Punkte« reinkarniert (GA 235,181), Wilson besitze auch den »schon bei Muavija ausgebildeten Fatalismus« (ebd.; GA 239,67); vgl. auch GA 240,7. 1°5 Zum Militarismus als Feindbildstereotyp Ungern-Sternberg: Wie gibt man dem Sinnlosen einen Sinn?, 88-91.

14.3 Die Politisierung Steiners im Ersten Weltkrieg

1267

Aber selbst die vorsichtigen Annäherungen an eine deutsche (Mit-)Schuld blieben eine Episode der revolutionären Tage nach Kriegsende. In späteren Äußerungen hat er das explizite Schuldanerkenntnis wieder zur Disposition gestellt, etwa 1921: »Es ist ... meine Ansicht, daß die Erörterungen über die >Schuld< am Kriege in einer ganz falschen Bahn sich bewegen. Man kann gar nicht in der Art von >Schuld< sprechen, wie man es tut. Tragik liegt vor. Und durch eine tragische Situation ist der Krieg entstanden.« (ebd., 407)

Nach Kriegsende hat Steiner nicht nur veränderte Bewertungen, sondern auch Wissensmängel offenbart. Dabei geht es - wie in vielen populären Diskussionen zur Kriegsschuldfrage - fast immer um mikroskopische Details, an denen sich wie in einem Brennglas komplexe Probleme in einem Punkt verdichten sollten. So werden modifizierte Ansichten etwa bei der Beurteilung von Greys Verhalten in der Julikrise des Jahres 1914 deutlich. Am 1. Januar 1917 hatte Steiner behauptet (gegen die Auffassung des sozialdemokratischen Abgeordneten Eduard David106), daß die Mittelmächte auf Greys Vorschlag eingegangen seien, Serbien zu bestrafen, aber nicht seine Souveränität anzutasten (so jedenfalls kann man Steiners Äußerungen rekonstruieren), der russische Außenminister Sasonov hingegen nicht (GA 1741,26). Man könne »nachweisen, daß der Grey seinem Botschafter nach Petersburg telegraphierte, dies dem Sasonow vorgelegt worden ist, aber nicht berücksichtigt worden ist« (ebd.). Im April 1919, nach der Lektüre von Kurt Eisners Broschüre »Unterdrücktes aus dem Weltkrieg«, liest sich dieser Vorgang bei Steiner völlig anders: »Das heißt, jenes Telegramm ist überhaupt nicht vorhanden. Dieses Telegramm ist das reinste Gespenst« (GA 190,112). Dies kann man als faktische Revision lesen'". Daß Eisners Veröffentlichung ihrerseits aus politischen Gründen manipuliert worden war, hat er offenbar schon nicht mehr registriert, jedenfalls nicht öffentlich geäußert. Diese Metakritik wurde zwar bereits 1922 publiziert108, doch zu diesem Zeitpunkt hatte Steiner seine Auseinandersetzung mit diesen politischen Fragen wieder eingestellt (s. u.). Mit der Masse an neuen Informationen in den Jahren 1918 / 19 sind Steiner allerdings auch eigene Fehleinschätzungen teilweise so deutlich vor Augen getreten, daß er sich mehrfach in ungewohnter Offenheit zur Korrektur genötigt sah. Die freimütigste Richtigstellung findet sich am Tag nach der Revolution, am 10. November 1918. Steiner revidierte Äußerungen aus seiner Schrift »Gedanken während der Zeit des Krieges« (s. u. 14.3.2a): »Ich schrecke auch nicht davor zurück, ruhig zu bekennen, daß ich nicht gleich nach der Marneschlacht durchschaut habe, ... daß wirklich damit dasjenige herbeigeführt

David: J'accuse. Möglicherweise meinte Steiner, daß Greys Telegramm in seiner ersten Fassung nicht von Grey, sondern vom russischen Außenminister Sasonow stamme; Steiner bezieht sich auf Kurt Eisner: Unterdrücktes aus dem Weltkrieg, München u. a. 1919, 32f. (vgl. GA 174,301). Lindenberg: Rudolf Steiner und die geistige Aufgabe Deutschlands, 895, liest aus dieser Stelle, daß Steiner seine Position revidiert habe. Demgegenüber vertreten Kivelitz u. a.: Rudolf Steiners Haltung im Ersten Weltkrieg, 132, die Auffassung, es handle sich bei dem zweiten Telegramm um eine »bloße Fiktion«. 108 Bayerische Dokumente zum Kriegsausbruch, hg. v. P. Dirr. 106 07

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14. Politik

werden mußte, was nun herbeigeführt worden ist [die deutsche Niederlage]. Ich habe es erst durchschaut in einem späteren Zeitpunkte, in demjenigen Zeitpunkte, in dem ich dann versuchte, das oder jenes zu tun, um den Ereignissen diese oder jene Richtung zu geben [mit den »Memoranden«?]. Ich muß sagen, ich schrecke nicht zurück, dieses zu bekennen, daß es mir erst später klar geworden ist. Denn es war überhaupt nicht leicht, historisch und wahrheitsgemäß und zu gleicher Zeit so, daß das Betreffende richtig im betreffenden Zeitpunkt getan wurde innerhalb dieser katastrophalen Zeit, sich zu verhalten.« (GA 185a,46) Wegen der Fehleinschätzung der »Situation infolge der Marne-Niederlage« habe er sich spätestens 1918, vielleicht aber, wenn man seinen Aussagen folgen darf, schon früher, »mit Händen und Füßen gesträubt, jemals eine weitere Auflage dieses Büchelchens erscheinen zu lassen, trotzdem es mir selbstverständlich nicht nur nahegelegt wurde, sondern ja auch der Anreiz gut vorhanden war« (ebd.). Die rassentheoretischen und völkerpsychologischen Implikate wurden ihm offenkundlich nicht zum Problem (vgl. ebd.). Hier sah er auch nach dem Krieg keinen Revisionsbedarf109 Nachdem sich Steiner in den ersten Nachkriegsjahren intensiv mit den Kriegsursachen und Kriegsfolgefragen beschäftigt hatte"°, stellte er seit etwa 1922 seine Beschäftigung mit diesen Fragen ein"'. Dies hing vermutlich stark mit dem weitgehenden Scheitern der Dreigliederungsbewegung zusammen, aber speziell

ov

Kivelitz u. a.: Rudolf Steiners Haltung im Ersten Weltkrieg, 136-140, vertreten gegenüber Lindenberg: Rudolf Steiner und die geistige Aufgabe Deutschlands, denn auch die Position, Steiner habe sich von dieser Schrift nicht distanziert, sondern nur auf eine Zeit gewartet, bis man sie verstehen werde. 10 Zu Steiners retrospektiver Beschäftigung mit dem Krieg nur drei Beispiele. Am 28. Oktober 1919 erwartete Steiner von den bald erscheinenden Erinnerungen »Im Weltkriege« des österreichischen Außenministers (1916 bis April 1918) Ottokar Czernin (1872-1932) »außerordentlich interessante« Einsichten (GA 332a,138). Steiner setzte das baldige Erscheinen von Czernins Memoiren im vorliegen Stenogramm-Klartext eindeutig voraus, zitierte aber dann überraschenderweise schon daraus. Eine intensivere Lektüre von Czernins Erinnerungen läßt sich erst für den Februar 1920 nachweisen, als Steiner sie kritisch rezensierte (GA 24,137-143), weil er Czernins Skepsis gegenüber Weltanschauungen - »alles Geistige sei >IdeologieSelbstbestim-

Polzer-Hoditz: Kaiser Karl, 534; die Denkschrift lag nicht vor. Ebd., 535 (Zit.) und 536 (fehlende Reaktion Seidlers). 195 Härter: Die Sekretäre des Auswärtigen Amtes, 226-228. Zum Verständigungspolitiker auch Schöllgen: Richard von Kühlmann, 293-298. 196 Vgl. Härter ebd., 226, und Schubert: Johann Heinrich Graf von Bernstorff, 141. 197 Goetz: Die Erinnerungen des Staatssekretärs Richard von Kühlmann, 39f. 98 Härter: Die Sekretäre des Auswärtigen Amtes im Ersten Weltkrieg, 238-241. 199 Datierung nach Lindenberg: Steiner (Biographie), II, 626, der eine Zeit zwischen dem 1. August und dem 25. September annimmt, 1988 allerdings noch einen Zeitraum »Ende Juli oder August« vermutete (ders.: Steiner [Chronik], 386). 200 Härter: Die Sekretäre des Auswärtigen Amtes im Ersten Weltkrieg, 239. 93

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14. Politik

mungsrechtes der Völker< große Bedeutung erlangen würde«201 - diese Position war Steiners Wilson-Kritik diametral entgegengesetzt. Den unsicheren Nachrichten, daß Kühlmann ein »Memorandum« Steiners während der Verhandlungen in Brest-Litowsk bei sich gehabt habe202, wird man deshalb, wenn sie wirklich zutrifft, keine große Bedeutung beimessen dürfen; in Kühlmanns Erinnerungen spielt Steiner denn auch keine Rolle203 Anerkennung erhielt Steiner immerhin in Österreich, wo er als auszeichnungswürdiger Patriot galt, andernfalls hätte der österreichische Kaiser Steiner im Sommer 1917 kaum das »Kriegskreuz für Zivilverdienste« verliehen, wie Steiner am 1. September 1917 seinen Eltern in einem Brief berichtete204. Die Gründe sind bislang unbekannt. In der anthroposophischen Literatur wird die Ablehnung, auf die Steiner stieß, als Unverständnis der Politiker, nachgerade als Unfähigkeit diskreditiert: Die »Herren ließen sich entschuldigen«, resümiert Lindenberg ironisierend die Versuche, das erste »Memorandum« zu vermitteln205. Daß die Mängel und Naivitäten von Steiners »Memoranden« sowie inhaltliche Konflikte mit den als Vermittlern ausersehenen Personen eine entscheidende Rolle gespielt haben könnten, wird hingegen nicht erwogen. Die Debatte, in welchem Ausmaß Wilsons Selbstbestimmungsvorstellungen in multiethnischen Gesellschaften mit einem nationalstaatlichen Rahmen realisierbar waren respektive welchen Preis sie forderten, wird nicht geführt. Der kritischen Frage an Steiner, wieweit die »Memoranden« dem Problemlösungshorizont der Vorkriegszeit verhaftet waren und der veränderten politischen Konstellation der letzten Kriegsjahre Rechnung trugen, wäre nicht auszuweichen gewesen. c. Begegnung mit Max von Baden (Januar 1918) Ende Januar 1918 traf Steiner mit Prinz Max von Baden zusammen206, der im Oktober 1918 als Letzter das Amt des Reichskanzlers im Wilhelminischen Deutschland übernahm und seit 1917 als künftige politische Größe gehandelt wurde207. 201 Ebd., 239. 2°2 So Leinhas: Aus der Arbeit mit Rudolf Steiner, 31. An der Zuverlässigkeit vieler Äußerungen Leinhas' bestehen allerdings Zweifel, vgl. Anm. 208 und 210. In GA 337b,287 heißt es im Kommentar gar, Kuhlmann habe ein Memorandum »durchstudiert und mitgenommen« (nach Brest-Litowsk). Möglicherweise hatte von Haeften Steiner gesagt, Kuhlmann habe dort sein »Elaborat in der Tasche« gehabt (GA 174b,378). 203 Kuhlmann: Erinnerungen. 2°4 Nach Lindenberg: Steiner (Chronik), 386. 205 Ders.: Steiner (Biographie), II, 622. 206 Datierung zwischen den 24. und 29. Januar 1918 bei Lindenberg: Steiner (Chronik), 392. Ein Mitarbeiter Steiners, Hans Kühn, hatte das Treffen offenbar vorbereitet, er war am 7. Januar 1918 von Max von Baden empfangen worden (Kühn: Dreigliederungszeit, 18). Diese Vorbereitung bestreitet Lindenberg: Fehler, Erfindungen und Fälschungen, 266. Zugleich oder im Anschluß daran muß es im Januar zu Kontakten mit Hans von Haeften (s. o. 14.3.2a) gekommen sein, die ebenfalls Steiners Besuch bei Max von Baden vorbereiteten; vgl. Lindenberg: Steiner (Biographie), 627 f. Nach Leinhas: Aus der Arbeit mit Rudolf Steiner, 31, soll Steiners Frau an dem Gespräch teilgenommen haben, wovon andere anthroposophische Quellen jedoch nichts berichten. 207 Da Prinz Max an spirituellen Fragen ein großes Interesse zeigte, etwa mit Johannes Müller (Elmau) enge Kontakte pflegte, liegt die Begegnung mit Steiner nicht fern.

14.3 Die Politisierung Steiners im Ersten Weltkrieg

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Über die Inhalte dieses Gesprächs liegen nur Aussagen Steiners vor. Im November 1918 berichtete Steiner, er habe von Baden seine »Ideen«, wie das Zusammenleben der Menschen zu »gliedern« sei, vorgetragen, und sich anerboten, »sie in entsprechender Weise umzuarbeiten« (GA 185a,216). Über diesen Text kann man nur spekulieren. Möglicherweise handelte es sich bei den »Ideen« um (einem Teil?) der »Memoranden«, die er mit ersten Vorstellungen zur Gliederung der Gesellschaft, wie sie sich im November 1917 finden, »umgearbeitet« haben könnte. Doch vielleicht handelte es sich auch um einen andern Text. 1921 jedenfalls sprach Steiner von ganz anderen Inhalten. Man habe über Volksseelen gesprochen, und von Baden habe bedauert, daß es keine öffentliche Debatte über die »Seelenkunde der Völker«, so Steiner, gebe (GA 209,14). Steiner habe ihm ein oder zwei Wochen später seinen Vortragszyklus »Die Mission einzelner Volksseelen« (heute GA 121) mit einer eigenen Vorrede übergeben208. Max von Baden aber hielt diese Begegnung aber offenbar für wenig relevant, er hat sie in seinen Lebenserinnerungen nicht erwähnt209. Angesichts der außerordentlich sorgfältigen Erstellung der Memoiren durch Max von Baden210 ist dies ein beredtes Schweigen. d. Kurzer Rückblick: Wege von der Esoterik in die Politik Als der Krieg - für Steiner unerwartet - ausbrach, setzte er auf Kontinuität. Esoterische Themen blieben dominant, fanden allerdings neue Anwendungsfelder: der Krieg als »okkultes« Phänomen, Völkerstereotypen im Kontext der theosophischen Rassentheorie, der Trost für die Daheimgebliebenen und die Angehörigen der Gefallenen in der Reinkarnationslehre. In der Mitte des Krieges unternahm er dann tastende Versuche politischer Aktivitäten, als er sich anerbot, für die Mittelmächte propagandistisch tätig zu werden. Aber erst das VierzehnPunkte-Programm Wilsons, das den Status quo der Habsburgermonarchie zur Disposition stellte, führte Steiner im Sommer 1917 in die politische Praxis. Mit seinen Mitteleuropa-Vorstellungen, die dem Diskussionskontext um Friedrich Naumanns Mitteleuropa-Programm aus dem Jahr 1915 entstammen, trat er an Mitglieder der politischen Führungsschicht heran (Graf Bernstorff, deutscher Botschafter in Washington, von Kühlmann, Staatssekretär des Auswärtigen Amtes oder Polzer-Hoditz, Kabinettsdirektor des österreichischen Kaisers Karl), zu denen er über seine theosophische Klientel Zugang erhielt. Erfolge hatte Steiner nicht, aber schon diese Bemühungen unterschieden ihn, soweit unser Wissen augenblicklich reicht, von allen anderen Theosophen in Deutschland. Der Einstieg

208 Leinhas: Aus der Arbeit mit Rudolf Steiner, 32, berichtet von einem »überarbeiteten« Zyklus, was angesichts von Steiners Zeitbudget und fehlender Bestätigung von anderen anthroposophischen Quellen nicht tiefgreifend gewesen sein dürfte. 209 Lindenberg: Steiner (Biographie), 630, sieht in Max von Badens Forderung, gegen »Wilsons und Trotzkis« »östliche und westliche Phrasen ein eigenes durchdachtes Programm europäischer Neuordnung gegenüber[zu]stellen« (so Max von Baden: Erinnerungen und Dokumente, 210), einen potentiellen Verweis auf Steiner. Aber dieser Hinweis ist vage und Programme eines »dritten Weges« waren damals so geläufig, daß Max sie aus vielen anderen Quellen entnommen haben könnte. 210 Zur Erstellung der Erinnerungen Max von Baden, ebd., 61-64; Die Regierung des Prinzen Max von Baden, bearb. v. E. Matthias / R. Morsey, S. LIII-LVII.

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14. Politik

in die Politisierung der deutschen Theosophie erfolgte gleichwohl Jahrzehnte später als in anderen Landessektionen. Die Anstöße kamen in doppelter Weise von außen: von den politischen Ereignissen außerhalb der Adyar-Theosophie und außerhalb Deutschlands. Die Politisierung von Steiners Theosophie erfolgte reaktiv, nicht durch innertheosophische Impulse. Eine breitere Basis unter den Mitgliedern erhielten politische Fragen aber erst durch die Revolution 1918, die auch Steiner den Weg in die Politik und in die Felder der »Anwendungsanthroposophie« bahnte.

14.4 Die Genese der Dreigliederung Eine befriedigende, historisch-kritische Kontextualisierung von Steiners Dreigliederungsvorstellung fehlt. Eine ideengeschichtliche Herleitung ist nach zwei methodischen Prämissen möglich, als homologe oder analoge Traditionskonstruktion. Ilas Körner-Wellershaus hat Steiner mit einem homologen, religionsgeschichtlichen Ansatz in den Kontext indo-europäischer »trinitarischer Ordnungen« gestellt211 und etwa die platonische Dreiteilung (die Steiner selbst allerdings für unzutreffend hielt [GA 328,133]) oder den mittelalterlichen ordo trinitatis als geistesgeschichtliche Vorläufer Steiners gelesen212; ähnlich argumentiert der Anthroposoph Christoph Lindenberg213. Derartige strukturelle Ähnlichkeiten indizieren die kulturelle Prägekraft arithmetischer Ordnungsmuster, belegen aber keinen genetischen Zusammenhang. Zudem minimieren homologe Rekonstruktionen tendenziell die Bedeutung zeitgenössischer Abhängigkeiten Steiners. Bei Lindenberg tritt diese Konsequenz ausgeprägt zu Tage: Er nennt zwar allgemeinpolitische Kontexte, konkrete Abhängigkeiten Steiners jedoch kaum. Ich vertrete demgegenüber die These, daß sich die Dreigliederung keinem transhistorischen Strukturprinzip verdankt, sondern in tagespolitischen Debatten zwischen 1917 und 1919 entstand und nur sekundär und analogisierend an historische Dreiteilungen angebunden wurde.

21` Körner-Wellershaus: Sozialer Heilsweg Anthroposophie, 492, Zit. 484. Körner-Wellershaus hat jedoch auch Steiners Abhängigkeiten von zeitgenössischen Vorstellungen herausgearbeitet. Homologe Konstruktionen sind unter Anthroposophen verbreitet, vgl. etwa Kloss: Selbstverwaltung und die Dreigliederung, 11f. 212 Die Nähe zu ständestaatlichen Konzepten, wo ebenfalls gesellschaftliche Gruppen nach Funktionen zusammengefaßt und gerne in einem dreiteiligen Aufbau gegliedert werden, ist evident. Bis in die Hierarchisierung liegen die Analogien offen zu Tage, aus der Geburtsaristokratie etwa ist bei Steiner die Geistesaristokratie geworden. Steiner hat bei neu gezogenen Funktionsgrenzen in der Struktur wenig geändert. Der Zusammenhang der klassischen ständischen Ordnung mit Steiners Vorstellungen ist aber völlig unklar, möglicherweise handelt es sich nur um strukturelle Analogien. Der Rekurs auf ständestaatliche Konzepte war allerdings unter Steiners Zeitgenossen nicht selten; vgl. Gauter: Gemeinwohl durch gesellschaftliche Differenzierung?, 90-97. 213 Lindenberg: Steiner (Biographie), 588-631, sieht eine durchgängige (und damit strukturell homologe) Anwendung dreigliedriger Vorstellungen von der Physiologie bis zur Gesellschaftstheorie und eine »unermeßliche Wegstrecke ..., die Rudolf Steiner auf seinen Forschungswegen gegangen sein muß« (ebd., 613).

14.4 Die Genese der Dreigliederung

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14.4.1 Die Wurzeln in den Anti-Wilson-»Memoranden« (Juli 1917) Der Ausgangspunkt von Steiners Dreigliederungskonzept liegt meines Erachtens in der Gesellschaftsordnung des Habsburgerreiches. Dieser Befund ist in anthroposophischen Kreisen praktisch unbekannt214. Der erste Beleg einer triadischen sozialen Ordnung findet sich in Steiners »Memoranden« zur Abwehr der Wilsonschen Vorstellung einer Neuordnung Europas. Alternativ zum Selbstbestimmungsrecht der Völker forderte er einen »gesunden Konservativismus im Sinne der Erhaltung und des Ausbaues der historisch gewordenen Staatsgebilde« (GA 24,370), mit anderen Worten die Erhaltung und Erweiterung des Status quo, also drei großer Reiche (Deutschland, Österreich-Ungarn und Rußland), in denen kleinere Völker (etwa Polen, Tschechen, Ruthenen, Ungarn) nur relative Selbständigkeit, wohl eine substaatliche Autonomie, behalten sollten. Angesichts der Schwierigkeiten, in multiethnischen Gebieten die Selbstbestimmung von Volksgruppen über Mehrheitsentscheidungen herzustellen, formulierte Steiner folgende Alternative (Hervorhebungen HZ): »Der Mensch muß sich zu einem Volke, zu einer Religionsgemeinschaft, zu jedem Zusammenhang, der sich aus seinen allgemein-menschlichen Aspirationen ergibt, bekennen können, ohne daß er in diesem Bekenntnisse von seinem politischen oder wirtschaftlichen Zusammenhange durch die Staatsstruktur abgehalten wird. ... Eine parlamentarische Gestaltung dieser Staaten mag aus Gründen der Zeitentwickelung und des Völkerempfindens heute als notwendig angesehen werden. Mit den Fragen, die angesichts dieser Kriegswirren jetzt in die Weltöffentlichkeit geworfen werden müssen, hat nur die charakterisierte Dreigliedrigkeit der Staatsstruktur zu schaffen. Die bloße Frage nach dem Parlamentarismus ändert an den Verhältnissen, die in das gegenwärtige Chaos geführt haben, nichts.... Für Mitteleuropa gilt, auch wenn Parlamentarismus herrschen soll, ein solcher, in dem die politischen, die wirtschaftlichen und die allgemeinmenschlichen Verhältnisse unabhängig voneinander in Gesetzgebung und Verwaltung sich entfalten, und so sich gegenseitig stützen, statt sich in ihren Wirkungen nach außen zu verstricken und in Konfliktsstoffen [sic] sich zu entladen.« (GA 24,371 f.) In der Unabhängigkeit der politischen, wirtschaftlichen und »allgemein-menschlichen« Verhältnisse legte Steiner ein Alternativprogramm vor, in dem man den strukturellen Nukleus der späteren Dreigliederung sehen kann215 214 Angedeutet etwa bei dems.: Der geschichtliche Ort der Dreigliederungsinitiativen, 642 f. Hinter Lindenbergs zurückhaltender Rückführung der Dreigliederung auf die Memoranden steckt insofern ein wahrer Kern, als noch im Januar 1919 die Memoranden vor allem als Dokument für den Beleg der deutschen Unschuld am Krieg verwendet wurden. Verschleierungen der Genese durch Steiner sind eher selten, etwa als Herleitung aus der »Volksseelenkunde« (ebd., 642) oder als »spezifisch deutsch-nationale Form« (in: Helmuth von Moltke 1848-1916, hg. v. Th. Meyer, 412). Steiner als Erben Humboldts in der Zurückdrängung der Staatstätigkeit zu verstehen (Ibing: Neuorientierung des Staatsbewußtseins, ähnlich Luttermann: Dreigliederung, 384), scheitert in Ermangelung nachweisbarer Bezüge. Polzer-Hoditz: Kaiser Karl, 504, sah als mit den habsburgischen Verhältnissen vertrauter Politiker die Verbindung der Memoranden zur Dreigliederung zumindest ex post, er behandelte sie in seinen Memoiren unter der Überschrift »Dreigliederung des sozialen Organismus«. 2(5 Mehr als ein struktureller Nukleus war dies nicht, denn noch in den Memoranden präsentierte Steiner weitere Dreiteilungen, indem er »politisch-militärische, wirtschaftliche und juristisch-pädagogische Angelegenheiten« trennen wollte (GA 24,354). Wenig später heißt es, die »wirkliche Frei-

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14. Politik

Die nähere Interpretation dieser Passage bedarf eines kurzen Exkurses in die habsburgische Nationalitätenpolitik216, die Steiner in seiner Jugend im Grenzgebiet zu Ungarn praktisch und in den Wiener Jahren auch konzeptionell kennengelernt hatte. Die politische Bearbeitung der multiethnischen Situation (elf große Nationalitäten, deren stärkste Gruppen die Deutschen, Ungarn, Tschechen, Slowaken, Polen, Serben und Kroaten bildeten) hatte 1867, also in Steiners Kindheit, zu einer föderalen Trennung der beiden Reichshälften Österreich und Ungarn geführt, wobei vielen Ungarn diese Trennung nicht weit genug ging, die Jungtschechen zumindest den ungarischen Status zu erreichen suchten und die Deutschen durchweg den Verlust ihrer Vorrangstellung fürchteten. Die in den folgenden Jahrzehnten verschärften ethnischen Spannungen fanden ihren politischen Fokus in der Sprachenfrage, deren Lösung der in Böhmen geborene Ministerpräsident Eduard Graf Taaffe in Böhmen und Mähren exemplarisch suchte. Er war 1879 an die Regierung gekommen, also im dem Jahr, als Steiner sein Studium in Wien aufnahm, und trat erst 1893, drei Jahre, nachdem Steiner von Wien nach Weimar verzogen war, ab. 1880 wies Taaffe an, Amtshandlungen in der Sprache der Eingabe zu abzuwickeln. Diese faktische Anerkennung des Tschechischen als Amtssprache schürte allerdings die Angst der deutschen Minderheit vor dem Verlust ihrer hegemonialen Stellung in der Staatsverwaltung. In der Eskalation der Nationalisierung scheiterte Taaffes Sprachenausgleich. In diese Phase fallen Steiners interessierteste politische Jahre. Die Minderheitenthematik hat er in der »Deutschen Wochenschrift« regelmäßig behandelt und Taaffe als »nicht unbedeutenden« Politiker bewertet, wenngleich er die deutschen Interessen bei ihm nicht ausreichend vertreten sah (GA 31,119); schon 1897 war das Lob für Taaffe verschwunden (ebd., 216), 1923 war nur Kritik an der in Steiners Augen deutschfeindlichen Politik Taaffes übriggeblieben (GA 28,65). Taaffes Nachfolger, der Pole Kasimir Graf Badeni, dekretierte 1897 eine Sprachenverordnung, die in Böhmen und Mähren Zweisprachigkeit im Amtsverkehr zur Pflicht machte. In einsprachigen Gebieten kamen dadurch Überfremdungsängste auf, außerdem fürchteten die Deutschen eine Majorisierung durch die Tschechen. Nach der bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen mußte Badeni 1897 zurücktreten; seine Sprachenverordnung wurde bis 1899 sukzessive zurückgenommen. Steiner hat diese Entwicklung auch nach seinem Umzug nach Weimar verfolgt und Badeni 1897 wegen seiner vermeintlich deutschkritischen Haltung scharf kritisiert. Steiner hoffte auf den Tag, der »den Deutschen Österreichs wieder die ihrer Kulturstellung entsprechende Macht bringen« werheit der Menschen« im Gegensatz zur »schimärischen Kollektivfreiheit« (ebd., 354f.) ergebe sich nur »durch Ablösung aller nicht zum rein politischen, militärischen und wirtschaftlichen Leben gehörigen Lebenskreise« (ebd., 355). Diese Passage gehört offenbar einer »Erläuterung« an, die aber nur in dem von Roman Boos herausgegeben Sammelband (Rudolf Steiner während des Weltkrieges, 72) als solche gekennzeichnet ist. Anthroposophen tendieren teilweise zu einer weiten Rückverlagerung des ersten Auftretens der Dreigliederungsidee und können etwa in dem Text »Ein freier Blick in die Gegenwart« aus dem Jahr 1884 (GA 30,232-237) den »Keim« der Dreigliederung entdecken, so Brüll: Der anthroposophische Sozialimpuls, 269. Aber dies ist nur als Rückprojektion mit spekulativer Überlast möglich. 216 Dazu Stourzh: Die Gleichberechtigung der Volksstämme; Kann: Zur Problematik der Nationalitätenfrage; Rumpler: Eine Chance für Mitteleuropa.

14.4 Die Genese der Dreigliederung

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de (GA 31,216). In der Amtszeit Ernst Koerbers (1850-1919) kam es 1905 zum »Mährischen Ausgleich«. Darin durften die Gemeinden ihre Geschäftssprache frei wählen, mußten aber, wenn mehr als 20 Prozent einer Gemeinde einer anderen Nationalität zugehörten, den Vorgang in deren Sprache bearbeiten, bei geringeren Quoten wurde der Schriftverkehr kostenlos übersetzt; zudem sollten die Wahlen in die Kurien nach nationalen Katastern stattfinden. Mit dem Mährischen Ausgleich war eine »Personalautonomie« bei der Bestimmung der Volksgruppenzugehörigkeit verbunden, die in einem komplexen Verfahren die behördliche Bestimmung der Nationalität und das Recht auf eigenen Wechsel der Volksgruppe oder des Ausschlusses durch eine Ethnie regelte. Dieses Verfahren wurde Gegenstand langwieriger Auseinandersetzungen um die Ausführungspraxis, diente aber gleichwohl als Vorbild für eine vergleichbare Regelung in der viersprachigen Bukowina im Jahr 1910 und für eine Vereinbarung in Galizien zwischen Ruthenen und Polen 1914; seit 1913 liefen auch Ausgleichsverhandlungen in Böhmen. Diese Phase kurz vor Kriegsausbruch hat Steiner offenbar nicht wahrgenommen. Steiners oben zitierter Vorschlag aus den Memoranden für eine ethnische und religionsrechtliche Selbstbestimmung, in der aber offenbar »politische« und »wirtschaftliche« Regelungsinstanzen oberhalb der Volksgruppen verbleiben, hat die nächsten Ähnlichkeiten mit den 1905 umgesetzten Regelungen des Mährischen Ausgleichs. Sein Konzept der Unabhängigkeit der »allgemein-menschlichen Verhältnisse« (GA 24,372), zu der man seine Erläuterung, daß »alle juristischen, pädagogischen und geistigen Angelegenheiten ... in die Freiheit der Person gegeben [werden]« (ebd., 352), hinzuziehen kann, ist strukturell mit der »Personalautonomie« des Mährischen Ausgleichs identisch. Die von Steiner vorgeschlagene Unabhängigkeit des Wirtschaftsbereichs könnte auch aus dem Fundus der habsburgischen Politik stammen, aber dies ist längst nicht klar. Ihr Kontext ist aber sicher sein Kontrastprogramm gegen die in Wilson personifizierte Politik des »Anglo-Amerikanismus«, Europa »in wirtschaftliche Abhängigkeit« zu bringen (GA 24,365)Z". Und Steiner nannte zumindest für die Vorstellung eines neben der allgemeinen Volksvertretung existierenden »besonderen Wirtschaftsparlaments« eine andere zeitnahe Quelle, Ernst Kriecks »Deutsche Staatsidee« von 1917 (ebd., 355). Der Pädagoge Krieck (1882-1947), der später als überzeugter Nationalsozialist Rektor an den Universitäten Frankfurt am Main (1933) und Heidelberg (1937 / 38) war, hatte allerdings ein Wirtschaftsparlament wegen der organisatorischen Aufwendigkeit und der unabgrenzbaren Zuständigkeitsfragen abgelehnt218, während seine Einrichtung sich für Steiner »aus den wirklichen Verhältnissen der Entwicklung« ergab (GA 24,355). Auch Steiners Antiparlamentarismus findet in der habsburgischen Perspektive eine Begründung, nämlich das labile Vielvölkergefüge des Habsburgerreichs nicht von innen durch eine übermäßige Parlamentarisierung zu erschüttern. Steiners Polemiken gegenüber Wilson sind Legion, s. o. Anm. 106. Krieck: Die deutsche Staatsidee (Vorwort Januar 1917), 167f. Krieck verwies wiederum auf Eduard von Hartmann. 217

218

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14.4.2 Die Ausgestaltung der Dreigliederung während der revolutionären Monate in Deutschland (November 1918 bis Februar 1919) a. Die revolutionären Monate der Weimarer Republik als Kontext der Dreigliederung Steiners außenpolitische Interventionen in den Memoranden ließen nicht erkennen, daß er damit eine prinzipielle Entscheidung zu einem politischen Engagement verbunden hätte. So blieb denn auch bis zum Kriegsende die esoterische Weltanschauungsvermittlung Steiners Kerngeschäft219. Seine politischen Aktivitäten begannen erst wieder in der Phase der revolutionären Umgestaltung der deutschen Politik nach dem Ersten Weltkrieg: Hierher stammen die Impulse für die Ausformulierung der Dreigliederung, hier wurden die Themen gestellt, an denen auch Steiner sich abzuarbeiten hatte. Dieser Rahmen ist in der anthroposophischen Literatur bekannt'", wird allerdings weitestgehend ohne Rekurs auf die historische Forschung geführt und in seiner konstitutiven Bedeutung nicht ausreichend gewürdigt. Die chronologische Analyse im Rahmen der revolutionären Entwicklung ermöglicht es, den Transformationsprozeß zur schlußendlich kanonisierten Dreigliederung von einer Konzeption für das Habsburgerreich in eine Konzeption für Deutschland nachzuzeichnen und Steiners Vorstellungen zu kontextualisieren. Die Revolution brachte 1918, entgegen der Absichten der meisten Revolutionäre und zu ihrer Überraschung, am 9. November das undramatische Ende der Monarchie in Deutschland. Der Thronverzicht der Hohenzollern und die Ausrufung der Republik waren das Ergebnis einer weitgehend friedlichen Revolution, in der sich mit dem Rat der Volksbeauftragten und dem Vollzugsrat der Arbeiter- und Soldatenräte schon am darauf folgenden Tag eine doppelte Regierungsstruktur etablierte. Die Sicherung der staatlichen Ordnung und die Aufrechterhaltung der Ernährung, vielleicht die brennendsten der vielen Probleme, gelang, die Arbeiter- und Soldatenräte erwiesen sich nicht als Zellen eines bolschewistischen Umsturzes, und die Reichswehr ordnete sich vorerst grosso modo der neuen Regierung unter. Steiner war an all diesen Prozessen in tagesüblichem Maß interessiert, politische Aktivitäten fehlen, die Revolution war für ihn ein blasses Thema. Er realisierte in einem Vortrag am 9. November zwar, »daß in diesem Augenblicke mancherlei bedeutungsvoll in die europäische Entwickelung Eingreifendes sich vorbereitet« (GA 185a,9), aber angesichts der folgenden Ausführungen, in denen es um die Kriegsschuldfrage ging, ist klar, daß mit den »gegenwärtigen katastrophalen Ereignissen« die deutsche Niederlage gemeint war221. Am 10. November

219 Vgl. die Vorträge bei Schmidt: Das Vortragswerk, 256-280. Die politische Zensur ist dabei kein Gegenargument, denn Debatten über die Neuordnung Deutschlands nach dem Krieg waren Gang und Gäbe. 220 Vgl. etwa Lindenberg: Der geschichtliche Ort der Dreigliederungsinitiativen. 221 Der Kommentar der Gesamtausgabe zu den »eingreifenden« Entwicklungen stellt zwar einen Bezug zur Novemberrevolution her (GA 185a,226), der von Steiners Text aber nicht gedeckt ist.

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allerdings bezog sich Steiner auf die Revolution222: Trotzki habe mit seiner Alternative »Dauerkrieg oder Revolution« Recht gehabt (GA 185a,51). Es blieb bei derart globalen Äußerungen, von denen die zitierte noch die konkreteste ist. Bezüge auf revolutionäre Akte, auf die Machtübernahme durch die Mitglieder der SPD und USPD oder die Einrichtung der Arbeiter- und Soldatenräte fehlten. Allerdings begann er, über ökonomische Fragen nachzudenken. Am 10. November ließ er sich über Unternehmergewinne (die im wesentlichen nicht zur privaten Nutzung freizugeben seien) sowie über die Finanzierung des »geistigen Lebens« und der »Erziehung« (über Unternehmergewinne und Löhne) aus (ebd., 59f.), in den folgenden Vorträgen setzte er sich mehrfach mit Marx und dem Marxismus auseinander. Immerhin soll Steiner (schon zu diesem Zeitpunkt?) geraten haben, sich »suchend und forschend, wo etwa zu helfen sei«, unter die Revolutionäre zu mischen223. Zu konkreten Fragen der Durchführung der Revolution und den machtpolitischen Implikaten fand er erst während der zweiten Phase der Revolution. Mit dieser Distanz zu konkreten politischen Vorgängen korrespondiert die Beobachtung, daß die Initiative für die gesellschaftlichen Aktivitäten vermutlich nicht bei Steiner lag229, sondern von Mitgliedern ausging, insbesondere von dem Stuttgarter Emil Molt (1876-1936), der seit 1906 Mitglied der Theosophischen Gesellschaft war 225. Ihm gehörte die Waldorf-Astoria-Zigarettenfabrik in Stuttgart, als deren »enger und patriarchalischer« Leiter er galt226. Molt richtete schon kurz nach der Novemberrevolution ein Bildungsprogramm für seine Arbeiter ein227 und wurde zu einem entscheidenden Förderer der Waldorfschulgründung. Er trat bald nach der Konstituierung der Württembergischen Revolutionsregierung mit dieser in Kontakt (ohne seine Reverenz gegenüber dem König ad acta zu legen)228 und war als Mitglied der Württembergischen Sozialisierungskommission mit den politischen Entwicklungen seit dem Herbst 1918 befaßt229; 1919 ließ er sich in seiner Fabrik zum Betriebsratsvorsitzenden wählen23° Aber in diesen Monaten wurde Steiner noch nicht in der politischen Praxis aktiv, er ließ erst weitere Ereignisse der Revolution passieren. Die letztlich ungelöste Militärpolitik führte im Dezember 1918 über den Streit um den Umgang mit der Volksmarinedivision, die das Berliner Schloß besetzt hatte, zum Auszug

222 Steiner hat am 10. November offenbar zwei Vorträge gehalten, von denen aber nur einer veröffentlicht ist. Nur den im Text genannten kennt Schmidt: Das Vortragswerk, 279, einen zweiten nach: Mötteli u. a.: Übersichtsbände, I, 364. 223 Kühn: Dreigliederungszeit, 22. 224 So sollen Carl Unger und Emil Molt mit Steiner am 9. November 1918 die Möglichkeit einer »Industrie-Treuhandgesellschaft und die Frage der Sozialisierung« erörtert haben; Phänomene und Symptome 1 / 1926-27, Nr. 12 (Mai 1927), nach Lindenberg: Steiner (Chronik), 398. 225 Das Wirken Rudolf Steiners, IV, hg. v. H. H. Schöffler, 395. 226 Leinhas: Aus der Arbeit mit Rudolf Steiner, 40, vgl. auch 42. 27 Molt: Von der Gründung der Waldorfschule, 249. 228 Kühn: Dreigliederungszeit, 24. 229 Ebd., 26. Die Kommission tagte seit Anfang Dezember; nach: Regionale und lokale Räteorganisation in Württemberg, bearb. v. E. Kolb / K. Schönhoven, 23. 230 Kühn: Dreigliederungszeit, 72.

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der USPD-Vertreter aus dem Rat der Volksbeauftragten23. Damit bahnte sich die »Wende zum Bürgerkrieg« an232, der die Revolution in ihrer zweiten Phase bis zum Frühjahr 1919 mit teilweise blutigen Auseinandersetzungen bestimmte233: der »Spartakusaufstand« vom 5. bis 11. im Januar in Berlin, die Ermordung von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg am 15. Januar, die Auflösung der Bremer Räterepublik am 4. Februar und die Ermordung Kurt Eisners am 21. Februar. Streiks, Aufstände und Unruhen erschütterten während der kommenden Monate in vielen Landesteilen die junge Republik. Der Protest verlor an Breite, während er sich zugleich radikalisierte, weil Arbeiter aus der Mehrheits-Sozialdemokratie in die USPD und KPD abwanderten234. Der Reichswehr-Minister Gustav Noske demonstrierte in dieser Situation mit der Liquidation der am 7. April ausgerufenen Münchener Räterepublik die Entschlossenheit zu einem Gewaltfrieden. Die Restitution des militärischen Faktors in Deutschland war damit unübersehbar geworden. Die Gefahr eines radikalen Umsturzes wie in der Sowjetunion bestand gleichwohl während der gesamten Revolutionszeit nicht235, die sozialen Bedingungen einer entwickelten Industriegesellschaft, in der absolutistische Strukturen gebrochen und wohlfahrtsstaatliche Elemente integriert waren, boten dafür keinen Boden236 Erst in dieser zweiten Phase der Revolution begab sich Steiner in die Politik, erst im Winter 1918 sind Aktivitäten nachweisbar. Die zentrale Frage der Machtverteilung, sowohl hinsichtlich der Umformungen der Parteienlandschaft als auch hinsichtlich der Rolle der Armee, hat ihn allerdings kaum interessiert. Vielmehr sind zwei Entwicklungen für ihn wichtig geworden: Die Diskussion (a) um die verfassungspolitische Rolle der Räte und (b) um die Sozialisierung. (a) Die Strukturbildung der Rätebewegung verlief, wie man im Nachhinein leichter als 1918 realisiert, mit ihren gesellschaftlichen Bedeutungsverlust paralle1237. Der erste Reichsrätekongreß vom 16. bis zum 20. Dezember 1918, der den 19. Januar als Termin für die Wahlen zur Nationalversammlung bestimmte, leitete in die weitere Parlamentarisierung der Weimarer Republik über. Dabei intensivierte sich die rätetheoretische Diskussion und formulierte auf die Alternative, ob die Räte eine Alternative zum Verfassungsstaat oder eine Ergänzung in der Demokratisierung von Teilbereichen sein sollten238. Letztlich wurde die 231

Winkler: Von der Revolution zur Stabilisierung, I, 97-113. Kluge: Die deutsche Revolution, 84. 233 Zu dieser Periode ebd., 83-137, und von Oertzen: Betriebsräte in der Novemberrevolution, 109-152. 234 Feldman u. a.: Die Massenbewegungen der Arbeiterschaft, 99, zur zweiten Phase S. 98-101. 235 Die gegenläufigen Positionen besonders aus der frühen Nachkriegszeit der Bundesrepublik, die die Gefahr einer »Bolschewisierung« hoch einschätzten, sind mit Blick auf die reale Kräfteverteilung in den Arbeiter- und Soldatenräten revidiert worden; vgl. Kolb: Die Weimarer Republik (41998), 160-168. 236 So die Argumentation bei Winkler: Die Sozialdemokratie und die Revolution, 13-17; ders.: Der lange Weg nach Westen, I, 380 f. 237 Kluge: Die deutsche Revolution, 101. Zur »Ausschaltung« der Arbeiterräte Kolb: Die Arbeiterräte, 244-283. 238 Kluge: Die deutsche Revolution, 126 f. Kolb: Die Weimarer Republik (41998), 162, spricht von einer Zeit der »Räte-Ideologie«. 232

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Rätebewegung systemkonform sowohl in die Verfassungsordnung als auch in die Gewerkschaftsstrukturen integriert239. Parallel zur Erarbeitung der Weimarer Reichsverfassung (verabschiedet am 11. August 1919) wurde auch das Betriebsrätegesetz parlamentarisch beraten, wobei sich die Mehrheits-SPD mit ihren Vorstellungen im wesentlichen durchsetzte. Darin erhielten Betriebsräte Aufsichtsratssitze und das Recht auf Einsicht und Erläuterung der Bilanz, nicht aber - nach Einspruch bürgerlicher Parteien - auf Kenntnis ihrer Grundlagen240. Die abschließende Lesung im Reichstag war am 13. Januar 1920 von einem Blutbad begleitet, nachdem Teile der USPD sich zu außerparlamentarischer Opposition und einem Marsch auf das Reichstagsgebäude entschlossen hatten. Die überbetriebliche Mitbestimmung war in der SPD umstritten, der Vorschlag branchenspezifischer Wirtschaftsräte scheiterte241. Dahinter hatte der Versuch gestanden, Teile des Rätegedankens in die Sozialordnung zu übernehmen und damit seine radikalen Vertreter auszubooten. Hugo Sinzheimer sprach sich gegen derartige Kammern aus, da die Arbeiter dort majorisiert werden könnten und forderte, die Räte nicht in die Staatsstruktur einzubauen, politische und soziale Demokratie zu trennen242. Gegen die mit Räten in Branchen drohende »Verkammerung« propagierte Sinzheimer regionale korporative Elemente243. Schlußendlich wurde ein Reichswirtschaftsrat am 4. Mai 1920 auf der Grundlage des »Räteartikels« 165 der Weimarer Reichsverfassung eingerichtet, der die Einrichtung von Arbeiterräten und paritätisch mit Unternehmern besetzte Kammern vorsah, während Arbeiterräte auf Bezirks- und Reichsebene nicht zustande kamen. Der Wirtschaftsrat besaß das Recht zur Gesetzesinitiative, doch wurde ihm das von Hugo Sinzheimer zuerst vorgeschlagene und später zurückgezogene Vetorecht gegenüber Gesetzen des Reichstags, das ihn zu einer dritten Kammer gegenüber Reichstag und Reichsrat und vermutlich zu einem systemsprengenden Element gemacht hätte, nicht zugestanden244. Als Wirtschaftsparlament tagte der Reichswirtschaftsrat zuletzt 1923; er war an seiner Schwerfälligkeit und seiner Stellung im Abseits der Machtstrukturen gescheitert245. Schließlich anerkannte der Artikel 165 der Weimarer Verfassung die Parität von Arbeit und Kapital und die Abschlüsse der Tarifpartner246. (b) Von den organisationspolitischen sind die sozialpolitischen Debatten nur analytisch zu trennen. Im Januar 1919 wurde mit der Dynamisierung der Revolution »der Ruf nach Sozialisierung«, so Winkler, »zu einer Parole, die breite Massen bewegte«247. Vorher und weitgehend auch 1919 standen im Zentrum der Forderungen aber Fragen der konkreten Verbesserung von Arbeitsbedingungen,

239 Zu diesem Vorgang Winkler: Von der Revolution zur Stabilisierung, I, 283-294. 24o Ebd., I, 287. 24l Ebd., I, 201 f. 242 Ebd., I, 203. 243 Ebd., I, 204. 244 Ebd., I, 203. 236-238. 292f. 245 Gusy: Die Weimarer Reichsverfassung, 368 f. 246 Winkler: Von der Revolution zur Stabilisierung, I, 239; Gusy: Die Weimarer Reichsverfassung, 369.

247 Winkler: Von der Revolution zur Stabilisierung, I, 191; zum folgenden S. 191-205.

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und letztlich wurden systemimmanente Transformationen durchgesetzt. Bereits das Stinnes-Legien-Abkommen vom 15. November 1918 hatte einer weitgreifenden Sozialisierung vorgebaut, indem es nicht nur die Gewerkschaften als Wirtschaftspartner anerkannte (hier lag primär sein Erfolg aus gewerkschaftlicher Sicht), sondern auch die Unternehmer mit einbezog. Auch die Sozialisierungskommission des Rates der Volksbeauftragen, die am 5. Dezember unter dem Vorsitz Karl Kautskys zusammentrat, hatte durch die Einbeziehung bürgerlicher Mitglieder einer Radikalisierung gewehrt. Für eine radikale Sozialisierung gab es zu keinem Zeitpunkt der Revolution eine Mehrheit248. Zur Vergemeinschaftung der Kohlebergwerke, dem umstrittendsten Projekt, kam es nicht. Zwar hielt die Sozialisierungskommission Mitte Februar 1919 mehrheitlich die Vergesellschaftung des Kohlebergbaus für notwendig: Dem neuzuschaffenden Reichskohlerat sollten zu gleichen Teilen Vertreter der Betriebsleitungen, der Arbeiter, des Reiches und der Konsumenten angehören249. Der Reichswirtschaftsminister Rudolf Wissel und sein Unterstaatssekretär Wichard von Moellendorffpropagierten stattdessen das Konzept einer »Gemeinwirtschaft«, in der korporative Einrichtungen kontrollierende Funktionen übernehmen sollten, etwa Wirtschaftsgruppen (aus Unternehmern, Arbeitern, Verbrauchern und Kaufleuten), über denen einem Reichswirtschaftsrat koordinierende Funktionen zugewiesen wurden250. Bereits am 13. März 1919 hatte die Nationalversammlung ein Sozialisierungsgesetz verabschiedet, das die Überführung von Unternehmen in die »Gemeinwirtschaft« ermöglichte - jedoch nicht erzwang251 - und der Sozialpartnerschaft gegenüber der Sozialisierung den Vorrang gab252. Im April / Mai 1919 stieß dann Moellendorfs Konzept der Gemeinwirtschaft auf den Widerstand der gewerkschaftlichen Sozialisierungsvorstellungen2». Zu weitgreifenden Vergesellschaftungen kam es schließlich weder im Industrie- noch im Agrarbereich; die »wilden« Sozialisierung im Frühjahr 1919, mit denen Arbeiter auf das Fehlen einer »>geordneten< Sozialisierung« regierten", hatten keine systemverändernde Wirkung. b. Die Genese der Dreigliederung bis zum Februar 1919 Steiner hat auf diese Debatten während der Erarbeitung seiner politischen Theorie Bezug genommen und reagiert. So sind seine assoziationstheoretischen Konzepte von 1919 entscheidend von den rätedemokratischen Debatten geprägt (s. u. 14.5.1e). Auch mit Sozialisierungskonzepten hat Steiner sich beschäftigt, sie aber sie nur partiell akzeptiert. In dieser Mittellage ist seine strukturelle Nähe zu Gemeinwirtschaftsvorstellungen, wie sie etwa Moellendorffs vertrat, deutlich. Die in der Revolutionszeit liegende Transformation der »habsburgischen« in die »deutsche« Dreigliederung hatte schon während des Krieges begonnen. 248 Ebd., I, 76-84. 249 Ebd., I, 191. 250 Ebd., I, 193f. 251 Ebd., I, 197. 252 Gusy: Die Weimarer Reichsverfassung, 34-36. 253 Winkler: Von der Revolution zur Stabilisierung, I, 195 f. 254 Ebd., I, 84.

14.4 Die Genese der Dreigliederung

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Am 14. November 1917 beschrieb er in einem Exkurs »drei soziale Lebensgebiete«, das »ökonomische« und das »unbewußte« »moralische« Gebiet sowie das Rechtsleben (GA 73,196.200.202). Inhaltlich waren die Begriffe kaum gefüllt, und die »unbewußte« Moralität war fast das Gegenteil des späteren kognitiven »Geisteslebens«. Auch die organologische Metaphorik (»Organismus der ökonomischen Struktur«, »sozialer Organismus« [ebd., 197.201]) findet sich bereits in diesem Vortrag, wirkte aber nicht als Gestaltungsprinzip. Über die Gründe dieses Exkurses ließ sich Steiner nicht aus, die genau eine Woche alte Oktoberrevolution (6. / 7. November im Gregorianischen Kalender) hat jedenfalls in diesem Vortrag keine Spuren hinterlassen. Erst nach einer einjährigen Abstinenz bot Steiner am 24. November 1918 wieder Überlegungen zu einer »Dreigliederung« an, möglicherweise fiel hier der Begriff in einer politischen Verwendung zum ersten Mal (GA 185a,218)255 In dem letzten Vortrag einer am B. November begonnenen Reihe bestimmte er als - »erstes Glied« den »Sicherheitsdienst, alles Polizeilich-Militärische, ... der ist auch das einzige, was im Sinne eines demokratischen Parlamentes behandelt werden kann« (ebd., 217). - Die »wirtschaftliche Gestaltung« müsse »vollständig unabhängig von dem Ministerium, vom Kommissariat des Sicherheitsdienstes sein«, ein eigenes »Volkskommissariat« erhalten (ebd.) und auf »rein« »korporativer« oder »assoziativer Basis aufgebaut werden« (ebd., 218). - Zum »Gebiet« des »geistigen Lebens« rechnete er »alles Religionstreiben, ... allen Unterricht, ... alle übrige freie Geistigkeit, allen wissenschaftlichen Betrieb, und dazu rechne ich auch alle Jurisprudenz. Ohne daß die Jurisprudenz dazu gerechnet wird, ist alles übrige falsch.« In diesem Segment müsse »absolute Freiheit« herrschen (ebd.). Im Vergleich mit den Äußerungen vom 14. November 1917 ist die Dreiteilung nur formal stabil, die Inhalte gleichen umetikettierbaren Containern auf einem Verschiebebahnhof. Der »moralische« war als »unbewußter« Bereich sicher nicht identisch mit dem Geistesleben, das Rechtsleben war als eigenständiger Bereich verschwunden, nur die Ökonomie behauptete ihre Alleinstellung. Im November 1918 hatte sich Steiner vielmehr seinen Vorstellungen in den »Memoranden« wieder angenähert. Insbesondere die Jurisprudenz, die er 1919 von geistigen Leben abtrennte, war hier wieder dem Geistesleben zugeordnet. Auch die Isolation von Polizei und Militär, die er später revidierte, hatte er an einer Stelle in den »Memoranden« noch gefordert. Daß bei diesen Überlegungen vom November 1918 die habsburgischen Verhältnisse im Hintergrund standen, hat er im übrigen explizit bestätigt (GA 185a,219).

255

In dieser Vortragsreihe hatte er bereits am 17. November über »die Dreigliederung des höheren Erkenntnisvermögens: Imagination, Inspiration, Intuition« gesprochen (GA 185,112). Von hier aus hat er möglicherweise die Übertragung in die politische Semantik vorgenommen.

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Über die weitere Entwicklung der Dreigliederungskonzeption machte Steiner nur dunkle Angaben256. Die später kanonisierte Konzeption findet sich wohl erstmals in den »Leitsätzen für die Dreigliederungsarbeit«, die im Dezember 1918 oder in den ersten Wochen des Jahres 1919 entstanden sein müssen257. Hier trennte Steiner »Wirtschaft«, »Recht« und »geistige Leistungen« (GA 24,434) und gab auch erstmals Hinweise zur Organisation dieser Bereiche: Die »Assoziationen« für den Wirtschafts- und Rechtsbereich sollten durch Wahl entstehen (ebd., 435) - eine Regelung, die Steiner hinsichtlich der Parlamentarisierung der Wirtschaft respektive ihrer demokratischen Kontrolle später widerrufen hat (s. u. 14.5.1b), während die »Vertreter der Geistesorganisationen« in einer kryptischen Formulierung autoritativ als »durch die Verhältnisse an die Spitze der einzelnen Geisteszweige gestellten Persönlichkeiten« bestimmt werden (ebd.). Auch der Hinweis auf die Kreislaufwirtschaft standen schon (ebd., 436). Der bemerkenswerteste Aspekt der Leitsätze sind jedoch die weitreichenden Sozialisierungsvorstellungen, die sich später bei Steiner nicht mehr finden. Auf seiner Vergesellschaftungsliste finden sich Montan- und Grundstoffindustrien (Bergbau, Eisen, Chemie), Versorgungsunternehmen (Gas und Wasser), Verkehrsbetriebe (Luft- und Kanalschiffahrt, Straßenbahnen), Lebensmittelindustrien (Getreide, Zucker, Branntwein, Tabak), Versicherungen und Banken sowie offenbar der Agrarsektor (»alles auf die Bearbeitung des Grund und Bodens bezügliche« [ebd.]). Wie nahe sich Steiner in dieser Phase sozialistischen Vorstellungen sah, dokumentiert auch ein nicht näher datiertes, von Steiner möglicherweise im Januar 1919 verfaßtes Flugblatt25a wo noch von »Klassengegensätzen« oder »Klassenkämpfen« die Rede war, Begriffe, die er in der zweiten Auflage »einige Monate später«259 zu »Kämpfen« und »Partei- und Klassenkämpfen« abmilderte (GA 24,437 f.); auch die Forderung nach »völliger Sozialisierung« nahm er später auf »wahres soziales Zusammenleben« zurück (ebd., 439). Engere Verbindun256 Er habe »die Ausarbeitung einem Manne gegeben - nicht nur einem sondern vielen«, und der eine habe ihm »nach Monaten« geschrieben (GA 185a,220). Dies könnte auf die Memoranden bezogen sein, im November 1918 machen viele Leser und monatelang ausstehende Rückmeldungen keinen Sinn. Andererseits scheint der Hinweis, daß mit seinen Vorstellungen »keine demokratische Politik mehr möglich sein« werde (ebd., 221), auf die Nachkriegszeit zu deuten. Namen nannte Steiner, wie so oft, nicht. 257 In der Gesamtausgabe werden zwei Datierungen angeboten: Winter 1918 / 19 (GA 24,434) und 1919 (ebd., S. 7). Der Text soll in Zusammenhang mit der »Werbetätigkeit für die Begründung einer Württembergischen Industrie-Treuhand-Gesellschaft« erstellt worden sein (Leinhas: Aus der Arbeit mit Rudolf Steiner, 40); möglicherweise läßt er sich über diese Spur noch genauer datieren. Die erst nach der Jahreswende 1918 / 19 intensivierte Beschäftigung Steiners mit der politischen Ökonomie könnte auf das Jahr 1919 verweisen. 25a In GA 24,437 ist der Text auf »Frühjahr 1919« datiert. Angesichts der schon am 2. Februar 1919 formulierten Kritik an Sozialisierungsvorstellungen dürfte (siehe die folgende Anm.) dieser Text vorher formuliert worden sein. 259 Emil Leinhas, zit. in GA 24,488. Die Forderung nach einer »Vergesellschaftung des Privaten« oder die Hoffnung auf »neue Gemeinschaften (zum Beispiel Genossenschaften)« (ebd., 431) sah er bereits am 2. Februar kritisch (GA 328,13). Wie weit er die Reichweite seines Dreigliederungskonzeptes zu diesem Zeitpunkt auszulegen gedachte, zeigt die Schlußpassage des Aufrufs: Die Deutschen sollten in drei Delegationen mit den Siegermächten verhandeln. Doch nach Unterzeichnung des Friedensvertrags im Juni1919 nahm Steiner diese Forderung wieder zurück (GA 24,433.487).

14.4 Die Genese der Dreigliederung

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gen zur Arbeiterschaft darf man dahinter nicht vermuten260. Die Dreigliederungskonzeption stand erst am Schluß dieses Papiers. Das Selbständigkeitspostulat war hier explizit nur auf das »Geistesleben« bezogen, für den »Rechtsboden« galt nur indirekt der »Ausschluß aller nicht allgemein-menschlichen Interessen« zur »Herstellung der Menschenrechte«, während für die Wirtschaft nur die »Umgestaltung des gegenwärtigen Kapital- und Lohnsystems« gefordert wurde (ebd., 440). Möglicherweise findet sich hier erstmals auch die organlogische Metaphorik auf die Dreigliederung bezogen (»dreigliedriger sozialer Organismus« [ebd., 438]). Diese Flugblätter scheinen öffentlich keine große Resonanz gefunden zu haben. Dies änderte sich im Februar 1919. Am 25. Januar war Steiner von Emil Molt im Auftrag von Anthroposophen, die im »Rat der geistigen Arbeiter« in Stuttgart (?) »nach und nach die geistige Führung in die Hand ... bekommen« hatten, in Dornach besucht261 und um sozialpolitischen Rat gefragt worden. In diesem Zusammenhang entstand der »Aufruf an das deutsche Volk und die Kulturwelt!«, den Steiner am 2. Februar 1919 einigen Anthroposophen übergab262. Auch hier stand eine Dreigliederung - der Terminus technicus fiel allerdings nur in Anlagen zu diesem Aufruf (GA 24,38263) - am Ende des Papiers. In den Vordergrund rückte Steiner die Forderung, die »weltgeschichtliche Sendung« der Deutschen wiederzufinden (ebd., 429). Auf der Grundlage einer nun massiv mit organologischen Begriffen arbeitenden Sprache - »der soziale Organismus ist gegliedert wie der natürliche« - forderte Steiner die Trennung von Wirtschaft, Gesetzgebung / Verwaltung / Politik und »geistiger Produktion«, außerdem sei die Dreigliederung analog zu der in seiner Physiologie explizierten Differenzierung von »Atmungssystem« und »Kopfsystem« zu denken (ebd., 431). Damit nahm Steiner vermutlich erstmals die später als genetischen Zusammenhang gedeutete Korrelation von anthropologischer Physiologie und sozialer Dreigliederung vor. Aber Steiner realisierte, daß er zu mehr als einer »skizzenhaften« Darstellung nicht in der Lage war (GA 328,39). Der »Aufruf an das deutsche Volk und die Kulturwelt!« wurde ein Erfolg. Bereits am 2. Februar nannte Steiner Namen potentieller Unterzeichner264, am 15. Februar erläuterte er den Aufruf in der Anthroposophischen Gesellschaft". Die Propaganda leitete ein Komitee, in dem überwiegend Anthroposophen saßen, die offenbar schon seit dem Ausbruch der Revolution zusammengearbeitet 260

Die soziale Frage trug Steiner nur oberflächlich in sein politisches Koordinatensystem ein, wie er in Überlegungen zum »proletarischen Klassenbewußtsein« am 2. Februar dokumentierte. Signifikant ist sein Ansatz. Nicht die konkreten sozialen Probleme bildeten den Problemhorizont, sondern seine Theorie der Bewußtseinsgeschichte: Man lebe in einem »Zeitalter«, wo in der »Seele des Proletariers ... soziale Instinkte, die früher gewaltet haben, in soziales Bewußtsein sich umgestalten« (GA 328,13). 261 Molt: Entwurf meiner Lebensbeschreibung, 178. Mit Molt haben Hans Kühn und Roman Boos Steiner besucht; so Kugler: Alle Macht den Räten?, 822. 262 Molt: Entwurf meiner Lebensbeschreibung, 178 f. Die beiden ersten Seiten der Reinschrift mit nur marginalen Veränderungen sind abgebildet bei Kühn: Dreigliederungszeit, 168 f. z63 Nicht ganz klar ist, ob die Anlagen vom März oder erst vom Juni 1919 stammen. 264 Molt: Entwurf meiner Lebensbeschreibung, 179. 265 Lindenberg: Steiner (Chronik), 402 f.

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14. Politik

hatten266_ Auch der Tübinger Staatsrechtlicher Wilhelm von Blume, der an der Umgestaltung der Württemberger Verfassung mitwirkte, engagierte sich267. Anthroposophen wurden mit Namenslisten ausgerüstet und auf von Dornach bestimmte potentielle Unterzeichner angesetzt268. Über die Absagen und Kritiken erfährt man in der anthroposophischen Literatur nur selten Genaueres', aber schließlich kam eine beträchtliche Zahl prominenter Unterschriften zusammen270, mit denen der Aufruf Anfang März in vielen Tageszeitungen veröffentlicht wurde271: - Hugo Sinzheimer war der prominenteste politische Kopf. Der Sohn eines vermögenden jüdischen Fabrikanten war 1914 in die SPD eingetreten und wurde der wohl bedeutendste Arbeitsrechtler in der Weimarer Republik, in der er einer der Väter des Tarif- und Arbeitsrechts war und eine wesentliche Rolle bei der Formulierung sozialer Grundrechte in der Weimarer Reichsverfassung spielte. Das Scheitern der Implantierung weitgehender Rätevorstellungen in den Art. 165 der Weimarer Verfassung empfand er als persönliche Niederlage und zog sich aus der Politik zurück. Im Sommer 1933 mußte er in die Niederlande emigrieren, wo er im Untergrund das Kriegsende überlebte272. Zum Zeitpunkt seiner Unterschriftsleistung für Steiner war er Polizeipräsident in Frankfurt (Main). Sein mutmaßliches Motiv, Steiners Aufruf zu unterstützen, 266

Dies legt Leinhas: Aus der Arbeit mit Rudolf Steiner, 40, nahe. Molt: Entwurf meiner Lebensbeschreibung, 179. Steiner: Die Kernpunkte der Sozialen Frage (1919), 177. Blume sei aber wegen seiner Abwesenheit von Stuttgart »weniger aktiv« gewesen; Leinhas: Aus der Arbeit mit Rudolf Steiner, 42; aber er und Steiner hätten sich wechselseitig hoch geachtet (ebd., 43). 268 Leinhas: Aus der Arbeit mit Rudolf Steiner, 34. 269 Leinhas ebd., 34-36, berichtet von der Absage Friedrich Kayßlers, des Direktors der Berliner Volksbühne, zu dem Margarete Morgenstern den Weg mit einem Empfehlungsschreiben gebahnt hatte. Er wollte als Künstler »nichts mit Politik zu tun haben«, so Leinhas (S. 35). Der Rechtsphilosoph und Dekan der juristischen Fakultät in Berlin, Rudolf Stammler, verweigerte nach sorgfältiger Lektüre die Unterschrift mit dem Hinweis auf die fehlenden Kriterien für die Trennung der gesellschaftlichen Bereiche, und Steiners alter Freund aus anarchistischen Tagen, Henry Mackay, verzieh seinem ehemaligen Gefährten die Hinwendung zu einer »>mystischen< Weltanschauung« (S. 36) nicht. Arthur Schnitzler verweigerte am 9. Februar Walter Johannes Stein und Ludwig Polzer-Hoditz die Unterschrift mit der Begründung, für die Kriegskatastrophe werde »nur Deutschlands Mentalität« verantwortlich gemacht (Tagebucheintrag vom 9.2.1919; Schnitzler: Tagebuch 1917-1919, 229). Schnitzler hegte zwar ein »unzerstörbares Mißtrauen gegen Wundermänner«, begann aber zwei Tage später, in Steiner »Geheimwissenschaft« zu lesen (Tagebuch 20. / 22.2., ebd., 223f.). Die offizielle Absage vom 10.2.1919 findet sich in einem Brief an Eugen Kolisko; Schnitzler: Briefe 1913-1931, 174f. 892. Auch innerhalb der Anthroposophischen Gesellschaft regte sich Widerstand, etwa in dem aristokratischen Berliner »Damenklub« (Leinhas, ebd., 37). Der Berliner Zweig wollte sich gar durch eine Tafel vor seinem Haus von der Dreigliederung distanzieren (mündliche Mitteilung). 270 Die Unterzeichner fehlen in GA 23. Abgedruckt in Steiner: Die Kernpunkte (1919), 173-178; auch bei Molt: Entwurf meiner Lebensbeschreibung, 247-250, oder Kühn: Dreigliederungszeit, 163-166. 271 Molt: Entwurf meiner Lebensbeschreibung, 180; etwa im Stuttgarter Neuen Tagblatt am 5.3.1919. 272 Zur Biographie Albrecht: Hugo Sinzheimer in der Weimarer Nationalversammlung, 3-8. Eintritt in die SPD und die Funktion als Polizeipräsident nach: Deutsche Biographische Enzyklopädie, Bd. IX, 342. 267

14.4 Die Genese der Dreigliederung

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lag allerdings wohl nicht in der Rätethematik, die zu diesem Zeitpunkt noch außerhalb von Steiners Blickfeld lag, sondern möglicherweise sah er Anknüpfungspunkte zu seinen Vorstellungen der Trennung von politischer und sozialer Demokratie. Wilhelm Vershofen, Wirtschaftswissenschaftler und Autor von »Industrieromanen«; die Schriftsteller Hermann Bahr, Karl Heckel, Hermann Hesse, Friedrich Lienhard und Jakob Wassermann; der »Kunstmaler« Melchior Lechter und der Kunsthistoriker Wilhelm Fraenger aus dem George-Kreis sowie der Bildhauer Wilhelm Lehmbruck, der kurz vor seinem Freitod am 25. März 1919 unterschrieb; die liberalen protestantischen Theologen Martin Rade, der Herausgeber der vielgelesenen »Christlichen Welt«, und Christian Geyer sowie der Schriftsteller und Religionswissenschaftler Theodor Kappstein. Unter den Professoren fanden sich der vitalistische Biologe und spätere Parapsychologe Hans Driesch, der Mittelalter-Historiker Walter Goetz, der Marburger Neukantianer Paul Natorp, der Tübinger Staatsrechtler Wilhelm von Blume und der Kunsthistoriker Josef Strzygowski. Eine Reihe von Militärs unterschrieben, etwa von Kress als »General der Infanterie«27 oder Hartwig Schubart, »Hauptmann a. D.«.

Daneben finden sich viele Anthroposophen und alte Bekannte Steiners aus Wiener Zeiten, wie die Schriftstellerinnen Gabriele Reuter und Marie Eugenie delle Grazie; insgesamt hatte eine buntgemischte Gruppe unterschrieben, wobei eine Leerstelle ins Auge fällt: Politiker fehlten bis auf Sinzheimer274. Am 3. Februar 1919 artikulierte Steiner eine weitere Variante der Dreigliederung: das »Wirtschaftssystem« sei ein Glied (GA 328,21), »ein anderes Glied ist dasjenige, aus dem heraus entspringen muß das Verständnis für die Funktion der menschlichen Arbeitskraft« (ebd., 21), und als drittes könne man ein »geistiges Leben«, das mehr als »bloße Ideologie« sei (womit Steiner den Materialismus des »proletarischen Bewußtseins« meinte [ebd., 22]), erschließen. Da die Funktion der »Arbeitskraft« als antagonistische Vorstellung zur Wirtschaft fungierte und er zwei Tage später das Wirtschaftsleben mit »modernem Kapitalismus« identifizierte (ebd., 25), stand hinter dem Dualismus der ersten beiden Glieder der Gegensatz von Kapital und Arbeit, der, so kann man schließen, durch eine »geistige« Theorie einen alternativen Überbau erhielt. Zwei Tage später präsentierte Steiner aber erneut die später kanonische Dreiteilung in Wirtschafts-, Rechtsund Geistesleben (ebd., 30f.)2'5. 273

Möglicherweise der Generalmajor Friedrich Freiherr Kress von Kressenstein, der nach dem Hitlerputsch in München leitender Offizier im Wehrkreis VII wurde. 274 Steiner hoffte, »Arbeiterführer« zu finden und nannte etwa Kurt Eisner, der jedoch kurz vor der Veröffentlichung des Aufrufs am 21. Februar 1919 ermordet wurde; Boos: Aufzeichnungen, 226. 27s Dabei konzedierte er, daß einfache Analogisierungen nicht funktionierten, so daß er zum »gerade umgekehrten« gegenüber der erwarteten Vorstellung greifen müsse und beispielsweise das Geistesleben gerade nicht mit dem Nerven-Sinnessystem korreliere. Steiner kam zu folgender Zuordnung: Recht - rhythmisches System; Wirtschaft - Nerven-Sinnessystem; Geistesleben - Stoffwechselsystem (GA 328,329). Am 5. Februar korrelierte Steiner die gesellschaftliche Dreigliederung

1300

14. Politik

Im Rückblick auf den Ausgangspunkt von Steiners Dreigliederungskonzept, den Memoranden des Jahres 1917, wird die Transformationsgeschichte der Inhalte deutlich. Aus der Trennung »politischen, wirtschaftlichen und allgemeinmenschlichen Verhältnisse« von 1917 wurde 1919 die Differenzierung in Wirtschafts-, Rechts- und Geistesleben. Dabei handelte es sich 1917 aber noch um ein in seinen Einzelteilen für Steiner verschiebbares Strukturmodell, dessen Elemente er bis 1919 mehrfach neu organisierte. Beispielsweise ressortierte der 1919 schlußendlich autonome Rechtsbereich 1917 noch als »juristische ... Angelegenheit« neben »pädagogischen und geistigen Angelegenheiten« unter der »Freiheit der Person« (GA 24,352), mithin (in der Terminologie von 1919) im »geistigen Leben«, in dem 1919 nur der Richter mit dem Akt des Urteils verblieb276. Zur Verknüpfung der getrennten Bereiche hatte Steiner 1917 noch eine Institution ausgewiesen, die 1919 fehlte. Er hatte »eine Art Senat« (GA 24,354) zur Koordination »gemeinsamer Angelegenheiten« für die an dieser Textstelle »politisch-militärisch, wirtschaftlich und juristisch-pädagogisch« genannten Sparten vorgesehen. Durchgehalten hat sich hingegen Steiners Antiparlamentarismus, den gesehen er 1919 noch verschärfte, indem er die Parlamentarisierung der Wirtschaft wieder zurücknahm. Zentrale Probleme der 1919 propagierten Dreigliederung dürften sich der Übertragung des habsburgischen Ausgleichsmodells in einem innenpolitischen Konzept für eine ethnisch homogene Gesellschaft erklären: sowohl die Schwierigkeiten einer trennscharfen Bestimmung der einzelnen Sparten als auch ihrer Beziehungen zueinander. Während sich etwa kulturelle Autonomie gegenüber außenwirtschaftlicher Integration als Konzept eines föderativen Staatenbundes plausibel begründen läßt, ist die prinzipielle Trennung von Kultur und Ökonomie, zu der diese Vorstellung 1919 gerann, aporetisch. Auch die Grundsätzlichkeit der Forderung nach kultureller Autonomie im Konzept von 1919 wird erst im Licht der Zielrichtung von 1917 plausibel: Eine Art Kulturnation läßt sich (relativ) selbständig denken, »geistiges Leben« als Teil einer Nation allerdings nur sehr begrenzt von Recht und Ökonomie entflechten. Die Verselbständigung des Rechts im Jahr 1919 wiederum erklärt sich nicht zuletzt im Blick auf die konkrete Verwendung, die ihm 1917 zugedacht war: Es sollte in den »Memoranden« den »sack-, berufs- und völkermäßigen Korporationen« >überlassen< werden, doch war diese Kategorie durch den Fortfall der »völkermäßigen« Beanspruchung in der innenpolitischen Konzeption 1919 für Steiner offenbar weitgehend entleert, so daß nun der Rechtsbereich zu einem eigenen Segment aufstieg. Kurz gesagt: Aus dem Programm der Trennung von Ethnien im Jahr 1917 war 1919 eine funktionale Differenzierung einer ethnisch homogenen Gesellschaft geworden. mit einer anthropologischen dreiteiligen Physiologie der Körpersysteme (ebd., 26) und verband sie mit seinen Ausführungen in dem Buch »Von Seelenrätseln« (GA 21) aus dem Jahr 1917. 276 Angesichts dieses Befundes ist sein Hinweis in den »Kernpunkten«, daß hinter der Forderung nach Verselbständigung des Geisteslebens und der Eigenständigkeit der Richter seine Erfahrungen mit den österreichischen Verhältnissen stehen (GA 23,47.139) und auch die Verselbständigung des Rechtslebens diesen Erfahrungen geschuldet sei (ebd., 74-76), ein wichtiger Hinweis auf einen historischen Kontext, der aber die inhaltliche Genese mehr verschleiert als erhellt.

14.5 Steiners Dreigliederungstheorie

1301

Steiner befand sich Ende 1918 / Anfang 1919 fraglos in einer Phase zunehmender Politisierung, aber sozialpolitische Fragen kamen dabei nur allmählich in den Mittelpunkt seiner Interessen. Wie schon die Eingangspassage des »Aufrufs an das deutsche Volk« deutlich machte, stand für Steiner weiterhin die Kriegsschuldfrage an der Spitze der Agenda. Dies belegen, soweit sie dokumentiert sind, auch seine Gespräche mit Politikern in dieser Phase. Als Steiner am 6. oder 7. Februar 1919 Rudolf Eisner in Bern auf einer Konferenz von Sozialisten traf, sprach Steiner mit ihm offenbar kein Wort über die Dreigliederung, sondern nur über die Kriegsschuldfrage27. Die Kriegsschuldfrage war auch das Thema einer Unterredung mit dem deutschen Gesandten in Bern, Wilhelm Förster, ebenfalls am 6. oder 7. Februar, der ihn aber, wie viele Zeitgenossen, nicht ernst nahm. Förster bot ihm aus Zeitmangel ein Gespräch auf dem Weg zwischen Wohnung und Amt an »und ging mit Riesenschritten neben Rudolf Steiner einher, der kaum mitkommen konnte und dabei ein Gespräch zu führen versuchte«'. Auch die Memoranden sind zumindest bis Dezember 1918 noch in diesem Kontext zu lesen. Der Anthroposoph Emil Molt trug ihre Gedanken dem Württembergischen Ministerpräsidenten Wilhelm Blos nicht als gesellschaftspolitisches Reformprogramm, sondern eben als Argumentation für die deutsche Unschuld im Krieg an279. In dieser Perspektive spricht viel dafür, daß die Transformation der Memoranden zur Dreigliederung, wie sie in den »Leitsätzen« greifbar wird, in den ersten Wochen des Jahres 1919 stattfand, vielleicht sogar erst in den ersten Februartagen.

14.5 Steiners Dreigliederungstheorie 14.5.1 Die Konzeption der Dreigliederung in Steiners »Kernpunkten der sozialen Frage« (April 1919) Im April 1919 erschien Steiners Schrift »Die Kernpunkte der sozialen Frage«, in der er seine Dreigliederungsidee programmatisch darstellte und die Transformationsprozesse dreiteiliger Gesellschaftskonzepte stillstellte. Zu diesem Zeitpunkt war einerseits die Verfassungsdebatte der Weimarer Nationalversammlung, die seit dem 6. Februar tagte und am 11. August die Weimarer Reichsverfassung verabschiedete, in vollem Gang, und die theoretischen Fragen einer neuen politischen und sozialen Ordnung auf Reichsebene traten in die Entscheidungspha-

27 Wiesberger: Rudolf Steiners öffentliches Wirken für die Dreigliederung, 23f.; Kühn: Dreigliederungszeit, 34. Später äußerte Steiner, von Eisners »Intellekt« nicht viel gehalten zu haben; seine Publikationen seien »Fälschungen ... durch Auslassungen« (nach Wiesberger: Rudolf Steiners öffentliches Wirken, 24). Kontakte mit anderen Personen im Umfeld der Münchner Räterepublik, etwa mit Gustav Landauer oder Erich Mühsam, bestanden offenbar nur und punktuell durch Anthroposophen (vgl. Kühn: Dreigliederungszeit, 37). 278 Kühn, ebd., 36. Datierung bei Lindenberg: Steiner (Chronik), 402. 279 Molt: Die Wahrheit in der Angelegenheit Blos - Steiner, 3; zu Molt und Bloss. u. 14.6.1.

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14. Politik

se. Andererseits war der Elan der zweiten Phase der Revolution gebrochen, die Arbeiter- und Soldatenräte befanden sich auf dem Weg zu ihrer Aufhebung im Mai und Juni 1919. Steiner verfaßte die »Kernpunkte« zwischen Februar und »Anfang April 1919« (GA 23,28) in einem bislang nicht offengelegten Prozeß. Er soll den Text unmittelbar im Anschluß an Vorträge zur sozialen Frage in Zürich Anfang Februar in einem Hotel zu verfassen begonnen haben280. Die heute gedruckte Fassung ist gegenüber dem Erstdruck verändert, doch scheinen mit den Modifikation (die, wie üblich, nicht kenntlich gemacht sind) keine materialen Veränderungen einherzugehen. Ein systematisch durchgearbeitetes Konzept sind die »Kernpunkte« nicht, der vorliegende Text zeigt die Spuren einer additiven Entstehung: Zentrale Punkte wie die Zuweisung der drei gesellschaftlichen Funktionsbereiche hat er mehrfach expliziert, Fragen nach der Rolle der Finanzwirtschaft (GA 23,132f.) oder der Bestimmung des Arbeitslohns (ebd., 136) sind an hinterer Stelle angefügt, die assoziationstheoretischen Überlegungen hat er erst 1920 im Vorwort nachgeliefert (ebd., 16f.). In den Vorträgen nach Erscheinen der »Kernpunkte« hat er das meiste wiederholt und einige Details geändert, aber auch wichtige Aspekte, wie die Ausführungen zu den Betriebsräten, hinzugefügt. In den Jahren 1919 bis 1922 hielt Steiner eine Vielzahl von Vorträgen, die heute in der Gesamtausgabe unter der Überschrift »Vorträge über das soziale Leben und die Dreigliederung des sozialen Organismus« ressortieren281. Sie täuschen aber in ihrer Ballung darüber hinweg, daß konkrete Fragen der politischen Ordnung bis 1922 zunehmend zugunsten von Überlegungen über die okkulte Interpretation gesellschaftlicher Fragen zurücktraten. Politisch relevante Stellungnahmen finden sich mithin in wesentlich geringerer Zahl, als das gute Dutzend bislang veröffentlichter Bände zu sozialen Fragen vermuten läßt. Über die Quellen hat Steiner sich nur sporadisch ausgelassen. Deshalb ist die historiographische Kontextualisierung seines Denkens, die Verbindung mit Vorlagen und den Aufweis von Abhängigkeiten ein detektivisches Unternehmen, das aufgrund seiner Probleme ausgelagert ist (s. u. 14.5.2). a. Triadische und organologische Grundstruktur Steiners Leitgedanken finden sich in einem Kapitel der »Kernpunkte«, das er mit »Die vom Leben geforderten wirklichkeitsgemäßen Lösungsversuche für die sozialen Fragen und Notwendigkeiten« übertitelte (GA 23,56). Sein analytischer Ansatz bildete die Scheidung von drei gesellschaftlichen Bereichen, 280 In Frage kommen der 3. bis 5. sowie der 10. bis 12. Februar (GA 328,7-103). Nach Molt: Entwurf meiner Lebensbeschreibung, 180, endeten die für die Kernpunkte relevanten Vorträge am 12. Februar; während dieser Zeit war Steiner möglicherweise ununterbrochen in Zürich (vgl. Lindenberg: Steiner [Chronik], 402). Ders.: Steiner (Biographie), 651, grenzt die Entstehung auf einen Zeitraum nach Steiners Vorträgen über die Soziale Frage am 3. bis 12. Februar und vor dem Ende der Fahnenkorrekturen am 12. April ein. 281 Mötteli u. a.: Übersichtsbände, I, 142; dabei handelt es sich um die Bände GA 328 bis 341. Darüber hinaus finden sich einschlägige Vorträge außerhalb dieser Rubrik, z. B. in GA 24 und in GA 185a/186.

14.5 Steiners Dreigliederungstheorie

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- »Wirtschaftsleben«, - »öffentliches Recht« und - »geistiges Leben« (ebd., 61-63). Dabei werde die horizontale Schichtung in »Klassen« oder »Stände« durch eine vertikale ersetzt, bei der der Mensch »mit seinem Leben in jedem der drei Glieder wurzeln wird« (ebd., 140). Die Ideale der Französischen Revolution wies er diesem Konzept zu. »Brüderlichkeit« solle im Wirtschaftsleben, »Gleichheit« im im Bereich des »öffentlichen Rechts« und »Freiheit« im Geistesleben herrschen (ebd., 89)282 Diese Teilung ist auf einen gesellschaftlichen »Körper« oder »Organismus« bezogen, zu dessen Darstellung er wie in kaum einem Bereich seines Werks naturale Metaphern in soziale Bereiche übertragen hat. Schon im Ansatz, der Entwicklung der gesellschaftlichen aus der leiblichen Dreigliederung, interpretierte er den Staat als eine Art Lebewesen und sah die Trennung der drei Sphären als eine »vom Leben geforderte Unterscheidung« (GA 23,68): Nur dreigeteilt erhalte man einen »gesunden sozialen Organismus« (ebd., 69.80 u. ö.). »Ein gesundes Denken und Empfinden, ein gesundes Wollen und Begehren mit Bezug auf die Gestaltung des sozialen Organismus kann sich nur entwickeln, wenn man, sei es auch mehr oder weniger bloß instinktiv, sich klar darüber ist, daß dieser soziale Organismus, soll er gesund sein, ebenso dreigliedrig sein muß wie der natürliche Organismus.« (ebd., 59)

Wesentliche Elemente der Funktionslogik der Dreigliederung sind Folgen dieses Ansatzes. Organologische Vorstellungen in der Politik sind meist autoritär strukturiert, weil in organischen Systemen der einzelne funktional dem »Ganzen« untergeordnet ist283. Ausnahmen, die es auch im 19. Jahrhundert gibt, bestätigen diese Rege1284. Rudolf Virchow wiederum revidierte seine Akzeptanz eines »Staatsorganismus« und lehnte ihn nach 1848 aufgrund der eingeschränkten Möglichkeiten einer freien Assoziation ab285. Assoziative Vergemeinschaftungsformen werden in der Logik dieses Konzeptes durch Unterordnung unter das organische »Ganze« integriert, auch Steiner zog mit dem auf eine Enklave begrenzten Geltungsbereich der Assoziationen diese Konsequenz. Bei Konfliktregelungen impliziert die Orientierung an der Dichotomie von Gesundheit und Krankheit eine Lösungsstrategie mit eher antagonistischen Positionen. Abgelehnte Standpunkte werden tendenziell malefiziert, die Rede von

2a2 Diese Zuordnung der Revolutionsideale hat Steiner bereits in seiner ersten Annäherung an die Dreigliederung im November 1918 und auch später häufig vorgenommen (vgl. GA 333,92). 283 Vgl. etwa durchgängig die Argumentation bei Kimminich: Der Staat als Organismus, oder bei Zippelius: Geschichte der Staatsideen, 28-30. Krabbe: Historicism and Organicism in Economics, deutet organologische Theorien in der Ökonomie als Bewegung gegen den Individualismus der historischen Schule der Nationalökonomie. 284 Bei Virchow bildete die Metapher des Organismus zur Beschreibung von Staat und Gesellschaft eine Option für »einen >freien Staat gleichberechtigter Einzelwesen, der zusammenhält, weil die einzelnen aufeinander angewiesen sind3 Blos: Von der Monarchie zum Volksstaat, I, 72. 384 Unger: Zur Geschichte der Dreigliederung, 3. 3" Ebd. 386 Nach unveröffentlichten Teilen von Molts Memoiren, berichtet von Kugler: Alle Macht den Räten?, 826; Faksimile der Einladung in GA 331,295. 387 Steiner an Eliza von Moltke, 3. Mai 1919, zit. nach Kugler: Rudolf Steiner und die Anthroposophie, 246. Den Kontakt zu Lindemann könnte wiederum Molt hergestellt haben, der mit Lindemann zusammen in der Württembergischen Sozialisierungskommission saß; zu Lindemann siehe Regionale und lokale Räteorganisation, bearb. v. E. Kolb / K. Schönhoven, 23. 388 Unger: Zur Geschichte der Dreigliederung, 3. 3>z

14.6 Gesellschaftliche Aktivitäten

1335

gab, Steiner an die Württembergische Regierung heranzubringen oder ihn dort zu plazieren. Am 7. Mai 1919 wurde Steiner erneut unmittelbar Blos angedient, nun durch die »Vollsitzung der Arbeiterräte Groß-Stuttgarts«, in dem Steiner an diesem Tag einen Vortrag über die Dreigliederung gehalten hatte389. Die darauf einsetzende Entwicklung ist wiederum nur schwer durchschaubar, da Steiner laut Protokoll die gestellten Fragen nicht habe beantworten können und der Eindruck vermittelt wird, daß er argumentativ mit dem Rücken zur Wand stand390; für eine Berufung in die Regierung hätte demnach kein Anlaß bestanden. Die Stimmung hatte sich aber möglicherweise durch einen Beitrag des USPD-Mitglieds Sigfried Dorfner, der zu einem »Arbeiterkomitee< für Dreigliederung« gehörte391 und Steiners Konzept pathetisch bejahte, gewendet: »Wir Arbeiter, wir bieten Euch die Hand an (starker Beifall); stellen wir uns auf den Boden der Dreigliederung und der Klassenkampf wird verschwinden.«392 Vermutlich ist in diesem Zusammenhang eine vorgedruckte, auf Mai 1919 datierte Aufforderung, Steiner in die Regierung aufzunehmen393, entstanden, die von 10.000 bis 12.000 Menschen angenommen worden sein soll394 und die möglicherweise wieder auf eine Initiative Emil Molts zurückging39>: »Von der Württ. Regierung wird gefordert, dass Dr. Steiner unverzüglich berufen wird, um die Dreigliederung des sozialen Organismus, welche als die einzige Rettung vor dem Untergange erscheint, in Angriff nehmen zu können.«396

Dieses Schreiben ließ Blos zu den Akten legen397 und hat in diesem Akt offenbar einen vor Steiner gesteuerten Versuch gelesen, doch noch in die Regierung aufgenommen zu werden". Die Gretchenfrage, ob Steiner in die Regierung Blos eintreten wollte oder nicht, läßt sich anhand des vorliegenden Materials nicht mit letzter Sicherheit beantworten. Zum einen ist unklar, was in dem Gespräch mit Blos am 2. Dezember 1918 verhandelt wurde. Blos behauptete in seinen Memoiren dezidiert, aber ohne dieser Aussage einen brisanten Beigeschmack zu geben, daß es im Gespräch mit Molt und Unger (er nannte hier außerdem Kühn) um eine Regierungsbeteiligung Steiners gegangen sei. Molt hingegen schwächte diese Aussage insoweit ab, 389 Ein Referat aus dem »Sozialdemokrat« in GA 331,291-295; ein weiteres Referat in: Regionale und lokale Räteorganisation, bearb. v. E. Kolb / K. Schönhoven, 352 f. 390 Ebd., 353; ähnlich Blos: Von der Monarchie zum Volksstaat, 74. 391 Lindenberg: Der geschichtliche Ort der Dreigliederungsinitiativen, 659. 392 Artikel in einer Stuttgarter Zeitung vom 27. Mai 1919, abgedruckt bei Lindenberg, ebd., 661. Allerdings macht dieser Ausschnitt nicht klar, daß sich diese Szene auf Steiners Vortrag vom 7. Mai 1919 bezieht. 393 Faksimile in GA 331,296. 394 Unger: Zur Geschichte der Dreigliederung, 3. 39s Dies legt Leinhas: Aus der Arbeit mit Rudolf Steiner, 48 nahe. 96 Landesausschuß der Arbeiter- und Soldatenräte Württembergs, Stuttgart, Schreiben an den Staatspräsidenten Wilhelm Blos, B. Mai 1919, unterzeichnet für den »Vollzugsausschuß des Arbeiterrats Stuttgarts« von R[udolf] Gehring (Vorsitzender) und E[ugen] Barthelmes (Sekretär); Eingangsstempel 13. Mai. Hauptstaatsarchiv Stuttgart, Bestand Staatsministerium E 130 b (1459), Blatt 1. 397 Ebd. 398 Blos: Von der Monarchie zum Volksstaat, I, 73.

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14. Politik

als Steiner nur von der Regierung zur Ausarbeitung des Materials zur Kriegsschuldfrage berufen werden solle. Da Blos' Aufzeichnungen bis auf die Frage nach dem Regierungseintritt sich mit den Molts Darstellungen decken399, neige ich dazu, in Molts Aussagen eine nachträgliche, abwiegelnde Korrektur dieses später umstrittenen Punktes zu lesen und Blos Aussage für zutreffend zu halten, daß Steiner in die Revolutionsregierung berufen werden sollte. Wie Steiner zu dieser Regierungsbeteilung stand, ist das eigentlich schwierige Kapitel. In den veröffentlichten Aussagen hat er den Wunsch nach einem Eintritt in die Regierung im Jahr 1918 stets verneint. Aber Steiners erste Aussagen datieren erst aus dem Jahr 1922, und da hatte sich die politische Landschaft verändert: Das Debakel mit den Aufzeichnungen Moltkes und das Scheitern der Dreigliederungsbewegung lagen hinter Steiner (s. u. 16.6.5), so daß es wohl nicht mehr opportun war, sich als Retter in einer Revolutionsregierung zu präsentieren. Deshalb scheint es durchaus möglich, daß Molt und seine Mitstreiter als Emissäre oder zumindest mit stillschweigender Duldung Steiners bei Blos erschienen sind, um ihn für eine führende Position in Württemberg ins Gespräch zu bringen. Für Steiner als Initiator oder zumindest wohlwollenden Mitwisser spricht auch, daß Molt nach dem Besuch bei Blos auch noch (Ende 1918?) bei dem Stuttgarter Oberbürgermeister Karl Lautenschlager für Steiner vorsprach400. Dies würde Molt kaum gemacht haben, wenn Steiner sich dezidiert gegen solche Aktivitäten ausgesprochen hätte. Daß Steiner gerne als Führer in die Politik eingestiegen wäre, ist so fernliegend nicht, verfolgte er doch in Württemberg besondere Ambitionen, wie Herbert Hahn, sein enger Mitarbeiter in der »Dreigliederungszeit«, bestätigte: Steiner habe Württemberg als Versuchsland zur Durchsetzung der Dreigliederung erkoren401 .

14.6.2 »Dreigliederungszeit« in Württemberg (1919) Mit dem »Aufruf an das deutsche Volk« vom Februar 1919 (s. o. 14.4.2b) begann die öffentliche402, mit den im April 1919 erschienenen »Kernpunkten« die aktivste Zeit der Dreigliederungspropaganda. Für Anthroposophen war es die große »Dreigliederungszeit«403, politikgeschichtlich die Phase der zweiten Revolution. Das Zentrum der Aktivitäten, der südwestdeutsche Raum, hatte 1918 / 19 eine Sonderentwicklung durchlaufen. Hier war die Situation bis zum Frühjahr 1919 weitgehend ruhig geblieben. In Baden mehrten sich jedoch seit dem Februar 1919 die Übertritte zur USPD, am 22. / 23. riefen USPD- und KPD-An-

399

Gleichwohl gibt es auch bei Blos Aussagen, die vermutlich nicht zutreffen, etwa seine Behauptung, Steiner sei Mitglied der SPD gewesen, als er in der Arbeiter-Bildungsschule unterrichtete (ebd., I, 72); von dieser Mitgliedschaft ist sonst nichts bekannt. Allerdings handelt es sich hier um eine Information, über die Blos im Gegensatz zu dem Gespräch mit Molt nur aus zweiter Hand verfügte. 900 Molt: Entwurf meiner Lebensbeschreibung, 169. 4o1 Hahn: Die Geburt der Waldorfschule, 94. 4o2 Molt: Entwurf meiner Lebensbeschreibung, 180. 403 So etwa Hahn: Der Weg, der mich führte, 671.

14.6 Gesellschaftliche Aktivitäten

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hanger die kurzlebige Mannheimer Räterepublik aus'°°. Doch im Mai 1919 wurden die Soldatenräte aufgelöst, und mit den Gemeinde- und Bezirksratswahlen vom Mai und Juni verloren auch die Arbeiterräte in Baden ihre Funktion405. In Württemberg war die Situation der badischen vergleichbar, auch hier dominierten Mehrheitssozialdemokraten, während USPD und KPD kaum Einfluß auf die konzeptionellen Debatten der Rätebewegung besaßen406. Auch in Württemberg lösten sich die letzten Räteorganisationen im Juni 1919 auf407. Allerdings war es hier vom 31. März bis zum 7. April zu einem Generalstreik gekommen408, an die sich Steiners intensivste Phase zur Propaganda der Dreigliederung im Stuttgarter Raum anschloß. Von April bis Juni 1919 war Steiner unermüdlich unterwegs, vermutlich mit der Vision, die Dreigliederung als Grundlage der neuen Ordnung zu etablieren und vielleicht sogar Einfluß auf die Gestaltung der neuen Reichsverfassung zu nehmen. In der Memoirenliteratur erscheint die »Dreigliederungszeit« als Engagement bis an den Rand der Erschöpfung, getragen von dem Glauben, daß man ein Rezept zur Lösung der politischen Nachkriegsprobleme besitze und die Durchsetzung nur eine Frage der Überzeugungsarbeit sein könne. Als Beginn gilt eine öffentliche Vorstellung des »Aufrufs an das deutsche Volk« in Stuttgart am 22. April 1919409. Am 23. April sprach Steiner in Stuttgart vor Belegschaftsmitgliedern der Waldorf-Astoria Zigarttenfabrik Molts, tags darauf in den Bosch-Werken (Robert Bosch hatte Steiner durch Molts Vermittlung persönlich kennengelernt410), einen Tag später bei Daimler. Am folgenden Samstagabend hielt er eine Rede vor Arbeitern der Delmonte-Kartonagenfabrik, deren Besitzer ebenfalls Anthroposoph war. Am 7. Mai 1919 fand die genannte Vollsitzung der Arbeiterräte Groß-Stuttgarts statt, nach der er nochmals dem Ministerpräsidenten Blos als Regierungsmitglied empfohlen wurde, am nächsten Tag diskutierte er mit Arbeitern nach seinen Ausführungen in der ersten Versammlung der Arbeiterausschüsse und Betriebsräte der Großbetriebe Stuttgarts. In den folgenden Wochen mehrten sich Debatten mit neuentstandenen Betriebsräten. Eine solche Debatte hat Steiners Mitstreiter Herbert Hahn anschaulich geschildert: Man »saß ..., bunt durcheinandergewiirfelt, an einer Menge von Einzeltischen. Bier und Most wurde ausgiebig getrunken; es war nie ganz still, weil man immerzu das 4o4 Brandt/Rürup: Volksbewegung und demokratische Neuordnung, 130-135; zu Baden Dähn: Rätedemokratische Modelle, 355-394. Die Führung lag während der revolutionären Phase jedoch in Händen von Mitgliedern der Mehrheits-SPD (ebd., 329). 4o5 Brandt / Rürup: Volksbewegung und demokratische Neuordnung, 146f. 406 Dähn: Rätedemokratische Modelle, 370f.; zu Württemberg S. 304-354. 407 Regionale und lokale Räteorganisation, bearb. v. E. Kolb / K. Schönhoven, S. LXX. Bieber: Gewerkschaften in Krieg und Revolution, II, 721-735, beschreibt die Auflösung der Räte im Frühjahr 1919 als Kooperation zwischen Militärs, bürgerlichen Kräften und Teilen der SPD, die aber zumindest in Baden und Württemberg zugleich die wesentlichen Kräfte in den Räten bildeten; vgl. auch Brandt / Rürup: Volksbewegung und demokratische Neuordnung, 78. 97-105. 408 Miller: Die Bürde der Macht, 267. 4o9 Lindenberg: Der geschichtliche Ort der Dreigliederungsinitiativen, 658; Steiners Vortrag ist gedruckt in GA 330. 410 Leinhas: Aus der Arbeit mit Rudolf Steiner, 50.

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Geklirr der Bierseidel hörte, in das sich ein zwar stark abgedämpftes, aber doch vernehmlich hin und her wuselndes Gewirr von Stimmen mischte. Geraucht wurde wie aus Schloten, so daß sich der Saal in einen dichten, aber nicht gerade in Havanna gewobenen Schleier einhüllte. Es gab einen Versammlungsleiter mit klirrender Glocke, es gab Wortmeldungen, die nach der Liste erledigt wurden, es gab Geschäftsordnungsanträge, die alles unterbrachen, und das Ganze war nicht auf Zimperlichkeit, sondern auf rauhe Offenheit und kräftiges Hauen und Stechen eingestellt. Da der Zutritt frei war, hatten sich auch allerlei artfremde, >intellektuelle< Gäste und Beobachter unter das Publikum gemischt, denen, wie ich spürte, nicht immer ganz wohl in ihrer Haut war. Rudolf Steiner war in jenen Wochen - was ein ganz ungewöhnliches Phänomen war - des öfteren heiser. Wie er einmal erwähnte, beruhte diese Heiserkeit nicht auf dem übermäßig vielen und lauten Sprechen, sondern auf dem häufigen Eintauchen in eine völlig verräucherte Atmosphäre.«41 Steiner war in diesen Debatte, so schildern es Anthroposophen, durchaus schlagfertig. Als ihm vorgeworfen wurde, seine Position sei »pflaumenweich«, konterte er, daß er immer sehr genau mit allen Naturbeobachtungen genommen habe. So sollte man, meine ich, sich auch die Pflaume recht genau anschauen. Und da will mir vorkommen, daß die weichen Pflaumen saftig, süß und reif seien, die harten aber geschmacklos, unreif und ... < Er kam nicht mehr dazu, daß Wort >unverdaulich< für alle vernehmbar auszusprechen, denn schon brauste ein jubelnder Beifall ... los.«412

»>es

Bei diesen Veranstaltungen traf Steiner auch alte Bekannte, einmal jedenfalls einen ehemaligen Hörer aus den Vorträgen an der Arbeiterbildungsschule41. Am 31. Mai, zu Pfingsten, lancieren Anthroposophen einen weiteren Aufruf, um die »Begründung eines Kulturrates« in die Wege zu leiten414. Als Vermittler war nochmals von Blume aufgetreten, der offenbar für Steiner ein Vorgespräch im Haus Wilbrandts arrangiert hatte415. Doch endete diese Unterredung in den Augen der anwesenden Anthroposophen desaströs, die beteiligten Professoren hätten für Steiners Selbstverwaltungsvorstellungen kein Verständnis gezeigt'''. Im Gegensatz zum »Aufruf an das deutsche Volk« fehlten, abgesehen von Ausnahmen wie Thomas Mann, dem Maler Hans Thoma und dem Dirigenten Fritz Busch417, die klangvollen Namen, Anthroposophen prägten die Unterzeichnerliste, eine öffentliche Resonanz blieb weitgehend aus. Der »Bund für Dreigliederung« fand zeitweilig mehr Zuspruch. In Deutschland gab es im Oktober 1919 74 Ortsgruppen, dazu kamen noch zehn im Aus-

41 Hahn:

Der Weg, der mich führte, 672. 673. Ders.: Die Geburt der Waldorfschule, 92; vgl. GA 331,120. 413 Ebd., 94. 414 Abgedruckt bei Kühn: Dreigliederungszeit, 214-217. Der Verfasser ist nach Lindenberg: Steiner (Chronik), 4, unbekannt; nach Lindenberg auch das Datum der Veröffentlichung. 415 Leinhas: Aus der Arbeit mit Rudolf Steiner, 57; siehe auch 14.4.2b. 416 Ebd., 57f. 41 Lindenberg: Steiner (Biographie), II, 660. Bei Mann stand dahinter kein beherztes Engagement. Er notierte in seinem Tagebuch am 30.6.1919: »Wurde durch den Menschen unterbrochen, der für den Steiner'schen Sozialplan sammelt, und dem ich, um ihn loszuwerden, die meine denn auch wieder gab.« Zit. nach: Thomas Mann. Beteiligung an politischen Aufrufen, bearb. v G. Potempa, 28. Eine weitere Unterstützung für Steiners Aktivitäten ist nicht bekannt. 412

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land und noch zwei überregionale Bünde in Österreich und in der Schweiz48. Die Repräsentanten waren zumeist Männer, und die aufgeführten Berufsbezeichnungen41' weisen ein bürgerliches Milieu aus: Arbeiter fehlten, Anthroposophen dominierten420. Eine große Wirksamkeit war dem »Bund für Dreigliederung« nicht beschieden421. Das publizistische Engagement war erfolgreicher. Bis zum Juli 1919 wurden 30.000 Exemplare der »Kernpunkte« verkauft", und seit dem B. Juli erschien wöchentlich die Zeitschrift »Dreigliederung des sozialen Organismus«, in der ersten Ausgabe mit 20.000, im Sommer 1919 mit 40.000 Exemplaren; sie wurde im Juni 1922 eingestellt423. Das »Mitteilungsblatt des Bundes für Dreigliederung des sozialen Organismus« kam für Mitglieder in sechs Heften zwischen Juli 1919 und Januar 1920 mit dem Hinweis »Vertraulich!« heraus", auch in der Schweiz, den Niederlanden und in Großbritannien druckte man zwischen 1919 und 1922 Dreigliederungszeitschriften425. Selbst eine Tageszeitung war auf dem Höhepunkt der Dreigliederungeuphorie geplant426, doch schon die Zeitschriften waren, wie auch Anthroposophen konstatieren, »auffällig kurzlebig«427. Hinsichtlich der Resonanz auf Steiners Vorstellungen gibt es sehr unterschiedliche Wahrnehmungen. In anthroposophischer Sicht fand Steiner eine fulminante Akzeptanz, die Aussage des USPD-Aktivisten Dorfner, daß man Steiner »begeistert zugejubelt« habe und auf dem Boden der Dreigliederung der 418 Verzeichnis unserer zur Zeit bestehenden Ortsgruppen, in: Dreigliederung des sozialen Organismus 1 / 1919, Beilage zu Nr. (5.9.1919), S. 2. 419 Vgl. ebd., die Namensliste: Direktor, Architekt, Zahlmeister, Rittmeister, Bahnkommissär, Rechtsanwalt, zwei Pfarrer (Benner in Dörrenzimmern und Heisler in Tübingen), zwei Studenten, einer aus der philosophischen Fakultät und ein Chemiestudent, zwei Lehrer. Von den 85 genannten Personen (zumeist mit abgekürzten Vornamen) lassen sich 18 Frauen identifizieren (21 %), bei zwei Frauen ist der Beruf des Mannes angegeben: Professor (Gymnasialprofessor?) und Kunstmaler. Eine ähnliche soziale Schichtung dokumentiert auch die detaillierte Liste der Unterstutzer des Arbeitsausschusses für den Aufruf zur Begründung eines Kulturrates, in: Mitteilungsblatt des Bundes für Dreigliederung des sozialen Organismus, Nr 1., Stuttgart, »Mitte Juni« 1919, 19-22. 420 In dem gut recherchierten und abwägend urteilenden Bericht des Beamten Klaiber, der für die Württembergische Regierung Steiner observierte, werden als Mitarbeiter Steiners José del Monte, Teilhaber der Kartonagenfabrik José del Monte, Eugen Benkendörfer, ebenfalls Teilhaber der Kartonagenfabrik José del Monte, Carl Unger, Inhaber einer Maschinenfabrik in Hedelfingen, und Alfred Meebold, Hauptaktionär und früherer Direktor der Württembergischen Kattunmanufakur genannt; Klaiber: Rudolf Steiner und der Bund »Dreigliederung des sozialen Organismus«. Württembergisches Hauptstaatsarchiv Stuttgart, Bestand Staatsministerium E 130 b (1459), Bl. 20-6 (rücklaufend paginiert]: »»Württembergisches Landespolizeiamt, Nr. N 1918/21, 17. Juni 1921, 15 Seiten, S. 8f. (= Bl. 13-12). »Alle diese Industriellen geniessen einen guten Ruf und gelten als tüchtige Geschäftsleute.« (ebd., S. 9 [= Bl. 12]). 42< Lindenberg: Steiner (Biographie), II, 663 f. 422 Ebd., II, 663. 423 Die anthroposophischen Zeitschriften, hg. v. G. Deimann, 66. 424 Ebd., 243; Faksimile mit dem Vertraulichkeitshinweis ebd., 242. Dies ist eine wichtige Quelle für die Aktivitäten des Sommers 1919. 425 In der Schweiz: »Soziale Zukunft« (1919-1921), acht Hefte; in den Niederlanden: Drieledige Indeeling van het »Sociale Organisme« (1920-1921), 21 Hefte; in Großbritannien: »The Treefold Commonwealth« (1920-1922), 19 Hefte. Angaben ebd., 245-254. 426 Kühn: Dreigliederungszeit, 71. Die Tageszeitung sei als Umwandlung der Wochenschrift »Dreigliederung des sozialen Organismus« geplant gewesen. 427 Die anthroposophischen Zeitschriften, hg. v. G. Deimann, 241.

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Klassenkampf verschwinden werde, wird gerne zitiert428. Karl Römer, Sprecher der Kommunistischen Partei, dokumentiert die Gegenstimmung: »Auch das Steinersche System wird uns nicht herausbringen«, warf er bei der Sitzung des Arbeiterrats von Groß-Stuttgart am 14. Mai 1919 in die Debatte'', und ein Observant der Württembergischen Regierung resümierte 1921: »Eine Zeitlang hatte er damals unter den Arbeitern bei Bosch und Daimler ... viele Anhänger, ebenso in Heidenheim unter den Arbeitern der dortigen Großbetriebe, namentlich der grossen [von einem Anthroposophen geleiteten, HZ4301 Voithschen Maschinenfabrik. Da aber die Mehrheitsdemokratie und die beiden radikalen Linksparteien bald von Steiner abrückten, verlor Steiner wieder die Anhängerschaft der meisten Arbeiter. «431

Vielleicht spürten viele Arbeiter auch, daß Steiner bemüht (aber immerhin) versuchte, den Proletariern nahe zu sein. Heute wissen wir, daß er bescheiden für sich selbst eine Eintrittskarte zu einer Protestversammlung lösen, aber auch »in einer geschlossenen Limousine« mit zugezogenen Vorhängen zu einer eigenen Veranstaltung fahren konnte". Steiner hatte sich im Mai und Juni 1919 in vielleicht einem guten Dutzend großer und einer Zahl kleinerer Auftritte an die nichtanthroposophische Öffentlichkeit gewandt, und dies ist angesichts der Tradition politischer Gleichgültigkeit in der deutschen Theosophie bemerkenswert. Aber damit war der Zenit seines Engagements auch überschritten. Seit Mitte Mai hatten sich Bedenken aus der SPD artikuliert, die Dreigliederung bedeute eine weitere Spaltung der Arbeiterbewegung", in der USPD waren im Juni 1919 Stimmen nach einem Parteiausschluß der Dreigliederer zu hören (GA 331,151). Mitte Juni klagten Anthroposophen über den »sehr schlechten« Besuch ihrer Veranstaltungen (ebd. 135), und Ende Juli schlug Steiner von gewerkschaftlicher Seite ein massiver Widerspruch gegen Konzept und Praxis der Dreigliederung entgegen434. Politisch war die Dreigliederungsoption Mitte 1919 am Ende, und Steiners Ausstieg folgte bald. Seit Juni sprach er vor einer vermutlich zunehmend anthroposophischen Klientel über die Dreigliederung, insgesamt nahmen seine Vorträge zur Drei-

428 Etwa Lindenberg: Steiner (Biographie), II, 658 f.; Dorfners Äußerung findet sich im Artikel in einer Stuttgarter Zeitung vom 27. Mai 1919. 429 Regionale und lokale Räteorganisation, bearb. v. E. Kolb / K. Schönhoven, 355; biographische Angaben ebd., 56 (Anm. 86). Nach Klaiber: Rudolf Steiner und der Bund »Dreigliederung des sozialen Organismus« (Anm. 422), S. 5 (Bl. 16), habe Steiner »nach der Revolution ... einen ziemlichen Zulauf aus Arbeiterkreisen, und zwar vornehmlich politisch radikal gerichteten. Diese Anhängerschaft hat sich aber später wesentlich verringert, da Steiner den Marxismus und den Kommunismus entschieden ablehnt.« 43o Vgl. Mann: Voith, Hanns. 431 Klaiber: Rudolf Steiner und der Bund »Dreigliederung des sozialen Organismus« (Anm. 422), S. 15 (= Bl. 6). 432 Kühn: Dreigliederungszeit, 75f. 433 Daten nach Lindenberg: Steiner (Chronik), 405-415; Schmidt: Das Vortragswerk, 289-295; die ablehnende Haltung der SPD nach Lindenberg, ebd., 409; zur Befürchtung, die »Dreigliederer« seien eine weitere Partei, die die Arbeiterschaft entzweie GA 331,105 (14.6.1919). 4s4 Kühn: Dreigliederungszeit, 74.

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gliederung drastisch ab435. Nach dem Sommer 1919 waren Anthroposophen im wesentlichen ohne Steiner aktiv, der nurmehr als Graue Eminenz, als Stichwortgeber und Berater zur Verfügung stand. Am 25. Juli 1919 signalisierte Steiner seiner künstlerischen Mitarbeiterin Edith Maryon, daß er sich wieder stärker anthroposophischen Themen widme (GA 263a,34), im August zog sich Steiner ganz aus der offenen Propaganda zurück und kehrte zu seinem Kerngeschäft zurück, der Theorie436. Jedoch war die Rückkehr zu den esoterischen Themen begleitet von der Etablierung anderer Praxisfelder wie der Waldorf-Pädagogik (Schulgründung im September 1919) oder der anthroposophischen Medizin (seit 1920).

14.6.3 Engagement im Rahmen der Volksabstimmung in Oberschlesien (1920/21) Im Frühjahr 1921 ereilte das Konzept der Dreigliederung mit den Aktivitäten in Oberschlesien ein weiteres Debakel. Das oberschlesische Schwerindustriegebiet an der Grenze zu Polen gehörte zu den Abstimmungsgebieten des Versailler Vertrages, in denen die Bevölkerung über die weitere Zugehörigkeit zum Deutschen Reich oder zu Polen entscheiden sollte. Seit Anfang 1920 hatte eine interalliierte Regierungs- und Plebiszitkommission die Regierungsgewalt im oberschlesischen Abstimmungsgebiet übernommen, doch war die Situation vor der Abstimmung vom 20. März 1921 sehr unruhig. Die Lage war durch die Überlagerung gegenläufiger Strömungen äußerst komplex und entzog sich jeder einfachen Lösung: Jede Form regionaler Identität besaß große konstruktive Anteile, Deutsche standen gegen Polen, Separatisten auf beiden Seiten gegen Anschlußwillige an eines der beiden Länder; zwischen beiden Volksgruppen agierte die katholische Kirche und auf deutscher Seite zusätzlich das Zentrum mit seiner Forderung zumindest nach bundesstaatlicher Autonomie437. Seit November 1920 wurden auch Anthroposophen der Breslauer Ortsgruppe in Oberschlesien aktiv438 - zu einem sehr späten Zeitpunkt also. Steiner verfaßte zu deren Aktionen im Januar 1921 einen »Aufruf zur Rettung Oberschlesiens« (GA 24,471-476)439, der die Angliederung an Deutschland oder Polen erst nach Einführung der Dreigliederung vorsah (ebd., 475). Steiner schien die oberschlesische Situation besonders gut geeignet, seine gesellschaftliche Differenzierung nochmals zu propagieren, da er die für die Habsburgermonarchie konzipierten Elemente der Dreigliederung hier wieder herausstreichen konnte. Er forderte vor allem kulturelle Autonomie und die wirtschaftliche Internatio-

Dies konzediert letztlich auch Lindenberg: Steiner (Biographie), II, 662, demzufolge sich im Juni die Erfolglosigkeit von Steiners Programm abgezeichnet habe. 43é Ebd., II, 664. Immerhin hat Steiner am 2. August noch dem Spartakisten Gert Haupt »eine Audienz gewährt«; Kühn: Dreigliederungszeit, 77. 437 Vgl. die differenzierte Problemanalyse von Doose: Die separatistische Bewegung in Oberschlesien. Steiner wird weder in dieser noch in anderen einschlägigen Veröffentlichungen erwähnt. 43a Kugler: Polnisch oder deutsch?, 10. 439 Zur Verfasserschaft Steiners ebd.

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nalisierung: Die kulturellen Angelegenheiten sollten die beiden Volksgruppen (Steiner sprach in der Tradition seiner Völkerpsychologie auch von »Volksindividualitäten« [GA 24,474]) je für sich regeln, und der »Wirtschaftskreislauf« solle »vom Staatlich-Politischen losgelöst« werden, wodurch sich »die oberschlesischen Wirtschaftsfragen in die europäische Gesamtwirtschaft eingliedern« sollten'"°. Dies bedeutete jedoch für Steiners Anhänger keine neutrale Haltung in der Oberschlesien-Frage, sondern eine deutschnationale Position. Das Desaster der oberschlesischen Aktion zeichnete sich bald ab. Steiner geriet mit seinen Vorstellungen zunehmend zwischen die beiden großen nationalistischen Blöcke und wurde zerrieben. Die Krise der oberschlesischen Dreigliederungsaktivitäten erreichte einen Höhepunkt am 4. März 1921, als die Anthroposophen in der »Frankfurter Zeitung« als »Verräter am Deutschtum« bezeichnet wurden: »Und so treiben Steiner und seine Leute in Wahrheit polnische Propaganda, genau so, als ob sie von den Polen direkt dafür bezahlt würden.«"' Tags darauf wurde aus diesem Artikel in vielen deutschen Tageszeitungen zitiert'. Am 15. März stimmte auch Hitler in die Kritik ein und polemisierte gegen »den Gnostiker und Anthroposophen Rudolf Steiner«, dessen Dreigliederung zu den »jüdischen Methoden zur Zerstörung der normalen Geistesverfassung der Völker« zähle443 Die Stimmung hatte sich offenbar auf breiter Front gegen die Anthroposophen gewandt. Steiner suchte mit seinem Konzept den Schwierigkeiten im Umgang mit einem gemischtkulturellen Gebiet Rechnung zu tragen. Die Rationalität seines Vorschlags kann man an dem Ausmaß der Gewaltanwendung ablesen, das die Auseinandersetzungen um dieses Grenzgebiet bis nach dem Zweiten Weltkrieg begleitete. Andererseits war Steiners Argumentation realitätsfern, gemessen an den Bedingungen des politischen Handelns Anfang der zwanziger Jahre. Ob die kulturelle Entflechtung auf der Grundlage der Zugehörigkeit zu einer Sprachnation funktioniert hätte, bleibe dahingestellt; die habsburgischen Erfahrungen waren in diesem Punkt ermutigend und frustrierend zugleich. Die Frage, wieweit die nationalstaatliche Rhetorik der komplexen Genese oberschlesischer Identität überhaupt gerecht wurde, hat Steiner nur sehr begrenzt gesehen - aber hier wissen wir erst seit den Forschungen der letzten Jahre Genaueres. Im engeren politischen Bereich unterschlug Steiner aber (oder realisierte nicht) die machtpolitischen Interessen aller Seiten, die ein rüstungswichtiges Schwerindustriegebiet nicht dem freien Spiel lokaler Interessen überlassen wollten - wobei Steiner Polen als potentiellen Vertragspartner ohnehin nicht ernst nahm, da er diesem Land aufgrund der kulturellen und politischen Einflüsse seitens der Nachbarstaaten keine eigene Staatlichkeit zutraute: »Es wird niemals ein Polen in Wirklichkeit längere Zeit geben«444. Zugleich begab er sich aufgrund seiner ""° Aufruf zur Rettung Oberschlesiens, 36. 441 Abgedruckt in: Beiträge zur Rudolf Steiner Gesamtausgabe, Heft 93 / 94, Dornach 1986, 38-39, S. 39. Zum Hintergrund des dabei aktiven Göttinger Professors Hugo Fuchs siehe GA 2622,314. 442 So im Kommentar ebd. Die Gegendarstellung von Ernst Uehli für den »Bund für Dreigliederung des sozialen Organismus«, ebd., 40. 443 Hitler: Staatsmänner oder Nationalverbrecher?, 1. 444 Zit. nach Kugler: Polnisch oder deutsch?, 6.

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Abneigung gegenüber dem Völkerbund445 der Option einer transnational organisierten Friedenssicherung.

14.6.4 Wirtschaftsunternehmen (1920-1924) Nach dem Scheitern der politischen Dreigliederungsbewegung versuchte Steiner sich in der Ökonomie und gründete Aktiengesellschaften, die von 1920 bis Mitte der zwanziger Jahre bestanden446. Der Grund der Aktivitäten lag allerdings weniger in einer Art experimenteller Überprüfung der Dreigliederungstheorie als in dem Bemühen, Geldquellen für seine Projekte zu eröffnen: »Im Mittelpunkt muß stehen, die Zentralen der anthroposophisch orientierten Geistesbewegung selbst zu tragen« (GA 24,462). Dies hieß offenbar vor allem, für den weiterhin unvollendeten Johannesbau in Dornach Mittel zu beschaffen447, aber ebenfalls die anthroposophische »Forschung« in Dornach anzuschieben (etwa, so Steiner, zur Entwicklung neuer Meßapparate, leuchtkräftiger Farbstoffe oder von Torffasern für Bekleidungszwecke)448. Auch Ita Wegmans Klink in Arlesheim und die Stuttgarter Waldorfschule sollten pekuniär unterstützt werden449, etwa, so wiederum Steiner, durch »etwas sehr Aussichtsreiches in Dornach, eine Rasierseife und das Haarmittel >Verlockung«< (GA 300a,177). Schließlich wurden »zur Förderung wirtschaftlicher und geistiger Werte«450 zwei Holdings gegründet, am 13. März 1920 in Deutschland die Aktiengesellschaft »Der Kommende Tag«, am 16. Juni in der Schweiz die »Futurum AG«45'. Die Entwicklung der »Kommenden Tag AG« ließ sich vielversprechend an, es zeigte sich, daß die gutsituierte, bildungsbürgerliche Klientel der Theosophie und Anthroposophie keineswegs durch den Krieg verarmt war. Das Grundkapital bestand aus 300.000 Reichsmark452, zu dem auch Steiner 20.000 Reichsmark zugezahlt hatte, so daß man ein »mehrstöckiges Geschäftshaus« als Verwaltungszentrale in Stuttgart anmieten konnte". Im September betrug das Kapitel bereits 10 Millionen454, im Juni 1921 waren es über 35 Millionen455, im April 1922 445 Bereits 1917 hatte Steiner den Völkerbund abgelehnt, nach dem Krieg betrachtete er ihn als ein Instrument der Siegerjustiz (GA 329,16). Vgl. auch 14.3.2b und GA 192,321 f. [22.6.1919] u.ö. Er begründete die Ablehnung dann innerhalb der anthroposophischen Theoriebildung: der Völkerbund mische sich in das Geistes- und Wirtschaftsleben, was er nach der Lehre der Dreigliederung nicht dürfe (ebd., 35). Dahinter wieder stehen die Vorbehalte gegenüber Wilsons Selbstbestimmungskonzept. 446 Wichtige Dokumente im Anhang bei Kühn: Dreigliederungszeit, 151-360. 447 Löscher: Rudolf Steiner und die Gründung der WELEDA, 75. 135. 161. 448 So Lindenberg: Steiner (Biographie), II, 707; vgl. Kühn: Dreigliederungszeit, 4. 44v Lindenberg, ebd., II, 707; vgl. Kühn, ebd., 4. 45° Der Kommende Tag. Leitgedanken, 254. 4s' Lindenberg: Steiner (Biographie), II, 701. 712. 452 Piston: Assoziative Wirtschaft (Diss. Tübingen 1925), 106; Teilabdruck, v. a. der Seiten 104 ff., in: Beiträge zur Rudolf Steiner Gesamtausgabe, Heft 88, Dornach 1985, 26-40. 453 Kühn: Dreigliederungszeit, 63. 4s4 Piston: Assoziative Wirtschaft, 106. ass Ebd., 109-110. Allein José del Monte hatte bis 1924 300.000 Reichsmark abgeführt; Del Monte: José del Monte, 129.

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(nicht inflationsbereinigt) 52 Millionen. Auf der Suche nach geeigneten Firmen reiste Steiner teilweise selbst mit »Sachverständigen« durch die Lande456. Man erwarb bis Dezember 1920 die Maschinenfabrik des Anthroposophen Carl Unger, eine Nährmittelfabrik, ein Ölschieferwerk, eine Landmaschinenhandlung, eine »allgemeines Import- und Export-Handelsgeschäft«, einen Verlag, »vier landwirtschaftliche Güter von insgesamt etwa 700 Morgen«, eine Getreide- und eine Ölmühle, ein Sägewerk, ein »wissenschaftliches Forschungsinstitut« und »eine Familienpension (Pension Rüthling)«457, bis Juni 1921 kamen hinzu »die Kartonnagenfabriken« des Anthroposophen José del Monte »mit über 550 Arbeitern und Angestellten. Die nahezu vollzogene Einrichtung der chemischen Werke in Schwäbisch Gmünd«, der Wölfing-Verlag in Konstanz, ein »dem Sägewerk benachbarter Wald«, eine »größere Herde Allgäuer Zuchtvieh«, »eine besondere Bankfirma; Bankhaus der Kommende Tag A. Koch & Co., Stuttgart« und das »Sanatorium Wildermuth in Stuttgart«458. Fast alle Unternehmungen lagen in Stuttgart oder im Schwäbischen. »Der Kommende Tag ist schon eine wirtschaftliche Macht in Württemberg und darüber hinaus geworden«, meinte ein Observant der Württembergischen Regierung". Eine ähnlich furiose Kapitalakkumulation brachte die schweizerische »Futurum AG« zustande. Ein Kapital von »nahezu zwei Millionen Franken« stand »in verhältnismäßig kurzer Zeit« zur Verfügung460, und wie die Schwesterholding stand man schnell vor dem Problem, die Mittel gewinnbringend anzulegen. Und so erstand man »eine alte Strickwarenfabrik, eine Schirm- und Stockfabrik, ein Handelskontor für Südfrüchte, eine Kaltleimfabrik, eine Kartonagenfabrik und eine Firma für Büro-Einrichtungen«961. Aber es gab auch weniger euphorische Stimmen. Der »Direktor einer schweizerischen Bank« habe gesagt, »man solle zur Futurum gehen, wenn man etwas verkaufen wolle, was man sonst nicht anbringen könne«462 Schon im März 1922 kam die »Futurum AG« in die Krise und wurde bis 1927 abgewickelt463, das Ende der Aktiengesellschaft »Der Kommende Tag« war bereits 1924 besiegelt464. Die Gründe für das Scheitern liegen offenkundlich vor allem in Fehlkalkulationen und in der betriebswirtschaftlichen Mißwirtschaft: Ein unternehmerisches Profil ist in diesen Gemischtwarenläden von Erwerbungen nicht erkennbar, die erworbenen Firmen machten Verluste465, und qualifizierte Fachleute fehlten; vielfach ersetzte offenbar ethisches Engagement die Sach456 Lindenberg: Steiner (Biographie), II, 706. 457 Piston: Assoziative Wirtschaft, 107. 458 Ebd., 109; zum Sanatorium S. 16.7.2b. 459 Klaiber: Rudolf Steiner und der Bund »Dreigliederung des sozialen Organismus« (Anm. 422), S. 10 (= Bl. 11). 460 Schmiedel: Aufzeichnungen, 421. 461 Lindenberg: Steiner (Biographie), II, 714. 462 Schmiedel: Aufzeichnungen, 422. 463 Lindenberg: Steiner (Biographie), II, 715 f. Die letzte Liquidation eines Futurum-Betriebs, der Kartonagenfabrik in Gelternkinden, erfolgte am 1. Januar 1927; Löscher u. a.: Rudolf Steiner und die Gründung der WELEDA, 37. Unter diesen Bedingungen war die von Steiner gewünschte Übernahme der »Kommenden Tag AG« durch die »Futurum« irreal (ebd., 210). 464 Lindenberg: Steiner (Biographie), II, 710. 465 Ebd., II, 715.

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kenntnis466. Die meisten Mitglieder hätten kaum Einfluß nehmen können, da die Vorzugsaktien in den Händen von Anthroposophen die Stimmenmehrheit sicherten467. Dazu kam die Funktionalisierung der Unternehmen für den inneranthroposophischen Machtkampf - der »Kommende Tag«-Verlag in Stuttgart wurde offenbar auch als Konkurrenz zum »Philosophisch-Anthroposophischen Verlag« in Dornach gegründet oder verstanden468. Die Inflation, die im Laufe des Jahres 1923 zur fast vollständigen Entwertung des liquiden Vermögens führte, war hingegen nicht der entscheidende Grund für das Scheitern: In der Schweiz gab es keine Geldentwertung im deutschen Ausmaß, und in Deutschland verfügte der »Kommende Tag« über erhebliche, inflationsresistente Sachwerte469. Letztlich schlitterte Steiner mit seinen Firmen trotz hoher Mittelzuflüsse in den Bankrott, weil die Eigenlogik der Ökonomie in der Anthroposophie keinen Ort hatte. Daß Steiner eine zentrale Mitverantwortung für das Desaster trägt, wird heute auch von Anthroposophen nicht bestritten470.

14.6.5 Auslaufen und Entpolitisierung der Dreigliederung Mit dem episodischen Engagement in der Oberschlesien-Frage war für Steiner die Zeit der politischen Betätigung, die schon mit dem Scheitern der Württembergischen Aktivitäten (s. o. 14.6.2) weitgehend aufgehört hatte, endgültig vorbei. Seit dem Herbst 1919 finden sich in seinen Vorträgen neben politischen zunehmend okkultistische Themen471. Ein Treffen mit dem damaligen deutschen Außenminister Walter Simons am 19. September 1920 (GA 255b,325.544) blieb offenbar ohne politische Ergebnisse. Steiner verlegte sich in politischen Fragen auf Beiträge für die Dreigliederungszeitschrift, bei Dreigliederungsaktivitäten traten nur noch Anthroposophen auf. Steiner veranstaltete dazu im Oktober 1921 zwei »Kurse« für »Dreigliederungsredner« (GA 339), die auch tatsächlich in Deutschland umherzogen. Doch sind ihre Aktivitäten selbst anthroposophischerseits kaum noch dokumentiert worden472 und fanden in der weiteren Öffentlichkeit keine Resonanz. Am 15. Mai 1922 mußte Steiner nochmals Folgen seines politischen Engagements erleben, als im Rahmen einer großen Tournee, organisiert von der Berliner Konzertagentur Wolff und Sachs (GA 255b,614), ein Vortrag von natio466 Vgl. zur Personaldebatte ebd., II, 696 f. 467 So Klaiber: Rudolf Steiner und der Bund »Dreigliederung des sozialen Organismus« (Anm. 422), S. 9 (= Bl. 12). 469 Steiner: Studienmaterial aus den Sitzungen des Dreissiger-Kreises (1986), 148. 469 So auch Lindenberg: Steiner (Biographie), II, 702. 470 Steiner habe bei den Firmengründungen »keineswegs nur gewarnt und abgeraten, sondern auch gefördert und zugeraten«; so Lindenberg, ebd., II, 697. 47 Vgl. die Vorträge in GA 333-334 und GA 338-339. Nur exemplarisch nenne ich die Titel der drei Vorträge vom 5. bis 7. Januar 1920, die den Band »Vom Einheitsstaat zum dreigliedrigen sozialen Organismus« eröffnen: »Wege und Ziele der Geisteswissenschaft (Anthroposophie)«, »Die geisteswissenschaftlichen Grundlagen der leiblichen und seelischen Gesundheit«, »Die sittlichen und religiösen Kräfte im Sinne der Geisteswissenschaft«. 472 Lindenberg: Steiner (Biographie), II, 730.

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nalistischen Gegnern gestört wurde - pikanterweise über das unpolitische Thema »Anthroposophie und Geisterkenntnis«43, und an einem edlen Ort, im Münchener Hotel Vierjahreszeiten an der Maximilianstraße: Das Licht ging aus, Stinkbomben flogen und Trillerpfeifen lärmten"". Doch behielten die vorsorglich engagierten Bodyguards, »Boxer und Ringer«475, zusammen mit einer anthroposophischen Jugendgruppe die Oberhand. Aufgrund ähnlicher Szenen am 12. Mai in Berlin und am 17. Mai in Elberfeld entschloß sich Steiner, auf öffentliche Auftritte in Deutschland zu verzichten (GA 255b,614). Zwei Wochen nach dem Münchener Zwischenfall nahm Steiner vom 1. bis zum 12. Juni 1922 in Wien an einem von Anthroposophen organisierten Kongreß unter dem Titel »Ost-West. Zweiter internationaler Kongreß der anthroposophischen Bewegung zur Verständigung östlicher und westlicher Weltgegensätzlichkeit« tei1476, bei dem aber eine feuilletonistisch anmutende Kulturdiskussion betrieben wurde: Friedrich Rittelmeyer etwa sprach über »Pfingstgeist und religiöse Erneuerung«, Erich Schwebsch über »Anton Bruckners musikalische Sendung«, Herbert Hahn ließ sich über die Spiegelung der Volksseelen in den Sprachen aus (von Steiner als »ungeheuer einschneidend« bewertet47), Steiner selbst sprach über »Anthroposophie und Kosmologie« und immerhin auch in vier Vorträgen (gleichwohl sehr allgemein) über kulturelle und soziale Zeitfragen. In einem Vortrag über die »Kernpunkte« nahm er ihre gesellschaftspolitischen Anspruch zurück, indem er seine Ausführungen etwa zur »Kapitalzirkulation« oder zum »Wert der Arbeit« zur »Illustration« herabstufte (GA 832,203). Steiner dürfte mit dieser Veranstaltung zwar öffentliche Aufmerksamkeit gewonnen habe, aber politisch blieb die Wiener Aktion fast folgenlos. Im Juli und August 1922 veranstaltete Steiner noch einen »Kurs« zu ökonomischen Fragen (GA 340 f.), in dem er versuchte, Fragen der ökonomischen Theorie im Zusammenhang darzustellen, aber größere Wirkungen waren diesen Ausführungen zu Lebzeiten nicht beschieden, weder innerhalb der Anthroposophie noch außerhalb47S. Der »Nationalökonomische Kurs« war ein mit großer Anstrengung gesetzter Akzent, der faktisch zum Schlußpunkt der sozialpolitischen Äußerungen Steiners wurde. Am 24. Juli 1922 hatte Steiner moniert, die Dreigliederung sei nicht verstanden worden (GA 340,14f.). Im Februar 1923 soll er auf die Frage Bruno Krügers nach ihrer Zukunft geantwortet haben: »Die Dreigliederungsbewegung, Dr. Krüger, ist endgültig gescheitert«, und man könne sie, so gegenüber Clara Michels, hundert Jahre lang »nur im stillen meditieren und sie im kleinen Kreise pflegen«479 Schmidt: Das Vortragswerk Rudolf Steiners, 390. Zu diesem oft beschriebenen Vorgang Hahn: Rudolf Steiner wie ich ihn sah und erlebte, 110-114; Rudolf Steiner in München, 58-61; Beck: Rudolf Steiner. Die letzten drei Jahre, 12; Lindenberg: Steiner (Biographie), II, 769 f. 475 Lindenberg, ebd. II, 770. 476 Ders.: Steiner (Chronik), 487; hier das Programm S. 487-489. 47 Ders.: Steiner (Biographie), II, 771. 478 Der Kurs wäre aus der Perspektive der Geschichte der ökonomischen Theorie einzuordnen. Er fußt auf Steiners bis zu diesem Zeitpunkt geäußerten Vorstellungen, läßt allerdings nur schwer Bezüge auf die damalige ökonomietheoretischen Debatten erkennen. 479 Zit. nach Lindenberg: Der geschichtliche Ort der Dreigliederungsinitiativen, 644. 43 474

14.6 Gesellschaftliche Aktivitäten

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Steiner muß also realisiert haben, daß seine politischen Einschätzungen realitätsfern gewesen waren. Ebenfalls 1923 kam Steiner auf seine emphatischen Prophezeiungen zu sprechen, daß ohne die Einführung der Dreigliederung das »Chaos« ausbrechen würde. »Scherzhaft« habe er seinem Mitarbeiter Emil Leinhas die offenkundlich rhetorische Frage gestellt »Haben wir nun das Chaos?«48° Das definitive Ende der Dreigliederungszeit wird von Anthroposophen mit Steiners Äußerungen auf der Weihnachtstagung 1923 / 24 in Zusammenhang gebracht, daß die Anthroposophische Gesellschaft mit Politik nichts zu tun habe481. Die Gründe für das Scheitern der Dreigliederung sind vielfältig. Inhaltlich entsprach dem großen Entwurf einer fundamentalen Gesellschaftsreform keine durchdeklinierte Problemanalyse. Selbst in den Bereichen, wo Steiner zu konkreteren Fragen Position bezog, wie hinsichtlich der Betriebsräte, blieb es bei punktuellen Stellungnahmen. Daß er sich zum Betriebsrätegesetz in kursorischen Wendungen abfällig äußerte, heißt wohl auch, daß Steiner von konkreteren Fragen keine ausreichende Kenntnis besaß, um sich in die Debatten des Frühjahrs 1919 kompetent einzumischen. Mit seinem weiten Horizont und seinen grundsätzlichen Fragestellungen war Steiner attraktiv, vermutlich sind die Unterschriften Sinzheimers und Vershofen unter seinen Aufruf vom Februar 1919 so zu deuten, aber je konkreter die Fragen an die Dreigliederung wurden, um so schwieriger dürfte es geworden sein, Steiners meist vage Antworten zu vermitteln. Weder Dreigliederung noch Betriebsrätekonzeption noch andere Vorschläge, etwa zur zinslosen Bankenwirtschaft, erwiesen sich als mehrheitsfähig. Als die Weimarer Verfassung die Grundlagen der neuen Wirtschaftsordnung und des Betriebsrätegesetzes verabschiedete, stand Steiner mit seinen Vorschlägen so weit im Abseits, daß vermutlich kaum jemand an ihn dachte. Außerhalb seiner Anhänger - und selbst unter ihnen gab es Kritik und Distanz gegenüber der Dreigliederung482 - war Steiner ein Außenseiter geblieben. Angesichts der unklaren Machtverteilung in seiner Betriebsrätekonzeption und dem uneingeschränktem Leitungsrecht der Unternehmerseite war von der Arbeiterschaft kein großes Entgegenkommen zu erwarten, während die Zurückstufung der »Arbeitsleiter« auf ein Angestelltenniveau, etwa durch die Verweigerung einer Gewinnbeteiligung, wiederum die Arbeitgeber in einen Gegensatz zu Steiner gebracht haben dürfte. Es gibt zudem keine Hinweise, daß Steiner mit den Gewerkschaften oder den Arbeitgeberverbänden einen intensiven und auch institutionell abgesicherten Kontakt gesucht hätte. Steiner bemühte sich zwar um persönliche Gespräche, aber auf Arbeiterseite hat es den Anschein, daß sie sich vor allem dann ergaben, wenn Arbeiter auf ihn zukamen (wie bei Sigfried Dorfner), und unter den Arbeitgebern dominierten die Beziehungen zu anthroposophischen Unternehmern. Steiner rechnete offenbar damit, daß sich die Dreigliederung aufgrund der besseren Argumente »einfach« Geltung verschaffen 48o

Leinhas: Aus der Arbeit mit Rudolf Steiner, 65. Brüll: Der anthroposophische Sozialimpuls, 276. Die Kritik des aristokratischen »Damenklubs« im Februar 1919 an den gesellschaftspolitischen Aktivitäten (vgl. Anm. 271) bildete wohl nur die Spitze einer offenbar weitverbreiteten inneranthroposophischen Reserve; vgl. auch Leinhas: Aus der Arbeit mit Rudolf Steiner, 74. 481 482

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würde. Daß auch ein (vermeintlich) konkurrenzloses Programm im Machtgefüge der gesellschaftlichen Gruppen durchgesetzt werden muß, entsprach nicht seinem Politikverständnis; konsequenterweise richtete er 1924 erneut die »Esoterische Schule« ein. Schließlich betrachtete ihn die Arbeiterseite nurmehr als weiteren Spaltpilz der Arbeiterbewegung, während die Arbeitgeberseite ihn im wesentlichen ignorierte. Steiner hat dies verwundert und enttäuscht, aber ohne eine (in den veröffentlichten Texten dokumentierte) Einsicht in mögliche Gründe realisiert. Das im Hintergrund zusätzlich dräuende Problem des geistesaristokratischen Überbietungsanspruchs haben seine möglichen Partner vermutlich nicht in der Schärfe gesehen, in der Steiner es im internen Kreis artikulierte; dies dürfte ihn vor schärferen Verdikten bewahrt haben. Vermutlich darf man bei alledem die persönlichen Niederlagen, die Steiner in dieser Phase aus dem Umfeld der Politik beigebracht wurden, nicht vergessen. Die einer Demütigung nahekommende Anordnung der Familie Moltke und der militärischen Führung, die ihn in den letzten Tagen des Mai 1919 zwangen, die von ihm herausgegebenen biographischen Dokumente Moltkes einstampfen zu lassen483, dürften Steiners Selbstwertgefühl beschädigt haben, insbesondere da Angriffe im Umfeld der Debatten um Kriegsschuld und Niederlage immer wieder hochkochten484. Steiners Versuche zur Rettung der Dreigliederung bestanden zum einen in der Relativierung ihres Geltungsanspruchs. Sie sollte, so Steiner im Juli 1922, nicht als »logisch in sich geschlossenes« Konzept verstanden werden, sondern nur »Richtlinien«, »Exempel« oder »Illustrationen« bieten (GA 341,15). Von den als übersinnliche Einsichten mit Objektivitätsanspruch deklarierten Ansprüchen war dies meilenweit entfernt. Sodann nahm Steiner die Anwendung der Dreigliederung auf innere Strukturen anthroposophischer Gruppen zurück. 1924 bestimmte der das Verhältnis von »Waldorfschule« und anthroposophischer »Hochschule« »unter den Auspizien dessen, was der Dreigliederung zugrunde liegt. Und man arbeitet im Grunde konkret, wenn alle vernünftigen Institutionen schon nach der Dreigliederung hinarbeiten werden. Man muß die Welt ihren Gang gehen lassen, nachdem sie mit voller Absicht den anderen Weg nicht gehen wollte.« (GA 300c,118)

Im Klartext: Da »die Welt« die Dreigliederung verschmäht habe, solle sie nun ihren (Unter-)Gang gehen, während die Dreigliederung innerhalb der Waldorfschule praktiziert werde. Die Waldorfschule, die ursprünglich Teil des gesamtgesellschaftlichen Konzeptes der Dreigliederung inmitten des Geisteslebens gewesen war, wurde nun zu ihrem stellvertretenden Gestaltungsraum. Aus einem Objekt der Dreigliederung wurde ihr Subjekt. Diesen Vorgang kann man, nicht ganz präzise gesagt, als Privatisierung der Dreigliederung beschreiben, es war jedenfalls der Rückzug aus der Öffentlichkeit und ihrer Auseinandersetzung um Geltungsansprüche in einen abgeschirmten Raum hinein, in dem die gesell4a3

Zander: Der Generalstabschef Helmuth von Moltke d. J., 455 f. Vgl. für das Jahr 1922 von Grone: »Der Anthroposoph als Offizierhetzer«, 7, wo Steiner sich mit dem Vorwurf konfrontiert sah, er habe die Auslieferung deutscher Offiziere an die Entente geplant. 484

14.7 Die Dreigliederung zwischen Autorität und Selbstverwaltung

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schaftliche Alternative als Pilotprojekt überleben sollte. Immerhin: dies sicherte der Dreigliederung eine - wenn auch so nicht geplante - Zukunft. Der Anthroposophischen Gesellschaft entzog er jedenfalls angesichts der gescheiterten Dreigliederung im Dezember 1923 jede politische Aufgabe: »Die Politik« betrachte sie »nicht als in ihren Aufgaben liegend« (GA 260,51). Zum anderen nahm Steiner seine Zuflucht zur Spiritualisierung. Herbert Hahn kolportiert eine Aussage Steiners, wonach die Dreigliederung nicht »eingeführt« werden könne, sondern es vielmehr »gelte, sich mit unermüdlicher persönlicher Aktivität einzusetzen, damit allmählich in der Zeit geboren werde, was in ihr sich überall vorbereite«485. Im Klartext: Die Dreigliederung kann nicht durch gesellschaftliche Entscheidungen herbeigeführt werden, Menschen haben nurmehr die Rolle von Geburtshelfern, unter denen wiederum die Geistesaristokratie der »Eingeweihten« eine führende Rolle einnehmen sollte. Aber ein politisch handelndes Subjekt gibt es in Hahns Satz nicht mehr, die eigentliche Agentin des politischen Prozesses ist eine unpersönliche, >sich vorbereitende< Bewegung. Politik wird Epiphanie und Epiphänomen des Geistigen.

14.7 Die Dreigliederung zwischen Autorität und Selbstverwaltung 14.7.1 Eine historische Situierung Als Steiner 1918 mit den Wogen der Revolution ins Wasser der Politik geschwemmt wurde, trieb - um im Bild zu bleiben - ein wasserscheuer Gelegenheitsschwimmer in das gerade besonders rauhe Meer der Politik. Steiner hatte nur wenige Erfahrungen mit der Politik gesammelt: vor 1900 eine kurze journalistische Tätigkeit in Wien 1888, ein Flirt mit dem Anarchismus 1898, die Lehrtätigkeit an der Arbeiterbildungsschule zwischen 1899 und 1905, bei der es mehr um allgemeine Bildung als um Politik ging (wobei Steiner immer wieder seine Distanz zu sozialistischen Vorstellungen betonte). Die Tätigkeit als Generalsekretär der deutschen Adyar-Theosophen war ein nahezu politikfreier Raum, so daß für Steiners Vorträge, in denen politische Fragen zentral sind, die Finger einer Hand reichen. Schließlich startete er noch 1917 den gutgemeinten Versuch, die Mittelmächte gegen Wilsons Politik zu unterstützen. Steiner war kein gänzlich apolitischer Mensch, kam aber nur punktuell mit der Politik in Kontakt, ohne sich bei diesen Gelegenheiten intensiv mit politischen Fragen zu beschäftigen. Und was er dann zu sagen wußte, war unkritisch, wie sein royalistisch eingefärbter Deutschnationalismus vor 1900 in Wien, oder politikfern, wie seine theosophische Individualisierung der sozialen Frage vor dem Ersten Weltkrieg. Erst 1919 wurde aus dem Beobachter ein aktiver Mitspieler in der Politik. Gesellschaftspolitisch interessierte Anthroposophen haben zwar aus Steiners Aktivitäten eine politische Biographie konstruiert, aber dafür scheint mir sein sporadischer Umgang mit der Politik keine Grundlage zu bieten. Betrachtet man

485

Hahn: Die Geburt der Waldorfschule, 92.

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14. Politik

Steiner hingegen als politischen Dilettanten, wird die Politisierung seiner Biographie in der zweiten Revolutionsphase zu einer bemerkenswerten Wendung. Durch den Zusammenbruch der bis dato fraglos akzeptierten politischen und symbolischen Ordnung des Wilhelminischen Deutschland, die zugleich das Korsett des theosophischen Vereinslebens bildete, öffnete sich Steiner die Welt der Politik. Daß ein dem Übersinnlichen verschriebener Okkultist den Weg zu den sozialen Realitäten fand, ist als Versuch, das Getto der um sich selbst kreisenden Theosophie zu verlassen, Steiner hoch anzurechnen. Er stand damit unter den Okkultisten, die das Kaiserreich überlebt haben, nicht ganz allein, trieb dieses Engagement aber besonders weit voran. Die Verve dieses Ausbruchsversuchs kann man selbst dann würdigen kann, wenn man die Ergebnisse in Theorie und Praxis negativ wertet. Die heutige Attraktivität der Dreigliederung gründet in einer selektiven Rezeption einzelner Elemente, deren gemeinsamer Nenner Anthroposophen in einem im weitesten Sinn auf Selbstorganisation zielenden Ansatz sehen: Trennung von Teilbereichen, assoziative Vergesellschaftungsformen, vor allem aber die Konzentration auf individuelle Interessen, wie sie sich im Hintergrund von Steiners Betriebsrätevorstellungen (s. o. 14.5.1e) oder seinem bedürfnisorientierten Lohnkonzept finden (s. o. 14.5.1b). So erscheint die Dreigliederung als liberales und pluralismuskonformes Gesellschaftskonzept. Analysiert man jedoch ihre fundamentalen Strukturen, erweist sie sich als das genaue Gegenteil, als autoritär und antipluralistisch. Der Angelpunkt des autoritären Prinzips der Dreigliederung ist das in die Politik übernommene hierarchische Denken der theosophischen Esoterik, in deren Tradition Steiner das »wahre« Wissen im Arkanbereich (das können je nach Phase geheime Meister, die Akasha-Chronik, Eingeweihte oder die Erkenntnisse »höherer Welten« sein) situierte. Diese geistesaristokratische Konstruktion liegt auch der Dreigliederung zugrunde. Deren Grundlagen werden deshalb nicht vertragstheoretisch oder naturrechtlich oder im offenen Rekurs auf weltanschauliche Annahmen begründet, sondern an die Einsicht einer elitären Minderheit in »höheres« Wissen gebunden. Diese Autoritätsbegründung hat Steiner allerdings in öffentlichen Vorträgen nur kaschiert geliefert, hingegen im geschützten Bereich der internen Vorträge offen ausgesprochen. Vielleicht hat er gespürt, daß in einer Phase der Demokratisierung seine Dogmatisierung des autoritären Lehrer-Schüler-Verhältnisses unzeitgemäß war. Aus dieser Grundposition ergeben sich massive Problem in der Akzeptanz eines demokratisches Regelwerks und der es fundierenden Werte. Demokratie gibt es für Steiner im Bereich des Geisteslebens, da ist er kompromißlos, nicht, im Wirtschaftsbereich im Prinzip auch nicht, wenngleich er nachträglich im Rätekonzept kooperative Formen der Machtverwaltung akzeptiert hat. Demokratische Regelungsmechanismen finden sich nur im Rechtsbereich; er ist aber signifikanterweise das am schwächsten thematisierte Segment der Dreigliederung und in seiner Ausgestaltung (etwa in der zeitweiligen Zuweisung des Strafund Privatrechts ins Geistesleben) inkonsistent. Das Demokratieproblem im Kern von Steiners politischer Theorie wird an zentralen Fragen der Demokratietheorie, dem Umgang mit Macht und der Moderation von Konflikten, deutlich. Die zeitliche Begrenzung der Machtverwaltung

14.7 Die Dreigliederung zwischen Autorität und Selbstverwaltung

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spielt in Steiners politischer Theorie keine Rolle, weil er Machtausübung nicht an mehrheitsfähige und revidierbare Programme, sondern an »höhere« Einsicht in überzeitlichen Zusammenhängen band. Weil aber das Zentrum der Macht in Steiners Augen nicht demokratisierungsfähig ist, gibt es von diesem Ansatz her keinen Weg zur zeitlichen Limitierung von staatlicher Gewalt, zu ihrer Teilung und zum System von checks and balances. Die Teilung in Legislative, Exekutive und Jurisdiktion hat nur auf der numerischen Oberfläche Ähnlichkeiten mit Steiners Dreiteilung, die Logik einer ausbalancierten Machtverteilung mit wechselseitiger Kontrolle, die für alle gesellschaftlichen Bereiche gelten soll, existiert in der Dreigliederung nicht. Daraus resultiert eine spezifische Konfliktbearbeitung. Während in einer Demokratie Konflikte kommunikativ bearbeitet werden sollen, weil wechselseitige Kontrolle nur unter der Voraussetzung eines diskursiven Umgangs funktioniert, versuchte Steiner, Konflikte durch die Trennung in drei gesellschaftliche Segmente schon vor ihrem Aufbrechen zu verhindern. Konflikte sollen, zugespitzt formuliert, nicht moderiert, sondern eliminiert werden. Daß Steiner zur Organisation in Parteien, die Interessen aggregieren und politische Meinungen formieren sollen, um Konflikte jenseits gesellschaftlicher Funktionsbereiche zu artikulieren und zu bearbeiten, ein kritisches Verhältnis besaß, war nur konsequent. Steiners Modell hat seine nächsten funktionalen Ähnlichkeiten mit dem ständestaatlichen Modell, nur ist die vertikale Ordnung einer horizontalen Differenzierung gewichen. Gleichwohl übt das Geistesleben, wie Adel und Klerus im Ständestaat, eine hegemoniale Funktion aus. Eine genetische Abhängigkeit ist jedoch unwahrscheinlich. Die damit gestellte Frage nach den Traditionen, aus denen Steiners Dreigliederung stammt, erwies sich als ein kniffliges Kapitel. Ich vertrete die These, daß es in seiner Wurzel ein Transformationsprodukt der »Ausgleichs«regelungen der Minoritätenpolitik des Habsburgerreiches ist (s. o. 14.4.1). Der Horizont der österreichisch-ungarischen Verhältnisse blieb für Steiner auch in vielen Details lebenslang prägend, auch seine deutschnationale Grundhaltung oder sein Mißtrauen gegenüber dem Parlamentarismus dürfte dem Milieu der Deutschen im Habsburgerreich entstammen. 1919 hat Steiner sein politisches Denken mit den im Nachkriegsdeutschland diskutierten Vorstellungen ausgestattet. Das heute dominierende Funktionsprinzip der Dreigliederung, das organologische Denken, hat er aus meist nicht näher bestimmbaren, aber weitverbreiteten Materialien - vermutlich spielte etwa Tönnies »Gemeinschaft und Gesellschaft« eine wichtige Rolle - entnommen. Strukturell bieten organologische Modelle die Chance, eine funktionale Differenzierung (in Organen oder Gliedern) mit einem ganzheitlichen Anspruch (in der Einheit des Körpers) zu verbinden. Aber zugleich schränken sie gesellschaftliche Differenzierungsmöglichkeiten ein. Die Option der - etwa assoziationstheoretisch ausdeutbaren - Funktionsteilung des gesellschaftlichen »Körpers« in seinen »Gliedern« wird durch die Ganzheitlichkeit des Staatsgebildes begrenzt. Wie in der Dreigliederungsvorstellung kommen auch in organologischen Gesellschaftstheorien zentrale Vorstellungen vertragstheoretischer Demokratiekonzeptionen nicht zum Tragen, da im gesellschaftlichen »Körper« die Machtfrage durch die Leitung im »Kopf« gelöst ist und Konflikte durch die fixierten Plätze und Auf-

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gaben der »Glieder« allenfalls Funktionsstörungen betreffen. Wo aber die metaphorische Konstitution des Begriffs vom »organischen« Staatswesen« nicht realisiert und zur Diskussion freigegeben wird, kann Ganzheit oder Einheit schnell totalitär werden. Steiner bietet keinen totalitären Gesellschaftsentwurf, aber auch er zahlt den Preis der Domestizierung des Individuums unter einen letztlich anonymen Gesamtwillen, entgegen aller Individualisierungsrhetorik: »In der Gemeingesellschaft der Zukunft [wird] ein gemeinsamer Wille, ein Gesamtwille in dem einzelnen wirken müssen.« (GA 332a,170) Hinter derartigen Aussagen stand vermutlich Steiners Wahrnehmung einer zunehmenden Pluralisierung der Gesellschaft, deren zentrifugale Tendenzen er einzugrenzen versuchte. Dieses Interesse teilte er mit vielen in Deutschland nach dem Sturz der Monarchie. Weiterhin kann man vermuten, daß Steiner in den organologischen Vorstellungen eine brauchbare Metaphorik fand, autoritatives Wissen, das Gravitationszentrum seiner Esoterik, mit einem Selbstverwaltungsanspruch zu verbinden. Der Autoritätsfalle organologischer Theorien ist er dabei meines Erachtens aber nach nicht entkommen. Auch die Details seiner Vorstellungen über Dreigliederung und Organologie hinaus entstammen der Nachkriegsdiskussion in Deutschland, wie Steiners Lektüren, soweit sie sich ermitteln lassen, belegen. Hinsichtlich konkreter Abhängigkeiten blieb Steiner verschwiegen, würde doch eine große Offenheit die behauptete übersinnliche Einsicht als zeitgenössisches Wissen entlarven. Gleichwohl erschließen sich der historiographischen Analyse zeitgenössische Abhängigkeiten. Er hat, um zwei Beispiele zu nennen, Silvio Gesells Freigeldvorstellung aller Wahrscheinlichkeit nach verarbeitet und sich sicherlich im rätedemokratischen Denken bedient. Wiederum erweist sich die Zeitgeschichte als Fundament des Anspruchs auf ehrwürdiges oder übersinnliches Wissen: Steiners Quellen liegen in der Tagespolitik und lassen sich nicht deshalb schwer identifizieren, weil sie besonders alt oder esoterisch sind, sondern weil diese Inhalte den Aufstieg in die kulturelle Traditionsbildung und ihre Archive nur zu kleinen Teilen geschafft haben. So ist der für Steiner wichtige Staatstheoretiker Albert Eberhard Friedrich Schäffle nur noch Fachleuten, C. H. Meray fast niemandem mehr bekannt. Steiner scheiterte mit seinen politischen Ambitionen in der Praxis, wie er selbst zugegeben hat. Die Gründe habe ich mehrfach eingekreist. In seiner Theorie fand Steiner keinen Anschluß an die zeitgenössischen Debatten, die Dreigliederung mochte selbst in ihren öffentlich geäußerten Teilen außerhalb der Anthroposophie kaum jemand mitvollziehen. Hugo Sinzheimer und Wilhelm Vershofen, immerhin Mitglieder der Weimarer Nationalversammlung, konnte Steiner im Februar 1919 zwar noch für seinen »Aufruf an das deutsche Volk« gewinnen, aber später hielten sie sich wie auch andere Prominente fern. Mit der zunehmenden anthroposophischen Engführung seiner Theorie brachen die Anschlußstellen an gesellschaftliche Diskussionen fast vollständig weg. Auch in der Praxis endete Steiner in der Isolation, entgegen seinem integrativen Anliegen. Zwar konnte er einzelne wie den USPD-Aktivisten Sigfried Dorfner oder den Inhaber der Waldorf-Astoria-Fabrik, den langjährigen Theosophen Emil Molt, begeistern und im Mai und Juni 1919 auch in Stuttgart Säle füllen, aber die große »Dreigliederungszeit« war ein Strohfeuer. Der Umgang mit den politisch rele-

14.7 Die Dreigliederung zwischen Autorität und Selbstverwaltung

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vanten und institutionalisierten Kräften blieb eine Nicht-Beziehung. Auf Seiten der Arbeiter fand er weder zur USPD noch zu den Mehrheitssozialdemokraten Zugang und konnte nicht verhindern, daß die Dreigliederungsaktivitäten als weitere Spaltung der Arbeiterschaft betrachtet wurden. Ob Steiner die Fragen und Probleme der Arbeiterschaft und der Gewerkschaften unterhalb der Oberfläche des Allgemeinwissens überhaupt verstanden hat, wird man mit einem großen Fragezeichen versehen. Steiners Nachkriegsäußerungen machen zwar im Gegensatz zu den Thesen aus theosophischer Zeit deutlich, daß er sich mit der sozialen Frage beschäftigte, aber eine intime Kenntis sozialpolitischer Probleme und Debatten läßt er auch nach dem Krieg nicht erkennen. Beispielsweise blieb sein Verständnis für die Funktion von Gewerkschaften schwach. Sie waren in seiner Gesellschaftstheorie marginale Größen. Sein Interesse an der Unternehmerseite war größer, doch hat er über persönliche Beziehungen zu anthroposophischen Unternehmern hinaus kaum Kontakt zur Arbeitgeberseite gepflegt. Vor diesem Hintergrund waren alle Aktivitäten Steiners von einem gutgemeinten Dilettantismus geprägt: Der württembergische Ministerpräsident Wilhelm Blos erfuhr immer nur aus zweiter Hand von den realen oder unterstellten Ambitionen Steiners, in seiner Regierung Minister zu werden; den Plan, Württemberg als »Musterland« der Dreigliederung zu machen, gab Steiner schnell auf, nachdem ihm auf den Betriebsversammlungen nach zwei Monaten nicht die Massen nachliefen; die Versuche, das oberschlesische Abstimmungsgebiet mit Dreigliederung zu befrieden, wurde, wie auch der Einsatz für die Rätebewegung, zwischen allen Fronten und damit ohne Verbündete geführt und endete in einem Debakel; die Holdings für Aktiengemeinschaften schließlich, hinter denen nicht die Absicht steckte, die ökonomische Tragfähigkeit anthroposophischen Wirtschaftens zu belegen, sondern anthroposophische Einrichtungen zu finanzieren, wurden unprofessionell gemanagt und waren binnen kurzer Frist bankrott. 1923 hielt Steiner die Dreigliederungsbewegung für »endgültig gescheitert« und zog sich aus der politischen Arbeit zurück. Angesichts dieses Schiffbruchs in der Praxis und der großen Mängel seiner Theorie fällt das Urteil über seine politischen Ambitionen negativ aus. Allerdings muß man ihm zugute halten, daß er sich nicht auf die fromme Innerlichkeit, wie andere Theosophen, beschränkt und den Schritt in die gesellschaftliche Praxis gewagt hat. Die Früchte finden sich aber kaum in dem im engeren Sinn wirtschaftlichen Bereich, sondern sind Folgen seines Engagements (wenn auch auf Anstöße von außen) für pädagogische, medizinische oder landwirtschaftliche Fragen. In politischer Perspektive war dies eine Beschäftigung mit gesellschaftspolitischen Themen, unter denen machtpolitische Fragen nicht mehr vorkamen. Doch auch hier gilt: immerhin! Und Steiner widmete sich wieder verstärkt der okkultistischen Arbeit; die Einrichtung der esoterischen »Klassen« (s. 7.10.1g) markierte 1924 die wieder verstärkte Bedeutung der Arkandisziplin. Angesichts des Scheiterns der Weimarer Republik muß man die Frage stellen, wie Steiners Dreigliederung in die damaligen politischen Debatten einzuordnen ist, wie näherhin der Untergang des Parlamentarismus in Weimar mit seiner (fehlenden) Akzeptanz zusammenhängt. Steiner in diesem Zusammenhang zu nennen, heißt nicht, ihm (oder der Anthroposophie) kurzschlüssig die Schuld

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am Nationalsozialismus oder dem Untergang der Weimarer Republik zuzuweisen, wohl aber ihn auch im Kontext einer Geschichte zu lesen, die in diese Katastrophe geführt hat. Steiner gehört meines Erachtens in die Tradition des im Kern nichtdemokratischen Denkens in der ersten deutschen Republik. Sein Konzept wird zwar heute vielfach von den assoziationstheoretischen Elementen her in die Tradition gesellschaftlicher Selbstverwaltungskonzepte gestellt, aber dies ist, wie gesagt, ein selektiver Umgang mit Steiners Erbschaft. In Steiners Konzeption drängte vielmehr die Hegemonie des autoritären Geisteslebens die demokratischen Werte und Regeln in Randbereiche ab. Mit der Struktur der Dreigliederung hielt Steiner nach dem Untergang des Kaiserreichs an einer Art konstitutioneller Monarchie fest, in der nun die »Eingeweihten« und »Hellsichtigen« die Oligarchen stellten und demokratische Entscheidungen an ihr Placet banden. Die Wurzeln dieser Tradition liegen sowohl für Steiner wie für den 18 Jahre jüngeren Hitler in Österreich, näherhin in Wien. Um auch hier keinen falschen Zungenschlag aufkommen zu lassen: Steiner war kein Hitler und auch nicht sein Parteigänger, neben manchen Übereinstimmungen gibt es tiefe Unterschiede. Aber beide waren vermutlich strukturell ähnlichen Sozialisationserfahrungen ausgesetzt. Beide stammten aus Elternhäusern, in denen es eine unter cisleithanischen Österreichern weitverbreitete Konstellation gab: Eine deutschnationale Haltung, die zugleich antiklerikal oder antikirchlich war und die ein »großdeutsches« Ideal entstehen ließ. Und beide schilderten kritisch ihre Erfahrungen im Wiener Parlament, das als Spielball nationalistischer Kreise im Habsburgerreich mißbraucht wurde und das beide mit einer tiefsitzenden Abneigung gegen demokratische Verfahren imprägnierte486. Deutschnationale Hybris und elitärer Antiparlamentarismus sind ein gemeinsames, gleichwohl in unterschiedliche, oft gegenläufige Konsequenzen ausgezogenes Erbe, das beide in Wien um 1900 mitbekommen hatten. Steiner wurde nicht zum äußersten Antidemokraten wie Hitler, aber er stellte der Demokratie ohne Demokraten auch keine überzeugten Verfechter an die Seite. Autoritätsverliebte Äußerungen von Anthroposophen für die Weimarer Jahre beizubringen, ist denn auch kein Problem, wenngleich über deren Repräsentativität noch kein Urteil möglich ist487. Die Anthroposophen gehörten folglich durchweg auch nicht zu denjenigen, die sich der Auslieferung der Republik an ihre Feinde entgegenstellten. In den verbleibenden acht Jahren zwischen Steiners Tod und dem Ende der Weimarer Republik haben Anthroposophen sich vermutlich kaum oder nicht mit politischen Fragen beschäftigt; die Tradition des esoterischen Quietismus dürfte - verschärft durch die Erbfolgestreitigkeiten innerhalb der Anthroposophischen Gesellschaft - die apolitische Grundhaltung wieder stark gemacht haben. Der 30. Januar 1933 traf, wie Uwe Werner, Archivar am Goetheanum in Dornach, offen festhält, die Anthroposophische 486 Zu

Hitlers Elternhaus vgl. Hamann: Hitlers Wien, 23-27; zu den Parlamentserfahrungen ebd., 169-174. Zu Steiner österreichischem Hintergrund s. o. 14.2.1a, zum Vater als Freigeist GA 28,22. 4a7 Vgl. Zander: Anthroposophische Rassentheorie, 325-331. Das Verhältnis von Anthroposophen zur Weimarer Republik liegt noch weitgehend im Dunkeln.

14.7 Die Dreigliederung zwischen Autorität und Selbstverwaltung

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Gesellschaft denn auch »völlig unvorbereitet: die Gesellschaft hatte sich bis zu diesem Zeitpunkt nie veranlaßt gesehen, sich praktisch um politische Fragen zu kümmern«488

14.7.2 Aktuelle Reminiszenzen Forschungen zu den gegenwärtigen Folgen der anthroposophischen Gesellschaftspolitik fehlen fast ganz, von einer verstreuten, anthroposophieinternen Literatur abgesehen. Dabei gäbe es lohnende Gegenstände: die anthroposophischen Banken, die Plebiszitbewegung oder die dm-Drogerie-Märkte. Gerade bei der von Werner Götz organisierten Unternehmenskette, in den einzelne Läden beträchtliche Entscheidungsspielräume besitzen, in der höhere Löhne als im Branchendurchschnitt gezahlt werden oder wo Hierarchien zwischen der Unternehmensleitung und den Filialen vor Ort abgebaut wurden, werden die möglichen positiven Wirkungen von Steiners Denken sichtbar. Während man in der historischen Analyse auf die autoritären Strukturen in Steiners gesellschaftspolitischem Denken stößt, sieht es bei manchen aktuellen gesellschaftlichen Engagements von Anthroposophen so aus, als würde sich eine liberale Beanspruchung von Steiners Denken durchsetzen. Wir wissen nicht, wieweit das stimmt, es ist vor allem unklar, wie man mit Steiners autoritären Positionen umgeht. Dies ist eines der größten Desiderate der Forschung für die Jahrzehnte nach Steiners Tod. Ein weiteres Forschungsfeld wäre die Präsenz der konzeptionellen Muster von Steiners Denken über seine Anhänger hinaus. Manche Beobachter des Feldes von Esoterik und Politik meinen jedenfalls, daß die »Denkmuster« Steiners »im heutigen esoterischen Diskurs« >wiederkehrenPatriarch< Molt37 mit einem Bildungsprogramm für seine Arbeiterschaft: »Unterrichtsstunden in fremden Sprachen, im Malen, in Geschichte, in Geographie usw. Für die Mädchen wurden daraufhin Kurse für Nähen und Flicken eingerichtet«38. Nachdem diese »Fortbildungsschule«, also eine Einrichtung der Erwachsenenbildung, »aus Mangel an genügender Teilnahme« gescheitert war39 - möglicherweise waren viele Arbeiter überfordert (»es fiel den meisten schwer, sich nach der Tagesarbeit noch einmal ernstlich anzustrengen«") -, trug sich Molt mit dem Gedanken einer Schulgründung. Vielleicht haben auch Arbeiter der Waldorf-Astoria statt der Kurse ein Erziehungsprogramm für ihre Kinder gefordert, etwa nach dem Prinzip, daß es die Nachwachsenden einmal besser haben sollten". Darüber hatte Molt offenbar noch vor der Einbeziehung Steiners mit dem Württembergischen Kultusminister Berthold Heymann gesprochen42. Zum »eigentlichen Geburtstag« anthroposophischer Pädagogik stilisierte Molt den 23. April 1919, als er Steiner bat, »er möge die Einrichtung und Leitung der Schule übernehmen«43. Damit stieg der pädagogische Laie Steiner in Molts Projekt ein. Auch ein zwei Tage später von Molt anberaumtes Gespräch zwischen ihm, Steiner, A. E. Karl Stockmeyer und Herbert Hahn, dem Leiter der Bildungsarbeit in der Waldorf-Astoria Fabrik44, gilt als Meilenstein". Molt hatte zu diesem Zeitpunkt eine Fabrikschule im Blick und wollte nur Kinder von Arbeitern der Waldorf-Astoria-Fabrik und von Anthroposophen zulassen46. Am 30. April fand dann ein Gespräch mit dem Württembergischen Arbeitsminister Hugo Lindemann statt47. Am 13. Mai schließlich trafen sich Steiner, Molt, Stockmeyer und Kultusminister Heymann sowie dessen Referent Reinöhl und stellten vermuteiner Handwerkerfamilie (ihre Mutter war Hutmacherin), sie selbst beherrschte Stenographie; Dora Kimmich, in: Der Lehrerkreis um Rudolf Steiner, hg. v. G. Husemann / J. Tautz, 103. Durch Berta Molts Einfluß sei ihr Mann 1904 / 06 zur Anthroposophie gekommen (ebd., 105). Zur Fabrik als Namensgeberin siehe Hofrichter: Waldorf. Vielfach heißen Waldorfschulen, insbesondere in der Schweiz, auch Steiner-Schulen. Überraschenderweise fehlt eine Schulgeschichte dieses Pionierprojektes, es gibt aber einen Band mit reichem Bildmaterial aus der Frühzeit: Bilder von der Freien Waldorfschule mit Berücksichtigung der sämtlichen Schwesteranstalten, hg. v E. Kolisko. Hilfreich Lindenberg: Steiner (Biographie), II, 666-695. 37 Hahn: Die Geburt der Waldorfschule, 83. 38 Molt: Von der Gründung der Waldorfschule, 249. Dieser 1958 in der Zeitschrift »Menschenschule« (S. 364-374) und 1969 in einer internen Mitgliederzeitschrift wieder abgedruckte Text wurde in Molt: Entwurf meiner Lebensbeschreibung, 202-210, wieder aufgenommen. Auf wen die Unterschiede in den Fassungen zurückgehen, ist unklar. Davon unabhängig sind offenbar Molts Erinnerungen aus dem Jahr 1925: Dr. Rudolf Steiner und die Waldorfschule. 39 Molt: Von der Gründung der Waldorfschule, 251. 40 Ders.: Entwurf meiner Lebensbeschreibung, 203. 41 So die harmonischere Deutung bei Hahn: Der Weg, der mich führte, 655, und ders.: Die Geburt der Waldorfschule, 82. 42 Molt: Von der Gründung der Waldorfschule, 251. 43 Ebd. 44 Ebd., 249. 4s Hahn: Der Weg der mich führte, 657-665; vgl. auch GA 300a,290; zu Molts Initiativfunktion auch Hahn, ebd., 657. 46 Stockmeyer: Die Entfaltung der Idee der Waldorfschule, 658. 4' Rudolf Steiners öffentliches Wirken für die Dreigliederung, 12f.

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15. Waldorfpädagogik

lich die entscheidenden Weichen. Der neuen Schule sei Lehrfreiheit zugesichert worden, und der Staat habe sich nur bei den »hygienischen Einrichtungen« ein »Einspracherecht« vorbehalten48. Der Sozialdemokrat Heymann war offenbar davon angetan, daß der »Kapitalist« Molt sich in Erziehungsfragen engagierte"; später erhielt Molt für seine sozialpolitischen Verdienste die Ehrendoktorwürde der Universität Tübingen". Bei der Entscheidung für Stuttgart spielten allerdings auch taktische Überlegungen eine Rolle. Aufgrund des liberalen Württemberger Privatschulgesetzes - Steiner sah hier eine »Lücke im Württembergischen Schulgesetz« (GA 300c,49) - gab es Möglichkeiten der eigenverantwortlichen Gestaltung der Schule, die in anderen Ländern nicht vorlagen: Zum ersten war eine Privatschulgründung vergleichsweise leicht möglich. Sodann konnte eine staatliche Überprüfung der Lernziele in einem Kompromiß auf das dritte, sechste und achte Schuljahr beschränkt werden, womit man gleichwohl den Bedenken der Behörden entgegenkam, die neue Schule werde das Niveau der öffentlichen Lehranstalten nicht halten können. Schließlich mußten Lehrer (zumindest in der Anfangsphase) keine staatliche Prüfung ablegen". Diese Zusage Heymanns in dem Gespräch vom 13. Mai soll eine mitentscheidende Rolle für die Gründung in Stuttgart gespielt haben". Die Schwierigkeit, daß die meisten Lehrer keine pädagogische Qualifikation besaßen, wurde auf dem Verwaltungsweg behoben, indem die Lehrerlaubnis nach Einreichung eines Lebenslaufs und persönlicher Vorstellung im Ministerium erteilt wurde53 Die Schule konzipierte Steiner am 11. Mai 1919 dezidiert als »Einheitsschule« (GA 192,98; vgl. auch GA 298,34), und Molt begründete diese Entscheidung mit der Überlegung, »daß künftighin nicht nur der Sohn und die Tochter des Begüterten, sondern auch die Kinder der einfachen Arbeiter in die Lage versetzt werden, diejenige Bildung sich anzueignen, die heute notwendig ist zum Aufstieg zu einer höheren Kultur«54. Auch hier könnte eine Interessenkonvergenz mit den Zielen Heymanns vorgelegen haben55 - wenn der Einheitsschulgedanke nicht sogar teilweise aus »taktischen Gründen« gegenüber staatlichen Stellen konzediert wurde". Eine detaillierte Analyse der Wechselwirkungen zwischen den staatlichen und den anthroposophischen Motiven läßt sich nur nach einer Einsicht in

48 Molt: Von der Gründung der Waldorfschule, 251 f. Vgl. Stockmeyers auch Bericht in: Von den ersten Schritten zur Waldorfschule. 49 Ebd., 251f. So Guenther Wachsmuth, in: Das Wirken Rudolf Steiners, IV, hg. v. H. H. Schöffler, 24. 51 Gabbert: Einleitungen, in: GA 300a,27 f. sz Stockmeyer: Die Entfaltung der Idee der Waldorfschule, 659f. Stockmeyer: Von den ersten Schritten, 38, zitierte eine Notiz des Gesprächs mit Reinöhl: »Es wird uns erklärt, daß es nicht erforderlich ist, daß die von uns angestellten Lehrkräfte staatlich geprüft sind, sie müssen nur hinsichtlich Vorbildung und Lebenslauf sich vor dem Ministerium als geeignet erweisen.« ss Gabbert: Einleitungen, in: GA 300a,27. s4 Molt: Ansprache zur Eröffnung der Freien Waldorfschule im Stadtgartensaal in Stuttgart, in: GA 298,18. ss Vgl. Molt: Von der Gründung der Waldorfschule, 251. 56 Ohne nähere Begründung bei Lindenberg: Steiner (Chronik), 409. Die Einheitsschule könnte durch staatlichen Druck oder zumindest auf staatliche Anregung hin entstanden sein.

15.3 Die Schulgründung 1919

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die staatliche Archivüberlieferung - sollte sie in ausreichender Dichte zur Verfügung stehen - durchführen. Klar ist aber, daß die Gründung in Stuttgart von einer glücklichen Konstellation in Württemberg begünstigt, wenn nicht gar ermöglicht wurde: Ein altes, aber liberales Schulgesetz und eine reformorientierte SPD-Regierung in der zweiten Revolutionsphase bildeten zusammen mit Molts Engagement und seinen Verbindungen zur Verwaltung die kritische Masse für die Realisierung eines zu diesem Zeitpunkt noch unausgegorenen Schulmodells. Aus anthroposophischer Perspektive war eine weitere Dimension wesentlich: Man betrachtete die Waldorfschule als Teil und als Realisierung der Dreigliederungsvorstellungen Steiners. Steiner hatte zwar schon 1917 in seinem Mitteleuropaprogramm freie Schulen gefordert (GA 24,352 f.), aber erst während der Dreigliederungskampagne kam es in den im April 1919 veröffentlichten »Kernpunkten der sozialen Frage« zu einer nachhaltigen Forderung nach Wissenschafts- und Schulfreiheit (GA 23,81), die im Juni im Aufruf zur Gründung eines »Kulturrats« bekräftigt wurden57. 1920 etwa ordnete Steiner die Waldorfschule dem geistigen Segment der Dreigliederung zu (GA 300a,252) und formulierte 1922 dezidiert: »Schließlich hängt die Waldorfschul-Bewegung mit der Dreigliederungsbewegung zusammen. Die Waldorfschul-Bewegung ist nur denkbar in einem freien Geistesleben.« (GA 298,157)

Allerdings ist die Verknüpfung von Waldorfschule und Dreigliederung sekundär, Molts Anstöße zu einem pädagogischen Programm waren von Steiners Dreigliederungsvorstellung unabhängig. Zudem war die Verknüpfung von Schule und Dreigliederung vor allem kurzzeitig 1919 ein Thema, danach geriet sie erst 1924 wieder stärker in den Interessenbereich der Pädagogik, mit einer signifikanten Veränderung: Die Dreigliederung galt nicht mehr primär als Programm zur Organisation der Gesellschaft, sondern zur Begründung einer spezifischen Schulform58. Mit diesem Wechsel vom Objekt zum Subjekt der Dreigliederung wurde die Waldorfpädagogik allerdings zum Feld ihrer dauerhaftesten Implantierung.

15.3.2 Konzeptionelle Suchbewegungen zwischen österreichischer Realschule und Reformpädagogik Die Waldorfpädagogik wird anthroposophischerseits heute gerne als Ausfaltung von Steiners Überlegungen aus dem Jahr 1907, der »Erziehung des Kindes vom Standpunkt der Geisteswissenschaft«, gelesen. Selbst ein relativ offener anthroposophischer Autor wie Johannes Kiersch sieht darin »die einzige geschlossene Darstellung der Waldorfpädagogik und ihrer Grundlagen«, die Steiner für den Druck bearbeitet habe59. Steiner hatte jedoch im April/Mai 1919 eine völlig an-

" Vgl. Lindenberg: Steiner (Biographie), II, 660; Wehr: Rudolf Steiner, 274. 58 Die zeitlichen Schwerpunkte im Prinzip richtig, aber zu pointiert bei Schneider: Rudolf-SteinerSchule, 36.40. s9 Kiersch: Waldorfpädagogik am Beginn ihrer Entwicklung, 550.

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15. Waldorfpädagogik

dere Schulkonzeption im Kopf, weder das Programm von 1907 noch die schlußendlich realisierte Konzeption, doch ist dieser Befund Anthroposophen weitgehend und Kritikern ganz entgangen. Man muß sich dazu vor Augen halten, daß Steiner im April und Mai 1919 von der Hoffnung auf eine große gesellschaftliche Reform vermittels der Dreigliederung beseelt war und dementsprechend engagiert, nahezu unentwegt im nachrevolutionären Württemberg unterwegs war (s. 14.6.2). In diesen Wochen fand er wohl keine Zeit für den großen Entwurf einer pädagogischen Alternativkonzeption. Es ist allerdings von beträchtlichem Interesse, auf welche Überlegungen Steiner in dieser Streßsituation zurückgriff. Am 25. April 1919, also zwei Tage, nachdem Molt Steiner um die Leitung der neuen Schule gebeten hatte und noch vier Wochen vor dem Gespräch mit Heymann, sprach Steiner mit Molt, Hahn (einem der späteren Gründungslehrer) und Stockmeyer über das Konzept der künftigen Schule. Dabei verwies Steiner weder auf die theosophischen Überlegungen von 1907 noch auf ein Reformmodell, sondern - auf die Staatsschule. Er »empfiehlt, eine Schule im Sinne der ehemaligen österreichischen Unterrealschule zu errichten, die bis zum vollendeten 16. Lebensjahr, also bis zur Obersekunda, führt. Der Unterricht sollte in Deutsch bis zum Geschäftsaufsatz führen, in der Geschichte sollte nach einem Gesamtkurs der Geschichte die Heimatgeschichte durchgenommen werden, in der Geographie ebenso nach einem Gesamtkurs die Heimatgeographie, es sollen Sprachen, vor allem Englisch, betrieben werden, Mathematik und Physik mit besonderer Berücksichtigung der Mechanik, Naturgeschichte, Zeichnen, vor allem Malen, Gesang und Turnen.«6o

Was Steiner hier vor Augen stand, war in zentralen Elementen wohl die Wiederholung der eigenen Sozialisation, seine Realschule in Wiener Neustadt. Die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eingerichtete österreichische Unterrealschule war eine allgemeinbildende Schule mit stark berufsbezogenen Elementen einer handwerklichen, landwirtschaftlichen und kaufmännischen Ausbildung gewesen und sollte auf die Oberrealschule vorbereiten; in Deutschland hatte dieses Modell unter anderen auf Kerschensteiner gewirkt61. Daß dieses Konzept mit der späteren Waldorfschule nur in der Ausrichtung auf lebenspraktische Elemente Gemeinsamkeiten besaß, war auch für Hahn klar: Die am 25. April »entwickelten Grundgedanken über die neue Schule wichen in vielem noch von dem ab, was später in die Konstitution der Freien Waldorfschule eingegangen ist«62. Aber damit bagatellisierte er die tiefgreifenden Differenzen zur realisierten Konzeption der Waldorfschule. Am 11. Mai belegte Steiner, daß er auf der Grundlage dieses Modells weiterdachte:63 6° Stockmeyer: Aufzeichnungen (25.4.1919), abgedruckt in Molt: Entwurf meiner Lebensbeschreibung, 256. 6' Engelbrecht: Geschichte des österreichischen Bildungswesens, IV, 193-196. 62 Hahn: Die Geburt der Waldorfschule, 85. 63 Dabei handelte es sich um den ersten von drei (heute von Anthroposophen so genannten) »volkspädagogischen Vorträgen«. Deren wichtige Rolle hat schon 1952 Schneider: Rudolf-SteinerSchule, 28, gesehen.

15.3 Die Schulgründung 1919

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»Die Möglichkeit muß geschaffen werden, daß diejenigen, die sich früh irgendeinem Handwerk oder einer Handarbeit zuwenden, auch teilnehmen können an dem, was zu einer Lebensauffassung führt. Vor dem einundzwanzigsten Jahr darf in der Zukunft nichts an den Menschen herangetragen werden, was, nur Forscherergebnis ist .... Zu lehren wird sein auf der Altersstufe vom fünfzehnten bis zwanzigsten Jahre, ... was sich auf die Behandlung des Ackerbaus, des Gewerbes, der Industrie, des Handels bezieht.« (GA 192,97)

Steiner zielte auf eine lebenspraktisch ausgerichtete Schule, wobei aber »ein gewisser Grundstock der Bildung für die Menschen aller Klassen derselbe sein muß« (ebd., 99). Auch von diesem Konzept ist vieles in der Waldorfschule nicht realisiert worden, die »Lebensschule« bis zum einundzwanzigsten Lebensjahr etwa64, wohingegen sich die Förderung praktischer Fähigkeiten durchgehalten hat. Aber zu diesem Zeitpunkt ging es weiterhin um eine Art Realschule oder Gewerbeschule für Arbeiter, stark praktisch orientiert, damit »derjenige, der nach der Handarbeit hintendiert, auch teilnehmen kann an dieser Lebensbildung« (GA 192,96). In diesem Zusammenhang verwies Steiner nun auch explizit auf eigene Bildungserfahrungen. »Als ich seinerzeit in Wien an der technischen Hochschule war« (ebd., 100): So beginnen kurz darauf seine Reminiszenzen an die Verknüpfung von naturwissenschaftlich-technischem und literarischem Unterricht an der Wiener Technischen Universität. Am 25. Mai, als sich nach dem Gespräch mit Heymann (13. Mai) die Möglichkeit einer regelrechten Privatschule abzeichnete, skizzierte Steiner einen Lehrplan", der einige Veränderungen hin auf das spätere Waldorfschulkonzept dokumentiert: viele Fächer, ein altersentsprechend ansteigender Schwierigkeitsgrad, eine mehr als zwölfklassige Schule, einem Schwerpunkt auf mathematisch-naturwissenschaftlichen, technischen und praktischen Fächern (etwa »Nivellieren« oder »Unglückshilfe« nach der achten Klasse), sowie Fremdsprachenunterricht von der ersten Klasse an. Offenbar findet sich nun erstmals das reformpädagogische Konzept des »Klassenlehrers« (bis zur zwölften Klasse), zudem tauchen anthroposophische Elemente auf: Eurythmie von Anfang an, die theosophische Evolutionsperiodisierung der Geschichte (»vorchristliche, nachchristliche, indische, persische, ägyptisch-chaldäische, griechisch-römische Kultur«), die sich später in Steiners pädagogischer Kulturstufentheorie wiederfand, sowie »Weltanschauungsunterricht: der Mensch leiblich, seelisch geistig«66 Steiner sah offenbar im persönlichen Gespräch keine Notwendigkeit, diese ideologische Komponente seiner Pädagogik, die später zu einem schwierigen Punkt der Positionsbestimmung wurde (s. u. 15.5.9), zu verschweigen. Erstmals nannte Steiner nun auch Namen von Lehrern, man ging von der Konzeptionalisierung zur Realisierung über.

Steiner wurde zwar 1920 nochmals nach einer »Fortbildungsschule« gefragt, die er dann »Lebensschule für die Ältesten« nannte (GA 300a,121), aber dieses Projekt hat er nicht realisiert. 65 Die Überlegungen sind nur in Notizen von Stockmeyer: Die Entfaltung der Idee der Waldorfschule, 661, überliefert. 66 Interpunktion nach Stockmeyer, so daß nicht klar ist, ob zwischen seelisch und geistig ein Komma oder ein Bindestrich zu setzen ist.

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15. Waldorfpädagogik

Eine Woche später, am 1. Juni, finden sich neue, der Reformpädagogik geschuldete Überlegungen. Der »Stundenplan, diese Mördergrube« (GA 192,128), soll revidiert werden: Die Vielfalt von Themen an einem Schulmorgen »ruiniere« den Menschen und »sorgt, daß seine Konzentrationskraft auf das allergründlichste zerstört wird« (ebd., 128) - die ersten Pfade zum späteren Epochenunterricht sind damit gewiesen. Zudem forderte Steiner, Themen »für ein bestimmtes Lebensalter« auszuwählen (ebd., 129), womit das altersspezifische Lernen als Korrelat des Epochenunterrichts auftauchte. Auch politische Konsequenzen, wie die Beendigung der Schulaufsicht oder die Einrichtung einer eigenen Lehrerausbildung, könnten auf die Reformpädagogik deuten, sie indizieren jedenfalls die Absicht, die staatliche Einflußnahme auf die Waldorfschule weitestmöglich zurückzudrängen. Leider ist momentan unklar, wann genau Steiner das Realschulmodell zugunsten einer reformpädagogischen Einheitsschule zurückgedrängt hat67. Diese Beispiele dokumentieren, daß Steiner im April / Mai 1919 unter dem Druck der kurzfristig auf ihn zulaufenden Schulgründung nach einem pädagogischen Programm suchte. Eine dichte Analyse dieser Wochen würde vermutlich wichtige Weichenstellungen in der Genese der Waldorfpädagogik ermöglichen. Steiners Changieren zwischen Staatsschule und Reformpädagogik, zwischen Fortbildungsanstalt und Einheitsschule beleuchtet nur die Rahmenbedingungen dieses Prozesses, der auch für die kommenden Monate noch nicht detailliert offenliegt. So ist die Einflechtung der theosophischen Tradition nur unzureichend sichtbar, vor allem aber fehlen genauere Kenntnisse über die Kontakte mit der Reformpädagogik. Manches dürfte sehr schnell gegangen sein. So hat er vermutlich die Orientierung an der österreichischen Realschule sehr bald fallengelassen, und auch die Schulkonzeption aus den »volkspädagogischen Vorträgen«, also die schulische Begleitung ins Erwachsenenalter hinein, ist vermutlich bereits im Frühsommer 1919 verschwunden68.

°' Aus diesem Zeitraum im Juni 1919 könnte eine Flugschrift (Stockmeyer: Die freie WaldorfSchule) stammen, um in der Öffentlichkeit für die neue Schule zu werden. Sie ist nach dem 11.5.1919 zu datieren, da sie auf einen Vortrag Steiners von diesem Tag Bezug nimmt (Stockmeyer, S. 1). Die Detailangaben setzen allerdings voraus, daß die Schule noch nicht existierte. Terminus ante quem ist somit der September 1919. In dem Text heißt es: »Die Waldorf-Schule soll als Haupteinrichtung eine Grundschule umfassen, die die Aufgaben der heutigen Volksschule erfüllen soll, und die heranwachsenden Menschen vom vollendeten 6. bis zum 14. Lebensjahre aufnimmt.« (S. 3) In dieser »Einheitsschule« (S. 2) sollen Fremdsprachen früh gelehrt werden (S. 3), auf die mathematisch-naturwissenschaftliche Ausbildung werde Wert gelegt (S. 3 f.), Noten nicht erteilt (S. 3). Es werde »noch einzuführen sein, was Steiner Lebenskunde nennt, d. h. die Einführung in alle Verhältnisse und Kreise des modernen Lebens, wie Landwirtschaft, Handel, Gewerbe, Industrie usw.» (S. 4). Der Unterricht liefere zugleich »Elemente ... zu einer wirklichen Weltanschauung, durch die der ganze Mensch aus dem Weltall um ihn her den Menschen kennen lernt« (ebd.). Das primäre Ziel war mithin eine Berufsqualifikation. Zur Vorbereitung auf die Hochschule sollen zwei Klassen einer »Oberrealschule, die Ober- und Untersekunda (6. und 7. Klasse in Württemberg) angeschlossen werden« (ebd.). 68 Vgl. auch Schneider: Rudolf-Steiner-Schule, 41, für den »sicher ist ..., daß eine Fortführung der achtklassigen Waldorfschule geplant war, die sich von dem Aufbau der heutigen Rudolf-SteinerSchule wesentlich unterscheidet«.

15.3 Die Schulgründung 1919

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15.3.3 Realisierung Einmal mehr war die Schulgründung ein wirtschaftliches Problem, doch bildeten pekuniäre Fragen für die anthroposophische Klientel kein grundsätzliches Hindernis. Die finanzielle Last der Gründung trug im wesentlichen Molt. Dessen Angebot über 100.000 Reichsmark qualifizierte Steiner offenbar zurückhaltend, aber deutlich als unzureichend69. Zehn Millionen, ließ Steiner im September 1919 verlauten, bräuchte man eigentlich (GA 300a,95)70. Auch im weiteren Fortgang zeigte sich Steiner bei der Beanspruchung von Mitteln nicht zimperlich: »Insbesondere werden sich kaum Ideale erfüllen, wenn die Leute zu große Idealisten sind, um sich ihre Finger zu stark zu beschmutzen beim pekuniären Opferbringen. Wir müssen doch schon auch den Ton finden gegenüber der Welt, welcher es den Leuten nahelegt, uns nach dieser Richtung einige Unterstützung zukommen zu lassen« (GA 298,137 [1922]).

Für 450.000 Reichsmark erwarb Molt 1919 das ehemalige Ausflugslokal »Uhlandshöhe«71, nachdem unter anderem der Versuch, ein von der Reichswehr benutztes Fabrikgebäude zu erstehen, fehlgeschlagen war72. Die Mittel entstammten zumindest teilweise den Rückstellungen der Waldorf-Astoria73. Molt zahlte auch die 50.000 Reichsmark für den Umbau, erwarb zu einem ungenannten Betrag ein naheliegendes Gartengrundstück und stand für die Finanzierung der Lehrer gerade7Æ. Dadurch waren Schulgeld und Lehrmittel für die Kinder der WaldorfAstoria frei75. Molts finanzielles Engagement blieb offenbar bis 1920, als es zu Konflikten um die Schulfinanzierung kam, in der Öffentlichkeit unbekannt76. Schon bald dürften allerdings die Beziehungen in der Waldorfschule durch die »patriarchalische, oft eigenwillige Art« Molts' schwierig geworden sein. Dabei spielten auch finanzielle Fragen ein Rolle, da immer mehr fabrikfremde Kinder in die Schule kamen; der finanzielle Ausgleich wurde letztlich über die Gründung des Waldorfschulvereins geregelt". Gleichwohl hatte sich Molt aber entweder finanziell übernommen oder schlecht gewirtschaftet: 1929 ging seine Firma in Konkurs79. Die weitere Finanzierung sollte durch die Aktiengesellschaft »Der kommende Tag. Aktiengesellschaft zur Förderung wirtschaftlicher und geistiger Werte« 69 Molt: Von der Gründung der Waldorfschule, 251; ders.: Dr. Rudolf Steiner und die Waldorfschule, 367. 70 Wieweit diese Summe ein knappes Jahr später tatsächlich aufgebracht war, ist aus GA 300a,177 nicht eindeutig zu entnehmen. 71 Molt: Von der Gründung der Waldorfschule, 252. Dabei habe es sich um fast das gesamte Privatvermögen Molts gehandelt; Lindenberg: Steiner (Biographie), II, 669. 72 Stockmeyer: Die Entfaltung der Idee der Waldorfschule, 661. 78 Molt: Von der Gründung der Waldorfschule, 251. 79 Ebd., 253. 255. Gabbert: Einleitungen, in: GA 300a,21. Nach Johannes Tautz habe Molt 1919 ein Schulgeld für die künftige Schule abgelehnt; Der Lehrerkreis um Rudolf Steiner, hg. v. G. Husemann / J. Tautz, 47. 76 Gabbert: Einleitungen, in: GA 300a,24. 77 Ebd., in: GA 300a,22. 78 Ebd., in: GA 300a,22 f. 79 Das Wirken Rudolf Steiners, IV, hg. v H. H. Schöffler, 396.

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15. Waldorfpädagogik

(s. 14.6.4), die »in erster Linie« für die Waldorfschule gegründet worden seiSO sichergestellt werden. In ihren Besitz ging das Schulgebäude über81, sie stellte offenbar 500.000 Mark für einen weiteren Geländekauf bereit82 und zahlte neben Molt einen Teil des Schulgeldes, das angesichts eines laufenden Etats von 25.000 bis 30.000 Goldmark pro Monat (so 1924) erhoben werden mußte83. Als die Aktiengesellschaft liquidiert werden mußte, hatte man bei den Rettungsaktionen vor allem die Waldorfschule im Blick, die mit den Verträgen vom 31. Oktober 1925 ihr Eigentum behielt84. Die Rekrutierung der Lehrerschaft suchte Steiner selbst in der Hand zu halten. Zwar erhielt Stockmeyer, von Molt ausgesucht und von Steiner bestätigt, Steiners Rat, »auf die Reise zu gehen wie ein Theaterdirektor, der sein Ensemble zusammensucht«», doch erwies sich die Suche aufgrund vieler Absagen als schwierig, die Rekrutierung pädagogisch ambitionierter Anthroposophen als mühsam». Steiner schließlich wählte, nachdem Stockmeyer ihm briefliche Einschätzungen übermittelt hatte87, nach dem Lehrerkurs vom August / September 1919 »endgültig die zu engagierenden Persönlichkeiten aus«». Es waren durchweg Anthroposophen, von denen nur eine Lehrkraft aus der schwäbischen Umgebung stammte89: ein junges Kollegium mit einem Durchschnittsalter von 32 Jahren und mit einigen offenbar selbstbewußten Frauen90. Walter Johannes Stein, der in Wien Mathematik, Physik und Philosophie studierte und eine Dissertation in Philosophie geschrieben hatte91, sollte auf Steiners Geheiß Literatur und Geschichte lehren, Karl Schubert, der Geschichte, Literatur und Philosophie studiert und Auslandssemester in Paris und London verbracht hatte92, wurde »nach Absolvierung einer französischen und englischen Sprachstunde als Lehrer angenommen«, und Hedwig Hauck übernahm auf Steiners Anordnung hin den Handarbeitsunterricht, obwohl sie ihm sagte, daß sie keine Vorbildung besitze und ihm eine Ersatzkraft vorschlug. Steiner habe geantwortet: »Wir wollen aber Sie haben, Sie werden es schon lernen.«93 In einem zweiwöchigen Crashkurs (21. August bis So Kühn: Dreigliederungszeit, 101. Der kommende Tag. Bericht über das dritte Geschäftsjahr 1922, 333. Molt: Von der Gründung der Waldorfschule, 253. 83 Leinhas: Zur finanziellen Not der Waldorfschule, 15. 84 Kühn: Dreigliederungszeit, 131 f.; vgl. die Verträge in GA 260a2,587-580. 85 Johannes Tautz, in: Der Lehrerkreis um Rudolf Steiner, hg. v. G. Husemann / ders., 48; vgl. auch Stockmeyer: Die Entfaltung der Idee der Waldorfschule, 664 f. 86 Absagen nach Stockmeyer: Die Entfaltung der Idee der Waldorfschule, 661. Zur Rekrutierung vgl. Molt: Von der Gründung der Waldorfschule, 254. Später hat man sich jedoch zumindest auf ausgewiesene Anthroposophen beschränkt, so Grosse: Erlebte Pädagogik, 58. 87 Deuchert: Die Begründung der Waldorfschule, 69. 88 Molt: Von der Gründung der Waldorfschule, 252. 89 Der Lehrerkreis um Rudolf Steiner, hg. v. G. Husemann / J. Tautz, 19. 9° Durchschnittsalter nach Lindenberg: Steiner (Biographie), II, 673. Zu den Frauen Brehmer: »Groß in aller Bescheidenheit«. 91 Lissau / Plato: Stein, Walter Johannes, 789. 92 Hanke: Schubert, Jürgen, 730. 93 Johannes Tautz, in: Der Lehrerkreis um Rudolf Steiner, hg. v. G. Husemann / ders., 62 (Stein); Gisbert Husemann, ebd., 138 (Schubert) und 172 (Hauck). Helene Rommel, die Schwester von Erwin Rommel, war Handarbeitslehrerin; Helmut von Kugelgen, ebd., 101. Vgl. zu dieser bunten Gemeinschaft interessanter Personen auch Lindenberg: Steiner (Biographie), II, 677f. 80 81 82

15.3 Die Schulgründung 1919

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5. September 1919 [GA 293-2951) wurden die künftigen Waldorflehrer auf ihre neue Aufgabe vorbereitet94. Weitere Berufungen erfolgten ohne Steiners Entscheid, aber nicht immer zu seiner Zufriedenheit, wie seine Rüge 1923 belegt: »Wo ich aber nichts zu sagen hatte, ist das System befolgt worden, Talente rauszuschmeißen. Talente sind oft höchst unbequeme Wesenheiten.... In den letzten vier Jahren ist fortwährend Inzucht getrieben worden, mit Ausnahme derjenigen Menschen, die ich selbst berufen habe.«95

1927 wurde schließlich ein eigenes Lehrerseminar eingerichtet96, ein »Lehrerhaus« existierte in Stuttgart seit einem nicht genau datierten Zeitpunkt97. Bei den Berufungen hatte Steiner auch mit prominenten Ablehnungen zu kämpfen, über die sich in der anthroposophischen Literatur aber kaum Informationen finden. Albrecht Leo Merz jedenfalls, der bereits im November 1918 die »Werkhaus-Werkschule« in Stuttgart gegründet und mit Begriffen wie »Erkennen und Gestalten« eine »phänomenologiebezogene Erziehungskonzeption«98, die Steiners Vorstellungen partiell nahestehen, entwickelt hatte, lehnte dessen Angebot zur Zusammenarbeit ab99. Andere Berufungen scheiterten nach der Einstellung; so verließ Friedrich Oehlschlegel noch während des ersten Schuljahres die Stuttgarter Schule wieder'. Nachdem die »Uhlandshöhe« teilweise umgebaut und auch entwanzt worden war'', konnte die Stuttgarter Waldorfschule am 7. September 1919 mit über tausend Gästen im Stuttgarter Stadtgarten feierlich eröffnet werden102. Steiner teilte die Schüler »nach dem Alter ein und führte jedem Lehrer seine Kindergruppe zu«103. Aber der Unterricht begann mehr improvisiert als geregelt. Der fehlende Lehrplan wurde in einer Konferenz im engeren Kreis am B. September gezimmert104, acht Tage später zogen die Schüler ein'05. Doch gab es in der Schule einstweilen nur Stühle aus dem ehemaligen Restaurant und weder Tinte noch Bänke, so daß die Kinder auf den Knien schreiben mußten106 Einen ausformulierten Lehrplan hat Steiner im übrigen bis zu seinem Lebensende nicht entwickelt, so daß seine verstreuten, vielfach in Lehrerkonferenzen ad hoc ge94

Molt: Von der Gründung der Waldorfschule, 255. Offenbar unveröffentlichte Bemerkung Steiners »im vertrauten Kreise«, zit. nach Lindenberg: Riskierte Schule, 361. 96 Leber: Menschenkunde, 344. 97 Jünemann: »Der Winter weicht«, 67. 98 Merz: Werkhaus-Werkschule Merz, 186. 99 Ebd. Merz' Schule besteht als »Merz Akademie - Hochschule für Gestaltung« in Stuttgart bis heute als staatlich anerkannte Fachhochschule. 100 Johannes Tautz, in: Der Lehrerkreis um Rudolf Steiner, hg. v G. Husemann / ders., 34f.; Karl Schubert ebd., 131. 101 Stockmeyer: Die Entfaltung der Idee der Waldorfschule, 667. 1o2 Molt: Von der Gründung der Waldorfschule, 256. 03 Der Lehrerkreis um Rudolf Steiner, hg. v G. Husemann / J. Tautz, 23; vgl. auch ebd., 32. 04 Zu den historischen Kontexten Gabbert: Einleitungen, in: GA 300a,43; die Konferenz ebd., 65-68. 105 Molt: Von der Gründung der Waldorfschule, 257. 106 Der Lehrerkreis um Rudolf Steiner, hg. v. G. Husemann / J. Tautz, 19; Gabbert: Einleitungen, in: GA 300a,43. Die Schulbänke mußten von den Schülern selbst geschmirgelt werden, erinnerte sich Theodora Rosa, in: Der Lehrerkreis um Rudolf Steiner, hg. v. G. Husemann / J. Tautz, 15. 95

1376

15. Waldorfpädagogik

machten Äußerungen nachträglich und unter Zurückstellung von Spannungen und Widersprüchen zu Unterrichtskonzepten harmonisiert werden mußten'°'. Quellen, Revisionen und Korrekturen sowie Übernahmen und Innovationen sind bis heute großenteils unerforscht und werden in den folgenden Kapiteln auch nur punktuell aufgehellt. An keinem Element der Unterrichtsorganisation dürfte die Konstituierung der Waldorfpädagogik von der Hand in den Mund so deutlich sein wie hier. Beginnend mit acht Klassen wurde Jahr für Jahr eine weitere Klasse angefügt, bis, so Steiners Zielbestimmung, die Schüler »beim Abgang aus unserer Schule das Abiturientenexamen ablegen können« (GA 298,96), das er in der Konzeptionsphase noch für überflüssig gehalten hatte". Aber das war schon zu Steiners Lebzeiten nur durch »Drill« und mit der Folge »ungünstiger Nervosität« zu erreichen109. Letztlich wurde 1925 eine eigene Vorbereitungsklasse für das Abitur eingerichtet''' Die Statistik weist für die Stuttgarter Schule bis zu Steiners Tod ständig wachsende Schülerzahlen aus (Tab. 15.1). Die Zahlen dokumentieren ein turbulentes Wachstum. Die 600 Schüler des Jahres 1922 waren immerhin viermal so viele, als Molt erwartet hatte' ', so daß man vor der Fertigstellung des neuen Schulgebäudes, mit dessen Bau 1921 begonnen wurde, teilweise in »Baracken« unterrichten mußte112. Ein eigenes Problem bildete die Integration während eines Schuljahres neu hinzukommender Schüler113. Der Andrang wurde so groß, daß man 1925 eine Warteliste mit über 100 Anmeldungen eingerichtet hatte14. 1920 entstand unter der Leitung Karl Schuberts auch eine »Hilfsklasse« für lernbehinderte Schüler, die seit 1921, auch während der NS-Zeit, bestand115. Nur eine kurze Unterbrechung des Wachstums bedeutete seit 1920 die Anwendung der Bestimmungen der Weimarer Verfassung, derzufolge es keine privaten Grundschulen mehr geben sollte, auf Württemberg; die Restriktionen wurden für die Waldorfschule 1926 aufgehoben"6.

107 Eine chronologische Zusammenstellung von Steiners Äußerungen bei Gögelein: Geschichte und Prinzipien des »Lehrplans« der Waldorfschule, 213-218. Vgl. die Lehrplan-Zusammenstellungen durch Heydebrand: Vom Lehrplan der Freien Waldorfschule; Stockmeyer: Rudolf Steiners Lehrplan; Ders.: Angaben Rudolf Steiners für den Waldorf-Schulunterricht. Gögelein setzt die faktische Fortgeltung dieser Lehrplansammlungen aus den fünfziger und sechziger Jahren voraus (Gögelein: Was sind bestimmende Grundlagen der Waldorfpädagogik, 187), kritisiert sie aber zugleich als unzureichend (ders.: Geschichte und Prinzipien des »Lehrplans«, 210). 08 So gegenüber Adalbert Graf von Keyserlingk: Erinnerungen, 129. 1°9 Stockmeyer: Das Schuljahr 1923 / 24, 9. Gabbert: Einleitungen, in: GA 300a,58. "' Der Lehrerkreis um Rudolf Steiner, hg. v. G. Husemann / J. Tautz, 48. 12 Stockmeyer: Das zweite Schuljahr, 16. "3 Ebd., 11. 1" Porger: Neue Schulformen, 111f. 115 Gabbert: Einleitungen, in: GA 300a,45. Zur NS-Zeit Franz Geraths, in: Der Lehrerkreis um Rudolf Steiner, hg. v G. Husemann / J. Tautz, 149. 116 Gabbert: Einleitungen, in: GA 300a,29 f.; Stockmeyer: Das zweite Schuljahr, 11f. Als Zeitzeuge Strakosch: Lebenswege mit Rudolf Steiner, II, 119f.

15.3 Die Schulgründung 1919

1377

Tab. 15.1: Schüler der Stuttgarter Schule 1919-1924

1919 1920 1921 1922 1923 1924

Kinder

Lehrer

Klassen

256 (253) 420 546 640 700/687 792

12 19 30 37 39/40 40/56

8 11 15 19 21 21/24

Quellen: 1919: Gabbert: Einleitungen, 42. Angabe in Klammern bei Koop: Die Pädagogik der Waldorfschulen, 5, und bei Ühli: Denkschrift der Freien Waldorfschule in Stuttgart, 350. - 1920: Stockmeyer: Das zweite Schuljahr der Freien Waldorf-Schule, 10; auch Gabbert in: GA 300a,48. 23 Lehrer bei Uehli: Denkschrift, 350. - 1921: Stockmeyer: Das zweite Schuljahr, 10; Anzahl der Lehrer nach Gabbert in: GA 300a,50. 532 Schüler bei Ühli: Denkschrift, 350. - 1922: Angenäherte Zahlen nach . Gabbert in: GA 300a,53; eine Zahl von 600 Schülern bei Grosse: Erlebte Pädagogik, 56. 38. Lehrer bei Ühli: Denkschrift, 350. - 1923: Die Zahlen vor dem Querstrich (bei der Anzahl der Schüler und Lehrer) beziehen sich auf den Mai 1923, also auf den Beginn des Schuljahres; nach Hiebel: Entscheidungszeit, 316. Die zweite Zahl bezieht sich auf das Schuljahresende im April 1924, nach Stockmeyer: Das zweite Schuljahr, 10; gleichlautend Gabbert in: GA 300a,56. Uehli: Denkschrift, 350, weist 687 Schüler und 47 Lehrer aus. - 1924: Stockmeyer: Das Schuljahr 1923/24, 10; vor dem Querstrich (Anzahl der Lehrer und Klassen) steht die Zahl für den Schuljahresbeginn (Apr il 1923), dahinter diejenige für das Schuljahresende (April 1924); die Zahlen bei Gabbert in: GA 300a,57 lauten: 784 / 47 / 23. Uehli: Denkschrift, 350, gibt 784 Schüler und 52 Lehrer an.

Schwieriger sind die inneren Entwicklungen der Schule nachzuzeichnen. Die Motivation der Lehrerschaft muß nach dem aufregenden Anfang stark abgenommen haben, schon 1922 trauerte Steiner um den »geschwundenen« »Enthusiasmus« (GA 300b,141). Im folgenden Jahr sprach Steiner offen aus, daß die Vermittlung von Inhalten nur unzureichend funktionierte: »Tatsächlich wissen unsere Schüler - das ist Amtsgeheimnis! - zuwenig für die Behauptung, daß die Waldorfschule das gibt, was notwendig ist zu wissen bis zum achtzehnten Lebensjahr eines Menschen.« (GA 300c,45). Dazu kamen eine Vielzahl pädagogischer Konflikte. Schon 1919 brachten einzelne Schüler »Flugzettel gegen die Lehrer« von ehemaligen Klassenkameraden mit"', 1922 kämpfte man mit pubertierenden, »nichtsnutzigen Schülern« in der obersten Klasse, mit denen man »nicht fertig geworden« sei, da sei »uns ... etwas über den Kopf gewachsen« (GA 300b,94). Aber diese internen Vorgänge sind noch kaum untersucht. Unterrichtet wurde in hohen Klassenstärken, durchschnittlich mit 32 Schülern18. 1924 gab es in den Grundschulklassen aber jeweils 60 Schüler, und das auch nur, weil die Schülerzahl »behördlich beschränkt« worden war - mit Ausnahmen nach oben19. In den höheren Klassen galt diese Verfügung nicht, so daß die Zahlen durchwegs höher lagen und eine Klasse in einem Fall mehr als "' Dora Kimmich, in: Der Lehrerkreis um Rudolf Steiner, hg. v. G. Husemann /J. Tautz, 33. 18 Gabbert: Einleitungen, in: GA 300a,43. 19 Stockmeyer: Das Schuljahr 1923 / 24, 11; Zit. S. 10.

1378

15. Waldorfpädagogik

120 Schüler zählte120. Diese hohen Klassenfrequenzen mit jahrgangsübergreifenden Schülergruppen waren aber nicht nur der Notsituation geschuldet, sondern konnten durchaus unter Berufung auf programmatische Äußerungen Steiners begründet werden, der keinen großen Unterschied zwischen Klassen mit »25 oder 125 Schülern« machen wollte: »Was dabei an individueller Behandlung verloren gehe, das werde wiedergewonnen durch das Zusammenarbeiten unter den Schülern.«121 Offenbar dachte Steiner daran, die gesamte Schule - Molt habe mit gut 150 Schülern gerechnet122 - in einer Gemeinschaft zu erziehen. Steiner machte aus dem, was ein Waldorflehrer damals als »Überfüllung« bezeichnete123, eine Tugend, so daß Waldorfklassen mit 40 Schülern als normal galten124. Die soziale Zusammensetzung wurde in den ersten Jahren durch die hohe Zahl von Kindern aus der Waldorf-Astoria bestimmt, aus der im ersten Schuljahr 191 von 256 Kindern stammten; die übrigen dürften aus anthroposophischen Familien gekommen sein125. Im folgenden Jahr war das Verhältnis ausgeglichen126, mehr und mehr mußte man für »auswärtige Schüler« »in Familien und Pensionen« Zimmer suchen127. Spätestens 1925 gehörte »die größere Mehrzahl« der Eltern nicht mehr der Waldorf-Astoria anl28, die Schule wurde bei Steiners Tod von Mittelschichtskindern dominiert. Diese Entwicklung gründete teilweise im Abgang der meisten Arbeiterkinder nach der achten Klasse, wodurch die oberen Klassen ihren »proletarischen Einschlag« verloreni29. Der Aufruf zur Finanzierung von Heilmitteln für die Schulkinder und für eine »Kinderspeisung« noch 1924 belegt aber, daß damit die sozialen Probleme nicht verschwunden

120

Ebd., 10. Molt: Skizzenhafte Aufzeichnung über die Audienz, 257. Stockmeyer: Von den ersten Schritten, 37, übermittelt die Äußerung Steiners, daß die Jüngeren von den Älteren lernen könnten, während diese den älteren Stoff wiederholen. Vergleichbare Äußerungen finden sich häufiger. Hahn, Der Weg, der mich führte, 657, berichtet, daß die Anfangsklasse die gesamte Kindergruppe der Arbeiter der Waldorf-Astoria umfassen könne (Steiner), »hundert bis hundertzwanzig Kinder« (Molt). Steiner habe die Auffassung vertreten: »Ein guter Lehrer muß hundert Kinder zugleich unterrichten können« (ebd., 658). '22 Stockmeyer: Von den ersten Schritten, 37. 123 Grosse: Erlebte Pädagogik, 57. 124 Vgl. Brügge: Die Anthroposophen, 88; Wehnes: Kritische Aspekte der Waldorfpädagogik, 191. 1951 wurde in Stuttgart noch mit durchschnittlich 51 Schülern unterrichtet: Schneider: RudolfSteiner-Schule, 54. Mit diesen hohen Klassenstärken griff Steiner auf Vorstellungen der älteren Pädagogik zurück. '25 Gabbert: Einleitungen, in: GA 300a,43. Nach Schneider: Rudolf-Steiner-Schule, 32, seien 65 der 253 Kinder der ersten Generation keine Arbeiterkinder gewesen. Nach Gabbert (ebd.) waren die Schüler, die nicht aus der Waldorf-Astoria stammten, »fast ausschließlich Kinder von Anthroposophen«. Grosse: Erlebte Pädagogik, 37, behauptet allerdings das Gegenteil: Nur »einige wenige waren Kinder von Anthroposophen«. Über die pädagogischen Probleme angesichts der heterogenen Gruppen finden sich Informationen zwischen den Zeilen der Erinnerungsliteratur. So berichtete Dora Kimmich, in: Der Lehrerkreis um Rudolf Steiner, hg. v. G. Husemann / J. Tautz, 33, über eine Klasse im Jahr 1919, daß einige Schüler und Schülerinnen »von Gymnasien und Töchterschulen her nur ein intellektuelles Üben gewohnt« gewesen seien. z6 Gabbert: Einleitungen, in: GA 300a,22. 127 Grosse: Erlebte Pädagogik, 57. 128 Porger: Neue Schulformen, 111. 29 Stockmeyer: Das zweite Schuljahr, 12. 121

15.3 Die Schulgründung 1919

1379

waren"° Konfessionell dürften die Eltern, wie in der Christengemeinschaft und in der Anthroposophischen Gesellschaft, ganz überwiegend Protestanten gewesen sein. 1924 waren von den acht Religionslehrern einer für den freien und einer für den katholischen, aber sechs für den evangelischen Religionsunterricht zuständig131. Noch heute ist die weit überwiegende Zahl der Eltern evangelischer Konfession'32 Den weiteren Ausbau der »Waldorfschul-Bewegung« (GA 298,97) suchte Steiner nach der Etablierung des »Musterbeispiels« Stuttgart (GA 300a,95) voranzutreiben. Ende August 1920 richtete man aufgrund der Notwendigkeit, die Schule (zuerst teilweise) unabhängig von der Alimentation Molts zu finanzieren, ein Sekretariat für einen Waldorfschulverein ein, in dem Molt offenbar die führende Stellung vorenthalten wurde133 Der Schulverein zählte am 31. Mai 1921 bereits 1.434 Mitglieder, wobei die Eltern der Schulkinder und die Lehrer, die als »außerordentliche Mitglieder« galten, nicht eingerechnet wareni34. Am 17. Juni 1921 fand die erste Mitgliederversammlung statt. Auch hier konnte man auf stattliche Zuwachszahlen verweisen135 , die sich im Juli 1924 auf 4.443 ordentliche Mitglieder summierten136. Gleichwohl war man mit der Zahl der Mitglieder unzufrieden, da eines der wichtigsten Ziele des Waldorfschulvereins, der Ausgleich des finanziellen Defizits, nicht erreichbar war137. Schon seit Sommer 1920 (GA 300a,177) muß Steiner auch versucht haben, einen »Weltschulverein« mit »Hunderten und Aberhunderten« von Schulen zu gründen, für den die Stuttgarter Schule ein »Musterbild« gewesen wäre (GA 298,119); diesem Unternehmen war indes kein Erfolg beschieden. Auch wenn diese ambitionierten Pläne scheiterten: Die Waldorfschulbewegung wuchs in Stuttgart und über Württemberg hinaus. Bereits am 16. Dezember 1921 konnte man den Grundstein für einen Erweiterungsbau der Schule auf der »Uhlandhöhe« legen, unter Einsenkung der Gründungsurkunde in einem »Pentagondodekaeder« (GA 298,116), ähnlich demjenigen in den Fundamenten des Johannesbaus. Die Baukosten waren für unterschiedliche Konzepte auf 2,6 bis 3,5 Millionen Reichsmark veranschlagt138 In die Öffentlichkeit trat man mit einem »Erziehungstag«, der seit 1923 regelmäßig veranstaltet wurde und 130 Vgl. Kolisko: Zur medizinischen Behandlung der Schulkinder; ders.: Kinderspeisung in der Waldorfschule. 13 ' Stockmeyer: Das Schuljahr 1923 / 24, 10. 132 Daten bei Leber: Die Waldorfschule im gesellschaftlichen Umfeld, 84. Auch die Gründer der meisten anderen Reformschulen um 1900 dürften aus dem Protestantismus gekommen sein. 33 Deuchert: Die Begründung der Waldorfschule, 72. Molt fühlte sich auch in anderen Situationen übergangen und führte etwa anläßlich einer Änderung der Schulverfassung über seinen Kopf hinweg einen »Kampf gegen die Lehrerschaft«; Molt: Entwurf meiner Lebensbeschreibung, 208. 134 Die Mitgliederzahl des Vereins Freie Waldorfschule (in: Mitteilungsblatt 1921), 19. Die Innenverhältnisse gestalteten sich aber schon bald aufgrund der Konflikte zwischen zahlenden und außerordentlichen Mitgliedern als schwierig, so daß die Unterschiede offenbar nach Steiners Tod aufgehoben wurden; vgl. Gabbert: Einleitungen, in: GA 300a,23. 135 Stockmeyer: Das Schuljahr 1924 / 25, 12, nennt für den März 1923 2.889 außerordentliche Mitglieder, 3.398 für den Mai 1924. 136 Leinhas: Zur finanziellen Not der Waldorfschule, 16. 37 Vgl. ebd., und Stockmeyer: Das Schuljahr 1924/25, 12. 138 Leinhas: Rechenschaftsbericht (1921), 19.

1380

15. Waldorfpädagogik

1924 in Stuttgart 1.700 Zuhörer anzog1i9. 1924 erschien die erste Ausgabe der Zeitschrift »Die Freie Waldorfschule«, die nach einer Phase unter dem Namen »Zur Pädagogik Rudolf Steiners« (1927-1932) heute »Erziehungskunst« heißt"° Schließlich kamen zu seinen Lebzeiten die Schulen in Dornach (1921), Köln (1921), Hamburg (1922), Essen (1923), Kings's Langley [England] (1923) und Den Haag [Niederlande] (1923) dazu'41. Die Dornacher Schule war aufgrund der kantonalen Gesetze eine freiwillige »Fortbildungsschule« für Schüler über 14 Jahren und bestand bis 1958. Die Hamburger »Freie Goetheschule« und die Den Haager »Vrije School« entstanden, wie die Stuttgarter Gründung, durch die Initiative eines »Fabrikanten« resp. von »wirtschaftlichen Freunden«. Die Kölner Schule, durch einen »Kunsthändler« initiiert, wurde noch im Frühjahr 1925, als eine »behördliche Schließung« ins Haus gestanden habe, von Steiner selbst wieder geschlossenl42; die durch Umbildung entstandene Schule in Kings's Langley ist inzwischen aus der Waldorfschulgemeinschaft wieder ausgeschieden13. Steiner blieb vor allem der Stuttgarter Schule verbunden. Regelmäßig war er bei Lehrerkonferenzen anwesend (GA 300a-c), bei Monatsfeiern und Elternabenden, bei Feiern zum Beginn und Abschluß eines Schuljahres (GA 298). Mindestens siebzig Konferenzen und 140 Unterrichtstage hat er besucht144. Die letzte Besprechung mit Lehrern hielt er am 3. September 1924 ab, knapp einen Monat vor seinem körperlichen Zusammenbruch. Steiner starb am letzten Schultag des sechsten Schuljahrs, dem 30. März 1925.

15.3.4 Entwicklungen nach Steiners Tod Bis in die dreißiger Jahre wurden sieben weitere Waldorfschulen nach dem Pilotprojekt in Stuttgart (1919) gegründet: Hamburg (Altopa 1931), Hannover (1926), Berlin (1928), Dresden (1929) sowie Breslau und Kassel (1930)145. Doch mit der Machtübergabe an die Nationalsozialisten begannen schwierige Zeiten für die Waldorfschulen. Die Gründung des »Bundes Freier Waldorfschulen« war - unter Integration loyaler NS-Parteigänger in den Vorstand - ein erster Versuch, der drohenden »Gleichschaltung« zu entgehen146. Die Waldorfschulen konnten vorerst mit dem Schulbetrieb fortfahren, wurden aber im Laufe der Jahre doch geschlossen: 1938 die Stuttgarter Schule, worauf die Berliner Schule ihre Tätigkeit selbst einstellte; die Schulen in Breslau und Kassel lösten sich 1939 auf, einzig die als Versuchsschule weitergeführte und von Rudolf Hess gedeckte 19 Regelmäßige Veranstaltung nach Koop: Die Pädagogik der Waldorfschulen, 5; Zahl nach Lindenberg: Rudolf Steiner (in: Klassiker der Pädagogik), 181. '4o Die anthroposophischen Zeitschriften, hg. v. G. Deimann, 279.314. 141 Die deutschen Schulen nach Leber: Die Waldorfschule im gesellschaftlichen Umfeld, 15, die ausländischen nach Kloß: Waldorfpädagogik und Staatsschulwesen, 28. Die Kölner Schulgründung ist erwähnt bei Stockmeyer: Das zweite Schuljahr, 14. '42 Rittersbacher: Zur Beurteilung der Pädagogik Rudolf Steiners, 47f. 143 Kloss: Waldorfpädagogik und Staatsschulwesen, 28. '44 Lindenberg: Steiner (Biographie), II, 678. '45 Werner: Anthroposophen in der Zeit des Nationalsozialismus, 374 f. ,46 Deuchert: Zur Geschichte der Waldorfschule im Nationalsozialismus, 100.

15.3 Die Schulgründung 1919

1381

Dresdner Schule existierte bis 1941, als sie ihren Betrieb nach Hess' Englandflug einstellen mußte147. Im Hintergrund dieser Entscheidungen standen Auseinandersetzungen innerhalb der Waldorflehrerschaft über die Einschätzung des nationalsozialistischen Staates und der Möglichkeit einer Fortexistenz, aber auch unterschiedliche Bewertungen dieser Schulen in der NSDAP. Es kam in Waldorfkreisen sowohl zu Strategien der Anpassung wie zur Verweigerung, über die in den letzten Jahren heftig gestritten wurde148. Viele Waldorflehrer emigrierten und spielten eine nicht unwichtige Rolle bei der Ausbreitung der Waldorfpädagogik in Europa und Amerika. In Deutschland setzte nach dem Zweiten Weltkrieg im Westen der Aufbau wieder ein, doch wurde 1952 aufgrund des Lehrermangels ein Gründungsstopp beschlossen149, der aber faktisch nur eine drastische Verringerung des Wachstums nach sich zog, bis in den siebziger Jahren in Westdeutschland eine neue Gründungswelle einsetzte. In Ostdeutschland hingegen wurde die einzige Waldorfschule, die in Dresden eröffnet worden war, auf Druck der SED 1949 wieder geschlossen150 Nach 1989 erfolgte der Aufbau von Waldorfschulen in den neuen Bundesländern schnell und strategisch gut organisiert. Schon acht Tage nach der Maueröffnung lag der Volkskammer ein Antrag auf Gründung einer Waldorfschule vor, die weitere Etablierung erfolgte unter anderem mit Hilfe eines Überleitungsgesetzes für die neuen Länder und finanziellen Zuschüssen aus westdeutschen Staatsmitteln1>'. Inzwischen gibt es auch Waldorfschulen in nichteuropäischen und nichtchristlichen Kulturbereichen, in Ägypten oder Indien etwa, die für die Inkulturation der Anthroposophie und von Waldorfpädagogik ganz neue Fragen aufwerfen dürften. Als Dachverband der Waldorfschulen existiert der »Bund der Freien Waldorfschulen«, der 1933 als Schutz gegen die Übergriffe des Nationalsozialismus 147 Ebd., 100-105. Auch die niederländischen Schulen wurden nach dem deutschen Einmarsch geschlossen, diejenigen in Zeist und Amsterdam aber von den Nationalsozialisten übersehen; Waldorfschule weltweit, hg. v. H.-J. Mattke, 4. 14a Die Debatte wurde von außen an die Waldorfschulen herangetragen durch Leschinsky: Waldorfschulen im Nationalsozialismus, der Strukturanalogien zwischen Anthroposophie und Nationalsozialismus konstatierte (Antiliberalismus, -rationalismus und -intellektualismus [S. 270]) und beide als Varianten des Antimodernismus begriff (S. 273). Dazu die Replik von Leber / Leist: Waldorfschule im »Dritten Reich«, und die Antwort von Leschinsky: Notwendige Bemerkungen, aber falsche Gewißheiten, 91-96. Offener von anthroposophischer Seite schreiben Wagner: Anthroposophen in der Zeit des Nationalsozialismus, und vor allem Deuchert: Zur Geschichte der Waldorfschule im Nationalsozialismus, 95-108. Hilfreich auch: Dokumente und Briefe zur Geschichte der anthroposophischen Bewegung und Gesellschaft in der Zeit des Nationalsozialismus, Bd. II, hg. v. A. Wagner. Eine zentrale Referenz ist auch für die Waldorfpädagogik im Nationalsozialismus Werner: Anthroposophen in der Zeit des Nationalsozialismus, bes. 94-129. 225-241. Götte: Erfahrungen mit Schulautonomie, 487, hat neuerdings zu zeigen versucht, wie man in den Schulen durch eine verweigerte Anpassung widerständig zu sein versuchte. Einige Ergebnisse Göttes bei Hardorp: Die deutsche Waldorfschulbewegung. Eine Applikation differenzierter Überlegungen zur pädagogischen Traditionsgeschichte in der NS-Zeit auf die Waldorfschulen, wie sie Tenorth: Zur deutschen Bildungsgeschichte 1918-1945, für die Reformpädagogik vorgelegt hat, fehlt für Steiners Schulgründung. 149 Leber: Die Waldorfschulen in der Bildungslandschaft der Bundesrepublik, 25. so Kranich: Die Freien Waldorfschulen, 4. 15' Wagemann: Praktische Erfahrungen mit der Waldorfpädagogik, 41.

1382

15. Waldorfpädagogik

gegründet und 1946 endgültig etabliert wurde152. Er begleitet die Neugründung von Schulen, etwa durch »Gründungsberater«153, vertritt ihre Interessen in der Öffentlichkeit und sorgt für die Lehrerbildung. Schließlich kontrolliert er die Einhaltung der Identität der anthroposophischen Schulen, etwa indem er durch die Verfügung über den Namen »Waldorf«-Schule den Zugang reglementiert oder Schulen ausschließt154. Der »Bund der Freien Waldorfschulen« hat auch die ostdeutschen Neugründungen sehr bald unter seine Kuratel genommen'55 Heute sind die Waldorfschulen in Deutschland zu einem festen Bestandteil des privaten Schulwesens geworden, nach den kirchlichen Schulen dessen größte Gruppe. Steiners manchmal anklingende Skepsis zur Zukunft seiner pädagogischen Einrichtungen - er glaubte beispielsweise nicht an die Möglichkeit einer zweiten Waldorfschule in der Schweiz (GA 300a,289) - war unbegründet. Die Zahl der neuen Waldorfschulgründungen stieg beständig (Tab. 15.2). Tab. 15.2: Anzahl der Waldorfschulen Deutschland Ausland 1925 1930 1945 1950 1955 1960 1970 1981 1992 2005

3 9 6 23 26 28 31 72 145 191

3 6 ? ? 39 ? ? 187 432 707

gesamt

Anteil der Schulen außerhalb Deutschlands

6 15

50 % 40 %

65

60 %

259 577 898

72 % 75 % 79 %

Quellen: Die Angaben für Deutschland vor 1992 nach Leber: Die Waldorfschule im gesellschaftlichen Umfeld, 15-17. Die Zahlen für die ausländischen Einrichtungen für die Jahre 1925, 1931, 1955 nach Kloss: Waldorfpädagogik und Staatsschulwesen, 28, für 1981 nach Leschinsky: Waldorfschulen im Nationalsozialismus 255. Die Zahlen für 1992 nach: Übersicht über die nach der Pädagogik Rudolf Steiners arbeitenden Schulen, Stuttgart 1992. Zahlen für 2005 (September) nach: wwwwaldorfschule.info/upload/pdf/schulliste.pdf.

152

Hiller: Der Bund der Freien Waldorfschulen, 275; Kranich: Die Freien Waldorfschulen, 26; Leist: Entwicklungen einer Schulgemeinschaft. 153 Brügge: Die Anthroposophen, 88. 154 Nach Leber: Die Waldorfschule im gesellschaftlichen Umfeld, 15, wird ein Schulträger Mitglied, indem ihn der »Bund der Freien Waldorfschulen« »aufnimmt«. Daß die Strukturen lange Zeit »patriarchalisch-familiär« waren, ist in anthroposophischen Veröffentlichungen zu lesen; Hiller: Der Bund der Freien Waldorfschulen, 277. Über die aktuelle Mischung aus Fürsorge und autoritärem Zugriff wüßte man gerne mehr; vgl. Text zu Anm. 428. 155 Dies belegen die Auseinandersetzungen, die in der kurzzeitig existierenden ostdeutschen anthroposophischen Zeitschrift »Metamorphose« (1989-1991) dokumentiert sind. Vgl. auch Wagemann: Praktische Erfahrungen mit der Waldorfpädagogik, 42.

15.4 Das pädagogische Umfeld

1383

Diese Zahlen bedeuteten für die Bundesrepublik Deutschland, daß 1985 / 86 etwa 0,6 Prozent der 7,15 Millionen Schüler auf allgemeinbildenden Schulen in eine Waldorfschule gingen156, der Anteil liegt heute bei über einem Prozent. 1992 besaßen die Waldorfschulen zudem 48 Lehrerseminare, davon neun in Deutschland; 2006 waren es insgesamt 95, davon acht in Deutschland157 Aber der Gründungsboom ist zugleich die Wurzel beträchtlicher Probleme, so bei der Rekrutierung und Integration von Lehrkräften. Waldorfschulen kämpfen mit großen Schwierigkeiten, für das expandierende Waldorfschulsystem zureichend ausgebildete Lehrer zu gewinnen158 und mußten »seit 1970 immer anspruchsloser zugreifen«'59 Die Lücke zwischen fachlicher und didaktischer Ausbildung ist, wie selbst Anthroposophen konzedieren, groß160, die zeitliche Belastung, faktisch oft eine Überlastung, manifest. Eine Analyse der aktuellen Situation der Waldorfschule hätte allerdings der Gegenstand einer eigenen Arbeit zu sein.

15.4 Das pädagogische Umfeld 15.4.1 Reformpädagogik und klassische (österreichische) Schulpädagogik Die Reformpädagogik der beiden Jahrzehnte nach 1900 gilt gemeinhin als zentraler Kontext der Waldorfpädagogik. Dies entspricht teilweise dem Selbstverständnis von Anthroposophen161, und häufig auch der Einordnung durch die wissenschaftliche Pädagogik162, insbesondere bei Pädagogen mit reformpädagogischem Hintergrund (und hier zumeist ohne kritische Distanz)163. Gleichwohl gab es in der Erziehungswissenschaft auch Reserven gegenüber einer Einbeziehung der anthroposophischen Schulen in die Reformpädagogik, weil die Waldorfpädagogik außerhalb der Reformdiskurse der Jahrzehnte um 1900 stand16'. Auch 's6 Lindenberg: Riskierte Schule, 350. 1992: Übersicht über die nach der Pädagogik Rudolf Steiners arbeitenden Schulen, 26-28; 2006: www.waldorfschule.info / upload / pdf/ schulliste.pdf. 158 Vgl. Brügge: Die Anthroposophen, 75.77.86f.; Wagemann: Praktische Erfahrungen, 74f.; Krämer: Für mein Kind eine Waldorfschule?, 148. 159 Brügge: Die Anthroposophen, 86. 16o Thomas Ott, Diskussionsbeitrag, in: Pro und Contra, hg. v. O. Hansmann, 165. 16' Für Herz: Pädagogik und Waldorfpädagogik, 568, ist die Waldorfpädagogik »historisch und in ihren Erscheinungsformen ein >Produkt< der Reformpädagogik«, was jedoch etwa den Anthroposophen Ravagli: Geistesgeschichte als Archäologie der Worte, 61, zum Widerspruch reizt. Zumindest als Schule aus der »Zeit der Reformpädagogik« gilt sie Fintelmann / Schneider: Die Rudolf-SteinerSchulen, 159; Leschinsky: Rez. Heiner Ullrich, Waldorfpädagogik und okkulte Weltanschauung, 595, weist auf die widersprüchliche Reformpädagogik-Landschaft hin, in die auch die Waldorfpädagogik gehöre. 16Z Vgl. die differenzierte Einstellung ins Feld der Reformpädagogik bei Kloss: Waldorfpädagogik und Staatsschulwesen, 32-44. 163 Etwa in: Die deutsche Reformpädagogik, hg. v. W. Flitner/G. Kudritzki, II, 108-124. 275-278, oder bei Scheibe: Die Reformpädagogische Bewegung, 300-307. 164 Etwa bei Nohl: Die pädagogische Bewegung in Deutschland ('1933, 31949), kommt Steiner überhaupt nicht vor, bei Oelkers: Reformpädagogik. Eine kritische Dogmengeschichte, nur margi157

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15. Waldorfpädagogik

Anthroposophen haben die Abhängigkeit von der Reformpädagogik bestritten und die Waldorfpädagogik als »Gegensatz zur Reformpädagogik« und »grundsätzliche Neukonzeption« betrachtet1fi5. Hinter derartigen Zuordnungsproblemen verbirgt sich ein komplexes Verhältnis von Steiners Pädagogik zur Reformpädagogik: Neben offenkundlichen Übereinstimmungen stehen markante Differenzen gegenüber den »klassischen« Kernpositionen der pädagogischen Reformbewegungen um 1900. Dahinter steht wiederum das Definitionsproblem, welche Schulen mit welchem Interesse zur Reformpädagogik gerechnet werden. Diesen Zuordnungsproblemen gehe ich im folgenden nach und versuche nicht zuletzt, mit der Skizze von Steiners reformpädagogischen Anliegen zugleich die Verbindungslinien zur traditionellen Pädagogik im Auge zu behalten. Schon Steiners Ausgangspunkt beim österreichischen Realschulkonzept und dessen Aufladung mit reformpädagogischen Vorstellungen macht ein solches Vorgehen sinnvoll. Die Reformpädagogik um 1900 hatte sich in kritischer Distanzierung zum staatlichen Schulwesen einer neu konzipierten Erziehung verschrieben166 und ließ seit dem Ende des 19. Jahrhunderts europaweit Reformschriften entstehen, denen noch vor 1914 eine Vielzahl von Schulversuchen zur Seite trat. Der programmatische Dreh- und Angelpunkt war die »Pädagogik vom Kinde aus«'67, die 1900 in Ellen Keys »Jahrhundert des Kindes«, zwei Jahre später ins Deutsche übersetzt, ihre pädagogische Bibel erhielt. Die Konsequenzen betrafen nahezu alle Bereiche der Erziehung: So sollten die Schulverfassungen reformiert werden, etwa durch Schülermitverwaltungen, kollegiale Strukturen im Lehrkörper, Elternbeteiligung und überhaupt durch eine Enthierarchisierung des Verhältnisses von Schülern und Lehrern. Oder die Anthropologie wurde, dem Anspruch

nal. Das Gleiche gilt für Benner / Kemper: Theorie und Geschichte der Reformpädagogik (Teil 2), die gleichwohl einen sehr weiten Begriff von Reformpädagogik ansetzen. 165 Kranich: Die Freie Waldorfschule, 3, aber dies ist eine Traditionskonstruktion, in der man von nichts und niemandem außer Steiner abhängig sein will. Mit ähnlicher Tendenz Ravagli: Geistesgeschichte als Archäologie der Worte, 61. 71. 1933 findet sich anthroposophischerseits auch eine deutschnational motivierte Ablehnung der Reformpädagogik: »Rudolf Steiners Erziehungslehre erwuchs nicht auf dem Boden internationaler pädagogischer Reformbestrebungen« (Uhli: Denkschrift, 346) - das Interesse der Ablehnung war damals offenkundlich die Verminderung von Reibungsflächen gegenüber den nationalsozialistischen Machthabern und weniger eine pädagogikgeschichtliche Einordnung. In der englischsprachigen Literatur kann es dazu kommen, die aus der Reformpädagogik herrührenden Dimensionen als »unique elements of Waldorf education« zu betrachten, vielleicht aufgrund mangelnder Kenntnisse der deutschen Reformtraditionen; Uhrmacher: Uncommen Schooling, 381. 166 Vgl. zu diesem oft beschriebenen Komplex Scheibe: Die Reformpädagogische Bewegung, oder Flitner: Zur Einführung, I, 9-36; zu den Problemen einer aktuellen Saldierung vgl. Berg: Bilanz und Perspektiven der Reformpädagogik. Zur Kritik im Überblick v a. Oelkers: Reformpädagogik. Eine kritische Dogmengeschichte, und ders.: Reformpädagogik - Epochenbehauptungen, Modernisierungen, Dauerprobleme. Zum chronologisch weiteren Umfeld vgl. Schmitt: Versuchsschulen. Bibliographie bei Beckers / Richter: Kommentierte Bibliographie zur Reformpädagogik, und: Sekundärliteratur zur Reformpädagogik, bearb. v. V. Büttner/A. Ribbschlaeger. 167 Vgl. zur Rezeptionsgeschichte dieses zentralen Topos in Deutschland Kielmeyer: Ellen Key »Das Jahrhundert des Kindes«, 155 ff., und Dräbing: Der Traum vom »Jahrhundert des Kindes«, 353-468. Die Aporien einer strengen Fixierung auf das Kind - asoziale Tendenzen in der Pädagogik, Unerklärbarkeit von Entfremdungsentwicklung u. a. - stehen hier nicht zur Debatte, da Steiner ohnehin keine Selbstentfaltung des Kindes annahm.

15.4 Das pädagogische Umfeld

1385

nach, einer entwicklungspsychologischen Relecture unterzogen, um die Didaktik stärker an den Bedürfnissen und der Auffassungsgabe von Kindern auszurichten. Allerdings sieht man heute die Grenzen des Anspruchs des zentralen Dogmas der »Erziehung vom Kinde aus«. Die Hoffnung auf eine Art autopoietischer Selbstschöpfung des Menschen war eine Projektion, denn die normativen Vorgaben des »Entwicklungs«prozesses lieferten die Erwachsenen168, so daß man die Reformpädagogik in pointierter Gegenthese auch als eine »Pädagogik vom Erwachsenen aus« verstehen kann'69 Im Rahmen dieser Grundpositionen fächerte sich die Reformpädagogik in eine Vielfalt von Entwürfen auf: Städtische Schulen und Landerziehungsheime (die von Städtern gegründet waren), Kunsterziehung neben Arbeitsschule, Koedukation versus Geschlechtertrennung - um nur einige disparate Kategorien zu nennen. Von einer homogenen Bewegung, wie sie Gesamtdarstellungen zur Reformpädagogik in unterschiedlichem Maß unterstellen, läßt sich, dies ist zur Einordnung von Steiners Konzept wichtig, nicht sprechen. Die Variationsbreite erweitert sich, wenn man den internationalen Rahmen, in den die deutsche Entwicklung vor dem Ersten Weltkrieg eingeknüpft war, berücksichtigt. Daß etwa Hermann Lietz 1897 seine Erfahrungen im englischen Abbotsholme im anagrammatisch verschlüsselten Buch »Emlohstobba« in die deutsche Debatte einbrachte, steht paradigmatisch für den Internationalismus der reformpädagogischen Bewegung". Dieser Kontext hat allerdings für Steiner während der Schulgründung 1919 / 20 offenbar kaum eine Rolle gespielt. Als wichtiger weltanschaulicher Hintergrund gelten für die deutsche Reformpädagogik die Kulturkritiker des späten 19. Jahrhunderts: Friedrich Nietzsche, Paul de Lagarde oder Julius Langbehn (und namentlich sein »Rembrandt als Erzieher« von 1889) als kanonische Mahner gegenüber Rationalismus und Verwissenschaftlichung, Historismus oder fehlendem Idealismus". Als Steiner 1919 seine Waldorfschule gründete, lag die große Zeit dieser Kulturkritiker Jahrzehnte zurück, sie sind für Steiners Pädagogik nur noch sehr gebrochen bedeutsam. Allerdings waren die kulturkritische Verve und der in der Reformpädagogik verbreitete Antiintellektualismus auch bei Steiner noch manifest12. Ein wichtiger Aspekt des reformpädagogischen Selbstverständnisses, die dichotomische Konstruktion ihres Verhältnisses zur klassischen Schule, um die eigene Alternative um so leuchtender erscheinen zu lassen, wird inzwischen kritisch beurteilt. Daß man die Staatsschule als »Zwangsschule«, »Strafanstalt«, »Stoffschule«, »Buchschule« oder »Lernschule« zu Recht kritisieren konnte13, ist unbestritten, doch hat die neuere Forschung auch reformpädagogische Reflexio>68

Vgl. Oelkers: Bruch und Kontinuität, 570. So Schultheis: Reformpädagogik - eine Pädagogik vom Erwachsenen aus? 10 Vgl. Röhrs: Die Reformpädagogik. Ursprung und Verlauf in Europa; Die Reformpädagogik auf den Kontinenten, hg. v. H. Röhrs, und den Textband: Die Reformpädagogik des Auslands, hg. v. H. Röhrs. 171 Vgl. etwa Scheibe: Die Reformpädagogische Bewegung, 5-23. 12 Vgl. Prange: Erziehung zur Anthroposophie, 118-120. 13 So einige zeitgenössische Zitate in Überschriften des Kapitels »Die vernichtende Kritik an der >alten< Schule« bei Scheibe: Die Reformpädagogische Bewegung, 67-73. l69

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15. Waldorfpädagogik

nen und Praktiken innerhalb des etablierten Schulsystems nachgewiesen. Von einer am Kind orientierten Pädagogik bis hin zur Erweiterung der Methodik durch Arbeitsschule, Epochenunterricht oder ästhetische Bildung, um nur einige Stichworte zu nennen, finden sich die Motive der Reformpädagogik auch in dem von ihr kritisierten Schulmodell, so daß die Frage nach Kontinuitäten und Brüchen differenzierter zu beantworten ist, als in der Selbstverständigungsliteratur der Reformpädagogik zumeist unterstellt wird14. Deutlicher werden die Neuerungen bei praktischen Veränderungen, etwa in der Koedukation, in der Schülermitverwaltung oder in der Einbeziehung neuer Fächer(typen), wie etwa dem handwerklichen Unterricht15. Daß aber Berthold Otto, der vielleicht bedeutendste der frühen Reformpädagogen in Deutschland, 1902 durch das preußische Kultusministerium nach Berlin gerufen wurde, um ohne pädagogische Bedingungen und bei weitergezahltem Gehalt seine Versuchsschule in Lichterfelde fortzusetzen16, ist ein Zeichen für die staatliche Wertschätzung der Reformanliegen. Diese Relativierung von Abgrenzungen ist im Blick auf Steiner wichtig, da er wesentliche Elemente den von den Reformern stigmatisierten Traditionen verdankt. Als zentrales Vermächtnis der reformpädagogischen Debatte gelten heute Teilen der Forschung nicht konkrete Schulversuche, sondern die Formierung eines pädagogischen Ideenreservoirs einschließlich ihrer Terminologie, das bis heute die Diskussion über Erziehung dominiere". Angesichts der Verschränkung staatlicher und nichtstaatlicher Reformprogramme sucht die Forschung die Differenz zwischen »neuer« und »alter« Pädagogik dabei vielfach von Metaebenen aus zu bestimmen. So gilt die Waldorfpädagogik als Agentin der pluralisierten respektive sich pluralisierenden Gesellschaft, die die Erziehung für eine »Vielfalt von Lebensformen«, »Rationalitätskriterien« und »sozialen Praxen« ermögliche, die im staatlichen Schulsystem so keinen Platz fänden (Heinz-Elmar Tenorth)18; als Öffnung der Klammer zwischen theoretischer Konzeption und realitätsbezogener Erfahrung (Ralf Koerrenz)19; oder als Reaktion auf Veränderungen makromentaler Deutungsmuster, etwa der Infragestellung der »Gleichsetzung von Natur mit christlicher Schöpfung, der damit zusammenhängenden objektiven Ethik« (Jürgen Oelkers)180 und damit als institutionalisierte Etablierung des Konflikts über pädagogische Konzeptionen181. Der Schwerpunkt der Definition der Reformpädagogik liegt dann weniger auf institutionellen oder inhaltlich-didaktischen Fragen als auf ihrer gesellschaftlichen Funktion: diejenige Vielfalt oder Innovation von Erziehungszielen und -instrumenten bereitzustellen, die das auf 14 Die Akzentuierung der Nähe zum etablierten Schulsystem bei Oelkers: Reformpädagogik. Eine kritische Dogmengeschichte; damit fällt auch die traditionelle chronologische Bestimmung der Reformpädagogik. Zum zentralen Thema der »Erziehung vom Kinde aus« in öffentlichen Schulen vgl. etwa ebd., 45. 59.63.73-85 u. ö. 15 Oelkers: Bruch und Kontinuität, 574 f. 16 Scheibe: Die Reformpädagogische Bewegung, 83. 17 Oelkers: Bruch und Kontinuität, 579f., oder ders.: Reformpädagogik: Aktualität und Historie, 41. 18 Vgl. Tenorth: Reformpädagogik, ihre Historiographie und Analyse, 449. 19 Koerrenz: »Reformpädagogik« als Systembegriff, 556. 180 Oelkers: Ursprung und Verlauf in Zentraleuropa, 31. 181 Ders.: Reformpädagogik - Epochenbehauptungen, 99.

15.4 Das pädagogische Umfeld

1387

Homogenisierung ausgerichtete staatliche Schulsystem nicht vermitteln wollte oder konnte. Über diesen funktionalen Ansatz ist auch Steiners Waldorfschule gut zu verstehen. Damit ist die Frage nach der Reform- und Waldorfpädagogik im Kontext »moderner« Gesellschaften gestellt, insbesondere ob sie als Flucht aus der »Moderne« oder als deren Durchsetzung zu lesen sind182 . Heiner Ullrich hat als Deutung vorgeschlagen, daß die Reformpädagogik »auf die >äußere< Modernisierung der Erziehungsbedingungen mit der >inneren< Entmodernisierung des lebensweltlichen Erziehungsdenkens reagiert«183. Dieser Definition könnte man gerade im Blick auf die Waldorfpädagogik zustimmen, läge nicht die Vermutung nahe, daß Ullrich als Fachmann für Waldorfpädagogik sein Kriterium aus der Analyse von Steiners Schulsystem gewonnen und verallgemeinert habe. Vielmehr scheint mir, wie noch zu zeigen ist, bei Steiner ein ambivalentes Verhältnis sowohl zu »äußeren« wie »inneren« Reformprozessen vorzuliegen - wobei die normativen Implikate von Modernitätsbegriffen Grenze und Ziel der Antworten vorgeben. Über Steiners Kontakte mit reformpädagogischen Milieus ist noch wenig bekannt. Der nächstliegende Kontext waren nicht die pädagogischen Reformbemühungen um 1900, sondern diejenigen nach dem Ende des Ersten Weltkriegs, der den Bildungskonsens in Frage gestellt und gesellschaftsverändernde pädagogische Reformprozesse freigesetzt hatte184; die Neuregelungen der Weimarer Reichsverfassung, die am 11. August 1919 Staatsbürgerkunde und Arbeitsunterricht zu Lehrfächern erhoben, dokumentierten dies auch verfassungsrechtlich185 . Unmittelbar nach dem Krieg setzte eine Welle von Schulgründungen im Geist der Reformpädagogik ein: »Lebensgemeinschaftsschulen«, Albrecht Leo Merz' schon genannte »Werkhaus-Werkschule« oder die Hamburger Gemeinschaftsschulprojekte186 . Seit Mitte 1919 sammelte Paul Oestreich Gleichgesinnte im »Bund entschiedener Schulreformer«187, die weniger neue Schulversuche als vielmehr eine Reform des gesamten (staatlichen) Schulwesens anstrebten. 1920 wurde das Erziehungsheim »Schloß Salem« durch Prinz Max von Baden und 1924 die spätere »Jena-Plan-Schule« durch Peter Petersen gegründet18S. Die Zahl der Reformschulen nach dem Ersten Weltkrieg ist nicht genau erfaßt, ihre Wirkungen, vor allem aber ihre wechselseitige Beeinflussung, sind nicht erschöpfend analysiert; bis zum Ende der Weimarer Republik dürfte es etwa 500 Versuchsschulen oder nach reformpädagogischen Vorstellungen arbeitende Schulen gegeben haben'89.

182 Vgl. dazu etwa die skizzierte Position Tenorths, der der Reformpädagogik weiterhin alternative Potenzen zubilligt, mit der Position von Plake: Reformpädagogik. Wissenssoziologie eines Paradigmenwechsels, der in ihr vor allem eine Begleiterscheinung der industriellen Revolution und ihrer gesellschaftlichen Folgen sieht. 183 Ullrich: Die Reformpädagogik, 913. 184 So pointiert Oelkers: Bruch und Kontinuität, 577. 18s Zu dem diesbezüglichen Artikel 148, Abs. 3, vgl. Gusy: Die Weimarer Reichsverfassung, 335. 86 Vgl. Rödler: Vergessene Alternativschulen. 187 Vgl. Der Bund der Entschiedenen Schulreformer, hg. v. A. Bernhard / J. Eierdanz. 188 Im Überblick Scheibe: Die Reformpädagogische Bewegung, 295-322. 189 Schmitt: Versuchsschulen als Instrumente schulpädagogischer Innovation, 162 f.

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15. Waldorfpädagogik

Als Steiner die Waldorfschulen ins Leben rief, waren mithin die »wilden« Vorkriegsjahre der reformpädagogischen Innovation vorbei, es ging nun um eine praktische Umsetzung auf breiter Ebene. Es gab fast nichts, was in der alternativen Pädagogik nicht vorgedacht oder erprobt worden wäre und worauf Steiner nicht potentiell zurückgreifen konnte190. Es hatte sich sogar ein Kanon reformpädagogischer Schulen herausgebildet, zu dem der Engländer Adolph Meyer 1934 rückblickend folgende Einrichtungen rechnete: »Jan Ligtharts Schule des vollen Lebens in Den Haag (1884-1916), die Methode Maria Montessoris, Ovide Decrolys Ecole de l'hermitage in Brüssel (ab 1907), Roger Cousinets Methode der travail par groupes, die Ecole des Roches von Edmond Demolins und Georges Bertier (ab 1899), die Berthold-Otto-Schule in Berlin-Lichterfelde (ab 1906), Hermann Lietz und die Landerziehungsheime (ab 1898), die Freie Schulgemeinde Wickersdorf (ab 1906), die Odenwaldschule (ab 1910), J. H. Badleys country boarding School in Bedales (Sussex) (ab 1893), die von Bertrand und Dora Russel 1927 gegründete Beacon Hill School, die von Grundtvig bestimmten dänischen Volkshochschulen, die sozialistische Erziehungsreform in Österreich, speziell in Wien, unter Otto Glöckel (1918-1938) sowie schließlich die Vorschulerziehung in der Sowjetunion.«191

In diesem Kontext war Steiners Waldorfschulprojekt eines unter sehr vielen anderen - dies war schon in den Darstellungen zur Schulreform aus den zwanziger Jahre zu lesen192. Steiners Kenntnisse der Reformpädagogik und seine Verbindungen dazu sind aber weithin unklar193. Seine Anfrage an Merz im Jahr 1919 (s. o. 15.3.3) dokumentiert eine solche Beziehung, im Herbst kritisierte er den russischen Volksbildungskommissar Anatol Wassiljewitsch Lunatscharski (z. B. GA 2939,228), im Juni 1920 fiel der Name Alfred Lichtwarks (GA 298,53). Über Hermann Lietz' 1898 gegründetes Landerziehungsheim Haubinda im thüringischen Ilsenburg sowie über Wyenkens Einrichtung hat er sich 1905 abfällig geäußert, da »Landerziehungsheime« »furchtbare Kritiker« erzögen (GA 217a2,79); Haubinda hatte er 1905 sogar besucht, wie er 1922 berichtete (GA 300b,33.313). Aber diese Kritik kann auch ein Abwiegeln von Konkurrenz im öffentlichen Vortrag gewesen sein, denn Adalbert Graf von Keyserlingk, der auf der Waldorfschule angemeldet war, wurde wohl 1920 auf Anraten Steiners ein Jahr nach Haubinda geschickt, wo er auch Molts Sohn Walter kennenlernte194. An anderer Stelle hat Steiner die Landerziehungsheime als Export des toten Geistes der 90 Vgl. nur exemplarisch für die Koexistenz vielfaltigster Reformbestrebungen in der Zeit kurz vor und nach dem Ersten Weltkrieg: Schulreform - Kontinuitäten und Brüche, hg. v. G. Radde u. a. 19' Zit. nach Oetkers: Ursprung und Verlauf, 38. l92 Vgl. Karsen: Deutsche Versuchsschulen (1923), 89-100; Oldendorf: Die Freie Waldorfschule in Stuttgart (1924); Porger: Neue Schulformen (1925), 110-136. 193 Eine präzise Bestimmung von Gemeinsamkeiten und Unterschieden zwischen Reformpädagogiken und der Waldorfpädagogik gehört zu den Desideraten der Forschung. Noch Koop: Die Pädagogik der Waldorfschulen, 63-65, konnte nur festhalten, daß ein Zusammenhang mit der Reformpädagogik existieren müsse, er aber unerforscht sei. Vgl. die differenzierte, aber nicht sehr umfangreiche Einstellung ins Feld der Reformpädagogik bei Kloss: Waldorfpädagogik und Staatsschulwesen, 32-44; Hinweise bei Ullrich und Prange zu reformpädagogischen Kontexten sind im folgenden in wichtigen Aspekten eingearbeitet. I99 Schachenmann: Adalbert Graf von Keyserlingk, 336. Datierung nach Adalbert Graf von Keyserlingk, in: Koberwitz 1924, 129.

15.4 Das pädagogische Umfeld

1389

Stadt auf das Land verrissen (GA 298,25 f.), das freie Verhalten im Unterricht als Unordnung wie in einem »Hammelstall< gegeißelt (GA 2939,74) und ihnen Eskapismus, Flucht aus dem Leben in die Provinz, vorgeworfen (vgl. GA 302a,86). Welche Rolle in diesem Prozeß einige der von Steiner an die Stuttgarter Waldorfschule berufene Lehrer spielten, die von Lietz' Landerziehungsheim oder aus der Odenwaldschule Paul Geheebs kamen195, ist augenblicklich unklar. 1923 dürfte er dann Margaret MacMillans »Education through the Imagination« (11904), das in diesem Jahr erneut publiziert worden war, wahrgenommen haben (GA 300c,91). Aber die großen Namen der Reformpädagogik (etwa Kerschensteiner, Montessori, Otto oder Petersen) fehlen, die weniger bekannten auch. Allein auf Ellen Key kam Steiner etwas intensiver zu sprechen, aber signifikanterweise 1914, und nicht als Pädagogin, sondern als »geistvolle Essayistin« des Vitalismus (GA 189,402; vgl. GA 32,44)196. Dieser Befund bestätigt, daß Steiner sich erst in der Gründungsphase der Waldorfschule mit pädagogischen und alternativen pädagogischen Konzepten beschäftigt hat und reformpädagogische Bestandteile des Lehrplans erst in der Konzeptualisierung im Jahr 1919 integriert wurden. Steiner hat dabei allerdings den theoretischen Hintergrund der Reformpädagogik und ihre praktische Ausgestaltung, wie auch Johannes Kiersch zugesteht, »allenfalls oberflächlich« gekannt197. Auch die Grenzen zu »traditionellen« Pädagogiken und zur »Staatsschule« waren längst nicht so trennscharf, wie sie viele Reformpädagogen und auch Steiner unterstellen. Gerade bei Steiner ließ sich ja nachweisen, daß er im Frühjahr 1919, als er Hals über Kopf das Konzept einer Schule entwerfen mußte, nicht an die Reformpädagogik dachte auch keine anderen theoretischen Konzepte ventilierte, sondern auf das zurückgriff, was ihm am allernächsten lag: auf seine Erinnerungen an die eigene Schulzeit in Österreich (s. o. 15.3.2). Die Staatsschule steckt mithin tief in der Waldorfschule, und viele Abgrenzungen, die sich bis heute in teilweise diffamierenden Äußerungen bei Waldorflehrern finden, haben mehr mit Identitätsbildung zu tun als mit sachlichen Differenzen. Manche Elemente der Waldorfschule lassen sich leicht aus der österreichischen Realschule ableiten und müssen nicht aus der Reformpädagogik stammen. Nach dem Zweiten Weltkrieg gingen Waldorfschulen und die anderen Reformpädagogen unterschiedliche Wege. Die Reformpädagogik wurde zu einer wichtigen Quelle der pädagogischen Reflexion, während institutionell nur in den Schulversuchen der siebziger Jahre eine gewisse Expansion stattfand. Die Waldorfschulen hingegen expandierten, aber ihr Einfluß auf die pädagogische Debatte dürfte lange Zeit marginal geblieben sein. Die kritische Selbstreflexion der eigenen Geschichte, die Frage nach sinnvollen Desillusionierungen und nützlichen Traditionen, eines Innen- oder Außenverhältnisses zum »staatlichen« Schulsystem oder die immer neue Bestimmung des Verhältnisses zur aktuellen 195

Adalbert Graf von Keyserlingk, in: Koberwitz 1924, 129, berichtet, daß die Lehrer Christoph Boy und Herr Kilian aus Lietz' Landerziehungsheim abgeworben wurden, ein dritter, Pfarrer Seusing, nur aus familiären Gründen nicht nach Stuttgart ziehen konnte. Vgl. auch Koop: Zur Pädagogik der Waldorfschulen, 64. 196 1913 hatte er Key kennengelernt; Der andere Rudolf Steiner, hg. v. W. G. Vögele, 133-135. 197 Kiersch: Die Pädagogik Rudolf Steiners, 843.

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15. Waldorfpädagogik

erziehungswissenschaftlichen Theorie und Praxis, also all die Fragen, denen sich die Vertreter der Reformpädagogik seit langem und immer wieder stellen196, sind an der Waldorfpädagogik weitgehend vorbeigegangen. Die Existenz im Schatten, will man nicht sagen im Getto der Anthroposophischen Gesellschaft und die lange Zeit stark milieubezogene Rekrutierung der Schüler haben die Waldorfschule von der allgemeinen Entwicklung in der Schullandschaft und der Erziehungswissenschaft separiert, Waldorflehrer waren weder an der kritischen Aufarbeitung der Reformpädagogik noch der eigenen Tradition bislang in großem Maß beteiligt. Kaum sonst hat sich ein Schulkonzept aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts so wenig verändert, und das heißt auch: unreformiert, und in einem so versteinerten Affront gegenüber dem staatlichen Schulsystem erhalten.

15.4.2 Herbartianismus Johann Friedrich Herbart (1776-1841) zählt zu den Begründern der wissenschaftlichen Pädagogik in Deutschland. Den Grundlagen seiner Erziehungslehre werden drei fundamentale Annahmen zugerechnet: die »Regierung« des Lehrers, d. h. die Ausübung von Autorität zum Ziel der Erziehung, die Weckung des »Interesses« der Schüler am Unterrichtsgegenstand und die »Zucht« als Affektsteuerung der »Zöglinge«. Außerordentlich wirkungsmächtig war sein Schema der Formalstufen, mit denen er den Unterricht in methodisch reflektierte Einheiten zerlegte. In der »Vertiefung« sollte »analytisch« der einzelne Gegenstand zur »Klarheit« kommen und in der »Association« die Verbindung mit benachbarten Gegenständen hergestellt werden. In der »Besinnung« schließlich sollte das gesamte »System« wahrgenommen und vermittels einer »Methode« handhabbar gemacht werden. Mit dem »Gesinnungsunterricht« schließlich verband Herbart die Erziehung des Schülers zu einem ethischen handlungsfähigen Subjekt. Herbarts unmittelbare Wirkungen waren begrenzt, diejenigen seiner Schüler hingegen teilweise immens und bis ins frühe 20. Jahrhundert hinein spürbar. Die nachträgliche Systematisierung der Herbartschen Grundlagen führte oft weit von Herbarts Vorstellungen weg199. In dieser transformierten Gestalt wirkte »der Herbart« in die Breite und auch auf Steiner. Der vielleicht einflußreichste Herbartianer, Tuiskon Ziller (1817-1882)200, den Steiner 1920 zu den »großen Gestalten« der Pädagogik des 19. Jahrhunderts zählte (GA 301,12), führte eine thematische Konzentration des Unterrichtsstoffes ein und koppelte, Andeutungen Herbarts201 zu einem detaillierten System ausweitend, den altersgemäßen Unter19B Vgl. exemplarisch Herrmann / Oelkers: Reformpädagogik - ein Rekonstruktions- und Rezeptionsproblem, v. a. 545 f. 1v9 Vgl. zu diesen Transformationen: Der Herbartianismus - die vergessene Wissenschaftsgeschichte, hg. v R. Coriand/M. Winkler; Schwenk: Das Herbartverständnis der Herbartianer, und ders.: Probleme der Herbart-Nachfolge. 200 Zu Ziller siehe Dunkel: Herbart and Herbartianism, 209-228. 201 »Das ganze Aufsteigen durch die Stufen der in Bildung begriffenen Menschheit, von den Alten zu den Neuem, gehört zum synthetischen Unterricht«, so Herbart in der »Allgemeinen Pädagogik«,

15.4 Das pädagogische Umfeld

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richt an historische »Kulturstufen« (s. u. 15.5.2d). Zudem formulierte er seine eigene Version der »Formalstufen«, die den Unterricht in »methodische Einheiten« zerlegen und »die Analyse (Vorbereitung), die Synthese (Darbietung), die Assoziation (Verknüpfung), das System (Ordnung), die Methode (Anwendung)« umfassen sollten202_ Die im Prinzip sinnvolle Strukturierung des Unterrichts empfanden viele Pädagogen, auch und gerade Reformpädagogen, im ausgehenden 19. Jahrhundert als Korsett und bekämpften sie vehement203. In dieser Auseinandersetzung wurde Herbart zum Feindbild par excellence, gegen den sich eine reformpädagogische Identität konstruieren ließ. Gleichwohl sind Strukturähnlichkeiten in den Formalstufentheorien in reformpädagogischen Konzepten nicht zu übersehen204, ja man kann sogar mit guten Gründen derartige Arrangements von Herbartianern als Reform der Pädagogik lesen, so daß dann Herbartianer wie Ziller und Rein zu Reformpädagogen werden205 In welchem Ausmaß Steiner von Herbartianischer Pädagogik geprägt war, ist im folgenden Kapiteln zu diskutieren. Anthroposophen sehen im Rückgriff auf einzelne Aussagen Steiners seine Abhängigkeit von Herbart kritisch206. Allerdings hat Steiner selbst Kenntnisse des Herbartschen O3uvres bekundet. Den Basler Lehrerkurs, Steiners erstem Versuch einer umfassenden Darstellung seines pädagogischen Konzeptes, begann er mit einem Lob auf die Kompetenz der Erziehungswissenschaft des 19. Jahrhunderts (GA 301,9.12), und das hieß für ihn vor allem Herbart, den er »durchaus nicht unterschätze« (ebd., 10):

in: Pädagogische Schriften, I, 314. Das Konzept der Kulturstufen ist allerdings älter und findet sich schon in den evolutionären Theorien des 18. Jahrhunderts, etwa in Lessings »Erziehung des Menschengeschlechts«. 202 So im zu Steiners Lebzeiten erschienenen »Lexikon der Pädagogik«, hg. von dem Herbartianer Otto Willmann und von Ernst M. Roloff (1913-1917), I, 1336 f. 203 Kerscheinsteiner etwa kritisierte sie als lehrerzentriert, vgl. Scheibe: Reformpädagogik, 186. 204 Prange: Erziehung zur Anthroposophie, 123. tos So Oelkers: Wilhelm Rein und die Konstruktion von »Reformpädagogik«, 132. 146-152. 206 Vor allem Prange: Erziehung zur Anthroposophie, hat Herbarts Einfluß auf Steiner offengelegt. Die Wirkungsgeschichte des Herbartianismus auf Steiner ist zwar Anthroposophen im Prinzip auch schon vorher bekannt gewesen (vgl. etwa Herz: Das Unwahrscheinliche wahrscheinlich machen, 440), aber erst Prange hat sie in ihren vielfältigen Bezügen und ihrer konstitutiven Bedeutung aufgedeckt. Ich folge seinen Analysen in wichtigen Teilen, da die Kritik an der Abhängigkeit Steiners von Herbart und dem Herbartianismus durch Anthroposophen keine (besseren) Begründungen für Parallelen und Ähnlichkeiten bietet. Ohne Begründung wird die Beziehung zu Herbart abgelehnt bei Schneider: Erkenntnistheorie und anthroposophische Menschenkunde, 99; für Kranich: Ansichten eines Erziehungswissenschaftlers, 25f., löst sich die Beziehung zu Herbart nach einer schnellen Durchmusterung von Argumenten auf dem Raum einer guten Druckseite, ohne eine historische Debatte in der Tiefe des Problemfeldes, »in ein Nichts auf« (S. 26). Kiersch: Wie läßt sich die Pädagogik Rudolf Steiners verstehen?, 547, hat die »Herbartianismus-These« »dürftig begründet« gesehen und auf Steiners Auseinandersetzung mit Dessoir (GA 21) und auf seine Philosophiegeschichte verwiesen, die aber beide für pädagogische Detailfragen fast nichts austragen. Vgl. die Namensnennung Herbarts bei Steiner (GA 189,176.341), die Einordnung unter die »reaktionären Weltanschauungen« aufgrund des »abstrakten Gedankensystems« (ebd., 256. 257) und die milde Beurteilung, weil Herbart eine »höhere Geisterwelt« akzeptiert habe (ebd., 282).

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15. Waldorfpädagogik

»Ich habe selber die Herbartsche Strömung recht intim kennengelernt. ... An allen österreichischen Universitäten wirkten für die Pädagogik Herbartianer, so daß mir im Laufe meines Lebens gerade die Herbartsche Pädagogik, ich möchte sagen, in ihren einzelsten [sic] Bestrebungen entgegentrat.« (ebd.)

Die »Herbartsche Psychologie« hielt er für »scharfsinnig«, mit »außerordentlich viel Schönem« (ebd., 209). Wenn er sich an dieser Stelle zugleich von den »Herbartianern« abgrenzte, kann dies kaum radikal gemeint sein, denn den Philosophen Robert Zimmermann lobte er als »ganz hervorragenden Herbartianer« (ebd.). Auch für Tuiskon Ziller bezeugte er (neben Herbart, Diesterweg und Pestalozzi) seine »wirkliche Verehrung« (ebd., 12) und belegte 1920 die Kenntnis von dessen Formalstufen (GA 298,49). Von anderen Mitgliedern der Herbartschule um 1900 kannte er, wie er im etwa August 1919 dokumentierte, den Jenenser Theodor Vogt und den um 1900 alle anderen Herbartianer an Einfluß überragenden Wilhelm Rein (GA 297,7.45.55). Steiners erste Berührungen mit dem Herbartianismus sind jedoch, wie Steiner in der oben zitierten Passage auch andeutet, älter und datieren aus seinen österreichischen Jahren vor 1900. Schon in der Schule hatte er Gustav Adolf Lindner (1828-1887), einen in Prag lehrenden Herbartianer wahrgenommen und dessen »Einleitung in die Philosophie« und seine »Psychologie« erstanden (GA 28,35.370). In der Anfangszeit seines Studiums, um 1880, hatte er dann Herbarts »Metaphysik« (ebd., 43), die Philosophiegeschichte des Herbartianers Christfried Albert Thilo (ebd., 40) und die »Praktische Philosophie« Zimmermanns gelesen (ebd., 42). Prange vermutet, daß Steiner auch das »Enzyklopädische Handbuch der Erziehungskunde« Lindners kannte"', den man zu Beginn des 20. Jahrhunderts »in Österreich ... zu den wirkungsvollsten Propagatoren der Herbartschen Pädagogik und Psychologie« zählte208. Steiner war, so eine zutreffende Selbstwahrnehmung, »stark in die Herbart'sche Philosophie hinein[geraten]« (ebd., 41). Damit stand Steiner, hier schließt sich der Kreis zur Reformpädagogik, nicht allein. Auch für Peter Petersen ist beispielsweise eine intensive Auseinandersetzung mit Herbart und dessen Hochschätzung belegt209. Allerdings ist mit den augenblicklich nachweisbaren Herbart-Lektüren Steiners die Frage nach der Bedeutung Herbarts für die Waldorfpädagogik noch nicht geklärt, denn sie belegen ausschließlich, daß Steiner die philosophischen Werke Herbarts und der Herbartianer rezipierte. Andererseits ist dies kein Grund, die Präsenz Herbartianischen Denkens auszuschließen, denn es war am Beginn des 20. Jahrhunderts auch ein frei flottierendes Gedankengut, ein fluidales Element im pädagogischen Denken. Dieser Herbartianismus210, in dem Herbart manchmal authentisch rezipiert wurde, aber oft auch mißverstanden, halb gelesen oder umgedeutet als autoritative Instanz diente, in dem man Herbart nicht einmal gelesen haben mußte, sondern sich aus eigenen Schulerfahrungen oder sekun207 Lindner: Enzyklopädisches Handbuch der Erziehungskunde (1884); vgl. Prange: Erziehung zur Anthroposophie, 73f. 177. 208 Lexikon der Pädagogik, hg. v. O. Willmann/E.M. Roloff, III, 438. 209 Petersen: Peter Petersen und die Herbartianer, 568. 210 Oelkers: Wilhelm Rein und die Konstruktion von »Reformpädagogik«.

15.4 Das pädagogische Umfeld

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dären Aufbereitungen seines Denkens bedienen konnte, dieser Herbartianismus tauchte auch in Steiners Pädagogik wieder auf. Eine autoritäre Lehrerrolle oder Gesinnungspädagogik oder Formalstufen, um nur einige Beispiele zu nennen, konnte man diesem omnipräsenten Fundus bequem entnehmen.

15.4.3 Goetheanismus Goethe gilt aufgrund seiner zweifelsohne zentralen Rolle in Steiners Biographie auch oft als zentrale Figur seiner Pädagogik. Überraschenderweise jedoch fehlt eine konzise Analyse dieses Zusammenhangs21, den man auf zwei Ebenen herstellen kann. Zum einen lassen sich einzelne goetheanistische Elemente identifizieren, etwa bei der Erziehung als Kunst, beim Verhältnis von Natur und Ästhetik im Unterricht (s. u. 15.5.3a) oder bei dem häufigen Verweis auf Goethes literarische Werke als Unterrichtsgegenstände. Zum anderen wird Goethe als Prinzipiengeber der Waldorfpädagogik beansprucht. Diese Rolle wies Steiner Goethe schon im Mai 1919 zu, als er forderte, die »Richtlinien« für »Pädagogik und Didaktik« »aus Goethes Weltanschauung« zu entnehmen (GA 192,114). Dieser unspezifische Appell fiel mitten in Steiners Suche nach pädagogischen Konzepten für die geplante Schule, und er griff einmal mehr ihm geläufige Stoffe, hier Goethe, auf. Mit der grundsätzlich sinnvollen Forderung, »nicht auf Goethe dogmatisch schwören, sondern ... weiterbilden dasjenige, was in einer Anlage bei Goethe vorhanden ist« (ebd., 279f. [13.7.1919D, ), war allerdings einer unspezifischen Verwertung Goethes die Tür geöffnet. Schon im Juni konkretisierte Steiner vier prinzipielle Optionen im Umgang mit Goethe, die sich in den folgenden Monaten und Jahren immer wieder in seinen Vorträgen zur WaldorfPädagogik finden. 1. Steiner verstand Goethe als Autorität für die »Manifestation geheimer Naturgesetze« (ebd., 212 [Zitat Goethes]). Goethe wurde damit zum Geistesver-

21 Auch im folgenden kann dieser Kontext nicht umfassend dargestellt werden. In vielen Einführungen zur Waldorfpädagogik ist Goethe kein eigenes Kapitel gewidmet. Eine Ausnahme ist etwa Schneider: Einführung in die Waldorfpädagogik (21985), 82-92, der Goethe als Prinzipiengeber stark macht, bezeichnenderweise aber nur Aussagen Steiners vor 1900 aufgreift; ähnlich mit Schwerpunkt auf Goethes Metamorphoselehre bereits bei Klein: Goethes Geistesart in der Pädagogik Rudolf Steiners (1937). In der Dissertation von Hörner: Waldorfpädagogik und Naturphilosophie. R. Steiners Goetherezeption, ist das Thema leider verschenkt. Es reicht nicht, Steiners Goethebeschäftigung vor 1900 neben die pädagogischen Aktivitäten nach dem Ersten Weltkrieg zu stellen, denn die Fragen nach der Transformation und realen Präsenz Goethes in der Pädagogik sind dann noch ohne Antwort. Die knappe Durchführung zum Stichwort Metamorphose (ebd., 181-184) bleibt kursorisch. Im Hauptteil seiner Arbeit, einer entwicklungspsychologischen Darstellung von Steiners theosophischer Anthropologie, ist Hörner weit entfernt von Goetheschem Denken. Treml: Johann Wolfgang von Goethe und die Alternativpädagogik, vertritt einen strukturellen Ansatz, in dem sich charakteristische Elemente von Goethes Pädagogik - etwa Lernen als Beziehungsgeschichte zwischen Lehrer und Schüler oder phänomenologische Vermittlung - als formale Elemente der Waldorfpädagogik identifizieren ließen. Homologien zwischen dem Denken Goethes und Steiners wären damit nicht ausgeschlossen, sind aber auch nicht belegt.

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15. Waldorfpädagogik

wandten einer Erkenntnis übersinnlicher Welten. Aber schon Ende Juni hatte sich Steiner mit Ernst Michel, Betriebswirt und Sozialwissenschaftler in Jena, auseinanderzusetzen, der aufgrund des damit verbundenen Wissenschaftsanspruchs Steiner das Recht einer Berufung auf Goethe absprach'''. 2. Erziehung sei in »künstlerischem Geist« im Sinne Goethes zu betreiben (ebd., 212). Wenige Wochen später forderte Steiner, auch auf die Pädagogik den goetheanistischen Ternar der Vereinigung von Wissenschaft, Kunst und Religion (GA 298,23 [7.9.1919]) anzuwenden. Mit diesen Verknüpfungen von Kunst und Erziehung war dem Stichwort »Erziehungskunst«, das sich seitdem durch die anthroposophische Literatur zieht, der Weg bereitet. 3. Goethes Farbenlehre interpretierte Steiner (mit Goethe gegen Newton) als anti-»atomistische«, also antimaterialistische Theorie (GA 192,220) und integrierte sie so in seinen theosophischen Monismus. Hinweise auf die Bedeutung der Farbenlehre finden sich in Steiners pädagogischen Schriften der nächsten Jahre häufig, doch sind sie oft unspezifisch213 4. Goethes »Metamorphosenlehre« fand die weiteste Verbreitung auch in der konkreten Umsetzung in der Waldorfpädagogik. Als »Lehre von dem Zusammenhang des Menschen mit der übrigen Lebenswelt« solle sie als Denken aus »deutschem Geist« den »anglo-amerikanischen Darwinismus« ersetzen (ebd., 221). Im April 1920 erläuterte er das »Goethesche Metamorphoseprinzip« folgendermaßen: »Bei Goethe herrschte die Anschauung, daß die ganze Pflanze nur ein kompliziertes Blatt sei. Wir sagen: Alles das, was der Mensch an Bewegungen nach seinem Willen vollziehen kann, ist ein Nachbilden dessen, was nicht die wirklichen Bewegungen, aber die Bewegungstendenzen sind in den Sprachorganen, so daß immer der ganze Mensch zu einem lebendig bewegten Kehlkopf wird.« (GA 301,94 [28.4.19201)

Aber dieser gnostisch angehauchten Interpretation, die den Menschen als Ausdruck von Sprache und insofern von Geist versteht, konnte Steiner weitere Anwendungen des Metamorphoseprinzips zur Seite stellen und etwa die Entwicklung des Schmetterlings aus der Puppe als »ein von den göttlichen Mächten in die Natur hineingepflanztes Symbolum für die Unsterblichkeit« deuten (GA 300a,100 [26.9.1919]) oder die Metamorphose als Strukturprinzip der Kunstgeschichte verstehen (GA 300b,41 [11.9.1921]). In solchen Vorstellungen stehen Steiners evolutionärer Spiritualismus und das Verwandlungsdenken von Goethes Metamorphosenlehre in einer spezifisch anthroposophischen Konstellation.

2'2 Michel: Der Weg zum Mythos, 38: »Die Theosophie, auch in ihrer Form als Anthroposophie, wäre rückhaltlos von ihm abgelehnt worden.« Die Reaktion Steiners findet sich laut Kommentar in GA 192,237 [29.6.1919]. 213 Vgl. auch Verweis auf den »physiologisch-didaktischen Teil« der Farbenlehre, in der er Farbenwahrnehmung als Zusammenspiel von Sympathie und Antipathie beschrieb (GA 293,80 [26.8.1919] ). Oft aber beschränkte sich Steiner auf kurze Hinweise, etwa hinsichtlich der Bedeutung der Farbenlehre für die Wahrnehmung von Nachbildern (GA 301,51 [22.4.1920]) oder begnügt sich mit unspezifischen Verweisen (z. B. GA 293,85.129 [August 1919]).

15.4 Das pädagogische Umfeld

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Aber dies ist ein Überbau, dessen pädagogische Umsetzung bei Steiner und seinen Nachfolgern noch unzureichend analysiert ist. Wieweit Wirkungen Goethes nicht nur auf der biographischen Rezeption bei Steiner beruhen, sondern darüber hinaus auch als gesamtkulturelles Ferment in Gestalt des Goetheanismus für die Waldorfpädagogik in Rechnung zu stellen ist, bleibt offen. Die Orientierung an Goethe vermittelte weitverbreitete, sekundär und tertiär adaptierte Denkstrukturen, die sowohl in der Staatsschule wie in Teilen der Reformpädagogik präsent waren und zu den vagierenden Motiven der Kultur des wilhelminischen Deutschland zählten. Insbesondere die ästhetische Beerbung Goethes, dessen haeckelsche Variante ja auch Steiner stark beeinflußte, war weit verbreitet. Hingegen waren Themen, mit denen sich Steiner in seinen Goetheeditionen intensiver beschäftigt hatte, insbesondere die Ideenlehre und die Erkenntnistheorie, weit weg von der konkreten Pädagogik. Zudem waren gerade diese Elemente »goetheanischen« Denkens bei Steiner massiv theosophisch überformt und als Denken Goethes nur noch bedingt zu identifizieren. Letztlich lassen sich mit Goethe nur einzelne Elemente der Waldorf-Pädagogik erklären, denn entscheidende Quellen liegen an anderen Stellen: in der klassischen und der Reformpädagogik, insbesondere aber in der Theosophie. Daß man diese Dimensionen dann wieder einer »goetheanischen« Relecture unterziehen kann (und dies nach Steiners Tod auch häufig tat), steht auf einem anderen Blatt.

15.4.4 Theosophie Als Steiner 1919 die erste Waldorfschule gründete, lag die Trennung von der Theosophischen Gesellschaft seit siebeneinhalb Jahren hinter ihm. Der Bruch war emotional tief und institutionell nachhaltig, doch die weltanschaulichen Wirkungen waren damit keinesfalls beendet. Damit komme ich zu der zentralen These meiner historischen Verortung: Die Waldorfpädagogik ist eine theosophische Reformpädagogik. Man kann dieser These auf zwei Ebenen nachgehen, der organisatorischen und der inhaltlichen. Auf der ersten Ebene lohnt es sich im Auge zu behalten, daß die außerdeutsche Theosophie häufig versuchte, gesellschaftspolitisch aktiv zu werden, nicht zuletzt im schulischen Bereich. Olcott hatte mit den theosophischen Schulen auf Ceylon das dortige Bildungssystem auf ganz neue Füße gestellt, und Steiners ehemalige Präsidentin Annie Besant schon vor 1900 das »Central Hindu College« in Benares und hinduistische Mädchenschulen gegründet (s. 3.2.3) und auch Steiner persönlich 1908 aufgefordert, sich um die »Education of Children« zu kümmern214. Auch Katherine Tingley von der Theosophischen Gesellschaft Point Loma hatte in Point Loma seit 1900 umfangreiche pädagogische Aktivitäten betrieben (s. 3.9). Wieweit Steiner diese Aktivitäten wahrgenommen hat, ist unklar. In Europa hingegen war die Theosophie gesellschaftspolitisch weitgehend abstinent geblieben und hatte nur wenige, durchweg für Erwachsene konzipierte 2i4

Brief Besant an Steiner, 12.11.1908, Nachlaß Steiner.

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15. Waldorfpädagogik

Projekte betrieben, die zudem faktisch nur Mitglieder angezogen. So organisierte man seit 1909 in England »Sommerschulen«, in denen wohl vor allem Vorträge gehalten wurden215. Die 1910 in London ins Leben gerufene Blavatsky-Schule (»The H. P. B. Theosophical School«) der Adyar-Theosophie war schon von ihrer Anlage her auf Erwachsene ausgerichtet, mit »Lesezimmer, Zeichensaal, Wohnzimmer, Schreib- und Rauchzimmer, einer Turnhalle und einem grossen Warmwasser-Schwimmbecken« sowie mit »Tennis- und Criguet-Plätzen und einem Blumengarten«. Inhaltlich wollte man »Schulen, Klassen, Vorträge und Bibliotheken organisieren; ein Vortrags- und Korrespondenz-Büro unterhalten, wir werden Schulen, Theosophische Logen und private Zusammenkünfte mit Vorträgen versorgen. Wir werden theosophischen Fernunterricht erteilen unter Geheimhaltung der Namen«216

Auch die deutschen Sommerschulen vor dem Ersten Weltkrieg dienten der Erwachsenenbildung bildungsbürgerlicher Theosophen, populär etwa die »Theosophischen Ferienkurse« der Adyar-Theosophie auf dem »Weißen Hirsch« bei Dresden (s. 3.5.1) oder die »Sommerschule« der Internationalen Theosophischen Verbrüderung in Thüringen (s. 3.11). Ein 1908 erfolgter Aufruf an deutsche Theosophen, »Pädagogik, einschliesslich Kindergarten-Erziehung« zu studieren, angeregt durch die Beschäftigung holländischer Theosophen mit Erziehungsfragen217, blieb offenbar wirkungslos. Auch Besants Appell aus dem Jahr 1910, im »Bund für theosophische Arbeit« Theosophie in die soziale Praxis umzusetzen, etwa in der Erziehung oder in der Krankenpflege (s. 14.2.2)218, fand in Deutschland keine Resonanz. Das 1913 von ihr gegründete »theosophische Gymnasium« in Benares219 erhielt in Deutschland keine Parallele. Kurz vor dem Ersten Weltkrieg wurde durch Adyar-Theosophen zwar noch eine »Freie Hochschule Berlin« ins Leben gerufen220; aber sie entfaltete keine nachweisbaren Wirkungen. Es gibt momentan keine Indizien, daß die theosophische Pädagogik vor dem Ersten Weltkrieg inhaltlich auf Steiner oder die Projekte in seinem Umfeld gewirkt hätten. Der Krieg politisierte die Theosophie (s. 14.3). Die Bedeutung dieses Prozesses für die pädagogischen Aktivitäten in der Anthroposophie ist augenblicklich noch nicht überschaubar221. Vermutlich führt kein Weg von der Genese der Dreigliederung aus den »Memoranden« des Jahres 1917 unmittelbar in die Waldorfpädagogik. Vielmehr dürfte Molts Anstoß unabhängig davon zu den frühesten Versuchen gehören, im Rahmen der theosophischen Tradition Pädagogik zu betreiben. 215

Anonym: Dritte internationale Sommerschule, in: Theosophie 2/ 1911-1912,117. Anonym: Die H.P. B. Schule. 217 Notiz, in: Isis 1 / 1908, S. 451. 218 Besant: Der »Bund für theosophische Arbeit«, 203-210 (August 1910). 219 Nach: Anonym: Gründung des theosophischen Gymnasiums in Benares. 220 Nach: Anonym: Freie Hochschule Berlin. 22! Wie sich die Einlagerung theosophischer Inhalte entwickelte, bedürfte einer eigenen Untersuchung. Johannes Schneider etwa vermutete, daß es zwischen 1920 und 1924 zu einer verstärkten Einbeziehung theosophischer Vorstellungen gekommen sei und konstatiert für die Jahre 1923 / 24 eine verstärkte Reflexion des Menschen als kosmisches Wesen innerhalb der Pädagogik; Schneider: Rudolf-Steiner-Schule, 39. 216

15.4 Das pädagogische Umfeld

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Auch die österreichischen Adyar-Theosophen ventilierten in den Jahren 1921 / 22 pädagogische Aktivitäten (s. 3.7.2), doch wenn es Wechselwirkungen gegeben haben sollte, dürften sie aus chronologischen Gründen von der Stuttgarter Waldorfschule ausgegangen sein; dafür gibt es allerdings bislang keine Belege222. Letztlich ist die Wirkung der organisierten pädagogischen Aktivitäten in der Theosophie vor dem Ersten Weltkrieg und in den ersten Nachkriegsjahren auf Steiner augenblicklich schwer abzuschätzen - sie dürfte nicht groß gewesen sein. Völlig anders ist hingegen die Bedeutung der theosophischen Weltanschauung einzustufen. Sie ist für die Waldorfpädagogik zentral. Alles andere wäre auch begründungsbedürftig: Warum sollte die Theosophie, die alle anderen Praxisbereiche der Anthroposophie prägt, die Waldorfpädagogik ausgespart haben? Und so läßt sich das theosophische Erbe auch leicht entdecken: im Menschenbild, in der Karmavorstellung oder in der sozialdarwinistisch eingefärbten Geschichtsphilosophie. Dabei ist einem Mißverständnis schon jetzt vorzubeugen: Bei den theosophischen Vorstellungen handelt es sich nicht um einzelne Elemente, nicht um Additive auf der Oberfläche der Pädagogik, sondern um Vorstellungen, die die Waldorfpädagogik im Innersten prägen. In der Bestimmung der Lehrerrolle (s. u. 15.5.3a) habe ich versucht, diese intrinsische Strukturierung der Waldorfschule durch Theosophie nachzuweisen. Darüber hinaus werde ich in den folgenden Abschnitten immer wieder und in vielen Einzelbeobachtungen auf die theosophischen Prägungen zu sprechen kommen. Die Theosophie ist, wie auch einzelne Waldorfpädagogen andeutungsweise konzedieren", jenseits von Reformpädagogik und »staatlicher« Pädagogik das Proprium von Steiners Pädagogik, durch das sie sich von allen anderen pädagogischen Bewegungen der Weimarer Republik unterscheidet. Kritisch kann man allenfalls fragen, weshalb die Theosophie bislang, etwa bei Klaus Prange und Heiner Ullrich", nur als ein Element und nicht als zentrales Ferment der Waldorfpädagogik gedeutet wurde. Darauf gibt es mehrere Antworten. Zum einen gehört die scharfe Grenze zwischen innen und außen, zwischen theosophischer Arkandisziplin und öffentlicher Darstellung zum Selbstverständnis der Waldorfschule - darin übrigens wieder ein theosophisches Organisationsprinzip reproduzierend. Zum anderen sind die Materialien der Esoterischen Schule, durch die klar wird, in welch großem Ausmaß Theosophie und Anthro222 Mehr pädagogischen Willen als Praxis dokumentiert der Versuch (seitens der Theosophischen Gesellschaft Vollraths oder der Internationalen Theosophischen Verbrüderung), akademische Qualifikationen zu etablieren (Programm unter: Anonym: Theosophische Promotionen und Habilitationen). Eine Promotion von Karl Schramm, dem Vorsitzenden der Loge Emden, »in Form von Briefen gehalten«, sei »einstimmig« angenommen worden (so auf der Hauptversammlung 1929, in: ebd., 258). 223 Kiersch: Allgemeine Pädagogik und Rudolf-Steiners-Pädagogik, 209f. Bei anderen Autoren wird dieser Zusammenhang nicht so deutlich, weil die theosophischen Wurzeln etwa unter dem Stichwort »anthroposophische Menschenkunde« (Leber: Die Menschenkunde der Waldorfpädagogik, 15) verdeckt sind, obgleich es sich um genuin theosophische Vorstellungen handelt. 224 Prange: Erziehung zur Anthroposophie, 93, hat diese Dimension im Prinzip gesehen und die Waldorfschule als »Vorschule der Geheimschulung« gedeutet. Ich bin mir nicht sicher, ob Steiner die Waldorfpädagogik intentional und verbindlich auf die Esoterische Schule bezogen hat oder ob dies nur ein Mitnahmeeffekt seines Ansatzes war. Der Lehrer ist jedenfalls auch ohne die Verbindung mit der Esoterischen Schule als Eingeweihter konzipiert.

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15. Waldorfpädagogik

posophie mit einem geheimen Kern lebten, erst in den späten achtziger und in den neunziger Jahren publiziert worden. Sodann galt die Verbindung mit der Theosophie nach dem Bruch des Jahres 1912 als Mesalliance, über die man nicht mehr gerne sprach. Und schließlich erhob Steiner den Anspruch, die Erkenntnisse der Theosophie zu überbieten. Wurzeln in der Theosophie erschienen in dieser Perspektive als Unterminierung von Steiners weitreichenden Anspruch auf Eigenständigkeit - auch in der Pädagogik.

15.5 Pädagogische Konzeption der Waldorfschule In diesem Kapitel stelle ich zentrale Vorstellungen Steiners zusammen - ohne Anspruch der Vollständigkeit. Zudem ziehe ich meist Aussagen aus den Jahren 1919 bis 1924 harmonisierend zusammen; eine konzise Analyse der Veränderungen und der Fortschreibung der Waldorfpädagogik in diesen Jahren steht noch aus. Die Bezugnahmen auf historische Kontexte erfolgt, vergleichbar anderen Kapiteln, exemplarisch. Ich kann oft nur Ähnlichkeiten und Berührungsstellen zu pädagogischen Strömungen oder Positionen ausweisen und Steiner nur punktuell situieren; direkte Abhängigkeiten sind aufgrund der Quellenlage immerhin in einzelnen Fällen nachweisbar. Die praktischen Applikationen lassen sich durch die Protokolle der Konferenzen Steiners mit den Lehrern der Stuttgarter Waldorfschule gut nachvollziehen (GA 300a-c); diese Bände sind im folgenden intensiv berücksichtigt, doch ist ihr Informationsgehalt damit längst nicht ausgeschöpft und lohnten eine eigene Untersuchung. Schließlich habe ich häufiger als in anderen Kapiteln auf die aktuelle Situation in Waldorfschulen verwiesen; diese Grenzüberschreitung habe ich angesichts des hohen Interesses an aktuellen Fragen für vertretbar gehalten. 15.5.1 Schulverfassung: Schulstruktur, Lehrer - Schüler - Eltern Die programmatische Bezeichnung »Freie Waldorfschule«, die Waldorfschulen bis heute tragen, sollte sie als private, nichtstaatliche Einrichtung ausweisen". Die heute allzu emphatisch anmutende Abgrenzung besaß aber um die Jahrhundertwende einen völlig anderen Klang, als ein nichtstaatliches Schulwesen erst etabliert werden mußte. Eine solche Alternativschule sollte »die freiheitlichste in der Welt« sein, wie vor Steiner etwa bereits Berthold Otto propagiert hatte226. In den Schulnamen haben auch andere Pädagogen das Prädikat »frei« aufgenommen, etwa Paul Geheeb und Gustav Wyneken für ihre »Freie Schulgemeinde Wickersdorf«227. Z25 Vgl. zur Debatte um die Schulverfassung die Artikel in: Erziehungswissenschaft und Waldorfpädagogik, hg. v. F. Bohnsack/E.-M. Kranich, 333 ff. 226 Zit. nach Scheibe: Die Reformpädagogische Bewegung, 94. 227 Daß der Begriff nicht häufiger vorkommt, könnte an der Tradition liegen, in der »Freischule« auch im 19. Jahrhundert noch die »Armenschule« (etwa von Orden) bezeichnete, in der Kinder unentgeltlich unterrichtet wurden.

15.5 Pädagogische Konzeption der Waldorfschule

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Steiner konzipierte die Waldorfschule als »Einheitsschule« (GA 293,13). Darunter verstand man seit dem Ende des 19. Jahrhunderts den Verzicht auf ein nach Qualifikationszielen gegliedertes und nach Konfessionen unterschiedenes Schulsystem. Zur Durchsetzung dieser Forderung war schon 1886 der »Deutsche Einheitsschulverein« gegründet worden, und die Reformpädagogik hatte sich dieses Konzept fast durchgehend zu eigen gemacht228. Die »Einheitsschule« ist allerdings nicht mit der Gemeinschaftsschule zu verwechseln, die dem im Umkreis der Reformpädagogik verbreiteten Anspruch entsprang, aus der Lern- eine Lebensgemeinschaft zu machen, wie sie etwa im Begriff der »Schulgemein(d)e« programmatisch wurde. Auch dieses Element findet sich in der Waldorfschule, doch war sie aufgrund der inneren Hierarchisierung (s. u.) eine vergleichsweise autoritäre Variante der auch in der Reformpädagogik durchaus nicht immer egalitär verstandenen Gemeinschaftsschule. Steiner sah eine kollegiale Führungsstruktur ohne »Direktor« vor (GA 76,198), in der Hierarchien und Schulleiterfunktion zugunsten einer »Lehrerrepublik« (GA 300a,62.86) eingeebnet werden sollten. Die Absicht, eine Alternative zu Staatsschulen zu bilden, ist an diesem Punkt besonders deutlich. Vergleichbare Ansprüche finden sich in vielen Reformschulen; nach dem Ersten Weltkrieg gab es etwa auch in den »Lebensgemeinschaftsschulen« kollegiale Selbstverwaltungsformen229_ Aber die Realität sah in den Waldorfschulen von Beginn an anders aus. Steiner besaß eine dominierende Position, die zwar kaum juristisch fixiert, aber gerade darum um so stärker war. Er präsentierte sich 1920 dem Lehrerkollegium als »Esoteriker den Freunden gegenüber« und beanspruchte, »aus geistigen Welten« »Forschungsresultate«, die »Wahrheiten« seien (GA 300a,214), zu vermitteln. Dies sollten die Lehrer zwar nicht auf »Autorität« hin akzeptieren, aber de facto immunisierte Steiners »hellseherischer« Kompetenzanspruch seine Autorität. Der »Oberlehrer« Steiner verfügte über eine nicht in Frage gestellte Richtlinienkompetenz von Grundsatzfragen bis in Details des pädagogischen Alltags hinein. Aber auch die Lehrer sollten von diesem Autoritätstypus leben, Steiner legitimierte sie durch einen priesterlichen Habitus (s. u. 15.5.3a). In diesem Anspruch auf »eingeweihte« Erkenntnis gründet die unangreifbare Autorität des Lehrers. Aber auch untereinander war das Stuttgarter Lehrerkollegium unter Steiners Fittichen war keine egalitäre Gemeinschaft. Hier gab es ein Machtgefälle durch Leitfiguren wie Caroline von Heydebrand und E. A. Karl Stockmeyer230. Über darin wurzelnde Konflikte ist bislang nur wenig bekannt. Möglicherweise kamen durch fachliche Unterschiede und persönliche Differenzen die Rangunterschiede wieder zum Tragen. Wenn Steiner 1923 Kritik an der »Kollegen-Cliquenbildung« äußerte und »innere Harmonie im Kollegium« forderte (GA 300b,238), wenn er eingestanden hat, daß man »sich auf die Nerven« gehe und in dieser Situation

228 Scheibe: Die Reformpädagogische Bewegung, 255-271. 229 Ebd., 298. 230 Daß von Heydebrand bald im »Lehrerseminar« »leitend mitarbeitete«, heißt es mit einer gewissen Selbstverständlichkeit; Der Lehrerkreis um Rudolf Steiner, hg. v. G. Husemann / J. Tautz, 29.

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15. Waldorfpädagogik

ein »Komitee« zur Verwaltung der Schule und damit auch zur Moderation der Konflikte (ebd., 239.244) benötige, ließ er die Schärfe der Streitigkeiten im Lehrerkollegium erkennen231. Steiners Konsensforderung nach »lauterer Harmonie« (ebd., 238) verdeckte Konflikte und Machtverhältnisse wohl mehr als daß sie sie bewältigte232. Schließlich scheiterte die Egalität aller Mitglieder an den Lehrern für den konfessionellen Religionsunterricht, die keine Vollmitglieder in den Kollegien waren. Bis heute sind Führungsstrukturen von Waldorfschulen - weil programmatisch inexistent - schwerer aufzudecken als an offen hierarchisierten Schulen, so daß Rangunterschiede von machtpolitisch starken Mitgliedern des Lehrerkollegiums deshalb um so wirkungsvoller ausgebaut werden können233. Über das »unsichtbare« personale Gefälle hinaus besitzen die Waldorfschulen ein hierarchisiertes System von Kollektivorganen. Steiner schuf ein »engeres Kollegium«, in dem nur die »Klassenlehrer ... mit den älteren Fachlehrern« sitzen sollten, während alle anderen ins »erweiterte Kollegium« abgeschoben wurden (GA 300a,198). Das »engere Kollegium« heißt heute an Waldorfschulen in Abgrenzung zur Gesamtkonferenz »interne Konferenz« und besitzt die Kompetenz in den zentralen pädagogischen und machtpolitischen Bereichen: Sie entscheidet über die pädagogischen Weichenstellungen sowie über Personal- und Finanzfragen. Vielen Waldorfeltern ist auch heute nicht bekannt, daß es dieses arkane Organ in der Schulstruktur gibt. Als Vertretung »gegenüber der Welt« hatte Steiner 231 Die Probleme im Kollegium, etwa durch Überbelastung (z. B. 300b,233) oder im Umgang mit einander (z. B. ebd., 155) waren vielfältig und werden von mir nicht im Detail nachgezeichnet. 232 Ein frappantes Beispiel notiert Zeylmans: Ita Wegman und die Anthroposophie, 40. Er berichtet, »daß das Verbot der Nazis für das Haager Waldorfschulkollegium ein großes Aufatmen gewesen sei, weil sie innerhalb ihres Kollegiums endlich voneinander befreit wurden«. 233 Wagemann: Praktische Erfahrungen mit der Waldorfpädagogik, 58-77; Brügge: Die Anthroposophen, 89f. Im Mustervertrag für zwischen einer Waldorfschule und einem Lehrer heißt es heute: »NN. ist in seiner pädagogischen Arbeit eigenverantwortlich und weisungsunabhängig tätig. Er ist jedoch gehalten, in pädagogischen Fragen Einmütigkeit mit dem Kollegium anzustreben.« (zit. nach Gögelein: Was sind bestimmende Grundlagen der Waldorfpädagogik, 191). Beckmannshagen: Rudolf Steiner und die Waldorfschulen, 46, hat eine Lehrerkonferenz folgendermaßen beschrieben: »Jeden Donnerstagnachmittag findet in allen Waldorfschulen der ganzen Welt die große pädagogische Konferenz statt und bietet wahrscheinlich überall das gleiche Bild, das ich aus eigener flüchtiger Anschauung kenne und das mir hin und wieder beschrieben wurde. Einige Kollegen, Angehörige der Lenkungsgruppe und ihre Parteigänger reden, reden, reden; bilden ihre Kollegen und fassen Entschlüsse. Die große Mehrheit sitzt da wie eine schweigende Mauer und sagt absolut nichts. Gelegentlich oder auch immer wieder ist mal ein Neuling dabei, der sich mit einer eigenen Meinung in die Diskussion mischt, weil er das Wort vom >freien Geistesleben< noch ernst nimmt. Die Schweigenden stimmen ihm vielleicht innerlich zu, aber verziehen keine Miene. Sie wissen seit Jahren, daß alles, aber auch alles vergeblich ist, weil die vielzitierte Konferenz nichts als eine Scheinkonferenz und die Diskussion nichts als eine Scheindiskussion ist. Alle Beschlüsse liegen bereits vor Konferenzbeginn fest. Jeder, der anders denkt, wird von dem Führungskollektiv mühelos ausgetrickst, aber seine arglos geäußerte Meinung wird über Jahre nicht vergessen und ihm im geeigneten Augenblick wieder vorgehalten. Abstimmungen finden grundsätzlich nicht statt. Ein Lehrer, der sich an einer Rudolf-Steiner-Schule einer wichtigen Beschlußfassung nicht anschließen konnte und sah, daß es anderen ähnlich erging, bat um Abstimmung. Er wurde mit der merkwürdigen Auskunft belehrt: man strebe an unseren Schulen keine Einstimmigkeit, sondern Einmütigkeit an. Die Einmütigkeit kann der Konferenzleiter freilich mit einem lächelnden Blick in die schweigende Runde immer feststellen.« Selbst in der wohlwollenden Veröffentlichung: Unser Kind geht auf die Waldorfschule, hg. v. H. und J. Bußmann, 174. 182-185, stechen die offenbar schwer bewältigbaren Konflikte ins Auge.

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zudem den »Waldorfschulverein« vorgesehen (GA 260a3,437). Mit diesen zwiebelschalenartigen Strukturen implantierte Steiner die Formen abgestufter Öffentlichkeit aus der esoterischen Arbeit der Theosophie in die Waldorfschule. Eine interessante Eigenheit der Waldorfschule war die Aufnahme eines Arztes ins Lehrerkollegium (GA 300a,155), den Steiner schon 1919 vorgesehen hatte (ebd., 74). Eugen Kolisko füllte die Position des Schularztes von 1920 bis 1934 aus234 und sollte damit vor allem praktische Hilfe etwa bei Verletzungen leisten. Die Einbindung in weltanschauliche Ausrichtung der Waldorfschule findet sich auch hier: Noch heute greifen anthroposophische Ärzte bei der Entscheidung gerne auf die Zähne (s. u. 15.5.2a), um die Schulfähigkeit des Schülers festzustellen (und bei festsitzenden Milchzähnen auch intellektuell schulfähigen Kindern die Aufnahme zu verweigern). Die drückenden Probleme der Lehrerrekrutierung in der Anfangsphase (s. o. 15.3.3) dürften sich in den folgenden Jahrzehnten moderaten Wachstums gemindert haben, doch verschärften sie sich wieder in den siebziger Jahren, als die sich überschlagende Welle von Schulgründungen die Probleme der Lehrerausbildung aus der Gründungsphase reproduzierte. Es dürfte bis heute einen Mangel an anthroposophisch orientierten Fachlehrern und eine hohe Fluktuation im Lehrkörper geben235, die Kenntnisse von Steiners Lehren sind vielfach oberflächlich236, auch »>Waldorf-Schulräte< ... zur Beratung junger Schulen und zur individuellen Betreuung der Lehrer« stehen nicht in ausreichender Zahl zur Verfügung237. Daß die Kollegien nicht nur »wirkliche Talente« suchen, sondern oft »in erster Linie an unkomplizierten, anspruchslosen und >linientreuen< Mitarbeitern interessiert« sind, läßt sich bei dem Waldorflehrer Christoph Lindenberg zwischen den Zeilen deutlich lesen238. Die Beurteilung mancher Lehrer durch ehemalige Waldorfschüler fällt oft positiv, aber zum Teil auch vernichtend aus239; wieweit sich dabei strukturelle Probleme mit persönlichen Unzulänglichkeiten überschreiten, ist naturgemäß schwer zu sagen. In welchem Ausmaß die Ideale der Schule, etwa Bezahlung der Lehrerschaft nach ihren Bedürfnissen und nicht aufgrund einer formal definierten Rolle240, noch funktionieren, ist von außen nicht erkennbar. Aufgrund des programmatischen Autoritätsgefälles, das den Waldorf-Lehrer in eine patriarchale Funktion - im fürsorglichen wie im herrschaftlichen Sinn versetzte, hat Steiner keine Schülermitverantwortung vorgesehen. Ein signifi234 Gisbert Husemann, in: Der Lehrerkreis um Rudolf Steiner, hg. v. G. Husemann / J. Tautz, 119. Zur Biographie Selg: Anfänge anthroposophischer Heilkunst, 123-174. 235 Lindenberg: Riskierte Schule, 354. 236 So die persönlichen Erfahrungen von Salzmann: Zur Pädagogik Rudolf Steiners, 327. 342. 237 Lindenberg: Riskierte Schule, 355. 238 Ebd., 362. 239 Vgl. die in einer nichtrepräsentativen Umfrage an vier Schulen eingesammelten Voten bei Waldmann: »Aber ein Mensch bin ich geworden!«, 8: »>Es mangelt den Waldorflehrern an Qualifikation!eingefügtEmpfehlungen erarbeiten< können". In neueren anthroposophischen Publikationen wird auch relativ unbefangen festgehalten, daß »die Eltern ebensowenig in den unmittelbaren Schulbereich ordnend oder verordnend eingreifen können« wie eine »staatliche Behörde«250. Das jedem schulischen Handeln vorausliegende Erziehungsrecht der Eltern, das hier mit dem nachgeordneten staatlichen Erziehungsauftrag gleichgesetzt wird, ist seit Steiners Zeiten kein kritisches Korrektiv251. Auch diese Bestimmung der Elternrolle lässt sich als Folge der arkangesellschaftlichen Konstruktion der Waldorfschule lesen: Eltern gehören erst mal zur »exoterischen« Klientel. 15.5.2 Pädagogische Anthropologie a. Anthroposophische Entwicklungspsychologie Steiner hat keine separate pädagogische Anthropologie vorgelegt, sondern seine älteren Vorstellungen und solche, mit denen er sich während der Gründung der Waldorfschule beschäftigte, auf die Pädagogik bezogen. Unter diesen Modellen Finanzierung reicht, vgl. aus kritischer Sicht Jacob / Drewes: Aus der Waldorfschule geplaudert, 41-46. 246 Vgl. dies., ebd., 40. Zu diesem immer wieder konstatierten Verhalten etwa Wehnes: Kritische Aspekte der Waldorfpädagogik, 204. 247 Schäfer: Rez. von Heiner Barz: Kindgemäßes Lernen, 10. 24s Jacob / Drewes: Aus der Waldorfschule geplaudert, 83-95. 249 Satzung eines Rudolf Steiner Schulvereins (Waldorfschulverein); abgedruckt bei Kugler: Selbstverwaltung als Gestaltungsprinzip, 138. - Darüber hinaus besteht seit 1972 ein »Elternrat beim Bund der Freien Waldorfschulen«, ebd., 111. 250 Leist: Das Zusammenwirken von Eltern und Lehrern, 217. Bei Leber: Die Sozialgestalt der Waldorfschule, wird unterschieden zwischen einem »Elternrat« oder »Elternvertretung«, die, wenn sie sich »mit den pädagogischen Grundfragen und mit gesellschaftspolitischen Erscheinungen sowie mit den Handlungen der Schule befaßt, eine lernende wird« (S. 210), und einem, offenbar nur in Einzelfällen realisierten Typ, dem »Schulrat«, wo es zumindest eine »Aussprache und Beratung über rein pädagogische Belange« gibt (S. 211). Leber präferiert offenbar »von einem Gesichtspunkt der Dreigliederung aus« den Elternrat (S. 212). 251 Die Begründung kann auf einen anthroposophischen Zirkelschluß und damit auf eine gesellschaftliche Isolation hinauslaufen. Leist: Eltern und Lehrer, 43f., etwa zieht die Dreigliederungstheorie heran, um ein »Recht der Lehrer auf Selbstbestimmung« zu postulieren (S. 38, vgl. auch S. 36), das es vor den Zugriffen der Eltern zu schützen gelte. Leist hält es für möglich, daß die staatliche Pflicht zur Einrichtung von Elternvertretungen von Waldorfschulen auch abgelehnt werden könne.

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dominiert die theosophische Anthropologie der Körperhüllen (s. 7.3), die unter Vernachlässigung anderer anthropologischer Überlegungen in Steiners pädagogischen Vorträgen der zwanziger Jahre monopolisiert wurde252. Hier wiederum steht die vierteilige Vorstellung von physischem Leib, Ätherleib, Astralleib und Ich (z. B. GA 301,14.27) im Vordergrund, von künftigen Hüllen (Geistselbst, Lebensgeist, Geistesmensch) ist seltener die Rede (aber z. B. GA 293,63f.). Diese Konzeption ist mit der pädagogischen Tradition - sowohl klassischer wie reformpädagogischer Provenienz - nicht verwandt und eindeutig theosophischer Herkunft. Die theosophische Anthropologie besitzt die Funktion, auch in der Pädagogik den Menschen gegen den Materialismus als geistig bestimmtes Wesen auszuweisen253. Zudem nutzte sie Steiner, um das entwicklungspsychologische Denken der Jahre um 1900 theosophisch einzufärben und zu integrieren. Er postulierte nach dem Ersten Weltkrieg eine Entwicklung in Sieben-Jahres-Schritten, die er bereits 1907 in seiner hochtheosophischen Phase artikuliert hatte: »Bis zur Zeit des Zahnwechsels, also etwa bis zum siebenten Jahre« sei der Mensch »von einer Ätherhülle und einer Astralhülle umgeben. Erst während des Zahnwechsels entläßt die Ätherhülle den Ätherleib. Dann bleibt noch eine Astralhülle bis zum Eintritt der Geschlechtsreife. In diesem Zeitpunkt wird auch der Astral- oder Empfindungsleib frei, wie es der physische Leib bei der physischen Geburt, der Ätherleib beim Zahnwechsel geworden sind.« (GA 34,321)

Diesen Ansatz hat Steiner in den zwanziger Jahren wieder aufgegriffen (vgl. GA 301,17-25) und oft repetiert. Dabei nehmen die Aussagen zu Pubertät und (früher) Adoleszenz, also zu der Zeit nach dem 14. Lebensjahr, einen geringen Raum ein, so daß etwa Fragen der sexuellen Entwicklung bei Steiner kaum vorkommen254. Ein weiteres Problem bildete bei den Lebensalterlehren die Transformation sozialer Dimensionen in tendenziell ontologische Konstanten, die zudem individuelle Entwicklungslagen zu wenig berücksichtigten255. Steiner war allerdings oft vorsichtig genug, die Zäsuren nach sieben Jahren als Annäherungen zu Z52 Exemplarisch für die nichtanthroposophische Literatur Hörner: Waldorfpädagogik und Naturphilosophie, 158-180, oder Rest: Waldorfpädagogik, 43f.; für die anthroposophische Literatur Kranich: Das Ich in der Entwicklung des Kindes (in: Waldorfschule heute), oder Kucirek: Die Bildungsphilosophie Rudolf Steiners, 29-31. 2s3 Vgl. etwa die Definition des metaphysischen Prinzipis, daß der Mensch ein »göttliches« Wesen besitze, gegen materialistische Anthropologien etwa »bolschewistischer Schulen« (GA 293,14). In der Rezeption hat dieser Spiritualismus leibfeindliche Tendenzen begünstigt oder gerechtfertigt, etwa bei der Lehrerin Caroline von Heydebrand, die bei einem Mystiker gelesen habe, daß er von seinem Körper »als von einem Madensack redet. ... ich fühle meinen Leib nie anders«; Walter Johannes Stein über C. von Heydebrand, in: Der Lehrerkreis um Rudolf Steiner, hg. v G. Husemann / J. Tautz, 31. 2s4 Vgl. exemplarisch die Fehlstellen in GA 301,19-21.57f. 69f. u. ö. 255 Ein siebenjähriger Zyklus paßt beispielsweise für Länder mit durchschnittlich früherer Pubertät als in Deutschland (wobei sich auch diese Adoleszenzzäsuren ändern) nicht, hier würde ein kürzerer Rhythmus besser passen. Die gesellschaftliche Festlegung der Mündigkeit folgt derartigen Veränderungen flexibler als die anthropologische Ontologisierung. So ist Setzung der Volljährigkeit mit 21 Jahren, wie sie für das Kaiserreich und die Weimarer Republik galt und für Steiners Modell natürlich gut paßt, inzwischen auf 18 Jahre gesenkt worden, wobei für einzelne Bereiche (Geschäftsfähigkeit, sexuelle Mündigkeit) noch jüngere Altersstufen gelten, während hingegen das Strafrecht auch bei jungen Menschen über 18 Jahren nicht voll angewandt wird.

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verstehen (vgl. ebd., 22) und auch andere Einschnitte zuzulassen. So lerne das Kind erst »im 9. Jahre«, sein »Ich« von der Welt zu »unterscheiden« (ebd., 124). Hier liegt im übrigen wohl eine Anleihe aus der zeitgenössischen Pädagogik vor, denn diese von Steiner als Rubikon-Alter bezeichnete Phase korrespondiert mit der Lehre vom zweiten Trotzalter in der damaligen Entwicklungspsychologie256 Diese Vorstellung von Siebenjahresschritten, die heute oft als Spezifikum der Waldorfpädagogik erscheint, ist schon in der Antike formuliert worden25'. So findet sich bei dem Athener Archonten Solon im 6. Jahrhundert v. Chr. eine Hebdomadenanthropologie, die aus Steiners Mund stammen könnte: »Noch als unmündiges Kind verliert man zuerst die Zähne, sieben Jahre vergehen, bis man gewechselt sie ganz. Hat man aber vollendet mit Gott zweimal soviel Jahre, 258 kündigt sich beim Jüngling schon die kommende Mannheit an.«

Derartige Lebensalterkonzepte waren zu Steiners Lebzeiten präsent259. Man braucht nur ein pädagogisches Lexikon der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg aufzublättern, um auf die fast ubiquitäre Präsenz der Lebensalterlehren namentlich in der zeitgenössischen Entwicklungspsychologie zu stoßen: An der »von alters her ... heiligen 7« könne man »aus Berücksichtigung der Tatsachen ... festhalten«, hieß es etwa 1913 im »Lexikon der Pädagogik«260, und dann folgte eine Hebdomadologie, die, etwa in der Orientierung an den Sieben-Jahres-Zäsuren bei deren gleichzeitiger Relativierung als Annäherungen, aber auch in vielen materialen Details bei Steiner stehen könnte. Daß sich Steiner irgendwo aus diesem großen Fundus der Jahrhundertwende alimentiert hat, scheint mir nahezu sicher, wenngleich ein konkreter Nachweis aussteht. Steiner hat die entwicklungspsychologisch überformte Hüllenanthropologie zudem kombinatorisch mit anderen Anthropologien verknüpft. Er konnte die Metaphorik der »Seele« oder »des Seelischen« hinzuziehen (z. B. GA 293,30 f.) oder den Menschen als »Zusammenfassung aller drei Naturreiche« lesen (GA 2946,97) oder ein unscharfes Verhältnis zum abgelehnten »Animismus« pflegen261. Intensiver hat er nur die Anthropologie der Körpersysteme« eingebaut, die er nach dem Ersten Weltkrieg vor allem in der Medizin benutzte (s. 16.5.3). So führte er am 21. April 1920 die Lehre einer »Dreigliederung des menschlichen Leibes« in der Pädagogik ein, wonach der Mensch sich in den »Nerven-SinnesMenschen«, den »rhythmischen Organismus« und den »Stoffwechselorganismus« gliedere (GA 301,29). Diese Vorstellung hat Steiner aber in der Pädagogik, wie auch in der Medizin, weder systematisiert noch sie mit der Hüllenanthropologie vernetzt'. 256 Prange: Erziehung zur Anthroposophie, 109. Dieses Alter kann dann zum Gegenstand eigener Reflexionen werden, vgl. Koepke: Das neunte Lebensjahr. 257 Nachweise bei Ullrich: Waldorfpädagogik und okkulte Weltanschauung, 114-119. 258 Zit. nach ebd., 115. 259 Eine Anleihe bei Comenius ventiliert Ullrich: Erziehung als Kult, 169. 260 Lexikon der Pädagogik, hg. v O. Willmann / E. M. Roloff, I, 1042. 261 Vgl. etwa GA 301,125; kritisch Rudolph: Von der Entwicklung der Anthroposophie, 95. 262 So hat Steiner im ersten »Schulungskurs« für Waldorflehrer vom August 1920 eine physiologische Theorie von zwei »Polen«, vom »Knochen- und Nervensystem« und »Muskel- und Blutsystem«

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Innerhalb dieser Anthropologien finden sich schließlich, gegen Steiners Intention, materialistische Vorstellungen. Dazu kam es bei Steiner immer wieder, wie viele Beispiele belegen, wenn er etwa eine entwicklungspsychologisch »falsche« Erziehung in somatischen Krankheiten münden sah: Werde etwa bei einem Kind »das Gedächtnis mit acht, neun Jahren« überladen, habe dieser Mensch mit fünfzig Jahren »unter einer furchtbaren Sklerose zu leiden, wird [er] eine Arterienverkalkung haben« (GA 311,14); oder: »verfrühte naturgeschichtliche Betrachtungen« führen zur »Vergilbtheit der Haut beim Menschen« (GA 301,125). Bei dem von Steiner selbst noch instruierten Lehrer Rudolf Grosse liest sich das dann so: »Bei einem Schüler ist zu beobachten, daß er nicht fähig ist, einfachste Logik zu entfalten. Jetzt halten wir diese Beobachtung einfach voraussetzungslos neben das Gebiss: Die Zähne sind gelblich-bräunlich, die Schneidezähne schief gestellt und stark gezackt ... Ein anderer Schüler. Er fällt dadurch auf, dass er in seinen Gedanken oft stecken bleibt, sich verklemmt und nun gar keinen Ausweg mehr sieht. Sein Gebiss weist tief rachitische Zähne von winziger Form auf, braun gefleckt und mit starken Rillen.«263

In derartigen Vorstellungen verbindet sich der Materialismus mit Steiners Anspruch auf eine »geistige« Deutung des Menschen, indem die Physis zur Funktion des Geistigen wird. Dem Umkehrschluß, daß das »Geistige« vom Körper bestimmt oder determiniert werden könnte, wich Steiner aus programmatischen Gründen aus und verstand sein Konzept als Ausdruck einer idealistisch revidierten Anthropologie. In der Außenperspektive jedoch verarbeitete Steiner eine Wendung der Entwicklungspsychologie des 19. Jahrhunderts, die von einem kulturell definierten Modell, etwa herbartianischer Prägung, sich biologisch geprägten Entwicklungsvorstellungen im Gefolge der Biologisierung der Anthropologie und nicht zuletzt des Darwinismus zuwandte. b. Karma Die Reinkarnationsvorstellung gehört zum theosophischen Erbe, mit dem sich Steiner von der gesamten europäischen Tradition der pädagogischen Anthropologie unterschied. Allerdings finden sich in seinen pädagogischen Vorträgen und damit auch in der Sekundärliteratur vergleichsweise wenige Bezüge auf die Wiederverkörperung264, doch dokumentieren die vorliegenden Äußerungen, daß entwickelt (GA 293,55 f.). Dies korrespondiert mit den Suchbewegungen einer Anthropologie neben der Lehre von den Körperhüllen, die im Kapitel zur Medizin dokumentiert sind (s. 16.5.3). - Bezeichnend für die Probleme einer konsistenten Integration der Körpersysteme bei Leber: Die Menschenkunde der Waldorfpädagogik, 393-523, der sie in das Kapitel »Das Jugendalter« einordnet. 263 Grosse: Erlebte Pädagogik, 152 f. 264 In der nichtanthroposophischen Literatur wird vermutlich das Thema häufiger und intensiver aufgegriffen (vgl. Schneider: Das Menschenbild der Waldorfpädagogik, 227-229; Ullrich: Waldorfpädagogik und okkulte Weltanschauung, 93-98; Prange: Erziehung zur Anthroposophie, 105-111) als in der anthroposophischen (vgl. Leber: Die Menschenkunde der Waldorfpädagogik, 209. 280). Diese genannten Titel nehmen Belege durchweg aus den Vorkriegsjahren und kaum aus Steiners pädagogischen Vorträgen. Es hat den Anschein, als werde in den letzten Jahren vermehrt Reinkarnation als Teil der Dogmatik der Waldorfpädagogik reflektiert. Vgl. etwa den Band: Reinkarnation und Karma in der Erziehung (1998). Für Stefan Leber ist in diesem Band »Reinkarnation und Karma« die »Grundlage allen

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Steiner dem Reinkarnationskonzept eine zentrale Stellung zuwies und es eine opake Hintergrundfolie für die Waldorfschule bildet". Im ersten großen Kurs, gehalten vor Lehrern an staatlichen Schulen, hielt er den Erziehern im April 1920 vor Augen, daß sie beim Kind ein »Rätsel ... zu lösen« haben durch »das Leben, das jenseits der Geburt liegt« (GA 301,107), doch die Schlüsselbegriffe wie Reinkarnation oder Karma fielen nicht. Im intimen Kreis der Anhänger wurde Steiner schon 1919 deutlicher: Der Erzieher »wird ein feines Gefühl haben müssen für das, was sich aus dem früheren Erdenleben herüber entwickelt in dem werdenden Kinde... Hast du einen Menschen vor dir, so hast du die wiederauferstandene Seele aus der vorhergegangenen Inkarnation vor dir. Dies als Theorie aus einer begriffenen Weltanschauung zu haben, als Lehre von den wiederholten Erdenleben, das ist nicht genug, sondern, es muß diese Lehre praktisch werden, daß sie der Untergrund werden könnte für so etwas wie eine Erziehungs- und Unterrichtskunst« (GA 1932,115).

In der Stuttgarter Lehrerkonferenz äußerte er im gleichen Jahr, daß bei den jüngeren Schülern »Reinkarnation und Karma« »wegbleiben« müßten, aber »vom zehnten Jahr ab müssen die Dinge durchgenommen werden« (GA 300a,79). Im Karma manifestiere sich das »Schicksal« der Kinder (ebd., 101 f.): Als etwa bei einem Schüler große Schwankungen der Körpertemperatur festgestellt werden, forderte Steiner, »den Jungen von seiner Mutter zu befreien ... Es liegt ein Karma vor.« (GA 300c,51) Auch Linkshändigkeit sei ein »ausgesprochen karmisches Phänomen« (ebd., 58), »Augenschlenkern« und ein fehlender »Sinn für Rhythmus« bei einem anderen Kind »karmisch« bedingt (ebd., 108), und die Zusammensetzung des Lehrerkollegiums »ein erfülltes Karma« (GA 300a,102). Gegenüber jungen Anthroposophen, die von Steiner Hinweise für eine anthroposophische Heilpädagogik erbaten, hielt er 1923 auch eine geistige Behinderung für ein karmisches Ergebnis: »Wenn ich nach Stuttgart in die Hilfsklasse der Waldorfschule komme, sage ich mir, hier wird für ein nächstes Erdenleben gearbeitet, ganz abgesehen von dem, was jetzt erreicht wird; das aber kann recht viel sein.« z66

Und Caroline von Heydebrand antwortete er auf ihre Feststellung, daß sie ein Kind bereits seit vier Jahren kenne: »Und ich kenne es schon von vor seiner Geburt her.«267Am 13. August 1924 findet sich dann auch in einem pädagogischen Kurs - Steiner hatte sich in diesem Sommer in mehreren Vortragsreihen über wahrhaften Erziehens« (ders.: Reinkarnation und Karma — Grundlage allen wahrhaften Erziehens); psychologische Probleme werden als karmische Wirkungen gedeutet, etwa bei Schülern ein »Antipathie- oder Haßgefühl« und »Lügenhaftigkeit« (Helakangas / Thomas: Arbeit an der Schicksalsgemeinschaft in der Unter- und Oberstufe, 52), oder im Lehrerkollegium die »Leidensgeschichten, Leidenstragödien« karmisch begründet (Leber, ebd., 23). 265 Ullrich: Erziehung als Kult, 168, hat sogar im Reinkarnationskonzept den zentralen Angelpunkt von Steiners Pädagogik gesehen. Von der Lehre der »Exkarnation und Inkarnation des Geistigen« her bestimme sich der »Heilungs- und Heiligungsauftrag« des Waldorfpädagogen. Das Thema läßt sich jedenfalls nicht auf den freichristlichen (anthroposophischen) Religionsunterricht beschränken, wie Wagner: »Reinkarnation« und »Auferstehung« in der Waldorfschule, 66-69, nahelegt. 266 Strohschein: Die Entstehung der anthroposophischen Heilpädagogik, 214. 267 Heydebrand: Kindheit und Schicksal, 191.

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»karmische Zusammenhänge« ausgelassen (GA 235-240) - folgende pädagogische Anwendung: »Ein Kind, das mit den Fersen auf den Boden auftritt, zeigt in dieser kleinen Eigenschaft des körperlich Sichoffenbarens, daß es fest im Leben drinnen steckte in seiner vorhergehenden Inkarnation, daß es sich für alles interessierte im vorhergehenden Erdenleben. Man wird daher bei einem solchen Kinde darauf sehen müssen, daß man womöglich die Dinge aus dem Kinde herausholt, denn es steckt viel drinnen in Kindern, die mit der Ferse stark auftreten. Dagegen Kinder, die trippeln, mit der Ferse kaum auftreten, die haben in flüchtiger Weise das vorige Erdenleben vollbracht. Man wird bei ihnen nicht viel herausholen können; man wird darauf sehen müssen, daß man viel in ihrer Nähe macht, damit sie eben auch viel nachmachen können.« (GA 311,29)

An dieser Passage und den Bemerkungen gegenüber dem Stuttgarter Lehrerkollegium läßt sich die Bandbreite der Probleme, die durch die Integration des Karmakonzeptes in die Pädagogik auftraten, ablesen: - Das Karmakonzept neigt zum geistigen Determinismus (»man wird bei ihnen nicht viel herausholen können«), wohl als Antidotum zum materialistischen Determinismus, von dem sich Steiner gleichwohl das Maß der Reaktion vorgeben ließ. - Die Frage, wieweit ein pädagogisches Handeln dem selbstbestimmten Karma gegensteuern darf, ist damit aufgeworfen, aber nicht beantwortet. - Sodann werden gesellschaftliche Faktoren der Erziehung, wie auch bei anderen Biologismen Steiners, marginalisiert; eine strukturell behavioristische Option war Steiner fremd, in sozialen Kontexten sah Steiner potentiell Fremdbestimmung drohen. - Und zwischen dem individuellen Karma, das individuelle pädagogische Anstrengungen erforderte, und dem jahrgangsweise verbindlichen Lehrplan ergeben sich in der Waldorfpädagogik besondere Spannungen: Dieses für jede Schule konstitutive Dilemma von sozialen Vorgaben und individueller Förderung wird durch das hohe Maß der Lehrplanfixierung in der Waldorfschule zu einer antagonistischen Option268. Schließlich sollte die Waldorfschule keine Weltanschauungsschule sein (s. u. 15.5.9), aber die Reinkarnationslehre war ein manifest weltanschauliches Element. Vielleicht liegt in dieser Problemmasse ein Grund für Steiners Zurückhaltung gegenüber einer allzu offenen Artikulation des Zusammenhangs zwischen Waldorfpädagogik und Wiederverkörperung. c. Temperamentenlehre Schon 1903 (GA 34,430) und 1909 hatte Steiner die Lehre von den vier Temperamenten (Choleriker, Melancholiker, Phlegmatiker, Sanguiniker) in seine Theosophie integriert und sie mit der Hüllenanthropologie in Verbindung gebracht. 1909 glaubte er, aus dem Zusammenwirken von physischem Leib, Ätherleib, Astralleib und Ich sowie aus den zugeordneten Organsystemen (s. 16.5.3) entstünden die »Erscheinungen, die uns in den einzelnen Temperamenten ent268

Vgl. Prange: Erziehung zur Anthroposophie, 105 f.

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gegentreten« (GA 57,286). Steiner stellte sich darunter eine Mischung aller vier Temperamente wie im Farbkasten vor, so daß es zu dominanten und nachgeordneten Temperamenten in einer Person komme (ebd., 285). Während die Temperamentenlehre vor dem Ersten Weltkrieg nur eine marginale Rolle spielte, erhielt sie mit ihrer Integration in die Pädagogik eine hohe Präsenz mit weitreichenden Folgen269: Nicht nur einzelne Schüler und Schülerinnen wurden nach Temperamenten klassifiziert, sondern die gesamte Klasse danach geordnet. Schon Hövels war 1926 aufgefallen, daß die Kinder nach »Temperamenten« gruppiert saßen270, und Rudolf Grosse überliefert eine genaue Sitzanweisung: »Wenn der Lehrer vor seiner Schülerschar steht, dann sitzen links die Phlegmatiker, darauf folgen die Sanguiniker, darauf folgen die Melancholiker, ihnen schliessen sich die Sanguiniker an und dann zum Schluss kommen rechts aussen die Choleriker.«271

Über die pädagogischen Motive zur Etablierung der Temperamenten-Vorstellung hat sich Steiner nicht explizit ausgelassen, aber sie liegen auf der Hand: Hier bot sich, nicht zuletzt für den pädagogischen Laien, eine komplexitätsreduktive Ordnung für Fragen, die in der wissenschaftlichen Pädagogik von zunehmend komplexeren Anthropologien beantwortet wurden. Auch der historische Hintergrund ist leicht zu entschlüsseln: Es handelte sich um die in psychologische Kategorien transformierte antike Humoralpathologie, die sich bis ins 19. Jahrhundert hielt und sich in der Popularpsychologie bis heute behauptet. Vermutlich hat Steiner, wie Heiner Ullrich nachweist, seine Temperamentenlehre aus dem unmittelbaren zeitlichen Umfeld übernommen und nicht aus mutmaßlich alten, etwa romantischen Traditionen272. In den Charakterisierungen der Temperamente stimmen Steiners Angaben teilweise wörtlich mit den Angaben von Bernhard Hellwig überein273, einem mit seinen Werken »Die vier Temperamente bei Kindern« und »Die vier Temperamente bei Erwachsenen« ausgesprochen vielverlegten Autor. Möglicherweise spielen auch die »Psychologischen Briefe« Johann Eduard Erdmanns eine Rolle, ein ebenfalls auflagenstarkes Werk aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ('1851,'1896). Da sich aber Literatur von Hellwig in Steiners Bibliothek findet, kann diese Abhängigkeit als sicher gelten274.

269

Dazu ausführlich Ullrich: Waldorfpädagogik und okkulte Weltanschauung, 145-188. Hövels: Beiträge zur Kritik der anthroposophischen Welt- und Lebensanschauung, 64.67. 271 Grosse: Erlebte Pädagogik, 207. 272 Von Anthroposophen wird insbesondere Carl Gustav Carus als Gewährsmann gerne angeführt; dazu kritisch Ullrich: Waldorfpädagogik und okkulte Weltanschauung, 173. 273 Vgl. den vergleichenden Abdruck von Formulierungen bei Ullrich: Waldorfpädagogik und okkulte Weltanschauung, 173-176. Die erste Auflage der »Vier Temperamente bei Kindern« erschien um 1884 (171921), und »Die vier Temperamente bei Erwachsenen« erschienen zuerst 1888 (171922). 274 Herz: Die Waldorfschule - eine Weltanschauungsschule?, 45. Auch Anthroposophen haben Steiners Abhängigkeit von Hellwig konzediert; Ravagli: Geistesgeschichte als Archäologie der Worte, 68, mit Verweis auf Kiersch: Fruchtbare Kritik. Dahinter steht bei Kiersch allerdings das Problem, wieweit man Steiner einen Eklektizismus zugestehen könne - wozu Kiersch unterschiedlich Position bezogen hatte (vgl. Ravagli, ebd., 67f.). 270

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15. Waldorfpädagogik

d. Kulturstufen In den Waldorfschulen ist der Lehrplan als »Epochenunterricht« (GA 307,186) konzipiert, d. h. als chronologische Gliederung nach Geschichtsepochen, denen die anderen Unterrichtsgegenstände zugeordnet werden. Die anthropologische und anthroposophische Pointe dieser Konstruktion liegt in zwei Thesen: Zum ersten, daß sich die Entwicklung des Kindes mit derjenigen der Menschheit parallelisieren lasse, wobei stets deren Entwicklung mit der gerade aktuellen Epoche am Abschluß der Schulzeit zu liegen pflegt; die Jetztzeit wird zum Telos der individuellen Entwicklungsgeschichte. Zum zweiten werden Unterricht und Schülerbiographie zu einem Abbild der kosmischen Entwicklungsprozesse, die Steiner seit seinen theosophischen Jahren konstruierte. Steiners Korrelationen liegen detailliert und in großer Zahl vor: So hat er Märchen und Sagen den unteren Klassen275 und animistisches Denken dem Alter bis zur vierten Klasse zugeordnet (GA 300a,100£), für ihn war klar, daß »vor dem 10., 11. Jahr ... selbstverständlich die Geschichte nur in der Form der Erzählung, des Biographischen getrieben« werde (GA 301,133), das Nibelungenlied in die zehnte Klasse gehöre (GA 300b,23) oder der Ästhetikunterricht zwischen dem vierzehnten ... sechzehnten Jahre« erfolgen solle (ebd., 41) - wobei im Hintergrund immer die in Steiners Augen altersadäquate Bedeutung der Unterrichtsinhalte mitzulesen ist. Operationalisiert liest sich eine solche Konzeption bei Rudolf Grosse dann »abgekürzt« folgendermaßen: »Im zehnten Jahre ist das Kind >GermaneGriecheReifeprüfungenTopographie< von Margaretes Seelenlandschaft hat sich in ihrer Grundlage nicht verändert, nur die Erosionen der Zeit haben ein paar Höhen ab- und ein paar Schluchten zugetragen«', ahnt man die Tiefendimensionen der Beurteilung, die sich ein Waldorflehrer bis ins Innere einer Schülerin zutraut. Vielleicht nutzte die reformpädagogische Bewegung teilweise aufgrund solcher Bedenken die Möglichkeit einer Modifizierung ihrer Reform, die sie aufgrund der Freiheit von esoterischen Begründungen besaß. In Adolf Röhls Schule jedenfalls wurde die psychologisierende Bewertung nach einigen Jahren wieder durch ein Zensurenzeugnis ersetzt345. Wo es keine Zensuren gibt, wachsen die Schwierigkeiten einer objektivierten Leistungsbewertung. Konsequenterweise hat Steiner die Möglichkeit, ein Kind nicht zu versetzen, schließlich aus seinem pädagogischen Konzept gestrichen. Hatte er 1919 noch Möglichkeiten zugelassen (GA 300a,73), lehnte er sie 1922 »prinzipiell« ab (GA 300b,113). Ein wichtiges Argument dürfte in Steiners Entwicklungsstufentheorie liegen, in der es ein grosso modo über das Alter definiertes Entwicklungsstadium nicht erlaubt, Kinder in einem »unangemessenen« Altersverband zu erziehen. Die Vorbilder dieser Entscheidung liegen einmal mehr 341 Prange: Erziehung zur Anthroposophie, 113, vermutet, daß nicht Streßverringerung, sondern das Konzept einer Jahrgangklasse, die wie eine Familie zusammenbleibe und deshalb kein Sitzenbleiben, eine Konsequenz des Zensurenzeugnisses, kenne, die Motivation für das psychologisierende Zeugnis gebildet habe. Aber das dürfte Steiner 1919, in der Phase des Schwankens über die Zeugnisgestaltung, nicht so klar gewesen sein. 34z Prange: Erziehung zur Anthroposophie, 114. 343 Ebd., 115. 344 Zit. nach Rudolph: Von der Entwicklung der Anthroposophie, 64. 34s Nach Ullrich: Waldorfpädagogik und okkulte Weltanschauung, 54.

15.5 Pädagogische Konzeption der Waldorfschule

1427

in der Reformpädagogik der Jahrhundertwende; auch Berthold Otto etwa hatte schon dem »Sitzenbleiben« den Abschied gegeben36

15.5.5 Exemplarische Lehrinhalte: Eurythmie, Handarbeit, Religionsunterricht, Sexualerziehung Hinsichtlich der Lehrinhalte gelten die gleichen Begrenzungen wie für die Erziehungsgrundsätze und die Unterrichtsorganisation: Sie können hier nicht vorgestellt werden. Ich verzichte zudem auf eine Darstellung der Lehrinhalte von Standardfächern. [ 1.] Zu den innovativen Elementen gehört der Fremdsprachenunterricht in lebenden Sprachen, die Steiner schon 1919 mit Englisch und Französisch einführte (GA 300a,67). Er begründete diesen auf das Sprechen konzentrieren Unterricht (ebd., 77) mit der Fähigkeit von Kindern, in frühem Alter eine Fremdsprache leichter zu erlernen (ebd., 133). Die Vorbilder dürften dafür im reformpädagogischen Raum liegen. Schon 1909 war in München auf dem Hintergrund von Kerschensteiners Konzept der Arbeitsschule eine bilinguale Schule gegründet worden, die bis 1916 bestand und für deren bilinguales Konzept die Ärztin Hope Bridge Adams Lehmann mitverantwortlich war"' [2.] Die Eurythmie hat Steiner als Gegenentwurf zum »bloß physiologischen Turnen« (GA 301,201), das der »materialistischen Zeit« entstamme (ebd., 252), als »beseeltes Bewegungsspiel« (ebd.) konzipiert: Sport sei »praktischer Darwinismus« (GA 293,192). Bis heute unterliegt der Turnunterricht Beschränkungen - es gibt etwa das symbolträchtige Verbot des Fußballspielens, das nach Steiner dem Erzfeind Materialismus zuarbeitet: Der Fußballspieler >wird mit der Erde befreundet und kommt von der geistigen Welt abDas ist so.dogmatischen Teils«< der Anthroposophie, »etwa der Reinkarnationsgedanke oder der Gedanke einer historischen Entwicklung« (S. 78), und buchstabiert dies auch an »Naturkunde« und Geschichtsunterricht durch (S. 80-84), steht aber gleichwohl der Kennzeichnung der Waldorfschule als Weltanschauungsschule kritisch gegenüber und dokumentiert exemplarisch den Spagat der Waldorfpädagogik zwischen Begründung und Praxis.

1442

15. Waldorfpädagogik

agoge wie Rainer Winkel, der sich der Waldorfpädagogik mit »Sympathie und Distanz« nahesieht, kann offen die weltanschauliche Konstitution der Waldorfschulen konstatieren: »Daß die Waldorfpädagogik eine normative, eine sinnstiftende Pädagogik ist, soll hier

ausdrücklich gewürdigt werden; ... Die Waldorfschulen sind ... Weltanschauungsschulen! ... Pädagogik ist mehr als Erziehungswissenschaft ... Umgekehrt: Wo die Pädagogik aus der Kritik der Erziehungswissenschaft entlassen wird, oder sich ihrer dadurch entledigt, daß sie sich selbst hypostasiert, betreibt sie Ideologie, graben sich dogmatische Züge in ihr Gesicht und wird sie letztlich zum Kult.«428

Kritiker haben aber angesichts der hermeneutischen Unausweichlichkeit einer weltanschaulichen Konstitution und angesichts der Indizien für eine Präsenz anthroposophischer Inhalte9zg> die die postulierte Trennung von Theorie und Praxis konterkariert, durchweg die Waldorfschule als Weltanschauungsschule betrachtet. Wenn nach Steiners Worten, wie schon zitiert, in einer Schule »Anthroposophie ... darinnensteckt« (GA 300a,156), sei sie, lautet die Folgerung, auch weltanschaulich geprägt430. Prononciert betitelte Klaus Prange seine Darstellung der Waldorfpädagogik deshalb als »Erziehung zur Anthroposophie«431 Immerhin sehen auch manche ehemalige Waldorfschüler die starke Präsenz anthroposophischer Inhalte, wenn sie Anthroposophie an einer Waldorfschule »zu dogmatisch« vertreten sehen oder »anthroposophische Bigotterie« konstatieren432. In den Sozialisationswirkungen wird oft ein Lackmustext auf die weltanschaulichen Wirkungen der Waldorfschule gesehen. Aus den frühen Jahren berichtet Rudolf Grosse, daß von den Waldorfschülern »wenige später zur Anthroposophie gelangten«433 (wobei die Aussage die Funktion hatte, die weltanschauliche Neutralität zu belegen). Hingegen kann ein Priester der Christengemeinschaft heute höchst erstaunt gefragt werden, weshalb er Priester geworden sei, ohne Waldorfschüler gewesen zu sein434. Daß die Waldorfschulen heute einen großen Beitrag zur Reproduktion des anthroposophischen Milieus leisten, wird in Gesprächen selten verneint. Wenn letztlich - wie auch ich meine - der weltanschaulichen Konstitution der Waldorfschulen nicht auszuweichen ist, oder - mit Steiners eingangs zitierten Worten - dem theoretischen Verzicht auf »anthroposophische Dogmatik« das Bekenntnis auf »praktische Handhabung der Anthroposophie« zur Seite steht, und wenn andererseits die Weltanschaulichkeit der Waldorfschule von Waldorflehrern grosso modo bestritten wird, stellen sich brisante Folgefragen: Versteckt sich die vermeintlich nicht vorhandene Weltanschauungsschule in den unthematischen Implikaten des Unterrichts? Wird Weltanschauungsprägung der Waldorfschule deshalb bestritten, weil sie nicht gesehen wird? Wird sie nicht 428 Winkel: Sympathie und Distanz, 248. Vgl. mit Beispielen Müller: »Ver-Steiner-te« Reformpädagogik, 112. 43° Vgl. etwa Krämer: Für mein Kind eine Waldorfschule?, 153 f.; Wehnes: Kritische Aspekte der Waldorfpädagogik, 181-183; Müller: »Ver-Steiner-te« Reformpädagogik. 431 Prange: Erziehung zur Anthroposophie. 43z Waldmann: »Aber ein Mensch bin ich geworden!«, B. 433 Grosse: Erlebte Pädagogik, 84. 4s4 Bumiller: Vollkornbrot und Wiederverkörperung, 444. 4z9

15.6 Pädagogische Einrichtungen neben der Waldorfschule

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gesehen, weil sie bestritten wird? Ist die Waldorfschule eine »Erziehung zur Anthroposophie«, die zumindest für Outsider unerkennbar ist45? Vom Schreibtisch aus läßt sich diese Frage nicht beantworten, doch die Berechtigung derartiger Nachfragen einsehen.

15.6 Pädagogische Einrichtungen neben der Waldorfschule

15.6.1 Kindergarten Im Rahmen der Stuttgarter Waldorfschulgründung wurde 1920 für kurze Zeit auch ein Kindergarten mit 33 Kindern eingerichtet, der aber erst nach Steiners Tod dauernd Bestand hatte96. In entscheidenden Merkmalen, wie Menschenbild, Entwicklungslehre oder pädagogischer Praxis, sind die Waldorfkindergärten von Steiners Vorgaben ebenso abhängig wie die Schulen4". Vom Verdikt von Baukästen, die »atomistisch« seien, also einen »geistigen« Zusammenhang für das Kind nicht zu erkennen gäben (GA 300a,150), bis zur Forderung nach Puppen, die >antinaturalistisch< (ebd., 241), »aus einem Taschentuch« gemacht sein sollen (ebd., 154), gehen Eigenheiten von Waldorfkindergärten auf Steiner zurück. Er sah den Kindergarten als »Vorschule« (GA 300a,121), ohne daß man aber den intellektuellen Vorbereitungscharakter allzuhoch ansetzen darf. »Lehrziele« (GA 300a,146) wollte er dort jedenfalls nicht sehen, und gegenüber einer Schülerin, die den Beruf einer Kindergärtnerin ergreifen wollte, meinte Steiner, es »käme ... einzig und allein darauf an, daß sie die Kinder lieb hätten, - eine Kindergärtnerin könne ganz dumm sein«48. Doch ist die Praxis zu Steiners Lebzeiten nicht aufgearbeitet. Eine wichtige Quelle von Steiners Kindergartenkonzeption hat Heiner Barz bei Friedrich Wilhelm August Fröbel (1782-1852) gesehen. Fröbel zählt zu den Begründern der Kleinkindpädagogik, von ihm stammt der Begriff des »Kindergartens«, der Vorschlag zur Ausbildung von »Kinderführern« und »Kindergärtnerinnen« und seit den 1840er Jahren der Vorschlag zur Einrichtung eines »Allgemeinen deutschen Kindergartens«. Barz vertritt die These, »daß eigentlich alle wesentlichen Momente sich schon in der Fröbelschen Konzeption finden oder bei seinen Schülerinnen (v. a. Henriette Schrader) und bei Erika Hoffmann«49 Mit Fröbels Konzeption sieht Barz vier Gemeinsamkeiten440:

435

Vgl. Prange: Erziehung zur Anthroposophie; vgl. dort S. 83. 121. Datierung nach GA 300a,46. Die Angabe bei Koop: Die Pädagogik der Waldorfschulen, 5, der von 1923 spricht, dürfte falsch sein. Schülerzahl nach GA 300a,133. 437 So in der konzeptionellen Darstellung der ersten Waldorfkindergärtnerin, Grunelius: Erziehung im frühen Kindesalter. Dies bestätigt auch eine standardartige Grundlegung wie: Plan und Praxis des Waldorfkindergartens, hg. v. H. von Kugelgen ('1973, 81983). Heydebrand: Vom Spielen des Kindes, 3, etwa hält explizit fest, daß ihre Schrift »alle Anregungen ... bis in jede Einzelheit hinein den vielfaltigen Anregungen Rudolf Steiners« >verdankenoch ganz SinnesorganSeelenpflege groß und bedürftige klein ...Wir müssen einen Namen wählen, der die Kinder nicht gleich abstempelt.«geisteswissenschaftlich< bereits in der Tasche haben«76, womit Kämmerer präzise einen bis heute strittigen Punkt zwischen universitärer und anthroposophischer Medizin hinsichtlich der empirisch unzugänglichen Voraussetzungen der Anthroposophie benannte. Hier artikulierte sich nicht nur die Arroganz vieler »Schulmediziner« gegenüber den alternativen Heilbewegungen, sondern auch die Furcht, die diskursive Begründung der Medizin zu verlieren - namentlich in Deutschland, wo die idealistische Tradition der romantischen Medizin damals noch zur Zeitgeschichte zählte. Steiner dürfte den tiefen Graben zur Universitätsmedizin gesehen haben. Als am 1. Januar 1924 der junge niederländische Arzt Frederik Willem Zeylmans van Emmichoven meinte, es könne nicht länger um eine Brücke zur Schulmedizin gehen, sondern um ein »neues Reich der Herzen«, stimmte er zu (GA 260,267). Thomas Dinger hat diesen weltanschaulichen Konflikt zu Recht als einen harten Kern der Kritik gesehen: Den »Schulmedizinern« »erschien die Anthroposophie nicht als Erweiterung, sondern als systematisch Unterwanderung der naturwissenschaftlichen Methode mittels eines komplexen metaphysischen Gebäudes«".

16.4 Medizinische Praktiken bis 1920 Die frühe Phase von Steiners medizinischen Interessen ist kaum erforscht, selbst von vielen Anthroposophen wird diese Zeit beiläufig abgehandelt. »Die anthroposophische Medizin ist eine der Früchte von Rudolf Steiners fünf letzten Arbeitsjahren. ... von 1920 bis 1925 ist alles entstanden« - so Peter Selg78. Der erste Ärztekurs vom Frühjahr 1920 gerät so zu einer Initialzündung, und der Kontext dieser Jahre, die gesellschaftspraktische Umsetzung der Anthroposophie nach dem Ersten Weltkrieg, dominiert die Wahrnehmung der anthroposophischen Medizin gegenüber dem theosophischen Vorlauf. Sicher, Steiner hat

" Vgl. die ausführliche Dokumentation dieser Kritiken bei Dinger: Homöopathie und Anthroposophische Medizin, 67-72; daneben Jütte: Geschichte der Alternativen Medizin, 248-250. 75 Deutsche Medizinische Wochenschrift 47 / 1921, S. 966 passim. 76 Münchener Medizinische Wochenschrift 69 / 1922, 1735. 77 Dinger: Homöopathie und Anthroposophische Medizin, 72. 78 Selg: Die Medizin im Lebensgang Rudolf Steiners, 377; Hervorhebung HZ.

16.4 Medizinische Praktiken bis 1920

1473

den entscheidenden Impuls für die heute praktizierte anthroposophische Medizin in den zwanziger Jahren gegeben und sie - wie andere Felder auch - nun als zentralen Faktor bezeichnet79. In der Tat: ohne die Ärztekurse sähe die anthroposophische Medizin heute anders aus - wenn es sie denn überhaupt gäbe. Aber im Gegensatz zu anderen Praxisfeldern - den politischen Aktivitäten, der Pädagogik oder der Landwirtschaft - hat die Medizin Wurzeln in den hochtheosophischen Jahren zwischen 1900 und 1914. Ältere Begegnungen mit Laienheilern und Medizinern in Steiners Wiener Jahren vor 1900 haben hingegen keine greifbaren Spuren hinterlassen80, und selbst Kontakte zu Medizinern vor dem Ersten Weltkrieg sind in ihrer Bedeutung nur schwer zu gewichten81. Die Beschäftigung mit medizinischen Themen war jedenfalls vor 1914 häufig kursorisch82 und ist in ihrer Bedeutung schwer einzuschätzenS3. Welche Rolle etwa Besants 1910 ergangene Aufforderung zu sozialer Arbeit im medizinischen Bereich spielteS4, ist nicht zu erkennen; vermutlich war sie nicht groß. Immerhin hielt Steiner 1911 eine Vortragsreihe über »Okkulte Physiologie«, die wohl auf ein ärztliches Publikum zielteBS, doch lassen sich medizinische Überlegungen und Praktiken vor allem anhand zweier Personen belegen: Felix Peipers und Marie Ritter.

79 In der Medizin sei ein »wirkliches Totalverhältnis der menschlichen Wesenheit zur gesamten Welt« zu realisieren (GA 3192,202). 8° Dazu zählt die Begegnung mit dem »Dürrkräutler« Felix Kogutzki, die Steiner allerdings in seiner Autobiographie in der Perspektive theosophischer Programmatik gedeutet hat (GA 28,45; Bock: Rudolf Steiner, 15-38), oder die Begegnung mit dem berühmten Josef Breuer (GA 28,146). 81 Schon 1905 / 06 hatte Steiner wohl Kontakte mit dem Medizinstudenten und späteren Arzt Felix Peipers (s.u. 16.4.1), 1907/08 soll er Ludwig Noll kennengelernt haben (GA 260a2,716), 1908 den jungen Arzt Otto Palmer (ebd., 716) (s. u. 16.7.2b); vgl. auch die Kontakte zu Wegman (s. u. Anm. 368) und Max Hermann (s. u. Anm. 169). Zwei näher faßbare Beispiele: Den Arzt Max Asch (?-1911) dürfte er ebenfalls in diesen Jahren kennengelernt haben (s. u. Anm. 169). Asch war Mitglied der Adyar-Theosophie und konferierte April 1910 mit Steiner über Heinrich Goesch, den Asch zur Aufnahme in die Gesellschaft empfahl (GA 253,135). Steiner gedachte Aschs, der im März 1911 gestorben war, im Dezember 1911 (GA 261,62). Nähere medizinische Kontakte lassen sich nur indirekt erschließen. Der Arzt Hanns Rascher (1880-1952), der seit 1908 in München lebte, war über die Beschäftigung mit Spiritismus, Hypnose und Vegetarismus zur Theosophie gekommen, die er 1908 durch Vorträge des Theosophen Josef Elkan kennengelernt hatte. Im gleichen Jahr trat er in die Adyar-Theosophie ein. Er erhielt eine persönliche Meditation von Rudolf Steiner, arbeitete mit Naturheilverfahren und beschäftigte sich mit Paracelsus. 1911 nahm Rascher an Steiners Prager Vorträgen zur »Okkulten Physiologie« teil, in den zwanziger Jahren unter anderem an den beiden ersten Medizinerkursen und 1924 am Pastoralmedizinischen Kurs. Er habe Steiner mehrfach in medizinischen Fragen beraten; Bracker: Rascher. Zu Raschers späteren Aktivitäten s. u. Anm. 575. 82 Dies gilt insbesondere für die Zeit bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts. Vgl. etwa den Aufsatz »Goethe und die Medizin«, den Steiner 1901 für die »Wiener klinische Rundschau« schrieb (GA 30,580-588) und den Anthroposophen wegen einiger allgemeiner medizinischer Bemerkungen für wert hielten, in einen Auswahlband zur Medizin aufgenommen zu werden; Steiner: Arbeitsfelder der Anthroposophie, 113-122. 83 So ist unklar, was mit »some form of medical treatment«, die Robert W. Felkin um 1910 erhalten habe, gemeint ist; King: Modern Ritual Magic, 100. »4 Besant: Der »Bund für theosophische Arbeit«, 203-210. 85 Im Umfeld dieser Vorträge soll Steiner Gespräche mit Ärzten geführt haben, so Strakosch: Lebenswege mit Rudolf Steiner, I, 95.

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16. Medizin

Hingegen gehört der Mediziner Ludwig Noll (1872-1930)86, obwohl er ein Theosoph der ersten Stunde in Deutschland war, in die Nachkriegsgeschichte der anthroposophischen Medizin. Der studierte Arzt, der auch mit homöopathischen Mitteln therapierte, pflegte intensiv esoterische Interessen; so besaß er in seiner Bibliothek etwa Werke Agrippas von Nettesheim, eine »Aurora consurgens« oder Karl Eugen Neumanns »Reden des Gotama« ('1896/ 1905). Er war Leiter der Kasseler Loge, die schon vor 1902 existierte und die er 1906 / 07 neu begründete. Seit 1911 saß er auch im Vorstand der deutschen Sektion, im gleichen Jahr nahm er an Steiners Prager Kurs über »Okkulte Physiologie« tei187 und war im übrigen einer der finanziellen Unterstützer Steiners, der dessen Vorträge zu honorieren pflegte. Noll könnte Steiner mit seinem medizinischen Rat auch vor 1914 zur Verfügung gestanden haben, aber zu einer intensiveren Zusammenarbeit kam es aus unbekannten Gründen erst nach dem Ersten Weltkrieg; und diese Kooperation gestaltete sich nicht einfach (s. u. 16.7.2b). Auch Steiners Beziehung zu dem homöopathischen Arzt Emil Schlegel stelle ich später dar (s. u. 16.5.4b), da der Schwerpunkt von Steiners Beschäftigung mit der Homöopathie in den zwanziger Jahren liegt.

16.4.1 Felix Peipers und die Farbentherapie Felix Peipers (1873-1944)88, ein aus Solingen gebürtiger »Nervenarzt«, der seit 1904 Mitglied der Theosophischen Gesellschaft war, dem Düsseldorfer Zweig angehörte und seit Ende 1906 an Steiners maurerischen Riten teilnahm, hatte spätestens im März 1905 (als Student?) in Steiners Vorträgen gesessen89. Er war möglicherweise mit dem medizinischen Studium unzufrieden, vielleicht auf der Suche nach einer Alternative - wie Steiners maliziöse Bemerkungen gegenüber seiner Freundin Marie von Sivers im Jahr 1905 nahelegen: »Peipers ist wenig entwickelt. Die medizinischen Studien haben den Armen eher in Verwirrung als zur

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Informationen nach Husemann: Ludwig Noll, 91f. Ebd., 93. 88 Wichtigste Informationen sind in GA 291a gesammelt; hier ist integriert Wiesberger: Angaben Rudolf Steiners. Die biographischen Angaben zu Peipers sind in der anthroposophischen Literatur verstreut. Die hagiographische Skizze von Berthold Peipers: Felix Peipers, ist historiographisch kaum brauchbar. Angesichts einiger in GA 291a abgedruckter Briefe ist nicht auszuschließen, daß noch mehr Nachlaßmaterialien von Peipers existieren. 89 Nervenarzt: nach Selg: Eine kurze Skizze der Geschichte anthroposophischer Medizin, 26. Mitgliedschaft 1904: GA 260a2,737. Düsseldorfer Zweig: Zeylmans: Wer war Ita Weguran?, I, 43. Freimaurerei: GA 2622,162. In Steiners Vorträgen: ebd., 92. Berthold Peipers: Felix Peipers, 101, berichtet, Peipers habe 1902 ein »ihn tief beeindruckendes Gespräch mit Rudolf Steiner im Bonner >Stern< über das Christentum« gehabt. Dieser Termin ist nicht unmöglich, liegt aber doch angesichts von Steiners relative Distanz zum Christentums zu diesem Zeitpunkt sehr früh. Ein Aufenthalt Steiners in Bonn ist für 1902 bei Lindenberg: Steiner (Chronik), 197, nicht belegt, allerdings eine Reisestation in Düsseldorf. Zudem berichtet Steffen: Gedenkworte bei der Kremation von Felix Peipers, 194, ohne Datum von einem »dreitägigen Aufenthalt Rudolf Steiners im Hause des Ehepaars in Düsseldorf«, so daß man noch vor dem Umzug nach München von einer engen Verbindung ausgehen kann. 87

16.4 Medizinische Praktiken bis 1920

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Klarheit gebracht.« (GA 2622,105)90 Peipers ließ sich in München nieder, wo »das Haus Peipers« (seine Frau Cecil war Bildhauerin, deren Werke Steiner schätzte91) in der Erinnerung Alexander Strakoschs neben dem von Sophie Stinde geleiteten Zweig den zweiten »Schwerpunkt« des theosophischen Vereinslebens vor Ort bildete92. Auch Peipers' Besetzung der Rolle des Benediktus in allen Mysteriendramen, sein Vortrag auf dem Budapester Kongreß der europäischen Sektionen der Theosophischen Gesellschaft im Jahr 1909 oder seine Auswahl als Träger des »Grundsteins« für den Johannesbau bei der Grundsteinlegung dokumentieren seine prominente Stelle im deutschen Adyar-Milieu93. Peipers muß von Hause aus vermögend gewesen sein, so daß er ein »schönes Haus am >Englischen Garten< [in der Königinstraße], in welchem er die Möglichkeit hatte, eine kleine Zahl von Kranken aufzunehmen«, bewohnen konnte94. Hier entstand um 1906 / 07 herum95 die erste Therapieeinrichtung in Steiners engerem Umfeld, Peipers' »kleines Sanatorium«96, vermutlich für ein großbürgerliches Publikum (in dem Christian Morgenstern der wohl bekannteste war97), und Steiner »besuchte diese Heilstätte so oft er konnte«98, Die Idee einer Farbtherapie, die in den nächsten Jahren im Zentrum dieses Hauses stand, soll aber nicht von Steiner stammen, vielmehr habe Peipers (der an einer Rot-Grün-Blindheit litt99) 1908 die Idee an Steiner herangetragen (GA 291a,463)100. Steiner betrach9° Bei Selg: Eine kurze Skizze der Geschichte anthroposophischer Medizin, 25, wird daraus Steiners Sorge um »die seelische Entwicklung« von Peipers als Student. 91 Strakosch: Dr. med. Felix Peipers zum 10. Todestag, 32. 92 Ebd. 9J Mysteriendramen: ebd. Schon 1907 hatte Peipers in Schurés »Heiligem Drama von Eleusis« den Zeus gespielt (Steffen: Gedenkworte bei der Kremation von Felix Peipers, 194); Sivers: Brief an Edouard Schuré vom 9.7.1907, 55). Auf dem Budapester Kongreß 1909 sprach Peipers über »Okkulte Anatomie und Medizin« mit Lichtbildern (GA 260a2,717). Grundsteinlegung: Peipers: Felix Peipers, 100. 94 Strakosch: Dr. med. Felix Peipers 32. Königinstraße nach Steffen: Gedenkworte bei der Kremation von Felix Peipers, 194. 9s Dieses Datum im Kommentar von GA 291a,450 und von GA 260,319. Eine Eröffnung 1907 in den Beiträgen zur Rudolf Steiner Gesamtausgabe, Heft 118 / 119, Dornach 1997, 236, und bei Selg: Eine kurze Skizze der Geschichte anthroposophischer Medizin, 26. 96 Peipers: Felix Peipers, 100. Zum Begriff s. u. Anm. 461. 97 Strakosch: Lebenswege mit Rudolf Steiner, I, 149. Morgenstern soll »monatelang« in Peipers' Klinik behandelt worden sein; Woloschin: Die grüne Schlange, 238. Kandinsky soll sich zumindest stark für Steiners Farbtherapie interessiert haben; Rudolf Steiner in München, 41. 98 So Strakosch: Dr. med. Felix Peipers 32. Von »regelmäßigen Besuchen« spricht Peipers' Krankenschwester (GA 291a,470). An anderer Stelle spricht Strakosch: Lebenswege mit Rudolf Steiner, I, 84, davon, daß Steiner an diesen Therapien »regsten Anteil« genommen habe. 99 Peipers: Felix Peipers, 100. 00 Selg: Eine kurze Skizze der Geschichte anthroposophischer Medizin, 26, spricht (ohne Quellenangabe) sogar von einer »schriftlichen« Anfrage Peipers: Das Datum 1908 bereitet insofern aber Probleme, da Steiner schon am 25. Juni 1907 gesagt haben soll, daß ein unruhiges Kind durch rot beruhigt, ein zu ruhiges durch blau aktiviert werde (GA 291a,452, mit Verweis auf GA 34 und GA 100 [in beiden Bänden nicht aufzufinden]). Diese Äußerung läßt vermuten, daß Steiner im Sommer 1907 farbtherapeutische Überlegungen ventilierte; dann aber läge die Priorität zumindest für die Konzeption, vielleicht nicht für die Einrichtung eines Sanatoriums bei Steiner. Möglich ist aber auch, daß Peipers in der fast ein Vierteljahrhundert späteren Erinnerung (von 1930) seinen ersten Vorschlag ein Jahr zu spät datierte. Für die Priorität Peipers in der Praxis spricht, daß Steiner 1909 Peipers in einem Vortrag diesbezüglich einen gewissen Vorgang einräumte: Die Farbtherapie sei eine

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tete Peipers Sanatorium als eine Vorzeigeeinrichtung und hob im Jahresbericht von 1912, dem letzten seiner Art auf dem Höhepunkt des Konfliktes mit Besant, »Dr. Peipers Tätigkeit als Heiler und Vortragender« besonders heraus'. Diese Farbtherapie ist in den Erinnerungen von Behandelnden und Patienten mehrfach beschrieben worden, so daß sich Einrichtungsgegenstände und Therapiepraxis nachzeichnen lassen, wenngleich nicht ganz klar ist, welche Varianten es gab und welche Änderungen im Lauf der Jahre vorgenommen wurden. Als Räumlichkeiten dienten ursprünglich »zwei kleine rechteckige Kammern«, von »2 x 2,5 x 2 m« Größe (GA 291a,467), die später durch polygonale Körper ersetzt wurden (ebd., 465). Die Kammern waren wohl meist aus Holz, außen Eiche, innen »zarteres Holz, farbig gebeizt und poliert« (ebd., 467), doch muß es auch Metallkammern gegeben haben (ebd., 458)1°2. Zumeist wurden wohl zwei Kammern verwandt, von denen eine innen rot, die andere blau gestrichen war (ebd., 471). In ihrem Inneren war die elektrische Beleuchtung »unter dem Ruhebett angebracht, so daß die Lichtquelle weder den Arzt noch den Patienten stören konnte. Es gelang dadurch, die Farbe wie schwebend zur Wirksamkeit zu bringen. Am Kopfende war ein Kasten aufgestellt, in dem man abwechselnd verschiedene Transparente anbringen konnte (Pentagramm oder Hexagramm in Farben, Rosenkreuz in Komplementärfarben); unsichtbar für den Patienten, sichtbar für den Arzt.« (ebd., 467)103

Die Behandlung hat Johanna Wagemann, die zwischen 1911 und 1914 Krankenschwester bei Peipers war (GA 291a,471), in einem anschaulichen Bericht festgehalten: »Es war für jeden Patienten von Dr. Steiner eine eigene Konzentrationsübung und für Dr. Peipers eine entsprechende Meditation angegeben worden. Weiterhin war von Dr. Steiner die Farbfolge und die jeweilige Dauer der Farbbehandlung bestimmt. Eine Kammer war nämlich mit rotem und die andere mit blauem Licht zu erleuchten, wobei mehrere Lampen in der Kammer und sogar unter dem Sofa angebracht waren. Es war dann sehr verschieden, ob der Patient zuerst in der roten Kammer begann, um dann in die blaue hinüberzugehen oder umgekehrt oder auch nur in einer behandelt wurde. Meist blieb er ca. 5 Minuten in einer Kammer. Die gesamte Behandlungszeit betrug in der Regel eine Viertelstunde.« (ebd., 471)104

»der Geisteswissenschaft entnommene Heilweise, die unser Freund Dr. Peipers eingerichtet hat« (GA 57,208). 101 Brief Steiner an Besant, ca. 20.11.1912, Nachlaß Steiner. 102 Ein ambitionierteres Konzept Steiners, das sieben geometrische Kammern mit sieben Farben vorsah, wurde vermutlich nicht realisiert. Einer Aufzeichnung Peipers' zufolge hatte Steiner folgendes Arrangement vorgesehen: »Pentagondodekaeder mit Pyramiden nach innen, lila / Pentagondodekaeder aus abgest[umpften?] Pyramiden] nach innen violett / Kugel mit abgeflachter Decke rosa / Pentagondodekaeder blau / Kugel grün / Pentagondodekaeder mit aufgesetzten Pyramiden nach außen gelb / Pentagondodekaeder mit aufgesetzten Pyramiden nach außen rot« (GA 291a,459, Ergänzungen HZ). 103 Angaben zu den Farben der Symbole finden sich in GA 291a,472. 475. Weitere geplante oder realisierte Varianten ebd., 475. 104 Dauer nach Strakosch eine »eine viertel bis eine halbe Stunde« (ebd., 474).

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Der Patient lag »in einer Stellung, die leise das Pentagramm andeutet« (ebd., 472), möglicherweise ein Bezug auf die freimaurerischen Riten105. Dazu konnten »Töne« »auf dem Harmonium oder auf einem Glockenspiel« (ebd., 472) treten10Nachdenken< über eine Krebstherapie Steiner beeinflußte und welche anderen Quellen er für seine Misteltherapie fand, ist beim aktuellen Forschungsstand nicht zu klären. Deutlich ist aber, daß Steiner zu diesem Zeitpunkt in Beziehung mit einem Medizinnetz kam, in dem man auf der Suche nach alternativen Krebstherapien war. In den folgenden Monaten intensivierten sich Steiners Kontakte zu Ritter. Im August 1908 habe er ihr den Hinweis gegeben, »Mistel 147 Theodor Krauß: Die Grundgesetze der Elektro-Homöopathie, 1920, S. 56, zit. nach Jütte: Geschichte der Alternativen Medizin, 230. '48 Exemplare aus diesem Zeitraum befinden sich in ihrem Nachlaß; H.: Marie Ritter an Dr. Max Asch, 203. '49 Löscher: »Einmal sich aussprechen können«, 235 (ohne Quellenangabe). Nach Selg: Eine kurze Skizze der Geschichte anthroposophischer Medizin, 26, habe sie 1905 / 06 »Kontakt zur Theosophie« aufgenommen (ebenfalls ohne Quellenangabe). 'SO Mitgliedschaft Ritters nach GA 260a2,740; Mitgliedschaft Hermanns nach Bracker: Ritter. Hermann leitete den Breslauer Zweig von 1908 bis 1912; Dedo-Brie: Erinnerungen an Dr. Max Hermann, 146. 15' Bracker, ebd. 152 Siehe neben dem folgendem auch unten. Anm. 341. 153 Liischer: »Einmal sich aussprechen können«, 235 f. '54 Schöffler: Marie Ritter, GA 98,213.

16.4 Medizinische Praktiken bis 1920

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auf Laubbäumen gewachsen, gegen Carcinom« einzusetzen, vermutlich als sie einem Zyklus in Stuttgart beiwohnte155, am 2. Dezember hielt er auf Einladung Marie Ritters einen Vortrag in ihrer Breslauer Wohnung156 Seit ungefähr 1908 arbeitete sie mit dem wohl weit jüngeren österreichischen Arzt Max Hermann zusammen, der, da Marie Ritter keine Approbation besaß, ihr vermutlich die Behandlung von Patienten ermöglichte157. 1909 muß es, den Erinnerungen von Max Giimbel-Seiling zufolge, eine Phase Intensiver Kontakte mit Steiner gegeben haben. »Im Sommer 1909 sassen wir mit Rudolf Steiner in der Villa Swet in Socking [bei Starnberg] am Kaffeetische, woran ausser vielen anderen auch Frl. Marie Ritter teilnahm, die liebenswürdige kleine Frau, welche so ein feinfühliges Verhältnis zur Pflanzenwelt hatte, dass sie beim Schmecken einer Pflanze die Beziehung zu den verschiedenen Organen des Körpers wahrnahm«158.

Sie beschäftigte sich offenbar auch mit Reichenbachs Od-Lehre, wie viele in Steiners Umfeld, wo man »Odmesser«, kompassähnliche Geräte, deren Zeiger die Odkraft anzeigten, benutzte; »das >Od< hängt, wie sie Dr. Steiner sagte, mit gewissen ätherischen Wirkungen zusammen.«159 Auch zu einer weiteren Beschäftigung mit der Krebstherapie ist es offenbar gekommen. »Gegen Krebs empfahl ihr Rudolf Steiner Meerwasser von der helgoländischen Küste, wo eine besondere Algenart dem Meerwasser die genügende Verdünnung mitteile, um sie mit dem Mistelpräparat zu verbinden.«160 Steiner habe das von Ritter hergestellte Präparat erhalten und behauptet, daß es nur eine Haltbarkeit von einem Jahr besitze16'. Auf den 21. Januar 1910 ist ein weiterer Brief Ritters an Steiner datiert: »Mit Freuden habe ich Ihnen Viscum mali« - um das Steiner nachgesucht hatte - »übersandt; es wird dem Kranken gute Dienste tun, wenn er es aus Ihrer Hand erhält. Die Mittel, welche sie hier in Breslau verschiedenen Leidenden verordneten, sind auch bereits in ihren Händen«162. Am 19. April 1910 nannte sie dem Arzt Max Asch pflanzliche Mittel, die ihr Steiner empfohlen habe'63. 1911 nahmen dann Max Hermann und möglicherweise auch Marie Ritter an Steiners

15s Zit. aus Ritters Notizbuch vom 10.8.1908 bei H.: Marie Ritter an Dr. Max Asch, 203. In Stuttgart hielt Steiner damals seinen vierten Zyklus (heute GA 105). 1s6 Bartsch: Ein Schlesier berichtet, 470; Datum nach Lindenberg: Steiner (Chronik), 275. »Eine Liste der schon 1908 von Rudolf Steiner gemachten Angaben für Frl. Ritters photo-dynamische Heilmittel« (Deventer: Die anthroposophisch-medizinische Bewegung, z1992, 64) ist offenbar nicht erhalten oder hat es so nicht gegeben und war eine Zusammenstellung einzelner Äußerungen Steiners. Eine weitere Liste wurde nach dem Zweiten Weltkrieg von Gerhard Schmidt aus Ritters Nachlaß erstellt; Dinger: Homöopathie und Anthroposophische Medizin, 22. Vgl. zu ihren Notizbüchern unten Anm. 128. 157 Ritter hatte den Mann von Maria Dedo-Brie behandelt (Dedo-Brie: Erinnerungen an Dr. Max Hermann, 145). 158 Gümbel-Seiling: Mit Rudolf Steiner in München, 27. 'S9 Ebd. 60 Ebd. 161 Schöffler: Marie Ritter. Zur Haltbarkeit s. u. Anm. 180. atavistisch< per Distanz behandelt« habe (Schöffler: Marie Ritter), dürfte auf Animositäten mancher Anthroposophen verweisen. Eine vergleichbare Wertung Ritters bei Kirchner-Bockholt: Erweiterung der Heilkunst, 101. Vgl. zu den Irritationen, die diese Sprachregelung im nichtanthroposophischen Literatur auslöst Dinger: Homöopathie und Anthroposophische Medizin, 21. »Atavistisch« bedeutete in Steiners theosophischer Sprachregelung eine nicht der anthroposophisch beanspruchten Reflexivität entsprechende Erkenntnis oder Praxis, wie er sie etwa Spiritisten zusprach (s. 9.5.1c). 1

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16. Medizin

möglicherweise Lebenskraft-Modellen näherstehenden Vorstellungen festgehalten hat (aber dies bleibt augenblicklich spekulativ), könnte sich daraus ihre Abwertung als »atavistische« Medizinerin erklären. Der Konflikt mit Ritter wird, wie so häufig, seine Schärfe durch eine besondere Nähe erhalten haben: Denn Ritter praktizierte, was in theosophischen Kreisen zwar gefordert wurde, aber bis in die zwanziger Jahre weitgehend Postulat blieb: experimentelle Forschung. Zudem dürfte Steiners Eigenständigkeitsanspruch angesichts seiner faktischen Abhängigkeit die Distanzierungen von Ritter motiviert haben. Diese anthroposophischerseits verdrängten Bezüge hat Dinger an einigen Stellen offengelegt. So werden die in Ritters erster Publikation genannten Pflanzen häufig in Steiners Vorträgen erwähnt18. Auffällig ist auch, daß die von Ritter verwendeten Pflanzen in der Homöopathie nur eine geringe Rolle spielen, sich zugleich aber fünfzig ihrer Pflanzen in den Präparaten von »Weleda« wiederfinden, unter anderen die Verwendung der Misteln von unterschiedlichen Wirtsbäumen19. Übereinstimmungen finden sich auch in dem Versuch, haltbare Heilmittel in nichtalkoholischen Auszügen herzustellen, ein Problem, das schon von Ritter gesehen und bearbeitet worden sein dürfte180 und später von dem Anthroposophen Rudolf Hauschka (1891-1969), allerdings mit einer anderen Technik als von Ritter, gelöst wurde. Ritters Licht-Asche-Konzeption"' prägt folgerichtig den Namen der bis heute verkauften Heilmittel Hauschkas - »Wala« steht für das zugrundliegende Verfahren »Wärme-Asche, Licht-Asche«. Schließlich bestehen auch in der Herstellung der Mittel in zwei Potenzen, einer tiefen und einer »Hochpotenz«, Übereinstimmungen zwischen der Ritterschen und der anthroposophischen Medizin, wohingegen die Indikationsangaben Dinger zufolge häufig abweichent82. Angesichts dieser Kongruenzen zwischen Ritters und der anthroposophischen Medizin in den Grundlagen wird die Frage nach der Priorität der Mistel-Therapie zu einem Nebenschauplatz. Ritters Medizin muß vielmehr als eine der wichtigen Anregungen für Steiner und sein Umfeld gelten, bei der gerade die Nähe die Abstoßungsreaktionen im anthroposophischen Milieu erklären dürfte. Dies ist der Hintergrund ihrer Rezeption bei gleichzeitiger Abwertung ihrer Rolle, die teilweise einer Damnatio memoriae nahe kommt.

18 Dinger:

Homöopathie und Anthroposophische Medizin, 25. 24. 18o Ebd., 19.24. In der theosophischen Literatur zu Ritters Heilmitteln bis in die zwanziger Jahre findet sich die Frage der Haltbarkeit häufig. 181 Siehe oben Anm. 132. 182 Dinger: Homöopathie und Anthroposophische Medizin, 23. Die homöopathischen Herstellungsregeln der Ritterschen Mittel, vermutlich Mazerations- und Digestionsverfahren, sind allerdings zu unspezifisch, um damit eine besondere Nähe oder Distanz zu Steiners medizinischen Konzepten zu begründen. 19 Ebd.,

16.5 Medizinische Theorie in den zwanziger Jahren

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16.5 Medizinische Theorie in den zwanziger Jahren 16.5.1 Die medizinischen Kurse Mit dem ersten Ärztekurs, den Steiner über drei Wochen, vom 21. März bis zum 9. April 1920 hielt, begann die »heroische« Phase der anthroposophischen Medizin, in der die Theorie die Dynamik erhielt, durch die sie heute eine bedeutende Variante der Alternativmedizin ist. Die Kurse fielen nicht, wie schon das letzte Kapitel deutlich gemacht hat, unerwartet vom Himmel: Da waren die Erinnerung an die Ära Peipers und die kontinuierliche Therapie mit Marie Ritters Heilmitteln, und es gab einzelne, die an einer alternativen Medizin auch während des Krieges Interesse behalten hatten: vor allem Ita Wegman, die im Krieg ihre Approbation als Ärztin erhalten hatte, oder Oskar Schmiedel, der seit den Vorkriegsjahren mit chemischen Stoffen experimentierte. Und doch waren die Ärztekurse ein qualitativer Neuansatz, weil Steiner sich nun des langen und breiten zu medizinischen Fragen äußerte: nicht systematisch, aber unentwegt, bis zu seinem Tod. Der erste Vortragszyklus kam zustande, als Steiner sein Interesse an einer intensiveren Behandlung medizinischer Fragen bekundete. In einem öffentlichen Vortrag in Basel äußerte er am 6. Januar 1920 den Wunsch, »intuitive Medizin« vor einem »sachverständigen« Publikum zu erläutern (GA 334,56). In welchem Ausmaß er dabei an ein weitgehendes persönliches Engagement gedacht hatte, ist nicht ganz klar, da er die Ärztekurse zumindest partiell eigentlich von approbierten Ärzten gehalten wissen wollte; möglicherweise ging es ihm nur darum, auch Gesundheitsfragen im Rahmen seiner ausklingenden Dreigliederungsaktivitäten zu thematisieren. Schmiedel, der zu diesem Zeitpunkt im Dornacher Laboratorium arbeitete, ging nach dem Vortrag wegen eines möglichen Ärztekurses auf Steiner zu183, und noch am Abend soll Schmiedel sich mit den Ärztinnen Ita Wegman und Madeleine Deventer besprochen haben184. Steiner stimmte einem Kurs unter der Bedingung zu, daß nur Mediziner teilnehmen sollten. Schmiedel erhielt deshalb die Aufgabe, etwa »Schwestern«, einen »russischer Feldscher« oder »Heilpraktiker, Hebammen u. a. rigoros ab[zulehnen]0185. Steiner selbst gestattete sich allerdings die Übertretung der Regel und lud Marie Steiner, Walter Johannes Stein und Roman Boos ein186 Der erste Kurs kam dann unter Edwin Scheideggers Mitarbeit, die Steiner explizit erbeten hatte, zustande. Damit fällt ein aus mehreren Gründen wichtiger Name. Zum einen garantierte Scheidegger, der leitende Arzt und Erbauer des heutigen Merian Iselin-Spitals in Basel (GA 313,170) und ein »bekannter ho-

183 Schmiedel hat in seinen Memoiren seine Initiativfunktion herausgestellt, vgl. Schmiedel: Zur Vorgeschichte des ersten medizinischen Kurses, 8, und ders. in: Zeylmans van Emmichoven: Wer war Ita Wegman?, I, 79. 184 Se1g: Eine kurze Skizze der Geschichte anthroposophischer Medizin, 33. 85 Schmiedel: Aufzeichnungen, 420 (Schwestern, Feldscher); ders.: Zur Vorgeschichte des ersten medizinischen Kurses, 8 (Heilpraktiker, Hebammen). 1" Ebd., 420.

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möopathischer Arzt«187, offenbar die von Steiner geforderte Kompetenz. Zum anderen belegt er, daß von Anfang an homöopathisch orientierte Ärzte eine wichtige Rolle in der anthroposophischen Medizin spielten. Er stand einem homöopathischen Spital vor, das durch ein Legat Adele Merian-Iselins aus dem Jahr 1898 entstanden war. Schließlich repräsentierte er, und davon ist in der anthroposophischen Literatur selten die Rede, die Kritiker unter den Ärzten, denn er soll später »seine anthroposophische Zeit als die dunkelste seines Lebens bezeichnet haben«1B8. Vorerst aber war er bei Steiners erstem Kurs anwesend (GA 312,211)'89 Der Kurs vor knapp vierzig Zuhörern im »mittleren Saal des Glasateliers« auf dem Dornacher Hügel war eine programmatische Veranstaltung, in der Steiner die grundlegenden Lehren zur anthroposophischen Medizin formulierte, ein langer, auf zwei der Wochen angesetzter Zyklus, der auf Bitten der (einiger?) Teilnehmer auf drei Wochen verlängert wurde190 . Der Kurs war leidlich systematisch angelegt, beginnend mit medizinhistorischen Fragen, aber zunehmend dürften Fragen der Zuhörer, die auf Zettel notiert oder Steiner mündlich gestellt wurden191, den Duktus bestimmt haben. Die Textausgabe dieser Vorträge (GA 312) schweigt sich leider über das Arrangement des Ärztekurses völlig aus192 . Bemerkenswerterweise ließ Steiner verteilte Rollen zu. Vorträge hielten unter anderem Otto Römer, ein überzeugter Anthroposoph, Professor für Zahnheilkunde und zu diesem Zeitpunkt Ordinarius in Leipzig193, der genannte Edwin Scheidegger (GA 313,47), der Arzt und Anthroposoph Eugen Kolisko sowie Ita Wegman, zudem organisierte Scheidegger eine Führung durch sein Spital194 Aber es muß noch mehr und vor allem weniger orthodox Anthroposophisches während dieses Kurses gegeben haben. »An den Nachmittagen referierten verschiedene Ärzte über ihre Erfahrungen als Homöopathen, Baunscheidt-Spezialisten195 und so 187 Ebd. 188 Alle Informationen und Zitate dieses Abschnittes ebd. 189 Sein Neffe Walter Scheidegger nahm auch am zweiten Medizinerkurs teil; vgl. Das Wirken Rudolf Steiners, IV, hg. v. H. H. Schöffler, 90f. 190 Lindenberg: Steiner (Biographie), II, 738, spricht von 35 Personen, vermutlich im Blick auf eine Liste, die die Teilnehmer unter eine Art Vertrauenserklärung für Steiner gesetzt hatten und in der von »etwa 35 Kollegen« die Rede ist (Faksimile u. a. bei Selg: Eine kurze Skizze der Geschichte anthroposophischer Medizin, 36). Dort haben aber nur 34 Personen unterzeichnet, diese Zahl übernahm dann Selg ebd., 33. Es fehlen aber die Nichtmediziner, die Steiner persönlich eingeladen hatte (s. o. Anm. 186). Vgl. Schmiedel: Zur Vorgeschichte des ersten medizinischen Kurses, 11. - Glasatelier: Schmiedel: Aufzeichnungen, 420. Verlängerung: ders.: Zur Vorgeschichte des ersten medizinischen Kurses, B. 191 Die Organisation des Gesprächs läßt sich durch zufällige Äußerungen nachzeichen: Fragen auf »Zetteln« (GA 312,14), Wünsche der Zuhörerschaft (ebd., 54), »Fragestellungen«, die die Zuhörer »gaben« (ebd., 296). 192 Steiners handschriftliche Aufzeichnungen sind immerhin publiziert; sie bieten aber keine Hinweise auf diese Zusammenhänge; Steiner: Notizen zum ersten Ärztekurs. 193 Zur Biographie: Das Wirken Rudolf Steiner, IV, hg. v. H. H. Schöffler, 407 f. 194 Lindenberg: Steiner (Biographie), II, 738. 195 Der Stellmacher Carl Baunscheidt (1809-1874) propagierte ein Heilverfahren, bei dem ein Bündel von Stahlnadeln (»Lebenswecker«) mit Hilfe einer Feder in die Haut geschnellt wurde. In die Wunden wurde zur Animation der Haut und zur Durchblutungsförderung ein hautreizendes

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weiter.«196 Leider gibt es keine weiteren Informationen über dieses Umfeld, in dem sich das Interesse alternativmedizinischer Ärzte an der Anthroposophie spiegelt197. Anfang Oktober 1920 machte Steiner in dem nächsten medizinischen Vortragsblock nach dem ersten Ärztekurs erneut deutlich, daß er zumindest als zuverlässig anthroposophisch eingestuften Ärzten bereit war, das Rednerpult zu überlassen. Hinter der kryptischen Eröffnungspassage in der Gesamtausgabe (»Der Vortragende ist noch nicht da. Ich hoffe, daß er bald kommt« [GA 314,111) verbirgt sich Steiners Erwartung, daß Ludwig Noll die Eingangsvorträge halten würde: »Der erste Vortrag von Dr. Noll sollte beginnen, alles war versammelt, aber Dr. Noll war nicht da. Man wartete - aber Dr. Noll kam nicht. Es war auch von ihm keine Nachricht eingetroffen. Plötzlich verbreitete sich irgendwie das Gerücht, daß Dr. Noll nun kommen würde und zwar durch den Westeingang. Alles erhob sich, Dr. Steiner ging durch den Mittelgang Dr. Noll freudig entgegen - aber es stellte sich heraus, daß es ein Mißverständnis gewesen und daß kein Dr. Noll gekommen war. Nachdem eine halbe Stunde gewartet worden war, entschloß sich Dr. Steiner, selbst einen medizinischen Vortrag zu halten. ... Wie mir gesagt wurde, traf nach dem Vortrag von Dr. Noll ein Telegramm ein, daß er am nächsten Tag zu seinem Vortrag kommen würde. Später kam noch ein zweites, das mitteilte, daß er überhaupt nicht kommen würde.«198

Letztendlich scheiterte die kollegiale Einbeziehung von Ärzten. Die vielen Ärztekurse199 bestritt Steiner in den kommenden Jahren allein. Allerdings gibt es Indizien, daß er sich in dieser Rolle nur begrenzt wohlfühlte. Mehrfach meinte er, fast entschuldigend, nur »aphoristisch« sprechen zu können200 und realisierte, daß seine Ausführungen manchmal ein »buntes Allerlei« waren (GA 313,134).

Öl eingerieben. Steiner besaß drei Bücher Baunscheidts: Der Baunscheidtismus (1864), Das Ohr (1874) und Das Auge (1873); Anonym: Aus der Bibliothek von Rudolf Steiner. Verzeichnis der medizinischen Literatur, 50. Die in diesem Bücherverzeichnis angegebenen Erscheinungsdaten (hier in Klammern) ließen sich in den Bibliothekskatalogen nicht immer nachweisen. 196 Deventer: Die anthroposophisch-medizinische Bewegung, 15; ohne Einzelheiten bestätigt von Schmiedel: Aufzeichnungen, 420. Friedrich Husemann hatte offenbar über allgemeine Fragen von Diagnostik und Therapie gesprochen; Straus: Anthroposophie und Naturwissenschaft, 959. 197 Inzwischen liegen in dem Band »Anthroposophische Ärzte« zumindest rudimentäre Daten zu vielen Teilnehmern der Ärztekurse, aber längst nicht zu allen, vor. Aussteiger sind dabei kaum zu identifizieren. Die Teilnehmer an den Medizinerkursen von 1924 finden sich bei Zeylmans van Emmichoven: Wer war Ita Weguran?, II, 370-373, die Mitglieder der medizinischen Sektion des Jahres 1924 ebd., I, 347 f., die Ärzte und Medizinstudenten zwischen 1924 und 1939 ebd., II, 295-298. 198 Schmiedel: Aufzeichnungen, 420 f. 199 Weitere Zyklen: Oktober 1920: Vortragsreihe (GA 314); April 1921: Zweiter Ärztekurs (»Ergänzungskursus«) (GA 313); zeitgleich Kurs »Heileurythmie« (GA 315); Oktober 1922: zur »Arzneikunst« (GA 314); Jahreswende 1923/24: zur »Therapie« (GA 314); Januar 1924: erster »Jungmedizinerkurs« (»Weihnachtskurs«) (GA 316); April 1924: zweiter »Jungmedizinerkurs« (GA 316); Juni / Juli 1924: »Heilpädagogischer Kursus (GA 316); September 1924: Kurs mit Priester der Christengemeinschaft und Ärzten (GA 318). Dazu kommen Einzelvorträge (z. B. in GA 319) sowie Besprechungen mit Ärzten (z. B. in GA 314). 200 Er wolle »gewissermaßen aphoristisch auf einiges hindeuten« (GA 314,53 [9.10.1920]), trage leider »nur kursorisch, aphoristisch« vor (ebd., 131 [27.10.1922]), es sei »nur möglich, manches aphoristisch hier anzudeuten« (GA 316,121; vgl. auch 123 [9.1.1924]).

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16. Medizin

Den leidlich systematischen Bogen des ersten Ärztekurses hat Steiner später nicht mehr gespannt. Über die Reaktion der Zuhörer liegen nur unzureichende Information vor. Natürlich gab es die Begeisterten, und sie bestimmen aufgrund der Rezeption ihrer Memoiren durch Anthroposophen das Bild. Diese von Steiner Faszinierten haben der anthroposophischen Medizin ihr Leben eingehaucht, aber vermutlich zugleich das facettenreiche Bild der Anfangsjahre auf ein orthodoxes Profil vereindeutigt. Über Konflikte erfährt man wenig. Die »Auseinandersetzung« beim ersten Ärztekurs am 23. März 1920 (GA 312,76) dürfte über Fachfragen geführt worden sein, und immerhin erinnerte sich die anthroposophische Ärztin Madeleine P. van Deventer an ihren »verzweifelten inneren Widerstand« in diesen Tagen201. Über die Gründe schwieg sie sich aus, berichtete aber, daß Steiner die Krise gespürt haben muß, denn eine Frage Steiners sei ihr im Gedächtnis haften geblieben: »Hat es sie wenigstens interessiert?«2°2 Auch hinter den sogenannten »Jungmedizinerkursen« des Jahres 1924 (GA 316) stehen Konflikte, hier der Jüngeren mit den Älteren. Nachdem ein Diskussionsleiter im Herbst 1922 Fragen der Jüngeren ignoriert hatte203, kam es zu einem Gespräch der Mißachteten mit Steiner und zum kleinen Eklat: Man könne mit seinem Kurs »nichts anfangen«, suche »mehr das Moralisch-Menschliche«204, Steiner ließ sich auf eine separate Veranstaltung ein und forderte sogar, daß die älteren Ärzte nicht teilnehmen dürften (und nahm schließlich die Teilnehmer, auch ohne Antrag, in die erste Klasse seiner Esoterischen Schule auf)2°5. Aber es gab auch die Krisen ohne glücklichen Ausgang. Der Arzt Erwin Straus, der im März 1922 an den anthroposophischen Hochschulwochen teilgenommen hatte, dokumentiert die selten greifbare Perspektive der Ernüchterten: Er kritisierte den »Mangel an Aufbau und organistischer Struktur«, also Steiners assoziativen Vortragsstil. Zudem leuchtete ihm die Plausibilisierung esoterischer Einsichten nicht ein. »Da gibt es kein Fortschreiten vom Bewiesenen zum Abgeleiteten, kunterbunt ist alles durcheinander gemischt und jeder Satz bedeutet recht eigentlich einen neuen Anfang.« »Eine entfernte Ähnlichkeit wird als Identität genommen; Äquivokationen treiben ihr munteres fruchtbares Spiel. ... Jede vage Möglichkeit wird als Gewißheit ausgegeben und ungeprüfte Aperçus zu Grundlagen eines Systems gemacht. Das Unbewiesene wird hier durch noch Unbewieseneres gestützt. Eine sprachliches Bild wird je nach Bedürfnis - als sei es das Gleiche - bald im eigentlichen Wortsinn gebraucht, bald als

201 Deventer: Die anthroposophisch-medizinische Bewegung, 14. 202 Ebd. 203 Ebd.,19f. 204 Ebd., 20. 205 Die separate Veranstaltung forderte Steiner mit den Hinweis ein: »Bringen sie mir fünfzig, sechzig, siebzig junge Mediziner zusammen«, dann wolle er den Kurs halten, habe Steiner gefordert (ebd., 22); schließlich hielt er den Kurs, obwohl nur 30 Teilnehmer kamen (ebd., 24). Ausschluß älterer Ärzte ebd., 23, Aufnahme in die Esoterisches Schule ebd., 28. Eine detaillierte Nachzeichnung der Aktivitäten von Nachwuchsmedizinern entlang der Biographie der aus begütertem Haus stammenden Medizinerin Helene von Grunelius bei Selg: Helene von Grunelius.

16.5 Medizinische Theorie in den zwanziger Jahren

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Allegorie auf fern abliegende Gegenstände angewandt; und wenn alles andere versagt, wird die anthroposophische Troika: Imagination, Inspiration, Intuition, zur tollen Fahrt angespannt.«2°6 Auch im engsten Kreis gab es unheilbare Zerwürfnisse. Nicht nur Edwin Scheidegger verließ Steiner, auch ein altgedienter und um die Anthroposophie hochverdienter Theosoph und Arzt wie Alfred Gysi (1865-1957), Mitbegründer des zahnärztlichen Universitätsinstituts Zürich, der noch 1921 am ersten Ärztekurs teilgenommen hatte und mit dem Steiner sogar an einem gemeinsamen Buch über Embryologie geschrieben haben soll207, zog sich 1924 aus bislang unbekannten Gründen von der Anthroposophischen Gesellschaft zurück208. Am Ende suchte Steiner die ganz überzeugten Ärzte in einer esoterischen Gemeinschaft zu sammeln (s. o. 16.5.2g). All dies sind Indikatoren, daß Steiner bei den Ärzten mit einer Personengruppe konfrontiert war, in der viele Menschen mit hohem Selbstbewußtsein und als Fachleute ihm auch Widerstand entgegensetzen konnten (vergleichbar der Theologengruppen bei der Gründung der Christengemeinschaft)209. Der Aufbau der anthroposophischen Medizinerschaft war jedenfalls keine geradlinige Fortschrittsgeschichte, sondern auch ein verzwickter Prozeß von Anziehung und Abstoßung210. Aber diese Geschichte ist noch kaum überschaubar. Über Steiners Kontakte ins Milieu der Alternativmedizin und von Laienheilern außerhalb des Ärztekurses wissen wir noch weniger. Eine solche Beziehung könnte zu dem »Naturheilkundigen« und »Spagyriker« (einem alchemistisch arbeitenden Heilkundigen) Conrad Johann Glückselig (1864-1934) bestanden haben, der Gründer der Phönix-Arzneimittel Weiden (Oberpfalz ?). Er habe Jakob Böhme studiert und seit 1896 pflanzliche und elektrohomöopathische Zubereitungen angefertigt. 1914 soll Alexander von Bernus, mit dem Steiner freundschaftliche Beziehungen pflegte, Glückselig nach Stift Neuburg bei Heidelberg in sein »alchemistisches« Laboratorium geholt haben. Von Bernus habe Steiner »den Fortgang der Entwicklungen und die Rezepturen der Arzneimittel regelmäßig« mitgeteilt2 u. Nach seiner Zusammenarbeit mit von Bernus habe Glückselig theosophische Texte ins Deutsche übersetzt und in Stuttgart die theosophische

Straus: Anthroposophie und Naturwissenschaft, 959. Zur Teilnahme am ersten Ärztekurs vgl. Selg: Eine kurze Skizze der Geschichte anthroposophischer Medizin, 36. Zum gemeinsamen Buch siehe Held: Gysi, Alfred, 260. 208 Das Wirken Rudolf Steiners, IV, hg. v. H. H. Schöffler, 367. 209 Für Selg: Die Medizin im Lebensgang Rudolf Steiners, 381, war allerdings schon die fehlende Bitte von Ärzten um einen Kursus der Hintergrund, Steiners Bemühen um eine Debatte mit Fachleuten als Initiative »fast bis zur Selbsterniedrigung« zu deuten. 210 Die Motive und Hintergründe bedürften einer genauen Aufklärung. Steiner könnte auf der Suche nach therapeutischen Optionen gewesen sein, bis hin zu dem Kalkül, aus den Erfahrungen Dritter Kapitel zu schlagen, aber es kann auch Ausdruck seines Programms der Verbindung von empirischer und »geistiger« Medizin gewesen sein. 211 Alle Informationen und Zitate nach www.phoenix-laboratorium.de (aufgerufen im April 2004). Bernus habe nach seinem Umzug von Stift Neuburg (1925) nach Stuttgart und später auf Schloß Donaumünster weiter an Arzneimitteln gearbeitet. Seine Soluna-Mittel habe nach seinem Tod (1965) die anthroposophische Firma »Wals« übernommen; so Irmhild Mäurer auf www.bernus.de/labor. html (aufgerufen am 7.6.2004). 206 207

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»Loge Nr. 8« gegründet. Seine potentielle Bedeutung für die anthroposophische Medizin liegt noch im Dunkeln.

16.5.2 Konzeptionelle Elemente der anthroposophischen Medizin Steiners Geständnisse der aphoristischem Dimension in seinen Vorträgen und die Einsicht von Anthroposophen, die medizinischen Vorträge könnten »ganz unsystematisch« erscheinen212, legen den Finger auf das Kernproblem einer konsistenten Darstellung »der« Konzeption anthroposophischer Medizin. Steiner hat keine stringente Explikation vorgelegt, und ob aus dem Grundlagenwerk, das er mit Ita Wegman begonnen hat (s. u. 16.6.3), ein solches geworden wäre, steht in den Sternen. Zu erwarten stände vielmehr, daß er, wie in anderen Bereichen auch213, allenfalls eine Zwischenbilanz gezogen hätte. Heute liegen jedenfalls nur die Vorträge vor, durch die, selbst wenn man sich auf die zwanziger Jahre beschränkt, eine Vielzahl medizinischer Konzeptionen und therapeutischer Vorschläge neben- und gegeneinander stehen und in denen sich vor allem die »geistige« Konzeption und die theosophische Anthropologie als rote Fäden ziehen. Angesichts dieses Befundes sind selektive oder harmonisierende Zusammenstellungen nachträgliche Rationalisierungen eines amorphen Bestandes von Aussagen. Deshalb lasse ich in der folgenden Kompilation Steiners Denkbewegungen in ihrer lockeren Verknüpfung als Ausdruck eines bis zu seinem Tod unabgeschlossenen Suchprozesses bestehen214. Zu dieser konzeptionellen Vielfalt gehören auch die Anthropologie körperlicher »Systeme« und die Integration der Homöopathie. Aufgrund ihrer Bedeutung sind diese beiden Bereiche in separate Unterkapitel ausgegliedert. a. Geistige Medizin versus Materialismus Das konzeptionell wichtigste Elemente seit Steiners Konversion zur Theosophie, das »geistige« Verständnis seiner Medizin, gründet in der »übersinnlichen« Bestimmung von Gesundheit und Krankheit. Davon war bereits intensiv die Rede (s. o. 16.3), so daß nur zwei Zitate diese Dimension ins Gedächtnis rufen sollen: 1911 hatte er als okkultes Zentrum seiner Vorstellungen »übersinnliche, unsichtbare Kräfte« als »auf den Menschen einwirkende Einflüsse« in medizinischen Fragen ausgewiesen (GA 128',151), 1920 »das Zusammendenken des ganzen gesunden und kranken menschlichen Organismus mit den außermenschlichen 212 S.

o. Anm. 200 und Anm. 1. Etwa im theosophischen Fragment (s. 7.7) oder in den »Kernpunkten« (s. 14.5) oder im Schulungsweg (s. 7.4). 214 Ob die unterschiedlichen Formulierungen eines Themas (etwa der theosophischen Anthropologie) oder die nur punktuelle Einbeziehung anderer Themen (etwa der Astrologie) situationsabhängig war, läßt sich augenblicklich nicht sagen. Dazu bräuchte es eine dichte Kontextulisierung der medizinischen Vorträge, wobei nicht klar ist, ob dazu ausreichendes Material existiert. Nicht berücksichtigt wurde nur GA 27, weil das Maß der Kooperation zwischen Wegman und Steiner augenblicklich schwer nachvollziehbar ist. Immerhin finden sich keine Formulierungen, die älteren Aussagen Steiners widersprechen. 213

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Kräften, Substanzen, Wirkungsweisen überhaupt« als Angelpunkt bestimmt (GA 312,364). Ihre Letztbegründung fand diese Geistigkeit in Steiners Anspruch auf übersinnliche Erkenntnis (s. o. 16.3.3) Der geborene Gegner der geistigen Medizin war der Materialismus, der Seele und Geist als Dimension der medizinischen Anthropologie leugnete. Doch neben Steiners konfessorischem Antimaterialismus stand seine prinzipielle Akzeptanz der empirischen Medizin, wodurch er sich an wesentliche Elemente ihrer Konzeption band. So ist bei vielen, etwa psychischen Erkrankungen, deutlich, daß der Schatten des Materialismus länger war, als Steiner ihn wahrhaben wollte. Drei Beispiele mögen diesen Sachverhalt illustrieren: Als Grund für Hysterie gab er 1920 »das zu große Selbständigwerden der Stoffwechselprozesse« an (GA 312,41), wenngleich, wie er einen Tag später ergänzte, »unter den etwas ferneren Ursachen der Hysterie auch seelische Ursachen liegen« (ebd., 58). Oder: 1913 hatte er die künftige Entwicklung eines »physischen Organs« für die Reinkarnationserinnerung in »Brocas Organ« (also dem Sprachzentrum des Gehirns) postuliert (GA 152,21). Und 1920 äußerte er die Überzeugung, »der menschliche Wille« sei »von Leber, Milz und den anderen Unterleibsorganen ... gestützt«. Folgerichtig »muß« die »Geisteswissenschaft« bei Geisteskrankheiten zur »physischen Behandlung« führen, während bei physischen Erkrankungen »das Seelische« mitwirken solle (GA 312,378). Die Zuspitzung auf physische Faktoren bei Geisteskrankheiten ergibt zwar den schönen Chiasmus, daß körperliche Krankheiten geistig und geistige Krankheiten körperlich behandelt werden sollen, aber die rhetorische Figur verdeckt nicht die materialistische Dimension in Steiners Erläuterung. Konsequenterweise hielt Steiner die Psychoanalyse für eine Form »materialistischer Medizin« (GA 318,82). Steiner betrachtete seine somatischen Begründungen vermutlich als eine Möglichkeit, einer völligen Spiritualisierung seiner Konzeption zu wehren. In diesem Sinn hatte er bereits 1911 eine materielle Grundlage des Seelenlebens, ein »physisches Korrelat« (GA 1285,134; vgl. auch 131 f.), als unproblematisch erachtet, ohne, wie er 1920 meinte, »alles Seelisch-Geistige« in »Parallelvorgänge aufzulösen«, also materialistisch zu erklären (GA 312,56). Steiner suchte letztlich nach einem ganzheitlichen, Körper, Seele und Geist umgreifenden Modell. Indem er aber die empirische und geistige Medizin jeweils ohne Abstriche in seine Konzeption zu integrieren suchte, trat neben den dominierenden Spiritualismus in Einzelfragen immer wieder ein krasser Materialismus. b. Theosophische und andere Anthropologien Die theosophische Anthropologie der sieben Körperglieder (s. 7.3), der zweite rote Faden nach 1900, hat Steiner offenbar erst seit 1906 auf medizinische Fragen bezogen215 und Krankheiten aus der Korrelation zwischen diesen »Gliedern« er215 Diese Fehlanzeige gilt für den Vortrag »Physische Krankheiten und kosmologische Gesetzmäßigkeiten«, aus dem Jahr 1903, aber auch für einen weiteren Vortrag mit medizinischen Themen vom 22.10.1906; Steiner: Heilweise und Ernährung. Die Stichworte Ätherleib / Astralleib bei MeyerSteinbach: Medizinischer Index zum Vortragswerk Rudolf Steiners, 13-16.36-40, stammen alle aus den zwanziger Jahren.

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klärt. Insbesondere in den zwanziger Jahren versuchte er, die Theorie der Körperglieder für medizinische Fragen systematisch darzustellen, aber er hat sie parallel mit anderen Anthropologien verknüpft und das Konzept der Körpersysteme« (s. u. 16.5.3) entwickelt. Dadurch wurde sein Krankheitsverständnis komplexer, teilweise auch widersprüchlich, doch hat keine der konkurrierenden Anthropologien die theosophische aus ihrer archimedischen Funktion verdrängt. Die seit 1906 intensivierte Beschäftigung mit medizinischen Fragen216 kam vermutlich durch den Kontakt mit Anthroposophen zustande, die zugleich Ärzte waren, wie Felix Peipers (s. o. 16.4.1) und Ludwig No11217. So finden sich 1909 im Zusammenhang mit Peipers' therapeutischen Farbkammern Erwähnungen der theosophischen Menschenglieder (GA 57,209), aber erst 1911 läßt sich in der Vortragsreihe »Okkulte Physiologie« eine stärkere Einbeziehung erkennen. Steiner sprach aber nur kursorisch vom »Wirken des Ätherleibes« bis in die Organe (GA 1285,161, vgl. auch 38). Zugleich und noch häufiger machte er in dieser Reihe Anmerkungen zur Anthropologie der Körpersysteme, die er aber erst in den zwanziger Jahren entfaltete. Dieses Changieren spiegelt Steiners Suchbewegungen hinsichtlich einer medizinischen Anthropologie wider. In den zwanziger Jahren hat Steiner die theosophische Anthropologie in seinen medizinischen Vorträge intensiver expliziert, allerdings nur die vier niederen Glieder: physischer Leib, Ätherleib, Astralleib, Ich. Im April 1921 brachte er seine Vorstellung auf folgende Formel: »Im Astralleib sitzt eigentlich das, was mit den Krankheitsprozessen zu tun hat. Und dasjenige, was der astralische Leib verübt, das drückt sich ja wiederum hinein in den Ätherleib. Daher erscheint die Krankheit dann in ihrem eigentlichen Abdruck im Ätherleib. Aber der Ätherleib, der ist nicht dasjenige, was mit Krankheit unmittelbar zu tun hat.« (GA 313,41) »Die Gesundheit« sei »zugeordnet ... dem Ätherleib, wie die Krankheit dem Astralleib, und wie der Tod dem Ich. So daß Heilen, Gesundmachen heißt: die Möglichkeit haben, im Ätherleib die Gegenwirkungen zu bilden für die krankmachenden Wirkungen, die vom Astralleib ausgehen.« (ebd., 42)

1921 hatte er diese Begründung von Krankheit in einem modifizierten Verhältnis von Äther- und Astralleib beschrieben: »Das Astralische« sei der »eigentliche Ursprungsträger des Krankmachenden im Menschen«, sofern das »Gleichgewicht« beider gestört sei (GA 313,48). Allerdings konnte Steiner auch den Ätherleib zum Ausgangspunkt von Krankheiten machen. Im Januar 1924 behauptete er, daß der »Organismus« »krank« werde, wenn »die ätherische Organisation zu schwach« sei218. Als Beispiel fügte er an, daß der Körper »gewissen Substanzen« durch den Ätherleib »diejenige Konsistenz zu geben [habe], die sie haben müssen, um sich der Knochengestaltung einzufügen«219 (gemeint ist: um die Festigkeit der Knochen zu gewährleisten); hier könne der Mediziner durch Bleigaben

216 In Lucifer Gnosis, Heft 31, 1906, 606, kündigte er Ausführungen zu Karma und Gesundheit an, die aber wohl nicht erschienen sind. 217 Vgl. die Vermutung, daß Steiners Zyklus »Okkulte Physiologie« auf Noll gezielt haben könnte, bei Husemann: Ludwig Noll, 93. 216 Steiner: Einleitung unseres »Vademecums«, 13. 219 Ebd.

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(dazu s. u. 16.5.5a) helfen. 1924 meinte er, daß der Mensch »Durchfälle« bekomme, wenn die »Verdauungsorgane« zu stark von »astralischem Leib und Ich« durchsetzt seien; auch dagegen sollen Bleigaben helfen (GA 319,187 f.). In einer wieder anders gewendeten Konzeption bestimmte er im August 1924 Krankheit mit den Elementen der theosophischen Anthropologie, nun aber - strukturell der Humoralpathologie verwandt - als unausgewogene Mischung aller vier Körperglieder: Die »vier Glieder der menschlichen Organisation müssen zueinander im gesunden menschlichen Organismus ganz bestimmte Verhältnisse haben.« (ebd., 214). Neben der theosophischen Anthropologie und der Konzeption körperlicher »Systeme« hat Steiner weitere anthropologische Vorstellungen angetippt. Sie besitzen nur marginale Bedeutung in seinem OEuvre, illustrieren aber gerade in ihrer Randständigkeit eine Sammelleidenschaft, die nicht in einer systematischen Anverwandlung endete. So hielt Steiner im ersten Ärztekurs 1920 die »Bildungskrafte« der Lebewesen (GA 312,64) für einen wichtigen Faktor, um gleich hinzuzufügen, daß er die Vorstellung einer Lebenskraft, die ideengeschichtlich im Hintergrund steht, ihres Materialismus wegen ablehne. Darin mag ein Grund liegen, daß diese Konzeption keine große Karriere machte. 1921 differenzierte er »vier Ätherarten«, »den Wärmeäther, den Lichtäther, den chemischen Äther und den Lebensäther« (GA 313,28), und erwog deren Wirkungen auf den Ätherkörper. Doch auch dieses Konzept blieb ein erratischer Exkurs - vielleicht wegen seiner Überkomplexität. Im Januar 1924 erweiterte er die theosophische Anthropologie erneut: »Ich rede ... vom physischen Menschen, der dem physischen Leib zugeordnet ist, vom flüssigen Menschen, der dem ätherischen Leib zugeordnet ist, vom gasförmigen Menschen, das heißt von der Tätigkeit alles gas- oder luftartigen, der dem astralischen Leib zugeordnet ist« und dem »Wärmemenschen« (GA 316,17). Er nannte noch weitere Einzelheiten: Der »Flüssigkeitsmensch« sei gekennzeichnet durch die »Flüssigkeitsströmung im menschlichen Organismus« und »abhängig« von »planetarischen Kräften« (ebd., 16), und die »differenzierte Wärme« können man »hinter dem Ohr oder unter der Achsel« messen (ebd., 17)220. Aber auch diese Komplexitätssteigerung blieb am Rande liegen. c. Gesundheit und Krankheit Steiner betonte an einigen Stellen, daß nicht der kranke, sondern der gesunde Mensch der Bezugspunkt des ärztlichen Handelns sein müsse (z. B. GA 314,12). Dies war eine Spitze gegen die universitäre Medizin und ihre Pathologie, deren Erkenntnisgewinnung durch die Konzentration auf Krankheiten und Todesursachen gekennzeichnet war, die sich wiederum in häufigen Sektionen niederschlugen und die er mehrfach kritisiertem. Die Orientierung am Gesunden hatte Steiner in der Naturheilbewegung kennengelernt, wie er 1909 dokumentierte

22o Steiner kam noch in einem weiteren Vortrag auf diesen Vorstellungskreis zu sprechen (GA 316,89-102). 221 Vgl. Steiner: Einleitung unseres »Vademecums«, 11f. oder GA 312,21. »Viel wichtiger ist, ... die äußere Physiognomie des Krankheitsbildes zu beobachten als durch die Autopsie die defekt gewordenen Organe« (ebd., 42).

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(GA 57,189). Ihre dominante Rolle in der aktuellen anthroposophischen Medizin dürfte sie aber erst in der postumen Rezeptionsgeschichte erlangt haben. Krankheit sah Steiner im Kern als Epiphänomen geistiger Prozesse: »Man muß natürlich so weit kommen, daß man alles sogenannte Materielle als Geistiges anzusehen in die Lage kommt.« (GA 312,323) Konsequenterweise beruhe »die Erkenntnis der Heilmittelwirkungen ... auf dem Durchschauen der außermenschlichen Welt vorhandenen Kraftentwicklungen.« (GA 27,81) Als Verursacher identifizierte er den ersten theosophischen Jahren geistige Wesen222 später sprach er lieber von anonymen, etwa »außerirdischen, außerterrestrischen Kräften« (GA 312,29). Dazu kam das Karmakonzept als Krankheitsbegründung, so daß divergierende Konzepte nebeneinander bestanden. Verbindend blieb jedoch ein »geistiges« Krankheitsverständnis, das sich bis in die Wirkungsbegründung von Arzneimitteln hinein verfolgen läßt. Die »Wirkung gewisser Metalle auf den menschlichen Organismus« etwa hielt er für gegeben, weil »das Materielle in einer bestimmten Beziehung zum Geiste steht« (GA 96,166). Aus diesem Grund blieb sein Gegner in der Bestimmung von Krankheit auch in den zwanziger Jahren die empirische Medizin des 19. Jahrhunderts: Der Pathologie etwa mit ihrem »empirisch-statistischem Denken« wollte er »eine gewisse Ratio« vermitteln (GA 312,78) oder der Bakteriologie mit ihrer »Bazillentheorie« das »Ablenken auf das sekundäre« austreiben (ebd., 379), und natürlich hatte er Rudolf Virchow mit seiner Zellularpathologie im Visier, dem er eine materialistische Krankheitsauffassung vorwarf (ebd., 23). In Abgrenzung zur universitären Pathologie konnte er Krankheit dezidiert positiv interpretieren. Sie sei nicht nur »funktionelle Beeinträchtigung« oder »negative« Abweichung (ebd., 15. 25), sondern vielmehr mit einer »positiven Vorstellung« (ebd., 25) zu deuten, Krankheiten seien »im Grunde genommen ganz normale Naturprozesse ..., [die] nur eben durch bestimmte Ursachen hervorgerufen sein müssen« (ebd., 26). Krankheit konnte er aber auch als Ungleichgewicht verstehen. Gleichgewichtsmetaphern spielen in Steiners medizinischen Vorstellungen durchgängig eine wichtige Rolle, wenn er etwa vom »Gleichgewicht der Organe« sprach (GA 3192,164) oder von einer »Polarität im Menschen« (GA 312,38) oder in der Anthropologie der Körpersysteme die Balancierung körperlicher Funktionen forderte (s. u. 16.5.3). Krankheit konnte Steiner im physischen als »Unregelmäßigkeit«, als >nicht richtiges< »Wechselverhältnis ... zwischen dem Oberen und dem Unteren« (ebd., 39. 83) deuten, wobei die Definition von oben und unten nicht funktionalen, sondern ästhetischen Evidenzen folgte: Daß er »Hustenreiz« zu »dem Oberen«, »Diarrhöe« zu »dem Unteren« rechne, müsse dies auch in der Therapie die Wechselwirkung beider Phänomene beachtet werden (ebd., 39). Doch jenseits des konkreten Beispiels handle es sich um ein Prinzip: »Wir finden immer ein entsprechendes Gegenbild für ein Oberes in dem Unteren.« (ebd.) Therapeutische Modelle waren in diesem Konzept keine punktuellen Eingriffe, sondern die Austarierung komplexer Beziehungen. Historisch ist die Nähe zu 222 1903 etwa sah er den Grund von Krankheit im Wirken der »Meister der Weisheit«, die zuviel Weisheit auf die Erde verbracht hätten; Steiner: Physische Krankheiten und kosmologische Gesetzmäßigkeiten, 5 und 7. Dies sei eine »Tatsache ... aus der okkulten Geschichtsforschung« (ebd., 7).

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Konzeptionen der klassischen Medizin evident, denn auch in den humoralpathologischen Konzepten ist ein Gleichgewicht - hier: von Säften - der Angelpunkt der Denklogik. Steiner hat diese Nähe gesehen und die Einsichten seiner Vorläufer als Ergebnisse »alten atavistischen Schauens« abgewertet und zugleich akzeptiert (ebd., 16). d. Mythologische Krankheitsbegründung Seit 1909 arbeitete Steiner mit einem weiteren Konzept, der Polarität zweier mythologischer Wesen, von Ahriman und Lucifer (s. 8.3.2c); so klassifizierte er 1917 »technisch-mechanische, physikalische, chemische und ähnliche Gedanken« als »ahrimanisch« (GA 180,53). Vor dem Ersten Welkrieg benutzte er dieses Paar auch zur Erklärung von Krankheiten, behauptete etwa 1910, daß für manche Krankheitsformen gezeigt werden könne, »wie man eigentlich zwei Typen von Krankheitsformen unterscheiden müßte: ahrimanische und luziferische Krankheiten«. »Im letzten Grunde« seien »das ahrimanische und das luziferische Prinzip im Krankheitsverlauf tätig«, wie er »gezeigt« habe. Der »Urgrund« einer Erkrankung könne »im ahrimanischen oder luziferischen Wirken« liegen. Wo wir es beispielsweise »zu tun haben mit Warm und Kalt, haben wir einen Typus luziferischer Krankheitsformen«. Diesen Typen ordnet Steiner Therapien zu, die er gleichfalls mythologisch erklärte, etwa: Da die »Prinzipien der Elektrizität« in den Bereich der »ahrimanischen Wesenheiten« fielen, könnten ahrimanische Krankheiten mit einer Elektrotherapie behandelt werden (GA 120,88). Nach dem Krieg hat Steiner nur noch selten auf das Ahriman-Luzifer-Paar zurückgegriffen, aber immerhin 1923 auf Anfrage von Bauarbeitern am Goetheanum nochmals Krankheiten mit einem Ungleichgewicht in der Polarität von Ahriman und Luzifer erklärt (GA 349,221-226). Es ist aber unübersehbar, daß diese mythologischen Gestalten nach dem Krieg durch weniger narrative Erklärungsformen zurückgedrängt oder ausgetauscht wurden. Während er 1923 bei der Erklärung »sklerotischer« Effekte (ebd., 221) nur ausnahmsweise »ahrimanische« Wirkungen als »Verhärtung« (ebd., 226) angab, erklärte er 1924 die »skierotisierende Wirkung« (GA 319,239) als Effekt zu großer Geistigkeit. e. Analogiedenken Steiners Denken ist stark von einer anschauenden Wahrnehmung geprägt. Ein wichtiges Bezugsfeld war dabei die Biologie, allerdings in ihrem noch vergleichsweise gegenständlichen Naturzugang vor 1900, vor ihrer Erweiterung zur Biochemie. Seine wissenschaftliche Autorität war bis zum Lebensende Ernst Haeckel, der seine Theorien ästhetisch plausibilisierte. Dazu kam Steiners Prägung durch den Goetheanismus des ausgehenden 19. Jahrhunderts, der die makroskopische Morphologie gegenüber der weniger anschaulichen mikroskopischen Analytik präferierte und insofern analog zu Haeckel argumentierte (der sich ja wiederum auf Goethe bezogen hatte). Auch als Theosoph traute Steiner der subjektiven Gewißheit eigener Anschauung mehr als den vermittelten, nicht »erlebbaren« Einsichten einer Naturwissenschaft, die nur mit dem Medium des technischen Apparates zugänglich ist. Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, daß Steiner auch in seinen medizinischen Konzepten zu Modellen tendierte, die

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einer Eidetik ohne technische Hilfsmittel verbunden waren und die er durch Analogiekonstruktionen operationalisierte. Dazu drei Beispiele: - Krebs erklärte Steiner mit der Vorstellung, der Mensch werde »zu stark Erde, indem er die Krebsbildung in sich hat; er bildet zu stark die Erdkräfte in sich aus. Diesen übertriebenen Erdkräften muß man diejenigen Kräfte entgegensetzen, die einem Zustande der Erde entsprechen, wo das Mineralreich und die heutige Erde noch nicht da waren.« Solche Gegenkräfte fand er in der Mistel, die auf Bäumen wächst und die Kräfte aus der Zeit speichere, »bevor unsere Erde diese feste mineralische Erde geworden ist« (GA 3192,199). (s. u. 16.5.5b) »Und es wird ganz zweifellos aus der Anschauung [sic] der Wesenheit dieser Krankheit das Heilmittel gefunden, das die gewöhnlichen Heilungsprozesse, die Operationsprozesse, allmählich unnötig machen wird.« (ebd., 200) - Bei Verdauungsstörungen empfahl Steiner im Frühjahr gestochene Enzianwurzeln. »Verwenden wir aber die Enzianwurzeln, indem wir sie im Herbst ausgraben, wo der ganze Enzian darauf hin organisiert ist, gerade abzubauen, dem ähnlich zu werden, was der astralische Leib im Menschen bewirkt, dann wird nichts aus der Heilung; im Gegenteil, dann verstärken wir die Verdauungsunregelmäßigkeit.« (ebd., 195) - Beim Heuschnupfen handle es sich um einen Prozeß, in dem »die StoffwechselGliedmaßenorganisation ... in die Nerven-Sinnesorganisation hinein« gehe223. Dabei handle um »jene zentrifugalen Prozesse, wo die Stoffwechsel-Gliedmaßentätigkeit zu stark nach der Peripherie des Organismus hingelenkt ist« und auch die ätherischen Kräfte nach außen gelenkt würden. Er versuche, diesen Vorgang zu »paralysieren« »mit einem Präparat, das gewonnen wird aus solchen Früchten, die sich mit bestimmten Schalenbildungen umkleiden, wo durch die Schalenbildung das Ätherische im Stoffwechsel zurückgetrieben wird. Wir setzen in unserem Präparat den zu stark auftretenden zentrifugal wirkenden Kräften im Heuschnupfen andere, stark zentripetal wirkende Kräfte entgegen, die die ersteren bekämpfen« (ebd., 200). Das Funktionsprinzip derartiger Vorstellungen bildet die analoge Übertragung anschaulicher, lebensweltlicher Vorgänge auf den nicht unmittelbar sichtbaren Funktionsmechanismus von Krankheiten. Der Angelpunkt ist dabei die Verwandlung homologer Funktionen in analoge. Die abschottende Wirkung von Schalen soll auch den Heuschnupfen zurückhalten, die Mistel soll ihre Fähigkeit, ohne festen mineralischen Boden zu leben, zur Rückbildung eines Krebsgeschwulstes einsetzen, und die aufbauenden Kräfte der Enzianwurzel im Frühjahr sollen auch die Verdauung wieder in Gang bringen. Der Aufzählung analoger Elemente wird eine homologe Substruktur unterstellt, eine Grenze für die Verknüpfung heterogener Gegenstände durch ein analoges Denken gibt es dann kaum noch. Damit werden komplexe Zusammenhänge visuell erfaßbar und können in nichtwissenschaftliches Wissen integriert werden. In der Geschichte der Diagnostik sind solche mit ästhetischen Analogien arbeitenden Modelle etwa als Signaturenlehre bekannt. Ob oder an welche Vorstellungen sich Steiner 22'

Zu dieser Anthropologie s. u. 16.5.3.

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angeschlossen hat, ist allerdings augenblicklich unklar. Von der Laienmedizin bis zu esoterischen Signaturenlehren ist vieles denkbar. Der Spannung zwischen metaphorischer und analytischer Sprache hätte Steiner mit einer Reflexion über die hermeneutischen Implikationen seines Vorgehens viel von ihrer Brisanz nehmen können. Steiner benannte zwar manchmal Aspekte des Problems, wenn er etwa gestand, über die Voraussetzungen seines Reden aus Zeitmangel nicht zu sprechen", doch wurde die Problemlast solcher Klauseln nicht bearbeitet. Es gibt bei Steiner keine Hermeneutik ästhetischer und sprachlicher Metaphern. f Individualisierte Diagnostik und Therapie Eine individualisierte Medizin, die sich um die ganz persönliche Disposition eines Kranken bemühe, gilt heute als ein Charakteristikum anthroposophischer Medizin. Steiner gab in der Tat an einigen Stellen Hinweise zu individuellen Behandlungen und konnte eine »Individualisierung ... in der Medizin« fordern: Beispielsweise sei »bei syphilitischen Erkrankungen das Krankheitsbild bei einem fetten Menschen ein ganz anderes ist als bei einem mageren Menschen« (GA 314,173 [19231)225. Damit korrespondieren Aussagen, die »Selbstheilungsvorgänge«226 für eine Therapie als besonders bedeutsam erklären. Diese Individualisierungstheorie besaß in Steiners medizinischem O3uvre allerdings wohl keine herausragende Bedeutung, erlangte jedoch eine Schlüsselstellung in seiner Rezeption durch die anthroposophischen Ärzte. Historisch dürften die Wurzeln dieser Konzeption ihre Wurzeln in der Alternativmedizin haben und besaßen namentlich in der Homöopathie eine wichtige Rolle. Um 1900 war Individualisierung ein Merkmal einer Bewegung gegen die universitäre Medizin, die immer stärker verallgemeinerbare Krankheitsmerkmale ihren Diagnosen und Therapien zugrundelegte und immer weniger die individuelle Lebenswelt der Patienten kannte227. g. Alternativmedizinische Therapieformen Im Vergleich mit der Vorkriegszeit war Steiner in den Vorträgen der zwanziger Jahre zurückhaltend gegenüber alternativen Behandlungsmethoden. Das offene Ohr für die Farbtherapie mit Kammern (16.4.) war nun fast verschlossen228, den Vorschlag der Behandlung mit einer »Elektrotherapie« (GA 120,88 [19101), die damals noch zur Naturheilkunde zählte229 und gerade nicht als Instrument einer

224 »Wir können nicht jenen wissenschaftlichen Weg einschlagen, wo man gewissermaßen bei den Axiomen beginnt und dann zu dem immer Komplizierteren aufsteigt.« (GA 312,210) Steiner begründete dies mit Zeitmangel. 229 Vergleichbare Aussagen finden sich etwa 1911: Es gebe »naturgemäße Heilkräfte im eigenen Leibe«, »es muß unser Organismus die in ihm liegenden Heilkräfte aus sich entwickeln« (GA 15,17). 22e In GA 277,24 beispielsweise im »ätherischen Organismus« angesiedelt. 227 Ein Beispiel ist dafür der Übergang vom Hausbesuch zur Sprechstundenempfang; Huerkamp: Medizinische Lebensreform im späten 19. Jahrhundert, 159. 229 Zwar finden sich Hinweise auf deren Nutzen (GA 312,301 f.), in der Praxis hat es aber keine der Peipersschen Therapie vergleichbare Anwendung mehr gegeben. 229 Ulmer: Naturheilkunde und Sanatorien, 519.

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»Apparatemedizin« galt, sucht man nun vergebens23Ö, und auf Baunscheidt-Anhanger hat er nicht positiv reagiert. Andererseits ist die hohe, vermutlich dominierende Präsenz alternativmedizinischer Methoden unübersehbar. So hat er mit der »Heileurythmie« die anthroposophische Tanzform als körperbezogene Therapie integriert231, zu der es in der »Schulmedizin« in diesen Jahren kein außer der funktionellen, orthopädischen Gymnastik kein Pendant gab. Steiner ging davon aus, daß die Bewegung »sich ergießt in innere Vorgänge des menschlichen Organismus« (GA 315,104), wobei er in diesem Kontext im wesentlichen an die Organsysteme dachte. Steiner betrachtete sie als eine im Vergleich zur Sprache stärker »nach dem Willensmäßigen hin orientierte« Möglichkeit (ebd., 101), auf Krankheit einzuwirken. Andererseits blieb er gegenüber körperbezogenen Praktiken der Naturheilbewegung wie dem Nacktbaden abstinent232. Aber alternativmedizinische Behandlungsformen finden sich weit über die Tanztheraphie hinaus. Noch 1924 hat Steiner »heilmagnetische Kräfte« zwischen Ätherleibern (GA 316,103), magnetische Wirkungen im Rahmen von Elektrotherapien, die allerdings noch nicht ganz »spruchreif für die äußere Wissenschaft sein« (GA 313,60) oder die Irisdiagnose akzeptiert (GA 316,110f.), auch Graphologie und Chiromantie, wenn »man eine wirkliche Inspiration hat« (ebd., 111). Auf die Homöopathie ist er zugegangen - allerdings mit großen Vorbehalten (s. u. 16.5.4). Wendet man den Blick auf seine ärztliche Praxis, finden sich weitere, insbesondere hydrotherapeutische und diätetische Anwendungen - von Levicowasser bis Mohnmilch (s. u. 16.7.3). Zur wichtigsten Strömung, dem Vegetarismus, besaß er in den zwanziger Jahren aber ein eher pragmatisches Verhältnis (»ich agitiere nicht« [GA 312,197] ). Er präferierte pflanzliche Ernährung, akzeptierte aber auch den Fleischverzehr (ebd., 196 f.)23. Steiners ernährungspraktische Hinweise bedürften allerdings einer gesonderten Analyse. Steiner suchte nach Wegen, Alternativtherapien sowohl zu vereinnahmen als auch sich von ihnen abzugrenzen und seiner Medizin ein eigenes Gesicht zu geben. Es waren vermutlich nicht zuletzt die Mitglieder der Theosophischen respektive Anthroposophischen Gesellschaft, die immer wieder mit Fragen nach dem Mehrwert einer alternativen Therapie an ihn herantraten (z. B. GA 316,141).

23o Die entsprechende Literatur in Steiners Bibliothek könnte auf ein nach 1900 vermindertes oder fehlendes Interesse am Heilmagnetismus deuten falls, aber das ist nicht sicher, das Erscheinungsdatum etwas mit ehemaligem Kaufdatum zu tun hat. William Maxwells »Drei Bücher der magnetischen Heilkunde« stammen von 1855, ein »Unterrichts-Kursus über den Heilmagnetismus« von 1900; siehe: Anonym: Aus der Bibliothek von Rudolf Steiner. Verzeichnis der medizinischen Literatur, 58. 55. Ein nichtdatiertes (spätestens 1921 erschienenes) Werk von Nils Liljequist (1851-1936), einem Pionier der Irisdiagnose, zur Augendiagnose durch Elektro-Homöopathie (Anonym: Aus der Bibliothek von Rudolf Steiner. Verzeichnis der medizinischen Literatur, 59) könnte sich auf ein Interesse an den Methoden von Cesare Mattei beziehen (s. o. 16.2.2). 23' Zur Geschichte der Heileurythmie vgl. Hueck: Aus der Entstehungszeit der Heileurythmie. 232 Vgl. Regin: Selbsthilfe und Gesundheitspolitik, 208-212, die aber deutlich macht, wie sehr Steiner damit im prüden Trend der Zeit lag. 233 GA 266a,555 (vermutlich 1904) oder ebd., 416 (1908). Ähnlich pragmatisch GA 148,256 (1923) und GA 300c,228. 285 f. (ebenfalls 1923).

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Gegenüber einer Monopolisierung einer Alternativmedizin hielt Steiner an der konstitutiven Bedeutung der empirischen Universitätsmedizin fest, doch spätestens in der Praxis sah alles wieder anders aus: Die Dominanz homöopathischer Heilmittel, die fortgesetzte Verwendung der Ritterschen Medikamente und nicht zuletzt die Anwendungen, die Steiner selbst vorschrieb, bescherten den in der Theorie auf Äquidistanz gehaltenen Alternativtraditionen eine große, weitenteils sogar dominierende Bedeutung. h. Religiöse Medizin Es lag in der Konsequenz von Steiners Ansatz, die implizit religiöse Dimension seiner Medizin explizit zu machen und die in der universitären Medizin oft konkurrierenden Kompetenzbereiche von Seelsorge und somatischer Therapie zu verbinden. 1922 hatte er die Metapher der »Arzenei« in die Ritualtexte der »Menschenweihehandlung« aufgenommen234. Ein Jahr später war Ita Wegman an ihn mit der Frage nach einer »Mysterienmedizin« herangetreten235, in deren Folge sich Äußerungen finden, wonach er »neben der Mysterienstätte die Klinik« sehen wollte, um ein »wirkliches Totalverhältnis der menschlichen Wesenheit zur gesamten Welt zu erhalten«, wie er im Juli 1924 meinte (GA 3192,202). Vielleicht spielte in der religiösen Einfärbung der Medizin auch die Option eine Rolle, das ausgegrenzte Territorium der Psychoanalyse und Psychotherapie doch noch zu integrieren. Zu einer programmatischen Thematisierung der Verbindung von Religion und Medizin kam es im September des gleichen Jahres, drei Wochen vor dem Ende seiner Vortragstätigkeit, als Priester der Christengemeinschaft ihn um eine Verbindung von kultischer und therapeutischer Praxis baten (GA 318,11). Steiner richtete einen »Pastoral-Medizinischen Kurs« »für Ärzte und Priester« aus. Veranstaltet wurde die Vertragsreihe explizit von der medizinischen Sektion, und »daran können ja die Theologen teilnehmen« (ebd., 12), wie Steiner festhielt, um auch in der Medizin den Primat der Anthroposophie gegenüber der Theologie zu fixieren. Die Aufgabenbereiche beider Berufsgruppen der »Pastoralmedizin« (ebd., 93. 161) grenzte er als differente, aber äquivalente Funktionen ab: »Dem Priester gehört die Opferflamme, dem Arzt der Merkurstab. Und durch das Zusammenwirken von Opferflamme und Merkurstab ist allein ein gedeihliches Wirken möglich. Man soll nicht mit der Opferflamme heilen und mit dem Merkurstab Kultus zelebrieren. Aber man soll einsehen, daß beides Gottesdienst ist.« (GA 3184,10)

Die »Anknüpfung ... an altes Mysterienwesen« (ebd., 151) glaubte er nun verwirklicht. Doch hinter der scheinbar rationalen Trennung von Aufgaben und der Forderung nach einem »polarischen« »Zusammenwirken« von »therapeutischem Wirken und dem Zelebrieren« (GA 3184,17f.) dürfte ein Konflikt um den Status dieser religiös explizierten Medizin gestanden haben. In Steiners Forderung, daß weder Anthroposophen »Propaganda für Kurpfuscherei« treiben noch »Theo-

234

Hapatsch: Die Kultushandlungen, 28. u. Anm. 377.

235 S.

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logen Kurpfuscher werden« dürften (ebd., 11), taucht seine Furcht wieder auf, die anthroposophische Medizin könne in einer religiös aufgeladenen Variante dem Professionalitätsanspruch empirischer Universitätsmedizin nicht genügen. Doch möglicherweise reichte Steiners Unbehagen weiter, fürchtete er doch, die Christengemeinschaft werde als Krone der Anthroposophie mißverstanden (s. 18.3.2). Und offenbar war seine einleitende Hierarchisierung der Medizin vor der Theologie (GA 318,12) bei den Teilnehmern nicht in seinem Sinn angekommen. Vor diesem Hintergrund erhält eine für Mediziner anberaumte Ansprache am 18. September, dem letzten Tag der Vortragsreihe, von der die Priester ausdrücklich ausgeschlossen waren, ihre Brisanz. Darin erfuhren die Hörer von der Gründung eines esoterischen Ärztekreises: Es »ist von Frau Dr. Wegman und mir Veranlassung genommen worden, zunächst einen ersten esoterischen Impuls dadurch zu geben, daß ein durchaus erweiterbarer esoterischer Kern geschaffen worden ist, der ... zunächst nur aus einer Anzahl von praktischen Ärzten besteht, welche ihrerseits jene Angelobung geleistet haben, die für das esoterisch-medizinische Wirken notwendig ist.... Dr. Walter, Dr. Bockholt, Dr. Zeylmans, Dr. Glas, Dr. Schickler, Dr. Knauer, Dr. Kolisko. Zwei andere Persönlichkeiten sind noch in Aussicht genommen, die sind jetzt nicht hier.« (GA 3184,165 f.)

Dies war eine Steilvorlage für die Ärzteschaft, den religiösen Anspruch der anthroposophischen Medizin nicht der Priesterschaft zu überlassen236. Die Ärzte sollten die Mysterien selbst beerben. Medizinhistorisch könnte man auf eine Reihe von zeitgleichen Bemühungen in der Alternativmedizin und in alternativen religiösen Gemeinschaften verweisen, in denen Heil und Heilung verbunden wurde: Auf das genannte »Gesundbeten« von Christian Science (s. o. 16.2.2.) oder auf Heilungsversprechen im Spiritismus237, auf religiös amtierende Laienheiler238 oder auf die im Katholizismus verbreiteten Heilungswallfahrten. Ob Steiner allerdings konkrete Vorbilder hatte, ist unklar und nicht zwingend anzunehmen, da das Thema ihm seitens der Priester der »Christengemeinschaft« zugetragen wurden - und im übrigen war es im Zeitgeist weit verbreitet. i. Karma Zu Steiners religiösen Imprägnierung der Medizin gehörte die theosophische Karmalehre239. Schon in Äußerungen aus dem Jahr 1903 hatte er vom »Aufbau der menschlichen Organe aus kosmischen Karmakräften« gesprochen240, und 1910 »Krankheiten« im Kontext des Karmakonzeptes als »mächtige Erzieher« vorgestellt (GA 120,86), die etwa eine Lungenentzündung als Straffolge der »Neigung zu sinnlichen Ausschweifungen« in einer früheren Inkarnation verhänge, 236 Vgl. auch Steiners Äußerung vom Januar 1924, wonach der Arzt mit seinem »therapeutischen Wissen« »tief in die menschliche Seele eindringt«, wenn er die karmische Disposition eines Kranken berücksichtige (GA 316,121). Seelsorgerliches und medizinisches Wissen waren damit untrennbar verknüpft. 237 Linse: Der Spiritismus in Deutschland, 105 f. 236 Vgl. Faltin: Heil und Heilung. 239 Vgl. Krafft: Die anthroposophische Heilmittellehre, 64-69. 240 Steiner: Physische Krankheiten und kosmologische Gesetzmäßigkeiten, 5.

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um den »Charaktermangel« des vorhergehenden Lebens ablegen zu können (GA 120,87). Auch in den medizinischen Vorträgen der zwanziger Jahre hielt er, wenn auch nicht häufig (und wieder mit teilweise materialistischen Konnotationen241) an der Geltung des »Karmagesetzes« fest. Dabei ergab sich allerdings das Problem der Freiheit des Handelns: Denn die als notwendig deklarierten Folgen des Karmagesetzes waren mit der Freiheit des Arztes zur Heilung und mit den Selbstheilungskräften des Körpers und deshalb mit der Freiheit des Kranken in Einklang zu bringen. Am 9. Januar 1924 gab er dazu ausführliche Erklärungen: »Es ist ja vor allen Dingen zu betonen, daß selbstverständlich nicht gegen das Karma geheilt werden kann. das muß im wesentlichen des Arztes Gesinnung sein« (GA 316,121). Damit waren der ärztlichen Therapiefreiheit manifeste Grenzen gezogen, doch sogleich öffnete Steiner wieder einen Spielraum: »Man kann schon sagen, daß das Karma in einer gewissen Weise da- oder dorthin durch unsere Taten [der Ärzte, HZ] gewendet wird. Fatalist kann derjenige, der das Karma versteht, niemals werden.« (ebd., 122) Karma »gibt Festigkeit und Sicherheit im Leben«, aber »der Wille zum Heilen ... darf niemals eine Beeinträchtigung erfahren ... selbst wenn man die Meinung hat, daß der Kranke unheilbar ist« (ebd.). Damit aber bleiben »Festigkeit und Sicherheit«, die durch das Karma gegeben sind, und der »unbedingte« »Willen zum Heilen« nebeneinander stehen, die deterministische Spitze des Karmadenkens und die voluntaristische Spitze der ärztlichen Heilung werden nicht ausgeglichen. Immerhin lag in dieser Unentschiedenheit eine Entschärfung der deterministischen Wirkungen, die Steiner 1910 noch stärker erwogen hatte: »Es erscheint durchaus im Karma begründet, daß die eine Krankheit ausgeht mit der Heilung, die andere mit dem Tod.« (GA 120,90) Aber letztlich bleibt im Prinzip die fast aporetische Spannung zwischen dem Geltungsanspruch des Karmagesetzes und der therapeutischen Freiheit bestehen. j. Astrologie und Alchemie Neben dem karmischen Denken suchte Steiner auch andere esoterische Traditionen zu beerben, etwa die Spagyrik oder die Astrologie. Die »Saturnkräfte« sowie die »Jupiter- und Marskräfte« beschrieb er 1924 in Kontinuität zu den Erkenntnissen der »Astrologen«, die von solchen Effekten »noch ein Bewußtsein« gehabt hätten (GA 316,180). Für Steiner regelte etwa »der Mond die Gestalt, der Saturn von der Erde aus das gestaltlose Geistige, ... und die Sonne bewirkt den Rhythmus zwischen beiden« (ebd., 181)242. Auch die Wirkung von Heilmitteln konnte Steiner astrologisch interpretieren: So war für ihn »das Zusammenwirken, planetarisch gesprochen, von Merkur, Venus und Mond« eine »antimonisierende Kraft« (GA 312,354).

241 So hielt er die Lymphwege für einen Kanal karmischer Wirkungen: »Derjenige, der mit geistigem Auge untersucht die Nervenwege, wie sie sich auf den Sinneswegen hineinbilden, der findet auf diesen Wegen das Karma. Das strömt da ein.... Die Lymphwege sind zu gleicher Zeit die Anfänge der Karmawege für die Zukunft« (GA 3184,106). 242 Eine Nähe zur Astrologie ergibt sich schon aus dem Konzept der geistigen Belebtheit der Planeten; vgl. exemplarisch GA 318,146 f. oder GA 316,181.

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Derartige Verbindungen von planetarischen und stofflichen Wirkungen sind eng mit alchemistischen Vorstellungen verbunden. Diesen Zusammenhang hatte Steiner bereits 1911 folgendermaßen dargestellt (GA 1285,166): Saturn Jupiter Mars Sonne Merkur Venus

Milz Leber Galle Herz Lungen Nieren

Blei Zinn Eisen Gold Quecksilber Kupfer

Konkret soll eine »übermäßige innere Regsamkeit der Galle«, die dem Mars zugeordnet ist, mit dem korrespondierenden Metall, Eisen, gedämpft werden (ebd., 165). Auch pflanzliche Heilmittel hat Steiner mit kosmisch-planetarischen Kräften korreliert243. Nach dem Ersten Weltkrieg hat er weiterhin auf diese astrologisch-alchemistische Dimension Bezug genommen (vgl. GA 316,182244), aber auch Metalltherapien ohne explizit astrologischen Verweis benutzt (z. B. GA 3192,187). Medizinhistorisch lassen sich mit Steiners Korrelationstabellen zu Planeten, Organen und Metallen Beziehungen zur frühzeitlichen Alchemie herstellen. Die Korrelationen zwischen Planeten und Metallen etwa sind identisch mit alchemistischen Tafeln des 16. Jahrhunderts unter dem Pseudonym des Basilius Valentinus245 den Steiner in seinen Schriften im Zusammenhang mit Antimontherapien (GA 312,352) erwähnte246. Aber für seine Hörer gab es auch die Möglichkeit, die astrologischen Elemente auf die theosophische Kosmologie zu beziehen, in deren evolutiver Aufstiegsleiter die gleichen Planetennamen vorkommen (s. 7.6.3). Welche Quellen Steiner letztlich benutzt hat, ist unklar, für direkte Rückgriffe auf frühneuzeitliche Konzeptionen gibt es aber keine Indizien.

16.5.3 Die Anthropologie körperlicher »Systeme« In aktuellen anthroposophischen Darstellungen zur medizinischen Anthropologie erscheint neben den theosophischen Körperhüllen eine Anthropologie körperlicher »Systeme« als eigenständige Beschreibung des »leiblichen Organismus«"', also der Physis, die Steiner in den zwanziger Jahren vorgenommen habe. Und in der Tat hat er sich in den medizinischen Kursen mehrfach zu derartigen 243 Vgl. dazu Krafft: Anthroposophische Heilmittellehre, 35-44. z44 In dieser Aufstellung ist auch der Mond, korreliert mit Silber, aufgenommen (s. 16.5.5a). 245 Eine mit Steiners Zuordnungen identische Tafel unter dem Namen des Basilius Valentinus in: Meyers Enzyklopädisches Lexikon, Bd. I, Mannheim u. a. 1971, 648. Rothschuh: Konzepte der Medizin, 78, bietet eine Tabelle, die er als weit verbreitet bezeichnet und die nur hinsichtlich der Zuordnungen zum Merkur von Steiners Angaben abweicht. 24e Steiner realisierte an dieser Stelle die historische Fragwürdigkeit der »sagenhaften« biographischen Identität des Basilius Valentinus, hinter dem sich eine Vielzahl von Autoren verbergen dürfte. Vgl. Partington: A History of Chemestry, II, 183-190. 247 Z. B. Fintelmann: Intuitive Medizin, 43-63 (Zit. S. 58) oder Glöckler u. a.: Anthroposophische Medizin, 233-236.

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Körpersystemen geäußert. Diesen Komplex stelle ich zuerst in der letzten ausführlichen Fassung aus den zwanziger Jahren vor, in der Steiners Konzeption gut nachvollziehbar ist, um von diesem archimedischen Punkt aus die Fragen nach der Genese in Steiners Werk und nach möglichen früheren Quellen zu stellen. a. Die Konzeption der Körpersysteme im Sommer 1924 Im Juli 1924 erläuterte Steiner eine Physiologie, die drei Komponenten besitze und die er hier »Organisationen«, sonst aber häufiger »Systeme« nannte (z. B. GA 314,40 [9.10.1920]; GA 3192,168 [21.7.1924]): - die »Nerven- Sinnesorganisation«, - die »rhythmische Organisation« und - die »Stoffwechsel-Gliedmaßenorganisation« (GA 3192,166f.; auf S. 167 fällt aber auch der »System«begriff). Mit dieser Trias verband Steiner zentrale Körperfunktionen (ebd., 166 f.): - im Nerven-Sinnessystem sei das »Vorstellungsleben« situiert; - im rhythmischen System Atemrhythmus, Blutkreislauf oder die Rhythmik von Schlafen und Wachen; - im Stoffwechsel-Gliedmaßensystem »alles Motorische, alles, was in Bewegung ist und mit den Gliedmaßen zusammenhängt, auf den Stoffwechsel zurückwirkt«. Diese Systeme seien funktional eng verknüpft, Steiner konzipierte eine nachgerade systemische Komplexität: Die Wirkungen des Stoffwechsel-Gliedmaßensystems, das »Träger aller Willenserscheinungen« sei, sah er ins rhythmische System »heraufkraften« und dort in »Gefühl« >übergehen< (GA 3192,168). Wenn beide in das Nerven-Sinnessystem »heraufkraften«, mache man sich »Gedanken« (ebd., 169). Das Nerven-Sinnessystem als »abbauendes« und das StoffwechselGliedmaßensystem »aufbauendes« sah er »polarisch einander entgegengesetzt« (ebd.). Zwischen diesen »oberen« und »unteren« »Polen« vermittle das rhythmische System (GA 312,38). Eine weitere Verschränkung ergab sich durch die Annahme, daß alle drei Systeme in unterschiedlicher Funktion in einem »Organ« vorhanden seien: »Ein Organ wie die Niere oder die Leber ist nur im hauptsächlichen Sinne Ernährungs- oder Ausscheidungsorgan, in einem untergeordneten Sinne ist es auch Sinnesorgan«; so nehme die Niere wahr, was sich im »Verdauungs- und Ausscheidungsprozeß« vollziehe (GA 3192,170). Zusätzlich konnte Steiner die theosophische Hüllen-Anthropologie mit den Körpersystemen kombinieren, etwa den Ätherleib dem Stoffwechselsystem und den Astralleib dem rhythmischen System zuordnen (ebd., 169) oder dem Astralleib die Abbaukräfte und dem Ätherleib die Aufbaukräfte zusprechen (ebd., 163), die auch dem Nerven- und dem Stoffwechselsystem zugewiesen werden können (ebd., 169). Krankheit definierte Steiner in diesen Vorstellungskreis als Störung des »Gleichgewichtes« der drei Organsysteme, ohne den Normalzustand zu definieren. Aber er nannte Beispiele: Sei etwa die Niere als »Hauptquell« eines »Krankheitsprozesses« identifiziert, erkenne man mit einer »geisteswissenschaftlichen«

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Diagnostik, »daß die Niere zu wenig Sinnesorgan ist für die umliegenden Verdauungs- und Ausscheidungsprozesse; sie ist zuviel Stoffwechselorgan, das Gleichgewicht ist also gestört« (GA 3192,174f.). Bereits 1921 hatte er auch schon Überlegungen zur Medikamentierung angestellt und seinen Organsystemen Potenzen der Homöopathie zugeordnet: dem Nervensystem hohe Potenzen, dem rhythmischen System mittlere und dem Stoffwechsel-Gliedmaßensystem niedrige Dosierungen (GA 313,77. 110f.). b. Die Genese der Vorstellung von »Körpersystemen« in Steiners OEuvre Steiner gab in den zwanziger Jahren eine Vorgabe zur Genese seiner Vorstellung der Körpersysteme. Die »Leitlinien«, behauptete er 1920, habe er in seinem 1917 (wohl im Herbst248) erschienen Buch »Von Seelenrätseln« »angedeutet« (GA 314,41) Z49, und 1924 meinte er, »etwa im Jahre 1917« von den Körpersystemen gesprochen zu haben (GA 319,166). Die anthroposophische Literatur ist dieser Datierung weitgehend gefolgt250. Diese Datierung kann aber so nicht stimmen, weil Steiner, wie die folgende Zusammenstellung seiner Äußerungen belegt, sich schon zu hochtheosophischen Zeiten mit Vorstellungen von Körpersystemen beschäftigt hat. Nun hat Steiner selbst in marginalen Äußerungen noch eine weitere Spur ausgelegt und 1924 behauptet, sich damit schon »dreißig Jahre« zuvor (man käme dann ins Jahr 1894) beschäftigt zu haben (GA 319,166)251, um unmittelbar darauf den Zeitraum der 1880er Jahre zu nennen. In den achtziger Jahren, als Steiner in Wien wohnte, finden sich zwar einige Bezüge auf die Medizin, ohne daß sich jedoch spezifische Anknüpfungspunkte für die Körpersysteme ausmachen ließen. Mit den neunziger Jahren beträte man die Weimarer Zeit, für die es aber keine Indizien einer intensivieren Beschäftigung Steiners mit medizinischen Fragen gibt. Wann Steiner erstmalig als Theosoph auf die Körpersysteme zu sprechen kam, ist nicht ganz klar252. Spätestens am 21. Oktober 1907, also in der Phase einer zunehmenden Beschäftigung mit medizinischen Fragen (s. o. 16.4), fiel der Systembegriff, als er das »Nervensystem« der »astralischen Welt« zuwies, das 248 Zur Datierung GA 21,10. 249 Schon 1922 hatte er auf den »Anhang« dieses Buches verwiesen (GA 314,119), der sich heute in GA 21,150-168, findet. 250 So meint Himmelsbach: Die WELEDA und die Entstehung ihrer Heilmittel, 20, Steiner habe »erst 1917« diese Anthropologie »explizit dargestellt». 251 Man darf Steiners Angabe nicht zum Nennwert nehmen, denn schon 1917 hatte er in diesem Zusammenhang einen Dreißig-Jahres-Vorlauf angegeben (GA 21,150). 252 Anthroposophische Aufstellungen entsprechender Äußerungen vor 1917 sind mir nicht bekannt; vermutlich hat man sie angesichts von Steiners eindeutiger Datierung unterlassen. Allerdings gibt es eine chronologische Aufstellung zu unterschiedlichen Konzeptionen der Sinneslehre bei Steiner, die vergleichbare Tastbewegungen, wie sie im folgenden nachgezeichnet werden, dokumentiert. Siehe Knobel: Zur Sinneslehre Rudolf Steiners; ders.: Zu den Aufzeichnungen Rudolf Steiners über die Sinne des Menschen. Die folgenden Datierungen zu den Körpersystemen dürften in der Nähe der Erstnennungen liegen; in den medizinbezogenen Vorträgen aus den Jahren 1903 (Steiner: Physische Krankheiten und kosmologische Gesetzmäßigkeiten) und 1906 (GA 96,164-176), »Ernährungsfragen und Heilmethoden«) fehlen jedenfalls Bezüge auf Körpersysteme. Allerdings handelt es sich bei den Stenogrammen von 1906 um »Zusammenfassungen von Teilnehmern» (GA 962,6).

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»Blut« dem »Ich« und die »Drüsen« dem »Ätherleib« (GA 101,48 f.). Der hier

noch fehlende Bezug auf den physischen Leib findet sich am 14. Juni 1908, als Steiner zusammenhängend die theosophischen Glieder auf Körpersysteme bezog. Die vier unteren Glieder der theosophischen Anthropologie fänden »ihren Ausdruck im physischen Leib«. Er nahm also die Zuordnung vom Oktober 1907 wieder auf53, fügte aber hinzu, »und der physische Leib hat sozusagen seine eigene Offenbarung« (GA 98,237). Dahinter steht vermutlich das Problem, daß er diese (später Systeme genannten) Komplexe im physischen Leib lokalisierte, diesem physischen Leib aber zugleich offenbar ein eigenes Körpersystem zuweisen wollte. Den Systembegriff benutzte er am 14. Juni nur als Spezifikum für den Bereich der Nerven (»Nervensystem«) und nicht systematisch. Drei Wochen später aber, am 4. Juli 1908, stand die Systemterminologie als Komplex: »Das »Blutsystem ... ist der Ausdruck des Ich, so wie das Nervensystem der Ausdruck des astralischen Leibes, das Drüsensystem der Ausdruck des Ätherleibes, und das Sinnessystem der physische Ausdruck des physischen Leibes selber ist« (GA 102,202).

Mit diesen Suchbewegungen war eine dreiteilige Matrix formuliert, die in den zwanziger Jahren mit ganz anderen Inhalten ausformuliert wurde. Die prozessurale Entstehung läßt den Rückgriff auf ein fertiges Konzept oder eine bestimmte Vorlage nicht wahrscheinlich erscheinen, ohne auszuschließen, daß Steiner etwas über solche Körpersysteme gelesen oder gehört haben könnte. Wie sehr die Systemterminologie von 1908 den Status einer Zwischenbilanz besaß, belegt die ungefestigte Terminologie, mit der Steiner vor dem Ersten Weltkrieg immer wieder die Systemanthropologie umkreiste. 1910 unternahm er einen neuen Anlauf, die ungeklärte Stellung des physischen Leibes zu Idären2S4 und bezeichnete ihn nun als »ein Sichselbstsein« (GA 121,112). Außerdem verband er die Systeme mit seiner Rassenlehre: In ihnen »kochen die Rassengeister« (ebd., 113)255. Ein Jahr später tauchte eine neues Systemelement auf, das »Knochensystem« (GA 1285,121), das »fast ganz dem Einfluß unseres Ich entzogen« (ebd., 122) und das »Unbewußteste« sei (ebd., 135). Damit war der Bewegungsapparat in die Körpersysteme aufgenommen; er sollte später »Gliedmaßenorganisation« heißen. 1917 kam es zu einer Formulierung der Physiologie, die Steiner, wie eingangs zitiert, als Ursprungsgeschichte seiner Körpersysteme verstanden wissen woll253 Er ordnete das »Blut« dem Ich, das »Nervenssystem« dem Astralleib, die »Drüsen« dem Ätherleib zu (GA 982,237). 254 Am 26. Juni 1909 hatte Steiner von der viergliedrigen Anthropologie, die »im physischen Leibe selber« zu lokalisieren sei (GA 112,48), gesprochen. 255 In dem unvollendeten Manuskript des Jahres 1910 (s. 7.7) konzipierte Steiner eine Theorie von Körperprozessen, die im Ansatz, dem Bezug auf den physischen Leib, eine Nähe zu den Systemvorstellungen aufweist, im Detail aber beträchtliche Unterschiede besitzt. Im vierten Kapitel unterschied er als »Lebensvorgänge« (GA 454,43). »Atmung, Warmung, Ernährung, Absonderung, Erhaltungsprozeß, Wachstumsprozeß und Hervorbringung« (ebd., 45). Sie seien »Hinweise« (ebd., 49) auf eine Welt, die »über das Sinnenfällige [hinaus] « liege (ebd.). Die Sinnesorgane seien in der Anthropologie getrennt, aber »für die Lebensvorgänge weist sie Organe auf, die ineinanderfließen« (ebd.). Man kann diese Überlegungen als einen parallelen Versuch lesen, Zusammenhänge im Körper komplex zu beschreiben.

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te. In einem Nachruf auf Franz Brentano (der im Kontext einer Auseinandersetzung um die empirische und philosophische Dignität der Anthroposophie veröffentlicht wurde), vertrat Steiner in dem Bändchen »Von Seelenrätseln« die Auffassung, der »von der Leibesorganisation abhängige Bewußtseinsbereich« sei »richtig nach Vorstellen, Fühlen und Wollen« zu gliedern (GA 21,91). Das Vorstellen sei mit der »Nerventätigkeit« »in Beziehung [zu] bringen«, das Fühlen mit dem »Lebensrhythmus« oder »Atemrhythmus« (ebd., 151), und das Wollen »stützt [sich] auf Stoffwechselvorgänge« (ebd., 152). Wenn diese Zuordnung für Steiner von besonderem Interesse war, dann vermutlich aufgrund einer Gliederung, die eine klassische Trias der Psychologie (Vorstellen, Fühlen, Wollen) physiologisch fundierte und so eine wissenschaftlich abgesicherte Verbindung von »Seelischem« (ebd., 151) und Physis herstellten sollte. Zur empirischen Legimitation stützte er sich auf den »Leitfaden der physiologischen Psychologie« des Hallenser Philosophen und Psychiaters Theodor Ziehen (1862-1950) Z56, der allerdings eine materialistische Erkenntnistheorie vertrat. Die Verbindung mit einer »übersinnlichen« Dimension der theosophischen Hüllen (ebd., 160) war dabei Steiners eigene Rekombination. Offenbar hoffte er, damit die kursorischen Bemerkungen zu Körpersystemen aus den Vorkriegsjahren auf eine empirisch solide und zugleich »geisteswissenschaftlich« vertretbare Basis gestellt zu haben. Im Gefolge dieser Festlegung kam es kurz nach dem Ersten Weltkrieg zur Terminologie der Körpersysteme, die in den zwanziger Jahren kanonisch wurde. Hatte er am 14. Mai 1918 den Menschen noch in »Rumpfmensch«, »Extremitätenorganisation«, »Armorganisation« geteilt (GA 1813,246), so sprach er am 14. April 1919 von den »drei Gliedern des Menschen«. »Wie wir sie nun benennen, ob nach ihrem physischen Aspekt: Nerven-Sinnessystem, rhythmisches System, Gliedmaßen-Stoffwechsel-System, oder nach dem geistigen Aspekte: dem intuitiven Geistigen, dem inspirierten Seelischen, dem imaginativen Leiblichen« (GA 190,200), immer zeige sich, »daß der Mensch ein dreigliedriges Wesen ist« (ebd., 201).

Damit hatte die Anthropologie der Körpersysteme 1919 einen neuen Oberbegriff erhalten, die Trias hieß nun häufig »Dreigliederung«257, in Anlehnung an den Dreigliederungsbegriff in Steiners Gesellschaftstheorie, so daß das triadische Ordnungsmuster in den ersten Jahren nach dem Krieg als ein Strukturmerkmal der Anthroposophie erscheinen konnte. Allerdings hat Steiner angesichts der künstlichen Korrelation zwischen seiner Physiologie und dem gesellschaftlichen 256

Ziehen: Leitfaden der physiologischen Psychologie, '1891, "1920. Steiner verwies 1921 ausdrücklich auf dieses Werk (GA 21,132), das ihm möglicherweise in der fünften Auflage aus dem Jahr 1900 zur Verfügung stand; die Gesamtausgabe verweist jedenfalls auf diese Ausgabe (ebd., 178). Vgl. bei Ziehen die Kap. IX (Vorstellen), X (Gefühle) und XIII (Wollen). In der Liste der medizinischen Bücher in Steiners Bibliothek (Anonym: Aus der Bibliothek von Rudolf Steiner. Verzeichnis der medizinischen Literatur, 64) fehlt jedoch dieses Werk, dafür findet sich dort Ziehens »Psychiatrie für Ärzte und Studirende« (1894). 257 Diese Terminologie hatte Steiner schon 1914 verwandt, aber mit anderen Inhalten, indem er die »Dreigliederung des Menschen« (GA 158,182) auf Brüderlichkeit, Gleichheit und Freiheit bezogen hatte (ebd., 182f.).

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»Organismus«258, vielleicht auch wegen des Scheiterns weiter Teile der Dreigliederungsbewegung, diese Verbindungen später nicht wieder aufgegriffen. Aber in dieser Phase bis 1920 hat Steiner noch nicht zu der endgültigen Formulierung der Theorie der Körpersysteme gefunden, ablesbar an terminologischen Uneindeutigkeiten259. Überraschenderweise spielten die Körpersysteme im ersten Ärztekurs vom Frühjahr 1920 keine Rolle, hier tauchten stattdessen »vier Organsysteme« auf (Nieren-, Leber-, Lungen- und Herzsystem [GA 312,232]), und erst im »Ergänzungskurs« vom Oktober erläuterte Steiner sein Modell kurz in der kanonisch gewordenen Fassung (GA 314,41f.). In den nächsten Jahren folgen eine Reihe von Explikationen dieses Standes seiner Theoriebildung: Es sind vielfach Wiederholungen, manchmal mit neuen Nuancen, oft mit neuen Verknüpfungen, selten noch mit neuen Terminologien260, bis er im August 1924 die eingangs zitierten Ausführungen vorlegte. Mit der Systemanthropologie war ein weitere Anthropologie neben die theosophische getreten. Doch die Differenzierung in sinnliche Systemanthropologie und übersinnliche theosophische Anthropologie überdeckt nur oberflächlich, daß Steiner keine abschließende Systematisierung vornahm. Angesichts der fehlenden Kontextualisierung einzelner Vorträge oder Äußerungen ist momentan unentscheidbar, ob die immer wieder wechselnden »System«-Prädikate auf konkrete Anfragen oder Lektüren zurückgehen oder ob Steiner spontane Bezüge herstellte, die man nicht auf die Goldwaage einer systematischen Konzeption legen darf. Insofern ist unklar, ob es sich lohnt, semantische Umbesetzungen zu untersuchen. Welche Bewegungen es in Steiners Semantik gibt, wird an einer gedrängten Auflistung nur der »System«-Begriffe deutlich, die in diesem Kapitel erwähnt sind: Das am 21. Oktober 1907 genannte »Nervensystem« zieht sich bis in die Vorstellung vom Nerven-Sinnessystem der zwanziger Jahre hinein. Das am 4. Juli 1908 genannte »Blutsystem« kann man ins rhythmische System der zwanziger Jahre transferiert sehen, welches wiederum im »Lebensrhythmus« und »Atemrhythmus« in »Von Seelenrätseln« (1917) Wurzeln besitzt. Wohin das ebenfalls am 4. Juli 1908 erwähnte »Drüsensystem« verschwunden ist, läßt sich schon schwerer sagen - wenn es denn überhaupt eine strategische Verschie258

Vgl. etwa die Äußerung vom 17.11.1918, daß sich der Adel aus dem »ryhthmischen Leben« (GA 185a,112), das Bürgertum aus den »Kopfkräften« und das Proletariat aus dem »Stoffwechsel« entwickelt habe (ebd., 113), oder vom 5. Februar 1919, als er das Recht dem rhythmischen System, die Wirtschaft dem Nerven-Sinnessystem und das Geistesleben dem Stoffwechselsystem zuordnete (GA 328,29). Die naheliegende, aber nicht vorgenommene Korrelation von Geistesleben und Nerven-Sinnessystem begründete Steiner mit der dezisionistischen Feststellung, daß er hier von »gerade umgekehrten« Analogisierungen sprechen müsse. z59 Steiner faßte am 2. September 1919 seine Konzeption, die er am Tag zuvor erläutert hatte (GA 293,146f.), so zusammen: »Der Mensch« sei »dreigegliedert«: »als Kopfmensch, als Rumpfmensch, als Gliedmaßenmensch« (ebd., 159). Einen weiteren Tag später fügte er eine neue semantische Variante hinzu: »Was tut der Kopf ... mit dem Brust-Rumpfsystem und dem Gliedmaßensystem?« (ebd., 172). 260 Kurze Darstellungen der Körpersysteme finden sich am 27. Oktober 1920 (GA 314,121), am 16. November 1923 (GA 319,130) oder am 24. Juli 1924 (ebd., 187). An terminologischen Varianten bot Steiner am 12. April 1921 die Termini »Kräftesystem« (GA 313, 27) oder am 2. September 1923 »drei Funktionsarten« (GA 319,38).

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bung dieser Systemelemente gab; als eigenständiges System ist es jedenfalls verschwunden. Auch das 1911 belegte »Knochensystem« blieb nicht selbständig, ging aber in der »Gliedmaßenorganisation« auf. Auch das »Brust-Rumpfsystem« aus dem Jahr 1919 verschwand wieder, dürfte aber im rhythmischen System ein Auffangbecken gefunden haben. Die »vier Organsysteme« von Nieren-, Leber-, Lungen- und Herzsystem vom Frühjahr 1920 scheinen ein völliges Eigenleben zu führen, möglicherweise benutzte Steiner den Systembegriff hier in einer spezifisch organbezogenen Variante; auch das »Kräftesystem« von 1921 blieb ohne systematische Vernetzung. Jedenfalls gibt es zwischen den frühen Äußerungen etwa vom 4. Juli 1908 und den letzten ausführlichen vom Juli / August 1924 nur mehrfach gebrochene inhaltliche Gemeinsamkeiten. Allerdings ist die Veränderungsgeschwindigkeit nach dem Ersten Weltkrieg deutlich gesunken. Überraschenderweise fehlen die Konzeption der Körpersysteme in dem mit Ita Wegman verfaßten herausgegebenen opus postumum. Man mag vermuten, daß sie in einem der späteren Bände, die noch geplant waren, erscheinen sollten, aber die Leerstelle dürfte in jedem Fall die sekundäre Stellung der Körpersysteme neben der theosophischen Anthropologie dokumentieren. Ob dabei die aufkommende Kritik an Steiners Vorstellung von Körpersystemen, die der Göttinger Anatom Hugo Fuchs formulierte, den Steiner bitter im Juli 1924 als »sehr übelwollenden Naturforscher« bezeichnete (GA 3192,169)261, eine Rolle spielte, ist unklar. c. Medizingeschichtliche Kontexte Die anthropologische Dreigliederung, befand der Anthroposoph Jürg Himmelsbach, sei nicht nur eine »gewaltige Idee« und »eine bedeutende Kulturtat«, sondern eine »Erneuerung des Tria-Principia-Konzepts (Sal, Mercur, Sulfur) der alten Alchemisten«'. Er bleibt allerdings jeden Beleg für seine These schuldig. Eine diskussionswürdige Spur hat demgegenüber Michael Krafft ausgelegt, indem er gezeigt hat, daß in der romantischen Medizin die Konstruktionsmerkmale der Körpersysteme und auch die zugehörige Terminologie vorhanden sind263. Dietrich Georg Kieser (1779-1862) etwa, Psychiater an der Universität Jena und Leiter der dortigen Irrenanstalt, benutzte die Trias von vegetativem System, Blut- und Nervensystem264, Johann Christian Friedrich Bährens (17651833), Arzt und evangelischer Pfarrer, sprach von »den drei organischen Systemen, dem reproductiven, dem irritablen und sensiblen«265. Leibbrand verweist auf die Vorstellung eines »Muskel-Nerven-Systems« bei Novalis und auf ein Lungen- / Nerven-Haut-System bei Troxler266. Derartige funktionale Differen-

261 Auflösung der anonymen Verweises im Kommentar, GA 3192,249; vgl. auch schon Steiners Reaktion auf Fuchs am 28. August 1923 (ebd., 14). z62 Himmelsbach: Die WELEDA und die Entstehung ihrer Heilmittel, 22. 263 Krafft: Anthroposophische Heilmittellehre, 150-153. 264 Kieser: System der Medizin, I, 225, zit. nach Krafft, ebd., 160. 265 Bähren: Entwurf einer naturphilosophischen Einleitung in die Heilkunde, 43, zit. nach Krafft: Anthroposophische Heilmittellehre, 151. 266 Leibbrand: Die spekulative Medizin der Romantik, 230 (Novalis); 135 (Troxler).

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zierungen konnten vielfältig miteinander verknüpft werden267, auch hier gibt es Parallelen zu Steiners Konzeption. Krafft hat darüber hinaus auf Ähnlichkeiten bei der Vorstellung von den Elementarstoffen hingewiesen. Steiner nannte 1920 ihrer vier (Sauerstoff, Kohlenstoff, Stickstoff und Wasserstoff [GA 312,231]), die er dem viergliedrigen System (Nieren-, Lungen-, Leber- und Herzsystem) zuordnete (ebd., 232)2fi8. Vier Elementarstoffe kannte auch Kieser, wies sie allerdings anderen Systemkomplexen zu (Blut- und Nervensystem, anorganischer und organischer Welt269). Schließlich identifiziert Krafft im Heilmittelbereich Ähnlichkeiten. Steiner kennt eine prä-molekularbiologische Klassifizierung der Heilmittel nach mineralischen, pflanzlichen, tierischen und menschlichen Heilmitteln, die er Ich-Organisation, Astralleib, Ätherleib und physischem Leib zuordnete (vgl. GA 319,227 f.). Eine vergleichbare Klassifizierung, allerdings ohne ein Analogon zu menschlichen Heilmitteln, findet sich wiederum bei Kieser, der sie jedoch mit seinen Systemen zusammenstellte und das Modell Mineralreich - vegetatives System Pflanzenreich - Blutsystem Tierreich - sensibles System konzipierte270. Allerdings sind die Wirkungsebenen vertauscht: Bei Kieser wirken die Heilstoffe des »niedrigsten« Reiches auf das unterste System des Menschen, bei Steiner auf die »höchste« Ebene271. Kraffts Vergleiche machen die Problematik der Verhältnisbestimmung von romantischer Medizin und Steiners Vorstellung (s. 9.4) exemplarisch deutlich. Die Übereinstimmungen, etwa in Teilen der Terminologie und der Ordnungsstrukturen, sind auffällig, andererseits bleiben die Unterschiede in den Details beträchtlich. Bezieht man dazu noch die mäandernde Konstruktionsgeschichte der Körpersysteme bei Steiner ein, die Krafft unberücksichtigt ließ, so wird man beim derzeitigen Wissenstand kaum einzelne Autoren als Vorlagen Steiners identifizieren können. Möglicherweise griff er auf populäre Versionen des Systembegriffs in der Medizin zurück, die nicht notwendig aus der Romantik stammen müssen, sondern auch Transformationsprodukte des späten 19. Jahrhunderts sein können. Aber möglicherweise muß man gar nicht auf die romantische 267

Vgl. Petersen: Arzneimitteltheorie und Arzneimittelpraxis im frühen 19. Jahrhundert, 4: Die »Lebensfunktionen« »Reproduktivkraft, Irritabilität und Sensibilität« konnten in Wechselwirkungen mit dem Aufbau des Organismus im »vegetativen, animalischen und sensitiven System« gesehen werden, die Organsysteme mit »drei Formenkreisen der Krankheit: der Afterorganisation, der Entzündung und der sensitiven Krankheit« korrespondieren. »Dem organologischen Einheitsdenken entsprechen in der unbelebten wie in der belebten Natur die drei Grundkräfte des magnetischen, chemischen und elektrischen Prozesses, die ihrerseits wiederum aus mechanischen, chemischen und dynamischen Kräften hervorgehen«. 268 Indem Steiner die »Harnblase« diesen Systemen zur Seite stellte, erweckte er den Anschein, ein fünftes System zu konzipieren. 269 Nach Krafft: Anthroposophische Heilmittellehre, 153. Neben diesen Quadruplizitätslehren gibt es auch, z. B. bei Bährens, Triplizitätslehren (ebd., 150). 270 Kieser: System der Medizin, I, 225, zit. nach Krafft: Anthroposophische Heilmittellehre, 160. 271 Krafft, ebd., 160.

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Medizin zurückgreifen. Schon 1817 war die im Prinzip bis heute gültige Theorie der drei embryonalen Keimblätter entwickelt worden: Aus dem Entoderm entwickeln sich die Ephitelien vieler Verdauungsorgane, aus dem Mesoderm unter anderem Haut, Knochen und Gefäße, aus dem Ektoderm das Nervensystem. Steiners Vorstellung der Körpersysteme wäre dann eine auf die Anthropologie im Ganzen übertragene Theorie der embryonalen Entwicklung. Hinsichtlich des Motivs der Nutzung der »System«vorstellung kann man eine besser begründete Vermutung äußern. Steiner sah in den Körpersystemen wohl eine Möglichkeit, Interdependenzen im Körper besser als in der oft punktuell argumentierenden Universitätsmedizin am Beginn des 20. Jahrhunderts zu beschreiben. Die Körpersysteme wären dann eine Option, den Menschen »ganzheitlich« zu verstehen. Ob sich darin ein Modell zur Beschreibung komplexer Wechselbeziehungen verbirgt, das auch außerhalb der anthroposophischen Binnenperspektive plausibel ist, mögen Mediziner diskutieren. Der historiographische Befund jedenfalls zeigt, daß Steiner einen relativ freien kombinatorischen Umgang mit Systemvorstellungen gepflegt hat.

16.5.4 Homöopathie und anthroposophische Medizin Das in der Forschung am intensivsten traktierte Kapitel betrifft Steiners Verhältnis zur damals wie heute wohl am weitesten verbreiten Alternativmedizin, der Homöopathie. Anthroposophische Innenperspektive und historiographische Außenwahrnehmung pflegen allerdings auseinanderzufallen: Während für Anthroposophen die Beziehung zur Homöopathie aufgrund der postulierten Eigenständigkeit der Anthroposophie eher als Oberflächenphänomen erscheint272 , wird in der wissenschaftlichen Außenperspektive auf die starken inhaltlichen wie organisatorischen Querverbindungen namentlich bei Heilmitteln verwiesen. Insbesondere Thomas Dinger, auf den ich in diesem Kapitel häufiger rekurriere, hat bei der Aufdeckung der sozialhistorischen Dimension dieses Beziehungsgeflechts wichtige Entdeckungen gemacht273. Ich beschränke mich im folgenden auf die historischen Beziehungen; unberücksichtigt bleiben Fragen der Plausibilität der homöopathischen Indikation sowie der Wirksamkeit ihrer Medikamente, die die kontroverse Debatte zwischen »Schulmedizinern« und Homöopathen bis heute prägt. a. Die Homöopathie um 1900 Samuel Hahnemann (1755-1843) hatte der Homöopathie zentrale Vorstellungen mitgegeben274, mit denen sie sich mit Ablauf des 19. Jahrhunderts zunehmend vom mainstream der Universitätsmedizin unterschied: zn Diese Distanz äußert sich oft in einer Konzentration auf spezifisch medizinische Fragen, die historische Fragen gar nicht erst kritisch stellt, etwa in den Bänden: Der Homöopathisierungsbegriff bei Rudolf Steiner, hg. v B. Busse u. a. 273 Dinger: Homöopathie und Anthroposophische Medizin; s. u. 16.5.4c. 2'4 Die Homöopathie gehört zum festen Bestand einer jeden Medizingeschichte. Die folgende Skizze ihrer Konzeption und sozialen Verankerung um 1900 kann deshalb auf wenige Striche beschränkt

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- Dem Simile-Prinzip zufolge (»similia similibus curentur«) werden Krankheiten mit einer Medizin geheilt, deren »Heilvermögen«, so Hahnemann, auf »Symptomen« beruhe, die der Krankheit »ähnlich« seien und sie »an Kraft überwiegen«275. Ob man dahinter ein Resonanz-Prinzip versteht, ob man postuliert, daß das Mittel dem Körper bestimmte Leistungen abnehme oder man die Simile-Behandlung als Reiz-Therapie zur Induktion körpereigener Heilungsprozesse versteht, kann hier auf sich beruhen bleiben, da Steiner auf Fragen der homöopathischen Wirkungslogik nicht intensiv einging. - Hahnemann glaubte an »diese im innern Wesen der Arzneien verborgene, geistartige Kraft«276 und spiritualisierte seine Medizin mit den Potenzen; hier konnte sich Steiner im Prinzip leicht mit Hahnemann treffen. - In der Herstellung der Curativa bilden Potenzierung und Schütteln sowie die Haltbarmachung durch ein Wasser-Alkohol-Gemisch spezifisch homöopathische Techniken. Namentlich die Potenzierung provoziert bis heute kontroverse Debatten, insbesondere hinsichtlich der Frage, von welcher Verdünnung an überhaupt noch eine empirisch nachweisbare Wirksamkeit angenommen werden kann (jenseits der Loschmidtschen Zahl von 10-23 ist nicht mehr notwendig ein Molekül der Ausgangssubstanz im verdünnten Gemisch). Diese Frage betrifft auch anthroposophische Heilmittel, weil hier mit extremen Verdünnungen gearbeitet wird. - Die Therapie ist stärker individualisiert als in der universitären Medizin, insofern jedes Krankheitsbild vom Patienten her bestimmt und mit einer spezifischen Arznei behandelt werden soll. Dahinter könnten frühneuzeitliche Traditionen stehen27. - Die Homöopathen bildeten mehrere Schulen. Einer Gruppe, die sich um den wissenschaftlichen Nachweis der homöopathischen Heilwirkung bemühte, stand eine Fraktion gegenüber, die aufgrund der konzeptionellen Unterschiede eine Anerkennung durch die Universitätsmedizin für kategorial falsch hielt. Die Parallele zu Steiners Changieren zwischen der empirischen und der esoterischen Begründung seiner Medizin liegt auf der Hand. Um 1900 war Hahnemann schon historisiert. Steiner traf auf ein homöopathisches Milieu, daß nicht nur differenziert, sondern auch teilweise professionalisiert und institutionalisiert war278, so daß er nicht unmittelbar auf Hahnemann zurück-

werden, die für die Beziehungen zur Anthroposophie von besonderer Bedeutung sind oder scheinen. Ich stütze mich im folgenden stark auf Jütte: Geschichte der Alternativen Medizin. z76 Hahnemann: Organon der rationellen Heilkunde (1810), 527; zit. nach Jütte: Geschichte der Alternativen Medizin, 181. 276 Hahnemann: Organon der Heilkunst, 61865, 112. Vgl. auch Steinbichler: Geschichte der homöopathischen Arzneibereitungslehre, 30-34. 277 Gebelein: Paracelsus und unkonventionelle Therapieformen, 191, verweist beispielsweise auf Paracelus und seine Zentrierung auf den Patienten. 278 Die Geschichte der Homöopathie ist für die Zeit um 1900 in der historischen Forschung gegenüber der Frühzeit oder der Phase seit 1933 weniger stark bearbeitet. Vgl. neben Jütte: Geschichte der Alternativen Medizin, 179-221, dem die nicht näher nachgewiesenen Informationen entnommen sind, v. a. die Weltgeschichte der Homöopathie, hg. v. M. Dinges.

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gegriffen haben muß279. Homöopathische Komplexmittel und Hochpotenzen, die als charakteristisch für die anthroposophische Medizin gelten, waren schon eingeführt280. Ihre großen Schlachten hatte die Homöopathie um 1900 mit der Universitätsmedizin geschlagen - und verloren. Sie wurde in Deutschland, dem Land ihres Ursprungs und ihrer weitesten Verbreitung, als unseriöse Therapierichtung stigmatisiert und zunehmend ausgegrenzt. Die medizinischen Zunft hatte die homöopathischen Ärzte marginalisiert, ihre universitäre Präsenz war von Virchow, der sie für »Kurpfuscher« hielt, angelegentlich einer Petition zur Einrichtung eines homöopathischen Lehrstuhls im Preußischen Abgeordnetenhaus 1897 verhindert worden281. Diese Kritik ist ein für Steiner zentraler Kontext, weil sich sowohl seine partielle Ablehnung der Homöopathie aus dieser Situierung speist (wollte Steiner den Anschluß an die empirische Medizin halten), zugleich aber auch ihre Attraktivität für Steiner erklärt, denn die Homöopathie sah sich als Ergänzung der (vermeintlich) defizitären Universitätsmedizin. Dieses Bild einer von der hegemonialen Medizin verkannten und verfolgten Alternativtherapie hat aber einen Makel, der mehr als ein Schönheitsfehler ist: Er unterschlägt die Akzeptanz und die Verbreitung, die die Homöopathie am Anfang des 20. Jahrhunderts gleichwohl genoß, und die ein wichtiger Hintergrund für die hohe Durchdringung anthroposophischer mit homöopathischen Vorstellungen ist. Zur Erfolgsgeschichte der Homöopathie gehört, daß sie am Ende des 19. Jahrhunderts in Vereinen und durch die Publikation von Zeitschriften organisatorisch gefestigt war, sich einer weiten Verbreitung erfreute und im Reigen der Alternativtherapien einen prominenten Platz behauptete. Zugleich konnte sie sich trotz der kritischen akademischen Phalanx teilweise institutionell etablieren: In Wien lassen sich 1877, also zu Steiners Wiener Jahren, 40 homöopathisch tätige Ärzte und drei der Homöopathie verbundene Krankenhäuser nachweisen", in Deutschland finden sich um die Jahrhundertwende unter anderem in Köthen, München und Stuttgart homöopathische Heilanstalten, später auch zwei Krankenhäuser, das »Berliner homöopathische Krankenhaus« (1904 bis 1917) und das Stuttgarter Kriegslazarett (1914 bis 1919)283, in der Schweiz schließlich existierte seit 1918 das Basler Homöopathische Spital (in dem Edwin Scheidegger leitender Arzt war)284. Zur empirischen Bestätigung ihrer Theorien verwiesen homöopathische Ärzte auf Erfolge, so auf die »Arndt-Schulzsche Regel«, wonach kleine Reize anregen und starke Reize hemmen oder tödliche Wirkungen zeigen, wie Rudolf Arndt 1883 nachgewiesen hatte". Und Willmar Schwabe (1839-1917) vertrieb mit seiner Arzneimittelfirma ökonomisch hochprofita279 Dies geschieht bei Krafft: Anthroposophische Heilmittellehre (vgl. S. 90), wie Dinger: Homöopathie und Anthroposophische Medizin, 26, zu Recht moniert. 280 Sahler: Homöopathische Komplexmittel, 51-118. 281 Jütte: Wo alles anfing: Deutschland, 21f. 26. 282 Drexler / Bayr: Die wiedergewonnene Ausstrahlung des früheren Vielvölkerstaates, 87f.; diese Zahlen sollten trotz des damaligen Niedergangs der Homöopathie gelten. Vgl. auch Lucae: Das »Lebenswarthsche homöopathische Kinderspital« in Wien. 283 Eppenich: Geschichte der deutschen homöopathischen Krankenhäuser, 230-233. 284 Dinger: Homöopathie und Anthroposophische Medizin, 27. 285 Jütte: Geschichte der Alternativen Medizin, 194.

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bel und expandierend homöopathische Mittel286. 1913 besaß sie 750 Depots in Deutschland und erhielt 1923 durch die Radebeuler Firma Madaus noch Konkurrenz287. Die Zahl der ganz oder teilweise homöopathisch praktizierenden Mediziner läßt sich hingegen nur schwer zu bestimmen", man schätzt ihre Zahl für die zwanziger Jahre atif etwa 600 Ärzte289. Ihre Position war in einer Hinsicht damals komfortabler als heute, da sie seit dem Ende des 19. Jahrhunderts Dispensierfreiheit genossen (die in Deutschland erst 1976 aufgehoben wurde). Die Homöopathie war also nach 1900 eine (alternativ)medizinische Großmacht und dürfte in den zwanziger Jahren, als Steiner zu seinen Medizinerkursen schritt, in einer expansiven Phase gewesen sein290. Das Engagement des für naturphilosophische Themen offenen Chirurgen an der Berliner Universität, August Bier, der 1925, in Steiners Todesjahr, in der renommierten »Münchener Medizinischen Wochenschrift« der Homöopathie einen »guten Kern« attestierte291, signalisierte eine kritische Akzeptanz. Zu ihren längerfristigen Folgen gehörte 1928 die Einrichtung eines ständigen Lehrauftrags für Homöopathie an der Universität Berlin für Ernst Bastanier und auch die Förderung der Homöopathie im Nationalsozialismus. b. Steiner, Emil Schlegel und die Homöopathie Die ersten intensiveren Kontakte mit der Homöopathie dürfte Steiner 1905 gehabt haben, vermutlich über den Tübinger homöopathischen Arzt Emil Schlegel (1852-1934), der wegen seiner alternativmedizinischen Interessen von der Tübinger Fakultät nicht promoviert worden war292. Am 25. Mai 1905 lobte Steiner diesen Befürworter von Hochpotenzen und Vertreter einer dezidiert religiösen Medizin293, daß er »Lichtblitze in Richtung nach einer naturgemäßen Heilweise« habe und es wage, »Religion und Heilkraft miteinander zu verbinden« (GA 53,476), nachdem Steiner schon zuvor Kranke zu Schlegel geschickt habe294. Von Homöopathie war dabei nicht explizit die Rede, möglicherweise überblickte Steiner das Feld der alternativen Therapien noch nicht. Die Kontakte müssen sich aber bald verdichtet haben. Steiner besuchte Schlegel Ende November in

286 Zum rasanten Aufstieg um 1900 vgl. Jäger: Zur Geschichte der Firma Willmar Schwabe, 174 f.; daneben Jütte: Geschichte der Alternativen Medizin, 211-214, und ders.: Wo alles anfing: Deutschland, 34-38. 2B7 Jütte: Wo alles anfing: Deutschland, 36f. 28ß Vgl. die Hinweise bei Dinger: Homöopathie und Anthroposophische Medizin, 50f. 289 Wolff: »... nicht weiter als ..., in: Jahrbuch des Instituts für Geschichte der Medizin der Robert Bosch Stiftung, Bd. VI, Stuttgart 1987, 61-97, S. 86f., hier nach Dinger: Homöopathie und Anthroposophische Medizin, 50. 290 Krisensymptome gab es für die Homöopathie seit dem Ende des 19. Jahrhunderts allenfalls hinsichtlich der Hoffnung auf eine problemlose allgemeine Durchsetzung und der Akzeptanz durch die universitäre Medizin. Betrachtete man hingegen die Alternativmedizin insgesamt, steht der »Krise« der homöopathischen Bewegung der Aufstieg der Naturheilbewegung zur Seite. 291 Bier: Wie sollen wir uns zu der Homöopathie stellen?, 715.775. 292 Zu Schlegel siehe Faltin: Heil und Heilung, 353-364. 293 Dazu Faltin, ebd., 356. 358-364, und Tischner: Geschichte der Homöopathie, IV, 705-707. 294 Heusser: Schlegel, 707.

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Tübingen295, wo man sich, so Schlegel fast 30 Jahre später, über Paracelsus, »innere Kräfte«, die Mistel sowie über ein Problem der Signaturenlehre oder des Goetheanismus, nämlich »über die Möglichkeit, an Form und Gestalt der Naturkörper ihre Heilkräfte zu erkennen«, unterhielt296. Möglicherweise stand im Hintergrund Steiners Versuch, Hilfe für seine erkrankte Partnerin Marie von Sivers zu erhalten297. Schlegel sandte nach diesem Treffen Steiner seine »Reform der Heilkunde« sowie Jakob Lorbers »Robert Blum«, und erstere, antwortete Steiner am 14. Dezember 1905, »begleitet mich auf meinen Reisen« (GA 39,444)298. Schlegel schickte Steiner auch eine homöopathische Reiseapotheke und im Laufe der kommenden Jahre vermutlich viele seiner Schriften299, während Steiner ihm wohl weiterhin Patienten vermittelte300 Schlegel berichtete 1933, er sei mit dem »verehrten Führer« Steiner »noch öfter« zusammengekommen, »wiederholt bei einer Tasse Kaffee in meinem Hause«. Schlegel besuchte auch Steiners Vorträge in Tübingen, und zuletzt traf man sich 1919 im Rahmen der Dreigliederungsdebatte im Haus des späteren Christengemeinschafts-Pfarrers Heisler301 Doch könnte Schlegels Darstellung, die ein dichtes Beziehungsnetz suggeriert, teilweise dem inzwischen in esoterischen Kreisen gewachsenen Ruf Steiners geschuldet sein, denn 1924 hatte Schlegel die Kontakte noch weniger euphorisch beschrieben: »Ich war nicht gerade oft mit ihm zusammen, vielleicht bis 8 mal anläßlich Vorträgen [sic] und privatim«302. Allerdings erfährt man aus diesen Briefen nicht, daß Schlegel seit 1905 Marie von Sivers behandelte303 und diese Therapie bis zu seiner tödlichen Erkrankung 1934 fortführte, worauf sein Sohn Martin

295 Der bei Lindenberg: Steiner (Chronik), 238, genannte Zeitpunkt könnte auf Steiners Brief sowie auf Steiners Aussage vom 12.4.1924 (GA 2366,36. 302) beruhen. Sie wird durch einen Brief Schlegels vom 18. Januar 1924 (Adressat unbekannt) gestützt, daß ihm »seit 20 Jahren Herr Dr. Rudolf Steiner persönlich bekannt« sei. Der Brief ist zit. bei König: Abwehr von Unfug, 247. 296 Schlegel: Begegnungen mit Rudolf Steiner, 4. Der Text ist allerdings teilweise unrichtig, etwa hinsichtlich des Datums des Zusammentreffens; Datierung nach Löscher u. a.: »Einmal sich aussprechen können«, 235, wo ohne Nachweis aus der sehr abgelegenen Quelle zitiert ist. Möglicherweise stimmen auch einige Inhalte nicht; ein Fragezeichen kann man jedenfalls bei der Mistel setzen, die möglicherweise erst über Marie Ritter in Steiners Blickfeld kam (s. u. Anm. 305 und 16.5.5b). 297 S. u. Anm. 304. 298 Schlegel: Reform der Heilkunde. Dabei handelt es sich um eine Niederschrift von Vorlesungen, die als Programmschrift konzipiert war und Anwendungsfragen auf Fallbeispiele beschränkte. Die Spitzen gegen die empirische Medizin sind heftig (eine »Lüge gegen die Natur«, S. 11), andererseits ist die geistige Medizin bis zur positiven Wertung der »Lebenskraft« (S. 103) im physikalistischen Konzept des zeitgenössischen »Energismus« (S. 101) integriert. 299 Die Reiseapotheke nennt Heusser: Schlegel, 707. Auf die geschenkten Schriften deutet die große Zahl von Schlegels Publikationen in Steiners Bibliothek; Anonym: Aus der Bibliothek von Rudolf Steiner. Verzeichnis der medizinischen Literatur, 60f. 300 Wohl 1908. Steiner habe als Begründung angegeben, Schlegel besitze die Gabe, einer Pflanze die Heilkraft anzusehen; Del Monte: José del Monte, 128. 3°i Schlegel: Begegnungen mit Rudolf Steiner, 5. 502 Brief Schlegels vom 18.1.1924 (s. o. Anm. 295), in: König: Abwehr von Unfug, 247. 303 Tischner: Geschichte der Homöopathie, Leipzig 1939, hier nach Daems: Rudolf Steiner, 311; die Stelle habe ich bei Tischner nicht finden können. Nachweislich behandelte Schlegel Marie von Sivers 1911 (GA 2622,226); der sie üblicherweise betreuende Berliner Arzt Dr. Gisevius sollte nur bei einer »Verschlechterung« beigezogen werden (ebd., 235).

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ihre Behandlung wenigstens bis 1937 übernahm304. Schlegels Bedeutung für Steiner bleibt vorerst undeutlich; sie müßte in einem Vergleich seiner Schriften mit dem Werk Steiners genauer analysiert werden". Als Steiner im Oktober 1906 auf Hahnemann und die Homöopathie zu sprechen kam (an einer von zwei nachweisbaren Stellen in seinem O?uvre306), stufte er ihn als Mediziner ein, der nicht mehr »hellsehend« gewesen sei (GA 962,167). Im Rahmen dieses esoterischen Todesurteils »muß«, so Steiner, auch die Homöopathie »sich eingliedern« in die theosophische Bewegung (ebd., 165). Neben diesem Unterwerfungsgebot finden sich zu diesem Zeitpunkt keine Informationen, die auf ein vertieftes Wissen über die Homöopathie schließen lassen307. Als Steiner 1920 wieder auf Hahnemann zu sprechen kam, konnte er denn auch das Gegenteil behaupten. Es gehöre »zu dem Allerwichtigsten«, daß »in der homöopathischen Tradition ... rege erhalten worden ist dieses Bekenntnis zu der Geistigkeit der äußeren materiellen Substanzen« (GA 312,324). Sie sei als Wegweiser zu »außertellurischen« Dimensionen »eine Art Neuaufstieg« in der Medizin (ebd., 136). Zu diesen nur wenigen Bezugnahmen auf die Homöopathie in Steiners Werk paßt der Befund, daß sich Steiner zu konzeptionellen Fragen der Homöopathie immer nur kursorisch und in kurzen Passagen geäußert hat, vornehmlich im ersten Ärztekurs vom Frühjahr 1920308. Hier begann er am Ende des zweiten Vortrags seine Deutung der Homöopathie mit ihrer Einordnung in seine Theo304 Angaben nach dem Briefwechsel Marie Steiners mit Schlegel, bei: Daems: Rudolf Steiner und Emil Schlegel, 311. Die Vermutung von Emil Rehm (in: Natürliche Heilweisen, Homöopathie und Lebenspflege, November-Dezember 1963, zit. bei König: Abwehr von Unfug, 74), Steiner sei »wahrscheinlich erst selbst als Patient zu Emil Schlegel gekommen«, ist ohne weitere Grundlage. Aus dem Briefwechsel zwischen von Sivers und Schlegel scheint demgegenüber hervorzugehen, daß Steiner »nicht für sich, jedoch für Marie Steiner den ärztlichen Rat bei Schlegel eingeholt« habe; Daems: Rudolf Steiner und Emil Schlegel, 311. i05 Schlegels »Religion der Arznei« etwa weist mit ihrer Signaturenlehre und ihrem explizit religiösen Ansatz große Ähnlichkeiten mit Steiner medizinischem Konzept auf. Steiner könnte dieses Werk in der Erstauflage von 1915 wahrgenommen haben. Hier finden sich von der Konzeption in der Signaturenlehre bis zu Details, wie Schlegels Vorliebe für Levicowasser (Schlegel: Religion der Arznei, '1915, 47), die auch Steiner teilte (s. u. 16.7.3), manche Übereinstimmungen. Deutlich ist aber auch, daß Schlegel in den Neuauflagen Positionen hinzufügte, die aus der Begegnung mit der Anthroposophie stammen. So ist die Mistel, die 1915 nur eine Nebenrolle spielte, bei einer Neuauflage zu einem wichtigen Mittel gegen Krebs geworden. Der Passus, daß die Mistel »Geschwüre erweiche und Geschwülste zur Reife bringe«, ist in der Erstausgabe nicht vorhanden (ebd., 61987, 56; vgl. '1915, 48). Auch der Satz »Ebenso ist das Mittel ein Bestandteil der >anthroposophischen< Einspritzung gegen Krebs« fehlt in der Erstausgabe (ebd., 61987, S. 137; vgl. '1915, S. 101). 306 Vgl. Mötteli: Register zur Rudolf Steiner Gesamtausgabe. Personenregister, 182; die zweite Stelle finden sich 1920 in GA 312,22. 307 Vgl. auch die kursorischen Äußerungen 1909 in GA 57,189. 192. 308 Eine Durchsicht der wichtigsten Stellen bei Dinger: Homöopathie und Anthroposophische Medizin, 26-35. Demgegenüber vermischt Krafft: Anthroposophische Heilmittellehre, 90-115, zu sehr reale Bezüge Steiners auf die Homöopathie und analoge Denkformen (s. u. Anm. 315). Die Quellen von Steiners Wissen sind unklar, aber angesichts der Allgemeinheit seiner Äußerungen vermute ich keine allzu enge Bindung an bestimmte homöopathische Traditionen oder Schriften. In seiner Bibliothek befindet sich neben den Werken Schlegels (s. o. Anm. 299) das Lehrbuch der homöopathischen Therapie (1877). Dieser Band ist eine Fortsetzung eines auf konkrete Therapien ausgerichteten Bandes; Anonym: Aus der Bibliothek von Rudolf Steiner. Verzeichnis der medizinischen Literatur, 55.

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rie der Polarität (s. o. 5.2c—d). »Homöopathisieren« bedeute, »das Aggregieren, die Kohärenz eines Stoffes aufheben« (GA 312,52). Namentlich »unsere obere Organisation ist etwas Homöopathisierendes« (ebd., 52f.). Zentral war für ihn die Auffassung, daß die »Eigenschaften« eines »Stoffes« »nicht ins Unendliche ab[nehmen], sondern, wenn man bei einem bestimmten Punkte angekommen ist, schlagen sie zurück und werden die entgegengesetzten Eigenschaften« (ebd., 52)309. Zum Hintergrund dieser Genese der Vorstellung nichtlinearer Wirkungen schwieg er sich aus. Die homöopathische Potenzierungstechnik setzte Steiner kommentarlos voraus, und auch die Schütteltechnik wurde mit Verweis auf die Bedeutung »rhythmischer Prozesse« (ebd., 212) nur kurz abgehandelt. Sehr zurückhaltend äußerte sich Steiner zum zentralen Simile-Prinzip der Homöopathie, bezeichnenderweise erst im fünften Vortrag: »Der Grundsatz ist in einer gewissen Beziehung richtig: Ähnliches soll durch Ähnliches geheilt werden. - Aber es kann sich darum handeln, daß der hauptsächlichste Symptomenkomplex, den man als das Ähnliche bezeichnet zu dem, was der Symptomenkomplex der Heilung ist, den man aufsucht, in einem anderen Lebensalter liegt als der andere« (GA 312,140 f.).

Steiner erläuterte diese kryptische Formulierung mit dem Beispiel, daß ein Mittel, das bei einem Zwanzigjährigen eine Krankheit auslöse, sie später bei ihm heilen könne (ebd., 141). Damit ist aber das Ähnlichkeitsprinzip durch eine altersbezogene Zusatzbedingung, die die Homöopathie so nicht kennt, beträchtlich eingeschränkt. Konsequenterweise behielt Steiner Contraria-Indikationen bei, etwa in der Verwendung »polarischer« Mittel oder in der Mistel-Behandlung (s. u. 16.5.5b). Offene Kritik übte Steiner schließlich an der homöopathischen Heilmittelindikation. Man könne »verzweifeln daran«, daß »jedes [Mittel] immer für ein ganzes Heer von Krankheiten hilft« (ebd., 380). Zu weiten Bereichen der homöopathischen Theorie und Praxis hat sich Steiner überhaupt nicht geäußert. So fehlen, wie Dinger bemängelt, »eine Prüfung am Gesunden bzw. der in der Homöopathie ebenso geübte Symptomenvergleich«"" Letztlich konnte Steiner der Homöopathie auf der Theorieebene dann doch eine zentrale Stellung zuweisen: In der Perspektive der »Geisteswissenschaft« gebe es »keine Allopathen, denn auch dasjenige, was allopathisch als Heilmittel verordnet wird, macht im Organismus einen Homöopathisierungsprozeß durch und heilt eigentlich nur durch diesen Homöopathisierungsprozeß« (GA 312,101). Im Rahmen dieser Eingrenzung bestimmte Steiner nun die Ratio der Wirksamkeit homöopathischer Heilmittel: Sie nähmen dem Körper die »furchtbare Arbeitslast« der »Homöopathisierung« von Allopathen ab (ebd. 101). Das aber klingt wie ein Überbau: Die Theorien der Homöopathie waren punktuell integriert, ohne ihre Widersprüche zu anderen Formen der Medikamentierung in der anthroposophischen Medizin zu klären. Und so wurde in den weiteren Ärztekursen die konzeptionelle Marginalisierung der Homöopathie deutlich. Sie

309 Die Versuche eines Nachweises des wellenförmigen Verlaufs von Hochpotenzen hat später die Anthroposophen beschäftigt, vgl. Dinger: Homöopathie und Anthroposophische Medizin, 65f. 310 Ebd., 32.

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kam - ausgenommen etwa ein indirekter Bezug auf die Arndt-Schulzsche Regel (GA 313,136f.)3" - fast nicht mehr vor. Das zentrale Ergebnis dieser Analyse von Steiners Beziehung zur Homöopathie lautet, daß sie nur sehr schwach ausgeprägt ist, sowohl hinsichtlich der quantitativen Präsenz in seinem Werk als auch hinsichtlich der inhaltlichen Übereinstimmungen; dies hat die neuere Forschung deutlich gesehen312. Die Differenzen ziehen sich folglich bis in die wissenschaftstheoretischen Prinzipienfragen hinein. Die Wirkung geistiger Kräfte, die Hahnemann wie Steiner annahmen, ist wohl nur eine strukturelle Ähnlichkeit, auch die spirituelle Begründung der homöopathischen Hochpotenzen, die in der anthroposophischen Medizin Verbreitung gefunden haben313 Kontradiktorische Ansätze haben Hahnemann und Steiner vermutlich auch im Verhältnis zur Empirie: In der Hypothesenfindung war Hahnemann Empiriker314, wohingegen Steiner die Empirie im anthroposophischen Bereich nur als nachträgliche Bekräftigung verstand3lS. Der Angelpunkt von Steiners Verhältnis zur Homöopathie war sein Überbietungsanspruch. Er wollte eine »geistige« Medizin begründen, der gegenüber ihm die Homöopathie noch zu stark der materialistischen Tradition verhaftet schien; diese Bewertung steht hinter dem Verdikt der fehlenden »Hellsichtigkeit« Hahnemanns. Aber Steiner hatte wohl auch ein ideenpolitisches Motiv. Im Kosmos der Anthroposophie sollte es keine Ideenmacht mit eigener Legitimationsbasis neben Steiners Vorstellungen geben. Seine Behandlung der Homöopathie im ersten Ärztekurs war eine Akzeptanz der Homöopathie durch Einverleibung. Angesichts dieser Konstellation stellt sich aber die Frage, warum homöopathische Heilmittel eine hohe, zeitweilig (und möglicherweise bis heute) dominierende Stellung in der anthroposophischen Medizin erreicht haben. Darauf hat Dinger eine Antwort gegeben, die von der Ärzteschaft in Steiners Umfeld ausgeht. c. Homöopathische Ärzte in Steiners Umkreis Eine prosopographische Analyse der Mediziner in Steiners Umfeld, namentlich der Teilnehmer an den Ärztekursen, fehlt316. Dinger hat allerdings herausgearbeitet, daß eine Reihe von Ärzten in Steiners Umfeld homöopathisch praktizierten 31' Identifiziert ebd., 34. 312 Vgl. eingeschränkt Krafft: Anthroposophische Heilmittellehre, 90-115, der trotz aller Identifizierung von Differenzen die Übereinstimmungen zu stark macht (S. 90f.). Eine größere Distanz sehen etwa Dinger: Homöopathie und Anthroposophische Medizin, 140, und Jütte: Geschichte der Alternativen Medizin, 237. 313 Vgl. den Nachweis bei Jacobi: Der Hochpotenzstreit, 53f., daß eine Wirkungsbegründung der Hochpotenzen bei Hahnemann eine spirituelle ist, begründet mit dem Dynamismus der Lebenskraft. Aber Lebenskraftkonzepte standen bei Steiner immer im Geruch des Materialismus. ;14 Vgl. Jütte: Geschichte der Alternativen Medizin, 237. 315 Krafft hat diese Unterscheide nivelliert, indem er nicht nur eine unvermittelte Bezugnahme Steiners auf Hahnemann ohne Berücksichtigung der homöopathischen Tradition unterstellte, sondern auch zu stark strukturelle Analogien in potentiell genetische Bezüge uminterpretierte. So sind die Betonung des Verwandtschaftsverhältnisses von Natur und Mensch bei Hahnemann und Steiner (vgl. Krafft: Anthroposophische Heilmittellehre, 99) und Steiners Einbindung des Menschen in kosmische Zusammenhänge (ebd., 107 f.) angesichts der Verbreitung dieser Topos nur schwache Übereinstimmungen. 316 S. o. Anm. 197.

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oder Interesse an der homöopathischen Medizin besaßen, darunter so wichtige Anthroposophen wie der von Steiner als Führungsfigur auserkorene Ludwig Noll und der schon genannte Edwin Scheidegger31 (und auch Steiners Gattin hatte als junge Frau mit homöopathischen Mitteln therapiert38). Aus dieser Konstellation läßt sich die Folgerung ziehen, daß zwischen Vorwissen und Vorstellungen Steiners und dem medizinischen Horizont dieser Ärzte eine beträchtliche Kluft bestand: Der Homöopathie-distanzierte Steiner sah sich einer Gruppe überzeugter homöopathischer Mediziner gegenüber. Dann aber spricht vieles dafür, daß der Impuls zur Beschäftigung mit der Homöopathie, die im ersten Ärztekurs so auffällig ist, von den Ärzten an Steiner herangetragen wurde. Dinger vertritt die plausible These, daß Steiner sich nicht vorrangig mit der Konzeption Hahnemanns beschäftigt habe, sondern daß es sich »um eine Konfrontation Steiners mit dem homöopathischen Gedankengut bei den beteiligten Ärzten handelte«39. Manche Eigenheiten in Steiners Umgang mit der Homöopathie lassen sich mit dieser Theorie erklären: So könnten die unsystematischen, quer durch den ersten Ärztekurs verstreuten Aussagen zur Homöopathie auf wiederholte Anfragen der Ärzte zurückgehen, auf die Steiner möglicherweise nicht vorbereitet war320. Man kann weitergehend (und spekulativ) sogar vermuten, daß die Ausgrenzung der Homöopathie die Wissensmacht der anthroposophischen Homöopathen brechen sollte. Und auch die Bedeutung homöopathischer Medikamente klärt sich von diesem sozialen Kontext her: Sie waren die Morgengabe der homöopathischen Ärzte, die Steiner mehr nolens als volens annahm (16.5.1). Trotz Steiners kritischer Haltung behielt die Homöopathie in der Praxis einen hohen Stellenwert. Ein Grund könnte darin liegen auch hier kann man Dinger folgen -, daß sie einfacher strukturiert war als viele Konzepte in Steiners Konglomerat321. Schließlich dürfte es einen pragmatischen Grund gegeben haben: Die Homöopathie war praktisch erprobt. Sie besaß den operationalisierten Mehrwert, den man in den zwanziger Jahren brauchte, als mitten in Steiners fortlaufenden Äußerungen zur Medizin Menschen aus dem Stand heraus »anthroposophisch« behandelt werden sollten.

317 Dinger: Homöopathie und Anthroposophische Medizin, 27, nennt als homöopathisch orientierte Ärzte neben Noll und Edwin Scheidegger noch dessen Neffen Walter Scheidegger, sodann Hanns Rascher, Robert Ederle, Paul Jaerschky und Otto Eisenberg, den Schwager Nolls (vgl. auch Löscher u. a.: Rudolf Steiner und die Gründung der WELEDA, 59). Dazu ist möglicherweise Leonhard Schenk zu zählen (vgl. Kaiser: Leonhard Schenk, 239). Martin Schlegel gehört noch dazu (vgl. Dinger: Homöopathie und Anthroposophische Medizin, 60f.), auch die mit Ritter-Mitteln und insofern homöopathienah therapierende Ita Wegman (s. u. 16.6). Es würde nicht verwundern, wenn sich noch weitere homöopathische Ärzte identifizieren ließen. 38 Wiesberger: Marie Steiner-von Sivers, 37. 319 Dinger: Homöopathie und Anthroposophische Medizin, 26. 320 Dafür spricht, daß Steiner in der historischen Einleitung am ersten Tag des Ärztekurses die Homöopathie überhaupt nicht erwähnte, aber auch, daß sie in seinen handschriftlichen Vorlagen zu diesem Kurs nicht auftaucht (Steiner: Notizen zum ersten Ärztekurs). 321 Dinger: Homöopathie und Anthroposophische Medizin, 35.

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16.5.5 Wirkstoffe in anthroposophischer Deutung (Beispiele) Die Liste der spezifisch anthroposophischen Heilmittel umfaßt, dies ist nach den bisherigen Ausführungen evident, heterogene Mittel, die durchweg der Alternativmedizin entstammen. Eine erschöpfende Klassifizierung und historische Einordnung ist im Rahmen dieser Ausführungen nicht möglich. Über Farbtherapien, die Ritter-Mittel und die homöopathischen Arzneien hinaus stelle ich im folgenden zwei Gattungen von Medikamenten vor. Deren Auswahl ist weniger in einer systematischen Arzneikunde als vielmehr in unterschiedlichen Rezeptionen begründet. Blei gehört zu den anthroposophischerseits zurückhaltend popularisierten und von Nichtanthroposophen kritisierten Heilmitteln, wohingegen die Misteltherapie als eine Erfolgsgeschichte anthroposophischer Medizin gilt, die auch universitätsmedizinisch inzwischen partiell rezipiert und von Anthroposophen entsprechend herausgestellt wird. a. Blei In frühen Äußerungen Steiners zur Bedeutung des Blei sprach er 1906 von der »im Blei verkörperten Geistigkeit« (GA 962,167) und meinte, es sei in einer früheren Erdenperiode flüssig gewesen (GA 97,295). 1911 nahm er eine astrologische Zuordnung des Blei vor und wies es dem Saturn zu (GA 1285,166). In seinen medizinischen Kursen zählte Steiner Blei 1920 zu den »ausgezeichnetsten Substanzen« (GA 312,132), ordnete es aber erst 1923 / 24 medizinisch genauer ein. Steiner dürfte die Auffassung vertreten haben, daß Blei die körperliche Konstitution festige, insbesondere wenn der Mensch in der Gefahr stehe, durch eine zu starke Vergeistigung seinen physischen Halt zu verlieren322. Steiner begründete mithin eine Wirkung durch eine Funktionsähnlichkeit. Offenbar hat Steiner in den Vorstellungen von 1906 und 1924 kontradiktorische Konzeptionen vertreten323.

322 Steiners mäandernde und viele Voraussetzungen seiner esoterischen Theorie nicht explizierende Ausführungen vom 29. August 1924 interpretiere ich wie folgt: Steiner ging von einer antigeistigen Wirkung des Blei aus, es habe die »Wirkung«, »astralischen Leib und Ich-Organisation nach außen zu drängen« (GA 319,237). Aufgrund dieser »zentrifugalen« Wirkung »verhindert [es] die zentripetalen, nach innen wirkenden Kräfte« (ebd., 237). Die Folge sei »im Schlaf«, daß »die IchOrganisation und der astralische Leib ... zuviel von der Spiritualität des außermenschlichen Kosmos aufnehmen« (ebd., 238). »Dann verfällt er in Sklerose.« (ebd.). Der Angelpunkt von Steiners Argumentation war die Vorstellung, daß ein zu großes Maß an Geistigkeit den Menschen desorganisiere, er engagiere sich zu wenig, um »sich innerlich durch[zu]organisieren« (ebd.). Man komme dazu, einzusehen, »wie Bleiwirkung eine Gegenwirkung gegen sklerotisierende Wirkung sein kann« (ebd., 239). Unter »sklerotisierender Wirkung« war mithin nicht die Bleiwirkung, sondern die übermäßige Wirkung geistiger Einflüsse zu verstehen. Blei schütze den Menschen vor zu großer Geistigkeit und gebe ihm die nötige Eigenstabilität wieder. Eine analoge Warnung vor der übermäßigen Wirkung der Geistigkeit findet sich in der Luzifer-Ahriman-Konstruktion (s. 8.3.2c). Ähnlich hatte er einige Wochen zuvor im Juli argumentiert. Seien die »Verdauungsorgane« zu stark von »astralischem Leib und Ich« durchsetzt, bekämen wir »Durchfälle«, wogegen Bleigaben ihrer offenbar verfestigend gedachten Wirkung wegen helfen sollen (ebd., 187 f.). 323 Vermutlich setzte er 1906 alt mit geistig ineins, eine in der theosophischen Evolution angelegte Vorstellung (im Hinterkopf astrologisch-alchemistische Korrelationen des Blei?), wohingegen er 1924 möglicherweise eher an die augenfällige, die metallische und insoweit »ungeistige« Konstitution des Blei dachte.

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Therapeutische Angaben hat Steiner aus der Konzeption der zwanziger Jahre von der materialisierenden Wirkung des Blei abgeleitet. Unter der Voraussetzung, daß im »zerklüfteten< Organismus« des Menschen »das Geistige Platz haben« könne, »müssen wir ihm Blei geben in irgendeiner Form«, sollten wir mehr »Zerklüftung« »brauchen« (GA 316,181 [23.4.1924] ). Konsequenterweise konnte Steiner vermuten, daß rachitische Kinder zu wenig Blei erzeugten (GA 352,37 [19.1.24]) und bei einer 35jährigen Frau mit »Erregungszuständen« »Plumbum D 4 einmal täglich eine kleine Messerspitze voll« verordnen324. Noch zu seinen Lebzeiten wurde das Mittel »Scleron« »aus metallischem Blei, Honig und Zucker« produziert (GA 277,126), zurückgehend auf eine Anweisung Steiners (GA 313,137) Die anthroposophische Rezeption der Bleitherapie folgt bis heute im wesentlichen Steiners Vorgaben325, aber offenbar wurde die Bleiindikation erweitert326. Nichtanthroposophische Mediziner kritisieren, daß Heilwirkungen mit empirischen Methoden nicht meßbar seien327. Die Konfrontation wird verschärft, da sich die anthroposophische Literatur häufig über mögliche Nebenwirkungen ausschweigt328, so daß die Kritik angesichts der Probleme einer Überdosierung und Vergiftung des toxisch wirkenden Blei bei nichtanthroposophischen Medizinern sehr scharf ausfallen kann329. Vielleicht hängt mit dieser Problemlage auch zusammen, daß in populären Darstellungen der anthroposophischen Medizin Blei vielfach nicht erwähnt wird330, b. Die Mistel Die Karriere des Mistelpräparates in der anthroposophischen Medizin als Mittel zur Tumorbekämpfung vollzog sich vor dem Hintergrund der Krebsforschung 324

Abnormitäten der geistig-seelischen Entwicklung, hg. v H. Walter, 79. 80. Über die Herkunft dieser Vorstellungen läßt sich augenblicklich wenig sagen. Steiners Leserichtung könnte The Svedbergs »Die Materie« (1914) angeben. In dieser Geschichte der Alchemie wird Blei bei der transmutationsanalogen Veränderung der Materie durch Radioaktivität behandelt (S. 148 f.). Steiner kannte dieses Werk (nach GA 312,131. 388), lehnte aber dessen Vorstellungen über das Blei ab. 3Z5 Blei »bewirkt die Begrenzung des Lebens. Durch Bleiwirkung werden lebendige Substanzen in den mineralisch-festen Zustand übergeführt. Dadurch werden zugleich die in der lebendigen Substanz wirkenden ätherischen Kräfte freigesetzt und bilden dann die Grundlage für geistige Vorgänge.« (Wolff: Anthroposophisch orientierte Medizin, 44). 326 Eine erweiterte Liste von Indikationen und Zubereitungen gibt Schramm: Metalle und Mineralien, 76-81, in der das Strukturmuster von Steiners Ansatz bis in psychosomatische Krankheitsfelder hinein ausgedehnt wird (ebd., 78f.). Stratmann verweist auf Bleiempfehlungen in der aktuellen anthroposophischen Medizin, wo jedoch Steiner noch andere Wirkstoffe empfohlen hatte. Etwa bei Rachitis im Hinterkopf habe Steiner Phosphorsalbe befürwortet, heute werde aber Bleisalbe aufgetragen; Stratmann: Zum Einfluß der Anthroposophie in der Medizin, 34. 3z7 Stratmann, ebd., 37f. 328 Weder Wolff: Anthroposophisch orientierte Medizin (s. o. Anm. 325), noch Schramm: Metalle und Mineralien (s. o. Anm. 326), noch Selg: Physiologisch-anthropologische Grundlagen einer Bleitherapie, verlieren im Rahmen ihrer Darstellung der Bleitherapie ein Wort zu möglichen toxischen Wirkungen. 329 Stratmann: Zum Einfluß der Anthroposophie in der Medizin, 36. 330 Vgl. etwa Anthroposophische Medizin, hg. v. M. Glöckler u. a., 272 f., wo aber die weniger problematische Misteltherapie sehr wohl Erwähnung findet (S. 118-121).

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um 1900. Krebs wurde mit dem Aufstieg der Histopathologie im 19. Jahrhundert in seinen Zellstrukturen sichtbar und teilweise chirurgisch, nicht jedoch kausal behandelbar. Zugleich aber blieb eine überzeugende Erklärung der Genese im 19. Jahrhundert aus331, um 1900 konkurrierten diätetische, bakteriologische, soziale und zunehmend genetische Theorien - neben vielen anderen332. Die hilflose Pluralität von Erklärungsansätzen ließ Raum für schwere Eingriffe, etwa für eine »Blitzbehandlung« mit Strom von »mehreren Ampères« (gegen die schon Marie Ritter angegangen war), oder für chirurgische Eingriffe, bei denen »geätzt oder gar galvanokaustisch gebrannt« werde333. Nur Außenseiter wie der Neuropathologe Albert Adamkiewicz (1850-1921) glaubten, daß mit einzelnen Mitteln »das Problem der Krebsheilung ... als gelöst zu betrachten« sei und propagierte »Cancroin-Injektionen«, eine von ihm hergestellte Substanz, deren Applikation aber in einem Fiasko endete334. Vielmehr dominierte in der universitären Medizin eine selbstkritische Stimmung: »Unsere Kenntnisse von der Ursache der Geschwulstbildung kann man zur Zeit etwa dahin zusammenfassen, daß man sagt: zur Geschwulstentwicklung führen ererbte und erworbene Zustände bestimmter Zellen und Zellgruppen ... Ein allgemeingültiges Schema für die Geschwulstentwicklung gibt es nicht.«33s

So der Pathologe Ernst Ziegler (1849-1905) 1898 in seinem verbreiteten Lehrbuch der Pathologie. Und Edmund Leser (1852-1918), Professor für Chirurgie in Halle, kam drei Jahre später hinsichtlich der Diagnostik zu einem ähnlichen Ergebnis: »Wir sind trotz vieler Fortschritte ... in dem letzten Jahrzehnt nicht viel weiter gekommen«336 Die fachspezifische Institutionalisierung machte erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts Fortschritte, in Deutschland mit der Gründung des »Comité für Krebsforschung« 1900, der Eröffnung von Forschungsinstituten in Frankfurt am Main unter Paul Ehrlich 1901 und an der Berliner Charité un-

"` Diepgen: Geschichte der Medizin, II / 2, 105-112. 32 Dies belegt ein ein kursorischer Blick in die Münchener Medizinische Wochenschrift (MMW): Ein Herr Oldfield machte 1900 übermäßigen Fleischgenuß für Krebserkrankung verantwortlich (Rezension in MMW 47/ 1900, 1405). Im gleichen Jahr widersprach Robert Behla der Auffassung, Krebs sei eine durch Sporozoen erzeugte Krankheit, und postulierte »Krebsinfektionskeime ... aus dem Pilzreich« (Behla, Robert: Ueber neue Wege der Krebsätiologie, in: Centralblatt für Bakteriologie, Parasitenkunde und Infektionskrankheiten 27/ 1900, Nr. 9, hier nach der Rezension in: MMW 47/ 1900, 440). Eine Häufung in Städten und bei Frauen konstatierte Carl Maeder: Die stetige Zunahme der Krebserkrankungen in den letzten Jahren, in: Zeitschrift für Hygiene und Infectionskrankheiten 23 (1904), Heft 2, hier nach der Rezension in der MMW 47/ 1900, 700. Zur zunehmenden Einbeziehung »ektogener« Ursachen, etwa in der Häufung bei Arbeitern in »Theer- und Paraffinarbeitern«, bei denen sich keine »parasitäre Ursache« nachweisen ließ, vgl. Alexander Katz: Der gegenwärtige Stand der Krebsfrage, in: MMW 47 / 1900, 1768. Zur Bedeutung der Vererbungslehre Diepgen: Geschichte der Medizin, Bd. II / 2, 105. 333 Zeynek u. a.: Ueber die Blitzbehandlung (Fulguration) der Krebse; zur chirurgischen Therapie Spiess: Therapeutische Versuche zur Heilung von Krebsgeschwülsten, 1949. Adamkiewicz: Ist der Krebs heilbar?, hier nach der Rezension in: Münchener Medizinische Wochenschrift 48 / 1901, 1023. 335 Zit. nach Diepgen: Geschichte der Medizin, Bd. II / 2, 112. 336 Leser: Ueber ein die Krebskrankheit beim Menschen häufig begleitendes, noch wenig gekanntes Symptom, 2035.

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ter Ernst von Leyden 1903337, oder der Gründung der »Zeitschrift für Krebsforschung« ebenfalls 1903. Die Krebstherapie im theosophischen Milieu fand mithin in einer offenen Forschungssituation in der universitären Medizin statt. Krebs war auf dem besten Weg, als »Geißel« der Menschen des 20. Jahrhunderts betrachtet zu werden, und die Antworten der Medizin waren unbefriedigend. Theosophen konnten auf ein wachsendes Heilungsbedürfnis reagieren, die brachialen Methoden der Medizin anprangern und die eigenen Theorien in einem von der Forschung mit kaum konsensfähigen Theorien abgesteckten Feld plazieren. Die Krebstherapie war ein ungeklärtes Forschungsfeld, in dem Theosophen hoffen konnten, sich mit eigenen Theorien und Behandlungsmethoden an die Spitze des medizinischen Fortschritts zu setzen. Die anthroposophische Misteltherapie gegen Krebs führt zurück in ein alternativmedizinisches Milieu der Krebsbehandlung um 1900 und in eine bis in die Antike reichende Tradition des therapeutischen Einsatzes der Mistel". Die Verbindungen dieser alternativen Medizin zum theosophischen Milieu sind namentlich für die Jahre vor dem Ersten Weltkrieg nur partiell aufklärbar. Ziemlich sicher treffen Behauptungen, daß Steiner als erster Mistelextrakte gegen Tumorerkrankungen empfohlen habe, nicht zu339. Robert Jütte hat herausgearbeitet, daß es seit der Mitte des 19. Jahrhunderts unter Homöopathen und anderen Alternativmedizinern intensive Versuche zum Einsatz der Mistel gab340; ob der Einsatz gegen Krebs dann im theosophischen Milieu erstmals vorgenommen wurde, bliebe zu prüfen. Eine wichtige Rolle dürfte in diesem Feld Marie Ritter gespielt haben, die wohl schon 1903 nach alternativen Krebsbehandlungen gegen den martialischen Einsatz von »Kohlenbogenlicht« gesucht hatte und sich 1908 von Steiner die Berechtigung zur Anwendung ihrer phytomedizinischen Mittel bei Krebs bestätigen ließ341. Diese Chronologie legt nahe, daß Ritter bei Steiner um eine übersinnliche Legitimation für ihre Behandlungen nachsuchte und Steiner so in das Feld alternativer Krebstherapien einband. Sie übersandte Steiner schließlich im Januar 1910 ein Mistelpräparat. Ob die Mistel zu diesem

337 Anzeige der Gründung des »Comité für Krebsforschung« am 18. Februar 1900, um einen Überblick über die Epidemiologie des Krebserkrankungen mittels Umfragen unter Ärzten zu erhalten, in: Münchener Medizinische Wochenschrift 47 / 1900, 1446. Zu Ehrlich und von Leyden siehe Wagner / Mauerberger: Krebsforschung in Deutschland, 18-21. 338 Dazu Jütte: Geschichte der Misteltherapie. Daneben Luther: Lektin und Toxin der Mistel, 12-14, und Stratmann: Zum Einfluß der Anthroposophie in der Medizin, 43f. Zur Verwendung im 19. Jahrhundert Becker / Schmoll gen. Eisenwerth: Mistel, 67-69; zur kunsthandwerklichen Umsetzung des Mistelmotivs um 1900 siehe ebd., 75-128. 339 Luther/Becker: Die Mistel, 161. Vgl. dagegen Fuchs: Kreutterbuch (1543), Kap. C, IIII [unpaginiert]: Die Mistel »zeücht zôsamen die ohrmützel/unnd allerley geschwulst. Mit weyrauch vermischt / und auff allte geschwaer gelegt / heylet sie«; die Stelle verdanke ich einem Hinweis von Björn Menrath. 34° Jütte: Geschichte der Misteltherapie, 11-14. 341 Zu den Kontakten Steiners zu Ritter s. o. 16.4.2, »Kohlenbogenlicht« siehe Anm. 131, zu ihren Anfragen von 1908 s. o. Anm. 153. Möglicherweise gab es Probleme mit der Haltbarkeit dieser Mittel, vgl. Anm. 346.

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Zeitpunkt von Steiner oder in seinen engeren theosophischen Kreisen bereits gegen Krebs eingesetzt wurde, ist nicht ganz klar342. Eine zweite Spur343 führt in die Zürcher Jahre Ita Wegmans. Willem F. Daems hat in einer bemerkenswerten Detektivarbeit ermittel, daß Wegman dort mit dem Apotheker Adolf Hauser zusammenarbeitete, in dessen Rezeptbüchlein aus dem Jahr 1916 / 17344 Vorschriften für die Zubereitung von Mistelpräparaten stehen. Neben Hinweisen auf unterschiedliche Pflanzenteile (konzentrierter Auszug aus dem Mark [Extractum visci spissum]; konzentrierter Auszug aus der Beere [Extractum visci e bacca]) enthält es anwendungsbezogene Anweisungen zur Zubereitung, eine »Frostbeulen Salbe mit Viscum« und eine »Heuschnupfencrème (mit Extr. Visci fld.)«345. Möglicherweise gelang es Hauser und Wegman, (im Gegensatz zu Marie Ritter?) einen haltbaren Auszug ohne Alkohol herzustellen346 Die Rezeptur eines »Iscar«-Präparates wurde am 19. April 1918 als geschützter Name eingetragen347, wobei die Rechte bei Wegman und Hauser gemeinsam lagen34B. Der Markenname »Iscador«, unter dem bis heute ein anthroposophisches Mistelprodukt verkauft wird, dürfte hier seine Wurzeln besitzen. Die entscheidende Verbindung der Hauserschen Mittel zum anthroposophischen Milieu belegt sein Eintrag einer »Iscar Kur nach Dr. Wegman«, wonach sie eine 11tägige Therapie anbot, währendderen unterschiedliche Konfektionierungen oder Dosierungen injiziert wurden, die mit behandlungsfreien Tagen abwechselten. Daneben gab es eine Kur mit leicht abweichender Therapievorschrift »nach Dr. Steiner«349, hinter der Daems eine Fortsetzung von Wegmans Therapie vermutet". 342 An eine Leukämie-Therapie mit Ritter-Mitteln zwischen 1911 und 1914 erinnerte sich Johanna Wagemann (GA 2914,470). Es ist aber unklar, welche Ritter-Mittel eingesetzt wurden, ob man Leukämie im engeren Kontext von Krebsformen, die ein Geschwulst ausbilden, gesehen hat, und schließlich ist offen, wann Wagemann diese Erinnerungen niedergeschrieben hat. Bei Steiners frühen Erwähnungen der Mistel findet sich kein Bezug auf die Krebstherapie. Eine mögliche erste Äußerung ist diesbezüglich eher negativ, die Mistel sei ein Überbleibsel der Lebewesen »auf dem alten Monde«: »ungünstig für die okkulte Entwicklung«, besitze aber »besondere okkulte Eigenschaften« (GA 266a,144 [6.5.1906]). Als »Wesen«, das »auf einer niedrigeren Stufe der Entwickelung zurückgeblieben« sei, tauchte sie wenig später auf (GA 94,28 [27.5.1906]). Bei dieser Deutung als retardierter Pflanze blieb es bis 1914: »Baldur Loki als sitzengebliebener Schüler« (GA 100,115 [6.5.1906]); »zurückgebliebene Mondpflanze« (GA 96,239 [4.3.1907]); Baldur Loki »zurückgebliebenes Geschöpf des Mondes« (GA 105,89 [8.8.1908]); Herkunft aus einem »früheren planetarischen Zustand« (GA 60,182 [8.12.1910]). 1920 erschien sie dann als Ausdruck der »Erdenkräfte«, die »sonst in der Blüten- und Samenbildung« stecken (GA 312,111 [25.3.1920]). 343 Eine weitere Spur legte Schlegel: Begegnungen mit Rudolf Steiner, 4, aus, der in den dreißiger Jahren behauptete, Steiner habe aus seinem Buch »Signaturenlehre«, das Anfang des Krieges (1915) erschienen sei und über das er aber vorher schon mit Steiner gesprochen habe, Anregungen für seine Misteltherapie entnommen. Über Schlegels Bedeutung läßt sich beim momentanen Quellenstand wenig sagen. 3a4 Datierung bei Daems: Ita Wegmans Zürcher Zeit, 77. 345 Ebd., 76. 346 Dies berichtete Wegman am 14.7.1917 Marie von Sivers, nach: Zeylmans: Wer war Ita Wegman?, I, 67. 347 Daems: Ita Wegmans Zürcher Zeit, 77. 34a Eintragung ebd., 77; gemeinsame Rechte nach Löscher u. a.: Rudolf Steiner und die Gründung der WELEDA, 99. 349 Nach dem Faksimile bei Daems: Ita Wegmans Zürcher Zeit, 81. 35° Ebd., 77.

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Daß es sich bei der Iscar-Behandlung um eine Krebstherapie handelte, kann man mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit erschließen, einerseits da Wegman seit 1914 eine an Brustkrebs erkrankte Frau behandelte, die 1917 Metastasen hatte351, andererseits aufgrund der Namensverwandtschaft mit dem späteren anthroposophischen Krebspräparat. Angesichts dieser Indikatoren gab es strukturell eine ähnliche Konstellation wie bei den Ritter-Mitteln vor dem Ersten Weltkrieg: Die Initiative ging von Wegman aus, zu der sich Steiner sekundär bestätigend verhielt. Für die Aufwertung der Rolle Steiners bei Selg, demzufolge Wegman »ab 1917 in Abstimmung mit Steiner die 1908 angestoßene Misteltherapie des Krebes weiter[entwickelte]«35z, gibt es in den veröffentlichten Quellen keine Belege, da sie um 1910 herum in Zürich studierte und keine intensiven Kontakte zu Steiner nachweisbar sind (s. u. 16.6.1). Eine zentrale Rolle Steiners ist zwar nicht auszuschließen, aber eben eher unwahrscheinlich. Auch die Bezüge von Wegmans und Hausers Medikamenten zu Ritters Mitteln liegen im Dunkeln, vor allem aber wird die Rolle Hausers bei Se1g unterschlagen. Letztlich ist nicht einmal klar, wie weit die Fokussierung des Einsatzes der Mistelpräparate gegen Krebs bei Steiner, Wegman und Hauser reichte; in Hausers Rezeptbüchlein wurde noch ein multifunktionales Mittel ausgewiesen. Steiner intensivierte jedenfalls nach dem Ersten Weltkrieg seine Beschäftigung mit der Mistel als Therapeutikum gegen Krebs353. Unter Krebs verstand Steiner im Rahmen seines esoterischen Überbaus »deplazierte Versuche von Sinnesorganbildungen«, etwa ein Ohr, das sich »in der Gegend des Magenpförtners« angesiedelt habe (GA 314,137)354 Als er im ersten Ärztekurs am 25. März 1920 erstmalig 351 Nach einer nicht nachgewiesenen Quelle ebd., 77. Die Frau wurde zudem operativ und mit Röntgenstrahlen therapiert, die Iscar-Therapie war eine Zusatzbehandlung. Deshalb ist es nicht sicher, daß der »Erfolg« kausal, wie Daems suggeriert, mit der Iscar-Therapie zusammenhängt. Vgl. auch Wegman: Die ersten Krebsbehandlungen mit Viscum Album, und den Patientenbericht bei Zeylmans: Wer war Ita Wegman?, I, 303. 35z Selg: Eine kurze Skizze der Geschichte anthroposophischer Medizin, 32. Es gibt allerdings eine anthroposophische Historiographie, die Selgs Position stützt. Nach Deventer: Die anthroposophisch-medizinische Bewegung, 15, habe Steiner Wegman »auf ihre Anfrage schon im Jahre 1917 geraten, ein Mistelpräparat herzustellen«. Schmiedel: Aufzeichnungen, 419, berichtet, Steiner habe Wegman 1918 eine Misteltherapie empfohlen. Selg ebd. 33, behauptet, Wegman habe seit 1919 mit Schmiedel in der Mistelbehandlung zusammengearbeitet. In einem Brief an Marie von Sivers berichtete Wegman am 14.7.1917 von einem hergestellten Präparat (Zeylmans: Wer war Ita Wegman?, I, 67, vgl. 257). 393 Anthroposophische Darstellungen, wonach Steiner »1920 als erster die Mistel in die Krebstherapie ein[geführt]« habe (Glöckler u. a.: Anthroposophische Medizin, 256), sind typische Verabsolutierungen Steiners von anthroposophischer Seite. 359 In dieser eigenwilligen, aber in den zwanziger Jahren häufiger geäußerten Vorstellung der Krebsgenese ging Steiner von folgender Voraussetzung aus: »In jedem einzelnen Organe drückt sich in einem gewissen Verhältnis dasjenige aus, was ich in einer verschiedenen Weise drei-, vierfach durch den dreigliedrigen Menschen, durch die vierfache Organisation, wie ich sie anführte - versuchte, Ihnen auf diese Weise durchsichtig zu machen.« (GA 314,136 [27.10.1922]). Nun könne ein Teil an der falschen Stelle im Körper in ein »Wechselverhältnis« treten, beispielsweise das »Ohr« (ebd., 136): »Es gliedert sich zum Beispiel in der Gegend des Magenpförtners ein, statt desjenigen, was dort entstehen sollte. Sie haben auf diese Weise durch eine pathologische Metamorphose den Ursprung der Geschwulstbildung zu sehen. In der Tat sind alle Geschwulstbildungen bis zum Karzinom deplazierte Versuche von Sinnesorganbildungen« (ebd., 137). 1923 betrachtete er Krebs als eine »Funktion«, die als »Karzinom auftritt, die eigentlich, jetzt also nicht Nervenfunktion, sondern

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auf die Mistel zu sprechen kam, war von Krebs allerdings noch keine Rede, er beschrieb die Mistelwirkung nur allgemein als Teil der »Erdenkräfte«, die »sonst in der Blüten- und Samenbildung« seien (GA 312,111)355. Erst am 2. April deutete er die Misteleffekte in Bezug auf seine Krebskonzeption deplazierter Sinnesorganbildungen als Wirkung »derjenigen Kräfte, welche eben entgegenwirken dem gewöhnlichen Gang der Ereignisse« (ebd., 252). Der sozusagen »falsche« biologische Status der Mistel wurde in einem Analogieschluß auf die »falsche« Entwicklung der Krebszellen bezogen. Dieses Modell hat er in den folgenden Jahren ausgefaltet und dabei die Wirkung der Mistel immer stärker mit ihrer Herkunft aus einer vergangen Phase der Evolution begründet, in der die Erde nicht so verfestigt gewesen sei wie heute356. Hinter dieser (allopathischen) Konzeption einer Heilung durch Gegenwirkung kann man eine Bezugnahme auf schulmedizinische Funktionslogiken vermuten357. Immerhin realisierte Steiner, daß sein kosmologischer Interpretationsrahmen der Mistel von den Konzepten der empirischen Medizin weit entfernt war: »Nur muß man sich allerdings ganz klar sein darüber, daß das zunächst die abstrakten Gedankenkonstruktionen sind oder höchstens auch die abstrakten Konstruktionen des clairvoyanten Hellsehens.« (GA 319,75) Angesichts der vermuteten oder für bewiesen gehaltenen Heilwirkungen der Mistel versuchte man in Dornach »fieberhaft«, sie als Krebsmittel einsatzfähig zu machen. Dies geschah in Konkurrenz zu den Stuttgarter anthroposophischen Ärzten, denn schon im Mai 1920 wies Wegman Schmiedel in Dornach an, »hauptsächlich das Krebsmittel« fertigzustellen, »sonst sehe ich [i. e. Wegman, HZ] kommen, daß Deutschland das lanciert, obgleich wir in der Schweiz die

die eigentlich Sinnesfunktion ist« (GA 319,129), oder 1924 Krebs als »am falschen Ort ein abnormes Hintendieren nach einem Sinnesorgan« (ebd., 179). 355 Für die Aussage von Jütte: Geschichte der Misteltherapie, 15, daß Wegman auf diesem Kurs über ihre Erfahrungen mit der Misteltherapie berichtet habe, kenne ich keine Belege; diejenigen Jiittes stimmen nicht. 356 »Die Karzinombildung tritt auf. Was muß ich tun, wenn ich hier heilend eingreifen will? Ich muß zu den früheren Zuständen der Erdenentwickelung zurückgehen, wo auf der Erde noch nicht diejenigen Organismen vorhanden waren, wie sie heute da sind; ich muß irgendwo nachschauen, wo etwas ist, was der letzte Rest, das Überbleibsel, die Erbschaft von früheren Erdenzuständen ist. Da komme ich darauf, daß es diejenigen Pflanzen sind, die als Parasiten, als Viscumbildungen, als Mistelbildungen auf den Bäumen wachsen, die es nicht dazu gebracht haben, im Erdboden zu wurzeln, sondern auf Lebendigem wuchern müssen. Warum müssen sie das? Weil sie sich eigentlich entwickelt haben, bevor unsere Erde dieses feste mineralische Erde geworden ist. Ich sehe heute in der Mistel das, was nicht reine Erdenbildung hat werden können; es muß auf der fremden Pflanze aufsitzen, weil das Mineralreich am letzten in der Erdenentwickelung entstanden ist. Und in der Mistelsubstanz haben wird das, was in der entsprechenden Weise verarbeitet, auch als Heilmittel gegen die Karzinombildung darstellt, das die Sinnesorganbildung an falscher Stelle innerhalb des menschlichen Organismus austreibt« (GA 319,199 [24.7.1924]; ähnlich ebd., 75 [3.9.23]). 357 Wenn die Mistel aus einer Epoche stammt, als die Erde noch nicht so fest ausgebildet war, ergibt sich im Rahmen der Metaphorik von Verhärtung und Aufweichung eine Wirkung der Mistel als Aufhebung der Verhärtung im Krebsgeschwulst durch die weniger verdichteten Kräfte der urtümlichen Mistel. Dann wäre in Steiners Konzeption auch die traditionelle Wahrnehmung der Funktion karzinogener Zellen eingeflossen, ihre Verdichtung und eventuell sogar ihr »modernes« schnelles Wachstum. Dies ist allerdings eine nachgeordnete Sinnschicht gegenüber der »Deplazierungs«vorstellung.

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Mühe und Arbeit der ersten Versuche gehabte haben«358. 1921 versuchte Wegman dann, die Rechte Hausers am Iscar-Präparat an sich zu ziehen359, und schon sehr bald praktizierte man ambitionierte Herstellungsverfahren. Man sammelte Mistelextrakte nicht nur differenziert nach Wirtsbäumen360, sondern konstruierte zur Gewinnung des Extraktes »eine sehr komplizierte Maschine«, berichtete Steiner schon am 3. September 1923, »die eine zentrifugale und eine radiale Kraft entfaltet, mit einer ungeheuren Geschwindigkeit eine zentrifugale Kraft entfaltet. Der Konstruktionsprozeß war nicht leicht.« (GA 319,75) Ita Wegman dürfte in diesen Jahren neben alkoholischen Extrakten auch hochpotenzierte Mistelpräparate hergestellt haben361, doch ging man im Laufe der Jahre zu konzentrierten Dosierungen über, gab also die homöopathische Anwendung auf362. Diese frühe Phase der Herstellung von Mistelpräparaten bedarf noch einer genaueren Aufklärung. Die Krebsbehandlung mit Mistelpräparaten verknüpfte Steiner anfangs mit maßlosen Hoffnungen. 1920 glaubte er, die Mistelbehandlung führe »zweifellos« zum »Ersetzen des Chirurgenmessers bei den Geschwulstbildungen« (GA 312,252 f.). 1923 war er zumindest noch davon überzeugt, daß »ein zur rechten Zeit erkanntes Karzinom ... durch solche Präparate, wie wir sie aus dem Viscum herstellen, auf medikamentösem Wege [wird] bekämpft werden können« - auch bei »den schwersten Krankheitsfällen« (GA 319,129). Behandlungen sind belegt, auch durch Steiner-363, aber das Ausmaß der Therapieversuche ist momentan unüberschaubar. Das große Engagement in der Misteltherapie hatte wohl zwei Gründe: Die Hoffnung auf einen wirtschaftlichen Durchbruch und die Überzeugung, übersinnliche Wirkungen empirisch belegen zu können. Deshalb, so Thomas Dinger, »begünstigten von Anfang an bestimmte Personengruppen ungeachtet eines größeren Gesamtgebäudes der anthroposophischen Medizin das Mistelpräparat als Kardinalfrage des Erfolges«364. Fragen eines Spezifikums einer anthroposophischen Misteltherapie wurden dabei offenbar kaum gestellt, von dem Anspruch auf die übersinnliche Begründung abgesehen. Über historische Kontexte - den Zusammenhang mit Ritter-Mitteln oder die Rolle Adolf Hausers - haben sich Steiner und sein Umfeld kaum Rechenschaft abgelegt (vermutlich weil es die Eigenständigkeit der anthroposophischen »Einsicht« relativiert hätte), aber auch weitergehende kulturhistorische Begründungen der Misteltherapie, der Rückgriff auf altes, vermeintlich »druidisches« Wissen, das zumindest als abstützende Begründung nahegelegen hätte, spielte eine überraschend geringe Rolle. Die Mi-

358 Zit. nach Löscher u. a.: Rudolf Steiner und die Gründung der WELEDA, 84. Zur »fieberhaften« Suche s. u. Anm. 443. 350 Nach Löscher u. a., ebd., 99f. 36o Der Krebs und seine Behandlung, hg. v H. Walter, 31. 361 Wegman: Ohne Titel, in: Natura, Nr 1-2, 1927, Beiblatt, 1-20, S. 3; hier nach Dinger: Homöopathie und Anthroposophische Medizin, 20. 362 Dinger, ebd., 20. 363 Vgl. nur als Beispiel eine Gabe von Viscum pini 0,5-3 % in sieben Injektionen bei einer 30 Jahre alten Frau mit Brustknoten; Der Krebs und seine Behandlung, hg. v. H. Walter, 55. 364 Dinger: Homöopathie und Anthroposophische Medizin, 20.

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stel erschien als Glückfall, der die Mühen der Ebene eines empirischen Nachweises von Steiners Clairvoyance durch den Geniestreich einer trouvaille zu lösen versprach.

16.6 Ita Wegman und Rudolf Steiner Die interessanteste Person unter den Medizinerinnen und Medizinern in Steiners Umfeld war Ita Wegman (1876-1943). Nicht nur weil sie einen sehr selbstbewußten Lebensweg ging, als Ärztin nachhaltig wirkte und zu einer zentralen Figur auf der Grenze zwischen medizinischer Theoriebildung und praktischer Umsetzung wurde, sondern auch, weil sie in ein intimes Verhältnis zu Rudolf Steiner kam und aus dieser Position heraus Wirkungen entfaltete, mit denen sie alle ihre männlichen Kollegen in den Schatten stellte. Nach Steiners Tod jedoch wurde sie zur persona non grata und 1935 aus der Anthroposophischen Gesellschaft ausgeschlossen, so daß bis vor wenigen Jahren nur wenige Informationen über sie vorlagen. Diese Lücke hat jetzt J. Emanuel Zeylmans van Emmichoven in einer großen Biographie geschlossen".

16.6.1 Ita Wegman. Biographische Stationen bis in die zwanziger Jahre Die 1876 in Parakan-Terus nahe Batavia (heute Jakarta) geborene Ita Wegman verbrachte ihre Jugend im großbürgerlichen Milieu von Niederländern, zu denen der Vater in der damaligen Kolonie Niederländisch-Indien als Verwalter in einer Zuckerfabrik gehörte (I,22.386366) Nach einer Verlobung im Jahr 1894, die wegen des Todes des Verlobten nicht zur Hochzeit führte (I,31 f.), fand sie Trost 36s Zeylmans: Wer war Ita Wegman? Die Arbeit steht hinsichtlich der esoterischen Deutung der Rolle Steiners auf dem Boden der Anthroposophie, ist aber in der Aufarbeitung des Materials (Offenlegung bislang streng gehüteter Briefe) eine Pionierarbeit von herausragender Bedeutung für die Geschichte der anthroposophischen Medizin. Vgl. zur Genese dieser Arbeit mit weiteren historiographischen Angaben ders.: Wegman (Interview). Bis 1980 war der Nachlaßteil Wegmans, der sich im Besitz der Rudolf Steiner Nachlaßverwaltung befand, wegen der »Hochschulverschwiegenheit oder des Arztgeheimnisses« »streng sekretiert« (Bind: Emanuel Zeylmans van Emmichoven, 343). Die Ita-Wegman-Nachlaßverwaltung verhielt sich entsprechend restriktiv (ebd., 344). Zeylmans hat es geschafft, Dokumente beider Nachlässe zusammenzuführen, nachdem zuvor »zwischen beiden Nachlassverwaltungen ... Grabesstille« geherrscht hatte (Zeylmans: Wegman [Interview], 79). Es gibt allerdings weiterhin unveröffentlichte Materialien, die auch Zeylmans nicht einsehen konnte, etwa Notizbücher Steiners mit möglichen Meditationen für Wegman (ebd., 116). Gerüchte über die Vernichtung von Materialen über Wegman hält Zeylmans für gegenstandslos (ebd., 131 f.). Demgegenüber ist Steiners Zusammenarbeit mit anderen Ärztinnen weniger prominent und beschränkte sich ziemlich sicher auf medizinische Fragen. Diese Beziehungen sind noch kaum aufgearbeitet; bekannt ist beispielsweise die Zusammenarbeit mit der russischen Ärztin Henriette Ginda Fridkin (GA 260a3,729). s66 Diese Skizze beruht im wesentlichen auf Zeylmans' Materialien, dessen dreibändiges Werk »Wer war Ita Wegman« im Text mit Band- und Seitenzahl nachgewiesen ist. Einige Aspekte von Wegmans Wirken finden sich in anderen Kapiteln; zu ihrer Misteltherapie s. o. 16.5.5b, zur Klinikgründung s. 16.7.2a, zur Therapie gemeinsam mit Steiner s. 16.7.3.

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in Blavatskys »Stimme der Stille« und anderen theosophischen Werken (I,32 f.) und möglicherweise Anschluß an eine theosophische Loge in Indonesien (1,37). 1900 kehrte sie endgültig nach Europa zurück (I,35), wo sie 1902 Steiner in Berlin begegnete (I,294), vermutlich ohne sich ihm anzuschließen367. Im gleichen Jahr erhielt sie aus der Schule des ehemaligen schwedischen Majors Thure Emil Brandt (1819-1895) ein Diplom »in Schwedischer Heilgymnastik und Massage« (I,38). 1905 ließ Steiner sie offenbar an einer Stunde in der Esoterischen Schule teilnehmen (I,46). 1906 begann sie mit dem Medizinstudium, das zu diesem Zeitpunkt für Frauen in Deutschland noch nicht möglich war, in Zürich (I,46)368, wobei sie unbestätigten Mutmaßungen zufolge eine Freundschaft mit dem Anthroposophen und Arzt Alfred Gysi eingegangen sein soll (I,53)369. 1914 sagte sie, bewußt auf eine Ehe verzichtet zu haben (I,63). 1909 bis Ende März 1910 studierte sie für zwei Semester in München (I,55), 1911 erhielt sie ihr ärztliches Diplom in Zürich (I,61), zwischen Oktober 1912 bis ungefähr August 1914 arbeitete sie am Spital Theodosianum in Zürich (I,62). 1914 / 15 könnte sie längere Zeit in Dornach gewesen sein (1,65 f.)370, trat aber 1915 eine Stelle als Assistenzärztin an der Frauenklinik in Zürich an (I,67). Nach der Facharztausbildung eröffnete sie 1917 eine eigene Praxis in Zürich (1,67) und soll bereits 1918 mit Steiner über Krankheitsfälle gesprochen haben (I,69). Noch 1918 lehnte sie aber Marie Steiners Anfrage, in der Nähe des Goetheanum ein »Erholungsheim« zu errichten, ab, und arbeitete im April 1919 mit der Frauenärztin Anna Baltischwiler in einer Privatklinik zusammen, die Ferdinand Sauerbruch gegründet hatte371, entschied sich jedoch Anfang 1920 (?), möglicherweise nach einer Kündigung, nach Basel zu gehen372.

367 In den dreißiger Jahren schrieb Wegman in einem autobiographischen Text, daß sie nach einer Teilnahme in der Esoterischen Stunde gewußt habe: »Rudolf Steiner war mein Lehrer« (Wegman: Vortragsentwurf, 295). Aber esoterische Stunden im eigentlichen Sinn gab Steiner erst 1904 / 05 (s. 7.10.1c). Gegen eine enge Bindung kurz nach 1902 sprechen ihr damals gering ausgeprägtes Interesse an Steiners Theosophie (I, 41 f.) oder eine kryptische Bemerkung Steiners, daß sie vor dem Münchener Kongreß von 1907 »von mir gegangen« war (I, 207). In einem Notat aus den dreißiger Jahren datierte Wegman allerdings auf diesen Münchener Kongreß »meinen Entschluß ganz mit Rudolf Steiner zu gehen« (I, 290). Engere Bindungen dürfte es vor den zwanziger Jahren nicht oder nicht dauerhaft gegeben haben. So ist auch Zeylmans: Wegman (Interview), 12, der Aufassung, Steiners »fester Mitarbeiter« sei Wegman erst seit 1922 gewesen (ebd., 127), habe »sich seinen Zielen aber erst 1923 an[geschlossenj«. 36s 1905 sollen Steiner und Marie von Sivers Ita Wegman zum Medizinstudium geraten haben (I, 43; vgl. I, 47). Bei Selg: Eine kurze Skizze der Geschichte anthroposophischer Medizin, 25, wird daraus ein Rat Steiners. 369 Gysi heiratete am 22. April 1910 Anna Maria Beyerle (1863-1948) und nach deren Tod G. Elisabeth Suter (geb. 1886) (I, 255). 370 Steiner habe Wegman (1913 / 14?) - einer mündlichen anthroposophischen Tradition zufolge - gefragt, ob sie nicht »ein Hundert-Betten-Krankenhaus auf dem Goetheanumhügel« errichten wolle (I, 64f.). Nach Raab: Die Bebauung des Goetheanum-Geländes, 37, war eine Klinik für den Ostbereich des Goetheanum-Geländes (nach Wegman: zwischen Ernährungsheim und Studentenheim) vorgesehen; deshalb war das »große Holzhaus (Ärztehaus) zerlegbar gebaut« worden. Die genauen Gründe für das Scheitern dieses Projektes sind unbekannt. 371 Daems: Ita Wegmans Zürcher Zeit, 73f.; vgl. auch Zeylmans, I, 70.73. 372 In einer autobiographischen Notiz verlegte sie einen Entschluß, nach Dornach zu verziehen, auf die Zeit des »Kriegsendes« (I, 77), während sie Madeleine van Deventer im Dezember 1919 von Plänen erzählt habe, nach Basel zu gehen (I, 77). Zeitnah und verläßlicher ist ihr Hinweise in einem

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Dort arbeitete sie seit Januar 1921 bis 1928 als Gynäkologin33. 1921 begann auch Wegmans Tätigkeit in Arlesheim, wo sie im Juni ihr anthroposophisches Sanatorium eröffnete (s. u. 16.7.2a).

16.6.2 Das Verhältnis zwischen Wegman und Steiner seit 1923 Mit der Gründung ihres Behandlungshauses in Arlesheim, kaum dreißig Fußminuten von Steiners Wohnhaus am Fuß des Dornacher Hügels entfernt, begann - das Wort ist wohl nicht zu hoch gegriffen - eine neue Ära in beider Biographie. Seit diesem Zeitraum, der bis zu Steiners Tod im Jahr 1925 dauerte, ist die Entwicklung der anthroposophischen Medizin untrennbar mit der Freundschaft zwischen Wegman und Steiner verknüpft. Die Verdichtung ihrer Beziehung zwischen 1921 und 1923 läßt sich nur schemenhaft erkennen und auch in äußeren Stationen nur bedingt nachvollziehen. Ob die Eröffnung ihres Sanatoriums am B. Juni 1921 ein Wendepunkt war, als Steiner ihr die Hand gegeben und gesagt habe, »daß er mit mir arbeiten wolle« - so jedenfalls erinnerte sich Wegman später (s. u. 167.2a)? Was geschah in der Brandnacht des 31. Dezember 1922, als sie Steiner »medizinisch betreuen [mußte], denn ihm drohte in dieser Nacht ein Zusammenbruch«374? Welche Bedeutung hatte es, daß nach dem Brand »Dr. Steiner die Klinik fast täglich [besuchte], wenn er in Dornach anwesend war«375? Eine wichtige Phase der Annäherung dürfte jedenfalls Steiners Reise nach Großbritannien im Sommer 1923 gewesen sein, als er im walisischen Penmaenmawr einen Kurs über »Initationserkenntnis« (heute GA 227) gab und in London vor nichtanthroposophischen Ärzten sprach36. Wegman reiste Steiner etwa eine Woche nach seiner Abreise hinterher (I,144 f.). In Penmaenmawr dürften sich Steiner und Wegman Ende August sehr nahe gekommen sein, aber dies läßt sich nur in Äußerungen fassen, die emotionale Nähe in weltanschaulicher Terminologie verdecken: »Können wir nicht eine Mysterienmedizin begründen?« habe sie Steiner gefragt;". Noch in den ersten Septembertagen in London hat Steiner ihr vermutlich Meditationen gegeben378. In den folgenden Monaten entBrief an Steiner vom 30. September 1920, daß ihr im Frühjahr 1920 »in Zürich gekündigt« worden sei (I, 86). 373 Zeylmans I, 88 (und von hier wohl abhängig Selg: Eine kurze Skizze der Geschichte anthroposophischen Medizin, 40) datiert die Praxiseröffnung auf den 1. Januar 1921. Den 29. Januar nennt Daems: Ita Wegmans Zürcher Zeit, 74; hier auch die lange Praxiszeit bis 1928. 374 Zeylmans: Wegman (Interview), 118 (ohne Quellenangabe); vgl. auch die kryptischen Andeutungen in I, 124. 35 Walter: Erinnerungen an Ita Wegman, 7. 376 Zum Umfeld vgl. I, 144f. 37 So die mit Wegman befreundete Madeleine P. van Deventer: Wie kam das medizinische Buch zustande?, B. Daß seit der Zeit in Penmaenmawr die Beziehung zwischen Wegman und Steiner enger geknüpft war, wird in der anthroposophischen Literatur häufig hervorgehoben, vgl. Zeylmans: Wegman (Interview), 55f. 378 Zeylmans, ebd., 16, spricht von »gemeinsamen Meditationen«, gemeint sind aber vermutlich solche von Steiner für Wegman; Zeylmans datiert den Beginn spätestens auf den 2. September 1923 (ebd.).

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wickelte sich eine rasante Dynamik, die in ihrer Sachbezogenheit nicht verbirgt, daß sich zwei Menschen lieben lernten. Um den 1. Oktober herum fiel bei einem Vortragsaufenthalt Steiners in Wien die Entscheidung für ein gemeinsames Buch mit Wegman (s. u. 16.6.3.)39, und auf gemeinsamen Reisen behandelte sie mit Steiner Patienten, etwa Mitte November 1923 in der Haager Privatklinik des anthroposophischen Arztes Willem Zeylmans van Emmichoven380. Das Verhältnis dürfte schon sehr bald nicht mehr zu verheimlichen gewesen sein, irgendwann muß Marie Steiner ihrem Mann Ehebruch vorgehalten haben381, und schon im Dezember waren die Konflikte auch für Außenstehende unübersehbar: »Wenn die Hetze gegen Frau Dr. Wegman so weitergeht«, habe Steiner am 22. Dezember zu Oskar Schmiedel gesagt, »wird sie zur Zersprengung der Gesellschaft führen. Und diese Tendenz macht sich auch in meiner nächsten Umgebung bemerkbar, aber ich werde ihr auch da auf das Energischste entgegentreten.«382 Schmiedel bezog den zweiten Satz auf Steiners Frau und könnte Recht haben, daß sie ihre Abdrängung von Steiners Seite mit »Haß« auf die ihrerseits »cholerische« Ita Wegman beantwortete". Steiner muß versucht haben, die Wogen zu glätten. »Deshalb hat er Ita Wegman, so wird erzählt, über Jahre hinweg sonntags zum Essen in sein Haus, die Villa Hansi, eingeladen, in der Hoffnung, daß die beiden Damen wieder zueinander finden würden.«i84 Steiner ließ sich durch die fortbestehenden Interventionen seiner Frau nicht von seiner neuen Liebe abbringen. Am 28. Dezember 1923 betraute er Wegman mit der Leitung der medizinischen Sektion38> nach der Weihnachtstagung, die am 1. Januar 1924 endete, habe Steiner Wegman »neben sich in den Mittelpunkt des esoterischen Lebens der Klasse«, also der Esoterischen Schule, gestellt", die gar erst wieder »durch ihre Anregung 1924 entstanden« sei387. 1924 verstärkte Steiner die öffentliche Dokumentation von Wegmans neuer Rolle. Am 11. März erschien der erste und einzige Rundbrief für Ärzte. Er war von Steiner und Wegman unterzeichnet (GA 316,229), und Steiner verkündete, daß Wegman nun »Meditationen« gab (ebd., 224) - eine Auszeichnung, die Marie Steiner nie zuteil wurde. Im Juli lobte Steiner »die hingebungsvolle Arbeit meiner lieben Mitarbeiterin Frau Dr. Wegman« (GA 319,160), die er nun als »meine liebe Freundin und Mitarbeiterin auf medizinischem und sonstigem gei-

37v Die Vorträge fanden vom 27.9. bis zum 1.10.1923 statt (GA 223,89-162). Zeylmans: Wegman (Interview), 56; Datierung nach Lindenberg: Steiner (Chronik), 543 f.; vgl. auch GA 319,159 (17.7.24). Selg: Die Medizin im Lebensgang Rudolf Steiners, 383, berichtet von weiteren gemeinsamen Konsultationen in London, Paris und Arnheim. Schon bei der Einweihung der Klinik (wohl 1923) waren 35 Ärzte anwesend (GA 260,267). 38! Vgl. die verdeckte und nicht datierte Bemerkung bei Zeylmans: Wegman (Interview), 160: »Ich weiß nur, daß Marie von Sivers Ita Wegman moralisch verurteilte. Das war für Rudolf Steiner natürlich schwer auszuhalten«. 38Z Schmiedel: Aufzeichnungen, 438. 383 Ebd., 438. Auch Zeylmans: Wegman (Interview), 13. 21, beschrieb sie als »cholerische« Natur. Bei Zeylmans auch die Deutung als »Haß«. 334 Zeylmans: Wegman (Interview), 160. 385 Deventer: Die anthroposophisch-medizinische Bewegung, 32. 38c Schmiedel: Aufzeichnungen, 439. 387 Ebd., 12. 380

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stesforscherischen Gebiete« herausstellte (ebd., 220). Und Steiner entwarf ihr ein eigenes Wohnhaus, das 1924 fertiggestellt wurde388. Welch privilegierten Zugang sie zu dem von Anhängern umlagerten Steiner gehabt haben muß, machen jüngere Anthroposophen deutlich, die überlegten, wie an Steiner heranzukommen sei: »Das, was wir allein tun können ist, daß wir uns fest an Dr. Wegman schließen, denn sie ist augenblicklich für uns der einzige Kanal zu Dr. Steiner«389 Diese Ausnahmestellung gründete in einer großen Liebe, die im Sommer 1924 schwärmerische Züge annahm. Sie ist durch Liebesbriefe dokumentiert, die Steiner seiner Freundin schickte. »Meine liebe Ita« oder »Mysa-Ita« (zu dieser Anrede gleich mehr) pflegte er sie anzureden (1,199 f.), während sie noch im Frühjahr 1924 beim »Mein sehr lieber Freund und Lehrer« oder beim »lieber Herr Doktor« verblieb (I,201 f.) und wohl erst im Sommer zum vertraulichen Du überging (I,207)39°. Dominierten im ersten veröffentlichten Brief vom 29. März 1924 therapeutische Probleme für kranke Anthroposophinnen (I,199), tauchten in den Randbemerkungen bald immer persönlichere Wendungen auf. »Ich bin glücklich, daß Sie wieder da sind«, begrüßte Wegman Steiner nach einer Reise, während er ihr gestand, es sei »schade, daß Du nicht da bist - es wäre mir so schön« (I,202). Als Steiner im Juni 1924 den landwirtschaftlichen Kurs in Koberwitz hielt, wurden aus der in medizinische Dienstfragen verkleideten Zuneigung Konfessionen, Steiner habe ihr jeden zweiten Tag geschrieben39l. »Wirst Du mich jetzt immer lieben bleiben?« (I,207), frug ihn Wegman, die lebenslang nur schlechtes Deutsch sprach392, und Steiner versicherte ihr, »diese Liebe ruht auf dem unerschütterlichsten Fels. ... ich konnte zu keinem Menschen so stehen wie zu Dir«, ja er gestand ihr, »daß ich nur im vollen Eins-sein mit Dir leben möchte« (I,207) und er sich freue, bei der Rückkehr »wieder in Deine lieben Augen zu schauen« (I,209). Aber die fünfzehn Jahre jüngere - Steiner war nun 63 und Wegman 48 Jahre alt - blieb die Schülerin. Er gab ihr weiterhin »Meditationen« (I,204.208 f.), die sie abends, abgesondert von anderen, zu üben hatte393. Wie weit die Beziehung zwischen beiden letztlich ging, ist unklar, aber es könnte gut sein, daß die erotische Freundschaft nicht in sexuelle Liebe umgeschlagen ist394. Die öffentliche Bearbeitung dieses Verhältnisses bedurfte, da freie Liebe nicht zu den lebensreformerischen Zielen unter Anthroposophen zählte, eines Überbaus, und der hieß in der theosophischen Tradition Karma. Schon am 27. Februar 1924 hatte Steiner ihr ein Portrait mit der Widmung geschenkt, »es deuten die Zimmer: Rudolf Steiner als Architekt, 223-232. Schmiedel: Aufzeichnungen, 433. 39° Wie sich die Terminologie später genau verändert hat, ist unklar, da Wegmans Briefe nicht erhalten sind. Zeylmans: Wegman (Interview), 82, und ders.: Wer war Ita Wegman?, I, 198, vermutet, daß Steiner selbst - und nicht seine Frau - sie vernichtet hat. 391 Keyserlingk: Zwölf Tage um Rudolf Steiner, 66. 392 Zeylmans: Wegman (Interview), 24. 393 »Sie sollte z. B. jeden Abend pünktlich um 23 Uhr eine ganz bestimmte Meditation mit ihm üben«, sofern sie nicht zusammen waren, und habe sich dazu auch von Gesprächen oder Tätigkeiten »abzusondern« (ebd., 115). 394 »Man sieht, daß Rudolf Steiner Ita Wegman allerinnigst geliebt hat. An dieser Stelle sitzt das heikle Problem, denn so weit ich das beurteilen kann, war Ita Wegman nicht Rudolf Steiners Geliebte. Sie hatten kein Liebesverhältnis im herkömmlichen Sinn.« (ebd., 80). 388

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Herzen das Karma« (I,209)395, und im August ihre Beziehung karmisch gedeutet: »Es ist so in unserem Karma, daß ich an Dir einen unerschütterlichen Freund finden muß, wenn die Schülerschaft den ganz rechten Weg gehen soll. So will es unser Karma.« (1,206) Steiner wußte auch, wohin die »alten Bande«, die es zu erneuern gelte (1,198), zurückreichten: Zur Zeit des Aristoteles hätten sie ein gemeinsames Leben geführt (1,207f.)396. Wegman hat diese karmische Erklärung akzeptiert und produktiv gewendet, denn im Monat nach Steiners Tod, im April 1925, schob sie »Frl. von Sivers« (die zu diesem Zeitpunkt länger als zehn Jahre mit Steiner verheiratet war), die Schuld zu, »Karmawirk[un]g verhindert« zu haben (1,319). Steiners karmische Bearbeitung seiner Beziehung dürfte an die anthroposophische Öffentlichkeit gedrungen sein, er scheint sie sogar publikumswirksam zu einem Instrument der Legitimation der ménage à trois gemacht zu haben. Denn wenn Steiner am 14. August 1924 in einem Vortrag über die ephesinischen Persephone-Mysterien sprach und von dem Verhältnis des MysterienLehrers zu »einem Schüler oder einer Schülerin« berichtete und betonte, daß es damals eine »Gleichberechtigung des männlichen und weiblichen Geschlechts« gegeben habe, »so daß wir ebensogut von Schülerinnen in Ephesus sprechen können wie von Schülern« (GA 243,86f.)397, dann konnten »eingeweihte« Anthoposophen wohl die tagesaktuelle Beziehungsdimension mithören398. Damit gab Steiner nachträglich Wegmans Anfrage in Penmaenmawr nach einer »My-

395 Wann Steiner Wegman von der »karmischen« Beziehung erzählte, ist unklar, Wegman legt den Zeitpunkt auf »einige Monate nach dem Brand« des Goetheanum vom 31. Dezember 1922 (I, 318). 396 Vermutlich war die karma-erotische Gemengelage noch komplizierter, weil im Mai 1924 Edith Maryon, zu der Steiner ebenfalls ein inniges Verhältnis hatte, gestorben war. Möglicherweise erklären sich so falsche Datierungen der Koberwitzer Briefe (die statt Juni 1924 auf Mai 1924 datiert sind); vgl. I, 269-271, und Zeylmans: Wegman (Interview), 129. Zeylmans sieht noch eine weitere Dimension, nämlich eine »ganz entscheidende Auseinandersetzung« zwischen Steiner und Wegman, vielleicht die Eröffnung von Steiners karmischer Beziehung zu Maryon (ebd., 130). Wegman hat dieses intrikate Beziehungsdreieck realisiert und Maryon neben Marie Steiner als ihre Konkurrentin betrachtet (I, 318). 397 Wegman hat diese Beziehung auf Anregung Steiners literarisch in einem Drama verarbeitet, vgl. Roemer: Persephone. Das Stück ist publiziert unter: Wegman / Stein: Persephoneia. In dem Stück, das mit erotischen Metaphern im anthroposophischen Sprachspiel arbeitet, verfällt Persephone Pluto, dessen »dunkle Macht« sie »scheue« (S. 42). Ein Trank wird, so Pluto zu Persephone, »wie Feuer dich durchströmen« (ebd.). Persephone antwortet, es »durchkraftet meinen Leib/Es verdichtet sich mir mein Seelisch-Fühlsames / Zum kraftvollen >Ich bin.< [Regieanweisung:] Pluto zieht sie in die Felsenspalte hinab.« (S. 43) Nach Zeylmans: Einleitung zu dem Persephone-Spiel, 34-37, lassen sich Wegmans und Steiners Teile präzise voneinander scheiden. 398 Die Mutmaßungen, daß Wegman in einer früheren Inkarnation eine Priesterin in den Mysterien in Ephesos gewesen sei, sind in der anthroposophischen Literatur weit verbreitet. Vgl. bes. Zeylmans: Wegman (Interview), 100, ders.: Wer war Ita Wegman?, II, 99-117, sowie die monographische Ausweitung bei Kirchner-Bockholt / Kirchner: Die Menschheitsaufgabe Rudolf Steiners und Ita Wegman. Zumindest nach Steiners Tod muß Wegman auch darüber im vertrauten Kreis gesprochen haben, vgl. Deventer: Wie kam das medizinische Buch zustande?, B. Wieweit Steiner noch in anderen Vorträgen in »karmischer« Brechung auf sein Verhältnis zu Wegman einging, wäre zu prüfen. Die neun Vorträge auf der Weihnachtstagung 1923 / 24 (GA 233) und die Karmavorträge von 1924 (GA 235-240) werden genannt (Zeylmans: Wegman [Interview], 119). Zeylmans berichtet ohne Quellenangabe von der Auffassung, Wegman habe »in fünf vorhergehenden Inkarnationen« mit Steiner »zusammengearbeitet« (ebd., 168).

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sterienmedizin« eine Legitimation', die er in den Briefanreden als »Mysa-Ita« bereits vollzogen hatte. Wegmans Weg an die Seite Steiners war am 28. September 1924, als Steiner seinen letzten öffentlichen Vortrag vor seinem Zusammenbruch hielt (zu dem er gemeinsam mit seiner Frau und Ita Wegman die Schreinerei am Goetheanum betrat"), faktisch vollzogen und weltanschaulich legitimiert. Er hatte sie sogar in gewisser Weise als Nachfolgerin eingesetzt, als er zehn Tag zuvor mit ihr zusammen den esoterischen Ärztekreis einsetzte (GA 3184,165 f.). Wie ein Vermächtnis wirkt die Übergabe seines goldenen Kreuzes, das Steiner Wegman »unter Einhaltung bestimmter Zeremonien übertragen« habe; es lag bei Steiners Aufbahrung auf seiner Brust". Mit Steiners Krankenlager begann die letzte Phase seiner Beziehung mit Wegman. Sie erinnerte sich an die Zeit der in Schüben abnehmenden Kräfte Steiners als ein Leben »in stiller Abgeschlossenheit« (I,243). Beide traktierten weiterhin medizinische Fragen402, zugleich dürfte eine große Zuneigung geherrscht haben, denn in Steiners Liebesgedichten für Wegman ist viel von »Liebe« und »Treue« der »lieblich milden« »Mysa« die Rede (I,241). Steiner war zum Sterben in den Atelierraum der Schreinerei gezogen, »er wollte weder in die Klinik noch in seine Wohnung in Haus Hansi transportiert werden«403. Hier fand er seine Arbeitsmaterialien, unter anderem seine Bibliothek vor (I,239), und er wollte wohl im Goetheanum seinem Lebensprojekt sowie Menschen nahe sein, aber es war eben auch ein Auszug aus dem gemeinsamen Haushalt mit seiner Frau. Drei Tage später, am 1. Oktober 1924, zog Wegman in die Nähe des Geliebten, in ein Nebenzimmer des Ateliers (I,234), von dem aus sie ihn pflegen und medizinisch versorgen konnte (I,240). Nur noch wenige Menschen ließ Steiner nun an sich heran (I,240), darunter seine Frau und den Arzt Ludwig Noll, den Wegman hinzugezogen hatte (I,235). Ein letztes Mal wird ein Konflikt zwischen Steiners Frau und seiner neuen Liebe greifbar. Einen Monat vor seinem Tod mußte er seiner Frau schreiben, wie er die Dreiecksbeziehung verstanden wissen wollte: »Daß Karma auch andere Personen in meine Nähe bringt, ist eben Karma.... Aber Du hast Dich zum Verständnis durchgerungen; das ist ein Segen für mich. Im Urteil zusammenfühlen und -denken kann ich ja doch nur mit Dir.« (GA 2622,450)

Steiner vermied es, seiner Frau den Namen der »anderen Person« zu nennen, aber es kommt niemand anders als Wegman in Frage. Vielleicht wich er ihrem Namen auch aus, weil im Hintergrund eine noch frische Auseinandersetzung stand. Was zu verstehen Marie Steiner sich »durchgerungen« hat, wird nicht explizit gesagt, aber sie dürfte Wegman als Frau an Steiners Seite hingenommen haben. Wenn sich Marie Steiner mit »im Urteil zusammenfühlen und -denken«, also einem kognitiven Verhältnis, bescheiden mußte, dann war damit wohl die 399 Vgl. oben Anm. 377. 40o Lindenberg: Steiner (Chronik), 606. 40 ' Lili Kolisko, zit. in Poeppig: Rückblick auf Erlebnisse, 180; Zit. ebd. 402 So erhielt Wegman 1924 / 25 von Steiner Fragen schriftlich beantwortet; faksimilierte Blätter bei Selg: Vom Logos menschlicher Physis, 687-693. 4o3 Deventer: Die anthroposophisch-medizinische Bewegung, 32.

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emotionale Dimension für Wegman reserviert. Dies waren letzte Klarstellungen. Am 29. März informierte die Ärztin die Ehefrau, die sich auf einer Eurythmiereise befand, über Steiners prekären Zustand (I,244). Doch die unverzüglich zurückeilende Marie Steiner sollte ihren Mann nurmehr als Toten wiedersehen.

16.6.3 Wegmans und Steiners gemeinsames Buch »Grundlegendes für eine Erweiterung der Heilkunst« Im Herbst 1925 erschien unter der gemeinsamen Autorschaft von Steiner und Wegman das Buch »Grundlegendes zur Erweiterung der Heilkunst« (GA 27), die einzige medizinische Monographie, für die Steiner (mit)verantwortlich zeichnete404. Das Werk sollte die Grundlagen der anthroposophischen Medizin bieten, an der die Stuttgarter Ärzteschaft mit ihrem »Vademecum« gescheitert war (s. u. 16.7.2b). Steiner und Wegman dürften seit Oktober 1923 an ihrem Gemeinschaftswerk gesessen haben405, das über anderthalb Jahre ein Gegenstand gemeinsamer Arbeit blieb406. Davon unterrichtete Steiner die anthroposophische Öffentlichkeit407. Am 24. Juli 1924 hieß es, »der erste Band ist eben im Drucke« (GA 319,221), aber noch drei Tage vor seinem Tod habe Steiner letzte Korrekturen vorgenommen408. Steiner hatte zudem weitere Bände geplant, die allerdings nie erschienen". Angesichts dieser Entstehungsgeschichte sind schon bald Mutmaßungen ins Kraut geschossen, der Text könne im wesentlichen von Wegman stammen410, aber eine Quellenkritik ist auf der Grundlage der veröffentlichten handschriftlichen Grundlagen nicht möglich411. Den Produktionsprozeß hat Zeylmans aufgrund 4o4 Das Manuskript liegt in der Ita Wegman-Nachlaßverwaltung und nicht im Nachlaß Steiners (GA 27,4). 400 S. o. Anm. 379. 906 Steiner arbeite regelmäßig nach Vorträgen mit Wegman, »soviel ich hörte, an dem medizinischen Buch«, berichtet Schmiedel: Aufzeichnungen, 438. 407 Am 5.1.1924 sprach Steiner von einer »Arbeit, die ich unter Beihilfe von Frau Dr. Wegman vorbereite« (GA 316,59), wohingegen er am 24.4.1924 von »dem Buch, daß Frau Dr. Wegman herausgibt«, sprach (ebd., 234). Eine veränderte Autorkonzeption ist unwahrscheinlich, denn am 21.7.1924 meinte er, es »wird - ich glaube in recht kurzer Zeit - das Buch erscheinen können, das von Frau Dr. Wegman ... mit mir zusammen geschrieben, veröffentlicht werden wird« (GA 319,180). 408 Wegman, Vorwort (GA 27,136). In welchem Verhältnis dazu Zeylmans Aussage steht, das Manuskript sei zwischen Oktober 1923 und August 1924 entstanden (I, 156), ist unklar. 909 »Es werden Fortsetzungen folgen« (GA 319,221), hatte Steiner im Juli 1924 gesagt. Wegman wollte noch einen oder zwei weitere Bände auf der Grundlage von Steiners Notizen erstellen (GA 27,136), aber auch dazu kam es nicht. 4'° Belart: Vorwort zu Rudolf Steiner: Grundlegendes, 3. 41 Von Steiner ist immer in der dritten Person die Rede, doch ist unklar, welchen Stellenwert diese formale Distanzierung besitzt. Die Genese der Zusammenarbeit und die inhaltlichen Implikationen der Textgeschichte bedürften einer eigenen Untersuchung. Der Abdruck von Teilen des handschriftlichen Textes von Steiner (Steiner: Grundlegendes für eine Erweiterung der Heilkunst [Faksimilewiedergaben]) dokumentiert leider keine Vorgeschichte, sondern nur die Fassung letzter Hand. Von Wegman liegen handschriftliche Teile für die Kapitel 19 und 20 (Krankheitsfälle und Heilmittel) vor; Holtzapfel: Zu der vorangehenden »Vorrede«, 3. Ein weiteres Fragment von ihr findet sich unter: Wegman: ohne Titel (Rundbrief der medizinischen Sektion,

16.6 Ita Wegman und Rudolf Steiner

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unpublizierter Materialien folgendermaßen beschrieben (I,156): Der »Forschungsimpuls« sei von Steiner ausgegangen, Wegman habe eine erste Niederschrift verfertigt, und auf deren Grundlage habe Steiner den Text abgefaßt. Über die Differenzen zwischen den Auffassungen von Steiner und Wegman sind augenblicklich allenfalls einige Konjekturen möglich. Möglicherweise hat Wegman die anthroposophische Medizin stärker als Ergänzung denn als Umgestaltung der universitären Medizin angesehen412, vermutlich stammen die Fallbeispiele und Heilmittelangaben stärker von ihr413. In den konzeptionellen Grundlinien finden sich allerdings keine auffälligen Abweichungen von den Vorstellungen, die Steiner in seinen Vorträgen geäußert hat414. Mit dem Buchtitel wurde der Begriff »Heilkunst« endgültig zu einem zentralen Begriff des Selbstverständnisses anthroposophischer Medizin. Obwohl diese Grundlagenschrift die einzige systematische Darstellung zur Konzeption der anthroposophischer Medizin blieb, war ihr bei Erscheinen keine breite Rezeption unter nichtanthroposophischen Ärzten beschieden. Zu stark war die Innenperspektive und zu »esoterisch« die Diktion in weiten Teilen, wozu die Verfasser des Büchleins aber selbstbewußt standen: »Richtig beurteilen wird man das Vorgebrachte nur, wenn man sich auf die Gesichtspunkte einlassen kann, die leitend waren, als die medizinischen Anschauungen zustande kamen, von denen hier gesprochen wird.« (GA 27,7)

16.6.4 Wegmans Leben nach Steiners Tod Mit Steiners Tod verlor Wegman ihre alles entscheidende Protektion in der Anthroposophischen Gesellschaft. Ihre Versuche, eine »esoterische« Leitungsfunktion zu übernehmen (II,119), scheiterten, ihre Gegner, namentlich Marie Steiner, betrieben ihre Verdrängung aus dem Zentrum der Dornacher Anthroposophie. Am 14. April 1935 kam es auf einer turbulenten Generalversammlung zu dem von langer Hand vorbereiteten Ausschluß aus der Anthroposophischen Gesell-

Nr. VII). Ein Entwurf ist publiziert unter Wegman: Entwurf zur Vorrede. Ein kurzer, anschließender Vergleich von Holzapfel (s. o.) mit der publizierten Version macht vor allem klar, daß Steiner Wegmans Vorlage gestrafft hat. Der Titel zu dem Doppelwerk stammt von Hilma Walter (Selg: Eine kurze Skizze der Geschichte anthroposophischer Medizin, 56). 412 S. o. Anm. 73. 413 Die entsprechenden Kapitel XIX und XX liegen in der Handschrift Wegmans, nicht jedoch Steiners vor; Belart, Vorwort zu Steiner: Grundlegendes, 3. Sie selbst umschrieb ihren Anteil mit »das Praktische, die Behandlung der Patienten« (zit. nach I, 156). 414 Wegmans spirituelle Interessen außerhalb der anthroposophischen Orthodoxie wären ein eigenes Kapitel. Auffällig ist aber beispielsweise ihr Interesse für die stigmatisierte Therese Neumann in Konnersreuth. Sie hatte um 1926 herum eigens einen Mitarbeiter, Eberhard Schickler, nach Konnersreuth geschickt, um die Ereignisse in dort zu beobachten (Wegman: Wie bewertet geisteswissenschaftlich orientierte Medizin Erscheinungen, 95). Seinen eindrücklichen Bericht kommentierte sie mit der abwertenden Schlußfolgerung, die strukturell schon Marie Ritter unter Anthroposophen getroffen hatte: Diese Art des Erlebnisses mache »erdenfremd« (ebd., 107. 108) und sei durch Steiners Weg überholt; nur der anthroposophische Weg sei »bewußt und willentlich« (dies.: Im Anbruch des Wirkens für eine Erweiterung der Heilkunst, 117).

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16. Medizin

schaft45. Hinter den vielen, teils vielleicht berechtigten, teils sicher infamen Vorwürfen standen vermutlich zwei zentrale Konfliktbereiche: »die Konten und die Macht 04'6. Wegman gründete nun mit der Minderheit ihrer Anhängerinnen und Anhänger die »Vereinigten Freien Anthroposophischen Gruppen« (s. 3.8.3), wirkte weiter als Leiterin der Arlesheimer Klinik und rief noch eine Tessiner Dependance ins Leben, die »Casa Andrea Cristoforo« (I1,256 f.). Wegmans Verstoßung verhinderte allerdings nicht, daß sie zu einer zentralen Figur der anthroposophischen Ärzteschaft aufstieg. Das Verhältnis zu Marie Steiner blieb zerrüttet, sie quittierte jedenfalls Wegmans Angebot einer Versöhnung vom 15. Februar 1943 mit der Bemerkung: »Die Wegman hat mal wieder nichts verstanden.«"' Kaum einen Monat später, am 4. März, ist Ita Wegman in Arlesheim gestorben.

16.7 Medizinische Praxis in den zwanziger Jahren 16.7.1 Die Genese der Heilmittelherstellung Vor der Theorie stand die Praxis. Lange bevor Steiner in den zwanziger Jahren seine medizinischen Gedanken ausbreitete, gab es ein pragmatisches working by doing. Man wandte alternativmedizinische Mittel an, bevor sie in den theosophischen Theorierahmen integriert wurden. Die Ritterschen Heilmittel oder Peipers' Farbtherapien sind dafür Beispiele (s. o. 16.4.1-2)48 Die Heilmittelproduktion wurde in den Nachkriegsjahren zu einem eigenen Feld der anthroposophischen Medizin, wenngleich einige ihrer Wurzel bis in die Vorkriegjahre reichen: in die Versuche, Pflanzenfarben für den Johannesbau herzustellen. Dieses Unternehmen ist eng mit dem späteren Leiter der »Weleda«, Oskar Schmiedel (1887-1959), verknüpft. Der Wiener Protestant, der 1907 Steiner begegnete49, hatte in München Chemie studiert (Diplom 1911) und war im März 1913 promoviert worden420. Bereits im Frühjahr 1912 hatte er mit der Theosophin Imme von Eckardstein (1871-1930) ein Laboratorium mit zwei Zimmern in der Augustenstraße, nahe der Technischen Hochschule, eingerichtet, um - wie immer auf »Anregung von Steiner« - Pflanzenfarben herzustellen. Die Kosten des Labors teilten sich hälftig Eckardstein und Schmiedels Verlobte, die Arzttochter Thekla Michels (1886-1964). Als Eckardstein im März 1913 415 Auf der Generalversammlung der Anthroposophischen Gesellschaft im Jahr 1948 wurde sie postum rehabilitert und der Ausschluß aufgehoben. 416 So Zeylmans: Wegman (Interview), 182, zustimmend auf eine Interviewfrage. Die den Ausschluß begründende »Denkschrift«, finanziert von der Anthroposopischen Gesellschaft (ebd., 181), ist abgedruckt in III, 259-291. 41 Nach Zeylmans: Wegman (Interview), 197. 418 Für dieses Kapitel bilden neben den Aufzeichnungen Oskar Schmiedels vor allem das Doppelheft 118 / 119 der Beiträge zur Rudolf Steiner Gesamtausgabe (Dornach 1997) zur Geschichte der »Weleda« die Grundlage. Die wichtigsten Informationen sind hier gesammelt, doch stelle ich sie in andere Bezüge und deute sie auch anders, als es in diesen Publikationen geschieht. 419 Schmiedel: Aufzeichnungen, 414f. 42o Ebd., 416 f.

16.7 Medizinische Praxis in den zwanziger Jahren

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dort alleine arbeiten wollte und das Laboratorium übernahm, richtete Schmiedel im Mai 1913 mit Hilfe finanzieller Zuwendungen der Malerin Lotus Peralté in einem »Bildhaueratelier (Massmannplatz)« ein neues Labor ein, zu dem die neue Gönnerin bis Ende 1913 oder Januar 1914 einen finanziellen Zuschuß leisteteÆ2i. Ziel der Arbeit im »Chemisch-Theosophischen Laboratorium Dr. Oskar Schmiedel«422 war es, Farben und Malgrund für die Innenkuppel des ersten Goetheanum sowie den Außenlack herzustellen423, außerdem Wandfarben für den Ritualraum in Stuttgart (s. 12.2.4424). Daneben wollte Schmiedel Geld mit »Harnanalysen« und »Nahrungsmitteluntersuchungen« verdienen, außerdem »diverse Artikel (wie Weihrauch, Kohle, Seife, Zahnpulver, Brillantine [Haarcreme oder -öl, HZ], Eukalyptusbonbons etc.)« herstellen425. Schmiedel habe schließlich »vor allem kosmetische Produkte hergestellt«426. Steiner, der diese Aktivitäten offenbar mit großem Interesse verfolgte, »machte selbst Versuche« (wohl 1912)427 und gab Hinweise zur Herstellung von Weihrauch und Haaröl428. Mit welchen Ideen und Techniken man in München arbeitete, ist unklar. Der Hinweis jedoch, daß Schmiedel Hinweise auf Alkahest zur Haltbarmachung aufnahm, die ihm der auch homöopathisch praktizierende Arzt Hanns Rascher, der darauf in einem Paracelsusbuch des Theosophen Franz Hartmann gestoßen war429, herbeigeschafft hatte, legt nahe, daß Schmiedel (auch) in »esoterischen« Traditionen nach Rezepten suchte. Aufgrund finanzieller Probleme ging das Laboratorium in des Besitz des Johannesbau-Vereins in Dornach über, wohin Schmiedel am 1. März 1914 als Angestellter des Vereins übersiedelte43°. Das chemische Laboratorium in Dornach, das in einer Baracke in der Nähe des Johannesbaus untergebracht war und das man sich als relativ einfach vorstellen muß431, wurde zur Keimzelle der anthroposophischen Arzneimittelproduktion. Aus dem wohl eher beiläufigen Verkauf von Heilmitteln (etwa derjenigen Marie Ritters432) erwuchs schließlich ein zentrales Arbeitsfeld. Wann der Gedanke einer Schwerpunktverlagerung von den Farben auf pharmazeutische Produkte aufgekommen ist, läßt sich nicht genau sagen, doch im Oktober 1919 sind solche Pläne greifbar. Man war zu diesem Zeitpunkt - dies ist signifikant für die weitere Entwicklung der anthroposophischen Heilmittel - auf der Su421 Ebd.; Finanzierung 1913 / 14 ebd., 418; vgl. auch Schmiedels Brief vom 1.1.1913 an Steiner in: Löscher u. a.: Rudolf Steiner und die Gründung der WELEDA, 70f. 422 Löscher u. a., ebd., 64. 423 Schmiedel: Aufzeichnungen, 419; Das Wirken Rudolf Steiners, IV, hg. v. H. H. Schöffler, 414. 424 Schmiedel, ebd., 417. 425 Schmiedel, Brief vom 1.1.1913 an Steiner, in: Lüscher u. a.: Rudolf Steiner und die Gründung der WELEDA, 71. 42b Ebd., 64. 427 Schmiedel: Aufzeichnungen, 417. 4z8 Schmiedel, zit. in Löscher u. a.: Rudolf Steiner und die Gründung der WELEDA, 72. 429 Schmiedel: Aufzeichnungen, 417. 430 Ebd., 418; Löscher u. a.: Rudolf Steiner und die Gründung der WELEDA, 73. 431 Vgl. die Photographien in Liischer u. a., ebd., 86; Das Wirken Rudolf Steiners, IV, hg. v. H. H. Schöffler, 62-64. 432 S. o. Anm. 172.

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che nach Finanzquellen für den Weiterbau des Goetheanum, und dazu sollten auch die Heilmittel, ebenso wie alle anderen Unternehmen der »Kommenden Tag A. G.« und der »Futurum A. G.« (s. 14.6.4), einen Beitrag leisten433. Daß gerade im Oktober 1919 auch die Ausmalung der Kuppelmalereien zu einem Ende gekommen war434, führte vielleicht automatisch zur Frage der künftigen Funktion des Laboratoriums. Mit den Heilmitteln hoffte man, eine neue Aufgabe mit gewinnträchtigen Perspektiven verbinden zu können. Dies heißt nicht, philanthropische Motive zu unterschlagen, aber angesichts einer stark idealistischen Sicht anthroposophischer Historiographen lohnt es, das pekuniäre Interesse im Blick zu halten. Auf der Suche nach den Quellen für solche Heilmittel ventilierte man - längere Zeit vor dem ersten Ärztekurses - im Winter 1919 die Herstellung homöopathischer Medikamente aus der Apotheke Nolls435, und spätestens im März, immer noch vor dem Ärztekurs, liefen die Planungen, daß die »Fabrik« »die Herstellung einiger älterer, von Dr. Noll und Dr. Eisenberg bereits ausprobierter homöopathischer Heilmittel sowie die Fabrikation von kosmetischen und diätetischen Präparaten übernehmen« solle436. Noch bevor auch nur ein Wort Steiners zur Konzeption einer anthroposophischen Medizin gesagt war, lagen die Arzneimittel im Prinzip schon auf dem Tisch. Immerhin sollten die Präparate in Kliniken »genügend auszuprobiert« werden437. Offenbar wollte man die gesamte Produktions- und Wertschöpfungskette in der Hand behalten. Konsequenterweise erstand Walter Kehler, der neue Leiter der »Chemischen Werke« seit April 1920, der von der Bayer A. G. als Externer kam und sich wohl nur partiell mit der Anthroposophie identifizierte438, schon während des ersten Ärztekurses nicht nur Maschinen, sondern auch pflanzliche Grundstoffe zur Medikamentenherstellung in großem Stil und eher nach Marktlage (vom »Macisöl« [Muskatöl) habe er »zufällig einen Posten gekauft«)439. Es ist unklar, ob oder welche Ideen Kehler hinsichtlich der Wirksamkeit einiger Mittel besaß, aber offenbar hatte er dezidierte Vorstellungen von ökonomischer Effizienz440. Erst jetzt gab es ernsthafte Versuche zur Gründung von Kliniken, vermutlich zu diesem Zeitpunkt primär von Wegman (s. o. 16.7.2a). Gleichzeitig entstanden, ohne daß es Hinweise auf intensivere Prüfungen gäbe, die ersten Heilmittellisten. Während des ersten Medizinerkurses im März und April 1920 verfaßte Schmiedel - und nicht etwa ein Mediziner - eine erste Aufstellung von 13 Präparaten'. Nun mußte alles ganz schnell gehen, Wegman

433 Darstellung bei Löscher u. a.: Rudolf Steiner und die Gründung der WELEDA, 75. Den Kontext bestätigt auch Schmiedel: Aufzeichnungen, 419, der einen Vorschlag von Hans Kühn im Winter 1919 im Rahmen der Dreigliederung erwähnt. 4s4 Löscher u. a.: Rudolf Steiner und die Gründung der WELEDA, 87. 43s Schmiedel: Aufzeichnungen, 419. 436 Zit. nach Löscher u. a.: Rudolf Steiner und die Gründung der WELEDA, 76. 437 Zit. nach ebd. 438 Siehe ebd., 55. 439 Ebd., 77. 44o Siehe ebd. 441 Ebd., 80.

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wies Schmiedel im Mai 1920 an, man müsse »jetzt fieberhaft arbeiten«442, und so wurde in atemberaubender Geschwindigkeit die Arzneimittelproduktion angefahren. Im Sommer 1920 kam Noll nach Dornach und brachte von den »Unterredungen« mit Steiner »immer wieder neue Rezepte in das Laboratorium, wo ich [Schmiedel, HZ] sie dann in ständiger Fühlungnahme mit Dr. Steiner und Dr. Noll ausführte«443. Seit Februar 1921 kam eine Heilmittelfabrikation in Schwäbisch-Gemünd hinzu (s. u. 16.7.2.b), schon im März dürften sich Noll und Eisenberg in einem Lizenzvertrag ihren Anteil an den erwarteten Erlösen gesichert haben, im zweiten Ärztekurs vom April 1921 lag den Ärzten eine »Tabelle« von Heilmitteln vor, und im Juli präsentierten Wegman (die im Juni ihr Haus eröffnet hatte) und die Stuttgarter Ärzte (die im September folgten) jeweils eigene Listen444. Vielleicht gehört in diese Zeit Schmiedels Erinnerung, daß es aufgrund von Steiners und Wegmans Anweisungen notwendig gewesen sei, »täglich neue Heilmittel herzustellen«445. Bereits im September wurden jedenfalls »Arzneimittel ... in größerer Zahl hergestellt«, einen Monat später fiel der förmliche Beschluß, in Schwäbisch-Gemünd den Schwerpunkt der Produktion auf Heilmittel zu verlagern, und noch im selben Monat wurde der Lizenzvertrag mit Noll und Eisenberg neu gefaßt'. Schließlich konnte man die stolze Bilanz präsentieren, 1921 »71 neue Präparate« »ausgearbeitet« zu haben447. Und das Tempo blieb hoch: Im Januar 1922 wurde das »Weleda«-Warenzeichen gesichert, im Februar neun neue Heilmittel markenrechtlich geschützt, im Frühjahr 1922 konnte das »Versuchslaboratorium« vier neue Mittel der »Großfabrikation« übergeben, im Juli fertigte Noll in Arlesheim eine Liste mit 122 Präparaten aus, und die Heilmittelliste des Jahres 1922 wies schließlich 295 Präparate auf: 113 sollen auf Steiner zurückgehen, zwei auf Wegman, elf auf Noll und Eisenberg, die Herkunft der restlichen sei unbekannt". Das Stakkato der Daten und Erfindungen habe ich ausführlich präsentiert, weil es anthroposophische Deutungen der Genese der Heilmittel in Frage stellt. So verwahrt sich Walter Kugler gegen »Experten, die immer wieder behaupten, Rudolf Steiner habe verschiedentlich lediglich auf alte Rezepturen zurückgegriffen«, vielmehr seien die anthroposophischen Mittel das Ergebnis eigener »rationell-exakter medizinischer Denkungsart«, und Jürg Himmelsbach glaubt, die Heilmittel habe Steiner zumindest teilweise »nach anthroposophischen Ge-

44z

Zit. nach ebd., 84. Schmiedel: Aufzeichnungen, 420. 444 Vertrag von Noll und Eisenberg, zit. nach Löscher u. a.: Rudolf Steiner und die Gründung der WELEDA, 101. 124. Tabelle April 1912: GA 313,140 (vgl. auch ebd. 81. 143). Listen vom Juli in: Löscher u. a., ebd., 108. 113. 44s Schmiedel: Aufzeichnungen, 434. 446 Arzneimittelherstellung im September zit. nach Liischer u. a.: Rudolf Steiner und die Gründung der WELEDA, 120; Produktion in Gemünd: ebd., 122; neuer Lizenzvertrag: ebd., 134. 447 71 neue Präparate: zit. nach ebd., 124. 44s Warenzeichen: ebd., 128; neun neue Heilmittel: ebd., 129; Großfabrikation: zit. nach ebd., 132; Liste mit 122 Präparaten: ebd., 149; zur Dominanz Steiners: ebd., 149. Liste mit 295 Präparaten: Himmelsbach: Die WELEDA und die Entstehung ihrer Heilmittel, 25. 443

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sichtspunkten gefunden«449. Die Realität sah anders aus: Die Heilmittel wurden in wesentlichen Teilen aus dem Traditionsstrom der alternativen Medizin, namentlich der Homöopathie, vermittelt durch Ärzte wie Noll und Eisenberg, auf die anthroposophische Medizin umgeleitet. Und angesichts des schwindelerregenden Tempos der Einführung neuer Produkte ist eine sorgfältige Wirkungsoder Verträglichkeitsprüfung undenkbar450. Daß man sich pragmatisch aus dem Fundus der Tradition bediente, haben allerdings schon anthroposophische Zeitgenossen Steiners realisiert. Der Arzt Eduard Ederle, der am ersten Ärztekurs teilnahm, berichtet, daß »in der I. Auflage der Heilmittellehre« die homöopathischen Mittel noch getrennt aufgelistet waren451 (dies war spätestens 1924 nicht mehr der Fall452), der Homöopath Hans Balzli warf den Anthroposophen vor, daß das Migränemittel »Biodoron« (zuvor »Kephalodoron«) und das Grippemittel »Infludo« aus der homöopathischen Materia medica genommen seien, allerdings zu wesentlich höheren Preisen verkauft würden453. Und kein Blatt hat Oskar Schmiedel in seinen Memoiren vor den Mund genommen, abgesehen von der Salvierung Steiners: »Und zwar sollten die Heilmittel, die Dr. Noll angeblich ausgearbeitet hätte, in größerem Maßstabe fabriziert und vertrieben werden.« Steiner »verhielt sich sehr kühl dieser Idee gegenüber. In Wirklichkeit war ja auch nichts Konkretes über diese Heilmittel von Dr. Noll zu erfahren. Es hieß immer nur, daß er gute Heilmittel habe. Die Zukunft zeigte auch, daß, als das Laboratorium für die von Rudolf Steiner angegebenen Heilmittel bestimmt wurde und dazu auch die Herstellung der Mittel von Dr. Noll übernommen werden sollte, von Dr. Noll die Rezepte äußerst schwer und nach sehr langer Zeit erst zu erhalten waren. Diese Präparate waren in Wirklichkeit auch nichts anderes als Mischungen von homöopathischen Mitteln, deren Wirkungen in der Homöopathie wohl bekannt und von Dr. Noll und besonders von seinem Schwager, Dr. Eisenberg, in ihrer Praxis angewandt worden waren. Die Herstellung der Urtinkturen geschah nach den Vorschriften der homöopathischen Pharmakopöe. Diese Vorschriften wurden uns in wortwörtlicher Abschrift von Dr. Noll übergeben. Die Rezepte waren also nichts Originelles«. Später sei der »Anschein« entstanden, »daß wir nur wohlbekannte homöopathische Präparate aufwärmen«454

Noch zu Steiners Lebzeiten kam diese Heilmittelherstellung in die Krise. Im Frühjahr 1922 hatte man mehr produziert, als nachgefragt wurde: Zahnpasta, die hart wurde, ließ sich nicht verkaufen, die Etablierung der Mittel »Bidor« und »Infludo« scheiterte, weil sie nur Verluste aufhäuften, ohnehin galten viele

449 Kugler: Die WELEDA. Eine konzertierte Aktion, 3. Himmelsbach: Die WELEDA und die Entstehung ihrer Heilmittel, 17. 45o Dies hat in der Diktion freundlicher, in der Sache aber vergleichbar Dinger: Homöopathie und Anthroposophische Medizin, 41, gesehen. Ihm war allerdings nicht klar, in welchem Ausmaß Anthroposophen auf vorhandene Rezepturen zurückgegriffen haben. Seine Fragezeichen hinter der Aussage »Plagiat aus der homöopathischen Schule« würde ich für weite Teile der pharmazeutischen Produktion durch einen Punkt ersetzen. 451 Ederle: Homöopathie und Anthroposophie, in: ZBV 41 / 1924, 135-136, S. 136, hier nach: Dinger Homöopathie und Anthroposophische Medizin, 43. 452 Überproduktion: Löscher u. a.: Rudolf Steiner und die Gründung der WELEDA, 187. 45s Balzli: Anthroposophie und Homöopathie, 4. 6. 454 Schmiedel: Aufzeichnungen, 419.

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Produkte als überteuert, und auch die anthroposophische Weltanschauung im Hintergrund scheint sich verkaufshemmend ausgewirkt zu haben455. Zu all dem kam die seit 1923 unübersehbare, durch die galoppierende Inflation verschärfte Krise der anthroposophischen Aktiengesellschaften Kommender Tag A. G. und Futurum A. G. (s. o. 14.6.4), die der Heilmittelfabrikation den ohnehin dünnen ökonomischen Boden unter den Füßen wegzuziehen drohte; nur mit Mühe ließ sich die Pharmaproduktion aus dem Konkursstrudel retten. Die Krise der Heilmittelherstellung gründete, wie die anderer anthroposophischer Unternehmungen auch, nicht zuletzt im Dilettantismus der Akteure. Eine Produktion jenseits von Marktbedingungen, die Illusion, die Ökonomie als Melkmaschine nutzen zu können, schließlich auch ein gutes Stück Selbstbedienungsmentalität456 trieben das Unternehmen in den Ruin. Vor diesem Hintergrund flossen bei Steiners Lamento aus dem Jahr 1923, er »halte die Heilmittellisten so für das Schädlichste, was hat entstehen können« (GA 259,233), Krokodilstränen. Er sah zwar den Schaden darin, daß die Listen entstanden seien, bevor ein medizinisches Grundlagenwerk vorgelegen habe457, aber man kann seine Äußerung auch als Rückzug aus der Verantwortung für das ökonomische Debakel der Heilmittelherstellung lesen. Angesichts der Vorgeschichte, in der Steiner sich an der Heilmittelsuche beteiligt, Heilmittellisten gefördert und die ökonomische Profitabilität gefordert hatte, trägt er für dieses Scheitern eine zentrale Mitverantwortung.

16.7.2 Medizinische Institutionen Welche Institutionen im Rahmen der medizinischen Praxis bis zu Steiners Tod entstanden und wie sie miteinander verbunden waren, ist angesichts fehlender Arbeiten nicht leicht zu überschauen. Klar ist nur, daß drei Institutionen eine herausragende Bedeutung besaßen: Die beiden Sanatorien in Arlesheim und Stuttgart sowie die »Internationale Labaratorien AG« für die Heilmittelherstellung, die spätere »Weleda«. Daneben gab es seit 1923 die Klinik des holländischen Arztes Willem Zeylmans van Emmichoven458, dazu zählt auch die im Juli 1924 von Steiner ins Leben gerufene Heilpädagogik (s. 15.6.2), und wenn man den Institutionalisierungsbegriff weit faßt, kann man auch die im April 1921 etablierte Heileurythmie (s. o. 16.5.2g, GA 315) unter diese Institutionalisierung rechnen (Tab. 16.1). 4ss Zur Überproduktion Löscher u. a.: Rudolf Steiner und die Gründung der WELEDA, 147; Zahnpasta (ebd., 156); Umsatzprobleme (ebd., 159); Produkte scheitern (ebd., 180) oder sind zu teuer (ebd., 181); anthroposophischer Hintergrund (ebd., 182). Das Preisproblem sah auch Steiner (GA 259,666). 456 Noll und Eisenberg konnten sich 1921 Barentgelte, Aktien und »5 % Prozent des Reingewinns« für die von ihnen eingebrachten Heilmittel im Lizenzvertrag sichern (nach Löscher u. a.: Rudolf Steiner und die Gründung der WELEDA, 124 f.), Schmiedel vermochte immerhin eine Gehaltserhöhung durchzusetzen (ebd., 119. 123). 957 Damit meinte er das »Vademecum« (s. o. 16.7.2b); vgl. auch GA 259,237. 458 S. o. Anm. 380.

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Tab. 16.1: Chronologie der medizinischen Institutionen Arlesheim 1.3.1914 Übergabe der Laboratorien Schmiedels an den johannesbauverein. Frühjahr 1920 Pläne Wegmans für ein Sanatorium. 27.9.1920 Wegman kauft eine Liegenschaft von in Arlesheim für ihre Klinik. 23.1.1921 Beschluß seitens der Futurum AG, die geplanten Kliniken einzugliedern. 8.6.1921 Einweihung des Instituts in Arlesheim. 11.7.1921 Wegman kauft eine Liegenschaft für das Laboratorium.

Januar 1922 Beginn der Heilmittelfabrikation in Arlesheim. 22.2.1922 Beschluß der Futurum AG, Klinik und Laboratorien zu verselbständigen. 10.5.1922 Gründung der Internationalen Laboratorien AG in Arlesheim. 21.11.1922 Gründung einer neuen Aktiengesellschaft in Arlesheim, der späteren Weleda. 24.3.1924 Die Internationale Laboratorien AG kauft faktisch die Futurum AG. 30.6.1924 Herauslösung der Arlesheimer Klinik aus der Internationalen Laboratorien AG. 8.8.1924 Die Arlesheimer Laboratorien pachten die deutschen Forschungs- und Fabrikationsstätten. 7.9.1924 Arlesheim wird Zentrum aller pharmazeutischen Betriebe. 13.11.1924 Wegman verkauft die Laboratoriengebäude (Haus Böhler) an die Internationale Laboratorien AG.

Stuttgart

13.1.1921 Kauf des Sanatorium »Ottilienhaus« von Adelheid Wildermuth in Stuttgart. Februar? 1921 Heilmittelforschung in Gemünd. Frühjahr/ Sommer 1921 Die Heilmittelforschung wird von Gemünd nach Stuttgart verlagert, in Schwäbisch Gemünd verbleibt die Herstellung der Heilmittel. 15.8.1921 Aufnahme des Sanatoriumbestriebes in Stuttgart. September 1921 Das Laboratorium in Gemünd wird weitgehend selbständig.

Juni 1922 Umzug des Stuttgarter Laboratoriums in ein neuerbautes Gebäude. Januar 1924 Überlegungen zur Eingliederung des Stuttgarter Komplexes in den Arlesheimer Verband.

13.8.1924 Palmer pachtet das Stuttgarter Klinikgebäude. 8.8.1924 Die Stuttgarter Abteilungen in den Bereichen Heilmittelforschung, -herstellung und -vertrieb werden durch die Internationale Laboratorien AG übernommen.

Angaben nach Löscher u. a.: Rudolf Steiner und die Gründung der WELEDA.

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a. Das »Klinisch-Therapeutische Institut« in Arlesheim Die Absicht, nach dem Scheitern großer Pläne hinsichtlich Peipers' Farbenthe-

raphie und eines Krankenhauses in München und am Dornacher Johannesbau ein »Sanatorium« zu gründen459 (also eine dezidiert naturheilkundliche Anstalt im Kontext der medizinischen Reformbewegung um 1900460) ging wohl von Ita Wegman aus, die gegen Ende des ersten Medizinerkurses, am 5. April 1920, Noll brieflich einlud, in einer Heilstätte mitzuarbeiten, »worin Patienten nach Angaben von Dr. Steiner behandelt werden können«. Sie wolle das für Soloturn rechtlich notwendige Schweizer Diplom einbringen, er solle seine Erfahrung zur Verfügung stellen461. Aber Noll reagierte nicht462. Kurze Zeit später, vielleicht auch zeitlich parallel, muß Schmiedel eine Konkurrenzoffensive gestartet haben, die Steiner unterstützte. Dabei sollte eine Klinik unter Nolls Leitung, dazu ein »Laboratorium« mit »pharmazeutischer« und »chemisch-technischer Abteilung« für Eugen Kolisko und Schmiedel sowie eine »Heilpflanzenanlage« für Maria Hachez entstehen; doch scheiterte Schmiedels Vorstoß an fehlenden finanziellen Mitteln463. Auch Emil Bürgi, Ordinarius für Pharmakologie und klinische Chemie in Bern, war als Leiter im Gespräch'. Wegman schließlich konnte ihre Kolleginnen Hilma Walter und Madeleine Deventer begeistern, auch Schmiedel herüberziehen und realisierte das Projekt". Wegman zeigte ein ausgeprochenes Talent im Fundraising, denn sie beschaffte für dieses und weitere Projekte beträchtliche Finanzmittel. Noll hatte sie bereits im April 1920 45.000 Franken von »holländischen Freunden« in Aussicht gestellt, Schmiedel winkte sie aus der gleichen Quelle wenig später mit 50.000 Franken - vielleicht handelte es auch um ihr väterliches Erbe; schließlich erwarb sie am 27. September 1920 in Arlesheim eine Liegenschaft für ihr Sanatorium für 65.000 Franken466 Parallel dazu und eng an Wegmans Institut angeschlossen ent459

Zeylmans: Wer war Ita Wegman?, I, 81. Der Begriff Sanatorium taucht als Bezeichnung der anthroposophischen Heilanstalten immer wieder auf und rekuriert auf einen in der Lebensreformbewegung geprägten Begriff; vgl. Ulmer: Naturheilkunde und Sanatorien. Vermutlich hat Steiner diesen Begriff abgeblockt (s. u. Anm. 469). Die anthroposophischen Behandlungshäuser stellten sich damit in den Kontext einer etablierten alternativemedizinischen Institution. In der Naturheilbewegung um 1900 waren vier große Sanatorien allgemein bekannt: Prießnitz' »Gräfenberg« im österreichischen Schlesien, Kneipps Sanatorium in Wörishofen, Justs »Jungborn« im Harz und der »Weiße Hirsch« bei Dresden; vgl. Krabbe: Gesellschaftsveränderung durch Lebensreform, 89-92. 461 Zit nach Zeylmans: Wer war Ita Wegman?, I, 81. Selg: Eine kurze Skizze der Geschichte anthroposophischer Medizin, 38, datiert ein Jahr zu früh. Der Brief ist faksimiliert bei Juckerz Anthroposophische Medizin, 24 f. 462 Zeylmans: Wer war Ita Wegman?, I, 82. 463 Schmiedel: Aufzeichnungen, 421; Datierung »Anfang 1921, vielleicht auch etwas früher«. Daß Schmiedels Initiative in etwa parallel zu den Bemühungen Wegmans gelegen habe, nach Selg: Eine kurze Skizze der Geschichte anthroposophischer Medizin, 39; dann würde Schmiedels Datierung nicht stimmen. 464 Selg, in: Anthroposophische Ärzte, hg. v. dems., 90. 465 Walter nach Selg, ebd., 39; Deventer nach Deventer: Die anthroposophisch-medizinische Bewegung, 16. Anfrage an Schmiedel schon im Mai 1920 nach Zeylmans: Wer war Ita Wegman?, I, 82. 466 50.000 Franken: Zeylmans: Wer war Ita Wegman, I, 82; vgl. einen Brief zur Geldakquisition ebd., I, 88. Väterliches Erbe: ebd. Den Einsatz »eigener Mittel« bestätigt auch Deventer: Die anthro960

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stand nun eine Fabrikation von Heilmitteln, vor allem unter der Ägide Schmiedels, aus der schließlich die »Internationale Laboratorien AG« und schließlich die »Weleda« hervorging (s. u. 16.7.2c). Zur Eröffnung am B. Juni 1921467 kam auch Steiner: »Mit klopfendem Herzen zeigte ich [Wegman, HZ] ihm die Zimmer, die in verschiedenen Farben gemalt [waren], die Veranden, was wird er sagen? Und unvergeßlich bleibt mir der Moment, als wir in die oberste Etage angelangt zur offenen Veranda uns begaben, um den schönen Ausblick zu sehen, den Arlesheim auf die Vogesen hat, Rudolf Steiner sich mir zuwendete, mir die Hand gab und die Worte aussprach, daß er mit mir arbeiten wolle, und daß es ihm Freude gemacht, daß das Institut zustande gekommen ist, dem er den Namen Klinisch-Therapeutisches Institut geben wollte und für das er jetzt mit mir zusammen einen Prospekt ausarbeiten wollte«468.

Wegman zufolge habe Steiner auch eine »Segnung« vorgenommen469. Mit der Benennung als Institut durch Steiner verschwand im Laufe der Zeit der Begriff des Sanatoriums für Wegmans Einrichtung. 12 bis 15 Patienten erhielten Aufnahme und konnten sich an blau gestrichenen Krankenzimmern erfreuen470, die farblich an die Kolorierung von Peipers' Kammern erinnern (s. o. 16.4.1). Steiner hat die Konzeption des Hauses esoterisch aufgeladen und geglaubt, hier »enthüllen sich die Mysterien« (GA 319,242)471. Dies hat zwar auch mit Steiners Vorstellung zu tun, die Theosophie beerbe die Tradition der antiken Mysterien, ist aber nicht zuletzt eine weltanschauliche Bestätigung seiner »karmischen« Beziehung zu Ita Wegman und ihrer »Vergangenheit« als Persephone-Priesterin (s. o. 16.6.2). Die Therapie in Wegmans Haus wurde komplementär zur »Schulmedizin« konzipiert. Schon die Namensgebung Sanatorium respektive Institut dokumentierte, daß es sich nicht um eine Klinik im traditionellen Sinn handelte. Detaillierte Vorstellungen über die Therapien erläuterte ein Eröffnungsprospekt vom Juni 1921, demzufolge man eine Fülle internistischer und psychosomatischer Befunde zu behandeln beabsichtigte: »Stoffwechselkrankheiten, wie Diabetes, Gicht, Rheumatismus, Fettsucht; Blut- und Zirkulationskrankheiten, wie Anämie, Chlorose [Bleichsucht, HZ], Herzkrankheiten; Funktionelle Nervenkrankheiten, wie Neurasthenie, Hysterie, nervöse Herz-, Magenund Darmstörungen; Chronische Krankheiten des Nervensystems;

posophisch-medizinische Bewegung, 16. Wieweit seitens der »Futurum AG« Mittel geflossen sind, ist nicht ganz klar. Erwerbung: Löscher u. a.: Rudolf Steiner und die Gründung der WELEDA, 89. 467 Deventer: Die anthroposophisch-medizinische Bewegung, 16. Offenbar war das Haus seit dem 15. Juni 1921 in Betrieb; vgl. Lüscher u. a.: Rudolf Steiner und die Gründung der WELEDA, 107. 469 Zit. nach Zeylmans: Wer war Ita Wegman?, I, 305. Die Namensgebung durch Steiner wird auch berichtet von Deventer: Die Rhythmen im Werdegang der Klinik, 9. 469 Zit. nach Zeylmans: Wer war Ita Wegman?, I, 292. 970 Zahl der Patienten: Wegman: Im Anbruch des Wirkens, 61. Farbe: Krück von Poturzyn: Eine Mutter erzählt, 315. 471 Das Institut sei »eine solche Erkenntnisstätte, die wiederum zum Mysterium hinstrebt«, eine »Nebeneinanderstellung von Erkenntnisstätte und Heilstätte« (GA 319,160 [17.7.1924]). Die Medizin sei »in engsten Zusammenhang zu bringen mit dem spirituellen Schauen« und führe zur »Mysterienerkenntnis« (ebd., 247 [29.8.1924]).

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Störungen der inneren Sekretion; Krebskrankheiten im Anfangsstadium oder nach stattgefundener Operation; Frauenkrankheiten; Erschöpfungs- u. Ermiidungszustände bei Rekonvaleszenz.«472

In welche großem Ausmaß alternativmedizinische Techniken zum Zuge kommen sollten, dokumentiert das Behandlungsangebot: »Ruhe, Licht- und Sonnenkuren, ... Hydro- und Elektrotherapie (medizin. Bäder, Diathermie, Radiothermbäder, Quarzlichtbestrahlung). Eine rationelle Psychotherapie, Heileurythmie und eine sorgfältig eingerichtete Diätregelung.«473

Die Informationen über die durchgeführten Behandlungen bestätigen diesen alternativmedizinischen Zuschnitt des Arlesheimer Instituts. »Bäder, Wickel und Abreibungen, aber auch Luftbäder wurden gern verordnet.... Von den üblichen Sonnenbädern wurde Abstand genommen, da dieses letzten Endes den Ätherleib schwächten.... Elektrische Behandlung wurde in geeigneten Fällen nicht verschmäht, und der Magnet fand häufige Verwendung.«474

Wegman wandte gern »die Schwedische Massage« an45, die sie vor ihrem Studium erlernt hatte, und bei einer »hochfiebrigen Peritonitis« (Bauchfellentzündung) wurde »der gespannte Leib ... leicht massiert mit ätherischen Ölen, Klysmen [Darmspülungen, HZ] wurden gemacht, Injektionen verabreicht und kleine Schlückchen Champagner eingeflößt.«46 Wegman gab Anweisung, »Patienten mit von der Sonne durchwärmtem Wasser zu behandeln« und verabreichte Ritter-Mittel47. Für Steiner wurde die Klinik ein zentraler Bereich seines Lebens. Er besuchte sie häufig bis zu seinem Krankenlager im September 1924, zeitweilig sogar täglich48. Seine Frau allerdings nahm er, wie schon den Zeitgenossen auffiel, »nie« dorthin mit, obwohl, wie Schmiedel bemerkte, »Dr. Steiner sonst gerne Frau Dr. Steiner neue Arbeitsstätten zeigte«49. Zugleich erwähnte er das Institut häufig und

Zit. nach Löscher u. a.: Rudolf Steiner und die Gründung der WELEDA, 107. Zit. nach ebd., Diathermie war eine Wärmebehandlung mit hochfrequenten Wechselströmen, wozu Bleiplatten auf den Körper gelegt wurden. Mit Radiothermbädern waren möglicherweise Bäder mit Radium oder anderen radioaktiven Substanzen gemeint. Die Quarzlichtbestrahlung arbeitete mit einer Quarzlampe, die mit ihrer im nahen Ultraviolett liegenden Strahlung Bakterien und Viren abtöten konnte. 474 Deventer: Ita Wegmans Wirken als Arzt, 336 f. 475 Ebd., 337. 476 Ebd. 47 Sonnengewärmtes Wasser: Eichler: Alltag und Feste, 339. Ritter-Mittel: s. o. Anm. 175. 478 Nach Deventer: Die anthroposophisch-medizinische Bewegung, 17, kam Steiner seit der Eröffnung »regelmäßig - meist am Vormittag - in die Klinik, anfangs einige Male in der Woche, später täglich«. Schmiedel: Aufzeichnungen, 423, erinnert sich, daß »Steiner täglich vormittags in die Klinik zur Besprechung und zur Besichtigung von Kranken kam«; »er war jeden Tag stundenlang in der Klinik und besprach mit ihr die Behandlung vieler Kranker« (ebd., 425). Zeylmans zählt von Oktober 1923 bis August 1924 76 datierte Besuche (Zeylmans: Wer war Ita Wegman?, I, 156) und ermittelte insgesamt 132 Besuche (ebd., I, 96), mit steigender Frequenz: drei (1921), 26 (1922), 45 (1923) und 58 (1924). 479 Schmiedel: Aufzeichnungen, 433. 472 473

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immer in höchsten Lobestönen in den medizinischen Vorträgen480. Das Institut florierte, es praktizierten bald mehrere Ärzte, und Patienten aus vielen Nationen fanden sich ein481. Das Haus wurde von Wegman durch den »Arlesheimer Hexen- und Intrigantenkessel« laviert482, in dem inneranthroposophische Machtansprüche, weltanschauliche Querelen, persönliche Eifersüchtelein und das Gehakel um die finanziellen Mittel der anthroposophischen Aktiengesellschaften eine unselige Mélange bildeten, es entkam dem Mahlstrom der »Futurum«-Krise" und wurde zur Keimstelle der anthroposophisch orientierten Therapie. Steiner sah aber im Arlesheimer Haus nur den Anfang einer größeren Geschichte. Eine Ausbildung von Schwestern war schon vorbereitet484, und hinter der Schreinerei, also in unmittelbarer Nähe zum Goetheanum, hatte er 1924 den Raum für ein richtiges Krankenhaus reserviere'. b. Das »Klinisch-Therapeutische Institut« in Stuttgart Die zweite große anthroposophische Therapieeinrichtung, die zu Steiners Lebzeiten entstand, das Stuttgarter Institut, geriet zu einem Herd dauernder Krisen". Schon die Gründung vollzog sich in Spannung zur Arlesheimer Initiative Wegmans, deren im Mai 1920 artikulierte Angst, sie könne »durch Stuttgart verdrängt werden«, der Wahrheit nahekommen dürfte487. Ende 1920 zog Friedrich Husemann offenbar in Aussicht auf eine Klinkgründung nach Stuttgart'. Es

480 Etwa GA 319, 29. 87. 107. 118. 159. 202. 220f. 246. Die Einrichtung sei »mustergültig« (GA 319,87 [15.11.231), Steiner hob heraus, daß »Arlesheim mit Dornach eins bildet« (ebd., 127 [16.11.23]). Es herrsche »wirklicher Mut des Heilens« (ebd., 128 [16.11.231), alles »unter der ausgezeichneten Leitung von Frau Dr. Wegman« (ebd., 77 [3.9.24] ). 481 Mehrere Ärzte: vgl. Zeylmans: Wer war Ita Wegman, I, 97-102; Deventer: Die anthroposophisch-medizinische Bewegung, 29. Internationales Publikum: Löscher u. a.: Rudolf Steiner und die Gründung der WELEDA, 134. 482 So Ernst Heim, der als ausgebildeter Apotheker im Laboratorium arbeitete, zit. nach Löscher u. a.: Rudolf Steiner und die Gründung der WELEDA, 166. 483 Offenbar hat Steiner Wegman angeboten, eine Starthilfe zu geben, aber »eine ihr von Rudolf Steiner vorgeschlagene finanzielle Hilfe durch die »Futurum AG« wurde von ihr zunächst abgelehnt«; Deventer: Die anthroposophisch-medizinische Bewegung, 16. Das Institut wurde auf Veranlassung Steiners dann doch in die Futurum eingegliedert (Wegman: Im Anbruch des Wirkens, 62; Schmiedel: Aufzeichnungen, 424), aber auf Steiners Wunsch am 3.4.1922 wieder herausgenommen (ebd.; Datum bei Schmiedel wohl falsch, hier nach Liischer u. a.: Rudolf Steiner und die Gründung der WELEDA, 137). Seitdem bildeten das Institut und die Laboratorien eine eigene Aktiengesellschaft, die aufgrund dieser Eigenständigkeit die Liquidation der »Futurum AG« überstand. Wegman arbeitete in dieser Zeit als Angestellte des Instituts (ebd., 103. 115). Im Rahmen einer »Revisionsstelle« nahm Steiner dabei Beratungs- und Kontrollfunktionen wahr (ebd., 194. 202). Weiteres s. u. Anm. 508, vgl. auch die Chronologie, Tab. 16.1. 484 Nach Deventer: Die anthroposophisch-medizinische Bewegung, 33f., waren die Einladungen für einen Schwesternkurs im Mai 1925 bei Steiners Tod bereits verschickt. Die Schwesternschaft sollte aber nicht religiös gebunden sein, auch nicht an die Christengemeinschaft. 465 Zimmer: Rudolf Steiner als Architekt, 224. 486 Möglicherweise ist aufgrund dieser Geschichte die Quellenlage zur Stuttgarter Gründung in den zwanziger Jahren weitaus dürftiger als für das Arlesheimer Institut; eine systematische Darstellung dazu gibt es nicht. 467 Zum Konflikt mit Arlesheim S. den Anfang von 16.7.2a. Verdrängung zit. nach Liischer u. a.: Rudolf Steiner und die Gründung der WELEDA, 84. 486 Selg: Eine kurze Skizze der Geschichte anthroposophischer Medizin, 40.

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spricht viel dafür, daß eine ältere und etablierte Ärztegeneration, zu denen Noll und Peipers, mit Abstrichen auch Otto Palmer (1867-1945) und Husemann, die später zu den leitenden Ärzten in Stuttgart gehörten, der newcomerin Ita Wegman nicht das Terrain überlassen wollten und ein Gegenprojekt starteten. In den kommenden Jahren gab es immer wieder knisternde Spannungen zwischen beiden Standorten. So habe das Ehepaar Kolisko keine der erbetenen Unterlagen aus Stuttgart erhalten4S9, und Lilly Koliskos Arbeit über die Milz wurde als Akt »krasser Opposition« der Stuttgarter Ärzteschaft, wie Steiner meinte (GA 2622,331), offenbar totgeschwiegen490 Auch in Stuttgart waren finanzielle Aktivitäten offenbar in beträchtlicher Größenordnung bewältigbar, jedenfalls erwarb man, nachdem Steiner selbst mehrere Objekte begutachtet hatte, am 13. Januar 1921 das Sanatorium »Ottilienhaus« von Adelheid Wildermuth für 1.450.000 Reichsmark491. Noll sollte die Einrichtung führen, doch schreckte er zurück, woraufhin Otto Palmer als Leiter installiert wurde492. Schon seit Februar 1921 dürfte man sich in Schwäbisch-Gemünd mit Heilmitteln beschäftigt haben, deren Erforschung im Frühjahr oder Sommer 1921 nach Stuttgart verlagert wurde, während in Gemünd die Herstellung verblieb493. Am 15. August 1921, zwei Monate nach der Eröffnung des Arlesheimer Instituts, begann der »Sanatoriumsbetrieb« mit der Aufnahme der ersten Patientin. Die Expansion ging mit Tempo weiter. Im September 1921 wurde das Laboratorium in Gemünd weitgehend selbständig, im Juni 1922 konnte das Stuttgarter Laboratorium ein neuerbautes Gebäude beziehen494. Doch damit hatte Stuttgart seine besten Zeiten vorerst gesehen. Ein Problem, das auch das Klima zwischen Dornach und Stuttgart früh belastete, war das »Vademecum«. Steiner erhoffte sich von der Stuttgarter Ärztegruppe ein Grundlagenwerk als Einführung in die anthroposophische Medizin, hinsichtlich des Genres wohl angeregt durch Schlegels »Religion der Arznei« (GA 259,237.882). Von der im Juli 1922 unter Stuttgarter Ägide erschienen Schrift »Methodologisches zur Therapie«495 war Steiner offenbar tief enttäuscht. Er polterte im Januar 1923 mit der Begründung, man habe zu viel Wert auf die Heilmittelliste gelegt, gegen die Stuttgarter Ärzte, aber dies war, wie gesagt, wohl ein Nebenschau-

499

Nach Dinger: Homöopathie und Anthroposophische Medizin, 16. Ebd. 491 Begutachtungen Steiners: Selg: Die Medizin im Lebensgang Rudolf Steiners, 382; ohne Quellenangabe. Kauf Ottilienhaus: Löscher u. a.: Rudolf Steiner und die Gründung der WELEDA, 93.95. Adelheid Wildermuth (geb. 1848), Tochter der bekannten Schriftstellerin Ottilie Wildermuth, hatte in Stuttgart die Klinik für »Nervenleidende«, die ihr Bruder dort gegründet hatte, geleitet. 492 Palmer als Leiter: Löscher u. a.: Rudolf Steiner und die Gründung der WELEDA, 93. Offenbar war eine kollegiale Führungsstruktur auch angedacht, so jedenfalls läßt sich Selg: Eine kurze Skizze der Geschichte anthroposophischer Medizin, 40, lesen. 493 Löscher u. a.: Rudolf Steiner und die Gründung der WELEDA, 96 f. 494 Erste Patientin: ebd., 120 (bei Husemann: Friedrich Husemann, 143, wohl falsch auf 1922 datiert). Verselbständigung des Laboratoriums in Gemünd: Lüscher u. a.: Rudolf Steiner und die Gründung der WELEDA, 121; neues Gebäude: ebd., 149. a9s Methodologisches zur Therapie, hg. v. Ärztekollegium des Klinisch-therapeutischen Instituts in Stuttgart. 49°

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platz496. Die hohe Arbeitsbelastung in der Klinik997 wird auch nicht alles erklären. Vielleicht kommt den realen Gründen nahe, wenn man animmt, Steiner habe die Fixierung am Wortlaut seiner Vorträge und die starke Kritik an der universitären Medizin gegeißelt498. Aber man kann Steiner vermutlich auch glauben, daß er die Chance für eine »medizinische Methode« (GA 259,236) vertan sah. Als aber Palmer Steiner mit in die Verantwortung zog, indem er von der Schwierigkeit sprach, das »vorhandene Material« zu systematisieren, und das konnte sich nur auf Steiners in der Tat aphoristische Vorträge beziehen, verlor Steiner, was man in Vorträgen selten erlebte, die Contenance und bezichtigte die Stuttgarter »Herren Ärzte« (ebd., 233) wütend, in der »wissenschaftlichen Arbeit versagt« zu haben (Palmer davon übrigens ausnehmend) (ebd., 238). Das zielte auf Noll, der das Werk hatte verfassen sollen (ebd., 239), aber auch auf Peipers und Husemann. Insbesondere Husemann traf die öffentliche Verurteilung Steiners, der damit unter Anthroposophen zwar nicht erledigt, aber lebenslang stigmatisiert war499. Steiner war offenkundlich unfähig, seinen Teil der Verantwortung zu tragen. Er muß sich nach Schmiedels Erinnerungen schmollend vom Projekt des Stuttgarter »Vademecum« zurückgezogen haben: »Schließlich erklärte Dr. Steiner, daß er selbst das >Vademecum< mit Frau Dr. Wegman zusammen schreiben und auf weitere Bemühungen der Ärzte verzichten würde.«5Ö° Ein zweites Problem, das letztlich zum partiellen Zusammenbruch der Stuttgarter Unternehmen führte, war die finanzielle Mißwirtschaft. Wie schon bei der Heilmittelherstellung scheint es an ökonomischer Vernunft gemangelt zu haben. So kritisierte Schmiedel, »es wurde für das Laboratorium vieles angeschafft, was in der Zukunft vielleicht einmal gebraucht werden könnte, was aber in Wirklichkeit nie der Fall war«501 Statt kühler Kalkulation hatte man mit großer Geste ganz Europa entlang der Rheinlinie als Arlesheimer und Stuttgarter Interessensphäre aufgeteilt, ehe man überhaupt verläßlich in der Gewinnzone war. Schon im Sommer 1922 mußte man Personal entlassen, und seit Anfang 1924 dokumentieren Überlegungen zur Zusammenarbeit mit den Arlesheimer Laboratorien, daß man in Stuttgart mit dem Rücken zur Wand stand. Im Oktober 1924 kam dann das Ende, die Stuttgarter Laboratorien gingen an die Arlesheimer über. Die Heilanstalt selbst konnte wohl nur gerettet werden, indem Palmer das Gebäude im August 1924 pachtete. Er führt das Unternehmen bis 1931 als Privatklinik fort, bis auch er finanziell am Ende war502

496 S. o. Anm. 458. Husemann: Otto Palmer, 86. 498 Dinger: Homöopathie und Anthroposophische Medizin, 17. 499 Vgl. die Darstellung bei Husemann: Friedrich Husemann, 144. 500 Schmiedel: Aufzeichnungen, 428. 501 Ebd., 427. 502 Rheinlinie: Lüscher u. a.: Rudolf Steiner und die Gründung der WELEDA, 149; Entlassungen 1922: ebd., 147; Überlegungen zu Zusammenarbeit 1924: ebd., 186. 197; Stuttgarter Ende 1924: ebd., 223; Palmer als Pächter: ebd., 216; Fortführung bis 1931: ebd., 60. Welche Rolle in der Endphase Überlegungen spielten, Stuttgart zu einer Zentrale zur Beratung zu machen, mit dem Ziel, 2.000 interessierte Ärzte mit Informationen zu besorgen, ist unklar; Schmiedel: Aufzeichnungen, 428. 497

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Vor diesem Hintergrund nimmt es nicht Wunder, daß sich Steiners Verhältnis zu den Stuttgarter Initiativen rapide abkühlte. »Verschiedene Male erklärte er, daß er in Stuttgart keine eigene Initiative, keinen Mut zum selbständigen Handeln finden würde«; »durch den Mangel an Verständnis, den Dr. Steiner in Stuttgart fand, wurde auch sein Ton den Stuttgarter Mitarbeitern gegenüber immer schärfer«503 Als Steiner am 28. Dezember 1923 die Leitung der neugegründeten Medizinischen Sektion am Goetheanum in Wegmans Hände legte, war von den Stuttgartern »kaum mehr die Rede«504, und der zweite »Jungmedizinerkurs« April 1924 (GA 316) fand wohl nur aus Rücksicht auf Währungsprobleme in Stuttgart statt505 Als Steiner im Juli 1924 in einem Vortrag auf die medizinischen Einrichtungen zu sprechen kam, erwähnte er neben dem Arlesheimer Institut das »Internationale Pharmazeutische Laboratorium«, auch das »Nachfolgeinstitut« unter Willem Zeylmans van Emmichoven (1893-1961) in Den Haag (GA 319,159), über die Stuttgarter jedoch verlor er kein Wort. c. Die »Internationale Laboratorien AG« und die Ursprünge der »Weleda« Mit der Einrichtung von Laboratorien in Arlesheim und in Schwäbisch-Gemünd (respektive Stuttgart) wurden immer mehrere Absichten verfolgt: Die Möglichkeit, Mittel herzustellen, die auf dem medizinischen Markt sonst nicht erhältlich waren, spielte eine Rolle, die Hoffnung, große finanzielle Gewinne zu machen, schob sich eine zeitlang in den Vordergrund, aber nicht zu unterschätzen ist eine kontinuierliche und Steiner am Herzen liegende Hoffnung: Die »Forschungsergebnisse« der Labors sollten die hellseherischen, »geisteswissenschaftlichen« Ergebnisse der Anthroposophie empirisch bestätigen (s. o. 16.3.). Die Heilmittelforschung, die ursprünglich von Steiner Noll persönlich übertragen worden sein so11506 scheiterte in seinen Händen - wie die anderen medizinischen Projekte, an denen Noll federführend beteiligt war - und kam über Schmiedel an Wegmans Arlesheimer Institut. Die Organisationsgeschichte ist durch die wechselnde institutionelle Anbindung - an die Trägergesellschaft des Goetheanum, an Wegmans Arlesheimer Institut, durch die Verbindung mit der »Futurum AG« und die spätere Herauslösung - ähnlich kompliziert wie die der beiden medizinischen Institute507. Im September 1924 wurde Arlesheim auf An503

Ebd. Selg: Eine kurze Skizze der Geschichte anthroposophischer Medizin, 56. 505 Deventer: Die anthroposophisch-medizinische Bewegung, 25. 506 Selg: Eine kurze Skizze der Geschichte anthroposophischer Medizin, 40. 507 Von wichtigen organisatorischen Daten war teilweise die Rede, ich fasse entscheidende Stationen der Entwicklung zusammen (vgl. auch Löscher u. a.: Rudolf Steiner und die Gründung der WELEDA, 32-39): Im Juni 1921 erwarb Wegman ein »ein Haus und zwei Schuppen« (Schmiedel: Aufzeichnungen, 423) in der Nähe ihres Instituts, die sie Schmiedel als Laboratorium zur Verfügung stellte. Einmal mehr spielte Geld nur eine Nebenrolle. Die »Barzahlung von zehntausend Franken« lehnte die Futurum A.G. ab, aber »der Kauf wurde durch Frau Dr. Wegman perfekt gemacht.« (ebd.). Im Sommer 1921 wurde die Arbeit aufgenommen (ebd.). Wegman lehnte die Integration in die »Futurum AG« ab, weil sie dort kein Verständnis erwartete (Löscher u. a.: Rudolf Steiner und die Gründung der WELEDA, 133). Deshalb wurde das Laboratorium im Mai 1922 als Internationale Laboratorien AG (ILAG) ausgegründet (ebd., 144). Im September 1923 drohte gleichwohl der Konkurs im Rahmen der Affäre um die »Futurum AG« (ebd., 179), doch konnte sich die ILAG aufgrund ihrer Eigenständigkeit dem Untergang entziehen und sogar im März 504

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ordnung Steiners das Zentrum aller pharmazeutischen Betriebe508 und damit auch zum Stammsitz der »Weleda«. Dieser Name wurde der anthroposophischen Historiographie zufolge von Steiner ausgewählt509 und verweise auf eine »alt-germanische Identität, die sich außer auf die Heilkunde auf viele andere Dinge verstand« (GA 260a3,549). Daß hier ein Bezug auf Tacitus im Hintergrund stand, war schon Steiners Zeitgenossen bekannt510. Auch das Warenzeichen entwarf Steiner511 Offiziell wurde die Umbenennung »Internationale Laboratorien AG« in »Weleda« aber erst 1928 vollzogen512. Damit war »Weleda« gegründet, die bis heute als größte Herstellerin »anthroposophischer« Heilmittel existiert.

16.7.3 Steiners Wirken als Arzt In anthroposophischen Darstellungen wird Steiners ärztliche Rolle durchweg als bescheidene Hilfestellung für ausgebildete Mediziner marginalisiert. »Rudolf Steiner wollte keineswegs die Rolle eines Arztes übernehmen« und »behandelte ... selbst nie unmittelbar Patienten, sondern unterstützte lediglich ausgebildete Ärzte«, lauten entsprechende Einschätzungen513 Dahinter steht ein namentlich von anthroposophischen Ärzten gezeichnetes Bild der anthroposophischen Medizin, die eben nur eine »Erweiterung der Heilkunst« und keine von der »Schulmedizin« unabhängige Konzeption darstelle514. Diese Deutung besaß die Funktion, die Seriosität der anthroposophischen Heilmethoden herauszustellen. Sie sollten in der universitären Medizin gründen und eine möglichst große Distanz zur alternativmedizinischen »Kurpfuscherei« besitzten. In diesem Kontext war die Rolle eines »Laienheilers«, als der Steiner agierte, negativ besetzt. In der Realität sah aber Steiners Einfluß auf die medizinische Praxis anders aus. Er sprach mit Ärzten und Ärztinnen nicht distanziert über den medizinischen Betrieb, sondern beriet entscheidungsrelevant insbesondere in Arlesheim, 1924 die »Futurum AG« durch Kauf retten (ebd., 192). Im Juni 1924 wurde die Arlesheimer Klinik (und der Sonnenhof, eine angeschlossene Einrichtung der anthroposophischen Heilpädagogik) aus der ILAG herausgelöst und kam in den Besitz des Vereins des Goetheanum (ebd., 204. 206), im Oktober mußte die ILAG die insolventen Stuttgarter Laboratorien übernehmen (ebd., 223). 508 Ebd., 219 f. 509 Ebd., 211. 510 Schmiedel: Wie die Weleda entstanden ist, 21. 51 Löscher u. a.: Rudolf Steiner und die Gründung der WELEDA, 128. 512 Ebd., 220. 517 Die beiden Zitate bei Löscher/Trapp: »Der Laboratoriumstisch muß zum Altar werden«, 29, und bei Selg: Eine kurze Skizze der Geschichte anthroposophischer Medizin, 73. Diese Urteile reichen bis in die nichtanthroposophische Literatur. Normann: Rudolf Steiner und die Anfange der anthroposophischen Medizin, 93, etwa meint, Steiner habe sich »bei den Heilungsprozessen selbst bewußt völlig zurück[gehalten]«. Eine zumindest rhetorische Zurückhaltung läßt sich vor dem Ersten Weltkrieg nachweisen. »Etwa 1913 hatte Rudolf Steiner gewünscht, daß die Patienten nicht mehr zu ihm kommen sollen, da es jetzt genügend tüchtige Ärzte gebe«, nämlich Peipers, Rascher und Hermann (Johanna Wagemann, Erinnerungsbericht, in GA 291,470). 514 Vgl. zu dieser schon semantisch sublim konfliktträchtigen Situation oben Anm. 412 und den zugehörigen Text.

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aber auch in Stuttgart, sehr häufig an den Betten der Kranken515 und dürfte so hunderte von Patienten behandelt haben516. Er war die Autoritätsperson, und »wenn sein Besuch unmittelbar bevorstand, herrschte unter den Patienten stets eine gewisse Panikstimmung«, wie vor einer »Prüfung«517. Dabei kam es zu einer intensiven Einwirkung Steiners in diagnostischen wie therapeutischen Fragen. Wieweit diese Eingriffe auf Steiner selbst und sein Selbstverständnis als hellsichtiger Okkultist zurückgehen oder die Mediziner Steiners Interventionen forderten, weil sie in ihrer Schüler-Haltung von ihrem Lehrer auch im Bereich ihrer ureigenen Kompetenz seine Autorität suchten, ist heute schwer zu beurteilen. Faktisch geriet Steiner in eine ärztliche Rolle, in der er vermutlich häufig letztinstanzlich Behandlungen bestimmte. Dieses Wirken Steiners ist an sehr abgelegenen Stellen, vielfach in Privatdrucken veröffentlicht518 Es kann hier schon aus Gründen meiner fehlenden medizinischen Kompetenz nicht adäquat behandelt werden und bedürfte einer Analyse durch ausgebildete Mediziner. Immerhin lassen sich mit dem Blick des medizinischen Laien zumindest Grundlinien von Steiners therapeutischem Verhalten nachzeichnen. Das setting in Arlesheim hat die dort arbeitende Ärztin Madeleine Deventer folgendermaßen beschrieben: »Er ließ sich Patienten vorstellen, las die Krankengeschichten, stellte ergänzende Fragen. Nachdem der Patient das Zimmer verlassen hatte, besprach er sich mit Ita Wegman und den Assistenzärzten und gab seine Ratschläge für die Behandlung. Meist wurde ihm der Patient ein zweites Mal vorgeführt, nachdem die Behandlung einige Wochen durchgeführt war. Wenn nötig, wurden ergänzende Therapie-Vorschläge gemacht.«519

s15 S. o. Anm. 479. 5>6 Selg: Eine kurze Skizze der Geschichte anthroposophischer Medizin, 47, spricht von »wohl nahezu zweihundert Patienten«, die er allein mit Wegman behandelt habe; insgesamt seien es »ca. 500 Patienten« gewesen; ders.: Die Medizin im Lebensgang Rudolf Steiners, 381. Daten von Therapien Steiners mit Wegman finden sich bei Zeylmans: Wer war Ita Wegman?, I, 322 f.; vgl. auch oben Anm. 479. Dazu kommen Patientenbesuche mit Ärzten außerhalb der Kliniken, etwa mit dem jungen anthroposophischen Arzt Lutz Engel während des landwirtschaftlichen Kurses in Koberwitz im Juni 1924 (Koberwitz 1924, hg. v A. Graf von Keyserlingk, 107-109). In Koberwitz muß Steiner eine Vielzahl von Patienten behandelt haben, vgl. die Berichte in: Rundbrief der medizinischen Sektion am Goetheanum, Nr. VI vom 1. Mai 1973 [unpaginiert], 4, und ebd., Nr. VII vom 1. Februar 1975 [unpaginiert], 4. Schließlich gab es die privat gegebenen Therapiehinweise, etwa an einen Ingenieur, dessen Augenleiden Steiner mit Tee und einer Meditation geheilt habe; Woloschin: Die grüne Schlange, 282. Ein Einzelbericht von Ingeborg Goyert, in dies.: May I help you, hier nach: Wortmann: Wir erlebten ihn noch, 98 f. 517 Müller: Einiges über Erlebnisse in der Ita-Wegman-Klinik, 38. 51s Vor allem aus Arlesheim liegen eine Reihe von Veröffentlichungen vor: Der Krebs und seine Behandlung, hg. v. H. Walter; Abnormitäten der geistig-seelischen Entwicklung. Die Pflanzenwelt (Spezieller Teil für Ärzte. Krankengeschichten und Berichte), hg. v. H. Walter. Für die Stuttgarter Praxis gibt es nur den Band: Krankheitsfälle und andere medizinische Fragen, hg. v. A. G. Degenaar. Möglicherweise beruhen die Stuttgarter Fallgeschichten auf Stenogrammen Husemanns, der 149 Behandlungen dokumentiert habe, vgl. Selg: Eine kurze Skizze der Geschichte anthroposophischer Medizin, 50. Es existiert eine unbekannte Zahl weiterer, teilweise auch veröffentlichter Fallstudien. s19 Deventer: Die anthroposophisch-medizinische Bewegung (21992), 17.

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Ein Bericht von Margarete Kirchner-Bockholt, die ebenfalls als Ärztin in Arlesheim arbeitete, dokumentiert die Eigentümlichkeiten Steiners zwischen visuellem Zugang, der Suche nach »Totalität« und der Bedeutung hellseherischer Indikationen: »Für jeden seiner Besuche bereiteten wir sorgfältig alles vor, Analysen und Untersuchungsbefunde lagen bereit; er sah sich alles genauestens an. Dann aber, als die Patienten vor ihm standen, war seine Methode völlig verschieden von der hergebrachten. In scharfer Konzentration schaute er auf den Patienten, sein Blick wandte sich den Wesensgliedern dieses Menschen zu; ihm war es möglich, mit exaktem Hellsehen die Ursache der Krankheit zu erforschen. Die Symptome drängten sich ihm zusammen zu einem in der Totalität überschaubaren Ursachen-Komplex, der Zeitenablauf wurde fortdauernde Gegenwart. So konnte er einmal bei einem Patienten, der jahrelang an Exzemen gelitten hatte, sagen, die Ursache liege in einer Vergiftung, die er sich als Kind zugezogen habe. Der Patient konnte sich zunächst an nichts erinnern, dann aber fiel ihm ein, daß er etwa in seinem neunten Schuljahr versehentlich im Physiksaal Salzsäure getrunken habe. Die jahrzehntelang zurückliegende Ursache der Erkrankung hatte Rudolf Steiner in dem heute vor ihm stehenden Menschen wahrgenommen. Somit wird es verständlich, daß die üblichen Diagnosen meist hinfällig wurden; denn was sich der Anschauung ergab, war immer das Bild einer ganz speziellen Erkrankung in ganz speziellem Fall. Und im Lichte solcher Erkenntnis ergab sich zugleich die Therapie.«520 Bei Diagnosen finden sich immer wieder Hinweise, daß Steiner gerade die »übersinnliche« und mithin autoritär konstituierte Erkenntnis einsetzte, wie die Mutter eines Kindes berichtete: Steiner beugte sich über ein Kind, nahm seine Hand »und seine weltenschauenden Augen sahen geradeaus. Und jetzt kamen langsam die Worte: >Ich sehe, was ihm fehlt, - ich sehe, was ihm fehlt.«Machen Sie doch heiße Packungen mit ...mit Leinsamen.«< (Engel: Erinnerungen, 111) Nach Müller: Einiges über Erlebnisse in der Ita Wegman-Klinik, 367. 368, habe Steiner nach der Diagnose »unregelmäßige Herztätigkeit« folgende Therapie vorgeschlagen: »Ich solle mir das Blaue als von mir wegfliehend vorstellen, das Rote aber als große Fläche sehen, die auf mich zukomme. Ferner habe Dr. Steiner wöchentlich drei Senf-Fußbäder, drei Vollbäder, drei Fußmassagen und drei Einspritzungen verordnet und zudem weitere Heileurythmie empfohlen. Obwohl wegen Personalmangels diese Anwendungen nicht immer regelmäßig durchgeführt werden konnten, waren sie doch im günstigsten Sinne wirksam« (S. 368). 522 Schmiedel: Aufzeichnungen, 426. 521

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mitteln und ihre Indikation waren teilweise minutiös, so bei einem Mann, der aufgrund einer Tuberkulose an Lungenblutungen litt: »Gehen sie zur Weleda, die soll ein Präparat aus Baumschwamm, der auf Nadelbäumen wächst, herstellen; es muß dieser ganz harte Baumstamm sein, auf D 10 potenziert. Die Injektionen müssen dreimal wöchentlich gegeben werden.«523

Detaillierte Angaben zu Steiners Verhalten finden sich auch in den Therapieakten. So hatte man, um ein erstes Beispiel zu geben, am 24. Mai 1923 in Arlesheim eine »Patientin, 49 1/2 Jahre alt, ledig«, mit »manisch-depressiven Zuständen« aufgenommen, deren Behandlung, nachdem man die Anamnese abgedruckt hatte, folgendermaßen geschildert wird (wobei unklar ist, wer für die Behandlung bis zu diesem Zeitpunkt verantwortlich zeichnete): »Neben Diät 3 x täglich nach dem Essen ein warmer Wermut-Laibwickel. PassuggerWasser (Säuerling) vor jeder Mahlzeit ein Glas. Dazu Enziantropfen und dafür auch später auch Salzsäuretropfen. Für den Rachenkatarrh: Gurgeln mit Salbeitee; Pinselung mit Gencydo und Archangelika-Salbe äußerlich. Im übrigen hatte man jedoch den Eindruck, daß hier infolge der Menopause tiefere 524 krankhafte Veränderungen vorgehen, die therapeutisch zu berücksichtigen sind.« Am 30. Mai erfolgte eine weitere Verordnung von »Mandelmilch mit Zusatz von

bitteren Mandeln, Levico Wasser«S25 Steiners nun folgende »Erklärung und Hinweise für die Therapie« sind als wörtliche Zitate gekennzeichnet: »Man muß den Astralleib aus der Deformation bringen. Nach zwei Seiten muß der Astralleib durcheinandergerüttelt werden. Deshalb: 1. sehr sorgfältig zubereitete Mandelmilch mit tüchtigem Zusatz von bitteren Mandeln, aber so, daß man sie nicht vergiftet. Dadurch bekommt man den Astralleib aus dem oberen Leibe heraus. Dies drei Tage lang. Dann: 526 2. die nächsten 3 Tage Arsenik in Form von Levicowasser.«

Eine Besserung wurde im Verlauf des Patientenprotokolls noch festgestellt, doch war der weitere Krankheitsverlauf nach Verlassen der Klinik nicht bekannt". In dieser Diagnose Steiners gibt es übrigens nur Bezüge auf die theosophische Anthropologie; wie weit die »schulmedizinische« Diagnostik der Arlesheimer 523 Glas: Rudolf Steiner - Ita Wegman, 22. 524 Abnormitäten der geistig-seelischen Entwicklung, hg. v. H. Walter, 100. Passugger-Wasser stammt aus Passug in Graubünden (nahe Chur), wo man 1860 eine alkalische Natron-Quelle endeckt hatte. Als Säuerlinge gelten in den zwanziger Jahren Kohlesäurenwässer. Gencydo ist ein anthroposophisches Heilmittel. Archangelika-Salbe wurde aus dem aromatischen und stark ätherischen Ôl sowie dem Harz des Engelwurz hergestellt und äußerlich als Reizmittel und innerlich verdauungsfördernd eingesetzt. 525 Ebd., 100. Levicowasser stammt aus Levico (heute Trentino). Mit dem Wasser ihrer arsenhaltigen Eisenquellen wurden Blut-, Nerven-, Haut- und Frauenleiden behandelt. Damit wurde ein schwunghafter Handel betrieben, in den zwanziger Jahren wurden 650.000 Flaschen pro Jahr versandt; Meyers großes Konversationslexikon, Bd. XII, Leipzig/ Wien 1906, 488. Levicowasser hat Steiner gern verordnet, vgl. Krankheitsfälle und andere medizinische Fragen, hg. v A. G. Degenaar, 68 f. 80. 5x6 Abnormitäten der geistig-seelischen Entwicklung, hg. v. H. Walter, 100 f. 527 Ebd., 101.

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Ärzte und Ärztinnen ging, wenn es sie denn gab, ist unklar. In den Behandlungsanweisungen dominieren alternativmedizinische Therapien, und den Aufzeichnungen ist auch nicht zu entnehmen, wie die »schulmedizinische« Primär- oder Zusatzbehandlung, wenn es sie gab, ausgesehen hat. Ein zweites Beispiel dokumentiert die ambulante Behandlung eines »35jährigen Patienten« mit »Dementia paralytica «528. Als Symptome werden das Geigenspiel des Patienten beschrieben, mit dem er glaube, sich auf eine »Konzertreise« vorzubereiten, oder seine weiten, allein unternommenen Spaziergänge. Sein Verhalten wird dann weiter beschrieben: »An den Unterhaltungen beteiligt er sich meistens sehr lebhaft, ist in allen Dingen, auch über die Politik sehr gut orientiert, hat aber gar keine eigene Kritik und Urteilsfähigkeit und neigt sehr zu unmotiviertem Handeln und Sprechen, lacht z. B. vor sich hin, fängt plötzlich grundlos an zu schimpfen. Dr. Steiner äußert sich dahingehend, daß da nicht mehr zu viel zu ändern sei. Es handle sich nicht um eine reine Dementia präcox [damals: Schizophrenie, HZ], sondern eher um eine Paralyse, eine Infektion sei auch dazu nicht immer nötig. Es könne entweder von einem Infekt kommen, aber auch von der Leber oder dem Lymphsystem ausgehen. Die Vierhügelgegend sei hier nicht in Ordnung, daher als Therapie: I. Hypophysis D 6 + Mohnmilch D 10 + Blei D 15, II. dieselbe Grundsubstanz: Hypophysis D 6 + Mohnmilch D 10 + Kupfer D 6. Man müsse die Mohnmilch direkt an diese Stelle bringen, das tue man durch das Blei, und indirekt, auf dem Umwege über das Lymphsystem, das geschehe durch das Kupfer. Die Mohnmilch müsse in der Vierhügelgegend etwas abtäuben, um so das / die Hypophysis zur Geltung zu bringen. (Plastische Wirkung). Das Medikament soll so gegeben werden: Den ersten Tag Präp. I (Grundsubstanz + Blei) dann ein Tag Pause am dritten Tag Präp. II (Grundsubstanz + Cu) dann wieder ein Tag Pause, usw. In diesem Fall gibt man Kupfer, da die Krankheit vom Lymphsystem ausgeht, käme sie dagegen von der Leber, müßte man Eisen geben, bei einem Infekt Quecksilber. Wichtig sei auch noch, ihn geistig viel zu interessieren und zu erziehen.«529 Im Gegensatz zum ersten Beispiel dominiert hier die Systemanthropologie, die aber in den meisten Krankengeschichten eine nachgeordnete Rolle zu spielen scheint. Wie Steiner zu seiner Diagnose kam, ist nicht detailliert dokumentiert, klar ist nur, daß man physische wie psychische Krankheitsursachen erwog. Bei der Diagnose präferierte Steiner organische Ursachen, wie die Verweise auf »Leber«, »Lymphsystem« und »Vierhügelgegend« oder auf die »Infektion« belegen. Soziale oder psychologische Überlegungen spielen bis auf die Anregung, den jungen Mann »geistig viel zu interessieren und zu erziehen«, keine Rolle. Wieder einmal kann man an diesem Beispiel die Verankerung der »clairvoyanten« Erkenntnis in der zeitgenössischen Medizin deutlich machen. Der 529 Ebd., 80. Es ist unklar, ob Steiner unter Dementia paralytica allgemein eine progressive Paralyse, die innerhalb weniger Jahre zur Demenz führt, versteht, oder eine Enzephalitis als Folge einer Syphilis. In der Schulmedizin handelt es sich um ein Symptom des dritten Stadiums der Syphilis (Neurosyphilis). 529 Ebd., 81.

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Eisen- und Kupferhaushalt wurde damals in der Leber verortet und Demenzen mit Problemen der Eisenspeicherung in der Leber begründet; von daher dürften sich Steiners Eisengaben ableiten. Bei der Anwendung der Mohnmilch wird wohl ein Bezug zur Arzneimittelgalenik vorliegen, wo fettlösliche Stoffe als liquorgängig galten und so unmittelbar ans Gehirn gelangen sollten. Hinter dem Verweis auf die »Infektion« schließlich dürfte im Rahmen der zeitgenössischen medizinischen Theoriebildung eine Syphilis-Erkrankung stehen. Steiners Hinweise auf eine nicht notwendige Infektion könnten sich auf die damals diskutierte nichtinfektiöse Syphilis beziehen, die man aufgrund der Erkrankung von Kindern und Nonnen vermutete. De facto handelte es sich aber bei dieser Erkrankung um die erst 1980 entdeckte Borreliose. Zwar hatte man 1905 ihren Erreger entdeckt530, aber Steiners Quecksilbergabe leitet sich noch von der klassischen Syphilistherapie her, die mit diesem Mittel vermutlich auch noch in den zwanziger Jahren arbeitete, obwohl Paul Ehrlich 1910 das arsenhaltige Salvasan entdeckt hatte und bevor Penicillin seit den 1940er Jahren zur Verfügung stand. Falls es sich in dem dargestellten Fall wirklich um eine Syphilis gehandelt hat, dürfte Steiners vernichtendes Urteil, »daß da nicht mehr zu viel zu ändern sei«, zutreffen531 Gleichwohl: Steiner blieb medizinischer Laie, und hier liegen die Probleme seines immensen Einflusses. Bei den Medikamenten dominierten homöopathische Mittel, die im ersten Beispiel fehlten. Blättert man die Behandlungsprotokolle und Schilderungen von Therapien durch, findet man potenzierte Heilmittel häufig, auch andere alternativmedizinische Behandlungsformen, Bäder, Umschläge, Spülungen, Tees, Salben, Heileurythmie, in Einzelfällen auch ein astrologisch geprägtes Heilverfahren wie mondabhängige Impfungen, Tabak532 oder - bei beginnender Menopause - »meditative Übungen und das Lesen schwerer Literatur«533. Von Heilmitteln der klassischen Medizin ist in diesen Texten fast keine Rede. Um Steiners Rolle genau bestimmen zu könne, bedürfte es einer genaueren Analyse der therapeutischen Situationen sowie der Gruppendynamik in den medizinischen Kollegien. Es gibt allerdings viele Indizien, daß Steiner mit hoher Autorität agierte: Er forderte sie, aber sie wurde ihm auch angetragen. Diese Autorität gründete letztlich in der beanspruchten Fähigkeit übersinnlicher Einsicht, wodurch in der anthroposophischen Medizin ein hoch diffuses Feld s3o Zur Enteckung des Spirochäten »Treponema pallidum« siehe Fleck: Entstehung und Entwicklung einer wissenschaftlichen Tatsache, 24 f. 53' Bei der Einordnung solcher Krankheitsbilder und Therapievorschläge sind nun meine Kenntnisse endgültig völlig unzureichend, ausgebildete Mediziner realisieren hier leicht Kontexte, die mir verschlossen bleiben. Die Hinweise zu dieser Passage verdanke ich Philipp Osten. 5'2 Mondabhängige Impfungen in: Abnormitäten der geistig-seelischen Entwicklung, hg. v. H. Walter, 127. Tabak: ebd., 56. Nikotin galt um 1900 zwar als giftig, wurde aber auch zur Förderung von Sekretionen und der Darmtätigkeit als Heilmitte eingesetzt. Steiner verordnete auch Koffeine, etwa gegen die Maul- und Klauenseuche ein »Kaffeebohnenpräparat«; Selg: Eine kurze Skizze der Geschichte anthroposophischer Medizin, 50. 533 Krankheitsfälle und andere medizinische Fragen, hg. v. A. G. Degenaar, 73. Die Meditationen sind auch Deventer: Die anthroposophisch-medizinische Bewegung, 17, im Gedächtnis geblieben. Vgl. auch die auf einem Rezept notierte »Heilmeditation« Steiners bei Selg: Eine kurze Skizze der Geschichte anthroposophischer Medizin, 48.

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zwischen seiner hellseherischen und seiner medizinischen Laienkompetenz entstand. Hier liegt das Problem seiner ärztlichen Rolle. Es scheint, daß seine esoterische Schau die empirische Einsicht dominierte, zum hermeneutischen Schlüssel für sie wurde, sie überformte oder transformierte - und es ist nur schwer zu realisieren, wo umgekehrt die empirische Medizin der approbierten Ärztinnen und Ärzte zur Leitkategorie wurde und die anthroposophische Perspektive auf eine »Erweiterung der Heilkunde« beschränkt hätten". In dieser hierarchisierten Vermischung von Esoterik und Empirie wurde der medizinische Laie Rudolf Steiner zur Autorität ausgebildeter universitärer Mediziner und Medizinerinnen und entschied über Therapien, in denen es um Leben oder Tod gehen konnte.

16.8 Historiographische Situierung der anthroposophischen Medizin Auf der Grundlage der Rekonstruktion von Steiners Theoriebildung und Praxis läßt sich die anthroposophische »Heilkunst« medizinhistorisch situieren. Steiner hat dazu fast keine direkten Hinweise gegeben, und auch ein kurzer Abriß der Medizingeschichte, den er im ersten Vortrag des ersten Ärztekurses 1920 gab (GA 312,16-24), eröffnet nicht notwendig eine Option zur Beschreibung seiner eigenen historischen Position, sondern bietet vor allem eine Wertung anderer historischer Position.

16.8.1 Medizin der Frühen Neuzeit und des 19. Jahrhunderts Die antike Humoralpathologie war noch bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts der Angelpunkt des medizinischen Denkens und definierte Gesundheit und Krankheit über ein Mischungsverhältnis von Körpersäften. Dieses variantenreiche Konzept"' war in seiner Konstruktionslogik ein Gleichgewichtmodell, und hier liegen strukturelle Ähnlichkeiten zur anthroposophischen Medizin, etwa zu Steiners Konzeption der Körpersysteme. Hinsichtlich wichtiger humoralpathologischer Therapieformen gibt es allerdings beträchtliche Unterschiede, da Steiner contraria-Gaben nur teilweise und evakuierende Maßnahmen fast nicht praktizierte. Ein anderes Element der vorneuzeitlichen Medizin, die Signaturenlehre mit ihrem Denken in Ähnlichkeiten, läßt sich ebenfalls strukturell bei Steiner ausmachen. Den Beispielen zur analogen Logik in Diagnostik und Therapie (s. o. 16.5.2e) etwa liegen häufig Ähnlichkeitsstrukturen zugrunde. Um nur zwei Indikationen Steiners aufzugreifen: Bei der treibenden Funktion von Frühlings-

' Man kann zumindest vermuten, daß die Rolle der ausgebildeten Medizinerinnen und Mediziner stärker war als es in den publizierten Materialien sichtbar ist, da es hier wie zu allermeist in den überlieferten kommunikativen Kontexten mit Steiner um den autoritativen Lehrer geht. So fehlen in den Patientenprotokollen die Namen der teilnehmenden Ärztinnen und Ärzte und ihre Interventionen, nur Steiners Einlassungen sind namentlich gekennzeichnet. s35 Rothschuh: Konzepte der Medizin, 185 ff.

16.8 Historiographische Situierung der anthroposophischen Medizin

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wurzeln des Enzians ist die optische Ähnlichkeit durch eine funktionelle, »dynamoanaloge« (Rothschuh) Signatur ersetzt, und beim Einsatz von Schalenfrüchten gegen Heuschnupfen begründete die optische Ähnlichkeit die dämmende (morphoanaloge) Funktion der anthroposophischen Heilmittel. Auch bei der Mistelwirkung mit ihrer Polarität von Verhärtung und Auflösung (s. o. 16.5.5b) arbeitete er letztlich mit Ähnlichkeitssignaturen. Es ist allerdings unklar, woher Steiner diese Deutungsmuster bezogen hat, da Gleichgewichts- und Analogiemodelle im 19. Jahrhundert noch ubiquitär verbreitet waren. So hat er selbst auf Carl von Rokitansky (1804-1878) verwiesen (GA 312,16), der in Wien zu Steiners Studienzeiten eine humoralpathologische Position vertrat536, während zeitgleich Analogiemodelle und Signaturenlehren in der Volksmedizin überlebt haben und noch in der sich schon empirisch verstehenden Naturheilkunde des 19. Jahrhunderts, etwa bei Hahnemann, nachweisbar sind537. Auch für andere Elemente wie die Metalltherapien (s. o. 16.5.2)) kann man Verbindungen in die Frühe Neuzeit konstruieren, doch sind Rückgriffe auf Quellen des 19. Jahrhunderts angesichts der andersweitig fehlenden Verbindungen zur frühneuzeitlichen Medizin plausibler. Steiner selbst stellte eine unmittelbare Verbindung zu Paracelsus her. Keine Person der frühneuzeitlichen Medizingeschichte hat Steiner so oft genannt538 (mit einigem Abstand dürfte der ältere van Helmont folgen [z. B. GA 312,19.238]). Beispielsweise hat Steiner Paracelsus' Archäus analogisierend in sein System übernommen. »Den Archäus hat er [Paracelsus] angenommen, so wie wir etwa sprechen von dem Ätherleib des Menschen.« (ebd., 19)539 Bei allen Schwierigkeiten, den paracelsischen Achäus in seiner Funktion exakt zu umschreiben, ist klar, daß er im Gegensatz zu Steiners Vorstellungen kein Glied des Körpers unter anderen war, sondern eine zentrale Stellung in der medizinischen Anthropologie des Paracelsus einnahm. Eine intensivere Auseinandersetzung Steiners mit der Achäusvorstellung fehlt ohnehin. Ein Bezug auf Paracelsus (wenngleich sein Name nicht fällt) liegt wohl auch bei der Trias des »Salzigen«, »Phosphorigen« und den »Merkurialen« (ebd., 107) vor, die sich bei Paracelsus als »drey« »Substantzen I die do einem jedlichen sein Corpus geben: ... Sulphur, Mercurius, Sal«, finden540. Zwar hat Steiner Schwefel durch Phosphor ersetzt, doch besitzt auch Schwefel traditionell eine Funktion als »Lichtträger«, die Steiner dem Phosphor zuwies (ebd., 106). Die Quellen von Steiners Paracelsus-Kenntnissen sind nicht ganz klar. Er hat dessen »Paragranum«, das »Volumen Paramirum« und das »Opus paramirum« in der von Franz Strunz besorgten Edition aus dem Eugen Diederichs-Verlag

536 Kröz: Rokitanskys Krebskrasenlehre. Rothschuh: Konzepte der Medizin, 113 f.; Leibbrand: Die spekulative Medizin der Romantik, 201-205. 538 Exemplarisch: GA 312,19; GA 96,166; GA 94,372. 539 Bereits 1906 hatte er den Ätherleib mit paracelsischem Denken in Verbindung gebracht (GA 54,481), doch mehr als die Behauptung von Übereinstimmungen trägt Steiners Verweis nicht aus. 540 Paracelsus: Opera, I, 73. Dabei handelt es sich entgegen dem heutigen Sprachgebrauch allerdings eher um Prinzipien denn um Grundsubstanzen; vgl. Porter: Die Kunst des Heilens, 205. s3'

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besessen541. Dies könnte die Übernahme einzelner Topoi erklären, aber Steiner hatte auch Zugang zu weiterer, eher populärer Paracelsus-Literatur542. Für eine intensive Lektüre fehlen aber jegliche Indizien, Steiners Paracelsus-Wissen ist wenig spezifisch. Paracelsus galt ihm als Verwandter im Geiste, der, wie Steiner schon 1906 in einem Paracelsus-Vortrag meinte, »auch in die Geheimnisse des geistigen Lebens« eingedrungen sei (GA 54,479). Er sah ihn also weniger als Präempiriker, als der er im 19. Jahrhundert als Vorläufer der »modernen« Medizin stilisiert wurde und als der er geradezu der historische Modearzt während der Jahre der Weimarer Republik wurde. Die Medizin des 17. und 18. Jahrhunderts kommt bei Steiner kaum vor. In den seltenen Bezüge fallen oft kritische Töne, etwa gegenüber dem Hallenser Georg Ernst Stahl (1660-1734), hinter dessen Vitalismus er ein materialistisches Prinzip mutmaßte (GA 312,20), oder hinsichtlich des Paduaner Anatomen Giovanni Battista Morgagni (1682-1771), dessen anatomische Studien durch Leichensezierungen ihm als pathologischer Weg erschien (ebd., 21). Auch das 19. Jahrhundert betrachtete Steiner grosso modo als Niedergangsgeschichte einer geistigen Medizin. Davon nahm er nur einzelne Mediziner aus, etwa den Anatomen Theodor Schwann (1810-1882), in dessen Vorstellung des Protoplasma er »den letzten Rest des alten medizinischen Wesens« sah, denn Schwanns Anschauung »geht nicht auf das Atomistische« (GA 312,23). Steiner realisierte nicht, daß die Vererbung seit den 1880er Jahren vom Protoplasma ins Keimplasma lokalisiert worden war, ebensowenig scheint ihm klar, daß mit August Weismann (1834-1914), der das genetische Material im Zellkern identifizierte, der Weg in die Genetik gebahnt war, der 1903 auch begangen wurde, als Walter Sutton die zentrale Rolle von Genen für die Vererbung postulierte. Damit besaß die Medizin zum Zeitpunkt von Steiners Ausführungen eine molekularbiologische Erklärungsebene, doch blieb Steiner (vergleichbar seinem Vorbild Haeckel) dem Wissensstand seiner Jugend und der Anschaulichkeit der älteren medizinischen Deutungsmodelle verhaftet. Fairerweise muß man aber auch festhalten, daß die morphologisch orientierte Beschreibung noch lange nach Steiners Tod dominierte. In all diesen Bezugnahmen Steiners auf frühneuzeitliche und spätere medizinische Vorstellungen ist das entscheidende Problem deutlich: Man muß keine ununterbrochene, gar esoterische Tradition annehmen, wie es in anthroposophischer Literatur gerne geschieht543, um Steiner in der Medizingeschichte zu situieren. Die vor dem 19. Jahrhundert entwickelten Vorstellungen waren durch 54' Paracelsus: Buch Paragranum, hg. v. F. Strunz (1903); ders: Volumen Paramirum und Opus Paramirum, hg. v. dems. (1904). Darin finden sich Anstreichungen oder Kommentare Steiners, nach: Anonym: Aus der Bibliothek von Rudolf Steiner. Verzeichnis der medizinischen Literatur, 59; vgl. auch GA 96,343. In einem Kommentar in GA 54,526 heißt es jedoch, die von Steiner benutzte Edition habe sich nicht feststellen lassen. 542 Etwa zu Werken Emil Schlegels über Paracelsus, vgl. Anonym: Aus der Bibliothek von Rudolf Steiner. Verzeichnis der medizinischen Literatur, 61. 543 Vgl. etwa Schramm: Metalle und Mineralien in der Therapie, 11, der »die anthroposophische Medizin« an die »Geistesgeschichte der Medizin in Europa, wie sie seit der Antike bis heute mehr oder weniger deutlich festgestellt werden kann«, anknüpft.

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Publikationen von Quellen oder durch Sekundärliteratur zugänglich und auch durch universitäre Mediziner des 19. Jahrhunderts wie Rokitansky präsent. Es ist an keiner Stelle sichtbar, daß Steiner unmittelbar auf frühneuzeitliche Vorstellungen zurückgegriffen hätte. Seine Grundlage war die Frühe Neuzeit allenfalls in der Präsentation durch das 19. Jahrhundert.

16.8.2 Romantische Medizin Angesichts von Steiners wohlwollender Bezugnahme auf romantische Naturphilosophen, etwa auf Schelling oder Troxler', liegt es nahe, nach inhaltlichen Parallelen zur »romantischen Medizin« (Ricarda Huch)545 Ausschau zu halten. Generell finden sich Ähnlichkeiten zu den Prinzipien romantischer Medizin, etwa zur idealistischen Geistmetaphysik der »Herrschaft des Ideellen«, in deren Rahmen »der leibliche Mensch nur unter der Voraussetzung seiner Idee denkbar« war (Carl Friedrich Burdach, 1776-1847)546. Konkret finden sich Übereinstimmungen mit der Vorstellung der natura naturans, die über den Cusaner, Spinoza und Goethe in die Naturphilosophie eingedrungen war547, oder mit dem Konzept von Polarität und Analogie, das in fast allen Ansätzen der romantischen Naturphilosophie, nicht zuletzt wiederum bei dem Steiner vertrauten Goethe, eine prominente Rolle spielte548. Auch Steiners Vorstellung der Natürlichkeit von Krankheit sowie der Selbstheilungskräfte des Körpers549 lassen sich auf romantische Hintergründe beziehen, ebenso die Verknüpfung von ärztlicher Therapie und priesterlichem Handeln550 Schließlich verbindet Steiners Medizin mit der romantischen das Verständnis des ärztlichen Handelns als Kunst, aber auch dieses Thema hat längst nicht nur die Mediziner des frühen 19. Jahrhunderts umgetrieben55 Über diese allgemeinen Bezüge hinaus ist insbesondere Michael Krafft der romantischen Spur nachgegangen. Er ist dabei zu bemerkenswerten Ergebnissen gekommen, die die weitgefaßten Ähnlichkeiten hinsichtlich der Körpersysteme (s. o. 16.5.3) überschreiten und sich mit drei Beispielen illustrieren lassen: - Elementarstoffe. Steiner kennt die vier Elementarstoffe Sauerstoff, Kohlenstoff, Stickstoff und Wasserstoff, die er seinen »Organsystemen« (Nieren-, Harn-, Lungen-, Leber- und Herzsystem) zuordnete (GA 312,231 f.). Vier Elementarstoffe kennt auch Kieser, auch er ordnet sie einem Systemkomplex zu, 544 Vgl. 9.4.2-3, in den Ärztevorträgen exemplarisch GA 312,20 f. und GA 314,20-26 (Schelling); GA 312,34 und GA 314,27 (Troxler). 545 Zur Begriffsgeschichte und -problematik siehe Wiesing: Kunst oder Wissenschaft?, 41. Vgl. neben den einschlägigen Kapiteln bei Rothschuh: Konzepte der Medizin, die Arbeit von Oldenburg: Romantische Naturphilosophie. 546 Burdach: Anthropologie für das gebildete Publicum, 605. 547 Petersen: Arzneimitteltheorie und Arzneimittelpraxis, 5. 548 Zum Polaritätsdenken Sohni: Die Medizin der Frühromantik, 32-87. 549 Petersen: Arzneimitteltheorie, 42-63. 550 Vgl. Nipperdey: Deutsche Geschichte 1800-1866, 487. Dieses Konzept ist aber älter und läßt sich schon bei Paracelus finden. 551 Dazu ausführlich Wiesing: Kunst oder Wissenschaft?

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allerdings mit anderen Komponenten (Blut- und Nervensystem, anorganische und organische Welt)552 - Licht und Schwere. »Das Licht ist dasjenige, was fortwährend die Schwere überwindet.« (GA 312,122) Ein solches Konstitutionsverhältnis läßt sich auch bei Schelling aufweisen, wenngleich in anderer Zuspitzung: »Im Licht ist ... auf ideale Weise enthalten, was in der Schwere auf reale«553. Für Johann Christian Reil (1759-1813) war »jedem Einzelnen und Abgerissenen das Ganze, Licht und Schwere, zugleich eingeboren, und es tritt, durch sein + und - mit einander in Wechselwirkung«554, und August Eduard Kessler (17844-1806) interpretierte Schwere und Licht in der Polarität von Magnetismus und »Electricismus«555 die Beispiele mit Ähnlichkeiten bei Steiner ließen sich leicht vermehren. Heilmittel. Steiner kennt eine prä-molekularbiologische Klassifizierung der Heilmittel nach mineralischen, pflanzlichen, tierischen und menschlichen Heilmitteln, die er der Ich-Organisation, dem Astralleib, Ätherleib und dem physischen Leib zuordnete556 Eine vergleichbare Klassifizierung kannte wiederum auch Kieser: Mineralreich Pflanzenbereich Tierreich

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vegetatives System Blutsystem sensibles System"'

Allerdings sind die Wirkungsebenen vertauscht: Bei Kieser sollen die Heilstoffe des »niedrigsten« Reiches auf das unterste System des Menschen wirken, bei Steiner auf die »höchste« Ebene»» Mit einigen Ansätzen in romantischen Heilmittelvorstellungen teilt Steiner eine negative Einschätzung chemischer Arzneien559. Für Steiner hat »die Wirkungsweise der Stoffe im menschlichen Organismus« dezidiert »nichts mehr mit diesem Chemischen zu tun« (GA 277,89). »Den Geist, nicht die Substanz muß man kennen« (GA 318,123), »und eine wirklich gar nicht ausschlaggebende Rolle spielt eigentlich die chemische Beschaffenheit. ... Auf die Anzeichen, die die abstrakte Chemie liefert, zu achten, dieses ist etwas, was nach und nach eigentlich alle Erkenntnisse des Menschen untergraben hat« (GA 316,41). Während jedoch bei Steiner eine antimaterialistische Argumentation gegen einen molekularbiologischen Reduktionismus im Hintergrund steht, nahmen die medizinischen Systeme des frühen 19. Jahrhunderts eine Einordnung in den prämolekularen Chemiebegriff vor56° 552 Nach Krafft: Anthroposophische Heilmittellehre, 153. Zusätzlich gibt es auch Quadruplizitätslehren, etwa bei Johann Christian Bährens (ebd., 150). 553 Schelling: Aphorismen über die Naturphilosophie (1806), 233. s5a Red: Entwurf einer allgemeinen Therapie, 190. 555 Kessler: Über die innere Form der Medizin, 39. 556 Nach Krafft: Anthroposophische Heilmittellehre, 34. Kraffts Fundstelle für die Gesamtausgabe ist falsch. 55' Kieser: System der Medizin, I, 225, zit. nach Krafft, ebd., 160. 558 Krafft, ebd., 160. 559 Ebd., 164-169. 560 Vgl. Petersen: Arzneimitteltheorie, 10.

16.8 Historiographische Situierung der anthroposophischen Medizin

1565

Insgesamt ergibt sich eine beeindruckende Palette von Parallelen, Ähnlichkeiten oder semantischen und inhaltlichen Übereinstimmungen. Allerdings sind damit die Probleme einer Brücke zwischen romantischer und anthroposophischer Medizin nicht beseitigt: Die zentrale Bedeutung von Schellings Werk, die Krafft für Steiner postuliert, ist falsch, weil Steiner Schelling kaum und seine medizinischen Werke nachweisbar nicht gelesen hat (s. 9.4.2); das gleiche gilt für Troxler (s. 9.4.3b). Und die romantischen Mediziner, mit denen sich im Anschluß an Krafft strukturelle Bezüge zu Steiner und der romantischen Medizin herstellen lassen (Bährens, Kessler, Kieser, Reil), sind in Steiners OEuvre nicht nachweisbar. Allein Burdach kannte Steiner, rezipierte ihn 1905 aber als Vertreter einer geistbezogenen Naturphilosophie und gerade nicht als Mediziner (z. B. GA 54,13). Das Inventar der medizinischen Werke in Steiners Bibliothek bestätigt diese Kluft zur romantischen Medizin - deren Werke fehlen". Beim momentanen Stand der Forschung läßt sich aus diesem Befund nur die wahrscheinliche Folgerung ziehen, daß Steiner nicht unmittelbar auf die romantische Medizin zugriff. Die von Krafft aufgewiesenen Ähnlichkeiten muß Steiner dann über andere, bislang nicht identifizierte Wege kennengelernt haben. Hier stellt sich auch ein wissenschaftshistorisches Problem, da die Forschung lange mehr oder minder stark von einem Abbruch der Tradition romantischer Medizin ausging. Bei einer solchen These lag es nahe, allenfalls die Werke der großen romantischen Protagonisten als mögliche Anschlußstellen in Betracht zu ziehen, wie es Krafft getan hat. Demgegenüber hat die neuere Forschung die Kontinuitäten der romantischen Naturphilosophie durch das 19. Jahrhundert hindurch realisiert. Urban Wiesing hat auch die These des Gegensatzes zur positivistischen Medizin nicht mehr akzeptiert, etwa in der Abneigung der romantischen Medizin gegenüber dem Experiment eine Feindbildprojektion des »empirischen« 19. Jahrhunderts gesehen". Andreas Daum wiederum hat die lange ignorierte Fortexistenz idealistischer Vorstellungen in der populären Wissenschaftskultur des Kaiserreichs nachgewiesen563, in der Motive der romantischen Naturphilosophie überlebten. Auch die Tradition psychodynamischer Vorstellungen564, die bis in den Vitalismus des späten 19. Jahrhunderts und dessen Neuauflage bei Hans Driesch nach 1900 hineinwirkten, läßt sich in diesem Traditionskontext lesen. Anstelle des Modells von Untergang und Fortschritt muß man gerade für die Medizin in Deutschland von einer lange dauernden Überlagerung »rein« empirischer Ansätze durch eine Medizin im Geist der »romantischen« Naturphilosophie rechnen. Diese sekundäre Tradierung romantischer oder äquivalenter Vorstellungen565, die momentan schwer überschaubar ist, dürfte für Steiner ein wichtiges Theorienreservoir gebildet haben. Konzeptionell ist diese Nähe leicht nachvollziehbar: Die romantische Tradition ermöglichte ihm eine holistische Anthropologie, die 56f S. u. Anm. 570. 562 Wiesing: Kunst oder Wissenschaft?, 31-43. 563 Daum.: Wissenschaftspopularisierung, vgl. besonders die Kapitel IV und V, z. B. 300-323. 564 Rothschuh: Konzepte der Medizin, 303. 340 f. 565 Daß bei Steiner eine nur »konstruierte Kontinuität« zur romantischen Medizin besteht, hat auch Normann: Rudolf Steiner und die Anfänge der anthroposophischen Medizin, 148, gesehen.

1566

16. Medizin

geistige und materielle Dimensionen einschloß, und sie war eine Bundesgenossin, um im Geiste von Steiners Antimaterialismus »empirisch nicht gedeckte Übergriffe des entstehenden radikalen Empirismus« abzuwehren566

16.8.3 Die Medizin des 19. Jahrhunderts Aus den beiden letzten Kapiteln zur frühneuzeitlichen und romantischen Medizin ergibt sich die Konsequenz, daß die entscheidenden Wurzeln Steiners im 19. und frühen 20. Jahrhundert liegen. Dies betrifft an erster Stelle die universitäre Medizin. Er kritisierte zwar immer wieder einzelne Elemente der »materialistischen« Medizin und versuchte, zwischen Idealisten und Atomisten, etwa zwischen dem Anatomen Schwann und dem Pathologen Virchow, eine Grenze zwischen noch akzeptablen und verwerflichen Universitätsprofessoren zu ziehen (GA 312,23 f.), aber er wollte kein »Maschinenstürmer« sein und akzeptierte die empirische Medizin: ihrer evidenten Leistungen wegen, aber auch weil er damit rechnete - davon war immer wieder die Rede - ihre Standards mit seinen esoterischen Einsichten halten zu können (s. o. 16.3). Auch die Ärztinnen und Ärzte, die er anzog, waren durchweg universitär ausgebildete Mediziner, von denen viele mit dem Programm der »Erweiterung der Heilkunst« besser leben konnten als mit einer antiuniversitären Alternativmedizin. Steiner selbst hat diese Dimension mehr angemahnt als eingebracht; die universitären Elemente in der anthroposophischen Praxis waren ein Erbe der universitär ausgebildeten Ärzte der Gründungsgeneration (s. o. 16.5.1; 16.5.4c). In der überlieferten Theoriebildung und Praxis dominiert die Alternativmedizin. Von Peipers' Farbentherapie über Ritters Pflanzenpräparate und die Homöopathie bis hin zur anderen alternativen Therapien prägten nichtuniversitäre Behandlungsformen das Außenbild der anthroposophischen Medizin567. Diese Dimension betrachtete man als wichtigen Teil der ergänzenden anthroposophischen Heilkunst. Die Alternativmedizin bildet den zweiten wichtigen Hintergrund der anthroposophischen »Heilkunst« im 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Die Verwurzelung der anthroposophischen Medizin in dieser Phase wird durch die in Steiners Bibliothek verwahrte medizinische Literatur bestätigt: Über 90 Prozent der Bücher stammen aus der Zeit zwischen 1850 und 1925, unter denen die alternativmedizinischen Themen ein Schwergewicht bilden, während die Universitätsmedizin vornehmlich in allgemeinen Lehrbüchern präsent ist568; die romantische Medizin fehlt, und nur zwei vor 1800 erschienene Werke

566

Nipperdey: Deutsche Geschichte 1800-1866, 487. Gegen Positionen wie die von Normann: Rudolf Steiner und die Anfänge der anthroposophischen Medizin, 148, wonach »sich aber die anthroposophische Medizin im wesentlichen unabhängig von der Naturheilkunde entwickelte«. 568 Klassifizierung als medizinische Literatur nach: Anonym: Aus der Bibliothek von Rudolf Steiner. Verzeichnis der medizinischen Literatur, 50. Ein Teil der dort nicht verzeichneten Erscheinungsdaten konnte nachträglich ermittelt werden. 567

16.9 Kulturhistorische Kontexte der anthroposophischen »Heilkunst«

1567

sind verzeichnet"'. Vor diesem Hintergrund habe ich mich einleitend auf die Medizingeschichte der Jahre um 1900 als Kontext beschränkt. Damit ist der historische Hintergrund weitaus schmäler, als vielfach angenommen: Die anthroposophische Medizin gehört in die Jahrzehnte um 1900, sie ist weder alter noch »esoterischer« Herkunft.

16.9 Kulturhistorische Kontexte der anthroposophischen »Heilkunst« 16.9.1 Zwischen Universitäts- und Alternativmedizin Mit der Absicht, Universitäts- und Alternativmedizin zu verbinden, stand die anthroposophische »Heilkunst« am beginnenden 20. Jahrhundert nicht allein, aber es bedürfte weiterer Forschungen über vergleichbare medizinische Bewegungen, um dieses Netzwerk besser erfassen und die Position der anthroposophischen Medizin genauer bestimmen zu können. Im Rahmen der medizinischen Ideengeschichte gehört Steiner zu den Vertretern einer bislang wohl unterschätzten »geistigen« Medizin und fügt sich damit in die Revision von offen oder unterschwellig säkularisierungstheoretischen Annahmen der Medizingeschichte des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts ein. Die Verbindung von universitärer und alternativer Therapien war aber weit komplexer, insofern er auch die alternativen Behandlungsmethoden einem positivistischen Empirieanspruch unterwarf (s. o. 16.3), ehe in Steiners Augen eine methodisch »ganzheitliche« Medizin entstehen konnte. Seine Medizin eindeutig als »modern« oder »antimodern« festzulegen, greift deshalb nicht, denn sie unterschlägt ihr Changieren zwischen diesen (ohnehin normativen) Polens'° Diesen integrativen Ansatz hat Steiner allerdings nicht systematisch expliziert. Er verband unterschiedliche Konzepte aus unterschiedlichen Perioden seiner Vita: So gibt es neben dem spirituellen theosophischen Menschenbild mit seinen hierarchisierten »Gliedern« das eher funktionale Konzept des Gleichgewichts von Organsystemen, astrologische neben körperimmanenten Wirkungsrelationen, homöopathische Heilmittel neben allopathischen, Farbtheraphien koexistieren mit phytomedizinischen und homöopathischen Verfahren, die »notwenGesamtzahl der Titel 271 vor 1850 5 = 1,8 % 71 = 26,2 % 1850-1899 = 64,9% 1900-1925 176 nicht datierbar 18 = 6,6 %. 569 Unter den fünf vor 1850 erschienen Werken gehört keines in den Bereich der romantischen Naturphilosophie. Vor 1800 sind zwei Werke von Samuel A. D. Tissot angegeben: Die »Abhandlungen über verschiedene Gegenstände der Arzeneywissenschaft« (1770), beigebunden die »Vertheidigte Einpfropfung der Blattern wider den Graf Roncalli« (1771); nach: Anonym: Aus der Bibliothek von Rudolf Steiner. Verzeichnis der medizinischen Literatur, 63. 570 Neuerdings hat wieder Faltin: Heil und Heilung, 73 f., Steiner und seine Medizin unter »Antimodernismus« eingeordnet. Sein Versuch, mit der These von »Okkultismus als antimoderner Weltanschauungen« ein Erklärungsraster für seinen Protagonisten Wenz zu entwickeln, scheint mir nicht nur für Steiner die Komplexität und Ambivalenz vieler Alternativmediziner zu unterschlagen.

1568

16. Medizin

digen« Wirkungen des Karma stehen neben der Freiheit ärztlichen Handelns. Steiner hat zwar versucht, differente Ansätze mit je eigenen Theoriestrukturen unter dem Dach seiner »geisteswissenschaftlichen« Weltanschauung zu vereinen, etwa wenn er die theosophische Anthropologie und die Anthropologie der Körpersysteme kategorial als »geistige« und somatische, mithin als esoterische und empirische Dimensionen trennte, aber die unterschiedlichen Ansätze sind in der Außenperspektive nur notdürftig verbunden. Indem Steiner die Pluralität der Konzepte nur über eine beanspruchte geistige Einsicht (und »nachgewiesener« geistiger medizinischer Wirkungen) verband, wird in der Außenperspektive die Verknüpfung beliebig, zu einer parataktischen Reihung, der nicht anzusehen ist, wo die Vielfalt der Ansätze in ein neues Ganzes umgeschmolzen wird. Steiner lieferte eine Sammlung unterschiedlicher Diagnostiken und Therapien, die sich einem universitären Anspruch auf Kohärenz entzog und deren akademische Kompatibilität er nur punktuell herstellen konnte. Das Schwergewicht in diesem Konglomerat lag zu Steiners Lebzeiten auf der Alternativmedizin. Dabei wurden viele Behandlungsformen erwogen oder (zeitweilig) genutzt: Farbtherapie, Hydrotherapie, Elektrotherapie oder Irisdiagnostik, um nur einige Beispiele zu nennen; einen grundsätzlichen Ausschluß einzelner Verfahren gab es nicht. Eine größere Bedeutung haben nach seinem Tod nur pflanzenmedizinische Präparate, deren Wurzeln in den Arzneien Marie Ritters liegen dürften, sowie homöopathische Mittel erhalten. Für die Übernahme homöopathischer Mittel ließ sich Thomas Dingers sozialhistorische These bestätigen, daß dafür vor allem die Ärzte im Umfeld Steiners, die teilweise mit diesen Mitteln schon arbeiteten, bevor sie zur Anthroposophie stießen, ausschlaggebend waren. Dies ist ein gutes Beispiel, wie der abgeschottete anthroposophische »Denkstil« durch Außenkontakte verändert wurde"'. Steiner hingegen betrachtete die Homöopathie nur als eine Therapieoption unter anderen, deren Eigenständigkeit er durch seine »geisteswissenschaftliche« Interpretation einzugrenzen trachtete. Aber letztlich besitzen alle »anthroposophischen« Heilmittel ihre Wurzeln in der außeranthroposophischen Praxis, nicht in Steiners Theorie. Ihre Etablierung erfolgte vor allem pragmatisch und weniger durch eine anthroposophische Theorie geleitet. Dies bestätigt auch die Praxis in den anthroposophischen »Instituten«, die schon in der hohen Geschwindigkeit ihrer Etablierung und der Einführung »anthroposophischer« Medikamente kaum einen theoriegeleiteten Vorlauf erkennen lassen. Bei der Suche nach alternativmedizinischen Heilmitteln konnte man Glück haben und auf Arzneien stoßen, die auch außerhalb des anthroposophischen Erklärungshorizontes partiell Anerkennung fanden. Das wohl prominenteste Beispiel ist die Krebstherapie durch Mistelgabe, die auf Marie Ritter und / oder Adolf Hauser zurückgehen dürfte. Andere Behandlungsformen wie Peipers' Farbtherapie in »Kammern« hingegen verschwanden, wieder andere wurden zu einem Sondergut, wie etwa die nicht zuletzt ihrer toxischen Wirkungen wegen außerhalb der anthroposophischen Medizin gemiedenen Bleipräparate.

57

Fleck: Entstehung und Entwicklung einer wissenschaftlichen Tatsache, 142-144.

16.9 Kulturhistorische Kontexte der anthroposophischen »Heilkunst«

1569

Die Durchsetzung weniger Arzneimitteltypen in den heutigen Produktionsreihen von »Weleda« und »Wala« hat lange den historiographischen Blick auf die weitgespannten alternativmedizinischen Interessen zu Steiners Lebzeiten eingeengt. Öffnet man den Blick von den heute durchgesetzten auf die zu Steiners Lebzeiten genutzten, nur erprobten oder erwogenen Mittel, erhält man eine andere Perspektive, in der eine große Offenheit gegenüber alternativmedizinischen Behandlungsmöglichkeiten sichtbar wird. Leider ist zu wenig darüber bekannt, weshalb einzelne Verfahren, etwa diejenigen Baunscheidts, abgelehnt wurden und warum andere Therapien, die Steiner durchaus schätzte, wie die Elektrotherapien, sich nicht durchsetzten. Klar ist nur, wo die Interessen Steiners und der anthroposophischen Ärzte nicht lagen: in den »harten« Verfahren der Universitätsmedizin, sowohl hinsichtlich Medikamentierung als auch invasiver oder chirurgischer Verfahren, auch nicht in ihrer Methodologie und in statistischen und intersubjektiven Testverfahren. Die programmatische Komplementarität von Universitäts- und Alternativmedizin bedeutete vor allem, die alternative Dimension zu stärken. Allerdings ist weniger deutlich, wo prinzipielle Vorbehalte gegenüber »der« Universitätsmedizin endeten und deren hohe und seit Steiners Tod immer komplexer gewordenen Prüfungsverfahren den Anschluß an die anthroposophische »Heilkunst« faktisch unmöglich machten. Von spezifisch anthroposophischen Verfahren oder Mitteln kann man angesichts dieses Befundes nicht sprechen. Man bediente sich aus dem Reservoir vorhandener Verfahren, wobei Akzeptanz oder Ablehnung bis 1925 von einer gewissen Zufälligkeit abhängig gewesen sein dürfte. Das anthroposophische Charakteristikum liegt allein im weltanschaulichen Überbau. Allerdings war die Behauptung »clairvoyant« erkannter »geistiger« Wirkungen ein bloß inneranthroposophisch plausibler Rahmen, der zwar eine Integration heterogener Mittel in die anthroposophische Medizin erlaubte, aber die universitäre Forschung bei möglicherweise objektivierbaren Heilungswirkungen nach anderen Begründungen suchen ließ. Auch dafür bieten die Mistelpräparate aussagekräftige Beispiele, da deren Heilungserfolge, soweit sie nachweisbar sind, in der akademischen Medizin heute durch die Wirkung von Lektinen und auf der Grundlage von Testverfahren und nicht mit Hilfe von Steiners Theorien erklärt wird. Historiographisch hatte die Wirkungsbegründung alternativer Heilmittel durch die anthroposophische Erkenntnistheorie allerdings fatale Wirkungen, weil dadurch, wie in anderen Bereichen auch, historische Abhängigkeiten zugunsten einer »geistigen« Autonomie Steiners relativiert wurden (und wohl auch die Suche nach weiteren Heilmitteln einschränkte). Die vielen Verbindungen zur alternativmedizinischen Bewegung drohten, Steiners »Clairvoyance« zu historisieren; dies ist vermutlich ein entscheidender Grund, weshalb wir über die Verbindungen der anthroposophischen zur alternativen Medizin um 1900 lange so wenig wußten. Wie immer die Gewichte zwischen Universitäts- und Alternativmedizin in der anthroposophischen Medizin durch künftige Forschungen noch verteilt werden: Die »Erweiterung« der empirischen Medizin gab es bei Steiner nicht auf gleicher Augenhöhe mit der »Schulmedizin«, sondern nur unter anthroposophischer Deutungshoheit. Anthroposophische Medizin ist eine kombinatorische

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16. Medizin

Verbindung unterschiedlicher medizinischer Traditionen einschließlich der universitären, aber unter dem Dach einer »esoterischen«, auf Steiners Hellsichtigkeit beruhender Metaebene. In der Praxis folgte daraus eine Hierarchisierung, die sichtbar wurde, etwa wenn Steiner als praktizierender Arzt auftrat: Dann dominierte nach vorliegenden Erinnerungsberichten die Alternativmedizin die »Schulmedizin« - trotz eines Selbstverständnisses, nur komplementär zu sein.

16.9.2 Psychosomatik Die Verbindung von »Geist« und »Materie«, eines der großen Themen des 19. Jahrhunderts, kann man in der anthroposophischen Medizin als Versuch wiederfinden, eine psychosomatische Medizin (allerdings nicht unter diesem Begriff) zu begründen. Sie ist allerdings nicht immer leicht zu identifizieren, weil die anthroposophische Psychologie in ihrem Geistbegriff versteckt ist. Gegen die medizinische Pathologie, als deren Feindbild Steiner Virchow mit seiner Zellularpathologie personifizierte, suchte Steiner nach einem Verständnis von Gesundheit und Krankheit im Rahmen eines Ansatzes, den man nach 1945 als »ganzheitlichen« bezeichnen sollte572. Dies läßt sich an der Anthropologie illustrieren: Seine theosophische Theorie der »übersinnlichen« Körperglieder war zugleich ein Versuch, Geist und Materie zu verbinden, während sich die Vorstellung der Körpersysteme als Versuch einer Komplexitätssteigerung auf der somatischen Ebene lesen läßt. Auch die Kooperation von Ärzten und Priestern kann man als Element seines integralen Ansatzes lesen. Weil allerdings Steiner seine Epistemologie einem naturwissenschaftlichen Objektivitätsideal unterwarf, also auch die psychische Dimension »objektiv« (und quasi empirisch) bestimmen wollte, grenzte er die Autonomie des Psychischen empiristisch ein. In der Außenperspektive behält seine Medizin deshalb leicht eine »materialistische« Schlagseite. Zugleich hielt Steiner weite Teile der Psychologie des frühen 20. Jahrhunderts, namentlich die Psychoanalyse, für einen Ausdruck des materialistischen Zeitgeistes. Dies ist etwa angesichts von Freuds Menschenbild nachvollziehbar, aber damit ist das Erklärungspotential der Psychoanalyse nicht einmal in Ansätzen ausgeschöpft. Letztlich hat Steiner zu keiner damaligen psychologischen Strömung ein intensiveres Verhältnis gefunden. Man kann allerdings strukturelle Elemente der psychosomatischen Debatten in Steiners O;uvre identifizieren, transformiert in einen Binnendiskurs. Heute etwa verbirgt sich hinter dem anthroposophischen Begriff der »Biographiearbeit« ein funktionales Äquivalent psychologischer und psychoanalytischer Theorien. Auch die Komplexität sozialpsychologischer Fragestellungen, die die anthropologische Diskussion in der Medizin seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert prägten, blieb Steiner weitgehend fremd. Beispielsweise fallen milieubedingte Krankheiten oder körperliche Reaktionen auf soziale Bedingungen durch die Fixierung auf die gesellschaftstranszendente »Geistigkeit« seines Ansatzes weit572

Jütte: Geschichte der Alternativen Medizin, 56.

16.9 Kulturhistorische Kontexte der anthroposophischen »Heilkunst«

1571

gehend aus. Folglich werden derartige psycho-somatische Wechselwirkungen kaum thematisiert, ein multifaktorielles Denken unter Einschluß sozialer Faktoren ist nicht entstanden. Das Soziale blieb letztlich ein Epiphänomen des Geistigen. Schließlich ist vermutlich die semantische Isolation und die nur binnenplausible Konstruktionslogik von Steiners G uvre ein weiterer Grund, weshalb Steiner über Jahrzehnte kaum in den psychosomatischen und sozialpsychologischen Debatten präsent war, obwohl sich seine Theorien als Wortmeldung gerade zu diesem Themenfeld lesen lassen.

16.9.3 Sozialhistorische Bedingungen der anthroposophischen Medizin Viele Bedingungen ihrer Existenz teilt die anthroposophische Medizin mit anderen alternativmedizinischen Bewegungen der Jahre um 1900, und diese Kontexte sind in der historiographischen Literatur auch benannt worden: Sie ist eine Reaktion auf den monokratischen Anspruch der universitär professionalisierten Medizin, sie wehrte sich gegen den Machtverlust des Patienten als Subjekt des medizinischen Prozesses, sie forderte wider die somatische Blickverengung einen holistischen Ansatz, hinter ihr steht der Anspruch auf die Autorität eines Laien als Heiler. Insoweit besitzt eine Sozialgeschichte der anthroposophischen Medizin wenig spezifische Dimensionen. Die sozialhistorischen Eigenheiten von Steiners Medizin werden erst im mikroskopischen Blick deutlicher. Es hätte wohl keine anthroposophische Medizin gegeben, wenn im Hintergrund keine reiche bürgerliche Klientel gestanden hätte: Die Behandlung in den Farbkammern von Peipers' Sanatorium, der Kauf der Gebäude für das Arlesheimer »Institut« und die zugehörigen Laboratorien oder die elitäre Behandlung in der Stuttgarter und der Arlesheimer Heilanstalt sind Indikatoren für die beträchtlichen finanziellen Potenzen vieler Mitglieder (für die es auch in anderen Bereichen der deutschen Adyar-Theosophie und der Anthroposophie viele Beispiele gibt). Die anthroposophische Medizin war bis 1925 keine Selbsthilfe armer Leute, nicht einmal eine kleinbürgerliche Ergänzung der universitären Medizin, sondern ein von reichen Geldgebern ausgestattetes Feld. Die Arzneimittel hatten eine nicht nur medizinische Bedeutung, es gibt den in der wissenschaftlichen Literatur kaum beachteten, aber in den zwanziger Jahren evidenten Einsatz der Heilmittelproduktion als Geldmaschine: Die Heilmittel sollten helfen, das Goetheanum fertigzustellen und überhaupt anthroposophische Interessen zu finanzieren. Die »wilde« Sammlung von Heilmitteln hängt entscheidend mit diesem Interesse zusammen. Diese ökonomische Dimension hatte eine für Anthroposophen praktische Nebenwirkung: Der wirtschaftliche Erfolg in einigen Bereichen kaschierte manchen therapeutischen Mißerfolg. - Die anthroposophische Medizin entstand in einem engmaschigen Netz alternativmedizinischer Kontakte. Steiner hat sicher viel gelesen, aber vor allem

1572

16. Medizin

lebte er von Informationen, die ihm zugetragen wurden. Er mußte nicht groß auf die Suche nach »Erweiterungen« der Heilkunst gehen, nicht detektivisch nach »esoterischen« Strömungen in der Medizin suchen, er brauchte nicht einmal die frei flottierenden Informationen zu sammeln, er mußte nur die Hinweise von Anhängern in den weltanschaulichen Horizont der Theosophie und späteren Anthroposophie einstellen. - Frauen spielten eine wichtige, wenngleich nicht dominante Rolle - aber angesichts der Marginalisierung von Frauen in der Medizin des frühen 20. Jahrhunderts ist schon dieser Befund bemerkenswert. Marie Ritter ist ein weiterhin unzureichend aufgearbeitetes Beispiel einer weiblichen Laienmedizin, und Ita Wegman besitzt eine noch näher zu bestimmende Bedeutung für die Formulierung und Institutionalisierung der anthroposophischen Medizin und Heilmittelherstellung in Arlesheim, während ihre männlichen Kollegen im Stuttgarter Konkurrenzprojekt weitgehend scheiterten. Daß Wegman daneben als große Liebe in Steiners späten Lebensjahren eine Ausnahmerolle spielte, überschreitet die Sozialgeschichte in die Biographie. Eine entscheidende sozialhistorische Bedingung für das Überleben der anthroposophischen Medizin liegt in ihrer Fähigkeit, auf Defizite der konkurrierenden universitären Medizin zu reagieren. Psychosomatik, Ganzheitlichkeit und sanfte Medizin sind zentrale Felder, auf denen die anthroposophische Medizin in den Augen ihrer Anhänger einen Mehrwert bot. Aber das haben viele alternativmedizinische Konkurrenzunternehmen zu Lebzeiten Steiners, von denen heute niemand mehr redet, auch getan. Für das Überleben seiner Medizin scheinen mir drei Komponenten wichtig: - Die anthroposophische Medizin war von Anfang an ein kooperatives Unternehmen, in dem Steiner Anstöße aufnahm und sie in einem Überbau legitimierte, dessen Ausführung jedoch in den Händen vieler Anthroposophen lag. Es kam zwar nach seinem Tod zum Schisma zwischen Wegman und der Dornacher Orthodoxie, nicht jedoch zum Zusammenbruch der anthroposophischen medizinischen Bewegung. Nicht zu unterschätzen ist hohe Qualifikation der Ärzte und Ärztinnen. Letztlich war Steiner einer der wenigen Laien in einer Bewegung, in der professionelle Mediziner dominierten. Sie konnten zwar nicht verhindern, daß die universitäre Medizin Steiners Vorstellungen kritisierte und marginalisierte, aber sie sorgten für eine ununterbrochene inneranthroposophische Debatte um mögliche Leistungen und Defizite einer anthroposophischen Medizin und versuchten, den Anschluß an die Fortschritte der universitären Forschungsmedizin zu halten. Schließlich gelang der anthroposophischen Medizin eine Institutionalisierung, die viele Konkurrenzunternehmen nicht schafften. Hier liegt womöglich der entscheidende Punkt für das Überleben von Steiners Vorstellungskomplex. Anders gesagt: Steiners medizinische Impulse wurden nicht allein deshalb wichtig, weil er alternative Konzepte aufgriff, sondern weil die Institutionalisierung das Überleben seiner »geistigen« Heilkunde in der positivistischen Hochphase der Medizin sicherte.

16.10 Anthroposophische Medizin heute

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16.10 Anthroposophische Medizin heute. Ansichten außer Konkurrenz

Die Geschichte der anthroposophischen Medizin seit Steiners Tod ist noch kaum aufgearbeitet. Die Rolle im Dritten Reich gerät neuerdings in die Perspektive der Forschung573, während die Expansion nach dem Zweiten Weltkrieg weiterhin nur in Blickfeldern sichtbar ist574. Aus den schütteren, immer in ihrer Existenz oft bedrohten Initiativen zu Steiners Lebzeiten ist heute ein Netzwerk oder, wenn man in der Metapher bleiben will, ein locker gestrickter Medizinkonzern erwachsen. Allein in Deutschland wurden 1999 neunzehn anthroposophische Einrichtungen zwischen Sanatorium und Krankenhaus gezählt, darunter die Filderklinik in Filderstadt nahe Stuttgart und das der anthroposophischen Universität Witten-Herdecke angeschlossene KlinikumS75. Die Verbindung von klassischer und alternativer Medizin in diesen Einrichtungen dürfte eine ausschlaggebende Rolle für deren Wertschätzung auch in nichtanthroposophischen Kreisen bilden. In diesen Krankenhäusern werden die Standards der Schulmedizin gewahrt576; welche Rolle daneben Steiners Lehren wirklich spielen und wieweit weitere alternativmedizinische Konzept eingebaut werden, lohnte eine eigene Untersuchung. Die anthroposophischen Ärzte sind in Deutschland regional und überregional organisiert, es gibt einen internationalen Dachverband und 26 nationale Verbände. Dazu kommen die anthroposophischen Vereinigungen für Kunsttherapie und Heileurythmie sowie heilpädagogische Einrichtungen und Altenheime, 573 Vgl. v. a. Werner: Anthroposophen in der Zeit des Nationalsozialismus, 344-362, und Dinger: Homöopathie und Anthroposophische Medizin. Mit einzelnen Hinweisen auf Personen und die »Weleda« siehe Wagner: Anthroposophen und Nationalsozialismus, und ders.: Anthroposophen in der Zeit des Nationalsozialismus. Werners informative Grundlage dürfte auf der Ebene einzelner Biographien noch an Komplexität gewinnen, etwa wenn man sich den anthroposophischen Arzt Hanns Rascher anschaut (zur frühen Biographie s.o. Anm. 81). Schon 1924 stand er in Kontakt mit Rudolf Freiherr von Sebottendorf, dem Gründer des »Germanen-Ordens« und der »Thule-Gesellschaft« und erwog eine Zusammenarbeit (Tagebuchnotiz Steffens im Archiv des Goetheanum, hier nach Bracker: Rascher). Nach dem Beitritt zur NSDAP 1931 wurde er nach 1933 zum Mittelsmann zwischen dem »Braunem Haus« in München und führenden Vertretern der Anthroposophischen Gesellschaft (Werner, S. 34. 39. 145); von anderen Anthroposophen mit NS-Kontakten wurde er aber in Einzelfällen auch übergangen (vgl. ebd., 541 Z). Vor und nach der Machtergreifung arbeitete er auch für Himmlers Sicherheitsdienst (ebd., 32). Sein Sohn Sigmund (1909-1945) wurde ein wegen seiner Menschenversuche berüchtigter SS-Arzt im KZ Dachau (Werner, ebd., 361), während sein Sohn Sigurd (1907-2001) das Saxophon als klassisches Instrument durchsetzte und 1939 in die USA emigrierte (Bracker: Rascher). Wie sich ärztliches und politisches Handeln in diesen und ähnlichen Biographien verschränkt haben, bliebe noch näher zu untersuchen. 574 Vgl. als Überblick Jütte: Geschichte der Alternativen Medizin, 237-261. Anthroposophischerseits gibt es eine Vielzahl lokaler Studien oder auch von Festschriften, die nicht gesichtet sind. 575 Diese und die weiteren Daten nach: Anthroposophische Medizin. Ein Weg zum Patienten, hg. v. M. Glöckler u. a. 268-286. 576 Allerdings hat der Wissenschaftsrat am Medizinstudium im Witten-Herdecke (im Gegensatz zu anderen Fachbereichen der Universität) 2005 Kritik geäußert. Wegen der Auslagerung der Forschung in die kooperierenden Kliniken und fehlender Perspektiven zur Umsetzung der neuen Ärztlichen Approbationsordnung könne »die Medizinerausbildung ... in ihrer derzeitigen Form nicht fortgeführt werden«; www.wissenschaftsrat.de/PM/pressemitteilungen.html (aufgerufen am 17.9.2005). Der Akkreditierungsvorbehalt wurde aber am 7.7.2006 aufgehoben.

1574

16. Medizin

Ausbildungsstätten für Mediziner, Kranken- und Altenpfleger, privat organisierte »Forschungsinstitute« und anthroposophische Patientenorganisationen. Aber dies ist nur die Oberfläche. Die Gruppe der Ärztinnen und Ärzte, die mit anthroposophischen Therapiekonzepten und Medikamenten arbeitet, reicht weit in die »schulmedizinische« Ärzteschaft hinein: In Baden-Württemberg soll unter den Internisten ein Viertel Steinersche Vorstellungen akzeptieren oder danach praktizieren, insgesamt sollen in Deutschland in den neunziger Jahren 6.000 Ärzte »nach anthroposophischen Gesichtspunkten« gearbeitet haben577. Dabei lebt die anthroposophische Medizin, wie jede Alternative, von eigenen Stärken, die oft zugleich die Schwächen der anderen sind. So machen Versuche in anthroposophischen Einrichtungen, alternative Leitungsstrukturen einzurichten oder flache Hierarchien zwischen Pflegern und Ärzten (die in Witten-Herdecke ursprünglich gleich bezahlt wurden) deutlich, daß die klassische vertikale Ordnung in deutschen Krankenhäusern verändert werden kann. Viele Patienten fühlen sich von der individualisierenden Patientenorientierung ernstgenommen, schätzen auch, daß ästhetische, »goetheanische« Perspektiven auf den Kranken oft über den Kurzschluß von Diagnose und Rezeptausstellung hinausgehen. Die sorgfältige und oft individuelle Zubereitung von Medikamenten, wie Steiner sie in der Tradition der Homöopathie forderte (s. u. 16.7.3), ist von einer standardisierten Vergabepraxis meilenweit entfernt. Auch wenn nicht jede anthroposophische Ambition ungebrochen in der Praxis ankommt, ist man geneigt, die Versuche zur Umsetzung ernst zu nehmen und in ihnen eine wichtige Ergänzung zu sehen. Insbesondere das Anti-Krebs-Mittel Iscador genießt den Ruf eines ernstzunehmenden Adjuvans aus alternativmedizinischen Quellen. »Weleda« schließlich hat sich mit Arzneimitteln und Kosmetika bis in Apotheken und Drogeriemärkte hinein positioniert, der Geschäftsleiter der »Weleda«, Michael Kohlhase, wurde 2002 zum Ökomanager des Jahres gekürt578. Die Akzeptanz und der ökonomische Erfolg anthroposophischer Präparate sind unübersehbar. Ein weiterer wichtiger Faktor für die breite Akzeptanz von Steiners medizinischem Denken dürfte auch die Anschaulichkeit vieler Vorstellungen sein. Wirkungen hat er oft in einer Metaphorik expliziert, die mit lebensweltlicher Rationalität leicht erfaßbar ist, etwa die Medikamente aus »bergenden« Schalen gegen »zentrifugalen« Schnupfen. Diese Metaphorik erleichtert medizinischen Laien den Zugang zur anthroposophischen Medizin, weil sie die Fachsprache in einer umgangssprachlichen Terminologie auffängt. Im Prozeß des progressiven Verlustes von Anschaulichkeit in der Medizin seit dem 19. Jahrhundert (spätestens mit der molekularbiologischen Transformation nach 1900) bot Steiner eine »anschauliche«, »begreifbare« Medizin, die für »mündige« Patienten im Fortgang der Medikalisierung der Heilkunde einen hohen Wert gebildet haben dürfte. Der Die andere Medizin (41996), hg. v. der Stiftung Warentest, 186. Auszeichnung durch die Zeitschrift »Capital« und WWF-Deutschland; nach: www.wwf. de/presse/pressearchiv/artikel/00749 (aufgerufen am 21.1.2005). 2004 erhielt Kohlhase vom »Bundesdeutsche Arbeitskreis für Umweltbewusstes Management« den Umweltpreis dieses Jahres; nach: wwwweleda.de/Presseinformation.asp?W=862 (aufgerufen am 21.1.2005). 577

578

16.10 Anthroposophische Medizin heute

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Preis war jedoch eine reduktionistische Modellbildung, die eine progressive Entfernung von den komplexen, aber unanschaulichen medizinischen Konzepten nach sich zog. Die Leistungsfähigkeit von Steiners Modellen nahm damit um so stärker ab, je größer der un»begreifliche« Fortschritt der Medizin war. Zugleich dürfte hinter dieser Präsenz alternativmedizinischer Heilmittel und Verfahren eine der wichtigsten kulturellen Leistungen der anthroposophischen Medizin stehen. Sie hat alternativmedizinisches Wissen aus dem 19. Jahrhundert, das ansonsten verlorengegangen oder marginalisiert worden wäre, über die kulturellen und politischen Brüche des 20. Jahrhunderts gerettet. Die Frage, ob die anthroposophischen Mittel und Verfahren für die universitäre Medizin akzeptabel sind, ist dabei eine zentrale Frage, die gleichwohl eine wichtige Dimension an den Rand drängt: Die anthroposophische Praxis zwingt dazu, sich mit Alternativen auseinanderzusetzen, über die die Medizin sonst wohl nicht so intensiv diskutieren und teilweise auch forschen würde. Dies wiederum hängt heute am gesundheitspolitischen Engagement anthroposophischer Mediziner579. Mit ihrer Lobbyarbeit haben sie neben Homöopathie, Phytotherapie und Akupunktur im Arzneimittelgesetz von 1978 die Anerkennung der anthroposophischen Heilmethoden als »besondere Therapierichtung« durchgesetzt, womit beispielsweise eine Befreiung der anthroposophischen Medikamente von den empirischen Wirksamkeitsprüfungen verbunden war5S0 Aber der Widerstand universitärer Mediziner bleibt stark, mit durchaus polemischen Invektiven (»Ärzte gegen Druiden«, »Schamanenmedizin«581). Dabei geht es nicht mehr nur um die Befreiung von objektivierbaren Nachweisverfahren, sondern um die Aufnahme anthroposophischer Medikamente in die Positivliste der kassenfinanzierten Medikamente. Dahinter wiederum wird eine Auseinandersetzung um die Definitionsmacht in der Medizin geführt, um die finanziellen Ressoucen der Solidargemeinschaft, mithin um ökonomische Macht, aber auch um die wissenschaftlichen Standards der Medizin, von der die Anthroposophie entgegen ihrer Programmatik - teilweise ausgenommen ist. Dieser Konflikt hat eine lange Tradition. Schon der Universitätsmedizin des 19. Jahrhunderts ging es nicht nur um eine lege artis betriebene Therapie und die Implantierung des wissenschaftlichen Fortschritts, sondern auch um die Beseitigung unliebsamer Konkurrenz. Anthroposophische Mediziner versuchen schon seit Jahren, sich als einen Bereich, in dem Verfahren der empirischen Medizin nicht zwingend gelten, zu definieren. Dabei stehen statistische Nachweisverfahren, Versuche mit Placebos

579 Vermutlich unter Rückgriff auf Dreigliederungsideen Steiners fordert man inzwischen vehement ein »freies« Medizinwesen; auch die Vorstellung der Egalität von Ärzten und Pflegern könnte aus dieser Verknüpfung stammen. Auch dafür lassen sich natürlich Hinweise Steiners beibringen, vgl. GA 314,221 ff. (»Hygiene als soziale Frage«). 580 Dabei handelt es sich um die Befreiung von der Wirksamkeitsprüfung, wie sie in 421 Arzneimittelgesetz (Fassung vom 11.12.1989) für homöopathische Arzneimittel nach §§ 38 f. des Arzneimittelgesetzes vorgesehen ist. Von den Kassenleistungen sind die »Behandlungsmethoden, Arznei- und Heilmittel der besonderen Therapierichtungen ... nicht ausgeschlossen.« (Sozialgesetzbuch V, Fassung vom 21.12.2000, § 2,1). Sai Müller-Jung: Ärzte gegen Druiden; Erdmann: Schamanenmedizin.

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16. Medizin

und Doppelblindstudien an der Spitze der Exemptionsforderung, immer mit der gleichen Begründung: Die empirische Medizin arbeite zu standardisiert und berücksichtige nur unzureichend »die Individualisierbarkeit der anthroposophischen Medizin «582. Dabei ist allerdings unübersehbar, daß mit der »polaren Position«583 der »Erweiterung der Heilkunst« anthroposophische Mediziner die Universitätsmedizin doch als eine Art Gegenwelt auszugrenzen: »dort Reproduzierbarkeit, hier Intuitierbarkeit; dort Standardisierbarkeit, hier Individualisierbarkeit; dort subjekt-entledigte, hier subjekt-integrierende Medizin«584 - so der anthroposophische Arzt Helmut Kiene. Genau hier setzt immer wieder die Kritik der empirischen Medizin an: Diese Argumente und die ganze anthroposophische Erkenntnistheorie im Hintergrund seien eine Technik der Abschottung von einer empirisch arbeitenden Medizin". Daneben gibt es kleine Kampfplätze, ob etwa alternative Therapien kostengünstiger seien586 oder wie man einkalkulierte oder nichtintendierte Nebenwirkungen zu beurteilen babe587. Diese Kritiken relativieren das oben gezeichnete Bild einer verbreiteten (pragmatischen) Akzeptanz der anthroposophischen Medizin unter Ärzten: Die kritische Fraktion ist stark, und die Bereitschaft, die anthroposophische Medizin mehr als pragmatisch zu nutzen, scheint es nur begrenzt zu geben588 Am Beispiel der Mistel lassen sich diese unscharfen Grenzverläufe anschaulich nachvollziehen. Anthroposophische Ärzte halten an der Begründung der Misteltherapie durch Steiners esoterische Einsicht fest589 und spinnen seine Erklärungsmodelle fort590 aber zugleich erschien in den letzten Jahren kein Band der anthroposophischen medizinischen Zeitschrift »Merkurstab« ohne Artikel, in denen auf Versuche eingegangen wurde, die Mistelwirkungen auch mit den Verfahren der empirischen Universitätsmedizin nachzuweisen. Schulmediziner 582

Kiene: Komplementärmedizin - Schulmedizin, 134; fast identisch Plagemann: Der Wirksamkeitsnachweis nach dem Arzneimittelgesetz, 69 f., und Kienle: Der sogenannte Placeboeffekt. 583 Kiene: Komplementärmedizin - Schulmedizin, 133. 58' Ebd., 134 f. 585 Etwa Burkhard: Anthroposophische Heilmittel. 586 Kritisch Hartnack: Unkonventionelle medizinische Methoden; er vertritt nach einer Analyse von Kostenerstattungsanträgen die These, daß alternative Mittel nicht preiswerter seien, zudem bleibe das Problem der Folgeschäden unzureichender Behandlungen. Anthroposophische Heilmittel oder Anwendungen hat Hartnack nicht einbezogen. 587 Dabei geht es etwa um die Folgekosten herausgeschobener schulmedizinischer Behandlungen oder um nichtintendierte oder unbekannte toxische Wirkungen, etwa die bei Tiefpotenzen gegebenen Blei- und Quecksilbergaben in der anthroposophischen Medizin; vgl. Die andere Medizin ("1996), hg. v. der Stiftung Warentest, 188. 588 Vgl. den Hinweis auf die eingeschränkte Resonanz auf anthroposophische Diskussionsangebote bei Karutz: Bericht von der überregionalen öffentlichen Ärztetagung (1996), 108. Karutz klagte über die »eher bescheidene« Zahl von »zweihundert Teilnehmern« dieser Fachtagung; die Repräsentativität dieses Beispiels ist unklar. 589 »Aus einem Einblick in den Zusammenhang zwischen einer Pflanze und einem Krankheitsprozeß stammt der Hinweis R. Steiners, daß die Mistel das Heilmittel bei der Krebserkrankung sei, wobei er bestimmte Präparationen und Anwendungsweisen vorschlug.« (Wolff: Anthroposophisch orientierte Medizin, 53). 590 »Die Mistel saugt den Monden-Erdenäther auf, aber dann wendet sie sich mit ausgesprochen lichtsuchender Gebärde dem Umkreis zu und besiegt mit dieser Lichtverbundenheit die Wuchertendenz in sich selbst.« (Leroi: Der Ätherleib zwischen Kosmos und Erde, 7).

16.10 Anthroposophische Medizin heute

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wiederum machen zwar auf problematische Nebenwirkungen der Misteltherapie aufmerksam, akzeptieren aber nachweisbare Ergebnisse59 ; doch bleibt der Stellenwert der Mistel im medizinischen Therapiereservoir weiterhin umstritten592. Dabei scheint sich ein Konsens einzuspielen, Mistelpräparate als Adjuvans einzusetzen593. Dies bedeutet anthroposophischerseits den Abschied von Steiners Hoffnung, mit der Mistel chirurgische Eingriffe überflüssig machen zu können, wobei ein klassisches Problem der Alternativmedizin, der Unterlassung von Behandlungen, potentiell bestehen bleibt. Letztlich ist die Anwendung der Misteltherapie auch deshalb bis heute umstritten, weil Anthroposophen mit dem empirischen Anspruch weltanschauliche nichtmedizinische Ziele verfolgen. An der relativ wohlwollenden Beurteilung der anthroposophischen Medizin in weiten Bevölkerungskreisen haben Kritiken oder Risikohinweise bislang wenig geändert. Gleichwohl verdeckt für überzeugte Anthroposophen dieser Ausbruch aus dem Getto nur das wirkliche Akzeptanzproblem, nämlich die pragmatische, entideologisierte Nutzung, will man nicht sagen Ausbeutung der anthroposophischen Medizin, nach dem Muster: »Weleda«-Heilsalbe ja, anthroposophische Weltanschauung nein. Viele, so klagen Anthroposophen, schätzen unsere praktischen Mittel, aber nur wenige wollen Steiners esoterischen Weg gehen594 Die innere Situation der anthroposophischen Medizin ist noch schwerer zu überschauen als die Auseinandersetzung nach außen. So ist die Rezeption von Steiners medizinischen Ideen insgesamt eine terra incognita, weil sie die Frage der inneren Kanonisierung von Steiners Werk aufwirft und nötigt, die Debatte um esoterische und empirische Geltung in die anthroposophische Medizin hineinzuverlagern. In der Außenperspektive lassen sich ganz unterschiedliche

591 Zu den teilweise erheblichen Nebenfolgen, etwa Entzündungsreaktionen oder schockartigen Sofortreaktionen, die bis zum Abbruch der Therapie führen können, vgl. Stratmann: Zum Einfluß der Anthroposophie in der Medizin, 54; zu den akzeptierten Mistel-Wirkungen ebd., 57. Die Debatte scheint allerdings weiterhin offen zu sein, vgl. die Durchsicht neuerer Studien bei Normann: Rudolf Steiner und die Anfänge der anthroposophischen Medizin, 136-141, sowie bei Stratmann, ebd. 43-69. Fraglich scheint weiterhin, ob physiologische Wirkungen, soweit sie nachweisbar sind, einen Einsatz von Mistelpräparaten, der über die Funktion als Adjuvans hinausreicht, vertretbar erscheinen lassen. Ein genaueres Urteil muß der medizinischen Fachdebatte überlassen werden. Vgl. Grossarth-Maticek u. a.: Einsatz von Iscador; Grundlagen der Misteltherapie, hg. v. R. Scheer u. a. 592 Die Frage etwa von allergischen und Unverträglichkeitsreaktionen ist inzwischen bis in die populären Ratgeber hinein präsent (vgl. Bettschart u. a.: Bittere Naturmedizin, 665). Die medizinischen Debatten um die Grenzen der Misteltherapie sind intensiv. Vgl. die Debatte um fehlende nachweisbare Wirkungen bei Patienten mit einem Halskarzinom, die zusätzlich zur Bestrahlung auch ein Mistelextrakt erhalten hatten, bei: Steuer-Vogt u. a.: Plattenepithelkarzinome. Der Streit zog sich bis 2002 durch das Deutsche Ärzteblatt, vgl. etwa Struck: Plattenepithelkarzinome, der auf einen relativ besseren Verlauf der mit Mistel behandelten Gruppe verweist und eine zu kurze Beobachtungszeit kritisiert. Weit schärfer wird die Debatte, wenn man, wie Hans Joachim Gabius, Professor für Physiologische Chemie an der Universität München, auch die unzureichende Zahl von Fällen kritisiert und zudem eine Tumorstimulation statt -hemmung in die Debatte wirft (Gabius: Misteltherapie gleicht dem russischem Roulette); vgl. die Reaktion von Peter Heusser, Dozent für anthroposophische Medizin an der Universität Bern, auf Gabius in Ars Medici 8 / 2000. 593 Stratmann: Zum Einfluß der Anthroposophie in der Medizin, 66. 594 Vgl. zu diesem Grundsatzproblem: Anthroposophische Gesellschaft an der alle Jahrtausendschwelle, hg. v. J. Wittich / Th. Stöckli, 165 f. 181.250.

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16. Medizin

Strategien von Interpretation und Selektion, von Neuakzentuierung und stillschweigender Vernachlässigung einzelner Partien ausmachen. Stillschweigend ausgesondert wurden etwa die Peipersschen Farbkammern, die schon in den zwanziger Jahren keine große Rolle mehr spielten. Allerdings finden sich heute Reflexe von farblich bewußt gestalteten Krankenzimmern bis zur Kunsttherapie595. Ein gegenläufiger Trend scheint im anthroposophischen Krankheitsverständnis vorzuliegen. Die positive Wertung von Krankheit etwa ist ein Stichwort, dem in der aktuellen anthroposophischen Theorie ein hoher Stellenwert beigemessen wird, Steiners nicht gerade massive Äußerungen zu diesem Thema verstärkend. Da kann das »Kranksein« »eine bestimmte Erlebnismöglichkeit« schaffen"' oder zum »Sich-Höher-Entwickeln-Können« führen597. Dahinter wiederum steht eine Debatte um die Wirkungen des Karma, dessen Verständnis als Schuld wohl zugunsten eines Verständnisses als Chance rejustiert wird598. Daß dabei die Frage der Freiheit des Patienten angesichts des ärztlichen Eingriffs brisant wird, ist eine zwingende Folgedebatte599 Insgesamt ist die anthroposophische Medizin ein Nischensegment geblieben, ein wichtiges allerdings. Jedenfalls wäre die Welt der Medizin sicher ärmer, wenn es dieses Segment nicht gäbe. Sie profitiert von manchen inhumanen Seiten des medizinischen Betriebs, die Stichworte Apparatemedizin und Fließbanddiagnostik versus Ganzheitlichkeit und Patientenorientierung stehen dafür600. Es scheint außerhalb der Anthroposophie heute eine relativ große Offenheit für deren Heilmittel zu geben. Auf anthroposophischer Seite hingegen begrenzt die Bindung an die Vorstellungen Steiners (wobei die Hermeneutik für ihre Interpretation weitgehend ungeklärt ist) die Außenwirkung. Aber zugleich liegt in der faktischen Dogmatisierung Steiners wohl das entscheidende Element, das das anthroposophische Profil dieser Medizinform sichert: die ungeliebte »Versteinerung« der anthroposophischen Medizin in einer pluralisierten Therapielandschaft. Sie zwingt die anthroposophische Medizin mit anderen Worten in eine Nische, sichert aber zugleich ihre Identität.

595 Vgl. etwa die 1994 in Entwurf zur Vorrede den Niederlanden gegründete »Europäische Akademie für Anthroposophische Kunsttherapie« (Merkurstab 50 / 1997, 113) oder die Reihe »Anthroposophische Kunsttherapie« im Verlag Freies Geistesleben, Urachhaus, Stuttgart 2000 ff. 596 Koob: Gesundheit, Krankheit, Heilung (21978), 174. 597 Ebd. ('1993), 173. 596 Vgl. die Deutung von Löffler: Frau Dr. Wegman in Gerswalde, 323, der bei Ita Wegman folgende Einstellung meinte feststellen zu können: »Ihr Herz überstrahlte augenblicklich all das geronnene Leid, die gefesselte Schuld, wenn sie durch die Heime für seelenpflege-bedürftige Kinder ging«. Den Gegenpol bilden Äußerungen von Koob: Gesundheit, Krankheit, Heilung ("1993), 167-185, zum Thema Karma; von hier auch die beiden letzten Zitate. 599 Der anthroposophische Arzt Paolo Bavastro etwa überlegt, ob der Arzt mit einer Organverpflanzung in die karmische Selbstbestimmung eingreife. Bei einer Zustimmung des Patienten sah er kein Problem, aber bei entscheidungsunfähigen Menschen habe er in die »menschliche Freiheitssphäre« eingegriffen, »dann habe ich Karma gespielt«; Organspende - der umkämpfte Tod, hg. v. P. Bavastro, 31. 36. 600 Vgl. etwa G1öckler: Die Grundlagen der anthroposophischen Medizin. Einleitung, 23-28.

17. Landwirtschaft 17.1 Disposition, Quellen und Literatur Als letzter Tochter verhalf Steiner im Juni 1924 der anthroposophischen Landwirtschaft zu einer institutionellen Form', bevor er im Oktober auf sein Krankenlager geworfen wurde, das er erst als Toter wieder verließ. Nach einem kleinen Vorlauf seit etwa 1920 bildete eine Tagungswoche im schlesischen Koberwitz (in der NS-Zeit Rößlingen, heute polnisch Kobiercyce2) den weltanschaulichen Gründungsakt, der zugleich Steiners Schlußwort blieb. Im Vergleich mit anderen Praxisbereichen war dies wenig, aber gleichwohl erwuchs daraus eine der nachhaltigsten gesellschaftlichen Engagements der Anthroposophie. Die Geschichte dieses Impulses beschränkt sich auf die wenigen Ansätze in den frühen zwanziger Jahren und die Nachfolgegeschichte des Koberwitzer Treffens (Abschn. 17.2), da Steiner in seiner theosophischen Phase zur Landwirtschaft keine Überlegungen angestellt hat. Die Darstellung seiner Konzeption kann angesichts des schmalen Materialfundus kurz ausfallen (Abschn. 17.3), während die Darstellung der agrarhistorischen Kontexte breiter angelegt ist, um die in anthroposophischen Veröffentlichungen dominierende Innenperspektive auf die allgemeine Agrargeschichte aufzuweiten (Abschn. 17.4). - Den heute gängigen Begriff der »biologisch-dynamischen« Landwirtschaft habe ich für die Anfangsjahre nicht verwandt, da er erst nach Steiners Tod in den Jahren 1925 / 26 etabliert wurde3. Steiners »Landwirtschaftlicher Kursus« bildet mit den Vorträgen, Fragenbeantwortungen und einem Rückblick, den er wenige Tage nach der Koberwitzer Veranstaltung in Dornach hielt, fast die gesamte Materialgrundlage für seine landwirtschaftlichen Vorstellungen (heute GA 327)4. Die Memoirenliteratur ist zu beträchtlichen Teilen in einem Erinnerungsbuch zu den Koberwitzer Tagen Den noch späteren »Heilpädagogischen Kurs« vom 25. Juni bis zum 7. Juli 1924 habe ich unter die Pädagogik gerechnet (s. 15.6.2). 2 Zum Zustand in den achtziger Jahren vgl. Schmid: Koberwitz heute. 3 Datierung nach Bartsch: Dr. Erhard Bartsch, 4. Die Kennzeichnung als »biologisch« war wohl unumstritten, jedoch schon durch das »Biologische Institut am Goetheanum« belegt, so daß man sich entschied, »dynamisch« im Sinne des >Zuführens von Kräften< hinzuzunehmen (ebd., 4). Der Begriff soll nach Koepf: Bartsch, 53, von Erhard Bartsch und Ernst Stegemann stammen. Allerdings wurde »bio-dynamisch« (schon vor 1925?) auch als Kennzeichen der Lehre Hahnemanns verwandt; Jütte: Geschichte der Alternativen Medizin, 243. 4 Der Kurs wurde zwar offiziell mitstenographiert, aber vermutlich nicht vollständig. Bereits 1929 wurde der Text ergänzt (GA 327,247), und nach den Erinnerungen von Karin Ruths-Hoffmann (in: Koberwitz 1924, 117) ist der gedruckte Text »sehr verkürzt. Lange ist nicht alles erhalten von dem, was ich erinnere.« Allerdings bleibt unklar, auf welche Textausgabe sich diese Aussage bezieht. Textkorrekturen aufgrund einer kritischen textimmanenten Lektüre sind in GA 3278,352 verzeichnet; zugehörige Wandtafelzeichnungen finden sich in GA K 58 / 24. Ein Faksimile der vorbereitenden Notizen zum

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17. Landwirtschaft

gesammelt'. Die Sekundärliteratur besteht vor allem aus zwei Büchern: Die Anthroposophen Herbert H. Kopf und Bodo von Plato haben 2001 die Geschichte der anthroposophischen Landwirtschaft im 20. Jahrhundert dargestellt, allerdings ohne die ausgezeichnete Arbeit zur Kontextualisierung von Gunter Vogt aus dem Jahr 2000 zur Kenntnis zu nehmen'. Die Literatur zur landwirtschaftlichen Praxis habe ich nicht berücksichtigt'.

17.2 Geschichte der anthroposophischen Landwirtschaft 17.2.1 Ansätze zu einer anthroposophischen Landwirtschaft vor 1924 Die ersten Indizien für ein Interesse an alternativer Landwirtschaft' finden sich im Herbst 1920. Der Anthroposoph Johann Simon Streicher, der von einem Bauernhof stammte und als Chemiker Abteilungsleiter bei BASF war, soll Steiner im Kurs ist publiziert als: Nachrichten aus der Rudolf Steiner-Nachlassverwaltung, H. 18, Dornach 1967. Von den offenbar täglichen Fragestunden (GA 327,10) sind nur drei in GA 327 dokumentiert. Koberwitz 1924. Erstausgabe 1949, verändert Stuttgart (Privatdruck) 1974, wieder aufgelegt Stuttgart (Verlag Hilfswerk Elisabeth) 1985. Das Maß der Veränderungen (stilistische Veränderungen, Kürzungen, Umstellungen [1985, S. 17J) gegenüber der Ausgabe des Jahres 1949 konnte nicht überprüft werden. Den Nachweisen liegt immer die Ausgabe aus dem Jahr 1985 zugrunde. Weitere Memoiren sind im folgenden eingearbeitet. e Koepf/ Plato: Die biologisch-dynamische Wirtschaftsweise im 20. Jahrhundert. Dieser Band ist zwar aus der anthroposophischen Binnenperspektive geschrieben und sieht sich dem »Ethos des traditionellen Bauerntums« verpflichtet (S. 18), ist allerdings sehr materialreich und stützt sich auf viele interne Kenntnisse. Die historischen Kontexte, etwa in der Weimarer Republik, sind nur angedeutet (vgl. S. 17f.). Die schwierigen Jahre in der NS-Zeit haben die Autoren zwar nicht ausgeblendet, sie werden allerdings ohne Auseinandersetzung mit der Sekundärliteratur, auch der vor Vogt erschienenen Veröffentlichungen, beschrieben. Zudem sind nicht alle Fundstellen nachgewiesen. Die wichtigste historiographische Arbeit hat Vogt: Entstehung und Entwicklung des ökologischen Landbaus, vorgelegt. Er hat in einer Pionierarbeit die Kontexte des ökologischen Landbaus rekonstruiert und der biodynamischen Landwirtschaft ihren historischen Ort zurückgegeben. Seine Darstellung von Steiners Theorie bleibt demgegenüber vergleichsweise schwach. - Vgl. auch unten Anm. 61. Die von Lünzer als Ergänzung zu Vogts Werk deklarierte Arbeit (so im Vorwort bei Vogt, ebd., 11) von Schaumann / Siebeneicher / Lünzer: Geschichte des ökologischen Landbaus, ist eine Mogelpackung, weil entgegen dem Titel nur einzelne Aspekte, und die in anthroposophienaher Lesart, geboten werden. So ist eine Zusammenstellung von Kurzbiographien wichtiger Vertreter des biodynamischen Landbaus (S. 117-156) völlig unkritisch aus den Vorlagen gearbeitet. Als ein Standardwerk gilt Sattler: Der landwirtschaftliche Betrieb biologisch-dynamisch. s Die Frühgeschichte der anthroposophischen Landwirtschaft nach dem Ersten Weltkrieg ist nur schwer aufklärbar. Offenbar haben mehrere Personen die Entwicklung einer alternativen anthroposophischen Agrarwirtschaft vorangetrieben. Ex post ist dann das Interesse gewachsen, sich in einer wichtigen Vorläuferrolle darzustellen. So hat Ehrenfried Pfeiffer, der für die Entwicklung des biodynamischen Landbaus eine wichtige Rolle spielte, aber an der Koberwitzer Tagung nicht teilnehmen konnte, seine Rolle für den Vorlauf herausgestrichen; Pfeiffer: Rudolf Steiners landwirtschaftlicher Impuls. Auch Ernst Stegemann, der in Konflikt mit Carl Graf von Keyserlingk geriet (s. u.17.5), hat später von »anfänglich durch Jahre hindurch geführten Einzelunterhaltungen« mit Steiner berichtet und seine Bedeutung für die Genese der biodynamischen Landwirtschaft betont; Stegemann: Landwirtschaft im Sinne Dr. Rudolf Steiners, 15. Was es mit Steiners »intimen Anweisungen« für Stegemann (Wistinghausen: Erinnerungen an den Anfang, 14) auf sich hat, ist unklar; sie wurden jedenfalls zu Konfliktfaktor, vgl. Anm. 106.

17.2 Geschichte der anthroposophischen Landwirtschaft

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Rahmen des ersten Dornacher Hochschulkurses gefragt haben, ob man »Kalisalze, aufgeschlossenes Phosphormineral und Ammoniumsulfat« in der Landwirtschaft verwenden könne. Steiner habe nicht abgelehnt, jedoch in Gesprächen bis 1922 eine doppelte Anweisung gegeben: Synthetische Stickstoffdünger dürften keinesfalls verwandt werden, hingegen seien »Salze, die Kalium, Schwefel und Magnesium enthalten«, erlaubt, sofern ihnen ein Pflanzengift zugesetzt sei. Wohl zwischen 1921 bis 1923 haben Anthroposophen und anthroposophische Landwirte Versuche mit entsprechenden Zusammensetzungen gemacht, wobei man als Gift Fingerhut (digitalis purpurea) zumischteHerr Doktor, das genügt mir nicht - ich soll nicht fragen, ob Sie kommen, sondern wann Sie kommen!. Halböffentlich erschienen nur die »Mitteilungen« des Versuchsringes (1926-1929) und öffentlich die Zeitschrift »Demeter« (1930-1941)16 1927 gründeten die anthroposophischen Landwirte ihre erste Verwertungsgenossenschaft, für die Georg Michaelis (1857-1936), der 1917 ein knappes Vierteljahr Reichskanzler gewesen war, eine wichtige Rolle spielte. Dessen Interesse für den biodynamischen Landbau hatte sein Schwiegersohn Martin Schmidt geweckt, der am Koberwitzer Kurs teilgenommen hatte"'. Aber bereits 1930 mußte die Verwertungsgenossenschaft liquidiert werden, weil ein Mitarbeiter, Hans Fuchs: Stegemann, 788. Die Ansprache ist in GA 327 nicht abgedruckt. tinghausen: Erinnerungen an den Anfang, 39. 10 Koepf/ Plato: Die biologisch-dynamische Wirtschaftsweise, 59f. Zugleich verlor Keyserlingks Mitkämpfer Erhard Bartsch seinen Posten. "` Ebd., 56 f. 12 Ebd., 61, zur Geschichte des Versuchsrings ebd., 60-64. 121-125, und Vogt: Entstehung und Entwicklung des ökologischen Landbaus, 127-133. "' Koepf/ Plato: Die biologisch-dynamische Wirtschaftsweise, 40. Ursprünglich hatte Steiner den Versuchsring wohl wegen der Ernährungsdimension an die medizinische Sektion angliedern wollen, doch lehnte Wegman ab (ebd., 55). "4 Johanna Gräfin von Keyserlingk: Zwölf Tage, 69. 15 Vgl. Bartsch: Erinnerungen eines Landwirts, 26f. 16 Die anthroposophischen Zeitschriften, hg. v. G. Deimann, 409-413.419-423; Koepf/ Plato: Die biologisch-dynamische Wirtschaftsweise, 63 f. Auch der Band 4 der Reihe Gäa-Sophia aus dem Jahr 1929 war der Landwirtschaft gewidmet. `17 Bracker: Michaelis, 521. Als weiterer prominenter Interessent wird für das Jahr 1930 der polnische »Senator von Korlowski« genannt, der »schon zu diesem Zeitpunkt mit der Wünschelrute arbeitete« und begonnen habe, sein Gut Sjelejewo nach einer Begegnung mit Guenther Wachsmuth biodynamisch umzustellen; Wistinghausen: Erinnerungen an den Anfang, 74 f. 108 iov Wis

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17. Landwirtschaft

Müller, sich mit Molkereiprodukten »verspekuliert« hatte10. Doch bereits 1930 entstand der Demeter-Wirtschaftsbund als Nachfolgeorganisation19. Auch die kurzlebige, 1929 gegründete »Gesellschaft zur Förderung der Biologisch-Dynamischen Wirtschaftsweise« verdankt Michaelis wichtige Anstöße120. 1932 wurde »Demeter« als Name für biodynamische Produkte in München patentiert, der Verkauf von Demeterprodukten in den dreißiger Jahren über Reformhäuser organisiert12'. Zugleich lief in diesen Jahren die Auseinandersetzung mit der wissenschaftlichen Landbauforschung an122. Als die Weimarer Republik 1933 liquidiert wurde, war die anthroposophische Landwirtschaft von etwa 100 Betrieben in den zwanziger Jahren auf über 1.000 Betriebe gewachsen und so zu einer Großmacht in der alternativen Landwirtschaft aufgestiegen123. Mit der Machtübergabe an die Nationalsozialisten geriet die biodynamische Landwirtschaft in schwierige Zeiten124. Die Situation war weit komplexer als in anderen Feldern der Anthroposophie, weil die Nationalsozialisten nicht nur auf Repression und Verbote setzten, sondern weil es bei höchsten Stellen Interesse an der biodynamischen Landwirtschaft gab - und weil viele anthroposophische Landwirte sich in nationalsozialistischen Vorstellungen wiederfanden. Unter dem Druck der neuen Machtverhältnisse wurde am 29. Juli 1933 der »Reichsverband für biologisch-dynamische Wirtschaftsweise in Landwirtschaft und Gartenbau« gegründet, um die Interessen der anthroposophischen Landwirte zu sichern. Nach dem Verbot der öffentlichen Auseinandersetzung mit der »biologisch-dynamischen Wirtschaftsweise« Ende 1933 versuchten anthroposophische Landwirte, ihre Position zu stärken, indem sie die Bedeutung ihrer Höfe für die Autarkie bei der Nahrungsmittelversorgung hervorhoben125. Gleichzeitig

1s Wistinghausen, ebd., 100. Lerchenfeld verkaufte ein Bild aus dem Fideikommis seiner Familie zur Begleichung von Schulden (ebd.). 19 Zit. bei Koepf/ Plato: Die biologisch-dynamische Wirtschaftsweise, 77; zur Genossenschaftsgeschichte ebd., 72-78. 120 Ebd., 94-100. 121 Patentierung nach Wistinghausen: Erinnerungen an den Anfang, 46; Verkauf ebd., 103. 122 Ebd., 45-53.62-68. Es hat allerdings wohl nicht nur konfliktreiche Auseinandersetzungen gegeben. Ehrenfried Pfeiffer, dem um 1927 herum in den Niederlanden Maria Tak van Poortvliet ihre Höfe für die biodynamische Bewirtschaftung zur Verfügung stellte, soll in Zusammenarbeit mit einem Prof. Trumpp in München und durch Vermittlung Berliner Chirurgen Professors August Bier (der auch für die Akzeptanz der Homöopathie in den zwanziger Jahren eine wichtige Rolle spielte) mit dem Robert Koch-Institut in Berlin Kristallisationsversuche gemacht haben; Heinze: Ehrenfried Pfeiffer, 3. 123 Vogt: Entstehung und Entwicklung des ökologischen Landbaus, 127. 124 Werner: Anthroposophen in der Zeit des Nationalsozialismus, 131-169. Vogt: Entstehung und Entwicklung des ökologischen Landbaus, und seine präzise Kurzfassung: Ökologischer Landbau im Dritten Reich. Weiterhin sind allerdings wichtige archivalische Materialien, etwa von Franz Dreidax, einer zentralen Figur im »Reichsverband«, nicht zugänglich; im Nachlaß Seifert fehlen Briefwechsel mit dem Reichsverband und der NS-Führung (Vogt: Ökologischer Landbau im Dritten Reich, 162). Zu Seiferts Rolle als NS-Landschaftsanwalt siehe Zeller: »Ganz Deutschland sein Garten«. 125 Werner: Anthroposophen in der Zeit des Nationalsozialismus, 83-86; vgl. auch Koepf/Plato: Die biologisch-dynamische Wirtschaftsweise, 141. Geringere Erträge aufgrund der extensiven Wirtschaft wurden allerdings möglicherweise gegenüber den NS-Machthabern verschleiert; Vogt: Ökologischer Landbau im Dritten Reich, 168. - Unterlagen des Reichsverbandes finden sich im Bundesarchiv Berlin, Bestand R 58 / 6197, vor allem im Teil 1.

17.5 Entwicklungen nach Steiners Tod

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mußten sich die anthroposophischen Landwirte erneut gegen die chemische Industrie wehren, die schon in den zwanziger Jahren Anstrengungen unternommen hatte, die mineraldüngerfreie Landwirtschaft auszuschalten und offenbar zu Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft erneut versuchte, die anthroposophische Alternative zu eliminieren'26. Für die weitere Entwicklung spielte Erhard Bartsch (1895-1960), der 1927 von Michaelis das Gut Marienhöhe in Bad Saarow (Mark Brandenburg) erhalten hatte und es biodynamisch bewirtschaftete, eine zentrale Rolle127. Bartsch besaß oder knüpfte Beziehungen zu Rudolf Hess, dem Stellvertreter Hitlers in der Parteileitung. Hess hatte am 18. Januar 1934 eine Unterredung mit Bartsch, vermittelt entweder durch den Anthroposophen Alwin Seifert oder durch Michaelis, an der auch der für Landwirtschaftsfragen zuständige Reichsminister Richard Walter Darré teilnahm. Vier Tage später veranlaßte Hess ein Schreiben an die Gauleiter, das die biodynamische Landwirtschaft weitgehend vor weiteren Zugriffen bis 1945 schützte128. Hingegen wurde die parallel existierende Bewegung, der nichtanthroposophische »Natürliche Landbau« - und dies ist ein Indikator für die drohenden Gefahren - 1934 gleichgeschaltet129. Auf Bartschs Hof entwickelte sich ein reger Besuchsbetrieb mit Parteifunktionären und Regierungsbeamten, unter anderen war der Innenminister Wilhelm Frick dort am 28. April 1934, 1940 stellten sich mit Darré, Alfred Rosenberg und Robert Ley weitere prominente Besucher in Saarow ein, und im Dezember dieses Jahres kam auch Alfred Baeumler, von dem sich Bartsch ein positives Gutachten über die biodynamische Landwirtschaft erwartete130. Hess war offenbar nie in Bad Saarow, brachte aber zu Kabinettssitzungen biodynamische Nahrungsmittel mit und trug Sorge, daß das Hess-Krankenhaus in Dresden Demeter-Gemüse erhielt; auch der Obersalzberg sollte wohl beliefert werden13'. Seit 1934 wurden zudem viele empirische Versuche zur Leistungsfähigkeit des biodynamischen Landbaus angestellt132, so daß in den Augen von Anthroposophen die NS-Jahre zur »fruchtbarsten Arbeits- und 126 Schon Carl Graf von Keyserlingk berichtete, die I. G. Farben habe ihm einen Druck von Steiners (damals noch sekretiertem) landwirtschaftlichen Kurs abkaufen wollen, für eine »runde Summe« (Alexander Graf von Keyserlingk, in: Koberwitz 1924, 95), die Rede ist gar von »einer Million« (Gerda Gräfin von Keyserlingk/ Adalbert Graf von Keyserlingk, in: ebd., 16). Zu den Pressionen der Industrie in den dreißiger Jahren vgl. Werner: Anthroposophen in der Zeit des Nationalsozialismus, 268. 127 Zur Biographie Koepf: Bartsch, und Koepf/ Plato: Die biologisch-dynamische Wirtschaftsweise, 81-85. 128 Werner: Anthroposophen in der Zeit des Nationalsozialismus, 88 f. (Treffen vom 18.1.1934). 90 (Schreiben vom 22.1.1934). Zur Vermittlung des Gesprächs vom 18. Januar siehe Koepf/ Plato: Die biologisch-dynamische Wirtschaftsweise, 153. Seifert hatte seit Herbst 1933 den Kontakt zu Hess aufgebaut; Wolschke-Bulmahn: Biodynamischer Gartenbau, 593. 129 Vogt: Ökologischer Landbau im Dritten Reich, 176. 130 Frick: Werner: Anthroposophen in der Zeit des Nationalsozialismus, 87207; Darré ebd., 267. 272-275; Rosenberg und Ley ebd., 283; Baeumler ebd., 278 f. 131 Kabinettssitzungen: Vogt: Ökologischer Landbau im Dritten Reich, 164, und ders.: Entstehung und Entwicklung des ökologischen Landbaus, 135; Krankenhaus: Werner: Anthroposophen in der Zeit des Nationalsozialismus, 87. 1937 ergab sich die Möglichkeit, Gemüse zum Obersalzberg zu liefern, eingeleitet durch Frau Hess. Die Realisierung ist allerdings unklar; Wolschke-Bulmahn: Biodynamischer Gartenbau, 593. 132 Vogt: Entstehung und Entwicklung des ökologischen Landbaus, 121-123.

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17. Landwirtschaft

Entwicklungsphase der biologisch-dynamischen Bewegung« wurden: »Die fünf bis sechs Jahre unbehinderte Entwicklung in der Nazizeit stellten sich heraus als die wesentliche Entwicklungszeit der Wirtschaftsweise; Vergleichbares sei nie wieder erreicht worden«133. 1938 und 1939 wurden auf Hess' Initiative Betriebsprüfungen der anthroposophischen Höfe, darunter auch von Bartschs Hof in Saarow, von Fachleuten aus der SS durchgeführt134, während sich Darrée 1940 das Anliegen des biodynamischen Landbaus engagiert zu eigen machte135. Auch Göring und Bormann zeigten sich interessiert136, möglicherweise auch Hitler'37. Bartsch und andere Anthroposophen wiederum lehrten in diesem Jahr auf Höfen der SS, womit sich eine weitergehende Zusammenarbeit mit dem SS-Wirtschaftsverwaltungshauptamt anbahnte138. Ob Hess wirklich nicht wußte, daß die biodynamische Landwirtschaft aus dem Geist der Anthroposophie betrieben wurde139, müssen weitere Forschungen zeigen. Sicher ist jedenfalls, daß seine Protektion dieses Segment der Anthroposophie vor einem Verbot schützte. Nach Hess' Englandflug im Juni 1941 änderte sich die Situation der biodynamischen Landwirtschaft, weil der Einfluß der SS wuchs. Himmler schrieb, daß er ihr »als Landwirt sympathisch gegenüber« stehe, während er ihre »sektenartige Religion« ablehne140. Er verschärfte den Zugriff auf die biodynamische Landwirtschaft und zerschlug 1941 den »Reichsverband« im Zusammenhang mit dem Verbot von »Geheimlehren«141, ließ allerdings die anthroposophischen Methoden auf den SS-Höfen der »Deutschen Versuchsanstalt für Ernährung und Verpflegung« weiterführen142. Es kam jedenfalls zu keinem Verbot, die anthroposophischen Höfe blieben bis Kriegsende bestehen. Im Rahmen von Himmlers Machtbereich findet sich auch eines der potentiell dunkelsten Kapitel einer Landwirtschaft mit Finsterlin: »Volkstümliche Anthroposophie«?, 64. Betriebsprüfungen: Vogt: Entstehung und Entwicklung des ökologischen Landbaus, 269-271. Dazu auch Koepf/Plato: Die biologisch-dynamische Wirtschaftsweise, 160-162. Zugleich gab es 1939 in der landwirtschaftlichen Literatur von Anthroposophen lobende Artikel über Hitler anläßlich seines Geburtstags und eine Verteidigung der deutschen Rolle beim Beginn des Zweiten Weltkriegs; Vogt: Entstehung und Entwicklung des ökologischen Landbaus, 149. 135 Vogt: Ökologischer Landbau im Dritten Reich, ebd., 171 f., der damit bei Darré ein weit größeres Interesse an der biodynamischen Landwirtschaft dokumentiert, als es bei Werner sichtbar wird. 136 Vogt, ebd., 176, weist Gespräche Seiferts mit Göring und Bormann nach. Dies war Werner so nicht bekannt, vgl. allein die Notiz zu Bormann bei Werner: Anthroposophen in der Zeit des Nationalsozialismus, 2823°2. 133 i4

37 Alwin Seifert etwa arbeitete nicht nur als Landwirt, sondern auch als Landschaftsarchitekt NSnah; Wolschke-Bulmahn: Von Anpassung bis Zustimmung, 388-391. Es gibt ein Photo, auf dem Alwin Seifert 1936 Hitler vorgestellt wurde, wohl im Rahmen von Straßenbauprogrammen der Organisation Todt (ebd., 390). Ob Wendungen von Hitler gegen Kunstdünger in einer Rede im Berliner Sportpalast 1942 auf Seifert zurückgehen, ist nicht ganz klar; ders.: Biodynamischer Gartenbau, 594. 138 Zu Bartsch siehe Werner: Anthroposophen in der Zeit des Nationalsozialismus, 283. Zu anderen Anthroposophen siehe Vogt: Ökologischer Landbau im Dritten Reich, 175. 1;9 So die Vermutung bei Werner, ebd., 94. 190 Himmler zit. ebd., 284. 14 ' Koepf/ Plato: Die biologisch-dynamische Wirtschaftsweise, 166-168. Vogt: Ökologischer Landbau im Dritten Reich, 176. 42 Dazu Jacobeit / Kopke: Die biologisch-dynamische Wirtschaftsweise im KZ. Nach WolschkeBulmahn: Biodynamischer Gartenbau, 594, wurden 14 der 18 Höfe von Himmlers »Versuchsanstalt« auf biodynamischer Grundlage geführt.

17.5 Entwicklungen nach Steiners Tod

1603

anthroposophischen Konzepten in der NS-Zeit, die Heilpflanzenversuche im Rahmen der Forschungsvorhaben der SS, die sicher in Dachau und möglicherweise auch in Auschwitz durchgeführt wurden143. Genauere Informationen gibt es nur über die Dachauer Versuche, an denen der Anthroposoph Franz Lippert wesentlich beteiligt war. Er hatte Steiners Koberwitzer Kurs besucht, anschließend bei der Weleda die Heilpflanzenanlage geleitet und sich 1940 angesichts des »großen Aufbruchs«, den er im Nationalsozialismus sah, dem »Reichsverband« angeschlossen'. Er leitete den Dachauer Heilkräutergarten bis 1945. Gegenüber den Gefangenen habe er sich nach Aussage der Häftlinge im Spruchkammerverfahren allerdings sehr menschlich verhalten und ihnen teilweise unter Einsatz seines Lebens geholfen145. Von Seiten der Nationalsozialisten scheint die Perspektive der Zusammenarbeit relativ klar. Ihnen ging es primär um eine pragmatische Nutzung der Leistungen der biodynamischen Höfe. Wieweit dabei einzelne NS-Führungskader eine Nähe zu alternativen oder anthroposophischen Vorstellungen besaßen, müßte weiter geklärt werden16. Schwieriger ist die Haltung vieler Anthroposophen einzuordnen. Bartsch wollte den Nationalsozialismus »von innen her« reformieren'", für ihn schlossen sich Nationalsozialismus und Anthroposophie nicht aus. Damit stand er unter seinen anthroposophischen Landwirtschaftskollegen nicht allein, es scheint, daß sich unter ihnen weitaus häufiger als in anderen anthroposophischen Segmenten Personen fanden, die Übereinstimmungen zwischen den anthroposophischen und den nationalsozialistischen Vorstellungen sahen18 (und bis heute scheinen sich strukturkonservative Auffassungen unter anthroposophischen Landwirten häufig zu finden19 ). Es bedürfte genauerer Untersu143 Die Arbeiten sollen dort durch den Anthroposophen Werner Bauch durchgeführt worden sein; Wolschke-Bulmahn: Biodynamischer Gartenbau, 594. 144 Informationen und Zit. bei Werner: Anthroposophen in der Zeit des Nationalsozialismus, 284 f. Diese Arbeit muß in anthroposophischen Kreisen bekannt gewesen sein, etwa bei Seifert; vgl. Wolschke-Bulmahn: Biodynamischer Gartenbau, 594. 145 Werner, ebd., 332-334. In älteren anthroposophischen Publikationen findet sich zu dieser Zeit meist nichts, etwa bei Voegele: Nachruf für Franz Lippert. 146 Vogt: Ökologischer Landbau im Dritten Reich, 161, widerspricht der kurzschlüssigen Identifizierung von weltanschaulichen Gemeinsamkeiten zwischen Anthroposophie und Nationalsozialismus in der älteren Literatur: »Kernpunkte der beiden Weltanschauungen und Menschenbilder sind nicht miteinander vereinbar.« Dies ist im Prinzip richtig, gleichwohl greift seine These einer bloß pragmatischen Nutzung der biodynamischen Landwirtschaft durch die Nationalsozialisten und der prinzipiellen Distanz zu weltanschaulichen Vorstellungen von Anthroposophen zu kurz. Zwischen der Blut-und-Boden Ideologie des Nationalsozialismus und der Vorstellung der lebendigen Erde in der Anthroposophie gibt es zwar markante Unterschiede, doch zugleich gibt es von deutschnationalen Positionen bis zur Kritik an der »industriellen« Landwirtschaft viele Gemeinsamkeiten. Die persönlichen Interessen, etwa bei Hess, sind noch unerforscht. 147 Werner: Anthroposophen in der Zeit des Nationalsozialismus, 280. 148 Vgl. exemplarisch die Biographie Seiferts von Falter: Seifert, Alwin; zu seiner Rolle in der NSZeit Vogt: Entstehung und Entwicklung des ökologischen Landbaus, 145-148. Neben der Kooperation setzte sich Seifert allerdings auch für Gefangene ein, vgl. ebd., 147. Auch die Akklamationen des Regimes in biodynamischen Zeitschriften (vgl. ebd., 166-168) waren wohl nicht ausschließlich Taktik, wie manche Anthroposophen meinen, sofern Zustimmungen in einen komplexe Gewebe von Unterschieden und Gemeinsamkeiten. 149 Vgl. Anm. 6 oder auch Klett: Lebenspraxis Anthroposophie, 84: »Solange die Menschen im alten Bauerntum ihre tägliche Arbeit noch aus einem kraftvollen Miterleben des Naturwirkens und

17. Landwirtschaft

1604

chungen, was man vom nationalsozialistischen Weltanschauungskomplex zwischen Rassentheorie und Gesellschaftsbild stillschweigend oder billigend oder zustimmend übernahm150. In der auf kleinbäuerliche Bedürfnisse ausgerichteten und ökologisch eingefärbten Programmatik der Nationalsozialisten konnten Anthroposophen wohl leicht einen Kooperationspartner entdecken. Nach dem Krieg reorganisierte sich die anthroposophische Landwirtschaft. 1946 trat der »Forschungsring für Biologisch-Dynamische Wirtschaftsweise« die Nachfolge des »Reichsverbandes« an, seit 1950 erscheint die »Lebendige Erde« als Zeitschrift des Forschungsrings.

17.6 Aphoristische

Bemerkungen zur aktuellen Situation der anthroposophischen Landwirtschaft

Biodynamische Höfe sind heute weltweit verbreitet151. In Deutschland zählte der Demeter-Bund am 1. Januar 2004 1.327 biodynamische Landwirtschaftsbetriebe, von denen etwa ein Drittel in Baden-Württemberg und ein weiteres Drittel in Bayern lag152. Seit 1950 besteht außerdem das »Institut für Biologisch-Dynamische Forschung« in Darmstadt mit seiner Dependance im Dottenfelder Hof bei Bad Vilbel, seit 1973 existiert das »Forschungsinstitut für biologischen Landbau« im Schweizerischen Frick. Die biodynamische Landwirtschaft ist also eine etablierte Alternative, versteht sich aber weiterhin nicht einfach als Gegenwelt zum konventionellen Landbau. Vielmehr lehnen anthroposophische Bauern mit ihrem Rückgrat eigenständiger weltanschaulicher Überzeugungen nur Teilbereiche konventioneller Praxis ab: künstlichen Mineraldünger etwa. Steiners Anthroposophie bildet dafür weiterhin den zentralen Referenzhorizont und sichert die »biologisch-dynamische« Identität. In der Außenperspektive jedoch ist und bleibt die Bewertung von Steiners Angaben höchst kontrovers, weil interne und externe Deutungen weit auseinanderklaffen. Dies sei nochmals an einer Äußerung Steiners erläutert: »In diesem Sauerstoff lebt überall das niederste Übersinnliche, das Ätherische, wenn es nicht daraus getötet ist, wie es in der Luft getötet sein muß, die wir um uns haben. In der Atmungsluft ist das Lebendige des Sauerstoffs getötet, damit wir nicht ohnmächtig werden durch den lebendigen Sauerstoff. ... Aber von Geburt an ist er der Träger des Lebens, des Ätherischen.« (GA 327,70)

aus der Kraft des Volkstums, das vom Christentum getragen war, verrichteten, solange floß der Erde durch die menschliche Arbeit ein geistgetragenes Wollen zu« . 15o Vgl. etwa die Hinweise auf Übereinstimmungen im weltanschaulichen Überbau bei Steiner und Anthroposophen bei Wolschke-Bulmahn: Biodynamischer Gartenbau, 638-642, etwa in der vitalistischen Tendenz, oder in der rassentheoretischen Parallelisierung von »hoher Kulturstufe« und »gepflegten Feldern«, so Ehrenfried Pfeiffer (ebd., 639). 151 Vgl. die Übersicht bei Koepf/ Plato: Die biologisch-dynamische Wirtschaftsweise. 152 Demgegenüber gab es am 1.1.1998 1317 Betriebe und am 1.1.2003 1336 Betriebe. Die statistischen Daten wurden mit freundlicherweise von Marion Rhein vom Demeter-Bund am 2. April 2004 zur Verfügung gestellt.

17.6 Die aktuelle Situation der anthroposophischen Landwirtschaft

1605

Steiner beschreibt das physikalisch heute weitbekannte Phänomen, daß die Sauerstoffaufnahme des Menschen in der Atemluft nur über gebundenen Sauerstoff möglich ist und die Aufnahme reinen Sauerstoffs toxisch und in höherer Konzentration tödlich wirken kann. Aber seine Begründung ist strittig, weil in Steiners vitalistischer Terminologie über ätherische Qualität, Lebendigsein und Getötetwerden eine naturphilosophische Deutung steckt. Daß im Sauerstoff »das niederste Übersinnliche« lebt, wird in der Außenperspektive ebenso bestritten wie dessen Rolle als Akteur des »Tötens«, fragt doch der Biochemiker hier nach Molekülverbindungen und ihren physiologischen Wirkungen und sucht kein handelndes Subjekt. Analoges ließe sich für Steiners Düngeanweisungen sagen: Sofern etwa das Bestreuen eines Ackers mit »Pfeffer« aus einem Mäusebalg oder Dung aus dem Kuhhorn wirkt, liegt der Grund in der Außenwahrnehmung nicht an der Gestirnkonstellation beim Verbrennen des Balges oder an der im Horn eingefangenen kosmischen Strahlung, sondern in chemischen, im Prinzip benennbaren und empirisch überprüfbaren Wirkungen. Bis heute gehen an diesem Punkt die Auffassungen von Anthroposophen und Nichtanthroposophen in fast »kosmische« Weiten auseinander. Auch empirische Prüfungen haben hier keine Annäherung gebracht. Anthroposophen behaupten teilweise eine Steigerung von Erträgen und eine Qualitätsverbesserung durch eine Landwirtschaft nach Steiners Prinzipien, sehen geradezu »Wunder«. Die universitäre Wissenschaft hingegen steht diesen Aussagen kritisch gegenüber, und auch andere biodynamisch arbeitende Landwirte haben derartige Ergebnisse in Frage gestellt, wenn bei ihren Nachprüfungen keine besonderen Wirkungen im Vergleich zur konventionellen Landwirtschaft feststellbar waren153 Die Akzeptanz der biologisch-dynamischen Wirtschaftsweise bleibt in ihren Begründungen (nicht in ihren Ergebnissen) an ein anthroposophisches Vorverständnis gebunden. Anthroposophen reagieren auf diese Debatten inzwischen vielfach mit der Rücknahme ihres Empirieanspruchs: Das Vergraben in Kuhhörnern, Rühren und homöopathisches Verdünnen, so Georg Eysel, Geschäftsführer des Instituts für Biologisch-Dynamische Forschung in Bad Vilbel, werde niemand akzeptieren, auch wenn »die Ergebnisse 100 Mal statistisch abgesichert« seien154 '57 Das Wunder sieht Bartsch: Erinnerungen, 30. Beispiele für die Behauptung der Steigerung von Erträgen durch Anthroposophen in: Lebendige Erde, 1970, H. 4, 134-140, und bei Werthern: Untersuchungen zur Wirkung des Hornmistpräparates. Für die Außenperspektive vgl. Penner: Die Präparate der Biologisch-Dynamischen Wirtschaftsweise, 3: »Eine kritische Auswertung der Versuchsergebnisse zeigt, daß die vermutete ertrag- und qualitätssteigernde Wirkung der Präparate [der biologisch-dynamischen Wirtschaftsweise] bisher nicht verifiziert werden konnte.« Neuerdings hat Schütze: Der Biologisch-Dynamische Pflanzenbau, eine komparative Studie vorgelegt. Ein Problem bilden fehlende langfristige Vergleichsdaten, aber vermutlich darf man einen Rückgang der Erträge zwischen 40 Prozent (Weizen) und 15 Prozent (Kartoffel) ansetzen (Schütze, S. 166f.). Beispiele für die inneranthroposophische Kritik bei Penner: Kritisch betrachtet, 9f. Ein Qualitätsvergleich ist aufgrund subjektiver Kriterien eine ganz andere Sache, fällt aber meines Erachtens durchweg zugunsten der anthroposophischen Produkte aus. Zur Spannbreite der inneranthroposophischen Positionen die abwägenden Äußerungen bei Koepf/ Pettersson/Schaumann: Biologische Landwirtschaft, 275-277, gegenüber der kämpferischen Haltung bei Schwentek: Müssen es denn unbedingt Demeter-Produkte sein?, 102 f. Bereits in der NSZeit war die Ertragssteigerung ein Argument gewesen, vgl. Anm. 125. 154 Eysel: Biologisch-dynamische Forschung, 45.

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17. Landwirtschaft

Aber der Verzicht auf die Empirisierbarkeit der anthroposophischen Weltanschauung bedeutet für Anthroposophen keinen Verzicht auf den Nachweis der Wirksamkeit ihrer landwirtschaftlichen Praxis. Auch scheinbar hellseherische Aussagen Steiners ändern an diesem Graben nichts. Als Anthroposophen auf dem Höhepunkt der BSE-Krise im Jahr 2001 und angesichts hellodernder Fleischberge auf Steiners Behauptung verweisen konnten, daß Ochsen, die Fleisch fressen, »verrückt werden« (GA 348,258 [1923]), führte dies kaum zu einer erhöhten Akzeptanz der anthroposophischen Theorie. Wer genau nachlas, konnte denn auch sehen, daß Steiner an die falsche Zufuhr kosmischer Kräfte und nicht an mikrobiologische Vorgänge dachte. Solche kurzzeitige Aufmerksamkeit schärft vielleicht in der Öffentlichkeit den Sinn, daß anthroposophische Bauern fremd denken und dabei vernünftige Ergebnisse erwirtschaften, aber auch hier gilt: Die Spannung zwischen Steiners Begründungen und den Ergebnissen der landwirtschaftlichen Praxis bleibt in der Außenperspektive hoch. Und es kommt weiterhin zu konvulsiven Entladungen sehr begrenzt informierter Polemik, wenn etwa unterstellt wird, die Förderung alternativer Landwirtschaft in der rot-grünen Regierung unter der Ministerin Renate Künast sei nicht zuletzt ein Ergebnis rassistisch eingefärbter anthroposophischer Vorstellungen155. Auch die Vermutung, daß Demeter wegen seiner weltanschaulichen Aufladung der Landwirtschaft die »Schuld am exzentrischen Image« des alternativen Landbaus trage156, stimmt allenfalls halb. Interessant wäre es vielmehr, die Rolle der anthroposophischen Landwirte im Segment der biologischen Landwirtschaft zu untersuchen, denn hier geht es längst nicht immer harmonisch zu. Die sozialen Hintergründe der anthroposophischen Bauern wären ein eigenes Kapitel. Man hört, daß sich sehr häufig landwirtschaftliche Laien in den biodynamischen Höfen engagierten und Projekte im Angriff nähmen, die nichtanthroposophische Berufslandwirte für unrealisierbar hielten. Wenn das stimmt, würde sich eine soziale Rekrutierung, die es schon im Koberwitzer Kurs gab, bis heute fortsetzen: Nicht unbedingt enttäuschte Landwirte, sondern Quereinsteiger könnten einen wichtigen Teil dieser Berufsgruppe bilden. Vielleicht bezieht die biodynamische Landwirtschaft daraus einen Teil ihrer Widerständigkeit gegenüber den Nivellierungen des ökologischen Anspruchs, der mit der Kommerzialisierung der alternativen Landwirtschaft momentan einhergeht. Doch dies sind Kontroversen und Kontexte, die die Verbraucher kaum interessieren. Angesichts von Eiern, die nach Fischmehl schmecken, von Fleisch, das mit Hormonen gezüchtet wurde oder von Getreide mit Rückständen von Pestiziden haben Verbraucher, die sich biodynamische Lebensmittel finanziell leisten könnten, Demeter-Produkten trotz der Deutungshürden und der Probleme mit der empirischen Verifizierung zu einer Erfolgsgeschichte verholfen. Biodynamische Nahrungsmittel schmecken mit großer Verläßlichkeit gut, und die Wahrscheinlichkeit, daß sie weniger belastet sind, ist hoch. So konnten die 155 Treue: Blut und Bohnen. 56 Gorgs / Ruess / Schumacher: Anzug, Schlips und Minirock, 77.

17.6 Die aktuelle Situation der anthroposophischen Landwirtschaft

1607

anthroposophischen Landwirte dem wachsenden Bedürfnis nach ökologischen Lebensmitteln eine vergleichsweise lange Erfahrung und eine etablierte Erzeugungs- und Vertriebsstruktur bieten. Als in den siebziger Jahren die ökologische Ernährung aus der Reformhaustradition in die Alternativbewegung kam, gehörten auch - und vielleicht an vorderster Stelle - die biodynamischen Bauern dazu. Die Qualität der bio-dynamischen Lebensmittel und das nachvollziehbare ökologische Anliegen begründen jedenfalls eine vergleichsweise konstante Attraktivität dieser Landwirtschaftsform seit vielen Jahren, die Verbraucher haben sich hier relativ unabhängig von der wissenschaftlichen Debatte und auch von der kritischen Literatur entschieden. Trotz einiger Pannen, bei denen auch Demeter-Produkte mit Problemen konventioneller Lebensmittel behaftet waren157, haben sich Demeter-Bauern den Ruf erarbeitet, seriös, geradezu skrupulös für »chemiefreie« Produkte zu stehen. Zugleich stellen sich neue Probleme ein. Die Konventionalisierung des Biosegments im Lebensmittelbereich, wo etwa zunehmend der Verkauf über den Preis den Markt steuert, also die Bereitschaft abnimmt, aus weltanschaulichen Gründen höhere Preise zu bezahlen, macht auch den anthroposophischen Bauern zu schaffen. Aus der anthroposophischen Nische sind die biologisch-dynamischen Bauern inzwischen aber herausgetreten. In nahezu jedem Biomarkt finden sich Produkte mit dem »Demeter«-Ettiket, hinter Marken wie Naturata, Spielberger oder Bauck verbergen sich anthroposophische Überzeugungen. Der DemeterMarktanteil an ökologischen Produkten dürfte sich Anfang 2004 zwischen sieben und acht Prozent bewegt haben, wobei über 200 Millionen Euro Umsatz generiert wurden15ß. Mit dieser selbstverständlichen Präsenz geht auch öffentliche Auszeichnung einher. Am B. Dezember 2003 erhielt eine biodynamische Einrichtung die höheren Weihen der alternativkulturellen Anerkennung: Die ägyptischen Sekem-Farm, die biologisch-dynamisch bewirtschaftet wird, erhielt den Alternativen Nobelpreis.

157 Vgl. etwa: Anonym: Nitrofen auch bei Demeter. 158 Die Berechnung ergibt sich mit einem Unsicherheitsfaktor von plus / minus zehn Prozent aus einer Anbaufläche der Demeter-Betriebe von 51.990.533 ha am 1.1.2004, gemessen an der gesamten Anbaufläche der ökologischen Betriebe von knapp 700.000 ha im Jahr 2003. Die finanzielle Größe wurde parallel aus dem Gesamtumsatz der ökologischen Lebensmittel errechnet, der 2003 bei ca. drei Milliarden Euro lag. Die Information verdanke ich der freundlichen Hilfe von Markus Rippin von der »Zentrale Markt und Preis« in Bonn vom 5.4.2004.

Neuer Kult

18. Die Christengemeinschaft 18.1 Disposition, Quellen und Literatur Die Christengemeinschaft ist eine Kultkirche, die im Ritus ihren zentralen Selbstvollzug sieht. Nicht »das Wort«, kein Kanon von Schriften, auch kein Dogma sollen im Zentrum stehen, sondern der von Steiner »gegebene« Kult. Ein letztes Mal rückte Steiner 1922 die ästhetische Plausibilisierung ins Zentrum seines Wirkens. Als er am 16. September 1922 - so das »amtliche« Gründungsdatum - die Christengemeinschaft entstehen ließ, ahnte kaum jemand, daß in dieser anthroposophischen Kirche der Anthroposophischen Gesellschaft eine Konkurrenz erwachsen würde. Aber beider Kerninteresse, die Vermittlung des Zugangs zu »übersinnlichen« Welten mit der Christologie als dem oder zumindest einem zentralen Faktor, überschnitt sich zu weit, als daß es ohne Streit abgegangen wäre. Bis heute ist das Verhältnis oft spannungsgeladen - nicht zuletzt weil die Christengemeinschaft das kultische Element besitzt, das Steiner nur aufgrund seines Todes der Anthroposophischen Gesellschaft nicht mehr schaffen konnte. Mit dieser Ausrichtung gehört die Christengemeinschaft auch nicht zu den »Anwendungsbereichen« der Anthroposophie: Sie ist ein strukturelles Äquivalent der kultischen Praktiken aus den Vorkriegsjahren und bildet deshalb in dieser Arbeit ein erratisches Schlußkapitel, das mit den seit 1918 entwickelten Praxisfeldern nur den Entstehungszeitraum gemein hat. Ihre Entstehungsgeschichte (Abschn. 18.2) wird im folgenden erstmals unter intensiver Nutzung der in den neunziger Jahren veröffentlichten Gründungsdokumente rekonstruiert. Dabei bleibt weiterhin die Rolle der Kritiker und Aussteiger unterbelichtet, doch wird insbesondere im Herbstkurs 1921 (s. u. 18.2.4) und bei den biographischen Skizzen (s. u. 18.2.6) deutlich, daß nicht einfach eine neue Offenbarung dankbar aufgenommen wurde, wie die Darstellungen von anthroposophischer Seite gerne suggerieren, sondern die Gründung als Identitätsbildung in Konflikten durchgesetzt wurde. Wie auf die Grenzziehung nach außen die Abgrenzung nach innen, gegenüber der Anthroposophischen Gesellschaft, folgte, zeichne ich in Abschn. 18.3 nach. 1922 / 23 stellte Steiner unmißverständlich klar, daß die Anthroposophie die dominante »Mutter« war und bleiben sollte. Die Darstellung der Theologie der Christengemeinschaft in Abschn. 18.4 schließlich konzentriert sich auf wenige Aspekte; eine umfassende historisch-kritische Darstellung bleibt ein Desiderat. Die Genese der Christengemeinschaft aus der Anthroposophie heraus läßt leicht vergessen, daß auch Steiners Kirchengründung, die anfangs »Bewegung für religiöse Erneuerung« hieß, in der religiösen Verunsicherung der Jahre nach dem Ersten Weltkrieg gründete. Sie gehört religionsgeschichtlich zu den vielen Neugründungen von Gemeinschaften, Kulten und christlichen Kirchen dieser Jahre, und in diesem Zusammenhang zu den Versuchen einer erneuten Einrich-

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18. Die Christengemeinschaft

Chronologie: Christengemeinschaft 1840er Jahre 1906-1914

Hochkirchliche »Oxfordbewegung« in England. Freimaurerische Zeremonien Steiners im Rahmen der Esoterischen Schule. 1910-1914 Einzelne Trauungen, Taufen und Beerdigungen durch Steiner. 1917 Anstöße zur Errichtung der evangelischen »Hochkirchlichen Vereinigung« im Rahmen des Lutherjubiläums (Gründung 1918). 1918 Mitte Steiner verfaßt ein Beerdigungsritual für den altkatholischen Pfarrer Schuster. 1919 20. April Steiner hat einen Teil der lateinischen Messe übersetzt. Ende Steiner verfaßt die »Sonntagshandlung« für die Waldorfschule. 1920 Dez. Erste Weihnachtshandlung für Kinder der Waldorfschule. 1921 20. März Erste »Jugendfeier« für Kinder der Walddorfschule. 21. Mai Anfrage von Studenten nach Religion und »Priestertum« im Rahmen der Anthroposophie. 12.-16. Juni Erster Theologenkurs (Stuttgart) (GA 342). 26. Sep.-10. Okt. Zweiter Theologenkurs (Dornach) (GA 343). 1922 Jan. Baubeginn für das Zentrum der Christengemeinschaft in Stuttgart. 6.-12. März Beratungen im Konfirmandensaal des Deutschen Doms in Berlin. 5.-12. März Im Berliner Hochschulkurs treten Rittelmeyer, Geyer und Bock erstmals öffentlich für die »religiöse Erneuerung« auf. 16. Aug.-4. Sep. Vorbereitung der Gründung der Christengemeinschaft in Breitbrunn am Ammersee. 6.-22. Sep. Dritter Theologenkurs im Goetheanum mit der Weihe der Priesterinnen (GA 344). 16. Sep. Erste Menschenweihehandlung. 3. Dez. Erste Menschenweihehandlungen in den Gemeinden. 30. Dez. Steiner stellt klar, daß die Christengemeinschaft eine von der Anthroposophie abhängige und ihr nachgeordnete Organisation ist. 1923 Jan.-März Klärende Gespräche Steiners mit den »Lenkern« der Christengemeinschaft. 23. März Die »Opferfeier« wird an der Waldorfschule erstmals zelebriert. 11.-14. Juli Vier Priestervorträge (GA 345). 1923-1927 Berneuchener Konferenzen der hochkirchlichen Bewegung im Protestantismus. 1924 5.-22. Sep. Achtzehn Priestervorträge (GA 346). 8.-18. Sep. Kurs für Ärzte und Priester (GA 318). 1925 24. Feb. Einsetzung Rittelmeyers als »Erzoberlenker«.

18.1 Disposition, Quellen und Literatur

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tung von Kulten in der Anthroposophischen Gesellschaft. Allerdings war das

Wissen um die anthroposophie-externe Abhängigkeit in der Christengemeinschaft nie so verdrängt wie in anderen Tochterbewegungen der Anthroposophie, weil evangelische Theologen nicht nur entscheidende Anstöße gaben, sondern auch in der Aufarbeitung ihrer Herkunftsgeschichten die Ausgestaltung der Christengemeinschaft prägten. Bis in die neunziger Jahre war die Quellenlage außerordentlich schlecht, da Steiners Kurse zur Begründung der Christengemeinschaft (die »Theologenkurse« oder »Priesterzyklen«) der Öffentlichkeit nicht zugänglich waren. Aufgrund der Veröffentlichung einiger Texte im Ausland' und des Ablaufs der Urheberrechte für das schriftliche Werk Steiners im Jahr 1995 hat die Rudolf Steiner-Nachlaßverwaltung die Vorträge zwischen 1993 und 1995 auf der Grundlage der dort liegenden Stenogramme veröffentlicht (GA 342-346). Da die pragmatisch begründete Publikation der Priesterzyklen gegen den ausdrücklichen Wunsch Steiners geschah' und das Sondergut der Priester der Christengemeinschaft berührte, die zudem das Erleben des Gottesdienstes durch die Publikation gefährdet sahen, verweigerten diese die Mitarbeit an der Edition'. In welchem Ausmaß der Text der Gesamtausgabe aufgrund einer uneindeutigen Stenogrammlage gestaltet wurde, ist unklar und hinsichtlich der nachvollziehbaren Eingriffe umstritten'. Die eigentlichen Ritualtexte, wie sie in der Praxis bis heute benutzt wurden, finden sich in der Gesamtausgabe nur insoweit, als Steiner sie in den Vorträgen erläutertes. Außerdem sind weitere Materialien, die im Rahmen der Gründung der Christengemeinschaft entstanden, bis heute ausschließlich im Besitz der Priester Z. B. Steiner: Erster anthroposophischer Kurs für Theologen, Rotterdam, ca. 1981. 2 Schon im Herbst 1921 bestätigte Steiner, daß die Vorträge zu den Theologenkursen »streng vertraulich« (GA 343,355) zu behandeln seien, und konfirmierte diese Position für den letzten Zyklus: »Er war im strengsten Sinne nur auf diesen Kreis beschränkt.« (GA 346,11 [5.10.24]). Wieweit die Behauptung stimmt, daß in den Textausgaben der Christengemeinschaft (s. u. Anm. 4) im Gegensatz zur GA-Ausgabe Aussagen stehen, daß diese Zyklen nicht weiterzugeben seien (vgl. www forumkultus.de; besucht am 31.3.2005), war für mich nicht nachprüfbar. Andererseits schimpfte Steiner zumindest am 22. Januar 1923 über die Vertreter der Christengemeinschaft: »Die Vorträge werden eingesperrt; ... Soweit kriegen Sie die Sache.« (GA 259,217) 3 Es habe darüber Gespräche, aber keine Einigung gegeben. »Die Priesterschaft hat sich auf der Synode 1986 in Berlin entschlossen, bei der Herausgabe nicht mitzuwirken. Diese geschieht also gegen unseren Willen und wird von der Rudolf-Steiner-Nachlaßverwaltung allein verantwortet.« Nicht zuletzt die Veröffentlichung der Rituale der Sakramente sei ein »Vorgang, der uns schmerzlich trifft«. »Sie werden ja erst wirksam und wirklich im unmittelbaren Vollzug in einer Gemeinde im lebendigen Geschehen von Sprechen und Hören.« So der Erzoberlenker der Christengemeinschaft, Taco Bay, in einem offenen Brief, Stuttgart im Mai 1993, 1 S. (eingelegt in einen Band des Theologenzyklus in der GA in der Bibliothek der Anthroposophischen Gesellschaft in Dornach). Allerdings hatten Priester der Christengemeinschaft schon vorher umfänglich aus den Priesterkursen Steiners zitiert (etwa Gädeke u. a.: Anthroposophie und die Fortbildung der Religion). Die Auseinandersetzungen sind dokumentiert in: Wortgetreu und unverfälscht?, red. v. M. Alberts. 5 Alle Texte für die sakramentalen Handlungen werden bis heute han dschriftlich von den Priestern niedergelegt und weitergegeben. Sie sind allerdings teilweise zusammengestellt bei Hapatsch: Die Kultushandlungen der Christengemeinschaft. Das Ritual für die Einsetzung des Erzoberlenkers (s. u. 18.3.3) oder das »Kinderbegräbnis-Ritual« (GA 265,40) fehlen. Ritualtexte sind auch in Lambertz: Zur Kultus-Frage, 320-408, zusammengestellt. Hinter Lambertz' Publikation steht das Ziel, eine laikale kultische Praxis zu ermöglichen.

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18. Die Christengemeinschaft

der Christengemeinschaft und öffentlich nicht zugänglich6. Die Texte in der Gesamtausgabe ermöglichen es jedoch, Steiners Vorstellungen in den wichtigsten Teilen verläßlich zu ermitteln. Schließlich ist für die Entstehungsgeschichte der Christengemeinschaft die reiche Erinnerungsliteratur unverzichtbar'. Die Sekundärliteratur ist demgegenüber dünn. Eine hinsichtlich der Informationsdichte und eines kritischen Zugriffs zufriedenstellende Darstellung der Geschichte der Christengemeinschaft gibt es nicht. Der historische Überblick von Hans-Werner Schroeder' ist als Teil eines auf programmatische Fragen konzentrierten Überblicks kursorisch und hinsichtlich des Nachweises der Quellen unbefriedigend. Das einzige Werk von historiographisch signifikanter Bedeutung sind 48 Kurzbiographien der Gründergeneration, die Rudolf F. Gädeke erstellt hat und für die schwer zugängliche Informationen recherchiert wurden'. Daneben ist die systematische Studie »Anthroposophie und die Fortbildung der Religion« der Brüder Gädeke von Bedeutung, in der sich abgelegenes oder unveröffentlichtes Material findet'°. Diese Arbeit war aufgrund des Versuchs, Religion und Christengemeinschaft als eine weiterhin notwendige, durch die Anthroposophie nicht überholte Dimension darzustellen und insoweit ihre Bedeutung gegenüber der Anthroposophischen Gesellschaft herauszuheben, Auslöserin vehementer inneranthroposophischer Debatten". Viel Literatur existiert zum spirituellen Selbstverständnis der Christengemeinschaft, das allerdings nicht Thema meiner Studie ist.

18.2 Die Entstehung der Christengemeinschaft 18.2.1 Anthroposophische Kulte im Umfeld der Christengemeinschaft In der Außenwahrnehmung erscheint die Christengemeinschaft oft nicht nur als eine Verkirchlichung der Anthroposophie, sondern auch als einzige Form ihrer rituellen Praxis. Diese letzte Perspektive scheint mir auch in den Veröffentlichungen der Christengemeinschaft zu dominieren, vermutlich um deren hegemoniale Stellung als Anbieterin anthroposophischer Riten historisch zu fundieren. Bei näherem Hinschauen erweist sich allerdings die Christengemein-

S. u. Anm. 10. Vgl. die Literaturhinweise bei Schroeder: Die Christengemeinschaft (11990), 178. e Schroeder: Die Christengemeinschaft (11990, 22001). Gädeke: Die Gründer. ° Gädeke u. a.: Anthroposophie und die Fortbildung der Religion, v. a. 224-393. Vor der Veröffentlichung der Theologenkurse war diese Schrift einer der wenigen öffentlichen Zugänge zu diesen Texte (ein anderer war Hutten: Seher, Grübler, Enthusiasten [121982], 687-720). Darüber hinaus finden sich bei Gädekte unpublizierte Materialien aus der Priesterschaft; kein Publikationsort war mir etwa für die Wiedergabe von Gesprächen Steiners mit Lenkern der Christengemeinschaft (vgl. Gädeke: Anthroposophie und die Fortbildung der Religion, 320 f. 332) bekannt. Der gesamte Bestand der Gespräche der Priester mit Steiner ist mündlicher Auskunft zufolge unveröffentlicht. " Vgl. die kryptischen Formulierungen im Vorwort, ebd., 13, und ausführlich: Zehn Jahre realexistierendes freies Geistesleben. 6

18.2 Die Entstehung der Christengemeinschaft

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schaft während ihrer Entstehung als nur eine anthroposophische Einrichtung unter anderen, in der kultische Veranstaltungen zelebriert wurden. Die erste und wichtigste Konkurrenz waren Steiners maurerische Riten im Rahmen der Esoterischen Schule. Steiner hatte sie 1914 nur ausgesetzt und war 1924 dabei, sie oder etwas Ähnliches neu zu installieren (s. 7.10.1g). Die potentiellen Folgen für die Christengemeinschaft sind kaum abzuschätzen. Da es aber eine Konkurrenz auf ihrem ureigensten Feld bedeutet hätte, liegt die Vermutung nahe, daß eine tödliche Rivalität gedroht hätte. Die Christengemeinschaft war zudem nicht der erste Versuch, Zeremonien außerhalb der Esoterischen Schule einzurichten. Schon 1910 soll Steiner Christian Morgenstern und seine Frau Margarete in einem »freimaurerischen« Ritus getraut12 und in weiteren Trauungen rituell gehandelt haben13. Daneben hat Steiner auch getauft, im Dezember 1913 die Tochter von Alexander von Bernus14. Es wird auch von einer »Taufezeremonie« im ersten Grad der Freimaurerei vor dem Ersten Weltkrieg berichtet (GA 265,136), vermutlich als symbolische Initiation eines Erwachsenen in die Freimaurerei. Im August 1920 hat er zudem für den ehemaligen protestantischen Pfarrer und Freimaurer Johann Geyer, der zu diesem Zeitpunkt Lehrer an der Stuttgarter Waldorfschule war (und nicht Priester der Christengemeinschaft wurde), einen mit dem Rosenkreuzerspruch eingeleiteten Tauftext verfaßt, in dem das »Zeichen des Rosenkreuzes an Stirn und Brust« verwandt wurde15. Weitverbreitet war unter Anthroposophen auch die Sitte, sich von Steiner einen Taufnamen für ein neugeborenes Kind geben zu lassen16. Schließlich hat Steiner in wenigstens einem Fall, bei Christian Morgenstern, eine Bestattung vollzogen'. Diese Aktivitäten sind in zweierlei Hinsicht von Bedeutung: Sie dokumentieren zum einen, daß Steiner schon vor der Gründung der Christengemeinschaft immer wieder Gelegenheiten nutzte, die Zeremonien der Freimaurerei durch Passageriten zu erweitern. Zum anderen amtierte er selbst in priesterlichen Funktionen, eine Rolle, die im Kontext der Christengemeinschaft dann als schwierig angesehen wurde. So beschrieb er seine Rolle bei der Etablierung der Riten der Christengemeinschaft als Mittler (s. u. 18.2.5)18.

12 So Kully: Die Geheimnisse des Tempels von Dornach, II, 131; was hier unter einem freimaurerischen Ritus zu verstehen ist und ob das Prädikat zutrifft, ist unklar. Nur von einer Trauung durch einen evangelischen Pfarrer am 7. März 1910 spricht der Anthroposoph Bauer: Christian Morgensterns Leben, 206; damit ist aber eine zusätzliche theosophische Handlung nicht ausgeschlossen. 13 Kully: Die Geheimnisse, II, 131; GA 265,136. 14 Nach Schmitt: Alexander von Bernus, 108, soll Steiner die Taufe im Dezember 1913 in München vorgenommen haben. Steiner schrieb am 19. September 1913 an von Bernus, er wolle dessen Wunsch »bezüglich der kleinen Ursula Pia« nachkommen. »Die Kräfte der Zeit beschränken mich wohl an gewissen Grenzen bezüglich alles Ceremoniellen.« Brief Steiners an von Bernus vom 19. September 1913, 111. Im Umkreis Alexander von Bernus' sprach man von einer »gnostischen Taufe« (Mitteilung Manfred Ach). Seine Tochter Ulla von Bernus legte sich später das Pseudonym »Anna Tha« zu und verstand sich als »Schwarzmagierin« (so in einem Telefongespräch mit d. Verf.). 15 Steiner: Worte für eine Taufhandlung. '6 Rahel von Glenck, in: Wortmann: Wir erlebten ihn noch, 133. " Gädeke: Anthroposophie und die Fortbildung der Religion, 334. 18 Bei der Relativierung von Steiners aktiver Rolle ist seine Äußerung, »ich selber habe bei der Erteilung dieser Ratschläge [für die Gründung der Christengemeinschaft] niemals irgendeine Kultus-

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18. Die Christengemeinschaft

Nach dem Ersten Weltkrieg und vor der Gründung der Christengemeinschaft fuhr Steiner fort, Passageriten zu kreieren. Während des ersten Theologenkurses im Juni 1921 hörten die Teilnehmer, daß Steiner bereits christliche Riten bearbeitet hatte. Er nannte keine Namen, aber immerhin erfuhren die Hörer, daß es um Texte für altkatholische Priester ging, die er den Kursteilnehmern zur Verfügung stellen könne (GA 342,135 f.). Heute wissen wir, daß dabei der altkatholische Pfarrer Hugo Schuster (1876-1925) aus St. Gallen, der seit 1905 Mitglied der Theosophischen Gesellschaft und persönlicher Schüler Steiners war, eine wichtige Rolle spielte. Er hatte seit Anfang 1914 zusammen mit Constantin Neuhaus, der in den zwanziger Jahren ebenfalls als altkatholischer Pfarrer amtierte und Mitglied in der Anthroposophischen Gesellschaft war, mit Steiner über theologische Fragen gesprochen (ebd., 249 f.)19 . Mitte 1918 erhielt Schuster ein Begräbnisritual, das er bei der Beerdigung der Anthroposophin Marie Hahn am 22. September 1918 verwandte20; Steiner hielt dabei die Grabrede (GA 2612,220). Wenig später begann er, für Schuster das katholische Meßformular zu übertragen und sandte ihm am 20. April 1921 die ersten Teile bis zum Offertorium; die weiteren Teile folgten zwischen Juni und Oktober, angestoßen durch den ersten Theologenkurs. Steiner hatte dabei Schotts lateinisch-deutsche Ausgabe des tridentischen Meßbuchs vorliegen, dessen Text er im anthroposophischen Sinn veränderte21. Damit war vor der Gründung der Christengemeinschaft ein ritueller Rahmen präsent, der die neue Kirche prägen sollte. Zugleich betrieb Steiner die Ausgestaltung eines Ritenprogramms für die Waldorfschule (s. 15.5.6): Noch Ende 1919 verfaßte er eine »Sonntagshandlung« für Schüler des Freien Religionsunterrichts, zu Weihnachten 1920 folgte die erste »Weihnachtshandlung« für Kinder, am 20. März 1921 die erste »Jugendfeier« (die später zu Konfirmationshandlung der Christengemeinschaft umgestaltet wurde)22. Lehrer der Waldorfschule nahmen auch am ersten Theologenkurs im Juni 1921 tei123, und im Anschluß an diesen Kurs erhielt der spätere Christengemeinschaftspfarrer Wilhelm Ruhtenberg ein Tauf- und ein Trauritual (GA 265,36 f.). Aber auch nach der Gründung im September 1922 schuf Steiner weiterhin Rituale. So entstand für die beiden oberen Klassen der Waldorfschule eine

handlung ausgeführt« (GA 219,169), wichtig geworden. Diese Aussage gilt allerdings nur für diesen Gründungskurs und auch hier nur in einem formalen Sinn, wenn man seine »Demonstrationen« (s. u. 18.2.5) nicht als kultisches Handeln versteht. 19 Zur Biographie auch GA 265,491 f. Vgl. auch die Briefe in: Beiträge zur Rudolf Steiner Gesamtausgabe, Heft 110, Dornach 1993, 27f. 20 Nach GA 342,250 wird die Übergabe des Rituals mit Schusters Weihe Mitte 1918 in Verbindung gebracht; »erstmals« verwandt worden sei es beim Begräbnis der Anthroposophin Marie Leyh am 14. Januar 1919. Wenig später (ebd. 254) wird die Beerdigung von Marie Hahn für die erste Verwendung genannt. 21 GA 343 (Ergänzungsband), 109-128. Der Druck suggeriert eine »Übersetzung« des lateinischen Textes durch Rudolf Steiner; warum Steiner nicht den deutschen Text bearbeitet haben soll, sagt die Kommentierung nicht. 22 Gädeke u. a.: Anthroposophie und die Fortbildung der Religion, 279 f. 23 S. u. Anm. 29.

18.2 Die Entstehung der Christengemeinschaft

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»Opferfeier«, die am 25. März 1923 erstmals zelebriert wurde24, nachdem also

der Textbestand für die Feiern der Christengemeinschaft bis auf das Ritual der Einsetzung des Erzoberlenkers vollständig vorlag. Diese Handlung ist, und das erhöht ihre Brisanz für die Christengemeinschaft dramatisch, eine Konkurrenz zu ihrem zentralen Ritus, der »Menschenweihehandlung« genannten Feier, die ursprünglich ebenfalls Opferfeier geheißen hatte25, denn auch die schulische Opferfeier mündete in eine Kommunionfeier. Immerhin haben die Priester wohl auch die Agenden der Schulfeiern mit dem Recht, sie zu zelebrieren, erhalten'. Doch war dies nur der Anfang einer Erstellung von Riten für Bereiche außerhalb der Christengemeinschaft: Steiner hat sich mit Überlegungen getragen, einen anthroposophischen Kultus zu entwickeln, bei dem »nicht die Form der Christengemeinschaft« in Frage komme (GA 265,35). Dabei hätte er vermutlich deutlicher noch als in den Ritualen der Christengemeinschaft eine Autonomie der Selbsterlösung gefordert27. In dieser Relativierung des Kultus der Christengemeinschaft, die durch die geplanten Rituale der reorganisierten Esoterischen Schule noch verschärft worden wäre, dokumentierte Steiner, daß für Anthroposophen der Kultus der Christengemeinschaft nicht ausreiche. Er hielt ihn wohl für ein Zugeständnis in einer Zwischenzeit - bis die Zeit komme, wo alle für den anthroposophischen Kultus reif sein würden (s. u. 18.3.2).

18.2.2 Der erste Theologenkurs (12. bis 16. Juni 1921) Die Christengemeinschaft besitzt in ihrem Selbstverständnis einen Initialpunkt: den 21. Mai 1921, als mehr als zwanzig (zum Teil ehemalige) Theologie-Studenten Steiner einen Brief überreichten, in dem sie ihn nach der Möglichkeit der »Entfaltung des Geistbewußtseins« für die »gegenwärtige Menschheit« und nach »Religion« im »lebendigen Leben« im Kontext der »anthroposophischen Bewegung« frugen und dabei explizit die Rolle des »Priestertums« ins Gespräch brachten28.

Dazu 15.5.6; die Rituale sind jetzt zugänglich in GA 269. Vgl. Schühle: Entscheidung für das Christentum der Zukunft, 146, oder Rittelmeyer: Brief an Rudolf Steiner vom 31.1.1922, 38. 26 Gädeke: Anthroposophie und die Fortbildung der Religion, 145. Ob er damit aber die Christengemeinschaft zur Hüterin dieser Zeremonien bestellte oder ob er ihr damit signalisierte, daß es noch andere Kulte gab, ist nicht ganz klar. 27 Überlegungen zu einem neuen Ritus liefen unter dem Titel »umgekehrter Kultus«, in dem nicht mehr »Wesenheiten der übersinnlichen Welten auf den physischen Plan heruntergeholt werden« sollten, sondern bei dem man sich »durch gemeinsame Erkenntnisbemühung zu den übersinnlichen Welten hinauf erhebe« (GA 265,33). 28 Abgedruckt in: Die Christengemeinschaft 58 / 1986, 222; auch bei Gädeke: Anthroposophie und die Fortbildung der Religion, 274 f., und bei Schroeder: Die Christengemeinschaft (22001), 31. Vorher gab es zwar schon Anfragen von einzelnen (siehe Schroeder, ebd., 25-30),.aber keine Versuche, eine anthroposophische Kirche zu gründen. Einen Vorlauf seit 1916 / 17 oder gar in den Vorkriegsjahren, wie ihn Gädeke: Anthroposophie und die Fortbildung der Religion, 248-265, suggeriert, gibt nicht. Die dort angeführten Äußerungen Steiners zum Verhältnis von Anthroposophie und Religion betreffen ein Grundproblem der Anthroposophischen Gesellschaft, das unabhängig von der Christengemeinschaft existierte (dazu unten 18.3.2). 24 25

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18. Die Christengemeinschaft

Daraufhin veranstaltete Steiner vom 12. bis zum 16. Juni 1921 den ersten »Theologenkurs« mit 25 Teilnehmern29. Leider wissen wir über die Gruppendynamik dieser Tage sehr wenig, da die anthroposophischen Darstellungen ebenso wie die nichtanthroposophischen die theologischen Inhalte ins Zentrum rücken. Diesen blinden Fleck gibt es in unterschiedlichem Ausmaß bei allen Theologenkursen. Klar ist, daß Theologen im Sommer 1921 ein starkes, vermutlich sogar das dominierende Segment der Kursgruppe bildeten. Dazu zählten drei altkatholische Priester", die als »Träger der apostolischen Sukzession«31 für viele Teilnehmern von hoher Bedeutung waren; auch der Theologiestudent Emil Bock, der zu einer zentralen Figur werden sollte, nahm bereits teil. Die Veranstaltung lebte von den Vorträgen Steiners, die er im Beisein seiner Frau hielt32; einzelne Themen diskutierte man in »fünf Kommissionen« in der Stuttgarter Waldorfschule". Die wichtigsten Inhalte und die sozialen Abgrenzungen, insbesondere gegenüber den Kirchen, die im nächsten eineinviertel Jahr besprochen wurden, thematisierte Steiner schon in diesem Kurs. In seinem Entrée zeichnete er seinen Gegner, die großen Kirchen und ihre Schwächen, vor deren Hintergrund er seine »religiöse Erneuerung« als Alternative aufbaute. Die theologische Schule Albert Ritschls etwa behaupte, die »wissenschaftlichen Erkenntnisse« - Steiner dachte vermutlich an die historische Kritik - würde »das religiöse Leben« »zersetzen« (GA 342,16). Aber auch »subjektives religiöses Leben« könne für Ritschlianer »nicht eigentlich Inhalt des allgemeinen evangelischen Glaubens sein« (ebd., 18). Weil nun der Lehrinhalt die Gemeinschaft »individualisiert, analysiert«, benötige man eine neue »Gemeinschaftsbildung« (ebd., 35). Steiner schuf also eine gemeinsame Front mit dem eher kulturliberalen Ritschlianismus gegen die historisch-kritische Theologie, dem alten Erzfeind aus den Vorkriegsjahren, um dann aber die Ritschl-Schule als protestantischen Individualismus zurückzuweisen. Im Katholizismus hingegen seien »dogmatische Inhalte, gewisse Inhalte über Tatsachen und Wesenheiten des übersinnlichen Lebens, in Symbole gekleidet« (GA 342,20). Die damit postulierte »Notwendigkeit, zum Bilde zu greifen«, sei auch für die von ihm favorisierten Konzepte »durchaus gegeben« (ebd., 114). Einer allegorischen Interpretation theologischer und namentlich biblischer Inhalte, die Steiners Denken wie die Spiritualität der Christengemeinschaft prägten, war damit die Tür geöffnet. Dies war aber nur ein Aspekt einer weitreichenden Faszination am Katholizismus. »Die katholische Kirche hat das magische Mittel, ohne Vertrauen", durch das äußere symbolische Seelenwirken machtvoll in das 29 Kurstage nach GA 342; Teilnehmerzahl ebd., 74. 238. Gegen Ende des Kurses kam noch der Tübinger protestantische Pfarrer Hermann Heisler dazu. Auf Wunsch Steiners nahmen auch Marie von Sivers teil sowie fünf Lehrer der Waldorfschule, die den freien Religionsunterricht erteilten (Ernst Uehli, Herbert Hahn, Leonie von Mirbach, Wilhelm Ruhtenberg [später Priester der Christengemeinschaft] und Paul Baumann). Von den 18 Teilnehmern wurden 14 später Priester der Christengemeinschaft (GA 342,238). 3° Sydow: Aus der Begründungszeit, 54. 31 Heidenreich: Aufbruch, 25. vgl. Anm. 98. 32 Husemann: Die Begründung der Christengemeinschaft, 299. 33 Kacer-Bock: Emil Bock, 254. 34 Die Herausgeber der GA ergänzen hinter »Vertrauen«: auf die »Individualkraft«.

18.2 Die Entstehung der Christengemeinschaft

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soziale Leben hineinzuwirken.« (ebd., 58). Zudem besitze sie in ihren Priestern eine Art Mittler »übersinnlicher« Kräfte, konkurriere also im Anspruch auf diese Erkenntnisdimension mit der Anthroposophie. Aber sie mache den Priester zu einem Instrument der Institution. Wenn er predige und die Stola auf der Brust kreuze, sei er ein Mensch, »der sich ... ganz aushöhlt«: »In dem Augenblick spricht die Kirche« (ebd., 56). Der Anthroposoph hingegen, kann man ergänzen, besitze einen eigenständigen Zugang zur übersinnlichen Welt, ohne an eine Institution gebunden zu sein. Zudem sei jede Theologie intellektualistisch geworden, sie »ist ja leider bei dem Standpunkt angekommen, daß man das Wissen von Gott immer höher stellt als das Leben in Gott, das Erleben des Göttlichen in der Seele« (ebd., 42). Dies war nicht nur eine Kritik an den Reflexionszumutungen der Theologie und an ihrer philologischen Methodik, sondern auch ein Hinweis auf das, was Steiner für die Religion und die anthroposophischen Kulte für zentral hielt: eine lebensphilosophisch eingefärbte Unmittelbarkeit im Erleben. Damit galten die Kirchen in Steiners Augen für eine weitere religiöse Entwicklung als unbrauchbar: »Bei all den Bekenntnissen, die heute existieren, finden Anthroposophen ein religiöses Leben nicht.« (ebd., 60) Für seine Alternative nahm Steiner Maß am katholischen Kultus (GA 342, 98-102), während er sich von anderen Ritensystemen, etwa der Freimaurerei (dort gehe der »Kultus« über »in eine rein materialistische Bewegung« [ebd., 117]), distanzierte. Aber die katholische Liturgie mußte er seinen protestantischen Zuhörern zuerst erklären. So erläuterte er als die vier »Grundteile« des »Meßopfers« (so die vorvatikanische katholische Terminologie) »das EvangelienVorlesen, das Offertorium, die Wandlung - die Transsubstantiation - und die Kommunion.« (ebd., 98) Auch der Verweis auf das »Brevierbeten« »des katholischen Pfarrers« zeigt die Dominanz der katholischen Perspektive (ebd., 43)35. Gleichzeitig grenzte er sich vom Katholizismus ab, etwa wenn er offenbar schon in diesem Kurs die liturgische Gleichberechtigung der Frau ankündigte36. Wie groß die Schwerkraft des Katholischen war, wird deutlich, wenn man die von Steiner verwandten Beispiele durchgeht: Der Protestantismus kam fast ausschließlich im Bezug auf theologische Theorien vor, während die meisten praktischen Beispiele aus dem katholischen Bereich und vielfach aus Österreich stammten (etwa ebd., 112.179). Dieser katholische Schwerpunkt findet sich in allen Theologenkursen und dokumentiert Steiners geringes Wissen über evangelische Gottesdienste, Spiritualität, Theologie und Lebensführung. Er war eben in einem katholischen Umfeld aufgewachsen. Wie tief dieses Wissen über die katholische Tradition wiederum reichte, ist unklar. Ich stufe es als weitenteils oberflächlich und auch punktuell ein37 . 35 Nach Sydow: Aus der Begründungszeit, 37, habe Steiner das »Priesterbrevier« schon in diesem Kurs gegeben, aber möglicherweise irrt sich Sydow hier in den Terminen. 36 Heidenreich: Aufbruch, 24. Bei derartigen Erinnerungen ist nie ganz klar, ob man die drei schnell hintereinanderfolgenden Theologenkurse scharf auseinandergehalten hat. Steiners Sozialisation in seinem freigeistigen Elternhaus dürfte keine intensiven Spuren hinterlassen haben. Das Zusammentreffen mit katholischen Priestern von der Universität im Wien der 1880er Jahre mag immerhin intellektuelle Anstöße gegeben haben, aber vermutlich eher in philosophischen als in theologischen Fragen. Wie fern Steiner einer intimen Kenntnis der christlichen

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18. Die Christengemeinschaft

Die hinter Steiners Äußerungen stehende scharf antikirchliche Haltung (s. u. 18.4.3), die nur ein Verhältnis der Überbietung zu den großen Kirchen zuließ, führte konsequenterweise zur Propagierung einer eigenen Kirchengründung, die Steiner im Gegensatz zu manchen anwesenden Theologen sofort ins Auge faßte. »Dazu wird es notwendig sein, so viele Menschen, wie Sie können - nicht von der Kirche, aber von denjenigen Menschen, die noch nicht dazu sich entschließen können, aus der Kirche auszutreten, um mit Ihnen freie Gemeinden zu gründen -, herauszuretten aus der Kirche« (GA 342,65). Die Neugründung sei »mit dem Menschenmaterial zu bilden, das heute rein aus Vorurteilen noch innerhalb der alten Kirche steht« (ebd., 66). Zumindest Emil Bock ventilierte aber am 13. Juni noch eine innerkirchliche Option und meinte, »das, was wir religiös öffentlich tun können, kann nur in der Kirche geschehen« (ebd., 72)38. Steiner hingegen sah hingegen die inhaltlichen Differenzen klar und meinte, daß in der kirchlichen Lehre »gewisse Forschungsergebnisse der Anthroposophie durch die Dogmatik ausgeschlossen seien« (ebd., 77). Man begann noch in diesem Kurs mit Schritten zur Institutionalisierung. Joachim Sydow unterzeichnete »eine Art Verpflichtungsformular«39, Steiner übergab einigen (allen?) Kandidaten »die meisten kultischen Texte, auch die vier Hauptteile der Weihehandlung«40, also die Texte, die er schon für die altkatholischen Priester verfaßt hatte (s. o. 18.2.1). Bock verkündete am 13. Juni die Gründung einer »Zentralstelle« für die Korrespondenz und Organisation der Interessierten (GA 342,72) und übernahm schon bei der Stuttgarter Tagung deren Leitung¢ ; hier entstand der Nukleus der inneren Leitungsgruppe der späteren Priesterschaft der Christengemeinschaft. Steiner forderte die Teilnehmer auf, »180 bis 200« Interessenten zu werben, ehe ein weiterer Kurs abgehalten werden könne (ebd., 74)42. Noch im Juni besuchte Bock deshalb in Nürnberg den liberalprotestantischen Pfarrer und Freund Friedrich Rittelmeyers, Christian Geyer, um ihn auf Wunsch Rittelmeyers für die neue Bewegung zu gewinnen43.

Konfessionen stand, indiziert die immer wieder unsichere oder abgelegene Terminologie, in diesem ersten Theologenkurs etwa die Rede von der »Sündensühnung« (GA 342,19). Steiners Prägung durch christliche Traditionen bedürfte einer eigenen Aufarbeitung. 38 Allerdings ist eine Anweisung Steiners, »ob nicht innerhalb der bisherigen Kirchenorganisation begonnen werden könne«, auch bei Rittelmeyer: Meine Lebensbegegnung, 140, dokumentiert. Vgl. dazu unten 18.4.3. 39 Sydow: Aus der Begründungszeit, 36. Wer von den anderen Teilnehmern unterzeichnete, ist unklar. 4o Ebd. 41 Kater-Bock: Emil Bock, 255. 42 Diese Forderung ist den Teilnehmern im Gedächtnis geblieben. Von einer zehnfachen Teilnehmerzahl spricht Heidenreich: Aufbruch, 25, Koschützki: Fahrt ins Erdenland, 321, und hat die Forderung nach 200 Teilnehmern im Gedächtnis behalten. 43 Kater-Bock: Emil Bock, 255. »Geyer legte auf detaillierte Berichte kaum Wert. Schon nach den ersten Andeutungen schien er zu verstehen, um was es sich handelte.« Bock: Zeitgenossen, 117. Angesichts von Geyers schon lange laufender Beschäftigung mit der Theosophie (s. u. 18.2.6), von der Bock nichts zu wissen scheint, ist diese Reaktion nachvollziehbar.

18.2 Die Entstehung der Christengemeinschaft

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18.2.3 Der zweite Theologenkurs (26. September bis 10. Oktober 1921) Innerhalb der nächsten drei Monate gelang die von Steiner geforderte Erhöhung der Teilnehmerzahl weitgehend, es kamen mindestens 109 (und vielleicht 128) Personen, möglicherweise waren es noch mehr (GA 343,647 f.), von denen die Mehrheit Theologen waren`. Es dürfte sich dabei um eine heterogene Gruppe von Überzeugten und kritisch Interessierten gehandelt haben, die schnell geworben werden konnte. Der zweite Theologenkurs wurde dadurch zu einer Plattform kontroverser Diskussionen, auf der Steiner die Identitätsstiftung der Christengemeinschaft in Abgrenzungsdebatten vornahm. Dieser Zyklus darf damit ein hohes Interesse beanspruchen, weil man, was sonst für Steiners Vorträge schwer möglich ist (und bei anderen Vorträgen, deren Umstände rekonstruierbar sind, noch kaum geleistet wurde), das Diskussionsmilieu und damit die Umstände der Artikulation seiner Thesen nachvollziehen kann - obwohl in den Aufzeichnungen einmal mehr genauere Information zugunsten der Weitergabe von Steiners »reinem« Text in den Hintergrund gerückt wurden. Der Diskussionskontext" war ein protestantischer, wie sich an den Debatten, vor allem aber an den Personen ablesen läßt. Allerdings bleiben die kritischen Diskutanten oft anonyme Stichwortgeber46, weil die späteren Priester der Christengemeinschaft, die die zugänglichen Erinnerungen verfaßt haben, die Gruppendynamik nicht zuletzt als einen Prozeß der Ausscheidung unbrauchbarer Kandidaten beschrieben, während von denjenigen, die Steiner den Rücken kehrten und mutmaßlich für die kritischen Töne verantwortlich waren, bislang kaum in Beschreibungen oder Einschätzungen des zweiten Theologenkurses bekanntgeworden sind. So schrieb der Christengemeinschafts-Priester Alfred Heidenreich, der aus der Jugendbewegung kam und seiner protestantischen Heimat entfremdet war47, es seien »insbesondere ... eine Reihe protestantischer Pfarrer, die nur an einer theologischen Diskussion interessiert waren«, gekommen. Immerhin habe er eine fremde Welt kennengelernt: »Für die jüngeren Teilnehmer, denen große Teile der theologischen Diskussion als Zeitverschwendung erschienen, war es dennoch von großem Wert, einmal in dieser Weise Bekanntschaft mit dem theologischen Bewusstsein alter Zeit zu machen und mitzuerleben, mit welcher Meisterschaft Rudolf Steiner auch auf abstrakte und theoretische Fragen mit einem lebendigen Wort antwortete.«48 Der Theologiestudent Emil Bock glaubte, er sei unter 44 Die unterschiedlichen Zahl kommen vielleicht durch die Differenz zwischen einer Teilnehmer- und einer Anmeldeliste zustande. Heidenreich: Aufbruch, 25, nennt 120 Teilnehmer. Unter den Teilnehmern lassen sich sicher 61 Theologen (Teilnehmerliste) resp. 68 Theologen (Anmeldeliste) ausmachen. Bock, zit. in: Kater-Bock: Emil Bock, 298, spricht von »ca. 110 Theologen«. 4s Als Fragenkomplexe lassen sich identifizieren: Absolutheit der Anthroposophie in der Frage nach der Geltung übersinnlicher Einsicht (so Rittelmeyer, GA 343,51 [s. ul); Glaube und Wissenschaft (ebd., 91), Zugang zur Bibel (ebd., 131), apostolische Sukzession (ebd., 169). 46 Viele Fragen sind ohne die Namen der Fragesteller notiert worden. Dies hängt neben der Fixierung auf Steiners Worte auch mit den Problemen eines Stenographen zusammen, ihm unbekannte Personen festzuhalten. Gädeke: Die Gründer, 132 f. 48 Heidenreich: Aufbruch, 25.26.

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»protestantische Theologen geraten, die kein Gefühl dafür hatten, daß das intellektuelle Diskutieren, wie es ihnen zum Lebenselement geworden war, den Tod der Religion bedeutet. Vom dritten Tag an bat ich ihn [Steiner] inständig, statt der sogenannten >Diskussionsstunden< - diese wechselten mit Vorträgen ab - Vorträge zu halten. Er aber sagte: >Haben Sie Geduld, wir müssen durch das alles hindurch!< ... Aber wir atmeten doch auf, als er nach einigen Tagen unserer Bitte nachgab und, an die Fragen, die ich ihm auf dem Hinweg übermittelt hatte, anknüpfend, statt der Diskussion Vorträge hielt.«49

Die diskursive Veranstaltung mutierte offenbar zu einer Verkündung von Antworten durch Steiner. Leider wurden diese Debatten offenbar keiner stenographischen Aufzeichnung für wert befunden. An der Veranstaltung nahmen auch wieder die altkatholischen Pfarrer Schuster und Neuhaus teil", zum ersten Mal auch Geyer, der sein Interesse mit einer ironischen Anmerkung von Kurselementen wie den Eurythmiestunden verbinden konnte: »Das tut doch gut, wenn einem der Aetherleib so ums Gebein schlampert.«51 Aber in Bocks Augen war Geyers Rolle ambivalent: »Angesichts der unerhörten Perspektiven ... blieb er schweigsam. Auch hielt er sich in den Zwischen-Beratungen, in denen aus viel intellektuell-theologischem Gestrüpp die wirklich vorwärtsführenden, an Dr. Steiner zu richtenden Fragen herauszuarbeiten waren, zurück«. Bock fühlte sich »von ihm im Stich gelassen und drang in ihn, sich aktiver an der Abwehr der abstrakten Nur-Theologie zu beteiligen. Er aber, der Gefallen daran hatte, wie ich gelegentlich die Störenfriede hatte abfahren lassen, sagte nur: >Gib es ihnen nur noch viel radikaler!«8. Steiners Vorstellung des Übersinnlichem eröffnete ihm einen Zugang zur jüdisch-christlichen Überlieferung, die dadurch für ihn von einem kulturellen Symbolsystem zu einer erfahrbaren Welt eigener Qualität wurde. Er habe »mit Lachen begonnen ..., während es mir später vergangen ist «'S9 Vor diesem Hintergrund lassen sich weitere Revisionen der liberalen Theologie lesen, die er Steiner verdankte. Wie bei Rittelmeyer kam es auch bei Geyer zu Christologisierung der Jesusfrömmigkeit, darüber hinaus zu einer Entdeckung der Meditation und zu einer neuen Wertschätzung des Abendmahls160 Aber am Kultus der Christengemeinschaft muß Geyer zur Distanz gegenüber Steiners Anthroposophie gefunden und das Eigengewicht seiner protestantischen Tradition wiederentdeckt haben16' Die Gründe für seine Distanzierung waren im Kern die gleichen wie 1918: Zum ersten kritisierte er den Überbietungsanspruch der Anthroposophie gegenüber der Religion. Solange sie »eine '» Alle diese Informationen zum Dornacher Aufenthalt in Geyer: Heiteres und Ernstes, 254. Bock: Zeitgenossen, Kater-Bock: Emil Bock, 291. u5 Geyer: Heiteres und Ernstes, 247. 156 Ebd., 248. 157 Ebd., 249. 58 Ebd., 247. 159 Ebd., 250. 16° Belege für die Christologisierung bei Loevenich: Christian Geyer, 313; vgl. auch Geyers Predigtbände »Gott und die Seele« (mit Friedrich Rittelmeyer), und »Der Menschen suchende Gott«. Zur Meditation Loevenich, ebd., 314; zum Abendmahl ebd., 317. 161 Rießbeck: Die Predigt bei Christian Geyer, I, 414. 159

18.2 Die Entstehung der Christengemeinschaft

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weltliche Wissenschaft« war162, sah er keine Probleme, und einen entsprechenden Schlüsselsatz hatte er auch über seinen Beitrag für die Festschrift zu Steiners 60. Geburtstag gesetzt (»Geisteswissenschaft kann niemals eine Religion schaffen wollen«)163 Aber mit der Etablierung des Kultus der Christengemeinschaft sah Geyer diese Grenzlinie überschritten164. Zum zweiten kam eine Konkurrenz im Kernbereich evangelischer Theologie hinzu. Vor der Begegnung mit Steiner war ihm der »Sinn des reformatorischen Rechtfertigungsgedankens ... noch nicht aufgegangen«165 - so Geyer in der autobiographischen Reinterpretation seines Lebens. Steiner verdanke er dessen Entdeckung. Geyer griff zur Erläuterung auf eine klassische Gegensatzkonstruktion der Kontroverstheologie zurück, auf die Differenz zwischen »Heiligungsstreben und Rechtfertigungsbedürfnis«'66, also auf Zuschreibungen der Charakteristika katholischer und protestantischer Soteriologie. Mit diesem Instrument identifizierte er in der Christengemeinschaft ein selbstmächtiges Erlösungsstreben. An die Stelle des gottsuchenden Menschen, der doch nur sich selbst suche, setzte Geyer die Erfahrung der Ergriffenheit, den menschensuchenden Gott167. Die Debatte um Selbsterlösung, die Constantin Neuhaus auf dem zweiten Theologenkurs aufwarf und wodurch er Steiner zur Offenlegung der Selbsterlösungsdimension in Anthroposophie und Christengemeinschaft genötigt hatte, mag dabei eine katalytische Funktion besessen haben - aber dies ist spekulativ. In dieser Auseinandersetzung fand Geyer jedenfalls zu seinen evangelischen Wurzeln: »Ich hätte als liberaler Theologe nicht sehr viel auf die zu einem orthodoxen Dogma degradierte Rechtfertigungslehre gegeben, allein die innerliche Auseinandersetzung mit Anthroposophie und Christengemeinschaft hat es mir klar gemacht, daß ich nicht in die Theologia gloriae, sondern in die Theologia crucis gehöre.«168 Über die Kontinuitätslinien zu seiner anthroposophischen Phase hat sich Geyer weniger prononciert geäußert. Hier gab es nicht nur die Revitalisierung der evangelischen Frömmigkeit, sondern auch Transformationen, die Rießbeck aus der Perspektive der lutherischen Tradition kritisch in der Theologie des durch Steiners Weltanschauung hindurchgegangenen Geyer sieht: die evolutionäre und pantheisierende Aufladung des Gottesbildes, die Mythisierung 162

Geyer: Heiteres und Ernstes, 250. Ders.: Rudolf Steiner und die Religion, 81; vgl. seine Selbstkommentierung in Geyer: Heiteres und Ernstes, 253. 164 Geyer, ebd., 251-253. Im Detail dürfte das Verhältnis zu Steiners Kultproduktion aber komplexer gewesen sein. So ist denkbar, daß ihm die hochkultische Priesterzentrierung fremd blieb, während Steiners Anliegen einer sinnlichen Vermittlung religiöser Erfahrung zur Revision seiner Abendmahlsfrömmigkeit (vgl. auch oben Anm. 160) geführt haben könnte. - Daß der ausgezeichnete Orgelspieler Geyer (Bock: Zeitgenossen, 118) in ambivalenter Weise religiös »musikalisch« war, könnte auch Bocks Hinweis beinhalten, daß Geyer zwar Wagnerianer war, also die kultartigen Musikinszenierungen schätzte, aber gemeint habe, daß sich ihm »der eigentliche Kern des Parsifal nicht erschlossen« habe; zit. nach ebd., 114. 165 Geyer: Heiteres und Ernstes, 248. 166 Ebd., 255. 167 Rießbeck: Die Predigt bei Christian Geyer, I, 418. 168 Geyer: Heiteres und Ernstes, 255. Signifikanterweise findet sich in diesem Kontext eine anerkennende Bemerkung zur Begegnung mit Christoph Blumhardt und seinem Pietismus. 163

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der Gestalt Christi, Sünde als Durchgangsstadium der Entwicklung, Erlösung als Vervollkommung oder die Überlagerung der Gewißheit im Glauben durch eine »Schau«169 Am bedeutenden Einfluß Steiners, den Geyer an wesentlichen Stellen zurückdrängte und an wichtigen Punkten fortschrieb, ist jedenfalls nicht zu zweifeln. Der Abschied Geyers war für alle Seiten schmerzlich. Rittelmeyer erwog, sich nun doch nicht der Christengemeinschaft zur Verfügung zu stellen, Geyer sah sich vor die »schwerste Entscheidung« seines Lebens gestellt'", Steiner wies »mit eindringlichem Ernst auf die Bedeutung dieses Verlustes hin«' '. Er habe »nicht alles so tief ernst mit der Religion genommen«, aber er sei jemand, »den wir alle sehr lieb haben und lieb behalten« (GA 344,28). Geyer schrieb Steiner am 4. September 1922 einen freundschaftlichen, von großer Nähe zeugenden Abschiedsbrief12 und verlor die Christengemeinschaft nicht aus den Augen: Er studierte, wie Annotationen belegen, auch nach der Trennung von Steiner Bocks Evangelienauslegungen1>. Geyer war der Bekannteste, aber längst nicht der einzige, der nicht zur Christengemeinschaft übertrat. Auch Wilhelm Stählin (1883-1975), der mit der Gründung der Berneuchener Konferenzen und Michaelsbruderschaft seit 1923 die Liturgiereform in die evangelische Kirche trug, war trotz intensiver Bewerbung durch die Christengemeinschaft nicht beigetreten174. Die Mehrheit der Interessenten im zweiten Theologenkurs hat diese Konsequenz ebenfalls gezogen. Auch ein in der Theosophie lange engagierter Pfarrer wie Paul Klein, der seit 1910 den Mannheimer Zweig der Adyar-Theosophie leitete, blieb der Christengemeinschaft fern, »weil ich im Grunde ein unkultischer Mensch bin und die letzte Rettung des Christusglaubens mir auch von einer Erneuerung des Kultus nicht verspreche« - allerdings gehörten sein Sohn Gerhard und sein Schwiegersohn Hermann Groh zum Gründerkreises. Schließlich gab es die Mitglieder des Gründerkreises, die ihre Entscheidung später revidierten und der Christengemeinschaft den Rücken kehrten. Über ihre Motive läßt sich nur in Umrissen etwas sagen. Wir wissen wenig darüber, weil sie wie Verräter behandelt wurden: Harald Schilling habe »nicht die Kraft, seinen Impuls ... durchzutragen«, gefunden, Johannes Werner Klein wurde zum »ersten Apostaten« gestempelt, Gertrud Spörri konnte >tragischerweise< »nicht durchhalten« und habe ihr »Gelübde gebrochen«, und Jutta Frenzel bedeutete 69

Rießbeck: Die Predigt bei Christian Geyer, I, 407 f. Geyer, in: Christentum und Gegenwart, März 1923, S. 40, zit. nach Loevenich: Christian Geyer, 315. Über seinen Trennungsschmerz habe Geyer in einem Brief an Rittelmeyer in der Verschlüsselung eines Traums berichtet: »Ich sagte, durch sie [die Trennung] sei mein Leben zu Ende, aber ich könne und dürfe das nicht ändern«; zit. nach Bock: Zeitgenossen, 120. 171 Sydow: Aus der Begründungszeit, 41. 12 Geyer: Brief an Rudolf Steiner vom 4.9.1922. 13 Bock: Zeitgenossen, 121. 14 Stählin: Via Vitae, 318. 15 Biographische Angabe: Anonym: Paul Klein — Biographisches, 21; der Rückblick auf die Distanz zur Christengemeinschaft stammt aus einem Brief des Jahres 1952, ebd., 25; hier auch die Hinweis auf Familienmitglieder. Zur intensiven anthroposophischen Einfärbung von Paul Kleins Biographie siehe Klein: Pfarrer Paul Klein und Rudolf Steiner. 10

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für den Priesterkreis ein »schweres Schicksal der Untreue«, weil auch sie »ihr Gelübde« »brach«16. In der Außenperspektive bleibt eher der Eindruck, daß sich eigenständige Persönlichkeiten wieder verabschiedeten1": Schilling löste sich in den zwanziger Jahren von der Christengemeinschaft und schrieb bei Nicolai Hartmann eine Dissertation über Aristoteles; dies mag eine Distanzierung vom monistischen Denken Steiners indizieren. Und daß der als Protestant aufgewachsene Schilling katholisch beerdigt wurde, könnte bedeuten, daß die kultische Phase in der Christengemeinschaft für ihn eine Zwischenstation war. - Auch für Johannes Werner Klein, der noch von Steiner zum »Oberlenker« ernannt worden war, wurde Nicolai Hartmann zu einer wichtigen Bezugsperson. Aber der Weg zu einem Abschied von der Christengemeinschaft im Jahr 1929 liegt im Dunkeln, das Liebesverhältnis zu Emma Krille erklärt diesen Schritt wohl nicht. Möglicherweise reichten ihm die Anschlußstellen der Anthroposophie in konservatives Denken nicht aus; er fand sich jedenfalls in den dreißiger Jahren als Nationalsozialist wieder. Frenzel verließt die Christengemeinschaft wohl um das Jahr 1930 herum, vermutlich weil sie mit anderen zusammen das Ritual reformulieren oder weitergehend reformieren wollte (s.o. 18.4.1). Sie arbeitete nach ihrem Austritt mit hohem Engagement in ihrer vielköpfigen Familie und bei einem Buchklub. - Auch Spörri gehörte zum dem Kreis, der eine Veränderung des Rituals anstrebte, war vielleicht sogar eine der treibenden Kräfte. Später arbeitete sie beim Roten Kreuz und in einer Tuberkolose-Heilanstalt; sie wurde ohne christliches Begräbnis beerdigt. Letztlich verblieb nur ein kleiner Teil der in der Gründungsphase ernsthaft Interessierten in der Christengemeinschaft. Aber die Erforschung der Abstoßungsreaktionen und die Wirkung der Beschäftigung mit den Vorstellungen der Christengemeinschaft auf diese Menschen steht noch am Anfang. Von einer Imprägnierung mit der Theologie der Christengemeinschaft über die Vertiefung des nichtanthroposophischen Christentums bis zu einer Abwendung von der Religion scheinen die Wirkungen zu reichen. Bemerkenswerterweise verließen mit Frenzel und Spörri zwei der drei Frauen aus der Gründergeneration die Christengemeinschaft. Man kann darüber diskutieren, ob die Freiheiten in der Christengemeinschaft in der Praxis doch nicht so revolutionär waren, wie die Weihe zu Priesterinnen verheißen hatte.

Die Gründer, 471 (Schilling); 105. 104. 99 (Spörri); 94 (Klein); 400 (Frenzel). Die folgenden Angaben ebd., 473 (Schilling); 91-94 (Klein); 400 (Frenzel); 106 (Spörri).

16 Gädeke: '77

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18. Die Christengemeinschaft 18.3 Institutionalisierung 18.3.1 Die Gründung von Gemeinden und Institutionen

Nachdem das Priesteramt institutionalisiert war, kehrten die meisten der Frischgeweihten Ende September in verschiedene deutsche Städte zurück. Am 3. Dezember 1922, dem ersten Advent, feierten viele erstmals die Menschenweihehandlung1B, vermutlich soweit sich im Vorfeld der Weihe Interessenten gefunden hatten. Die Geschichte verlief in den einzelnen Gemeinden so unterschiedlich, wie die Bedingungen und die Gründerpersönlichkeiten waren. In Stuttgart gründeten Friedrich Rittelmeyer, Emil Bock und Gertrud Spörri eine Gemeinde, die kontinuierlich existierte; in Ravensburg hingegen gelang es Jutta Frenzel nicht, eine Gemeinde zu bilden, ebensowenig in Erlangen, wo vor ihr schon Eduard Lenz gescheitert war; in Kassel wiederum gründete Richard Gitzke zwar eine Gemeinde, überließ sie aber schon 1926 Johannes Hemleben und ging nach Eisenach19. Für viele Neupriester war dieser Schritt in die Eigenständigkeit wohl auch ein Absturz in die »Vereinzelung«, wie ihn Joachim Syrow in Rostock erlebte180. Der Aufbau dürfte vielerorts Kärnerarbeit bedeutet haben, schon weil die Finanzierung, deren Organisation Steiner dezidiert eingefordert hatte1e', eine Schwachstelle blieb: So bettelte Alfred Heidenreich sich in Frankfurt (Main) die Mahlzeiten zusammen182. Andernorts ging es leichter, wie Rudolf von Koschützki erfahren konnte, der vorerst auf Gut Koberwitz unterkam und dort die ersten Menschenweihehandlungen feierte, ehe er in Breslau eine Gemeinde gründete1B3. Zugleich müssen in anderen Bereichen überaus reichliche Geldmittel für die Arbeit der Christengemeinschaft geflossen sein184. Eigene Kirchenbauten wurden aber erst seit Ende der zwanziger Jahre errichtet185, bis dahin feierte man in Aulen und Privaträumen (GA 344,243)'86 Das Zentrum der Christengemeinschaft lag in Stuttgart, entgegen Steiners Wunsch, in Berlin den Hauptsitz einzurichten187. Im Stuttgarter Priesterseminar, mit dessen Bau man ja schon vor der Weihe begonnen hatte188, hielt Bock seit Januar 1923 einen Seminarkurs189, seit April 1923 erschien, ebenfalls in StuttHeidenreich: Aufbruch, 38; Gädeke: Anthroposophie und die Fortbildung der Religion, 280. Gädeke, ebd., 58 (Stuttgart), 399 (Ravensburg), 298 (Kassel). 180 Sydow: Aus der Begründungszeit, 58. 181 Ebd., 40. 182 Heidenreich: Aufbruch, 79. 183 Koschützki: Fahrt ins Erdenland, 325f. 184 Hermann Heisler etwa konnte 1921 schon 100.000 Reichsmark und weitere finanzielle Zusagen einwerben; Bock: Brief an Rudolf Steiner vom 2.8.1921, 32. Vgl. auch die Mittel für den Bau des zentralen Stuttgarter Hauses, oben Anm. 64. Priestergewänder ließ die Mäzenin des Goetheanum, Helene Röchling, herstellen; Schubert: Selbsterlebtes im Zusammenhang mit Rudolf Steiner, 48. 185 Wehr: Rittelmeyer (1998), 191. 186 Räume von Freimaurern hielt Steiner, wenn man sich auf deren Festsaal beschränke, für geeignet, nicht jedoch die Logenräume (GA 344,243). 1fl7 Wehr: Rittelmeyer (1998), 187. Seit 2004 ist das Zentrum der Christengemeinschaft in Berlin, während sich das Priesterseminar weiterhin in Stuttgart befindet. 188 S. o. 18.2.4. 189 Kater-Bock: Emil Bock, 313; Nach Wehr: Rittelmeyer (1998), 191, war auch Rittelmeyer beteiligt. 18 19

18.3 Institutionalisierung

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gart, Rittelmeyers Zeitschrift »Tatchristentum«, ein Zerfallsprodukt der noch mit Geyer begründeten Zeitschrift »Christentum und Gegenwart«190; in diesem Jahr rief Rittelmeyer auch den »Verlag der Christengemeinschaft« ins Leben191 . Zur Bildung einer »Schwesternschaft auf dem Boden der Christengemeinschaft« ist es hingegen wohl nicht gekommen192. Insgesamt wird man neben florierenden Gemeinden vielerorts mit einer mühsamen Gründungsphase rechnen, deren Probleme im Vergleich mit der auf Dauer erfolgreichen Gründung leicht aus dem Blick geraten. 18.3.2 Christengemeinschaft und Anthroposophische Gesellschaft (1922/ 1923) Die Schwierigkeiten der Christengemeinschaft in der Gründungsphase trafen auf eine Anthroposophische Gesellschaft, die den Schwung der Anfangsjahre vor dem Krieg nicht wiedergefunden hatte: Die institutionellen Strukturen waren gut etabliert, aber verkrustet, und manche Anthroposophen - so Steiner - dachten: »Nun ging es mit der anthroposophischen Bewegung nicht, jetzt wurde die Bewegung für religiöse Erneuerung als das Richtige begründet.« (GA 219,174) Zugleich artikulierten junge Anthroposophen ganz neue Erwartungen, geprägt etwa durch die Jugendbewegung, aus der ja auch viele Mitglieder der Christengemeinschaft kamen (s. o. 18.2.6). Aus der doppelten Krise von Christengemeinschaft und Anthroposophischer Gesellschaft ergab sich eine naheliegende Lösung. Die »Bewegung für religiöse Erneuerung« ließ sich als Erneuerung der Anthroposophischen Gesellschaft verstehen, und ihre christologische Zentrierung - hatte Steiner nicht in der Auseinandersetzung mit Annie Besant seine Christusvorstellung zunehmend ins Zentrum der Theosophie gerückt? - als »Krone der Anthroposophie« deuten193 . »An einigen Orten erwog ... die ganze lokale Anthroposophenschaft, sich in eine Gemeinde der Christengemeinschaft zu verwandeln«194. So trat in Konstanz der anthroposophische Zweig geschlossen zur Christengemeinschaft über, in Heidenheim telegraphierte der Zweigleiter zu Weihnachten 1922 nach Dornach »Alle Zweigmitglieder Mitglieder der Christengemeinschaft geworden«, in Hamburg wurde die Zweigarbeit zu Weihnachten dieses Jahres eingestellt, in Bielefeld tauschte man das Vereinsschild »Anthroposophische Gesellschaft« durch »Christengemeinschaft« aus, Bücherbestellungen beim Philosophisch-Anthroposophischen Verlag wurde mit der Begründung, man habe jetzt die Christengemeinschaft, storniert195 Anthroposophen fanden ihr religiöses Bedürfnis befriedigt, während »einige Priester froh waren, dass ihre Veranstaltungen so gut besucht waren, ohne dass ihrerseits besondere Anstrengungen nötig waren«'96 Möglicherweise achteten zwar einige Kater-Bock: ebd., 317; Geyer: Heiteres und Ernstes, 256 f. Kader-Bock: ebd., 317. 192 Die Christengemeinschaft 1 / 1924-25, 244. 193 Husemann: Die Begründung der Christengemeinschaft, 309. 194 Heidenreich: Aufbruch, 58. 195 Wolfgang Gädeke, in: Gädeke, Rudolf/ ders.; Interview, 87. 96 Heidenreich: Aufbruch, 58. 90 191

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18. Die Christengemeinschaft

Priester auf Distanz zur Anthroposophischen Gesellschaft'97, während viele Anthroposophen die von Steiner oft artikulierten Vorbehalte gegenüber Theologen tradierten19 >, aber die Situation spitzte sich schnell zu. Steiner fürchtete, daß »die religiöse Erneuerung sich der Zweige bemächtigt« (GA 259,218) und glaubte, »die wollen jeden haben«199 , »die grasen ab« (GA 300b,227). Mit der Gründung der Christengemeinschaft war ein Prozeß in Gang gekommen, der das Weltanschauungsmonopol der Anthroposophischen Gesellschaft in der anthroposophischen Bewegung in Frage stellte. Es dürfte für Anthroposophen schwierig gewesen sein, das Verhältnis beider Gruppen zu bestimmen, denn viele Äußerungen Steiners waren nur in intern verbreiteten Zyklen vorhanden, andere, nicht zuletzt Steiners Ansprachen bei der Begründung der Christengemeinschaft, praktisch unzugänglich. Und wie so oft waren Steiners Äußerungen ambivalent. Im ersten Theologenkurs hatte er im Juni 1921 die Institutionalisierungsfrage relativ offen gehandhabt und den künftigen Priestern im Grunde jede Option offengelassen: »Nur würde ich unter allen Umständen empfehlen, die Sache nicht so zu versuchen, daß mit Bezug auf die anthroposophischen Zweige und so weiter ein Sichzusammenschließen angestrebt wird« (GA 342,62). Aber »wenn ein Kern von Anthroposophen da ist, ist es nicht hinderlich, wenn wir auch diese Persönlichkeiten in der losen Zusammenschließung haben« (ebd., 79). Als aber Anthroposophen Ende 1922 begannen, »anthroposophische Zweige in Gemeinden für religiöse Erneuerung« >umzugestalten< (GA 219,175), sah Steiner sein Lebenswerk gefährdet. In seltener Schärfe wies er die Christengemeinschaft in einem Vortrag vom 30. Dezember 1922 in die Schranken. Es gebe Menschen, die »zunächst - da muß man die historisch gegebene Notwendigkeit ins Auge fassen - nicht in der Lage sind, unmittelbar den Gang zur anthroposophischen Bewegung anzutreten. Für sie muß ... der Geistesweg gesucht werden, welcher heute der der menschlichen Entwickelung angemessene ist.« (ebd., 167) Anthroposophen hingegen »werden ... den Weg finden, der auf der einen Seite ein künstlerischer, auf der andern Seite ein religiös-ethisch-sozialer sein wird. Diesen Weg geht die anthroposophische Bewegung, seit sie besteht. Für die anthroposophische Bewegung ist, wenn nur dieser Weg richtig verstanden wird, kein anderer notwendig.« (ebd., 167 f.)

197 In Frankfurt am Main erreichte es Heidenreich, daß die Mitglieder der Anthroposophischen Gesellschaft den Veranstaltungen der Christengemeinschaft zwei Jahre lang fernblieben; so seine Erinnerung (ebd., 86). 19s Derartige Vorbehalte benannte Bock explizit in einem Schreiben an Steiner vom 16. Juni 1921, zit. in: Kater-Bock: Emil Bock, 259. 1vv Unveröffentlichte Äußerung Steiners vom 9.12.1922, zit. nach Gädeke: Anthroposophie und die Fortbildung der Religion, 294. Konkret gab es eine ganze Reihe von Konflikten: Albert Steffen und Ernst Uehli hätten die Anthroposophische Gesellschaft nicht ausreichend über die Christengemeinschaft informiert, Vorträge Steiners seien nicht abgedruckt worden; vgl. ebd., 295 f. Oder Albert Steffen, Steiners Nachfolger als Vorsitzender der Anthroposophischen Gesellschaft, der »an allen Versammlungen und Zusammenkünften während der Begründung und Inaugurierung ... außer einer einzigen« teilgenommen hatte (Husemann: Die Begründung der Christengemeinschaft, 309), wollte wohl Priester der Christengemeinschaft werden (Dieter Buchholz, Vortrag in Bonn am 11.10.1991).

18.3 Institutionalisierung

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Im Klartext: Die Anthroposophie war für Steiner als unmittelbarer Zugang zur geistigen Welt der Königsweg, die Christengemeinschaft hingegen eine Hilfskonstruktion für diejenigen, die zurückgeblieben waren und den anthroposophischen »Weg unmittelbar nicht gehen können, welche [also] durch Gemeindebilden ... einen anderen Weg gehen müssen, der ... mit dem anthroposophischen erst später zusammenführt« (ebd., 168).

Steiner ließ an der Hierarchie im anthroposophischen Weltanschauungskosmos keine Zweifel aufkommen: Die Sonne ist die Anthroposophie, um sie herum kreisen nur Trabanten, die »erst später« (ebd., 168.170) zur wahren Einsicht kommen. Immer wieder variierte Steiner diesen Gedanken: Die »Anthroposophische Gesellschaft« müsse »voll tragen ... den Impuls der anthroposophischen Bewegung« und sich »als Kern der anthroposophischen Bewegung fühlen« (ebd., 163). Die »Geistesforscher« würden »Wahrheiten« finden, die anderen sie »mit dem gesunden Menschenverstand« verstehen (ebd., 166). Die Konsequenzen dieser Hierarchisierung zog Steiner mit schneidender Klarheit: »Diejenigen, die den Weg einmal in die Anthroposophische Gesellschaft gefunden haben, brauchen keine religiöse Erneuerung.« (ebd., 172) Immerhin betrachtete er die Christengemeinschaft als Organisation eigenen Rechts: Er habe die Gründung als »Privatmann« vollzogen und sei »vor allen Dingen nicht ... der Gründer« - aber diese Aussage sollte nicht die Unabhängigkeit der Christengemeinschaft sichern, sondern klarstellen, »daß die anthroposophische Bewegung mit dieser Bewegung für religiöse Erneuerung nichts zu tun haben darf« (GA 219,169). Gleichwohl vermittle die Anthroposophie selbstredend die Weltanschauung an die Christengemeinschaft: Sie »hat ihren Inhalt von der Anthroposophie hergenommen« (ebd., 172)200. Schließlich malte Steiner den Ruin der Anthroposophischen Gesellschaft durch die Christengemeinschaft an die Wand: Wer den »schweren Fehler« begehe, mit der Arbeit für Außenstehende in die Anthroposophische Gesellschaft »hineinzugreifen«, arbeite »an der Zertrümmerung und Zerschmetterung der Anthroposophischen Gesellschaft« (GA 219,171). Wenn die Christengemeinschaft statt unter »Nichtanthroposophen« »nun ihre Proselyten innerhalb der Reihe der Anthroposophen macht«, beschwöre sie den »Untergang der beiden Bewegungen« herauf (ebd., 173)201. Und außerdem: die Christengemeinschaft möge die Finger von den »materiellen Mitteln« der anthroposophischen Bewegung lassen, vielmehr Geld bei »Nichtanthroposophen« sammeln. Steiner fand zwar noch zu einer versöhnlichen Äußerung: »Es ist nichts gegen sie« - die Christengemeinschaft - »gesagt worden« (ebd., 175), aber das war eine höfliche Floskel am Rande der Unwahrhaftigkeit. Seitens der Christengemeinschaft wußte man nun, daß ein möglicher Traum, das kultische und vielleicht auch christologische Herz der Anthroposophie zu bilden, vielleicht sogar den orga200 Nochmals wenig später: Die Christengemeinschaft habe »zwar nicht den Inhalt ihres Kultus, aber die Tatsache ihres Kultus aus eigener Kraft heraus, aus eigener Initiative heraus formiert« (GA 219,175). 201 Vermutlich waren die Mitglieder mehrheitlich Anthroposophen; Plato: Zur Entwicklung der Anthroposophischen Gesellschaft, 55.

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18. Die Christengemeinschaft

nisatorischen Kern, ausgeträumt war. Der Vortrag hinterließ »Gezänk zwischen Anthroposophen und Religionserneuerern«, eine »angespannte Stimmung ... und eine schwüle Atmosphäre« (GA 300b,227) und »hatte eine tiefe Erschütterung in der Priesterschaft ausgelöst«202. Steiners Zurechtweisung der Christengemeinschaft ermutigte nun diejenigen Anthroposophen, nicht zuletzt wohl Steiners Frau, die gegenüber der Christengemeinschaft Vorbehalte hatte, will man nicht sagen, ihr latent feindlich gegenüberstand. Im Januar und Februar 1923 trafen in Stuttgart der Dreißigerkreis und der Siebenerkreis zusammen, zwei Koordinations- und Repräsentationsgremien, in der die Konflikte innerhalb der Anthroposophischen Gesellschaft ungeschützt aufbrachen. Offenbar kochten Differenzen hoch, wie man Steiners Äußerungen zur Christengemeinschaft interpretieren solle, Unklarheiten über das »soll< und >soll nichtsoll< man das tun, oder man >soll< es nicht tun - was aber gar nicht vorkommt in dem, was ich vortrug.« (GA 259,224) Steiner hielt jedenfalls erstmal an der Überordnung der Anthroposophischen Gesellschaft fest: Sie sei die Mutter, die Christengemeinschaft die Tochter203: »Warum sollte nicht die Hauptsache als solche geltend gemacht werden, daß man, mit voller Anerkennung des Inhaltes der religiösen Bewegung, in den Vordergrund stellt, daß die anthroposophische Bewegung die Schöpferin der religiösen Erneuerungsbewegung ist? Warum sollte man nicht diesen Punkt, der doch die Hauptsache ist, in den Vordergrund stellen? Wenn man es gewissenhaft schildert, so war es doch so, daß jüngere Theologen aufgetreten sind, die gesagt haben: Wir sind am Ende, wir sind fertig. Aus der Theologie kann keine Seelsorge mehr gewonnen werden. Die Theologie hat kein Verständnis für das wahre Christentum. Nun brauchen wir die Anthroposophie, die uns das wiederum gibt. - Das ist geschehen. Ein Kultus ist wirklich entstanden.« (ebd., 322)

Aber nicht nur die Kirchen, auch die Unfähigkeit der Anthroposophen hatten für Steiner erst den Raum für die Christengemeinschaft geschaffen: »Man stutzt plötzlich, daß die Leute [der Christengemeinschaft) so viel Anklang finden. ... Wenn diese Methoden so weiter gehen, wird die Anthroposophische Gesellschaft dastehen wie ein gerupftes Huhn ... Denken Sie, wenn Sie in der Anthroposophischen Gesellschaft die Kraft gehabt hätten, die [Angehörigen der Christengemeinschaft] zu absorbieren! Dr. Rittelmeyer und Bock sind aber weggegangen!« (GA 259,217)

In einer Vielzahl weiterer Äußerungen hat Steiner die Überordnung der Anthroposophie gegenüber der Christengemeinschaft und ihren Lehren expliziert204. 202 Husemann: Die Begründung der Christengemeinschaft, 309. Steiner nutzte mehrfach die Metapher von Mutter und Tochter hinsichtlich des Verhältnisses von Anthroposophischer Gesellschaft, Waldorfpädagogik und Christengemeinschaft: »Was wir aber brauchen, das ist, daß der Mutter nicht vergessen werde.« (GA 2574,27 [23.1.1923]; vgl. auch 28). In beiden Töchtern solle der anthroposophische Geist herrschen (GA 345,29 f.). An die Anthroposophen gerichtet: »Man freue sich der Tochter, aber man vergesse die Mutter nicht« (ebd., 21). »Es handelt sich darum, daß die Anthroposophische Gesellschaft nicht bloß die Mutter ist, sondern auch die Mutter bleibt. Dazu gehört wirklich reales Leben in der Anthroposophischen Gesellschaft.« (GA 259,326) »Die Anthroposophische Gesellschaft ist unabhängig von den Tochterbewegungen, die Tochterbewegungen aber nicht von der Anthroposophischen Gesellschaft.« (ebd.) 204 Die Überordnung der Anthroposophie explizierte Steiner in einer Vielzahl von Äußerungen: Die Christengemeinschaft stehe »im wesentlichen auf dem Boden ., der aus der Anthroposophie kommt« (GA 2574,173), die Anthroposophie sei die »lehrende Seele« der Christengemeinschaft (Steiner, zit. 203

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Manche Anthroposophen sattelten noch Vorwürfe drauf. Marie Steiner kritisierte seitens »der Religiösen« (GA 2622,419) ein »furchtbar starkes Werben, das autoritativ wirkt« (GA 259,327), und Emil Leinhas bemängelte, daß in der Christengemeinschaft »über den Ursprung aus der Anthroposophie nicht gesprochen« werde (ebd., 324). Aber nun, am 13. Februar 1923, verteidigte Steiner die Christengemeinschaft. Wenn deren Mitglieder »andere Menschen an das spirituelle Leben heranbringen«, hätten sie »allen Grund, das Wort >Anthroposophie< zu vermeiden« (ebd., 325). Steiner stellte damit nicht die weltanschauliche Abhängigkeit der Christengemeinschaft von der Anthroposophie in Frage, aber er rechtfertigte aus strategischen Erwägungen eine Verleugnung ihrer Wurzeln. Bei seiner Rückendeckung für die Christengemeinschaft gegenüber diesen vielfach von Stuttgarter Anthroposophen artikulierten Kritiken dachte er an die fast sprichwörtlichen »Stuttgarter Verhältnisse«, wo viel geredet, aber wenig gehandelt werde, wo Zwietracht herrsche und er sich unzureichend unterstützt fühlte205. So blockte Steiner das Ansinnen ab, einen »Referenten« für die Christengemeinschaft in der Anthroposophischen Gesellschaft einzusetzen (ebd., 327). Und dann hob er zur Kritik der Kritiker an: »Wenn Sie einfach meinen Vortrag vom 30. Dezember 1922 interpretiert bekommen in der Weise, daß Ihnen bloß negativ gesagt wird, der Anthroposoph brauche keinen Kultus, dann verlieren die Leute dieses Rückgrat.« (ebd., 326) Gleichwohl war die Christengemeinschaft angeschlagen. So sank in der Leipziger Gemeinde die Zahl der Teilnehmer an der weihnachtlichen Menschenweihehandlung von 100 Personen im Jahr 1922 auf zwei oder drei im darauf folgenden Jahr206. Und die innerantroposophischen Gegner klagten, etwa einem Bericht über die Verhältnisse in der Danziger Gemeinde (allerdings aus dem Jahr 1926), daß »die Arbeit der Vertreter der Christengemeinschaft 1) eine harmonische Zweigarbeit gesprengt [habe] 2) er anthroposophischen Arbeit nach aussen hinderlich geworden ist 3) der anthroposophischen [sic] Gesellschaft materielle Mittel entzogen 4) den Arbeitswillen und die Arbeitskraft der anthroposophischen Gesellschaft zersplittert hat.«207

Steiner mußte seine Schöpfung nun wieder aufrichten. 1923 fand ein »kurzes Zusammentreffen« Steiners mit der gesamten Priesterschaft statt, bei dem er »viel zu trösten, zu ermutigen und zu ordnen« hatte208. Im intimen Gespräch mit Priestern habe er seine Aussage vom 30. Dezember wiederholt, daß es sich beim nach Husemann: Die Begründung der Christengemeinschaft, 308), Anthroposophen seien geistige Helfer bei ihrem Kult (Steiner nach einem internen Gespräch, paraphrasiert bei Gädeke: Anthroposophie und die Fortbildung der Religion, 307). Die Anthroposophie begründe das »Eigentum« der Christengemeinschaft: »Gäbe es eine religiöse Bewegung, wenn es keine Anthroposophie gäbe? Damit aber ist die Frage schon beantwortet.« (GA 259,325) Oder: Steiner betonte, »daß die Überlieferung des Kultus an die religiöse Erneuerung dieser religiösen Bewegung das Rückgrat gegeben hat« (ebd., 326). 205 Vgl. exemplarisch 16.7.2b. 20» Gädeke: Anthroposophie und die Fortbildung der Religion, 294. 207 Abschrift eines Briefwechsels; SdM 1176-1-24a, Bl. 15. 208 Husemann: Die Begründung der Christengemeinschaft, 309.

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Kultus der Christengemeinschaft und der Erkenntnis in der Anthroposophischen Gesellschaft um »zwei notwendige, aber verschiedene Wege zum Geist« handle209, und war auch erneut der Auffassung entgegengetreten, Anthroposophen bräuchten keinen Kultus210. Am 18. März 1923 stellte er in der Vereinszeitschrift »Das Goetheanum« ein persönlich gehaltenes Zeugnis der Zuneigung aus, das seitdem seitens der Christengemeinschaft immer wieder zitiert wird. Er müsse die Erlebnisse mit den Theologen, namentlich während der Weihe, »zu den Festen meines Lebens rechnen« (GA 36,332). Hinter derartigen positiven Äußerungen zur Christengemeinschaft stand bei Steiner wohl ein Bündel von Motiven: Er wollte der Christengemeinschaft nicht das Rückgrat brechen, denn er hatte ihr als anthroposophische Vorfeldorganisation eine wichtige Rolle zugewiesen. Gegenüber den Stuttgarter Heißspornen achtete er möglicherweise auch eine Machtbalance durch Machtzuteilung. Sodann dürfte er ihre kultischen Feiern geschätzt haben: Er soll, wo immer eine Menschenweihehandlung gefeiert wurde, ihr auf Reisen beigewohnt haben; er habe nach der Gründung der Christengemeinschaft keine Gottesdienste der Kirchen besucht. Und als Edith Maryon starb, telegraphierte Steiner den nächsten Priester der Christengemeinschaft herbei". Auch die Einbindung der Christengemeinschaftspriester in die medizinische Therapie läßt sich als Bekundung seiner Wertschätzung lesen (s. 16.5.2g). Last but not least schätzte er einzelne Priester, namentlich Rittelmeyer, als Persönlichkeiten212; ihn ernannte Steiner zu einem der sogenannten Goetheanum-Redner, die die Anthroposophische Gesellschaft autoritativ in der Öffentlichkeit vertreten konnten213 Steiners Äußerungen zum Verhältnis von Anthroposophie und Christengemeinschaft214 haben eine weitverzweigte Interpretationsliteratur hervorgerufen, in der sich bis heute Verteidiger der Superiorität der Anthroposophischen Ge209 Steiner in einem Gespräch mit zwei Oberlenkern am 18.1.1923, zit. in Gädeke: Anthroposophie und die Fortbildung der Religion, 320. »Wer den einen geht, sollten den anderen nicht überheblich geringer schätzen«, fuhr Steiner fort. Damit war aber weder die Superiorität der Anthroposophie noch die (in Steiners Augen) historische Rückständigkeit des Weges der Christengemeinschaft zurückgenommen. 210 Steiner im Gespräch mit Priestern am 12.7.1923, zit. in Gädeke: Anthroposophie und die Fortbildung der Religion, 321. Steiner bezog sich explizit auf die Begräbnisliturgie; die anthroposophischen Kulte existierten davon unberührt. 211 Steiners regelmäßige Anwesenheit in christengemeinschaftlichen Riten auf Reisen nach der mündlichen Überlieferung in der Christengemeinschaft; die anderen Informationen bei Heidenreich: Aufbruch, 71. Steiner wurde schließlich mit einem Ritus der Christengemeinschaft beerdigt. Rittelmeyer: Meine Lebensbegegnung, 154, schreibt, er selbst habe die Handlung vollzogen. Nach Lauer: Ein Leben im Frühlicht des Geistes, 64, waren es die Oberlenker der Christengemeinschaft. 212 Allerdings verlief die Beziehung zu Rittelmeyer, der in den folgenden Jahren intensiv in der Anthroposophischen Gesellschaft tätig war (Wehr: Friedrich Rittelmeyer [1998], 202f.), auch nach dieser Krise nicht ohne Probleme. So warf Steiner Rittelmeyer vor, 1923 zu sanftmütig auf polemische Vorwürfe gegen ihn in der »Konferenz nicht-anthroposophischer Kenner der Anthroposophie« reagiert zu haben (ebd., 206-208): möglicherweise waren deshalb Mitglieder der Christengemeinschaft nicht auf der Weihnachtstagung 1923 präsent (ebd., 209). 213 Gädeke: Anthroposophie und die Fortbildung der Religion, 389. 214 Zusammenstellung einschlägiger Stellen etwa in: Anthroposophische Gesellschaft und Christengemeinschaft. Eine Zusammenstellung von Äußerungen Rudolf Steiners (noch vor der Veröffentlichung der Priesterzyklen in der GA).

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sellschaft und Verteidiger der Eigenständigkeit der Christengemeinschaft finden. Am intensivsten aber wird diese Debatte von Mitgliedern der Christengemeinschaft geführt, die von Steiners Äußerungen am stärksten bedroht sind215 Meines Erachtens ist Steiners Argumentation im Kern klar: Die Anthroposophie sei Schöpferin der Christengemeinschaft und als solche ihre »Mutter«; eine Unabhängigkeit der Christengemeinschaft gebe es insofern nicht. Diesen Befund hat Steiner in der Öffentlichkeit des Vortrags vom 30. Dezember 1922 noch relativ zurückhaltend formuliert, ihn jedoch in den internen Besprechungen vom Januar und Februar 1923 unmißverständlich klargestellt. Wenn er dabei zugleich die Christengemeinschaft in Schutz genommen hat, dann um ihr den eingegrenzten Spielraum, die Sammlung von Anhängern außerhalb der Anthroposophie, offenzuhalten, nicht aber, um den Spielraum der Anthroposophischen Gesellschaft einzugrenzen. Die dabei vorgenommene Zurückweisung der Anthroposophen in der Antroposophischen Gesellschaft zielte auf die »Stuttgarter Verhältnisse« und hatte strategische, nicht inhaltliche Gründe. Auch die Verweise auf notwendige kultische Dimensionen war kein Zugeständnis an die Christengemeinschaft, sondern ein Hinweis auf die Notwendigkeit von Kulten, die auch innerhalb der Anthroposophischen Gesellschaft zu realisieren waren. Gerade an diesem Punkt hat Steiner mit den Riten für die Waldorfschule ja alsbald Taten folgen lassen, außerdem neue Riten für die Esoterische Schule ins Auge gefaßt. Ich sehe hier keine »widersprüchlichen Äußerungen« Steiners, wie Gerhard Wehr meinte, weil Steiner manchmal die Begründung der Christengemeinschaft durch die anthroposophische Bewegung reklamierte und ebendies manchmal ablehnte216: Steiner konnte den Begriff äquivok verwenden: die weltanschauliche Begründung ablehnen und die organisatorische behaupten. In all diesen Rochaden war und blieb er in einer alles dominierenden Position: Er hat allein den Kultus geschaffen, die Priesterweihe organisiert und der Christengemeinschaft die Grenzen gewiesen, als sie die anthroposophische »Mutter«gesellschaft abzudrängen drohte. Und die Aussage vom 30. Dezember 1922, daß der mündige Anthroposoph die Hilfestellung religiöser Vergemeinschaftung nicht benötige, hat er nicht zurückgenommen. Deshalb scheint mir eine vielzitierte Verhältnisbestimmung, die Friedrich Rittelmeyer als Aussage Steiners überlieferte - »die Anthroposophische Gesellschaft wendet sich an das Erkenntnisbedürfnis und bringt Erkenntnis; die Christengemeinschaft wendet sich an das Auferstehungsbedürfnis und bringt Christus«21 -, der Deutlichkeit von Steiners Intentionen auszuweichen. Wenn Steiner diesen Satz so gesprochen hat, gehört er wohl zu den beschwichtigenden Aussagen, die vom Priesterkreis als nichtöffentliche Auslassungen Steiners überliefert sind. In seinem öffentlichen Verhalten hat Steiner an der Überordnung der Anthroposophie und insoweit am ungleichen Niveau der beiden Wege festgehalten. In seinem letzten Akt der Institutionalisierung der Christengemeinschaft hat er dies 1925 nochmals unter Beweis gestellt. 215 Letztlich ist der gesamte Band Gädeke: Anthroposophie und die Fortbildung der Religion, diesem Konflikt geschuldet; vgl. bes. 310-323. 216 Wehr: Friedrich Rittelmeyer (1998), 195. 217 Rittelmeyer: Meine Lebensbegegnung, 144.

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18. Die Christengemeinschaft 18.3.3 Die Einsetzung des ersten Erzoberlenkers (1925)

Den Abschluß der Errichtung der Priesterhierarchie bildete die Einsetzung des »Erzoberlenkers«, wie Steiner die Funktion selbst genannt hatte, des strukturellen Äquivalents zum Papstamt. Steiner habe »versprochen, diese rituelle Handlung selbst zu vollziehen«, war aber durch seine Erkrankung daran gehindert218. So wurde die Zeremonie am 24. Februar 1925 in Berlin ohne sein Beisein vollzogen, doch hatte er Marie Steiner und Guenther Wachsmuth an seiner Statt abgeordnet, die auch den Wortlaut der Agende mitgebracht hatten219. Den Text hatte Steiner mit allerhöchster Legitimation versehen: »Dies ist unmittelbar aus der geistigen Welt gegeben«, habe er Wachsmuth bei der Übergabe gesagt220. Die »feierliche« Eröffnung in der Berliner Singakademie, schrieb Marie Steiner, habe »mit dem Anzünden des siebenarmigen Leuchters bei lautloser Stille, dem würdigen Aufmarsch der weißgekleideten Priester und einer sehr starken Ansprache Rittelmeyers« begonnen (GA 2622,449). Der weitere Fortgang der Feier ist mir unbekannt''. Trotz seiner Krankheit behielt Steiner mithin die wichtigsten Fäden zur Organisation der Hierarchie der Christengemeinschaft in der Hand. Zu der Zeremonie, zu der im Prinzip nur die Priester und Priesterinnen der Christengemeinschaft zugelassen waren, wurden eben doch seine Frau und Wachmuth hinzu beordert: Sie repräsentierten die Anthroposophische Gesellschaft und dokumentierten als Überbringer des Ritualtextes die Abhängigkeit von Dornach. Auch in der Wahl des Erzoberlenkers hatte sich Steiner nicht hineinreden lassen und bereits 1921 geäußert, Rittelmeyer solle »Bischof« werden222. In das nach Berlin überbrachte Ritual hatte Steiner bereits seinen Namen eingetragen und zugleich Emil Bock als Nachfolger Rittelmeyers bestimmt223. Eine freie Wahl billigte er der jungen Priesterschaft nicht zu, solange er lebte.

18.3.4 Kurzer Ausblick: die Jahre nach Steiners Tod Die Trauerfeier bei Steiners Begräbnis zelebrierten Friedrich Rittelmeyer und andere Priester der Christengemeinschaft in der Schreinerei am Goetheanum. Steiner lag in der Mitte aufgebahrt, eine »schwarzverhängte Bühne mit Tannengrün, Laub, und unendlich vielen Blumen« umgaben die Bahre. »Die Priester umstanden den Sarg, an dessen vier Seiten hohe Kerzen brannten.« Aber nach der Musik von Jan Stuten endete die Feier mit einer Ansprache Albert Steffens'. 218 Heidenreich: Aufbruch, 39. Offenbar gibt es weitere Hinweise, daß Steiner nicht nur anwesend, sondern rituell selbst tätig sein wollte; vgl. Anm. 251. 219 Heidenreich, ebd. 220 Wachsmuth: Rudolf Steiners Erdenleben, 623. 221 Der Text ist nicht öffentlich zugänglich und weder bei Hapatsch: Die Kultushandlungen, noch bei Lambertz: Zur Kultus-Frage, noch in der GA abgedruckt. 222 Wehr: Friedrich Rittelmeyer (1998), 181 f. 223 Wachsmuth: Rudolf Steiners Erdenleben und Wirken, 623. 224 Schubert: Selbsterlebtes im Zusammenhang mit Rudolf Steiner, 57.

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Es scheint, daß nach Steiners Tod die Christengemeinschaft in eine Phase der Konsolidierung eintrat, in der man mit der inneren Organisation der jungen Kirche beschäftigt war - einschließlich der Abgrenzung von der Anthroposophischen Gesellschaft225. Kontakte mit den christlichen Kirchen dürfte es in der Weimarer Zeit hingegen kaum gegeben haben226 und allzuoft endeten die wenigen Kontakte vermutlich in Distanz227. Geyer blickte dankbar, aber distanziert zurück228. Wie tief der Graben teilweise gewesen sein muß, belegt ein Kritiker wie Adolf von Harnack, der Rittelmeyer gegenüber (allerdings schon 1921) seine Ablehnung dokumentierte: »Die Allegoristik erscheint mir wie die Ideenflucht von Ekstatischen zu gewünschten All-Einheiten ... Eigentlich seid Ihr alle von der gleichen Art, ... ob ihr Euch nun Joachim von Flores oder Steiner oder Thiersch oder Rittelmeyer nennt«229. Bis nach dem Zweiten Weltkrieg (s. u. 18.7) blieb es weitgehend bei der theologischen Funkstille. Aber die Christengemeinschaft wuchs, auf immerhin etwa 5.000 Personen bis zum Ende der Weimarer Republik230. In der NS-Zeit hatte die Christengemeinschaft unter der Verfolgung durch die Nationalsozialisten zu leiden. Nachdem sie aufgrund des Übergangs in die Zuständigkeit des Reichskirchenministeriums das Verbot der Anthroposophischen Gesellschaft im Jahr 1937 überlebt hatte l, wurden am 9. Juni 1941 alle Niederlassungen der Christengemeinschaft durchsucht232. Der Erzoberlenker Emil Bock wurde tags darauf verhaftet und blieb bis Anfang 1942 inhaftiert233. Auch andere Mitglieder der Christengemeinschaft verloren zeitweilig ihre Freiheit234, ermordet wurde allerdings keiner von ihnen. Aber das Beziehungsgeflecht zum nationalistischen Deutschland war, wie immer, weitaus komplexer. Rittelmeyer formulierte zunehmend deutschtümelnde und in den dreißiger Jahren antisemitische Vorstellungen, Johannes Hemleben, ein Priester der Christengemeinschaft, verfaßte 1928 einen hymnischen Text auf Mussolini235. August Pauli wiederum, ebenfalls Priester, artikulierte 225

So nötigte Marie Steiner die Christengemeinschaft, Mittel für einen Kirchenbau in Stuttgart teilweise für den Neubau des Goetheanum zur Verfügung zu stellen; Wehr: Rittelmeyer (1998), 191 f. 226 Stählin: Via Vitae, 520-526, nennt die Studienkommission »Kirche und Anthroposophie« (s. u. 18.7) des Jahres 1947 als ersten offiziellen Kontakt. 227 Vgl. die dichte Studie zum Ausschluß der reformierten Berner Pfarrer und Anthroposophen Friedrich Eymann und Karl Bäschlin; Nägeli: Kirche und Anthroposophie. 228 Geyer: Heiteres und Ernstes, 257. 229 Zit. in Rittelmeyer: Aus meinem Leben, 397. 230 Werner: Anthroposophen in der Zeit des Nationalsozialismus, 139. 23' Ebd., 139. 146, hier insgesamt S. 139-153. Ergänzend zu den Angaben bei Werner, S. 146f., berichtet Birnbaum: Das Kultusproblem, II, 62, daß er, Birnbaum, es gewesen sei, der durch seine Intervention veranlaßt habe, daß die Christengemeinschaft nicht als Sekte geführt wurde und so in die Zuständigkeit des Reichskirchenministerium gekommen sei. 232 Kater-Bock: Emil Bock, 447. 233 Nach einer Internierung im Stuttgarter Gefängnis wurde er am 4. Juli in das Durchgangs- und Schutzhaftlager »>Polizeigefängnis< Welzheim« verbracht (ebd., 450). Bock sei aber seit Ende Juli nicht mehr verhört worden (ebd., 451) und habe sich mutig gegenüber den Grausamkeiten im Lager verhalten (ebd., 455). Er selbst ist offenbar nicht davon betroffen gewesen; vielmehr genoß er Vorrechte und konnte an seiner Übersetzung des Neuen Testaments weiterarbeiten (ebd., 456). Er wurde am 5. Februar 1942 entlassen (ebd., 457). 234 Ebd., 451. 235 Zander: Anthroposophische Rassentheorie, 325-327 (Rittelmeyer). 32879 (Hemleben).

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1932 einerseits ein hohes Verständnis für die »nationale Bewegung« in Deutschland, die »besondere Verbindung zwischen deutschem Geist und wahrem Christentum« und die Ablehnung des »Judaistischen, Hellenistischen, Romanistischen« als etwas »Fremdem«; zugleich aber sprach er sich gegen das »Germanisieren« des Christentums aus und forderte ein »wahres Geistchristentum«, an dem die Welt genesen solle236. Schließlich waren zumindest einige spätere Mitglieder der Christengemeinschaft Parteigenossen, andere wußten, daß die Nazis an einigen Punkten ähnliche Vorstellungen besaßen wie Steiner, etwa daß die christlichen Kirchen zusammenbrechen würden und dem Untergang geweiht seien237. Aber die komplexe Geschichte des Verhältnisses von Nationalsozialismus und Christengemeinschaft ist noch nicht adäquat beschrieben.

18.4 Theologie in der Christengemeinschaft Auf der Grundlage von Steiners Lehrgut hat die Christengemeinschaft eine Dogmatik erhalten, die einen eigenen Typus unter den Programmen der seit dem 19. Jahrhundert neugegründeten Religionsgesellschaften darstellt. Steiners Lehren bilden eine Lehrgrundlage, die die Christengemeinschaft zu einer typisch europäischen Religionsgesellschaft machen, die über Institution und Dogma verfaßt ist; daß in der Bewertung des Stellenwerts anthroposophischer und christlicher Elemente die Außenperspektive und die Selbstwahrnehmung weit auseinandergehen, bleibt schlicht festzuhalten. Die Systematisierung und namentlich die Fortschreibung dieser Vorstellungen ist noch unerforscht und wird im folgenden nicht aufgearbeitet. Wohl aber analysiere ich einige zentrale Vorstellungen, die Steiners Einfluß auf die Lehren der Christengemeinschaft dokumentieren und für ihr Selbstverständnis wesentlich sind238. Dabei gehören nicht nur Steiners Äußerungen zur Begründung der Christengemeinschaft, sondern auch die übrigen theosophischen und anthroposophischen Vorträge zu diesen Grundlagen. Schon den Teilnehmern des Gründungskurses war klar, daß das in diesen Vorträgen von Steiner »Gegebene« »dem Inhalte nach fast ausnahmslos in seinen übrigen anthroposophischen Vorträgen behandelt« sei239. Auch eine weitere Forschungslücke konnte ich nicht schließen: weder Steiners Vorwissen in theologischen Fragen rekonstruieren noch den Wegen seines Wissenserwerbs en détail nachgehen. Schon bei seiner Konzeption der theosophischen Christologie wurde ja sein engagierter, aber laienhafter Umgang mit der theologischen Tradition klar (s. 8.2-3), und in dem Versuch, der Christengemeinschaft eine Theologie zu geben, ergibt sich kein anderer Befund. Steiner war bemüht, den 236 Pauli: Blut und Geist (im Verlag der Christengemeinschaft), 1932, 34 (»Bewegung« und »besondere Verbindung«). 36 (»Fremdes«, »germanisieren«). 237 Vgl. Kader-Bock: Emil Bock, 447. 238 Die wichtigste Veröffentlichung ist hierzu der Abschnitt über die Christengemeinschaft in Stieglitz: Einladung zur Freiheit. In dieser Veröffentlichung konnte er die Priesterzyklen, die bei der Drucklegung seines Buchs »Rettung des Christentums?« (1965), noch nicht erschienen waren, einarbeiten. 239 So Husemann: Die Begründung der Christengemeinschaft, 305.

18.4 Theologie in der Christengemeinschaft

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Stand der theologischen Debatte zu erfassen, hatte aber offenbar Mühen und sicher auch nicht ausreichend Zeit, sich einzuarbeiten. Daß er sich über die Rechtfertigungslehre mit Hilfe eines katechismusartigen theologischen Kompendiums informierte, wohl mit dem Handbuch Christian Ernst Luthardts (1823-1902)240, beleuchtet schlaglichtartig seine prekäre Grundlage.

18.4.1 Theologische Methodologie Die Formulierung theologischer Lehrsätze unterliegt in der Christengemeinschaft der gleichen Regeln, die auch für die Anthroposophie gelten: Theologische Aussagen sollen primär übersinnliches Wissen explizieren und dem anthroposophischen Wissenschaftsanspruch folgen: »Es kommt nicht darauf an, ob es einem unangenehm ist, es kommt darauf an, daß durch gewisse Methoden über das Übersinnliche etwas gewußt werden kann« (GA 343,63). Glaube galt demgegenüber als defiziente Wissensform, etwa als Gefährdung, weil es an die »zeitlichen Kräfte des Menschen« binde (ebd., 99). Steiners übersinnliches Wissen begründete deshalb faktisch die Verbindlichkeit seiner Aussagen und insbesondere die Unveränderlichkeit der Rituale: Der Kultus war im Selbstverständnis Steiners nicht von ihm geschaffen, sondern »aus der geistigen Welt gegeben«24'. Die Auslegung der Bibel wie auch der Lehrtexte der christlichen Tradition folgt - wiederum faktisch - den Vorgaben Steiners, wie er sie bei der Entwicklung seiner Christologie formuliert hatte. So bevorzugte Steiner auch für die Christengemeinschaft eine »allegorische Auslegung des Alten Testaments« (GA 343,239), und in der Evangelienauslegung »müssen wir verzichten auf den Intellektualismus und uns in das Anschauliche hineinfinden« (ebd., 159). Die historisch-kritische Methode verfiel also weiterhin seinem Verdikt, weil sie dazu tendiere, »die Bibel ganz materialistisch [zu] erklären« (ebd., 144), dagegen setzte Steiner auf die Kompetenz der subjektiven Innerlichkeit als hermeneutischer Instanz: Man müsse die »Seele erst entzünden an einem Anschauen des Äußerlichen« (ebd., 163). Der Objektivitätsanspruch der rituellen Handlungen, war dem anthroposophischen Anspruch geschuldet, geistige Wirkungen sichtbar und wissenschaftlich verläßlich zum Ausdruck zu bringen. Vom »liturgischen Gewand«, das entsprechend der »Färbung des astralischen Leibes« gearbeitet sei (GA 342,141), bis zur Opferfeier sei es »tatsächlich so: Wenn die Transsubstantiation durch einen wirklichen Priester ausgeführt wird, dann bekommt die Hostie eine Aura. Nun, das mögen Sie glauben oder nicht, ich kann es nur erzählen.« (ebd., 139; vgl. GA 343,339) Mit dieser an magische Konzepte erinnernden Konzeption verließ Steiner seine Vorlage, die katholische Deutungstradition, die zwar an der Objektivität des Ritus festgehalten hat, die Wirkungen jedoch an den subjektiven Glauben des Empfängers band. 24o Geyer: Heiteres und Ernstes, 248; dabei ging es um Luthardt: Kompendium der Dogmatik (' 1866), vor der Gründung der Christengemeinschaft zuletzt postum Leipzig "1914. 24, Husemann: Die Begründung der Christengemeinschaft, 305.

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Auf der normativen Ebene hingegen sah sich die Christengemeinschaft weitgehend ohne Dogmen. Sie folgte dem liberalprotestantisch-anthroposophischen Postulat der Dogmenfreiheit, das sie in den Anspruch überführte, eine Kirche zu sein, in der es Lehrfreiheit für Geweihte und Laien und zusätzlich Bekenntnisfreiheit für die nichtgeweihten Mitglieder gelte. Die Priester waren mithin an den Kultus und an das Bekenntnis gebunden242. Hier kam ein Erbe des liberalen Protestantismus, das schon das antidogmatische Selbstverständnis der Theosophie und der Liberal-Katholischen Kirche geprägt hatte, über Steiner zur Christengemeinschaft. Die Aporie dieser Konstruktion ist auch bei der Christengemeinschaft evident, da auch sie nicht alle Inhalte subjektiver Beliebigkeit überließ. Als der Priester Hermann Weidelehner nach Steiners Tod genau das tat, was Steiner als Ziel des anthroposophischen Schulungsweges postulierte, nämlich auf seiner eigenen höheren Einsicht bestand und daraufhin den Ritus änderte, wurde er wegen dieses »selbstüberheblichen Tuns« ausgeschlossen243. Die Unveränderlichkeit der Rituale ist ein Teil der normativen oder faktischen Dogmatisierung von Lehrbeständen, ebenso wie das unveränderte, wenngleich in seinem »Wortlaut« als veränderbar geltende Credo244.

18.4.2 Kultisches Handeln Alle theoretischen wie praktischen Dimensionen der Christengemeinschaft kulminieren in den sakramentalen Riten. Die Christengemeinschaft ist in einem emphatischen Sinn Kultkirche. Der Kultus wird, Steiners theosophischem Weltbild folgend, von den »Mysterien der Vorzeit« abgeleitet und als Feier der zeitgemäßen »neuen Mysterien« verstanden295: »Es ist der für die heutige Zeit von Gott verordnete Kultus«246. Mehr noch: »Ein Kultus entsteht dadurch, daß er das Abbild ist von demjenigen, was in der geistigen Welt vorgeht.« (GA 2366,283) Deshalb begründete Steiner auch seine Anlehnung an die katholische Messe mit der Ätiologie, daß die katholische Kirche »noch auf dem Stand-Punkt steht, auf dem die innere Konstitution des ägyptischen Priester-Lebens und sozialen Lebens ungefähr im zweiten vorchristlichen Jahrtausend stand«247. Deshalb sei das »Meß-Opfer« »auf uralte, vorchristliche Zeiten« zurückzuführen und »zum Teil umgewandelt ... aus den ägyptischen und vorderasiatischen Mysterien« (GA 342,98). Diese Genese ist fiktiv und gehört in die Versuche der Jahre um 1900, 242

Bock: Die neue Reformation, 32. Gädeke: Die Gründer, 104; weitere Informationen ebd., 162. 400. 244 Das Credo sei zwar nur »zum persönlichen Gebrauch übergeben« (Schroeder: Die Christengemeinschaft ['1990], 188), doch wird es in der Menschenweihehandlung in der Funktion eines Gemeinschaftstextes verlesen. Die Veränderbarkeit räumt Husemann: Die Begründung der Christengemeinschaft, 305, ein. Der Text wurde wiederholt abgedruckt, etwa bei Hutten: Seher, Grübler, Enthusiasten (121982), 696; Handbuch Religiöse Gemeinschaften (>2000), 268 f.; Hapatsch: Die Kultushandlungen, 21 f. 245 Husemann: Die Begründung der Christengemeinschaft, 311. 246 Steiner, zit. ebd., 305. 247 Dieses Zitat stammt aus der hektographierten Mitschrift; Steiner: Erster anthroposophischer Kurs, 86 [13.6.1921]; vgl. GA 342,83. 243

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das Christentum als Mysterienreligion zu verstehen248. In historisch-kritischer Perspektive war die tridentinische Messe jedoch in der Gestalt, in der Steiner sie zur »Menschenweihehandlung« umgebaut hat, ein Ergebnis der nachantiken, mittelalterlichen und im wesentlichen frühneuzeitlichen Christentumsgeschichte und beerbte keine vorchristlichen Mysterienkulte. Zur theologischen Plausibilisierung der Menschenweihehandlung gehörte aber nicht nur die historische Begründung. Für ihre Akzeptanz dürfte die emotionale Dimension, namentlich bei Protestanten, eine entscheidende Rolle gespielt haben. Der Gottesdienst der Christengemeinschaft war, wie die maurerischen Zeremonien, nicht zuletzt oder vielleicht sogar vor allem, ein Erlebnis. So sah Joachim Sydow das Zentrum der Gründungstage und seiner Kultfeiern in »einem Punkt: das Erleben der unmittelbaren Gegenwart der geistigen Welt, der Anwesenheit der Götter«249. Die psychosozialen Wirkungen dürften strukturanalog denen in den maurerischen Zeremonien gewesen sein. Diese Erlebnisdimension ist wiederum nicht von der Sakralisierung des Kultes zu trennen, die sich in seiner postulierten Herkunft aus der geistigen Welt, oder in der Anmahnung der Bedeutung jedes Details widerspiegelte (»Alle Einzelheiten sind in einem solchen Ritual bedeutend«, GA 343,477). Dazu kommt die faktische Unveränderbarkeit der Kultushandlungen, die die Geweihten in einem Treuegelöbnis anzuerkennen haben (GA 344,132) und die Steiner später mündlich auf 300 Jahre ermäßigte250. Steiner suchte auch hinsichtlich seiner Person dieser Außeralltäglichkeit Rechnung zu tragen, indem er behauptete, selbst »niemals irgendeine Kultushandlung ausgeführt« zu haben (GA 219,169) und die Durchführung von Kasualien an Priester der Christengemeinschaft delegierte. Allerdings darf man solche Aussagen kaum zum Nennwert nehmen: Er hat nicht nur vor 1922 kultisch gehandelt (s. o. 18.2.1), sondern auch bei der Weihe der Priester und Priesterinnen und war bei der Einsetzung des Erzoberlenkers bereit gewesen und nur durch seine Krankheit gehindert, sich von der Regelung auszunehmen und persönlich mitzuwirken251 Steiners zentrale Stellung ist bei der Gründung der Priesterschaft insbesondere in der Bereitstellung der Ritualtexte deutlich geworden, erstreckte sich aber auch auf die Realien von den Gewändern bis zu den Inventargegenständen. Auch die Zeichen determinierte er, etwa, indem er zwei Varianten des Kreuzzeichens bestimmte. Gläubige sollten drei kleine Kreuze auf Stirn, Kinn und Brust machen, der Priester bei der Aussegnung im Begräbnisritus eines über die ganze Person (GA 343,524), möglicherweise in Anlehnung an eine bischöfliche Geste. Auffälliger noch ist das Zeichen, das bis heute in Gottesdiensten der Christengemeinschaft praktiziert wird und das Kreuzzeichen meist ersetzt: die kreisende Bewegung der rechten Hand über Kopf- und Brustbereich.

248 Die war einer von Steiners Ausgangspunkten seiner Konversion zur Theosophie; vgl. 8.2.2. 249 Sydow: Aus der Begründungszeit, 57. 250 Steiner im Gespräch mit Priestern der Christengemeinschaft, unveröffentlicht, zit. nach Stieglitz: Einladung zur Freiheit, 194. 251 Gädeke: Anthroposophie und die Fortbildung der Religion, 290.

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In der konkreten Ausgestaltung des Kultes hielt sich Steiner an die seit dem 12. Jahrhundert sich einspielende katholische Tradition und postulierte gleichfalls sieben Sakramente: Taufe, Konfirmation, Beichte, Mahlfeier, Trauung252 Priesterweihe, Letzte Ölung. Er kopierte die katholischen Vorlagen sogar soweit, daß er etwa die Einsetzung des Erzoberlenkers mit einem eigenen Ritus vom priesterlichen Weihesakrament abtrennte, vergleichbar der Einsetzung der Bischöfe und des Papstes. Inhaltlich jedoch entstand durch die anthroposophische Dogmatik ein völlig anderes Verständnis fast aller Sakramente. So stehen die Sakramente unter dem Vorbehalt einer evolutionären Deutung: »Jeder Evolutionsform wird eine Involutionsform entgegengestellt: der Geburt die Taufe, der Pubertät die Firmung. Jedes Sakrament ist das Inverse zu einer natürlichen Etappe in der Evolution.« (GA 342,138) Das menschliche Leben erscheint als Mikrokosmos, in dem sich die kosmische Geschichte in den Stationen der Biographie rekapituliert, mit den sieben Sakramenten als Passageriten besonderer Geistbegabung (GA 343,255-266), der »Involution des Geistig-Seelischen im Materiellen« (ebd., 256). Daneben konnte Steiner aber auch die sieben Sakramente auf den »siebengliedrigen« Menschen abbilden (ebd., 251). Hinter den Sakramenten und Riten stehen weitreichende Veränderungen der zentralen Loci christlichen Dogmatik, die Steiner im anthroposophischen Sinn vorgenommen hat. Sie sind im Credo, das sich im Aufbau an den altkirchlichen Symbola orientiert, gebündelt. Von Gott, der einerseits mit personalen Prädikaten angeredet wird, andererseits aber in pantheisierender und apersonaler Tendenz zum »geistig-physischen Gotteswesen« wird253, bis zur Parusie, die zum »Weltenfortgang« einer evolutiven Wiederkunft mutiert254, reichen, um nur zwei Beispiele zu nennen, die weitreichende Veränderungen der christlichen Tradition. Steiner hat die anthroposophische Grundlage des von ihm verfaßten Bekenntnisses nicht verheimlicht, das Credo sei »aus der anthroposophischen Geisteswissenschaft hervorgegangen«255. Allerdings finden sich nicht alle Eigenheiten seiner theosophischen Christologie in den liturgischen oder theologischen Texten der Christengemeinschaft wieder; die beiden Jesusknaben etwa, über deren Bedeutung für die Christengemeinschaftstheologie man diskutiert hatte (GA 343,63.69), fehlen. Dieses Verhältnis von formaler Nähe und oft inhaltlicher Distanz zur christlichen Tradition läßt sich an jedem Sakrament der Christengemeinschaft, wenngleich in unterschiedlicher Ausdrücklichkeit, ablesen256. Das wichtigste 252 Mit einer angesichts der weiblichen Priester überraschend patriarchalen Konzeption, in der der Mann der Frau »voran ... leuchte« und sie ihm »folge«; zit. nach Stieglitz: Einladung zur Freiheit, 195. 253 Handbuch Religiöse Gemeinschaften (52000), hg. v H. Relier, 268. Steiner postulierte im Herbst 1923, daß es keinen »Dualismus zwischen dem Schöpfer und dem Geschöpf« gebe (GA 343,348); auch seine etymologische Konstruktion, das Wort Gott sei mit Goethe verwandt (ebd., 512), läßt sich auf Goethes pantheisierende Weltsicht beziehen. 254 Handbuch Religiöse Gemeinschaften (52000), hg. v. H. Relier, 268. Auch in der Liberal-Katholischen Kirche entfiel ja die Parusie, als Konsequenz des evolutionistischen Ansatzes und der Reinkarnationslehre. 255 So Husemann: Die Begründung der Christengemeinschaft, 305. 256 Eine illustrative Beschreibung der Riten bei Stieglitz: Rettung des Christentums?, 46-58. Waren an Anthroposophien bereits Sakramente der christlichen Kirchen vollzogen, wurden sie normaler-

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Sakrament, die »Menschenweihehandlung«257, ist das Parallelstück zur Messe. Angesichts der Umarbeitung des tridentinischen Ritus mit Hilfe des »Schott« (s. o. 18.2.1) verwundern die weitreichenden Übereinstimmungen nicht: Von der Beichte vor der Feier über die Bestimmung zur täglichen Zelebration258 bis zum Aufbau der Menschenweihehandlung reichen die Übereinstimmungen: Die Struktur der Handlung folgt einschließlich der Begrifflichkeit Lesungen Opferung - Wandlung - Kommunion tridentinischen Vorgaben, allerdings fehlen Kyrie und Gloria sowie das Sanctus259. Auch die meisten Details lassen die Vorlage der römischen Tradition erkennen: Etwa die Zelebration des Priesters mit dem Rücken zur Gemeinde, die obligate Mundkommunion (allerdings in beiderlei Gestalt) oder die dem Kommunionempfang der Gemeinde »vorausgehende« »Priesterkommunion« (GA 344,163). Nicht zuletzt die Raumordnung mit dem frontal in der Apsis stehenden Altar (einschließlich der Aufstellung der Kerzen) ist dieser Tradition geschuldet; in der Vermeidung rechter Winkel folgt der Bau hingegen Steiners Architekturvorgaben. Allein im Barett, der Kopfbedeckung für den Priester oder die Priesterin, wird symbolisch deutlich, daß Steiner den Anspruch erhob, beide Konfessionen in seinem Ritus aufzuheben; allerdings sind die anderen Kleidungsteile, die Albe und darüber eine Baßgeigenkasel, wiederum dem tridentinischen Katholizismus entnommen. Schließlich ist die minimalisierte Partizipation der Teilnehmer, komplementär zur Priesterzentrierung der Liturgie, der tridentinischen Tradition geschuldet. Der Menschenweihehandlung ist eine Theologie eingeschrieben, in der der Priester als Zelebrant eines Opfers agiert und insoweit zum »pontifikalen« Mittler wird. Er feiert das »Opfer« und segnet Brot und Wein zur »Erkraftung« der Menschen260. Die Bundestheologie (die den alten Bund einschließt), die Sündenvergebung und die Vergegenwärtigung des gekommenen wie kommenden Christus fehlen261. Weil die Sündenvergebung durch Selbsterlösung ersetzt ist, fehlt auch die Lamm-Gottes-Theologie, die die Übernahme von Schuld deutet". Neben der »objektiven« Wirkung zielte Steiner auch auf eine subjektive Verinnerlichung: Der Spruch »Christus in euch«, schon in der Theosophie hoch geschätzt263, zieht sich leitmotivisch durch die Menschenweihehandlung264. Auffälweise nicht wiederholt. Allerdings berichtet Dora Kimmich in: Der Lehrerkreis um Rudolf Steiner, hg. v. G. Husemann / J. Tautz, 106, daß Rittelmeyer in Anwesenheit Steiners 1924 zur Silberhochzeit von Berta und Emil Molt das »erneuerte Trauritual« vollzogen habe. 257 Der Begriff ist möglicherweise parallel zum Begriff Anthroposophie (Menschenweisheit) gebildet. 258 Hutten: Seher, Grübler, Enthusiasten (121982), 705 f. 259 Vgl. Stieglitz: Rettung des Christentums?, 56f. 26° Hapatsch: Die Kultushandlungen, 26. 26' Stieglitz: Einladung zur Freiheit, 188. 262 Dazu ebd., 199. 263 So Hübbe-Schleiden programmatisch in: Sphinx Bd. 17, 1893: »Christus in uns! Die Offenbarung der Offenbarungen«. Die Berufung auf diese Textstelle hat aber ältere Wurzeln, vgl. Wernsdorff: Beschreibung des Christus in Uns (1727). Zu derartigen »Mißbräuchen« zählt etwa die Nutzung dieses Theologumenons im radikalen Pietismus, etwa bei den Schwenckfeldianern; vgl. Brecht: Das Aufkommen der neuen Frömmigkeitsbewegung, 120. 264 Die spagatartige Korrektur der hierarchisierten Priesterliturgie wird an der Veränderung des »Dominus vobiscum«, einem urkirchlichen Traditionsgut, deutlich, an dessen Stelle der Priester

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lig ist auch die Verwandlung trinitarischer Texte in eine triadische Gottesformel: »Der Vatergott sei in uns. Der Sohnesgott schaffe in uns. Der Geistgott erleuchte uns.«265 Eine präzise Analyse von Steiners Umarbeitung der Messe aber fehlt266. Bei den übrigen Sakramenten fallen die theologischen Unterschiede teilweise deutlicher ins Augen. Die Beichte etwa konzipierte Steiner als »Lebenserinnerung« (GA 343,261) und als »Beratung, die in gewissen Abständen mit der Kommunion verbunden sein muß« (GA 344,183)2fi7. Diese »Beratung der einzelnen Menschen« hat er als Spezifikum der Christengemeinschaft deklariert, »hinausgehend über das, was Anthroposophie ... bleiben wird« (ebd., 183)268. Sündenvergebung bedeute im Kontext des Reinkarnationsdenkens, »es dem Menschen möglich machen, seine Sünden in die nächsten Erdenleben hinüberzunehmen das Böse abzutilgen und den Geist aufzunehmen, um so das verlorene Leben im Geiste wieder zu gewinnen.« (ebd., 270). Die Beichte der Christengemeinschaft sei eine »kraftstärkende« Handlung, die die »Selbsterlösung« ermögliche (GA 343,640). Die Sündenfolgen sollten also, hier blieb Steiner seiner theosophischen Dogmatik treu, gerade nicht eliminiert werden. Deshalb transformierte Steiner die Absolutionsformel »eure Sünden werden euch abgenommen« (in der traditionellen kirchlichen Diktion: vergeben [Joh 20,23]) in die Zuweisung von Sünden: »Eure Sünden werden euch bewahrt« - alles andere sei »Feigheit« (ebd., 150) Die Beichte wurde damit zu einer »besonderen Stärkung« (GA 343,632), die konsequenterweise nicht auf Sündenvergebung im Sinn der christlichen Tradition zielt, sondern eine Hilfe zur »Selbsterlösung« sei269. Bei keinem Sakrament ist der Bruch mit der christlichen Tradition so augenfällig. Die Taufe war im Ansatz als Aufnahme in die christliche Gemeinde und insoweit konventionell konzipiert (ebd. 374), setzt aber in der Anthropologie eine Präexistenzlehre voraus (ebd.; GA 342,138). Steiner hatte die Kindertaufe »Christus in euch« sprechen solle (GA 343,415). Dies Formulierung lehnt sich an Gal 2,20 an. Vielleicht ist diese Verinnerlichung eine Reaktion auf die geringe Mitwirkungsmöglichkeit der Gemeinde, vielleicht handelt es sich auch um eine Reminiszenz an die Innenorientierung des Schulungsweges. Auch die Differenzierung zwischen einer »kosmischen Kommunion«, die der einzelne individuell durch Erkenntnis und Meditation vollziehe, und der »sakramentalen Kommunion« als »Gemeindekommunion« (Heidenreich: Aufbruch, 97) zeigt diese Spannung an. 265 Hapatsch: Die Kultushandlungen, 22. 266 Eine weitere Veränderung betrifft die Zurückdrängung der theologia crucis, die sich von den Texten bis in die Ausstattung heutiger Kirchen der Christengemeinschaft durchzieht, in denen das Crucifix teils zurückgedrängt, teils vermieden ist; vgl. die Abbildungen von Chorräumen in Schroeder: Die Christengemeinschaft (21990), 97. 122-124. Vgl. auch Stieglitz' Kritik an der Rücknahme der Bewältigung von Sünde in der Menschenweihehandlung (Stieglitz: Rettung des Christentums?, 62). 267 In der Konzeption der Beichte könnte eine biographische Abgrenzung Steiners eine Rolle spielen. Möglicherweise hat er in seiner Jugend eine Praxis der Selbsterforschung kennengelernt, die mit Sündenkatalogen auf Zetteln arbeitete (GA 343,635) und diese als beengend empfunden. 268 Gädeke: Anthroposophie und die Fortbildung der Religion, 366, sieht darin ein der Christengemeinschaft vorbehaltenes Feld und offenbar eine Auszeichnung. Man kann dies aber auch als Abschiebung der ungeliebten psychologischen Komplexe sehen; konsequenterweise sollte die Oberklasse, nämlich »Lehre und Erkenntnis«, weiterhin, wie Steiner sofort ergänzte, Aufgabe der Anthroposophie sein (GA 344,183). 269 So Steiner explizit in GA 343,640; vgl. oben 18.4.3. Heute ist daraus in der Christengemeinschaft eine Art therapeutischer Lebenshilfe für »Schicksalsfragen und -schwierigkeiten« geworden; Schroeder: Die Christengemeinschaft (22001), 162.

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nur aus Gründen der Konvention akzeptiert (GA 344,229), doch wurde sie im Lauf der Zeit durch die Priester der Christengemeinschaft als evolutiv zwingend dogmatisiert270. Neu war die Erweiterung der Taufe mit Wasser durch Salz und Asche und die dabei verwendeten Zeichen (Drei- und Viereck), mit denen der Täufling zu bezeichnen sei (GA 343,371-376) und die als »Vorstufen des Kreuzes« galten (ebd., 588). Hinter der alchemistischen Terminologie und den vielleicht der Freimaurerei entlehnten, vielleicht auf Eliphas Lévi zurückgehenden Zeichen (s. 10.5.2f) stand Steiners Geistrealismus: Die Salz-Asche-Behandlung solle das »Einströmen« des Geistes bewerkstelligen (ebd., 372). Dabei kam es zu einer triadischen Reinterpretation der christlichen Trinitätstheologie27. - Beim Begräbnisritual schließlich ist die reinkarnatorische Anspielung signifikant: Die Seele »wandert« in die »Geisteswelt« (ebd., 520). Läßt sich diese Formulierung noch als bloßer Transitus der Seele deuten, gründet die Vorstellung eines »strömendes Erinnerungsbildes« nach dem Tod (ebd., 489) im Erinnerungstableau des Spiritismus und dem Reinkarnationskonzept. Eindeutig ist aber der reinkarnatorische Hintergrund nur aufgrund der grundsätzlichen Geltung anthroposophischer Zentrallehren. Schließlich ist in der Theologie der Christengemeinschaft der Jahreskreis der Feste durch ein Sommerfest zwischen Ostern und Weihnachten, das es in der christlichen Tradition mit eine herausgehobenen Bedeutung nicht gibt, erweitert. Das Johannifest, das Steiner 1924 nachträglich einbaute272, sollte an der Sommersonnenwende gefeiert werden. Dieser Ritus gehört ins Umfeld der neuheidnischen Szene des Kaiserreichs, und so erinnerte sich auch Rudolf Meyer, ein Priester der Christengemeinschaft, es in seiner »Jugendzeit als heidnisches Sonnenwendfest mit seinem Flammenzeichen gefeiert« und »geliebt« zu haben273.

18.4.3 Die Ekklesiologie und das Verhältnis zu den christlichen Kirchen Das Kirchenverständnis der Christengemeinschaft besitzt zwei Formkräfte: Die Abgrenzung nach außen und die Strukturierung nach innen. Die Positionierung ad extra, im religiösen Feld der Weimarer Republik, ging von einer scharf antikirchlichen Wahrnehmung der Religionsgeschichte aus, sowohl in der negativen Einschätzungen vieler Priesterkandidaten als auch bei Steiner und seiner evolutiv aufgeladenen Verfallstheorie der Kirchengeschichte. Exemplarisch für die Auffassungen vieler Priester steht Emil Bocks Vision einer »neuen ReforSo Stieglitz: Einladung zur Freiheit, 193. Vgl. den Text bei Hapatsch: Die Kultushandlungen, 48, und die kritischen Bemerkungen bei Stieglitz: Einladung zur Freiheit, 193 f. In der aktuellen Theologie der Christengemeinschaft werden die Differenzen gegenüber den christlichen Bezugstraditionen deutlicher. Die Taufe wird nicht als Heilszueignung, sondern als zu erwerbende Gnade verstanden (Schroeder: Die Christengemeinschaft [11990], 190) und als Reinkarnationshilfe (vgl. Stieglitz: Rettung des Christentums?, 62). zn Meyer: Die Pfingsttagung in Koberwitz, 443. Gebete finden sich in GA 343. Auch praktisch alle Festzeitgebete entstanden erst in den Jahren 1922 bis 1924. 273 Meyer: Geleitworte, 12. Daß er dieses Fest »geliebt« habe, schrieb Meyer in: Die Pfingsttagung in Koberwitz, 443. 270

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mation«279, Joachim Sydows prätentiöses Selbstverständnis, »über Katholizismus und Protestantismus hinaus wollten wir >die dritte Kirche< bauen«275, oder Alfred Heidenreichs Anlehnung an die joachimitische Geschichtsvision, daß nach den Zeitaltern des Katholizismus und des Protestantismus für die Kirche in der Zeit des reifen Bewußtseins, also der Christengemeinschaft, komme276_ Steiners Wahrnehmung der großen Kirchen verstärkte solche Absolutheitsansprüche und apokalyptische Visionen. Allerdings hat er die evangelische und die katholische Kirche sehr unterschiedlich wahrgenommen277, wobei zeitgenössische Konfessionsstereotypien, die auf »Vermaterialisierung« des Katholizismus und »Verspiritualisierung« und »Atomisierung« des Protestantismus lauteten (GA 343,352), seine Wahrnehmungen prägten. Seine Wertung war im Grunde von verletzender Schärfe, wie Steiner im Gespräch mit Priestern der Christengemeinschaft offenlegte: »Der Name soll ja in gewissen Weise provozieren. Negativ drückt er aus: Die Katholiken, Anglikaner u. s. w. sind keine Christen. Positiv: Alle Christen der Welt können zu uns kommen«278. Das Ende der christlichen Kirchen schien unvermeidlich: »Nach dem, was heute in den Tiefen der Menschheitsentwickelung tätig ist, haben wir im Laufe eines Jahrhunderts überhaupt keine Kirche innerhalb der heutigen zivilisierten Welt, wenn nicht so etwas eintritt, wie es hier beabsichtigt ist, denn alle gegenwärtigen Kirchenverfassungen, Kirchengemeinschaften haben den Zersetzungskeim in sich« (GA 343,444). »Es geht halt auf der schiefen Ebene abwärts, eine andere Vorstellung habe ich nicht« (ebd.). Eine intensivere Auseinandersetzung Steiners mit Luther hat von Stieglitz nur im Umkreis des Lutherjubiläums von 1917 ausgemacht279. Dabei erschien der Reformator als Mensch zwischen dem vierten und fünften nachatlantischen Zeitalter: Er gehöre, seinen hellseherischen Fähigkeiten nach, noch zur alten, mit seiner Voraussicht auf die kommende Zeit aber schon zur neuen Epoche. Steiners sonstige Urteile über den Protestantismus machen tiefsitzende Aversionen deutlich: Schon 1882 hatte er dem Protestantismus die Berechtigung »für unser Volk« abgesprochen, »denn aus Mangel am Formellen artet er sehr gerne in nüchternen gemüt- und geistlosen Rationalismus aus« (GA 38,50f.)280, 1896 attestierte er »besonders den protestantischen Deutschen« »Verlogenheit« (GA 39,280), 1921 sah er im Protestantismus »einen gewissen Horror ... vor dem Kultus-Artigen«281. Der fehlende Kult bildete insbesondere in den zwanziger 2'9 Bock: Die neue Reformation. Sydow: Ein Weg zum neuen Priestertum, 137. Heidenreich: Reformation oder Neubegründung?, 46f. Ähnlich Johannes Werner Klein, der eine »johanneische Kirche« über Katholizismus und Protestantismus begründen wollte; nach KacerBock: Emil Bock, 251. 27 S. o. 18.2.2; dazu weiterhin unverzichtbar Stieglitz: Christosophie, 144-155. 278 Steiner im Gespräch mit Priestern der Christengemeinschaft, unveröffentlicht, zit. nach Stieglitz: Einladung zur Freiheit, 180. 279 Stieglitz: Christosophie, 148. Zum folgenden ebd., 147-156. Eine namhafte Beschäftigung mit anderen Reformatoren - allenfalls zu Calvin lassen sich noch einige Bemerkungen beibringen - und kleineren protestantischen Denominationen ist nicht auszumachen. 280 Ähnliches attestierte er dem Protestantismus auch 1905 (GA 2622,98). 281 Steiner: Erster anthroposophischer Kurs für Theologen, 184. 275 276

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Jahren einen steten Kritikpunkt Steiners282. Ein mehr als kognitives und distanziertes Verhältnis hat Steiner zu den Kirchen der Reformation wohl nicht besessen. Ihre Tage hielt er für gezählt: Der Protestantismus stehe auf dem »Aussterbeetat« und liege »weltgeschichtlich in seinen letzten Zügen« (GA 338,239 f.)283. Bei der katholischen Kirche lag die Sache anders. Zumindest ferne Kindheitserinnerungen hatte er wohl an seine katholische Sozialisation, wie dürftig sie auch immer gewesen sein mag. Später haben ihn die Kontakte zu katholischen Wissenschaftlern und Priestern in der Wiener Zeit beeindruckt. Noch als Theosoph hat er sich als Katholik bezeichnet284 und ging wohl auch gelegentlich - bei welchen Gelegenheiten und mit welchen Motiven ist unklar - in eine Messe (GA 266c,351). Seine relative Vertrautheit mit dem katholischen Milieu wird noch in den Vorträgen zur Gründung der Christengemeinschaft immer wieder deutlich, wenn er auf Beispiele aus ihrem Umfeld rekurrierte (s. o. 18.2.1). Die religionsgeschichtliche Stellung der katholischen Kirche und ihre Theologie skizzierte er mit einer Mischung aus Distanz und Nähe, fast einer Art Haßliebe: Er attestierte ihr ein hohes Alter', sah in ihr die »Uroffenbarung« überliefert (GA 343,23) und die Reste der antiken Mysterientradition lebendig: »Das ist gerade das Wunderbare, daß in der katholischen Kirche alles alte Mysterienwesen zusammengeflossen ist.« (GA 345,33) Für das esoterische Dogma der Philosophia perennis schien die katholische Tradition unverzichtbar, dies war ein theosophischer Gemeinplatz286. Natürlich schätzte er ihren Kult (»wirklich etwas Heiliges, etwas Großes« [GA 184,308]), mit einem hohen Interesse an dessen realistischen, nachgerade magischen Wirkungen: So sei der katholische Priester »bloß als ein Träger dessen ..., was magisch innerhalb der Menschenweihehandlung geschieht«, anzusehen (GA 344,104)287. Sich selbst interpretierte er als Reinkarnation eines katholischen Priesters (GA 264,55) und des Thomas von Aquin (GA 2622,191), er artikulierte also auf mehreren Ebenen den Anspruch, die katholische Tradition zu beerben. Andererseits war die Kritik bis hin zur Polemik stets präsent288: Er sah die katholische Kirche »den modernen Denkformen entfremdet« (GA 2622,98), als Fossil aus dem vergangenen Zeitalter der »Empfindungsseele«289, der Priester-

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Stellenbelege bei Gädeke: Anthroposophie und die Fortbildung der Religion, 102-104. Der Protestantismus sei »intellektualistisch«, in Harnacks »Wesen des Christentums« bleibe nur »das reine Judentum« über (GA 343,444). 284 Kleeberg: Wege und Worte (21961), 253. 285 Steiner: Erster anthroposophischer Kurs für Theologen, 86. 286 Vgl. etwa Franz Hartmann: Was ist Theosophie?, zit. in: Steinberger: Esoteriker des Westens, 140. 287 Signifikant für das ambivalente Verhältnis zur katholischen Kirche und ihren Priestern ist eine Äußerung Steiners vom 13. Juni 1921: »Sehen Sie, die besten Kandidaten [für den Priesterberuf] ... wären die jüngeren Leute, ... die eigentlich alle eben ihr Katholisches [sic] Theologie-Studium fertig gekriegt haben und ganz gründlich mit der Katholischen Kirche gebrochen haben« (GA 342,79). Oder: 1911 warnte er Kleeberg nach seiner Konversion in die katholische Kirche vor den »persönlichen Einflüssen« der Priester; aber sie blieben für Steiner ein »Werkzeug Gottes«; Kleeberg: Wege und Worte (21961), 252. 288 Vgl. die Zusammenstellung bei Stieglitz: Christosophie, 144-147. 289 Zit. bei Rebholz, hier zit. nach Stieglitz, ebd., 145. 283

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herrschaft unterworfen290 (eine Kritik, die allerdings nach der Institutionalisierung einer eigenen Priesterklasse in der Christengemeinschaft weniger deutlich hervortrat) und überhaupt unter dem Einfluß der Jesuiten291. 1918, als die Kritik besonders harsch ausfiel, behauptete er, das Papsttum habe im Mittelalter die Mission wahrgenommen, »Europa davon abzuhalten, was eigentlich der Christus ist« (GA 1803,322) und »die Aufgabe« besessen, »die Seelen möglichst fernzuhalten von der Christus-Erkenntnis« (GA 1813,381)292. Die katholische Kirche war für ihn - wie der Bolschewismus293 - ein Hauptgegner und, wie schon von Stieglitz herausgearbeitet hat, eine »Repräsentantin des alten Weges«294: traditionsreich, aber in der modernen Welt chancenlos, und gleichwohl noch immer gefährlich. Es sei »eine objektive Erkenntnis der Tatsachen: Daß die Kirchen dem Untergang geweiht sind. Außer die katholische Kirche natürlich, die eben weiter bekämpft werden muß«295. Doch dies war Zukunftsmusik, denn aktuell trug der Katholizismus für die Anthroposophie durch die Konversionen von Anthroposophen in die katholische Kirche (denen wohl keine vergleichbaren Übertritte in die evangelische zur Seite standen), auch bedrohliche Züge. Ludwig Kleeberg, Lvovitsch Kobylinskij, Max Seiling oder Wincenty Lutoslawski stehen exemplarisch für diese Tendenz, die bis heute anhält296. Steiner selbst hatte mit dem Vorwurf »katholisierender Neigungen« zu kämpfen (GA 343,640). Mit diesen Neigungen zum Katholizismus hatte allerdings bereits die Theosophie zu kämpfen gehabt: Schon Olcott habe gesagt, erinnerte sich Steiner, »wenn alle Theosophen zum Katholizismus übertreten, dann können wir die Theosophische Gesellschaft schließen« (GA 259,322). Dieser Hang zum Katholizismus war aber unter Okkultisten um 1900 nicht auf die Theosophie und ihr Umfeld beschränkt297.

Ebenfalls zit. bei Rebholz, hier nach Stieglitz, ebd., 147. Vgl. Stieglitz, ebd., 147. 292 Weitere Belege bei Gädeke: Anthroposophie und die Fortbildung der Religion, 104-107. 293 Vgl. Samweber: Aus meinem Leben (41983), 37. 294 Stieglitz: Christosophie, 144. 295 Steiner: Erster anthroposophischer Kurs für Theologen, 121. In der Gesamtausgabe heißt es weniger scharf, aber schwerer deutbar: »Außer der katholischen Kirche natürlich, die eben weiter so begriffen werden muß, daß sie durchaus nicht dem Untergang geweiht ist, weil sie mit ausgebreiteten Mitteln arbeitet« (GA 342,83). 296 Zu Kleeberg siehe Kleeberg: Wege und Worte (21961), 243-245. 252 f. Zu Kobylinskij siehe: Anonym: Redaktionelle Anmerkung zu Briefen Belyis in: Beiträge zur Rudolf Steiner Gesamtausgabe, Nr. 89 / 90, Dornach 1985, S. 64. Kobylinskij, auch unter dem Künstlernamen Ellis bekannt, soll Jesuit geworden sein (ebd.); davon ist aber keine Rede bei Wehr: Kobylinskij Ellis. Max Seilings Konversion bei Uehli: Der Fall Seiling. Zu Wincenty Lutoslawski siehe Lutoslawski: Rudolf Steiners sogen. »Geheimwissenschaft«, 45, und Ettlinger: Eine religionsgeschichtliche Debatte, 114. In dieser Tendenz liegt auch Steiners Äußerung, daß man nicht in »Pflichtenkonflikte« komme, wenn man Freimaurer werde, wohl aber, wenn man katholischer Priester würde (GA 344,245). Paradigmatisch für die aktuellen, weiterhin emotional aufgewühlten Diskussionen sind die Kontroversen um die Konversion des ehemaligen Vorsitzenden der estnischen Anthroposophischen Gesellschaft, Valentin Tomberg. Vgl. dazu Meyer: Die Bodhisattvafrage, 169-189, oder Prokofieff/ Lazaridès: Der Fall Tomberg. Zu Martin Kriele s. Kap. 19, Anm. 57. 297 Vgl. im französischen Okkultismus die Biographien von Albert Jounet, Eliphas Lévi, Papus, Joris Huysmans oder Jean Bricaud. Dazu Lennhoff/ Posner: Freimaurer-Lexikon, 1002; Ach: A Rebours, 154. 290 291

18.4 Theologie in der Christengemeinschaft

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Steiners evolutionäre und zugleich apokalyptische Konzeption, in deren Rahmen er den Untergang der Kirchen sah, formierte den historischen Kairos, in dem die Christengemeinschaft als erlösendes Gebot der Stunde erschien298. Schon 1909 hatte er die theosophische Weltanschauung in den Worten der frühchristlichen Minderheitstheologie, im lukanischen Gleichnis vom Sämann (Lk 8,4-8), als Same, der auf schlechten Boden falle (GA 1149,160), gedeutet. Den Priestern der Christengemeinschaft blieb Steiners Aktualisierung dieser Vision, hinter der die Hoffnung auf die Dominanz des anthroposophischen Christentums stand, im Ohr: »In hundert Jahren wird es keine christliche Kirche mehr geben, es sei denn, es entsteht etwas im Sinne des hier Gewollten.«299 Seinen Priesterkandidaten illustrierte er diese Vision, indem er »die Haltlosigkeit der Theologismen [der Kirchen] durchschaubar machte, die Unwahrhaftigkeit ihrer Vertreter charakterisierte und die bösartige Entschlossenheit der Kirchenleitungen schilderte«300. Aber Steiners apokalyptische Zeitdeutung machte auch vor der Christengemeinschaft nicht halt. »Wenn die Christengemeinschaft im Laufe der kommenden 30 Jahre nicht zu einer großen, weltweiten Kirche wird, dann wird sie wieder vergehen, und es wird sein, als wäre sie nie gewesen.«301 Diese Voraussage ist spätestens 1955 abgelaufen. Trotz alledem beabsichtigte Steiner wohl anfangs, seine Priester in den Kirchen zu belassen und sie von innen zu durchdringen. Erst im Verlauf des Junikurses setzte sich anscheinend die Konzeption durch, »freie Gemeinden« zu bilden302, doch blieb die Option erhalten, in der Kirche zu bleiben, »wenn man die Mitglieder der jetzigen kirchlichen Gemeinschaften allmählich herausführen kann« (GA 342,83). Er hat wohl auch in der Folgezeit meist nicht aufgefordert, aus der angestammten Kirche auszutreten (ebd., 178), aber manchmal tat er auch dies303. Einen Übertritt in die katholische Kirche hielt er in jedem Fall für nicht »gesund« (GA 184,310). Aber Steiner wies die Priester, die in die Gemeinden zogen, an, an die alten Traditionen anzuknüpfen. Deshalb suchte Joachim Sydow pflichtgemäß und wider eigenen Willen den mecklenburgischen Landesbischof Heinrich Behm auf, der nach dem Ende des Summepiskopats seit 1922 erster lutherischer Bischof dieser Landeskirche war; zu einer Kooperation ist es jedoch nicht gekommen304 In den neuzugründenden Gemeinden bildeten die Priester die Garanten des anthroposophisch geprägten Selbstverständnisses der Christengemeinschaft. 298 Die »Vollendung der christlichen Kirche« hatte er allerdings schon 1911 mit dem Johannesbau einläuten wollen; zit. nach Kully: Die Geheimnisse des Tempels von Dornach, II, 20. 299 Steiner zit. bei Heidenreich: Aufbruch, 25. Vgl. auch Steiners Erwartung, daß die Christengemeinschaft wie die Urkirche aus ihrem Katakombendasein zu hegemonialer Bedeutung aufsteigen werde: »In einigen Jahrhunderten wird sich die Sache geändert haben« (GA 982,254). 300 Husemann: Die Begründung der Christengemeinschaft, 300 f. 301 Zit. nach Finsterlin: Editorial (1988). 302 Husemann: Die Begründung der Christengemeinschaft, 300. 303 Z. B. bei dem evangelischen Pastor Paul Klein; nach Klein: Pfarrer Paul Klein, 141. Schon 1911 hatte Steiner gegenüber dem Katholiken und späteren Konvertiten Kleeberg (ders.: Wege und Worte [21961), 253) eine Doppelmitgliedschaft als unproblematisch betrachtet, denn »ein Widerspruch zwischen Katholizismus und Theosophie bestehe also nicht«. 304 Sydow: Aus der Begründungszeit, 60 f.

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18. Die Christengemeinschaft

»Zusammenhalt der Gemeinschaften« vor Ort war für Steiner »durch die führenden priesterlichen Persönlichkeiten« als Exponenten dieser hierarchisch streng durchstrukturierten Gemeinschaft zu gewährleisten (GA 343,517). Konsequenterweise erhielt der Kult die Funktion, »die Gemeinde zusammen [zu]halten«305 Eine Beteiligung von Laien war bei genuin theologischen Aufgaben nicht vorgesehen, Synoden blieben zu Steiners Lebzeiten Priestern vorbehalten306 Eine Wahl der Priester hielt er in seiner demokratiekritischen Grundhaltung ohnehin für »ungeistig« und für eine »Komödie« (GA 344,37.38). Als spirituelle Auszeichnung erhielten die Priester ein Brevier, dessen Meditationen (GA 343,553-583.594-598) allerdings mehr an den Schulungsweg denn an die Gebete des katholischen Breviers erinnern. Die Priester waren für Steiner auch der Garant der Anbindung an die esoterische Tradition. Hier spielte einmal mehr die Theorie eine Rolle, in der katholischen Kirche sei eine esoterische Überlieferung verborgen. Diese Vermutung wurde auf die apostolische Sukzession, also auf die Theorie einer kontinuierlichen Weitergabe der Weihe seit der Urkirche, projiziert. Die Priesterkandidaten hatten Steiner am 30. September 1921 mit diesem Thema konfrontiert (ebd., 169), und Steiner hatte sie auf die »bischöfliche Kirchenverfassung« als organisatorisches Korrelat dieser Vorstellung vorbereitet (s. o. 18.2.3). Das Bedauern, daß diese Sukzession nicht hergestellt werden konnte, weil man nicht, wie die Liberal-Katholische Kirche, über einen in katholischer Tradition geweihten Bischof verfügte, findet sich in vielen Rückblicken auf die Gründungsjahre307. Der zentralen Stellung der Priesterschaft in der Ekklesiologie der Christengemeinschaft hat dies keinen Abbruch getan.

18.5 Historische Kontexte: alte Riten, junge Kirchen und neue Kulte Die Christengemeinschaft ist ein genuin anthroposophisches Produkt, und dies trifft auch zu, insofern Steiner ihr die zentralen Dogmen der Christengemeinschaft aus anthroposophischem Geist implantierte und die anthroposophisch inspirierte Agende des Kultus vorschrieb. Doch die Christengemeinschaft dürfte eng mit der Entstehung neuer Gemeinschaften und Kulte, letztlich mit der Religionsgeschichte des frühen 20. Jahrhunderts, verknüpft sein: Vermutlich standen 305 Steiner: Erster anthroposophischer Kurs für Theologen, 146 (14.6.1921). Vermutlich gab es erst 1948 eine Delegiertenversammlung unter Einschluß von Laien, vorher existierten nur die »Lenkerkonferenz« und die »Gesamt-Priestersynode«; außerdem beraten zwei Oberlenker den Erzoberlenker; Stieglitz: Rettung des Christentums?, 46. ;07 Steiner versuchte, das Problem tief zu hängen und bekrittelte die Sukzessionsvorstellung (wobei der Begriff nicht fiel) als »Theorie, die in der Abstammungstheorie bis zum Uraffen zurückgekehrt ist« (GA 259,323). Er versuchte demgegenüber, das Selbstbewußtsein der Christengemeinschaft als eigenständige Schöpfung zu stärken: Es sei nicht »kleinlich«, »dieses Moment hinzustellen, daß die anthroposophische Bewegung in der Lage war, diese religiöse Bewegung zu schaffen« (ebd.). Rittelmeyer: Fragen und Antworten, 10, meinte aufgrund der fehlenden (und als nicht notwendig definierten) äußeren Sukzession die innere Sukzession der Christuserfahrung festhalten zu müssen. Vgl. noch die Nachklänge bei Schroeder: Die Christengemeinschaft (`1990), 82: »Ein katholischer Bischof etwa, der aus der Sukzession heraus über die Weihevollmacht verfügt hätte, war nicht im Kreis der Begründer.« 306

18.5 Historische Kontexte: alte Riten, junge Kirchen und neue Kulte

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konkrete Neugründungen, wie die Liberal-Katholische Kirche der Theosophischen Gesellschaft, manchen vor Augen, und viele partizipierten wohl an einem noch kirchlichen Zeitgeist, in dem ritualisierte Frömmigkeit plausibel erschien. Die erste Hälfte des 20. Jahrhundert und namentlich die Jahre der Weimarer Republik waren eine religionsproduktive und nicht zuletzt kultproduktive Zeit, die den Hintergrund der Christengemeinschaft bildete. Die Gründung neuer Kirchen, der vielleicht naheliegendste Kontext der Christengemeinschaft, begleitet das Christentum seit seinen Anfängen, und seit der Reformation gehören Kirchengründungen zum festen Bestandteil der Pluralisierung der europäischen Religionsgeschichte. Die Zeit zwischen 1900 und 1920 bildet darin keine Ausnahme. Diese religiöse Dynamik ließ vom biblizistisch orientierten »Apostelamt Juda«, gegründet 1902 von Julius Fischer, bis zur christlichen Nationalkirche wie der am B. Januar 1920 gegründeten »Tschechoslowakischen Kirche« eine große Zahl christlicher Gemeinschaften entstehen308 Ob die Christengemeinschaft inhaltlich zu diesen im engeren Sinn christlichen Dissentern gehört, ist hier nicht zu entscheiden und hinsichtlich der mentalitätshistorischen Kontexte ohne Belang; die Vision einer neuen Reformation oder der Vollendung der alten ließ jedenfalls viele christliche Gemeinschaften entstehen. Hier florierte auch die Vorstellung einer priesterlichen Funktion von Frauen, die seitens Christengemeinschaft heute gerne als eine ihrer besonderen Errungenschaften betrachtet wird, aber ebenfalls Wurzeln in der Christentumsgeschichte besitzt309 Dabei entstanden auch christlich orientierte Gruppen, die die biblische Grundlage der christlichen Dissentergeschichte teilweise verließen und hierin der Christengemeinschaft ähnelten. So lehrten die etwa 1920 formierten »Horpeniten« nach Kontakten mit der esoterischen Szene vor dem Ersten Weltkrieg eine Art die Reinkarnation (»Wiedereinkörperung«)310, die wohl theosophisch beeinflußte Mazdaznan-Bewegung versuchte um den Ersten Weltkrieg herum, die europäische Tradition mit asiatischen Vorstellungen zu reformieren311, und Steiners Gegner aus theosophischen Zeiten, Hugo Vollrath, hatte bischöfliche Ambitionen in einem okkultistischen Rahmen entwickelt. Auch Steiners alter 308 Eggenberger: Freie Apostelgemeinden, 304; Huber: Tschechoslowakische Kirche. Zum Umfeld Obst: Apostel und Propheten der Neuzeit. 309 Schon im antiken Montanismus stand das Priesteramt beiden Geschlechtern offen; Frend: Montanismus, 277, und Strobel: Das heilige Land der Montanisten, 276 f. Für Luther waren im Rahmen des Priestertums aller Gläubigen Frauen »Priesterinnen«. Seit dem Ende 19. Jahrhunderts häuften sich die Versuche, die liturgische Egalisierung der Geschlechter zu institutionalisieren. Die Heilsarmee hat seit ihrer Gründung in den 1860er / 70er Jahren den Frauen eine gleichberechtigte Rolle bei der Predigt zugewiesen und sie auch in Führungsfunktion über Männer gesetzt; Gruner: Revolutionäres Christentum, I, 2. 79 f.; vgl. auch die oft als Paare auftretenden Führungspersonen der Heilsarmee, etwa S. 71 f., oder die Photobeilagen vor S. 49 und nach S. 96. Dazu auch Ribbat: Religiöse Erregung, 51-54. Eddy Baker war 1881 zur Pastorin ihrer eigenen Kirche ordiniert worden (Holl: Der Szientismus, 473). Die Methodisten ließen seit 1891 Frauen zur Predigt zu, die Mennoniten seit 1912 (vgl. Die Religion in Geschichte und Gegenwart, Bd. 4, Tübingen '1913, 338. 271). In den USA dürfte die Entwicklung um 1900 weiter als in Europa fortgeschritten gewesen sein; 1905 wurden dort in 158 Gemeinschaften 1.250 Predigerinnen gezählt; Schian: Frau, 1014f. 310 Obst: Der Bund der Kämpfer für Glaube und Wahrheit - Horpeniten, 252. 311 Dazu Linse: Mazdaznan, 268-291.

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18. Die Christengemeinschaft

Bekannter Theodor Reuß war in diesen Jahren kirchengründend aktiv. Um 1913 herum hatte er eine »Gnostische Katholische Kirche« ins Leben gerufen, möglicherweise im Rückgriff auf französische Vorbilder der 1890er Jahre, der »Eglise gnostique universelle« und der »Eglise gnostique de France«312 . Reuß legte sich noch weitere episkopale Titel zu, etwa »Carolus Albertus Theodorus Peregrinus, Souveräner Patriarch und Primat der Gnostischen Katholischen Kirche, Vicarius Solomonis und Caput Ordinis O. T. 0.«313, und übersetze Aleister Crowleys Ritual einer »Gnostischen Katholischen Messe«314, das hinter seinen sexuellen Anspielungen auf Strukturelemente der katholischen Messe zurückgriff: auf priesterliche Liturgien, Kinder in der Funktion von Meßdienern oder hochgebetsartige Teile der Agende. Auch bei Reuß zählten schon Priesterinnen zum Kultpersonal. Ein weiteres Beispiel war Joris-Karl Huysmans, der in seinem vielgelesenen Roman »Là-bas« (1891) eine Schwarze Messe konzipiert und dabei die tridentinische Liturgie parodiert hatte. Diese Riten illustrieren, wie verbreitet Tendenzen waren, die europäische Tradition esoterisch aufzuladen und wie nahe es in dieser Szene lag, auch bei Abweichungen von der christlichen Tradition auf das Formular der katholischen Messe zurückzugreifen. Weit näher stand für die Anthroposophie die Liberal-Katholische Kirche, die Leadbeater im Rahmen der Theosophischen Gesellschaft 1916, also sechs Jahre vor der Christengemeinschaft, gegründet hatte (s. 3.7). Sie glich Steiners Gründung teilweise wie eine Zwillingsschwester: In der Siebenzahl der Sakramente, der hierarchischen Gliederung, der Ausstattung der Kirchen oder der liturgischen Kleidung kam auch hier das tridentinisch-katholische (respektive anglikanische) Erbe zum Tragen, und in der theosophischen Überformung Dogmenfreiheit, Entwicklungsdenken, Reinkarnationslehre oder Neuoffenbarung - finden sich ein Strukturelemente, die auch Steiner nutzte. Bis in Details wie die Zurückdrängung der Kreuzigungsdarstellung und -theologie reichen die Übereinstimmungen'. Wie weit die Vorbildfunktion der Liberal-Katholischen Kirche für die Konstruktion der Christengemeinschaft reichte, ist schwer abzuschätzen. Die erste Priestergeneration ließ nicht durchblicken, daß diese theosophische Kirche eine anregende Funktion besessen haben könnte; viele hatten zuvor wohl nicht einmal Berührungen mit der deutschen Theosophie. Steiner aber wußte mehr. Erste Informationen, daß er sich mit der Liberal-Katholischen Kirche befaßte, liegen für die Gründungsphase vor. Am 29. September 1921 berichtete er bei einer Erörte312 Möller/Howe: Merlin Peregrinus, 224-226. Zur Eglise Gnostique Toth: Gnostic Church. Man betrachtete sich als Nachfolger der Gnostiker und insbesondere der Katharer, deren Bistümer (etwa Toulouse, Concorezzo) und deren Organsiationsbegriffe (parfaits) man beanspruchte; Le Forestier: L'Occultisme en France, 68.85-87. 313 Möller/Howe: Merlin Peregrinus, 225. 314 Crowley: Die Gnostische Katholische Messe. Nach Pasi: Ordo Templi Orientis, 902, ist mit Crowley als Verfasser zu rechnen. 315 Das plastische Bild des Gekreuzigten fehlt in den Gottesdiensträumen der Liberal-Katholischen Kirche mit der Begründung, daß Christus »ewig ist und nicht aufhört«; ohne Autorenangabe, zit. nach Gründler: Lexikon der christlichen Kirchen und Sekten, II, 820f. Kruzifixe ohne Korpus finden sich hingegen, vgl. Leadbeater: Die Wissenschaft der Sakramente, Photo nach S. 376; vgl. auch Anm. 266.

18.5 Historische Kontexte: alte Riten, junge Kirchen und neue Kulte

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rung zur apostolischen Sukzession, daß »ein Teil von diesen Leuten katholische Bischöfe sind« und viele »katholische Priester« seien (GA 343,145). »Es hat mich die Sache doch interessiert«. Er könnte mit Mitgliedern der Liberal-Katholischen Kirche in Kontakt getreten sein, denn man habe ihm eine Schrift gegeben, die die Sukzession der liberal-katholischen Bischöfe belege (ebd.). Andererseits waren ihm Einzelheiten der Sukzession nicht klar, denn die Information »Leadbeater ist übergetreten zu einer altkatholischen Kirche«, die er im Februar 1923 weitergab (GA 259,322), trifft allenfalls für die Sukzessionsbegründung, nicht aber für die konkrete Konversion zu. Möglicherweise waren die Altkatholiken unter den Interessenten von Steiners Kurs die Informanten, da die Altkatholische Kirche nicht nur die liberal-katholische Sukzession sicherstellte, sondern auch die Abwanderung von Mitgliedern zur Theosophie hinnehmen mußte; aber dieses Umfeld ist bislang nur schwer erfaßbar36. Im Frühjahr 1923 verfiel allerdings die »Leadbeater-Kirche« Steiners Verdikt: Es fehle »das schöpferische Element. Es ist krampfhaft zum alten Kultus zurückgekehrt worden.« (GA 259,322) Aber zum Kontext der Gründung der Christengemeinschaft gehörten nicht nur die dissentierenden christlichen Gemeinschaften und namentlich solche mit Zugriffen auf tridentische Rituale, sondern auch Diskussionen um »den Geist« der Liturgie. So formulierte der Benediktiner Odo Casel zwischen 1918 und 1922 seine Auffassung der Liturgie als Mysterienfeier und applizierte damit die religionsgeschichtliche Diskussion seit dem 19. Jahrhundert über das Verhältnis von Christentumsgeschichte und antiker Mysterientradition, die ja auch Steiner umtrieb, auf die Liturgie. Es gibt allerdings keine Hinweise, daß Steiner davon wußte; auch von der gegenläufigen »Liturgischen Bewegung«, die seit dem Katholikentag von Mecheln im Jahr 1909 Resonanz mit ihrem Anliegen fand, die Gläubigen mit einer »actuosa communicatio« am Meßritus partizipieren zu lassen und den tridentinischen Ritus zu reformieren, hatte Steiner wohl keine Kenntnis. Dies entspricht seiner geringen Kenntnis theologischer Debatten. Bedeutsamer waren für ihn die liturgischen Entwicklungen in den evangelischen Kirchen, von denen die Priesteraspiranten wußten, zumindest einzelne wie Joachim Sydow (s. o. 18.2.6). In England gab es seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine Auseinandersetzung um die frühneuzeitlichen Rituale, die die »Oxfordbewegung« wieder in die Anglikanische Kirche integrieren wollte. Vergleichbare Entwicklungen finden sich auch in Deutschland, etwa bei Wilhelm Löhe (1808-1872). Katalytisch wirkte für liturgische Erneuerungsbewegungen jedoch erst der Weltkrieg, durch den das protestantische Staatskirchensystem in

36 So sollen mit Wedgwood einige hundert Altkatholiken in die Liberal-Katholische Kirche übergetreten sein; Washington: Madame Blavatsky's Baboon, 141. Die mangelnde Attraktivität der Altkatholischen Kirche könnte sich aber für die Christengemeinschaft positiv ausgewirkt haben. Der Altkatholik Neuhaus sah jedenfalls für seine Kirche ein Rekrutierungsproblem: »Die guten Elemente kommen gar nicht mehr.« (GA 343,501) Er selbst schwankte zu diesem Zeitpunkt ja auch zwischen Christengemeinschaft und Altkatholischer Kirche. Weitere Diskussionen im Umfeld der Gründung der Christengemeinschaft bleiben dunkel. So berichtete Rittelmeyer: Meine Lebensbegegnung, 50, von Diskussionen zu einem nicht näher genannten Zeitpunkt, daß die Bischöfe der Liberal-Katholischen Kirche als reinkarnierte Heilige verstanden würden.

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18. Die Christengemeinschaft

Deutschland zusammengebrochen war: 1918 wurde die »Hochkirchliche Vereinigung« gegründet, die unter anderem eine Wiederherstellung eines vollen lutherischen Gottesdienstes, der Privatbeichte und eine bischöfliche Kirchenverfassung anstrebte. Sie führte zu einem verstärkten Sakramentalismus bis hin zu Details wie der Übernahme klassischer liturgischer Gewänder". Die katholische Messe war dabei ein expliziter Bezugspunkt, wobei ältere Protagonisten der liturgischen Reform wie Julius Smend in dieser Situation einschärften, dieses Formular dürfe »kein Necessarium« werden38, wie es in der Christengemeinschaft geschah. In der hochkirchlichen Bewegung entstanden in den zwanziger Jahren auch ordensähnliche Vereinigungen wie der »Evangelische Humiliatenorden« oder die »Evangelische Franziskanerbruderschaft«, außerdem kam es - durch den zum reformatorischen Bekenntnis konvertierten Friedrich Heiler - zu Priester- und Bischofsweihen39. 1922 entstand die nicht der hochkirchlichen Bewegung zuzurechnende »Michaelsbruderschaft«, die sich aber ebenfalls eine Erneuerung des evangelischen Gottesdienstes gegen die Einengung auf die Wortverkündigung zum Ziel gesetzt hatte und in Berneuchen »fast genau in den gleichen Tagen« wie die Christengemeinschaft gegründet wurde320. Die Wirkungen dieses Zeitgeistes für die Kirchenverfassungen stellten sich nicht nur in Reformgruppen ein: Bischöfliche Strukturen entstanden in einigen Landeskirchen, teilweise suchten evangelische Pfarrer nach einer Ordinationsbestätigungen durch evangelische Bischöfe in Schweden oder England, die in der apostolische Sukzession standen321 In diesem Kontext hat die Überarbeitung des tridentinischen Rituale zu den Agenden der Christengemeinschaft ihren historischen Ort. Diese katholische Vorlage war im deutschen Sprachraum das wichtigste Skript für hochkirchliches Handeln, sie mochte für Steiner Anciennität und vielleicht sogar die Verwandtschaft mit antiken Mysterienkulten beanspruchen. Demgegenüber spielt meines Erachtens keine (große) Rolle, daß Steiner selbst Katholik war: Er hat, wie mehrfach erwähnt, keine katholische Sozialisation erfahren322. So klar es also ist, daß der Zeitgeist nach 1918 Ritualisierung und erfahrungsnahe Gottesdienstformen förderte, so unklar ist es, von welchen Strömungen die Christengemeinschaft konkret beeinflußt wurde. Zudem finden sich in ihrem Kultverständnis Vorstellungen, die zum vagierenden Material dieser Jahre gehören: vom Ritus als Abbild des himmlischen Gottesdienstes bis zur Mysterientheologie. Steiners Anspielungen auf die Liberal-Katholische Kirche gehören zu den wenigen konkreten Bezugnahmen, ohne daß daraus auf besondere Abhängigkeiten zu schließen wäre. Drobnitzky: Hochkirchliche Bewegung, 379. Smend im Jahr 1926, zit. in: Klek: Erlebnis Gottesdienst, 242. 319 Mumm: Hochkirchliche Bewegung. 320 So die Erinnerung von Stählin: Via Vitae, 318. 321 Vgl. Badewien: Anthroposophie, 166. 322 Vgl. als wichtigen, aber längst nicht alleinstehenden Beleg Steiners Bezeichnung des Vaters als »Freigeist« (GA 28,22). Bis heute allerdings haben Vermutungen Konjunktur, Steiner habe aus seiner Jugend entscheidende Anregungen mitgenommen, etwa bei Hecky: Verständigungen über das Geheimnis des Menschen, 91: »Aus den Erfahrungen als Ministrant blieb ein Sinn für das Kultische«. 317

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18.6 Ein Rückblick auf die Genese der Christengemeinschaft

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Innerhalb dieses liturgieproduktiven Milieus besaß die Christengemeinschaft die Eigenheit einer ausgeprägten »Abschottungskommunikation «323: sie grenzte eine ästhetische Erfahrung ein, insbesondere gegen den als intellektualistisch verrufenen protestantischen Predigtgottesdienst. Ihr Kult schaltete durch den als unveränderbar dekretierten Text Negationsmöglichkeiten aus, strukturell vergleichbar dem Kirchenlatein, und Steiners »neue Geistsprache«324 klang inhaltlich und in ihren Sprachformen wie eine Nachricht aus einer anderen Welt. Im Kontext der Jahre nach dem Ersten Weltkrieg gehören die Riten der Christengemeinschaft zu den Versuchen, religiöse Sicherheit durch klare Grenzen zu gewährleisten und durch die Gemeinschaft ein Heilmittel gegen eine krisenhaft erlebte Autonomie bilden. Der »Kultus« sicherte der Christengemeinschaft ein Nischenmilieu - entfernte sich aber zunehmend vom Mainstream des liturgischen Zeitgeistes im 20. Jahrhundert, der bereit war, religiöse Riten angesichts neuer Bedürfnisse auch wieder zu verändern.

18.6 Reformation im Zeichen der Anthroposophie - ein Rückblick auf die Genese der Christengemeinschaft Die Christengemeinschaft war das Kind einer doppelten Krise: Zum einen der religiösen nach dem Ersten Weltkrieg, in der viele Menschen nach neuen Formen der Religionsausübung suchten. Eine kleine Gruppe von Protestanten kam dabei zu Steiner und stellte die erste Priestergeneration der Christengemeinschaft. Die andere Krise hatte gerade die Anthroposophische Gesellschaft ergriffen: Verknöchert, in diesem Augenblick ohne Rituale, vielleicht spirituell ausgebrannt, trieb sie viele Anthroposophen und Anthroposophinnen in die Christengemeinschaft mit ihrem Versprechen, das »Erleben« des Geistigen in ihrem Kultus zu ermöglichen. Steiner hatte diese Gemeinschaft auf Anfrage von außen, mehrheitlich von protestantischen Theologen, im September 1922 gegründet. Nach hohen Reibungsverlusten in den vorbereitenden Kursen - die Mehrheit der Interessenten ließ sich nicht zu Priestern weihen - schuf er eine straff hierarchisierte Kirche. Diese Organisation folgte in ihrer Klerikalisierung, etwa in der Ämterhierarchie von den Priestern über die Bischöfe (»Lenker«) hoch zum »Erzoberlenker«, der katholischen Tradition. Doch verstärkte Steiner die hierarchische Konstruktion, indem er die Institution von oben nach unten gründete. Es dürfte keine Kirche geben, in der so konsequent zuerst die Amtsträger formiert wurden, ehe man einen ersten Schritt hin auf eine Gemeindebildung tat. Diese anthroposophische Verschärfung hängt wohl mit dem geistesaristokratischen Hintergrund der Theosophie zusammen: Einsicht in geistige Welten setzte in ihrem Verständnis Einweihung voraus, die Priester und Priesterinnen mußten erst initiiert, dann in ihre Ämter eingesetzt werden, ehe man die »unerleuchteten« Gemeindemitglieder sammeln konnte. 323 324

Fuchs: Gefährliche Modernität, 5. Vgl. Handbuch Religiöse Gemeinschaften (52000), hg. v H. Relier, 268.

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18. Die Christengemeinschaft

Das zentrale Angebot der Christengemeinschaft war ihr Ritus, der eine aus der tridentinischen Tradition des Katholizismus kommende und in vielen Details penibel kopierte Agenda besaß und sich auch in der sakramentalen Strukturierung der Christengemeinschaft mit sieben Sakramenten niederschlug. Nur weniges, etwa das Dogma der Dogmenfreiheit, besaß Wurzeln in einem Segment der protestantischen Tradition. Aber zentral war der Kult, und seine Ästhetik war Teil eines kompensatorischen Programms, das intellektuelle Überforderung durch Erfahrung, Steiner sprach lieber vom »Erleben«, austarieren sollte. Protestantische Anthroposophen fanden hier mit ihren emotionalen Bedürfnissen eine religiöse Heimat, in einer Zeit, als in der Anthroposophischen Gesellschaft die freimaurerischen Riten stillgelegt waren und neue Zeremonien in der Esoterischen Schule nicht existierten. Dieses Programm der Christengemeinschaft lag darüber hinaus in einem größeren Zeittrend: Kirchliche, nachgerade hochkirchliche Mentalitäten waren en vogue. Die Wirkungsweise dieses Ritus war höchst realistisch konzipiert3z5. Seine Resultate, durch »übersinnliche« Einsicht vermittelt, sollten real greifbar sein. Dieses Konzept läßt sich an einem klassischen Feld der europäischen Theologiegeschichte, der Wirkung der »Wandlung« in der Eucharistie, illustrieren. In allen Varianten der großen Konfessionen, von der symbolischen Interpretation in der zwinglianischen und calvinistischen Tradition bis zur Transsubstantiationstheorie der katholischen Kirche bleibt das Brot respektive die Hostie für den objektivierbaren Blick unverändert, auch in der katholischen Tradition erschließt sich die Verwandlung erst der subjektiven Erfahrung, dem »gläubigen« Bewußtsein. In Steiners Hellsehen hingegen besitzt die »gewandelte« Hostie eine eigene »Aura« (s. o. 18.4.1), sie ist für den Okkultisten materiell verändert. Damit steht Steiner in einer Tradition der Materialisierung der Erfahrbarkeit der übersinnlichen Welt, die mit den spiritistischen Wurzeln den Versuch der Theosophie prägte, durch quasi naturwissenschaftliche Konzepte die Bedrohung der Metaphysik durch die Naturwissenschaften des 19. Jahrhunderts zu kontern. Das Bedürfnis nach Riten war so stark, daß unter Anthroposophen das Mißverständnis entstehen konnte, die Christengemeinschaft würde die anthroposophischen Riten, vielleicht sogar die Anthroposophische Gesellschaft überhöhen oder gar ersetzen, ganz in Steiners Tradition der christlichen Überhöhung theosophischer Inhalte. Aber Steiner zog angesichts dieser Entwicklung, die sich Ende 1922 abzeichnete und die Hegemonie seines Erstlings, der Anthroposophischen Gesellschaft, bedrohte, die Reißleine und dekretierte in ungewohnter Schärfe die inneranthroposophische Hierarchie: Die Anthroposophische Gesellschaft sei die »Mutter«, der »Boden«, die »lehrende Seele« der Christengemeinschaft (s. o. 18.3.2). Steiners Anthroposophie, sein »Fünftes Evangelium« (GA 148), blieb die konstitutive Offenbarungsquelle für die Christengemeinschaft. Eine eigenständige spirituelle Basis außerhalb der Anthroposophie war das Letzte, was Steiner 325 Auf dieser Basis war es nur konsequent, Geistesverwandte in den »objektiven« Liturgien zu suchen, die schon die liturgische Bewegung gesucht hatte. Beispielsweise wird Pavel Florenskij, der in seinem Buch »Die Ikonostase« eine solche Liturgie konzipiert hatte, im Verlag Urachhaus, dem Verlag der Christengemeinschaft, verlegt (1988, 31996).

18.7 Epilog: Aktuelle Schlaglichter

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seiner Gründung zubilligen wollte. Konsequenterweise schuf er vor und nach der Gründung der Christengemeinschaft weitere anthroposophische Riten, etwa in der Waldorfschule, und für die Esoterische Schule standen sie zu erwarten. Über die Neuordnung des anthroposophischen Ritenterrains ist Steiner verstorben. Die Christengemeinschaft erhielt jedenfalls kein Ritenmonopol, sie blieb in Steiners Konzeption eine Vorfeldorganisation für Menschen, die noch nicht reif für die Anthroposophie waren. Allerdings kam es in den letzten Lebensjahren Steiners zu einer pragmatischen Aufwertung der Christengemeinschaft: Steiner besuchte oft ihre Gottesdienste und schätzte viele ihrer Priester. Das Prinzip der Abhängigkeit der Christengemeinschaft von der Anthroposophie hat er allerdings nie revidiert. Diese Bestimmung besitzt eine Bedeutung weit über die Christengemeinschaft hinaus: Hier manifestierte sich exemplarisch Steiners Bestimmung des Verhältnisses von Anthroposophie und Religion, das auf eine Aufhebung von Religion durch Anthroposophie hinausläuft".

18.7 Epilog: Aktuelle Schlaglichter Im Jahr 2000 wurden 20.000 Mitglieder der Christengemeinschaft in Deutschland und die doppelte Anzahl weltweit gezählt327; die Christengemeinschaft expandiert weltweit, wenngleich in quantitativ bescheidenem Ausmaß328. Die Priesterschaft habe 1985 etwa 350 Personen umfaßt, davon ungefähr 230 in Deutschland329; zwei Drittel der Priesterschaft sollen Mitglieder in der Ersten Klasse der Anthroposophischen Gesellschaft sein330 Die Zahlen belegen, daß die Christengemeinschaft stabil ist, allenfalls moderat wächst, und in Deutschland immerhin mehr Mitglieder wie die Anthroposophische Gesellschaft zählt. In Hamburg hat die Christengemeinschaft 2001 ein zweites, liberales Priesterseminar neben dem Stuttgarter errichtet, ein drittes folgte 2004 in Chicago. Die Leitung wurde 2004 als Signal einer Neuorientierung und in Einklang mit Steiners Absichten von Stuttgart nach Berlin verlegt (während das Priesterseminar in Stuttgart verblieb). Dabei bleibt die Christengemeinschaft eine vergleichsweise kleine Gemeinschaft mit begrenzter Außenwirkung. Im Inneren dokumentieren die Existenzschwierigkeiten des Verlages Urachhaus, dem Verlag der Christengemeinschaft, der nur zusammen mit dem anthroposophischen Verlag Freies Geistesleben überleben konnte, daß klassische Leserschichten in Deutschland wegbrechen und sich die Sozialstruktur möglicherweise stärker ändert, als es von außen sichtbar ist. Aber wie bei jeder Religionsgemeinschaft erschöpft sich die Bedeutung der Christengemeinschaft nicht in Zahlen und in der Bewälti326

So meine These in: Zander: Die Anthroposophie — eine Religion? Handbuch Religiöse Gemeinschaften (52000), hg. v. H. Reller, 276. 1985 wurden noch 20.000 bis 25.000 Mitglieder und etwa 30.000 Sympathisanten geschätzt; ebd., 31985, 249. Thinnes: Sozialstatistik zum kirchlichen und religiösen Leben, 207, gab 1988 ohne Quelle »ca. 100.000 Mitglieder« an, eine wohl weit zu hoch gegriffene Zahl, möglicherweise unter Einschluß der Sympathisanten. 328 Fincke: Die Christengemeinschaft — Zaghafte Mission. 329 Ahern: Sun at midnight, 47. 33° Ebd., 48. 327

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18. Die Christengemeinschaft

gung organisatorischer Krisen. Man mag vermuten, daß ihre »Ausstrahlung ... erheblich größer« sei331, und wahrscheinlich ist der Kreis der Sympathisanten mindenstens so groß wie die Zahl der Mitglieder. Aber »harte« Indizien für eine Wirkung jenseits des anthroposophischen Milieus lassen sich kaum beibringen332, und verläßliche Zahlen über den Anteil nichtanthroposophischer Mitglieder standen mir nicht zur Verfügung. Es scheint zudem, daß die Zahl der festen (»eingeschriebenen«) Mitglieder sinkt, während die Zahl der Interessenten an einer lockeren Nähe hoch ist. Es ist gleichfalls schwer zu sagen, wie sich die inneranthroposophischen Abgrenzungsprobleme heute darstellen. Eine »Vereinskirche« und eine »Kirche für Anthroposophen« sei die Christengemeinschaft, klagte der Anthroposoph Hellmut Finsterlin noch 1985, und hielt ihr vor, »daß sie ihre Proselyten dort macht, wo sie ihr am leichtesten zufallen, unter den Mitgliedern der Anthroposophischen Bewegung, was sie aus ihr wohlbekannten Gründen nicht soll«333. Damit beschrieb er ein Szenario, das die Christengemeinschaft aus den Jahren 1922 / 23 kannte. Die Spannungen zwischen »Dornach« und »Stuttgart« hinsichtlich des Verhältnisses der Anthroposophie zur Religion und damit zur Christengemeinschaft bestehen jedenfalls fort. Dies hat 1990 die Studie der Brüder Gädeke erneut an den Tag gebracht (s. o. 18.1.2). Wenn die Anthroposophie, der Vorgabe Steiners folgend, keine Religion sein soll, dann wird die Christengemeinschaft zu einem notwendigen, von der Anthroposophie prinzipiell nicht aufhebbaren Weg - so kann man die Intention der Studie lesen. Aber Steiners Verhältnisbestimmung sprach ja eine andere Sprache, und vor diesem Hintergrund fielen die anthroposophischen Reaktionen zurückhaltend aus334. Vertreter der Christengemeinschaft neigen aber bis heute dazu, Christengemeinschaft und Anthroposophische Gesellschaft komplementär zu sehen, und auch dazu kann man ja Äußerungen Steiners heranziehen335 Gädeke sprach von »zwei notwendigen, aber verschiedenen Wegen zum Geist«, redete von »Arbeitsteilung« oder griff auf Steiners Bild vom >Ineinander-Übergreifen< zurück". Aber realistischerweise stellte auch er die konstitutive Rolle der Anthroposophie nicht in Frage: »Zum Verständnis der Evangelien, der Wesenheit des Christus und seiner Taten sowie für die Erkenntnis und bewußte Handhabung der Sakramente ist die Chri33`

Handbuch Religiöse Gemeinschaften (52000), hg. v H. Relier, 276. Es scheint, daß aus anthroposophischen Einrichtungen wie der Waldorfschule auch viele Schüler oder Eltern zur Christengemeinschaft finden; dies wären dann zumindest Mitglieder eines anthroposophisch eingefärbten Milieus. 333 Finsterlin: Zur Krisis der Christengemeinschaft, 51. 50. 334 S. o. Anm. 11. 335 Um diese Unschärfen nochmals zu illustrieren: Im Sommer 1924 behauptete Steiner, »eine Diskrepanz zwischen beiden in inhaltlicher Beziehung kann es eigentlich nicht geben.« (GA 300c,176) Ähnlich hatte er in seiner Klarstellung vom 30. Dezember 1922 von »zwei nebeneinander hergehenden Bewegungen« gesprochen (GA 219,168), aber im gleichen Vortrag auch eingeschärft, »daß das Wesen der anthroposophischen Bewegung nichts zu tun hat mit der Bewegung für religiöse Erneuerung« (ebd., 175). 336 Gädeke: Anthroposophie und die Fortbildung der Religion, 320. 328. 325. Bei dem Trostgespräch Anfang 1923 hatte Steiner sowohl die Anthroposophische Bewegung als auch Christengemeinschaft als »Michael-Bewegung« bezeichnet (ebd., 332). 332

18.7 Epilog: Aktuelle Schlaglichter

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stengemeinschaft auf die Hilfe der Geisteswissenschaft angewiesen.« »Daß die Anthroposophische Gesellschaft die Christengemeinschaft nicht braucht - aber umgekehrt diese jene - bedarf keiner weiteren Erläuterung«337. Wie kompliziert das Verhältnis ist, mag das anthroposophischen Adressenverzeichnis belegen, wo nur die Gemeinden der Christengemeinschaft aufgenommen sind, die »ausdrücklich darum gebeten haben«, weil es in der Christengemeinschaft umstritten ist, wieweit die Gemeinden »als anthroposophisch orientierte Einrichtungen anzusehen sind«338. Letztlich droht Mitgliedern der Christengemeinschaft weiterhin das Stigma, diejenigen zu sein, die es nicht dorthin geschafft haben, wo Steiner den zeitgemäßen Ort der Geisterkenntnis sah: in die Anthroposophische Gesellschaft. Und so stehen das Verlangen der Christengemeinschaft nach Gleichberechtigung und der Superioritätsanspruch der Anthroposophischen Gesellschaft weiterhin eher pragmatisch vermittelt als grundsätzlich gelöst nebeneinander. Die letzte Niederlage mußten die Priester der Christengemeinschaft einstecken, als die Rudolf Steiner Nachlaßverwaltung gegen ihren ausdrücklichen Willen das Arkanum der Christengemeinschaft, die Priesterzyklen, publizierte". Dabei dürfte der Christengemeinschaft zu Gute kommen, daß die Reorganisation genuin anthroposophischer Riten bei den Handlungen für die WaldorfSchule stecken blieb. Hella Wiesberger interpretiert diese Vervielfachung von Kulten zwar als Optionen für verschiedene »Lebenskreise« (GA 265,41), aber dies beinhaltet noch nicht die Gleichwertigkeit der unterschiedlichen Zirkel. Wenn Steiner nicht durch seinen Tod gehindert worden wäre, in der Esoterischen Schule neue Riten zu schaffen, würde die Vorfeldfunktion, die Steiner der Christengemeinschaft zugewiesen hatte, möglicherweise viel deutlicher sichtbar. Anthroposophen, die nicht möglicherweise zur Christengemeinschaft gehören, haben diese Eigenständigkeit weiterhin im Blick. 1999 warb ein »Initiativ-Kreis Kultus. Initiative für ein freies christliches, anthroposophisch sakramentales Handeln« aus Unterlengenhard für die »kirchenunabhängige, freie Sakramente ... ohne Priester-Weihe / -Amt«340 Über die interne Situation der Christengemeinschaft besitze ich noch weniger verläßliche Informationen. Es gibt Versuche, Mitglieder außerhalb des klassischen (bildungsbürgerlichen) Milieus zu gewinnen; die Einrichtung der Priesterseminare in Hamburg und Chicago ist dafür ein Indikator. Umgestaltungen im Kernbereich der Christengemeinschaft, der Liturgie, sind hingegen von einer hohen Sperre abgeschottet. Steiner hatte den Weg für eine Reform seiner Ritualtexte, sollten sich die Zeitumstände ändern, verbaut, indem er die sie als

337 Ebd., 327. 305. Zurückgetreten ist allerdings die an eine an göttliche Verehrung grenzende Bewunderung Steiners, wie sie in der Gründergeneration noch zu finden war: »Wir wollen nichts Menschliches mit Göttlichem vergleichen. Aber wenn man seinen tief in des Geschehens Größe gesenkten Blick, seine demütige Gestalt betrachtet, dann kann ich keinen anderen Namen finden als den: er stand da wie der vielgetreue Zeuge - o martys o pistos.« So noch Husemann: Begründung der Christengemeinschaft, 307 f., über Steiner bei der ersten Menschenweihehandlung. 338 Adreßverzeichnis Anthroposophie 1994 / 1995, Frankfurt 1994, 259. Diese Aussage findet sich weiterhin in der Ausgabe 2003 / 04, S. 114. 339 S. o. Anm. 3. 340 Initiativ-Kreis Kultus: Taufe, Trauer, Bestattung?

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unwandelbares Gut aus der »geistigen Welt« bezeichnet hatte. Liturgiereformen der Christengemeinschaft sind damit enge Grenzen gezogen. So wurden und werden konsequenterweise Priester der Christengemeinschaft geächtet, die sich dem Dogma der (vorläufigen) Unveränderlichkeit des liturgischen Formulars widersetzten - der Ausschluß von Hermann Weidelehner war dabei nur einer der spektakulären Fälle341. Auch in der Konzentration auf Kult und priesterliches Kultpersonal ist die Christengemeinschaft - selbst wenn inzwischen Laien auf Synoden teilnehmen - bis heute Steiners Vorgaben treu geblieben342. Es gibt zwar eine Debatte über das allgemeine Priestertum aller Gläubigen343, aber dies scheint die kultische Monopolstellung der Priesterschaft nicht in Frage zu stehen. Wieweit es jedoch Transformationen in der Theologie der Christengemeinschaft gibt, müßte in einer eigenen Studie untersucht werden., Wichtige Positionsbestimmungen der Christengemeinschaft vollziehen sich weiterhin in Abgrenzung zu den christlichen Kirchen, vor allem natürlich gegenüber den protestantischen, aus denen wohl weiterhin die eine große Gruppe (die Mehrzahl?) der Mitglieder der Christengemeinschaft stammt. Im Verhältnis von Christengemeinschaft und christlichen Kirchen wirken Entscheidungen nach, die kurz nach dem Zweiten Weltkrieg getroffen wurden. Sie hängen mit Wilhelm Stählin zusammen, der wie Rittelmeyer und Geyer dem liberalen Protestantismus in Nürnberg angehört hatte und dort seit 1917 Pfarrer an Sankt Lorenz gewesen war. Auch er hatte sich mit liturgischer Reform beschäftigt, war aber nicht der Christengemeinschaft beigetreten. Unter seiner Ägide hatte die Kommission »Evangelische Kirche und Anthroposophie« 1949 einen Schlußbericht vorgelegt344. Darin anerkannte man die Christengemeinschaft als »ein selbständiges kirchenartiges Gebilde« und wollte eine Aufnahme in die ökumenische »Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen« (ACK) nicht ausschließen, empfahl aber zugleich, die Taufe nicht anzuerkennen345. Da sich der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) diesem Votum anschloß, ist eine Aufnahme der Christengemeinschaft in den Weltrat der Kirchen seit 1950 blockiert346. Infolge dieser Entscheidung lehnt die evangelische Kirche eine Doppelmitgliedschaft

341 S. o. Anm. 243; ähnlich Gertrud Spörri. 342 Vgl. die wenigen kommunitären Bezüge bei Schroeder: Die Christengemeinschaft (1 1990), 75-78; Reimer spitzt seine Wahrnehmung so zu, daß am 16. September 1922 weniger die Christengemeinschaft ins Leben gerufen als vielmehr ein Kult neugegründet wurde, dessen Geschichte dann von Schroeder auch konsequenterweise als die Geschichte seiner Priester, nicht als die der Gemeinden geschrieben wurde; vgl. Reimer: Rezension von Schroeder, Die Christengemeinschaft, 58. 343 Vgl. www.forumkultus.de, aufgerufen am 31.3.2005. 344 Der Bericht war initiiert von der Studiengemeinschaft Evangelischer Akademien und ist abgedruckt in den Evangelische Jahresbriefen 1948 / 49, 172 ff. Vgl. den informativen Bericht zur kirchlichen Wahrnehmung der Situation der Christengemeinschaft nach dem Krieg von Koller: Zur geschichtlichen Entwicklung der Christengemeinschaft. 345 Thiede: Die Christengemeinschaft wird 80 Jahre alt. Zur theologischen Debatte Stieglitz: Einladung zur Freiheit, 191-194. 396 Thiede, ebd., 277. Mit der EKD haben 1962 und 1969 weitere Gespräche stattgefunden, in denen es vor allem um die Frage der Anerkennung der Taufe ging; dabei wurden fundamentale Differenzen festgehalten. Vgl. Handbuch Religiöse Gemeinschaften (52000), hg. v. H. Reller, 267, und Hutten: Seher, Grübler, Enthusiasten (121982), 711 f.

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ab, und bei Übertritten kommt es zu erneuten Taufen347. Auch zu einem Eintritt in die ACK ist es nicht gekommen, da die Christengemeinschaft angesichts deutlicher Signale, daß dies nicht möglich sei, keinen Aufnahmeantrag stellte348 Neben den Gesprächen bestehen allerdings die Polemiken fort. In den letzten Jahrzehnten waren es entweder Äußerungen aus dem evangelikalen Milieu349 oder von Vertretern der Christengemeinschaft, die die Konflikte der Gründerzeit fortschrieben. Noch 1965 dokumentierte Klaus von Stieglitz die »Verachtung« für die christlichen (Groß-)Kirchen anhand der Zeitschrift »Die Christengemeinschaft«350 1990 hatte sich daran wenig geändert, der »Oberlenker« HansWerner Schroeder verstand sich zu folgenden Einschätzungen: »Nach den Beschlüssen des zweiten Vatikanischen Konzils Mitte der sechziger Jahre sind alle Sakramente so verändert worden, daß sie ihrer Gestalt und Substanz nach ihre ursprüngliche Kraft verloren haben. Und dieser Prozeß wird unaufhaltsam weitergehen, weil im ganzen auch in der katholischen Kirche das wirkliche Verständnis für den Geist der Sache vollständig verschwindet. Nicht nur die protestantische, sondern auch die katholische Kirche entbehrt heute der Sakramente.«35'

Einen neuen Schub erfuhr die Debatte zwischen Christengemeinschaft und Kirchen durch die Gesprächsgruppe »Evangelische Kirche und Christengemeinschaft«, die 1993 die Aufnahme offizieller Gespräche zwischen EKD und Christengemeinschaft anregte35Z. Joachim Ringleben forderte 1996 in dieser Debatte mit pointierten Positionen, fortbestehende Differenzen nicht leichtfertig zu überspringen353. In Reaktion darauf entstanden eine theologische Selbstdarstellung von zwei Mitgliedern der Christengemeinschaft und der Bericht einer Arbeitsgruppe von evangelischen Theologen und Mitgliedern der Christengemeinschaft354 Hierin ist die Tauffrage zugunsten einer Diskussion um die gesamte theologische Enzyklopädie, wie es Klaus von Stieglitz' 1996355 vorexerziert hatte, abgelöst. In diesem Horizont stehen eine Reihe von Fragen zur Debatte: Das Verhältnis von biblischer Offenbarung zu Steiners neuer Offenbarung356 und Fragen Bannach: Anthroposophie und Christentum, 557. Thiede: Die Christengemeinschaft wird 80 Jahre alt, 277. In Dortmund besitzt die Christengemeinschaft allerdings einen Beobachterstatus in der ACK. Außerhalb Deutschlands ist die Situation nochmals anders. Im niederländischen Middelburg etwa teilt sich die Christengemeinschaft mit einer Täufergemeinde und der wallonischen Gemeinde eine Kirche in der Lange Noordstraat 62. 349 Sachlich schwach und in der Polemik unerträglich etwa Gassmann: Das anthroposophische Bibelverständnis. 3so Stieglitz: Rettung des Christentums, 63. 35' Schroeder: Die Christengemeinschaft ('1990), 134; diese Passage findet sich in der Auflage 22001 nicht mehr. 352 Evangelische Kirche und Christengemeinschaft. Bericht einer gemeinsamen Gesprächsgruppe. 3s3 Ringleben: Über die Christlichkeit der heutigen Christengemeinschaft. Ringleben geht es um klassische Fragen des protestantischen Dialogs mit der Christengemeinschaft: ihre Hermeneutik, die Frage verbindlicher Texte, die Christlichkeit der Taufe. 354 Zur Frage der Christlichkeit der Christengemeinschaft. Vgl. meinen Kommentar »Evangelische Kirche und anthroposophische Christengemeinschaft«. 355 Stieglitz: Einladung zur Freiheit. 356 Von einer »neuen Offenbarungsquelle«, aus der jedoch »kein Dogma« fließe, spricht inzwischen die Christengemeinschaft (zit. in: Handbuch Religiöse Gemeinschaften [52000], hg. v. H. Relier, 267). Hinsichtlich der Suffizienz der Schrift und der Möglichkeit der Anbindung von Neuoffenbarungen 348

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des Gottesbildes, Steiners Konzeption der Selbsterlösung357 oder der Einbau der Reinkarnationstheorie. Und immer wieder geht es um die Möglichkeiten verbindlicher Lehraussagen seitens der Christengemeinschaft. Wieweit diese Debatte auf eine Relativierung der Stellung Steiners und auf eine Annäherung der Christengemeinschaft an die christliche Ökumene hinausläuft, ist augenblicklich nicht abzusehen. Sollte die Christengemeinschaft jedoch das Verhältnis des Offenbarungsanspruchs der Bibel und Steiners neu bestimmen und den hermeneutischen Schlüssel auf Seiten der Bibel sehen, wofür es augenblicklich Indizien gibt, wären alle diese Fragen neu zu diskutieren.

gibt es allerdings zwischen der großkirchlich-protestantischen Tradition auf der einen und dissentierenden Protestantismen sowie der katholischen Tradition Unterschiede. 357 Hier gibt es Tendenzen, Steiners m. E. eindeutige Selbsterlösungsforderung für die subjektive Dimension von Schuld synergistisch abzumildern, indem auch die Selbsterlösung als Wirken Christi verstanden wird; vgl. Dellbrügger: Alles höhere Erkennen ist Gnade. Wohin dieser Weg führt, bleibt abzuwarten.

Von der Vergangenheit zur Zukunft

19. Pluralisierung und Minderheitenkultur 19.1 Zusammenfassung, neue Ergebnisse, Forschungsperspektiven Die Pluralisierung der europäischen Kultur um 1900 und ihrer Deutungsmuster war die Achse des Erkenntnisinteresses meiner Rekonstruktion der Geschichte der Theosophie in Deutschland. Theosophen reagierten auf diese Pluralisierung organisatorisch und inhaltlich. Institutionell suchten sie eine Vereinigung zu bilden, die den »Kern« einer alle Menschen und partikularen Vereine übergreifenden Gemeinschaft bilden sollte. De facto entstand jedoch nur eine weitere Gruppierung in der Vielfalt religiöser und weltanschaulicher Organisationen, so daß die Theosophie entgegen ihren Absichten faktisch die Pluralität erhöhte. Eine vergleichbar konträre Wirkung ergab sich auch hinsichtlich ihres weltanschaulichen Programms. In den Auseinandersetzungen um die Geltungsansprüche, in die etablierte Deutungsinstanzen namentlich durch die Präsenz außereuropäischer Kulturen und die (Wieder-)Entdeckung »häretischer« oder »esoterischer« europäischer Traditionen kamen, war die Theosophie zum einen Ergebnis der Vervielfältigung weltanschaulicher Deutungsoptionen. Zum anderen beschleunigte sie diese Entwicklung, etwa durch die Übersetzungen indischer und die Editionen antiker »häretischer« Texte. Zugleich bot sie an, die Differenzen in den theosophischen Synkretismus zu überführen'. Ihre Antwort auf Pluralisierungsprozesse enthielt damit ein eminent pluralisierungskritisches Element: Der »monistische« Deutungsanspruch, eine alle partikularen Kulturen übergreifende »Weltanschauung«, wie die deutschen Theosophen formulierten, zu besitzen, war der Anspruch auf eine neue Deutungshegemonie. Um diese Ambivalenz von faktischer Pluralisierung und deren intentionaler Aufhebung, durchaus im dreifachen Sinn von Bewahrung, Überhöhung und Eliminierung, drehen sich die Analysen dieser Arbeit.

19.1.1 Vereinsgeschichte a. Internationalität Die Wurzeln der deutschen Theosophie, sowohl die organisatorischen Anstöße als auch wesentliche weltanschauliche Grundlagen, lagen im Ausland, namentlich in den USA und in Großbritannien. Derartige Einflüsse auf dissentierende Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften im deutschsprachigen Raum Synkretismus benutze ich hier als terminus technicus für die Verbindung unterschiedlicher weltanschaulicher Traditionen. In dieser Perspektive wurde er von der Theosophie positiv gewertet, im Gegensatz zur älteren Theologie, die darin pejorativ eine Distanzierung von der »reinen« Lehre sah.

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sind bislang nicht systematisch erforscht worden, liegen aber offen zu Tage. Schon bei vielen kleinen christlichen Gemeinschaften im 19. Jahrhundert hatten die angelsächsischen »dissenters« eine wesentliche Rolle gespielt. Bei der Theosophie erhielten diese Wirkungen allerdings eine neue Dimension, weil sie nicht beanspruchte, die christliche Tradition Europas zu reformieren, sondern deren hegemonialen Anspruch im Verweis auf außereuropäische, namentlich indische Traditionen dementierte. Diese kritische relecture jeglicher Tradition aus dem Geist des Buddhismus (und Hinduismus), die letztlich den Anspruch erhob, eine philosophia perennis zu präsentieren, war unter europäischen Theosophen in der Schärfe, wie sie von den Gründern Blavatsky und Olcott formuliert wurde, nicht mehrheitsfähig. Auch Steiner gehörte zu den Protagonisten einer Wiederherstellung der Deutungshegemonie eines theosophisch reformulierten Christentums respektive einer christlich geprägten Theosophie. Er stand mit dieser eurozentrischen Position also nicht allein, wie er selbst unterstellte und es auch die wissenschaftliche Literatur bislang annahm. Jedoch galt die Theosophie in der Außenperspektive der Jahre um 1900 als »fremde« Weltanschauung. Die schärfere Ablehnung, die im Wilhelminischen Deutschland die »anglo-indische« Theosophie im Vergleich mit vielen christlichen »Sekten« traf, gründete im Vorwurf, ein Import indischer Vorstellungen zu sein. Man wußte oder ahnte, daß damit der kulturelle Hegemonieanspruch der Europäer in Frage gestellt war - mitten in der Hochphase des hochfahrenden und erfolgreichen Imperialismus. Diese Wahrnehmung der Theosophie besaß ihr Fundament in der engen organisatorischen Verbindung der deutschen Theosophie mit den außerdeutschen Teilen der theosophischen Gesellschaften, deren »Hauptquartiere« ausnahmslos im Ausland (in Indien oder in den USA) lagen, und den daraus resultierenden Abhängigkeiten oder Einflüssen: Der Zusammenbruch der ersten theosophischen Gesellschaft, der Theosophischen Societät Germania, erfolgte 1886 nach Blavatskys spiritistischen Täuschungen in Indien. Die Spaltungen um die Jahrhundertwende waren Wirkungen der theosophischen Auseinandersetzungen in England und Amerika nach Blavatskys Tod. Im Ersten Weltkrieg brachen die Spannungen wegen der ausländischen Muttergesellschaften auf, und unter den Nationalsozialisten wurde Internationalität zum Stigma. Transnationalität konnte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts leicht in eine existenzbedrohende Belastung umschlagen. Die mit der organisatorischen Internationalität korrespondierende weltanschauliche Fremdheit ist ein noch komplizierteres Kapitel (dazu s. u. 19.2.1a). Die mit dieser Arbeit erstmals quellenkritisch nachgezeichnete Vereinsgeschichte der Adyar-Theosophie in Deutschland erhält in dieser Perspektive eine neue Interpretationsrichtung. Gilt in der anthroposophischen Innenperspektive der Streit um Lehrinhalte als entscheidender Grund für die Abtrennung der deutschen Adyar-Theosophie als Anthroposophie unter Steiner, da er die Wiederkunft Christi in dem Hindujungen und »Weltenlehrer« Krishnamurti nicht akzeptiert habe, so erscheint in der Außenperspektive die Differenz zwischen indischen und europäischen Vorstellungen nur als Vehikel, um die Theosophie eurozentrisch zu deuten und zugleich machtpolitische Ambitionen im theosophischen Führungskreis durchzusetzen. Der Konflikt eskalierte bezeichnender-

19.1 Zusammenfassung, neue Ergebnisse, Forschungsperspektiven

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weise, als Steiner nach Olcotts Tod 1907 Annie Besant bei der Bewerbung um das Präsidentenamt unterlag. Nun erst forcierte Steiner seine europäische Profilierung als »Rosenkreuzer« bis zum Bruch im Dezember 1912. Der wiederhergestellte Anspruch auf eine überlegene europäische Tradition ging mit ihrer Funktionalisierung im innertheosophischen Machtkampf einher. Im Ersten Weltkrieg wurde deutlich, wie stark Steiners theosophischer Internationalismus von deutschnationalen Vorstellungen geprägt war, als er die deutsche Kriegs- und Kriegszielpolitik rechtfertigte. Der Härtetest auf das transnationale Selbstverständnis blieb Steiner und seiner Anthroposophischen Gesellschaft jedoch erspart, da er nur in wenigen europäischen Ländern Anhänger besaß. Dieser Zerreißprobe konnten die anderen theosophischen Gesellschaften nicht ausweichen. Der Spannungsbogen reichte vom prinzipienfest durchgehaltenen, pazifistischen Internationalismus in der Theosophischen Gesellschaft Point Loma unter Katherine Tingley bis zum germanisch-völkischen Nationalismus Hugo Vollraths oder Paul Zillmanns. Tingleys Verdikte gegen Rassismus und Nationalismus und ihre Beteiligung an Anti-Kriegs-Demonstrationen während des Krieges sind ein bemerkenswertes Dokument eines theosophischen Pazifismus. Alle anderen Gesellschaften beugten sich dem Druck zur nationalen Konformität, aber, und dies ist in der Phase eines militanten Nationalismus bemerkenswert, keine löste die Verbindungen mit den Zentren im Ausland auf. Vergleichbar anderen transnationalen Vereinigungen wie der Arbeiterbewegung, der katholischen Kirche oder der Freimaurerei, versuchten Theosophen, im Spagat zwischen Nation und Internationalismus ihren Zusammenhalt zu wahren. Man identifizierte sich zwar mit der deutschen Nation, nahm aber die martialische Rhetorik, mit der der Krieg in Deutschland vielfach legitimiert und die europäischen Nachbarn diskreditiert wurden, meist bei weitem nicht in der Schärfe auf, wie sie etwa in völkischen Kreisen oder teilweise auch in Kriegspredigten zu hören war. Der Internationalismus der Theosophie bestärkt die in den letzten Jahren von der Forschung relativierte Homogenität des »Geistes von 1914« und des zu Kriegsbeginn ausgerufenen »Burgfriedens« und erweitert die Kenntnisse von Gruppen, die sich dem nationalistischen Anpassungsdruck zu entziehen suchten. Nach dem Krieg zeigte das internationalistische Ideal erneut Wirkung; Theosophen waren in der paneuropäischen Bewegung CoudenhoveCalergis und für den Völkerbund aktiv. Steiner bildete hier allerdings eine Ausnahme, da er Wilson den Zerfall Österreich-Ungarns anlastete und den Völkerbund als Siegerjustiz ablehnte. b. Vereinsstrukturen Die bisherigen Mutmaßungen über die Sozialstruktur der theosophischen Gesellschaften lassen sich aufgrund neu erschlossener Quellen auf eine relativ verläßliche Basis stellen. Die Theosophische Gesellschaft Adyar hatte 1904 256 Mitglieder, 1913 waren es 3.702. Damit war sie für eine überregionale weltanschauliche Vereinigung im Kaiserreich quantitativ relativ kleine, doch wuchs sie 2 Zum Vergleich stelle ich einige schon genante Zahlen zusammen: Baptisten 37.044 Mitglieder (1907); Freimaurer 60.320 (1919). Theosophische Vereinigungen: Internationale Theosophische Ver-

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unter den theosophischen Gemeinschaften noch vor dem Ersten Weltkrieg zur größten Gruppe heran. Die Adyar-Theosophie war eine im Kern bürgerliche Vereinigung, ablesbar an Berufen, ökonomischen Potenzen, Bildungspatenten oder Weltanschauungsinhalten; Arbeiter fehlten fast ganz, Adelige waren häufig überproportional vertreten. Konfessionell dominierten Protestanten, die vermutlich mehr, wohl sogar weit mehr als die Hälfte der Mitglieder stellten. Die Wissenslücke über die Sozialstruktur dissentierender Milieus im Kaiserreich läßt sich damit an einer Stelle schließen: Während Kleinbürger und Arbeiter etwa in den Erweckungsbewegungen oder teilweise im Spiritismus dominierten', deckte die Theosophie den bildungsbürgerlichen (gehobenen) Mittelstand ab. Die verschiedenen theosophischen Gruppen dürften sich dabei hinsichtlich der sozialen Schichtung nochmals leicht unterschieden haben, der Anteil von Adeligen, Professoren oder Unternehmern lag vermutlich in der Adyar-Theosophie und der späteren Anthroposophie höher als in den Schwestergesellschaften. Der Frauenanteil bewegte sich unter den Mitgliedern der Adyar-Theosophie wohl knapp über 50 Prozent und sank auch in den Leitungspositionen nicht unter 40 Prozent. Das teilweise am Beginn des 20. Jahrhunderts gezeichnete Bild einer fast nur aus Frauen bestehenden Gesellschaft wird damit nicht bestätigt, andererseits war der hohe Frauenanteil für die Zeitgenossen offenbar bemerkenswert und ein Grund ihrer verzerrten Wahrnehmung. Ein Vergleich mit anderen dissentierenden weltanschaulichen Gruppen ist augenblicklich aufgrund fehlender Forschungen nur punktuell möglich. Zahlen zum Deutschkatholizismus legen nahe, daß nicht der absolute Anteil der weiblichen Mitglieder, wohl aber der Frauenanteil in Führungspositionen namentlich in der Adyar-Theosophie bemerkenswert hoch war. Sie bot vermutlich einen Raum, in dem Frauen mit guter Ausbildung und einer gewissen ökonomischen Unabhängigkeit Möglichkeiten gesellschaftlicher Wirksamkeit und Anerkennung erhielten, die es in der Öffentlichkeit und außerhalb der Familie im Kaiserreich sonst fast nicht gab. Insoweit besaß die Theosophie emanzipatorische Elemente. Das (bislang praktisch unbekannte) Vereinsleben besaß in der Adyar-Theosophie zwei zentrale Bereiche. Ein Zentrum lag in der kognitiven Anverwandlung der theosophischen Inhalte, in der Adyar-Theosophie insbesondere durch die Reden Steiners und nachgeordnet durch die Vorträge anderer Theosophen. Dazu kam das gemeinsame »Studium« der Nachschriften in den Zweigen sowie die individuelle Lektüre »okkultistischer« Schriften, die fast jeder Zweig in einer eigenen Bibliothek bereitstellte. Theosophie war bildungsbürgerliche Praxis par excellence. Steiners Lehrstunden wurden in diesem Ensemble als mündliche »Offenbarungen« verstanden, sie waren kairologische Momente der Unmittelbarkeit des Wissenserwerbs. In der Verschriftung dieser Kundgaben und damit ihrer Kanonisierung wiederholte die Theosophie auf Vereinsebene den makrogesellbrüderung: 650 Mitglieder 1904, 612 im Jahr 1915. Theosophische Gesellschaft New York: 1904 / 08 einige hundert Mitglieder, 1912 nur noch 186 Mitglieder. Theosophische Gesellschaft Point Loma: klein, möglicherweise weniger Mitglieder als die Theosophische Gesellschaft New York. Linse: Geisterseher und Wunderwirker, 69-75; Ribbat: Religiöse Erregung, 21.

19.1 Zusammenfassung, neue Ergebnisse, Forschungsperspektiven

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schaftlichen Übergang von der Mündlichkeit in Schriftlichkeit und rekapitulierte die Kanonisierungsgeschichte einer auf Schrift gegründeten Gesellschaft. Das andere Zentrum hieß Ästhetisierung. Von den in theosophischem Design gestalteten Vortragsräumen über die Reinkarnationskatechese in den »Mysteriendramen« bis zum »absoluten« Höhepunkt für den arkanen Kern der Mitgliederschaft, den kultischen Freimaurerriten, reichte Steiners Angebot der ästhetischen Kompensation des im Ansatz kopflastigen Programms. Die eidetische Wissens- und Sinnvermittlung, die auch andere theosophische Gruppen wie die Internationale Theosophische Verbrüderung anboten, ist zugleich ein weiterer qualitativer Indikator für die protestantische Klientel der theosophischen Gesellschaften. Man bediente einerseits das Wissensbedürfnis, das aus der protestantischen Religionskultur stammte, und kompensierte andererseits das vielbeklagte emotionale Defizit protestantischer Liturgien. Von der sozialpsychologischen Funktion her bot Steiner ein der Freimaurerei eng verwandtes Programm, dergegenüber er allerdings Frauen in die Riten einbezog. Die Querverbindungen zu anderen alternativen Weltanschauungsgruppen und -milieus dürften dicht gewesen sein, insbesondere auf der persönlichen Ebene, sowohl hinsichtlich der parallelen als auch der sukzessiven Zugehörigkeit, doch sind genauere Aussagen mangels vergleichbarer Forschungen augenblicklich nur punktuell möglich. Deutlich sichtbar, wenngleich nicht in ihren Verästelungen ausgelotet, sind beispielsweise die Überschneidungen mit Lebensreformmilieus - von der vegetarischen Ernährung bis zur homöopathischen Medizin. Hier fehlt eine wissenschaftliche Arbeit, die das Netz dieser Milieus analysierte. Vereinsgeschichtlich bemerkenswert war die Konstruktion der Außengrenze der Theosophischen Gesellschaft als osmotischer Linie, mit der die Theosophie als bloßer »Kern« einer letztlich allumfassenden »Bewegung« definiert wurde. Diese Konstruktion ermöglichte es der Theosophie, angesichts eines Pluralismus, der nicht automatisch, wie man es erwartete, in die Theosophie mündete, ihr Selbstverständnis zu verschieben: von der abgeschlossenen »Sekte« hin zu einer sozialen »Bewegung«. So ließen sich individuelle Sympathisanten real und alle anderen Reformbewegungen virtuell einbinden. Damit veränderte die Theosophie klassische Vereinsstrukturen auf einen offenen Organisationstypus hin, der erst nach dem Zweiten Weltkrieg zu einem eigenen, politisch relevanten und von der Forschung als »neue soziale Bewegungen« näher analysierten Typus wurde. Dies war eine organisationsgeschichtliche Innovation, die über die Arbeiterbewegung hinausging und deren Wirkungsgeschichte noch nicht erforscht ist. Hinter den egalitären Postulaten und den demonstrativ geöffneten Außengrenzen standen allerdings autoritäre Vereinsstrukturen. Schon aus der Metaphorik von »Kern« und »Bewegung« folgte eine Hierarchisierung, in der nur die interne, »hellsichtige« Elite um das Orientierungswissen einer ihres Weges unbewußten »Bewegung« weiß. Darüber hinaus war in der »Esoterischen Schule« eine abgeschottete Machtverwaltung, ein Kern im Kern etabliert. Die inzwischen zugänglichen Materialien belegen schon in Steiners Adyar-Theosophie vor dem Ersten Weltkrieg die Unterweisung von mehreren hundert »Schülern«, die zwar

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die »übersinnlichen« Einsichten frei nachvollziehen sollten, zugleich jedoch zur »Devotion« gegenüber dem Geheimlehrer angehalten waren. Steiner hat diese »kindliche Verehrung« in späteren Auflagen einschlägiger Texte entpersonalisiert, aber damit nur eine Doppelstruktur zwischen personaler und sachlicher Autorität geschaffen, gegenüber der eine kritische Freiheit nicht vorgesehen war und auch in der Praxis nicht bestand. Der Nukleus dieses Systems, Steiners alles dominierende Autorität, stand nie in Frage. Die vereinskonstitutive Wirkung dieser Autorität folgt weithin den von Max Weber beschriebenen Mechanismen charismatischer Herrschaft, die sich, in Weiterführung neuerer Forschungen, von Webers Postulaten - der Traditionalität charismatischer Herrschaft und der nicht möglichen Verstetigung - lösen lassen. Die Theosophie ist ein Beispiel für eine zeitgenössische und im »Weltanschauungscharisma« auf Dauer angelegte Gruppenbildung durch einen charismatischen Führer. Die nachgerade monarchische Autoritätsstruktur war ein Korrelat der im weltanschaulichen Monismus aufgehobenen Pluralität. Die Dialektik von Einheit und Vielfalt wurde nicht vom Pol der Pluralität her organisiert, sondern als Aufhebung im monistischen »Geistigen« gedacht. Diese Entscheidung war ein wichtiger Teil der theosophischen Antwort auf die als Chance und Bedrohung wahrgenommene Pluralisierung. In diesem Monismus oder Universalismus eine aufklärerische Tradition zu sehen, ist nicht per se illegitim, wenn man nicht vergißt, daß damit eine autoritäre Kontrolle von innertheosophischer Devianz und von Pluralität überhaupt verbunden war. Die Grenze jeder Kritik war die Nachvollziehbarkeit »übersinnlicher« Einsichten. Bis heute bildet sie eine Grenze, an der die Schriften Steiners (wie die anderer Theosophen) zu einem funktional »heiligen« Textcorpus gerinnen. Eigene »übersinnliche« Erkenntnisse haben die meisten deutschen Adyar-Theosophen nicht behauptet, eigene »Sakral«texte oder Korrekturen an Steiners Aussagen nicht vorgelegt. Die wenigen konkurrierenden »clairvoyanten« Einsichten führten zu Ausschlüssen und Spaltungen und dokumentieren, in welchem Ausmaß die ätherisch scheinende Theorieproduktion ein harter Machtfaktor war. Das komplementäre Verhältnis von Führungsanspruch bei Steiner auf der einen Seite und Orientierungssuche mit nachfolgender Anhänglichkeit und Verehrung bei seinen Anhängern auf der anderen hat diesen Konflikt in den meisten Fällen nicht zum Ausbruch kommen lassen. So »modern« die elastische Konstruktion der Zugehörigkeit in der theosophischen »Bewegung« und das Korrelat der als Dogmenfreiheit idealisierten Individualisierung war, so »unmodern«, jedenfalls autoritär und undemokratisch, war die Konstruktion der theosophischen Vereinsstruktur im »Kern«bereich. Nach Steiners Tod brach in der Anthroposophie allerdings eine faktische Pluralität auf, in der heute dogmatische Hardliner neben weltoffenen Liberalen stehen, aber diese Transformationsgeschichte war nicht mehr Gegenstand meiner Analysen.

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19.1.2 Weltanschauungsproduktion a. Indien oder Europa? Die klassische Frage zur Entstehung der theosophischen Weltanschauung lautet: indisch oder europäisch? Dahinter standen schon um 1900 theosophische und fremde Definitionsinteressen: Blavatsky sah das Fundament einer die anglo-europäische Kultur überbietenden Weltanschauung in asiatischen Schriften, und ihre Kritiker klassifizierten das theosophische Programm als indisch, um die Theosophie als »fremd« oder kulturell zweitklassig zu disqualifizieren. Steiner hingegen betrachtete die europäische Tradition und (zunehmend) das Christentum als normatives Zentrum der Theosophie. Die Antwort, in welchem Verhältnis indische und europäische Vorstellungen standen, fällt erwartungsgemäß nicht so eindeutig aus wie die Vorgaben der theosophischen oder der »gegnerischen« Definitionsinteressen. Sie ist allerdings auch nicht so unübersichtlich, daß alles sich in einen unentwirrbaren Synkretismus verschlingen würde. Steiner trat in eine theosophische Gesellschaft ein, die in der Struktur und in den einzelnen Elementen ihrer Weltanschauung weit weniger »indisch« war, als Selbst- und Fremdzuschreibung es erwarten lassen. Von der personalistischen Anthropologie bis zur evolutiven Kosmologie stammen zentrale Elemente von Blavatskys Denken aus europäischen Traditionen - entgegen ihrer Behauptung asiatischer, namentlich tibetischer Wurzeln. Einzelne Elemente, etwa ihre Vorstellung der Ewigkeit der Welt, mögen indischen Vorstellungen geschuldet sein, finden sich aber auch in Europa. In vielen Fällen sind Überlagerungen deutlich: Beispielsweise kannte sie die Reinkarnationslehre aus dem Spiritismus, lernte sie aber erst in Indien schätzen, ohne aber die Kritik etwa des Theravada-Buddhismus am personalistischen Menschenbild zu übernehmen, so daß ihre Reinkarnationsvorstellung ihre nächsten Verwandten in subjektorientierten europäischen Reinkarnationskonzepten aus der Mitte des 19. Jahrhunderts besitzt. Schon Steiners Ausgangslage war anders: Er war nie in Asien, besaß eine nur geringe Kenntnis indischer Vorstellungen (die wie bei Blavatsky durch Übersetzungen vermittelt waren), und er rezipierte indisches Denken im wesentlichen in theosophischer Präsentation. Aufgrund dieser entschärften Fremdheit mußte sich Steiner allenfalls in einzelnen Elementen (bei ihm in der Vorstellung der Ewigkeit der Welt), mithin eher symbolisch von »indischen« Vorstellungen distanzieren. In einzelnen Punkten brachte die indische Tradition ihre innovative Fremdheit zur Geltung, bemerkenswerterweise auch bei ihm in der Reinkarnationsvorstellung, bei der der Funken ihrer Plausibilität durch die Lektüre eines UpanischadenTextes übersprang. Aber Steiner hat Reinkarnation dann sofort im Rahmen europäischer naturwissenschaftlicher Vorstellungen interpretiert und sie später systematisch, aber eben nachträglich mit einer europäischen Wurzel versehen, etwa mit Hilfe von Lessings »Erziehung des Menschengeschlechts«. Derartige Analysen bestätigen, daß Steiner (und meines Erachtens fast die gesamte theosophische Tradition des 19. und frühen 20. Jahrhunderts) nur einen sehr begrenzten Zugang zur Fremdheit des indischen Denkens besaß, wie ich im Gegensatz zu vielen Selbstdarstellungen und insbesondere zur älteren wissenschaftlichen Literatur meine. Die Theosophie war in ihrem Ansatz und in der Ausgestaltung

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ein genuin europäisches Produkt, organisatorische Transnationalität bedeutete keine weltanschauliche Globalität. Angesichts des theosophischen Anspruchs auf Interkulturalität (respektive auf synkretistische Transkulturalität) klang und klingt eine solche Feststellung abwertend, weil sie der Theosophie das Scheitern an ihren eigenen Maßstäben attestiert. Doch das Problem ist in historischer Perspektive komplexer: Um 1900 besaß bereits die Forderung nach Gleichheit der Kulturen und der Anspruch, sie als egalitäre Elemente in die Theosophie einzubauen, eine emanzipatorische Qualität. Das genaue Ausmaß der Illusion, den europäischen Denkhorizont überwunden zu haben, wird erst mit dem Wissen der Nachgeborenen deutlich, wo wir klarer sehen, wie tief die theosophische Grammatik europäisch geprägt war - vermutlich ohne daß die meisten darum wußten. Die historische Xenologie hat allerdings auch hinsichtlich anderer Gruppen (mit der Theosophie wären etwa die europäischen Buddhisten vergleichbar) nachgewiesen, daß die Realisierung von kultureller Alterität um 1900 erst langsam die hermeneutische Schärfe bekam, die sie heute besitzt. Ohnehin bleibt die Realisierung totaler Fremdheit aufgrund prinzipieller hermeneutischer Eintrittsschranken, etwa der Notwendigkeit, Fremdheit um ihrer Erkennbarkeit willen dem Erkennenden anverwandeln zu müssen, ein unabschließbarer dialektischer Vorgang und ist letztlich unmöglich. In dieser historisierenden Perspektive war die Theosophie aus heutiger Sicht ein bemerkenswerter und partiell gelungener Versuch, die eurozentrische Sicht aufzubrechen. Die genaue Konstellation der unterschiedlichen Traditionsbestände ist in jedem Einzelfall zu ermitteln. Bei Steiner aber verdeckt die Frage nach Indien oder Europa geradezu, selbst wenn man die Antwort als Überlagerung oder wechselseitige Durchdringung formuliert, den konkreten historischen Ansatzpunkt seiner Theosophie. Ich vertrete eine These, die die vorliegenden Biographien Steiners umzuschreiben nötigt: Seine Weltanschauung war im Kern und in allen wichtigen Details nicht von asiatischen Vorstellungen geprägt, aber, und hier liegt der springende Punkt, auch nicht von traditionellen (hegemonialen oder »esoterischen«) europäischen Traditionen. Vielmehr wurden seit 1900 theosophische Auffassungen zum Fundament seiner Weltanschauung. Die Theosophie und spätere Anthroposophie entstand also nicht im primären Zugriff auf eine asiatische oder europäische Tradition, sondern als Rezeption einer sekundären Verbindung beider in der Theosophie. Daß Steiner den einen oder anderen asiatischen Text gelesen hat und tief im idealistischen deutschen Denken des späten 19. Jahrhunderts steckte, ist kein Gegenargument. Die Theosophie war das wichtigste »Medium« asiatischer und esoterischer Vorstellungen, von der Anthropologie bis zur Kosmologie, und sie stellte den Interpretationsrahmen, in den Steiner alle in den letzten zweieinhalb Lebensjahrzehnten akquirierten Vorstellungen stellte. Weil aber Steiner seine theosophischen Wurzeln im Laufe der Auseinandersetzung mit Annie Besant verleugnete, ihm die Anthroposophen darin bis auf wenige (das Problem aber nicht in seiner Schärfe artikulierende) Autoren folgten und auch die wissenschaftliche Literatur Steiners diese Vorgabe mehr oder weniger übernahm, greift diese Revision tief in das bislang gezeichnete Bild Steiners ein. Außenstehende werden diesen Befund mit Neugier oder

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Schulterzucken zur Kenntnis nehmen und vermutlich nicht ahnen, daß damit für viele Anthroposophen eine Welt zusammenbricht. Aber Steiner war ein in die Wolle gefärbter Theosoph. Er selbst hingegen betrachtete die Theosophie an seinem Lebensende als eine Welt von »Irrationalität«, von unbewußter, unaufgeklärter, unwissenschaftlicher Erkenntnis, die für ihn fast feindbildartige Züge besaß. Daß Steiner dann eine spezifische Form der Theosophie konstruiert hat, ist nicht zu bestreiten, aber darin unterscheidet er sich strukturell nicht von anderen Theosophen. Steiners Eigenheiten liegen in der Prägung durch goetheanisches Denken und in einer Philosophie in der Nachfolge des deutschen Idealismus, deren Strukturen Steiner in der Theosophie wiederfand und ihr später auch einschrieb. In der Verbindung von theosophischem Sozialdarwinismus und Goethes evolutivem Denken oder in dem sowohl dem Idealismus wie der Theosophie inhärenten Antimaterialismus wurden diese Verbindungen auch darstellbar. Die spezifisch deutschen Traditionen konnten sich dabei, wie im Ersten Weltkrieg deutlich wurde, bis zur deutschtümelnden Nationalisierung der Anthroposophie steigern, aber auch dies gab es in anderen theosophischen Gesellschaften. Für wenig aussagekräftig halte ich demgegenüber Steiners symbolische Bruchstelle mit der theosophischen Muttergesellschaft: seine christliche Zentrierung der Theosophie in Konfrontation mit dem indischen »Weltenlehrer« Krishnamurti. Christlichkeit war sowohl in der Adyar-Theosophie vor und nach 1900 als auch in den konkurrierenden theosophischen Gemeinschaften akzeptiert und vielfach auch ein zentraler Referenzhorizont. Steiner konstruierte aus den Elementen, die im Rahmen innertheosophischer Pluralität verbreitet waren, einen Gegensatz zwischen Adyar und Berlin. Es spricht manches dafür, daß er neben der Verfolgung machtpolitischer Ziele gegenüber Annie Besant, der Präsidentin der Theosophischen Gesellschaft, auch ihre Weltanschauung, der er einen entscheidenden Impuls seiner theosophischen Spiritualität verdankte, durch Überbietung neutralisieren wollte. Im internationalen Vergleich relativiert sich damit die von der Anthroposophie beanspruchte und in der Literatur oft zugestandene weltanschauliche Sonderstellung. Sie bleibt Theosophie, aber in einer eigenen Gestalt. b. Historismus und Naturwissenschaft Die Begriffe Historismus und Naturwissenschaft führen ins Zentrum der kulturhistorischen Deutung der Theosophie: Hinter diesen beiden (kategorial differenten) Stichworten stehen sowohl gesellschaftliche Pluralisierungsprozesse als auch die zugehörigen theosophischen Bewältigungsversuche. Historismus (als Einsicht in die historische Bedingtheit und damit Relativität aller kulturellen Dimensionen) und Naturwissenschaft waren im theosophischen Denken durch ein wechselseitiges Bedingungs- und Aufhebungsverhältnis gekennzeichnet: Die Relativierung kultureller Geltungsansprüche im Historismus hatte die Suche der Theosophen nach einem archimedischen, »objektiven« Punkt der Weltdeutung ausgelöst, und die neue Sicherheit glaubten sie in den exakten Naturwissenschaften und ihren Methoden zu finden. Das Scheitern der Versuche einer Fraktion des Spiritismus, quasi-experimentelle Beweise einer jenseitigen Welt zu

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liefern, führte zum Ersatz der spiritistischen Séancen durch die Propagierung religionshistorischer Forschung in der Theosophie. Der naturwissenschaftliche Anspruch wurde dabei vom Forschungsgegenstand auf die Methodologie verlagert: Die theosophischen Erkenntnisse sollten aufgrund des quasi-naturwissenschaftlichen Weges der Erkenntnisgewinnung eine ebenso »objektive« Geltung besitzen wie die Ergebnisse der Experimente im Labor respektive der Séancen im Chambre d'opération. Der kulturellen Pluralität sollte mit Hilfe naturwissenschaftlicher Verfahren die Schärfe ihrer relativistischen Folgen genommen und der Punkt ihrer Aufhebung in »objektives« Wissen gewiesen werden. Charles Percy Snows These von den »two cultures« kommt hier an ihre Grenzen: »Geistes-« und »Naturwissenschaften« sahen Theosophen einen integralen Teil einer einzigen Vorstellungs- und Lebenswelt. Historisch war das Verhältnis von Historismus und Naturwissenschaft ein konsekutives: Die erste Generation der Theosophen, namentlich Blavatsky und Olcott, kamen aus dem Spiritismus, also aus einer »naturwissenschaftlich« orientierten religiösen Praxis. Die im Prinzip bekannten, von theosophischen Selbstdarstellungen gerne marginalisierten und für Deutschland bislang völlig unterschätzten spiritistischen Wurzeln sind meines Erachtens ein entscheidender Schlüssel zum Verständnis der Theosophie. Der Gründungsakt als Gesellschaft zur Förderung der »esoterischen« Religionsgeschichte transformierte den Impuls des Spiritismus, hob ihn aber nicht auf. An die Stelle der Empirie trat, pointiert gesagt, Hermeneutik. Da die wissenschaftliche Literatur die spiritistische Verankerung des theosophischen Denkens meist unscharf und für die deutsche Theosophie nicht gesehen hat, war der Nukleus der theosophischen Konstruktionslogik neu zu bestimmen. Auch Steiner gehört mit seiner Forderung nach »geisteswissenschaftlichen« Erkenntnissen, die einem naturwissenschaftlichen Objektivitätsideal folgen sollen, in diese Transformationsgeschichte des Spiritismus. Bislang nicht realisiert wurde aber, daß er sich in seinem letzten Lebensjahrzehnt zu den Anfängen der Theosophie wendete und selbst zum spiritistischen Medium wurde. Nur selten läßt sich der tiefsitzende Druck empiristischer Ansprüche in der Theosophie eindrucksvoller illustrieren. Steiners antihistoristische Zuordnung von Natur- und »Geistes«wissenschaften sei am Beispiel der Konstruktion eines Weltgedächtnisses illustriert: der »AkashaChronik« (die trotz ihres indischen Namens europäische Konzepte eines universalen Gedächtnisses beerbt) und. Die Inhaltsanalysen dieser Memorationsinstanz bestätigen wie im Lehrbuch Maurice Halbwachs' Beobachtungen zur Konstruktion von Erinnerung im Rahmen des jeweils zeitgenössischen Wissensbestandes. Dort findet sich Bücherwissen in den Problemstellungen des 19. und 20. Jahrhunderts. So wurde beispielsweise die vom Historismus durcheinandergewirbelte Vielfalt von Kulturen im Konzept der »Wurzelrassen« und Kulturepochen linear aufgereiht. Dies erlaubte Theosophen, sich »global« zurechtzufinden. Die Pointe lag in der sozialdarwinistischen Teleologisierung der Traditionen: Von der kosmogonischen Theorie bis zur Reinkarnationsgeschichte des Individuums bot die Geschichtserzählung in der Akasha-Chronik die Möglichkeit, historische Entwicklungen nicht als Zufälligkeiten, sondern als planvolle oder zielgerichtete Entwicklungen neu und vor allem sinnvoll zu deuten. Unterschiedliche Kul-

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turen wurden dabei evolutionär hierarchisiert und die Unübersichtlichkeit der kulturellen Vielfalt so geordnet. Aber auch die Abqualifizierung von Rassen, die völkerpsychologischen Stereotypen oder die Überhöhung der deutschen Kulturmission fanden hier ihre Begründung. Die Matrix der theosophischen Rassentheorie war ein spiritueller Sozialdarwinismus. Von seinen biologistischen Varianten unterschied sich dieses Programm allerdings durch die massiv relativierte Bedeutung des Kampfes ums Dasein. Die freie Durchsetzung von Kulturen war in der theosophischen Teleologie dem notwendigen Geschichtsverlauf untergeordnet. Der Historismus war auch außerhalb der akademischen Zunft zum Sprengsatz für das historische Selbstverständnis geworden, weil jede Tradition zur literarischen, schlimmstenfalls fiktionalen Konstruktion zu werden drohte. Hier liegt das Zentrum des historistischen Orkans, der über Europa hinwegfegte und wohl viele Theosophen, die aufgrund ihres bildungsbürgerlichen Hintergrundes Zugang zur In-Frage-Stellung der kulturellen Traditionskonstruktionen hatten, entwurzelt hatte. Gegen dieses Krisengefühl versprach Steiners »objektive« Weltanschauung eine neue Handlungssicherheit. Zugleich leidet die Anthroposophie bis heute unter dem Anspruch der historischen Kritik, weil sie ihre eigene Geschichte und die Biographie Rudolf Steiner weitgehend gegen die Fragen nach Kontexten, Abhängigkeiten und Veränderungen abgeschottet hat. Die Theosophie dokumentiert exemplarisch, wie die Historismusdebatte, deren Konsequenzen in der dichten Forschung der letzten Jahre vornehmlich hinsichtlich individueller Aneignungen in der intellektuellen Avantgarde untersucht wurden, eine soziale Gruppe prägen konnte, zu deren Programm zentral die Aufhebung der historistischen Verunsicherung gehörte. Weitere Untersuchungen zu Gruppen mit antihistoristischer Programmatik würden die sozialstrukturellen Folgen des Historismus noch deutlicher hervortreten lassen. Die theosophische Auseinandersetzung mit dem Historismus dürfte ihre Schärfe nicht nur aus dem Kampf um eine gegenwärtige Sinnstiftung, sondern nicht zuletzt aus den Ansprüchen auf die künftige Gestaltung der Gesellschaft erhalten haben. Aus der »richtigen« Deutung der Vergangenheit wurden auch die Normen künftiger Verbindlichkeiten abgeleitet, das neue Gedächtnis war als Magna Charta für die Neuordnung nach der Revolution des Historismus gedacht. Da Sinnofferten aber immer umstritten sind, wurden Logik und Inhalte der neuen Ordnung schon unter Theosophen zum Streitfall und die Akasha-Chronik ein Kampfmittel im innertheosophischen Machtkampf: etwa in der Auseinandersetzung um die Vorherrschaft der deutschen oder der anglo-amerikanischen »Rasse«. Schon auf der Vereinsebene scheiterte die Absicht der Versöhnung widerstreitender Deutungsansprüche. In pluralisierungspraktischer Perspektive wird im Umgang mit dem Historismus die eingangs genannte Ambivalenz der Theosophie gegenüber Pluralisierungsfolgen sichtbar: Die Theosophie war ein Kind der neuen Präsenz kultureller Vielfalt, sie nutzte sie zur Weltanschauungskonstruktion und förderte die Erosion hegemonialer Deutungssysteme, trat aber zugleich mit dem Anspruch auf, diese Veränderungen monistisch aufzuheben. Dies war die Nutzung des Historismus zu antihistoristischen Zielen. Die Aufhebung der europäischen

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Tradition in den theosophischen Geschichtspanoramen war ein Versuch, diesen Wandel stillzustellen. Dies beleuchtet die Historismusdebatte nochmals aus einer nicht unbekannten, aber auch nicht ganz alltäglichen Perspektive: Es gab nicht nur Förderer und Gegner des Historismus, sondern auch Menschen, die beides zugleich waren. c. Tradition und Innovation Die Quellen der Theosophie habe ich in dieser Arbeit vor allem am Beispiel Rudolf Steiners identifiziert. Sie sind dabei erstmals, von wenigen Vorarbeiten abgesehen, historisch-kritisch aufgearbeitet worden. Dabei ließ sich das zentrale theosophische Dogma, eine verdrängte, verfolgte oder nur »Eingeweihten« bekannte »esoterische« Tradition zu beerben und zur Geltung zu bringen, nicht belegen. Überraschend war allerdings doch, in welchem Ausmaß tagesaktuelle Debatten in die Bildung der theosophischen Weltanschauung eingeflossen sind: Von der Atlantisdebatte über Haeckels Evolutionstheorie bis zur Romanliteratur über die »vierte Dimension« stammt praktisch das gesamte Material aus den Jahren um 1900. Ältere Traditionen, etwa antike und frühneuzeitliche, lagen Steiner fast ausschließlich in der Präsentation oder Deutung des 19. Jahrhunderts vor. Die wichtigste Ausnahme bildet Goethes Metamorphosedenken und seine ästhetische Naturbetrachtung, die Steiner allerdings im Rahmen eines nachhegelschen, auf Objektivitätsvorstellungen hin ausgelegten Idealismus des späten 19. Jahrhunderts mit neukantianischer Erkenntnistheorie rezipierte. Wie gegenwartsnah sich Steiner alimentierte und gleichzeitig Traditionen konstruierte, macht das ebenfalls überraschende Ergebnis der Überprüfung der in der neueren Literatur zur Anthroposophie immer mehr Raum gewinnenden These deutlich, daß Steiners Theosophie die romantische Naturphilosophie, namentlich Schellings beerbe. Steiner hat, Goethe ausgenommen, die romantischen Naturphilosophen nicht konstitutiv verwertet, sondern sie nachträglich zu Vorläufern überhöht. Wieweit er damit für die Fortwirkung der romantischen Naturphilosophie im späten 19. Jahrhundert repräsentativ ist, muß offen bleiben. Die Berufung seines Mentors Ernst Haeckel auf Goethe, Lamarck oder Johannes Müller belegt aber strukturell vergleichbare Rückgriffe, doch sind die Dimensionen dieses Rezeptionsprozesses um 1900 momentan überschaubar. Eine systematische Untersuchung der Nachwirkungen der romantischen Naturphilosophie, vor allem aber ihrer populären Rezeption, dürfte dieses Kapitel der kulturellen Wissenschaftsgeschichte in neuem Licht erscheinen lassen. Die Detailuntersuchungen zu Steiners Vorlagen haben darüber hinaus die Annahme, die Steiner oft suggerierte und auch kritische Autoren meist übernahmen, weitgehend widerlegt, daß es sich bei seinen Referenzen um »Höhenkamm«-Literatur gehandelt habe. Auch dies gibt es etwa im Bereich der Philosophie, aber meist dominieren populäre Werke. Bei den natur»wissenschaf tlichen« Quellen Steiners etwa handelt es sich durchweg um Traktatliteratur: Es läßt sich die Lektüre von »Kosmos«-Heften nachweisen oder die theosophische Verweltanschaulichung als Ausgangspunkt seiner Überlegungen aufdecken; bei den komplizierten Themen der mathematischen Mehrdimensionalitätstheorien oder der Relativitätstheorie fallen diese Grundlagen besonders ins Auge, stehen

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aber nur exemplarisch für ähnliche Rezeptionsprozesse in allen Bereichen. Die von Steiner rezipierte Literatur bestätigt die von Andreas Daum herausgearbeitete große Verbreitung und Bedeutung einer popularisierten Naturwissenschaft, die nicht mehrheitlich oder gar generell metaphysikkritisch argumentierte, für die Weltanschauungsproduktion im Kaiserreich. Die weitere Rezeptionsforschung derartiger Popularisierungen steht allerdings noch aus. Steiners tagesaktuelle Wissensproduktion ist der Ausgangspunkt für die Bestimmung seines Verhältnisses zu älteren Traditionen. So sind beispielsweise das pantheisierende Konzept der theosophischen Kosmologie und die damit verbundenen Selbsterlösungsvorstellungen deviante Merkmale von langer Tradition; man kann sie etwa leicht in den Neuplatonismus der Antike zurückverlegen. Die Gretchenfrage lautet aber, ob es sich dabei um homologe oder analoge Traditionen handelt, ob die Theosophie also in einer kontinuierlichen Tradition steht oder ob sie kulturelle Gegenmodelle situativ (durchaus unter Nutzung alten Materials) »erfunden« hat. Beispielsweise spricht vieles dafür, daß Steiner seine monistische Kosmologie im Kontext von naturwissenschaftlichen Konzepten und der Antithetik von »Geist und Materie« im 19. Jahrhundert kreierte. Er kannte, wie alle Theosophen, zwar neuplatonische oder gnostische oder auch goetheanische Quellen, als deren Vermächtnis solche Positionen oft erscheinen, aber dies dürfte, wie bei den romantischen Naturphilosophen, eine nachträgliche Anbindung sein. Steiner ist angesichts der nicht nachweisbaren genetischen Traditionskonstruktion als Vertreter einer analogen, strukturellen Gegentradition einzustufen: Auf die (unterstellte) Diastase zwischen »Natur« und »Geist« reagierte Steiner mit einer monistischen Alternative, die aber nun nicht mehr Hermetik oder Vitalismus, auch noch nicht Ganzheitlichkeit hieß, sondern »Geisteswissenschaft«. Der aktuelle Auslöser von Steiners Alleinheitsdenken war die Scheidung von Natur und Geist im Positivismus um 1900, auf die er mit einer »invention of tradition« reagierte: nicht im Sinn kreativer Traditionslosigkeit (wie man diese These Hobsbawms oft mißverstanden hat), sondern durch die Transformation vorgefundener Vorstellungen, ohne in deren Sukzession zu stehen. Manche Einfügungen und Umarbeitungen kommen aber einer Innovation nahe. Die Kriterien, ob oder wann man eine Transformation als Innovation einstuft, bleibt dabei offen, ich stelle aus subjektiver Perspektive einige markante Veränderungen zusammen. Die weitestgehenden Neuerungen scheinen mir im Bereich der Anthropologie zu liegen. Die klassische Trias von Leib - Seele Geist überformte Steiner mit einer Anthropologie von Körperhüllen (physischer Leib, Astralleib, Ätherleib, Ich). Sie stammt aber nicht, wie Theosophen und viele kritische Beobachter annehmen, aus Indien, sondern wurde von der Theosophie aus der frühneuzeitlichen Anthropologie, mutmaßlich des Paracelsismus, der um 1900 durch Neuauflagen leicht zugänglich wurde, entnommen. Schon in Steiners theosophischen Vorlagen war aus der möglicherweise paracelsistischen Erweiterung des Seelenkonzeptes ein additives Modell von Körperschalen geworden, das gegenüber der im Prinzip unitarischen Anthropologie jüdischchristlicher Provenienz ein Gegenkonzept strikter Trennung von Leib und Seele aufstellte. Ein Beispiel für die weitreichenden Veränderungen in vielen Einzel-

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fragen war Steiners Konzept der »Selbsterlösung«. Systemlogisch war dies eine Konsequenz der Reinkarnationslehre, historisch gehört die Selbsterlösung in eine seit dem 18. Jahrhundert nachweisbare, etwa in der »esoterischen« Maurerei als großes Arkanum formulierte und um 1900 etwa im Nietzscheanismus propagierte radikale Autonomie. Religionshistorisch liegt in diesem Schritt ein in die Tiefengrammatik der europäischen Ideengeschichte reichender Bruch mit den sowohl hegemonialen als auch dissentierenden christlichen Traditionen und insoweit durchaus eine Innovation. Gleichzeitig führte die Reinkarnationsvorstellung zur Lösung des »materiellen« Menschen aus der traditionell obligaten Verbindung mit dem Körper. Steiner vertrat hier kein Neuland, ging aber damit auf Distanz zur hegemonialen Tradition. Diese Relativierung des Körpers zieht sich quer durch Steiners Denken: Im Reinkarnationsprozeß wird der Körper ausgetauscht, in der Eurythmie die Tänzerin in wallenden Stoffen verhüllt, in der Genderkonstruktion Geschlechtlichkeit in Androgynie aufgelöst. Steiner besaß, wie die meisten Theosophen, eine körperdistanzierte, teilweise körperfeindliche Anthropologie und gehört damit in eine im Kaiserreich verbreitete Reduktion auf den intellektuellen, »geistigen« Menschen. Die Hochschätzung von Erkenntnis und Selbsterlösung einerseits und Entkörperlichung andererseits stellt ideengeschichtlich die Frage nach dem Verhältnis zur Gnosis, in der bei allen Schulunterschieden die Hochschätzung von Erkenntnis und die Abwertung von Körperlichkeit weit verbreitet sind. Schon Theosophen haben diese Nähe gesehen und ein affirmatives Verhältnis konstruiert, während Kritiker eben diese Ähnlichkeiten zum Vorwurf erhoben. Traditionsgeschichtlich gibt es allerdings keinen Hinweis auf eine kontinuierliche Weitergabe gnostischer Vorstellungen (wie Theosophen und manche Kritiker behaupteten), sondern wiederum nur eine strukturelle, aus Systemzwängen herrührende Analogiebildung, die in der Gnosisforschung häufig als »Gnostizismus« von »Gnosis« unterschieden wird. Wer das Geistige wertschätzt, kommt leicht dazu, von der Denklogik her das Materielle abzuwerten - dazu braucht man nicht zwingend historische Vorlagen. Wie im Brennglas verschmilzt die Frage nach homologer oder analoger Traditionsbildung in der Untersuchung des für die Theosophie zentralen Begriffs »Okkultismus«. Seine Geschichte ist zwar für die Frühe Neuzeit anhand des Adjektivs »occultus« gut erforscht, nicht jedoch für das 19. und 20. Jahrhundert. Meine Analyse von Steiners Wissenschaftsverständnis füllt hier eine Lücke, ist allerdings nicht mehr als ein Punkt in der semantischen Odyssee des Okkultismus-Begriffs ins 20. Jahrhundert hinein. Steiner beanspruchte einen Wissenschaftsbegriff im Verständnis der new science: Die Theosophie als okkultistische »Geisteswissenschaft« sei eine auf Empirie gegründete, ergebnisoffen arbeitende Wissenschaft. De facto arbeitete Steiner jedoch mit Prinzipien der old science: Die hellseherisch »forschende« Bestätigung vorab definierter Inhalte ist das Gegenteil einer offenen Forschungswissenschaft, deren Ergebnisse hypothetisch erwartbar sind, aber nicht »geschaut« werden können, also nicht im voraus festliegen. Konsequenterweise gibt es in der Theosophie auch keine Temporalisierung experimenteller Ergebnisse im Sinn ihrer prinzipiellen Überholbarkeit und nur zeitrelativen Geltung, einem weiteren Kernstück der

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new science, da Steiner gerade kein kulturell oder zeitlich relatives Wissen zu besitzen beanspruchte. Auch die Zweigeschossigkeit der old science findet sich im theosophischen Okkultismus wieder, insofern die »übersinnlichen« Bereiche und Wirkungen strukturelle Äquivalente zu den qualitates occultae bilden. Per saldo wurde unter dem Anspruch des Monismus faktisch die einheitliche Konzeption der Welt durch die Etablierung der »übersinnlichen« über der »sinnlichen« Welt zurückgenommen. Da Steiner schließlich die soziale Situierung der Forschung, nämlich der Ausschluß der Öffentlichkeit von der »Geistesforschung« in der »Esoterischen Schule«, analog zur privaten, an personalisierte Lehrer-Schüler-Verhältnisse gebundenen Forschung im frühneuzeitlichen Okkultismus vornahm, stellt sich die Berufung auf die new science bei Steiner und seinen theosophischen Vorbildern als dünner Firnis einer in ihren Strukturen mit frühneuzeitlichen Prinzipien arbeitenden Wissenschaftskonzeption heraus. Steiner restituierte eine idealistische Naturphilosophie im Gewand empirischer Wissenschaft. Frances A. Yates' vieldiskutierte These vom Ursprung der new science im hermetischen Denken der Neuzeit verliert mit diesem Ergebnis auch für mögliche Spätwirkungen im 19. Jahrhundert an Plausibilität. Innovativ wirkte die Theosophie vielmehr durch die Aktualisierung archivierter Traditionen, die unter veränderten gesellschaftlichen Bedingungen wieder plausibilisiert wurden. Innovation war in diesem Sinne häufig die Überführung des latenten ins aktuelle Gedächtnis und die Anwendung neuer Deutungsprinzipien. Andere Innovationen durch Reinterpretation waren die genannte (intentionale) Einordnung der »Esoterik« unter die Prinzipien der new science oder die Implantierung der »esoterischen« Theorie in politische Felder (s. u. 19.1.3). Bei der Konstruktion der Theosophie sowohl durch die Beanspruchung von Tradition als auch durch Innovation mußten Theosophen sehr schnell eine Technik nutzen, die sie an den hegemonialen Traditionen kritisiert hatten: Die selektive, normative Nutzung ihres eigenen Fundus. Steiner etwa unterwarf seine Erst- und Frühauflagen einer faktischen damnatio memoriae. Seine Nachfolger verfahren bei seinen völkerpsychologischen Theorien, um ein zweites Beispiel zu nennen, heute ähnlich, indem deren sozialdarwinistischen Konsequenzen relativiert werden. Damit entledigt man sich durch selektive Rezeption unliebsamer Traditionsbestände, unterwirft sich aber zugleich dem Zeitgeist, denn die Steuerung der Selektion ist zugleich eine Anpassung an die jeweils aktuellen Grenzen gesellschaftlicher Akzeptanz. Aber dieses Verfahren teilte die Theosophie natürlich mit anderen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften. Man kann dies als Verrat an den Grundlagen lesen, aber auch als permanente Umformung oder gar Erfindung neuer Identität.

19.1.3 Gesellschaftliche Praxis a. Politisierung Durch den Ersten Weltkrieg fand der Frieden einer auf persönliche Entwicklung bezogenen, von gesellschaftlichen Problemen fast »hermetisch« abgeschlossenen theosophischen Lebensführung ein Ende. Der apolitische Quietismus der

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Theosophie wurde aber nicht von innen aufgebrochen, sondern von außen erschüttert. Die anders lautenden Interpretationen in der Anthroposophie, die auf Vorkriegsäußerungen Steiners zu sozialen und pädagogischen Fragen verweisen, sind meines Erachtens nicht stichhaltig. Da ein entsprechender Befund auch für die mit der Adyar-Theosophie konkurrierenden Gemeinschaften in Deutschland gilt, unterscheidet sich die Theosophie in Deutschland an diesem Punkt signifikant von den Aktivitäten der Theosophie in Indien und in den Vereinigten Staaten. Blavatskys und später Besants Unterstützung der indischen Nationalbewegungen, Olcotts Schulgründungen in Ceylon oder Tingleys pädagogische Aktivitäten in Point Loma besaßen unter deutschen Theosophen vor 1918 kein Pendant. Über die Gründe dieser politischen Abstinenz in Deutschland lassen sich beim momentanen Forschungsstand nur Vermutungen anstellen: Ein wichtiger Faktor dürfte die fehlende Tradition politisch aktiver, religiöser Dissenter in Deutschland sein. Ob dabei die (von einigen Adelshäusern abgesehen) in Deutschland nicht vorhandene calvinistische Tradition, die etwa im Vereinigten Königreich eine wichtige Trägerin »heterodoxer« Politikkonzeptionen war, eine Rolle spielte, ist eine offene Frage. Mutmaßlich waren auch die Wirkungen der Unterdrückung von weltanschaulichen Alternativen nach der Revolution von 1848 folgenreich. Die einzige größere, politisch wirksame Dissenterbewegung, der Deutschkatholizismus, war durch massive staatliche Repression und die Exilierung vieler Vertreter entmachtet worden. Auch die um 1900 aktiven kleinen protestantischen Gemeinschaften (»Sekten«) waren politisch inaktiv oder staatsloyal, die Theosophie bildete in der Trennung von politischer und religiöser Sphäre in Deutschland keine Ausnahme. Steiners Politisierung vollzog sich während des Ersten Weltkriegs auf zwei Ebenen: In der ersten Kriegshälfte verknüpfte er seine völkerpsychologischen und rassentheoretischen Vorstellungen, die er vor 1914 als esoterische Kulturtheorien konzipiert hatte, mit der deutschen Kriegspolitik, die er zwar nicht scharfmacherisch, aber doch nachdrücklich abstützte. Sein Glaube an die kulturelle Hegemonie der deutschen Kultur fand in der Unterstützung deutscher Kriegsziele ihre politische Manifestation. In der zweiten Kriegshälfte traten zu seiner politiknahen Rhetorik die Versuche einer praktischen Beeinflussung der Politik. Auf Wilsons Vorschläge zur Neuordnung Europas reagierte er 1917 mit »Memoranden«, in denen er das habsburgische Reich als Modell eines multiethnischen Staates mit einem stark begrenzten demokratischen Regelwerk propagierte. Praktische Politik realisierte sich während des Krieges für Steiner im elitären Kontakt mit politischen Entscheidungsträgern (etwa mit Johann Heinrich Graf Bernstorff, Richard von Kühlmann, Arthur Graf Polzer-Hoditz). Diese Kontakte illustrieren, welches Beziehungsnetz Steiner über seine hochbürgerlich-adelige Klientel knüpfen konnte. Derartige, von esoterischen Interessen zusammengehaltene oder ermöglichte Kontakte wurden auch in der seriösen wissenschaftlichen Literatur immer wieder einmal beschrieben, etwa hinsichtlich der Familien Eulenburg oder Moltke im Umfeld Wilhelm II., doch ließen sich die realen Wirkungen nur selten benennen. Die Effekte von Steiners Versuchen der

19.1 Zusammenfassung, neue Ergebnisse, Forschungsperspektiven

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Einflußnahme sind hingegen nach meinen Untersuchungen mit ausreichender Sicherheit abschätzbar: Seine Bemühungen verliefen erfolglos, vermutlich weil die Entscheidungsträger seine reduktiven Analysen und Lösungsvorschläge als unangemessen empfanden und Steiner diese Defizite nicht durch seine personale Autorität kompensieren konnte. Zum entscheidenden Katalysator für Steiners politisches Engagement wurde die Revolution nach Kriegsende: Nicht in der ersten Phase, da die dramatischen Ereignisse schon vorbei waren, als Steiner die Radikalität des Wandels erfaßte, sondern während der »zweiten« Revolution seit dem Frühjahr 1919. Dieser historische Kontext ist in der Literatur über Steiner bekannt, in seiner ausschlaggebenden Rolle, die bis in die Details seiner Gesellschaftstheorie hinein reichen, jedoch von Anthroposophen unterschätzt worden, weil damit - ähnlich Steiners Verhältnis zur Theosophie - seine vermeintlich autonome Formulierung wichtiger Themen relativiert würde. b. Demokratie und Theosophie In den Geburtswehen der Weimarer Republik präsentierte Steiner seine »Dreigliederung des sozialen Organismus«, in der die Trennung von (öffentlichem) Recht, Wirtschaft und Kultur (»freiem Geistesleben«) die Grundlage der neuen Ordnung bilden sollte. Eine befriedigende ideengeschichtliche Kontextualisierung dieses Programms fehlte bislang. Meines Erachtens stammen zentrale Elemente, wie die wirtschaftliche Autonomie und die Entstaatlichung der Kultur, aus den Konzepten für den nationalen Ausgleich in der Habsburgermonarchie und wurden von Steiner für die reichsdeutsche Innenpolitik adaptiert. Die organologische Metaphorik hingegen, die Steiner angesichts seiner naturwissenschaftlichen Interessen nicht fernlag, stammt aus einer mit wissenschaftlichen Ansprüchen geführten populären Debatte über politische Ordnungsmodelle, in der konkretere Bezüge nur punktuell (Ferdinand Tönnies, Oscar Hertwig) auszumachen sind und aus der Steiner vermutlich vagierende Vorstellungen verarbeitete. Dreigliederung und Organologie hat Steiner nur additiv miteinander verknüpft, systematisch haben sie nichts gemein. Dazu kamen, ebenfalls additiv, Vorstellungen aus der Rätedebatte dieser Jahre. Angesichts des Untergangs der Weimarer Republik sind Steiners konzeptionelle Weichenstellungen von weitaus höherem Interesse. In seinem organologischen Programm glaubte Steiner, die Gesellschaft wie einen natürlichen Körper und mit Hilfe naturwissenschaftlicher Methodik analysieren zu können, so daß spezifisch kulturelle, insbesondere politikwissenschaftliche Vorstellungen sekundär blieben. Zum anderen grenzte sein Konzept des »Volkskörpers« das Konfliktinstrumentarium signifikant ein: Der Antagonismus zwischen Herrschaftsausübung und organisierter Opposition oder die zeitlich begrenzte Machtverwaltung, die die gesellschaftliche Hierarchie vom »Kopf auf die Füße« stellen könnte, sind in der organologischen Metaphorik nicht darstellbar, und Konflikte sind nicht als Ausgleich von Interessen, sondern im Antagonismus der Metaphorik von »gesund« und »krank« als Alternativen konstruiert. Fundamentale Elemente neuzeitlicher Demokratiekonzeptionen (Mehrheitsprinzip in allen Bereichen, Machtverwaltung auf Zeit, checks and balances von Machtfaktoren) haben in

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19. Pluralisierung und Minderheitenkultur

diesem Konzept keinen Platz. Die biologistische Metaphorik einschließlich ihrer konzeptionellen Konsequenzen teilte Steiner mit den meisten organologischen Staatskonzeptionen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, nicht zuletzt mit den nationalsozialistischen. Die Anthroposophen zählten weitenteils nicht zu den Parteigängern des Nationalsozialismus, fast alle ihre Organisationen wurden von den Nationalsozialisten verboten. Gleichwohl gehören sie zu denjenigen, die die mentale Akzeptanz des Harmonie- und Hierarchiemodells eines gesellschaftlichen »Körpers« mit vorbereiteten. Hinsichtlich der gesellschaftlichen Dreiteilung stellen sich andere Fragen: Die Dreigliederungstheorie sollte die Möglichkeit bieten, soziale Differenzierungen zu erfassen und zu steuern. Doch führte der Ansatz, Freiheit im Rahmen gesellschaftlicher Subsysteme zu sichern, in der Beschränkung auf drei Segmente zu einer letztlich entdifferenzierenden und unterkomplexen Theorie; Hinweise etwa auf den Status der Beziehungen zwischen den drei Teilen der Gesellschaft sind ungleich schwächer als die Beschreibungen ihrer »substantiellen« Eigenheiten. Die Komplexität eines zeitgenössischen sozialen Systems läßt sich mit diesem Modell weder beschreiben noch regulieren. Dies ist einer der Gründe, weshalb Steiners Konzept in der politiktheoretischen Literatur fast keine Aufmerksamkeit gefunden hat. Ein anderer Grund dafür war Steiners nur punktuelles und kurzatmiges Engagement in der politischen Auseinandersetzung. Als nach wenigen Monaten keine hegemoniale Stellung der Dreigliederung absehbar war, zog sich Steiner wieder aus der Politik zurück. Der Angelpunkt zur Bewertung der Dreigliederung liegt in der Frage, wie Herrschaft organisiert werden soll, näherhin in der Bestimmung des Verhältnisses von Demokratie und Theosophie. Die Brisanz dieser Problematik ist in den bisherigen Darstellungen mit Ausnahme der Dissertation von Ilas Körner-Wellershaus nicht gesehen worden: Steiner monopolisierte die konzeptionellen Entscheidungen bei seiner esoterischen Elite, die die Einsicht in die »übersinnliche« Dimension besitze (wie er signifikanterweise aber fast nur im Arkanzirkel klarstellte). Mit anderen Worten: Die Dreigliederung und damit die Struktur seines politischen Denkens wurde als »übersinnliche« Einsicht von Demokratisierungsansprüchen abgeschottet. Die dem freien Diskurs entzogenen Elemente, die es in jeder Verfassung gibt, waren nicht nur, wie im Grundgesetz, Grundrechtsfragen, sondern auch nachgelagerte Themen. Konsequenterweise hat Steiner demokratische Verfahren explizit auf wenige Segmente der Dreigliederung beschränkt. Hier schlägt das elitäre Selbstverständnis aus der esoterischen Phase vor dem Ersten Weltkrieg in die politische Konzeption durch: Die Anthroposophie blieb wie die Theosophie in ihrem Selbstverständnis eine von »Eingeweihten« geführte und auf den »esoterischen« Mehrwert des Wissens gegründete Gesellschaft, und auf diesen Axiomen ruhte auch Steiners politische Theorie. Er entwarf in einer »demokratienärrischen Zeit«, wie er klagte, ein antidemokratisches Programm. Den demokratischen Strukturen der Weimarer Republik stand Steiner folglich distanziert, teilweise abschätzig gegenüber.

19.2 Theosophische Wirkungsgeschichten

1697

19.2 Eine Minderheit als gesellschaftlicher Faktor: Theosophische Wirkungsgeschichten Die Wirkungsgeschichte der Theosophie ist nicht das Thema dieser Arbeit, aber ein Lackmustest ihrer Relevanz. Die systematische Frage nach der Rolle einer Minderheit für die Konstitution und die Veränderungen einer Kultur läßt sich für die deutsche Gesellschaft anhand der Theosophie und späteren Anthroposophie besonders gut beantworten, weil sie die Verluste von Minderheiten - die ethnischen Minoritäten wurden durch den Versailler Vertrag abgetrennt, viele weltanschauliche Minderheiten während der Herrschaft des Nationalsozialismus vernichtet - überstanden. Die Theosophie ist eines der wenigen Beispiele einer minoritären Tradition im 20. Jahrhundert in Deutschland. Erst seit den sechziger Jahren kam es in der Bundesrepublik durch Einwanderer zu neuen ethnischen Milieus und zu einer neuen - teilweise von der Anthroposophie mit beeinflußten - weltanschaulichen Pluralisierung.

19.2.1 Devianz und Normalität Deviante Gruppen' definieren die Grenzen und damit auch das Zentrum von Normalität. Weil es keine gesellschaftlichen Systeme ohne Außengrenzen, mithin ohne Grenzgänger und Grenzverletzungen gibt, ist Devianz gesellschaftskonstitutiv und Bestandteil jeder Normfindung«. In der Entstehungszeit der Theosophie ist dieser Sachverhalt in der sich formierenden Soziologie scharf gesehen worden. Die These Durkheims, der als Rabbinerkind selbst einer dezentrierten Gruppe angehörte, wonach das Verbrechen notwendig zur Gesellschaft gehöre', Devianz also konstitutiv sei, verschob die analytische Perspektive: substantielle Normen von »richtig« und »falsch« wurden als variable Relationen zum »Zentrum« definiert. Zeitgleich führte auch die Theosophie die Auseinandersetzung um die Verschiebung dieser Grenze, indem sie das kulturelle Zentrum neu zu verorten beanspruchte. Der Kampf um das kollektive Gedächtnis war in ihrem Selbstverständnis keine Selbstausgrenzung als »Sekte« (im Sinn des verbreiteten, aber etymologisch nicht zwingenden Verständnisses als »abgetrennte« Gemeinschaft), sondern zielte auf eine Umprägung der herrschenden Normen. Der Begriffe wie »Devianz« und »Normalität«, »Hegemonie« und »Marginalität« implizieren eine potentielle Hierarchisierung, der ich gerne ausweicehn würde, aber eine semantisch strikt wertneutrale Terminologie gibt es nicht. Ich verwende diesen Begriff im folgenden deshalb intentional deskriptiv, wohlwissend, daß auch die »dichteste« Beschreibung den normativen Implikaten nicht entkommt. Luhmann: Soziale Systeme, 242-285. - Die historiographische Debatte um die Funktion von Minderheiten hinsichtlich der Konstruktion von Normalität ist umfangreich, allerdings vornehmlich hinsichtlich der Entwicklungen in der frühen Neuzeit. Nur exemplarisch nenne ich drei Veröffentlichungen, in denen sich die strukturell wichtigen Fragen fassen lassen: Erikson: Die widerspenstigen Puritaner; Roeck: Außenseiter; Hergemöller: Randgruppen der spätmittelalterlichen Gesellschaft. « Gegenüber dieser strukturalistischen Perspektive der Herstellung kultureller Kohärenz treten andere Begründungen von Devianz zurück. Insbesondere die verbreitete Theorie, daß gesellschaftliche Krisen devianzproduktiv seien, wird damit zu einer Zusatzannahme. Durkheim: Die Regeln der soziologischen Methode, 157.

1698

19. Pluralisierung und Minderheitenkultur

Schwerpunkt der Theosophie lag gleichwohl - wie Theosophen meinten: vorläufig - an der Grenze, und dies war, da nur in einer exzentrischen Position die theosophischen Eigenheiten vom Zentrum unterscheidbar waren, die Möglichkeitsbedingung ihrer Wirkung auf das hegemoniale Zentrum. In dieser Randlage vermochte sie eine Brückenfunktion wahrzunehmen und fremden Kulturen, antiken, »esoterischen« und außereuropäischen, einen Weg in den kulturellen Horizont des Wilhelminischen Deutschland zu bahnen. Die theosophischen Wirkungen auf das Zentrum stellten sich erwartungsgemäß ein, waren allerdings von der Theosophie nicht mehr zu kontrollieren. Viele Wirkungen in der Ökologie- oder der New Age-Bewegung sind insofern »ungewollte« Kinder der Theosophie. Außenseiter sind nicht nur ein Teil, sondern auch ein Produkt von Hegemonien. So war die Theosophische Gesellschaft in wichtigen Aspekten das Ergebnis der Spannung zwischen der nationalisierten Kultur und der Globalisierung des kulturellen Horizontes, weil die zunehmenden Einflüsse fremder Kulturen bei einer sich gleichzeitig verschärfenden Nationalisierung immer weniger anverwandelt werden konnten. Der weltanschauliche Synkretismus der Theosophie läßt sich als Spannungsausgleich in dieser Krise des Nationalstaatskonzepts lesen. Signifikanterweise war die Akzeptanz der Theosophie unter denjenigen Europäern hoch, deren Kontakte mit außereuropäischen Kulturen intensiv waren: etwa unter Anglo-Indern in Großbritannien respektive im indischen Vizekönigreich oder unter Niederländern im malaiischen Archipel. In Europa wuchs sie dort, wo zumindest die literarische Präsenz fremder Kulturen hoch war, und dazu zählte Deutschland. Die Theosophie vermittelte das neue Wissen mit dem tradierten europäischen Vorstellungshaushalt und löste die unversöhnte Spannung zwischen etabliert und fremd, »wahr« und »falsch«, »Hochkultur« und »unterentwickelten« oder »primitiven« Kulturen synkretistisch auf. Sie offerierte eine Harmonisierung, die die hegemoniale Kultur nur unzureichend anbot. Aber nur analytisch lassen sich Wirkungen vom Zentrum auf die Peripherie und von dort in die Mitte trennen. Der mikroskopische Blick zeigt jenseits dieser idealtypischen Vektoren Wechselbeziehungen. Die Theosophie erfüllte, und auch dies dürfte eine Bedingung ihrer Wirksamkeit gewesen sein, gesellschaftlich erwartete Normen, die sie wiederum nur bedienen konnte, weil sie in ihrer Hermeneutik und ihren wesentlichen Inhalten von europäischen Traditionen geprägt war. Nur unter dieser Bedingung konnte sie ihrerseits »heterodoxe« (»esoterische«) Traditionen im Herzen der gesellschaftlichen »Orthodoxie« nicht nur implantieren, sondern auch offenlegen. Die esoterische Sukzession, etwa die Herleitung der theosophischen Esoterik aus den antiken Mysterien, war eine Fiktion, vielmehr kamen ihre »heterodoxen« Einzelteile aus dem Bestand des gesellschaftlich akzeptierten, durch die Geschichtswissenschaften zur Verfügung gestellten Wissens und waren insoweit kanonisiert. Historiographisch beinhaltet dieser Punkt eine wichtige These: Hegemonie und Devianz sind eng und unlösbar verklammert. Demgegenüber verstehen sich gerade »esoterische« Gemeinschaften oft als unabhängig von der hegemonialen Tradition, namentlich Theosophen. Während in der wissenschaftlichen Literatur extreme Thesen unabhängiger Traditionen (wie einer institutionell tradierten

19.2 Theosophische

Wirkungsgeschichten

1699

antiken Mysterienreligion) keine Resonanz mehr besitzen, findet sich hier weiterhin die Tendenz, hegemoniale und minoritäre Kulturen zu entflechten, und diese Separierung scheint sich in den Forschungen zu minoritären Gemeinschaften zu verstärken'. Demgegenüber gibt es gute Gründe anzunehmen, daß »esoterische« Traditionen zumindest bis zum 19. Jahrhundert fast nur innerhalb der hegemonialen Deutungskulturen existierten>, bei aller hohen Komplexität dieser Traditionsverknüpfungen (s. o. 19.1.2c). Ein Verzicht auf die Kontextualisierung der »Esoterik« in naturwissenschaftliche, theologische oder literarische Diskurse der hegemonialen Kultur würde jedenfalls interessengeleitete Selbstdarstellungen fortschreiben. Norm und Devianz sind in dieser Perspektive eines Geistes Kind, beide sind Teil einer gemeinsamen Definition von Außengrenzen. Die Theosophische Gesellschaft macht exemplarisch eine arbeitsteilige Grenzziehung deutlich, denn die Spannungen zwischen hegemonialer und marginaler Kultur überlagerte in der Außenperspektive ein gemeinsames eurozentrisches Interesse: die Domestizierung der pluraler gewordenen Deutungsoptionen. Die Theosophie gehört damit zu einer gesellschaftsinternen Pluralisierung der kulturellen Außenabgrenzung, bei der zwar Außengrenzen durchlässiger, aber nicht aufgehoben werden. Vermutlich wurden diese Grenzen sogar noch bestärkt, weil fremde Kulturen assimilierbar erschienen und die eurozentrische Hermeneutik der Theosophie die Unterschiede verschleierte. Aber verdrängte Grenzen sind verstärkte Grenzen. In der Außenperspektive changiert die Theosophie damit zwischen realer und imaginärer Devianz. Die projektive Dimension in der Konstruktion abweichenden Verhaltens kann in der wissenschaftlichen Deutung dazu führen, Devianz vor allem als Interaktionsergebnis zu sehen, wie es etwa Labelling-Theorien im symbolischen Interaktionismus tun. Doch verfehlen gerade diese Vereindeutigungen die Pointe der sozialen Wirksamkeit zumindest der Theosophischen Gesellschaft. Zwar verdankt sie ihre Aufmerksamkeit einer durch die hegemoniale Kultur überzogen zugeschriebenen und damit partiell fiktionalen Fremdheit, die immerhin in der theosophischen Präsentation antiker und indischer Vorstellungen ein sachliches Fundament besaß. Aber erst die im europäischen Interpretationsrahmen eingeschlossene Mischung aus primärer Devianz in den realen »Heterodoxien« und sekundärer Devianz aufgrund der gesellschaftlichen Wahrnehmung bildete die kritische Masse für die Wirkungsgeschichte der Theosophie. Die Theosophie hat ihre deviante Rolle teils selbst bestimmt, teils den zugewiesenen Platz ausgefüllt. Dieser Prozeß der Ausgrenzung hat Ähnlichkeiten mit der Ausbildung von Devianzen, wie sie häufig, intensiv etwa seitens der Frühneuzeitforschung, beschrieben worden sind: Der gelbe Judenhut, das rote Hurentuch, das bunte Gewand des Scharfrichters oder das Getto in der Stadt, das Leprosenhaus vor den Mauern und das Gaststättenverbot für den Henker " Vgl. etwa die oft dünnen, manchmal fehlenden Bezüge zu den etablierten philosophischen oder theologischen Debatten in dem ansonsten exzellenten Band »Aufklärung und Esoterik«. 9 Ich bin der Auffassung, daß auch meine »Geschichte der Seelenwanderung in Europa« am Beispiel eines eingegrenzten Topos diese These bestätigt.

1700

19. Pluralisierung und Minderheitenkultur

sind Beispiele einer Ästhetik und Topographie der Differenz, die sich strukturell auch bei Theosophen findet. Reformkleidung, Rosenkreuzerbijous, »spirituelle« Pastellfarben der Malerei oder »organische« Architektur und Arkanriten in geschlossenen Logen sind Strukturäquivalente der frühneuzeitlichen Stigmatisierungen. Doch unter der Bedingung der rechtlich gesicherten Vereinsfreiheit hatte sich diese Herstellung von Devianz im frühen 20. Jahrhundert an einem entscheidenden Punkt verändert: Aus den heteronomen Zuschreibungen konnten autonome Ausgrenzungen werden". Zugespitzt gesagt: In der freiwilligen »Stigmatisierung« wird aus der Konstruktion der Normalität durch die Mehrheit eine Sicherung der Devianz durch die Minderheit. Haben sich Devianzen etabliert, kehren die soziostrukturellen Existenzbedingungen der Hegemonie zurück. Die internen Auseinandersetzungen und Ausgrenzungen in minoritären religiösen Gemeinschaften belegen diesen Prozeß, und Kai T. Erikson hat exemplarisch beschrieben, wie in dem Augenblick, als die von der Staatskirche abgestoßenen Puritaner in Neuengland zur hegemonialen Religionsgemeinschaft aufstiegen, die Stigmatisierung von Minderheiten erneut einsetzte". Diese Wendung ist soziologisch zwingend, wenn man akzeptiert, daß sich gesellschaftliche Systeme, wie eingangs postuliert, über Außengrenzen definieren. Auch in der Geschichte der Theosophie etablierte sich diese Limitierung der Freiheit des Dissenses schnell wieder, in Deutschland beispielsweise, als dogmatische Grenzbestimmungen in der Krishnamurti-Affaire zum Hebel wurden, theosophische »Häretiker« auszugrenzen. Die Theosophen haben diese Klemme zwischen der individualisierten Freiheit zur Weltanschauungskonstruktion und der sozialen Verfaßtheit der Theosophie deutlich gesehen und im Postulat der Dogmenfreiheit oder in der Anlagerung der theosophischen »Bewegung« an die Theosophische Gesellschaft versucht, elastische Außengrenzen zu konstruieren. Dabei war letztlich der soziologischen Notwendigkeit, zur Sicherung von Identität auch Abgrenzungen vorzunehmen, entgegen der Intentionen der theosophischen Programmatik nicht auszuweichen. Neben die Stigmatisierung von außen trat deshalb die soziale Disziplinierung nach innen. Der »Zwang zur Häresie« (Peter L. Berger) schuf auch in der Theosophie seine Grenzen.

19.2.2 Gesellschaftliche Wirkungen der Theosophie a. Biographien Die Erforschung der Theosophischen Gesellschaft über die Vereinsgeschichte ist nur die äußere Seite der Theosophie. Die oft spannendere, weitläufigere und im Einzelfall tiefgreifendere Wirkungsgeschichte spielte sich in den Köpfen ab, aber dieses forum internum ist immer nur in Annäherungen zugänglich. Zwischen

10 Dies ist keine prinzipiell neue Dimension, denn die selbstgewollte Ausgrenzung, namentlich die positiv gewertete (etwa im Mönchtum), hat es immer schon gegeben, soziale Randständigkeit mußte nicht notwendig mit kultureller Marginalität identisch sein. " So die zentrale Argumentationsführung hinsichtlich des Antinomistenstreits, der Ausstoßung der Quäker und der Hexenprozesse in Salem bei Erikson: Widerspenstige Puritaner, 66-145.

19.2 Theosophische Wirkungsgeschichten

1701

den offen sichtbaren gesellschaftlichen Verflechtungen einer Biographie und den Lebensentscheidungen einer Person klafft ein Graben, über den man allenfalls mit begründeten Vermutungen gehen kann. Die Wirkungsgeschichte der Theosophie ist allerdings selbst in den Möglichkeiten einer solchen Annäherung noch weitgehend ungeschrieben, und dies hängt nicht zuletzt mit der in Deutschland - verglichen etwa mit dem angelsächsischen Raum - relativ schwach entwickelten Kultur der historischen Biographie zusammen. Dieses Defizit liegt aber auch am traditionell dominanten Interesse der Biographik für Konvertiten, in denen nach dem Muster des zum Paulus gewandelten Saulus die Plötzlichkeit und Tiefe des Bruchs das Maß der Glaubwürdigkeit bestimmte. Zwar werden auch von Theosophen derart scharf gebrochene Biographien präsentiert, doch vermute ich, daß »hybride« Lebensläufe häufiger sind, in den sich Veränderungen langsam, oft schleichend vollziehen und Koexistenz oder Überlagerung oder Verbindung von Vorstellungen führen, die nur in den scharfen Außengrenzen von vereinsmäßig organisierten Weltanschauungen schiedlich getrennt sind. Ich denke, daß also die punktuellen Wirkungen theosophischer Einflüsse, die katalytischen Lebensphasen, die in Kritik gekleidete Zuneigung, die aus Angst vor der gesellschaftlichen Stigmatisierung oder der theosophischen Vereinnahmung verborgene Liaison, also die tentativen, antidogmatischen, verschwiegenen individuellen Synkretismen und Bricolagen meist die biographisch relevanten Wirkungen der Theosophie bergen. Es ist deshalb naturgemäß schwierig, zwischen demonstrativer Konversion und leiser Aufnahme einzelner Inhalte die Elemente einer Wirkungsgeschichte zu skizzieren. Abstoßung und Attraktion sind ein noch kaum überschaubares Feld: Viele Zeitgenossen hielten die Theosophie wegen ihrer faktisch dogmatischen Konstruktion, ihrer Kritikunfähigkeit gegenüber ihrer eigenen Genese oder aufgrund der autoritären Strukturen für nicht gesellschaftsfähig. Gleichwohl war sie mit ihrer Öffnung gegenüber fremden Kulturen, ihrer synthetischen Weltanschauung oder ihrer ästhetischen Sinnvermittlung attraktiv. Diese zweite Dimension mögen einige Namen belegen, mit denen ich Optionen für die Biographik theosophischer Wirkungen aufblättern und den Blick für weitere Forschungen offenhalten möchte. Die unabgeschlossene Liste der diskutablen Fälle ist vielleicht ein Eldorado für weitere Forschungen12. 12 Die Liste der weniger bekannten oder biographisch schwer zugänglichen Zeitgenossen, die zwischen äußerlichem Interesse und intensiver Beschäftigung changieren, würde lang. In dieser Arbeit war die Rede von Edith Andreä, die Schwester Walter Rathenaus, von dem Schriftsteller Andrej Belyi und seinem Kollegen Gustav Meyrink, von Gustav Gebhard, dem Mitbegründer dem Deutschen Bank, von dem niederländischen Mathematiker Jan Arnaldus Schouten, von Andreas Voigt, dem Mitgründer der Universität Frankfurt (Main) und hier 1914 bis 1925 ordentlicher Professor der Wirtschaftlichen Staatswissenschaften, von Alfred Gysi, zwischen 1906 und 1931 ordentlicher Universitätsprofessor am Zahnärztlichen Institut in Zürich, oder von Hermann Beckh, in beiden Rechten promovierter Professor für Religionswissenschaften in Berlin. Frenschkowski: Okkultismus und Phantastik, 67, nennt den Science-Ficton-Autor Algernon Blackwood, den französischen Astronomen Camille Flammarion, den Religionspsychologen William James, den Maler Nicholas Roerich, Jane Francesca Agnes Elgee, die Mutter des Dichters Oscar Wilde. Bei Jackson: The Oriental Religions and American Thought, 158, findet sich der Hinweis auf die Naturwissenschaftler Alfred Russel Wallace und William Crookes. Der Musiker Alexander Skrjabin besaß Blavatskys »Geheimlehre«

1702

19. Pluralisierung und Minderheitenkultur

(1.) Es gibt die klassischen Fälle einer Konversion, in denen Theosophie zur Lebenserfüllung wurde. Etwa bei Christian Morgenstern (1871-1914), der in den letzten Lebensjahren in der Anthroposophie seine Heimat fand und dessen Asche neben der Rudolf Steiners ruht; er hat in seinen letzten Gedichten Steiners Lehre seine Reverenz erwiesen13. Piet Mondrian (1872-1944) ist ein weiteres Beispiel. Er fand unter dem Einfluß Blavatskys und theosophischer Vorstellungen zur Abstraktion und suchte auch Steiner für seine Kunst zu interessieren14 ; vor seinem Tod las er nur noch Bücher Rudolf Steiners und Krishnamurtis. (2.) Joseph Beuys (1921-1986) hingegen, der in der zweiten Lebenshälfte zwischen Katholizismus und Anthroposophie changierte, ist ein Beispiel für die Anverwandlung der Anthroposophie als partiellen Teil der Biographie. Sein Werk besitzt eine »katholische« Grammatik, insofern die Realien seiner Kunstwerke einen »begreifbaren« Mehrwert gegenüber der Realität beanspruchen. Hier lag eine Anschlußstelle für anthroposophisches Denken, das über die Lektüre von Werken Steiners in sein O?uvre einfloß. Beuys wurde Mitglied der Anthroposophischen Gesellschaft, verweigerte aber, als Symbol gegen die organisatorische Umklammerung, den Mitgliedsbeitrag1>. So stehen bei ihm das »Manresa-RituahHöhere Vernunft< und >Höheres Wissen< als Leitbegriffe in der esoterischen Gesellschaftsbewegung. Vom Nachleben eines Renaissancekonzepts im Jahrhundert der Aufklärung«, in: Aufklärung und Esoterik, hg. v ders. unter Mitarbeit von H. Zaunstöck, Hamburg 1999, 170-210.

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Auflagen der Gesamtsausgabe der Werke Steiners

1835

2. Benutzte Auflagen der Gesamtsausgabe der Werke Steiners Die Gesamtausgabe (GA) der Werke Steiners ist erschienen im Rudolf Steiner Verlag, Dornach 1955 ff. In der ersten Kolume ist die GA-Ausgabe angegeben [1]. Sie ist in der Auflage, die in der zweiten Spalte mit dem Erscheinungsjahr angegeben ist [2], benutzt. Wurde eine Taschenbuchausgabe [3] benutzt, ist zur leichteren Vergleichbarkeit die zugrundeliegende GA-Ausgabe (die aber in Einzelfällen von der Taschenbuchausgabe abweichende Seitenspiegel besitzen kann, etwa bei Anmerkungen oder Registern), genannt.

Abkürzungen: Rudolf Steiner Taschenbücher aus dem Gesamtwerk Tb Fi-Tb Fischer-Taschenbuch (Rudolf Steiner: Ausgewählte Werke, 10 Bde., Frankfurt a. M. 1985) [1] GA 1 GA 3 GA 4 GA 4a GA 5 GA 7 GA 8 GA 88 t GA 89 GA 9 GA 10 GA 12 GA 13 GA 14 GA 14a GA 145 GA 15 GA 18 GA 189 GA 20 GA 21 GA 226 t GA 226 GA 23 GA 26 GA 2610 GA 27 GA 27' GA 28 GA 288 GA 29 GA 30 GA 30' GA 303 GA 31

[2] 1987 1980 1978 1994 1963 1977 1976 1976 1989 1987 1961 1993 1977 1981 1981 998 1987 1985 1985 1984 1983 1979 1979 1976 1982 1998 1984 1991 1986 1982 1960 1961 1961 1989 1966

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Tb 1987

GA 31 GA 322 GA 35 GA 34 GA 36' GA 39 GA 40 GA 44 GA 45 GA 45' GA 51 GA 52 GA 522 GA 532 GA 54 GA 55 GA 57 GA 60 GA 63 GA 64 GA 65 GA 67 GA 71 GA 73 GA 76 GA 78 GA 832 GA 84 GA 88 GA 92 GA 93 GA 93' GA 932 GA 933 GA 93a

1966 1971 1984 1987 1961 1987 1998 1985 1980 2002 1983 1986 1986 1981 1983 1983 1984 1983 1986 1959 2000 1962 1990 1988 1977 1968 1950 1986 1999 1999 1982 1979 1982 1991 1972

Fi-Tb 1985 Tb 1983 Fi-Tb 1985 Fi-Tb 1985 Tb 1990 Fi-Tb 1985 Fi-Tb 1985 Tb 1995 Tb 1991

Tb 1993 Tb 1989 Fi-Tb 1985

Tb 2000 RS-Tb 1982

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Tb 1986 Tb 1986

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1987 1979 1974 1989 1981 1998 1983 1996 1985 1985 1967 1981 1992 1974 1984 2001 1981 1995 1985 1991 1983 1979 1988 1970 1986 1979 1979 1981 1991 1979 1984 1982 1985 2001 2001 1961 1982 1982 1965 1984 1975 1984 1982 1978 1988 1973 1992 1975 1992 1975 1978 1991

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RS-Tb 1989

Tb 1983

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1962 1995 1982 1988 1964 1989 1989 1974 1993 1960 1985 1986 1982 1970 1985 1986 1997 1980 1992 1973 1990 1959 1978 1997 1985 1982 1980 1997 1981 1993 1980 1986 1962 1968 1963 1992 1964 1984 1964 1983 1966 1971 1982 1974 1994 1982 1964 1982 1968 1999 1980 1990

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1963 1967 1991 2002 1963 1979 1990 1967 1971 1980 1977 1989 1994 1986 1996 1980 1989 2003 1982 1986 1969 1999 1962 1988 1984 1990 1993 1987 1991 1987 1994 1984 1975 1994 1988 1991 1960 1981 1991 1985 1986 1992 1993 1979 1989 1986 2003 1989 1989 1981 1991 1994

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1966 1987 1994 1984 1967 1967 2002 1990 1984 1996 1987 1995 1996 1998 1997 1999 1997 1992 1992 1992 1992 1985 1981 1981 1986 1999 1982 2001 1990 1983 1981 1977 1992 1982 1982 1985 1991 1990 1980 1980 1992 1990 1984 1998 1980 1975 1975 1975 1991 1993 1979 1989

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1971 1985 1983 1999 1999 1986 1984 1979 1986 1993 1993 1993 1983 1980 1980 1981 1988 1996 1996 1930 1962 1984 1991 1997 2001

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Abkürzungen Allgemeine Abkürzungen DNL D. T. G. GA HA MAG MTG O. T. O.

Deutsche National-Litteratur, Hg. J. Kürschner (nur in Kap. 5) Deutsche Theosophische Gesellschaft (nur in Kap. 3) Gesamtausgabe der Werke Rudolf Steiner, Dornach 1955 ff. Hamburger Ausgabe der Werke Goethes, Hg. E. Trunz, München 1981 (nur in Kap. 5) Mitteilungen für die Mitglieder der Deutschen Sektion der Anthroposophischen Gesellschaft (sog. Scholl-Mitteilungen) (siehe Literaturverzeichnis) Mitteilungen für die Mitglieder der Deutschen Sektion der Theosophischen Gesellschaft (sog. Scholl-Mitteilungen) (siehe Literaturverzeichnis) Ordo Templi Orientis

Archive Nähere Angaben zu den Archiven siehe 2.4.1. Arch AG BArch Nachlaß HübbeSchleiden Nachlaß Steiner SdA Moskau StA Coburg StL TheosA Adyar

Archiv der Anthroposophischen Gesellschaft, Dornach (Goetheanum) Bundesarchiv Berlin Nachlaß Wilhelm Hübbe-Schleidens in der Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen Nachlaß Rudolf Steiners in der Rudolf Steiner-Nachlaßverwaltung, Dornach (Haus Duldeck) Sonderarchiv Moskau (»Zentrum für die Aufbewahrung Historisch-Dokumentarischer Sammlungen«) Staatsarchiv Coburg Sächsisches Staatsarchiv in Leipzig Archiv der Theosophischen Gesellschaft Adyar

Bildnachweis

Christoph Lindenberg: Rudolf Steiner. Eine Biographie, Stuttgart 1997, Bd. I, S. 424. (Annie Besant und Rudolf Steiner, 1907. © Archiv Goetheanum, Dornach/ Schweiz) Mystique, mysticisme et modernité en Allemagne autour de 1900, hg. v. M. Baßler / Abb. 9.1 H. Châtellier, Straßburg 1998, Abb. B. (Foto: Louis Darget) Charles Webster Leadbeater/Annie Besant: Gedankenformen, Leipzig 1908, Abb. 27. Abb. 9.2 Charles Webster Leadbeater: Der sichtbare und der unsichtbare Mensch. DarstelAbb. 9.3 lung verschiedener Menschentypen, wie der geschulte Hellseher sie wahrnimmt, Leipzig 21908, Abb. XII. Abb. 12.1 Rudolf Steiner: Bilder okkulter Siegel und Säulen. Der Münchner Kongreß Pfingsten 1907, Dornach 1957, nicht numerierte Abb. 1 nach S. 100. (© Rudolf Steiner-Nachlass-Verwaltung, Dornach / Schweiz) Abb. 12.2 ebd., Abb. im Abbildungsteil S. 14. (© Rudolf Steiner-Nachlass-Verwaltung, Dornach / Schweiz) Abb. 12.3 Privatbesitz Helmut Zander. Abb. 12.4 Alphonse Louis Constant (u. d. Pseudonym Eliphas Levi): Dogme et rituel de la haute magie (1854-1856), Wien (?) 1925, nach S. 364 (abgebildet in GA 2843,172). Abb. 12.5 Rudolf Steiner: Bilder okkulter Siegel und Säulen, Abb. Tafelteil S. 12. (© Rudolf Steiner-Nachlass-Verwaltung, Dornach / Schweiz) Abb. 12.6 ebd., Abb. Tafelteil S. 22. (© Rudolf Steiner-Nachlass-Verwaltung, Dornach /Schweiz) Abb. 12.7 Ernst Haeckel: Kunstformen der Natur, Leipzig 1899-1904, Tafel 38. (Ernst Haeckel) Abb. 12.8 Wolfgang Pehnt: Die Architektur des Expressionismus, Stuttgart '1998, S. 208, Abb. 340. (© Foto Stober, Freiburg i. Br.) Abb. 12.9 GA 2843, S. 214, Abb. 6. (© Rudolf Steiner Nachlass-Verwaltung) Abb. 12.10 Rudolf Steiner: Bilder okkulter Siegel und Säulen, unnumerierte Abb. 5, nach S. 100. (© Rudolf Steiner-Nachlass-Verwaltung, Dornach / Schweiz) Abb. 12.11 Wolfgang Pehnt: Die Architektur des Expressionismus (31998,) S. 205, Abb. 341. (© Archiv Goetheanum, Dornach / Schweiz) Abb. 12.12 ebd. (11973), S. 139, Abb. 326. (© Archiv Goetheanum, Dornach/ Schweiz) Abb. 12.13 Das Goetheanum als Gesamtkunstwerk, hg. v. W. Roggenkamp, Abb. 44. (© Godhard von Heydebrand, CH-3067 Boll: Photo Atelier Heydebrand-Osthoff) Abb. 12.14 Privatbesitz Helmut Zander. Abb. 12.15 Das Goetheanum als Gesamtkunstwerk, hg. v. W. Roggenkamp, Abb. 200. (© Philosophisch-Anthroposophischer Verlag am Goetheanum, CH-4143 Dornach, Photo Gmelin) Abb. 12.16 ebd., Abb. 206. (© Philosophisch-Anthroposophischer Verlag am Goetheanum, CH-4143 Dornach, Photo Atelier Heydebrand-Osthoff) Abb. 12.17 Zwei Wegbereiter der Moderne, Bd. 2: Otto Gutfreund aus der Sammlung Jan und Meda Mladek (Ausstellungskatalog Prag, Wien, München 1996 / 97), o. O., o. J. (1996 / 97), II, S. 16. Abb. 12.18 Das Goetheanum als Gesamtkunstwerk, hg. v. W. Roggenkamp, Abb. 79. (© Philosophisch-Anthroposophischer Verlag am Goetheanum, CH-4143 Dornach, Hans Gross, St. Gallen) Abb. 12.19 Franco Borsi / Ezo Godoli: Wiener Bauten der Jahrhundertwende. Die Architektur der Habsburgischen Metropole zwischen Historismus und Moderne, Stuttgart 1985, S. 193, Abb. 218. Abb. 3.1

1842

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Abb. 12.20 Roman Kurzmeyer: Viereck und Kosmos. Künstler, Lebensreformer, Okkultisten, Spiritisten in Amden 1901-1912. Max Nopper, Josua Klein, Otto Meyer-Amden, Wien/New York 1999, S. 174. Photonachweis »Bücher«: Albert Trachsel (18631929). Katalog. Musée d'art et d'histoire. Genève / Kunstmuseum Solothurn / Städtische Galerie Schwarzes Kloster, Freiburg im Breisgau, 1984. Bildunterschrift dort: »Ehemals Sammlung Josef Müller, Solothurn«. Abb. 12.21 Das Goetheanum als Gesamtkunstwerk, hg. v. W. Roggenkamp, Abb. 48. (© Philosophisch-Anthroposophischer Verlag am Goetheanum, CH-4143 Dornach, Photo Atelier Heydebrand-Osthoff) Abb. 12.22 Privatbesitz Helmut Zander. Abb. 12.23 Privatbesitz Helmut Zander. Abb. 12.24 Das Goetheanum als Gesamtkunstwerk, hg. v. W. Roggenkamp, Abb. 139. (© Philosophisch-Anthroposophischer Verlag am Goetheanum, CH-4143 Dornach, Photo Atelier Heydebrand-Osthoff) Abb. 12.25 ebd., Abb. 135. (© Philosophisch-Anthroposophischer Verlag am Goetheanum, CH-4143 Dornach, Photo Gmelin) Abb. 12.26 Wolfgang Pehnt: Die Architektur des Expressionismus (31998), S. 209, Abb. 350. (© Thomas Dix, Grenzlach-Wyhlen) Abb. 12.27 ebd., S. 167, Abb. 271. (© Fotoatelier Louis Held [Foto Stefan und Eberhard Renno], Weimar) Abb. 12.28 Hans K. F. Mayer: Der Baumeister Otto Bartning und die Wiederentdeckung des Raumes, Heidelberg 1951, Abb. S. 83, oben. (© Foto: Theo Schafgans, Bonn) Abb. 12.29 Erich Zimmer: Rudolf Steiner als Architekt von Wohn- und Zweckbauten, Stuttgart 21985, S. 138. (© Erich Zimmer) Abb. 12.30 Wolfgang Pehnt: Die Architektur des Expressionismus (31998), S. 38, Abb. 43. In: Stadtbaukunst alter und neuer Zeit. Frühlicht Jg. 1 / 13, 1920. Abb. 12.31 Sonja Ohlenschläger: Rudolf Steiner (1861-1925). Das architektonische Werk (Diss. Bonn 1991), Petersberg 1999, S. 185. (© Michael Imhof Verlag, Petersberg) Abb. 13.1 Das Wirken Rudolf Steiners, Bd. III: 1890-1907. Weimar und Berlin, hg. v. G. Hartmann, Schaffhausen 1975, S. 29. (© Philosophisch-Anthroposophischer Verlag am Goetheanum, CH-4143 Dornach) Abb. 16.1 Die Lebensreform. Entwürfe zur Neugestaltung von Leben und Kunst um 1900, hg. v. K. Buchholz u. a., Bd. 2, Darmstadt 2001, S. 521, Abb. 7.73. (© Stiftung Deutsches Hygienemuseum, Dresden)

Register Personenregister Abbott, E. A. 896 Abermeth, M. 300 Adam, L. K. 334 Adamkiewicz, A. 1525 Adams Lehmann, H. B. 1466 Adorno, Th. W. 45. 937 Adriânyi, E. 983. 986. 1010 Agrippa von Nettesheim 44. 62. 551. 1184. 1209. 1474 Ahner, H. 135. 176. 180. 344. 393 Aisenpreis, E. 1085 Aisenpreis, H.M. 1110. 1146 Aksakow, A.N. 929. 933 Albrecht, H. 308 Alcyone -* Krishnamurti Alexej (Romanow) 149 Altmann, M. 145. 690. 693f. 694. 895. 937 Alwes, F. 175 Ammons, F. 333 Anaximander 497 Anders, W. 188 Anderson, J. 709 Andreae(-Rathenau), E. 202. 207. 217 Andreae, E 202 Andreae, V. 738. 838. 843 Andreas-Salomé, L. 519-521. 524 Angelus Silesius -3 Scheffler, J. Ankenbrand, L. 321 Annen, E 308 Appia, A. 1049. 1219 Apuleius 1011 Arenson, A. 385. 984. 1067. 1098 Aria, J. R. 191 Aristoteles 1046 Arldt, Th. 373. 860 Arp, Hans 1132 Artopé, A. 335 Artus, König 647f. 1438 Arundale, E 973 Arundale, G. 106. 149. 217. 231. 264 Asch, M. 1481f. 1485f. Asquith, H. 1264 Assmann, A. 951f.

Atatürk, K. 1702 Augustinus 804 Aurig, H. 133 Baader, F. 914 Babbit, E. D. 1480 Bach, J. S. 265 Bachelard, G. 954 Bacon, E. 637. 640. 644 Badeni, K. Graf 1288 Bader, H. J. 634.830 Baer, E. v. 909 Bahai, A. 322 Bahr, H. 223. 1299 Bährens, J. Ch. E 1512. 1564f. Bailey, A.A. 254 Baker Eddy, M. 866. 1466 Ball, H. 1190 Baltin, A. 1280 Ballmer, K. 64 Baltischwiler, A. 1532 Balzli, H 1487 Balzli, J. 334. 1248 Bang, S. 1482f. Bannach, K. 548. 784. 830. 912 Baraduc, H. 941 Baravalle, H. v. 906 Bartels (Pfarrer) 112 Barth, K. 1633 Barth, W.O. 334f Bartning, O. 1172f. Bartsch, E. 1582. 1602f. Bartsch, M. 374 Bäschlin, K. 1651 Basilius Valentinus 1506 Bastanier, E. 1517 Baster, O. 1445 Bastl, A. 1129f. Bauch, W. 1603 Bauer, M. 355 Baum, A. 312 Baumann, A. 292. 297. 317 Baumann, P. 1618

1844

Register

Baumgarten, O. 1632 Baunscheidt, C. 1490-1492. 1502. 1569 Bavastro, P. 1758 Bay, T. 1613 Bäzner, E. 297. 302. 308. 312-314. 318 Bäzner, G. 297. 309. 313. 319. Becher, Th. 324 Beck, W. 1153 Beckh, H. 368. 1431. 1632 Beckmann, M. 1703 Bédarride, Brüder 968 Beetz, H. 59. 63. 319 Behla, R. 1525 Behm, H. 1663 Behne, A. 1174 Belyi, A. 712. 1056 Bemmelen, D. van 1108 Bene, E. 235. 237 Benedikt, M. 578. 1469. 1480 Benesch, E. 250 Benkendörfer, E. 1339 Benner (Pfarrer) 1339 Bennett, A. 979 Benthien, E. 245 Benziger, M. 364 Berchtold, L. Graf 1266 Berg, B. 132 Berg, M. 1128. 1168 Bergen, C. v. 113 Bergmann, H. 929 Bergson, H. 929. 931 Bernstorff, J. H. Graf 1280 Bernus, A. v 68. 723. 1094. 1131. 1274. 1493. 1615 Bernus, U. P. v. 1615 Besant, A. 1. Geschichte 100-107. 128. 131f. 134. 136. 138-142. 146-148. 153-164. 167f. 173. 176. 185. 191f. 194f. 197. 215. 217. 221. 231. 233. 236. 254. 258. 284. 294. 297. 306. 330. 337 Central Hindu College 1395 - Christologie 784. 803. 806. 808. 820f. 836 - Esoterische Schule 116. 183. 143. 698-702 Freimaurerei 972-974. 984. 989. 992. 1010. 1012f. 1134 - Praxis/Politik 182. 1246-1248. 1316. 1395 - Schuré, E. 1020 Steiner, R. 64. 140-144. 198. 558f. 565f. 571. 588. 602. 604. 687f. 791. 1028; s. a.: Münchener Kongreß (Sachregister)

2. Werke - Adyar Pamphlets 374 - »Thought-Power«/»Das Denkvermögen« 604 - »The Path of Discipleship«/»Der Pfad der Jüngerschaft« 604 »The Ancient Wisdom«/»Die Uralte Weisheit« 599.950 »Esoteric Christianity«/»Esoterisches Christentum« 559. 703. 784. 791. 797. 813. 820. 837. 1208 - »H. P. Blavatsky and the Masters of Wisdom« 373 »In the Outer Court«/»Im Vorhof des Tempels« 604f. »The Christ, who is he?« 803.805 - »Weltreligion« 374 Besant, A./Leadbeater, Ch. W. »Man: Whence, How and Whither»/»Der Mensch, woher, wie und wohin« 191. 628 Bethe, A. 175. 179f. Beutler, M. 242 Beuys, J. 1702f. Bey 214 Beyerle, A.M. 1532 Bhagwan Das 162. 173 Bier, A. 1517. 1600 Bierbaum, O. J. 123 Biesantz, H. 1162 Billing, H. 1129 Biltz, H. 112 Bircher-Benner, M.O. 1462 Bischof, G. 656 Bischoff, E. 736 Bismarck 1243 Bittner 367 Blackwood, A. 1701 Blake, W. 1704 Blankenhorn, W. 314. 316 Blasius, R. 1053 Blattmann, F. 1631f. Blättner, E 1361 Blavatsky, H. P. 78-81. 83-86. 91. 93-102. 110. 112. 115. 128. 147. 150. 156. 221. 223. 225. 254. 565f. 630. 639. 652. 657. 812. 821. 972. 1680; s. a.: Blavatsky (Sachregister) 1. Geschichte - Christentumskritik 781 Freimaurerei 984. 1011 Politik 1246 - Rassen 182 Spiritismus 94. 96 - Steiner 665-668.688-690.605.616. 667

Personenregister 2. Werke - »Glossary of Theosophical Terms« / »Der Schlüssel der Theosophie« 272 - »Isis Unveiled« / »Entschleierte Isis« 85f. 98. 282. 622. 709. 950 - »Secret Doctrine« / »Geheimlehre« 44. 98. 104. 119. 226. 284. 562. 622. 628f. 701. 704. 894.97.225. 374. 671. 1701f. 1706 »The Voice of the Silence«/»Die Stimme der Stille« 101. 605f. 701. 704. 713. 1532 Blériot, L. 647 Bloch, E. 1704f. Blos, W. 1301. 1332-1337 Blum, R. 895 Blume, W. v 1298f. 1329. 1338 Blumenberg, H. 777-780 Blümmer, J. 301 Bo Yin Ra -Schneiderfranken, H. Bock, E. 1618. 1620-1622. 1624-1627. 1635f. 1642. 1646. 1651 Bockholt, M. 1504. 1556 Bode, R. 1218 Boesé, L. 396 Böhme, E. 118f. 126. 135. 287 Böhme, J. 551. 838. 914f. 1493 Böhme, M. 313 Böll, H. 1702 Bollert, K. 906 Bölsche, W. 652 Boltz, 0. 268. 367 Bolyai, J. 890.900 Bonatz, P. 1128 Bonjer 235.237 Bonnet, Ch. 890 Bonsels, W. 758. 1275 Boos, R. 246. 250. 1275. 1489 Bormann, M. 1602 Borngraeber, 0. 1220 Bosch, R. 1337 Bowler, P. J. 886 Boyken, M. 190. 192. 198. 211f. 214 Boyle, E.G. 191 Bradlaugh, Ch. 972 Bragdon,C. 1134 Brahe, T. 917 Brancusi, C. 1116. 1132 Brandenburg, H. 1220 Brandler-Pracht, K. 321. 1466 Brandt, K. R. 77 Brandt, Th. E. 1532 Braque, G. 1223 Braun, E. 344 Braun, P. 344 Bredow, E. v. 393

1845

Brentano, F. v. 64. 123. 487. 675. 1231. 1510 Bresch, R. 126-133. 136f. Breuer, E. 235 Breuer, J. 767. 1473 Breuninger, M. 287 Bricaud, J. 1662 Bright, E. 553 Brisy, S. 231 Brockdorff, C. Graf 124. 130f. 133. 372. 550. 702. 1021 Brockdorff, S. Gräfin 118. 124. 127f. 130. 550 Brod, M. 716f. 891. 1704 Brodbeck -> Haus Brodbeck (Sachregister) Bruckner, A. 221. 226. 1346 Brühl, Sch. v. 111 Bruinier, J.M. 1105 Bruno - Giordano Bruno Büchenbacher, H. 249 Buddha 227.265 Buddheus, C. 112 Bultmann, R. 1632 Bulwer-Lytton, E. 99. 147. 642-644.684. 779 - »The Coming Race«/»Das kommende Geschlecht« 643-645 - »Zanoni« 84.287. 590f. 602. 606.643.690 Burckhardt, J. 744f. Burdach, C.F. 1563. 1565 Burdach, K. 373 Bürgi, E. 1547 Burton, R. 979 Busam, Th. 906 Busch, F. 1338 By, J. 235 Caithness, M. 85 Cambon, P. 1264 Cantor, G. 929. 1705f. Capra, F. 1711 Carlyle, Th. 1634 Carus, C. G. 492f. 919 Caruso, E. 1307 Casel, 0. 1667 Cassirer, E. 906 Catoir, C. 335 Chantepie de la Saussaye, P. D. 729 Chochol, J. 1171 Christiani 931 Chwolson, D. 849 Cioran, E. M. 771 Clason, L. 1105f. Clemens von Alexandrien 1208 Clement, V. E 179 Clormann 1628 Cohen 367

1846 Coleman, W. E. 85f. 99. 623 Collins, M. Cook, K. Collison, H. 990 Conrad, A. S. E. 114 Conrad, M.G. 515 Conrad von Hötzendorf, E Graf 1268 Constant, A. L. 45f. 85. 88. 110. 234. 396. 605.621-623. 644. 1008. 1010. 1012. 1071. 1073. 1659. 1662 Cook, K. 217. 297. 591. 690f. 715 - »Flita« 606 - »Light on the Path«/»Licht auf den Weg« 332. 563. 586. 605. 704f. 710. 713 Cooper, I. S. 237 Cooper-Oakley, J. 374 Corbin, H. 16. 673 Cordes, J. H. 153. 156. 158f. 176. 183. 190-192. 226-231.235-238.294 Corvinus, D. 266 Coudenhove-Calergi, R.N. Graf 193 Coues, E. 111 Coulomb, A. 96 Coulomb, E. 96 Courtier, J. 931 Cranz, C. 894 Crookes, W. 931. 1701 Crosbie, R. 255 Crowley, A. 980. 1666 Curie, M. 931 Curie, P. 931 Curtius, E. R. 777 Cuvier, G. de 477 Czernin, O. Graf 1268. 1283f. Czerwinski, A. 1189. 1227f. d'Aily, P. 673 d'Arsonval, J.-A. 931 Daenert, A. 317 Dalkes, J. 1189f. 1218-1220. 1229f. 1232f. Damaschke, A. 1329 Damnitz, F. v. 385 Dämpfert, W. 336 Danov, P. K. 1225 Dante Alighieri 1123 Darget, L. 939. 941 Darré, R. W. 1601f.

Darwin, Ch. 520. 530. 875-878 Däubler, Th. 1199 Daum, A. 39, 56. 1565 David, E. 1267 David -Néel, A. 80 Davidson, P. 92 Davis, J. 282 de Jaager, J. 1116. 1155. 1159

Register de la Porte 328 de Lagarde, P. 1385 de Manziarly, I. 175f. Deinhard, L. 115. 132f. 154. 156. 687. 819. 894. 898 del Monte, J. 1337. 1339. 1343 Delitzsch, E 373. 742 delle Grazie, M. E. 445. 447. 502. 1299 Delville, J. 1134 Demarquette 194 Dempuroef, H. 112 Denton, E. M. E 621 Denton, W. 621 Dervent, J. v. 112 Desraimes, M. 971f. Dessoir, M. 47. 112. 581. 679. 1705. 871. 930. 932. 953. 1472 Deuchert, N. 1363 Deussen, P. 733f.

Deventer, M. 1489. 1547. 1555 Dharmapala, A. 1702 Diefenbach, K. W. 1135 Dienel, K. 1631 Diesel, Th. 112f. Diesterweg, A. 1392 Dilthey, W. 744. 747. 750 Dinges, M. 1456. 1472. 1514. 1521 Dionysius Areopagita 850f. Djubanjuk, E. 1105 Doldinger, E 1486. 1632

Dominik, B. M. 238 Donath, B. 204 Donath-Dubach, A. 1185

Donnelly, I. 639-641 Dörfel, H. 209-215. 301. 315. 1000 Dorfner, S. 1335. 1339 Doser, O. 1025 Dotzler, M. 979. 986 Dower, W. H. 332f. Doyle, A. C. 929 Draper, J. W. 621 Drechsler, M. 298 Dreidax, E 1600 Dresler, E. 1041 Drews, A. 846. 1633 Dreyfus, A. 832 Driesch, H. 644. 1299 Drittler, P. 287 Droßbach, M. 759 Droysen, J. G. 744f. du Bois-Reymond, E. 537. 873. 931 du Prel, C. 108. 111. 113. 129. 186. 227. 894. 928. 930. 932. 937 Duboc, K. J. 398

Personenregister Duchamp, M. 1132 Dühring, E. 520 Duncan, E. 1213 Duncan, I. 1189. 1213. 1215-1218. 1229. 1232 Duno, B. -4 Danov, P. K. Düntzer, H. 446 Dupuis, Ch. E 853 Dürckheim, K. Graf 696 Durkheim, E. 1697 Dürrenmatt, E 1046 Dutois, Ch. 92 Dyroff, A. 1361 Eberhardt, A. P. 987f. Eckardstein, I. v. 364. 394. 1064. 1080. 1540 Eckartshausen, K. F. v. 374. 919 Eckhart, Meister 551. 1131 Eckstein, E 221-226. 840 Eckstein-Diener, H. 221 Ederle, E. 1544 Ederle, R. 1522 Edison, Th. A. 1704 Edmonds, J. 282 Eggers, W. 132 Ehrle, Th. 133 Ehrlich, P. 1525 Eichhorn, M. 242 Eillis, J. 111 Einbeck, W. 308f. 312. 314. 316. 318 Einstein, A. 905f. 1706 Eisenberg, 0. 1522. 1542-1544 Eisner, K. 1267. 1299. 1301 Elgee, J. F. A. 1701 Elisabeth v. Thüringen 804 Elisabeth, Kaiserin von Österreich 534f. Elkan, J. 335. 1473 Ellis -* Kobylinskij, L. Encausse, G. N. V. 116. 173. 970. 977. 987f. 1662 Endell, A. 1127 Engel, J. 116. 118. 121. 132f. Engel, L. 336 346. 976. 1555 Engelhardt, N. 237f. Engels, E 1246 Ennemoser, J. 88. 919 Ensor, B. 230 Erdmann, J. E. 1409 Ettig, P. 1248 Eunike, A. 123. 127. 241. 395. 398. 445. 461 Eymann, F. 1651 Eysel, G. 1605 Fackler, H. 1632

1847

Fahrenkrog, L. 1052 Faivre, A. 16-20 Fändrich, H. 287. 321 Fawcett, E. 98 Fechner, G. Th. 891. 898. 919. 925. 931. 1582 Fechter, P. 390 Feiniger, L. 1171 Felber, E. 526 Feldner, J. 1082 Felke, E. 1462. 1465 Felkin, Frau 990 Felkin, R. W. 623. 989. 991. 1113 Felts, G. H. 83f. Fercher von Steinwand, J. - Kleinfercher, J. Fertel, W. 1123 Feuchtersleben, E. Freiherr v. 919 Fichte, I. H. 919. 923 Fichte, J. G. 506. 909. 911. 913. 915-918. 923. 1070. 1254. 1274 Fickert, A. 222 Fidus -4 Höppener, H. Fielitz-Coniar, W. E. A. v. 177. 189-194. 197f. 207. 218f. - über Steiner 197 Finckh, H. 63 Fincklenburg 111.426 Finsen, N. 1480. 1483 Fischer, E 1269 Fischer, G. 302 Fischer, H. R. 293. 302. 311. 313. 316f. Fischer, J. 1665 Fischer, K. 367 Fischer, Th. 1086. 1091f. 1168 Flammarion, C. 673. 1701 Fleischer, E 690 Flemming, B. 207. 217 Flemming, R. 217 Flitner, W. 1361 Floetgen, W. 133 Florentinus, F. 673 Foerstermann 121 Fogazzaro, A. 373 Fokin, M. 1222 Förster, W. 1301 Förster-Nietzsche, E. 508-516 Fourier, C. 82 Fox, J. D. 82 Fox-Sisters 82 Fraenger, W. 1299 Franken, C. 133 Franz v. Assisi 804 Frazer, J. G. 733 Freimark, H. 134. 392. 597 Frenzel, J. 1632. 1640-1642

1848 Frenzel, K. 287 Freud, S. 766f.; s. a.: Psychoanalyse (Sachregister) Frick, W. 210. 1601 Friedjung, H. 1242 Friedrich III., deutscher Kaiser 1243 Friedrich, W. 691 Fröbel, F. W. A. 1443f. Froebe, R. 284. 568. 689 Frohnmeyer, J. 547 Frohschammer, J. 1039 Fuchs, G. 1141 Fuchs, H. 1342 Fuente, S. 137 Fuhrmann, L. 175. 190 Fuller, L. 1190. 1214f. 1232 Fünfstück, M. 459 Fussell, J. H. 255. 258. 260 Gädeke (Brüder) 1672 Gädeke, R. E 1614 Gailland, M. - Paini-Gazotti Galilei, G. 804 Gamsachurdia, S. 1712-1714 Gandersheim, R. v. 448 Gandhi 1702 Gaudi, A. 1159 Gauß, J. C. F. 899f. Gebhard (Familie) 111f. Gebhard, A. 113 Gebhard, A. H. 113 Gebhard, F. 111. 113 Gebhard, G. 109. 112f. Gebhard, J. 111 Gebhard, M. 109. 111-113 Gebhard, R. E. 96. 113 Gebhardi, 0. 306 Geelmuyden, H. 1164 Geer, G. 265 Geheeb, P. 1389. 1398. 1410. 1424. 1435. 1631 Geissler, A. 301 Geissler, K. 899 Geissler, S. 301 Gelzer, E. 511 Genzmer 1078 George, H. 1329 George, St. 375. 1055. 1199. 1299. 1704 Georgewitz-Weitzer, D. 374. 1478 Gerland, E 235 Gerlich, K. 294 Gernet, N. 552f. Gershom, Y. 635 Gertsch 1161

Register Gesell, S. 378. 1330f. 1352 Geyer, Ch. 1299. 1620. 1622. 1624. 1626f. 1633. 1635-1640. 1643 Geyer, J. 974. 1615 Gierloff, M. 983 Gillis, J. 114 Giordano Bruno 147. 551. 571; s. a.: Giordano Bruno-Bund (Sachregister) Giotto 1123 Gisevius, Dr. 1518 Gitzke, R. 1642 Glas, N. 1504 Gleich, G. v. 27. 421f. Gleich, S. v. 421 Glückselig, C. J. 1493f. Go 66.r, J. 1171 Goebel, A. 1632 Goesch, G. 242. 1006 Goesch, H. 242. 980. 1006f. 1009. 1473 Goesch, P. 1006 Goethe, J. W. v. 223-225.297. 328. 371. 373.435-501. 561. 860. 879. 927. 1121. 1139. 1204. 1209f.; s. a.: Metamorphose (Sachregister) - »Das Märchen« 225. 496f. 974. 1029. 1047. 1129. 1410 - »Die Geheimnisse« 386 Farbenlehre 446. 448f. 456f. 460. 470f. 481.492. 1394 »Faust« 249. 442f. 447. 472. 495. 497f. 1061f. 1197. 1204 - Metamorphosenlehre 452. 465. 469. 473f. 481. 487f. 496. 498. 541. 886. 1394 Goetz, W. 1299. 1355 Goldmann, M. 1049-1051 Goodrick-Clarke, N. 16 Göppert, M. 311 Göring, H. 118. 282. 1602 Göthke, A. 336 Gradenwitz, H. 1632 Graßhoff, C. L. F. 145. 322. 844 Green, T. 272 Gregor VII., Papst 885 Grey, E. 1264. 1267. 1271 Grimm, H. 374.470 Groh, H. 1627. 1640 Grom, B. 649 Gropius, W. 1168 Grosche, E. 974 Grosheintz, E. 1099. 1147f. 1157f. 1160. 1094f. Grosheintz-Laval, N. 1095. 1157 Grunelius, H. v. 1492 Gubalke, M. 336

Personenregister Guenon, R. 99 Guimard, H. 1127 Gümbel-Seiling, M. 1025 Gumppenberg, Baronin E. v. 142. 386. 703. 1067 Gumppenberg, H. v. 120. 336. 1052 Gundolf, E 1275 Gunkel, H. 847 Gutberlet, C. 894 Gutfreund, O. 1116f. Guttmann, J. L. 175. 179. 181. 194. 197. 207 Guyau, J. M. 520. 522 Gysi, A. 368. 220. 1095. 1493. 1532 Haase 1151 Haaß-Berkow, G. 1062 Hablik, W. A. 1129. 1172 Hachez, M. 1547 Haden, J. 1424 Haeckel, E. 881-886; 371. 470f. 488. 500. 530. 556. 561. 630. 652. 659f. 661. 864. 879. 911. 927. 956f. 1073. 1120f. 1177. 1412. 1562; s. a.: biogenetisches Grundgesetz (Sachregister) Haedicke, M. 287 Haeften, H. v 1274f. 1284 Haemmerlé, A. 111 Hahn, H. 1346. 1367. 1370. 1618 Hahn, M. 1616 Hahnemann, S. 1461. 1514f. 1519. 1521. 1561 Hähner, S. 1456 Halbwachs, M. 767f. Hallaschka, U. 1235 Hallo, H. S. 367 Hallszytz, J. 238 Hamerling, R. 1199 Hamik, M. 229 Han'ish, O. -4 Hanisch, O. Hanegraaff, W J. 16. 19 Hanisch, O. 322 Hanson, L. 242 Harden, M. 123. 515. 1280f. Hardenberg, F. G. v 561.919f. 1039 Hardinge-Britten, E. 85. 89.92. 103. 107. 110 Hargrove, E.T. 253-257.266.268.278 Harnack, A. v 1632f. 1651 Harrison, Ch. G. 669f. 691 Harte, R. 98 Hartinger, W. 125 Hartleben, O. E. 123 Hartmann, E. v. 124. 460. 504. 506f. 530f. 913. 931f.

1849

Hartmann, F. 96. 110-116. 118f. 125f. 131. 135. 158. 176. 221f. 224-226.234. 253. 256. 266. 268. 273f. 280-288.291.294. 296f. 301. 315. 317. 320. 334f. 346. 427. 565. 691. 734. 800. 813. 840. 974. 978. 1129. 1541; s. a.: Franz-Hartmann-Bauverein (Sachregister) Hartmann, N. 1641 Haß, F. 1017. 1070. 1133 Hasse, M. 906 Hasselbacher, K. 317 Hauck, G. B. 180 Hauck, H. 1374 Hauer, J.M. 1225-1227 Hauer, J. W. 66.213. 547. 601f. 619. 645. 649. 671 Haugk 316f. Haupt, G. 1341 Hauptmann, G. 374. 1055f. Hauser, A. 1527f. 1530. 1568 Haverbeck, W. G. 250 Hayden (Mrs.) 930 Hebbel, F. 1199 Heckel, K. 1299 Heckethorn, Ch. W. 964. 1009f. Hedges 211 Heemskerck, J. v. 1134 Hegel, G. W. F. 916. 918. 1070. 1121. 1197 Heidenreich, A. 1621. 1629. 1631f. 1642. 1644. 1660 Heidmann, A. 207. 212.235 Heiler, E 1668 Heim, K. 1078 Heimel, H. 1034 Heimeran, M. 1632 Hein, A. H. 801 Heindel, M. -+ Graßhoff, C. L. E. Heinrici, G. 207 Heinze, L. 473 Heinze, M. 512 Heise, K. 306. 334. 345. 991f. 1265 Heisler, H. 1339. 1518. 1618. 1628. 1632. 1642 Hellberg, H. 199 Hellen, E. v. der 509f. Heller, J. Th. 253.256 Hellwig, B. 1409 Helmholtz, H. v 468. 470. 931 Hemleben, J. 1642. 1651 Hendrik, Prinz der Niederlande 1143. 1186. 1227. 1702 Henning, H. v. 1084 Henrich, R. 1712 Heraklit 709

1850

Register

Herbart, J. F. 675. 911. 1390-1392. 1411 Herder, J. G. 927 Hermann, Ed. 272 Hermann, E 229 Hermann, M. 1484-1486. 1554 Herschel, F. W. 656 Hertwig, O. 1325 Hervey, Mrs. 80 Herwarth, H. W. v. 374 Herzeloyde 917 Hess, R. 217. 251. 308. 318. 1380f. 1602 Hesse, H. 1299 Hesselmann, H. 235 Heumann, A. 327 Heusser, P. 924 Heydebrand, C. v 1366. 1399. 1404. 1423 Heydrich, R. 217 Heyer, K. 1046 Heymann, B. 1334. 1367f. 1370f. Heymann, F. 1133f. Heywood-Smith 935 Hieronymus 848f. Higgins, A. 88 Hilarion 296. 332f. 563. 707 Hildalgo, H. 1456 Hildalgo, J. 1456 Himmler, H. 1602 Hinton, Ch. H. 893. 895f. 898-901 Hintze, O. F. C. 175. 185.217 Hippel, E. v. 727. 1710 Hirschfeld, M. 401 Hirter, J. D. 1083. 1095 Hirter-Weber, M. 1095 Hitchcock, E. 621 Hitchcock, E. A. 224 Hitler, A. 210f. 215. 308. 310-312. 328. 1244. 1342. 1602 Hobsbawm, E. 776 Hochauf, J. 148. 217 Hodgson, R. 96f. 931 Hoetger, B. 1168 Hofbauer, J. 229 Hoffmann, A. v. 113 Hoffmann, D. M. 508. 516 Hoffmann, E. 1443 Hoffmann, E. v 113 Hoffmann, K. 27 Hoffmann, M.D. 518 Hoffmann, O. v. 113. 690 Hoffstetten, R. v. 393 Hofmannsthal, H. v 764. 1051. 1055. 1212 Hoh, A. 324 Hoheisel, K. 13, 16 Holberg, L. 644

Hölscher, L. 12f. 42. 56 Holten, H. v 132 Holtzmann, H. J. 846 Hooper, I. 428 Höppener, H. 163. 174. 176. 294. 1087. 1135-1140 Horneffer, E. 515 Hossenfelder, J. 328 Hübbe-Schleiden, W. 59. 109-113. 115-121. 123. 125-132. 136. 142. 151-154. 158. 160. 162f. 174-177. 180. 182-184. 188. 190. 288. 703. 819. 850. 932. 934. 1041. 1136. 1248. 1272 - »Diene dem Ewigen!« 553 - Steiner 691f. 824 Hubble, E. 651 Huber, C. B. 230 Huber, E. 994 Huber, H. 994 Hübner, H. 230 Hubo, B. 111. 113. 121. 126f. 130. 132f. 156 Humboldt, W. v. 469. 1287 Hume, A. O. 94 Hundt, E 327 Huschke, O. 112. 117. 121 Husemann, F. 385. 1550-1552 Husemann, G. 1630. 1632 Husserl, E. 1704 Huxley, Th. H. 880 Huysmans, J. 1662. 1666 Ibsen, H. 1054 Ignatius v. Loyola 603 Ipares, S. --> Dörfel, H. Jacobowski, L. 448. 515. 550f. 832 Jacoby, E. 1581 Jaerschky, P. 1522 Jahn 367 James, W. 96. 679. 1701 Jaques-Dalcroze, J. Dalkes, J. Jean Paul -* Richter, J. P. Jeanneret, Ch. 1179 Jenning, H. 85. 373. 738. 840. 980 Jensen, P. 847 Jentsch, C. 1329 Jeremias, A. K. G. 1633 Jeshu ben Pandira 813. 820f. 826 Jesionek, A. 1483 Jessold, R. 229 Jesus 555. 614. 693. 707f. 790. 850. 1020; s. a. Jesusknaben, zwei (Sachregister) - Christus 147. 167. 169. 274. 311. 795 Jesus ben Pandira - Jeshu ben Pandira

Personenregister Jinarajadasa, C. 193.210-212. 217 Joachim von Fiore 1651 Johannes, der Evangelist 807. 1150. 1184 Johannes, der Täufer 805. 1039. 1150 Johnston, Ch. 257. 266. 274. 278 Jöricke, P. 301 Jounet, A. 1662 Judge, W. Q. 102f. 106. 96. 253f. 264.266. 284. 698 Julian Apostata 917 Juncker, E. 374 Jung(-Stilling), J. H. 224. 313 Jung, C. G. 401 Jung, Th. 1355 Jürgas, R. 1025 Jürges 367 Jütte, R. 1456. 1458f. Kafka, F. 1705 Kahl, K. 1069 Kalckreuth, L. 1133 Kalckreuth, P. v. 357. 393 Kaldenbach, F. H. 1089. 1133. 1174f. Kaléta, G. 321 Kalischer, S. 464. 468. 471. 487f. Kalkreuth, P. Gräfin 357. 393. 843. 1067. 1082 Kamensky, A. 190 Kamensky, M. 177. 190. 191f. 207 Kämmerer, H. 1472 Kandinsky, W. 929. 939. 1041. 1056. 1132. 1703 Kant, I. 371. 374. 440. 479-487. 504f. 527. 635. 656. 893; s. a.: Neukantianismus Kapff, H. S. v. 175. 177. 179f. 181. 183. 188f. 210. 294 Käppler, R. 324 Kappstein, Th. 1299 Karl I., österreichischer Kaiser 1275. 1281-1283 Kastinger, E. 229 Kaufmann, R. 229 Kaulbach, F. 1216 Kaupisch, R. 296. 302. 309 Kawerau, G. 419. 421 Kayssler, E 1298 Keely, J. E. W. 645. 869 Kehler, W. 1542 Keightley, A. 98. 135. 274. 698 Keightley, B. 98. 106. 129. 321 Kelin, G. 1632 Kellner, C. A. 114. 283. 965. 977f. 980 Kemper, K. 1125. 1161 Kepler, J. 477

1851

Kern, G. 231 Kerner, J. 120 Kerning, J. B. - Krebs, J. B. Kerrl, H. 314. 328. 330 Kerschensteiner, G.M. 1370. 1389. 1428 Kessler, A. E. 1564f. Kessler, H. Graf 1212 Key, E. 1384. 1389. 1425 Keyserling, E. v. 776f. 968. 1052 Keyserling, H. Graf 758f. 950 Keyserlingk, Adalb. Graf v. 1388. 1585 Keyserlingk, Alex. Graf v 1582. 1595 Keyserlingk, C. W. Graf v. 1582f. 1598f. Keyserlingk, J. Gräfin v. 1583 Khnopff, E. 839 Kiddie, H. 97 Kiersch, J. 1360. 1369 Kieser, D. G. 1512f. 1563-1565 Kiesewetter, C. 114. 929.932 Kingsford, A. 100. 697. 837 Kipping, B. 199 Kirchbach, W. 555-557. 787 Kirchhoff, Ch. 1228f. Kirchner-Bockholt, M. -> Bockholt, M. Kitzing, M. 111. 113 Klaiber 1339f. 1344 Klatt, N. 28. 125 Kleeberg, L. 394. 1661-1663 Klein, G. 1640 Klein, J. 77. 199. 801. 1139 Klein, J. W. 250. 1626. 1640f. Klein, P. 367. 1640. 1663 Klein, W. 229 Kleinfercher, J. 1199 Kleinschmitt, B. 373 Klimt, G. 1051 Klopstock, F. G. 1199 Knauer, I. 1504 Knauer, V. 502f. Kneipp, S. 1462. 1466f. Kneisel, F. 301 Knorr von Rosenroth, C. 739 Kobell, F. v. 1051 Kobylinskij, L. 1662 Koch, H. 851 Koch, R. 1460 Köck, J. 911-914. 918 Koeber, E. 1289 Koegel, E 508. 511-513. 515f. Kogutzki, E 706. 1039f. Kohlhase, M. 1574 Kohlhoff, V. 236 Kohn, E. 112 Kolbe, A. 132

1852 Kolikso, L. 1468. 1472. 1551. 1581 Kolisko, E. 524f. 1401. 1468. 1490. 1504. 1551. 1547 Kollwitz, K. 123. 1006 Könemann, D. 1591 König, K. 1446 König, P.R. 975 Konrad, B. 1234 Koons, J. 95 Kopernikus 477 Koppehel, V. 59 Korlowski 1599 Korn 1628 Körner-Wellershaus, I. 1241. 1286. 1317 Koschützki, R. v. 1631. 1642 Kottonau, A. 335 Krafft, M. 1512. 1563f. Krantz, H. 1591 Krause, B. 215 Krause, E. 1480 Krause-Zimmer, H. 809f. Krauß, Th. 1484 Krebs, J. B. 116.281 Krenke, G. 313 Kress, E Freiherr v. 1299 Kreutzberg, H. 1224 Kreyenbühl, J. 848 Kricheldorff, Frau 1581 Krieck, E. 1289 Kriele, M. 727. 1662. 1710 Krille, E. 1641 Krishnamurti 106. 147-152. 156. 158. 164. 167. 169. 170f. 173. 194. 200. 202. 233. 245. 340. 374. 800-803. 805f. 808. 811-813.819-821.1022.1702 - »At the Feet of the Master«/»Zu den Füssen des Meisters« 150. 274. 374 Krivany, St. E. 237 Krojanker, P. 175. 177. 179. 181. 183. 188 Kronecker, H. 931 Krug, T. 911 Krüger, B. 1346 Krumm-Heller, A. 990 Krupp, A. 1445 Krzymowski, R. 1594f. Kübler, E 243 Kugler, W. 59. 67. 1245 Kühlmann, R. v. 1283 Kühn, H. 1240. 1284. 1333 Kuhn, T. S. 778 Kühnemann, E. 1262 Kühn-Honegger, H. 1169 Kully, M. 547 Külpe, O. 679

Register Künast, R. 1606 Künstler, A. 394 Kupka, F. 1132 Kürschner, J. 446.455-462 Kuska, M. 235 Kux, R. 1186. 1196 La Due, F. 332 Laban, R. v. 1190. 1220f. 1223f. Lacher, F. 114 Lahmann, H. 1462 Lamarck, J.-B. 876f. 887 Landauer, G. 1301 Lang, E. 1632 Lang, E 268 Lang, L. J. 133 Lang, M. 221-226 Langbehn,J. 1385 Lange, E. H. 301 Lange, F. A. 520 Lange, J. 121 Langsdorff, G. v 120. 1478 Lanz, H. 370 Laplace, P-S. 656. 870 Lasker-Schüler, E. 123 Laue, M. v. 952f. Lauppert, E 229 Lauppert, N. 229 Lauweriks, J. L. M. 146. 157. 173. 175-177. 179-181. 183. 189. 294. 383. 596. 1132f. 1174. 1178 Lauweriks-Lemaire, A. 157 Lazarus (Bibel) 842 Lazarus, M. 1254 Le Corbusier -* Jeanneret, Ch. Leadbeater 103-106. 140. 146-150. 158. 184. 202. 217. 231. 233f. 237. 297. 321. 557. 560. 566. 602. 622. 699. 808. 813. 840. 939. 1667; s. a.: Leadbeater-Affaire (Sachregister)

Steiner 688. 692f. - »The Astral Plane«/»DieAstral Ebene« 560 - »Christian Creed« 713 »Clairvoyance« 606f. - »The Fourth Dimension« 895 - »Man visible and invisible«/»Der sichtbare und der unsichtbare Mensch« 564. 578. 587 »An Outline of Theosophy« / »Grundlinien der Theosophie« 560 Leadbeater, C. W./Besant, A., »ThoughtForms«/»Gedankenformen« 578. 587. 941. 1192

Personenregister Lechter, M. 1299 Leer, J. v. 385 Leers, v. 214 Leese, K. 246 Lehmann, B. 1133 Lehmbruck, W. 1299 Lehrs, E. 243f. 1153 Leimbach, F. 1636f. Leinhas, E. 1149. 1347. 1647 Leiningen-Billigheim, C. W. Graf zu 222 Leisegang, H. 1008 Lemmermayer, E 457 Lenbach, F. v. 1216 Leo, A. 1067 Leonardo da Vinci 1045. 1209 Leonhardi (Dr.) 159 Leonhardi, M. 159. 175 Leonhardi, S. 159 Leopold, König von Belgien 1702 Lerchenfeld, H. Graf 1279 Lerchenfeld, O. Graf 1082f. 1279. 1595. 1600 Leschinsky, A. 1381 Leser, E. 1525 Leser-Lasario, M.-B. 1034 Lessing, G. E. 561. 759. 927 Leuzinger, E 367 Levi, Eliphas - Constant, A. L. Ley, R. 1601 Leyden, E. v. 1526 Leyh, M. 1616 Lichnowsky, K. M. Fürst v. 1279f. 1283 Lichtenstein, E. 1361 Lichtwark, A. 1388 Liebig, J. v. 1594 f. Liebknecht, K. 1245 Liedke, M. 217 Lienau, O. 312 Lienhard, E 1272. 1299 Lietz, H. 1385. 1388f. 1435 Lilienfeld-Toal, H. P. v. 207 Lilienthal, O. 646 Liljequist, N. 1502 Linde, H. 1044. 1098. 1105 Lindemann, H. 1334. 1367 Lindenberg, Ch. 29. 108. 125. 782f. 547f. 634. 1241. 1286 Lindner, G. A. 1392 Linse, U. 1253 Lippert, E 1603 List, G. v. 46. 285. 312. 334. 1052; s. a.: Guido von List-Gesellschaft (Sachregister) Little, R. W. 91 Lloyd George, D. 1264 Locke, J. 484

1853

Lodge, O. 935f. Löffler, F. 1445 Löhe, W. 1667 Lomonossow, M. 804 Lorber, J. 116. 1518 Lorsy Stephani, E. 229 Lothar, R. 839 Lotze, R. H. 925f. Loyzeau de Grandmaison, L. 1006 Luccheni, Luigi 534 Lucian 1219 Lucke, M. 207 Ludendorff, E. 209. 236. 309. 315. 1266. 1274f. Ludendorff, M. 209 Ludwig, C. 931 Ludwig, K. 1632 Lunatscharski, A. W. 1388 Luthardt, Ch. E. 1653 Luther, M. 295. 1660 Lutoslawski, W. 1662 Luttermann, J. 1241 Lüttgens, K. 302 Lutyens, E. 147 Luxemburg, R. 123. 1246. 1292 Lyell, C. 651. 673 Maas, E. 59, 63 Mack, W. 238 Mackay, J. H. 123. 533. 537. 541. 1298 MacMillian, M. 1389 Madary, C. 906 Maeder, K. 1525 Maeterlinck, M. 536. 896f. 1049f. 1054. 1057-1059. 1061 Mahler-Werfel, A. 1705 Maier-Smits, L. - Smits, L. Maikowski, R. 244 Mailänder, A. 222. 283. 840 Maitland, E. 100. 697. 837 Majorek, M. 538f. Mallarmé, St. 1054-1056. 1215 Man, W. 235 Mann, Th. 929. 1055. 1338 Mann, W. 202 Marconis, E. 969 Mariot, E. 120 Martz, G. 1085. 1088 Marx, E. 313. 318 Marx, K. 1246. 1326 Maryon, E. 69. 244. 990. 1109. 1111. 1113-1116. 1146. 1159. 1169. 1173. 1178. 1200. 1341. 1447. 1536. 1648 Maschmeier, L. 396

1854

Register

Mata Hari -> Zelle, M. G. Mathew, A. H. 233 Matsch, F. v. 1051 Mattei, C. 1463. 1483f. 1502 Matter, J. 46 Maurenbrecher, M. 1633 Mauthner, E 936. 1193 Max von Baden 1284f. 1387 Max, E. 111. 113 Max, G. v. 110-113. 120.932 Maxwell, W 644. 1502 Mayreder, R. 222. 224f. 398. 508. 1705 Mead, G. R. S. 173. 99. 104f. 118. 689. 693. 698. 736. 807. 813. 895. Mead, L. M. 713 Meakin, N. 844.990 Mechthild von Magdeburg 374 Meebold, A. 1339 Melchisedek 986 Mendelsohn, E. 1168 Mendelssohn-Bartholdy, E 373 Menneckes, E 1702 Mensendieck, B. 1184. 1213 Meray, C. H. 1323. 1327f. Mercereau, A. 1171 Merz, A. L. 1375. 1387f. Merz, M. 1213 Messer, A. 27 Metzger, J. 1010 Meuche, P. 301 Meyer, A. 1388 Meyer, C. F. 1199 Meyrink, G. 699f. 891 Michaelis, G. 1599-1601 Michel, E. 1394 Michels, C. 1346 Michels, Th. 1540 Mietzner, U. 1359 Migne, J.-P. 734 Milde, K. 328 Minsloff, A. 139f. 840 Mirbach, L. v. 1618 Mitscher 383 Moellendorf, W v. 1294. 1328 Möhringer 1034 Mohy-Iddin ibn Arabi, Seyidi 1034 Molitor, E J. 739 Molt, B. 1366f. 1657 Molt, E. 1273f. 1280. 1291. 1297. 1333-1337. 1366-1368. 1370. 1373f. 1379. 1436. 1445. 1449. 1452. 1657 Molt, W. 1388 Moltke, E. v. 389. 934f. 1251. 1266. 1269. 1271. 1273f. 1348

Moltke, H. v. 934-936. 994 Mombert, A. 1199 Mommsen, Th. 379 Mondrian, P. 1110. 1132. 1702f. Montessori, M. 1389. 1703f. More, H. 892 Moreau, G. 1133 Morgagni, G. B. 1562 Morgenstern, Ch. 1000. 1041. 1050. 1095. 1199. 1475. 1486. 1615. 1702 Morgenstern, M. 389. 1298 Mörike, E. 494. 1199 Moritz, H. 1358 Morris, K. 259 Morus, Th. 644 Moses 555. 693. 790. 1020 Mozart, W. A. 561 Muawija 1266 Mühsam, E. 123. 1301 Mülldorfer-Ylesen, M. 239 Müller (Hauptmann) 185 Müller zur Hellen, K. 367 Müller, F. M. 731 Müller, E v. 1466 Müller, H. 388. 1114. 1556. 1599f. Müller, J. (Elmau) 505. 1213. 1284. 1632 Müller, M. 85. 100. 630. 733. 1195 Müllner, L. 502. 785 Munch, E. 1171. 1486 Münchhausen, B. v. 1275 Munter, E 1041 Munter, G. 1703 Murmel, H. 77

Nadler, R. 159.220 Nagel, H. 235f. Nagy, A. 1134 Narianiah, J. 149 Natorp, P. 1299 Naumann, F. 1277 Naumann, G. 511 Neisser, K. 1242 Nettesheim, Agrippa v -> Agrippa von Nettesheim Neuburg, 0. 113 Neugebauer- Wölk, M. 16. 19. 24 Neuhaus, C. 1616. 1622-1624. 1627. 1667 Neumann, K. E. 733. 1474 Neumann, Th. 1539 Neumann, W.A. 502 Neumayr 367 Neuschäffer, H. 287 Newton, I. 449f. Niebergall, E 880

Personenregister Nietzsche, E 507-526; 312. 503. 533. 535f. 540. 550. 746f. 1055 Nijinski, W. 1209. 1216. 1222f. Nikolaus II., Zar 1264 Nikolaus v. Kues 551 Ninow, E. 333 Nipperdey, Th. 40f. Nitya 151. 170 Noll, A. 132 Noll, L. 125. 1084. 1473f. 1491. 1496. 1522. 1537.1542-1544.1547.1551-1553 Nossig, A. 209f. Novalis -Hardenberg, E G. v. Nugteren, A. 589. 597.978 Nyssens 235 Oedekoven, I. 412 Oehlschlegel, E 1375 Oestreich, P. 1387 Ohlenschläger, S. 1064f. Oken, L. 909.920f. 1131 Olbrich, J. M. 1127 Olcott, H.S. 78. 81. 83. 92f. 95-98. 100f. 111. 117. 119. 125f. 129. 132. 137f. 156. 254. 282. 973f. 1246. 1680 Oldfield 1525 Oltramare, P. 733 Oppel, A.M. 132f. 374. 332.603.691 Oppermann, M.A. 373 Orpheus 555 Ortega y Gasset, J. 200 Ortlepp, C. 322 Osten, Ph. 1456. 1559 Ostermann, A. 175. 190 Osthanes 224 Ott, J. 1151 Otte, E. 216 Ottinger, H. 285 Otto, A. A. 335 Otto, B. 1386. 1389. 1424f. 1410 Otto, R. 752 Paini-Gazotti 394. 1105. 1133. 1209. 1541 Palâgyi, M. 906 Palladino, E. 931 Palmer, O. 1472f. 1546. 1551f. Palucca, G. 1224 Papias 848f. Papus -> Encausse, G. N. V. Paracelsus 551. 559. 567. 622. 1473. 1518. 1541. 1561 Parr, Th. 1184. 1234 Pascal, B. 374. 812 Pasteur, L. 1460

1855

Pauli, A. 1632. 1651f. Paulsen, V. 133 Paulus, Apostel 805. 811. 829 Paulus, D. 558 Paulus, E 558 Pazaurek, G. E. 1108f. Peelen, J. 349 Pehnt, W. 1064. 1131. 1162 Peipers, C. 1475. Peipers, E 1473-1480; 1082. 1089. 1096. 1098. 1109. 1157. 1481. 1496. 1547f. 1551f. 1554. 1566. 1578 Peithmann 327 Péladan, J. 401. 1052. 1055 Pelikan, W. 1108 Penzig, O. 155. Péralté, L. -> Paini-Gazotti Perez 190 Perrin, J.-B. 931 Perrottet, S. 1190. 1220. 1223 Perthel, J. 1631f. Pestalozzi, J. H. 1392 Petersen, P. 1361. 1387. 1389 Petz, K. 367 Petzold, J. 906 Pfeiffer, E. 1580f. Pfleiderer, E. 709 Pfleiderer, O. 846f. Pfundt, E 132 Piaget, J. 1413 Picasso, P. 1223 Pichl, A. 227 Pickert, S. 1445 Pieper, E. 147. 157. 175. 178. 181. 183. 190. 207. 218. 235f. 688 Pieper, W. 235 Platon 125. 448. 502. 504. 555. 637. 639. 644 Plesnicar, I. 112 Plotin 652. 949; s. a.: Neuplatonismus (Sachregister) Poeppig, E 390 Poincaré, H. 892. 895 Pollack-Karlin, R. 1105 Polzer-Hoditz, A. Graf 1275. 1283-1283 Polzer-Hoditz, L. Graf 68. 717f. 1283. 1298 Pott, G. v. 112 Prange, K. 1360. 1362. 1391. 1435. 1441f. 1449. Prellwitz, G. 174. 207. 189. 374 Prescott, A. 16 Prestel 281 Preyer, W. Th. 887 Priem, G. 287. 302 Prießnitz, V. 1462. 1464

1856 Proklos 949 Protitsch, L. G. 111 Pschorn 367 Pul ali Beg 90 Purucker, G. v. 264f. 256. 258. 263 Puttkammer, M. M. v. 242 Pythagoras 221. 555. 693. 790. 794. 1020; s. a.: Pythagoräismus (Sachregister) Raatz, P. 118f. 126. 131. 253. 256. 266. 268. 270. 273-276. 278f. 294. 345 Rabel, G. 466f. Rade, M. 1299. 1632 Raffael (Santi) 1045. 1477 Rajagopal 149 Ramus 90 Randolph, P. B. 89f. 840 Rascher, H. 250. 1473. 1522. 1541. 1554. 1573 Rath (Familie) 1583 Rath, W. 243-245. 1584 Rathenau, W. 1280. 1328 Raub, W. 438f. Ravagli, L. 634 Reden, Th. v 152 Redon, O. 1110 Reichenbach, K. v 622. 644. 1480. 1485 Reichling, M. 238 Reif (Frau) 383 Reigle, D. 99 Reil, J. Ch. 1564f. Rein, W. 1391f. Reinhard, M. -* Goldmann, M. Reinöhl 1367f. Reitemeyer, F. 343 Rembe, A. 318 Rembrandt van Rijn 1123 Renan, E. 822. 846. 1274 Reuß, Th. 69f. 91. 111. 114. 118. 120. 242. 256. 285. 322. 598. 602. 614. 840. 965f. 973-988. 992-994. 1000. 1005. 1009f. 1012. 1666 Reuter, G. 533. 1299. 1705 Reuveni, A. 783 Reventlow 214 Rhein, M. 1604 Richet, Ch. 931 Richter, J. P. 460-462. 561 Riedel, K. 229. 238 Riedlin, G. 175 Riegl, A. 1120 Riemann, G. E B. 899f. Riemerschmidt, R. 1071f. Rieper, A. 133

Register Riezler, K. 1268 Rijkenborgh, J. v. 844 Rijnhart, S. C. 80 Rikli, A. 1462 Rilke, R.M. 374. 929. 1055. 1199 Rimbaud, A. 1054 Ringer, G. 235f. Ringleben, J. 1675 Rippin, M. 1607 Ritschl, A. 787. 1618 Rittelmeyer, E 374. 1346. 1620. 1622f. 1625f. 1629-1634. 1636-1638. 1640. 1642f. 1646. 1648-1651. 1657 Ritter, M. 294. 1477. 1481-1488. 1499. 1525-1528. 1530. 1539. 1549. 1566. 1568. 1572 Roberts (Mrs.) 930 Röchling, H. 370. 388. 1083. 1201. 1251. 1255. 1642 Roeder, E. v. 177. 216f. Roerich, N. 1701 Röhl, A. 1425 Röhl, J. C. G. 1279 Rohm, K. 344 Rokitansky, C. v. 1561. 1563 Rolph, W. H. 520 Römer, K. 1340 Römer, O. 1490 Rommel, H. 1374 Ronge, J. 404 Rongger, N. 309 Rooney, W. 229 Rosa, Th. 1375 Röschert, G. 783 Röschl, M. 1447 Rösel 367 Rosenberg, A. 312. 1601 Rosenkrantz, A. 1105f. Rubischum, Th. (Pseudonym?) 1151. 1160 Ruchti, J. 1264 Rückert, E 1199. 1248 Rüdiger, G. 133 Rüdiger, R. 132 Rudolph, H. 60. 119. 135. 264. 280. 285-289. 294. 296. 298f. 302. 304. 306-309. 311-315. 318. 332. 363. 1248. 1272 Ruedorffer, J. J. -> Riezler, K. Ruge, L. 308. 309 Ruhtenberg, W. 1616. 1618 Russel, J. E. 1242 Rüthling 1344 Ruths, J. 1626 Ruysbroeck 551. 949 Rychter, T. 678. 1133

Personenregister Saalfrank, G. 263. 265 Sabczak, R. 133 Sadler, M. E. 1190 Saint Germain, Graf v 374. 707. 842 Saint Hilaire, G. 477 Saint-Denis, R. 1212. 1229 Salewski, W. 1631 Sallwürck, E. v. 1411. 1413 Salzmann, A. v 1219 Sante de Sanctis, P. 372 Santo-Dumont, A. 646 Sarasvati, S.D. 92 Sasonov, S. 1267 Sauerbruch, F. 1532 Sauerwein, J. 1269 Savitch, M. 385 Sawicki, D. 929f. Schack, O. 179 Schäffle, A. E. F. 1323. 1327f. Scharlau, G. F. 132 Scharlau, J. G. 121 Scharoun, H. 1179 Schauberg, J. 986. 1010 Scheerbart, P. 123. 1127. 1172. 1199 Scheffler, J. 551. 609. 829 Scheffmacher, F. 343 Schefranek, S. 229 Scheibel, H. 265 Scheibner, W. 931 Scheidegger, E. 1493. 1489f. 1516. 1522 Scheidegger, W. 1490. 1522 Scheler, Gräfin H. 687 Schellbach, H. 367 Schelling, F. W. J. 909-918; 123. 440. 484. 539. 561. 653. 920. 1070. 1565. 823. 855 Schenkel, D. 848 Scherer, W. 471 Schewardnadse, E. 1713 Schickler, E. 1504. 1539 Schieb-Schwenter, M. 1095 Schieder, W. 12 Schieweck 316 Schiller, A. 179 Schiller, F. C. S. 373. 481. 679. 927. 1254 Schilling, H. 1640f. Schily, O. 1 Schingnitz 328 Schlegel, E. 1517-1519. 1527. 1551. 1562 Schlegel, M. 1518f. 1522 Schlegel, V. 893 Schleiden, M. J. 1582 Schleifer, E 229.231 Schleifer, H. 229 Schlette, H. R. 199

1857

Schlichtsgroll, C.F. v 301 Schlüter, W. 1445 Schmerler, M. 310. 312 Schmid, X. 823 Schmid-Curtius, C. 1066. 1078f. 1085. 1088. 1090. 1099f. 1110. 1125. 1178 Schmidt, E. 456 Schmidt, H. 630 Schmidt, M. 1599 Schmidt, R. 597 Schmiechen, H. 110. 706. 1133 Schmiedel, O. 712 1045. 1185. 1486. 1489. 1529. 1540-1543. 1546. 1548. 1552. 1556 Schmieder, C. 133 Schmitt, E. H. 736 Schneeweiss, M. v. 114 Schneider, J. 287. 1362 Schneider, O. 1105 Schneider, W. 238 Schneiderfranken, H. 322 Schnitzler, A. 1298 Schoch, L. 276-278 Scholem, G. 99 Scholers, F. E. 1128 Scholl, M. 106. 137. 159. 393f. 558. 687. 711f. 715. 791 Schöller (Familie) 1583 Schönberg, A. 1704 Schönberger, E 1466 Schönthal, O. 1129 Schopenhauer, A. 460-462. 485. 733 Schöpfer, J. 1162 Schouten, J.A. 898.900 Schrader, H. 1443 Schreber, D. G.M. 1464 Schrenck-Notzing, A. v. 108. 932 Schroeder, H. W. 1614 Schröer (Schwester von J. Schröer) 445 Schröer, J. 123.223.441-448.456.497. 866. 1038. 1051 Schroth, J. 1462 Schubart, H. 1299 Schubert, G.H. v 373. 919 Schubert, I. 1108 Schubert, K. 1374f. Schultz-Perytshu 189 Schulz, O. 631 Schuré, E. 95. 540f. 693. 784. 790. 984. 1067. 1095. 1019-1029. 1049. 1054f. 1061. 1262. 1271. 1704 - »Le drame sacre d'Eleusis«/»Das heiliges Drama von Eleusis« 1025. 1060 - »Les Enfants de Lucifer« / »Die Kinder des Lucifer« 1023-1028. 1032. 1044. 1046

1858

Register

- » L' évolution divine« 374 - »Les grands initiés«/»Die großen Eingeweihten« 555. 578. 602. 623. 706. 788. 795. 797. 1020-1022. 1028 »Les sanctuaires d'orient« / »Die Heiligtümer des Orients« 374. 555. 855. 1021. 1028 - »Sœur Gardienne« 1029 Schuster, H. 1616. 1622. 1627 Schutz, O. 180 Schuurmann, M. 1133 Schuurmann -> Haus Schuurmann (Sachregister) Schwab, E 1078 Schwabe, E. 266 Schwabe, W. 1516 Schwagenscheidt, W. 1155 Schwann, Th. 1562. 1566 Schwarz, O. 175. 177. 190f. 336 Schwarzbach, P. 324 Schwebsch, E. 1346 Schweitzer, A. 846. 1705 Schwendt, E 367 Sclater, P. L. 630 Scott-Elliot, W. 628-630. 637-643. 645-647. 694 Sebottendorf, R. Freiherr v. 1573 Secret, F. 16 Seebohm, R. 388f. Seidenstücker, K. 28 7 Seidler, E. Ritter v. 1283 Seifert, A. 1600-1603 Seiler, E. 792 Seiling, M. 112. 246. 932. 1662 Selg, P. 1456 Sellin, A. W. 113. 367.964-966. 974. 986. 1010. 1043 Sellin, C. W. 111. 113 Semper, G. 1189 Semper, M. 466f. Seuse 374.551 Seydel, R. 788. 850 Seymour, H. 969 f. Shakespeare, W. 1199 Siebert, Th. 379 Siedlecka, W. v. 383 Sigogne, E. 1184. 1190 Simmel, G. 1051 Simons, R. 845 Simony, O. 898. 899f. Sinnett, A. P. 95. 144. 176. 562. 566. 664. 673 - »Esoteric Buddhism«/»Die Esoterische Lehre« (Geheimbuddhismus) 102. 112. 223. 563. 628.668-670

- »The Occult World«/»Okkulte Welt« 563. 705 - »Wachstum der Seele« 605f. Sinzheimer, H. 1293. 1298f. 1328 Sivers, C. v. 385 Sivers, M. v. 63. 77. 124. 127. 130. 132. 143. 149. 154. 241. 244f. 248f. 251. 355. 387-389. 393. 395f. 555. 558f. 562. 592f. 702. 710. 727. 797. 807. 983f. 993f. 1007. 1O20f. 1023-1025. 1039. 1061. 1067. 1095. 1098. 1187. 1190. 1284. 1447. 1489. 1522. 1518. 1539. 1549. 1585. 1618. 1646. 1650f; s. a.: Deklamation (Sachregister) Sivers, O. v. 385. 559. 1041. 1095 Skene (Familie) 1583 Skrjabin, A. N. 1212f. 1701 Slade, H. 282. 893. 931 Smend, J. 1668 Smerdis, H. 332 Smith, J. 413. 622 Smith, W. B. 847 Smits, C. 178. 1184f. Smits, L. 1192. 1205. 1208f. 1215. 1229 Snoek, J. 963. 981. 996. 1003. 1005. 1011 Snow, Ch. P. 1688 Solowjow, W. 812. 1274 Sombart, M. 238 Sompek, P. 229 Sonklar, A. v. 175. 179. 183. 197. 211. 292. 344. 383. 703 Sonnenberg, R. 632f. 830 Sophie-Luise v. Sachsen-Weimar Spann, O. 1324 Specht (Familie) 1364 Specht, L. 831. 1244f. Specht, O. 1364. 1445f. Specht, P. 225. 507. 509. 517f. 524. 882. 1235 Spedalieri, Baron 85 Spelter, A. 235 Spengler, O. 1324. 1411 Spicker, G. 871. 1038f.; s. a.: Strader (Sachregister) Spiegel, G. 1627 Spohr, W. 1138 Sponheimer, J. 220 Sporri, G. 1635. 1640-1642 Sprengel, A. 241f. 982. 1098 Sprenger, S. 114 Spreti, A. Graf v. 111. 113 Spreti, C. Gräfin v. 111. 113 Stach, I. v. 1052 Stahl, E. v. 1562 Stählin, W. 1637. 1640. 1674 Stammberger, W. 235

Personenregister Stammler, R. 1298 Stavenhagen, B. 1024. 1067 Steffen, A. 59. 247f 251. 1199. 1447. 1644. 1650 Steffens, H. 493. 919 Stegemann, E. 1580f. 1598f Stein, H. v. 459. 504 Stein, W. J. 1298. 1374. 1489. 1702 Steiner, A. -> Eunike, A. Steiner, M. - Sivers, M. v. Steiner, R. 1. Biographie 122-125 Vater 1364. 1417 Promotion 459 - Professur 463 Bibliothek 68 - Finanzen 133-135 Ehekrise 396f. 1534. 1537f. - Kriegskreuz für Zivilverdienste 1284 Begräbnis 247. 1648. 1650 2. Weltanschauung und Geschichte der Theosophischen/Anthroposophischen Gesellschaft; s. a.: Anthroposophische Gesellschaft, Theosophische Gesellschaft Adyar (Sachregister) ärztliches Handeln 1477. 1554-1560 - Drache (Metapher) 541 Frauen 140. 164. 378. 395-402; s. a.: Wegman, I.; Sivers, M.; Maryon, E.; Dornacher Krise (Sachregister) Goethe: Philologie 463-469; Idee 473479; Märchen 1029. 1047; s. a.: Goethe, Faust Golgatha 790. 792. 796-798. 801-816. 819-825; s. a.: Mysterium von Golgatha (Sachregister) - Graphiker/Illustrator 643. 1554. 1283 Meister 706f - Mysteriendramen 1037-1040 pädagogisches Handeln 1436 - priesterliches Handeln 1615 Spiritismus 754.933-936 Theologie 1652f. - Verehrung durch Anhänger 410f. 3. Beziehungen zu Personen Besant 103. 147. 163. 172. 553. 559. 568. 703f. 710 - Blavatsky, H. P. 172. 548. 553. 760 Haeckel, E. 881-889 - Hübbe-Schleiden, W. 553f. Leadbeater, Ch. W. 138. 172. 558. 564. 713 - Schuré, E. 555. 1021-1025 Scott-Elliot, W. 172 - Sinnett, A. P. 172. 563

1859

- Tingley, K. 1273 4. Werke Gesamtausgabe 63-72; Vorträge / Zyklen 373f. 386-391. 753f 757. 1197. 1268; Briefe 68f.; Nachlaß 58f; Stenogramme 63f. 67; Redaktion seiner Schriften 66 »Anthroposophie« 674-676 - »Aus der Akasha-Chronik« 615-649. 722f. 741. 768f. 771. 775. 847 »Blut ist ein besonderer Saft« 373 - Credo 653 »Das Christentum als mystische Thatsache« 502. 552. 554. 786-790. 814-818. 949 »Das fünfte Evangelium« 822f. 825. 1097. 1250 »Der Hüter der Schwelle« 1044 - »Der Orient im Lichte des Okzident« 1025 »Die Bhagavadgita und die Paulusbriefe« 822 »Die Einweihung des Rosenkreuzers« 1067 »Die Erziehung des Kindes« 373. 1365. 1369f. - »Die Geheimwissenschaft« 649-674. 741 »Die Kernpunkte der sozialen Frage« 1301-1322. 1339 »Die Mystik im Anfange des neuzeitlichen Geisteslebens« 550-552 - »Die Pforte der Einweihung« 1028-1042. 1053. 1060 - »Die Philosophie der Freiheit« 528-532; 374. 461. 461. 507. 517. 526. 534. 538. 653. 793. 826. 870. 1705 »Die Stufen der höheren Erkenntnis« 374. 583f. 592 »Die Theosophie des Rosenkreuzers« 144. 386. 716. 723. 757. 799f 842 - »Ein Weg zur Selbsterkenntnis des Menschen« 374 - »Friedrich Nietzsche ein Kämpfer gegen seine Zeit« 516-520. 524f. - »Gedanken während der Zeit des Krieges« 1267f 1274 - Gedichte 1199 »Goethes Weltanschauung« 438.493 »Grundlinien einer Erkenntnistheorie der Goetheschen Weltanschauung« 438. 504 - »Haeckel, die Welträtsel und die Philosophie« 373 Landwirtschaftlicher Kurs 1579f. 1585f. 1598 Magazin für Litteratur 535. 537. 1047

1860

Register

- Medizinerkurse 1472f. 1487. 1489. 1491-1494 Nationalökonomischer Kurs 1346 - »Okkulte Physiologie« 1456. 1473f. 1486. 1496 »Planetentanz« 1199 - Priesterzyklen 1617-1625.1628-1631. 1637. 1673 - »Samariterkurs« 1255 - »Seelenkalender« 374 - »Theosophie« 570-580; 540-542. 565. 649. 545-780. 764 - »Tierkreis« 1199 - »Unsere atlantischen Vorfahren« 616 Vaterunser 373 - Volkspädagogische Vorträge 1370 »Von Buddha zu Christus« 552. 803 »Von Seelenrätseln« 1508. 1510f. »Wahrheit und Wissenschaft« 580-615; 274. 503-507. 526. 713. 718. 792f. 807. 826 - »Welt- und Lebensanschauungen« 864. 871. 884. 921. 1251 »Wie erlangt man Erkenntnis der höheren Welten?« 579-615; 274. 713. 716. 718. 792. 807. 871. 873. 1033. 1110 Steiner, R. /Wegman, I. »Grundlegendes für eine Erweiterung der Heilkunst« 1538f. Steinthal, H. 1254 Sterne, C. -> Krause, E. Stibbe, M. 1452 Stieglitz, K. v. 783f. 824. 1675 Stiglmayr, J. 851 Stinde, S. 357. 364. 393. 1066f. 1098. 1133. 1475 Stirner, M. 495. 530. 534f. 539f. Stockmeyer, A. E. K. 1066. 1076. 1078f. 1085. 1133. 1146f. 1367. 1370. 1374. 1399. 1423 Stöhr, A. 502 Stoll, O. 275. 278 Stolte, H. 207 Stoß, P. 1248 Strakosch, A. 389. 805f. 1085. 1145 Strauch-Spettini, M. v. 559. 710 Straus, E. 1492 Strauß, D. F. 792. 846 Strawinsky, I. 1223 Streicher, J. S. 1580f. Strindberg, A. 1054. 1486 Strohschein, A. 1445 Strzygowski, J. 1299 Stuck, F. v. 1216 Stuckrad, K. v 19f. Stuten, J. 1650

Sully, M. 1217 Sumagala 93 Suphan, B. 438. 457. 459 Surya, G. W. s.: Georgiewitz-Weitzer, D. Suter, G. E. 1532 Suttner, B. v. 1264 Swedenborg, E. 82. 335. 1704 Swoboda, A. 229 Sydow, J. 1620. 1629. 1631f. 1642. 1655. 1660. 1663. 1667 Syring, R. 198. 299. 305. 307. 318. 345 Taaffe, E. Graf 1243. 1288 Taaks, M. 216f. Taaks, O. 235 Tappeiner, H. v. 1483 Tauler 243 Taut, B. 1129. 1171f. 1174 Taut, M. 1172 Tenorth, H. E. 1359 Tenten, H. 63 Teuchner 302f. Thaer, A. v. 1594 Thales 497 Théon, M. 92. 567 Therese v. Avila 603 Thiede, W. 28. 784. 796f. 802. 824 Thiersch, C. 931 Thiersch, H. 1651 Thilo, Ch. A. 1392 Thode, H. 1189 Thoma, H. 1338 Thomas v. Aquin 502. 1661. 1702 Thomassin, Ch. 336 Thomson, W. 651 Thothmor 90 Tiede, E. 321 Tingley, K. 118. 126. 253f. 256.259-263. 266. 268. 273. 284. 974. 1053. 1134. 1271. 1395 Tiralla, L. G. 1034 Tischner, R. 929f. Tissot, S. A. D. 1567 Tisza, I. 1282 Todtenhaupt, J. 214 Tomberg, V. 248. 727. 826. 1662. 1710 Tönnies, E 1324f. Trachsel, A. 1129f. Tränker, H. 321. 334f. Traub, E 751 Treichler, R. 1091 Trine, R. W. 373 Troeltsch, E. 418-421. 1090. 1632 Trotzki, L. D. 1291

Personenregister Troxler, I. P. V. 921-925. 927. 1512 Tschirsch, A. 1462 Tucker, B. R. 534 Turgenieff, A. 381. 1109. 1126 Tuttle, H. 282 Uehli, E. 1342. 1618. 1644 Uexküll, J. v. 1325 Ullrich, H. 954. 1362. 1387. 1409 Ulm, B. 207. 211f. 215f. Unger, C. 355. 373. 1098. 1333-1335. 1339. 1344 Unger, P.C. 1085 Urban, F. 111. 113 Urban, H. 113 Vacano, H. Freiin v 377. 1042. 1481 van Blommenstein -> Haus van Blommenstein (Sachregister) van de Sande, T. 16 van der Loo, H. 54f. van der Velde, H. 1127. 1172 van Deventer, E. -* Wolfram-van Deventer, E. van Driel, J. M. U. 236 van Hook, H. 148 van Poortvliet, M. T. 1600 van Reijen, W. 54f. Vansina, J. 769 Vegelahn, W. 826 Verlaine, P. 1054 Vernes, J. 640 Vershofen, W. 1299 Versluis, A. 16 Verweyen, J.M. 177. 235. 198-217. 201f. 238. 714 Vico, G. 1411 Vigeveno, J. 200 Virchow, R. 894. 931. 1459f. 1498. 1566. 1570 Vischer, Th. E v. 491 Vivers, O. v. 710 Viviani, R. 1264 Voegele, I. 1581f. Vogt, K. 281.925 Vogt, Th. 1392 Voigt, A. 368 Voith, H. 1340 Volkelt, J. 480. 485 Völker, T. 385. 393. 396 Volkert, H. 1133 Vollrath, B. 320 Vollrath, H. 134. 144-147. 152f. 157-160. 169. 201. 211f. 281. 285. 287. 289. 298. 320-331. 368. 662. 807. 819. 1272. 1665.

1861

Vorländer, K. 482. 493 Vormbaum, F. 133 Voß / Voss, E. 297. 300. 308. 312. 314f. Voss, I. v. 175 Voß, R. 1184. 1189. 1228 Vreede, E. 154. 247f. 906. 996. 1159. 1447. 1585, s. a.: Haus Vreede (Sachregister) Wachsmuth, G. 247. 250f. 643. 648. 690. 1447. 1581. 1585. 1599. 1650 Wachtelborn, K. 175. 177. 179. 183. 188-190.207. 287. 1272 Wachtmeister, C. Gräfin 111. 114. 254. 698 Wacker, O. 311 Waddell, L.A. 97 Wagemann, J. 1476 Wagner, C. 1216 Wagner, E. 713. 1133f. Wagner, G. 121. 126. 132. 383. 1067 Wagner, O. 1129 Wagner, R. 39. 176. 221. 1047-1049. 1056. 1066. 1131. 1251. 1639 Wagner, W. 133 Waite, A. E. 739. 990 Walden, H. 1171. 1134 Wallace, A.R. 630. 931. 1701 Waller, M. 1105. 1159 Walter, H. 1504. 1539. 1547. 1555 Walther, O. 175 Wand, B. 212.216 Wandrey, C. 385. 393 Warburg, A. 776 Wartel, P. E 1034 Wassermann, J. 1299 Wasserstrom, S. 751f. Wattenbach, W. 894 Weber, A. 119. 287. 289. 321. 335. 346 Weber, E. H. 898 Weber, E. v. 111. 113f. 335 Weber, K. M. v. 1223 Weber, M. 408-421. 744. 748-750 Weber, W. 931 Wedgwood, J. I. 213. 215.202.233-235. 237. 841 Wegener, A. 641 Wegman, I. 1531-1540. 1546-1553; 59. 247f. 711. 721. 984. 1157. 1159. 1444f. 1447. 1487. 1489f. 1503f. 1522. 1527f. 1530. 1542f. 1556. 1572. 1578 Weidelehner, H. 1654. 1674 Weigel, V. 551. 838 Weinfurter, C. 222 Weingartner, E 1053 Weininger, O. 401f.

1862

Register

Weinrich, E. 214. 235 Weismann, A. 887. 1562 Weiß, J. 846 Weiß, R. 227f. Weißenberg, J. 14 Wells, H. G. 896 Wendt, H. 241. 367 Wenz, E. 1564. 1567 Werfel, F. 929. 1199 Werner, K. 502 Werner, U. 28. 1354. 1964 Werr, J. 1581 Westcott, W. W. 91.644. 698. 976 Weyß, J. L. 112 Wichern, J. H. 42 Widenmann, G. 561. 759 Wiegmann, M. 1223f. Wiesberger, H. 668. 993 Wiesendanger 112 Wiesendanger, R. 109 Wiesengrund ---> Adorno, Th. W. Wiess, R. 229 Wigman, M. -* Wiegmann, M. Wihan, R. 343 Wilbrandt, A. 1053 Wilbrandt, R. 1329. 1338 Wildermuth, A. 1546. 1551 Wilhelm I., deutscher Kaiser 1243 Wilhelm II., deutscher Kaiser 742. 1243f. 1266. 1280. 1463. 1633 Wilhelm, A. 175 Wille, B. 652 Willmann, C. 1358 Willmann, K. Th. 1078 Willmann, 0. 371 Willoughby, E S. 233 Wilson, W. 261. 927. 1266. 1273. 1275-1277. 1279. 1284. 1287. 1289. 1331. 1343 Windelband, W. 747f. Windischmann, K. J. 919 Winter 112 Wissel, R. 1328 Wistinghausen, A. v. 1585

Witkowski, G. 446 Woitinas, H. 1584 Wolf, F. A. 1412 Wolf, H. 221f. Wolfram(-van Deventer), E. 139. 146. 1185 Woloschin, M. 1056. 1103 1105f. 1184. 1086. 1155 Wood, E. 105. 596f. Woodroffe, J. 979 Wright (Gebrüder) 646 Wright, E L. 1179 Wulff, K. 1190 Wundt, W. 931 Wyneken, G. 1398 Yarker, J. 93. 965. 969-972. 974. 993 Yates, E A. 947. 1693 Yeats, W. B. 2. 1704 Zarathustra - Zoroaster Zastrow 1622 Zawadski, C. 145. 321. 334. 933 Zech, J. 175. 179 Zelle, M. G. 1212. 1229 Zeppelin, E 646 Zerndt, H. 278 Zeuger, H. 235. 238 Zeylmans van Emmichoven, F. W. 1472. 1504. 1534. 1545. 1553 Ziegler, E. 1525 Ziegler, M. 317 Ziehen, Th. 1510 Ziller, T. 1391f. 1410-1412 Zillmann, P. 174. 179. 294. 336. 346. 937. 1272 Zimmermann, E 112 Zimmermann, R. 240. 892. 911. 1392. 1411f. 1414. 1420. 1449 Zimpel, C.-F. 1463 Zinsstag 1099 Zöllner, J. K. F. 892f. 894. 898. 900. 931f. Zoroaster 224. 536. 794. 809. 820. 834; s. a. Zoroastrismus (Sachregister) Zweig, St. 123. 758. 1705

Sachregister

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Sachregister

Abendmahl 377 Achberger Kreis 1702. 1711 Adel 357f. 358. 360. 362f. 365f. 407 Adventisten vom Siebenten Tag 36 Adyar - Theosophische Gesellschaft Adyar Adyar-Mitteilungen 159. 173 Ägypten 84. 732. 971. 976. 1106. 1228. 1209. 1477; s. a.: Misraim-Ritus Ägyptisch-chaldäische Kultur 625 Ägyptisches Totenbuch 732 Ahnenkult 627 Ahriman/Lucifer (Luzifer) 833-835; 122. 523. 626. 722. 1004. 1025f. 1031. 1056. 1031. 1106f. 1111. 1114f. 1117. 1126. 1138. 1153. 1157. 1201. 1499. 1523 Ahura Mazda 804. 832. 834. 969 Akademie der Lebenserneuerung 209 Akasha-Chronik 564. 607. 614. 620-624. 702. 1688f.; s. auch Steiner (Personenregister), Werke: »Aus der Akasha-Chonik« Akasha-Stoff 617 Akkadier 625. 627. 630f. Aktiengesellschaften -* Futurum A.G., Kommender Tag A.G. Aktionsgemeinschaft Unabhängiger Deutscher 1711 Albrechtsleute 36 Alchemie 373. 224. 944. 977. 1011. 1493. 1659 Algund 285 Alkohol 377. 701 Allegorese 388. 1653 Allenstein 198.204 Alternativmedizin 1461-1467 Altes Testament 830-833. 1432 Altkatholische Kirche 235. 1616. 1618. 1622. 1627. 1629. 1667 Altmann (Verlag) 689 Aluminium 645f. Amsterdam 16. 216. 1381 Amsterdamer Kongreß (1904) 1067. 1132f.; (1935) 216 Analogie 1499-1501. 1563. 1561. 1587 Anaramaya 1001 Anarchismus 533-535. 1245 Andacht 297f. 303 Androgynie 401f. 626. 765. 1692 Angestellte 1310 anglo-amerikanische Religionstraditionen 43 Anglo-Amerikanismus 1262. 1276. 1289

Animismus 954. 1405. 1410 Anschaulichkeit/Anschauung 499. 1421. 1500. 1653; s. a.: Ästhetik Anthropologie, s. a.: Archaeus, Astralkörper, Ätherdoppelkörper, Ätherkörper, Atma, Atnab, Bewußtseinsseele, Buddhi, Doppelgänger, Empfindungsleib, Empfindungsseele, Flüssigkeitsmensch, Geist, Geistesmensch, Geistseele, Geistselbst, Ich, Intellekt, Jiva, Kama Manas, Kama Rupa, Körper, Lebensgeist, Lebenskraft, Linga Scharira, Manas, Paracelsismus, physischer Leib, Prana, Rupa, Seelenleib, siderischer Körper, spiritueller Körper, Sthula Sharira, tierischer Körper, Tierseele, Trichotomie, Übermensch, vernünftige Seele, Verstandesseele, Wärmemensch 1. Genese (R. Steiner) 565-568. 684. 764-767 2. Trichotomie (Leib - Seele - Geist) 565f. 572f. 579. 650. 684. 764. 1371. 1405 3. Körperglieder/Körperhüllen 90. 100. 565-567. 569. 572f. 579f. 650. 673. 684. 923. 1507; s. a.: Ätherkörper, Astralkörper, Ich Waldorfpädagogik 1404-1406 4. Körpersysteme; s. a.: Blutsystem, Drüsensystem, Knochensystem, Nerven-Sinnesorganisation, rhythmische Organisation, Stoffwechsel-Gliedmaßen-Organisation - Medizin 1495-1497.1506-1514 - Politik 1297. 1299f. 1325 - Waldorfpädagogik 1405f. Anthroposophie 315. 674-676. 922f. - Begriff 240 - Literatur 27 - Quellen 27. 58-72 - Religion 44. 867. 1671 Anthroposophische Arbeitsgemeinschaft 248 Anthroposophische Gesellschaft 240-252; 159. 162; s. a.: Dreißigerkreis, esoterischer Vorstand, Siebenerkreis, Weihnachtstagung - Christengemeinschaft 1643-1649. 1650. 1672f. - Politik 261. 1347. 1349 Antialkoholismus 378 Antichrist 517f. 518. 524 Antijudaismus -> Judentum

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Register

Antisemitismus 1244. 1272. 1651f. Antivivisektionismus 255 Apokalyptik 148. 150. 163. 662. 1072. 1663 Apollo 1107 Apostelamt Juda 36. 1665 Apostolische Sukzession 1618. 1621. 1629. 1664. 1667f. Arad 237 Arbeit 1307 Arbeiter-Bildungsschulen 123. 133. 550. 1136. 1245f. 1249. 1364 Arbeiterkomitee für Dreigliederung 1335 Arbeiterschaft 270.362-364 Arbeitgeber 1347 Arbeitsleiter 1347 Arbeitslosigkeit 1306 Archaeus 567 Architektur -* Eurythmie-Häuser, Expressionismus, Haus Brodbeck, Haus Duldeck, Haus Schuurmann, Haus van Blommenstein, Haus Vreede, Johannesbau/Goetheanum, Jugendstil, Räume (theosophische), Waldorfpädagogik/ Architektur, Zweigräume Arch-Warden 580 Areopag 146 Arier 183. 305. 307f. 310-312. 314. 328. 624f. 628 Ariosophie 334. 1272 Arischer Tempel 261 Arlesheim -4 Sanatorium Arlesheim Armanen 1272 Arsen 1588 Artus 647f. 1438 Arya Samaj 92 Asche 1001. 1008. 1482f. 1488. 1659; s. a.: Licht-Asche Aschersleben 384 Ascona 350 Asien - Indien Askese 523 Assoziationen -* Räte Ästhetik/Ästhetisierung 382.488-490. 1670. 1683 Astralbilder 622 Astralkörper/Astralleib 399. 538. 573. 565-567. 573. 588f. 650. 660. 665f. 804. 1404. 1446. 1691 - Medizin 1496. 1507. 1509. 1513. 1557. 1564. Astralkraft 1588 Astrallicht 607. 621-623. 666. 942 Astra1plan 666.835 Astralprojektionen 622f.

Astralraum 901f. Astralvisionen 622f. Astralwanderungen Astralprojektionen Astrologie 322. 1505f. 1589 Asuras 657 Atheismus 519. 525. 532. 535-538 Athene 1107 Äther 623 Ätherarten 1497 Ätherdoppelkörper 565.764 ätherische Archive 702 ätherische Kraft 1588 Ätherleib 399f. 566f. 573. 588f. 650. 764. 801. 804. 921. 923. 935. 1365. 1404. 1408. 1497. 1691 Eurythmie 1185. 1192. 1202 - Medizin: 1496. 1502. 1507. 1509. 1513. 1549. 1561. 1564 Ätherschwingungen 604.940 Atlantis/Atlantier 373. 562. 621. 624. 627630. 637-647. 651. 662. 683f. 769f. 779. 917f. 953. 985f. 1002. 1011. 1106. 1438 - nachatlantische Kultur 625 Atma 566.663 Atman-Brahman 576 Atnab 567 Atomismus 440f. 688. 866. 1562 Aufruf an das deutsche Volk und die Kulturwelt 1297-1299 Augsburg 350 AUM-Zeichen 570. 563f. 578. 579. 587. 666. 667. 692. 718. 939. 942. 1202. 1653 Aura 381. 558. 563-565. 578f. 688. 692. 714. 718. 938-942. 945. 1107. 1202. 1479f. 1653. 1670 aurisches Ei 658. 666f. Ausdruckstanz 378. 1200. 1211. 1231. 1234 Aussig 267. 271. 278f. Autorität 594f. 608-612. 678. 685. 719. 724. 767. 1402. 1414-1417. 1684; s. a.: Devotion, Lehrer-Schüler-Verhältnis Avatar 559. 790. 800. 810 Azoth 1011 Babylonier 625 Bad Berka 298 Bad Kreuznach 235 Bad Liebenzell 198. 299. 318 Bad Saarow 1601f. Baden-Baden 384 Bahai 1702 Baldur Loki 1527 Ballets russes 1222f. Banken, anthroposophische 1711. 1714f.

Sachregister Baptisten 36 Barhishad-Pitris 657 Barmen 205.207 Barr 1023 Basel 156. 291. 350. 374. 384. 386f. 1489f. BASF 1580 Bauck 1607 Bautzen 204. 294 Bayer A.G. 1542 Bayreuth 1047. 1084. 1129. 1154. 1229. 1251 Beichte 1658 Belgien 196 Beloit 344 Benares Hindu University 105 Berlin 60. 132. 136. 175. 186. 197f. 202. 207. 211. 214. 235. 245. 256. 262-264. 266f. 268-272. 274. 276. 279. 291f. 317. 319. 324. 333. 335f. 348. 350. 357. 364. 368f. 369. 372-374. 381-384. 386. 393. 1066. 1078. 1084 Charlottenburg 118. 121. 132f. 264. 268. 270. 333. 350. 364 - Nordberlin 271.267 Schlachtensee 123. 736. 1154 Steglitz 267. 271f. West 267 Wilmersdorf 291 Bern 156. 264. 291. 350. 384f Berndorf 1439 Berneuchener Konferenzen 1640 Betriebsräte 1310-1312 Bewegung (Soziologie) 247. 425-432 Bewegung für religiöse Erneuerung -> Christengemeinschaft Bewußtseinsseele 568. 565f. Bhagavadgita 373. 605. 701. 714. 731f. 732. 734. 758 Bibel 660. 828f. 834. 845-853. 1072; s. a.: Altes Testament, Evangelien, Fünftes Evangelium, historisch-kritische Methode, Johannes-Evangelium, Markus-Evangelium Bibel-Babel-Steit 742. 790 Bibliotheca Philosophica Hermetica 16 Bibliotheken, theosophische 116. 119. 130. 196. 218. 221f. 223.227.231 f. 268. 272. 295. 297. 317. 323. 372f. 1079. 1086. 1164 Bielefeld 350. 1643 Bijoux 150. 995; s. a.: Rosenkreuzerschmuck Bilderbewußtsein 661.663 Bildung 370-372 Bildungskraft 1497 Biodoron 1544 biogenetisches Grundgesetz 557. 659f. 673. 887. 1412

1865

biologisch-dynamische Landwirtschaft 1579. 1600 Biologisches Institut am Goetheanum 1579 blau 303. 381. 388. 392. 578. 587. 667. 712. 757. 996. 1066. 1068. 1070. 1076. 1107. 1109f. 1201. 1412. 1475f. 1478f. 1548. 1556. 1584 Blavatsky-Institut 176 Blavatsky-Loge 178 Blavatsky-Schule 1396 Blavatsky-Stiftung 302 Blei 1506. 1523f. 1558. 1576. 1588 Blutsystem 1405. 1509. 1511. 1513. 1564 Boas -4 Jachin und Boas Bochum 291. 350. 800. 805f. 820f. 826f. Boddhisattva 577. 663.666 Bodenreform 191. 1594. 1597 Böhmen 270. 308. 325. 917 Bolschewismus 1404. 1437 Bonn 198. 204. 291. 349f. 369. 377. 380. 384f. Bosch (Werke) 1337. 1340 Bottminger Kurs 1185 Braille-Liga 196 braun/braunrot 564 Braunschweig 291 Breitbrunn 1627 Bremen 235. 291. 335. 350. 384f. Breslau 175. 186. 322. 267. 269. 291. 350. 1380. 1484. 1642 Brest-Litowsk 1265 Brevier 1664 Brocas Organ 868. 890. 1495 Brotherhood of Eulis 89 Bruck a. d. M. 228 Bruderschaft/Brüderlichkeit 55. 86-90. 111. 121. 136. 265f. 172. 195. 200215. 950. 973. 989. 1271f. 1302. 1317; s. a.: Weiße Bruderschaft - Bruderschaft (Zeitschrift) 266 Brünn 228. 267. 269. 271.291 Bucholtwelmen 204 Budapest 220. 384 Budapester Kongreß 802-808. 1134 Buddha 561. 601. 666. 732. 789. 792. 794. 806. 809. 816. 822f. 850. 1020 Buddhi/Budhi 566f. 795. 801 Buddhismus 39.93. 103. 282f. 377. 575. 587. 591. 733. 788f. 791. 821. 850. 1037. 1680 Buddhistischer Verlag 322 Bukarest 385 Bund der Freien Waldorfschulen 1380-1382. 1450. 1453

1866

Register

Bund des Sternes im Osten -> Sternorden Bund für anthroposophische Arbeit 154 Bund für anthroposophische Hochschularbeit 243 Bund für Dreigliederung 1338f. Bund für rosenkreuzerische Geisteswissenschaft 843 Bund für Theosophie und Geheimwissenschaft 334 Bund für theosophische Arbeit 147. 1247. 1396 Bund zur Pflege rosenkreuzerischer Geisteswissenschaft 819 Bundesarchiv Berlin 60 Bürgertum 358. 360. 362f. 367-380 Cagliostro-Verlag 64f. Cakovek 238 Camphill-Bewegung 1446 Capesius 448. 1030-1032. 1038 Cardiff 265 Cazotte, Loge 1011 Celje 238 Central Hindu College 105. 137. 149 Centrale für Reformliteratur 322 Cerneau-Ritus 964 Ceylon 94 Chakren 587. 589. 596. 602. 1110 Charisma 408-418. 1684 Charlottenburg, s. Berlin-Charlottenburg Charter 129 Chemie 688 Chemnitz 204. 291 Cherubim 657 Chicago 268 Chiromantie 1502 Christengemeinschaft 1611-1676; 251. 375. 386. 719. 1142. 1584; s. a.: Beichte, Erzoberlenker, Johannifest, Kommunion, Menschenweihehandlung, Priester, Taufe, tridentinischer Ritus Credo 1625. 1654. 1656 - Medizin 1503f. Waldorfpädagogik 1431. 1434f. Bewegung für religiöse Erneuerung 1611. 1626. 1630. 1643f. 1672 Heilpädagogik 1445 Kult 1654-1659. 1669 Laien 1664 Lenkerkonferenz 1664 - Name 1626 Paten 1629 - Priesterseminar 1626 Priestersynode 1664

- Sakramente 1656. 1658 Christentum 34-39.91. 100. 104. 285. 289. 308. 494. 519. 524. 712. 716. 950. 1687 Christentumskritik / Kirchenkritik 100. 1620. 1646. 1663. 1675 Christian Science 37.43. 78. 81.273. 866. 1214. 1463. 1466. 1504 Christlich-katholische Kirche in Zion 37 Christlich-Theosophische Vereinigung 334 Christologie 781-858; s. a.: Erscheinen des Christus im Ätherischen Christus 827. 829-831. 834. 836f. 851. 1106; s. a.: kosmischer Christus Christus in uns 788. 791. 829. 1657 - Christus in Euch 1657f. Chromolinsen 1478 Chromotherapie 1478 Chrysanthemen-Tee 553 Clairaudiance 88.90. 680 Co-Freimaurerei 196.211.213. 233. 238. 973f. 989. 992. 1012; s. a.: Besant (Personenregister) Cölleda 198 Collegium Pansophicum 334 Colmar 190.384 Cotta (Buchhandlung/Verlag) 68.454. 461f. Cottbus 263f. 269. 271. 291 creatio ex nihilo 653 Cunewalde (Sachsen) 291 Daguerreotypien 621f. Daily Telegraf-Affaire 1265 Daimler 1337. 1340 »Damenclub« (anthroposophischer) 1347 Danzig 204. 291. 312. 1647 Darbysten 37 Darmstadt 198.204 Darwinismus 487f.; s. a.: Sozialdarwinismus DDR - Deutsche Demokratische Republik Deklamation 383. 394. 1034. 1067. 11971199 Demeter (Name) 1600 Demeter-Wirtschaftsbund 1599f. Demokratie/Demokratiekritik 97. 277. 723. 1276f. 1279. 1295. 1350f. 1354. 1695f. - Einweihung 1314-1321 - Waldorfpädagogik 1422f. Demonstration (kultische), 995 1088. 1093f. 1149 - Christengemeinschaft 1628f. Den Haag 1380 Denken 484. 527. 531 Denkkraft 630 Deutsche Christen 265. 328

Sachregister Deutsche Demokratische Republik 1381f. 1712 Deutsche Friedensgesellschaft 306 Deutsche Glaubensbewegung 314 Deutsche National-Litteratur 436-438. 446f. 454-463. 478f. Deutsche Theosophische Gesellschaft 117f. 127. 334. 310-312 Deutsche Theosophische Verbrüderung 313 Deutsche Wochenschrift 1242-1245 Deutschkatholizismus 37f. 50.404.406 deutschnationale Haltungen (Steiner) 12421245. 1253f. 1271. 1274f. 1287. 1331 Devachan 562. 575f. 599 Devianz 1697-1700 Devotion 608-611; s. a.: Autorität Dhyan Chohan 670 Diederichs Verlag 15.41 Dinslaken 186. 192. 204. 207 Dionysius Areopagita 657. 673. 719 Dissenter 33-43 dm Drogerie-Märkte 1355 Dodekaeder 1098 Dogmenfreiheit 41. 107. 120. 136. 145f. 153. 166. 169. 246. 374. 614f. 636. 662. 812. 814. 821. 1441. 1611. 1634. 1654. 1666. 1684 Döhren 123 Doppelgänger 566.613 Dornach 58.61. 1092-1110. 1153-1165. 1380; s. a.: Goetheanum, Johannesbau Dornacher Krise 240-242. 396. 982. 1006 Dortmund 174. 186. 198.207 Dottenfelder Hof 1604 Dreieck 476 Dreigliederung 1279. 1286-1332. 13361341. 1709f. 1712-1714; s. a.: Waldorfpädagogik/Dreigliederung Dreikönigsspiel 441. 1153 Dreißigerkreis 1646 Dresden 175f. 185. 204. 267. 269-271. 274. 278f. 291. 294. 302. 313. 334. 351. 377. 383f. 393. 1380f.; s. a.: Weißer Hirsch Drogen 594. 701 Droit Humain 178. 972. 1010-1012 Drotten 708 Druiden 964 Drüsensystem 1509. 1511 Duell 512 Duisburg 198.204.291 Duldeck - Haus Duldeck Düsseldorf 118. 132 f. 157. 175. 178. 204. 218. 235. 291. 351. 374. 381. 383f. 185f. 190. 192. 198. 1474

1867

Dzyan 99.623 Eastern School of Theosophy 98. 697 Eastern Section 98 Edda 739 Edward VII., König von England 973 Eger 268. 343 Eglise gnostique 1666 Egoismus 551 Eibau (Sachsen) 291 Eiform 563 Eingeweihte 555. 580. 585. 609. 628. 641. 708. 788. 792. 816. 820. 944. 1418; s. a.: Mahatma, Meister Einweihung 88. 90. 142. 582. 584f. 593. 794. 1013-1015. 1030f. 1110. 1147 Einweihungsformen 793 Eisen 1506 Eisenach 204. 207. 351. 1642 Ektoplasma 81 Elberfeld 110. 112. 204. 235. 351. 384 Elbing 186.205 Electro-Biologie 644 Elektrizität 643f. Elektro-Homöopathie 1463. 1483 Elektrotherapie 1502. 1569; s. a.: Homöopathie Elementarwesen 666. 1111 Eleusis 223. 709. 737. 855. 986. 1067. 1197; s. a.: Schuré, E. (Personenregister), Heiliges Drama von Eleusis Elkesaïten 800 Elsaß 325 Emanation/Redditus 559. 652f. 1120 Empfindungsleib 565f. 568 Empfindungsseele 566. 568. 1661 Empirie 451. 956f. 1687f. 1692f. 1521. 1529. 1576. 1605f. Engel 657f. 665. 670. 673. 719. 822. 835. 1026. 1071f.; s. a.: Cherubim, Erzengel, Todesengel, Völkerengel Engländer 1253f. 1262 Entdeckungs-/Begründungslogik 1470. 1708 Enteignung 1311 Entwicklungspsychologie 1405f. Enzian 1500 Eranos-Kreis 1706 Erde 671f. Erdenstufe 655. 661 Erfurt 205. 214-216. 291. 351 Erkenntnis, übersinnliche 245. 248. 617-620. 727f. 827. 1033; s. a.: Erster Weltkrieg, übersinnliche Erkenntnis

1868

Register

- Christengemeinschaft 1611. 1622f. 1638. 1650. 1653. 1670 - Christologie 847f. 857 Landwirtschaft 1586 - Medizin 1494. 1467-1470. 1529. 1556. 1559. 1569 Politik 1319. 1684. 1714 Waldorfpädagogik 1399. 1418 Erkenntnistheorie 479-487. 527f. 531. 542. 674. 750f. 870-873 - theosophische 676-681 Erleben 531. 540. 572. 575. 679. 680f. 747. 749. 811. 1007. 1119. 1124. 1195. 1308. 1316. 1413. 1619 Erleuchtung 556. 569. 584f. 611. 1217 Erlöserkirche (München) 1086f. 1091 Erscheinen des Christus im Ätherischen 631. 800f. 806. 811. 819. 826. 855-857 Erster Weltkrieg 181-189. 275. 1100. 1240. 1250-1286; s. a.: Kriegsschuldfrage - Annexionismus 1276. 1283 - Internationale Theosophische Verbrüderung 304-306 übersinnliche Erkenntnis 1250f. 1270 Erzengel 631. 657. 665. 657. 835. 191. 1255. 1320 Erziehungsheim, theosophisches 273 Erziehungskunst (Zeitschrift) 1380. 1394 Erzoberlenker 1650 Esoteric Section 98. 697 Esoterik 16-24 - Semantik 43.46 Esoterische Kreise, Anthroposophie 719f. Esoterische Schule 696-721; 118. 213. 247. 299-301. 393. 580. 702-705. 710-721. 946. 1093. 1252; s. a.: Eastern Section, Esoteric School, Esoterische Kreise, Esoterische Stunden, Freie Hochschule für Geisteswissenschaft, Klasse, ShrâvakaOrden Besant 141-144. 699-702. 974. 1247 Blavatsky 696-699 - Christengemeinschaft 1615 - Freimaurerei 989. 1000 - Teilung (1907) 141-144 Tempelgesellschaft 333 - Theosophische Gesellschaft Adyar 217. 238 Theosophische Gesellschaft Point Loma 264 - Waldorfschule 1435 Esoterische Stunden 243 Esoterischer Vorstand 247. 719f. 1149 Essen 198. 205. 207. 235. 351. 1380

Essener 813. 816. 818. 737. 849f. Esslingen a. N. 351 Etheric Records 623 Ethik 495. 506. 509. 528f. 588 Eucken-Bund 39 Europa-Bund der Volksbewußten 214 Europäische Akademie für Anthroposophische Kunsttherapie 1578 Europäische Föderation junger Theosophen 231 Eurythmeum 1157. 1186 Eurythmie 251. 1181-1235; s. a.: Bottminger Kurs - Begriff 1188-1190 - dramatische Eurythmie 1186 - Heileurythmie 1186. 1197 Johannesbau 1140. 1142 Kleidung 1201f. Lauteurythmie 1186 Lichteurythmie 1203 - Lichtregie 1203f. 1214. 1219 - pädagogische Eurythmie 1186 - Requisiten 1203 Schminke 1202f. Spracheurythmie 1194-1196 - Standardformen 1201 Toneurythmie 1186. 1196f. 1226 - Waldorfpädagogik 1427 Eurythmistinnenhäuser 1169f. 1173. 1178. Evangelien 708. 846-849. 851. 1110 1653; s. a.: Fünftes Evangelium, Johannes-Evangelium, Markus-Evangelium Evangelische Franziskanerbruderschaft 1668 Evangelische Gemeinschaft 36 Evangelischer Humiliatenorden 1668 Evolution 275. 306. 413. 469. 487. 554. 559. 577. 631 f. 635f. 644. 651. 659. 661. 673. 685. 733. 743. 751. 760. 793. 795. 863. 875-889. 1001. 1091. 1092f. 1097. 1104. 1120. 1656; s. a.: Darwinismus, Fortschritt, Kulturstufen, Sozialdarwinismus - Christologie 831.833 Ewige Wiederkehr 513. 515. 519f. 522f. 524 Expressionismus 1126. 1170-1172. 1177f. 1178 Fabian Society 1247 Fakire 597.643 Fanta-Kreis 584 Farben 1066. 1119. 1196; s. a.: blau, braun, gold, grün, orange, rosa, rot, violett, weiß Pastellfarben 381f. Farbentherapie 1091. 1474-1480; s. a.: Chromotherapie, Lichttherapie

Sachregister Fegefeuer -* Purgatorium feinstoffliche Materie 617. 621. 666. 923 Felsenwesen 1111 Fernunterricht 1396 Feuergeister 799 Feuerprobe 585f. 610 Filderstadt 1573 Finanzen (theosophischer Gesellschaften) 117. 270. 273. 368-370. 381f. 1041. 1078. 1083f. 1100. 1114. 1160. 1174f. 1343f. 1379. 1438. 1445. 1541f. 1545. 1571. 1651 - Waldorfschulen 1373f. 1402 - Landwirtschaft 1582. 1599 - Christengemeinschaft 1628. 1642. 1645 Flensburg 267. 271. 279 Flugzeuge 645-647 Fluoreszenz 1481-1483 Flüssigkeitsmensch 1497 Forschungsinstitut für biologischen Landbau 1604 Forschungsring für Biologisch-dynamische Wirtschaftsweise 1604 Forschungsstelle Kulturimpuls 27 Forst i. L. 291 Fortschritt 234. 864; s. a.: Evolution - Krieg 1259 Fragenbeantwortung 387. 796. 898 Frankfurt a. M. 198. 205. 291. 236. 308. 318. 351. 368. 381. 384. 839. 1642. 1644 Frankreich 1020. 1023. 1100. 1258. 1261 Franz-Hartmann-Bauverein 324 Franzosen 1253. 1263. 1274 Französische Revolution 1302. 1326 Frauen 185-187.289. 354-360. 366. 378. 391-408.627.661.670. 1183f. 1682; s. a.: Androgynie, Matriarchat; Duboc, K. J., Weininger, O. (Personenregister) Christengemeinschaft 1619. 1628. 1665 Eurythmie 1186f. Freimaurerei 970-975. 981. 983f. - Medizin 1531-1539. 1572 Religion 404-407 Spiritismus 83 - »Tanten« 392f. Frauen/Männer Frauenbewegung 395 Frei Katholische Blätter und Kirchliche Nachrichten 235 Freiburg i. B. 351. 372. 377. 384 Freie Anthroposophische Gesellschaft 243f. Freie Bankgemeinschaft BCL 1711. 1715 Freie Hochschule 1164 Freie Hochschule Berlin 1396

1869

Freie Hochschule für Geisteswissenschaft 246. 1142f. 1447f. 1599 Freie internationale Sektion 321 Freie Katholische Kirche 236 Freie Theosophische Gesellschaft 334 Freie Theosophische Vereinigung (Berlin) 268f. Freies Geistesleben -9 Geistesleben freigeistige Bewegung 39 Freimaurerei 961-1015; 38.65.91-93. 199. 201.211-214. 281. 283. 285. 301. 303. 306. 309. 315. 330. 338. 369. 586. 602. 644. 709. 717f. 1037. 1080. 1093f. 1098. 1145. 1176. 1642. 1683; s. a.: Cerneau-Ritus, Co-Freimaurerei, Droit Humain, Hochgrad-Riten, Luftprobe, Mysteria Mystica Maxima, Mysteria Mystica Veritas, Mystica aeterna, Mystica aeterna, Schottische Riten, Wasserprobe Freireligiöse 39 Fremdheit 758-764 Friedensbewegung 275f. 378 Friedrichshagener Dichterkreis 123 Friedrichstadt 291 Fuente-Legat 137 Fünftes Evangelium 822. 825. 832. 1097. 1670 Fürstenwalde 159. 175. 186. 205 Fußballspiel 1427 Futurum A.G. 1344f. 1542. 1546. 1550. 1553f. Gablonz 267-269. 291 Gabriel 835 Galvanismus 644 Gartenstadtbewegung 378. 1154f. Gebet 1256. 1261 Gärtnerplatz-Theater (München) 1140. 1146 Gebete 654. 1097f. 1256. 1261. 1659 Gedächtnis, kulturelles 619. 623. 767-773 Gedankenbilder 939-942 Gedankenformen 578 Gegenstandsbewußtsein 663 »Gegner« 243. 246f. 1085. 1152. 1345f. Geheime Staatspolizei 213f. 216f. 310. 317. 251 Geheimes Staatspolizeiamt 314 Geheimhaltung 49. 247. 594. 600. 700. 711. 720-727. 1598f.; s. a.: Öffentlichkeit Geheimnis 482.721-727 Geist 484. 566f. 664. 922. 1131 Geister 656f. 657 Geisterland 573-577.718

1870

Register

Geistesaristokratie 1314-1321 Geistesauge 601 Geistesleben 1295-1297. 1299f. 1303. 1308f. 1313-1316. 1320 Geistesmensch 566. 573. 650. 663. 1404 Geisteswissenschaften 873-875; s. a.: Naturwissenschaften Geistseele 566f. Geistselbst 573. 650. 1404 gelbe Rasse 634 Gelöbnis (Eid, Schwur) 700f. 711f. 723. 982. 991. 998. 1001f. 1007f. - Christengemeinschaft 1624. 1631. 1655 Gemeinschaft des göttlichen Sozialismus Apostelamt Juda 36 Gemeinschaftsbank für Leihen und Schenken 252 Gemeinwirtschaft 1305. 1310. 1328 Gencydo 1557 Genf 155.220 Genua 154f. 819 George-Kreis 39. 1052 Georgien 1712-1714 Gera 291 Germanen 1257 Germanenorden 38 Germanisch-deutsche Religions-Gemeinschaft 38 Germanische Mythologie 673. 739 Gesamtkunstwerk 1047f. 1131. 1230 Gesellschaft für Neue Erziehung 230 Gesellschaft zur Förderung der BiologischDynamischen Wirtschaftsweise 1600 Gesellschaft zur Sammlung des Volkes Gottes in Jerusalem 37 Gesellschaft zur Verbreitung der Theosophie 178 Gesundbeten 1463; s. a.: Christian Science Gewaltenteilung 1351. 1347 Gewerkschaften 1307 Giordano Bruno-Bund 130. 398. 556f. 736. 934f. 1136 Glashaus 1156 Gleichgewichtsmodell, Medizin 1560f. Gleichschaltung 214 Gloggnitz 228 Gnom 1005. 1038. 1044 Gnosis 44. 342. 344. 665. 673. 693. 700. 714. 735-737. 739. 810. 823. 981. 997. 1691f. Gnostische Katholische Kirche 1666 Gnostische Kirche 322 Goetheanismus 842. 867. 908. 918. 1691. 1169. 1177f. 1393-1395. Goetheanum 783. 1150. 1160-1175; s. a.:

Kristall, Rhombendodekaeder, Schwinge, stereometrische Formen - Baubüro 1178 Goetheanum-Redner 1648 Gold 1506. 1168 Golden Dawn 91. 623. 643. 697. 840. 983. 989. 999. 1001. 1008f. 1113 Goldene Kette 195f. Goldene Legende -* Kreuzeslegende Golgatha - Steiner, R., Golgatha (Personenregister) Görlitz 175. 186. 205. 291. 351. 384 Gotik 1045. 1439 Gottesbild 529. 536. 557. 653f. 823. 830; s. a.: Christengemeinschaft/Credo, Tropfen, Pantheismus - Das Göttliche 225. 557. 653f. Gottesdienst 302f.; s. a.: Menschenweihehandlung Göttingen 159f. 174f. 181. 186. 190. 205. 351 Gottseligkeit 663 Gral 986. 1072. 1144 Graphologie 1502 Graz 218. 228f. 239. 268. 351 Grieben, Th. (Verlag) 629. 687. 690. 692. 739 Griechenland 254 griechisch-lateinische Kultur 625 Großkapital 1262 grün 564. 1109f. 1476. 1478 Grünberg 334 Gründlandbewegung 1594 Grüne (Partei) 1711 Guben 267 Guido von List-Gesellschaft 334 Guru 593. 599. 950 Gymnastik 196 Habsburgerreich 75. 88.442. 1314f. 1331. 1242-1245. Hagen 175. 178. 186. 205. 207. 351 Hakenkreuz 189. 312. 570. 587. 1137 Halcyon 257 Halkyon, Theosophische Gesellschaft -* Tempelgesellschaft Halle 291 Hallein 283 Hamborn 205 Hamburg 118 132f. 163. 175. 185f. 192. 198. 205. 207. 235f. 250. 256. 264. 267. 269. 291. 351. 381. 384. 843. 1380. 1643 Hameln 205 Hanau 205.291

Sachregister

Hannover 118. 132f. 159. 175. 180. 186. 190-192. 198. 205. 216. 244. 291. 351. 384f. 1380 Haspe (Westfalen) 291 Hatha-Yoga 190. 588. 597f. 977 Haus Brodbeck 1095. 1111. 1157. 1159 Haus Duldeck 1127. 1157f. 1170 Haus Schuurmann 1159. 1161. 1177 Haus van Blommenstein 1159 Haus Vreede 1169 Heidelberg 190. 267. 269. 351. 380. 384-386 Heidenheim 351. 1643 Heileurythmie 1556 Heilinstitut >Caritas< 266 Heilpädagogik 251. 1444-1447 Heilsarmee 37. 1665 Heizhaus 1156f. Hellerau 1218f. 1230 Hellsehen 587. 607. 619. 639. 680. 857 - Hellseherorgane 585 Henkelkreuz 1133. 1137 Heptagramm 1072 Herbartianismus 1390-1393. 1417. 1420. 1449 Hermes Trismegistos 555. 693. 735. 790. 1020 Hermetic Brotherhood of Luxor 88-91. 118. 668 Hermetic Order of the Golden Dawn -4 Golden Dawn Hermetic Society 697. 837. 1704 Hermetik 84. 86. 100. 589. 735. 947. 951 Herne 205 Herrnhuter Brüdergemeine 36.266 Hess-Natur (Kleidung) 2 Heuschnupfen 1500 Hexagramm 189. 1072. 1079. 1476f. Hiesfeld 204 Himalaja 101 Hinduismus 103. 283. 1680 Hintereben 228 Hiram (Abiff) 842. 967. 997. 1004. 1008 Hirschberg 1627 historisch- kritische Methode 617-619.811. 819. 827.845-855. 1653 - Leben-Jesu-Debatte 856 Historismus 727-780. 810. 1123f. 1171. 1633. 1687-1690 Hochgrad-Riten 89. 966-970.993. 1000. 1005. 1009f. 1037. 1075; s. a.: Schottische Riten Hochkirchliche Vereinigung 1668 Höchst am Main 291

Hodgson-Affaire 96f.

1871

Hohenwarte (b. Magdeburg) 291 Homöopathie 1461f. 1465f. 1487. 1489f. 1502. 1514-1522. 1522. 1544. 1557. 1566. 1581. 1588; s. a.: Elektro-Homöopathie Homosexualität 105. 138. 392. 967.979 Horpeniten 1665 Hotel Vier Jahreszeiten 264 Huizen 196.212 Hüllenanthropologie -* Anthropologie/ 3. Körperhüllen Humboldt-Akademie 550 Humoralpathologie 1409. 1499 Hüter der Schwelle 590f. 602. 607. 613. 700. 1000. 1201 Hütteldorf 229f.; s. a.: Siedlung Eden Hydrotherapie 1462 Hyperboräer 624. 626. 630 Hyperraum 893 Hypnose 102. 701. 843.982 Hypothesen 872 I. G. Farben 1601 Internationale Theosophische I.T.V. Verbrüderung Ich 399. 506. 552. 561. 565-568. 573. 576. 592. 650. 653 f. 661. 675. 704. 760. 793f. 818. 831. 833 Ignorabimus 597. 864. 881 Imagination 592f. 613. 842. 1191 Indianer 631.633.635 Indien 87. 90. 94-100. 103. 109. 120. 121. 128. 139. 162. 223. 274. 284. 339. 341. 561. 567. 569. 601. 618f. 622. 625. 657. 670-672. 682f. 715. 731. 758-764. 800. 810. 1073. 1106. 1685-1687; s. a.: Buddhismus, Hinduismus Indischer Nationalkongress 105 Individualismus 509. 528f.; s. a.: Ich Infludo 1544 Initiation - Einweihung Initiativ-Kreis Kultus 1673 Innovation 1690-1693 Inspiration 592f. 842 Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene 62 International League for uniting all nations -* Internationale Liga für die Verbrüderung der Völker Internationale Laboratorien A.G. 1546, 1548, 1553f. Internationale Liga für Verbrüderung/ Verbündung der Völker 193. 196. 213f. Internationale Theosophische Korrespondenzliga 196

1872

Register

Internationale Theosophische Verbrüderung 159. 280-319. 323. 335; s. a.: Theo-

sophische Verbrüderung Internationale Tierschutzgruppe des Orden des Sterns im Osten 196

Internationaler Theosophischer FriedensKongreß 259 Internationalismus, theosophischer 215. 276. 279. 304f. 307. 309f. 314f. 338f. 1679-1681 Intuition 88. 475f. 531. 592. 613. 1489 Irisdiagnose 1502 Irrtum 612-614.618. 637. 828 Irvingianer 36.800 Iscador 1577 Iscar- Präparat 1527f. 1530 Iserlohn 205 Islam 39. 673. 1266 Italien 254 Italiener 1253

Jachin und Boas 975. 996. 998. 1002. 1069. 1072. 1093 Jahve - Jehova Jehova 666f. 804. 831. 833. 834 Jena 273.291 Jenseits 574f. 873. 938. 950 Jesuiten 162-164. 1662 Jesusknaben, zwei 808-810. 847. 856. 1656 Jiva 566f. Johannes Thomasius 1029f. 1032. 1039. 1047. 1150 Johannesbau 370. 1025. 1066. 1081-1153. 1100. 1102. 1108. 1140. 1141. 1143. 1145-1149. 1151. 1186. 1663; s. a.: Demonstration (kultische), Jugendstil, Sanatorium Dornach, Sanatorium München, Schwinge, Weißer Saal Brand 1151-1153 Glasfenster, 1108-1100. 1124 Malerei 1105-1107 - Orgel 1088. 1102. 1141 Säulen 1069-1071. 1077f. 1080f. 1087f. 1103-1105 T-Fenster 1174. 1089-1091. 1174 Johannesbau-Verein 151-154. 819. 1081f. 1084. 1089. 1092-1095. 1098. 1541 Johannes-Evangelium 802. 996. 1007. 1628 Johannifest 1659 Judenkenner 236.314 Judentum 830-833; 209f. 215. 217. 249f. 306. 308f. 632. 1632; s. a.: Antisemitismus Jugendbewegung 195. 243f. 244. 378. 380. 388. 1621. 1631. 1643

Jugendfeier 1433f. 1616 Jugendkurs 243 Jugendsektion 245 Jugendstil 378. 1126. 1139. 1166. 1176-1178. 1215 Jugoslawien 238 Jupiter(stufe) 655. 662. 671f. Justiz - Rechtsleben Kaaden 228 Kabbala 283. 738f. 810. 1001. 1011 Kabiren 855 Kaffeebohne 1559 Kaim-Saal 1025. 1067-1069. 1071. 1074. 1076. 1093. 1103. 1145. 1213 Kaluga 155 Kama 562 Kama Loca 575. 599.666 Kama Manas 566 Kama Rupa 566f. Kanon 771-773 Kapital 1306 Kapitalismus 1299. 1304. 1312. 1328. 1712 Karfreitag 264. 385 Karlsruhe 198. 205. 249. 291. 351. 383-385. 374. 377 Karma 263. 272. 306. 555. 561. 590. 601. 635. 666. 700. 712. 1094. 1100. 1114f. 1115. 1535-1537; s. a.: praktische Karmastudien, Reinkarnation - Krieg 1249. 1260 - Medizin 1498. 1504f. 1568. 1578 - Politik 1248. 1256. 1273. 1319f. - Waldorfpädagogik 1406-1408 Karma- und Reincarnationslegion 196 Kassel 118. 132f. 267. 269. 291. 351. 384. 1084. 1380. 1642 Katharer 737f. 984. 1666 Katharinenbau, Nürnberg 262 Katholisch-apostolische Gemeinden Irvingianer Katholizismus 216.237-239. 295. 309. 349. 440. 727. 1618f. 1632. 1656. 1660. 1663; s. a.: Christentumskritik, Kirchen, Prote-

stantismus Kausalkörper 573.763 Kehlkopf 1193. 1200. 1210. 1394 Kempten 1441 Kephalodoron 1544 Kiel 205. 267.269.291 Kieselsäure 1588 Kindergarten 1396. 1443f. Kinderheim 196.229f. 272. 1157 King John 95f.

Sachregister King's Langley 1380 Kirchen/Konfessionen 295. 349. 549. 375f. 856. 867 Kirchenkritik -* Christentumskritik Kirchenväter 734 Klagenfurt 222.351 Klasse, esoterische 717f. 718. 723. 1585. 1631. 1671 Klassenkampf 1304 Klinisch-Therapeutisches Institut -* Sanatorium Arlesheim Kloster, theosophisches 115. 133. 283. 1098 Knochensystem 1512 Koberwitz 1555. 1579. 1582-1585. 1595. 1599. 1626. 1642 Koblenz 349. 352f. 368. 1273f. Koffein 1559 Köflach 228 Köln 190. 198. 206. 291. 353. 384-386. 393. 1380 Kolonie, anthroposophische 1156 Kommenden, Die 122f. Kommender Tag A.G. 1343f. 1373. 1542 Kommender Tag-Verlag 1345 Kommunion 486. 1658 Kommunismus 307 Konferenz nicht-anthroposophischer Kenner der Anthroposophie 1648 Kongreß der europäischen Sektionen der Theosophischen Gesellschaft Adyar -4 Amsterdamer Kongreß (1904), Budapester Kongreß, Münchener Kongreß Königsberg 205.291 Konnersreuth 1539 Konstanz 1643 Koot Hoomi 95f. 110. 157. 563. 706f. Kopenhagen 155. 291. 325. Körper 765 - Eurythmie 1193f. 1201. 1216. 1218 Körperdistanz/-feindschaft 765. 1193f. 1404. 1692 Körperglieder/Körperhüllen - Anthropologie/3. Körperhüllen Körperkultur 379 Körpersysteme - Anthropologie/4. Körpersysteme Korrespondenz-Klasse 175 kosmischer Christus 808 Kosmologie 575. 650-674; s. a.: Anaramaya, Emanation, Erdenstufe, Jupiterstufe, Manomaya, Manvantara, Mondstufe, Prajapatis, Pralaya, Pranamaya, Rupazustand, Saturnstufe, Sonnenstufe, Venusstufe, Vulkanstufe, Weltenschlaf

1873

- Beginn/Ende 651-656.664 Krankenhaus -4 Sanatorium Krankenschwestern 1550 Krankheit (Metapher) 1261. 1304 Kräutermedizin - Pflanzenmedizin Krebs 1484f. 1500. 1524-1531 Krefeld 206 Kreuzeslegende 967. 1004. 1012. 1065. 1069 Kreuzzug, theosophischer 119. 254. 262. 284 Kriegsschuldfrage (Erster Weltkrieg) 1241. 1263-1271. 1301 Krishna 555. 605. 691. 693. 790. 822. 1020 Kristall 1045. 1168-1172. 1480 Kristallisation 1587 Kristallkugel 1097 Kritik -* Autorität Kroatien 238 Kruzifix 1666 Kubismus 1170f. Kuldeer 986 Kulte, anthroposophische -> Christengemeinschaft, Erzoberlenker, Freimaurerei, Jugendfeier, Menschenweihehandlung, Monatsfeier, Sonntagshandlung, Waldorfpädagogik, Weihnachtshandlung Kulturkrise 743 Kulturkritik 610. 1046. 1581. 1660. 1663. 1669 Kulturrat 1338 Kulturstufen 1371. 1391. 1410-1414 Kundalini(-Yoga) 587. 596-598.602.718.980 Kunst- und Musiksaal 364. 369. 381. 384. 1205 Kunst, theosophische 364. 382f. 678. 1067f. 1131-1140 Künstlerkolonie 1154f. 1155 Kunstloge (Wien) 229 Kunsttheorie 913. 1116-1126 Kupfer 1098. 1203. 1468. 1506. 1558f. Kürschners Quart-Lexikon 461 Kürschners Taschen-Konversations-Lexikon 436.454.456 Landerziehungsheime 1095. 1388f. Landkommunen 1593 Landsberg 206 Landwirtschaft 1579-1607; 251. 255. 323. 378. 1197; s. a.: Forschungsinstitut, Forschungsring, Reichsverband - Betriebsform 1595 Betriebsindividualität 1587 Betriebsorganismus 1587 - Düngung 1588. 1595 - Horndungpräparate 1581. 1588f.

1874

Register

- kosmische Einflüsse 1586 - Kuhhörner, s. o.: Horndungpräparate - Mineraldünger 1591 Pflanzenbau 1595f. - Rüben 1595 Rühren 1589f. Tierzucht 1588 Verwertungsgenossenschaft 1599 Lauenstein 1445 Leadbeater-Affäre 137f. Lebach 236 Leben - Erleben, Vitalismus Leben-Jesu-Debatte - historisch-kritische Methode Lebensätherkräfte 870 Lebensgeist 573. 650. 660. 1404 Lebenskraft 566f. 627. 642. 644f. 1483. 1497 Lebensleib 573. 650 Lebensphilosophie 380 Lebensreformbewegung 376. 378f. 392 Lehrer-Schüler-Verhältnis 609.950 Leihen und Schenken 1307 Leipzig 164-166. 132f. 159f. 175. 190. 198. 206. 212. 213. 292-294. 259. 280. 288. 291. 320. 322-324. 328. 353. 384. 386. 981. 1647 Leistungsethik 715; s. a.: Karma Lemurien/Lemurier 561. 624. 626. 627. 628. 630. 631. 638. 1106. 1207. 1438 Levicowasser 1502. 1519. 1554. 1557 Liberal Katholische Kirche 60. 181. 196. 200-202. 210. 212-215. 226. 230f. 233-239. 315. 841. 1656. 1665-1668; s.: Freie Katholische Kirche Licht-Asche-Konzeption 1488 Lichtbad 1479 Lichtbringer (Zeitschrift) 173. 175 Lichtfreunde 37f. 50 Lichtkur 1462 Lichtregie - Eurythmie Lichttherapie 1478. 1481-1483; s. a.: Farbentherapie Liga des Heilens 196 Limburg 291 Linga sharira 565-567 Linz 228. 353 Liturgische Bewegung 1667 Löbau (Sachsen) 291 Lohberg 206 Lohn 1307 Loitzsch 323. 328. 330 Lokomotive 642 Lorenz, E P. (Verlag) 694 Lothringen 325

Lotusblüten/Neue Lotusblüten (Zeitschrift) 280. 283. 301. 588f. 695 Lotus-Gesellschaft 335 Löwenberg 206 Lübeck 291 Lucifer/Luzifer-Gnosis (Zeitschrift) 122. 128f. 582f. 555. 559. 615. 629; s. a.: Ahriman Luftprobe 586. 1002 Luftschiffe 646 Lugano 132f. 155f. 353 Lugau (Erzgebirge) 291 Luminiszenz 1481-1483 Lunar-Pitris 657 Lünen (Lippe) 206 Luzern 291 Madanapalle 196 Madaus 1517 Magazin für Litteratur (Zeitschrift) 123. 512. 514f. 550. 555 Magdeburg 267. 269. 291. 312f. Magie 88. 91f. 201. 953f. 1661 Magnetismus 622. 607. 644. 1502. 1564 Magnetopathen 112. 1465 Mahabharata 666. 691. 732 Mahajana 732 Mahat 657 Mahatma - Meister Mahatmabriefe 95.97 Mährischer Ausgleich 1289 Mainz 291 Maitreya-Buddha 149. 803. 813. 820. 826 Malsch 348. 353. 369. 1076. 1080. 1087 Manas 562. 566f. Manasisch-kamische Psyche 562 Mandelmilch 1142. 1557 Manichäismus 671. 736f. Mannheim 198. 206. 291. 353. 367. 1083. 1163 Manomaya 1001 Mantren 714. 718. 721 Manvantara 659 Märchen 1410f. Marienwerder 291 Markus-Evangelium 986 Marneschlacht 246. 1268. 1271 Mars 672 Martinismus 116.970.976. 984 Marxismus 1318 Materialisationen 81 Materialismus 275. 861. 867f. 955. 1299. 1404. 1427 - theosophischer/anthroposophischer Materialismus 1406. 1446. 1495. 1586f. 1670

Sachregister Matriarchat 626. 629 Maybach 368 Mazdaznan 39.322 Meder 625 Meditation 200. 374. 701. 713-716. 10301033. 1586. 1476. 1533. 1555. 1559. 1664 Mediumismus 90. 647. 658 Medizin 1455-1578; s. a.: Alchemie, Anthropologie/Körpersysteme, Astrologie, Biodoron, Blei, Farbentherapie, Gencydo, Heuschnupfen, Homöopathie, Infludo, Iscar. Karma, Kephalodoron, Mistel, Schularzt, Vademecum Wegman, I. (Personenregister) - Heilmittel 1542-1545. 1551f. 1564 - Krankheit/Gesundheit 1497-1499 - Pathologie 1498 - Psychosomatik 1570 - Religion 1503f. - Theosophie 1465 Meißen 291 Meister 17. 20. 101. 140. 143. 541. 563f. 600. 606. 697. 703. 705-708. 720. 791. 844. 946; s.: Morya, Koot Hoomi, Rosenkreutz; im Personenregister: Saint Germain, Hilarion - Bilder/Gemälde 110.706 - Mahatma 95. 139. 234. 706 - Meister des Westens 842 Memoranden 1275-1285. 1287-1289. 1300 Memphis-Misraim-Ritus 966-970.972-974. 976f. 978. 981-983. 985. 987f. 993. 999-1001. 1005. 1008-1010. 1012 Menden (Westf.) 206 Mennoniten 36 Menopause 1559 Menschenweihehandlung 1434. 1503. 1617. 1627. 1629. 1642. 1648. 1655. 1657 Menschheitsrepräsentant 1107. 1111-1116. 1146. 1148. 1151. 1176 mentale Welt 575 Meran 132.285 Merian-Iselin-Spital 1489f. 1516 Merkur 672 Mesmerismus 92. 622. 639. 644. 982. 1711 Messias 147 Messopfer 854. 1654 Metamorphose 452. 474. 487f. 1103. 1120. 1163 - Zeitschrift 1382 Metaphern 677. 685f. Metaphysik 518. 529 Methodisten 36. 1665 Metropolitan College 643

1875

Michael 719. 822. 835. 1001 Michael-Bau-Verein 1093 Michael-Dienst 988. 1005. 1010 Michaelsbruderschaft 1640. 1668 Michael-Schule 835 Mikro- und Makrokosmos 660. 669. 842. 920. 1098. 1126. 1209. 1420 Militär 1295. 1300. 1314 Milleniums-Adventisten 36 Misraim-Ritus -* Memphis-Misraim-Ritus Mistel 1484-1486. 1488. 1500. 1518. 1519. 1524-1531. 1568. 1576. Mitgliederzahlen 227. 295. 337. 347-361 Mithras 671 Mitteilungen für die Mitglieder der Deutschen Sektion der Theosophischen Gesellschaft 122. 129. 137 Mitteleuropa 1275-1279. 1287. 1369. 1711 Moderne / Modernisierung 51-56 Mödling 228 Mohnmilch 1558f. Monatsfeier 1380. 1432 Mond 661. 669. 671f. Mondgott 667 Mondstufe 655. 660f. Mongolen 625.627.630 Monismus 130. 486. 653; s. a.: Pantheismus Monistenbund 39 Monte Verita 377. 412. 1159. 1230 Morchenstern (bei Gablonz) 291 Mormonen 36.50 Morya 79f. 95. 102. 110. 706f. Moskau, »Sonderarchiv« 60 Mühlhausen 353.383 München 118. 121. 129. 132f. 190. 198. 206. 235. 236. 267-269. 271. 279. 291. 324. 335. 348. 353. 357. 366. 369. 373. 377. 381. 383. 384. 386f. 393. 1024. 1040. 1084. 1086. 1091; s. a.: Johannesbau, Sanatorium München, Schwabing Münchener Kongreß 141-145. 369. 393. 1067-1072 Münchener Theosophische Gesellschaft 117 Mündlichkeit/Schriftlichkeit 388. 721. 754-758. 774f.; s. a.: okkulte Schrift Muslim Liga 196 Mysteria Mystica Maxima 982 Mysteria Mystica Veritas 982 Mysterien(kulte) 522. 693. 708-710. 724. 737. 788f. 793. 814. 816f. 853-855. 917. 949. 964. 986. 1012. 1548. 1661. 1668; s. a.: Drotten, Eleusis - Christengemeinschaft 1654 - Eurythmie 1207

1876

Register

- Medizin 1503. 1533 Mysteriendramen 1016-1062; 241. 708f. 713. 843. 1093. 1140f. 1147. 1168. 1184. 1204. 1249. 1475 Mysterium von Golgatha 794. 816f. 821. 825. 853. 1097 Mystica aeterna 718. 982-984. 987. 989. 991. 993. 1014f. 1093. 1477 Mystik 115. 225. 283f. 288. 299. 311. 528. 551. 552. 616. 786-790. 815. 917. 919. 1003. 1124. 1028. 1040. 1272f. Mythologie 769f. 954. 1499; s. a.: Ahriman/ Luzifer Nachlaßstreit 249.251 Nachlassverwaltung -* Rudolf Steiner-Nachlassverwaltung Nachrichtenbüro Zürich 1274 Nationalismus 117. 1254. 183f. 188. 823. 304. 562. 339; s. a.: deutschnationale Haltungen Nationalsozialismus 209-218.246. 265. 1080. 1151; s. a.: Geheime Staatspolizei, Geheimes Staatspolizeiamt; Darré, R. W, Dörfel, H., Hess, R., Hitler, A., Verweyen, J. M. (Personenregister) - Christengemeinschaft 1641. 1651 Freimaurerei 994 Internationale Theosophische Verbrüderung 308-318 Landwirtschaft 1600-1604 - Waldorfpädagogik 1380f. 1400 Natron 1588 Naturalismus 536. 1124f. Naturata 1607 Naturbegriff 1708 Naturgesetze 505 Naturheilbewegung 378. 1464 Naturwissenschaften 859-957; 165. 484. 526f. 537. 560f. 579.622.638-642. 644-647. 651-653. 655f. 658. 660f. 673. 677. 680f. 747f. 1687-1690; s. a.: Geisteswissenschaften - Medizin 1467-1472 - Romantische Naturwissenschaft 907-928 Naumburg (Saale) 291 Nazarener 37 Neapel 283 Nebulartheorie 655f. Neger 631. 633f. 635. 638 Neptun 672 Neptunismus 656 Nerven-Sinnesorganisation 1299. 1405. 1478. 1500. 1507f. 1509-1514. 1548. 1564

Neuapostolische Gemeinde 36 Neuburg 1094 Neuchâtel 156. 352. 367 Neudörfl 977 Neue Gemeinschaft 123. 736 Neue Kirche 335 Neue Lotus-Blüten -> Lotusblüten Neues Testament - Evangelien Neues Zeitalter/Zeitenwende 258. 305. 311f. 312. 1092 Neugeist-Bewegung 199 Neugersdorf (Sachsen) 291 Neukantianismus 487.493 Neuplatonismus 18-20. 221. 449f. 567. 604. 652. 730. 851. 922. 924. 949. 1691. 1706 Neusalz 267. 271. 274. 279 Neu-Theosophische Vereinigung 335 New Age 1698. 1711 new science 258. 944-947. 1692f. New York 353 Nibelungenlied 1410 Nihilismus 519. 525f. Nirmanakayas 666 Nordhausen 190.206 Nürnberg 135. 198. 206. 253. 258. 260. 262. 264f. 287. 291. 352. 374. 384f. 387. 1218. 1620. 1626. 1633. 1635-1637 O.T.O. -* Ordo Templi Orientis Oberammergau 1051 Oberhausen 206 Oberhof 207 Oberkassel 178 Oberlahnstein Oberschlesien 1341-1343 Oberuferer Weihnachtsspiele 441. 1051f. Objektivität/objektiver Idealismus 492. 486. 505. 750. 1687f.; s. a.: Empirie Od 622. 644. 1480. 1485 Odstrahl-Apparat 285 Offenbarung 116. 234. 248. 404. 616. 662. 754. 825. 827f. 832. 1037. 1098. 1184. 1321. 1509. 1666. 1675. 1192f. 1217 Offenburg (Baden) 291 Öffentlichkeit/Geheimnis 600. 789. 944; s. a.: Geheimhaltung okkulte Schrift 586. 602. 606. 610 Okkultismus 44-46. 85. 936-949 Okkultistischer Verein 334 Ökobank 1711 Ökologiebewegung 1698. 1707f. Ökonomie - Wirtschaftsleben Ökonomie, spirituelle 1032 old science -p new science

Sachregister Oldenburg 206.291 Oliva 299 Om mani padme hum 1037. 1045. 1477 Ommen 192. 195.200 Oneida Perfectionist Community 404 Opferfeier 1434f. 1617 orange 564. 1478 Oranienburg 206 Orden des Dienens -* Theosophischer Orden des Dienens Orden vom Stern des Ostens -* Sternorden Orden zur Aufrechterhaltung der ursprünglichen Verfassung und Ziele der Theosophischen Gesellschaft und der Theosophie 196 Order of Service 1247 Order of the Rising Sun 149 Order of the Star in the East 150. 152. 818 Ordo Rosicrucianum 840 Ordo Templi Orientis 283. 322. 840. 844. 974. 977-982. 986. 998f. 1010. 1221. 1223f. 1230. 1666 Organismus/Organik 490f. 1127. 1122. 1297. 1295.1302-1304.1322-1326.1328.1587 Orientalismus -> Indien Oriflamme 978 Orpheus 555. 693. 790. 1020 Orphic Circle 92 Oschm-Rahmah-Johjihjah 335 Ostern 385. 691. 1207 Österreich 51. 176. 220-232.236-239. 244f. 254. 264f. 268. 309. 357. 385f. 710. 1240. 1265f. 1284. 1308f. 1339. 1351. 1469. 1619; s. a.: Habsburgerreich - Pädagogik 1369-1371. 1389. 1392. 1397. 1449 Österreichische Gesellschaft zur Förderung der Theosophischen Welt-Universität 196 Österreichische Gesellschaft zur Förderung der Theosophischen Weltuniversität 231 Österreichische Theosophische Brüderschaft für Erziehung 230 Ost-West-Kongreß 1346 Oxford 1194 Oxfordbewegung 1667 Pädagogik 191f. 255. 258. 273; s. a.: Gesellschaft für Neue Erziehung, Goetheanismus, Heilpädagogik, Kinderheim, Österreich, Theosophische Bruderschaft für Erziehung, Tingley (Personenregister), Waldorfpädagogik Palingenie 114 Paneuropa-Bewegung 193f.

1877

Pantheismus / pantheisierendes Denken 41. 100. 450. 453. 653f. 704. 715. 824. 908. 1026. 1224. 1230 Paracelsismus 567. 1691 Paradiesspiel 441 Parapsychologie 47; s. a.: Pendeln, Telepathie Paris 263. 1021. 1032 Parlament des Friedens 261 Parlamentarismus /Antiparlamentarismus 310. 1244. 1276. 1287. 1295. 1300. 1314f. 1351. 1354; s.a. Wirtschaftsparlament Parteien 1318. 1351 Passuger-Wasser 1557 Pastor / Pfarrer 207. 241. 272. 336. 367. 387; s. im Personenregister: Bartels, Gubalke, Heidmann, Klein, P., Kully, LilienfeldToal, Peithmann, Wendt Pazifismus 190f. 212-215.255. 259-263. 275. 278. 316. 338 Pendeln 578f. Pentagondodekaeder 1087. 1379. 1476 Pentagramm/Pentagon 1028. 1045. 1072. 1080. 108 7. 1089. 1107. 112 5. 1160. 1476f. Peripherie - Devianz Pernau (Estland) 291 Perser 625. 1106. 1413 Pfarrer - Pastor Pflanzenkraft 642f. Pflanzenmedizin 1462 - photodynamische 1481-1484 Pforzheim 291. 353. 377 Phalluskult 666f. 979f. Phänomenologie 487 Phantasie 529 Philadelphia 115 Philosophia perennis 762 Philosophisch-Anthroposophischer Verlag 122. 1157. 1162. 1345. 1643 Philosophisch-Theosophischer Verlag 122. 124 Phönix-Arzneimittel 1493 Phonograph 624 Physik 889-907 Physiologie 675f. physischer Leib 565-567. 573. 588. 601. 650. 656. 668. 764. 813. 826. 868. 1093. 1365. 1404. 1408. 1496f. 1509. 1513. 1564. 1691 Phytomedizin - Pflanzenmedizin Pierers Konversations-Lexikon 436. 454. 457-460 Pistis Sophia 563. 735 Planetenwanderung 670. 1011 Planwirtschaft 1312

1878

Register

Platon 555. 693. 790. 1020 Plauen (Vogtland) 160. 175. 190. 206. 291 Plebiszit 1356. 1711 Pluralismus/Pluralisierung 3-8. 12. 33. 38. 42-44. 47f. 51f. 57f. 307. 340. 347. 415f. 418. 549. 570. 615. 618. 724. 728. 730. 740. 743f. 752f. 757. 773. 857. 1027. 1304. 1350. 1352. 1386. 1423. 1440. 1665. 1679. 1683f. 1687-1689. 1699. 1706. 1714. 1716 Pluto 672 Pneumatosophie 676 Point Loma, s. : Theosophische Gesellschaft Point Loma Polarier 630. 624. 626 Polen 1342 Politik 1239-1356; 136. 166. 273. 275. 277. 306. 309. 1693-1696. 1712-1716; s. a.: Demokratie, Erster Weltkrieg, Geistesaristokratie, Marxismus, Memoranden, Parteien, Selbstorganisation, Ständestaat Potsdam 291 Prag 222.267-269. 350. 905. 1171 Prajapatis 666f. praktische Karmastudien 557. 565 praktischer Okkultismus (Magie) 89.95. 103f. Pralaya 659.664 Prana 566. 895 Pranamaya 1001 Präsidentenwahl (1907) 138-141 Predigtgottesdienst 376 Priester 1414-1419. 1477. 1617. 1619. 1628f. 1635. 1661-1664. 1669. 1673f.; s. a.: Steiner, R. (Personenregister) Priesterin 375. 404. 627. 703. 1207. 1536. 1548. 1628. 1635. 1641. 1650. 1665f. 1669 Priesterkönig 628 Priesterseminar 1671 Prinzipien, theosophische 86. 111. 118. 136. 166. 215. 286f. 307. 310f. 329. 561 Prophezeiung 1153. 1250 Protestantismus 312. 349. 375f. 377. 405. 1019. 1463. 974. 1014. 1379. 1451. 1619. 1621. 1632-1634. 1637f. 1651. 1655. 1660f. 1670. 1674; s. a.: Christentumskritik, Katholizismus, Kirchen Psychoanalyse 242. 401. 766f. 1495. 1570 Psychometrie 621 Psychosophie 676 Purgatorium 574f. Pythagoräismus 700. 712. 1011 Quäker 36 qualitates occultae 942-944

Quantenphysik 906 Quecksilber 1506. 1558f. 1576. 1588. Quest-Society 173 Radioaktivität 1482f. 1484. 1549 Radzionkow, s. Rojca Raja Yoga 255. 258. 263. 588. 597f. 598 Rama 555. 693. 790. 1020 Rassen 143. 147. 182. 184. 217. 254. 259. 305. 307. 311. 313. 316. 328-330. 560. 562. 662. 624-637. 669. 763. 769. 793. 806. 811f. 819. 826. 855f. 1272. 1452f; s. a.: Akkadier, Arier, Atlantis/Atlantier, gelbe Rasse, Hyperboräer, Indianer, Judentum, Lemurien/Lemurier, Mongolen, Neger, Perser, Polarier, Rmoahals, Semiten, Tlavatli, Tolteken, Turanier, weiße Rasse, Wurzelrassen, Zweigrassen Rassengeister 1509 Rassismus 631-637.831 Rat der geistigen Arbeiter 1297 Rat geistiger Arbeit 322 Räte / Rätebewegung 1292f. 1295f. 1302. 1309-1313.1328.1335.1352 Räume, theosophische 369. 380-382 Realschule 1370. 1372. 1389. 1449 Rechtsleben 1295-1297. 1299f. 1303. 1308. 1313-1315. 1320 Reformkleidung 1202 Reformpädagogik 378. 1372. 1383-1390. 1402. 1411. 1424f. 1444. 1449. 1418. 1421. Regensburg 348.353.384 Reichsbruderbund 37 Reichssicherheitshauptamt 60 Reichsverband für biologisch-dynamische Wirtschaftsweise in Landwirtschaft und Gartenbau 1600 Reinkarnation 100. 176. 200. 223. 234. 245. 305. 313. 377. 401. 523. 556. 560-562. 569. 571-574. 584. 607. 634. 650. 659. 684. 688. 759-761. 765f. 804. 817f. 868. 885. 1002. 1031. 1033. 1053. 1060. 1446. 1658f. 1665f. 1676; s. a.: Karma, praktische Karmastudien Reisefonds/Reisekosten 134. 270. 368. 756. 1068. 1582 Reisen 384f. Rekapitulationstheorie 659. 876 Relativitätstheorie 902-907 Religion 40f. 44. 535. 1422. 1430-1432 Religionsgeschichtliche Schule 845-848 Religionsrecht 50 Religionsunterricht 1379. 1430-1432 Religionswissenschaft 87.287. 739-741

Sachregister Renaissance 1107. 1439 Restaurant Scala 1161 Reval 206f. Revolution 1918/19 1290.1326-1331 Rezitation -* Deklamation Rheinland 298 Rhetorikkurse 384 Rhombendodekaeder 900. 1168 rhythmische Organisation (des Körpers) 1299. 1405. 1468. 1512 Ring-Verlag 178. 217. 235 Rmoahals 630.625 Robert Bosch-Stiftung 1457 Rojca 291 Romantik; s. a.: Naturwissenschaften - Medizin 1512-1514.1563-1566 - Naturphilosophie 1691 - Politik 1323f. Röntgenstrahlen 606. 929. 939 rosa 1109. 1205. 1476 Rosen 382.386 Rosenkreutz, Chr. 143. 707. 793. 838. 841. 843 Rosenkreuzer 84f. 91. 115f. 120f. 142-145. 152. 157. 221f. 238.281.283 f. 334. 382. 386. 522. 559. 643f. 703. 707f. 712. 717. 738. 763. 793f. 799-804. 837-845. 853. 950. 980. 984f. 990. 1025. 1030. 1037. 1045. 1060. 1070-1072. 1075-1077. 1079. 1089. 1098. 1107. 1129. 1133. 1149. 1204. 1476. 1478f. 1615. 1681 Freimaurerei 976. 997-999. 1001. 1007f. 1010-1012 - Frühe Neuzeit 838f. - Steiner 154. 841-844 Rosenkreuzerdiakon 1068 Rosenkreuzerschmuck 369 Rosenkreuzerspruch 713. 842f. 1045 Rosenkreuzertempel 1070. 1077f. Rosicrucian Fellowship 844 Rostock 291. 1642 rot 145. 376. 381f. 564. 841. 843. 995f. 998. 1001. 1004. 1007f. 1001. 1066. 1068f. 1070. 1076. 1079. 1098. 1107. 1120. 1201f. 1475f. 1478. 1556 Rudolf Steiner-Nachlaßverwaltung 58f. 64 Rudolf Steiner-Verlag 70 Rudolf-Steiner-Vereinigung 248 Ruf der Weltmutter 196 Runenyoga 1213 Rupa 659. 566f. Russen 1254 Saarbrücken 206 Sächsisches Staatsarchiv Leipzig 60

1879

Sagen 383. 1410 Sakramente, liberal-katholische 234 Säkularisierung 56-58 Salamander 1005 Salz 1001. 1005. 1007f. 1659 Samothrake 223 Sanatorium Arlesheim 1343. 1533. 1546-1554 - Dornach 1096. 1157. 1480. 1532. 1550 - München 1157. 1089. 1091. 1480 (s. a.: Peipers [Personenregister]) 1475 Stuttgart 1480. 1543. 1546. 1550-1555 - Weißer Hirsch 1462 Satanismus 834.841 Saturn(stufe) 655-660. 666.671f. 1110 Scala-Restaurant 1172 Schamballa 813 Schau 617f. 623. 679. 871. 874 Schauspielhaus (München) 1035. 1040. 1071f. Schicksal 572 Schkeuditz 291 Schlachtensee - Berlin-Schlachtensee Schlesien 325; s. a.: Oberschlesien Schlieffenplan 1263. 1266 Schott (Messbuch) 1616. 1657 Schottische Riten 967. 981. 983. 970. 987. 1000 Schriftlichkeit - Mündlichkeit Schularzt 1401 Schulgeld 1373 Schulungsweg 374. 619. 990. 1176; s. a.: Steiner, R. (Personenregister), Werke: »Wie erlangt man Erkenntnis der höheren Welten?« Schuurmann -+ Haus Schuurmann Schwabing 364. 1040 Schwäbisch-Gemünd 206. 1543. 1546. 1551. 1558 schwarze Magie 935. 954 schwarze Rasse -* Neger Schwarzenberg (Sachsen) 291 Schweigepflicht 594 Schweiz 155f. 220. 246. 273. 296. 308f. 340. 348. 357. 710. 1316. 1339. 1382 Schwelle 1317; s. a.: Hüter der Schwelle Schwetschke (Verlag) 116.687. 691-693 Schwinge 1134. 1163. 1177 Sciences occultes 45 Sciences psychiques 44 Seele -* Anthropologie/2. Trichotomie Seelenleib 588 Segnung 1548 Seifhennersdorf 291 Sekem-Farm 1607

1880

Register

Sektenbegriff 418-425. 1697 Selbst 300. 527. 552. 573. 577. 601. 704. 714. 715. 789. 911f. 1031. 1068. 1248 Selbsterlösung 41. 374. 591. 715. 765f. 802. 820. 824. 1033. 1617. 1623f. 1634f. 1639. 1657f. 1676. 1692 - Erlösung Gottes 824 - Selbsterweckung 594 - Selbstgeburt 609 Selbstmord 575 Selbstorganisation 1350 Semiten 625.627.630 Seraphim 657 Sexualität 89. 105. 118. 242. 396f. 401. 589. 596-598.602. 1233. 1404; s. a.: Sexualmagie Sexualmagie 90. 190. 397. 598. 971. 978f. 987. 980. 986; s.a: Phalluskult, Sexualität, Yoga Shaker 404 Shrâvaka-Orden 700.711 siderischer Körper 567 Siebenarmiger Leuchter 1629 Siebenerkreis 1646 Siedlung Eden (Hütteldorf) 229f. Siedlungsbewegung 1594 Siedlungsgemeinschaft Waidhofen 228.231 Siemens Studien-Gesellschaft für psychologische Wissenschaft e.V. 199 Signaturenlehre 1500. 1527. 1561 Sinne, erweiterte 675. 890 Sisters of Compassion 255 Sjeljewo 1599 Slaven 1254. 1257 Smolensk 268 Societas Rocicruciana in Anglia 91f. 643. 970. 976 Society of Physical Research 96 Soltau 264 Sommerschule 176. 179. 198. 218. 298f. 299. 308. 313. 316. 318. 1396 Somnambulismus 627 Sonnenhaus-Werkgemeinschaft 318 Sonnenhof 1554 Sonnenstufe 655. 660. 671f. Sonntagshandlung 1433f. 1616 Sonntagsschule 264 Sophien-Ausgabe (Goethe) 436-438.460. 463-468 Sorat 834 Sozialdarwinismus 535. 877f. 1689 Soziale Frage 1248f. sozialer Organismus 1295. 1302 soziales Hauptgesetz 1249. 1307

Sozialisierung 1293f. 1296. 1304. 1310-1312 Sozialismus 191f. 275. 307. 1248. 1296f. 1304 Sozialstruktur (theosophische Gesellschaften) 42. 101. 338. 347-380. 1681f. Spagyrik 1493 Spanier 1253 SPD 1291 Sphärenharmonie 899. 1025. 1477 Sphärenmusik 1004. 1011 Sphinx 1025. 1133 - Zeitschrift 112. 115 Spielberger 1607 Spirale 669. 1002 Spiritismus 928-936; 18. 78f. 80-86. 89-92. 95-97. 104. 108f. 115. 120. 150. 220. 281f. 288f. 301. 340f. 575. 594. 607. 627. 639. 647. 658. 677. 707. 716. 861. 869. 892. 893-895. 898. 956. 1473. 1659. 1688. spiritueller Körper 566 Sprache 1034f. 1060 St. Gallen 156. 353. 374. 384 Stakenberg 245 Stände/Ständestaat 1286. 1302 Steglitz -' Berlin-Steglitz Stella Matutina 1113 Stenogramme 63f. 67. 388. 755 Stenographen 387. 756. 792. 826 Stereometrische Formen 1167-1174. 1176f. 1179. 1452. 1477; s. a.: Dodekaeder, Pentagondodekaeder, Rhombendodekaeder Sternbund -->Sternorden Sternorden 106. 147. 151-154. 156f. 158-163. 168f. 173. 175f. 196. 198. 227. 321. 806f. 819. 1053; s. a.: Order of the Star in the East Stettin 291f. 295. 297. 313 Sthula sharira 566 Stockholm 291. 324f. Stoffwechsel-Gliedmaßen-Organisation 1299. 1405. 1478. 1500. 1507f. 1510f. 1548 Strader 1031. 1038f. Strader-Apparat 869 Stralsund 206 Straßburg 353.384 Studiengemeinschaft (Internationale Theosophische Verbrüderung) 299f. Stuttgart 132f. 136f. 206. 244f. 264. 269. 291. 353f. 369. 380f. 383-387. 713. 1084. 1310. 1337. 1366. 1642. 1646f.; s. a.: Sanatorium Stuttgart - Logenhaus 1078-1081 - »Stuttgarter Verhältnisse« 1647 Subba Row Medaille 807 Südwestdeutscher Verband 298

Sachregister Sufismus 283. 978. 1702 Suggestion 594.613.843 Suhl 267. 269. 271. 279 Sukzession -* Apostolische Sukzession Sumacenthy-Gesellschaft 301 Supernationale Theosophische Gesellschaft 320-331 Swedenborgianer 36 Swedenborg-Ritus 976 Sylphen 1005. 1038 Symbol 1124 Symbolismus 1049. 1053-1057. 1110. 1125. 1139. 1177 Symptomatologie 1258 Synästhesie 586.658 Synkretismus 775. 1679. 1686. 1698 Syphilis 1558f. Tabak 378 Tafelrunde 213. 231. 1053 Talmud 738 Tannbach 717 Tantrismus 597.978 Taufe 1658f. Täuschung 612-614.618 Telepathie 1190 Tempel 1129. 1137-1139. 1229. 1143-1145. 1186. 1207. 1209 Tempelgesellschaft 257. 296. 332f. Tempellegende 964. 967. 1003f. 1008f. Temperamentenlehre 1408f. Temple of the People 257 Temple of the Rosy Cross 841 Templer (Orden) 966-669.985 Templer (Zeitschrift) 333 Temporalisierung 957 Theater 255.262f. 1140f. 1146. 1164; s. a.: Gärtnerplatz-Theater, Kaim-Saal, Mysteriendramen, Schauspielhaus (München) Theognostische Gemeinschaft 159 Theologenkurse -* Steiner, R., Priesterzyklen (Personenregister) Theologia crucis 1658 Theosophical Association 254 Theosophical Quarterly (Zeitschrift) 272. 276-278 Theosophical Society (Eigenname) 269 Theosophical Society in America 253 Theosophical Society of the Arya Samaj 92 Theosophie (Zeitschrift) 323 Theosophinum 273 Theosophische Bruderschaft für Erziehung 196 Theosophische Buchhandlung 287

1881

Theosophische Deutsche Nationalgesellschaft 336 Theosophische Gesellschaft Adyar 60. 92-239. 252. 264. 382. 734. 1271 Theosophische Gesellschaft Covina 265 Theosophische Gesellschaft Europa (Deutschland) 266.268 Theosophische Gesellschaft Halkyon --p Ternpelgesellschaft Theosophische Gesellschaft in Deutschland 253. 269. 318. 323 Theosophische Gesellschaft in Deutschland 256 Theosophische Gesellschaft New York 266279 Theosophische Gesellschaft Pasadena 253. 265 Theosophische Gesellschaft Point Lorna 131. 135.253-265. 1592 - Europäische Convention Point Loma 265 Theosophische Gesellschaft, Abteilung Deutschland 266. 268 Theosophische Gesellschaft, Deutscher Zweig 131.256 Theosophische Gesellschaft, Hauptquartier Leipzig -a Supernationale Theosophische Gesellschaft Theosophische Gesellschaften; s. a.: (1.) weitere Gesellschaften: Anthroposophische Gesellschaft, Deutsche Theosophische Gesellschaft, Deutsche Theosophische Verbrüderung, Freie Theosophische Gesellschaft, Freie Theosophische Vereinigung (Berlin), Internationale Theosophische Verbrüderung, Münchener Theosophische Gesellschaft, Neu-Theosophische Vereinigung, Oschm-RahmahJohjihjah, Undogmatischer Verband, United Lodge of Theosophists, Universal Brotherhood Path, Universale Bruderschaft, Universaler Bruderbund, (2.) Geschichte: Esoterische Schule, Präsidentenwahl, Prinzipien Begriff 46. 84f. - Forschungsliteratur 25-32 Geschichte 75-346 Motto 93. 145. 169. 189. 339. 614. 802. 858 Quellen 25-32.58-63 Theosophische Konservatorien 558 Theosophische Kultur (Zeitschrift) 280.288 Theosophische Liga für Deutsch-FranzösischBelgische Verständigung 196 Theosophische Nachrichten (Zeitschrift) 266.273

1882

Register

Theosophischer Pfad (Zeitschrift) 253. 257. 263. 265 Theosophische Sozietät Germania 109-114. 120. 183 Theosophische Verbrüderung 310 Theosophische Vereinigung 117f. Theosophische Vereinigung in Europa (Deutschland) 256 Theosophische Warte 257 Theosophische Weltuniversitäts-Gemeinschaft 196 Theosophische Zentralbuchhandlung 287f. 321 Theosophischer Arbeitskreis Unterlengenhardt 265 Theosophischer Bruder-Orden 288. 300f. 309. 315. 317 Theosophischer Klub 264 Theosophischer Kultur-Verlag 280. 288. 320. 323 Theosophischer Lotuszirkel 264 Theosophischer Orden des Dienens 196f. Theosophischer Verein in Wien 284 Theosophischer Verlag 266 Theosophischer Wegweiser (Zeitschrift) 280 Theosophisches Forum (Zeitschrift) 265 Theosophisches Leben (Zeitschrift) 266. 272f. Theosophisches Nachrichtenbureau 196 Theosophisches Streben (Zeitschrift) 173. 175. 193 Theosophisches Verlagshaus 280. 320. 323. 688f. 691f. Theosophisch-Künstlerischer-Fonds 819. 1081 Theosophist (Zeitschrift) 126. 129.695 Therapeuten 818 Thronsitze 1143-1145. 1148 Tibetanisches Totenbuch 732 tierischer Körper 567 Tiermenschenwesen 661 Tierschutz 196. 567; s. a.: Antivivisektionismus Tierseele 66f. Tilsit 268. 291 Tintagel 647f. Tlavatli 625. 627. 630f. Todesengel 590 Todesstrafe 255.260 Toleranz 330. 814; s.: Dogmenfreiheit Tolteken 625. 627. 630f. Ton (Musik) 1124 Tonhalle - Kaim-Saal Totenkopf 998

Totenweihe 189 Tradition 773-780. 1690-1693 - esoterische 985-987. 1012 Trancebewußtsein 658 Transformatorenhäuschen 1157 Transsubstantiation 1653 Traum 589. 596. 770f. 1220 Traumbewußtsein 589.658 Trauung 1000. 1615. 1656 Trichotomie - Anthropologie / 2. Trichotomie tridentischer Ritus 1629. 1655. 1657. 1666-1668 Trier 206 Trinität 801. 830. 1430. 1658 Triodos-Bank 252. 1711. 1715 Tropfen, Meer (Metapher) 654 Tschechoslowakische Kirche 1665 Tübingen 354. 383. 1618 Tugendkataloge 587-589. 591. 605 Turanier 625. 627. 629-631 Turnen, geistiges 1232 Übermensch 519. 521. 525. 766 überpsychisches Bewußtsein 663 übersinnliche Erkenntnis - Erkenntnis Ulm 291 umgekehrter Kultus 1146 Unabhängiger Weltbund der Wahrheitssucher 335 Undinen 1005. 1038 Undogmatischer Verband 158f. 178 Ungarn 220 United Lodge of Theosophists 255 Universal Brotherhood Path 257 Universale Bruderschaft 253. 256. 262 Universaler Bruderbund 253. 257. 266. 268. 273 Universalismus 49. 763. 1035 Universalsprache 1195 Unmittelbarkeit 500. 770f.; s. a.: Erleben Upanischaden 556. 604. 732. 734. 760 Urachhaus 1671 Uranus 672 Urgeist 576f. Uroboros 570. 1045. 1133 USPD 1291f. Vademecum 1538. 1551f. Vahân 122. 126. 128. 131. 137. 695f. Vaterunser 1097 Vedanta 557. 576. 732. 734. 763 Vegetarismus 221. 377. 701. 1462. 1465. 1473. 1502

Sachregister Velbert 207 Venus 671f. Venusstufe 655. 663 Verband deutscher Okkultisten 336 Verein des Goetheanum (der freien Hochschule für Geisteswissenschaften) 1082. 1107. 1109. 1147. 1150. 1156 Verein für okkulte Forschungen (Nürnberg) 1636 Verein Goetheanismus 1169 Verein/Vereinsgeschichte 47-51. 1681-1684 Vereinigte Freie Anthroposophische Gruppen 248 Vereinigung deutschredender Zweige der Theosophischen Gesellschaft 279 Vereinigungsfreiheit 47 Vererbung 573f. 765. 877. 883. 887. 1562 - geistige Vererbung 573 Vergesellschaftung -* Sozialisierung Verkehrsräte 1312 Verlag für Universale Bruderschaft und Theosophie 257 Verlage - Altmann, Buddhistischer Verlag, Cagliostro-Verlag, Cotta, Diederichs, Grieben, Kommender Tag-Verlag, Lorenz, Philosophisch-Anthroposophischer Verlag, Philosophisch-Theosophischer Verlag, Ring-Verlag, Rudolf SteinerVerlag, Schwetschke, Theosophischer Kultur-Verlag, Theosophischer Verlag, Theosophisches Verlagshaus, Verlag für Universale Bruderschaft und Theosophie, Wölfing-Verlag vernünftige Seele 567 Verstandesseele 565f. 568 vierte Dimension 889-902. 904f. 932. 1168 violett 75. 381. 578. 757. 1066. 1109f. 1168. 1476. 1478 Visingö 256. 259. 260. 263 Vitalbewußtsein 666 Vitalismus 380.749 Vivekananda 598 Vivisektionisten 377 Vokal 1034 Völkerbund 183. 193. 306. 1273. 1276f. 1280. 1343 Völkerengel 835. 871 Völkerpsychologe 632. 1123. 1196. 12531255. 1257. 1261f. 1268-1271 völkisches Denken 246. 309. 314f. 317 Volksgeist/er 631. 1255. 1320 Volksindividualität 1342 Volksseelen(wesen) 442. 562. 631. 1104. 1254f. 1257. 85

1883

Volksseelenkunde 1287 Vorwärts, Zeitschrift 520 Vöslau 228f. Vril 642. 645 Vulkan (Planet) 671f. Vulkanstufe 655.663 Waidhofen 228 Wala 1488. 1493. 1569 Waldau 207 Waldloge 336 Waldorf-Astoria 1366f. 1373 Waldorfpädagogik 1357-1454; 67. 249f.; s. a.: Autorität, Fußballspiel, Jugendfeier, Kulturstufen, Monatsfeier, Opferfeier, Religionsunterricht, Schulgeld, Sonntagshandlung, Temperamentenlehre, Weihnachtshandlung Anthroposophie 1439-1443 Architektur 1179. 1438f. Direktor 1399 - Dreigliederung 1343. 1348. 1369. 1396 - Einheitsschule 1368. 1372. 1399 Eltern 1402 Epochenunterricht 1372. 1410 Eurythmie 1197. 1427f. Fremdsprachen 1427 - Gesinnung 1419f. - Handarbeit 1428f. Jahresschlußfeier 1432 - Klassenlehrer 1371. 1417 Koedukation 1424. 1437 Konferenzen 1400. 1436 Kulte 1432-1436. 1649. 1673 - Kunst 1420f. Lehrer 1426. 1435. 1451 - Lehrerkollegium 1399-1403 Lehrerkonferenz 1407 Lehrerseminar 1375 Lehrplan 1423 - Priester/Lehrer 1414-1419 Religion 1422 - Rubikon-Alter 1405 - Schularzt 1401 Sexualerziehung 1429f. 1437 - Sieben-Jahres-Schritte 1404f. - Theosophie 1395-1398. 1435. 1450 - Turnen 1427 Zahnwechsel 1404 - Zeugnisse 1424-1427 Waldorfschulen 249. 251. 378. 643. 13801383. 1710f. 1713 - Kempten 1441 - Stuttgart 1366-1369.1373-1380

1884

Register

Waldorf-Schulrat 1401 Waldorfschulverein 1379. 1403 Wandervogel 388. 1584. 1632 Wärme 655 Wärmemensch 1497 Warnsdorf 228 Wasserprobe 586. 1002 Weidlingen 238 Weihnachten 385f. Weihnachtshandlung 1433f. 1616 Weihnachtstagung 246. 439. 770. 1448. 1534. 1648 Weihrauch 1477 Weimar 198. 207. 225. 291. 354. 372. 384. 387 Weimarer Republik 247-249. 1084. 12901294. 1353f. 1592. 1600. 1651f. 1665 Weisheit 949-952 weiß 376. 995. 1004. 1007. 1098. 1698 Weiße Bruderschaft 95 Weiße Loge 707 weiße Rasse 631f. Weißer Hirsch (bei Dresden) 176. 179. 190. 313. 377. 1139. 1462. 1547 Weißer Lotus Tag 101. 119. 150. 374. 385f. 403 Weißer Saal 1102. 1142. 1206 Weleda 1458. 1488. 1543. 1553f. 1569. 1574. 1581 Weltalter 670 Weltanschauung 2. 7. 20. 43f. 87. 138. 490-492. 526. 867. 869. 871. 881. 956. 1439-1443. 1679. 1706 Weltbruderschaft der Künstler und Kunstfreunde 196 Weltenlehrer -- Krishnamurti Weltenschlaf 659 Weltföderation junger Theosophen 196f. Weltfriedenskongreß 263 Weltschulverein 248. 1379 Weltseele 620f. 652. 910 Werkhaus-Werkschule 1387 Wesel 207 Wien 115. 122. 200.220-222.224-231. 235. 264. 268. 279. 354. 384. 402. 502. 1242-1245. 1364; s. a.: Hütteldorf Wiesbaden 291. 354 Wille 657 Willensfreiheit 1250. 1318 Winterthur 291 Wirbel (physikalische) 658. 939 Wirtschaftsleben 1295-1297. 1299f. 13031308. 1313-1316. 1320; s. a.: Angestellte, Arbeit, Arbeitgeber, Arbeitsleister, Arbeitsleiter, Arbeitslosigkeit, Enteignung,

Gemeinwirtschaft, Gewaltenteilung, Gewerkschaften, Wirtschaftsrat, Kapital, Leihen und Schenken, Lohn, Planwirtschaft, Räte, sozialer Organismus, Verkehrsräte, Wirtschaftsparlament, Zinsen Wirtschaftsparlament 1289. 1300. 1315 Wirtschaftsrat 1312f. Wissenschaft 859-957; zur Wissenschaftstheorie - Entdeckungs-/Begründungslogik, Empirie, Hypothesen, Materialismus (anthroposophischer), Naturwissenschaft Wittenberge (bei Potsdam) 291 Witten-Herdecke 252. 1573f. Wolfenhausen 236 Wolff und Sachs, Konzertagentur 1345 Wölfing-Verlag 1344 Wörterbuch, theosophisches 373 Wuppertal -> Barmen, Elberfeld Württemberg 1332-1341. 1368f. Würzburg 112.984 Wurzelrassen 291. 560. 624-628 Wylerberg 1172f. Wyrow 348.354 Yoga 597. 699. 977-980; s. a.: Hatha-Yoga, Kundalini-Yoga, Raja-Yoga, Runenyoga Zagreb 238 Zeichenschrift 606 Zeichensprache 586 Zeist 1381 Zeit (Wiener Zeitschrift) 133. 550 Zeitschrift für Theosophie und Geheimwissenschaft (Okkultismus) 334 Zeitschriften, theosophische 273. 343-346 Zend-Avesta 731f. Zeugen Jehovas 37 Zinn 1506 Zins 1305. 1330. 1347 Zirbeldrüse 940 Zittau 291 Zivilisationskritik -* Kulturkritik Zoroastrismus 283. 156. 291. 296. 368. 377. 380. 385. 354. 804. 1532; s. a.: Zoroaster (Personenregister) Zürich 156. 220. 296. 345. 353. 377. 380. 385. 868. 1225 Zwecke, theosophische -* Prinzipien, theosophische Zweigrassen 628 Zweigräume 1066. 1078 Zwickau 291 Zwölftonmusik 1225 Zyklik 148.669

Vandenhoeck Fr Ruprecht

Rudolf Steiner schuf mit der Anthroposophischen Gesellschaft zu Beginn des zo. Jahrhunderts die wichtigste esoterische Gemeinschaft der europäischen Geschichte. Helmut Zanders viel besprochenes und hoch gelobtes zweibändiges Werl< ist die erste Geschichte der Anthroposophie und des theosophischen Milieus in Deutschland zwischen 1884 und 1945. Der Autor Helmut Zander ist Privatdozent für Neuere und Neueste Geschichte an der Humboldt- Universität Berlin.

»Ein Meilenstein der historischen Forschung!« Lucian Hölscher in der Süddeutschen Zeitung