Andere Umstände: Eine Kulturgeschichte der Geburt 9783412322854, 3412025984, 9783412104993

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Andere Umstände: Eine Kulturgeschichte der Geburt
 9783412322854, 3412025984, 9783412104993

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Eva Labouvie ANDERE UMSTÄNDE

Eva Labouvie

ANDERE UMSTÄNDE Eine Kulturgeschichte der Geburt

$ 1998

B Ö H L A U VERLAG K Ö L N WEIMAR WIEN

Gefördert von der Volkswagen-Stiftung

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Labouvie, Eva: Andere Umstände : eine Kulturgeschichte der Geburt / Eva Labouvie. - Köln ; Weimar; Wien : Böhlau, 1998 ISBN 3-412-02598-4

© 1998 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln Alle Rechte vorbehalten Satz: Peter Kniesche, Krefeld Lithos: Punkt für Punkt GmbH, Düsseldorf Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem, säurefreiem Papier Druck und Bindung: Printed in Germany ISBN 3-412-02598-4

INHALTSVERZEICHNIS

Vorwort

1

Einleitung

3

I. Von der Schwangerschaft zur Geburt Neues Leben Der Körper - der Leib Das Reden darüber Heimliche Zeichen Sichtbare Zeichen "... daß er seine tochter verheyrathen oder sie von der Luderey abhalte": Kollektive Wahrnehmungen

9 9 11 14 24

Ein fruchtbarer Weinstock: Einstellungen zur Schwangerschaft Gewünschte Schwangerschaften Beabsichtigte Schwangerschaften Ungewollte und verheimlichte Schwangerschaften

35 35 44 50

Ein Schwellenzustand: Die Schwangere als Grenzgängerin Gratwanderungen und Grenzgänge Begrenzungen: Regeln und Pflichten Sonderwege: Schutz und Privilegien Grenzüberschreitungen: Die dörfliche Kontrolle

65 65 67 77 85

30

II. Ländliche Geburt Die dörfliche Not- und Hilfsgemeinschaft der Frauen Menschen um die Gebärende Geburtsereignisse Widrige Umstände Exkurs: Geburten in Adelshäusern

103 103 112 129 134

Weibliche Empfindungswelt um die Niederkunft „Geburtsarbeit" und „Kindsnöte" Geburtsschmerzen Symbolik und Wahrnehmung der „Pein"

137 137 141 147

VI

Inhaltsverzeichnis

„Unglückliche" Geburten Säuglings-und Müttersterblichkeit Mit „schwachem Leben zur Welt geboren" sterbende Neugeborene „Sanctuaires ä repit" oder: Umgang mit dem toten Kind Sterben, um Leben zu schenken - die Mütter Der Umgang mit besonderen Verstorbenen

158 158 171 176 190 193

III. Solidaritäten nach der Geburt: Die rituelle Hilfs- und Festgemeinschaft der Frauen Kollektive Sorge um Mutter und Kind

198

Frauenfeste und Initiationsbräuche Kindbettzechen und ,Weibergelage' Rituale und Initiationen Die Taufe Wochenbett und Aussegnung

203 203 210 217 235

IV. Aspekte einer weiblichen Kultur auf dem Land Frauenfeste - eine öffentliche Kultur des Feierns

260

Festkultur der Frauen im Wandel

268

Anmerkungen

279

Anhang Abkürzungsverzeichnis Quellenverzeichnis Auswahlbibliographie Bildnachweis

367 368 376 393

Vorwort

Der Beginn meiner Forschungen zur Geburt liegt etwa sieben Jahre zurück. Gisela Bock veranlaßte mich zu einem Beitrag 1 , zur intensiveren Quellensuche und zum Nachdenken über dieses Thema, das mich seither nicht mehr losließ, auch wenn eine längere Pause dem Beginn der eigentlichen Arbeit vorausging. Teilergebnisse meiner Untersuchung stellte ich in Vorträgen und Seminaren u.a. an den Universitäten Basel, Bielefeld, Bochum, Heidelberg, Mainz, Saarbrücken und Zürich, am Institut für Geschichte der Medizin der Robert Bosch Stiftung in Stuttgart, bei Tagungen des „Arbeitskreises Historische Anthropologie" in Saarbrücken und bei Treffen der „Arbeitsgruppe Geschichte der Geburt(shilfe)" am Max-Planck-Institut in Göttingen vor. Aus diesen internationalen Begegnungen und interdisziplinären Diskussionen habe ich viele Anregungen gewonnen. Mein besonderer Dank gilt Gunda Barth-Scalmani, Rainer Beck, Renate Blickle, Gisela Bock, Klaus Bühler, Paul Burgard, Edwin Dillmann, Richard van Dülmen, Barbara Duden, Elisabeth Fehrenbach, Jacques Gelis, Valentin Groebner, Rebekka Habermas, Armin Heinen, Hans-Walter Herrmann, Rainer Hudemann, Robert Jütte, Susan C. Karant-Nunn, Christel Köhle-Hezinger, Wolfgang Laufer, Wolfgang Levermann, F r a ^ o i s e Loux, Hilary Marland, Marita Metz-Beker, Marie-France Morel, Johannes van Ooyen, Wolfgang Persch, Waltraud Pulz, Peter Reill, Lyndal Roper, Ulinka Rublack, Gerhard Sauder, Norbert Schindler, Jürgen Schlumbohm, Norbert Schnitzler, Regina Schulte, Gerd Schwerhoff, Gabriela Signori, Torsten Stein, Lynne Tatlock, Claudia Töngi, Patrice Veit, Peter Wettmann-Jungblut, Philipp Wey, Merry Wiesner und besonders Heide Wunder. Zu danken habe ich in ganz besonderem Maße Klaus Bäcker, meinen Eltern und Annette Labouvie-Rausch sowie meiner nun schon fast erwachsenen Tochter Nora. Als ich meine ersten Überlegungen zu einer Geschichte der Geburt anstellte, war sie gerade vier Jahre alt. Ohne die fachliche Hilfe der Archivarinnen und Archivare der von mir benutzten deutschen und französischen Archive, Bibliotheken und Sammlungen, ohne die finanzielle und sachkundige Unterstützung des Habilitationsprojektes und der Drucklegung durch die Volkswagenstiftung, ohne Zuschüsse zur Drucklegung durch die Saarland-Sporttoto GmbH, die Stiftung Demokratie Saarland e.V. und den Verein der Freunde der Universität des Saarlandes und nicht zuletzt die einfühlsame Betreuung des Bandes durch die Lektorin des Böhlau Verlages, Iris Gehrke, wäre es bei jenem ersten Aufsatz geblieben, der die Kulturgeschichte der Geburt' erst entstehen und wachsen ließ. 2 Ihnen allen gilt mein Dank.

Einleitung

Lange habe ich darüber nachgedacht, ob das Titelbild dieses Buches, „Die Hoffnung I", wie der Künstler Gustav Klimt sein monumentales Ölgemälde 1903 betitelte, einem am Thema Schwangerschaft und Geburt interessierten Leserpublikum zumutbar sei. Ebenso lange aber beschäftigte mich, warum mir im Hinblick auf die Darstellung einer nackten Schwangeren im Zeitalter der sexuellen Revolution und Freizügigkeit, von Körperkult(ur) und Pornographie diese doch unzeitgemäße Infragestellung überhaupt in den Sinn kommen konnte. Nicht um der Dauerhaftigung der Elias'schen Zivilisationstheorie 1 das Wort zu reden, sondern um den Blick auf einen besonderen Aspekt des Kunstwerkes zu lenken, der mit der Sichtweise, aber auch mit der historischen Darstellung von Schwangerschaft und Geburt aufs engste verknüpfbar scheint, beginne ich mit dem Blick auf dieses ungewöhnliche Körperbild eines Künstlers der Wiener Secession. „Die Hoffnung I", der eine bekleidete „Hoffnung II" im Jahre 1907/08 folgen sollte, zeigt in den Umständen ihrer Entstehungs- und Rezeptionsgeschichte Züge, die uns bis heute gefangen halten und befangen machen: Das selten in der Geschichte der Kunst dargestellte Aktbild einer Schwangeren verletzt ein spezifisches Tabu der Abbildung von Körperlichkeit, von stofflicher und fruchtbarer, nackter weiblicher Leiblichkeit. „Kirnt", so lese ich bei Schorske 2 , „wandte sich dem Weib als sinnliches Geschöpf zu und holte alles an Lust und Schmerz, Leben und Tod aus ihr heraus." In einem „endlosen Strom" an Bildnissen habe er immer wieder versucht „ein Empfinden von Weiblichkeit zu erfassen". Eben dieses Anliegen des Künstlers, nicht nur den kulturellen und sozialisierten Körper darzustellen - explizit grenzt er den medizinischen Blick aus seiner Darstellung aus - , sondern gerade den erotisierten wie gefährdeten, den verletzlichen materiellen Leib im Aktbild der schwangeren Frau dominieren zu lassen, brachte sein Kunstwerk mit Nachdruck auf den Index, handelte Klimt schließlich eine gerichtliche Verfügung wegen „Verletzung von Sittlichkeit und Schamhaftigkeit" ein.3 Wenn bislang über Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett und Mutterschaft geschrieben wurde, machte man aufmerksam auf kulturellen Wandel und gesellschaftliche Leitbilder, auf ein scheinbar einförmiges Verständnis von und ein egalitär anmutendes Sprechen über jene eng mit Geschlechtlichkeit (Gender) und Körperlichkeit verbundenen Ereignisse im Leben aller Menschen und besonders im Lebenszyklus von Frauen. 4 Die Perspektive und Erfahrbarkeit von Leiblichkeit verschwand dabei hinter einem normierten, kontrollierten kulturellen Körper ohne Gesicht und Namen. Auch die „Hoffnung I" häuft eine unübersehbare Fülle an Allegorien, Symbolen, Ornamenten, an kulturellen Deutungsmöglichkeiten der Wahrnehmung

4

Einleitung

des künstlerischen Sujets bis hin zum gesellschaftlichen Verständnis von Schwangerschaft, Geburt und Mutterschaft aus der Zeit des Jugendstils und des Fin de siecle. Kulturelle Konnotationen und Konstruktionen verbergen sich hier jedoch hinter den physiologischen Tatsachen, um die Mehrdeutigkeit der Thematik um so stärker zu betonen. Meine eigene Eingenommenheit von dieser Darstellung trug trotz des ungewöhnlichen Blicks, den Klimts Aktbild einer Schwangeren erlaubt, schließlich den Sieg davon. Sie verband sich eng mit meinem Anliegen als Historikerin, eine Geschichte von Schwangerschaft, Geburt und Kindbett zu schreiben, die über die Entschlüsselung und den Einbezug gerade des Verhältnisses zwischen kulturellen Dispositionen, physiologischen Gegebenheiten und subjektiven Wahrnehmungen eine Annäherung an ein neues Kulturverständnis wagen will, das über den zeitgenössischen Diskurs hinauszugehen und die Entschlüsselung von sinnlicher Wahrnehmung, individuellem Erleben, kaum begrifflich klarem und erst recht nicht wissenschaftlich exaktem Reden in der Vergangenheit beabsichtigt. Bislang freilich beschäftigten sich Darstellungen zur Geschichte der Geburt hauptsächlich mit der Professionalisierung der Geburtshilfe und mehr noch mit wissenschaftlichen Diskursen über ihren Gegenstand: mit medizinischen Berichten oder Gutachten, den fachwissenschaftlichen Inhalten aus Lehrbüchern, Fallgeschichten oder Korrespondenzen.5 Solchen Beschreibungen einer Geschichte des Diskurses über den schwangeren oder gebärenden Körper und sein Funktionieren fehlt zwangsläufig aber jede Verbindung zwischen medizinischer Fachdebatte, theoretischen Überlegungen und den sich über konkrete Erfahrungen ausbildenden komplexen Körperbildern, den sich über das Erleben manifestierenden Vorstellungen von Leben und Tod sowie den emotionalen, rituellen, religiösen und mentalen Einstellungen, die frühneuzeitliche Menschen kultivierten und ihrem Verständnis sowie ihrem Verhalten zugrunde legten. Die Macht der Sprache zur Konstruktion von Verstehensprozessen und die Untersuchung mündlicher Auseinandersetzungen und Gespräche zur Rekonstruktion vielschichtiger Wahrnehmungs- und komplexer Ausdrucksmöglichkeiten in einer oralen Kultur wie der frühneuzeitlichen6, beide Aspekte tragen unzweifelhaft zur Klärung etwa von Vorstellungen zum schwangeren Körper, seiner gleichzeitigen Schutzbedürftigkeit wie Gefährlichkeit, zu Weiblichkeit, Fruchtbarkeit oder den soziokulturellen Umständen des Gebärens bei. Doch verschleiern sie - anders als Klimts Aktbild - häufig die Schwangere und Gebärende selbst, schweigen sie über ihr Körperbewußtsein ebenso wie über kreative Aspekte um das Geburtsereignis, die nur teilweise über die Sprache mitteilbar sind: ihre Schmerzen und Entsagungen, ihr Körperempfinden und ihre leiblichen Sensibilitäten, ihre Ängste und Hoffnungen, Freuden und Frustrationen, ihre Nöte und ihr Vertrauen. Eine Kulturgeschichte der Geburt eröffnet nun die seltene Möglichkeit einer gemeinsamen Betrachtung von rationalem Sprechen und imaginativer

Einleitung

5

Beschäftigung, einer gemeinsamen Sicht von Annahmen über biologische Körperfunktionen, Wahrnehmungen physischer Realitäten der Leiblichkeit und dem sozialen, kulturellen und symbolischen Stellenwert der menschlichen Reproduktion, der Schwangeren, Gebärenden und Mutter sowie ihrer „Leibesfrucht". Mein Anliegen ist es, den Arbeiten der historischen Demographie, die den geborenen und gestorbenen, den schwangeren, jungen, alten, weiblichen oder männlichen Körper mit quantifizierenden Methoden historisch verorten will, und ebenso den Untersuchungen zur Geschichte des kulturellen Diskurses um Gravidität und Geburt eine Kulturgeschichte der Geburt aus der Sichtweise, der eigenen Denk- und Handlungslogik der schwangeren wie gebärenden Frauen, ihrer Helferinnen und Familien entgegenzustellen. Es soll darum gehen, unter der vordergründigen Oberfläche demographischer Zahlenreihen und des sprachlich Vermittelten Bedeutungen, Identitäten, Symbole und Visionen, aber auch Rituale, Verhaltensweisen und konkrete Handlungsmöglichkeiten innerhalb dynamischer gesellschaftlicher Bedingungen und einer im Wandel begriffenen weiblichen Kultur um die Geburt zu entschlüsseln. Wie erlebten Frauen zwischen dem 16. und 19. Jahrhundert das elementare Geschehen um Empfängnis, Schwangerschaft, Geburt und Kindbett? Welche Zeichen, Indizien und körperlichen Veränderungen nahmen sie in einer Zeit vor den technischen Möglichkeiten des Blicks ins Leibesinnere wahr? Unter welchen Umständen brachten Frauen schließlich ihre Kinder zur Welt, bewältigten sie Schmerz, Gefahr, Krankheit und Tod? Ein Blick auf die bislang kaum berücksichtigte „unprofessionelle" Geburtspraxis und Geburtshilfe auf dem Land eröffnet faszinierende Einblicke in eine Not-, Hilfs- und Festgemeinschaft, in ein ,Netzwerk' der verheirateten und verwitweten Frauen, die die Geschehnisse um Schwangerschaft, Geburt und Kindbett jenseits jeder ärztlichen Versorgung, doch mit einem beachtlichen Repertoire an Maßnahmen der konkreten Hilfe und Betreuung zu gestalten sowie über Rituale und Initiationen verbindlich für die ganze Dorfgemeinschaft einzuordnen vermochten. Noch einmal komme ich zurück auf das Titelbild dieses Bandes: Das Aktbild einer Schwangeren zeigt sehr plakativ eine Verbindung zwischen subjektiver Wahrnehmung, physiologischer Beschaffenheit und kultureller Konstruktion. Doch treffen auf das Kunstwerk zudem jene Merkmale zu, mit denen sich die Historikerin bei der Beschäftigung mit historischen Schriftquellen konfrontiert sieht: Interpretation und Selektion, ideologische Prägung und subjektive Gestaltung, Phantasie und historischer Kern, Erlebnis und Genre, der Wunsch nach kultureller Repräsentativität und männliche Wahrnehmung. Ein Blick hinter die kulturhistorischen Kulissen macht schnell deutlich, daß den Frauen in Darstellungen zur frühneuzeitlichen Alltags- und Lebenswelt einerseits vorwiegend die Neben- und Statistenrollen überlassen bleiben, daß sie andererseits fast ausschließlich in historischen Zeugnissen aus männlicher Feder beschrieben werden. Kulturhisto-

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Einleitung

rische Darstellungen zu Körperritualen, zu Ehre, Gewalt, Sexualität, Eheanbahnung wie Jugend- und Festkultur liefern daher in erster Linie Einsichten in eine männliche Kultur, und selbst wenn sie die weibliche Lebenswelt thematisieren, legen sie zunächst nur die Interpretationen jener Männer frei, die sich in den überlieferten Quellen zum weiblichen Geschlecht äußern. Die Beschäftigung mit der Geschichte von Schwangerschaft und Geburt eröffnet dagegen andere Einblicke: Wie kaum ein anderes bietet dieses Thema einen Kontext, in welchem Frauen nicht nur allein wie als Gruppe uneingeschränkt, in Situationen des Alltäglichen und jenseits von Bedingungen, in denen sie sich als Zeuginnen, Angeklagte oder Sünderinnen äußern mußten und als Betroffene wie ,Fachleute' reden durften, sondern mit einer besonderen Akzeptanz ihres Sprechens und Handelns durch die dörfliche Gemeinschaft rechnen konnten. Unter Betonung eigenständiger Einsichten und Erfahrungen tauschten sie Erlebnisse und Kenntnisse aus; gegen männliche Sichtweisen proklamierten sie Forderungen wie kreative Leistungen zur Gestaltung und Schaffung eigener Handlungsräume, Bedeutsamkeiten und Identitäten; in Abgrenzung von einer männlich dominierten Gesellschaft, aber unter Einbezug der Kernelemente einer allen gemeinsamen Kultur pflegten sie bis zum beginnenden 19. Jahrhundert eine vielschichtige weibliche Kultur um das Ereignis der Geburt, die in ihrem Wandel über vier Jahrhunderte ungeahnte Einblicke vor allem in die Selbstwahrnehmung und das Selbstbewußtsein von Frauen geben kann. Der Blick auf die ländliche Geburtshilfe und Geburtspraxis ermöglicht freilich mehr, als die andere Hälfte der Geschichte freizulegen: Er gibt Auskünfte über die Figur der Hebamme, über ihren sozialen, symbolischen und rituellen Platz in der Dorfgemeinschaft, damit aber gleichzeitig über die Position einer mit besonderen Fähigkeiten, dem einzigen weiblich besetzten Gemeindeamt und einer ungewöhnlichen Macht ausgestatteten weiblichen Person im ländlichen Bereich; er ermöglicht die Rekonstruktion geburtshelferischer Tätigkeiten, ihrer volks- und schulmedizinischen, religiösen wie magischen Komponenten, kann aber zudem Einblicke sowohl in die unzureichende medizinische Betreuung der Landbevölkerung als auch in ein spezifisch ländliches Verständis von Leben und Tod gewähren. Er verweist auf Formen und Möglichkeiten des praktizierten alltäglichen wie rituellen Umgangs der Menschen miteinander in Situationen der Not wie der Freude, erlaubt es vor dem Hintergrund des aktiven gemeinschaftlichen Handelns von Frauen in der dörflichen Öffentlichkeit aber auch, die Frage nach einer Trennung von öffentlichen und privaten Zuständigkeitsbereichen der Geschlechter neu zu stellen und zu beantworten. Über die Betrachtung eigenständiger populärer Denk-, Wahrnehmungs- und Verhaltensweisen trotz und entgegen obrigkeitlichen, staatlichen und kirchlichen Reglementierungsversuchen bis ins beginnende 19. Jahrhundert hinein kann der Blick auf die ländliche Geburtspraxis zugleich einen Beitrag zur Diskussion um

Einleitung

7

die Diskrepanz zwischen Normsetzung und ländlichem Eigensinn, Anspruch und Wirklichkeit, herrschaftlicher Reformwilligkeit und der Resistenz bzw. Dynamik populärer Traditionen leisten. Schließlich muß es Anliegen einer Kulturgeschichte der Geburt sein, jenen Wandlungsprozessen nachzuspüren, die sowohl die Geburtshilfe in ihrer Praxis, die Einstellungen zu Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett und selbst die weibliche Kultur um das Geburtsereignis nachhaltig veränderten. In den Blick geraten nicht nur Veränderungen im Mikrokosmos einer Dorfgesellschaft, sondern strukturelle gesamtgesellschaftliche Entwicklungsprozesse: im Geschlechterverhältnis und Körperverständnis, in der Akzeptanz oder Verweigerung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse und Methoden, befremdlicher Gewohnheiten und sich ändernder Mentalitäten, im Bereich zwischenmenschlicher Beziehungen wie Nachbarschaft, Patenschaft und Verwandtschaft und der politisch-rechtlichen Partizipation von Frauen in der ländlichen Gesellschaft, auf der Ebene des Rituellen und Symbolischen (Taufe, Kindbett, Aussegnung), der Wahrnehmungen und Bedeutungen, des Festbrauchtums oder der populären Magie. Diese Wandlungsprozesse verliefen keineswegs in geradlinigen Entwicklungen, sondern führten vielmehr über Brüche, Widersprüche und Ungleichzeitigkeiten, kurzfristige Reaktionen und langfristige Veränderungen in die heutige Moderne.

I. Von der Schwangerschaft zur Geburt 1. Neues Leben

Der Körper - der Leib Die moderne medizinische Wissenschaft hat den Körper der Frau in einzelne Teile zergliedert und diesen wiederum biologische, soziale und kulturelle Aufgaben und Werte beigemessen. 1 In der Frühen Neuzeit bildete der Körper dagegen eine Einheit. Jeden seiner Teile stellte man sich in Wechselbeziehung mit allen anderen und in einem dynamischen Austausch mit seiner Umgebung vor. Die Zusammensetzung der Körpersäfte 2 , magische Einflüsse, äußere Lebensbedingungen bis hin zu Lebensstilen und Arbeitsweisen bestimmten gemeinsam den Zustand und das Befinden des Körpers, hielten ihn in stetem Wandel, erklärten Phasen der Krankheit wie der Gesundheit. Da jeder individuelle Körper in andere Wechselbeziehungen, andere Arten des Aufnehmens und Abgebens eingebunden war, existierte weder die Annahme eines normierten Leibes noch die des Körpers als Maschine mit immer gleichem Rhythmus und stringenter Produktivität. Körperlichkeit wurde vielmehr individuell und als Teil des subjektiven Selbst wahrgenommen: Die Erfahrung von und mit Körperlichkeit oblag jedem Menschen selbst, denn weder Arzte noch technische Apparaturen ermöglichten eine Fremderfahrung des eigenen Körpers; sie war zudem ein ganzheitliches menschliches Erleben, das nur selten die Entfremdung oder Distanz vom eigenen Körper zuließ. Voraussetzung für diese besondere Art der körperlichen Selbstwahrnehmung war der fehlende Blick ins Körperinnere: Leiblichkeit und Körpererfahrung orientierten sich am äußerlich Sichtbaren und seinen Konnotationen sowie an den aus dem Inneren übermittelten sensitiven Zeichen, die der Deutung im Einvernehmen mit den äußerlichen Faktoren und Anzeichen bedurften. 3 Die Erfahrbarkeit des Körperlichen und Leiblichen war nach diesem Verständnis eine individuell variierende, sinnliche, die sich nicht an medizinischen Maßstäben oder technischen Vorgaben, sondern an kulturellem Wissen, an gemeinsamen Bildern, soziokulturellen Wahrnehmungsmustern, Selbsterfahrungen und subjektiven Empfindungen orientierte." Eine Geburt war unter dieser Perspektive nicht das Produkt der Kontraktion der Gebärmutter, sondern war „Arbeit" der Frau; schwanger zu sein bewies sich keineswegs durch ein vermittels ärztlicher Anleitung erkennbares, aber untrügliches Wesen auf dem Ultraschall-Monitor, sondern war ein Geheimnis im Körperinneren, das sich durch sichtbare oder spürbare Zeichen ankündigte, die die Frau vermuten lassen konnten, schwanger zu sein.5 Da der in Wechselbeziehung mit der sich ständig wandelnden äußeren Umwelt und

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I. Von der Schwangerschaft zur Geburt

seinen eigenen Teilen begriffene Körper in der Bedeutung der Zeichen, die er signalisierte, äußerst vieldeutig sein konnte, war auch eine Schwangerschaft bis zur Geburt nicht eindeutig diagnostizierbar, standen durchaus verschiedene Erklärungsmuster für die beobachteten Körperreaktionen zur Verfügung. Diesem nach innen und außen gerichteten Körperkonzept korrespondierte wiederum die Annahme einer Vielzahl möglicher und für den Einzelfall auch durchaus zutreffender Therapien, deren Aufgabe es sein sollte, die Kräfte des Organismus im Gleichgewicht zu halten und eine ausgewogene Balance zwischen dem Körper, seiner Umwelt und seinen sozialen Beziehungen herzustellen. Nicht nur der Aderlaß oder treibende Mittel, sondern auch die Vermeidung negativer Sinneseindrücke oder Erlebnisse gehörten zum Gesundheitsrepertoire für Frauen, die oft nicht sicher wußten, ob sie schwanger oder krank waren.6 Gleichwohl existierten spezifische Merkmale und Symptome, die die Schwangere selbst feststellen oder spüren, die andere Frauen beobachten oder Spezialisten und Spezialistinnen ihr mitteilen konnten. Dabei war die sichtbare Wahrnehmung einer Schwangerschaft häufig eine mehr oder weniger kollektive, die Entscheidung, ob es sich aber tatsächlich um eine Schwangerschaft handelte, eine individuelle Angelegenheit der einzelnen Frau. „Schwanger sein", oder in den zeitgenössischen Termini: „schwanger gehen", sich „schwangeren Leibs befinden", beinhaltete damit in der frühneuzeitlichen ländlichen Gesellschaft keinen definierbaren normierten Zustand, sondern eine auf individueller Selbstbeobachtung und kollektiver Auseinandersetzung mit dem weiblichen Körper basierende Zuschreibung. Frauen und Mädchen besaßen spätestens ab dem gebärfähigen Alter ein tradiertes Wissen um „cultural patterns", die ihnen eine systematisierende Orientierungshilfe bei der Deutung sichtbarer und spürbarer Zeichen, ja eine gewisse Sicherheit in der Bewertung dieser Körpersignale und -Veränderungen sowie ihres „Befindens" geben konnten. Da die isolierte ebenso wie die einmalige Körperreaktion vieldeutig war, bedurfte es eines ganzen Zeichenensembles, einer besonderen Kombination von Wahrnehmungen, Zuschreibungen und Schlußfolgerungen aus dem allgemein bekannten „Symptompool" 7 und der Semantik seiner einzelnen Bestandteile, um die eigenen sensitiven und körperlichen Erfahrungen als individuelles „schwanger gehen" verorten zu können, sich schließlich im Zustand der Schwangerschaft zu fühlen und entsprechend zu verhalten. 8 Zwar verfügen wir nicht über ausführliche Egodokumente von Frauen aus dem bäuerlichen Milieu, die uns genaue Kenntnisse über ihren ,Entdekkungsgang' von den ersten leiblichen Wahrnehmungen über die vorläufige Diagnose bis zur subjektiven Gewißheit einer Schwangerschaft vermitteln. Andererseits erhalten wir keineswegs nur Einblick in die gerichtlich initiierten Befragungen von nichtehelich schwangeren Frauen, Kindsmörderinnen oder vergewaltigten Frauen, deren Selbstwahrnehmung - abgesehen von der omnipotenten Problematik juristisch gefilterter Protokolle 9 - durch so-

Neues Leben

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ziokulturelle Vorgaben und persönliche Lebensumstände wie Einstellungen gesteuert erscheint. 10 Vielmehr ist es sinnvoll, derart erzwungenes Sprechen über eine meistenteils negativ erlebte Schwangerschaft von Auskünften zu unterscheiden, die Frauen geben, wenn sie freiwillig über ihren Körper reden, sei es, daß sie von einer legitimen und erwünschten Gravidität berichten, daß sie ihren Zustand mit anderen Personen besprechen oder ihn selbst vor Gericht anzeigen, um eine Eheerlaubnis, die Zusage von Alimenten oder den Erlaß von Strafen zu bewirken. Die Beschreibungen jenes unsichtbaren Vorgangs von der Zeugung bis zur Geburt durch vorwiegend ,freiwillige Berichterstatter und -erstatterinnen' werden uns im Folgenden beschäftigen.

Das Reden

darüber

Das Reden über den Körper und seine Reaktionen folgte einerseits allgemeinen sprachlichen Bildern, die sensorische Wahrnehmungs- und Deutungsmuster des Körpererlebens anderen mitteilbar machten; andererseits orientierte sich die Körperbeschreibung an vorgegebenen Geschichten, die andere von der Erfahrung mit dem eigenen Leib mitteilten, und schließlich sprach man über die Selbstbeobachtung körperlicher Effekte in Methaphern und Analogien. Dabei wurde das Erzählte nicht selten in eine konkrete Lebenssituation eingebunden, deren Kontext die mehrdeutige körperliche Erfahrung, die immer auch einen äußerlichen Auslöser haben konnte, zu erklären und zu begründen half. Betrachten wir zunächst die Möglichkeiten: Vorstellungen, Phantasien, Erwägungen und das zwischengeschlechtliche Sprechen darüber. Als Barbara Schmidt aus Hüttigweiler im heutigen Saarland zusammen mit ihrem Bruder Peter 1777 mit der Bitte um Eheerlaubnis vor dem dortigen Gericht erschien, lebte sie bereits seit mehr als zwei Jahren mit dem Tagelöhner Peter Zimmer in ,wilder Ehe'. 11 Beide hatten des öfteren über eine mögliche Schwangerschaft nachgedacht, wobei Zimmer, „wann sie ihn erinnert, daß es zur schwangerschafft gefährlich seye, sie allemahl vertröstet, er wäre ja verheiratet geweßen, und wißete, wie die sach gehen könte, so forth, wann sie auch schwanger werden solte, er sie heüraten werde". Jetzt, da Barbara „ihrer schwangerschafft gesichert sich befinde", habe sie dies dem Illinger Pastor angegeben und wolle nun ihren Zustand, ehe er sich „veroffenbahren werde", auf Anraten ihrer künftigen Schwägerin vor Gericht anzeigen und um Ehedispenz bitten. 12 Eine ähnliche Aussprache hatte zwischen der aus St. Wendel gebürtigen und derzeit auf der Hochwiesmühle bei Bexbach tätigen Agnes Bauerin und dem aus dem zweibrückischen Höchen stammenden, in Oberlinxweiler lebenden Schmiedegesellen Hans Nickel Müller stattgefunden. Nach dem ersten Beischlaf hatte Agnes ihrem Geliebten mitgeteilt, „wann es etwas gäbe, so müßte er sie heurathen", worauf er geantwortet

12

I. Von der Schwangerschaft zur Geburt

habe, „ihr Meister und Meisterin spielten ja auch miteinander und gebe nichts". Auf ihr Einwenden, „das seyen aber Eheleuthe, undt wann es schon etwas gäbe, so wäre nichts daran gelegen", einigten sich beide darauf, im Falle einer Schwangerschaft zu heiraten, was sie dann auch taten.13 Es war keine Seltenheit, daß sich verheiratete wie unverheiratete Paare über eine mögliche Schwangerschaft und ihre Folgen für beider weiteres Zusammenleben Gedanken machten. Das nicht einmal gezeugte Kind spielte zumindest in der Phantasie beider Geschlechter eine konjunktivische Rolle, wenngleich seine leibliche Existenz symbolisch über das Reden vom schwangeren Leib der Frau, der es bis zu seiner Geburt verhüllte und unsichtbar machte, abstrahiert und zunächst ignoriert wurde. Weder das substantielle Ergebnis einer Schwangerschaft, noch das künftige Zusammenleben mit gewolltem oder unerwünschtem Nachwuchs und auch nicht das Sinnieren über Elternschaft waren Inhalt dieser Diskurse als vielmehr die soziale und emotionale Verortung des weiblichen „sich schwanger fühlens", noch bevor sich dieses Körpergefühl durch eine bevorstehende Niederkunft bestätigen, „veroffenbahren" sollte. Der Frau, die ein intimes Verhältnis mit einem Mann einging, kam dabei die Aufgabe zu, ihren Körper genau zu überwachen, seine Zeichen zu lesen und sie dem Mann beizeiten mitzuteilen. Sie war die Hüterin und beste Kennerin eines Leibes, der nicht nur sich selbst, sondern das Leben beider verändern konnte. Es erstaunt deshalb nicht, daß Frauen in illegitimen Beziehungen zumeist eher Anzeichen einer Schwangerschaft zu bemerken glaubten und besser um die zeitlichen, situativen und kausalen Zusammenhänge ihrer Gravidität wußten als verheiratete Frauen, die keinem vergleichbaren Zwang oder Drang zur Selbstbeobachtung ihres Körpers unterlagen. Nicht selten stellten Ehefrauen erstaunt bei einer Fehl- oder Frühgeburt fest, daß sie schon mehrere Monate „tragend" gewesen waren.14 Und oft wußten Männer, die illegitime Beziehungen eingegangen waren, weit genauer über die körperlichen Regungen und Veränderungen ihrer Partnerinnen Bescheid als Ehemänner. Es waren nicht immer die Frauen, die das Thema einer möglichen Schwangerschaft anschnitten und ihrem Partner eine praktikable Entscheidung über die Zukunft überließen. Der Witwer Nicol Weintz aus Allenbach etwa hatte seiner Magd, bevor er ein intimes Verhältnis mit ihr begann, unmißverständlich im Bezug auf eine mögliche Schwangerschaft eröffnet, es „wäre noch Platz bey ihm", er wolle „es heirathen", auch wenn „seine freunde zuwider seyn". Er hielt sein Wort.15 Ganz so einfach waren die Verhältnisse bei dem verheirateten Hans Velten Schneider, einem Gerichtsschöffen aus Uchtelfangen, keineswegs, als er sich 1705 mit seiner Magd Anna Catharina Rixten einließ. Dennoch beredete auch dieses Paar vorab jenes unkalkulierbare Ereignis, wobei Schneider vorschlug, „wann sie sich schwanger befündte, so solte sie mit ihm durchgehen", was Anna Catharina jedoch ablehnte.16 Männer der Oberschicht oder katholische Geistliche, de-

Neues Leben

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nen ein Zusammenleben oder eine Ehe aus sozialen bzw. religiösen Gründen versagt war, vertrauten dagegen auf Verhütungsmittel 17 : Junker Hanß Rudolf von Landenberg, der sich mit der Tochter eines Zimmermanns aus Ensisheim eingelassen hatte, verabreichte ihr vor jedem Beischlaf einen Trank mit den Worten „solle nur zufrieden sein, werdt Iren nichts schaden, und sie kein Kindt machen". 18 Auch Pfarrer Franciscus Ballevre aus Saarwellingen hatte seiner Dienstmagd aus der Apotheke Tränke besorgt 19 und schließlich zusammen mit seinem Kollegen, dem Kaplan Jung von Reisweiler, „einen gekochten Trunck ... praepariert". Die Sorge um eine mögliche Schwangerschaft eröffnete mehrere Verhaltensstrategien, Handlungsweisen oder Maßnahmen. Die Quellen verweisen jedoch deutlich auf einen Zusammenhang zwischen dem Bedürfnis nach einer Aus- oder Absprache und der sozialen Nähe der Paare. Je näher sich das Paar bezüglich seiner sozialen Herkunft stand, desto häufiger machte es sich gemeinsam Gedanken um eine eintretende Schwangerschaft und desto eher besprachen beide dieses Problem; je größer freilich der soziale Unterschied war, desto eher ergriffen allein die Männer Möglichkeiten präventiver Vorsorge ohne jegliche Beredung mit ihrer Gespielin, mit der es zumeist keine gemeinsamen Zukunftspläne geben konnte. Redete man im Gespräch zwischen Paaren wirklich über Schwangerschaft, ihre physischen oder psychischen Folgen, über einen in Veränderung begriffenen konkreten weiblichen Körper, seine „Unpäßlichkeiten" oder seine Schutzbedürftigkeit? Ging es in diesen Diskursen über das imaginierte Mögliche um Erfordernisse, die der biologische Zustand der Schwangerschaft* einer Frau abverlangte, oder um die soziale Herausforderung, die der Akt der ,Schwängerung* durch einen Mann beinhaltete? Zumindest die Gerichtsprotokolle invozieren auch bei freiwilliger Anzeige nichtehelicher Verhältnisse eine derartige Unterscheidung, indem sie die Frauen nach ihrer „Schwangerschaft" und als Schwangere, die Männer aber nach der „(Be-) Schwängerung" und als „Schwängerer" befragen. Ein genauerer Blick auf die konjunktivischen Gespräche der Paare verweist jedoch in eine andere Richtung: Beide wußten um die „Gefahr", um das Verwundbare und Gefährliche, das Bedrohte und Bedrohliche und darum, daß - anders als bei Ehepaaren durchaus etwas „daran gelegen" wäre, wenn sich eine Schwangerschaft ankündigte; weder Frauen noch Männer sprachen jedoch vom „Schwängern" als vielmehr vom „schwanger werden", sich „schwanger befünden", „schwangern leibs werden", vom „trouver enceinte" oder „trouver de sa grossesse" 20 , Formulierungen, die zuvorderst den weiblichen Körper im Blick haben, ihn als Metapher für alle mit einer Schwangerschaft verbundenen, jedoch immer verschwiegenen Konnotationen verwenden, und zugleich der Frau die Macht der Entscheidung über ihren Zustand allein per Gefühl und „Befinden" einräumen. Diese weibliche Zuordnung der Entscheidungskompetenz resultierte aus der beiden Geschlechtern gleichermaßen geläufigen eigenen Körpererfahrung,

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I. Von der Schwangerschaft zur Geburt

deren Bewertung und Einschätzung auf einer individuellen und subjektiven Empirie der Körperzeichen beruhte.

Heimliche

Zeichen

Die Selbstbeobachtung, der schwangere Frauen ihren Körper unterzogen, zeigt eine Hierarchie der Zeichen, eine langsame Vervollständigung jenes Puzzles aus immer eindeutiger werdenden einzelnen Indizien, das am Ende zwar keine Gewißheit, aber doch einen berechtigten Verdacht erbrachte. Anfangs mehrdeutige Symptome erhielten nach dem Auftreten weiterer Merkmale Univalenz, zunächst unvereinbare Zeichen konnten nach Auftreten besonderer Anhaltspunkte zugeordnet werden. Es wäre unzweifelhaft, so bekundete 1777 Barbara Schmidt aus Hüttigweiler vor Gericht, „daß sie sich schwanger befinde, da sie genügsame Zeichen davon an sich warnehmete".21 Seit dem Wendelstag, dem 21. Oktober des vorangegangenen Jahres also, „sei ihre monatliche reinigung für das erste mahl ausgeblieben ... und von dieser Zeit an bis anhero ihre zeit nicht mehr gezeiget und an ihren brüsten auch die Wahrzeichen davon wahrgenommen, so wäre sie nun mehro gesicheret, daß sie schwangern leibes seye".22 Die Milch in ihren Brüsten hatte der ausbleibenden „Reinigung" nach sechs Monaten des Interpretierens und Experimentierens eine unzweifelhafte Bedeutung gegeben. Dennoch blieb auch für sie das Gefühl „schwangern leibs" zu sein „eine Erwartung, die vor der Geburt nicht zur Tatsache" werden konnte.23 Nicht immer wußten Frauen beim ersten Anzeichen für eine Schwangerschaft bereits ihren Zustand einzuordnen; ganz im Gegenteil überwogen Unsicherheiten und Zweifel, standen doch andere Deutungsmuster - für die aussetzende Blutung etwa oder für weitere körperliche Reaktionen - zur Verfügung. Anna Catharina Spaniolin aus Gennweiler bei Ottweiler sei es, nachdem sie mit ihrem Liebhaber zum ersten Mal geschlafen habe, „raulich und kranklich worden, wußte aber nicht, was ihr eigentlich gewesen", denn sie habe an einer Schwangerschaft wohl „gezweiffeit, aber solches auch nicht recht gewußt". 24 Auch Maria Agnes Bernthenselin von Litzig wußte nicht, ob sie von ihrem Liebhaber, dem Trabener Chirurgen Georg Wilhelm Rutz, mit dem sie sich mehrfach getroffen hatte, schwanger war, während Maria Catharina Erbsin von Rißbach 1759 angab, sie sei „krank und wassersüchtig", aber - obwohl schon mindestens im fünften Schwangerschaftsmonat sicher nicht schwanger. 25 Sie habe „nit vermeint, mit einem Kindt zugehn", habe „nie recht gewüßt, daß sy mit einem Kind gangen", so beurteilte auch Anna Guna 1598 ihre körperliche Verfassung. Und die Witwe Anna Catharina Lambert aus Schiffweiler, die bereits mehrere Kinder geboren hatte, gab 1728 beim dortigen Amtsgericht, von dem sie ihren auf Wanderschaft befindlichen Liebhaber, mit dem sie aus Armut Stube und Bett geteilt hatte,

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suchen lassen wollte, an, sie habe „mehr nicht alß einmahl" mit ihm geschlafen, weshalb sie doch stark „gezweifelt, ob sie [schon] davon schwanger worden". 2 6 Schließlich hatte Margaretha Schmitt aus Bous sich von der „Heidenfrau", einer Wahrsagerin aus Engelfangen, „die Wahrheit" sagen lassen und dabei erfahren, „daß sie schwangern leibs seye", denn „zuvor habe sie daran gezweifelt". 27 Daß Unsicherheiten und Zweifel bei der Schwangerschaftsdiagnose ein schichtübergreifendes Phänomen waren, beleuchtet folgende Episode: Juliana, Wild- und Rheingräfin zu Grumbach, die ein Verhältnis mit Hans Ludwig, dem Rheingrafen von Dhaun eingegangen war, hatte sich auf eine Reise nach Birkenfeld begeben und war dort zu ihrem größten Erstaunen niedergekommen. Dem dortigen Pfarrer, der ihr Kind taufte, gestand sie, „daß sie nit gewußt, daß sie geschwängert, sonst sie wolle zu Grumbach blieben sein". 28 Den zeitlich frühesten sichtbaren Hinweis auf eine eventuelle Gravidität gibt die ausbleibende Menses. 29 Verheiratete wie ledige Frauen kannten die temporale Konstante dieses weiblichen ,Fruchtbarkeitszeichens' ebenso wie sie um den genauen Zeitpunkt seines individuellen monatlichen Eintretens wußten. Mit Selbstsicherheit erwarteten sie ihre „Regel" in gewohnten Abständen, bemerkten sofort, wenn sich der Termin verzögerte, waren verunsichert, wenn sie sich nicht wenigstens nach dem nächsten Zyklus einstellte. Die aussetzende Menstruation bildete allerdings in der auf eine Schwangerschaft deutenden Hierarchie der Körpersignale eher ein Element der unteren Ebene, eine möglicherweise korrigierbare, vorübergehende Unregelmäßigkeit. Als Anna Sybilla Keßler, die wegen ihres mittlerweile vom ganzen Dorf registrierten Leibesumfanges 1734 zu einem Gespräch ins Wörschweiler Pfarrhaus zitiert wurde, beantwortete sie die Frage des Geistlichen, „ob sie etwa schwanger" sei, mit einem einfachen Nein. Sie „hätte ihre Zeit nicht", besser gesagt: „sie hätte wohl etwas davon gesehen, aber nicht viel, sondern hätte sich nur gezeigt". Die an der individuellen Empirie durch quantitative und qualitative vierwöchige Beurteilung der Menses orientierte Selbstbeobachtung einer dazu im Vergleich ungewöhnlichen Neuerung, veranlaßte Anna Sybilla zu der Annahme, daß sie „krank", daß „ihr nicht wohl" sei. Entsprechend dieser Diagnose hatte sie folgerichtig „zwar artzney gebraucht, aber nichts verdächtiges" eingenommen, wie sie dem Pfarrer versicherte.30 Auch Anna Barbara G ö t z aus Hasselbach hatte 1708, „alß sich das menstrum eine zeit hernach bey ihr gestellet", ihren Geliebten und Bruder ihres Dienstherren in den nächstgrößeren Ort beordert, „in meinung, weilen sie davon kräncklich, solche durch ordentliche mittel wieder in gang zu bringen". 31 Zeichen, die heute eine Frau zur Vorsicht bezüglich der zu treffenden Maßnahmen veranlassen, verlangten in früheren Zeiten geradezu Korrekturen im Namen der Gesundheit: Mit dem „stockenden Blut" und der Anwendung von Mitteln, die es „wieder in gang" brachten, war keineswegs das für die Frauen des 20. Jahrhunderts traumatische Erlebnis eines

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ungewollten Abbruchs oder eines Abgangs des Fötus, sondern die heilsame Reinigung der „Mutter", des Uterus, verbunden. Die wenigsten Frauen gingen wie Anna Hette aus Tünsdorf oder Barbara Clausin von Dirmingen beim Ausbleiben ihrer Menses bereits davon aus schwanger zu sein. „Seulement par la perte de ses regies", so betonte Anna sowohl bei ihrer ersten Schwangerschaft 1777 als auch bei der zweiten 1785, sei sie sich ihrer Schwangerschaft ganz sicher gewesen. Und auch Barbara Clausin war überzeugt, „ihr schwangerschafft, da sie ihre menses verlohren, an sich zu vermercken". 32 Jede Frau hatte ihre individuellen Anhaltspunkte, die sie sich leibhaftig zuschrieb, Vermutungen, die es ihr erlaubten, sich seelisch, physisch und sozial schwanger und eben nicht „krank" zu fühlen. Die meisten Dörflerinnen versuchten die noch mehrdeutige Veränderung im biologischen Zyklus ihres Unterleibes, diese zunächst als „Stockung des Geblüths" interpretierte und an sich selbst beobachtete „Krankheit", mit jenen Maßnahmen und mit Hilfe der Personen zu behandeln, die der ländlichen Volksmedizin zur Verfügung standen: Die eine hatte von einer Frau aus dem Ort Kräuter besorgt, die der „Fortsetzung der Purification" dienlich waren; eine andere vermeinte, mit „Likör" etwas ausrichten zu können, wieder andere waren wegen Ratsuche zu heilkundigen Spezialisten und Spezialistinnen gegangen.33 Neben der Einnahme von Tränken und Pulvern hatte etwa Anna Margaretha Voltz aus Mainzweiler, die nach Aussetzen ihrer „Regel" dennoch davon überzeugt war, daß sie jetzt ebenso wie ihre Schwester an der Wassersucht erkrankt sei, den Barbier konsultiert und sich einem Aderlaß unterzogen, hatte von diesem auch „ein tranck von Wein und Safran", einen Schwitztrank sowie ein Purgativum mit nach Hause genommen, war schließlich zu einem Arzt gegangen, der ihr ebenfalls „etwas gegeben, tropfenweis einzunehmen". 34 Weil sie „ihre ordinaire nicht bekommen, hätte sie dieses der hiesigen Hebammen als des peter Müller Ehefrau allhier, geklaget, welche ihr ein trunck gekocht, vor solches wieder in stand zu stellen", so berichtete die Magd des Saarwellinger Pfarrers 1757 über ihre erste Maßnahme. Der Gemeindebote habe ihr danach aus der Apotheke einen weißen und einen roten Trank mitgebracht „vor das geblüt wieder in gang zu bringen", und letztlich habe sie zum selben Zweck von ihrem Dienstherrn eine Medizin erhalten, selbst gekocht von dessen Kollegen, dem Kaplan Jung aus der Nachbargemeinde. 35 Keine der Frauen, die über Monate Hilfen zur Heilung ihrer angenommenen „Krankheit" gesucht und nicht gefunden hatten, die mithin bereits seit einiger Zeit schwanger waren, hatte das „stockende Geblüth", da weitere Zeichen sich nicht oder noch nicht ankündigten, als eindeutiges Indiz ihres tatsächlichen Zustandes eingeordnet. Wie weitgespannt die Deutungsbreite und wie falsch selbst bei ausgebildeten städtischen Medizinern mit Zulassung als Geburtshelfer die Diagnose angesichts einer fehlenden Menses

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ausfallen konnte, wird im Folgenden sichtbar. Als im Jahre 1714 bei einer jungen Frau aus der Nähe von Boulay die Regel über eine längere Zeit ausblieb, nahm sie selbst und ihre Familie zunächst eine Krankheit an. Die Frau konsultierte „bonnes femmes" und Volksheiler, gebrauchte Medizin, ja unternahm mit ihren Angehörigen Wallfahrten und Bittgänge ins entfernte Luxemburgische, bis sie sich wegen ihres „widernatürlichen" Zustandes schließlich vom Teufel besessen glaubte und um einen kirchlichen Exorzismus bat.36 Der „bößen Versamblung", wie etwa Margaretha Braun aus Sayn die eigene stockende Menstruation bezeichnete, hatte sie endlich eine dämonische Ursache verliehen, um ihren kaum mehr ergänzbaren, aber stets fehlgeschlagenen Heilungsversuchen eine plausible Erklärung zu geben. Daß sie mittlerweile im achten Monat schwanger war, kam selbst ihrem Ehemann nicht in den Sinn. 1795 wurde eine Dienstmagd ins Saarbrücker Hospital aufgenommen, weil sie ihre körperliche „Zerrüttung der Entbehrung der menstruation zu danken, die statt nach dem natürlichen weg, sich nach der brüst gezogen" und deshalb einen mit „starken auswurf verknüpften Husten" ausgelöst habe, so die Diagnose des untersuchenden Landphysikus und städtischen Geburtshelfers Caspar Dill. 37 Daß die Magd wenig später ein gesundes Kind zur Welt brachte, zeigt deutlich, daß auch studierte Experten in ihrer Diagnose nicht selten versagen konnten. 38 Dies gilt ebenso für die ländliche Schwangerschaftsdiagnose und Geburtshilfe: Die Dienstherrin der oben erwähnten Margaretha Braun aus Sayn, der Margaretha angegeben hatte, es „stunde wunderlich ahn" und gehe ihr schlecht, weil bei ihr „ein böße Versamblung" vorliege, ließ darauf die örtliche Hebamme rufen. Selbst diese Spezialistin bemerkte jedoch nicht, daß Margaretha von nichts anderem als von Geburtswehen gepeinigt wurde. Mit der Angabe, sie „muße auf die heimlichkeit gehen", erhob sie sich in deren Gegenwart vom Bett, gebar in der Scheune ihr völlig „ausgetragenes, gliedtmäßiges Kindlein" und kehrte dann mit den Worten zurück: „Gott gelobt, daß das boße gebluth von mir abgegangen". Dienstherrin und Hebamme hatten ihren Worten ohne weiteres geglaubt, nachdem sie vor der Zimmertür das unwiederbringliche „Anzeichen", nämlich ,,ein[en] Placken bluth" und auf dem „neu angekleideten" ebenfalls Blutflecken bemerkt hatten. 39 Das „stockende Geblüth", die „böße versamblung", das Blut, das „ansteht", die ausbleibende „Reinigung", all diese Bilder für körperliche Reaktionen weisen darauf hin, daß in der ländlichen Gesellschaft von einer populären Rezeption der „Lehre der Körpersäfte" ausgegangen werden kann. Ob man sich die Entwicklung eines Fötus im Mutterleib aus der Ansammlung des nicht abfließenden Blutes vorstellte oder annahm, daß die „Versamblung" des Blutes seiner Nahrung diene, muß dahingestellt bleiben; wir haben darüber keine direkten Zeugnisse. Hebammenlehrer Anton Moritz zumindest - er verfaßte 1773/74 ein Lehrbuch für die Landhebammen des Kurfürstentums Trier - vertritt in seiner Anleitung mit dem Hinweis auf falsche Vorstellungen

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in der ländlichen Bevölkerung eine gegenteilige Auffassung: Gerade in den ersten drei Monaten der Schwangerschaft benötige der Fötus entgegen landläufigen Vorstellungen zu seiner Nahrung noch nicht viel Blut, weshalb viele Frauen wegen Blutüberflusses an Übelkeit, Erbrechen oder anderen Unpäßlichkeiten litten, wogegen Frauen, bei denen ihre Menses sich weiterhin einstelle, oder die während der ersten Schwangerschaftsmonate ein Kind stillten, davon verschont seien, da auf diese Weise der Blutüberschuß abgebaut werde. Indirekt gibt Moritz damit einen Hinweis auf die volkstümliche Annahme, daß sich der Fötus in der ersten Zeit seiner Entwicklung vom aufgestauten Menstruationsblut ernähre. Nicht nur wegen einer gefährlichen „Vollblütigkeit", sondern auch zur Vermeidung einer „Verschüttung" der Frucht, d.h. eines Abgangs des Fötus mit dem „verstockten Geblüte", rät er deshalb in der elften Schwangerschaftswoche zum Aderlaß.40 Trotz seiner detaillierten medizinischen Kenntnisse über „Geburtsglieder", Fortpflanzung, Befruchtung und Entstehung des Ungeborenen - er betont auch ausdrücklich, daß die Gebärmutter keineswegs „wie viele Weiber meynen, bis zum Hals aufsteigen könne" - , bleibt der Hebammenlehrer dennoch wie viele seiner Kollegen im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts den älteren Ansichten vom Ausgleich der Körpersäfte verhaftet. Moritz verweist im Zusammenhang mit der ausbleibenden Menses auf weitere Zeichen in den ersten Schwangerschaftsmonaten, die er auf die fehlende „Reinigung" des Körpers zurückführt: Übelkeit, Erbrechen, Schwindel, Schmerzen in den Schenkeln („Goldene Ader") oder beim Wasserlassen und Kopfschmerz.41 Die Frauen in der ländlichen Gesellschaft scheinen derartige körperliche Beeinträchtigungen, die sie häufig nicht spezifizieren, sondern als Schmerzen, „Weh", „Kollik" oder mittels adjektivischer Wendungen bezeichnen, durchaus auch mit dem Ausbleiben ihrer Menses in Verbindung gesehen, nicht jedoch unbedingt als Anzeichen einer Schwangerschaft gedeutet zu haben. Als ihr nach Ausbleiben der Menses „wehe worden, hab Sy begert, etwas auß der Apothek für die Beermuter [Gebärmutter] zu holen", so berichtete Anna Guna 1598. Daß sie „mit einem jungen Kindlein umbfangen und schwanger worden", habe sie nicht gewußt, gab auch Wirtz Engell aus Furt in der Herrschaft Ottweiler 1550 an, es sei ihr aber so „raulicht" geworden, daß sie zusammen mit ihrem Bruder zum Oberschultheißen Zeisig, einem wohlbekannten Volksheiler der Gegend, gegangen sei.42 Während Marguerite Chamboier aus Baillay zu Beginn der von ihr unbemerkten Schwangerschaft (1608) an ständigen Zahnschmerzen litt und sich deshalb Medizin besorgte43, war der Schwester des Enkircher Pfarrers Langerhanß im Jahre 1736 „etlich mal in der Kirchen übel worden, daß man sie herauß führen müßen". Und auch auf einer Hochzeit in Konken sowie beim Schafscheren im Hochwald sei ihr „so oft übel worden, daß sie hinder haus gelegen ..., auch mit beschwerlichkeit nach hauß gebracht worden"; ja sie erlitt sogar mehrere Ohnmächten, was aber, wie ein

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sei. Körperliche „Unpäßlichkeiten" waren in der ländlichen Gesellschaft, deren Menschen täglich harter körperlicher Arbeit ausgesetzt, deren Nahrungsmittel und Speisepläne nicht die besten waren und deren Auffassungen von und Möglichkeiten zur Hygiene keineswegs denen des 20. Jahrhunderts entsprachen, also „nichts ungewöhnliches", zumal bei jungen Leuten. So erstaunt auch in diesem Falle nicht, daß junge Frauen bei eintretenden Schmerzen, Übelkeit und sogar Unterleibsschmerzen nicht oder vielmehr noch nicht auf eine Schwangerschaft schlossen. Diesen zwar deutlichen Zeichen einer körperlichen Veränderung fehlte das richtungsweisende Signal, jenes eindeutige Klopfen aus dem Innersten ihres Bauches, das sie aus Geschichten und Erzählungen anderer Frauen kannten, vielleicht sogar bei einer ihnen nahestehenden Frau hatten ertasten dürfen. N u r selten bemerkten Frauen nach mehreren Schwangerschaftsmonaten die Bewegungen in ihrem Leib nicht; ihre Selbstbeobachtung, ihre Empfindungen und Gefühle waren auf ihren Körper hin sensibilisiert, mit dem sie seit geraumer Zeit in Kommunikation standen, weil er ihnen ständig - wie auch immer zu deutende Botschaften übermittelte. Die Besonderheit, daß schwangere Frauen im Herzogtum Lothringen im 17. und 18. Jahrhundert die Möglichkeit hatten, gegen die Väter ihrer noch ungeborenen nichtehelichen Kinder zu klagen oder auch nur ihre Schwangerschaft anzuzeigen, um zugleich mit dieser freiwilligen Angabe zum einen dem Verdacht des Kindsmordes, zum anderen der Verhängung von Unzuchtsstrafen zu entgehen, läßt neben der Betrachtung des Einzelfalles allgemeinere Erkenntnisse bezüglich der Beobachtung von Kindsregungen und ihres Stellenwertes für die Selbsteinschätzung der Frauen zu.45 Ein Blick auf mehrere Tausend „Declarations de grossesse", freiwillige Selbstanzeigen Schwangerer vor den zuständigen Amtsgerichten zwischen 1704 und 1791, zeigt deutlich, daß alle Frauen die in sämtlichen Protokollen an sie gestellte Frage, seit wann sie sich schwanger fühlten, mit der Angabe des genauen Tages oder einer Zeitangabe in Monaten bzw. Wochen beantworten konnten. Bezeichnenderweise bestätigten sie ihre Schwangerschaft offiziell niemals vor dem fünften Schwangerschaftsmonat und zumeist mit dem Zusatz, „son fruit" habe sich in ihrem Bauch geregt, was ihnen sicheres Zeichen für ihre Schwangerschaft sei.46 Die zumeist erst ab dem vierten Monat der Schwangerschaft bemerkbare Kindsregung war eine in der bäuerlichen Gesellschaft allgemein bekannte Tatsache, die gleichzeitig bestätigte, daß etwas Lebendiges vorhanden sein mußte, daß etwas sich bewegte und wuchs. Anna Guna aus Ensisheim, die „etwas im Bauch lauffend verspürt" und von ihrer Schwangerschaft aufgrund weiterer Anzeichen ahnte, fragte eine befreundete Dienstmagd, was sich wohl da in ihrem Bauch befände und ließ diese „darauf greifen". Die Freundin gab jedoch zur Antwort, „seie nur, das sie ir Zeit nit hab", ihr

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selbst sei es ein ganzes Jahr ebenso ergangen.47 Daß sie schwanger war, so erzählte Marie Bazinet aus Spada 1755 ihrer Schwester und ihrer Tante, habe sie erst gemerkt, als sich nach einem Sturz in der Mühle von Relincourt etwas in ihrem Bauch bewegt habe; aber erst vier oder fünf Tage vor der Geburt habe sie die „Frucht" wirklich gespürt.48 Wieder ein mehrdeutiges Zeichen? Wenn eine Kindsregung, wie sie Anna und Marie gespürt hatten, eine erstmalige und einmalige Erfahrung blieb, wurde sie nicht selten in ein anderes Deutungsmuster eingeordnet, weshalb viele Frauen, wie es die lothringischen „Declarations" bestätigen, eine ganze Weile auf weitere derartige Bewegungen in ihrem Leib warteten und dann erst, im sechsten bis achten Monat, nachdem sie sich wirklich sicher sein und andere Möglichkeiten ausschließen konnten, ihre Gravidität öffentlich vor Gericht oder gegenüber anderen Personen bestätigten. Sie habe „die frucht vor ungefehr 3. biß 4 Wochen im leib verspüret", gab Anna Setzer aus Löstern zu Protokoll, die jetzt im sechsten Monat schwanger war; „in letzt verstrichener Pfingstwoche habe sie verspüret, daß sich etwas bey ihr gereget", so auch die seit Weihnachten schwangere Appolonia Holherin aus Stennweiler am 21. Juni 1740; „hätte übrigens 3 wochen oder 14 tage vor Gertrudis tage gespühret, daß sich etwas bey ihr gereget", gab Margaretha Wackin im siebten Schwangerschaftsmonat an, und auch Anna Hette aus Tünsdorf, Fran$oise Donot aus Corny, Katharina Mouson aus Waldwies, Angelique Pitano aus Orscholz und viele andere Frauen mehr zeigten ihre Schwangerschaft erst im siebten oder achten Monat mit dem Zusatz an, sie hätten eine Regung in ihrem Leib vor zwei bis drei Monaten zum ersten Mal gespürt.49 Nach diesem Muster der Vergewisserung hatte auch die Tochter des Allenbacher Schultheißen Jacob erst einmal abgewartet: Genau am 22. April, wie sie sich erinnerte, habe sie die „erste Wahrnahme ... empfunden", was sie jetzt, nach weiteren acht Wochen der Uberprüfung und wiederholter Regungen zur öffentlichen Bestätigung ihrer Schwangerschaft vor Gericht veranlasse.50 Selbst verheiratete Frauen eröffneten ihren Zustand Verwandten oder Nachbarinnen, ja sogar dem eigenen Ehemann gegenüber nicht selten erst, nachdem sie im vierten oder fünften Monat mit der ersten Kindsregung ihrer Schwangerschaft einigermaßen sicher sein konnten. Als 1611 Velten Brigida aus Saarwerden ihren Mann aus dem Wirtshaus abholen wollte, weil es ihr aufgrund ihrer bereits einige Monate währenden Schwangerschaft schlecht ging51, war dieser, wie auch die hinzugerufenen Nachbarinnen, völlig uninformiert. Der betrunkene, aber bislang ahnungslose Ehemann und Vater mehrerer Kinder wettete nach ihrem vergeblichen Erscheinen im Wirtshaus sogar noch um zwei Maß Wein, daß seine Frau wegen ihrer schlechten Laune bestimmt wieder „schwangers leibs" sei.52 Daß die verheirateten Frauen trotz sicherer individueller und vorerst „heimlicher" Anzeichen selten in der Nachbarschaft über ihre ,anderen Umstände' redeten und stattdessen davon ausgingen, daß ihr Zustand sowieso irgendwann an ihrem

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Leibesumfang, durch andere sichtbare Zeichen oder per Zufall bemerkt werden würde, zeigt auch eine Begebenheit in Niederlinxweiler: Mehrere Dorffrauen hatten 1731 einer im vierten oder fünften Monat schwangeren Nachbarin, von deren Gravidität sie jedoch nichts wußten, einen Schabernack gespielt, der sie derart in Schreck versetzt hatte, daß sie Leibschmerzen bekam und ihre Schwangerschaft um der gezielten Hilfe durch eine Hebamme wegen schließlich doch preisgeben mußte." So sehr Frauen stets betonen, wenn sie in einem späteren Stadium ihrer Schwangerschaft oder nach ihrer Niederkunft über die erste Zeit der Schwangerschaft erzählen, das Kind oder die „Frucht" „hette zu Anfang noch kein Leben" gehabt54, sprechen sie im Zusammenhang mit dem späteren körperlichen Erlebnis der Kindsregung erstmals davon, „leben gefühlet", „die frucht im leib vermerket", „das Leben des Kindes verspüret", „ihre leibes frucht lebend in ihrem leib verspüret", „das Leben ihres Kindes zuerst gespüret" oder „ihrer tragender frucht leben verspuhrt" zu haben.55 Was die Frauen also in ihrem Bauch bemerken, benennen sie in einem Gespräch mit anderen, in der Öffentlichkeit oder vor Gericht allgemein „Leben", „Leibes-Frucht" oder einfach „Frucht" und „Kind". Bemerkenswert ist dabei die Analogie zur Pflanzenwelt („Frucht") und eben nicht zur Tierwelt, die man als das passendere und näherliegende Anschauungsobjekt in einer ländlichen Gesellschaft und in Zusammenhang mit Themen um Schwangerschaft und Geburt vermutet hätte. Anscheinend war auch die aus religiösen Texten und bildlichen oder sonstigen Abbildungen bekannte symbolische Darstellung schwangerer Frauen mit Blumen, Früchten, Bäumen oder Pflanzen - etwa der zunächst unfruchtbaren heiligen Casilda, die nach ihrer wundersamen Schwangerschaft mit Blüten im gerafften Kleid, der heiligen Eulalia oder der Mutter Gottes, die als Schwangere mit einem Blumenteppich dargestellt werden 56 - ebenso in populäre Vorstellungen über die Schwangerschaft eingegangen wie die Geschichten über Kindsregungen etwa bei Anna, Elisabeth, Maria, Katharina und anderen Frauengestalten des christlichen Glaubens. Die Zeit, in der Maria, Anna oder Margaretha als schwangere Frauen mit geöffnetem Leib, in welchem ein völlig ausgebildetes, geburtsreifes Kind zu sehen war, in Kirchen und Wallfahrtsstätten als Statuen oder Bildnisse öffentlich ausgestellt wurden, war bereits seit dem Konzil von Trient durch andere ikonographische Vorgaben abgelöst worden. Es ging nun darum, den schwangeren offenen Leib peinlich zu verhüllen, weder Anstand noch Schamgefühle zu verletzten, indem man schwangere Frauengestalten erst gar nicht mehr oder nurmehr in symbolischer Andeutung darstellte. 57 Der Bevölkerung waren mit dieser Zensur wertvolles Anschauungsmaterial, Inspirationen und zugleich Anhaltspunkte für das Reden über den schwangeren Leib und seinen unsichtbaren Inhalt verloren gegangen; und so deutet die Bezeichnung des noch ungeborenen Lebens als „Frucht" oder „Leibesfrucht" sowohl auf einen neueren volksreligiösen als auch auf den

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lebensweltlichen Hintergrund einer Dorfbevölkerung hin, die in ständigem Kampf mit der Natur dem kultivierten Boden die „lieben Früchte" - so die häufige Bezeichnung für die angebauten Nahrungsmittel - abringen mußte. Gleichzeitig markiert die Verwendung des Begriffs „Leben" eine anders konnotierte Benennung des noch unsichtbaren Kindes im Mutterleib. Die im 16. und bis zur Hälfte des 17. Jahrhunderts häufig von den Schwangeren für den sich regenden Fötus verwandte Bezeichnung „Kind" oder „Kindlein" wandelte sich im 18. Jahrhundert zu seiner Betitelung als „Leben" oder „Frucht". Diese begriffliche Änderung deutet semantische Verschiebungen in mehrere Richtungen an: möglicherweise bezüglich des eigenen Körperverständnisses der schwangeren Frauen, bezüglich der Vorstellungen vom ungeborenen Kind oder bezüglich des Verhältnisses der werdenden Mutter zum Fötus in ihrem Bauch. Vom Wandel der Zuschreibung „Kind" für den nicht sichtbaren Embryo in früherer zur Bezeichnung „Leben" oder „Frucht" in späterer Zeit auf eine Entwicklung hin zu einem unpersönlicheren, sogar entfremdeten Verhältnis oder gar abstrakten Verständnis zu schließen, wäre sicherlich unzutreffend, denn was die Frauen des 16. und 17. Jahrhunderts unter dem Etikett „Kind" verstanden, wissen wir nicht genau. Unsere Kenntnisse über zeitgenössische Vorstellungen und Phantasien zum Ungeborenen verdanken wir ausschließlich medizinischen Schriften und Ikonen des 16. bis 18. Jahrhunderts, erschließen wir bestenfalls indirekt über den Umgang der Dörflerinnen mit ihrer „Leibesfrucht". 58 Vielmehr deutet die Verschiebung der Bezeichnungsweisen auf Verunsicherungen und ein geändertes Selbstwertgefühl der Frauen zugleich hin: Unsicherer als in früheren Zeiten war man sich anscheinend darüber, ob das, was da im Mutterleib „kollerte", tatsächlich schon ein ausgebildetes „Kind" war, oder ob die erst jetzt zum Leben erwachte „Frucht" im Leibe heranreifen und sich zu einem „gliedmäßigen Kind" ausbilden müsse, wozu die Unterstützung und Mitwirkung der werdenden Mutter erforderlich war. Erfahrungen zeigten, daß frühgeborene Kinder nicht lebensfähig waren, daß Fehlgeburten noch wenig Ähnlichkeiten mit einem ausgereiften Neugeborenen aufwiesen, daß bei frühzeitigen Abgängen nicht einmal eindeutig bestimmt werden konnte, ob es sich um einen Fötus oder einen Blutsturz handelte. Sie habe ein „weiß häutlein" gesehen, so gab 1611 eine Hebamme bezüglich des Blutganges einer benachbarten Ehefrau an, „könne aber nicht eigentlich sagen, ob es ein geburt gewesen oder nicht".59 Die sprachlichen Bilder vom schwangeren weiblichen Leib reden im 18. Jahrhundert mehr als zuvor von einer Schale oder Hülle, in der die Frucht heranwächst, einem Backofen gleich, in dem das Kind bleibt, bis es „gar" ist.60 Sind diese geänderten Vorstellungen möglicherweise Indizien für eine andere und vielleicht intensivere Wahrnehmung der neun Monate vor einer Geburt, dafür, daß der Blick sich nicht mehr nur auf das Ergebnis, das am Ende der Schwangerschaft geborene „Kind" richtete, sondern ebenso auf den Prozeß des Wach-

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sens und „Gedeihens" der „Leibesfrucht" während der Schwangerschaftsdauer und damit gleichzeitig auf den weiblichen Körper, der keineswegs nur Hülle und Schutzraum war? Vieles spricht für diese Annahme, nicht zuletzt die besonders im 18. Jahrhundert ausgeprägten Annahmen einer Beeinflußbarkeit des Fötus durch Erlebnisse und Imaginationen der Mutter, aber auch die sprachlichen Wendungen der Frauen selbst. Die Frauen reden im 18. Jahrhundert nicht mehr von „einem Kindlein" oder „dem Kind", mit welchem sie „umfangen" seien, sondern von der lebendigen Regung, die sie von „ihres leibes frucht" oder „ihrer tragender frucht" verspüren. Sie bezeichnen mit der Erfahrung, etwas Lebendiges in „ihrem Leib" gefühlt zu haben, den subjektiv empfundenen Zeitpunkt des beginnenden Wachstums ihrer eigenen „Frucht" im eigenen Leib - was lebt muß auch wachsen, so lehrt es die Natur. Und sie umschreiben damit zugleich eine emotionale wie körperliche Empfindung, in die sie selbst aktiv involviert sind. Die Schwangere wird nicht mehr „umfangen", um die Bilder des 16. und 17. Jahrhunderts noch einmal im Vergleich sprechen zu lassen, sondern sie selbst „trägt" - und sie prägt ihre Leibesfrucht. 61 Alle Frauen, die im Herzogtum Lothringen ihre Schwangerschaft im 18. Jahrhundert freiwillig vor Gericht anzeigten, schworen einen Eid, „d'avoir soin de son fruit", „de veiller exactement a la conservation de son fruit", ja eine „bonne mere" zu sein.62 Frauen, die zur selben Zeit ihre Schwangerschaft im Herzogtum Pfalz-Zweibrücken selbst bei Gericht angaben, versicherten ungefragt, „ihres Leibes frucht zu schonen" 63 und in der Herrschaft Dagstuhl „sorg zu tragen, damit sie ihrer leibes Frucht glucklich entbunden werdten". 64 Nur selten griffen Frauen nach dem Bemerken sowie der wiederholten Bestätigung der ersten Kindsregungen noch zu blutreinigenden oder abtreibenden Mitteln 65 , ja selbst diejenigen, die ihre Schwangerschaft bis zur Geburt verschwiegen oder bewußt nicht beachteten, weil sie kein Kind haben wollten oder konnten, erinnerte sich im Nachhinein an dieses eindringliche Zeichen aus dem Inneren, Unsichtbaren. Die 1731 des Kindsmordes beschuldigte Anne Catharine Vivier aus Bettborn, die ihre Schwangerschaft bis zur Geburt und Tötung des Kindes verheimlicht hatte, gab in ihrem Verhör zu Protokoll, sie habe versucht, ihre gesamte Schwangerschaft zu ignorieren, aufgrund der bemerkten Bewegungen des Kindes jedoch sehr wohl geahnt, daß sie schwanger sei und auch den Geburtstermin vorherbestimmen können, weil sie annahm, zum Zeitpunkt der Kindsregung wohl gut die Hälfte ihrer Schwangerschaft überstanden zu haben.66 Das sich regende Kind hatte den Prozeß der Verdrängung unterbrochen, hatte Zeichen gesetzt, die selbst bei größtem Bemühen um Ignoranz bis in die Erinnerung hineinreichten. Umgekehrt gingen Schwangere, die keine Bewegung ihres Fötus verspürten, entweder davon aus, überhaupt nicht schwanger zu sein, oder sie glaubten, ein totes Kind in ihrem Leib zu tragen. Da sich das später zur Welt gebrachte Kind während der ganzen Schwangerschaft nicht bewegt habe, so gab eine Frau 1755 gegenüber an-

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deren an, wäre sie davon ausgegangen, daß es tot sei.67 Sie wundere sich nicht darüber, daß sie ein totes Kind zur Welt gebracht habe, kommentierte Madelaine Schutz aus Broudersdorf in der Bailliage Dieuz 1777 ihre Niederkunft, denn sie habe in der ganzen Schwangerschaft keinerlei Regung des Kindes verspürt.68 Bis zu den „Geburtsschmerzen und als das wasser schon bey ihr angebrochen gewesen were", ja bis „das kind gäntzlich zur Welt kommen", habe auch die Tochter des Ottweiler Perückenmachers Theobald Schuhmacher 1717 ihre Schwangerschaft stets abgestritten, denn, so gab sie später zu Protokoll, sie „hette niemahlen einiges leben gefühlet".69 In umgekehrter Analogie zur registrierten Kindsregung, die existierendes Leben signalisierte, markierte die Bewegungslosigkeit nicht vorhandenes Leben in der Doppeldeutigkeit von Tod oder Leere. Im Hinblick auf diese Alternativen lenkten die Wünsche und Hoffnungen illegitim Schwangerer ihre Selbstwahrnehmung im Falle ausbleibender Bewegungen des Fötus weit eher zur Annahme einer leeren „Mutter", einer nicht vorhandenen Schwangerschaft also, während verheiratete Frauen im gleichen Kontext oft von einer toten Leibesfrucht ausgingen, deren imaginäre oder tatsächliche Existenz sie zumindest auf ihre potentielle Fruchtbarkeit hoffen ließ.

Sichtbare

Zeichen

Es waren nicht allein diese verborgenen, heimlichen und zunächst nur von der Schwangeren selbst spür- und deutbaren, verheimlichten oder mitgeteilten Signale, welche die Elemente jenes Puzzles bildeten, bei dessen allmählicher Zusammenfügung das „schwanger gehen" immer deutlicher erahnt werden konnte. Der Körper selbst veränderte seine Gestalt, seine Gesten und Bewegungen. Diese äußerlich sichtbar werdenden Merkmale einer Schwangerschaft waren individuelle, konnten aber auch kollektive Erkennungszeichen sein. Dennoch war der „dicke Leib" einer Frau in der ländlichen Gesellschaft, wie es den Anschein hat, eine mehrdeutige Angelegenheit, die besonders für ledige Frauen weitreichende Konsequenzen mit sich bringen konnte. Der Fall der Margaretha Schmitt (Schmidt) aus Bous, selbst uneheliche Tochter und seit ihrem zwölften oder dreizehnten Lebensjahr Waise, die bereits mit 17 Jahren Mutter eines nichtehelichen Sohnes wurde und sich nach jahrelanger Wanderschaft im nahe Püttlingen gelegenen Großwald bei einer Tante niederließ, zeigt eine dieser möglichen Folgen auf. Nachdem Margaretha fünf Jahre im Großwald bei ihrer Tante gelebt und sich mit Strickarbeiten ernährt hatte, entstand 1774 unter den Bewohnern das Gerücht, sie sei aufgrund ihres zunächst dicken und plötzlich wieder dünnen Leibes schwanger gewesen.70 Als dann der Kohlengräber Simon Schmidt beim Holzmachen und Schweinehüten im herrschaftlichen Wald einen „halben Kopf" in der durch die Schweine aufgewühlten Erde ent-

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deckte, machte das Gespräch von einer angeblichen Schwangerschaft und Niederkunft der Margaretha im ganzen Dorf die Runde. 71 Gemeinsam suchte man vergeblich nach einer vergrabenen Kinderleiche, mehrere Frauen befragten Margaretha, erhielten aber von ihr zur Antwort, sie sei nicht schwanger gewesen und habe erst recht kein Kind umgebracht und verscharrt. Obwohl Margarethas Tante, Anna Maria Thiel, entgegen allen Verdächtigungen bestätigte, sie habe an ihrer Nichte „hembdern immer und so lange sie bey ihr sich aufgehalten, wahrgenommen, daß sie ihr monatliche Reinigung gehabt" 73 , sah sich der herrschaftliche Jäger Johannes Kringel, dem „alles von hören sagen bekannt" war, wegen des kursierenden „gesprächs" dazu veranlaßt, das „mensch aus dem Wald" zu jagen. 74 Auf Anraten und mit der Erlaubnis des Pastors von Püttlingen, an den sich Margaretha in dieser ausweglosen Lage wandte, mietete sie sich schließlich in Püttlingen eine Kammer, „damit die von ihr gegangene gespräche, als ob sie schwanger wäre, vermiedet würden". 75 Margaretha Schmitt war keineswegs schwanger, hatte ihre Schwangerschaft weder verheimlichen wollen, noch ein Kind geboren und dann getötet, mußte jedoch aufgrund der kollektiven Wahrnehmung ihres Leibes und seiner Veränderung, letztlich also wegen einer Fehlinterpretation der sichtbaren, aber in diesem Falle mehrdeutigen Zeichen ihres Körpers, ihren bisherigen Lebensraum und ihre Verwandten verlassen. Nur ein Jahr später wurde die aus ihrem sozialen Kontext als „liederliche Dirne" vertriebene Frau tatsächlich zur Kindsmöderin. 76, Ähnliche Konsequenzen erfuhr die Dienstmagd Maria Barbara Heckelin nach siebenjähriger Dienstzeit bei einem ottweilerschen Bauern. Im Jahre 1738 kam ihr das Gerücht zu Ohren, im ganzen Ort vermute man aufgrund ihres Leibesumfangs, daß sie schwanger sei. Die empörte Magd teilte sogleich ihrem Dienstherrn mit, „daß von ihr ein gespräch gienge, daß sie sich desfals nicht erhalten könte, und sie dieserwegen fortgehen muste". Noch am gleichen Tag packte sie „ihr bündel" und verlangte von ihrem Dienstherrn den Abstand mit dem Zusatz, „weilen die leut ihr ein solches Gespräch mächten", habe sie hier keine Chance mehr einen Mann zu finden. Maria Barbara wanderte zu einer befreundeten Familie bis nach Heilbronn, um dieses falsche Gerücht über ihre angebliche Schwangerschaft weit hinter sich zu lassen/ 7 Auch in diesem Falle glaubten die Dorfbewohner einzig aufgrund des zunehmenden Körperumfangs eine Schwangere wahrzunehmen: Man habe ihr die Schwangerschaft „wohl angesehen", so die einhellige Meinung im Ort über eine Frau, die sich während der sieben Jahre ihres dortigen Aufenthalts „wohl aufgeführet" und nur an Körpergewicht mehr als üblich zugenommen hatte. Es erstaunt einerseits, wie häufig der „dicke Leib", das körperliche Symbol einer Gravidität, selbst von den nächsten Verwandten, von Haus-, ja sogar von Bettgenossen unbemerkt blieb, wie akribisch andererseits die Zunahme des Leibesumfangs einer Frau von einem ganzen Dorf beobachtet

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und kommentiert werden konnte. Während für die tatsächlich schwangeren Frauen selbst ihre sich mehrende Leibesfülle im fünften oder einem späteren Monat kaum mehr ein erstauntes Wahrnehmen der Veränderung des eigenen Leibes auszulösen vermochte, da sie sich in dieser Phase ihrer Schwangerschaft einigermaßen sicher sein konnten und eine Körperzunahme erwarteten, war der sich verändernde weibliche Leib, der für die Außenwelt zumeist den ersten sichtbaren Hinweis lieferte, Gegenstand vielfältiger dörflicher Gespräche und Spekulationen. „Im anfang des Aprils seye gantz spat Johann Jacob in ihr hauß kommen und habe gesagt: was neues, barthen gret ist schwanger", so berichtete Maria Elisabeth Artin aus Wörschweiler 1772 vor der Kirchenzensur, nachdem sie von der Barthin wegen übler Nachrede angezeigt worden war. Am folgenden Abend sei der Jacob wieder zu ihr gekommen und „habe behauptet, die Sache seye also, er habe sie [die Barthin] heute bey der gemeind beobachtet, daß sie schon gantz dick und daß ihre armen auf dem bauch schon ruhen konnten". 78 Die untrüglichen Wahrnehmungen des Dörflers - dicker Bauch und darauf ruhende Arme, eine typische Körperhaltung schwangerer Frauen bis heute - hatten diesen zur Annahme einer Schwangerschaft bei der verheirateten und als „von gutem Wandel" bekannten Nachbarin sowie zur Weitergabe seiner Beobachtungen an die Artin veranlaßt. Wenngleich sich Johann Jacob - wie sich später herausstellen sollte - diesmal getäuscht hatte, geben seine Beobachtungen Hinweise auf die nach außen hin sichtbare Semiotik des als schwanger wahrgenommenen weiblichen Körpers. Obwohl aus mancherlei Erfahrungen bekannt war, daß der angeschwollene Bauch einer Frau durchaus von der „Verstopfung des geblüts"79 oder von anderen Ursachen herrühren konnte, war freilich den Phantasien um diese leibliche Veränderung oft kein Einhalt zu gebieten. Als die von ihrem Mann, einem Soldaten in der Landauer Kompanie, getrennt lebende Anna Catharina July aus Wiebelskirchen im Jahre 1705 „nicht allein dick wordten, sondern die bein auch aufgeschwollen und gantz steiff" waren, glaubte ihre Nachbarin, die selbst zehn Kinder geboren hatte und diese körperlichen Wandlungen bei Anna Catharina festgestellt hatte, aufgrund ihrer eigenen Erfahrungen die Zeichen einer Schwangerschaft zu bemerken. Das Gerücht verbreitete sich im ganzen Dorf, ein Junge wollte plötzlich ein Neugeborenes gesehen haben, eine Frau brachte gegenüber dem als Dorfnachrichter fungierenden Scharfrichter vor, sie habe sogar „das Kindt" schreien hören. Während letzteres auf purer Einbildung beruhte, litt Anna Catharina tatsächlich an geschwollenem Leib und Beinen, ja hatte zudem eine blaue Gesichtsfarbe, beides allerdings Körperreaktionen, welche von ihrer seit mehreren Monaten ausbleibenden Menses und eben nicht von einer Schwangerschaft herrührten, wie das Amtsgericht wenig später bestätigen konnte.80 Dennoch: Der „dicke Leib", der vorstehende Bauch, auf dem die Arme ruhten, der sich rundende und dann dünner werdende Körper, angeschwol-

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lene Beine oder eine ungesunde Gesichtsfarbe, dies alles waren augenfällige körperliche Signale und zugleich Elemente eines Deutungsmusters, nach dem die Gemeindebewohner eine Frau „alle dem äußerlichen ansehen nach vor schwanger" 8 ' hielten. Ob ihre Beobachtungen und Vermutungen sich bestätigen würden oder nicht, sollte die Zukunft erbringen; häufig genug, so lehrte ebenfalls die Erfahrung, hatten vor allem unverheiratete Schwangere, deren Zustand mit der Rundung ihres Bauches öffentlich sichtbar wurde, alles abgestritten und später doch ein Kind geboren. Sie sei „zeitt ihrer Schwangerschafft mit groß ohngewohnlichen dicken leib gesehen worden, undt zwahrn von jederman des orths", so bestätigte 1714 auch die Kindsmörderin Margaretha Braun aus Sayn, die ihre Schwangerschaft stets mit der Behauptung, das „geblüt" gehe nicht fort, geleugnet hatte, die ungewisse Doppeldeutigkeit der wahrnehmbaren Körperzeichen, die einer weiteren Uberwachung um so mehr bedurften. 82 Die Beobachtung des weiblichen Körpers hatte ihren Ort nicht nur in der Öffentlichkeit, bei Festen oder Besorgungsgängen, beim Kirchgang, Wasserschöpfen oder bei abendlichen Zusammenkünften. Vielmehr erlaubte das gemeinsame Wohnen, Arbeiten und Schlafen weit genauere Blicke auf den Körper und detailliertere Einblicke in geänderte Verhaltensweisen oder den Wandel der Körpersprache. Es erstaunt um so mehr, daß gerade Personen, die mit schwangeren Frauen im gleichen Haus lebten - im Falle unverheirateter junger Frauen vor allem die Arbeitskolleginnen, mit denen sie den Alltag und das Bett teilten, ja selbst die eigenen Mütter - , die Zeichen einer Gravidität entweder nicht erkannten oder sich mit Ausflüchten zufrieden gaben. So antwortete die Viehmagd des Saarwellinger Pastors Ballevre in gleicher Weise wie viele andere Dienstmägde auf die Frage des Gerichts, ob sie die Schwangerschaft der ebenfalls in Diensten des Geistlichen tätigen Anna Maria Martin nicht bemerkt habe, „nein, hette nichts wahrgenommen, ob sie gleich bey ihr geschlaffen und mit ihr gegessen". 83 Auch Dienstherrschaft oder Vermieter waren zumeist ahnungslos: „Were ihme gar nichts bekannt, noch seinen leuthen etwas davon wissend", kommentierte Michel Speicher aus Püttlingen 1775 die gerichtliche Nachfrage über Schwangerschaft und Niederkunft seiner Mieterin Margaretha Schmitt, während die Dienstherrin der Margaretha Braun sogar die Geburt des Kindes in ihrem eigenen Hof nicht bemerkt hatte.84 War es Oberflächlichkeit, Vernachlässigung der Aufsichtspflicht über das Dienstpersonal oder Desinteresse an den sowieso häufig den Ort wechselnden Mägden, war man allzuschnell bereit, sich mit einer plausiblen oder abweisenden Antwort abspeisen zu lassen, um Konflikten oder Unannehmlichkeiten aus dem Wege zu gehen? Oder war die distanziertere Dorföffentlichkeit einfach nur kritischer und skeptischer, weniger schnell mit den üblichen Ausreden zu beruhigen als etwa ein fremder Arbeitgeber oder eine vertrauende Mutter? Vielerorts, so scheint es jedenfalls, war das Dorf-

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gerede schneller, intensiver und konsequenter als der wachsame Blick und die Reaktionen der Hausgenossenschaft. In einem Falle bestürmten gleich mehrere Frauen des Ortes eine Dienstherrin, deren Magd im Gerücht stand schwanger zu sein, weil sie die Kammer der Magd untersuchen wollten; in vielen anderen Zusammenhängen bestanden die Dorffrauen darauf, eine von der Öffentlichkeit wegen ihres „angeschwollenen Leibes" als schwanger wahrgenommene ledige Frau, deren Mitbewohner im Haus nichts von ihrem Zustand wußten, zu „befühlen". 85 Die Dorfkontrolle hörte auch dann nicht auf, wenn sich zunächst mißtrauische Eltern auf die Auskünfte ihrer Töchter hin schon wieder beruhigt und ihren Kindern Glauben geschenkt hatten. Auf die Frage des Gerichts, ob ihre Eltern nicht gewußt hätten, daß sie schwanger sei, antwortete die 23jährige Marguerite Masson aus Dunekirchen bei Boulay, die im Hause ihrer Eltern lebte und dort 1606 heimlich entbunden hatte, ihre Mutter habe es wohl vermutet und sie auch untersuchen wollen, sie habe sie jedoch mit Worten beruhigt und ihren Zustand geleugnet; dem ahnenden Vater gegenüber, der ihr bei der Feldarbeit des öfteren gedroht habe, wenn sie ihm Schande mache, wolle er sein Leben lang nichts mehr mit ihr zu tun haben, hätte sie aus Angst vor seinem Zorn erst recht alles verschwiegen. Die Gemeinde jedoch war trotz dieser Negierungen immer noch skeptisch, weil man neben der Gewichtszunahme der Marguerite beobachtet hatte, daß sie nicht mehr zur Kirche kam und sich nur noch selten im Dorf blicken ließ.86 Die Mutter der Susanna Schmidt aus Feuchten bekundete 1611 zur Niederkunft ihrer im Haus lebenden Tochter, sie habe „niemals wissenschafft" von deren Schwangerschaft gehabt, und obwohl sie es ihr „ahngesehen" und die Tochter „oftermals mitt guthen und boßen wortten" befragt habe, sei diese jedesmal ungeständig gewesen. Erst mit dem Einsetzen der „Kindsnöte" und nach ihrer entsetzten Frage: „was daß wehre, hette gedachte ire dochter ihr geantwort, Mutter ich wils euch sagen, es ist ein Kindt vorhanden". Ihr Ehemann Peter dagegen sei völlig ahnungslos gewesen, habe wohl mehrmals gefragt, „was mangelt unser mägt, daß sie alß uff dem Beth liegen pleibt", wäre aber mit ihrer Antwort, daß „das geblöet bey ihr an gangen" zufrieden gewesen und habe nicht weiter insistiert. Ganz das Gegenteil taten die Dorffrauen: Zu dritt, unter ihnen die Hebamme des Ortes, erschienen sie vor dem Elternhaus der jungen Frau und erklärten, die Tochter „besichtigen" zu wollen.87 Waren Personen, die in unterschiedlicher Weise - als Eltern, Dienstherren und -herrinnen, Arbeitgeber oder Geistliche - Verantwortung trugen, schneller bereit, Mutmaßungen und wahrgenommene äußerliche Indizien einer Schwangerschaft der ihnen anvertrauten Frauen aufgrund deren vehementer Gegenrede zu ignorieren oder zu verdrängen, und wurde ein außerhalb des Hauses aufkommender Verdacht nicht selten Bestandteil der dörflichen Gerüchteküche, so bildeten Nachbarn, Verwandte, Freundinnen oder

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Bekannte eher die Gruppe derjenigen, die weiterhin genauer hinsahen: Man beobachtete nicht nur die sich verändernde Körperform, sondern alle Neuerungen, die mit dem Körper in irgendeiner Verbindung standen. Er habe wahrgenommen, so bestätigte der Beurener Sendschöffe Johannes Barberen 1695, daß sich seine Nachbarin Anna Catharina Michels „mit einem Seil oder Kord den leib umbgegürtet und mit einem kleinen höltzgen zur mehrer Einbindung des bauchs beigetragen habe". 88 Zumindest auf dem Land schien das Schnüren des Leibes eine Besonderheit darzustellen und so sehr von der Art abzuweichen, wie sich Dörflerinnen ansonsten kleideten, daß es die Aufmerksamkeit anderer erregte. Eine Frau, die ihren Körper durch Bänder, Schnüre oder Kordeln zu formen oder ihren Bauch durch Holzstücke abzuflachen suchte, folgte keinen in der bäuerlichen Welt bekannten figürlichen Schönheitsidealen oder Kleidungsgewohnheiten; vielmehr lag es nahe, daß sie an ihrem Leib geradezu etwas zu verbergen hatte. Auch an der im kleinstädtischen Ensisheim lebenden Anna Guna war zwar aufgefallen, daß sie sich während ihrer Schwangerschaft „hart untergürtet" und den „Rock überschlagen" hatte, sie stellte jedoch richtig, es sei „jederzeit sich also zu schürzen ir Brauch gewesen". 89 Konnte eine derartige Aussage schon im städtischen Bereich aufgrund anderer Arbeitsbedingungen und Kleidermoden auf eine selbst hier nur eingeschränkte Akzeptanz stoßen, so schien der sichtbar eingeschnürte Leib in der ländlichen Gesellschaft fast schon sein Gegenteil zu spiegeln: den unsichtbaren, angeschwollenen Leib einer Schwangeren. Daß nicht der Leib allein Zeichencharakter hatte, sondern der Umgang mit dem Körper und seine Gesten eine ebensolche Signalfunktion annehmen konnten, veranschaulichen die folgenden Episoden einer Metzreise und einer Fahrt nach Thronecken im Jahre 1736.90 Im November dieses Jahres hatten der verwitwete Pfarrer von Enkirchen, seine Schwester Margaretha, die nach dem Tod der Pfarrersfrau Aufnahme im Pfarrhaus bei ihrem Bruder gefunden hatte, und Elias Langers Ehefrau diese mehrwöchige Reise nach Metz unternommen, wobei der Langerin verschiedene seltsame Verhaltensweisen der Margaretha aufgefallen waren, die sie jedoch erst später richtig zu deuten vermochte: Auf der ganzen Reise hatte sich die Schwester des Pfarrers „nie bey ihnen den weibern auß und angekleidet, sondern immer gelegenheit gesuchet, solches allein und daß sie nicht dabey gewesen, zu verrichten". Auch als die Langerin, die bei einer Metzer Schneiderin ein Kleid für ihre Tochter hatte nähen lassen, die Margaretha darum bat, das Kleid einmal anzuprobieren, „weilen sie doch in ihrer ältesten Tochter groß wäre", lehnte diese ab, obwohl „ia lauter frauenzimmer da" gewesen seien. Selbst der Schneiderin sei bei dieser Gelegenheit aufgefallen, daß der Margaretha Kleid oben nicht richtig schließe, und bei nährerer Betrachtung habe sie festgestellt, daß „die brüst nicht zu, sonder weit aufstunde". Und auch einem Geschäftsfreund des Elias Langer war nicht entgangen, daß die unbe-

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obachtet am Fenster stehende Schwester des Geistlichen „eine seltsame und ungewöhnliche positur gemachet, und den bauch außerordentlich weit herauß gestrecket habe". Ahnliche Neuerungen hatte gleichfalls Anna Ursula an ihrer Schwester Margaretha bemerkt: Während eines Aufenthalts in Thronecken, wohin die Familie zur Hochzeit geladen war, hatte sie mit ihr Z i m m e r und Bett geteilt und befremdet wahrgenommen, daß sich die Schwester jeden Abend erst nachdem das Licht gelöscht war ausgekleidet und ins Bett gelegt habe, damit sie „ihren dicken bauch nicht sehen solle". Mittlerweile zirkulierte im ganzen O r t Enkirchen, besonders unter den katholischen Bewohnern, das Gespräch, der evangelische Pfarrer der Gemeinde „habe bei seiner Schwester gelegen und andere dinge m e h r " mit ihr getan, „die nicht zu sagen wehren". Auch hatte der Postbote mehrfach Arzneien aus der Trarbacher Apotheke ins Pfarrhaus gebracht, während die Dienstmagd des Geistlichen überall verbreitete, durch ein Fenster des Pfarrhauses beobachtet zu haben, daß beide auf dem Bett gelegen „und die schandthat würcklich verübet hätten". Schwester Anna Ursula und Ehefrau Langer wußten jetzt, was sie gesehen hatten, oder besser: warum sie nicht hatten sehen dürfen. N i c h t nur Margarethas Körper hatte sich verändert - an Bauch und Busen hatte sie zugenommen nicht nur den eigenen Umgang mit ihrem Körper, mit Nacktheit und körperlicher Ungezwungenheit hatte sie verändert - sie zeigte sich kaum mehr in der Öffentlichkeit, bedeckte ihren Körper sorgfältig, schirmte ihn selbst gegenüber den Blicken nächster Verwandter ab, wandte im gemeinsamen Bett der Schwester immer den Rücken zu. Vielmehr hatte sich ebenfalls ihre Körpergestik gewandelt, unbemerkt von ihr selbst, bemerkbar nur für Personen, die sie gut kannten: Sie hatte nicht mehr den leichten Gang wie früher, mußte sich öfter als zuvor hinsetzen, konnte im Stehen ihren Bauch nicht mehr genügend kaschieren.

„... daß er seine tochter verheyrathen oder sie von der Luderey Kollektive Wahrnehmungen

abhalte":

D i e häufig wiederholte These von der auf sich selbst gestellten und von der Gemeinschaft im Stich gelassenen ledigen Schwangeren, die ihr Kind allein zur Welt bringt und es aus Verzweiflung in dieser ausweglosen Lebenssituation tötet, trifft im ländlichen Bereich zumeist nur auf jene Frauen zu, die als fremde Dienstmägde keine soziale Anbindung im D o r f gefunden hatten.91 U n d selbst in diesen Fällen finden sich gravierende Unterschiede im Handeln der schwangeren Frauen, die nicht zuletzt auf die hierfür ausschlaggebenden Reaktionen der Kindsväter und ihrer Familien verweisen. Ledige T ö c h t e r eingesessener Dorffamilien indes traf das Schicksal der sozialen Ausgrenzung und Ignoranz nicht, es sei denn, sie verheimlichten ihre Schwangerschaft und Niederkunft bewußt, um ihr Kind entweder in einer

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entfernten Stadt zur Welt zu bringen und im Findelhaus zurückzulassen, Komplikationen in der dörflichen Ordnung aus dem Weg zu gehen, oder das Neugeborene umzubringen. Wie sehr sich das Kollektiv an der Diagnose einer möglichen Schwangerschaft beteiligte, wie intensiv man beobachtete, aktive Hilfe anbot und die geringsten Anzeichen deutete, beleuchtet der Weg der Anna Catharina Michels aus Beuren, die um 1695 dennoch heimlich ein Kind zur Welt bringen konnte. Die Aktivitäten der Gemeindemitglieder geben zugleich einen Einblick in ein äußerst engmaschiges dörfliches Netz aus Kontrolle und angebotener Unterstützung, aus Gerüchten und offener Aussprache, aus sozialen Ängsten und konkreter kollektiver Beweisführung. A m 29. März 1695 entschlossen sich die beiden Sendschöffen der Gemeinde Beuren, Johannes Barbelen und Frantz Schneyder, zu einem Besuch beim örtlichen Pastor. Das „gemeine gespräch", daß Johann Michels Tochter Anna Catharina schwanger sei, hatte sie veranlaßt, den Geistlichen davon zu unterrichten und ihn aufzufordern, er möge dem Vater der Anna Catharina „befehlen, daß er seine tochter verheyrathen thätte oder sie von der Luderey abhalte". Schon am nächsten Tag wurde dem noch ahnungslosen Johann Michels in Gegenwart der Sendschöffen auf dem Kirchhof vom Pastor aufgetragen, aufgrund der vermuteten Schwangerschaft seiner Tochter man hatte bemerkt, daß ihr Leibesumfang sich vergrößert und sie sich geschnürt hatte - , auf diese „acht zu geben". Johannes Barbelen, der örtliche Sendschöffe, begab sich darauf zu Anna Catharina, informierte sie über das Gerede im Dorf und bot an, wenn sie wirklich schwanger sei und „sie es von jemandt hette empfangen, der sie nit gudtwillig wolte heyrathen, so sollte sie ihme es sagen, Er wolte ihren helffen darzu anhalten". Anna Catharina jedoch lehnte die angebotene Heiratsvermittlung mit der Begründung ab, sie habe „mit keiner mansperson nichts zu thun undt were nicht schwanger". Wenige Monate später wandte sich Michael, der Bruder der Anna Catharina, hilfesuchend an den Sendschöffen; das Gespräch um seine Schwester nehme einfach kein Ende, so daß er nunmehr „der rechten warheit gewahr werden" wolle. Ein „guter man" - gemeint war der allseits angesehene und vom Bruder jetzt angesprochene Barbelen - solle mit der Schwester zur Edelfrau nach Merl oder zum Doktor und zur Hebamme nach Hontheim gehen, damit sie untersucht werde. Während der Sendschöffe sich zu diesem Gang bereiterklärte, war Anna Catharina „stilschweigendt" bereits zur Edelfrau von Merl, einer in der ganzen Gegend bekannten Heilkundigen, aufgebrochen, hatte dieser jedoch keineswegs von der vermuteten Schwangerschaft, sondern von „Brustmangel" und kalten Füßen berichtet und einen Trank erhalten. Nach ihrer Rückkehr gab sie an, die Edelfrau habe unmißverständlich an einer Schwangerschaft gezweifelt und glaube, daß „die leuth ihr gewaldt und unrecht thun". Sendschöffe Barbelen indes zweifelte und schickte einen Dörfler zur Edelfrau, auf dessen Nachfrage sich dann heraus-

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I. Von der Schwangerschaft zur Geburt

stellte, daß Anna Catharina die Möglichkeit einer Schwangerschaft verschwiegen hatte; man solle aber, wie die Edelfrau betonte, „ihr wohl in acht nehmen". Nochmals wurde der Vater der Anna auf diese Auskunft hin von den Sendschöffen ermahnt, seine mittlerweile krank zu Bette liegende Tochter zu beaufsichtigen, nochmals wurde auch der Geistliche informiert. Als die Sendschöffen schließlich auf dem Heimweg vom Geistlichen „ein leinentuch einer Kindtbetterin hinder Michels hauß auf dem Zaun" hängen sahen, nahmen sie dieses Beweisstück sogleich an sich, um es dem Pastor zu bringen. Daraufhin beorderte der Geistliche auf der Stelle „die Weiber" des Dorfes mit der Untersuchung der Anna: Diesen gegenüber stritt sie eine Schwangerschaft und Niederkunft freilich so energisch ab, daß die Frauen unverrichteter Dinge das Elternhaus verlassen mußten. Nur einen Monat später brachte die unter Beobachtung des ganzen Dorfes stehende Anna Catharina dennoch „ein Kindt allein und ohne wißen und beysein einiger anderer Weiber" im Wald tot zur Welt und begrub es dort. Den Dorffrauen war wiederum ihre körperliche Veränderung aufgefallen, so daß sie zwei Tage nach der heimlichen Geburt auf einer Visitation bestanden. Anna leugnete aufgrund der eindeutigen Zeichen einer Niederkunft an ihrem Leib nun nicht mehr und zeigte den Frauen die Stelle, an der sie das Kind begraben hatte. Nach der landläufigen Sitte beerdigten die Dörflerinnen das tote Neugeborene auf dem Kirchhof, während Anna nach zweifacher Folter und letztendlichem Geständnis des Landes verwiesen wurde. Die für den ländlichen Raum seltene heimliche Niederkunft der Tochter einer einheimischen Familie hatte, wie die nachträgliche Vernehmung des angegebenen Kindsvaters zeigte, ihren Grund in der Tatsache, daß es sich um einen verheirateten Familienvater aus dem Ort handelte. Verständlich werden vor diesem Hintergrund die von Anna Catharina abgelehnten Hilfsangebote der Dörfler bei der Heiratsvermittlung, ihre Versuche, die dörfliche Gerüchteküche mit fingierten Aussagen anderer zu korrigieren und ihr ständiges Leugnen gegenüber Eltern, Geschwistern, Nachbarinnen, heilkundigen Spezialistinnen und Vertretern der Dorföffentlichkeit. Deutlich wird zugleich das redliche Bemühen der Dorfgemeinschaft um Klärung und Wiederherstellung der gemeinsamen Ordnung und keineswegs um Ausgrenzung oder Isolierung des verdächtigten Dorfmitgliedes. Ganz anders als Anna Catharina halfen in den allermeisten Fällen die für schwanger gehaltenen Frauen und ihre Familien im eigenen Interesse bei der Aufklärung mit, auch mit dem Risiko, daß sich die Gerüchte bestätigten. Nicht nur die Kindsväter wurden von ihnen über die Anzeichen einer Schwangerschaft unterrichtet, sondern auch deren Mütter oder Schwestern; die eigenen Geschwister oder Verwandten wurden um Hilfe angesprochen, und beim Pfarrer wurde gebeichtet, was das ganze Dorf bereits ahnte.92 Die Frauen selbst wollten Klarheit über ihren Zustand und konsultierten Hebammen, Ärzte, Heilkundige, Bader oder Scharfrichter, die ihnen Ratschläge erteilten, Mittel

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verabreichten und eine erste Diagnose erstellten. Häufig suchten sie derartige Personen auf Anraten von Verwandten und Freunden, des Kindsvaters oder eines Geistlichen auf, denen sie sich anvertraut hatten. Nicht selten zwang sie das Dorfgespräch zu diesem Schritt, jenes kollektive Gerede, welches zumeist unter den geburtserfahrenen Frauen des Ortes seinen Anfang nahm, dann im ganzen Dorf die Runde machte, über gemeindliche Honoratioren und ihre Ehefrauen schließlich der betroffenen Familie, der Familie des vermuteten Kindsvaters und dem Geistlichen zugetragen wurde. Der gemeinschaftlichen Kontrolle und ihren Maßnahmen kamen im 16. und 17. Jahrhundert zumeist die Väter der im Gerücht stehenden ledigen Töchter zuvor, indem sie gemeinsam mit diesen eine mögliche Schwängerung und den Kindsvater vor Gericht anzeigten. In den meisten Fällen erreichten sie die Anerkennung des noch ungeborenen Kindes durch den angegebenen Vater, der entweder in eine Ehe einwilligte oder sich bereit erklärte, entstehende Kosten bei Geburt, Kindbett und für die spätere Versorgung des Kindes zu zahlen, oder aber das Kind nach Geburt und erster Stillzeit in seinen Haushalt aufzunehmen. 93 Auf diese Weise schien in der ländlichen Gesellschaft zumindest bis zum 18. Jahrhundert die Ehre der ansässigen ledigen Mütter wiederhergestellt, die in den allermeisten Fällen in späterer Zeit einen einheimischen Dörfler ehelichten, der keineswegs Vater ihrer Kinder sein mußte. Anders war dies bei ortsfremden Frauen, und ändern sollte sich dieses Verständnis auch im 18. Jahrhundert, als man den unehelich Schwangeren eine einseitige Beweisführung gegen den Vater ihrer Kinder auflastete. Darauf wird an späterer Stelle zurückzukommen sein; hier mag vorläufig nur interessieren, daß die Dorfgemeinschaft bei Angehörigen des eigenen Ortes nicht nur die Aufgabe der sozialen Kontrolle und moralischen Disziplinierung, sondern auch die der Herstellung von Ordnung, der Verteilung von Verantwortlichkeiten und der Wiederherstellung eines Ausgleichs unter den Familien übernahm. Nicht erst die Geburt eines Kindes oder ein Kindsmord erregten die Aufmerksamkeit der Dorfbewohner, vielmehr entstand bereits im Vorfeld einer angeblichen Schwangerschaft ein gemeinschaftlicher Diskurs, wurde nicht nur beobachtet, sondern aktiv geholfen, nicht nur geredet, sondern geraten, nicht nur außerhalb des Dorfes angezeigt, sondern innerhalb des Dorfes über eine mögliche Lösung verhandelt. Die Dorfgemeinschaft übernahm vielfach die Funktion der Beobachtung, Reglementierung und Kontrolle, der Diagnose und Hilfe, der Befragung und Zeugenschaft, der Vermittlung und Konfliktregelung zugleich. Meistenteils kamen Schwängerungsfälle zwischen einheimischen Dorfbewohnern allerhöchstem dann vor Gericht, wenn die Vaterschafts- und Alimentationsfrage ungeklärt blieb, wenn im Dorf ausgehandelte Zahlungen nicht geleistet oder Eheversprechen nicht eingelöst wurden, was jedoch eher die Ausnahme blieb. Doch kam es nicht selten vor, daß ledige Mütter die Väter ihrer Kinder erst nach mehreren Jahren, dann nämlich, wenn diese den

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I. Von der Schwangerschaft zur Geburt

elterlichen Hof übernommen hatten, heirateten und mit ihnen in einer Familie zusammenlebten. Das vorläufige Getrenntleben von Paaren mit gemeinsamen Kindern schien eine akzeptierte und legitime Ubergangsphase bis zur Gründung eines eigenen Haushaltes in einer Gesellschaft zu sein, die von der Subsistenzwirtschaft und ihren ökonomischen Grenzen abhängig war. Umgekehrt, so zeigte es das Beispiel der Margaretha Schmitt aus Bous, war man selbst beim geringsten Verdachtsmoment schon bereit, eine fremde unverheiratete Frau aus der Gemeinschaft zu verbannen, wenn sich das Gerücht über ihren schwangeren Zustand verbreitet hatte. Margaretha war aus dem Dorf gewiesen worden, ohne daß man abgewartet hatte, ob sich die vermutete Schwängerung durch eine Niederkunft bewahrheiten sollte oder nicht, weil sie bereits ledige Mutter war. Obwohl ihre „Liederlichkeit" die soziale Unduldsamkeit des Großwaldes, in dem Margaretha fünf Jahre lang mit ihrem nichtehelichen Sohn bei ihrer Tante gewohnt hatte, gegenüber der Fremden heraufbeschwor, zeigte aber dennoch das Nachbardorf Püttlingen die Bereitschaft, die ausgewiesene Frau auf die Bitte des Ortsgeistlichen hin aufzunehmen und ihr Unterkunft und Arbeit zu gewähren. Und selbst völlig ortsfremde Mägde hatten durch Fürsprache aus dem Dorf, in dem sie lebten oder aus dem sie stammten, die Chance, ihre Beziehungen zu einem Mann zu legalisieren, sofern sie ihr guter Ruf im Dorf schützte: Als 1727 der Schöffe von Dirmingen seine aus Marpingen stammende Magd Barbara beim Amtsgericht Ottweiler wegen ihrer Schwangerschaft anzeigte, verwies er zugleich auf den Kindsvater und dessen Heiratsversprechen gegenüber der Magd. Kilian Dietzler, ein Einwohner aus Dirmingen, war sogleich zur Heirat der von ihm schwangeren jungen Frau bereit.94 Nach der gerichtlichen Anzeige ihrer Schwangerschaft durch ihren Dienstherrn brachte 1736 die Dienstmagd Martha Jung aus Mühlbach vor, der Vater ihres Kindes, ein Schmiedeknecht aus demselben Ort, hätte ihr zwar die Ehe versprochen, dessen Vater lasse eine Heirat jedoch nicht zu und habe dem Sohn gesagt: „Komm du mein Sohn, man kan einem auch mehr nachreden als wahr ist, komm, komm nur mit mir, ich will die sache schon für dich ausmachen". Als sich der Dienstherr und zusätzlich der Pfarrer mit dem angegebenen Kindsvater beredet hatten, war dieser selbst gegen den Willen seiner Familie zur Heirat bereit.95 Bei Angehörigen der Mittel- und Oberschicht fanden sich andere Lösungen: Nachdem zwei Dorfbewohner den Trabener Chirurgen Georg Wilhelm Rutz 1747 mit seiner Dienstmagd Agnes „ertappt" hatten und eine Schwangerschaft allmählich öffentlich sichtbar wurde, gelang es dem Chirurgen, eine Heirat der Magd mit einem Dörfler aus der Nachbargemeinde Litzig, aus der auch die Magd stammte, zu arrangieren. Der jungvermählte Ehemann nahm das uneheliche Kind seiner nunmehrigen Ehefrau an, während Rutz sämtliche demütigenden und berufsschädigenden Kirchenstrafen erlassen wurden. 96 Selbst Dienstherren versuchten über Heiratsvermittlung ihre schwangeren Dienstmägde in einen Familienverband zu

Ein fruchtbarer Weinstock: Einstellungen zur Schwangerschaft

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integrieren. W ä h r e n d die Mutter der von einem Schuhmacherlehrling aus Winterbach geschwängerten Anna Catharina Oppermann sich bei der Kirmes in Winterbach direkt an den von der Tochter angegebenen Kindsvater wandte und ihm das Versprechen abrang, sie „wann sie in Schandt k ä m e " auch zu heiraten, und während der Meister des Schuhmacherlehrlings zusammen mit seiner Frau diesen mit den Worten „was hastu gemacht, du hast sie ja geschwängert", ebenfalls zur Ehelichung der jungen Frau überreden wollte, verfolgte der Dienstherr der M a g d andere Pläne. Da sich der Kindsvater vehement seinen Pflichten zu entziehen suchte, machte er einem unverheirateten Nachbarn die Ehe mit seiner M a g d mit materiellen A r g u menten schmackhaft: „Da könnte er ankommen, sie hette Vieh und dergleichen", gab er diesem gegenüber an. U n d außerdem sei da noch ein unverheirateter Vetter namens Martin, in dessen Haus beide dann ziehen könnten, verbunden mit der lukrativen Aussicht, ein „lebtag drin bleiben" zu kön97

nen. A u s der Palette der Möglichkeiten zeigen schon diese wenigen Beispiele, daß die Ausweisung oder soziale Isolierung fremder schwangerer Frauen nicht unbedingt die Regel war; auch hier setzten sich einzelne Personen oder Vertreter der Dorföffentlichkeit für eine den Ordnungsvorstellungen der Gemeinschaft entsprechende Zukunftsplanung der Schwangeren ein, häufig zusammen mit deren Familienangehörigen in ihrem Heimatort oder mit den Kindsvätern aus dem eigenen Dorf. Sowohl das Bemühen um die einheimischen w i e die fremden ledigen Schwangeren und deren und ihrer Kinder Versorgung verdeutlicht, daß Schwangerschaften und spätere Geburten als kollektive Angelegenheiten der Dorfgemeinschaften begriffen wurden, je mehr die betroffenen Frauen der Dorfgemeinschaft angehörten, desto eher. 98 Die schwangere Frau sollte kontrolliert, aber auch versorgt werden. Eine mögliche Schwangerschaft sollte entdeckt werden, aber es galt auch, den Kindsvater - sofern er noch unbekannt war - herauszufinden.

2. Ein fruchtbarer Weinstock: Einstellungen zur Schwangerschaft Gewünschte Schwangerschaften Mutterschaft w a r nicht nur aus sittlich-moralischen Gründen eng mit der Eheschließung verbunden, sondern gehörte wie letztere zur Gründung eines Familienstandes. Nach der christlichen Glaubenslehre galt das Gebären von N a c h k o m m e n und ihre Erziehung als selbstverständliche Aufgabe der Ehefrau, die laut Thomas von Aquin Gehilfin des Mannes, vor allem aber „Gehilfin beim W e r k der Zeugung" sein sollte." Auch die pfalz-zweibrückische Kirchenordnung Herzog Wolfgangs von 1557 betonte, die Ehe diene in erster Linie „zur Geburt". 100 Daß besonders adeligen Familien an

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I. Von der Schwangerschaft zur Geburt

der Fruchtbarkeit ihrer weiblichen Angehörigen und einer ausreichenden Zahl von Nachkommen gelegen war, bedarf keiner näheren Ausführung; so fehlen Gratulationsschreiben zur Eheschließung in diesen Kreisen selten die guten Wünsche an die neuvermählte Gattin, sie möge „mit Leibesfrucht gesegnet" sein, wie man anläßlich der Trauung des Herzogs Friedrich von Pfalz-Zweibrücken und der Herzogin Anna Juliana 1646 formulierte.101 Der Dudweiler Pfarrer Christian Ludwig Bartheis wünschte dem Fürstenpaar von Nassau-Saarbrücken anläßlich der Geburt und Taufe seiner Tochter Sophia Augusta im Jahre 1743, Gott möge die Fürstin und Landesmutter „zu einem fruchtbaren Weinstock" machen, der „viel schöne Trauben und breite bläder trag".102 Auch nach der ersten Niederkunft der Herzogin Elisabeth-Charlotte von Lothringen 1699 wünschte man ihr nichts eiliger „que la naissance d'un second Prince consolera de la perte du premier".103 Während das freudige Ereignis einer bevorstehenden Geburt in Adelsfamilien möglichst lange verschwiegen und bis zur Gewißheit einer tatsächlichen Schwangerschaft höchstens im Familienkreis besprochen wurde, scheinen adlige Frauen über ihre Gravidität nicht selten miteinander korrespondiert und sich gegenseitig beraten zu haben, wie der Briefwechsel zwischen Markgräfin Elisabeth zu Baden-Hohenberg und Helena von Piesport, der Gattin des Hofmeisters am nassauischen Hof in Saarbrücken um 1596 belegt. „Ich kan dich auch nicht verhalden, wie dass ich wieder schwanger bin", schrieb Elisabeth in jenem Jahr an Helena nach Saarbrücken, mit dem Zusatz, es verlange sie von Herzen, gerade jetzt wieder einmal bei der Freundin und Vertrauten zu weilen. Galt es doch, eine geeignete Hebamme für die bevorstehende Niederkunft und eine tüchtige Beschließerin zu finden, die für die Zeit des Kindbettes die Verwaltung des Hofes übernehmen ι

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konnte. Nicht nur in Adelsfamilien sollte eine gute Ehe mit Kindern gesegnet, eine Ehefrau bald auch Mutter sein, gehörte eheliche Fruchtbarkeit geradezu zur notwendigen Pflicht, nicht aus politischen Gründen wie in Adelshäusern, sondern aus eigenen, familiären Interessen und aus Überlegungen, die die Dorfgemeinschaft betrafen. Mit der „guten Hoffnung" und der „lieben Leibesfrucht" verbanden sich sowohl Zukunftspläne bezüglich der Altersversorgung, ausreichender Arbeitskräfte für die häusliche und genossenschaftliche Ökonomie, der eigenen Erben wie des Uberlebens von Familie und Dorf. Zur Bekräftigung vor allem des kollektiven Wunsches nach ehelicher Fruchtbarkeit folgte daher dem offiziellen Akt der Eheschließung in fast allen Gegenden Lothringens und des Saar-Pfalz-Raumes eine Initiation der jungen, noch kinderlosen Ehefrauen durch die verheirateten Dörflerinnen unter Leitung der Hebamme. Diese rituelle Einweihung unter Einbezug von Fruchtbarkeitssymbolen und Sprüchen stellte der Neuvermählten die eigentliche Aufnahme in den Kreis der Dorffrauen erst dann in Aussicht, wenn sie hoffentlich bald ein Kind zur Welt bringen würde.105 Daß erst die

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Mutterschaft die junge Ehefrau zum vollwertigen Mitglied der dörflichen Gruppe der verheirateten Frauen erhob, unterstreicht einerseits die Wichtigkeit der Zeugung von Nachkommen für die soziale Stellung selbst von Frauen in legitimen Verhältnissen. Schwangerschaft und Geburt eines Kindes knüpften sich an individuelle und kollektive Erwartungen, ja werteten eine Frau durch den Beweis ihrer Fruchbarkeit in gewisser Weise auf, ein Faktum, das sogar für ledige Mütter und ihre späteren Heiratschancen eine nicht zu unterschätzende Rolle gespielt haben dürfte. Umgekehrt hatte dagegen die kinderlose Gattin keine nennenswerten Sanktionen zu befürchten, wenn das Ehepaar einvernehmlich zusammenlebte und womöglich verwandte oder fremde Kinder bei sich aufnahm. Dennoch konnten sowohl unbegrenzte Fruchtbarkeit als auch Kinderlosigkeit eine Ehe auf die Probe stellen. Unfruchtbarkeit wurde als Strafe Gottes für die Verletzung eines Verbotes, als Auswirkung einer schädigenden magischen Praktik oder als Einwirkung dämonischer Kräfte angesehen106 und galt bei verweigertem körperlichem Vollzug der ehelichen Pflichten als Scheidungsgrund. Als in Albersweiler mehrere Jahre nacheinander kein Kind mehr geboren wurde, notierte der Pfarrer sowohl im Jahre 1636 wie im Jahre 1645 im Kirchenbuch, es sei „ein fluch Gottes, der die Welt allgemach vermuthlich zerstören will". 107 Andererseits sah man im überreichen Kindersegen eine Bewährung, einen Dienst am Nächsten auf Erden, der Zinsen im Himmel bringen sollte: „Viel Kinder, viel Vaterunser", so hieß es im Sund108

gau. Uber den Kinderwunsch dörflicher Ehepaare - und auch ihn unterstellen wir nicht aufgrund individueller Äußerungen, sondern der Hinweise aus dem rituellen und volksreligiösen Brauchtum wegen - sind nur indirekte Aussagen möglich. Wie stark das Bedürfnis nach einem eigenen Kind war, läßt sich sowohl an der Einbildungskraft mancher Frauen ablesen, die sich über Jahre hinweg immer wieder im Zustand der Schwangerschaft glaubten und keineswegs bereit waren, ihre Unfruchtbarkeit hinzunehmen, als auch am Verhalten von Ehepaaren, die zur Erfüllung ihres Kinderwunsches Wallfahrten, Bittgänge, Gelübde und Opferungen auf sich nahmen. 109 Eine Frau von Bliedersdorf, welche „niemahl kein lebendige Frucht, sondern allezeit unvollkommen Mißgeburt auff die Welt gebracht", hatte sich um 1671 in ihrer Not mit einem Opfer an die Gottesmutter mit den Pfeilen von Gräfinthal im Bliesgau" 0 gewandt und trotz aller Befürchtungen, sie würde auch diesmal „kein lebendige Frucht auff die Welt bringen", ein gesundes Kind geboren." 1 In Medelsheim war eine seit 20 Jahren unfruchtbare Frau, die „ein grosses Verlangen hatte, Kinder zubekommen" und trotz „allerhand mittel" kinderlos geblieben war, zu einer Bittfahrt zur Gräfinthaler Gottesmutter aufgebrochen und bald darauf schwanger geworden. 112 Und das Ehepaar Hansel aus St. Johann, das „schon lang ein Leib=Erben gewünschet", war nach einem Gelübde vor dem Gnadenbild in Gräfinthal bald

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I. Von der Schwangerschaft zur Geburt

„guter Hoffnung". 113 Die Mirakelberichte sprechen von „großem Verlangen", lange gehegten Wünschen, von Hoffnungen und Befürchtungen der kinderlosen Paare, von der Erfahrung, durch den Tod des Neugeborenen oder eine Totgeburt wieder kinderlos zu sein; sie bestätigen das Bedürfnis der Ehepartner nach gesunden Nachkommen, nach „Leib=Erben" im doppelten - biologischen und materiellen - Sinne. Allein schon die große Zahl von Wallfahrte- und Zufluchtsorten gegen Sterilität im lothringischen wie saar-pfälzischen Raum verdeutlicht das besonders intensive Anliegen, das sich mit der Hoffnung auf Kindersegen verband und Frauen wie Männer zu mühseligen Bittgängen und kostspieligen Opfergaben veranlaßte. In Gräfinthal wurden ein halbes bis zehn Pfund Wachs, wächserne Bilder, häufiger noch Rinder, Ochsen, Kühe, Pferde, Schafe, Schleier, Kleidung, Kirchengewänder und Geld geopfert; man bestellte Messen und gelobte Wallfahrten und Bittgänge auf bloßen Füßen.114 Auch zur Muttergottes in Beurig wallfahrteten die Frauen, wenn sie sich Kinder wünschten und riefen sie voller Zuversicht mit einem Gebet wie dem folgenden von 1708 um Hilfe an: „O Maria Gnadenreiche, Frauen=Bild/ Mutter mild/unser zuflucht/unser Schild/Du bist unser Mittlerin/unser Trost und Helferin/und vor Gott in der Noth/Gewaltige Fürsprecherin ... Ο Maria starkes Weib wohlgemuth/Helden=Blut Aller Christen Schutz und Hut".115 Man opferte vor allem Kerzen, machte „wüllen und barfuß" einen Bittgang zur hölzernen Statue „Unserer lieben Frau zu Beurig" oder bestellte Messen.116 Barfuß pilgerten auch ganze Gruppen von Frauen in den „Jungweiberbittgängen" zur heiligen Oranna nach Berus, nach Oppen, St. Gangolf, Mettnich und zur weit entfernten Wallfahrtskirche des heiligen Eberhard in Eberhardsklausen und dem Gnadenbild der „Maria Clusana" (Landkreis Trier), um durch Opfergaben und Berührung der Heiligen- und Marienstatuen den erhofften Kindersegen zu erflehen." 7 Lothringische Frauen berührten mit ihrem Fuß einen ovalen rosafarbenen Marmorstein, den „bonne pierre" im Mittelschiff der Kirche von Saint-Nicolas-de-Port und verließen die Kirche in dem Glauben, binnen eines Jahres ein Kind zu gebären.118 Gleiche Kraft sprach man dem „Wunderstein" an der Quelle des Guten Brunnens bei Güdesweiler im heutigen Saarland zu, auf welchen die Frauen nach verrichteter Andacht in der Kapelle der Jungfrau Maria und des heiligen Valentin beim anschließenden Wasserschöpfen aus der heilkräftigen Quelle traten.119 Besonderer Verehrung bei Unfruchtbarkeit erfreuten sich im Lothringischen die heilige Anna, die heilige Margareta und - wie in Saint-Nicolas-dePort - der heilige Nikolaus, dem die französische Königin, Anna von Österreich, bevor sie ihren ersten Sohn, den späteren König Ludwig XIV., zur Welt brachte, ein kostbares Diadem zur Erfüllung ihres Kinderwunsches geopfert hatte. Zur Quelle von Saint-Elophe pilgerte man zu einer sitzenden Frauengestalt und opferte in eine zu ihren Füßen stehende Schale zur Abhilfe bei Sterilität, und aus demselben Grunde suchte man eine in Metz und

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eine in Dillingen an der Saar befindliche steinerne Dreiergruppe unterschiedlich alter Frauengestalten (Arge, Opis, Loxa) auf.120 Adlige und bürgerliche Metzer Frauen begaben sich in Prozessionen in die „Chapelle de la Grange-aux-Dames" des alten Prämonstratenserklosters, in Nancy zur Maria von Notre-Dame-les-Bonsecours, Dörflerinnen gingen am Annentag (12. Juli) zur heiligen Anna nach Albechan (Departement Moselle), andere wallfahrteten zum „Croix aux trois Jambes" nahe Villers-lOrme. Dort legten sie kleine flache Kieselsteine auf den Deckel des Monumentes, bis eines der Steinchen liegen blieb, was auf eine baldige Schwangerschaft hoffen ließ.121 Aus der pfälzischen Gegend pilgerten unfruchtbare Frauen vor allem zum Heiligen Philipp von Zell, bei dem schon die Eltern Franz von Sickingens erfolgreich um Nachkommenschaft gebetet und geopfert hatten, nach Kirrberg, Kaulbach im Lautertal, Bann bei Landstuhl, zur Muttergottes nach Oggersheim, Maria Rosenberg, Wandesheim oder auf den Kolmerberg, zur Heiligen Anna nach Burrweiler oder Niederschlettenbach. 122 Besondere Rituale zur Erlangung der weiblichen Fruchtbarkeit bildeten sich um heilkräftige Quellen aus, wie sie in Güdesweiler, bei Illingen und Börfink, auf dem Lückner, am Limberg und am Herapel existierten. Vom Besuch einer solchen Quelle in Schweich im Jahre 1603 berichtet Johannes Mechtel: „Des nachts ware es ein selzam und ohngewonlichs spectaculum, daß zu feld, ja am wald und uff den ekern rings um den bronnen herum in der marketender und kramer hutten so vil feuer waren und weit aus leuchteten ... Alte weiber gingen bei dem bronnen herum zu den gebrechlichen menschen und legten jedem eine büß uff gewisser anzal vater unser und ave Maria ... Es liefe der bronne einer welschen nuß dick und hette zwen messingen rohrn; welcher doch wolte wasser haben, mußte wol ein Viertelstunden uff warten, wie am tiech Silöe zu Jerusalem, die aber ganze vasser voll haben wolten, die mußten warten bis in die tiefe nacht, daß alles volk abgewichen und jeder zu ruhe ware, sunst were ein sulcher ertrucket worden. Die reiche, und wer geld hatte, die langent im dorf ... Die arme aber lagen zu feld under den lauberhutten; wan einer abzöge, so verkaufte er seine hutt einem andern". 123 Nach der Legende hatte die Frau eines Fürsten aufgrund ihrer Gebete zu der mit einer Salbendose dargestellten heiligen Magdalena am Magdalenenbrunnen auf dem Limberg ein Kind empfangen, weshalb unfruchtbare Frauen die Magdalenenkapelle und die heilkräftige Quelle aufsuchten. Hier wie beim „Heiligenborn" am Lückner nahe Oppen, am „Guten Brunnen" bei Börfink in der Nähe von Birkenfeld, am „Liebfrauenbrunnen" bei Illingen, am „Gutenbrunnen" bei Wörschweiler oder an der Helenenquelle auf dem Herapel entstanden „wegen dem großen zu Lauff" mit der Erbauung von Kapellen nicht nur Andachtsstätten 124 , vielmehr etablierte sich unter den um Kindersegen bittenden Pilgerinnen und Pilgern ein besonderes Ritual um Fruchbarkeit und Segen: Man steckte selbstgefertigte kleine, aus Zweigen

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oder Reisig zusammengesetzte oder aus Halmen geflochtene Kreuzchen in das Laub und Moos am Quellufer, an den Quellmund oder warf sie ins Wasser, während man danach dreimal aus der Quelle trank. Der protestantische Klosterschaffner des Wörschweiler Klosters schreibt 1671 von „allerhandt Creutze[n], die die Papistische leuth umb den Brunnen herumb stecken", meinend die nahe beim Kloster gelegene Heilquelle des „Gutenbrunnens". N o c h 1842 berichtete ein Besucher, sowohl in der Kapelle auf dem Limberg, im Magdalenenbrunnen „wie rings umher, selbst im Wasser Tausende" dieser Kreuzchen mit eigenen Augen gesehen zu haben, und auch heute finden sich am Heiligenborn auf dem Lückner noch Kreuzchen zur Erfüllung von Kindersegen, an die Zettel angeheftet sind. „Thorsten aus dem Hunsrück wünscht Geschwister, Mai 1985", so ist dort etwa zu lesen.125 Die im Saarland bis heute gebräuchliche Bezeichnung „Kinnerstechen" für den auch im Schwarzwald, in der Reichenau, im Lavanttal, im Braunschweigischen, im Allgäu, ja sogar in Flandern und Irland bekannten Votivoder Opferbrauch des Kreuzchensteckens verdeutlicht Zweck und Vorstellungshorizont dieses früh belegten volksreligiösen Brauchtums. 126 Es verbindet das Darbringen des christlichen Kreuzessymbols als Votiv- und Andachtszeichen mit der im Saar-Pfalz-Raum und in Lothringen populären Vorstellung vom Kinderbrunnen, aus dem die zur Welt kommenden Säuglinge von der Hebamme oder der eigenen Mutter gezogen werden. 127 Lenz Kriss-Rettenbeck spricht von einer ,,sanktifizierende[n] und sanktionierende[n] Segens-, Weihe- oder Andachtshandlung, die einer natürlichen Heilhandlung ... den übernatürlichen Segen sichern soll". 128 Nicht nur die Heiligen waren für die Wiederherstellung der Fruchtbarkeit zuständig, zumal man den Grund der Sterilität häufig im Einwirken böser Mächte sah, deren Bannung und Abwehr ein weiteres Repertoire an Maßnahmen eröffnete. „Braucherinnen", segnende oder heilkundige Dörflerinnen verwandten bei Kinderlosigkeit der Frauen Sprüche wie: „Weich aus, weich aus du böser Geist, du hast kein Teil an meinem Fleisch" und verordneten zudem die Einnahme von Kräutern, Plazentastücken, Eihäuten, des Blutes aus der Nabelschnur eines Neugeborenen oder der Milch einer Kuh oder Sau, die zum ersten Mal geworfen hatten.129 Manchmal übernahmen auch andere, weniger einfühlsame Personen die „Therapie": 1625 hatten „junge bursch" der Frau des Meier Ciasgen aus Tawern „seumilch eingeben ..., das sie solle schwanger werden". 130 Frauen mit Kinderwunsch hängten die Leibwäsche der erhofften Kinder über die Feuerstelle, beschworen ihre Gebärmutter, sich an der rechten Stelle zu piazieren, da man annahm, eine unerfüllte Schwangerschaft könne auch aus der falschen Lage oder dem Wandern des Uterus im Unterleib resultieren: „Die Mutter liegt im Kreuz" oder die „Bärmutter fähret im Leib u m " waren bildliche Umschreibungen für die weibliche Unfruchtbarkeit." 1 Gefürchtet war im 16. und 17. Jahrhundert vor allem der Schadenzauber von

Ein f r u c h t b a r e r W e i n s t o c k : Einstellungen z u r Schwangerschaft

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Hexen, denen der Hexenhammer von 1487 die Fähigkeit zur Verhinderung der Zeugungskraft, zum Bewirken weiblicher Unfruchtbarkeit, von Früh- und Totgeburten, und denen zuvor die päpstliche Bulle Innozenz VIII. die Macht zugesprochen hatte, „die Geburten der Weiber, die Jungen der Thiere, die Früchten der Erde, die Weintrauben und die Baumfrüchte" verderben und „umkommen" lassen zu können.132 Auch der Hexenhammer empfiehlt Männern, „welche an der Zeugungskraft behext sind", und Frauen, die keine Kinder empfangen, Pilgerfahrten, fromme Gebete und Gelöbnisse.133 Populäre ländliche Vorstellungen verbanden Impotenz oder Unfruchtbarkeit zumeist mit der volksmagischen Praxis des Nestelknüpfens oder anderen Formen der schwarzen Magie wie im folgenden Falle von 1596: Cles Friedrich aus Kirrberg verklagte in diesem Jahr Elisabeth Muruff, sie habe ihn nun bereits in seiner zweiten Ehe „der Mannheit entsezt", so daß er wie in der ersten Ehe „mannloß worden" und keine Nachkommen zeugen könne. Schon als er bei seiner ersten Eheschließung auf dem Weg zur Kirche an Elisabeths Haus vorbeigegangen sei, habe diese „waßer auß ihrem Haus uf die gaßen und dahin er gehen mußen, geschüttet"; da seine Frau jedoch mit der Muruff in „guter Kundtschafft gewesen" und diese um Hilfe gebeten habe, sei er „wider zu crefften kommen". Nach seiner zweiten Hochzeit habe er wegen desselben Leidens zunächst den Pfarrer konsultiert, welcher „sich der Medicin underfangen"; da dessen Tränke jedoch nichts halfen, habe er mit Unterstützung seiner Mutter wieder die Elisabeth um Hilfe gebeten, die ihm ein grünes Pulver von süßem Geschmack mitgab, das er in Suppenbrühe einnehmen sollte. Aufgrund dieser Bezichtigungen des Dörflers das volksmagische Denken kannte die Gesetzmäßigkeit, daß diejenige Person, die eine Behexung bewirkt hatte, sie auch wieder rückgängig machen, „abnehmen" konnte' 34 - wurde Elisabeth Muruff vor Gericht vernommen. Sie gestand nach mehreren Verhören, sie „kenne wohl gekreut als nemlich Einkorn und Widderthann, helf es wohl und gutt", ja es habe auch gegen die Impotenz ihres ersten Mannes und beim jetzigen Büttel seine Wirkung getan. Erst nach Anwendung der Folter gab die Angeklagte zu, sie wisse sehr wohl „wie man einem die Natur nehme", entweder auf die Weise, wie sie es bei der ersten Hochzeit des Cles Friedrich mit Ausschütten von Wasser auf den Weg des Bräutigams zur Kirche getan hatte, oder indem man eine tote Natter nehme und „dieselbe wann man daß wasser abschlägt, darinnen" stecke.135 Hier wie in vielen anderen Fällen hatte sich bestätigt, daß die Unfähigkeit zur Zeugung von Kindern auf Hexerei beruhte und dieselbe Person, die den Zauber bewirkt hatte, ihn auch wieder zu neutralisieren vermochte. Auch Kettchen von Wellingen, einer in der Umgebung bekannten Wahrsagerin und Kräuterkundigen, wurde 1588 nachgesagt, „wann einem sein menlich glied und natur verruckt oder enthindert sei, dan wisse sie wieder zu helffen, und dasselbig wieder abzunehmen", ein verhängnisvolles Wissen, das sie bald in den Ruch der Fähigkeit zur Behexung der Frucht-

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barkeit von Frauen und der Zeugungskraft von Männern ihres Heimatortes bringen sollte. 136 In vielfacher Weise bestätigen die Geständnisse angeklagter Hexen, die häufig vor der öffentlichen Hinrichtung auf dem Scheiterhaufen den anwesenden Dorfbewohnern verlesen wurden, die populäre Überzeugung, Kinderlosigkeit könne eine Folge von Zauberei und schwarzer Magie sein. Wie sehr der ausbleibende Kindersegen verheiratete Paare betrübte und wie groß die Freude nach jahrelanger Kinderlosigkeit war, dokumentieren die Ortsgeistlichen in ihren Kirchenbüchern beim Taufeintrag. Von einer großen Gnade schrieb der Pfarrer von St. Johann 1773, denn nach neunjähriger unfruchtbarer Ehe sei dem hiesigen Weißgerbermeister doch noch ein Söhnlein geboren worden. 137 Im evangelischen Kirchenbuch für die Orte Bischmisheim, Fechingen und Eschringen trug Pfarrer Georg Albrecht Beltzer gleich in zwei aufeinander folgenden Jahren „Wunder" des späten Kindersegens ein: 1731 hatte eine Frau nach 14jähriger Kinderlosigkeit einen Sohn geboren, und 1732 war „Hanß Michael Müller, Schneiders zu Fechingen, nachdem er mit seiner Frauen Eva Margaretha schon 18 Jahr in der ehe ohne Kinder gelebet, das erste, nämlich ein Söhnlein, geboren" worden. 138 Daß die Geburt eines langersehnten Nachkommen neben der Freude auch große Verwirrung auszulösen im Stande war und manchmal der Wunsch Vater der Rede sein konnte, zeigt ein Nachtrag im Saarbrücker Taufregister von 1776. Erst nach der Taufe des langersehnten Sohns von Johannes Bernhart, der den Namen Peter Dietrich erhalten hatte, habe „es sich gefunden, daß dies Kind kein Knabe, sondern ein Mägdgen sei. Daher ist ihm der Name Sophia Wilhelmina gegeben worden", so notierte der verwunderte Geistliche. 139 Nicht nur die Vielfalt der Maßnahmen, die kinderlose Ehepaare ergriffen, um ein ersehntes Kind zu erlangen, verweisen mitsamt den ländlichen Initiationsbräuchen, die den kollektiven Wunsch nach Nachkommenschaft jeder geschlossenen Ehe dokumentieren, auf einen hohen Stellenwert der mit Kindern gesegneten Familie. Gleichfalls geben die emotionalen Reaktionen von Frauen und Männern auf eine nach langem Warten eingetretene Schwangerschaft weitere Hinweise auf die Gefühlslage der Paare. Man machte sich große Sorgen um die „glückliche" und unkomplizierte Geburt eines lebenden Nachkommen, war entsetzt und traurig, wenn sich eine Fehloder Frühgeburt einstellte. Als Carl Friedrich Stumm, Erbe eines großen Eisenhüttenimperiums an der Saar, seiner Vaterschaft entgegenblickte, schrieb er seinem Freund, dem Arzt und Geburtshelfer Dr. Schwalb aus St. Wendel: „Das höchste Glück auf Erden sind denn doch liebe gesunde Kinder, in ihnen sehn wir uns fortleben und so erlangen erst alle andern güter einen gewissen bleibenden Werth. Ich kenne den seligen genuß, solche junge fröhliche Wesen um mich zu sehn und ihre Entwicklung zu beobachten, freylich auch den groben Schmerz, sie wieder zu verlieren". Beunruhigt - die obi-

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gen Zeilen lassen den Verlust eines früheren Kindes vermuten - hatte sich Stumm bereits mehrmals an den Fachmann gewandt, weil seine Frau die Regungen des Kindes nur in der rechten Bauchseite verspürte, weil, wie er selbst beobachtet hatte, ihr Leib noch immer keine rechte Wölbung zeigte und er sich Sorgen um die richtige Lage des Ungeborenen machte, ja ebenfalls, weil sich Marie-Luises „Gemütszustand" zu verändern begann. Der nahen Niederkunft seines Kindes sah der Großindustrielle deshalb „mit einer gewissen bangigkeit" entgegen. 140 Sicherlich kann der eindringliche Wunsch eines Unternehmers nach Erben und sein besonderes Verlangen nach Nachkommen zwecks späterer Betriebsübernahme keine Verallgemeinerung beanspruchen; gleichwohl läßt auch im ländlichen Bereich das Verhältnis zum und das Verhalten gegenüber dem Ungeborenen eine deutliche Sprache der Sorge erkennen. Wir werden im Kontext der „unglücklichen Geburten" nochmals darauf zurückkommen. An dieser Stelle sei darauf verwiesen, daß Frauen, vor allem erstmals Schwangere oder Erstgebärende, nach einer Früh- oder Totgeburt unter Weinen und Klagen den Verlust oder das „Verderben" ihrer „Leibesfrüchte" beklagten, daß sie diesen „Raub" der „lieben Früchte" ihres Leibes in Vokabeln wie „verunglücket", „herzlich leyd", „herzlich bekümmernuß" und „Unglück" beschrieben.' 41 Die geäußerte Trauer um den unbeabsichtigten Abort läßt freilich offen, ob mit ihr der Verlust des gewünschten Kindes oder die Nichterfüllung einer ehelichen und zugleich gesellschaftlichen Pflicht emotional bewältigt wurde. Beides hing zumindest bei bisheriger Kinderlosigkeit eines Paares eng miteinander zusammen und bedurfte des Trostes: Nachdem das erste Kind des Coster Dietrichs Hans aus Merzig kurz nach der Geburt 1597 verstorben war, sei dessen Patin Closter Otilgen ins Haus des unglücklichen Paares gekommen und habe „die Eltern getröstet, sollten zufrieden sein, es wäre besser das kindt, dan irer eins, sie kundten noch mehr kinder gewinnen". 142 Die Hoffnung richtete sich zugleich auf eine weiterhin intakte Fruchtbarkeit, welche sich durch Schwangerschaft und Geburt des verstorbenen Kindes zumindest prinzipiell bestätigt hatte, sowie auf das Uberleben der Kinder, die später geboren werden sollten. Selbst wenn es wenig Hinweise darauf gibt, daß kinderlose Ehepartner gesellschaftlich diskriminiert oder vom Dorfleben generell ausgeschlossen wurden, so bedeutete der ausbleibende Kindersegen dennoch einen Makel, der zum Teil durch die Aufnahme fremder oder verwandter Kinder kompensiert wurde. Doch war der Bedarf an Vätern oder Müttern beim Tod eines Elternteils in kinderreichen Familien so groß, daß besonders Witwen ohne Nachkommen als Stiefmütter Aufnahme in kinderreiche Haushalte verwitweter Männer finden konnten. Andererseits erfuhren verheiratete Frauen, die keine Kinder geboren hatten, eine gewisse Ausgrenzung, da sie etwa als Helferinnen an einer Niederkunft auf dem Land nicht teilnehmen

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I. Von der Schwangerschaft zur Geburt

durften.143 Aufgrund der ländlichen Lebens- und Arbeitsweise, mentaler wie volksreligiöser Einstellungen zur Familie und kollektiver wie familiärer Erwartungen an ein jung verheiratetes Paar wurde die Ehe ohne Nachkommen als unvollständig angesehen und Kinderlosigkeit keineswegs wie heute auf eine selbständige Entscheidung des Paares zurückgeführt. In einer Ehe keine Kinder zu wollen, war ebenso unvorstellbar, wie die Kinderlosigkeit als eine Wendung des Schicksals tatenlos zu akzeptieren. Die zahllosen Maßnahmen gegen Unfruchtbarkeit und Impotenz, die Trauer um eine „unglückliche" Schwangerschaft und Geburt, die Ängste und Hoffnungen, die die mißlungenen Versuche zur Erlangung von Nachkommen auslösten, geben in umgekehrter Deutung indirekte Hinweise auf den hohen individuellen und gesellschaftlichen Stellenwert der ehelichen Fortpflanzung in ihrer dreifachen Bedeutung: Die Ehe war von Gott mit Kindern gesegnet; Frau und Mann hatten im Hinblick auf ihre biologische Konstitution ihre „Normalität" und in moralischer Hinsicht unter Beweis gestellt, daß sie eine gute Ehe auch vollzogen; der Fortbestand des Verwandtschaftsverbandes sowie die Familienwirtschaft waren für die Zukunft gesichert. Kinderlosigkeit dagegen machte viele Spekulationen in genau umgekehrter Richtung möglich.

Beabsichtigte

Schwangerschaften

Das innerhalb einer Ehe gewünschte Kind war die eine Variante des positiv erlebten Kindersegens, das von einem, oder gerade von einem unverheirateten Paar bewußt gewollte Kind die andere Möglichkeit. Die strategisch gemeinsam oder einseitig geplante Schwangerschaft konnte viele Gründe haben, vom Konfessionsunterschied des Paares über verweigerte Eheerlaubnis der Eltern, Minderjährigkeit von Frau oder Mann, einzuhaltenden Trauerzeiten, vom Militärdienst des Mannes bis hin zur Erzwingung einer Heirat durch den weiblichen oder männlichen Part. Sie war Risiko und oft zugleich einzige Chance eines Paares oder einer Person, gegenüber Widerständen und Widrigkeiten dennoch eine Familie zu gründen. Nicht immer ist allerdings eindeutig zu unterscheiden, ob eine illegitime Schwangerschaft beabsichtigt oder „Unfall" war, wenn ein Paar oder einer von beiden mit der baldigen Niederkunft eine Eheerlaubnis begründete.144 Weil beider Eltern gegen eine Heirat seien und ihr Einverständnis verweigerten, hatten sich Mathes Bläser, der Sohn des Waderner Schmiedes, und Magdalena, die Tochter des Ludwig Johannes, nach dreijährigem Verhältnis dennoch die Ehe durch den Tausch von Ringen, Geldstücken und einem Kreuz versprochen. Jetzt, da Magdalena schwanger sei, könnten sie nicht mehr „wartten bis nach des Vatters tod"; sein Vater, so Mathes Bläser, „mög es haben wollen oder nit". Den vor Gericht zitierten Vätern des um Eheerlaubnis

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nachsuchenden Paares räumte man eine Bedenkzeit von drei Tagen ein, nach welcher Frist sie unter vielfältigem Protest ihre Einwilligung zur Heirat gaben.145 Auch Appolonia Diezler und Marx Brecker aus Münchwies in der Herrschaft Ottweiler konnten 1733 für eine Heirat weder das vorgeschriebene Dispenzschreiben ihrer Eltern noch eine Wohnung oder gar ein Auskommen nachweisen. Vater Brecker hatte seinem Sohn unmißverständlich mitgeteilt, wenn er die Appolonia heiraten wolle, „so möchte er sehen, w o er mit ihr hinkehme, in seinem Hause konte und wolte er selbige nicht haben, indem er 9 lebendige Kinder" zu versorgen und für sie nicht einmal genug Brot habe. Diese herbe Enttäuschung - Marx hatte der Appolonia die Ehe aus der zuversichtlichen Perspektive versprochen, sie würden danach zu seinem Vater ziehen, „indem er der älteste [Sohn] wäre" - verdoppelte sich, als auch Cornelius Diezler, der Vater der Appolonia, mit dem Verweis auf seine sieben noch im Haus lebenden Kinder eine Aufnahme des Paares ablehnte. Mehrere Monate später meldeten sich beide nochmals beim Ottweiler Amtsgericht mit der Bitte um Eheerlaubnis, da Appolonia ein Kind erwarte. Die vor Gericht zitierten Väter, die sich mittlerweile darauf verständigt hatten, daß sie ihre Kinder „nicht so in dieser unordnung herum gehen" lassen könnten, gaben die ersehnte Eheerlaubnis, während Diezler bestätigte, er wolle das Paar „auf ein paar Jahr zu sich nehmen" und dann anderwärtig unterbringen. 146 Erschwerend war in diesem Falle hinzugekommen, daß Marx Brecker gerade erst 19 und Appolonia 23 Jahre zählten, wobei das gesetzliche Heiratsalter für beide Geschlechter bei 25 Jahren lag.147 Minderjährigkeit war einer der Gründe, über eine Schwangerschaft trotz strenger und diskriminierender Strafen die Eheerlaubnis zu erlangen. Während man im Kurtrierischen noch im Jahre 1789 bis zum 24sten Lebensjahr eine landesherrliche Dispensation benötigte und im Nassau-Saarbrückischen, Ottweilerschen und Pfalz-Zweibrückischen bis in die 50er Jahre des 18. Jahrhunderts bis zum Alter von 25 Jahren, schrieben lothringische Edikte von 1572 und 1723 eine Einwilligung der Eltern für Männer unter 30 und Frauen unter 25 Jahren vor.148 Allerdings scheinen derartige Bedingungen die Heiratswünsche lothringischer Paare weniger behindert zu haben, als die neben der elterlichen Erlaubnis notwendigen herrschaftlichen Genehmigungen und der Nachweis einer Möglichkeit zur Existenzgründung in den übrigen Regionen: Männer heirateten in Lothringen durchschnittlich im 26sten und Frauen im 21sten Lebensjahr. 149 Zu besonders durchgreifenden Konsequenzen hatte man im Herzogtum Pfalz-Zweibrücken gegriffen, da, wie es in einer Verordnung aus dem Jahre 1739 heißt, „leute von sehr geringem oder gar keinem vermögen sich zusammen ehelich verloben, und um zu ihrem gesezten Endzweck desto eher zu gelangen, den concubitum anticipiren", ja durch „den frühen beyschlaff in den Ehestand zu tretten und dabeneben alß unterthanen oder Hintersaßen sich ins land zu schleichen und niederzulaßen gedencken", so daß die

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Anzahl der ohnehin im Herzogtum lebenden „armen leuten" sich ständig vermehre.150 Gemeint waren junge Leute wie Mathes Bläser und Marx Brecker, denen ihr Erbe noch nicht übergeben werden konnte, Personen, die kein Vermögen erwarten konnten oder solche, die das Heiratsalter noch nicht erreicht hatten und keine Eheerlaubnis erhielten. Längst war der Regierung ebenso bekannt, daß „leute, welche mit ihrem eingelegten Dispensationsgesuch um sich vor dem gesezten 25sten Jahr verheurathen zu dörffen, abgewiesen worden, sich fleischlich zusammen fügen, und durch die erfolgte Schwängerung vermeinen, die ihnen im weeg gestandenen Hinternuß dadurch gehoben zu haben".151 Eben diesen Weg waren auch der noch keine 25 Jahre zählende Johann Adam Müller und die Witwe Maria Barbara Alberts aus Welschweiler im Oberamt Lichtenberg gegangen. Nachdem wegen des noch nicht erreichten Heiratsalters von Johann Adam beider Anträge auf Eheerlaubnis dreimal abgelehnt worden waren, obwohl Witwe Alberts „ein Häußgen und etwas weniges guth" besaß, Müller allerdings von seinem Vater „nichts zu hoffen" hatte, sollte ihnen schließlich eine Schwangerschaft zur Eheschließung verhelfen. Sie befinde sich von Johann Adam schwanger, gab die Witwe wenige Monate nach dem letzten negativen Bescheid auf ihr Heiratsgesuch vor Gericht zu Protokoll, und „beede verlobte seyen gesonnen, einander zu ehelichen". Die Regierungsbeamten in Zweibrücken, de Savigny und Schimper, gaben schließlich nach, trotz der landesherrlichen Bestimmung, „daß fürohin keinem Unterthanen zu heurathen erlaubt seyn solle, er habe dann das 25. Jahr zurück geleget"152: Das Paar habe eine höher als übliche herrschaftliche Strafe von 30 Talern153 zu entrichten und möge die Einwilligung zur Verehelichung erhalten. Sofern sich hundert Taler im Vermögen befänden, dürfe es sich weiterhin in der Herrschaft aufhalten, ansonsten werde es jedoch zur Strafe ausgewiesen.154 Eine Lösung für zwei, von denen einer oder eine Vermögen vorzuweisen hatte - eine vor allem von Witwen mit Eigenkapital häufig praktizierte Lösung. Mit Widerständen aus der eigenen Verwandtschaft, der Geistlichen und der herrschaftlichen Behörden hatten auch Heiratswillige zu rechnen, die nach den Gesetzen und Kirchenordnungen als nahe Verwandte galten, was sowohl für Blutsverwandte - nach protestantischem Eherecht bis zum dritten, nach kanonischem bis zum vierten Verwandtschaftsgrad - , Verschwägerte und bis zu Beginn des 17. Jahrhunderts in protestantischen, in katholischen Gebieten aber jederzeit für Personen galt, die durch die Übernahme von Patenschaften symbolische Verwandtschaftsverhältnisse eingegangen waren.155 Eine gewollte Schwangerschaft war auch hier entgegen den landesherrlichen Bestimmungen nicht selten in der Praxis die einzige Möglichkeit zur Familiengründung, weil man die beim Ortsgeistlichen vor der Proklamation und Trauung vorzulegenden obrigkeitlich bewilligten Dispensationsscheine regulär nicht erhalten konnte. Da Unzuchtsverhältnisse mit

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Verwandten „für höher, größer und abscheulicher als andere schlechte H u rerey zu achten" waren, mußten Widersetzliche neben der Herrschafts- und Kirchenbuße ebenso mit Turmstrafe und Pranger rechnen wie mit der Möglichkeit, daß Ehe- und Kirchengerichte manche Ehe wegen verbotenen Graden von Verwandtschaft oder Verschwägerung der Ehepartner wieder schied.156 In einem Falle unehelicher Schwängerung zwischen Cousin und Cousine hatte 1704 ein Paar aus Wörschweiler, das wegen seiner Verwandtschaft auf keine Eheerlaubnis hoffen konnte, die tatsächliche Niederkunft der Frau abgewartet und erst dann beim Oberamt „umb gnadte gebetten" und einen Antrag auf Heirat gestellt. Nur mit besonderer Einwilligung des Landesherren und wegen ihrer nunmehrigen Elternschaft erhielten beide die amtliche Bestätigung, man wolle trotz „der nahen verwandtschafft die heurath nicht hindern", wobei der Mann zur Turmstrafe und beide gemeinsam zur Kirchenbuße verurteilt wurden. 157 Dies war keineswegs ein Einzelfall und ebensowenig ein Sonderweg, wie die unzähligen Dispensationsgesuche vor allem minderjähriger und verwandter Heiratswilliger bei Kirchen- und Landesbehörden bestätigen, deren Chance auf Genehmigung stieg, wenn sich ,Familienzuwachs' ankündigte.' 58 Auch beim Hüttersdorfer Ortsgeistlichen Bracken meldete sich im Jahre 1789 ein unglückliches Paar, Nicolaus Appelschneider und seine nach den Gesetzen mit ihm als verwandt geltende ledige Schwägerin Johanetta, die sich bereits vor zehn Jahren, als Appelschneider Witwer geworden war, liiert hatten. Beide waren beim Pfarrer mehrfach vergeblich wegen Eheerlaubnis vorstellig geworden, und Johanetta gestand jetzt, sie verspüre unzweifelhaft das Leben eines Kindes. Sie „haben mich flehentlich ersucht, ich möge mich ihrer erbarmen, und ihnen die Dispenz über das Impetimentum Affinitatis in primo gradu geben, wenn es auch ihr beiderseitiges ganzes Vermögen kosten sollte, mit Klärung auch unter vielen thränen, daß sie bereit wären, eine wahre Büß zu wirken", so notierte der Geistliche in sein Kirchenbuch. Er selbst war mit einer Heirat der beiden durchaus einverstanden, da er „nicht die mindeste Klage über ihr Betragen gehört" hatte und davon überzeugt war, daß „der sehr schwere Fehltritt doch nur frigilitate carnis seye". 159 Nach Lage der Dinge war es jedoch um mehr gegangen als um „fleischliche Vermischung"; nach zehnjähriger ,wilder Ehe', von der sicherlich das ganze Dorf wußte, wollten Nicolaus und Johanetta ihr Verhältnis endlich legalisieren, wollten sie möglicherweise nicht nur aus strategischen Gründen der Uberwindung von Ehehindernissen gemeinsame Kinder. Das bewußt gewollte Kind spielte auch in der Liaison zwischen ledigen Frauen und Soldaten eine unübersehbare Rolle, in anderer Weise jedoch als man zunächst vermutet. Daß die zur Ehelosigkeit angehaltenen, meist unvermögenden Soldaten keineswegs enthaltsam lebten und sich nicht ausschließlich ihren militärischen Aufgaben widmeten, verrät ein Blick in die

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Kirchenbücher vor allem der Garnisonsstädte und der in ihrer Nachbarschaft befindlichen Ortschaften: Ahnlich wie in Saarbrücken, Zweibrücken, Saarlouis, Bitche, Nancy oder Metz kamen in allen anderen Garnisonsstädten zahlreiche illegitime Kinder zu Welt: In Homburg und den umliegenden Orten, in denen zwischen 1681 und 1790 allein von katholischen Frauen 407 nichteheliche Kinder geboren wurden, gaben 263 von ihnen erst gar keinen Kindsvater an, während 67 Frauen Angehörige der Garnisonen benannten.160 In den nahe der Festungsstadt Saarlouis gelegenen Dörfern Lisdorf und Ensdorf bestätigten über zwei Drittel der ledigen Mütter französische Soldaten der Saarlouiser Regimenter als Väter ihrer Kinder, und auch in Saarbrücken, St. Johann und St. Arnual waren die angegebenen Väter der nichtehelichen Kinder zum größten Teil Grenadiere, Husaren, Kanoniere, Husarenwachtmeister, Pfeifer, ja sogar Korporale und Kapitäne der in Saarbrücken stationierten Militäreinheiten.161 Soldaten konnten in Schwängerungsfällen Sonderrechte beanspruchen. Im Nassau-Saarbrückischen bezahlten sie lediglich eine interne Kompaniestrafe, waren von gerichtlichen Verhören ausgenommen und brauchten keine Alimente für ihre nichtehelichen Kinder zu zahlen; im Kurtrierischen mußten sie sich in Schwängerungsfällen einem „Kriegs=Verhöre" bei der Militärbehörde unterziehen und ebenso wie im Pfalz-Zweibrückischen bei Klage Alimente erstatten. Ihre Eheversprechen waren jedoch in beiden Territorien „ohne alle Verbindlichkeit", „null und nichtig", ja „allerdings verbotten".162 Dagegen sollten die ledigen Mütter, die sich mit Soldaten eingelassen hatten, im Nassauischen „nicht allein ihre Schande und Schaden selbst und allein tragen, sondern ihnen auch an denen verwürckten geld=straffen und Kirchenbußen nichts erlaßen, anbey die etwa erzeigenden unehelichen Kinder auf ihre alleinige Kosten erziehen", während sie in den übrigen Regionen mit hohen Strafen rechnen mußten.163 Verlängerung und Einhaltung der Dienstzeiten, militärische Tüchtigkeit durch Unterbindung sozialer Kontakte, die Reduzierung unterstützungsbedürftiger Soldatenfamilien, Verhinderung des „Desertierens und anderer Ungebührlichkeiten und groben Verbrechen allerley Gelegenheiten" sowie eines im 18. Jahrhundert extrem ansteigenden „unzüchtigen Cohabitu" waren Gründe für eine derart restriktive Gesetzgebung. Frauen jedoch hatten als angebliche Verursacherinnen all dieser Mißstände, mehr aber noch aufgrund der gesetzlichen Inschutznahme von Soldaten bezüglich ihrer Eheversprechen wenig Chancen, über eine Schwängerung zur Heirat zu gelangen, ein Sachverhalt, der verständlich macht, warum ledige Mütter in und um Garnisonsstädte so häufig den Namen der Kindsväter erst gar nicht preisgaben und sogar auf Alimentationsklagen verzichteten. Als Catharina Bernhardin aus Wiesbach sich 1779 doch entschloß, den Soldaten unter der herzoglich pfalz-zweibrückischen Garde, Heinrich Wehn, als Vater ihres zu erwartenden Kindes anzuzeigen, gab dieser zwar im Verhör durch den

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Leutnant von Bettendorf sowohl das Verhältnis, die Vaterschaft wie ein gegebenes Eheversprechen schon vor seiner Militärzeit zu, wurde jedoch nur zur Zahlung von Alimenten bis zum zwölften Lebensjahr des Kindes verurteilt, während „die dirne" 15 Gulden Herrenstrafe entrichten und die Kirchenbuße absolvieren mußte.164 Umgekehrt sah es dagegen anders aus: Zwar brauchten Soldaten, wenn sie heiraten wollten, eine spezielle Eheerlaubnis, mußten sich freikaufen und manchmal auch Vermögen nachweisen. Wollte ein Angehöriger des Militärs jedoch unter allen Umständen seine Garnison verlassen, war die Schwängerung einer wohlhabenden jungen Frau dazu das geeignetste Mittel, war deshalb eine strategische Vaterschaft wie im folgenden Fall durchaus keine Seltenheit: 1752 klagte die aus Eisenbach im Oberamt Lichtenberg stammende und seit drei Jahren in Zweibrücken lebende Maria Magdalena Kellerin gegen den Soldaten Johann Nickel Gentes aus Breitfurt wegen Schwängerung. Er habe ihr die Ehe versprochen, sich ihr gegenüber als Vater des Kindes bekannt und sie gebeten, ihm den Abschied zu kaufen, was sie sich jedoch noch überlege, „weil man ihr hin und wieder gesagt, daß er so bald als er seinen abschied haben würde, in das Neue Land gienge, und sie sitzen ließe", eine wohl recht häufig praktizierte Alternative, mit der sich illegitime Väter nach dem Freikauf ,aus der Affaire' zogen. Gentes freilich, der noch sieben Jahre Militärdienst absolvieren mußte, hatte sich ohne Wissen der Kellerin bereits in einer Vernehmung durch Leutnant Steineck um seine Entlassung bemüht, einen schriftlichen Antrag auf Heiratserlaubnis gestellt und um „Loskaufung" ersucht, hinzusetzend, Anna Magdalena verfüge über „zimliche mittel". Schon vier Wochen später war Gentes mit finanzieller Hilfe der Kellerin kein Soldat mehr; ob er sich dann tatsächlich ohne sie nach Amerika absetzte, wissen wir nicht.165 Daß die Schwängerung ihm zum Entrinnen aus dem bereits drei Jahre und noch sieben weitere Jahre währenden Soldatendasein gedient hatte, läßt sich anhand mehrerer Indizien belegen: Gentes war wohl einmal erfolglos desertiert, hatte nach dem ersten Kennenlernen Erkundigungen über die finanziellen Verhältnisse der Familie der Kellerin eingezogen und sie nach ihren ersten, späterhin revidierten Angaben vor Gericht „mit gewalt niedergeworffen, und solcher gestalt beschlaffen und geschwängert". 166 Den Behörden war am merkwürdigen Verlauf dieser Angelegenheit, wie so oft in vergleichbaren Fällen, nichts Verdächtiges aufgefallen, denn als Verführerinnen und Eheschleicherinnen galten ja in erster Linie die Frauen. Gewollte Schwangerschaft als Mittel zur Erzwingung einer Ehe seitens der Frauen war denn auch ein bevorzugtes Thema aus männlichem Munde. Der Hornbacher Pfarrer berichtete 1754 entrüstet an das Zweibrücker Oberkonsistorium, in seinem Kirchspiel lebten derzeit neun schwangere oder bereits niedergekommene „Huren", welchen allen gemeinsam sei, „daß sie in der Absicht gehuret haben, um auf solche Art Männer zu bekommen",

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ein gottloses Werk, wodurch „wohl die Helfte Ehen in Hornbach sind gemacht worden". Die Hoffnung dieser Frauen, die Männer, mit welchen sie Schande trieben und die sie durch eine Schwangerschaft „ins Garn zu lokken" versuchten, endlich auch zu ehelichen, müsse allezeit durch ein Heiratsverbot niedergeschlagen werden.167 Oft benutzten freilich auch heiratsunwillige, aber als Väter nichtehelicher Kinder angegebene Männer wie der auf Freiersfüßen in Roden wandelnde Peter Zimmer, der zuvor eine Einwohnerin namens Barbara aus seinem Heimatort Hüttigweiler geschwängert hatte, erfolgreich eben dieses Argument. Augenscheinlich, so war Zimmer überzeugt, sei es Absicht der Barbara, durch eine vorgetäuschte Schwangerschaft seine Heirat in Roden zu verhindern, „ein griff, den schon manche dirnen practiciret haben". Auch aus St. Wendel habe man von einer Frau gehört, die unter Vorgabe einer Schwangerschaft ihren außer Landes geflüchteten Liebhaber zur Ehe überredet und „bis diese Stunde kein Kind bekommen" hätte. „Ich bin einer von den unglückseeligen mit, welche diese Verfolgung ausstehen müssen", so fügte Zimmer seiner schriftlichen Äußerung an das Oberamt theatralisch hinzu. Barbara indes brachte Leumundszeugnisse vom Pfarrer, schriftliche Aussagen der Sendschöffen über ihr tatsächliches Verhältnis mit Zimmer, Verwandte und Zeugen bei Gericht vor, mußte ihre Klage aber dennoch durch ihren Bruder beim bischöflichen Generalvikariat in Metz einreichen, wo man entschied, erst einmal die Geburt abzuwarten.168 Unwillkürlich stellt sich die Frage, ob die Risiken einer einseitig vom weiblichen Part geplanten Schwangerschaft, wie es Gesetzes- und Kirchenvertreter so gerne glaubten, für Frauen im Hinblick auf eine seit dem 18. Jahrhundert ausgesprochen männerfreundliche Gesetzgebung nicht viel zu groß waren. Kam diese Strategie, umgekehrt gefragt, nicht eher Männern zugute, die mit der Einwilligung der von ihnen geschwängerten Frauen zur Heirat angesichts einer rigiden obrigkeitlichen und kirchlichen Ehepolitik und der sozialen Konsequenzen für heiratsunwillige ledige Mütter rechnen konnten? Der nächste Abschnitt versucht eine Klärung dieser Frage und weiterer Aspekte.

Ungewollte und verheimlichte

Schwangerschaften

Die meisten Erkenntnisse über Schwangerschaft und Geburt in vergangenen Zeiten verdanken wir den Aussagen von Frauen und Männern, die unbeabsichtigt Eltern wurden. Gerade die unzulänglichen Verallgemeinerungen von Untersuchungsergebnissen aus dieser besonderen Situation der Mutterund Vaterschaft sollten jedoch Anlaß zur präziseren Differenzierung sein. Es wird sich zeigen, daß man von den individuellen Einstellungen, Emotionen, Reaktionen und Selbstreflexionen bei unerwünschter Schwangerschaft

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keineswegs einfach auf solche bei gewollter und gewünschter Nachkommenschaft rückschließen kann, wie dies vielfach geschieht, wenn von „den Frauen", „der Schwangerschaft" oder „der Geburt" die Rede ist, eigentlich aber Kindsmörderinnen, verheimlichte Schwangerschaften und heimliche Geburten gemeint sind. Die von Frauen unter keinen Umständen gewollte, ja ignorierte Schwangerschaft, die sie zudem verheimlichten und an deren Ende sie das Neugeborene töteten, stand in einem besonderen Kontext, der mit männlicher Gewalt, subjektiver Ausweg- und sozialer Hoffnungslosigkeit verbunden war. Schon das Zustandekommen einer solchen Schwangerschaft läßt erkennen, daß es sich oft um einseitig initiierte, zum Teil gewaltsam erzwungene, zum Teil auf Abhängigkeiten oder für die Frauen schwer einschätzbaren Situationen gründende Verhältnisse handelte. Typisch ist die Erzählung der ortsfremden Dienstmagd Margaretha Braun, die, als die Familie ihres Dienstherrn an einem Sonntag in der Kirche und sie allein im Haus war, von einem ihr bekannten wandernden Handwerker überrascht und überwältigt wurde. Dreimal habe er sie „auffs bett niedergeworffen, umb sie fleischlich zu erkennen, wie auch endlich, weilen sich gewehret, nur einmahl geschehen, warvon sie dan schwanger worden". 169 Vielfach wurden vor allem Dienstmägde frühmorgens oder spätabends im Stall beim Viehfüttern von entweder durchreisenden oder einheimischen Männern oder aber ihren Dienstherren, manchmal auch von deren Söhnen, zum Beischlaf überredet oder gezwungen.170 Vor allem jenes ebenfalls typische Verhältnis zwischen verheiratetem oder geistlichem Dienstherrn und Magd war eine der sowohl auf direktem oder indirektem Zwang und gleichzeitiger Aussichtslosigkeit beruhenden Konstellationen, die der ohnehin ungewollten Schwangerschaft eine zusätzliche Skandalösität und „Ruchlosigkeit" verlieh, ja die Schwangere geradezu zum Symbol der Unehre stilisieren mußte. Es scheint vor allem die isolierte Lage der Frauen gewesen zu sein, die sie veranlaßte, eine eingetretene Schwängerung derart abzulehnen, daß sie das Kind umbrachten oder ihre Gravidität vor ihrer Familie und dem ganzen Dorf geheimhielten. Dabei betraf die Isolation einerseits ihre soziale Lage im Ort, in das sie meist als Fremde gekommen waren, ebenso aber ihre ursprüngliche soziale Situation, denn viele dieser Frauen waren Waisen oder Halbwaisen, weibliche Mitglieder einer ländlichen Gesellschaft also ohne Familie und verwandtschaftlichen Schutz, weder vor Ort noch in der Fremde, die sich deshalb auch über Jahre hinweg ihren Lebensunterhalt als Mägde verdienen mußten. Eine Dienstmagd aus Zweibrücken, die im Kuhstall ihres Dienstherrn von einem ihr bekannten Soldaten vergewaltigt worden war, hatte mit 17 Jahren ihren Vater verloren, eine andere aus Stennweiler, die ebenfalls beim Viehfüttern von einem Bekannten ihres Dienstherrn zum Beischlaf gezwungen worden war, war seit Jahren vaterlos, eine dritte Dienstmagd aus Illingen hatte ihre Mutter früh verloren und nurmehr einen

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jähzornigen Stiefvater, vor dem sie in auswärtige Dienste geflüchtet war; die Kindsmörderinnen Braun aus Sayn, Schmitt aus Bous, Michels aus Beuren, Richaume aus Xirancourt oder Bazinet aus Spada waren Halbwaisen oder Waisen.171 Ohne männlichen Schutz und verständnisvolle nahe Verwandte und Freunde als Fremde in einem Dorf zu dienen, eine dadurch oft bedingte soziale Isoliertheit, dies war die eine gemeinsame Komponente. Augenfällig ist jedoch in fast allen Fällen, in denen eine ungewollte Schwangerschaft nicht akzeptiert und verheimlicht wurde, daß sich die schütz- und hilflose Lage der zumeist nicht mehr jungen Frauen fortsetzte: Häufig waren sie allein im Haus, in der Scheune, im Stall, wenn sie geschwängert wurden, sich wehrten und um Hilfe schrien; häufig resultierte die Schwangerschaft aus einem Abhängigkeitsverhältnis, was sie anderen Personen nicht mitteilbar machte; und in den meisten Fällen hatten die Kindsväter und deren Familien die schwangere Frau zurückgewiesen und in der sozialen Isolation belassen. Fremde Dienstmägde ohne Familie, die meisten zwischen 30 und 40 Jahre alt172, waren keine Heiratskandidatinnen, vielmehr aus mancher Männerperspektive „Freiwild". Als der Knopfmacher Heintz aus Traben von seinem Freund Nikel Kramen nach einer Zusammenkunft mit einer Dienstmagd folgendermaßen zur Rede gestellt wurde: „Du wuster Teuffei bist die gantze nacht auf der Frau herumgereitscht", antwortete er lapidar: „Du Narr, davor sind die dinger da", wogegen er späterhin von einer Schwangerschaft der Magd nichts mehr wissen wollte.173 Besonders bei Liebschaften zwischen verheirateten Dienstherren und ihren Mägden oder Geistlichen und ihren Haushälterinnen schien eine derartige Haltung nicht selten, gingen die Männer offenbar davon aus, daß die ihnen untergebenen Frauen entweder schwiegen oder ihnen nicht geglaubt würde, und daß durch ihre untergeordnete Situation im Haus und ihre minderwertige Stellung im Dorf so die Täterschaft verdeckt werden könne. Frauen, die in einer schutzlosen und isolierten Situation womöglich noch von einem verheirateten, zölibatär lebenden oder sozial höher stehenden Mann schwanger wurden, zweifelten lange an ihrem Zustand, ignorierten ihn, legten sich eigene Interpretationen der ausbleibenden Menses oder bemerkter Kindsregungen zurecht und schwiegen, bis sie mit dem Kindsvater sprechen konnten. Dessen und die Reaktion seiner Familie konnten ausschlaggebend für die Richtung werden, in die sich die Selbstwahrnehmung und das Handlungsspektrum der Frauen entwickelten. Der in den seltensten Fällen uninformierte Vater des illegitimen Kindes war erste Zufluchtsperson und häufig einzige und letzte. Ebenso hing von seinem Verhalten ab, ob die Schwangeren ihren Zustand, wenn sie ihn überhaupt als Schwangerschaft zur Kenntnis nahmen, entsprechend der vorherrschenden Anzeigepflicht im Pfalz-Zweibrückischen, sobald die Schwangere ihre Frucht verspürte, in allen übrigen Herrschaften spätestens bis zum fünften Schwangerschafts-

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monat174 - vor Gericht angaben oder ferner bis hin zum möglichen Kindsmord verheimlichten. Brachten ungewollt schwangere Frauen nun ihre U m stände selbst vor Gericht zur Kenntnis, so geschah dies zumeist in der Hoffnung auf Einklagbarkeit eines Eheversprechens, zumindest jedoch von Alimenten. Die zuvor unterrichteten Kindsväter hatten dann den von ihnen schwangeren Frauen gegenüber ihr früheres Eheversprechen bekräftigt, versprochen, sie „aus der Schande zu hohlen" oder „wieder zu Ehren zu bringen", sie in ihre Familie aufzunehmen oder nach dem Tod ihrer „alten Frau" zu heiraten, hatten die Vaterschaft bestätigt oder angegeben, „bei dem Kindt zu thun, wie ein frommer geselle", Versprechungen, die sie bei der späteren gerichtlichen Vernehmung allerdings vehement abstritten. 175 Selbst unter diesen zunächst positiv erscheinenden Umständen waren die Schwangeren erst spät vor Gericht erschienen und gaben durchgängig an, diesen Schritt deshalb nur zögernd getan zu haben, weil sie sich ihres nunmehr sichtbaren illegitimen Verhältnisses geschämt, aus „Schamhaftigkeit" ihre Schwangerschaft bisher zu verbergen gesucht oder zur Anzeige „das Herz nicht gehabt" hätten. 176 In einer völlig anderen psychischen und sozialen Lage befanden sich schwangere Frauen, die weiterhin schwiegen, verbargen, ableugneten und schließlich heimlich niederkamen. Sie wußten, daß ihre ohnedies unsichere Situation als zumeist fremde Mägde wegen der Lebensumstände ihrer Partner oder aufgrund einer Unterredung mit diesen für die Zukunft noch aussichtsloser werden würde: Als sie dem Sohn ihres Dienstherren die Schwangerschaft gestanden habe, so gab Anna Maria Hertz aus Eschringen 1759 zu Protokoll, habe dieser behauptet, sie sei nicht schwanger und bald darauf eine andere geheiratet; auch die gleichfalls vom Sohn ihres Dienstherren schwangere Marguerite Masson aus Dunekirchen mußte 1606 miterleben, daß sich der Kindsvater wenige Wochen nachdem sie ihm ihren Zustand mitgeteilt hatte anderwärtig verheiratete, während der Geliebte der Maria Saara Dickenscheiderin aus Meisenheim dieser beim Eingeständnis der Schwangerschaft geantwortet habe, er wolle erst einmal die Zeit der Niederkunft abwarten, sich dann aber als Soldat verpflichtete. 177 Der von Anna Catharina Bach 1728 nach einer heimlichen Niederkunft angegebene Kindsvater hatte sich ihr gegenüber zuvor geäußert: „wann das Kindt auf seine Zeit käme" wolle er sehen, was zu tun sei, später jedoch alles abgestritten und sie im Stich gelassen, während der als unehelicher Vater 1719 beim Ottweiler Oberamt angezeigte Johann Voltz aus Mainzweiler ankündigte, wenn die schwangere Anna Elisabeth Caferrin „auf die angegebene zeit niederkommen wurde, er sie sodann behalten wolte".178 Andere hatten den von ihnen schwangeren Frauen mit Gewaltandrohungen und Schlägen das Sprechen verboten: Weil der Lapierre ihr gedroht habe, sie zu töten, wenn sie ihn als Vater ihres Kindes angebe, habe sie ihre Schwangerschaft bis zuletzt verheimlicht und das Kind umgebracht, gab Marie Bazinet 1755 zu Protokoll. 79

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In vielen Fällen handelte es sich beim Vater des noch ungeborenen Kindes um einen verheirateten Mann, oft den Dienstherrn, dessen Namen die schwangere Frau nicht hatte preisgeben wollen, „weilen sie seiner schonen wollen", weil er ihr Geld und weiteren Unterhalt für sie selbst und das Kind zugesichert hatte, wenn sie einen anderen als Vater angebe oder schweige, weil er gedroht hatte, bei einer gerichtlichen Anklage nicht nur das Verhältnis abzustreiten und sie aus dem Dienst zu jagen, sondern den versprochenen heimlichen Unterhalt einzubehalten.' 80 Manche Frau setzte wie Christina Theobald dennoch auf die Angebote des Geliebten und schwieg zu Schwangerschaft und Vaterschaft bis zur Niederkunft: „Sie hette auff den gottlosen Vatter zu viel vertrauen gehabt, und ihn nicht beschimpfen mögen, zuletzt aber bey und in den wehen hette sie es ja gestanden". 8 1 Manch andere freilich wußte, daß alles nur leere Versprechungen waren, wie die vom Sohn ihrer Dienstherrin schwangere Catharina Erbsin, die ebenfalls erst bei der Geburt die Schwangerschaft nicht mehr leugnen konnte und den Namen des Kindsvaters mit dem Zusatz preisgab, ihn zu nennen oder pegen ihn vorzugehen sei nutzlos, „er würde es doch nicht wollen gestehen". Schwangere Frauen, die mit derartigen oder ähnlichen Erlebnissen konfrontiert wurden und erfahren hatten, daß sie weder Fürsprache noch Unterstützung erhielten oder in Zukunft erwarten konnten, durchlebten eine Zeit der Verzweiflung, Scham und Ängste. Margaretha Schmitt aus Bous, die sich mit einem Mann aus St. Johann eingelassen hatte, beschrieb ihre seelischen Nöte wie folgt: Sie „wäre in bestandigen ängsten und es ihr gewesen als ob sie jemand herum jagen thäte". Einmal sei sie in Illingen in der Kirche gewesen, „und hätte damahlen so große Ängsten bekommen, daß sie nicht in der Kirchen bleiben können, sie wäre aber doch bis der dienst aus gewesen, darin geblieben, den ganzen Tag aber sehr betrübt gewesen". Auch das Wurzelamulett, das ihr eine Wahrsagerin gegeben hatte, habe nichts geholfen, ihr vielmehr derartige Schmerzen bereitet, daß sie es ablegen mußte.183 Bereits durch ihre Herkunft aus einer nurmehr rudimentär oder nicht mehr existierenden Familie auf sich selbst gestellt, in dem Dorf, in dem sie lebten, im Gegensatz zu den Töchtern der Dörfler als minderwertige Bedienstete ohne Vermögen eingestuft, konnten vor allem fremde Mägde als ledige Schwangere oft nicht einmal das vorweisen, was jede Dörflerin durch ihre Familienzugehörigkeit selbstverständlich umgab: eine spezifisch ländliche Form der verbal hergestellten weiblichen Ehre, die sie selbst im Falle einer nichtehelichen Schwangerschaft vor der völligen Schande bewahrte und ihr die Mithilfe des Dorfes garantierte vorausgesetzt, sie hatten ihren „guten Namen" nicht durch „verdächtigen Umgang" mit verschiedenen Männern aufs Spiel gesetzt. Da Ehre durch Kommunikation ausgehandelt und bestätigt wurde, bedurfte es vor allem der Personen, die bereit waren, den Ehrdiskurs einer im Dorf lebenden Frau aufrechtzuerhalten und immer wieder positiv zu besetzen. Auch eine Dienstmagd wurde durchaus als ehrbares Mitglied der Gemeinschaft betrachtet, und selbst

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eine uneheliche Schwangerschaft konnte ihr die Ehre und den Schutz, die vor Angriffen bewahrten, nicht ohne weiteres rauben. Im Dorf war man einer nicht ortsansässigen Schwangeren bei der Legalisierung ihres erhaltenen Eheversprechens, bei der Suche und Überredung des Kindsvaters zu Ehe oder Alimentation und der Planung einer gesicherten Zukunft durchaus behilflich. Die meisten jener Geschwängerten freilich, die ihren Zustand geheim hielten und ohne Kenntnis und Mithilfe der Dorffrauen entbanden, wußten, daß sie durch die Wahl ihres Liebhabers, die Konstellation ihres gewollten oder erzwungenen Verhältnisses mit einem Dörfler und die verhängnisvolle Wendung dieser Liaison die Grenzen der dörflichen Duldbarkeit, Zumutbarkeit und positiven Diskursfähigkeit überschritten hatten, daß sie vor allem durch ihre Verbindung mit einem verheirateten Familienvater oder dem örtlichen Geistlichen jene sie schützende und mit ihrem guten Ruf verbundene Ehre verloren hatten, die eine dörfliche Hilfe ermöglicht und gerechtfertigt hätte. In der Sprache der Gerichte wären sie nicht mehr nur Schwangere oder Geschwängerte, sondern „Boswichtinnen", „wilde, gottlose und sundhaffte", boshafte und „schandbahre" Dirnen gewesen' 84 ; der Pfarrer hätte sie von der Kanzel als „schändliche und ärgerliche Huren", als „freches, gottloses Mensch", als „wollüstiges Weib" verurteilt 85; das Dorf hätte sie als „leichtfertige Dirne", als „liederliches Mensch" 186 ausgegrenzt und ausgewiesen. Es erstaunt nicht, daß manche dieser Frauen eine Rechtfertigung ihres Handelns und ihres Zustandes in einer jenseitigen ,bösen' Welt suchten, wie etwa die von ihrem Dienstherrn geschwängerte ledige Dienstmagd Ida Schweinshirters aus Besseringen, die 1594 glaubte, der Teufel sei in Gestalt ihres Meisters zu ihr gekommen und habe sie beschlafen und geschwängert, worüber sie „sehr leidig" geworden sei, oder die 40jährige und seit zwölf Jahren in Diensten des katholischen Geistlichen Elias aus Baillay tätige Marguerite Chamboier, die sich 1608 nach vergeblichen Abtreibungsversuchen des Pfarrers schließlich einredete, ein Teufelskind in ihrem Bauch zu tragen. 187 Diese äußerst symbolischen und metaphorischen Deutungen beider Frauen im Hinblick auf ihren tatsächlichen Zustand und ihre reale soziale Lage trafen den Kern der von der Dorfgemeinschaft zu erwartenden Verteufelungen: Kinder aus solchen Verbindungen und Libertinagen waren das Symbol der Unehre und Unzucht schlechthin, ihre Mütter zur Schande verdammte, verführte Werkzeuge des Teufels.' 88 Daß ein „Weiber mensch", wie dies im Jahre 1733 die von einem verheirateten Familienvater schwangere Anna Catharina Spaniol aus Gennweiler zu ihrer Entschuldigung zu Protokoll gab, „zuweilen schwach und leicht zu uberreden" sei, die Stunden aber „ungleich und zur Zeiten sehr unglücklich, daß es Gott erbarme", genügte bei dergleichen Mesalliancen nicht mehr.189 Nicht selten waren der Kindsvater und seine Familie bei ungewollter Schwangerschaft aus einer perspektivlosen Verbindung neben nicht eingehaltenen Versprechungen, neben Drohungen und Bestechungen dazu bereit,

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der Schwangeren die Tötung des Kindes nahezulegen, eine Art der radikalen demonstrativen Ablehnung und sozialen Isolation von Mutter und Ungeborenem, die selten ihre Wirkung verfehlte. Nach Bemerken ihrer Schwangerschaft hatte die spätere Kindsmörderin Margaretha Braun dem Kannenbäcker und Schneider Anton, der sie im Haus ihrer Dienstherrschaft zum Beischlaf gezwungen hatte, bei einer Begegnung auf dem Kirchhof ihre Schwangerschaft mitgeteilt und gefragt, „was sie alß dan mit dem Kindt thun solle, so habe er ihro geandtwortet, daß sie schweigen undt selbiges ahn ein orth hinlegen solle, damit eß niemandt wisse noch gewahr werde". Die Mutter des Anton indes insistierte auf mehr als auf Kindsaussetzung, als ihr Margaretha bestätigte, daß ihr Sohn der Vater des Kindes sei: „Du tausendt Sappermente Huhr, trage dein Kindt in den Rhein undt wohe du hin wilst, daß ich dich undt dein Kindt nicht mehr sehe", erteilte sie der Schwangeren eine unmißverständliche Abfuhr. Margaretha brachte allein und heimlich auf dem Stroh im Hof ihrer Dienstherrin ein lebendes „gliedmäßiges" Kind zur Welt, wickelte es in ein Tuch und ging mit ihm zur Trift an den Rhein, wo sie es ins Wasser legte, es forttreiben ließ und sich danach die blutigen Schuhe wusch.190 Neben der vom Kindsvater oder seinen Verwandten versuchten Abtreibung war der Vorschlag zur Kindesaussetzung oder -tötung die eindeutigste soziale wie emotionale Absage an eine Schwangere, die das Leben ihrer Leibesfrucht, möglicherweise einer Frucht der lebenslangen Unehre, täglich in ihrem Leib spürte. Auch für die ledige Magd Elß aus Raumbach, die zuvor über das Verhältnis mit ihrem verheirateten Dienstherrn gegenüber einer anderen Frau geschwärmt hatte, Hans Schuhmacher, ihr Meister, hätte sie „sehr lieb, dan er mit ihr treibe, dergleichen sie von keinem man mehr gehöret, noch erfahren hette, weil er sie einsmals in pudendis gekuesset", endete diese verbotene Liebschaft 1615 tragisch: Nach Kenntnisnahme ihrer Schwangerschaft hatte Schuhmacher seiner Magd nahegelegt, das Kind nach der Geburt fortzuschaffen; Elß erwürgte das Neugeborene nach einer heimlichen Niederkunft. 191 Keinesfalls häufig - der Prozentsatz von Kindsmorden lag etwa im Lothringischen gemessen an der absoluten Zahl aller peinlichen Delikte bei 0,4 bis 2,8 Prozent'92 - endeten unerwünschte Schwangerschaften in der Kriminalität. Vielmehr war die Spanne der Möglichkeiten, mit einer ungewollten Schwangerschaft umzugehen, für die werdenden Mütter und Väter recht groß, jedoch stark von der sozialen Situation und Eingebundenheit beider abhängig: Man heiratete und stand die Strafe wegen frühzeitigem Beischlaf aus; man versprach sich die Ehe und heiratete erst später nach Erbschaft von Vermögen oder Hof; man lebte jahrzehntelang in ,wilder Ehe', schwieg beiderseits, traf sich weiterhin heimlich und unterstützte sich finanziell; man ging auseinander und wollte nichts mehr voneinander wissen. Frauen verklagten die Kindsväter wegen Eheversprechen, Vergewaltigung, Alimenten

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oder Kranzgeld, verließen das Dorf und erhielten über Mittelsmänner heimliche finanzielle Unterstützung vom Kindsvater, heirateten später einen anderen Mann; Männer bestritten jede Verbindung, gaben weitere Nebenbuhler vor Gericht an, flüchteten außer Landes oder in den Militärdienst, beeideten ihre Unschuld oder willigten in die Zahlung von Alimenten und Kindbettkosten ein. Keine dieser Lösungsmöglichkeiten trug bereits in sich selbst den Makel derart großer Unehre, daß damit jede Zukunftsperspektive zunichte war. Woran sich die weibliche Ehre und Unbescholtenheit freilich bemaß und ob sie es war, die über Akzeptanz oder Ablehnung einer ledig Schwangeren entschied, ist in der ländlichen Gesellschaft der Frühen Neuzeit schwer auszumachen. Dies um so mehr, als einerseits ortsansässige Frauen mit mehreren nichtehelichen Kindern von unterschiedlichen Vätern durchaus und nicht selten die Chance hatten, doch noch einen einheimischen Ehepartner zu finden 193 , wenn andererseits Dienstmägde in der gleichen Situation spätestens mit der zweiten illegitimen Schwangerschaft das Dorf und ihre Stellung verlassen mußten, um sich mittel- und aussichtslos, was eine spätere Heirat betrifft, in einen anderen Ort, zu Verwandten oder in eine nächste Liebschaft zu flüchten. Von den einheimischen Frauen, die zwischen 1706 und 1799 etwa in der Pfarrei Nunkirchen ein nichteheliches Kind zur Welt brachten, heiratete fast die Hälfte zwei bis sechzehn Jahre nach der letzten illegitimen Niederkunft einen Bauern oder Handwerker aus der Pfarrei, der nicht Vater ihres Kindes war; 54 der 161 ledigen Mütter aus der Pfarrei Werbeln, in der wegen der nahen Saarlouiser Garnison viele „Soldatenkinder" geboren wurden, fanden zwischen 1713 und 1869 mehrere Jahre nach ihrer unehelichen Niederkunft einen Ehepartner, darunter häufig Frauen mit zwei bis sieben Kindern von verschiedenen Männern, jedoch keine einzige Dienstmagd noch eine Frau, die als Kindsvater einen Soldaten angegeben hatte.194 In Dudweiler, einem nahe Saarbrücken gelegenen Ort aus bäuerlichem Kerndorf und industrieller Neuansiedlung, heirateten von den 27 Frauen, die zwischen 1705 und 1805 unehelich geboren hatten, 14 in den kommenden Jahren einen anderen Mann als den Vater eines ihrer Kinder, fast immer jedoch einen Einheimischen. Eine spätere Eheschließung kam dagegen nicht zustande, wenn die Frauen Dienstmägde oder zugezogene Fremde waren, wenn sie als Kindsväter Soldaten, Fremde oder Verwandte angegeben hatten, was in sechs Fällen geschehen war. Die übrigen sieben ledigen Mütter, die keinen Ehepartner fanden, stammten in der überwiegenden Mehrheit nicht aus dem Kerndorf, sondern aus der Industrieansiedlung. 195 Die unterschiedlichen Kontexte, Situationen und Folgen unerwünschter Schwangerschaften lassen zumindest eine Gemeinsamkeit bei der Frage nach den Grenzen der dörflichen Akzeptanz und der Rolle, die der weiblichen Ehre dabei möglicherweise zukam, erkennen. Man kann diese Überschneidung als einen unüberlegten, ja vertanen Einsatz des ,weiblichen körperli-

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chen Kapitals' bezeichnen, mit dem sich eine komplexe Vorstellung von Ehre verband, die eine Frau schützenswert machte und ihr Hilfen garantierte. Eine Frau, die ihren Körper gleichzeitig mit mehreren Männern geteilt hatte, die ihn fremden, durchreisenden, verheirateten, einer anderen sozialen Schicht zugehörigen oder Männern überlassen bzw. angeboten hatte, die wie katholische Geistliche oder Soldaten nicht heiraten konnten, hatte das Spektrum der dörflich tolerierten vorehelichen Sexualität verlassen, die zumindest den Wunsch nach Eheanbahnung oder die Möglichkeit einer Heirat erkennen lassen mußte, auch wenn diese realiter nie zustande kam. In den Augen der Dorfbewohner war es ihr eben nicht um voreheliche, sondern schlichtweg um womöglich sogar von ihr selbst aktiv initiierte Sexualität gegangen, ein Verhalten, das mit Leichtfertigkeit, Liederlichkeit und Hurerei gleichgesetzt wurde und um so schwerer wog, wenn es sich um eine Fremde handelte, deren guter Ruf, deren Familienzugehörigkeit und deren Vergangenheit im Dunkeln lagen. Nicht nur um den Konsequenzen einer vorliegenden Schwangerschaft zu entgehen, verwiesen viele angezeigte Kindsväter auf weitere Sexualpartner der Klägerinnen, mit deren Benennung die Frauen aus dem dörflich akzeptierten Muster der Brautwerbung und dem Intimleben Unverheirateter ausgebrochen waren. Voreheliche Sexualität dagegen hatte aus dörflicher Perspektive auch dann zunächst nichts Schändliches, wenn es nicht beim rituellen „keuschen Zusammenliegen" blieb.196 Die Zahlen sprechen eine deutlichere Sprache: In Dudweiler etwa kamen, abgesehen von den illegitimen Geburten und den weiterhin ledigen Eltern, im Kerndorf 34 Prozent aller Eheschließungen, im Industriegebiet sogar 41 Prozent nach einem aufgrund einer Schwangerschaft nachweislichen vorehelichen Verhältnis der Paare zustande.197 Ob eine Heirat auch zustande kam, war sicher nicht unwesentlich, revidiert jedoch keineswegs die Tatsache, daß über ein Drittel, womöglich sogar die Hälfte der im heiratsfähigen Alter befindlichen Dorfbewohner über mehrere Generationen voreheliche Sexualität praktizierte. Toleranz und Akzeptanz verbanden sich ebenso intensiv mit der Zugehörigkeit oder Fremdheit, mit sozialer Eingebundenheit oder Isolation. Im 16. und 17. Jahrhundert erschienen Väter zusammen mit ihren Töchtern vor Gericht zur Einklage von Heiratsversprechen oder Alimenten oder handelten dergleichen mit dem Kindsvater intern aus; verschiedene Dorfbewohner boten einer einheimischen Schwangeren Unterstützung an; ledige einheimische Mütter hatten nach den Einträgen in den Kirchenbüchern gute Heiratschancen, und es war keine Seltenheit, daß sogar das dörfliche Ehrenamt der Hebamme von ortsansässigen Frauen bekleidet werden konnte, die illegitime Kinder hatten. Ein intaktes soziales Netz bot also verschiedene Formen der Integration lediger Schwangerer. Dabei mußten die sozialen Beziehungen nicht unbedingt mit der Dorfgemeinschaft identisch sein, sondern konnten auch aus einer Berufsgruppe resultieren, wie die vielen Heiraten

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lediger Töchter aus Hirten- oder Müllersfamilien zeigen, die trotz mehrerer illegitimer Kinder später Hirten- oder Müllerssöhne aus Nachbargemeinden ehelichten. Dagegen zeigen dieselben Quellen, daß fremde Frauen, vor allem Dienstmägde, ihre Prozesse gegen die Kindsväter zumeist zu ihren Ungunsten allein vor Gericht durchstehen mußten, daß sie des Dienstes und Dorfes verwiesen und im Gegensatz zu den Töchtern der örtlichen Familien höchst selten von Dörflern geheiratet wurden. Aus der Perspektive der Schwangeren gestaltete sich ihre soziale und psychische Situation demnach sehr unterschiedlich: Sie waren entweder in ein soziales und kommunikatives Netz aus Verwandtschaft, Nachbarschaft und Freundschaften eingebunden und konnten mit Unterstützung selbst des Ortsgeistlichen 198 und der Gemeindebediensteten rechnen, oder sie befanden sich in einer Situation der Isolation, die sie letztlich auf sich selbst zurückwarf. Wonach richtete sich in letzterem Falle aber die eigene Akzeptanz des schwangeren Zustandes, oder anders gefragt: Warum brachten Frauen in der scheinbar selben Situation - etwa als ledige Dienstmägde, die von verheirateten Dörflern geschwängert wurden - einmal ihre Kinder mithilfe anderer Frauen zur Welt, warum verheimlichten sie ein anderes Mal ihre Schwangerschaft und töteten das Kind? Die Quellen legen die Vermutung nahe, daß der je andere Umgang mit der eigenen Schwangerschaft eine Verbindung dazu aufweist, ob und wie sehr die Selbstwahrnehmung der ganzen Person und die subjektive Wahrnehmung des eigenen Körpers möglicherweise auf der Einsicht basierten, daß aufgrund fehlender sozialer und familiärer Kontakte allein die körperliche Verfaßtheit, Arbeitskraft und Leistungsfähigkeit einzige Garanten des bisherigen und künftigen Überlebens darstellten. Frauen, die ihre Schwangerschaft verleugneten, haben oft eine ähnliche Lebensgeschichte und Sozialisation: eine Kindheit und Jugend, die sie nicht selten als Halb- oder Vollwaisen auf sich selbst gestellt durchlebt hatten, eine möglicherweise daraus resultierende, spezifische Einstellung zu Leben und Tod, zu Kindheit und Elternschaft, die alltägliche Erfahrung, überall eine Fremde ohne weiterreichende Kontakte zu sein, das Wissen um die Unmöglichkeit einer Heirat und die Überschreitung von Grenzen der dörflichen Toleranz durch ein etwa mit einem verheirateten Dörfler eingegangenes Liebesverhältnis, die enttäuschende Aussprache mit dem jede Verantwortung ablehnenden Kindsvater oder seiner Familie. All diese sozialen Erfahrungen mußten vor dem Hintergrund einer notgedrungen starken Fixierung und Angewiesenheit auf die eigene Person auch die Wahrnehmung des eigenen, ungewollt schwangeren Körpers beeinflussen. Was in jenen Frauen vorging, die ihre Schwangerschaft so radikal ablehnten, daß sie diese vor sich selbst verleugneten, können wir nur erahnen; die psychische Umsetzung ihrer sozialen Erfahrungen veranlaßte sie zumindest dazu, nur ihren nicht schwangeren Leib, der durch seine Integrität und Arbeitskraft ihre bisherige Überlebensbasis garantiert hatte, zu akzeptieren, den schwangeren

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Körper und das Ungeborene aber zu verdrängen. Das eigene Eingeständnis der Schwangerschaft hätte zugleich die Einsicht in unheilvolle Lebensumstände bedeutet, die - abgesehen von bleibender sozialer Isolation und zusätzlicher moralischer Schande - das Risiko zeitweiser Arbeitsunfähigkeit, möglicher Krankheiten, reduzierter Mobilität und weiterer Verluste in sich bargen. Daß gerade ledige fremde Dienstmägde ohne soziale Kontakte im Dorf und ohne Verwandtschaftsbindungen ihre Schwangerschaft, vor allem, wenn sie aus dem Verhältnis mit einem Mann resultierte, der nicht einmal die Möglichkeit gehabt hätte, sie „aus der Schande" zu retten, gegenüber dem ganzen Ort, ihrer Hausgemeinschaft und sich selbst gegenüber verleugneten, daß gerade diese Gruppe von Frauen zu den potentiellen Kindsmörderinnen gehörte, verweist auf eine besondere Verschränkung sozialer Lebensbedingungen und der daraus resultierenden unterschiedlichen Wahrnehmungen der eigenen Person. Eine bis zur völligen Verdrängung abgelehnte Schwangerschaft, die deshalb vielfach erst den Kindsmord ermöglichte, war keineswegs nur Resultat bewußter Sünd- und Schuldhaftigkeit, geschah nicht nur aus Angst vor dem Verlust der Ehre1", sondern kann durchaus als Ergebnis der psychischen Verarbeitung von Erfahrungen der sozialen Vereinsamung gelesen werden, deren Gegengewicht eine unter allen Umständen zu bewahrende ,Ökonomie' des eigenen physischen Körpers bildete. Schließlich konnte die ungewollte Schwangerschaft eine Zukunft des ungeborenen Kindes lebendig werden lassen, die vielleicht an die Vergangenheit seiner Mutter oder deren Mutter erinnern ließ: ständige Wanderschaft, unsichere Lebensverhältnisse, Angewiesenheit auf nur ein Elternteil, dessen Verlust tragische Folgen zeitigte, Isolation, Schande, Not. Nicht wenige Kindsmörderinnen waren selbst Kinder aus illegitimen, zumindest aus ungeordneten oder komplizierten Verhältnissen. Daß schon die Angst vor sozialer Isolation zur heimlichen Geburt und zur Tötung des Kindes treiben konnte, zeigen die lothringischen Prozesse: Trotz günstiger Bedingungen - Wegfall von obrigkeitlichen und kirchlichen Strafen, finanzielle Unterstützung für das Kind, wenn der Vater angegeben wurde - verleugneten Frauen, die aufgrund dieser Regelungen weder mit materieller Not noch mit Schandstrafen rechnen mußten, vor allem dann ihre Schwangerschaft, wenn ihnen mit einem sozialen Ausschluß aus ihrer Familie oder ihrem Verwandtschaftsverband gedroht worden war. Auch für sie schloß sich in ihren Phantasien dann der Kreis von der Ausgrenzung über die Isolation bis hin zur Angewiesenheit auf sich selbst, an dessen Ende wiederum nur ein ökonomischer Umgang mit den eigenen Körperkräften das Uberleben gesichert hätte. Uneinheitlich war, wie wir mehrfach darlegten, auch die Haltung und Toleranz der Dorfbewohner gegenüber dem unehelichen Kind und seiner Mutter, der einmal jede Unterstützung und Vermittlung angeboten, ein anderes Mal jegliche Hilfe verweigert wurde. Wie immer sich die unfreiwilli-

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gen Eltern mit ihrer Situation auseinandersetzten, welche Einstellung die Gemeinde im jeweiligen Fall vertrat und welche Konsequenzen sich für die weiteren Lebensperspektiven der Mütter und ihrer Kinder ergaben: Bei unehelicher Schwangerschaft hatten noch andere ein Wort mitzureden. Weltliche Gerichte strengten Prozesse an und verhörten eine Reihe von Zeugen, sprachen Geld-, Leibes- und Ehrenstrafen aus; die Kirchenvertreter prangerten die Schuldigen von der Kanzel herab an, verhängten diffamierende Kirchenstrafen, ja exkommunizierten ledige Mütter für eine gewisse Zeit von Kommunion, Patenschaft und kirchlichem Begräbnis. 200 In Nassau-Saarbrücken wurden Frauen wie Männer bei überführter Unzucht seit 1620 mit zehn Talern Frevelgeld, einer vierzehntägigen Turmstrafe sowie einer Kirchenstrafe von zwei Gulden in den „Gotteskasten" und einem einstündigen Sitzen entweder auf der Trille oder auf dem Lasterstein bestraft.201 Im Wiederholungsfalle drohten Pranger und Landesverweis, bei U n fähigkeit zur Geldzahlung die dreimonatige Schanzarbeit im Schloßgarten. Ab 1740 erhöhte man die Geldstrafe für Unzucht mit Schwängerung auf 20 Gulden und fü^te der weltlichen Strafe für Frauen das Herumziehen des Schellenkarrens an. 02 Eine erneute Revision der Verordnungen von 1764 und 1768, in der nurmehr von „Weibspersonen" die Rede ist, erhöhte 1777 die herrschaftlichen Bußgelder auf 30 Gulden, ersatzweise dreimonatige „Handarbeit vor die Landesherrschaft" und verfügte bei dreimaliger Hurerei den Landesverweis. 203 In der Herrschaft Dagstuhl der Herren von Sötern zahlten Männer und Frauen bei erstmaliger Unzucht je zehn Reichstaler Herrenbusse, bei Zahlungsunfähigkeit leisteten sie eine vierwöchige Schanzarbeit; im Wiederholungsfalle absolvierten Männer zusätzlich zur Geldstrafe eine vierwöchige Schanzarbeit, wogegen Frauen nach einer Nacht im Gefängnis eine Stunde lang mit einem Strohkranz und Zöpfen unter Aufsicht des Amtsboten auf dem Marktplatz von Wadern, dem Hauptort der Herrschaft, oder vor der Kirchentür ihrer Pfarrkirche stehen mußten. Während beim dritten Vergehen der Landesverweis ausgesprochen wurde, verloren alle Verurteilten - auch die Ersttäter - ihr Recht der Erstgeburt. Die Kirche erhielt in jedem Falle vier Reichstaler und drei Pfund Wachs.204 Auch in der Reichsherrschaft von der Leyen drohten zehn, im Wiederholungsfalle 20 Gulden Strafe, ersatzweise acht bis zwölf Wochen Turmstrafe bei Wasser und Brot, daneben 240 Rutenstreiche beim ersten, vier Jahre Landesverweis beim zweiten und ewiger Landesverweis beim dritten Vergehen. Frauen mußten zusätzlich ab einer zweiten illegitimen Schwangerschaft mit einer Kerze in der Hand während der Messe im Kirchengang knien.205 Während in Kurtrier gestaffelte Turm- und Geldstrafen sowie öffentliche Kirchenpönitenz vorgesehen waren, wurde in den lothringischen Amtern die angezeigte uneheliche Schwangerschaft weder mit herrschaftlicher noch kirchlicher Strafe belegt.206 Dagegen ergingen im Herzogtum PfalzZweibrücken allein zwischen 1720 und 1767 mindestens vierzehn diesbezügliche Verordnungen. Wurden Unzucht und frühzeitiger Beischlaf im 16. Jahr-

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hundert mit zehn Gulden herrschaftlicher Strafe sowie dem Ausschluß von Abendmahl und Patenschaften bestraft207, gebot die Landesordnung Herzog Johann II. von 1605 mehrtägige Gefängnisstrafen, im Wiederholungsfalle Pranger und bei dreimaliger „Hurerei" Auspeitschung und Landesverweis. 208 Die Verordnungen des 18. Jahrhunderts dagegen sahen ab 1720 eine auf zwanzig Gulden, ab 1756 auf hundert Reichstaler erhöhte Geldstrafe oder bei Zahlungsunfähigkeit den Landesverweis, ab 1767 eine dreißigtägige „herrschaftliche Arbeit" in den Schloßgärten oder ab 1771 eine einjährige häusliche Spinnarbeit vor209; hinzu kamen Turm- und Schandstrafen wie das Herumführen eines Schellenkarrens, an welchem ein „schild mit der überschrifft Hurenstrafe gesetzet" war, das dreitägige Säubern der Straßen der Hauptstadt des Oberamtes, in welchem die Tat begangen worden war sowie bis 1758 das Tragen der Lastersteine als öffentliche Kirchenstrafe. 210 Trotz beachtlicher Differenzen bei der Bestrafung von „Hurerei" und „Unzucht" waren sich alle Landesherren jedoch bezüglich der Ahndung verheimlichter Schwangerschaften einig, vor allem wenn die Geburt mißglückte: Wegen verübten Kindsmordes sollten die niedergekommenen Frauen zum Tode verurteilt und hingerichtet werden211; lebte das Kind, wurden sie des Landes auf ewig verwiesen.21 Daß man sich selbst bei allem dörflichen Wohlwollen gegenüber einer Dorftochter aus gutem Hause mit bislang unbeschadetem Leumund, die jedoch ins Gerede gekommen war illegitim schwanger zu sein, dennoch genötigt sah, sie zumindest nochmals nachdrücklich gegenüber Obrigkeit und Kirche reinzuwaschen zeigt, daß es eine zweite, außerdörfliche Bewertungsebene der Illegitimität gab, die eine durchaus wichtige Rolle im Selbstverständnis der Dorfbewohner spielte. Der Aufwand und das Bemühen um öffentliche Wirksamkeit, mit welchen im Jahre 1665 mehrere Frauen aus Oberselbach die Rehabilitation der ledigen Dörflerin Germans Eis inszenierten, verdeutlicht zwei wichtige Aspekte, die eine entscheidende Rolle bei der offiziellen Bewertung der ungewollten Schwangerschaft spielten und mitentscheidend für das künftige Ansehen waren: Es galt einmal, den abweichenden Ehrdiskurs, das unkontrollierte dörfliche Geschwätz also, das den guten Namen und die weibliche Ehre in Mitleidenschaft ziehen und bei einer illegitimen Schwangerschaft plötzlich von Schande sprechen konnte, in Schach zu halten; es ging zum anderen darum, Vertreter der Kirche und der Obrigkeit, die trotz dem über eine illegitime Schwangerschaft hinweggeretteten und bislang im Dorf bewahrten Ansehen bloßstellen und verdammen konnten, von der Unschuld der Eis zu überzeugen. Die Erscheinung der Heiligen Barbara in Oberselbach spricht Bände über Ängste vor dörflichem Gerede, vor öffentlichen Verhören und einer auf dieser Basis getroffenen offiziellen Bewertung und Bestrafung. Die sechzehnjährige Gertraud Theyß kam um die Mittagszeit gerade mit einem Korb voller Rüben auf dem Kopf vom Feld und wollte nach Hause gehen, als sie beim Zollstock vor der Kirche von Oberselbach eine fremde

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junge Frau erblickte. 213 Als sie die „hübsche Gestalt" in blauem Rock, Wammes und weißer Haube ansprach, antwortete diese, es sei unnützes Geschwätz im Dorf, denn es heiße, Germans Eis sei schwanger: „Es were nit also, sie thun ihme ungleich, undt ich will morgen ein zeichen derentwegen geben, daß sie daran unschuldig ist, welches zeichen alhieruff dem platz beim zollstockh finden wirst", so ihre Abschiedsworte. Tatsächlich fand Gertraud am nächsten Tag an der gleichen Stelle ein Stück Leinen, vielleicht von der Haube der Fremden; doch damit nicht genug: Vierzehn Tage später begegnete dem Mädchen die Gestalt ein zweites Mal an der Kirche, wobei die Unbekannte ihr versicherte, Germans Eis sei „eine vorbitterin bey Gott" und ihr auftrug: „gehe hin in gottes nahmen, undt sage den germans leuthen dieses". Weitere Begegnungen folgten, bei welchen die Frau der Gertraud auftrug, mehrere Tage ununterbrochen zu beten und kein Fleisch zu essen; zuletzt gab sie sich als „Jungfrau St. Barbel" zu erkennen. Gertraud möge ihrem Paten und Herrn Nikein von Lebach, dem Ortsgeistlichen, von ihrer Erscheinung berichten und auch, daß sie am Dreikönigstag „ein Wahrzeichen von wegen der dochter Elßen" geben werde. A m Abend des Dreikönigstages erblickte Gertraud den „geist" in der Nähe des Kirchhofs: Die Erscheinung war „weiß gekleidt mitt einer güldenen cronen auff dem haubt, die haar hinden herunder abgelassen, ein buch in der handt undt under den fußen eine kleine kirchen oder Capell, gleich wie man St. Barbel flegt abzumahlen". Gertraud begab sich nun in die Kirche, wohin ihr die Gestalt folgte und ihr das „Wahrzeichen", einen roten Abdruck von „St. Barbels hand" auf Papier, überreichte. Gertraud rief daraufhin Germans Eis und ihre Eltern sowie ihren Paten und seine Frau ins Glockenhaus der Kirche, zeigte ihnen das Zeichen, welches sodann derart zu leuchten begann, daß sich „also balden urplötzlich ein solcher feuriger glantz helle" im dunklen Raum ausbreitete, daß alle Anwesenden vor Angst zu beben und zu zittern begannen. Gertraud jedoch beruhigte sie mit den Worten: „Hier stehet St. Barbel vor mir, es gehet solches zeichen germans leuthe an, dan es geschehe germans Elß unrecht, undt der Patte solte das zeichen Herrn Nikkeln, Pastorn undt andern leuthen auffweißen, so werden noch viel Meuler gestopfft werden, von wegen des unnutzen geschwetz, so sie der Elß nach sagen, und werden noch zwischen hier und lichtmeß andere wunder zeichen sehen undt bekommen, nemblich daß die lichter von sich selbsten in der kirche angehen, undt die glocken von sich selber leuten". Gertrauds Pate, der Meisterschöffe des Hofes Selbach, Michel Straßer, hatte nach diesem Erlebnis nichts eiligeres zu tun, als das „Wahrzeichen" und sein Erlebnis dem Geistlichen, dem herrschaftlichen Vogt, Herrn von Hagen, und dem Meier der Herrschaft Lebach, Caspar Creutzer, zu unterbreiten, welche sich zusammen mit Gertraud sogleich im Hause des Straßer zur Beratung versammelten. Man beschloß, den Meier im Haus des Paten zu belassen und Gertraud im Bett neben der Ehefrau des Michel übernachten zu lassen. In derselben Nacht,

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noch in Gegenwart des Meiers Creutzer - alle Anwesenden bemerkten einen „hellen glantz, gleich einem leuchtenden feuer" in der Stube - , wie auch am nächsten Tag in Anwesenheit des Herrn von Hagen und des Pastors - beide vermeinten eine unsichtbare Stimme zu hören - , hatte Gertraud abermals Erscheinungen der heiligen Barbara, welche immer wieder die Unschuld der Eis betonte und weitere „öffentliche zeichen" ankündigte, damit der „argwöhn" aufhöre und man wisse, „ob alles von gott komme oder nicht". Erst dem hinzugezogenen Kaplan aus Fraulautern gelang es nach mehreren Wochen, der Gertraud ein Geständnis zu entlocken: Germans Elß habe ihr vor einiger Zeit anvertraut, daß „es nahe daran wehre, daß sie ein wenigh schwanger gewesen", daß sie aber „in ihrem garten ein krauth stehen hetten, von dem sie etwas gebraucht undt eingenommen, welches die geburth vertrieben hette". Nachdem das Gerede im Dorf über eine Schwangerschaft der Eis nicht hätte verstummen wollen, sei Gertraud von Eis und vor allem von deren Mutter dazu überredet worden, „daß nemblich wenn ihr etwas erscheinen werde, undt zeichen thue, solle sie solches öffentlich ausbreiten und under leuthe bringen, daß ihr dochter unschuldig und niemals schwanger wehre geweßen". Die wundersame Reinwaschung durch die Heilige hatte sich als ein fast meisterhaftes Theaterstück über die Unschuld einer ledigen Dörflerin entpuppt, das zwar auch für das Dorf, in erster Linie aber für die Vertreter von Kirche und Obrigkeit inszeniert worden war, auf deren Unterrichtung die „heilige Barbara" so großen Wert gelegt hatte. Was wir als weibliche Ehre bezeichnen, beeinhaltete keinesfalls nur Zuschreibungen, über die man sich im dörflichen Diskurs verständigt hatte, weil sie sich aus der sozialen Praxis des Miteinanderlebens sowie der sozialen Verortung einer Person ergeben hatten. Vielmehr gestalteten auch außerdörfliche, kirchliche und obrigkeitliche Vertreter über ein System der Nachforschung und über Möglichkeiten des Aushandelns die Semiotik einer durchaus wandelbaren individuellen Ehre mit. Da Eis eine Abtreibung vorgenommen hatte und das Gerede über ihre Schwangerschaft, der keine Geburt folgen würde, weiterging, mußte sie mit dem Zugriff beider Instanzen, mit Recherchen, Verhören und Zeugenvernehmungen rechnen. Auf diese Weise wäre sie lange Zeit im „Geschrei" geblieben, womöglich sogar in Verdacht geraten, denn wie uns die Quellen belegen, rekurrierten vor Gericht vernommene dörfliche Zeugen mit Vorliebe auf Ansehen und guten Ruf weiblicher Angeklagter, den sie oft in den Mittelpunkt ihrer eigenen Einschätzungen des Vorfalles stellten. Daß es ausgerechnet die heilige Barbara war, die Eis vor weiteren Konsequenzen des dörflichen Geredes schützen sollte, verrät die unausgesprochenen Ängste und Befürchtungen von Mutter und Tochter aber auch auf andere, symbolische Weise: Die Heilige, eine der vierzehn Nothelfer, war wegen ihres Glaubens in das finstere Verlies eines Gefängnisturmes geworfen und zum Tode verurteilt ι 214 worden.

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3. Ein Schwellenzustand: Die Schwangere als Grenzgängerin Gratwanderungen und Grenzgänge Das Schwangergehen war eine Gratwanderung. 215 Die Selbstwahrnehmung des Körpers, die Körpergefühle, die sichtbaren und unsichtbaren Zeichen, alle Prognosen und Diagnosen waren ambivalent und mehrdeutig. Die ausbleibende Menses konnte eine „böse versamblung", eine Krankheit oder Verunreinigung, und sie konnte eine Schwangerschaft bedeuten. Sie kündigte Tod oder Leben, Unheil oder Segen, Gefahr oder Freude, Böses oder Gutes an. Vorstellungen und Phantasien drehten sich, wenn eine Schwangerschaft durch die Kindsregung vermutet werden konnte, um die rechte Reifung der Leibesfrucht in einem richtigen Verhältnis im Leibesinneren aus Fließen und Stocken, um gutes Gedeihen einer „zeitigen", „wahren Frucht" oder böses Wachstum einer durch Galle vergifteten, durch überschüssiges Blut erstickten und schließlich ausgestoßenen Leibesfrucht. Die Mehrdeutigkeit der Körpergefühle und Selbstwahrnehmungen spiegelte so die Ambivalenzen und Widersprüche, die im Leibesinneren und in den Imaginationen seines Funktionierens ihren eigentlichen Platz hatten. Richtiges Maß und Gemisch der Körpersäfte, eine ausreichende Zeit des Wachstums, Verhaltensweisen und Bedingungen, die beides gewährleisteten, waren Voraussetzungen, die ein ,Kippen' verhindern, ja den „physiologischen Widerspruch zwischen Mütterlichem und Mörderischem" 2 ' 6 in einem positiven Gleichgewicht halten sollten. Bis zur Geburt und selbst mit ihr blieben jedoch Ungewißheit und Mehrdeutigkeit, hatte die Gratwanderung erst dann ihre Eindeutigkeit erreicht, wenn das, was geboren wurde, ein lebendes „gliedmäßiges" Kind und weder eine Mola, ein „unzeitig Gewächs" noch ein Wechselbalg war.217 Die Schwangere war zugleich Grenzgängerin. Nicht zum ersten Mal in ihrem Leben zog ihr Frausein Grenzen, zeigte es kulturelle Beschränkungen und zugleich Machtpotentiale auf: Im französischen Minot etwa wird das Menstruationsblut als ein machtbeladener Körpersaft mit verderbender Kraft angesehen, der bestimmte Nahrungsmittel zum Faulen bringen kann, gekochte und trockene Lebensmittel jedoch bestehen läßt.218 Ein Blick in das volksmagische Repertoire der Frühen Neuzeit weist denselben Stoff als Mittel gegen Krankheiten oder als Bestandteil von Liebeszaubern aus.2 9 Diese unterschiedlichen Vorstellungen vom Wirken des Monatsblutes verweisen auf eine Körpervorstellung, die wenig mit unserer modernen Physiologie gemeinsam hat und weder streng dualistisch zwischen „Leib" und „Seele", zwischen „Geist" und „Materie" unterscheidet, noch Körperlichkeit ihrem Wesen nach als einzig materiell begreift.220 Es ist nicht der Körper an sich und alleine, der aussendet oder eine Substanz, die aus ihm wirkt; vielmehr erscheint das Körperliche als Symbolträger der ganzen Person, der metaphorische Zusammenhänge von kulturell als zusammengehörig assoziierten Ereignissen oder Din-

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gen im praktischen Umgang, Denken und Wahrnehmen bestätigt. Diese symbolischen Entsprechungen und Bezüge variieren je nach Person, Körper und Situation, so daß sie den entsprechenden kulturellen Interpretationen gemäß immer wieder neu ,in-korporiert' werden und gleichzeitig neu ,in-spirieren'. In dieser symbolischen Deutung von Körpervorgängen verschwinden nicht nur die Grenzen von innerem Leib und Außenwelt, so als habe der Körper keine ihn umschließende Haut, vielmehr vollzieht sich zugleich entgegen der heutigen Verortung körperlicher Stoffe an lokalen Körperteilen eine analoge Gleichsetzung, nach welcher die Kraft des Blutes als „pars pro toto" des Menschen durch seine ganze Person wirksam werden kann. Die kulturellen Grenzen, die einer menstruierenden Frau in Minot aufgezeigt werden - konkret sind es Salzlake, Pökelfaß, Speck und Wein, Eingesalztes, Geräuchertes und Gegorenes - führen zurück auf eine die ganze Umwelt einschließende Ordnungsvorstellung, auf Kohärenzen zwischen dem Kosmos des Körpers und der kosmischen Welt, auf implizite Analogien und metaphorische Ähnlichkeiten zwischen Leibteilen und dinglicher Welt, die es erlauben, Bezüge, Abhängigkeiten und Gleichsetzun^en innerhalb dieser symbolischen Logik der Assoziationen' anzunehmen. „Jedes symbolische Detail", so formuliert es Victor Turner, „steht zu einem empirischen Gegenstand der Erfahrung in Beziehung".222 Die menstruierende Grenzgängerin wird aufgrund dieser Annahmen von einer besonderen Verhaltensethik aus Abstinenz und „Unpässlichkeit" geleitet und begrenzt. Die Schwangere hingegen ist in doppelter Weise Grenzgängerin, einmal, weil ihr Körper mitsamt seiner „Bürde" - wie derjenige der Menstruierenden - gleichsam als hüllenlos aufnehmender und abgebender Symbolträger sowie in metaphorischer Wechselbeziehung mit seiner Umwelt gedacht und behandelt wird und sich aus den daraus abgeleiteten kulturellen Assoziationen Grenzen des Verhaltens ergeben, ja eine ganze Semiotik des Schädlichen und Nützlichen entsteht. Andererseits ist sie Grenzgängerin in einem Zwischenzustand der Liminalität; sie befindet sich in einer Übergangsphase vom Frausein zum Muttersein. Beide Aspekte der schwangeren Grenzgängerin werden im folgenden interessieren, da sie in der ländlichen Gesellschaft der Frühen Neuzeit in steter Verbindung miteinander gedacht wurden. Die erste Perspektive führt dabei in den Bereich der Körpersymbolik und der Imaginationen, die zweite auf das Feld der Rituale und Verhaltensregeln. Wie kaum eine andere weibliche Lebensphase in der europäischen Gesellschaft verdeutlicht die Schwangerschaft eine Schwellenphase im Leben eines Individuums beim Übergang von einer sozialen Situation in eine andere. Unlösbar mit der Geburt, dem Wochenbett und der Aussegnung verbunden, bildet die Schwangerschaft nach Arnold van Gennep und Victor Turner eine Phase innerhalb eines Übergangsritus („rite de passage"), der sich aus Trennungsriten („rites de separation") in einer präliminalen Ablösungsphase, Schwellen- und Umwandlungsriten („rites de marge") in einer liminalen Zwi-

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schenphase sowie Angliederungsriten („rites d'agregation") in einer postliminalen Integrationsphase zusammenfügt. 223 Die Begrifflichkeiten deuten dabei auf zwei Aspekte der „rites de passage" hin: zum einen auf ihre strukturelle wie rituelle Komponente, zum anderen auf ihre zeitlich-räumliche Dimension als Phase, die zugleich Zustand ist. Die Schwangerschaft selbst beinhalte in dieser doppelten Perspektive eine festgesetzte und vorübergehende Zeit und einen Ort der konkreten wie symbolischen Trennung, Loslösung und Umwandlung, bezogen auf Eßgewohnheiten, tägliche Handlungen und Angewohnheiten bis hin zur Sexualität und zur gesamten Lebensführung. Sie umfasse aber ebenso eine Zeit und einen Raum der „kulturellen Bedingungen", der Regeln, Rechte, Pflichten und Privilegien, die außerhalb der Liminalität keine Gültigkeit besitzen und nur die „Passierende" betreffen würden.224 Da beide Autoren davon ausgehen, daß Ubergangs- und besonders Schwellenphasen eine Person jenseits der vom Gesetz, der Tradition, der Konvention und der ethischen Normen fixierten Positionen in einen unbestimmten kulturellen und sozialen Raum stellen, seien besondere Rituale und Maßgaben notwendig, um der Ambiguität dieses Zwischenzustandes durch Zuweisung spezieller Rollen und Positionen entgegenzuwirken. 225 Es macht kaum Schwierigkeiten, die von van Gennep und Turner vorgeschlagenen „Klassifikationsebenen", ihre Ritualtypen, „Zeremonialkomplexe" und „Schemata" 226 in den Quellen, die die ländliche Gesellschaft der Frühen Neuzeit hinterlassen hat, wiederzuentdecken. Es soll hier jedoch nicht um die Klassifizierung ritueller Sequenzen gehen, sosehr sie systematisierende Orientierungshilfe sein kann. Vielmehr wird im folgenden eine Mikroanalyse konkreter Handlungs- und Denkweisen im Kontext eines Körperverständnisses angestrebt, das dem besonderen Umgang mit der „Grenzgängerin", den gesellschaftlichen Sanktionen bei Übertretung von Vorschriften, den Rechten und Pflichten der „Passierenden" sowie den symbolischen, konatischen und rituellen Aspekten dieser weiblichen Lebensphase, die zugleich auch Zustand ist, erst ein Bedeutungsnetz, oder wenn man so will, seine Motive verleihen kann. Ein besonderes Augenmerk gilt dabei Situationen des Aushandelns akzeptabler Umgangs- und Verhaltensweisen sowohl an jenen Nahtstellen zwischen N o r m und Praxis, als auch in Kontexten der Unwägbarkeit wie des Konfliktes, jenen Unsicherheiten im Verständnis und in der Handhabe also, die den unstabilen Gang im Niemandsland zwischen zwei Welten (Grenzgang: Frau-Mutter) und zwischen mindestens zwei physiologischen Möglichkeiten (Gratwanderung: Leben-Leere-Tod) kennzeichnen, der zugleich aber nach Vorkehrungen verlangt. Begrenzungen:

Regeln und Pflichten

Schwangerschaft, Geburt und Kindbett bilden eine untrennbare Einheit. Mit dem Bemerken der Schwangerschaft setzte für die Frau in der Frühen Neu-

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zeit eine Phase ihres Lebens ein, die sie einerseits an Pflichten und Vorschriften band, ihr andererseits besonderen Schutz und Sonderrechte gewährte. Es war eine Zeit der Limitierung und Gefahr, aber ebenso eine Periode der Privilegierung und der Isolierung. Nicht allen Frauen kamen Privilegien und Rechte in gleicher Weise zugute, vielmehr bezogen sie sich in erster Linie auf die verheirateten und einheimischen Frauen, diejenigen also, die in einem sozialen oder räumlichen Koordinatensystem verortbar waren und sich als die nach dem kollektiven Verständnis schützenswerten weiblichen Dorfmitglieder auswiesen. Was für die schwangere Frau gut war, wie sie sich verhalten und an welchen Regeln und Verboten sie sich orientieren sollte, resultierte aus komplexen Denkweisen über den weiblichen Körper, der mit dem Ungeborenen als ein gemeinsamer Organismus, dessen Wechselbeziehungen mit der Außenwelt als durchlässig und dessen Teile als ein materielles wie imaterielles Ganzes gedacht wurden, das wiederum mit der Lebenswelt in symbolischen Assoziationen verknüpfbar war. Einmal durch die Vorstellung, daß er Gutes wie Böses in sich ausbilden, tragen und austragen konnte, zum anderen wegen der direkt und nicht über den Umweg physiologischer Prozesse gedachten Verbindung von Frau und Frucht, wurde der schwangere Körper als schütz- und hilfsbedürftig, aber auch als gefährlich, machtvoll und manchmal als unrein angesehen. Die Schwangere hatte eine Art Sonderstatus im gesellschaftlichen, familiären und politischen Leben und ebenso eine besondere Verantwortung gegenüber sich selbst und dem Fötus sowie denen gegenüber, die sie schützten. Gerade die Ambivalenz zwischen Schutz von außen, der nach innen wirken sollte, und Verantwortlichkeit vor allem nach innen, die sich in einer komplizierten Symbolik auch nach außen richten konnte, belegte schwangere Frauen mit Verboten und Regeln, die - gepaart mit Inklusion und Isolation - diese Übergangsphase ihres Lebens für sie selbst und ihre Umwelt deutlich markierten. Derartige Beschränkungen und Tabuisierungen knüpften entweder direkt an die Vorstellung von der organischen wie symbolischen Einheit von Mutter und Ungeborenem an, sie bezogen die allgemeinen metaphorischen Assoziationen zwischen dinglicher und körperlicher Welt in besonders dramatischer Weise auch auf die leiblichen Abläufe der eigenen oder der Schwangerschaft anderer Frauen, oder aber sie verschränkten beide Aspekte zu einem komplexen Bild: Schlechte E ß gewohnheiten, stockendes Blut, eine vergiftete Frucht im Mutterleib, die schließlich abgeht, und das Verderben von Nahrungsmitteln oder Menschen konnten zu einem dieser Bilder verschmelzen. Ohne auf alle Einzelfälle einzugehen will der folgende Blick auf unterschiedliche Pflichten und Verbote für werdende Mütter ihre spezifische Lebenssituation zunächst unter der Perspektive der konkreten wie symbolischen Begrenzung aufschlüsseln.

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Verantwortlichkeiten schwangerer Frauen umfaßten die ganze Person und ihre spezielle Situation; sie bezogen sich sowohl auf den weiblichen Körper, auf Emotionen und Gefühle, auf die sozialen und lebensweltlichen Eingebundenheiten der Frauen sowie auf das Ungeborene. Ihre Befolgung konnte am Erscheinungsbild und Befinden der Frauen, am Verlauf der Schwangerschaft sowie am Zustand des Neugeborenen abgelesen und kontrolliert werden. Mehr oder weniger erstaunt stellt man fest, daß in der ländlichen Gesellschaft der schwangere Körper weniger mit Verboten bezüglich seiner Arbeitskraft denn mit solchen belegt wurde, die sich auf sein inneres fließendes Gleichgewicht bezogen und in direkter Verbindung mit dem Fötus gedacht wurden, so als habe die körperliche Belastung keine Auswirkung auf die Vorgänge im Leibesinneren. Der Gedanke einer Uberbelastung durch tägliche Arbeit schien den Dorfbewohnern beiderlei Geschlechts derart fremd, daß es hochschwangeren Frauen selbstverständlich war, ihre sämtlichen Arbeitsbereiche bis zur Niederkunft uneingeschränkt auszufüllen, eingeschlossen das Wäscheschleppen und -waschen am Fluß, Feldarbeit und Wassertragen. N u r wenn sich Komplikationen ankündigten, die auf ein Ungleichgewicht der inneren Säfte schließen ließen - bei auftretenden Blutungen von besonderer Farbe, bei Erbrechen oder dem Abgang von Flüssigkeiten etwa - sollte die Schwangere auf schwere körperliche Arbeit, die ansonsten als Unterstützung der körperlichen Konstitution und als gute Vorbereitung auf die „Geburtsarbeit" eingeschätzt wurde, verzichten. Aufgrund der Beobachtung eines absonderlichen Blutflusses hatte die schwangere Dienstmagd Christina Theobald sich sogleich niedergelegt und die ihr von ihrem Dienstherrn aufgetragene Arbeit des Grasschleppens an einen Dienstjungen mit den Worten weitergegeben: „Wer graß hohlen wolte, der solte, sie könte nicht". 227 Weit mehr Beschränkungen verbanden sich dagegen mit der Nahrungsaufnahme und dem individuellen wie sozialen Verhalten während der Schwangerschaft, wobei nach der Vorstellung des gemeinsamen Organismus von Mutter und Kind Wert auf Ausgewogenheit gelegt wurde. Eine blühend aussehende Schwangere legte im Lothringischen nicht selten den Verdacht nahe, ihre Frucht müsse Mangel leiden: „belle brebis, agneau maligne". 228 Während Ärzte wie Anton Moritz auf eine gezielte Diät aus leichter, lauwarmer, nicht blähender und wenig gewürzter Kost, stärkenden Fleischbrühen und Wasser mit Essig oder Zitronensaft verweisen 229 , spielte bei den Eßgewohnheiten Schwangerer die symbolische Analogie zwischen dem Nahrungsmittel und seinen Auswirkungen über den Körper der Frau auf das Kind eine weit entscheidendere Rolle: In der Pfalz war schwangeren Frauen der Genuß etwa von Raubvögeln untersagt, da diese dem Ungeborenen „den Boden" durchstießen und damit eine Frühgeburt auslösen konnten; von Früchten mit harter Schale hingegen war eine rauhe Haut beim Ungeborenen zu erwarten. 230 In Lothringen wurde das Trinken aus ei-

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ner beschädigten Tasse mit einer Hasenscharte beim Kind, das Essen von Brombeeren mit Hautausschlag des Neugeborenen in Verbindung gebracht. Der Schwangeren war es dort bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts ebenso untersagt, ein Spinnrad zu berühren, unter einer Leine hindurchzugehen, ein Wagenrad oder eine Deichsel zu überschreiten, da sich dann die Nabelschnur um den Kopf des Ungeborenen wickeln würde. 231 Vor allem aber existierte ein Bereich aus Orten und Räumen, aus Zeiten und Dingen, den eine Schwangere meiden sollte, wenn sie sich keinen Gefahren oder Schädigungen aussetzen oder sie verursachen wollte. Wie in Minot für die Menstruierende galten im Saar-Pfalz-Raum eingelegte oder gegorene Nahrungsmittel vom „Umschlagen" bedroht, wenn eine Schwangere sie berührte; vermeiden sollte die werdende Mutter sowohl Kreuzwege, was eine schwere Geburt nach sich ziehen konnte, die Teilnahme an Begräbnissen und den Besuch von Kranken, was T o d und Krankheit zur Folge haben konnte, abendliches oder gar nächtliches Ausgehen, das sie dem Einwirken übernatürlicher Kräfte aussetzte und das Tragen von Halsketten oder Ringen, deren umschließende Eigenschaft in direkte Verbindung mit der Lage der Nabelschnur gebracht wurde. 232 Besonders das Überschreiten von Gräbern verstorbener Wöchnerinnen, welche vielerorts mit einem weißen Tuch überdeckt und derart kenntlich gemacht wurden, hatte nach allgemeiner Uberzeugung negativen Einfluß auf den Zustand der Schwangeren. „Wan Kindbetterinnen undt derselben Kinder todts verfahren, werden weisse tucher uff daß grab gelegt, vielleicht zu dem ende, daß kein schwanger weib darüber schreite", so spekulierte bei der Kirchenvisitation von 1671 der Pfarrer von Stadecken im Amt Lichtenberg, der wie seine Kollegen in anderen Regionen diesen Brauch als Aberglauben abtat.233 Hier wie im Falle der Übernahme einer Patenschaft durch eine schwangere Frau, wurden entweder direkte Analogien - das überschrittene Grab der toten Wöchnerin konnte den T o d der Schwangeren bei der späteren Geburt zur Folge haben - oder antipathetische Schlußfolgerungen gezogen - ein Kind im Leib zu tragen Schloß aus, ein Kind zur Taufe zu tragen, weil eins von beiden sterben mußte. Die Eintragungen in Taufregistern lassen erkennen, daß Schwangere und Kindbetterinnen stets durch andere Frauen als Patinnen bei der Taufhandlung vertreten wurden. 234 Eine direkte und ausdrückliche Verantwortung für ihre Leibesfrucht wurde nur ledigen Schwangeren durch die Gerichte, denen sie ihre Gravidität anzeigten, auferlegt. Sie sollten für das Ungeborene „die behörige Sorge tragen", alles Nötige tun, ihm „Schutz" gewähren, darauf „Achtung geben", es „conserver" und schonen, pauschale Umschreibungen für eine Fülle von Regeln und Verboten, die sich keineswegs nur auf die Vermeidung des Kindsmordes, von Abtreibung oder Kindesaussetzung bezogen. 235 Das N e t z der Regeln und Pflichten für schwangere Frauen beinhaltete selten konkrete Maßnahmen zur Vorbeugung gegen Früh- oder Fehlgebur-

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ten, stellte auch weder Anweisungen für Notfälle noch direkt auf den Gesundheitszustand von werdender Mutter oder Kind bezogene Maßnahmen etwa aus der Volksheilkunde zur Verfügung. Vielmehr zeigte es in assoziativer und symbolischer Weise sowohl disziplinierende, sozialethische wie reglementierende Konsequenzen entweder für die Zeit der Schwangerschaft, für das zukünftige Ereignis der Geburt oder den Zustand des Neugeborenen auf, die durch ihre Kombination mit Gefahrenzonen eine einschüchternde, das Verhalten, die Bewegungsfreiheit und die sozialen Kontakte einschränkende Auswirkung haben mußten. Daß derartige Beschränkungen nicht in allen Einzelheiten, wohl aber in den die Gemeinschaft betreffenden und in den von ihren Folgen her am gefährlichsten geltenden Fällen durchaus befolgt wurden, zeigt nicht nur ein Blick in die Taufregister, in denen schwangere Patinnen fehlen, oder in die Darstellungen von Ortspfarrern anläßlich von Kirchenvisitationen, die die Befolgung derartiger Verbote durch Schwangere vielfach unter dem Visitationsartikel „Aberglauben" bestätigen. Auch der rigide Umgang mit Frauen, die eine dieser Regeln mißachteten und ein mißgestaltetes, ein totes Kind zur Welt brachten oder eine schwere Geburt hatten, verweist auf eine kollektive Kontrolle und Sanktionierung. Auf die aus derartigen Übertretungen resultierenden mannigfachen Schuldzuweisungen - 1631 hatte man einer Frau aus Merzig beispielsweise vorgeworfen, sie habe nur deshalb ein totes Kind geboren, weil sie am Tag vor der Geburt noch getanzt hätte - sei bereits an dieser Stelle hingewie236

sen. Der physisch-sozialen Isolation und Inklusion auf der einen Seite entsprachen andererseits Vorstellungen vom „seelischen" Zustand der Schwangeren, die Verhaltensweisen invozierten, welche wiederum beschränkend und entgrenzend zugleich sein konnten. Die Gleichzeitigkeit von Inklusion und Exklusion entsprach dabei demselben symbolischen und auf die ganze Person gerichteten Körperverständnis und unterstrich den Schwellenzustand der Schwangeren durch die Komponente einer besonderen Gemütslage, die keineswegs mit unserem modernen Verständnis von Psyche identisch ist. Die Ansicht, der schwangere Zustand verändere nicht nur den Körper, sondern auch die Emotionen, resultierte sowohl aus empirischen Beobachtungen der Frauen selbst und Erfahrungen ihrer Umwelt als auch aus gelehrten Diskursen zur Einbildungskraft und Traumwelt, die eng mit den Lehren der Körpersäfte verbunden wurden. Johann Weyer etwa sprach dem weiblichen Geschlecht wegen seines kalten und feuchten Temperaments, aber auch seiner Leichtgläubigkeit, seiner Verführbarkeit und „Schwachheit" eine besondere Affinität zu Imaginationen zu, welche durch das Aufsteigen schlechter Dämpfe von schwarzer Galle zum Kopf entstünden. Trugbilder und Vorstellungen konnten sich auf diese Weise im Körper bilden oder aber durch sinnliche Wahrnehmung von Außen nach Innen gelangen. 237 Agrippa

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von Nettesheim und Paracelsus dagegen sahen im Uterus den Sitz einer „virtus imaginativa", einer geistigen Kraft der Imagination von Bildern oder Emotionen, die durch den „fluß menstrui" auf den schwangeren Körper rückwirken konnte. 238 O b diese aus der gelehrten Literatur stammenden Ansichten, die sich in abgeänderter Weise sowohl in den Schriften des trierischen Volkspredigers Cusanus als auch im Hebammenlehrbuch des Anton Moritz wiederfinden lassen239, dem zugrundelagen, was in den Quellen zur ländlichen Kultur als eine populäre Vorstellung dieser „Lehre der Imaginationen" immer wieder durchscheint, bleibt fraglich, auch wenn sich die Ansichten auf den ersten Blick sehr zu ähneln scheinen. Denn wie bei den gelehrten Autoren wurde im ländlichen Bereich ebenso eine direkte Wirkung von Sinneseindrücken auf körperliche Prozesse angenommen und gleichfalls eine Koppelung von „virtus imaginativa" mit bestimmten Körpersäften oder Organen und deren Eigenschaften unterstellt. Derartige Vorstellungen von Entsprechungen, etwa jene zwischen körperlichen Prozessen und Farben, Formen, Eigenschaften oder Erscheinungsbildern der natürlichen Welt, waren dem volkstümlichen Verständnis keineswegs fremd, wie ein Blick in das volksmagische Repertoire der Landbewohner erkennen läßt.240 So hatte es sowohl angesichts der populären Vorstellung vom nach innen und außen durchlässigen, ebenso materiellen wie imateriellen Körper, der Kräfte übertragen und aufnehmen konnte und der mit der dinglichen Welt in symbolischer wie methaphorischer Wechselbeziehung stand, als auch aufgrund der für die volksmagische Praxis geltenden Wirkzusammenhänge von .Signaturen' eine stringente Plausibilität, Sinneseindrücke, Gemütslagen, Emotionen und Imaginationen ohne Kenntnis ihrer von Medizinern angenommenen Abhängigkeit von körpereigenen Stoffen in diese populäre Körpervorstellung miteinzubeziehen. Nahrungsaufnahme, Verhaltensweisen, rituelle Vorkehrungen, die Vermeidung von Grenzzonen und Gefahrenherden, alle auf assoziativen Gleichsetzungen basierenden Vorsichtsmaßnahmen lagen dann auf ein und derselben Bedeutungs- und Bewertungsebene mit der Verhinderung bestimmter Imaginationen, die wie erstere nach innen wirken und der Schwangeren ebenso wie ihrem Kind schaden konnten. 241 In einer Klageschrift der Gemeindemänner von Alterkültz aus dem Jahre 1731 verliehen die Dörfler gegenüber der Landesherrschaft nicht nur ihrer Sorge um das körperliche Wohlergehen ihrer Frauen in der Zeit von Schwangerschaft und Geburt Ausdruck. In gleicher eindringlicher Weise betonten sie die Gefühlslagen ihrer Ehefrauen in dieser beschwerlichen Lebensphase, schrieben von Gedanken, die die eine Schwangere zum Zittern gebracht, von Sinneseindrücken und Erlebnissen, die andere in „stetigen Schrecken" versetzt hatten, so daß es „kein Wunder wäre, wann es einem zarten Gemüth, durch solche schreck Impressionen, auch vor der Zeit ein Unfall zustiesse". 242 Das Schreiben der Dörfler rekurriert auf die Vorstellung, daß über die Wahrnehmung ausgelöste emotionale Dispositionen, vor

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allem heftige Gemütsregungen, durch den Körper der Mutter hindurch und nicht über den Umweg ihrer Psyche oder Physis, direkte Störungen der Schwangerschaft oder der Entwicklung des Ungeborenen verursachen konnten. Im Gegensatz zu den eher symbolischen Assoziationen zwischen dinglicher Welt und Körperwelt erstaunt freilich die Annahme einer unvermittelten Durchlässigkeit des Körpers für alle Arten von Sinneseindrücken von außen und seiner starken Verbundenheit mit innerlichen Emotionen. Der weibliche Körper erscheint als Matrize, als Prägemuster oder Brandeisen, der dem Körper und der ,Seele' des ungeborenen Kindes ganz unmetaphorisch seinen Stempel aufdrückt, indem er sinnliche Wahrnehmungen, Gefühle und Gedanken nicht in ihrer abstrakten Erscheinung als Schreck, Angst, Furcht, Ekel oder Zorn beläßt und als solche wirksam werden läßt, sondern sie materialisiert - im Kind oder in den Körpersäften seiner Mutter: Die von einem Tier erschreckte Schwangere, deren Körper zu zittern beginnt, gebirt weder ein zeitlebens am ganzen Körper zitterndes noch ein schreckhaftes Kind, sondern eine Mißgeburt mit Tierkopf. Weder ihre eigenen akuten Emotionen und Affekte noch ihre körperlichen Reaktionen sind in dieser Situation von direkter Bedeutung. Es erscheint plausibel, daß die Vorstellung von der unvermittelten Prägekraft sinnlicher Eindrücke mit einer besonderen Bewertung der Körperöffnungen und ihrer Ausscheidungen zusammenhing: Daß etwas aus ihnen hervortritt - Speichel, Tränen, Urin, Blut, Kot - , versinnbildlichte nicht nur nachhaltig die Durchlässigkeit zwischen Innen und Außen, sondern machte diese Körperbereiche zu Kontaktstellen eines unmittelbaren, kraftvollen Austausches. Der Gedanke an Schädigung trifft sein Opfer ungefiltert durch das Auge mittels des bösen Blickes, die durch den Mund ausgesprochene Verwünschung dringt durch sein Ohr in den Körper ein, ebenso die durch das Auge wahrgenommene Ansicht einer schrecklichen Erscheinung, zu deren Abbild das ungeborene Kind werden kann.243 Man glaubte in der Pfalz, daß der durch einen Brand ausgelöste Schreck, der einer Schwangeren widerfuhr, dem Kind ein Feuermal aufdrücken würde; in Lothringen sollten die Frauen einen längeren Aufenthalt in Kirchen oder Kapellen meiden, weil sich der Anblick der die Kapitelle schmückenden Ungeheuer in ihre Leibesfrucht einprägen könne; das in den Mond Sehen barg die Gefahr der Geburt eines mißgebildeten „Mondkalbes", das Erschrecken durch Tiere, besonders durch Mäuse, Hasen und Schweine und ebenso durch mißgestaltete oder häßliche Menschen, hatte Rückwirkungen auf die Entwicklung und Gestalt des Kindes.244 Anna Gunna von Ensisheim hatte die Geburt ihres toten, viel zu kleinen und seltsam gestalteten Kindes darauf zurückgeführt, daß sie einmal während ihrer Schwangerschaft „uff die Cammer geschickht, ihres Herrn Wildbreth zu holen, alda Ime ein großer Säwkopf zutheil worden, an welchen sy sich entsezt und mit Unwillen uff den Kopff genommen", um ihn ihrem Dienstherrn zu bringen. 245

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Es war nicht irgendeine Veränderung, die die Sinneseindrücke und darauf folgenden emotionalen Erregungen der Frau an ihrer Leibesfrucht bewirkten. Hatte die Gemütsregung der Schwangeren einen sichtbaren Auslöser, so war es nicht etwa der Schreck, sondern es war die „Impression", welche bei dieser „schreck Impression", von der die Männer aus Alterkültz schreiben, nach innen aufgenommen und gespiegelt wurde. Diesem symmetrischen und identischen Abbildungscharakter der wahrgenommenen und ins Körperinnere projezierten Bilder stand die Auffassung einer sympathetischen Abbildung in Entsprechungen bei nicht sichtbaren oder imateriellen Auslösern zur Seite. Ein Fluch etwa erschreckte und beängstigte nicht in erster Linie durch die Person, die ihn aussprach, sondern durch seine verletzenden Worte und seine negative Aussage. Einer noch heute in Bettingen geläufigen Uberlieferung nach brachte eine Frau, deren Ehemann sie mit den Worten: „Ich wollt, de hätts de Deiwel an der Panz [im Bauch]" verflucht hatte, ein zur Hälfte weißes, zur Hälfte schwarzes Kind mit Klauen und einem Horn auf der Stirn zur Welt.246 Der an eine Schwangere gerichtete Imperativ des symbolisch wie inhaltlich verletzenden Fluches materialisierte sich ebenso durch sympathetische Übertragung (Gleiches verursacht Gleiches) in bei der Angesprochenen auftretenden verletzenden oder negativen Körpervorgängen. Frauen, denen für die Phase ihrer Gravidität „alles ubel", ja denen gar „das Übel in leib gewünscht" worden war, klagten danach über körperliche Zwischenfälle wie Blutungen, eine besonders harte Niederkunft oder eine Geburt, die „nicht recht ergangen" sei.247 Daß man in den ländlichen Regionen durchaus der Meinung war, böse Worte und auch Drohgebärden würden sich vor allem auf die Beschaffenheit und den Fluß der Körpersäfte auswirken, sie zum Stocken, Fließen, Aufsteigen bringen oder vergiften, zeigt sich neben den Verfluchungsfällen in einem Ereignis aus dem Jahre 1724. Der Schütze Johannes Stecher aus Linxweiler im Amt Ottweiler hatte die Tochter der alten Schulfrau, welche vor kurzem mit einem nichtehelichen Kind in einer Hütte am Linxbach niedergekommen war, von seinem Hund einfangen lassen. Der entsetzten Frau teilte er mit, „daß sie seinen Vatter Christian Stechern verleitet, sie zu schwängern, mithin ihnen, geschwistern, solchen Schimpf zu verursachen, mit der anfug, es were kein Wunder, er schlage ihr deswegen den Kopff in stücker". 248 Als bald darauf das Kind der derart verschreckten Mutter starb, meldeten Meier und Schöffen, welche zuvor die Leiche besichtigt hatten, den Vorfall mit dem Hinweis beim Gericht, das Kind sei, „vermutlich weil es die Milch von seiner erschrockenen Mutter getruncken, bald darauff an denen gichtern" gestorben. Dieselbe Ansicht teilten auch die Großmutter des Kindes und weitere sechs Zeugen. Wie die alte Schulfrau waren alle einstimmig der Meinung, „weil Johannes Stecher des Kindes Mutter mit dem Hundt und einer in der Hand gehabten armslangen Wurtzel, auf daß selbiger ihr glauben machen, er habe Cantzleybefehl Sie einzubringen, so sehr geängstiget, so möchte doch wohl seyn, daß das Kind

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davon gestorben were". 249 Zumal ließ auch die Krankheit des Kindes - als Ursache für „Gichtern" nahm man Kälte und die Aufnahme giftiger Flüssigkeiten an250 - auf eine Vergiftung schließen, die von der durch den Schreck umgeschlagenen Muttermilch herrühren mußte. Als im selben Ort wenige Jahre später eine schwangere Ehefrau von ihren Nachbarinnen durch einen Schabernack erschreckt wurde, erlitt sie wenig später starke Blutungen und eine Fehlgeburt. Dieses Unglück schrieb sie allein der Tatsache zu, daß ihr Blut „angebrochen", weil sie „so sehr erschrocken" sei, wobei das abgehende Blut die Frucht „vertrieben" habe.251 Hinter dieser Erklärung verbarg sich gleichfalls die Vorstellung einer Vergiftung innerer Säfte durch Schock, hier der Giftigkeit des Blutes, das die Leibesfrucht getötet und danach ausgeschwemmt hatte. Auch Pfarrer Arnold von Traben machte sich 1706 Sorgen um das Pfarrkind Margaretha Meurerin, eine bei ihrem Vater und Bruder lebende ledige Schwangere. Beide Männer würden sie derart „hart" behandeln, sie beschimpfen und mit Hausverweis bedrohen, daß der Geistliche schlechte Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes und den Ablauf der Niederkunft befürchtete. 252 Arnold war ebenso wie die Dorfbewohner überzeugt von einem negativen Effekt, der entweder direkt über die Körpersäfte oder aber über sich im Leib des Kindes materialisierende Imaginationen entstehen könne. Er dachte noch keineswegs an eine ,indirekt' über psychische Dispositionen verursachte Verbindung zwischen negativen Erlebnissen und der weiteren Entwicklung der Schwangerschaft. Schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts begannen sich diese Auffassungen jedoch ganz allmählich zu verändern: 1814 notierte Sara Johanna Clever rückblickend auf den Tod ihrer Mutter und die Zeit ihrer Schwangerschaft: „Für mich hatten aber die äussern Krämpfe die sie [die Mutter] ein paar Tage vor ihrem Tode überfielen, äußerst schmerzliche Folgen ... welches mich so erschütterte, daß ich fast ganz erstarrte. Seit diesem Augenblick bemächtigte sich der Krampf auch meines schwachen Nervensystems. Vorher hatte ich nie eine Spur davon. Ich war gerade 1/4 Jahr guter Hofnung, und die Folgen des Schreckens äußerten sich auch an dem 1/2 Jahr nachher geborenen Kinde, wie es gerade 1/4 Jahr alt war /:also gerade so alt wie die Zahl der Monden seiner Entstehung bei dem Schrecken:/ ...". Drei Monate nach seiner Geburt wurde also auch das Töchterchen Auguste von „fürchterlichen äußeren Krämpfen" heimgesucht, die Sara Johanna mit den von ihr während der Schwangerschaft wahrgenommenen Todeskrämpfen der sterbenden Mutter in Verbindung bringt. In der Nacht vor dem ersten Krampfanfall des Kindes nämlich hatte sie geträumt: „und sähe meine Mutter, die mir sagte, Auguste würde krank werden, sterben und zu ihr kommen, doch sey noch ein Rettungsmittel übrig: „bethe! bethe!" - ".253 Die Tagebuchnotizen der Schreiberin lassen erkennen, daß der schwangere Körper nicht mehr ganz so durchlässig für Impressionen schien, wie

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noch einige Jahrzehnte zuvor. Die an der sterbenden Mutter beobachteten Krämpfe hatten bei der schwangeren Sara Halt gemacht, hatten ihren eigenen Körper tangiert und ihr „schwaches Nervensystem" angegriffen. Selbst wenn Sara Johanna Clever letztlich nach der alten »materialisierenden' Anschauung die Krämpfe ihres Kindes einer ungefilterten, durch sie hindurchgehenden Wirkung des „Schreckens" beim Anblick der sterbenden Mutter und einer identischen Abbildung ihrer Sinneseindrücke auf das Ungeborene zuschreibt, lassen ihre Äußerungen eine zaghaft ,psychologisierende' Interpretation erkennen, deren Besonderheit darin besteht, daß sie die Reflexion der eigenen Veränderung durch das Wahrgenommene - Schmerzen, Erstarren, Erschütterung, Krämpfe - und deren Anbindung an ein „Nervensystem" einschließt. Frau Clevers Überlegungen lassen damit einen mentalen Ubergang in der Körpervorstellung und der Selbstwahrnehmung des eigenen schwangeren Körpers erkennen, in welchem die alten Ansichten des ungehinderten Passierens von sinnlichen Eindrücken durch den weiblichen Körper zum ungeborenen Kind noch virulent, ja schließlich ausschlaggebend sind, in dem die schwangere Frau aber nicht mehr nur als Übertragungsmedium erscheint. Ihre akuten Emotionen und Körperreaktionen werden registriert, jedoch noch nicht - weder über eine materialisierende noch eine psychologisierende Deutung - mit der Leibesfrucht in unmittelbare Verbindung gebracht. Noch sind es nicht die Krämpfe der Mutter, sondern nur die von ihr an einer anderen Person wahrgenommenen Krämpfe, die sich auf das Ungeborene übertragen, und noch ist es nicht das geschwächte „Nervensystem" der Mutter, das die spätere Krankheit der Tochter verursacht haben kann. Nur wenige Jahre später, 1834, kündigt sich in den Befürchtungen Friedrich Stumms auch bereits diese letzte Schlußfolgerung an: Keinerlei Gedanken machte er sich über negative Sinneseindrücke von außen, die seinem ungeborenen Erben bei dessen Geburt aufgeprägt sein könnten, als vielmehr über die „bewegenden Gefühle" und einen beängstigenden „Gemütszustand" seiner schwangeren Frau, der sich in einer wechselnden „Stimmung" aus Unruhe, Angst, Ungeduld und Übertreibung, ja in „hypochondrischen" Ausbrüchen kundtat, die womöglich die Entwicklung des zu erwartenden Kindes beeinträchtigten.254 Aus der Perspektive ihres Gatten war die schwangere Luise Stumm keineswegs mehr durchlässiges Medium für von außen einwirkende Negativfaktoren, sondern durch ihre ureigenen Emotionen selbst Auslöser von möglichen Komplikationen während der Schwangerschaft und damit individueller Risikofaktor: In ihrem Körper vereinigten sich weltlicher und innerer Kosmos. Dieser geänderten Einstellung gegenüber der schwangeren Frau lag ein Bedeutungswandel innerhalb der symbolischen Dimension der Körperwahrnehmung zugrunde, der die schon immer eingeforderte Eigenverantwortlichkeit der Frauen nicht selten ins Pathologische zu steigern vermochte. Begrenzungen und die zu ihrer Einhaltung zu befolgenden Regeln

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hatten jetzt keine äußerlichen Anlässe mehr - das verbotene Essen oder Berühren, zu meidende Orte, Handlungen oder Sinneseindrücke etwa - , sondern beanspruchten einen Sitz und Regulierungen im Inneren der Schwangeren, in ihrem Leib und ihrem „Nervensystem".

Sonderwege: Schutz und Privilegien A u s dem traditionellen und bis ins 18. Jahrhundert geltenden populären Körperverständnis, das immer auch unter dem Verdikt der Hilfs- und Schutzbedürftigkeit der „Grenzgängerin" gelesen wurde, resultierten für die Schwangere selbst w i e für die dörfliche Gesellschaft geltende Maßgaben, die als Pendant mit umgekehrten Vorzeichen, als Möglichkeiten der ausnahmsweisen Grenzüberschreitung in einer allerdings nicht nur zeitlich begrenzten Lebensphase, ja als eine Art Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen begriffen werden können. Eine positive Beeinflussung der Schwangerschaft umfaßte einerseits eine Rücksichtnahme auf die unter derselben Vorgabe demselben Zweck dienenden immer zugleich eingeschränkten körperlichen und seelischen Bedürfnisse der Frau, etwa bezüglich ihrer Nahrungswünsche oder emotionalen Regungen. Andererseits verband sich damit der Schutz ihres empfindlichen Körpers und ihres empfänglichen Gemütes vor Gewalt und Erregungszuständen. Rechtlich verankerte Vergünstigungen, Privilegien und Sonderrechte hatten ihren Ursprung ebenso in dieser Annahme wie individuelle oder kollektive Inschutznahmen, Hilfsangebote und Großzügigkeiten, die bis z u m Austritt aus der Ubergangsphase mit der Beendigung des Wochenbettes gewährt wurden. Vielerorts knüpften die Vorteile, die schwangeren Frauen durch Weistümer, Jahrgedinge oder Gesetzestexte bewilligt wurden, an den bäuerlichen Alltag, die Ö k o n o m i e und Arbeitsweise, an die politischen und rechtlichen Vorgaben für die Dorfbewohner direkt an. Allgemein handelte es sich dabei u m eine Aufhebung einzelner herrschaftlicher Rechte und Verbote, u m eine Verstärkung der weiblichen Rechtsposition, u m Erleichterungen oder u m Sonderbewilligungen. Im deutschsprachigen R a u m gestattete man schwangeren Frauen die Ernte von Früchten, den Fischfang, das Jagen und H o l z fällen, die Befreiung oder Einschränkung von Steuerzahlungen, Abgaben, Frondiensten, Pfändungen und vom Kirchgang, im Kriegsfalle den Schutz hinter befestigten Mauern. 255 Ähnliches bestimmten die Weistümer im SaarPfalz-Raum und im benachbarten Luxemburg: Besondere Nahrungsmittelrechte bezogen sich im luxemburgischen Moestroff, in Schengen und in der Meierei Sandweiler, in den Hunsrückdörfern Galgenscheid und Dommershausen, in Könen bei Saarburg, Wolf und Esch an der Mosel, im lothringischen Ort Baön und in der Herrschaft Sierck auf das Fangen von Hasen, Wild und Fischen, auf die Obsternte, das Einbehalten von N a h -

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rungsabgaben, die der Herrschaft zu St. Martin und Weihnachten zustanden, und in der Pfarrei St. Ingbert auf die kostenlose Zuteilung von Wein durch den Ortsgeistlichen.256 Als Begründungen dieser Vergünstigungen dienten den herrschaftlichen Bestimmungen einerseits die „Gelüste" der Schwangeren: Schon 1460 heißt es im Galgenscheider Weistum, wenn eine schwangere Frau „des wiltz gelüste, die mag eynen man odir Knecht usschicken, des wiltz so viel griffen und fahen, das sie iren gelosten gebussen möge ungeverlichen". 257 Das erstmals 1508 verfaßte Weistum von Könen verweist hingegen mit seiner Anordnung, die Gemeinde dürfe sowohl für kranke Personen als auch für schwangere Frauen „ein fischeigen" mit der Reuse fangen, auf den schwächenden Zustand der Schwangerschaft für die Frauen, denen - mit den Kranken gleichgestellt - zusätzliche nahrhafte Kost zukommen müsse.258 In Wolf an der Mosel hatte die schwangere Frau die Erlaubnis, drei Trauben aus den herrschaftlichen Weinbergen zu ernten, wobei zwei ihr selbst und eine dem Ungeborenen zugute kommen sollten.259 Die Schwangere galt ebenso wie die Kindbetterin als Person, „der nüt mangeln muess", deren Leibesfrucht stets aber mitbedacht wurde.260 Auch der im Zusammenhang mit dem Meßwein als Abgabe erwähnte Wein, der nicht nur in der Pfarrei St. Ingbert, sondern in vielen Weinbaugebieten an Mosel, Saar, Nahe, Rhein und Meuse an Schwangere verteilt wurde, galt in der Frühen Neuzeit als Therapeutikum, Diätikum und Zaubermittel zugleich. Er kräftigte und heilte, schützte vor Erkrankung und hielt gesund, er beruhigte die Sinne, bewahrte vor Traurigkeit und fand besonders in der ländlichen Geburtshilfe als innerliches und äußerliches Mittel zur Stärkung vor der Niederkunft und zur Krampfbehandlung Anwendung. 261 Uber körperliches Wohlbefinden und das Stillen von Nahrungsgelüsten hinaus, bei deren Ignoranz man schädliche Einflüsse auf das ungeborene Kind annahm, finden sich in den Weistümern ebenfalls Referenzen auf negative emotionale Auswirkungen und deren Vermeidung: Durch einen umsichtigen und schonenden Umgang mit der schwangeren Frau sollte Erlebnissen, die aufregten, erschreckten oder Widerwillen erzeugten, vorgebeugt werden, um die werdende Mutter vor „schreck Impressionen" und ihr Kind vor deren Einschreibung in seinen Körper zu schützen. Eine Pfändung im Haus einer Schwangeren etwa mußte „also bequem geschehen", daß die Hausfrau „nicht ein schrecken davon bekäme und unrat daraus entstünde"; der Vogthafer sollte so „gütig" erhoben werden, daß sie sich darüber nicht entsetzen konnte; Waffen und Sporen mußten beim Betreten ihres Hauses vor der Türe abgelegt werden, damit „die fraw nit erschrecke".262 Vorstellungen von einer besonderen Imaginationskraft der Schwangeren, die sich entweder aufgrund der Einschränkung von Gelüsten auf Nahrungsmittel oder wegen negativer Alltagserfahrungen auf den Fötus im Mutterleib auswirkte, finden sich parallel in der ländlichen Umgangspraxis

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wie in rechtlichen Bestimmungen zum Sonderstatus der schwangeren Frau. Keine Entsprechung in der alltäglichen Arbeitswelt läßt sich dagegen für herrschaftliche Vergünstigungen im Bereich der Leistung von Diensten und Fronden finden. Waren der schwangeren Frau laut Rechtssetzung vielerorts schwere Arbeiten im Dienste erlassen - im Hunsrück und an der Nahe waren die Bäcker angewiesen, ihr den Teig zu kneten und ihr, während sie das Brot backten, eine Sitzgelegenheit anzubieten, in Wormeldingen war sie 45 Tage, in anderen Orten gänzlich von Fronarbeit befreit263 so scheint ihre Arbeitsbelastung innerhalb der familiären Ökonomie keinerlei usuelle Einschränkungen umfaßt zu haben, es sei denn, besondere Körperreaktionen ließen auf Komplikationen schließen. Gerade die durch obrigkeitliche Maßgaben verordnete Schonung des schwangeren Körpers verheirateter Frauen vor harter Arbeit zeigt jedoch ihre Janusköpfigkeit im Hinblick auf ledige Schwangere in besonderer Schärfe. Sowohl in der Grafschaft NassauSaarbrücken, im Herzogtum Lothringen als auch in der Herrschaft Dagstuhl und im Herzogtum Pfalz-Zweibrücken wurden nichtehelich schwangere Frauen zur Schanz- und Strafarbeit in herrschaftlichen Gärten und bei Bauarbeiten, zum Ziehen von Dreck- und Lastkarren, zur Straßenreinigung und zum Schleppen der Lastersteine herangezogen, wobei ihnen „wann sie solches nit aushalten würden", der Landesverweis drohte. 264 Auch Auspeitschungen, das Stehen am Pranger und die ab der zweiten illegitimen Schwängerung sogleich vollzogene Einturmung oder Inhaftierung in Zuchtund Arbeitshäusern machten vor der schwangeren Frau nicht Halt, so daß diese unter übelsten Bedingungen im Gefängnis, im Turm oder bestenfalls im Hospital niederkommen mußte. 265 Paradox mutet es dann freilich an, daß man den derartigen Belastungen ausgesetzten schwangeren Körper unverheirateter Frauen weniger im Hinblick auf ihre Arbeitskraft als auf die Entwicklung des Fötus durch bessere und größere Speisemengen zu erhalten suchte: Da das dreimal wöchentlich verabreichte warme Essen „bey schwangeren und nicht selten schwächlichen Personen vor Mutter und Kind von nachtheiligen folgen seyn könnte", beschloß 1791 die fürstliche ZuchthausDeputation in Saarbrücken, daß „diese Personen täglich nach Nothdurft mit warmer Kost versehen" werden sollten, sofern die „puncto fornicationis zur Strafarbeit verurtheilte Weibspersonen" die Mehrverpflegung selbst bezahlen konnten. 266 Die Schonung der Schwangeren, so zeigt die Behandlung und intensive Arbeitsbelastung lediger Frauen noch weit deutlicher als der um keine Verrichtung erleichterte Arbeitsalltag verheirateter Dörflerinnen, schloß größtenteils mit körperlicher Arbeit verbundene Einschränkungen und Vergünstigungen aus. Kompensiert wurde der auf dieser Ebene verweigerte Schutz durch die Verabreichung größerer Nahrungsmittelmengen an illegitim Schwangere, das Zugeständnis besserer oder außergewöhnlicher Kost an schwangere Ehefrauen. Arbeitsbelastung hatte bis zum ausgehenden 19. Jahrhundert in der

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ländlichen Gesellschaft als ,Schwangerschaftsrisiko' keinerlei Berechtigung, da eine negative Bewertung körperlicher Beanspruchung mit der bäuerlichen Lebensweise zu sehr in Widerspruch gestanden hätte. Ein Verzicht auf die Arbeitskraft der Hausfrau war in der ländlichen Ökonomie nur in einer festgesetzten Zeit nach der Niederkunft vorgesehen, die Arbeit wurde aber trotz dieser gewährten Ruhephase oftmals frühzeitig wieder aufgenommen. Dennoch war der schwangere Körper in anderen Bereichen wiederum rechtlich geschützt, konnte er umfangreicheren kollektiven wie nachbarschaftlichen Schutz erwarten als der nicht schwangere weibliche Körper. Dies gilt für Formen der auf Gewaltanwendung abzielenden Strafpraxis ebenso wie für alle Umgangsweisen, welche die Schwangere gewalttätigen Angriffen aussetzten. Daß Frauen den rechtlichen Schutzraum, den ihnen eine Schwangerschaft gewährte, durchaus nutzten, um einer Verurteilung, Inhaftierung oder gar einer Hinrichtung zu entgehen, belegen zahllose Einzelfälle, in denen es trotz nachweislicher Verübung von Diebstählen und anderen Delikten zu keiner Aburteilung kam.267 Selbst einer überführten Kindsmörderin gewährte die Rechtsprechung wie etwa im Falle der Anna Catharina Michels aus Beuren eine fünfwöchige Schonfrist ab dem Zeitpunkt der Geburt im Gefängnis, nach welcher sie, wenn sie wieder „starkes leibs" sei, nochmals peinlich examiniert und exekutiert werden sollte.268 Daß Frauen darüberhinaus fortlaufende Schwangerschaften strategisch zur Verhinderung einer Gefangennahme einsetzten, verdeutlicht das von 1580 bis 1617 währende Verfahren wegen Hexerei gegen Closter Kett aus Ransbach.269 Die von anderen Verurteilten als Mitschuldige und Teilnehmerin an Hexensabbaten angegebene, nach der Dorfmeinung auch aus einem „Hexsen geschlecht" stammende Kett hatte, nachdem es 1598 zu einer erneuten Anklage gegen sie gekommen war, bereits zwei Mal das Gefängnis ihres „schwangers leibs halben" wieder verlassen dürfen, war jedoch nicht von den Anschuldigungen gegen sie freigesprochen worden.270 Da sich die Gerüchte über ihre angeblichen Hexenkünste im Dorf durch mehrere undurchsichtige Ereignisse aktualisiert hatten, wurde die verheiratete Dörflerin ein drittes Mal vor Gericht gefordert und verhört. Auch diesmal und noch bei einer vierten Vorladung 1614 mußte man die jetzt 42jährige Angeschuldigte „groß schwangern leibs halben erlaßen".271 Sie verkaufte daraufhin ihre Güter, verließ Ransbach mit ihrer Familie und zog ins benachbarte Dorf Bübingen. Der einstweiligen Anordnung des Gerichts, „man werde sie so lang loß gelaßen haben, biß mann sehe, was Gott deß Kinds halben drauß machen wolle", folgte wie nach allen früheren Geburten eine Besichtigung des Neugeborenen, welches jedoch weder Anzeichen von Mißbildungen noch die Merkmale eines auf Teufelsbuhlschaft hindeutenden dämonischen Ursprungs aufwies.272 Nicht einmal ein Jahr später mußte sich Kett ein fünftes Mal wegen Hexerei vor dem Hochgericht in Hornbach verantworten, weil sich auch in Bübingen aufgrund mehrerer Unglücks- und Scha-

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densfälle ein „gemein geschrey" gegen sie erhoben hatte. Diesmal gab die Angeklagte den Schöffen an, sie glaube, wieder schwanger zu sein, wisse es jedoch noch nicht genau. Selbst diese Vernehmung endete trotz der noch zweifelhaften Schonungsgründe laut Gerichtsprotokoll mit einer Entlassung der Closter Kett: Da nämlich zur gleichen Zeit die Landesherrin von PfalzZweibrücken „groß schwanger gangen, hab sie vor sie gebetten, daß sie loß worden" und begnadigt wurde. Als der Gemeindeausschuß von Bübingen Kett im Jahre 1617 ein letztes Mal wegen Hexerei beim Hornbacher Hochgericht denunzierte, wurde sie aufgrund der früheren Begnadigung durch die Herzogin und weil man allmählich zu der Uberzeugung gelangt war, „daß offtermals unschuldige fromme Leuth häßlich besagt undt dardurch etwan auch umb ihr leben gebracht" würden, ja daß „sonderlich böse weiber (zauberinne oder Hechsen) den brauch haben, etwan auch die fürnembste ehrliche frauen zubesagen", endgültig freigesprochen. 274 Die jetzt 45jährige hätte wohl nur noch eine geringe und zeitlich begrenzte Chance gehabt, späteren Anklagen und einer Verurteilung durch weitere Schwangerschaften zu entgehen. Ihre Lebensgeschichte zeigt neben dem eigenen strategischen und erfolgreichen Einsatz des ,mildernden U m stands' der Schwangerschaft vor Gericht zwei unterschiedliche Haltungen gegenüber der Schutzbedürftigkeit einer schwangeren Frau: Einmal wird deutlich, daß von obrigkeitlicher Seite der rechtliche Schutz schwangerer Frauen selbst bei schwersten Delikten auf einer normierten Gesetzesgrundlage aufrechterhalten werden mußte, indem man die Angeschuldigte zwar mehrere Wochen im Gefängnis einsperrte, sie jedoch in keinem Falle der Gewaltanwendung durch Folter und damit einem Mechanismus der Beförderung von Hexereigeständnissen unterzog. Die Schwangere war gegenüber den Rechtsvertretern damit in einer machtvolleren, zumindest aber in einer Position, in welcher man ihr kein Geständnis durch Anwendung der Folter abpressen konnte. Andererseits demonstriert dieser Fall eindringlich, daß die Dorfgemeinschaft in Zusammenhängen, in denen kollektive Ängste und dörfliche Zuschreibungen eine aggressive Atmosphäre erzeugt hatten, den Schutz einer für alle wahrnehmbar Schwangeren nicht nur aufzukündigen bereit war, sondern mit gemeindlichen Anklageschriften mehrfach sogar auf ihre Tötung drang - ihre Leibesfrucht eingeschlossen, die bei einer Hinrichtung der Mutter nach der Niederkunft wenig Uberlebenschancen gehabt hätte. Die Zeugenvernehmungen bei jeder Wiederaufnahme des Verfahrens gegen Closter Kett machen daneben deutlich, daß man einhellig im Dorf mit einer Haftentlassung der Frau, also auch mit dem gerichtlichen Entscheid im Sinne einer Sonderbehandlung Schwangerer, in diesem Falle nicht einverstanden war. Die Vorstellungen von der Schonung und Hilfsbedürftigkeit von Frauen, die ein Kind erwarteten, waren keineswegs allgemeingültig, wie das Verhalten der Dorfbewohner von Ransbach und Bübingen gegenüber Kett, der

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Ehefrau des Hans Closter, verdeutlichen wollte. Ebensowenig schien das Verständnis für einen besonderen Schutz dieser weiblichen Gemeindemitglieder selbstverständlich und einheitlich zu sein, was viele Gerichtsfälle belegen, die von Ignoranz, Ubergriffen und ihren Folgen berichten. Dennoch bekunden die Prozesse schwangerer Frauen gegen andere Personen, die ihnen Schaden zufügten, ein spezifisches Selbstbewußtsein dieser Frauen, das ihnen aufgrund der Beanspruchung eines besonderen Schutzes durch Obrigkeit und Gemeinde erlaubte, männliche Gewalt unbeschadet in ihre Schranken zu weisen und zugleich männliches wie weibliches Fehlverhalten anzuprangern ohne negative Konsequenzen befürchten zu müssen. Sie zeigen häufig jedoch mehr: Frauen bezweckten mit ihrer Anzeige über Schuldgefühle und die Einforderung eines angemessenen Verhaltens hinaus gerichtliche Maßregelungen und Bestrafungen, die in gewisser Weise ihre zeitlich befristete machtvolle Position vor allem gegenüber Männern zu demonstrieren halfen. Eines war für sie zumindest immer absehbar, daß jede Person nämlich, die eine Schwangere schockierte, erschreckte, bedrohte oder gewalttätig angriff, mit schwerer Strafe rechnen mußte, auch wenn sich aus dem Ubergriff keine erkennbaren Konsequenzen für Schwangerschaft und Geburt ergaben. So wurde im Kondominium Merzig-Saargau ein Bauernsohn, der die von ihm geschwängerte Dienstmagd seiner Mutter mehrfach gestoßen, geschlagen und bedroht hatte, 1699 zu einer 14tägigen Turmstrafe bei Wasser und Brot sowie einer Herrenbuße von acht Gulden verurteilt275; ein Ehemann aus Medhart im zweibrückischen Amt Meisenheim, der 1584 seiner schwangeren Ehefrau mehrfach „ein ohrkapp" gegeben, sie in Gegenwart eines Baders mit dem Zusatz, „sie habe es aber verdient", verprügelt und schließlich aus dem gemeinsamen Bett geworfen hatte, mußte gleich mehrere Monate im Turm verbringen, während ein über die Schwangerschaft seiner Geliebten aufgebrachter Knecht aus Kirf, der sie daraufhin „geschlagen, hör und Zaubers geschollen" hatte, der Geschundenen 1598 als Schmerzensgeld' einen neuen Schleier und „ein par Weiber Schue" aushändigen sollte.276 Mattheiß Leibfried aus Wahlen, welcher 1703 die von ihm geschwängerte Margaretha Claß aus Michelbach „übel tractiret" und geschlagen hatte, zahlte „puncto dolores partibus et illat. realis injuriae" der Klägerin Margaretha 24 Gulden, an herrschaftlichen Frevelgeldern weitere neun Gulden sowie die gesamten Gerichtskosten.277 Bestraft wurde neben krasser körperlicher Gewalt jede Form der Mißhandlung, auch das Anstoßen oder Anrempeln, Handgreiflichkeiten, Drohungen und Hausverbote, die einer Schwangeren die Unterkunft entzogen sowie das Verlassen oder die Vernachlässigung einer kranken Schwangeren durch ihren Ehemann.278 Der Schutz der Schwangeren vor handgreiflicher und gerichtlicher Gewalt, vor Gewaltandrohung und Vernachlässigung bezog sich in erster Linie auf ihre körperliche Unversehrtheit, die das unbeschadete Gedeihen der Leibesfrucht gewährte. Umgekehrt diente das Argument eines gewaltsamen

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Angriffs vielen Frauen zur Rechtfertigung des unterbrochenen, falschen oder eingeschränkten Wachstums ihres Kindes. Sünna, die schwangere Frau des Roders Endres aus Britten, führte 1623 das Unglück, daß „sie zu unzeit das kind überkommen", auf den Umstand zurück, daß ein Dorfbewohner sie zuvor angestoßen hatte. Gertraud aus Hilbringen verklagte nach einer ,,unzeitige[n] geburt ohne leben" ihren Liebhaber, weil er sie zuvor mißhandelt und bedroht hatte, so daß sie „des schrekens" wegen frühzeitig geboren hatte, und auch eine schwangere Ehefrau aus Kronenberg, die im sechsten Schwangerschaftsmonat von ihrem Ehemann verprügelt und in der darauf folgenden Zeit ständig geohrfeigt worden war, führte ihre Totgeburt zunächst auf die Gewaltausbrüche des Gatten zurück. 279 Zunächst - denn wie bei diesem Ereignis diente die Anzeige des Ehemannes durch seine schwangere Frau über die Anprangerung seines aktuellen Fehlverhaltens und der daraus resultierenden Konsequenzen hinaus häufig einem umfassenderen Ziel. D a Männer, die ihre Frauen selbst dann vernachlässigten, mißhandelten und tätlich angriffen, wenn sie ein Kind erwarteten, diese üblen Angewohnheiten zumeist schon zuvor und über einen längeren Zeitraum an den Tag gelegt hatten, schien die Phase der Gravidität jene Freiräume zu gewähren, die es Frauen erlaubten, offiziell und mit gerichtlicher Unterstützung gegen jene durch das Verhalten des Gatten entstandenen zentralen und sich in der Schwangerschaftszeit gefährlich zuspitzenden Eheprobleme vorzugehen, mit deren öffentlichem Aussprechen sie zu einem Zeitpunkt außerhalb dieser Schwellenphase die Konfliktlage vielleicht zum Eskalieren gebracht hätten. Ihre Schwangerschaft eröffnete den Dörflerinnen statt dessen einen einmaligen, auf ihre individuelle Person bezogenen rechtlichen, moralischen wie ethischen Schutz- und Machtbereich, den sie strategisch nutzen konnten, um eigene Grenzen zu ziehen, andere Menschen ihres sozialen Umfeldes zu beschränken, mit ihnen das zu tun, was die Gemeinschaft vor allem ihnen selbst abverlangte: Der von seiner Hausfrau vor Gericht wegen „üblem tractirens" verklagte Ehemann sollte nicht in erster Linie bestraft werden, sondern aus einer besonderen und durch sein Verhalten ausgelösten Situation verstehen und sich einschränken lernen. Als 1611 die schwangere Ehefrau des Velten Frey aus Saarwerden, Simmel, eine Fehlgeburt erlitt, maß sie das Zustandekommen dieses „schadens" vordergründig einer handgreiflichen Auseinandersetzung mit Brigide Beeren, der Dorfwirtin zu, bei welcher ihr Ehemann die Einkünfte der Familie seit Jahren vertrank. Sie hatte versucht, den betrunkenen Gatten, der von ihrer fortgeschrittenen Schwangerschaft noch nicht einmal Notiz genommen und sie wohl auch öfters mißhandelt hatte280, aus dem Wirtshaus nach Hause zu bringen, war jedoch von der Wirtin mit unschmeichelhaften Worten über ihr Verhalten als Ehefrau und schließlich mit Ohrfeigen und Stößen aus der Schenke vertrieben worden. Ihre Anzeige vor Gericht hatte sie freilich aus

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zweierlei Gründen vorgebracht: Zum einen sollte das Fehlverhalten der Brigide, damit „andere hiedurch ein Exempel nemmen und volgendts einer besserung befleißen mögen", gestraft und vor Gericht öffentlich verurteilt werden. Zum anderen aber ging es ihr mehr noch darum, das Gericht als Schutzsuchende in dieser besonderen Situation zur Eindämmung der lasterhaften und schändlichen Verhaltensweisen ihres Ehemannes einzuspannen. Nicht nur dieses eine Mal, sondern „zu ettlichen malen" habe sie ihren Mann im Wirtshaus suchen und ermahnen müssen, er solle sich endlich „der wirtshauser enthalten und seinen kindern zu haus, die da hunger leitheten, das maulfuter bestellen". Doch jederzeit sei sie unverrichteter Dinge wieder „zu hauß gangen unndt weinendt mit ihren Kinderen den bitteren hunger geschmeltzet". Da Velten, selbst wenn sie schwanger sei, mit „diesem seinem wesen" fortfahre und kein „abwarnen" ihrerseits helfe - Simmel hatte mindestens drei Schwangerschaften unter diesen Umständen durchstehen müssen - , so wolle sie nun das Gericht demütig und fleißig bitten, „ihren Ehemann vor solchem fressen und saufen abzumanen" und ihn zu „züchtigen", damit sich die von ihm auf solche Weise angehäuften Schulden nicht weiter erhöhten und die Familie an den Bettelstab komme.281 Indirekt gab Simmel Velten dem maßlosen Verhalten ihres Ehemannes, aufgrund dessen „fressen und saufen" die folgenschwere Situation im Wirtshaus erst entstehen konnte, die Schuld an ihrer Frühgeburt; direkt jedoch beschuldigte sie ihn der jahrelangen Vernachlässigung und fehlenden Verantwortlichkeit für seine Familie, die durchaus noch mit Zuwachs rechnen mußte, während er das Haushaltsbudget immer mehr verringerte. Ob Velten Frey tatsächlich aus der nach der Klage seiner Frau erfolgten Zurechtweisung durch das Gericht gelernt hatte, wissen wir nicht. Die Dramatik, mit welcher seine Ehefrau und mehrere Nachbarinnen allerdings den erlittenen Verlust der Leibesfrucht ausmalten, dürfte ihn nicht ganz unberührt gelassen haben; zumindest aber war durch die Anzeige vor Gericht und die Vernehmung der Zeuginnen eine nachbarschaftliche Öffentlichkeit hellhörig geworden, die sich eindeutig und schützend auf die Seite der um ihr verlorenes Kind trauernden Simmel stellte. Andere Männer schienen aus vergleichbaren Konstellationen nachweislich Konsequenzen für ihr weiteres Verhalten gezogen zu haben. Die oben erwähnte schwangere Ehefrau aus Kronenberg, die 1584 ihre Totgeburt auf die Prügel zurückgeführt hatte, mit der sie im sechsten und den darauf folgenden Schwangerschaftsmonaten von ihrem Ehemann bedacht worden war, gab mehrere Monate nach der Haftentlassung des Gatten zu Protokoll, ihre damaligen „streitt und uneinigkeit[en]" seien beendet, sie wollten nun „wieder zufrieden sein", wozu ihnen „ampts wegen", also durch die Bestrafung des Ehemannes, verholfen worden sei. Der durch eine dreimonatige Turmstrafe geläuterte Gatte hatte Besserung geschworen und seine junge Frau bislang liebevoll umsorgt.282

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Der Schutz werdender Mütter und ihrer ungeborenen Kinder war ein widersprüchlicher. Darauf verweisen nicht nur die Reaktionen der schwangeren Frauen selbst, die sich genötigt sahen, ihre Schutzbedürftigkeit vor Gericht und über den strategischen Einsatz ihrer Schwangerschaftsphase einzuklagen sowie eine „Zügelung" vor allem männlichen Fehlverhaltens zu erzwingen. Widersprüchlich war keineswegs nur die Haltung verschiedener Ehemänner und Dorfbewohner, sondern ebenso das Vorgehen obrigkeitlicher Institutionen, die verheirateten und einheimischen Frauen Schutz und Sonderrechte gewährten, ledigen und fremden Schwangeren dagegen unter dem Verdikt der notwendigen Bestrafung oder Ausweisung jede Hilfe entzogen und sie statt dessen einer enormen körperlichen, psychischen und finanziellen Mehrbelastung durch Strafarbeit, Entzug der bisherigen Lebensgrundlagen, demütigende Bußgänge in Dorf und Kirche und die Bezahlung von Frevelgeldern aussetzten. Der herrschaftliche Schutz bezog sich zwar auf ihr „Leben", grenzte jedoch ihren „Leib" und ihr „Gut" aus seiner O b hut aus. Den Bewohnern vieler Ortschaften war es nicht einmal gestattet, eine fremde Schwangere zur Niederkunft in ihr Haus aufzunehmen. 283 Eine solche Minimierung des den weiblichen Untertanen schon im Allgemeinen intensiver gewährten obrigkeitlichen „Schutzes und Schirms" gegenüber illegitim schwangeren Frauen, diskreditierte diese zu Macht-, Schutz- und Rechtlosen ausgerechnet in einer Lebensphase und bezogen auf Lebensumstände, in denen schwangeren Ehefrauen sogar besondere Vergünstigungen zukamen. Gewiß mag die durch diese unterschiedliche Positionierung entstandene augenfällige Divergenz, dieses sichtbare und fühlbare Auseinanderklaffen von Ansprüchen auf Sicherheit und auf institutionalisierten Rückhalt, in das miteingeflossen sein, war wir meinen, wenn wir vom „Verlust der Ehre" lediger schwangerer Frauen sprechen.

Grenziiberschreitungen:

Die dörfliche

Kontrolle

Nicht nur Schonung und Schutz sondern auch die Sorge u m das Wohlergehen der schwangeren Frauen und ihrer Leibesfrucht waren gleichfalls zwiespältige Angelegenheiten. Einerseits war es die Dorfgemeinschaft, waren es Nachbarinnen und Verwandte, die die Einhaltung von Sonderrechten und Schutzräumen für diese weiblichen Gemeindemitglieder überwachten. Andererseits unterstand auch die Schwangere selbst einer ständigen Aufsicht vor allem durch die Dörflerinnen, die ihr Verhalten, die Befolgung von Regeln und Pflichten und die Einhaltung von Grenzen beobachteten. Und schließlich existierte zwischen Schutz und Kontrolle ein dritter Bereich von Hilfeleistungen, die eine Schwangere von den Dorffrauen beanspruchen konnte. Vor allem in Zweifelsfällen hatte die durch verheiratete Dörflerinnen und Dorfhebamme zumeist gemeinsam übernommene Uberprüfung der „Um-

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stände" eine lange und meist auch akzeptierte Tradition. Wenn Frauen sich nicht sicher waren, ob eine Schwangerschaft vorlag, wenn sie Zeichen an ihrem Körper bemerkten, die sie nicht eindeutig einordnen konnten, oder wenn es sie nach größerer Gewißheit über ihren Zustand verlangte, riefen sie die Nachbarinnen. Wegen ihres aufgeschwollenen Bauches, der ausbleibenden Menses und einer blassen Gesichtsfarbe hatte sich auch Anna Catharina aus Wiebelskirchen 1702 nach Verlauf dreier Monate „von denen Weibern im Dorf begreifen" lassen, wobei aber „nichts befunden worden", also keine Anzeichen einer Schwangerschaft festgestellt werden konnten.284 Da die Schwangerschaft eine zumindest halböffentliche, dem öffentlichen Ereignis der von der Gruppe der verheirateten Dorffrauen geleiteten Geburt vorausgehende weibliche Angelegenheit war, gehörte das „Begreifen" und Abtasten des Körpers in erster Linie zu jenem komplexen Hilfsangebot, das die Dorffrauen allen werdenden Müttern und Kindbetterinnen offerierten. Anders als den städtischen Hebammen, die durch Eid gehalten waren, im Auftrag der städtischen Obrigkeit „verdächtige Weiber" auf eine Schwangerschaft oder Abtreibung hin „nach ihrem besten Wissen und gewissen sorgfältig [zu] untersuchen" und „ihr Bedencken" sogleich „bey ihren Pflichten anzuzeigen schuldig" waren285, waren die Dorffrauen, die im ,Normalfair von einer Hilfesuchenden gerufen wurden, um notwendige Integration und nicht um Ausgrenzung, um selbstverständliche und gebräuchliche Teilhabe und nicht um Kontrolle zwecks Bestrafung bemüht. Während Gerichte und Hebammenordnungen von „unparteiischer", d.h. distanzierter und unpersönlicher „Visitation", „Untersuchung" und „Besichtigung" sprechen, ging es den Dörflerinnen um persönlichen Kontakt, um das „Begreifen", „Befühlen", „anrühren" des anderen weiblichen Körpers. Möglicherweise verbarg sich hinter diesem bewußt gesuchten Körperkontakt eine auf die Zukunft gerichtete symbolische Beweispflicht: Sollte sich eine Schwangerschaft bestätigen, so hatte die Frau durch Zulassung des „Befühlens" eine Vertrauensbasis unter Beweis gestellt, die für die spätere Hilfe der Nachbarinnen bei der Entbindung nicht nur maßgeblich, sondern vielleicht lebensnotwendig war. Diejenigen Frauen freilich, die sich dieser dörflichen Form der gemeinsamen weiblichen Diagnose bei unsicheren oder mehrdeutigen Anzeichen entzogen, hatten sich ebenso wie jene, die eine Hilfe der Frauen bei der Niederkunft umgingen oder ablehnten, außerhalb der Gruppe der helfenden Nachbarinnen gestellt und sich durch ihr unübliches Verhalten in Verdacht gebracht. In diesen Fällen geschah es nicht selten, daß das eigentlich als Hilfeleistung und vielleicht als erste Vertraulichkeit gedachte, freiwillige sich „Begreifen" und „Anrühren" lassen, zur kontrollierenden und zwanghaften Geste wurde. Dies betraf vor allem ledige Schwangere, wenn sie eine Gravidität allseits bestritten, obwohl ihr Zustand bereits sichtbar war, und zugleich die in diesem Zweifelsfalle übliche und klärende Befühlung durch erfahrene Dörflerinnen vehement verweigerten.286 Festgestellt werden sollte

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dabei nicht die illegitime Schwangerschaft, um deren Kontrolle und Ahndung es der Landesherrschaft und den vereidigten Hebammen in den Städten und Ämtern primär ging, sondern ob überhaupt eine Schwangerschaft vorlag, wobei dann von den Frauen überwacht wurde, daß die Schwangere ihr Kind auch zur Welt brachte. Denn es lag nicht im Interesse der Dorffrauen, voreheliche Unzucht und ihre Folgen zu brandmarken, sondern eine nach ihrem eigenen Verständnis im Gegensatz zur Fornikation als Vergehen angesehene Tat zu verhindern: Kindsmord oder Abtreibung. Wie schnell die Dörflerinnen - und die Hebamme war nur eine unter ihnen, in diesem Zusammenhang nicht einmal die Initiatorin oder Anführerin - in einer undurchsichtigen Situation aus dem Hilfsangebot ein Recht auf Kontrolle machen konnten, zeigt kein Ereignis anschaulicher als das folgende. Im katholischen Pfarrort Saarwellingen, der im 18. Jahrhundert zur Reichsgrafschaft Criechingen gehörte, hielt sich im Jahre 1756 bereits seit einiger Zeit ein „gemurmel", das sowohl von den Dorffrauen als auch von mehreren Dorfmännern, die Kontakte zum Pfarrhaus hatten, getragen wurde287: Die damals etwa 38 Jahre alte Magd des Pastors Franziscus Ballevre, Anna Maria Martin aus Kirchhofen, sei schwanger. Da die zwar im Hause ihres Dienstherren lebende und vorwiegend im dortigen Haushalt arbeitende Frau im Auftrag des Geistlichen auch Schulden eintrieb und sich mit Kornausdreschen an der Feldarbeit beteiligte, war ihr Zustand den Dorfbewohnern sicher nicht verborgen geblieben, obwohl sie entgegen den geltenden Vorschriften eine Schwangerschaft bislang beim Meier nicht angezeigt hatte.288 Dennoch gab es entscheidende Hinweise: Anna Maria hatte, „weil sie ihre ordinaria nicht bekommen", die örtliche Hebamme Anna Barbara Müllerin aufgesucht und von dieser einen Trank aus Wein und „Camillenblumen" für das „Mutterweh" erhalten.289 Die mit der Anna Maria im gleichen Haushalt als Viehmagd angestellte Catharina Kirsch wußte, daß die Martin drei oder vier Mal von der Frau des Sebastian Blaß aus Schwarzenholz und vom Wasenmeister aus Landsweiler zur Ader gelassen worden war. Dem örtlichen Schulmeister hatte Catharina berichtet, Anna Maria habe „einen gekochten trunck oder medicin genommen, so der Caplan zu Reißweiler, nahmens jung praepariert haben soll". 290 Der neugierig gewordene Schulmeister, Johannes Ment, wiederum stellte daraufhin fest, daß jener angegebene Kaplan aus dem Nachbarort „schier tätlich" ins Pfarrhaus kam und es „allzeit mit der nacht" erst wieder verließ. Und auch dem im Tagelohn als Knecht beim Pastor angestellten Nicolas Reichhard waren seltsame Szenen vor Augen gekommen, so beunruhigend, daß der Knecht „nachgehende seine dimission geforderet und aus dem haus geblieben" war.292 Nicht nur ungewöhnlich schien es ihm, daß er Anna Maria mehrmals auf ihrem Bett hatte liegen sehen, eine geradezu „böse Subpcon" habe sich schließlich seiner bemächtigt, als er an einem Tag vom Viehfüttern in die Küche des Pfarrhauses gekommen sei und den Pastor eben beim Umrühren zweier

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Tränke, eines roten und eines weißen, angetroffen habe, die der Geistliche danach der Anna Maria zum Einnehmen in die Stube gebracht habe. Gleich darauf meldete Nicolas seine Beobachtung den örtlichen Sendschöffen und erzählte auch der Viehmagd Catharina von dieser Begebenheit, von der er annahm, „es mögte nicht recht seyn". 293 Die Frauen des Dorfes freilich waren durch die Kombination und Abfolge der ihnen zugetragenen Geschehnisse im Pfarrhaus nicht nur hellhörig, sondern auch mißtrauisch geworden. Wenig später stürmten die Dörflerinnen, unter ihnen die Hebamme und die Frau des herrschaftlichen Meiers, Barbara Brück, mit Gewalt das verriegelte Pfarrhaus. Sie hatten sich „zusammen gethan", waren durch den Stall in die Küche gelangt und trafen dort auf die Magd Catharina, den Pastor von Hülzweiler, den Kaplan Jung und Pastor Ballevre, welcher ihnen mit einer Axt in der Hand den Weg versperrte und sie mit Vorgeben, „er gäbe den lezten bluts tropfen vor seine magdt", zum Verlassen seines Hauses aufforderte. Mit den Worten „es könnte keine Mutter vor ihr Kindt gut seyn, geschweige er vor sein magd", forderten die Frauen statt dessen die Herausgabe und Visitation der Anna Maria. Weigere er sich weiterhin, „schlugen sie ihm fenster und thüren entzwey und suchten so lang bis sie sie hätten". 294 Erst als die Dörflerinnen drei „unpartheyische Weiber von Knorrscheid" gerufen hatten, mußte Ballevre sie gewähren lassen: Die Frauen begaben sich darauf zur Stube der Magd, und während Barbara Brück wegen der Dunkelheit im Raum den „fenster Vorhang" aufzog, forderte eine der Knorrscheider Frauen Anna Maria auf, sich aufzuschnüren. Sie begriff ihre Brust, aus welcher „natürliche weiße milch" flöß. Für die anwesenden Frauen war damit der Beweiß einer vor kurzem erfolgten Geburt erbracht: „ D u liebes Kind du bist eine Kindtbetherin und kanst es nit laugnen", so kommentierte die untersuchende Dörflerin aus Knorrscheid ihren Befund. 295 Als die Frauen dem Pastor ihre Entdeckung daraufhin mitteilten, sei dieser zunächst fast ohnmächtig in den Sessel gesunken, habe sich dann in die Stube der Magd und zu den Frauen begeben, von „leid" und „schände" für ihn und sein Haus gesprochen und schließlich den drei Frauen aus Knorrscheid 45 Kreuzer „vor ihre bemühung" gegeben. Während er allen anwesenden Dörflerinnen die Hand reichte, forderte er sie zugleich auf, „sie möchten doch nichts davon sagen", jedoch deutet sein weiterer Zusatz an, daß er sehr wohl um den Anspruch der Dorffrauen auf diese Kontrolle, die Wahrung ihrer uneingeschränkten Kompetenz in diesem Falle sowie ihre Unbestechlichkeit wußte: „wan die sach vor die Herrschaft käme", so Schloß er, „möchten sie sagen, was sie gesehen, er wolte indeßen die sach schon über sich neh«

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men . Pastor Ballevre hatte sich keineswegs geirrt, denn die Frauen meldeten ihre Entdeckung sogleich dem herrschaftlichen Meier. Anna Maria hatte ihnen gestanden, daß sie zwei Tage zuvor mit Hilfe des Geistlichen ein Kind auf dem Speicher des Pfarrhauses geboren habe, welches vom Pastor vor

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seinem Ableben gejähtauft und danach in Dillingen begraben worden sei.297 Die Dörflerinnen ahnten oder wußten bereits jetzt, daß ihr Geistlicher einen Kindsmord begangen hatte, den man wenig später jedoch seiner Magd anlasten sollte, während er selbst „auf freyen Fuß" kam." 8 War damit die Aufgabe der Frauen beendet, so gestaltete sich die Durchsuchung „der behausung und garthen des pastoris", die Verhaftung und Gefangennahme der Magd, ihre Inhaftierung im Wachstübchen neben dem Amtshaus und ihre Bewachung durch die Schützen als eine reine Männersache. 299 Die Kontrolle von Schwangeren durch die verheirateten Dorffrauen hat eine lange Tradition und kann bis ins 16. Jahrhundert zurückverfolgt werden. Während den Frauen dieses Monopol der Überwachung im Bereich der Untersuchung von Frauen oblag, die vielleicht schwanger waren oder geboren hatten, übernahmen die Dorfmänner, sofern nötig, die Uberprüfung und Regelung des sich dahinter verbergenden Verhältnisses oder Verbrechens. Frauen stellten Schwangerschaft und Geburt fest, Männer verhandelten dorfintern mit ihnen angegebenen Kindsvätern, verklagten diese im Namen der schwangeren Frauen vor Gericht oder traten mit ihren Töchtern und Schwestern den Gang vor eine juristische Institution an.300 Bezog sich die Uberprüfungsfunktion der Dörflerinnen damit auf einen leiblichen und ethischen Bereich, ging es doch in erster Instanz darum, ein Vergehen zu verhindern und das Leben des Ungeborenen gemeinsam zu schützen, so übernahmen die Dörfler eine Kontroll- und Überwachungsfunktion auf sozialer, rechtlicher und ökonomischer Ebene, indem sie Eheschließungen, zumindest aber Alimentzahlungen sicherzustellen suchten und gerichtliche Anzeige erstatteten. Diese innerdörfliche Kontrolle mit nicht immer strenger, aber durchaus sichtbarer geschlechtsspezifischer Kompetenzverteilung, bezog sich seitens der Dörflerinnen fast ausschließlich auf ledige und alleinstehende Frauen, während die Frauengemeinschaft denselben Einsatz verheirateten Frauen unter ganz anderen Vorzeichen anbot, als diagnostische Hilfeleistung nämlich zur Feststellung einer Schwangerschaft auf freiwilliger Basis. Eine Erstürmung des Hauses, in welchem sich die vermutlich schwangere oder bereits niedergekommene Frau aufhielt, war deshalb zumeist unnötig, weil die Dorfbewohner sich der selbstgewählten Aufsicht der Dorffrauen kaum entziehen konnten. Schwangerschaft, Geburt, Kindbett, Fruchtbarkeit und Fortpflanzung waren sowohl in der Lebenspraxis - vom Rat über die Hilfe bis zur Betreuung - als auch im magischen und religiösen Brauchtum weibliche Domänen 301 und gehörten zudem einem dörflichen Diskurs an, der vorwiegend von den Frauen getragen wurde. Nicht nur was im Dorf geredet wurde, sondern wie über eine Bewohnerin gesprochen wurde, war von entscheidender Bedeutung und hing nicht zuletzt vom Integrationswunsch dieser Frau und ihrer Akzeptanz einer weiblichen dörflichen Kontrollinstanz in diesen Bereichen ab. Möglicherweise diente auch die Inszenierung

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der Erscheinung der heiligen Barbara in Oberselbach neben der Eindämmung der allgemeinen dörflichen Gerüchteküche und der Abwehr einer Vorladung der Elsa vor Gericht der Verhinderung jenes speziellen und von weiblicher Seite forcierten Geredes, welches auf die Ablehnung ihrer Inaugenscheinnahme durch die Dorffrauen hin hätte entstehen können. Denn eine solche schien durchaus bevorzustehen: Aufgrund der Gerüchte um Elsas angebliche Schwangerschaft hatten bereits mehrere Nachbarinnen eine auffällige Neugier an den Tag gelegt, hatten sich im elterlichen Haus der Elsa mehrmals nach ihrem Befinden erkundigt und mit ihr persönlich sprechen wollen, wohl um mögliche Anzeichen einer Schwangerschaft zunächst .inoffiziell' und einzeln zu überprüfen.302 Für die Annahme, daß die in Szene gesetzte Heiligenerscheinung auch der Vermeidung von Gerüchten auf eine verweigerte Visitation der Elsa hin gedient haben könnte, spricht die Tatsache, daß eine solche Ablehnung fast immer für die sich der weiblichen Kontrolle entziehende Frau äußerst nachteilige Konsequenzen nach sich zog, wie sich an einer Begebenheit in Wiebelskirchen um 1703 zeigen läßt. Die verheiratete Anna Catharina Juli war im Vorjahr mehrere Monate ohne „menstrua", weshalb sie es gestattet hatte, „von denen Weibern im Dorff begriffen" zu werden, welche jedoch keine Zeichen einer Schwangerschaft entdeckten. Als im darauffolgenden Jahr ihre Regel nochmals aussetzte, sie diesmal sogar einen „dicken bauch" bekam, eine Untersuchung durch die Dorffrauen jedoch ablehnte, setzte die allein lebende Frau, deren Mann außer Landes in Soldatendiensten stand, damit ein fortdauerndes Gerede unter den Dorffrauen in Gang - allein sieben von ihnen waren zu einer späteren Aussage vor Gericht bereit. Eine der Frauen behauptete, Anna Catharina sei „in solchem [Zu]standt, wie sie gewesen, da sie 10. Kindter gehabt", eine andere hatte sich im Gespräch mit weiteren drei Dörflerinnen vernehmen lassen, die Juli „seye eine solche Hure, damit man die andere einsaltzete. Wann diese keine huer, so seye keine mehr auff der Welt" und „wann diese kein kindt gehabt hätte, so wolte sie den todt leiden". Eine andere Frau hatte ein Gespräch zwischen ihrer Schwiegermutter und deren Nachbarin belauscht und erfahren, daß beide nicht nur von der Schwangerschaft, sondern auch davon überzeugt waren, daß Anna Catharina einen Kindsmord begangen habe. Sie selbst wußte bereits von diesem Verdacht über eine ihrer Nachbarsfrauen und war nun ebenfalls vollends überzeugt. Schließlich kamen die Dorffrauen zu der Ansicht, „daß die Schöffen es anzeigen sollten", worauf sich der Schöffe Johannes Schley zum herrschaftlichen Amtsgericht nach Ottweiler begab, um den Vorfall zu melden. Nachdem die zwar verheiratete, jedoch schon längere Zeit ohne ihren Mann im Dorf lebende Anna Catharina eine Untersuchung durch die Frauen abgeschlagen und erst als sie sich trotz des Geredes unter den Dörflerinnen immer noch nicht dazu bereit gefunden hatte, griffen die Frauen auf männliche Hilfe, auf eine gerichtliche Institution und eine offizielle Kontrollmöglichkeit zurück: Die Verdächtigte

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mußte sich einer gerichtlichen Vernehmung und einer Untersuchung durch eine bestellte Hebamme unterziehen. 303 Nicht wenige Anzeigen gegen angeblich schwangere Frauen kamen dadurch vor Gericht, daß sich diese der dorfinternen weiblichen Kontrolle widersetzt hatten. Die Saarwellinger Frauen hatten bei der Stürmung des Pfarrhauses mit der Formulierung, im Zweifelsfalle „könnte keine Mutter vor ihr Kindt gut seyn" auf den Punkt gebracht, um was es ihnen allen ging: um die Vermeidung von Situationen, in denen selbst die Mütter ihren ungeborenen Kindern schaden konnten. Ob mit der Auslieferung eines Dorfmitgliedes an eine außerdörfliche Rechtsinstanz über männliche Vermittler eine anhaltende Ausgrenzung verbunden war, ist nicht überliefert. Ebenso wie in vergleichbaren Kontexten erhielten sich auch im Falle der Anna Catharina Juli, die als nicht schwanger vom Gericht entlassen wurde, keine Zeugnisse über ihr weiteres Leben im Dorf und ihr Auskommen mit jenen Dörflerinnen, die sie zu Unrecht beschuldigt hatten. Im Gegensatz zu Pastor Ballevre, der gegenüber Dorfmitgliedern und während des folgenden Prozesses immer wieder auf seine Sonderstellung und Ehre als Geistlicher abhob, sich zur Rettung seiner Autorität auch berechtigt fühlte, den Zugang zu seinem Haus mit Flinte und Axt zu verteidigen sowie den Dorffrauen und später den Schützen Geld zu offerieren, lenkten die meisten örtlichen Familien vor dem Hintergrund des Dorfgeredes und der Möglichkeit einer gerichtlichen Anzeige irgendwann ein. Und ebenfalls im Gegenteil zum ablehnenden Geistlichen versperrte sich die Magd Anna Maria Martin, der sicherlich diese Funktion der weiblichen verheirateten Bewohner schon aus ihrem Heimatort Kirchhofen bekannt war, dem „Befühlen" durch die Knorrscheider Frauen keineswegs. Nicht immer schon beim ersten, aber doch beim zweiten oder dritten Vorsprechen der Dörflerinnen wurde ihnen das „Begreifen" mit Zustimmung der betroffenen Frau gestattet. Mit Zähigkeit hatten auch vier Dorffrauen aus Dunekirch bei Boulay zusammen mit der örtlichen Hebamme 1606 mehrmals eine Befühlung der ledigen Marguerite Masson gefordert, die ihnen wegen ihrer Leibesfülle und weil sie nicht mehr zur Kirche kam, aufgefallen war. Jedesmal, wenn sie vor dem Haus ihrer Eltern erschienen, erklärte die Mutter der Marguerite, sie habe ihre Tochter betastet und nichts gefunden, gab damit also zu verstehen, daß sie die Kontrolle ihrer Tochter ganz im Sinne der Dörflerinnen selbst übernommen habe. Als sich Marguerites Leibesumfang jedoch plötzlich verloren hatte, sprachen die Dörflerinnen im Haus der Massons nochmals vor, diesmal mit Erfolg: Sie berührten mit Zustimmung der Tochter ihre Brüste und „ont trouves a se le poitrinne qu'elle avait du lait".304 In diesem Falle hatten sie - in Anerkennung der von der Mutter zugesicherten Aufsicht über ihre Tochter - das Verbrechen nicht verhindern können, denn die junge Frau gestand daraufhin, ohne irgend jemandes Kenntnis heimlich ein totes Kind geboren und es selbst begraben zu haben.

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Adam Morbach, „der Capitaine de Boulay", dem die Dorffrauen ihre Entdeckung anzeigten, plädierte nach Auffindung der Kinderleiche freilich auf Kindsmord. Die Aufsicht der verheirateten Frauen bezog sich, wenn sie auf Kontrolle und nicht auf gemeinsame Hilfe bei der Diagnose körperlicher Veränderungen gerichtet war, vor allem auf den präventiven Schutz des ungeborenen Kindes sowie auf die mögliche Aufklärung eines von den Frauen mißbilligten Umgangs der Schwangeren mit ihrer Leibesfrucht, nicht jedoch auf die Brandmarkung einer illegitimen Schwangerschaft. Dies macht verständlich, daß etwa im Falle eines Abtreibungsverdachtes durchaus auch verheiratete Frauen einer Kontrolle unterzogen werden konnten. Dabei ging es den Dörflerinnen zuvorderst um die Verhinderung von Handlungsmöglichkeiten der Schwangeren und die Behinderung von Personen, die vor allem bei einem Abtreibungsversuch behilflich sein konnten. In Lauterbach hatte sich im Jahre 1731 die Ehefrau des Wendel Schütz durch eine ungünstige Abfolge von Geschehnissen ins Gerede unter den Dorffrauen gebracht.305 Eine Nachbarin hatte beim Wäschewaschen „in der bach hinter des Wendel Schützen haus" eine Ansammlung von „geblüth von einem Weibsmenschen" gefunden und „es mit der hand gehohlet". Im Blut glaubte sie nun „ein Kind, welches so groß schon gewesen, daß man gesehen, daß solches ein mägdlein gewesen", zu sehen.306 Ihre Entdeckung teilte die Frau sogleich drei anderen Dörflerinnen mit. Da unter den Frauen des Ortes bekannt war, daß Margaretha Schütz wegen ausbleibender Menses vom Barbier in St. Wendel „getränke gebrauchet" und zur Ader gelassen worden war, weil sich ihr Ehemann fünf Albus zur Begleichung der Ausgaben für die Arznei beim örtlichen Schöffen geborgt hatte, fiel sofort der Verdacht der Abtreibung auf sie.307 Dieser bestätigte sich durch die Angabe der Catharina Schillinger, einer weiteren Dorfbewohnerin, der gegenüber sich die Schützin in einem Gespräch über Schwangerschaften und Kinder in verfänglicher Weise geäußert habe: „Catharina, das Wesen ist fort!", hatte sie dieser anvertraut. Die Schillinger jedoch hatte „dardurch verstanden, weilen die Margaretha einen dikken bauch gehabt, daß sie müste schwanger gewesen seyn und das Kind abgetrieben haben, indem seither einigen Wochen die Mümmelungen von ihr gegangen, alß ob es nicht richtig mit ihr seye, maßen sie sich zu St. Wendel zur Ader lassen wollen".308 Auch in diesem Falle hatte Margaretha Schütz auf einen helfenden Rat oder eine Diagnose der Dorffrauen verzichtet, sich jedoch statt dessen an eine Person außerhalb des Dorfes in der nahen Stadt gewandt, jenen Barbier Cornus aus St. Wendel, der - so die Version des Gesprächs unter den Dorffrauen - angeblich der Schützin sogar den Aderlaß verweigert haben soll, weil er eine Schwangerschaft vermutete. In Verdacht der Abtreibung gerieten verheiratete und unverheiratete Frauen, wenn sie auf der Suche nach Abhilfe bei ausbleibender Menses den Ort allein verließen, sich also der dörflichen Kontrolle entzogen und sich

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etwa wie Margaretha Schütz ,heimlich' und ohne vorherige Information anderer Frauen oder ohne deren Begleitung an einen Barbier oder Bader wandten. Gleichfalls mißbilligten es die Dorffrauen, wenn angeblich oder tatsächlich Mittel benutzt wurden, deren Einnahme den jungen Frauen aus ihrer Sicht keinesfalls gestattet war. So hatte Margaretha Kielmännin wegen ihrer ausbleibenden Regel 1708 „bald dieses, bald jenes, so ihr die leuthe geraten, gebraucht", von der örtlichen Hebamme Wein mit Salbei, von anderen Dörflerinnen Rosmarin und Rosmarinöl, von Jungfer Kettel einen Schwitztrank, von Daniel Creutzens Frau Wein mit Safran. Schon die Einnahme des Safrans, dessen abtreibende Wirkung den Dorffrauen bekannt war, brachte die junge Frau jedoch in Rechtfertigungszwänge: Sie habe „ja die sache nicht verschlossen und sich nicht darbey gefurchtet, auch seye ja das saffran nichts böses, und habe es ihr des pastoris Mutter gesagt, sie solle solches brauchen", so konterte sie den Vorwurf,,heimlich' ein Mittel eingenommen zu haben, dessen Verwendung gegen die ausbleibende Menses bei jungen Frauen unter den Dörflerinnen sehr umstritten war. Erst als sich die Kielmännin ohne vorherige Unterrichtung anderer in die nächste Stadt begeben hatte und dort von einer Frau zur Ader gelassen worden war, entstand unter den Dorffrauen die argwöhnische Vermutung eines mit fremder Hilfe versuchten Schwangerschaftsabbruches. 309 Marie Greth aus Dirmingen, die ledige Tochter des Remmesweiler Müllers, welche ebenfalls „ihr zeit" nicht bekommen konnte und mit einem „dicken bauch" herumlief, hatte nach eigenen Angaben zur Vertreibung der „verstopffung des geblüts" nur Tausendgüldenkraut, Holunderblüten in Wein und Tabakbrühe gebraucht, aber keinesfalls Liebstöckel oder gar Sadebaum, wie ihr die Dorffrauen unterstellten. Diese hatten nämlich beobachtet, daß eine gewisse Eva - „wo sie arzt seye", wußte niemand aus dem Dorf - vor wenigen Wochen von eben diesem Sadebaum ins Haus der Marie gebracht und „denen mädeln davon zu setzen mitgetheilet habe", eine wohl ungewöhnliche Angelegenheit, die auf versuchte Abtreibung schließen ließ.310 Und auch von der mit dem verwitweten Hofkoch aus Ottweiler liierten Maria Catharina Georgin hatte sich herumgesprochen, daß sie „Sevenbaum" gebraucht haben sollte, nachdem ihr vor vier Monaten „wehe worden" und ihre Regel ausgesetzt hatte. 3 " Verfänglich schien auch in diesem Falle das Verhalten der Beschuldigten, die zwar in Begleitung einer anderen Frau den städtischen Barbier aufgesucht hatte, um seinen Rat, weil sie „ihr ordinaires nicht" bekomme, einzuholen. Doch „habe sie zu dem selben gesagt, sie wolle etwas allein mit ihm reden und deswegen auß der stuben gegangen, was sie geredt, wüste sie nicht", so kommentierte ihre Begleiterin später diesen seltsamen Besuch und die geheimnisvolle Unterredung. 312 Noch gravierender schien jedoch die Sache mit dem Sadebaum, denn es stellte sich bald schon heraus - Georg Zimmer aus Mainzweiler hatte seinem Nachbarn Theobald Voltz, dieser seinem Vetter Nikel Voltz aus Ottweiler, der wiederum dem Kirchenzensor Friedrich

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Gräßer und letzterer schließlich der Gemeinde und dem Pfarrer davon berichtet —, daß Maria Catharina tatsächlich bei ersterem, Georg Zimmer, um Sadebaum nachgefragt hatte. Zimmer habe sie aber mit den Worten abgewiesen, „die Jungen brauchen solches nicht". Darauf habe die Georgin vorgegeben, der Sadebaum „seye vor die alte frau, so er in des Koches [ihres Dienstherren und Geliebten, des Hofkochs] stube gesehen, welche ein bös bein habe".313 Diese letzte Begebenheit zeigt am deutlichsten, daß es nach dem dörflichen Verständnis ein erlaubtes und ein verbotenes Repertoire an Mitteln gegen die ausbleibende Regel gab, die ja immer auch eine Schwangerschaft bedeuten konnte. Safran und Sadebaum galten in diesem Zusammenhang als verdächtige Mittel, die nur von älteren Frauen gebraucht werden sollten, weil ihre abtreibende Wirkung nicht nur bekannt, sondern eben diese zu nutzen jungen Frauen nicht unbedingt erlaubt wurde.314 Die Kontrolle bezog sich somit einerseits auf das Was, auf die Verwendung von Mitteln und die ergriffenen Gegenmaßnahmen, aber ebenso auf die Art und Weise und den Ort, wie also und wo eine Frau Hilfe suchte. Eine weitere Grenze des Geduldeten überschritten deshalb Frauen, wenn sie zum einen ,heimlich' oder mit Verheimlichungsabsichten Arzneien oder Substanzen beschafften und einnahmen wie Maria Catharina Georgin, wenn sie zum anderen Rat und Hilfe außerhalb des Dorfes suchten und diese entweder ganz ohne Begleitung oder unter Ausschluß dieser entgegennahmen. Daß auch in diesem Kontext die Verheimlichung Mißmut und argwöhnische Spekulationen im Dorf nach sich zog, verdeutlicht den halböffentlichen Charakter der Schwangerschaft nochmals; daß derartige Heimlichkeiten vieler Frauen dennoch durch eine rege Kommunikation zwischen den Gemeinden, innerhalb des Dorfes und vor allem unter den Dörflerinnen im Ort bekannt wurden, verweist auf ein durchaus funktionierendes und sanktionierendes gemeindliches Kontrollsystem, dem sich Frauen nur unter besonders günstigen oder besonders ungünstigen Bedingungen entziehen konnten, dann nämlich, wenn sie wie Marguerite Masson eine Fürsprecherin fanden, oder aber wenn sich niemand so recht um sie kümmerte, ein Schicksal vieler fremder Dienstmägde in den Dörfern. Den eigentlichen Schutz des Fötus, der nach Feststellung seiner tatsächlichen oder sicher vermuteten Existenz erst beginnen konnte, übernahm die dörfliche Öffentlichkeit durch Beobachtung, Nachfragen und Besuche, aber auch durch präventive Praktiken. Eine keinesfalls ungewöhnliche Variante dieser Möglichkeiten des vorsorglichen Schutzes präsentiert ein Ereignis im zweibrückischen Wörschweiler um das Jahr 1772.315 Am 19. August dieses Jahres begab sich Anna Margaretha Barthin zum örtlichen Pfarrer Friedrich Ludwig Schmidt. Sie hatte Grund zur „schmerzlichen Klag", denn eine andere Dorfbewohnerin, die als zanksüchtig „und von frechem, unbändigem Maul" bekannte Maria Elisabetha Artin, halte sie für eine Hure und dazu

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fähig, „die empfangene frucht abzutreiben". D a „ihr ehrlicher Name entsetzlich durch derley nachreden gekräncket" werde, bat sie den Geistlichen, „die sach zu untersuchen und ihre Ehre zu retten". Was war geschehen? Die unverheiratete, jetzt um ihren ehrlichen Namen und ihre Ehre kämpfende Barthin war mehreren Gemeindemitgliedern wegen ihres angeschwollenen Bauches aufgefallen, obwohl „niemand starck in das Haus" der Familie Barth gegangen, also kein eigentlicher Freier in Sicht war. Dennoch begannen die dörflichen Spekulationen, wobei die einen behaupteten, die Anna Margaretha sei unzweifelhaft schwanger, die anderen, es sei sicher nicht so und eine dritte, zurückhaltendere Gruppe stets mit dem Verweis, man sollte bedenken, was man rede, denn es sei „groß Verantwortung dabey" und „seye einem geschwind die Ehr abgeschnitten", das Geschwätz zu beschwichtigen suchte. So hatte auch die 26jährige Artin, als sie zusammen mit Johann Jacob Adam beim „Grundbiern setzen" auf dem Feld arbeitete, beim Vorübergehen der Barthin verlauten lassen: „Die ist schwanger und siehet sehr betrübt aus und wendet die Augen ab!" Der Artin Mutter freilich, die die Barthin in der Kirche beobachtet hatte, kam zu einer ganz anderen Uberzeugung: Die Barthin „sähe gut aus und seye fett, folglich seye das geschrey falsch". Indes war ihre Tochter Maria Elisabetha Artin nicht nur weiterhin von der Schwangerschaft der Anna Margaretha, sondern ebenso davon überzeugt, daß letzterer Mutter im Stande sei, „es abzutreiben". Dies aber mußte verhindert werden, weshalb die Artin fest entschlossen war, gemeinsam mit anderen Personen des Ortes mehrere Gegenmaßnahmen in Angriff zu nehmen. Zunächst besorgte sie sich gesegnetes Salz bei einer Frau aus dem benachbarten Landsweiler, deren katholischer Vater „allezeit segnen" ließ, und bat den Johann Jacob Adam, er möge es der Barthin in die Suppe tun, damit „sie die Schwangerschaft nicht verhindere". Als dieser sich weigerte, backte sie selbst einen Kuchen aus Roggenmehl, welcher auf einer Seite „mit dem Fingerhut gezeignet" und mit gesegnetem Salz bestreut war und brachte ihn der Barthin an einem Sonntag, „damit die Abtreibung verhindert werde". Wenig später sprach sie einen Nachbarn gleich mehrfach an, ob er ihr nicht ein „Stuck Schurzenschnur", ein „Schurzen bendel oder Nestel" von der Anna Margaretha besorgen könne, „daß die Barthin nichts abtreiben könte". Diese Schnur müsse an das Glockenseil gebunden werden, denn wenn sie „an der glocken hienge, so könte die frucht ohnmöglich fort gebracht werden". Schließlich erforderte der Schutz des ungeborenen Kindes eine dritte Maßnahme, mit der die Artin nochmals Johann Jacob Adam betraute: Er sollte zu Senßweiler „einen Eggezahn hohlen, und ihr, der barthin vor die thur schlagen, wann sie über denselben gienge, so könte sie auch die frucht nicht abtreiben". O b all diese magischen Abwehrpraktiken tatsächlich durchgeführt wurden, bleibt abgesehen von der Uberbringung des Kuchens ungewiß, da die Beteiligten die Ausführung dieses „Aberglaubens", auf dessen Verwerflich-

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keit sie der Pfarrer im späteren Verhör im Pfarrhaus nachdrücklich verwies, hartnäckig abstritten. Welche Schutzmaßnahmen die Artin jedoch vorgenommen oder geplant hatte, war mittlerweile vor allem unter den Dorffrauen bekannt geworden, die sich bei der Feldarbeit und am „Waschtrog" ausführlich darüber unterhielten. So eingehend, daß die ganze Geschichte auch der Anna Margaretha Barthin zu Ohren kommen mußte, die sich sodann hilfesuchend an den Ortspfarrer wandte. Auch sie bekundete nun Sorge um ihre Leibesfrucht und ihre Gesundheit, wisse man doch nicht, was ihr die Artin noch alles in den Kuchen praktiziert habe. Der Vorfall in Wörschweiler macht aufmerksam auf eine andere Art des Schutzes Ungeborener durch Kontrolle oder der Kontrolle Schwangerer über direkte Schutzmaßnahmen, die der Leibesfrucht dienten. Der Umtriebigkeit der Artin und ihrer in diesem Falle zumeist männlichen Helfer316 schien eine gewisse persönliche Verantwortlichkeit zugrunde zu liegen, die sich einzig an der Rettung eines ungeborenen Kindes orientierte und von der Uberzeugung geleitet war, durch verbotene magische Schutz- und Abwehrpraktiken ein Vergehen verhindern zu können. Daß durch derartige Präventivmaßnahmen, deren Voraussetzung ja die Unterstellung einer Abtreibungsabsicht war, die „Ehre" und der „gute Namen" der Familie Barth in Mitleidenschaft gezogen werden könnte, war auf den ersten Blick nicht von Belang.317 Gerade der .heimliche' Charakter der Aktionen - im Gegensatz etwa zu den offiziellen Kontrollgängen der verheirateten Frauen, die hier ebenso denkbar gewesen wären - verweist demgegenüber auf den bereits in anderen Kontexten erwähnten Zusammenhang zwischen gemeinschaftlicher Schutzbereitschaft und „gutem Namen": Da die Barths einen tatsächlich unbescholtenen Ruf im Dorf hatten und vor allem die Tochter Anna Margaretha „von gutem Wandel" war, wäre ein offensives Vorgehen der angeblich sowieso zanksüchtigen Artin wohl eher gegen sie selbst zurückgeschlagen, wogegen ihr die insgeheim verübte Magie einen gewissen Freiraum bot. Dadurch, daß die Barthin jedoch nichts verheimlichen wollte, daß sie im Gegenteil die Angelegenheit mit Hilfe des Pfarrers öffentlich machte, hatte sie die Spielregeln eingehalten, war sie damit zugleich dem halböffentlichen Charakter des „Schwanger gehens" gerecht geworden, der Geheimniskrämereien leicht in Verdächtigungen umschlagen ließ. Guter Ruf und die Einhaltung einer kollektiv erwarteten Offenheit hatten die Barthin vor der sich bereits ankündigenden stärkeren dörflichen Kontrolle und vor der Intensivierung des begonnenen Dorfgeredes bewahrt. Statt dessen war es nun die Artin, die unter dörfliche Beobachtung geriet und deren geheime Ränke allmählich ans Licht kamen. Abtreibungen, ihr Versuch oder Vermutungen über beides erscheinen deutlich vermehrt erst in Quellen des 18. Jahrhunderts. Die Ansicht einiger Autorinnen und Autoren, daß Abtreibungen im Gegensatz zu Kindsmorden erst im 18. Jahrhundert verstärkt vor Gericht und uns deshalb zur Kenntnis

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kommen, weil sie in der Zeit davor unentdeckt blieben oder geheim gehalten werden konnten 318 , widerspricht der Erkenntnis, daß sich eine weibliche Kontrollpraxis auf dem Land seit dem 16. Jahrhundert nachweisen läßt. Hebammen- und Medizinalordnungen lassen ebenso ein recht frühes Interesse der Obrigkeiten an der Verhinderung von gewollten Aborten erkennen, wogegen sich das Abtreibungsdelikt selbst einer obrigkeitlichen Verfolgung bis zum 18. Jahrhundert dennoch weitgehend entziehen konnte. 319 U m diese verschiedenen Aspekte - Quellensituation, Prozeßhäufigkeit im 18. Jahrhundert, weibliche Kontrolle - einer Zusammenschau zu unterziehen, stellt sich für den ländlichen Bereich die Frage, warum die weiblichen verheirateten Dorfbewohner, die einerseits in Fällen einer vermuteten Schwangerschaft zur Verhinderung von Kindsmord im 16. und 17. Jahrhundert ihr Recht zur „Befühlung" und weiteren Beaufsichtigung mit Nachdruck, ja selbst mit Gewalt geltend machten und nachweisliche Kindsmordfälle den Gerichten meldeten, andererseits in derselben Zeit mögliche oder entdeckte Abtreibungsversuche aber vielleicht tolerierten, unbeachtet ließen, übersahen oder zumindest nicht als anzuzeigendes Vergehen bei Gericht meldeten. War aus der Perspektive der Dorffrauen die Abtreibung erst seit dem 18. Jahrhundert zu einem ebenso schweren Vergehen geworden wie der Kindsmord, weshalb man nach seiner Verhinderung durch Kontrolle ebenso trachtete wie bei diesem? Und würde dieser unterstellte Bewertungswandel der Abtreibung auf dem Land die im Vergleich zum 16. und 17. Jahrhundert weit höhere Zahl von aktenkundigen Gerichtsprozessen im 18. Jahrhundert erklären, die - wie wir im ländlichen Bereich sowohl für Kindsmord- wie Abtreibungsfälle feststellen können - in der Mehrzahl auf die Initiative von Frauen zurückgingen, welche jedoch zumeist Männer zur Anzeige der Vorfälle beim Gericht entsandten? Sicherlich lag eine grundsätzliche Schwierigkeit darin, daß man im Hinblick auf die ungünstigen Arbeits- und Lebensbedingungen sowie aus mangelnder Sachkenntnis zwischen einer Frühgeburt und einer Abtreibung kaum zu unterscheiden wußte. „Unzeitige" Geburten, so verdeutlichen die kirchlichen Geburtsregister, waren weder bei verheirateten noch ledigen Frauen selten, und nicht einmal die Geistlichen kamen bei illegitimen Frühgeburten der von ihnen oftmals als „Huren" betitelten und mißachteten ledigen Kindsmütter auf den Gedanken einer Abtreibung. Die Spekulation über einen eingeleiteten Abort machte sich vielmehr an anderen Kennzeichen als dem sozialen Status der Mutter und der Reife des Kindes bei seiner Geburt fest. Von einigen dieser Erkennungszeichen, die sich von den übrigen, in vielfältiger Weise etwa zur Beförderung des aussetzenden „Geblüts" getroffenen Vorgehensweisen unterscheiden mußten, war bereits die Rede: Verweigerung des „Begreifens" durch die Dorffrauen; Heimlichkeiten bei der Beschaffung von Mitteln und bei der Anwendung von Kuren; die Benutzung sprachlicher Verheimlichungsstrategien; eigenständige, unbeobach-

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tete Hilfesuche außerhalb des Dorfes, vor allem bei Barbieren und Badern in der Stadt; Anwendung von verpönten, mit Abtreibung konnotierten Mitteln. Das Durchbrechen von Grenzen - der vorgegebenen Handlungsspielräume, des für jedes Alter zulässigen Arzneirepertoires, der sprachlichen Vorgaben und der Dorf grenze - konnte eine Frau also im 18. Jahrhundert der Abtreibung verdächtig machen. Warum Verhaltens- und Handlungsweisen wie die Verheimlichung oder das Verlassen des Dorfes, die in früheren Jahrhunderten nur bei unterstelltem Kindsmord von Bedeutung waren, jetzt auch im Zusammenhang mit vermuteten Abtreibungen eine Rolle spielten und als Negativfaktoren mit Zeichencharakter in diesen Bereich übertragen wurden, mag mit einem seit dem 18. Jahrhundert aus ihren eigenen Beschreibungen erkennbaren geänderten Verhältnis der Frauen zur eigenen Leibesfrucht zusammenhängen, das an anderer Stelle als durchaus ambivalent beschrieben wurde. Die Einstellung von Frauen gegenüber dem ungeborenen Kind zeigte ab dem 18. Jahrhundert einerseits ein gewisses Selbstbewußtsein und eine Selbstbezogenheit in der durchgängigen Formulierung „meines Leibes Frucht" (statt „ein Kind"), andererseits vielerlei Verunsicherung darüber, was diese Leibesfrucht nun tatsächlich war, ob sie schon vor der ersten Regung lebte, wie man sie sich vorstellen sollte, ob und wie sie fühlte. Vielleicht war es diese neue Kombination aus einer imaginierten stärkeren Zusammengehörigkeit von Mutter und Kind und gleichzeitig einer größeren Unsicherheit, die eine umfassendere Kontrolle der Schwangerschaft auch durch andere und deren größere Schutzbereitschaft gegenüber dem Ungeborenen implizierte, was nunmehr auch Abtreibungen miteinschloß. Möglicherweise fielen diese geänderten Vorstellungen im 18. Jahrhundert zusammen mit einem Wandel in den Dorfgemeinschaften, in denen das Überschreiten der Ortsgrenze durch einen intensiveren Kontakt mit den Städten, durch eine insgesamt höhere Mobilität, durch die Zu- und Abwanderung Fremder, durch die erste Industrialisierung und durch Neuansiedlungen häufiger wurden und das allmähliche Aufbrechen der Landgemeinden eine umfassende Kontrolle der Dorffrauen nicht mehr ohne weiteres zuließ. Dies würde bedeuten, daß das Aufeinandertreffen einer höheren Sensibilisierung und Verantwortlichkeit vor allem für das ungeborene Kind und eines gleichzeitig eingeschränkteren kontrollierenden Zugriffs auf die Schwangere eine weitgefächertere Kontrolle in all jenen Konstellationen zur Folge hatte, in denen der Schutz des Kindes durch eindeutige Indizien nicht mehr gewährleistet schien - also auch bei vermuteten Abtreibungen. Und gleichzeitig hatten sich die Indizien für eine solche Manipulation geändert, waren vor allem umfangreicher geworden: Daß eine Frau im 16. oder 17. Jahrhundert bei Ausbleiben ihrer Regel einen städtischen Barbier oder Bader aufsuchte, war eher die Ausnahme und ebenso unverfänglich wie etwa die Einnahme von Safran oder Sadebaum, Pflanzen, die im 18. Jahrhundert in den eindeutigen Kontext der beabsichtigen Abtreibung gelangt waren, während sie

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davor als gängige Mittel zur Abhilfe bei „Verstopfungen des Geblüts" galten. Vor allem aber die Ausweitung des Indizes „Heimlichkeit" vom unterstellten Kindsmord auf die vermutete Abtreibung deutet mit dem indirekt sich dahinter verbergenden Wunsch der Dörflerinnen nach Wahrung der Offenheit zwischen den Frauen auf den Beginn eines anderen mentalen Wandlungsprozesses: Dem älteren, halböffentlichen Charakter der Schwangerschaft stellten sich zeitlich früher als beim Ereignis der weiterhin von der Frauengemeinschaft betreuten Geburt neue, individuellere, ,privatere' Umgangsweisen der schwangeren Frauen mit ihrem Körper und „ihrer" Leibesfrucht entgegen, auf die die Dörflerinnen mit argwöhnischer Beobachtung, mit Verdächtigungen und schließlich eigenmächtiger Kontrolle oder gerichtlicher Anzeige reagierten. Die Verdächtigung, es sei der Versuch einer Abtreibung unternommen worden, subsumierte folgerichtig in dem Signalwort „abtreiben" eine Reihe von abweichenden, regelwidrigen und unerwünschten Verhaltensweisen, von eigenwilligen Maßnahmen und Alleingängen, die dadurch eine Art dörflicher Diffamierung erfuhren. Bei vielen dieser Anschuldigungen sollte sich zeigen, daß die bezichtigten Frauen entweder gar nicht schwanger waren oder es bis zur Geburt ihres Kindes blieben und die Verdächtigung sich nur auf ihr andersartiges oder unerwartetes Verhalten, vor allem aber auf den Ausschluß der Dorffrauen von der Teilnahme an ihrem „schwanger gehen" bezogen hatte. Frauen, deren Schwangerschaft ,offiziell' war, sei es weil sichere Anzeichen für ihre Gravidität vorlagen und allseits bekannt wurden oder sie selbst von ihrer Schwangerschaft überzeugt waren und sie öffentlich bekundeten, unterstanden einer weiteren Aufsicht der Dörflerinnen, die ihr Verhalten, die Befolgung von Regeln und Pflichten, die Einhaltung von Grenzen beobachteten. Häufig legte man der werdenden Mutter oder der Kindbetterin ein falsches Verhalten zur Last, besonders wenn es sich auf Schwangerschaftsablauf und Geburt auswirkte. Früh-, Fehl- und Totgeburten, aber auch Mißgeburten wurden einer strengen Begutachtung durch Nachbarinnen und Hebamme unterzogen, bedurften also nicht selten der Rechtfertigung durch die Gebärende. Erkennbar wird dabei wiederum, daß in der gemeinschaftlichen Sorge um die Mutter, die vor falschen Verhaltensweisen bewahrt werden sollte, das Wohl des ungeborenen Kindes die entscheidendere Rolle spielte. Einer Frau, die kurz vor der Niederkunft getanzt hatte, konnte dieses gravierende Fehlverhalten ohne weiteres als Begründung der darauf erfolgten Totgeburt ihres Kindes angelastet werden, so hatten wir mit einem Beispielfall aus Merzig von 1613 an anderer Stelle bereits vorgegriffen. Hätte die als Hexe beschuldigte Closter Kett aus Bübingen ein mißgestaltetes oder behindertes Kind zur Welt gebracht, wäre selbst das Hochgericht zu der Ansicht gelangt, sie habe wie alle Hexen mit dem Teufel gebuhlt und deshalb einen „Teufelsbalg" geboren. Frauen, die keine Rücksicht auf ihren Zustand nahmen, bei der Geburt nicht genügend Mithilfe zeigten, ein leichtfertiges Leben vor der Ehe geführt oder die Regeln der „Grenzgängerin"

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verletzt hatten, wurden in den Augen der Dorfgemeinschaft leicht zu Täterinnen, die ihrer Aufgabe und Pflicht gegenüber dem Ungeborenen nicht gerecht geworden waren, das jetzt für ihre Fehler büßen mußte. In den Kontext der in diesen Fällen erwarteten öffentlichen Rechtfertigungen gehört ebenso die Aussage der Mütter, der Zustand ihres Kindes komme von einem erlittenen Schreck oder Schock, von Gewalttätigkeiten oder Drohungen wie die Angabe von Kindsmörderinnen, sie seien während der Geburt jenseits eines normalen Zustandes gewesen - „außer der gnade Gottes", „ihrer sinnen nicht mächtig", „ohne ihren eigen willen".320 Letzteren unterstellten vor allem die Gerichte weniger falsche Handlungsweisen während der Schwangerschaft als vielmehr falsche, „unnatürliche" Einstellungen gegenüber dem ungewollten Kind. Im Kindsmordprozeß gegen Margaretha Braun, die 1714 allein geboren und das noch lebende Kind ertränkt hatte, formulierte das Gericht, die Täterin habe „gegen all mutterliches Hertz undt lieb" ihre „eygene frucht, fleisch und bluth" getötet und damit eine „gegen das gebluth selbsten gehendte große mißthat" begangen.321 Zu dieser Uberzeugung kam die Behörde allein aufgrund des Tatbestands, obwohl die Braun nach Befragung, „ob sie selbiges [ihr Kind] dan nicht lieb gehabt?", geantwortet hatte: „Ja sie habe selbiges ... lieb gehabt". Denn die Angeklagte hatte nicht nur nicht mütterlich und damit unnatürlich gehandelt, sondern durch die „heimbliche, boßhafftige, willige vorsätzliche todtung" das „ohnschuldige Kindlein" auch der heiligen Taufe beraubt, ein Vorwurf, der - ebenso wie die Tötung - auf eine außergewöhnliche Lieblosigkeit hinwies. Die Ermordnung des eigenen Kindes, die man mit einer ungeheuren Emotionslosigkeit der Mutter verband, löste nicht nur bei Gerichten Entsetzen, sondern auch bei den Dorfbewohnern Beängstigungen aus. Die Kindsmörderin war der Beweis einer gescheiterten Kontrolle. Sie verkörperte aber auch den Gegenpart zu einem kollektiven Verständnis von Schwangerschaft und Geburt, das der Frau eine ,naturbedingt' positive Gefühlslage gegenüber ihrer Leibesfrucht und die ,natürliche' Schuldigkeit für einer mit ihrem Zutun gelingende „glückliche" Geburt auferlegte. Sie versperrte sich zugleich völlig einer weiblichen Identität, zu der das „schwanger gehen" und Gebären gehörte. Daß Kindsmörderinnen selbst um ihre destruktiven Kräfte und Wirkungen und um die Ängste wußten, die ihr trotz aller Achtsamkeit verheimlichtes Handeln bei anderen auslöste, versinnbildlicht keine ihrer Selbstinterpretationen besser als das Geständnis, der Teufel habe ihnen bei der Tötung ihres Kindes geholfen. Als kinderfressende Hexe hatte sich die Kindsmörderin nicht nur selbst zum Gegenbild der ,guten Mutter' 322 , sondern zu einer gottlosen, vom Teufel besessenen Kreatur, zum Inbegriff des Widernatürlichen, Unmenschlichen, aber auch Unkontrollierbaren gemacht, das man in ihr und in ihrer Tat fürchtete und ausgrenzte.

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Schwangerschaft beinhaltete seitens der Frauen Aspekte von Macht und Ohnmacht, umfaßte Rechte und Kräfte, aber auch Zwänge, Verantwortlichkeiten und Kontrollen. Die symbolische Macht des Geheimnisvollen und Schutzbedürftigen, das die Grenzgängerin umgab, resultierte neben ihrer eigenen Sonderstellung ebenso aus dem undefinierbaren Status ihres ungeborenen, unsichtbaren Kindes, dessen Gegenwart und Zukunft, dessen Geschlecht, seine Überlebenschancen und Entwicklung unbestimmt und deshalb unberechenbar waren. Im Unberechenbaren aber lag stets eine Kraftquelle zum Guten wie zum Bösen, weshalb eine schwangere Frau wie ihr Fötus Hilfsbedürftigkeit und Gefährlichkeit in eins bringen konnten. Die machtvolle Seite der Ubergangsphase beider wird erkennbar an einem vor allem auf die werdende Mutter bezogenen Handlungsspektrum, das etwa ihren Körpersäften in assoziativer Symbolik nahrungsverderbende Eigenschaften durch Berührung und ihren negativen Verhaltensweisen, Sinneseindrücken und Gedanken eine die Entwicklung des Kindes beeinträchtigende Prägekraft beimißt. Umgekehrt besaß gerade die werdende Mutter gleichwohl positive Kräfte, die sie nach allgemeiner Annahme vor Blitzschlag und Schlangenbiß schützten oder ihr heilende Fähigkeiten verliehen. Wer über eine Schwangere stieg, so glaubte man in den Hochvogesen in gegenteiliger Analogie zum schädigenden Uberschreiten der Gräber verstorbener Schwangerer und Kindbetterinnen, wurde von Rückenschmerzen befreit. 323 Macht und Recht ist die Kombination, in der die besondere Stellung schwangerer Frauen am häufigsten erscheint. Frauen nutzten ihren Zustand nicht nur im Umgang mit Gerichten, zur Disziplinierung verantwortungsloser Ehemänner, gewalttätiger oder rücksichtsloser Personen, sondern ebenso zur angenehmeren Gestaltung ihres Alltagslebens, indem sie besonderes Essen, herrschaftliche Vergünstigungen, eine intensivere Umsorgung durch ihre Umwelt und mehr Rücksichtnahmen als üblich für sich reklamierten. Daß auch in diesem Bereich das „schwanger gehen" als machtvolle Strategie eingesetzt werden konnte, zeigte die Geschichte der angeblichen Hexe Closter Kett, der man über 20 Jahre lang nicht habhaft werden konnte. Schwangere Frauen konnten daneben ebenso wie Jungfrauen erfolgreich für das Leben zum Tode Verurteilter bitten oder schriftlich supplizieren. Als Lebensspenderinnen in der Nachfolge Marias und durch die eine schwere Schuld reinigende Kraft ihres Zustandes war es ihnen möglich, ein Vergehen zu neutralisieren; ja selbst ihren Gebeten für Verbrecher wurde eine besondere Wirkung zugesprochen. 324 Der Macht der privilegierten Grenzgängerin stand ein Zustand der Machtlosigkeit gegenüber, in den dieselbe Frau durch Kontrolle, Bestrafung, öffentliche Demütigungen, Rat-, Schutz- und Hilflosigkeit, stete Begrenzungen und Disziplinierungen geraten konnte. Letzteres betraf vorwiegend ledige Frauen, die durch die Strafbarkeit ihrer illegitimen Schwangerschaft nicht nur viele Privilegien verloren, sondern sich einer sanktionierenden und

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erniedrigenden Obrigkeit ausgeliefert sowie einer im günstigen Falle helfenden oder duldenden, häufig aber ausgrenzenden Gemeinschaft gegenübersahen. Nicht nur das Gefängnis oder das Arbeitshaus schlossen ledige Schwangere ein und zugleich aus, auch die zu beachtenden Regeln und Verhaltensweisen, die angebotene Unterstützung oder die Kontrolle der Dorffrauen konnten, je nachdem ob sie angenommen oder abgelehnt wurden, für sämtliche schwangeren Frauen Integration oder Exklusion in verschiedenster Ausprägung bedeuten. Der Gemeinschaft der Dörflerinnen war dabei weniger an einer moralischen Disziplinierung als an der Einhaltung einer kollektiven Vorstellung von der ,guten Mutter' gelegen, die sich weder dem Wachstum und der richtigen Entwicklung ihrer Leibesfrucht, noch einer unkomplizierten Geburt durch nonkonformes Verhalten oder Manipulationen am eigenen Leib in den Weg stellen durfte. Die ledige Schwangere konnte ebenso diesem Bild von ,primärer Mütterlichkeit' während der Zeit der Schwangerschaft einschließlich der Niederkunft entsprechen, wie die verheiratete Schwangere ihm widersprechen konnte. Gerade der halböffentliche Charakter der Schwangerschaft, der eine zumindest zeitweise Teilhabe anderer Frauen am „schwanger gehen" einer Dörflerin beinhaltete, beförderte durch das wachsame Auge der Gemeinschaft und erleichterte durch Schutz- und Hilfsangebote sowie die Aufteilung von Verantwortlichkeiten die Identifikation mit diesem Idealbild des ,Mutter-Werdens' und die Einhaltung der dazugehörigen Spielregeln. Er machte es letztlich möglich, daß sich in den meisten Fällen Macht und Machtlosigkeit, Vergünstigungen und Einschränkungen, Hilfen und Demütigungen die Waage hielten.

II. Ländliche Geburt 1. Die dörfliche Not- und Hilfsgemeinschaft der Frauen Menschen um die

Gebärende

Die Niederkunft auf dem Land war Frauensache. Sie war keine Familienangelegenheit, sondern ein öffentliches Ereignis, an dem neben der Hebamme die weiblichen verheirateten oder verwitweten Familienmitglieder, die Nachbarinnen und Freundinnen - zumeist waren es zwischen fünf und sieben Frauen - teilnahmen. In den Quellen werden diese Frauen als die „nachbarn weiber", die „beystehende Weiber", die „5 Weiber, so sich dazu beruffen lassen", als „Ratsweiber" oder nur als die „Eheweiber" und „Weiber"' bezeichnet. Die anwesenden Frauen bildeten eigens zu diesem Zweck eine traditionellen Gebräuchen und Riten folgende Not- und Hilfsgemeinschaft, deren Aufgabe es war, einer Frau aus ihrer Mitte bei der Geburt beizustehen und die Hebamme bei ihrer Tätigkeit zu unterstützen, den Geburtsvorgang zu überwachen und durch gemeinsame Aktivitäten für eine geglückte Entbindung zu sorgen. Oft genug waren die helfenden Frauen die einzigen, die bei einer nahenden Geburt zur Verfügung standen, wenn es im Ort an einer Hebamme mangelte. Eine Niederkunft vollzog sich demnach innerhalb der Not- und Hilfsgemeinschaft der Dorffrauen und ihrer Hebamme, jener von ihnen in einer nur von den verheirateten und verwitweten Frauen durchgeführten Abstimmung gewählten Vertrauensperson, der sie die Führung beim Geburtsprozeß überließen. „Vertrauen" und „Zutrauen" waren dabei die Schlüsselworte, gegenseitige und ergänzende Hilfe die Praxis, die das ganz spezielle Verhältnis von Dorffrauen und Hebamme bestimmte: Waren einerseits die gebärenden Frauen auf Zuverlässigkeit und Fähigkeiten der Hebemutter angewiesen, so brauchte auch die Hebamme die Unterstützung der helfenden Frauen während der Geburt und später. Hebamme, Verwandte, Nachbarinnen und Freundinnen versammelten sich oft bereits Tage vor dem Geburtsereignis um die werdende Mutter. Häufig hatte dieselbe Gruppe von Frauen, die bei einer Geburt anwesend war, schon zuvor die Schwangerschaft durch „Begreifen", Abtasten, aufgrund sichtbarer oder mitgeteilter Anzeichen diagnostiziert. Uber die Dauer einer Schwangerschaft gab es zwar unterschiedliche Meinungen, im allgemeinen ging man jedoch davon aus, daß das Ungeborene neun Monate bis zu seiner vollständigen Reifung brauchte. Vor allem die Beurteilung „unzeitiger" Kinder gibt über die Einschätzung ihrer Reifungszeit Aufschluß darüber, daß man vorab ihren regulären Geburtstermin relativ genau bestimmt hatte. Abgesehen von pauschalen Feststellungen wie „nicht recht vollkom-

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men", „nit zeitig", „weils die gebehrte Zeit noch nicht war", „zur Unzeit geboren", „noch nicht ausgetragen" oder „lange vor gewohnlicher Zeit geboren", finden sich präzisere Berechnungen wie etwa: „ein unzeitig Kind von 4 Monaten", ein „nur 7 monathe getragenes Kind", „ist folglich 2 Monate zu früh gekommen", „und zwar bei 4 1/2 Monath zu frühe geboren" oder „welches 2 Monathe zu früh gekommen". 2 Gerade bei der Differenzberechnung spielte die neunmonatige Schwangerschaft als zugrundegelegte Wachstumszeit, von der aus man errechnete, um wieviele Monate das Kind zu früh geboren worden war, eine ausschlaggebende Rolle. Neun Monate war auch die Zeitspanne, die die Ortsgeistlichen zugrundelegten, wenn es um die Bestrafung eines frühzeitigen Beischlafs vor der Eheschließung ging.3 Dennoch widersetzte sich ein ganzes Dorf im Amt Homburg „mit sehr großem Unwillen und haß" dem Vorhaben des Ortsgeistlichen, ein Ehepaar, das sechseinhalb Monate nach der Heirat einen Sohn bekam, wegen frühzeitigem Beischlaf mit Kirchenstrafe zu belegen. Mit dem Argument, die Mutter der Niedergekommenen habe ebenfalls ein völlig ausgereiftes Siebenmonatskind geboren, begründeten die Dorfbewohner ihre Uberzeugung eines in dieser Familie angelegten schnelleren Wachstums des Fötus.4 Mußte der Geistliche in diesem Falle der Dorfmeinung nachgeben, konterte der Pfarrer von Allenbach bei einem ähnlichen Ereignis 1709 mit angeblichem Fachwissen: Als die Ehefrau des Andreas Anstetten bereits knappe acht Monate nach der Eheschließung von einem „völlig zeitigen" Sohn entbunden wurde, beide Ehepartner jedoch eine voreheliche Beziehung mit Vorgeben, der Geistliche könne „nichts auf sie bringen", vehement bestritten, widersprach dieser wie folgt: Es handele sich zweifelsfrei um keine Frühgeburt, sondern um ein vor der Eheschließung gezeugtes Kind, da „die kindbetterin nicht mehr zu jung, daß ein vitrum naturae könte beygebracht, dergleichen sich manches mahl zutragen, dahero etwa 7 oder 8 mönthige Kinder kommen sollen. Dann dieselbige nach Ausweisung des Kirchen Buches ... dreysig jähr alt ist, da die natur ja schon in dem vollkommensten zerdu ist". Bei Frauen im besten gebärfähigen Alter, so konnte der Kirchenmann schließlich die Kirchen-„Seniores" überzeugen, komme eine frühzeitige Geburt also nicht mehr vor.5 Auch wenn bei den meisten Schwangerschaften eine neunmonatige Entwicklung des Fötus bis zu seiner „Zeitigkeit" vorausgesetzt wurde, konnten Schwangere oder Dörflerinnen den präzisen Tag der Niederkunft nicht bestimmen, ja besagte schon die Erfahrung, daß selbst bei genauerer Einschätzung des Geburtstermins eine Zeitspanne der Verzögerung oder Frühzeitigkeit von vier Wochen durchaus möglich und keineswegs eine Seltenheit war. Da zudem bei früh einsetzenden Schmerzen der „rechte Zeitpunkt" 6 , das Einsetzen der „wahren" oder „richtigen" Wehen abgewartet werden mußte, hielt sich die Geburtshelferin, wenn sie aus einem anderen Dorf kam, entweder mehrere Tage bis zur Entbindung im Haus der Gebärenden auf, oder

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aber sie besuchte die nahe der Niederkunft stehende Frau in regelmäßigen Abständen, um sich nach ihrem Befinden zu erkundigen, verließ das Haus wieder, um zurückzukommen und schließlich bis nach der Geburt zu bleiben. Die Betreuung einer in den Wehen liegenden Frau übernahm oft eine sich abwechselnde Gruppe von Nachbarinnen und verwandten Frauen: Als 1760 die Niederkunft der Tochter des Achatschleifers Dreher aus Zweibrücken nahte, befanden sich ihre Mutter, ihre Schwester, zwei Nachbarinnen und die Hebamme im Haus der Drehers. Da die Hebamme der Meinung war, daß mit einer längeren Dauer der Geburtswehen zu rechnen sei, weil die Gebärende noch jung und dies ihre erste Niederkunft sei, teilte man sich die Betreuungszeit auf, welche tatsächlich drei Tage währte. Mutter und Schwester übernahmen die beiden ersten Tage, eine 70jährige Nachbarin wachte nochmals „einen Tag und eine Nacht", bis das Kind endlich zur Welt kam/ Gab es keinen Zweifel mehr über eine beginnende Geburt, wurden die helfenden „Weiber" mitsamt der Hebamme gerufen, welche sich bald im Haus der Gebärenden einfanden, ganz gleich ob es sich um eine eheliche oder eine uneheliche Geburt handelte. Stünde eine Niederkunft an, so berichteten die Ortsvorsteher von Merdheim und Medersheim im Amt Meisenheim noch 1810, würde sich die „sage femme" bei der Gebärenden „aupres d'elle de meme que toutes les autres femmes experimentees de la commune" einfinden, „pour assister ä l'accouchements": „Cette Demarche est pour ainsi dire consacree en devoir par l'habitude ches les habitans de la Campagne oü depuis un tems immemorial l'usage est etablie qu'aussitot qu'une femme commence ä sentir les douleurs de l'enfancement, presque toutes les autres femmes de la commune se rendent aupres d'elle pour assister ä ses couches". Diese dörflichen Helferinnen, deren gemeinsame Aktivitäten bei der Geburt die beiden Schreiber als eine Art seit alters eingeübten ,Habitus' der Frauen auf dem Land darstellen, zeichne nicht nur „beaucoup d'experience" beim Assistieren der Hebamme aus, sondern auch ihre besondere Zuverlässigkeit, indem sie jederzeit sehr schnell zur Stelle seien. 8 Im Gegensatz zur weiblichen Hilfe bei Entbindungen standen Ärzte, Chirurgen oder Bader als Geburtshelfer zumindest bis Beginn des 19. Jahrhunderts selbst in den Städten nicht überall zur Verfügung, abgesehen davon, daß man sie dort, wo es sie gab, ganz selten zu den Geburten rief. Ausschließlich bei komplizierten Niederkünften, bei denen fast immer entweder Mutter oder Kind ums Leben kamen, oder bei Kaiserschnitten und Obduktionen wurden in den Städten vereinzelt ab der Mitte des 18. Jahrhunderts Chirurgen hinzugezogen, die sich oft nurmehr als Nottäufer oder Operateure betätigten. 9 Anwesend waren bei derartigen Geburten immer auch eine Hebamme sowie andere Frauen, wobei der Chirurg der Hebamme „bey der Geburt assistiret" oder sich als Helfer betätigt hatte, wie es in den Kirchenbucheinträgen heißt. Bei einer komplizierten Niederkunft in Bachem, bei

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der das Kind schließlich im Mutterleib getauft werden mußte, wurde 1757 die Geburt von der Hebamme „mit Hilfe des Chirurgen Graff von Merzig" durchgeführt; bei einer Niederkunft in Bischmisheim im gleichen Jahr, nach der die Mutter verstarb, hatte Chirurg Reuter aus Saarbrücken der Hebamme „assistiret", und 1766 wurde die Frau des Saarbrücker Schlossers Rosenberger von der Hebamme „mit hülffe des Herrn Chirurgi", eben jenes Geburtshelfers Reuter, von einer kurz darauf verstorbenen Tochter entbunden.10 Bis zum beginnenden 19. Jahrhundert sah man daher selbst in den Städten die Stellung des Chirurgen, der sich als Geburtshelfer betätigte, als diejenige eines der Hebamme untergeordneten Gehilfen in solchen Ausnahmefällen an, die den Einsatz von Instrumenten oder aber operative Eingriffe verlangten." Uberhaupt ist die Anwesenheit von Männern während des Geburtsvorgangs nur ganz selten dokumentiert, sei es, daß man sie brauchte, um die Gebärende festzuhalten, um sie vom Geburtslager ins Bett zu tragen oder zum Anliefern von Wasser und Holz.12 Thomas Platter gibt in seinen Lebensbeschreibungen dagegen einen ganz anderen Brauch für den schweizerischen Raum an: „Do by mußt ich sin, dan in Walleß müssen die menner by den wibren in kindtz nöten sin, domit sy den hernach dester mer gedult mit den wibren heigin". Er selbst mußte nur anwesend sein, um die Geburtsnöte seiner Gattin vor allem akustisch mitzuerleben, durfte jedoch nicht bei der Geburt zusehen oder gar mithelfen. „Aber die wiber konden also mit iren umb gan, daß ich nütz gsach, was sy datten", so notierte er neben manchen wörtlichen Zitaten, die er aus dem Munde seiner Frau während der Geburt zu Ohren bekam.13 Weder die Zuhörerschaft noch die aktive Mithilfe, aber auch keine Form der rituellen Geburtsmagie wie die Couvade, das der Vertreibung von Dämonen dienende „Männerkindbett" 14 , waren statt dessen im Saar-Pfalz-Raum und im Lothringischen bei der Niederkunft erwünscht. 15 Selbst bei Nottaufen vertraten die anwesenden Frauen die Männer, die dem Kind als Paten zugedacht wurden, auch wenn diese im Haus der Gebärenden oder im Nachbarhaus lebten und man sie schnell hätte erreichen können. Nur in drei von insgesamt 126 in den Kirchenbüchern der Gemeinden um Saarbrücken registrierten Jähtaufen fungierten die Väter oder Großväter der Neugeborenen als Taufzeugen und Nottäufer. 16 Es erstaunt aufgrund ihrer Abwesenheit deshalb kaum, wenn in den Aufzeichnungen der Ehemänner zur Geburt ihrer Kinder jedes Detail und jede persönliche Wendung fehlen muß: „Im Jahre 1776 den 20ten Septembris Morgens um 3/4 auf 8. ist uns ein Knäblein zur Welt gebracht worden ... Im Jahr 1778 den 20ten Februar abends gegen halb 9. Uhren ist uns ein töchterlein zur Welt gebracht worden. Ist gestorben den 19ten July 1778 morgens gegen 2 Uhren an einer Verstopfung ... Im Jahre 1779 den 2ten Juny nachts gegen 11 Uhren ist uns ein töchterlein zur Welt gebracht worden. Im Jahre 1781 den 19ten April nachmittags gegen 3. Uhren ist uns ein bubchen zur Welt gebracht worden

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... Im Jahre 1783 den 4ten Octobris des abends gegen 10. Uhren gebahr meine Frau ein Mädchen, ist gestorben den 2ten Jenner 1784 an einem stück eitherren. Im Jahr 1784 den 21 ten Septembris des abends gegen 10. uhr käme uns ein Mädchen zur Welt...". In dieser statistischen und distanzierten Weise, ganz seiner ihm bei der Geburtshilfe zugedachten Rolle als in einiger Entfernung abwartender Zeuge, beschreibt der Trierer Geschäftsmann Lintz, der sicherlich keine der Entbindungen seiner Frau miterlebt hatte, in seinen Aufzeichnungen noch weitere drei Geburten seiner Kinder. 17 Werdenden Vätern oder Großvätern begegnet man entweder bei den Geburtsvorbereitungen - neben dem Schleppen von Wasser und Holz riefen sie manchmal die Hebamme oder brachten sie aus einem anderen Dorf mit Pferd und Karren zur Kreißenden oder aber wenn es während der Niederkunft zu Komplikationen und Problemen kam. 18 Ein solcher Zwischenfall ereignete sich 1760 bei der Entbindung der Ehefrau des Knopfmachers Nicolaus Frantz aus Trarbach. Zugegen waren mehrere Frauen, die Mutter der Gebärenden und die Hebamme des Ortes, die die Geburt leitete. Als die Hebamme feststellte, daß das Kind in einer falschen Geburtsposition lag und mit dem Hinterteil zuvorderst im Geburtskanal stand, hielt sie es für tot und stellte, da es mit den Wehen „kein rechter Ernst" werden wollte, ihre Bemühungen ein. Die verzweifelte Frauenrunde beschloß sogleich, den Vater der Gebärenden zu rufen, welcher „aus der färbe seiner Tochter und andern äußerlichen kennzeichen geurtheilet, das Kind sey nicht tod". Nach langer Ge-burtsarbeit habe die Amme das Kind „endlich bekommen, in ein tuch gewickelt und hingelegt". Der gerade zum Großvater gewordene einzige anwesende Mann bei dieser riskanten Geburt begutachtete sogleich sein Enkelkind und stellte fest, daß es „oben am dicken beine [Schenkel] sehr geschwollen, und merckte, daß ihm die beine gebrochen". Man ließ daraufhin den Chirurgen kommen, der die Beine des Kindes mit „Pappendeckel" schiente. Bezeichnenderweise war der Vater des Kindes beim Geburtsereignis nicht zugegen, denn in seiner späteren Vernehmung zu den Ereignissen konnte er lediglich angeben, „die weiber würden es wissen, wie es zugegangen". 19 Es ist andererseits zu vermuten, daß der Vater der Gebärenden, Johann Nicolaus Allmacher, sich als Heilkundiger betätigte und in dieser kritischen Situation als Spezialist zur Geburt seiner Tochter gerufen wurde, denn er konnte schon aus ihrem Aussehen sogleich Rückschlüsse auf ihren Zustand und den Geburtsverlauf ziehen. Die Geschehnisse in Trarbach dokumentieren abgesehen von dieser Vermutung jedoch gleich zweifach, daß Männer, ob als Verwandte oder Medizinalpersonen, bei der eigentlichen Geburtshilfe nur in Ausnahmefällen und selbst dann als eher beratende oder abschließende Helfer eine Rolle spielten. Dennoch hatten sie neben der Hilfe bei den Vorbereitungen einer Niederkunft eine zentrale Aufgabe als öffentliche Zeugen: Verordnungen und

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Kirchenordnungen beauftragten sie mitsamt der Hebamme zur Anzeige einer Geburt oder Totgeburt, des Ablebens der Gebärenden, einer durchgeführten Nottaufe und der vorgesehenen Paten für das Neugeborene beim Ortsgeistlichen zwecks Eintrag ins Kirchenregister und später beim Zivilstandsbeauftragten zur Aufnahme ins Zivilstandsregister. 20 War es die dörfliche Frauengruppe, die vor, während und nach der Geburt konkrete Hilfe im Haus der Niederkommenden und Kindbetterin übernahm, gaben die Dörfler die Ergebnisse der weiblichen Bemühungen zur öffentlichen Registrierung aus dem Haus weiter nach draußen, eine zwar bewegende, aber dennoch distanziertere Aufgabe im Geschehen um eine Geburt, die sich in den von Männern verfaßten ,Egodokumenten' und dem eher registrierenden Stil ihrer Niederschriften durchaus spiegelt. Von landesherrlicher und kirchlicher Seite wurde die Geburtshilfe durch eine Hebamme, vor allem wenn es sich um eine ausgebildete Geburtshelferin handelte, unterstützt und gefordert. Besonders ledigen oder alleinlebenden Schwangeren legten die Gerichte bei Anzeige ihrer Gravidität mit Nachdruck nahe, eine „Matrone" oder Hebamme, oder aber „bey verspürenden Geburths-Schmerzen, eine Hebamme und andere Weiber zu hülfe zu rufen".21 Der umgekehrte Fall einer allein vollbrachten Niederkunft konnte beim Tod des Kindes oder bei Auffindung einer Kinderleiche nach den Gesetzen zum Kindsmordverdacht führen. Deshalb verwiesen auch Verordnungen und Medizinalordnungen immer wieder darauf, daß unverheiratete Schwangere, die „zur gebährungszeith weder die Hebamme noch andere Weiber zu sich" beriefen oder die Amme und „einige andere ehrliche Weiber" nicht zuließen, in Gefahr standen, wegen Kindsmordes belangt zu werden.22 Daß dies oft genug geschah, die schwangeren Frauen jedoch weitere Möglichkeiten einer Bestätigung für ihre lebende Geburt nutzten, zeigen die folgenden Beispiele. Im Weiher von Altlixheim wurde 1780 die Leiche eines einwöchigen Kindes gefunden; nach Vernehmung aller sieben Hebammen der umliegenden Dörfer kam nur eine junge Frau aus Hilbesheim, die die örtliche Hebamme um Mittel gegen ihre ausbleibende Regel angesprochen und vor wenigen Wochen den Ort plötzlich verlassen hatte, für die Tat in Frage. Nach längerer vergeblicher Suche kehrte Marguerite Klein, die Verdächtigte, nach Hilbesheim zurück und gestand, im Hospital in Nancy ein Kind geboren zu haben, welches dort getauft und gestorben sei. Taufregister- und Hospitaleintragungen bestätigten diese Angaben zu ihrer völligen Entlastung.23 Auch Claudinette Collot aus Badonville im Departement Luneville entschloß sich 1723 ihr illegitimes Kind lieber in Thioncourt zur Welt zu bringen. Als man sie nach ihrer Rückkehr des Kindsmordes oder der Abtreibung beschuldigte, konnte sie mit Hilfe des Pastors von Thioncourt und den Eintragungen im Tauf- und Sterberegister nachweisen, daß sie ein Kind in diesem Ort geboren und dort hatte taufen lassen, das jedoch kurz nach der Taufe verstorben war.24 Ein fast identischer Fall ereignete sich 1788 in Framont, wo

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eine W i t w e den Ort zur Entbindung verließ, nach ihrer Rückkehr in Kindsmordverdacht geriet, Geburt und Tod ihres Kindes aufgrund von Registrierungen aber nachgeprüft werden konnten. 25 Vor allem eine uneheliche Geburt, auch wenn sie ,heimlich' an einem anderen Ort stattfand, bedurfte der Zeugen und Zeuginnen, sollte sie in den Augen des Dorfes oder der Behörden nicht als geplante verheimlichte* Niederkunft mit Absicht der Kindstötung gelten. Neben einer ausreichenden Geburtshilfe ging es deshalb den obrigkeitlichen Anordnungen um die Funktion der Zeugenschaft, wenn sie nicht nur die Gegenwart der Hebamme, sondern auch die Teilnahme der „Weiber" an Entbindungen befürworteten. Die nachbarschaftliche Hilfe der Dorffrauen bei der Geburt wurde von landesherrlicher Seite freilich nicht nur ausdrücklich gewünscht, sondern gleichzeitig auch reglementiert. Dazu heißt es schon 1632 in der pfalzzweibrückischen Hebammenordnung: „Wäre auch der beyrath anderer verständiger Weiber, zumalen solcher, welche selbsten viele Kinder gebohren und bey andern dergleichen begebenheiten zugegen geweßen" einzuholen. Selbst die Mutter der Kindbetterin sollte befragt werden, ob sich bei ihren eigenen Geburten „bedenckliche Zufälle", die auch bei der Tochter eine schwere Geburt befürchten ließen, ereignet hätten. Zusammen mit den anderen Frauen sollte die Hebamme Trost und Mut spenden sowie um den Beistand Gottes während der Niederkunft beten. Freilich durfte sie es keineswegs nur „auf den rath derer weiber ankommen laßen", sondern mußte Komplikationen sogleich dem Medicus oder Chirurgen melden. 26 Ausschließlich für den Fall einer falschen Kindslage oder bei der Notwendigkeit eines Kaiserschnittes sollte dagegen nach der Medizinalordnung für PfalzZweibrücken von 1762 ein Arzt oder Chirurg gerufen werden, wogegen bei „bedenklichen" Geburtsumständen die Hebamme sich mit „erfahrenen Weibern" und „anderen vernünftigen Hebammen" beraten konnte. 27 Auch die kurtrierische Verfügung von 1683 erlaubte es den Hebammen, „andere fromme, ehrbare und deren Dingen verständige und erfahrene Weiber, so selbst Kinder gebohren, zu Raht [zu] ziehen". Die fürstliche Medizinalordnung für Nassau-Saarbrücken von 1762 ging sogar so weit, „im Falle der Abwesenheit und Unvermögens der ordentlichen Hebamme, andern christlichen und nicht unerfahrenen Frauen" zu gestatten, den Gebärenden „im Nothfall beyzuspringen", verbunden jedoch mit der Auflage, bei unlösbaren Schwierigkeiten sofort eine gute Amme zu rufen. 29 Und 1732 war man sich zumindest in dem zur Grafschaft gehörigen Amt Ottweiler darüber einig, daß es „benebst der ordentlich geschworenen Hebamme einem jeden vorhero und noch nicht verwehret gewesen, bey denen gebährenden so viel Rathweiber zu beruffen, alß es einem jeden beliebet". 30 In der Hebammenordnung für die Herrschaft Dagstuhl war ähnlich wie im Nassau-Saarbrückischen 1762 „im Falle der Abwesenheit und Unvermögens der ordentlichen Hebamme

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anderen christlichen und wohl erfahrenen Weibern gestattet, der Gebährenden beyzuspringen", wobei diese bei einem problematischen Geburtsverlauf ebenfalls „nach einer benachbarten Hebamme" schicken sollten.31 Die Hanau-Lichtenbergische Hebammenordnung schließlich spricht beim „zu Rathe" ziehen anderer Frauen von „alte[n]/fromme[n]/ehrbare[n] und deren Dingen verständige[n] und erfahrene[n] Weibern/welche selbsten Kinder gebohren haben", fügt aber gleichwohl die Auflage hinzu, bei einem „besorglichen Zustand" unverzüglich Arzte oder Wundärzte zu benachrichti32

gen. Die sich um das Ereignis der Geburt versammelnde Gruppe der helfenden Dorffrauen mit ihrer Hebamme war damit eine obrigkeitlich befürwortete und anerkannte Gemeinschaft, die dennoch kontrolliert werden mußte. Da vor allem die Verpflichtung einer Hinzuziehung von Medizinalpersonen auf dem Land an überdeutliche Grenzen stieß, verblieb eine Entbindung aber selbst bei Zwischenfällen und Schwierigkeiten entgegen den Verfügungen meist in den Händen der Frauen. Die durch den verordneten Einsatz von Medizinern und Chirurgen beabsichtigte Aufsicht in geburtshilflichen Ausnahmefällen hatte deshalb keine Relevanz für die ländliche Geburtspraxis selbst, spielte jedoch eine gewisse Rolle nach einer mißglückten Geburt oder bei Kindsmordfällen. Vor allem Wundärzte und Physici übernahmen dann die Obduktion der Leichen oder die gutachterliche Untersuchung der überlebenden Mütter und Kinder." Wenngleich in der ländlichen Praxis der Geburtshilfe eine Kontrolle der sich hier betätigenden Frauen kaum möglich war, entzündete sich stattdessen eine auf Reglementierung abzielende Debatte um die Anzahl der helfenden Frauen und um die Nachteile dieser doch umfänglichen Frauenversammlungen für den Geburtsablauf. Im Gegensatz zu den Verlautbarungen des Oberamtes Ottweiler, die es noch 1732 gestatteten „so viele Rath weiber zu beruffem, alß es einem jeden beliebet", propagierten ärztliche Stimmen ab dem 18. Jahrhundert eine Beeinträchtigung der Niederkunft und der Gebärenden durch eine zu laute und viel zu zahlreiche Helferinnenschar, die statt gezielter Unterstützung nur Verwirrung und Unsicherheiten schaffe. Doktor Saal, Leibchirurg der Gräfin von der Leyen und seit 1777 Hebammenlehrer in der Grafschaft Blieskastel, war der Überzeugung, daß die „vier biß sechs und mehr Weiber", die bei einer Niederkunft assistierten, „so wohl der Kreißenden Frauen, als Hebammen die Ohren voll schreyen, und absonderlich die Hebamme gantz confus verwirrt und dumm machen. Da ist des unnutzen Plauderns kein Ende, und will eine jede eine kluge Sybilla seyn, und die Hebamme hoffmeistern, wie sie es machen soll: dadurch geschiehet es dann, daß die Hebamme gantz zaghafft und verdrossen gemacht wird". Um diesem Übel vorzubeugen empfiehlt er den Hebemüttern, nicht mehr als zwei Frauen um sich zu dulden und die Geburtsstube abzuschließen, „damit das ein und auslauffen verhindert" werde.34 Aus kirchli-

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eher Sicht lagen andere Begründungen einer Reduzierung der helfenden Frauen näher: 1750 schlug Pfarrer Briel, der Geistliche aus Kirchheim, wegen der großen „anzahl der Weiber, welche zu denen geburthen ohne einige noth berufen zu werden pflegen", ebenfalls vor, ihre Zahl zu reduzieren. Da, wie er dem Konsistorium schreibt, „bey der Geburth nur 2. biß 3. Weiber nö-thig und eine größere anzahl mehr hinderlich als beförderlich" sei, ja zudem der Taufakt öffentlich in der Kirche stattfinde, wäre eine darüber hinausgehende Anzahl von Frauen überflüssig. Denn da die Taufe jetzt „nicht nur publice, sondern die Täuflinge auch in die Kirchen bücher als Documenta publica eingeschrieben" würden, fiele somit im Gegensatz zur Haustaufe der alten Kirche, die früher „privatim celebriret" worden sei, „die nothwendigkeit der zeugen folglich gantz hinweg". Aus der Sicht Pfarrer Briels hatte der Umfang der Gruppe der helfenden Frauen seine Berechtigung allein wegen der Zeugenschaft vor allem bei Nottaufe und Taufe, nicht jedoch aufgrund einer gemeinsamen Hilfe bei der Geburt. Für die Geburtshilfe selbst, so betonte er an mehreren Stellen seines Briefes, genügten höchsten zwei oder drei „einer gebährenden frau beystehende Weiber", wenn es nicht zu gegenseitigen Behinderungen kommen sollte. 35 Trotz dieser Versuche einer Beschränkung des weiblichen Beistands in Kindsnöten kann von einem kontrollierenden Zugriff auf die Gruppe der Helferinnen und ihre Zahl auch im 18. Jahrhundert nicht die Rede sein. Andererseits konzentrierten Obrigkeit und Ärzteschaft ihre Reglementierungsabsichten auf die Person der Hebamme, der in Hebammen- und Medizinalordnungen genaue Vorschriften zur Art und Weise ihrer Geburtshilfe, zum Umgang mit der Gebärenden, manchmal sogar zu den einzelnen Schritten des Geburtsvorgangs sowie zur Bewältigung von Notsituationen gegeben wurden. Allen Bestimmungen waren mehrere generelle Anweisungen gemeinsam, die im indirekten Rückschluß die Einschätzung der Geburtshilfe und der dabei herrschenden Mißstände von landesherrlicher und medizinischer Seite verraten. Wichtig erschien es den Ordnungshütern, die Hebammen mit Nachdruck auf eine eingehende, richtige Beobachtung, auf das Abwarten des richtigen Zeitpunktes und die richtige Maßnahme zur rechten Zeit zu verweisen. Die Geburtshelferinnen sollten „jedesmahl die drey Grad derer Wehen wohl abwarten", bei den beiden ersten Graden die Gebärende „gantz ruhig lassen" und sie nur beim letzten und „niemahlen ohne genügsame Anzeigung vor der gebührenden zeit" schließlich „zur Arbeit antreiben". 36 Sie sollten die Gebärende nach ihrer Schwangerschaftsdauer, nach der ersten Kindsregung und nach Schmerzen befragen, die „Zeichen der herannahenden Geburth" beobachten, „mit Gedult der rechten Zeit abwarten" 37 , nicht mit ihrer Arbeit beginnen, bevor sie „durch den Angrif und sichere kennzeichen wohl verstanden", ob die Geburt „innstehet" und dann „unter fleissigem Angriff die rechte Wehen wohl erkundigen und abwarten". 38 Nicht „voreylig" oder „vor der Zeit", sondern „beyzeiten" handeln,

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nicht drängen und die Niederkommende „übertreiben", sondern geduldig die „gebührende Zeit" abwarten, nicht „hart" und „gröblich", sondern „durch geschickte Hand Anlegung" helfen, Auflagen dieser allgemeinen Art finden sich in allen Hebammenordnungen. Sie verweisen auf die Annahme, daß sich eine von Frauen begleitete Geburt zumeist durch Übereilung und Ungeduld, durch grobes Zupacken und Unvorsichtigkeiten ausweise, ein Vorurteil, das - von Medizinern und Hebammenlehrern geteilt - aus den angeblich vielen Verletzungen und Sterbefällen bei ländlichen Geburten resultierte. Wichtig war den landesherrlichen Bestimmungen deshalb die genaue Beobachtung, ein eingehendes „Besichtigen", das „Angreifen", „Berühren" und das „Anstreichen" mit Öl39 sowie das Befragen der Gebärenden und Worte der Beruhigung, des Trostes, der Ermutigung wie des Antriebs. Eine gute Niederkunft hing damit aus ihrer Perspektive vom Gesichts- und Tastsinn sowie der sprachlichen Verständigung ab. In einer zweisprachigen Grenzregion wie dem Saar-Lor-Lux-Raum wurde gerade letzteres zumindest ab dem beginnenden 19. Jahrhundert und mit dem Einsatz ortsfremder ausgebildeter Hebammen zu einem nicht zu unterschätzenden Problem.

Geburtsereignisse Nicht viele Verordnungen zum Hebammenwesen enthalten neben allgemeinen Richtlinien konkrete Anweisungen für die Hilfeleistung bei jedem Schritt einer nie gleich verlaufenden Entbindung. Sie werden zusammen mit den Empfehlungen in regionalen Lehrbüchern für Landhebammen in die folgende Untersuchung der ländlichen Geburtspraxis und der Unterstützung bei Niederkünften miteinbezogen. Dabei kommen zunächst die unterschiedlichen Geburtsverläufe in ihren einzelnen Phasen in den Blick; anschließend wird auf besondere Aspekte des Geburtsgeschehens - Schmerz und Tod - näher einzugehen sein.40 Die Niederkunft einer Frau, die weder ihre Schwangerschaft verheimlicht noch sich zur Geburt außerhalb des Dorfes begeben hatte, geschah oft in der „Kammer", in dem Zimmer also, in dem sich auch das Bett befand.41 Da eine Entbindung im Liegen jedoch nur in Ausnahmefällen erfolgte, dann nämlich, wenn die Gebärende erkrankt, wenn sie völlig entkräftet war oder sich Komplikationen ankündigten, empfahl sich bei einer ,normalen' Geburt nur dann das Bett als Ort der Niederkunft, wenn eine Frau keine andere Zufluchtsstätte und keine Wahlmöglichkeiten hatte. Dies war vor allem dann der Fall, wenn sie ihr Kind allein zur Welt brachte und weder Nachbarsfrauen noch eine Hebamme gerufen hatte, die ihr Möglichkeiten zur gemeinsamen Entbindung anboten. Und selbst alleingebärende Frauen, denen keine Hilfen und Handreichungen anderer Frauen zur Verfügung standen, nutzten das Bett in ihrer Kammer zunächst nur als Ruhelager zum

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Überstehen der Wehen oder als Polsterung für die eigentliche Geburtsarbeit, die in der Hocke, im Stehen oder kniend stattfand. 42 So hatte sich Marguerite Masson im Haus ihrer Eltern und ohne deren Wissen beim Beginn der ersten Wehen auf ihr Bett gelegt, war - bar jeder Kenntnis über den Ablauf einer Geburt, wie sie später angab — mit den letzten Wehen jedoch in die Hocke gegangen, hatte das Kind von sich gepreßt und gezogen, bis es endlich in einen seitlich des Bettes stehenden Korb fiel. 43 Auch Barbe Guillaume, die nach eigener Aussage nicht wußte, daß sie schwanger war, legte sich bei den ersten Wehen in Annahme einer „Kollik" zunächst in ihrer Kammer zu Bett. Mit einsetzenden heftigeren Wehen stand sie auf und gebar ihr illegitimes Kind im Stehen, indem sie „doucement retira avec sa main", bis es „venue au monde naturellement", aber zu Boden glitt; „un enfan mal sur le plancher", wie sie den Tod des Kindes später begründete. 44 Margarethe Schmidt, die eine Kammer bei Michel Speicher in Püttlingen gemietet hatte, kam am Morgen gerade vom Wasserschöpfen am Brunnen, als die Wehen einsetzten. Da sie ihre Schwangerschaft verheimlicht hatte, blieb sie in ihrer Kammer, deckte das Bett auf und legte sich hinein. Bevor jedoch das Kind von ihr „unten in das bett geschossen" sei, habe sie sich „gebeinet" (|ekniet) und danach die „Nachgeburt mit der Nabelschnur heraus gezogen". Die ohne weibliche Hilfe durchstandenen Geburten unterschieden sich von jenen mit Unterstützung der Frauen insofern, als im ersteren Falle, w o zupackende Hände fehlten, das Bett häufig als Rückenstütze und als gepolsterter Auffang für das Neugeborene diente, während im zweiten Falle die anwesenden Frauen oder die Hebamme die Gebärende hielten und das Kind beim Austritt aus dem Geburtskanal ergriffen. Bevorzugt war bei einer Niederkunft im Beisein anderer Frauen weniger das Bett als Ruhelager, als vielmehr ein Strohlager, das man je nach Jahreszeit näher am wärmenden Feuer oder am Fenster errichtete und nach der Entbindung verbrannte. In der Austreibungsphase schienen die meisten Gebärenden jedoch nicht in der liegenden Position zu verharren, sondern das Lager zu verlassen: Als bei der Elisabetha Schmiederin aus Hechen, die die anfänglichen Wehen zuvor im Liegen ertragen hatte, „das Kind zur Geburt nahe gewesen", habe sie „zu der Zeit ohn möglich ruhe haben können", weshalb die anwesenden Frauen sie gemeinsam vom Lager hochzogen und wenig später das Neugeborene, das sie stehend zur Welt brachte, von ihr entbinden konnten. 46 Geburtshelfer und Mediziner äußerten sich seit der Mitte des 18. Jahrhunderts zur Geburt im Gehen und Stehen allerdings eher ablehnend: „Das gehen und stehen bey angehender Geburth ist nicht zu verwerffen ... So bald sich aber die Oeffnung des Mutter Mundes ergiebet, so ist das gehen schädlich, weil durch das gehen die frucht nicht eindringen kan. Wann die Frucht auch endlich eindringet und eindringen muß aus zwang der Wehen, so leidet das Kind bey dem Gehen Gewalt", so etwa die Ansicht des Hebammenlehrers für die Landhebammen der Grafschaft von der Leyen. Eine Geburt im Ste-

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hen sei dagegen zu beschwerlich und nur bei „geschwinden Geburten" sinnvoll, während die Niederkunft im „sizen oder liegen vil sicherer und beßer" sei.47 Anton Moritz, der Trierer Hebammenlehrer, wollte die Gebärposition dagegen lieber vom Geburtsverlauf abhängig machen und gab den kurtrierischen Landhebammen folgende Anweisungen: „Durch das Gefühl an dem Muttermund muß die Hebamme wahrnehmen, welcher Stellung oder Lager die Gebährende bedarf. Ist der Muttermund hinten und aufwärts gegen der Frauen Ruckgrathe gekehret, und das Band hängt vor, so muß die Frau rückwärts, und mit ihren Schultern ein wenig niedrig geleget werden. Findt sie den Muttermund gegen der Frauen linke Hüfte gekehrt, und ihren Bauch in der rechten Seite dick, so muß gegen ihre linke Seite etwas gewendet werden ... Findet man den Muttermund vorwärts gegen das Schoosbein anstoßend, so muß die Gebährende sitzend, oder stehend mit vorgebogenem Leibe ihre Wehen treiben, biß daß das Köpfgen des Kindes in den Becken eingetreten ist; alsdann kann sie liegend gebähren". 48 Er präferierte also wie sein von der Leyen'scher Kollege die eigentliche Endphase der Entbindung im Liegen. Eine in Gegenwart anderer Frauen ablaufende Geburt geschah in der Austreibungsphase zumeist jedoch nicht im Liegen, sondern im Sitzen, da genügend Helferinnen zur Stütze der werdenden Mutter und zur Entbindung des Kindes vorhanden waren. Spezielle Geburtsstühle, die man ab dem letzten Drittel des 18. Jahrhunderts den examinierten Hebammen zur Verfügung stellte, oder mit deren Anschaffung man die Gemeinden beauftragte, fanden allerdings keinen Anklang bei den Dörflerinnen. 49 Nicht nur die Hebammen und Dorfbewohnerinnen aus dem Amt Allenbach, die sich 1790 zur Situation der Geburtshilfe gegenüber dem Zweibrücker Oberamt äußerten, wehrten die geplante Einführung von Geburtsstühlen durch den Oberamtsphysikus vehement ab: Man möge sie von deren Gebrauch „befreiet lassen", denn selbst die noch so geschickt ausgestatteten Stühle „fielen den Gebährenden sehr beschwerlich ... und würde sich deren in hiesiger gegend auf dem Land gar nicht bedient. Es befinde sich zwar hin und wieder ein dergleichen Stuhl bey bedienten, allein [er werde] niemals gebraucht". Da „die jetzige hiesige Hebammen und der Unterthanen Weiber hiermit nicht umzugehen wissen, und solche doch nicht gebraucht werden", wollten sie alles beim Alten belassen. Die übliche Geburt finde, wie die Frauen des Amtes ebenfalls beschreiben, aber dennoch im Sitzen und auf Stühlen statt: „Die Weiber bekämen ihre Kinder auf den ordinairen hölzernen Stuhlen unter assistenz etlicher Weiber", so gab die 70jährige Gödmannin an, welche in Abwesenheit und als Vertreterin der Allenbacher Hebamme Geburtshilfe leistete. Hebamme Zang, die bislang 795 Kinder entbunden hatte, ergänzte, es handle sich um „hölzerne Stuhlen ohne Lehnen". 50 Nähere Ausküfte zur Herrichtung eines aus Stühlen bestehenden Gebärlagers zum Liegen und Sitzen gibt Anton Moritz aus seiner Praxis als Geburtshelfer in den Dörfern

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um Trier. Ein solches „Greinbett" bestehe aus zwei gegen ein Bett oder vier gegen eine Wand gestellten Stühlen, welche „mit Stroh und Bettung ausgefüllet" würden. Es müsse aber so gestaltet sein, „daß es in allen Fällen sowohl für die Gebährende, als zu der Hebamme Hilfe schicklich und bequem sey" und „die Hebamme sich ihrer beyden Hände dabey gebrauchen" könne. Spätestens wenn der Muttermund so weit geöffent sei, daß die „Wasserblase" bald zu platzen drohe, müsse sich die Niederkommende auf das Greinbett begeben, damit die Hebamme „mit ihren Fingern beyhanden sey, wenn das Wasser bricht". 51 Zur Unterstützung einer Gebärenden, die auf einem Stuhl ohne Lehne oder sitzend auf dem Greinbett entband, bedurfte es wenigstens dreier Frauen und weiterer Helferinnen, die vom Gebärlager abkömmlich und für assistierende Tätigkeiten und Handlangungen zuständig waren. Die Ansicht jener Mediziner, die die Zahl der Dörflerinnen bei den Niederkünften gern auf zwei reduziert gesehen hätten, orientierte sich deshalb keineswegs an den auf dem Land herkömmlichen und vertrauten Geburtspositionen und -modi, sondern entweder an der von den Geburtshelfern selbst propagierten Entbindung auf einem mit Lehne ausgestatteten Gebärstuhl oder der von ihnen sehr befürworteten liegenden Niederkunft im Bett, in beiden Fällen Gebärpositionen, für die eine Geburtshilfe durch zwei Frauen tatsächlich ausreichte. Derartige Gebärmethoden wurden bis zum 19. Jahrhundert auf dem Land keineswegs akzeptiert, fanden jedoch allmählich seit der Mitte des 18. Jahrhunderts in den Städten Verbreitung, bedingt entweder durch eine stärkere ärztliche Kontrolle des städtischen Hebammenwesens, durch eine intensivere männliche Geburtshilfe oder beides gemeinsam. 52 Abgesehen von anderen Notwendigkeiten gewährleistete umgekehrt gerade die Beibehaltung traditioneller Möglichkeiten des Gebärens in den ländlichen Regionen, die die Hilfeleistung der als anwesend erwähnten vier bis sechs und mehr Frauen voraussetzte, daß das Geburtsereignis bis weit ins 19. Jahrhundert hinein eine gemeinschaftliche Angelegenheit der Gruppe der verheirateten Dorffrauen um die Hebamme blieb." Deren Aufgaben und ihre Verteilung setzten mit den ersten Anzeichen einer nahenden Niederkunft ein. Während Hebamme und kundige Frauen den Geburtsverlauf leiteten, schienen die nächstverwandten Frauen - Mütter, Schwiegermütter, Patinnen, Schwägerinnen oder Schwestern der Gebärenden - direkt unterstützende und assistierende Arbeiten zu übernehmen und ein gewisses Mitspracherecht bei den einzelnen Maßnahmen zu beanspruchen. Andere Frauen machten Feuer und setzten Wasser auf, sorgten für Schere, Band oder Garn und frisches Wasser im Falle einer Nottaufe. Anton Moritz empfiehlt zudem die Bereitstellung einer kräftigenden Fleisch- oder Rahmbrühe zur Stärkung der Gebärenden bei langen Kindsnöten, eines halben Maßes Wein mit Majoran, das beim Feuer warmgehalten werden solle, und im Winter die Erwärmung des Unterleibs, indem man der Kreißenden

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ein Gefäß mit heißem Wasser, Kamillenblüten, Kleie und Mutterkraut unterstelle. 54 Ähnliche Rezepturen finden sich auch bei Leibchirurg Saal: „... man nehme zwiebel Schälen, Kümmel, ein paar Gewürtznägelein, ein wenig Muscaten blumen und Zucker, werffet es auf Kohlen und lasset den dampff an die frau gehen, die wenig im vermögen haben, können auch nur zwiebel Schälen und Kümmel nehmen ... auf den Nabel einen warmen Uberschlag von gerösten brodt mit gewürtz Nägelein verstoßener, bestreuet, und mit starcken brandtwein angefeuchtet". 55 Den Schlüssel zu einer „glücklichen" Geburt, so sahen es Mediziner, Landhebammen und Dörflerinnen gleichermaßen, bildeten die „wahren", „echten", „richtigen" und „guten" Wehen. Sie zu erkennen und von den „falschen", „unordentlichen" Wehen, die von blähendem Essen oder Leibschmerzen herrühren konnten, zu unterscheiden, war Aufgabe der Fachfrau unter den Helferinnen, denn erst mit den „wahren" Wehen begann der Geburtsvorgang und durfte die Gebärende zur „Arbeit angetrieben" werden. Die Mutter der Susanna Schmidt, die bei ihr Geburtshilfe leistete, hatte die Tochter zu diesem Zweck mehrfach betastet und war, sobald sie glaubte, das Einsetzen der richtigen Wehen zu erkennen, „eilendts hinunder gelauffen, umb eine schueßel waßer, daß [Kind] zu gehe tauffen [notzutaufen] und eine schere, solches zu entloeßen" herbeizubringen. Bei ihrer Rückkehr war die Geburt jedoch bereits so weit fortgeschritten, daß sie den Kopf des Kindes schon sehen konnte. 56 Und auch bei der Niederkunft der Frau des Nicol Schneider aus dem zweibrükischen Hohlemich hatten sich die Helferinnen verschätzt: Die Gebärende hatte bereits zwei Tage in Wehen gelegen, so daß die endlich herbeizitierte Hebemutter nur noch feststellen konnte, „die beste Zeit davon wäre schon vorbey. Wäre sie aber eher dazu gekommen, und [hätte sie] die gebährende Frau besser ... tractiren können, so wollte sie schon in Zeiten das Kind glücklich bekommen haben". Da die anwesenden Frauen die „richtigen" Wehen nicht sofort erkannt und mit der Benachrichtigung der Amme gewartet hatten, mußte sie nach vier weiteren Stunden das „Kind mit Gewalt" seiner „sehr kranken, mit einer Schwacheit über die andere überfallen wordenen" Mutter regelrecht entreißen. 57 Daß viele schwere und „unglückliche" Geburten, bei denen das Kind erst „nach überstandener schwerer Arbeit und Gefahr der Mutter" 5 8 zur Welt gebracht wurde, auf eine Fehleinschätzung des Wehenstadiums zurückgingen, weist das Beurteilungs- und Unterscheidungsvermögen in diesem Kontext als Teil der praktischen Entbindungs-„Kunst" aus, in der die Hebemutter den anwesenden Frauen etwas voraus hatte. Andererseits widerlegen die meisten Geburtsschilderungen, die von einer langen Dauer der Schmerzen bis zur Entbindung berichten, die im Diskurs über die weibliche Geburtshilfe immer wieder vorgebrachte Übereilung bei ländlichen Niederkünften, auf deren Gefahren auch die Verordnungen hinweisen. Ganz im Gegenteil schien eine sich über mehrere Tage erstreckende, kontinuierliche Geburtsarbeit nichts

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Ungewöhnliches oder Beängstigendes zu bergen, und selbst bei Mehrlingsgeburten umfaßte der Abstand zwischen den einzelnen lebenden Geburten nicht selten mehr als zehn Stunden. 59 Eines der Geburtsrisiken einer ländlichen Niederkunft kann deshalb möglicherweise eher im Zögern und Abwarten und letztlich im Ubergehen des richtigen Zeitpunkts der Presswehen gesehen werden denn im überstürzten Antreiben der Gebärenden, das vor allem Mediziner oft unterstellten. Freilich gab es auch für die Dörflerinnen und ihre Hebamme Richtzeiten und Grenzen, die Empirie und Praxiserfahrung vorgaben. Im Verlauf der Wehen zogen die verwandten Frauen der Niederkommenden „unter ihren Rücken oder Hüfte ein zusammen gefaltetes leinenes Tuch durch ... um ihren Unterleib ... damit in die Höhe zu heben", ein Verfahren, das „vielmal großen N u t z e n " bringe. 60 Massagen und ein leichter Druck mit den Knien auf das „Kreutz" der Gebärenden dienten ebenfalls der Verkürzung der Wehenschmerzen und einer schnelleren Geburt. 61 „Den harten Dorfweibern", so der Vorschlag von Hebammenlehrer Moritz zur Dämpfung der Schmerzen, „kommt ein Schlückgen Brandewein, oder Kümmelwasser, dabey warme Tücher auf den Leib gelegt, an statt der Muttertränkelger [Kamillentee], die sie nicht haben können, wohl zu Paß". 62 Und auch der Blieskasteler Leibchirurg Saal empfahl zur Beschleunigung der Geburt „guten starcken Brandewein" auf einer Brotkruste sowie warmen Wein mit Kümmel und Honig gegen „wilde Wehen". 63 Der Konsum von Alkohol spielte denn auch in der Tat in der ersten Geburtsphase eine große Rolle: Als die Geburt seiner Frau zu beginnen schien, schickte Georg Friedrich Werner aus Roth schnell seinen 17jährigen Bruder ins Nachbardorf, um Wein zu besorgen, der sowohl für die Gebärende als auch die Helferinnen bestimmt 64

war. Nicht nur der Alkohol diente der Schmerztherapie, vielmehr war es in der ländlichen Geburtshilfe geradezu verpönt, der Gebärenden durch Eingriffe oder Maßnahmen weitere als die ohnehin auszustehenden Qualen aufzuerlegen. Zu dieser besonderen Ethik gehörte die Ansicht, der „Angriff", das Betasten also der inneren Geburtsorgane, dürfe nicht schon vor dem Einsetzen der Wehen und erst recht nicht während einer Wehe erfolgen. Die damit beabsichtigte Vermeidung zusätzlicher Irritationen, vor allem die Angst vor der künstlichen Beförderung „unechter" und frühzeitiger Wehen und die Sorge, daß „das Wasser zu frühe bricht", verhinderten freilich zugleich eine genaue Einschätzung etwa der Intensität der Wehen. Damit blieb unklar, „ob die Frau viel oder wenig helfenn soll", ob sich die Kindslage bei einer Wehe veränderte oder nicht, der Muttermund sich geöffnet hatte oder ob es sich um echte oder falsche Wehen handelte. Das Abtasten der Geburtsorgane übernahm die Hebamme oder eine in der Geburtshilfe erfahrene Dörflerin, die zu diesem Zweck ihre Hände „vorher etwas geschmieret", sie mit Butter, Öl oder Fett eingerieben hatte.65

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Zwar barg das offensichtlich relativ späte oder sogar ausbleibende „Befühlen" der Gebärenden die Gefahr, den richtigen Zeitpunkt für ihre intensive Mitarbeit beim Geburtsvorgang nicht genau bestimmen zu können. Andererseits schienen die anwesenden Frauen weniger häufig im Unklaren über das Einsetzen der tatsächlichen Geburtsarbeit durch die Niederkommende selbst, als über den Umgang mit Situationen, in denen die Wehen aussetzen, die „Haute durchaus nicht reißen" wollten und die Geburt keinen Fortgang nahm.66 Die Angst vor allem, das Kind würde „hinten bleiben", Mutter und Kind müßten „beyeinander bleiben" und zusammen sterben, erforderte Entscheidungen. Hebammen- und Medizinalordnungen, die präzise Anweisungen im Falle ungewöhnlicher Kindslagen, des Todes von Mutter und Kind, von Totgeburten, Kaiserschnitten oder weiteren Außergewöhnlichkeiten vermittelten, gaben für diese Arten von Komplikationen außerhalb des Pathologischen freilich keinerlei Anleitung. Nicht die häufigen Schwierigkeiten bei einer ,normalen' Geburt galt es per Verordnung zu regeln, sondern jene „widernatürlichen" und „bedencklichen Umstände", die des ärztlichen Beistandes bedurften. Kennzeichen einer direkt bevorstehenden Geburt waren nach Ansicht der Dörflerinnen und der Landhebammen neben der zunehmenden Heftigkeit der Wehen vor allem äußerliche Veränderungen: wenn sich der Leib senkte, „die weiber wegen Schwere des Kindes kaum gehen können, die Knie am meisten zittern" und schließlich die Fruchtblase aufbrach, „das Wasser bricht", wie es die Dorffrauen bezeichneten. Vor allem auf letzteres Anzeichen rekurrierten nun auch die Hebammenordnungen, wenn sie den Wehemüttern nahelegten, beim letzten der drei Grade der Wehen abzuwarten, bis „das Gebähr=Wasser gesprungen sey" und dann „unter ihrer geschickten Handanlegung" die Niederkommende zur „Arbeit" anzutreiben.67 Mit dem Abfließen des Wassers, so signalisierten die Ordnungen, sei „die Frucht zur Geburt gehörig gesencket, der innere Mutter=Mund eröffnet, das Kind mit der Wasser=Blase eingetreten", so daß nunmehr auf die Mithilfe der Gebärenden gedrungen werden sollte.68 Daß sowohl den Wehemüttern wie den Dörflerinnen diese Anzeichen der beginnenden Austreibungsphase bekannt waren, bedarf keines weiteren Beweises; was aber sollte geschehen, wenn sie sich nicht einstellten, bei Wehenschwäche oder dem Ausbleiben des Blasensprungs etwa? Die Landhebammen reagierten bei einem Geburtsablauf, bei dem mit den Wehen „kein rechter Ernst" abzusehen war, zumeist entweder mit dem Einsatz ihrer körperlichen Kräfte und der Geschicklichkeit ihrer Hände, oder aber sie neigten dann zur Aufgabe, wenn die Gebärende die Mithilfe verweigerte. Beide Vorgehensweisen stießen jedoch, weil sie den bäuerlichen Vorstellungen einer unterstützenden und keineswegs zwingenden Hilfe entgegenstanden, nicht selten auf den heftigsten Widerstand der helfenden, vor allem der mit der Kreißenden verwandten Frauen.69 In Michelbach hatte die Hebamme, da

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sich „die Sache nicht von selbsten leichtlich" ergab, weil die Wehen ausblieben, das Kind mit „applicirung ihrer Stärcke" aus seiner Mutter herausgerissen und damit die Empörung der Frauenrunde verursacht. 70 In Reinheim schien bei der Zwillingsgeburt der Frau des Peter Ochsen zunächst alles in bester Ordnung. Als dann jedoch das erste Kind tot zur Welt kam und das zweite nach „abgang des Wassers nicht so gleich hätte folgen wollen", spitzte sich die Situation zu: Die Hebamme war zunächst rat- und hilflos, die Gebärende schrie und wimmerte vor Schmerzen, während die erschrokkenen Frauen die Hebamme zum Handeln drängten. Diese entschloß sich, „mit anlegung der händen" die Geburt durch Sprengung der Fruchtblase zu beschleunigen, verletzte jedoch „bey durchpitschung der Blaas" den Kopf des Kindes. 71 Und auch bei der Niederkunft der Anna Maria Dietzen aus Neunkirch im Amt Cochem hatte nach der ersten Untersuchung durch die Hebemutter „das Kind gut gestanden". Als die Hebamme trotz geduldigen Abwartens aber „solches doch nicht zur geburth befördern können" und zum Einschreiten aufgefordert wurde, legte sie „Hand an", brachte aber der Gebärenden bei der Entbindung einen Bruch bei.72 Wenn es den anwesenden Frauen auch schwer fiel ein mehr oder weniger gewalttätiges Eingreifen der Hebamme zu akzeptieren, so lag ihnen dennoch mehr daran, daß in einer Notlage nicht gezögert wurde. In Zusammenhang mit einer stockenden Geburt - und nicht wie oft von Medizinern unterstellt, bei allen Fällen, in denen die Wehen lange andauerten - drängten vor allem die nahen weiblichen Verwandten auf Maßnahmen, die die Geburt schleunigst beendeten. „Es sind aber die Weiber nicht vergnügt und halten die Hebammen für unwissend, wenn sie ihnen keine Mittel, um die Wehen zu befördern, geben wollen", so kommentiert Moritz pauschal den Wunsch der Dörflerinnen, eine zögerliche Niederkunft in Gang zu halten. 73 Doch nur mit der Vorstellung einer Unterbrechung des bereits begonnenen Geburtsvorganges, nicht jedoch mit einer zwar langen, aber beständig fortschreitenden Niederkunft verbanden die Frauen einen Stillstand, der Tod bedeutete. Diesem Bild des ständigen Flusses, dem wir schon bei den Vorstellungen zur Schwangerschaft begegneten, widersprach einerseits das weitere Abwarten, andererseits der Abbruch der geburtshilflichen Bemühungen durch die Hebamme in dieser letzten entscheidenden Geburtsphase zutiefst. Daß die Hebamme Lindin aus dem Amt Ottweiler eine Kreißende aus Neumünster hatte „bey zweymahl 24 Stunden in Kindesnöthen arbeiten laßen", sie also zwei Tage lang trotz heftiger Wehen und ohne selbst Hand anzulegen zur alleinigen Beförderung der Geburt angetrieben hatte, oder daß Susanna Zahm, die Reinheimer Hebamme, bei der Niederkunft der Magdalena Fischer „die Geburt 24 Stund bey ihr gelaßen" und sogar das Geburtslager verlassen hatte, waren Verhaltensweisen, die der Nachbarschaftshilfe und speziell dem verpflichtenden gegenseitigen Beistand der Frauen „in der Noth" entgegenstanden. 74 Gleiches trifft für jene Situationen zu, in denen

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die Hebamme ihre Ratlosigkeit verbalisierte und damit den Abbruch ihrer Hilfeleistung dokumentierte. Während der bereits erwähnten Geburt in Trarbach im Jahre 1760, bei welcher die Hebamme den anwesenden Frauen gegenüber bekundet hatte, das Kind sei tot, sie könne deshalb nichts mehr ausrichten, verlangte der hinzugezogene Großvater, nachdem er eine gegenteilige Diagnose gestellt hatte, schließlich entschieden, daß die „Amme bleiben" und wieder „an der Frau arbeiten" sollte.75 Als die Hebamme von Saarburg 1580 während der Entbindung einer Ehefrau den anwesenden Helferinnen zu verstehen gab, „daß sie vor ihre Person ir nit helffen können, sondern die sach anderm behulff und gott bevehlen mußte", wurde sie von den Dörflerinnen heftig attackiert. Wenn sie nicht alles daran setze, die Gebärende zu retten, so riefen diese sie in die Pflicht, sei sie eine „Mordersche und schinderin". 76 Und nachdem bei einer Entbindung in Rhaunen die Wehemutter verzweifelt angab, sie bekomme das Kind nicht und müsse aufgeben, sprachen die Frauen von Vernachlässigung und Leichtsinn.77 Bei allen erwähnten Ereignissen gelang es den assistierenden Frauen stets, entweder die Hebamme zu weiteren Maßnahmen zu animieren oder durch eigene Initiativen den Geburtsablauf fortzusetzen. Die weibliche Geburtshilfe auf dem Land beinhaltete nach Ansicht der Dorffrauen also einen kontinuierlichen Dienst, der alle Möglichkeiten der Hilfeleistung und Betreuung bis zum guten oder schlechten Ende einer Geburt einschloß. Komplikationsfälle innerhalb einer normal verlaufenden Niederkunft wie die angeführten geben Auskunft über eine besondere Ethik der Geburtshilfe, die es nicht erlaubte, einer Niederkommenden zusätzliche körperliche oder seelische Qualen durch unnötiges Betasten, gewaltsame Eingriffe oder die öffentliche Bekundung von Gefahr und Ratlosigkeit zuzufügen. Eine unvollendete Geburt, bei der der geburtshelferische Einsatz abgebrochen wurde, lehnten die Dörflerinnen selbst in der aussichtslosesten Situation als verantwortungsloses Handeln gegenüber eines auf die Unterstützung der Gemeinschaft angewiesenen und hoffenden, hilflosen Mitgliedes der Frauengruppe entschieden ab. Die Erfahrung lehrte, daß es selbst bei komplizierten Geburtsverläufen Rettung geben konnte, und die Erinnerung gerade an solche Ereignisse der gemeinsamen Bewältigung von Problemlagen ermutigte und stärkte nicht nur die helfenden Frauen, sondern auch die Gebärenden während ihrer „harten" Entbindung. Wie sehr die Helferinnen tatsächlich auf die Verabreichung etwa wehentreibender Mittel drängten, wie es Moritz behauptet, wird aus den Geburtsbeschreibungen nicht ersichtlich. Zwar kannte man etwa im Lothringischen Getränke aus Lorbeerblättern und Raps- oder Haselnußöl, aus Kamille und Eisenkraut, Räucherungen aus Feldkamille, Wachholderbeeren und Heublumen oder Klistiere aus Ölen und Beifuß78; ganz im Gegenteil vermittelt sich trotz aus allen Gegenden vielfach überlieferten Rezepturen der Eindruck, daß weniger die Verabreichnung medikamentöser oder volksheil-

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kundlicher Mittel denn gemeinsame Rituale und der persönliche Einsatz in der ländlichen Geburtshilfe eine ausschlaggebendere Rolle spielten. Die Geburtshilfe diente in erster Linie der Unterstützung der aktiv gebärenden werdenden Mutter, in deren „Natur" es lag, ihr Kind mit eigener Kraft „zur von Gott bestimmten Zeit" 79 auf die Welt zu bringen. N u r im Notfall war sie ,Entbindung' einer von der Geburtsarbeit überanstrengten Frau. Auch wenn diese individuelle Unterstützung dessen, was „die Natur selber dringet", während der konkreten Geburtsarbeit an Grenzen stoßen konnte, beinhaltete der „Beystand der Weiber" ein gemeinsames Überstehen aller Phasen der Niederkunft, in denen einmal auf Zuspruch und Ermutigung, dann mehr auf die Eindämmung von Ängsten und Schmerzen, schließlich auf körperlichen Einsatz und Unterstützung des Geburtsvorgangs und endlich entweder auf die Versorgung von Mutter und Kind oder auf die gemeinsame Bewältigung einer „unglücklichen Geburt" durch Gebete, Trost und kollektive Rituale Wert gelegt wurde. Nur selten verließ eine der Helferinnen vor der Zeit den Ort der Niederkunft, und im Gegensatz zur Zahl der Totgeburten blieben Mutter und ungeborenes Kind nur selten zusammen, weil das Kind auf keinem Wege zur Welt gebracht werden konnte. 80 Für Hebamme und Helferinnen war der „Beystand in Kindsnöthen" erst nach der erfolgten Geburt, nach der leiblichen Trennung von Mutter und Kind, wirklich beendet. Andererseits lagen die Grenzen der ländlichen Geburtshilfe nicht dort, w o man sie aufgrund der Lektüre von Verordnungen und Lehrbüchern für Hebammen vermutet hätte. Beide sprechen in der Beschreibung und Anleitung vor allem zur Geburtshilfe bei „widernatürlichen", „unordentlichen" Kindslagen ein besonderes Defizit in der geburtshilflichen Praxis auf dem Land an, das der ausführlichen Dokumentation und Unterweisung bedürfe.81 Geburtsbeschreibungen des 16. bis 18. Jahrhunderts lassen dagegen erkennen, daß nicht nur Wehemütter und ungeschulte Hebammen, sondern sogar manche in der Geburtshilfe assistierende Dörflerin sich mit den erforderlichen Handgriffen und Wendungen bei „unnatürlicher" Lage des Kindes auskannte, daß derartige Kenntnisse daher nicht auf der im 18. Jahrhundert beginnenden professionelleren Unterrichtung der Landhebammen durch Ärzte oder Chirurgen basierten, als vielmehr zum traditonellen Bestand des weiblichen geburtshelferischen Wissens gehörten. Die weder examinierte noch unterrichtete Hebamme der Orte Allenbach und Wörschweiler, Witwe Zahm, gab bei einer Befragung durch die Amtsgerichtsschöffen 1790 an, „sie wurde in hiesigem Amt nicht nur durchgangig gebraucht, sondern auch in die benachbarte Landen als das Churtrierische, badische und rheingräfliche, besonders in fällen, wo es hart herginge" gerufen, ja selbst im acht Stunden entfernten Gasteinischen und in Orten nahe Trier sei sie tätig gewesen, obwohl dort „ordentlich geprüfte und verpflichtete Hebammen" angestellt wären. 82 Bei der Niederkunft einer verheirateten Frau aus Ottweiler waren sowohl die luthe-

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rische Hebamme als auch die anwesenden Frauen zunächst ratlos, weil die Geburt trotz anhaltender Wehen keinen Fortgang nahm. Eine der Frauen verwies auf eine Spezialistin für komplizierte Geburten aus dem Nachbarort, die sogleich gerufen wurde. Elisabeth, so der Name der Frau, die „in der Noth" zwar von den Gebärenden oft gerufen wurde, allerdings keine gewählte Amme war, erkannte sogleich „den Zustand der Kindbetterin", brachte „den partum in richtige positur", vollführte also eine Wendung des Kindes im Mutterleib, so daß sie „selbiges gleich darauf empfangen" konnte. Spezialistinnen für „unordentliche" Niederkünfte wie Witwe Zahm oder Elisabeth waren in der ganzen Umgebung bekannt und wie die friesische Hebamme Catharina Schräder immer dann zur Stelle, wenn sich Schwierigkeiten ankündigten." Gleichfalls mußte die bei der Niederkunft der Allmacherin aus Trarbach 1760 hinzugezogene, nicht unterrichtete Dorfhebamme schließlich feststellen, daß die Geburt „verkehrt kommen" würde, weil sie „zwerch und doppelt" liege, so daß das Hinterteil im Geburtskanal sichtbar war. Wie sie später berichtete, habe sie das Kind zunächst am Hinterteil „gekriegt, hernach in der Weiche angepackt", es dann so gedreht, daß „die forderfüsse vorgefallen und die beine hernach" gefolgt seien.84 Die Art und Weise ihres Vorgehens in dieser Situation entspricht exakt jenen Anleitungen, die sich in später verfaßten Lehrbüchern der Blieskasteler und Trierer Hebammenlehrer finden lassen: Abgesehen von der Meinung dieser regionalen männlichen Geburtshelfer, eine Niederkunft, bei der das Kind mit dem Hinterteil zuerst komme, sei oftmals wegen abgepreßter Nabelschnur unmöglich, empfehlen sie dann aber auch, die Hüfte des Kindes zu greifen, es so zu drehen, daß die Füße zuerst sichtbar würden und es mit diesen zuvorderst zur Welt zu bringen.85 Statt der „unnatürlichen Kindslage" schien in der ländlichen Geburtshife die Mehrlingsgeburt ein besonderes Risiko und unabwendbare Schwierigkeiten mit sich zu bringen. In vielen Fällen kam wenigstens eines der Kinder bereits tot zur Welt, worüber die Geburts- und Taufregister nähere Auskunft geben. Da es sich bei den Totgeburten keinesfalls immer um die nachgeborenen Kinder handelte, während die erstgeborenen Geschwister überlebten, darf dem Zeitfaktor zwischen den einzelnen Geburten keine ausschlaggebende Rolle zugedacht werden, zumal es von den allermeisten Totgeburten bei Mehrlingsentbindungen heißt, sie seien bereits im Mutterleib und nicht während der Geburt verstorben oder derart schwach und klein zur Welt gekommen, daß keine Uberlebenschance bestand. Nach den Aufzeichnungen der Friesin Catharina Schräder überlebten bei den 64 Zwillingsgeburten, zu denen sie zwischen 1694 und 1739 gerufen wurde, ebenfalls nur bei sechs Niederkünften beide Kinder.86 Offenbar schienen die selbst schwangeren Frauen auferlegten harten Arbeitsbedingungen, die nicht immer ausreichende Ruhe und Ernährung eine völlige Ausreifung mehrerer Föten im Uterus einer Frau zu erschweren. Durch den fehlenden Blick in

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das Leibesinnere wurde eine mehrfache Schwangerschaft zudem oft erst während der schon einsetzenden Geburt bemerkt, so daß die Art der Geburtshilfe selten von Anfang der Geburtswehen an von einem Mehr an Geburtsarbeit durch die Gebärende ausgehen konnte. Häufig finden sich in diesem Zusammenhang jene dramatischen Schilderungen entsetzter Helferinnen, die berichten, daß den völlig entkräfteten und zur Mitarbeit unfähigen Niederkommenden das zweite oder dritte Kind geradezu aus dem Leib gerissen werden mußte. Bezeichnenderweise fehlt auf der Verordnungsebene jegliche Anweisung, in den Lehrbüchern jeder konkrete Hinweis zum Umgang mit einer Mehrlingsgebärenden, denn für diesen Fall wußten auch männliche Geburtshelfer kaum fachliche Ratschläge. 87 „Glücklich" war eine Geburt dann, wenn sie von Mutter und Kind gut überstanden wurde, ob sie nun länger als üblich angedauert oder sich Zwischenfälle ereignet hatten oder nicht. Nach den Tauf-, Geburts- und Sterberegistern endeten die allermeisten Geburten in diesem Sinne glücklich. Bei einer „ordentlichen" Geburt mit „richtigen" Wehen warteten die Frauen nach dem „Brechen des Wassers", bis das Kind in „die Geburtstheile herfür gerückt" war. Die assistierenden Dörflerinnen machten Dampfbäder aus Gundelrebe und Hopfen, bereiteten aus getrockneter, pulverisierter Aalleber mit Branntwein oder aus warmem Schlangenfett Umschläge zur Geburtsbeförderung. 88 Manchmal, wie bei der Geburt der Elisabetha Gertraut Schneider aus Gödenroth, übernahmen jetzt nahe verwandte Frauen einen besonderen Part: Als bei Elies, die immer „schwehr gebohren" hatte, 1758 „das Kind schon zur Geburt kommen", hieß es plötzlich, „die Mutter solle Hand anschlagen" und ihre Tochter in den Presswehen unterstützen. 89 Ebenfalls die Mutter war es, die bei der Geburt der Susanna Schmidt 1611 „ein ziemlich weill bey ihr stilgestanden, bis sie der geburt endtlich erlediget gewesen". Sie habe das Kind, nachdem sie es mit dem Kopf herausgezogen habe, „zugleich mitt der scheren entloeset, und ein tuch darauff geworffen, und es bey ihrer Dochter uff dem beth liegen lassen". 90 Bei ihrer unerwartet schnellen Geburt - sie hatte „die schmertzen empfunden, auch sogleich das kind zur Welt gebracht, so daß sie niemanden habe ruffen können" - legte Susanna Margaretha Wernerin 1736 dennoch großen Wert darauf, daß die anschließend verständigte Hebamme „das Kind von ihr abgelöset" und sachgemäß versorgte. 91 Deren Aufgabe war es denn auch zumeist, die Gebärende in der letzten Geburtsphase durch „geschickten Angriff" zu unterstützen und „mit den fingern das Kind gelinde [zu] regieren und ein[zu]lencken". 92 Daß es gerade hierbei öfter zu Verletzungen und Entzündungen kam, bezeugen vielfältige Klagen der jungen Mütter und der bei der Niederkunft anwesenden Dörflerinnen, welche vom „zerrissen", „verrissen" worden sein, von vergifteten Händen der Amme oder von Frauen berichten, die stets erst nach der Hebamme „angriff schwellen". 93 1789 waren in Altenglan, Berschweiler und

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Baumholder im Oberamt Lichtenberg mehrere Frauen „durch unvorsichtige grobe Hülfe" und „groben angriff" an „Mutterentzündungen", „Mutter= und Mutterscheid Vorfallen" schwer erkrankt. 94 Da derartige Verletzungen langwierige, ja lebensgefährliche Krankheiten, Unfruchtbarkeit und sogar den Tod zur Folge haben konnten, gaben sich die Dorffrauen kaum mit der Auskunft der Wehemutter zufrieden, „daß aber ein und andere weiber in ihren ersten, oder auch 2ten Kindbettere stark schwelleten, wäre ganz natürlich und eine Folge der Niederkunft". 95 Geburtshelfer und Hebammenlehrer sahen eine der Verletzungsgefahren in der in der ländlichen Geburtspraxis gängigen Meinung, man müsse dem Kind bei seinem Austritt Platz schaffen: Sei der Kopf des Kindes sichtbar, so Hebammenlehrer Saal, dürfe die Hebamme „durch ihre Hände oder Finger keine ausdehnung der vordem Schooß machen. Wie die Erfahrung oft gewiesen hat, nemlich daß diese ausdehnung der frauen leib wund machet und bringet geschwulst, ehe das Kind hervor und dahin kommt... Die rechte Hülffe muß bey des Kindes Kopffe und wo es am gedrängsten steht, geschehen, und nicht vorne in dem Schooß, wo noch kein Kind ist".96 Auch Anton Moritz warnt nachdrücklich vor kaltem Brand, Entzündungen und Schwellungen, deren Ursache er in Verletzungen durch Hände und Fingernägel, vor allem durch „rauhe und grobe" Finger sieht.97 Nicht nur Augen und Hände verfolgten und beförderten das Geburtsgeschehen, auch das Ohr wollte um den Verlauf der Niederkunft wissen. Als die Hebamme das Kind der Allmacherin gewendet hatte, „habe es gekracht, daß man es ordentlich gehöret", wonach dann die Beinchen sichtbar wurden. „Es würmele allzeit, wenn ein Kind aus Mutterleibe gezogen würde", so beruhigte der später hinzugezogene Chirurg die bis zu seiner Ankunft ausharrende Runde der Helferinnen. 98 Ungewöhnliche wie vertraute Geräusche gaben Hinweise, verrieten auch den Zustand des Neugeborenen bei seinem Eintritt ins Leben: Als die Tochter des Achatschleifers von Zweibrücken nach langen Wehen „endlich mit einem Kind" niedergekommen sei und die Hebamme „solches empfangen" habe, hörten die anwesenden Frauen, obwohl das Kind „frisch und gesund" war, daß plötzlich „etwas gerechelt" habe. Das Neugeborene, von dem dieses Röcheln ausging, wurde sogleich mit Saft eingerieben und in Tücher gepackt." Ob das Kind geschrien, gewimmert oder weitere Geräusche von sich gegeben habe, war auch eine der ersten Fragen, die man Kindsmörderinnen stellte, um herauszufinden, ob sie eine Lebend- oder Totgeburt hatten. Die Laute des Kindes signalisierten noch bevor man es sich näher betrachten und seine Bewegungen überprüfen konnte, ja ohne daß man es ansehen wollte, daß es lebte. Die Kindsmörderin Susanna Schmidt, die ihr Kind nach der Geburt weder betrachtet hatte, noch wußte, welchen Geschlechts es war, konnte angeben, daß es „lebendigh von ihr kommen", denn sie „habe es ein wenig weinen hören".100 Und auch Marguerite Masson, die heimlich und im Dunkeln nie-

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derkam, so daß sie nicht einmal sagen konnte, ob das Neugeborene ein Junge oder Mädchen war, hatte es wimmern hören und wußte, daß es lebte.101 Sie habe „leben verspüret", gestand ebenfalls die des Kindsmordes angeklagte Margareta Schmitt 1775, denn obwohl sie ihr Kind nicht „besehen" wollte, habe es sofort nach der Geburt „geweinet" und „geschrieen". 102 Eine Geburtssituation beanspruchte alle Sinne sowohl der Gebärenden wie der helfenden Frauen und ihrer Hebamme. Man mußte sich auf schnelles Entscheiden und Handeln einstellen, brauchte Körperkraft und Geduld, besprach sich untereinander und mit der Kreißenden, beobachtete und tastete, lauschte den Geräuschen, die vom Leib der Mutter und vom Kind ausgingen. Mit dem Austritt des Kindes aus dem Leib, welches entweder von der Geburtshelferin oder einer verwandten Frau „empfangen" und danach „gelöset" oder „abgelöst" wurde, begann eine zweite wichtige Phase des Geburtsablaufes, der Geburtsarbeit und der erforderlichen Hilfe, der vor allem in Hebammenordnungen dieselbe Aufmerksamkeit gewidmet wird, wie dem Gebären des Kindes selbst. War das Neugeborene „aus der Geburt", legte man es seiner Mutter zunächst auf den Bauch 03, während anschließend die Nabelschnur abgebunden und durchtrennt wurde. Die Abnabelung geschah seit dem 17. Jahrhundert mit einer Schere, die in fast allen Haushalten vorhanden war und spätestens seit dem letzten Drittel des 18. Jahrhunderts zum festen Bestand eines jeden Hebammenkoffers gehörte.104 Die Verordnungen legten besonderen Wert gerade auf das Abbinden der Nabelschnur, dessen Vernachlässigung - so wußte man aus den Gerichtsakten - vor allem bei unkundigen Alleingebärenden vielfachen Kindstod verursachen konnte: „Das neugebohrene Kindlein sollen sie mit aller Sorgfalt verwahren, und die Nabelschnur in gehöriger maaß verbinden, damit nicht durch ihr Versehen, des gebohrenen Kindes Leben in Gefahr gerathe", so etwa formulierten 1601 und 1747 die nassau-saarbrückischen Medizinalordnungen. 105 Generell mahnte man „in Ablösung des Kindleins" zu Vorsicht und Bedächtigkeit, maßvoller Achtsamkeit, Sorgfalt und Behutsamkeit, wobei „deren Hebammen vordersamste Sorge" das Abbinden der Nabelschnur vor ihrer Durchtrennung sein müsse.' 06 Tatsächlich dokumentieren die Aussagen von Kindsmörderinnen oder von Frauen, die ohne weitere weibliche Hilfe niederkamen, entweder die Unwissenheit um diese Notwendigkeit oder die Schwierigkeit, in einer solchen Situation das Abbinden sachgemäß ausführen zu können, aber zugleich auch das bewußte Unterlassen des Verbindens zur Tötung des Kindes. „Ey Gottes Wunden, es rhuret sich noch", hatte Peter Schmidts Frau nach der heimlichen Niederkunft ihrer ledigen Tochter ausgerufen und danach die abgetrennte Nabelschnur „nitt zugebunden, damitt daß Kindt im gebloedt ersticken möegte".107 Umgekehrt erging während eines gegen Margareth Baß aus Lauterecken 1562 geführten Prozesses wegen Verdachts des Kindsmordes eine Supplik ihrer Eltern, sämtlicher Geschwister und weiterer „freundtschaft"

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sowie mehrerer Einwohner des Ortes an das Hochgericht. Wegen des noch „geringen Verstands" des jungen, vor allem in Geburtsangelegenheiten völlig unwissenden und unerfahrenen Mädchens, das allein geboren und das Kind nicht weiter versorgt hatte, könne der Kindstod durch Verbluten gar nicht „fursezlicher weiß" geschehen sein.108 In den meisten Fällen hatte die Alleingebärende jedoch das Kind mitsamt Nabelschnur und Nachgeburt aus ihrem Leib gezogen und alles „bey demselben gelassen", ohne - wie es Margaretha Schmitt mit der Intensität ihrer Nachwehen rechtfertigte - „daß sie solches gesäubert und die Nabelschnur verbunden" hatte.10' Anders als die Verordnungen gewichteten die Hebammenlehrer, indem sie mehr noch als die Versorgung der Nabelschnur und damit das Leben des Kindes die Beobachtung der Nachgeburt, bei deren „Zuruckschlupfen" die junge Mutter „in Gefahr Leib und Lebens gerathe", in den Vordergrund stellten.110 Die Nachgeburt, von den Dörflerinnen „Nachbürde" genannt, durfte keineswegs mit Gewalt entfernt werden, da die Gefahr eines Abrisses, von Konvulsionen und Blutungen bestand - im Volksmund als „Gichtern" und „Herzgeblüt" bezeichnet. War sie „angewachsen" und wollte der Geburt nicht folgen, sollte die Hebamme mit der linken Hand die Nabelschnur halten und mit der rechten den Muttermund „lüfften", so daß der Mutterkuchen austreten konnte." 1 Bei Zwischenfällen empfahlen die Geburtshelfer statt der „schlaf- und dumm manchenden" Mittel, „welche von den Weibern fürgeschlagen oder gebraucht werden", Essigumschläge, kalte Zimmerluft und das Abbinden von Armen und Beinen.112 In der ländlichen Geburtshilfe nahm die Plazenta eine besondere Rolle sowohl als magische Substanz, als Heilmittel und auch als symbolischer ,Doppelgänger' des geborenen Kindes ein. Der Abgang der Nachbürde eine zweite Geburt - , eines Stoffes also, der Fruchtbarkeit und Gesundheit verkörperte, wurde deshalb intensiv beobachtet und begleitet. Wichtig war ihre eingehende „Besichtigung" und die Uberprüfung, „ob solche völlig weggegangen, und nicht etwan Stücke davon zurückgeblieben" wären.113 Bei Komplikationen schienen sich die Frauen jedoch weniger auf kalte Luft und Essig, denn auf ein den Gegebenheiten angemessenes Handeln zu verlassen. Nachdem bei einer Niederkunft in Reinheim die Geburt „ganz natürlich und leicht gekommen", die Nachgeburt jedoch zurückgeblieben war, stand nach Angabe der Hebamme, die Nachbürde sei „stark angeschlagen", sofort innerhalb der Frauenrunde fest, daß sie keineswegs „mit gewalt von der kindbetterin zu nehmen" sei. Aus „forcht einen bluthsturz zu verursachen" band die Hebamme die Nabelschnur am Bein der jungen Mutter fest, um ihr weiteres Zurückweichen zu vermeiden, und ließ sie erst am nächsten Tag von einer Kollegin aus Niedergailbach „abnehmen".114 Dies war keineswegs eine ungebräuchliche Maßnahme, die freilich nur dann Anwendung fand, wenn der Einsatz treibender Mittel oder der Körperkraft zu riskant erschien. Noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts legte man beim Ausbleiben der

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Nachgeburt der Frau Salz und Muskatblüte auf das rechte Knie, welche sie mit dem Mund aufnehmen und zerkauen, danach ausspeien und schließlich dreimal husten sollte. Erst wenn diese Reiz-Druck-Kombination keinen Erfolg zeitigte, griff man zu Tränken aus Bernstein, Muskatnuß und -blüte, Wein und Zucker. 115 Die Nachgeburt als ehemalige Nahrung des Neugeborenen diente denn auch in der gesamten Volksheilkunde, ja sogar nach Ansicht von Medizinern als erhaltende, regenerierende und heilende Substanz gegen Muttermale, Hautkrankheiten, Kröpf oder Epilepsie. 116 Als ,zweite Geburt' und ,andere Hälfte' des Kindes war sie gleichzeitig Glücks- und Fruchtbringer: Man nutzte sie als Aphrodisiakum, als Mittel gegen Sterilität und gegen ausbleibende Muttermilch. Die Versorgung von Mutter und Kind nach der Geburt, die laut Hebammen· und Medizinalordnungen ebenfalls vorsichtig, mit Bedacht und Sorge geschehen sollte, übernahm das Frauenkollektiv in verteilten Zuständigkeiten. Diejenige Frau, die das Kind „empfangen" hatte, kümmerte sich weiter um seine Pflege, die verwandten Frauen hingegen brachten die Mutter zu Bett und waren für ihr Wohlergehen zuständig. Daß dies nach Ansicht der Geburtshelfer durch ländliche Gepflogenheiten und den Ubergang der Not- und Hilfsgemeinschaft der Frauen in eine Festgemeinschaft nicht immer gewährleistet sei, verraten ihre Einwände und Warnungen: Statt die Zeit nach der Geburt als eine Phase der „Reinigung" und Ruhe anzusehen, offerierten die Helferinnen der gerade Entbundenen Weinsuppen, „Brandenwein oder warmen Wein mit Holunder Latwerg", alles gefährliche Mittel, durch welche man schon „viele Kindbetterinnen in den Tod gebracht" habe." 7 Und anstelle sie im Bett mit angezogenen Knien auf die rechte Seite zu legen, ihren Leib zu binden und ihnen Entspannung zu gönnen, würden sie im Bett aufrecht postiert und von den Helferinnen umlagert. 118 Ohne Frage drängten Physici und Geburtshelfer auf eine ausschließlich medizinischen Anforderungen genügende Versorgung, während die Dörflerinnen eine besondere Phase innerhalb der Ubergangszeit, das Ende nämlich einer vom Beginn der Schwangerschaft bis zur Geburt andauernden Schwellenphase, gemeinsam mit jener Frau begingen, die jetzt Mutter und damit eine der ihren war. Hinter dieser aktiven Umsorgung der Wöchnerin verbargen sich gleichwohl landläufige gesundheitsförderliche Ansichten zur Nachgeburtszeit, etwa die Meinung, die junge Mutter müsse durch baldige Speisen und Getränke erst wieder zu Kräften kommen und dürfe keineswegs einschlafen, weil sich ansonsten das Risiko des inneren Verblutens und die Anfechtung durch Dämonen und böse Mächte erhöhe." 9 Schon zuvor hatten Hebamme und Helferinnen einen eingehenden Blick auf das Neugeborene geworfen und seinen Zustand begutachtet. Wichtig für Leib und Seele des Kindes war die Einschätzung seiner körperlichen Verfassung, denn handelte es sich um ein „nicht recht vollkommenes", ein „schwächliches" oder „kränkliches" Kind, mußte sofort eine Nottaufe ein-

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geleitet und mußten therapeutische Maßnahmen zur Regenerierung seiner Gesundheit getroffen werden. Ausschließlich bei Brüchen und bei Todesfällen zog man einen Chirurgen oder Bader hinzu, in allen anderen Notlagen wurde auf Möglichkeiten der populären Kinderheilkunde zurückgegriffen, die ebenfalls in den Zuständigkeitsbereich der Hebamme gehörten. Ob diese zudem die von Hebammenlehrern eingeforderten Maßnahmen zur Versorgung des Kindes durchführte - Befreiung des Mundes von Schleim, Lösen des Zungenbandes, Reizung der Nerven durch Salmiak-, Melissengeist oder eine angebissene Zwiebel, die dem Kind unter die Nase gehalten werden sollten, und Reibung der Fußsohlen120 - ist zweifelhaft. In den meisten Fällen wurde das Kind auch keineswegs direkt nach der Geburt gebadet, sondern zunächst in Tücher gewickelt und der Mutter ins Bett gelegt. Die Amme „habe endlich das kind bekommen, in ein tuch gewickelt und hingelegt", das Kind sei in ein „getüch gepackt" und auf das Bett seiner Mutter gelegt worden, so und ähnlich berichten die Quellen.121 Sofortiges Säubern, Baden und Wickeln scheinen während des 16. bis 18. Jahrhunderts dagegen eher Pflegegewohnheiten in den Städten gewesen zu sein, die erst seit dem 19. Jahrhundert auch im ländlichen Raum zu allgemeiner Geltung gelangten. Aus dieser Zeit geben die Jugenderinnerungen des 1803 in Beuren geborenen Geistlichen Nikolaus Driesch - er nennt sich selbst darin Siegfried Waldau - Auskunft über die Phase kurz nach seiner eigenen Geburt und die auf dem Land üblichen Praktiken der Behandlung des Neugeborenen: Der Autor, 1803 „kaum lebensfähig geboren", hatte mit Hilfe mehrerer Dorffrauen und der Hebamme das Licht der Welt erblickt. „Allein wie schwach das Knäblein beim Eintritte in die Welt auch schien, so strampelte es doch wacker mit seinen schmächtigen Beinchen, was nach dem Urteile sämtlicher Frauen, die die Wöchnerin umstanden, auf einen wackeren zukünftigen Leineweber deutete. Der Vater, der bekümmert zu Häupten des Wochenbettes stand, hörte die Vorhersagen ruhig an und sprach: „Was gott gefällt, mag geschehen: sein Wille soll der meinige sein. Froh bin ich, daß das Kind ein Knabe ist, denn ein Mädchen haben wir bereits." Gewaschen ward der Neugeborene mit laulischem Naß von der Hebamme. „Was jetzt fehlt", sprach sie tadelnd, „kommt wie immer von der Schneckenpost." Uber dem Worte trat ein die sorgsame Großmutter und reichte ihr das Verlangte, nämlich: ein seidenes Knabenhäubchen, ein Hemdlein, eine Wickel, ein Deckeltuch und eine Wickelschnur, die man füglicher Wickelband nennen dürfte. Das alles lag zusammen auf einem Kissen. „Die Mutter befindet sich wohl", begann die Hebamme, „und das Kind atmet richtig." „Gott sei Lob und Dank!" erwiderte gerührt die Großmutter, überreichend das Wickelzeug mit dem üblichen Schleiertuche darauf. Im Nu war das Knäblein starr und straff eingeschnürt und der harrenden Wöchnerin zum Beschauen in die Arme gelegt ..,".122 Auch die Erinnerungen einer Landhebamme, die um 1900 auf eine 33jährige Berufspraxis in den Dörfern Hambach und Nuß-

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weiler im lothringischen Bitscherland zurückblickte, berichten vom sofortigen Baden und Wickeln: „Nachdem das Kind gewaschen und angekleidet ist, überreicht die Hebamme das Kind seiner Mutter, und bei einem innigen langen Kusse höre ich noch gar zu oft die Worte widerhallen: „O du armes liebes Kind!" Sie macht ihm dann in den meisten Fällen ein Kreuzzeichen auf Stirn und Brust. Es besteht in dem Ankleiden des Kindes von vor ungefähr 50 Jahren und Heute ein grosser Unterschied; früher wurde das Kind warm eingewickelt und zwar die Beinchen jedes einzeln, damit sie gerade bleiben sollen, die Arme dicht an den Körper längs gelegt, und das kleine Wesen fand durch seine wohltuende Wärme bald einen erquickenden Schlaf, während heute die moderne Welt nur die äussere Eitelkeit befriedigt, ja heisst es da: „Unser Kind muss ganz in Spitzen liegen" ...". m Nicht nur die Wickelmethoden hatten sich geändert, wie die Texte verdeutlichen, sondern auch die Reihenfolge und Gewichtung des Ablaufs nachgeburtlicher Aktivitäten war eine andere geworden. Ein unmittelbarer Kontakt zwischen Mutter und Kind wich einer Auffassung primär notwendiger Reinlichkeit, Formung und Zivilisierung: Während man im 16. bis 18. Jahrhundert das in Tücher geschlungene nackte Kind zuerst seiner mittlerweile im Bett befindlichen Mutter übergab, beide gemeinsam versorgte und erst später das Kind säuberte, wickelte und in eine eigens vorbereitete Wiege'24 legte, war das Neugeborene im 19. Jahrhundert bereits gewaschen und eingeschnürt, bevor die Mutter es überhaupt zu Gesicht bekam oder es zu sich nehmen konnte. Nicht mehr der Aspekt des physischen Eintritts des Neugeborenen in die Welt stand im Mittelpunkt als vielmehr seine soziale Eingliederung: Ein von den Zeichen seiner Herkunft gereinigter und durch Kleidung - einem der Kennzeichen der zivilisierten Welt - nicht nur bedeckter, sondern in Form gebrachter neuer Erdenbürger lag nun in den Armen seiner Mutter.

Widrige

Umstände

Nicht alle Geburten fanden unter den zu früheren Zeiten optimalen Voraussetzungen in vertrauter Umgebung im Haus der Gebärenden, mit Unterstützung anderer Frauen und einer Hebemutter, unter geschützten und abgeschirmten Bedingungen statt. In Lebenssituationen, in denen eine reguläre Geburt nach den ländlichen Gewohnheiten entweder abgelehnt wurde, improvisiert werden mußte oder ihren Verlauf nach den Umständen nahm, in denen sich die Gebärende gerade befand, versuchte eine vor der Niederkunft stehende Frau stets eine Optimierung ihrer Lebenslage entweder durch die Wahl des Ortes, an dem die Geburt stattfinden sollte, durch Hilfesuche bei anderen oder besondere Schutzmaßnahmen zu erreichen. Trotz widriger Umstände brachten viele Alleingebärende, die ihre Schwangerschaft und Nie-

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derkunft verheimlicht hatten, keine Hilfe wollten und deshalb auch das Haus mieden, in dem ihnen eine Kammer gehörte, ihr Kind dennoch an Orten zur Welt, die Wärme und Schutz garantierten: im Stall, auf dem Heu oder im Wald. Vor besondere Schwierigkeiten sahen sich Frauen gestellt, die auf der Wanderschaft oder Durchreise, zu Kriegszeiten und auf der Flucht „auf die Zeit gingen". Ganz im Gegensatz zu Kindsmörderinnen hatten sie sich eine derartige Situation der Isolation und Gefahr, in der sie ihr Kind zur Welt bringen sollten, keineswegs ausgesucht. Sicherlich war dabei die Geburt eines Kindes mitten im Krieg einer der dramatischsten und wechselvollsten Umstände, besonders wenn es die Kriegsläufe nicht mehr erlaubten, zu Hause zu bleiben. Vor allem aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges berichten die Kirchenregister von vielen Frauen, die sich in andere Gegenden flüchteten, unterwegs im Freien oder in einem anderen Ort ihre Kinder zur Welt brachten und taufen ließen.125 So hatte sich etwa die Frau des Johannes Scherer aus Dambach 1642 vor ihrer Niederkunft der „lothringischen Völker halben" nach Birkenfeld geflüchtet und dort ihre Tochter geboren; die hochschwangere Frau des Johannes Werner aus Freisen im Amt Bolanden war ebenfalls, „weil sie bei ihrem Hauß wegen Kriegsverderbungen nit bleiben" konnte, 1643 weggegangen und hatte in der Ferne ihr Kind zur Welt gebracht.126 Eine andere Frau war schon 1635 „wegen der streiffenden Krieger" in Begleitung des Pfarrers von Allenbach nach Birkenfeld gekommen, um dort zu gebären und gleich ihr Kind taufen zu lassen; eine weitere hatte sich „der Kriegsgefahr halber" 1646 direkt nach der Geburt mit ihrem Kind von Nohen nach Dienstweiler geflüchtet, um dort ihr Kindbett zu halten.127 Vor der Geburt stehende Frauen suchten nach Möglichkeit Schutz in nahen Befestigungen oder von Wehrmauern umgebenen Städten wie dem oben erwähnten Birkenfeld. Adlige Frauen wie die Ehefrau des Ott Philipp Vogt von Hunolstein, des Herrn der Grafschaft Sötern, welche 1644 kurz vor der Niederkunft „wegen der streiffenden Parteien von Sötern ausgewichen" war, fanden Unterkunft bei nahen Adelsfamilien. Frau von Hunolstein war in das Birkenfelder Schloß geflüchtet und hatte in „der Herzogin Behausung" einen Sohn geboren, der in der Hofkapelle getauft wurde. Ganz anders war es einer Bäuerin aus Achtelsbach ergangen: Die kurz vor der Geburt stehende Frau hatte „wegen der schwedischen streiffenden Kriegern außlaufen müßen", war also aus ihrem Dorf geflüchtet und hatte ihr Kind „in der Hecken bei Achtelsbach bekommen und 3 Tag [dort] gelegen", bevor sie sich hinter den schützenden Mauern von Birkenfeld in Sicherheit bringen konnte.128 Uber die Niederkunft der Achtelsbacher Bäuerin haben wir keine weiteren Zeugnisse, wissen also nicht, ob andere Frauen, ihr Ehemann und ihre Kinder sie begleitet hatten oder ob sie das Kind allein hatte zur Welt bringen müssen. Wenngleich sie sicherlich innerhalb der nicht in der vertrauten Um-

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gebung stattfindenden Geburten eine Besonderheit darstellen und viele Varianten kannten, lassen Niederkünfte zu Kriegszeiten dennoch jenes Muster der Hilfsbereitschaft durch Aufnahme in Privathäuser und sofortige Versorgung erkennen, das wir im folgenden anhand der Geburtsumstände auf der Wanderschaft oder Durchreise befindlicher fremder Frauen näher zu entschlüsseln suchen. Während begüterte Frauen, wie 1792 etwa die vor ihrer Niederkunft stehende Gattin eines in Saarbrücken stationierten französischen Offiziers, sich in städtischen Gasthöfen einlogierten, um dort mit Hilfe einer Hebamme zu entbinden 29, und während man in Stadtnähe aufgefundene Schwangere wie die aus Wiebelskirchen stammende Dienstmagd Margaretha Sahnerin, die in „Kindsnöten" nahe Saarbrücken „unter dem bloßen Dach gelegen und verdorben wäre", sofort ins städtische Hospital brachte' 30 , waren dagegen über Land ziehende, arme Frauen auf die Hilfe der Dorfschaften angewiesen. Deren Verhalten gegenüber den fremden Gebärenden erlaubt eine Einschätzung dieser besonderen, ,ambulanten' Geburtshilfe im Vergleich zur innerdörflichen Praxis bei Niederkünften. Aus dem Anliegen einer Kontrolle von Geburten außerhalb der Betreuung im eigenen Haus durch verwandte und benachbarte Frauen waren in den meisten Herrschaftsgebieten Verordnungen entstanden, die es den Dorfbewohnern bei Strafe verboten, fremde Schwangere zur Geburt in ihre Häuser aufzunehmen. Auf diese Weise sollte einer Praxis der außerdörflich stattfindenden, verheimlichten Geburt, die die Möglichkeiten der geplanten Kindsaussetzung oder -tötung bot, vorgebeugt und langfristig eine Reduzierung derartiger Delikte erreicht werden. Vergessen hatten die Ordnungshüter, deren Verbote sich explizit auf „liederliches Gesindel" bezogen' 31 , freilich etwa jene hochschwangeren auswärtigen, keineswegs „leichtfertigen" Frauen, deren Ehemänner entweder einer mobilen Tätigkeit nachgingen, die ihrer bisherigen Unterkunft entsetzt worden waren oder sich auf der Wanderschaft zu einem anderen Ort befanden. Bei einer bevorstehenden Geburt, die sie weder verheimlichen noch das Kind töten wollten, fiel diesen Frauen die Wahl zwischen einer Niederkunft im Freien oder im Haus fremder Dörfler kaum schwer. Obwohl diejenigen Dorfbewohner, die eine Frau zur Geburt beherbergten, mit Strafen von einem bis zehn Gulden rechnen mußten' 32 , überließ man die hilfesuchenden Schwangeren entgegen den herrschaftlichen Bestimmungen nicht der Schutzlosigkeit und Kälte, sondern räumte ihnen einen Platz im eigenen Haus ein. Daß „dergleichen Unordnungen vielfältig vorkommen, wovon jedoch bisher keine anzeige geschehen", daß man also in den Dörfern im gegenseitigen Einvernehmen fremden schwangeren Frauen durchaus Unterkunft und Unterstützung zukommen ließ, war der Herrschaft ebenso bekannt wie die Tatsache, daß die Zurückweisung einer solchen Frau dem der christlichen Nächstenliebe verbundenen Ethos der weiblichen Hilfe in der „Weiber-Noth" zutiefst widersprochen hätte.' 33 So hatte in Einöd eine Familie Charlotta Eberhard aus Hessen-

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Homburg, die sich „auf Reisen" befand, bei sich aufgenommen und bis nach der Niederkunft versorgt; eine Frau wiederum aus Einöd, die sich 1798 auf der Webenheimer Kirchweih aufhielt und dort in „Kindsnöte" kam, wurde sofort in einem Haus einquartiert und kam dort nieder.134 In Eschringen war 1766 eine „fremde Weibs Person, welche schwanger gewesen und vorgegeben, daß sie aus dem Ottweilerischen seye", von einem Dörfler und seiner Familie ohne Nachfrage nach ihrem Namen oder ihrem Familienstand beherbergt und „bey ihme Kindbetterin worden", und auch auf der Stangenmühle bei Gersweiler war man 1757 ohne weiteres bereit, eine auswärtige hochschwangere Frau aufzunehmen. Sie hatte den Hausbewohnern mitgeteilt, sie „sey bei Castel her und suche ihren Mann, welcher unter den Flößern sich aufhalte, auch dorther gebürtig". Sie selbst heiße Christina Elisabetha Grombachin, sei reformierter Religion und mit Georg Heinrich Gleis, einem Lutherischen, verheiratet. Die Fremde gebar, „nachdem sie nun etliche Tage unter Schmertzen und Wehen zu gebracht", einen Sohn, der noch am gleichen Tag in der Pfarrkirche zu Gersweiler während der Betstunde getauft wurde und verließ mit ihrem Kind nach zwei Wochen die Stangenmühle. 135 Manche Frau mußte sich, wie 1698 Marie Cathrin aus St. Mattheiß, auch gezwungenermaßen auf Wanderschaft begeben, bis sie schließlich an fremdem Ort niederkommen konnte. Dieses Mädchen war von Johannes Oppen, dem Pastor von Niederkirchen, als Näherin in seinen Haushalt aufgenommen, von ihrem Dienstherrn geschwängert und danach derart bedroht worden, daß sie das Pfarrhaus schließlich verließ. Ihre Wanderschaft führte sie über Hüttersdorf nach Morscholz, wo sie sich beim örtlichen Kuhhirten aufhielt, dann nach Wadrill und Malborn, wo ihr der Pfarrer jedoch die Taufe ihres Kindes verweigerte, falls sie dort niederkommen sollte. Also ging Marie Cathrin weiter nach Tholey, wo sie beichtete und kommunizierte, kam jedoch nurmehr bis Exweiler, in welchem Ort sie das Kind in einem der Dorfhäuser zur Welt brachte und am elften Tag nach der Geburt ausgesegnet wurde. 136 Ein ähnliches Schicksal ereilte Anna Catharina Schneiderin aus Kastellaun, die 1718, nachdem sie von ihrem Dienstherrn schwanger war, von diesem mit fünfzehn Gulden und dem Rat entlassen wurde, sie „sollte, wann es zur geburt käme, das kind nicht umbringen, sondern einem reichen Manne vor die Thür legen". Die Frau wandte sich an eine ihr bekannte Schneidersfamilie, die sie zum Haus des Jobst Hemberger nach Heimrich brachte, wo sie eine Tochter gebar und später nach Odenbach zog. 137 War eine ganze Familie aus beruflichen Gründen unterwegs, mußte man beizeiten einen Unterschlupf finden: „Dieweilen sie gros leibes" sei und „keine stundt mehr blatz habe", fragte die Frau eines Schweinehirten, deren Mann sich 1738 im zweibrückischen Oberkirchen als Hirte verdingen wollte, im nahen Blischbacher Hof beim Hofmann um Quartier nach. Er möge sie, ihren Mann und ihre Kinder ein paar Tage bei sich aufnehmen, „damit

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sie nicht auff dem feit möchte liegen bleiben". Zuvor schon hatte die Hirtenfamilie eine Geiß gekauft, von deren Fleisch die Hochschwangere nun der Hausfrau des Hofes für ihre Verpflegung und „vor daß Kindtbett zu halden" anbot." 8 Detailliertere Einblicke in den Verlauf einer Niederkunft in fremder Umgebung und die Hilfeleistungen der Dorfbewohner gegenüber unbekannten Schwangeren gibt die Geburtsgeschichte der Anne Elisabeth aus Kirn. 1731 klopfte es mitten in der Nacht an der Haustür des Magnus Neu in Lauterbach: Vor der Tür stand Catharina, die Ehefrau des Nachbarn Peter Hanauer, in Begleitung einer unbekannten Frau. Sogleich wandte sie sich mit folgenden Worten an die Ehefrau des Neu: „Angelika, da bring ich euch ein Mensch, daß möchte gern ein Wort mit euch reden". Familie Neu bat die Fremde in die Stube, welche dort gleich „niedergesunken" sei, worauf Angelika Neu ihren schwangeren Zustand erkennen konnte. Sie habe daraufhin sofort „Stroh hereinbringen lassen und das Mensch darauf gelegt" sowie zwei weitere Ehefrauen zu Hilfe gerufen. Noch in derselben Nacht kam ein Mädchen zur Welt, als dessen Vater die junge Frau ihren früheren Dienstherrn aus Lauterbach angab. Er habe sie durch einen in Beisein des Schulmeisters aufgesetzten Ehevertrag und durch eine Geldzahlung an einen Maurer „verkaufen" wollen, was sie jedoch abgelehnt und zum Zeichen ihres Widerstandes den Ehevertrag zerrissen habe.139 Trotz „rothlauf und weher brüste" sei die Fremde bereits eine Nacht nach der Niederkunft wieder verschwunden, jedoch mittlerweile in einem Haus in Lauterbach mit ihrem Kind gesehen worden. 140 Es ist zu vermuten, daß Angelika Neu, zu der die vor der Geburt stehende Frau ganz selbstverständlich von der Catharina gebracht wurde, die örtliche Geburtshelferin war; die Maßnahmen, die sofort eingeleitet wurden - Bereitung eines Strohlagers, auf das die Frau gebettet wurde, Zuhilfenahme benachbarter Frauen, die „bey der geburt assistiret", gemeinsame Geburtshilfe der Frauen - , waren jene, die man auch bei den Dorfgeburten ergriff. Daß fremden Gebärenden, wenn sie um Hilfe baten, mithin dieselbe Unterstützung bei der Niederkunft zuteil wurde wie einheimischen, mag erstaunen im Vergleich zum manchmal rigiden Umgang der Dorfbewohner mit Auswärtigen, etwa Bettlern, Zigeunern, Hausierern und „fremdem Gesindel", verwundert aber wiederum im Hinblick auf die spezifisch ländliche Sichtweise der Geburtshilfe selbst kaum. Auch die völlig unbekannte Frau und ihre Leibesfrucht schien das Konzept der gegenseitigen Hilfe in der „Weiber-Noth" einzuschließen, die als ein weiblicher Dienst der Nächstenliebe betrachtet wurde. Nicht nur im Ausnahmezustand des Krieges, sondern auch außerhalb derartiger Krisenzeiten waren die Dorffamilien ohne besonderes Nachfragen über Herkunft und Identität und vor dem Risiko einer herrschaftlichen Bestrafung bereit, einer werdenden Mutter Schutz und dieselbe Art der Geburtshilfe zu gewähren, die sie ihren eigenen Dörflerinnen zukommen ließen.

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Exkurs: Geburten in Adelshäusern Daß auch adlige Frauen auf der Flucht entbinden mußten, ja daß sie selbst auf Reisen unerwartet niederkamen, zeigten die Beispiele der Gräfin von Sötern und der in früheren Zusammenhängen erwähnten Wild- und Reichsgräfin Juliana von Grumbach, die im Birkenfelder Pfarrhaus entband.141 Aus den Geburtsschilderungen und ikonographischen Darstellungen aus Herrschaftshäusern des 18. und 19. Jahrhunderts entsteht nun zwar der Eindruck, daß sich eine unter normalen Bedingungen im jeweiligen Herrschaftssitz stattfindende Niederkunft wie ein großes Spektakel gestaltete, an dem der ganze Hof, renommierte Leibärzte und Geburtshelfer sowie die Familienmitglieder des Adelshauses teilnahmen.142 Ein Blick in frühere Jahrhunderte und in die Gebärzimmer vor allem landadeliger Frauen revidiert diese Sichtweise freilich sehr schnell. Die bevorstehende Geburt in einem adligen Haus war einerseits eine Angelegenheit, an der die Untertanen der Herrschaft Anteil nahmen. Besonders das Kirchengebet in den Bet- wie Predigtstunden diente der gemeinsamen Bitte, der Allmächtige möge der Niederkommenden mit „schütz und schirm" beistehen, damit sie „zu erwünschter Stunden glucklich" gebäre. „Und demnach du ο güttiger Gott undt Vatter des Eltern [älteren] Prinzen herzgeliebte Gemahlin mit leibs frucht gesegnet, so sagen wir dir dafür inniglich lob und danck, und bitten dich du wollest sie für allem Unfall gnediglich bewahren, auch zu seiner Zeit und glücklich entbinden, und das ganze fürstliche Haus samt des Landt mit einem frölichen anblick erfreuen", so lautete 1646 die Gebetsformel, die in allen Kirchen der pfalz-zweibrückischen Amter für Herzogin Anna Juliana, die Gemahlin des Pfalzgrafen Friedrich Ludwig, gesprochen wurde.143 Andererseits entbehrte vor allem beim Landadel eine Geburt jener dramaturgischen Inszenierung, wie wir sie von den großen Fürstenhöfen kennen, obwohl es auch hier um legitime Nachkommenschaft und deren Kontrolle ging. Die schon erwähnte Helena von Piesport schien um 1596 die Vorbereitungen ihrer Geburt durchaus allein zu treffen und selbständig über ihre Helferinnen zu entscheiden, indem sie durch Vermittlung ihrer Freundin Elisabeth, der Markgräfin zu Baden-Hochberg, sich um eine bewährte lothringische Hebamme bemühte. Die von ihr gewünschte Hebamme hatte sich bereits bei Niederkünften der Gattinnen des Otto und des Albrecht von Nassau, im Hause des Rheingrafen Adolf und des Herzogs Hans einen Namen gemacht und war ihr deshalb auch „genennt" worden. Als Pflegerin während des Wochenbettes hatte sich Helena die Ehefrau des Schneidermeisters Mattisen erwählt: „Ich wolt das sie hie bey mir wer undt mir als in der Kindt bet wart", so schrieb sie der Freundin.144 Ob es sich bei der in den Adelskreisen des endenden 16. Jahrhunderts bekannten lothringischen Hebamme, nach der Helena von Piesport verlangte, um eine der zahlreichen angesehenen Hofhebammen handelte, die zwischen

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den Herrscherhäusern ausgetauscht wurden, wissen wir nicht, da Helena ihren Namen nicht nennt.145 Allgemein kann jedoch bis ins 18. Jahrhundert davon ausgegangen werden, daß vor allem landadelige Frauen zum einen ausschließlich Frauen zu ihren Geburten riefen und daß sie zum anderen eine Hebamme zitierten; aber keineswegs war dies immer eine der bekannten Hofhebammen, wie das folgende Ereignis zeigt. In der Herrschaft Münchweiler sollte Freifrau Maria Philippina Regina Zandt von Merl, eine geborene von Eltz-Rübenach, am 23. Juni 1752 ihr erstes Kind zur Welt bringen. Im Schloß der Herrschaft in Weiskirchen - Ehemann Frantz Georg war nicht nur Herr zu Münchweiler, sondern auch Oberamtmann des kurtrierischen Amtes Grimburg - war bereits Maria Jäger, die Weiskircher Dorfhebamme, eingetroffen. Obwohl schon „eineß ziemlich hohen alters" von 71 Jahren, war sie dennoch „gesunden Leibes und guter Vernunft" und seit etwa 14 Jahren in der ganzen Pfarrei als Hebemutter tätig.146 Die Geburt begann, jedoch gegen acht Uhr am Abend setzten starke Blutungen ein, so daß die Hebamme den Ehemann, den örtlichen Geistlichen und den Weiskircher Arzt Johannes Thomas Braun kommen ließ. Sie alle waren jedoch erst anwesend, als Maria Philippina Regina gegen neun Uhr „wegen nicht stillen lassen wollenden geblüth gesegneten leibs entschlaffen" war. Der Arzt drängte nun auf einen Kaiserschnitt zur Rettung des möglicherweise noch lebenden Kindes und öffnete mit Einverständnis des Freiherrn den Leib der Verschiedenen. Die Lösung des noch lebenden und in die Fruchtblase gehüllten Mädchens übernahm dagegen die Hebamme 147 , die sogleich feststellte, daß es noch „schön und lebendig" und ein „sich an allen gliedern bewegendes Kind" sei.148 Hebamme Jäger war es auch, die das Kind wenig später „bey der hl. Tauffung auff ihren Händen" hielt, während der Geistliche in Gegenwart des Vaters und des Arztes die Taufe vollzog. Das Mädchen lebte nur noch „eine geraume Zeit, vielleicht nechst eine halbe stund" und starb dann auf dem Schoß der Hebamme. 149 Schon am folgenden Tag wurden die Todesfälle den Untertanen, die ihrer Herrin die letzte Ehre mit „lautung deren Clocken" bezeigen sollten, bekanntgegeben. 150 Im Hause derer von Münchweiler hatte man ganz selbstverständlich auf die örtliche und nicht auf eine auswärtige Hebamme von besonderer Reputation oder gar einen Geburtshelfer zurückgegriffen, hatte der Hebemutter die Geburt, die Lösung des Kindes aus dem Leib der toten Mutter und seine Begutachtung sowie das Halten des Kindes während der Taufe zuerkannt. Auch in einer adligen Familie übernahm sie all jene Aufgaben, die ihr in der ländlichen Geburtspraxis zustanden. Selbst bei diesem „unglücklichen" Geburtsverlauf wurden keinerlei Vorwürfe oder Unterstellungen geäußert, die die Geburtshilfe der Jägerin in Zweifel zogen, so daß man ihr nach seiner Lösung und Taufe das Kind weiterhin anvertraute bis es starb. Männer, auch der Vater des Kindes, wurden erst dann ins Geburtszimmer gerufen, wenn es zu Komplikationen kam, hätten also auch in diesen Adelskreisen einer „natürlichen" Geburt nicht beigewohnt.

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Sogar in höhergestellten Herrschaftshäusern, etwa denen der Herzöge von Lothringen, fanden die Geburten der Herzoginnen bis zum ausgehenden 17. Jahrhundert ausschließlich in Gegenwart von Hebammen statt, die in diesem Falle fast immer aus der Umgebung von Nancy stammten.151 Um 1503 bis 1505 war eine einheimische Hebamme namens Alison für die Geburtshilfe am Hof zuständig; zwischen 1505 und 1506 übernahm die in Nancy wohnhafte Hebamme Marguerite Godfrin die Entbindungen, danach eine Genevieve de Hulas' 52 , und Jacquemotte, eine Hebamme aus Bar-leDuc, bezog am 23. November 1594 ein Haus in Nancy, um der Herzogin in ihrer nahen Geburt beizustehen.153 Die herzoglichen Rechnungsbücher belegen hohe Entlohnungen nicht nur für Hebammen aus Nancy, Dieuze, Luneville und anderen lothringischen Städten oder Dörfern, sondern auch für Ammen und Kindermägde aus den Landgemeinden, die die herzoglichen Nachkommen betreuten.154 Erst mit der Geburt des Due de Bar im Jahre 1699 durch die am Pariser Hof aufgewachsene Herzogin Elisabeth Charlotte von Lothringen brach die Tradition des ausschließlich weiblichen Beistands in Kindsnöten am lothringischen Hof ab. Zwar hatte die Gattin Herzog Leopolds durchaus noch eine Hebamme, „Dame Sabolle" aus Luneville, rufen lassen, die ihr bis zur Geburt und auch danach stets zur Seite stand; die eigentliche Geburtshilfe leistete jedoch der berühmte Pariser Chirurg und Accoucheur Julien Clement, der bereits die Gespielinnen Ludwigs XIV., Mademoiselle de la Valliere und die Marquise de Montespan, entbunden hatte.155 Der „Mercure" berichtete wenige Tage nach der Niederkunft Elisabeth Charlottes im September 1699 wie folgt: „Le 26 aoust ä 3 heures du matin, cette Princesse ayant commence ä sentir quelques douleurs, Mr Clement assura Monsieur le due de Lorraine que e'estoit pour accoucher; en effet, ses douleurs ne firent qu'augmenter, particulierement sur les 6 ä 7 h du soir et continuerent avec une si grande force, que les marques prochaines de l'accouchement parurent vers les dix heures. La princesse dit plusieurs fois a Mr Clement: „Je craindrais de ne pas sortir heureusement de cette affaire, si je ne vous avois pas"; ä onze heures moints trois minutes, eile accoucha d'un Prince ... Monsieur le Due de Lorraine en eut une si grande joye qu'il embrasse Mr Clement ä deux reprises, en luy disant: „On ne peut vous estre plus oblige que je vous le suis, de m'avoir sauve Madame et de m'avoir donne un fils". Madame la Duchesse de Lorraine luy fit aussi l'honneur de luy dire: „ne vous avois-je pas dit que je mourois si je ne vous avois pas"...". Und zum Herzog gewandt soll die junge Mutter nochmals betont haben: „Monsieur, vous ne m'auriez plus ny vostre enfant, si ne n'avois pas eu cet Homme-lä!", auf Clement weisend. 56 Dieser erhielt denn auch gleich eine Entlohnung von 560 Livres nebst einem Diamanten der Herzogin, eine zwar horrende, aber im Vergleich zu den 12.500 Livres, für die Elisabeth Charlotte von einer Händlerin aus Nancy schon zwei Monate vor der Geburt allein Babywäsche kaufen ließ, wohl

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durchaus angemessene Summe.157 Die Hebamme Sabolle allerdings mußte sich für ihre monatelangen Bemühungen mit insgesamt nur 36 Livres zufriedengeben, ein Entgelt, das zusammen mit dem Ausschluß der Sabolle von der eigentlichen Geburtshilfepraxis verdeutlicht, daß die weibliche Betreuung bei Geburten in Adelshäusern des Ranges derer von Lothringen nurmehr als geringgeschätzter Hilfs- und Zusatzdienst erachtet wurde." 8 Die durch die Medien der Zeit verbreitete glückliche Geburt eines Due de Bar durch Elisabeth Charlotte, die den guten Ausgang ihrer schweren Niederkunft ganz den Bemühungen des Pariser Accoucheurs zuschrieb, fand in Adelskreisen und vor allem im Haus der lothringischen Herzöge Resonanz. Hatte doch Herzog Leopold selbst der männlichen Geburtshilfe durch die Umarmung Clements und seinen persönlichen Dank seine nachdrückliche Anerkennung gezollt. Auch bei ihren folgenden dreizehn Geburten vertraute sich die Herzogin allein der Kunst von Geburtshelfern an, diesmal jedoch des in Nancy wohnhaften Chirurgen Thirion und seines Sohnes, die beide für jede Niederkunft über 1300 Livres erhielten.159 Von einer wenigstens vor und nach der Entbindung betreuenden Hebamme, wie noch im Jahre 1699, wissen die Rechnungsbücher dagegen nicht mehr zu berichten. Hatte somit im Herrschaftshaus der Herzöge von Lothringen und in fast allen dem französischen Königshofe nahestehenden höheren Adelsfamilien die Kunst der Accoucheure Einzug gehalten, behielten weniger bedeutende Adelskreise und die Frauen des Landadels die Tradition der weiblichen Geburtshilfe bis ins ausgehende 18. Jahrhundert bei. Auch Reichsgräfin Marianne von der Leyen zog bei ihren drei Niederkünften die Hilfe einer Hebamme der ihres Hebammenlehrers und Leibchirurgen Saal vor.

2. Weibliche Empfindungswelt um die Niederkunft „ Geburtsarbeit "und „ Kindsnöte " Allen Geburten war das Erlebnis des Schmerzes gemeinsam. Er war physische Begleiterscheinung, psychische Schreckfigur, Gradmesser der Belastbarkeit, Anhaltspunkt für einen guten oder schlechten Geburtsverlauf und Anlaß zu vielfältigen Mutmaßungen, ja eines der äußeren Signien für den fehlenden Blick ins Leibesinnere. Ihm kam zugleich Bedeutung als Indikator für die unsichtbaren Vorgänge zwischen Körper und ,Seele', als Richtschnur für konkrete Hilfsmaßnahmen, aber auch als ein komplexer Symbolträger zu. Unter dem Aspekt, daß der Geburtsschmerz als eine kulturelle Ausdrucksform, als eine in kontextuellen Äußerungsformen sichtbare und in kollektive wie individuelle Bedeutungsnetze verwobene, veränderbare Metasprache des Mediums Körper angesehen werden kann, über dessen Physis, Soziabilität und Metaphorik ,Kultur' im Sinne Glifford Geertz' zum Ausdruck kommt,

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wird die ländliche Geburtshilfe im Folgenden nochmals in den Blick gera160 ten. Erst in den letzten 20 bis 30 Jahren wurden medizinische wie populäre Diskurse um den Geburtsschmerz in zwei gegensätzlichen Richtungen geführt: Es ging einmal um die schmerzfreie, zum anderen um die sogenannte „natürliche" und „sanfte" Geburt.161 Wie immer man beide Konzepte bewerten mag, Ergebnisse aus Untersuchungen zu beiden Möglichkeiten des Gebärens zeigen, daß sie viele Frauen jeweils in vorgegebene Erwartungen zwängen, wobei die einen den Betrug um das Geburtserlebnis, die anderen den nicht überwundenen Geburtsschock beklagen. Daß es heute jeder Frau freisteht, die von ihr gewünschte Art der Niederkunft und zwischen der entsprechenden Entbindungsstation oder einer Hausgeburt zu wählen, entlastet sie jedoch keineswegs von den mit einer Geburt bis heute verbundenen Verunsicherungen, deren konkrete Anlässe sich erst in den Fachdiskussionen um Krankenhaus- oder Hausgeburt, um schmerzfreie, natürliche oder sanfte Geburt einem populären Publikum erschlossen.162 Heute wird in Westeuropa kaum mehr eine Frau niederkommen, die nicht um alle möglichen Komplikationen während Schwangerschaft und Geburt, um jede Art des natürlichen und krankhaften Schmerzes, um Kindslagen, Ultraschalldiagnosen und jedes kleine Zeichen einer Abweichnung weiß. Das dürfte selbst noch vor 20 bis 30 Jahren anders gewesen sein. 1 " In der Frühen Neuzeit fanden nun ganz andere Diskussionen statt. Der fachmedizinischen Debatte um Schwangerschaft, Geburt und Kindbett wenn man unter Einbezug der Tatsache, daß es erst ab dem 18. Jahrhundert ausgebildete Geburtshelfer gab, überhaupt von einer derartigen reden kann stand ein theologischer Diskurs über die Konnotationen des Geburtsereignisses aus der Perspektive der christlichen Lehre zur Seite. Uns werden im Folgenden aber weniger jene schriftlich in Traktaten und Handbüchern niedergelegten Auseinandersetzungen ausgewiesener städtischer, universitärer oder hospitaler Spezialisten interessieren als vielmehr populäre Ausdeutungen und Transformationen, die sich im ländlichen Raum anhand konkreter Überlegungen und Handlungsweisen wiederfinden lassen. Die allgemeine fachmedizinische Debatte um Geburt und Geburtshilfe faßte die Niederkunft als einen rein körperlichen Vorgang mit organischen Bedingtheiten, die in die großen Körpertheorien der Zeit eingeordnet wurden. Geburten wurden wie andere den Körper verändernde, beeinträchtigende und mit Schmerzen peinigende Zustände als eine besondere, da auf natürliche Weise und in einer absehbaren Zeit beendete Krankheit angesehen, deren bessere oder schlechtere Uberwindung ausschließlich aufgrund organischer Dispositionen der werdenden Mutter, ihrer Anstrengung bei der „Geburtsarbeit" und der Lage des Kindes bewertet wurde. Geburtsschmerzen gehörten als wenn auch subjektiv negativ erlebte, so doch positive, da die Geburt befördernde Begleiterscheinungen, zu diesem medizinischen ,Krankheitsbild'.

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Der fachwissenschaftliche Diskurs um Geburt und Geburtshilfe auf dem Land konzentrierte sich wegen des Mangels an Ärzten und Chirurgen in besonderer Weise auf die Hebammen als diejenigen Personen, denen es durch ihre Praxiskenntnisse, die Art ihrer Hilfeleistungen und verschiedenartige Einflußnahmen aufgetragen war, den Schmerzpegel möglichst gering zu halten. Anton Moritz, der Trierer Geburtshelfer, spricht verschiedene Ursachen und Formen des Schmerzes während der Schwangerschaft, Geburt und nach der Entbindung an, unter gleichzeitiger Angabe von schmerzlindernden Rezepturen und Maßnahmen. „Krampfmäßige Bewegungen" der Gebärmutter, die allerdings nicht wie „viele Weyber meinen, bis in den Hals aufsteigen" könne, Blutüberschuß, Beschwerden beim Wasserlassen, Verstopfungen durch Blutstau, Früh- und Fehlgeburten, die Krämpfe und frühzeitige Wehen auslösten, seien die häufigsten Schmerzursachen während der Schwangerschaft; eine verschobene Gebärmutter, richtige und falsche Wehen, Verletzungen des Muttermundes, eine falsche Lage und besondere Größe des Kindes, gewaltsames Herausziehen des Neugeborenen oder der Nachgeburt, Entzündungen aufgrund des Rückstandes von Nachgeburtsteilen, von inneren Verletzungen und „geklotztem Blute" zählt er zu den Hauptursachen von Geburtsschmerzen, während die Nachwehen, Kopfschmerzen beim Einschießen der Milch, „Friesel- und Wundfieber", der „kalte Brand", Gebärmuttervorfall und Brustgeschwüre als häufigste schmerzhafte Begleiterscheinungen nach einer Geburt genannt werden. 164 Akribisch gibt Moritz zu jedem dieser Schmerzzustände genaue Rezepturen für Umschläge, Tees und Räucherungen, Behandlungsmethoden mit Klistieren und Aderlaß, Anweisungen zur Ernährung und Lagerung der Frauen sowie am Ende seiner Schrift eine Liste von Kräutern mit Standortbezeichung, Eigenschaften und zugehörigen Rezepten an.165 Mit diesen Anleitungen setzte sich der Verfasser, der selbst den Kaiserschnitt durch Hebammen befürwortete' 66 , über alle gerade ab der Mitte des 18. Jahrhunderts erlassenen Verordnungen und Hebammenordnungen hinweg, die unter Ausblendung einer nicht vorhandenen ärztlichen Versorgung der Landbevölkerung den Hebammen das „Medizinieren" und die Verabreichung von Arzneien strikt untersagten. Gleichzeitig - und dies zeigt die doppelte Widersprüchlichkeit zwischen gesetzter Norm und realer Praxis - machten dieselben Ordnungen gerade die Hebemütter für eine möglichst erträgliche Geburtspraxis verantwortlich. Deren Maßnahmen zur Schmerzreduzierung und Schmerzverwaltung beinhalteten nach herrschaftlichen Vorgaben ein behutsames geburtshelferisches Vorgehen der Hebammen selbst, nicht näher charakterisierte Maßnahmen zur Beschleunigung der Geburt im richtigen Stadium sowie die Schaffung einer angstfreien Atmosphäre durch gutes Zureden, Verschweigen von Gefahren und Komplikationen und durch Einhaltung von Ruhe- und Entspannungsphasen, Anweisungen, die den Hebemüttern als explizite Gewissenspflichten auferlegt wurden. Weder durch „harte Worte" sollten sie „den

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Frauen Angst machen" oder ihnen durch das Zeigen von ,,Monstre[n] und ungeheure[n] wunderlichefn] geburten" seelischen Schmerz, noch durch „harte Verfahren" körperliche Pein zufügen. Vor allem aber war es ihnen verboten, bei nicht ehelich Schwangeren die Geburtsschmerzen durch Verzögerung ihrer Hilfe zu verlängern, wenn es darum ging, den Vater des Kindes in Erfahrung zu bringen." 7 Die Behandlung schmerzhafter Geschwüre, Entzündungen und Abszesse, von Wunden, Krämpfen oder Fieber war ihnen dagegen sowohl bei Mutter wie Neugeborenem offiziell nicht erlaubt, weder mit pflanzlichen und erst recht nicht mit rituellen oder magischen Mitteln. Sollte die Kindbetterin etwa durch ein „folgendes inflamationsFieber in Lebens=gefahr" geraten, oder bemerkte man am Kind eine Krankheit, war „ohne Verzug ein Medico" zu rufen.168 Im Vordergrund obrigkeitlicher Anordnungen stand somit die „glückliche Geburt", die zunächst nur das faktische Uberleben von Mutter und Kind beinhaltete. Nicht die Abwendung von schmerzhaften Umständen und Folgen einer Geburt, sondern die Uberwindung der Gefahren des Todes bildeten den eigentlichen Mittelpunkt dieser widersprüchlichen Sichtweise. Die Kirche hielt lange Zeit ihre Interpretation der Geburt als des Wahrzeichens eines sündhaften Verhaltens und als ewige Buße der Frauen für ihre fleischlichen Gelüste aufrecht. Als Zeichen des Sündenfalls, als Bußakt und zugleich als eine Verunreinigung sollte die Niederkunft mit der anschließenden Zeit des Wochenbettes eine Phase der Isolation und Absonderung sein, die erst mit der Aussegnung durch den Ortsgeistlichen ihren Abschluß fand.169 Den göttlichen strafenden Ausspruch gegenüber Eva: „Ich will dir viele Schmerzen schaffen, wenn du schwanger wirst; du sollst mit Schmerzen Kinder gebären"170, erweiterte Augustinus um die Sühnekomponenten der Übelkeit und des Unwohlseins, der seelischen Schmerzen durch eine Fehl- oder Totgeburt, durch die Geburt kranker oder mißgebildeter Kinder.171 Andere Kirchenlehrer hingegen lehnten mit dem Verweis auf die Geburtswehen von Tieren und darauf, daß „Bauernweiber" weitaus leichter und schmerzfreier gebären würden als Städterinnen, den „Wahnsinn, daß die Schmerzen des Gebärens sollen durch die Sünde in die Welt gekommen sein", wie es etwa Julian formulierte, schlichtweg ab.172 Für Paulus schließlich hatte der Geburtsschmerz den Charakter einer Prüfung und zugleich eines Opfers für einen anderen, zu gebärenden Menschen, denn eine Frau werde trotz ihrer Sündhaftigkeit selig werden, dadurch daß sie Kinder zur Welt bringe.173 Während die christliche Lehre den Sinn anderer Schmerzen des Leibes in der damit erreichbaren Läuterung und Besinnung, im symbolischen Heilungsprozeß, in der Erziehung, der Erneuerung und Vertiefung des Glaubens, ja in der Selbstkasteiung verortete, betonte sie überwiegend den Züchtigungs-, Sühne- und Strafcharakter für Schuld, Sünde und Verfehlung als den eigentlichen Sinn des Geburtsschmerzes.174 Der Wortlaut vieler Gebete für kurz vor der Niederkunft stehende Frauen trug dem Rech-

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nung: „Gib meinem Herzen Kraft, ο Herr, daß es die Schmerzen der Niederkunft ertrage, und daß ich sie als Ausdruck Deiner Gerechtigkeit hinnehme, die Du wegen der Sünden der ersten Frau an unserem Geschlecht übst. Daß ich u m dieses Fluches willen, der auf mir ruht, und wegen meiner eigenen Sünden in der Ehe die schlimmsten Schmerzen freudig erdulden möge ... Mein Leiden ist niemals genug, u m meine Sünden auszulöschen ... W e n n es Dein Wille ist, daß ich bei der Niederkunft sterbe, will ich dieses gnädige Schicksal willig und in Anbetung auf mich nehmen", so ein Gebetstext u m die Mitte des 17. Jahrhunderts. 1 7 5 Dieselbe weniger Trost denn Rache ankündigende Sichtweise schlägt uns denn auch in Predigten ländlicher Geistlicher zur Thematik „Neues Leben" oder „Tod und Erneuerung" immer wieder entgegen. Eine derartige Sinnstiftung wies das Sterben einer Kindbetterin oder übermenschliche Geburtsschmerzen als doppelte Strafe aus.

Geburtsschmerzen Die Schmerzwahrnehmung u m die Geburt hatte in der ländlichen Gesellschaft nur wenig mit den medizinischen und theologischen Diskursen über Bedeutung, Zeichencharakter und Behandlung des Schmerzes gemeinsam. Eine Niederkunft umfaßte zugleich individuelle „Arbeit" und „Not" („Geburtsarbeit", „Weiber-Noth", „Kindsnöte") wie auch kollektive Hilfeleistung und „Dienst". Aus dem von jeweils mehreren Frauen geteilten Kontext vom subjektiven Erlebnis eigener Geburten und der gemeinsamen Erfahrung bei der Geburt anderer resultierte ein interner Austausch unter den Frauen, der sich vor, während und nach Geburten, in Kindbettgesellschaften und bei anstehenden Hebammenwahlen, immer jedoch im geschlossenen R a u m und nie auf der „Gasse" vollzog, in welchem die Schmerzen, Leiden und Ängste bei der Entbindung z u m Gesprächsthema gehörten. Es w a r keineswegs ein Tabu, über Geburtsschmerzen zu reden, wohl aber unterlag das Sprechen über derartige Angelegenheiten einem besonderen Code, der die Körpererfahrungen der Frauen tangierte und einband, nicht aber diffamierte. Schließlich existierten Regeln des W o und Wie, die es beispielsweise erlaubten, in einer Frauenrunde alle Einzelheiten eines Geburtsvorganges Revue passieren zu lassen, es jedoch sanktionierten, wenn öffentlich über die Schmerzensschreie einer Gebärenden gesprochen wurde, selbst wenn sie das ganze Dorf gehört hatte. Als exklusiver Erfahrungsaustausch Betroffener und Beteiligter galt die eine, informelle Form des Sprechens vom schmerzhaften Kinder-Gebären, als Vertrauensbruch, ja explizit als Verrat die andere. Sie sei eine Verräterin, so urteilten 1771 die Frauen von Ormesheim über eine Dörflerin, welche „Kindbettergeschichten" und „heimliche schmerzliche umständ" auf der Gasse ausgeplaudert hatte, so daß selbst die Kinder davon wußten. U n d auch im Oberen Köllertal waren die Frauen bei einer Umfrage

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durch den Amtmann der einhelligen Meinung, Verschwiegenheit sei eine Selbstverständlichkeit und „bey vielerley in Kindbettern vorkommenden umbständen erforderlich".176 Die Gespräche der Frauen kreisten seltener um ihre eigenen, als vielmehr um die Schmerzerfahrungen, die sie bei den Geburten anderer miterlebt hatten. Zwei mal 24 Stunden habe die Elisabeth Bläsin aus Neumünster im Herzogtum Pfalz-Zweibrücken 1726 in „Kindsnöthen" gearbeitet, bis das Kind endlich zur Welt kam.177 Eine Frau aus Saarwerden, bei der „das gebluet schon angebrochen" war, habe in Gegenwart ihrer herbeigeeilten Nachbarin vor Schmerzen „angefangen zuschreyen, Ο gevatter Anna, helffen mir", worauf die Dörflerin ihr antworten mußte: „Unser Herr Gott helffe euch, Ich kan euch nit helffen, Ihr müessen die Hebamme holen lassen", was dann auch geschah.178 Als Magdalena Fischer aus Reinheim vor Jahren in Kindsnöte kam, habe sie nicht allein zehn Stunden schreckliche Schmerzen erlitten, sondern sei von der Geburt derart angegriffen worden, daß sie „24 wochen gelegen, ja zuletzt das hitzige Fieber bekommen" und mehrere Jahre lang keine Kinder mehr gebären konnte. Bei ihrer jüngsten Niederkunft hätten die Schmerzen 24 Stunden gedauert, worauf die Kindbetterin auch wieder „in hitzige Umstände" geraten sei. Uberhaupt, so bekundeten die Dörflerinnen, gäbe es „viele verborgene mängel", die von den Geburten und dem Wochenbett herrührten. Bei des Johannes Feuersteins Frau dagegen sei die „nachgeburt zurückgeblieben", welche ihr nur unter großen und über einen Tag dauernden Schmerzen hatte „abgenommen" werden können; bei des Peter Ochsen Eheweib schließlich habe die Geburt wegen Wehenschwäche gestockt, weshalb die Kreißende vor Schmerzen geschrien und „hefftig zugesprochen" habe, „sie von dieser bürde zu entledigen".' 79 Auch in Alterkültz gab es um 1733 in einer Kindbettgesellschaft Gesprächsstoff: Gerade vor kurzem sei eine ansonsten gesunde junge Frau derart leidvoll niedergekommen, daß sie ein „sehr langes, miserables Lager gehabt", ja nicht einmal in der Lage war, sich zu bewegen. Man war sich im Ort darüber einig, daß „unser armes Weiber=Volck, so ohne deme mit gnugsahmen Creutzes=Last bey ihren beschwehrlichen Schwangerschaften beladen ist, seiner frucht" nicht noch auf so schmerzvolle Weise „entladen" werden müsse.180 In Gödenroth sprachen die Dorff rauen noch 1763 von einer Niederkunft, die sich im Jahre 1758 zugetragen hatte: Des Peter Kaysers Frau hatte eine so harte Geburt, daß die hinzugerufene Hebamme ihr trotz ihrer Schmerzensschreie „in der halben Geburt" hatte sagen müssen: „ich kan nicht mehr helffen. Frau arbeitet und schafft das Kind vom Leibe". Die Wehen hatten ausgesetzt, und nach Aussage der Kayserin sei diese Geburt, zu der man sogar den Ortsgeistlichen gerufen hatte, schwerer gewesen als es „jemals hergangen" bei den drei früheren. Auch die Schneiderin aus Gödenroth, die „alle ihre kinder schwer gebohren" habe, mußte wohl bei ihrer kürzlichen Entbindung unendliches „weh" ausgestanden haben. Einer der Anwesenden soll

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beim Anblick der Leidenden sogar der Satz: „O Elies, du solt dich ja verraucht haben, ehe die Stund kommen ist", entfahren sein. Die helfenden Frauen hätten ihr zu allen möglichen Geburtspositionen verholfen, bis sie das Kind endlich nach zwei Tagen „in ihrem großen Schmertzen" geboren habe, wobei sie selbst und das Neugeborene fast hätten „darüber das Leben einbüßen" müssen, wären sie nicht mit „Gottes Hülfe beym Leben, aber sehr schwach, erhalten" worden. Oberstes Gebot sei es, so formulierten die Gödenrother Dörflerinnen gemeinsam in einem Schreiben, als es um die Neubesetzung einer Hebammenstelle ging, daß besonders die Amme ein „Mitleyden mit denen solche Schmertzen ausstehenden Weibern" haben müsse.181 Eben dafür hatte die Mutter der Susanna Schmidts, die ihrer ledigen Tochter allein bei ihrer heimlichen Geburt half, keineswegs Verständnis. Denn als Susanna in die „Kindts nötten" gekommen und die Schmerzen immer heftiger geworden seien, habe die Mutter ihr nachhaltig „das wehemern verbotten". 182 Mußte eine Frau ohne Hilfe anderer Frauen allein niederkommen, weil sie wie 1564 Meigreth aus Eschringen bei der Stallarbeit von Geburtswehen überrascht wurde, während alle Hausbewohner auf dem Feld arbeiteten, waren Angst und Schrecken groß. Sie sei davon „uebell erschroken", habe ausgerufen: „Daß muß Gott erbarmen" und sich auf das Stroh gelegt; wenig später „so sey ir Meigreth gar weh worden, daß sie befunden hat, daß ein Kind von ir gehen werde. Da hab sy so harte noth gelytten, also daß sich das Kind entzickt" habe. Auch sei sie sehr beängstigt gewesen, habe sich einen „sitz" besorgt, sei mit dem Sitz aber „vor großem schreken" zurück gefallen, indem das Kind „von ir gangen und sonsten viel unrath". 183 Auch Marie Bazinet, der man 1755 die absichtliche Tötung ihres Kindes vorwarf, war von den Wehen überrascht worden und hatte sich zunächst auf ihr Bett gelegt. Obwohl ihre Schwester, ihre Tante und weitere vier Frauen des Dorfes in der Nähe des Hauses bei der Arbeit waren, gelang es ihr aufgrund der sich plötzlich verstärkenden Schmerzen nicht, sie herbeizurufen; sie habe große Pein verspürt und als diese am schlimmsten gewesen, sei das Kind von ihr gegangen. 184 Die Mirakelbücher von Gräfinthal und Beurig aus den 20er bis 40er und den 70er Jahren des 17. Jahrhunderts schildern in eindringlicher Weise die Schmerzerfahrungen vieler Frauen, die die Gottesmutter von ihren Qualen erlöste und wieder „erquickte". Sie sprechen von „großen Geburts=Schmertzen", gegen die kein Mensch mehr ankam, von „schweren Kindsnöthen", die die Gebärenden in Todesängste versetzten, von „heftigsten schmerzen", die die Frauen befürchten ließen, „sie möchten kein lebendige Frucht auff die Weltt bringen", von „jämmerlichen schmertzen" und „höchster Lebens= gefahr". 185 Eine Frau aus Osweiler bei Tholey hatte drei Tage und Nächte in allergrößten Schmerzen zugebracht, eine andere aus Meisenheim vier W o chen in Wehen gelegen; eine dritte aus Kettenhofen lag vor Pein todkrank

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darnieder, wieder andere litten nach der Geburt an heftigen Blasenleiden, an Schwellungen, Geschwülsten und furchtbaren Schmerzen oder an Brustentzündungen, so daß sie ihre Kinder nicht stillen konnten. Sie alle verlobten sich mit einer Wallfahrt auf bloßen Füßen, einem Opfer oder mehreren Messen „Unserer lieben Frau zu Beurig", wurden „aller Schmerzen entlediget", genasen oder kamen „glücklich" und „mit Freuden" nieder.186 In Peppenkum in der Pfarrei Medelsheim, so berichtet das Gräfinthaler Mirakelbuch, habe die Frau des Webers bereits eineinhalb Tage in „sehr grossen schmerzlichen Kindsnöthen" gelegen. Hebamme und anwesende Frauen hätten kein weiteres Mittel mehr gewußt, als die Mutter Gottes mit den Pfeilen anzurufen: „erheben ihre Händ gen Himmel, raffen mit andächtigem Gebett/O Maria stehe uns bey. Da legte die Hebam die Händ an/und muste die todte Geburt stuckweiß von ihr ziehen und reissen/were bey nahe vor grossen schmertzen gestorben/wann sie nicht sonderbar von der Mutter Gottes ... were erhalten worden". Auch Gertrud aus Beckingen, die „mit großen Schmertzen und höchster Lebens=Gefahr" ein totes Kind „ganz schwartz auf die Welt gebracht" und darüber fast den Tod gefunden hatte, wurde durch ein Gelöbnis der „Weiber, so darbey gewesen", wenig später „glücklich abgelöset" und kam wieder zu Gesundheit. In Wittersheim hatte der Ehemann einer soeben in „Kindsnöthen mit jämmerlichem Schmertzen" verstorbenen Frau die anwesenden Helferinnen zum Gebet zur Gottesmutter von Gräfinthal aufgefordert, worauf seine Frau „von einer todten Geburt erlediget und wiederumb zum vorigen Leben kommen" sei. Und eine Frau aus Laar, die sechs Wochen lang ein bereits totes Kind in sich trug, das „durch kein Mittel auf die Welt" zu bringen war und durch die „grossen Schmertzen" und „schweren Kindsnöthen" bereits „männiglich an ihrem Leben verzagt[e]", ließ sich durch ihren Mann mit einer Wallfahrt „verloben", wenn sie von „ihrem höchsten Schmertze erlediget" werde. Die Muttergottes verhalf auch ihr dazu, daß die „natürliche Geburts=Schmertzen gar kurtz" waren und endlich das Kind von ihr gelöst werden konnte. Schließlich setzte auch eine Frau aus Saarvölklingen mit derart heftigen Geburtsschmerzen, daß „kein Menschliche Hilff mehr verhanden/sondern daß man die klare Zeichen deß gewissen Todes an ihr gesehen", ihr Vertrauen und ihre Hoffnung auf die Madonna mit den Pfeilen, „daß sie möchte erlößt werden". Alsbald gebar sie „ohne sonderer Schmertzen" zwei lebende KinJ

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der. Nicht immer waren Schmerzen Geburtsschmerzen im engeren Sinne; vielmehr lösten widrige Umstände - Gewalt gegen Schwangere, Schicksalsschläge oder ungünstige Sinneseinflüsse - nicht selten Schmerzen aus, die dann zu Früh- oder Fehlgeburten führen konnten. Als 1699 die unehelich schwangere Gertraud aus Hilbringen dem Kindsvater ihren Zustand offenbart und von diesem geschlagen, gestoßen und schließlich bedroht worden war, „wan sihe schwanger wehre, wolt [er] ihr den hals umbdrähen", habe

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sie „des schreckens wegen" daraufhin „große schmertzen empfunden", und sofort sei „eine unzeitige geburth ohne leben von ihr gegangen". 188 Auch die schon erwähnte Velten Freyen Frau Simmel mußte 1611 nach einer verbalen und tätlichen Auseinandersetzung mit der Dorfwirtin, bei welcher ihr Ehemann das ganze Geld vertrank, miterleben, wie „nach allerhand ußgestandenem schlämm und unrath die geburth von ihr geschossen undt mit großem schmertzen und hertzlichem bekümmernuß ihre Leibes fruchten verderbeten". Nach Aussage ihrer bei der Fehlgeburt anwesenden Schwägerin und einer weiteren Nachbarin, die beide bei ihr „die nacht über gewacht" hatten, habe die Simmel immer wieder gewimmert, beklagt und beweint, sie sei ihrer Leibesfrucht „beraubt" worden, schließlich sei „das werck von ihr geschossen, sie sei „in ohnmacht gefallen" und habe sich nach dem Aufwachen noch lange „wegen großen schmertzens hin und her gewendet". 189 Durch einen gehörigen Schreck erlitt auch eine Frau aus Niederlinxweiler eine „unglückliche frühzeitige Geburt". Gleich auf den Schreck hin habe sie „große Leibschmertzen bey 8 tage gehabt", und was sie „darbey ausgestanden, seye ihr am besten bekannt". 190 Ereignisse, in denen Schwangeren Schmerzen zugefügt oder sie mutwillig in einen Zustand der Angst versetzt worden waren, der in der Folge Schmerzen und eine frühzeitige Geburt ausgelöst hatte, wurden mit empfindlichen Strafen geahndet, die weit über jenen für reine Körperverletzung oder für Schabernack lagen. Dies weist die Zeit der Schwangerschaft nicht nur als eine besondere Periode des Schutzes der werdenden Mutter und des ungeborenen Lebens aus. Vielmehr verdeutlichen die Reaktionen der „unzeitig" Gebärenden über den durch die frühzeitigen Wehen ausgelösten Leibesschmerz hinaus Ängste und Befürchtungen im Vorfeld einer Fehlgeburt und einen seelischen Verlustschmerz durch „Raub der Leibesfrucht", wie es Simmel Velten ausdrückte. Reale Schilderungen wie auch Mirakelgeschichten von Schmerz, Pein, „Weh", Kindsnöten und Qual im Zusammenhang mit einer Niederkunft lassen häufig Todesangst und lähmenden Schreck, die Angst, zerrissen zu werden und sterben zu müssen, erkennen. Die Veitin aus Saarwerden hatte kurz nach ihrer frühzeitigen Geburt einer uninformierten Nachbarin als ersten Kommentar zu den Ereignissen mitgeteilt: „O baß cäthel, ich wehre schier gestorben". 191 Die kurz vor ihrer Entbindung stehende Sara Johanna Clever aus Saarbrücken schrieb 1814 anläßlich des Todes ihrer Mutter in ihr Tagebuch: „Und so führten sie ihre Todeswehen zum Erwachen in ein schöneres Leben ein, wie vor 24 Jahren ihre Geburtswehen mich in dieses Leben der Prüfung einführten". Wenig später, so vertraut sie ihrem Tagebuch weiter an, hätten sich die Krämpfe der mit dem Tod ringenden Mutter auf sie selbst, die schwangere und vor der Geburt sich in Todesängsten verkrampfende Tochter, übertragen. 192 Auch Margarethe E. Milow, eine in Hamburg lebende bürgerliche Hausfrau und Mutter, verband in ihren 1778 beginnen-

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den Lebenserinnerungen stets ihre nahenden Geburten mit Todesvorstellungen: „Die furchtbare Zeit meiner Entbindnung rückte nun immer näher. Die Stunde der Angst schwebte wachend und träumend vor meiner Seele. Der Gedanke meines nahen Todes mischte sich in allen, in meine Freuden und Leiden, in Geschäften". Und an anderer Stelle: „ ... in meinem Zimmer eine Stille wie sie bey Toten herrscht; schon gingen mein Mann und meine Mutter mit wiegenden Händen, tränenlosem Blick von mir; schon hörte man kaum mehr meinen Laut des Jammers ... Da kamst du, mein Jakob, ein Kind des Schmerzens und der Angst". Jeden Abend habe sie sich „voll Schmertzen" zu Bette begeben und voller Angst ihre Entbindung erwartet; oft glaubte sie, die Schmerzen „nicht ertragen zu können", weil sie ihre Erwartungen übertrafen, weil sie sehr stark, krampfhaft, heftig, entkräftend, schrecklich, „unaufhörlichst", „unbeschreiblich", ja „unaussprechlich" waren, ein „bitterer Kelch", zu dessen Ausleeren es des Trostes, der Ermutigung, der Uberwindung, der Gelassenheit, aber auch der Standhaftigkeit und des Kampfes bedurfte." 3 Verunsicherungen, die nicht selten mit der Angst vor Schmerzen diese bei einer Geburt um so mehr empfinden ließen, scheinen möglicherweise durch die Predigten der Ortsgeistlichen, ganz sicher aber durch das Verhalten robuster Hebammen befördert und verstärkt worden zu sein. Welche Spuren mag es wohl bei hochschwangeren Frauen hinterlassen haben, als 1797 der Pfarrer von Wiebelskirchen in der Grafschaft Nassau-Saarbrücken bei der Leichenpredigt für die während ihrer sechsten Niederkunft zusammen mit ihrem ungeborenen Kind verstorbene Susanna Maria Becker - einer Leichenpredigt, welche ihm wegen dieses „schmerzhaft betrübten Todesfalle[s] schwerer gefallen und näher gegangen" sei, als alle früheren - auf Psalm 22, Vers 12 rekurrierte: „Gott! sey nicht ferne von mir; denn Angst ist nahe; denn es ist hier kein Helfer!". Von anderen Kanzeln hörten die Frauen zum selben Anlaß aus Psalm 126, Vers 5: „Die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten", oder Vers 6: „Sie gehen hin und weinen und tragen edlen Samen!".194 Oft waren es auch die groben Handgriffe oder Drohungen einer als körperlich äußerst stark beschriebenen Hebamme, welche die Frauen geradezu in Panik versetzten. Entbundene Frauen und die helfenden Dörflerinnen brachten das Bild der brutalen Amme durch Begrifflichkeiten, die uns aus Dokumentationen zu Folterungen bekannt sind, in direkte Verbindung mit der äußerst schmerzhaften Geburtshilfe derartiger Hebemütter sowie mit den eigenen Geburtsängsten.195 Vor dem Hintergrund dieser schlimmsten Befürchtungen, die eine jede Geburt seitens der Gebärenden und der helfenden Frauen begleitete, wurde das ausgestandene Geburtsereignis als eine Erlösung von der „Bürde" („ablösen", „entlösen"), eine Befreiung von der „Weiber Last", eine Errettung aus Furcht und Schrecken und als das erhoffte Ende der Schmerzen begriffen. Daß Heilige oder die Mutter Gottes, welche in Kindsnöten ange-

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rufen wurden, zugleich für Menschen zuständig waren, die in eine Art Gefangenschaft geraten und aus ihr befreit worden waren - Ertrunkene, Verschüttete, in Kriegsgefangenschaft geratene, in einen Brunnen Gefallene - ist sicher kein Zufall. 196 Auch die Geburt wurde als Befreiung des Kindes aus der Gefangenschaft in einem lebendigen Körper begriffen, der seinerseits in Nöten befangen war, von denen ihn die Geburt erlöste. Die Geburt war damit eine gegenseitige Befreiung, nach welcher der Schmerz sich in Freude, die Angst sich in Glück verwandeln würde.

Symbolik und Wahrnehmung

der „ Pein "

Geburten waren mehrdimensionale Risiken, der sie begleitende Schmerz aufgrund des Geburtsvorganges selbst oder nachträglicher Erkrankungen nur einer von vielen Beeinträchtigungsfaktoren. Maßnahmen, die man im Umgang mit diesen Schmerzen präventiv, während oder nach der Geburt traf, richteten sich deshalb nicht nur wie heute direkt und ausschließlich auf die Schmerzbehandlung, sondern schlossen immer natürliche wie übernatürliche Schmerzverursacher, ja die Beeinflussung hin zu einer insgesamt „glücklichen" Geburt mit ein. Der Geburtsschmerz wurde zumindest dann, wenn er nicht durch widrige Umstände künstlich erzeugt worden war, keineswegs nur körperlich und psychisch empfunden und wahrgenommen, sondern in ein komplexes Bedeutungsnetz eingebunden, in welchem Vorstellungen von Geistern und Dämonen, von Verfluchungen und eigenem Fehlverhalten, von Schuld, Reinigung und Initiation ihren Platz hatten. Vor diesem Hintergrund galten präventive Rituale wie das Waschen der Kleider, die zur Geburt getragen werden sollten, in heiligen Quellen, Wallfahrten für eine „schöne" Geburt oder Opfergaben an Brunnen und vor Altären nie allein der vorzeitigen Schmerzbeeinflussung, sondern einem ganzen Komplex von Gefahren um die Geburt. Erstaunlich ist bei der Durchsicht alter Zauberund Brauchbücher die enorm große Zahl dort angeführter magischer Schmerzpraktiken bei Niederkünften, die gleich nach denen zum Hexenabwehrzauber rangieren. Ebenso zahlreich finden sich Rezepturen auf Kräuterbasis, von denen man heute weiß, daß sie eine tatsächlich schmerzlindernde Wirkung hatten.197 Aus zahlreichen Geburtsschilderungen erfährt man zudem, daß die Geburtshelferinnen sehr wohl um die Reduzierung von Geburtsschmerzen durch Massagen, Handgriffe, Wendungen des Kindes im Mutterleib mithilfe von Leinenbändchen wußten und die anwesenden Frauen Hilfestellungen, Geburtspositionen und Bewegungen kannten, die die Geburt beschleunigten. Eine Frau, bei der sich im Zusammenhang von Schwangerschaft und Geburt Schmerzen äußerten, wurde mit ihrer Pein nicht allein gelassen, sofern sie dies wollte und ihren Zustand nicht verheimlicht hatte. Tag- und Nacht-

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wachen der verwandten und benachbarten Frauen waren sowohl bei verheirateten wie ledigen Gebärenden üblich, immer wieder sah eine der in der Nähe wohnenden Frauen auch schon in den letzten Wochen vor der Niederkunft nach der Hochschwangeren. 198 Nachbarinnen wechselten sich ab, schickten ihre Kinder zur Erkundigung, im Haus arbeitende Dienstmägde eilten zuhilfe oder verständigten die im Dorf lebenden verwandten Frauen. Verstärkten sich die Schmerzen, zog man Spezialistinnen - Segnerinnen, Braucherinnen oder Hebammen - hinzu. Für Letztere galten aufgrund der Hebammenordnungen des 18. Jahrhunderts zahlreiche Verbote und Beschränkungen, an die sie sich weder was das Verbot der Anwendung abergläubischer Praktiken noch das des „Medizinierens" angeht, in der Praxis tatsächlich hielten. Sowohl durch die getroffenen oder während der Geburt ausgeführten regulierenden, lindernden, schützenden oder abwehrenden Maßnahmen als auch durch die ständige Betreuung durch ein sich abwechselndes Kollektiv helfender Frauen entstand damit eine Atmosphäre, die dem Gefühl des Ausgeliefertseins an einen Körper, der nicht nur leiblich, sondern auch imaginär als schutzlos, d.h. in besonderer Weise von dämonischen, teuflischen und anderen negativen Kräften beeinflußbar angesehen wurde, entgegenwirkte. Für das subjektive Erleben von Schmerzen dürfte diese kollektive Fürsorge, die mit viel Reden, Handeln und Gestikulieren einherging, eine große Rolle gespielt haben. 1 " Manchmal mutet das beschriebene Szenario an wie ein eigens inszeniertes Spiel mit unterschiedlichen Rollenverteilungen, das weniger der Beruhigung denn der Überspielung und Ablenkung dienen sollte. Auch die zur Schmerzlinderung ausgeübten Rituale schienen die Pein durch Verdichtung im Symbolischen, etwa im magischen Spruch, und indem sie den Körperzustand der Gebärenden veränderten, offenbar einzudämmen. Handlungen, Kommunikation und Ritual dienten dabei keineswegs der Verdrängung oder Unterdrückung von Schmerzen; vielmehr überführten sie den gerade bei Niederkünften als wichtigen Indikator der Wehenaktivität positiv bewerteten Schmerzzustand von einer persönlichen, isolierenden und befremdenden Empfindung auf eine intersubjektive Ebene, für die die aktive Anteilnahme der Helferinnen konstitutiv war. Das „Mitleiden", das gemeinsame Teilen und das Wissen um diese Gefühle, welches die Frauen von Gödenroth als unabdingbar betonten, ließ den Schmerz ein wenig vom Körper abrücken. Wie wichtig diese Inszenierung der Nachbarschaftshilfe für die Gebärenden war, zeigt die Tatsache, daß es bis ins 20. Jahrhundert nicht auf gesetzlichem Wege gelang, die gemeinsame Geburtshilfe abzuschaffen. Denn entgegen den Einwänden der Ärzteschaft, derartiges Spektakel behindere eine entspannte und ruhige Geburt, ja führe erst zu Komplikationen, bestanden die Niederkommenden weiterhin explizit auf die Gesellschaft und Hilfe anderer Frauen. Die Frage nach dem Umgang mit Geburtsschmerzen läßt einen anderen Aspekt deutlich werden: Wie bei der Folter galt der Schmerzzustand bei ei-

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ner Geburt als Zeitpunkt der Wahrheitsfindung oder der wahren Äußerung. Anders als in den Städten oder Amtern waren es nicht die Hebammen, die mit der Reklamation der wahren Kindväter beauftragt waren. Ganz im Gegenteil wurde ihnen diese „polizeiliche Inquisition" spätestens ab dem 18. Jahrhundert ausdrücklich untersagt. Schon 1632 warnte die Pfalz-Zweibrückische Hebammenordnung vor der verweigerten Hilfeleistung gegenüber ungeständigen Frauen und verbot alle Drohungen und Zwänge sowie die Ausnutzung der Schmerzen zur Befragung. 200 Die Nassau-Saarbrückische Medizinalordnung von 1762 untersagte die Erpressung des Kindsvaters mit den Argumenten, daß „der dadurch verursachte Schrecken und die Verlängerung der Geburts=Schmertzen höchst gefährliche Folgen haben kan, und solch Verfahren, als eine ihnen [den Hebammen] nicht zukommende peinliche Frage anzusehen ist".201 Die Angabe des tatsächlichen Kindsvaters lag auch nicht im Interesse der Hebammen, die den Ortsgeistlichen in keinem bekannten Falle ohne das Einverständnis der entbundenen Frauen Angaben über Kindsväter für die Eintragung ins Geburtsregister machten, als vielmehr im Interesse der ledigen Schwangeren, Gebärenden und Mütter selbst. Vor allem einen noch unverheirateten Dorfburschen als Vater preiszugeben, brachte nicht nur im Bezug auf das Ansehen der ledigen Mutter, sondern auch hinsichtlich der Möglichkeiten einer Legalisierung des Verhältnisses oder finanzieller Unterstützungen weitaus mehr Vorteile als zu schweigen. Zumindest bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts ließen die Gebärenden oder ihre Verwandten spätestens bei den beginnenden Geburtswehen die Hebamme und die Nachbarsfrauen und oft zusätzlich die Dorfschöffen oder Gerichtsleute rufen, welchen die werdende Mutter dann aus freien Stücken den Vater des Kindes nannte. Tausende von Anzeigen sind allein in den lothringischen Archiven verzeichnet, nach denen die jungen Mütter bei Angabe der Kindsväter vor Amt die bei der Geburt anwesende Hebamme oder die Frauen als Zeuginnen angeben, denen sie während der Wehen den rechten Vater genannt hatten; dieselbe Offenheit der Gebärenden dokumentieren die Kirchenregister der Pfarreien im Saar-Pfalz-Raum." Die Zeugenschaft der Hebammen und der Frauen hat eine lange und besondere Tradition, denn schon bei der Geburt Jesu hatten die von Joseph hinzugerufene Hebamme und eine von dieser herbeigeholte Frau namens Salome die Rolle von Zeuginnen für die jungfräuliche Geburt Marias übernommen. 203 1715 traten vor dem Gericht der Bailliage Bitche aber sogar der dortige Bürgermeister, zwei weitere Bürger, eine Frau, ein Pächter sowie die Hebamme Eve Speislerin auf, um zu bezeugen, daß eine ledige Bitcher Einwohnerin in ihren Kindsnöten einen Arbeiter aus dem Ort als den Vater ihres Kindes benannt habe.204 „Nous maires et Lieutenants de la Maire en la Hautte Justice de Corny", so heißt es 1746 in einer der „Declarations de grossesse" dieser Bailliage, „ayant este requis de la part de Mariam Chalin ... transporter chez Gespard Georgin, ou eile est refugiee epaise en Travaille

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d'enfant et prette d'accoucher, nous luy avions demande ... eile nous a respondu ..., et nous somme sorty pour appeller nostre Greffier".205 Eine Geburt um 1750 verdeutlicht die seit dem 16. Jahrhundert übliche Vorgehensweise: Um elf Uhr nachts erschien bei den drei Gerichtsschöffen von Saareinsming Baltasar Schneider, dessen Schwester sich kurz vor der Geburt glaubte und bat diese, in sein Haus zu kommen. Dort befanden sich bereits mehrere Frauen: „da haben mir die Zeit erwahrtet", so protokollierten die Schöffen in der anschließend verfaßten Erklärung, bis die Tochter „in ihren größten Kinds nöthen wäre gewässen", zu welcher Zeit sie „auf ihr gewissen, seel und seeligkeit" den Vater des Kindes, wann sie ihn kennengelernt und sich mit ihm eingelassen habe, mehrfach angegeben hätte.206 Auch Maria Catharina Erbsin aus Reisbach hatte am 6. Mai 1759 während einer „schmertzlichen gefahrlichen geburt" gegenüber Hebamme und Frauen angegeben, daß Jacob Langer „darzu der Vatter wäre", was die Hebamme dem Pfarrer angeben solle. Dieser drängte die Erbsin dann nach der Niederkunft zu einer Klage gegen den heiratsunwilligen Langer.207 „Inwertig und nach der geburth" habe seine Tochter „bekendt und darauff beharret", daß der Sohn ihrer Dienstherrin sie verführt habe und der Vater ihres Kindes sei, brachte 1605 auch Theilen Remy aus Gonnesweiler seine Klage im Namen der Tochter vor das St. Wendeler Amtsgericht. Zur weiteren Beweiskraft übergab er den Gerichtsleuten, von denen er erwartete, sie würden den Kindsvater zur „ehelichungh seiner deflorierten dochter anhalten, damit sie auß schänden und Laster errettet werden möge", die zur „geburthlichen Zeit" und in „Kindsnoeten" von der Tochter gemachte Aussage in schriftlicher Form und wohl „verschlossen" in einer Rolle.208 Bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts maß man den während der Geburtsschmerzen manchmal sogar unter Eid gemachten Angaben Gebärender einen enormen Wahrheitsgrad zu, vor allem dann, wenn sie in der schmerzvollsten Phase der Niederkunft gemacht worden waren: Ja, es sei wahr, so bestätigten 1728 Anna Elisabetha Becker aus Münchwies und Leohnhard Schultheißen Frau, die Hebamme von Hangard, daß sie beide bei des Kohlenbrenners Johann Lieblanc ältester Tochter in „Kinds=Nöthen gewesen". Als „dieselbige in den stärksten Weehen begriffen", habe sie in diesen schlimmsten Schmerzen den Vater des Kindes genannt und mit „beygefügten Schwähren betheuret, daß sich die sach also verhalte".209 Wie sehr man ebenso von Seiten der Gerichte geneigt war, den unter starken Schmerzen ausgesprochenen Worten der Frauen Glauben zu schenken, zeigt die Tatsache, daß die angegebenen Männer trotz gegenteiliger Beteuerungen in den meisten Fällen gleichwohl als .erwiesene' Väter zu Alimentationen oder sogar der Übernahme des Kindes und seiner Erziehung verurteilt wurden.210 Stand bei Schwangerschaftsklagen Aussage gegen Aussage, leugnete also der von einer ledigen Schwangeren bei Gericht angezeigte Liebhaber, empfahl die juristische Instanz nicht selten, zwecks Wahrheitsfindung die Angaben

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der bald Gebärenden während ihrer Niederkunft abzuwarten. Man solle sich gedulden, ob die Klägerin auch „dans les douleurs de l'enfantement" ihre Anschuldigung nochmals bestätige, so entschied selbst das Metzer Generalvikariat, nachdem eine vom Kindsvater der Lüge bezichtigte schwangere Dörflerin aus Hüttigweiler sich mit ihrer Klage auf Vaterschaft an den Metzer Bischof gewandt hatte. 2 " Der Schmerz als Mittel zur Wahrheitsfindung oder Zustand der wahren Rede verlor erst dann an juristischer Bedeutung, ja er wurde geradezu entkörperlicht, als es ab der Mitte des 18. Jahrhunderts allein den Männern erlaubt wurde, ihre Unschuld durch einen Purgationseid vor Gericht zu dokumentieren. Noch bis zum Beginn dieses Jahrhunderts hatte nämlich die unter Geburtsschmerzen vorgebrachte, als Wahrheit anerkannte weibliche Angabe bei Vaterschaftsklagen an der Spitze der juristischen Beweisführung gestanden, während es in einer Ubergangsphase ab den 20er Jahren des 18. Jahrhunderts beiden Geschlechtern möglich wurde, ihre Aussage gerichtlich zu beeiden, so daß das Urteil einen entsprechenden Kompromiß beinhalten mußte. 212 Die erst 1738 für Nassau-Saarbrücken erlassene Verordnung, die ausschließlich den nicht „liederlichen" Frauen, aber allen Männern den Eid erlaubte, begründete dieses Zugeständnis an das weibliche Geschlecht damit, daß den Frauen nurmehr auf diese, und nicht mehr auf die traditionelle Weise der Preisgabe in Kindsnöten, juristische „Satisfaction" gegeben und damit der Unterhalt ihrer Kinder sichergestellt wäre. Bei alleiniger Vereidigung der Männer allerdings, so die weitblickende Zukunftsprognose, nehme „das Laster der Hurerey und die Verführung derer Weibs Leuthen allzusehr überhand", weil die angegebenen Kindsväter „in Ermangelung anderem Beweißes ohne weitere Mittel absolviret" werden müßten und sich dann leicht aus der ,Affaire' ziehen könnten.213 Grundlegendes hatte sich freilich mit der gesetzlichen Verankerung eines allein den Männern zustehenden Eidesrechts schon um 1759 geändert, als eine ledige Frau aus Eschringen ihren langjährigen und im ganzen Dorf bekannten Liebhaber auf Vaterschaft verklagte: Bereits in ihren „Kindsnöthen", so deklarierte sie, habe sie den jetzt auch bei Gericht als Vater des Kindes von ihr angezeigten Johannes gegenüber mehreren Frauen benannt, was jederzeit nachprüfbar sei. Da der Beschuldigte jedoch alles abstritt, erlaubte ihm das Gericht unter Verweis auf die Strafe des Meineides mit folgender Formel abzuschwören, wozu er sofort bereit war: „Ich Johannes Galdes, schwöhre zu Gott dem Allmächtigen einen eydt, daß ich, mit Anna Maria ... nie etwas unehrliches zu thun gehabt, noch selbe fleischlich erkandt, oder beschlafen habe: So wahr mir gott helfe, und sein heiliges Evangelium". Das Gericht „absolvierte" den Angeklagten laut gesetzlicher Vorgabe, wogegen es die junge Mutter - zu deren juristisch jetzt irrelevantem Eingeständnis während der Geburtswehen waren nicht einmal mehr die Zeuginnen vernommen worden - zu achttägiger Haft bei Wasser und Brot verurteilte. 2 4

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Nicht nur auf der Ebene der Justiz vollzog sich dieser Wandel von der weiblichen zur männlichen Glaubwürdigkeit, vielmehr zeitigte er weitreichende Folgen sowohl in der Bevölkerungsregistratur als auch im Hinblick auf das Wissen und den Rückgriff auf die eigene Herkunft. Findet man in den Geburtsregistern der Kirchenbücher bis etwa 1750 häufig bei illegitimen Geburten den Eintrag, die Mutter des Kindes habe bei der Geburt einen „Eid darüber geschworen", wer der Kindsvater sei, und nehmen die Register diese Namensnennung der Mutter selbst dann auf, wenn „er [der angegebene Kindsvater] aber nicht gestehen wollen", so heißt es ab dieser Zeit umgekehrt, die Mutter habe „vor, nach und in der Geburt" zwar der Hebamme den Kindsvater genannt und „darauff leben und sterben wollen", dieser sei jedoch beim Oberamt aufgrund seines Eides „losgesprochen" und „absolvieret" worden, weshalb er nicht als Vater ins Geburtsregister eingetragen werden könne. 215 Für eine außerhalb der Ehe geborene Person, die früher wenigstens einen Vater „auf dem Papier" hatte, seinen Namen durch den Kirchenbucheintrag erfahren und ihn, wenn nötig, auch benennen konnte, galt nunmehr der Vater offiziell als unbekannt, eine Änderung, die sicherlich mit dem Verlust von persönlichen Identitäten und einer noch stärkeren sozialen Diffamierung unehelich geborener Menschen einherging. Man wird mit Blick auf die seit den 40er bis 50er Jahren des 18. Jahrhunderts geänderten juristischen Vorgaben sowie auf die eindeutig zugunsten männlicher, immer häufiger vereidigter Angeklagter gefällten Gerichtsentscheide, deren Auswirkungen sich bis in die kirchlichen Geburtsregister verfolgen lassen, stichhaltig in mehrerer Hinsicht schlußfolgern können: Als ein Faktor für die Zunahme unehelicher Geburten darf einmal durchaus auch der Prozeß einer das weibliche Geschlecht ausblendenden Verrechtlichung der Vaterschaftsklagen angesehen werden. Statt der Wahrheit im Schmerz hatte jetzt die Wahrheit durch das Rechtsmittel des Eides ausschließliche Relevanz. Wo zum anderen zuvor den unter läuternden Geburtsschmerzen gemachten Aussagen von Frauen und ihren Zeuginnen ein juristischer Wahrheitsgehalt und eine rechtliche Beweiskraft zuerkannt wurde, zählte jetzt nurmehr der männliche Schwur: eine geschlechtsspezifische Verengung der Gesetzgebung mit weitreichenden Folgen. Dem älteren Verbot der Ausnutzung des Geburtsschmerzes durch städtische Hebammen trat zusätzlich immer mehr die Ansicht vieler Mediziner zur Seite, daß Schmerzen bei Geburten nicht etwa der Wahrheitsfindung dienten, sondern im Gegenteil weit eher einen Zustand des Außersichseins und der ,Hysterie' markierten. Demgegenüber versuchten die Frauen, ob als ledige Mütter oder als Helferinnen bei Geburten, das stark an christlichen Leitbildern wie Martyrium und Passion, aber auch an der älteren Gerichtspraxis orientierte Bild von reinigendem Schmerz und bereinigter Aussage, reiner Wahrheit also, noch lange aufrechtzuerhalten. Auch wenn die Gerichtspraxis dieser popu-

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lären Auffassung bei der Wahrheits- und Rechtsfindung kein Genüge mehr leistete, so deutet der bis ins 19. Jahrhundert von ledigen Müttern betonte Verweis auf ihre Aussage während der Wehen sowie deren bereitwillige Bestätigung durch bei der Niederkunft anwesende Dorffrauen zum einen auf die ununterbrochene Weiterführung dieser Tradition der Bezeugung des „wahren Kindsvaters" in den ländlichen Gebärstuben, andererseits auf den unveränderten Stellenwert dieser dorfinternen Feststellung der Elternschaft. Und wenn demzufolge manch illegitimes Kind auf keinen Vater ,de jure' verweisen konnte, so hatte es in der dörflichen Öffentlichkeit aufgrund der mütterlichen Bestätigung in der Geburt sicherlich oft einen Vater nach der ,communis opinio'. Schmerz war aus der Sicht der Beobachtenden nicht gleich Schmerz. Symbolik und Deutung der „Pein" und des „Wehs" orientierten sich an kulturellen Kodierungen und an einer zeitgebundenen sozialen Sinngebung; man reagierte auf Schmerzen nicht nur als Individuum, sondern auch als Frau, Mann oder Kind, als Herrscher oder Bettler, als Nord- oder Südeuropäer.216 Bei Schmerzen um die Niederkunft wurde zwischen den richtigen und falschen, den „wahren" und „wilden", den „natürlichen" und „unnatürlichen", dem Zuviel und Zuwenig an Schmerz unterschieden. Diese Einschätzung von Qualität und Quantität richtete sich bei direkten Geburtsschmerzen nach der Wirkung, die sie auf den Geburtsablauf ausübten. Falsche, wilde und unnatürliche Schmerzen dienten nicht, richtige, wahre und natürliche Schmerzen dagegen sehr wohl der Beförderung des Geburtsvorganges. Die Vorstellung vom richtigen Schmerz führte andererseits dazu, die falschen Schmerzen nicht als unerwünschte Irritationen oder Eigenreaktionen des Körpers zu interpretieren, sondern sie den Gebärenden selbst anzulasten. Eine Frau mit „wilden Wehen" hatte sich nach Ansicht der urteilenden Dorffrauen nicht an die für Schwangere und Gebärende geltenden Vorschriften gehalten, hatte die falschen Speisen zu sich genommen, vor der Geburt zu viel getrunken, bis zuletzt gearbeitet. Die Kombination von Schmerz und Eigenverschulden wird um so deutlicher, wenn es um die Quantität der Geburtsschmerzen geht. Bilder von Schuld, Strafe, Reinigung und Initiation gingen dabei eine symbolische Symbiose ein: Die reinigende Kraft des Schmerzes, die sich nicht nur in der Vorstellung von einer jederzeit „wahren, bereinigten Rede" der sich zum Kindsvater äußernden Niederkommenden, sondern in metaphorischen Wendungen zur Bezeichnung der überstandenen Geburt als Erlösung, als Opfer und ausgestandenem Kampf manifestierte, erhielt dann eine andere Konnotation, wenn sie das übliche Maß in die Dimension des Unerklärlichen überschritt. Eine während unerträglicher Geburtsschmerzen verstorbene Frau war durch ihren Tod gereinigt, eine Frau, die durch ein Marienwunder von ihren überdimensionalen Qualen befreit wurde, hatte eine übernatürliche Reinigung erfahren. Jenseits dieser Erklärungen angesiedelte Bewertungen beurteilten das Zuviel an

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Schmerzen jedoch im Kontext der Schuld als Strafe für die Übertretung von Regeln des Alltagslebens. Es sei kein Wunder, so kommentierten die Frauen von Losheim 1623 und ebenso die Merziger Frauen 1631 oder die Dörflerinnen von Beurig 1721 die unmenschlichen Geburtsschmerzen einer Nachbarin, daß sie so hätte leiden müssen, denn allzeit sei sie selbst während der Schwangerschaft zu einem Tänzchen bereit gewesen.217 Auch beschwor man das herrschsüchtige Wesen, die Vernachlässigung der Kinder oder eine andere Verfehlung der außergewöhnlich schmerzhaft Niedergekommenen als Grund für ihre besondere Pein. Die nicht nur leibliche oder seelische, d.h. die weder allein mit der Körperkonstitution noch der psychischen Disposition der Schmerzempfindung verknüpfte, sondern lebensweltliche Deutung des übermäßigen Schmerzes als geradezu gerechter Strafe, läßt auf einer anderen Ebene erkennen wie weit nicht nur weibliche Hilfe, sondern auch weibliche Kontrolle in der ländlichen Gesellschaft greifen konnte. Nicht allein die Kirche, vielmehr die Frauen selbst verbanden ein Zuviel an Schmerz mit der christlichen Interpretation des Sündenfalles, allerdings nicht des für ihr ganzes Geschlecht geltenden biblischen, sondern des individuellen, persönlichen. Diese Übertragung allgemeingültiger, ehemals aus dem Jenseits vermittelter Androhungen auf konkrete diesseitige Handlungsweisen, denen ein Schuldcharakter beigegeben werden konnte, umfaßte im Durchstehen des unermeßlichen Schmerzes ohne Erlösung durch Tod oder ein Wunder den Aspekt der reinigenden, aber individuell gedachten Schuldabtragung, die nach Ansicht der Dörflerinnen nicht alle Frauen gleichermaßen als Angehörige des weiblichen Geschlechts betraf. Der abstrahierenden und generalisierenden kirchlichen Auffassung, daß alle Evastöchter für die Sünde der ersten Frau büßen mußten, stellten die Frauen auf dem Land die Vorstellung von der Buße einer bestimmten Frau für ihre konkrete Schuld durch übermächtigen Schmerz entgegen. Diese eigenwillige interpretatorische Abweichung liefert eine der möglichen Erklärungen für die Tatsache, daß die auf Reinigung abzielende Aussegnungspraxis der Kirche im ländlichen Bereich nicht selten ignoriert wurde. Der richtige und wahre Geburtsschmerz wiederum galt als fühl- und erlebbare Initiation zur Mutterschaft. Nach der Analyse von Übergangsriten durch van Gennep habe mit Geburtsbeginn die Phase der Umwandlung und Reintegration begonnen, die die Trennungs- und Schwellenzeit der Schwangerschaft ablöse; die mit ihr einhergehenden Emotionen, Handlungsweisen und Gemeinschaftsaktivitäten gehörten zu einem Prozeß der Angliederung an die Gruppe der Mütter, der zugleich eine Trennung vom bisher im Leib getragenen Kind und vom Zustand der Schwangerschaft beinhalte.218 „D'Hewamm haet dene Kinder hiniver gholfe", so formuliert ein elsässisches Sprichwort den Übergang von einer in die andere Welt, den auch die Niederkommende vollzog.219

A b b . 1: E r s t e m e d i z i n i s c h e E i n b l i c k e : F r ü h e A n a t o m i e e i n e r S c h w a n g e r e n aus C . E s t i e n n e , D e d i s s e c t i o n e p a r t i u m c o r p o r i s h u m a n i libri tres, 1525, III. 21

Z,uBeurichbrn Recollectcn,nach

äenrP. Franciscutter dem rechten Oruy

mil..

A b b . 3: D i e „Jungfrau von B o g e n b e r g " mit Blumengewand und geöffnetem schwangeren Leib, Zeichnung von Ph. Kilian als Einlegeblatt für das Gebetbuch, u m 1600

A b b . 2: Wallfahrtsbild „Unserer lieben Frau von B e u r i g " , Kupferstich u m 1700

Abb. 4: „Une envie de femme grosse" (Schwangerschaftsgelüste), Zeichnung von H . Daumier (1808-1879)

Abb. 5: Anzeige einer Schwangerschaft vor Gericht, Kupferstich mit dem Titel „Der überwiesene Fehltritt" von J. H o r e m a n s (Ausschnitt), 18. Jahrhundert

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f h ä t f t r i j O V

Abb. 6: Unterschiedliche Lagen des Fötus im Mutterleib, Aquarell aus dem 15. Jahrhundert

Abb. 7: Anatomische Darstellung kurz vor der G e b u r t aus W. H u n t e r , The A n a t o m y of the H u m a n Gravid Uterus, 1774, III. 12

Abb. 8: Die H e b a m m e durchtrennt die Nabelschnur mit einer Schere, Illustration aus W. Beach, Improved System of Midwifery,

Abb. 11: Zwillingsgeburt (hier: Esau und Jakob), Kupferstich von E. Delaune (1518-1583)

Abb. 12: Geburt im Stehen: Abbildung auf einer Frauenschale aus Urbino, die Besucherinnen der Wöchnerin schenkten, 16. Jahrhundert

Abb. 13: I n d e n Städten rief man den Geburtshelfer nur bei komplizierten Geburten, Darstellung einer Zangengeburt aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts

Abb. 14: Geburt des Herzogs der Bourgogne, eines Enkels von Ludwig XIV., im August 1682. Herzogin Anna-Maria-Viktoria von Bayern hatte wie 1699 Elisabeth Charlotte von Lothringen mit Hilfe des Pariser Accoucheurs J. Clement (rechts hinten) entbunden, Lithographie von G. Devy

Abb. 15: Exvoto aus der Kapelle Maria Gern bei Berchtesgaden f ü r die Wiederbelebung eines toten Säuglings durch die Fürbitten der Gottesmutter, 1759

Abb. 16: T o d der Mutter, Ausschnitt eines Votivbildes aus der Steiermark, 1860

Abb. 17: Der Tod reißt ein Kind aus der Wiege, Radierung „Das Kind" aus der Totentanzfolge von D. N . Chodowiecki, 1791

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Abb. 18: Auch die Mutter wird vom Tod nicht verschont, Radierung „Die Mutter" aus der Totentanzfolge von D . N . Chodowiecki, 1791

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Abb. 19: Exvoto f ü r die Genesung einer Gebärenden aus der Ridlikapelle bei Beckenried in der Schweiz: „Diese Person ist durch Maria vorbitt wider von T ö d t licher Krankheit erhalten worden", 1774

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Abb. 20: Exvoto aus der Wallfahrtskirche Maria-Steinbach: „ A n n o 1735 den 2ten Augusty verlobt sich hierher ... Anna Pfeillerin mit einer heilige Meß und Voto daffel wegen augenscheinlicher Todesgefahr in 5 Tägiger Kintsnöthen, darauf gott durch seinen glorreichiste Mutters fürbit gleichgeben das sve der geburt glicklich entbundte ..."

Abb. 21: T o d von Mutter und Kind bei der Geburt, Illustration aus der Coethener Historienfibel, 1475

Abb. 22: Exvoto des Malers F. J . Murer für überstandene „Kindsnöthe", Kapelle von Niederrickenbach in der Schweiz, 1783

Abb. 23: Mit skeptischer Miene und erhobenem A r m betrachtet ein M a n n , vermutlich der Hausherr, das Treiben der Frauen bei der Kindbettzeche, Lithographie von O. Perrin

A b b . 24: Städtisches Kindbettfest mit der H e b a m m e , den N a c h b a r i n n e n und weiblichen V e r w a n d t e n , Ö l g e m ä l d e von W . N . M a r s t r a n d ( 1 8 1 0 - 1 8 7 3 )

Abb. 25: Wochenstube der Gottesmutter, dargestellt in Analogie zur profanen Wochenstube: Verköstigung der Mutter, Baden des Kindes und Kindbettzeche der Helferinnen, Holzschnitt von A. Dürer (1471-1528)

Abb. 26: Simultanbild aus dem 16. Jahrhundert: N i e d e r k u n f t , W ä r m e n des Kindes am Feuer, Ubergabe des N e u g e b o r e n e n an seine Mutter und Kindbettzeche der Frauen, Holzschnitt vom Meister der Egenolffschen Offizin

Abb. 27: Frauenfest nach der G e b u r t im H a u s der Wöchnerin, mittelalterlicher H o l z schnitt aus N ü r n b e r g

Abb. 28: „Besuch in der Wochenstube", Holzschnitt nach einem Gemälde von H. Hornemann (1866-1916)

Abb. 29: Nachbarinnen oder verwandte Frauen besuchen die Wöchnerin, Gemälde aus dem bürgerlichen Milieu von D. N. Chodowiecki (1726-1801)

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Das Bild der Gebärenden blieb dabei das der Leidenden; der Ehemann, der in der Couvade die gebärende Frau nachahmen sollte, war in erster Linie aufgefordert, dem Geburtsschmerz durch Gestik und Mimik symbolischen Ausdruck zu verleihen. 220 Der „normale" Schmerz war freilich weniger metaphorischer Ausdruck der Sündhaftigkeit als dramatisches Vorspiel eines erhofften glücklichen Ausgangs. „Le petit enfant ne, les douleurs sont oubliees", so faßt ein Sprichwort die Verbindung von Geburtsschmerz und Mutterfreuden. 221 Die Annahme des Schmerzes als eines integralen Ausgangs· und Endpunktes zur Mutterschaft, einer notwendigen Qual also, läßt sich besonders deutlich an den Fürbitten und Gebeten unfruchtbarer Frauen ablesen, die ihre Bereitschaft zur Duldung aller Schmerzen um der ersehnten Mutterschaft willen signalisieren. 222 Wenn selbst die Mutter Gottes nicht ganz schmerzfrei geboren hatte - die theologische Doktrin von der schmerzlosen Geburt Mariens stand in paradoxem Widerspruch zu ihrer populären Darstellung als Wöchnerin mit gepeinigtem Gesichtsausdruck, die sich von der Geburt erholen mußte und zu volksreligiösen Ansichten, Maria habe mehrfach geboren223 —, so mußte dagegen eine schmerzlose Niederkunft ein ungewöhnliches, widernatürliches, ja übermenschliches Ereignis darstellen. Die Gebärende war nicht auf dieselbe leidvolle Art Mutter geworden wie alle anderen Frauen, konnte womöglich gar keine richtge Mutter sein. Es stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob die stereotyp anmutenden, als schmerzlos geschilderten Geburten vieler Kindsmörderinnen weniger als Wiedergaben der tatsächlichen Geburtsabläufe denn als symbolische Eingeständnisse einer nicht erlebten Initiation - versinnbildlicht im fehlenden Geburtsschmerz - und des daraus resultierenden nicht Mutter-sein-Wollens oder -Könnens zu verstehen sind.224 Nicht nur die Gerichtssituation, die suggerierend, manipulierend, angsterzeugend sein konnte, wirkte sich auf die Schilderungen aus, die die beschuldigten Frauen vor Gericht gaben; vielmehr brachte ihnen ihre eigene persönliche Situation (ledig geschwängert, unzüchtig, sozial isoliert oder fremd) und besonders die gerichtliche Anklage mit ihren sozialen Konnotationen (Schande, Unehre, Leichtfertikeit, Mord) sowie das Wissen um beider sensible Bewertung innerhalb ihres sozialen Umfeldes Vorstellungen davon zu Bewußtsein, daß mit ihnen etwas anders, nicht richtig, nicht normgerecht' war — eine Metapher dafür konnte die schmerzlose, leichte Geburt der „Leichtfertigen" sein. In jedem Falle mußte das geschilderte Szenario von der schmerzfreien Niederkunft für sie selbst und die sie befragenden Personen den Zeichencharakter des Mangels, des Unnormalen und vielleicht sogar des ,nicht Mensch Seins' tragen225, negative Qualitäten also, die sich in der Kindstötung logisch fortsetzten. In vielen Gegenden Mitteleuropas beflügelte die schmerzlose Niederkunft, die man als eine Absonderlichkeit „wider die Natur" betrachtete, die Phantasien: Man nahm an, ein ohne Schmerzen von einer irdischen Mutter geborenes Kind werde zum Werwolf, zu einem Nachtmar oder zu einer Hexe. Wie seine

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II. Ländliche Geburt

Mutter konnte auch das Kind kein richtiger Mensch, sondern nur ein Wesen „wider die Natur" sein.226 Sie habe sich gerade umziehen wollen, so sagte 1775 eine Kindsmörderin aus, als sie ein seltsames Gefühl „angekommen" sei, darauf habe sie sich auf das Bett gelegt „und sogleich das Kind bekommen gehabt, welches denn von ihr ohne schmertzen ... geschossen". Sie habe die „Geburt gar leicht bekommen" und nach „etwa zwey Vatter unser" auch die „Nachgeburt mit der Nabelschnur heraus gezogen", das Kind jedoch unversorgt liegen lassen und sich nicht um es „bekümmert". 227 Nach Angabe der Anna Renaud sei sie 1771 morgens früh, als sie am Brunnen Wasser geholt und sich dort noch die Füße gewaschen hatte, ohne jedes Anzeichen und ohne Schmerzen so plötzlich niedergekommen, daß das Kind in den Wassereimer gefallen sei.2 8 Ihre heimliche Geburt, die im Zimmer der Dienstmägde stattfand, habe insgesamt zwei Stunden gedauert und so überraschend begonnen, daß sie zunächst nicht gedacht habe, es sei notwendig jemanden herbeizurufen, so auch Catherine Vivier 1731. Denn weil sie keine Schmerzen verspürte, habe sie zuerst geglaubt, es seien noch ein paar Tage bis zur Niederkunft, schließlich habe sie aber doch das Kind reglos auf ihrem Bett gefunden.229 In der Literatur wird die schmerzlose Sturzgeburt von Kindsmörderinnen häufig auf deren besondere psychische Verfaßtheit und die isolierte Situation bei der Geburt zurückgeführt oder als Strategie gedeutet, mit der sie vor Gericht das Unvermögen der Zuhilfenahme anderer Frauen oder den Tod des Kindes rechtfertigten.230 Vor allem die psychologisierende Erklärung, die die Schmerzfreiheit einem durch die isolierte Gebärsituation fast pathologischen, ohnmachtsnahen Zustand zuschreibt, kann jedoch nicht mehr zufriedenstellen, wenn die Quellen die Geburten vieler lediger alleingebärender Frauen, die ihre Kinder nicht umbrachten, als schmerzvoll schildern. Sie überzeugt um so weniger, wenn man hinzunimmt, daß fast ausschließlich Kindsmörderinnen von sehr schnellen Geburten, andere Alleingebärende aber von längeranhaltenden Geburtsabläufen berichten, obwohl es sich bei beiden Gruppen zumeist um Erstgebärende und um denselben Lebensbedingungen und körperlichen Belastungen ausgesetzte Frauen handelte. Vielmehr könnte ebensogut zutreffen, daß Frauen bewußt oder unbewußt auf eben dieses Bild von der gefühllosen, widernatürlichen', schmerzunempfindlichen Kindermörderin rekurrierten, wenn sie sich selbst im Geständnis der Kindstötung bezichtigten, so wie angeklagte Hexen auch ohne Drängen der Richter häufig das Hexenstereotyp bei ihrer Vernehmung wiedergaben. Umgekehrt gaben die Kindsmörderinnen Schmerzen, die sie erst nach einer solchen Geburt empfanden, als Begründungen für ihre Tat an: Von Sinnen vor Schmerzen habe die eine ihr schreiendes Kind erwürgt, die andere habe im unerträglichen Schmerz der Nachwehen nach ihm getreten, eine dritte habe es aus demselben Grund auf den Boden fallen lassen und sich nicht weiter um es gekümmert. Diesem Verhalten stand das Bild von der

Weibliche Empfindungswelt um die Niederkunft

157

willigen Hinnahme, vom freudigen Erdulden aller Pein, ja der Leidenspflicht der werdenden und „mit fruchtbarkeit von Gott gesegneten" Mutter232 diametral entgegen. Auch in diesem Punkt hatte die Kindsmörderin mit einer den Schmerz positiv integrierenden Sichtweise der Geburt gebrochen, der die Dörflerinnen mit den Begriffen des Ausstehens, Erduldens, Ausfechtens oder der „Kreuzeslast" 233 Ausdruck verliehen. „O Allmächtiger Gott! himmlicher Vater! du hast mich itzt zu einer sauren Arbeit beruffen, und mich an einem harten Stand in deinem Wein=Berge gestellet, und mir das schwere Creutz auferleget, daß ich mit großen Schmertzen mein Kindlein gebähren soll. Ich bitte dich, du barmhertziger Gott! hilff mir in dieser grossen Noht, und stärcke mich mit deiner Gnade, daß ich als eine getreue Kindes=Mutter thue, und arbeite, wie ich soll; damit ich an meinem Kindlein nicht eine Mörderin werde; und was ich darinn zu schwach bin, das wollest du verrichten ...", mit diesen Worten bringt ein „Gebet in Kindsnöten" aus dem 18. Jahrhundert die Pflicht zur Geburtsarbeit und dem Erdulden aller Schmerzen in eins mit der „getreuen" Mutterschaft. 234 Die Quellen lassen auf eine besondere Denk- und Handlungslogik schließen: Je mehr eine Kindsmörderin der Vorstellung der unter Schmerzen gebärenden, leidensfähigen und geduldigen Gebärenden entsprach, je besser sie den Frauen glaubhaft machen konnte, daß sie dieselben Stadien der Initiation durchgemacht hatte wie sie auch, je mehr sie sich also jenem kulturellen Code annäherte, der die Erfahrungen und Einschätzungen der Zuhörerinnen ansprach, desto eher akzeptierte man den Tod ihres Kindes als Unfall, desto eher war man bereit, sie zu schützen, sie sogar aus dem Gefängnis zu befreien.235 Diese Logik zeigte Brüche, wenn heute als psychosomatisch oder postnatale Depressionen bezeichnete Erscheinungen auftraten. Für derartige Zustände gab es zwar eine gemeinsame kulturelle Semantik; sie kannte jedoch andere, lebensweltliche Zuschreibungen. 1721 brachte Anne Catharine Heyne, Frau des Georg Füller aus Saaralben (Sarralbe), unter schweren Schmerzen ein Kind mithilfe der Hebamme und weiterer Frauen zur Welt. Die Frauen warfen ihr vor, sie habe diese „unglückliche" Geburt ihrem liederlichen Leben vor der Eheschließung zu verdanken. Die Schmerzen hielten nach der Geburt wochenlang, Tag und Nacht an; der Ehemann besorgte Medizin, betete mit ihr zusammen auf den Knien zum heiligen Antonius, ging regelmäßig zur Messe, machte eine Wallfahrt zur „Lieben Frau von Gräfinthal", schließlich verließ er sie, weil er ihren Zustand nicht länger ertrug. Anne Catharine fiel in eine Art Dämmerzustand, in dem sie ständig von der Phantasie heimgesucht wurde, sie müsse ihr Kind im Fluß ertränken, um von den sich nunmehr bis zur Unerträglichkeit steigernden Schmerzen befreit zu werden. Die Projektion der von den Frauen ihr selbst angelasteten Schuld an den Schmerzen auf das Kind, dessen Geburt aus ihrer Perspektive jedoch erst diese Qualen verursacht hatte, veranlaßte die vom eigenen Mann im Stich gelassene, weder durch Medizin, Gebete noch ein Wunder

158

II. Ländliche Geburt

der Gottesmutter von ihren Leibschmerzen Erlöste schließlich, das Kind nach drei Monaten von einer Brücke in den Fluß Albe zu werfen. 236 Dorffrauen und Ehemann gaben dieser individuellen Schmerzdeutung der Mutter jedoch einen anderen, sozialen Sinn, der eine gemeinsame kulturelle Schmerzdeutung für einen wie oben geschilderten Vorfall sichtbar werden läßt. Anne Catharine habe nicht, wie dies von einer Mutter erwartet wurde, die rechte Geduld gezeigt, weder was das Aushalten der Schmerzen betrifft, noch bei der Versorgung ihres Kindes. V o n Beginn an habe sie das Kind abgelehnt, sich nicht darum gekümmert, ja es nicht lieben können. D i e weder mit ihrer emotionalen Lage noch ihrer sozialen Ausgrenzung in B e ziehung gesetzten, sondern zunächst als körperliche Nachwirkungen der G e b u r t interpretierten, später als Strafe für ihre Ungeduld und Lieblosigkeit umgedeuteten Schmerzen, wurden auch diesmal einzig ihr selbst angelastet. Auf den ersten Blick scheint es, als habe die Wahrnehmung psychisch bedingter Schmerzdispositionen oder der Auswirkung von Schmerzen auf die psychische Verfaßtheit nach einer Transformation in andere Deutungsmuster verlangt, etwa in die Bedeutungsnetze von Schmerz als körperlichem Signal oder Schmerz als B u ß e oder Bestrafung für eine abzutragende Schuld. Dies mag für bestimmte, jedoch nicht für alle Zusammenhänge gelten. Entscheidend war neben der kontextuell unterschiedlichen körperlichen, bildhaften, metaphorischen oder symbolischen Deutung des Schmerzes, daß seine emotionale Komponente weniger analysiert denn in einen besonderen Handlungscode eingebunden wurde. Schlüsselworte dieses Codes waren das „Vertrauen" in die Hebammen, das „Mitleyden, mit denen so schwere schmertzen ausstehenden Weibern" 2 3 7 und eine Eingebundenheit des Schmerzes wie der Ängste und Unsicherheiten in ein kollektives wie rituelles Geburtsgeschehen, das der Schmerzerfahrung ihre isolierende und befremdliche Spitze durch eine kreative Praxis nehmen konnte. D a ß der emotionalen Betreuung und Begrenzung von Geburtsschmerzen manchmal andere Deutungsmuster des Schmerzes entgegenstanden, verweist darauf, daß dem Schmerz nicht nur körperliche Signalfunktion zukam, sondern seine Bewertung und der Umgang mit ihm mit symbolischer, volksreligiöser, geschlechtsspezifischer und sozialer Sinnstiftung verbunden war. Schmerzdeutung und Schmerzwahrnehmung, so wollte dieser Abschnitt ebenso zeigen, sind damit nicht nur kulturelle Ausprägungen, vielmehr können sie umgekehrt auch zur Erklärungen des Kulturellen dienen.

3. „Unglückliche" Geburten Säuglings- und Mütter Sterblichkeit D e r T o d bei Geburten war keinesfalls bewußt eingeplantes Schicksal, mit dem man sich abfand, eine bekannte Alltäglichkeit, die keine oder nur wenig

.Unglückliche" Geburten

159

Emotionen erzeugte, zumal dann, wenn bereits das dritte oder vierte Kind gestorben war. Vielmehr hatte er ebenso wie die Geburt einen besonderen Status. Als Umkehrung dessen worauf man hoffte, als Verkehrung von neuem oder bestehendem Leben in Tod, von Freude in Trauer, von Beginn in Ende, gestaltete er den als solchen geplanten „Normalfall" einer Geburt zu einem besonderen Falle innerhalb eines besonderen Ereignisses, auch wenn mit dem „Außerplanmäßigen" jederzeit gerechnet werden mußte. Dieses „Außerplanmäßige" wird in der historischen Wissenschaft zumeist mittels demographischer Erhebungen und Mortalitätsraten dargelegt 238 , ganz selten jedoch über die Untersuchung soziokultureller Raster oder gar des „native point of view" und die Verortung von Innensichten wie Wahrnehmungen der Betroffenen selbst analysiert. Im Folgenden werden auch nicht demographische Erhebungen und Zahlen zur Säuglings- und Müttersterblichkeit allein interessieren; sie können jedoch eine Folie für die Einschätzung des Umgangs mit dem nahenden Tod, mit verstorbenen Kindern und Müttern und für den Stellenwert und die Relevanz des Sterbens um die Geburt bilden. Die meisten älteren Untersuchungen zur Säuglingssterblichkeit in Europa sowie Arbeiten über die Lebensverhältnisse in einzelnen Orten, Kirchspielen oder Ämtern legen bei ihren Berechnungen als Bezugsalter eine Lebensdauer von einem (0-1) Jahr zugrunde. D a nur in den wenigsten Fällen zwischen Neo-Mortalität (Tod in den ersten vier Wochen nach der Geburt) und späterem T o d und zwischen den Todesursachen (endogene Mortalität etwa bei Tot- und Frühgeburt, Deformationen; exogene Mortalität bei Krankheit, Unfall) unterschieden wird, erschwert diese globale Einordnung eine spezielle Untersuchung zur Sterblichkeit Neugeborener vor allem im direkten Zusammenhang mit der Geburtshilfe und dem Geburtsablauf. 239 Ein Vergleich der Zahlen wird zusätzlich dadurch verkompliziert, daß der errechnete Prozentsatz der Säuglingssterblichkeit sich entweder an der Zahl aller verstorbenen Kinder von der Geburt bis zum vollendeten ersten Lebensjahr des zugrundegelegten Zeitintervalls, an der Zahl der Geburten insgesamt, an der Zahl der getauften Kinder, derjenigen der Lebendgeborenen ohne die Totgeburten für einen vorgegebenen Zeitraum orientiert, oder aber Sterbewahrscheinlichkeiten berechnet werden. Dennoch vermitteln die demographischen Daten einen wenn auch oft widersprüchlichen und regional sehr stark variierenden Überblick über die soziale Reichweite und die quantitative Relevanz des Kindstodes. Sie verweisen aufgrund ihrer Unterschiedlichkeit zugleich darauf, daß die Mortalität von Neugeborenen und Säuglingen in den für jede Region spezifischen sozialen (Lebens- und Wohnverhältnisse, Ernährung, Familien- und Erbschaftssystem), ökonomischen (Klima, Bodenund Anbauverhältnisse, Nahrungsmittelpreise, Industrialisierung), politischen (Kriege, Bevölkerungsverluste, lokale Krisen) und mentalen (Stillgewohnheiten, Einstellung zu Leben und Tod, Konfession) Verhältnissen begründet zu liegen scheint.240

160

II. Ländliche Geburt

Schon für ganz Frankreich unterscheiden sich die Ergebnisse zur Säuglingssterblichkeit für den Zeitraum von 1740 bis 1789/90, die Lebrun mit 28 Prozent aller Lebend- und Totgeborenen, Flinn dagegen mit 21,3 Prozent angibt, erheblich.241 Ein Blick in einzelne französische Regionen läßt dagegen die Angaben für das 18. Jahrhundert zwischen 15,3 und 37,4 Prozent schwanken.242 Ähnliche Unterschiede verzeichnen die demographischen Ergebnisse für England, wo sich die Durchschnittswerte der Säuglingssterblichkeit vor 1750 auf 18,7 Prozent, zwischen 1740 und 1790 auf 16,1 und zwischen 1780 und 1820 auf 12,2 Prozent belaufen, regionale Ergebnisse dagegen eine Mortalitätsrate vor 1750 von 15 bis zu 33 und danach (1750-1799) von 15,8 bis zu 31,7 Prozent nachweisen können.243 Deutliche Schwankungen zeigen auch die Erhebungen für einzelne schweizerische Kantone sowie ihr Vergleich mit den Durchschnittszahlen für die Gesamtschweiz. Einem Durchschnittswert von 23,7 Prozent für die Zeit von 1740 bis 1790 steht im Amt Entlebuch/Kanton Luzern etwa für die gleiche Periode ein Prozentsatz von 18,2 Prozent, im Amt Haslen/Kanton Appenzell von 31,4 und in der Stadt Luzern von 29,9 Prozent entgegen.244 Äußerst unterschiedlich präsentieren sich auch die Ergebnisse für die deutschen Gebiete, deren Durchschnittswerte sich nach Flinn auf 15,4 Prozent vor 1750, auf 38,8 Prozent zwischen 1740 und 1790 und auf 23,6 Prozent von 1780 bis 1820 belaufen.245 Regionale Daten belegen dagegen für die Zeit vor 1750 Prozentzahlen von 9,5 bis 27,1, für die Jahre zwischen 1750 und 1800 von 14,5 bis 33,9 Prozent.246 Ein von Imhof ermitteltes Nord-Süd-Gefälle und ein West-Ost-Gefälle der Säuglingssterblichkeit für das letzte Drittel des 18. Jahrhunderts - er gibt für die Regionen Schleswig, Oldenburg, Hannover und Westfalen durchschnittliche Werte zwischen 13 bis 20 Prozent, für die Gebiete Württemberg und Bayern dagegen zwischen 30 bis 34 Prozent an - wird von den regionalen Einzeluntersuchungen allerdings durchweg bestätigt.247 Die wenigen Daten, die zum Kindstod während der Geburt und zur Rate der Totgeburten zur Verfügung stehen, ergeben für die Untersuchung von 16 Kirchspielen des Oldenburger Landes zwischen 1770 und 1780 einen Anteil von drei Prozent sowohl der Totgeburten wie der Todesfälle während einer Geburt, gemessen an allen Lebendgeborenen; für einige französische Dörfer ließ sich dagegen bei den totgeborenen und über der Geburt verstorbenen Kindern ein Anteil von nur 0,2 bis 1,4 Prozent ermitteln.248 Aufschlußreich sind die Ergebnisse, die Läget anhand der Taufregister des Ortes Mauguio in der Diözese Montpellier erhält: Zwischen 1661 und 1700 starben von den getauften Kindern nur durchschnittlich 0,7 Prozent in den ersten vier Wochen nach der Geburt, zwischen 1700 und 1750 bereits 5,16 Prozent und zwischen 1750 und 1790 dann noch 3,77 Prozent. Vergleicht man ihre Durchschnittszahl für die Jahre 1700 bis 1790 dieser im ersten Monat verstorbenen getauften Kinder von 4,54 Prozent mit der für den gesamten Zeitraum angegebenen Prozentzahl von 11,7 aller verstorbenen Vierwochenkinder, so dürfte es sich

„Unglückliche" Geburten

161

bei der Differenz von 7,16 Prozent, also bei fast zwei Drittel der geborenen und in den ersten vier Lebenswochen verstorbenen Kinder um solche gehandelt haben, die entweder tot zur Welt kamen oder während und so schnell nach der Geburt verstarben, daß sie keine Nottaufe mehr erhalten konnten. 249 Die Zahlen für die oldenburgischen und französischen Dörfer deuten vor allem im Zusammenhang mit der Möglichkeit bzw. der Unmöglichkeit zur Nottaufe also darauf hin, daß zwischen fünf und sieben Prozent der geborenen Kinder entweder tot oder nur für eine ganz kurze Zeit lebensfähig zur Welt kamen. Noch 1950 lag der Prozentsatz der Totgeborenen in der Bundesrepublik bei 1,7 Prozent, die Säuglingssterblichkeit insgesamt bei 5,53 Prozent; 1976 war der Anteil der Totgeborenen auf etwa 0,6 Prozent und die Sterblichkeitsrate im ersten Lebensjahr auf etwa zwei Prozent gesunken. 250 Ebenso differenziert präsentiert sich das Bild bei einem Blick in die Kirchenregister einzelner Gemeinden und Pfarreien der saarländisch-lothringischen Regionen 2 "; und auch hier trifft man bei den vorliegenden demographischen Tabellen auf die oben bezeichneten Schwierigkeiten aufgrund der unterschiedlichen Bezugsraster. Für insgesamt 17 Gemeinden des heutigen Saarlandes gibt Imhof eine Sterbewahrscheinlichkeit der Säuglinge von der Geburt bis zum vollendeten ersten Lebensjahr von 15 Prozent für die Jahre 1740 bis 1800 und von 11,5 Prozent für die Jahre 1810 bis 1850, oder: von 15 Prozent für die Jahre 1740 bis 1760, von 16 Prozent für die Zeit von 1770 bis 1790, von 10,66 Prozent für 1800 bis 1820 und von 12,5 Prozent für den Zeitraum von 1830 bis 1850 an.252 Dagegen belaufen sich die Prozentzahlen etwa für das saarländische Remmesweiler von 1750 bis 1799 auf 14,92 Prozent und von 1800 bis 1849 auf 7,46 Prozent, während sie für die Stadt Metz im gesamten gleichen Zeitraum (1750-1850) zwischen neun und 9,5 Prozent schwanken. 253 Ein Vergleich mehrerer in Pfarreien organisierter Orte (28) des Saar-Pfalz-Raumes und Lothringens ergibt für den Zeitraum zwischen 1720 und 1850 einen Durchschnittswert, der in den Perioden 1720 bis 1750, 1750 bis 1790 und 1790 bis 1850 einen Anteil der verstorbenen Kinder an den insgesamt geborenen von 12 Prozent kaum überschreitet und damit sowohl unter den von Imhof ermittelten Werten bleibt wie auch am unteren Rande der Skala der Säuglingssterblichkeit in Deutschland anzusiedeln ist.254 Es ist nicht der Ort, die Gründe für die hier relativ günstige und im Vergleich zu süddeutschen Territorien um mehr als die Hälfte bis zu zwei Dritteln geringere Sterblichkeitsrate eingehend zu verfolgen. Ein Blick in die Geburts- und Sterberegister verrät jedoch eine weniger für einen bestimmten Zeitraum denn für jeweils eine Familie kontinuierliche Geburtenfolge im Abstand von zwei oder drei Jahren, was auf eine relativ lange und bei allen Geburten auch gleichermaßen praktizierte Stillzeit hindeutet. 255 Zugleich und als Argument für den tatsächlichen Zusammenhang von Fertilität und Stilldauer ist auszumachen, daß sich der Abstand zur nächsten Geburt um eine entsprechende Zeit verkürzte, wenn das letztgeborene Kind verstarb. 256

II. Ländliche Geburt

162

N o c h 1825 beklagte sich der Kreisphysikus des Amtes Hilbringen, Dr. Hansen, über die „äußerst schädliche Angewohnheit der stillenden Mütter, ihre Säuglinge mehr als 1, selbst zwei und drei Jahre von der brüst trincken zu lassen", ein gleichermaßen für Mutter und Kind nachteiliges Verhalten, welches allein „aus dem Vorurtheile, daß während der Stillungszeit keine neue Schwangerschaft eintreten könne", resultiere.257 Zusammen mit einem relativ hohen Heiratsalter bewirkten die Geburtenabstände eine Reduzierung der Geburtenzahlen, alle drei Faktoren fortgeschrittenes Alter bei Eheschließung, regelmäßige Geburtenabstände von zwei bis drei Jahren, verminderte Geburtenzahlen - möglicherweise auch die relativ niedrige Sterberate. Gemessen an der Zahl der Verstorbenen lag der Anteil der im Alter bis zu einem Jahr verstorbenen Kinder bei durchschnittlich 32 Prozent bis 1800, bei 23 Prozent zwischen 1800 und 1850, gemessen an den Geborenen bei 11,26 bzw. 12,28 Prozent. Bei jedem dritten bzw. vierten Begräbnis handelte es sich daher zwischen 1720 und 1850 um die Bestattung eines Kindes im Alter bis zu einem Jahr. Ort Merzig Dep. de la Moselle (68 Kantone) Allamps Leintrey Saint-Nicolas Fenetrange Metz

Neunkirchen

Spiesen

Regierungsbezirk Trier bei - : keine Angaben

Jahr

0-1 Jahr insgesamt Verstorbene

1693-1816 1789/90 1789/90

18,25% 23,80% 33,40%

1789/90 1789/90 1789/90 1789/90 1796-1800 1801-1805 1806-1810 1811-1815 1801-1810 1811-1820 1821-1830 1831-1840 1841-1850 1801-1810 1811-1820 1821-1830 1831-1840 1841-1850

61,40% 60,90% 21,90% 21,90% 19,90% 16,60% 17,00% 16,40% 20,20% 15,70%

1845 1864

22,31% 17,50%

-

24,30% 23,10% 22,30% 19,90% 27,80% 27,30% 23,00%

163

.Unglückliche" Geburten

Aufschlußreicher für die Einordnung des Kindstodes um die Geburt ist eine Analyse der differenziellen Säuglingssterblichkeit, die zwischen Totgeborenen, bei der Geburt und bis zu einem Monat ( O - I M ) oder bis zu einem Jahr ( 1 M 1J) danach verstorbenen Kindern unterscheidet und auch bei den Verstorbenen im ersten Monat den Ablauf von Tagen, bei den im ersten Lebensjahr Verstorbenen die Konzentration auf Monate mitberücksichtigen kann. Mit dieser detaillierteren Untersuchung, die nur bei einer außergewöhnlich präzisen Dokumentation in den Sterberegistern gelingt258, ergibt sich für mehrere Pfarreien des Saar-Pfalz-Raums und Lothringens für den Anteil an Totgeburten eine wellenartige Auf- und Abwärtsbewegung, die zwischen 1720 und 1750 - immer gemessen an allen Geburten - ähnlich wie bei Läget bei 0,14 Prozent liegt, zwischen 1750 und 1790 auf 0,97 Prozent steigt, dann zwischen 1790 und 1850 wieder auf 0,68 Prozent sinkt und schließlich ab 1850 bis etwa 1900 auf nie zuvor erreichte 3,5 Prozent ansteigt. Vergleicht man das Intervall von 1720 bis 1750 mit jenem von 1750 bis 1790, so vermitteln ebenso die Prozentzahlen der am Tag der Geburt verstorbenen Kinder (1720-1750: 0,5%, 1750-1790: 1,18%), der bis zum zehnten Tag verstorbenen (1720-1750: 0,71%, 1750-1790: 2,6%), der bis zum zwanzigsten (1720-1750: 0,29%, 17501790: 0,9%) und der bis zum dreißigsten (1720-1750: 0,32%, 1750-1790: 0,8%) Tag nach der Geburt verstorbenen Kinder einen Aufwärtstrend. Dabei steigt die Zahl der Totgeborenen ab 1750 um das siebenfache, die der am Tag der Geburt und der vom zwanzigsten bis dreißigsten Tag danach verstorbenen um das Zwei- bis Dreifache, die der in den ersten zehn und von dann bis zu den ersten zwanzig Tagen verstorbenen Kinder um das Dreifache. Insgesamt starben von allen Geborenen der Jahre 1720 bis 1750 im ersten Lebensmonat etwa 3,74 Prozent, in den Jahren 1750 bis 1790 dagegen schon 4,73 Prozent. Von allen Geborenen starben die meisten nicht bei der Geburt oder am Tag der Geburt, sondern zwischen einem und zehn Tage nach der Niederkunft, eine Tendenz, die sich seit 1750 von 0,71 Prozent auf 2,6 Prozent enorm ver.. 1 259 stärkte. a) Tot geborene

16901720 — -

-

0,25% -

17211750

17511790

0,18% 0,40%

0,90% 0,10%

-

keine keine

1,49% 2,36% keine

17911850

-

-

-

-

-

-

-

-

-

0,97%

3,50%

gesamt

-

-

0,14%

4,71% 5,16% 2,52%

-

-

0,68%

(0,68%)

Orte Winterbach Walsheim Remigiusberg St. Johann Lambsborn RegierungsBezirk Trier Merzig

-

-

0,25%

18511900

1,63% -

164 b) Tag der Geburt

II. Ländliche Geburt 16901720

17211750

17511790

1,00%

0,18% 0,20% 1,52% 0,11%

0,54% 0,30% 4,83% 0,11% 0,15%

17911850

18511900

-

5,91

c) bis 10 Tage

d) bis 20 Tage

e) bis 30 Tage

(1,00%)

0,50%

1,18%

16901720

17211750

17511790

1,00%

1,27% 0,30% 0,57%

2,90% 1,00% 0,29% 2,04%

(1,00%)

0,71%

2,60%

-

-

16901720

17211750

17511790

17911850

18511900

keine

0,36% 0,30% 0,22%

1,81% 0,40% 0,29% 1,10%

-

0,29%

0,90%

-

-

16901720

17211750

17511790

17911850

18511900

0,36% 0,40% 0,22% 1,02%

1,81% 0,20% 0,17%

-

0,32%

0,80%

-

keine

-

-

17911850

Orte

Winterbach Walsheim St. Johann Lambsborn RegierungsBezirk Trier

(5,91%) gesamt

18511900

-

-

-

-

Orte Winterbach Walsheim Lambsborn Dudweiler gesamt

Orte Winterbach Walsheim Lambsborn Dudweiler gesamt

Orte Winterbach Walsheim Lambsborn Dudweiler gesamt

165

.Unglückliche" Geburten

f) bis 1 Monat

16901720

17211750

17511790

2,26%

2,35% 1,60% 2,96% 1,14%

7,98% 1,49% 8,98% 0,89% 4,32%

(2,26%)

3,74%

4,73%

17911850

18511900

-

-

-

-

Orte Winterbach Walsheim St. Johann Lambsborn Dudweiler gesamt

Unter den insgesamt verstorbenen Kindern und Erwachsenen befanden sich 1720 bis 1750 etwa sechs Prozent und zwischen 1750 und 1790 etwa neun Prozent tote Kinder im ersten Lebensmonat. Betrachtet man das erste Lebensjahr detaillierter, so fällt dagegen auf, daß sich die Sterblichkeit vom Beginn des zweiten bis zum sechsten Monate nach der Geburt mit der des sechsten bis zwölften Monats durchaus die Waage hielt: In Walsheim etwa verstarben von allen Geborenen zwischen 1705 und 1795 durchschnittlich 2,9 Prozent im zweiten bis sechsten und 2,76 Prozent im siebten bis zwölften Monat. Bedeuteten in den ersten sechs Lebensmonaten die drei bis vier ersten Monate ein erhöhtes Sterberisiko, so verzeichnen im zweiten Halbjahr nach der Geburt der siebte und achte sowie besonders der zwölfte Lebensmonat einen Anstieg der Sterblichkeit auf einen Prozentsatz, der sich dem im dritten Monat nach der Geburt annähert. Für Walsheim (1720-1790) in Monaten: 0-1

1-2

2-3

3-4

4-5

5-6

6-7

7-8

8-9

31

10

13

12

10

9

11

14

13

9-10 10-11 11-12 7

7

20

1,40% 0,45% 0,58% 0,54% 0,45% 0,40% 0,49% 0,64% 0,58% 030% 0,30% 0,90% 18,90% 6,00% 7,92% 7,31% 6,00% 5,48% 6,70% 8,53% 7,92% 4,26% 4,26% 12^0%

Für Lambsborn

(1720-1790) in Monaten:

0-1

1-2

2-3

3-4

4-5

5-6

6-7

7-8

8-9

34

21

11

12

8

10

11

16

5

9-10 10-11 11-12 8

6

5

1,15% 0,71% 0,37% 0,40% 0,27% 0,27% 0,37% 0,54% 0,17% 0,27% 0,20% 0,17% 23,12% 14,28% 7,48% 8,84% 5,44% 5,44% 7,48% 10,80% 3,40% 5,44% 4,08% 3,40%

166

II. Ländliche Geburt

Für Winterbach (1720-1790) in Monaten: 0-1

1-2

2-3

3-4

4-5

5-6

6-7

7-8

8-9

9-10

58

33

18

23

9

12

13

6

9

8

10-11 1 1 - 1 2 8

22

3,44% 1,%% 1,66% 1,36% 0,53% 0,71% 0,77% 0,35% 0,53% 0,83% 0,47% 1,30% 25,77% 14,66% 8,00% 10,22% 4,00% 5,33% 5,77% 2,66% 4,00% 6,22% 3,55% 9,77% Für Walsheim, Lambsborn und Winterbach: erste Reihe: absolut zweite Reihe: aller Geborenen in Prozent dritte Reihe: aller verstorbenen Kinder zwischen 0 - 1 Jahr in Prozent

Insgesamt für alle drei Orte (1720-1790) in Monaten: 0-1

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10-11 1 1 - 1 2

1,99% I,04% 0,87% 0,76% 0,76% 0,41% 0,48% 0,54% 0,50% 0,52% 0,46% 0,79% 15,27% II,64% 7,80% 8,79% 8,79% 5,14% 5,87% 6,65% 7,33% 5,10% 5,30% 8,45% erste Reihe: aller Geborenen in Prozent zweite Reihe: aller verstorbenen Kinder zwischen 0-1 Jahr in Prozent

Was bedeuten diese Zahlen und Prozentsatzreihen nun für die Wahrnehmung des frühen Kindstodes? Welche Anhaltspunkte geben sie im Hinblick auf ein allgemeines mentales Klima um Geburt und Tod und die Präsenz des Todes von Säuglingen? Der frühe Kindstod hatte zumeist keine unmittelbar in Zusammenhang mit der Geburt stehenden endogenen Ursachen, sondern trat innerhalb der ersten vier Wochen nach der Geburt am häufigsten zwischen dem ersten und zehnten Tag ein, eine Tendenz, die sich seit 1750 verstärkte. Insgesamt nahm der Anteil der im ersten Monat verstorbenen Kinder (ohne Totgeborene und am ersten Tag Verstorbene) ebenfalls um die Mitte des 18. Jahrhunderts sowohl im Hinblick auf die Geborenen (um etwa ein Viertel) und besonders im Hinblick auf die Verstorbenen (um etwa ein Drittel) zu. Bei einer Vermehrung von etwa 25 auf 33 Prozent handelt es sich um Proportionen, die vermuten lassen, daß einerseits für die betroffenen Familien, für Nachbarn und Verwandte der Anstieg des Todes von Vierwochenkindern durchaus wahrnehmbar wurde, daß er jedoch ebenso für alle sichtbar war an der deutlichen Zunahme ihrer Begräbnisse. Waren vor 1750 unter hundert Beerdigungen für verstorbene Kinder zwischen einem Monat und 17 Jahren sowie für die Erwachsenen etwa sechs „Kindbetterkinder", so erhöhte sich deren Zahl ab 1750 auf neun von hundert Bestattungen. Die verstärkte Aufsicht über die Geburtshilfe, über heimliche Schwangerschaften und Kindsmord, die ebenfalls um 1750 bis 1760 einsetzte, kann

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durchaus als eine Reaktion auf die tatsächlich höhere Sterblichkeit von Vierwochenkindern, die als solche in den Familien, im Dorf oder der Pfarrei deutlich bemerkbar war, interpretiert werden. Durch die Erhöhung der Sterblichkeit der Kindbetterkinder und umgekehrt vor allem im Zusammenhang mit dem Rückgang der Todesfälle von Kindern ab dem ersten bis zum zwölften Lebensmonat verband sich somit die Vorstellung vom toten Kleinkind seit spätestens 1750 weit mehr als zuvor mit dem neugeborenen Säugling in den ersten Lebenswochen. Es war nicht nur die Zahl der totgeborenen oder wenige Stunden nach der Geburt lebensunfähig gestorbenen Neugeborenen, die sich nach 1750 zudem erhöhte, vielmehr hatte sich ebenfalls das Sterberisiko der zehn bis zwanzigtägigen Kinder verdreifacht. Möglicherweise ist im Anstieg der um die Geburt verstorbenen Neugeborenen ein Grund dafür zu sehen, daß gerade im 18. Jahrhundert einerseits der Besuch vieler mittelalterlicher Wallfahrtsstätten, deren Heilige eine Wiederbelebung toter Neugeborener bewirken konnten, eine neue Hochkonjunktur verzeichneten und andererseits die Diskussion um die Sonderbestattung der ungetauften Neugeborenen erstmals offiziell aufflammte. Im vermehrten Sterben der mehrtätigen und mehrwöchigen Kinder mag der Anlaß gelegen haben, daß in dieser Zeit die Debatte um eine einfache Bestattung und die eingeschränkte Betrauerung der unter fünfjährigen Kinder zu vielfachen Widerständen führte. 260 Bei den Todesursachen fällt die Uberrepräsentanz von Totgeburten im Zusammenhang mit Zwillingsgeburten auf, die sowohl für die Mütter als auch die Kinder ein besonderes Risiko bargen und zu den „harten" Geburten zählten. Bei über 50 Prozent aller Totgeburten handelte es sich um entweder einen oder beide Zwillingsgeborenen. 261 Die Ortsgeistlichen, die in allen anderen Fällen sowohl in den Geburts- wie Sterberegistern die Todesursache der Neugeborenen ebenso wie bei erwachsenen Verstorbenen genau notierten - etwa an welcher Krankheit das Kind verstarb, wie alt es war, wenn es „unzeitig" zur Welt kam oder wie verunstaltet, wenn es sich um eine Mißgeburt handelte - enthielten sich bei Totgeburten jeder Beurteilung. Eine gerichtliche oder medizinische Untersuchung, die hier näheren Aufschluß geben könnte, fand in diesen oder bei Sterbefällen kurz nach der Geburt bis ins ausgehende 18. Jahrhundert auf dem Land in der Regel ebenfalls nicht statt. Bei den Kinderkrankheiten mit Todesfolge gaben jene den Ausschlag, die gerade epidemisch grassierten, wobei Kinderblattern (Pocken), „Purpein" (Scharlach), „Gichtern" (Fieberkrämpfe oder „Fraisen") und Röteln zu den am meisten genannten Erkrankungen des 17. Jahrhunderts, ebenfalls Kinderblattern, Scharlach, Röteln und Steckfluß zu den meistauftretenden des 18. Jahrhunderts zählten und Darmkrankheiten an der Spitze derjenigen des 19. Jahrhunderts standen. 262 So starben etwa 1760 in St. Johann 29 Kinder im Alter von einem Monat bis zu 16 Jahren sowie fünf der insgesamt 46 Neu-

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II. Ländliche Geburt

geborenen an Scharlach. Ein Kind war tot zur Welt gekommen und ein weiteres mehrere Wochen nach der Geburt verstorben. Als zwischen 1762 und 1763 Fleckfieber auftrat, verstarben von den über einen Monat alten Kindern fast doppelt so viele wie durchschnittlich in den zwanzig Jahren zuvor, von den Vierwochenkindern dagegen nicht mehr als in epidemiefreien Jahren, was auf eine altersspezifische Anfälligkeit bei dieser Seuche hindeutet.263 1768 war die Ruhr die Ursache der hohen Kinder- und Säuglingssterblichkeit: Diesmal kamen über doppelt so viele Neugeborene bis zum ersten Lebensmonat zu Tode wie durchschnittlich in den zwanzig Jahren zuvor.264 Eine deutliche Korrelation zwischen frühem Kindstod und bestimmten Krankheiten, besonders Kinderblattern und Durchfallerkrankungen wird sichtbar: Insgesamt standen an absolut erster Stelle der epidemischen Krankheiten, die im 18. Jahrhundert zum Tod von Neugeborenen und Säuglingen führten, die Kinderblattern, gefolgt von „Scharlach-Geschwulst" und Röteln; „Gichtern", „Steckfluß" (Atmungsinsuffizienz), „hitzige Krankheiten" und entzündete Wunden verursachten als häufigste Erkrankungen den frühen Tod.265 Weit größere Schwierigkeiten birgt der Versuch einer Ermittlung der während einer Geburt, kurz danach und im Wochenbett verstorbenen Mütter, da einerseits gestreute Statistiken für das 17. und 18. Jahrhundert fehlen, andererseits die Kirchenregister, wenn sie den Kindbettod als Ursache benennen, häufig keine präzise Zeitangabe machen, sodaß eine Rekonstruktion anhand der Geburtsregister erforderlich wird.266 Aber auch nur in sehr vorbildlich geführten Geburts- und Sterberegistern macht es der zeitliche Vergleich zwischen der Geburt des Kindes und dem Tod der Mutter möglich, diese Lücke zu füllen. Für fünf französische Orte kommt Läget zu dem Ergebnis, daß von 1650 bis 1790 zwischen 0,2 und 1,4 Prozent der Gebärenden ihr Leben während der Geburt und im Kindbett verloren, was einem Anteil von einem bis sieben Pozent der verheirateten Frauen entspreche.267 Im Vergleich zur Mortalität der Männer zwischen dem 15. und 49. Lebensjahr konstatiert Läget keine Übersterblichkeit der Frauen der gleichen Altersgruppe. Auch Imhof ermittelt für mehrere deutsche Gemeinden zwischen 1780 und 1899 einen Prozentsatz von 1,52 bzw. 1,58 der im Kindbett verstorbenen Frauen gemessen an der Gesamtzahl der verheirateten Frauen und Mütter, von 1,22 Prozent gemessen an den Geburtenzahlen.268 In vier württembergischen Orten konnte Maisch eine Mortalität von Kindbetterinnen bis zum 41. Tag nach der Geburt im Verhältnis zu den Geburten von 0,9 Prozent für 1550 bis 1664, von 0,62 Prozent für 1655 bis 1759 und von 1,03 Prozent für den Zeitraum zwischen 1760 und 1829 ausmachen. Für das Kirchspiel Belm ergab sich bei Schlumbohm eine Müttersterblichkeit innerhalb der ersten 60 Tage nach einer Geburt und gemessen an der Geburtenstatistik von 0,94 Prozent zwischen 1711 und 1740, von 1,5 Prozent zwischen 1741 und 1770, von 0,89 Prozent für die Jahre 1771 bis 1800 und von 0,98 Prozent im Zeitraum von 1801 bis

„Unglückliche" Geburten

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1830269, Werte, die ähnlich auch für Frankreich, einige nordische Länder, Belgien und etwas niedriger für England und Schweden ermittelt wurden. 270 Nach diesen Ergebnissen starben in Mittel- und Nordeuropa nach 1750 deutlich weniger als zwei von hundert Frauen (2 %), die ein Kind zur Welt brachten, während der Geburt oder im Kindbett; vor 1750 fanden dagegen nur sechs bis neun von tausend Niedergekommenen (0,6-0,9 % ) den Tod, also weniger als die Hälfte. Im ersten Moment mögen diese Ergebnisse aufgrund ihrer niedrigen Werte irritieren; unsere allgemeinen Implikationen zum Kindbettod speisen sich denn auch weit eher aus Schilderungen, die das 19. Jahrhundert im Zusammenhang mit dem Kindbettfieber überliefert hat. Dennoch bewegen sich auch bei genauerer Betrachtung im 19. Jahrhundert die Prozentwerte bezogen auf die Geburtenzahlen zwischen einem und zwei Prozent, da die wenigsten Frauen schon in dieser Zeit in Gebärhäusern oder Hospitälern entbanden, in denen das Kindbettfieber vermehrt auftrat. 27 ' Die Tatsache, daß die Sterblichkeit der Neugeborenen mit der der Mütter zumeist korrespondiert, gründet zum einen in einer Verbindung zwischen Totgeburten und „harten Geburten" und einer höheren Sterbewahrscheinlichkeit der Mutter; zum anderen ergibt sich diese Bedingtheit aus der höheren oder niedrigeren Anzahl der Geburten jeder vollständigen Ehe.272 Da Säuglingssterblichkeit und Geburtenzahlen im Saar-Pfalz-Raum als vergleichsweise niedrig und am unteren Ende der Skala einzustufen sind, ist deshalb zunächst auch von einer geringeren Müttersterblichkeit auszugehen. Das Sterberegister von St. Johann etwa gibt für die Zeit von 1753 bis 1774 bei sieben Frauen an, sie seien im Kindbett gestorben 273 ; zwar erwähnt das Geburts- und Taufregister derselben Zeit mehrfach Frauen, die unter größter „Gefahr" und in „schwerer Krankheit" niedergekommen seien und deren Kinder notgetauft werden mußten, doch erscheinen diese Frauen bis 90 Tage nach der Geburt nicht im Sterberegister. 274 Waren somit die erwähnten sieben Frauen diejenigen, die tatsächlich im Kindbett den Tod fanden, so verstarben bei insgesamt 944 Geburten in diesem Zeitabschnitt 0,74 Prozent derjenigen Frauen, die ein Kind zur Welt gebracht hatten, während und nach der Geburt. Unter den im Alter von 17 bis 50 Jahren gestorbenen Frauen nahmen sie 7,44 Prozent ein, unter den insgesamt in dieser Periode verstorbenen Erwachsenen 2,18 Prozent. Für die Gemeinden Bischmisheim, Fechingen und Eschringen verzeichnet das Sterberegister zwischen 1695 und 1745 drei verstorbene Kindbetterinnen, während das Geburtsregister ebenfalls keine Eintragungen über während der Geburt gestorbene Frauen enthält. Bei insgesamt 475 Geburten entspricht dies einem Anteil von 0,63 Prozent. In den Jahren 1745 bis 1776 werden dagegen bereits elf verstorbene Kindbetterinnen aufgeführt, was bei insgesamt 836 Geburten einem gegenüber der früheren Periode erhöhten Anteil von 1,31 Prozent entspricht. 75 In den Gemeinden Malstatt, Burbach, Fischbach, Rußhütte, Ludwigsberg, Rastpfuhl und

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II. Ländliche Geburt

Großwald starben zwischen 1768 und 1788 wiederum vier von 372 Frauen, die ein Kind gebaren, im Kindbett, also 1,07 Prozent der Niedergekommenen.276 Wie unterschiedlich die Müttersterblichkeit sein konnte, zeigen auch die Berechnungen für die sechs Orte der Pfarrei Walsheim, in denen zwischen 1755 und 1798 nur fünf Frauen, d.h. 0,47 Prozent derjenigen, die ein Kind geboren hatten, im Wochenbett starben, sowie für die fünf Orte der Pfarrei Winterbach, in denen zwischen 1750 und 1798 elf Frauen, mithin 0,97 Prozent der Niedergekommenen bei Geburten und im Kindbett zu Tode kamen.277 Betrachtet man den Todeszeitpunkt eingehender, so verstarben zirka 28 Prozent der Frauen während und kurz nach einer Geburt, weitere 18 Prozent am ersten bis zum zehnten Tag nach der Niederkunft, rund 13 Prozent zwischen dem elften und zwanzigsten Tag und schließlich 41 Prozent der Frauen nach dem zwanzigsten bis zum 61. Tag nach der Geburt.278 Auffallend ist bei dieser Verteilung der hohe Prozentsatz der einerseits während oder kurz nach der Geburt und der im Abstand von drei bis sieben Wochen in Folge der Geburt verstorbenen Mütter. Das Risiko der Müttersterblichkeit multiplizierte sich damit einerseits in den „Kindsnöten", also bei Komplikationen während der Schwangerschaft und der Geburt: Bei etwa 58 Prozent, also weit über der Hälfte der Fälle, in denen die Mutter bei und bis einen Tag nach der Geburt verstarb, waren Tot-, Früh- und Zwillingsgeburten vorausgegangen.279 Und die Sterblichkeit stieg wiederum nach den ersten drei Wochen stark an, was auf Infektionen nach der Geburt mit ihrer klassischen Inkubationszeit von neun bis zehn Tagen und ihrem bis vierwöchigen Verlauf verweist.280 In den Kirchenregistern genannte Todesursachen sind, wenn es sich um Erkrankungen handelt, denn auch zu allererst „Muttergichtern" und „hitzige Krankheiten" als Folgen von Entzündungen und bakteriellen Infektionen. Das Risiko, während oder an den Folgen einer Geburt zu sterben, scheint mit dem Alter der Niedergekommenen gestiegen zu sein. Das Durchschnittsalter aller verstorbenen Frauen belief sich auf 30,52 Jahre, wobei die Altersgruppe der 17 bis 22jährigen zu 7,89 Prozent, die der 23 bis 28jährigen zu 28,94 Prozent, die der 29 bis 33jährigen mit 15,78, die der 34 bis 38jährigen mit 21,05 Prozent und die der über 38jährigen mit 18,42 Prozent betroffen war. Bei 43,75 Prozent der verstorbenen Frauen handelte es sich etwa in den Gemeinden Winterbach und Walsheim aber zugleich um Erstgebärende, bei 12,5 Prozent um Drittgebärende, bei ebenfalls 12,5 Prozent um Viertgebärende, bei 25 Prozent jedoch um Fünft- bis Achtgebärende. Die erste Niederkunft barg daher ein besonderes Risiko, und auch die Mortalität ab der vierten Geburt und mit entsprechend höherem Lebensalter der Mutter erfuhr wiederum einen drastischen Anstieg. Der Kindbettod, so vermitteln es die Zahlen und Relationen, war insgesamt weniger die direkte Folge einer aktuell „unglücklich" verlaufenen Geburt - dafür spricht auch die Tatsache, daß die Kinder der verstorbenen

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„Unglückliche" Geburten

Frauen in den meisten Fällen überlebten. Er ist vielmehr als Folge einer bereits latent vorhandenen und durch die Belastung einer erneuten Geburt verstärkten körperlichen Schwächung jener Frauen zu bewerten, die sowohl mehrere Geburten in schneller Folge hinter sich und noch kleine Kinder zu betreuen hatten, als auch voll im Arbeitsleben standen. Die meisten Todesursachen deuten auf Entzündungen hin, die diese Frauen nicht überlebten, sei es, weil die eigenen Abwehrkräfte nicht ausreichten oder weil sie das Kindbett zu früh verließen, um ihren Haushalt und die Kinder zu versorgen. Diese Annahme bestärkt ein Blick in die Sterberegister und auf die Gruppe der Frauen, die nicht infolge einer Geburt, aber vor dem 55. Lebensjahr verstarben. Von ihnen hatten etwa in der Pfarrei Winterbach zwischen 1719 und 1798 die allermeisten, wenn sie im Alter von 32 bis 54 Jahren verstarben, bereits zwischen fünf und 14 Kinder geboren.281 „Crescenz Dalber geborene Bopp von hier", so notierte in den 80er Jahren des 18. Jahrhunderts Pfarrer Bracken aus Hüttersdorf in sein Kirchenbuch, „unterlag der Hand des Todes in einem Alter von 40 Jahren 8 Monaten und 20 Tagen. Sie starb, als sie eben zum zwölften Male Mutter geworden war. Sie mußte fort von der Seite ihres Mannes, aus dem Kreis ihrer Kinder, ohne das jüngste recht gesehen, ohne den Namen „Mutter" aus seinem Munde gehört zu haben, fort mußte sie von unversorgten, großentheils unerzogenen Waisen, fort unter namhaften Schmertzen, unter bangen Ahnungen, unter schweren Bekümmernissen ... zu schnelle verloren sich leider ihre Kräfte ...". 2i2

Mit „ schwachem Leben zur Welt geboren " - sterbende

Neugeborene

Die Kirchenbücher lassen erkennen, daß die bei der Geburt anwesenden Frauen in den meisten Fällen einschätzen konnten, ob das Neugeborene überlebensfähig war oder nicht. Ebenso geben gerade die Kirchenbucheinträge Einblicke in das Verhalten, die Emotionen und konkreten Maßnahmen im Falle einer „unglücklichen" Geburt. Nur selten ließ man ein Kind ungetauft, das kurze Zeit später dann auch verstarb, und wenige Kinder wurden notgetauft, die die ersten Monate überlebten. Bei Katholiken wie Lutheranern galt die Nottaufe als erster und letzter Dienst, als Aufnahme des Kindes in die Gemeinschaft der Gläubigen zur Erlangung des Seelenheils. In den calvinistischen Gemeinden achtete die Ortsgeistlichkeit umgekehrt darauf, daß keine Nottaufen stattfanden, während die Bevölkerung dieser Anordnung recht gespalten gegenüberstand. Das Bürgertum in den Städten und die dörflichen Honoratioren hielten zwar weitgehend an der Glaubensregel fest, daß auch ungetauft verstorbenen Kindern die Seligkeit gewiß sei, in den bäuerlichen und handwerklichen Familien auf dem Land kam es auf Initiative der Kindsmutter oder der weiblichen Verwandten aber oft genug vor, daß eine katholische Hebamme gerufen wurde, oder die Frauen eine Not-

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II. Ländliche Geburt

taufe selbst gegen den Widerstand des Hausvaters vornahmen. Die calvinistischen Ortsgeistlichen erklärten diese Jähtaufen zwar in jedem Falle für nichtig, für die Familien bedeuteten jedoch erst sie, ebenso wie im katholischen oder lutherischen Bereich, eine Garantie zur Erlangung des Seelenheils ihrer Kinder. Es habe in Bierbach eine Frau reformierter Religion mit Hilfe einer katholischen Hebamme entbunden, welche, sobald der Vater des Kindes aus der Stube gegangen sei, um „den Ofen einzuheizen", sich unterstanden habe, das schwächliche Kind sogleich zu taufen, so berichtete 1750 entrüstet der Ortsgeistliche dem Oberkonsistorium. 283 Und auch in Methard hatten die bei einer Geburt anwesenden Frauen die lutherische Amme zur Nottaufe des „gar schwachen" Kindes gedrängt; als sich diese weigerte, weil es doch bei den Calvinisten „nicht brauchlich" sei, habe man sogleich den örtlichen Schulmeister zur Nottaufe überredet, welcher das Kind „im Nahmen der Heiligen Dreyfaltigkeit, nachdem er die articul des christlichen glaubens nacheinander erzehlet und das Gebett des Herrn mit dem Umbstand gesprochen", gesegnet und getauft habe.284 Zahlreiche dieser Vorfälle setzten schon um die Mitte des 17. Jahrhunderts und wieder um 1760 unter den Kirchenvertretern vehemente Diskussionen darüber in Gang, ob „weibern von andern religionen, eben wie deren Pfarrern verbotten werde, sich in unsere religions geschäfte zu mengen". Die „papistische" Nottaufe, so mußte man freilich auch im 18. Jahrhundert noch einsehen, sei bei den Gläubigen dennoch hochgeschätzt, während ihre Auslassung oder gar eine spätere Um- oder Wiedertaufe „für anstößig" gehalten werde.285 Schon 1590, als in Becherbach im zweibrückischen Oberamt Meisenheim Pfarrer Johannes Urius von der Kanzel eine „feurige Ermahnung" zu l.=Kor. 14,34 mit den Worten ausklingen ließ, „daß der Jahtauff, so von den Weibern geschehe, als ein unnötig Ding in der Kirche aufgehoben und abgeschafft werden möge", hatte man ihm kurzerhand untersagt, über „solche dem gemeinen Volk unverständige Dinge zu predigen", wodurch mehr Arger denn Nutzen bewirkt werde.286 Auch die anläßlich der Taufe durch den Schulmeister von Methard von Insepktor Höler vor den Einwohnern der Pfarrei gehaltene Predigt über den „irrthumb von dem Jähetauf nach Matt. cap. 28, ν. 19 et 20", der die förmliche Wiedertaufe des Kindes in der Kirche folgte, brachte keinerlei Einsicht, wie weiterhin und dennoch praktizierte Nottaufen zuverlässig versichern.287 In den katholischen Gemeinden war die Nottaufe ein reines Frauenritual, durchgeführt von der Hebamme und den Helferinnen. Die Geistlichkeit überließ unter der Annahme, daß die anwesende Hebamme vom Pfarrer unterwiesen worden war und einen Eid abgelegt hatte, dieses priesterliche Amt den Frauen ohne weitere Kontrolle. Erwünscht war seitens der Kirchenordnungen eine ausdrückliche Zeugenschaft mehrerer Frauen bei diesem Akt, der damit im katholischen Bereich auch offiziell als einer der vielen weiblichen Gemeinschaftsrituale während der Geburt Akzeptanz fand.288

„Unglückliche" Geburten

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Anders war dies in den lutherischen Gemeinden: Hier sahen die Kirchenordnungen vor, daß in jedem Falle zunächst ein Geistlicher verständigt werden müsse, und nur im akuten Notfall die Hebamme oder andere Personen eine Nottaufe vornehmen sollten. „Die Weiber hätten", so gab 1708 eine Frau aus Schiffweiler nach dem Tod ihres Kindes an, ihr schwaches Kind direkt nach der Geburt, „weil kein Pastor zu bekommen, gejähtaufft". 28 ' Umgekehrt notierte Pfarrer Bartheis aus Dudweiler zuweilen in seinem Geburtsregister, er habe noch zur rechten Zeit ein sehr schwaches Kind notgetauft, weil die anwesenden Frauen „es nicht vor zeitig gehalten" oder we^en anderer Anzeichen um sein Überleben gefürchtet und ihn gerufen hätten. 9 0 Die Taufe hatte auch hier wie bei den Katholiken nur Gültigkeit, wenn das Kind noch lebte und wenn das Taufritual nach den kirchlichen Bestimmungen durchgeführt worden war, was von den lutherischen Geistlichen jedoch allerorts überprüft wurde. So auch im folgenden, vom Burbacher Ortsgeistlichen geschilderten Falle von 1759, der erste Einblicke in eine derartige Notsituation vermittelt: Nach der nachmittäglichen Geburt des Sohnes des örtlichen Schuhmachers wurde das Kind „wegen anscheinenden baldigen abscheidens in Eyl von Anna Eva Hörin in beysein Margaretha Hörin und Anna Margaretha Klein ... getauft, welcher tauf actus so fort, als ich [der Geistliche] herbey geholt und examiniert hatte, nach maßgabe der Kirchenordnung ... approbat, welches nach 9 Stunden starb ...". 2 " Und auch der St. Arnualer Geistliche überprüfte mehrmals die durchgeführten Nottaufen: Er habe die 1730 von der Hebamme „in Gegenwart Catharina bachmeyerin" vollbrachte Jähtaufe eines „unzeitigen" Kindes am folgenden Tag „öffentlich" untersucht, „gleich wie viele andere also richtig gefunden und bestätiget", jedoch sei das Kind nur noch sieben Tage am Leben geblieben; viele andere Nottaufen hatte er ebenfalls „nach anweisung der Kirchenordnung untersucht" und „gültig erfunden". 2 ' 2 Schwierigkeiten machte es den calvinistischen wie auch den lutherischen Pfarrern, wenn die in der Gemeinde tätige Hebamme - was in gemischtkonfessionellen Gebieten wie dem Saar-Pfalz-Raum nicht selten vorkam - katholischen Glaubens war, eine Nottaufe nach katholischem Ritus und zusätzlich bei einem nicht vollständig geborenen Kind vollzogen hatte. Für einen „Gewissensfall" hielt es der lutherische Pfarrer von Lembach, als ihm 1760 zu Ohren kam, daß die zu einer Niederkommenden in „harten Kindsnöten" gerufene katholische Amme des Ortes das „zu gebährende Kind sobald dessen Köpflein inutero matris in etwas zum Vorschein gekommen ware", im Namen der Dreifaltigkeit mit Wasser besprengt habe. Ob aber „jene Bespritzung, dabey die Verba Institutionis gebraucht worden", tatsächliche als Taufe gelten könne und „rechtmäßig" sei, zumal das Kind „hinderher frisch zur Welt gebohren" worden sei, bezweifle er doch sehr. Superintendent Bachmann und Inspektor Wirth vom Zweibrücker Konsistorium, die der Pfarrer in dieser Angelegenheit zu Rate zog, vertraten denn auch die Ansicht ihrer Kirche, ein nicht „völlig zur

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II. Ländliche Geburt

Welt gebohrenes" Kind, von welchem niemand wissen könne, „ob es ein Mensch oder ein Monstrum" sei, habe nur „den schein der tauffe, durchaus aber keine wahre [Taufe]" erhalten, weshalb der Pfarrer zu ihrer Erneuerung verpflichtet sei, selbst wenn dies in der Gemeinde als „Anzüglichkeit" aufgefaßt und „Anstoß" daran genommen oder „übel davon" geredet werde. Daß die lutherische im Gegensatz zur katholischen Lehre darauf bestand, nur ein „gebohrener Mensch und eine Substantiam Separatam" könne getauft werden, nicht jedoch ein ungeborenes Kind, welches noch mit seiner Mutter „contrahiert"293, war eine der Bevölkerung uneinsichtige Unterscheidung, führte möglicherweise aber gerade in lutherischen Gemeinden dazu, daß besonderer Wert auf eine wenn auch noch so schwierige und gewaltsame „Ablösung" des Kindes von seiner Mutter gelegt wurde. Festzuhalten bleibt, daß die Bewohner aller - ob katholischer oder protestantischer - Gemeinden großen Wert auf die Spendung der Jähtaufe bei komplizierten Geburtsverläufen legten, um im Todesfalle ihrem Kind nicht nur das Seelenheil, sondern auch eine Grabstätte auf dem örtlichen Kirchhof und in geweihter Erde zu garantieren. Ein sterbendes Kind brachte die anwesenden Helferinnen häufig in „große Angst", in „großen Schrecken", in „Bestürzung", Sorge und „Eyl", wie es in den Quellen heißt. Von der in einer solchen Situation auftretenden großen Verwirrung berichten die Ortsgeistlichen wie folgt: „Den 28. Juli 1666 ist Meister Nicolauß Bekern und seiner Haußfrau ein Söhnlein mit schwachem Leben zur Welt geboren und von etlichen Weibern, als Luden Greten, ihrer Mutter und Hanß Georg Hohlen Hausfrau mit großem Schrekken des nachts zwischen 12 und 1 uhren gejähtauffet worden, weil aber in solcher angst der nähme des Herrn nicht über es ahngeruffen worden, auch kein namen ertheilet, habe ich zwischen 12 und ein Uhr in der Nacht wieder getauft, weil es noch bei ziemlichem leben, und ihm den Namen geben Hans Michael, ist auch ein halbe stund hernach verschieden ... Gott mache eine fröhliche Auferstehung".294 Anzeichen von großer, „besorglicher" oder „tödtlicher Schwachheit", von Mißbildungen oder „Unzeitigkeit" animierten in jedem Falle zu sofortigem, manchmal überstürztem Handeln: „so gleich nach der Geburt", „alsobald nach der Geburt", „sobald nach seiner leiblichen Geburt" oder „in der viertel stund auf die geburt"295 hätten die anwesenden Frauen in aller Eile ohne „große Auswahl der gevatter Leute", ja in „größter Sorge" um sein schwaches Leben, dem Neugeborenen das Taufsakrament gespendet.296 Meister Johann Joseph Sandeins und seiner Frau Töchterlein war 1681 „von der Frau Stadtschreiberin in der Eyl bevorstehender Gefahr halber, doch recht ex nomine Sancta Trinitatis" getauft worden;297 in vielen anderen Fällen hatte man aufgrund der zur Eile heischenden Notsituation die Jähtaufe zwar vollzogen, es jedoch versäumt, dem Kind einen Namen zu geben. Und auch der in Straßburg unterrichteten und in den Kirchenregistern wegen ihrer Diszipliniertheit hochgelobten Hebamme Wein-

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ranckin aus Saarbrücken 298 waren nach langjähriger Dienstzeit dennoch bei einer besonders dramatischen Entbindung 1786 und einer weiteren im Jahre 1791 Geduld und Routine gewichen. Nach der Niederkunft eines „äußerst schwachen Kindes" 1786 und eines mit „tödtlicher Schwachheit" 1791 geborenen Kindes hatte sie darauf verzichtet, nach dem Geistlichen zu rufen und beide Neugeborene „so gleich auf den Namen des dreyeinigen Gottes", ohne ihnen jedoch „einen besonderen Namen zu geben, getauft". 2 " Daß selbst die in Nottaufen erfahrenen Hebammen nicht selten die Panik eines bevorstehenden Kindstodes zu verwirren schien, bezeugt auch der Ortsgeistliche von St. Johann: Ein Kind sei von der örtlichen Hebamme 1792 notgetauft worden, „weylen es in höchster Schwachheit gleich nach der Geburt ist befunden worden, nachdem aber bey Examinierung die Amme ausgesagt und bekandt, daß sie in großer angst gewesen und nicht alles wüste, was gethan worden, daß sie zwar habe Wasser aufgegossen im Namen Pater, Filii, Spiritu Sancti, aber gesagt: ich tauffe dich, item auch dem Kind keinen nahmen gegeben, ferner auch keine gebet weder nach noch vor verrichtet worden", so habe er selbst die Taufe nochmals vorgenommen. 300 Denn war die Taufe nicht ordnungsgemäß verrichtet worden oder das Kind zuvor verstorben, wurde es - ebenso wie die Totgeburten - im Sterberegister als „ungetauft" eingetragen. 1769 etwa war gleichfalls der St. Johanner Geistliche zu einem Neugeborenen gerufen worden, welches „gesund und starck" zur Welt gekommen war, aber einen „Steckfluß" erlitten hatte; im Geburtsregister notiert er später: „Ich habe mich eine halbe Stunde im Haus aufgehalten, um ein Zeichen des Lebens zu erwarten, so aber vergeblich gewesen". Das Kind sei „ohne die heilige Taufe zu empfangen" verstorben; im Sterberegister findet sich entsprechend der Eintrag: „den 6. April verstorben, ohne getauft zu werden". 301 Trotz anderslautender Verordnungen und Anweisungen waren es zumeist nicht die Geistlichen, sondern die anwesenden Frauen, die eine Jähtaufe durchführten und die Patenschaft übernahmen. Bei insgesamt 128 registrierten Nottaufen zwischen 1720 und 1790 in den lutherischen Gemeinden um Saarbrücken hatte in nur fünf derartigen Notfällen ein Geistlicher, in weiteren vier Fällen ein Chirurg und in einem Fall der Schulmeister, hatten also in den 118 übrigen Fällen die bei der Geburt helfenden Frauen die Jähtaufe vollzogen. Die Nottaufe war zugleich ein öffentliches Ereignis, welches, wie die Geburt selbst, registriert wurde und Konsequenzen für den kognitiven und tatsächlichen Umgang mit dem verstorbenen Kind zeitigte: Das tote getaufte Kind hatte entweder direkt einen Namen bekommen oder ihn „ex post" erhalten können; es hatte wenigstens zwei bis drei Paten und war in die Gemeinschaft der Gläubigen und der toten Gläubigen aufgenommen. Dem ungetauften Kind fehlte diese Art der wenn auch nur kurzen Identität, Individualität und Bindung durch vorgegebene Rituale. Nicht nur unter dem Aspekt der Volksfrömmigkeit (Seelenheil) und des Aberglaubens

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(Wiedergängerglaube) betrachtet hatte damit die Nottaufe wichtige Funktionen, sondern auch bezüglich der Herstellung emotionaler Beziehungen, besonders der Trauer und des Gedenkens. Nur dem getauften und benamten Kind konnte nach seinem Tode weiterhin individuell wie kollektiv gedacht werden, indem etwa das Nächstgeborene seinen Namen erhielt - Kaufmann Lintz aus Trier dachte seinem sechstgeborenen Kind den Namen sowie die Paten seines acht Monate zuvor mit drei Monaten verstorbenen fünften Kindes zu302 - , indem es mancherorts in katholischen Gebieten einen Grabstein mit seinem Namen und einem Spruch bekam, der die Trauer der Eltern oder die Trennung der Toten von den Lebenden zum Gegenstand hatte, indem durch beides möglicherweise sogar seinem Geburts- und Todestage weiterhin gedacht werden konnte. „Louise Risse heisse ich, in den Himmel reise ich, alt 1 Jahr", oder: „Sein Leben war ein Traum, ein Jahr zählt er kaum, dann zog in's stille Grab der Tod ihn schon hinab", Grabsprüche wie diese und andere, die von „bitt'rem Schmerz", zerrissenem Herzen und Trauer der Eltern berichten, von Verlust, Abschiednahme und dem Trost, das geliebte Kind sei nun „fern von allen Erdenleiden" in Gottes Schoß, bei Jesus und den „Engelein" im Himmel, waren seit dem 18. Jahrhundert vor allem in Lothringen, aber auch in der Pfalz keine Seltenheit.303

„Sanctuaires a repit" oder: Umgang mit dem toten Kind Die Namensgebung schien auch im Zusammenhang mit der Wiederbelebung verstorbener Neugeborener zu deren Taufe von Wichtigkeit. Die Rituale der Reanimation vor einem Heiligen oder der Mutter Gottes galten sicherlich in erster Linie dem Seelenheil des Kindes, verweisen jedoch ebenso wie die Nottaufen darauf, das Neugeborene mittels des Taufzeremoniells sowohl in die kirchliche Gemeinschaft zu integrieren und ihm damit eine christliche Begräbnisstätte zu gewähren als auch, es durch Benennung aus seiner sozialen Anonymität und zwischenweltlichen Existenz zu lösen und erinnerbar zu machen. Der volksreligiöse Brauch, verstorbene, totgeborene, scheintote Kinder oder Neugeborene, die kein Lebenszeichen von sich gaben, mittels der Fürbitten besonderer Heiliger oder der Gottesmutter für einige Minuten zu erwecken, um ihnen das Taufsakrament spenden zu können, fand in fast allen Regionen Europas seit dem 15. Jahrhundert weite Verbreitung. Hunderte von Wallfahrtsstätten entstanden allein im deutsch- und französischsprachigen Raum, viele Mirakelbücher geben Auskunft über die Herkunft der Bittsteller, die Umstände des Kindstodes, über die Rituale der Wiedererwekkung, geleistete Gebete und den Vollzug von Taufen, wenn sich das Kind regte, färbte, wenn es atmete oder Laute von sich gab.304 Mit ihren Gebeten, Opfergaben und Gelübden erbaten Mütter und Väter, Verwandte, Nachba-

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rinnen und Hebammen, die bei der Geburt geholfen hatten, nicht die Rückkehr des Neugeborenen ins Leben, verbanden sie nicht die Hoffnung auf seine endgültige Wiedererlangung, sondern immer nur eine zeitlich befristete Wiederbelebung; der T o d des Kindes schien akzeptiert, nicht jedoch 305 sein „ewiger τl o aJ « . Daß sich um die Befürchtung des Kindstodes ohne Taufe ein eigener Wundertypus der „Taufwunder" oder der „Reanimationswunder" bildete, daß sich spezielle „sanctuaires ä repit" zur Wiedererweckung totjpborener oder nach der Geburt verstorbener Kinder herauskristallisierten , beides verweist zum einen auf eine ausgeprägte Angst vor der Verdammnis der Ungetauften - „les petits reprouves" nannte man sie in Frankreich und Lothingen - und weniger vor dem tatsächlichen Verlust des Kindes selbst. Zum anderen deutet diese spezialisierte Volksfrömmigkeit auf einen keineswegs marginalen Stellenwert des neugeborenen, hilfsbedürftigen, sogar des nicht einmal lebenstüchtigen Kindes, der den in der Fachliteratur gehäuften Schilderungen eines rigiden, emotionslosen Umgangs mit Kleinkindern und vor allem toten Kindern völlig entgegensteht. 307 Die Mirakel dagegen - und man kann ihnen trotz mangelnder Authentizität und gattungsspezifischer Alterität eine gewisse Mittelbarkeit, einen medialen Einblick in Empfindungen durch deren sprachliche Beschreibung nicht absprechen - zeugen von Sorge, N o t und Leid um das Wohlergehen des Neugeborenen, von religiös motivierter und im Medium des Gebetes oder des Gelöbnisses ausgedrückter emotionaler Bindung zwischen Eltern und Kindern, von sozialer Anteilnahme durch verwandte oder benachbarte Menschen, dem Umfang und der Vielzahl an ernsthaften Bemühungen. 308 Nicht zuletzt deuten sie auf eine elementare Suche nach Trost, Hoffnung und Zuversicht und auf die N o t wendigkeit der Aussprache mit einem Heiligen, einer Heiligen oder der Gottesmutter und des Aussprechens des Erlittenen in deren Gegenwart hin, Momente, die anzeigen, daß der Verlust eines Neugeborenen durchaus der emotionalen Bewältigung bedurfte. Im Saar-Pfalz-Raum und in Lothringen existierten zahlreiche katholische Wallfahrtsorte, zu denen tote, totgeborene oder gerade verstorbene Neugeborene zur Wiederbelebung und Nottaufe gebracht wurden oder wohin man das Kind „verlobte". Außer bei der aus dem 13. Jahrhundert stammenden und mit Pfeilen aus derselben Zeit durchbohrten Madonnenstatue im Kloster Gräfinthal und der seit mindestens 1304 verehrten Maria lactans, „Unsere Liebe Frau zu Beurig", in der später errichteten Wallfahrtskirche von Beurig, erbat man Taufwunder bei einer Marienstatue in der Kirche „Notre-Dame de Bonsecours-les N a n c y " und in der Kirche des heiligen Georg in Nancy vor der „Notre-Dame de Bonne Nouvelle", bei „Unserer lieben Frawen zu Dreyen-Ahren" in der Nähe von Colmar, bei der Gottesmutter von Klausen, vor einem Muttergottesbild in Neunkirchen bei Daun und in Barweiler nahe Hillesheim, bei der Gottesmutter in den Kapellen

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„Notre-Dame d'Arlange" bei Wuisse, „Notre-Dame de la mer" nahe Senones, „Notre-Dame les Avioths" im Kanton Bayon nahe Barbonville und in den Kapellen von Ligny, Benoite-Vaux nahe Verdun oder Nantel bei Stainville.309 Auch die heilige Ursula in der Kapelle von Puttigny und die heilige Barbara in einer Kapelle nahe Metz gehörten zu den im Lothringischen aufgesuchten „sanctuaires ä repit".310 Es geschehe schon seit mehr als hundert Jahren, so berichtete 1719 Pfarrer Matthias Lamberty aus dem nahe Daun gelegenen Neunkirchen, daß tote Kinder zu einem Bild der Gottesmutter gebracht, und wenn sie ein Zeichen des Lebens von sich gäben, getauft würden, damit man sie auf dem Gottesacker bestatten könne. Er selbst habe während seiner Amtszeit etwa hundert erweckten Kindern die Taufe spenden können. Der Abt von Senones, Dom Mathieu Petitdidier, schrieb 1708, noch immer trage man die toten Kinder zur Eremitage, warte auf ein Lebenszeichen und lasse sie taufen. Die unter den Mauern der Kapelle von Moncheux entspringende Quelle, in deren Wasser man verstorbene Neugeborene tauchte, hatte ebenso die Kraft, diesen für die kurze Zeit der Taufe das Leben wiederzugeben wie eine Statue der heiligen Ursula in Puttigny, wo die Pfarregister aus den Jahren 1689 bis 1692 urkunden, oft habe es sich schon ereignet, daß ein totes Kind sich geregt oder eine Rötung der Haut gezeigt habe, worauf man es sofort hätte taufen können. Und der Chronist Philippe de Vigneulles betont neben ähnlichen Taufwundern ein Ereignis aus dem Jahre 1522, das sich in der Kapelle der heiligen Barbara nahe Metz ereignete, ganz besonders: Sogar ein bereits 28 Tage totes, begrabenes und wieder ausgegrabenes Kind habe vor dem Barbaraaltar Zeichen der Wiederbelebung gegeben und sei getauft worden. Noch 1769 verzeichnete der Geistliche von Hillesheim, daß man tote Kinder vor ein Gnadenbild nach Barweiler bringe, die, sofern sie wieder Leben zeigten, von einer Frau des Ortes getauft und begraben würden. 3 " Vor allem die lothringischen Wallfahrtsstätten der „saints guerisseurs" oder „saintes de resurrection", wie man sie auch nannte, hatten während des 16. und 17. Jahrhunderts einen derart großen Zulauf, daß der Bischof von Toul es in einem Synodalstatut 1678 als blasphemisch verbot, „que Γοη porte les enfans morts-nes ä aucune chapelle, pour y recevoir le bateme, abolissant en cela la coutume qu'un interet fordide a introduire, et qui est injurieuse au sacrement... Nul pretre ne les batisera, ä moins qu'ils ne donnent signes evidens de vie".312 Dennoch setzte sich, wie andernorts auch, in Lothringen dieses religiöse Brauchtum bis ins 18. Jahrhundert fort. 3 1719 sah sich ebenfalls der Erzbischof von Trier genötigt, die Erweckung toter Kinder zu deren Taufe in einer Ordonnanz an die Archidiakone ausdrücklich als „horrendus et superstitione plenus" zu verbieten.314 Die Wallfahrtsstätte „Unserer lieben Frauen mit den Pfeilen" in Gräfinthal kann wegen der zahlreichen Wunderberichte, die sich auf die Umstände einer Geburt oder die Wiedererweckung Neugeborener beziehen, als eine

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auf Geburts- und Taufwunder spezialisierte Gnadenstätte angesehen werden. Allein 47 der insgesamt 85 überlieferten Mirakel berichten von der Erweckung toter Neugeborener, ertrunkener, erschlagener oder verschütteter Kinder. Auch die Beuriger Wundergeschichten beinhalten zu fast 15 Prozent Ereignisse um die Geburt und die Reanimation toter Kinder zur Taufe. 3 ' 5 Die folgenden Beispieltexte aus beiden Mirakelbüchern verdeutlichen in verdichteter und literarisierter Form sowohl die Umgangsweisen mit dem Kindstod und dem verstorbenen Kind als auch die Artikulationsbreite von Ängsten und Sorgen um das tote, ungetaufte Kind, die die Volksfrömmigkeit bereitstellte: „Es hat sich zugetragen/daß ein tugendreiche Fraw von Bittlingen [Püttlingen]/den Tag vor Mariae Geburt in schwere Kindsnöthen niederkommen/nach vielfältigen Schmertzen ein todtes Kind zur Welt gebracht nicht ohne großem Herzen=Leid/die Mutter sambt den Weibern/welche ihr in solcher Trübsal beygewohnt/haben ihnen selbst gerathen/Trost und Hilff bey Unser Lieben Frauwen zu Gräffenthal zu suchen. So seynd sie mit guter Hoffnung auff die Knye gefallen/verlobten sich und das Kind dahin/auff das die Mutter der Barmhertzigkeit ein Zeichen deß Lebens an ihm wolle thun und würcken/darauff alsbald das Kind ein schöne Färb bekommen/das Leben erlangt/nachfolgends zu dem Heil. Tauff getragen worden und Margareta genennt ... Deshalben die Weiber/Eltern mit dem Kind baarfuß nacher Gräffenthal den ersten Tag nach Jacobi ihr Schuldigkeit abgelegt". 316 Üblicher noch als die Anrufung Marias vom Geburtshaus des Kindes aus und das Gelübde einer Wallfahrt war es, ein totes Kind an die Wallfahrtsstätte und zu Heiligen oder der Gottsmutter zu bringen: Eine Frau hatte unter „höchster Lebensgefahr" ein totes Kind zur Welt gebracht, welches sie nach Gräfinthal „zu unser Lieben Frawen Altar" brachte, „fangt an zu bitten umb sein Leben/verharret so lang mit wainen in dem andächtigen Gebett/biß sie entlich erhört worden: dann unversehens fangt das Kind an sich wiederumb zubewegen/nimbt es also mit grossen Frewden in ihre Armb/in dem heiligen Tauff wird es Petrus genandt/und trägt es mit höchster Verwunderung nach Hauß". 317 Von Saarburg machten sich 1642 Ritter Rudolf von Musiel und seine Gattin Magdalena zusammen mit ihrer neugeborenen Tochter, welche kein Lebenszeichen von sich gab, auf den Weg zur „Lieben Frauen von Beurig"; sie gelobten vor dem Gnadenbild, barfuß eine zweite Wallfahrt zu machen, wenn das Kind ein Lebenszeichen gäbe und so lange am Leben bliebe, daß es getauft werden könne. Sogleich gab das Kind einen „Seufzer" von sich, der anwesende Landdechant taufte es auf den Namen Maria Salome, worauf es bald starb.318 Die Mirakel sprechen vor allem von „Herzeleid" und „Trübsal", die die Eltern beim bemerkten Tod ihres Kindes überfallen, von Trost und Hilfe, vom Vertrauen in „Krafft und Verdienst deß Gebetts" und in die „Mütterliche Gnad" Mariens, von der starken Hoffnung, die „Mutter der Barmherzigkeit"

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möge ein Lebenszeichen bewirken, „auf daß das Kind den Heiligen Tauff" bekomme. 3 " Mütter wie Väter, die bei der Geburt anwesenden „Weiber" und die Hebamme fallen auf die Knie, verloben sich und das Kind zur Gottesmutter, geloben eine Barfußwallfahrt, eine „Bittschafft", den besten Rock, Wachs oder Vieh, verharren in Weinen und andächtigem Gebet, bitten um ein zeitweiliges Leben des Kindes, bis es wieder eine „schöne Färb" erlangt, sich bewegt, Laute von sich gibt, „den Athem wiederumb" schöpft und „alsobald lebendig" wird.320 Voller Freude und mit Verwunderung nimmt die Mutter das lebende Kind in die Arme und läßt es unverzüglich auf seinen Namen taufen.321 Nur in zwei Fällen - bei einer „unzeitigen" Totgeburt und einer „unvollkommen Mißgeburt", die beide durch die Gebete der Mutter „lebendig" wurden - erfolgte bei der Taufhandlung keine Namengebung. 322 Der Glaube an eine wiederbelebende Kraft der Bitten der Gottesmutter oder der Heiligen bei Gott war in allen Schichten und Ständen verbreitet. Adlige nahmen es auf sich, wegen der Nottaufe ihres verstorbenen Kindes eine Wallfahrt mit bloßen Füßen zu verrichten323, arme Landbewohner „verlobten" ihr bestes Kleidungsstück, große Mengen an Wachs oder Nahrungsmitteln, um ihrem Neugeborenen eine kurze Zeit des Lebens und die Taufe zu ermöglichen. Weder die Strapazen und Wert oder Menge der Opfer zur Erweckung des toten Neugeborenen noch die geschilderten Emotionen, Erwartungen und Handlungsweisen der Bittenden unterscheiden sich von denen zur Errettung eines verunglückten Kindes von zwei, acht oder gar 18 Jahren. Einzig der Einbezug und die Anteilnahme der sozialen Umwelt, der Dorfbewohner, ist unterschiedlich: Während bei den Taufwundern ausschließlich jene Personengruppe agiert, die direkt mit dem Geburtsereignis in Verbindung steht - Eltern, Hebamme und assistierende Frauen - , helfen bei der Suche nach dem älteren Kind und seiner tatsächlichen Errettung sowie bei den auf die Feststellung des Todes folgenden Fürbitten um die Wiedererlangung seines Lebens auch die „Nachbauren", die „Leute" des Dorfes, „männiglich", „viele Personen" und „Umbstehende", die zusammen mit den Eltern beten, Litaneien lesen, auf die Knie fallen und die Erweckung „mit grossem Jubel" und „Verwunderung" begleiten.324 Die dem Neugeborenen fehlende Integration in die Dorfgemeinschaft, in der es noch nicht hatte leben können, räumte ihm bislang keinen Platz im gemeinsamen Gebet der Gemeinde und keinen Anspruch auf gemeinschaftliche Sorge ein, wohl aber war ihm der Beistand der helfenden Frauengemeinschaft um die Geburt garantiert. Dennoch deuten gerade die Schilderungen affektiver Bindungen und emotionaler Betroffenheiten zusammen mit der besonderen Betonung einer Namengebung in den Mirakelberichten und Kirchenregistern und die Tatsache, daß die Kirchenbücher verstorbenen Neugeborenen dieselbe Ausführlichkeit der Dokumentation wie den Erwachsenen einräumen, darauf hin, daß das neugeborene Kind, begriffen als individuelles menschliches Lebewesen, generell keine eigentliche Sonderstellung oder gar eine mindere

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Stellung einnahm. Der Tod eines Neugeborenen war denn auch keine Angelegenheit, die man als gottgegebenen Schicksalsschlag akzeptierte, ohne alle Möglichkeiten, die die Volksmedizin, die Volksfrömmigkeit oder das dörfliche Brauchtum zur Verfügung stellten, zu nutzen. Die folgenden Ereignisse aus dem Jahre 1718/19 im lothringischen Foulcrey zeigen, daß die Mirakelbücher in einer ihnen eigenen Form wiedergeben, was sich durchaus auch in der Realität beim Verlust eines Säuglings und dem Ausbleiben seiner Taufe in den Gedanken und Handlungsweisen der Eltern niederschlagen konnte. Sie beleuchten zugleich die Hintergründe und Motive vieler Wallfahrten und der Hoffnungen, die sich mit den „sanctuaires ä Γ έ ρ ϊ ΐ " verbanden. 325 An einem Winterabend hatte die 33jährige Anne Oury, Ehefrau des Müllers Joseph Masson aus Foulcrey in der Nähe von Blämont das sichere Gefühl, ihre Niederkunft stehe bevor und ließ nach der Hebamme schicken. Als diese feststellte, es sei für die Geburt noch zu früh, begab sich Anne zu ihrem Mann in die unweit gelegene Mühle, w o ganz plötzlich starke Geburtswehen einsetzten. Der Ehemann rief sofort seine Schwester und seine Schwägerin, die bei der Geburt halfen. Als das Neugeborene nach einer Stunde das Atmen einstellte, eine blasse Gesichtsfarbe bekam und kein Lebenszeichen mehr von sich gab, fingen die Frauen an zu beten. Da Anne bereits zwei tote Kinder geboren hatte und die Befürchtung nahelag, auch dieses Söhnchen könne nicht überleben, vollzog die Schwester der Niedergekommenen in aller Eile unter Gebeten eine Nottaufe im Namen der Dreifaltigkeit und gab dem Kind seinen Namen, worauf es bald starb. Da es Anne sehr schlecht ging, rief man die Hebamme, und Joseph machte sich auf zum örtlichen Pfarrer, um ihn zu seiner Frau zu rufen und den Tod des Kindes anzuzeigen. Aus einer Unterredung mit der bereits eingetroffenen Hebamme erfuhr nun aber der ankommende Geistliche, Anne habe keine lebende, sondern wohl eine Totgeburt zur Welt gebracht, und selbst wenn das Kind noch kurze Zeit gelebt hätte, sei es keinesfalls richtig („solidement") getauft worden. Auf Nachfrage des Pfarrers gab der Kindsvater zu, er wisse nicht, ob sein totes Kind recht und gültig getauft sei, denn er habe zuvor noch keine Nottaufe erlebt, wohl aber hätten die Frauen viel gestikuliert und Gebete gesprochen. Er selbst könne, so wies nun der Cure den um eine Beerdigung des Sohnes auf dem örtlichen Friedhof nachsuchenden Masson zurück, dieses ungetaufte Kind dort nicht begraben, wohl aber dürfe Joseph die Leiche an einem besonderen Platz des Kirchhofs für ungetaufte Kinder ohne geistlichen Beistand beisetzen. Darauf gab Masson zurück, dies sei eine sehr schlimme Gepflogenheit, er wolle sein Kind keineswegs ohne den Segen des Pfarrers an einem Platz begraben, wo man die Kinder nur irgendwo verscharre, ohne „qu'il avait bienvenu de memoire", ohne „se souvenir ou il avait enterre son enfant". Als er den toten Sohn am nächsten Morgen vor das Pfarrhaus brachte, blieb der Geistliche bei seiner Verweigerung; Masson könne mit der Leiche tun, was er wolle.

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Trotz ihrer nachgeburtlichen Beschwerden machte sich Anne Oury wenige Tage danach mit ihrem Mann und dem eingeschnürten und in eine Jakke geschlungenen toten Kind auf dem Arm auf den Weg zur „Vierge" und zum heiligen Bernhard in der Abteikiche von Hamseil. Es war Ende November, und die Wallfahrtsstätte, von der das Paar wußte, daß dort tote Kinder zuweilen ein Lebenszeichen von sich gaben und getauft werden konnten, lag mehrere Stunden vom Dorf entfernt. Noch am selben Tag traf ein Bekannter, Maitre Nicolas Boilleau, die beiden vor dem Altar der Gottesmutter an, das Kind im Arm, traurig und ins Gebet versunken, wie er später berichtet. Sie hätten, so teilten sie dem Juristen mit, bei Dom Lambard, einem Mönch des Klosters Hamseil, eine Messe bestellt, damit ihr totes Kind „quelques signes de vie" erkennen lasse und endlich das Taufsakrament und eine letzte Ruhestätte in geweihter Erde erhalten könne. Tatsächlich waren Joseph und Anne gleich nach ihrer Ankunft mit dem toten Kind in die Sakristei gegangen, hatten dort Robert Lambard und einen Klosterknecht namens Jean Satter angetroffen und inständig um eine „Ste messe a l'honneur de la vierge et de St. bernard" gebeten, ja hatten nach kurzer Unterredung mit dem Klostermann und dessen Besichtigung des Kindes schon im Voraus die neun Francs Messgebühr entrichtet. Unter Assistenz Satters vollzog Dom Lambard wenige Zeit nach der kurzen Unterhaltung des Paares mit Maitre Boilleau die bestellte Messe, während der das Kind auf die Stufen des Alters der Gottesmutter gelegt wurde. Die Eltern sollten beobachten, ob es ein Zeichen der Wiederbelebung zu erkennen gäbe - doch nichts geschah. Dennoch gab Lambard gegenüber dem Vater zu verstehen, das Kind „estait baptisse, et qu'il navait que de le porter a Foulcrey pour le terer dans le simetiere, et que ledit Enfant nestait pas mort mais seulement transy"; im Garten des Klosters könne es ohne die Erlaubnis des Cure von Foulcrey nicht bestattet werden. Ehepaar Masson machte sich auf den Heimweg; eine Strecke hinter Hamseil übergab die erschöpfte Anne ihrem Mann das tote Kind, das die ganze Zeit entweder auf ihren Armen oder in ihrem Schoß gelegen hatte, um eine in der Nähe wohnende Tante aufzusuchen, bei der sie ausruhen und dann nachkommen wollte. Worüber das Paar unterwegs sprach, wie ihm nach dem enttäuschenden Ausgang seiner Bittfahrt zumute war, ob es zunächst plante, dem Rat des Klosterbruders zu folgen und den Ortspfarrer um die Erlaubnis einer Bestattung im Klostergarten oder auf dem örtlichen Kirchhof zu bitten, wissen wir nicht. Fest steht nur, daß Joseph allein und ohne seinen toten Sohn nach Hause zurückkehrte. Dem neugierigen Ortsgeistlichen, der mittlerweile von der Wallfahrt der Massons gehört hatte und wissen wollte, ob das Kind nun getauft und in Hamseil begraben sei, gab Joseph zur Antwort, nein, er habe sein „liebes" totes Kind ganz allein am Rand des Waldes von Chenon in einem Feld begraben. Und er allein wisse die Stelle, es sei nun sein eigenes „souvenir", denn „que personne" habe ihm

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geholfen und das Kind nehmen wollen, um es in geweihter Erde zu bestatten. Die Vorgänge in Foulcrey geben entscheidende Hinweise für die Einschätzung des Umgangs mit toten Kindern, die die Mirakelberichte übergehen, weil sie für die Wundergeschichten bedeutungslos oder hinderlich sind. Bei der Geburt des Kindes der Massons hatten die anwesenden Frauen alle ihnen zur Verfügung stehenden Mittel und Kenntnisse eingesetzt, das schwächliche Söhnchen nicht ungetauft sterben zu lassen. Entscheidende Rollen bei der vom geburtshelferischen (Tot- oder Lebendgeburt) wie geistlichen (richtiger oder falscher Taufritus) Standpunkt gegebenen Einschätzung ihres Tuns fielen sowohl der erst nach der Geburt erschienenen Hebamme wie dem Ortsgeistlichen zu, die einstimmig der Meinung waren, eine richtige Nottaufe habe nicht stattgefunden, das Kind sei mithin ungetauft verstorben. In den lothringischen Gemeinden verbot in diesem Falle die Kirche durch Verordnung eine Beisetzung toter Kinder im geweihten Friedhofsbereich 326 ; vielmehr sollten diese an einem mit Steinen oder einer kleinen Mauer umfriedeten Platz „pres ou dedans les cimetieres", in einem „carre profane", einem ungeweihten Teil des Kirchhofes oder aber außerhalb von ihm begraben werden. Ein derartiges „petit terrain pour les humations des enfans morts sans bapteme" existierte nach den Kirchenvisitationen vor allem im 18. Jahrhundert auf fast allen lothringischen Friedhöfen. 327 Der Ortsgeistliche von Foulcrey war folglich, indem er einmal die Taufhandlung überprüft, zum anderen eine Bestattung in geweihter Erde und eine Einsegnung abgelehnt hatte, ganz den Vorschriften seiner Konfession gefolgt. Und ebenso Dom Lambard, der ohne Erlaubnis seines geistlichen Kollegen ein Begräbnis im abteieigenen Friedhofsgarten nicht dulden konnte. Joseph Masson freilich lehnte diese Art der anonymen Bestattung auf dem Platz der Ungetauften, ohne priesterlichen Segen und in einer gemeinsamen Grabstätte - er spricht von „enfouir", nicht von „enterrer", wie die Kirchenordnungen und Visitationen - entschieden ab. Fast mehr noch, so hat man den Eindruck, als um den priesterlichen Segen, ging es ihm dabei um sein persönliches Gedächtnis, um Identifikation und Kontinuität: Er wolle wissen, wo genau sein Kind liege, wolle ein sichtbares Andenken, eine bleibende Erinnerung an seinen verstorbenen Sohn - vielleicht in Form der im Lothringischen üblichen Kreuze oder Steine mit dem Namen, Geburts- und Todestag, vielleicht auch eine mit einer Blumenkrone geschmückte Grabstätte, wie sie in allen katholischen Ländern die Gräber getaufter Kinder schmückten. Im Verlauf der folgenden Ereignisse geht dieses emotionale elterliche Motiv der Suche nach Bindung zum Kind über den Tod hinaus, das den Entschluß zur Wallfahrt nach Hamseil sicherlich ebenso beförderte wie das Bedürfnis nach christlichem Tod und Begräbnis 328 , ganz in der Szenerie von versuchter Wiedererweckung und Taufe unter, gerade so, wie es uns die Wunderberichte übermitteln. Doch der Wunsch nach einer richtigen Taufe bleibt bis zuletzt

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mit der Suche nach individuellen Möglichkeiten der Aufrechterhaltung einer Beziehung und der Pflege des Andenkens verknüpft: Ganz symbolisch begräbt Masson, wie er später angibt, sein Kind ausdrücklich nicht im Wald, auf einem Weg oder inmitten eines Feldes, sondern genau zwischen Feld und Wald, zwischen Zivilisation und Wildnis, lieber an einer Stelle, die nur er kennt und aufsuchen kann, als irgendwo im Gemeinschaftsgrab der U n getauften. Wichtig ist ihm ein sieht- und lokalisierbarer Ort des frommen Gedenkens, der ganz jener plakativen und sinnlichen Religiosität entspricht, der wir auch vor dem Altar in Hamseil begegnen. Ein Blick auf die Ereignisse in der Abteikirche läßt Widersprüche und Fragen aufscheinen. Der Klostergeistliche hatte den Eltern nach der Messe mitgeteilt, ihr Kind sei nicht wirklich tot, sondern nur erstarrt, es sei nun getauft und könne auf dem Friedhof beigesetzt werden. O b er damit seinem Dienst und den neun Francs gerecht werden wollte, die er für die Messe erhalten hatte, ob er Trost und Zuversicht spenden oder seiner tatsächlichen Einsicht in die Dinge um Leben und T o d Ausdruck verleihen wollte, er hatte jedenfalls keinen Erfolg. Anne und Joseph wußten sehr genau, was zu tun war, wohin sie sich wenden mußten und was sie erhoffen durften. Und sie hatten präzise Vorstellungen von dem, was bei einem „Taufwunder" geschehen mußte. Sie hatten anderes als der Klostermann bemerkt: Kein Wunder war geschehen, mit ihren eigenen Augen hatten sie minutiös beobachtet und dennoch keine Lebenszeichen an ihrem Kind erkannt. Mit pragmatischer Sicherheit und ausgestattet mit einer auf greif- und sichtbare Empirie ausgerichteten populären Frömmigkeit wußten die Eltern, daß ein ausbleibendes Wiederbelebungswunder auch kein „Taufwunder" nach sich ziehen konnte, daß ihr Kind trotz der beruhigenden Worte des D o m Lambard gestorben war und keine nachträgliche „ordentliche" Taufe erhalten haben konnte. Die spätere Frage des Gerichtes, ob ihr Kind nun doch getauft sei, verneinten beide einhellig. Ihr einziger Trost war eine persönliche Erinnerungsstätte - und Joseph hatte eine solche außerhalb des Kirchhofs auch schon für die beiden totgeborenen Geschwister seines Sohnes errichtet. Wenige Tage bevor die Bittfahrt der Massons zum gerichtlichen Gegenstand werden sollte, hatte ein Bauer in der Gegend, in der Joseph sein Söhnchen bestattet hatte, eine mit Kreuz und Blumen geschmückte Stätte gefunden und eine Kinderleiche darunter ausgegraben. Der Umgang mit einem unwiederbringlich toten oder totgeborenen Säugling - so zeigt es auch das Verhalten des Joseph Masson nach der mißlungenen Wiederbelebung - orientierte sich selbst bei ungetauften Neugeborenen an den populären Totenbräuchen. Es kam sicherlich vor, daß man vor allem ungewollte oder heimlich geborene tote Kinder einfach in der Erde vergrub, sie schnell im Wald verscharrte oder ins Wasser warf, um das Geschehene zu verbergen. 329 Aber ein näherer Blick auf die Behandlung selbst dieser unerwünschten Toten läßt dennoch große Unterschiede erkennen. In

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den seltensten Fällen begruben selbst Kindsmörderinnen ihre toten Kinder, ohne sie wenigstens in ein Kleidungsstück, eine Schürze, ein Tuch, ein Stück Leinen, manchmal sogar in Windeln und Wickelschnur einzupacken. 330 Bei einer Erdbestattung achteten sie darauf, daß die Grube tief genug war, und nicht selten legten sie das Kind sogar in „un petit trou", eine Schachtel oder ein „charpantier", begruben es unter einer Hausmauer, unter Sträuchern oder Steinen, in der Scheune, im Keller oder an anderen geschützten Orten, so daß es „die thier nicht heraus gewület haben" oder damit „les betes ne le manger pas".331 Marie Bazinet hatte 1755 ihr totes Kind in ein Tuch gewikkelt, es in den Keller gebracht und in eine Holzkiste gelegt, dann die Kiste „dans un espace de fennetre, la quelle eile boucha avec de la paille creinte, que les chats ny toucherait", deponiert, damit kein Tier Zugang habe.332 Neben einer gewissen Sorgfalt bei der Bestattung, die man ebensogut der Angst vor der Entdeckung der Kinderleiche und damit des begangenen Verbrechens zuschreiben könnte, erstaunt es um so mehr, daß Kindsmörderinnen oder ihre Helfer und Helferinnen am ermordeten Kind oder vor dessen Tötung christliche Bräuche und Rituale vollzogen. Diese aus heutiger Sicht auf die Spitze getriebene Paradoxie, die dennoch eine Art der Verantwortlichkeit für das Seelenheil des getöteten unschuldigen Kindes erkennen läßt, umfaßte seine Nottaufe vor der Ermordung ebenso wie Segnungen und religiöse Grabbeigaben. Die Mutter der Susanna Schmidts etwa, die das uneheliche Kind ihrer Tochter hatte verbluten lassen, wickelte das tote Neugeborene in ein Tuch, legte ein Wachskreuz und einen gesegneten Wisch darauf und begrub es unter der „Kappes bueden" im Keller.333 Bei der Obduktion einer 1734 in der Nähe der Eremitage St. Hermes bei Mengen-Bolchen in der Herrschaft Bliesbrück gefundenen Kinderleiche, die Spuren einer Tötung aufwies, stieß man, nachdem das wohl am Tag zuvor geborene Kind aus seinen Windeln gewickelt war, auf seiner Brust auf ein daumengroßes Etui, worin sich eine Figur der Gottesmutter aus Gold befand. Die Dienstmagd Madelaine Schutz aus Broudersdorff, die ihr Kind erstickte, hatte ihm zuvor Wasser über den Kopf gegossen „en disant ce parole: Je te baptise au nom du pere, du fils et du Saint Esprit"; sie legte das getötete Kind daraufhin in eine ausgehobene Grube unter dem kleinen Backhaus ihrer Dienstherrschaft. 335 Und auch Margaretha Braun, die sich entschlossen hatte, ihr heimlich geborenes Kind im Fluß zu ertränken, wickelte es zuvor in „ein weiß tuch", machte „das creuz zwey mahl über das Kindt undt dreymahl über sich selbsten" und legte es erst dann ins Wasser, um es darin umkommen zu lassen.336 Nicht selten fanden Dorfbewohner im Terrain der Kirchhöfe die unbekannten Leichen neugeborener, höchstwahrscheinlich ermordeter Kinder, die dort heimlich bestattet worden waren. 337 U m so mehr wurde die „unglückliche Geburt", auf die der natürliche Tod eines Säuglings folgte, sowie die „Geburt ohne Leben" als ein Unglück begriffen, das durch seine sinnliche Erlebbarkeit die Anwesenden zutiefst

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entsetzte. Die Anzeigen der Hebammen vor allem von totgeborenen Kindern berichten von üblem Gestank, davon, daß die Nachgeburt „faul", das Kind „ganz schwarz", daß seine Nägel gelb und die Nabelschnur „wegen der Verwesung schon abgefäßelet" gewesen sei.338 Sie erzählen zugleich von einer stark emotionsgeladenen Atmosphäre aus Angst und Übereilung, aus Trauer oder Aggressivität, selbst gegenüber der Hebemutter. Die Hebamme von Saarburg mußte 1598 vor Gericht den Vorwurf, den eine der bei einer Geburt mit Todesfolge für das Kind anwesenden Frauen gegen sie erhob, „Fasens Ciasens Kind sey durch sie verseumbt worden", sie sei eine „hör und zaubers", beilegen lassen.339 „Wo todt Kinder seyndt, da kan sie kein lebendiges nemmen", diese allzu wahren Worte habe auch die Hebamme zu Olmen im Amt Konken nicht nur einmal zu einer Mutter, die ein totes Kind geboren hatte, und den aufgebrachten Helferinnen sagen müssen.340 Schreck und Aufregung schienen jedoch ihre Auflösung in rituellen Totenbräuchen und einer gemeinschaftlichen Sorge der Frauen um das verstorbene Kind und seine Bestattung zu finden. Bis zur Einführung der Zivilstandsregister mit der Französischen Revolution erfolgte die Anzeige eines Kindstodes durch die Hebamme oder den Vater des Kindes beim Pfarrer.341 Im Lothringischen sollte der Todesfall von Mutter oder Kind ausdrücklich nur von „la Matrone et autres personnes presentes ä l'accouchement" und nur die Geburt des lebenden Kindes vom Kindsvater offiziell bekundet werden.342 Eine Untersuchung der Todesursache wurde nur dann eingeleitet, wenn entweder Anzeige erstattet worden war oder von Amts wegen der Verdacht auf ein Verbrechen bestand.343 Erst ab 1799 war der Munizipalagent der Gemeinde, dem der Tod des Neugeborenen von mindestens drei Zeugen, darunter häufig die Hebamme, gemeldet werden mußte, zur Leichenschau vor Ort verpflichtet.344 Er begab sich in Begleitung eines weiteren Beamten zum Geburtshaus des ihm angezeigten toten Kindes, ließ sich die Leiche zeigen und den Totenschein von mehreren Zeugen unterschreiben.345 Nach Ansicht der Kirchen hatte das tote Neugeborene bis zum Alter von vier Wochen als „Kindbetterkind" einen besonderen Status, was die Behandlung seiner Leiche, seine Beerdigung und die angemessene Trauer anbelangt. Dies ist mit einem Blick in andere Kulturen und frühere Zeitepochen in Bezug auf die Bestattungsart und den Ort der Beisetzung freilich nichts Ungewöhnliches. 346 Die Kirche unterschied jedoch bezüglich der Beerdigungsform zwischen Kindbetterkindern und Kindern, die älter als vier Wochen waren, zwischen getauften und ungetauften Kindern, bezüglich der Trauervorschriften zwischen Kindern unter fünf bzw. zwölf Jahren, für die eine Trauerzeit unzulässig war und älteren Kindern, für die eine beschränkte Trauer erlaubt wurde.347 Vierwochenkinder sollten ohne Zutun eines Geistlichen und ohne „sonst gewöhnliche Leichen=Gepränge" auf dem Friedhof beigesetzt werden; um sie sollte nach Anweisung des Trierer Erzbischofs

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„gar nicht getrauert", nach nassau-saarbrückischer Verordnung von ihrem Tod und ihrem Begräbnis „keine Notiz" genommen werden. 348 Die Bevölkerung kannte dagegen bei den Begräbnisritualen und -Stätten für Kinder andere Unterscheidungskriterien: Man trennte bei den Neugeborenen zwischen „unzeitiger Frucht" und wohlgestaltetem Kind, zwischen totgeborenen und nach der Geburt verstorbenen und nur gezwungenermaßen zwischen getauften und ungetauften Kindbetterkindern, wobei jeweils andere Rituale der Beerdigung stattfanden und andere Personengruppen die Bestattung vornahmen. Aufgrund dieser bedeutsamen Divergenzen stießen vor allem die Verbote der Betrauerung und der zeremoniellen Bestattung getaufter Säuglinge auf heftigen Widerstand selbst bei der Geistlichkeit: Nicht nur die katholischen Untertanen der Grafschaft Saarwerden betrachteten es „als ein wesentliches Stück ihrer Religion", daß ihre unter sechs Jahren verstorbenen Kinder entgegen den neuen Bestimmungen der lutherischen Grafen, die sowohl Trauer wie Einsegnung verboten, „mit denen in ihrer Kirche üblichen Ceremonien beerdiget werden" sollten. Auch mehrere katholische Geistliche hatten erklärt, sie wollten alle Strafgelder ihrer Pfarrkinder im Falle der Übertretung der herrschaftlichen Verordnung für sie hinterlegen. 349 Entgegen den Bestimmungen hielt auch der lutherische Pfarrer Bartheis aus Dudweiler für „Kindbetterkinder" einen „Sermon", auf Wunsch auch eine Predigt an ihrem Grab auf dem Kirchhof, wenngleich man die Neugeborenen zumeist doch lieber „in der Stille" begraben wolle, wie er in seinem Pfarrbericht betont. 350 Der zuständige Geistliche für die evangelischen Gemeinden Malstatt, Burbach, Fischbach, Rußhütte, Ludwigsberg, Rastpfuhl und Großwald schaffte trotz des Verbots 1714 für verstorbene Säuglinge „ein kleines Leichentuch mit einem weißen Creutz" an, das zu allen Beerdigungen ausgeliehen werden konnte, andere hielten in der Betstunde oder nach dem Begräbnis der Neugeborenen in der Kirche unerlaubter Weise Leichenpredigten. 35 ' Die Dorfbewohner selbst legten weniger großen Wert auf das geistliche Angebot an Segnungen, Predigten und Leichentüchern, als vielmehr auf die persönliche Bezeugung von Trauer und Totenehrung, die ihnen offiziell untersagt war. So hatten Johannes Schäfer und seine Frau, nachdem ihnen ihr „Wochenkind" nach der Geburt verstorben war, jene schwarzen Trauerkleider angelegt, die sie zum Tod des Vaters der Ehefrau angeschafft hatten und waren auch bereit, dafür das Strafgeld in Höhe von 15 Gulden zu bezahlen - keineswegs ein Einzelfall. 352 Vor allem das Verfertigen von Sarg- und Grabschmuck - Kronen aus Metall und Blumen, Kränze und „Engel" 353 - schien ein Brauch, den selbst eine Flut von Verordnungen nicht abzuschaffen imstande war. Der Mißbrauch, daß „bürger und Dorf leute, wann ihnen Kinder sterben und auf den gewöhnlichen Kirchhoff begraben werden, deren Cronen in die Kirchen an die posten [der Empore]" aufhängen, sei ab sofort keineswegs mehr gestattet, formulierte eine pfalz-zweibrückische

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Verordnung 1752; drei Jahre später mußte die Anordnung wiederholt werden, da sich solcher Zierrat „anstatt des Wegtuns" ganz im Gegenteil mehrte.354 Uber die Anfertigung und Verwendung der Kronen erfahren wir durch die Protokolle zweier Kinderbestattungen von 1771 mehr: Vierzehn Tage nach seiner Geburt war das Kind des Jacob Schneider aus Wörschweiler, dessen Patin die Tochter des örtlichen Pfarrers war, gestorben. Diese Patin hatte dem toten Kind „eine Krone von Palm und garten blumen gemacht, solche auf die Lade gestellet und bei dessen beerdigung mit ins grab geworffen". Und ebenfalls die „Taufzeugin" eines verstorbenen Kindbetterkindes im Amt Allenbach hatte für dieses eine Krone aus Palmzweigen und Blumen hergestellt, ein Vergehen, für das fünf Gulden Strafe gezahlt werden mußten. Zuweilen ist davon die Rede, daß selbst bei einem Kind, „so kaum etliche Wochen allt ist", eine „Trauer Mahlzeit" gehalten und daß die ansonsten übliche Totenwache eingehalten werde.356 Die Quellen verweisen andererseits darauf, daß Fehl- und Frühgeburten, die im Unterschied zu ausgereiften oder zumindest sichtbar ausgebildeten, „gliedmäßigen" Kindern dem Pfarrer entgegen den Bestimmungen oftmals nicht einmal als Geburten angezeigt wurden, von den Eltern im Haus oder in der Nähe des Hauses begraben, manchmal in Gefäßen beigesetzt wurden. Indirekt geben Hexenprozeßakten des 16. und 17. Jahrhunderts Aufschluß über dieses Brauchtum, weil man in Hexereiverdacht geratenen Eltern, die ihr frühgeborenes Kind unter dem Schrank, der Türschwelle, im Keller, unter den Treppenstufen oder im Garten bestattet hatten, häufig vorwarf, sie hätten dessen Gebeine ausgegraben und zu zauberischen Zwecken mißbraucht. Mattheis Bart aus Noswendel etwa, dessen Frau vor vielen Jahren „zweyer unzeitiger Kinder niedergekommen" war, welche er selbst „in einer kammer im hauß under einer schaft [Schrank] begraben" hatte, wurde in einem Hexenprozeß der Ausschüsse des Hochgerichts Wadern 1630 beschuldigt, er habe die Leichen der „zwey ungetaufter kinder" ausgegraben und aus ihren Gebeinen Hexensalbe gekocht.357 Auch die mehrfach zitierte Velten Freyen Simmel aus Saarwerden, die 1611 aufgrund einer Auseinandersetzung mit der Dorfwirtin eine Fehlgeburt erlitt, deponierte ihre „Leibesfrucht" in einem „Lädel" in ihrer Kammer.358 Eintragungen in den Kirchenregistern und Protokolle von Kirchenvisitationen beklagen noch bis ins 18. Jahrhundert, daß „unzeitige" ungetaufte Kinder „ohn erlaubnis des pastors im hauß" und nicht an der vorgesehenen Stelle auf dem Friedhof begraben würden.359 Daß gerade der Sonderbestattungsplatz für ungetaufte Kinder auf dem Friedhof sich keiner Beliebtheit bei der Bevölkerung erfreute, weil er durch seine Abgrenzung und Profanität stigmatisierte und zugleich anonymisierte, machte schon das Verhalten Joseph Massons deutlich. Wer einem früh- oder totgeborenen ungetauften Kind dennoch eine christliche Ruhestätte zukommen lassen wollte, versuchte dagegen, es heimlich an einer geweihten Stelle

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zu begraben: Theobald aus Primsweiler hatte sein totes ungetauftes Kind unter der Kirchentreppe, eine Frau aus Tawern das ihrige im Seitenschiff der Kirche bestattet. 360 Die Kirchenbehörden wirkten der Beerdigung ungetaufter Kinder außerhalb des Kirchhofs oder des für sie bestimmten Platzes bereits seit dem ausgehenden 17. Jahrhundert entgegen, indem sie andere Begräbnisorte verboten und unter Strafe stellten. In den Sterberegistern des 18. Jahrhunderts betonen die Ortsgeistlichen deshalb immer wieder, daß die hier eingetragenen unzeitigen, totgeborenen und ungetauften Kinder auf ihre Anweisung hin der Ordnung gemäß „ehrlich zur Erde", „recht begraben" und auf dem „Gottesacker" beigesetzt worden seien.361 Während die Hebammen oder die bei der Geburt anwesenden Frauen mangels einer Amme die Leichenwäsche bei allen verstorbenen Neugeborenen vornahmen 362 , zogen gewöhnlich die „Weiber des Dorfes" mit dem toten getauften, notgetauften oder ungetauften Kindbetterkind zum Friedhof, um es in geweihter Erde oder im „carre" der Ungetauften, nicht jedoch im Familiengrab zu bestatten. Folgender Eintrag aus dem Güdinger Sterberegister von 1765 kann stellvertretend für viele andere gelten: „Den 2. January starb an den Gichtern Susanna Maria, Jacob Hupperts töchterlein, so den 26ten Decembris geboren und getauft, und ward des folgenden tags zur Abendglocke als ein Kindbetter Kind durch die weiber in der stille begraben".363 Die Frauen des Dorfes, die auch bei den Geburten geholfen hatten, waren zugleich Trägerinnen eines besonderen Totenbrauches, der für alle Kindbetterkinder, ob ehelich oder unehelich, ja selbst für ungetaufte Säuglinge nachweislich seit der Mitte des 17. Jahrhunderts, aber sicher auch schon zuvor galt.364 Ein Unterschied bestand lediglich in Lothringen im Bestattungsort, da die ungetauften Kinder in einem abgesonderten Teil des Kirchhofes, jedoch ebenfalls von den Dorffrauen beigesetzt wurden. Die Frauen waren mithin Begleiterinnen jener beiden besonderen „rites de passage" - des Kindergebärens und der Bestattung Neugeborener - welche von der Männerwelt völlig getrennt verliefen. Und auch als 1778 in den Orten unter kurtrierischer Landesherrschaft per Verordnung die Möglichkeit geschaffen wurde, Kindbetterkinder vom Pfarrer, aber nur in Beisein „einiger männlicher Nachbarn" beerdigen zu lassen, machte man von dieser öffentlichen, aber männlich besetzten Art der Bestattung keinen Gebrauch. 6 Kindbetterkinder wurden nach wie vor ohne kirchlichen Sermon, d.h. ohne priesterliche Segnung, und nicht zur gewöhnlichen Beerdigungszeit am frühen Nachmittag gegen 14 Uhr, sondern „in der Stille" zur Morgen- oder Abendglocke bestattet.366 Wie die Begrüßung des lebenden, so erfolgte auch der Abschied vom toten Kind weiterhin allein durch weibliche Gemeindemitglieder unter Verzicht auf den Segen des Ortsgeistlichen, was ihren Ausschluß vom Kinderbegräbnis bedeutet hätte. Es schließt sich hier einer von mehreren Kreisen aus Ritualen, Vorstellungen und handelnden Personen, welcher über die Imagination einerseits einer größeren Nähe der Frauen zu

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den Kindern und andererseits einer Affinität des Weiblichen gleichermaßen zu Leben und Tod bestimmt war. Diese Verbindungen deuten sich auch in anderen Zusammenhängen an: Frauen betrieben Totenbeschwörungen oder Wahrsagerei aus toten Gebeinen, Frauen vollzogen das Gesundbeten, aber auch das Totbeten einer Person, spielten in der Vorstellung vom „Wilden Heer" der Toten eine ebenso große Rolle wie als Gebärerinnen und Lebensspenderinnen. 367 Sie standen symbolisch und ebenso im Alltagsleben für beide Seiten der menschlichen Existenz. Vor allem in den Tätigkeitsbereichen der Hebamme, die Geburtshelferin, Totenwäscherin und oft Totengräberin zugleich war, kulminierten diese Bereiche um Leben und Tod in einer Person.

Sterben, um Leben zu schenken — die Mütter Frauen waren zugleich diejenigen, deren eigener Tod in eine unbestimmte Nähe zur Geburt ihres Kindes rückte. „Groß sind die Mühsale des Weibes. Durch eine beinahe ununterbrochene Reihe von Drangsalen und Leiden hat dieses Geschlecht sich zeitlebens hindurch zu schleppen. Schwach, gebrechlich, von Geburt aus wartet seiner frühe Kränklichkeit, frühes Verblühen und häufig auch ein frühes Grab. Sooft ein neuer Mensch diese irdische Sonnen erblicket, sooft wird das Leben eines zweiten, der Mutter des Neugeborenen, aufs Spiel gesetzt", so kommentierte um 1780 der Hüttersdorfer Geistliche die Verbindung von Geburt und Sterben.368 Kündigte sich der Tod der Mutter wegen einer „unglücklichen" oder nicht durchführbaren Geburt, einem „harten" Kindbett, Krankheit oder Schwäche an, konnte man versuchen, ihm entweder durch Anwendung volksmedizinischer, volksmagischer Mittel und indem man entsprechende Heilige anrief, zu begegnen, oder man zitierte den Ortsgeistlichen zur letzten Ölung. Daß zumindest die Kirche Wert darauf legte, daß Kindbetterinnen mit den Sterbesakramenten entschliefen, betonen und registrieren neben Geburtsschilderungen besonders die Kirchenbücher. Sie sprechen von „seeliglisch Verschieden[en]", vom „seeligen" Sterben und von „fröhlicher Auferstehung", davon, daß sie „auf vorher empfangener hl. Abendmahl und trostlichem zusprechen in Dominus ser. entschlaffen" seien.369 Dies war keineswegs immer gewährleistet, so daß oftmals die um die Niedergekommene versammelten Frauen Sterbehilfe leisten mußten. Als etwa 1720 in Villers bei Morhange eine Dörflerin „vor der Zeit" entband, das von der Hebamme notgetaufte Kind nach zwei Stunden verstarb und die Wöchnerin schwer erkrankte, versuchten die Dorffrauen den Geistlichen zu benachrichtigen. Wegen Überflutung der Flüsse und weil kein Pferd zur Verfügung stand, um ihn abzuholen, verharrten sie fast drei Tage mit Wachen und im Gebet bei der Sterbenden, bis ihr der Pastor endlich eine Stunde vor ihrem Tod die Sterbesakramente erteilen konnte.370

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In einer solchen Situation griff man ebenso auf das reichhaltige Repertoire an Sprüchen, Rezepturen und Segnungen für Frauen in Kindsnöten zurück. Der volksmagische Bereich wiederum betont in symbolischer Analogie die besondere Nähe zwischen Tod und Geburt: Gegen Fieber in Kindsnöten oder im Wochenbett sprach man über die Kranke: „Hier stehe ich an der Todessee und werfe hinein 77 Fieber und aller Kranken Weh + + +"; zur Blutstillung diente folgende Formel: „Seelig ist der Tag, da Jesus Christus geboren ward, seelig der Tag, da Jesus Christus gestorben war, seelig der Tag da Jesus Christus von den Toten aufgestanden ist. Dieses sind die heilige drei Stunden, damit stille Dir N . N . [Name] dein Blut und heile deine Wunden, sie sollen weder geschwöllen noch geschwären, so wenig als Maria noch einen Sohn soll gebären". 371 Naheliegend war es, bei Segenssprüchen vor dem nahenden Tod der Kindbetterin in einem Gleichnis die glückliche Geburt heiliger Frauen oder der Gottesmutter zu beschwören, auffallend ist jedoch auch hier ein deutlicher Bezug zu biblischen Todesereignissen, welche sich ins Gegenteil verkehrten: Eine Rolle spielen der Tod Jesu, der erweckte Lazarus und Heilige, welche durch ein Wunder vom Tod errettet wurden. 372 Hilfe durch ein Wunder ließ das Gebet und die direkte Anrufung von Heiligen erhoffen, wie dies die Mirakelbücher dokumentieren. Uber die verzweifelte Suche nach dem für die Errettung einer Niederkommenden zuständigen und erfolgreich eingreifenden Heiligen und schließlich über das „Verloben" einer ganzen Frauenrunde nebst dem Ehemann einer während der Geburt verstorbenen Frau an die Muttergottes von Gräfinthal berichtet ein Mirakel von 1671 wie folgt: „... ist ein Fraw zu Wüttersheimb [Wittersheim] drey Viertel=Stund vom Closter in Kindsnöthen mit jämmerlichem Schmertzen in höchste Gefahr ihres Lebens kommen/sie verlobten sie hin und her an underschiedliche Orthen/funden aber nirgend kein Hilff/sie war gestorben/da ihr Ehemann solches erfahren/daß sie noch nicht hätten die rechte Nothelfferin ersucht/noch angeruffen/faßte gut Hertz/spricht die anwesenden Weiber umb ein andächtiges Gebett an/mit ihm zu Unser lieben Frawen nacher Gräffenthal zuthun/die Gnad zuerlangen/daß sein Haußfraw möchte wieder erquickt werden/und versprechen paarfuß dahin zugehn/ 3. heilige Messen lesen zu lassen/warauff sie von einer todten Geburt erlediget und wiederumb zum vorigen Leben kommen". 373 Ähnlich den Taufwundern, die jedoch nur eine zeitlich begrenzte Erweckung vorsahen, glaubte man an eine wundersame endgültige Reanimation gestorbener Kindbetterinnen - sofern die richtigen Fürsprecher gefunden wurden. 374 In anderen Mirakelberichten bat die im Sterben liegende Kindsmutter ihren Mann um die Anrufung Marias oder betete selbst zu ihr, oder die anwesenden Frauen ergriffen die Initiative. 375 Zur Mutter Gottes von Beurig, unter deren Wundererzählungen sich keine Erweckungen von Gebärenden oder Kindbetterinnen vom Tode finden lassen, verlobten sich die Frauen dagegen immer selbst. Heftige Schmerzen nach der Geburt, Blasenleiden, hitziges oder

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vermischtes Fieber, lebensgefährliche Schwellungen und Geschwülste, ja sogar Lähmungen veranlaßten sie in Todesängsten zu Gebet und Gelübde. Nach den Mirakeln hatte das Uberleben der Mutter einen hohen Stellenwert, der den des Kindes im Zweifelsfalle übertraf. Bei einer stockenden Geburt betete man selten für das Uberleben von Mutter und Kind, als vielmehr nur für die Gesundheit der Mutter, während dem zu gebärenden Kind in den Fürbitten kaum Bedeutung zukam. Diese volksreligiöse Haltung widersprach in gewisser Weise der kirchlichen Auffassung von der Rettung allen menschlichen Lebens, wozu auch das ungeborene Leben zählte. Die Freude beim Überleben der Mutter oder ihrer Wiedererweckung, die stets die Trauer etwa um das totgeborene oder während der Niederkunft verstorbene Neugeborene übertraf, entsprach andererseits einem durchaus pragmatischen Umgang mit Leben und Tod. Sie solle sich über den T o d ihres Kindes nicht allzusehr grämen, so hatten wir an anderer Stelle die tröstenden Worte einer Nachbarin gegenüber einer Kindbetterin aus Merzi^ zitiert, denn da sie überlebt habe, könne sie „noch mehr kinder gewinnen". 7 6 War trotz aller dies- und jenseitigen Hilfeleistung der T o d der Mutter eingetreten, das Kind jedoch nicht zur Welt gekommen, sollte den Anweisungen der Hebammenordnungen gemäß ein Chirurg den Kaiserschnitt vollziehen. Die Tatsache, daß die Quellen nur in Ausnahmefällen von derartigen operativen Eingriffen berichten, mag man mit dem Mangel an Physici und Chirurgen auf dem Land in Zusammenhang bringen. Da jedoch in keinem überlieferten Notfall Hebammen den Kaiserschnitt vollzogen, obwohl sie in anderen Bereichen die herrschaftlichen Anordnungen durchaus überschritten oder ignorierten, läßt ihre Passivität mehr noch vermuten, daß die Ausführungen im Hebammenbuch des Anton Moritz die Einstellung der Landbevölkerung zur Öffnung des toten Körpers treffen: „In jener irrigen Meynung, daß die Kinder [noch] nicht bis zur halben Schwangerschaftszeit leben", würde man vor allem verstorbene schwangere Frauen keinesfalls aufschneiden, die nicht mindestens die Hälfte ihrer Gravidität überschritten hätten; zudem betrachte man selbst bei über der Geburt verschiedenen Frauen, wo man vermuten könne, „daß die Frucht annoch lebet", eine Leibeseröffnung als eine „zu grausame Sache" und lehne sie deshalb strikt ab, weil die Tote dann mit geöffnetem Leib begraben werden müsse. 377 Nicht nur die Erhaltung des mütterlichen Lebens ging, wie es die Mirakel erkennen lassen, der des kindlichen voraus, sondern sogar die Integrität des toten Körpers der Mutter schien den Wunsch nach der Rettung des kindlichen Lebens zu überlagern. In den Augen der Dorfbewohner war der T o d der Frau ein persönliches Ereignis allein in ihrer menschlichen Existenz. Seine physiologische und religiöse Bedeutung fügten sich in ihrem Denken zusammen, ebenso wie Mutter und Kind für sie eine untrennbare Einheit bildeten: Sie mußten „beieinander" bleiben.378 Der mütterliche Tod war für sie folglich kein physikalisches Defizit, keine endgültige Funktions-

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Störung, wie ihn Mediziner des 18. Jahrhunderts verstanden, vor deren Folgen man das Ungeborene retten mußte. Durch den Tod der Mutter ergab sich für die hinterbliebene Familie eine sehr schwierige, manchmal ausweglose Situation. Mancher Ehemann mußte, wie Endres Diehl aus Biesterschied, die Bezahlung „der Curcosten seiner im Kindbett verstorbenen Ehefrau" von der herrschaftlichen Armenkasse erbetteln, manch anderer wie Abraham Preul von Meisenheim oder Peter Engler aus Odenbach, wußte nicht, wie er die Beaufsichtigung seiner vielen kleinen Kinder mit der Ausübung seines Handwerks und dem Verdienst eines Lebensunterhalts zu ihrer Versorgung nunmehr vereinbaren sollte und beantragte finanzielle Unterstützung, weil er außerstande war, eine „Wärterin" für die Kinder zu bezahlen und deshalb seinen Beruf aufgeben mußte.379 Daß ein vor eine derartige Notsituation gestellter Familienvater - die Quellen sprechen von Mittel- und Hilflosigkeit, tiefem Notstand, den „äußersten gräntzen der armuth und des Ehlends", von Kummer und „betrübten umständen" - die Schuld am Tod seiner Frau und der mißlichen Lage seiner Familie zuallererst beim Versagen der Hebamme suchte, ist naheliegend und verständlich. Mit den Worten, sie sei eine „diebische hoer und Zauberin" habe Reiner Schlosser aus einem Dorf nahe Saarburg, dessen Frau zuvor in der Geburt gestorben war und mehrere „arme Kinder" zurückgelassen hatte, die örtliche Hebamme vor ihrem Haus empfangen, sie sodann „mit den hären genhommen, uff der gassen umbgeschleufft und ubell zerschlagen", so gab diese vor Gericht an, während der durchaus unreuige Witwer bekundete, es „seye ihme leidt, das er sie nit besser zugericht hab". 380

Der Umgang mit besonderen

Verstorbenen

Die Bestattung von Wöchnerinnen, die zumeist einen Tag nach ihrem Tod erfolgte, scheint mit einer großen Anteilnahme der Dorfgemeinschaft verbunden gewesen zu sein, da häufig der Zusatz „bey volkreicher Versammlung begraben" oder „bey sehr volkreicher Versammlung begraben", der sich ansonsten nur bei Beerdigungen sehr alter Menschen findet, in den Sterberegistern verzeichnet ist. 1797 notierte der Geistliche von Wiebelskirchen anläßlich der Beerdigung einer Frau, die den Tod zusammen „mit der Frucht ihres Leibes" erlitten hatte, weil sie das Kind nicht zur Welt bringen konnte: „Sie wurde den 26. ejusdem ... unter einer so zahlreichen Begleitung zur Erde bestattet, daß die Stühle in der Kirche nicht hinreichend waren, sondern der Hauj?tgang durch die Kirche noch gantz mit Bänken bestellt werden mußte ...". Dieses zahlreiche Erscheinen der Dorfmitglieder deutet ebenso wie bei den alten Menschen auf eine besondere letzte Ehrung im Kindbett oder bei der Geburt verstorbener Mütter hin. Auch sie waren wie die Kindbetterkinder außergewöhnliche Verstorbene, deren Status sich

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aber im Gegensatz zu diesen weniger durch den Ort ihrer Exhumation als im Umgang mit ihrer Grabstätte manifestierte, an die sich spezielle Imaginationen knüpften. Ausnahmen gab es auch hierfür, wie die Bestattung der 1745 im Kindbett verstorbenen Frau des Pfarrers von Waldfischbach vor der zweiten Tür der örtlichen Pfarrkirche bezeugt.383 Bis ins 16. Jahrhundert hatte man Wöchnerinnen zwar noch an besonderen Orten, etwa in ungeweihter Erde, an der Friedhofsmauer oder in einem abgeteilten Kirchhofsbereich bestattet, eine „papistische" Unart, der vor allem Martin Luther vehement widersprochen hatte: Frauen, die bei Geburten oder im Kindbett gestorben seien, wären keineswegs „von Gott vermaledeyet", sondern sollten wie alle anderen Christen begraben werden, so verbot er die verschiedenen Arten dieser Sonderbestattung.384 Eine Beisetzung verstorbener Mütter an besonderen Orten läßt sich seit dem 16. Jahrhundert denn auch nicht mehr feststellen, auch wenn man sie in manchen pfälzischen Gegenden noch an einer vom Wohnbereich getrennten Ortlichkeit, etwa im Keller, aufbahrte.385 Dagegen war es überall im Saar-Pfalz-Raum und in Lothringen bis ins ausgehende 18. Jahrhundert weder durch kirchliche noch gerichtliche Strafen zu verhindern, daß in den protestantischen Gebieten die Gräber von Wöchnerinnen mit weißen Laken bedeckt, in den katholischen Gegenden mit kleinen Kreuzen aus Ästen oder einem langen Seil oder Garn umrandet wurden, um sie kenntlich zu machen. Keine Schwangere - so die volksmagische Bedeutung dieses Brauches - sollte ein solches Grab überschreiten, um nicht demselben Unglück anheim zu fallen.386 „La tombe d'une femme morte en couches etait entouree d'un long fil retenue par quatre piquets fiches en terre aux quatre coins du tombeau. Ce fil devait etre rennouvele s'il se rompait avant les quarante jours exiges".387 Dieses Begrenzungsritual aus der Gegend um Metz enthält den Hinweis, daß in den lothringischen Gegenden bei der Einrahmung der Gräber zum Schutz anderer der Gedanke an die Unreinheit und unheilvolle Gefährlichkeit der möglicherweise noch nicht ausgesegneten Kindbetterin oder der „in excommunication" ohne die Sterbesakramente und ohne „Klang und Gesang" beigesetzten unehelichen Mutter388 in den vier bis sechs Wochen nach der Geburt eine Rolle gespielt haben mag. Wie sehr selbst Geistlichen daran gelegen war, derartige Bestattungen und die entsprechenden Grabstätten auf ihren Friedhöfen zu vermeiden, zeigt die vom Ortsgeistlichen 1795 beantragte Obduktion der Leiche einer ledigen Frau aus Allenbach, die bis zuletzt behauptet hatte, keineswegs schwanger zu sein, während die anwesende Hebamme diagnostizierte, sie sei während einer Geburt verstorben. Erleichtert konnte der Geistliche ihr nach der Sektion - es hatte sich nur ein „Polyp nach Art eines Kindes" gefunden - ein „ehrliches begräbnis, wie anderen" erteilen und brauchte die „abergläubische" Behandlung und Meidung ihrer letzten Ruhestätte nicht zu fürchten.389 Die Umrandung mit Kreuzen, die in der Volksmagie eine eindeutig bannende Funktion hatten, deutet wiederum auf einen speziellen Wiedergän-

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gerglaube, der die verstorbene Mutter nachts an die Wiege ihres Kindes zu dessen Versorgung zurückkehren ließ.390 Im zweibrückischen Amt Kusel taufte man sogar das überlebende Kind über dem Sarg der verstorbenen Mutter, um zu verhindern, daß sie des nachts komme, um es zu versorgen und schließlich zu sich zu nehmen. 391 Ob eine derartige Einrahmung, wenn sie denn der Bannung diente, jenen Gräbern fehlte, in denen Mutter und Kind gemeinsam beigesetzt wurden, ist allerdings ungewiß. Nur in Lothringen und im Saarraum bestattete man das Kind in einem solchen Doppelgrab, aber nicht im, sondern neben dem Sarg der Mutter in zwei aufeinanderliegenden Dachfirstziegelsteinen, während es bei einer Einzelbestattung eine „Lade" erhielt.392 Tabuisierung und Ritualisierung der bei der Geburt oder im Kindbett verstorbenen Frauen verweisen darauf, daß sie ebenso wie die während einer Schwangerschaft gestorbenen Frauen zu jener Gruppe von speziellen „unzeitigen" Toten gehörten, die auf besonders tragische Weise und durch ein schreckliches Unglück einen frühzeitigen, unnatürlichen oder gewaltsamen Tod erlitten hatten. Auf der einen Seite waren dies Selbstmörder und Hingerichtete, auf der anderen Seite Verunglückte, Ermordete, Geisteskranke oder Menschen, die an Lepra, Pocken oder Cholera gestorben waren. Deren Grabstätten waren ebenso wie die der Frauen mit besonderen Tabus belegt, ein Kontakt mit ihnen konnte nach dem volksmagischen Verständnis des Analogiezaubers jenes Unglück aktivieren, das den Toten selbst widerfahren war. Ihr Leichnam war in der populären Vorstellung in doppeltem Sinne lebendig: in unzähligen Sagen und Geschichten und in der Imagination ihrer möglichen nächtlichen Wiederkehr. Im Jahre 1636 - so ein Mirakelbericht erschien den Franziskanerpatres der Beuriger Wallfahrtskirche eine Frau aus dem Nachbarort, die wenige Tage zuvor im Kindbett verschieden war, und bat um einen Bittgang zur Gottesmutter nach Beurig samt dreier Messen, damit sie von der Pein des Fegefeuers erlöst werde. 393 Keine weitläufige Erläuterung könnte die beiden Vorstellungskomplexe um den Tod von Wöchnerinnen besser in eins bringen als diese Wundergeschichte von der unerlösten, unreinen und der unruhigen, wiederkehrenden Seele einer Frau, die sterben mußte, weil sie Leben gab und jetzt nach dem „ewigen Leben" strebte. Der populäre Volksglaube um die tote Kindbetterin, der vor allem in der Behandlung ihres Grabes und den mit ihrer Leiche verbundenen Imaginationen sichtbar wird, bildete eigene Vorstellungen aus zwischen den kirchlichen Anschauungen, die Wöchnerin habe einerseits durch ihre Geburtsschmerzen und ihren Opfertod ihre Sündenschuld abgetragen und gelange wie die Märtyrer durch das Fegefeuer in den Himmel, sie sei andererseits aufgrund einer fehlenden Aussegnung weiterhin ,unrein' und ,befleckt'. Die logische Vereinbarung dieser von kirchlicher Seite vorgegebenen Widersprüchlichkeit manifestiert sich in der Ansiedlung dieser besonderen Toten in einem Zwischenbereich zwischen Himmel und Hölle. Die „Weiber, so im Kinder gebären/vnd Kindbett sterben", so beschreibt Nicolaus Cusanus die

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populären Vorstellungen des 16. und beginnenden 17. Jahrhunderts im Trierer Land, könnten „die Himmliche Frewd allein hören/aber nit gemessen".394 Da durch ihren vorzeitigen und atypischen Tod der normale Ablösungsprozeß von den Lebenden und der Ubergang vom Leben zum Tod Störungen und Unregelmäßigkeiten erfahren hatte, bedurfte es zudem weiterer Riten der Trennung oder des Nachvollzuges der bei ihrem unzeitigen Tod unterbliebenen Ablösungsrituale. Wie die nachträgliche Taufe toter wiederbelebter Kinder gehörte die Markierung des Grabes der toten Wöchnerin zu einem Komplex von Trennungsritualen in einer Ablösungsphase, in der die Verstorbene zunächst in einer Welt zwischen den Lebenden und Toten piaziert und imaginiert war und eine endgültige Trennung von Mutter und Kind noch nicht stattgefunden hatte. Erst nach vier bis sechs Wochen, so nahm man in Analogie zur Dauer des Wochenbettes der Lebenden an, gingen von ihrem Grab keine unheilvollen Einflüsse mehr aus, kehrte sie nicht mehr als Wiedergängerin zu ihrem überlebenden Kind zurück, waren ihre Sünden im Fegefeuer abgebüßt - sofern Fürbitten und Messen die Buße nicht verkürzt hatten.395 Nach dieser Zeit fanden in manchen Regionen auch erst die eigentlichen Totenfeiern und der Leichenschmaus statt.396 Geburt und Tod waren einerseits vom Alltagsgeschehen abgehobene besondere Ereignisse, die wie alle Übergangsriten eine gewisse Tabuisierung und Isolation verlangten. Der Tod im Zusammenhang mit einer Geburt verstärkte den Charakter dieses Ausnahmefalles sowohl auf der symbolischimaginativen Ebene wie der rituellen Handlungsebene. Nach volkstümlicher Vorstellung handelte es sich etwa bei einem kurz nach der Geburt verstorbenen Kind um einen doppelten und zugleich kontroversen „rite de passage" in die Welt der Lebenden und von ihr in die der Toten, beim Versterben einer erstgebärenden Mutter um die Kombination aus Initiation zur Mutterschaft und „rite de passage". In den Bestattungsbräuchen zeigt sich diese doppelte Grenzüberschreitung in analogischen Momenten zwischen Gebären und Sterben und im Aufeinandertreffen der Todes- und Lebenssymbolik bzw. der Todes- und Initiationssymbolik: Getauften Kindbetterkindern legte man Rosmarinkränze als Symbole des Todes, des Lebens und der Liebe, zuweilen die Windeln, die für ihre erste Lebensphase bestimmt waren, in den Sarg. Auf ihre Todesstätte und in das Grab gab man eine Brotkruste, die erste feste Nahrung des Kleinkindes.397 Tote Erstgebärende erhielten jenen Strauß aufs Grab, der ihnen in der Kindbettzeche zur Aufnahme in den Kreis der Mütter angesteckt worden wäre, während die weißen Tücher, die die Grabstätte bedeckten, manchmal jene Leinentücher waren, auf denen sie geboren hatten.398 Zugleich waren Geburt und Tod öffentliche Ereignisse, in die zunächst Frauen, beim Begräbnis der Kindbetterin auch die Dorfgemeinschaft involviert waren. Beim Tod eines Neugeborenen wurde dieser öffentliche Charakter in Bezug auf die besondere, nur von Frauen vorgenommene Bestat-

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tung bewußt eingeschränkt. Es war hier nicht die Dorfgemeinschaft, die sich von einem ihrer Mitglieder verabschiedete, sondern Mütter des Dorfes als Trägerinnen dieses Brauchtums und als Begleiterinnen von einer in die andere Welt bewältigten rituell, gemeinschaftlich und stellvertretend für die Kindesmutter, mit der sie seit der Geburt eine Not- und Hilfsgemeinschaft gebildet hatten, ein Ereignis, das oft wichtiger Teil auch ihrer eigenen Lebensgeschichte war.

III. Solidaritäten nach der Geburt: Die rituelle Hilfsund Festgemeinschaft der Frauen 1. Kollektive Sorge um Mutter und Kind Geburt, Krankheit und Tod hielten die Gemeinschaft der Frauen zusammen. Sie aktivierten ein Netzwerk der Dörflerinnen, das in vielfältigen - volksmedizinischen, religiösen, geburtshelferischen, rituellen, physischen und psychischen - Belangen eingreifen und unterstützen konnte. Dabei speiste die Notund Hilfsgemeinschaft der Dörflerinnen ihre Attraktivität aus einer Identifikation mit den Gebärenden, Leidenden und Sterbenden, gestaltete sie eine besondere Art der Hilfe und Zuwendung, die Männer nicht aufbringen konnten. War mit einer „glücklichen" Geburt die Hilfsgemeinschaft zunächst reduziert auf die Hebamme und die weiblichen Verwandten, die die Wochenbettpflege übernahmen, so setzte sich die rituelle Gemeinschaft der Frauen in einer weiblichen Festkultur fort. Schon während der Geburt waren viele Aktivitäten einzelner Helferinnen in Anwesenheit aller Frauen durchgeführt worden, und umgekehrt hatten die anwesenden Frauen ein Kollektiv zur Ausführung ritueller Handlungen gebildet. In anderen Zusammenhängen wurden schon die Nottaufe, gemeinsame Gebete und Gelöbnisse und die Anwendung magischer Praktiken als von den Frauen gemeinschaftlich vollzogene Rituale erwähnt. Auch nach der Niederkunft setzten sich die von den Helferinnen initiierten und praktizierten rituellen Handlungsweisen fort, die jetzt dem Schutz der Mutter und des Kindes vor bösen Mächten, der Begegnung oder Verhinderung auftretender Krankheiten oder der Behandlung und Aufbewahrung von Uberresten der Geburt dienten. Zwar kannte man im 16. Jahrhundert und der späteren Zeit kaum mehr komplexe Zeremonien ähnlich denen, die Jean-Claude Schmitt für den Austausch von Wechselbälgen für das 13. Jahrhundert aus der Nähe von Lyon schildert1, wohl aber war die Vorstellung des von Dämonen oder Hexen nach der Geburt vertauschten Kindes und der Glaube, das eigene Kind durch magische Praktiken zurückgewinnen zu können, immer noch lebendig.2 In der Kuseler Gegend allerdings wurden schwächliche Kinder, die man für vertauschte Dämonenkinder hielt, ganz wie es Schmitt für die älteren Kulthandlungen beschreibt, mit Ol eingerieben, unter den Armen gegriffen und von der Mitte des Raumes aus in alle vier Ecken „geschlenckert". Im Lothringischen legte man, um einen solchen Austausch zu verhindern oder ihn rückgängig zu machen, dem Neugeborenen gesegnete Kräutersträuße und Palmen unter das Kopfkissen, band ihm ein gesegnetes Medaillon oder einen Wolfszahn um, untersuchte Federbett und Kissen auf ineinander verflochtene Federkiele. Abwechselnd wachten die Frauen in den ersten beiden Nächten nach der Geburt bei

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brennender Kerze über seiner Wiege, sprachen spezielle magische Sprüche und führten Rituale sowohl gegen das Auswechseln als auch gegen das gefürchtete Erdmännchen durch, das dem Kind des nachts an der Brust saugte.4 Gegen das Berufen oder Beschreien, eine Form des rückwärtsgekehrten Schadenzaubers durch Hexen 5 , hängte man im pfälzischen Großbundenbach dem Neugeborenen die Teufelspeitsche („Deiwelsgääschel") um, ein Säckchen, in das abwehrkräftige Substanzen eingenäht wurden, während die Frauen dazu sprachen: „Bist du berufen mit drey bösen Namen, so berufe ich dich mit den drey höchsten Namen". 6 In Dierbach tat man an drei folgenden Morgen mit der Zunge ein Kreuzzeichen auf die Stirn des Neugeborenen und setzte in einer Spruchformel den drei falschen Zungen, die das Kind „beschraut" (beschrien) hatten, die drei guten Zungen entgegen, die ihm sein Blut und Fleisch zurückgeben würden. 7 Vermuteten die Dörflerinnen Milchzauber durch Hexen oder das im Lothringischen mehr noch gefürchtete „Druckmännel", so schütteten sie die verhexte Muttermilch auf den Ofen oder ins Feuer und hackten mit Sicheln oder Messern darauf ein.8 Ebensowenig wie man vor der Taufe den späteren Taufnamen des Kindes nennen durfte, um es nicht bösen Geistern und Hexen auszuliefern 9 , sollte das Neugeborene vor dem Gang zur Taufe das Haus verlassen, weshalb sich die Nachbarinnen in der Wochenstube bei der Betreuung abwechselten. Nicht nur die Gemeinschaftsbräuche zum Schutz des Kindes, sondern auch jene zur Betreuung der Mutter verbanden praktische und symbolische Funktionen, verschränkten technische, medizinische und magische Elemente im Ritual zu einer situativen Symbiose, die eine Integration dieser notwendigen gemeinschaftlichen Hilfe in das Alltagsleben erlaubte. Über die Eingangstür wurden Kreuze aus Kalk- oder Tonfarbe gemalt, das Schlüsselloch versperrte man mit einem roten Läppchen, beides, um bösen Geistern oder schädigenden Menschen den Zutritt zu verwehren. 10 Hatten die Helferinnen in den lothringischen Dörfern die Gebärende schon bei den ersten Wehen mit dem Hemd ihres Mannes umhüllt, so legte man ihr nach der Geburt seine Mütze auf die Brust, um das Ausbleiben der Muttermilch zu verhindern." Ein besonderes Ritual, das den Vater des Kindes direkt einschloß, vollzogen die lothringischen Frauen mit der ersten Nahrungsaufnahme des Neugeborenen: Nach der Geburt wurde der Ehemann hinzugerufen, um das Kind in sein Hemd einzuwickeln; war das Neugeborene durch die Geburt dem „Kleid" der Mutter entschlüpft, ihrem Bauch, der es neun Monate umhüllt, ernährt und gekräftigt, ja ihm Emotionen und Eigenschaften übermittelt hatte, so übernahm jetzt der Vater durch die Umhüllung mit Kleidung die Eingliederung des Neugeborenen in das soziale Leben, in Sozialisation und Zivilisation, während er dem Kind zugleich mit seiner eigenen Körperbekleidung symbolisch auch die Kraft seiner Person und seine Eigenschaften übertrug. Danach erhielt der Säugling zuerst von der Muttermilch, dann aus der Hand des Vaters ein Stückchen Brot. Die

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Verabreichung der Milch, der Nahrung der Frau, und des Brotes, der späteren Nahrung des Kleinkindes, die der Mann durch seine Feldarbeit beschaffte, beseitigte rituell die noch vorhandene Fremdheit, stellte den ersten gemeinsamen elterlichen Kontakt zum Kind dar und bildete ein von der Frauengemeinschaft geleitetes Aufnahmeritual des Neugeborenen in die familiäre Gemeinschaft.12 Zwar kannte man im Saar-Pfalz-Raum und in Lothringen die rituelle Aufnahme des von der Hebamme auf den Boden gelegten neugeborenen Kindes durch seinen Vater nicht oder nicht mehr. Ein Ereignis aus Ottweiler verweist jedoch darauf, daß zumindest in Zweifelsfällen das Auf- oder Annehmen des Kindes durch den Vater in seiner ursprünglichen Bedeutung der Anerkennung des Neugeborenen als Familienmitglied durchaus aktualisiert werden konnte. 1765 hatte die Magd des Schuhmachers Heinrich Poth ein nichteheliches Kind in dessen Haus zur Welt gebracht und ihren Dienstherren auf Vaterschaft und Alimentation verklagt. Nachdem die Klage vor Gericht abgewiesen und der Schuhmacher „absolviret" worden war, verließ die Magd unter Zurücklassung des Kindes ihre Dienstherrschaft. Nicht nur den Dorfbewohnern, sondern ebenso dem Ortsgeistlichen und den Saarbrücker Regierungsbeamten kamen gehörige Zweifel, als ihnen zu Ohren kam, daß das „Kind nicht in loco publico", sondern in der Küche des Poth von der Dienstmagd abgelegt worden war, ja der Schuhmacher es „auch auf- und angenommen", es also auf den Arm genommen und schließlich „einer säugenden Frau übergeben" habe. Die sofortige Auf- und Annahme des Kindes berechtige durchaus zu der Frage, so fügt das Protokoll hinzu, „ob nicht Heinrich Poth wenigstens einen Theil" der Unterhaltskosten für das Kind „zu zahlen schuldig" sei.13 Das nicht mehr unbedingt praktizierte, wohl aber in der Vorstellungswelt noch eindeutig konnotierte Ritual des Aufhebens oder der Annahme durch einen Mann als Bestätigung von Vaterschaft und Familialität des Kindes hatte den Schuhmacher trotz eines gegenteiligen Gerichtsurteils in den Verdacht der unterhaltspflichtigen Vaterschaft gebracht. Die Hilfsgemeinschaft der Frauen nach einer Geburt widmete sich in besonderem Maße der Krankheitsbekämpfung und der Krankenbetreuung. Erkrankten Mutter oder Kind während oder nach der Niederkunft, so unternahmen oftmals die helfenden Frauen, manchmal in Begleitung der mit der Kindbetterin verwandten Männer eine Bittfahrt zum zuständigen Heiligen oder eine Reise zu einer heilbringenden Quelle. Geopfert wurden Getreide, Hühner und Hähne, Kinderstatuetten aus Wachs oder Ton, Votivtafeln und Kleidungsstücke, die die Erkrankten getragen hatten.14 So machten sich auch 1650 mehrere Frauen aus Dambach bei Birkenfeld, die eine über der Geburt in Kindsnöte geratene Dörflerin zur Gottesmutter von Eberhardsklausen „verlobt" hatten, zusammen mit deren Ehemann und ihrem Schwager auf den Weg. Am Wallfahrtsort angekommen seien sie, so das in Anwesenheit des Pfarrers und mehrerer Zensoren des Kirchspiels Brombach verfaßte Protokoll des birkenfeldischen Amtmannes, „sembtlich in die Kirch

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gangen, auf ihre Knie gefallen und gebetet, als sie den Abend hinkommen. Den andern Tag hadt man Mess gehalten, desgleichen gekniet... Das Opfer [ein halbes Pfund Wachs] hat der Schwäher [Schwager] dem Koster geben". 15 Darf man freilich den Mirakelberichten Glauben schenken, so traten weit häufiger und im Gegensatz zu dieser gemischtgeschlechtlichen Pilgergruppe - der mitreisende Ehemann war im übrigen ein angesehener protestantischer Zensor, sein Schwager der „papistische" Betreiber der Wallfahrt - allein die Frauen die Einlösung von Gelöbnissen in Form von Bittgängen und Wallfahrten an.16 Unter denjenigen Kinderkrankheiten, für die keine speziellen Heiligen zuständig waren, fürchtete man insbesondere das „Abnehmen" oder die „Auszehrung", die sich daran zeigte, daß das Neugeborene nicht siebenmal so lang wie sein Fuß gewachsen war. Zur Vertreibung dieser ebenfalls bösen Mächten zugesprochenen Krankheit schnitten die Frauen im Pfälzischen ein Garnstück in der Länge des Kindes zurecht, wickelten es um einen Türhaken und öffneten, während eine von ihnen das kranke Kind auf dem Arm hielt, dreimal die Tür. Dabei sprachen sie jedesmal eine Formel etwa wie diese: „Hier steh ich auf Tür und Angel, hab sieben Fuß Mangel. Im Namen des Vaters und des Sohnes". Im Saarraum vertrieb man die Krankheit energischer und mit Handauflegung: „Gott Vater sprach: „Zehre nicht!" Gott der Sohn sprach: „Zehre nicht!" Die Dreieinigkeit Gottes sprach: „Zehre nicht!" Das walte Gott Vater, Gott Sohn, Gott Heiliger Geist. Amen". 17 Ebenso rätselhaft und dämonischen Einflüssen zugesprochen war das „Anwachsen" des Säuglings, der an Fieber litt, kurzatmig röchelte, Arme und Hände verkrampfte und stets weinte. In diesem Falle praktizierten die saarländischen Frauen das Ritual des „übers Kreuz messens", indem sie das Kind auf den Bauch legten, den rechten Arm auf den Rücken legten und das linke Bein so nach dem Rücken kehrten, daß sich Finger und Zehen berühren sollten. Geschah dies jedoch nicht, galt das Kind als angewachsen, im anderen Falle Schloß man auf Lungenentzündung. Zum Messen gehörten bannende Sprüche, wie folgender aus dem Illtal: „Weich von der Rippe, wie der Herr Jesus von der Krippe + + +", oder jener aus Roden: „Weich, Rippen-, Kugel-, Herzgespann, Meine Finger rühren dich an!".' 8 In der Pfalz galten das Vergraben einer Windel des Säuglings unter einem Baum oder das dreimalige Durchziehen des Kindes zwischen den Sprossen einer Leiter, wobei ebenfalls abwehrende Sprüche das Ritual unterstützen sollten, als besonders effektive Maßnahmen gegen das Anwachsen. 19 Unzählige gemeinschaftlich durchzuführende magische und volksheilkundliche Praktiken existierten weiterhin gegen Krämpfe und Kolliken, Durchfall, Geschwüre, „Gichtern", Gelbsucht, Fieber oder Entzündungen. 20 Daß bei der Behandlung dieser im Kindbett oder beim Neugeborenen auftretenden Erkrankungen Substanzen und Überreste, die von der Geburt herrührten — Plazenta, Nabelschnur, ausgetretenes Blut oder Glückshauben - eine besondere Rolle spielten, ist naheliegend und knüpft

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an die analogisch gedachte Wirkung vieler Formen der Krankheitsbekämpfung an. Direkt mit dem Ereignis der Geburt verbunden waren kollektive Handlungen, die der Vernichtung oder Konservierung dieser stofflichen Substanzen des Geburtsvorganges dienten. D a derartige Uberreste einen hohen symbolischen, magischen oder volksheilkundlichen Wert besaßen, piazierten sich um ihre Verwendung, Präparation oder Aufbewahrung zahlreiche rituelle Gebräuche, deren Trägerinnen zumeist ebenfalls die bei der Niederkunft anwesenden Frauen waren. War das Kind mit der „Glückshaube", in der Fruchtblase also oder mit einem Teil von ihr bedeckt zur Welt gekommen, wurde diese im Saar-Pfalz-Raum getrocknet und in ein Band oder Säckchen genäht, welches das Neugeborene um den Hals trug.21 Der besondere Schutz, den diese Haut dem Kind selbst während des Geburtsvorganges noch gegeben hatte, sollte ihm weiterhin gewiß sein und ihm besondere Fähigkeiten, Gesundheit und außergewöhnliches Glück garantieren. Die in Lothringen als „ne coiffe" und „bonnot" bezeichneten Glückshaubenkinder, deren Eihäutchen ebenfalls getrocknet, in ein Leinensäckchen gebunden und verwahrt wurden, erhielten dieses erst in späteren Lebensjahren. 22 In seiner Auflistung der im beginnenden 17. Jahrhundert im Trierer Land üblichen populären Bräuche erwähnt auch Nikolaus Cusanus „das Heublein damit ein Kind geboren" wurde, das man „als ein Glückszeichen" aufbewahrte.23 Nachgeburt und Nabelschnur dagegen wurden entweder im Haus oder im hausnahen Garten vergraben, denn „ils ne devaient pas sortir de la maison, par creinte de malheur". 24 Für beide Substanzen nahm man an, daß sie ihre frucht- und nahrungsbringenden Funktionen auch außerhalb des mütterlichen Leibes aufrechterhielten, daß sie sowohl die künftige Fruchtbarkeit der Familie, das Gedeihen des Kindes wie der Pflanzen garantierten. Dabei scheint die Aufbewahrung im Haus oder Keller seit der Mitte des 17. Jahrhunderts einem Vergraben außerhalb des Hauses gewichen zu sein. Direkt nach der Niederkunft legten die Dorffrauen in der Pfalz die Plazenta in einen neuen Topf, den sie bis Sonnenuntergang im Haus bewahrten, dann unter einem fruchttragenden Baum vergruben. 25 In den lothringischen Dörfern war man davon überzeugt, daß sich die Eigenschaften des Baumes, unter welchem Mutterkuchen und Nabelschnur vergraben wurden, entweder auf die Charakterzüge und körperlichen Eigenheiten des Neugeborenen oder auf das Geschlecht nachfolgender Geschwister auswirken könne. Vergrub man sie unter einem Rosenstrauch, sollte das Kind eine schöne Haut bekommen, fanden sie ihren Platz unter einem Weinstock, würde es ein Trinker, unter einem Lorbeerbusch, würde es ein tapferer Mensch werden. 26 Sollte das nächste Kind ein Mädchen sein, legte man die Nachgeburt unter einen Apfelbaum, sollte es ein Junge werden, unter einen Birnbaum. 27 Die symbolischen Funktionen und Kräfte dieser Substanz machten sie denn auch zum Heil- und Magiemittel gegen Leberflecke, Hautkrankheiten, Epilepsie, Unfruchtbarkeit,

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Probleme bei der Milchbildung und beim Stillen. 28 N o c h die NassauSaarbrückische Medizinalordnung von 1743 enthält in ihrer Preistabelle und Taxe pulverisierte oder getrocknete Nachgeburt, die also eine in den A p o theken der Herrschaft durchaus gebräuchliche Handelsware als offizielles Heilmittel war. 29 Die vielen gemeinschaftlichen Schutz-, A b w e h r - und Heilpraktiken der Dörflerinnen verdeutlichen, daß nicht nur das Geburtsereignis allein, sondern auch die anschließende Phase als eine Zeit begriffen wurde, die weiterhin der gemeinsamen Bewältigung, der Aufteilung von Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten sowie der Vertretung der Interessen von Mutter und Kind bedurfte. Vor allem die von mehreren Frauen vollzogenen Wallfahrten in entfernte Gegenden zeigen darüber hinaus, daß die Dorffrauen durchaus bereit waren, ihr rituelles Hilfsangebot auch im Hinblick auf größere Strapazen und Ausgaben einzulösen. Die Vielzahl der M a ß n a h m e n und Hilfeleistungen wiederum läßt eine äußerst intensive, zeitaufwendige und anstrengende Investition in das Wohlergehen der verwandten, befreundeten oder benachbarten Frau erkennen. Zugleich bedingten freilich die symbolischen Bräuche und die Vorstellungen von der Anfechtbarkeit und Schutzbedürftigkeit von Mutter und Kind sowie der notwendigen Isolation der Kindbetterin bis zur Aussegnung eine von außen kommende, im H a u s der Wöchnerin stattfindende praktische und rituelle Hilfe. Eine Entschädigung für ihre Anstrengungen erwartete die Dorffrauen sowohl in der selbstverständlichen gegenseitigen Inanspruchnahme bei künftigen eigenen oder die eigene Familie betreffenden Geburtsereignissen als auch in der auf die Geburt folgenden Sequenz weiblicher Feste u m die Niederkunft. Daß aber selbst in diesen Bereich der nachgeburtlichen Versorgung männliche Medizinalpersonen einzudringen versuchten, erweist die Anzeige des Blieskasteler Chirugen J u n g bluth im „Zweybrücker Frag- und Kundschafts-Blatt" von 1773: Er pries hier eine selbstverfertigte Universaltinktur z u m Verkauf an, die „an den Brüsten säugende Kinder mit gutem Succeß und Effect gebrauchen" könnten, ob mit Verkaufserfolg, bleibt im Hinblick auf das vielfältige Angebot an Hilfsmitteln der Frauengruppe jedoch fraglich. 30

2. Frauenfeste und Initiationsbräuche Kindbettzechen

und,

Weibergelage'

Die u m die Hilfe bei Schwangerschaft und Geburt entstandene Frauengemeinschaft der verheirateten Dörflerinnen setzte sich direkt nach der Geburt in ihrer rituellen Komponente und parallel zu weiteren praktischen Hilfeleistungen in einer Festgemeinschaft aus Kindbettzechen - im Trierischen „Kandszopp", im Pfälzischen „Kinncheskeereb", im Lothringischen

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„Schlamp" oder „brandon" und an der Saar „Kindschenk", „Weiberzech" oder „Weibergelach" genannt - sowie aus Kindtauffeiern („Kandtoof", „Imbs", oder „Kendaafsemmes") fort.31 Wie bei der Geburt kam auch bei den Festlichkeiten der Hebamme eine führende Rolle zu: Sie lud die ansässigen Taufpaten zur Taufe, richtete das Kind zur Taufe her, trug es an der Spitze des Taufzuges zur Kirche und leitete die Festlichkeiten. Werfen wir zunächst einen Blick auf die aufschlußreiche Genese der Feste um die Geburt. Ursprünglich scheint es sich im Saarraum, in der Pfalz und in Lothringen sowohl bei den Feierlichkeiten mit der Kindbetterin, die direkt nach der Geburt, bis 14 Tage danach und mit Abschluß des Wochenbettes stattfinden konnten, als auch bei den Tauffesten um reine Frauenfeste gehandelt zu haben.32 Ja selbst bei der Taufhandlung, so berichtet 1602 der Pfarrer von Wolfersweiler, durften nach ländlichem Brauch die Väter der Kinder nicht anwesend sein, eine Gepflogenheit, die schon 1585 im zweibrückischen Amt Meisenheim die Visitatoren dazu veranlaßte, die Pfarrer dafür sorgen zu lassen, daß künftig „die Vatter selbs bey der Tauff stehen" sollten.33 In den lothringischen Orten ging der Pate, wenn ein solcher überhaupt „berufen" wurde, als einziger Mann mit zur Taufe, während es in den ehemals kurtrierischen Dörfern nach den Beobachtungen Kylls noch in den 50er Jahren unseres Jahrhunderts mit Schwierigkeiten und Konfrontationen verbunden war, wollte der Vater des Kindes an der Taufhandlung teilnehmen.34 Auch die frühen Verordnungen und normativen Texte des 15. und 16. Jahrhunderts erwähnen sowohl im Zusammenhang mit den Wochenbettfesten, mit dem Taufzug zur Kirche wie den Feierlichkeiten anläßlich der Taufe Neugeborener ausschließlich Frauen. 1499 heißt es im Weistum von Alflen bei Trier schlicht und ohne Einschränkung: „Hat ein Kindbettsfrau ein Tönnchen Wein, so mögen ihre Nachbars mit ihr trinken und mit ihr bezahlen"35; eine Verordnung für die Städte Saarbrücken und St. Johann in der Grafschaft Nassau-Saarbrücken aus dem Jahre 1490 unterscheidet dagegen bereits zwischen den Frauen, die das Kind zur Taufe begleiten und danach im Haus der Kindbetterin bewirtet werden, und jenen Frauen, die die Mutter zu sich läd, wenn sie „uß dem Kintbethe get".36 Sechzig Jahre später, 1551, spricht eine „Ordnung, wie man es mit den Kindbettern" halten solle, von „nit mehr als sechs frauwen", die „zum tauff berufen" und beköstigt werden, von einer „abendzeer", zu welcher die Kindbetterin ebenfalls sechs Frauen vor Beendigung des Wochenbettes laden und von einem Fest mit weiteren sechs Frauen, das die Mutter nach vollendetem Wochenbett abhalten kann.37 Diese Dreiteilung der Feiern scheint sich in unterschiedlicher zeitlicher Folge im ganzen 16. und über das 17. Jahrhundert hinaus erhalten zu haben: Um 1590 war es in der Grafschaft üblich geworden, daß sich die „weiber, gevatterinnen und andere, so inn nötten bei der Kindbetterin verharret", direkt nach der Geburt am Kindbett mit einer Suppe und dunklem Brot einfanden, daß sie „nach vollbrachtem heiligem dauff" sowie „zu auß-

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gang des kindbeths abermals mit einem ehrlichen geburlichen malzeit" beköstigt wurden. 38 Die Polizeiordnung für das kurtrierische Amt St. Wendel gibt 1608 ebenfalls drei Festivitäten nach der Geburt als „wie es bisher Brauch war" an. Direkt nach der Geburt versammelten sich die „Weiber" im Haus der Niedergekommenen zu Suppe, Käse, Brot und Wein, am Tauftag erhielten sie nach der Taufe im Haus der Wöchnerin abermals Brot und Wein, und erst nachdem „die kindbetterin wieder ausgehen" könne, werde die offizielle „Kindtauf und Gesellschaft" mit den Verwandten, Gevattern und Nachbarn beiderlei Geschlechts gehalten." Die Verordnungen des 15. und 16. Jahrhunderts verraten einerseits, daß die gemeinsam verzehrte Kindbettsuppe direkt nach der Geburt wohl die ursprüngliche Festpraxis darstellte, gefolgt von einer erneuten Zusammenkunft der Frauen nach der Aussegnung der Kindbetterin. Im Verlauf des 16. Jahrhunderts etablierten sich andererseits auch im ländlichen Bereich zusätzliche Festbräuche vor allem um die Taufe, die eine Integration der Männer und Kinder sowie eine Ausweitung der Verköstigung der Gäste mit sich brachten. Die obrigkeitlichen Verordnungen suchten diesen Neuerungen wegen ihrer Kostspieligkeit, der üppigen Mahlzeiten und besonders des hohen Alkoholkonsums Einhalt zu gebieten. So verbot bereits 1558 ein pfalz-zweibrückisches Mandat über die Bewirtung von sechs bis acht Frauen hinaus, denen der „ehr wein" gegeben, und den Frauen, „so inn Kindsnötten da gewest", mit denen ein „ziemblicher Imbs" ausgerichtet werden könne, jegliche weiteren Festlichkeiten, die erst seit kurzer Zeit „in Kindbethen zu unnutzer Verschwendung gebraucht" würden. Gemeint waren Feiern nach der Taufhandlung, zu denen Kindsvater und Paten die Nachbarn, Verwandte und Freunde gemeinsam ins Wirtshaus oder ins eigene Haus zu einem Kindtaufessen, das mancherorts zwei, drei und mehr Tage dauern konnte, einluden. 40 Daß dieselbe Verordnung schon 1563, 1564 und schließlich 1565, diesmal unter Androhung empfindlicher Strafen, wiederholt werden mußte, zeigt eine beachtliche Resistenz dieser neuen Festbräuche, die jedoch spätestens seit der Mitte des 17. und bis zum letzten Drittel des 18. Jahrhunderts in dieser Art nicht mehr existierten. Auch in der nassau-saarbrückischen Grafschaft wandte sich eine Polizeiordnung von 1588 keineswegs gegen die Verköstigung derjenigen „Weiber", welche die Kindbetterin „bey sich in Kindsnöten gehabt", direkt nach der Geburt mit „den Suppen, wie sie es nennen", und nachmals mit einer Mahlzeit „nach gehaltener Kindtauff". Vehement verbot die Ordnung dagegen das neuerdings „durch die Menner als Weiber angestelte Kindtvertrinken" sowie den „neuwe[n] ungerumbdte[n] brauch, das des Kindts Eltern nach der ersten gehaltenen Weiber zech des andern tags die Menner in die Kindbett laden". Im Pfalz-Zweibrückischen untersagte man 1585 gleichermaßen keineswegs die Zusammenkünfte der Frauen, wohl aber das übermäßige Zechen der Männer nach einer jeden Taufe im Wirtshaus, zumal das männliche Geschlecht

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bis auf den Paten nicht einmal am Taufakt selbst beteiligt sei.42 1574 verordneten die Herren von Hunolstein in einer Gemeindeordnung für die Herrschaft Hüttersdorf die sofortige Abstellung der von Männern, Frauen und Kindern nach der Taufe neuerdings abgehaltenen Zechen, bei denen „auff ein mahl soviel verzehret wirdt, daß man die gantze Kindtbett damit hätte können haußhalten". Erlaubt blieb es den Kindbetterinnen aber auch hier weiterhin, „neben der Hebammen noch acht Weyber von leren Gesipter und Genachbarten zu Ihnen ins H a u s " zu einer „Imbs=oder Zech" zu laden.43 Bereits im Verlaufe des 17. Jahrhunderts waren die in den Verordnungen und Mandaten als neuartig bezeichneten Festbräuche, denen wir um die Mitte des 16. Jahrhunderts erstmals begegneten, wieder verschwunden. Sowohl das parallele Feiern der Geschlechter - die Frauen feierten Kindtaufe am Bett der Wöchnerin, die Männer im Wirtshaus - als auch das sich dem Fest der Frauen anschließende Feiern der Männer oder beider Geschlechter zusammen - nach der Weiberzeche folgte das Zechen der Männer oder ein Fest von Frauen und Männern im Haus der Wöchnerin - hatte sich zugunsten der alten Festbräuche der Frauen wieder verloren. Der Versuch der Männer, sich einen Platz in der ehemals weiblichen Festkultur um das Geburtsereignis zu sichern, war an den landesherrlichen Luxusbeschränkungen gescheitert, die vor allem dem überschwänglichen „Fressen und Saufen" der männlichen Feiergesellschaften Schranken auferlegten. 44 Neben den alten Verfehlungen des Fluchens, Schwörens und der Völlerei war die „große fresserey" anläßlich von Kindtaufen, bei welchen vor allem Männer, aber auch Frauen mehr „zechen und verfressen dann sie in einem halben Jar gewinnen", als Gefahr einer Profanisierung des sakramentalen Aktes der Taufhandlung selbst auf den Index der Kirchenzensur geraten.45 Was mit einem Blick auf die Verordnungen des ausgehenden 17. und besonders des 18. Jahrhunderts landläufig als eine Kontolle und Disziplinierung der weiblichen Kultur bewertet werden könnte, zeigt sich noch im 16. und bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts zunächst als der Versuch einer obrigkeitlichen Eliminierung neuer, vorwiegend von Männern in die weibliche Festkultur eingebrachter Festelemente. Zwar hatte man hier und da das dreimalige Feiern der Frauen als übertrieben bezeichnet, auch die mehrtägige Dauer der einzelnen Zusammenkünfte oder die große Zahl der Teilnehmerinnen moniert, Klagen über einen übermäßigen Genuß von Alkohol oder den üppigen Verzehr von Speisen waren jedoch bis zum Aufkommen der Männergeselligkeiten oder der gemischtgeschlechtlichen Festlichkeiten um Geburt und Taufe seitens der herrschaftlichen und kirchlichen Beobachter nicht geäußert worden oder hatten gar Anlaß zu Verboten und Beschränkungen gegeben. Die Ausgrenzung der Männer und ihrer das finanzielle Budget der Familien belastenden sowie das sittliche Leben gefährdenden Art des Feierns freilich erlaubte und garantierte zugleich die unbeschadete Weiterexistenz des von Frauen gemeinsam getragenen Brauch-

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turns. Das 17. Jahrhundert allerdings machte nun sie zur Zielscheibe landesherrlicher Beschränkungen. Schon in vereinzelten Bestimmungen des 16. Jahrhunderts liest man, daß zu allen Festlichkeiten nach einer Geburt „die weiber gemainiglich nit in geringer anzahl gastereyen zuhalten" pflegten, wie es 1580 anläßlich einer Visitation im Amt Zweibrücken mit vorwurfsvollem Unterton anklingt, eine Beobachtung jedoch, die noch im 16. Jahrhundert nur hier und da zu Beschränkungen Anlaß gab. 46 Lag es doch zu diesem Zeitpunkt in erster Linie im Interesse herrschaftlicher Verordnungen, zunächst die Mißstände, die durch die zeitweise Beteiligung männlicher Teilnehmer, durch deren eigenständiges Feiern und den Impetus ihrer Art des festlichen Begehens entstanden waren, erfolgreich zu beseitigen. Im Gegensatz zu diesen neuen Festbräuchen, deren gestiegene Unkosten zu Lasten der einladenden Familien und Paten gingen, hatten die traditionellen Frauenfeste um die Geburt auf einem System des Gabentausches basiert, wobei die Wöchnerin den Wein, die Gevatterinnen besondere Lebensmittel wie Zucker, Rosinen, Nüsse, mancherorts auch nur Wein, Brot und Käse, und alle geladenen Frauen Suppe, Brot oder andere Speisen, die sie entbehren konnten, beigetragen hatten.47 Reichte der von der jungen Mutter spendierte Wein nicht aus, legten alle Frauen zusammen, um beim Wirt weiteren Nachschub zu besorgen: Wollten „die Weiber aber noch mehr Wein trinken" als die Eltern anläßlich der Kindtaufe bereitstellten, würden sie diesen „unter einander selbst bezahlen", so war es um 1608 im Amt St. Wendel üblich. 48 Und auch von einem zweiten Frauenfest, das zwei Wochen nach dem gemeinsam begangegen Tauffest von den Dörflerinnen gefeiert wurde, berichtet der Breitfurter Pfarrer 1624 ähnliches: „=... über vierzehn Tage versamlen sie sich wiederumb, tragen Kosten zusammen sampt Küche, zechen wiederumb 2 oder 3 Tage. Was an Wein aufgeht, bezahlen sie gemeiner Hand". 49 Da nun im 17. Jahrhundert nach einem kurzen gemischtgeschlechtlichen Intermezzo das Feiern um die Geburt wieder eine weniger üppige, reine Frauenangelegenheit geworden war, ging es den herrschaftlichen Verordnungen jetzt um eine verstärkte Beobachtung der verbliebenen weiblichen Festkultur, in welcher man ebenso wie in der männlichen gleichfalls Mißstände, Ausschweifungen und Ubermäßigkeiten zu entdecken glaubte. Es waren jedoch andere, weniger als bei den Festen der Männer mit der Geselligkeits- und Trinkkultur sowie der einseitigen finanziellen Belastung der Familie der Kindbetterin als direkt im Zusammenhang mit der rituellen Ausrichtung der Feste der Frauen in Zusammenhang stehende Unbotmäßigkeiten, die Anlaß zur Disziplinierung gaben. Als erstes Gebot schien es den obrigkeitlichen Gesetzesgebern ratsam, die ungeheure Zahl der Teilnehmerinnen, die sich zu den Festlichkeiten direkt nach der Geburt, anläßlich der Taufe, im und im Anschluß an das W o chenbett zusammenfanden, zu beschränken. In vielen Ortschaften nahmen

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zehn, zwanzig und mehr, ja alle verheirateten Frauen des Dorfes geschlossen an den Festen im Haus der Wöchnerin teil. Aus dem zweibrückischen Dorf Methard berichtete 1585 Pfarrer Fönilius, daß sich zur „Taufsuppen" oftmals vier Tische mit Frauen füllten, die zwei Tage miteinander feierten; daß „die Kindbetten noch in vollem schwang gehen" bestätigte 1624 auch der Geistliche von Breitfurt, in dessen Gemeinde die Frauen je nach Vermögenslage zwischen drei und fünf Tagen zusammenblieben. 50 Waren frühere Bestimmungen, die die Anzahl der Frauen auf vier, sechs, acht oder 12 beschränkt hatten, ohne Wirkung geblieben, besann man sich angesichts einer weit höheren weiblichen Beteiligung etwa in der Grafschaft Nassau-Saarbrücken 1662 zunächst auf die Zahlung einer Gebühr für jede „über die Zahl geladene" Frau; wer also statt der vorgeschriebenen vier weiblichen Gäste zuzüglich der Wöchnerin, der Hebamme und den Gevatterinnen sechs Frauen laden wollte, mußte für die beiden überzähligen je einen Gulden, von jedem weiteren über die beiden erlaubten besetzten Tische acht Gulden an die herrschaftliche Kasse abführen. 51 Wenige Jahre später, um 1670, griffen gleich zwei Landesherren zu einer anderen Lösung des immer noch vorhandenen quantitativen Problems: Sowohl der pfalz-zweibrückische Herzog wie der trierische Erzbischof ordneten in speziellen Mandaten eine Staffelung der Teilnehmerinnen an den Tauf- und Kindbettfesten nach sozialem Stand der Eltern an. Je nach Herkunft durfte man nach der Verordnung Carl Caspars von Trier seit 1670, wenn man „unter den Vornehmsten" rangierte bis zu 24, wenn man zu den Bediensteten des Hofes, der Städte und Amter gehörte bis zu 12, als „Ehrenstandsweib" sogar 16, als „gemeines" Weib aber nur acht Frauen zu den Festen bitten.52 Pfalzgraf Friedrich Ludwig verordnete 1673, daß bei „unserer Räthen, beamten und Cantzley wie auch vornembsten Rechen Cammer und Verwaltungs Verwandten Kindtauffen, aus der Kirchen nicht über 20, mit den Schultheißen und Gerichten 15, und denen übrigen in der Stadt und uf den Dörfern 10 Weiber, die Gevatterinnen darunter gerechnet, nacher Haus mitgehen" dürften, während das Kind nurmehr von Hebamme und Gevatterinnen zur Taufe in die Kirche gebracht werden sollte.53 Schon zehn Jahre später, 1683, war im Herzogtum alles wieder beim Alten: Zu den Festivitäten sollte „ohne Unterschied" erstmals die Einladung des Pfarrers zu einem Glas Wein, wenn er aus einem anderen Ort zur Taufe gekommen war54, und wie zuvor die Ladung aller „Weiber, so bey der Frauwen in Kinds-Nöthen gewesen", erlaubt sein. Nach der Kirchenordnung jedoch war es auch allen anderen Frauen des Ortes durchaus gestattet, nach der Taufe „mit ins Haus zu gehen und der Kindbetterin glück zuwünschen", eine Bestimmung, die in der Praxis allen weiblichen Dorfmitgliedern, deren Anwesenheit erwünscht war, das Mitfeiern ermöglichte.55 Wenige Zeit später erhoben sich erneute Klagen, etwa jene aus der Grafschaft Nassau-Saarbrücken, „daß alle weiber, so mit in Kirch gehen, derer

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manchsmal bey 16. 18. und 20. alß nachbarn und sonderlich gevatterinn ... , auch alle so ins Hauß kommen, bey der mahlzeit bleiben, ... solches auch gemeiniglich den zweiten tag wieder zugeschehen pfleget". Dieses Übermaß an weiblichen Gästen, die tüchtig und mehr konsumierten als „das ganze lange Jahr über", rühre wie im Herzogtum Pfalz-Zweibrücken daher, daß weder in der Polizeiordnung, noch in der Kirchen- oder einer speziellen neueren Ordnung geregelt sei, „wie viel Personen mit der Kindtauff gehen und geladen werden sollen". Und wie man allemal wisse, seien ältere Ordonnanzen, die die Teilnehmerinnen auf vier oder sechs beschränkten, „weder in der statt noch dörffern iemals in observantz kommen". 56 Die Mahnungen des ausgehenden 17. und beginnenden 18. Jahrhunderts, denen Verordnungen und Anweisungen an die Pfarrer folgten, lassen ähnlich der obigen Klage der saarbrückischen Inspektoren an den Grafen einen gemeinsamen neuen Trend erkennen: Es ging nunmehr darum, die unnötig häufigen, sich über Tage erstreckenden und zudem von einer zu großen Zahl von Dörflerinnen besuchten Feste unattraktiv zu machen und sie auf diese Weise zu begrenzen. Denn die im 16. Jahrhundert gegenüber den Festen der Männer oder beider Geschlechter vorgebrachten Argumente des übermäßigen Alkoholkonsums und der Kostspieligkeit zu Lasten der einladenden Familie, positiv gewendet auf die Formel „Sittlichkeit und Bescheidenheit" gebracht, konnten bei der Andersartigkeit von Organisation und Gestaltung der weiblichen Festkultur nicht mehr greifen. Unattraktiv aber - und hier muß den weiteren Ausführungen mit dem nachhaltigen Verweis auf die rituellen Komponenten der weiblichen Feste um die Geburt vorgegriffen werden - wurden die Feiern der verheirateten Dorffrauen weniger durch die Einschränkung von Speisen und Getränken als durch eine rigide Beschneidung ihrer zeitlichen Dimension und der Teilnehmerinnenzahl. Zwar begann man schon seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts das bislang von den Frauen verzehrte warme Essen57 auf Brezeln, Wecken, Kuchen, Brot und Salat, also auf kalte Speisen, und auf nur eine Mahlzeit statt der zuvor aufgetragenen mehrgängigen Speisefolge zu reduzieren. 58 1707 und 1715 etwa verboten die Grafen von Nassau-Saarbrücken die „üblichen großen gastereyen", wogegen den seit 1672 auf eine Anzahl von vier beschränkten „Weibs=Personen, welche das Kindt zur=oder außer der Kirchen begleiten brodt und wein" zu verzehren erlaubt blieb. 59 Einschneidendere Maßnahmen kündigten dagegen Verordnungen an, die es nurmehr wie in der Herrschaft Münchweiler gestatteten, „weiter nit als etwan 10 Weibspersohnen, zum meisten, auch nit mehr als zu einer mahlzeit zuladen", wobei „solche zeche über drei stunden nit wehren" durfte. 60 Schon 1662, nachdem in der nassauischen Grafschaft das alte „Weibergelache" die neuen Bräuche des „Kindvertrinkens" durch die Männer oder Personen beiderlei Geschlechts wieder abgelöst hatte, war Graf Gustav Adolph daran gegangen, die Kindtaufsfeste auf den Verzehr kalter Speisen und eine Dauer von

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einer halben Stunde zu beschränken", 1669 allerdings forderte eine nachfolgende Ordonnanz bereits wieder weit bescheidener, daß die Kindbettzechen sich auf einen Tag beschränken sollten.62 Darf man den weiteren Berichten und dem ihnen eigenen steten Wechsel zwischen Verboten und Klagen über deren Mißachtung Glauben schenken, so zog sich die Kontrolle der weiblichen Festkultur erfolglos durch das gesamte 18. Jahrhundert. Weder was ihre Zahl, was die Zusammenstellung der Speisen und vor allem was die Dauer und Häufigkeit ihrer Zusammenküfte betrifft, ließen sich die Dörflerinnen von herrschaftlichen oder kirchlichen Vorgaben reglementieren. Vor allem Geistlichkeit und Beamtenschaft berichten auch weiterhin von einem „Schwärm weiber", der den Taufzug ins Haus der Wöchnerin begleite, von zwei- und mehrtägigen Feiern nach der Taufe und dem Kirchgang der Kindbetterin, von „20 bis 25" geladenen Frauen, die von der Mittagsstunde bis „nachts 10 U h r " , ja bis Mitternacht beisammen blieben und keineswegs nur Wein und Brezeln, sondern auch „brandtewein und Zucker", Kaffee, Tee, Mandeln, Zitronen, Fleisch, Rosinen und „confect" zu sich nähmen.63 Als 1744 Johann Ehrhardt Rupp, der Rektor der Lateinschule zu Saarbrücken, sich mit einer Bittschrift an den Fürsten von Nassau-Saarbrücken wandte, welche „meine Not, und was mein Herze nagt" enthielt, formulierte er im Rückblick auf die Kindtaufen seiner eigenen Kinder und mit kritischem Blick auf den Standard der Kindtaufsessen: „Da schreyt die Weiberzunft nach Zucker und nach Wein, Mit bloßem Bier will hier niemand gesättigt sein". 64

Rituale und Initiationen Die Resistenz der seit dem 15. Jahrhundert nachweislichen „Weiberzechen" der verheirateten und verwitweten Frauen bis ins 18. Jahrhundert und darüber hinaus hatte tiefreichende Gründe, die mit der Konnotation von Schwangerschaft, Geburt und Geburtshilfe als weiblichen Domänen, mit der „Vernetzung" der Frauen zu einer Identität stiftenden Gruppe aus Helferinnen, mit Investition, Austausch und Belohnung, aber auch mit einem eigenständigen weiblichen Brauchtum in Verbindung standen, welches ähnlich bei anderen Gelegenheiten, bei Hebammenwahlen, am „Schurtag", an Fastnacht („Weibermontag", „Weiberdonnerstag" und Aschermittwoch) oder Pfingstdienstag, bei der Wahl der „Königinnen", beim „Weiberbraten" und „Weiberkietz" praktiziert wurde.65 Im Gegensatz zu den um die Geburt im 16. Jahrhundert aufkommenden neuartigen Festen der Männer, die innerhalb von 50 Jahren wieder aufgegeben wurden und ausschließlich dem „Begießen" des freudigen Ereignisses, dem „Vertrinken" des Kindes also auf Kosten der Eltern und Paten dienten, waren die Frauenfeste anläßlich von Geburt, Taufe und Aussegnung vor allem rituelle Zusammenkünfte. Ihre gemeinsa-

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me Organisation und Ausstattung mit Speisen und Getränken deutet darauf hin, daß sie keineswegs nur als von der Wöchnerin und ihrer Familie ausgerichtete Einladungen als Revanche oder Dank für geleistete Dienste galten, sondern gezielte Gelegenheit zur kollektiven Pflege von weiblichen Bräuchen gaben, die alle Frauen angingen, weil sie Ordnung herstellten, einen noch unbestimmten weiblichen Status festlegten, Aufgaben verteilten, ausund eingrenzten. So waren es nicht nur die von obrigkeitlicher Seite erlaubten Helferinnen bei der Geburt, die sich anläßlich der Kindbettzeche, welche je nach Region kurz nach der Geburt, Tage oder Wochen später, nach dem Kirchgang der Wöchnerin stattfand oder mit der Tauffeier zusammenfallen konnte, im Haus der jungen Mutter versammelten, um zuvor zugestellte oder mitgebrachte Lebensmittel zu verzehren, sondern möglichst alle verheirateten und verwitweten Frauen der Dorfgemeinschaft, die sich hier einfanden. Die Dorffrauen waren gekommen, um zum einen das neue Mitglied des Ortes in Augenschein zu nehmen, um Näheres über den Geburtsverlauf und das Können der Hebamme zu erfahren, um Rat- und Vorschläge zur weiteren Haushaltsführung zu erteilen und um der Mutter zu gratulieren, ihr „Glück zu wünschen". Es „versammeln sich die Göttel und übrige Weiber in dem Hause der kindbetterin, wünschen ihr glück und bringen derselben /:so viel Ihrer sein:/ wenigstens vor 1 Gulden Weißbrod, Eyer, Reiß, butter und was sie allenfallß in ihren Haußhaltungen haben oder aber gar wohl ermangeln können", wußte Christian Friedrich Halbhoff, der Pfarrer von Altenheim 1762 vom Frauenfest nach der Taufe zu berichten. 66 Wie sehr diese Zusammenkünfte als eine Verpflichtung angesehen wurden, deren Ignorierung durchaus Konsequenzen zeitigen konnte, belegt ein alter Spruch, der bei der Einladung zur Kindbettzeche an jede Frau gerichtet wurde: „Wer nicht kommt zum Kindtaufschmaus. Mit dem ist alle Freundschaft aus. Wer nicht bringt die gebräuchlichen Gaben. Der wird das nächste Mal nicht mehr geladen". 67 Andererseits konnte sich eine Frau, die zum Fest der Frauen nicht „berufen" worden war und dennoch erschien, in deutlichen Mißkredit bringen, wie um 1609 Agnes Wölbert aus Scheuern. Obwohl sie „doch kein Nachbarin gewesen, auch nit beruffen" worden sei, habe sich die noch ledige Agnes im Haus einer Frau, „so zu Embß [Fest] im Kindbett gelegen", eingefunden und sei zur Wiege des Kindes gegangen, um es sich anzusehen. Als das Neugeborene noch in derselben Nacht erkrankte, geriet der sowohl ungebetene als auch aufgrund seines ledigen Standes nicht zur Feier zugelassene Gast sofort in „böses gerucht und verdacht" der Verhexung des Kindes. 68 Die Dorffrauen hatten sich beim „Weibergelach" aber nicht nur zur Gratulation und zum Plausch versammelt, sondern mehr noch, um an einem ländlichen Brauch teilzunehmen, der bei jeder Weiberzeche von der Hebamme in ihrer aller Anwesenheit durchgeführt wurde. Es handelte sich dabei um die rituelle Aufnahme der jüngstverheirateten, noch kinderlosen Ehe-

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frauen, die bislang an keiner Kindbettfeier hatten teilnehmen dürfen, in den Verband der verheirateten Dörflerinnen, um ein allein von den Frauen durchgeführtes Folgeritual also zum Hochzeitsbrauchtum. 69 Schon vor der Hochzeit hatte die Braut in der Pfalz von der „Königin", einer aus ihrer Mitte von den Frauen gewählten Verwahrerin der Brautkrone, die Krone aufgesetzt bekommen, 70 während die Frauen im Saar-Pfalz-Raum beim Hochzeitsfest mit Stecken in der Hand den „Altweibertanz" um sie herum tanzten und in den Hunsrückdörfern nach der Hochzeit von allen Dörflerinnen gemeinsam eine „Weiberhochzeit" veranstaltet wurde. 71 All diese rituellen Bräuche und Feste der Dorffrauen um die Hochzeit dienten ebenso wie die Einführungsbräuche bei Kindbettzechen der Eingliederung der noch unvermählten oder gerade verheirateten jungen Frau in die Gruppe der verheirateten Frauen. Ihre Vielzahl zeichnet sowohl die Zeit nach der Eheschließung als auch den Zeitraum von der Verheiratung bis zur ersten Mutterschaft als Ubergangsphasen mit Ritualen der Ausgrenzung aus der einen und der Eingliederung in eine neue Gruppe aus. Die Einführung in den „Bund", die „Gesellschaft" oder „Gemeinschaft" der verheirateten Frauen72 folgte in den Ämtern Merzig, Saarburg, Trier, Saarlouis, Saarbrücken, Wittlich, Zell, Cochem und Daun, in Hüttersdorf, Freudenburg und Bitburg, im Saarraum und Hunsrück, an der Nahe, in der West- und Nordeifel sowie in einigen lothringischen Dörfern einem festgelegten Ablauf. Üblicherweise wurde sie vor dem gemeinsamen Mahl zelebriert, während sich danach Belustigungen und Tänze - „Spielen und Tanzen", wie es ab der Mitte des 18. Jahrhunderts die Kirchenvisitationen monieren" - anschlossen. Dabei sind mehrere Formen der Initiation belegt, die von einfachen Gesten des „Verhänselns" bis zu komplexen Abwehrund Eingliederungsritualen reichen konnten. Eine dieser einfachen Formen war das Springen der jüngstverheirateten Dörflerin über einen Besen74, ein wohlbekanntes Abwehrsymbol, dessen Kraft die junge Frau künftig vor bösen Mächten schützen sollte. In den Dörfern um Saarburg und Saarlouis wurden die Frauen zum gleichen Zweck mit einem weißen Tuch umhüllt, dessen Bedeutung als schützendes Zeichen im Zusammenhang mit dem Brauchtum um verstorbene Kindbetterinnen schon erwähnt wurde, während die Hebamme sie mit Wasser segnete.75 Bei den „Weiberzechen" etwa in den Gegenden um Merzig und Losheim begrüßte die Hebamme die jung verheiratete Frau mit einem mit Palmzweigen und Bändern verzierten Kuchen und einem kleinen Sträußchen oder nur mit dem Sträußchen, welches sie ihr mit folgenden Worten an den Oberarm band: „Dies Sträußlein ist zwar klein, doch führts in unsere Gemeinschaft ein". Die durch das Ritual freigesetzte bindende Kraft des Straußanbringens symbolisierte dabei die Einbindung der jungen Frau in die Gruppe der verheirateten Dorffrauen. 76 Mancherorts, etwa in Berus bei Saarlouis, setzte die Hebamme der „Neuen" eine Krone auf den Kopf, die aus Fruchtbarkeitssymbolen für die beiden

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Geschlechter bestand. Sie sprach dabei die Jungverheiratete mit einem Vers wie dem folgenden an: „Soviel Blümlein, soviel Büblein, soviel Blättchen, soviel Mädchen". Hatte die Eingeweihte geantwortet: „Jetzt bin ich aach e fraa, jetzt darf ich uff die Kindzech gehn, wie die aneren Weiber aach", so antwortete die Hebamme: „Das bitt ich mir aus, daß ich bald komm ins Haus". 77 Neben diesen vereinfachten Ritualen des Straußansteckens und Bekränzens existierten zur Aufnahme auch komplexere, regional sehr unterschiedliche Einweihebräuche. In Saarburg, Freudenburg, Merzig, Bachem und Wittlich setzte man die junge Frau auf einen Schemel und hängte sie mit einem Tuch zu. Unter den Stuhl wurde eine Schaufel mit glühender Holzkohle gelegt, auf der Kräuter, Wacholderbeeren, Schafgarbe und Dill verglühten - alles Pflanzen, die zur Dämonenvertreibung ebenso dienten wie zur Beförderung der Fruchtbarkeit. Nachdem die Glut mit Wasser gelöscht und die junge Frau „geräuchert" war, weihte die Hebamme sie durch Besprengen mit Wasser und einem Palmstrauß, einer Bürste oder einem Besen ein. Jetzt erst erfolgte das Bekränzen oder das Umbinden des Sträußchens mit den Spruchwechseln: „Eich wenschen dir ke groß Rend, awer en sehe deck, fett Kendl", so hieß es dazu in Kirn noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts. 78 Eine andere Variante existierte in Hüttersdorf und seinen Nachbargemeinden, in der Westeifel, im gesamten Saar-Pfalz-Raum, an der Mosel und im Luxemburgischen: Hier tanzte nach der Einweihung mit einem Besen entweder die Hebamme allein oder die ganze Frauengemeinschaft unter ihrer Führung den sogenannten „Schweizertanz" oder „Schwitzermannstanz"; die Frauen rafften dabei die Röcke, so als trügen sie Hosen, und tanzten, während sie unter Lärmen und Schlagen mit Küchengeräten das „Schweizerlied" sangen, um die Jungverheiratete herum. „Schweizermann hat Stüblein an, schöne Knöpflein hat er dran" oder: „Schwitzermann hat Hosen an mit 67 Ellen dran", sangen sie so lange und zupften die junge Frau an Haaren und Kleidern, bis sie versprach, ihren Einstand in Form von Lebensmitteln zu geben. 79 Überall, wo eine Initiation der jüngsten, noch kinderlosen Ehefrauen in den Kreis der verheirateten Dorffrauen bei den Kindbettzechen stattfand, mußte die Aufgenommene diesen „Instand" durch eine Gegengabe aus Wein, Zucker, Wecken, Kaffee, Butter, „Fraleitsschnaps" (gezuckerter Branntwein) oder anderen Nahrungsmitteln geben, die gemeinsam verzehrt oder der Kindbetterin überreicht wurden. Das Aufnahmeritual der jung verheirateten Frauen in den Kreis der Dorffrauen hatte, wie die Beispiele zeigen, zwei Komponenten: Erst mit der Aufnahme in die Kindszech-Gesellschaft wurde die bereits verheiratete Frau speziell von der Frauenversammlung zur vollwertigen und gleichberechtigten Frau erklärt; sie wurde „geweibert", wie es in der Pfalz hieß.80 Künftig durfte sie an allen „Weiberzechen" teilnehmen und bei Geburten als Helferin anwesend sein. Zum anderen zielte die durch die Hebamme vollzogene

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Initiation mit ihrer Fruchtbarkeitssymbolik, den Tänzen und Sprüchen auf die künftige Mutterrolle der jungen Ehefrau, die übers Jahr von der Hebamme und den Frauen auch gern bei ihrer Geburt und im Kindbett besucht worden wäre. D a sich die Anerkennung als vollwertige Frau innerhalb der Dorfgesellschaft nicht nur am Status des Verheiratet-Seins, sondern ebenso an dem der Mutterschaft zu orientieren schien, war die Hebamme geradezu prädestiniert zur Initiierung der jungen Frauen. Ihre Tätigkeit symbolisierte, was die Gemeinschaft von der Jungvermählten erwartete: nachbarschaftliche Hilfe, Vertrauen und einen Beitrag zum Erhalt der Dorfbevölkerung. Umgekehrt gehörte es mancherorts zur Aufgabe der Hebamme, diejenigen jungverheirateten Frauen, welche mehr als ein Jahr nach ihrer Hochzeit noch immer kinderlos waren, mit einer Bürste oder einem Besen zu verprügeln, eine rigorose Umkehrung des Einweihebrauchtums, die auch im Bereich der Familienplanung eine gewisse Kontrollfunktion der Gruppe der verheirateten Frauen erkennen läßt.81 Die Rituale ihrerseits verdichteten in symbolhafter Weise, was die junge Ehefrau von der Gruppe der Dörflerinnen erwarten konnte, war sie erst einmal in ihre Gemeinschaft und besonders in die Gemeinschaft der Mütter aufgenommen. Sie verknüpften dabei die Symbolik des Bindens und der Weihe, die der Eingliederung in die Gruppe der verheirateten Dörflerinnen dienten, mit einer Vielzahl von metaphorischen Handlungsweisen, Liedern und Sprüchen, die sowohl die weibliche Fruchtbarkeit unterstreichen, als auch dem zukünftigen Zustand der Schwangerschaft vorgreifen sollten. Kräuter zum „Räuchern", die der Fertilität dienten, das Einbinden von Äpfeln und Birnen, von Rosen und Bohnen, Nüssen und Rübchen in die Kronen und Sträuße, von Früchten und Pflanzen also, die in nachgeburtlichen Ritualen für das weibliche und männliche Geschlecht des Neugeborenen standen, der Schweizermannstanz, bei dem mancherorts ein Ziegenbock nicht fehlen durfte und der ebenso beim „Brechfest" der Frauen anläßlich der Beendigung des Flachsbrechens getanzt wurde 82 , die Wahl all dieser Elemente und Attribute verweist in den Bereich des ,Fruchtbarkeitszaubers', wobei die künftige Fruchtbarkeit der jungen Frau jedoch nicht nur beschworen, sondern zugleich geschützt werden sollte. Die diesem Zweck dienenden Abwehr- und Schutzrituale innerhalb der Initiation sind einerseits dem Repertoire der vor- und nachgeburtlichen magischen Praktiken entlehnt, stellen damit andererseits ihre Verwendung im Ritual der Einführung der Jüngstverheirateten in den eindeutigen Zusammenhang mit einer von den anwesenden Frauen gewünschten glücklichen und problemlosen Schwangerschaft und Geburt. Besenspringen, die Berührung mit Palmzweigen, das Verhängen mit weißen Tüchern, Segnungen und Räucherungen, die Symbolik selbst der Knöpfe, auf die das Schweizermannslied verweist 83 , welches wiederum von Lärmen und lautem Singen begleitet wird - immer wieder trifft man auf Ritualelemente, die während der gefahrvollen Zeit von

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Schwangerschaft und Geburt der Abwehr böser Mächte und dem Schutz vor Unglück dienten. Mit der Initiation der Jüngstverheirateten verband sich damit nicht nur die Erwartung einer baldigen Mutterschaft sowie die Einhaltung von Aufgaben und Pflichten, die ihr in Sprüchen, Ansprachen und Liedern mitgeteilt wurden. Vielmehr wurde ebenso eine Palette an Hilfsangeboten vorweg inszeniert und in symbolisch verdichteter Form gemeinsam dokumentiert, auf die die junge Frau von nun an zurückgreifen konnte. Zwischen ihr und den Dorffrauen war durch das Ritual, durch die Ubergabe von Geschenken und den Einstand ein „Bund" der gegenseitigen Unterstützung und des Vertrauens geschlossen, auf welchem vor allem der Beistand in der Zeit der Schwangerschaft und in Kindsnöten basierte. Zugleich begründete dieser Bund eine Beziehung zwischen den Frauen, die das „Mitleiden können" ebenso umfaßte wie die Bereitschaft, sich einer weiblichen dörflichen Kontrolle zu unterziehen. Kein Mann durfte bei all diesen Zeremoniellen und ebensowenig bei dem auf sie folgenden gemeinsamen Mahl und dem späteren Singen, traditionellen Kreischen und Tanzen der Frauen anwesend sein, denn bei diesen Zusammenkünften galt „ihr Recht". 84 Und war dennoch einer erschienen, so wurde er von den Frauen „tractiret", etwa indem sie ihn festhielten und ihm laut in die Ohren schrien, ihm die Kopfbedeckung oder ein Kleidungsstück entrissen, die er durch Spendieren von Wein oder Zucker einlösen mußte, bevor er die Gesellschaft verlassen durfte. 85 Diese „Tractierung der Manß persohnen", mehr oder weniger einzige Information, die die Männerwelt vom Treiben der Frauen bei ihren Zusammenkünften besaß, war denn auch eines der ersten Elemente des rituellen weiblichen Festbrauchtums um die Geburt, das von herrschaftlicher und kirchlicher Seite als ein „absonderlicher" Brauch der übermütigen Kindtaufsweiber seit dem 16. Jahrhundert gerügt und - erfolglos, wie die Quellen des 18. Jahrhunderts belegen - verboten wurde. 86 Die Hebamme initiierte aber nicht nur die Jungverheirateten Frauen des Dorfes, sondern darüber hinaus in den saarländischen, in vereinzelten pfälzischen Orten und in den Dörfern an der Mosel jene Frauen und Männer, die zum ersten Mal eine Patenschaft übernahmen. 87 Dieses „Hänseln", „Heben" oder „Hemmen" der Paten findet ebenso wie das „Tractiren" der Männer bereits in frühen Verordnungen als unerwünschter und „ohnnutzer" Brauch Erwähnung, welcher „zu ohnwillen ursach gibt" und deshalb verboten sei.88 Trotz seiner Untersagung erfreute sich jedoch „das sogenannte Hänseln" oder „Hemmen derjenigen Gevatter Leuthe ... welche zum erstenmahl zu Gevattern stehen", noch im gesamten 18. Jahrhundert einer ungebrochenen Beliebtheit. 89 Es sei immer noch einer der schädlichen Mißbräuche bei Kindtaufen, so berichteten 1759 Regierungsbeamte dem pfalzzweibrückischen Herzog, „daß, wann junge Leute zu gevattern stehen, so vorhero noch keine Kinder über Taufe gehoben ... , sich bey denen Kind-

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taufs-Weibern einkaufen oder losen - fort denenselben mit Zucker und Con-fect Verehrung thun müßen". 90 Bei dieser „Verehrung", dem Lösen, Ablösen oder Einkaufen, das die Mandate als „eine bloße Geld Schneiderey", ja als Anlaß zu „ohnerlaubten cuppeleyen" verwarfen 91 , weil gerade junge, unverheiratete Dorfbewohner die Mehrzahl der erstmaligen Paten bildeten, handelte es sich wie beim Einstand der jungverheirateten Frauen um eine Gegengabe für das vollzogene Ritual der Einweihung, das entweder am Vorabend, kurz vor der Taufe oder auf dem Weg zur Kirche durchgeführt wurde. Während im Verlauf des 19. Jahrhunderts die Gruppe der Gleichaltrigen dieses Brauchtum übernommen und zu einem Bestandteil der dörflichen Jugendkultur umgestaltet hatte, lag die Weihe der erstmaligen Paten in den früheren Jahrhunderten ausschließlich in Händen derjenigen Frauen, die das Kind zur Taufe brachten. Gevattern beiderlei Geschlechts wurde dabei Gesicht und Wangen mit einem Strohwisch gerieben bis sie erröteten, ihre Stirn wurde mit der flachen Hand bestrichen, das Gesicht mit Wasser gewaschen oder mit Ruß geschwärzt. Mancherorts erhielten die Paten ähnlich den Jungvermählten ein Sträußchen angesteckt, die Gevatterinnen ein Kränzchen auf den Kopf gesetzt.92 Da es sich bei den auf diese Weise initiierten erstmaligen Paten nach dem dörflichen Brauchtum entweder nur um unverheiratete Personen handeln durfte oder sie dieser dörflichen Gruppe sowieso angehörten, versuchten obrigkeitliche Verfügungen den „Excessen" der Einweihung dadurch zu begegnen, daß sie eine Gevatterschaft eheloser Dorfbewohner untersagten. Ledige Personen würden „mit fleiß zusammen gesucht", wobei „dabey viel Mißbrauch für gehet", welchem dadurch zuvorzukommen sei, daß „nicht leicht ledige Leute mit einander zu bitten" oder „ohne erhebliche Ursache keine ledige Persohnen" zu berufen seien, also entweder nur verheiratete oder verheiratete zusammen mit ledigen Paten bestimmt werden sollten.93 Auch bei den zumeist von der Hebamme vorgenommenen Initiationen zur Patenschaft handelte es sich um Ubergangsrituale, die zugleich Angliederung und Trennung umfaßten. Im Mittelpunkt stand dabei die Einführung junger Dorfmitglieder in den Stand einer symbolischen Elternschaft. Gleichzeitig gehörte dieser Aufnahmebrauch jenen Trennungsriten an, die von einer jugendlich unbeschwerten in eine verantwortlichere, von Pflichten begleitete Lebensphase überleiteten und damit eine Entlassung aus der kindlichen Unmündigkeit ankündigten. Mit ihrer Einweihung gehörten die jungen Gevattern von nun an zum Kreis jener Dorfmitglieder, denen von Jüngeren, vor allem von ihren Patenkindern, Respekt, Verehrung und Gehorsam gezollt werden mußte; sie waren damit gleichzeitig aus der unmündigen „Hundszunft", aus dem „Hundsgeschlecht" oder der „Hundsehr" entlassen, hatten das „Sautrögel vun sich g'schmisse" wie es an der Mosel, im Pirmasenser und Zweibrücker Raum hieß.94 Um ihnen ihre Aufnahme in den Kreis der Paten, die durch Reiben mit dem Strohwisch vollzogen wor-

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den war, und die damit eingegangenen Verantwortlichkeiten wieder in Erinnerung zu rufen, belegte man vielerorts Gevatterleute beiderlei Geschlechts, die ihren Verpflichtungen nicht nachkamen, mit den Spottnamen „Strohgod" und „Strohpatt". 95

Die Taufe Die Taufe selbst, zu deren Begehung die Einführungsbräuche der Paten gehörten, war in den Gebieten an Mosel, Saar, Maas und Nahe eine Festlichkeit, an der sich fast ausschließlich Frauen beteiligten. Männer, außer die Paten, waren vom Taufzug wie von der Taufhandlung in der Kirche häufig bis ins 19., ja in den Moselgemeinden bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts explizit ausgegrenzt. Zusammen mit dem Durchtrennen der Nabelschnur, der Begutachtung und Formung des kindlichen Körpers, dem ersten Ankleiden und späteren Baden, einer Vielzahl von Schutz- und Hilfspraktiken sowie den Beerdigungsbräuchen im Falle „unglücklicher" Geburten gehörte die Taufe damit in die Gruppe der überwiegend von Frauen praktizierten rituellen Handlungsweisen der Trennung und Aufnahme des Neugeborenen, die seiner Eingliederung in Zivilisation, Kultur und soziale Lebenswelt oder in die jenseitige Welt der Toten dienten. Der Taufakt, häufig als „zweite Geburt" verstanden, war gleichzeitig Trennungs-, Umwandlungs- und Integrationsritual, indem er von der Geburt reinigte, den Heiden in einen Christen verwandelte, ihn durch erstmalige Präsentation im Taufzug durch den Ort und in der Kirche in die gemeindliche Öffentlichkeit und durch Namengebung in die soziale Gemeinschaft integrierte. Auch hierfür existierten feste Reihenfolgen, Aufgaben- und Rollenverteilungen, ritualisierte Verhaltensweisen, regionale Verbote und Gebote, die sich keineswegs auf die sakramentale Handlung beschränkten, sondern schon mit der Taufvorbereitung ihren Anfang nahmen. Konfessionelle Bestimmungen machten in den gemischtkonfessionellen Regionen des Saar-Pfalz-Raumes die Taufe späterer Kinder zu einer Gewissensfrage, wenn die verschiedenen Religionsgemeinschaften angehörenden Eltern bis zu Beginn des 18. Jahrhunderts zuvor in einem Ehekonsens festlegen mußten, nach welcher Konfession ihre Nachkommen getauft werden sollten. Ab dem 18. Jahrhundert gaben Verordnungen im Herzogtum PfalzZweibrücken dann jedoch vor, daß die Mädchen nach dem Glaubensbekenntnis der Mutter, die Jungen nach dem des Vaters, nichteheliche Kinder nach der Konfession der Mutter getauft werden sollten. 96 In der Grafschaft Nassau-Saarbrücken waren alle Kinder aus Ehen zwischen Reformierten und Lutheranern und zwischen Katholiken und Protestanten ausschließlich lutherisch, und in den katholischen Gebieten, in denen eine gemischtkonfessionelle Ehe nur mit bischöflicher Erlaubnis möglich war, katholisch zu

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taufen.97 In der Praxis überwogen im Zweifelsfalle trotz schwerer Strafen hundert Gulden oder Landesverweis für die Eltern, Verlust des Erbschaftsanspruchs für das „ungehorsame" Kind etwa seit 1711 im zweibrückischen Herzogtum - dennoch häufig die Wünsche der Eltern oder die eines Elternteils. War ein Kind schwächlich und kaum lebenstüchtig zur Welt gekommen, schien den Eltern die Konfession, in der es schnellstmöglich getauft werden sollte, ebenso wie bei der „Weibertaufe" kaum ausschlaggebend. So ließen einige Arbeiter der zur Herrschaft Ottweiler gehörigen Neunkircher Hütte in den 20er und 30er Jahren des 18. Jahrhunderts trotz evangelischer Religionszugehörigkeit ihre kranken Neugeborenen nicht von dem gerade abwesenden „ordentlichen" evangelischen Geistlichen, sondern von dem sich bei der Hütte aufhaltenden katholischen Pastor Weyler taufen. Obwohl die bei der Geburt anwesenden Hebammen den kränklichen Zustand der Kinder bestätigten, wurde ein Strafgeld von 15 bis 18 Gulden erhoben.98 Umgekehrt hatten allein im Jahre 1729 fünf Einwohner der katholischen Pfarrei Dirmingen ihre Kinder - weil der örtliche Priester „unpäßlich" war und die Neugeborenen schwach zur Welt gekommen waren - von protestantischen Geistlichen der Nachbargemeinden Eppelborn und Illingen taufen lassen.99 Dies waren - wenn auch nicht gerade seltene - Grenz- und Notfälle, die schon in ihrer Bestrafung die Berücksichtigung ,mildernder Umstände' erkennen lassen. Die weit stärker geahndete, aber dennoch gängige Praxis, daß „Kinder dem reglement zu wieder heimlich außer Landes practicirt und zu einer andern religion auferzogen" würden, verurteilten die Verordnungen dagegen ebenso scharf wie die Nichtbefolgung schriftlicher ehelicher Absprachen zur Regelung der Taufe künftiger Kinder, wenn sie durch herrschaftliche Einwilligung Gültigkeit besaßen.100 In der Mehrzahl waren es katholische Frauen, die eine protestantische Taufe ihrer Kinder aus gemischtkonfessionellen Ehen nicht zulassen wollten und dies zu verhindern suchten und wußten. „Wider des Vatters Willen und begehren" hatte 1729 die katholische Ehefrau des reformierten Görg Feldmann aus dem Amt Hagenbach ihr neugeborenes Kind heimlich von einem katholischen Priester taufen lassen, obwohl der Ehemann bereits den reformierten Geistlichen um eine Taufe ersucht und ihm ein Pferd zum Ritt in die Filialkirche, in der der Taufakt vollzogen werden sollte, geschickt hatte. Die junge Mutter rechtfertigte ihr eigenmächtiges Vorgehen mit dem Verweis auf „ehepacten, worinnen er Feldmann versprochen, alle Kinder zur catholischen Religion erziehen zu lassen". Nun erinnerte sich Görg dunkel, daß er vor seiner Heirat „etwas unterzeichnet, wisse aber nicht was", könne sich auch weder an Ehepakte noch Versprechungen erinnern.101 Die tatsächliche Existenz einer vom Ehemann zwar unterschriebenen, von obrigkeitlicher Seite jedoch keineswegs bestätigten privaten Einwilligung eines Ehepaares in die katholische Taufe aller gemeinsamen Kinder läßt nicht nur anhand dieses Falles und in Zeiten, als derartige Absprachen von Relevanz waren, eine der gängigen

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weiblichen Strategien zur erwünschten Kindtaufe erkennen. Vor der Ehe ließen vor allem katholische Frauen ihre künftigen Gatten unter Ausklammerung der obligatorischen amtlichen Zustimmung „etwas" unterzeichnen und schwiegen bis zur Geburt des ersten Kindes über den Inhalt. U m möglichen Auseinandersetzungen mit dem Ehemann aus dem Weg zu gehen, bot sich zusätzlich eine verheimlichte Taufe mit Hilfe anderer Glaubensgenossen an, die nach dem katholischen Glaubensverständnis auch dann weiterhin Gültigkeit besaß, wenn das Kind nochmals evangelisch getauft wurde, eine Form der Widertaufe, die die evangelischen Konfessionen sowieso ablehnten, es sei denn eine Hebamme hatte zuvor zweifelhaft notgetauft. Anders mußte dagegen die katholische Ehefrau des reformierten Paul Büffel aus Kontwig 1737 vorgehen, denn in der zweibrückischen Herrschaft galt seit geraumer Zeit ausschließlich die Regelung der geschlechtsspezifischen Taufnachfolge. 102 Da Frau Büffel nacheinander vier Söhne zur Welt brachte, die alle nach des Vaters Religionszugehörigkeit hätten reformiert getauft werden müssen, dies jedoch nicht dulden wollte, half nurmehr standhafte Hartnäckigkeit, „dann jedesmahl nach der geburt steckte sie sich auff den Speicher unter das Dach, aß nicht, tranck nicht, rührte kein Kind an, wolte selbst verschmachten und die Gebohrnen verschmachten lassen, ehe dann sie zugäbe, daß eins davon reformierter Religion werden solte". Obwohl der Ehemann vom Abendmahl ausgeschlossen und mehrmals vor der Kirchenbehörde in Zweibrücken zurechtgewiesen und bestraft wurde, „weilen er die frau nicht genugsamb und beständig auffs schärffste anstrengte zum ab= und ^Überfall", ja trotzdem er ihrem Starrsinn mit „tractament und vieler 1000. Schläge" zu begegnen suchte, blieb doch die Ehefrau „jedesmahl meister und erhielte ihren willen". Mehr noch: Endlich, nach der vierten Geburt eines Sohnes und während die Büffelin sich wieder einmal auf dem Speicher verschanzt hatte, habe „Gott das hertz des Manns ihren zugewandt, daß er sich auch sogar schrifftlich obligiret und referiret unter angenommenen unterschriebenen Zeugen ... ihren alle ihre Kinder habendt und noch bekommendt zu ihrer religion zu geben und zu lassen". Ausschlaggebend für sein Handeln war der Gattin Anführen, es sei doch wohl genug, daß sie ihm die vier Kinder geboren habe, und es ginge keineswegs an, daß sie sich deshalb „von der [eigenen] Mutter, dem Pastor und allen Catholischen hudlen laßen und leiden [müsse], ja gar im bann liege". Vier überstandene Geburten, soziale und konfessionelle Ausgrenzung als Dank für ihre Mutterschaft, all dies waren geeignete Argumente, das männliche „hertz" und Gewissen zu belasten und das „mitleyden" des Gatten zu fördern, sodaß das Ehepaar Büffel zur alten, mittlerweile verbotenen Form des privaten Ehekontraktes zurückkehrte. Die in den Beispielen anklingende Diskrepanz zwischen Vorschriften und tatsächlicher Taufpraxis gestaltete sich in den gemischtkonfessionellen Gebieten des Saar-Pfalz-Raumes um so gravierender, als die zusätzliche Be-

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reitschaft von Geistlichen und Paten, gesetzeswidrig zu taufen und zu bezeugen, eine eigentliche Kontrolle konfessioneller Vorschriften unmöglich machte. Diese Widerspenstigkeit hatte Tradition: Als 1575 in der Grafschaft Nassau-Saarbrücken mit der Einführung der Reformation das katholische Bekenntnis verboten wurde, errichtete man etwa auf der Grenze zwischen dem jetzt protestantischen Köllertal und der katholischen Herrschaft Criechingen-Püttlingen Taufkreuze, zu denen die Katholiken bis zur Wiederzulassung ihrer Konfession im Jahre 1685 ihre Kinder zur Taufe brachten.103 Eine Taufe, gleich welcher Konfession, bedurfte der Vorbereitung. In den meisten Regionen gehörte es zum, wenn auch von herrschaftlicher Seite ungern gesehenen Aufgabenbereich der Hebamme, die von den Eltern ausgesuchten „Götel" oder „Goden" und „Pettern" zur Taufe zu bitten.104 Es werde viel Zeit mit dem „hin und wiederlauffen bei gevatter bitten" von den Hebemüttern vergeudet, wodurch den Schwangeren, Gebärenden und Wöchnerinnen „ihre Hilff zu haben entzogen" sei, so beklagte 1657 der Amtmann von Birkenfeld mit Hinzufügung, das „gevatter suchen oder bitten" würde deshalb besser „durch andere Personen, als Vattern, Eltern selbsten oder sonsten Nachbarn" geschehen.105 In verschiedenen Ortschaften versuchten obrigkeitliche Anweisungen diesen traditionellen Bereich des Hebammenamtes, aus welchem die Geburtshelferin einen Teil ihrer Entlohnung bezog106, mit gleichen oder ähnlichen Argumenten auf andere Personen zu übertragen, Anordnungen, denen jedoch nur selten entsprochen wurde107, bevor im 18. Jahrhundert die an die vermehrt aus auswärtigen Gemeinden gerufenen Paten verschickten Gevatterbriefe in Mode kamen.108 Wohl aber beauftragten dieselben Verordnungen und Hebammenordnungen die Wehemütter, für eine möglichst schnelle Taufe zu sorgen und bei den Vorbereitungen zur Tauffeier mitzuhelfen.109 Hierzu gehörte das Aushandeln des Taufnamens: „Vermeidung gezancks" wies schon eine nassau-saarbrückische Verordnung von 1551 die Hebemutter zur Befragung der Eltern nach dem künftigen Namen des Kindes an, der dann auch beibehalten und dem Kind bei der Taufe gegeben werden sollte, falls die Eltern die Namengebung nicht „den patten oder Goden [anheim] stellen" und sich diese darüber „vergleichen" wollten." 0 Dem Kindsvater dagegen oblag die Aufgabe, die Taufe selbst und die erwählten Paten dem Geistlichen anzumelden." 1 Die damit beabsichtigte Kontrolle der Gevattern durch die Pfarrer und Pastoren gibt wiederum Aufschlüsse über landesherrliche und kirchliche Auflagen bei Taufe und Patenschaft, läßt jedoch, ebenso wie bei der konfessionellen Frage der Taufe, auch die Wünsche der Eltern und ländliche Gewohnheiten erkennen. Für die katholischen Regionen hatten Synoden und Konzilien die Anzahl der Gevattern im 16. Jahrhundert auf höchstens zwei Personen unterschiedlichen Geschlechts festgelegt112, eine Bestimmung, die etwa im Lothringischen häufig auf drei bis sieben erweitert und im Kurtrierischen nicht selten auf vier Personen erhöht wurde. Ein Junge erhielt in Gondreville,

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Chätenois oder Hammeville zwei, drei oder mehr Paten und eine Patin, ein Mädchen zwei bis sechs Patinnen und einen Paten, oder man berief zwei männliche und zwei weibliche Gevatterleute 113 , Verteilungen, wie sie auch in den Dekanaten Piesport und Zell sowie in anderen kurtrierischen Dörfern üblich waren." 4 In den protestantischen Gegenden hatte das Gevatterbitten im 17. Jahrhundert derartige Ausmaße angenommen, daß obrigkeitliche Eingriffe nötig erschienen; vier bis sechs Paten waren die Regel, bis zu zwölf Gevattern keine Seltenheit. 15 Über die Gründe dieses aus heutiger Sicht zunächst übertrieben erscheinenden Gevatterbittens geben zwei Kirchenbucheinträge aus dem 17. Jahrhundert nähere Auskunft. Im Jahre 1600 notierte der Birkenfelder Pfarrer zur Taufe des Kindes von Thomas Schaffen „hat mich selbst und durch sein Wirtin, Koch Trein, aus jedem Haus ein zu Gefatter gebethen, auch 4 Personen von Gollenberg, zu Feckwiller, Herrn Georg Wilhelm und andere ... welches ... aus Mitleide und weil er bekannt allhie und war beurlaubter Kriegsknecht, war zu Coblentz, welcher beraubt worden, ist ihm uff sein vielfältig Bitt etliche Personen mehr als bräuchlich war, vergünnt". 1631 bemerkte der Achtelbacher Pfarrer zur Taufe eines Kindes von Bernhard Platz: „Weil dieser blind und ein armer Bettler war, ist ihm zwar erlaubt worden, etlich viel Personen sonderlich aber aus seinen Verwandten zu Gevattern anzusprechen, damit ... ihm und seiner Kindbetterin ein ziemliche Steuer möchte zu kommen, ihr Kindlein desto besser aufzuziehen ...".116 Erbaten wohlhabende Städter ihres Standes und der Ehre willen eine große Anzahl von Taufpaten und -patinnen für ihre Kinder, so taten es arme Landbewohner, damit die „Bittung sie zu einer Schätzung verbinde", konkret, um mit den Gaben der Gevatterleute einen Teil der Festlichkeiten, der Kindbettkosten und Mehraufwendungen, die sich durch den mehrwöchigen Arbeitsausfall der Wöchnerin ergaben, bestreiten zu können. 1 7 Derartige „Gebetaufen" existierten seit Ausgang des 17., spätestens aber seit der Mitte des 18. Jahrhunderts nicht mehr: In den 70er Jahren des 17. Jahrhunderts bestimmte die Kirchenordnung für Nassau-Saarbrücken nurmehr drei Paten, und auch im Herzogtum Pfalz-Zweibrücken wurde nach einer Polizeiordnung von 1693 der „böse brauch, indeme die gevattern in großer anzahl bißhero bey einigen gebetten werden", durch die Zulassung von „mehr nicht als 3. Gevattern" ersetzt." 8 Zwar ernteten die neuen Bestimmungen keine wortgetreue Befolgung, wie ihre ständigen Wiederholungen im 18. Jahrhundert belegen, wohl aber stellte sich der Effekt einer notgedrungenen Beschränkung ein, als man seit 1750 in den protestantischen Gegenden dazu überging, ab dem vierten Paten eine Gebühr pro Person durch Einlösung eines vor der Taufe vom Geistlichen ausgehändigten gedruckten „Billets" oder einer „Dispensation" zu erheben." 9 Zusammen mit massiven Einschränkungen der Beschenkung von Kindbetterinnen mit Lebensmitteln durch die Paten und Nachbarinnen wirkte sich die Begrenzung der Patenschaften zunächst auf die bislang gemeinsam finanziell

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und natural überbrückte Phase der sechs Wochen bis zur Aussegnung der jungen Mutter aus. Diesem Wandel - wir werden ihm an späterer Stelle nochmals nachspüren - folgten schließlich Änderungen des Wochenbettverhaltens der auf dem Land lebenden Frauen. Den Vorschriften gemäß sollten „Goden" und „Petter" möglichst keine ledigen Personen sein, es sei denn, es handelte sich um leibliche Geschwister. Sie sollten ebensowenig „unverständige Kinder" sein, die noch nicht die Erstkommunion empfangen hatten.120 Eine Gevatterschaft war „ohne alle gewinnsuchtige und andere Neben=Absichten", ohne „daß das Interesse die Wahl derer Gevatterleute bestimme" und im lothringischen Herzogtum seit 1616 möglichst Personen der „famille du baptise", in der Grafschaft NassauSaarbrücken seit 1768 Personen „aus derer Eltern Freund= und Verwandtschaft" anzutragen. Diene doch die Patenschaft keineswegs nur der Bezeugung der Taufhandlung, sondern der Versorgung des Patenkindes, falls es „zumalen dürftig oder elternlos werden würde", eine Bestimmung, der man im Todesfall der Eltern eines Kindes ohne weitere Verwandte durchaus entsprach, indem die Gevattern entweder das Kind in ihre Familie aufnehmen oder die Unkosten für seinen weiteren Lebensunterhalt übernehmen mußten.121 Diese Regelung galt nicht nur in katholischen, sondern gleichermaßen in protestantischen Landesherrschaften, obwohl letztere explizit die durch den Taufbund zwischen Patenkind und Paten geschlossene „geistliche Verwandtschaft" als „papistische Meinung" ablehnten.122 Umgekehrt sollte kein „ordentlich Erbettener sich der Gevatterschafft verweigern" oder sie „ohne erhebliche Ursache" abschlagen.123 Weit gravierender waren allerdings die konfessionellen Beschränkungen, die vor allem in den gemischtkonfessionellen Gemeinden und Gebieten unter den Freunden und Nachbarn, ja manchmal sogar den Verwandten manche Patenschaften zumindest nach den Vorschriften ausschlossen. In den protestantischen wie katholischen Herrschaften lehnte man nicht nur Personen mit „ainicher Verachtung oder unchristlichen verstand dieser hochwürdigen Sacrament" und Exkommunizierte ab124, sondern alle, die nicht der Religion angehörten, in der das Kind getauft und erzogen werden sollte.125 1765 erweiterte einzig Fürst Wilhelm Heinrich von Nassau-Saarbrücken die bisherige Regelung in Rücksicht auf „Unsere Lutherische und reformierte getreue Unterthanen" und weil man „den abgezielten heilsamen Endzweck nicht völlig erreichen" konnte dahingehend, daß nunmehr „ohne Unterschied beyder Evangelischen Religionen die nöthige Tauff-Zeuge künfftighin nach Willkühr" gewählt werden durften.'26 Schließlich ließ es 1783 Fürst Ludwig „auch in Rücksicht der Catholischen Taufzeugen" zu, daß katholische, reformierte und lutherische Paten „ohnbedenklich und ohne den mindesten Einwandt", Gevattern mithin aus allen drei christlichen Konfessionen des Landes gewählt werden konnten.127 All diese von Kirchenordnungen und Verordnungen geforderten Bedingungen und Eignungen zur Patenschaft sollten, nachdem die Väter der Kin-

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der die Gevatterleute angemeldet hatten, vom Ortsgeistlichen überprüft werden. Da es sich, wie Inspektor Spangenberg 1757 berichtet, „manchmalen zutragen kann, daß lasterhafte Personen zu diesem h. geschäft zum größten ärgerniß und Schändung dieses Sacramentes produciret werden, die der Pfarrer alsdann, der entstehenden beschimpfung halber, nicht abweisen darf" 128 , scheinen Ortsgeistliche in der Tat hin und wieder derartige Überprüfungen durchgeführt zu haben, weniger jedoch in Anlehnung an landesherrliche oder kirchenbehördliche Vorgaben denn nach eigenem Gutdünken. So veranstaltete etwa Pfarrer Letsch aus Hinzweiler im zweibrückischen Oberamt Lichtenberg 1553 vor jeder Taufe „ein Examen mit den Pettern" und befragte sie, „wessen Glaubens sie seien"; Pfarrer Christian Bartheis aus dem protestantischen Dudweiler bestellte erstmalige Paten zu „einigem Unterricht von der h. tauffe und gevatterschaft", ließ jedoch durchaus eine Mischung aus katholischen, reformierten und lutherischen Taufzeugen, wobei „über ein catholischer nicht dabey seyn" durfte sowie die Übernahme der Patenschaft durch Kinder zu, wenn ihre Eltern sie „an ihrer stad" vertraten. 129 Als 1755 eine fremde katholische Frau mit einem Kind niedergekommen war und vier reformierte Einwohner von Hornbach, die sich als Paten bereitgefunden hatten, das Kind zur Taufe zum katholischen Pastor Thome nach Hornbach brachten, ließ dieser zwei reformierte und zwei weitere katholische Taufzeugen als Gevattern zu. Vor der Taufhandlung befragte der Geistliche jedoch die reformierten Paten nach den Sakramenten und dem Sinn der Taufe, welche Fragen „sie nit zu beantworten" wußten, weshalb sie der Geistliche ablehnte und die Taufhandlung dann doch vorschriftsmäßig mit den beiden katholischen Zeugen vornahm. 130 Zu derartiger List wurde seitens der Ortsgeistlichen freilich nur hin und wieder gegriffen; vielmehr finden sich unter den Taufpaten nicht selten Kinder, die „noch nicht zum Nachtmahl gangen", sehr häufig ledige Personen und mehr als vier statt der vorgeschriebenen drei Pateneinträge sowie bei der Taufe von Mädchen oft ausschließlich Patinnen. 131 Pfarrer Christian Ludwig Bartheis selbst hatte - wie im übrigen viele seiner Kollegen - bei der Taufe seiner Kinder 1716, 1718 und 1720 immer mehr als die vorgeschriebenen drei und dazu ausgesucht angesehene Paten und Patinnen erwählt. 132 Die Annahme der Gevatterschaft - die meisten Paten gehörten bis zum letzten Drittel des 18. Jahrhunderts nicht der näheren Familie des Täuflings an133 - geschah aus „dem Praetext der Freundschaft", aus „Gefälligkeit, die man guten Freunden thut, ihre Kinder zu heben", galt als Aufgabe, bei der „ein Ehr affirmirung zu gewinnen" war, als Liebesdienst wie Ehrenamt gleichermaßen. 134 In der Grafschaft Nassau-Saarbrücken war der Brauch des wechselseitigen Austausche von Paten unter zwei befreundeten Familien üblich, so daß „immer gegen einander die nehmliche Gevatter=Leuthe hervor gesuchet werden, und wann einer also seinem freund einmahl ein Kind gehoben hat, er hiernechst auch alle deßen übrige Kinder aus der taufe he-

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ben muß".135 Nach landläufiger Ansicht mußten ein berufener Gevatter oder eine Gode es „werdt" sein, „ein Kindt aus der tauff heben" zu dürfen, und umgekehrt gab eine beim Gevatterbitten übergangene Person, der die Ehre der Patenschaft nicht zuteil geworden war, Anlaß etwa zu Hexereiverdächtigungen, wenn Ungewöhnliches mit dem Neugeborenen geschah.136 Ehre und Unehre, Freude über den Einbezug und Rache für den Ausschluß sah man auch hier nahe beieinander. Vor allem die von den Paten selbst in Gedichtform verfaßten, handbemalten und verzierten Taufbriefe, die sie in Lothringen und der Pfalz ihrem Patenkind zur Taufe schenkten, verraten eine persönliche Verbundenheit, Freude und Stolz, „daß sie die Ehre", zu „Gevattern stehen zu dürfen", getroffen habe, aber auch die Hoffnung auf Ehrung, „Angedenken", Anerkennung und Würde durch Übernahme dieses Amtes.137 Die Ablehnung der Patenschaft galt demnach als eine Beleidigung für die um sie bittende Familie, selbst mit Auswirkungen auf den Werdegang und die Entwicklung des Täuflings, der nach populärer Auffassung dadurch halsstarrig, zänkisch und neidisch werden, ja sogar sein Leben verlieren konnte.138 Als 1750 der wegen einer gerichtlich noch unentschiedenen Vaterschaftsklage mit dem Kirchenbann belegte Knopfmacher Johannes Heintz aus Trarbach, dem eine Patenschaft angetragen worden war, beim fürstlichen Konsistorium bat, ihn als Paten zuzulassen, begründete er sein Ersuchen zum einen damit, daß er bei kirchlicher Verweigerung der Gevatterschaft „seine Verantwortung nicht thun" könne, daß er zum anderen „in dieser Schande der wieder entlassenen gevatterschafft nicht stecken bleiben" wolle.139 Dennoch kamen seitens der gebetenen Taufzeugen Zurückweisungen vor, wenn sich ein Streit zwischen ihnen und den Eltern des Kindes entzündet hatte, oder wenn es sich um die Taufe nichtehelicher Kinder handelte.140 Zwar schien die Verweigerung der Gevatterschaft gerade bei außerhalb der Ehe geborenen Kindern einerseits als weniger anrüchig aufgefaßt worden zu sein. 1634 etwa notierte der St. Johanner Geistliche im Taufregister: „Der dritte Patt ist ausgeblieben ... weiln das Kindlein außerhalb der Ehe gezeuget", und 1753 hieß es beim Taufeintrag eines nichtehelichen Kindes ebenfalls: „Der erste Path hat sich geweigert, das Kind zu heben und sind daher nur 2 gestanden".141 Andererseits lassen die Taufregister aller Gebiete und Konfessionen erkennen, daß nichteheliche Täuflinge fast immer dieselbe Anzahl an zumeist einheimischen Taufzeugen erhielten wie alle anderen Kinder auch, daß anders als es die kirchlichen Vorgaben durch zeitliche, rituelle und habituelle Unterscheidungen taten142, seitens der Dorfbewohner Unehelichkeit beim Taufritual keineswegs stigmatisiert wurde. Ganz im Gegenteil konnte manche ledige Mutter, besonders wenn ihre Schwängerung aus einer Vergewaltigung resultierte, auf eine nicht unbedeutende Zahl vor allem von Gevatterinnen blicken, ein Hinweis, daß besonders ortsansässigen unverheirateten Müttern auf diesem Wege weibliche Unterstützung zuteil wurde.143

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Zur Aufgabe der Hebamme gehörte es, das Kind vor der Taufe herzurichten, worunter nicht nur das Ankleiden, sondern ebenso Vorkehrungen zu seinem Schutz auf dem Weg zur Kirche fielen. In den kurtrierischen Dörfern legte sie den Täufling in ein mit Bändern verziertes Steckkissen, im Lothringischen erhielt er ein weißes Taufkleid und wurde in ein Kissen gebettet, das bei Mädchen mit einem Kränzchen, bei Jungen mit einem Sträußchen, bei beiden mit dem Hochzeitsschal der Mutter geschmückt war. In der Pfalz wickelte ihn die Hebemutter in seine schönsten Windeln, hüllte ihn in eine mit Bändern verzierte Decke, „steckte" ihn auf das Kissen und umhüllte alles mit dem Tauftuch. 144 Bekreuzigungen oder Besprengungen des Kindes mit Weihwasser schützten es ebenso wie die unter Kissen und Dekken - letztere dienten nicht nur dem Schutz vor Kälte sondern zugleich vor dem „bösen Blick" - verborgenen Amulette, geweihten Medaillons, Heiligenbildchen, kleinen Kreuze und Zettel mit Segenssprüchen. 145 Auch die Gevatterleute trafen spezielle Vorbereitungen, die entweder den festlichen Akt der Taufe betonten und einem regionalen Brauchtum entsprachen, oder der ländlichen Vorstellung Rechnung trugen, daß das Patenkind Eigenschaften seiner Gevattern annehmen würde. 146 Bei den meisten dieser Präventivmaßnahmen handelte es sich um analoge Rituale oder symbolische Handlungen der Übertragung, durch deren Ausführung persönliche Fähigkeiten und Eigenschaften, aber auch ein gewisses Schutzpotential der Gevatterleute auf des Kindes späteres Verhalten und seinen Lebensweg übergehen sollten: Die lothringische Patin mußte stets ein sauberes, frisch gewaschenes Hemd anlegen, damit alles Schädliche vom Patenkind fernblieb, der Pate sollte vor der Taufe urinieren, damit der Täufling kein Bettnässer würde; beide führten auch in der Pfalz und an der Mosel auf eher symbolische Weise Arbeitsgänge und Tätigkeiten aus, damit dem Kind deren spätere Erlernung leichter fiele und es zu einem fleißigen Menschen her1

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anwachse. Besondere Aufmerksamkeit wurde den Gevatterinnen zuteil, die in der lothringischen Region vom Paten, im Saar-Pfalz-Raum jedoch von den Dorffrauen und manchmal auch von jungen Mädchen in ihrem Haus abgeholt und zum Haus des Täuflings begleitet wurden. War die „Göttel vor dem Kirchgang von einer großen Menge Weiber, und wann sie noch ledig ist, von den meisten im Dorff befindlichen ledigen Töchtern abgeholet" worden, so bedankte sie sich bei ihren „begleiterinnen wenigstens mit Wein und brot oder sonsten mit etwas nach ihrem Vermögen". 148 Nach diesem kurzen Umtrunk in den Häusern der Gevatterinnen, bei welchem - so schildern es zumindest empörte Geistliche - „manche Liebhaberin des Weins sich dieser Gelegenheit so stark bedient, daß sie betrunken zur Kirche kommt", versammelten sich „die Göttel und übrige Weiber in dem Hause der Kindbetterin" um ihr Glück zu wünschen und um ein gemeinsames Frühstück einzunehmen.' 49 Vor allem gegen diese Mahlzeiten der Frauen schon vor der Taufe, zu denen

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ebenfalls Wein, Branntwein, Zucker und Gebackenes gereicht wurde, wandten sich Kirchenvertreter und Landesherren energisch. Es solle das vor dem Kirchgang angebotene „Früh=Stück, worinnen solches auch bestehen mögte", eingestellt werden, so deklarierten 1753 und wiederum 1768 nassau-saarbrückische Verordnungen, und 1770 schritt man auch im Herzogtum PfalzZweibrücken mit Verboten gegen dieses „Ubermaß" ein.150 Nicht zuletzt, so das Argument der um das Seelenheil des Täuflings besorgten Ortsgeistlichen, müsse durch „dergleichen Unordnungen" das Neugeborene „zuweilen lange liegen vor der Tauf, bis erst praeparatoria ad epulas sind gemacht worden, da denn wegen des äußerlichen der Haupt=Sache vergeßen" werde. Ja die Bewirtung der Gevatterinnen und Frauen vor dem Ganj* zur Kirche sei sogar „Ursach, daß die Kinder oft ungetauft liegen" blieben. 51 So geschehe oftmals die „begleitung des Kindes zu der heiligen Taufe nicht... aus christlicher Liebe und freundschafft", sondern nur wegen der Verköstigung.152 Der Taufzug, der sich, wenn die Pfarrkirche sich im Ort befand, mit dem Läuten der Glocke formierte und zur Kirche aufbrach, folgte einer besonderen Ordnung und Ritualisierung, in welcher die weiblichen Dorfmitglieder wiederum an exponierter oder bevorzugter Stelle erschienen. Einzig kirchliche und obrigkeitliche Vorgaben vertauschten diese geschlechtsspezifische Hierarchie, indem die Kirchenglocken bei der Taufe von Jungen einmal mehr geläutet wurden als bei der Taufe von Mädchen, bzw. bei Jungen die große, bei Mädchen die kleine Glocke erklang und per Verordnung die Anweisung an die Hebammen bestand, bei gleichzeitiger Taufe eines männlichen und weiblichen Täuflings dem Knaben „den vorzug" zu geben und ihn zur Kirche zu begleiten.153 An der Spitze des Taufzuges gingen entweder die Patinnen oder die Hebamme mit dem Kind, ihnen folgten die Dorffrauen, diesen voran in Lothringen eine Wasserträgerin, die das Taufwasser aus dem Haus der Familie des Täuflings zur Kirche brachte.154 War die ausschließlich für die Spendung der Taufe zuständige Pfarr- oder Mutterkiche in einem anderen Ort, bewegte sich „die Prozession" ebenfalls zu Fuß über längere Strecken dorthin, oder man griff zumindest zur Beförderung der Hebamme und des Kindes auf „Kutsche und Pferde", mehr noch auf einen von Kühen gezogenen Wagen zurück.155 Dabei schienen die bei jedem Wetter und bei jeder Jahreszeit von der Taufgesellschaft zwecks schneller Taufspendung mit dem gerade erst geborenen Kind zurückgelegten Strecken manches Unglück begünstigt zu haben, vor allem, wenn sich der Taufzug schon in der Nacht aufmachen mußte, um am nächsten Morgen die zuständige Pfarrkirche zu erreichen. Zweimal bereits, so berichteten die Einwohner der lothringischen Gemeinde Grizi 1699, seien ihnen Täuflinge, die sie nach Borny zur Taufe brachten, auf dem zweistündigen Heimweg wegen der Kälte fast umgekommen: „Portant leurs enfans en la premiere maison de leurs amis pour les rechaufer aux feux, on cru, qu'ils etaient mort de froid".156 Es sei überaus gefährlich, so bekundeten auch noch 1766 die Bewohner von Tincry, die Neu-

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geborenen zur Taufe in die Kirche von Prevocourt zu bringen, denn einige seien bereits auf dem Weg dorthin gestorben „sans avoir recu le saint Bapteme". 157 Die Gemeinde Roth, deren Pfarrkirche in Hambach mehrere Stunden entfernt lag, zog hingegen Konsequenzen aus dem traurigen Verlust mehrerer unterwegs verstorbener ungetaufter Kinder, indem sie 1762 den langen Kirchgang verweigerte und stattdessen wenigstens die schwachen und kranken Neugeborenen von „grandes personnes" im Ort taufen ließ. 58 Bei der Kirchenvisitation im Jahre 1624 brachten die Dorfbewohner aus Niederbexbach und Odweiler (Kleinottweiler) dagegen ein anderes wichtiges Argument vor, mit dem sie zu erreichen suchten, daß ihre Kinder am jeweiligen Geburtsort vom Geistlichen getauft werden sollten: Wegen des weiten Weges zur Mutterkirche in Limbach wären die Kinder länger „von der mutter milch" getrennt, als es ihnen zuträglich und von den Eltern zu verantworten sei.159 Doch trotz nachweislicher Todesgefahr blieb das „übers Feld laufen" den Wenigsten erspart, denn nicht nur die kirchlichen Institutionen hielten weiterhin an der Maßgabe einer pfarrkirchlichen Taufe fest, vielmehr bemühten sich seit der Mitte des 18. Jahrhunderts zahlreiche Verordnungen darum, die sich aus den Städten immer mehr auf das Land ausbreitende Haustaufe außer bei schwerer Krankheit und Schwächlichkeit der Kinder rigoros zu untersagen. 160 Das bei den Taufprozessionen obligatorische „Vortragen" des Täuflings durch die Hebammen, denen man häufig die vorschnelle Haustaufe unterstellte, war dagegen von obrigkeitlicher und kirchenbehördlicher Stelle dem Pflichtbereich des Hebammenamtes zugeordnet 161 , gehörte aus dörflicher Perspektive aber weit mehr zum Bereich einer symbolischen Belohnung für ihre bei der Geburt geleisteten Dienste. Wie sehr diese Exponierung auch seitens der Hebemutter selbst mit Ehrung und öffentlicher Anerkennung vor allem dann verknüpft wurde, wenn sie bei der Niederkunft geholfen hatte, wie sehr andererseits die Dorfbewohner diese Art der Auszeichnung mit der Qualität des geburtshilflichen Beistandes verbanden, zeigen Fälle, in denen man dieses „Recht" der Amme zurückgewiesen oder übergangen hatte. Als 1733 bei einer komplizierten Niederkunft in Alterkültz die örtliche Hebamme eine Kollegin hinzurufen mußte, weil die Geburt „stockte", aber danach „gleichwohl eingedrungen, das Kind zur Tauffe zu tragen", entstand im Dorf eine derartige Empörung über diese Anmaßung, daß man sich genötigt sah, vom Konsistorium die Erlaubnis zu erbitten, künftig die Kinder nur noch durch tüchtige, erfolgreiche Hebammen wie es „zuträglich und beliebig" sei, „zur heiligen Tauffe tragen zu lassen". 162 Andere, wie der Chirurg Rodenberger und der Schneider Hoffmann aus Trarbach, waren zum größten Mißfallen des protestantischen Pfarrers und der Kirchenbehörde, wohl aber mit Zustimmung aller Taufgäste, an der unfähigen evangelischen Hebamme des Ortes „bey vortragung der Kinder zur H. Tauff vorbeygegangen" und hatten die katholische Hebemutter des Nachbarortes, die die

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eigentliche Geburtshilfe geleistet hatte, zur Taufe ihrer Kinder bestellt.163 Manche Hebamme, die schlechte Dienste geleistet und mangels Alternative dennoch zum Tragen des Täuflings gerufen wurde, mußte selbst noch „bey öffentlichem Kindtauff" mit Beschimpfungen und dem Vorwurf rechnen, ihr gebühre die ehrenvolle Aufgabe nicht, mit dem Kind an der Spitze des Taufzuges zu gehen, sie solle lieber „Kuhhirten" werden." 4 Erst als im 19. Jahrhundert die symbolische Belohnung und Ehrung der Geburtshelferin, die den Täufling zur Kirche tragen durfte, einen weitgehenden Ersatz in geregelter geldlicher Entlohnung gefunden hatte, ermöglichte diese Verschiebung vom symbolischen in den materiellen Bereich es nunmehr durchaus, daß auch Großmütter, Patinnen oder jüngstverheiratete Frauen das „Vortragen" ohne Ehrverlust für die Hebamme übernehmen konnten.165 Darf man den populären „Brauchbüchern" und Anweisungen glauben, so gehorchte die Taufprozession vielfachen Regeln und Vorschriften, deren Einhaltung vor allem dem Schutz des noch ungetauften und deshalb besonders angreifbaren Säuglings und seiner weiteren Entwicklung dienten: In Lothringen bettete die Amme des Kindes Kopf auf ihren rechten Arm, damit es rechtshändig werde; sie durfte sich in der Pfalz weder umblicken noch anhalten oder aus dem Taufzug treten, sollte das Kind nicht neugierig oder boshaft werden; andernorts mußte ein bestimmter Weg zur Kirche eingehalten und schnell zurückgelegt, durfte die Kirche nur durch eine bestimmte Tür betreten werden, wurde das Kind beim Passieren besonderer Ortlichkeiten angeblasen, mit einer festgesetzten Anzahl von Böllerschüssen empfangen oder einer anderen Trägerin übergeben.166 Die Taufe sollte in den katholischen Gemeinden innerhalb von acht Tagen, seit 1685 innerhalb von drei Tagen und in den protestantischen Orten zunächst in den sieben, seit der Mitte des 18. Jahrhunderts „so bald möglich", spätestens aber am dritten Tag nach der Geburt in der zuständigen Pfarrkirche erfolgen.167 Legten sowohl Eltern wie katholische Geistliche durch alle Jahrhunderte großen Wert auf eine raschere Taufe der Neugeborenen - sowohl katholische wie evangelische Taufen fanden mehrheitlich spätestens am dritten Tag nach der Geburt statt168 - , so schien es zuweilen notwendig, die protestantischen Geistlichen zu ermahnen, sie sollten nicht „die junge Kindlein mit der Tauff uffhalten oder dieselbige verziehen", wie eine zweibrückische Verordnung schon 1560 rügte.169 Während ein katholischer Kirchenmann wie Nikolaus Cusanus zu Beginn des 17. Jahrhunderts aus seiner Kenntnis der Gepflogenheiten im Kurtrierischen von den dortigen Taufgewohnheiten berichten konnte: „je bälder je besser ists/es seye vor oder Nachmittag/auff daß sie [die Neugeborenen] nit ohn Tauff sterben"'70, so klagte mancher Vertreter der evangelischen Konfession noch im 18. Jahrhundert über die Kluft zwischen elterlichen Wünschen, den Einstellungen der Geistlichen höherer und niederer Provenienz und schließlich der sakramentalen Praxis. Seien es auch hier die Eltern, die „gewaltig darauf dringen,

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daß die Kinder je eher je lieber möchten getaufet werden" und den Pfarrern „gerade heraus" geständen, „sie fürchteten, das Kind möchte vor der Taufe sterben", so stritten sich die höheren kirchlichen Würdenträger, ob mit der Erlaubnis zu einer „schleunigen Eile der Taufe" nicht die ,,schriftmässige[n] Lehrsätze" und „Wahrheiten der Lehre zugleich mit umgerissen" würden' 71 , oder ob nicht im umgekehrten Falle, wenn also die Kinder „von der Taufe zurück gehalten" würden, aus übermäßiger Vorsicht die „Weibertauffe" in noch größerem Umfang als bisher vollzogen werde. Denn allein schon die kirchliche Organisation, so beschrieben es die Ortsgeistlichen immer wieder, weise das elterliche Bedürfnis nach einer schnellstmöglichen Taufe oftmals in seine Schranken, indem der für die Taufe zuständige Pfarrer gerade in einer „entlegenen Filiale" weile oder aus anderen Gründen unerreichbar sei. „Wie oft kommt es nicht, daß dem Prediger gerade den 2ten oder 3ten Tag, w o das Kind soll getauft werden, eine Leiche vorfält. Und wie kann man da zweyen Herren dienen", wandte sich Pfarrer Limberger aus Bergzabern 1757 gegen den von der Landbevölkerung vorgebrachten Vorwurf der Verzögerung von Taufen. 172 Nicht selten wurden Neugeborene trotz drohender Strafen und entgegen der Vorschrift, sie in der zuständigen Pfarrkirche taufen zu lassen, andernorts „vorgetragen", wie etwa 1728 und 1730 in Berschweiler. Im ersten Falle hatte sich Peter Krämer am Tag nach der Geburt seines Kindes auf die Suche nach dem örtlichen Geistlichen gemacht, der entgegen seiner Informationen aber weder bei einem Kranken in Exweiler, noch in Schiffweiler, noch bei einem Besuch seines Illinger Kollegen anzutreffen war. Und auch Paulus Schorr aus Berschweiler erfuhr 1730 bei Anmeldung der Taufe seines am Vortag geborenen Kindes, daß der Ortsgeistliche wegen einer Beerdigung unabkömmlich sei. Beide ließen ihre Kinder unverzüglich in der Nachbarpfarrei Marpingen taufen, andere sogar auf dem Kirchhof eines Nachbarortes, wenn die Kirche gerade anderweitig genutzt wurde. 173 Landes- und Kirchenbehörden sträubten sich zwar trotz vielfältiger Klagen aus reformierten, lutherischen und katholischen Gemeinden über die ständige Abwesenheit ihrer Geistlichen, über Todesfälle, daß die Kinder „bei dem schlimmsten Wetter", „zur rauhen Winters Zeit" oder trotz der „Dorfentlegenheit" 174 über weite Strecken transportiert werden müßten, unter derartigen Umständen Taufen an anderen Örtlichkeiten oder gar Haustaufen zu genehmigen, hinter denen man mehr noch als den Schutz des Kindes und den elterlichen Wunsch einer unverzüglichen Spendung des Taufsakramentes „superstitiosae necessitatis opinio" vermutete.' 75 In der Praxis ergaben sich freilich jenseits der Reklamierung des Notfalls einer erlaubten häuslichen Taufe kranker und schwacher Neugeborener, jenseits der unerlaubten Taufe in einer Nachbarkirche und jenseits einer Erwägung des konsistorialen Vorschlags, die Taufe jener Kinder, „welche über das Feld zur Kirche getragen werden müssen, solches [aber] zur Zeit noch nicht vertragen" könnten, bis zu ihrer Kräftigung hinauszuschieben' 76 , vielfältige Kontexte, die

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die Taufe in der Pfarrkirche oder überhaupt in einer Kirche ausschlossen und nur andernorts eine schnelle Spendung des Sakramentes erlaubten. Wegen der Pest konnte 1634 wochenlang kein Kind in der St. Johanner Kirche als vielmehr nur in der „Pforten Stuben uff der Brücken" getauft werden; weil der Geistliche wegen „großen gewässers" der Saar auch nach fünf Tagen noch nicht kommen konnte, führte 1728 die örtliche Hebamme die anstehenden Taufen in den Häusern der Kindeseltern durch; wegen Regenwetters, „schlimmer Witterung" oder „stürmischen Wetters halben" fanden in den 80er Jahren in den Gemeinden um Saarbrücken dennoch zahlreiche Haustaufen statt, während in den 40er und 70er Jahren des 17. und in den 90er Jahren des 18. Jahrhunderts andauernde „Kriegsumzüge", „streifende Krieger", ständige Unruhen und die monatelange Sperrung der „passage über die Saar" einzig die häusliche Taufe „mitten unter dem Donner der Kanonen" erlaubten. Als während der Französischen Revolution in Lothringen viele Priester, die keinen Verfassungseid leisten wollten, ihre Pfarrstellen aufgeben oder sich wegen drohender Inhaftierung verbergen mußten, brachten etliche Dörfler, um die neuen „geschworenen" Geistlichen zu umgehen, ihre Kinder in weit entfernte Pfarreien zu eidweigernden Seelsorgern, fanden bis 1803 mancherorts zwei Drittel und mehr der Taufen in den Verstecken der „Missionäre" - wie man die nichtgeschworenen Priester nannte - statt, ja vollzogen die Dorflehrer die Taufe in der Kirche oder im eigenen Haus.178 Gewöhnlich jedoch fanden kirchliche Taufen im 16. und 17. Jahrhundert in evangelischen Gemeinden „mehrentheils uf Sontag nach der Predigt oder nach gelegenheit der Zeit uff die Bettstunden, welche ... wöchentlich einmal nach Gelegenheit" in jeder Pfarr- und Filialkirche gehalten wurde, statt.'79 Kinder, die nicht von Geistlichen, sondern von der Hebamme oder von Angehörigen notgetauft worden waren, mußten nach den Kirchenordnungen in Begleitung ihrer Paten nochmals „ordentlich in der Kirche vorgetragen" und „vorgestellt" werden, wobei die „empfangene tauffe bestätiget" und „gültig erfunden" sowie „gott von den gevatterleuten wie auch der versammleten gemeinde des Kindes wegen ferner angeruffen" wurde.180 Das Ende der Predigt am Sonntag und der Betstunde während der Woche waren damit übliche vormittägliche Tauftermine. Nichteheliche Kinder wurden dagegen immer nur zur Betstunde „in der stille" getauft, bis eine pfalz-zweibrückische Kirchenordnung 1679 und die Kirchenvisitatoren im Jahre 1722 in der nassauischen Grafschaft Sonntagstaufen generell verboten.181 In den katholischen Ortschaften erfolgte die Taufe gewöhnlich an einem Sonntag nach dem Gottesdienst oder nach der Vesper, bei nichtehelichen Kindern nach der Andacht.182 Als besonders beklagenswert empfanden es vor allem die protestantischen Ortsgeistlichen, daß die Taufgesellschaft zumeist erst „wann oft der Pfarrer predigt", „mitten oder bald am Ende der Predigt oder Gebett" in der Kirche erschien, ein auf die überflüssigen Regeln und „Eitelkeiten" vor

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der Taufe und während des Weges zur Kirche abzielender Einwand. Diese unnötigen Verzögerungen durch Umtrünke und die Einhaltung abergläubischer wie ritueller Bräuche hätten zum Effekt, daß die „Weiber" die „Anhörung des Worts Gottes, so ihrer Seelen Speiß ist", versäumten, um so genauer und kritischer aber die Handlungsweisen und Worte des Geistlichen bei der Taufhandlung überwachten. 183 Uber den genauen Ablauf der Spendung einer Taufe sind wir lückenhaft und zumeist nur bezüglich der kirchlich vorgegebenen Formalien, nicht jedoch der tatsächlich ausgeübten Rituale und ihrer Semiotik unterrichtet. Gerade die von evangelischen Geistlichen ausgeübte Taufhandlung, die wegen ihrer sprachlichen Verständlichkeit inhaltlich wie formal sowohl überprüf- wie kritisierbar war, andererseits eine größere Palette an Variationen offenließ, erlaubt jedoch Einblicke in das tatsächliche Taufgeschehen und vermittelt dörfliche Erwartungen, die sich mit diesem sakramentalen Akt verbanden. Mehr oder weniger erstaunt stellt man zunächst fest, daß Ortsgeistliche vor allem in der jungen evangelischen Kirche häufig noch unterschiedliche und keineswegs immer den kirchlichen Anordnungen gemäße Zeremonien vollzogen: In Wolfersweiler im Oberamt Lichtenberg, so hieß es 1553 bei einer Kirchenvisitation, gebrauche der reformierte Pfarrer Ulner zwar den Exorzismus zum Taufen, wisse aber „doch nit wohl, was es ist"; Pfarrer Bergcastel aus Achtelsbach, der „erst aus dem Papsttum gekommen" sei, vollziehe ebenfalls den Exorzismus nach Luthers Kleinem Katechismus, der calvinistische Geistliche aus Bosenbach die Straßburger Form, jener aus Odernheim den nach der Nürnberger Ordnung und ein vierter aus Niederhausen den „modum Argentinensem", wogegen der ebenfalls protestantische Veldenzer Geistliche bei der Taufe lateinische Psalmen singe und antworte, „wie der Papisten Brauch ist"; Pfarrer Dipurger aus St. Julian dagegen verweigere ebenso wie sein Kollege aus Hinzweiler den Exorzismus, denn „er halte nichts davon, daß es um der Erbsünde willen" geschehen müsse.184 Während der eine statt der einzig erlaubten und „bekannten gewöhnlichen Formel, so in den agendis begriffen" 185 , bei der Taufhandlung die Worte sprach: „Weiche, du unreiner Geist, und gib Raum dem heiigen Geist", hielt ein anderer die vorgeschriebene Formulierung „nit vonnöten, dann es nit de substantia baptismatis" sei und verwendete ersatzweise „etliche Precationes". 186 Im Katechismusunterricht dagegen sollten der „gemeine Mann und die Jugendt" zur Abwendung von „Abgötterey, Aberglauben und falscher Lehr" davon in Kenntnis gesetzt werden, daß die reformierte Taufe, die keineswegs „das abthun des unflats am fleisch, sondern den bund eines guten gewissens mit Gott" beinhalte 187 , sowohl göttliches „Warzeichen", ein „eußerliches Wasserbad" wie ein „Zeichen" und „Sigel" sei, das im Glauben stärke und tröste und den Getauften in die Gemeinschaft mit Gott und der christlichen Gemeinde aufnehme. „Wer glaubt und getaufft wirdt, der wirt selig, Wer aber nicht glaubt, der wirdt verdampt", so sollten die Worte der „Einsetzung der

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heiligen Tauff" im Zweibrückischen nach dem Evangelium des Markus lauten.1 8 Es schienen aber auch nicht unbedingt die für die jeweilige Konfession korrekten Worte und Formeln der Taufspendung selbst und allein, als vielmehr die Einhaltung eines strengen rituellen und geschlossenen Ablaufes von Handlungsweisen, Handreichungen, Bewegungen, Gesten und Wortwechseln für die Taufgesellschaft von vorderster Wichtigkeit zu sein. Noch bis in die 60er Jahre des 16. Jahrhunderts war es im protestantischen wie im katholischen Taufritual nach den Vorschriften der alten Kirche durchaus üblich und erwünscht, daß die Täuflinge „ausser gewickelt, ein oder dreymal begossen, in das Wasser eingetaucht" und schließlich mit dem Taufwasser besprengt wurden.189 Der Hebamme Aufgabe war es dabei, „fleißige Achtung [zu] haben, damit die Kinder nicht erkalten und aus Unachtsamkeit einigen Schaden und Kranckheit ... empfangen mögen".190 Als die Kirchenordnungen das rituelle Eintauchen des ganzen Körpers in die drei Himmelsrichtungen durch Ubergießen des Kopfes und in den evangelischen Gemeinden zusätzlich die alten tiefen Taufbecken aus Stein durch „Kessel", „messingne Becken", „kupferin Becken" oder eine „schüssel sambt einem zinnen Kängen" ersetzen ließen, hieß es nicht selten, wie anläßlich der nach den neuen Anordnungen durchgeführten Taufen in Böckweiler, Althornbach, Niederlinxweiler und Hornbach, „der pfarher dauff nit recht", man halte „von seinem dauff nichts", er habe „den Teufel in den fingern", ja er gehe „mit dem deufel um".191 Ebenso wichtig wie das richtige Wasserbad oder Ubergießen des Täuflings als bildhaft-plastischer Teil des Rituals waren ganz bestimmte Gebete wie das „Vater unser", Segnungen und die Befragung der Paten als Stellvertreter des Kindes, die in einer festgesetzten Ordnung erfolgen mußten. Als Pfarrer Meis aus einer Nachbargemeinde von Malstatt „einmal das Vatter unser bey dem Tauff actus vergessen" hatte und auf die Beschwerde der Taufgesellschaft, die die Richtigkeit des Taufaktes bezweifelte, zur Antwort gab, „wann er gleich den glauben vergessen, so wäre das Kind doch gut getauffet", kam es zu einem gemeindlichen Skandal. Und auch der Pfarrer von Limbach und Einöd, der 1666 das Kind von Heinrich Langman unter Auslassung der abschliessenden Segensformel getauft hatte, mußte sich „wegen der bey seinem Kindt unförmlich verrichteten Kindtauff" sowohl von Langman als auch einem befreundeten Ehepaar nicht nur vorhalten lassen, er habe „gröblich gegen sein amt gehandlet", sondern wurde mit „groben und trotzigen worten" aufgefordert, „reparation" zu tun, das Kind also nochmals „förmlich" zu taufen. Nach vielfältigen Auseinandersetzungen in der Gemeinde und nach Verhandlungen mit dem Zweibrücker Konsistorium versprach Pfarrer Großhansen schließlich, er „wolle sein Leben endern, sein Hohes amt besser in acht nemmen ... und sich ferners vor ärgernus zu geben hüten".192 Nicht so sehr die abweichende Wahl der Worte - wir hatten oben auf die Variationsbreite allein der Einset-

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zungsformel verwiesen - schien bei den zur Taufe erschienenen Frauen und Zeugen Irritationen zu erzeugen, als vielmehr das Auslassen bestimmter, als essentiell erachteter Formeln, deren Wegfall das Ritual als Ganzes als unvollständig und „unförmlich" erscheinen ließ. Warum legte man nun aber einen derart großen Wert auf den genau einzuhaltenden Wechsel von Wortsequenzen, dem gewisse Formeln keineswegs fehlen durften, wo gleichzeitig als weniger wichtig angesehene Formulierungen inhaltlich jedoch vom Geistlichen individuell abgewandelt werden konnten? Die Quellen deuten auf eine Hierarchie von Zeichen und Zeichenfolgen, auf deren Beachtung die Landbevölkerung bei der Durchführung von Taufhandlungen größten Wert legte und zu welcher vor allem populäre Gebete und Segensformeln ebenso gehörten wie die rituelle Abfolge von Handlungen: Dem Pfarrer von Malstatt wurde nach einer Taufe vorgeworfen, er habe „das Kind heißen herzu zu bringen, da er das formulare noch nicht völlig verlesen"; ein Kollege hatte den Täufling vorzeitig und noch ehe er „den glauben gebetet" auf den Arm genommen und ihn dann entgegen dem Brauch auch weiterhin „behalten", statt ihn der Hebamme oder der Patin zurückzugeben; ein anderer mußte sich, bevor er das Kind zu früh mit Wasser besprengt hätte, in letzter Minute von seiner Frau zurufen lassen: „es ist noch nicht die Verlesung ganz vorbey, ihr habt noch nicht alles verlesen, ihr habt ja was vergessen" und „darauff die fragen vom glauben an den 3einigen Gott", die an die Paten gerichtete Kernformel der Taufhandlung also, nachholen.193 Ebenso wie bei magischen Praktiken oder profanen Ritualen verband man mit der Nichteinhaltung einer festgelegten, formal strukturierten Abfolge von hierarchisch gedachten Handlungen, Sprüchen und Gesten, die durchaus eine gewisse inhaltliche Variationsbreite aufweisen konnten, aber im rituellen Geschehen vorkommen und an der richtigen Stelle verwandt werden mußten, ein Nichtgeiingen des gesamten Rituals und seiner Wirkung. Hatte ein Geistlicher eine wichtige Passage - die Eingangsformel, das Vater unser, die Glaubensfragen an die Paten oder den Schlußsegen - ausgelassen oder sie an der falschen Stelle ausgesprochen, hatte er eine Handlungssequenz vergessen oder falsch piaziert - Paten oder Hebamme hielten das Kind bis zur Wassertaufe oder gaben es bei bestimmten Formeln weiter und schritten dann erst zum Taufkessel, um es dem Pfarrer zu übergeben - , so glaubte man in der Pfalz, daß das Kind zu einer „Drud", daß es mondsüchtig oder von Geistern heimgesucht würde. 194 Gravierender aber als alle Auslassungen oder Verschiebungen schien in der ländlichen Vorstellungswelt von einer geglückten Taufe die Lücke, das Schweigen im Ablauf des rituellen Geschehens. Dieses Mißgeschick war Pfarrer Schwendler aus Malstatt bei der Taufe des Kindes von Heinrich Fuchs aus Gersweiler 1751 unterlaufen. Auf dem Weg von Malstatt nach Gersweiler hatte der Geistliche einen halben Schoppen Wein beim Gersweiler Wirt getrunken und sich dann zu Predigt und anschließender Taufe in die Gersweiler Kirche begeben. Während

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der Taufhandlung - der Pfarrer hatte gerade die „Ermahung p. 80 und p. 81" gesprochen und die erste der vier an die Paten gerichteten Glaubensfragen gestellt - trat eine merkbare Pause ein. Der Pfarrer habe „stille geschwiegen", seine Frau aber habe ihm „auß ihrem Stuhl in der Kirchen" Zeichen gegeben, so hatte die Taufgesellschaft mit Schrecken diesen unheilvollen „Anstoß" wahrgenommen. In Unkenntnis der Lage ihres Ehemannes, wohlwissend aber um die negative Interpretation seiner Wertlosigkeit durch die anwesenden Dörflerinnen, hatte die Pfarrerin versucht, das Schlimmste zu verhindern. Pfarrer Schwendler indes schwieg einen weiteren Augenblick „wegen eines ihm zugestoßenen mali des magenkrampfes", bis er endlich die noch fehlenden Glaubensfragen an die Gevatterleute richtete. Gleich nach der Taufe stellte sich der um seinen eklatanten Fehler wissende Geistliche der Taufgesellschaft: „es könne sich jemand daran gestoßen haben, daß er hätte stille geschwiegen ... er wollte diesen ahnstoß nicht hoffen, er habe den Magen Krampff gehabt", wolle sich aber „amts und gewissens halber" mit einem Kollegen darüber beraten, ob er sich durch sein Verhalten „anstößig bezeigt" habe.195 Wir wissen nicht von wem, wohl aber, daß Pfarrer Schwendler nach dieser Angelegenheit vor der Kirchenbehörde „berüchtiget" wurde, daß er sich einer „scharfen censur" unterziehen mußte, „seinen fehler reumüthig" erkannte und Besserung versprach. In diesem Falle schien selbst dem Saarbrücker Konsistorium bewußt, daß der Geistliche, wenngleich keine gegen die eigentliche Lehre gerichteten, so doch entscheidende Abweichungen vom Erwarteten praktiziert hatte, von denen „die Leudte keinen verstand nehmen können" und wodurch er zu erkennen gebe, daß er sich „nicht um das Seelen Heil der Leute bekümmere". Man glaubte nämlich nicht nur in der Grafschaft, sondern auch im benachbarten Pfälzischen, daß ein unter Stottern, Stammeln oder Schweigen des Geistlichen getauftes Kind die unselige Gabe des Beschreiens erhalten würde. 196 Die Taufe gehörte zum Repertoire kirchlicher Magie' 197 und war zugleich selbst Kristallisationspunkt vielfältiger volksmagischer Vorstellungen und Praktiken. Was immer man aus christlicher Anschauung auf dem Land mit diesem Ritual verband, ob Sündenreinigung, Exorzismus, die Aufnahme in die Gemeinschaft der Christen und in die soziale Gemeinschaft oder alles zusammen, es war nur die eine Seite eines weit umfänglicheren Bedeutungskomplexes, dessen Variablen je nach der Einhaltung oder Veränderung der Ritualelemente ihren Sinn verändern und die gesamte Zeremonie entweder in ,schwarze' oder ,weiße Magie' verwandeln konnten. Und es handelte sich, wie wir gesehen haben, nicht nur um konfessionell vorgegebene Bestandteile des christlichen Taufrituals, sondern um aus der volkstümlichen Vorstellung über die Taufe hinzugefügte Bedeutungselemente, die eine ebenso essentielle Rolle bei der Durchführung und Bewertung dieses Aktes spielten. O b der Täufling beim Ubergießen mit Wasser schrie oder nicht, ob die Paten richtig auf die Fragen des Geistlichen geantwortet hatten, ob ein anderes Kind im

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selben Taufwasser getauft worden war oder ob vor der Taufe eine Beerdigung in der Kirche stattgefunden hatte, all diese Konstellationen hatten Zeichencharakter.' 98 Wie durch das Taufwasser, das die Hebammen oft zur Behandlung kranker Kinder entnahmen, übertrug sich nach ländlicher Vorstellung auch durch diese Aspekte Negatives oder Positives auf direktem oder indirektem Wege.'" Der Kreis der Riten schließt sich an dieser Stelle vom Beginn der Vorbereitungen zur Taufe bis zu ihrer Beendigung. Der vor der Taufe mit Weihwasser besprengte und mit einem Amulett im Taufkissen versehene Täufling mußte als logische Entsprechung eine Art der Taufe erfahren, die kirchliche mit populären Vorgaben, Vorschriften und Vorstellungen verband, denn die dörfliche Welt wurde hinter der Kirchentür keineswegs zurückgelassen. Diese Symbiose, die sich auf der strukturellen und formalen Ebene des Taufrituals am sichtbarsten zu erkennen gibt, beinhaltete ein volksreligiöses, sowohl vielschichtiges wie ambivalentes Verständnis der Taufhandlung als eine Art der kirchlich-sakralen Weihe nach konfessionellen Regeln und zugleich der außerkirchlich-profanen Einweihung nach volks- und brauchtümlichen Vorgaben. Dabei bezogen sich die Deutungsund Bedeutungsraster beider Aspekte - in den Vorstellungen und Wahrnehmungen der Dorfbewohner stets als vereinbare Einheit gedacht - wechselseitig aufeinander, durchdrangen und transformierten, relativierten, neutralisierten, bestärkten sie sich, oder das eine verkehrte das andere ins Gegenteil. Statt des Amulettes, das das Kind draußen geschützt hatte und durch den kirchlichen Taufsegen weitere Kraft entfalten konnte, galten zwar im Kirchenraum zuvorderst Sakralität, die Würde des geistlichen Wortes und der Gesten, Potentiale freilich, die etwa aufgrund materieller Störfaktoren oder ritueller Formfehler ebenso schädlich wirken konnten, wie bei jeder magischen Praktik nicht oder nur ungenau befolgte Anwendungsregeln ein Umschlagen der Wirkung verursachen konnten. Es erstaunt vor diesem Hintergrund keineswegs, daß das mit Tauföl durchtränkte Häubchen des Kindes als eine zweite „Glückshaube" mit derselben schützenden und glücksbringenden Funktion wie die „natürliche" Glückshaube angesehen, verwendet und ebenso sorgsam als materieller Talisman verwahrt wurde. 200

Wochenbett und

Aussegnung

Wie die Zeit vor der Geburt, so war die Zeit danach eine Phase der Schutzund Hilfsbedürftigkeit sowohl in symbolischer wie konkreter, in physischer wie psychischer Hinsicht. 201 Gegenüber einer unverheirateten Dienstmagd, die im Haus ihrer Dienstherrschaft entbunden hatte, war der Hausherr verpflichtet, ihr während des Kindbettes „nicht das geringste leid zuzufügen, sondern ihr alle Nothdurft und gebührende wart und Verpflegung zuerweisen". Obdachlosen Frauen, die im Hospital niedergekommen waren, er-

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laubte man so lange zu bleiben, bis sie „ihren Ausgang" hatten. Ledige Mütter mußten ihre Strafe im Arbeits- oder Zuchthaus erst nach vollendetem Wochenbett antreten, ja selbst überführten Kindsmörderinnen gewährte man die Beendigung des Wochenbetts im Zuchthaus oder Hospital, bevor sie hingerichtet wurden. 202 Der jungen Mutter standen in den ersten Wochen nach der Niederkunft vor allem die mit ihr verwandten und benachbarten Frauen sowie die Hebamme zur Seite. So sehr Hebammenordnungen und Anweisungen präzise Auflagen für die Hilfe bei der Geburt und die Versorgung von Mutter und Kind direkt danach machten, so wenig legten sie bis zum ausgehenden 18. Jahrhundert Wert auf Vorschriften für die Nachbetreuung der Frauen im Wochenbett. Wie die Vorsorge während der Schwangerschaft galt auch die Nachsorge eher als ein außermedizinischer Bereich jenseits direkter obrigkeitlicher Kontrolle. Ausnahmen bildeten die pfalz-zweibrückische Hebammenordnung von 1632 und die „Instructions-Puncten" für die Hebammen der Grafschaft Hanau-Lichtenberg aus dem letzten Drittel des 18. Jahrhunderts. Der zeitliche Abstand beider Verordnungen, die sich zudem im ersten Falle an ungeschulte, im zweiten an zumindest vereidigte, „angenommene" Hebammen wandten, läßt im Zuge erster Professionalisierungsversuche auch einen Wandel der obrigkeitlich erwünschten Versorgung von Wöchnerinnen durch die Hebammen von einer umfassenden zu einer spezialisierteren Betreuung erkennen. 1632 wies man die Hebemütter noch an, „die Kindbetterin und Kindlein mit bettung und Wicklen und sonst nöthiger Pfleg und Wartung, auch zu Zeiten, wann es ihre gelegenheit leidet, mit Waschen Handreichung [zu] thun", sollten sie also sowohl die nachgeburtliche Versorgung wie schwerere Hausarbeiten übernehmen.203 Zu Ende des 18. Jahrhunderts betonte dagegen die für „ordentliche" Hebammen geltende hanau-lichtenbergische Ordnung schon weit stärker den medizinisch-pflegerischen Aspekt der zwar immer noch keineswegs unterrichteten, wohl aber amtlich angenommenen und vereidigten Geburtshelferinnen: „Annebenst sollen auch sie die H e b = Ammen verbunden seyn/in der ersten Wochen nach der Geburt täglich aufs wenigste einmahl/und in denen folgenden nach Nothdurfft/so offt und viel zu denen Kind=Betterinnen zu kommen/bis beyde die Mutter und das Kind sich völlig wohl befinden/auch während dieser Zeit jene fleißig berichten und getreulich unterweisen/wie sie sich und das Kind halten sollen/damit sie beederseits nicht verwahrloset werden mögen". 204 Ging es im 17. Jahrhundert neben der Pflege noch um „Handreichungen" in Wochenstube und Haushalt, so war bei der Betreuung von Wöchnerinnen im ausgehenden 18. Jahrhundert statt dessen eine Unterweisung in Säuglingspflege und die Aufsicht über einen ausreichenden Standard an Versorgung und Hygiene erwünscht. Nicht nur der allgemeine Anspruch einer Spezialisierung auch des ländlichen Hebammenwesens hatte diese Reduzierung der Tätigkeitsbereiche verursacht. Vielmehr war vor allem das Wäschewaschen für eine andere Familie

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besonders in den Städten zu einer wenig geachteten Tätigkeit abgesunken, weshalb man im städtischen Umfeld wäschewaschende, putzende oder Hausarbeiten verrichtende Hebammen, die damit den Dienst von Hauspersonal erfüllt hätten, für undenkbar hielt. Die Ausübung derartiger Arbeiten wurde jedoch auf dem Land gerade in Haushalten ohne aktiven weiblichen Vorstand als eine notwendige, ausnahmsweise Hilfe durchaus akzeptiert und war auch seitens der Hebemütter nicht verpönt. Die Landbevölkerung bevorzugte, ohne die von obrigkeitlichen Beamten gehegten Bedenken einer Unvereinbarkeit von Hebammenamt und Haushaltshilfe zu teilen, deshalb im Idealfall - wenn also die Hebamme im Ort wohnte und die Familie genügend Entlohnung oder Verköstigung bieten konnte - eine Kombination beider Aufgabenbereiche, indem sie einerseits eine in der Regel drei- bis achttägige Betreuung durch Hebemütter befürwortete, andererseits auf deren Hilfe im Haushalt keineswegs verzichten mochte. 205 Eine „achttägige warthung, w o solche das getüch auch zu waschen hat"206, blieb jedoch aus mehrerlei Gründen mehr die Ausnahme denn die Regel. Da Landhebammen für mehrere Gemeinden, ein Kirchspiel oder gar Amt und ebenso für ihren eigenen Haushalt zuständig waren, dürfte es ihnen bei ihrer mobilen wie verantwortungsvollen Tätigkeit für eine intensive nachgeburtliche Betreuung, wie sie im ausgehenden 18. Jahrhundert verordnet wurde, sowie umfangreiche und regelmäßige Hilfen im Haushalt der Wöcherinnen sowohl an Gelegenheit wie Zeit gemangelt haben. Zum anderen brachte die „obwohl gebräuchliche", mehrtätige Inanspruchnahme der Amme vor allem zu „nöthiger besserer pflegung des Kindes und der Kindbetterin" für viele Dorfbewohner oftmals „schwere Kosten" gerade in einer für die Familie ohnehin schon finanziell und ökonomisch belastenden Situation mit sich, als deren Folge „man den ersten tag ihr [der Hebamme] den abschied" bereits wieder geben mußte. 207 Geradezu als unverantwortliche Dienstvernachlässigung und als Luxus mußte es da angesehen werden, daß etwa die für ein ganzes Amt zuständige Hebamme von Daubach 1654 der Frau des Pfarrers von Eckweiler „bey 6. Wochen aufgewartet" hatte, eine Angelegenheit, die die Gemeindefrauen dazu veranlaßte, wieder die bereits aus dem Dienst geschiedene alte Amme des Amtes zur Geburtshilfe und Betreuung von Wöchnerinnen zu rufen.208 Wie bei der Geburtshilfe gab es jedoch auch bezüglich der Betreuung im Wochenbett Gründe zu Klagen und Ablehnungen: Manche Hebamme sei „under währenden kindbettß wochen nicht beygesprungen", habe sich weder mit „rath, that noch andern hülfsmitteln" um Mutter, Kind oder Haushalt gekümmert, manch andere habe mit den „Kindbetterinnen unbescheidentlich, unvernünfftig, verwahrlosiglich oder auch gottloß verfahren". 209 Aufgrund eines zumeist funktionierenden weiblichen Netzwerkes über die Niederkunft einer Dörflerin hinaus waren junge Mütter, wenn die Geburt ohne schwerwiegende Komplikationen verlaufen war, freilich auf eine

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umfassende Unterstützung durch die Wehemutter auch nicht angewiesen. Nicht nur die alltägliche Hilfe im Haus, an Kindbett und Wiege, sondern auch die rituelle Bewältigung dieser letzten Phase zur anerkannten Mutterschaft setzte sich aufgrund der Mitarbeit verwandter, befreundeter und benachbarter Frauen fort bis zur Beendigung der Wochenbettzeit nach vier bis sechs Wochen. Vorstellungen vom nachgeburtlichen Zustand, von der Lebensweise und den Eigenschaften einer zur Mutter gewordenen Frau waren zudem so ausgerichtet, daß sie die gemeinsame Betreuung einer Kindbetterin notwendig und selbstverständlich zur Folge hatten. Denn ebenso wie für die Schwangeren galten auch für sie Verbote, Be- und Einschränkungen, gab es gefährliche Orte, Zonen und Handlungsweisen, Umstände die sie einerseits hilfs-, andererseits schutzbedürftig machten. Betrachtet man die Zeit des Wochenbettes als die Endphase eines mit dem Bemerken der Schwangerschaft beginnenden langen Ubergangs, so beinhaltete sie die allmähliche physische und soziale Rückkehr einer verheirateten Frau als einer vollwertigen Frau und Mutter, die spätestens sechs Wochen nach ihrer Niederkunft abgeschlossen war. Da es dabei sowohl um eine Reintegration in Familie, Dorfgesellschaft und religiöse Gemeinschaft als auch um eine Integration in die Gruppe der verheirateten Mütter ging, spielten wie während der Schwangerschaft auch in der Zeit des Wochenbettes Vorkehrungen, Verhaltensweisen und Riten die der Trennung, aber auch solche, die der Angliederung dienten, eine entscheidende Rolle.210 Die Kindbettzeit war somit zugleich eine Phase der Isolation und Abgeschiedenheit wie der ständigen Besuche, der Geschenke und Feierlichkeiten. Nach kirchlichen Bestimmungen sollte jede Frau, die geboren hatte, zwischen vier und sechs Wochen im Kindbett bleiben und sich dann vom Geistlichen aussegnen lassen. Ausgenommen vom kirchlichen Segen blieben ledige Mütter: „Huren und leichtfertigen Mädchen aber widerfähret solches nicht", so notierte 1728 Pfarrer Bartheis in seiner Pfarrbeschreibung. 211 Die nassau-saarbrückische Polizeiordnung von 1617 sprach von der „Sechswöchnerin", die „zur Kirche außgehet", und noch 1768 betonte eine weitere Verordnung für die Grafschaft, daß Kindbetterinnen erst nach „ausgehaltenen Sechs Wochen, als an welche Zeit, ausser in Nothfälen, dieselbe sträcklich gebunden sind, ihren ersten Ausgang in die Kirche" haben durften. Doch schien auch außerhalb der in den Verordnungen angesprochenen besonderen Umstände und Notsituationen die Wochenbettzeit, die wiederum die Ortsgeistlichen in den Gemeinden vorschrieben, zu variieren.212 Der Dudweiler Pfarrer etwa hielt entgegen den nassauischen Vorschriften eine vierwöchige Frist für angemessen, verwies aber darauf, daß die Frauen „außer dem nothfall" und „ohne noth" diese Zeit nicht noch weiter unterschreiten und keineswegs zuvor „ausgehen" sollten.213 „Die Kind=Betterinnen thun nach ausgehaltenen 6. Wochen", so hieß es allerdings in einer zweibrückischen Verordnung von 1753, „als an welche Zeit, außer in Noth=

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Fällen, dieselbe praecise gebunden, ihren ersten ausgang in die Kirche", eine Regelung, die - erweitert um drei Tage - ebenso in allen katholischen Regionen Geltung hatte.214 Die Frist von sechs Wochen und drei Tagen galt in den Weistümern des Erzbistums Trier zugleich als Asylzeit für Verbrecher und als Zeitspanne zwischen Aufgebot und Heirat. 215 Kirchenordnungen und obrigkeitliche Anweisungen bezeichneten in ihren Bestimmungen zur Einhaltung des Kindbettes keineswegs nur eine zeitlich begrenzte Phase des Ausschlusses von Kirchgang, Eucharistie und Abendmahl, nach deren Ablauf eine Segnung durch den örtlichen Geistlichen stattfinden sollte. Vielmehr betonte man den ersten „aus- und Kirchgang", sprach man davon, daß die Wöchnerin „nicht ausgehen", daß sie „von dem Tag der geburt an, völlige 6. wochen hindurch sich in Ihrem hauß enthalten" müsse, ja mit einer „Straf 15. albus vor jeden an dieser statuirten frist abgehenden tag" zu rechnen habe, sollte sie „aus ihrem hauß herfür zu gehen sich unternehmen". 216 In Kurtrier und Luxemburg durfte um 1628 die Wöchnerin nach Anordnung der Visitatoren weder das Haus verlassen, noch in den eigenen Stall oder auf die Straße, geschweige denn zur Kirche gehen.217 So verbanden alle Konfessionen mit der Zeit des Kindbettes nicht nur eine Ausgrenzung von der aktiven Teilnahme am religiösen Geschehen und aus der Gruppe der praktizierenden Gläubigen, sondern ebenso eine soziale und räumliche Isolation, die den Wohnbereich des Hauses zum einzig erlaubten Aufenthaltsort für Wöchnerinnen deklarierte. Nicht kirchliche oder herrschaftliche Verbote und Sanktionen allein bewirkten in der Frühen Neuzeit einen tatsächlichen häuslichen Rückzug auch seitens der Kindbetterinnen. Ihre Person, ihre Verhaltens- und Handlungsweisen, die zwar nicht mehr wie in der Schwangerschaft dem ungeborenen Kind schaden konnten, unterlagen auch jetzt wieder besonderen Affinitäten, Gefahrenzonen und Einflüssen, galten umgekehrt als Träger, Uberträger oder Auslöser spezieller Kräfte und Wirkungsweisen. In den Pfalzdörfern sollte die Wöchnerin deshalb keinesfalls allein im Haus gelassen werden; so wenig wie möglich brachte man ihr in die Stube, weil es hieß, die Hexen und Druden würden mit hineinkommen. Kalkkreuze, in die Tür gesteckte Messer, unter der Türschwelle vergrabene geweihte Medaillons, Weihwasser oder umgedrehte Brotlaibe schützten vor dem Einfluß böser Mächte, vor allem am neunten und letzten Tag des Wochenbettes und nach dem Läuten der Nachtglocke, Zeitpunkte, die als die gefährlichsten galten. Besucher, besonders fremde Personen, mußten sich in Lothringen und in den pfälzischen Dörfern bekreuzigen, bevor sie die Wochenstube betraten, während im Trierer Land die Wöchnerin nicht selbst das Kreuzzeichen machen, sondern sich nur durch andere bekreuzigen lassen durfte. 218 So sehr viele dieser Anweisungen dem Schutz der jungen Mutter dienten, lag ihnen gleichfalls der Gedanke eines Schutzes der Außenwelt vor ihren unheilvollen Kräften zugrunde. Denn für die Wöchnerin galten sowohl im Haus wie außerhalb

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„Sperrbezirke", Bereiche, mit denen ihr Körper nicht in Berührung kommen sollte. Der Jesuit und Volksprediger Cusanus erwähnt für das Trierer Land im 17. Jahrhundert die populäre Meinung, sie müsse „sechs Wochen lang im Kindbeth verharren/darzwischen stets vnderm Dach bleiben/nicht spinnen".219 Wäsche zu waschen, das Spinnrad anzufassen, in den Stall, den Keller oder in die Scheune zu gehen war ihr in den lothringischen Gemeinden ebensowenig gestattet, wie es ihr im Saar-Pfalz-Raum in den ersten vierzehn Tagen untersagt war, jegliche Arbeit, außer für sich selbst und das Kind, zu verrichten. Ihre Berührungen ließen nach allgemeiner Ansicht beabsichtigte Tätigkeiten mißraten, verdarben vor allem eingekochte, gesäuerte und konservierte Lebensmittel, ließen Essig, Wein und Bier umschlagen, schädigten das Vieh im Stall und die Ernte in der Scheune. Und kein Gegenstand aus dem Haus einer Kindbetterin, ob Lebensmittel, Kleidung oder Gerätschaften, sollte verliehen werden oder aus sonstigen Gründen das Haus verlassen, wollte man Unheil bei anderen vermeiden. Wagte sich die nicht ausgesegnete Kindbetterin „vnder dem Tach herauß"220, verließ sie also den geschützten Hausbereich und wollte am Brunnen Wasser schöpfen, sollte das Wasser Würmer und sie selbst die Krätze bekommen oder der Brunnen versiegen; ging sie über Felder oder Äcker, so glaubte man in der Pfalz, der Hagel würde das Land soweit verwüsten können, wie sie gegangen war; in Lothringen verband man mit ihrem frühzeitigen Ausgang über das bebaute Land Unfruchtbarkeit und Unglück. 221 Schritt sie über das Grab einer Wöchnerin, löste sie an ihrem eigenen Körper einen unstillbaren Blutfluß aus, übernahm sie persönlich ein Patenamt, schädigte sie damit den Täufling.222 Selbst die das Haus zur Aussegung verlassende Wöchnerin machte nach Angabe des Volkspredigers Cusanus im Kurfürstentum Trier während des 17. Jahrhunderts „im außgehen/ein Creutz mit dem lincken Fuß/vber die Schwell", eine Geste, die sowohl dem Verbot der Selbstbekreuzigung der Kindbetterin als auch der Vorstellung entsprach, durch die bannende Kraft der linken Seite und die Bekreuzigung der schützenden Grenzstelle zur Außenwelt einen unbeschadeten ersten Kirchgang zu gewährleisten.223 Die dem eigenen wie dem Schutz anderer Personen dienenden Regeln, die für die Zeit des Kindbettes Geltung hatten, transformierten in symbolischer und methaphorischer Weise durchaus angemessene und der Wöchnerin zuträgliche Einschränkungen, indem sie diese speziellen Beschränkungen und konkreten Verbote auf eine der Alltagswelt enthobene Ebene von zwar in ihrer Wirkung sichtbaren, aber dennoch unsichtbaren eigenen und fremden Kräften wie Mächten projezierten. Daß es wichtig war, eine gerade niedergekommene Frau nicht allein zu lassen, sondern über einen gewissen Zeitraum zu beobachten, um Komplikationen frühzeitig erkennen zu können, daß sie vor allem die schwere Arbeit im Haushalt wie das Wäschewaschen, Spinnen, Konservieren von Nahrungsmitteln und Teigkneten, die

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körperlich belastenden Tätigkeiten des Viehfütterns, des Wasserschleppens und der Garten- und Feldarbeit aus gesundheitlichen Gründen vorerst meiden sollte, all diese aus heutiger Sicht einleuchtenden Zusammenhänge zwischen gesundheitlicher Fürsorge und Belastbarkeit faßte man in der Frühen Neuzeit in anderen Deutungsmustern und in einer anderen Sprache. Da es nicht um körperliche Schonung und Erholung, sondern um die zeitweise Isolation einer gefährdeten und zugleich gefährdenden Dorfbewohnerin ging, eine Isolation freilich, die aus heutiger Perspektive durchaus auch den Aspekt einer „Schonzeit" gewinnt, umfaßte die Absonderung der Kindbetterin im Denken der ländlichen Gesellschaft weit mehr rituelle und symbolische denn für die Bewältigung des Alltags und die gesundheitliche Rehabilitation zweckmäßige Komponenten. Eine weniger als Schon- denn als Schutzzeit wahrgenommene und gedeutete Phase des Wochenbettes, die die junge Mutter tatenlos ans Haus band, bedurfte dann aber auch einer ständigen rituellen, symbolischen und konkreten Mithilfe anderer. 224 Mit dem Verständnis der Kindbettzeit als einer Phase des doppelten Schutzes - einmal der Wöchnerin selbst und zum anderen vor ihr - verband sich gleichzeitig eine soziale Ausgrenzung bzw. Sonderbehandlung ihrer Person, die ihren Ausnahmezustand und ihre besondere Lebenssituation unterstrich. Spezielle Eßvorschriften, sexuelle Enthaltsamkeit, Abwehr- und Schutzriten, der Ausschluß von Patenschaften, diese Vorkehrungen waren den Frauen zum Teil aus der Zeit ihrer Schwangerschaft und der kurzen Phase der Geburt schon bekannt und integrale, immer wiederkehrende Bestandteile der gesamten Ubergangsphase von der bemerkten Schwangerschaft bis zur Aussegnung. Ihre Verbindung mit neuen, speziell dem Wochenbett geltenden Vorschriften - dem Ausschluß von Alltagsleben, Arbeit und Geselligkeiten, von Kirchenbesuch und dem außerhäuslichen Geschehen, einer speziellen Wöchnerinnenkost, Kindbettsuppen aus Brühe, Rahm und Wecken - gestaltete diese Regeln der Begrenzung, die die nachgeburtliche Zeit bestimmten, wiederum insgesamt zu konkreten oder symbolischen Maßnahmen der allmählichen Trennung. Sie referierten noch auf die Zeit vor und während der Geburt, trennten durch neue Vorschriften aber nachhaltig davon und verwiesen zugleich auf eine neue Phase. Das Ungewohnte der Zeit nach der Geburt war der den Kindbetterinnen abverlangte räumliche und soziale Rückzug. Diese Ausnahmesituation der mehrwöchigen Bindung ans Haus, der Übergabe eigener Zuständigkeitsund Arbeitsbereiche an andere Frauen und des fehlenden persönlichen Einbezugs in Geschehnisse außerhalb des Hauses belastete Wöchnerinnen in sehr unterschiedlichem Maße und auf verschiedene Art. In Augsburg, wo die Betreuung nach der Geburt in Händen fremder Kindbettkellnerinnen lag, kam es nicht selten zu Kompetenzkonflikten und Eifersüchteleien, die bis zur Hexereibeschuldigung der jungen Mütter gegenüber den Aufwartefrauen reichen konnten, wenn diese ihre Rolle als stellvertretender weibli-

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eher Haushaltsvorstand nach Meinung der Wöchnerinnen übertrieben oder Schaden entstand.225 Spielten in der ländlichen Gesellschaft aufgrund eines andersartigen Betreuungssystems aus verwandten und benachbarten Frauen derartige Konfliktkonstellationen keine Rolle, so schien die Phase des Kindbettes eher eine Zeit der Beunruhigung, der Ängste und Zweifel für die Mütter. Diese resultierten sowohl aus volksmagischen Vorstellungen vom Einwirken dunkler Mächte als auch aus der Furcht, Grenzen zu überschreiten, irreversible Fehler zu begehen oder Erwartungen zu widersprechen und kulminierten aufgrund der neuen Erfahrungen, die die Mutterschaft und die ungewohnte Isolation mitsamt einer veränderten Lebensweise mit sich brachten. Manche Kindbetterin war im Wochenbett „rasend" geworden, mehrere andere hatte man, weil man sie für besessen hielt, zum Anastasius von Widdersdorf, einem Hexenbanner und Segner aus der Kuseler Gegend bringen müssen, wieder andere gerieten derart in „Nöthe" und seelische Verstimmung, daß sie nicht mehr stillen konnten.226 Untätigkeit, Abschirmung von der Außenwelt, Abstinenz und gesteigerte Sensibilität schienen vor allem Angst- und Lustphantasien zu begünstigen, die in symbolischen Bildern auf Vorstellungen von der Schutz- und Wehrlosigkeit, der Angreifbarkeit und einer besonderen Affinität der Kindbetterin zu jenseitigen Mächten, aber auch auf unerfüllte Wünsche und Sehnsüchte rekurrierten. Barbel, die Wirtin von Mettlach, die 1584 nach der Geburt ihres „ältestes Kindts in Kindelbeth" lag, erzählte ihrer „Gevattersch" Meysen Trein folgende Begebenheit: In der letzten Nacht habe es an ihrer Tür geklopft, worauf sie „aus dem Kindelbeth aufgestanden" sei und nachgeschaut habe. Als sie nun vermeinte, ihren Mann zu erkennen, habe sie die Tür geöffnet und ihn eingelassen. Erst beim Feuer habe sie jedoch erkannt, daß sie einem fremden Mann Einlaß gewährt hatte; der habe sie sogleich „wider sich gedruckt" und sei dann in ihrer Stube verschwunden. „Als sie nhun wiederumb zu beth ligen wolte, hab der mahn die deck döcher zugehalten, und sie nicht zu beth willen lassen ... hab letzlich gesagt, Jhesus was seindt ir vor ein herr, lasset mich doch wieder zu beth ligen. In dem als sie Jhesus genennet, sei der mahn verschwonden, dadurch sie sehr kranck worden". Tatsächlich konnte Barbel seit jener Nacht ihr Kind nicht mehr stillen, denn wie sie glaubte, sei ihr von dem unheimlichen Unbekannten „die milch genommen" worden.227 Die Ängste der Barbel, die den gravierenden Fehler der Unvorsichtigkeit gegenüber Fremden möglicherweise nicht in ihrer Phantasie, sondern tatsächlich begangenen und sich damit über eine für Kindbetterinnen unerläßliche Vorschrift hinweg gesetzt hatte, dämonisierten den Eindringling zum bösen Geist, der mit seinem Einlaß auch die schädigende Kraft, die ihre Muttermilch zum Versiegen brachte, ins Haus getragen hatte. In ihrer Phantasie, aber auch in ihren Körperreaktionen schrieb sich die Vorstellung von der jederzeit und besonders von unheilvollen Mächten verwundbaren und deshalb zur Vorsicht gezwungenen Wöch-

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nerin, möglicherweise auch die Schuld am eigenen Fehlverhalten als Kindbetterin nieder. Andere Gedanken befielen um 1659 Margaretha Trömper aus Scheuern, die bereits mehrere Wochen im Kindbett zugebracht hatte. Mehrmals hatte sie gegenüber ihrer Mutter bekundet, daß sie nur „ein mahl davon dannen begerte", bis ihr nach einer weiteren Zeit der Abgeschiedenheit und Vereinsamung endlich über die Lippen kam, „sie wolte, daß sie der Teufel auß dem Kindtbett höhlte". 228 Eben dies sollte 1614 Marxen Marey aus Primsweiler nach eigenen Angaben widerfahren sein. Als sie nach der Geburt ihres ersten Kindes und in Abwesenheit ihres Mannes „schwarmuttig" im Kindbett lag, sei der Teufel des nachts zu ihr ins Bett gekommen, dem sie „seinen willen im bett gethan". Schon drei Tage später entführte er sie aus der Einsamkeit des Hauses in eine gesellige Runde, w o man all das tat, was ihr während der Zeit des Wochenbettes verboten war: Man amüsierte sich, schlemmte, trank Wein, tanzte und war dem Teufelsbuhlen zu Willen. Bezeichnenderweise hieß Mareys Buhle „Kochlöffel", ein Insignum ihrer Rolle als Hausfrau, die sie ebenfalls als Kindbetterin nicht ausfüllen durfte. 229 Ängste vor einer speziellen Verwundbarkeit und das Gefühl des Eingeschlossen-Seins, aus dem nur überirdische Gewalten befreien konnten, waren vor allem in der Kindbettzeit erstgebärender Frauen keine Seltenheit, selbst wenn angenommen werden kann, daß Wöchnerinnen - außer des nachts - eine ständige Betreuung zuteil wurde. Eine Durchbrechung erfuhr diese Phase des Rückzugs und der Beschränkungen zusätzlich zur täglichen Hilfe durch die Kindbettbesuche und Feiern am Bett der Wöchnerin. Die Kontaktaufnahmen mit der Mutter sowie die von den Frauen anläßlich ihrer Zusammenkünfte gemeinsam vollzogenen Rituale in ihrer Gegenwart bekundeten trotz aufrechterhaltener zeitlich-räumlicher Isolation und parallel dazu eine persönliche, emotionale Annahme und eine kollektiv getragene Integration, stellten der Trennung gleichzeitig ein symbolisches, rituelles und alltagspraktisches Handlungsrepertoire der allmählichen Eingliederung zur Seite. Ein dieser Integration dienender allgemeiner Brauch war es, daß die Nachbarinnen und Gevatterinnen der Mutter direkt nach der Geburt die Kindbettsuppe brachten; diese Geste der Anteilnahme erhielt sich bis zum ausgehenden 19. Jahrhundert, wie Karl Lengler für die Birkenfelder Region belegt: „Wenn ... namentlich auf dem Land, ein kleines Kind zur Welt gekommen ist, dann erschienen gar bald die Nachbersbasen, bringen der Wöchnerin ein Kendbetterschseppche". 230 In der Gegend um Saarbrücken überreichte die ausgewählte Patin der Kindbetterin eine Weinsuppe mit den Worten: „Eneh meneh Bohneblatt, unser Kind is noch nit satt, Kindelssupp und e Kuh, tut es ruckla die Stallthur zu, werft den Schlüssel über den Rhein, morgen soll gut Wetter sein". 23 ' Mit dem der Aufnahme des Kontaktes dienenden ersten Besuch und der Ubergabe des Nahrungsmittelgeschenkes erinnerte die künf-

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tige Patin die Mutter zugleich an von ihr einzuhaltende Regeln: Das Kind durfte bis zu seiner Taufe nur mit einem Schutznamen („Bohneblatt") genannt werden, der Stall war für die Wöchnerin verschlossen, das Essen der ersten Tage bestand aus einer speziellen Wöchnerinnenkost, der „Kindelssupp" und dem weniger schmackhaften dunklen Brot. 232 Direkt nach ihrer „Erbetung" fanden sich ebenfalls die Gevatterleute beiderlei Geschlechts am Wochenbett ein, um den Täufling zu besehen, die Mutter zu beglückwünschen und ihr Lebensmittelgeschenke zu bringen. In Breitfurt schenkten sie „große Kuchen", in der nassauischen Grafschaft „Zucker, Citronen, Fleisch, Wein und andere dergleichen Geträncke oder Eßwaaren", in anderen Gegenden „sofort nach angekündigter gevatterschafft zucker, Rosinen, Wein und Citronen". 2 3 3 „Als ein Zeichen der Danksagung" besuchten im zweibrückischen Herzogtum Paten und Patinnen die junge Mutter ebenfalls gleich nachdem sie zu Gevattern gebeten waren und legten ihr ein Maß Wein, ein Dutzend Eier, einen Käse, ein Pfund gesottene Butter und Wecken „aufs bett". 234 Besuche und weitere Geschenke der Paten in Form von „allerhand Gewürtz, victualien und Speisen", so liest man an unterschiedlicher Stelle, erfolgten „nicht allein gleich am Anfang des Kindbettes, sondern solange solches währet", ja setzten sich in besonderen Taufgeschenken für die Wöchnerin und das Patenkind fort. 235 Diese Gaben anläßlich der Taufe umfaßten wiederum Lebensmittel, aber auch das „Pettergeld" oder „Tauff=geld" und den „Taufwunsch", ein Geldbetrag, der mit einem guten Wunsch der Gevattern an die Kindbetterin übergeben wurde. 236 Bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts schien es in allen Regionen üblich, daß sich gleichfalls die Besuche wie das Zustellen von Geschenken durch Nachbarinnen, verwandte und befreundete Frauen über die gesamte Wochenbettzeit erstreckten. 237 Wer über die Niederkunft einer Dörflerin noch nicht unterrichtet war, erhielt umgehend Nachricht, wie 1556 Hans, der Hofmann zu Furpach, der von einer Dörflerin beim Wein erfuhr, daß ihre Schwester nun im Kindbett liege und er seiner Frau sogleich Bescheid sagen müsse, damit sie einen Kuchen backen und der Wöchnerin bringen könne. 238 Selbst Verordnungen und Mandate, die ansonsten der ländlichen Kultur des Gabentausches und Beschenkens skeptisch gegenüberstanden, befürworteten derlei Spenden besonders im 16. und 17. Jahrhundert nachhaltig: „Doch soll denen Reichen, die an abbruch irer narung denen armen Frauwen tägliche handtreichung wohlthun mögen, hierin kein maß noch Ordnung gemacht sein, sondern mag ein jeder gevatter, gevatterin oder andere person auß christlicher lieb ir eins dem andern die werck der Barmhertzigkeit wol beweisen", so formulierte eine nassauische Verordnung 1590, und eine Polizeiordnung für die Grafschaft von 1617 betonte gleichfalls: „Mitleidenliche gutthätzigkeyt gegen dürftige Kindbetterinnen soll hierdurch nieman verbotten sein". 239 Auch noch im 18. Jahrhundert war es Personen aus der Verwandtschaft und Nachbarschaft unbenommen, der Kindbetterin „sovil als

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umb Gottes willen zugeben und mitzutheilen", den „Kindbetherin/verehrung zuthun" und ihnen „in währendem Kindbett zuweilen eine Suppe oder andere Speisen zuschicken". 240 Diese obrigkeitliche Großzügigkeit gegenüber Kindbettgaben hatte ihre Gründe. Eine Dorfbewohnerin hätte schwerlich alle Besucher und alle Teilnehmerinnen an den Festen anläßlich von Geburt, Taufe und Wochenbett auf eigene Kosten bewirten können; zudem war es ihr nicht möglich, die für den täglichen Bedarf erforderlichen Nahrungsmittel selbst zu beschaffen und für ihre Familie zu kochen, während ihr Arbeitsausfall gleichwohl ökonomische Einbußen bedeuten konnte, fiel die Zeit ihres Kindbettes etwa zusammen mit Jahreszeiten, in denen intensive Gartenarbeit oder die Konservierung von Nahrungsmitteln anstanden. Schließlich galt es, den zukünftigen Unterhalt der um ein Mitglied vermehrten Familie auf Dauer zu sichern, wozu Geldgeschenke auch auf dem Land zweckmäßigere Garantien boten als die der direkten Versorgung dienenden Lebensmittelgeschenke. Daß manche Ehefrau, die im eigenen Dorf oder ihrer Heimatstadt nicht mit genügender Unterstützung rechnen konnte, es sogar vorzog, ihr Wochenbett in die Fremde zu verlegen, zeigt der Entschluß der Anna Cantua aus Metz. 1671 hatte sich die Frau des Soldaten Heinrich Cantua im Haus des Saarbrücker Amtsboten Hans Nickel Silbereisen einquartiert, um „hier Kindbett zu halten", denn „weil es zu Metz viel koste, hab sie hierher sich begeben". 241 Besonders ledige Mütter, die weniger auf Zuwendungen von Besucherinnen bauen konnten, legten großen Wert darauf, daß in einem gerichtlichen Entscheid über Vaterschaft und Alimente auch die Kostenfrage des Unterhalts im Kindbett geregelt wurde. Hatte der angegebene Vater des Kindes der Mutter „nichts geben in der Kindbeth", so entschied das Gericht bis zum Aufkommen der Vereidigungsmöglichkeit und Purgation der Kindsväter in der Mitte des 18. Jahrhunderts auf Zahlung eines von den Alimenten getrennten Geldbetrags „vor iren costen, so im Kindtbeth uff«

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gangen . In der Regel konnte zumindest eine verheiratete Wöchnerin jedoch bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts auf ausreichende Zuwendungen von benachbarten und verwandten Personen vertrauen, galten die bei den Besuchen überreichten Gaben doch nicht nur der materiellen Mitversorgung und der Uberbrückung der kostspieligen Wochenbettzeit. Vielmehr beinhalteten sie symbolische Gesten sowohl der Integration in die Gruppe der Mütter als auch der schrittweisen Reintegration in die Dorfgemeinschaft. Diese allmähliche Wiedereingliederung in das Alltägliche, die sich auch innerhalb des Hauses vollzog - die Wöchnerin mußte neun Tage im Bett bleiben, durfte sich dann in der Stube aufhalten, nach vier Wochen die Stube und nach sechs Wochen das Haus zur Aussegnung verlassen - spiegelt sich gleichermaßen in der Reihenfolge der Lebensmittelgaben: Der Kindbettsuppe der ersten Tage folgten mehr und mehr der täglichen Kost entsprechende Le-

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bensmittel, während die junge Mutter anläßlich der Frauenfeste zur Aussegnung wieder uneingeschränkt essen konnte. Die Wöchnerinnen selbst rechtfertigten die Annahme einer außerhäuslichen Verköstigung und die allmähliche Uberleitung von der schmalen zur normalen, ja besseren Kost mit Verantwortlichkeit gegenüber ihrem Kind: „ihre Männer hielten sie vor der Niederkunft oft sehr karg und wenn sie nicht in ihrem Kindbett ein gut Essen nebst Trunk erhielten, so könnten sie ihre Kinder vom Wasser nur böslich säugen". 243 Diese Zeilen aus einer Klageschrift der Frauen des Hunsrückdorfes Herstein, denen eine obrigkeitliche Beschränkung jener Kindbettgaben vorausgegangen war, die andere Frauen den Wöchnerinnen ständig im Ubermaß zutrügen, verweisen auf die essentielle Wichtigkeit gemeinsamer, vor allem weiblicher Mithilfe und Geschenke, ohne die es Landfrauen keineswegs möglich war, eine sechswöchige Phase des Rückzugs und Arbeitsausfalls - und dies im Durchschnitt alle 18 bis 20 Monate - einhalten zu können. Als Pfarrer Kramer von Langenbach im Jahre 1790 dem fürstlich nassauischen Konsistorium entrüstet berichtete, Frauen seiner Pfarrei hätten trotz seiner Verweise auf die Sechswochenfrist, „als an welche Zeit ... dieselbe laut Hochfürstlicher Verordnung gebunden" seien, frühzeitig das Kindbett verlassen und ohne Aussegnung die Kirche betreten, war dies eine Neuerung, der er hilflos gegenüberstand. Solange er „im amt stehe" seien derartige „Ausschweifungen", „Ungehorsam und Widerspenstigkeit" bislang „noch nicht vorgekommen". 244 Was war geschehen? Die Begebenheiten in der Pfarrei Langenbach schienen im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts kein Einzelfall mehr. Schon in den 50er Jahren hatte der Dudweiler Pfarrer seinem Bericht über die in seiner Pfarrei geltende vierwöchige Wochenbettzeit bereits den ironischen Kommentar angefügt: „Die Ordnungen sind restlich gut, aber wer hält sie?" 245 Und auch andernorts klagte die Dorfgeistlichkeit, es endigten „die Kindbetterinnen die Wochen wann sie wollten", ohne das man „darüber disponieren" könne. Oder man fragte bei der Kirchenbehörde an, „ob es natürlich, daß die Kindbettweiber oft nach 8 oder 14 Tagen ausgehen". 246 Doch gehen wir zurück nach Langenbach. Hier hatte die Frau des J o hann Heinrich Ketter Mitte Juli 1790, drei Wochen nach ihrer Niederkunft, ihren Ehemann zum Ortspfarrer geschickt und ihn um die Aussegnung „und ihren ersten Ausgang in die Kirche" bitten lassen; als dieser „in ihr Begehren nicht einwilligen" wollte, habe sie dennoch „auf Zureden und Verlangen ihres Mannes" Kindbett und Haus verlassen. Schon am Tag vor ihrem frühzeitigen Ausgang hatte Johann Heinrich beim Kornschneiden, das um diese Jahreszeit alle Dorfbewohner beschäftigte, zwei Nachbarn mitgeteilt, „er würde morgen seine Frau in die Kirche schicken, der Pfarrer mögte es haben wollen oder nicht". Auf deren Einwand, der Pfarrer müsse sich doch an „seine gemeßene Vorschriften" halten, habe Ketter bekundet, seine Frau sei völlig gesund, auf die anstehende Feldarbeit verwiesen und nochmals betont, daß sie „doch aus den Wochen gehen müße".

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Land- und Hausarbeit standen nun der sechswöchigen Ruhephase des Wochenbettes schon immer diametral entgegen und beeinträchtigten durch den Ausfall einer vollen Arbeitskraft in Phasen, in denen „der Landmann viel zu arbeiten hat"247, die familiäre Ökonomie nachhaltig. In den Gemeinden etwa um Dudweiler, deren Folgsamkeit bezüglich der Kindbettvorschriften der Ortsgeistliche bereits um 1755 infrage stellte, hatte ein erster Industrialisierungsschub, der „männerlose" Haushalte mit angegliederten landwirtschaftlichen Kleinbetrieben nach sich zog, die weibliche häusliche Arbeitskraft noch unersetzlicher werden lassen. Umgekehrt verhinderte sicher der Gedanke, die Wochenbettzeit untätig abwarten zu müssen, daß die Frauen diese Phase des Arbeitsausschlusses gelassen überstanden, eine moderne Einstellung unserer Tage, die sich bis zum 19. Jahrhundert „bey dem Landmann wegen dessen Feld= und häuslichen Arbeit selten findet", wie 1783 der Saarbrücker Regierungsrat Dern richtig feststellte. Er hatte unter den im Saarbrücker Hospital niedergekommenen Frauen eine Säugamme für ein mehrtägiges Kind gesucht, dessen ledige Mutter gestorben war, blieb jedoch erfolglos, weil alle jungen Mütter dem Ende ihrer vierwöchigen Wochenbettzeit entgegengingen und danach zur Aufnahme der Arbeit sofort in ihre Dörfer oder zu ihrer Dienstherrschaft zurückkehren wollten. 248 Beschwerden, daß verheiratete Kindbetterinnen auf dem Land aus ökonomischen Gründen das Wochenbett früher beendeten, finden sich vor der Mitte des 18. Jahrhunderts nicht. Daß ledige Dienstmägde in Stadt und Land ihre Tätigkeit schon nach wenigen Tagen wieder fortsetzten, um den Unterhalt ihres zumeist bei einer Pflegemutter untergebrachten Kindes sicherzustellen249, war ein altbekanntes Phänomen, das weder Herrschaft noch Kirche interessierte oder gar störte. Stand doch eine Aussegnung dieser Frauen nach einzuhaltendem Kindbett sowieso nicht an und brauchte man sich wegen der schnellen Wiederaufnahme der Arbeit um so weniger um ihre finanzielle Unterstützung zu sorgen. Wohl kam es nicht selten vor, daß Ehefrauen, wenn sie eine Früh-, Miß- oder Totgeburt erlitten hatten, oder wenn das Kind nach der Geburt gestorben war, die Einhaltung der gesamten Kindbettzeit verweigerten. 250 Dem lagen jedoch ganz andere und ähnliche Motive zugrunde, wie sie für das Unterlassen einer Aussegnung unter denselben Umständen maßgeblich waren. Nicht finanzielle und wirtschaftliche Gründe waren hierbei ausschlaggebend; statt dessen machten Vorstellungen davon, was überhaupt als eine Geburt aufgefaßt wurde und der Aspekt des Kindbettes als einer Zeit der Feste und beglückwünschenden Besuche die gesamte rituelle Einhaltung des Wochenbettes entweder unmöglich oder sinnlos. Fragen wir nach den Gründen für das veränderte Wochenbettverhalten vieler Dörflerinnen seit der Mitte des 18. Jahrhunderts und nehmen wir hinzu, daß sich die weibliche Arbeitsbelastung nur in Ortschaften mit protoindustrieller Entwicklung verändert hatte, so liegt die Vermutung eines

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Wandels eben jener Bedingungen nahe, unter denen bislang die Phase des Kindbettes in ihrer ganzen Länge hatte eingehalten werden können. Einen wichtigen Wandel im Geschehen um Geburt, Taufe und Wochenbett markierten die Beschränkung der Patenschaften auf höchstens drei Personen mitsamt der kostspieligen Einlösung eines Billets für jeden weiteren Gevatter, ohne welches der Geistliche nicht taufen durfte, und dem Wegfall der damit in direkter Verbindung stehenden „Gebetaufen" seit dem beginnenden 18. Jahrhundert. Weit gravierendere Veränderungen brachte jedoch eine Flut von Verordnungen, die seit den 60er Jahren des 18. Jahrhunderts die Unterstützung der Kindbetterinnen und ihrer Angehörigen durch Geschenke und Gaben sämtlicher Dorfbewohner bei empfindlicher Strafe gänzlich verbot, eine traditionell gemeinsame Uberbrückung also dieser für die jeweiligen Familien ökonomisch knappen Phase durch Zuwendung vor allem von Nahrungsmitteln unterband. Nunmehr hieß es seit 1784 im Kurtrierischen, daß „aller Dankwein, Geschenke und dergleichen" unter Strafe von vier Goldgulden als „eine ungebührliche, und in allem Betracht ärgerliche Gewonheit" verboten seien, worauf Ortsschultheißen und Seelsorger mit Strenge zu achten hätten.251 Im zweibrückischen Oberamt Bergzabern bestimmte eine polizeiliche Ordonnanz von 1771, es sei ab sofort nicht mehr erlaubt „denen Kindbetterinnen etwas, es bestehe worinnen es will, in das Kindbett zu schicken", und im Herzogtum insgesamt verbot man zusätzlich „alle Geschenke von denen Gevatter Leuthen an die Kindbetterinnen ... sie bestehen in Geld oder Eßwaren". 252 Gleiches auch in der Grafschaft NassauSaarbrücken, wo neben das allgemeine Verbot des Beschenkens der Kindbetterin mit Lebensmitteln 1768 die Anweisung trat, daß Geschenke aller Art durch die Gevattern, „insonderheit auch an Wein, Zucker, Caffee und dergleichen in das Kindbetter=Haus ... gäntzlich unterbleiben" sollten, diesmal bei fünf Gulden Strafe.253 Hatte man in einer Übergangsphase in den 50er Jahren das „Wein= Zucker= Thee= Caffee= Mandelen= und Rosinnen=Schicken in das Kindbetter Hauß" noch mit der Einschränkung untersagt, daß „dürfftigen Kindbetterinnen mit einer Suppen oder benöthigtem Eßen währenden 6 Wochen zu weilen an handen zu gehen" gestattet sei254, so brandmarkten herrschaftliche Verordnungen allerorts diese Nahrungsmittelgaben nunmehr als „Mißbrauch", als „übermäßigen Aufwand", als „absonderliche Beschenkung", als „ungebürlich" und „ärgerlich", statt sie wie zuvor als eine Tat der Nächstenliebe und Barmherzigkeit gutzuheißen.255 Eine derartige Entwicklung verlief keineswegs überregional, denn in der angrenzenden Gegend um Speyer etwa schickten noch 1783 allein die Gevatterleute der Wöchnerin mit herrschaftlicher Erlaubnis zwei Hüte Zucker, je zwei Pfund Kandis, Korinthen, Pflaumen und spanische Nudeln, zwei Lot Muskatnuß und je ein Lot Muskatblüte, Zimt, 12 Zitronen, drei Hühner und zwei Kapaunen, dazu Wein und Kuchen. Sechs mal mußten sie der Kindbetterin zusätzlich gutes Essen bringen. Auch in der Oberpfalz brachte man

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der Mutter, ohne daß obrigkeitliche Reglementierungen dies unterbanden, bis ins 19. Jahrhundert Suppe, Mehl, Eier, Reis, Kandiszucker, Kaffee und eine lebende Kindbetthenne. 256 Keineswegs widerspruchslos nahm die Landbevölkerung diese Beschneidung alter Gebräuche der gegenseitigen Hilfe hin. Mit ihnen verband sich nicht nur die Fortsetzung der N o t - und Hilfsgemeinschaft der Frauen in der Beschenkung und Verpflegung der entkräfteten Wöchnerin sowie im oftmals in Riten gekleideten Gabenbringen als einer allmählichen symbolischen Reintegration und einer bei den Frauenfesten inszenierten Integration. Vielmehr beschnitt das Verbot der Lebensmittelspenden eine essentielle Komponente sowohl der weiblichen Festkultur, bei der das Element der Gemeinsamkeit - auch der gemeinsamen Übernahme der Unkosten - eine grundsätzliche Rolle spielte, ebenso wie die Möglichkeit, diese Art des weiblichen Feierns weiterhin aufrechtzuhalten. Schließlich ging es um die Abmilderung materieller Einbußen für die Kindbetterin und um die Verteilung finanzieller Mehraufwendungen auf die Dorfbewohner, um den gemeinsamen Ausgleich zusätzlicher Belastungen also, die letzlich die ganze Familie der Kindbetterin betrafen. Nimmt man die Entwicklungen um die Mitte des 18. Jahrhunderts zusammen, so lassen sich verschiedene Relationen vermuten. Während sich einerseits auf der Ebene normativer Vorgaben im selben Zeitraum massive Einschränkungen der Frauenfeste mit dem Verbot des Beschenkens der Kindbetterinnen mit Lebensmitteln paarten und damit einer gegenfestlichen Politik Vorschub geleistet wurde, verband sich auf der anderen Seite das untersagte Gabenreichen ins Kindbett mit einer Weigerung der Dorffrauen, die Wochenbettzeit konsequent durchzustehen. Diese zunächst getrennten Veränderungen können zweierlei Verbindung eingegangen sein, deren handlungslogische Resultate sich zwar kaum unterscheiden - in beiden Fällen verließen die Frauen das Kindbett frühzeitig deren Motivation jedoch eine grundsätzlich andere gewesen sein muß: Entweder war es den Frauen aufgrund der Beschneidung einer gemeinsamen Bestreitung der Kosten für die Bewirtung nun nicht mehr möglich, ihre Feste und damit das Kindbett in ritueller Form sowie nach einer festgesetzten Abfolge zu begehen, weshalb die nurmehr als eine ,profane' Belastung empfundene Wochenbettzeit „nach Belieben" beendet wurde. Oder aber die durch das Ausbleiben vor allem von Unterstützungen des täglichen Nahrungsmittelbedarfs entstandenen Defizite im Familienbudget zwangen die Landfrauen aus ökonomischen Gründen zum frühen Verlassen des Kindbettes. Im ersten Falle hätte das Verschwinden einer rituellen Eingebundenheit und einer gemeinsamen Begehung des Wochenbettes einen mentalen Einstellungswandel, und dieser eine Beliebigkeit der Länge der Wochenbettphase zur Folge gehabt. Im zweiten Falle hätte dagegen das Ausbleiben elementarer Unterstützung trotz weiterer mentaler Gebundenheit an rituelle Vorgaben und spezielle Vor-

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Stellungen von der Zeit des Wochenbettes und dem Zustand der Wöchnerin eine Verkürzung des Kindbettes erzwungen. Zweierlei Umstände deuten auf letztere Entwicklung hin: Zum einen hielt man die weiblichen Feste um Geburt, Taufe, Wochenbett und Aussegnung und damit die imaginären Vorstellungen und konkreten Voraussetzungen für ihre Durchführung selbst bis ins 19. Jahrhundert aufrecht; auch wenn Frauen das Wochenbett früher verlassen mußten, verzichteten sie nicht auf ihre Festlichkeiten und legten ebenso Wert auf eine Aussegnung, wie das Beispiel aus Langenbach zeigte. Zum anderen verweisen die Klagen der Dorfbewohner stets nur auf den Zusammenhang von verbotener und geahndeter Hilfe der Dorfgenossenschaft durch Beschenkung und der Unmöglichkeit, unter diesen einschränkenden Bedingungen einen vier- bis sechswöchigen Ausfall des weiblichen Hausvorstandes verkraften zu können. Dabei gehe es mehr noch um die Versorgung der Familie, vor allem der Ehemänner, die während des Kindbettes ihrer Frauen doppelte Arbeit leisten müßten: „Es verbiethen zwar schon die Regeln der Gesundheit den Kindbetterinnen alles viele Eßen", so hieß es um 1780 zu den neuen Bestimmungen der verbotenen Kindbettgaben im Zweibrückischen, „da aber dergleichen zugeschicktes Essen hauptsächlich den Ehemännern zu Gute kommt, und ihnen solches bey dergleichen Umstände, wo ihre Köchinnen in dem Kindbett liegen, wohl zu gönnen ist, so möchte hierunter den Bekannten und Verwandten der Kindbetterin freye Hände gelaßen werden". 257 Obrigkeitliche Beamte und herrschaftliche Berater schienen bald einzusehen, daß das Verbot der Kindbettgaben keineswegs die möglicherweise intendierte Abschaffung oder zumindest Einschränkung der ohne Zusteuerung anderer nicht finanzierbaren weiblichen Festkultur als vielmehr eine Übertretung der zeitlichen Vorgaben des Kindbettes zum Ergebnis hatte, daß die eine Anordnung - Verbot der Lebensmittelgeschenke - also die andere - Einhaltung eines sechswöchigen Wochenbettes - behinderte, ja ihre Befolgung unmöglich machte. Daher ordnete man wie 1785 in der Grafschaft Nassau-Saarbrücken bald an, daß „zu Winters Zeiten" das Verlassen des Wochenbettes „in der 6ten, bei guter Witterung im frühjahr, Sommer und Herbst aber, wofern die Kindesmütter gesund sind und der Landmann viel zu arbeiten hat, nach Verfliessung der 4ten Woche gestattet werde".258 Diese offizielle Verkürzung der Kindbettzeit schien sowohl der Familienökonomie als auch einem nunmehr eingeschränkten oder heimlichen Gabenreichen ins Kindbett und der Aufrechterhaltung der Frauenfeste entgegenzukommen. Uber das mehrere Jahrzehnte ins Wanken geratene Wochenbettverhalten der Dorffrauen, welches sich gegen herrschaftliches und kirchliches Gebot gleichermaßen gerichtet hatte, wurden keinerlei Klagen mehr laut. Wohl aber versuchten Verordnungen und Mandate weiterhin die rituellen Komponenten, die der Kindbettphase Sinnhaftigkeit und der Kindbetterin Standhaftigkeit verliehen, zu beanstanden und zu reglementieren.

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Die Aussegnung, das „Vorsegnen" oder „les relevailles" durch einen Geistlichen, auf das die Frauen nach einer „glücklichen" Geburt großen Wert legten, beendete offiziell die Zeit des Wochenbettes, aber auch der gesamten Übergangsphase ab der bemerkten Schwangerschaft. Als rituelles kirchliches Ereignis beinhaltete sie die Wiederaufnahme der zur Mutter gewordenen Frau in die Gemeinschaft und in das Handlungsspektrum der Gläubigen, entsprach sie der Weihung und Einweihung des Kindes bei seiner Taufe. Inwieweit mit der geistlichen Segnung trotz gegenteiliger offizieller Kirchenmeinung dennoch alttestamentarische wie populäre Vorstellungen von Unreinheit, Sündhaftigkeit und Reinigung verbunden waren, oder ob ihr andere Konnotationen anhafteten, bedarf einer näheren Betrachtung. Zugleich war die Aussegnung erster Ausgang, Befreiung aus häuslicher Isolation und endgültige Wiederaufnahme des Alltagslebens. Sie war, nicht selten von einem erneuten Fest der Frauen begleitet, soziale Reintegration und Statuserhöhung der in den Kindbettzechen als Mutter bereits anerkannten Frau als einer „vollwertigen" Dörflerin, die von nun an mit allen der Frauengemeinschaft vorbehaltenen Rechten und mit besonderen Pflichten versehen war. Die Sakramentalien der lateinischen Kirche kannten vor dem 11. Jahrhundert keine „benedictio mulieris post partum"; waren dennoch Segnungen üblich, vollzog sie der Geistliche am achten Tag nach der Geburt am Wochenbett und nicht in der Kirche. 259 Inhaltlich handelte es sich dabei um Gebete nach Maßgabe der Krankensegnungen, die von Gott Gesundheit, die Befreiung von Schmerzen oder Krankheit und Schutz für die Mutter erbaten, jedoch nur selten von einer körperlichen Beflecktheit und von Reinigung sprachen. Im Gegensatz zu den jüdischen Reinigungsgeboten betonten Synoden der alten Kirche stets, daß es „nach der Taufe bei den Christen keine Unreinheit mehr gebe", obwohl demgegenüber einzelne kirchliche Mandate und vor allem Bußbücher einen sechswöchigen Ausschluß der Wöchnerinnen vom Gottesdienst dennoch betonten. Diese Unstimmigkeit zwischen offizieller kirchlicher Meinung und der den Frauen nahegelegten Praxis beseitigte Papst Gregor der Große bereits im ausgehenden 6. Jahrhundert für die römisch-katholische Glaubensgemeinschaft, indem er die zuvor über den natürlichen Geburtsvorgang begründete Unreinheit der Kindbetterin verwarf, stattdessen aber die dem Zeugungsakt zugrundeliegende „Sünde des Fleisches" betonte. 260 Mit dieser Befreiung aus alttestamentarischen Anschauungen bestimmte der Papst zugleich, es jeder Wöchnerin freizustellen, wann sie die Kirche wieder betreten und die Aussegnung erhalten wolle. Diese Entlassung der christlichen Frau in größere Mündigkeit blieb jedoch weiterhin umstritten: Während die Trierer Synode von 1227 Kirchgang und Aussegnung schon direkt nach der Geburt erlaubte, untersagte 1310 die Synode von Cambrai in Kombination alter mit neuen Ansichten den Geistlichen eine Aussegnung vor Ablauf eines Monats nach

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III. Solidaritäten nach der Geburt

der Geburt. Parallel jedoch zu kirchlichen Meinungen der freien Entscheidung über die vierwöchige Ausgrenzung vom Besuch der Kirche und über die weiterhin in Bußbüchern tradierte ältere Ablehnung eines Kirchenbesuches vor der Aussegnung entwickelte sich in der mittelalterlichen abendländischen Kirche der von Liturgikern beförderte volkstümliche Brauch eines feierlichen ersten Kirchgangs der Kindbetterin nach 40 Tagen, welcher der Reinigungszeremonie Marias im Tempel nachempfunden war. Erst nachdem diese brauchtümliche Begehung samt der Aussegnung, die beide zu keiner Zeit kirchliches Recht und priesterliche Pflicht, sondern „consuetudo" waren, im 15. Jahrhundert im deutschsprachigen Raum eine allgemeine Beachtung erfahren hatte, begann die Kirche sie als eine Pflicht einzufordern und ganz in den sakralen Kirchenraum zu verlegen.261 Seit den frühesten erhaltenen Formeln für die „intronisatio", das „introducere mulierem post partum in ecclesiam" oder „ingredere in templum domini" aus dem 11. Jahrhundert, enthielten die neben Psalmen und Versikeln gesprochenen Gebete zur „Aussegnung", „Hervorsegnung" oder „Fürsegnung" oftmals den populären Bezug zur Reinigung der Gottesmutter im Tempel, Danksagungen und Bitten um Erhalt von Leib und Seele. Selten eingeflossene Vorstellungen von der Gefährdung der Wöchnerin durch dämonische Gewalten und ihrer durch Fleischeslust verursachten Sündenschuld verschwanden bis zum 15. Jahrhundert mehr und mehr aus den Aussegnungsformeln. Seither beinhaltete die „intronisatio" in erster Linie einen von Segnung und Danksagung begleiteten Akt der Uberleitung der Wöchnerin vom Kindbett zurück in die kirchliche Gemeinschaft, ohne daß ihr moralische oder gar subjektive Schuld und die Notwendigkeit einer Reinigung angetragen wurden. Sittliche Verfehlungen dagegen lastete man der ledigen Mutter an, der deshalb die Aussegnung verweigert wurde. Auch wenn die kirchlichen Ritualien keine besonderen Formeln zur Aussegnung von Frauen kannten, die einen Abortus erlitten, eine Tot- oder Mißgeburt zur Welt gebracht hatten, sollten und mußten aber auch sie - statt mit einer brennenden mit einer ausgelöschten Kerze in Händen - den Segen ohne Unterschied erhalten. Umstritten war dagegen bis ins 16. Jahrhundert die Bestattung nicht ausgesegneter verstorbener Wöchnerinnen in geweihter Erde, ihre Aufbahrung in der Kirche vor dem Begräbnis und ihre Segnung posthum. Auch hier entzündete sich die Diskussion nicht an einer noch bestehenden Unreinheit, als vielmehr an der ausgebliebenen Wiedereingliederung der Kindbetterin in die Gemeinschaft der Gläubigen und an der Möglichkeit einer Entweihung des Kirchenraumes durch Blut, das aus der Leiche austreten könne. Nach katholischem Ritus sollte sich die Wöchnerin nach verstrichenen sechs Wochen in Begleitung der Hebamme und weiterer Frauen zur Kirche begeben, wo sie der mit Stola, mit Chorrock oder Albe bekleidete Priester an der Kirchentür empfing und mit einem besonderen Spruch begrüßte, sie

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mit Weihwasser besprengte und Gebete verrichtete. 262 Dann führte der Priester, der der Frau entweder die Hand oder das Ende der Stola reichen durfte, die Kindbetterin in die Kirche zum Altar. Nach weiteren Gebeten, Psalmen und Versikeln erfolgte die Segnung, die Besprengung mit Weihwasser und zuweilen eine Beräucherung mit Weihrauch. Die eine brennende Kerze haltende Frau händigte danach ihre Dankesgabe in Geld oder Naturalien dem Geistlichen aus oder legte sie auf den Altar. 263 In der protestantischen Kirche war die Aussegnung, zu der ebenfalls Gebete gesprochen wurden, vor der Predigt durch Segnung vorgesehen, wobei der Geistliche ein Dankgebet für die Wöchnerin in die Predigt aufnehmen sollte.264 Schwierigkeiten bereitete bis ins 19. Jahrhundert den Geistlichen die Aussegnung von Frauen aus gemischtkonfessionellen Ehen. Noch 1829 ließ der katholische Pastor Michels beim Trierer Generalvikariat anfragen, ob er eine mit einem Katholiken verheiratete Protestantin nach katholischem Brauch aussegnen dürfe, denn die Frau hatte gegen seine einstweilige Verweigerung vorgebracht, er habe sie ja auch trauen dürfen. Während in diesem Falle die Kirchenbehörde einwilligte, gab man 1850 dem Züscher Pastor, der eine in Mischehe lebende Katholikin aussegnen wollte, deren Kinder protestantisch getauft waren, zur Antwort, er dürfe dies nur dann, „wann sie unter zeugen zusagt, alles zu versuchen, daß letztgebohrene Kind katholisch erziehen zu lassen". Der kirchliche Akt der Segnung einer Kindbetterin stellte für die Landbevölkerung, wie seine Bezeichnung als „Aussegnung" im Saar-Pfalz-Raum und als „ußgehen" in Lothringen, nicht aber als „Einsegnung" wie in anderen Regionen unterstreicht, in erster Linie die zeremonielle Beendigung, den Ausgang aus dem Wochenbett dar. Dieses erstmalige Verlassen von Bett und Haus nach einer Geburt bedurfte sowohl der personalen wie rituellen weiblichen Begleitung, bildete damit den abschließenden Teil der über die gesamte Phase seit der Schwangerschaft andauernden Not-, Hilfs- und Festgemeinschaft der Dörflerinnen. So war es in allen Gebieten bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts nicht nur üblich sondern erlaubt, daß sowohl die Hebamme, mancherorts die Patinnen des Kindes und eine Gruppe von verheirateten Frauen die Mutter zur Kirche begleiteten. 266 Doch versuchten herrschaftliche Verordnungen gleichwohl die Zahl der Begleiterinnen zu limitieren: Seit 1551 gestattete man in den Orten Saarbrücken und St. Johann, daß sich „sechs frauwn sampt ihren gevattern" der Kindbetterin anschlossen; es möge ihr „zu ihrem willen stehen", so lauteten 1617 die schon einschränkenderen Anweisungen für die gesamte nassauische Grafschaft, „beneben der gevatterin ein weib, drei oder vier" für den Gang zur Kirche anzusprechen. 267 Erwägungen einer weiteren Reduzierung der Teilnehmerinnen am ersten Kirchgang, die seit den 40er Jahren des 18. Jahrhunderts in Formulierungen von Ortsgeistlichen wie: „die Sechswöchnerin würde genung haben, wenn sie von der ammen zur Kirche geführt würde" 268 , anklangen, gipfelten schließlich ab den 1750er und 60er Jahren in konkreten Verboten. Es werde,

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so die gleichlautenden Verordnungen der nassauischen Grafen von 1753 und 1768, nunmehr „außer der Hebamme, keine Begleitung gestattet". 269 N u r in einer einzigen Verordnung von 1670 hatte auch der Trierer Kurfürst eine alleinige Teilnahme der Hebamme und weiterer vier Frauen am ersten Kirchgang der Kindbetterin vorgeschrieben. 270 Im Herzogtum Pfalz-Zweibrücken und in Lothringen lassen sich derartige Eingrenzungen dagegen nicht nachweisen, und auch in der nassauischen Grafschaft und im Erzstift schienen die Frauen die alleinige Beteiligung der Hebamme oder einer eingeschränkten Zahl von Frauen an Kirchgang und Aussegnung nicht zu akzeptieren. Ahnlich dem Taufzug formierte sich daher eine Prozession von Frauen zum schützenden und anteilnehmenden Geleit der Kindbetterin, die ab dem 19. Jahrhundert auch ihr Kind mit zur Aussegnung bringen durfte. 271 Die Wöchnerin hatte ihren Kirchgang zuvor dem Geistlichen angemeldet 272 , sich entweder von den Frauen segnen lassen oder den für Kurtrier erwähnten Segen mit dem linken Fuß über die Türschwelle ausgeführt und beschritt zusammen mit ihren Begleiterinnen sodann einen vorgegebenen Weg zur Kirche, bei dessen Zurücklegung sie möglichst keinen Vorbeikommenden ansehen sollte. Frauen und Wöchnerin - letztere mit der brennenden Kerze in Händen, deren abwehrende Symbolik eine entscheidende Rolle schon während der Geburt und der Wochenbettzeit gespielt hatte - erwarteten dann vor der Kirchentür den Einlaß durch den Geistlichen. Nach katholischem Brauch vollzog der Priester, dessen Gesten des Empfangs und der Begrüßung der Frauen an der Kirchentüre die Aussegnung als ein besonderes Zeremoniell ankündigten, sowohl in Lothringen wie in den trierischen Gemeinden Eingangsgebete und geleitete die den brennenden Wachsstock tragende Mutter an einen Neben-, häufig einen Marienaltar. 273 Hier erhielt sie nach weiteren Gebeten den „Muttersegen", im Kurtrierischen bis zum ersten Drittel des 17. Jahrhunderts dazu eine gesegnete Hostie 274 , und übergab dann die Kerze und ihr Opfer dem Geistlichen. Das protestantische Ritual sah ebenfalls einen Empfang der Frauen durch den Pfarrer und ihre Geleitung in die Kirchenbank vor, wobei die Kindbetterin im Verlauf der Predigt „in das Gebet geschlossen und ausgesegnet" wurde. 275 Blieb damit das Ritual der „intronisatio" in katholischen Gemeinden bis zu seiner Integration in den Gottesdienst im 19. Jahrhundert ein ausschließlich im Beisein von Frauen ausgeführter Akt der Weihung, Danksagung und Wiederaufnahme, so vollzog man ihn in protestantischen Orten in Gegenwart der versammelten Kirchengemeinde, die gemeinsam für die junge Mutter betete. Den Aussegnungsbräuchen aller Konfessionen, die sich im Ritual, dem Zeitpunkt der Segnung, den Teilnehmern, den gesprochenen Worten und Handlungen unterschieden, waren zwei unverzichtbare Elemente gemeinsam: die von der Wöchnerin getragene Kerze, die nach der Aussegnung der Kirche gestiftet wurde, und die Ubergabe einer Dankesgabe an den Geistli-

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chen. Der lothringischen Mutter hatten die Kindspaten vor dem Gang zur Kirche oftmals einen Laib Weißbrot, den „Kindbettenlaib" gebracht, den sie dem Priester nach dem Muttersegen überreichte; der Geistliche teilte ihn und gab der Mutter eine Hälfte zurück. In den Orten um Forbach, Sarreguemines und Bolchen schritt die Ausgesegnete um den Altar und übergab dem Geistlichen danach eine Spende, in Metz einen Brotlaib und Geld.276 Frauen aus den Gemeinden des Erzstiftes, die im 16. Jahrhundert noch vorwiegend Naturalien, beispielsweise „ein guit hoien [Huhn]", Brot und Wachs opferten, sollten seit dem 17. Jahrhundert einen „pfenning vor die kertz", später zwölf Pfennige und zu Beginn des 19. Jahrhunderts schließlich 15 Sols geben.277 Unvergleichlich lange erhielt sich aber dennoch gerade bei Aussegnung und Taufe die naturale Gabe an den Geistlichen, in Ponsfeld etwa bis 1857 in Form zweier junger Hähne. 278 Nicht nur den katholischen Pastoren mußte durch Mandate von Zeit zu Zeit in Erinnerung gerufen werden, daß sie sich mit den „vorgeschriebenen, und erlaubten Stolrechten zu begnügen, und weiters keine Nebengeschenke anzuverlangen" hätten, sondern auch reformierte und lutherische Pfarrer legten größten Wert auf einen angemessenen Dankesobulus der ausgesegneten Frauen. 279 Der kirchliche Ritus der Aussegnung, der in seiner praktischen Ausführung theologische mit volksreligiösen Elementen verband, blieb trotz einer Distanzierung von älteren Anschauungen, die seine Notwendigkeit in der durch den Geburtsvorgang entstandenen körperlichen Unreinheit der Kindbetterin begründeten, in seiner Deutbarkeit ambivalent. Diese Mehrdeutigkeit war in erster Linie eine der Symbole und Gesten, ihrer Wahrnehmung und Interpretation. Eine der Diskrepanzen lag in der kirchlichen Ablehnung einer alttestamentarischen Reinigung von körperlicher Beflecktheit und der Beibehaltung von symbolischen Attributen und Handlungsweisen, die eine direkte Verbindung zum jüdischen Reinigungszeremoniell Marias herstellten. Die auch in den Feiern zu Maria Lichtmeß immer wieder in Erinnerung gerufene Reinigung selbst einer „unbefleckten" Gottesmutter nach ihrer Niederkunft stellte, unterstützt durch den in der Aussegnung analogen Einbezug von Kerze und Gabe, damit einen indirekten, szenisch-bildhaften Bezug zu Unreinheit und notwendiger Reinigung dennoch permanent her. Symbolik, ihre Bedeutung aufgrund analoger Rückschlüsse und inhaltliche Dispositionen gingen auch in der zeremoniellen Nomenklatur auseinander: Das Betreten der Kirche nur in Begleitung des Geistlichen, Segnungen, Besprengungen mit Weihwasser und Beräucherungen, das Niederknien zur Segnung, all dies waren sowohl weihende wie exorzierende Gesten im kirchlichen Repertoire. Kirchlicher Exorzismus jedoch knüpfte immer auch an Vorstellungen von Schuld, Befleckung und Wiederherstellung eines gereinigten Zustandes an. Ein drittes: Wie der Exkommunizierte war auch die Wöchnerin zeitweise aus der Gemeinschaft der Gläubigen und von den Sakramentalien ausgeschlossen, eine Ausgrenzung, die den Exkommunizierten

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für begangene Sünden bestrafte und deshalb immer ein Verschulden assoziierte. Auch dem Ausschluß der Wöchnerinnen aus der kirchlichen Gemeinschaft haftete die Bedeutung eines Makels, einer weniger sündhaften denn einer Verfehlung an, die in Unwürdigkeit bestand und Exklusion wie Meidung umfaßte. Die Verwendung mehrdeutiger Ritualelemente, die Rückbindung an vergangene Ereignisse und Formen der weiblichen rituellen Reinigung und die ambivalente Gestik der Geistlichkeit ließen damit eine Reihe von Assoziationen und konnotativen Analogien zu, die zwar nicht mehr der jüdischen Variante entsprachen, die es aber durchaus erlaubten, die Aussegnung aus der populären Perspektive des christlichen Laien als eine Erlösung aus einem Zustand der Unzulänglichkeit entweder aufgrund körperlicher Unreinheit, eigenen Verschuldens, von Sünden oder einer Kombination daraus zu begreifen. So benannten die Wöchnerinnen ihre Dankesgabe an den Geistlichen denn auch nicht als Dankgeschenk, sondern stets als „Opfer", eine Darreichung, die innerhalb des Repertoires der Volksfrömmigkeit der Wiedererlangung einer durch die Kirche und den göttlichen Willen zeitlich entzogenen sakramentalen und sakralen Gunst diente. Die brennende Kerze in ihren Händen symbolisierte nicht nur ihre Schutzbedürftigkeit, denn in der populären Magie galt die brennende gesegnete Kerze als eines der wirkungsvollsten Abwehrmittel gegen das Einwirken dämonischer Mächte; sie war zugleich mit ihrer brennenden Flamme verdinglichtes Zeugnis ihres Wunsches nach einer vielschichtigen Art der ,Reinigung', die nicht körperlich rein, sondern als eine Form der seelischen Befreiung wieder würdig und glücklich machen sollte. Heute würde man von der Wiedererlangung eines ,seelischen Gleichgewichts' sprechen. Tatsächlich Schloß die Aussegnung mit allen Vorstellungen ab, die der Person der Kindbetterin eine negative Beeinflussung sei es der Nahrungsmittel, des Bodens und Wassers, anderer Menschen oder des sakralen Raumes unterstellten. Wie das Wasser beim Taufritual gehörte aber das Feuer als eines der Naturelemente nicht nur zu den reinigenden, sondern ebenso zu den lebensspendenden und lebenserhaltenden Urstoffen, schwang bei der Aussegnung mit brennender Kerze möglicherweise auch die Vorstellung der Erneuerung und rituellen W i e derbelebung' der nunmehr in Gemeinschaft und Kirche zurückkehrenden Wöchnerin mit.280 Frauen, die eine „unglückliche" Geburt erlebt hatten, verweigerten oftmals sowohl die Einhaltung der Wochenbettzeit als auch die Aussegnung. So war 1630 die Frau des Peter Weber aus Tawern, „so ein mißgeburt erlitten, ohn aussegnungh außgangen", 1631 hatten eine Frau aus Nennig und eine andere aus Wawern, welche im „beisein ehrlicher Weiber eine Mißgeburt erlitten", das Haus ohne Aussegnung verlassen. Und die Frau des Muller Sampsohn aus Wehr war 1618 „als sie einsten mals niederkommen, das Kindt eine beul in das Köpffgen gefallen und dardurch gestorben, gleich-

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wohl andern tags außgangen ohne aussehnung des herrn pastors". 281 Für diese Frauen hatte mit dem Tod ihres Kindes die Ubergangsphase bis zur Aussegnung eine Zäsur erhalten, galt die Niederkunft selbst dann nicht als eigentliche Geburt, wenn das Kind weder frühzeitig noch mißgebildet zur Welt gekommen, sondern erst danach durch einen Unfall gestorben war, weil den Geburten keine Mutterschaft folgte. Vor allem Totgeburten frühzeitiger oder mißgebildeter Kinder wurden trotz Anzeigepflicht den Ortsgeistlichen häufig nicht einmal als Geburten zur Aufnahme ins Kirchenbuch angegeben und statt auf dem Friedhof im Haus oder Garten begraben. Aus volksreligiöser Sicht schien der erlittene Verlust weder den kirchlichen Segen noch ein Dankgeschenk an den Geistlichen notwendig zu machen, ja beides aufzuwiegen; auf der brauchtümlichen Ebene stand die Einhaltung der Kindbettzeit unter diesen unglücklichen Umständen im krassen Gegensatz zu den über Riten und Feste intendierten Initiationen zur Mutterschaft und den beglückwünschenden Besuchen der Nachbarinnen und Verwandten. Die Schuld an Früh-, Miß- oder Totgeburten wurde zudem keineswegs als Folge einer Versündigung im theologischen Sinne, sondern als Resultat einer sozialen Verfehlung und persönlichen Fehlverhaltens interpretiert, so daß auch diese ,profane' Semantik der Schuldzuweisung nach einer „unglücklichen" Geburt weniger eine Aussegnung denn die Änderung von Lebensgewohnheiten implizierte. In fast allen Kulturen der Welt wurden Frauen, die geboren hatten, von der sozialen und religiösen Gemeinschaft außergewöhnlich lange, für eine Zeitspanne also, die über die Phase einer Genesung hinausging, ausgeschlossen und danach rituell wieder aufgenommen. 282 Kaum ein Anlaß, nicht einmal die Hochzeit, kannte mehr Feiern und Zusammenkünfte als eine Geburt, so daß es nicht erstaunt, wenn aus unterschiedlichen Regionen von einem weiteren Fest der Frauen nach der Aussegnung einer Wöchnerin berichtet wird. 283 Entweder handelte es sich dabei ausschließlich um ein Fest anläßlich der Beendigung des Wochenbettes, oder aber man kombinierte diesen Anlaß mit der eigentlichen Kindtaufsfeier, wenn nach der Taufe nur ein Umtrunk stattgefunden hatte.284 „Wenn nun die Zeit gekommen, wo die Kindbetterin wieder ausgehen kann, und das Kind bis dahin am Leben geblieben ist, so mag man, jeder nach seinem Stand und Vermögen, Kindtauf und Gesellschaft halten, mit gewöhnlicher Hausmannskost, ohne Gepränge und Überfluß, mit 2 oder 3 Gerichten", so formulierte 1608 die Polizeiordnung für Stadt und Amt St. Wendel. 285 Die Verbindung von „Kindtauf und Gesellschaft", also von „Gevatterimbs" und Fest der Frauen zu Ende des Wochenbettes, stellte eher die Ausnahme dar und war außer im kurtrierischen Amt St. Wendel nur in einigen nassauischen Gemeinden üblich. Hatte man nach der Taufe die Paten und „begleiterinnen" mit Wein, Brot und Kuchen bewirtet, so lud man jetzt neben den Frauen, die die Kindbetterin zur Aussegnung begleitet hatten, wiederum die „Gevatterleuthen, auch an theils

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orthen die Hn. Geistliche, allenthalben aber die mehreste Anverwanthen und andere gute freunde" zu einem sich vom Vormittag bis in die späte Nacht erstreckenden Gastmahl ein.286 Weit häufiger Schloß sich aber der Aussegnung ein Fest unter Frauen an, das im Haus der Wöchnerin stattfand. Ortsgeistliche und Verordnungen sprechen von einer „ordentliche[n] und prächtige[n] gasterey", von dem „auf dem Land" nach dem Ausgang der Kindbetterin „gewöhnlichen Schmausen", von Gastmahl und „Mahlzeit halten".287 Unterschiedlich war die Zusammensetzung dieser weiblichen Festtagsgesellschaft, die im 16. Jahrhundert entweder nur aus denjenigen Frauen bestand, die die Kindbetterin zum Gang in die Kirche „berufen" hatte, oder die zusätzlich zu den Begleiterinnen aus den Gevatterinnen und den „benachbarten Weibern, so iro der Kindbeths frauwen inn nöten beigewohnt" hatten, bestand. Die erlaubte Bewirtung konnte von der mehrgängigen Speisefolge, einer „ehrlichen geburlichen malzeit" bis zur einfachen Verköstigung mit einem „trunck weins" reichen und wurde von der Kindbetterin und den Gevatterinnen gestellt.288 In Lothringen erhielten alle Gäste ein Stück von der Hälfte des „Kindbettenlaibs", des halben Weißbrotes, das der Geistliche der Ausgesegneten mit nach Hause gegeben hatte, aßen dazu Butter und Käse und tranken warmen Rotwein, den die Frauen etwa um Remiremont im nahen Kloster hatten segnen lassen. Beides, Brot und Wein, so glaubte man im Lothringischen, befördere die Fruchtbarkeit. 289 Im Zuge der allgemeinen Einschränkung der Feste um Geburt und Taufe versuchten obrigkeitliche Verordnungen des 18. Jahrhunderts auch dieses Festbrauchtum der Frauen zu beschneiden oder zu verbieten. Beim Ausgang der Kindbetterin, so verfügte man etwa im Nassauischen bereits 1741, „welcher ohne begleitung der Weiber geschehen soll, ist das Mahlzeit=halten gantz und gar zu unterlassen". Aber noch über die 80er Jahre des Jahrhunderts hinaus war man mit dergleichen Verboten noch lange nicht zuende und wiederholte die Formeln der 40er oder 50er Jahre: „Da besonders üblich ist, daß bey dem ersten Ausgang der Kindbetterinnen ... gastereyen [gejhalten [werden], so mögte dieses ausdrücklich verbotten werden", bestimmte ein Mandat noch um 1790. 0 Zunächst mit der Beschränkung auf die Hebamme als einziger Begleiterin, dann mit dem Verbot ausgedehnter Mahlzeiten und langer Zusammenkünfte und schließlich mit der generellen Untersagung der Feste, lassen sich diese Anordnungen ihrer Strategie und Zielsetzung nach in die Reihe der um die Mitte des 18. Jahrhunderts einsetzenden obrigkeitlich-kirchlichen Reglementierung der weiblichen Festkultur um die Geburt mühelos zuordnen. Dies trifft freilich auch auf ihre Wirkung zu, denn ebenso wie die Kindbettzechen wiesen die Frauenfeste anläßlich der Beendigung des Wochenbettes eine ungebrochene Resistenz auf. Im Pfalz-Zweibrückischen wurden die Frauen um 1770 „nach vollendetem kindbette zu einem Gastmal geladen ... wobey dann durch Auftischung vieler Speisen großer Aufwand geschiehet"291; nicht nur werde reichlich Essen

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angeboten, vielmehr gebe man den Gästen auch „noch weißbrod und kuchen mit nach Hauß". 292 Es scheint im Vergleich zu zeitlich früheren Schilderungen fast so, als hätten die Feiern zum ersten Ausgang der Kindbetterin an Üppigkeit und „Ubermaß" im 18. Jahrhundert sogar noch zugenommen. Bei näherer Betrachtung der von den Dörflerinnen begangenen Feiern zum Abschluß des Kindbettes ist zunächst die Aussparung ritueller Elemente über das gemeinsame Essen hinaus augenfällig. Hier und da kannte man Bräuche, die denen der Einweihung und Ablösung ähnelten, wenn etwa die Magd im Pfälzischen der heimkehrenden Mutter die Tür versperrte und diese sich mit einer Gabe oder einem Geldstück „lösen" mußte, bevor sie eingelassen wurde. 293 Im Allgemeinen konzentrierte sich das Fest jedoch auf die „Gasterei", setzte es der kargen Kindbettsuppe zu Beginn der Wochenbettzeit den Verzehr opulenter Speisen zu ihrem Abschluß, vorausgegangenen Einschränkungen und Begrenzungen das ausgiebige Schlemmen entgegen. Das gemeinsame Feiern der Frauen galt allein der jungen Mutter, unterstrich ein letztes Mal den „Bund" der verheirateten Dörflerinnen und belegte, anderers als dies die Aussegnung mit der Wiederherstellung eines geistigen Bandes intendierte, das Ende der asketischen Zeit nach der Geburt wieder mit dem Akzent der Leiblichkeit, der körperlichen Integrität und des leiblichen Wohlergehens, Aspekte, die in der Kindbettzeit von der Vorstellung der Gefährlichkeit der Wöchnerin für ihre Umwelt bis hin zur Notwendigkeit eines unsichtbaren Verschwindens ihres zugleich gefährdeten Körpers im Inneren des Hauses kanalisiert wurden. Daß die Dörflerinnen die lange Phase des Übergangs ausschließlich mit dem gemeinsam geteilten Mahl beschlossen, jenem Ritual, das soziale Integration, Gleichheit, Einvernehmen und Freundschaft gleichermaßen symbolisiert, zeigt ebenso wie das Fehlen ritueller Elemente an, daß jetzt die Zeit der Schutz-, Abwehr-, Aufnahme- und Trennungsriten endgültig beendet war. Alle Gefahren für Leib und Seele waren gebannt.

IV. Aspekte einer weiblichen Kultur auf dem Land 1. Frauenfeste - eine öffentliche Kultur des Feierns Uber das selbstbestimmte kollektive Handeln und Argumentieren von Frauen als politischer oder sozialer Körperschaft liegen bislang nur wenige Untersuchungen vor.1 Die meisten der von der Forschung beachteten öffentlichen Aktionsformen zeichnet eine Beteiligung beider Geschlechter, ihr Charakter als „Volksaufstände" sowie ihre Tendenz aus, in Formierungsund Institutionalisierungsphasen die aktiven Frauen an den Rand der Bewegung zu drängen. In derartigen Kontexten werden Frauen als Inhaberinnen der „informellen Macht" oder als Teilnehmerinnen gekennzeichnet, die nur auf „Zu- und Veranlassung" der Männer handelten. Ein ganz anderes Bild entsteht mit einem Blick auf Ereignisse, bei denen die soziale Position vor allem verheirateter und verwitweter Frauen rechtsförmige Möglichkeiten und Kompetenzen eröffnete, die sie zu eigenständigem Handeln nutzen konnten. Augenfällig wird dabei ein Insistieren dieser Repräsentantinnen von Familie und Haus auf einer Partizipation an Rechtsbereichen und an der kommunalen politischen Öffentlichkeit, zugleich aber ihr Selbstverständnis als einer rechtlich-politischen ,Binnengruppe', die etwa im Namen „aller Gemeinds weiber", namens „sämtlichen weiblichen Geschlechts" oder der „weibs glitter" eines Dorfes agierte. Dieselbe Gruppe der Haushaltsvorsteherinnen war zugleich Trägerin einer besonderen weiblichen Festkultur um die Geburt. Im Gegensatz zum mittlerweile gut erschlossenen geselligen Brauchtum der männlichen Jugendlichen 2 liegen - wie zur öffentlichen Gruppenkultur von Frauen überhaupt - hierzu bislang keine Untersuchungen vor. Zudem lassen auch die Forschungen zur Festkultur männlicher Jugendlicher eine geschlechtsspezifische Betrachtungsweise etwa im Hinblick auf eine zeitliche oder punktuelle Beteiligung von oder eine Rezeption durch ledige und verheiratete Frauen vermissen. Dieses theoretische wie methodische Manko verweist zugleich auf die generelle Schwierigkeit, Frauen aus Quellen zum Brauchtum heraus sichtbar zu machen und ihre Positionen zu verorten. Doch bedarf die Untersuchung der weiblichen Festkultur der Einbettung sowohl in das männliche wie das gruppenund altersspezifische Festbrauchtum beider Geschlechter, aber ebenso der Rückbindung an lebensweltliche Kontexte und gesellschaftliche Rahmenbedingungen. Dies impliziert eine geschlechtergeschichtliche Perspektive, aus der heraus unterschiedliche Wertigkeiten und Handlungsmöglichkeiten für Männer und Frauen im Geflecht der allgemeinen Denk- und Verhaltensstile erst in sozialer Interaktion sinnhaft erschließbar werden. Die dörfliche Gruppenkultur kannte in der Frühen Neuzeit sowohl eine alters- als auch geschlechtsspezifische Trennung und eine gleichzeitige Un-

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tergliederung zwischen unverheirateten und verheirateten Personen. Sie dokumentiert sich nicht nur in der Besetzung der Kirchenstühle, beim Kirchgang, bei Prozessionen oder anläßlich von Kirchenvisitationen, sondern auch in der Sitzordnung bei Gastmählern und bei vielen Anlässen des dörflichen Festbrauchtums. 3 Das gemeinschaftliche Feiern, an dem sich alle Dorfbewohner beteiligten, wurde zumeist von der Dorfjugend organisiert, vor allem von den jungen Burschen, die das Elternhaus verlassen oder einen „Dienst" angenommen, aber noch nicht geheiratet hatten. Ihnen zur Seite standen die Mädchen- oder Schwesternschaften der jungen, ledigen Dorfbewohnerinnen, über deren Organisation, Aufgaben und Wirken uns noch sehr wenig bekannt ist. Sie spielten als geschlossene Gruppe eine Rolle beim „Lehenausrufen", beim weiblichen Hochzeitsbrauchtum um die Brautkrone4, in manchen Regionen beim Abholen und Geleit der Taufpatinnen zum Haus des Täuflings, bei Begräbnissen jung verstorbener Dorfbewohnerinnen, bei vielen lokalen Festbräuchen wie dem Hütten- oder Schöftag, beim „Körben" und bei den Treffen in den Spinnstuben. 5 Während die verheirateten und verwitweten Frauen mit einer eigenen Festkultur den ledigen Frauen und Mädchen gegenüberstanden, erstaunt es, daß die verheirateten Männer, die die offizielle politische Körperschaft der Gemeinde bildeten, über ihre verwaltungstechnischen, gemeinderechtlichen und politischen Aufgaben hinaus kein eigenständiges Festbrauchtum - etwa an Karneval oder im Zusammenhang mit der Feldarbeit - kultivierten, sondern meist mit den Junggesellen zusammen agierten. Diese wiederum kannten sowohl ein unregelmäßiges, nach spontanen Anlässen und ein über das ganze Jahr verteiltes, ein im Jahresbrauchtum integriertes wie ein zu speziellen, sich wiederholenden Terminen einsetzendes Festbrauchtum, das im Gegensatz zur weiblichen Festkultur weniger den eigenen Bereich, als vielmehr das Verhältnis der Geschlechter und die Ereignisse im Dorf (Charivari, Haberfeldtreiben, Prellbräuche) tangierte. 6 Ihre Aktivitäten richteten sich in besonderer Weise auf die unverheirateten Mädchen, galten der Werbung und Eheanbahnung, der Annäherung und Attacke auf das weibliche Geschlecht, wie dies etwa im Pflug- und Blochziehen, in Karnevalsbräuchen, beim Kiltgang und der Mädchenversteigerung an Kirchweih oder der Nacht zum ersten Mai zum Ausdruck kommt. 7 Da das gemeinsame Auftreten der ,Burschenschaften' neben Geselligkeit, Unterhaltung und der Absolvenz von „Mannbarkeitsriten" oftmals der Dokumentation männlicher Vorherrschaft, der Markierung von Geschlechtergrenzen, der Kontaktaufnahme mit und der gleichzeitigen Domestizierung der jungen Mädchen sowie der Kontrolle wie symbolischen Besetzung von Räumen, Zeiten und ,Körpern' diente 8 , galt die Inszenierung damit verbundener Rituale dem ganzen Dorf, waren oftmals Zuschauer, ja Teilnehmerinnen und Teilnehmer integraler Bestandteil des ganzen ,Schauspiels' oder eines seiner Sequenzen. Die Festund Brauchkultur der jungen Männer hatte ihren Platz im offenen Raum des

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Dorfes, auf dem Dorfplatz und in den Straßen, vor der Türe und am Fenster, im Wirtshaus und davor, auf dem Feld, der Gemarkung, dem Pfarroder Friedhof, am Brunnen und vor der Kirche; sie war sichtbar und selbst des nachts hörbar, Angelegenheit der Gruppe und gleichzeitig zugänglich für andere Gruppen, etwa die der Mädchen (Mailehen) oder der verheirateten Männer (Fastnacht). Und die im Kollektiv handelnden Halbwüchsigen gaben nicht selten vor, als Gruppe die Interessen des ganzen Dorfes zu vertreten.9 Nichts spricht also dagegen - und diese Sichtweise teilt auch die neuere Fachliteratur 10 - , das ländliche Festbrauchtum der Junggesellen als eine sich in der Dorföffentlichkeit vollziehende Kultur der Riten, Feste und Feiern, die zugleich veröffentlichen, offenbaren wollten, zu bewerten. Was ihre Väter ohnehin als Vertreter der ,Gemeindeöffentlichkeit' taten, so der allgemeine Forschungskonsens, habe sich nach unten fortgepflanzt und sei von den Söhnen frühzeitig gemeinsam eingeübt worden. Ist sich die Fachdiskussion bezüglich der Bewertung des derart sozialisierten männlichen Auftretens im Dorf als eines öffentlichen duchaus einig, zumal, wenn ledige Burschen, verheiratete Männer oder beide zusammen als Gruppe auftraten, so tut sie sich andererseits mit der Einschätzung weiblicher Aktivitäten sehr viel schwerer. Pauschalisierende Begrifflichkeiten wie „Privatheit", „informelle Weibermacht", „Minderstellung" und „einseitige Abhängigkeit", „Einsatz der Dorffrauen bei kollektiven Aktionen" oder ihre von den Männern gesteuerte „Zu- und Veranlassung" im Zusammenhang politischer Handlungs- und Argumentationsweisen 11 unterstreichen einerseits zwar die unbestrittene Eingebundenheit der Dorfbewohnerinnen in eine paternale, ungleiche, geschechterpolarisierende und sie gerade im rituellen Brauchtum nicht selten demütigende ländliche Gesellschaft. Sie verkürzen und beschränken gleichzeitig jedoch, indem sie von „den Frauen" 12 als von einer geschlossenen Sozietät ausgehen, differenziertere kulturhistorische Sichtweisen.13 Anders auch als in der Untersuchung der Kultur männlicher Jugendlicher, deren Aktionen in der Gruppe man deshalb Offentlichkeitscharakter beimißt, weil ihr kollektives, ihre spätere Rolle vorwegnehmendes Vorgehen sie zu einer in der Dorfgesellschaft akzeptierten Instanz der Kontrolle, Rüge und internen Sittenpolizei gestalte, übersehen derartige Stereotypisierungen vor allem das Kollektiv der verheirateten und verwitweten Frauen und damit zugleich Bedeutsamkeiten, die sich einer mit besonderen Rechts- und Handlungsmöglichkeiten ausgestatteten Gruppe von Frauen im gemeinsamen, eigenmächtigen und ausschließlich weiblichen Agieren eröffneten. 14 Gerade die Gruppe der Dorffrauen vereinigte im Gegensatz zur B u r schenschaft' sowohl ganz junge bis hin zu alten Frauen, Frauen ohne Kinder und vielfache Mütter, Frauen, die zusammen mit ihrem Ehemann erst kürzlich eine Hauswirtschaft übernommen hatten, die eine solche seit Jahren mit ihrem Gatten als Hausvorsteherinnen führten, jüngere wie ältere Frauen, die nach dem Tod ihrer Männer deren Haushaltsvorstand in gemeinderechtlicher und

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dorfpolitischer Hinsicht vollständig übernommen hatten, Pfarrers-, Bürgermeisterfrauen und Hebammen. Blendet man die aus der geschlechtsspezifischen Verteilung der Arbeitsrollen und aus ihrem historischen Wandel, die aus entlohnter weiblicher Heim- oder Fronarbeit, aus Unternehmerschaft oder Amtsinhabe von Frauen auf dem Land resultierende sozioökonomische Spannbreite zunächst aus, so erfordert allein schon die Heterogenität der Gruppe der Dörflerinnen, was den sozialen Status, die politische Rolle und rechtliche Kompetenz ihrer einzelnen Mitglieder anbelangt, eine genauere Untersuchung von „Bürde und Würde" 15 , Rechten und Pflichten, Fremd- und Selbstbestimmung. Einer differenzierten Analyse bedarf damit auch und besonders ihr kollektives Auftreten zu Anlässen, die nicht nur in der weiblichen Biographie, sondern ebenso für die Gruppendynamik im Dorf von essentieller Bedeutung waren. Ging es doch bei den Frauenfesten um Geburt, Taufe und Wochenbett um eine dreifache rituelle Plazierung und soziokulturelle Zuordnung: um die der jungen Mütter, der jung verheirateten, noch kinderlosen Frauen und der erstmaligen Paten. Altere und jüngere Forschungen haben nun gezeigt, daß verheiratete im Gegensatz zu verwitweten Frauen zivilrechtlich unter der Vormundschaft ihrer Ehemänner standen, daß beide strafrechtlich vollwertige Rechtspersonen darstellten und daß sich das im Bereich von Sitte, Zucht und Moral vorherrschende geschlechtsspezifische Ungleichgewicht auf ihre rechtliche und soziale Stellung auswirkte. Ebensowenig aber wie Ehemänner stets dem frühneuzeitlichen Idealbild des fürsorglichen Hausvaters und liebenden Gatten, dem des gehorsamen und pflichtbewußten Untertanen, des Frau wie Kinder bevormundenden und das Haus- wie Gemeinwesen beherrschenden Hausvorstandes entsprachen, wie sie die ihnen zustehende zivilrechtliche Vormundschaft oder andere Verhaltens- und Rollenmuster tatsächlich beanspruchten und lebten, gilt diese Diskrepanz zwischen Realität und Norm für die Ehefrauen und Witwen. 16 Ihre soziale Position eröffnete der Dörflerin rechtsförmige Möglichkeiten und gemeinderechtliche Kompetenzen, die sie zu eigenständigem politischen Handeln nutzen konnte, ob als einzelne Wählerin bei der Bestimmung der Dorfhebamme und als widersetzliche Verweigerin der von Landesherrschaft bzw. Ortsgeistlichkeit eingesetzten Hebamme oder als Mitglied der Gruppe der Dorffrauen bei Protestaktionen, Petitionen oder Klageschriften. Dabei war die eingegangene Ehe eine, und eine durchaus ambivalente Legitimationsbasis ihres gemeindepolitischen Handelns, da sie einerseits die weibliche Unterordnung anlegte, andererseits der Frau als Hausfrau und besonders der Witwe als Hauswirtschafterin eine mehr oder weniger intensive Partizipation an der politischen Öffentlichkeit gestattete. Gerade das Haus, dem verheiratete oder verwitwete Dörflerinnen zugehörten und welchem in der weiblichen Festkultur eine besondere Bedeutung zukam, stellte einen Teil der dörflichen politischen Öffentlichkeit dar und legitimierte als zweite Instanz neben der Ehe

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eine weibliche Vertretung und Repräsentation nach außen. Freilich schufen sich die Dörflerinnen über diese .zugebilligten' gesellschaftlichen Räume hinaus in der Gemeinde weitere, als legitim akzeptierte Agitationsbereiche durch die Art und Weise ihres Handelns und Sprechens. Das Agieren der Frauen im Kollektiv basierte dabei keineswegs auf der „Zu- und Veranlassung" durch ihre Ehemänner oder die Witwer des Dorfes; vielmehr waren die Dörflerinnen ihrem Selbstverständnis nach eine rechtsfähige, selbständige Körperschaft „aller Gemeins Weiber", handelten sie unabhängig von, ja oftmals sogar gegen männliche Bevormundung, argumentierten sie in einer eigenständigen, ihrer Identität mit der Gruppe sowie der Logik ihrer selbstgewählten weiblichen Vertreterschaft in eigenen und dörflichen Anliegen entsprechenden Sprache. Dieselbe Gruppe von verheirateten und verwitweten Frauen, die öffentliche Handlungsbereiche, Rechtsräume und politische Kompetenzen in beachtlichem Umfang beanspruchte, war zugleich Trägerin der besonderen Festkultur um Geburt, Taufe und Wochenbett. Obwohl die Dörflerinnen in geschlossener Gesellschaft' zumeist im Haus der Wöchnerin zusammenkamen und ihre Feste - anders als die der Jugend - weder für die ganze Gemeinde noch mit deren Beteiligung inszenierten, galt die weibliche Kultur des Feierns nicht nur im Dorf, sondern ebenso in den Augen der Obrigkeit als eine öffentliche Angelegenheit. Die Frauen, so hieß es etwa in einem pfalzzweibrückischen Schreiben von 1743, veranstalteten während des Kindbettes „öffentliche Zechen und Gelachen", und in Verordnungen rügte man ihre „öffentlichen Mahlzeiten" anläßlich der Taufe und des ersten Kirchgangs. 17 Diese Bewertung war keineswegs nur eine Übertragung vom öffentlichen Charakter der zu feiernden Anlässe auf das weibliche Festbrauchtum; sie bezog sich auch nicht nur auf die Geselligkeit in der Gruppe im Gegensatz zur Einzelaktion, noch weniger auf eine geläufige Trennung von öffentlichen und privaten Bereichen. Vielmehr muß die Einschätzung der „Weiberfeste" als öffentliche Ereignisse als die uns heute zwar nur selektiv übermittelte, den Zeitgenossen jedoch integrale Sichtweise der „longue duree" von Verhaltensmöglichkeiten und Handlungsräumen verheirateter wie verwitweter Frauen verstanden werden. Vergegenwärtigen wir uns deshalb idealtypisch das als ,öffentlich' bezeichnete Handeln dieser Frauengruppe unter Ausschluß des hinzukommenden „informellen" Agierens in einem fiktiven Dorf über ein Jahr hinweg: In einer Landgemeinde des 17. oder frühen 18. Jahrhunderts von 60 bis 100 Einwohnern lebten zwischen drei und acht Witwen, die mit etwa 20 Ehemännern und Witwern die kommunale Politik und Verwaltung regelten, da sie in den Gemeindeversammlungen mit Stimmrecht vertreten waren 8; auch verheirateten Frauen war die Teilnahme an derartigen Besprechungen in Vertretung ihrer Ehemänner erlaubt, so daß an einer Dorfversammlung manchmal neben den vielleicht 20 Männern möglicherweise fünf bis zehn Frauen teilnahmen. Im Februar, wenn die Faschingszeit begann, vollzogen so-

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wohl die verheirateten Frauen wie die Witwen eigene Karnevalsbräuche, die verheirateten Frauen an Faschingsmontag und am „Fetten Donnerstag", die Witwen an Aschermittwoch." In Lothringen verband sich mit der jährlich im Februar am Montag nach Invocavit oder an Pfingstmontag stattfindenden Hebammenwahl eine Baumversteigerung, ein gemeinsames Essen der Frauen und das Foppen oder Necken der Männer. An Pfingstmontag oder -dienstag trafen sich die Dörflerinnen zum Pfingstumzug mit einer Maikönigin, erhaischten Lebensmittel und Geld, oder sie führten ein „wildes Weib mit seinem Knecht" durch die Straßen und zechten danach gemeinsam im Wirtshaus bis in die späte Nacht. 20 Regional zu verschiedenen Terminen und mit unterschiedlichem Brauchtum, aber fast überall, wurden auch die „Weibertage" begangen, etwa der Dorotheentag am 6. Februar, der Montag nach Aschermittwoch, der Tag nach Lichtmeß, an welchen Terminen die verheirateten Frauen mancherorts Umzüge durchs Dorf inszenierten, sich allerorts aber zum gemeinschaftlichen Essen und Trinken zusammenfanden. 21 Im Herbst nach der Hanf- und Flachsernte, nach dem Trocknen, Brechen, „Klammen und Schwingen", „Klopfen und Hecheln" der Pflanzen - ausschließlich weiblichen Tätigkeiten, die auf der „Brechkuhl" v o r J e m Dorf ausgeführt wurden - gaben die Dörflerinnen das „Brechfest" oder die „Brechhochzeit", an der nur sie teilnahmen, vorübergehende Männer aber stets „gehohwenzelt" wurden. 22 Fand in diesem Jahr eine Hochzeit statt, treffen wir auf die Gruppe der verheirateten und verwitweten Frauen beim „Altweibertanz" und bei den anschließenden „Weiberhochzeiten" 23 ; wurden Neugeborene begraben, fanden sie sich gemeinsam zur Bestattung auf dem Friedhof ein. Schließlich trafen sich die Dörflerinnen anläßlich der in einem kleinen Dorf jährlich stattfindenden drei bis zehn Geburten 24 zunächst zur Geburtshilfe und veranstalteten dann zur Kindbettzeche, zur Taufe und zur Aussegnung gemeinsame Feste. Abgesehen von den Zusammenkünften in den Spinnstuben, bei der gemeinsamen Feldarbeit, bei Prozessionen und Frauenwallfahrten, beim gemeinsamen Brotbacken und beim jährlichen Gang zum städtischen Markt 25 oder bei außergewöhnlichen Vorfällen wie Protestaktionen gegenüber der Herrschaft, hatte das im Kollektiv organisierte, öffentliche Auftreten der Dorffrauen eine im Jahreslauf erstaunliche Dichte, die dem der jungen Burschen durchaus vergleichbar ist. Alle jungen Mädchen des Ortes waren, bevor sie mit den verheirateten Frauen feiern durften, mit der besonderen Art des weiblichen Festbrauchtums und mit vielen seiner Anlässe - Karneval, Hochzeit und Begräbnis etwa - bereits als Angehörige der Gruppe der unverheirateten Dörflerinnen in Berührung gekommen, hatten also wie die jungen Männer eine geschlechtsspezifische Sozialisation erfahren, die jedoch die Feste um die Geburt vorläufig noch ausschloß. Man könnte, wie es die Zeitgenossen mit der Redewendung: „der Männer Schwörtag, der Weiber Zechtag" taten26, das Begehen besonderer Anlässe im weiblichen Festtagskalender nun in eine Parallele zu den gemeindepo-

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litischen Aktivitäten der Ehemänner und Witwer setzen. Hatten die Männer des Dorfes ihre festen Versammlungen, auf denen sie entscheiden durften, so versammelten sich die Frauen zur Regelung jener Aufgaben, die sie im Einvernehmen mit und in Vertretung der Gemeinschaft übernommen hatten. Dabei zeigten sie bei ihren ausnahmslos weiblich besetzten Zusammenkünften um Geburt und Geburtshilfe, daß es ihnen ebenso wie den Männern zustand, nach vollbrachter Arbeit auch öffentlich zu feiern. Symbolik und Ritual verzichteten jedoch anders als bei den Festen der Junggesellen weitgehend auf Formen der Rüge oder der Domestizierung, und keineswegs ging es den Dörflerinnen um die karnevaleske Umkehrung der Verhältnisse. Denn selbst das „Tractiren", das Necken und Argern der Männer, galt weniger der symbolischen Unterwerfung als vielmehr dem energischen Ausschluß des anderen Geschlechts. Auch wäre es verfehlt, die kleinen Quälereien an den männlichen Dorfbewohnern als Vergeltungsakte im Sinne einer ausgleichenden Gerechtigkeit für die bei der Geburt erlittenen Schmerzen aufzufassen, wie dies Peuckert tut.27 Jedem Mann wurde vielmehr durch die Möglichkeit des „Lösens" oder „Ablösens" seine Freiheit sofort zurückgegeben, ja umgekehrt sogar erlaubt, das Fest der Frauen materiell oder finanziell zu unterstützen. Einerseits beachtete das Kollektiv der verheirateten und verwitweten Frauen durchaus die Spielregeln des öffentlichen Auftretens nach innen und außen, wozu organisierte Zusammenkünfte, gemeinsames Essen und Trinken und die Kultivierung gemeinsamer Symbole und Rituale gehörten. Andererseits bewegte sich sein Festbrauchtum zwischen öffentlicher Inszenierung und geschlossener Gesellschaft', veranstalteten die Dörflerinnen „Prozessionen" durch das ganze Dorf zur Kirche, Umzüge mit Musik auf Küchengeräten zum Haus der Wöchnerin 28 , danach aber separate Zusammenkünfte im Haus, zu denen nur die Geladenen Zugang hatten. Nicht nur die Frauen selbst, sondern ein speziell weiblich besetzter Bereich des Alltagslebens wechselten vom Haus ins öffentliche Gemeindeleben, um schließlich wieder ins Haus, das Teil dieser Öffentlichkeit und zugleich Rückzugsbereich für eine Gruppe der Gemeinschaft war, zurückzukehren. In der Festkultur um Niederkunft, Taufe und Wochenbett spiegelt sich damit jene räumlich determinierte wie emotional geprägte besondere Atmosphäre des Geburtsereignisses und der Kindbettphase selbst, die den öffentlichen mit dem geheimnisvollen, den kollektiven mit dem zugleich abgeschlossenen Charakter dieser Geschehnisse verband. Hier von Privatsphäre, dort von Gemeindeöffentlichkeit zu sprechen29, würde sowohl den mit dieser ausgesprochen rituellen Festkultur verbundenen Anliegen als auch dem Selbstverständnis der zum Feiern versammelten Frauen widersprechen: Es ging weder um ein ,privates' häusliches Fest, weder um das feierliche Begehen eines ,privaten' Anlasses, noch waren mit der Feier ,private' Ziele oder Anliegen verbunden, ganz im Gegenteil. Auch wenn das Festbrauchtum um die Geburt konsequent den

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schon im Beistand bei Geburten praktizierten weiblichen Separatismus' fortsetzte, war seine vorderste Aufgabe letztlich die der Ordnungsstiftung für die Gemeinschaft durch die Neubestimmung jener ihrer Mitglieder, die zwischen zwei Gruppen, zwei Möglichkeiten des sozialen Status, möglicherweise zwei Identitäten balancierten. Wie bei den Totenbräuchen und bei der Geburtshilfe war es zentrale Aufgabe der Frauengemeinschaft, den rituellen Ubergang von einer in die andere Welt, von einer in die andere Lebensphase oder in eine andere soziale Gruppe verbindlich für alle zu initiieren und zu gewährleisten. Die Festkultur um die Geburt war nur oberflächlich betrachtet auf rein weibliche Angelegenheiten ausgerichtet. Freilich feierten die Frauen gemeinsam das weibliche Vermögen, Kinder zu gebären, ihren Zusammenhalt in einer Not- und Hilfsgemeinschaft während der Niederkunft und bis zum Ende des Wochenbettes, die glückliche Geburt eines neuen Dorfmitgliedes, Frausein und Mutterschaft. Weit rigider als bei den Festbräuchen anderer Dorfgruppen erforderte ihre Festkultur jedoch nicht nur den absoluten und demonstrativen Ausschluß des anderen Geschlechts, sondern ebenso die gemeinsame Finanzierung aller Feiern durch mitgebrachte Lebensmittel. Beide Besonderheiten waren dazu geeignet, die schon im Bereich der Geburtshilfe überaus deutliche Selbständigkeit und Unabhängigkeit der Frauengemeinschaft noch einmal auf einer spielerisch-symbolischen Ebene zu unterstreichen sowie Machtbereiche und Geschlechtergrenzen im kollektiven Ausund Zusammenschluß ohne Ehrverlust für die Ausgeschlossenen öffentlich zu markieren. Daß in diesem Dominanzbereich der verheirateten und verwitweten Frauen zugleich rituelle Übergänge und soziale Festschreibungen von Dorfbewohnern beiderlei Geschlechts unbehelligt und gültig für die ganze Gemeinschaft stattfanden, macht nicht nur die Funktion der Feste um die Geburt als ,soziokultureller Wegweiser' sichtbar, durch deren rituelle Komponenten das dörfliche Koordinatensystem ein gutes Stück weit mitgestaltet wurde, sondern weist auch die Gruppe der Dörflerinnen als eine besondere Sozietät innerhalb der Dorfgesellschaft aus. Gewissermaßen bündelte diese „Genossenschaft" all jene sozialen wie rechtlichen, ökonomischen, kulturellen und symbolischen Möglichkeiten zu Machtbefugnis, Ehre, Anerkennung und Durchsetzungsvermögen des weiblichen Geschlechts in einer nicht nur der Geburtshilfe geltenden Allianz der ländlichen Ehefrauen, Witwen und Mütter. Und nicht zufällig war die Anführerin des Frauenkollektivs die örtliche Hebamme; vielmehr war sie eine ausgesprochene Symbolfigur dieser in der Gemeinschaft und durch sie versammelten und gebündelten „Weibermacht". Ihre Person vergegenwärtigte durch die gemeinsame Wahl der Frauen, die sie ins Amt gebracht hatten, weibliche Unabhängigkeit und Selbstbestimmung; aufgrund ihrer Stellung als einzige gemeindlich bestätigte Amtsinhaberin verkörperte sie gewissermaßen den öffentlichen, ja amtlichen Charak-

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ter der Ereignisse, Riten und Feste, die sie leitete. Mit ihrer Tätigkeit als Geburtshelferin symbolisierte die Hebamme ebenso die Eigenständigkeit und gleichzeitige Abgeschlossenheit weiblicher Lebensräume; durch ihren sozialen Status vereinte sie schließlich in einer Person fast alle Möglichkeiten der weiblichen politischen Mitbestimmung, der rechtlichen und ökonomischen Selbständigkeit und der weiblichen Würde: Sie war Ehefrau oder Witwe mit eigenem Haushalt und kommunalpolitischen wie zivilen Rechten, eine ältere geachtete Frau und mehrfache Mutter sowie einzige Dörflerin in einem Gemeindeamt.

2. Festkultur der Frauen im Wandel ,Bräuche', rituelle und kollektive Handlungen oder ,Sitten' werden häufig in einem situativen Kontext ihres Auftretens als Fallbeispiele untersucht, wobei das momentan aufscheinende Regelsystem eine Statik erhält, die als traditionelles Ordnungssystem in einer unwandelbaren Kontinuität erscheint. Erst ein Blick über einen größeren historischen Zeitraum ermöglicht es, die Spannbreite des Selbstverständlichen, Wünschenswerten oder Notgedrungenen und die Möglichkeiten, sich meist nur langsam vollziehender strukturierender Veränderungen in der Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen zu entdecken. Als Alternative zur häufig romantisierenden Pseudokontinuität von Brauchtum stellt sich freilich nicht zwangsläufig nur die Frage nach zuoder abnehmender Freizügigkeit bzw. Kontrolle, sondern vielmehr die hintergründigere Frage nach dem möglichen Wandel oder der Ausdifferenzierung von Bedeutungen soziokultureller Konzepte und Rollenbilder innerhalb und hinter gesellschaftlichen, herrschaftlichen, sozioökonomischen und kulturanthropologischen Verhältnissen. Bezogen auf die weibliche Festkultur um das Geburtsereignis läßt sich trotz gegenläufiger obrigkeitlicher und kirchlicher Bestimmungen und trotz eines kurzfristigen Eindringens von Formen und Umgangsweisen eher männlich besetzter Festbräuche bis ins letzte Drittel des 18. Jahrhunderts eine unverkennbare Kontinuität sowohl hinsichtlich der geschlechtsspezifischen (nur verheiratete und verwitwete Frauen), der rituellen (Ubergangsrituale, Initiationen), der alltagspraktischen (Hilfe und materielle Unterstützung, Wiedereingliederung) und formalen (Haus als Treffpunkt, gemeinsame Finanzierung, gleichbleibender Ablauf der Feste) Ausrichtung des Feierns der Frauen feststellen. Doch bedurfte diese scheinbare Statik des .Systems' einer steten Dynamik des Handelns - notwendiger Verweigerungen, Gesetzeswidrigkeiten, der Nutzbarmachung von Lücken und der Einforderung des Verlorenen - , deren Eigenart in der Aneignung und Erprobung zum Teil neuartiger Maßnahmen und Argumente, ja der Transformation und Erweiterung von Konzepten der Erfahrung zu sehen ist, die zugleich der kontinuierli-

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chen Rückeroberung des Vergangenen dienten. Zur formalen Kontinuität der weiblichen Festkultur verlief daher parallel eine kreative Entwicklung des Denk- und Handlungsspektrums ihrer Trägerinnen, das sich in den Umgangsformen der Frauengruppe etwa mit Obrigkeit und Kirche manifestierte. Durch diese besondere Synthese aus Stabilisierung und Überschreitung30 veränderten sich auch weniger die allgemeinen Rollenbilder als das eigene Rollenverständnis, die Selbstwahrnehmung und das Selbstwertgefühl der Dörflerinnen als Angehörige einer eigene Bräuche pflegenden Gruppe. Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts, als sich grundlegende Eingriffe in die weibliche Festkultur ankündigten, sprechen Frauen nicht mehr nur vom Recht, sondern vom „Stolz" der Frauen auf ihre Festbräuche, die „durch das Alter die Stärke eines ... Gesetzes bereits erlangt" hätten, nicht mehr wie zuvor von „Weiberzeche" oder „Versammlung", sondern vom „Bund" oder der „Genossenschaft" der zunächst helfenden, dann feiernden Frauen, von einer situativen „Gemeinschaft", in deren Mitte sie „Mut in sich" fühlten.31 Ob die zur gleichen Zeit feststellbare Ausdifferenzierung der rituellen Sequenzen und der Einweihungsbräuche im 18. Jahrhundert als eine Folge dieses neuen, selbstbewußten Konzepts gemeinschaftlicher Stärke anzusehen ist, oder ob umgekehrt die Erweiterung der weiblichen Zuständigkeit für Initiationen das stolze Bewußtsein von gemeinsamer Eigenständigkeit und gesellschaftlicher Wichtigkeit beförderte, kann wie die Frage nach Huhn oder Ei nur diplomatisch beantwortet werden: Das eine bedingte wahrscheinlich das andere. Ausgerechnet oder vielleicht gerade in einer Zeitspanne, in welcher die von („Weiber-)Recht" und „Not" zu „Stolz" und „Mut" gewandelte Selbstwahrnehmung strukturelle Veränderungen im weiblichen Festbrauchtum erkennbar werden läßt, zog neben der immer schon kritischen Obrigkeit jetzt auch die männliche Dorfbewohnerschaft ihre bisherige Solidarität mit der Frauengemeinschaft in Zweifel. Oder sollte man umgekehrt besser die Frage stellen: Waren es geänderte Einstellungen, der Wandel von Wahrnehmung und Bedeutung weiblicher Festbräuche durch und für Außenstehende, die den Zusammenschluß der Frauen in der Gruppe, die jetzt zum „Bund" und zur „Genossenschaft" wurde, die ein geändertes Sprechen über die Gemeinschaft im Vokabular von Mut, Stolz und Stärke, ja die den Ausbau jener Festelemente provozierten, die der ganzen Dorfgemeinde dienten? Wieder das Dilemma mit Huhn oder Ei - versuchen wir dennoch eine Entschlüsselung. Das reglementierende Interesse von Landesherrschaft und Kirche am Festbrauchtum der Frauen um Geburt, Kindbett, Taufe und Aussegnung konzentrierte sich bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts zuvorderst auf die äußeren Umstände und das zwischengeschlechtliche Moment der Feiern und ihrer Rituale. Es ging um die Beschränkung der Teilnehmerinnen, die Einschränkung von Mahlzeiten, Zeitspannen und Terminen, um den Vorwurf der Kuppelei bei Einweihung der erstmaligen Gevattern und der Ver-

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unglimpfung der Männer durch Neckereien und „Tractament". Zu einer grundlegenden Neuerung in der Bewertung der Frauenfeste kam es allerdings, als landesherrliche Verordnungen statt auf die Einschränkung einzelner Festsequenzen auf ihre generelle Marginalisierung und Abwertung zielten. Erstmals ersetzte man ab den 1760er Jahren Bewertungen wie Üppigkeit, Verschwendung, Aufwand oder Ubermaß für die gemeinsamen Mahlzeiten oder die Häufigkeit und Länge der Zusammenkünfte durch ein jetzt auf die gesamte Feier und auf ihre rituellen Elemente bezogenes Vokabular: Die nach jeder Geburt stattfindenden Kindbettzechen seien allesamt „überflüssig", die Zusammenkünfte anläßlich der Taufen „abgeschmackte und un Nütze gebräuch", ja „unvernünftige" Gewohnheiten, die dabei durchgeführten Rituale „unnütze" Albernheiten und „Unfug", die erwachsenen Frauen nicht gebührten. 32 Diese tiefgreifenden Diffamierungen fanden ihre Begründung im Rückgriff auf einen Kanon eingeforderter weiblicher Tugenden und Verhaltensweisen, der zuvor niemals zur Legitimierung obrigkeitlicher Verbote gedient hatte. Nicht genug dieser üblen, unvernünftigen Gebräuche, so der neuartige T o n der Verordnungen, der Frauen Zusammenkünfte arteten zu Besäufnissen, zu lautstarken Ruhestörungen in der Nacht und zu anstössigen Exzessen bei Tag aus, verleiteten zur Vernachlässigung ihrer Pflichten als Mütter gegenüber den eigenen Kindern und den Täuflingen, verstießen nicht nur „wider alle guten Sitten", sondern gegen den guten Geschmack „aller christlich gesinte[r] gerechter Unterthanen". 33 Denn nicht selten blieben „die neugebohrenen Kinder halbe Tage lang in den Wirtshäusern liegen" ohne jegliche Nahrung und Pflege, nicht selten komme ein Säugling in „den armen eines berauschten Weibs" zu Schaden, häufig genug werde der Sonntag „entheyliget", wenn nach dem Kindbettgelage „die benachbarte Weiber offtmals etwas bezecht wieder nach H a u ß " schwankten oder schon zur Taufe und Aussegnung betrunken in der Kirche erschienen. 34 Das Feiern der Frauen erscheint aus dieser Persepktive nicht mehr nur als die ebenso wie bei anderen Festen gerügte mutwillige Überschreitung eines allgemeingültigen obrigkeitlichen Ordnungssystems für angemessenes Feiern, sondern als eine Entgrenzung weiblicher Rollenmuster, eine „dem weiblichen Geschlechte unanständige Art" des Feierns, ein dem „fraulichen Geschlechte ... unziemlich[es]" Verhalten, begleitet von „skandalösen U m zügen" und einem insgesamt „höchst unanständigen Wesen". 35 Derartige Übertretungen von Geschlechtergrenzen wurden zugleich als Gefährdung der gesellschaftlichen Ordnung be- und angegriffen: Das nunmehr als ,unweiblich' charakterisierte Treiben der Ehefrauen und Witwen sei ein „Landesübel", das zum „allgemeinen Verderben der Unterthanen" führe und „Unordnungen" wie „Unruhe" verursache.36 „Ich kan mich oftermahlen nicht genug schämen", so umschrieb ein zweibrückischer Kanzleibeamter 1753 seine beim Gedanken an derartige Frauengesellschaften aufflammenden Emotionen und plädierte für ein dringliches gesetzliches Einschreiten gegen den weibli-

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chen „Ubermuth", welcher lange Zeit „unter die bagatellen gera-then", letztlich aber doch eine schreckliche Schande, ein „malo universaliter", ja ein „malo desperato" sei.37 Landesherrliche Verordnungen verboten denn auch unverzüglich und nicht nur wie in der Herrschaft Dagstuhl und anderswo sämtlichen Wirten bei Strafe die Ausgabe und Mitnahme von Wein oder Branntwein an die „Kindtaufsweiber", bis das getaufte Kind „durch eine vertraute Person" nach Hause gebracht sei, sondern riefen männliche Kontrolle und Verantwortung auf den Plan: Amtleute, Beamte und Schult-heißen, Seelsorger, Kapläne und Vikare, Wirte, Gerichtsleute und Ehemänner sollten nun endlich einschreiten. 38 Die Männer im Dorf wußten, wovon die landesherrlichen Verordnungen sprachen. Gesehen hatten sie nicht viel, wohl aber gehört, und auch Gerüchte über das konspirative Zusammentreffen der Frauen waren im U m lauf. Eine entscheidende Rolle bei deren Verbreitung und bei der Meinungsbildung der Männer schienen die Ortsgeistlichen zu spielen, die sowohl die obrigkeitlichen Anweisungen von der Kanzel publizierten als auch mit der eigenen Meinung - im Dorf wie in der Kirche - nicht hinterm Berg hielten. Die „böse gewohnheit der weiber", so ließ sich der Pfarrer von Sundhoffen vernehmen, bringe es bei ihren Festen mit sich, daß sie „in abwesenheit zwar irer Männer, über die gebür zechen und zehren, darauf jelen und schreyen, Händel anfangen, fluchen, schweren, einander schelten und schmälen, zum öftern selbst hand anlegen, und also mit grossem ärgernuss" die Feste beschlössen; ein anderer beklagte, daß die Dörflerinnen, obwohl es ihnen „an den mannen zu vil" sei, sich „gleich den mannen beweinen, ire Vernunft verlieren, übelschweren und andere unzüchtige wordt und werckh vollbringen, die Sie sonst, wo sie nichter[n] weren, unterliessen, und also die weibliche schamb, Zucht und Ehr hindan" setzten. 3 ' Die Ortsgeistlichen glaubten noch mehr bemerkt zu haben: „Sie trinken übermässig bey Gläser voll den Brantewein, sie tanzen, sie schreien, so daß man es im ganzen Dorfe hören kann. Das allerübleste ist, daß sie eine verheyratete Persohn, die zum erstenmahl solcher Begebenheit beywohnet, fast mit Gewalt zum Trincken zwingen", so wollte 1788 ein Pfarrer von den Kindbettzechen wissen, und zehn Jahre zuvor hatte ein Kollege bedauernd festgestellt: „Die zum Teil betrunkenen Frauen glauben bey einer solchen Gelegenheit zu allerhand Unfug berechtigt zu seyn, und zuweilen werden auch die kleinen Kinder selbst, bey einer solchen Verfassung der sie bey sich führenden Personen, wohl nicht allemal gehörig in acht genommen". 4 0 Daß geistliche Eindrücke dieser Art vom weiblichen Festbrauchtum bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts durchaus noch steigerungsfähig waren, belegt folgender Eintrag aus einer Pfarrchronik um 1850: Brauch sei bei der Kindbettzeche noch immer die Einführung der Jüngstverheirateten. „ O b sie kommen will, wird nicht gefragt, sie muß. So wie sie eingetreten ist, wird ihr ein Glas zugetrunken, daß sie leer trinken muß auf die Gesundheit der Wöchnerin, ein zweites auf die

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Gesundheit des Kindes, ein drittes auf eine baldige Nachfolge. Will sich die blöde junge Frau etwa nicht dazu hergeben, so kann der Leser Zeuge sein, wie 2-3 handfeste Frauen die widerstrebende Frau halten, und eine andere ihr das Getränk in den gewaltsam geöffneten Mund gießt. [Er fügt hinzu, daß „solches Widerstreben" nicht oft vorkomme] ... Dem Leser mag wohl beklommen zu Mut sein in der schwülen Luft, unter den zuckenden Blitzen derber Witze und unter dem rollenden Donner des Beifalls ...".41 Von gerichtlichen Verfahren und amtlichen Vernehmungen der zu Kindbettzechen oder Tauffesten versammelten Frauen wissen wir, daß es sich zumindest bei der Unterstellung erzwungener ,Besäufnisse' und den Vorstellungen von einer durch den Alkohol völlig von Sinnen geratenen Frauengesellschaft zumeist um - manchmal sogar in Poesie und Prosa übertragene und auf diese Weise multiplizierte 42 - Männerphantasien handelte. Wie viele Spekulationen und Übertreibungen besonders zum für männliche Blicke unsichtbaren, im Haus stattfindenden Treiben der Frauen, konnten sie oft nur der Imagination der davon Ausgeschlossenen und Abwesenden entsprungen sein.43 Den Dorfmännern waren die Beanstandungen von Regierung, Geistlichen und Amtleuten, die nun nicht mehr den allgemeinen dörflichen Festtagsübermut, sondern das geschlechtsspezifische Verhalten und Gebaren der Ehefrauen und Witwen angriffen und statt an formalen jetzt an moralischen wie rollenspezifischen Vorgaben maßen, als lange gebräuchliche Elemente der weiblichen Festkultur wohlbekannt. Sie wußten vom Lärmen und von der nächtlichen Musik44, vom Singen und Jauchzen der Frauen, das als „Kricksen" oder „Jeizen" vor allem in den Mosel- und Saargemeinden traditionell zur Bekundung weiblicher Freude gehörte45; ihnen war der kurze Aufenthalt mancher Frauenrunde im Wirtshaus, wenn der Heimweg von der Taufe oder Aussegnung sehr lange oder die Getränke beim Wirt abzuholen waren, und ebenso der beschwipste Zustand der Gattin nach einem solchen Fest keineswegs entgangen. Und auch um die Unannehmlichkeiten kreiste manches Gespräch in der Männerrunde: „Bei dem Eintritt in einem Haus müssen alle Mannspersonen weichen", das war die eine Angelegenheit, den anderen Gesprächsstoff lieferten freilich jene Geschichten, die um das übliche Necken der Männer kreisten, wie sehr etwa einer „unter der Last eines Haufens solcher Frauen, die sich auf ihn geworfen, hat ächzen müssen" und daß es besser sei, „durch die Hintertür zu entfliehen und lieber draußen, in sicherem Versteck, den weiteren Verlauf zu beobachten".46 Daß sich angeblich ein äußerst ungebührliches Treiben in ihren eigenen Häusern abspielte, daß sich die eigenen Frauen wie die „wilde Jagd" gebärdeten, wie ein Ortsgeistlicher zu wissen glaubte, war den männlichen Dorfbewohnern freilich über mehrere Jahrhunderte nicht in den Sinn gekommen: Sie „verarg[t]en ihren Weibern diese Ausschweifungen nicht", denn es sei ja „Gebrauch". Weiterhin legte die Gruppe der verheirateten und verwitweten Dorffrauen auch in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts großen Wert auf eine

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spezifische Freizügigkeit betreffs ihrer Rechte, Vertreter- und Genossenschaft sowie ihrer Festkultur in jenem lebensweltlichen Bereich um das Kindergebären, der ihr ureigenster war. Diese weiblichen Ansprüche auf Selbständigkeit und Mitbestimmung auf der politisch-rechtlichen Ebene wurden von der männlichen Dorfbewohnerschaft bis ins 19. Jahrhundert und darüber hinaus passiv wie aktiv mitgetragen. Ehemänner umgingen auf Wunsch ihrer Frauen unliebsame, aber einzig erlaubte Hebammen, zahlten anstandslos Strafgelder und wandten sich zur Unterstützung des Hebammenwahlrechtes mit eigenen Schriften gegen obrigkeitliche Verbote. Zur gleichen Zeit entwickelte sich aber eine seit den 1770er Jahren besonders deutliche Sensibilisierung der Männer für das ,unweibliche' Verhalten der Dörflerinnen im sozialen Bereich weiblicher Geselligkeit. Fragen wir - abgesehen von den Möglichkeiten, die durch die Beeinflussung des Verständnisses und der Sichtweise von ,rechter' weiblicher Repräsentation über landesherrliche Verordnungen und ortsgeistliche Kommentare erwachsen konnten - nach den realen und mentalen Gründen dieses Wahrnehmungs- und Deutungswandels. Was die Formen der Geselligkeit und das Trinkverhalten anbelangt, hatte sich in der Tat im 18. Jahrhundert einiges für die Frauen auf dem Land verändert. Der Konsum von Alkohol im Wirtshaus war für sie, selbst in der Gemeinschaft anderer Dörflerinnen, keineswegs mehr eine Selbstverständlichkeit wie noch im 16. und 17. Jahrhundert. 47 Zwar war die Gaststube im 18. Jahrhundert allgemein zu einer Domäne der Männer und Junggesellen geworden, aber selbst diese männliche gesellige Trinkkultur hatte sich vielerlei Einschränkungen beugen müssen. Ausschankbeschränkungen zu und ab bestimmten Zeiten oder an besonderen Tagen, die limitierte Ausgabe von Alkohol zum Verzehr zu Hause, Verbote des „Nachtschwärmens" und vor allem die Einführung der Sperrstunde ab 21 Uhr führten seit der Mitte des 18. Jahrhunderts auf dem Land zu einem zentralen Konflikt zwischen den ordnungspolizeilichen Interessen absolutistischer Landesregierungen und der stets betonten Konsum- und Handlungsfreiheit der Bauern sowie den ökonomischen Anliegen der Wirte.48 Vor diesem Hintergrund boten die Frauenfeste womöglich die einzige, jetzt im Haus einer der Frauen stattfindende Möglichkeit des geselligen Trinkens in der Frauenrunde, erzwang die Verdrängung der Frauen aus den Trinkstuben eine größere Konzentration des Alkoholkonsums auf derartige Zusammenkünfte. Auch die Konsumgewohnheiten hatten sich insgesamt und besonders anläßlich hoher Feste deutlich gewandelt: Bildeten im 16. und 17. Jahrhundert in den Weingegenden um Saar und Mosel, in der Pfalz wie in Lothringen an erster Stelle gezuckerte oder gewürzte Weine das Hauptgetränk der Frauen bei ihren Festen, so trat seit den 50er Jahren des 18. Jahrhunderts allerorts der billigere Branntwein 49 vor allem beim rituellen Zuprosten hinzu, der vom Wirt bezogen und während der Einweihungsbräuche aus speziellen Tassen getrunken

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wurde.50 Und ein Drittes, der Umfang nämlich der Festgesellschaft und die Zahl ihrer Treffen, hatte sich im Zuge eines heftigen Bevölkerungsanstieges geändert. Wurden auf dem Dorf im Verlauf des 16. und 17. Jahrhunderts im Jahr durchschnittlich zwischen drei und fünf Geburten, Taufen und Aussegnungen von vielleicht fünf bis fünfzehn Frauen gebührend gefeiert, so war es in den Ortschaften des 18. Jahrhunderts keine Seltenheit, daß etwa zwischen 1720 und 1760 um die elf und ab 1770 zwölf bis dreizehn Niederkünfte im Jahr Anlaß zu Frauenfesten gaben, an denen jetzt weit mehr Dörflerinnen teilnahmen.51 Kombiniert man die durch Bevölkerungswachstum, geändertes Konsumverhalten, Kontrolle der Nacht und räumliche weibliche Ausgrenzung gewandelten Bedingungen, unter denen sich die Feste der Frauen ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts vor dem Hintergrund einer insgesamt reglementierteren öffentlichen Geselligkeit beider Geschlechter vollzogen, so mag man manch männlichem Einwand durchaus eine tatsächliche Entsprechung zugestehen: Daß etwa das gesteigerte nächtliche Lärmen einer um diese Zeit aus zwanzig und mehr Teilnehmerinnen bestehenden Frauengesellschaft, die sich auch noch jeden Monat mindestens einmal zu Kindbettzeche, Taufe oder Aussegnung versammelte, im Gegensatz zu früheren sporadischeren und - schon aufgrund der zahlenmäßig kleineren Gruppe gedämpfteren Auftritten als lästige Ubertreibung empfunden werden konnte, ist mehr als nur eine Vermutung. Ein von einer größeren Zahl von Frauen zu vermehrten Terminen verursachter Anstieg des dörflichen Lärmpegels, den man mit der Ausdehnung der Initiationsrituale und dem dabei üblichen Branntweingenuß sowie mit einer rituellen Ausweitung der Eröffnungs- und Beendigungssequenzen der Frauenfeste durch gemeinsame, von Musik und Singen begleitete Dorfgänge in Verbindung bringen kann, mußte gerade in einer Zeit, in der die männliche Wahrnehmung für „Nachtschwärmerei" und feuchtfröhliche Geselligkeit durch Kontrolle, eigene Bestrafung und unliebsame Reglementierungen sensibilisiert war, nunmehr als eine Art weiblicher Aufsässigkeit erscheinen. Wenn demnach ehrbare Frauen sich bei Ausübung ihrer Festkultur wie ungezogene „nachtschwärmende" Jünglinge verhielten, sich andauernd erlaubten, was man ihren Söhnen und Ehemännern verbot - Übertretung der Sperrstunde, „Nachtlauffen", Völlerei, Ruhestörung - , so waren aus der männlichen Perspektive möglicherweise die Grenzen des „Weiberrechts", das auf der rechtlichpolitischen Ebene als gemeinsames Anliegen beider Geschlechter weiterhin die Anerkennung der Ehemänner fand, in Richtung eines außer Kontrolle geratenen „Weiberregiments" beim Feiern überschritten. Hatte Murner in seiner „Narrenbeschwörung" schon mehrere Jahrhunderte zuvor geäußert: „Nichts schändet Frauen mehr auf Erden, Als wenn die Frau'n zu Flaschen werden", und hatte auch der im benachbarten Elsaß wirkende Volksprediger Dannhauer um 1650 bereits gewarnt, die frommen Ehemänner sollten

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„sich durch das Weiberregiment nicht umbtreiben noch den Sie-Mann mit jhnen spielen" lassen, ja „das Heft in der Hand behalten, den Weibern das Regiment nicht ganz einräumen, das Szepter nicht ganz übergeben, welches sie hernach mit stürmender Hand kaum wieder erobern mögen" 5 2 , so hieß es jetzt mit Verweis auf die Kindbettzechen und Tauffeste schon in den Kinderreimen und Kinderliedern: „Giggerigi! Bändele drä! D'Frau isch Meister, nit d'r Mä!". 5 3 Nicht zuletzt Schilderungen vom erzwungenen Trinken, vom „Aufmarschieren" der Frauengruppe unter Leitung der den Takt zu Musik und Gesang schlagenden Hebamme und von tätlichen Übergriffen auf vorüberkommende Männer verschärften im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts den Eindruck einer gegen die männliche Ordnungsgewalt gerichteten, aber auch innerhalb der Festkultur der Frauen angelegten Grenzüberschreitung. Wenn sich Frauen auf dem schmalen Grat zwischen eigenständigem Handeln und Ubertreibung, zwischen prinzipieller Anerkennung ihrer Aktionsfreudigkeit und Mißbilligung der Art ihres Auftretens, zwischen wohltuendem Engagement und beängstigendem Aktivismus bewegten, war die Gefahr, daß die Wahrnehmung weiblichen Verhaltens umschlug, besonders groß. Uberschritt ihr Agieren in den Augen der Dorföffentlichkeit das Repertoire legitimer symbolischer und formaler Handlungsweisen, verdächtigte man sie schnell des Exzesses, übertrug man ihr Verhalten in den Bereich des Unvernünftigen, Wahnsinnigen, Sittenlosen, Deutungen, die sicher auch aus der Distanz zwischen der momentanen und ihrer gewöhnlichen Rolle in der Dorfgesellschaft resultierten. Kirche wie Obrigkeit erwarteten vom verantwortlichen Gatten, daß er sein renitentes Eheweib zur Räson bringe; dessen Dilemma bestand nun in der doppelten Ausrichtung seines Verhaltens gegenüber der Ehefrau, der er weiterhin Gefährte und Helfer bei Verteidigung ihrer politischen „Weiberrechte" sein wollte und jetzt Meister bei der Einschränkung ihres besonders im weiblichen Festbrauchtum erkennbaren „Regiments" sein mußte.54 Vor dem fragilen Hintergrund aus eigener Reglementierung, angetragener Verantwortlichkeit und männlicher wie häuslicher Ehre", aus Emotionen und einer sinnlich wahrnehmbaren Ausweitung des weiblichen Festbrauchtums um die Geburt waren die obrigkeitlichen Verteufelungen dazu geeignet, männliche Phantasien und übertriebene Ängste vor einem Kontrollverlust auf weibliches geselliges Verhalten zu projezieren (sie verlören vom Alkohol „ire Vernunft", seien „von Sinnen", wüßten nicht, was sie täten), stellten die von Herrschaft und Geistlichkeit angebotenen Deutungsmuster durchaus plausible Argumente zur Zähmung und Domestizierung der bäuerlichen „Amazonen" 5 6 bereit. Doch zu einem massiven Einschreiten der Dörfler gegen die „Ungebühr" des Frauenkollektivs scheint es nirgends gekommen zu sein. Eigene Einsichten, veränderte Wahrnehmungen und fremde Argumente waren es deshalb nicht allein, die allmählich einen teilweisen Wandel der weiblichen Festkultur im ausgehenden 18. Jahrhundert einleiteten. Ein exemplarischer Blick auf die

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IV. Aspekte einer weiblichen Kultur auf dem Land

im Westen und Teilen Süddeutschlands nur von Frauen begangenen Tauffeiern läßt eine andere Entwicklungslinie sichtbar werden: den Wandel von reinen Frauenfesten zu erweiterten Familienfesten. Der auf dem Land durch geänderte Arbeitsbedingungen und Marktstrukturen, beginnende Industrialisierung und Bevölkerungsanstieg einsetzenden Mobilität, die sich mit Um- und Auszug, Ein- und Abwanderung, mit der auswärtigen Verheiratung und der Ausweitung von Freundschaftsund Verwandtschaftskreisen verband, folgte im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts eine Verschiebung des Personenkreises, der Patenschaften übernahm. Ab den 70er Jahren des 18. Jahrhunderts ist in den Taufregistern eine enorme Zunahme von Taufpaten aus benachbarten und weiter entfernten Ortschaften, ja aus anderen Herrschaftsgebieten feststellbar, die zur Tauffeier oft eine weitere Strecke zurücklegen mußten. Die Ausweitung sozialer Beziehungen über die Dorfgrenzen hinaus und der offenkundige Wunsch einer Festigung derartiger auswärtiger Verbindungen durch Patenschaften gaben neue Probleme auf. Eine dieser ausgedehnteren Gevatterschaftssuche entsprechende neue Form der Aufforderung zur Übernahme des Patenamtes war der schriftliche Gevatterbrief, eine vom Kindsvater verfaßte oder zumindest unterzeichnete und entweder von einem Boten oder auf dem Postweg beförderte Einladung zur Taufe. Ein zweites Dilemma entstand zwischen dem Wunsch der Eltern, ihr Neugeborenes möglichst schnell taufen zu lassen und dem Umstand, daß auswärtige Paten „oft 10. und noch mehrere stunden hieher zu reisen haben" und deshalb „nicht immer so in der geschwindigkeit herbey kommen" konnten.57 Und schließlich stellte sich bei ihrem Eintreffen die unumgängliche Frage, was mit ihnen zu geschehen habe, wenn einerseits die Frauen wie üblich ihr separates Fest zu feiern beabsichtigten, andererseits obrigkeitliche Verordnungen eine Bewirtung nicht einheimischer Gäste strikt verboten oder ihre Zahl derart einschränkten, daß man unter ihnen auswählen mußte, nicht ohne „bittere Vorwürfe und Spottreden" der Abgewiesenen. 58 In der Praxis entwickelte sich seit den 1770er Jahren aus dieser konfliktträchtigen Situation ein naheliegender Kompromiss, indem man die Frauenfeste immer häufiger mit Mahlzeiten für die Taufpaten und weitere Gäste kombinierte. Er habe, so gestand 1792 Hans Nickel Gerber aus dem nassauischen Völkerdingen, zur Taufe seines Kindes neben den Nachbarsfrauen und mehreren Wehemüttern, „welche das Kind empfangen helffen", auch sämtliche Gevattersleute, den Schulmeister und den Geistlichen, „welcher an selbigem Morgen schon zwei Stunden Wegs gereist, zweimal gepredigt und die Taufhandlung verrichtet gehabt", zu einer Mahlzeit eingeladen. Daß er jetzt vom fürstlichen Amt deswegen „um 10. Gulden rheinisch bestraft" werden solle, weil er als guter Hausvater die Taufgäste nicht abgewiesen habe, könne er keineswegs einsehen.59 Über ein Jahr zuvor schon, im November 1790, hatten sämtliche Gemeindevorsteher des Amtes Neusaarwerden

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im Namen aller Ortschaften eine Supplik eingereicht, in der sie um die gesetzlich verbriefte Erlaubnis zur Bewirtung vor allem auswärtiger Kindtaufsgäste baten. 60 Ihr Anliegen resultiere aus der Tatsache, daß „sie mit den angrenzenden Ausländern theils durch blutverwandtschaft, theils durch ihren Handel und Wandel so genau verbunden seien, daß nicht blos das Recht der Gastfreundschaft, sondern selbst ihr eigenes Interesse es erfordere, ihre Nachbarn an einer Feierlichkeit Antheil nehmen zu laßen, die des Landsmanns nur noch einzig übrig gebliebenes Vergnügen ausmache, wobei er auf einige Augenblicke seiner Sorgen vergeße, und sich oft mit seinen entzweiten Nachbarn aus zusöhnen Gelegenheit finde". Gerade bei Kindtaufen sei es aber „nicht mehr als billig, den Taufpathen, die oft von fremden Orten herkommen, wie den Geistlichen zu bewirthen, da man ihnen nicht zumuthen könne, daß sie wie in andern Geschäften auf ihre kosten zehren sollen". Da „oftmals ausländische gevattern genommen würden, und da es sich nicht schicke, diese ungespeist fortzuschicken, und inländische Mitgevattern zu dem Eßen nicht beizuziehen", so sei dem fürstlichen Amt versichert, daß die derzeitigen herrschaftlichen Verordnungen „auf dem Land sehr oft übertreten werden", ja die Ortsmeier lieber alle Augen zudrückten, als daß sie sich „durch Anzeigen verhaßt machen wollten". Die Präsenz auswärtiger Verwandt-, Freund- und Patenschaft hatte den Tauffeiern über die moralisch wie sozial verpflichtende Geste männlicher Gastfreundschaft - der Mann war jetzt Einladender und Gastgeber - einen anderen Stellenwert als den früheren zukommen lassen. Sie begannen sich im ausgehenden 18. Jahrhundert zu erweiterten Familienfesten zu wandeln, die der Beziehungspflege und dem Einbezug einer größeren Gruppe von Menschen in die eigene Lebenswelt, der Aussöhnung und der Auffrischung von Kontakten im geselligen Beisammensein dienten. Nicht mehr das unter Frauen gefeierte und ritualisierte weibliche Vermögen des Kindergebärens stand im Mittelpunkt der Tauffeste, sondern ihre durch männliche Vereinnahmung gewandelte Funktion als Plattform der häuslichen Repräsentation und der Inszenierung hausväterlicher Strategien innerhalb einer populären ,Ökonomie der Notwendigkeiten'. Diese Veränderung eines der vormaligen Frauenfeste nahm damit eine Entwicklung vorweg, die sich in einem langsamen, zum Teil bis zum Zweiten Weltkrieg andauernden Wandel der übrigen Frauenfeste fortsetzte. 61 Wie die Frauen auf die ,Unterwanderung' ihrer Feste reagierten, die nicht zuletzt die Komponenten disziplinierender Gängelung und autoritärer Aneignung erkennen läßt und eine auf Umwegen erreichte Zügelung der weiblichen Festtagsaktivitäten bewirkte, läßt sich nur indirekt entschlüsseln. In Gebieten jedenfalls, in denen etwa die Initiationsbräuche der Jüngstverheirateten mit den Tauffesten verbunden waren, verlegten die Frauen diese rituellen Sequenzen ihrer Festkultur auf die immer noch allein unter den Geschlechtsgenossinnen stattfindenden Kindbettzechen direkt nach der Ge-

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IV. Aspekte einer weiblichen Kultur auf dem Land

burt. Dagegen formierten sich die Einweihungsbräuche der Paten und Patinnen wie viele andere Elemente der weiblichen Festkultur zu Teilbereichen besonders der ländlichen Jugendkultur des 19. Jahrhunderts. Der ,Widerspenstigen Zähmug* war im Kontext der Ereignisse um die Geburt damit aber noch lange nicht erreicht.

Anmerkungen Vorwort und Einleitung 1

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Selbstverwaltete Geburt. Landhebammen zwischen Macht und Reglementierung ( 1 7 . - 1 9 . Jahrhundert), in: Geschichte und Gesellschaft 18 (1992), Heft 4: Lebenswege von Frauen im Ancien Regime, hg. von G . B o c k , 4 7 7 - 5 0 6 . Ein zweiter Band zum Amt und zur Person der Hebamme, zur Hebammenwahl der Frauen und zum Wandel der Geburtshilfe als Beruf und in der Praxis vom 16. Jahrhundert bis 1920 wird im Campus Verlag im Frühjahr 1999 erscheinen. Elias bringt die „langfristige Wandlung der Persönlichkeitsstrukturen" von Menschen des Mittelalters bis ins 20. Jahrhundert in Zusammenhang mit langfristigen gesamtgesellschaftlichen Strukturwandlungen und sieht ebenfalls eine Verbindung zwischen Gesellschaftsaufbau und Affektaufbau bzw. -kontrolle. Im Laufe der Jahrhunderte seien die Menschen zu einer immer differenzierteren Regelung ihres Verhaltens durch „Umorganisation des gesellschaftlichen Lebens" gezwungen worden. Schamgrenzen und Peinlichkeitsschwellen hätten sich als Veränderung des „Verhaltens im Sinne der Zivilisation" immer mehr nach vorne geschoben; vgl. N . Elias, Ü b e r den Prozeß der Zivilisation. Soziogenetische und psychogenetische Untersuchungen, 2 Bde., Frankfurt a.M. 1978/1979, 6. Aufl., bes. Bd. 1, V I I - X , 218, 2 2 4 - 2 3 0 , 282 f.; Bd. 2, 3 1 2 - 4 5 4 . C . Schorske, Wien - Geist und Gesellschaft im Fin-de-siecle, Frankfurt a. M. 1982, 210 f., 213. Vgl. G . Fliedl, Gustav Klimt 1 8 6 2 - 1 9 1 8 . Die Welt in weiblicher Gestalt, Köln 1989, 131 f. Arbeiten in Auswahl: G . Burckhard, Die deutschen Hebammenordnungen von ihren ersten Anfängen bis auf die Neuzeit, Leipzig 1912; J . D . H u b , Die Hebammenordnungen des 17. Jahrhunderts, Diss. Würzburg 1914; A. N ö t h , Die Hebammenordnungen des 18. Jahrhunderts, Diss. Bottrop 1931; H. Fasbender, Geschichte der Geburtshilfe, Jena 1906 ( N D Hildesheim 1964); E. Haberling, Beiträge zur Geschichte des Hebammenstandes, 2 Bde., Berlin 1940; W. Gubalke, Die Hebamme im Wandel der Zeiten. Ein Beitrag zur Geschichte des Hebammenwesens, Hannover 1964; H. Fehling, Entwicklung der Geburtshilfe und Gynäkologie im 19. Jahrhundert, Berlin 1925; H . R . Spencer, T h e History of British Midwifery, London 1927; I. Fischer, Geschichte der Geburtshilfe in Wien, Leipzig/Wien 1909; F. Baruch, Das Hebammenwesen im Reichsstädtischen Nördlingen, Diss. Erlangen 1955; S. L. Pollock, E m barking on a Rough Passage: T h e Experience of Pregnancy in Early Modern Society, in: V. Fildes (Hg.), Women as Mothers in Pre-Industrial England, London 1990, 3 9 67; T . Laqueur, Auf den Leib geschrieben. Die Inszenierung der Geschlechter von der Antike bis Freud, Frankfurt a. M . / N e w Y o r k 1992; C . Gallagher/Ders. (Hg.), T h e Making of the Modern Body. Sexuality and Society in the Nineteenth Century, Berkeley/Cal. 1987. Etwa: E. Deissenberger, Die Geburtshilfe auf dem Land, in: Arztliches IntelligenzBlatt 17 (1870), 118 ff.; M. Wegschneider, Geschichte der Geburtshilfe, in: M. Neuburger/J. Pagel (Hg.), Handbuch der Geschichte der Medizin, Bd. 3, Jena 1905, 8 7 8 952; H. Buess, Geschichtlicher Überblick über die Entwicklung der Geburtshilfe, in: T . Koller (Hg.), Lehrbuch der Geburtshilfe, Basel 1948, 1 - 2 6 ; C.J. G a u ß / B . Wilde, Die deutschen Geburtshelferschulen. Bausteine zur Geschichte der Geburtshilfe, München/Gräfelfing 1956; G. Böhme, Wissenschaftliches und lebensweltliches Wissen am Beispiel der Verwissenschaftlichung der Geburtshilfe, in: Ders., Alternativen der Wissenschaft, Frankfurt a. M. 1980; L. Beck (Hg.), Zur Geschichte der Gynäko-

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Anmerkungen logie und Geburtshilfe. Aus Anlaß des 100jährigen Bestehens der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe, Berlin/Heidelberg/New York/Tokio/ London/Paris 1986; M.J. van Lieburg/H. Marland, Midwife Regulation, Education and Practice in the Netherlands during the Nineteenth Century, in: Medical History 33 (1989), 296-317; I. Snapper, Midwifery Past and Present, in: Bulletin New York Academy of Medicine 39 (1963), 503-532; J.F. Benton, Trotula, Women's Problems and the Professionalization of Medicine in the Middle Ages, in: ebd. 59 (1985), 30-53; zwar mit neuen Interpretationsansätzen, doch ebenfalls auf der medizinischen, theologischen oder juristischen Diskursebene: J . Gelis, Die Geburt. Volksglaube, Rituale und Praktiken, München 1989; Otto Ulbricht, Kindsmord und Aufklärung in Deutschland, München 1990; B. Duden, Geschichte unter der Haut. Ein Eisenacher Arzt und seine Patientinnen um 1730, Stuttgart 1987; M. O'Dowd/E. E. Philipp (Hg.), The History of Obstetrics and Gynaecology, New York 1994; M. Lorenz, „... als ob ihr ein Stein aus dem Leibe kollerte ...". Schwangerschaftswahrnehmungen und Geburtserfahrungen von Frauen im 18. Jahrhundert, in: R. van Dülmen (Hg.), Körper-Geschichten. Studien zur historischen Kulturforschung V, Frankfurt a.M. 1996, 99-121; F. Azouvi, Woman as a Model of Pathology in the 18th Century, in: Diogenes 115 (1981), 22-36; M. Borkowsky, Krankheit Schwangerschaft? Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett aus ärztlicher Sicht seit 1800, Zürich 1988, J . Geyer-Kordesch, Medizinische Fallbeschreibungen und ihre Bedeutung in der Wissensreform des 17. und 18. Jahrhundert, in: Medizin, Gesellschaft und Geschichte 9 (1990), 7-19; E. Stolzenberg-Bader, Weibliche Schwäche - männliche Stärke. Das Kulturbild der Frau in medizinischen und anatomischen Abhandlungen um die Wende des 18. zum 19. Jahrhundert, in: J. Martin/R. Zoepffel (Hg.), Aufgaben, Rollen und Räume von Mann und Frau, Bd. 2, Freiburg 1989, 751-818. Vgl. M. Foucault, Sexualität und Wahrheit, 3 Bde., Frankfurt a.M. 1976; P. Schöttler, Sozialgeschichtliches Paradigma und historische Diskursanalyse, in: J . Fohrmann/H. Müller (Hg.), Diskurstheorien und Literaturwissenschaft, Frankfurt a.M. 1988.

I. Von der Schwangerschaft zur Geburt 1

2

Vgl. zu heutigen Selbstwahrnehmungen von schwangeren Frauen und Frauen, die geboren haben: E. Martin, Die Frau im Körper. Weibliches Bewußtsein, Gynäkologie und die Reproduktion des Lebens, Frankfurt a.M./New York 1989, 76-116, 170-198; B. Duden, Die Frau ohne Unterleib. Zu J . Butlers Entkörperung: Ein Zeitdokument, in: Feministische Studien 2 (1993), 24-33; Dies., Der Frauenleib als öffentlicher Ort. Vom Mißbrauch des Begriffs Leben, Hamburg 1991; die Beiträge in J. GeyerKordesch/A. Kuhn (Hg.), Frauenkörper, Medizin, Sexualität. Auf dem Weg zu einer neuen Sexualmoral, Düsseldorf 1986; M. Knecht, Reduktionismus und Kontinuität im öffentlichen Umgang mit „Ungeborenem". Diskursanalytische und symbolethnologische Zugänge, in: Rheinisches Jahrbuch für Volkskunde 29 (1991/92), 189204; I. Illich, Genus: Zu einer historischen Kritik der Gleichheit, Reinbek 1983, 136 ff.; C. Töngi, Im Zeichen der Geburt. Der Ort des weiblichen Körpers in Gefährdungsvorstellungen am Beispiel eines Urner Bergdorfes, in: Historische Anthropologie. Kultur. Gesellschaft. Alltag, Jg. 1 (1993), Heft 2, 250-272. Vgl. E. Bargheer, Eingeweide: Lebens- und Seelenkräfte des Leibesinneren im deutschen Glauben und Brauch, Berlin 1931; E. Lesky, Die Zeugungs- und Vererbungslehren der Antike und ihr Nachwirken, Wiesbaden 1950; R. Fahraeus, Grundlegende Fakten über die Pathologie der Körpersäfte und ihre Relikte in Sprache und Volksmedizin, in: E. Grabner (Hg.), Volksmedizin. Probleme und Forschungsgeschichte, Darmstadt 1967, 444-458; A. Fausto-Sterling, Myths of Gender. Biological

Anmerkungen

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Theories about Women and Men, New York 1985; D. Goltz, Samenflüssigkeit und Nervensaft. Zur Rolle der antiken Medizin in den Zeugungstheorien des 18. Jahrhunderts, in: Medizinhistorisches Journal 22 (1987), 135-163; R. Winau, Die Entdeckung des menschlichen Körpers in der neuzeitlichen Medizin, in: Α. E. Imhof (Hg.), Der Mensch und sein Körper. Von der Antike bis heute, München 1983, 209225; die Beiträge in: E. Voland (Hg.), Fortpflanzung: Natur und Kultur im Wechselspiel. Versuch eines Dialogs zwischen Biologen und Sozialwissenschaftlern, Frankfurt a. M. 1992; Ε. A. Gasking, Investigation into Generation, 1651-1828, Baltimore 1967; T. Laqueur, Auf den Leib geschrieben. Die Inszenierung der Geschlechter von der Antike bis Freud, Frankfurt a.M./New York 1992, 39-79. Einen Blick ins Innere des weiblichen schwangeren Körpers warfen die Anatomen des 17. und 18. Jahrhunderts, wobei auch zuvor bereits Spekulationen und Analogien zum Tierreich in Bilder gefaßt wurden; vgl. J.-M. Le Minor, Embryologie ä Strasbourg, in: Archives d'anatomie d'histoire et d'embryologie normales et experimentales 73 (1990), 67-82; demnächst: Duden, Anatomie der guten Hoffnung. Zur Bildgeschichte des Ungeborenen, Stuttgart 1996 (i. Dr.). Zur Körperwahrnehmung vgl. R. Jütte, Arzte, Heiler und Patienten. Medizinischer Alltag in der frühen Neuzeit, München/Zürich 1991, 33-54; J. Tanner, Körpererfahrung, Schmerz und die Konstruktion des Kulturellen, in: Historische Anthropologie. Kultur. Gesellschaft. Alltag, 2. Jg. (1994), Heft 3, 489-502; M. Mauss, Die Techniken des Körpers, in: W. Lepenies/H. Ritter (Hg.), Soziologie und Anthropologie, Bd. 2, Frankfurt a.M./Berlin/Wien 1978, 197-220; R. Porter, History of the Body, in: P. Burke (Hg.), New Perspectives on Historical Writing, Cambridge 1992, 206-232; R. zur Lippe, Vom Leib zum Körper, Frankfurt a.M. 1988, 9-23; M. Douglas, Ritual, Tabu und Körpersymbolik. Sozialanthropologische Studien in Industriegesellschaft und Stammeskultur, Frankfurt a.M., 99 ff.; H. Böhme, Der sprechende Leib. Die Semiotiken des Körpers am Ende des 18. Jahrhunderts und ihre hermetische Tradition, in: D. Kamper/C. Wulf (Hg.), Transfigurationen des Körpers. Spuren der Gewalt in der Geschichte, Berlin 1989, 155-170; E. Seidler, Primärerfahrungen von N o t und Hilfe, in: H . Schipperges/Ders./P. U. Unschuld (Hg.), Krankheit, Heilkunst, Heilung, Freiburg/München 1978, 399-417; J. Starobinski, Kleine Geschichte des Körpergefühls, Frankfurt a.M. 1991; U. Jeggle, Im Schatten des Körpers: Vorüberlegungen zu einer Volkskunde der Körperlichkeit, in: Zeitschrift für Volkskunde 76 (1980), Heft 2, 169-188; F. Loux, Le corps dans la societe traditionelle, Paris 1979; C. Lumme, Höllenfleisch und Heiligtum. Der menschliche Körper im Spiegel autobiographischer Texte des 16. Jahrhunderts, Frankfurt a.M./Berlin/Bern/New York/Paris/ Wien 1996. Vgl. S. Alfing/C. Schedensack, Frauenalltag im frühneuzeitlichen Münster, Bielefeld 1994, 82-98; Duden, „Ein falsch Gewächs, ein unzeitig Wesen, gestocktes Blut". Zur Geschichte von Wahrnehmung und Sichtweise der Leibesfrucht, in: Unter anderen Umständen. Zur Geschichte der Abtreibung. Katalog zur gleichlautenden Ausstellung des Deutschen Hygiene-Museums Dresden, 1. Juli—31. Dezember 1993, Berlin 1993, 27-35; H. Wunder, Konfession und Frauenfrömmigkeit im 16. und 17. Jahrhundert, in: T. Schneider/H. Schnüngel-Straumann (Hg.), Theologie zwischen Zeiten und Kontinenten. FS E. Gössmann, Freiburg/Basel/Wien 1993, SD; M. Lorenz, „als ob ihr ein Stein aus dem Leib kollerte...". Schwangerschaftswahrnehmungen und Geburtserfahrungen von Frauen im 18. Jahrhundert, in: R. van Dülmen (Hg.), K ö r p e r Geschichten. Studien zur historischen Kulturforschung V, Frankfurt a.M. 1996, 99-121; N. Belmont, Les signes de la naissance. Etude des representations symboliques associees aux naissances singulieres, Paris 1971. Zur weiblichen Körpererfahrung u.a.: S. Göttsch, Weibliche Erfahrung um Körperlichkeit und Sexualität nach archivalischen Quellen aus Schleswig-Holstein 1700-

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Anmerkungen 1850, in: Kieler Blätter zur Volkskunde 18 (1986), 29-59; U . Ottmüller, Körpersprachliche Voraussetzungen der Rationalisierung. Ein Metadiskurs, Berlin 1989; C. Thomasset, Von der Natur der Frau, in: G. Duby/M. Perrot (Hg.), Geschichte der Frauen, Bd. 2: Mittelalter, hrsg. von C. Klapisch-Zuber, Frankfurt a.M./New York 1993, 55-83; Duden, Geschlecht, Biologie, Körpergeschichte, in: Feministische Studien 2 (1991), 105-122; Dies., Geschichte unter der Haut. Ein Eisenacher Arzt und seine Patientinnen um 1730, Stuttgart 1987, 7-66; A. Oakley, The Captured Womb. A History of Medical Care of Pregnant Women, Oxford 1984; G. Pomata, Eine Frage der Grenzziehung: Die Geschichte der Frauen zwischen Anthropologie und Biologie, in: Feministische Forschungen 2 (1983), 113-127; Y. Verdier, Drei Frauen. Das Leben auf dem Dorf, Stuttgart 1982; Laqueur, Auf den Leib geschrieben, 177— 219; längst als revidiert gelten die Thesen E. Shorters, Der weibliche Körper als Schicksal. Zur Sozialgeschichte der Frau, München/Zürich 1984. Vgl. zu diesem Begriff: Shorter, Moderne Leiden. Zur Geschichte der psychosomatischen Krankheiten, Reinbek b. Hamburg 1994, 23-35. Vgl. grundlegend: W. Eich, Medizinische Semiotik (1750-1850). Ein Beitrag zur Geschichte des Zeichenbegriffs in der Medizin, Freiburg i.Br. 1986. Mit dieser Fragestellung befaßt sich anhand von Unzuchtsprotokollen U. Gleixner, „Das Mensch und der Kerl". Die Konstruktion von Geschlecht in Unzuchtsverfahren der frühen Neuzeit (1700-1760), Frankfurt a.M./New York 1994. Daß Beschreibungen von Schwangerschaft und Geburt nur von „des Kindsmordes Verdächtigten" überliefert seien, behauptet zu unrecht Lorenz, „als ob ihr ein Stein ...", 102, 115; zur Quellenproblematik: G. Jacobsen, Pregnancy and Childbirth in the Medieval North: A Typology of the Sources and a Preliminary Study, in: Scandinavian Journal of History 9 (1984), 91-111. Vgl. zu dieser häufigen Konstellation: J . Schlumbohm, „Wilde Ehen". Zusammenleben angesichts kirchlicher Sanktionen und staatlicher Sittenpolizei (Osnabrücker Land, ca. 1790-1870), in: Ders. (Hg.), Familie und Familienlosigkeit. Fallstudien aus Niedersachsen und Bremen vom 15. bis 20. Jahrhundert, Hannover 1993, 63-80; K. Grower, Wilde Ehen - das „andere" Familienleben der hamburgischen Unterschichten im 19. Jahrhundert, in: E. Kleinau/K. Schmersahl/D. Weickmann (Hg.), „Denken heißt Grenzen überschreiten". Beiträge aus der sozialhistorischen Frauen- und Geschlechterforschung. Eine Festschrift zum 60. Geburtstag von M.-E. Hilger, Hamburg 1996; O. Hochstrasser, Unterschichtsfrauen im Karlsruhe des 18. Jahrhunderts. „Liederliche Weibsbilder" zwischen traditioneller Lebenswelt und staatlicher Disziplinierung, in: S. Jenisch (Hg.), Standpunkte. Ergebnisse und Perspektiven der Frauengeschichtsforschung in Baden-Württemberg, Tübingen 1993, 81-90. L H A (Landesarchiv) Koblenz, Best, lc, Nr. 7487, fol. 234 f. LASB (Landesarchiv Saarbrücken), Best. 22, Nr. 3274, fol. 88-90. Etwa: LASB, Best. 22, Nr. 4161, fol. 263 ff. AHWS (Archiv der Herzog Wolfgang Stiftung, Zweibrücken), Rep. VII, Nr. 110, o. fol., Konsistorialprotokoll 1767. LASB, Best. 22, Nr. 3776, fol. 115-118. Auf diesen Aspekt werde ich an anderer Stelle ausführlicher eingehen; vgl. M. Mitterauer, Ledige Mütter. Zur Geschichte unehelicher Geburten in Europa, München 1983, 128 ff.; Schlumbohm, Familie, Verwandtschaft und soziale Ungleichheit. Der Wandel einer ländlichen Gesellschaft vom 17. zum 19. Jahrhundert, in: R. Vierhaus u.a. (Hg.), Frühe Neuzeit - Frühe Moderne? Forschungen zur Vielschichtigkeit von Ubergangsprozessen, Göttingen 1992, 133-156; Ders., Sozialstruktur und Fortpflanzung, 335 ff.; Ders., Lebensläufe, Familien, Höfe. Die Bauern und Heuerleute des Osnabrückischen Kirchspiels Belm in proto-industrieller Zeit, 1650-1860, Göttingen 1994, 122-131, 144, 185-190; C. Opitz, Frauenalltag im Spätmittelalter (1250-

Anmerkungen

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1500), in: Duby/Perrot (Hg.), Geschichte der Frauen, Bd. 2, 305 ff.; C. von Gundlach, Nahrungsmittelversorgung und Geburtenregulation, aufgezeigt am Beispiel der Kartoffel, in: Zeitschrift für Agrargeschichte und Agrarsoziologie 37 (1989), 28-36; H. Pöttgen, Die ungewollte Schwangerschaft. Eine anthropologische Synopsis, Köln 1982; A. Farge, Das brüchige Leben. Verführung und Aufruhr im Paris des 18. Jahrhunderts, Berlin 1989, 89-119; S. Breit, „Leichtfertigkeit" und ländliche Gesellschaft. Voreheliche Sexualität in der frühen Neuzeit, München 1991, 117-141; Jütte, Die Persistenz des Verhütungswissens in der Volkskultur, in: Medizinhistorisches Journal 24 (1989), 214-231; J.T. Noonan, Empfängnisverhütung. Geschichte ihrer Beurteilung in der katholischen Theologie und im kanonischen Recht, Mainz 1969; U. Pfister, Die Anfänge der Geburtenbeschränkung. Eine Fallstudie (17./18. Jahrhundert), Bern/Frankfurt a. M./New York 1985. Text des Protokolls in: van Dülmen, Frauen vor Gericht. Kindsmord in der frühen Neuzeit, Frankfurt a. M. 1991, 147-152, hier: 148. ADM (Archives departementales de la Moselle) Metz, Best. Β 10 F, Nr. 181, fol. 46; ebenso besorgte der Pfarrer von Boulay „senes de Pomme" für seine Magd, mit der er ein Verhältnis hatte, A D M M (Archives departementales de Meurthe et Moselle) Nancy, Best. B, Nr. 3626, o. fol., 1608. Etwa LASB, Best. 38, Nr. 625, fol. 49; ebd., Best. 22, Nr. 3775, fol. 16r; ADM Metz, Best. B, Nr. 9461, o. fol. L H A Koblenz, Best, lc, Nr. 7487, fol. 243. Ebd., fol. 21. So: Duden, „Ein falsch Gewächs...", 29. LASB, Best. 22, Nr. 3784, fol. 124 f. A H WS, Rep. V, Nr. 7, o. fol., 1747; ebd., o. fol., 1759. Vgl. Text bei: van Dülmen, Frauen vor Gericht, 150; LASB, Best. 22, Nr. 3781, fol. 75. LASB, Best. 22, Nr. 4309, o. fol., fol. 126r; ADM Metz, Best. 10 F, Nr. 622, o. fol. (zusammenfassender Amtsbericht vom 29. Mai 1775). Text in: K. Lohmeyer, Bearbeitung von Birkenfelder Kirchenbüchern, Teil 1: Die geschichtlichen, kultur- und volkskundlichen Beziehungen, Birkenfeld 1909, 22. Vgl. Duden, Der weiße und der rote Fluß. Studien zum Verhältnis von Frauen und Medizin im 18. und frühen 19. Jahrhundert anhand der medizinischen Literatur zur Geburtshilfe und Frauenheilkunde, unveröffentl. Manuskr., Medizinhist. Bibliothek Bern, o.J.; C. Knights, Blood Relations: Menstruation and the Origins of Culture, New Haven/London 1991; R.L. Rodewald, Magie, Heilen und Menstruation, München 1977; Douglas, Reinheit und Gefährdung. Eine Studie zu Vorstellungen von Unreinheit und Tabu, Frankfurt a.M. 1988, 82 f., 158-162; H.R. Hays, Mythos Frau. Das gefährliche Geschlecht, Frankfurt a.M. 1978, 56-60. AHWS, Rep. V, Nr. 15, o. fol. Ebd., Nr. 18, o. fol. LASB, Best. 22, Nr. 3780, fol. 315. A D M M Nancy, Best. BJ 11050, o. fol., 1770; ebd., Best. 11 Β 1944, ο. fol. 1771; L H A Koblenz, Best, lc, Nr. 17698, o. fol., 1695. LASB, Best. 22, Nr. 3777, fol. 595 f. ADM Metz, Best. 10 F, Nr. 181, fol. 11, fol. 21, fol. 39. Ebd., Best. 29 J 396, Nr. 6608, o. fol. STA SB (Stadtarchiv Saarbrücken), Best. Hospital, Nr. 1075, o. fol. Hier auch der Fall der Marguerite Klein aus Hilbesheim nahe Lixingen, die beim Chirurgen von Haguenau Mittel gegen die ausbleibende Regel erhielt, obwohl sie schwanger war, ADMM Nancy, Best. 9 B, Nr. 71, o. fol., 1780/81. L H A Koblenz, Best, lc, Nr. 18637, o. fol., Vernehmungsprotokoll, Fragen 9-20 und 33. Einen Monat vor ihrer Niederkunft im Jahre 1771 hatte auch Anna Renaud aus

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Anmerkungen

Nancy die städtische „Matrone" nach ihrem Zustand befragt, welche nicht glaubte, daß sie schwanger sei, A D M M Nancy, Best. I I B , Nr. 1944, o. fol. A. Moritz, Kurze Unterweisung der Geburtshielfe zum Gebrauche seiner Vorlesungen bey den Hebammen und Nutzen der schwangerer und gebärender Weibspersonen, Trier [1773/74], Viertes Kapitel: Von den Zufallen der Schwangeren und den 3 ersten Monaten, 8-11. Ebd., Fünftes Kapitel: Von der Beschwernuß, das Wasser zu lassen, 12-19; Sechstes Kapitel: Von den Schmerzen der Schenkel, und goldenen Ader, 20-23; Siebtes Kapitel: Von dem Blutgange, 24-29. van Dülmen, Frauen vor Gericht, 149 f.; LASB, Best. 22, N r . 3775, o. fol., 1550; ebd., Nr. 3784, fol. 124 f. A D M M Nancy, Best. B, Nr. 3626, o. fol., 1608. AHWS, Rep. VII, Nr. 110, o. fol. Vgl. zur Selbstbeobachtung der Kindsregung: Duden, Die „Geheimnisse" der Schwangeren und das Offentlichkeitsinteresse der Medizin, in: K. Hausen/Wunder (Hg.), Frau engeschichte - Geschlechtergeschichte, Frankfurt a.M. 1992, 117-128; Dies., Die „Geheimnisse" der Schwangeren und das Offentlichkeitsinteresse der Medizin. Zur sozialen Bedeutung der Kindsregung, in: Journal für Geschichte 1 (1989), 48-55; Lorenz, „... als ob ihr ein Stein...", 107-109; M. Läget, Naissances: L'accouchement avant l'äge de la clinique, Paris 1980, 41 ff.; Farge, Accouchement et naissance au XVIIIe siecle, in: Revue de medecine psychosomatique et psychologie medicale 18 (1976), Heft 1, 19-28; die lothringische Verordnung galt auch im lothringischen Oberamt Schaumberg bis 1787, LA (Landesarchiv) Speyer, Best. B2, N r . 2604, fol. 2 f., fol. 19 f. Listen existieren fast von allen Bailliages, etwa: A D M Metz, Best. 453 ES 79FF, Nr. 19, 1784-1788; ebd., Best. B, Nr. 8215, insges. 192 Fälle für die Bailliage Sarreguemines, 1711-1775; ebd., Nr. 5963, insges. 289 Fälle für die Bailliage de Bitche, 17141756; ebd., Nr. 5964, insges. 227 Fälle für die Bailliage de Bitche, 1757-1772; ebd., Nr. 5965, insges. 289 Fälle für die Bailliage de Bitche, 1773-1791; ebd., Nr. 6255, insges. 182 Fälle für die Bailliage Boulay, 1727-1790; A D M M Nancy, Best. 10 B, N r . 350, insges. 2 220 Fälle für die Bailliage Luneville, 1742-1790; ebd., Best. 11 B, Nr. 2147, insges. 1 667 Fälle für die Bailliage Nancy, 1738-1763; ebd., Best. 7 B, N r . 146, insges. 56 Fälle für die Prevöte Dieuze, 1751-1766. Van Dülmen, Frauen vor Gericht, 150. A D M M Nancy, Best 3 Β XVIII/7, o. fol. LASB, Best. 38, Nr. 625, fol. 49 f.; ebd., Best. 22, Nr. 5427, fol. 56r; ebd., Nr. 5427, fol. 152; ADM Metz, Best B, Nr. 9461, o. fol., 1777; ebd., 1729; ebd., 1765; ebd., 1760. AHWS, Rep. VII, Nr. 110, o. fol, 1768; ebenso hatten zwei Monate zwischen Bemerken der Kindsregung und Angabe der Schwangerschaft gewartet: LASB, Best. 22, Nr. 3784, fol. 187, fol. 105r; ebd., Nr. 3781, fol. 438. Sie erlitt auf diese Aufregung hin eine Frühgeburt, wobei die Hebamme feststellte, daß es „eine natürliche geburt", d.h. ein fast ausgereiftes Kind, war, LASB, Best. 22, Nr. 4161, fol. 265. Ebd., fol. 259-267, hier: 265. Ebd., Nr. 3782, fol. 88-90. Ebd., Nr. 3777, fol. 609. Ebd., Nr. 3778, fol. 609; ebd., Best. 38, Nr. 625, fol. 50; Kirchenbuch Pfarrer Bracken von Hüttersdorf; Abschrift eines Briefes des Pfarrers von 1789 an den Hofrat, Pfarrarchiv Hüttersdorf; L H A Koblenz, Best, lc, Nr. 18637, o. fol., Frage 5; LASB, Best. 22, Nr. 4309, fol. 73, fol. 126. Vgl. J. Gelis, Ouvrir ou fermer le corps: Saintes et saints de la delivrance dans l'espagne du XVIe et du XVIIe siecle, in: A. Redondo (Hg.), Le corps comme meta-

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phore dans l'Espagne des XVIe et XVIIe siecles, Paris 1992, 163-179; Ders., „Le tablier de la sainte est plein de fleurs et de tetes d'enfants": Iconographie et culte de santa Casilda et sancta Notburga, in: Editions du C.T.H.S., Ethnologie des faits religieux, Paris 1993, 119-128; selbst bei der Darstellung der Geburt von Prinzen wurde diese Symbolik kopiert, etwa in einem Bild von Maria von Medici und dem gerade geborenen Dauphin, dem späteren Ludwig XIII., ebd., 127. Vgl. K. Schreiner, Maria. Jungfrau, Mutter, Herrscherin, München/Wien 1994, 25-31, 54-60, 274-281, 289-293; K. Arnold, Der Wandel der Mutter-Kind-Darstellung am Beispiel der Kölner bildenden Kunst des späteren Mittelalters, in: Schreiner/N. Schnitzler (Hg.), Gepeinigt, begehrt, vergessen. Symbolik und Sozialbezug des Körpers im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit, München 1992, 243-261. Derartige Erkenntnisse über Vorstellungen vom ungeborenen Kind aus der medizinischen Literatur lassen sich in ihren Annahmen nicht einfach auf die ländliche Bevölkerung der Frühen Neuzeit übertragen, wie dies üblicherweise geschieht; vgl. etwa bei: Gelis, Die Geburt. Volksglaube, Rituale und Praktiken von 1500-1900, München 1989, 84-94, 102-106, 142-145; zur Ikonographie des Fötus: Duden, Anatomie der guten Hoffnung (i. Dr.); T. Bilikiewicz, Die Embryologie im Zeitalter des Barock und des Rokoko, Leipzig 1932; E. Fischer-Homberger, Medizin vor Gericht. Gerichtsmedizin von der Renaissance bis zur Aufklärung, Bern 1983, 222-292. So etwa: LASB, Best. 22, Nr. 4161, fol. 265. Diese Metapher verwendet Gelis, Geburt, 110 f. Dazu an anderer Stelle; vgl. unter 3.1. und 3.2. dieses Kapitels. Etwa: ADM Metz, Best. B, Nr. 9461, o. fol., 1729, 1746, 1760, 1765, 1777, 1778, 1785; ebd., Best. 453 ES 79FF 19, o. fol. AHWS, Rep. VII, Nr. 110, o. fol. LASB, Best. 38, Nr. 625, fol. 50. Vgl. zu dieser Fragestellung: L. Lewin, Die Fruchtabtreibung durch Gifte und andere Mittel. Ein Handbuch für Ärzte und Juristen, Berlin 1922, 3. verbesserte Aufl.; K. Roetzer, Das Delikt der Abtreibung, Kindstötung sowie Kindsaussetzung und ihre Bestrafung in der Reichsstadt Nürnberg, Diss. jur. Erlangen 1957; A. MacLaren, Reproductive Rituals. The Perception of Fertility in England from the Sixteenth to the Nineteenth Century, London/New York 1984; D. Kluge, „Eyn noch nit lebendig Kindt". Rechtshistorische Untersuchungen zum Abbruch der Schwangerschaft in den ersten 3 Monaten der Entwicklung der Frucht auf der Grundlage der Carolina von 1532, Frankfurt a.M./Bern/New York 1986; G. Jerouschek, Lebensschutz und Lebensbeginn. Kulturgeschichte des Abtreibungsverbots, Stuttgart 1988; Ders., Zur Geschichte des Abtreibungsverbots, in: Unter anderen Umständen, 11-26; L. LeibrockPlehn, Hexenkräuter oder Arznei. Die Abtreibungsmittel im 16. und 17. Jahrhundert, Stuttgart 1992; Shorter, Der weibliche Körper als Schicksal, 202-256; E. Petersen, Petersilie Suppenkraut. Pflanzen als empfängnisverhütende und abtreibende Mittel Überlieferungen aus der Volksmedizin, München 1976; J. M. Riddle, Contraception and Abortion from Ancient World to Renaissance, Cambridge 1992; K. Stukenbrock, Abtreibung im ländlichen Raum Schleswig-Holsteins im 18. Jahrhundert. Eine sozialgeschichtliche Untersuchung auf der Basis von Gerichtsakten, o.O. 1993; Jütte (Hg.), Geschichte der Abtreibung. Von der Antike bis zur Gegenwart, München 1993. ADMM Nancy, Best. 8 Β 147, ο. fol. Ebd., Best. 3 Β XVIII/7, o. fol. Ebd., Nr. 7 Β 286, ο. fol. LASB, Best. 22, Nr. 3778, fol. 595-614, hier: fol. 595 f, fol. 604. Ebd., Nr. 4309, fol. 82 f. Ebd., fol. 78r-79r.

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Anmerkungen

Ebd., fol. 82; ADM Metz, Best. 10 F 622, o. fol. LASB, Best. 22, Nr. 4309, fol. 79 ff.; auch: ADM Metz, Best. 10 F 622, o. fol. LASB, Best. 22, Nr. 4309, fol. 70. Ebd., fol. 56 f. Ebd., fol. 11-225; weitere Akten: ADM Metz, Best. 10 F 622, o. fol., 1775; vgl. auch: W. Meyer, T-Hillen Gret. Eine sitten- und rechtsgeschichtliche Betrachtung über die gesellschaftliche Stellung des unehelichen Kindes in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, in: Saarheimat 3 (1969), 63-70; C. Raubuch, Die Mär vom kindsmordenden Monster. Et Hillen Grets Hinrichtung in Püttlingen war Unrecht, in: Püttlinger Monatshefte 1, o. J., 18-20; C. Ulbrich, Frauenarmut in der Frühen Neuzeit, in: Zeitschrift für die Geschichte der Saargegend 40 (1992), 113-118. LASB, Best. 22, Nr. 5426, fol. 50-52. AHWS, Rep. VII, Nr. 110, o. fol., Kirchenbußen 1763-1781. So die Bezeichnung etwa in: LASB, Best. 22, Nr. 3777, fol. 117. Ebd., Nr. 3776, fol. 85-90. So im Falle der Anna Sybilla Keßler aus Wörschweiler, AHWS, Rep. V, Nr. 15, o. fol., 1734. LH Α Koblenz, Best, lc, Nr. 18637, o. fol. ADM Metz, Best. 10 F, Nr. 181, o. fol., Frage 10; selbst die Hebamme, an die sich die Magd gewandt hatte, gab an, „ganz und gar nichts" bemerkt zu haben. LASB, Best. 22, Nr. 4309, fol. 28; LH Α Koblenz, Best, lc, Nr. 18637, o. fol. Etwa: LASB, Best. 22, Nr. 3776, fol. 85 f.; ebd., Nr. 3778, fol. 609 ff.; AHWS, Rep. V, Nr. 7, o. fol., 1759; ebd., Nr. 15, o. fol., 1734; ADM Metz, Best. 10 F, Nr. 181, o. fol., 1757-58; ebd., Best. B, Nr. 934/6, o. fol., 1611; LHA Koblenz, Best, lc, Nr. 18637, o. fol., 1714; ebd., Nr. 17698, o. fol., 1695; ADMM Nancy, Best. 8 B, Nr. 147, o. fol., 1731; ebd., Best. B, Nr. 3623, o. fol., 1606; ebd., Best. 7 B, Nr. 286, o. fol., 1777-79; vgl. auch: H. Hiegel, Le Bailliage d'Allemagne de 1600 ä 1632, Bd. 1, Sarreguemines 1961, 182 f.; M.-J. Laperche-Fournel, Les enfants indesirables. L'infanticide en Lorraine au XVIIIe siecle, in: Les Cahiers Lorrains 1 (1989), 25-37. ADMM Nancy, Best. B, Nr. 3623, o. fol., 20. September 1606. ADM Metz, Best. B, Nr. 934/6, o. fol., 18.-25. Februar 1611. LHA Koblenz, Best, lc, Nr. 17698, o. fol. Van Dülmen, Frauen vor Gericht, 150. Für das Folgende: AHWS, Rep. VII, Nr. 110, o. fol., 8. Dezember 1736, 109 Folioseiten. Diese These findet sich in abgeschwächter bis ausgeprägter Weise bei: Gleixner, „Das Mensch..", 153-162; Farge, Das brüchige Leben, 37-54; Breit, „Leichtfertigkeit", 163-173; Lorentz, „...als ob ihr ein Stein ...", 4 f.; R. Schulte, Kindsmörderinnen auf dem Land, in: D. Sabean/H. Medick (Hg.), Emotionen und materille Interessen. Sozialanthropologische und historische Beiträge zur Familienforschung, Göttingen 1984, 113-142; C. Zimermann, „Behörigs Orthen angezeigt". Kindsmörderinnen in der ländlichen Gesellschaft Württembergs 1581-1792, in: Medizin in Geschichte und Gegenwart 10 (1991), 86 ff. Bei den im Untersuchungsraum wegen Kindsmordes verurteilten Frauen handelte es sich zu über 90 Prozent um fremde Dienstmägde. Etwa: LASB, Best. 22, Nr. 3784, fol. 123-125: hier war der Bruder der Schwangeren eingeweiht und ging mit ihr zu einem Heilkundigen; ebd., Nr. 3781: der Meier des Ortes wurde von einer geschwängerten Witwe zu Rate gezogen; AHWS, Rep. V, Nr. 7, o. fol.: die Schwangere hatte den Kaplan um Hilfe gebeten; LHA Koblenz, Best, lc, Nr. 7487, o. fol.: die Schwangere hatte die Schwester des Kindvaters informiert und sich mit dem Pastor beraten; ADMM Nancy, Best. 3 Β XVIII/7, o. fol.: die Frau hatte ihren Eltern, ihrer Schwester und Tante alles gestanden. So etwa: LASB, Best. 22, Nr. 3775, fol. 16r-18, 1550.

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LASB, Best. 22, N r . 3780, fol. 314r-315r; ebenso: ebd., N r . 3781, fol. 438 f, 1730. A H W S , Rep. VII, N r . 110, o. fol. Ebd, Rep. V, N r . 7, o. fol. LASB, Best. 22, N r . 3778, fol. 277-286. Vgl. hierzu: M. Gluckmann, Gossip and Scandal, in: C u r r e n t A n t h r o p o l o g y 4 (1963), 307-316; Schulte, Bevor das Gerede z u m Tratsch wird, in: H a u s e n / W u n d e r , Frauengeschichte - Geschlechtergeschichte, 67-73; v.a. S. C . Rogers, Les femmes et le pouvoir, in: H . Lamarche/Dies./C. Karnoouh, Paysans, femmes et citoyens. Lutter p o u r p o u v o i r dans un village Lorrain, Paris 1980, 17-57. Vgl. die Textpassage aus T h o m a s von Aquin in: O p i t z , Frauenalltag, 302. Vgl. F. Konersmann, Disziplinierung und Verchristlichung von Sexualität und Ehe in Pfalz-Zweibrücken im 16. und 17. Jahrhundert, in: Blätter f ü r pfälzische Kirchengeschichte und religiöse Volkskunde 58 (1991), 18. A H W S , Rep. II, N r . 248, fol. 42. Kirchenbuch des Pfarrers Bartheis, ab 1714, Evangelisches Kirchenarchiv D u d w e i ler, N r . A2, 4,2, S. 181. Gazette de Hollande, N r . 30, 4. April 1700. L H Α Koblenz, Best. 54 P, N r . 234, fol. 136 f. Auf diese Rituale k o m m e ich noch ausführlich zu sprechen; vgl. auch: G. Lerner, Die Entstehung des feministischen Bewußtseins. V o m Mittelalter bis z u r Ersten Frauenbewegung, F r a n k f u r t a . M . / N e w Y o r k 1995, 144-169; O p i t z , Mutterschaft und Vaterschaft im 14. und 15. Jahrhundert, in: H a u s e n / W u n d e r (Hg.), Frauengeschichte - Geschlechtergeschichte, 137-153; Dies., Vom Kinderwunsch und Kind e r m o r d . Mutterschaft und Mütterlichkeit vom 13. bis z u m 15. Jahrhundert, in: Dies., Evastöchter und Bräute Christi. Weiblicher Lebenszusammenhang und Frauenkultur im Mittelalter, Weinheim 1990, 54-86; Dies., Zwischen Fluch und Heiligkeit. Kinderlose Frauen im späteren Mittelalter, in: B. N e u w i r t (Hg.), Frauen, die sich keine Kinder wünschen, Wien 1988, 78-120. Vgl. E. Labouvie, Verbotene Künste. Volksmagie und ländlicher Aberglaube in den Dorfgemeinden des Saarraumes (17.-20. Jahrhundert), St. Ingbert 1993, 140; besonders gefürchtet war in diesem Bereich der Schadenzauber von Hexen und das N e stelknüpfen. Vgl. J.G. Farber, Stoff f ü r den künftigen Verfasser einer pfalzzweibrückischen Kirchengeschichte von der Reformation an, Bd. 1, F r a n k f u r t a.M./Leipzig 1790, 227; N o t i z aus dem Kirchenbuch von Albersweiler, 1607 ff. Vgl. A. Bitsch, C o u t u m e s de naissance et de bapteme, autrefois dans le Sundgau, in: Annuaire de la Societe d ' H i s t o i r e Sundgauvienne 1990, 37. Vgl. R. Muchembled, Societe et mentalites dans la France moderne X V I e - X V I I I e siecle, Paris 1990, 32-35; Loux, Das Kind, 33—46; F. Fellinger, Schwangerschaft und G e b u r t in der altfranzösischen Literatur, Diss. phil. Göttingen 1907, 21-34; Gelis, Die Geburt, 55-68; A. van Gennep, L'action des puissances impures de la vie de la femme-mere, in: Revue d'historique des religions XLII (1900), 453—464. Vgl. zu dieser Wallfahrtsstätte: A. Meyer, Gräfinthal ein Wilhelmitenkloster im Bliesgau, H o m b u r g 1992; A. Langhauser, Die Pfeilenmadonna in der Heilig Kreuzkapelle zu Blieskastel, in: Pfälzisches Museum 30 (1913), 91-95; N . Lauer, Wallfahrt Gräfinthal , München 1983, 3. Aufl.; Η . P. Barth, Die Wallfahrtskapelle in Gräfinthal, St. Ingbert 1954; S. Flesch/J. C o n r a d / T . Bergholz (Hg.), Mönche an der Saar. Die mittelalterlichen Ordensniederlassungen im saarländisch-lothringischen Grenzraum, Saarbrücken 1986, 183-189. Mirakelbuch von Gräfinthal, 1671, 24. Exempel, Kopie des Originals (LA Speyer) im LASB; H e r r n Prof. Dr. H . - W . H e r r m a n n sei herzlicher D a n k f ü r die Einsichtnahme in diese Kopie.

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Anmerkungen

112 Ebd., 75. Exempel. 113 Ebd., 79. Exempel. 114 Zum Wallfahrts- und Opferbrauchtum im Saar-Pfalz-Raum vgl. Labouvie, Verbotene Künste, 149-151. 115 Wallfahrtsbuch Beurig, 1708, STA Trier, Best. 11/3536/ 8°. In Gräfinthal betete man um 1730: „... nimm den verwundeten Leichnam deines Sohnes auf deine heiligen Armen, und zeige ihn dem himmlischen Vatter in solcher Gestalt, wie er auf deinem Schooss gelegen ist. Bitte ihn durch alles, was er sambt dir gelitten hat, dass er mir Barmherzigkeit erzeige, und mich von allem Uebel sowohl Leibs als der Seelen erledige, Amen"; Andachten und Lieder, 8. 116 Mirakelbuch Beurig, Original im Stadtarchiv Saarburg; ich danke Herrn Philipp Wey für den freundlichen Hinweis. Das Mirakelbuch enthält insgesamt 160 Wunderberichte vorwiegend aus der Zeit zwischen 1620 und 1647. Beurig stand in direkter Konkurrenz zu Klausen. 117 Vgl. N. Fox, Saarländische Volkskunde, ND Saarbrücken 1979, 262, 313; H. Marmann-Labouvie, Der Wallfahrtsort Eberhards-Clausen, Koblenz 1951, 1-16, 39—48; die heilige Oranna und der heilige Eberhard wurden ebenso von heiratswilligen jungen Mädchen angerufen. In Klausen war es vor allem die Pieta in einer Gnadenkapelle im Seitenschiff, „Maria Clusana" (um 1647), die um Kindersegen, Heilung von Blindheit, Lähmung, Stummheit, Erlösung von Zauberei und Besessenheit gebeten wurde; überliefert ist ein Ölgemälde von 1646, das die Wallfahrt von Pilgerzügen auf einem Platz vor der Kirche, Krankentransporte und die Befreiung einer Frau von einem Dämon zeigt. Im Hintergrund schwebt über der Kirche das Gnadenbild, welches ab 1440 als wundertätig angerufen wurde. Die Mirakelbücher von Eberhardsklausen enthalten zahlreiche Wunder an Pilgern, Pilgerinnen und deren Kindern aus dem saar-pfälzischen Raum; vgl. P. Hoffmann/P. Dohms (Hg.), Die Mirakelbücher des Klosters Eberhardsklausen, Düsseldorf 1988. 118 Auch dieser Stein garantierte eine gute Ehe für Ledige; vgl. F. Hacquin, Histoire de l'art des accouchements en Lorraine, des temps anciens au XXe siecle, Diss. med. Nancy 1979, 59. 119 Vgl. G. Oberhauser, Wallfahrten und Kultstätten im Saarland. Von der Quellenverehrung zur Marienerscheinung, Saarbrücken 1992,19. 120 Vgl. Hacquin, Les grandes et petites heures de l'art des accouchements en Lorraine, in: Annales medicales de Nancy et de l'Est 15, Heft 13 (1979), 1369, 1371 f. 121 Vgl. A. Jeanmaire, Superstitions populaires dans la Lorraine d'autrefois, Sarreguemines 1985, 230 f.; Ν. Julet, Miracles et graces de Notre-Dame-de-Bonsecours-lesNancy, Nancy 1630 und 1734; aus dem Lothringischen pilgerte man auch zur Lieben Frau mit den drei Ähren nach Colmar, vgl. Gründliche und Wahrhaffte Hystory, Ursprung und Anfang der weitberümbten Wallfahrt unser Lieben Frawen zu Dreyen-Ahren im Eisass. Mit etlichen wohl approbierten Miraculen, Reymenweiss kurtz begriffen, Colmar 1869. 122 Vgl. A. Becker, Pfälzer Volkskunde, ND Frankfurt a.M. 1979, 111 f., 209. 123 Zit. nach: C. Knetsch (Hg.), Die Limburger Chronik des Johanes Mechtel, Wiesbaden 1909,186 f. 124 Der am „Guten Brunnen" bei Güdesweiler lebende Eremit Michael Backes schrieb in seinem 1818 angelegten Manual über die Erbauung einer dortigen Kapelle 1764, man sei wegen der großen Pilgerzüge „gleichsam genöthiget" gewesen, „wenigstens eine Kappel an den ort mit erlaubnuß des hochwürdigen Erzbischofs von Trier zu erbauen"; eine zweite Kapelle wurde 1785 errichtet. 125 Augenzeugenbericht bei H. Rieck, Der Oberlimberg bei Wallerfangen, Saarlouis 1935, 2; das Kreuzchen mit Zettel fand Oberhauser, Uralte Bräuche an den Quellen.

Anmerkungen

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„Allerhandt Creutze umb den brunnen", in: Saarbrücker Zeitung. Geschichte und Landschaft, Nr. 502, März 1990, 22. Vgl. Oberhauser, Wallfahrten und Kultstätten, 27 f.; Dies., Uralte Bräuche, 22; L. Kriss-Rettenbeck, Ex Voto. Zeichen, Bild und Abbild im christlichen Votivbrauchtum, Zürich 1972, 37—40; er gibt erste Belege dieses Brauches für die ottonische Zeit und das frühe Mittelalter. Zu dieser gängigen Vorstellung vgl. Fox, Saarländische Volkskunde, 314; N. Kyll, Das Kind in Glaube und Brauch des Trierer Landes, Trier 1957, 8; R. Reichhardt, Geburt, Hochzeit und Tod im deutschen Volksbrauch und Volksglauben, Jena 1913, 3 f.; H. Lerond, Lothringische Sammelmappe, IX.-X. Teil, Metz 1901, 5; Lebenserinnerungen des Jakob Grentz aus Ensheim, 1. Hälfte 19. Jahrhundert, in: E. Dillmann (Hg.), Erinnerungen an das ländliche Leben. Ein historisches Lesebuch zur dörflichen Welt an der Saar im 18./19. Jahrhundert, St. Ingbert 1991, 193; H. Breining, Die Hebamme in heimischer Sitte und Brauch, in: Saarbrücker Bergmannskalender 1954, 157 f.; J. Zilgen, Alte Gebräuche, Volksglauben, Aberglauben, Sagen aus Berus, in: Heimatblätter von der Saar 1 (1925), Heft 5, 47; Kriss-Rettenbeck, Ex Voto, 40. Kriss-Rettenbeck, Ex Voto, 40. Vgl. F. Heeger, Pfälzer Volksheilkunde. Ein Beitrag zur Volkskunde der Westmark, Neustadt a.d. Weinstraße 1936, 69, 116 f., 120 f. L H A Koblenz, Best, lc, Nr. 11335, fol. 735, Kirchenvisitation 1623. Im pfälzischen Frankweiler war noch um 1800 folgender Spruch gegen die wandernde Gebärmutter gebräuchlich: „Bäremutter Lennblat, leg dich auf die rechte stat!"; ähnlich eine saarländische Formel: „Mutter heckte, Mutter legte. Leg dich an dieselbe Wand, wo dich Gott hat hingesandt!" Aus einer Dierbacher Handschrift von 1791 ist dieser Spruch überliefert: „Beremutter ich Beschwöre dich, bey dem aller Heiligsten Leib Jesu, Regstu dich, so bewöche [bewege] ich mich, Regstu dich, so sterbe ich, so Legt mann Mich und dich in Ein grab!"; der personifizierten Gebärmutter wird hier das „Lebendigbegraben" angedroht; vgl. K. Schneider, Heilmittel und Heilbräuche im Saargebiet, Saarbrücken 1924, 41; Heeger, Merkwürdiges aus der Säuglingsbehandlung des pfälzischen Volkes, in: Blätter zur bayerischen Volkskunde und Mundartforschung 11 (1927), 10; Ders., Pfälzer Volksheilkunde, 16, 71; auch: Das Brauchbuch der Maria Ruffing, 31 f. Vgl. J.W.R. Schmidt (Hg.), Der Hexenhammer, Erster Teil, Darmstadt 1980, 127145, 157-170; Zweiter Teil, 75-87; im Vorwort eine Ubersetzung der lateinischen Papstbulle von 1485, Zit. S. XXXVII. Die Verfasser des Hexenhammers, Sprenger und Institoris, argumentieren bei der Unterscheidung zwischen „natürlichem Mangel" und Hexerei: „wenn die Rute sich gar nicht bewegt, so daß [d]er [Mann] niemals [sein Weib] erkennen konnte, so ist dies ein Zeichen von Kälte; aber wenn sie sich bewegt und steift, er aber nicht vollenden kann, so ist das ein Zeichen von Hexerei. Noch ist zu bemerken, daß die Hexerei nicht nur geschieht, daß jemand seine Handlung nicht vollbringen kann, sondern sie geschieht auch bisweilen, daß ein Weib nicht empfängt oder Frühgeburten tut...", ebd., Erster Teil, 131. Ebd., Zweiter Teil, 212. Vgl. zum Gegenzauber: Labouvie, Zauberei und Hexenwerk. Ländlicher Hexenglaube in der frühen Neuzeit, Frankfurt a.M. 1993, 221, 238-249. Η STA (Hauptstaatsarchiv) Wiesbaden, Best. 369, Nr. 429, fol. 1-5. A D M M Nancy, Best. Β 741, Nr. 27, o. fol., Prozeß vom 20. August 1588; selbst der Abt des Klosters Mettlach, Johann Greymeradt, hatte ihre Kunst 1580 bei einer schweren Krankheit, die er auf Behexung zurückführte, in Anspruch genommen; ebd., erwähnt in einem Hexenprozß gegen Weber Maria aus Mettlach, Merzig 1593; vgl. diesen Fall ausführlich in: Labouvie, Verbotene Künste, 238 f.

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Anmerkungen

137 STA SB, Best. Kirchenbücher, Bd. 25, Nr. 1939, S. 205. 138 Ebd., Kirchenbuch Bischmisheim, Fechingen, Eschringen, 1695-1745, Nr. 542 und Nr. 554. 139 Ebd., Bd. 4, Nr. 48, S. 320. 140 LASB, Best. Dep. Familie Stumm, Nr. 335, Briefe vom November und Dezember 1834; vgl. zur Familie Stumm: C. Lang, „Herren im Hause". Die Unternehmer, in: van Dülmen (Hg.), Industriekultur an der Saar. Leben und Arbeit in einer Industrieregion 1840-1914, München 1989, 132-145; van Dülmen/J.Jacob (Hg.), Stumm in Neunkirchen. Unternehmerschaft und Arbeiterleben im 19. Jahrhundert, St. Ingbert 1993; zur Situation der Frauen und unmündigen Kinder im Hause Stumm: Labouvie, In weiblicher Hand. Frauen als Firmengründerinnen und Unternehmerinnen (1600-1870), in: Dies. (Hg.), Frauenleben - Frauen leben. Zur Geschichte und Gegenwart weiblicher Lebenswelten im Saarraum (17.-20. Jahrhundert), St. Ingbert 1993,122 f. 141 Etwa: LASB, Best. 22, Nr. 4161, fol. 260, fol. 263 f.; ebd., Nr. 3782, fol. 89 f.; LHA Koblenz, Best, lc, Nr. 11335, fol. 596, fol. 709, fol. 917, fol. 1377, Kirchenvisitation Archidiakonat Tholey, Landkapitel Merzig, Wadrill, Remich; es geht um tote Frühgeburten und den Kindstod Neugeborener durch eine umgestoßene Wiege, einen Unfall und Ersticken im Bett; alle verstorbenen Kinder waren ehelich. 142 ADMM Nancy, Best. Β 741, Nr. 27, o. fol., 17. Juli 1597. 143 In Ausnahmesituationen, etwa bei Sturzgeburten oder der Entbindung nichtehelich schwangerer Frauen finden wir sie dennoch als Helferinnen; bei den Hebammenwahlen und bei Patenschaften waren sie nach meinen Erkenntnissen nicht ausgeschlossen. 144 Ich betrachte deshalb in diesem Abschnitt aus der Masse der Anträge auf Ehedispenz nur die Fälle, in denen ohne nachweisliche Schwangerschaft der Frau eine Eheerlaubnis abgelehnt worden wäre. 145 LASB, Best. 38, Nr. 624, fol. 357-360. 146 Ebd., Nr. 3784, fol. 103-106. 147 Ebd., Nr. 4426, fol. 169 f.; erst 1757 wurde das Heiratsalter für Männer auf 20 Jahre herabgesetzt; konnte sich der Mann durch ein Handwerk ernähren oder Güter nachweisen und einen Los-Schein vom Militärdienst nachweisen, war keine elterliche Eheerlaubnis mehr erforderlich. 148 J.J. Scotti, Sammlung der Gesetze und Verordnungen, welche in dem vormaligen Churfürstenthum Trier..., Teil 3, Düsseldorf 1832, Nr. 804, 1478; LA Speyer, Best. B2, Nr. 2596, o. fol., 1756; J.M. Sittel, Sammlung der Provinzial- und Partikulargesetze und Verordnungen..., Bd. 2, IV. Sammlung, Trier 1843, Nr. 57, 354 f. 149 Etwa: Houdaille, La population de Remmesweiler, 1184-1186; G. Cabourdin, Terre et hommes en Lorraine (1550-1635), Bd 1, Nancy 1977, 303 f.; für Merzig lagen die Durchschnittszahlen 1749 bis 1799 etwas höher, aber dennoch unter dem Mindestalter: bei 24,7 Jahren für Frauen und bei 26,4 Jahren für Männer, vgl. C. Magar, Zur demographischen Entwicklung in Merzig im 18. und frühen 19. Jahrhundert, unveröffentl. Staatsexamensarbeit, Saarbrücken 1993, 167. 150 LA Speyer, Best. B2, Nr. 2598, fol. 33 f. 151 Ebd., Nr. 2596, fol. 2-4, Regierungs-Justiz-Protokoll vom 16. Oktober 1756. 152 Ebd., Nr. 2598, fol. 31 f., Verordnung vom 30. März 1737. 153 Die normale Strafgebühr für Schwängerung betrug in der Herrschaft 20 Taler, STA SB, Best. Hospital, Nr. 1178, o. fol., Geldstrafentabelle von 1748; ebenso im Herzogtum Pfalz-Zweibrücken (1561: 10, ab 1720: 20 Taler); wer seit 1739 die Strafgelder nicht bezahlen konnte, wurde des Landes verwiesen; 1756 wurde die Strafe auf 100 Reichstaler erhöht und 1763 ganz abgeschaft, wenn eine Heirat erfolgte. Erfolgte keine Eheschließung blieb es bei der Geldstrafe oder einer Schanzarbeit

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(„herrschaftliche Arbeit") im Schloßgarten, A H W S , Rep. II, N r . 321, o. fol., Verordnungssammlung nach dem Alphabet. Ebd., fol. 3r. Vgl. allgem.: J.P. Michael, Artikel: E h e im Kirchenrecht, in: Lexikon f ü r Theologie und Kirche, Bd. 3, 1959, Sp. 690 ff.; H . G . Hesse, Evangelisches Ehescheidungsrecht in Deutschland, B o n n 1960; P. Hinschius, System des katholischen Kirchenrechts, Bd. 5, Graz 1959, 813 ff.; H . Dieterich, Das protestantische Eherecht in Deutschland bis z u r Mitte des 17. Jahrhunderts, München 1977; P. M ü n c h , Kirchenzucht und Nachbarschaft, in: E.W. Zeeden/P. Thaddäus (Hg.), Kirche und Visitation, Stuttgart 1984, 216 ff.; M. Schröter, „ W o zwei z u s a m m e n k o m m e n in rechter Ehe". Sozio- und psychogenetische Studien über Eheschließungsvorgänge vom 12. bis 15. Jahrhundert, F r a n k f u r t a.M. 1985, 1990; z u m Untersuchungsraum: K.P. Wernher, Entwurf einer Kirchen- und Religionsgeschichte des H e r z o g t u m s Z w e y b r u c k e n nach der Regierungs=Zeit der Durchlauchtigsten H e r r e n H e r z o g e n von der Reformation an bis auf unsere Zeit aus unverwerflichen U r k u n d e n verabfasset, H a n a u 1782; F. Back, Die evangelische Kirche im Lande zwischen Rhein, Mosel, N a h e und Glan bis z u m Beginn des dreißigjährigen Krieges, 2 Bde., Bonn 1872; Konersmann, Disziplinierung und Verchristlichung, 16-41; Ders., Presbyteriale Kirchenzucht unter landesherrlichem Regiment. Pfalz-Zweibrücken im 17. und 18. Jahrhundert, in: S. Brakensiek/A. Flügel u.a. (Hg.), Kultur und Staat in der Provinz. Perspektiven und Erträge der Regionalgeschichte, Bielefeld 1992, 315-329. Zit. aus der „ S t r a f f = O r d n u n g " f ü r das H e r z o g t u m Pfalz-Zweibrücken, 1605, erneuert um 1729, LA Speyer, Best. B2, N r . 2598, fol. 18 f.; diesbezügliche Regelungen finden sich schon in der Kirchenordnung von 1557 und in der E h e o r d n u n g von 1605, in welcher das Eheverbot f ü r Paten und Gevattern aufgehoben wird. Die verhandelten Prozesse des Ehe- und Kirchengerichts in Zweibrücken, das von 1558 bis 1664 tätig war, finden sich im A H W S , Rep. II, N r . 280; Grundlage f ü r die Scheid u n g der Ehen unter Verwandten bis z u m dritten Grad und unter Verschwägerten lieferte die Kirchenordnung von 1557, ebd., fol. 21. LASB, Best. 22, N r . 3776, fol. 19. Vgl. die Auswertungen bei Konersmann, Presbyteriale Kirchenzucht, 339, Anm. 107. Kirchenbuch Hüttersdorf im Pfarrarchiv Hüttersdorf. Die Statistik habe ich aus den Angaben in: W. Bohrer, Register zu dem 1. Katholischen Kirchenbuch der Pfarrei H o m b u r g / S a a r 1681-1694, Zweibrücken 1990 und: Ders., Register zu dem katholischen Kirchenbuch der Pfarrei H o m b u r g / S a a r 1694— 1798, 2 Bde., Zweibrücken 1988. F ü r Zweibrücken vgl. Ders., Register zu dem lutherischen Kirchenbuch der Stadt Zweibrücken mit den eingepfarrten Landgemeinden von 1803-1818, Zweibrücken 1991, f ü r Birkenfeld: R. Jung, Ortssippenbuch der Heide- und Unterberggemeinden im Landkreis Birkenfeld, 2 Bde., N o n weiler 1978; Ders., Familienbuch Birkenfeld 1557-1798, Nonweiler 1989; BAT (Bistumsarchiv Trier), N r . 131/ 29-33; ebd., 1-2; ebd., N r . E G 2531; Lohmeyer, Bearbeitung von Birkenfelder Kirchenbüchern, Teil 1, 23 f.; f ü r Saarbrücken: STA SB, Best. Kirchenbücher, Bd. 1-24; f ü r Sarreguemines, J. Rohr, D o c u m e n t s genealogiques de Sarreguemines (Folpersviller - N e u n k e r c h - Weiferding) de 1663 ä 1790, Sarreguemines 1974; f ü r N a n c y , Metz und andere lothringische Orte: Kreisarchiv Saarlouis, Kirchenbücher (Kopien), hg. vom Cercle genealogique de Lorraine, nach dem Alphabet geordnet; f ü r Bitsch: A D M Metz, Best. B, N r . 5964: Declaration de grossesse, 1714-1791: Die Väter sind Kanoniere, Soldaten, T a m b o u r e n oder K o r p o räle; im Jahre 1756 etwa handelt es sich bei den 14 angegebenen illegitimen Vätern in acht Fällen um Militärangehörige. Vgl. allgem.: R. Pröve, Stehendes Heer und staatliche Gesellschaft im 18. Jahrhundert. Göttingen und seine Militärbevölkerung, Diss. phil. Göttingen 1992, 132-137; J. Ehmer, Das Heiratsverhalten und die Tradi-

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Anmerkungen tionen des Kapitalismus. England und Mitteleuropa im 19. Jahrhundert, Wien 1991, 47-61. Vgl. B. Rupp, Die Einwohner von Lisdorf und Ensdorf von 1520 bis 1735, Saarbrücken 1973, Tabelle der unehelichen Kinder am Ende des Bandes; STA SB, Best. Kirchenbücher, Bd. 3, 246, 1744; 270, 1747; Bd. 4, 30, 1750; 100, 1757; 237, 1768; Bd. 25, 109, 1753; Bd. 26, 125, 1798; die meisten Frauen geben keinen Kindsvater an oder geben vor, ihn nicht mit Namen zu kennen. In den katholischen Kirchenbüchern (Bd. 8-11) finden sich dagegen keine Angaben über die Kindsväter. Seit 1766 war es den evangelischen Pfarrern offiziell in der Grafschaft nach der Kirchenordnung, § 8, verboten, die Väter der illegitimen Kinder ins Kirchenbuch einzutragen, wenn sie nicht vor Gericht ihre Vaterschaft anerkannt hatten; ebd., Bd. 4, 377, 1766; 442, 1779; 542, 1783; 554, 1784; Bd. 25, 216, 1775; 221,1776. STA SB, Best. Hospital, Nr. 1179, o. fol., 1770; LASB, Best. 22, Nr. 4426, fol. 6163; Scotti, Sammlung, Bd. 3, Nr. 691, 1249 f., 1769; ebd., Bd. 2, Nr. 508, 1042 ff., 1745; AHWS, Rep. IV, Nr. 3272, Verordnungssammlung, 1730. STA SB, Best. Hospital, Nr. 4426, fol. 62: Frauen sollten mit „Leibes Straffen exemplarisch bestraffet werden"; AHWS, Rep. IV, Nr. 3272: die Frauen erhielten eine „nachdrückliche Strafe"; Scotti, Sammlung, Bd. 2, Nr. 508, 1043: Frauen zahlten acht Gulden Strafe oder kamen 15 Tage bei Wasser und Brot in den Turm, erhielten eine verschärfte Kirchenbuße und konnten sogar des Ortes oder Landes verwiesen werden. LA Speyer, Best. B2, Nr. 2601, o. fol., Regierungsprotokoll vom 30. Januar 1779. Ebd., fol. 4-9, fol. 13-15. Ebd., fol. 6r. EBd., Nr. 2599, fol. 63 f. LH Α Koblenz, Best, lc, Nr. 7487, fol. 233-264. Ebd., Nr. 18637, o. fol.; ebenso: LASB, Best. 22, Nr. 3784, fol. 187; ebd., Nr. 625, fol. 445 f.: hier waren die Dienstherrschaften auf einer Hochzeit. Etwa: LASB, Best. 22, Nr. 3784, fol. 123 f.; ebd., Best. 38, Nr. 625, fol. 49 f.; ebd., Best. 22, Nr. 3781, fol. 438 f.; ebd., Nr. 5427, fol. 56; ebd., Nr. 3776, fol. 115 f.; LA Speyer, Best. B2, Nr. 2600, fol. 5-7; STA SB, Best. Kirchenbücher, Bd. 3, Nr. 33, fol. 270. LA Speyer, Best. B2, Nr. 2600, fol. 5 f.; LASB, Best. 22, Nr. 5427, fol. 55r; ebd., Nr. 3784, fol. 125; ebd., Nr. 4309, o. fol. erste Vernehmung, Frage 3; LHA Koblenz, Best, lc, Nr. 18637, o. fol.; ebd., Nr. 17698, o. fol.; LASB, Best 22, Nr. 3778, fol. 277-286; ADMM Nancy, Best. BJ 11050, o. fol, 1770; ebd., Best. 3B, Nr. XVIII/7, o. f o l , 1755; ADM Metz, Best. 10 F, Nr. 622, o. fol; dieselben Familienkonstellationen stellt auch Laperche-Fournel, Les enfants indesirables, 27 f f , fest: „Souvent ä ses filles dont les parents sont decedes ... Pinfanticide parait desormais la seule echappatoire ...". Margaretha Schmitt war zwischen 27 und 30 Jahre alt oder älter, LASB, Best. 22, Nr. 4309; Christina Theobald war 30 Jahre alt, ebd., Nr. 3778, fol. 603; Anna Elisabeth Schultheiß zählte 28 Jahre, AHWS, Rep. VII, Nr. 110; Marie Bazinet war 29, die Haushälterin des Pfarrers von Baillay 40 Jahre alt, ADM Metz, Best. Β 3626; ADMM Nancy, Best. 3B, Nr. XVIII/7; in den Kirchenregistern finden wir ebensowenig Altersangaben wie in den meisten Schwängerungsklagen; einige Frauen konnten auch keine eigenen Altersangaben machen. AHWS, Rep.V, Nr. 7, o. fol, 1750. Für die lothringische Herrschaft Criechingen: „binnen einer vierteiljährigen Zeit", ADM Metz, Best. B, Nr. 9931, Jahrgeding 1749; für Nassau-Saarbrücken: innerhalb fünf Monaten, LASB, Best. 22, Nr. 4429, fol. 37; ebd., Nr. 4611, fol. 95; ebd., Nr. 2353, fol. 776; für Pfalz-Zweibrücken: beim Verspüren, LA Speyer, Best. B2, Nr.

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2599, fol. 24r; für die Herrschaft von der Leyen: innerhalb von sechs Monaten, LA Speyer, Best. C33, Nr. 206c, unter Punkt 7 der Verordnung. LASB, Best. 22, Nr. 3778, fol. 277; ebd., Nr. 3784, fol. 123r; ebd., fol. 187; ebd., Nr. 5427, fol. 56; ebd., Nr. 5427, fol. 152; ebd., Best. C 36, Nr. 45, fol. 507 f.; L A Speyer, Best. B2, Nr. 2600, fol. 7r; L H A Koblenz, Best, lc, Nr. 14127, o. fol., 1598; A H W S , Rep. V, Nr. 7, o. fol., 1737. Auch ein zunächst geflüchteter, später zurückgekehrter Kindsvater gab an, er habe das Land verlassen, weil er „den Schimpf" gefürchtet habe, A H W S , Rep. V, Nr. 7, o. fol., 1737; L A Speyer, Best. B2, Nr. 2600, fol. 7r; L H A Koblenz, Best, lc, Nr. 17698, o. fol., 1695; auch: A H W S , Rep. V, Nr. 110, o. fol., 1768: „sie habe es dem Pfarrer offentdecken wollen, habe sich aber geschämt". L A Speyer, Best. B2, Nr. 2600, fol. 5 f.; LASB, Best. 22, Nr. 5427, fol. 55r; A D M M Nancy, Best. B, Nr. 3623, o. fol; ähnlich: LASB, Best. 22, Nr. 3780, fol. 314 f. LASB, Best. 38, Nr. 625, fol. 446; ebd., Best. 22, Nr. 3778, fol. 611. L A Speyer, Best. B2, Nr. 2600, fol. 47 ff.; ähnlich auch: L H A Koblenz, Best, lc, Nr. 14127, o. fol., 1599; A H W S , Rep. VII, Nr. 110, o. fol. 1767. So etwa Margaretha Schmitt, LASB, Best. 22, Nr. 4309, o. fol.; ebd., Nr. 3776, fol. 116; Madelaine Schutz, A D M M Nancy, Best. 7B, Nr. 286, o. fol., 1777-79. Die vom Nunkircher Pfarrer geschwängerte Magd Cathrin Meyer, war nach dem Eingeständnis ihrer Schwangerschaft vom Geistlichen „sehr ausgeschmehet und über diemassen gescholten" worden, daß sie das Pfarrhaus verließ, LASB, Best. Münchweiler, Akten, Nr. 390, fol. 70 f.; STA SB, Best. Kirchenbücher, Bd. 4, Nr. 50, 228: „es wäre ihr zwar das stillschweigen von dem Herrn Forstmeister auferleget, sie könnte aber keinen anderen Vatter des Kindes angeben"; derartige Schweigegebote erteilten häufig verheiratete Männer in höheren Positionen. So notiert der Pfarrer von St. Arnual 1771: „Louisa Christina Kuntzin von Ottweiler uneheliches Söhngen (davon man mir den Vater, der ein gewisser Cavalier seyn soll, nicht nennen wollen), ward gebohren den 26. Aprilis 1771...", STA SB, Best. Kirchenbücher, Bd. 18, 66. LASB, Best. 22, Nr. 3778, fol. 604. A H W S , Rep. V, Nr. 7, o. fol., 1759. L H A Koblenz, Best, lc, Nr. 4309, fol. 129, fol. 131 f. So etwa: L H A Koblenz, Best, lc, Nr. 18637, o. fol., 1714. So die Bezeichnungen aus den Kirchenbüchern im STA SB, Best. Kirchenbücher, Bd. 3 - 7 ; Bd. 24; hier führten die Geistlichen auch sogenannte „Hurenregister", in die uneheliche Geburten eingetragen wurden; ebenso in: Bohrer/Wittmer, Register zu dem evangelisch-lutherischen Kirchenbuch der Pfarrei Battweiler und Dellfeld 1757-1757, 24, 31, 57; Evangelisches Kirchenarchiv Dudweiler, Kirchenbuch 17561798, Bd. 1, Kl,2, Nr. 52, 53, 101, 185, 216, 236, 237, fol. 67, Nr. 20, fol. 90, Nr. 113,, fol. 93, Nr. 127, fol. 106, Nr. 179, fol. 107, Nr. 183, fol. 108, Nr. 198, fol. 118, Nr. 235, fol. 128, Nr. 289, fol. 138, Nr. 309, fol. 135, Nr. 315, fol. 139, Nr. 4, fol. 184, fol. 190, fol. 192, fol. 197, fol. 200: durchgängig ist die Bezeichnung Hure; ebd., Nr. K l , l , Kirchenbuch 1673-1755, Nr. 322, Nr. 347, fol. 130, Nr. 8, fol. 133, Nr. 2, fol. 140, Nr. 13, fol. 145; Hurenregister fol. 177: hier werden als Huren nur Frauen bezeichnet, die Dienstmägde sind, seit Jahren in einer ,wilden Ehe' leben, sich von Soldaten haben schwängern lassen oder bereits mehere illegitime Kinder haben. So etwa LASB, Best. 22, Nr. 4309 beim Schwangerschaftsverdacht der Margaretha Schmitt aus Bous. A D M M Nancy, Best. Β 741, Nr. 27, o. fol., Hexenprozeß gegen Ida Schweinshirters von Besseringen, 31. August 1594; ebd., Best. B, Nr. 3626, o. fol., 1608. Im Untersuchungsbereich finden sich unzählige Nachweise zu sogenannten „Pfaffenkindern" katholischer Geistlicher und un- oder vorehelichen Kindern protestan-

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Anmerkungen tischer Pfarrer; ich verweise nur auf die ausführlicheren Fälle: AHWS, Rep. V, Nr. 15, fol. 256-72; ebd., o. fol., 1627; ebd., Rep. VII, Nr. 110, o. fol., 1736; ebd., Rep. VI, Nr. 299, 1761; ADMM Nancy, Best. B, Nr. 3626, 1608; ebd., Best. 3B, Nr. VII/3, 1711; ebd., Best. IIB, Nr. 1835; ebd., Nr. 1944; ebd., Best. B, Nr. 9502, o. fol., 1598; BAT Trier, Abt. 95, Nr. 324, fol. 90, fol. 92 f.; ebd., Abt. 20, Nr. 161, fol. 21 Or; ADM Metz, Best. Β 10 F, Nr. 181; LASB, Best. Münchweiler, Akten, Nr. 390, fol. 69-74; LA Speyer, Best. B2, Nr. 1039/2, fol. 1—45; hierzu ausführlich: Labouvie, Geistliche Konkubinate auf dem Land. Zum Wandel von Ökonomie, Spiritualität und religiöser Vermittlung, in: Geschichte und Gesellschaft (i. Dr.). LASB, Best. 22, Nr. 3784, fol. 124. LHA Koblenz, Best, lc, Nr. 18637, o. fol., 1714. LHA Koblenz, Best. 24, Nr. 1447, fol. 9; vgl. auch den Fall der Anne Catherine Vivier aus Bettborn, die nach Schwängerung durch den Sohn ihrer früheren Dienstherrin und dessen Äußerung, das Kind müsse weg, das Neugeborene in einen der Seen um Mittersheim warf, ADMM Nancy, Best. 8 B, Nr. 147, o. fol., 1731. Vgl. Cf.J. Peters, La criminalite dans le bailliage de Longwy (1680-1789), m. maitrise, Metz 1974, 17 (2,8%); Th. Lambert, La criminalite dans le bailliage de Nancy au XVIIIe siecle, m. maitrise, Nancy 1970, 28 f. (1720-1738=1,1%, 1771-1789= 0,8%); P. Tailleur, Delinquance et criminalite en Lorraine au XVIIIe siecle (1740-1790), m. maitrise, Nancy 1986, 34, 72 (bei 974 Delikten drei Kindsmorde); Logette, La delinquance feminine devant la cour souveraine de Lorraine et Barrois, in: Annales de l'Est 2 (1980), 133-159; St. Gaber, Infanticide et declarations de grossesse en Lorraine, in: Revue Lorraine Populaire, August 1983, 240 f.; Laperche-Fournel, Les enfants indesirables, 26; allgem. vgl. van Dülmen, Frauen vor Gericht, 46-75; G. Schwerhoff, Köln im Kreuzverhör. Kriminalität, Herrschaft und Gesellschaft in einer frühneuzeitlichen Stadt, Bonn/Berlin 1991, 407-418; Alfing/Schedensack, Frauenalltag, 98-114; F. Lebrun, Naissances illegitimes et abandons d'enfants en Anjou au XVIIIe siecle, in: Annales E.S.C. 27 (1972), Heft 4-5, 1183-1189; O. Ulbricht, Kindsmord und Aufklärung in Deutschland, München 1990,174-216. Vgl. neben den Angaben unten auch: W. Oehling, Die Einwohner von Felsberg vor 1850, Saarlouis 1992, 291, 318; Bohrer/W. Wittmann, Register zu dem evangelischlutherischen Kirchenbuch der Pfarrei Battweiler und Dellfeld 1757-1787, Zweibrücken 1982, 24: Bei Eintragung der letzten Geburt von 1776 setzt der Pfarrer die Bemerkung hinzu: „Diese Person hat sich schon 9 Jahre bei ihm [dem Stahlschmied Guldenberg von Contwig] aufgehalten, und sie haben miteinander schon 5 kinder gezeuget, wovon 2 im Kirchenbuch als ehelich eingeschrieben wurden". Vgl. H.-P. Klauck, Die Einwohner der Pfarrei Nunkirchen vor 1801: Biel, Büschfeld, Michelbach, Münchweiler, Nunkirchen, Saarbrücken 1992, 177, 190, 201, 241, 245, 291, 330; Burg/Treinen, Die Einwohner von Wadgassen, 2 Bde., hier nur einige Beispiele: eine Tagelöhnerin aus Differten brachte 1831, 1834, 1839 und 1842 insgesamt sechs uneheliche Kinder von unbenannten Vätern zur Welt und heiratete 1855 mit 48 Jahren einen Einheimischen aus Differten (Bd. 2, 1130), eine Frau aus Hostenbach die zwischen 1845 und 1866 sieben uneheliche Kinder von nicht angegebenen Vätern gebar, heiratete 1875 im Alter von 45 Jahren einen verwitweten Bergmann aus ihrem Heimatort (Bd. 2, 1280); die Tochter des Hirten von Friedrichsweiler, die 1778 und 1779 uneheliche Kinder zur Welt brachte, heiratete 1781 den Hirten von Schaffhausen; ihre Schwester, die 1791 und 1793 von ebenfalls nicht angegebenen Vätern illegitime Kinder zur Welt brachte, heiratete gleich zweimal, zuletzt 1808 einen Bandhändler (Bd. 2, 1341, 1342); die Nichte der beiden Schwestern kam zwischen 1824 und 1837 mit sechs unehelichen Kindern nieder und heiratete 1841 mit 42 Jahren (Bd. 2, 1343); weitere Bspe: Bd 1, 533: 1751; ebd., 577, 1749; 641, 1776; 676, 1798; 686, 687; 787; 818, 1713; 863, 1849; 894, 1828; 894, 1835;

Anmerkungen

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Bd. 2, 1084, 1797; 1265, 1788; 1265, 1790; 1449, 1792, 1450, 1804; 1456, 1834; 1463, 1771; 1520, 1802; 1534, 1809; 1538, 1830; 1561, 1813 u.w.m. Vgl. H. Jüngst-Kipper/K.L. Jüngst, Einwohner von Dudweiler und Jägersfreude vor 1815. Familien und Sozialgeschichte, Saarbrücken 1990, Frauen, die heirateten: Nr. 51 (drei unehel. Kinder), N r . 54 (zwei unehel. Kinder), Nr. 264 (drei unehel. Kinder); N r . 265 (drei unehel. Kinder); Nr. 267 (zwei unehel. Kinder); Nr. 365 (ein unehel. Kind); Nr. 394 (zwei unehel. Kinder); Nr. 731 (zwei unehel. Kinder); Nr. 829 (ein unehel. Kind), Nr. 830 (ein unehel. Kind); Nr. 831 (ein unehel. Kind); Nr. 845 (ein unehel. Kind); Nr. 1091 (ein unehel. Kind); Dienstmädge, Fremde: Nr. 248 (Schweizerin); Nr. 355 (Mühlenmagd); Kindsväter Soldaten, Fremde, Verwandte: Nr. 371 (Sachse); Nr. 491 (Grenadier); Nr. 493 (Vetter der Kindsmutter); Nr. 1036 (Grenadier); ledige Mütter, die nicht mehr heiraten: Nr. 398 (Industriesiedlung); Nr. 800 (ebd.); Nr. 801 (ebd.); Nr. 850 (Kerndorf); Nr. 858 (Industriesiedlung); Nr. 1038 (ebd.); Nr. 1090 (Kerndorf). Die Studie von R. Beck, Illegitimität und voreheliche Sexualität auf dem Land. Unterfinning, 1671-1770, in: van Dülmen (Hg.), Kultur der einfachen Leute, Bayerisches Volksleben vom 16. bis zum 19. Jahrhundert, München 1983, 140-144, vertritt die Ansicht, daß die Kultur der Unverheirateten sich auf „unerträgliche Enthaltsamkeit" und das „Bettfreien", das Zusammenliegen abwechselnder Partner ohne intime sexuelle Praktiken beschränkte; J.-L. Flandrin, Repression and Change in the Sexual Life of Young People in Medieval and Early Modern Times, in: Journal of Family History 2 (1977), 196-210, hier: 202 f., geht davon aus, daß nur der Coitus ausgespart wurde, andere Praktiken jedoch erlaubt waren. Jüngst-Kipper/Jüngst, Einwohner von Dudweiler, 82, 132, 198. Nicht selten wandte sich eine illegitim Schwangere, wenn sie mit ihrer Familie gesprochen hatte, an den Geistlichen als Ehevermittler, der dann den Kindsvater „ins Gebet" nahm oder sich vor Gericht für die Frau verwandte; so etwa AHWS, Rep. V, Nr. 7, o. fol., 1746; ebd., o. fol., 1737; ebd., o. fol. 1751; ebd., o. fol., 1759; ebd., Rep. VII, Nr. 110, fol. 23; ebd., o. fol., 1767; ebd., Nr. 15, o. fol., 1734; LASB, Best. 38, Nr. 625, fol. 446; L H Α Koblenz, Best, lc, Nr. 7487, fol. 235; manchmal war auch der Dienstherr des Schwängerers Ansprechpartner wie in: LASB, Best. 22, Nr. 378, fol. 278 f. Diese Erklärungen bieten die meisten Darstellungen zum Kindsmord oder zur verheimlichten Schwangerschaft, etwa: R.W. Malcolmson, Infanticide in the Eighteenth Century, in: J.S. Cockburn (Hg.), Crime in England 1550-1800, Princeton 1977, 187-209; Η. Rodegra u.a. (Hg.), Kindsmord und verheimlichte Schwangerschaft in Hamburg im 18. Jahrhundert. Versuch einer soziologischen und sozialpsychologischen Analyse, in: Gesnerus 35 (1978), 276-296; Farge, Das brüchige Leben, 89119; Läget, Naissances, 298-306; Schulte, Das Dorf im Verhör. Brandstifter, Kindsmörderinnen und Wilderer vor den Schranken des bürgerlichen Gerichts, Reinbek b. Hamburg 1989, 126-130, 174 f.; Dies., Kindsmörderinnen auf dem Land, 113-142; H. Valentinitsch, Zur Geschichte des Kindsmordes in Innerösterreich. Gerichtspraxis und landesfürstliches Begnadigungsrecht im 17. Jahrhundert, in: Ders. (Hg.), Recht und Geschichte. FS Hermann Baltl zum 70. Geburtstag, Graz 1988, 573-591; Ulbricht, Kindsmord, 161-174; Ders. Kindsmörderinnen vor Gericht. Verteidigungsstrategien von Frauen in Norddeutschland 1680-1810, in: A. Blauert/Schwerhoff (Hg.), Mit den Waffen der Justiz. Zur Kriminalitätsgeschichte des späten Mittelalters und der Frühen Neuzeit, Frankfurt a.M. 1993, 54-85; Alfing/Schedensack, Frauenalltag, 98-114; van Dülmen, Frauen vor Gericht, 76-97. Eine Wiederaufnahme in die Kirchengemeinschaft erfolgte auf Bittgesuche der Exkommunizierten über die Ortsgeistlichen, AHWS, Rep. V, Nr. 7, ο fol., 1767; ebd., Rep. VII, Nr. 215, o. fol., 1743: „in betracht sie sich vor 8 Jahren schwängern

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Anmerkungen lassen, mit der Kirche wieder versöhnet, und zum H. abendmahl belassen werden möge...". Bei Begräbnissen galt für Exkommunizierte in der Regel eine Bestattung ohne Prozession und an einem besonderen Ort, zuweilen sogar außerhalb des Kirchhofes, etwa nach der Kirchenordnung von 1774 für Pfalz-Zweibrücken, AHWS, Rep. VII, Nr. 215, o. fol., 1774. In den Sterberegistern der Kirchenbücher finden sich auch die Eintragungen „... ist in excommunication gestorben" zum Tod lediger Mütter. LASB, Best. 22, Nr. 4418, fol. 5 f.; ebd., Nr. 4611, fol. 37 f. HSTA Wiesbaden, Best. 131, Nr. XlVa, 241, fol. 1-4, 1725; ebd., o. fol., 1738; ebd., Nr. IXa, 8, fol. 4-8; LASB, Best. 22, Nr. 3782, fol. 61 r; ebd., Nr. 2353, fol. 551: Erst 1752 schaffte der Landesfürst den Schellenkarren wieder ab; ebd., Best. Dep. des Hist. Vereins für die Saargegend, verschiedene Signaturen 1-25, o. fol. 1740; STA SB, Best. Hospital, Nr. 1178, Geldstrafentabelle, 1748. LASB, Best. 22, Nr. 3516, fol. 32-35. In der Regel zahlten um 1770 Frauen und Männer wegen illegitimer Schwängerung je zwei Gulden an die städtische Hospitalkasse in Saarbrücken; STA SB, Best. Hospital, Nr. 1178 und Nr. 1179, o. fol. Die Turmstrafe bestand 1768 noch weiterhin. LASB, Best. 38, Nr. 624, fol. 55 f., fol. 142; ebd., Nr. 621, fol. 153 f., fol. 205 f.; ebd., Nr. 624, fol. 485; vgl. auch: K. Hoppstädter, Aus der Geschichte des Dorfes Primstal, in: Heimatbuch des Landkreises St. Wendel 13 (1969/70), 42, 44 f. LA Speyer, Best. C33, Nr. 206c, o. fol., Verordnungen von 1750 und 1768; ebd., o. fol., ein Fall von 1766 aus St. Ingbert: Das Gnadengesuch der Maria Greß wird aufgrund ihrer zweiten unehelichen Schwangerschaft abgelehnt, sie muß die Kirchenstrafe absolvieren. Für Kurtrier: Scotti, Sammlung, Bd. 2, Nr. 508, 1042, Verordnung von 1745; für Lothringen etwa: LA Speyer, Best. B2, Nr. 2604, fol. 2 f., fol. 19-22, fol. 33 f.; STA (Stadtarchiv) Saarlouis, Abt. IX, Nr. 28, o. fol., 1788: in Lothringen mußten Schwangere ihre Schwangerschaft beim Ortsvorsteher oder Amt anzeigen, worauf ein Alimentationsprozeß eingeleitet wurde. Dem Kindsvater wurde die Wahl gelassen, das Kind, bis es seinen Lebensunterhalt selbst verdienen konnte, bei sich aufzunehmen und katholisch zu erziehen, oder der Mutter sechs Livre monatlich, ein Betrag, der sich nach den Kosten für Findelkinder in lothringischen Spitälern bemaß, als Alimentation zu zahlen. Verordnungen von 1561, 1563, Kirchenordnungen von 1539 und 1557, AHWS, Rep. II, Nr. 321. AHWS, Rep. VI, Nr. 1077,, fol. 3 f.; LA Speyer, Best. B2, Nr. 2598, fol. 17-20. LA Speyer, Best. B2, Nr. 2606, fol. 9-14, fol. 41 f.; ebd., Nr. 2598, fol. 9 f., fol. 70, fol. 73. LA Speyer, Best. B2, Nr. 2598, fol. 26-27r, fol. 78 f.: 1757 wurden die öffentlichen Kirchenstrafen von Pfalzgraf Christian durch eine Privatzensur beim Ortsgeistlichen ersetzt; AHWS, Rep. II, Nr. 321, Verordnungen von 1720, 1739 (2), 1746, 1747 (2), 1756 (2), 1755, 1758, 1760 (2), 1763, 1767; STA Saarlouis, Abt. IX, Nr. 28, 1788 und LA Speyer, Best. B2, Nr. 2604, 1787, fol. 2 f.: Arme Personen absolvierten eine bis zu achttägige Turmstrafe, vermögende leisteten eine Geldstrafe zur Unterstützung Notleidender; bei Heirat wurden seit 1763 sämtliche Strafen aufgehoben. Das Tragen der Lastersteine betraf vor allem die Frauen, während es Männern erlaubt war, sich davon freizukaufen, AHWS, Rep. V, Nr. 7, o. fol., Fall von 1712; ebd., o. fol., Fall von 1706. LA Speyer, Best. B2, Nr. 2604, fol. 2 f.; ebd., Nr. 2599, fol. 24 f.; ebd., Nr. 2598, fol. 45; ebd., Nr. 2603, fol. 171-18r; ebd., Nr. 2603, fol. 3 f.; LASB, Best. 22, Nr. 4429, fol. 37 f.; ebd., Nr. 2353, fol. 775 f.; ebd., Nr. 4611, fol. 94 f.; Archiv der evangelischen Kirchengemeinde Ottweiler, Nr. 00/1, fol. 385; LHA Koblenz, Best. 24, Nr.

Anmerkungen

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1276, ο. fol., 16. Jh.; A H W S , Rep. VII, N r . 139a, o. fol., Verordnungen 1729, 1748, 1763, 1764, 1765; ebd., Rep. VI, N r . 381, fol. 100 f.; ebd., Rep. IV, N r . 3272, o. fol., 1743, 1748, 1757; A D M Metz, Best. B, N r . 9931, Polizeiverordnung f ü r die H e r r schaft Criechingen, 1749. H S T A Wiesbaden, Abt. 150, N r . XlVa, 4425, fol. 2 f.; STA SB, Best. Stadtgericht St. J o h a n n , N r 159, o. fol., 1791; LASB, Best. 22, N r . 4611, fol. 94 f.; ebd., N r . 4429, fol. 3 f. A D M Metz, Best. 10 F, N r . 150, o. fol., Herrschaft Criechingen, Justiz Saarwellingen 1661-1773; vgl. eine frühere Darstellung dieses Falles unter dem Aspekt seiner volksmagischen K o m p o n e n t e , in: Labouvie, Verbotene Künste, 249. Vgl. A. H e i n z , Heilige im Saarland, Saarbrücken 1991, 28-33; Ders., Glaubenszeugen und Fürsprecher. Die Heiligen des Saarlandes, Saarbrücken 1980, 16-21; Fox, Saarländische Volkskunde, 251. So bezeichnet und beschreibt es D u d e n , Geschichte unter der H a u t , 181 ff., sehr zutreffend. Ebd., 193. Vgl. J. Wessel, Auch Arzte entdecken die Gravidität nicht immer, in: Deutsches Ärzteblatt - Ärztliche Mitteilungen 89 (1992), H e f t 34/35, 2818-2820: z u r Mehrdeutigkeit schwangerschaftstypischer Anzeichen bis heute. Verdier, Drei Frauen, 17, 20, 41. Vgl. H . Bächtold-Stäubli, H a n d w ö r t e r b u c h des deutschen Aberglaubens ( H D A ) , B d . l , B e r l i n / N e w York 1987, Sp. 1436-1439; Labouvie, Verbotene Künste, 101, 106 f., 123; Schneider, Heilmittel, 25; Becker, Von Hausmitteln, 164; Schreibbuch des J o h a n n Peter Nicolay, worinnen allerley Recepten und sonstige Schreybereyen eingetragen sind: angefangen den lten jenner 1808, Dilsburger Handschrift, Privatbesitz; Merkbuch des Dietrich Bikelmann, 1852-64, Privatbesitz: „Für ein Pferd oder Rindfie das reh ist: nimm ein hemd oder leintuch von einer Frau, die ihre monatliche Zeit hat, lege selbiges ins frische Wasser und gieb dem Vieh davon zu trinken". Vgl. M. J o h n s o n , T h e Body and the Mind: T h e Bodily Basis of Meaning, Imagination and Reasons, C h i c a g o / L o n d o n 1987; A. Vergote, T h e Body as Understood in C o n t e m p o r a r y T h o u g h t and Biblical Categories, in: Philosophy T o d a y 35 (1991), 93-105; J.L. N a n c y , C o r p u s , in: J. F. MacCannell (Hg.), Thinking Bodies, Stanford 1994, 17-31; H . P u t n a m (Hg.), W o r d s and Life, Cambridge 1994, 38-43, 69 ff.; J.F. Keenan, C u r r e n t Theology N o t e : Christian Perspectives on the H u m a n Body, in: Theological Studies 55 (1994), 30-246; D.B. Morris, Geschichte des Schmerzes, F r a n k f u r t a.M. 1995, 152 ff.; C. Bynum, W a r u m das ganze Theater mit dem Körper? Die Sicht einer Mediävistin, in: Historische Anthropologie 4 (1996), H e f t 1, 1-33; problematisch: J. Butler, Körper von Gewicht, Berlin 1995. Vgl. z u r ,älteren' Körpervorstellung auch: M. Bachtin, Literatur und Karneval. Zur Romantheorie und Lachkultur, München 1969, 358 f.; Pomata, U n tribunale dei malati: Ii Protomedicato bolognese 1570-1770, Bologna 1983, 71 ff.; M.-C. Pouchelle, C o r p s et Chirurgie ä Γ Apogee du Moyen-Age, Paris 1983, 139-148, 158 f.; G. Mentges, Blicke auf den ländlichen Leib. Z u r Geschichte einer Enteignung. Eine Darstellung anhand Kleiderbeschreibungen aus Württemberg von 1820 bis 1910, in: van Dülmen (Hg.), Körper - Geschichten, 177 f. V. Turner, Das Ritual. Struktur und Anti-Struktur, F r a n k f u r t a . M . / N e w York 1989, 47; Douglas (Reinheit und Gefährdung, 161) beschreibt die wechselseitige Vielschichtigkeit wie folgt: „Ebenso wie man sagen kann, daß alles ein Symbol f ü r den Körper ist, kann man auch (und nicht zuletzt deswegen) sagen, daß der Körper ein Symbol f ü r alles andere ist"; den Psychologen wirft die Autorin vor, „alles Verhalten auf die zwanghafte Beschäftigung des Individuums mit seinem Körper" zu re-

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Anmerkungen duzieren, den Soziologen, daß sie immer gleich von „gesellschaftlicher Erfahrung des Individuums" sprechen. van Gennep, Übergangsriten (Les rites de passage), Frankfurt a.M. 1986, 15 f., 21 f.; Turner, Das Ritual, 94-127. Turner, Das Ritual, 94. van Gennep, Übergangsriten, 47 f.; Turner, Das Ritual, 94 f., 107,159 f. van Gennep, Übergangsriten, 16, 20; Turner, Das Ritual, 9, 95. LASB, Best. 22, N r . 3778, fol. 604. Vgl. Loux, Das Kind, 60 f. Moritz, Kurze Unterweisung, 9, 20 f., 40, 43 f., 53. Vgl. von Schönwerth, Aus der Oberpfalz, Bd. 1, 152. Nachlaß Merckelbach-Pinck, Volkskundliches Institut, Universität Göttingen, Manuskripte o. Nr.; G. L'Höte, Vie quotidienne, in: C. Bonneton (Hg.), Lorraine. Cadre naturel - histoire - art litterature - langue - economie - traditions populaires, o. 0 . 1 9 8 0 , 1 0 5 - 1 5 1 . Vgl. Lerond, Lothringische Sammelmappe, Teil IX-X, 5; Loux, Das Kind, 61 f.; von Schönwerth, Aus der Oberpfalz, Bd. 1, 152; Fox, Saarländische Volkskunde, 313, Nachlaß Merckelbach-Pinck, Manuskript, o. Nr. AHWS, Rep. II, N r . 24, fol. 41; ebd., N r . 230, fol. 16, Kirchenvisitation Amt Meisenheim; vgl. hierzu weiter J.B. Kaiser, Das Archidiakonat Longuyon am Anfange des 17. Jahrhunderts, Bd. 2, Luxemburg 1929, 227; Kyll, Das Kind in Glaube und Brauch, 19 f. So etwa: A. Fürst, Verzeichnis der Taufpaten aus dem Taufregister der evangelischen Gemeinde Saarbrücken für die Jahre 1623-1654, o. D., o. O., für 1642, 198, 1654, 248 f. AHWS, Rep. VII, N r . 110. o. fol., 1768; LA Speyer, Best. B2, Nr. 2600, fol. 8r; A D M Metz, Best. B, Nr. 9461, o. fol., 1765; ebd., 1760; ebd., 1777; ebd., Best. 453 ES 79 FF 19, o. fol., 1785, 1787, 1788; LASB, Best. 38, Nr. 625, fol. 50. Vgl. allgem. zu Vorschriften obiger Art: E. de Martino, Katholizismus, Magie, Aufklärung. Religionswissenschaftliche Studie am Beispiel Süd-Italiens, München 1982, 45-61; Belmont, Les signes de la naissance, 68 ff. J. Weyer, De prestigiis daemononum, et incantationibus, ac veneficiis, Libri V, Amsterdam 1660, 185 f., 193, 482; Ders., Von Teuffelsgespenst Zauberern und Giftbereytern/Schwarzkünstlern/Hexen und Unholden/darzu ihrer Straff, N D Darmstadt 1963, 157, 162, 261 f., 417, 454, 462, 542. A. von Nettesheim, De nobilitata & praecellentia foeminei sexus, Köln 1532, Bv, B2v, A7r; Paracelsus, De caduco matricis. Von hinfallenden Sichtagen der Mutter, in: K. Sudhoff (Hg.), Medizinische, naturwissenschaftliche und philosophische Schriften, Abt. 1, Bd. 8, München 1928, 319-368, hier: 327-333; Ders., De virtute imaginativa, in: Sudhoff (Hg.), Sämtliche Werke, Bd. 14, München/Berlin 1933, 309-319, hier: 314 f.; Ders., Von der ehe Ordnung und eigenschaft, in: K. Goldamer (Hg.), Sämtliche Werke, 2. Abt., Bd. 2, Wiesbaden 1965, 245-266, hier: 247-251, 261 f. Kyll, Die „christliche Zuchtschul" des Nicolaus Cusanus S.J., 261; Moritz, Kurze Unterweisung, 35 f.: Er führt Frühgeburten u.a. auf „Schreck", d.h. ein Erschrecken der Schwangeren zurück; die Imaginationslehre findet sich bei vielen Medizinern, u.a. bei A. Pare, De la generation, in: Ders., Oeuvres, Bd. 24, Paris 1614, 47: Er schildert den Fall der Geburt eines Kindes mit Froschgesicht, weil die Schwangere einen Fieberanfall durch das Festhalten eines lebenden Forsches hatte vertreiben wollen; vgl. ebenso die Erzählungen von Monstergeburten, Tieren und Neugeborenen mit Fell bei dem Chirurgen Planque, Observations rares de medecine, Paris 1758, 51, 72 und bei: C. Viardel, Observations sur la practique des accouchements

Anmerkungen

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naturels, contre nature et monstrureux, Paris 1674; speziell zur Wechselbeziehung zwischen Schwangerer und Kind: G. Hirsch, Inaugural-Dissertation von der Einwirkungskraft der Schwangeren auf den Fötus oder von dem Versehen, Würzburg 1818. Vgl. Labouvie, Verbotene Künste, 53-75, 95-162, bes. 107-110; Dies., Hexenspuk und Hexenabwehr. Volksmagie und volkstümlicher Hexenglaube, in: van Dülmen (Hg.), Hexenwelten. Magie und Imagination vom 16.-20. Jahrhundert, Frankfurt a.M. 1987, 54-76; Dies., Schwarze und weiße Künste. Die Rolle von Pflanzen in Hexenglaube und Volksmagie, unveröffentl. Vortragsmanuskript; Dies., Wissenschaftliche Theorien - rituelle Praxis. Annäherungen an die populäre Magie der Frühen Neuzeit im Kontext der „Magie- und Aberglaubensforschung", in: Historische Anthropologie 2 (1994), Heft 2, 302-307. Zur Imaginationslehre vgl. D. Buchan, Folk Tradition and Folk Medicine in Scotland. The Writings of David Rorie, Edinburgh 1994, 70-77; M. Simon, Heilige. Hexe. Mutter: Der Wandel des Frauenbildes durch die Medizin im 16. Jahrhundert, Berlin 1993, 66-73, 84-91; J. von Negelein, Haupttypen des Aberglaubens, Berlin/ Leipzig 1935, 298-301; Reichhardt, Geburt, Hochzeit und Tod, 4 f.; T.F. Cattermole, From the Mystery of Conception to the Miracle of Birth. A Historical Survey of Beliefs and Rituals Surrounding the Pregnant Woman in Germany Folk Tradition, Including Modern American Folklore, Los Angeles 1978, 125 ff.; F. Fellinger, Schwangerschaft und Geburt in der altfranzösischen Literatur, Diss. Göttingen 1907, 38-40; Gelis, Die Geburt, 94-101, 113-115; M. Kintzinger, Norma elementorum. Studien zum naturphilosophischen und politischen Ordnungsdenken des Mittelalters, Stuttgart 1994. Auch in den Aufzeichnungen im Tagebuch der frisischen Hebamme Catharina Schräder spielen Imaginationen durch Schreck eine entscheidende Rolle bei Tod- und Mißgeburten, vgl. H. Marland (Hg.), „Mother and Child were Saved". The Memoirs (1693-1740) of the Frisian Midwife Catharina Schräder, Amsterdam 1987, 61-63, 67, 76, 78. A H WS, Rep. V, Nr. 18, o. fol. Vgl. zu den Körperöffnungen als Randzonen mit besonderer Bedeutung in allen Kulturen: Douglas, Reinheit und Gefährdung, 159-162. von Schönwerth, Aus der Oberpfalz, Bd. 1, 153; Loux, Das Kind, 52, 64; Nachlaß Merkelbach-Pinck, o. Nr., Manuskript; M. Richard, Traditions populaires, croyances superstitieuses, usages et coutumes de l'ancienne Lorraine, Marseille 1979, 2 2 3 225. Zit. in: van Dülmen, Frauen vor Gericht, 150. Vgl. M. Zender, Volkssagen der Westeifel, Bonn 1935, Nr. 630; zur Monstergeburt aufgrund von Schreckimpressionen vgl.: W. Pulz, Graphische und sprachliche Tierbildlichkeit in der Darstellung von Mißgeburten des menschlichen Körpers auf Flugblättern der frühen Neuzeit, in: Jahrbuch für bayerische Volkskunde (1989), 63-81; P.-G. Bouce, Imagination, Pregnant Women, and Monsters in EighteenthCentury England and France, in: G.S. Rousseau/R. Porter (Hg.), Sexual Underworlds of the Enlightenment, Manchester 1987, 86-100; D. Wilson, Signs and Portents. Monstrous Births from the Middle Ages to the Enlightenment, London 1993. Etwa: L H A Koblenz, Best, lc, Nr. 11335, Kirchenvisitation Archidiakonat Tholey, Landkapitel Merzig, Wadrill, Remich, 1631, fol. 1355; ebd., Kirchenvisitation 1651, fol. 1410; BAT, Abt. 40, Nr. 4k, Pfarrvisitationen 1631, fol. 144. LASB, Best. 22, Nr. 3779, fol. 49 f. Ebd., fol. 50. Unter Gicht verstand man alle chronisch entzündlichen Gelenkerkrankungen, alle rheumatischen oder rheumatismusähnlichen Leiden der Muskeln und Nerven, skro-

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Anmerkungen phulöse Erscheinungen und Ausflüsse. Nach der Volksmeinung exitieren 77 Gichtarten: brennende, ziehende, reißende, Kopf-, Arm-, Darm- und Gliedergicht; heute würde man Rheumatismus, Rachitis, Ischias, Rückenschmerzen, Hexenschuß, Gelenktuberkulose, Gicht, Nerven- und Muskelentzündungen darunter fassen. Als Ursache galten Kälte und giftige, unbekömmliche Flüssigkeiten, weshalb das Auflegen von Kröten, Ameisen und Bienengift helfen sollte; vgl. Heeger, Pfälzer Volksheilkunde, 125-130; Schneider, Heilmittel, 44; allgemein: Jost Benedum, Die Therapie rheumatischer Erkrankungen im Wandel der Zeit, Stuttgart 1994. LASB, Best. 22, Nr. 3782, fol. 88-90. AHWS, Rep. V, Nr. 7, o. fol., Schreiben des Pfarrers an das Konsistorium, 1. September 1706. STA SB, Best. Nachlaß Lohmeyer, Nr. 676, 2-5, 9. LASB, Best. Familie Stumm, Nr. 35, Antwortschreiben des Chirurgen Schwalb auf Stumms Anfrage, wie er sich diesbezüglich verhalten sollte. Vgl. J. Grimm, Weisthümer, Bd. 1, Göttingen 1839, 67, 79, 239, 242, 282, 351, 374, 394, 417, 463, 535, 641, 800; ebd., Bd. 2, Göttingen 1840, 119, 129, 154, 160, 210, 231, 400, 454, 469, 534, 544, 695, 769, 817; ebd., Bd. 3, Göttingen 1841, 311, 374, 680, 831; ebd., Bd. 4, Göttingen 1842, 222, 335, 440, 454, 573, 619, 621; ebd., Bd. 5, Göttingen 1843, 228, 592, 667; Osterreichische Weistümer, hg. von der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Bd. 3, 103; ebd., Bd. 6, 149; ebd., Bd. 7, 19, 35, 160, 309, 335, 356, 364; ebd., Bd. 8, 150, 409; H. Fehr, Die Rechtsstellung der Frau und der Kinder in den Weistümern, Jena 1912, 4-9; M. Rumpf, Deutsches Bauernleben. Ein soziologisches und volkskundliches Lebens- und Kulturgemälde in 3 Bänden, Stuttgart 1936, Bd. 3, 555 ff.; vgl. für Hall: G. Wunder, Die Bürger von Hall. Sozialgeschichte einer Reichsstadt 1216-1802, Sigmaringen 1980, 31; für das Herzogtum Württemberg: A.L. Reyscher (Hg.), Sammlung der württembergischen Gesetze, Tübingen 1841, 83; G. Franz (Hg.), Quellen zur Geschichte des Bauernkrieges, Darmstadt 1963, 54; M. Kobelt-Groch, Aufsässige Töchter Gottes. Frauen im Bauernkrieg und in den Täuferbewegungen, Frankfurt a.M./New York 1993, 41; Wunder, „Er ist die Sonn, sie ist der Mond". Frauen in der Frühen Neuzeit, München 1992,232, 235. Vgl. N. van Werveke, Kulturgeschichte des Luxemburger Landes, Bd. 1, Neuauflage bearbeitet von C. Hury, Esch-sur-Alzette 1983, 157 f.; Bd. 2, 1984, 365; Diener/Born, Hunsrücker Volkskunde, 137 f.; Kyll, Das Kind, 7; ADMM Nancy, Best. B, Nr. 2872, Jahrgeding Baön, 1538; ebd., Nr. 9409, Herrschaft Sierck, 1551; vgl. W. Krämer, Geschichte der Stadt St. Ingbert, Bd. 1, St. Ingbert 1955, 2. Aufl., 99: Der Wein für die Schwangeren findet sich alljährlich unter den „Außgab gelt" der Kirchenrechnungen unter: „4. Vor Meswein und schwanger weiber durch das gantze Jahr 10 alb."; Grimm, Weisthümer, Bd. 2, 23, 85, 231, 817. van Werveke, Kulturgeschichte des Luxemburger Landes, Bd. 2, 157; H. Loersch, Die rheinischen Weistümer. Erste Abteilung: Die Weistümer des Kurfürstentums Trier, Bd. 1, Bonn 1900, 44; vgl. U. Tolksdorf, Schwangerschaftsgelüste (Picae gravidarum), in: Kieler Blätter zur Volkskunde 7 (1975), 81-106. Grimm, Weisthümer, Bd. 2, 85; vgl. H. Markgraf, Mutter und Kind in den Weistümern des Mosellandes, in: Zeitschrift des Vereins für rheinische und westfälische Volkskunde, 2. Jg. (1905), Heft 3, 238 ff.; die Gleichsetzung Schwangerer und Kranker findet sich in vielen Weistümern, etwa: Grimm, Bd. 1, 425; ebd., Bd. 2, 539; ebd., Bd. 5, 41; Österreichische Weistümer, Bd. 2,19,; ebd., Bd. 7,19; ebd., Bd. 9, 84. Grimm, Weisthümer, Bd. 2, 817. Zit. aus dem Amtsrecht von Meienberg für Kindbetterinnen, 1527, in: E.L. Rochholz, Aargauer Weistümer, erhoben und rechts- und ortsgeschichtlich erklärt, Aarau 1876, 99, § 125.

Anmerkungen

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261 Dem Wein wurden Kraft und Wärme als Eigenschaften zugesprochen, welche sich positiv auf die Körpersäfte auswirkten; daneben galt Wein als nahrhaftes Getränk und desinfizierendes Mittel; vgl. J . H . Juengken, Der nach den heutigen vernunfftmäßigen aus der anatomie und chymie hergeführten grundreguln unterrichtete Medicus oder Leib-Arzt, Frankfurt a.M./Leipzig 1702, 3. Aufl.; A. von Villanova, Von bewarung und beraitung der wein, dt. Ubersetzung von W. von Hirnkofen, Eßlingen 1478; J.P. Frank, Behandlung der Krankheiten des Menschen, Berlin 1794; C . W . Hufeland, Die Kunst, das menschliche Leben zu verlängern, Berlin 1796; F. B. Oslander, Handbuch der Entbindungskunst, Tübingen 1818-1824; bes.: K. Graff, Der Moselwein als Getränk und Heilmittel, Bonn 1848; H.Chr. Sarrazin, Der Wein in der Heilkunde, in: Ciba-Zeitschrift 64 (1969), 2139-2149. Auch Moritz nennt einige Rezepte mit Wein für die Zeit vor und während der Geburt, lehnt jedoch den übertriebenen Branntweingenuß Schwangerer und den Verzehr von Weinsuppen nach der Entbindung entschieden ab, da durch sie „viele Kindbetterinnen in den Tod gebracht worden" seien; Moritz, Kurze Unterweisung, 47 f., 71 f., 74, 119 f., 125, 142. 262 Grimm, Weisthümer, Bd. 2, 132, 342, 635; Markgraf, Das moselländische Volk in seinen Weistümern, in: K. Lamprecht (Hg.), Geschichtliche Untersuchungen, Bd. IV, Bonn 1907,199. 263 Vgl. Rumpf, Deutsches Bauernleben, 556; Grimm, Weisthümer, Bd. 2, 160; Hardt, Luxemburger Weisthümer, Luxemburg 1870, 753; Becker, Pfälzer Volkskunde, 128. 264 LASB, Best. 38, Nr. 621, fol. 205 f.; ebd., Best. Dep. des Hist. Vereins, verschiedene Signatur 1-25, o. fol., 1740; H S T A Wiesbaden, Abt. 131, Nr. XlVa, 241, o. fol., 1738; L A Speyer, Best. B2, Nr. 2606, fol. 12 f. 265 Die Turmstrafe wurde zeitweise bei Erstvergehen der Schanzarbeit sogar vorgezogen, da die Frauen nach der Niederkunft ihre Kinder hierbei besser versorgen konnten, während die dreimonatige Schanzarbeit häufig durch die Geburt abgebrochen und danach nicht mehr aufgenommen werden konnte, etwa: L A Speyer, Best. B2, Nr. 2606, fol. 9-10r; zu Entbindungen im Zuchthaus und Turm: STA SB, Best. Kirchenbücher, Bd. 4, Nr. 27, 265, 1770; ebd., Best. Hospital, Nr. 1178, o. fol., 1769; ebd., o. fol., 1768; A D M M Nancy, Best. Η 2783, ο. fol.; LASB, Best. 22, Nr. 3784, fol. 125. 266 H S T A Wiesbaden, Abt. 131, Nr. XIVb 7, o. fol., 1791. 267 Vgl. U. Rublack, Pregnancy, Childbirth and the Female Body in Early Modern Germany, in: Past § Present 150 (1996), 84-110. 268 L H A Koblenz, Best, lc, Nr. 17698, o. fol., 1695. 269 LASB, Best. 22, Nr. 4147, fol. 15-137. 270 Ebd., fol. 29, fol. 57-60, Zeugenvernehmungen. 271 Ebd., fol. 24—41, Zeugenvernehmungen. 272 Ebd., fol. 50-77, Zeugenvernehmungen. 273 Ebd., fol. 77 f., fol. 83, Zeugenaussagen. 274 Ebd., fol. 96-137: Verteidigungsschreiben des Anwaltes der Closter Kett und Urteil des Hornbacher Hochgerichts. 275 L H A Koblenz, Best, lc, Nr. 13564, o. fol., 1699. 276 Ebd., Best. 24, Nr. 1471, fol. 15-18; ebd., Nr. 14127, o. fol., 1598. 277 Ebd., Best. 215, Nr. 1833, fol. 59 f., 1682-1707. 278 Etwa: BAT, Abt. 40, Nr. 4 f., o. fol., Pfarrvisitation 1623: Ein Fall spricht von einer Schwangeren, die gestoßen wurde, ein weiterer von der Vernachlässigung durch den Ehemann; A H WS, Rep. V, Nr. 7, o. fol., 1751: Ein taubstummes schwangeres Mädchen wird von seiner Familie mißhandelt; LASB, Best. Münchweiler, Akten, Nr. 390, fol. 69-74: Der Pfarrer von Nunkirchen hatte seine von ihm schwangere Magd bedroht und aus dem Haus gejagd; als Schadensersatz zahlte er 30 Reichstaler.

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Anmerkungen

279 LHA Koblenz, Best. 24, Nr. 1471, fol. 15 f.; ebd., Best, lc, Nr. 13564, o. fol.; BAT, Abt. 40, Nr. 4e, o. f o l , 1623. 280 LASB, Best. 22, Nr. 4161, fol. 264: Eine von Simmel zu Hilfe gerufene Nachbarin, der sie erzählte, sie sei geschlagen worden, vermutete ohne weiteres Nachfragen sofort, daß der Ehemann dies getan habe, vermutlich weil dieser wohl schon öfter handgreiflich geworden war. 281 Ebd., 260 f. 282 LHA Koblenz, Best. 24, Nr. 1471, fol. 15. 283 1766 mußte Nickel Hantz aus Eschringen einen Gulden Strafe bezahlen, weil er „eine frembde Weibsperson, welche schwanger gewesen und vorgegeben, daß sie auß dem Ottweilerischen seye, beherberget und seye dieselbe bey ihme kindbetterinn worden", LASB, Best. C 36, Nr. 46, o. f o l , Jahrgeding, 1766; einen ähnlichen Fall erwähnt H. Moog, Eschringen das Vierherrendorf. Beiträge zur Geschichte des Saarbrücker Stadtteiles mit Auswertungern vieler, bisher unerforschter Archivalien, Eschringen 1993, 483: Nicolaus Mohr wurde zum wiederholten Male verurteilt wegen Aufnahme einer „Weibsperson" in sein Haus, die nichtehelich schwanger war. 284 LASB, Best. 22, Nr. 3776, fol. 85. 285 So etwa die Formulierungen in der Hanau-Lichtenberischen Hebammenordnung, LA Speyer, Best. B2, Nr. 2848, fol. 106r. 286 Dies war beispielsweise bei der Schwangerschaft der Susanna Schmidts von Feuchten, 1611, geschehen, wobei die Dörflerinnen, nachdem der „dicke Bauch" der ledigen jungen Frau verschwunden war, dennoch auf einer Untersuchung bestanden, was ihnen auch gewährt wurde; die Hebamme und zwei weitere verheiratete Frauen bemerkten dabei „feuchtigkeitt und waßer" in ihren Brüsten, ADM Metz, Best. B, Nr. 934/6, o. fol.; unter ähnlichen Umständen wurde 1695 Anna Catharina Michels von den Frauen „visitiert", ein Begriff, der bei gerichtlichen Protokollen sehr beliebt war, LHA Koblenz, Best, lc, Nr. 17698, o. fol.; ebenso: ADMM Nancy, Best. B, Nr. 3623, o. f o l , 1606. 287 ADM Metz, Best. 10 F, Nr. 181, keine durchgängige Folionummerierung, hier: fol. 20. 288 Ebd., fol. 8: „da doch von gesetzter Herrschaft öffentlich und zu jedermanns wissen bekant gemacht worden seye, das alle ledige sich schwanger befindende personen bey jedes orths obrigkeit, oder herrschaftl. Meyer und etlichen Gerichts personen sich binnen denen drey ersten Monathen ihrer Schwangerschaft angeben sollten...". 289 Ebd., fol. 11, fol. 22. 290 Ebd., fol. 20, fol. 46. 291 Ebd., fol. 46. 292 Ebd., fol. 28. 293 Ebd., fol. 28 f , fol. 21. 294 Ebd., fol. 123. 295 Ebd., fol. 124. 296 Ebd., fol. 130 f. 297 Ebd. fol. 124, fol. 129 f. 298 Ebd., o. f o l , Berichte des Meiers Johannes Kelkel an die Regierung, 1757; BAT, Abt. 95, Nr. 324, fol. 90, nachträglicher Bericht von M.J. Steffen an Bischof Hommer, 1833. 299 ADM Metz, ebd., fol. 14. 300 Hier einige Beispiele, die sich beliebig fortsetzen ließen: LASB, Best. 38, Nr. 625, fol. 492-500: Der mit seiner Tochter vor Gericht klagende Vater erreicht Alimentationszahlungen und Zahlungen für Kindbettkosten, 1729; ebd., fol. 371 f.: Der Vater der geschwängerten Frau gibt an, der Kindsvater habe sich mit ihm wegen „erlittener Defloration" seiner Tochter vergleichen wollen, was aber nicht geschehen sei, 1728; ähnlich: e b d . Best. Münchweiler, Akten, Nr. 287, fol. 232-234, 1591; ebd.,

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fol. 135, 1583; ebd., Best. 38, Nr. 624, fol. 55 f.: Der Meier von Neunkirchen/Nahe zeigt seinen Sohn wegen Schwängerung an, 1726; L H A Koblenz, Best, lc, Nr. 9111, fol. 1 f.: Ein Vater klagt im Namen seiner Tochter auf Eheversprechen oder Alimente, 1605. Vgl. zu den weiblichen magischen Domänen: Labouvie, Männer im Hexenprozeß. Zur Sozialanthropologie eines „männlichen" Verständnisses von Magie und Hexerei, in: Geschichte und Gesellschaft 16 (1990), Heft 1, 56-78 (verkürzt in: C . Opitz (Hg.), Der Hexenstreit. Frauen in der frühneuzeitlichen Hexenverfolgung, Freiburg/Basel/Wien 1995, 211-245); Dies., Von Kassandra bis Dr. Faustus. Männliche und weibliche Magie vom 16. Jahrhundert bis heute, in: Saarpfalz. Blätter für Geschichte und Volkskunde, Sonderheft 1991, 69-80; Dies., Die Geburt einer Hexe. Aspekte von Ausgrenzung und Verfolgung nach einer dörflichen .sozialen Logik', in: Kriminologische Journal, 5. Beiheft: Geschlechterverhältnis und Kriminologie (1995), 192-207; Dies., Magische Domänen. Zur Rolle von Frauen und Männern in Volksmagie und Hexerei, in: D. R. Bauer/S. Lorenz (Hg.), Hexenverfolgung in geschlechtsspezischer Perspektive, Stuttgart 1998 (i. Druck). A D M Metz, Best. 10 F, Nr. 150, o. fol., 1666. LASB, Best. 22, Nr. 3776, fol. 85-90. A D M M Nancy, Best. B, Nr. 3623, o. fol., 1606. LASB, Best. 22, Nr. 3782, fol. 117-121. Ebd., fol. 117, fol. 118r, fol. 119. Ebd., fol. 117r, fol. 118. Ebd., fol. 119r, fol. 120 f. LASB, Best. 22, Nr. 3776, fol. 289 f. Ebd., Nr. 3777, fol. 117 f. Ebd., Nr. 3776, fol. 235 f. Ebd., fol. 238. Ebd., fol. 236, fol. 239. Die Pharmakologin Leibrock-Plehn (Frühe Neuzeit, Hebammen, Kräutermedizin, 72, 78 f.) bezeichnet den Sadebaum als das „bekannteste und effizienteste Abortivum der frühen Neuzeit". Insgesamt stellt die Autorin fest, daß Kräuter- und Hebammenbücher „über hundert Abtreibungsmittel erwähnen, von denen etliche nach modernen pharmakologischen Gesichtspunkten als wirksam einzustufen sind", u.a. auch Safran. A H W S , Rep. VII, Nr. 110, o. fol., Kirchenbußen 1763-1781; da keine Folierung erfolgte, wird im folgenden auf Einzelnachweise verzichtet. Daß es Männer waren, die von der Artin angesprochen wurden, mag zweierlei Gründe haben: Einmal brauchte sie Personen, die sich selbstverständlich in einen anderen Ort begeben und dort Salz oder Eckzähne besorgen konnten, wofür Männer besser als Frauen geeignet waren; zweitens gehörte der Bereich der Krankheitsmagie, in dessen Repertoire obige Mittel keine Seltenheit waren, zur männlichen volksmagischen Domäne, so daß es sowohl angebrachter wie unauffälliger war, Männer mit der Besorgung entsprechender Substanzen zu beauftragen; vgl. zu den geschlechtsspezifischen Domänen der Magie: Labouvie, Die Geburt einer Hexe, 201-207; Dies., Männer im Hexenprozeß, in: Opitz (Hg.), Der Hexenstreit, 211— 245; Dies., Magische Domänen (i. Druck). Nochmals zum Konzept der Ehre: R. Walz, Schimpfende Weiber. Frauen in lippischen Beleidigungsprozessen des 17. Jahrhunderts, in: Vanja/Wunder, Weiber, Menscher, Frauenzimmer. Frauen in der ländlichen Gesellschaft 1500-1800, Göttingen 1996, 175-198; Alfing, Weibliche Lebenswelten und die Normen der Ehre, in: Dies./Schedensack, Frauenalltag, 17-185; problematisch die Einleitung in: L. Vogt/A. Zingerle (Hg.), Ehre. Archaische Momente in der Moderne, Frankfurt a.M.

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Anmerkungen 1994; Schreiner/Schwerhoff (Hg.), Ehrkonflikte in Gesellschaften des Mittelalters und der Frühen Neuzeit, Köln/Weimar/Wien 1995, v. a. die einleitenden Bemerkungen der Herausgeber, 1-28 und im selben Band: S. Burghartz, Geschlecht Körper - Ehre. Überlegungen zur weiblichen Ehre in der frühen Neuzeit am Beispiel der Basler Ehegerichtsprotokolle, 214-234; N. Schnitzler, „Vnformliche zeichen" und „freche Vngeberden". Zur Ikonographie der Schande in spätmittelalterlichen Passionsdarstellungen, in: van Dülmen (Hg.), Körper- Geschichten, 13—42; erinnert sei auch an den etwas in Vergessenheit geratenen Beitrag von P. Bourdieu, Ehre und Ehrgefühl, in: Ders., Entwurf einer Theorie der Praxis auf der Grundlage der kabylischen Gesellschaft, Frankfurt a.M. 1979, 335 ff. Etwa: Leibrock-Plehn, Frühe Neuzeit. Hebammen, Kräutermedizin, 89 f.; Stukenbrock, Das Zeitalter der Aufklärung, 97 f. So etwa Ubricht, Kindsmord, 14, 122, 177, 183-186; Stukenbrock, Das Zeitalter der Aufklärung, 177 f.; G. Radbruch/H. Gwinner, Geschichte des Verbrechens, Stuttgart (1951), o. J., 246; die These von R. Schulte (Kindsmörderinnen auf dem Land, 116), daß Abtreibungen ein eher städtisches und Kindsmorde ein eher ländliches Phänomen darstellten, läßt sich für das 18. Jahrhunder nicht belegen. Ebensowenig finden sich Anhaltspunkte für die These, daß die ansteigende Zahl von Kindsmorden im 16. und 17. Jahrhundert auf den Verlust des Abtreibungswissens durch die Vernichtung weiser Frauen als Hexen zurückginge; vgl. L. Trallori, Vom Lieben und Töten. Zur Geschichte patriarchaler Fortpflanzungskontrolle, Wien 1983,127 f. So die Formulierungen etwa in: LASB, Best. 22, Nr. 4309, fol. 129 f., fol. 171r, fol. 173. LHA Koblenz, Best, lc, Nr. 18637, o. fol. Vgl. zum Mutterbild und zur Mütterlichkeit, eher problematisch: Shorter, Der Wandel der Mutter-Kind-Beziehung zu Beginn der Moderne, in: Geschichte und Gesellschaft 1 (1975), 256-287; Ders., Die große Umwälzung in den Mutter-KindBeziehungen vom 18. bis zum 20. Jahrhundert, in: J. Martin/A. Nitschke (Hg.), Zur Sozialgeschichte der Kindheit, München 1986, 503-524; E. Badinter, Die Mutterliebe. Geschichte eines Gefühls vom 17. Jahrhundert bis heute, München/Zürich 1981; vgl. mit guten Überlegungen: Y. Schütze, Die gute Mutter. Zur Geschichte des normativen Musters „Mutterliebe", Bielefeld 1986; M.-F. Morel, La mere et l'enfant (18 e -20 e siecles): Savoirs populaires, povoir medical, in: Politique aujourd'hui (1976), 87-103; I. Hardach-Pinke, Zwischen Angst und Liebe. Die Mutter-Kind-Beziehung seit dem 18. Jahrhundert, in: Martin/Nitschke, Zur Sozialgeschichte, 525-590; Gelis, Die Individualisierung der Kindheit, in: P. Aries/R. Chartier (Hg.), Geschichte des privaten Lebens, Bd. 3, 313-331; Ulbricht, Der Einstellungswandel zur Kindheit am Ende des Spätmittelalters (1570-1520), in: Zeitschrift für Historische Forschung 19 (1992), 159-187. Vgl. zu den Schutz- und Heilkräften Schwangerer: Loux, Das Kind, 73 f. Vgl. E. Osenbrüggen, Das Alemannische Strafrecht im deutschen Mittelalter, Schaffhausen 1860, 180 f.; C. Roder (Hg.), Heinrich Hugs Villinger Chronik von 1495 bis 1533, Tübingen 1883, 39 f., 71: 1509 hatten in Villingen mehrere schwangere Frauen einen Mörder vor der Hinrichtung gerettet; F.L. Baumann (Hg.), Quellen zur Geschichte des Bauernkriegs aus Rothenburg an der Tauber, Tübingen 1878, 360 f.; K. Schue, Das Gnadenbitten in Recht, Sage, Dichtung und Kunst. Ein Beitrag zur Rechts- und Kunstgeschichte, in: Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins 40 (1918), 143ff.; zur Auslösung von Verurteilten durch Jungfrauen: van Dülmen, Theater des Schreckens. Gerichtspraxis und Strafritule in der frühen Neuzeit, München 1985, hier 3. Aufl. 1988, 149-151; A. Kaufmann, Über das Freibitten Verurteilter durch Jungfrauen, in: Monatsschrift für die Geschichte Westdeutschlands 7 (1881), 257-260.

Anmerkungen

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II. Ländliche Geburt 1 A H WS, Rep. V, Nr. 18, o. fol., 1708: „bey seins der nachbarn weiber"; H S T A Wiesbaden, Abt. 150, Nr. XIVa, 4424, o. fol., 1750; LASB, Best. 22, Nr. 3776, fol. 299; ebd., Nr. 3782, fol. 57r. 2 Ausgewählte Zitate aus den Kirchenbuchbeständen des STA SB, Best. Kirchenbücher, Bd. 1, Nr. 408 und 409, 1674, Nr. 551, 1683; Bd. 4, Nr. 38, 1753; Bd. 4, Nr. 69, 1756, Nr. 46, 1765, Nr. 27a, 1768; Bd. 17, Nr. 10, 1730; Bd. 18, S. 119, 1785; Bd. 19, S. 17, 1763; Bd. 22, S. 2, 1792; Bd. 24, Nr. 251, 1660, Nr. 237, 1659; Nr. 182, 1673; Bd. 26, Nr. 375, 1786; Kirchenbuch Bischmisheim, Fechingen, Eschringen, S. 87, 1757, Nr. 552, 1732. 3 In den meisten Fällen gaben die Ehepaare den frühzeitigen Geschlechtsverkehr in einer Privatunterredung mit dem Geistlichen zu, etwa: LASB, Best. 22, Nr. 3782, fol. 61 r; ebd., Nr. 3780, fol. 38; ebd., Nr. 5426, fol. 20r; A H W S , Rep. V, Nr. 7, o. fol., 1768; A D M M Nancy, Best. 5B, Nr. 139, o. fol., 1759; die Strafe belief sich zumeist auf 5 Gulden Herren- und 2 Gulden Kirchenstrafe. 4 A H W S , Rep. VII, Nr. 240, o. fol. 5 A H W S , Rep. V, Nr. 15, o. fol., 1709. 6 So eine Formulierung von 1794: Eine „der Niederkunft nahe Person" werde „öfters durch falsche Schmerzen betrogen", so daß der „rechte Zeitpunkt abzuwarten" sei, LA Speyer, Best. B2, Nr. 2900, fol. 15r. 7 Ebd., Nr. 2599, fol. 100 f, fol. 103r. 8 L H A Koblenz, Best. 276, Nr. 1937, fol. 33-35. 9 So etwa: STA SB, Best. Kirchenbücher, Bd. 18, S. 71, 1772; Bd. 25, S. 208, 1773; Bd. 26, S. 2, 1779; S. 63, 1789; S. 88, 1792; S. 105, 1795; S. 121, 1797; ebd., Evangelisches Kirchenbuch Bischmisheim, Fechingen, Eschringen, S. 87, 1757. In Trier wurde in begüterten Familien wie der Familie Lintz bei schweren Geburten der Hebammenlehrer Anton Moritz gerufen, STA Trier, Best. Nachlässe, Nachlaß J. Lintz, o. fol. 10 Vgl. F. Schuhmacher/K. Meiers, Bachem. Familienbuch und Häuserchronik, Merzig 1990, 44, Nr. 68, 1757; STA SB, Best. Kirchenbücher, Evangelisches Kirchenbuch Bischmisheim, Fechingen, Eschringen, S. 87, 512; ebd., Bd. 4, S. 219, Nr. 71. 11 Diese eher assistierende und zusätzliche Hilfe von Chirurgen selbst bei kompliziertesten Geburten verdeutlichen auch die von Hebammen geschriebenen Tagebücher, etwa das der Friesischen Hebamme Catharina Schräder oder das der Martha Moore Ballard aus Pennsylvania; vgl. Marland (Hg.), „Mother and Child were Saved", 45 f., 63 f., 66; unter den über 3000 Geburten der Hebamme waren 64 Zwillings- und drei Drillingsgeburten, fast 40 Totgeburten und mehrere Mißgeburten; vgl. auch: Schama, Uberfluß und schöner Schein. Zur Kultur der Niederlande im Goldenen Zeitalter, München 1988, 557-567; L.T. Ulrich, A Midwife's Tale. The Life of Martha Ballard, based on her Diary, 1785-1812, N e w York 1990, 48 f., 64-66, 94, 100, 162, 171 f. 12 Dies scheint regional sehr unterschiedlich gewesen zu sein; vgl. dazu Gelis, Die Geburt,126 ff.: Er nimmt eine Teilnahme von Männern an Geburten in dünn besiedelten Gebieten, bei Standesgeburten (Adel) und vermehrt ab dem 19. Jahrhundert an. Letzteres sei durch den Einfluß der männlichen Geburtshilfe verstärkt worden; allgem.: Bächthold-Stäubli, HDA, Bd. VII, Berlin/Leipzig 1936/37, Sp. 1503-1513; LA Speyer, Best. C33, Nr. 203/62, fol. 78r. 13 A. Hartmann (Hg.), Thomas Platter. Lebensbeschreibungen, Basel 1994, 93 f. 14 Vgl. hierzu W. Schmidt, Gebräuche des Ehemanns bei Schwangerschaft und Geburt, München 1955; im Untersuchungsraum ist auch der Brauch des Aufsetzens der Vaterschaftshaube, den S. Schama, Uberfluß und schöner Schein, 575, erwähnt, nicht bekannt.

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Anmerkungen

15 Für mehrere Regionen Frankreichs erwähnte Loux für das 19. Jahrhundert das symbolische Durchschneiden der Nabelschnur durch den Kindsvater; vgl. Loux, La place symbolique et concrete des hommes et des femmes autour de la parturiente: Continuites et ruptures entre la France traditionelle et la medicalisation de la naissance, unveröffentl. Vortrag bei einem Arbeitsgespräch am 14. März 1996 im Max-PlanckInstitut für Geschichte, Göttingen, zum Thema: Menschen um die Gebärende: Ihre Aufgaben und Konflikte; auch Gelis, La sage-femme ou le medecin. Une nouvelle conception de la vie, Paris 1989, 103 f., bestätigt die Entbindung auf dem Land im 16. bis 18. Jahrhundert als reine Frauensache; vgl. auch dieselbe Personengruppe: R. Temesvary, Volksbräuche und Aberglauben in der Geburtshilfe und der Pflege des Neugeborenen in Ungarn, Leipzig 1900, 25 ff.; für außereuropäische Gebiete: P.-D. Bueß, Geburtshilfe bei den Primitiven, in: Ciba-Zeitschrift 70 (1969), 2314-2318; G. K. Braun, Untersuchungen über das Brauchtum um Schwangerschaft und Geburt bei den Batakstämmen in Sumatra, Neuß 1959, 30-43; E. Biasio/V. Münzer, Übergänge im menschlichen Leben: Geburt, Initiation, Hochzeit und Tod in außereuropäischen Gesellschaften, Zürich 1980, 12-35; G. Linck, Der Jadestein, der noch geschliffen werden muß - Zur Sozialgeschichte des Kindes in der chinesischen Kaiserzeit, in: Martin/Nitschke (Hg.), Zur Sozialgeschichte der Kindheit, 80-88; H. Hara/M. Minagawa, Japanische Kindheit seit 1600, in: ebd., 116-120; B. Malinowski, The Sexual Life of the Savages in North-Western Melanesia, London 1929; für die Länder der Alten Welt (Ägypten, Israel, Indien, Griechenland, Rom): Bueß, Geburtshilfliches bei den Völkern der Alten Welt, in: Ciba-Zeitschrift 70 (1969), 2319-2326; M. Deissmann-Merten, Zur Sozialgeschichte des Kindes im antiken Griechenland, in: Martin/Nitschke (Hg.), Zur Sozialgeschichte der Kindheit, 276 ff.; E. Eyben, Sozialgeschichte des Kindes im römischen Altertum, in: ebd., 323-327. 16 Die Eintragungen lauten dann immer wie die folgende: STA SB, Best. Kirchenbücher, Bd. 17, S. 54, 1730: „in gegenwart nahmentlich der Gothe des Kindes Anna Elisabetha beckerin, der Meyerin und des kindes Georgus großmutter, welche ihre Männer ... vertraten"; ansonsten werden bei Nottaufen außer in den drei angeführten Fällen nur Frauen erwähnt, STA SB, Best. Kirchenbücher, Bd. 18, S. 171, 1797; ebd., Bd. 26, S. 47,1786; LA Speyer, Best. F6, fol. 212,1684. 17 STA Trier, Best. Nachlässe, Nachlaß Lintz, o. fol. 18 Vgl. zur Rolle der Männer bei der Geburt und zur männlichen Geburtswahrnehmung: M. Beutelspacher, Kultivierung bei lebendigem Leib. Alltägliche Körpererfahrungen in der Aufklärung, Weingarten 1986, 52-55; Y. Kniebiehler, Les peres aussi ont une histoire, Paris 1978; L. Perlitt, Der Vater im alten Testament, in: H . Teilenbach (Hg.), Das Vaterbild in Mythos und Geschichte, Stuttgart 1976, 83 ff.; A. Schindler, Geistliche Väter und Hausväter in der christlichen Antike, in: Teilenbach (Hg.), Das Vaterbild im Abendland, Bd. 1, Stuttgart 1978, 55-82; R. Specht, Über Funktionen des Vaters nach Thomas von Aquino, in: ebd., 59-109; für außereuropäische Kulturen: B.S. Hewlett (Hg.), Father-Child Relations: Cultural and Biosocial Contexts, N e w York 1992. 19 Die ganze Geschichte findet sich in: AHWS, Rep. VII, Nr. 139a, o. fol., 1760. 20 Vgl. Sittel, Sammlung, Bd. 2, Sammlung IV, Trier 1843, Nr. 118, o. J„ 482, 484; bei Todesfällen mußten die Hebammen oder andere Frauen als direkte Zeuginnen bei der Angabe anwesend sein; ebd., Nr. 81, 407, 1746; ebd., Nr. 99, 449, 1774; STA SB, Best. Kirchenbücher, Bd. 16: Civilstandsregister Malstatt-Burbach 1798/99, fol. 1-9: Geburtsanzeigen. 21 Dies geschah bei allen „Declarations de grossesse" in Lothringen, etwa: A D M Metz, Best. B, Nr. 9461, o. fol., 1777, 1785; ebd., Nr. 5964, o. fol., 227, 1756-1773; ebd., Nr. 5963, o. fol., 289,1714-1756; ebd., N r . 5965, o. fol., 289, 1773-1791; Zit. im Text: LA Speyer, Best. B2, Nr. 2600, fol. 8r.

Anmerkungen

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22 L A Speyer, Best. B2, Nr. 2598, fol. 26 f., 1737, fol. 45, 1748; ebd., Nr. 2603, fol. 3 f., 1748; ebd., Nr. 2599, fol. 24 f.; A H W S , Rep. IV, Nr. 3298, fol. 36 ff. 23 A D M M Nancy, Best. 9B, Nr. 71, o. f o l , 1780/81. 24 Ebd., Best. 48B, Nr. 10, o. fol., 1723. 25 E b d , Best. 10B, Nr. 619, o. fol., 1788. 26 A H W S , Rep. VII, Nr. 139a, o. fol. 27 L A Speyer, Best. B2, Nr. 2416, S. 17, § 5. 28 Vgl. F. Michel, Zur Geschichte des Hebammenwesens im alten Erzstift Trier, in: Trierisches Archiv 21 (1913), 106 f. 29 Archiv der evangelischen Kirchengemeinde Ottweiler, Nr. 00/1, S. 419, Punkt 1; der Medizinalordnung von 1747, die auf die ältere Ordnung von 1601 zurückgeht, fehlt diese Bestimmung noch, e b d , S. 24-27; LA Speyer, Best. B2, Nr. 2848, fol. 13r-15. 30 E b d , Nr. 01/0, fol. 75; LASB, Best. Dep. des Historischen Vereins für die Saargegend, o. Nr.: Ottweiler: Kirchen- und Schulsachen, Weisenschreiberei I, o. f o l , 1732. 31 LASB, Best. 38, Nr. 620, fol. 124 f. 32 L A Speyer, Best. B2, Nr. 2848, fol. 105r. 33 Diese Bestimmung findet sich fast in allen Hebammenordnungen sowie in Medizinalordnungen für Mediziner und Chirurgen, etwa: LASB, Best. 38, Nr. 620, fol. 133; Archiv der evangelischen Kirchengemeinde Ottweiler, Nr. 00/1, S. 21, § 5; e b d , fol. 423, § 11; LASB, Best. 22, Nr. 4611, fol. 124, § 16; L A Speyer, Best. B2, Nr. 2461, fol. 3, § 10, fol. 15, § 15; A H W S , Rep. VII, Nr. 139a, o. f o l , § 16. 34 L A Speyer, Best. C33, Nr. 203/62, fol. 78. 35 Η STA Wiesbaden, Abt. 150, Nr. XI Va, 4424, o. f o l , 1750. 36 L A Speyer, Best. B2, Nr. 2848, fol. 14, § 4 und LASB, Best. 22, Nr. 4611, fol. 131, § 4, Nassau-Saarbrücken, 1747; LASB, Best. 38, Nr. 620, fol. 126, Herrschaft Dagstuhl, 1769. 37 Scotti, Sammlung, Bd. 1, Nr. 262, 706, Kurtrier 1683; A H W S , Rep. VII, Nr. 139a, o. f o l , 1632, unter 14; L A Speyer, Best. B2, Nr. 2559, fol. 105r, § V und VI. 38 Archiv der evangelischen Kirchengemeinde Ottweiler, Nr. 00/1, fol. 421, § 6 und 7. 39 L A Speyer, Best. B2, Nr. 2559, fol. 105r, § V: Betasten mit Öl. 40 Autentische Geburtsbeschreibungen aus der Praxis der ländlichen, aber auch der städtischen Geburtshilfe findet man in der Literatur kaum; es handelt sich eher selten um Selbstbeobachtungen aus autobiographischen Texten, zumeist um Rekonstruktionen, die auf Angaben in Hebammenlehrbüchern, Texten von Geburtshelfern und Gynäkologen beruhen oder um Ausnahmefälle; vgl. Gelis, La sage-femme, 300 ff.; D e r s , Die Geburt, 216-262; Läget, Naissances, 117-142, 331-341; Shorter, Der weibliche Körper, 53-58, 78-81; H. Krenn-Simon, „Beystand in Kindsnöthen" Grazer Hebammen in der frühen Neuzeit und die Anfänge des staatlich reglementierten Hebammenwesens, in: Historisches Jahrbuch der Stadt Graz 23/24, Graz 1993, 25-29; Loux, Das Kind, 94-109; C. Julius, Die Leute im Hause Balthasar. Eine Kaufmannsfamilie um 1700 in Nürnberg, Weinheim 1991, 9-17; R. Bake/B. Kiupel (Hg.), Margarethe E. Milow. Ich will aber nicht murren, Hamburg 1993, 114 f , 16 f , 194 f.; auch die Erinnerungen und Notizen von Landhebammen enthalten kaum konkrete Geburtsbeschreibungen, etwa: Ulrich, A Midwife's Tale; Marland (Hg.), „Mother and Child were Saved"; Schama, Überfluß, 556-562; Α. Favre, Ich, Adeline, Hebamme aus dem Val d'Anniviers, Frankfurt a.M. 1989; C. Hämmerle (Hg.), Maria Horner. Aus dem Leben einer Hebamme, Wien/Köln/Graz 1985; M. Grabrucker (Hg.), Vom Abenteuer der Geburt. Die letzten Landhebammen erzählen, Frankfurt a.M. 1991; Töngi, Im Zeichen der Geburt, 47-63. 41 Vgl. ebenso im Elsaß: F. Sarg, En Alsace, du berceau ä la tombe, Strasbourg 1977, 32-34; zum magischen Aspekt des Geburtsortes vgl. Bächtold-Stäubli, HDA, Bd. 3, Sp. 418; vgl. allgem.: Shorter, Der weibliche Körper, 75-77; C. Müller, Volksmedizi-

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Anmerkungen nisch-geburtshilfliche Aufzeichnungen aus dem Lötschental, Bern/Stuttgart/Wien 1969, 70 ff.; H. Dietrich, Die Stadtfreiburger Hebammen des 18. Jahrhunderts. Ein Beitrag zur Sozialgeschichte der Geburt und Geburtshilfe, Lizenziatsarbeit an der Universität Feiburg/Schweiz, Escholzmatt 1985,143-146, 153-159, bes. 160-164. Vgl. zu den Geburtspositionen, die auch diesmal aus den Berichten von Ärzten stammen oder aus ihnen rekonstruiert sind: R.W. Felkin, Über Lage und Stellung der Frau bei der Geburt, Diss. med. Marburg 1885; H. Kirchhoff, Die Gebärhaltung der Frau von der Prähistorie bis auf den heutigen Tag, in: Gynäkologische Praxis 3 (1979), 203-233; L. Kuntner, Die Gebärhaltung der Frau, München 1985; Gelis, Die Geburt, 189-208; I. Albrecht-Engel/C. Loytved, Gebärpositionen in der Geschichte und Völkerkunde aus medizinischer Sicht, in: Frauenalltag- Frauenforschung. Beiträge zur 2. Tagung der Kommission Frauenforschung in der Deutschen Gesellschaft für Volkskunde, Freiburg 22.-25.5.1986, Frankfurt a.M./Bern/New York/Paris 1988, 347-353 (hier nach Abbildungen); in außereuropäischen Gesellschaften: Bueß, Geburtshilfe bei den Primitiven, 2316-2318; G. Brügge, Die rational-empirischen Elemente der Geburtshilfe bei den Naturvölkern, Diss. med. Freiburg i. Br. 1928; G. J. Engelmann, Die Geburt bei den Urvölkern, Wien 1884; Braun, Untersuchungen über das Brauchtum um Schwangerschaft und Geburt, 42—48, 52-59, 61-63; U. Pöschl, Kontroverse um die optimale Gebärhaltung - Vertikal versus Horizontal - am Beispiel der Trobriander/Neuguinea, Diss. München 1985. ADMM Nancy, Best. B, Nr. 3623, o. fol., 1606. Ebd., Best. 11 B, Nr. 1835, o. fol., 1732. LASB, Best. 22, Nr. 4309, fol. 21, fol. 66, fol. 74, fol. 88, Gutachten des Verteidigers fol. 166-168. AH WS, Rep. V, Nr. 59, o. fol., 1758 f. LA Speyer, Best. C33, Nr. 206/62, fol. 83r, fol. 84. Moritz, Kurtze Unterweisung, Zwölfter Abschnitt, 47 ff. So etwa in den Regierungsverfügungen vom 13. Februar und 25. April 1786 zur Verbesserung des Hebammenwesens im Oberamt Zweibrücken: „5. Die Geburthsstühle nicht von den Hebammen, sondern von dem Oberamts Physico auf die wohlfeilste art auf kosten der gemeinden angeschaffet (werden sollen) ...", LA Speyer, Best. B2, Nr. 5341, fol. 18r; Geburtsstühle wurden seit 1777 ebenfalls in der Herrschaft Blieskastel an Hebammen übergeben; die Anfertigung eines solchen Stuhles kostete rund 36 Gulden, die die Gemeinden zahlen sollten, ebd., fol. 22 f.; Oberamtsphysikus Böhme empfiehlt 1789 jeder ausgebildeten Hebamme im Oberamt Schaumberg einen Geburtsstuhl „nach der Lehre unentgeldlich mitzugeben"; ebd., Nr. 2875, fol. 53; auch: ebd., Nr. 5341, fol. 108. Allgemein: J.P. Stucky, Der Gebärstuhl. Die Gründe für sein Verschwinden im deutschen Sprachbereich, Diss. med. Zürich 1965. LA Speyer, Best. B2, Nr. 5341, fol. 59 f., fol. 60r, fol. 63r. Moritz, Kurtze Unterweisung, Zwölfter Abschnitt, 47 f.; Dreyzehnter Abschnitt, 52 f. Krenn-Simon, Der Steierische Hebammenstand in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, Dipl. Arbeit, Graz 1992, 24-28; Dietrich, Die Stadtfreiburger Hebammen, 160-164; F. von Zgliniki, Geburt und Kindbett im Spiegel der Kunst und Geschichte, Aachen 1990, 73-105. Eine Erwähnung des Strohlagers oder eines Strohsackes zur Entbindung findet sich ebenfalls im Jahr 8 in einem Disput zwischen dem trierischen Geburtshelfer und Officier de sante, Jean Süss, und dem Direktor der Hebammenanstalt, Schneider, im „Ankündiger für das Saardepartement", Nachlaß Süss, Privatbesitz Frau Dr. Marlene Rosinski, Saarbrücken. Moritz, Kurze Unterweisung, Zwölfter Abschnitt, 52. LA Speyer, Best. C33, Nr. 203/62, fol. 83. ADM Metz, Best. Β 934, Nr. 6, o. fol., 1611.

Anmerkungen

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57 A H W S , Rep. V, Nr. 59, ο. fol., um 1758. 58 So und ähnlich die Eintragungen etwa im Geburtsregister des Kirchenbuchs von St. Johann: STA SB, Best. Kirchenbücher, Bd. 25, Nr. 1046, S. 104, 1752. 59 Die längste Zeitspanne belief sich bei einer Zwillingsgeburt in St. Johann sogar auf sechzehn Stunden; STA SB, Best. 25, Nr. 645,1740. 60 Dies beschreibt Anton Moritz als eine im Kurtrierischen allgemein ausgeübte Praxis auf dem Land; Moritz, Kurze Unterweisung, Zwölfter Abschnitt, 51 f. 61 Dies rät auch Saal in seinem Unterrichtskonzept für die Hebammen der Leyen'schen Grafschaft, LA Speyer, Best. C33, Nr. 203/62, fol. 78r. 62 Moritz, Kurze Unterweisung, Zwölfter Abschnitt, 52 f. 63 L A Speyer, Best. C33, Nr. 203/62, fol. 79, fol. 83. 64 A H W S , Rep. V, Nr. 59, o. fol., 1758. 65 Ebd., Rep. VII, Nr. 139a, o. fol., 1632. 66 Gemeint ist das Platzen der Fruchtblase, A H W S , Rep. VII, Nr. 139 a, o. fol., 1632. 67 Etwa: L A Speyer, Best. B2, Nr. 2848, fol. 14, § 4; LASB, Best. 22, Nr. 4611, fol. 131, § 4; die kurtrierische Verordnung von 1682 spricht nur allgemein von „Zeichen der herannahenden Geburt", Scotti, Sammlung, Bd. 1, 706. 68 Archiv der evangelischen Kirchengemeinde Ottweiler, Nr. 00/1, fol. 421 f., § 7; ebd., S. 25, § 4; LASB, Best. 38, Nr. 620, fol. 126 f. 69 Vgl. ähnliche Beobachtungen bei Krenn-Simon, „Beystand in Kindsnöthen", 25-29. 70 A H W S , Rep. V, Nr. 18, o. fol., 1733. 71 LA Speyer, Best. C33, Nr. 14910, fol. 6r. 72 L H Α Koblenz, Best, lc, Nr. 18071, o. fol., 1781. 73 Moritz, Kurze Unterweisung, Dreyzehntes Kapitel, 47 f. 74 LASB, Best. 22, Nr. 3780, fol. 32 f.; LA Speyer, Best. C33, Nr. 149'°, fol. 5. 75 A H W S , Rep. VII, Nr. 139a, o. fol., 1760. 76 L H A Koblenz, Best, lc, Nr. 14127, o. fol., 1580. 77 Ebd., Nr. 18071, o. fol., 1781. 78 Nachlaß Merkelbach-Pinck, Das Kind im Brauchtum in Deutschlothringen, 11. 79 A H W S , Rep. VII, Nr. 139a, o. fol., 1632. 80 Rein statistisch ist der Prozentsatz der mit ihrem Kind bestatteten verstorbenen Mütter äußerst niedrig; so verstarb bei etwa 41 nachweislich komplizierten Geburten mit oder ohne Todesfolge in den Orten um Saarbrücken, keine einzige der Frauen, weil das Kind nicht zur Welt gebracht werden konnte; dagegen kam es zu elf Totgeburten; beispielsweise: STA SB, Best. Kirchenbücher, Bd. 1, S. 305, 1667; S. 315, 1669; S. 353, 1675; S. 388, 1688; S. 391, 1689; S. 398, 1693; S. 404, 1693; Bd. 3, S. 117r, 1724; Bd. 4, S. 206, 1765; Bd. 18, S. 72, 1772; Bd. 25, S. 104, 1752; S. 117, 1754; S. 123, 1756; S. 205, 1773. 81 Moritz beschreibt in seinem Lehrbuch äußerst ausführlich jede erdenkliche „schwere und unordentliche" Kindslage mit den geeigneten geburtshilflichen Maßnahmen, Ders., Kurze Unterweisung, Achtzehnter Abschnitt: Von den schweren und unordentlichen Geburten, 84-88; Neunzehnter Abschnitt: Von verschiedenen Wendungen des Kindes, 89-118; auch Saal verwendet diesem Aspekt der „unnatürlichen Kindslagen" besondere Aufmerksamkeit, LA Speyer, Best. C33, Nr. 203/62, fol. 84r91 r. Alle für den Untersuchungsraum geltenden Medizinal- und Hebammenordnungen sprechen das „üble Lager" als Komplikation an, bei der die Hebamme einen Mediziner hinzuziehen soll. 82 LA Speyer, Best. B2, Nr. 5341, fol. 60. 83 LASB, Best. 22, Nr. 3780, fol. 32 f.; vgl. Marland (Hg.), „Mother and Child were Saved", 51-79. 84 A H W S , Rep. VII, Nr. 139a, ο. fol., 1760. 85 Moritz, Kurze Unterweisung, Neunzehnter Abschnitt, 94-96; Saal: LA Speyer, Best. C33, Nr. 203/62, fol. 89r.

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Anmerkungen

86 Vgl. Marland (Hg.), „Mother and Child were Saved", 53 f., 57, 59, 62 f., 70, 75 f.; bei Drillingsgeburten überlebte zumeist nur das zweitgeborene Kind, 53, 71. 87 Moritz gibt nur an, die Hebamme möge „am Leib der Frau fühlen", ob nicht noch ein weiteres Kind vorhanden sei; Ders., Kurze Unterweisung, Vierzehnter Abschnitt: Was ferner zu thun, wenn das Kind gebohren ist, und auf der Hebamme Schooße liegt, 59 f. 88 Nachlaß Merkelbach-Pinck, Das Kind, 6. 89 AHWS, Rep. V, N r . 59, o. fol., 1758. 90 A D M Nancy, Best. Β 934, N r . 6, o. fol., 1611. 91 LA Speyer, Best. B2, Nr. 2599, fol. 21. 92 Ebd., Best. C33, N r . 203/62, fol. 87r. 93 Darüber beschwerten sich insbesondere die Reinheimer Frauen, LA Speyer, Best. C33, Nr. 149'°, fol. 2 f., fol. 6; auch: AHWS, Rep. V, Nr. 18, o. fol.: „übel zugerichtet". 94 LA Speyer, Best. B2, Nr. 5341, fol. 33. 95 Ebd., Best. C33, Nr. 14910, fol. 7 f. 96 Ebd., fol. 87r. 97 Moritz, Kurze Unterweisung, Dreyzehnter Abschnitt: Von der Geburt, 55; Zwanzigster Abschnitt: Von Entzündungen der Gebärmutter, 119 ff. 98 AHWS, Rep. VII, Nr. 139a, o. fol., 1760. 99 LA Speyer, Best. B2, Nr. 2599, fol. lOOr. 100 ADM Nancy, Best. Β 934, Nr. 6, o. fol. 101 Ebd., Best. B, Nr. 3623, o. fol., 1606. 102 LASB, Best. 22, Nr. 4309, fol. 60r, fol. 62, fol. 73, fol. 127r. 103 AHWS, Rep. VII, Nr, 139a, o. fol., 1632. 104 Eine erste Erwähnung der Trennung der Nabelschnur mit der im eigenen Haushalt befindlichen und nicht von der Hebamme bereit gestellten Schere datiert von 1611, ADM Nancy, Best. Β 934, Nr. 6, o. fol. Zum Inhalt der Hebammenkoffer: STA SB, Best. Alt-Saarbrücken, Nr. 335, 1838; ebd., Best. 5, Nr. 161, fol. 5, 1827; ebd., fol. 26-28, 1840; LASB, Best. Dep. Losheim, Nr. 89, o. fol., 1816; ebd., o. fol., 1826; ebd., o. fol., 1836; ebd. Best. Landratsamt, Nr. 1297, fol. 3r; ebd., Best. Landkreis St. Wendel, Nr. 551, o. fol., 1887; ebd., Best. Dep. Stadt Merzig, Nr. 37, B l , 1835/36; ebd., T.4.B1, 1843; ebd., Best. Dep. Stadt Ottweiler, Nr. 11/30, o. fol., 1838; L H A Koblenz, Best. 276, Nr. 1926, fol. 3, um 1815; LA Speyer, Best. C33, N r . 203/62, fol. 22, 1777. 105 LA Speyer, Best. B2, Nr. 2848, fol. 14r, § 6; LASB, Best. 22, Nr. 4611, fol. 131r, § 6; Archiv der evangelischen Kirchengemeinde Ottweiler, Nr. 00/01, S.26, § 6. 106 Vgl. für Kurtrier: Scotti, Sammlung, Bd. 1, 706; für die Herrschaft Dagstuhl: LASB, Best. 38, Nr. 620, fol. 127, fol. 129; Hanau-Lichtenberg: LA Speyer, Best. B2, Nr. 2848, fol. 105r, § VIII; Zit. aus der Hebammenordnung für die Herrschaft Ottweiler, Archiv der evangelischen Kirchengemeinde Ottweiler, Nr. 00/1, fol. 422, § 8. 107 A D M M Nancy, Best. Β 934, Nr.6, o. fol., 1611. 108 L H A Koblenz, Best. 24, Nr. 1276, fol. 3 f. 109 LASB, Best. 22, Nr. 4309, fol. 60, fol. 165r, fol. 166. 110 Hier für Pfalz-Zweibrücken, AHWS, Rep. VII, Nr. 139a, o. fol., § 12, 1632; ebd., o. fol.: Examensfragen für Hebammen, Fragstücke 115-117 zur Nabelschnur, 118-121 zur Nachgeburt. 111 LA Speyer, Best. C33, Nr. 203/62, fol. 94r; Moritz, Kurze Unterweisung, Vierzehnter Abschnitt, 62 f., Fünfzehnter Abschnitt: Von dem gleich nach Ausnehmung der Nachgeburt folgenden heftigen Blutgange, welchen die Frauen das Herzgeblut zu nennen pflegen, 66-70; AHWS, Rep. VII, Nr. 139a, o. fol., Examensfragen 1632, S 16-19. 112 Moritz, Kurze Unterweisung, Fünfzehntes Kapitel, 70, Sechzehntes Kapitel, 73.

Anmerkungen

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113 LASB, Best. 38, N r . 620, fol. 129. 114 LA Speyer, Best. C33, Nr. 149'°, fol. 8 f. 115 Angabe aus einer Neustadter Handschrift von 1821, in: Heeger, Pfälzer Volksheilkunde, 72 f. 116 So auch in den Examensfragen für Hebammen im Herzogtum Pfalz-Zweibrücken, 1632, AHWS, Rep. VII, Nr. 139a, o. fol., § 121; ebd., Hebammenordnung 1632, § 20; vgl. Heeger, Pfälzer Volksheilkunde, 116 f.; Loux, Das Kind, 115-118. 117 Moritz, Kurze Unterweisung, Siebenzehnter Abschnitt: Was ferner nach der Geburt zu thuen ist, 75 ff. 118 AHWS, Rep. VII, Nr. 139a, § 120-127. 119 Für Lothringen etwa: Loux, Das Kind, 121; Richard, Traditions populaires, 229 f. 120 So etwa bei Moritz, Kurze Unterweisung, Sechs und zwanzigster Abschnitt: Wie die neugebohrenen Kinder gleich anfänglich zu verpflegen sind, 142 ff. 121 AHWS, Rep. VII, Nr. 139a, o. fol. 1760; ADMM Nancy, Best. Β 934, Nr. 6, o. fol., 1611. 122 Zit. in: Dillmann, Erinnerungen an das ländliche Leben, 63; Nikolaus Driesch (1803-1883) begann seine Jugenderinnerungen rückblickend um das Jahr 1850; vgl. auch: Fox, Aus dem Leben des Nikolaus Driesch. Nach seinem schriftlichen Nachlaß, Saarlouis 1933. 123 Nachlaß Merkelbach-Pinck, Das Kind und seine Mutter beim Eingang in die Welt. Kurze Berichterstattung einer Hebamme über ihre Erlebnisse bei dem Leben des Kindes und zwar schon vor der Geburt, während derselben und in den ersten Lebensjahren, Manuskript, S. 2. 124 Wiegen scheinen im gesamten Untersuchungsbereich in Gebrauch gewesen zu sein. Sie wurden vom Vater des Kindes zumeist selbst, nur in begüterten Familien vom Schreiner gefertigt und über die Generationen vererbt. „Nach dem Volksglauben durfte die Wiege des Kindes erst nach dessen Geburt ins Zimmer gebracht und gerichtet werden. Der Inhalt bestand aus einem Unterbett mit Spreu, möglichst mit Farnkraut gemischt, einem Kopfkissen und einem Federbett von ausgesucht besten Daunen ... Der Schreiner schnitzte an der Kopfseite gewöhnlich einen Engel ein, an den Seitenwänden: Äpfel, Birnen, Trauben, Hirsche, Hasen, Rehe. Die Kopfwand verzierten neben dem religiösen Bild die Anfangsbuchstaben J.H.S. So in wohlhabenden Bürgersfamilien. In bescheideneren war die Wiege entsprechend einfach gehalten mit angestrichenen Wänden. Es wurde ein Kreuz mit Kreide oder einem Backstein aufgezeichnet..."; Zit. in: Nachlaß Merkelbach-Pinck, Das Kind, 8. 125 Im Folgenden beziehe ich mich allein auf die Eintragungen im Kirchenbuch Birkenfeld und die Auswertungen desselben bei: Lohmeyer, Bearbeitung von Birkenfelder Kirchenbüchern, Teil 1. 126 Ebd., 62. 127 Ebd., 57,62. 128 Ebd., 62. 129 STA SB, Best. Kirchenbücher, Bd. 22, S. 9: „Abend 11 Uhr ist dem N. Kohlmeier französischen Officiers und der Maria Catharina, geborene Brunnin aus Worms gebürtig, welche im Gasthof zum Viehhof St. Johanner Vorstadt logierend ins Kindbett gekommen, ein Söhnlein gebohren und ... in Malstatt getaufft worden ...". 130 STA SB, Best. Hospital, Nr, 1077, o. fol., 1792; ebenso: ebd., N r . 1075, o. fol., 1783. 131 LASB, Best. C36, Nr. 46, o. fol., 1766. 132 Ebd., o. fol., 1766; vgl. Moog, Eschringen, 483. 133 Moog, Eschringen, 483. 134 Vgl. Bohrer, Register zu dem lutherischen Kirchenbuch der Stadt Zweibrücken mit den eingepfarrten Landgemeinden von 1803-1818, Zweibrücken 1991, 24; Ders., Register zu dem 2. Evangelisch-reformierten Kirchenbuch der Pfarrei MimbachWebenheim 1779-1798, Zweibrücken 1978, 40.

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Anmerkungen

135 Vgl. A. Rixecker, Ortsfremde in den alten evangelischen Kirchenbüchern von Gersweiler, in: Saarländische Familienkunde, Bd. 1, Jg. 2 (1969), Heft 4, 78. 136 LASB, Best. Münchweiler Akten, Nr. 390, fol. 70-72. 137 AHWS, Rep. V, Nr. 22, o. fol., 1718/19. 138 LA Speyer, Best. B2, Nr. 124/39b, o. fol., 1738. 139 LASB, Best. 22, N r . 3782, fol. 56-59. 140 Ebd., fol. 57. 141 Vgl. Lohmeyer, Bearbeitung von Birkenfelder Kirchenbüchern, Teil 1, 22, 62. 142 Vgl. W. Gubalke, Die Hebammen im Wandel der Zeiten. Ein Beitrag zur Geschichte des Hebammenwesens, Hannover 1964, 93 ff.; Katharina II. von Rußland. Entbindung im Zarenpalast, in: A. van Dülmen (Hg.), Frauen. Ein historisches Lesebuch, München 1988, 174 f.; berühmt ist v.a. die Darstellung der Geburt Ludwigs XIII. von Frankreich, bei welcher sich neben Ärzten und Hebammen auch die herrschaftlichen Würdenträger befanden. 143 AHWS, Rep. II, N r . 248, fol. 39-42; dieselbe Formel erhielt sich mit einem Zusatz bis mindestens 1674; ebd., fol. 87 f. 144 L H A Koblenz, Best. 54 P, Nr. 234, fol. 136 f. 145 Hofhebammen waren etwa Marie-Louise Bourgeois, Marguerite du Tetre de la Marche, Justina Siegemund, Anna Elisabeth Horenburg, Angelique Le Boursier du Coudray, Marie Louise Duges, Marie Anne Victorine Boivin, Regina-Josepha von Siebold, Charlotte Heidenreich-von Siebold oder Jane Sharp; vgl. Labouvie, Frauenberuf ohne Vorbildung? Hebammen in den Städten und auf dem Land, in: E. Kleinau/C. Opitz (Hg.), Geschichte der Mädchen- und Frauenbildung in Deutschland, Bd. 1, Frankfurt a.M./New York 1996, 225; W. Pulz, „Nicht alles nach der Gelahrten Sinn geschrieben". Das Hebammenanleitungsbuch von Justina Siegemund. Zur Rekonstruktion geburtshilflichen Uberlieferungswissens frühneuzeitlicher Hebammen und seiner Bedeutung bei der Herausbildung der modernen Geburtshilfe, München 1996; I. Beiswenger, Ein Beitrag zur Geschichte der Geburtshilfe. Justine Siegemundin und ihre Leistungen, Diss. München 1899; K. Tietze, Die Cur-Brandenburgische, später Königl. Preußische Hof-Wehe-Mutter Justina Siegemundin, geb. Dittrichin, aus Rohnstock in Schlesien, in: Neue Bolkenhainer Heimatblätter 4 (1974), 7-17; H. Fasbender, Geschichte der Geburtshilfe, Hildesheim 1964,143,156-159,177 f., 213-215, 256; Gubalke, Die Hebamme, 81-93. 146 LASB, Best. Münchweiler Akten, Nr. 12, fol. 9 f. 147 Ebd., fol. 7, 10. 148 Ebd., fol. 10. 149 Ebd., fol. 3 ff., fol. 11. 150 Ebd., fol. 2. 151 N u r 1563 und 1575 rief man eine Pariser Hebamme nach Nancy, einmal Genevieve de Hulas, die auch die Prinzessin Claude de France entbunden hatte, und später eine nicht namentlich bekannte Pariser Hebamme, die am Königshof tätig war; A D M M Nancy, Best. B, Nr. 1135, 1563; ebd., Nr. 1164,1574; ebd., Nr. 1124, fol. 406,1548. 152 A D M M Nancy, Best. B, Nr. 2087, o. fol., 1504: Entgeld der Hebamme Alison; ebd., Nr. 7575, o. fol., 1505/06: Marguerite Goddefrin von Nancy erhält von Georges des Moynes eine Pension als Hebamme der Herzogin Claude; ebd., Nr. 1135, o. fol., 1563: „Sommes payees ä Genevieve de Hulas" für die Entbindung der Herzogin. 153 Ebd., Best. B, Nr. 5, fol. 134r. 154 Ebd., Best. B, Nr. 5297, fol. 4r, 1588; ebd., Nr. 5365, fol. 4r, 1619; ebd., Nr. 2838; ebd., Nr. 2944; ebd., Nr. 6213; ebd., Nr. 10060; eine Amme hatte man 1609-1611 auch am Zweibrücker Hof: Es war die Ehefrau des herrschaftlichen Dieners Paulus Erlewein von Ixheim; LA Speyer, Best. B2, N r . 3534, fol. 2-4; auch der Ottweiler Hof bezahlte um 1727 eine Kindermagd; LASB, Best. 22, Nr. 3780, fol. 254r-255r.

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Vgl. Hacquin, Histoire de l'art, 78. Zit. in: ebd., 81. A D M M Nancy, Best. B, Nr. 1531, o. fol., 1699. Ebd., Nr. 1538, fol. 89r, 1699. So etwa 1715: ebd., Nr. 1621, fol. 172. Ich beziehe mich hier auf die theoretischen Überlegungen zum „Bedeutungsgewebe" von Kultur und zum Kulturbegriff von C. Geertz, Dichte Beschreibung. Beiträge zum Verstehen kultureller Systeme, Frankfurt a.M. 1987, 7-43, bes. 9, 15, 21, auf die Beziehungen von Körper und Kultur, die Pomata, Grenzziehungen, 39 f., 56 f., beschreibt und auf die Analyse zur Wahrnehmung körperlicher Reaktionen (Körper als Metapher für soziale Erfahrungen) von Douglas, Ritual, Tabu und Körpersymbolik, 99, und Mauss, Die Techniken des Körpers, in: Ders., Soziologie und Anthropologie 2, Frankfurt a.M. 1989, 206. 161 In den beginnenden 70er Jahren waren durch die medizinischen Errungenschaften (Periduralanästhesie) alle Voraussetzungen für eine schmerzfreie Entbindung geschaffen worden, die den niederkommenden Frauen in den Kliniken und auf Entbindungsstationen angeboten wurden und zunächst großen Anklang fanden. Slogan war die Einstimmung der werdenden Mütter auf eine unproblematische, da angstfreie und schmerzlose Geburt. Die Geburt als rein medizinische Angelegenheit sollte die Gebärenden von der physischen Geburtsarbeit, von damit verbundenen psychischen Negativdispositionen entlasten und es ihnen ermöglichen, sich positiv auf ihre künftige Mutterrolle zu konzentrieren. Im Mittelpunkt dieser Diskussion standen die entbindenden Frauen und eine zwiespältige Sichtweise, die den Geburtsvorgang zwar als einen natürlichen, aus fortschrittlicher Medizinerperspektive aber korrekturbedürftigen und zudem traumatischen Vorgang einstufte. Die Blockierung des biochemischen Mechanismus gestattete jetzt eine Kontrolle der damit in Zusammenhang stehenden emotionalen Körperprozesse und eine völlige Herabsetzung der Schmerzschwelle. In den 80er Jahren konzentrierte sich der Diskurs um die Geburt im Zuge einer „neuen Mütterlichkeit" auf die Einmaligkeit und die Grenzerfahrung des Geburtserlebnisses. Der medizinisch-physiologischen Sichtweise wurde eine konträre gegenübergestellt, die den emotional-psychischen Aspekt einer Niederkunft für die Frauen mit dem Einbezug des zu gebärenden Kindes koppelte. Gerade die natürliche, schmerzhafte und nicht mehr medikamentös verfremdete Geburt war es jetzt, die die Frauen auf eine positive Akzeptanz ihres Kindes und ihrer Mutterrolle einstimmen sollte. Abgesehen von Argumenten, die wegen einer möglichen Schädigung des Neugeborenen von schmerzbefreienden Mitteln abrieten, sollte es einer Frau nunmehr nur möglich sein, das Glücksgefühl einer selbst und ureigens vollbrachten Geburt tatsächlich physisch und psychisch, bzw. durch die Physis auch psychisch erleben zu können, wenn sie frei nach Leboyer ohne Ängste alle Geburtsschmerzen und Gefahren durchstand. Zu Schmerzassistenten mit Einführung in Atemtechniken, Massage und beruhigende Streicheleinheiten avancierten die bei der Geburt anwesenden künftigen Väter, denen so die Möglichkeit des Miterlebens gegeben werden sollte. 162 Die Diskussionen begannen in Frankreich und Amerika in den 70er Jahren, vgl.: R. Baldwin, Special Delivery: The Complete Guide to Informed Birth, Millbrae C A 1979; A. Cartwright, The Dignity of Labour? A Study of Childbearing and Induction, London 1979; B. Donovan, The Cesarean Birth Experience: A Practical, Comprehensive, and Reassuring Guide for Parents and Professionals, Boston 1977; L. Todd, Labor and Birt: A Guide for You, Minneanapolis 1981; D. Young, Family Birth in the Hospital, Rochester 1982; D.R. Entwhistle/S.G. Doering (Hg.), The First Birth: A Family Turning Point, Baltimore 1981; Marjorie Karmel, Thank You, Dr. Lamaze: A Mother's Experience in Painless Childbirth, Philadelphia 1959; G.

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Anmerkungen Peterson, Birthing Normally. A Personal Growth Approach to Childbirth, Berkeley C A 1984; sie erreichten Deutschland zu Beginn der 80er Jahre, vgl.: R. Arditti/ R. Duelli Klein/S. Minden (Hg.), Frauen in den Labors der Menschenzüchter, Hamburg 1985; D. Ewy/R. Ewy, Die Lamaze-Methode, München 1984; F. Leboyer, Geburt ohne Gewalt, München 1984; Ders., Weg des Lichts, München 1980; M. Odent, Erfahrungen mit der sanften Geburt, München 1986; A. Rieh, Von Frauen geboren. Mutterschaft als Erfahrung und Institution, München 1979; Kitzinger, Natürliche Geburt, München 1983; Read, Mutterwerden ohne Schmerz, Hamburg 1981. Vgl. Töngi, Im Zeichen der Geburt, 6-8, 50, 62 f.; Douglas, Ritual, Tabu und Körpersymbolik, 99; Martin, Die Frau im Körper, 86-91, 189-198; Duden, Der Frauenleib als öffentlicher Ort, 61-109; H.J. Hillemanns/H. Steiner (Hg.), Die programmierte Geburt, Stuttgart 1978; G. Corea, Muttermaschine - Reproduktionstechnologie von der künstlichen Befruchtung bis zur künstlichen Gebärmutter, Berlin 1986; A. Oakley, The Captured Whomb: A History of the Medical Care of Pregnant Women, Oxford 1984; Dies., Becomming a Mother, New York 1979; E. Schindele, Gläserne Gebär-Mutter. Vorgeburtliche Diagnostik - Fluch oder Segen, Frankfurt a.M. 1990; vgl. auch alle bereits erwähnten Autobiographien von Hebammen aus dem 19. und 20. Jahrhundert. Moritz, Kurze Unterweisung, Zweyter Abschnitt, 7 f.; Vierter Abschnitt, 8-12; Funffter Abschnitt, 15 f.; Sechster Abschnitt, 20-24; Siebenter Abschnitt, 26; Fünfzehnter Abschnitt, 67 f.; Sechszehnter Abschnitt, 72 f.; Zwanzigster Abschnitt, 122; Ein und zwanzigster Abschnitt, 126; Vier und zwanzigster Abschnitt, 135. vgl. zum folgenden auch: Labouvie, Unter Schmerzen gebären. Gedanken zur weiblichen Empfindung um die Geburt, in: Medizin, Gesellschaft und Geschichte 15 (1997), 79-99. Ebd., Anhang. Ebd., Fünf und zwanzigster Abschnitt, 139-141. Etwa: LASB, Best. 38, Nr. 620, fol. 126 f.; Archiv der evangelischen Kirchengemeinde Ottweiler, Nr. 00/1, fol. 423, § 9, fol. 424, § 13, fol. 425, § 16; LA Speyer, Best. B2, Nr. 2848, fol. 106, § XII.; AHWS, Rep. VII, Nr. 139a, o. fol., Hebammenordnung 1632, § 10, § 11, § 13. Archiv der evangelischen Kirchengemeinde Ottweiler, Nr. 00/1, S. 26, § 6; ebenso: LASB, Best. 22, Nr. 4611, fol. 131r, § 6; Scotti, Sammlung, Teil 1, 707; LA Speyer, Best. B2, Nr. 2848, fol. 14r, § 7 und § 8. Vgl. als Uberblick: E. Pageis, Adam, Eva und die Schlange. Die Geschichte der Sünde, Reinbek b. Hamburg 1994, 272-278. Nach 1. Mose 3,16. Vgl. P. Brown, Sexuality and Society in the Fifth Century A.D. Augustine and Julian of Eclanum, in: Tria corda, Scritti in onore di Arnaldo Momigliano, Como 1983, 49-70; Ders., Augustin of Hippo, Berkeley 1969, 39; Ε. Clark, Vitiated Seeds and Holy Vessels. Augustine's Manichean Past, in: Ascetic Piety and Women's Faith. Essays on Late Acient Christianity, Lewiston/Queenston 1986, 29-352; Y. de Montchueil, La polemique de Saint Augustin contre Julien d'Eclane d'apres l'Opus imperfectum, in: Recherches de science religieuse 44 (1956), 193-218; Originaltexte in: Augustinus, Opus imperfectum contra Iulianum, 4,91—4,93 und 4,114. Vgl. Pageis, Adam, Eva, 277 f.; Clark, The Virginal Politeia and Plato's Republik. John Crysostom on Women and the Sexual Relation, in: Ders., Jerome, Chrysostom, and Friends, New York 1971, 1-22; Augustinus, Opus imperfectum, 1,14, 6,26, 6,29 und v.a. 6,26-6,29 (Entgegnungen Julians). Paulus aus: 1 Tim. 2,11-2,15; vgl. auch: J. Wittich, Tröstlicher Unterricht für Schwangere und geberende Weiber, Leipzig 1591, 67, 76: er spricht vom „heyligen

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Creutz", davon, daß die Frau im Sinne Paulus' „selig durch Kinder zeugen" wird, vom „zeittlichen" und „ewigen" Lohn, vom „heyligen Werck" und vom „kreuz" der Schmerzen, die Gott den Frauen auferlegt habe, daß sie der „Erbsünde halben/ ewige straffe verdient hetten"; J. Menius, Oeconomia Christiana/das ist/von Christlicher haußhaltung. Mit einer schönen Vorrhede/D. Martini Luther, Nürnberg 1530, D5-D7; Pageis, Paul and Women. Α Response to Recent Discussion, in: Journal of the American Academy of Religion 42 (1972), 538-549; R. Scroggs, Paul and the Eschatological Women, in: ebd., 40 (1972), 283-303. Vgl. L. Β. Paton, The Problem of Suffering in the pre-exilic Prophets, in: Journal of Biblical Literature 46 (1927), 111-131; J. Hempel, Wort Gottes und Schicksal, Tübingen 1950, 222-232; J. Schabert, Der Schmerz im alten Testament, Bonn 1955, 187-215, zur Motivik des Geburtsschmerzes: 17-26, 78; C.S. Lewis, Über den Schmerz, Köln [1940], 105-136; J. Bowker, Problems of Suffering in Religions of the World, Cambridge 1970, 155 ff.; S. Brena, Pain and Religion: A Psychophysiological Study, Springfield 1972; P. Lippert, Das Leid, der Schmerz und das Böse, in: Militärseelsorge 24 (1982), 160-173; K. Brune, Das Phänomen Schmerz in Gesellschaft, Forschung und Therapie, Erlangen 1986, 4 f. Vgl. A. Godeau, Instructions et prieres chretiennes, 1646; dt. Ubersetzung in: Gelis, Die Geburt, 238 f. L A Speyer, Best. C33, Nr. 203/62, o. fol.; LASB, Best. 22, Nr. 3490, fol. 26; ebenso: LA Speyer, Best. C33, Nr. 14910, fol. 3 f., fol. 7. LASB, Best. 22, Nr. 3780, fol. 33. Ebd., Nr. 4161, fol. 263. L A Speyer, Best. C33, Nr. 14910, fol. 3 - 4 f. A H W S , Rep. V, Nr. 18, o. fol., 1733. Ebd., Nr. 59, o. fol., 1758/59. A D M M Nancy, Best. Β 934, Nr. 6, o. fol., 1611. LASB, Best. 38, Nr. 51, fol. 180 f. A D M M Nancy, Best. 3 Β XVIII, Nr. 7, o. fol., 1755. Gräfinthaler Mirakelbuch, 1671, o. fol., Das 5., 13., 23., 37., 43., 50., 58., 59., 68., 71., 75. und 78. Exempel; Mirakelbuch Beurig, Mirakelberichte von 1630, 1636, 1640, 1641, 1642, 1644, 1646. Mirakelbuch Beurig, Mirakelberichte von 1630, 1636, 1640, 1641, 1642, 1644, 1646. Gräfinthaler Mirakelbuch, 1671, Das 37., 43., 50., 58. und 68. Exempel; vgl. auch: F. Courth, Wallfahrten zu Maria, in: W. Beinert/H. Petri (Hg.), Handbuch der Marienkunde, Regensburg 1984, 506-527; W. Pötzl, Marianisches Brauchtum an Wallfahrtsorten, in: ebd., 931-939; Jutta Held, Marienbild und Volksfrömmigkeit. Zur Funktion der Marienverehrung im Hoch- und Spätmittelalter, in: I. Barta (Hg.), Frauen. Bilder. Männer. Mythen. Kunsthistorische Beiträge, Berlin 1987,35-68; E. Gössmann, Mariologische Entwicklung im Mittelalter. Frauenfreundliche und frauenfeindliche Aspekte, in: Dies./D.R. Bauer (Hg.), Maria - für alle Frauen oder über allen Frauen, Freiburg 1989, 63-85. L H Α Koblenz, Abt. lc, Nr. 13564, o. fol. 1699. LASB, Best. 22, Nr. 4161, o. fol., 1611. Ebd., Nr. 3782, fol. 88-90, 1731. Ebd., o. fol. STA SB, Best. Nachlaß Lohmeyer, Nr. 676, fol. 1: Aufzeichnungen über das Leben der Sara Johanna Clever, geb. Lohmeyer, 1814-1825. Bake/Kiupel (Hg.), Margarethe E. Milow, 144, 161, 182 f., 191, 194 f.; vgl. auch ebd., 139-141, 143, 180 f., 192 f., 196, 373. D. Buhmann/B. Kasper/R. Kaufmann, Leben und Tod der Frau Susanna Maria Becker. Eine historisch-pathologische Untersuchung von Ausgrabungen in Wie-

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Anmerkungen belskirchen, in: Saarheimat 27 (1983), Heft 4, 71; Kaufmann/Kasper, Identifizierung einer Frau anhand einer Schwangerschaftskomplikation 185 Jahre nach dem Tode, in: Annales Universitatis Saraviensis Medicinae 4 (1984), 106; vgl. auch: I.E. Kloke, Das Kind in der Leichenpredigt, in: R. Lenz (Hg.), Leichenpredigten als Quellen historischer Wissenschaft, Bd. 3, Marburg 1984, 147-163. Am eindringlichsten wird dies in der Bittschrift der Alterkültzer Männer deutlich: AHWS, Rep. V, Nr. 18, o. fol. Das Gräfinthaler Mirakelbuch enthält zahlreiche dieser Wunderberichte, etwa im 1.—4. Exempel, im 7., 9.-12. Exempel, im 16., 24.-29. Exempel, im 34.-36., im 38., 42., 44., 45., 48., 49., 60., 61., 66., 67., 70., 77. und im 81.-83. Exempel; ebenso die Mirakelbücher von Beurig und Eberhardsklausen; Hoffmann/Dohms (Hg.), Die Mirakelbücher; vgl. auch Gelis, Ouvrir ou fermer le corps, 164-179, der auf Heilige verweist, die wegen ihres eigenen Schicksals als Gefesselte oder Gefangene um Hilfe bei Entbindungen angerufen wurden. Vgl. F.J. Kuhlen, Zur Geschichte der Schmerz-, Schlaf- und Beteubungsmittel in Mittelalter und früher Neuzeit, Stuttgart 1983. Etwa LA Speyer, Best. B2, Nr. 2599, fol. 100, bei einer unverheirateten Gebärenden. Zur Schmerzdiskussion und v.a. zu diesem Aspekt vgl. im Uberblick, J. Tanner, Körpererfahrung, 489-502: Er plädiert nach den Überlegungen von J. Revel und J.-P. Peter (Le corps. L'homme malade et son histoire, in: J. Le Goff/ P. Nora (Hg.), Faire de l'histoire, Paris 1974, 169-191) für eine Vorstellung des Körpers als Trias aus Realem, Imaginärem und Symbolischem und eine verschränkte Betrachtung von körperlichen Empfindungen und sozialen Deutungsmustern. Schmerz sei kultureller Code, Sprache des Körpers; E. Scarry, Der Körper im Schmerz. Die Chiffren der Verletzlichkeit und die Erfindung der Kultur, Frankfurt a.M. 1992: Die Autorin untersucht den Schmerz als Triebfeder für die Konstruktion des Kulturellen und in seiner exzeptionellen Rolle für die Empfindungs- und Erlebniswelt; Schmerzempfindungen seien in das symbolische Medium der Sprache nicht übersetzbar, nicht objektivierbar, referenzlos; K. Greifeld/N. Kohnen/E. Schröder (Hg.), Schmerz. Interdiszilinäre Perspektiven, Braunschweig/Wiesbaden 1989, Einleitung; J. Leiss, Sprache und Schmerz. Eine medizin-soziologische Studie, Diss. München 1983; B. J. Goods, Medical Rationality and Experience. An Anthropological Perspective, Cambridge 1994; für ihn ist Schmerz eine Art kreativer Erfahrung und Grenzerfahrung, seine Erfahrbarkeit und Wahrnehmung sei mehrdeutig und würde deshalb in ein Set aus Begriffen und Gefühlsumschreibungen gebettet, damit er als „Erfahrungssyndrom" nacherlebbar gemacht werden könne; D. B. Morris, Geschichte des Schmerzes, Frankfurt a.M./Leipzig 1991, 2. Aufl. 1994: Er geht im Gegensatz zum organischen Schmerzmodell von einer „kuturellen Schmerzkonditionierung" aus und beschreibt den Schmerz als ein zugleich emotionales, kognitives und soziales Phänomen; aus seiner Fremdheit sei der individuelle Schmerz, da man keine Worte für ihn finde, eine Antipode zur Sprache, aber zugleich eine Erfahrung, die neuen sozialen Sinn stifte; anders: P. Clastre, De la torture dans les societes primitives, in: L'Homme. Revue fran5aise d'anthropologie 13 (1973), Heft 3, 114-120: Schmerz diene dazu, soziale Herrschafts- und Machtbeziehungen unvergeßlich in das körperliche Gedächtnis einzuschreiben, sei zwar selbst nicht erklärbar, aber zur Erklärung des Kulturellen unverzichtbar; E. Seidler, Primärerfahrungen von Not und Hilfe, in: H. Schipperges/Ders./P.U. Unschuld (Hg.), Krankheit, Heilkunst, Heilung, Freiburg/München 1978, 399^17. AHWS, Rep. VII, Nr. 139a, § 10, o. fol. Archiv der evangelischen Kirchengemeinde Ottweiler, Nr. 00/1, fol. 6, § 13. STA SB, Best. Kirchenbücher, Bd. 1, S. 26, 1623, S. 213, 1647; ebd., Bd. 3, Eintrag vom 2. August 1736, S. 246, 1744, S. 270, 1747; ebd., Bd. 4, S. 30, 1750, S. 30, 1753,

Anmerkungen

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S. 100, 1757, S. 207, 1765, S. 228, 1767, S. 237, 1768; ebd., Bd. 23, N r . 3, 1762; A D M M Metz, Best. B, Nr. 5964: Alle Frauen geben während der Niederkunft entweder der „Matrone" oder dieser und weiteren Frauen den Namen des Kindsvaters an; ebd., Nr. 5963, o. fol.; ebd., N r . 9461, o. fol., 1760: hier gibt die ledige Gebärende den Vater in Gegenwart von Hebamme und Gerichtsleuten preis; ebd., o. fol., 1765: Preisgabe in Beisein der Hebamme „sous telle peine"; ebd., ο. fol., 1778: Angabe des Vaters während der Geburt gegenüber Hebamme und Bürgermeister; LA Speyer, Best. C33, Nr. 152b, fol. 59-61, 1743: Angabe gegenüber Hebamme und Gerichtsmännern. Vgl. F. Courth, Mariologie, Graz/Wien/Köln 1991, 48-50. A D M M Nancy, Best. B, N r . 5963, o. fol., Prozeß vom 2.3.1715. Ebd., o. fol., 1746. ADM Metz, Best. B, Nr. 8215, o. fol. AHWS, Rep. V, Nr. 7, o. fol., 1759. LH Α Koblenz, Best, lc, Nr. 9111, fol. 1 f. LASB, Best. 22, Nr. 3781, fol. 75 f. Etwa: LASB, Best. Herrschaft Münchweiler Akten, Nr. 287, fol. 102-104, 1589; ebd., fol. 228 f., 1591; ebd., Best. 22, Nr. 3004, fol. 99-104, 1626; ebd., Nr. 3775, fol. 16r-17r; ebd., Nr. 3781, fol. 185; ebd., Nr. 4161, fol. 218-221; ebd., Best. 38, Nr. 625, fol. 371 f., fol. 492-500; ebd., Nr. 626, fol. 97 f., 1732; ebd., fol. 200; ebd., fol. 425; ebd., Best. Dep. des Historischen Vereins, versch. Signaturen, Nr. 1-25, o. fol., 1753; L H A Koblenz, Best. 215, Nr. 1833, fol. 59 f.; ebd., Best. 55 A 4, Nr. 178, o. fol., 1626; vgl. Faber, Stoff für den künftigen Verfasser, Bd. 1, Zit. aus dem Kirchenbuch Breitenbach, 1558: Der Kindsvater muß das Kind nach der Entwöhnung übernehmen; D. Meyer, Register zum 2. Kirchenbuch der reformierten Pfarrei Waldfischbach, Schopp 1986, 68; W. Habicht, Niederlinxweiler. Die Familien 15371973, Blieskastel 1974, 526. L H A Koblenz, Best, lc, Nr. 7487, fol. 263r, 264. Ein gutes Beispiel gibt eine Schwängerungsklage aus Oberlöstern in der Herrschaft Dagstuhl, 1729: Im Namen seiner Tochter Anna hatte Lauers Peter gegen Gödmans Matheis wegen Schwängerung geklagt; der Beklagte erschien zunächst nicht vor Gericht, gab dann jedoch dort an, nichts mit der Frau zutun gehabt zu haben. Beide schwören; der Vergleich hat folgende Lösung gefunden: Matheis sollte der Anna 18 Reichstaler und ein halbes Malter Korn in festen Raten über die nächsten fünf Jahre geben, womit sie die Kindbettkosten und die Ernährung des Kindes bestreiten sollte. Beide sollten am folgenden Sonntag in der Pfarrkirche zu Wadern die „gewöhnliche Kirchenstraff" ausstehen; LASB, Best. 38, Nr. 625, fol. 492-500; ebenso: ebd., Best. 22, Nr. 3778, fol. 277-286, 1727; ähnlich auch: LASB, Best. 22, Nr. 3274, fol. 88-95, 1721. HSTA Wiesbaden, Abt. 131, Nr. IXa 8, o. fol., Verordnung als Erweiterung der bisherigen Kirchenordnung, 31. Juli 1738. LASB, Best. 36, Nr. 45, fol. 508 f. Vgl. Heidelinde Jüngst-Kipper, Ortsfremde in den Dudweiler Kirchenbüchern (1675-1798), in: Saarländische Familienkunde 14 (1981), Heft 53, 129; STA SB, Best. Kirchenbücher, Bd. 4, S. 228, Nr. 50, 1765, S. 377, Nr. 69, 1766, S. 442, Nr. 3, 1779, S. 542, Nr. 20, 1783, S. 554, Nr. 70, 1784; ebd., Bd. 25, S. 216, Nr. 2032, 1775, S. 221, Nr. 2083, 1776; Archiv der evangelischen Kirchengemeinde Dudweiler, Nr. K l , l , Kirchenbuch 1673-1755, fol. 9, 1705, S. 21, Nr. 28, 1718, S. 73, Nr. 322, 1738, S. 75, Nr. 330, 1738, S. 79, Nr. 347, 1739, S. 121, Nr. 13, 1747, S. 125, Nr. 8, 1749, S. 131, Nr. 12, 1749, S. 133, Nr. 2, 1750, S. 134, Nr. 13, 1751, S. 159, Nr. 3, 1755, S. 163, Nr. 22, 1755, S. 177: Hurenverzeichnis; ebd., Nr. Kl,2, Bd. 2, Kirchenbuch 1756-1798, Nr. 52, 1757, Nr. 53, 1757, Nr. 101, 1759, Nr. 237, 1763, Nr. 20, 1764,

318

216

217

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223

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Anmerkungen N r . 127, 1767, N r . 179, 1769, N r . 183, 1769, Nr. 235, 1770, Nr. 289, 1771, Nr. 309, 1772, N r . 315, 1772, N r . 5, 1773, Nr. 23, 1776, Nr. 35, 1780, N r . 3 und 4, 1781, Nr. 9, 1782, Nr. 34, 1782; L H A Koblenz, Best, lc, Nr. 11335, Kirchenvisitation 1580, fol. 12, 26, 41, 181, 196, 210, 228, 606, 620 f., 666, 688, 696, 809, 812, 889 f., 1378; BAT, Abt. 40, Nr. 4k, Pfarrvisitation 1631, fol. 43, 46, 146. Morris, Geschichte des Schmerzes, 59, 67-82; M. Zborowski, People in Pain, San Francisco 1960, 20, 99, 193; C. Helman, Pain and Culture, in: Culture, Health and Illness: An Introduction for Health Professionals, Bristol 1984, 95-105; B. Wolff/S. Langley, Cultural Factors and the Response to Pain, in: D. Landey (Hg.), Culture, Disease, and Healing: Studies in Medical Anthropology, N e w York 1977, 313319; bes.: Gelis, Autrefois, les douleurs de l'enfantement, in: Les dossiers de l'obstetrique, Sonderband 1981: La douleur, 28-45; Ders., Souffrir pour donner la vie. Accouchement et douleur aux siecles classiques, in: L'Enfant 1 (1986). L H A Koblenz, Best, lc, N r . 11335, fol. 1232, Merzig 1631; G. Müller, Losheimer Visitationsprotokolle von 1623, in: Saarländische Familienkunde 1 (1968), Heft 1, 15. Dies bestätigt Loux, Das Kind, 81 f., noch für Lothringen bis ins 19. Jahrhundert; vgl. van Gennep, Ubergangsriten, 47-55, 67; Gelis, Die Geburt, 238 f. Sarg, En Alsace, Traditions et soins, 34. Vgl. Bächtold-Stäubli, H D A , Bd. 3, Sp. 415 f.; Satori, Aberglaube, Bd. 1, 31; Samter, Geburt, 90 f., 110, 123; Gelis, Die Geburt, 22 f. Loux, Das Kind, 80. Fellinger, Schwangerschaft und Geburt, 32-34, 50-52, gibt zahlreiche Gebetstexte wieder; vgl. auch: Hacquin, Les grandes et petites heures, 1372; Merkelbach-Pinck, Geburt, Manuskript, 12-14. Vgl. zur Frage der „Herrenbrüder": Beinert/Petri (Hg.), Handbuch der Marienkunde, 20, 25, 28, 85, aus Gal 1,19: Jacobus als Bruder Jesu; Mk 6,l-6a und 15,40 sowie Mt 13,53-58 und Lk 4,16-30: Jesus hatte mehrere Brüder und Schwestern; Courth, Mariologie, 68-71, 80-85, 95-97, 119, 132, 143 f., 150, 180 f., 186 f, 194; vgl. auch: Schreiner, Maria. Jungfrau, Mutter, Herrscherin, München/Wien 1994, 63-76: Er verweist auf die Ansichten älterer Kirchenväter von einer eher natürlichen Geburt Marias, die leicht und froh war oder auf rhetorische Strategien: Maria habe so schnell geboren, daß nicht zu erkennen war, „wie oder mit welchem Glied" sie geboren habe. Ulbricht, Kindsmord, 162, spricht die Auswirkungen auf die Aussage von Kindsmörderinnen in der Situation des gerichtlichen Verhörs an: „Man kann nicht ohne weiteres davon ausgehen, daß die Frauen wirklich glaubten, was sie im Prozeß aussagten. Die Vermutung liegt nahe, daß sie Antworten gaben, die den Vorstellungen des Gerichts entsprachen ...". Ich gehe davon aus, daß es neben der aufklärerischen Debatte des 18. Jahrhunderts um die Verwerflichkeit des Kindsmordes und neben der Entstehung einer bürgerlichen Polarisierung der Geschlechtercharaktere, die den Frauen die Eigenschaften der Emotionalität, Empfindsamkeit, Passivität, Willensschwäche, Gewaltlosigkeit und Schamhaftigkeit zusprach und damit den Kindsmord noch unerklärlicher und zu einer Tat in einer unglaublichen Ausnahmesituation machte, durchaus auch im ländlichen Bereich und vor dem 18. Jahrhundert Bewertungen und Einstellungen zum Kindsmord gab. Nicht zuletzt zeigt sich dies in der bereits untersuchten Kontrolle durch die Dorffrauen; zur Diskussion in Gerichtsmedizin, Justiz, Literatur und Philosophie, Ulbricht, Kindsmord, 217-277. Vgl. zur Schmerzlosigkeit als Mangel und Zeichen des nicht Mensch-Seins: Morris, Geschichte des Schmerzes, 63-66; zur Zukunft schmerzlos geborener Kinder: Bächtold-Stäubli, H D A , Bd. 3, Sp. 407 f.

Anmerkungen

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227 LASB, Best. 22, Nr. 4309, fol. 73r, fol. 88, Rechtsgutachten, fol. 31, fol. 171r; Urteil: Hinrichtung mit dem Schwert. 228 A D M M Nancy, Best. I I B , Nr. 1944, o. fol.: die angeklagte Kindsmöderin wird freigesprochen. 229 Ebd., Best. 8 B, Nr. 147, o. fol.: Urteil: Tod durch Strangulierung; eine ähnliche Schilderungen findet sich ebd., Best. 11 B, Nr. 1835, o. fol., 1732; ebd., Best. 3 B, Nr. XVIII/7, o. fol., 1755; ebd., Best. B, Nr. 3626, o. fol., 1608. 230 Vgl. Radbruch/Gwinner, Geschichte des Verbrechens, 294; Lorenz, „... als ob ihr ein Stein ...", 114-119; Ulbricht, Kindsmord, 154—156, 172, die Diskussion der Aufklärung 262-264; Schulte, Kindsmörderinnen auf dem Land, 128-132; zur heutigen Beurteilung: J. Gerchow, Die ärztlich-forensische Beurteilung von Kindsmörderinnen, Halle 1957. 231 ADMM Nancy, Best. 11 Β 1836, 1745; ebd., Best. B, Nr. 3623, o. fol., 1606. 232 So im Schreiben der Männer von Alterkültz: AHWS, Rep. V, Nr. 18, o. fol., 1733. 233 Etwa: LASB, Best. 22, Nr. 3782, fol. 90; ebd., Nr. 4161, fol. 260; STA SB, Best. Kirchenbücher, Bischmisheim, Fechingen, Eschringen, 1745-1776, 503, 512. 234 Zit. aus: W. Killy (Hg.), Die deutsche Literatur in Texten und Zeugnissen, Bd. IV,2: 18. Jahrhundert, München 1983, 191. 235 ADM Metz, Best. Β 10 F, Nr. 181, o. fol., nach der Anzeige des herrschaftlichen Meiers. 236 ADM Metz, Best. Β 8328, ο. fol., 1721. 237 AHWS, Rep. V, Nr. 59, o. fol. 238 Vgl. zum folgenden: Labouvie, Geburt und Tod in der Frühen Neuzeit. Letzter Dienst und der Umgang mit besonderen Verstorbenen, in: Duden/Gelis/Schlumbohm/P. Veit (Hg.), Rituale der Geburt. Eine Kulturgeschichte, München 1998, 289-306. Zur demographischen Methode v.a. in Zusammenhang der Erhebungen zur Säuglings- und Müttersterblichkeit vgl. Schlumbohm, Möglichkeiten und Grenzen Historischer Demographie, in: Zeitschrift für Historische Forschung 16 (1989), Heft 1, 49-51; J. E. Knodel, Demographic Behavior in the Past. Α Study of Fourteen German Village Populations in the Eighteenth and Nineteenth Centuries, Cambridge 1988, 33-115; H. Gutierrez/J. Houdaille, La mortalite maternelle en France au XVII' siecle, in: Population 38 (1983), 975 ff.; R. Schofield, Did Mothers Really Die? Three Centuries of Maternal Mortality in „The World We Have Lost", in: L. Bonfield/R.M. Smith/K. Wrightson (Hg.), The World We Have Gained. Histories of Population and Social Structure. Essays Presented to Peter Laslett on his Seventeenth Birthday, O x f o r d / N e w York 1986, 231 ff.; L. Henry/A. Blum, Techniques d'analyse en demographie historique, Paris 1988, 138-154, 169 f.; die Artikel von Bideau, Bardet, Finlay, Imhof, Perrenoud, Poulain/Tabutin und Wall, in: Annales de Demographie Historique 1981, unter: 1. Demographie historique et condition feminine, a): La mortalite differentielle des femmes, 23-140; die Artikel von Rollet, Bengtsson/Lundh, Del Panta, Bernabeu-Mestre, Perrenoud, Viazzo, Woods, Bardet/Martin-Dufour/Renard, Bideau/Brunet/Floquet, Breshi/Livi, Bacci, Dupäquier und Fine, in: Annales de Demographie Historique 1994, unter: 1.: La mortalite des enfants dans le passe, 7-216. 239 Diese Unterscheidungen postuliert F. Lebrun, Medecins, saints et sorciers aux 17' et 18' siecles, Paris 1983, 134. 240 Dieser Ansicht ist vor allem auch Imhof, Unterschiedliche Säuglingssterblichkeit in Deutschland 18. bis 20. Jahrhundert - Warum?, in: Zeitschrift für Bevölkerungswissenschaften 7 (1983), 143 ff.; vgl. ebenso: G. Tugendreich, Der Einfluß der sozialen Lage auf Krankheit und Sterblichkeit des Kindes, in: M. Masse/Ders. (Hg.), Krankheit und soziale Lage, N D Göttingen 1977. 241 Lebrun, Medecins, 133, gemessen an Lebend- und Totgeburten; M.W. Flinn, The European Demographic System 1500-1820, Brighton 1981, 92, gemessen an Le-

320

242

243

244

245 246

247 248

Anmerkungen bendgeburten: Er gibt für die Zeit zwischen 1780-1820 19,5 Prozent und die Zeit vor 1750 25,2 Prozent an. Vgl. Lebrun, Medecins, 133; H. Charbonneau, Tourouve-au-Perche aux 17' et 18' siecles. Etude de demographie historique, Paris 1970, 161-173; E. Gautier/ L. Henry, La population de Crulai, paroisse normande, Paris 1958, 162 f.; Houdaille, La mortalite des enfants en Europe avant le 19" siecle, in: P.-M. Boulanger/D. Tabutin (Hg.), La mortalite des enfants dans le monde et dans l'histoire, Liege 1980, 85-118; Ders., La mortalite des enfants dans la France rurale de 1690 ä 1779, in: Population 39 (1984), 77-106; Y. Blayo, La mortalite en France de 1740 ä 1829, in: ebd. 30 (1975), 123-142; Flinn, European Demographic System, 133 ff. Zu den Gesamtzahlen für England: Flinn, European Demographic System, 92, gemessen an Lebendgeburten; für einzelne Regionen: P. Laslett, Verlorene Lebenswelten. Geschichte der vorindustriellen Gesellschaft, Frankfurt a.M. 1988, 136, gemessen an Lebendgeborenen; E. A. Wrigley/Schofield, English Population History from Family Reconstruction: Summary Results 1600-1799, in: Population Studies 37 (1983), 157-184; Dies., The Population History of England, 1541-1871. A Reconstruction, Cambridge 1989,2. Aufl., 234 ff., gemessen an Lebendgeborenen. Gesamtergebnisse: Flinn, European Demographic System, 92; er gibt Durchschnittswerte auch für Spanien (vor 1750: 28,1 Prozent; 1740-1790: 27,3 Prozent; 1780-1820: 22,0 Prozent) und Schweden (1740-1790: 22,5 Prozent; 1780-1820: 18,7 Prozent) an. Für die schweizerischen Regionen vgl. Schlumbohm, Kinderstuben. Wie Kinder zu Bauern, Bürgern, Aristokraten wurden 1700-1850, München 1983, 33. Flinn, European Demographic System, 92. Oldenburger Land: Schlumbohm, Lebensläufe, 153, gemessen an Lebendgeburten ohne Totgeburten; Altenesch, Mark-Kirchspiel: Ders., Kinderstuben, 33, gemessen an Lebend- und Totgeburten; Wardeburg, Geest-Kirchspiel: ebd., gemessen an Lebend- und Totgeburten; Baden: Durchschnittszahl 1780-1899: Imhof, Der Mensch, 67, gemessen an allen Lebendgeborenen; Stadt Durlach: Schlumbohm, Kinderstuben, 33, gemessen an Lebend- und Totgeburten; Württemberg: für drei untersuchte Dörfer: 1620-1654: A. Maisch, Notdürftiger Unterhalt und gehörige Schranken. Lebensbedingungen und Lebensstile in württembergischen Dörfern der frühen Neuzeit, Stuttgart/Jena/New York 1992, 285, gemessen an Le-bendgeborenen ohne Totgeburten; Hessen: Schwalm: 1690-1719: Schlumbohm, Kinderstuben, 34, gemessen an Lebend- und Totgeburten; Gabelbach/Schwaben: 1780-1799 und Hesel/Ostfriesland: 1780-1799: Imhof, Der Mensch, 73, gemessen an allen Lebendgeburten; vgl. auch: R. Spree, Die Entwicklung der differentiel-len Säuglingssterblichkeit in Deutschland seit der Mitte der 19. Jahrhunderts. Ein Versuch zur Mentalitäts-Geschichte, in: Imhof, Mensch und Gesundheit in der Geschichte. Vorträge eines internationalen Kolloquiums in Berlin vom 20. bis zum 23. September 1978, Husum 1980, 251-278; Imhof, Säuglingssterblichkeit im europäischen Kontext, 17.-20. Jahrhundert. Überlegungen zu einem Buch von A. Brändström (Demographic Data Base 2), Umea 1984 und in: Newsletter 2 (1984), 1-64; J. Sundin, Vom Sterberisiko zur Lebenschance. Der abendländische Weg zum längeren Leben, in: Imhof/Rita Weinknecht (Hg.), Erfüllt leben in Gelassenheit sterben. Geschichte und Gegenwart. Beiträge eines interdisziplinären Symposiums vom 23.-25. November 1993 an der FU Berlin, Berlin 1994, 115-117. Imhof, Der Mensch, 67. B. Menssen/A.-M. Taube, Hebammen und Hebammenwesen in Oldenburg in der zweiten Hälfte des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts, in: E. Hinrichs/

321

Anmerkungen

249 250

251

252

W. Norden (Hg.), Regionalgeschichte: Probleme und Beispiele, Hildesheim 1980, 180 ff.; Läget, Naissances, 280. Ebd., 284 f., 297. Vgl. D . Lenzen, Krankheit als Erfindung. Medizinische Eingriffe in die Kultur, Frankfurt a.M. 1991, 50, 54; 1986 lag die Säuglingssterblichkeit bereits bei 0,86 auf 100 Lebendgeborene. Die B R D stand im europäischen Vergleich in der Rangfolge der Säuglingssterblichkeit 1960 auf dem letzten von fünfzehn Rängen, 1970 und 1980 auf Platz 14 (vorletzter Rang), 1982 auf Platz 8, 1983 auf Platz 10 und seit 1985 wieder auf Platz 8 (immer von 15 Plätzen). Grundlage für meine statistischen Erhebungen sind die Geburts- und Sterberegister für insgesamt 54 Gemeinden im heutigen Saarland zwischen 1622 und 1798, wobei der Schwerpunkt aufgrund der überlieferten Dokumentation auf dem 18. Jahrhundert liegt. Frühere Erhebungen werden dadurch erschwert, daß den Kirchenbüchern aus dem 16. und 17. Jahrhundert Altersangaben bei Eintragungen von Kindern in den Sterberegistern fehlen. Das bedeutet, daß nur über die Geburtsregister Sterbefälle von Kindern ermittelbar sind, und hier dann eben nur entweder Totgeburten oder Todesfälle im Verlauf oder kurz nach der Geburt erfaßt wurden. Ich konzentriere mich trotz Bearbeitung aller Kirchenregister dennoch auf die zuverlässigsten und vollständigsten, wenn es um demographische Berechnungen geht. Imhof, Lebenserwartungen in Deutschland vom 17. bis 19. Jahrhundert, Weinheim 1990, 199; er veranschlagt wie folgt: Jahre

1740

1750

1760

1770

1780

1790

%

16

13

16

18

14

16

Jahre

1800

1810

1820

1830

1840

1850

o/ /o

12

10

10

12,5

12

13

Seine Berechnungen entsprechen in etwa denen für Ostfriesland (1740-1760: 16,3%; 1770-1790: 15,1%; 1800-1820: 11%; 1830-1850: 10%) und sind auf der unteren Skala der gesamtdeutschen Säuglingssterblichkeit anzusiedeln. Die ermittelten Durchschnittswerte für die Zeitintervalle gehen auf meine Berechnung zurück. 253 Vgl. Jean L'Höte, Nuptalite, natalite et mortalite infantile ä Metz sous le Consulat et L'Empire, in: Bulletin de liaison de l'association „Lettres et Arts" 5/6 (1986), 10 f.; J. Houdaille, La population de Remmesweiler en Sarre aux X V I I T siecles, in: Population 25 (1970), Jg. 6 , 1 1 8 9 f. 254 Vgl. für die folgende Tabelle als Grundlage der Berechnungen die Angaben in: Houdaille, La population de Remmesweiler, 1189; L'Hote, Nuptalite, 10; J. Jacob, Neunkirchen und seine Bevölkerung 1801-1850. Historisch-demographische Entwicklung, Saarbrücken 1992, Magisterarbeit, 105-120; Bohrer, Register zu dem Evangelisch-reformierten Kirchenbuch der Pfarrei Winterbach 1719-1798, Zweibrücken 1988; Fuchs, Register zum 1. evangelisch-reformierten Kirchenbuch der Pfarrei Walsheim 1704 bis 1778 über die Getauften, Confirmierten, Copulierten und Begrabenen, Zweibrücken 1972; Bohrer, Register zum 2. evangelisch-reformierten Kirchenbuch der Pfarrei Walsheim 1779 bis 1798, Zweibrücken 1990; Ders., Register zu dem reformierten Kirchenbuch der Pfarrei Lambsborn 1689-1798, Zweibrücken 1991; O . Beck, Beschreibung des Regierungsbezirks Trier, Bd. 1, Trier 1868, 191, 195 f.; G. Barsch, Beschreibung des Regierungs-Bezirks Trier, Bd. 1, Trier 1846, 23 f.

322

Anmerkungen Säuglingssterblichkeit (0-1 Jahr) bezogen auf alle Geburten Jahr Remmesweiler (kath./ref./luth.) Metz (kath.) Neunkirchen (luth./kath.) Spiesen (kath.) St. Johann (luth.) Walsheim (ref·)* Lambsborn (ref.)»* Winterbach

1690-1720 -

1721-1750

1751-1790

1791-1850

14,92%

7,46%

7,34%

-

9,5%

1851-1864

9,0%

-

-

-

-

11,95%

-

-

-

-

15,46%

-

-

-

14,29%

18,93%

-

-

-

8,23%

6,58%

-

-

9,39%

2,81%

-

-

10,52%

14,76%

-

-

4,77% -

(ref.)***

RegierungsBezirk Trier insgesamt

(4,77%)

11,40%

10,00%

12,74% (1845)

10,36% (1864)

11,29%

(10,36%)

*

Pfarrei mit den Orten Walsheim, Breitfurt, Bliesdalheim, Herbitzheim, Kirchheimerhof, Wolfersheim ** Pfarrei mit den Orten Lambsborn, Bechhofen, Bruchmühlbach, Kirrberg, Vogelbach, Wiesbach, Käshofen, Krähenberg, Mörsbach, Rosenkopf, Groß- und Kleinbundenbach Pfarrei mit den Orten Winterbach, Battweiler, Biedershausen, Niederhausen und Oberhausen.

255 So war etwa in der Pfarrei Winterbach bei hoher Kinderzahl die Geburtenfolge (3): 1752, 1755, 1757, 1759, 1762, 1764, 1766, 1772; oder (7): 1737, 1739, 1741, 1743, 1745, 1747, 1749, 1752, 1755, 1756, 1758, 1764; oder (9): 1747, 1750, 1752, 1754, 1757, 1759, 1762, 1765, 1767; oder (27): 1719, 1722, 1724, 1727, 1729, 1732; oder (29): 1740, 1742, 1745, 1747, 1749, 1753, 1755, 1757; oder (33): 1721, 1724, 1727, 170, 1734, 1738; oder (62): 1747, 1749, 1750, 1753, 1756, 1758, 1761, 1763, 1766; oder (63): 1732, 1736 (Zwillinge, beide sterben), 1737, 1739, 1742, 1745, 1748, 1750, 1754 u.s.w. 256 Die Zeit verkürzte sich von durchschnittlich 24 bis 36 Monaten auf zehn bis 16 Monate; Beispiele aus dem Kirchenbuch der Pfarrei Winterbach, wie sie besonders regelmäßig bei kinderreichen Familien zu finden sind: (7): Die sieben ersten Kinder folgen im regelmäßigen Abstand von zwei Jahren, zwischen dem achten und neunten Kind sind jeweils drei Jahre; nachdem das neunte Kind etwa zwei Monate nach der Geburt verstirbt, folgt das zehnt im Abstand von nur 13 Monaten, als dieses Kind ebenfalls drei Monate nach der Geburt verstirbt, folgt das elfte Kind 16 Monate danach. Da dieses Kind überlebt, wird ein zwölftes Kind erst nach vier Jahren geboren. Die Mutter ist bei der letzten Geburt 45 Jahre alt. Oder (103): Die ersten vier Kinder folgen im Abstand von zwei bis drei Jahren; als das vierte Kind etwa vier Monate nach der Geburt stirbt, folgt das fünfte Kind bereits zehn Monate später. Das fünfte und sechste folgen dem vierten, überlebenden wieder nach zwei bis drei Jahren; als das sechste Kind elf Monate nach der Geburt stirbt, folgt die siebte Ge-

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burt nach wiederum n u r zehn Monaten. Das letzte und achte Kind wird dann erst wieder drei Jahre nach der G e b u r t des siebten, bis dahin überlebenden Kindes geboren. Die Mutter ist bei der letzten G e b u r t 47 Jahre alt. LASB, Best. A m t Hilbringen, N r . F 41, A l , Medizinalwesen ab 1825, o. fol., A b schrift von 1839. Ich habe diejenigen Pfarreien z u r näheren Analyse ausgewählt, die beim Kindstod im Geburts- und Sterberegister die Todesursache, den T o d e s z e i t p u n k t und weitere U m s t ä n d e (Taufe, N o t t a u f e , operative Eingriffe) oder Vermutungen (Mißbildungen, Unglücksfälle, Geburtsablauf) im Zusammenhang mit G e b u r t und T o d genau registrieren. Ich beziehe mich bei der folgenden Tabelle auf die Kirchenbücher von Winterbach, Walsheim und Lambsborn, auf Houdaille f ü r Remmesweiler, f ü r den Regierungsbezirk Trier auf Beck und Barsch, auf Jacob f ü r N e u n k i r c h e n und Spiesen (vgl. Anm. 254) sowie auf: LASB, Best. Stadt Merzig, N r . 331, f ü r die Bürgermeisterei Merzig (kath.); auf: Evangelisches Kirchenarchiv Dudweiler, Abt. K8,2, Kirchenbuch 17561798 f ü r die Pfarrei Dudweiler (luth.); auf: STA SB, Best. Kirchenbücher, Bd. 25, 1719-1784(90), Pfarrei St. J o h a n n (luth.). In den Jahren 1985 bis 1987 lag im Saarland der Anteil der Totgeborenen im Jahre 1985 bei 0,53%, 1986 bei 0,46% und 1987 bei 0,45%, der der zwischen dem ersten und siebten Tag verstorbenen Kinder 1985 bei 0,37%, 1986 bei 0,28% und 1987 bei 0,48%, der der später verstorbenen 1985 bei 0,05%, 1986 bei 0,05% und 1987 bei 0,04%. Insgesamt lag die perinatale Mortalität 1985 bei 0,91%, 1986 bei 0,74% und 1987 wieder bei 0,94%. In der B R D nahm sie 1976 einen Anteil von 1,71% und 1986 n u r m e h r einen Anteil von 0,79% ein. Die B R D rückte damit von Platz 9 (von insgesamt 17 ausgewerteten europäischen Ländern) auf Platz 3 (nach Schweden und Finnland); vgl. G. Loskant, Zahlen z u r Geburtshilfe im Saarland 1985-1987, in: Saarländisches Arzteblatt 9 (1988), 515-518; Ders., Saarländische Perinatalerhebung, in: ebd. 3 (1987), 156. So etwa im ersten Kirchenbuch von Saarbrücken 1622-1694, STA SB, Bd. 1: Verzeichnet sind insgesamt acht Totgeburten, davon betraf es in fünf Fällen Zwillingsgeburten; ebd., Bd. 3, 1694-747: Angegeben sind zwei Totgeburten, davon eine im Zusammenhang einer Zwillingsgeburt; ebd., Bd. 18: Eingetragen ist einzig die Totgeburt beider Zwillinge; ebd., Bd. 25, St. Johann, 1719-1778: Angegeben sind 34 Totgeburten davon fünf Todesfälle bei Zwillingsgeburten; hoch war der Anteil von Zwillingsgeborenen auch unter den verstorbenen Kindern der ersten Lebenswochen: ebd., Bd. 17, St. Arnual 1682-1767: Eingetragen sind 18 Sterbefälle von Kindern bis zu vier Wochen nach der Geburt, dabei handelt es sich bei drei Todesfällen um beide Zwillingskinder; ebd., Kirchenbuch Bischmisheim, Fechingen, Eschringen: Erfaßt w u r d e n 17 Sterbefälle von Säuglingen bis vier Wochen nach der Geburt, darunter waren fünf Zwillinge. STA SB, Best. Kirchenbücher, Bd. 24, 1665-1676; ebd., Bd. 25, 1713-1748, 1749-1778; Archiv der evangelischen Kirchengemeinde Dudweiler, Abt. K8,2, Sterberegister 1756-1798. L ' H o t e , Nuptalite, 10-12, gibt f ü r das erste Drittel des 19. Jahrhunderts T y p h u s , Durchfall, Krämpfe und Keuchhusten als Todesursachen an. Vgl. zur unterschiedlichen Inkubationszeit im Lexikon Medizin, bearb. von N . Boss, München/Wien/Baltimore N D o.J., 1989: Fleckfieber: 10-14 Tage; Pocken: 8 18 Tage; Scharlach: 2 - 5 Tage; Röteln: 14-21 Tage; Ruhr: 1 - 7 Tage; Dysenterie: 1 - 7 Tage; Säuglingsdurchfall: 3 - 1 2 Tage, Keuchhusten: 7-21 Tage. Daß vor allem die Pocken im 17. und 18. J a h r h u n d e r t als eine der häufigsten Todesursachen f ü r Kinder anzusehen sind, bestätigt auch S. Wollgast, Z u m T o d im späten Mittelalter und in der Frühen Neuzeit, in: Frühneuzeit-Info 2 (1991), H e f t 2, 63-74.

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Anmerkungen

264 Von 1750 bis 1767 lag der Anteil der im ersten Monat Verstorbenen von den insgesamt Geborenen bei 7,14%, 1768 dagegen bei 16,66%; STA SB, Best. Kirchenbücher, Bd. 25, eigene Berechnungen aufgrund der Angaben im Sterbe- und Geburtsregister. 265 STA SB, Best. Kirchenbücher - Gichtern: Bd. 19, S. 318, 1765; Bd. 22, Nr. 2, 1792, Eintrag vom 27.5.1793; Bd. 23, S. 30, Nr. 27, 1761; S. 166, 1755; Nr. 44, 1768; Nr. 27, 1769; Nr. 63, 1770; Nr. 109, 1777; Archiv der evangelischen Kirchengemeinde Dudweiler, Abt. K8,2, Bd. 2: Zwischen 1757 und 1766 starben von den insgesamt sieben Tage bis vier Wochen nach der Geburt verschiedenen Kindern vier an Gichtern, ein Kind an Pocken, ein Kind an einer Geschwulst und ein Zwillingspaar gleich nach der Geburt. - Kinderblattern: Bd. 23, S. 166, 1755; Bd. 25, 1754-1756: 14 Kinder bis vier Wochen nach der Geburt und 50 Kinder bis drei Jahre; 1766/67: fünf Kinder bis vier Wochen nach der Geburt, 28 Kinder bis 16 Jahre; 1774-1776: 18 Kinder bis vier Wochen nach der Geburt, 70 Kinder bis 16 Jahre. - Erstickungstod (im Bett): Bd. 24, Nr. 176, 1655; LHA Koblenz, Best, lc, Nr. 13564, 1699. Scharlach: Bd. 25, 1760/61: acht Kinder bis vier Wochen nach der Geburt, 48 Kinder bis 16 Jahre. - Ruhr: Bd. 25: 1768/69: elf Kinder bis vier Wochen nach der Geburt, 39 Kinder bis 16 Jahre. - Steckfluß: Bd. 25, Nr. 1758, 1769. 266 Diesem Dilemma tritt die historische Demographie entgegen, indem sie die Zahl der innerhalb von 30, 42, 60 oder 90 Tagen nach einer Entbindung verstorbenen Frauen je tausend Geburten als Ausgangsbasis ihrer Berechnungen nimmt; vgl. zu dieser Methode, Schofield, Did Mothers Really Die?, 231-260; Knodel, Demographic Behavior in the Past, 102 ff. 267 Läget, Naissances, 280 f. 268 Imhof, Der Mensch, 72 f. 269 Schlumbohm, Lebensläufe, 162 f. 270 Vgl. etwa Schofield, Did Mothers Really Die?, 238-251; I. Loudon, Deaths in Childbirth from the 18th Century to 1935, in: Medical History 30 (1986), 1-41; Ders., Death in Childbirth. An International Study of Maternal Care and Maternal Mortality 1800-1950, Oxford 1992; S. Beauvalet, Perdre la vie en la donnant: la mortalite maternelle ä Port-Royal, 1815-1826, in: Annales de Demographie Historique 1994, 237-260; A. Perrenoud, Surmortalite feminine et condition de la femme (XVIII'-XIX' siecles). Une verification empirique, in: ebd. 1981, 89-104; Gutierrez/ Houdaille, La mortalite maternelle en France au XVIII' siecle, in: Population 38 (1983), 975 ff.; Donnison, Midwives, 188 f.: für England und Wales; Themenheft in Annales de Demographie Historique 1981: La mortalite differentielle des femmes, 23-140, mit Beiträgen von Bideau, Bardel u.a., Finlay, Imhof, Perrenoud, Poulain/ Tabutin und Wall. Menssen/Taube, Hebammen und Hebammenwesen, 58-68, ermitteln zwischen 1770 und 1780 einen Prozentsatz von 3,2 der im Kindbett verstorbenen Frauen am Gesamt aller verstorbenen Frauen in dieser Zeit; da die Zahl der Geburten mit 2581 und die der verstorbenen Wöchnerinnen mit 99 angegeben wird, ermittelt sich ein überdurchschnittlich hoher Prozentsatz von 3,8 bezogen auf die Geburten; A. Maisch, Notdürftiger Unterhalt und gehörige Schranken. Lebensbedingungen und Lebensstile in württembergischen Dörfern der frühen Neuzeit, Stuttgart/Jena/New York 1992, 291-293, berechnet auf der Grundlage bis 41 Tage nach der Geburt/1000 Geburten für vier würtembergische Dörfer zwischen 1550 und 1829 einen durchschnittlichen Anteil verstorbener Mütter von einem Prozent (1550-84: 0,8%, 1585-1619: 0,7%, 1620-1654: 1,02%, 1655-1689: 0,8%, 16901724: 0,42%, 1725-1759: 0,65%, 1760-1794: 1,12%, 1795-1829: 0,95%). 271 Vgl. zum Regierungsbezirk Trier, Bärsch, Beschreibung des Regierungs-Bezirks Trier, Bd. 1, 23 f.: Bei 18.628 Geburten verstarben 1845 166 Frauen bei der Niederkunft und im Wochenbett, was einem Prozentsatz von 0,89 entspricht; Beck, Be-

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Schreibung des Regierungsbezirks Trier, Bd. 1, 195-197: 1864 verstarben bei 21.942 G e b u r t e n 249 Frauen bei der G e b u r t und im Kindbett, was 1,13% der Niedergekommenen etspricht. Heutige Werte der Müttersterblichkeit im internationalen Vergleich: 1950: 0,185%, 1960: 0,106%, 1970:0,051%, 1980: 0,020%, 1986: 0,008%; in Deutschland: 1952: 0,188%, 1975: 0,039% vgl. Lenzen, Krankheit als Erfindung, 50, 52. Vgl. Schlumbohm, Lebensläufe, 164 f., 167: Er spricht im Zusammenhang mit der Geburtenzahl von „Reproduktionskarriere" und einem typischen „Verlauf der Risikokurve", die sich ab dem sechsten Kind erhöhe; nach Totgeburten lag im Kirchspiel Belm die Müttersterblichkeit neunmal so hoch wie nach Lebendgeburten, bei Mehrlingsgeburten war sie doppelt so hoch wie bei Einlingsgeburten. Zu denselben Ergebnissen k o m m e n Schofield, Did Mothers Really Die?, 243 f.; Knodel, Demographic Behavior in the Past, 105; J.-P. Bardet, La mortalite maternelle autrefois: U n e etude comparee (de la France de l'ouest ä l'Utah), in: Annales de Demographie Historique (1981), 40-42 und Maisch, N o t d ü r f t i g e r Unterhalt, 292. Eine K o r r e s p o n d e n z zwischen Säuglings- und Müttersterblichkeit registriert ebenso Imhof, Der Mensch, 70-72; er f ü h r t sie jedoch auf b e w u ß t e oder fehlende Familienplanung und auf ein „System der Verschwendung und Geringschätzung" oder ein „System der Erhaltung und Wertschätzung menschlichen Lebens" (65) zurück. STA SB, Best. Kirchenbücher, Bd. 25, S. 403, S. 405, S. 407, S. 421, Einträge von 1767, von 1769, von 1774. Ebd., S. 104: „nach überstandener schwerer Arbeit und Gefahr der Mutter ..."; S. 117: „ward von seiner in schwerer Krankheit danieder liegenden Mutter geboren ..."; S. S. 123: „ward wegen Krankheit der Mutter vor gewohnlicher Zeit gebohren ...". Ebd., Kirchenbuch Bischmisheim, Fechingen, Eschringen, 1695-1745, 1745-1776, S. 192 f, S. 265, S. 270, S. 324, S. 484, S. 503, S. 512, S. 514, S. 536, S. 537, S. 542, S. 548, S. 553, S. 566. Ebd., Bd. 23, S. 37, S. 56, S. 121, S. 125. Register z u m Evangelisch-reformierten Kirchenbuch der Pfarrei Walsheim 17041778, 49, 81, 98; Register 1779-1798, 24, 28; im Zeitraum von 1755 bis 1798 kamen 1063 G e b u r t e n vor. Register zu dem evangelisch-reformierten Kirchenbuch der Pfarrei Winterbach 1719-1798, 1, 5, 32, 36, 39, 88, 89, 109, 128, 137, 139; insgesamt w u r d e n zwischen 1750 und 1798 1131 Geburten verzeichnet, zwischen 1719 und 1750 w u r d e jedoch keine verstorbene Kindbetterin registriert. L A Speyer, Best. F6, N r . 359, fol. 82, fol. 302; STA SB, Best. Kirchenbücher, Bd. 19, Güdingen, S. 346; Bd. 23, Malstatt, S. 37, S. 49, S. 50, S. 53, S. 56, S. 166; Bd. 24, St. J o h a n n , S. 444; Bd. 25, S. 175; Bd. Bischmisheim, Fechingen, Eschringen ab 1745: S. 192 f., S. 484, S. 503, S. 512, S. 514, S. 536 f., S. 542, S. 548, S. 553, S. 566, ab 16951745: Einträge 1696, 1710, 1742; Archiv der evangelischen Kirchengemeinde D u d weiler, Abt. K8,2, Eintrag 1757 und 1763; Register Walsheim Bd. 1, 49, 81, 98, Bd. 2, 24, 28; Register Winterbach, 1, 5, 32, 36, 39, 88, 89, 109, 128, 137, 139. Von 12 Todesfällen während und bis einen Tag nach der G e b u r t handelte es sich um zwei Zwillingsgeburten, um vier Totgeburten und um eine Frühgeburt. Vgl. zu diesem Aspekt Läget, Naissances, 279 f. und Lexikon Medizin, 1989 f.: Tabelle der Inkubationszeiten, z.B. Tetanus 5 - 1 0 Tage. So etwa f ü r Winterbach: drei Frauen hatten fünf Kinder geboren, sechs hatten sechs Kinder geboren, drei sieben Kinder und zehn Frauen acht und mehr Kinder; Register Winterbach, 2, 8, 23, 31, 33f., 43, 49 f., 58, 74 f., 82, 87, 98, 103, 111 f., 114, 117, 133, 137, 145. Pfarrarchiv H ü t t e r s d o r f , Kirchenbuch der Pfarrei H ü t t e r s d o r f , 136. A H WS, Rep. VI, N r . 118, o. fol. Ebd., Rep. II, N r . 133, o. fol.

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Anmerkungen

285 Ebd., ο. fol., Schreiben des Pfarrers von Hinterweidental, Wentz, der Vertreter des Oberkonsistoriums, Spangenberg, Wernher, Exter, Kirchgarth, Lanofen u.a; vgl. auch: ebd., Rep. II, Nr. 248, Beantwortung der Prüfungsfrage, ob Kinder ohne Taufe selig werden, durch mehrere Kandidaten der Theologie. 286 Vgl. Biundo, Die Kirchenvisitation im Oberamt Meisenheim im Jahre 1590, in: Blätter für pfälzische Kirchengeschichte und religiöse Volkskunde 25 (1958), Heft 3, 107. 287 So wurde 1668 im gleichen Ort eine Hebammentaufe annuliert, das Kind nochmals in der Kirche getauft, AHWS, Rep. II, Nr. 133, o. fol. 288 Vgl. zur Betonung der gemeinschaftlichen Nottaufe „in Beysein und mit Zuthuung anderer Weyher": Burckhard, Studien, 15, 92-95, 138, 197; Becker, Pfälzer Volkskunde, 208; Michel, Zur Geschichte des Hebemmenwesens, 104; HSTA München, Best. Kasten blau, Nr. 369/8c, fol. 214r; vgl. für protestantische Gegenden: Worschech, Frauenfeste, 124; Burckard, Studien, 80, 90 f. 289 LASB, Best. 22, Nr. 3776, fol. 300. 290 Archiv der evangelischen Kirchengemeinde Dudweiler, Kirchenbuch 1673-175, Nr. K l , l , etwa Eintrag 46, 1720. 291 STA SB, Best. Kirchenbücher, Bd. 23, Nr. 23,1759. 292 Ebd., Bd. 17, Nr. 10, S. 54; Nr. 18, S. 102. 293 So die Formulierungen des Superintendenten Bachmann, ebd., o. fol., Schreiben vom 14. März 1760. 294 STA SB, Best. Kirchenbücher, Bd. 24, Nr. 23, S. 95. 295 Ebd., Bd. 3, Nr. 3, S. 103, 1720; Nr. 12, S. 117r, 1723; Nr. 12, S. 120, 1724; Nr. 31, S. 126, 1725; Nr. 28, S. 133, 1726; Nr. 36, S. 143, 1726; Nr. 21, S. 147, 1727; Nr. 13, S. 150, 1728; Nr. 18, S. 155r, 1730; Nr. 21, S. 192, 1736; Nr. 18, S. 223, 1741; Bd. 4, Nr. 38, S. 65, 1753; Nr. 28, S. 71, 1754; Nr. 69, S. 99, 1756; Nr. 2, S. 207, 1766; Nr. 71, S. 219, 1766; Bd. 17, Nr. 4, S. 15, 1705; Bd. 18, S. 38, 1765; S. 53, 1768; S. 54, 1768; S. 771, 1772; S. 72, 1772; S. 77, 1774; S. 88, 1776; S. 96, 1778; S. 128, 1787; S. 141, 1791; S. 152, 1793; S. 171, 1797; Nr. 80, S. 518, 1781; Bd. 19, S. 1, 1758; S. 7, 1760; S. 33, 1770; S. 36, 1771; S. 39, 1773; S. 44, 1775; S. 52, 1781; Bd. 23, Nr. 23, 1759; Nr. 135, 1773; Bd. 24, Nr. 182, S. 139, 1673; Bd. 25, Nr. 289, S. 24, 1728; Nr. 1154, S. 117, 1754; Nr. 1196, S. 123, 1756; Nr. 1322, S. 137, 1759; Nr. 1669, S. 174, 1766; Bd. 26, Nr. 375, S. 47, 1786; Kirchenbuch Bischmisheim, Fechingen, Eschringen, S. 87, 1757; Nr. 552, 1732; für katholische Gebiete: BAT, Abt. 72, Nr. 118, fol. 117; ebd., Nr. 80 Bd. II, o. fol., 1886; HSTA München, Best. Kasten blau, Nr. 389/8c, fol. 149, fol. 214r; vgl. Schuhmacher/Meiers, Bachem, Nr. 68, S. 44. 296 STA SB, Bd. 4, Nr. 28, S. 71, 1754; Nr. 6, S. 309, 1773. 297 Ebd., Bd. 24, Nr. 248, S. 184, 1681. 298 Vgl. zu ihrem Lebensweg und der Entwicklung des städtischen Hebammenwesens: Labouvie, Sofia Weinranck, Hebamme von St. Johann. Städtische Geburtshilfe und die Entrechtung der Bürgerinnen im 18. Jahrhundert, in: FrauenSichtenGeschichte. Jubiläumsband zur tausendjährigen Geschichte der Stadt Saarbrücken (i. Dr., 1998). 299 Ebd., Bd. 26, Nr. 340, S. 43, 1786; Nr. 637, S. 75, 1791; ebenso: Bd. 25, Nr. 1726, S. 180, 1726; Bd. 26, Nr. 1046, S. 119, 1797; Kirchenbuch der Pfarreien Überherrn, Wilhelmsbrunn, Kreuzwald, Bischmisheim und Fechingen, S. 31, 1680. 300 STA SB, Best. Kirchenbücher, Bd. 25, Nr. 335, 1692. 301 Ebd., Nr. 1758, S. 184; Sterberegister, S. 427 302 STA Trier, Nachlaß Lintz, Notizen zu den Geburten seiner Kinder, hier der am 4. Oktober 1783 geborenen und am 2. Jannuar 1784 verstorbenen und der am 21. September 1784 geborenen Tochter. 303 Vgl. Lerond, Lothringische Sammelmappe, V. Teil: Lothringische Grabsprüche, Metz 1894, 10-15; Becker, Pfälzer Volkskunde, 238, gibt folgenden Spruch an: „Ich

Anmerkungen

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sag' meinem Vater und Mutter gute Nacht: will sehen, was mein Bruder im Himmel macht". 304 Vgl. etwa: Hoffmann/Dohms (Hg.), Die Mirarelbücher des Klosters Eberhardsklausen; G. Stoffel (Hg.), Tomus miraculorum sancti Theobaldi, Colmar 1875; Johannes Thrithemii abbatis, De miraculis B. Mariae Virginis in ecclesia nova prope Dietelbach nuper factis, in: I. Gropp (Hg.), Collectio novissima scriptorum et rerum Wieceburgensis, Bd. 1, Frankfurt a.M./Leipzig 1741; R. Bauer, Das Altöttinger Mirakelbüchlein von 1540, in: Ostbairische Grenzmarken 6 (1963/64), 5-39; M. Springer (Hg.), „...sonder gnad und hilf alda empfangen". Das Mirakelbuch zur Wallfahrt Unser lieben Frauen beim Brunnen in der Spitalkirche zu Lauingen, in: Jahrbuch des historischen Vereins Dillingen 87 (1985), bes. 201-203; C.U. Cheavlier (Hg.), Vie et miracles de la bienheureuse Philippe de Chantemilan, documents du X V siecle publies d'apres le manuscrit de M. Chaper, Valence/Paris 1894; weitere Mirakelbüchlein mit Taufwundern existieren für die Wallfahrtsstätten Andechs, Aufkirchen, Bettbrunn, Bogenberg, Dorfen, Grafrath, Hohenpeißenberg, Neukirchen, Polling, Raisting, Tuntenhausen, Vilgertshofen, Wessobrunn, St. Gallen, St. Wolfgang/Ammersee, Brixen, Maria Trens/Südtirol, Genf, Thann/Elsaß, Gräfinthal, Beurig u.a.m. Vgl. ebenso: D. Branch Moody, Healing Power in the Marian Miracle Books of Bavarian Healing Shrines, 1489-1523 A.D., in: Journal of the History of Medicine and Allied Sciences 47 (1992), 68-90; G. Signori, Bauern, Wallfahrt und Familie: Familiäres Verantwortungsbewußtsein im Spiegel spätmittelalterlicher Marienwallfahrten, in: Zeitschrift für Schweizerische Kirchengeschichte 86 (1992), 121158; Dies., Defensivgemeinschaften: Kreißende, Hebammen und „Mitweiber" im Spiegel spätmittelalterlicher Geburtswunder, in: Das Mittelalter 1 (1996), 113-134; P. Hofer, Die Wallfahrtskapelle in Oberbüren, in: Neues Berner Taschenbuch 1904, 102-122; R. Bauer, Das Büchlein der Zuflucht zu Maria. Altöttinger Mirakelberichte von Jacobus Issickemer, in: Ostbairische Grenzmarken 7 (1964/65), 222 ff.; H. Müller, Erhaltung und Wiederherstellung körperlicher Gesundheit in der traditionalen Gesellschaft - an Hand der Votivsammlung des Museums für Deutsche Volkskunde Berlin, in: Imhof (Hg.), Der Mensch und sein Körper, bes. 166-173; P.A. Sigal, L'homme et le miracle dans la France medievale (ΧΙ'-ΧΙΓ siecles), Paris 1985; Ders., La grossesse, l'accouchement et l'attitude envers Penfant mortne ä la fin du moyen i g e d'apres les recits de miracles, in: Sante, medecine et assistance au moyen äge, actes du 110' Congres National de Societes Savantes (Montpellier 1985), Paris 1987, 23-41; Jacobsen, Pregnancy and Childbirth, 91-97. 305 Wilhelm von Bernkastel, der Verfasser der Chronik der in Klausen geschehenen Wunder, verweist mehrfach auf die Furcht der Eltern vor der „dampnacioni pueri, si sine baptissimi gracia mortuus maneret"; vgl. Hoffmann/Dohms (Hg.), Die Mirakelbücher des Klosters Eberhardsklausen, etwa Nr. 130. 306 Vgl. O. Vasella, Uber die Taufe totgeborener Kinder in der Schweiz, in: Zeitschrift für Schweizerische Kirchengeschichte 60 (1966), 1-75; C. Santschi, Les sanctuaires ä repit dans les alpes occidentales, in: ebd. 79 (1985), 47-143; P. Praravy, Angoisse collective et miracles au seuil de la mort: Resurrections et baptemes d'enfants mortnes en Dauphine au XV' siecle, in: La mort au Moyen Age. Colloque de ('association des historiens medievistes franiais ä Strasbourg en juin 1975, Strasbourg 1977, 87-102; M. Auge, Pouvoir de vie, pouvoir de mort, Paris 1977; Loux, Rituels de vie, rituels de mort: La naissance dans la societe fran£aise preindustrielle, in: L'heureux evenement: une histoire de l'accouchement, Paris 1995, 55-61; Morel, Le nouveau-ne du premier mois: un etre fragile et inacheve (XVII' et XVIII' siecles), in: ebd., 39-53; Gelis, De la mort ä la vie. Les „sanctuaires ä repit", in: Ethnologie f r a ^ a i s e 11 (1981), 211-224; Ders., Miracles et medecine aux siecles classiques: le corps medical et le retour temporaire ä la vie des enfants morts ä la naissance, in:

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Anmerkungen Reflexions historiques, University of Waterloo, Sonderheft 9 (1982): La medicalisation de la societe frangaise, 1770-1830; Ders., Les „sanctuaires ä repit" dans les Ardennes beiges et frangaises, in: Tresors d'Ardenne. Art religieux et croyances populaires en Ardenne et Luxembourg, hg. vom Musee en Piconrue, Bastogne 1987; Ders., Les sanctuaires „ä repit" des Alpes fran^aises et du Val d'Aoste: espace, Chronologie, comportements pelerins, in: Archivio Storico Ticinese 30 (1993), Heft 114, 183-222; seinen neuesten Beitrag in: Rituale der Geburt (i. Dr.). Vgl. Lorenz, „... als ob ein Stein...", 113 f., 117 f.: Sie gibt an, Frauen hätten ihre toten Kinder auf den Misthaufen, in ein Sumpfloch, in den Abort oder in einen Strohsack gesteckt. Der Eindruck eines emotionslosen Umgangs mit dem toten Kind leitet sich von der ausschließlichen Untersuchung von Kindsmordfällen sowie der älteren Erkenntnis ab, Sorge um einen anderen, Mutterliebe, ja Emotionalität und affektive Bindungen seien eine Errungenschaft der Neuzeit, während zuvor Gleichgültigkeit und Emotionslosigkeit vorherrschend gewesen seien; vgl. etwa diesen Tenor auch bei Aries, Geschichte der Kindheit, München 1978, 47; Shorter, Der Wandel der Mutter-Kind-Beziehung zu Beginn der Moderne, in: Geschichte und Gesellschaft 2/3 (1975), 256 f.; Α. V. Buffault, Histoire des larmes, XVIII-XIX' siecles, Paris 1986,123 ff. Habermas (Die Sorge um das Kind: Die Sorge der Frauen und Männer. Mirakelerzählungen im 16. Jahrhundert, in: H.-J. Bachorski (Hg.), Ordnung und Lust. Bilder von Liebe, Ehe und Sexualität in Spätmittelalter und Früher Neuzeit, Trier 1991, 169 f.) konstatiert, daß sich in den etwa 500 von ihr untersuchten bayerischen Wunderberichten im 16. Jarhundert jedes dritte, im 17. Jahrhundert jedes vierte und im 18. Jahrhundert jedes fünfte Wunder auf Kinder bezieht. Der Anteil der Wunder, die Frauen in Zusammenhang mit Geburten widerfuhren, hatte gemessen an allen die Frauen betreffenden Wundern einen hohen Anteil; überliefert ist im Pfarregister der Gemeinde Buschbach in der lothringischen Grafschaft Leiningen die Beerdigung eines 14tägigen Kindes aus Derwangen im Jahre 1739. Seine Eltern waren mit ihm, weil es erkrankt war, auf der Durchreise nach dem spanischen Wallfahrtsort Santiago de Compostela; vgl. Touba, Ortsgeschichte „Lothringens", Bd. 2, 46. Vgl. N. Julet, Miracles et graces de Notre-Dame de Bonsecours-les Nancy, Nancy 1630; Gründliche und Wahrhaffte Hystory, Ursprung und Anfang der weitberümbten Wallfahrt Unser Lieben Frawen zu Dreyen-Ahren; Hoffmann/Dohms (Hg.), Die Mirakelbücher des Klosters Eberhardsklausen, u.a. Nr. 99, 259, 300, 312, 354, 385, 385, 449, 507, 624, 644; van Werveke, Kulturgeschichte des Luxemburger Landes, Bd. 2 (ND 1984), 275; J. Marx, Geschichte der Pfarreien der Diözese Trier, Bd. 5, Trier 1923, 95, 255; H. Ammerich, Gräfinthal als Wallfahrtsort in der frühen Neuzeit, in: Saarpfalz. Blätter für Geschichte und Volkskunde, Sonderheft (1994): Beiträge zur Geschichte Gräfinthals, 12-28; Hacquin, Histoire de l'art, 59 f. Vgl. Jeanmaire, Superstitions, 99 f. Marx, Geschichte der Pfarreien, Bd. 5, 255; Jeanmaire, Superstitions, 99 f.; Kyll, Das Kind, 15; Joseph Becker, Geschichte der Pfarreien des Dekanats Blankenheim, Köln 1893,490. Statuten der Synode von Toul vom 20. April 1678, Art. XIII und XIV, Zit. in: Hacquin, Histoire de l'art, 48 f. Dom Mathieu Petitdidier, Abt von Senones, berichtet noch 1708 von zahlreichen Wallfahrten zur „Notre-Dame de la Mer" zwecks Erweckung toter Kinder; die Taufwundererzählungen aus der Kapelle der heiligen Ursula bei Puttigny beginnen erst 1689; vgl. Jeanmaire, Superstitions, 99 f.; J.-M. Moyen, Du soin extreme qu'on doit avoir du bapteme des enfants, dans le cas d'une fausse couche ou de la morte d'une femme enceinte (1764), in: Enfants et societe. Annales de demographie histrique (1973), 389-391; D. Jacoume, Les saints guerisseurs en gynecologie et

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obstetrique, Diss. med. Nancy 1976, und die spätere Schilderung eines „repit" in der Kapelle von Hamseil 1718/19, in diesem Kapitel. J. J. Blattau, Statuta Synodalia ordinationes et mandata archidioecesis Trevirensis, Bd. 4, Trier 1844, 48; schon die Trierer Agende von 1574 hatte den Hebammen ausdrücklich untersagt, Neugeborene zu taufen, die kein Lebenszeichen von sich gaben; vgl. Libri officialis sive Agendae s. Ecclesiae Trev. Aug. Trev. ex officina Johannis Rotaei, Trier 1574 und Michel, Zur Geschichte, 100 f. Auch der Konstanzer Bischof sah sich gezwungen, die Wallfahrten in Oberbüren zu verbieten, in Frankreich wurden die Wiederbelebungen auf mehreren Synoden 1452, 1455, 1592 und 1656 verworfen; vgl. Vasella, Uber die Taufe, 21 f., 53 f. Papst Benedikt XIV. lehnte 1748 die sog. „Lebenszeichen" toter Kinder als Folgen physikalischer Einflüsse oder natürlicher Gegebenheiten ab; die Wallfahrten zu den „sanctuairs ä repit waren schon 1729, 1737, 1738, 1744 und 1751 von Rom verboten worden; ebd., 62 f. Der Brauch der Wiederbelebung erhielt sich mancherorts, etwa in der Kapelle von Pützfeld bei Adenau, bis über die Mitte des 19. Jahrhunderts. Von den insgesamt 160 Wunderberichten sind es 23. Gräfinthaler Mirakelbuch, Das 5. Exempel. Ebd., Das 13. Exempel. Mirakelbuch Beurig, Eintrag vom 25. August 1642. Gräfinthaler Mirakelbuch, Das 5., 13., 37., 43., 59., 72. Exempel: „Zeichen des Lebens und Leben bis zum Heil. Tauff"; das tote „Kind möchte zu dem Heiligen Tauff gelangen"; Mirakelbuch Beurig, Eintrag vom 25. August 1642. Gräfinthaler Mirakelbuch, Das 5., 13., 37., 43., 59., 63. und 72. Exempel; Mirakelbuch Beurig, Einträge von 1622, 1630,1636, 1644. Gräfinthaler Mirakelbuch, Das 5., 13., 37., 59., 63., 72. Exempel. Ebd., Das 23. und 43. Exempel. Das Gräfinthaler Mirakelbuch spricht allgemein von „Edelmann", „wol=edel Gestrenge[m] Ritter", „adelichefn] Kinderfn]" und „Amptmann", benennt aber nur den „wol=Edel gestrengen Friederich von Sirßberg"; vgl. Das 52., 53., 55., 83. Exempel. Etwa ebd., Das 3., 11., 15., 19., 26., 28., 32., 45., 46., 49., 65., 70., 82. (hier entdeckt der Pfarrer ein ertrunkenes Kind und ruft seine „Pfarrkinder" zusammen) Exempel. Zum folgenden Fall: ADMM Nancy, Best. 5 B, Nr. 134, o. fol. Amendement des Bischofs von Toul, 1629, an alle Geistlichen, in: Hacquin, Histoire de l'art, 48 f. U.a.: ADM Metz, Best. 29 J 109, 1735; ebd., Best. 1 F 172,3,1756; ebd., 1770; ebd., 1772; ebd., 1775; ebd., Best. 29 J 78,1756, ebd., 1764; ebd., 1768; ebd., 1769; ebd., 1783. Dieser schließt beim Erwachsenen die letzte Ölung, beim Neugeborenen stattdessen die Taufe ein. So etwa ADMM Nancy, Best. 48 B, Nr. 31, o. fol., 1752. Etwa: LHA Koblenz, Best. 24, Nr. 1276, fol. 25, 27, 29f.; ebd., Best, lc, Nr. 18637, o. fol., Frage 29; ADM Metz, Best. B, Nr. 8948, o. fol., 1734; ADMM Nancy, Best. B, Nr. 3623, o. fol., 1606; ebd., Best. 3B XVIII, Nr. 7, o. fol., 1755. ADMM Nancy, Best. 7B, Nr. 286, o. fol., 1777 f.; ebd., Best. B, Nr. 3626, o. fol., 1608; LHA Koblenz, Best. 24, Nr. 1276, fol. 25. ADMM Nancy, Best. 3B XVIII, Nr. 7, o. fol., 1755. Ebd., Best. B, Nr. 934/6, o. fol., 1611. ADM Metz, Best. B, Nr. 8948, o. fol., 1734. ADMM Nancy, Best 7B, Nr. 286, o. fol., 1777 f. LHA Koblenz, Best, lc, Nr. 18637, o. fol. So etwa 1776 auf dem Friedhof des heiligen Vincent von Fauquemont, „dans un endroit verte", ADM Metz, Best. B, Nr. 6243, o. fol; 1627 auf dem Friedhof von Rommelfangen, LHA Koblenz, Best, lc, Nr. 11335, fol. 575 f.

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Anmerkungen

338 AHWS, Rep. VII, Nr. 139a, ο. f o l , 1760; Register Winterbach 1719-1789, 24; LA Speyer, Best. C33, Nr. 149'°, fol. 7. 339 L H A Koblenz, Best, lc, Nr. 14127, o. fol., „Aille die hebamme contra Läudges Mary", 1598. 340 L H A Koblenz, Best, lc, Nr. 18071, o. fol., 1781. 341 So etwa: AHWS, Rep. II, Nr. 321, Verordnung für das Herzogtum PfalzZweibrücken 1760: Verbot der Bestattung toter Kinder ohne vorherige Anzeige beim Pfarrer; LA Speyer, Best. B2, Nr. 2599, fol. 109, ebenso: Betont wird zusätzlich die Anzeige von Neugeborenen, die gleich nach der Geburt „ohne vorher die Heil, tauffe empfangen zu haben", versterben; ebd., Nr. 2603, 1743; LASB, Best. 22, Nr. 3516, fol. 25: Verordnung für die Grafschaft Nassau-Saarbrücken, 1770; ebd., Nr. 2353, fol. 1097, ebenso, 1778. Diese Regel scheint im gesamten deutschsprachigen Raum Geltung gehabt zu haben. 342 In den Pfarregistern lautet die Formel: „wie mir die Hebamme angezeigt" oder: „nach bericht der Hebammen"; für Lothringen vgl. Sittel, Sammlung, Bd. 2, IV. Sammlung, Nr. 89, 424 f.: Arrest de la Cour Souveraine de Lorraine et Barrois, 1764; ebd., Nr. 99, 448 f.: Arrest, 1773 und 1783; ebd., Nr. 110, 468 f.: Arret du Parlement, 1782; ebd., Nr. 116, 478 ff.: Instructions, um 1785: Die Hebamme soll die Nottaufe anzeigen. Vor allem totgeborene Kinder wurden häufig nicht beim Pfarrer gemeldet, was Verdächtigungen und Recherchen nach sich ziehen konnte. 343 Vgl. hierzu: K. Lillig, Kuriose Rechtsvorschriften zur Todesfeststellung. „Instruction für den Leichenbeschauer" um 1800, in: Geschichte und Landschaft 167 (1977), 4. Zuweilen besichtigte auch der Ortsgeistliche, wenn bereits mehrere tote Kinder von einer Frau geboren worden waren, das tote Kind vor seiner Beisetzung, meist übernahm diese Aufgabe jedoch ein Chirurg: Beim Todesfall einer Kindbetterin aus Lauterbach 1764 wurde die Leiche, weil man „grosse Fehler" des bei der Geburt assistierenden Chirurgen vermutete, von einer Kommission aus Saarbrücken wieder ausgegraben und eine Sektion vorgenommen; vgl. Register Winterbach 1719-1798, 24; Treinen/ W. Weiter, Die Einwohner von Karlsbrunn von 1717-1900, Saarbrücken 1982, 95. 344 Die Leichenschau wurde 1884 eingestellt, ab dann genügten zwei Zeugen oder Zeuginnen der Geburt und des Todes; vgl. LASB, Best. Dep. Losheim, Nr. 89, Auszug aus den Standesamtsregistern, o. fol. 345 Etwa: LASB, Best. Dep. Losheim, Nr. 89, Geburtsanzeigen im Civilstandsregister, 1823, 1850; STA SB, Best. Kirchenbücher, Bd. 16: Civilstandsregister Gemeinde Malstatt-Burbach, 1798/99, 1-10; ebd., Gemeinde Brebach; ebd., Bd. 21: Zivilstandsregister St. Arnual, S. 1, 1799. 346 Vgl. I. Schwidetzky, Sonderbestattungen und ihre paläographische Bedeutung, in: Homo. Zeitschrift für die vergleichende Forschung am Menschen 16 (1965), 2 3 4 238: Er kommt anhand von über siebzig Einzelbelegen für Asien, Afrika, Amerika und Ozeanien zu der Erkenntnis, daß Neugeborene fast immer konträr zur Normalbestattungsart und zum entsprechenden Ort begraben werden; vgl. ähnlich: G. Kurth, Der Wanderungsbegriff in Prähistorie und Kulturgeschichte unter palädemographischen und bevölkerungsbiologischen Gesichtspunkten, in: Alt-Thüringen 6 (1962/63), 3 f.: für den Nahen Osten; L. Fleischer, Zur Rolle der Frau in Afrika. Heirat, Geburt und Krankheit im Leben der Hausa-Frauen in Nigeria, Bensheim 1977, 80, 86; Malinowski, La vie sexuelle, 226 f.; Biasio/Münzer, Ubergänge, 13 f.; Braun, Untersuchungen über das Brauchtum, 66. 347 LASB, Best. 22, Nr. 2353, fol. 626, § 3 und 4; ebd., Nr. 2353, fol. 1098, fol. 1100; ebd., Nr. 3516, fol. 25, § 14 und 15; STA SB, Best. Gemeinsames Stadtgericht, Nr. 286, § 3 und 8.

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348 A H W S , Rep. II, Nr. 321,1760; H S T A Wiesbaden, Abt. 150, Nr. XlVa, 4440, o. fol., 1770, 1771; STA Trier, Best. Ta 50, Bd. 6, fol. 6, 1752; ebd., Nr. 4, o. fol., 1737; vgl. Biundo, Brauchtum um Tod und Grab, in: Blätter für pfälzische Kirchengeschichte und religiöse Volkskunde 26 (1959), Heft 4, 174: Verordnung für NassauSaarbrücken, 1768. 349 H S T A Wiesbaden, Abt. 150, Nr. XlVa, 4440, o. fol., 1770. 350 Archiv der evangelischen Kirchengemeinde Dudweiler, Nr. A2/4,2, S. 117. 351 STA SB, Best. Kirchenbücher, Bd. 23, S. 1, Pfarrbericht 1714; HSTA Wiesbaden, Abt. 150, Nr. XIVa, 4440, o. fol., 1770: zunächst erlaubte man das Reden vom Tod und „der Zubereitung zu demselben", wenig später wurde auch dies bei Begräbnissen für Kinder unter sechs Jahren verboten; vgl. Kloke, Das Kind in der Leichenpredigt, 147-163. 352 H S T A Wiesbaden, Abt. 150, Nr. XIV, 4440, o. fol., 1779. 353 L A Speyer, Best. B2, Nr. 2682, fol. 55r, § 6: „Daß bey Kinderleichen annoch der Mißbrauch von sogenannten Engeln und Kräntzen, welche öfters 10 und mehr Gulden kosten, im Schwang seye", Bericht Herzog Christians IV. über mitgeteilte Mißbräuche in der Herrschaft Gutenberg, 1770. 354 A H W S , Rep. VI, Nr. 381, fol. 53 f., fol. 172; ebd., Rep. VI, Nr. 1075, o. fol.; vgl. Beyschlag, Von pfälzischen Sagen und Sitten, in: Pfälzisches Museum 41 (1924), Heft 4-6, 63. 355 L A Speyer, Best. B2, Nr. 2682, fol. 67-70. 356 H S T A Wiesbaden, Abt. 150, Nr. XIVa, 4424, o. fol., 1739; Nachlaß MerkelbachPinck, Das Kind, Manuskr. o. S.: Tod eines Kleinkindes; sie beschreibt, daß in Lothringen die Kronen während der Totenwachen gebunden wurden. 357 LASB, Best. 38, Nr. 769, fol. 113 f.; diese Angabe der Ausschüsse bestätigten mehrere andere Angeklagte und Zeugen in ihren Aussagen vor Gericht. 358 LASB, Best. 22, Nr. 4161, fol. 265. 359 Etwa: L H A Koblenz, Best, lc, Nr. 11335, fol. 889 f., Kirchenvisitation Archidiakonat Tholey, 1580: „Item hannes Engel von Ahnen zwei unehelicher Kinder erzielet, deren eines von ir todt kommen, welches sie ohn erlaubnis des pastors ins hauß begraben"; BAT, Abt. 40, Nr. 4i, Pfarrvisitationen 1630, fol. 163; vgl. van Werveke, Kulturgeschichte des Luxemburger Landes, Bd. 2, 275: Kirchenvisitation 1570, Beschwerde des Geistlichen aus Dudeldorf bei Bitburg, die Bewohner würden ihre ungetauften Kinder nicht auf dem Platz neben dem Kirchhof, sondern in den Häusern bestatten; ebenso: Müller, Losheimer Visitationsprotokoll von 1623, 15. Hausbestattungen im Keller oder unter der Schwelle erfolgten bei ungetauften Kindern ebenso in Schlesien, in Bern und im Thurgau; vgl. H D A , Bd. 1, 1927, 991 ff., und L. Höhn, Sitte und Brauch bei Tod und Begräbnis, in: Württembergische Jahrbücher für Statistik und Landeskunde 1914, 346. Im Odenwald und in anderen Gegenden bestattete man ungetaufte Kinder im Garten oder unter der Dachtraufe; vgl. W. Geiger, Studien zum Totenbrauch im Odenwald, Diss. Frankfurt a.M. 1960, 87 f.; W. Lentz, Vom Tod. Sitten, Gebräuche und Anschauungen, besonders im Lumdatal, in: Hessische Blätter für Volkskunde 6 (1902), 107; Satori, Sitte und Brauch, 151 f. 360 BAT, Abt. 40, Nr. 4i, Pfarrvisitationen 1627, fol. 3; ebd., Nr. 4k, Pfarrvisitationen 1631, fol. 146; ebenso: L H A Koblenz, Best, lc, Nr. 11335, Kirchenvisitation Archidiakonat Tholey, 1580, fol. 1412: „ein kindt gehabt, welches ungetauft gestorben und unter die leuff der Kirchen begraben". 361 STA SB, Best. Kirchenbücher, Bd. 23, Nr. 87, 1734; Bd. 24, Nr. 2, Nr. 7, 8 und 9, 1680, Nr. 18, 1691; nach der Kirchenordnung von 1617 waren in der nassausaarbrückischen Grafschaft „absonderliche ruhestetten" für Ungetaufte auf dem Kirchhof verboten, d.h. „junge kindlein ohne die Tauff" sollten zur Erde und an

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Anmerkungen dem Ort bestattet werden,"da andere Christgeleubige ruhen"; vgl. Herrmann, Die Nassau-Saarbrückische „Konformitätsordnung" vom Jahre 1617, in: Blätter für Pfälzische Kirchengeschichte und religöse Volkskunde 43 (1976), 51. HSTA Wiesbaden, Abt. 131, Nr. XIVa,16, o. fol., 1762 und Becker, Pfälzer Volkskunde, 237: Für die Leichenwäsche und das An- und Auskleiden erhielten sie Naturallohn, etwa Mehl und Brot, oder Kleidung; ADMM Nancy, Best. B, Nr. 279, o. fol.: Das verstorbene Neugeborene hätten „die weiber wie breuchlich gewaschen"; vgl. auch: Sarg, En Alsace, 121. STA SB, Best. Kirchenbücher, Bd. 19, S. 318, 2.1.1765. Erst mit dem Beginn geordneter Sterberegister seit der Mitte des 17. Jahrhunderts ist ein zeitlicher Nachweis möglich, doch ist zu vermuten, daß auch zuvor eine Bestattung durch die Frauen stattfand. Weitere Eintragungen wie oben: STA SB, Best. Kirchenbücher, Bd. 17, S. 168, 10.4.1716, 10.5.1716; S. 172, 23.3.1737, 8.6.1737, 14.10.1737, S. 185, 1741, S. 187, 1743, S. 189, 2.7. und 7.7.1745, S. 190, 1747, S. 191, 1748, S. 192, 29.1. und 7.8.1749, S. 194, 1750 und 1751, S. 195, 1752, S. 197, 1755, S. 199, 1756; ebd., Bd. 18, S. 311, 1758, S. 313, 1759, S. 316, 1761 und 1762 (Stichproben für die Jahre 1765 bis 1798 bestätigen das Begräbnis für alle Kinder im Alter bis vier Wochen durch die „Weiber"); Bd. 19, S. 309, 1758, S. 323, 1770, S. 332, 1781, S. 339, 1787, S. 339, 1792, S. 344, 1794, S. 345, 1796, S. 346, 1797; Bd. 22, Nr. 2, Nr. 6, 1792, Einträge vom 1.12.1792, 4.2. und 27.5.1793, Nr. 3, 4 und 9, S. 11, 1798; Bd. 23, Nr. 87, 1734, S. 166, 1755, S. 25, 1758, S. 30, 1761, S. 37, 1768, Nr. 44, 1768. Nr. 47, 1769, Nr. 50, 1769, Nr. 60, 1770, Nr. 63, 1770, Nr. 109, 1777, Nr. 138, 1781; ebd., Bd. 24, Nr. 92, 1698, S. 425, Nr. 7 bis 9, 1679, S. 436, 1691. STA Trier, Best. Ta 50, Bd. 8, S. 8, § 21: Verordnung des Kurfürsten Clemens Wenceslaus vom 30.3.1778, „wie es bey Sterbefallen mit der Beerdigung ... gehalten werden solle". Interessant ist die Symbolik des Glockengeläuts sowohl in diesem Zusammenhang wie bei Taufen, vgl. A. Corbin, Die Sprache der Glocken. Ländliche Gefühlskultur und symbolische Ordnung im Frankreich des 19. Jahrhunderts, Frankfurt a.M. 1995, 231 f., 234: Er gibt an, daß das Läuten mit der kleinen Glocke für getaufte Kleinkinder, kein Glockengeläut jedoch für nichteheliche Kinder im Mosel-Deperatement üblich war; ein spezielles Glockenläuten zum Begräbnis von Kindbetterkindern war zwar verboten, wurde jedoch, etwa 1770 vom Schulmeister in Eiweiler, dennoch praktiziert, HSTA Wiesbaden, Abt. 150, Nr. XlVa, 4440, o. fol., Schreiben vom 10. 9. 1771. Vgl. Labouvie, Verbotene Künste, 139 f.; Dies., Die Geburt einer Hexe., 200 f.; Dies., Männer im Hexenprozeß, 217; Dies., Magische Domänen: Zur Rolle von Frauen und Männern in Volksmagie und Hexerei, in: D.R. Bauer/S. Lorenz (Hg.), Hexenverfolgung in geschlechtsspezifischer Perspektive, Stuttgart 1998 (i. Druck). Pfarrarchiv Hüttersdorf, Kirchenbuch der Pfarrei Hüttersdorf, 137. STA SB, Best. Kirchenbücher, Bd. 24, Nr. 23, 1666, Nr. 182, 1673; ebd., Bd. 25, Nr. 1670, 1767; LA Speyer, Best. F6, Nr. 359, fol. 302, 1682, Kirchenbuch Pirmasens; bei einer „unglücklichen" Geburt in Gödenroth riefen die Frauen ebenfalls den Geistlichen, AHWS, Rep. V, Nr. 59, o. fol, 1759. ADM Metz, Best. 29 J, Nr. 65, o. f o l , Kirchenvisitation Villers, 1720. Brauchbuch des Johann Scherer aus Hellenhausen, begonnen 1771, Nr. 99, Privatbesitz; ähnliche Sprüche befinden sich im Merkbüchlein des Dietrich Bickelmann aus Berschweiler, 1852-1864 verfaßt, Privatbesitz, und in einem Tagebuch desselben Verfassers um 1830; im Merkbüchlein des Jacob Bickelmann aus Berschweiler, 1843, Privatbesitz; im Wanderbuch des Schmiedegesellen Johann Friedrich Lemmes von

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1834, Privatbesitz, und in einem Schreibbuch aus Rockershausen aus der Mitte des 19. Jahrhunderts, Privatbesitz. Bezug genommen wird besonders auf Jesus, seine Grablegung und Auferstehung, auf seine Kreuzigung und Geburt, dann auf die drei Lilien auf dem Grab von Jesus, auf Marias und Annas Geburt, aber auch auf Tod und Begräbnis: „Jetzt laut man mit der Leich, und was ich da greif, das nimmet ab, als wie der Todt im Grab", Notizbuch der Karoline Bikelmann von Berschweiler, 1840, Privatbesitz. Die „Mutter Gegichter" soll sich legen und nicht mehr regen, bis man sie „in das Grab dut lehen", Merkbüchlein des Jacob Bickelmann aus Berschweiler, 1843, Privatbesitz. Gräfinthaler Mirakelbuch, Das 68. Exempel. Die Volksmagie kennt besondere Rituale wie das „Wegluegen", die einem Wallfahrer oder Bittsteller den für seine Krankheit oder sein Anliegen maßgeblichen Fürsprecher anzeigen; vgl. Labouvie, Verbotene Künste, 147-150. Gräfinthaler Mirakelbuch, etwas im 50. und 71 Exempel. A D M M Nancy , Best. Β 729, ο. fol., Hexenprozeß gegen Closter Claßen Otilgen von Merzig, 1597. Moritz, Kurze Unterweisung, Fünf und zwanzigster Abschnitt: Von dem Kaiserschnitte, oder Ausnehmung nach dem Tode der Schwangeren, 139-141. Vgl. auch zur Verweigerung der Öffnung von toten Frauenkörpern durch Verwandte: Duden, Geschichte unter der Haut, 159. Α Η WS, Rep. IV, Nr. 69, ο. fol., Anträge vom 25.6.1787, vom 18.2. und 7.3.1769, vom 30.6.1791. L H A Koblenz, Best, lc, Nr. 14127, o. fol., Saarburger Amts- und Hochgerichtsprotokolle 1580. So etwa: STA SB, Best. Kirchenbücher, Bd. 19, S. 346, 1797; ebd., Bd. 23, S. 37, 1768, S. 49, 1778, S. 50, 1780, S. 56, 1783; ebd., Bd. 25, S. 175, 1767; ebd., Kirchenbuch Bischmisheim, Fechingen, Eschringen, S. 192 f., 1767, S. 265, 1697 und 1699, S. 270, 1710, S. 484, 1747, S. 503, 1755, S. 512, 1757, S. 514, 1758, S. 536, 1763, S. 537, 1764, S. 542, 1765, S. 548, 1767, S. 553, 1768, S. 566, 1770; L A Speyer, Best. F6, Nr. 359, fol. 302, 1682. Vgl. Buhmann/Kasper/Kaufmann, Krankheit und Tod, 27. Vgl. D. Meyer, Register zum 2. Kirchenbuch der reformierten Pfarrei Waldfischbach 1721-1755, Schopp 1986, 4. M. Luther, Werke, Weimarer Ausgabe, Bd. 17, 25; Bd. 30, 2, 252; die Sonderbestattungen verboten ebenfalls bereits die Synoden von Rouen 1074 und Köln 1279. Zur weitverbreiteten Sonderbestattung von Wöchnerinnen in außereuropäischen Gesellschaften vgl. Schwidetzky, Sonderbestattungen, 241 f. Vgl. von Schönwerth, Aus der Oberpfalz, Bd. 1, 207; er benennt den folgenden volkstümlichen Spruch: „Stirbt die Mutter, ehe sie vorgesegnet ist, so kommt sie an keinen guten Ort und muß umgehen". Für Pfalz-Zweibrücken: A H W S , Rep. II, Nr. 230, fol. 16, 1671: „... werden weiße tucher uff daß grab gelegt, vielleicht zu dem ende, daß kein schwanger weib darüber schreite", so spekulierte man während der Kirchenvisitation im Amt Lichtenberg; ebd., Nr. 214, fol. 21: Die Ausbreitung der weißen Tücher geschehe aus Aberglauben, weshalb die Pfarrer dagegen predigen sollten, Kirchenvisitation im Oberamt Meisenheim, 1671; für Lothringen: R. de Westphalen, Petit dictionaire des traditions messines, Metz 1934, Spalte 185. Gleiche Bräuche finden sich in Schlesien, im Herzogtum Oldenburg, in Oberhessen, in der Oberpfalz, in der Grafschaft Schaumburg, in Sachsen, um Zwikau, Breslau, in Württemberg, Baden und in Luxemburg; vgl. H. Grün, Der deutsche Friedhof im 16. Jahrhundert, in: Hessische Blätter für Volkskunde 24 (1925), 82; T.F. Tiede, Merkwürdiges Schlesien, in: Mitteilungen

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Anmerkungen der Schlesischen Gesellschaft für Volkskunde 7 (1905), Heft 13, 105; W. Lentz, Vom Tod, in: Hessische Blätter für Volkskunde 6 (1907), 106; von Schönwerth, Aus der Oberpfalz, Bd. 1, 207; Seyfarth, Aberglaube, 216; O. Langer, Uber Totenbestattung im 16. Jahrhundert vornehmlich in Zwickau, in: Neues Archiv für sächsische Geschichte 28 (1907), 2; M. Hippe, Die Gräber der Wöchnerinnen, in: Mitteilungen der Schlesischen Gesellschaft für Volkskunde 7 (1905), Heft 13, 101 ff.; H. Hebding, Das Begräbnis der Wöchnerin, in: Volkskundliche Beiträge. Festschrift für R. Wossidlo, Neumünster 1939,159-161; Kyll, Das Kind, 20. Zit. in: de Westphalen, Petit dictionnaire, Spalte 185. Die Beerdigung verstorbener unverheirateter Mütter wird in den Kirchenregistern mit dem Zusatz „ist in excommunication gestorben" kommentiert, so etwa im Kirchenbuch für die Pfarrei Schmalenbach 1756-798, zit. in: Walter Brückner, Altes Brauchtum um Hochzeit und Trauung im Holzland, in: Heimatkalender. Das Pirmasenser und Zweibrücker Land 1980, 158; die Kirchenordnung für Pfalz-Zweibrücken von 1774 bestimmt, daß Exkommunizierte „ohne alle Ceremonien, ohne Klang und Gesang und gewöhnliche Leichen=procession allein durch die dazu bestellte Todtengräber an einen besondern Ort... deponiert werden ..."; AHWS, Rep. VII, Nr. 215, o. fol. AHWS, Rep. V, Nr. 15, o. fol., 1795. Grabbeigaben inform von Utensilien zur Kinderpflege, Kinderkleidung oder Kochgeschirr, wie sie für Westfalen, Baden, das Elsaß, das Erzgebirge, Thüringen, Schlesien, Hessen, die Oberpfalz oder Schwaben belegt sind, scheint es hier nicht gegeben zu haben; vgl. Reichhardt, Geburt, Hochzeit und Tod, 143 f., 169 f.; Ploß, Das Kind, 512 f. Zum Wiedergängerglauben der Toten vgl. O.-G. Oexle, Die Gegenwart der Toten, in: H. Braet/W. Verbeke (Hg.), Death in the Middle Ages, Leuven 1983, 19-77; F. Neiske, Vision und Totengedenken, in: Frühmittelalterliche Studien 20 (1986), 137-185; D. Fabre, Le retour des morts, in: Etudes Rurales (1987), 105 f.; C. Lecouteux, Geschichte der Gespenster und Wiedergänger im Mittelalter, Köln/ Wien 1987; J.-C. Schmitt, Macht der Toten, Macht der Menschen. Gespenstererscheinungen im hohen Mittelalter, in: A. Lüdke (Hg.), Herrschaft als soziale Praxis. Historische und sozialanthropologische Studien, Göttingen 1991, 143-167; Ders., Bilder als Erinnerung und Vorstellung. Die Erscheinung der Toten im Mittelalter, in: Historische Anthropologie 1 (1993), Heft 3, 347-358. Vgl. H. Vogelsgesang, Sitten und Gebräuche im Bezirk Kusel, Kusel 1921, 35. Diese Erkenntnis schöpften Archäologen bei verschiedenen Friedhofsgrabungen, vgl. Buhmann/Kasper/Kaufmann, Krankheit und Tod, 33 f.; Dies., Leben und Tod der Frau Susanna Maria Becker. Eine historisch-pathologische Untersuchung von Ausgrabungen in Wiebelskirchen, in: Saarheimat 27 (1983), 71-73. Für ein Kindergrab sah man 1863 eine Grube von fünf Fuß Tiefe und vier Fuß Breite vor, am Fußende mit einem Pfahl versehen, auf dem in Ölfarbe eine Nummer zu stehen hatte, die in einem Register eingetragen war. In jedes Grab sollte nur ein Sarg gesenkt werden, STA SB, Best. Malstatt-Burbach, Nr. 863, o. fol.: Anweisungen für den Totengräber, 1863. Mirakelbuch Beurig, Eintrag vom 18. August 1636. Vgl. Kyll, Die „Christliche Zuchtschul..", 232; Zit. aus Cusanus, Christliche Zuchtschul, 92,23. Vgl. hierzu: Le Goff, Die Geburt des Fegefeuers, nach der franz. Ausg.: La Naissance du purgatoire, Paris 1981, 241-245. Vgl. die Dokumentation dieses Brauches v.a. für Orte im Erzstift Trier bei Cusanus, in: Kyll, Die „Christliche Zuchtschul...", 244. STA Trier, Best. Ta 50, Bd. 6, „Churfüstlich=Trierische Verordnung ...", 1752 wie: ebd., Nr. 4, 1737: Hinweis auf „cronen, Rosmarin und andere Kräntze"; vgl. ebenso

Anmerkungen

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für Nassau-Saarbrucken bei: Biundo, Brauchtum um Tod und Grab, 175; für Lothringen: Jeanmaire, Superstitions, 98 f.; für Kurtrier: Kyll, Die „Christliche Zuchtschul ...", 232. K. Ulbricht, Geburt, Hochzeit und Tod im Volksbrauch und Volksglauben der Kreise Lebus und Beeskow-Storkow, in: Zeitschrift für Volkskunde N F 40 (1930), 285, bezeichnet Rosmarien als Pflanze des Todes, aber auch als Gewächs, das Brautpaare und Hochzeitsgäste als Symbol der Liebe trugen. 398 Vgl.: Jeanmaire, Superstitions, 100 f.; Bächtold-Stäubli, H D A , Bd. 9, Berlin 1938/ 1941, Spalte 709; der Brauch, die Wöchnerinnen im Brautschmuck mit Myrtenkranz und Schleier zu begraben, ist im Untersuchungsgebiet unbekannt; vgl. Ulbricht, Geburt, Hochzeit und Tod, 284; dagegen findet man den Schuh, der als Schutzgegenstand der Braut und der Wöchnerin diente, auch als Grabbeigabe im Grab von Kindbetterinnen; vgl. von Schönwerth, Aus der Oberpfalz, Bd. 1, 208 f.; E. Heikel, Sandalion. Beiträge zu antiken Zauberriten bei Geburt, Hochzeit und Tod, in: Suomalaisen Tiedeakatemian Toimituksia. Annales Academiae scientiarum Fennicae, Serie B, Bd. 12 (1913), 16-18.

III. Solidaritäten nach der Geburt 1

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Vgl. Schmitt, Der heilige Windhund. Die Geschichte eines unheiligen Kults, Stuttgart 1982, 96-116: Er berichtet von einer Kultstätte in einem Wald nahe Neuville-lesDames/Lyon, in welchem nach volkstümlicher Annahme Faune wohnten und das Grab des heiligen Guinefort seinen Platz hatte. Hierher brachte man kranke und vor allem schwächliche Neugeborene, brachte ein Opfer und hängte die Windeln über die Sträucher um die Grabstätte. Eine mit dem Ritual vertraute Frau und die Kindsmutter reichen sich zunächst das Kind neunmal hin und her und bitten dabei die Faune, das kranke Faunenkind gegen das eigene gesunde Kind auszutauschen. Dann wird das nackte Kind am Fuß eines Baumes niedergelegt, die Frauen ziehen sich zurück und kehren erst nachdem eine Kerze abgebrand ist, zu ihm zurück. Lebt das Kind, wird es zum Beweis, daß es das richtige, ausgetauschte Menschenkind ist, neunmal in einen Fluß getaucht. Uberlebt es auch diese Prozedur, ist es das von den Faunen zurückgegebene, stirbt es, war es ein Kind der Dämonen, die es sich wieder genommen haben. Vgl. etwa bei von Schönwerth, Aus der Oberpfalz, Bd. 1, 188-203. Diesen Brauch beschreibt Vogelsgesang neben dem „Durchziehen"; vgl. Ders., Sitten und Gebräuche, 31. Vgl. Nachlaß Merkelbach-Pinck, Kurze Berichterstattung der Hebamme Adam aus Hambach bei Sarreguemines über ihre Tätigkeit als Geburtshelferin um die Mitte des 19. Jahrhunderts; ebd., Das Kind, Manuskript o. S.. Sie gibt zur Vertreibung des Erdmännchens ähnliche Rituale an, wie sie in der Pfalz zur Vertreibung des Berufens durch Hexen durchgeführt wurden (Überstreichen mit der Zunge und Spruch); erwähnt wird auch das „Druckmännel" als schadender Geist; allgem.: Bächold-Stäubli, H D A , Bd. 3, Spalte 1600-1603; Gelis, Die Geburt, 116-126, 293-296. Vgl. Labouvie, Verwünschen und Verfluchen: Formen der verbalen Konfliktregelung in der ländlichen Gesellschaft der Frühen Neuzeit, in: Zeitschrift für Historische Forschung, Beiheft 15 (1993), 127-129. Vgl. Heeger, Pfälzer Volksheilkunde, 76 f.; der zit. Spruch stammt aus einer Handschrift von Walsheim, um 1793; ähnliche Sprüche in einer Dierbacher Handschrift um 1791 und im Wanderbuch des Wiebelskicher Schmiedegesellen Lemmes von 1834, beide Privatbesitz. Ebd., 78, Zit. aus einer Handschrift um 1800. von Schönwerth, Bd. 1, 185 f., nennt den Begriff des „vermeynt" seins.

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Anmerkungen

8 Ebd., 77; ebenso bezeugt ist dieser Brauch gegen Hexen wie gegen das Druckmännel im Lothringischen; vgl. Jeanmaire, Superstitions populaires, 20 f.; Nachlaß Merkelbach-Pinck, Das Kind, Manuskript o. S., Kapitel Geburt. 9 Im Saarländischen und Trierischen lauteten die Zwischennamen „Pannestielche" oder „Panestiatzjen" (mundartl. für Bachstelze) für Jungen und „Rosenstielche" oder „Bohnenblättchen" für Mädchen; im Lothringischen nannte man sie einfach „Heidekinner" oder „Pannestielchen"; für die Pfalz sind „Pannestielchen" und „Rosenblättchen" belegt; vgl. Kyll, Das Kind, 12; R. Laufner, Zur Entstehung der Personenund Familiennamen im Trierer Land, in: Trierisches Jahrbuch 1950, 49 ff.; Merkelbach-Pinck, Das Kind, Kapitel Geburt, Manuskript o. S.; Vogelsgesang, Sitten und Gebräuche, 29; Beyschlag, Pfannenstielchen und Bohnenblättchen, in: Pfälzisches Museum 39 (1922), Heft 5/6, 150 f.: Er erwähnt für den pfälzischen Raum auch die Zwischennamen Böcklein und Geislein. 10 Nachlaß Merkelbach-Pinck, Das Kind, Kapitel Geburt, Manunskript o. S. 11 Vgl. Richard, Traditions populaires, 224 und Loux, La place symbolique et concrete des hommes et des femmes autour de la parturiente, Vortrag, 14.-16. März 1996. 12 Loux, Vortrag und Dies, Das Kind, 112; Jeanmaire, Superstitions populaires, 173. 13 STA SB, Best. Hospital, Nr. 100, o. fol., Schreiben vom 28. Juni, 4. Juli, 26. Juli, 1. August, 3., 8. und 10. Oktober 1765. 14 Vgl. Kyll, Das Kind, 24-29; Fox, Saarländische Volkskunde, 259-263 und Oberhauser, Wallfahrten und Kultstätten, 16-19, 24-29, für den trierischen und saarländischen Raum; Beyschlag, Volksglaube und -brauch, 9, für das Herzogtum Pfalz-Zweibrücken; alle mit Angabe zahlreicher Wallfahrtsstätten und der jeweiligen Kulthandlungen. 15 Zit. aus Lohmeyer, Bearbeitung von Birkenfelder Kirchenbüchern, Bd. 1,18 f. 16 Im Gräfinthaler Mirakelbuch lösen in drei Fällen die „Weiber" mit dem Ehepaar (5., 37. und 40. Exempel), in zwei Fällen die Mutter allein (23. und 78. Exempel), in einem Fall Mutter und „Weiber" (59. Exempel), in drei Fällen die „Weiber" allein (58., 68. und 75. Exempel) und in einem Fall der Ehemann (71. Exempel) das Gelöbnis ein. In allen übrigen Mirakeln um die Geburt wird nicht berichtet, wer das Verlöbnis einlöste; laut den Beuriger Mirakeln sind es dreimal Eheleute (1622, 1640, 1642) zehnmal die Niedergekommene selbst (1630, 1635, 1636, 1639, 1640, zwei Einträge 1641, 1642, 1644, 1646) zweimal der Ehemann (zwei Einträge 1642) und einmal die Patres der Societas Jesu und ein Beuriger Franziskanerpater (1636), die das Gelöbnis mit Bittgang, Messe und Opfer einlösen. Zu vermuten ist, daß die Mütter allerdings nicht allein, sonder in Begleitung anderer Frauen die Wallfahrt vollzogen, so daß auch hier in der Mehrzahl Frauen die Gelübde vollzogen. 17 Zit.e in: Vogelsgesang, Sitten und Gebräuche, 36 und Schneider, Heilzauber und Heilbräuche, 26. Dieselbe Formel benutzte noch Ende des 19. Jahrhunderts ein „Braucher" aus Köllertal, LASB, Best. Nachlaß Rug, Köllertaler Volkskunde: Anlagen zur Volkskunde, 1961, handschriftl. Aufzeichnungen aus Interviews. Heeger, Pfälzer Volksheilkunde, 18 f., gibt die Herstellung eines Zauberamulettes an, das man neun Tage aufhängte und am zehnten Tag in ein fließendes Gewässer warf. Sehr ähnliche Sprüche finden sich im Wanderbuch des Schmiedegesellen Lemmes aus Wiebelskirchen, 1834, in einem Notizbuch des Johann Feld aus Hellenhausen und des Jacob Bikelmann aus Berschweiler sowie auf einem Brauchzettel der Christiane Jülch aus Bischmisheim; alle Privatbesitz. 18 Das Anwachsen war eine rhachitische Erkrankung, die mit Veränderungen am Brustkorb, mit Atemnot und Husten einherging; man glaubte, die Lungenflügel seien an den „kurzen Rippen" angewachsen. Vgl. Schneider, Heilmittel und Heilbräuche, 12 f.; erster Spruch: 36; zweiter Spruch: Fox, Das „Brauchen" in der Saargegend, in: Zeitschrift des Vereins für rheinische und westfälische Volkskunde 24 (1927), 146;

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ähnliche handschriftliche Sprüche enthält auch das Spruchbuch des Jacob Bickelmann aus Berschweiler, 1843, Privatbesitz; vgl. den Brauch des Messens auch im Pfälzischen: Heeger, Merkwürdiges, 11. Vgl. Heeger, Merkwürdiges, 11, für Schneckenhausen; Beyschlag, Das Durchziehen, ein alter Heilbrauch, in: Pfälzisches Museum 39 (1922), Heft 5/6, 151 f. Zu den Behandlungsmethoden und Arten der Krankheitsbannung dieser Erkrankungen: Labouvie, Verbotene Künste, 95-110; hier finden sich auch weitere Sprüche und Praktiken: 55-59, 69, 136. Vgl. Heeger, Pfälzer Volksheilkunde, 73. allgemein: Gelis, Die Geburt, 304-307; zu einem besonderen Glauben bezüglich der Glückshaubenkinder: Carlo Ginzburg, Die Benandanti. Feldkulte und Hexenwesen im 16. und 17. Jahrhundert, Frankfurt a.M. 1980. Vgl. Richard, Traditions populaires, 226; Jeanmaire, Superstitions populaires, 174; Loux, Das Kind, 103. Kyll, Die „Christliche Zuchtschul", 229, 266. Nach A. Bitsche, Coutumes de naissance et de bapteme, autrefois dans le Sundgau, in: Annuaire de la Societe d'histoire sundgauvienne (1990), 39 f. von Schönwerth, Aus der Oberpfalz, Bd. 1, 179. Loux, Das Kind, 115-117. Vgl. Jeanmaire, Superstitions populaires, 100, 205. Vgl. Gelis, Die Geburt, 253-262; auch in außereuropäischen Kulturen wird Nachgeburt und Nabelschnur eine besondere Kraft zugebrochen: „Wir waschen die Plazenta und die Nabelschnur sehr gründlich. Wir glauben, daß nach unserem Tod die Plazenta mit Allah spricht. Deshalb muß sie sorgfältig gewaschen und in einem irdenen Topf gebührend wie ein Mensch begraben werden. Wenn man das nicht tut, können Hunde die Plazenta aufspüren und ausscharren ... Einige Leute sagen, daß auf diese Weise die Lepra verbreitet wird ..."; Zit. einer Hausa-Frau in: Fleischer, Zur Rolle der Frau in Afrika, 78. Archiv der evangelischen Kirchengemeinde Ottweiler. Nr. 00/1, 29-93. Vgl. K. Lillig, Geschichten aus dem wöchentlichen „Zweybrücker Frag- und Kundschafts-Blatt..." (1773-1785), in: Saarpfalz. Blätter für Geschichte und Volkskunde 19 (1988), Heft 4, 51. Kindbettzechen, ebenso „Moßig" (Moselfranken), „Kindsschenke" (Franken, Oberpfalz, Süddeutschland), „Kindskirchweih" oder „Kindskirmes" (Hessen, Main- und Oberfranken bis Halle, Hunsrück), „Konegilde" (Jütland), „Kindsfood" (SchleswigHolstein), „Kindelbier" (Schlesien), „Wivedag" (Ostfriesland), „Weisad" (Oberbayern, Oberpfalz), „Stopfer" (Stopper, Stoppa: Fichtel- und Elstergebirge), „Mut" oder „Guter Mut" (Oberfranken, Vogtland), „Weiberkram" (Niederrhein) oder „Kindleshäusle" (südlich von Würzburg) genannt, existierten im ganzen deutschsprachigen Raum; vgl. Worschech, Frauenfeste, 101-135; Bitsch, Coutumes de naissance, 45 f.; G. F. Meyer, Geburt und Taufe im Volksglauben Schleswig-Holsteins, in: Nordelbingen 16 (1940), 46-53; A. und J. Olrik, Kvindegilde i Middelalderen; in: Danske Studier 1907, 175 f.; R. Wolfram, Weiberbünde, in: Zeitschrift für Volkskunde 42 (1933), 145 f.; W.-E. Peuckert, Geheimkulte, N D Hildesheim/Zürich/New York 1984, 227 f.; Ploß, Das Kind, 349-359, 372-377; Reichhardt, Geburt, Hochzeit und Tod, 10 f., 25-27; W. Lüpkes, Ostfriesische Volkskunde, N D Leer 1972, 94; R.-E. Mohrmann, Volksleben in Wilster im 16. und 17. Jahrhundert, Neumünster 1977, 303 f.; Heeger, Frauenrechtliches, 137-139; Ders., Frauenrechtliche Volksbräuche in Franken, in: Mainlande 16 (1965), 67 f., 71 f.; H. von der Au, Die Kindszeche im westlichen Mainfranken, in: Bayerisch-südostdeutsche Hefte für Volkskunde 13 (1940), 3-5; K.-S. Kramer, Volksleben in Holstein (1550-1800), Mühlau/Kiel 1987, 243-251; Ders., Fehmarner Volksleben im 17. Jahrhundert. Zwei unbekannte Poli-

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Anmerkungen zeiordnungen als volkskundliche Quellen, Neumünster 1982, 55-58; I. Grassl, Münchner Brauchtum und Leben im 18. Jahrhundert. Beiträge zur Volkskunde der Stadt, München 1940,15. Vgl. allgemein: Worschech, Frauenfeste, 101 ff., 114-135. Vgl. Pfarrer Lengler, Ein Sittenbild aus der Zeit vor 300 Jahren, in: Blätter für Mosel, Hochwald und Hunsrück 3 (1912/13), 68; Zit. aus: Biundo, Die General- und Spezialvisitation im Amt Meisenheim und Landsberg im Jahre 1585, in: Blätter für pfälzische Kirchengeschichte und religiöse Volkskunde 25 (1958), Heft 1, 27. Vgl. L'Hote, Vie quotidienne, 10 f.; Kyll, Das Kind, 12; die Verordnungen für das Herzogtum Lothringen benutzen bei Angaben zur Regelung des Taufaktes im Zusammenhang mit Handlungen, die entweder die Hebamme oder der Vater des Kindes leisten soll, immer die Formel: „du pere, s'il est present" oder: „si le pere est present ä la celebration"; so etwa noch in einem Arrest von 1774, Sittel, Bd. 2, IV. Sammlung, Trier 1843, 448 f.; in einer Instruction von 1754, ebd., 483 und in einem Arrest von 1764, ebd., 424. Vgl. Markgraf, Die Nachbarschaften und ihre Geschichte, in: Zeitschrift des Vereins für rheinische und westfälische Volkskunde 2 (1905), Heft 3, 16. LASB, Best. 22, Nr. 2847, fol. 124r. Ebd., Nr. 4611, fol. 64; ähnlich auch die Verordnung von 1574, Sittel, Sammlung, Bd. 2, 648; vgl. Zewe, Sitten und Bräuche im Saargebiet, 16 f. Ebd., Nr. 2847, fol. 161r, 162. Vgl. Eine Polizeiordnung der Stadt und des Amtes St. Wendel, anno 1608, in: Heimatbuch des Landkreises St. Wendel 13 (1969/70), 133-135. AHWS, Rep. II, Nr. 116, o. fol., 14.12.1558. LASB, Best. 22, Nr. 2848, fol. 47 f. Vgl. Biundo, Die General- und Spezialvisitationen, 23. Sittel, Sammlung, Bd. 2, VI. Sammlung, 649. Die Entwicklung scheint in den Städten eine andere Wendung genommen zu haben, wie A. Reichart (Wochenbett und Kindertaufe: Die Privatisierung des Alltags in den Satzungen der spätmittelalterlichen Stadt Essen, in: B. Lundt (Hg.), Vergessene Frauen an der Ruhr. Von Herscherinnen und Hörigen, Hausfrauen und Hexen 800-1800, Köln/Weimar/Wien 1992, 143-173) zumindest für die Stadt Essen zeigen kann. Hier wurden die Kindbettzechen ab der Mitte des 16. Jahrhunderts verboten. Da Reichart ausschließlich städtische Satzungen und Verordnungen heranzieht, ist fraglich, ob diese normativen Texte die tatsächliche Realität spiegeln. So etwa 1567 bei der Kirchenzensur im Amt Zweibrücken, AHWS, Rep. VI, fol. 28r. Zit.: LA Speyer, Best. B2, Nr. 187,1, fol. l l r ; Beschränkungen der Teilnehmerinnenzahl finden sich in der zweibrückischen Verordnung von 1558: Sechs bis acht Frauen dürfen geladen werden, AHWS, Rep. II, Nr. 116, o. fol.; in der nassau-saarbrückischen Verordnung von 1574: Neben der Hebamme sollen acht „Weyber von ihren Gesipter und nachbaren" kommen, Sittel, Sammlung, Bd. 2, 648; 1551 waren nur sechs Frauen zugelassen, LASB, Best. 22, Nr. 4611, fol. 64; 1588 dagegen wieder 12 Frauen, ebd., Nr. 2848, fol. 47r; alle anderen frühen Verordnungen lassen die Zahl der teilnehmenden Frauen offen. So heißt es über die Kindtaufsfeiern der Frauen in Kirkel, Bierbach, Rohrbach und Hassel 1580: „... Bringt jeder sein eßen mit sich, das übrig bezahlt man in gemein", AHWS, Rep. II, Nr. 177, fol. 94r; vgl. auch: Becker, Pfälzische Volkskunde, 215; Krämer, Über Kindtauf- und Kindbettzechen vor 300 Jahren im Westrich, in: Unsere Saar. Heimatblätter für die Saarlandschaft 3 (1928/29), Heft 1, 88. Vgl. Heimatbuch des Landkreises St. Wendel 13,133. AHWS, Rep. VI, Nr. 1167, fol. 72r.

Anmerkungen

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50 Text in: Biundo, Die Gernerai- und Spezialvisitationen, 29; auch der Pfarrer von Scherfeld und Sitters bestätigt diesen Brauch, ebd., 28; A H WS, Rep. VI, Nr. 1167, fol. 72r, Visitationsprotokoll von Pfarrer Johannes Hermann aus Breitfurt. 51 Zunächst 1618, dann wieder 1662 und zuletzt 1669 hatte man in der Grafschaft Nassau-Saarbrücken die Zahl der Frauen auf vier, die Zahl der Tische auf zwei festzulegen versucht, für weitere Gäste und Tische wurden Gebühren erhoben; LASB, Best. 22, Nr. 4418, fol. 6 f.; ebd., Nr. 2353, fol. 132; ebd., Nr. 5272, fol. 7-8r. 52 STA Trier, Best. Ta 52/1, o. fol., 15. September 1670. 53 U.a. L H A Koblenz, Best. 24, Nr. 1458, fol. 1 f. 54 Ausdrücklich wird den Pfarrern 1730 nahegelegt, auf die Teilnahme an den Festlichkeiten zu verzichten. 55 A H W S , Rep. II, Nr. 322, o. fol., 29. Mai 1683; HSTA Wiesbaden, Abt. 150, Nr. XI Va, 4424, o. fol.; gemeint ist der Anhang zur Kirchenordnung, Tit. „Von Kindtauffen", § 3. Wiederholt wurde diese allgemeine Formulierung in einer Verordnung von 1693; AHWS, Rep. VI, Nr. 1075, o. fol., Polizei=Ordnung 1693, Kopie. 56 H S T A Wiesbaden, Abt. 150, Nr. XIV,4424, o. fol. 57 1590 etwa berichtet die Verordnung für die Städte Saarbrücken und St. Johann von dem Brauch, welcher „von vielen jaren hero" üblich sei, daß nämlich Kindbetterin, Gevatterinnen und „beiwesende Bürgersweiber" zum „Weibergelache" vor allem „mercklichs fleischwerck zu irenn gebrädts ein und auffkauffen"; LASB, Best. 22, Nr. 2847, fol. 161 r; schon eine Verordnung für die gesamte Grafschaft von 1551 erwähnt das „braten essen", ebd., Nr. 4611, fol. 64; ein Mandat des Herzogtums Pfalz-Zweibrücken von 1558 beschränkte die „ziembliche Imbs" der Frauen auf vier Essen; A H W S , Rep. II, Nr. 116, fol. 4; 1683 ist in einer zweibrückischen Verordnung die Rede von „mehr nicht als sechs Speisen", ebd., Rep. VIII, Nr. 139a, o. fol. 58 Etwa: LASB, Best. 22, Nr. 4418, fol. 6r: Brezeln oder Kuchen; ebd., Best. 38, Nr. 621, fol. 251; ebd., Best. 22, Nr. 3516, fol. 23: „etwas weniges an Speis und Tranck"; HSTA Wiesbaden, Abt. 150, Nr. XIVa,4415, o. fol., § 11, § 13; LA Speyer, Best. B2, Nr. 2682, fol. 52r: Brot, Weck, Kuchen oder Brezeln; A H W S , Rep. II, Nr. 322, o. fol.: ebenso. 59 LASB, Best. 22, Nr. 2848, fol. 104 (253), Verordnung vom 11. April 1707 und vom 22. Oktober 1715; vgl. auch: F. Koellner, Geschichte der Städte Saarbrücken und St. Johann, Bd. 1, Saarbrücken 1865, 207; Sittel, Sammlung, Bd. 1, 128. 60 LASB, Best. Münchweiler, Akten, Nr. 370, Polizeiordnung Alben, o. J., fol. 6. 61 Ebd., Best. 22, Nr. 4418, fol. 6r. 62 Ebd., Nr. 5272, fol. 7-8r. 63 H S T A Wiesbaden, Abt. 150, Nr. XIVa,4424, o. fol., 1. April 1740; ebd., Nr. XlVa, 4415, o. fol., § 7; ebd., Abt. 131, Nr. XIVa, 16, fol. 5: 20 und mehr Frauen, die bis Mitternacht feiern; ebd., o. fol., 1762: bis zu 30 Frauen kommen nach der Taufe im Haus der Wöchnerin zusammen, verspeisen Brot, Wein und Kuchen; LA Speyer, Best. B2, Nr. 2682, o. fol., 1743; ebd., o. fol., 29. Mai 1759; A H W S , Rep. II, Nr. 322, o. fol., 1759; vgl. Sittel, Sammlung, Bd. 1, 333, Verordnung für Nassau-Saarbrücken, 1760. 64 Gedicht in: A. Ruppersberg, Geschichte der ehemaligen Grafschaft Saarbrüken, Bd. 2, St. Ingbert 1910 ( N D der 2. vermehrten Aufl.), 281. 65 Vgl. zu diesen Frauenbräuchen: J. Müller, Der Donnerstag vor Fastnach im Rheinischen, in: Zeitschrift für Volkskunde N.F. 2, 40. Jg. (1930), 234-241: Er gibt den Donnerstag vor Fastnacht und den Fastnachtsmontag als Frauenfeiertage („Weibermontag") für die Gegend zwischen Mosel und Ahr an; R. Dettmann/M. Weber, Eifeler Bräuche im Jahreskreis und Lebenslauf. Ein Bilder- und Lesebuch für alt und jung, Köln 1981, 24 f. (Weiberdonnerstag und „Möhnen"); Becker, Mosaik zur pfälzischen Volkskunde, in: Pfälzisches Museum 41 (1924), Heft 4, 74: Er belegt den pfälzi-

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Anmerkungen sehen Brauch der Frauen an Fastnacht, einen Baum zu fällen; H. und E. Schwedt, Bräuche zwischen Saar und Sieg. Zum Wandel der Festkultur in Rheinland-Pfalz und im Saarland, Mainz 1989, 81-85: Weiberdonnerstag, Baumfällen; Becker, Frauenrechtliches in Brauch und Sitte. Ein Beitrag zur vergleichenden Volkskunde, Kaiserslautern 1913, 18 f., 21 f., 24, 26 f., 30 f., 33-36: Mädchenbünde und Schwesternschaften zur Aufbewahrung der Brautkrone im Hunsrück, Weiberbraten und Weiberkietz in der Pfalz, Aschermittwoch als „Witweibertag" in der Pfalz, Fastnachtsmontag und Schurtag im Elsaß, Umtrunk der Frauen an Pfingstdienstag in der Pfalz; O. Stang, Weiberwein und Weiberfeld in Forst, in: Der Pfälzerwald 11 (1910), 58 f.; H. Stilgenbauer, Uber Pfälzische Volkstänze, in: Pfälzische Landeskunde. Beiträge zu Geographie, Biologie, Volkskunde und Geschichte, Bd. 2, Landau 1981, 484 f.: besondere Frauentänze; W. Leson (Hg.), So lebten sie in der Eifel. Texte und Bilder von Zeitgenossen, Köln 1983, 3. Aufl., 37 f.: Weiberdonnerstag, Weibermontag; Biundo, Die Kirchenvisitation im Oberamt Zweibrücken 1567, in: Blätter für Pfälzische Kirchengeschichte und religiöse Volkskunde 23 (1956), Heft 4, 141: Fastnachtsbräuche und „Butzen", Bratenheischen. HSTA Wiesbaden, Abt. 131, Nr. XIVa,16, o. fol., Bericht vom 23. September 1762. Diesen Spruch kannte man vor allem in Hunsrück- und Eifeldörfern, vgl. J. Mayer, Eifeler Volksbräuche bei Geburt und Taufe des Kindes, in: Zeitschrift des Vereins für rheinische und westfälische Volkskunde 8 (1911), Heft 3, 214. HSTA Wiesbaden, Abt. 369, Nr. 411, fol. 3 f. Die Einführungsbräuche der jüngstverheirateten Frau des Dorfes belegen u.a. ebenso: R. Müllerheim, Zur Kulturgeschichte der Wochenstube vergangener Jahrhunderte, in: Beiträge zur Geburtshilfe und Gynäkologie 7 (1903), 466-476; H.F. Rosenfeld, Kindsfoot. Ursprung und Verbreitung einer hansisch-niederdeutschen Brauchtumsbezeichnung, Helsinki 1964; von der Au, Die Kindszeche, 3-5; Kramer, Volksleben in Holstein, 248 f.; Heeger, Frauenrechtliche Volksbräuche, 68, 71 f.; Ders., Frauenrechtliches, 137 f.; A. Wilson, The Ceremony of Childbirth and its Interpretation, in: V. Fildes (Hg.), Women as Mothers in Pre-Industrial England. Essays in Memory of Dorothy McLaren, London 1990, 98-107; K.G. Berghöfer, Geburt und Kindheit im Brauch katholischer Orte des Vogelsbergs und der Wetterau, Diss. phil. Gießen 1937, 10-13; Worschech, Frauenfeste, 101 ff., 114 f., E. Bubmann, Brauchtum im Steigerwald, Zulassungsarbeit der Universität Würzburg, um 1940, 11-13; J. Bonnet, La terre des femmes et ses miracles, Paris 1988, 98-102. Leson, So lebten sie, 59; Becker, Frauenrechtliches, 18 f.; für „alle Gegenden Deutschlands" will E. Mogk (Die deutschen Sitten und Bräuche, Leipzig/Wien 1921, 30) das Abnehmen des Brautkranzes und das Aufsetzen der Haube durch die Dorffrauen festgestellt haben. Es handelt sich dabei um ein Streitspiel zwischen den verheirateten und unverheirateten Frauen. Stilgenbauer, Uber Pfälzische Volkstänze, 484; Wrede, Rheinische Volkskunde, ND Frankfurt a.M. 1979, 183; Diener/Born, Hunsrücker Volkskunde, 165; Peuckert, Geheimkulte, 226. Vgl. J. Müller, Einführungsbräuche in die Gemeinschaft der verheirateten Frauen bei Gelegenheit der Kindtauffeiern im Rheinischen, in: Westdeutsche Zeitschrift für Volkskunde 33 (1936), 147. So etwa die „Gutachtliche reflexion über die eingegangene berichte von abschaffung der excessen und mißbrauchen" vom 10. März 1741 für die Grafschaft NassauSaarbrücken, HSTA Wiesbaden, Abt. 150, Nr. XIVa,4424, o. fol., § II. „Das Kindtauffen", unterschrieben: Weirich. Kyll, Das Kind, 13; J. Zillgen, Alte Gebräuche, Volksglauben, Aberglauben, Sagen aus Berus, in: Heimat-Blätter von der Saar für den Kreis Saarlouis und angrenzende Gebiete 1 (1925), Heft 5, 48; Leson, So lebten sie, 54, gibt ebenfalls das Abziehen der

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Haube als Einführungsbrauch für die Westeifel an. In Hessen bedeutet die Wendung, „es geht über dem Besenstiel her" bis ins 20. Jahrhundert, daß es bei einer Kindtaufe lustig zugeht; vgl. Ploß, Das Kind, 352, 357. Vgl. Müller, Einführungsbräuche, 144-149; Ders., Brauchtum beim Wöchnerinnenbesuch, in: Zeitschrift des Vereins für rheinische und westfälische Volkskunde 8 (1911), Heft 2, 12 f.; L.H. Baum, Kindtaufsfeier (1757), in: Heimatblatt für das Remigiusland 4 (1927); W. Brückner, Altes Brauchtum um Geburt und Taufe im Holzland, in: Heimatkalender: Das Pirmasenser und Zweibrücker Land, seine wechselvolle Geschichte und seine entwicklungsfreudige Gegenwart, Weissenthurm 1979,154-158. Vgl. Müller, Einführungsbräuche, 147 f.; Wrede, Rheinische Volkskunde, 152 f. Vgl. Breining, Die Hebamme in heimischer Sitte, 158; Krämer, Kindtauf und Kindbettzechen vor 300 Jahren im Westrich, in: Pfälzischer Merkur, Beilage vom 26.2.1929. Müller, Einführungsbräuche, 145. Müller, Einführungsbräuche, 148 f.; Breining, Die Hebamme in heimischer Sitte und Brauch, 157 f.; Fox, Saarländische Volkskunde, 316; Ders., Sitten und Bräuche, in: Zeitschrift des Rheinischen Vereins für Denkmalpflege und Heimatschutz, 22 (1929), Heft 1/2, 237; K. Malburg, Von Kindtaufen und Hochzeiten in Hüttersdorf, in: NSZ-Rheinfront, Saarland-West vom 2.1.1937; von der Au, Heit is Kerb in unserem Dorf. Tänze rechts und links der Saar, Kassel/Basel 1954; Ders., Drei lärren Strömp, in: Hessische Blätter für Volkskunde 35 (1936), 147; Ders., Das Volkstanzgut im Elsaß, in: Oberdeutsche Zeitschrift für Volkskunde 15 (1941), 17 f.; A. Pfeiffer, Alte Pfälzer Tänze, in: Der Pfälzerwald 1914, 40, 82-85. In Franken kannte man statt des Schweizermannstanzes den „Bajeßmanntanz"; vgl. Heeger, Frauenrechtliches, 138 und von der Au, Der Bajeßmann, ein Spessarter Volkstanz, in: Volkskundliche Ernte, Gießen 1938, 1 ff. Einen Tanz um eine Strohpuppe, den „Bovi", kannte man bei der „Konegilde" in Dänemark bereits im 13. Jahrhundert; ein Text in lateinischer Sprache (abgedruckt in: Peuckert, Geheimkulte, 229 f., und Olrik/Olrik, Kvindegilde, 175) gibt Auskunft, daß sich die Frauen nach einer Geburt bei der Kindbetterin versammelten, ein Bündel aus Stroh zu einer Figur, die sie Bovi nannten zusammenbanden, mit Kleidung und Gürtel versahen und im Dreischritt unter Singen um diese Strohpuppe tanzten. Vgl. Müller, Einführungsbräuche, 147. Vgl. zu diesem in der Gegend um Merzig und Saarburg gebräuchlichen Ritual Müller, Einführungsbräuche, 147. Müller, Einführungsbräuche, 148, erwähnt einen jungen Bock als Tanzpartner vor allem für die Gegend um Saarburg; zu Brechfest und Schweizermannstanz vgl. Stilgenbauer, Uber pfälzische Volkstänze, 487; Peuckert, Geheimkulte, 252; Heeger, Frauenrechtliches, 139 f. Die Symbolik der Knöpfe bzw. des Knöpfeannähens findet sich vor allem im Zusammenhang von Schutzritualen für das Neugeborene etwa bei Vogelsgesang, Sitten und Gebräuche, 29, und Heeger, Pfälzer Volksheilkunde, 75; allgem. BächtoldStäubli, HDA, Bd. 5, N D Berlin/New York 1987, Spalte 14-16. Die Hebamme Adam aus Nußweiler berichtet für das letzte Drittel des 19. Jahrhunderts vom Ablauf einer Kindtaufsfeier unter Frauen nach dem Essen wie folgt: „Es wurde viel bei Kindtaufen gesungen und zwar meistens Volkslieder. Ich erinnere mich noch z.B. meiner damals 45 jährigen Mutter bei ihrem zehnten Kind. Sie saß im Bett und sang das Lied: Schatz, wenn du reisen willst, sodann griff sie nach der Mundharmonika, und zum Schluß wurden so noch einige ganz niedliche Schottigtänze vollzogen", Nachlaß Merkelbach-Pinck, Kurze Berichterstattung einer Hebamme, Manuskript, o. S. Wrede, Rheinische Volkskunde, 152; Mayer, Eifeler Volksbräuche, 214; Nachlaß Merkelbach-Pinck, Kurze Berichterstattung einer Hebamme, Manuskript, o. S.; Mül-

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ler, Einführungsbräuche, 149; Heeger, Frauenrechtliches, 137; das Hänseln der Männer, denen eine Zipfelmütze aufgesetzt und denen alles Reden verboten wurde, bis sie sich freigekauft hatten, gibt auch Reichhardt, Geburt, Hochzeit und Tod, 27, als weitverbreitetes Brauchtum im deutschsprachigen Raum an. 86 So etwa in der Polizeiordnung für Saarbrücken und St. Johann von 1588, LASB, Best. 22, Nr. 2848, fol. 47r; in einer Verordnung von 1662, ebd., Nr. 4418, fol. 6r; in einem Schreiben der „hochgräflischen Nassau Saarbr. Vormundschafts Canzley Director und Consistorial Rät he", 1681, HSTA Wiesbaden, Abt. 150, Nr. XIVa,4424, o. fol., um die frühesten Belege zu nennen. 87 Müller, Einweihungsbräuche, 150, benennt allein das Saarland mit den Orten Merzig, Saarbrücken, Ottweiler, St. Wendel, Mettnich, die pfälzischen Orte Meisenheim und Simmern, die Moselorte Trier, Leiwen, Wittlich, Bernkastel, Dezem, Thörnich, die Nordeifel und das Nahegbiet. 88 So etwa in einer Verordnung für die Grafschaft Nassau-Saarbrücken, 1617, LASB, Best. 22, Nr. 2353, fol. 132; der Begriff des „Hänseins" bezeichnet die Aufnahme eines Neulings in eine geschlossene Gruppe von Menschen (Handwerkszunft, kaufmännische Körperschaft, Bruderschaft, aber auch in die Gruppe der Konfirmanten, der neuverheirateten Ehefrauen, der Paten oder neuen Hausbesitzer, der jugendlichen Burschen und Mädchen). Verbunden sind damit immer Einweihebräuche als Angliederungsrituale und Lösebräuche als Trennungsrituale; vgl. W. Hungenberg, Vom „Hansen" und „Hänseln" in St. Goar, in: Rheinische Heimatpflege NF 3 (1966), 329-334. 89 Zit.e aus den Verordnungen für Nassau-Weilburg von 1753, HSTA Wiesbaden, Abt. 150, Nr. XIVa,4415, § 15, und aus einer „Ohnmasgeblichen Monita" von 1762, ebd., Abt. 131, Nr. XIVa,16, o. fol.; weitere Verbote enthalten eine Verordnung vom 17. September 1762 für Nassau-Saarbrücken, ebd., § 4, und eine Verordnung von 1768, ebd., Abt. 150, Nr. XIVa,4438, fol. 6, § 18. 90 LA Speyer, Best. B2, Nr. 2682, fol. 52. Eine ähnliche Formulierung findet sich in einer späteren Verordnung (o. Datum, nach 1770), ebd., Nr. 4320, fol. 58, § 16; derselbe Text erscheint in zwei Verordnung von 1770, ebd., fol. 11 und AHWS, Rep. VI, Nr. 254, o. fol., § 2, 11.7.1770 sowie in einer Verordnung von 1770 für die Herrschaft Gutenberg, LA Speyer, Best. B2, Nr. 2682, fol. 54 f. 91 Etwa in einer Stellungnahme des Fürsten von Nassau-Saarbrücken von 1762, HSTA Wiesbaden, Abt. 131, Nr. XIVa,16, o. fol., § 1 und § 4. 92 Vgl. Heeger, Frauenrechtliches, 138 f.; er erwähnt für andere Gegenden das Hochheben der Gevattern auf einem Stuhl („Schänzen") und das Schreiben des Namen an die Decke der Wochenstube, daß sie von der Hebamme ein Kränzchen auf einem Teller gereicht bekommen und ihr dafür ein Trinkgeld geben; vgl. auch: Müller, Einführungsbräuche, 150-152: Den Brauch des Abreibens mit dem Strohwisch gibt er für die Dörfer an der Saar und Nahe sowie für Simmern an, das Stirnreiben für Ortschaften an der Mosel, das Rußen („Schauern, Schuren") für die Eifeldörfer; Zillgen, Alte Gebräuche, 48, nennt für Berus das Einreihen mit einem Strohwisch, ebenso Kyll, Das Kind, 16, für das Trierer Land. T. Wolff, Volksglauben und Volksbräuche an der oberen Nahe, in: Zeitschrift des Vereins für rheinische und westfälische Volkskunde 2 (1905), 180, gibt für das Reiben mit dem Strohwisch die alte Bezeichnung „die Runzeln reiben" an; Fox, Alte Volksbräuche in der Gegend von Saarlouis, in: Unsere Saar 1 (1932), 8, erwähnt als Bezeichnung für das Einreihen mit dem Strohwisch, die erstmalige Patin werde „eingeweiht". 93 HSTA Wiesbden, Abt. 131, Nr. XIVa,16, o. fol., § 1; AHWS, Rep. VI, Nr. 486, o. fol., Vorschläge zur Abschaffung von Mißbräuchen und Üppigkeiten im Herzogtum Pfalz-Zweibrücken, 1757; ebd., Abt. 150, Nr. XIVa,4415, o. fol., § 2, 1753. 94 Müller, Einweihungsbräuche, 150 f.; in Mühlheim, Euskirchen und an der Sieg sprach man davon, daß sie die Esels- oder Ferkelschuhe auszögen oder die

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„Eselsjohr" ablegten, in Saarburg hieß es, sie seien „vum Hihnersedel obgereicht"; vgl. Brückner, Altes Brauchtum um Geburt und Taufe, 155. So in allen Gegenden, in denen die Zeremonie mit einem Strohwisch vonstatten ging; für Lothringen vgl. Lerond, Lothringische Sammelmappe, IX.-X. Teil: Kindtaufsitten und Kindesleben in Lothringen, Metz 1901, 9. Hierzu wurden 1703, 1711, 1725, 1735, 1740, 1749, 1751 und 1755 Verordnungen erlassen; A H W S , Rep. II, Nr. 322, Verordnungssammlung unter Buchstabe R, fol. 1517-1522; ebd., Rep. VII, Nr. 139a, o. fol., 1753. LASB, Best. 22, Nr. 3781, fol. 402r; F. Rupp, Die Pfarreien des Dekanates Hermeskeil (Bd. VIII/1 der Geschichte der Pfarreien des Bistums Trier, hg. von A. Thomas), Trier 1966, 53: Die Mischehe galt seit der Trierer Agende von 1574 als schwer sündhaft, aber gültig; seit 1688 wurde sie, wenn eine schriftliche Erlaubnis der bischöflichen Behörde vorlag, gestattet. LASB, Best. 22, Nr. 3785, fol. 109 f.; ebd., Nr. 3780, fol. 102r, 103; ebd., fol. 82. Ebd., Nr. 3781, fol. 294-299. So etwa in der zweibrückischen Verordnung von 1711 und in der von 1725, A H W S , Rep. II, Nr. 322, fol. 1517-1519. Bei einem evangelischen Elternteil wurde eine derartige Absprache nur amtlich bestätigt, wenn die Kinder evangelisch getauft wurden. A H W S , Rep. VI, Nr. 254, o. fol., 28. Februar 1729. Ebd., Rep. VI, Nr. 4324, o. fol., 18. Juli 1737. Ein derartiges Kreuz, zu dem die Katholiken aus Güchenbach, Uberhofen und Hilschbach ihre Täuflinge brachten, befand sich ebenfalls auf Sellerbacher Bann; vgl. zu beider Beschreibung: L. Himbert/G. Altmeyer, Köllertaler Familienbuch, Bd. 2, 524. Vgl. Lohmeyer, Birkenfelder Kirchenbücher, Bd. 1, 13; Breining, Die Hebamme, 157; Kyll, Das Kind, 11; von Schönwerth, Aus der Oberpfalz, Bd. 1, 163; Cabourdin, Terre et hommes, 172 f. Ploß, Das Kind, Bd. 1, 325-327, bezeugt das Gevatterbitten durch die Hebamme ebenso für Schlesien, das Vogtland, das sächsische Erzgebirge, Thüringen, das bömische Egerland. Auch in Pommern, Sachsen und in der Grafschaft Hohenstein war die Hebamme Taufbitterin, vgl. Reichhardt, Geburt, Hochzeit und Tod, 17. A H W S , Rep. VII, Nr. 139a, o. fol., 23. März 1657. Im Birkenfeldischen erhielt sie 70 Albus als „Taufbotin"; vgl. Lohmeyer, Birkenfelder Kirchenbücher, Bd. 1, 13; um 1657 hieß der Entgeld hier „Ehren pfennigh", A H W S , Rep. VII, Nr. 139a, o. fol. So etwa A H W S , Rep. VI, Nr. 1167, fol. 20r; vgl. auch Heimatbuch des Landkreises St. Wendel 1969/70, 133. Ähnliches bestimmte 1768 eine Verordnung für NassauSaarbrücken; H S T A Wiesbaden, Abt. 150, Nr. XIVa,4438, fol. 5, § 13; fast im selben Wortlaut eine Vorordnung von 1753, ebd., Nr. XIVa,4415, o. fol., § 3. Zu den sehr interessanten Gevatterbriefen und ihren Texten, die vom Lehrer oder Pfarrer geschrieben wurden, vgl. Becker, Pfälzer Volkskunde, 210-213; H. Schild, Südpfälzische Petter- und Göthelbriefe, in: Blätter für pfälzische Kirchengeschichte und religiöse Volkskunde 49 (1982), 82-87; P. Keiper, Ein Gevatterbrief vor 100 Jahren, in: Pfälzisches Museum 36 (1919), Heft 4, 39. Nach den Verordnungen sollten diese „geldkostende briefe" nur an auswärtige Paten gesendet werden, HSTA Wiesbaden, Abt. 150, Nr. XIVa,4415, § 3; ebd., Nr. 4438, § 13; allerdings wurden sie in adligen Kreisen ausschließlich gebraucht, LASB, Best. Dep. des Hist. Vereins für die Saargegend, unter: Ottweiler-Grafschaft, Bergbau und Verschiedenes II. Etwa die Hebammenordnung für Pfalz-Zweibrücken von 1632, A H W S , Rep. VII, Nr. 139a, o. fol., § 19; die Hanau-Lichtenbergischen „Instructions-Puncten" von vor 1791; L A Speyer, Best. B2, Nr. 2848, fol. 106, § X.

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Anmerkungen

110 LASB, Best. 22, Nr. 4611, fol. 64; eine Änderung des Taufnamens nach der Taufe und Eintragung ins Taufregister kam dennoch gelegentlich vor, etwa 1761 im Kirchenbuch von Saarbrücken, STA SB, Best. Kirchenbücher, Bd. 4, Nr. 56, S. 155: Der Vater hatte den Namen Margaretha angegeben und bat später um Namensänderung, „weil die Mutter den Namen Catharina gern hätte. Es ist dieses schon mehrmal geschehen ...". Erlaubt waren nach den Synodalstatuten von Toul 1678 und nach einer Trierer Agende von 1688 nurmehr Namen von Heiligen; vgl. Hacquin, Histoire de l'art, 49; Kyll, Das Kind, 13; Blattau, Statuta synodalia, Bd. 3,251. 111 Anmeldung der Gevattern durch den Vater: AHWS, Rep. VI, Nr. 1075, o. fol., 1679; ebd., Rep. II, Nr. 169, fol. 11, 1560; ebd., Rep. VI, Nr. 1075, o. fol., 1693; ebd., Nr. 486, o. fol., 1757; HSTA Wiesbaden, Abt. 131, Nr. XIVa,16, o. fol., § 1, 1762; ebd., Abt. 150, Nr. XIVa,4438, II., § 12, 1768. 112 Die Synoden von Mainz und Trier bestimmten 813 und 888 nur einen Paten, 1227 beschloß ein Trierer Provinzialkonzil drei Paten, 1277 wurden drei bis vier zugelassen; das Concilium Tridentinum 1545-1563 bestimmte entweder einen Paten gleichen Geschlechts mit dem Täufling, oder zwei Paten verschiedenen Geschlechts; 1574 gewährte eine Agende dieselben Bestimmungen für Kurtrier; das Konzil von Trient bestätigte die Zahl von zwei Paten ebenso wie die Synode von Toul sie bereits 1515 vorschlug; 1688 wurden durch eine neue Agende und mit Verweis auf das Konzil von Trient ein Pate und eine Patin für Kurtrier verordnet; die Synode von Toul bestimmte 1678 ebenfalls höchstens einen Paten und eine Patin; vgl. Ploß, Das Kind, Bd. 1, 328, 347; Reichhardt, Geburt, Hochzeit und Tod, 14; Kyll, Das Kind, 12; Blattau, Statuta synodalia, Bd. 1, 15, Bd. 2, 310, Bd. 3, 252; Hacquin, Histoire de l'art, 48. 113 Cabourdin, Terre et hommes, 175 f.; er wertete die Taufregister der Orte aus. 114 Vgl. Kyll, Das Kind, 12; Blattau, Statuta synodalia, Bd. 2, 356, 409; A. Michael, Quellen zur Geschichte der Sendgerichte in Deutschland, München 1910, 223. 115 So berichtet 1697 Pfarrer Geisel aus Pirmasens in seinem Kirchenbuch, vgl. Brückner, Altes Brauchtum, 155; erwähnt wird „eine große anzahl" von Gevattern jedoch noch 1750, HSTA Wiesbaden, Abt. 150, Nr. XIVa,4424, o. fol. 116 Vgl. Lohmeyer, Birkenfelder Kirchenbücher, Bd. 1, 13 f. 117 Ebd. 118 STA SB, Best. Kirchenbücher, Bd. 1, Nr. 325, S. 327: „daß nur noch drey unserer Kirchenordnung gemäß bey der taufe gestanden"; ebenso für Pfalz-Zweibrücken: AHWS, Rep. VI, Nr. 1075, o. fol. 119 In Nassau-Saarbrücken galt diese Bestimmung wieder ab 1768, HSTA Wiesbaden, Abt. 150, Nr. XIVa,4438, fol. 5, § 12; in Pfalz-Zweibrücken existierten Gebühren seit 1744 und nochmals 1752 und 1765, LA Speyer, Best. B2, Nr. 2416, fol. 77 f.; ebd., Nr. 2598, fol. 53 ff. Die Gebühr für jeden weiteren Paten betrug in PfalzZweibrücken 1744 und 1752 30 Kreuzer, seit 1757 einen halben Gulden, AHWS, Rep. VI, Nr. 486, o. fol. 120 So etwa: HSTA Wiesbaden, Abt. 150, Nr. XIVa,4415, § 2; ebd., Nr. 4438, fol. 5, § 12; ebd., Abt. 131, Nr. XIVa,16, o. fol., 1762; AHWS, Rep. VI, Nr. 1075, o. fol., 1693; ebd., Nr. 486, o. fol., 1757; ebd., Nr. 1075, o. fol., 1679; in Lothringen sollte ab 1700 der Pate mehr als 14 Jahre und die Patin mehr als 12 Jahre alt sein; beide mußten ihre Erstkommunion erhalten haben; vgl. Cabourdin, Terre et hommes, 175. 121 Zit. aus HSTA Wiesbaden, Abt. 150, Nr. XIVa,4415, o. fol., 1753, § 9; seit 1616 hieß es in Lothringen über die Paten, „qu'ils pourraient estre pere et mere naturels au regard du baptize", vgl. Cabourdin, Terre et hommes, 175; Als 1782 eine ledige Frau aus Kirn, die kurz zuvor ein Kind geboren hatte, in Saarbrücken verstarb, stellte man zunächst die Verwandten des Kindes fest. Eine Schwester der Mutter

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war ebenfalls wegen illegitimer Schwangerschaft und Geburt des Landes verwiesen worden, die Großmutter war schwer krank, so daß nun der Pate des Kindes aufgefordert wurde, „vor dessen Verpflegung, bis es entwöhnet seyn würde" zu sorgen. Dieser nahm das Patenkind für ein halbes Jahr in seine Familie auf, wo es von seiner Frau gestillt wurde; anschließend kam das Kind zu einer Familie auf das Land und starb nach einem weiteren halben Jahr, STA SB, Best. Hospital, Nr. 1103, o. fol., Schreiben vom 1., 6. und 25. September, vom 3. und 6. Dezember 1782, vom 2. und 7. Januar, vom 17. Februar, 13., 18., 24. und 28. März, vom 11. und 15. April, vom 3., 8. und 10. Juli, vom 11. und 14. Oktober 1783, vom 14. und 20. Februar, 20. und 26. März 1784. So Inspektor Spangenberg in seiner Stellungnahme vom 9. September 1757, AHWS, Rep. VI, Nr. 486, o. fol.; vgl. Sarg, En Alsace, 44 f. Schon die Synode von Mainz bezeichnete die Paten 813 als „compatres" und „commatres", Benennungen, die sich im französischen Sprachraum (commere, compere) und im Lothringischen in der Titulierung als „Kumbär" und „Kummär" wiederfinden. HSTA Wiesbaden, Abt. 150, Nr. XIVa,4415, o. fol., 1752, § 2 und § 3; ebd., Nr. XIVa, 4438, fol. 4 f., § 12; LA Speyer, Best. B2, Nr. 4532, fol. 48r; für Lothringen vgl. Cabourdin, Terre et hommes, 175. AHWS, Rep. II, Nr. 169, fol. l l r , Visitationsbericht von 1560. Vgl. Sittel, Sammlung, Bd. 1, 336: Verordnung für Nassau Saarbrücken, „die Taufzeugen verschiedener Confessionen betreffend", 1765; LASB, Best. 22, Nr. 4429, fol. 55; ebd., Nr. 3516, fol. 23, § 2: „keine anderen als von der nehmlichen Religion, worinnen das neu gebohrene Kind erzogen werden soll"; AHWS, Rep. VI, Nr. 1075, Kirchenordnung Pfalz-Zweibrücken, 1679: „daß niemand anders als Personen, die unser wahren reformierten religion zugethan ...". Sittel, Sammlung, Bd. 1, 336. LASB, Best. 22, Nr. 4429, fol. 55 f. AHWS, Rep. II, Nr. 486, o. fol. Biundo, Kirchenvisitationsprotokoll des Oberamtes Lichtenberg 1553, in: Blätter für pfälzische Kirchengeschichte und religiöse Volkskunde 18 (1951), Heft 3, 82; Archiv der evangelischen Kirchengemeinde Dudweiler, Best. A2, Nr. 4,2, fol. 111. AHWS, Rep. VI, Nr. 307, fol. 1-4. Etwa STA SB, Best. Kirchenbücher, Bd. 1, Nr. 127, S. 283, 1662; Nr. 325, S. 327, 1671: „emsig gevattern"; Kirchenbuch Fechingen, Eschringen, 1695-1745, Nr. 793, 1743; Bd. 26: Seit 1779 finden sich bei Mädchen nur noch Patinnen, bei Jungen ein Pate und eine Patin; Archiv der evangelischen Kirchengemeinde Dudweiler, Best. Kl,2, Bd. 1: Kirchenbuch 1756-1798, 1757, Nr. 53, 1759, Nr. 102, 1765, Nr. 113; Best. K l , l : Kirchenbuch 1673-1755: 1705, Eintrag vom 2. Oktober, 1710, Eintrag vom 13. und 28. Dezember, 1716, Nr. 10, Nr. 16, Nr. 23, 1718, Nr. 28, 1720, Nr. 45, 1725, Nr. 91, 1726, Nr. 102, 103, 1737, Nr. 318, Nr. 328, Nr. 329, 1738, Nr. 331, 1747, Nr. 14, 1755, Nr. 1. Die meisten Paten werden - außer bei Nottaufen, wo fast ausschließlich verheiratete Frauen Patenschaften übernahmen - als „Jungfer", ledige Tochter, unverheiratete Schwester, Fräulein (Adlige), lediger Sohn, der ledige ... (Berufsbezeichnung oder Name), lediger Bruder oder unverheirateter Schwager verzeichnet. Archiv der evangelischen Kirchengemeinde Dudweiler, Best. Κ 1,1, fol. 17, Nr. 10, fol. 24, Nr. 45. Nach den Taufregistern für den Saar-Pfalz-Raum waren bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts Geschwister der Eltern als nahe Verwandte häufiger unter den Paten; in den lothringischen Registern finden sich dagegen eher die Großeltern des Täuflings; erst im 19. Jahrhundert gehörte die Mehrzahl der Paten dem direkten Verwandtschaftskreis (Geschwister, Großeltern, Tanten, Onkel..) an.

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Anmerkungen

134 LA Speyer, Best. B2, Nr. 4382, fol. 48r; AHWS, Rep. VII, Nr. 139a, o. fol., 1657. 135 HSTA Wiesbaden, Best. 131, Nr. XIVa,16, o. fol., 1762. 136 In einem Streitfall 1562 in der Pfarrei Reisweiler hatte eine Dorfbewohnerin einer anderen Frau vorgeworfen, sie sei der Patenschaft „nit werdt", AHWS, Rep. II, Nr. 146, fol. 34; Hexereiverdacht nach übergangener Patenschaft u.a.: ADMM Nancy, Best. Β 741, Nr. 27, o. fol., Prozeß gegen Ida Schweinshirters zu Besseringen, 1594; ebd., Prozeß gegen Closter Claßen Hausfrau zu Merzig, 1597. 137 Nach der nassau-saarbrückischen Kirchenordnung von 1617 sollten die „Gevattern in gewissem Gedächtniß, als Zeugen der empfangenen Tauffe gehalten werden"; vgl. Sittel, Sammlung, Bd. 1, 194; Nachlaß Merkelbach-Pinck, Kurze Berichterstattung einer Hebamme, o. S., Manuskript; sie berichtet, daß gewöhnlich die Gevattern schon vor der Geburt des Kindes wußten, „daß sie die Ehre treffen sollte"; Lerond, Lothringische Sammelmappe, IX-X. Teil, 7 f.; Becker, Pfälzer Volkskunde, 213 f.; von Schönwerth, Aus der Oberpfalz, Bd. 1, 162 f.; Zillgen, Alte Gebräuche, 48; Schild, Südpfälzische Petter- und Göthelbriefe, 85 f.; Ders., „Petter und Gothel", in: Pfälzischer Protestantenkalender 1939, 36-39; W. Kleinschmidt, Pfälzische Göttelbriefe, in: Die Pfalz am Rhein 54 (1981), 125 f.; Ders. Handgemalte pfälzische Patenbriefe, in: Volkskunst 6 (1983), 199-205; F. Lötz, A propos des souhaits de bapteme Gettelbriefe catholiques, in: Almanach Saint-Joseph 1990, 75-79; A. Kassel, Uber Göttelbriefe, Straßburg 1907; T. Knorr, Göttelbriefe im Kreis Weissenburg, Weissenburg 1908; die ältesten aus der Pfalz überlieferten Taufbriefe stammen von 1749, 1751 und 1766, der älteste im deutschsprachigen Raum ermittelte von 1593 (Zabern/Elsaß); Pfalzgraf Christian formuliert 1718 anläßlich seiner Patenschaft im Hause Nassau-Saarbrücken: „Gleichwohl uns nun zu einer sonderbahr großen freude gereichet, daß euer Liebden uns die gütige confidence setzen und bey vorgewißenem Tauff actu uns zu einem Tauffgezeugen mit erwöhlen wollen ...", LASB, Best. Dep. des Hist. Vereins für die Saargegend, unter: Ottweiler-Grafschaft, Bergbau und Verschiedenes II, fol. 215 f. 138 Vgl. Brückner, Altes Brauchtum, 155; von Schönwerth, Aus der Oberpfalz, Bd. 1, 162; Heeger, Pfälzer Volksheilkunde, 75; vgl. auch Bächtold-Stäubli, HDA, Bd. 3, Spalte 798. 139 AHWS, Rep. V, Nr. 7, o. fol. 140 So hatte Webers Mary von Lebach 1651 von Nicla Bauwelken Jacobs Frau, nachdem diese sie beschimpft hatte, das Taufgeld wieder zurückgefordert und die Patenschaft abgeschlagen, LHA Koblenz, Best, lc, Nr. 11335, fol. 1411, Kirchenvisitation 1651. 141 STA SB, Best. Kirchenbücher, Bd. 24, Eintrag vom August 1634; Bd. 25, Nr. 1088, S. 109, 1753. 142 Bei der Taufe nichtehelicher Kinder wurde nicht mit der Glocke geläutet. Ihre Taufe fand in den katholischen Gebieten nicht sonntags, sondern wochentags und zumeist am Abend, in den protestantischen Regionen zur Betstunde und nicht nach der Predigt statt. Noch Mitte des 19. Jahrhunderts ließ das Trierer Generalvikariat einen Hausbesitzer durch den Illinger Pastor auffordern, eine mit einem nichtehelichen Kind niedergekommene Frau aus seinem Haus zu werfen, ansonsten „wurde er von den hl. Sakramenten ausgeschlossen und auch bei seinem Tod des kirchlichen Begräbnisses verlustig"; auch hielt es die Kirchenbehörde „nicht für geeignet, die unehelichen Kinder, wenn sie zur Taufe gebracht werden, vor der versammelten Gemeinde zu taufen", sie also nach dem sonntäglichen Gottesdienst zu taufen, denn es mache einen „guten Eindruck", wenn nichtehelichen Kindern von „verruchten Weibspersonen diese Ehre verweigert" werde, BAT, Abt. 70, Nr. 2374, Bd. I, fol. 79-82r. 143 Besonders viele Patinnen erhielt die Tochter der Anna Catharina Schmelzerin aus Dudweiler, ein nach Angabe der Mutter „durch nothzwang von Wildpredsdieben"

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gezeugtes Kind; Archiv der evangelischen Kirchengemeinde Dudweiler, Best. Κ 1,1, Kirchenbuch 1673-1755, fol. 21, Nr. 28. Mogk, Die deutschen Sitten und Bräuche, 17, verweist darauf, daß mancherorts nichteheliche Kinder absichtlich nur Paten weiblichen Geschlechts erhielten. Vgl. Kyll, Das Kind, 13; Nachlaß Merkelbach-Pinck, Kurze Berichterstattung einer Hebamme, o. S., Manuskript; ebd.: Dies., Die Taufe, o. S., Manuskript; beim Hochzeitsschal der Lothringerinnen handelte es sich um den Schal der regionalen Tracht, in der sie heirateten; vgl. von Schönwerth, Aus der Oberpfalz, Bd. 1, 167. Sträußchen und Kränzchen wurden nach der Taufe am Wochenbett der Mutter befestigt und blieben dort bis zu ihrer Aussegnung. Vgl. von Schönwerth, Aus der Oberpfalz, Bd. 1, 166; Nachlaß Merkelbach-Pinck, Geburt, Taufe, o. S., Manuskript; Krämer, Geschichte der Stadt St. Ingbert, Bd. 2, 192. Wegen ihrer besonders festlichen Aufmachung durch Kleidung, Schmuck und Putz hießen die Paten etwa in Bettingen/Saar und in lothringischen Orten „Hoff'rdich" (von hofärtig, hofartig); vgl. Lerond, Lothringische Sammelmappe, IX.-X. Teil, 6; in allen Gegenden des Untersuchungsraumes beschenkte der Pate die Patin mit einem Tuch, Handschuhen oder einem Strauß, die Patin den Paten mit einem Strauß; das Straußschenken wurde durch herrschaftliche Verordnungen vielfach verboten, etwa: Sittel, Sammlung, Bd. 1, Nr. 81, 332, 1760; LA Speyer, Best. B2, Nr. 2682, fol. 54, § 2, 1770; ebd., Nr. 4320, fol. 11, 1770; AHWS, Rep. VI, Nr. 254, o. fol., § 2, 1770; LASB, Best. 22, Nr. 3510, fol. 23, 1770; vgl. auch die Schilderungen von Jakob Grentz aus Ensheim, in: Dillmann, Erinnerungen an das ländliche Leben, 194, und die Darstellungen von Krämer aus der Zeit des ausgehenden 19. Jahrhunderts, in: Ders., Geschichte der Stadt St. Ingbert, Bd. 2, 192. Patensträuße existierten ebenso im Vogtland, in der gesamten Rheinpfalz, in der Lausitz, in Thüringen und Schwaben, vgl. Ploß, Das Kind, 331 f., 341 f.; Reichhardt, Geburt, Hochzeit und Tod, 18. Vgl. Loux, Das Kind, 129, andere Beispiele für weitere französische Gebiete außerhalb Lothringens: ebd., 128 und 130; die Paten hackten Holz, gruben im Garten, pflanzten einen Baum, die Patinnen verrichteten Küchen- oder Handarbeiten, man schrieb, las und unterzog sich einer besonderen Körperreinigung; vgl. eine Unmenge dieser Vorschriften für die Paten im deutschsprachigen Raum bei Ploß, Das Kind, 361-371; Meyer, Geburt und Taufe, 60 f. HSTA Wiesbaden, Abt. 131, Nr. XIVa,16, o. fol., 1762; ebd., weiterer Bericht an das Oberamt, 19. Oktober 1762; LA Speyer, Best. B2, Nr. 4320, fol. 11, 1770; vgl. auch Lerond, Lothringische Sammelmappe, IX.-X. Teil, 7 und Nachlaß Merkelbach-Pinck, Die Taufe, o. S., Manuskript. HSTA Wiesbaden, Abt. 131, Nr. XIVa,16, o. fol., Bericht des Pfarrers von Altenheim, 23. September 1762. Ebd., Abt. 150, Nr. XIVa,4415, o. fol., § 11; ebd., Nr. 4438, fol. 6, § 17; LA Speyer, Best. B2, Nr. 2682, fol. 54r; AHWS, Rep. VI, Nr. 254, o. fol., § 3, 1770. So Pfarrer Johannes Ohly von Cubach an den Amtmann von Nassau-Saarbrücken, HSTA Wiesbaden, Abt. 150, Nr. XIVa,4424, o. fol., 1. April 1740, und der Vertreter des Zweibrücker Oberkonsistoriums Spies in seinen Vorschlägen zur Abschaffung von Mißbräuchen bei Kindtaufen, AHWS, Rep. VI, Nr. 486, o. fol., 28. Juli 1757. HSTA Wiesbaden, Abt. 131, Nr. XIVa,16, o. fol., Schreiben des Pfarrers von Hugsweiler, 1762. AHWS, Rep. VII, Nr. 139a, o. fol., Hebammenordnung 1632, § 19: „wo Knäblein und Magdlein zugleich vorgetragen wurden, jenem vor diesem ... den vorzug geben"; HSTA Speyer, Abt. 131, Nr. XIVa,16, o. fol., 1762; Nachlaß MerkelbachPinck, Die Taufe, o. S., Manuskript: „Der Akt der Taufe wurde, wenn es ein Junge

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Anmerkungen war, durch feierliches Geläute angezeigt. „Dr Bu greijt dreimol gelut, un et Mädel numme zweimol", wenn man überhaupt für es läutete. Für den Buben wurde also die große Glocke dreimal angeschlagen; bei dem Mädchen wurde mit der kleinen Glocke „gekleppt"..."; vgl. Lerond, Lothringische Sammelmappe, IX.-X. Teil, 8 f.; Brückner, Altes Brauchtum, 156; Corbin, Die Sprache der Glocken, 230: Im 19. Jahrhundert erklang in Frankreich bei der Taufe von Jungen die Glocke dreimal, bei der Taufe von Mädchen zweimal, während das Läuten bei unehelichen Kindern ganz unterblieb; diese geschlechtsspezifische Unterscheidung findet sich im MoselDepartement ebenso beim Totengeläut, das beim Begräbnis von Männern dreimal und beim Begräbnis von Frauen zweimal erklang; vgl. ebd., 231 f. Vgl. Loux, Das Kind, 126 f.; Nachlaß Merkelbach-Pinck, Die Taufe, o. S., Manuskript; Krämer, Geschichte der Stadt St. Ingbert, Bd. 2, 192; Lerond, Lothringische Sammelmappe, IX.-X. Sammlung, 7; von Schönwerth, Aus der Oberpfalz, Bd. 1, 168; Kyll, Das Kind, 13. „Alle Kinder, außer in Noth=Fällen, werden in die Kirche getragen, oder wann die Eltern Kutsche und Pferde halten nach belieben gefahren", HSTA Wiesbaden, Abt. 150, Nr. XIVa,4415, o. fol., § 10; vgl. Nachlaß Merkelbach-Pinck, Kurze Berichterstattung einer Hebamme, o. S., Manuskript; sie verweist auf Wagen mit Kühen, die erst später durch Pferde ersetzt wurden: „Auf dem Wagen wurden drei Bretter quer gelegt: vorne war der Fuhrmann, dahinter Pate und Patin und zuletzt die Hebmme mit dem Kinde"; Krämer, Geschichte der Stadt St. Ingbert, Bd. 1, 192, berichtet, daß Ende des 19. Jahrhunderts ein Fuhrwagen zum Transport benutzt wurde; Kyll, Das Kind, 13, verweist auf die Motorisierung als Faktor der Veränderung von Taufbräuchen. ADM Metz, Best. 29 J, Nr. 56, o. fol., Kirchenvisitation Archidiakonat Metz, 16601750; hier: Kirchenvisitation Borny, 1699. Ebd., Nr. 91, o. fol., Kirchenvisitation Archidiakonat Vic, 1766. Ebd., Nr. 107, fol. 279, Kirchenvisitation Hambach. AHWS, Rep. VI, Nr. 440, o. fol., Kirchenvisitation 1624. Etwa: HSTA Wiesbaden, Abt. 150, Nr. XIVa,4438, fol. 5, § 16, § 21; ebd., Nr. 4415, o. fol., § 10; ebd., Abt. 131, Nr. XIVa,16, o. f o l , § 2; AHWS, Rep. VII, Nr. 139a, o. f o l . Schreiben des Oberkonsistoriums vom 23. März 1753; LASB, Best. 22, Nr. 3516, fol. 23, § 1; vgl. auch zur Taufe in Schulhäusern und im Pfarrhaus im 19. Jahrhundert: Brückner, Altes Brauchtum, 156. Zwischen 1650 und 1700 fanden in den Gemeinden um Saarbrücken etwa 26 Haustaufen statt, zwischen 1700 und 1750 waren es 25 und zwischen 1751 und 1797 etwa 70, 51 davon nach 1770. Für Haustaufen wurden im 18. Jahrhundert auch Gebühren erhoben, 1770 etwa in Nassau-Saarbrücken zehn Reichstaler (in die Hospitalkasse), LASB, Best. 22, Nr. 3516, fol. 23. Die meisten Kirchenordnungen und Hebammenordnungen verpflichteten die Hebammen zu diesem Dienst. AHWS, Rep. V, Nr. 18, o. fol, 1733. Ebd., Nr. 22, o. f o l , Zensurprotokoll von 1728. So geschehen bei einer Taufe in Losheim, 1769; LHA Koblenz, Best, lc, Nr. 16815, o. f o l , Frevelprotokolle 1769-1778. In Lothringen war es die Großmutter, im Kurtrierischen und Pfälzischen eher die Patinnen, manchmal die Jüngstverheiratete; vgl. Kyll, Das Kind, 13. Jeanmaire, Superstitions populaires, 35; Loux, Das Kind, 126 f.; von Schönwerth, Aus der Oberpfalz, 166-168; J.B. Kaiser, Das Archidiakonat Longuyon am Anfange des 17. Jahrhunderts, Bd. 1, Trier 1928, 23, 81, 182, 189, 245; Bd. 2, Trier 1929, 133, 173, 233; Heeger, Pfälzer Volksheilkunde, 76 f. Wolff, Volksglauben und Volksbräuche, 179, gibt für die Nahegemeinden an, das Kind sei auf dem Weg zur Kirche jeweils bei Ankunft an einem Wasserlauf weitergereicht worden.

Anmerkungen

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167 Eine Visitationsordnung von 1685 bestimmte für die Archidiakonate des Trierer Erzbistums eine Taufe innerhalb der ersten drei Tage; Blattau, Statuta synodalia Bd. 3, 230; für Nassau-Saarbrücken wurde 1753 und 1768 bestimmt, die „neugebohrne Kinder, so bald möglich, zur heiligen Taufe [zu] befördern, und damit nie über den dritten Tag anstehen" zu lassen, vor allem wenn Lebensgefahr drohte; HSTA Wiesbaden, Best. 150, Nr. XIVa,4438, fol. 4, § 12; ebd., Nr. 4415, o. fol., § 1; vgl. auch Fox, Saarländische Volkskunde, 312 f.; H. J. Barth, Bräuche im Lebenslauf, 1. Die Taufe, in: Otzenhausener Hefte zur Heimatgeschichte 8 (1988), Heft 22, 10. 168 Vgl. für Lothingen, w o die Taufe zumeist am zweiten Tag nach der Geburt stattfand: Nachlaß Merkelbach-Pinck, Kurze Berichterstatung einer Hebamme, o. S., Manuskript; für die Pfalz: von Schönwerth, Aus der Oberpfalz, Bd. 1, 166, der angibt, Taufen hätten zumeist schon am Tag der Geburt stattgefunden. 169 A H W S , Rep. II, Nr. 169, fol. 11, Art. 5: Von derTauff. 170 Vgl. Kyll, Die „christliche Zuchtschul", 232, aus Cusanus, S. 196,2. 171 Zur Einstellung der evangelischen Kirchen zur Taufe vgl. eine Zusammenfassung der reformierten Ansichten zur Taufe, verfaßt vom Zweibrücker Oberkonsistorium 1770, A H W S , Rep. VI, Nr. 103, o. fol. 172 Dieses und obige Zitate aus den Stellungnahmen mehrerer pfalz-zweibrückischer Geistlicher, A H W S , Rep. VI, Nr. 486, o. fol., 1757. 173 LASB, Best. 22, Nr. 3781, fol. 159r, fol. 337. 1729 hatte Johann Strauß von Remmesweiler sein Kind wegen „Schwachheit" und weil die Kirche geschlossen war, auf dem Schiffweiler Kirchhof taufen lassen, wobei man das gerade geborene Kind des Wirtes Peter Schütz aus Schiffweiler „in einem" mittaufte, ebd., Nr. 3781, fol. 198 f. 174 So etwa die Gemeinde Homburg 1733 und die Gemeinde Winterbach 1624, HSTA Wiesbaden, Abt. 150, Nr. XIVa,4550, o. fol.; A H W S , Rep. VI, Nr. 1167, fol. 117 f.; ebd., Nr. 1075, o. fol., Verordnung die Haus=Tauffe betr., 28. März 1746. 175 A H W S , Rep. VI, Nr. 1167, fol. 117r. 176 Vorschlag von Inspektor Spangenberg, 9. Sept. 1759, A H W S , Rep. VI, Nr. 486, o. fol. 177 STA SB, Best. Kirchenbücher, Bd. 1, Nr. 440, S. 350, 1675; Bd. 4, Nr. 73, S. 593, 1785; Bd. 17, Nr. 2, S. 50, 1728; Bd. 18, S. 129, 1788, S. 154, 29.7. und 5.8.1793, S. 154, 24.8. und 17.9.1793; Bd. 19, S. 81, 1793, S. 83, 1794; Bd. 22, S. 15, 5.9. und 7.9.1794, S. 10, 1795, S. 20, 1796; Bd. 24, Nr. 1, S. 21, 1634; vgl. auch Lohmeyer, Bearbeitung von Birkenfelder Kirchenbüchern, Bd. 1, 57 f. zu Taufen während des Dreißigjährigen Krieges im Amt Birkenfeld; vgl. Touba, Zur Heimatgeschichte, 1. Teil: Tentelingen, Ebringen und Dieblingen, Forbach 1908, 7; er verweist darauf, daß in den 50er Jahren des 17. Jahrhunderts in Lothringen wegen der Kriegsunruhen viele Kinder außerhab ihrer Pfarreien getauft wurden. 178 Vgl. Touba, Heimatgeschichte, 1. Teil, 46; die Absetzung der Priester und Ordensleute, die den Eid verweigerten, erfolgte im Distrikt Saargemünd (Saargemünd, Saaralbe, Püttlingen, Forbach, Buschbach) 1791; im Ort Diebingen (Kanton Püttlingen) versah Lehrer Grimmer die Taufen; versteckte Geistliche tauften 1793 über zehn Kinder, der eingesetzte geschworene Priester ein Kind; Touba, Beiträge zur Ortsgeschichte, Bd. 1: Die vormals krieching'schen Dörfer Dentingen, Momersdorf § Niederwiese, Bolchen 1908, o. S., verzeichnet unter Dentingen mehrere Priester, die zwischen 1793 und 1802 nachts in ihren Verstecken für die Gemeindebewohner umliegender Orte Messe lasen, Ehen schlossen, tauften und die Erstkommunion spendeten; Ders., Ortsgeschichte Lothringens, Bd. 4: Farschweiler, Cappel, Forbach 1909, 25 f., erwähnt eine rege Inanspruchnahme des in Farschweiler nach der Flucht des Ortsgeistlichen verbliebenen Vikars Greff und weiterer „Missionäre", die zwischen 1793 und 1800 insgesamt 76 Taufen vornahmen, während die geschworenen Pastoren nur neunmal tauften.

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Anmerkungen

179 So 1624 in Winterbach und der Filialkirche Battweiler, AHWS, Rep. VI, Nr. 1167, fol. 117. 180 Etwa: STA SB, Best. Kirchenbücher, Bd. 17, Nr. 2, S. 50, 1728, Nr. 18, S. 102, 1750; Bd. 18, S. 38, 1765, S. 53 und 54, 1768, S. 71, 1772, S. 96, 1778, S. 152, 1793, S. 171, 1797; Bd. 19, S. 7, 1760, S. 52, 53 und 54, 1781, S. 59, 1784; Bd. 24, N r . 248, S. 184, 1681; Bd. 25, N r . 289, S. 24, 1728, Nr. 1962, S. 208, 1773, N r . 2008, S. 213, 1774, Nr. 2066, S. 220, 1776, Nr. 2170, S. 231, 1777; Bd. 26, Nr. 157, S. 19, 1782, Nr. 524, S. 63, 1789, N r . 551, S. 66, 1789, Nr. 584, S. 69, 1790, Nr. 694, S. 81, 1791; Bd. Fechingen, Bischmisheim, Eschringen, S. 87,1757. 181 Schon 1624 bat der pfalz-zweibrückische Pfarrer von Limbach, Niederbexbach und Odweiler (Kleinottweiler) wegen Koordinationsschwierigkeiten mit den Filialen, „daß die tauff zu Odweiler nit mehr uff die Sonntag, sondern in der wochen gehalten werden mögen"; AHWS, Rep. VI, N r . 440, o. fol., Kirchenvisitation 1624; vgl. Faber, Stoff für den künftigen Verfasser, Bd. 1, 53 ff.: „Aufsatz einer Kirchenordnung", um 1679, Capitel 10: „... Keine Kindtauff ... sollen auf einen Sonntag, noch die Woche vor oder nach der Begehung des Heyligen Abendmahls, noch in der Wochen, da der Betag oder Auffahrtstag fält, gehalten werden ..."; in NassauSaarbrücken wurden die Sonntagstaufen wohl um 1722 verboten, wie im Pfarrbuch von Bartheis dokumentiert: „Item wurde befohlen, daß das sonntägliche Taufen gänzlich solle abgestellet seyn ...", Archiv der evagelischen Kichengemeinde Dudweiler, Best. A2, N r . 4,2, fol. 170. 182 Vgl. Barth, Bräuche im Lebenslauf, 9; Fox, Sitten und Bräuche, 237; Kyll, Das Kind, 13 f.: Er verweist auf die alten Tauftermine an Ostern und Pfingsten; Brückner, Altes Brauchtum, 158; Krämer, Geschichte der Stadt St. Ingbert, Bd. 2, 192; allgem.: Meyer, Geburt und Taufe, 62 f.; R. Linner, Tagebuch einer Landhebamme 19431980, Rosenheim (1990), 117; Berghöfer, Geburt und Kindheit, 10; Ploß, Das Kind, 343 f., gibt den Samstagabend als Tauftermin in Siebenbürgen an. 183 So in der Polizeiordnung für Pfalz-Zweibrücken von 1693, AHWS, Rep. VI, Nr. 1075, o. fol. und in einem Schreiben des Geistlichen von Cubach, 1740, HSTA Wiesbaden, Abt. 150, Nr. XIVa,4424, o. fol. 184 HSTA München, Best. Kasten blau, Nr. 389/9a, fol. 88-91, fol. 98, fol. 101 f., fol. 102 f., fol. 106; ebd., Nr. 390/la, fol. 608 f. (kein Exorzismus), fol. 610 (nach der Nürnberger Ordnung, ohne Exorzismus), fol. 615 (mit Exorzismus), fol. 617 (ohne Exorzismus), fol. 620 (nach Luthers Katechismus, aber ohne Exorzismus), fol. 622 (nach Straßburger Formel, ohne Exorzismus), fol. 624 (ohne Exorzismus), fol. 628 f. (Exorzismus nach der Wittenbergischen Ordnung), fol. 630 f. (ohne Exorzismus). 185 Allein diese Formel zur Taufe zu verwenden, bestimmte die Kirchenordnung von Pfalz-Zweibrücken 1679, AHWS, Rep. VI, Nr. 1075, o. fol. 186 HSTA München, Best. Kasten blau, Nr. 389/9a, fol. 102; ebd., Nr. 390/la, fol. 602 f.; bei den Kirchenvisitationen von 1590 fanden sich immer noch große Unterschiede in der Taufpraxis, ebd., für das Amt Stadecken, fol. 14, fol. 54, fol. 71. 187 Auslegungen des Taufsakraments durch das Oberkonsistorium, AHWS, Rep. VI, Nr. 103, o. fol., 5. April 1770; die römisch-katholische Taufformel trägt dagegen den Charakter der „Teufelsbeschwörung: das Schelten des Satans, die Berufung auf den Namen Jesu und auf dessen Wunder sowie die Drohung mit dem kommenden Gericht und endlich den Befehl, den Täufling zu verlassen", Zit. in: Franz, Die kirchlichen Benediktionen, Bd. 2, 578. 188 Christliche und Nothwendige erklärung des Cathechismi, aus Gottes wort, in kurtze Fragen und Antworten gestellt, Wie die in dem Fürstentumb Zweibrücken auß Befelch der hohen Oberkeit daselbst von Kirchen und Schuldienern, bei dem gemeinen Mann und der Jugendt getrieben sollen werden, sich vor Abgötterey,

Anmerkungen

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Aberglauben und falscher Lehr desto baß zu verhüten unnd zuverwaren, Neustadt/Pfalz 1588, 177 f.: Von dem heiligen Sacrament der Tauff, Frag. Was ist die Tauff? und Frag. Sag her die Worte der Einsetzung der heiligen Tauff. Das dreimalige Eintauchen erfolgte nacheinander mit dem Gesicht nach Osten, Norden und Süden; Ende des 16. Jahrhunderts führte auch die katholische Kirche das Ubergießen der Stirn mit Taufwasser ein; vgl. Kyll, Das Kind, 14; Memorial des Hofpredigers Georg Cadonius an den Herzog Wolfgang zu Mängeln betr. die Kirchenordnung, 1564; er zitiert den entsprechenden Paragraphen aus der Kirchenordnung, Zit. in: Faber, Stoff für den künftigen Verfaser, Bd. 2 , 1 3 7 . L A Speyer, Best. B2, Nr. 2848, fol. 106, § X. Vgl. Faber, Stoff für den künftigen Verfasser, Bd. 2,3, Kirchenvisitation Pfeffelbach, 1538; ebd., 20, Kirchenvisitation Niederkichen und Achtelsbach, o. J., 16. Jahrhundert, Kirchenvisitation Hornbach, 1544; Zit. in: ebd., 107; Kirchenvisitation Althornbach und Böckweiler, 1558, A H W S , Rep. IV, Nr. 55, fol. 1, Althornbach. Einen weiteren Fall benennt die Kirchenvisitation von 1590 in Becherbach, w o der Glöckner mit Bestätigung der Zensoren den Visitatoren vom seltsamen Verhalten des Pfarrers bei der Taufe zweier Kinder berichtet; HSTA München, Best. Kasten blau, Nr. 390/1 a, fol. 66 und 68. A H W S , Rep. II, Nr. 190A, o. fol., Kirchenvisitation Zweibrücken 1666/67. LASB, Best. Dep. des Historischen Vereins für die Saargegend, ohne Signatur, Schreiben vom 18. Oktober 1751, unterschrieben von Superintendent Rolle; in der Herrschaft Ottweiler sollten die Gevatterleute bei Beantwortung der Glaubensfragen seit 1733/34 nicht mehr nur mit „ja", sondern mit „ja ich glaube", „ja, ich widersage" usw. antworten, ebd., Best. 22, Nr. 5320, fol. 347. Vgl. von Schönwerth, Aus der Oberpfalz, Bd. 1, 168 f. LASB, Best. Dep. des Historischen Vereins für die Saargegend, ohne Signatur, Schreiben vom 18. Oktober 1751, unterschrieben von Superintendent Rolle. Vgl. von Schönwerth, Aus der Oberpfalz, Bd. 1, 169. Zum Magiebegriff, zum Begriff der Magie der Kirche und seiner Verwendung auch in diesem Kontext, vgl. Labouvie, Verbotene Künste, 76-85. Vgl. Heeger, Pfälzer Volksheilkunde, 75: Im Holzland durften nicht mehrere Kinder mit einem Taufwasser getauft werden; es hieß dann: „Eins stirbt, eins verdirbt"; hatte vor der Taufe eine Beerdigung stattgefunden, fürchtete man in der Hersteiner Gegend um das Leben des Kindes; von Schönwerth, Aus der Oberpfalz, Bd. 1, 169, belegt für Orte in der Pfalz den Glauben, daß ein bei der Taufe schreiendes Kind nur wenige Wochen alt werde; Brückner, Altes Brauchtum, 156, gibt ebenfalls den Vorzug einer einmaligen Benutzung des Taufwassers an. In diesen Kontext ist sicherlich auch der lothringische Brauch der Wasserträgerin einzuordnen, da durch das von zu Haus mitgebrachte Wasser garantiert war, daß das Kind in nicht zuvor benutztem Wasser getauft wurde; Lerond, Lothringische Sammelmappe, IX.-X. Teil, 7, erwähnt für Lothringe den Glauben an einen baldigen Tod des bei der Taufe schreienden Kindes; vgl. für die rheinischen Gebiete: Wrede, Rheinische Volkskunde, 151; Reichhardt, Geburt, Hochzeit und Tod, 21; Meyer, Geburt und Taufe, 65 f. Hebammen heilten mit Taufwasser vor allem Krämpfe bei Kleinkindern; 1723 erwähnt ein Visitationsbericht ebenfalls, daß die Hebammen mancherlei Aberglauben mit Salz und Brot bei der Taufe trieben; vgl. K. Fischer, Aberglauben im Bereich des Ref. Oberkonsistoriums Zweibrucken, in: Blätter für pfälzische Kirchengeschichte und religiöse Volkskunde 19 (1952), 45; die zweibrückische Kirchenordnung von 1679 verbot schließlich die Ausgabe von Taufwasser zu abergläubischen Zwecken, A H W S , Rep. VI, Nr. 1075, o. fol.; weitere Belege: A H W S , Rep. II, Nr. 177, fol. 90, 1580; ebd., Rep. VI, Nr. 448, o. fol., 1723; BAT, Abt. 40,

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Anmerkungen Nr. 109, fol. 67, 1829; vgl. auch: Beyschlag, Volksglaube und -brauch, 2, Pfarrvisitation 1544. Vgl. L'Höte, Vie quotidienne, 118 f.; bei Jungen mußte in Lothringen das Häubchen mit „le saint chreme" neun Tage, bei Mädchen drei Tage unberührt auf dem Köpfchen bleiben, um seine Wirkung zu entfalten; es wurde nie gewaschen, sondern an die folgenden Geschwister weitergegeben und gut aufbewahrt; Jeanmaire, Superstitions populaires, 41, spricht vom „be bonnot" (beau bonnet"), das bei Mädchen garantierte, daß in der Pubertät ihre Monatsregel problemlos einsetzte, ein weiterer Hinweis auf die Verbindung zum Körperlichen wie bei der natürlichen Glückshaube; vgl. ebenso: Sarg, En Alsace, 46 f.; Bitsch, Coutumes de naissance, 43 f.; Loux, Das Kind, 132-134. Zu den Privilegien von Wöchnerinnen vgl. Grimm, Weisthümer, Bd. 2, 23, 45, 64, 67, 129; van Werveke, Kulturgeschichte des Luxemburger Landes, Bd. 1, 365, 385, 404. AHWS, Rep. V, Nr. 18, o. fol., Gerichtsbeschluß 22. Januar 1708; ADMM Nancy, Best. B, Nr. 9138, o. fol., Kindsmordfall 1600: Die doppelte Kindmörderin Sibilla von Herbeville durfte zwei Wochen ins Saarburger Hospital „Kindbetts wegen", wurde danach ins Gefängis geführt und tags darauf ertränkt; LHA Koblenz, Best, lc, Nr. 17698, o. fol., Kindsmordfall Anna Catharia Michels von Beuren, 1695: Sie durfte über fünf Wochen im Wochenbett bleiben, bis sie inhaftiert wurde; STA SB, Best. Hospital, Nr. 1077, o. fol., 1792. AHWS, Rep. VII, Nr. 139a, o. fol., § 21. LA Speyer, Best. B2, Nr. 2848, fol. 106, § 9. ADMM Nancy, Best. C, Nr. 314, Observation sur l'Etat des sages femmes, um 1788. Die Medizinalordnung für die Herrschaft Ottweiler von 1762 fügt in der Tabelle der Taxen zur Auflistung der Entgelte für leichte und schwere Geburten hinzu: „Alles mit Einschluß der gewöhnlichen Versorgung der Kindbtterin und des Kindes in denen ersten drey Tagen"; die Entlohnung betrug für Geburtshilfe inklusive Nachbetreuung auf dem Land bei einer leichten Geburt 15 Albus, in der Stadt 22 Albus, 4 Pfennig, für eine Nachtwache in der Stadt 10 und auf dem Dorf 5 Albus; Archiv der evangelischen Kirchengemeinde Ottweiler, Nr. 00/1, fol. 426, § 18. LA Speyer, Best. C33, Nr. 203/65, o. fol. AHWS, Rep. V, Nr. 22, o. fol., Schreiben des Pfarrers, der Diakone und Zensoren von Kastellaun, 27. Oktober 1708. AHWS, Rep. II, Nr. 139a, o. fol., Schreiben vom 12. Juni, 23. August und 16. September 1654. AHWS, Rep. V, Nr. 22, o. fol. Vgl. van Gennep, Ubergangsriten, 50-55. Archiv der evangelischen Kirchengemeinde Dudweiler, Best. A2, Nr. 4,2, fol. 111; vgl. auch: Jüngst-Kipper/Jüngst, Einwohner von Dudweiler, 85, 91. LASB, Best. 22, Nr. 2353, fol. 130; Η STA Wiesbaden, Abt. 150, Nr. 4438, fol. 6, §19. Archiv der evangelischen Kirchengemeinde Dudweiler, Best. A2, Nr. 4,2, fol. 111, fol. 170. AHWS, Rep. V, Nr. 4415, o. fol., § 17. Vgl. Grimm, Weisthümer, Bd. 2, 134; Kyll, Die „christliche Zuchtschul", 232, 238; A.M. Königer, Quellen zur Geschichte der Sendgerichte in Deutschland, München 1910, 188. HSTA Wiesbaden, Abt. 150, Nr. XIVa,4403, fol. 1, Schreiben des Saarbrücker Konsistoriums an alle Pfarrer, 1750; Archiv der evangelischen Kirchengemeinde Dudweiler, Best. A2, Nr. 4,2, fol. 170 und 111.

Anmerkungen

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217 Vgl. Kaiser, Das Archidiakonat Longuyon, Bd. 2, 1929,113; Kyll, Das Kind, 19. 218 Vgl. von Schönwerth, Aus der Oberpfalz, Bd. 1, 159 f.; Kyll, Die „christliche Zuchtschul", 260; Nachlaß Merkelbach-Pinck, Geburt, Manuskript o. S.; G. Grober-Glück, Volksglaubendvorstellungen über die Wöchnerin, in: M. Zehnder (Hg.), Atlas der deutschen Volkskunde NF, Bd. 2, Marburg 1982, 457-521; W. von Engelenburg, Beschützung der Wöchnerinnen im vorigen Jahrhundert, in: Janus 8 (1903), 436 ff. 219 Cusanus, Christliche Zuchtschul, 436,71, nach Kyll, Die „christliche Zuchtschul", 231. 220 Zit. nach Cusanus, Christliche Zuchtschul, 92,12, in: Kyll, Die „christliche Zuchtschul", 231. 221 Nachlaß Merkelbach-Pinck, Geburt, Manuskript o. S.; von Schönwerth, Aus der Oberpfalz, Bd. 1,158, 160 f.; Brückner, Altes Brauchtum, 158. 222 Diese Vorstellung findet ihren Niederschlag bereits in den frühesten Kirchenbüchern etwa für Saarbrücken; Kindbetterinnen konnten ein Patenamt zwar annehmen, mußten sich jedoch bei der Taufe durch andere Frauen vertreten lassen; Quellensammlung des Historischen Vereins für die Saargegend, Stadtbibliothek Saarbrücken, Landeskundliche Abteilung H.V.70.171, Nachlaß Philipp Adolf Fürst, Verzeichnis der Taufpaten aus dem Taufregister der evangelischen Gemeinde Saarbrücken für die Jahre 1623-1654, etwa Nr. 878, 1642: „weil sie Kindbetterin war, stand für sie...". 223 Vgl. Kyll, Die „christliche Zuchtschul", 259 f.; Zit. aus Cusanus, Christliche Zuchtschul, 93; die Vorstellung vom Verbot der Selbstbekreuzigung findet sich ebd.; über die Bann- und Abwehrkräfte des linken Fußes oder Schuhs berichtet aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts der Luxemburger Jesuit Johann Gaspar Wiltheim, vgl. A. Steffen, Itinerarium Patris Joannis Gaspari Wiltheim S.J., in: Publications de Luxembourg 76 (1958), 56, Anm. 13. 224 Vgl. hierzu auch Loux, Das Kind, 121; R. Müllerheim, Zur Kulturgeschichte der Wochenstube vergangener Jahrhunderte, in: Beiträge zur Geburtshilfe und Gynäkologie 7 (1903), 466—476. 225 L. Roper, Hexerei und Hexenphantasien in der Frühen Neuzeit, in: Dies., Odipus und der Teufel. Körper und Psyche in der Frühen Neuzeit, Frankfurt a.M. 1995, 204-231, schildert für Augsburg mehrere solcher Hexereibeschuldigungen aus dem Jahr 1669. Sie begründet diese Angriffe der Kindbetterinnen gegen die Kindbettkellnerinnen mit psychischen Konflikten, die aus dem „Verlust des Schwangerenstatus und der Aufhebung der Einheit von Mutter und Kind resultierten. Postnatale Depressionen, Uberforderung, ambivalente Gefühle gegenüber dem Kind, alle unzulässigen Negativgefühle habe die Mutter auf die Kindbettmagd projeziert, der sie - die meisten Kindbettkellnerinnen waren arme ältere, nicht mehr gebärfähige Frauen ohne eigenen Hausstand - schlechte Absichten, Neid und Verführung ihres Mannes unterstellte. Ropers psychoanalytischer Ansatz, mit dem sie die Subjektivität der frühneuzeitlichen Menschen, ihre elementarsten Gefühle, ihr Unbewußtes und ihr Denken zu entschlüsseln versucht, ist für die historische Wissenschaft bemerkenswert und wegweisend. Ihre Bewertung der im Zusammenhang mit den Hexereibeschuldigungen als zentrale Komponente betonten Mutter-Kind-Beziehung halte ich jedoch für zu undifferenziert, da sich gleiche Beschuldigungsmuster auch seitens der Kindsväter etwa gegenüber Paten oder Patinnen, der Mütter bereits mehrjähriger Kinder gegenüber Nachbrinnen aufzeigen lassen. Ich selbst gehe davon aus, daß die Augsburger Fälle eine Besonderheit darstellen, die sich wegen ihres Kontextes in der ländlichen Gesellschaft nicht finden lassen, meines Wissen auch nicht in derartiger Dichte in anderen städtischen Hexenprozessen. 226 Vgl. Beyschlag, Volksglaube und -brauch, 9; Faber, Stoff für den künftigen Verfasser, Bd. 2, 53; beide zitieren aus Akten des Kuseler Pfarrkonvents von 1565; Beuriger Mirakelbuch, Einträge von 1635 und 1642.

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Anmerkungen A D M M Nancy, Best. Β 741, N r . 27, o. f o l , 1593. HSTA Wiesbaden, Abt. 369, N r . 412, fol. 12. STA Trier, Best. 2180b/124, Bündel VIII, Sammlung Musiel (1588-1594), fol. 3-6. K. Lengler, Aus verklungenen Tagen, in: Blätter für Mosel, Hochwald und Hunsrück Jg. 3, N r . 8/9 (1913), 49 ff. STA SB, Best. Nachlaß Lohmeyer, Nr. 335, Notizen über Brauchtum, 1908. LASB, Best. 22, Nr. 2847, fol. 161r, verweist auf das zur „Suppen" gereichte dunkle Brot, das billiger war und als ein weniger gutes Brot als das weiße Brot betrachtet wurde. HSTA München, Best. Kasten blau, Nr. 389/8, o. fol., 1624; LASB, Best. 22, N r . 3516, fol. 24; HSTA Wiesbaden, Abt. 131, Nr. XIVa,16, fol. 11; vgl. Krämer, Kindtauf- und Kindbettzechen vor 300 Jahren im Westrich, in: Unsere Saar 5 1929, 87. AHWS, Rep. VI, N r . 486, fol. 405. LA Speyer, Best. B2, Nr. 2682, fol. 54r, fol. 55; AHWS, Rep. VI, Nr. 254, o. fol., 1770. HSTA Wiesbaden, Abt. 131, Nr. XIVa,16, o. fol., 1762; ebd., fol. 11, 1762; AHWS, Rep. VI, Nr. 254, o. fol., 1770; ebd., N r . 486, fol. 405; LASB, Best. 22, Nr. 3516, fol. 23, § 5; Sittel, Sammlung, Bd 1, N r . 81, 333; vgl. Krämer, Kindtauf- und Kindbettzechen, 87. Hierzu gibt Müller, Brauch beim Wöchnerinnenbesuch, in: Zeitschift des Vereins für rheinische und westfälische Volkskunde 8 (1911), Heft 2, 35 ff., eine kurze Ubersicht. LASB, Best. 22, N r . 3775, fol. 70 f. Ebd., Nr. 2847, fol. 162; ebd., Nr. 2353, fol. 132. AHWS, Rep. II, Nr. 116, fol. 4; LASB, Best. 22, N r . 4611, o. fol.; HSTA Wiesbaden, Abt. 131, N r . XIVa,16, fol. 11. STA SB, Best. Kirchenbücher, Bd. 1, N r . 324, S. 327, 19. Februar 1671. Etwa: LASB, Best. 22, Nr. 3775, fol. 16r; ebd., Best. 38, Nr. 625, fol. 496: eine Geschwängerte gibt vor Gericht an, sie wolle den Kindsvater nicht heiraten, er solle aber „die Kindelbeth außhalten", worauf das Gericht ihn zur Ubergabe von 18 Reichstalern und einem halben Malter Korn verurteilt; LA Koblenz, Best, lc, Nr. 14127, o. fol., 1598/99; ebd., Abt. 215, Nr. 1833, fol. 59 f.: Urteil zur Zahlung eines Geldbetrages durch den Kindsvater zur „abtragung des Kindenbets Unkosten". Zit. aus der Klagschrift der Frauen von Herstein im Hunsrück, denen von herrschaftlicher Seite die Abhaltung zu vieler Gelage vorgeworfen wurde, in: Diener/ Born, Hunsrücker Volkskunde, 144. HSTA Wiesbaden, Abt. 150, Nr. XIVa,4424, o. fol., Schreiben vom 28. Juli, 7., 11. und 18. September 1790. Archiv der evangelischen Kirchengemeinde Dudweiler, Best. A2, Nr. 4,2, fol. 170. So etwa in Klein- und Großrechtenbach, im Amt Alzbach und in der Pfarrei Bliesransbach; ebd.,Nr. XIVa,4403, o. fol., 1785; BAT, Abt. 70, N r . 0708-0711, o. fol., Schreiben des Pfarrers Missler an Bischof Hommer, 1825.; vgl. Jung, Familienbuch Birkenfeld 1557-1798, Nonnweiler 1989, 31. HSTA Wiesbaden, Abt. 150, Nr. XlVa, 4403, o. fol., Protokoll vom 19. Oktober 1785, „was betreffs der frühzeitigen Beendigung des Wochenbetts durch Dorffrauen geschehen solle". STA SB, Best. Hospital, Nr. 1103, o. fol., Schreiben vom 17. Februar 1783. Etwa LA Speyer, Best. B2, Nr. 2599, fol. lOOr: Die Kindbetterin, eine Dienstmagd aus Zweibrücken, begab sich acht Tage nach der Niederkunft wieder zu ihrem Dienstherren; LASB, Best. Herrschaft Münchweiler, Akten, Nr. 287, fol. 102; ebd., Nr. 3779, fol. 10; STA SB, Best. Hospital, Nr. 1102, o. fol., 1768-1770; ebd., Nr. 1099, o. fol., 1768; auch die Strafgelder wurden vom Lohn abgefordert, indem der

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jeweilige Dienstherr aufgefordert wurde, den Lohn „so lange mit arrest zu belegen" bis alles bezahlt war, etwa: STA SB, Best. Hospital, Nr. 1179, o. fol., 15. November 1769. Allein der Geistliche aus der Pfarrei Rehborn machte 1575 drei Frauen bei der Visitation namhaft, die das Wochenbett vor Ablauf der sechs Wochen, eine sogar schon nach 14 Tagen, verlassen hatten; HSTA München, Best. Kasten blau, Nr. 389/lc, fol. 712; vgl. auch: Biundo, Die Kirchenvisitationen im Amt Meisenheim und Landsberg 1575, in: Blätter für pfälzische Kirchengeschichte und religiöse Volkskunde 24 (1957), Heft 4 , 1 1 3 . STA Trier, Best. Ta 50/12, und Scotti, Sammung, Bd. 3, Nr. 806, 1362 f.: Verordnung des Kurfürsten Clemens Wenceslaus vom 20. Dezember 1784. Ein erstes Verbot hatte bereits eine Verordnung von 1673 ausgesprochen, in der es untersagt wurde, „in währenden Kindbett Speisen zurichten, und dern Kindbetterin ins Hauß [zu] schicken"; A H W S , Rep. VII, Nr. 139a, o. fol., 1. August 1771; LA Speyer, Best. B2, Nr. 4320, o. fol., § 19, nach 1770 und vor 1791. HSTA Wiesbaden, Abt. 150, Nr. XIVa,4415, o. fol., § 7; ebd., Nr. XIVa,4438, fol. 5, § 14; ebd., Abt. 131, Nr. XIVa,16, o. fol. 1762, verbietet zusätzlich das Schenken von Rosinen. So etwa: HSTA Wiesbaden, Abt. 150, Nr. XIVa,4415, o. fol., § 7 und 8, Verordnung von 1753; ebd., Nr. 4438, § 14 und 15, Verordnung von 1768. So bereits 1762: HSTA Wiesbaden, Abt. 131, Nr. XIVa,16, Schreiben aus der herrschaftlichen Kanzlei an das Amt Ottweiler, 14. April 1762 und Verordnung vom 17. September 1762; LA Speyer, Best. B2, Nr. 2682, o. fol., § 3 und 4,1770; AHWS, Rep. VI, Nr. 254, o. fol., Verordnung vom 11. Juli 1770; ebd., Nr. 486, o. fol., Schreiben Spangenbergs vom 9. September 1757; STA Trier, Best. Ta 50/12,1784. Zit. aus einer Quelle über Gevatterschafts-Gebräuche in Speyer um 1783 in: Becker, Pfälzische Volkskunde, 212 f.; vgl. von Schönwerth, Aus der Oberpfalz, Bd. 1, 174 ff. L A Speyer, Best. B2, Nr. 4320, o. fol., um 1780. HSTA Wiesbaden, Abt. 150, Nr. XIVa,4403, fol. 669, Verordnung vom 19. Oktober 1785. Für die folgenden Ausführungen und Zitate vgl. A. Franz, Die kirchlichen Benediktionen im Mittelalter, Bd. 2, Graz 1960, 208-243; vgl. auch: Grober-Glück, Der erste Kirchgang der Wöchnerin, in: Zehnder (Hg.), Atlas der deutschen Volkskunde NF, Erläuterungsband, Marburg 1985, 105-144; Dies., Der Erste Kirchgang der Wöchnerin um 1930. Ein „Kirchenbrauch" in Verbreitung und Wandel. Nach den Sammlungen des Atlas der deutschen Volkskunde, in: Rheinisch-westfälische Zeitschrift für Volkskunde 23 (1977), 22-86; Bächold-Stäubli, HDA, Bd. 9, Berlin 1938-41, Spalte 693-702; Loux, Du sevrage ä la mort: L'apprentisage de la separation, in: Dialogues 72 (1980), 65-71. Vgl. Krenn, Der Steierische Hebammenstreit, 24 ff. Vgl. A. Demyttenaere, The Cleric Women and the Stain. Beliefs and Ritual Practices Concerning Women in the Early Middle Ages, in: W. Affeldt/U. Vorwerk (Hg.), Frauen in Spätantike und Frühmittelalter. Lebensbedingungen - Lebensnormen Lebensformen. Beiträge zu einer internationalen Tagung am FB Geschichtswissenschaften der FU Berlin, 18.-21. Februar 1987, Sigmaringen 1990, 141-165. Dieser Spruch lautete in der Diözese Konstanz vom 16. bis 18. Jahrhundert: „Sey's Gott gelobt der Frewden"; vgl. Franz, Benediktionen, Bd. 2, 232, Anm. 3. In Ehingen wurde sie mit dem Spruch: „Ich wünsche Glück an die Sonne" begrüßt; vgl. Reichhardt, Geburt, Hochzeit und Tod, 13. Vgl. Franz, Benediktionen, Bd. 2, 232 f.; K. Helm, Mittelalterliche Gebunsbenediktionen, in: Hessische Blätter für Volkskunde 9 (1910), 208 ff.; Reichhardt, Geburt, Hochzeit und Tod, 13; Barth, Bräuche aus dem Hochwald, 14.

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Anmerkungen

264 Bis zum 16. Jahrhundert schildert Meyer, Geburt und Taufe, 70-73, das katholische Ritual auch für protestantische Gegenden, allerdings nahm die Wöchnerin nach ihrer Geleitung in die Kirche am Gottesdienst teil; ab 1542 geschah die Aussegnung dann vor der Predigt am Altar, die Wöchnerin umschritt den Altar und übergab dem Geistlichen ihr Opfer, dieser sprach während der Predigt ein Dankgebet für sie; ähnlich bei Kramer, Fehmaraner Volksleben, 57, nach einer Polizeiordnung von 1636. 265 BAT, Abt. Β III; Nr. 9,1, Bd. 1, Blatt 6, Blatt 53 f. 266 LASB, Best. 22, Nr. 2874, fol. 161r, 1590; ebd., Nr. 4611, fol. 64, 1551; ebd., Nr. 2353, fol. 133, 1617; LA Speyer, Best. B2, Nr. 2682, fol. 54 f., 1770; vgl. ebenso: Mohrmann, Volksleben in Wilster, 304, nach einer Quelle von 1618; Reichhardt, Geburt, Hochzeit und Tod, 13; Lüpkes, Ostfriesische Volkskunde, 98; Meyer, Geburt und Taufe, 70 f.: Er schildert für Sylt eine Teilnahme von 20 bis 30 Frauen, die sich alle wunderlich gekleidet hatten, etwa zwei verschiedenfarbige Strümpfe trugen und in einem eher hüpfenden Gang die Wöchnerin zur Kirche brachten. 267 LASB, Best. 22, Nr. 4611, fol. 64; ebd., Nr. 2352, fol. 132. 268 HSTA Wiesbaden, Abt. 150, Nr. XIVa,4424, o. fol., Schreiben des Pfarrers von Cubach, 1740. 269 Ebd., Nr. XIVa,4415, o. fol., § 18; ebd., Nr. 4438, fol. 5, § 13. 270 STA Trier, Best. Ta 52/1. 271 Darauf verweisen für den katholischen Bereich: von Schönwerth, Aus der Oberpfalz, Bd. 1, 176 f.; Richard, Traditions populaires, 233; Kyll, Das Kind, 19, gibt an, daß die Mitnahme der Kinder von den Müttern nicht sonderlich begrüßt wurde. 272 Diese Vorschrift erwähnt Pfarrer Bartheis aus Dudweiler, Archiv der evangelischen Kirchengemeinde Dudweiler, Best. A2, Nr. 4,2, fol. 111; ebenso: HSTA Wiesbaden, Abt. 150, Nr. XIVa,4438, fol. 6, § 19; ebd., Nr. 4415, o. fol., § 17; vgl. Herrmann, „Konformitätsordnung", 42, § IV,12. 273 Vgl. L'Höte, Vie quotidienne, 121; Nachlaß Merkelbach-Pinck, Die Geburt, Manuskript o. S.; ebd., Kurze Berichterstattung einer Hebamme, Manuskript, o. S. 274 Diesen Brauch belegt Kyll, Das Kind, 19 f., für Orte an der Mosel und in Luxemburg. Da die Dörfler die Ausgabe gesegneter Hostien als Sakramentspende betrachteten, wurde ihre Verteilung als Anleitung zu Mißbrauch und Aberglauben 1628 verboten; den Brauch dokumentiert ebenfalls Cusanus in seiner „christlichen Zuchtschul" bei Kyll, Die „christliche Zuchtschul", 232. Vgl. für Luxemburg: Kaiser, Longuyon, Bd. 1, 40 f., 57, 60-62, 71, 77, 79, 95, 10, 107 f., 111, 122, 205; Bd. 2, 64, 75 f., 135, 157 ff., 264. 275 Archiv der evangelischen Kirchengemeinde Dudweiler, Best. A2, Nr. 4,2, fol. 111; Herrmann, „Konformitätsordnung", 42: „ins gemeine gebett der kirchen eingeschlossen werde". 276 Vgl. L'Hote, Vie quotidienne, 121; Richard, Traditions populaires, 233; Sarg, En Alsace, 48 f.; Nachlaß Merkelbach-Pinck, Die Geburt, Manuskript, o. S.; Lerond, Lothringische Sammelmappe, IX.-X. Teil, 10 f. Das Kindbettbrod, „Aussegenbrot" oder „Horibrod", kannte man nach Buschan, Das deutsche Volk, 130, auch in Schwaben und in der Schweiz; es konnte safrangelb oder rot eingefärbt sein. 277 Vgl. Kyll, Das Kind, 20, er zitiert aus Kirchenvisitationen von 1502, 1603 und 1628; BAT, Abt. 72, Nr. 13, katholische Kirchenbücher Beckingen und Fickingen 16441755, fol. 58, Kirchen-Sehner-Weißthumb, um 1670: für die Taufe erhielt der Geistliche drei, für die Aussegnung dagegen 12 Pfennige; ebd., Abt. 70, Nr. 0708-0711, Pfarrakten Bliesransbach, o. fol., Bericht über die Klagen der Ransbacher wider den Pfarrer, 1825. 278 Vgl. Kyll, Das Kind, 14, aus dem Lagerbuch der Pfarrei Ponsfeld bei Prüm, 228.

Anmerkungen

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279 Zit. aus der Verordnung Kurfürst Clemens Wenceslaus von 1784, S T A Trier, Best. T a 50/12; für Nassau-Saarbrücken: H S T A Wiesbaden, Abt. 150, Nr. X I V a , 4 4 2 4 , o. fol., 1672; für Pfalz-Zweibrücken: L A Speyer, Best. B2, Nr. 2682, o. fol., 1759. 280 Sowohl geweihte Kerzen wie das Herdfeuer hatten der Wöchnerin während des Kindbettes im Haus Schutz gegeben; andererseits sprach man ihr die Kraft zu, Feuer durch Umschreiten löschen und einen Brand vom eigenen Haus abhalten zu können; vgl. Grimm, Mythologie, Bd. 3, 173; Bächtold-Stäubli, H D A , Bd. 9, Spalte 707; zur Kerzen- und Feuersymbolik vgl. H . Freudenthal, Das Feuer im deutschen Glauben und Brauch, Berlin/Leipzig 1931, 1 2 7 - 1 8 8 . 281 B A T , Abt. 40, N r . 4i, Pfarrvisitationen 1630, fol. 138; L H A Koblenz, Best, lc, N r . 11335, Kirchenvisitationen für das Archidiakonat Tholey, Landkapitel Merzig, Wadrill, Remich, fol. 917, fol. 1304, fol. 1337. 282 Vgl. H . R . Hays, Mythos Frau. Das gefährliche Geschlecht, Frankfurt a.M. 1978, 62: Er benennt Zeitspannen von 40 Tagen bis zu vier Monaten bei den Suaheli, Eskimos, auf Tahiti, bei den Stämmen Neuguineas, den Massai Westafrikas, den Puebloindianern und den Cree Nordamerikas; Fleischer, Zur Rolle der Frau in Afrika, 82: Erstgebärende Hausa-Frauen mußten fünf Monate, Frauen mit Kindern 40 Tage in Abgeschiedenheit leben; Biasio, Übergänge, 118, für afrikanische Gesellschaften. 283 Außerhalb des Untersuchungsraumes: vgl. Kramer, Fehmaraner Volksleben, 57; Reichhardt, Geburt, Hochzeit und T o d , 13; Lüpges, Ostfriesische Volkskunde, 98; Meyer, Geburt und Taufe, 72. 284 Nach dem zweiten Weltkrieg verband die katholische Kirche beide Anlässe, indem sie die Aussegnung der Mutter zusammen mit der Taufe des Kindes erlaubte; vgl. Sarg, En Alsace, 48, hier die Bestimmungen des Straßburger Bischofs. 285 Vgl. Heimatbuch des Landkreises St. Wendel X I I , 133. 286 H S T A Wiesbaden, Abt. 131, N r . X I V a , 1 6 , o. fol., 1762; ebd., o. fol., Monita, zwischen 1 7 5 6 - 1 7 7 1 . 287 A H W S , Rep. VI, N r . 486, o. fol., Schreiben des Geistlichen von Bergzabern, 1. August 1757; H S T A Wiesbaden, Abt. 131, N r . X I V a , 1 6 , o. fol., § 4, 1762; ebd., Abt. 150, Nr. X I V a , 4 4 2 4 , o. fol., Schreiben vom 1. April 1740; L A Speyer, Best. B2, Nr. 2682, fol. 54r. 288 L A S B , Best. 22, Nr. 2847, fol. 161r, fol. 162; ebd., Nr. 4611, fol. 64; ebd., Nr. 2353, fol. 132. 289 Vgl. Richard, Traditions populaires, 233 f. 290 H S T A Wiesbaden, Abt. 150, N r . X I V a , 4 4 2 4 , o. fol., 1741; ebd., Nr. X I V a , 4 4 1 5 , o. fol., § 17, 1753; ebd., N r . X I V a , 1 6 , o. fol., § 3, 1762; ebd., N r . X I V a , 4 4 3 8 , fol. 6, § 19, 1768; L A Speyer, Best. B2, Nr. 4320, o. fol., § 17. 291 L A Speyer, Best. B2, N r . 2682, fol. 54r, für die Herrschaft Gutenberg; A H W S , Rep. VI, Nr. 254, o. fol., 11. Juli 1770, für das Amt Zweibrücken. 292 L A Speyer, Best. B2, N r . 4320, fol. 11. 293 Vgl. von Schönwerth, Aus der Oberpfalz, Bd. 1, 177.

IV. Aspekte einer weiblichen Kultur auf dem Land 1

Dazu bemerken H. Wunder und C. Vanja im Vorwort ihres gemeinsam herausgegebenen Buches: Weiber, Menscher, Frauenzimmer. Frauen in der ländlichen Gesellschaft 1500-1800, Göttingen 1996, 10: „Das öffentliche Handeln von Frauen ist erst ansatzweise thematisiert worden ... Noch kaum untersucht ist das Interagieren der Frauen als Haushaltsvorstände (insbesondere Witwen) mit der Obrigkeit, das deren spezifische Bedürftigkeit (Armut und Krankheit), aber auch deren selbständiges Argumentieren erkennen läßt ... Die Gruppenkultur der Frauen ist noch kaum erforscht. Es ist davon

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Anmerkungen auszugehen, daß magische Praktiken und Frömmigkeit, aber auch Arbeiten und Nachbarschaftlichkeit wichtige Hinweise geben werden"; vgl. C. Lipp, Frauen und Öffentlichkeit. Möglichkeiten und Grenzen politischer Partizipation im Vormärz und in der Revolution, in: Dies. (Hg.), Schimpfende Weiber und patriotische Jungfrauen, BühlMoos 1986, 270-307; Dies., Bräute, Mütter, Gefährtinnen. Frauen und politische Öffentlichkeit 1848/49, in: H. Grubitzsch/H. Cyrus/E. Haarbusch (Hg.), Grenzgängerinnen. Revolutionäre Frauen im 18. und 19. Jahrhundert, Düsseldorf 1985, 71-95; W. Prange, Der schleswigsche Bauer als Urteiler im Gericht, in: U. Lange (Hg.), Landgemeinde und frühmoderner Staat. Beiträge zum Problem der gemeindlichen Selbstverwaltung in Dänemerk, Schleswig-Holstein und Niedersachsen in der frühen Neuzeit, Sigmaringen 1988, 165-186: Er zeigt auf, daß Frauen als gerichtliche Instanz und als Gruppe „in weiblichen Sachen" auftraten. Vgl. u.a. N. Schindler, Nächtliche Ruhestörung. Zur Sozialgeschichte der Nacht in der frühen Neuzeit, in: Ders. Widerspenstige Leute, 215-257; A. Gestrich, Traditionelle Jugendkultur und Industrialisierung. Sozialgeschichte der Jugend in einer ländlichen Arbeitergemeinde Württembergs, 1800-1920, Göttingen 1986, 92-116, 145-153; R. Lindner, Die Wilden Cliquen in Berlin. Ein Beitrag zur historischen Kulturanalyse, in: Historische Anthropologie 1 (1993), Heft 3, 451—467; D. Peukert, Jugend zwischen Krieg und Krise. Lebenswelten von Arbeiterjungen in der Weimarer Republik, Köln 1987; J. Clarke, Jugendkultur als Widerstand, Frankfurt a.M. 1979; J.R. Gillis, Geschichte der Jugend. Tradition und Wandel im Verhältnis der Altersgruppen und Generationen in Europa von der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts bis zur Gegenwart, Weinheim/Basel 1980; Mitterauer, Sozialgeschichte der Jugend, Frankfurt a.M. 1986; neuerdings: G. Levi/J.-C. Schmitt (Hg.), Geschichte der Jugend, Bd. 1: Von der Antike bis zum Absolutismus, Frankfurt a.M. 1996. Vgl. M. Scharfe, Soziale Repräsentation im Kirchenraum. Sitzstreitigkeiten in der Martinskirche in Zell U.A., in: Alt-Württemberg. Heimatgeschichtliche Blätter der IWZ 10 (1964), Heft 5/6, o. S.; Mohrmann, Volksleben in Wilster, 330 ff.; W. Brückner, Zum Wandel der religiösen Kultur im 18. Jahrhundert. Einkreisungsversuche des „Barockfrommen" zwischen Mittelalter und Massenmissionierung, in: E. Hinrichs/G. Wiegelmann (Hg.), Sozialer und kultureler Wandel in der ländlichen Welt des 18. Jahrhunderts, Wolfenbüttel 1982, 65-83; P. Garff, Geschichte der Auflösung der alten gottesdienstlichen Formen in der evangelischen Kirche Deutschland bis zum Eintritt der Aufklärung und des Rationalismus, Göttingen 1921. Im Gegensatz zum Untersuchungsgebiet, in dem Brautkronen anders als Strohkränze nicht von obrigkeitlichen Beamten oder Ortsgeistlichen aufbewahrt und vergeben wurden, sehen H. Moser und S. Göttsch im Amtsverwalter bzw. den Geistlichen die Verwahrer der Brautkronen. Während Moser das Gegensatzpaar Brautkrone-Strohkranz herausstellt und in beider Vergabe kirchliche Versuche zur Etablierung neuer Moralvorstellungen in der ländlichen Bevölkerung erkennt, betrachtet Göttsch die in der weiblichen Biographie fast zwangsläufige Abfolge von offenem Haar, Brautkrone und Haube im Spannungsfeld zwischen dörflicher und obrigkeitlicher Norm sowie auf ihren Sozialisationseffekt hin; vgl. Moser, Jungfernkranz und Strohkranz, in: K. Köstlin/K.D. Sievers (Hg.), Das Recht der kleinen Leute. Beiträge zur Rechtlichen Volkskunde, FS für K.-S. Kramer, Berlin 1976, 140-161; Göttsch, „ ... Sie trüge ihre Kleider mit Ehren ...". Frauen und traditionelle Ordnung im 17. und 18. Jahrhundert, in: Wunder/Vanja (Hg.), Weiber, 199-213. Vgl. Becker, Frauenrechtliches, 9-13; H. Medick, Spinnstuben auf dem Dorf. Jugendliche Sexualkultur und Feierabendbrauch in der ländlichen Gesellschaft der frühen Neuzeit, in: G. Huck (Hg.), Sozialgeschichte der Freizeit, Wuppertal 1980, 1-19; K. Conrath, Der Brauch des Mai-Lehenausrufens, in: Saarheimat 6 (1962), Heft 5, 4 f.; G. Feiten, Das Lehenausrufen auf dem Saargau, in: Bauernkalender 1978, 102; K. Kräuter,

Anmerkungen

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9

10

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Die Mädchenversteigerung in Hauenstein, in: Der Pfälzerwald 11 (1910), 184 f.; Kyll, Maienbrauch in der Trierer Landschaft, in: Neues Trierisches Jahrbuch (1975), 69-78; P. Laven, Das Lehenausrufen in Saarhölzbach, in: Treveris 1 (1834), Heft 35 und Heft 37, o. S.; J. Müller, Zum Mailehn, in: Zeitschrift des Vereins für rheinische und westfälische Volkskunde 8 (1911), 72-76; A. Reitenbach, Die Mädchenversteigerung im Hochwaldgebiet in früheren Zeiten, in: Heimatkalender für den Kreis Bernkastel 1959, 49 f.; K. Weiter, Das Lehenausrufen - ein alter Volksbrauch, in: Geschichte und Landschaft 150 (1975), 4. Einen nach Geschlechtern getrennten Brauch am Hütten-, Schöf(f)-, Freudenoder Burg-Sonntag, am ersten Sonntag in der Fastenzeit, schildert Leson, So lebten sie, 39; ebd., 59: das „Körben" als Rügebrauch an Braut oder Bräutigam, wenn diese nicht ihre früheren Partner, sondern andere Personen heirateten; dabei zogen die jungen Männer der Braut, die Mädchen dem Bräutigam den Korb über den Kopf und streuten Spreu vor deren Haus; ebd., 44: Einweihung der jungen Mädchen am 1. Mai in die Gruppe derjenigen bereits eingeweihten, die das Trag-Kreuz bei Prozessionen schmückten; ebd., 59: Erwählung einer Königin, die in den Dörfern des Kreises Wittlich die Brautkrone aufbewahrte. Vgl. E.P. Thompson, „Rough Music" oder englische Katzenmusik, in: Ders., Plebeische Kultur und moralische Ökonomie. Aufsätze zur englischen Sozialgeschichte des 18. und 19. Jahrhunderts, Frankfurt a.M./Berlin/Wien 1980, 131-168; N.Z. Davis, Charivari, Honor and Community in Seventeenth-Century Lyon and Geneva, in: J. MacAloon (Hg.), Rite, Drama, Festival, Spectacle: Rehearsals toward a Theory of Cultural Performance, Philadelphia 1984, 42-57; J. Le Goff/J.-C. Schmitt (Hg.), Le charivari. Aspects de la table ronde, Paris 1981; H. Schuhladen, Zur Geschichte von Perchtenbräuchen im Berchtesgadener Land, in Tirol und Salzburg vom 16. bis zum 19. Jahrhundert. Grundlagen zur Analyse heutigen Traditionsverständnisses, in: Bayerisches Jahrbuch für Volkskunde 1983/84, 1-29; H. Moser, Neue archivalische Belege zur Geschichte des Perchtenlaufens, in: Ders., Volksbräuche im geschichtlichen Wandel. Ergebnisse aus fünfzig Jahren volkskundlicher Quellenforschung, München 1985, v.a. 35—40; Ders., Kritisches zu Tradition und Dokumentation des Perchtenlaufens, ebd., 41-57; Kramer, Ältere Spuren burschenschaftlichen Brauchtums in Mittelfranken, in: Jahrbuch für fränkische Landesforschung 20 (1960), 381 ff.; Wolfram, Burschenbrauchtum, Rügegerichte und Katzenmusiken in Südtirol, in: FS für O. Höfler zum 75. Geburtstag, o.O., o.J., 721-741. Vgl. Schindler, Heiratsmüdigkeit und Ehezwang. Zur populären Rügesitte des Pflugund Blochziehens, in: Ders., Widerspenstige Leute, 175-214; Kramer, Rüge, in: Ders., Grundriß einer rechtlichen Volkskunde, Göttingen 1974, 70-82; M. Scharfe, Zum Rügebrauch, in: Hessische Blätter für Volkskunde 61 (1970), 45-68; Beck, Illegitimität, 130 f., 139-146. Zum Nachtschwärmen und nächtlichen Aktivitäten der männlichen Jugend vgl. Schindler, Nächtliche Ruhestörung, 215-257; vgl. weiter: U. Jeggle, Spiel und Gesetz. Zum Regelwerk dörflicher Fasnacht, in: H. Sund (Hg.), Fas(t)nacht in Geschichte, Kunst und Literatur, Konstanz 1984, 188-198; W. K. Blessing, Fest und Vergnügen der „kleinen Leute". Wandlungen vom 18. bis zum 20. Jahrhundert, in: van Dülmen/Schindler (Hg.), Volkskultur. Zur Wiederentdeckung des vergessenen Alltags (16.-20. Jahrhunden), Frankfurt a.M. 1987, 2. Aufl., 352-379. Schindler, Nächtliche Ruhestörung, 223 f., gibt etwa an, daß die Gruppe der ledigen Burschen „die Kontrolle über den lokalen Heiratsmarkt ausübte", ja daß sie „die ,rauhe Stimme des kommunalen Gewissens'„ bildete; vgl. auch neuerdings Ders., Die Hüter der Unordnung. Rituale der Jugendkultur in der frühen Neuzeit, in: Levi/Schmitt (Hg.), Geschichte der Jugend, Bd. 1, 319-382, bes. 350-367. Vgl. A. Suter, „Troublen" im Fürstbistum Basel (1726-1740). Eine Fallstudie zum bäuerlichen Widersund im 18. Jahrhundert, Göttingen 1985, 198-201, 355-367; U. Herr-

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12 13

14 15

16

Anmerkungen

mann, Was heißt „Jugend" ? Jugendkonzeption in der deutschen Sozialgeschichte, in: H.-G. Wehling (Hg.), Jugend, Jugendprobleme, Jugendprotest, Stuttgart/Berlin/Köln/ Mainz 1982, 11-27. Beck, Illegitimität, spricht bei den kollektive Riten der Eheanbahnung (Fensterin) vom „Sexualmonopol der in aller Öffentlichkeit formal begründeten Ehe" (150) und von der „Öffentlichkeit des - sich selbst kontrollierenden - Kollektivs der ländlichen Jugend" (141). Vgl. Suter, „Troublen", 351, 353; W. Troßbach, „Rebellische Weiber"? Frauen in bäuerlichen Protesten des 18. Jahrhunderts, in: Wunder/Vanja (Hg.), Weiber, 154-174, bes. 164—168; Wunder, „Er ist die Sonn', sie ist der Mond". Frauen in der Frühen Neuzeit, München 1992, 226; C. Ulbrich, Unartige Weiber. Präsenz und Renitenz von Frauen im frühneuzeitlichen Deutschland, in: van Dülmen (Hg.), Arbeit, Frömmigkeit und Eigensinn. Studien zur historischen Kulturforschung II, Frankfurt a.M. 1990, 39 f. G. Bock drückte dieses Defizit in dem Satz: „Die Geschichte der Frauen ist nur im Plural zu begreifen, nicht im Singular", treffend aus; vgl. Dies., Geschichte, Frauengeschichte, Geschlechtergeschichte, in: Geschichte und Gesellschaft 14 (1988), 369. Vgl. zur unterschiedlichen Rechtslage von Frauen: D. Adler, Im „wahren Paradies der Weiber"? Naturrecht und rechtliche Wirklichkeit der Frauen im Preußischen Landrecht, in: V. Schmidt-Linsenhoff (Hg.), Sklavin oder Bürgerin? Französische Revolution und Neue Weiblichkeit 1760-1830, Frankfurt a.M. 1989, 206-222; zu den Witwen: M. L. King, Frauen in der Renaissance, München 1993, 71-77; Wunder, „Er ist die Sonn'...", 125, 180-188, 221, 225, 247; M.E. Wiesner, Women's Defence of their Public Role, in: M.B. Rose (Hg.), Women in the Middle Ages and the Renaissance. Literary and Historical Perspectives, Syracuse 1986,1-28. So etwa: P. Vodopivec, Wie die Frauen im slowenischen Raum im 19. Jahrhundert am öffentlichen Leben teilnahmen, in: M. Friedrich/P. Urbanitsch (Hg.), Von Bürgern und ihren Frauen, Wien 1996,141-164. So der Titel eines sehr interessanten Beitrages von L. Enders zum Rechts- und Sozialstatus, zum Selbstbewußtsein und Selbstwertgefühl und zum „geistig-geistlichen" Bedürfnis von in der Landwirtschaft arbeitenden Frauen, Amts- und Pächtersfrauen im 16. bis 18. Jahrhundert; Dies., Bürde und Würde. Sozialstatus und Selbstverständnis frühneuzeitlicher Frauen in der Mark Brandenburg, in: Wunder/Vanja (Hg.), Weiber, 123-153; der im gleichen Band erschienene Beitrag von A. Fitz, Heimarbeit und Selbstbewußtsein von Vorarlberger Frauen im 18. Jahrhundert, 60-75, unterstreicht eine wirtschaftlich wie gesellschaftlich selbständige Stellung vieler handwerklich tätiger, entlohnter Heimarbeiterinnen auf dem Land; D. Rippmann, Frauenarbeit im Wandel. Arbeitsteilung, Arbeitsorgaisation und Entlohnung im Weinbau am Oberrhein (15./ 16. Jahrhundert), ebd., 26-59, untersucht im Vergleich die entlohnte Fronarbeit von Dorffrauen und die freie Lohnarbeit von städtischen Frauen im Weinbau; vgl. auch ebd., Vanja, Auf Geheiß der Vögtin, Amtsfrauen in hessischen Hospitälern der Frühen Neuzeit, 76-95; Dies., Zwischen Verdrängung und Expansion, Kontrolle und Befreiung Frauenarbeit im 18. Jahrhundert im deutschsprachigen Raum, in: Vierteljahresschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 4 (1992), 457—482; Davis, Frauen im Handwerk. Zur weiblichen Arbeitswelt im Lyon des 16. Jahrhunderts, in: van Dülmen (Hg.), Arbeit, Frömmigkeit und Eigensinn, 43-74; Wiesner, Working Women in Renaissance Germany, New Brunswick 1986, 38-73; Labouvie, In weiblicher Hand. Frauen als Firmengründerinnen und Unternehmerinnen (1600-1870), in: Dies. (Hg.), Frauenleben Frauen leben. Zur Geschichte und Gegenwart weiblicher Lebenswelten im Saarraum (17.-20. Jahrhundert), 88-131, hier bes. 99-117. Dies wird für die männliche Seite sehr deutlich etwa in folgenden Beiträgen: A.-C. Trepp, Anders als sein „Geschlechtscharakter". Der bürgerliche Mann um 1800. Ferdinand Beneke (1774-1848), in: Historische Anthropologie 4 (1996), Heft 1, 57-77; Beck, Frauen in Krise. Eheleben und Ehescheidung in der ländlichen Gesellschaft Bayerns

Anmerkungen

17 18

19

20

21 22

361

während des Ancien regime, in: van Dülmen (Hg.), Dynamik der Tradition. Studien zur historischen Kulturforschung IV, Frankfurt a.M. 1992, 137-212; G. Vögler/K. von Welck (Hg.), Männerbande - Männerbünde. Zur Rolle des Mannes im Kulturvergleich, 2 Bde., Köln 1990; S. Kienitz, Sexualität, Macht und Moral, 188 ff.; E. Saurer, Schamund Schuldbewußtsein. Überlegungen zu einer möglichen Geschichte moralischer Gefühle unter besonderer Berücksichtigung geschlechtsspezifischer Aspekte, in: H. Dienst/ Dies. (Hg.), „Das Weib existiert nicht für sich". Geschlechterbeziehungen in der bürgerlichen Gesellschaft, Wien 1990,21-40. AHWS, Rep. II, Nr. 321, o. fol., 1740; LA Speyer, Best. B2, Nr. 2682, fol. 12,1743. 1628 zählte Güdingen 32 Untertanen und sechs Witwen, Fechingen 20 Untertanen und drei Witwen, Bischmisheim 41 Untertanen und fünf Witwen, St. Arnual 37 Untertanen und sieben Witwen, Scheidt 32 Untertanen und drei Witwen, Malstatt-Burbach 26 Untertanen und sieben Witwen; LASB, Best. 22, Nr. 2647; in den Gemeinden Hirtel und Laubach mit je vier Haushaltungen war 1634 jeweils eine Witwe Haushaltsvorstand; HSTA Wiesbaden, Abt. 131, Nr. VHa/la; die Gemeinde Dilsburg zählte 1684 sechs Haushaltungen, davon zwei von Witwen, in Ritterhofen wurden ebenfalls zwei der zehn Haushalte von Witwen geleitet; LASB, Best. Nachlaß Rug, Ordner Köllertaler Volkskunde Bd. VI, o. S.; im gesamten Amt Schaumberg mit etwa 440 Haushalten waren jedoch 1707 nur 22 Witwenhaushalte; vgl. Herrmann, Ein Einwohnerverzeichnis des Amtes Schaumberg vom Februar 1707, in: Zeitschrift für die Geschichte der Saargegend 6/7 (1956/57), 69-95; größere Orte wie Homburg hatten 1629 24 Haushalte, davon sieben von Witwen, 1728 dann bereits 109 Haushalte, davon 19 von Witwen; vgl. E. Keyser (Hg.), Städtebuch Rheinland-Pfalz-Saarland. Die Städte im Saarland, Stuttgart 1964, 26. Lebach hatte 1791 71 Haushaltungen, davon 17 von Witwen, Niedersaubach 20 Haushalte, vier davon von Witwen, in Jabach mit sieben, in Hahn mit fünf und in Greinhof mit drei Haushalten gehörte je einer einer Witwe; vgl. Sittel, Sammlung, Bd. 2, IX. Sammlung, 784. Vgl. Pfleger, Weibertage, Heft 2, 33-37; Heft 3, 67-70; Heeger, Frauenrechtliches, 135; Wrede, Rheinische Volkskunde, 245 f.; Schwedt/Schwedt, Bräuche zwischen Saar und Sieg, 81-83; Pfarrer Christian Böhmer, Die Wegeinburg und deren nächste Umgebung, Landau 1865, 49 f.; J. Müller, Der Donnerstag vor Fastnacht, 235 f.; Leson, So lebten sie, 38; J.H. Schmitz, Sitten und Bräuche, Lieder, Sprüchwörter und Räthsel des Eifler Volkes, Bd. 1, Trier 1856, 13 f.; J. Eich, Der „Weiber-Donnerstag" in der Hocheifel, in: Eifelvereinsblatt 14 (1913), 35 f.; P. Kremer, Die „Weiberfastnacht" am fetten Donnerstag, in: Eifeljahrbuch 1961, 77-79; R. Müller, Unser Faasenacht. 400 Jahre närrisches Treiben im Saarland, Saarbrücken 1984, 15 f. In Metz erhielt sich dieser Brauch bis 1853: „Ii n'y a pas cent ans, ä Metz, la vestale qui remplissait le röle de coryphee, etait accompagnee de deux autres personnages, Tun un garcon, l'autre une fille, qui, couvert d'oripeaux et de costumes ridicules, gesticulaient, braillaient et faisaient le fou et la folle"; vgl. C. Abel, Les Trimazos. L'Austrasie 1853, 264; Pfleger, Weibertage, Heft 3, 69. In Straßburg und Umgebung schafften vor allem Geiler von Keysersberg und der Domdekan Friedrich von Zollern diesen Brauch per Verordnungen für eine gewisse Zeit ab, doch ohne Erfolg, wie sein Einspruch gegen die Wiedereinführung des Brauches vor dem Rat von 1501 erkennen läßt: Er habe wahrgenommen, daß „das wild w y p von Geisspoltzheim wiederumblüff, und [die Frauenschaft] hab also understanden, die alt Üppigkeit ... wider uff zu richten"; Zit. in: L. Dacheux, Jean Geiler, Straßburg 1876, Anhang XXXVI; vgl. auch: E. Christmann, Die „Mai- und Pfingstbraut" im Gau Westmark und seiner Nachbarschaft, in: Oberdeutsche Zeitschrift für Volkskunde 17 (1943), 35-39. Vgl. Pfleger, Weibertage, 35 f. „Eine sonderbare Sitte auf der Brechkuhl war das Hohwenzeln. Jeder Vorübergehende wurde von vier der stärksten Brecherschen an den Schultern und Füßen gefaßt und

362

Anmerkungen

waagerecht schwebend über den Boden gehalten, während die schönste und jüngste der Gruppe dreimal unter ihm hindurch schlupfen und ihn ebenso oft küssen mußte. Zum Schlüsse wurden dem Gehohwenzelten noch mit einer Handvoll Abfall die Stiefel abgerieben, wofür er dann ein Trinkgeld zu entrichten hatte ...", so die Erinnerungen des Jakob Grentz von Ensheim im heutigen Saarland aus dem ersten Drittel des 19. Jahrhunderts, in: Dillmann, Erinnerungen, 157; vgl. auch: Heeger, Frauenrechtliches im fränkischen Brauchtum, 139 f., er erwähnt die pfälzische „Brechhochzeit"; außerhalb des Untersuchungsraumes: Wolfram, Weiberbünde, in: Zeitschrift für Volkskunde NF 4 (1933), 137-139; J. Dünninger, Volkskundliches aus Mainfranken, Würzburg 1957,174. 23 Vgl. Wrede, Rheinische Volkskunde, 183 und in: Zeitschrift für rheinische und westfälische Volkskunde 10 (1913), Heft 4, o. S.: Der Altweibertanz gehörte vor allem zum weiblichen Festbrauchtum im Köllertal. 24 Durchschnittszahlen etwa für lothringische Orte: Jahresintervalle

Farschweiler

Cappel

Deutingen

Remeringen

Roßbrück

1680-1689

4,3

3,0

3,1

6,2

0,3

1690-1699

4,1

3,5

7,7

10,5

1,9

1700-1709

5,3

4,3

6,3

13,6

1,8

1710-1719

8,7

5,2

8,0

14,7

3,5

1720-1729

13,0

7,3

12,6

22,7

6,1

1730-1739

12,5

8,6

10,8

24,1

5,7

1750-1759

13,4

11,8

10,8

23,6

8,7

1770-1779

14,8

10,1

7,6

24,6

6,9

VahlEbersing

Lixingen

2,2

1,5

2,0

3,0

2,2

3,9

5,6

4,5

Jahresintervalle 1680-1689 1690-1699

Merlenbach -

5,2

Warsberg

Thedingen

1700-1709

7,6

1,8

2,8

3,2

7,7

1710-1719

6,9

4,5

4,0

2,6

9,6

1720-1729

11,2

8,0

5,8

11,7

10,7

8,2

4,6

12,0

14,4

12,1

12,3

5,7

13,9

16,9

14,5

11,8

7,1

9,7

19,9

1730-1739 1750-1759 1770-1779

-

Vgl. Touba, Ortsgeschichte Lothringens, Bd. 2, o.O., o.J., 2; Bd. 3, o.O. 1909, 8; Bd. 4, Forbach 1909, 6 und 35; Bd. 5, o.O. 1910, 27; Bd. 7, Forbach 1910, 53; Bd. 11, o.O. 1913, 35; Bd. 12, o.O. 1914, 8 und 31.

25 Der gemeinsame jährliche Gang zum Markt war vor allem in entlegeneren Ortschaften üblich: „Dienstag vor der Kirmes oder doch sicher am Kirchweihsamstag gingen die Frauen gewöhnlich auf den Markt nach Saarbrücken, um noch allerlei Bedürfnisse für das Fest einzukaufen, denn dies war uralte Gewohnheit", so berichtet Jakob Grentz aus Ensheim noch für das erste Drittel des 19. Jahrhunderts; vgl. Dillmann, Erinnerungen, 159.

Anmerkungen

363

26 „Der Männer Schwörta, der Wiwer Zechta", ist ein Sprichwort aus der Straßburger Gegend; vgl. Becker, Frauenrechtliches, 29. 27 Peuckert, Geheimkulte, 229, 234 f.: Er charakterisiert die „Scheuchmaßnahmen" der Frauen als „aufs Höchste und aufs Äußerste gesteigertes sexuelles Tun, als ein Erregtsein, das zu Grausamkeit und zu Quälereien, zu mehr oder minder „sadistischen" Akten treiben will" (235). 28 Zur musikalischen Umrahmung der Frauenfeste bei der Hebammenwahl, den Taufen, Kindbettzechen und anläßlich der Aussegnung vgl. Heeger, Frauenrechtliches, 136 f.; Ders., Frauenrechtliche Volksbräuche, 68, 72. 29 Vgl. zu dieser Diskussion: Hausen, Öffentlichkeit und Privatheit. Gesellschaftliche Konstruktionen und die Geschichte der Geschlechterbeziehungen, in: Dies./Wunder (Hg.), Frauengeschichte, 87 f.; M. Othenin-Girarad/A. Gossenreiter/S. Trautweiler (Hg.), Frauen und Öffentlichkeit. Beiträge der 6. Schweizerischen Historikerinnentagung, Zürich 1991; L. Davidoff, „Alte Hüte". Öffentlichkeit und Privatheit in der feministischen Geschichtsschreibung, in: L'Homme. Zeitschrift für Feministische Geschichtswissenschaft 4 (1993), Heft 2, 7-36; B. Mazohl-Wallnig, Männliche Öffentlichkeit und weibliche Privatsphäre? Zur fragwürdigen Polarisierung bürgerlicher Lebenswelten, in: Friedrich/Urbanitsch (Hg.), Von Bürgern und ihren Frauen, 125-140; L. Hölscher, Öffendichkeit und Geheimnis. Eine begriffsgeschichdiche Untersuchung zur Entstehung der Öffentlichkeit in der frühen Neuzeit, Stuttgart 1979; J.B. Landes, Women and the Public Sphere in the Age of the French Revolution, Ithaca/London 1988; Roper, The „Common Man", the „Comon Good", „Common Women": Gender and Language in the German Reformation Commune, in: Social History 12 (1987), 1-22. 30 M. Sahlins spricht in diesem Zusammenhng auch vom „symbolischen Dialog der Geschichte", der eingefahrene Gegensätze in Frage stelle, die u.a. die kulturelle Ordnung bestimmen, der auch Möglichkeiten eröffne, wie die kulturellen Konzepte aktiv benutzt werden können, so daß die kulturellen Bedeutungen „praktischen Umwertungen unterworfen" würden, Ders., Struktur und Geschichte, in: Ders., Inseln der Geschichte, Hamburg 1992, 133-153, hier bes. 140 f. 31 Zit.e aus Originalquellen des 18. und 19. Jahrhunderts in: Meyer, Geburt und Taufe, 48 f.; Heeger, Frauenrechtliches, 136; Höhl, Rhöhnspiegel, 107. 32 HSTA Wiesbaden, Abt. 131, Nr. XIVa,16, o. fol., 1762; ebd., Abt. 150, Nr. XIVa,4424, o. fol., 1741, 1769 und 1772; STA Trier, Best. Ta 50/12, o. fol., 1784: Der Trierer Erzbischof spricht hier von „ungebührlich". 33 STA Trier, Best. Ta 50/12, o. fol., 1784; LA Speyer, Best. B2, Nr. 2682, fol. 13. 34 HSTA Wiesbaden, Abt. 131, Nr. XIVa,16, fol. 5, 1762; ebd., o. fol., 1762; LASB, Best. 38, Nr. 621, fol. 251, 1752; AHWS, Rep. VII, Nr. 139a, o. fol., 1741; Scotti, Sammlung, Bd. 3, Nr. 806,1362. 35 Vgl. Kramer, Volksleben, 244 f., aus einer Verordnung von 1778; Meyer, Geburt und Tod, 127 f., aus einem Bericht von 1771. 36 A H W S , Rep. VI, Nr. 486, o. fol., § 4, 1757; ebd., Rep. II, Nr. 321, fol. 480; LA Speyer, Best. B2, Nr. 2682, o. fol., 1752/53. 37 LA Speyer, Best. B2, Nr. 2682, fol. 12r. 38 LASB, Best. 38, Nr. 621., fol. 251, 1752; vgl. eine Hunsrücker Verordnung selben Inhalts in: Diener/Born, Hunsrücker Volkskunde, 144; zur männlichen Kontrolle: STA Trier, Best. Ta 50/12, o. fol., 1784; AHWS, Rep. II, Nr. 321, o. fol.: „Schultheißen und Gerichte"; LA Speyer, Best. B2, Nr. 2682, o. fol., 1743: Schultheißen, Gerichte und Männer; ebd., o. fol., 1743: Schuhes, Pfarrer und Manspersonen. 39 Beide Zit.e aus: Pfleger, Weibertage, 34. 40 Beide Zit.e aus: Kramer, Volksleben, 2, 1788 und 1778. 41 C.M. Christiansen, Chronik des Kirchspiels Erfde, Erfde 1924, 46 f.; Ausszug aus seiner Mitte des 19. Jahrhunderts verfaßten Pfarrchronik.

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Anmerkungen

42 Der Hunsrücker Heimatdichter J.P. Rottmann (Gedichte in Hunsrücker Mundart, 8. Aufl.) schrieb zu Beginn des Jahrhunderts: „ ... Die Amm hott an de Schnebsercher/ sich nit se koorz gedonn/So datt merr alt gemisselt [geflüstert] hott/Se kennt en Hoormel [Rausch] honn ...", und an anderer Stelle: „Honn ... beim Kinddaafhalle/Die Fraaleit Zuckerwein im Kobb/Dann losse se ehr Stimm erschalle/Unn singe grad als wie en Dobb"; Zit.e aus: Diener/Born, Hunsrücker Volkskunde, 145 f.; aus der Flensburger Gegend sind folgende Schlußakkorde eines Reims zur Kindbettzeche von 1863 bekannt: „ ... Ich dach, ick wull recht lustig sien/un soop mi voll von Branntewien/op de verdammte Köst [Kindbettzeche]!"; Zit. aus: Meyer, Geburt und Taufe, 128. 43 Ein sehr plastisches Verfahren gegen eine Kindbettgesellschaft schildert Meyer, Geburt und Tod, 47 f., aus Schenefeld im Amt Rendsburg. Der dortige Amtmann hatte 1833 die Frauen verklagt, sie hätten eine jung verheiratete, hochschwangere Frau, die betrunken nach Hause zu ihrem Mann gekommen sei, zum Trinken gezwungen und ihr „den Branntewein in den Mund gegossen". Die Frauen gaben zu Protokoll, es sei „völlig unwahr, daß gebrauchsmäßig auf den Kindsfüßen [Kindbettzechen] junge Frauen so viel trinken müßten. Es werde das möglichst kleine Glas geliehen und hätten die Frauen solches nur zum Vergnügen. Betrunken sei sonst keine Frau in der Gesellschaft gewesen", vielmehr sei die schwangere Frau bereits betrunken zur Gesellschaft gekommen. Uber alle weiteren Vorgänge beim Fest verweigerten alle Frauen die Auskunft. 44 In Dudweiler verbot Pfarrer Bartheis das Musizieren durch Spielleute bei den Sonntagstaufen; falls sich ein Spielmann unterstehe, zu spielen, sollte ihm der Meier die Geige wegnehmen; Archiv der evangelischen Kirchengemeinde Dudweiler, Nr. A2, 4,2, fol. 170. 45 Vgl. Kyll, Das Kind, 17; Leson, So lebten sie, 54, belegt für die Eifeldörfer das traditionelle „Krähen" der Frauen auf dem Heimweg von der Taufe; denselben Brauch gibt Ploß, Das Kind, 357, für Schlesien an; Wrede, Rheinische Volkskunde, 152, nennt das „Krähen" und „Juchzen" beim Heimzug der Frauen von ihren Zusammenkünften; das Jauchzen gehörte, wie Schindler, Nächtliche Ruhestörung, 230 ff., darlegt, ebenfalls zur Kultur der Junggesellen, war Ausdruck festlichen Hochgefühls, Werbeverhalten und Signal zur Herausforderung eines Gegners. 46 Vgl. Meyer, Geburt und Taufe, 127 f. und 148, Zit.e von 1771 und 1833 (Originale ATA Kiel, Akte Β 111,1, Nr. 427). 47 Zum Ausschluß der Frauen aus den Wirtshäusern vgl. Wunder, „Er ist die Sonn' ...", 226; van Dülmen, Kultur und Alltag, Bd.2: Dorf und Stadt, München 1992, 127, 132; Dünninger/H. Schöpf, Bräuche und Feste im fränkischen Jahreslauf, Texte vom 16. bis 18. Jahrhundert, Kulmbach 1971,45 ff. 48 In den Städten hatte dieser Kampf seinen Höhepunkt bereits in der Mitte des 17. Jahrhunderts erreicht, auf dem Land setzten die Beschränkungen und damit auch die Auseinandersetzungen, die hier bis ins 19. Jahrhundert andauerten, erst im 18. Jahrhundert ein; vgl. Schindler, Nächtliche Ruhestörung, 236-239; A. Tlusty, „Das ehrbare Verbrechen". Die Kontrolle über das Trinken in Augsburg in der frühen Neuzeit, in: Zeitschrift des historischen Vereins für Schwaben 85 (1992), 15 ff. 49 Der gesteigerte Konsum von Branntwein hing in vielen Regionen mit dem Kartoffelanbau seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert zusammen; Branntwein, oft auch hergestellt aus Getreide und Obst, war statt des früher häufiger getrunkenen Weins und Biers im ausgehenden 18. Jahrhundert das Getränk der ärmeren Bevölkerungsschichten zu besonderen Anlässen (Neujahr, Kirmes, Erntefeste, Verkaufsabschluß, Taufe, Hochzeit, Beerdigung); vgl. L. Zegowitz, Annuaire historique et statistique du Departement de la Sarre, Trier an XI (1802), 80: „ ... qu'ils [die Einwohner des Saardepartements] n'ont ni vin, ni cidre et que leur boisson ordinaire est la bierre et l'eau-de-vie"; auch ebd., 374, 404: Branntwein aus Getreide und Kartoffeln; STA Trier, Ms. 1565/199 2°, Beschreibung des Kantons Blieskastel durch Friedensrichter Derkum, 1801/02, fol. 1—48r: für die

Anmerkungen

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Blieskasteler Gegend: „Branntwein wird sehr viel aus Zwetschken, Kirschen, Kartoffeln und leider auch aus Brotfrüchten erzeugt", für den Kanton St. Ingbert: neben Brot, Hülsenfrüchten, Gemüse und Fleisch sei „Branntwein die Nahrung, der man zu Maßen sauft, bis sich Tisch und Wände drehen"; K. Lillig, Die bösen Folgen des Branntweintrinkens, in: Geschichte und Landschaft 498, Febr. 1990, 22; M. Mohr, „ ... hat die Gemeinde bald viele Lumpen zu unterhalten". Vom Schnapsbrennen und -trinken an der Oberen Saar, in: Saarbrücker Zeitung 6, vom 8. Januar 1982, 12; vgl. auch: B. Heizmann, Trinksitten und die Sitte des Trinkens im 19. Jahrhundert. Ein volkskundlicher Beitrag zur Geschichte des Branntweins, in: „Wem der geprant wein nutz sey oder schad ...". Zur Kulturgeschichte des Branntweins. Katalog zur Ausstellung des WilhelmFabry-Museums der Stadt Hilden, Puhlheim 1989, 41-51; Ders., Vom Korn zum Schnaps, in: Volkskultur an Rhein und Maas 2 (1987), 3-19; A. Bimmer/S. Becker (Hg.), Alkohol im Volksleben, Marburg 1987; W. Schievelbusch, Das Paradies, der Geschmack und die Vernunft. Eine Geschichte der Genußmittel, München/Wien 1980,159-178. Es handelte sich um eine flache Tasse mit zwei Griffen, den sog. „Branntweinkopp", der mit Branntwein, Rosinen und Zucker gefüllt und herumgereicht wurde; vgl. Diener/ Born, Hunsrücker Volkskunde, 140 f., 144: Zur Taufe gab es „Schnaps unn Brot" sowie „Zuckerwein"; Kyll, Das Kind, 17 f.: im 18. Jahrhundert: Wein und Branntwein, im 19. Jahrhundert: Wein und süßen Likör. Er erwähnt den Branntwein auch als Einstandsgeschenk der jüngstverheirateten Ehefrau; Dillmann, Erinnerungen, 194; vgl. auch: Kramer, Fehmaraner Volksleben, 56; Ders., Volksleben in Holstein, 248 f.: „Bierund Brannteweinsgelage"; Meyer, Geburt und Taufe, 46, 52 f., 47 f., 127: Er erwähnt das Trinken von Kümmel und von Branntwein auf die Gesundheit und anläßlich der Einweihung sowie das Tabakrauchen; Ploß, Das Kind, 350-53, 355: Er belegt das Trinken von Branntwein anläßlich der Kindbettzechen und Taufen für Ostfriesland, Schlesien, die Lausitz, das Erzgebirge, das Vogtland, Württemberg; Heeger, Frauenrechtliches, 137: Er benennt auch bei den Einweihungen gebräuchliche Trinksprüche. Ich beziehe mich auf die in Anm. 24 verzeichnete Tabelle für zehn lothringische Ortschaften; die durchschnittliche jährliche Geburtenrate betrug hier zwischen 1680 und 1719 4,93 Geburten, zwischen 1720 und 1759 11,6 Geburten und danach 12,7 Geburten. In Tholey lebten um 1707 etwa 22 verheiratete und verwitwete Frauen, in Sotzweiler acht, in Schellenbach 16, in Steinbach 28, in Limbach 23, in Bettingen 15, in Aussen 26, in Saubach 13, in Marpingen 27, in Wiesbach 19, in Oberkirchen 38, in Freisen 20, in Hoppstädten 25 und in Eppelborn 17; vgl. Herrmann, Ein Einwohnerverzeichnis, 7092; insgesamt hatten die Dörfer im Untersuchungsgebiet in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zwischen 30 und 120 Haushalte. Zit.e aus: M. Bauer, Die deutsche Frau in der Vergangenheit, Berlin 1907, 287, und Pfleger, Frauenrechtliches, 70 (aus: J.C. Dannhauer, Catechismusmilch, 1648, III, 348); von Dannhauer stammt auch folgender Spruch: „Wann die Landsknecht sieden und braten/ Die Geistlichen zu weltlichen Sachen rathen/Und die Weiber führen das Regimet/So nimt es selten ein gutes End". Vgl. A. Stöber, Elsässisches Volksbüchlein, Bd. 1, 2. Aufl. o. O., o. J. (um 1850), 20, 75. Zum schmalen Grat weiblicher Aktionen zwischen Anerkennung und Verachtung vgl. A. Farge, Frauen im Aufstand, in: Duby/Perrot (Hg.), Geschichte der Frauen, Bd. 3, 521-524: vgl. auch: J. Martin/R. Zoeffel (Hg.), Aufgaben, Rollen und Räume von Frau und Mann, Freiburg/München 1989; C. Maurin, Le role des femmes dans les emotions populaires dans les campagnes de la genealite de Lyon de 1665 ä 1789, in: Revolte et Societe 2 (1989),134-140. Vgl. zu weiblicher und männlicher Ehre sowie zur Hausehre Roper, „Wille" und „Ehre", 190 f.; Dies., Männlichkeit und männliche Ehre, in: Hausen/Wunder (Hg.), Frauengeschichte, 162 f., zum betrunkenen Mann; M. Dinges, „Weiblichkeit" in

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Anmerkungen „Männlichkeitsritualen" ? Zu weiblichen Taktiken im Ehrenhandel in Paris im 18. Jahrhundert, in: Francia 18 (1991), 71-98. Diesen Begriff verwandten Männer gegenüber Frauen, wenn sie den Gehorsam und die Rollenvorgaben: Keuschheit, Schweigen, Frömmigkeit, Gehorsam gegenüber dem Ehemann, Aufzucht der Kinder usw., verweigerten, wenn sie auch im übertragenen Sinne wehrhaft waren; vgl. u.a. A.W. Kleinbaum, The War Against the Amazons, New York 1983; S. Shepherd, Amazons and Warrior Women: Varieties of Feminism in Seventeenth-Century Drama, New York 1981. AHWS, Rep. VI, Nr. 486, o. fol., 1757. HSTA Wiesbaden, Abt. 150, Nr. XIVa,4440, o. fol, 1791. Ebd, o. fol, Protokoll vom 24. April 1792. Ebd, o. fol, Protokoll vom 24. November 1790; auch für die fogenden Zitate. Vgl. zur Entwicklung der Frauenfeste in Franken: Worschech, Frauenfeste, 156 ff.: In Anlehnung an die Angaben des Atlases der deutschen Volkskunde (1932, Frage 153 und 154) kommt Worschech zu folgenden Ergebnissen: Die Hänselbräuche der Jungverheirateten blieben bis ins 20. Jahrhundert sehr verbreitet, jedoch wurden die regionalen Unterschiede größer, und es wechselten sich Gebiete mit langer Tradition mit solchen ab, in denen diese Bräuche allmählich verschwanden; sowohl Initiations- wie Neckbräuche der Männer waren seit 1930 rückläufig oder nurmehr rudimentär nachweisbar (Bekränzen, Straußanstecken, Verschwinden der Tänze, Verse und Gesänge). Zwischen 1930 und 1935 fanden Frauenfeste nach der Geburt noch durchgängig in SchleswigHolstein, im Main- und Moselgebiet statt; Anführerin des Brauchtums war zumeist auch noch die Ortshebamme. Eine besondere Resistenz besaß die Hebammenwahl.

Anhang Abkürzungsverzeichnis Abt. ADM Metz ADMM Nancy AHWS BAT Best. Dep. EA FS HSTA München HSTA LASB LA Speyer LHA Koblenz MS r Rep. SD STA Saarlouis STA SB STA Trier

Abteilung Archives departementales de la Moselle Archives departementales de Meurthe et Moselle Archiv der Herzog-Wolfgang-Stiftung Bistumsarchiv Trier Bestand Depositum Erstausgabe Festschrift Bayerisches Hauptstaatsarchiv München Hauptstaatsarchiv Landesarchiv Saarbrücken Landesarchiv Speyer Landeshauptarchiv Koblenz Manuskript recto Repertorium Sonderdruck Stadtarchiv Saarlouis Stadtarchiv Saarbrücken Stadtarchiv Trier

Quellenverzeichnis I. Städtische Archive Stadtarchiv

Saarbrücken

Best. Mairie Saarbrücken, Nr. 40: 1798/1799; Nr. 107: 1799-1802; Nr. 232: 1770, 17831787,1802,1814 f.; Nr. 233: 1793, 1799,1813-1815 Best. Hospital, Nr. 1178-1180, Nr. 1189-1194 Best. Stadtgericht St. Johann, Nr. 8: 1780; Nr. 28: 1775; Nr. 38: 1782-1784; Nr. 47/48: 1717, 1769-1795, 1781 f.; Nr. 75: 1787; Nr. 101: 1779-1782; Nr. 162: 1763; Nr. 6231631: 1616-1739 Best. Gemeinsames Stadtgericht, Nr. 7: 1741, 1798; Nr 102/103: 1730, 1734, 1740; Nr. 162: 1763; Nr. 248: 1736, 1780 Best. Kirchenbücher, Bd. 1-25 und ohne Bandnummer, vollständig überprüft für alle Gemeinden und Pfarreien, für katholische und lutherische Gemeinden, ebenfalls die Zivilstandregister bis 1850 Best. Nachlaß Lohmeyer, Nr. 335: 1894-1920, Nr. 380; Nr. 672: 1813-1824; Nr. 676: 1814-1825; Nr. 681: 1827-1830; Nr. 733; Nr. 825

Stadtarchiv

Saarburg

Best. Beuriger Wunderakten: 1620-1647

Stadtarchiv St. Wendel Best. A 38: 1607-1609; Best. A 59: 1603; Best. A 65: 1608

Stadtarchiv

Trier

Best. Ta 43/1: Trierer Klöster und Stifte, 16.-19. Jahrhundert Best. Ta 50: Verordnungen, 18. Jahrhundert, Bd. 1-18 Best. Ta 51: desgl., 16./17. Jahrhundert, Bd. 1-7 Best. Ta 52: desgl., 18. Jahrhundert, Bd. 1-7 Best. Nachlässe: Nachlaß Johann Hansen, Ottweiler, 1801-1875; Nachlaß Max Müller, St. Wendel; Nachlaß Johann von Hontheim; Nachlaß Johann Lintz, Trier Best. Photographische Sammlung, Sammlung W. Deuser, 59/1-7; Sammlung F. Laven, Trier I, 30/1; Best. Bildarchiv, Nr. 3.41/1-5, Nr. 26/206-421

Stadtbibliothek

Trier

HS 1603/420: Generalvikariat, 1754-1756 HS 1605/766: desgl., 1781 f. Best. 11/3536/8°: Beurig, 1708

Stadtarchiv

Zweibrücken

Best. Stadtratsprotokolle, Bd. II, Nr. 478, Nr. 485, Nr. 491; Bd. IV, Nr. 57, Nr. 118, Nr. 285, Nr. 390; Bd. V, Nr. 81

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Quellenverzeichnis

II. Kirchliche Archive Archiv der evangelischen Kirchengemeinde Best. Best. Best. Best.

Dudweiler

A2, Nr. 4,2: Pfarrchroniken K l , Nr. 1: Kirchenbuch ab 1714 K6: Familienbücher, 18. Jahrhundert K8,l-2: Kirchenbücher bis 1798

Archiv der evangelischen Kirchengemeinde Best. Best. Best. Best.

Ottweiler

00: Sammelakten, Nr. 1-3,1; Best. 01: Kirchenvisitationen, Nr. 9 02: Pfarreiakten, Nr. 24,1-24,5 04: Arme und Kranke, 1723-1914 05/9: Kreissynoden, Nr. 2; Nr. 9,1-9,12

Archiv der Herzog-Wolfgang-Stiftung,

Zweibrücken

Repertorium II: Nr. 116: 1558-1564; Nr. 121: 1688, 1694, 1698; Nr. 122: 1535; Nr. 133: 1663/64, 1668; Nr. 135; Nr. 146: 1566-1571; Nr. 166/167: 1555/1558; Nr. 169: 1560; Nr. 174: 1609; Nr. 190a/190b: seit 1667; Nr. 248: 1646/47, 1674; Nr. 321/322: 16691739 Repertorium IV: Nr. 55: 1726; Nr. 69: 1754-1796; Nr. 74: 1765-1767; Nr. 238-244: 1569-1722; Nr. 334: 1767/1768; Nr. 1055: 1724; Nr. 1164: 1567; Nr. 2116: 1731; Nr. 3251: 1698; Nr. 3263: 1795/96, 1802; Nr. 3273-3276: 1696-1753, 1715-1789, 17551775; Nr. 3287a: 1748; Nr. 3298: 1563-1785; Nr. 3349; Nr. 3665: 1671-1673, 18101828; Nr. 4082a-c: 1724-1749; Nr. 4324 Repertorium V: Nr. 6-7: 1564-1768; Nr. 15-22: 1699-1775, 1687-1773, 1688-1773, 1680-1779, 1708-1728; Nr. 58/59: 1691, 1759 ff.; Nr. 61: 1709; Nr. 69: 1697-1776; Nr. 75: 1595-1761; Nr. 86: 1679-1778 Repertorium VI: Nr. 67: 1765; Nr. 77: 1665-1760; Nr. 78: 1768-1792; Nr. 103: 1769/1770; Nr. 115: 1746-1770; Nr. 118: 1750; Nr. 126/127: 1719-1771; Nr. 191/192: 1672-1828; Nr. 213: 1752; Nr. 223: 1726-1761; Nr. 254: 1767-1788; Nr. 271: 17241798; Nr. 284-286: 1671-1678, 1719-1767; Nr. 307: 1754/55; Nr. 335: 1671-1698; Nr. 442, Bd. 3: 1774; Nr. 440: 1624; Nr. 451: 1726-1765; Nr. 456/457: 1682-1750, 1751-1775; Nr. 486-488: 1720-1759, 1721-1754, 1727-1772; Nr. 496: 1770; Nr. 497502: 1679-1796; Nr. 520/521: 1746-1791; Nr. 529: 1747-1784; Nr. 991: 1781; Nr. 1075: 1563, 1570, 1628, 1672-1792; Nr. 1077/1078: 1605, 1724; Nr. 1092-1097: 16711819; Nr. 1130: 1744, 1751; Nr. 1166: 1609; Nr. 1167: 1624; Nr. 1169/1170: 1593; Nr. 1262: 1770; Nr. 1284: 1733-1755 Repertorium VII: Nr. 110: 1728 ff.; Nr. 112; Nr. 125-129; Nr. 134/135: 18./19. Jahrhundert; Nr. 137: 1668, 1689, 1712, 1739; Nr. 139a/139b: 1598-1789; Nr. 155; Nr. 215: 1743-1818; Nr. 236; Nr. 240: 18. Jahrhundert; Nr. 247; Nr. 266: 1584; Nr. 282-284: 1741

Protestantisches Landeskirchenarchiv

der Pfalz, Speyer

Best. Kirchenbücher: Altenglan (ab 1671), Altenkirchen (ab 1718), Battweiler (ab 1737), Bierbach (ab 1741), Blieskastel (ab 1742), Bottenbach (bis 1636), Breitenbach (ab

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Quellenverzeichnis 1714), Brenschelbach (ab 1779), Burgalben (ab 1743), Contwig (ab 1692), Glanmünchweiler (ab 1664), Herschberg (ab 1755), Hinterweidenthal (ab 1713), Hornbach (ab 1559), Kirkel-Neuhäusel (ab 1822), Konken (ab 1653), Kusel (ab 1567), Lambsborn (ab 1698), Limbach (ab 1713), Mimbach (ab 1784), Mittelbach (ab 1743), Nünschweiler (ab 1726), Pirmasens (ab 1640), Rieschweiler (ab 1683), Thaleischweiler (ab 1720), Waldmohr (abl712), Walsheim (ab 1704), Webenheim (ab 1696)

Bistumsarchiv

Trier

Abt. 15: Feste, Prozessionen Abt. 20: Visitationen, Vikariatsprotokolle, Nr. 8-14: 1673-1750; Nr. 159/160: 1757/1758 Abt. 28: Deposita Secreta Abt. 34: Gerichtssachen, Nr. 112: 1784/1785; Nr. 160: 1757 Abt. 40: Pfarrvisitationen, Nr. 4e: 1588; Nr. 4f: 1623; Nr. 4h: 1627; Nr. 4i: 1630; Nr. 4k: 1631; Nr. 67: 1760; Abt. 50,8: Amt Grimburg, Nr. 1; Abt. 50,14: Amt Merzig, Nr. 3; Abt. 50,27: Amt St. Wendel, Nr. 1; Abt. 66 Abt. 70, Pfarrakten: Nr. 66-70; Nr. 79-83; Nr. 92-96; Nr. 185-189; Nr. 291-296; Nr. 297-304; Nr. 442-448; Nr. 458-465; Nr. 466^72; Nr. 479^80; Nr. 510-525; Nr. 559-564; Nr. 565-575; Nr. 576-580; Nr. 701-707; Nr. 708-71; Nr. 852-858; Nr. 872-878; Nr. 896-903; Nr. 940-945; Nr. 969-975; Nr. 781-788; Nr. 1159-1164b; Nr. 1143-1147; Nr. 1154-1158; Nr. 1238-1241b und Nr. 1242-1247a; Nr. 1261-1267; Nr. 1354-1358; Nr. 1377-1382; Nr. 1427-1432; Nr. 1433-1446; Nr. 1482-1487; Nr. 1499-1504; Nr. 1513-1518; Nr. 1587-1592; Nr. 1593-1599; Nr. 1607-1613; Nr. 1662-1670; Nr. 1683-1690; Nr. 1849-1857; Nr. 1965-1970; Nr. 1978-1984; Nr. 2033-2040; Nr. 2075-2081; Nr. 2157-2163; Nr. 2231-2235; Nr. 2277-2283; Nr. 2290-2297; Nr. 2304-2310; Nr. 2359-2366; Nr. 2374-2383; Nr. 2414-2422; Nr. 2439-2445; Nr. 2559-2567; Nr. 2988-2994; Nr. 3346-3354; Nr. 3499-3506; Nr. 3571-3576e; Nr. 3676-3682; Nr. 3792-3798; Nr. 3799-3806; Nr 3852-3861a; Nr. 3943-3948; Nr. 4041^047; Nr. 4094^098; Nr. 4118-tl21; Nr. 4179-4186; Nr. 4215—4240; Nr 4306-4315; Nr. 4481-4483a; Nr. 4498-4499; Nr. 4534-4548; Nr. 4615-4622; Nr. 4623-4628; Nr. 4636^642; Nr. 4681—+687; Nr. 4751-4757; Nr. 4771-4793; Nr. 4794-4800; Nr. 4937-t944; Nr. 4984-4990; Nr. 4991^996c; Nr. 5662-5678; Nr. 5100-5105; Nr. 5192-5198; Nr. 5206-5212; Nr. 5396-5400; Nr. 5348-5356 und Nr. 5384-5395; Nr. 5447-5465; Nr. 5466-5472; Nr. 5491-5498; Nr. 5484-5490; Nr. 5506-5513; Nr. 5514-5520; Nr. 5473-5483, Nr. 5491-5498; Nr. 5521-5528; Nr. 5676-5683; Nr. 5707-5713; Nr. 5770-5776; Nr. 5799-5805; Nr. 5783-5790; Nr. 5840-5846; Nr. 5860-5866; Nr. 5613-5632a; Nr. 6053-6060; Nr. 6079-6085; Nr. 6121-6126; Nr. 6092-6098; Nr. 6127-6142; Nr. 6156-6158; Nr. 6389-6394a; Nr. 6471-6476; Nr. 6548-6550; Nr. 6577-6582; Nr. 6590-6599; Nr. 6600-6607; Nr. 6608-6614; Nr. 6615-6621; Nr. 6622-6628; Nr. 6706-6713; Nr. 6841-6847; Nr. 6854-6860; Nr. 6873-6879; Nr. 6897-6902; Nr. 6939-6950; Nr. 6951-6956; Nr. 6991-6996; Nr. 7041-7047; Nr. 7114-7120 Abt. 72: Kirchenbücher, Nr. 44, Bd. 1 und 13; Nr. 45, Bd. 1 und 2; Nr. 66, Bd. 1; Nr. 119, Bd. 1; Nr. 161, Bd. 1; Nr. 217, Bd. 1 und 6; Nr. 286, Bd. 2 und 13; Nr. 332, Bd. 1 und 2; Nr. 335, Bd. 1 - t ; Nr. 343, Bd 1; Nr. 409, Bd. 1; Nr. 455, Bd. 1 und 2; Nr. 470, Bd. 1; Nr. 553, Bd. 1; Nr. 599, Bd. 1 und 2; Nr. 604, Bd. 1; Nr. 616, Bd. 7; Nr. 636, Bd. 1; Nr. 641, Bd. la und lb; Nr. 657, Bd. 2 und 3; Nr. 679, Bd. 1 und 7; Nr. 731, Bd. la-lc, Bd. 7; Nr. 775, Bd. 4; Nr. 815, Bd. 1; Nr. 887, Bd. l a - l b , Bd. 3; Nr. 889, Bd. 1; Nr. 890, Bd. 1 und 3; Nr. 900, Bd. 1 und 2; Nr. 920, Bd. 2 Abt. 90: Wallfahrten Abt. 91: Dom- und Domkapitelarchiv, Nr. 228/229

371

Quellenverzeichnis

Abt. 95:Dekanate, Nr. 331-333 Abt. 110: Generalvikariatsprotokolle Abt. Β III: Religionssachen, Nr. 9,1, Bd. 1-Bd. 4; Nr. 11,8, Bd. 1; Nr. 11,14; Nr. 17, Bd. 4; Nr. 27 Abt. Pfarrvisitationen, Nr. la: 1569; Nr. 2/F 3: 1570; Nr. 2/F 168; Nr. 2/F 133: 1570; Nr. 2/F 6: 1570; Nr. 3: 1570; Nr. 4a: 1640; Nr. 4b: 1640; Nr. 4d: 1580; Nr. 4e: 1588; Nr. 4f: 1617, 1623, 1616, 1600, 1617, 1623, 1577; Nr. 4g: 1623; Nr. 4h: 1627 Nr. 4i: 1630; Nr. 4k: 1652, 1631, 1618, 1652; Nr. 5b: 1718, 1692, 1624; Nr. 6: 1657; Nr. 8: 1669; Nr. 9; N r . 9 F 59: 1677; Nr. 9 F 335: 1679; Nr. 9 F 336: 1679; Nr. 9 F 357: 1679; Nr. 9 F 343: 1677; Nr. 9 F 348: 1679; Nr. 11: 1679, 1716, 1680; Nr. 16: 1712; Nr. 48: 1739; Nr. 54: 1743; Nr. 56: 1692; Nr. 67: 1760

Bibliothek des bischöflichen Priesterseminars

Trier

Nr. G G 1941/1942: [1773/1774]

III. Archive der Kreise, Länder und Departements Archives departementales

de la Moselle, Metz

Best. B: Cours et juridiction avant 1790, Nr. 4188: 1696-1790; Nr. 4396^1403: 16581790; Nr. 4675-4685: 1593-1680; Nr. 4714: 1683-1752; Nr. 4721^729: 1582-1640; Nr. 4801: 1573-1659; Nr. 5021: 1615-1739; Nr. 5111: 1599-1672; Nr. 5218-5221: 1602-1699; Nr. 5228: 1520-1712; Nr. 5414: 1535-1635; Nr. 5720: 1641-1714; Nr. 5963-5965: 1714-1791; Nr. 6215-6223: 1692-1750; Nr. 6225: 1754; Nr. 6243: 1776; Nr. 6255: 1729-1790; Nr. 6544: 1718; Nr. 6839-6840: 1723-1761; Nr. 6843/6844: 1700-1750; Nr. 8084-8153: 18. Jahrhundert; Nr. 8215: 1711-1792; Nr. 8327-8338: 1709-1762; Nr. 8432: 1712-1780; Nr. 8444-8457: 18. Jahrhundert; Nr. 8948/8949: 1720-1759, 1774; Nr. 9142-9144: 1651-1769; Nr. 9145: 1721-1770; Nr. 9461: 17241790; Nr. 9931: 1749 Best. 29 J: Fonds de l'eveche de Metz, Nr. 56-60: 1660-1750; Nr. 61-66: 1688 ff.; Nr. 6789; Nr. 90-99; Nr. 100-114 Best. 10 F: Fonds de Crehange, Nr. 133, 1663-1775, 1778-1781, 1623-1785; Nr. 181: 1757-1759; Nr. 621/622: 1775 Best. E: Depots, Nr. 1 Ε 153; Nr. 3 Ε 8181: 1624-1627; Nr. 453 ED 78 FF 18: 1717-1788; Nr. 453 ES 79 FF 19: 1717-1788; Best. H: Clerge regulier avant 1790, Nr. 356: 1606; Nr. 377: 1689 ff.

Archives departementales de Meurthe-et-Moselle,

Nancy

Best. B: Cours et juridictions avant 1790, Nr. 733/19; Nr. 934/4: 1588; Nr. 934/6: 16./17. Jahrhundert; Nr. 935 und Nr. 940/8; Nr. 951/47 und Nr. 951/48: 1582, 1593; Nr. 957/14-16; Nr. 1124, 1548; Nr. 1135: 1563; Nr. 1124: 1574; Nr. 1531: 1699; Nr. 1538: 1699; Nr. 1621: 1715; Nr. 2001; Nr. 2013; Nr. 2027: 1577, 1598 ff.; Nr. 2087: 1504; Nr. 2216: 1629; Nr. 2872: 1538; Nr. 3021, Nr. 3045 und Nr. 3123: 1578, 1584, 1616; Nr. 3622/3623: 1606 f.; Nr. 3626: 1608; Nr. 3777: 1611; Nr. 5297; Nr. 5346-5348: 1610; Nr. 5365: 1619; Nr. 6507 und Nr. 6511-6513: 1631-1633; Nr. 7575: 1505/1506; Nr. 8687 und Nr. 8693; Nr. 9138: 1599/1600; Nr. 9236: 16./17. Jahrhundert; Nr. 9409: 1551-1553; Nr. 9498: 16./17. Jahrhundert; Nr. 9502

372

Quellenverzeichnis

Best. BJ (Liasse), N r . 2598: 1699-1740; N r . 11050: 1770; N r . 10053: 1699-1730; N r . 11382:1649-1664 Best. 3 B: C o u r souveraine de Nancy, N r . VII/3; N r . XVIII/7:1755 Best. 5 B, N r . 133: 1692/1693; N r . 134: 1718/19; N r . 139: 1759 Best. 7 B, N r . 146: 1751-1766; N r . 286: 1777-1779 Best. 8 B, N r . 147: 1730 Best. 9 B, N r . 71: 1780/1781 Best. 10 B, N r . 350, Bd. 1-*: 1742-1790; N r . 577: 1762; N r . 579: 1763; N r . 619: 1788 Best. 11 B, N r . 1835: 1732; N r . 1845; N r . 1944: 1771; N r . 1957: 1775; N r . 2147: 17381763 Best. 48 B, N r . 10:1723; N r . 31: 1752 Best. 1 F, N r . 172,3: 1666, 1680,1686,1756 ff. Best. H : Clerge regulier avant 1790, N r . 1304: 1608, 1611; N r . 1390; N r . 2783: 1734 Best. 32 L: vor 1789

Bayerisches Hauptstaatsarchiv München Best. Kasten blau, N r . 389/a: 1558; N r . 389/b: 1575; N r . 389/c: 1593; N r . 389/d: 1624, 1663

Hauptstaatsarchiv

Wiesbaden

Abt. 131: Nassau-Usingen, Akten, N r . IXa,6: 1779; N r . IXa,8: 1738-1782; N r . Xa 35k: 1733-1787; N r . Xe,13: 1714; N r . XIVa,16: 1756-1771; N r . XlVa, 24-27: 1729-1785 (1805); N r . XIVb,7:1791 Abt. 133: Herrschaft Idstein, N r . XV,2 Abt. 147: Herrschaft Homburg/Saar, N r . 68: 1531-1560; N r . 71: 1733-1740; N r . 97: 1473 Abt. 150: Weilburg, Akten, N r . IXa,3667: 1769-1800; N r . Xa,3826: 1531; N r . Xa,3829: 1570-1610; N r . Xa,3836/3841: 1619-1624; N r . Xa,3848: 1634; N r . Xa,3851: 1648, 1697; N r . Xa,3856: 1667/1668; N r . Xa,3867: 1703; N r . Xa,3870: 1722, 1736, 1755, 1783, 1786 f.; N r . Xa,3895 und N r . Xa,3900: 1763-1772, 1771/1772; N r . XIVa,4403: 1712-1740; N r . XIVa,4415: 1739-1744; N r . XIVa,4416: 1741; N r . XIVa,4422; N r . XIVa,4424; N r . XIVa,4425: 1750; N r . XIVa,4438: 1767-1791; N r . XIVa,4440: 17691801; N r . XIVa,4441: 1770; N r . XIVa,4444: 1773; N r . XIVa,4456: 1786; N r . XVa,4545; N r . XVa,4552: 1745/1746 Abt. 369: Hexenprozesse, N r . 178: 1726

Kreisarchiv

Saarlouis

Kirchen- und Familienbücher: Aboncourt, Aideling-les-Bouzonville, Albestroff (Albersdorf bei Marhange), Algrenge, Alsting, Altwiller, Alzing (Aisingen, Arr. St. Avoid, Kr. Boulay), Anzeling (Kr. Bouzonville), Aremberg, Bazoncourt, Berwiller, Beux et Dain, Bibiche, Bickenholz, Bioncourt, Bitsch (1652-1764), Bliesbrück, BliesGerswiller, Blies-Schweygen, Boucheporn (Buschborn), Boullay (1617-1703), Bousbach (1724-1781), Cappel (1720-1742), Charly (Karlen, 1639-1792), Colmen (17231890), Courcelles (1668-1794), Creutzwald (1687-1794), Falck (1665-1804), Farebersviller (1720-1723), Faulquemont (1669-1764), Fenetrange (1679-1792), Flastroff (1723-1823), Fleisheim , Forbach (1690-1791), Forschwiller(1701-1764), Halstroff (1691-1792), Herange, Herbitzheim (alph. Register), H o m b o u r g / H a u t (1682-1796),

Quellenverzeichnis

373

Ihn, Insming, Lebach (1703-), Leidingen, L'Höpital (1731-1754), Leywiller (16951775), Lixingen (1665-1762), Langeville-les-Metz (1668-1793), Langeville (16651745), Lorentzen (1685-1808), Baronie Lontzviller (1692-1792), Lubey (1682-1792), Luppy (1693-1793), Macheren, Merlebach (1754-1770), Metzerwisse (1693-1793), Montigny (1670-1793), Morhange (1680-1793), Mont-Royal (1687-1698), Neufgrange (1683-1764), Neunkirchen (b. Sarreguemines, 1731—44), Nousseviller (17011771), Puttelange (1671-79, 1683-1769), Rech-Annexe (1751-1764), Remering (17061792), Remering-les-Puttelange (1706-1792), Rohrbach (b. Bitsch, 1701-1741), Rombas (1661-1792), Sarralbe (1702-1728), St. Avoid (1645-1740), Saarwellingen, Sarreguemines (1708-1746), Sarreinsming (1687-1811), Siersthal (1682-1735), Sierck-lesBains (1658-1693), Schorbach (b. Bitsch, 1715-1731), Schwarzenholz (1696-1797), Schwalbach (1763-1810), St. Wendel-Stadt (1581-1796), St. Wendel-Land (Urexweiler, Roschberg, Rentscheid, Furschweiler, Pinsweiler, Marpingen, 1658-1796), Soucht (1736-1806), Spichern (1734-1780), Teterchen (1715-1792), Tenteling-Ebring (1676-1886), Teting-sur-Nied (1649-1691), Thalexweiler (mit Schellenbach, Steinbach, Dörsdorf, Henselhofen, Archbach, Lindscheid, Exweiler, 1693-1807), Theding (1676-1794), Thionville (1599-1715), Tromborn (1734-1742), Tawern (1701-1894), Tünsdorf (1792-1900), Vahl-Ebersing (1718-1800), Valles-Faulque-mont (1745-92), Vahl-Laning (Kant. Grostenquin, 1696-1793), Vahl-les-Benestroff (1694-1791), Valette (1734-35), Vallieres (1641-1791), Valmunster (1604-1790), Varize (Kant. Boulay, 1650-1792), Varsberg (1680-1721), Vaudreching (1676-1791), Völk-lingen (1686-1798), Weiler, Weiten, Weiskirchen (1725-1842), Weiferding (1717-1791), Wieswiller/Wölfling (1722-1799), Zinzing

Landesarchiv

Saarbrücken

Best. 14: Herzogtum Lothrigen, Nr. 206: 1701, 1703, 1716; Nr. 210: 1707; Nr. 236: 16181626; Nr. 243-247: 1741-1790; Nr. 263: 1774-1780; Nr. 264: 1768-1790; Nr. 2 9 2 319: 1673-1790; Nr. 337: 1744-1767; Nr. 338: 1753-1783; Nr. 356: 1696; Nr. 474: 1791/1792; Nr. 483/484: 1735-1746, 1767-1780; Nr. 492: 1716-1773; Nr. 497: 17011783 Best. 22: Nassau-Saarbrücken I, Nr. 65: ab 1700; Nr. 66: ab 1750; Nr. 167: 1662; Nr. 2351: 1617, 1618, 1620 (Schallersche Spezification 1715); Nr. 2353: 1764 und 17./18. Jahrhundert; Nr. 2441: 1227-1548; Nr. 2442-2447; Nr. 2490: 1699-1742; Nr. 2508: 15. Jahrhundert-1717; Nr. 2534: 1789; Nr, 2558: 1789-1791; Nr. 2560: 1564-1613; Nr. 2562: 1582-1726; Nr. 2584: 1716-1791; Nr. 2593: 1418-1791; Nr. 2597/2598: 1667-1790, 1445-1612; Nr. 2627: 1446, 1457, 1494-1787; Nr. 2637: 1477-1751; Nr. 2640; Nr. 2659: 1470-1792; Nr. 2675: 1770-1778; Nr. 2749: 1440-1783; Nr. 2761: 1580, 1623; Nr. 2781/2782: 1493-1769, 1774; Nr. 2810: 1531-1762; Nr. 2815: 17031756; Nr. 2822: 1477-1780; Nr. 2825: 1693-1790; Nr. 2847/2848: 1439-1837; Nr. 3004: 1622-1635; Nr. 3042; Nr. 3274: ab 1550; Nr. 3476: 1717; Nr. 3490: 1737-1743; Nr. 3502: 1741; Nr. 3504: 1766-1768; Nr. 3511: 1762; Nr. 3516: 1753-1777; Nr. 3520: 1769, 1773; Nr. 3775-3785: bis 1741; Nr. 4022: 1778/1779; Nr. 4033: 1748, 1764; Nr. 4060: 1758; Nr. 4061; Nr. 4159-4161: 1608-1611; Nr. 4253: 1774; Nr. 4288: 1653, 1657; Nr. 4289: 1593/1594; Nr. 4303: 1771, 1776; Nr. 4309: 1775; Nr. 4352: 1737; Nr. 4360: 1532; Nr. 4390: 1749; Nr. 4416: 1742; Nr. 4417; Nr. 4418; Nr. 4423: 1712; Nr. 4426: 18. Jahrhundert; Nr. 4427-4429; Nr. 4461-464: 1723, 1726, 1733 f.; Nr. 4522: 1737; Nr. 4568: 18. Jahrhundert; Nr. 4571: bis 1629; Nr. 4610/ 4611: 1762, 1617/1618; Nr 4612: 1729; Nr. 4680: 1550-1630; Nr. 5254: 1680-1686; Nr. 5279: 1663-1701; Nr. 5320: 1721-1733; Nr. 5326: 1776 f.; Nr. 5426-5429: 18. Jahrhundert

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Quellenverzeichnis

Best. 38: Nassau-Saarbrücken III, Nr. 15: 1726-1751; Nr. 4 4 ^ 7 : 1720-1790; Nr. 51: 1564; Nr. 62: 1542-1792; Nr. 609-617: 18. Jahrhundert; Nr. 619: 1572 f.; Nr. 620/ 621: 1728-1790; Nr. 622-645: 1699-1778; Nr. 652-688: 1447-1766; Nr. 769: 15931630; Nr. 779: 1765-1770; Nr. 1063-1091; Nr. 1092-1113 Best. 92: Kloster Fraulautern, Nr. 426: 1602-1764 Best. 165: Chorherrenstift St. Arnual, Nr. 15: 1528 Best. Herrschaft Münchweiler, Akten, Nr. 6; Nr. 12: 1752; Nr. 33: 1829 ff.; Nr. 178: 1628 ff..; Nr. 191: 1750 ff.; Nr. 199; Nr. 211; Nr. 258: 1558/1559 (Abschrift 1722); Nr. 287: 1584-1614; Nr. 297: 1767; Nr. 316-318: 17. Jahrhundert-1776; Nr. 370: 17. Jahrhundert; Nr. 371: 1618-1624; Nr. 379: 18. Jahrhundert; Nr. 389/390: 17./18. Jahrhundert; Nr. 409; Nr. 431: 1771; Nr. 433: 1771 Best. Depositum Stadt Ottweiler, Nr. II/669: 1754-1798 Best. Depositum Losheim, Nr. 29: 1556-1909 Best. Nachlaß Rug, Nr. 142: 1695-1745; Nr. 145: 1732-1792; Nr. 150: 1672-1708; Ordner Köllertaler Volkskunde Best. Depositum Familie Stumm, Nr. 1: 1835; Nr. 21: 1834; Nr. 30: 1834; Nr. 35: 1834 Landesarchiv Speyer Abt. B: Herzogtum Pfalz-Zweibrücken, Best. B2: Akten, Nr. 97/6: 1614,1742; Nr. 160: 1731; Nr. 161/2: 1589; Nr. 162/8: 1741; Nr. 164,1: 1712; Nr. 169/1 und 169/2: 1744-1788; Nr. 187,1:1580; Nr. 233/6: Verordnungen nach Schlagworten, u.a. VI. Geburt, XV. Krankheiten, Seuchen, XX. Medizinalwesen; Nr. 749/7:1775; Nr. 2192: 1778; Nr. 2205: 1781/1782; Nr. 2416: Verordnungen, Medizinalordnungen 1762, 1769; Nr. 2848: 1722-1791, 1741, 1722, 1757; Nr. 2548: 1778/1779; Nr. 2597-2602: 1705-1760, 1720-1786; Nr. 2603-2605: 1748-1788; Nr. 2607: 1756-1766; Nr. 2608: 1792; Nr. 2682: 1687-1777; Nr. 4319/4320: 1770-1791; Nr. 6189; Nr. 6431:1787-1792; Best. B3; Best. B4, Nr. 3518/3519:1721-1728 Abt. C: Adel und weltliche Territorien, Best. C32-34: Von der Leyen, Urkunden, Akten, Rechnungen; Best. C33, Nr. 8/1: 1783-1797; Nr. 8/4: 1781/1782; Nr. 9: 1732-1781; Nr. 10/3: 1735-1743; Nr. 11': 1713-1733; Nr. 16: 1646; Nr. 16a: 1784; Nr. 19f: 17841786; Nr. 20: 1543-1575; Nr. 58d: 1758-1765; Nr. 67/II.7: 18. Jahrhundert; Nr. 77/c 36: 1766; Nr. 78/b: 1663; Nr. 82/b: 1725-1727, 1742, 1748-1752, 1772, 1774, 1786, 1788; Nr. 9 5 / a - a " : 1738-1785; Nr. 107/b: 1710-1713; Nr. 107/d: 1727-1784; Nr. 124/39b: 1760-1775; Nr. 203/62: 1771, 1774, 1777, 1786; Nr. 206/c/27: 1750, 1766, 1768; Nr. 209/71: 1735; Nr. 210/112 und 210/113:1668; Nr. 213/157:1750-1785 Abt. F: Selekte vor 1789, Best. F5: Briefprotokolle, Nr. 522: 1566-1603; Nr. 660: 16551723; Nr. 662: 1607-1749; Best. F6: Kirchenbücher, Nr. 359: 1640-1721

Landeshauptarchiv Koblenz Best, lc: Akten der geistlichen und staatlichen Verwaltung, Nr. 1607/1608: 1753-1798; Nr. 3832: 1575/1576; Nr. 4437: 1557-1744; Nr. 4882: 1737; Nr. 4887: 18. Jahrhundert; Nr. 7444: 1692, 1796; Nr. 7486/7: 1608-1668; Nr. 8740: 1572-1771; Nr. 90609100: 1721-1785; Nr. 9111-9126: 1605-1760 (1792); Nr. 9156: 1787-1791; Nr. 11040: 16.-18. Jahrhundert; Nr. 11325: 1569; Nr. 11335/11336: 1571, 1580-1597, 1600, 1618, 1621, 1624, 1627, 1628, 1630, 1631, 1652; Nr. 12528: 1736-1755; Nr. 13356/13357: 1716-1750; Nr. 13388-13392: 1746-1757; Nr. 13394/13395: 1773-1798, 1779-1796; Nr. 13396: 1753-1787; Nr. 13406-13415: 1687/1688; Nr. 13419 und Nr. 1342213424: 1661-1798; Nr. 13476-13478: 1732-1754; Nr. 13500; Nr. 13510/13511: Nr. 13518; Nr. 13526; Nr. 13530-13533; Nr. 13552-13556; Nr. 13564: 1699-1797; Nr.

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Quellenverzeichnis

13527: 1 7 5 5 - 1 7 9 5 ; N r . 1 3 5 3 4 - 1 3 5 3 8 : 1 6 8 3 - 1 7 6 9 ; N r . 13539: 1 6 9 3 - 1 7 2 4 ; N r . 13565: 1 7 7 6 - 1 7 8 0 ; N r . 13566: 1 7 1 5 - 1 7 3 0 ; N r . 13662: 1 7 4 9 - 1 7 7 0 ; N r . 13670: 1 7 6 2 - 1 7 6 5 ; Nr. 13674/13675: 1 7 6 7 - 1 7 9 8 , 1 7 8 6 - 1 7 9 8 ; N r . 1 3 8 1 3 - 1 3 8 7 7 : 1 5 7 7 - 1 7 0 0 (1797); N r . 1 3 9 9 1 - 1 3 9 9 9 : 1 5 7 0 - 1 7 0 0 ; Nr. 14118; N r . 1 4 1 2 5 - 1 4 1 3 3 : 1 5 7 7 - 1 7 0 0 ; N r . 16106: 1 6 1 8 1784; N r . 16815: 1 7 6 9 - 1 7 7 8 ; N r . 17219: 1749; N r . 17698: 1695; N r . 18637: 1714 Best. 24: Fürstentum Zweibrücken, N r . 519/520: 1 6 9 8 - 1 7 3 7 ; N r . 523: 1791; Nr. 527: 1 7 3 8 - 1 7 5 1 ; Nr. 530: 1 7 7 4 - 1 7 8 4 ; Nr. 797: 1 6 2 0 - 1 7 6 4 ; Nr. 878: 1787/1788; N r . 1050: 1601; N r . 1057/1058: 1 7 7 0 - 1 7 7 4 ; N r . 1092: 1720; N r . 1276: 1 5 6 2 - 1 7 0 0 ; N r . 1285: 1754; N r . 1308: 1671; N r . 1400: 1 5 6 1 - 1 5 8 0 ; N r . 1447: 1614/1615; N r . 1458: 1673; Nr. 1464/1465: 1 5 6 3 - 1 7 8 9 ; Nr. 1 4 7 0 - 1 4 7 2 : 1 5 6 1 - 1 6 6 6 ; N r . 1535: 1631, 1660; N r . 1638: 1570, 1677; N r . 1682: 1 5 9 8 - 1 7 5 5 ; N r . 1 7 9 8 - 1 8 0 9 und N r . 1919: 1 7 5 7 - 1 7 9 0 Best. 51,20: Hochgericht Theley, N r . 5 - 1 8 : 1 6 6 9 - 1 7 8 3 Best. 53 c,46: Herrschaft Stein-Kallenfels, Nr. 495: 1673 Best. 54: Familien, N r . Ρ 234 Best. 55A: Bailei Lothringen, Best. 5 5 A 4: Deutscher Orden, Nr. 178 und N r . 201: 1 6 2 5 1634; N r . 1268: 1672/1673 Best. 143: Kloster Mettlach, N r . 405: 1600, 1670, 1685, 1688, 1699, 1700, 1708, 1740, 1768; N r . 454: 1617 Best. 215: D o r f und Gericht Michelbach, Nr. 1642/1643: 1696, 1719, 1722, 1733, 1738, 1740, 1750, 1754, 1762, 1769; Nr. 1656: 1618 ff.; N r . 1 8 3 2 - 1 8 3 4 : 1 5 7 7 - 1 7 6 7 ; Nr. 1873: 1 7 1 3 - 1 7 3 1 ; Nr. 1876/1877: 1 5 1 4 - 1 7 9 6 Best. 218: Kloster Wadgassen, Nr. 761: 1 6 0 8 - 1 7 3 2 ; Nr. 767: 1 6 3 2 - 1 6 3 4 Best. 442, N r . 1201: vor 1815

IV. Sonstige Universität Göttingen, Volkskundliches

Institut

Nachlaß Angelika Merkelbach-Pinck, o. Nr., Manuskripte und Handschriften zu Brauchtum, Geburt, Taufe, Kindbett und Aussegnung in Lothringen, Mitte 19./Beginn 20. Jahrhundert

Handschriftliche

Quellen aus Privatbesitz

Merkbuch des Dietrich Bickelmann, Berschweiler 1 8 5 2 - 1 8 6 4 , handschriftl., Privatbesitz Familie Petzinger, Heusweiler Merkbüchlein des Jacob Bickelmann, Berschweiler, begonnen um 1843, handschriftl., Privatbesitz M. Boussonville, Bietschied Notizbuch der Karoline Bickelmann, Beschweiler um 1840, handschriftl., Privatbesitz Brauchbuch Rockershausen, Mitte 19. Jahrhundert, handschriftl., Privatbesitz M. von Mellin, Rockershausen Merkbuch des Johann Feld, Hellenhausen 1 7 7 1 - 1 7 7 5 , handschriftl., Privatbesitz Notizbuch des Johann Friedrich Lemmes, Wiebelskirchen 1834, handschiftl., Privatbesitz Familie Lemmes, Wiebelskirchen Wanderbuch des Schmiedegesellen Johannes Friedrich Lemmes, Wiebelskirchen um 1830, Privatbesitz Familie Lemmes, Wiebelskirchen Schreibbuch des Johann Peter Nicolay, worinnen allerley Recepten und sonstige Schreybereyen eingetragen sind, angefangen den lten jenner 1808, handschriftl., Privatbesitz Familie Dörr, Neumühle bei Dilsburg Brauchbuch des Gerbers Johann Scherer, Hellenhausen, begonnen 1771, handschriftlich, Privatbesitz

Auswahlbibliographie I. Literatur vor 1800 Bourgeois, Louise, Ein ganz neu, nützlich Hebammen-Buch, darin von der Fruchtbarkeit und Unfruchtbarkeit der Weiber, zeitiger und unzeitiger Geburt... zusampt dem Ampt einer Wehemutter oder Hebammen weit läuffig gehandelt wird, Oppenheim 1619, Hanau/Frankfurt a.M. 1644-1652 Dies., Hebammen Buch. Erstmals durch Fraw Louyse Bourgeois in Frantzösischer Sprache geschrieben/Hernach aber in die Teutsche Sprache vbersetzt, Bd. 1—4, Frankfurt a.M. 1626-1628 Dies., Observations diverses sur la sterilite, perte de fruict, foecondite, accouchement et maladies des femmes et enfans nouveau naix, Bd. 1—4, Paris 1626 Cusanus, Nicolaus S.J., Christliche Zuchtschul/In welcher neben dem Cathechismo auch gründliche unnd warhafftige Resolution und Auflösung aller schweren Fragstück, so in jedem weltlichen Standt, Wandel unnd Handel mögen fürfallen: wie auch der fürnembsten streittigen Artickeln Erklärung Kürtzlich fürgebracht wird, Trier 1631 Faber, Johann G., Stoff für den künftigen Verfasser einer pfalz-zweibrückischen Kirchengeschichte von der Reformation an, 2 Bde., Frankfurt a. M./Leipzig 1790/1792 Frank, Johann Peter, Behandlung der Krankheiten des Menschen, Berlin 1794 Hufeland, Christoph Wilhelm, Die Kunst, das menschliche Leben zu verlängern, Berlin 1796 Juengken, Johann Helfried, Der nach den heutigen vernunfftmäßigen aus der anatomie und chymie hergeführten grundreguln unterrichtete Medicus oder Leib-Arzt, Frankfurt a.M./Leipzig 1702 Julet, Nicolas, Miracles et graces de Notre-Dame de Bonsecours-les-Nancy, Nancy 1630 Menius, Justus, Oeconomia Christiana/das ist/von Christlicher haußhaltung. Mit einer schönen Vorrhede/D. Martini Luther, Nürnberg 1530 Mirakelbuch Beurig, druckfertiges Manuskript [Trier] 1655 Moritz, Antfon], von Sr. Kuhrfürstlichen Durchlaucht zu Trier gnädigst verordneten Lehrers der Hebammen des obern Erzstiftes und Wundarztens Kurze Unterweisungen der Geburtshielfe zum Gebrauche seiner Vorlesungen bey den Hebammen und Nutzen der schwangeren und gebährenden Weiber, Trier [1773/1774] Nettesheim, Agrippa von, De nobilitata & praecellentia foeminei sexus, Köln 1532 Paracelsus, Philippus Aureolus Theophrastus, De caduco matricis. Von hinfallenden Sichtagen der Mutter, in: Karl Sudhoff (Hg.), Medizinische, naturwissenschaftliche und philosophische Schriften, Abt. 1, Bd. 8, (ND) München 1928, 319-368 Ders., De virtute imaginativa, in: Karl Sudhoff (Hg.), Sämtliche Werke, Bd. 14, München/Berlin 1933,309-319 Pare, Ambroise, Les oevres. Reveuz & augmentez par l'Autheur, Paris 15792 Schaal, Friedericus, Fr. Ord. S. Wilhelmitarum, Gräfinthaler Mirakelbuch, o. O. 1671 Siegemund, Justina, Die Chur-Brandenburgische Hoff-Wehe-Mutter, Köln 1690, Berlin 1708, Leipzig 1715, Leipzig 1724 Dies., Die Königl. Preußische und Chur-Brandenb. Hof-Wehe-Mutter, Berlin 1723 Viardel, Cosme, Observations sur la practique des accouchements naturels, contre nature et monstrureux, Paris 1674 Villanova, Arnold von, Von bewarung und beraitung der wein, Eßlingen 1478 Wernher, Karl Peter, Entwurf einer Kirchen= und Religionsgeschichte des Herzogtums Zweybrucken nach der Regierungs=Zeit der Durchlauchtigsten Herren Herzogen von der Reformation an bis auf unsere Zeit aus unverwerflichen Urkunden verabfasset, Hanau 1782

Auswahlbibliographie

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Weyer, Johann, De prestigii daemonorum et incantationibus, ac veneficiis, Libri V, Amsterdam 1660 Ders., Von Teuffelsgespenst Zauberern und Giftbereytern/Schwarzkünstlern/Hexen und Unholden/darzu ihrer Straff ( N D ) Darmstadt 1963 Wittich, Johann, Tröstlicher Unterricht für Schwangere und geberende Weiber, Leipzig 1591

II. Literatur nach 1800 Adler, Doris, Im „wahren Paradies der Weiber" ? Naturrecht und rechtliche Wirklichkeit der Frauen im Preußischen Landrecht, in: Viktoria Schmidt-Linsenhoff (Hg.), Sklavin oder Bürgerin? Französische Revolution und Neue Weiblichkeit 1760-1830, Frankfurt a.M. 1989, 206-222 Alber, Wolfgang/Dornheim, Jutta, „Die Fackel der Natur vorgetragen mit Hintansetzung alles Aberglaubens". Zum Entstehungsprozeß neuzeitlicher Normensysteme im Bereich medikaler Kultur, in: Jutta Held (Hg.), Kultur zwischen Bürgertum und Volk, Berlin 1983, 163-181 Albrecht, Ines/Loytved, Christine, Gebärpositionen in der Geschichte und Volkskunde aus medizinischer Sicht, in: Frauenalltag - Frauenforschung. Beiträge zur 2. Tagung der Kommission Frauenforschung in der Deutschen Gesellschaft für Volkskunde, Freiburg 22.-25.5.1986, hg. von der Arbeitsgruppe volkskundliche Frauenforschung Freiburg, Frankfurt a.M./New York/Paris 1988, 347-353 Alfing, Sabine/Schedensack, Christine, Frauenalltag im frühneuzeitlichen Münster, Bielefeld 1994 Ammerich, Hans, Gräfinthal als Wallfahrtsort in der frühen Neuzeit, in: Saarpfalz. Blätter für Geschichte und Volkskunde, Sonderheft 1994: Beiträge zur Geschichte Gräfinthals, 12-28 Aries, Philippe/Duby, Georges (Hg.), Geschichte des privaten Lebens, Bd. 3: Von der Renaissance zur Aufklärung, hg. von Philippe Aries/Roger Chartier, Frankfurt a.M. 1991 Arnold, Klaus, Der Wandel der Mutter-Kind-Darstellung am Beispiel der Kölner bildenden Kunst des späten Mittelalters, in: Klaus Schreiner/Norbert Schnitzler (Hg.), Gepeinigt, begehrt, vergessen. Symbolik und Sozialbezug des Körpers im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit, München 1992, 243-261 Au, Hans von der, Heit ist Kerb in unserem Dorf. Tänze rechts und links der Saar, Kassel/Basel 1954 Ders., Die Kindszeche im westlichen Mainfranken, in: Bayerisch-süddeutsche Hefte für Volkskunde 13 (1940), 3 - 7 Bachorski, Hans-Jürgen (Hg.), Ordnung und Lust. Bilder von Liebe, Ehe und Sexualität in Spätmittelalter und Früher Neuzeit, Trier 1991 Badinter, Elisabeth, Die Mutterliebe. Geschichte eines Gefühls vom 17. Jahrhundert bis heute, München/Zürich 1981 Bärsch, Georg, Beschreibung des Regierungs-Bezirks Trier, Bd. 1, Trier 1849, Bd. 2, Trier 1846 Bange, Petronella, Frauen und Feste im Mittelalter, in: Detlef Altenburg/Jörg Jarnut/Hans-Hugo Steinhoff (Hg.), Feste und Feiern im Mittelalter, Sigmaringen 1991, 125-132 Barry, Jonathan/Jones, Collin (Hg.), Medicine and Charity before the Welfare State, London 1991 Barth-Scalmani, Gunda, Die Reform des Hebammenwesens in Salzburg zwischen 1760 und 1815, in: Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde 134 (1994), 365-398

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Auswahlbibliographie

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Auswahlbibliographie

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Bildnachweis W. Beach, Improved System of Midwifery, Boston 1848, 15 (8); Bildarchiv Sammlung Preußischer Kulturbesitz, Berlin (28); H . Boesch, Kinderleben in der deutschen Vergangenheit, Leipzig 1900, 14 (26); Der Teutsch Cicero, Augsburg 1535, Titelkupfer Drukerei Steyner, Augsburg (10); Η . P. Duerr, Intimität. Der M y t h o s vom Zivilisationsprozeß, Bd. 2, F r a n k f u r t a.M. 1990, 122 (ohne Bildnachweis) (6); C. Estienne, D e dissectione partium corporis humani libri tres, Paris 1545, Abb. 11 (1); Gemäldegalerie der Staatlichen Museen Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Berlin (29); Germanisches Nationalmuseum, N ü r n b e r g (27); Graphiksammlung der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Institut f ü r Medizingeschichte (17, 18); Kupferstichkabinett, Berlin (25); W. H u n t e r , T h e A n a t o m y of the H u m a n Gravid Uterus, Birmingham 1774, Abb. 12 (7); L'heureux evenement: une histoire de l'accouchement, Paris 1995, 55 (23); A.M. Pachinger, Die Mutterschaft in der Malerei und Graphik, München/Leipzig 1906, 48, 82 (4, 5); H a r o l d Speert, Iconographia Gyniatrica. A Pictorial History of Gynecology and Obstetrics, Philadelphia 1973, 126, 150, 385 (11, 14, 24); Stadtarchiv Saarburg, Hospitalrechnungen (2); Stadtbibliothek Dessau, Codex Georg 7b (9); Steiermärkisches Landesmuseum Joanneum, Steierisches Volkskundemuseum, Graz, Inv.-Nr. 12393 (16); Wallfahrtskapelle Maria Gern, Berchtesgaden (15); Friedrich von Zglinicki, Geburt. Eine Kulturgeschichte in Bildern, Braunschweig 1983, 36, 320 f., 326 f. (3, 19, 20, 21, 22); Ders., G e b u r t und Kindbett im Spiegel der Kunst und Geschichte, Aachen 1990, 260, 284 (12, 13).

HISTORISCHE ANTHROPOLOGIE Kultur -

Erscheinungsweise: dreimal jährlich

G e s e l l s c h a f t - Alltag

Einzelheft D M 3 8 , - / s F r 3 5 , - /

H e r a u s g e g e b e n u.a. von:

ö S 277,-. J a h r g a n g D M 8 8 , - /

Richard van Dülmen, Alf Lüdtke, H a n s Medick. Michael Mitterauer.

sFr 8 0 , - / ö S 6 4 2 , (für Studierende D M 6 8 , - / sFr 6 2 . - / ö S 4 9 6 , - )

Die Vielfalt und Widersprüchlichkeit historischer Praxis, in der die Menschen sich Welt aneignen, steht im Blickpunkt der Zeitschrift Historische Anthropologie. Befindlichkeiten und Einstellungen, Deutungen und Imaginationen, Verhaltensund Handlungsweisen sollen in ihren historisch-sozialen Bezügen untersucht und dargestellt werden. Es geht darum, in den gesellschaftlich-kulturellen Verhältnissen und alltäglichen Lebenswelten der Vergangenheit die Gleichzeitigkeiten von »Fremdem« und »Eigenem«, von »langer Dauer« und rapidem Wandel zu erschließen. Historische Anthropologie bildet ein Forum für die wissenschaftliche Diskussion aktueller Themen und neuer Zugangsweisen zur Geschichte von der Antike bis zur Gegenwart. Die Zeitschrift hat ihren Schwerpunkt auf dem mitteleuropäischen Raum, gleichzeitig soll sie den historischen Blick auf außereuropäische Kulturen öffnen. Historische Anthropologie legt Wert auf interdisziplinäre Zusammenarbeit und bringt Wissenschaft »ins Gespräch«: sie bietet Materialien und Diskussionsstoff fur eine an historisch-kultureller Selbstverständlichkeit interessierte Gegenwart. Bitte fordern Sie unser Probeheft an!

T H E O D O R - H E U S S - S T R . 7 6 , D - 5 1 1 4 9 K Ö L N , T E L E F O N (O 22 0 3 ) 3 0 7 0 2 1